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JAHRESBERICHT
über
die Fortscliiitte der classisclieii
Alterthumswissenscliaft
b^rUndet
Conrad Bursian,
herau^cgeben
I'wan V. Müller,
onL fiSenÜ. Prof. der clutiichea Philologie bd der UDivenitllt EilaagcD.
Secbsandsechzigster Band.
Jahresbertcht Ober die griechischen Inschriften von W. Larfeld.
— Jahresbericht über die griechische Mythologie aus den Jahren
1886 — 1890. Von Friedrich Back.
BERLIN 1892.
VERLAG VON S. CALVARY & CO-
W, Unter den Lindvo 31.
Jahresbericht
über die griechische Epigraphik für 1883 — ^1887.
Von
Dr. Wilhelm Larfeld,
Oberlehrer in Remscheid.
Zw eiter TeiL
Fortsetzung 1).
Xn. Insulae Aegaei maris cum Bhodo, Greta, Gypro.
Rhodus.
Schumacher, Rhein. Mas. 41 1886 S. 233 — 288 emendiert das
Dekret der Lindier inbetreff der Feier der Sminthien Rofs, Hellenica II
p. 113 n. 47. Za Z. 14. 16 und 20. 21 vgl. aufserdem Ditten berger,
De sacris Rhodiorum commentatio, Index Schol. Hai. Sommer 1886 p. XI,
welch letzterer in fast allen Punkten mit Schumacher Obereinstimmt, je-
doch die Ergänzung (lfd^]£efffxa (Dittenb.: i^a^]ti^(dv)a) ftlr verfehlt hält;
vgl. Ind. Schol. Hai. Sommer 1887 p. III.
Dittenberger, 1. c. p. Xn giebt eine Restitution des Dekretes
der Lindier Rofs, Archäol. Aufsätze II S. 610 n. 21.
Derselbe, De sacris Rhodiorum commentatio altera. Index Schol.
Hai. Sommer 1887 p. X— XVI erweist das auf Rhodos gefundene Dekret
mit einer Liste von Beisteuernden Newton, Greek inscr. U S. 107 n. 343
als nach Eos gehörig (s. Bd. LX S. 498). — Eben dahin gehören die Ver^
zeichnisse
Gardner, Journal of hellenic studies VI 1885 S.249f. n. 1 und S. 263
n. 4, sowie die Fragmente a. a. 0. S. 262 n. 3 a. b (s. Bd. LX S. 496).
Holleaux und Diehl, BCH IX 1886 S. 86—89 n. 1. Lindos. Ge-
nauere Abschrift einer von Löwy, Archäol.-epigr. Mitteil, aus Österreich
1) Teil I 8. Bd LH (1887. III) 8.379-564; Teil II, Anfang: Bd. LX
(1889. III) S. 442-499.
JahrMbcrieht ffir AlUrtoouiriMe&sebaft. LXVI. Bd. 1
147754
2 Griechische Epigraphik.
VII 1883 S. 137 ff. n. 11 (ROhl II, 46) herausgegebenen Liste von Bei-
steuernden mit dem Präskript: T]o{8€ i[ne8o]aav J[ev]S/otc ig räv dno-
xardffraffev rou xdajwu (2) T]äi 'A&dvae xcd rdtfi fton^pemv. Z. 3—127 in
zwei Kolumnen Verzeichnis der Beisteuernden, unter denen auch Frauen
und Mindeijährige mit ihren Vormttndern begegnen : I. Z. 3 - 64 JevSo-
noXerau (bis zum Bruch des Steines). II. Beisteuernde aus den Demen:
Z. 65-72 BpoLaiwVy Z. 73—81 flayiiov, Z. 82—99 KofiuySewv, Z. 100-127
(bis zum Bruch) Kkaa(a»v, — Die Liste ist gleichzeitig — da mehr-
fach dieselben Personen begegnen — mit der Inschrift von Liodos Fou-
cart, Inscr. inöd. de Rhodes n. 60 = Newton, Greek inscr. n. 357. Beide
wohl aus dem 3. Jahrh. v. Chr.
Dieselben, a. a. 0. S. 106f. n. 10. Lindos. Vollständigere Kopie
der Inschrift Foucart, a. a. 0. n. 64. Zwei Kolumnen, deren eine ein
änfserst verstümmeltes Verzeichnis von Priestern der Hauptgottheiten von
Lindos enthält (Z. 11: ^ApTdiuT\oi Kexotag; Z. 16 ein d)'aß]voBeTaQ), wäh-
rend die andere ein Namenverzeichnis bietet, an dessen Schlufs drei
äyBiioves (militärische Würdenträger) figurieren. Darunter die Künstler-
inschrift eines Archidamos aus Milet.
Foucart, BCH X 1886 S. 199-202. Rhodos. Auf der Vorder-
seite (Kol. A. B) und der rechten Seite (Kol. C) beschriebener Stein.
A und B Siegerliste bei Spielen, deren Name nicht erwähnt wird. Jede
Kolumne umfafst mindestens vier Jahre. Verzeichnet sind der Agonothet,
die siegende Phyle (Nexaaewwjeg ^ WkuiiwfjlQ^ Baath}tg\ ihr Phylarch und
Gymnasiarch. Da die Namen der Phylen wie die sieben Agonotheten
und Phylarchen sonst nicht begegnen, so mufs es sich um Spiele han-
deln, welche nicht die Stadt, sondern eine überwiegend aus Fremden be-
stehende religiöse Genossenschaft veranstaltete. C enthält unter der
Überschrift: Euepye]Te8£g roü [xotvou eine Namenliste. Da sich in der-
selben auch zahlreiche Männer finden, so ist vielleicht zu ergänzen:
Ebepyirat xal Elk — . An der Spitze dieser Liste figuriert der Stifter der
Genossenschaft, Nikasion aus Kyzikos, mit seiner Familie. Nach seinem
und seines Sohnes Namen, sowie nach den Namen seiner Frau und
Tochter (Olympias) und seiner Schwiegertochter (Basilis) sind die drei
Phylen benannt. Von den Verzeichneten begegnen der Antiochier Theon,
Oft ä imSajxea dedorae (C, 11/12) und der Rhodier Demetrios, S. des D.
(C, 9), auch in einer Künstlerinschrift aus Alexandria (Löwy, Künstler-
inschriften n. 187). Ersterer wird auch erwähnt in der wahrscheinlich
aus der ersten Hälfte des 2. Jahrh, v. Chr. stammenden Inschrift Fou-
cart, a. a. 0. S. 15. Hiemach bestinmit sich das Alter unserer Inschrift.
Durrbach und Radet, a. a. 0. S. 265 n. 3. Lindos. Von einer
Liste von Eigennamen mit Vatersnamen sind nur letztere, zum teil sehr
verstümmelt, erhalten.
XIL InsnUe Aegad märte etc.: Bhodiu. 8
Holleaax and Dtehl, BGH IX 1886 S. 115f. n. 14. Ealathos
(80. -Koste von Rhodos). Namenliste in zwei Kolumnen. O ^ ^'
4. Jahrh.?
Dittenberger, Ind. Schol. Hai. Sommer 1887 (s. o.) p. IXsq.
liest in der Priesterliste bei Rofs, Inscr. ined. Ol p. 28 n. 277 nicht mit
Bergk AtTnonxfua^ sondern dtnavofud and bezieht diesen Aasdrnck auf das
rhodiscbe Schaltjahr mit doppeltem Monat Panamos.
Smith, Joamal of hellenic stadies lY 1883 S. 361 n. 10. Kameiros.
Auf das Präskript: 'AnoXXwvo^ — (2) Kap\vtiou xcä MuXavr[os — folgt
ein verstttmmeltes Verzeichnis vielleicht von lepet^^ Uponoeol oder lepo-
^uTcu. — Der Apollon Mylas war bisher unbekannt
Derselbe, a. a. 0. S. 362 n. 11. Opfervorschrift: 'Ayptav^ou hfärat
(2) i? Ixddoc AeovU'{S)ffaße Ipt^og,
Beaadouin, BGH Vin 1884 S. 363 ff. Auf der Stätte des alten
Bryküs auf dem benachbarten Karpathos gefundenes Ehrendekret der
xToiva ä nortdatiiüv auf Pamphilidas, S. des Hieron, KapnaBtoTtoXtra^
in dorischem Dialekt Den nur auf rhodischen Inschriften (vergl. Röhl
II, 46 o. und 46 o.) begegnenden Ausdruck xrotva erklärt der Herausg.
als >une sorte de colonie religieuse ayant le m^me culte, que la cito,
culte transmis par las ancdtresc Für die Mutterstadt dieser rhodischen
xTotva mochte derselbe Lindos halten, da Z. 26/26 ein lephv räc 'A&aväc
rac Jtvdea^ in Potidaion erwähnt wird. KapnaßconoXerae wohl rhodiscbe
Bezeichnung eines freien Borgers von Karpathos. Der auf mehreren rho-
dischen Inschriften vorkommende Ausdruck Xeßo^ Xdprtoc^ auf welchem
das Dekret niedergeschrieben werden soll, wäre nach dem Herausgeber
auf die Herkunft des Steines zu beziehen. Nach Schumacher, Rhein.
Mus. 41 1886 S. 628 f. wäre Adprog wahrscheinlich identisch mit dem in
der Nähe von Lindos gelegenen Vorgebirge und Dorf Lardos (bisweilen
auch Lartos geschrieben). Die geologischen Verhältnisse jener Gegend
würden vortrefflich zu den Mitteilungen der Herausgeber über die Natur
der betreffenden Inschriftsteine (blauer Kalkstein) stimmen. — Von
sprachlichen Eigenheiten seien erwähnt: napBtax^fiovovi Z. 13, dva^por
fijaet Z. 22, alpiByji (= ^pi^^) Z. 31. — Wahrscheinlich aus dem Ende
des 3. oder Anfang des 2. Jahrh. v. Chr.
Löwy, Archäol.- epigr. Mitteil, aus Österreich IX 1886 S. 217 n. 1.
Rhodos. Der Damos d«r Rhodier ehrt den Pratagoras, S. des Charida-
mos. — n. 2. Ebd. Fragmentierte Ehreninschrift auf — r^/xov 'AXb^i-
fieveuCt (2) xa^^ boBemav 8k AMwyog, (3) x\kap(i}räv ^ev[o];iew[o]v (4)
Toiv [S\txaaTäv u. s. w. — 'S. 219 n. 23. Lardos. Th xoevbv tö Mijveaaräv
(noch nicht belegt) ehrt den Hephaistion aus Antiochia; daneben Grab-
4 Griechische Epigraphik.
Bchrift des Sohnes desselben. — S. 221 f. n. 33. Akropolis von Massari ;
jetzt in Malona. Fragmentierte Ehreninschrift der Lindier auf Alexan-
dres, S. des Kleastratos, mit dem Demotikon AaSapfiio^ (so mehrmals!).
Holleaux und Diehl, BOH IX 1886 S. 96 f. n. 2. Lindos. Frag-
ment einer Ehreninschrift in Form einer Weihung an Athana Lindia aod
Zeus Pollens mit der Kttnstlerinschrift eines Leochares. — S. 100 n. 3.
Zwischen Hag. Isidoros und Artamiti. Basis. Den JafidTpi{o)v ^Aptaro-
yiveoQ^ Priester der Artamis Kekoia, ehren zwei seiner Kollegen. Erste-
rer ist ans dem Demos Argos, letztere aus Eattabia. ~ S. 102 n. 4.
Lindos. YerstOmmelte Basisinschrift eines Priesters der Athana Lindia
und des Zeus Polieus mit der Künstlerinschrift eines Samiers. ~ n. 5.
Ebd. Verstümmelte Basisinschrifb auf einen gleichen Priester — tidas,
S. des Charidamos. — S. 103 n. 6. Ebd. Basisinschrift eines gleichen
Priesters Nika]sidamos, S. des [Agorjanax. Unvollständig Rofs, Archäol.
Aufsätze II S. 603 n. 14. — S. 104 n. 8. Ebd. Fragmentierte Basisin-
Schrift auf einen Priester der Athanaia Lindia und des Zeus Polieus, er-
richtet von seinen Amtsgenossen, deren Namenreste in einer zweiten
Kolumne erhalten sind; Reste der Künstlerinschrift eines Rhodiers. —
8. 109 f. n. 11. Ebd. Ehreninschrift auf [Aeljius Agetos, Priester räc
Aiv8eae 'A&avä^. Vgl. Dittenberger, Ind. schol. Hai. Sommer 1887 p. V.
Aus Hadrianischer Zeit? — S. 114 n. 13. Siana. Verstümmelte Ebren-
inschrift einer xroeva (Kultgenossenschaft) auf ihren Genossen D— -. —
S. 122 n. 28. Makri-Steno. Sehr defekte Ehreninschrift (weniger genau
Löwy, Archäol.- epigr. Mitteil, aus Österreich VII S. 111 n. 4 = Röhl
n, 46): — Ttjia^ivTOQ [unb (4) tw\v no<TBtda\y]taa\T\äv (5) x]a} *A(TxXa-
m[aaT]äv - -. Das Ethnikon der Frau des Geehrten, Uupa, Kol. II, 3,
läfst vermuten, dafs auf Rhodos, wie auf Delos (vgl. Reinach, BGH VII,
467 ff., = Bd. LX S. 477) die Genossenschaft der Poseidoniasten sich aus
Syrien rekrutierte.
Foucart, a. a. 0. S. 399 (mit genaueren Buchstabenformen S. 525).
Neochori; Basis. Kleustratos, 8. des Kleuchares, ehrt den Kleiton, S.
des Euphranor, in Form einer Weihung an die Götter. Darunter die
Künstlerinschrift: Borpug Aeuxavbg i^aXxouppjtre, bisher das einzige Bei-
spiel der Künstlerinschrift eines Statuengiefsers. Nicht minder merkwür-
dig ist die Nationalität des Lukaniers. Wahrscheinlich 2. Jahrb. v. Chr.
Derselbe, a. a. 0. S. 400. Fragment mit vier Zeilen eines cursus
bonorum. Z. 1: x]al äyep.övog TtTprjpiaiv^ 2: ^uk(xxt8(ov rerpi^pewv,
Durrbach und Radet, BGH X 1886 S. 266 n. 4. Von der Insel
Rhodos, jetzt auf Syme. Fragment der Ehreninschrift auf einen Prie-
ster (?) des Dionysos und den Kaiser Titus. Z. 4/5: xal T[eefjLa&ek onh <
Twv K]a/JL6tpdaßv — .
XII. Insnlae Aegaei maris etc.: Bhodiu. 5
Dittenberger, Ind. schol. Hai. Sommer 1887 (s. o.) p. IV er-
gänzt die Ehreninschrift Foncart, Revue arch. XVI 1867 8.30 n. 71:
— xal *Aßav[äg 'I]aku(T/-\ag IloXtddoff xal deög floXeetoQf xa[l Ka-\fietpd-
Sog xal Atbg [lIohiwQ.
Smitb, Journal of hellenic stndies IV 1883 S. 186 n. 1 = LOwy,
Archäol.- epigr. Mitteil, aus Österreich VII S. 134 n. 66 (Röhl II, 45).
Fragment eines Ehrendekrets der Mastroi und der Bewohner von Ka-
meira auf einen Aristokrates.
Dittenberger, De sacris Rhodiorum commentatio altera p. VIII sq.;
vgl. Schumacher, De republica Rhodiorum p. 68. Die Weihinschrift einer
Kultgenossenschaft von Staatssklaven zu Gunsten ihrer Herren Newton,
Greek inscr. II S. 121 n. 346 wird ergänzt: Jo^fiaze tou xoevou] (2) rou
dioaaToßupe]' {S) affzäv rmv rag n6'(4)X[c]og SoukoßV EuX/-{6)fi]evog ypoLfi'
fkLTSug (6) da]fi6fftog, Upar[eu]ff'{*t)as] äcbg 'Araßupiou^ (8) Imkp'] täv
xopmv 'Po'{9)8{wv dv]ißijxe Ael ^A''(10)Taßop{<p] rou ßoua' {II) Ta^/wu
rb zee^^yov, Rhodos.
Derselbe, 1. c. p. VII. Die Weihinschrift der Lindier Rofs, Ar-
chäol. Aufsätze II S. 617 u. 28 Z. 1 ist zu ergänzen: AtvSiojt unkp |
IC\cuff(xpog — .
Derselbe, 1. c. p. IX. In der Weihinschrift aus Kameiros, Fou-
cart, Revue arch. XIV 1866 S. 336 n. 59 ist 'Apunop^porlBag statt 'Api-
arofivorßaQ zu lesen.
Derselbe, Hermes XIX 1884 S. 243f. n. 2 liest das vierte Disti-
chon des Felsenepigramms auf Athena Lindia Löwy, Arch- epigr. Mitteil,
aus Österreich VII 1883 S. 126 n. 65 (Röhl II, 47) == Anthol. Palat.
XV, 11: '%fBefxa yäp roSe Xaphv A&ijvaejfj rtöpev Ipeög \ ^Ay^w^aprog^
idtv veefiäpLsvog xredvojv, — In der aus zwei Hexametern bestehenden
Felseninschrift, a. a. 0. S. 129 n. 56, ergänzt derselbe das erste Wort:
[lp]on6[X}oc und fafst das letzte auf Grund der vorhergehenden Inschrift
als Eigennamen: 'Ay^^aprog. Lindos.
Holleaux und Diehl, BCH IX 1885 S. 103 n. 7. Lindos. Wei-
hung der [B]ula[r]ista, T. des Kratidas, an Athana Lindia. Von einer
zweiten Inschrift dürftige Namenreste. — S. 106 n. 9. Ebd. Weihung
dreier Fremden, aus Ephesos, Milet und Soloi (Kolonie von Lindos) an
Athana Lindia. — S. 112 f. u. 12. Ebd. Weniger korrekt Löwy, a. a. 0.
S. 136 n. 71 (Röhl II, 47). Weihung des Timapolis, S. des Euphragoras,
Priesters des Apollon Pjthios, an die Götter. — S. 117 n. 15. Orta-
Marassi. Weihung des Ljkophron, S. des Glaukos , an die Götter für
seinen Bruder.
Durrbach und Radet, BCH X 1886 S. 264 n. 1. Lindos. Frag-
ment Die Lindier weihen der Athana Lindia ein j^apiov^ptov, — b. 2.
Desgl und dem Zeus Polieus.
6 GriedüBche EpigrapUk.
Löwy, Archäol.- epigr. Mitteil, ans Österreich X 1886 8. 217 n. 3.
Weihong: noX[u]xhro[c E]b»[dv]ou, (2) lepareuaiac] "A[}/(p.
Smith, Journal of hellenic stadies IV 1883 S. 138 n. 2 = Löwy,
a. a. 0. Vn S. 134 n. 67 (Röhl II, 47). Votivinschrift des ans grofser
Oefahr geretteten Hermias, S. des Athanagoras, aus Soloi an Hekate
und Sarapis. — S. 140 n. 8. Fragment einer Weihung: \^AA{<ot\ (2) 0]c^'
Zerlentes, MD AI IX 1884 S. 385 ff. Grabsteine aus Makri-Steno
(Gebiet der alten Stadt Rhodos): S. 385 n. 1 des Charmosynos 'Arrayeos;
n. 2 des Samok]le8, S. des 8]amokles, ans Palaiopolis; n. 3 des Pytho-
doros, S. des Theuphanes Physkios, und seines Weibes Eugeneia Make-
tis; n. 4 der Dynamis aus Ephesos; S. 386 n. 6 der Patrophila aus Tralles;
n. 6 des Philton, 8. des Ph., aus Nisyros; n. 7 des Zolles aus Antiochia,
8. des Aristobulos, und des Philon, 8. des Aristobulos, ans Palai]opolis.
HoUeaux und Diehl, BGH IX 1885 8. 117 f. n. 16. Lindos. Ver-
stümmelte metrische Grabschrift (in Distichen) des Da6mon und der
Kleine auf ihre Tochter Parmenis. — 8. 118 n. 17. Rhodos. Grabschrift
auf Kallon, 8. des Artemidoros, aus Phaselos, dem die int^yjijJa erteilt
worden war. — Grabsteine aus Lindos: 8. 118 n. 18 des Gharneios, 8.
des Pantakles, ^Afiviarto^ (Demotikon ; so vielleicht die Abbreviatur New-
ton, Greek inscr. n n. 344 Z. 26. 27. 34 eu ergänzen); 8. 119 n. 19 des
Charmosynos, 'ArraveÜQ^ n. 20 des Euphanes, 8. des Pratopha(n)es, Bo-
ßda[ffio^ (aus Bubassos in Karien); n. 21 des Hermon, 8. des Eirenaios,
Eö^verac (aus Euthenai in Karien); 8. 120 n. 22 des [PJeisikrates, 8.
des [A]ristophylo8, Kcurapeug; n. 23 des Xenophon, 8. des Xenokles, Ka^
aapeug\ 8. 121 n. 25 besser MD AI X S. 73 n. 11 (s. 8. 7 o.). — Rhodos:
8. 120 n. 24 Grabstein des Damatrios, 8. des Gharidamos, Ndamog. —
Neo-M^rassi: 8. 121 n. 26. Grabschrift auf Aristobulos aus Termessos
(in Lykien) und sein Weib Isigone aus Ephesos» die Wohlthäter einer
(nicht genannten) Genossenschaft; vgl. Foucart, BGH X, 209.
Holleaux, BGH X 1886 8. 163f. Grabsteine aus Lindos: 8. 163
n. 1 des Aristomenes, 8. des Aristippos, BooXßag (Demotikon); n. 2 des
Kallikrates, 8. des Theugenes, Bpdatog (Dem.); S. 164 n. 3 und 4 des
Polykles, 8. des Athanodoros, und des Timodikos, 8. des Pythogenes,
beides JaSdpfuot (Dem.). — 8. 339 n. 5 des Galaters Phronimos, der
Artemisia und des Euphronios iyyevijg (wahrscheinlich Sklaven; auf einem
Stein); n. 6 des Timon MauoraQ (Skythe vom Palus Maeotis); n. 7 der
Lykierin Artemidora; n. 8 (Rhodos) und S. 340 n. 9 des Aristainetos, 8.
des Mnazipolis, und des Anaxikrates, 8. des Xenodamos, beides TXii}toi\
n. 10 der Prazinoi[e] aus Halikarnafs; n. 11 der Hieronassa ans Soloi;
n. 12 der Demetria aus Kyrene.
XII. losnlae Aegaei maris etc.: Rhodns. 7
Zerlentes, MDAI X 1885 S. 78 ff. Ebd. S. 73 d. 8 Grabstein des
Timakrates, S. des Aristion, Bou^'d[a^] d. 9 des Menandros» Atv8c\noXt-
raQ\ n. 10 = BCH X, 164 n. 4 (s. S. 6 u.); n. 11 (mangelhaft BGH IX,
121 n. 25; s. o.) der Aiiothea, T. des Euelthon, '^TyaaiQ (aus Hygassos
in Karien), Gattin des Philion; S. 74 n. 12 des Hagemon, S. des Then-
pompös, 'i^/Aw^öTwc; n. 13 des Herodotos, S. des Ar(i)8tandridas, Tyjkog\
D. 14 des Aristokrates, S. des Ariston, KufieaakeoQ; n. 18 (Sarkophag)
der Aelia Menestheia, r^ xal KaXXtxXeiqi^ errichtet von ihrem Gatten
Flavins Drakon; 8. 75 n. 19 (mangelhaft Revue arch. XIII, 364 n. 41)
des Euphanes, S. des Enpha(n)e8, T6iivtoQ\ n. 21 des Demylos aus Samos
nnd seines Weibes Athanokleia aus Phaselos; S. 74 n. 15 des Kappado-
kers Amyntas; n. 17 der Phrygierin Artemis; S. 75 n. 20 des Lykiera
Plution; S. 76 n. 23 des Alexandriers Philetos; n. 24 eines Pisidiers;
n. 26 des Phrygiers Nikolas; S. 74 n. 16 der Hellagora; S. 75 n. 22 des
ixyevi^ Xenon; S. 76 n. 26 eines Alki--.
Löwy, ArchäoL-epigr. Mitteil, aus Österreich X 1886 S. 217 ff.
(nach zum teil unvollkommenen Kopieen von Georgiadis). — Grabsteine
aus Rhodos: 8. 217 n. 4 der Pythion, T. des Karimas, Gattin des 8phai-
ros; n. 6 des Soteridas und des Nikasion aus Telmessos; n. 6: 'Apa^^itog
xal Nt}aa\iatg \ Alyvnriwv j euffeßwv; n. 7 (vgl. Arch.-epigr. Mitteil. VII,
120 n. 35 = Röhl II, 48 u.) des Persers Herroon; n. 8 des Damokles,
8. des Xenodamos; n. 9 des Age — , 8. des Damokles; 8. 218 n. 10 eines
Trallianers und seines Weibes Agathamoris; n. 11 einer — ta, T. des
Lysanias, ^Tfaaig (s. o.)i Gattin des KI[ei]tos; n. 12 des Kallikrates, 8.
des E.; n. 13 des Aristomenes, 8. des Aristippos; n. 14 der Nikasibula,
T. des Nikophon, AadoLpfiea] n. 15 eines 'A/iv^areog (Demotikon; s. o.);
n. 16 des Agesil[aos], 8. des Timoleon, Adoptivsohnes des Timapolis; n. 17
des Klenagoras, 8. des Kallikrates; n. 18 der Artemisia, T. des Athe-
naios; 8. 219 n. 19 des Zosimos und der Archipolis; n. 20 des Dionysos-
priesters Apoljlodotos, 8. des Antigenes; n. 21 des 8ohnes eines The-
mistokles und eines Kallisthenes; n. 23 der Erotis. — S. 219 n. 24.
Lardos. Grabstein eines Mannes, dessen Name nicht erhalten, und seines
Weibes Dionysia aus Pergamon. - 8. 220 n. 25. Ebd. Grabschrift des
und Twv AoXXe/wv naedeuTuv rwv auv ZuXXqi mit einem goldenen Kranze
geehrten ApoUonios aus Pergamon. — n. 28- Marino. Grabstein der
EZ^payopa nakttonoXirag (vgl. MDAI IX, 385 f. n. 2. 7) [xa\rä yivsaiv^
Adoptivtochter des Athenodoros. — n. 29. Ebd. Grabschrift des Apollo-
doros auf seine Eltern Hagesandros und Kallista. — 8. 221 n. 30. Ebd.
Grabstein des Kteson. — n. 31. Massari. Grabschrift des Dionyslos auf
seinen Bruder Gharida]mos, 8. des ApoUonios, und des Gharidamos auf
seinen erstgenannten Yater Dionysios. — n. 32. Ebd. Grabstein des
Rhodippos.
8 Griechische Epig^phik.
Smith, Journal of hellenic stndies lY 1883 S. 187 ff. nach Ab-
schriften von Biliotti. Grabsteine aus Kameiros und Umgegend: n. 3 der
Megaleia, T. des Philis— , Gattin des Peisistratos , S. des Timokritos»
aus Argos; n. 4 des Agathandros und seiner Gattin Makedonia; n. 5 der
Moscheina, Gattin des Agathameros (Z. 6 : iyevi^Q) ; n. 6 (nach einem Ab-
klatsch wiederholt a. a. 0. 8. 358) des Galaters Botrys und des ivyev^c^
Dallas; n. 9 des Polyaratos, S. des I^ausikos, KarrdßioQ. — 8. 353 n. 12
des Aristi[on,] 8. des Diokles, BouAiöag (vgl. einen Diokles, S. des Ari-
stion, BouAßag Rofs, Hellenica p. 102 n. 26^; wahrscheinlich Vater un-
seres Toten); n. 18: Tarhu.
Benndorf und Niemann, Reisen in Lykien und Karlen I 1884
8.25 n. 30. Rhodos. Grabstele der Onasiphaneia, T. des Nikagoras;
8. 26 n. 22. Ebd. Grabstein des Komos aus Laodikeia.
Inschriftreste. — Holleaux und Diehl, BGH IX 1886 8. 122
n. 27. Zwischen Rhodos und Aphandu: Mefi^tr — \ toü xotvo[ü — .
Löwy, ArchäoU epigr. Mitteil. aus Österreich X 1886 8. 220 n. 26. Lia-
dos: — Ttufios I BoxoTtlotg» n. 27 ungewissen Inhalts.
iGA t)ber die von Foucart, BGH XI 1887 8. 289-296 als 8iegesin-
'^ Schrift des Dorieus, 8. des Diagoras, von Rhodos in Anspruch genom-
menen Fragmente IGA 880 s. unter Olympia (Teil I 8. 472).
8orlin-Dorigny, Revue arch. V 1885 8. 47 — 50. Henkelinschrif-
ten mit 19 verschiedenen 8tempeln rhodischen Ursprungs aus Kastro
(Mytilene), sowie Papadopulos-Kerameus, a.a.O. s. unter Lesbus
(8. 466).
Garpathas.
Beaudouin, BGH YIII 1884 S. 358f. Arg verstümmeltes Frag-
ment in dorischem Dialekt. Z. 4: noXefiov^ 11: rä iv aörae^ ^poopta^
12: no]TetSäve Uop^fi/wt, — Schumacher, De re publica Rhodiorum,
Heidelberg 1886 8. 55f. (Wiederabdruck Rhein. Mus. 42 1887 8. 636)
sucht mit vielem Geschick das Fragment zu ergänzen. Nach der Her-
stellung von nuTu[a]T[äv] Z. 9 »ergiebt sich sicher, dafs ein rhodisch-
karpathischer Prätor in einer Gampagne auf dem gegenüber liegenden
Festlande das Gebiet der Pisyaten und Kyllandier nebst den vielen da-
rin liegenden befestigten Felsennestern den Rhodiern unterwarf. Damit
haben wir aber ohne allen Zweifel die unter den rhodischen Httlfstruppen
bei Livius (83, 18) genannten Pisuetaec
Derselbe, a. a. 0. 8. 361. Grabstelen aus Bryküs: n. 1 der Nike-
bula, T. des A--anax; n. 2 des Enkrates Td8eog\ n. 3 der Ha[g]emo
'PdStoCy Gattin des Aidokritos.
XII. Insnlae Äegaei maris etc.: Carpathos. Greta. 9
Derselbe, a. a. 0. o. 4. Tristomo. Fragment der metrischen
Grabschrift auf einen LJeonidas» S. des Kallikrates. Z. 2: — ev iycj tzo/-
dojv — y 4: d{p]^ava^v^ 5: ej^ec mv^röv*
Greta.
Azna. — Gomparetti (Beschreibungen und Notizen von Halb- ^^^j^
herr), Museo ital. II 1 1886 Sp. 129 ff. mit Faks. — Archaische In-
schriftfragmente, n. 1—8 bustrophedon, in gleichartiger Schrift, auf Kalk-
steinblOcken im NW. der Akropolis, ohne Zweifel zu einem und demselben
Gebäude gehörig, dessen Trümmer noch erhalten sind. — n. 6 — 9. 11
wurden schon von HaussouUier gesehen, welcher einige Notizen über
dieselben gab BGH IX 1885 S. Iff. Fabricius, MDAI X 1885 S. 94
hebt hervor, dafs alle von HaussouUier 'sur la colline qui domine le
village d'Axos' gesehenen Bruchstücke keine einzelnen Denkmäler sind,
sondern zu der grofsen Wandinschrift eines Gebäudes auf der alten Akro-
polis gehören. — Ober das Alphabet s. Kirchhoff, Studien^ S. I75f*
Sp. 129ff. n. 1. 2 (Roberts n. Ha S. 44/5; Kommentar S. 332/8).
Zusammengehörige Fragmente; n. 2 linke Fortsetzung von n. 1. Es
scheint die Rede zu sein von (musischen) Künstlern, die der Stadt an
Öffentlichen Festen ihre Dienste widmeten. Denselben wird u. a., wahr-
scheinlich als Teil des Lohnes, Z 15 die driketa xal rponä iv dvrpjjcoe
(= rpo^ iv dvSpsewi) zuerkannt. — Sp. 139 ff. n. 3a. b. Zwei Frag-
mente eines jetzt cylinderförmigen Steinblocks, dessen kreisrunde Ober-
fläche beschrieben ist; zweifellos zu n. l. 2 gehörig. Aus Tmarav Z. 8
scheint hervorzugehen, dafs die erwähnten re^vTrat dem Sklavenstande
angehörten. ~ Sp. 141 f. n. 4. Dürftiges Fragment. Der Inhalt scheint
sich an den von n. 1. 2 anzuschliefsen. — Sp. 143 f. n. 5. Sehr unleser-
liches Fragment Auch dieser Block scheint ein Teil der Inschrift zu
sein, zu welcher n. 1 — 4 gehören. — Sp. 144f. n. 6 (HaussouUier,
a. a. 0. S. 1 n. 1). Fragment. Z. 8 werden Weihungen (dfn^nlara) in-
folge eines Krieges erwähnt. Das von HaussouUier an einigen Stellen
gelesene Q = o, w existiert weder in dieser noch in anderen Inschriften
von Axos (Halbherr, Sp. 146 Anm. 2). — Sp. 147f. n. 7 (HaussouUier,
a. a. 0. S. 2 n. 3). Fragment; wahrscheinlich zu n. 6 gehörig. Z. 1: llo-
reiSäve, — Sp. 149f. n. 8 (HaussouUier, a. a. 0. S. 2 n. 2). Fragment;
vielleicht Teil derselben Inschrift, zu der n. 6. 7 gehören. Z. 4: x]a^okc;-
/£flttve--(?) ~ Sp. 151f. n. 9 (HaussouUier, a. a. 0. S. 3 n. 5). Ein-
zeiliges Fragment: -a^ep/ion^', — Sp. lölff. n. 10 (Roberts n. IIb
S. 46/6. Kommentar S. 333/4). Zu der Bustrophedoninschrift IGA 480,
deren Original nach Halbherr bei dem Aufstande 1866 in Stücke ge-
schlagen und später zum Bau einer Volksschule verwandt wurde, und
deren Inhalt Gomparetti, Rivista di filoJogia XU 1884 S. 145— 165 zu
erläutern sachte, teilt letzterer die Abschriften von Barozzi aus dem Jahre
10 Oriechische Epfi^phik.
1577 (vgl. Röhl II, 61) und Spratt in Faks. mit und versnobt anf grand
derselben den Text (wobl Kultvorscbriften) zu restituieren. — Die Inscbrift
zeigt, wie n. 11, ein jüngeres AIpbabet; u. a. | = /n; vgl. Kircbboff, a.
a. 0. — S. 159ff. n. 11 (Haussoullier, a. a. 0. S. 3 n. 4). Dürftiges Bu-
stropbedonfragment einer anf der Vorder- und Rückseite beschriebenen
Stele. Vgl. zu n. 10.
Haussoullier, BGH IX 1885 S. 16 Anm. 1. Dürftiges Fragment.
Z. 1: 'Etü twv — ^Tidäv xoafu6v[rü>y — . Derselbe, a. a. 0. S. 27 n. 27.
Ru&, 9j xa\ 2a;rf[/]/oa, und Rufus Ventilius Thamyrion errichten ihrer
Mutter Rufa Ventilia und Schwester ein Grabmal.
Ar- Cnosana. — Gomparetti (Beschreibung und Notizen von Halb-
herr), Museo ital. II i 1886 Sp. I75f. mit Faks. Gleichzeitig Novo-
sadsky, MD AI XI 1886 8. 180 n. 1. Dreizeiliges Fragment, archaisch,
bnstrophedon : - - 8a]pxfiäe xaTtalrd - - (2) - • jJL]ijaTeeffo - - (3) Sap][x]/iäc
xar^ora--. |v = £, Q = i^, | = Trennungszeichen (nach Comp.). Da
Novosadsky das | als e auffafst, erhält er die Lesungen: Txart (Z. 1. 8);
anfserdem Z. 2 : ^aBXog,
Derselbe (und Halbherr), Museo ital. II 2 1887 Sp. 677-680.
Block aus den Fundamenten eines grofsen Gebäudes der römischen Zeit,
mit dem Pinsel auf einer Seitenfläche beschrieben (nicht bustrophedon).
Fragmente zweier Kolumnen zu je 10 Zeilen, enthaltend Straf bestimm nn-
gen. U. a. (Kol. II) : Wenn jemand einem Rinde (oder Ochsen) die Hör-
ner abbricht» soll er 5 Lebeten dem Herrn {ndarae Dat.) desselben er-
legen. Wenn jemand ein noch nicht zur Feldarbeit gebrauchtes Tier
(xapTa[e7toff fiy^nw 8eSafivafievov) kauft, jedoch seinem Herrn wieder zu-
führt (? d7to8ew[xijt^ &t lypÖLTzai)^ so soll er nicht die drei Obolen fOr
die (versäumte) Feldarbeit zu erlegen brauchen (/ci^' mdi&dra} rlbv bip-
ywv rä Tpt(v[8eXd; Z. 5). Kauft jedoch jemand ein (zur Feldarbeit be-
nutztes) Tier und will es wieder zurückgeben, so soll ihm dies innerhalb
fünf Tagen gestattet sein, doch gegen Entrichtung von drei Obolen pro
Tag für die versäumte Feldarbeit. -^ Die in dieser Inschrift (Kol. H, 2),
die nicht älter als das 4. Jahrb. ist, wie so häufig in den ältesten In-
schriften von Vigle (s. unter Gortyn S. 14) erwähnten UßrjXB^ möchte
Comparetti für geprägte Münzen, vielleicht mit dem Bilde eines ^i/^c,
halten. Merkwürdig ist, dafs in diesem selben Texte auch Stateren
(Kol. I, 7. 8. 10) und rpcfoSeXä (Kol. II, 5. 8) und in der oben mitge-
teilten älteren Inschrift auch Drachmen begegnen. In der grofsen In-
schrift von Gortyn sowie in den anderen Inschriften der zweiten Gruppe
begegnen keine Lebeten, doch häufig Stateren, Drachmen, Triobolen und
Obolen. (]lomparetti hält sowohl die Lebeten wie die Tripoden für Me-
tallwerte (wohl aus Bronze), die älter seien, als die Einführung von
Münzen in engerem Sinne in Kreta. Wahrscheinlich erinnerten dieselben,
XII. Insalae Aegaei maris etc.: Greta.' 11
sei es durch einen aufgeprägten Stempel, sei es durch ihre Gestalt an
Leheten (Kessel) und Tripoden (Dreifüfse). Diese Periode, die bei den
ROmem sog. des aes rüde oder aes signatum, wäre der Adoption der
eigentlichen Mtlnzen unmittelbar voranfgegangen. Nach Einführung der
Mtknzen hätten die alten Wertzeichen noch eine Zeitlang neben jenen
fortbestanden (vgl. das Fortbestehen des aes grave bei den Römern nach
EinfBhrung der Sestertien). Dafs in der grofsen Inschrift und den gleich-
altrigen Gesetzesurkunden von Gortyn weder Lebeten noch Tripoden er-
wähnt werden, möchte Comparetti durch die Annahme erklären, dafs jene
alten Bronzestücke nach der neuen Wertskala weniger als einen Obolos,
die niedrigste Strafsumme dieses Gesetzes (Eol. II, 14), galten und so-
mit zu ihrer Erwähnung keine Gelegenheit geboten gewesen sei. Die in
obiger Inschrift erwähnte Strafeumme (fünf Lebeten) könne nur klein
gewesen sein. Vielleicht mochte ein Lebes einem halben Obolos an Wert
gleichkommen.
Halbherr, Museo ital. II 8 1888 Sp. 714 Anm.>). Grabstele des
Sophon, S. des Melanthios.
Haussoullier, BGH IX 1885 S. 27 n. 26. Aus Knossos? Grab-
schrift des P. Sergius Epaph[r]oditus auf sein Weib Augureina.
Eleutherna (Prin^s: Halbherr, Priniäs: Fabilcias). — Gompa- ax-
retti (und Halbherr), Museo ital. II 1 1886 Sp. 161 ff. mitFaks. Ar- ^'^"'^
chaische Inschriften. Über das Alphabet vergl. Eirchhoff, Studien^
8. 176. n. 2—6 (bustrophedon) von Halbherr gefunden unterhalb der
Akropolis von Eleutherna und im Dorfe Prin^s.
Sp. 161 f. n. la. b. Zwei Fragmente, zu ThOrpfosten behauen, a
einzeilig, linksläufig: • -vtxdffac y^Xt^tat--. Das 7} hier wie in den an-
deren Inschriften mit Ausnahme von n. 2 = Fl. — Sp. 161 f. n. 2 (Ro-
berts n. 12 a S. 46/7; Eommentar S. 334). Rings verstümmeltes Fragment
Z. 3: x' Zpxoy riBijieV' -; Z. 4: van 8k Zpx](üt räv dpäv /v^;ie[v--; Z. 6:
--ujmv ufiev, [jJjTe Bijpcw[v'-. Die Inschrift unterscheidet sich von allen
andern hier mitgeteilten durch die Form ^ = 37. — Sp. 163 n. 3 (Ro-
berts S. 47 n. 12b). Rings verstümmeltes, dürftiges Fragment Inhalt
ungewifs. Z. 1: fii^dk ^5[/jt]o[c--; Z. 6: ix?]8afi^t. Z. 5. 6 sind rechts-
läufig (vgl. n. 6). — Sp. 164 n. 4. Rings verstümmeltes, geringfügiges
Fragment Z. 4 u. a.: xapnov; Z. 7: rjäv Sc7:[Xijeav ", — Sp. 164 n. 6.
Höchst unleserliches Fragment Z. 8: d\noStSo". Die Endzeile und die
zerstörte vorhergehende sind rechtsläufig (vgl. n. 3). — Sp. 165 n. 6.
Fragment von wenigen Wortresten. — Sp. 165 f. n. 8; der Vollständig-
keit halber hier wiederholt nach Fabricius, MD AI X 1885 S. 92 ff. n. 1
(Taf. 1). Zu einem Thorbogen zurechtgehauenes, ursprünglich beträcht-
lich gröfseres und wohl rechteckiges Fragment, in dem je eine linksläu-
fige Zeile mit zwei rechtsläufigen wechselt (wie in der marsischen Bronze-
12 Griechische Epigraphik.
inschrijft vom Faciner See) ; dem' Schriftcbarakter nach kaum jttnger, als
die grofse Inschrift von Gortyn. Singular |( == e. Z. 1: Ätovomav —
(Fabr.); Z. 2: "xd]l T^/iapxog ix6(Tfit[ou] - • (Comp.); Z. 3: - - Seauponoeot
rptödtkov ro-- (Fabr.); Z. 4: ii\\ji\tToixTo xpeßa[i]-' (Comp.); Z. 6:
— - d/jLCiTß[e][{- - (Ck>mp.). — Nach C^mp. gehörte das Fragment zu einem
den Kult, die heiligen Feste und die Festteilnehmer betreffenden Gesetze.
— Sp. 166 n. 7; wiederholt nach Fabricius, a. a. 0. S. 94 n. 2. Fragment;
bustrophedon. Schrift Qbereinstimmend mit der des obigen Fragments;
vielleicht von demselben Denkmal. Zwei Zeilenreste: --/A]arn//o -- und:
--0 xa} To--.
Eremopolia (iVs St. östlich des Klosters von Plu, Eparchie Sitia,
OstkOste der Insel). — Haussoullier, BGH IX 1885 S. 20 n. 14. Dem
Apollon nuT(so)uot weihen Pheidon, S. des Fb., und Hiaro-- ein dv-
8ptdyrtov und einen goldnen Kranz. — S. 28 n. 28. Grabschrift auf
Damo, T. des Dämon, xaXaxdyabä yeyovuea.
Oortyna. — Im Jahre 1884 unternahmen £. Fabricius und der
Italiener Federico Halbherr bei dem Dorfe Hagiusd^ka am linken
Ufer des Lethaios auf der Stätte des alten Gortyn Ausgrabungen, welche
nach Oberwindung aufserordentlicher, teils durch die (^atur des von einem
Mühlengraben durchzogenen Terrains, teils durch die Unzugänglichkeit
der Eigentümer des «Grundstückes veranlafster Schwierigkeiten zunächst
zur Biofslegung einer grofsen, einen Kreisbogen von 8,70 m Länge bil-
denden Mauerinschrift in zwölf Kolumnen mit antiker Bustrophedonschrift
(8. S. 18 ff.) führten, die alsbald als Teil der kreisförmigen (Umfassungs-
mauer eines weitläufigen alten Gebäudes erkannt wurde.* Gleichzeitig
konnten von einer nördlich angrenzenden selbständigen Mauer mit ähn-
lichen Inschriften (s. S. 24 ff.) vorläufig zwei Kolumnen entziffert werden.
— Im Frübjahr 1885 wurden die Ausgrabungen von Halbherr in gröfse-
rem Mafsstabe wieder aufgenommen. Vgl. dessen ausführlichen Bericht:
Relazione sui nuovi scavi eseguiti a Gortyna presse ii Letheo, Museo
italiano di antichitä cJassica II 2 1887 Sp. 561-592, welcher den Be-
richt von Fabricius, MDAI IX 1884 S. 363 ff. in erwünschtester Weise
ergänzt und weiter führt. Halbherr hat sich das grofse Verdienst er-
worben, die ganze kreisbogenförmige, mit einer grofsen Zahl antiker In-
schriftsteine durchsetzte Umfassungsmauer (Radius: 16 bis 16,60 m) des
alten Gebäudes, sowie die erwähnte nördliche Mauer, die, von dem linken
Ufer des Lethaios ausgehend und sich unter den Dämmen desselben wie
durch den Mühlengraben in gerader Linie hinziehend, tangentenartig sich
bis an den durch die zuerst entdeckte Inschriftmauer bezeichneten Teil
des Kreisabschnittes erstreckt, ihrer ganzen Ausdehnung nach (8,87 m)
blofsgelegt zu haben. Seine Nachforschungen innerhalb des durch jene
Umfassungsmauer begrenzten Raumes lassen keinen Zweifel daran übrig,
<iaf8 die sämtlichen blofsgelegten Mauern zu einem in der Kaiserzeit er-
XII. InBolae Aegaei maris etc: Greta. 13
bauten Theater oder Odeion gehören, zu dessen Bau o.a. die mit In-
schriften bedeckten Steinquader eines antiken, mit grofser Wahrschein-
lichkeit auf der alten Agora von Gortyn aufgeführten öffentlichen 6e-
bäudes verwandt wurden. Es ist wahrscheinlich, dafs das antike Gebäude,
von welchem alle diese Blöcke eutlehnt wurden, schon zum grofsen Teil
in Ruinen lag. Vielleicht war von den vielen Inschriften, welche auf den
Wänden desselben zu jedermanns Kenntnisnahme und Nachachtung ver-
zeichnet standen, die grofse Mauerinschrift die einzige, die unversehrt ge-
blieben war, und die man aus Liebe und Respekt vor der alten Zeit zu
erhalten suchte, indem man die Steinblöcke anderswohin überführte und
zur Errichtung neuer Manern verwandte. Ein im Mafsstabe 1 : 200 ent-
worfener sorgfältiger Plan des gesamten Ausgrabungsgebietes von Rai-
mondo Ravä (a. a. 0. Taf. YIl) läfst die einzelnen Teile des späteren
Gebäudes klar erkennen.
Selten sind auf dem Boden Griechenlands Dokumente von so fun-
damentaler Wichtigkeit für unsere Kenntnis des altgriechischen Lebens
mit seinen durch gesetzgeberische Thätigkeit geregelten Einrichtungen
und Gebräuchen gefunden worden. Denn was die grofsartigen Entdeckun-
gen von Gortyn so überaus wertvoll macht, ist der Umstand, dafs alle
die grofsen Denkmäler wie die kleinen und kleinsten Fragmente wohl
ausnahmslos nicht Privatinschriften, sondern Staatsakten: Gesetzen oder
Dekreten angehörten, die, zum teil hinaufreichend in jene entlegenen
Zeiten, wo Sage und Geschichte sich scheiden, uns die gesetzgeberische
Thätigkeit eines Minos näher rücken und den nachhaltigen Einflufs der
altkretischen Gesetzgebung auf die Rechtsanschauungen in Sparta, Athen
und Rom deutlicher erkennen lassen. — Selbstverständlich war es daher,
dafs die grofse Gesetzesinschrift unmittelbar nach ihrem Bekanntwerden
eine Hochflut von AbhandluDgen sprachlichen wie sachlichen Inhalts her-
vorrief, dals die Jünger der klassischen Philologie wie der vergleichen-
den Sprachforschung und der Jurisprudenz mit einander wetteiferten, die
reichen Schätze der Inschrift zu heben und die aus dem Studium der-
selben zu gewinnenden Resultate in den Dienst ihrer Wissenschaften zu
stellen.
Durch die so überaus ergiebigen Funde Halbherrs ist auch das
Studium der grofsen Inschrift in ein neues Stadium gerückt. Dieselbe
erscheint jetzt nicht mehr so isoliert, wie unmittelbar nach ihrem Funde,
sondern als hervorragendes, wenngleich nicht ältestes Glied in der Kette
mehrerer Legislaturperioden, und zu ihrer Erklärung mufs jetzt der ganze
Komplex der neuen Texte und Fragmente herangezogen werden, welche
ein Ausflufs der älteren, gleichzeitigen und jüngeren gesetzgeberischen
Thätigkeit von Gortyn sind.
Auf grund ihres Schriftcharakters lassen sich die sämtlichen bisher
entdeckten Inschriften von Gortyn in drei grofse, zeitlich verschiedene
Klassen teilen, deren jedesmalige Ausläufer unmerklich zum Alphabet
16 Griechische Epigraphik.
52; c) mehrzellig: d. 53—58. 2. Bnstrophedonschrift. a) Zweizeilig:
D. 59-68. 69? 70? 71-78. 74? 75? (76—78?); b) mehrzeilig: n. 79. 82
(oberer Teil der rechten Inschrift und mittlere Yertikalinschrift). 3. Ge-
mischte Schreibweise: n. 80. 81. — Um auch weiteren Kreisen die
Möglichkeit einer Erklärung oder Kombination der verschiedenen Frag-
mente zu gewähren, lasse ich das gesamte Material in Umschrift folgen.
Vgl. auch die Znsammenstellung von Joh. Baunack, Gretica. Berliner
phil. Wochenschr. 1887 n. 1 Sp. 25—28. n. 2 Sp. 56—60. n. 3 Sp. 90—92.
n. 4 Sp. 123f. n. 5 Sp. 154-156.
Sp. 189 n. 1. In gröfserer Schrift: --? lißrjra t--; in kleinerer
Schrift, durch die gröfsere hindurchlaufend: [elpervog xarar*. n. 2.
GrOfsere Schrift: -c [d]a/u>v--; kleiner, durchlaufend: • Bpjiei fju^oxa [S] -.
n. 3. Gröfsere Schrift: -xara]x£f/i£[vo--; kleiner, durchlaufend: - Bavd"
Twt £--. n. 4: •9^0jüio--. Sp. 190 n. 5/6 (= Roberts n. 9a). Zwei zu-
sammengehörige Fragmente: - X\eßyiTag \ fkxg to--. n. 7 : - [v]a - -.
n. 8/9. Zwei zusammengehörige Eragmente: - xan][<T]ravroi|V xal [r]€i---
n. 10: -5/o[e]--. n. 11: • i][a]8dxaeTae - -. Sp. 191 n. 12/3. Zwei zu-
sammengehörige Fragmente: -xanöTavTa>][v?] 7r6VT\ri<fovTa [X][€ß^T(K",
n. 14/5. Desgl.: -/OW«^' ^Jeyftyraf--. n. 16: -j^t^j^--; wohl verschrie-
ben für [jx]^' j}?). n. 17: -v, Sv /ikv %V] [xa--. n. 18: -al x' Ar--.
Sp. 192 n. 19: -^aya". Vgl. Xayd[aa(] der grofsen Inschrift und Xa-
yaeev n. 82. n. 20: "xarealTa", n. 21: -/][e]xa<TTo[v?] - -. n. 22:
-e rb r--. n. 23: -(ov 8' ig it6[Xiv? Die Vermutung: t]ov 8e<mö[Tav
ist ausgeschlossen, da statt dessen in Gortyn nur: ndtrrag. n. 24: '[v](oe
xartardro} ". Sp. 193 u. 25: 'afio*-; = 8]d^'? n. 26: • xan<r][r]av-
Tiüv 6". n. 27/28. Zwei zusammengehörige Fragmente: ''lo?]ov Ser^X^e
7raj/To[c--. n. 29: -[g] 5g x[a--. n. 30: '[e]v [t]o ". Sp. 194. n. 31:
-ov [r]«--. n. 32: - [<i]/Ta[c] - -. n. 33: -e/^[e]--. n. 34: -j7€[v?].-.
n. 35/6. Zwei zusammengehörige Fragmente: -[v] fiij foe\Ci^a ro -. Sp. 195
n. 37/8 (= Roberts n. 9b). Desgl.: -[/i?]ec /i^'sIvTa iv--. n. 39. Wird
ergänzt durch einen neuerdings von Halbherr gefundenen Block (Mus.
ital. II 2 1887 Sp. 682) zu; xaTt(n\diikv zpinoSa ha 8-. Sp. 196 n. 40:
' 6p]<fwfi6Tag e--. n. 41: -^rjöyxar/c? o--. n. 42: -I]xotäv no[i][vdV",
Sp. 197/8 n. 43/4 (= Roberts n. 9c S. 40. 326). Zwei zusammengehörige
Fragmente: 8e]xa^ Xeßijrwv^ inwl/iorov ^p.[ev", Sp. 197 n. 46: - ovov
Ä 8' [d] - .. n. 46 : - 8td^[ö]p.£v nat[(T][{v - -. Sp. 198/9 n. 47 : - oav T^xaat
ig ixarbv Xeßijzlag—, Sp. 200 n. 48: -8p<f(üe ^ i-, Sp. 199/200 n. 49:
- [k] fi(üXo7 1j Ttpb no[X} - -. n. 50: - e[&]fi - - - lp]7jTae - -. Sp. 201/2 n. 61 :
(s= Roberts n. 9d S. 40. 326/7): <fov fot^ijaCe— (2) "To]effe vaotat--,
n. 52: - [v]c knrä rag foi<fo8[o/jL{ag - - (2) - - exa dv8aZdßae 5 re io".
dv8. sicher = dvaSdaaaadat, Sp. 203/4 n. 53/4 (= Roberts n. 9e S. 40.
327). Zwei zusammengehörige Fragmente: -i dp.efu(TdaBat B^olonep ol dXoi^
/lij np{ad[Bai (2) -- rdropeg xal fapijv | tutüT Ire 8k <foTpo[g - - (3) - - Sea--
Tilopi^B^fuv noxd, \ [6]l Sfioßfiörae p.^ [<t]— . Darunter in dünnerer Schrift:
XII. Insolae Aegaei maris ete. : Greta. 17
- iu dy{9]pvj/(ot [n]e - - -. Z. 1 dfiefüfffiffBac =? dfuuadurßai. — Sp. 205/6
n. 65 : T]wv8e 5xa ?r - - (2) - - af B7j^e[/cu - - (3) - - o^ ic * - - (4) - - onog e - -
(6)"p:^eov t--. Sp. 206 n. 66: '8e vtvi&^at - - {2) — ot /x* £cra[wsi/?--
(3) - - £«. a/ ftS[eae - - (4) - - ap^oQ *a - - (6) - - vac xa^ fo - -. Sp. 207
n. 67: --^6/ivu [liya. (2) /£3y^£ Xdß^To^" (3) --ra« ;^Jv--. Sp. 208
n. 68: i]xaTdv- - (2) -• [/jl]^ £<Tre£<T[ev? - -. Vgl. ii. 78. 82 und das Frag-
ment von Knossos Sp. 176/6 (S. 10). — n. 69 (= Roberts n. 9 f. S. 41.
327/8): -p.](uk7^e wxa - - (2) - - [<r]«Tac TeTufo[iT]". Vgl. n. 71 und Axos
n. 10: TcrajofiffBio Z. 5. 10/11. — Sp. 209/10 n. 60: '8exd]Cai 8tfiw[^^e?'-
(2) '-dy]opäe? xa) ä Scx[ä][Ziji? ". n. 61: 'dvr\c/JLwXecu a-{2)-'dna][e]'
peB^t rtoi xaevo8o[^(oi'-, n. 62: - idcxa^e, ij pij e"{2)'Xd^oi faaxiav
Scxav". Vgl. n. 83/4. — Sp. 211 u. 63: -Xev jy/x— (2) — o« dfrog dtnkrje^".
n. 64: ' epev? ij — {2) - - p\scov xal 7:ap[S][6p£v? - -, n. 66: • dvTi]p(oXoc
a^"(2)"p]i}? Auijt. — Sp. 212 n. 66: twi 8k C(oo^[tYi"(2)"7t6Ae nd)h
aou 7Tpa[C?"- n. 67: - j^ ivexd&f} — (2) — t]ffoi 9' S^oe inl r--. Zu S^oe
vgl. n. 53/4. — n. 68: - i]vexa(re ya - - (2) — oetrt 8 rt rci x' dydp^[c'-.
Sp. 213/4 n. 69: -xa} ac x' a^o^r-- (2) — ov ^ ^(^800—, n. 70: -Xev xcä
ic äXog " (2) " Boalot xa\ xaavBäi:-, Auf der anderen Seite: dXät 8*—,
Sp. 214/5 n. 71 : - rtTofzüQ [/x] - - (2) - - na\vrbg'^ zov tt- -. Vgl. n. 59 und
Axos n. 10. ~ Sp. 215 n. 72: 'nk6\vex<nja^at"{2)"rivev xa\ t--. n. 73:
- d]rtTdXraQ /le - - (2) - - kaaoaxa - . Sp. 216 n. 74: -/itov roa— (2) --rac
80 ", n. 76: -ei/ amep ro) dv8\p6g -" {^2) — zov ävrjßov ro--. n. 76:
[aX\iTav al pi^" (2) - - xaT][a]öTd<ra/ /e - -. Sp. 217/8 n. 77/8. Zwei zu-
sammengehörige Fragmente: - xarjaffrdaat^ ^oapog 6 Imalräc al pij
ii7Tee[(r " (2) " V dfrbv pij ^off\pkv 8ixa pkv Yvwp[w\y ", Zu i(net[a'
vgl. zu n. 58. — Sp. 218 n. 79: 'f\t<Tf6'{2)potp[ov - - (3) - - ^]j7^e-(4)/a^— .
Sp. 219ff. n. 80: —g fixa-(2)Ti\ --- [d]fuTäv (3) —rä} foixeog (4)--v
ig ßoßXäv Jjpev (6)-'Saßae [XaT]oTo[e?].g (6) — AI tw fw dno86pev --
(7)--[a] /zjy 9' bnoarot p[7j^ (8) — /b^][rü]wov. - Von Z. 5 an ab-
wärts verbunden mit der letzten Zeile: ^Og 8i xa [X^t i]iffoexku e--.
Sp. 222ff. n. 81; wiederholt mit französischer Übersetzung von Dareste,
BGH XI 1887 S. 243f. Der Stein war ursprünglich ein Teil von n. 82
(s.u.)!: -o]v //a;[A?] -- (2) oareg pä[Carog] toi"(S)Ta}t dynawan p* ij/££v
dYxipo[XoV''(4) dpondnjp d x' ^e xal dpjopdrr^p d--(6) AI 8' 8 pkv ^p\tv
narpafta ptoX^c 6 8^ dXäc (6) al x' dvnorepojff toßvrt oe pahupeg - - (7)
•"Wt xa 8exd]Ze[if] dfTwg inatp^e ndure X£ß'(8)^Tag xaraardaou, ad 8£
xa pw - -. Nach Gomparetti handelt es sich um Bestimmungen hinsicht-
lich der Erbfolge von Adoptivkindern. — Sp. 224 ff. n. 82. Grofser Stein«
block. Rechts zwei Inschriften; die eine, der oberen Hälfte, in gröfseren
Buchstaben, fast ganz unleserlich; die andere, der unteren Hälfte, we-
niger alt, in den SchriftzQgen der grofsen Inschrift von Gortyn, achtzeilig
(s. S. 26 u.). Links ursprünglich n. 81, jetzt bis auf Zeilenreste von 1 bis
2 Buchstaben vom Haupt blocke getrennt. In der Mitte zwischen beiden
Jahresbericht filr Altertumswissenschaft LXVI. Bd. 2
18 Grieckiflche Epigraphik.
zweizeilige Vertikalioschrift. Letztere ergänzt der Herausg.: ":np6Beff£u
fju^T* d[va]\7acdCcu fo^x* dnoa\xiv. Nach Comparetti Bestimmangen Qber
Beetat^ogen.
An&nff Zweite Legislaturperiode. — An erster Stelle und als Haopt-
repräsentant der Epoche ist hier das grofse »privatrechtliche Zwölftafel-
gesetzc aas Gortyns BlQtezeit zu nennen, ein epigraphisches Denkmal,
welches ebensowohl durch seine gewaltige Ausdehnung Ober mehr als
17000 Buchstaben wie durch seine unerschöpfliche Ergiebigkeit fflr das
Studium der Altertttmer und der Sprache alle andern Inschriften bei
weitem übertrifft und welches alsbald nach seiner Entdeckung eine litte-
rarische Sturzwelle sprachlich-philologischen wie sachlich-archäologischen
und jpristischen Inhalts hervorrief. »Die grofse Rechtsurkunde lehrt uns
die Griechen in ganz neuer Weise von Seiten ihres juristischen Denkens
kennen und läfst uns in Volkszustände blicken, die sich in ihrer Ur-
sprQnglichkeit hier viel länger, als in den uns bekannteren Staaten er-
halten haben.c Auf eine eingehende Erörterung der Frage, inwiefern
unsere Kenntnisse des altgriechischen Lebens durch den epochemachen-
den Fund eine Bereicherung erfahren haben, mufs hier des beschränkten
Raumes halber verzichtet werden; der allgemeine Inhalt der Inschrift
wird sich aus der Besprechung der Litteratur zu derselben ergeben. — Im
Jahre 1857 entdeckten die Franzosen Thönon und Per rot in der Mauer
einer Mühle auf dem linken Ufer des Lethaios das 15 zeilige Fragment
einer archaischen Bustrophedoninschrift (Anfang von Kol. XI), welches
sich seit 1858 im Louvre befindet und von Th^non, Rev. arch VIII 1863
S. 441 ff. mit einem Faksimile (= IGA 476, Roberts S. 42 n. 9g) yer-
öffentlicht wurde. Im Jahre 1879 fand Haussoullier in der Nähe des
ersten ein weiteres Fragment (Anfang von Kol. VIII. IX); vgl. BCH IV
1880 S. 461 ff. (= IGA 475). Beide rührten von einer antiken Mauer
im Bett des Mühlgrabens her. Im Juli 1884 gelang es dem Italiener
Federico Halbherr, während einer kurzen Trockenlegung des Mühl-
grabens vier weitere Kolumnen (IX -XII) zu kopieren. Da ihm jedoch
Zeit und Mittel zur Fortsetzung der Arbeit fehlten, überliefs er die
Weiterführung derselben dem Sendling des Kais, deutscheu Archäol. In-
stituts in Athen, Ernst Fabricius, welchem es nach weitläufigen Unter-
handlungen mit dem Mühlenbesitzer vorbehalten blieb, den Rest der In-
schrift (Kol. I-VllI) freizulegen und eine in anbetracht der mifslichen
Umstände (bei fortwährend herniederrieselndem Wasser) vorzügliche Kopie
desselben anzufertigen. So gelang es dem edlen Wettstreit der Nationen,
das wichtige Dokument fast in seinem ursprünglichen Umfange dem hei-
mischen Boden abzuringen. 'Da Kol. VIII, IX und XI durch die früher
bekannt gewordenen Stücke ergänzt werden, fehlen nur die ersten 15
Zeilen von X, die ersten 14 Zeilen von XIl' (Fabr.). Die Inschrift, die
gleichwohl ein Riesenfragment bildet, ist geschrieben auf der Innenseite
XII. Insnlae Aegaei maris etc.: Greta. 19
einer kreisbogeDförmigen, aas rechtwinkligen Steinquadern gebildeten
Umfassungsmauer von 8,70 m Länge (vgl. S. 12). Jede Kolumne besteht
aus 63 bis 55 Zeilen, die über die Steinfugen laufen; KoL XII schlofs
mit Z. 83.
Die Publikation des einzigartigen Fundes erfolgte nahezu gleich-
zeitig in Athen und Florenz. Während der deutsche Herausgeber Fa-
bricius, MDAI IX 1884 S. 363—384 (mit Taf. XX. XXI) sich beeilte,
den Text zu allgemeiner Kenntnis zu bringen, begleitete der Italiener
Comparetti, Museo italiano di antichitä ctassica I 2. 3 1885 S. 233
— 287 (mit Taf. Villa) seine Ausgabe mit einem ausftkhrlichen Kommen-
tar: Vorbemerkungen Punt. 2, 233-236. Iscrizione del muro circolare
237-252, loterpretatione 238— 258, Commento 259— 275; [Iscrizione del
muro settentrionale Punt. 3, 277 f. s.u.] Etä delle iscrizioni 279—283,
Indice di voci e nomi 285—287. — Separatabdruck: Leggi anticbe della
cittä di Gortyna in Creta scoperte dai D''^ F. Halbherr ed E. Fabricius
etc. Firenze 1885. 4. 59 S. mit Taf. 10 Mk. (Rez. von M. Bröal, Re-
vue crit. 1885 n. 43 S. 294 — 298.) Vgl. Coroparetti in den Rendiconti
deU*Accad. dei Lincei I 2 1884 S. 36—38. — Die Publikationen beider
Herausgeber ergänzen sich gegenseitig. — Im Jahre 1885 nahm Halb-
berr eine neue Revision und Zeichnung der Inschrift vor, deren Resultate in
einer von (3omparetti vorbereiteten, neuen Textausgabe veröffentlicht wer-
den sollen. — Bis Ende 1887 erschienen folgende Abhandlungen:
Dareste, [La loi de Gortyne, BGH IX 1885 S. 301— 317 (Rez.
von Bröal, a. a. 0.) lieferte eine Übersetzung des Textes ins Französische;
erweitert: Texte, traduction et commentaire, Annuaire des ^tudes grec-
qnes XX 1887 S. 300 — 349. Vgl. einen Aufsatz desselben Verfassers:
La loi de Gortyne, Nouvelle Revue bist, de droit 1886 n. 3.
Lewy, Altes Stadtrecht von Gortyn auf Kreta. Berlin 1885. 32 S.
2,50 Mk. (Rez.: Br^al, a. a. 0. F. R(tthl), Litt. Centralblatt 1885 n. 37
Sp. 1258f. KQbler, Wochenschr. fOr klass. Phil. n. 45 Sp. 1418f. Meister,
Berl. phil. V^Tochenschr. n. 46 Sp. 1445 f. Hinrichs, DLZ n. 47 Sp. 1668 f.
Rettig, Nene philol. Rundschau 1886 n. 19 S. 295—297. Niese, Philol.
Anzeiger 1887 n. 1 S. 63 f) Text in Umschrift (aus der sich nicht immer
ein deutliches Bild des Originals entnehmen läfst) mit nebenstehender
möglichst wortgetreuer Obersetzung, kritischem Apparat nebst exegeti-
schen, meist juristischen Noten und Wörterverzeichnis.
Bacheler und Zitelmann, Das Recht von Gortyn. Rhein. Mu-
seum Bd. 40. Ergänzungsheft. Frankfurt a. M. 1885. X, 180 S. 4 Mk.
(Rez.: Br^al, a.a.O. Lewy, Wochenschr. f. klass. Philol. 1885 n. 45
Sp. 1420-1423. Meister, Berl. phil. Wochenschr. n. 46 Sp. 1445—1450.
Hinrichs, DLZ n. 47 Sp. 1669f. Rettig, Neue philol. Rundschau 1886
n. 19 S- 292—295. Thumser, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. n. 11 S. 814
2»
20 Oriechische Epigraphik.
— 818. Niese, Philol. Anzeiger 1887 d. 1 S. 62 f. Parmentier, Revue de
Pinstr. publ. en Belgique n. 2 S. 98 — 106.) — Philologische und juristi-
sche GrüDdlichkeit finden sich in diesem ausgezeichneten Werke ver-
einigt »Was eine sich eng an den Text anschliefsende, möglichst wort*
getreue Übersetzung leisten kann, davon wird ein wahres Muster ge-
geben (Text in Minuskeln, aber überliefertem Alphabet, nur der Äsper
tritt h]nzu)c (Hinrichs). Die Einleitung bietet höchst wertvolle uod ge-
lehrte kulturhistorische und dialektologische Betrachtungen über das
Äufsere der Urkunde, über Altersmerkmale, Alphabet und Sprache, nach
denen die Inschrift wegen der eleganten, »durch lange Übung wohlge-
schulton, künstlerisch entwickelten Graphik« und des Stils erst um 400
V. Chr. gesetzt wird (Bücheier, S. 6; doch s. Zitelmann S. 48 ff.) — »Die
Juristen zu plaumäfsiger Beschäftigung mit diesem und anderen griechi-
schen Rechten einzuladen«, hat £. Zitelmann, Prof. des römischen Rechts,
auf Büchelers Wunsch den Hauptteil: »Juristische Erläuterungen« (S. 41
--178) bearbeitet. »Der vorherrschende Eindruck wird, wie ich glaube,
der einer verhältnismäfsig hohen rechtlichen Entwicklung sein« (Zitelmann,
S. 47). »Der Ursprung der einzelnen Rechtssätze ist rein indogermanisch
(S. 53); Parallelen mit dem attischen Recht finden sich fast überall«.
Als Nachträge zu dem grofsen gesetzgeberischen Werk werden betrachtet
die Kapitel der 'einzelnen Lehren': Sklavenprozefs (S. 78 — 100), ge-
schlechtliche Vergehen (100 — 108), Familienrecht (108—184), Erbrecht
(134—149), Recht der Erbtöchter (149—160), Adoption (160-165), zum
Vermögetisverkehrsrecht (166—178). »Die Zitelmannschen Darlegungen
werden jeder späteren Behandlung der kretischen Rechtsaltertümer zur
Grundlage dienen müssen« (Meister). Zitelmann erkennt in dem Gor-
tyuer Gesetz »eine vielfach reformatorische, nicht ganz vollständige, son-
dern aus dem frühereu Recht zu ergänzende Kodifikation des Sklaven-,
Familien- und Erbrechtes. Bei Gelegenheit dieser Kodifikation sind zu-
gleich einzelne, auf andere Rechtsmaterieu bezügliche Neuerungen oder
Feststellungen mit eingestreut« (S. 46). Nach Zitelmann ist hinsichtlich
der Altersbestimmung der Urkunde »in dem Spielraum, den sprachliche
und epigraphische Gründe lassen, hoch hinauf zu gehen« (S. 48). — Vgl.
auch noch: Buch el er, Sprachformeln in italischem und griechischem
Recht. Rhein. Museum 40 1885 S. 475 — 480; sowie deu populären
Aufsatz vou Zitelmann: Eine neu entdeckte aitgriechische Gesetzge-
bung. Deutsche Rundschau 1886 u. 10 S. 63—78. »In gewissem Sinne
Bücheier und Zitelmann ergänzend und, was die Akribie der Behandlung
anlangt, nicht unwert des Platzes neben ihnen« (Meister) ist hervorzuheben
die Schrift der Brüder
Joh. und Th. Baunack, Die Inschrift von Gortyn. Mit Tafel
(Kol. I, nach Ck>mparetti). Leipzig 1885. VIII, 167 S. 4 Mk. (Rez.:
Br^al, a. a. 0. S. 208. Lewy, a. a- 0 Meister, a. a. 0. üiurichs, DLZ 1885
XII Insolae Aegaei maris eto : Greta. 21
D. 47 Sp. 1670. Liter. Gentralblatt 1886 n. 8 Sp. 265. Niese, Phflol. An-
zeiger 1887 n. 1 S. 64 — 66. ParmeDtier, a. a. 0.) Die Herausgeber hatten
den Vorteil, vor dem Abschlufs ihrer Schrift die froheren Publikationen
noch eingehend berücksichtigen zu können. »Wie bei Bücheler-Zitelmann
das Recht, so bildet hier die Sprache des alten Gortyn den Schwerpunkt
der Arbeite (Meister). Nach einer Einleitung (S. 1 — 6) giebt die Schrift
den genauen Minuskeltext in scriptura continua nebst den Varianten von
Fabricius und Comparetti mit erklärenden Anmerkungen (S. 7 — 16). Eine
ersohöpfende Grammatik (S. 17-89: a) Satzsandhi S. 17, b) Konsonan-
tismus S. 27, c) Vokalismus S. 48, d) Flexionslehre S. 69, e) Syntakti-
sches S. 76), eine Transskription nebst Übersetzung (S. 90 — 120), Exege-
tisch-Lexikalisches (S. 120—149) und ein vollständiger Wortindex (S. 160
— 166) bilden den weiteren Inhalt. Fflr Philologen ist das mit grofser
Umsicht und Akribie gearbeitete Buch sehr zu empfehlenc (Hinrichs).
»Diejenigen Philologen, die sich eingehender mit dem Studium der wich-
tigen Gesetzestafeln von Gortyn beschäftigen wollen, werden gut thun,
die beiden Ausgaben von Bttcheler-Zitelmann und Job. und Th. Baunack
neben eiiTander zu benutzen. — In der Konjekturalkritik ist ihnen man-
cher Fund geglückt, der den tlbrigen entgangen war. Ihre Ergänzung
der Zeilen X, 11 — 16 ist ein Kabinettstück feiner Kombination« (Meister).
— Vgl. auch: Job. Baunack, Zur Inschrift von Gortyn. Studien auf
dem Gebiete des Griechischen u. s. w. von Joh. und Th. Baunack. Leipzig
1886. S. 1 — 7. 76. 173 f. (Untersuchungen sprachlichen Inhalts.)
Bernhöft, Die Inschrift von Gortyn, übersetzt. Stuttgart 1886.
38 S. 1,60 Mk. (Bez.: Meister, Berliner phil. Wochenschrift 1886 n. 6
Sp. I72f. Lewy, Wochenschr. f. klass. Philol. n. 22 Sp. 677 — 681. B.,
Lit. Gentralblatt n. 31 Sp. 1067. Zeitscbr. für vergl. Rechtswissenschaft
VI, 2. 3.) Die Jahreszahl dieser Publikation, die aus einer Nebenein-
anderstellung des griechischen Textes in Transskription und deutscher
Übersetzung nebst knappem Apparat besteht, weist derselben eine un-
richtige Stelle an; sie erschien bereits Ende 1886. Hieraus erklärt es
sich, dafs aufser der als Grundlage dienenden Veröffentlichung von Fa-
bricius nur noch für den letzten Teil (]lomparettis Leggi antiche und in
der Korrektur die Lewysche Abhandlung benutzt worden sind. Für die
Konstituierung des Textes verdankt der Verfasser, Professor der Rechte
in Rostock, manches seinem philologischen Kollegen Leo. Die in der
Vorrede versprochene Erklärung des Inhalts ist wohl im Hinblick auf
die umfassendere philologisch-Juristische Arbeit von Bücheier und Zitel-
mann unterblieben.
Simon, Zur Inschrift von Gortyn. Wien 1886. 94 S. 2 Mk. (Rez.:
Meister, Berl. phil. Wochenschr. 1886 n. 19 Sp. 681-690; dazu Entgeg-
nung von Simon, n. 27 Sp. 836 f. Lewy, Wochenschr. f. klass. Phil. n. 22
Sp. 677—681. PrellwiU, DLZ n. 38. Liter. Gentralblatt n. 39 Sp. 1368.
22 Griechische Epigraphik.
Thumser, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 37 1886 S. 818 — 820. Bauer, Mit-
ten, aus d. bist. Lit. S. 314. Phil. Anzeiger 17 1887 S. 64 69. Rettig,
Neue pbil. Ruodscbaa o. 9 S. 138 — 140.) Inhalt: 1. Text und Über-
setzung der ersten sechs Kolumnen (S. 5 — 19). 2. Sachlicher Komnaen-
tar (S. 20 — 94). — Der Verf. hatte bereits vor Erscheinen der aasführ-
licheren Abhandlungen die Abfassung eines eingebenden Kommentars
unternommen, glaubte jedoch nach der Veröffentlichung der Gebr!ider
Bannack auf die sprachliche Seite desselben verzichten zu können und
bietet nur sachlich juristische Erörterungen zu den ersten sechs EoUnn-
nen, unter gewissenhafter Benutzung des bisher Geleisteten. Obwohl der
Kommentar einen wesentlichen Fortschritt in der Behandlung der Inschrift
nicht repräsentiert, findet sich im Einzelnen manches Beachtenswerte.
Die Heranziehung des slavischen und nordischen Rechtes zur Verglei-
chnng ist dankbar zu begrttfsen; doch sind wesentlich neue Resoltate
auch hierdurch nicht gewonnen worden. — Derselbe, Zur zweiten
Hälfte der Inschrift von Gortyn. Separatabdrnck aus den Wiener Sta-
dien 9 1887 Heft 1 S. 1—24. 80 Pfg. (Rez.: Lewy, V^Tochenschr. f.
klass. Philologie n. 42 Sp. 1287 f.) Die sechs letzten Kolumnen der In-
schrift werden, gleichfalls vom juristischen Standpunkt, besprochen. —
Vgl. auch desselben Verfassers Aufsatz : Einige Bemerkungen zur jQngst
gefundenen Inschrift von Gortyn. Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 36 1885
8. 489— 506.
Schaube, Objekt und Komposition der Rechtsaufzeichnung von
Gortyn. Hermes 21 1886 S. 213 — 239. Der Verf. sucht mit grofsem
Scharfsinn in die Entstehungsgeschichte der groCsen Gesetzesinschrift ein*
zudringen und hat die Genugthuung, durch die späteren Funde seine
Auffassung derselben als einer neuen Redaktion älterer Rechtssätze be-
stätigt zu sehen. — Nach demselben sind die sieben von Bflcheler-Zitel-
mann angenommenen Nachträge (s. S. 20) nicht, wie jene Herausgeber an-
nehmen, zeitlich in unmittelbarem Anscblufs an das Hauptgesetz entstan-
den, sondern wirkliche Nachträge. Die Rechtsurkunde ist eine Novelle zu
einem älteren Gesetz, dessen Rahmen im wesentlichen festgehalten wer-
den mufste, sodafs zuweilen ein Nebeneinander von Altertttmlichem und
Modernem entsteht. :»Das Ganze der Rechtsaufzeichnung ist nichts an-
deres, als Familienrecht in weiterem Sinne, ein Hausstandsrecht nach
innen wie nach aufsenc. Dies wird im Anscblufs an die einzelnen Ab-
schnitte bis IX 24 nachgewiesen. »Wir haben mehrere, zeitlich von ein-
ander getrennte Rechtsaufzeichnungen anzunehmen. Die älteste derselben,
streng in sich geordnet und zusammenhängend, in einem Zuge erfolgt»
umfafst nur etwa die Hälfte des ganzen uns vorliegenden Gesetzes, bis
Tafel VI 46 reichend. Dieser ersten Schicht folgt eine zweite Rechtsauf-
zeichnung (bis X 25), die einer erneuten Revision unseres Gesetzes den
Ursprung verdankt und die Reihenfolge der ersten beobachtete. Ihren
Hauptteil bildet eine umfassende Neubearbeitung des Erbtöchterrechts
XII. IosqIm Aegaei maris etc.: Greta. 98
(YII 15— IX 24), an die die erste RechtsaafzeichnaDg, das alte Gesetz
in Oiltigkeit belassend, sich nicht gewagt hatte. Dieser folgen »eine
Reihe von Einzelbestimmongen zur weiteren Regelung der Vermögens-
rechtlichen Beziehungen der Hausstandsgenossen zu einander, die s&ml*
lieh als Ergänzungen des zweiten Hauptteils der ersten Rechtsaufzeich-
nung angesehen werden können c. Die folgenden Abschnitte sind ids
einzelne, nicht zu ein und derselben Zeit gemachte Nachträge aufzufassen,
wobei die Annahme nicht zu gewagt erscheint, dafs es sich bei jedem
Denen Absatz des Steinmetzen auch um einen neuen Nachtrag handelt
— S. 285 — 288 wird ein Obersicbtliches Schema der Komposition des
Gesetzes entworfen, dessen HauptstQcke sind: Erste Schicht (das Haupt-
gesetz) bis VI 46. A) Der Hausstand nach aqfsen (bis lY 28). B) Det
Hansstand nach innen (bis lY 46). Zweite Schicht (die ergänzende
Revision) bis X 25. Zu A: bis YII 16; zu B: bis X 25. Dritte
Schicht (sieben einzelne Nachträge) bis XII 83. — »Der Hauptteil des
Gesetzes ist in sich durchaus geschlossen und hält sich strenge an eine
deutlich erkennbare, durchaus logische Disposition, wobei zu berücksich-
tigen bleibt, dafs die Arbeit des Gesetzgebers dadurch beeinträchtigt und
erschwert wurde, dafs er ein älteres Gesetz vor sich hatte, das in meh-
reren Partieen in Kraft verblieb. Der zweite Teil unseres Gesetzes, eine
ergänzende Revision, richtet sich ebenfalls nach dem grofsen Gange d^s
ersten Teils; da bei dieser Arbeit eine YerknQpfung der einzelnen l^ar-
tieen unter einander ausgeschlossen war, ist die Aneinanderreihung der
Bestimmungen eine losere; auch hier indefs zeigt die Darstellung des
komplizierten Erbtöchterrechts durchdachte Disposition und eine hoch
entwickelte gesetzgeberische Technik. Im dritten Teile endlich, der aus
lauter einzelnen, zu verschiedenen Zeiten angefügten Nachträgen besteht,
kann seiner Entstehung gemäfs von innerer Ordnung keine Rede sein;
— die Erklärung der Entstehung dieses Durcheinanders genügt, um uns
vor einer unbilligen Beurteilung dieses Teiles unseres Gesetzes zu be-
wahrenc.
Merriam, Law code of the Kretan Gortyna I. Separatabdmck
ans dem American Journal of archaeology I 4 1886 S. 824 — 860. Balti-
more 1886. 49 S. (Rez.: Meister, Berliner philol. Wochenschrift n. 41
8p. 1275 f.) IL Separatabdruck aus derselben Zeitschrift II 1 1886 S. 24
— 45. 424. — Der Yerf. giebt den Text nach Fabricius und Gomparetti
mit den Yarianten der verschiedenen Kommentatoren, eine Übersetzung
und einen ausgiebigen Kommentar, welcher Belege aus den alten Autoren
und namentlich sachliche Auseinandersetzungen bietet. Teil I behandelt
Kol. I-Y, Teil H Kol. VI -XII.
Als in den Rahmen der Behandlung fallend sind femer noch zu
erwähnen: Blafs, Zu den Gesetzestafeln von Gortyn. Fleckeisens Jahr-
bücher Bd. 131 1885 S. 479-485. Wachsmuth, Einige antiquarische
24 Griechische Epigraphik.
Bemerkungen zu dem Codex des Privatrechts von Gortyn. Nachrichten
der Gott. Gesellsch. der Wissenseh. 1885 n. 5 S. 199 — 207. Ditteo-
berger, Zum Gesetz von Gortyn. Hermes 20 1885 S. 573 -578 (aber
Kol. XI 21/2: >ij dfXY^avTut ^ nap' d^fdvrm^). v. Wilam owitz- Mol-
len dorff, Lectiones epigraphicae. Gott. 1885. Zu Kol. II 16. Prell-
witz, De dialecto Thessalica. Gott. 1885. S. G2f. Meister, Zu dem
Gesetze von Gortyn. Bezzenb. Beitr. X 1886 S. 189 — 1416. Collitz,
ebd. S. 805-307. Roby, The twelve tables of Gortyn. The Law Re-
view, Apr. 1886. Nani, Gonsiderazioni sopra la legge dl Gurtyna. Atti
deiraccad. dl Torino XX 1886 n. 7. Roberts, Greek epigraphy S. 41
—43. 326. 328-332. S. 327—332 Umschrift und Kommentar zu Kol. X
83 — XI 23. Keelhoff, Les form es du verbe dans rinscriptioo de
Gortyne. Mons 1887. 58 S. 1,50 Mk. Derselbe, Het inschrift van
Gortyna. Nederlandsch Museum 1887 n. 7. Typaldos, Ol vöfMoe rarv
lopTuviatv, AiKf^yopixbi öuXXoyoq II 1886 S. 197 — 212. 229-246.
Comparetti, Iscrizioni arcaiche di Gortyna rinvenute nei nnovi
scavi al Letheo, Museo ital. II 2 1887 Sp. 593 — 668, veröffentlicht zu-
nächst: Iscrizioni del muro settentrionale Sp. 593 — 644 (Faks. Taf. X)
mit Beschreibungen und Notizen von Halbherr. — Die nördliche
Mauer (vergl. S. 12) besteht nach Halbherr, a.a.O. Sp. 585 ff. aas
grofsen, rechtwinklig behauenen Steinblöcken, ähnlich denjenigen der
grofsen Inschrift, die in vier horizontalen Reihen angeordnet sind. In
der 8,87 m langen Mauer finden sich fünf Steinquader mit Bustrophedon-
inschriften in zehn Kolumnen, die durch das Behauen der Steine oben
und unten verstümmelt sind, sowie zwei dürftige Kolumnenreste. Die
Blöcke sind zum teil in derselben Ordnung eingemauert, welche sie in
dem älteren Gebäude einnahmen, dem sie entlehnt sind. Ihre Entziffe-
rung war mit aufserordentlichen Schwierigkeiten verbunden, da die Hälfte
der Mauer sich in dem Bette des Mühlgrabens hinzieht, dessen Gewässer
sich nicht völlig aufstauen liefsen. Das Alphabet der Inschriften, die
einen ähnlichen Inhalt darbieten, wie diejenigen der runden Mauer, unter-
scheidet sich von dem der grofsen Inschrift nur durch die Aufnahme des
Zeichens H/ welches jener völlig fremd ist; aufserdem ist das Zeichen
für ^ in B (s. 8. 26) ähnlich dem ^1 der älteren Inschriften von Vigle (s.
S. 14). Drei Ton den fünf Inschriftblöcken zeigen Bruchstücke eines Textes
in einer und derselben Schriftgattung und umfassen sieben Fragmente von
Kolumnen, die über die Steinfugen hinüber geschrieben sind (A). Die
Form der Buchstaben ist im allgemeinen weniger sorgfältig, als in der
grofsen Inschrift. Trotzdem scheint nach Comparetti Text A nicht nur
gleichzeitig mit der grofsen Inschrift zu sein, sondern vielleicht von der-
selben Hand geschrieben. Er bildet eine selbständige Gruppe in der
gortynischen Gesetzsammlung und war vielleicht gröfseren oder geringe-
ren Inhalts als der Text der grofsen Inschrift, auf alle Fälle aber sehr
XII. Insulae Aegaei maris etc.: Creta. 25
ausgedehnt — Der auf der änfsersten Linken eingemauerte Block ent-
hält eine einzige Scbriftkolumne und zwei Kolumnenfragmente zur Rech-
ten (B). Die Schrift rührt von zwei Händen her; der erste Teil hat
A A, der zweite A ^^^ ein wenig kleinere Buchstaben. Abweichenden
Schriftcharakter zeigen die in zwei Gruppen angeordneten Zeilenreste
auf dem rechten Rande des Blocks. Eine abweichende Schriftgattung
wird ferner repräsentiert durch einen umgekehrt eingemauerten Quader«
stein, dessen in zwei Kolumnen mit weit kleineren Schriftzeichen als A
und B eingegrabener Text (C) eine eigene Gruppe für sich bildet und
dem Fragment S. 657 n. 18 (s. S. 28) am nächsten zu stehen scheint
Beide Bruchstücke enthalten Nachträge zu dem grofsen gesetzgeberischen
Werk. — Die neuen Texte enthalten einen Komplex von Bestimmungen
über das Eigentum uud den Schutz desselben ; ein Stoff, den auch ein be-
trächtlicher Teil der Gesetze der grofsen Inschrift zum Gegenstande hat
Text A. — Sieben Kolumnenfragmente zu je 17 -19 Zeilen (die
Kolumnen der grofsen Inschrift zählen je 63 — 67 Zeilen) in Miguskel
und Umschrift, a. a. 0. Sp. 698-600 und mit ausführlichem Kommentar
Sp. 601 — 628. — Kol. I. II wurden von Halbherr schon im Jahre 1884
gleichzeitig mit der grofsen Inschrift entdeckt (s. S. 12) und von Com-
paretti im Anhang zu dem Texte der letzteren im Museo ital. I 3 1886
S. 277 ff. = Leggi antiche S. 49f. publiziert Es wiederholten und be-
handelten das Fragment, welches «von den Civilrechtsfolgen einer Be-
schädigung handelt, die ein Eigentümer von Haustieren an seinen eige-
nen Haustieren durch fremde Haustiere erleidet« (Büch.-Zit): Lewy,
Altes Stadtrecht von Gortyn (vergl. S. 19), S. 26 ff.: Text, Übersetzung
und Anmerkungen; Job. uud Th. Baunack, Die Inschrift von Gortjn
(Vgl. S. 20f.), S. 166f.: Text und Übersetzung; Bücheier und Zitel-
maun, Bruchstücke eines zweiten Gesetzes von Gortyn. Rhein. Mus. 41
1886 S. 118 — 133, die beste Bearbeitung: Text mit kritischem Apparat,
sprachlichen Anmerkungen, Übersetzung und eingehenden sachlichen Er-
örterungen. Eine sprachliche Nachlese hielt Blafs, Rhein. Mus. 41
1886 S. 313f. Endlich: Dareste, BGH XI 1887 S. 240 f.: Text und
französische Übersetzung. — Die neue Kopie von Halbherr verbessert
und ergänzt an einigen Stellen dessen erste Abschrift. — Kol. III: Wenn
jemand einem andern ein Paar Jagdhunde geliehen hat und letztere dem
Entleiher sterben oder sonstwie zu Schaden kommen, so soll der Eigen-
tümer nicht das Recht zur Klage haben, falls er zum Ersatz ein Paar
andre Jagdhunde, wenngleich minderwertiger Rasse, erhält Lassen sich
jedoch letztere nicht zur Jagd verwenden, so soll der Entleiher den Preis
der geliehenen Hunde zahlen. — Wer ein Haustier von einem andern
geliehen oder in Verwahrung genommen hat und dasselbe nicht zurück-
erstatten kann, soll den Wert desselben ersetzen. Weigert er sich, so
soll er den doppelten Betrag zahlen, dessen Beitreibung der Staat über-
26 Griechische Epigraphik.
nimmt. — Eol. IV: Ein entlaufener Sklave soll nicht verkauft werden,
wenn er sich in einen Tempel geflQcbtet hat, und bevor ein Jahr seit
seiner Flucht verstrichen ist. Gehört er einem Kosmos, so soll dieser
ihn aufserdem nicht während seiner Amtsdauer verkaufen — KoL V. VI.
Hypothekenrechte : Der zahlungsunfähige Schuldner soll der Sklave seines
Gläubigers werden; doch darf er an seinem Leibe nicht geschädigt wer-
den. — Kol. Vn (sehr unleserlich) handelt von streitigem Besitz, welchen
der Schuldner, während der Prozefs noch schwebt, verkauft Der Kauf
soll ungültig sein und der Käufer bestraft werden; auch soll der letztere
das gekaufte Gut dem Verkäufer innerhalb 30 Tagen wieder zustellen.
Text B (in Majuskel und Umschrift a. a. 0. Sp. 629 f. Kommen-
tar Sp. 631->634). — Bestimmungen Ober die Richter im allgemeinen,
sowie Ober das Rechtsverfahren in verschiedenen Fällen und die ver-
schiedenen Kompetenzen der Richter: Der Richter soll innerhalb 15 Tagen,
nachdem ein Prozefs anhängig gemacht worden ist, das urteil sprechen,
widrigenfalls er eine Strafsumme an den äp^wv roec SixoQ entrichten
mufs. — In einem von anderer Hand herrührenden Zusatz wird es dem
kratpyjtäv dixaaarat und dem Richter in Pfandangelegenheiten zur Pflicht
gemacht, entweder an demselben oder am nächstfolgenden Tage das Ur-
teil zu fällen.
Text C (in Majuskel und Umschrift a. a. 0. Sp. 635 f. Kommen-
tar Sp. 637—643). — Kol. I: Nachträge zu einem Gesetz, betreffend
Pachte, Darlehen n. s. w. Beschränkende Vorschriften für Beschlagnahme
von beweglichem und unbeweglichem Gut, sowie von Personen als Unter-
pfand. — Kol. II: Gleichfalls Nachtragsbestimmungen. Es handelt sich
um Parzellen des Gemeindelandes, welche die Stadt verpachtet hat; die
Pächter haben weder das Recht, dieselben zu verkaufen noch Hypotheken
auf dieselben zu nehmen. — In dem zweiten Zusätze (von Z. 11 an) han-
delt es sich um Ländereien, die zu beiden Seiten eines Flusses (natür-
lich des Lethaios) liegen. Bei Verpachtung der einen Hälfte derselben
soll es gestattet sein, als Grenze den Flnfs mit einzubegreifen, da auch
die Stadt das Besitzrecht des Eigentümers auf den letzteren anerkennt.
Doch soll für das Flufsbett ein Raum verbleiben (nicht entwässert oder
sonst urbar gemacht werden) von mindestens einer Breite, die der Ent-
fernung der Brücke von der Agora entspricht.
Comparetti, Museo ital. II 1 1886 Sp. 227 ff. n. 82 mit Faks.
(nach Halbherr); wiederholt mit französischer Übersetzung von Da-
reste, BGH XI 1887 S. 242. Vigle. Eine mit zwei älteren Inschriften
(s. S. 17 u.) auf demselben Steinblock (rechts, untere Hälfte) befindliche
achtzeilige, mit der grofsen Gesetzesurkuncie offenbar gleichaltrige In-
schrift enthält Bestimmungen über die rechtliche Stellung der Freigelas-
senen. Denselben soll gestattet sein, sich in dem Stadtviertel Latosion
anzusiedeln und völlige Rechtsgleichheit mit den übrigen Bewohnern
XII. InsolM Aegaei maris etc.: Greta. 27
dieses Stadtteils zu geniefsen. Niemand soll das Recht haben, einen
Freigelassenen wieder in die Sklaverei zurückzuführen. In letzterem
Falle haben die Garanten des Freilassungsaktes (r/rar = fießatarc^psc)
die Pflicht, den Freigelassenen seinem unrechtmäfsigen Herrn mit Gewalt
zu entfuhren (auXeTv), Der mit der Jurisdiktion über die fswor betraute
^£woc xöfffioc soll den Entführten nicht aus den Händen der Garanten
befreien (jiij Aaj'ai(8)v). Kommen die Garanten ihrer Pflicht nicht nach,
so soll jeder von ihnen hundert Stateren und die doppelte Freilassungs-
somme erlegen. Zahlen dieselben nicht, so sollen sie die doppelte Straf-
summe dem Denunzianten und der Stadt entrichten. — Der Text dieser
Verordnung ist, wie Dareste richtig anmerkt, wichtig zur Erklärung von
Kol. XI, 15 ff. der grofsen Gesetzesurkunde, da aus demselben die Exi-
stenz eines $ivtoc xofffioQ (Z. 4) ersichtlich ist, entsprechend dem fevc-
xhv Bixafrnptov zu Ephesos und dem praetor inter cives et peregrinos
za Rom. Der jnvä/Atov rSä $evea} Kol. XI, 16 ist demnach der Geriehts-
sehreiber des x6(t/io^. — Gleichaltrig und ähnlichen Inhalts scheint ein
von Fabricius, MD AI X 1886 S 94 f. n. 3 (Taf. n. 8) mitgeteiltes und
acht Minuten unterhalb der Fundstätte der grofsen Gesetzesinschrift ent-
decktes Fragment zu sein, welches gleichfalls E Qod H unterscheidet:
' ^ Seexaoyriaelji] -(2) l3]o<jav räc Ssxa <r-(3)raT^^ac rag -(4) i]v roiX
AaToa{ot'{h)Q xaradofii^v x-(6)ava^ [A\l 8k fiij ee X".
Derselbe, a. a. 0. Sp. 231 ff. n 83/4 mit Faks. Yigle. Sechszei-
lige, fragmentierte Inschrift zweier zusammengehöriger Steinblöcke. Es
handelt sich wahrscheinlich um Belohnungen für kriegerische Verdienste,
die von Gortyn und (dem im Kriege verbündet gewesenen) Aulon für
einen Diony[sios mit völliger Einstimmigkeit beschlossen worden waren.
Dieselben bestanden nicht nur in der dreXeea für den Geehrten und seine
Nachkommen und in anderen gewöhnlichen Privilegien, sondern auch in
dem Geschenk von Grundstücken, deren umfang in den Schlufszeilen
Daher angegeben war. — Vgl. Steph. Byz.: AbXwv nSXig Kpi^-n^c xal
Tonog.
Derselbe, Museo ital. II 2 1887 Sp. 645 — 668: Frammenti sparsi
(mit Faks., Beschreibungen und Notizen von Halbherr). Alle folgenden
Fragmente, die entweder in den antiken Mauerresten oder im Bett des
Mühlgrabens oder sonstwo gefunden wurden, sind von Comparetti ledig-
lich angeordnet nach dem Vorkommen oder Fehlen des H nod der Ver-
schiedenheit des Alphabets, n. 1 — 8 haben E = ^i 7; <lber n. 9 — 16
läfst sich nicht urteilen; n. 17 — 20 haben H^ n. 21-26 gehören wegen
der Anwendung eines neuen Alphabets (s. S. 16) zu einer späteren Pe-
riode, n. 1/2. 3. 17 zeigen die Schreibweise in Kolumnen. Alle diese
gröfseren und kleineren Fragmente sind archaisch und bustrophedon und
bieten in Sprachgebrauch und Formeln mannigfache Anklänge an die
grofse Inschrift. Dieselben gehören zweifellos zu den verschiedensten
28 Griechisch« Bpigraphik.
Texten vod Gesetzen, wie dies nameDtlich ans der Anwendung oder dem
Fehlen des H hervorgeht. Eine Zusammengehörigkeit der einen oder
andern Fragmente läfst sich zwingend nicht erweisen. Ich lasse diesel-
ben in kurzer Beschreibung und der Anordnung des Herausg. folgen:
Sp. 645 ff. n. 1/2. Zwei zusammengehörige Fragmente (11 Zeilen)
einer Kolumne. Wahrscheinlich Bestimmungen Ober die Obliegenheiten
eines von zwei streitenden Parteien erwählten Schiedsmannes. Derselbe
soll u. a. nach Anhörung beider Teile innerhalb dreier Tage das urteil
finden. Für die Nichtbefolgung dieser Verordnung werden Strafen fest-
gesetzt. — Sp. 648 f. n. 3. Reste zweier Kolumnen (7 Zeilen). Wahr-
scheinlich Festsetzungen der an die Richter, Zeugen u. s. w. zu entrich-
tenden Gebühren. — Sp. 649 f. n. 4. Sieben Zeilenreste mit Bruchstficken
Ton Straf bestimmungeu. Z. 6 ist von einem dnercupo: die Rede, der
gleichfalls in der grofsen Inschrift begegnet. — 8p. 650 n. 5. Zwölf
Zeilenreste, wohl ähnlichen Inhalts wie n. 1/2. — Sp. 651 n. 6. Neon
Zeilenreste. Bestimmungen Ober Unterpfänder (Z. 2/3: ivexup\dx4raf)^t;
Z. 6: iuex]upax(Tav), — Sp. 651 f. n. 7. Sechs dürftige Zeilenreste. Z. 5:
np]oTeT[apTov? Vgl. die grofse Inschrift Kol. XI, 53. — Sp. 662 n. 8.
Fünf dürftige Zeilenreste. Inhalt ungewifs. Dieses unscheinbare Frag-
ment wurde von Halbherr noch vor der grofsen Inschrift gefunden. Ban-
nack hat dasselbe mit dem Anfang von Kol. X verbinden wollen; doch
ohne Berechtigung. Z. 1 wahrscheinlich -rißle]- ; somit nicht zu ^]£-
ßaXovTav^ zu ergänzen. — Sp. 653 n. 9. Zehn Zeilenreste. Inh. ung. —
n. 10. Drei Zeilenreste mit wenigen Buchstaben. Inh. ung. — Sp. 654
n. 11. Elf Zeilenreste. Inh. ung. - n. 12. Vier Zeilenreste mit wenigen
Buchstaben. Inh. ung. — Sp. 655 n. 13. Drei Zeilenreste desgl. Inh. ung.
— n. 14. Drei Zeilenreste mit neun Buchstaben. Inh. ung. - n. 15.
Drei Zeilenreste mit fünf Buchstaben. Inh. ung. — Sp. 656 n. 16. Zwei
Zeilenreste. Inh. ung. — n. l7. Fragmente zweier Kolumnen zu je sechs
Zeilen. Inh. ung. — Sp. 657 n. 18 Dreizehn Zeilenreste. Inh. ung.
Z. 6/7'scheint eine Eidesformel vorgeschrieben zu werden. — Sp. 668
n. 19. Acht Zeilcnreste. Inh. ung. - n. 20. Zehn Zeilenreste. Bruch-
stücke von Strafbestimmungen.
Anfang Dritte Legislaturperiode. — Derselbe, a.a.O. Sp. 659ff. mit
ö.jhrh.^ Faks. Über das Alphabet dieser nur durch wenige unbedeutende Frag-
mente vertretenen Periode s. S. 15. Der Gebrauch des H in ^' 21 — 26
ist ebenso ungleich, wie in n. 1—20 (s. o): n. 21 hat E = ^% ^\ über
n. 22—25 läfst sich Gewisses nicht sagen; n. 26 hat H- — Sp. 659 f.
n. 21. Vierzehn Zeilenreste. Es scheint sich um Bestimmungen für
Richter zu handeln. — Sp. 660 f n. 22. Sechs Zeilenreste. Yielleicht
Festsetzungen hinsichtlich eines jährlich zu wiederholenden Vertrages
und der bei demselben zu beobachtenden Gebräuche. — Sp. 661 n. 23.
Sieben Zeilenreste. Inh. ung. - Sp. 662 n. 24. Sieben dürftige Zeilen-
XII. Insalae Aegaei maris etc.: Greta. 29
reste. — o. 25. Vier dOrftige Zeileureste. -- Sp. 663 f. n. 26. Fünf
dürftige Zeilenreste.
Jüngere Inschriften. — Halbherr, a. a. 0. Sp. 690. Zwei In-
schrifteo von äyopavoiwr, 1. Eine 40 m sO. von dem kreisbogeDfOrmigen
Gebäade gefundene Inschrift: *En\ KuSavrog rw (2) Kudavrog xp7^[T\dp -
(S)^a xal d[p])[w o[x]a rol (am rechten Rande Nachtrag des Stein-
metzen: rcD n'\ovTt'\a]xuß) (4) Kudag ^An[v?]aTw (5) dyopavofi^ffac (6)
euevqpta. — 2. Ein in der Mauer des Uyposkeuiou eingemauertes Frag-
ment.
Fabricius, MDAI X 1886 S. 96f. n. 4 (Taf. n. 4). Linksläufige
archaische Inschrift aus einem zerstörten Grabe: [21'\6Tiiiog*
UaussouUier, BGH IX 1886 S. 6ff. n. 8. Bündnis zwischen Oor-
tyu und Lappa. Bemerkenswert die Formen: ^epi^vag Z. 5 = xlpijvoQ^
x^ipTjbBat Z. 5 = Inf. Perf. Pass. von Sliztw^ ^pp^^\ iipijppxu = i<pr^p,[i€u
(schwerlich richtig!)? Der Stein ist vollständig erhalten, die Fortsetzung
des Textes stand auf einem andern. Oberhalb des Bündnisses findet sich
der Schlnfs einer Verordnung über das Holzfällen in einem Tempelbezirk
(S. 9 n. 8 bis).
Derselbe, a. a. 0. S. 17 f. n. 12. Dürftiges Fragment eines Ver-
trages zwischen Oortyn und Knossos. Die Anfangszeichen Z. 1 und 2
&\uvaYaYat und auvayaYatev will der Herausg. = auwayioyac {(Tov^^xou)
verstehen; doch sird dieselben nach ßücheler, Rhein. Mus. 41 1886
S. 310 aoristische Verbalformen.
Derselbe, a. a. 0. S. 18f. n. 13. Inschrift über einen Kultusakt
der Kosmeu und des »tepopyoc^ (Oberpriesters): Ol xoppoi ol auv 'Aparo^
yovw ^AprepußvoQ xai lepopyltc (2) inefie^&ev r<u Taupiw (?) xal tclq
fprjaf (?) *Ex6pp.tov otSe- folgen die Namen von 6 Kosmen, darunter
der Oberpriester an zweiter Stelle. Dazu ein xoa/Kov und ein Upopya}
jxyd/xwv (Schreiber). Vgl. Bücheier, a. a. 0.
Derselbe, a. a. 0. S. 10 n. 9. Reste einer Eidformel.
AbXtcov T^g ^Eariag 1886 n. 479 (nach der Berl. phil. Wochenschr.
1886 n. 16 Sp. 484). Weibliche Kolossalstatue mit der Künstlerinschrift:
EiaeSoTog 'A&rjvauog knotet,
Halbherr, Musco ital. II 2 1887 Sp. 683 Anm.'). Fragment:
- - Kata]apoG \ • • 2!eßaiT\ToTß.
Hierapytna. - Novosadsky, MDAI XI 1886 S. 181 f. n. 2. Jetzt
in Candia. Dem Apollon [Jejxara^opwt^ den zwölf Göttern und der
'Mav[fi]tat floXtdSt haben [ot i]7t} rcDv Ju/id[v](oy xoap.6vTiu[v (folgen zehn
Mameu mit Vatersnamen) einen Tempel ix ^epj^Xi<a d^pt inl r^[v x]aTa-'
30 Griechische Epigraphik.
koßs[a] (anbekanntes Wort) d. s. w. wiederhergestellt. — Der obige Bei-
Dame des Apollon begegnet io der argivischen Inschrift CIG 1142 und
Paus. 1, 42, 5. Mitte oder Ausgang des 2. Jahrb. v. Chr.
Haussoullier, BGH IX 1885 S. 20 f. n. 16. EhreuiDschrift auf
T]i. Claudius Aristagoras, des T]i. Claudius Hyperanthes xal (3) r]^c
^ lepaTtuTveußV noXetog i}io[Q (4) xa\\ npoordrrjQ xaJi exScxog^ welcher das
zerstörte Archiv (ra ypafi/jLazo^uXdxea) auf eigene Kosten wiederher-
stellte. — Vater und Sohn begegnen in der Inschrift von Hierapytna
CIG 2562 Z. 23. 24; zu Beginn von Z. 24 ist zu ergänzen: 'ApttTTayopaQ,
BOckh setzt die Inschrift in die Zeit nach Hadrian.
Koutoleon, BCH XI 1887 S. 212f. n. 1. *'Ev 'hpaniTp(p€. Den
Dorion Polymnis, -capJav Betf^ovia^ (3), xazaXeyivra elg (4) touq 8ijfiap'
j^exouc^ (5) ozpaTTjYhv dno[d&t'{%)j[&ivTa ehrt sein Vater L. Fl(avius)
Snlpicianus. — Der Vater ist bekannt aus mehreren anderen Inschriften
von Hierapytna (CIG 2581. 2582); Vater und Sohn CIG 2590. Die neue
Inschrift berichtet den cursus bonorum des Sohnes: quaestor Bithyniae,
adlectus inter tribunicios, praetor designatus. Sie datiert aus der Zeit
des Mark Aurel oder des Commodus.
Ida mons. »Die hellenistische Gesellschaft in Herakleion.
(Iraklio) auf Kreta hat Ausgrabungen in dem Heiligtum des Zeus ver-
anstaltet und eine Inschrift (s. u.) gefunden, welche zeigt, dafs hier die
Höhle gewesen ist, in welcher Zeus auf erzogen wurde«. Berliner philol.
Wochenschr. 1885 n. 48 Umschlag S. 1. — AusfOhrliche Beschreibung:
Halb he rr, Scavi e trovamenti neir antro di Zeus sul monte Ida in
Greta, Museo ital. II 3 1888 Sp. 689 — 766 mit Taf. XI. XII und zahl-
reichen Abbildungen der gefundenen Gegenstände im Text. — Vgl. Orsi,
Studi illustrativi sui bronzi arcaici trovati neir antro di Zeus Ideo» a.
a. 0. Sp. 769- 904.
Fabricius, MDAI X 1885 S. 280; wiederholt von Halbherr, a.
a. 0. Sp. 766. Thoutäfelcben aus der idäischen Zeusgrotte, in Typen, die
an die Formen der Kursivschrift erinnern: Je loat\iui (2) ^o^^yjv, (3)
^A<n7ip 'A'{4)Xe$dv'(b)Spou. — Derselbe, a. a. 0. S. 70; wiederholt von
Halbhcrr, a. a. 0. Inschrift aus der idäischen Zeusgrottc, mit schlecht
eingehauenen und verwitterten Buchstaben; darunter: YIOC. — Der-
selbe, a. a. 0.; wiederholt von Halbherr, a. a. 0. Sp. 761. Ebendaher
stammt ein Fragment eines grofsen Thongefäfses, auf dem die vor dem
Brennen eingekratzten Buchstaben: AEITTONI (oder AEITTONI)
stehen.
Halbherr, Scoperte nel santuario di Hermes Craneo, a. a. 0.
Sp. 918-916. - Sp. 913. Stele mit Weihinscbrift aus der Kaiserzeit,
gefunden »nella provincia di Am4ri (Goveruo di Rettimo) all* ovest del
32 Griechische Epigrapbik.
Hadrian ; aas dem Jahre 123/4 n. Chr. {Syjiiap^tx^^ i^wataQ rh 17). —
S. 23 f. D. 20. Basis. Die Stadt ehrt den Cäsar Aarelias Veras. — S. 24
n. 21. Basis. Die Stadt ehrt die Publia Aelia Parthenis, r^i^ adf^povcu
— S. 21 n. 16. Unvollständige Statae eines sitzenden Mannes (Kaisers?)
mit der Kttnstlerinscbrift auf der Basis: Zrjvwv )iXe$dv-(2)Spou ^Aippo-
d£r-(3)<T(0£^^ inoUt, Ein Zenon aus Aphrodisias, S. des Attinas, be-
gegnet CIG 6151, ein gleicher ohne Vatersnamen 5374. 6233 (vgl. Ar-
chäol. Ztg. 34 1876 S. 70). Letzterer lebte im 2. Jahrb. v. Chr. Viel-
leicht ist er identisch mit unserm Künstler.
Derselbe, a. a. 0. S. 25 n. 23. Verwünschungsformel gegen die
Frevler an den himmlischen nnd unterirdischen Göttern. Unbekannt:
dvopd^au^ dvopd^avrt.
Derselbe, a. a. 0. S. 26. Grabsteine: n. 24 der Claudia Damo, T.
des Boinobios. Ein Ti. Claudias Boinobios figuriert als Protokosmos von
Lyttos unter Trajan (114/5 oder 115/6 n. Chr.) CIG 2576 Z. 9. 10. —
n. 25 des P.] Claudius Badas und der Akeso, T. des Badas.
Derselbe, a. a. 0. S. 10 ff. n. 10. Ungewissen Fundorts. Frag-
ment eines Vertrags zwischen Lyttos und einer bisher unbekannten kre-
tischen Stadt Malla. — Ergänzungen und sprachliche Anmerkungen Ton
Bücbeler, Rhein. Mus. 41 1886 S. 310f. - A. a. 0. S. 13 ff. n. 11.
Ungewissen Fundorts. Die Kosmoi und die Stadt (Dreros, wie sich
aus der Datierung ergiebt: 'Eni rwv AlBaXiiuv xoap/ovrcjv; Tgl. Cauer,
Del.' n. 121 A) ehren die Einwohner von Knossos und Lyttos nebst dessen
am Meere gelegenen Hafenstadt {Auttcmv rcDv re räv ävw noXev uixiou'
T(üv xal rwv räv inl BaXdaaat Z. 8 — 10) wegen Entsendung von Schieds-
richtern. Das unten verstümmelte Fragment dürfte den letzten Jahr-
zehnten des 2. Jahrb. v. Chr. zuzuweisen sein.
Olns. — Comparetti (und Halbherr), Museo ital. II 1 1886
Sp. 177 f. mit Faks. Gefunden bei Hagios Nikolaos. Vierzeiliges Frag-
ment, archaisch, bustrophedon. Reste von Personennamen mit folgenden
Vatersnamen.
PraesoB. — Derselbe (und Halbherr), Museo ital. II 2 1887
Sp. 673-676. Gefunden bei den Ruinen der alten Stadt. Fünfzeilige,
archaische Bustrophedoniuschrift in nichtgriechiscber Sprache. Dieselbe
erinnert an die beiden Inschriften von Lemnos BCH X 1886 S. Iff.
Comparetti, Memorie delF accademia dei Lincei XI 1883 S. 180
^193ff.; Museo ital. I 2 1885 S. 141—150 mit zwei Tafeln (Photographie
Taf. VIII, und Majuskeln). Bei einer Restauration der Kirche San Marco
zu Venedig im August 1882 wurde das arg verstümmelte, in mehrere
Stücke zerbrochene Original des Vertrages zwischen Latus und Olunth
CIG 2554 (höchst ungenügend nach Chishull) wieder aufgefunden. Durch
diesen Fund kann der sehr unleserliche und verdorbene Text der In-
schrift fast ganz wiederhergestellt werden.
XII. Insulae Aegaei maris eta: Cypnu. 38
Ditteoberger, Index Schol. Hai. Wiat6rl886/86 p. XII sqq. nimmt
die TOD Michaelis wegen der Form TxpyiY^areuaa^ro^ für kretisch gehal-
tene Inschrift Arch. Zeitg. XXXII 1874 S. 69 für Eos in Ansprach (s.
Bencht Teil II S. 497 u.).
Joh. Bannack, In Karlen gefandene Fragmente von Inschriften
aas Kreta, Stadien I 1886 S. 7— 15 wiederholt and behandelt die In-
schriften Lebas-Wadd. V 2 n. 881-884.
Cyprus.
Da Deecke in diesen Blättern Bd. XLIV 1886 S. 266— 274 im
Jahresbericht über das Kyprische, Pamphylische und Messapische die
Litteratnr der Jahre 1882—1885 schon eingehend behandelt hat, so wird
hier des Zasammenhangs halber für den angegebenen Zeitraam eine all-
gemeine Übersicht genügen.
Deecke, Die griechisch* kyprischen Inschriften in epichorischer
Schrift. S6DI I Heft 1 1883. Nach einer Einleitung: Die kyprische Silben-
schrift (S. 8-12) folgen 150 Inschriftnummern (S. 13—50) in lateinischer
Umschrift und griechischer Lesung mit Wortindez (S. 78 -80) und einer
Schrifttafel. Vgl. die berichtigten Lesungen von Deecke, Bezzenb. Beitr.
XI 1886 S. 317 zu n. 33. 41, S. 319 zu n. 31. 32. 62 (s. S. 36 o.). — Bez.:
Voigt, Bezzenb. Beitr. IX 1884 S. 159-172.
Alexander Palma di Cesuola, Salaminia. The history, treasures
and antiquities of Salamis in the Island of Cyprus. With an introduction
by Samuel Bireb. London 1882. XLYIH und 330 S. gr. 8^ mit 700 Ab*
bildungen und einer Karte — veröffentlicht auf grnnd von Ansgrabangen,
hauptsächlich in der Gegend der alten Salamis, eine Reihe kyprischer
Inschriften, jedoch mit zum teil unzureichenden Lesungen. £inige der-
selben waren schon früher von Beaudouin und Pottier BCH III 1879
S. 347 — 352 herausgegeben. Deecke, Bezzenb. Beitr. VIII 1883 S. 143
— 161 (mit einer Schrifttafel) teilt die Inschriften in berichtigter Lesung
und Deutung mit und giebt dazu einen ausführlichen sprachlichen Kom-
mentar. Wiederholt sind die Inschrifttexte in der S6DI a. a. 0. — Da
es an Einweisungen der einen Publikation auf die andere fehlt, so folge
hier eine Nebeneinanderstellung der gleichen Nummern : A. a. 0. S. 143 f.
n. 14 = SGDI 30, S. 145-151 n. 15 = SGDI 122 — 126, S. 151—164
D. 16 =r SGDI 126, S. 154-156 n. 17 = SGDI 20, S. 156 n. 18 = SGDI
24, S. 156 f. n. 19 = SGDI 21, S. 157 n. 20 = SGDI 23, S. 157 f. n. 21
= SGDI 15, S. 158 n. 22 = SGDI 16, S. 158f. n. 28 = SGDI 128,
S. 159 n. 24 = SGDI 58, n. 25 = SGDI 64, S. 159 f. n. 26 = SGDI 135,
S. 160 n. 27 = SGDI 136, S. 160 f. n. 28. 29 = SGDI 129. 130.
Isaac H. Hall, The Gypriote inscriptions of the Cesnola CoUection
in New- York. Journal of the American Oriental Society XI 1885 S. 209
Jahresbericht (ur Altertumswissenschaft- LXVI. Bd. 3
34 Griechische Epigraphik.
—238. Die Publikation ist wichtig, weil die Inschriften nach den Ori-
ginalen mitgeteilt werden, doch nur in Transskription. Auf 142 schon
bekannte Texte folgen 31 noch nicht veröffentlichte; doch ist keiner der
letzteren von gröfserer Bedeutung. — Auf grund dieser neuen Revision
liest Meister, Berl. philol. Wochenschrift 1885 n. 51 Sp. 1604 die In-
schrift SGDI 103: ko (oder po). i. to. ta. ko (oder po) = ito} roiroLxw
ivon dem Ohrenkranken «. Die im Kypriscben bisher unbelegte Form
no\ (statt dessen no- vor Vokalen, no^ vor Konsonanten) führt derselbe
auf älteres *noai^ not zurück. — Derselbe, a. a. 0. liest SGDI 104:
to. po. to. e.? = TwnwTui ^[ju] lieh bin (das Votivgeschenk) des Taa-
henc. Zu dem neuen Adjektiv änwro^ »nicht hörende werden verglichen
dno^eog^ dnofia^og n. fthnl.
Pierides, The Cyprus Museum. A Short account of Operations.
Larnaka 1883. 5 S. S^ mit 3 Taf. — Drei linksläufige Inschriften in
kypriscbem Alphabet, besprochen und verbessert von Voigt, Studia Nico-
lai tana, Leipzig 1884. A. 1. 0. S. 66 n. I (Taf. I) und S. 67 n. II (Taf. II)
Dedikationen in je drei Zeilen zu Ehren rag &ew rag Ila^iag^ erstere
von einem Charitimos, letztere von einer -themis. Neu ist efefe in n. II,
welches als Aorist von *fix^ erklärt, auf Wurzel vah zurückgeführt und
gleichbedeutend mit dvii^rixe aufgefafst wird. — S. 68 n. III = Ohne-
falsch-Richter, MDAI IX 1884 S. 138f. n. 9. Auf einem weiblichen Torso:
rd{,X)ixa fJLS (2) xaretTraae (3) 6 2'ca<nx'(^)p£rEog.
Deecke, Berl. philol. Wochenschrift 1886 n. 41 und 51. Epicho-
rische Steiniuschriften (sämtlich linksläufig) nach Abklatschen und Abschrif-
ten von Obnefalsch Richter aus drei Nekropolen in der Nähe von Polis-
tis-Chrysükou, dem alten Arsinoe, im Bezirk von Paphos. — A. a. 0.
n. 41 Sp. 1290 n. 1: "Apiarog {rät*^} (2) ^Äptaraxuizpo} (3) natBt. — n. 2
auf Basis und Hinterteil eines Sieinlöwen : Tciioxunpog 6 Teiioxpireog
inicraae rd{,X)txfift (2) twi xaaeyviJTioe, Dasselbe Verbum begegnet in
einer gemeingriechischen Inschrift derselben Nekropole: Ttiiayopat (2)
]^0]va(raY6pvu (3) Tu^^^ 14) iniary^ae, — n. ^i^'Ovatog ^fit. — Sp. 1291
n. 4: Iraaayöpau (2) ijpl xw 2'(S)Taad{v)8pou. — n. 5: TtjJLd{v)8pw
^/il (2) ruf Vvaaa-yöpao; im Anschlufs an diese Inschrift bessere Lesung
von Sayce, Proceediugs of the Soc. of Bibl. Archaeol. VI 1884 S. 219
n. 35: Tt/ioBepeg 6 Ttpd(y)8pw Io[X&ug und S. 217 n. 28: üafoxXifi^g
(= HwxXr^g) 6 Nau^dpio I!e[Xa/xeviog (vgl. u.). — n. 6: ^ApeffzoxuTrpag (2)
i^jAc. i(na(Te^Äpt<T-{Z)rog, — n. 7: 0doxpiTe6g ^ßt, — n. 8: Tefiayopau
(2) rw Ttpoxpire'(Z)6g ijfit. — Sp. 1292 n. 9: dpa (2) J«. — n. 10
Grabschlufsstein : 'OvaGayopao rat — g (2) patfog (Z. 2: Xe[ßog Bu]pa2pog?),
— n. 11 fast unleserlich; Z. 3: 'Ova[(Tt]&diiti — A. a. 0. n. 51 Sp. 1611
n. 14; derselbe, Berl. philol Wochenschrift 1887 n. 12 Sp. 380 nach
neuer Abschrift und Photographie. Grabschrift: Ncxa UpwTtfog (2) ^fu.
*ti. 16 Grabschrift: IlvuTtX(X)ag ^pd (2) rag flvurayopau na<'{ß)S6g, —
XII. losalae Aegaei maria etc.: Cypms. '85
Sp. 1612 n. 16 ; nach neuer Kopie Berl. philol. Wochenschr. 1887 a. a. 0.
Grabsclirift : BefnoToximpa^. — n. 17 Grabschrift: Tliiog Te'(2)fjLaj'6pau
(3) ndig i^'(4)fu. [Durch diese Ausgrabungen ist die Zahl der GefäCs-
inschriften auf 290 gestiegen.]
Nach der kleinen Broscbfire The Cyprus Museum. A bilingnal
Inscription (Phoenician and Kjpriote). Nicosia 1886. 8 S. klein 8, in
welcher Warren mit Hülfe von Pierides eine phönikisch- griechische
Marmorinscbrift, offenbar Statuenbasis, aus Frangissa, dem alten Ta-
rn assos, in Übersetzung und Umschrift publiziert (vgl. auch Wright,
Proceed. of the Soc. of Bibl. Arch. YIII 1886 S. 47—61), teilt Deecke,
Berliner philol. Wochenschrift 1886 n. 42 Sp. 1323 f. dieselbe mit. Der
phönikische Teil der Weihinschrift enthält die Datierung nach dem 30.
Regierungsjahre des Königs Melekiaton, welchen Euting ungefähr 386
—376, Six etwa 368—362 v. Chr. seUt (vgl. SGDI 69). Den griechisch-
kypriscben Text liest Deecke unter Verbesserung einiger Inkorrektheiten :
Tdv d(v)Sptd(u)Tav rov(v)ü iSoßxev (2) xäg öviByjxev Mavaa{ff)^Q (3) 6
Naifxi^veajv rdu Bern (4) rwc ^AntiXwvt ran ^EXei'(h)'tat i{y) ruj^at, Merk-
wördig ist die Form ^AneiXaivt statt der bisher auf Kypros begegnenden
^An6X{^X)aivt. 'EXecrag ist Ethnikon der lakonischen Stadt °£^oc, doch gab
es nach SGDI 60 Z. 9 auch auf Kypros in der Nähe von Idalion eine
Gegend, die r^ IXog hiefs. Ferner ist auffällig das bisher in epichori-
scben Texten noch nicht gefundene Ny ephelkystikon der Verba. -^
Euting, Zwei bilingue Inschriften aus Taroassos; Sitzungsber. der Akad.
der Wissensch. zu Berlin 1887 n. 9. 10 S. 116 -123 (mit 2 Taf.) giebt
von dem phönikischen Text der obigen, gröfseren Inschrift eine Über-
setzung und Erklärung, von dem kyprischen einen Auszug aus Deeckes
Abhandlung (s. o.), von dem sehr beschädigten phönikischen Teil der
zweiten Inschrift (gleichfalls aus der Regierung des Melekiaton) eine Er-
klärung, für den kyprischen Teil die Deutung Deeckes, Berl. philol.
Wochenschr. 1887 n 12 Sp. 380: d(v)8p(äg Uivurä)' i3aß'(2)xev 'Aipdffu}'
flog 6 I!a'(S)iiäfog rm *A7:6X{X)(ovt Twt (4) *AXaacatTae' i{v) ruj^ae, —
Vgl. die abweichenden Deutungen von Berger, Deux inscr. bilingues de
Tamassus, Revue crit. 1887 n. 9 S. 172f. und Clermont-Ganneau, a.
a. 0. 6. April 1887.
Deecke, Bezzenb. Beitr. XI 1886 S. 316-319. Zwei sehr un-
leserliche epichorische Inschriften aus Aghia Moni unweit Ktima (= Neu-
Paphos) mit teilweise neuen Schriftzeichen. Der Herausg. glaubt die-
selben folgend ermafsen deuten zu können: S. 316f. A: 6 fld^w ßa^at»
XsüQ Nc]xoxXef7jg^ (2) 6 Upeu[g] rag favd(T{&)ag, (3) 6 ßaai[Xiog Ttfid]p}[(ü
Iveg, (4) rag fjfu — ag (6) xaT€(T[Taae Tä]e Bewe rä . . pa (vgl. die Weih-
inschrift SGDI 40). — S. 316 B: 6 //a>w ßaaiXeug NtxoxX£-{2)fj^g, 6
liepeug rag (3) favda(ö)ag^ 6 ßaatXiog (4) Tifxdp^w htg rag — (unvoll-
ständig). — Da sich aus beiden Inschriften die richtigere Deutung der
3*
I
36 Ghriechische Epigraphik.
paphiscben Schriftzeichen ko and ra ergiebt, so ist der erste Eigenname
in SGDI 33 Z. 2 als der des Königs Ti/iap}[og zn lesen; der SchloDs
bleibt undeatbar (S. 817). Ferner ist an Stelle des Anfangs der »ganz
falschen« Lesung von n. 41 Z. 1. 2 za setzen: 'Apetrraj'opae (2) w ^(haat-
foixoi (a. a. 0.)- Endlich ist der Anfang yon n. 31 und 32 zu lesen:
TdpßoLQ (?) I 8 dp^og (S. 319). Die verschiedenen Formen des ne fahren
ferner zu berichtigter Lesung der Weihinscbrift von Idalion n. 62: Ta
'Aßdva rä b Wa'{2)Xt<oe ßdxpa Sixa (a. a. 0.)-
Larfeld, SIB p. XXX Anm. 1. Die grofse Bronzeplatte von Ida-
lion SGDI 60, die schon von Bergk, Jenaer Litteraturztg. 1875 S. 466
mit gutem Griff in das 6. oder den Anfang des 4. Jahrh. v. Chr. gesetzt
wupde, ist auf grund von Diodor 14, 98 und 15, 4 dem Jahre 886 v. Chr.
zuzuweisen und berichtet somit von dem Kriege des Königs Euagoras von
Salamis mit den Persern und deren kyprischen Bundesgenossen.
Dittenberger, Deutsche Litteraturztg. 1884 m 8 Sp. 270 f. fafst
die Inschrift SGDI 135 als: 7a, 'Ereoddiia, m^t unter Hinweis auf Homer
ß^ 847: KuxXa}<p^ r$, mB olvov.
Ohnefalsch-Richter, MDAI IX 1884 S. 135 ff. Gemeingriechi-
sche Inschriften von der Städte eines Apolloheiligtums unweit Voni und
Kythreai (Chytroi). — S. 136 n. 1. Basis. Votivinschrift des Karys,
S. des Onysagoras, an Apollo, n. 2. Desgl. Votivinschrift des - sidoros
(Köhler glaubt Spuren von Pasidoros zu erkennen), S. des Karys, an
Apollo. Die Dedikanten von n. 1 und 2 sind wohl Vater und Sohn.
S. 136 n. 3. Fragment einer Votivinschrift der Söhne des Karys, von
deren Namen nur der des Nikodemos erhalten ist, an Apollo. Der bis-
her unbekannte Name Karys scheint einem berühmten Priestergeschlecht
anzugehören. Er findet sich auch am rechten Knie eines in Voni ge-
fundenen Torsos eingekratzt: KAPYC Nach Pierides können diese In-
schriften zur Fixierung eines noch zweifelhaften Zeichens des kyprischen
Syllabars dienen; er liest in der bilinguen Inschrift von Pseudogolgoi
SGDI 65 nicht Karyx, sondern Karys. — n. 4. Votivinschrift des Zoap-
jfoc (neu) für seinen Sohn Mrjvi^xpdn^ (neu) an Apollo. — S. 137 n. 5.
Votivinschrift des Timokrates für seinen Sohn Onasioros (oder — as) an
Apollo. — (n. 6. Ein Schalenfragment, vielleicht Wasserbecken, trftgt
aufsen die Inschrift: ^AnoXkmvog lspi[(üg). — n. 7. Basis. Votivinschrift
der Krateia, T. des Agorias (neu) an Artemis. — n. 8. Auf einem drei-
eckigen, keilartigen Steinblock Opferinschrift: LF Fopmalot ^iaaog (2)
TTJQ dnoaxeu^g (3) iduaev rö lepdov, (4) LA '^^ Upeov 6 ^/a-(5)<roc
TÄy fjSüXXlatv. (6) L€ ^ ^iatrog Tw\y (7) Kiadiov rb iepeov. — Gor-
piaios = kyprischer Monatsname > Schmausemonat c, August und Sep-
tember.
XIII. Caria: Ghenoneras Rhodia. 37
Dttmmler, The Cyprus Herald, Limattol, 21. Sept. 1886 weist
Dach, dafs der Tempel vod Golgoi voa Louis Palma di Cesncla, Cyprus,
LiODdon 1877 erfunden ist. Zweifel an der Echtheit desselben waren
schon erhoben worden von Neubauer, Der angebliche Aphroditetempel
zu Golgoi und die daselbst gefundenen Inschriften in kyprischer Schrift,
Berlin 1877.
Sajce, New Gypriote Inscriptions from Abydos and Thebes. Pro-
ceedings of the Society of Biblical Archaeology VI 1884 S. 209—222.
Aufser den schon bekannten beiden kypriscben luschriften van Abydos
in Ober-Ägypten (SGDI 147. 148) veröffentlicht der Herausg. eine grofse
Anzahl von ihm selbst im Tempel Seti's I. zu Abydos gefundener Inschrif-
ten, leider fast nur Eigennamen enthaltend, darunter 48 Nummern in
Originalschrift und lateinischer und griechischer Transskription. Es folgen
einige verbesserte Lesarten und Konjekturen von Six. — Die neue
Publikation bietet wenigstens 16 ganz neue Schriftzeichen, von denen bis
jetzt zwei, ros und nos, mit Sicherheit als Bezeichnung geschlossener
Silben in Anspruch zu nehmen sind. Hieraus folgt, dafs das bisher allein
bekannte Syllabarsohema zur Bezeichnung offener Silben der letzten, auf
Auswahl beruhenden Entwicklungsstufe der kypriscben Schrift angehört,
sowie dafs die ältere kyprische Schrift auf die hittitische zurückzuführen
ist. Vgl. Deecke, Bezzenb. Beitr. IX 1884 S. 260 f.
Sayce, Berl. phil. Wochenschr. 1884 n. 21 Sp. 671 berichtet von
44 kypriscben Graffiti, die er in Abydos kopiert hat. Mit Ausnahme
eines einzigen, welches an der Mauer des Tempels Ramses' II. eingekratzt
war, stammen dieselben von dem berühmten Tempel Seti*s I. Auch in
Theben fand sich eine kyprische Inschrift am Eingange eines Grabes.
— Von den Eigennamen, aus welchen die Inschriften meist bestehen,
sind einige neu; auch finden sich mehrere bisher nicht bekannte Wörter
des kypriscben Dialekts. Eine der Inschriften lautet: 'ApijaToxXefy^g 6
SeAofi/vcos /i' dvfi — ; letzteres Wort wohl nicht mit dem Herausg. =s
äve, wozu derselbe auf Homer (z. B. y 496), die attischen Tragiker und
Komiker, Pindar und Herodot verweist, sondern mit Voigt, Studia Nico*
laitana S. 69 = dvelBijxe, Eine andere Inschrift bietet: Zo/^c ^ TtfW'
fdvaxTOQ 'A^oufdg. Letzteres Wort mit / ist auffällig. Von anderen
neuen Formen sind Kepayud^ und ^g (3. sing, imperf., wie im Arkadi-
schen) zu verzeichnen. S. die Lesungen von n. 40 und 9 von Deecke,
Bezzenb. Beitr. a. a. 0. S. 250 f.
Xm. Carla.
GhersoneBus Rhodia.
Dnrrbach und Radet, BGH X 1886 S. 253ff. n. 2. Phoenix 8.j«hrh.
(Pheuikeh). Auf das Präskript: Toidt toü Sdfwu </faftaafAdvcu [iniddh'
38 Griechische Epigraphik.
treev] bnkp rbv vabv rou Aiov6'(2)(too iTcayyee^ld/ievot £]So<j[ay Tä\
XP^fiara [r]o?[c] a\p)[oum (?) folgt in zwei Kolumnen ein Verzeichnis der
Beitragenden mit den beigesteuerten Summen. 3. Jahrh. v. Chr. Ein-
heimischer Dialekt.
s. Jahrh. Dieselben, a.a.O. S. 248 ff. n. l. Ebd. Weihung des Prytanen
Timasitheos, S. des Timasianax, der Priester und Hieropoioi an alle Götter.
Es sind aufgeführt: ein dp^tcuptardQ^ je ein Priester der Athana und des
Zens Pollens, der Aphrodita, des Asklapios, des Sarapis und 21 Hiero-
poioi. Ans derselben Zeit. Einheimischer Dialekt. ~ S. 258 n. 4. Ebd.
Fragment: ^AnoXXatvoQ //e— . — S. 259 n. 5: ^EXetHag (= EiXei&ueag).
Dieselben, a. a. 0. S. 247. Ebd. Grabstein des Helokrares, S.
des Euanor. — S. 258 n. 3. Ebd. Grabstein des Bruderpaares Apollo-
nios und Charmylos, SS. des Chairemon.
Dieselben, a a. 0. S. 261f. n. 7. Ebd. Die Genossenschaft einer
Ktoina ehrt durch die Verleihung eines Kranzes den Metöken Philou-
menos, der zweimal ein Amt bekleidete und auf seine Kosten ein durch
Erdbeben zerstörtes Gebäude wiederherstellte (tov dvSpäjvav [!] xare-
peefievov [so!] dnb tou aeefffiou). Aus später Zeit; zum teil barbarische
Formen.
Dieselben, a. a. 0. S. 259 n. 6. iChabiaras, Paruassos 1880
S. 834c; vergl. Röhl 11, 55.) Aus Loryma, jetzt auf der Insel Syme.
Die Genossenschaft der ipavtarai für den Kult des Adonis ehrt den
Tele]stas, S. des Teleson, aus Caesarea durch Erteilung des Titels euBp-
yiraQ^ völliger Freiheit von Abgaben und Beiträgen, sowie durch Ver-
leihung eines an jedem Adonisfeste zu erneuernden Kranzes uud durch
alljährliche Proklamation der zuerkannten Ehren. Einheimischer Dialekt.
Benndorf und Niemann, Reisen in Lykien und Karien I 1884
S. 22 n. 18 (Chabiaras, a. a. 0. d; Benndorf, Archäol.-epigr. Mitteil,
aus Österreich VI 1882 S. 157); vgl. Röhl li, 56). Aedicula mit der Weih-
inschrift: ÜS^ojv UaiTsepat und der KOnstleriuscbrifc (2) ^AdavodoipoQ
(3) inoh^ae. Die Künstlerinschrift wiederholt von Löwy, luschr. gricch.
Bildhauer, Leipzig 1885 n. 302.
Durrbach und Radet, a.a.O. S. 264 n. 8. Ortadje, Syme
gegenüber. Grabschrift (?) der T]aTta 'AyT^oiddfiou, (2) xa&' uo&emav de
{B) ^Apjcdpj^oü Boaaavouvriou (Ethnikon oder Demotikon) ; schon bekannt
ans Arch.-epigr. Mitteil, aus Österreich VII 1883 S. 116 n. 13).
GniduB.
sGDi Dubois, BCH VII 1888 S. 485 n. 1. Aus dem Dorfe Tatsa bei
*^^ Knidos, jetzt auf der Insel Nisyros. Fragment eines Ehrendekrets in
XIII. Caria: ChenoDesus Rhodia. Cnidas. SIdus Ceramicas. 39
eiDheimischem Dialekt. Zor Ergänzung ist wichtig das ähnliche Dekret
bei Newton, Halicarnassas, Gnidus and Brancbidae append. n. 52 (S6DI
3602).
Scholl, Rhein. Museam 42 1887 S. 478 ergänzt die Weihinschrift
Newton, Halicarnassus, Cnidas and Branchidae I pl. XGII n. 40. II 766:
)iBa\vdToeQ (2) Boytevra (3) 8a]fJLioupydg *Ap*{4)nd]xpä[g] Idpuffaro (5)
ßaipov. — »Man könnte glaaben, dafs ein hexametrisches Muster, bei-
spielshalber ^ABavdrotQ Buoavra 0{^aßv Idpoaaro ßwpov, von dem Stifter
verwertet und durch Einsetzen seines Namens und Titels aus den Fugen
getrieben sei.c
'Villes inconnues du golfe G^ramiqae'.
Diehl und Cousin, BCH X 1886 S. 423. Am Eingange der Bai
von Djowa liegt ein kleines Eiland, Selroglu, mit beträchtlichen Ruinen,
die nach Ausweis der Inschriften von einer antiken Stadt Kedreai her-
rühren, deren Lage bisher unbekannt war. — S. 426 n. 2. Ehreninschrift
der Genossenschaft der Dioskuriasten (nach ihrem Stifter oder Reformator
Tbeodotos benannt: r^ xotvbv rb Aeoffxoopca^näv 0et}8oTsiw[)t). Der
KOnstler, Simias, S. des Pythokritos, aus Rhodos, ist unbekannt. Sein
inschriftlich bekannter Vater lebte um. die Mitte des 2. Jahrb. v. Chr.
(Löwy, Inschr. griech. Bildhauer n. 174. I74a. 176. 176). Einheimischer
Dialekt. — S. 426 n. 3. Ebd. Fragment. Der Damos der Kedreaten
(Kedpearäv) ehrt - - ^tX/Sa,
Dieselben, a. a. 0. S. 424 n. 1. Ebd. Basis. Nikon, S. des
Kleippidas, weiht eine Statue im Tempel der Athene. Von den beiden
Distichen giebt das zweite einen sonderbar verschlungenen Sinn. Die
Inschrift lautet: % fjtdXa xa\ Taurav 6 KXsmmSa Etaazo Ncxwv (2) eixova
reede xXuzop. pväpa xa\ dil'tjovoiQ^ (3) Baphv oTtwg buoevrt Beuu yipag ä
y^ iy\ vawt (4) ^piva djjsAkoc Swpa BOa lloXidg Merriam, American
Journal of archaeology U 1886 S. 426 liest Z. 3: £/, Z. 4: BuanoXiaQ,
— S. 428 n. 4. Ebd. Stelenfragment: ''Ap/iiovt (2) arpan^yl^il (3) Aupv^k:
Dieselben, a. a. 0. Die neueren Geographen haben das alte
Bargasa identifi/Jert mit dem im Innern des ceramischen Meerbusens
gelegenen Flecken Djowa. Nach einer neuerdings gefundenen Inschrift
ist an Stelle des alten Bargasa vielmehr Idyma zu setzen. — S. 429
n. 6. Den Kaiser 0üS(Tnaffea'(2)vbv (ausgemeifselter Name) (3) leßaatöv
ehrt rb xotvbv Idup/tov rbv (4) ndvTwv dv&pcjnwv awrr^pa xat Eotpyilv^v
in Form einer Weihung an die Götter. — S. 430 n. 6. Ebd. Arg ver-
Btämmeite Basisinschrift eines - - c MevBxpdrou ne8te[uQ.
Dieselben, a. a. 0. n. 7. Ebd. Grabstele: Ddima} JSofxpdreue
(2) KedpeäTtc.
40 Griechische Epigraphik.
Halicarnassus.
iGAMo Comparetti, M^langes Graax 1884 S. 175 — 186. Museo ital. P
1885 S. 151—157. Die mehrfach herausgegebene and oft besprochene
archaische Inschrift IGA 500 (vgl. n. a. Kirchhoff, Stadien < S. 4 ff), die
sich jetzt im Britischen Maseam befindet und von Comp, neuverglichen
worden ist, soll nach demselben Gesetzesvorschriften in bezug auf Tem-
pelgrondstttcke enthalten (vgl. ve<o7toteTv Z. 7/8; Upi^ dyopä Z. 8/4). Ab-
weichende Lesangen und Ergänzungen: Z. 7—9: I!ap[oaaw\XX{o r]o Bet-
xoüio ve[w'{S)7t]oc[hf Td]g fi[vT^]fwyag. fj^ itap[a''(V)d(^o[aBai\ Z. 20/21:
6pxmff[€u Th\: Btxaaräg ^r-|av; Z. 42: ':[p6n\wi\ Z. 43/44: xar' o*\ftep
rä Spxta ird{j[&i^.
4.jahrh. Beundorf and Niemann, Reisen in Lykien und Karlen I 1884
S. 11 n. 2. Weihinschrift: da narpoß/wt (2) ^ABrjvayopi^g (3) Il(xpo(so)C'
a(oA8o(u) (4) 'AxapfWfJLdkS[aßv (5) l]apau{so)c[a]wX8o{u), Wohl aus dem
4. Jahrb. v. Chr. Bemerkenswert ist die ionische Form des ersteren Na-
mens; neu sind die beiden folgenden karischen Namen.
Dieselben, a a. 0. n. 1. Stein mit zwei sehr jangen Inschriften:
1. Mxiß KaXkia xa\ Ma^{'{2)p]ou xcü JafiOip/'(S)wvog ddeX^wv (4) xa-
ra^ppovi^Täiv. — 2. Mxi^ (2) BdXevrog (3) xal AoißTttpxoo (4) xa^ Ttpx^
Xdou (5) dSeA^äJv.
Suagela? (Tschuktscheler Kaie bei Budrun).
Paton, Journal of hellenic studies VIII 1887 S. 82. Grabaltar
mit der Inschrift: ^EareoSo . s \ ntypeo-'ye.
Pedasa.
Jadeich, MD AI XII 1887 S. 384; vgl. S. 346. Architravinschrift :
'(? 8^p.oQ ßa<rtX[€c .... (2) rijv TraAaeffrplav dve&i^xev.
Caryanda (Insel im SO. des Golfs von lasos).
Haussoullier, BGH VIII 1884 S. 219f. Dorf Kudjak, vielleicht
aus lasos. Detaillierte Vorschrift Ober die Verteilung des Ekklesiasti-
kon; hergestellt von Hicks, Journal of hell. stud. VIII 1887 S. 103 ff.
and nach einem nenen Abklatsch von Paton S. 116 ff.
Bargylia.
Papadopnlos-Kerameus, /T^^l'XV 1884 S. 61 n. 6. Zu Kyme
gefundenes Ehrendekret des S^fioQ 6 BapyoXei^rwv auf die Kumäer, wahr-
scheinlich wegen Entsendung von Schiedsrichtern. Jetzt im Museum zu
Konstantinopei.
Passala? (Tschuluk).
Die Ruinen bei Tschuluk gehören vielleicht zu dem alten Passala,
dem Hafenorte von Mylasa. Die Zuteilung der folgenden zehn Inschriften
XIII. Carla: Halicarnassas. Pedasa. Caryanda. Bargylia. Branchidae. 41
an lasos seiteDS des Heransg. stfitzt sich nach Foocart, BCH XI, 2114
Anm. abgesehen von der Nähe dieser alten Stadt nur auf die zweifel-
hafte Lesung von n. 8 Z. 1: W ßoi>X^ xal 6 8^/ioq 'laaswv (2) 0euSä
i^ßapj^^ffavra u. s. w. Allein in den beiden anderen Weihnngen von
Slatnen dnrch Theodote an ihren Gatten (o. 2) und einen anderen Sohn
(n. 4) fehlt der Name der Stadt Aufserdem w&rde bei obiger Lesnng '
der Name des Sohnes des Theudas fehlen. Somit dttrfte vielleicht 'Idaova
ZD lesen sein.
Kontoleon, BGH XI 1887 S. 213 n. 2 in Minuskeln. Bule nnd t^ii?
Demos ehren den Theudas, S. des Beboi(8o!)os, leiblichen Sohn des Me-
nandros, der n. a. als Gymnasiarcb der Neoi mit seinem Sohne Th. sich
verdient gemacht hatte. Die Kosten der Bildsäule bestreitet seine Gattin,
Theodote, ^ExaTÖ/ivw (Gen.), leibliche Tochter des Eros. — S. 214 n. 3
in Minuskeln. Bule und Demos laaimv (? s. o.) ehren einen Sohn des
Theudas» der sich als Ephebarch und durch eine unentgeltliche Gesandt-
schaft an den Kaiser Hadrian verdient gemacht hatte. Die Kosten be«
streitet seine Mutter (wie n. 2). — S. 214 f. n. 4. Bule und Demos ehren
den Theudas, S. des Th., der mit seinem Vater das Amt eines Gymna-
siarchen der Neoi bekleidete (vergl. n. 2). Die Kosten bestreitet seine
Mutter Theodote ^ExarojjLvovog, — S. 215 n. 5. Die, ^tXoffißaaroi yepou'
ata ehrt den Gymnasiarcben G. Vettius Artemidoros. — S. 216 n. 8. Die
lulia Augusta, fir^ripa arparoni^iüv^ ehrt die Stadt unter dem Logisten
und Asiarchen T. Fl. Demetrios und den Epimeleten M. Mussios Pankrates
und Dionysios-Dioskoros. — S. 216f. n. 9. Fragmentierter Yolksbeschlufs,
wonach dem gewesenen Paidonomen G. lulius Gapito eine elxdtv ypanr^
iv danßt ini^puatp mit Ehreninschrift errichtet werden soll. — S. 215 f.
n. 7. Den A. Mussios Apros ehren M. Mussios Leon und M. Mussios
Helix (s. n. 6) als ihren Patron und Wohlthäter. — S. 215 n. 6. Im
Jahre pn' (der sullanischen Ära?) verwaltete der Paidonomos M. Mussios
HcIix (s. n. 7) sein Amt vofu'/icjg. — S. 217 n. 10. Fragment: Im Jahre
ft^' unter den Gymnasiarchen G. Pompeius und lulius Kominas, S. des
Plson, rd ß' o7Se ^pia[T£uaav. — S. 218 n. 11. Fragmentierte Ehrenin- t^ijf
Schrift auf den Kaiser Antoninus Pius.
Branchidae (Geronta).
Gardner, Journal of hellenic studies VI 1885 S. d50£f.; ans den
wieder aufgefundenen »MS. Inscriptions collected in Greece by G. R.
Gockereli, 1810—14«.
S. 351 f. n. 102; ungenauer Lebas-Wadd. V 222. Fragment eines
Beschlusses der ffuvedpoe (ll) Y^väffij^ imtTTarwv au[Y]xs/wp[^(T&a[e (12)
^Ernv/xo} 'Enivexou roh '^H[faL\ia[r{]wvo[Q (13) trc^ffae arvjh^y npbg rtp Ispw
To[ü] J[*-(14)^]c TOM Üwr^pog^ X^^^ ^^^ dvaYpd^B'(\b)a^at rä dv6-
fjAXTa Tiov bnoftevovTwv [7:'(l6)loXeT]wv napä de[a] iv rm U[p]ä)e rm iv
—161
42 Griechische Epigraphik.
de'(l7)S6fjLoe^ — . Der Beschlafs bezieht sich e/c ri^v d^ei7owTav [i4ffo]A-
^[wve Jt8u ' (7) fxee] Buatav xa\ Upoupyeav auvr[eX - (S) e]urBat , xaBwg
i[^]/[C]s7[o] Twi [^e]a;r, 8tä t^"(9) i]x [n\XiovoQ ^[p\üvoo iJürj[ß]iya [mo*
lit[ji -(10) tv]ijxivat.
S. 350 0. 98. Bule nod Demos ehren den Marcus Aelins Anrelias
Doronas, rbv [i- {*l)[(ip\r\ß]ov xat dfi\(pt-{!S)[ß\aX^^ welcher in der naßcav
ndXij an den grofsen Didymeien siegte. — S. 353 n. 106. Fragmentierte
Ehreninschrift, u. a. u[nep (5) rau ^[a]/£7Z)oa;c xal ^eXo^6[$to^ (5) äyopa]-
vofiTJaai xai not^aat i'{fi)v\u}vt\a]iioug ascToo xat iXaiou (7) xat] rwv
[X\ot(7:)(üv imrrjStttDv iv (8) 8tio]^[spi]ai xatpdtQ,
S. 351 n. 100. Fragment, wonach dem ApoUon eine ^td\Xij ge-
weiht wird.
Alabanda.
Diehl und Goasin, BGH X 1886 S. 299 ff. n. 1. Fragment eines
umfangreichen Ehrendekretes emf Iluppa - , Derselbe hatte durch reiche
Geldunterstützungen wiederholt seiner Vaterstadt und Privaten aufge-
holfen, mehrere Mitbürger aus der Sklaverei losgekauft und dreimal eine
Gesandtschaft (zweimal an den römischen Senat, einmal an einen König)
übernommen. Auf der letzten Gesandtschaft war er gestorben. Die Bür-
gerschaft beschliefst, eine dem Geehrten nach seiner ersten Gesandtschaft
errichtete Bildsäule mit einem goldenen Kranze zu schmücken. — Wahr-
scheinlich aus der Zeit des Krieges der Römer mit Antiochus ; in diesem
Falle wäre der nicht näher bezeichnete König wohl Eumenes von Per-
gamon. - S. 307 n. 2. Basis. . Der Demos ehrt den M. Antonius Me-
langros von königlicher Herkunft, dessen Gharakter und Beredsamkeit
gerühmt wird, und der als Oberpriester der Roma und des Gäsar Auga-
stus sich den Dank der Stadt erwarb. - S. 308 ff. n. 4. Fragmentierte
Liste von Ehreninschriften auf Aristolaos, S. des Gorgias: 1. und 2. von
zwei auYyivttat (Abteilung der Bürgerschaft zwischen Phyle und Phra-
trie; der Name der ersteren nicht erhalten, der der zweiten n]tvüTia}v)\
3. seitens des Demos von Stratonikeia; 4. seitens eines —itov dr^fio^, —
S. 311 ff. n. 5. Fragmentierte Liste der einem Bürger von Alabanda durch
auswärtige Städte (Milet, Jasos, Parion, Bargylia, Herakleia am Latmos,
Kos, Hyllarima [kleines Städtchen in Karien]) sowie durch die Genossen-
schaften seiner eigenen Vaterstadt, die ihm ein Öffentliches Begräbnis zu
teil werden liefsen, zuerkannten Ehren.
Dieselben, a. a. 0. S. 308 n. 3. Der gewesene Agoranom Mo-
schion, 8. des M., stiftet 'EpfteT dyopatwt ein Weihgeschenk.
lasas.
Hicks behandelt in der CoUection of ancient greek inscriptions in
the British Museum Part lU sect. 1 Oxford 1886 S. 64—66 n. 440-445
XIII Caria: Alabanda. lasas. Lagina. 43
die Inschriften von lasos. — Vgl. aoch dessen Artikel : ilasosc im Journ;
of hellen, stud. VIII 1887 S. 83—118
Haassonllier, BGH VIII 1884 S. 468. Ehreninschriften von Bule t ist
und Demos: 1. auf den Kaiser [JSeßl^pov *AvTw[ve]evov [Eu]a6ß^ *Aue{[x]j^ ""'
Tov\ 2. auf Bedv ^eß^pov röv naripa roZ xoplou ijfimv AvTcjveivoo, —
S. 454 f. n. 1. Rat und Volk bekränzen den Ante]nor, S. des Euandrides,
aas Milet wegen seiner Verdienste um die Stadt. Der Geehrte ist be-
kannt aus CIG 2859 Z. 2, woselbst herzustellen ist: 'AvT7j[yopo<:. Ergän-
zung der Inschrift von Hicks, Journal of hell. stud. VIII 1887 S. 101.
Derselbe, a. a. 0. S. 455 n. 2. Fragment eines Verzeichnisses von
Geldbeiträgen wohlhabender Bürger behufs eines Getreidekaufs; herge-
stellt von Hicks, Journ. of hell. stud. VIII 1887 S. lOOf.
Derselbe, a. a. 0. S. 456 n. 5. Grabmal des Menippos und seiner
Familie. — 8. 467 n. 7. Bilingue (griech. und lat.) Grabschrift des P.
Ploticius, L. f.
Derselbe, a. a. 0. S. 456. Grenzsteine, n. 3: dtoQ, n. 4: ^tb^ (2)
^r^e^TTOu. — Vgl. Hicks, Journal of hell. stud. VIII 1884 S. 115.
Durrbach und Rad et, BCH X 1886 S. 267 n. 5; vorher Mooaeiov
xae ßtßXtoByixTi II 2/3 1878 S. 49 (Röhl II, 59). Jetzt auf der Insel Syme
befindliche Inschrift: flouX^sp (2) xoevajvcjv (3) Atfxsvtov '/l*(4)(r/a( olxo^
(6)v6poc iy (6) ^latTw. - xotvoßvo/ = publicani, societates publicanorum.
Zu vergleichen und nach unserem Text zu ergänzen ist die bilingue In-
schrift von Milet CIL III 447, in welcher olxovofioc durch vilicas über-
setzt wird. — S. auch Hicks, Journ. of hell. stud. VIII 1887 S. 113.
Pantelides, BCH XI 1887 S. 76£f. n. 6. Auf Kos gefundenes,
unten verstümmeltes Ehrendekret der Bule und des Demos von lasos
auf Teleutias, 8. des Theudoros, von Kos, dem unter anderen Privilegien
mit seinen Nachkommen die Proxenie und das Bürgerrecht erteilt wer-
den. — Nach Hicks, Journ. of hell. stud. VIU 1887 S. 112 ist der Ge-
ehrte wahrscheinlich identisch mit dem Koer Teleutias Anth. Pal. II n. 91.
Vielleicht gehört nach lasos die Inschrift von Caryanda (s. 8. 40).
Mooauov xa\ ßtßkoBi^xfi V 1884/6 S. 61 n, ov' in Minuskeln. Rju- t^Mi
luk bei Mylasa. Tbv ix iptlo(To<piaQ ßa- {B) (rtXeuovra xal dexatoau»(4)vjj
re xal ral^ äXXat^ dpe'(d)Tae^ Tiourav deeth^^oTa (4) rijv u^' ^X((p, den
Kaiser Fl. Claud(ius) lulianus, ehrt durch eine Widmung Rat und Volk
von lasos.
Lagina.
Diehl und Cousin, BCH IX 1885 8.438-451. Fragment eines «^
8eDatusconsuitam vom J. 81 v. Chr. als Antwort auf eine Gesandtschaft
44 Griechische Epigrapbik.
der Stadt Stratonikeia in Karien, gefanden unter den Ruinen des Hekate-
tempels bei Lagina, auf dessen Mauern mehrere offizielle Urkunden der
grofsen Nachbarstadt entdeckt worden sind. Der Senatsbeschlufs war in
Kolumnen auf die Mauer des Tempels quer über die einzelnen Steine ge-
schrieben. Bisher bekannte zusammenhanglose Fragmente desselben:
1. Fragment £: Newton 1867 (Halicamassus, Cnidus and Branchidae
n, 75 = Benndorf und Niemann, Reisen iu Lykien und Karlen I 1884
S. 156 n. 132), 2. G und H: Benndorf und Niemann 1881/2 (a. a. 0.
n. 181. 133), 3. ein sehr kurzes Fragment Lebas-|Waddington (Inscr.
d'Asie min. n. 533. 534). Durch die Entdeckung von neun weiteren
Fragmenten wird eine annähernde Rekonstruktion der wichtigen Urkunde
ermöglicht. — Z. 1—13: Dem Senatsbeschlusse geht voraus ein fragmen-
tarisch erhaltener Brief des Diktators Sulla an die Einwohner von Stra-
tonikeia, in welchem derselbe die Ergebenheit der Stadt gegen Rom
rühmt und die deswegen während des mithridatischen Krieges über die
Stadt verhängten Leiden hervorhebt. Z. 13 — 17: Kurzes amtliches Schrei-
ben des Sulla, in welchem den Stratonikeern die Aushändigung einer Ab-
schrift des Senatsbeschlusses an ihre Abgesandten mitgeteilt wird. Z. 18
— 119: Protokoll über die Senats Verhandlungen. 1. Z. 22 — 59: Nach den
üblichen Einleitungsformeln sowie nach einem Appell an das Wohlwollen
Sullas und einer Hervorhebung der Verdienste ihrer Stadt um Rom
stellen die Gesandten au den Senat die Bitte a) um Aufrechterhaltung
der alten Gesetze der Stadt, b) um Bestätigung der während des mithri-
datischen Krieges gefafsten Yolksbeschlüsse, c) um Ratifikation der von
Sulla der Stadt bewilligten Ländereien und Einkünfte, d) um Anerken-
nung des Asylrechtes im Tempel der Hekate, e) um Wiederherstellung
der im Kriege verlorenen Güter, f) um Befreiung der während des Krieges
in Knechtschaft geratenen Bürger, g) um geneigtes Gehör in jeder die
Stadt betreffenden Angelegenheit, h) um das Privilegium für die Ge-
sandten der Stadt, auch aufser der Reihe Audienz bei dem Senate zu
erhalten. 2. Z. 59 — 119: Zuvorkommende Einladung des Senates an die
Gesandten, in dem Sitzungslokale den Bescheid zu vernehmen; Bestäti-
gung des Titels der Freundschaft und Bundesgenossenschaft des römi-
schen Volkes an die Stadt und Verleihung der gleichen Titel an die Ge-
sandten; Bewilligung der einzelnen Gesuche der Reihe nach, wahrschein-
lich unter thatkräftiger Unterstützung des Diktators; Beauftragung des
Diktators und des Prokonsuls von Asien mit Überwachung der Ausfüh-
rung der Beschlüsse. — Eine Fortsetzung des Senatsbeschlusses bildet
ein Volksbeschlufs der Stratonikeer hinsichtlich des Asylrechtes im Tem-
pel der Hekate, der von Sulla und dem Senate anerkannt wird. Am
Schlüsse desselben findet sich eine nur fragmentarisch erhaltene Liste
der Völker, Städte und Fürsten, welche die Anerkennung der Unverletz-
lichkeit des Heiligtums zugesagt haben. ~ Der inschriftlich erhaltene
Teil des Beschlusses mag etwa ein Zehntel des Ganzen ausmachen.
l
^^'^^^^'^'mmmmm^pmmm^tm^mmmmmmm
XIII. Carla: Lagina. 45
Sprachliche ond sachliche Anmerkangen bietet Bases, 'E^. dp^. 1886
8. 41—48.
Beondorf und Niemann, Reisen in Lykien und Karien I 1884
S. 156 n. 134. EckstOck einer Basis oder Ära mit fragmentierter Rechen-
schaftsurkunde einer Tempelbehörde. — A. a. 0. n. 135. Stele mit frag-
mentiertem VolksbeschluTs (i8o$ev KoapevSeümv) betreffs einer von Maus-
sollos, S. des Hekatomnus, verliehenen Abgabenfreiheit. Datiert nach
dem ersten Jahre des Königs Philippus und einem Satrapen Asandros.
Diehl und Cousin, BCH XI 1887 S. 7-12 n. 1—6. Listen von
Hekatepriestern aus den Trümmern des Tempels: S. 7f. n. l 6 Priester;
S. 8f. n. 2 9 Priester; S. 9 f. n. 3 (mitgeteilt von BenndorO zwei Kolum-
nen mit 2 + 9 Priestern; S. 10 n. 4 (Benndorf) 5 Priester xarä ^revra-
(ß)eT]ijpe3a rijv d^&eTirav /xerä (4) t]ou^ TtoXe/iooc TipwTTjv, Der Tempel
der Hekate war wahrscheinlich während der mithridatischen Kriege und
des Einfalls der Parther unter Labienus (39 v. Chr.) verwüstet und die
Pentaeteris unterbrochen worden. — S. 11 n. 5 (Benndorf) 6 Priester;
8. 1 1 f. n. 6 (Benndorf) Liste mit dem Namen eines Priesters (?), sowie
eines lepeug inavyeddiuvog ^ einer Idpeta^ einer xXetSo^opog inavyetXa-
/iduij und eines napanopLnog, Die letzten vier sind Vater, Mutter, Tochter
und Sohn. — Die Ausdrücke htayydXXopae und inayyeXia (s. im Folg.)
beziehen sich höchst wahrscheinlich auf das den priesterlichen Personen
vor ihrer Wahl abgenommene Versprechen, die mit ihren Ämtern ver-
bundenen grofsen Auslagen und kostspieligen Spenden (vgl. n. 42 S. 46)
rite bestreiten zu wollen.
Dieselben, a. a. 0. S. 12f. n. 7 (Beund.). Fragmentierter Bericht
wahrscheinlich von Spenden, welche eine Frau als xXetSo^öpog i$ inaV'
jreX/ac (s. 0.; diese Würde bekleidete sie gemeinschaftlich mit ihrer Tech*
ter lulia — ) und darauf als Priesterin mit Unterstützung ihres Sohnes
lolius geleistet hatte.
Dieselben, a. a. 0. S. 13 n. 8 (Benndorf). Name eines Priesters,
einer Priesterin und des Sohnes derselben. -- S. 13 f. n. 9 (Bennd.)
5 Priester. — S. 14 n. 10 (Bennd.): 2 Kol. mit 1 + 8 Priestern. — S. 15
n. 11 (Bennd.) 2 Priester. — S. 15 f. n. 12 2 Kol. mit 2 Priesternamen
und 10 verstümmelten Namen. — S. 16 n. 13 (Bennd.) 2 Kol. mit dem
Namen eines Priesters und 4 weiteren Namen. — S. 17 n. 14 (Bennd.)
2 Kol. mit den Namen einer Kleidophoros Klaudia Nymphidia und eines
Priesters, dessen Frau Mitpriesterin war. — n. 15 3 Priester. — S. l7f.
n. 16 2 Kol.: 2 + 3 Priester. — S. 18 n. 17 1 Priester. — n. 18 1 Prie-
ster. — S. 18 f. n. 19 2 UpeTg if[av}'t(so)Xdpevoe, — S. 19 n. 20 2 Kol.:
2+2 Priester, 1 Epimeletes. — n. 21 (Bennd.) 2 Priester. — S. 20 n. 22
(Bennd.) 2 Priester. — n. 23 3 Priester; Z. 6 wird olo^eaiav durch ein
46 Griechische Epigraphik.
Aber das 0 ^^^ Präpositioo xa&' gesetztes Y bezeichnet (vgl. ROhl II,
eo). — n. 24 3 Priester. — S. 21 n. 25 3, n. 26 6, n. 27 4 Priester. —
8. 21 f. n. 28 2 Kol.: 4 + 1 Priester. — S. 22 n. 29 4, n. 30 3 Priester.
— S. 23 0. 31 (Bennd.) 3, d. 32 (Bennd.) 4 Priester. — 8. 24 n. 34
2EoI.; a wahrscheinlich Rest eines Ebrendekrets, b ein Priestername.
~ 8. 24 f. n. 35 (Bennd ) 2, 8. 25 n. 36 (Bennd.) 4 Priester. — 8. 25 f.
n. 37 (Bennd.) Name eines hpehg inavyseMfievog Aristeides, S. des Leoo,
KoiXiopyeuQ) ^ welcher vorher schon Priester des Zeus Panamaros und
Grofspriester der Kaiser gewesen war. Es folgen die Namen eines Prie-
sters und einer Priesterin sowie ihrer Tochter, einer Kleidophoros. —
8. 27 n. 38 (Bennd.) Name eines Priesters. — n. 39 (Bennd.) 2 Kol.: ein
lepBüg inav]r£i'(2) M/xevoQ iv 7:sv-(S)TasT7)pede und ein uejltg t^q noXeaßg.
— S. 27 f. n. 40 Name eines Upstfjg i$ (i)na^^eXta}v; darunter in 2 Kol.
Name eines Priesters und einer Priesterin, die ihr Amt treu verwalteten,
sowie eines lepeuQ inavyii^o) Xoliibvoq^ welch letzterer auch BCH V, 190
begegnet. — S. 28 f. n. 41 Name eines lepeug i$ lepiojv und einer iepeea,
seines Weibes, welche vorher Priester rou fJavT^fiep^ou dtdg gewesen
waren; sowie einer xXc (so) So^opog und eines im/ie^r^jg riuv fioaTTjptiuv.
— 8. 29 f. n. 42 zwei zusammengehörige Fragmente mit den Namen eines
hpsug in\a)fYttX[d}isvog^ iv nevrasTi^pedc tö 7ti[jin]7üv, (2) 9£ü8u}pog\
Oeo^iXoü [Kc'iv^efiog (derselbe auch n. 43), sowie eines (3) kosug inav-
Y{ec\Xdp£vog rö dsurepov (4) 8iaXt7rd>v /liffa irrj duo ßeo^eXug ßeo^tXou
^UlpoxcDpijTTjgy (5) hg xa\ iTn^jvye (so) Xaro rou Kaiaapog fOjvhg rjj npwTjj
Zeßaaxljl (6) xa\ Ofia r^ unoa^iat ro re lepov rjvuae xal rijv Beov ebaS"
[ßfjffe (7) xal rä Ttpbg zoug dvbpwnoog i(pc[X]p7tiiyj^ri, Der Monat Kai-
sarios ist der erste des asiatischen Kalenders (24. Sept. — 24. Okt.). Das
Epitheton Zeßaar^ ftir bestimmte Tage findet sich auch im ägyptischen
Kalender. — 8. 30 n. 43 2 Upelg inavyeeXdfieyoe, von denen der erste
auch in n. 42 genannt wird. — 8. 30 f. n. 44 (Bennd.) 3 Priester. —
S» 31 f. n. 45 (Bennd.) Name eines Priesters Charilaos, der sein Amt
rühmlich verwaltete, sowie eines Upeug ig inavysXiag Thrason, S. des
Hierokles, Leon 'hipoxaj/i^'njg), der vorher schon folgende Ämter be-
kleidet hatte: das Erzpriesteramt 10 jährig, die Gymnasiarchie 11 jährig,
das Priesteramt rou fieyiarou Beou^ des Zeus Panamaros, 16 jährig, des
Propator Zeus Chrysaoreios (vergl. n. 60) 20 jährig, sowie seiner Frau,
einer Priesterin, deren beider Tochter Kleidophoros war. Thrason ist
bekannt aus CIG 2720. 2721; er lebte unter den Antoninen und gehörte
zu einer der grofsen Priesterfamilien der Stadt. — S. 160 n. 69. Frag-
ment: — ou Toü 0aveou KoXiopy[e6g»
Dieselben, a.a.O. 8. 145 f. n. 46. Fragment einer Aufzählung
der Verdienste des kpeu]g ig inavyeXeag Tib. Fla[vius, 8. des Stratokies,
Menandros Ku[p€(va]^ 6 xal JeoxXrjg Ko{Xeop]r£ug), und der Upeea rb ß*
FlLavia Leontis. Beider Namen lassen sich nach Inschriften von Pana-
ZIIL Carla: Lagina. 47
mara herstellen; sie bekleideten das Priestertoni des Zeus Pana[maro8
und der Hekate. Namentlich die hervorragenden einheimischen Priester-
familien besafsen das römische Bürgerrecht. Sie fügten ihrem griechi-
schen Namen ein römisches Pränomen und Nomen bei und waren der
Tribus Quirina zugeteilt; nur einmal begegnet auch die Tribus Papiria
(Wadd. 626). Als Feste werden erwähnt die ans mehreren Inschriften
von Panamara bekannten Komyria und Heraia.
Dieselben, a.a.O. S. 146 f. n. 47. Zwei Fragmente (a schon
BCH V, 191 n. 12 = Röhl II, 60) einer Aufzählung der Verdienste eines
Hekatepriesters, der u. a. bei den Geldspenden auch die 'Pcjfialot {= ne*
gotiatores) bedachte, und seiner Tochter Leontis ^kipoxwfujrei), einer
Kleidophoros und Boyd-cT^p t^q [noktaiQ, — 8. 163 n. 57. Zwei Frag-
mente. Erwähnung der Verdienste des Hekatepriesters if iTiav^eXiOQ
Tib. Fl(avius) Tib. f. Ku{peeva) Aineias The[oph]anes f/Jf. ^doeißaarolc,
(3) ^eA67:]arptc^ uedg r^c noXeajQ, und seiner Gattin, der Priesterin
FUavia), T. des Jason, sowie seiner Mutter Fl(avia) Tatia um den Kult
der Göttin. — S. 164 n. 68 b. Fragment; erwähnt wird ein Tib. Flavius
Quirina Diom[ede3. Mitglieder dieser Familie werden auf einer grofsen
Zahl von Inschriften aus Panamara genannt. — S. 154 f. n. 60 (Bennd.).
Erwähnt wird ein UpebQ xarä 7:evT<is[Tijp^a] inavYst[Xdixevog des Zeus
Propator (vgl. n. 46) und r^g p£ycffff(8o)'n^g Be[äg 'Exd-njc aus der Tri-
bus Quirina. — S. 155 n. 61. Erwähnt wird ein lepsug] inavYtddfisvoQ
lason, 8. des Hierok[les, sios K(<opa)Z(toQ\ ein ulbg r[^c] noXeoßQ
und dpxie\p]z[ug] tüjv Heßaffratv^ der eine Gesandtschaft e[/c r^v ^ye/iO'
vy8a ^Fiopy^v zum Kaiser unternommen hatte.
Dieselben, a. a. 0. 8. 147 n. 48. Zwei Fragmente einer Ehren-
inschrift von Bule und Demos auf Herakleitos], S. des Apollooides, Eude-
mos D[emetrios 7s' und seine Gattin Tatarion, T. des Myonides, Poly-
nike [Apphia, Priesterin der Artemis und der mit ihr verehrten Gott-
heiten, sowie der Hekate, -- welche sich namentlich durch Geldspenden
(die auch den 'Pujfidoig Z. 7 (s. o.) erteilt wurden) verdient gemacht
hatten. Die beiden Geehrten sind aus mehreren der von Cousin und
Deschamps entdeckten Inschriften von Panamara bekannt. — S. 148 f.
n. 51. -Fragment einer ähnlichen Inschrift, in der bei den Geldspenden
wiederum auch die Römer bedacht sind. Als xXe(sQ)do^6poQ wird eine
'H8ca erwähnt. — 8. 149 n. 52 (Bennd.). Fragment. Dem Priester stand
als (Tuveepeea seine Tochter Leo[ntis zur 8eite. — n. 53 (Bennd.). Frag-
ment. Erwähnt . werden Epniuetos, 8. des [Lejon, und Ada, T. des Da-
mas, Küf. — 8. 148 n. 49. 50, S. 150 n. 54 (Bennd.). 65 (Bennd.) Dürf-
tige Fragmente ähnlichen Inhalts. -- 8. 154 n. 59. Geringes Fragment
mit Erwähnung einer Swpeäv unternommenen npeaßeia^ wahrscheinlich
seitens des Fvlog Ouaki[ptoQ ^UpdxXet^roQ Ko(keopyett^), — 8. 156 n. 62.
Geringes Fragment, in welchem von nach Rom entsandten Abgeordneten
die Rede ist. — 8. 159 n. 66. 66 (Bennd.). Unbedeutende Fragmente.
48 Griechisehe Epigraphik.
ca. 89 Dieselben, a.a.O. S. 161 f. n. 66 (mitget von Deschamps und
Cousin). Auf dem Bogen des Thores, welches zum Peribolos ftthrte: Der
Kaiser Augustus — r^c ^säg ^Exari^g dasßjMinjc (wahrscheinlich war
durch den Einfall der Parther unter Labienus 80 v. Chr. der Hekate-
tempel verwttstet worden; vgl. n. 4. 71) npoevor^aev^ wart xexofuffBai (3)
na]p^ adroiß xal a&r^v rijv ditb r^c dp][ij[g\ iv r^ ßeoß Ttspl Btwv iv
dv&pamoec dXi^Bevlijv (4) n]p6Xijiffev. Vgl. Tac. Ann. 3, 62. — S. 16lf.
n. 71 (Bennd.). Fragment eines Dekretes, wonach nach VerwOstung des
Heiligtums die alten Tempelordnungen wiederhergestellt und die Weih-
inschriften von neuem bei den Votivgegenständen aufgestellt werden
sollen. Der Beschlufs bezieht sich ohne Zweifel auf den Einfall der
Parther unter Labienus; vgl. n. 4. 66.
D«a£i* Cousin und Deschamps, a. a. 0. S. 238 in Minuskeln. Die
Weihinschrift des Demos an Hekate Soteira bei Newton, Cnidus and
Halicarnassus U, 793 wird auf grnnd der seither gefundenen Texte mit
wahrscheinlicheren Ergänzungen mitgeteilt. Da der Name des Prytanen
Artemidoros, S. des A., S. des Pamphilos, 'leipoxaifu^-nj^)^ Adoptivsohnes
des Aristeides, Ko{hopytbQ) identisch ist mit dem Stephanephoren in dem
Senatusconsultum von Panamara (s. S. 49f.) vom Jahre 89 v. Chr., so
mufs die Weihung mit dem erwähnten Senatsbeschlufs ungefähr gleich-
altrig sein.
Diehl und Consin, a. a. 0. S. I67f. n. 63. Der ttpeug i$ inav-
ysXfac M. Ul(pius), 8. des Ariston, Quirina, Herakleitos Ko(Xtop^sus) und
die Priesterin Ul(pia), T. des Dionysokles, Ammion Ko^Xiopylo) haben
sich durch eine Anzahl baulicher Stiftungen verdient gemacht. — S. 168 f.
n. 64. Hierokl]es, S. des H., Adoptivsohn des Myonides, leipoxatp^rtj^)
und Tryphaina — Ktoipadc) stiften nach Ablauf ihres Priesterjahres ro
TKurcTjOV. — S. 164 n. 68a. Fragment: Eine Arria weiht napanelrdiT''
p]aTa, — S. 169 n. 67. Dem Zeus Hypsistos stiftet S[te]phanion ftlr
sich und seine Angehörigen ein Weihgeschenk. — S. 160 n. 68 (Bennd.).
Der 'Exdtff ZwreJpt und dem Demos weiht der gewesene Agoranomos
Eros, S. des Menandros, Kw(paeeuc) eine Hermesstatue. — 8. 160 f.
n. 70 (Bennd.). Fragment von 9 Distichen (8 ziemlich unversehrt). Der
Stifter erinnert die Göttin, dafs er ihr seine Gattin Moschion zur Prie-
Sterin und seine Tochter Klodiane zur xXi^ {so) douj^o^ gegeben und trotz
seines geringen Besitzes beim Opferdienst und den Festen nichts gespart
habe. — 8. 23 n. 33 (Bennd ). Weihung des Maneilios, S. des Kallias,
— an die psYcanj Beä *£[xd7ij — .
Die bis jetzt bekannten Inschriften aus Lagina erstrecken sich über
einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrhunderten. Die ältesten gehören
ohne Zweifel in das 1. Jahrb. v. Chr; andere fallen in die Zeit der An*
tonine und des Septimius Severus; einige gehören in noch spätere Zeit
(n. 40b. 41) und zeigen, dab der Kult der Hekate noch um die Mitte
ZUI. Carift: Laglna. Stratonioea. Panamara. 4d
oder den Aasgang des 3. Jafarh. n. Chr. bl&hte. Als Demotika sind za
verzeichDen: lepoxw/ii^Q (AbkQrz. Ys), KohopytOQ (Ab), KtupcuBoQ (Kaf)^
KwpaZtoQ (AO« AoßoXSeu^ (^o)^ AwvSapYSoc^ IlapcifiapBOc ^ Tapfjuavöc^
TpcdX - - (zu uDterscheiden von Tralles am Mäander), . . . iavdpe(*g (n. 16).
Die fonf ersten dieser Demen scheinen die hervorragendsten von Strato-
nikeia gewesen za sein ; ihre Namen aliein finden sich oft in Abkürzung
geschrieben, während die anderen Demotika stets ausgeschrieben sind.
Ans ihnen stammen die meisten Priester der Hekate; die anderen Demen
zählen nur je einen oder zwei Repräsentanten.
Stratonicea (Eskihissar).
Ein Senatosconsultum s. anter Lagina (S. 48 ff.).
Benndorf und Niemann, a. a. 0. S. 154 n. 129. Vierzeiliges
Fragment, vielleicht eines Kaiserbriefes.
Dieselben, a. a. 0. n. 180: ätoQ na^apLd'lpoo.
Panamara bei Stratonicea.
Cousin und Deschamps, BGH XI 1887 S. 226f. Tempel des
Zeus Panamaros. Senatsbeschlufs aus dem Jahre 39 v. Chr.; von Z. 15
an nur geringe Reste erhalten. — Auf das Präskript (Z. 1 — 3) mit der
Bezeichnung: Mypa und der Datierung nach dem Stephanephoren Arte-
midoros, S. des A., Enkel des Pamphilos, Adoptivsohn des Aristeides,
(vgl. S. 48), sowie nach dem Monatstage folgt das Protokoll aber den
SenatsbeschluDs. Z. 3 — 5: Die Sitzung fand statt unter den Konsuln L.
Marcius Gensorinus und G. Galvisius (39 v. Chr.) am 15. August im Tem-
pel der Goncordia (OpLÖvoea). Z. 5 — 11: Aufzählung von zehn Senatoren
als Zeugen: G. Garrinas G. f., Publius (?) Sestius L. f. (wahrscheinlich der
von Cicero Verteidigte), L. Nonius L. f. Asprenas, P. Attius P. f., Q.
Cloelius M. f. (unbekannt), M. Servilius C. f., — Hedias (?), P. Sestillins
P. f., P. Atinius T. f. Turanus, — Palicanus (?). — Z. 11—16: Reste
des Senatsbeschlusses; unbestimmbaren Inhalts. — Unmittelbar nach
dem Abzüge der von Ventidius bekriegten Parther unter Labienus (39
V. Chr.), unter deren Räubereien Stratonikeia viel gelitten hatte, war von
der Stadt die Gesandtschaft nach Rom geschickt worden, wohl mit ähn-
lichen Bitten, wie die der Väter nach den mithridatischen Kriegen ge-
wesen waren (s. das Senatusconsultum von Lagina S. 43 ff.). Die Aufstel-
lung des Beschlusses im Zeustempel läfst darauf schliefsen, dafs eine der
Bestimmungen sich auf dieses Heiligtum und das Asylrecht desselben be-
zog. Dafs der Tempel des Zeus dieses Recht ebensowohl besafs, wie der
Hekatetempel in Lagina, geht aus Tac. Ann. 3, 62 und der Inschrift
Lebas-Wadd. 519 hervor. Die Z. 12 — 16 aufgeführte Gesandtschaft war
sehr zahlreich; ihr Haupt, Straten, S. des Menippos, ist wahrscheinlich
JahrMberidkt Ar Altcrtuouwissentchaft LXVl. Bd. 4
r
50 Griechische Epigraphik.
der berühmte Redner von Stratonikeia, den Cicero in seiner Jagend
hörte, and der von ihm (Brat 91) als Hauptvertreter der asiatischen
Beredsamkeit erwähnt wird. — Durch den Namen des Stephanephoren
im Präskript lärst sich das Alter der von Newton, Cnidus and Halicar-
nassns II, 798 herausgegebenen Inschrift von Lagina (s. S. 48 f.) näher
bestimmen.
Dieselben, a. a. 0. S. 875f. n. 1. Ebd. Auf zwei Seiten beschrie-
bene Stele des iepeug iw 'HpatoiQ if inav-{2)yeXeac Tib. Fl(avius), S. des
Tib. Fl. Theophanes, Quirina Aineias (4) Theophanes ^leipoxaifn^n^g) und
der Priesterin Fl(avia), T. des Fl. lasou, Paulina Koi^eopy/g). — Tib. Fla-
vius Aeneas war Priester der Hekate gewesen (s. S. 47 n. 57). Er und
seine Gemahlin verwalteten ihr Priestertnm mit Frömmigkeit gegen Zeus
und Hera und mit Freigiebigkeit gegen die Menschen. U. a. lieferten
sie bei Antritt ihres Amtes allen Einwohnern der Stadt öl (f&r die
öffentlichen Bäder und die gymnastischen Übungen) und zeichneten sich
namentlich durch ihre Freigiebigkeit bei dem zehntägigen Fest der Pa-
namareia aus, indem sie die Festfeier Tag und Nacht leiteten und allen
Weibern öl und Myrrhen lieferten, sowie alle Freien und Sklavinnen in
das Heraion beriefen, ihnen Wein zum Schmause gaben und sie mit je
drei Drachmen beschenkten. In dieser Freigiebigkeit wurden sie unter-
stützt durch die Schwester des Priesters, Fl. Mamaion, den Oheim und
vstüxopog^ Fl. Leon, ihren Schwiegersohn Fl. Aeneas und ihre Kinder Fl.
Tatius, Theophanes und lason, und ihre Enkel FI. Aeneas und Phaidros.
ti64 Dieselben, a. a. 0. S. 879ff. n. 2. Ebd. Stele des ItpBog i$
hpiwv xal Ttpoyovaiv ävcjBev (4) i? inavjreMag iv Kofiopea) Tib. Fl(avius)
Tib. Fl. Aeneae f. (s. n. 1) Quirina Theophanes ^leipoxwfiyjvfjr), datiert
nach dem Kaiser Mark Aurel; da letzterer den Titel Armeniacus fahrt,
nicht vor 164 n. Chr. Gewöhnlich begegnet der Name des Z. 4 erwähnten
Festes im Plural = Komyria; es dauerte nach Z. 19 wahrscheinlich zwei
Tage. Namentlich bei Gelegenheit dieses Festes und der mit demselben
verbundenen Mysterien hatte sich Theophanes als Priester des Zeus Pa-
nemeros und der Hera durch freigiebige Spenden an das Volk ausge-
zeichnet: er hatte Bürgern, Fremden und Sklaven während der Dauer
des Festes Wein gespendet und Zelte fttr die Festteilnehmer aufschlagen
lassen; auch hatte er auf dem Wege (den die Prozession von Stratonikeia
nach Panamara zurücklegen mufste) unter die gesamte Jugend sOfsen
Wein und unter die Bürger 10 000 Denare verteilen lassen. Es hatten
ihn hierbei unterstützt seine Tante Fl. Mamaion, seine Mutter Paulina
und sein Bruder Fl. lason (s. n. 1).
Dieselben, a. a. 0. S. 383 ff. n. 3. Ebd. Stele des lepebg iS
Upiwv xdt npo-foyatv (2) if inavyekiajQ iv KopophtQ Tib. Fl(avius) (3)
Xib. Fl. Aeneae f. (s. n 1) Quirina lason '/s' und der Priesterin Ael (4)
•-180
Zin. Caria: Panaoiara. Moaghla. 51
Statilia Ael. Papiae f. IIuBeav^ 7e'. Dieselben fahrten die Neaening ein,
bei der ävoSog rou Beou Z. 10 (dem feierlichen Hinauftragen der Bild-
säule des Gottes in Prozession von Stratonikeia nach Panamara) der ge-
saroten Einwohnerschaft der Stadt Öl für die öffentlichen Bäder zn spen-
den. Während der zehntägigen Panamareia hatten beide öl für die
Gymnasien und fOr die Frauenbäder gespendet und an den Eomyria
grofse Weingelage, getrennt für Männer und Frauen, veranstaltet, auch
der Jugend den Oblichen sttfsen Wein und den Bürgern 10 000 Denare
geschenkt. — S. 387 f. n. 4. Stele mit 11 nicht sehr geschickten Hexa-
metern, die das Priestertum des lasen (s. n. 8) verherrlichen. Thatkrftf-
tige ünterstatzung fand derselbe in seiner Liberalität gegen das Volk
bei seiner Mutter Paulina, seiner Tante Mamaion und seinem Bruder,
dem früheren ZdxopoQ (wahrscheinlich poetisch = iepeug) Theophanes.
- Es ist unwahrscheinlich, dafs lasen zu sieben verschiedenen Malen
Priester war (Z. 8); er bekleidete wohl in sieben Jahren verschiedene
religiöse Ämter.' — S. 889 n. 5. Stele. Dero Zeus Panamaros und (2)
der Hera Teleia widmen Tib. Fla(vius) (8) lasen und Ael. Stati(4)lia
Fythiane, tepareü'{6)ffavTee iv Ao/lu>/>/-(6)o«c iS i;ro/7«AA(7)ac-- ein
Weihgeschenk. — S. 889 n. 6. Weihinschrift einer Ädlcula: Dem Zeus
Panamaros und der Hera widmen lxaBespw<Ta[v) der Upeue iv Kofwp{<p
Tib. Fl(avius) lasen Aineias und die Priesterin Ail. Statilia Pythiane den
Sarapis und die Eisis und den Tempel derselben nebst dem Altare. —
Von einem Serapeum zu Stratonikeia sind noch Ruinen erhalten. —
S. 890 n. 7. Stele. Unter dem Priester Tib. Fla(vius) Aineias lasen
weihen ihr Haupthaar (leöfiae) Chairemon, Agathobulos, Hierokles, Diony-
sios, Herakleides, Mantitheos.
Mughla (= MdßwXXa?).
Coasin und Descharops, BCH X 1886 S. 486 n. 1. Löwy,
MDAI XI 1886 S. 826 f. n. 1 (nach einer von Georgiadis mitgeteilten
Abschrift). Weihung des xotvbv Tapfitavwv an die Götter zu Ehren des
Rhodiers Chrysippos, S. des Apollonidas, äyspövoc dfda&ou (5) ine re 'Ap-
ToOßwv xcä üapaßXsiaq (6) xa\ arpareoffaifiivou iv ratg xaTO/ppdxToec
vauaev, — Eine antike Stadt Tarmia ist unbekannt. Möglicherweise be-
zeichnete der Naroe Tap/juavol die Bewohner einer gewissen Zahl von
Ortschaften, welche den Bund bildeten. Rofs, Kleinasien und Deutsch-
land, S. 108 roöchte die Tapfieavöl identifizieren mit den Taroiani bei
Liv. 88, 18, wenn dieselben an letzterer Stelle nicht als ein afrikanischer
Volksstamm bezeichnet wttrden. Allein der Zusatz >ex Africac, der aber-
baupt verdächtig erscheint, kann sich nur auf die letztgenannte Völker-
schaft der Trabi beziehen, da auch die vorher erwähnten Pisuetae (in
Karien) und Nisuetae kleinasiatische Völkerschaften sind (Hirschfeld,
BCH XI 1887 S. 212). -^ Über die Pisuetae vgl. Schumacher, Rhein.
4*
52 Griechische Epigraphik.
Museom 42 1887 S. 636 so der Inschrift von Karpathos BGH YIII, 858
(S. 8). — S. 488 f. D. 2. Löwy, a. a. 0. S. 203 (nach einer von Geor-
giadis mitgeteilteh Abschrift) in Migaskeln. ^Eii kpia^ Xpoadopoc ehren
die drei Archonten nebst ihrem Schreiber und die drei Agoranomen (des
xotvbv Tapiuavwv) den rhodischen irntTränjc (vgl. zu diesem Titel MDAI
XI, 115) Sosikrates, S. des Sosinikos, in Form einer Weihung an di^
Götter. Als Ethnikon zweier Bnndesbeamten figuriert MoßwX^s6^ (wahr-
scheinlich von einem alten Stadtnamen Moßa^kXa = Mnghla?). — S. 490 f.
n. 8. Löwy, a. a. 0. S. 327 f. n. 2 (nach einer von Georgiadis mitge-
teilten Abschrift). Weihung eines Gymnasiarchen --^ji^c [yld]ovToc und
eines Ephebarchen Antipatros, S. des Hekataios (jeder mit dem Ethnikon
KeveudwXaßsuff)^ an Helios, Hermes, Herakles und den tarmianischen
Bund. — S. 491 n. 4; vorher Rofs, Hellenika, Halle 1846 S. 67. Wei-
hung des Ephebarchen und Gymnasiarchen Nikolaos, S. des Leon, aus
Rhodos an Hermes, Herakles und den tarmianischen Bund.
Benndorf und Niemann, Reisen in Lykien und Karien I 1884
S. 158 n. 126. Mughla, gefunden zwischen Achyrköi und Bess&k (Kiepert:
BoztUClh), iVs St. s.o. von Stratonikeia. Grabrelief der Demetria, T. des
Demosthenes, und der Demostrate, T. des Drakon. — A. a. 0. n. 127.
Ebd., gefunden in Andrakerköi (?) , ungefähr 2 St nördl. von Mughla.
Grabrelief des Abas, S. des Aristeas, der Demostrate, T. des ApoUopha-
nes, und des Menandros.
Cys (Beli-PuU).
Die litterarisch nicht bekannte Stadt Kys wird in einem Dekret
der Stadt Stratonikeia im Anscblufs an das Senatusconsultnm von La-
gina aus dem Jahre 81 v. Chr. (s. S. 48 £f.) erwähnt als eine der Städte,
die das Asylrecbt des Tempels der Hekate anerkannten. Die folgenden
Inschriften sind kopiert in dem Dorfe Beli-Puli (verderbt aus Palaiapo-
lis) auf dem Gebirgsstock, welcher das Thal des Tschinar-Tschai (Mar-
syas) von dem des Dschenidere- Tschai (Harpasos) trennt.
t69 Cousin und Deschamps, BCH XI 1887 S. 306f. n. 1. Ehren-
inschrift des Eratophanes, S. des Chareinos, aus Rhodos, seiner Gattin
Ammias (so), T. des lason, aus Rhodos, und ihrer Kinder Phani[as], Cha-
reinos, Artemo und Menias auf den Kaiser Claudius aus dem Jahre 62
n. Chr. Eratophanes bekleidete in Kys die Ämter eines eponymen Ste-
phanephoren, Priesters des Kaisers, dp^i^yen^g r^g noXtatg äibg 'EXeu'
fieptou, eines Gymnasiarchen, Agoranomen und war wegen seiner elHTe»
ßeia gegen den Kaiser sowohl von der Bule der Rhodier wie von dem
Demos rcDv Kubitojv (Z. 18) mannigfach ausgezeichnet worden, unter der
Ehreninschrift die Widmung: 0eo7c xat xfji KourStv Si^fup. — Es ist un-
bekannt, ob Kys unter dem Kaiser Claudius zu Rhodos gehörte; vielleicht
hatte E. sich das Bfirgerrecht der Stadt erworben. Kys existierte schon
XIII. Caria: Gys. Sebästopolis. ApoUonia Salbace. 52
im Jahre 81 v. Chr. (s. o.) and war Doch bewohnt lo byzantiDischer Zeil
(s. DOter XL: Titali cbristiaDi). napd'npaatg Z. 10 ist eine Neubildang
nach Analogie von SeaTtpatne. — S. 308 f. n. 2. Fragmentierte Ehrenin-
Bchrift des xotvbv Aayvtoxewv (einer religiösen Genossenschaft) auf sein
Mitglied Aristeas, S. des Myonides, wogen dessen Frömmigkeit elg rijv
Beov und seiner Verdienste um die Genossenschaft. Die Vorsteher der
letzteren sind ein ßpa[ßeuT^c und im/jLtjvioi, — S. 309 n. 3. Fragmen-
tierte Ehreninschrift auf einen Rhodier.
Dieselben, a. a. 0. 8. 310 n. 4. Grabschrift. Der Demos be-
stattet den Asklepiodoros, 8. des Aristodemos, aus der Tribus Heraklels.
Dieselben, a. a. 0. n. 5. Auf beiden Seiten einer zweischneidi-
gen Axt (Wahrzeichen des Zeus Labraundeus oder des Handwerks):
MST€ (TiXdou.
Sebästopolis (Vt St. östl. von Kisildje).
Sterrett, Preliminary report of an archaeological journey made t ii«/t
through Asia Minor during the summer of 1884. Boston 1885 S. 6 n. 3;
Paris and Holleanx, BCH IX 1885 8. 346 f. n. 30. Den Kaiser Triyan
und den Demos der Sebastopoliten ehrt P. Statins Hermas, ein äyopa-
vofi^aag und napa^oXa^agy der seinerseits unkp r^c crpdjoetuQ r^f i$-
$ (so) dSpag im Tetrastylon des Gymnasiums reepauc eipt^vap^exacc^ sowie
wegen der Errichtung eines Standbildes der Nike auf eigene Kosten
Tttpaig dtä uuxrbg arpam^yexaTc ausgezeichnet worden war. Die Inschrift
ist datiert aus den Jahren 116 oder 117 n. Chr.
Paris und HoUeauz, a. a. 0. S. 348 n. 31. Architrav eines
Heroons mit drei Ehreninschriften: l. des Demos auf seinen Wohlthftter
Marsyasy S. des — agathos; 2. des Sadalas, S. des Aristodemos, auf sein
Weib Ammia, T. des Marsyas; 3. des Sadalas aof seinen Vater Aristo-
d[emo6.
Apollonia Salbace (Dorf Medet zwischen Sebästopolis
and Tabae).
Paris und Holleaux, BCH IX 1885 S. 344 n. 27. Den [Nero] t^i-^^
Claudius Drusus Caesar Germanicus ehrt dessen Priester AJrtemidoros,
S. des Arteroi[doros. Der erstere (^ame wurde nach dem Tode des
Kaisers weggemeifselt. Da der Titel Augustus fehlt, so fallt die In-
schrift zwischen 51 und 54 n. Chr. Ist die Ergänzung der letzten Zeile
richtig, so wurde noch zu Lebzeiten des Claudius ein Kult fOr den
Adoptivsohn und Thronerben desselben eingesetzt (in Apollonia?). —
8. 845 n. 28. Dem Kaiser Gommodus errichten ein npanoq äp^wv und t^M
drei iroväp^^ovreg eine Ehreninschrift ix ^pi^fidnov [2]r/oc;cra;vof Neixo"
54 Griechische Epigraphik.
[(j\TpdTou — St* aimoQ [a\TBfa)^^6potß. Da Gommodus den BeinameD
BritaDoicos ftabrt, so fftlit die iDschrift nicht vor 184 n. Chr. — S. 344
n. 26. Einem Apollopriester errichten die Archonten der Stadt eine
Ehreninschrift ix ^p7)]pÄTwiy [I!]Tpdt[mvoQ rou] Neexoarpdroo [<rre^]a-
vi^opou dt' ioi[vof. — 8. 346' n. 29. Fragment einer Ehreninschrift von
BÖle und Demos auf Kalli[genes, 8. des Me]trodoros.
•
Heraclea Salbace (Makuf).
Einige der folgenden Inschriften bestAtigen die Ansicht Waddiug-
tons, EU Inscr. d'Asie Min. 1695, dafs das bisher fttr Trapezopolis in An-
spruch genommene Makuf vielmehr mit dem alten Herakleia identisch ist.
Paris und Holleaux, BCH IX 1886 S. 330f. n. 16. Fragment,
in welchem es sich um Beitreibung von Geldsummen, die von der Stadt
zu entrichten sind, zu handeln scheint. Z. 12: 'Ev rg 'HpaxXeoiTwiy ini-.
Aus makedonischer Zeit?
Dieselben, a. a. 0. 8. 339 f. n. 22. Bule und Demos ehren den
ApoUonios, 8. des Tydeus, einen geweseneu Gymnasiarchen, Prytanen,
Stephanephoros und dyaivoMrrjg dt' alatvog^ durch Errichtung einer Bild-
säule aus seinem Nachlasse und nach letztwilliger Verfügaug. — S. 338
n. 21. Dieselben ehren die Hieronis, T. des Menestheus, eine Trpurtxvc^^
are^avrj^opo: f yoiivaatap^og und dycjvoBertc^ durch Errichtung einer
Bilds&ule aus dem der Stadt vermachten Nachlasse und nach Anordnung
ihres Mannes Apollonios, 8. des Tydeus. — 8. 337 n. 19. Fragmentierte
Ehreninschrift auf den Prytanen, Stephanephoros und Archiatros — os
Gharmides, 8. des Men[an]dros. - A. a. 0. n. 20. Ehreninschrift auf
den Prytanen und Stephanephoros Gharmides, 8. des Prytanen, Stephane-
phoros und Archiatros M. Aur. Gharmides. Letzterer ist wahrscheinlich
identisch mit dem in der vorigen Inschrift Geehrten.
Dieselben, a. a. G. 8. 332 u. 17; weniger vollständig Sterrett,
Preliminary report (s. o.) 8. 4 f. n. 2. Sarkophaginschrift des Titus Sta-
tilius Metiochos und seines Weibes Aurelia Melitine, T. des Dionysios,
mit Strafandrohung: Entrichtung von 500 Denaren an den xuptaxbg
fpiaxoQ und einer gleichen Summe an <iie Bule von Herakleia. Sehr
junge Formen: reBi^aeTe neben i^darae, ivBdipe neben ivBdipae^ xi neben
fsss xal. " S. 340 f. n. 23 und 23 bis. Sarkopbaginschrift der Aur. Agrip-
pina und des M. Aur. Attalus, 8. des Tatas. Letztere mit dem Datum:
Iroug Bt\ pajivdc) Awou 8' (309 der sullonischen Ära = 225 n. Ghr.).
— tt. 23: ivTOffricaiTe, xi; 23 bis: ivra^aeTe.
Sulmas (Strafse von Makuf nach Dawas = Tabae).
fist Dieselben, a. a. G. 8. 341 n. 24. Den Kaiser Hadrian ehrt Titus
Statilins-- (der in n. 17 — vgl. o. - Genannte?), Inaip^^log keyeSh-
XIII. Caria: Heraclea Salbace. Aphrodisias. 55
voi:] X' OöX7t(a[^, Die io der losohrift erwähote 13. potestas tribanicia
fällt zwischen den 10. Dez. 128 und den 9. Dez. 129 n. Chr. Im Herbst
letzteren Jahres trat Hadrian seine Reise nach Eleinasien an. Die in
fast gleicher Entfernung von Heraclea Salbace und Tabae gefundene In-
schrift wird einer dieser beiden Städte zuzuweisen sein.
Dieselben, a. a. 0. S. 342 n. 25. Fragment: —Xejreußvoe] rerdp^
Aphrodisias.
Dieselben, a. a. 0. S. 71 n. 2. Basis der Ehreninschrift auf einen .^.15^
Sieger in den Phileroonischen Spielen, deren Stifter Philemon Z. 17 er« "'^
wftbnt wird. Als Xoytar^ (cnrator rei publicae) figuriert ein ülpius
Earjkles Z. 18/19, vollständig M. Ulpins Appuleius Eurykles, der als
Borger von Aezani aus GIG 2741. 3831 — 3834 bekannt ist, und von dem
wir in der Inschrift Lebas -Waddington, Inscr. d'Asie Min. 1620^ das
Fragment eines Briefes besitzen. Er war Zeitgenosse des Antoninus Pius
(GIG 3834) und des Commodus (GIG 2741). Unsere Inschrift fällt dem-
nach in die Mitte oder den Ausgang des 2. Jahrb. v. Ghr. ^ S. 68 f. 8.jahrii.
n. 1. Ehreninschrift auf den Buleuten Map. A[bp'^ (2) --ov TetiioxkioolQ
Too (3) ^Ayd]Bü7todog rou ApTe\jie-{4c)S<üpou AippoBttaiia xa\l (6) iV]e<xo-
fir^Bia xat Avxop[a-(%)v\6v ^ dessen Siege in den Kampfspielen von An-
kyra in Galatien, von Adptdvrja r^c BetB^ovia\(: (die hier gefeierten Spiele
zu Ehren Hadrians und des daselbst geborenen Antinous = 'ASptdvetov
AuTivoeeov Z. 15 begegnen zum ersten Male), Herakleia am Poutos (die
Spiele dieser Stadt zu Ehren Hadrians und des Herakles = ^Adpc{d))njov
'HpdxXeeov Z. 17/18. 28/29 sind gleichfalls sonst unbekannt), Ghalkedon,
Nikomedeia, Neikea, Philadelpheia einzeln aufgeführt werden. Der Sieger
war von I^ikomedeia und Aukyra zum Ehrenbürger ernannt worden.
Schriftcharakter des 3. Jahrb. n. Ghr. — S. 73 n. 3. Basis mit dem
Schlufs einer ähnlichen Ehreninschrift wie n. 2. — S. 74 n. 4. Basis.
Bule, Demos, Gerusia und die vdoe ehren den Sieger (Jepoveixijv) Adra-
stos, S. des Adrastos, Mitglied einer Genossenschaft {auvoSog) dionysi-
scher Künstler. — S. 76 n. 5. Schlufs der Ehreninschrift auf einen
Mann, der viele Ämter bekleidet und sich mannigfach um die Stadt ver-
dient gemacht hatte. U. a. war er als Gesandter Ttpdg roug ^youpivoiß^
tlg Ttop[i]v (Z. 6) entsandt worden; wahrscheinlich sind die Triumvirn
gemeint. Vielleicht ist der Geehrte identisch mit einem gewissen Solon,
S. des Demetrios, der in einem Briefe des Marens Antonius (GIG 2737)
ehrenvoll als Gesandter von Aphrodisias erwähnt wird. — S. 76 f. n. 6.
Basis. Schlafs der Ehreninschrift auf einen Beamten (dessen Sohn M.
Aur. Polychronios Z. 12/13), welcher der Bnle die Summe von 1670 De-
naren zu jährlicher Verteilung unter 200 Bürger vermachte. Bestimmun-
gen über die Verwendung eines Restes von 470 Denaren waren vielleicht
56 Orieehischc Epigraphik.
in dem oberen Teile enthaltmi. -- 8. 77 f. n. 7. Ventttnimelte Ehren-
inschrift von Bole und Demos auf M. Quintilia Pomentina — .
Dieselben, a. a. 0. S. 78 n. 2. Artemidoros, Adoptivsohn des
Dionysios, leiblicher Sohn des Artemidoros, S. des Diogenes, weiht der
Aphrodite xa} Beoeg SeßaaroTg und dem Demos die Bilds&uleo eines
Hermes, der Aphrodite und der Eroten. — S. 79 n. 9. Weihinschrift:
*T\nkp ri^c ro/i' (2) xupiwv abT0xpa*(^)r6piuv xaü Katöd'{^)paßv aiwvlou
(5) SeafAO)f^ff. — S. 79 f. n. 10. Fragment einer Weihinschrift. Dio[ny-
sios], S. des Pa[p]yios, lepe&g Atbg NiveuS{ou^ weiht die Bildsäule des
letzteren Gottes einem Divus Augustus. Das Epitheton des Zeus ist
ohne Zweifel zurttckzuftthren auf den Alteren Namen der Stadt, Ntvoi^
(wegen ihrer Orttndnng durch den Leleger Ninos); vergl. Steph. Byz.
s. V. Niv6ij.
Dieselben, a. a. 0. S. 80 n. 11. Rest einer Inschrift des Lysi-
machos, ao^tarijQ^ dpj^tapeug. Die vollen Titel desselben CI6 2785.
Dieselben, a.a.O. S. 81 n. 12; unvollständiger Perrot, Revue
arcb. XXXII 1876 8. 39 f. Rest der Sarkophaginschrift eines Legionars
der Severiana Antoniniana, Ijne Aeyt'(9)iov iartv iv I!evyd'(4)potc rr^
M€aonoTa'(b)fiidc npbg r^ T{-'{ß)yp8e norafi^. — Die Legion gehört
zu den von Septimius Severus gestifteten drei parthischen, deren erste
nach Amm. Marc. 20, 6 in Singara stationiert war. Die weitere Bezeich-
nung Antoniniana fahrte sie unter Garacalla (M. Aur. Antoninus) oder
Elagabal (gleichfalls M. Aur. Ant)
Atta da (Assar; Kiepert: Hassar).
tiso Giere, BGH XI 1887 S. 348 f. n. 5. Bule und [Demos] seiner
Vaterstadt ehren den Kar]minios den Jüngeren, einen Stephane-
phoren und Priester 0eäg MijTpbQ 'ASpdunou^ S. des Garminius Glaudia-
nus, lebenslänglichen Stephanephoren, Logisten von Kyzikos und Argyro-
tamias von Asien, Bruder des Garminius Athenagoras, Prokonsuls von
Lykien, Pamphylien und Isaurien. — Der Geehrte ist unbekannt; doch
gehört er zu einer grofsen, durch zwei Inschriften von Aphrodisias (GIG
2782. 2783) bekannten Familie, deren Stammbaum BOckh aufgestellt hat.
Unsere Inschrift lehrt einen zweiten Sohn des M. Ulpius Garminius Clau-
dianus (GIG 2782) kennen und erwähnt das Prokonsulat seines Bruders
Athenagoras über die vereinigten Provinzen Lykien, Pamphylien und Isau-
rien. Die Inschrift fällt in die Zeit des Gommodus, welcher wahrschein-
lich die prokonsularische Provinz Lykien Pamphylien durch Hinzuftlgung
von Isaurien vergröfserte.
A. H. Smith, Journal of hellenic studies YDI 1887 8. 224 n. 1
giebt berichtigte Lesungen zu CIO 3962.
—IM
—161
XIII. Caria: Aphrodisias. Attada. Antiochia. Nysa. 57
Antiochia (Ali Aga Tschiflik).
A.B. Smith, Journal of helleoic studies YIII 1887 S. 233 n. 13.
Dede, ii.ö. von Ali Aga Tschiflik. Aufschrift des Grabmals des Apollo-
nios, 8. des A. Darunter: Cfj-
Nysa.
Clerc, BCH IX 1886 S. 124-128 in Minuskeln. Ehrendekrete tiss
anf den auch sonst inschriftlich bekannten T. Aelius AIcibiades aus Nysa;
aus der Zeit des Antoninus. A: Wortreiches Ehrendekret der ephesi-
schen Lokaigenossenschaft der im 2. Jahrh. n. Chr. zu einer einzigen
grofsen Korporation nnter dem Patronate des Dionysos und des jeweili-
gen Kaisers vereinigten Genossenschaften dionysischer KQnstler (Z. 35 ff.:
9]€d6)[Bcu xdtQ dnb r^c olxooixivrjq nep[\ rov (36) Atövoaov xa\ Abroxpdr
Topa Ka/aapa T. [AfXeov (37) ASptavbv ^Avriüvehov üeßaarbv Eö[aeß^
(38) re^^uefrouCi lepoue/xacg^ <rre^av£rra[rc xal (89) toTq vourafv (ruvayoh'
vtarauQ roTc dn[aTeX''{AO)oo<rev iTti röv iv rjj fUYtarjj xal TtpiOTjj /ü^[t/9o-
(A\)n6kBt ri^c ^Aatag xa\ SIq vetoxopip rdiv 2'e/9a[tf-(42)ra)v *Efeai<ov
^ht)f in welchem der Gefeierte mit Ehren ttberschttttet wird (Z. 1—70);
an dasselbe schlofs sich ein gleiches nur dem Präskripte nach erhaltenes
Dekret der Lokaigenossenschaft in Rom. — B : Gleich überschwengliches
Ehrendekret der Stadt Nysa auf denselben in den absurdesten Lobeser-
hebungen; vgl.: Trpb^ 8k (30) roTg äXXoic änamv wv ei xaB' i[v (31)
IxaoTQV int^etpoh} rtQ ^fe^e[^-(32)|^£rw, obx &v 6 au/ma^ aöro} ßtog (33)
dpxetrsisv xrX, Die Genossenschaft in Rom wird Z. 36 als xoXX^yiov be-
zeichnet. ~ Derselbe, BGH XI 1887 S. 347 n. 2. Nazli-Gato. Demos,
Bule, Gerusia und Neoi ehren den Priester luliauus Philometor, S. des
Ghiliarchen, Stephanephoren und Grammateus I]u[li]anus und der Erz-
priesterin lulia Heliodoris. — A. a. 0. n. 3. Salabakli. Fragment einer
Ehreninschrift (ohne Transskription mitgeteilt).
Kontoleon, BCH X 1886 8. 464 f. n. 4. Von Nysa verschleppt
nach 'AxTcd^ 6 St. von Aidin (Tralles). Bule und Demos ehren den T(ib).
G(laudius) Caecilius Herakleides den Jüngeren. — S. 620 n. 17. Bule,
Demos j Gerusia und veoe ehren den Neopatros, S. des Diophantes. —
8.620 f. n. 20. Ehren Inschrift auf Aurelianus Apellas, Ghiliarchen der
dritten cyrenftischen Legion.
Derselbe, a. a. 0. 8. 620 n. 18. Weihinschrift des S^fiog HoXo-
iwv an die 9eol narpwot Köre und Pluton. — n. 19. M]oIossos, S. des
Apollonios, der als Kampfrichter stets eine von ihm bereitete Salbe zur
VerflQgung stellte, weiht einen Brunnen und eine Bildsäule des Hermes
dem Demos, dem Hermes und den viot.
Derselbe, a. a. 0. 8. 621 n. 21. Haus des Stationsinspektors zu
Booyra an der Eisenbahn von Smyrna nach Aidin. Fragmentierte Grab-
58 Oriechische Epigrapbik.
Schrift eines Beamten r^c ^afiTtpordn^^ Nuffaia^v nöXewg auf seinen Soho
Aorelius Tauras.
Hiera Korne (Kiösk).
Sterrett, Preliminary report of an archaeological journey etc.
Boston 1885. S. 4 n. 1. Fragment des Briefes eines der späteren Kö-
nige in zwei Kolnmnen an die Einwohner von Hiera Kome, enthaltend
Anordnungen 7tpb]g rag rou Beou (Apollon) &epane{[aQ^ — — «üf dn
dpj[^g 6?/ew i^at Sk [[t]7td Twv nph ifioü ßa(Tt[kia}v — . Durch die
Inschrift wird die Lage des Ortes (Z. 2 : toTj iu rg ^Isp^ ^^Ip^ß]^ wel'
eher bisher irrtümlich westlich von Tralles angesetzt wurde, annähernd
bestimmt.
Tralles (Aidin GUsel Hissar).
Kontoleon, BGH X 1886 S. 515f. n. 8 (nach Abschrift von Pap-
pakonstantinos). Fragment des Antwortschreibens eines syrischen Königs
an die Stadt anläfslich einer Bitte oder Reklamation derselben. Die
königliche Entscheidung wird einem arpan^ybg Themistokles mitgeteilt
Pappakonstantinos, a. a. 0. S. 826. Fragment eines Ehrende-
kretes aus der Zeit der Seleuciden. Die beiden letzten Zeilen: —aa-
a^cu rij[y] dna^e^eav r^g eIx6v[og] | — tou di^fwu r<jS ßaatkEc dva.
150—100 ypdipai—. S. 826 f. Fragmentierte Basisinschrift auf einen Sieger in
Festspielen, dessen Name, nicht erhalten ist, mit der Künstlerinscbrift
des Philotechnos, S. des Herodes, aus Samos. Vgl. Löwy, Inschr. griech.
Bildh. n. 294. 296. Zweite Hälfte des 2. Jahrb. v. Chr.
Kontoleon, a. a. 0. S. 516 n. 5 (Abschrift von Pappakonstantiuos).
Weihinschrift der Gerusia auf Caesar Augustus, den Gründer der Stadt,
1 14—87 und sein Glttck (xal rijt ru^^^e auTotß), — n. 6 (Pappakonstantiuos). Ein
Priester des Tiberius Caesar und der Hekate Sebaste weiht Hermensäulen.
Sterrett und Ramsay, MDAI VIII 1883 S. 16 n. 33b = Ster-
rett, Papers of the American school of classical studies at Athens I
(1882/3). Boston 1885. S. 116 n. 16. Äufserst verstümmelte Ehrenin-
schrift, wahrscheinlich auf Germanicus: Kai]aa[pa] Apooa[ov (2) Fepfila-
v[ex]öv [^]e[ß]ouTT[6u u. s. w.
Kontoleon, BCH X 1886 S. 516 f. n. 7 (Pappakonstantinos).
Ehreninschrift der Gerusia auf den Kaiser Nero Claudius Caesar Augu-
stus Germanicus. Für Herstellung des Denkmals haben der Schreiber
(Tib. Claudius Minnus) und die drei Archouten der Stadt Sorge getragen.
1 96-M Sterrett und Ramsay, MDAI VIII 1888 S. 884f. n. 15 == Ster-
rett, Papers S. 114f. n. 15; Mommsen, Eph. epigr. 1884 S. 61 nach
XIII. Caria: Hiera Korne. Tralles. 59
einer Abschrift Ybo Ramsay; vorher in der smyrnäischen Zeitschrift ^Oii^i^
poQ 1873 S. 537. Griechische nnd lateinische, arg verstümTnelte Inschrift,
deren Zeilenreste zu wechselseitiger Ergänzung dienen. Der Freigelas-
sene Onesimos, ein inirpon^oQ XaTo/i[ecout weiht dem Kaiser Nerva and
der Stadt Tralles rä 0ep/iä(7) v]ou yopvaltnoö nnd die beiden Bild-
sänlen in demselben. Z. 14—17, jetzt weggebrochen, sind nach dem
"O^pog mitgeteilt. — Der Freigelassene M. Anrelins Onesimus wird
erw&hnt in der Inschrift von Tralles Lebas 612. — S. 324f. n. 7 = fi»
Sterrett, Papers S. 104 n. 7; ungenau "Ofir^poQ 1878 S. 49 und Mou-
aeiov xou ßtßXto^xi^ 1876 S. 48. Ehreniuschrift der Stadt auf D]iony-
sios, S. des 8o[tas] aus Seleukeia, v€i[xfi](TavTa naedwv ndXr^v ^OhfintdSa
va' (= 133 n. Chr.; vgl. zur Chronologie im folgenden). S. 328 f.
Q. 10 = Sterrett, Papers S. 108 n. 10; ungenau Konstantinos, Moo^
aeTov xal ßtßkoBi^xij 1875 S. 126. Nicht ganz lesbare Ehreninschrift
auf C. Iuli]us Claudianu^, der eine Menge von Ehrenämtern in Tralles
bekleidet, u. a. die Stadt mit Getreide aus (dem ägyptischen) Alezan-
dreia versehen, für den Marktplatz xiovojq sTxocc versprochen und die
Exedra mit einem Mosaikpflaster geziert hatte
Vier in ihrer Fassung genau übereinstimmende, fragmentierte Ehren« t lu
insehriften aus demselben Jahre: uttö rou ^etordrou ctuToxpäropog
^AvTwvetvou ix rtov Kkauodiavoo äap.ä nöptov [Name des Siegers und Be-
zeichnung* des Sieges] ^OkojintdBa v<:' (s. u.), dp^tepar&uovroQ xai dytüva-
BeroovroQ rö ß' f. lou{Xtou) 0cXi7mou ü(t)oü ßouk^g, dpj^tepäios 'Aatag
xal dyoßvoBiTOü Scä ßiou^ dkurap^ouvroQ Ti. (s. u.) KX{auS{oo) MeXirwvo^^
im/ie^^ivros L 'Jou[^ou) Xpüoipiuro^, — Sieger und Art des Sieges:
1. Ramsay, Papers of the American school of classical studies at Athens
voL I (1882/3). Boston 1885. S. 102: 'Aaxhfjmaxbv JtO'{7)Yevoui Uep^
yofjo^vdv vttxijaavTa Snh)v\ 2. Kontoleon und Foucart, BGH XI 1887
S. 298 ff. n. 7: {'S)*AaxXyimaxbv /lco'jrd'(7)vou^ Uepyafja^vöu (8) vetxi^aavra dv-
Spw[v (9) (TTd8iov; 3. Sterrett und Ramsay, MDAI VIII 1883 S. 322 n. 6
= Ramsay, Papers a. a. 0. S. 100 n. 6: (5) K6(i\fTov) 'lou(Xtov) 'ApTSfit-
8a}p((ova (6) TpaXXta\tb(v) uetx^aav-{7)7a dv8ptov navxpaTcov; 4. Ram-
say, a. a. 0. S. 103 (Wiederherstellung von Lebas-Wadd. 1652c): fdiov
0i)AStX[<po)t TOfj 8sTvog Tpakkiavöu], vsixijaavra ^^^a;[y] Ttoyprjv. — In
allen vier Inschriften ist der Anfang nicht erhalten. Statt der vorge-
schlagenen Wiederherstellungen 8oBevTay dvare^evra würde Z. 1 des
Fottcartschen Textes (s. o. n. 2): . r. xal intxupo— (2) Ta vielmehr hte-
xup[a}Bev]Ta bieten. Hiernach würde der Kaiser Antoninus einfach die
Stiftung des Clandianus Damas (wahrscheinlich des in der vorhergehen-
den Inschrift Geehrten) ftlr die Festfeier der olympischen Spiele zu
Tralles genehmigt haben. — Das Datum der Olympiade ist nach Ram-
say in n. 1 und 3 sicher NC (Sterrett las in n. 3 C =" y')\ derselbe
stellt diese Zahl auch in n. 4 wieder her; Foucart hält in n. 2 NP fOr
wahrscheinlicher, als NC, da der hier sichtbare untere Horizontalstrich
60 Oriecbische Epigraphik.
wohl nur ein Rifs des SteiDes sei. — Die Lesung von Sterrett Uo(nX£ot})
KXauSloo^ welche Ramsay in seine Wiederherstellnngen anfgenommen
hat, kaon nach Foncart, a. a. 0. nicht genau sein. Der Vorname Publius
ist niemals verbunden mit Claudius. Schon Waddington hatte die ihm
Übersandte ungenQgende Abschrift (s. o. n. 4) verbessert in: r[<]. Kl
MektTiü¥og. — C. lulius Philippus war nach Ausweis unserer Inschriften
in der 66. trallianischen Olympiade zum zweiten Male Agonothet und
gleichzeitig Oberpriester von A^ien. Nun hat (nach Ramsay) Wadding-
ton, Fastes des provinces Asiat. S. 221 erwiesen, dafs das Martyrium des
Polykarp, welches bei Gelegenheit der Spiele in Smyrna, denen Philip-
pus als Oberpriester präsidierte, stattfand, in das Jahr 166 n. Chr. zu
setzen ist. Ferner geht aus einer zu Olympia gefundenen Ehreninschrift
Dittenberger, Arch. Zeitg. XXXVIII 1880 S. 62 n. 368 (ROhl I, 82 u.):
^H VXufimxii ßouXij f. louktov 0iXt7tnov TpcMiavöv^ rdv datdp^y^v^ i^ßwv
luBxa, mufAmddt aXß' (Ol. 232 - 149-162 n. Chr.) hervor, dafs Phi-
lippus um dieselbe Zeit Asiarch war. Wenn nun die Gleichstellung der
Titel datdp^i^g und dp^tepeug ^Aaiag trotz Waddingtons Einwendungen
als indisputabel erscheinen mufs, so lassen sich die obigen Daten nur
unter der Annahme vereinigen, dafs das Amt eines Oberpriesters von
Asien wie die meisten derartigen Ämter ein penteterisches war. Philip-
pus war somit Oberpriester 162—166 n.Chr. (unter Antoninus Pius);
im Jahre 168 präsidierte er den olympischen Spielen zu Tralles bei
deren 66. Wiederkehr. Die 60. trallianische Olympiade fand demnach
129 n. Chr. bei Gelegenheit des Besuchs Kaiser Hadrians statt Wahr-
scheinlich ist, dafs diese Spiele zu Ehren der Anwesenheit des Kaisers
nicht erneuert (vgl. die MDAI VIII, 326 n. 8 [s. u.] erwähnte dyav£[w»
ms\ sondern erst eingesetzt wurden, wenngleich der Lokalpatriotismus
denselben den Glanz höheren Altertums zu verleihen suchte. — Vergl.
ttber drei Männer des Namens C. lulius Philippus auch Foncart, BCH
X, 467 f.
Sterrett und Ramsay, MDAI VIII 1888 S. 318f. n. 2 » Ster-
rett, Papers S. 96 n. 2; ungenau "OfiiipoQ 1874 S. 39. — Bule, Demos
und Gerusia ehren den Tib. Claudius Hephaestion Epigonianus, S. des
Tib. Claudius Hephaestion, aus der Tribus Quirina, der während der
ersten vier Monate des Jahres (r^v npatn^v rsTpäfii^vov) das Amt eines
Gymnasiarchen der drei Gymnasien bekleidete und den ganzen Tag Ober
unentgeltlich Ol spendete. Seine Mutter Claudia Perigenis, T. des vier-
maligen Olympiensiegers Epigonos, ehrt ihren Sohn. Letztere gehörte
zu der von Cic. pro Fiacco 22 erwähnten vornehmen trallianischen Fa-
milie der Epigoni und brachte diesen Namen in die Familie der Hephae-
ti57 stionen. — S. 326 n. 8 = Sterrett, Papers S. 106 n. 8; nach Pocockes
ausnehmend schlechter Abschrift CIG 2934, etwas besser Lebas 611.
Ehreninschrift auf Dionysios aus Laodikeia, vstxr/laavTa n}aßwv
—iw
XIII. Caria: Tralles. 61
fftf^yc^v *0Xuplmd8a\ irf iura r^v dvmfi[metv. — Der Z. 10 — 12 geoannte
A^rtarch Seztas d' Euarestos ist wahrscheiolich identisch mit dem Oram-
mateas von Tralles, der aaf Müozen des Mark Aarel, Lucios Veras und
Commodus (Mionoet« Lydie 1079—1090) hftafig begegoet. Die 8. Olym-
piade nach der Eroeoerung der Festspiele (s. S. 60) ist « Ol. 57 «
167—160 n. Chr.
Eontoleon, BGH X 1886 S. 456 n. 8; Löwy, MDAI XI 1886 t m
S. 203 f. n. 1 Dach Abschrift des Ingenieurs 0. Schnitz mit geringfügigen ~~^^
Varianten. Ehreuinschrift auf G. lulias Philippus, Sohn des gleichnami-
gen Oberpriesters von Asien (s. S. 60), aus der Tribus Velina, dessen Aus-
zeichnungen und Ämter aufgezählt werden. U. a. war er imrpono^ rwv
Jkßaaraßv (= procurator Augustorum); wahrscheinlich des Mark Anrel
und L. Verns (vgl. Ramsay, MDAI VIII, 323), oder des Mark Aurel und
Gommodus. Auch war er Vater des ffüyxkqriKbg und arparTjYoQ ^PtüpxUü»^
lul. Philippus und bekleidete das Amt eines lebenslänglichen Priesters
des Zeus Larasios. — Dieselbe Persönlichkeit auch in der Inschrift von
Aphrodisias GI6 III 2790 und von Tralles GIG III 2932. 2933. BGH V
1881 8. 846 n. 8 (Röhl II, 63); vgl. Waddington zu Lebas III 605.
Sterrett und Ramsay, MDAI VIH 1888 S. 821 n. 5 === Sterrett, nach
Papers 8. 98 f. n. 5; zuerst von Fellows mit einem Glase antersudit, nach ^ ^^
ihm CI6 2930 b; wenig besser Lebas 610. Der Stein ist gegen 65 Fnfs
hoch Aber dem Boden eingemauert; die Buchstaben sind so klein, dafe
sie selbst mit dem besten Glase nicht genau zu lesen sind. — Bule und
Demos ehren den M. Aur. Euarestos, einen gewesenen Bularchen, Ago-
ranomos, Eirenarchen, Strategos u. s. w., der t^ xpaxi^arjj) KX{ao8ef)
BouXg an seinem Geburtstage, dem 9. Pereitios, 33d[3] Denare zur Ver-
teilung überwies. Die Fürsorge für Errichtung der Bildsäule fibernahm
sein Sohn, der Grammateus der Buie, des Demos und der Gerusia, M.
Aar. 8oteri[ch]o8. — Da Euarestos die Namen des Mark Aurel trägt.
so kann er nicht vor 161 n. Ghr. geboren sein. Wahrscheinlich war er
der Sohn des in der obigen Inschrift geehrten Euarestos. Er wird alle
genannten Ämter nicht vor seinem 45. Jahre = frfihstens 206 n. Ghr. be-
kleidet haben. — S. 320 n. 4 = Sterrett, Papers S. 98 n. 4. GIG
2028 nach Pococke, Wadd. 608. Ehreninschrift auf den Bularchen M.
Aar. Soterichos (s. o.)- Nur einige Buchstaben haben verbessert werden
können; so Z. 2 Anfang Rest eines A = ireifi^tflav, — S. 316f. n. l fj^^
SS Sterrett, Papers S. 94 n. 1. Den erlauchten Prokonsnl (ro y^ von
Asien Lollianus ehrt die XafiTtpordTTj Kataapdwv TpaXXcavwv noXtg als
ihren Wohlthäter; folgen die Namen der mit Errichtung des Denkmals
betrauten Upstg uni ypopfiareTg des Demos. — Von den drei Prokon-
soln von Kleinasien, die den Namen Lollianus führten, kann der unsrige
nur Egnatius L. sein, da keiner der beiden anderen einfach L. genannt
werden konnte. Das dritte Konstdat desselben wird erwfthnt in der In-
—«17?
62 Oriechiache Epigrapbik.
scbrift von Alexandreia Troas CIL 111468; die Zeit desselben ist ange-
wifs. Ein Tib. Claudius Glyptos, welcher in der Inscbrift von Tralles
CIG 2926 begegnet, war ohne Zweifel ein Verwandter des Z. 13/14 er-
wähnten P. Licinnius Glyptos, welch letzterer aller Wahrscheinlichkeit
nach der Grammateus voq Tralles ist, der auf MOnzen des Septimius
und Caracalla (Mionnct, Lydie 1095. 1099. 1100) genannt wird. Der
Z. 12/13 erwähnte P. Lucilius Muoatius war vielleicht ein Sohn des be-
kannten Gelehrten von Tralles, eines Freuudes des Herodes Atticus
t m_ (Philostr., Vit Soph. p. 231). - S. 333 n. 13 = Sterrett, Papers
S. 113 u. 13; vorher "Oiirjpo: 1873 S. 490. Einen Prokonsul ehrt als
ihren Woblthäter ^ kaiL^(b)np]oTdT7j fi7^Tp6noXt[g (6) r^Jf ^Aaiag xat vetu-
x[öp'(*l)og] Twv ZeßoLorluv Ka[t'(%)aa\pia»v TpaXkeaviov (9) noXtg. —
Tralles wird vewxöpog genannt auf MQnzen von Caracalla, doch nicht
mehr unter dessen Nachfolger. — S. 330 f. n. 11 = Sterrett, Papers
S. 110 n. 11; vorher Pappadopulos-Kerameus in der smyrnftischen Zeit-
schrift 'AfidXi^eea 1874 n. 2061 (31. Juli). Ehreninschrift auf M. Aurelius
Soter, einen Buleuten, der in dem heiligen Wettkampfe der Spartiaten
und der Herakleia im naßtuv na^xpareov siegte, den hayatybv rwv VAu/jl*
tt/oiv, unter dem lebenslänglichen Priester des Zeus Larasios Flavius
Kleitosthenes, eines zweimaligen Asiarcben, npdfzog *Aa{ag^ Vaters eines
Konsulars und Grofsvaters von Senatoren, in dessen neunter Pentaeteris.
— Die Herakleia von Tralles sind erwähnt CIG 2936; der Agon der
Spartiaten scheint hier und in der folgenden Inschrift zum ersten Male
zu begegnen. Der Priester des Zeus Larasios bekleidete die höchsten
Staats worden; vgl. Lebas 604. ehaywyös statt — eug auch CIG 2932
(gleichfalls Tralles) = Agonothet Da Enkel des Kleitosthenes den sena-
torischen Rang bekleidet hatten (für Griechen vor der Zeit Mark Anrels
ftufserst selten), so wird die Inschrift dem Ende des zweiten oder Anfang
des dritten Jahrhunderts n. Chr. angehören. Nach Z. 20 bekleidete Klei-
tosthenes das Priestertum in neun aufeinanderfolgenden Amtsperioden von
vier Jahren. — S. 332 n. 12 =: Sterrett, Papers S. 112 n. 12; vorher
""Olv/jpoQ 1874 S. 39 und 1877 S. l76f. von Pappad.- Kerameus. Frag*
montierte Ehreninschrift auf einen Sieger im Ringen der naTdec im
heiligen spartiatischen Wettkampf sowie im Agon der Haleia unter dem
in der vorigen Inschrift erwähnten Priester des Zeus Larasios. Die Ha«
leia wurden auch gefeiert in Philadelphia (CIG 3416. 3427. 3428) und
auf Rhodos (CIG 3208. 6913). — S. 326 f. n. 9 == Sterrett, Papers
S. 106 f. n. 9; sehr unvollkommen Lebas 609. Äufserst fragmentarische
Siegesinschrift eines - as aus Smyrna, der auch das Bürgerrecht vod
Tralles und Argos gehabt zu haben scheint. — S. 319 f. n. 3 = Sterrett,
Papers S. 97 n. 3 ; unvollkommen Lebas 606. Den alleinigen Agoranomos
während des ganzen Jahres Eutyches ehrt die Zonft der Leinweber. —
Der Geehrte ist identisch mit M. Nonins Eutyches in der JEShreninschrift
der Bürgerschaft von Tralles CIG 2929. Sterrett vermutet, dafs die
XIII. Carla: Tralles. 63
öffentlicheD Ämter von Tralles nur in Tiermonatlicber Amtsdauer ver-
waltet worden (vgl. MD AI YIII, 3 18 f. n. 2; S. 60 u,). £. bekleidete sein
Amt während dreier dieser Amtsperioden.
Fontrier, MD AI X 1886 S. 278; in Minuskeln Mooaeebv xdt
ßtßho^xf| y 1884/5 n. ttq', Siegesinschrift auf Adrastos, S. des A.,
Damalon, welcher vetxq. ri}v rpixrjv nepütSov rtbv Xotpfjudetwv mxßwv
unter dem Agonetheten P. Ael(ius) Lucilianus Dionysios, errichtet von
seinem Yater.
Kontoleon, BGH X 1886 S. 516 n. 4. (Pappak.) Rest eines
Volksbescblosses, der sich auf Niederschrift und Aufstellung desselben
im Tempel des Zeus bezieht. Scblufs: ^EkL$e ^uXij IkptXrjig. — S. 519
n. 11. (Pappak.) Bule und Demos ehren nach testamentarischer Be-
stimmung den Glykon, S. des Sosthenes. — n. 12 desgl. die Gattin des-
selben Melitia. — S. 455 n. 5. Fragmentierte Ehreninschrift des Demos
und der dionysischen Künstler auf einen Apollonios, S. des Demetrios, — .
S. 456 n. 7. Fragmentierte Ehreninschrift auf einen Menandros, der die
Amter eines Asiarchen und (rcpavfjYüQ r^c nöAecjg bekleidete. — Der-
selbe, BGH XI 1887 S. 218 n. 12. Bule und Demos und das heilige
Systema der Gerusia ehren die Oberpriesterin Lucilia, G. Lucilii f., Lau-
dike. P. Aelius Bassus Ghryseros, der u. a. die Würde eines Stcphane-
pfaoros und Oberpriesters bekleidet hat, ehrt seine Mutter. - Giere,
a. a. 0. S. 346 n. 1. Bule und Demos ehren den C. lulius , S. des G.
Julius Python, eines Oberpriesters von Asien.
Kontoleon, BGH X 1886 S. 456 n. 6 (Pappak.). Der Priester
Korylas, 8. des lason, weiht die Bildsäule des Pleistarchos, S. des Anti*
patros. — S. 5l7f. n. 9. M. Sitrios Thyrsos stiftet seinen Synergasten
ein Horologion. — S. 519 n. 16. Die Zunft der Färber bekränzt ein
Heroon.
Papadopulos-Kerameus, KE0I XY 1884 S. 58ff. n. 5. Pho-
kaia, jetzt Konstantinopel, Museum. Ehreodekret eines auswärtigen De-
mos auf die Bürgerschaft von Phokaia wegen Entsendung eines StxaaTijC
und eines ypafifiaTeug zur Schlichtung von Rechtsstreitigkeiten. Die Er-
wähnung der zu Ehren des Königs Eumenes Soter eingesetzten musischen
Spiele und eines Tempels des Zeus Larasios Eumenes macht wahrschein-
lich, dafs die Inschrift auf Tralles zurückzuführen ist. — 8. 60 nach
einer Publikation von Pappakonstantinos in der smyrnäischen Zeitschrift
'Afidk&eta 27/28.. April 1884. MouaeTov xal ßißkeo^xf) V 1884/5 S. 73
n. uoC in Minuskeln. Der Priester Klaudios Meliton errichtet dem Zeus
Larasios Sebastos Eumenes ein Weihgeschenk. Derselbe vielleicht in den
vier Inschriften S. 59. — S. 53 n. 6. Fragment einer Wegebauinschrift:
— ürparrjYbQ hü r^ff ^wpaQ (2) auvrekiaag röv re äfxa^txbv (3) rhv ^e-
povra int re rä Xe[w^opeca?
64 GrieebiBche Epigraphik.
KontoleoD, BGH X 1886 S. 519 n. 16 (Pappak.). Jemand be-
stimmt TÖv clxov npbs Twe dU{so)sxToplq) (ebenso in der Orabschriit
von Kibyra CoUignon BGH II, 610 n. 29 = ROhl II, 114) für sich und
seine mitverzeicbneten Kinder (zur Grabstätte); mit den Anfangsworten
einer Strafandrohung. — S. 618 n. 10 (Acharkiöi, eine Stunde von Trailes).
Verstfimmelte Aufschrift der Ruhestätte des M. Aurelins — und seiner
Familie. — S. 519 n. 14. Grabstein des Philaios, S. des Fb., seiner
Gattin Nikonoe, T. des Diogenes, ihres Sklaven Epigonos and der Sklavin
Hekataia; — n. 18 des Pamphilos, S. des Aphrodisios. — S. 517 n. 8.
Inschrift des Gerusiasten Claudius Bassus.
Sterrett und Ramsay, MDAI VIII 1883 S. d36f. n. 17 = Ster-
rett, Papers S. 117 n. 17. Aufschrift der Ruhestätte des lason, S. des
Archeteimos, und seines Sohnes lason. Bestattungsrecht sollen haben
seine Gattin Trypherin und seine Sklavin Eikonin; nachgetragen: Zosin.
— Vielleicht steht unser lason zu dem tragischen Schauspieler gleichen
Namens von Trailes in Beziehung. Die Nominative der Fraueonamen
sind singulärer Bildung. — S. 337 n. 13 = Sterrett, Papers S. 117 f.
n. 18; vorher "O/it^pog 1873 S. 537. Grabstein der Maiandria, T. des
Hierophon, Gattin des Epainetos, und des Apollonios, 8. des Artemido*
ros. Letzterer begegnet auch in der Proxeneniiste Lebas 699 b, 24. —
n. 19 = Sterrett, Papers 8. 118 n. 19; vorher ''Ofii^pog 1883 S. 491.
Grabschrift auf Arteroidoros, S. des Metrodoros, und — . S. 338 n. 20
^ Papers n. 20. Grabstein des — Valerius, 8. des Vitalins, und des
Tettios, S. des Skartos. — n. 21 = Papers, 8. 119 n. 21. Rest der
Sarkophaginschrift eines Weibes. — n. 22 = Papers n. 22. Dürftige
Reste; am SchluCs: ^oljpog ^^A[(/c?
Sterrett, Papers 8. 120; Löwy, MDAI XI 1886 S. 204 n. 2
(Abschrift des Ingenieurs 0. Schultz). Inschriftfragment eines El. Mi-
thridates.
Sterrett und Ramsay, MDAI YIII 1883 S. 333 n. 14; Sterrett,
Papers S. 113 f. n. 14 nach neuer Abschrift; die beiden letzten Zeilen Ram-
say, Journal of helleoic studies 1881 8. 47; das Ganze Mommsen, Eph.
epigr. 1884 8. 65 nach Ramsay. Unter einer halb erloschenen lateini-
schen Ehreninschrift auf den Kaiser Galba: /jLe(Xea) Xa' = 31. Meilenstein
auf der Römerstrafse von Ephesos nach Trailes. Der 30. Meilenstein
steht noch jetzt bei DedekiOi, gegen zwei Meilen westlich von Trailes,
und ist nach der schlechten Publikation von Lebas 1652 c korrekt mit-
geteilt Mootntov xa\ fiißXto^xj} II 1876-1878 8. 48 (Röhl II, 63 u.).
Pappakonstantinos, BGH X 1886 S. 327. Zwei Ziegelsteine:
Tupdifvou und 'A]raB6noXcc.
Xin. Caria: Tralles. Magnesia. Miletas. Priene. 65
Magnesia ad Maeandrum.
Fontrier, BGH YII 1883 S. 504 ff. n. 10 nach einem Abklatsch
des M. Angelios Batases in Aidin; nach einem Abklatsch von demselben
in Minuskeln wiederholt im Moütreeov xal ßeßXto^xij T^g ehayyekgx^Q
aj^o^g iv I^fiifpvj^ V 1884/5 S. 72 n. oo<^^ Schlufs eines Edikts des
römischen Statthalters an die Bewohner von Magnesia aus Anlafs einer
Arbeitseinstellung der Bäcker {dproxonot). Letzteren wird anbefohlen,
ihrem Gewerbe obzuliegen und keinen Auflauf zu verursachen; Zuwider-
handelnde werden mit Strafen bedroht. — Auf die Inschrift folgt der
Anfang eines Ratsbeschlusses von Magnesia auläfslich der dnövota r&v
ipyaanjpidpj^ioy \ datiert nach dem Prytanen Gl. Modestus, fii^vbc *Kka-
peänfog.
Mouaeeov xal ßtßXto^ijxvj r^c ebayYehxijg a^o^g Sv Zixupvj^ V
1884/5 S. 70 n. ooa in Minuskeln. Inschrift eines Sarkophags, den der
Direktor der Eisenbahn Ephesus-Tralles (Aidin), Purser, von Teke (Magn.
ad Maeandrum) nach Azizieh, der ersten Station der genannten Eisenbahn
(s. S. 67), bringen liefs. Dieselbe besagt, dafs der Sarkophag (aophg)
und dessen Sockel (ro bnb abr^v xpi^netStoim) dem Hierokles, S. des H.,
gehört und dafs aufser dem Besitzer nur noch dessen Mutter Heliodora
das Beisetzungsrecht haben soll. Zuwiderhandelnde sollen rfj Majrvi^Twv
ßouAg 5000 Denare entrichten. Eine Abschrift dieser Bestimmungen wurde
in den Archiven hinterlegt. Datiert nach dem Stephanephoren Gl. Mar-
cellus (to) ve\ ^uyCw^s*) Ai^vae<bvog.
Rontoleon, MDAI XII 1887 S. 257 n. 28. BalaUikion (zweite
Station der Eisenbahn Ephesus-Tralles); nach Winter, in der Anmer-
kung wahrscheinlich aus Magnesia. Grenzstein: Tonog Tpo^tpJwvog,
Miletas.
Durrbach und Radet, BGH X 1886 S. 268. Aufgrund einer
Inschrift von lasos wird die billngue Inschrift GIL III 477 ergänzt.
Priene.
Hicks, Journal of hellenic studies IV 1883 S. 237f. nach Abschrift 8.jahrh.
von Murray (1870); abweichende Lesarten von Haussoullier (1879)
mitgeteilt von Hicks, Journal of hell. stud. Y 1884 S. 60f. — An einem
Hause in Kelibesch kopierte Murray auf einer Reise mit Prof. Newton
1870 ein Ehrendekret von Bule und Demos von Priene auf Nymphen»
S. des Protarchos, der zweimal zum Kommandanten der Burg gewählt
worden war und sich beide Male um die Stadt verdient gemacht hatte.
Dasselbe stammt aus dem 3. Jahrh. v. Ghr. und beweist, dafs Priene den
Diadochen gegenüber seine Autonomie bewahrt hatte. Datum: 'En\ ^]€-
i^Vf^opoii jls<o/iidovv€yg,
J«hrwl»«rielit IBr AltertonunrlaMiisebaft. LXVI. Bd. 5
66 Oriecbiscbe Epigraphik.
Eamanades, '£fp. dpx- 1886 Sp. 219 ff. (nach von Sakkelion ttber-
mitteltQD Abschriften). Zwei PsepbismeDfragmeiite (B in zwei Kolnmneo),
die vielleicht zu einer nnd derselben Inschrift gehören, in der Weise,
daCsL B den Schlufs ?on A bildet. A: Fragment eines Ehrendekretea aof
einen um die Stadt (namentlich durch öffentliche Bewirtungen, Getreide-
spenden u. s. w.) Verdienten. Merkwürdig ist die Erwfthnung eines Btdv-
T[6ioy Z. 7, eines Tempels oder dergl. zu Ehren des bekannten Weisen
Yon Prione. Z. 22 geschieht des lulius Caesar Erwähnung ; unsere In-
schrift fftUt daher wahrscheinlich in die 2. Hälfte des l. Jahrh. ▼. Chr.
In die gleiche Zeit gehOrt ein ähnliches Fragment ans Priene CIQ 2906.
» TZi]fa xarä rh TCoufiaii^-xt6i€ (Lage?).
Papadopnlos-Eerameus, KE0I: XV 1884 S. 53 n. 7. Die
fehlerhafte Abschrift von Fellows GIG 2903 wird berichtigt: 'ATtöJJUuvoQ
['EXauBepiou Ueßcunoü. An letzterem Orte ist die Lokalität unrichtig
angegeben.
Job. Bann ack, »In Karten gefundene Fragmente von Inschriften
aus Kreta«, Studien auf dem Gebiete des Griechischen und der arischen
Sprachen von J. und Th. Baunack I 1886 S. 7—16 wiederholt und be-
handelt die Inschriften Lebas-Wadd., Voy. arch., Explie. V 2 n. 881 -—384.
XIT. Lydia.
Bechtel, SGDI Bd. I Heft 2 behandelt unter den Ȋolischen In-
schriften« die Dialektinschriften der kleinasiatischen Küstenstädte: A.
Cebrene S. 114 f. n. 307, B. Thymbrae S. 115 n. 308, C. Aegae S. 115
n. 309. 310, D. Cumae S. 115-117 n. 311-313, E. Gryneum S. 118
n. 315, G. Adespota S. 118f. n. 317. 318. — Rez. s. Jahresbericht Sb 391.
Epheans.
t79,/8o Fontrier, MDAI X 1885 S. 401; Foucart, BCH X 1886 S. 95.
Bauinschrift. 'Tnkp rrjg — byiif/ag des Kaisers Titus und fttr den Be-
stand der römischen Herrschaft wurde die schadhaft gewordene Umfas-
sungsmauer des AbyotMTT^ov erneuert auf Befehl des Prokonsuls M. Dl-
pius Traianus (des Vaters des Kaisers Trigan), httfiehj^dyroc Uofimovioo
Bdaaoo roo npeaßturou u. s. w. — Die Umfassungsmauer des Augo-
steums war errichtet worden unter dem Prokonsulate des C. Asinius
Gallus im Jahre 6 v. Chr. (s. die lateiniseh-griechische Inschrift Wood,
Ephesus, Inscr. 8. 2; RM II, 67). M. Ulpius Traianus verwaltete Asien
79/80 n. Chr. An den (früheren) Legaten Pompoiius Bassus richtete
Plinius der JOngere einen seiner Briefe (IV, 28).
Gardner, Journal of heüenic studies VI 1885 S. 349 n. 95; aus
den wieder aufgefundenen »MS. Inscriptions collected in Oreece bj
Ziy. Lydia: Ephenu. Golophon. Notiam. 67
C. R. Cockerell, 1810—14«. Schlufs einer EhreoioBdirifty welche die Ge-
sdiwiBttr des Geehrten, A[urel]ia A[mm]i(an)e Apoll[olnia, H. Aar. Ne-
ra[ti]o8 Thiod[o]ro8 Amroiaoos und M. Aor. Neratios Philometor Ammia-
nos errichtet haben.
MouaeTov xau ßtßXeo9^x7j V 1884/6 S. 29 n. 254 in Minuskeln.
Chalka-Bunar, östlich von Ephesos. Fraginentierte Grabschrift der G]ly<
[kf]&a Chrjsan ailf ihren Gatten.
Azi^feh (erste Station der Eisenbahn Epfhesos-l'rallds). MooaeToif
xal ßißhoBijxyj tTyc ^YYtXtx^g a^oX^^ iv ^fiupvjj V 18Ö4/Ä S. 10 n. oo'
in Mitinskeln, nach Abschrift VoD Font^ier. ü. a. von letzter^hi bereits
faeraasgegeben BCH IV 1880 S. 495 (ftöhl II, 73). Fclnft«' Mdlellistöiä
auf äet Strafse voti Ephedus nach Ti'älles mH deth Natmen des Kdristils
M'. Aquillios M*. f. in lateinischer und griechischer Sprache. ^ S. 7l
n. uoy' und n. ood' in Minuskeln. Zwei dürftige Fragmente von Weih-
inschriften auf einen Patron otod, sowie auf Cnaeus Babbius Pam-
phil . — n. u4t6' in Minnekelo. Orabscbrift auf Fuficia Faiista, T.
deiB Caius Fufloius Dama» (Genetit: J«^«). Naoh S. 87 steht irrtttm-
licfa auf dem Steine: 0ou^ow^äex/a, — u. uoß' Grabscfarift auf ilnd
Glapbyra^ T. des Apollodoros« erricbtet zu deren Lebzeiten.
Golophon.
Schuchhardt, MDAI XI 1886 S. 408. Deirmendere. Fragmen-
tierte Grabstele der KIau]dia Akk[a mit dem Schlüsse: ^cUperz^ laipoSoi'
X^ijpe xal au.
Notittm.
Schuchhardt, a. a. 0. S. 425 n. 1. GiaurkOi. Grabstele des Her-
raottmtos, S. des Hestiaios (Fontrier, Mou08Tov xa} ßtßAeo^xij Y
1885/6 S. 90 n. ^a in Minuskeln); S. 426 n. 2 (ebd.) der Artemisia, T.
dee Hegesandros, Gattin des ßion; n. 3 (ebd.) der Apollonia, T. des
Mermogeaes, Gattin des Menekrates, und des Apollae, S. des Menekrates;
0. 4 (ebd.) des Athenagoras, S. des Hepbaistion; n. 5 (ebd.) des Pausa-
nias, S. des Kallidamas. - S. 426f. n. 6. Ebd. Fragmentierte Grab-
schrift; ziemlich gut erhalten nur die Strafandrohung. — n. 1—5 dem
Schriftcharakter nach etwa aus deM Anfang des 2. Jahrb. v. Chr.; n. 6
ans römischer Zeit. — S. 427 n. 7. Nekropole. Grabstein der Philinna,
T. des Pytheas, Gattin des Aristomachos. — S. 427 f^ n. 8; in Minuskeln
Kontoieon, BCH X 1886 S. 514 n. l und Fontrier, jUouaseov xal
ßißX, V 1885/6 S. 89 n. fn' . Grabschrift in drei Üisticben auf den Poly-
histor, Dichter, Philosophen und Priester (r^v KXapcou rpenSdwv Ai^rot-^
dew ^ipana) Gorgos, welchen Kexponlg iv xöknotQ xponret x6ve^.
Nach NotioQ, nicht nach Klares, gehören nach Fontrier die beiden
von ihm JHouoeTov xol ßtßX. 111^878—1880 S 213 f. (ftöhl It, 73 u.) mit-
6»
68 Oriechische Epigraphik.
geteilten and nach Kiaros verlegten Inschriften mit der Datierung: int
Ttpurdvew^ ^AnoXXatvos. — Kiaros war nicht Stadt, sondern uar Tempel-
bezirk von Notion; folglich gab es daselbst keine Prytanen.
Metropolis.
MotxreTov xal ßtßkoBijxvj Y 1884/5 S. 74 n. uo^' nach Abschrift
von Fontrier. Der Demos ehrt die Herais, T. des Glaukon, wegen
ihrer vom Vater ererbten ebepyeata gegen die Vaterstadt. — n. trn in
Minuskeln. Widmung des Apollonios, S. des Attalos, mit seinen Söhnen
(udt^) ApoUonios nnd Attalos an die ^boI dtü(ixo{so)poe. — n. una'^ in Mi-
nuskeln. Weihinschrift einer Basis: V d^fiog (2) aeßaar^i npoopdtret
xa^tipfüOBv»
Tira.
Fontrier, MouaeTov xal ßeßJieo^xi^ V 1886/6 S. 87f. n. fw^' in
Minuskeln. 1 St. n.6. r^c noXewg 9etpwv. Marmorblock mit drei In-
schriften aus verschiedenen Zeitperioden: S. 87 n. 1. Schlufs einer Ehren-
inschrift (der Anfang stand auf einem anderen, jetzt verlorenen Stein)
auf einen Unbekannten, der seiner Gattin, der Priesterin {lep^ Z. 2)
Stratoneike, T. des Hegesippos, und seinem Bruder Marcus Antonius
Granicus 1000 Denare [geschenkt], auch schon vorher viele Kosten auf-
gewandt (Z. 4: TtoXkä Sk xal npo3anav:^aavTog) nnd keine MQhe und
f 177 Sorge nepl (6) rijv xaraa-xeuij]^ rwu epyoiv gescheut hatte. — Rechts
davon S. 88 n. 2. Im Jahre a^a unter der Regierung des Kaisers M.
Aur. Antoneinos gab M. Aur. Menandros, S. des Eleutherikos, aus Hy-
paipa uTtkp xwpxip^taQ k(W'{fi)rou rjj Idet^uzrjvwv xarotxtqi [^i^v.] cv\
(6) xaBwg i^^taaro i/ xaroexia. Derselbe schenkte vor kurzem (zd^etov
Z. 7) zur Wiederherstellung roo nahj'{fi)oo ßaXaveeou [8i^v,] v'. Die er-
wähnte xarotxfa ist unbekannt. — Unter n. 2 a. a. 0. n. 8. Aur. Krei-
ses aus Hypaipa, S. des Agoranomos und Ghreophylax Dionysios und selbst
Agoranomos, gab Ü7i[kp (4) xaßpoLp^tag iaurou [8i^vJ] x^^^^^t ^'^^^^ npoB"
][afpij(Tav €[& (5) imaxeu^ roü xa[af6]ü ßaXaveeou, xa&wg ii/m^eaaro (6)
^ xaTotx{[a.
Erythrae.
4.jaiirh. Fontrier, BGH VIII 1884 S. 346 ff. und Mouaecov xa\ ßcßX, V
1884/5 S. 20f. n. 236 in Minuskeln; Bechtel, HD n. 201 (Taf. IV).
Jetzt in Smyrna, Museum. Beiderseits stoichedon geschriebenes, arg
verstümmeltes Fragment (27 + 22 Zeilenreste; ionisch), vielleicht eines
Vertrages, um das Wasser einer Quelle in die Stadt zu leiten und dort
zu verteilen. Die Inschrift ist wichtig für die Geschichte und Topogra-
phie der Stadt, da sie eine Reihe bisher unbekannter örtlichkeiten ken-
nen lehrt. Die Strafsen tragen keine eigenen Namen ; sie werden unter-
» -■■I -*i*— ^— -^^^^^^^^^?p*«flw"
ZIV. Lydia: Metropolis. Tira. Erythrae. Glasomenae. Smyroa. 69
schieden nach oSöq 8ijfioahj und SSbc dvipoßaapiSQ (Bfirgersteig). —
Über den hier wie mehrfach in ionischen Inschriften begegnenden Gen.
Sing, anf — eu CAp]xT^}'6Teu B, 6) s. Bechtel, Bezzenb. Beitr. X 1886
S. 280ff. Vielleicht ans dem Anfang des 4. Jahrh. v. Chr.? — Der- a.jahrh.
selbe, MDAI XII 1887 S. 262. Metrische Grabschrift (vier Distichen
in ionischem Dialekt mit vereinzelten Dorismen) auf den mit seiner
Matter bei einer Seefahrt verunglückten Zosimos, S. des Neikomachos,
aus Kailiste (Thera). vuxrtfiau^Q Z. 4, ein £pitheton des 'ÄTtapxiag
(Nordwind), ist neu. - Derselbe, MouaeTov xal ßtßXto^xrj Y 1886/6
S. 90 n. ^ß' in Minuskeln. Aritza. Grabschrift in drei fragmentierten
und schwer lesbaren Distichen. Z. 1: --xal ivauXea /laxpä KXdpoeo;
Z. 2: xal iir^rpbi pjpaXdn^g (rcovaj^au\ Z. 3: --t^< ^^ovepi^t ipkofl xäTme-
aaU"] Z. 4: wXero xal Tiptonju ^v dvirtva yevuv; Z. 6: reg X^^C ^^C
Glazooienae.
Foucart, BGH IX 1886 S. 887 ff. Zwei Fragmente: A rechte um tso
Hälfte von Z. 1—46, B linke Hälfte von Z. 31—43. Schlufs eines De-
kretes der Abgeordneten (auveSpoi) der ionischen Städte {riov noXewv
räfv Iddwy)^ wonach der Geburtstag des Königs Antiochos (I.) entspre-
chend demjenigen Alexanders des Grofsen (des Befreiers der ionischen
Städte) al^ährlich festlich begangen und jenem sowohl wie seinem gleich-
namigen Sohne nnd seiner Gemahlin Stratonike göttliche Ehren erwiesen
werden sollen. Von jeder Stadt sollen zwei Synedroi als Abgesandte zu
dem Könige geschickt werden, um ihm den Beschlufs zu unterbreiten
und ihn bei dieser Gelegenheit nm Bestätigung ihrer Autonomie und
ihres demokratischen Regimentes zu bitten. Anläfslich des Dekretes soll
ein Opfer an alle Götter und Göttinnen, sowie zu Ehren des Antiochos,
seines Sohnes und seiner Gemahlin stattfinden. Endlich soll das Dekret
io dem heiligen Bezirk neben dem Altar der Könige, wie auch in den
einzelnen Städten aufgestellt werden. Von der sich anschliefsenden Ab-
geordnetenliste sind nur Namenreste der Synedroi von Ephesos nnd Le-
bedos erhalten. — Offenbar identisch mit der Inschrift S. 73 n. 232.
Smyrna und Umgegend.
Reinach» Revue des ^tudes juives VII 1883 S. 166. Die dp^t-
aouayuß^ÖQ Rufina erbaut ein Grabmal fflr ihre Freigelassenen und die
in ihrem Hause erzogenen Sklaven; mit Strafandrohung: Entrichtung von
1600 Denaren an den heiligen Schatz (den kaiserlichen Fiskus) und von
1000 Denaren an die jüdische Gemeinde. Über den Titel dp][tauvay(o}'b^
ygl. zu der Inschrift aus Phocaea S. 76 f.
Ramsay, American Journal of archaeology I 1885 S. 138 n. l.
Bauinschrift: MdpxoQ Hepratpeog (2) 'A[p}i(n6Xuxo€ Tijv <m-(3)^€r|^av
70 Griechische Epigraphik.
i^prtoev ra'(^)vofi\yfiehai^ ix r&v (6) lii\ujv in\ rofi^ov (6) /aÄ)]ü
^An{ou loüXiavoü, Dem Schriftcbarakter nach setzt der Heraosg. die In*
Schrift in das erste Jahrb. n. Chr. Doch ist der Name des Qaftstors
vielleicht wahrscheinlicher i/. 0]u[X]n/ou zu ergänzen; dann fiele sie zwi-
schen 130 und 160 n. Chr. Über die religiöse Genossenschaft der Gauy-
medeiten wissen wir nichts Näheres. — S. 140 n. 2 (ohne Zeilentrennang).
Jetzt in Oxford. Eine von Röbl, Schedae epigr. Berlin 1876 S. 2 n. 3
irrtQmlich auf Kanfleute gedeutete Inschrift lautet: *Apz^ ^^XV- ^^
ftöafjdvijQ r^c xpar/arT^g ßooX^c xal imxupwffavrog rou Xafinpordvou
dv&tmdroo JoXXe{ajf)ou Aobeiroo i86Bi} iSöB^ (2 mal) ^opnjyöiQ *Aüxkij-
ncaaratf ix toü iu€[9]p{ou ßdd{p]a zä k^ riaoapa' rafiteuovrog Ahpftj"
(JUou) A^poSetmoü. — Waddington, BCH VI 1882 S. 291 (vergl Röhl
II, 80) weist den Prokonsnl Lollianus Avitus dem Ende der Regierung
des Septimius Severns zu. Der Stein stammt nach dem Herausg. ans
dem Theater von Smyrna und erwähnt, dafs eine Anzahl von Sitzplätzen
der unter dem Protektorate des Asklepios stehenden Gilde der Lastträger
(^pprters attaohed to tbe Adslepieionc) eiqgeräamt worden wäre. — Nach
Ramsay, i^. c|. 0. S, ß86f. ist jedooh nach einer Neuverglejchung des
Steines ix rou auveSp/ou zu lesen. Somit tiiezieht sich die Inschrift viei-
meftr auf (las Ratbaus. — Derselbe, a. a. 0. S. 14^ n. 3, ^ipe im
Mouasiov xß} ßißJieoBifxij 1676 n. 2 fehlerhaft und in Minuskelp publi?;iert6
Grabschrift eines Uoinitag) Ai(Xtog) Nsixocrparolg mit Androhung einer
fiu die Gilde zu entrichteqdeo Strafe wird ^l Majuskelu un4 Umschrift
mitgeteilt Erwähnt werben ^opvr^YiA t^ tov ßsTxov (= vicon\). Die
Organisation der Qilde ist noch nicht festzustelloQ. Die Inschrift fällt
wahrscheinlich zwischen 150 und 180 n. Chr. P. Aelius Nicostratus war
wohl unter Hadrian geboren und pach diesem Kaiser benanpt.
Szanto, Archäol.- epigr. Mitteil, aus Österreich IX 1885 S. 133
Fragment einer in der Sammlung Millosicz befindlichen Ehreninschrift
der dionysischen Künstler des Dionysos Bresens, vermutlich aus Smyrna,
wo der Kult dieses Gottes, sowie ein Kollegium der Techniten und Mysten
desselben nachgewiesen ist. Wahrscheinlich bezieht sich die Inschrift auf
Mark Aurel und Lucius Verus.
Bechtel, Bezzenb. Beitr. X 1886 S. 284ff. (wiederholt HD 153)
teilt auf gruad eines Abklatsches 4gs D^. fleyte, Ko^serv^tor8 f^m Rijks-
^usei^n z^ {joyden, eine nei^e, in manchen Punkten ab\K(eiohet^de Kopie
^er Ins^hnft GIG 314Q mit.
Latysckew, MDAI X 1881^ S. 124 a. 24. Bemerkungen zu der
jetzt in der Petersburger Eremitage befindliehen Inschrift Lebas, inscr.
d*Asie Min. 1532.
Papadopulos-Kerameus, KE€I!IY 1884 S. 53 n. 8. Im "^Ofir^-
poc 1874 Bd. II S. 89 mangelhaft herausgegebene, von Pap.-Ker. 1878/79
XI y. hjÜA: Smyrna and Umgegend. 71
an der Aufsenseite der Schule der dentscheo (Kaiserswerther) Diakonis-
sen gesehene Basisinschrift: /7oc»;r^/-(2>a;« Aa>l-(3)7roei/ov/-(4)ai< Kovxop-
(b)8mt rwi (6) dya^wi.
Benndorf und Nie mann, Reisen in Lykien und Karien. Berlin
1884 S. 126 Fig. 77 (behandelt S. 153 n. 128). Votivrelief des Artemon
und der Trophime an Apollon.
Kontoleon, BCH X 1886 S. 335. Inschrift des Heroons eines
C. Furnius Capito. — Derselbe, a. a. 0. S. 453 n. 2. Dttrftiger Rest
eiuer metrischen Grabschrift. Ebd. n. 1 wohl christlich (s. unter XL).
— Derselbe, BCH XI 1887 S. 297 n. 2. Basis. Grabschrift des Zeuxis
auf seinen gleichnamigen Sohn; n. 3 des Demetrios, S. des Dionjsios;
S. 297 f. n. 4 des Demos auf Menekrates, S. des Dionysios, und auf Dio-
nysios den Jüngeren^ S. des Menekrates; S. 298 n. 5 der Serapia, T. des
Dionysios, aus Thyateira; n. 6 des Pistos auf einen Phaeinos. -— Der-
selbe, MDAI XII 1887 S. 249 n. 8. VerstQmmelte Weihinschrift eines
Asinnios Dion. — S. 250 n. 12 (ApLal&eta 1887 n. 4073). Weihinschrift:
'A7T6A(X)wvt ehj^ijv (2) llepiitvo'ifi)uv8iwv [Reiter relief] (4) J(ixep.o^) ^inou-
XeioQ Tan ' {6) avos* Vergl. die Weihinschriften unter J^/iog HepfjuvouV'
Sdwv, XXIV: Pisidia et Isauria. — S. 245 f. n. 1 (AjxdX^eta 1887 u. 4075.
4077). 4us zwei Bruchstücken bestehende, »offenbar poetischen Reiz
affektierende! Grabschrift des Demos auf Antiphila, T. des Dionysios,
Gattin des Apollodoros, die das gemeinsame Grab der verstorbenen Ver-
wandten birgt (5): Tö xotvbv twv iyXeXocnorwv (6) au^y^viaiv ijptov axe-
ndZei, die 57 jährig starb (Z. 9: &a)^euaav)^ dtaai^v (11) rix\f(o\f anopiju
dpadvoMv iv^'(l2)Xexo}f XsXocneTav. Darauf die Mahnung des Steines: ^Ög
eopjpov (13) ouv dpzeßotß, ^ev«, ri^vSe /a/-(14)/o]£<v, insl xae au ra^rov
i$ i'(lb)p£Ü TtdXev Xaßwv t^c 7rerpvj[g' (16) 3vue ^aiptuv npo^eaev, ^
Tseverat = »Fremdling, danke ihr durch ein ^cujpSt da du dasselbe von
mir, dem Steine erhältst, nämlich den Grufs: Vollende glücklich deinen
Vorsätze. P. W[olters]. - S. 246f. n. 2. Unterhalb der verstümmelten
Reliefdarsteliung einer weiblichen Figur Grabschrift in drei Distichen auf
Hermione, T. des Petrotios, die, in jugendlichem Alter verstorben, ihren
Eltern bejammernswerten Gram hinterliefs. S. 247 f. n. 6. Polak,
Mnemosyne XY 1887 S. 254 n. 16. Jetzt im Leydener Museum. Te[r]-
tyllianos stiftet einen Sarkophag {iv(Tüpe{o)iß) für sich, sein Weib und
seine Kinder. Eine Kopie der Abschrift wurde im Archiv hinterlegt.
Aus sehr junger Zeit: xartaxiatm^ ivtroptv, roXp-i^öet (= o]^), &>. — S. 248
D. 7. Fragment. Jemand errichtet einen Sarkophag aus Prokonnesischem
Marmor; mit Strafandrohung. Datierung nach dem Monat V^ewv (neu).
— S. 249 n. 9. Dürftiger Rest einer Grabschrift. Z. 2 wird der rpo^Bug
erwähnt. — S. 247. Grabsteine: n. 3 der Hedeia, T. des Apollonios;
D. 4 der Lysimachis, T. des Hermon; n. 5 (Polak, a. |a. 0. S. 253
n. 13) der Tryphera, T. des Demefrios. — S. 250 n. 11. (ApdX^eea
72 Griechische Epigraphik.
1887 D. 4074). Stempel aos weifsem Marmor. Wohl: ^(v)^. a (2) Ha-
Xai\y (3) /AJ7(v^ff) C - -• — S. 261 n. 13. Polak, Mnemosyne XV 1887
S. 258 0. 11. Jetzt im Maseum zu Leyden. Insel Makronesi bei Smyrna.
Grabschrift: ^EtA Myjvo^vroo tou I!6k[w]voc (2) /a^vbc *A7ieXAa/ou <:'
dneövTog (3) 16h^ MeveXdou. — n. 14. Polak, a. a. 0. n. 12. Ebd.
Grabschrift auf Nikeso, T. des Straton, Gattin des Hippias, aus Selenkeia.
Fontrier, MouoeTov xal ßißXtoBijxvj V 1885/6 S. 92f. veröffentlicht
in Minuskeln folgende Inschriften vom Berge Pagos, jetzt im Museum zu
Smyrna: S. 93 n. 267. Widmung des Priesters E]uios an den Herakles
Kallineikos. — S. 92 n. 263. Fragment (einer Weihinschrift?). A]rte-
midoros, S. des Artemon, [handelt] für {fmkp) sein Weib Eukleia, T. des
Amyntas und der Artemo; Ktesikles, S. des Apollonios, auch für seine
Brflder; Metrodoros, S. des Apollonios, — — - . n. 264. Fragment
le und Anthos haben dem Dem]etrios ein Gräbmal errichtet itapa
:^a(;-(4)ra;<w. — S. 93 n. 265. Inlia Onesime hat hergestellt ro (4)
^pSfdv fiou T^c (6) dpe(/fd(nj^ ^loöktoQ (6) ^AX&^dvSpag /lerä (7) xdi roü
üou /lou KeX (B)(To(j. — n. 266. Fragment. as errichtet zu Leb-
zeiten für sich, seine Kinder u. s. w. ein Grabmal. — S. 91 n. y^'
in Minuskeln. Sehr unleserliche Grabschrift in drei Distichen auf eine
Anno, welche, nachdem sie (3) ijnrä irwv Sexddag - * gelebt. • - (4) rst-
pofjLSva Y^pwQ elg döfiou 'Atdew (5) 7]xero xa} fxaxdpwv — (6) xexpe/ieva
- - öuv&povoQ eöaeßiaev,
Polak, Mnemosyne XY 1887 S. 253 n. 14; vorher holländisch
herausgegeben von Leemans. Jetzt im Museum zu Leyden. Grabcippus
vom Berge Pagos bei Smyrna: MeXtrivrj rixvoi Iditp (2) Mdpxw und unten:
xdi ^HpaxXac 6 naTijp (3) xareaxeuatrav ao - (4) yxarevevxdcnjQ (5) ^a/ui>
kiag A7tsXA/xO'(6)vrog p.ovojxd)[o}v xk (7) Xoodapetov ufi^g ivexev. — Das
Wort XooddpioQ wird hier zum ersten Male inschriftlich bezeugt; sonst
ist es bekannt aus zwei Stellen des Thesaurus (Acta SS. Tarachi, Probi
et Andronici), wo es offenbar »Gladiatorenc bezeichnet. Da in unserer
Inschrift, die weit älter als jene Heiligenbiographieen ist, fiovo/xd^oc (das
übliche Wort für Gladiatoren) und XooSdptot verbunden werden, so muf:!
XoüSdptüi eine besondere Spezies von Gladiatoren bezeichnen. - Die
Inschrift findet sich schon MDAI VI, 266 n. 1 (Röhl II, 82). |— S. 254
n. 15. Gippus unbekannten Ursprungs, wahrscheinlich aus der Umgegend
von Smyrna. T(itns) Fl(avius) Dionysios Flavianus errichtet den Sarko-
phag {xapjdpa) zur Rechten für seine 26 jährig verstorbene Gattin Cl(au-
dia) Sokrateia, T. des Cl(audins) Lartidianus, die andere für seine Eltern
Fl(avius) Aphthoros und Auphonia Gaia. Sokrateia starb iroog poij\
P-Tf}(yf^g) ^Tntpßtpxaioo <:\ Vollendet wurden beide Grabkammern ixouz
pn' fii){vdg) äe{ou. — Die Namen Aphthoros und Auphonia begegnen
hier zuerst auf griechischen Inschriften.
Unter der Überschrift: ^^ntypotpal ivanoxei/ievac iv rtp Mouaefw
(cuXXeireTaat xarä ro fiera^u 1881—1883 8cdirnjpa)% wird iu dem Moo-
«fr
XIV. Lydia: Smyraa nnd Umgegend. 73
ixelov xae ßtßho(^v)xyj tt^q eöayyeXex^c ^o^q^ nepioSog TtdfiTmj^ 1884—
1885, iv Ifiopyj} 1885, S. l--d2. 81 86 eine grofse Anzahl von In-
schriften in Minuskeln mitgeteilt, deren Zugehörigkeit sich nicht immer
erweisen läfst.
S. 16 ff. n. 232. Fragment eines Psephisroa Tai/£ tioXbwv rwv IdBtov umsso
(Z. 12) in zwei Kolumnen (von A nur die unteren 14, von B 47 Zeilen
erhalten). Es sollen u. a. je zwei Männer aus jeder Stadt zum Könige
entsandt werden, um ihm das Dekret zu unterbreiten. In demselben
wird die Freiheit und Autonomie der ionischen Stftdte von der Väter
Zeit her (Z. 16 ff) betont und der König Antiochos um Bestätigung die*
ser Freiheiten angegangen (Z. 20/21). Zum Dank dafür sollen dann die
mtvsSpoe der ionischen Städte bei der Panegyris allen Göttern und Göt-
tinnen xal Tütg ß[aa]tX6Üatv 'A[v]Te6x<oe xal ^Avrio^ofi (die beiden letzteren
Worte sind in Z. 33 durch Irrtum des Steinmetzen ausgelassen; sie
stehen Z. 38) xai z^i ßaaiXiaarii Zrparovixfii ein Opfer darbringen. Hie-
ran soll sich eine öffentliche Stephanephorie anschliefsen und in den
Tempeln fOr das Gelingen der Pläne des Herrscherhauses ißuveveYxtTv
TÄ 8e8oy/jLiva toIq re ßamXBOffi ^A^vlrto^cji xai ^AvTio^mt xai r^t ßaatUa-
ar^t Srparovixr^t xa\ [iTäd]t rote fJLSTS^ouae twv rifxiov) gebetet werden.
Dieses Psephisma soll mit den Namen und Vatersnamen der erschiene-
nen Synedroi der einzelnen Städte niedergeschrieben und im Temenos
neben dem Altar der Könige, sowie eine Kopie desselben in den einzel-
nen Städten aufgestellt werden. — Von der am Schluss folgenden Liste
der Synedroi sind nur die Namen der Abgeordneten für Ephesos und Lebe-
dos fragmentarisch erhalten. Offenbar identisch mit S. 69: Clazomenae.
S. 8 n. 213. Fragment des Rats- und Volksbeschlusses einer unbe-
kannten Stadt, wahrscheinlich eine Belobigung der Zfiopvaloe wegen Ent-
sendung eines Schiedsrichters enthaltend. — S. 13 n. 224. Halbverstttm-
meltes Edikt aus der Kaiserzeit. - 'OXo/mew Z. 2, nep} röv VAufjL[mov
Z. 11 bezieht sich wahrscheinlich auf den Kaiser; vgl. unten n. 203. Die
Vorschriften (u. a.: xdyw trot i7tnpe[nwZ. 18; vgl. imrpi[nai Z. 14) schei-
nen sich auf Sakralangelegenheiteu zu bezieben {veoxopou Z. 4, fepjoira-
rjyc ffuv[68oü Z. 5, • - r]oü hpab Soxtßdf^w Z. 1 0, xal rä 8cxata rou ^e[oü
Z. 12, • 'na]pä rai Betp Z. 13). Ein dvßonarog war erwähnt Z. 8/9. Be-
merkenswert ist die Orthographie: ian^X^o-- Z. 13, (m^Xh^v Z. 16. —
S. 14 n. 227. Dürftiges Fragment einer Namenliste mit folgenden Bei-
tragssummen. — S. 15 n. 230. Fragment: Caius Vibius L. f. —
S. 26 n. 245. Arg verstümmeltes Bruchstück einer Namenliste. - S. 25
n. 244. Dürftiges Fragment einer Ehreniuschrift auf den Kaiser Hadrian.
~ S. 4 n. 203. Unbekannter Herkunft. Widmung an den Kaiser 'ASpea-
WC VXufimo^ als (twt^p und xriaryjg. — S. 88 n. 271. Reliefdar Stellung
von Sonne, Mond nnd Sternen mit fragmentierter Widmung des Zosas,
S. des Apollas (Gen. ^AiioXXä). — S. 86 n. 274. Basisinschrift. Der (rrpa-
rrjbe inl rwy 5rXwv T. Flavius Pulchrianus widmet einen ßedv HpaxXia
74 GrlfchiBche Epigrapliik.
oft^oj^OXaxa. — S. 28 d. 263. Relief; oben swei Augen, antea eine Hand.
Inschrift: fffupa («s 'Bfup^?). — S. 5 n. 206. Fragment: Toug iv [ran
dv''{2)^68we r[grd)[l^w (8) dnb r[ou rtupyou (4) rou ^Hp[axUouQ (5) &uc
r[oS rwv (6) J£o<rx[o(i/octfV. — S. 28 n. 252. Fragment: --«(2).ac xojl
dnh (3) To5 mp^ou (4) ro5 t^c *4o-(5)r[i/i]«5oc f-(6)o»c to5 t^c (7)
Jiypouff. — Vgl. Mot/tnhv xrX. II 2/3 S. 51 n. 120 und R6hl II, 88 lo
dieser Inschrift. Die Buchstaben von n. 252 sind angeblich jünger, als
die von n. 120 und 206. - S. 81 n. 263. Bauinsebrift, nach welcher der
Schatzmeister der Stadt, M. V[er]us Herakleides, iv r<u[^] aaXiat ßdBpa
Xy' nebst Zubehör (u. a. 2 Treppen) errichtet. — Aus dem Pr&skript
dieser Inschrift: Karä rb i/f^tofia xal r[3^ (3) dearayi^y t^v 0iXurTdo[u
(4) xal ^ÄTtoUoSwpou ist der Anfang des ganz ähnlichen Fragments S. 15
n. 229, in welchem ein Claudius als Schatzmeister zu figurieren scheint,
zu ergänzen» — S. 31 n. 259. Bauinschrift. Den --dv£/xj;roy itu[lanßa
Tou] xtßptou iff/mv ad[roxpdTop]o^ Map, Aip. * AvTw[ve€vou\ hat Aur. Phi-
Inmenos [ix xaranriwffiaßff wiederaufgebaut. — Qrabschriften nach dem
Schema: 0 S^fioc t^v 3€e^ oder röv deeva 6 S^puoQi S. 1 n. 195 auf
Herakleides, S. des Theomnestos; S. 7 n. 211 auf Artemidoros, S. des
Kaikos; S. 12 n. 222 auf Hikesios, S. des H.; a 15 n. 231 1. auf Ni-
k[a]ndros , 2. auf Artem[idoros . S. 19 n. 234 auf Pytheos«
S. des Hogetor; S. 30 n. 256 auf Metris, T. des Hermogenes, Gattin
des Athenodoros; 8. 82 n. 266 auf Pytheos, S. des Menas; S. 59 n. »(äs'
« BCH VII 1883 8. 278f. (BOhl II, 81); S. 60 n. ufig' auf Nikandros,
S. des Menios (» Parnasses 1883 S. 86; Röhl II, 82); n. upZ' (6 Sr,poQ
fehlt) auf Sosos, S. des Herakleides (ebd.). — S. 2 n. 196. Grabschrift
der Apphion, ihrer Kinder und Brttder auf ihren Vater Lucius. Datum:
^Ereug ofiy', — n. 197. Dürftiges Fragment, dessen Inschrift nicht mit-
geteilt wird. •*- n. 198 -—200. Die im Mouashv xrX, III 1/2 1878/79
und 1879/80 n. r^c', rei^\ rX/ mitgeteilten Inschriften befinden sich jetzt
im Museum. - S. 3 n. 201 f. s. unter XL: Tituli christiani. — n. 202.
Unbekannter Herkunft. Grabschrift der Eltern Skymnos und Moscharioa
sowie des ndrpw^ Marion auf eine Temis. Datum: '^Ejrou^ pfia /^(j^v^c)
Abdvaiou, — S. 4 n. 204. Apellion, S. des Pytbion, und Elpia, T. des
Apellion, errichten fQr sich und ihre Familie ein Grabmal. — S. 5
n. 206 s. unter Hierapolis in Phrygien. — S. 6 n. 207. Grabschrift auf
Nikopolis, S. des Sarapion. - n. 208. Demetrios Mupebc IIafiä8o$oQ er-
richtet seinem Vater Demetrios ein Grabmal (jiv^/i(}n^fxya). - n. 209.
Grabschriftfragment: 'Apxeaea A — \Bofiou»'. — S. 7 n. 210- Grab«
stein der dreijährigen Zosime. - S. 9 n. 2l4f. unter Nea Phocaea. —
n. 215. Grabschrift in drei Distichen auf den zwegährig verstorbenen
Nikopolis. — n. 216. Grabstein des --ippos, S. des Apoljlonios. —
S. 10 n. 217. L. Scribonius Menelaus errichtet auf dem von ihm ge-
kauften Grundstücke des C. Capito ivaöptov xol xafidpw xal xX^ipoxa,
xoi copbv pnjXiyn^v xak Batpaxetov für sich und seine Familie. — n. 218.
XIV. Lydia: Smyrna and Umgegend. 75
Xestos Egnatios Strateglkos errichtet fttr sich and seine Kinder ein He*
roon. — 8. 11 n. 219. Po(plios) Phontelos errichtet eo Lebzeiten ein
/iw)fi[etw fftr sich, seine Gattin Ma]tidia 8ote[ira, seine Kinder a. s. w.
— n. 220. Neikias, 6. des Terteios {= Tertios), und Metrodoros, S. des
Artemidoros, errichten ein icwpeov für sich, ihre Gattinnen and Kinder
xal ^Enstxan^aßi xa\ üxijvi^dt. Ein Grabfrevler soll 100 Denare eic ^v
nöJienf entrichten. Schlafs: *An6xetre 8k ro- ( 10 )6ro(/ xk iv r^ ^X^^^
<11) rÄ iv$eiynXdpst¥o)f. — 8. 12 n 221. Grabstein des Moaekles, 8.
des ApoUas {'ATtoXMSog). — S. 13 n. 225 » n. afjaj\ 8. 14 B. 226 ^
n. <r/£c'- Hier nicht wieder abgedrnckt. — n. 228. Dem Zotion, 8. des
Artemidoros, errichten die auvßuorat xai (Tuy/ioavou ein Grabmal. —
S. 19 n. 238. lulia Tyche errichtet ihrer Matter Tryphaina ein Grab-
mal. — S. 20 f. n. 285. Aus Erythrae. - S. 22 n. 236. Grabschrift in
drei verstttmmelten Distichen aaf einen ixxperov i$ (wve^ßaiv. — n. 237.
8trat[oneikos?, 8. des Euphro[8yBos, errichtet seinem Brader <^ -**- xaX\
xaroi^ofilevotQ ein Grabmal. — 8. 28 n. 288. Grabstein des rpaxeZir^
Philobles, S. des Aromias, und des Alexandros, S. des Matreas. — n. 289.
Satria £pika[r]pia errichtet fttr sich und ihre Freigelassenen ein Grab*
mal. — n. 240. Grabschrift des Soldaten Gains lalias Apollonius auf
seine Gattin lulia Maior. — 8. 24 n. 241. Aur. Asklepiades aas Smyrna
hat einen Sarkophag gekauft und mtv rai ivSopwfiart hergerichtet (i$^
Tt[aa) ftkr seine Mutter Aurelia M--ite und sieh selbst, mit Aussehlnfs
seiner Brüder, Kinder und deren Nachkommen. Zuwiderhandelnde sollen
dem leptoTarip T[aiJLei(p (kaiserlichen Fiskus) eine Strafsomme entrichten.
Ein Duplikat dieser Bestimmungen xstrai Ig rb dp^s[eou, — 8. 25 n. 243.
Glykon, 8. des Menandros, aus Ankyra errichtet seinem legitimen (vo-
IJitxqi) Sohne, dem Stephanephoros Menandros, eine Grabschrift. — S. 26
n. 246. Dem 17jähng verstorbenen M. Domitius Sabinus, ipdoX6y<p^ er-
richtet sein Pflegevater (Bpi(jfaQ) Domitius Epaphroditus ein ftvi^/iTov. —
D. 247. Grabschrift: "Eppxuv^ /o^. - 8. 27 n. 248. Dioskurides er-
richtet seinem verstorbenen Neffen Flavius Antigonos„ einem Makedonier
inh ^f>ßiipoOy ein Grabmal* . — n. 249. Fragmentierte Grabschrift auf
eine Freigelassene^ - n. 260. Grabschrift auf Sexstus lulius Paralos,
eioeu i^etfipU^rfK. Nominative statt der Vokative. — 8. 28 n. 25}.
Grabschrift der Magna auf Diodoros; fJLveac ^a/ptv. — 8. 29 n. 255. Pa-
pias, 8. des Molaseus, errichtet ein Grabmal für sich, seine Tochter Pau-
leina, deren Tochter Ghrysion, seine Gattin Cbrysion und alle seine Frei-
gelassenen; mit Strafandrohang: u. a. Entrichtung von 2500 Denaren an
die fi^p ^BW¥ StmXf^vf}, Vgl. n. 262. 278. -- S. 30 n. 257. Fragment
angewissen Inhalts. Dreimal ist von Thyateira die Rede. — 6. 81 n. 268.
Fragmentierte Grabsehrift. Soklufb: ^OTtaZsiro] as 6 wxx^p xol ij fiT^rr^p-
— 8. 32 n. 260. Grabstein mit zwei Grabschriften: n. l geringe Buch-
stabenreste; n. 2 aaf Athenokleai T. des Menodoros, aas Sardes. —
n. 261. Rest der Strafandrohung einer Grabsehrift. — n. 262. Amiantos,
76 Griechische Epigraphik.
S. des Tropbiroos, äyopdaag rönov iptXoVy errichtet ein ivaopeov für sieb,
sein Weib ('jruvexl) und seine Kinder xcu t% xarot^^ofievj^ mjvrpo^pw Tpih
^ivj}\ mit Strafandrohung: Entrichtung von 1600 Denaren an die p^mp
^eatv Itmuhjvi^. Vgl. n. 255. 273. — S. 81 n. 264. Grabstein des De
metrios — — , S. des Alexan[dros; S. 62 n. 268 des 19jfihrigen Onesi-
phoros, S. des Chrysippos; S. 85 n. 276 des Euemeros. — S. 82 n. 267.
Grabschrift auf Ti. Gl(audius) Philetos; S. 83 n. 269: (Mpte Ho^
Xo^ps' I Obapta 'EjrirXopj \ ^aipe. — n. 265. Grabschrift des ApollODios,
S. des A., auf seinen Vater. — S. 83 n. 270. lulia Preima errichtet zu
Lebzeiten sich, dem Tiberius Claudius Spu[r]ii f. Quirina [Cljaudianus
und £x7j-' ein Grabmal; 8. 85 n. 275 desgl. Tryphaina, T. des Melassos
für sich, ihren leiblichen Sohn Helenos und ihre Familie. - S. 84 n. 272.
Fragment, "öpj^roc 'Ep-- errichtet auf einem gekauften Stacke Landes
ein Grabmal, u. a. fflr seine Gattin Ka—; mit Strafandrohung. — n. 273.
Fragment. Desgl. ein Zosimo[s fQr sich selbst, seine [Gattin Al]exandra,
seine Kinder und Freigelassenen ; mit Strafandrohung: Entrichtung einer
Summe an die pi^njp detuv (vgl. n. 255. 262). — S. 86 n. 277-
Grabschrift (?) des , S. des Hermokles. — S. 80 n. uqa \ Ae(lia)
Laskeiba (= Lasciva) errichtet sich selbst, ihrem Gatten Ael(ius) Eupbe-
mos, einem Dekatarchen, ihren Kindern, Freigelassenen und deren Kin-
dern ein Grabmal ; mit fragmentierter Strafandrohung. Z. 7 : k rb Upio-
rarov rapätov—, — S. 60 ü. opa}\ Grabschrift des Maximianus auf
seine (nicht genannte) Gattin. Die Inschrift findet sich schon Parnassos
1883 S. 86 (Röhl II, 82).
Nymphaeum.
MooaeTov xat ßtßXtoByjxrj V 1884/5 S. 7 n. 212 in Minuskeln = Pa-
padopulos-Kerameus, MDAI VI, 267 n. 3 (Röhl II, 83). Jetzt in
Smyrna, Museum.
Menimen.
Gardner, Journal of hellenic studies VI 1885 S. 348 n. 90; aus
den wieder aufgefundenen »MS. Inscriptions coUected in Greece hy G. B.
Cockorell, 1810— 14c. C] An(n)ius G. f. Fa[b]ia Longus errichtet zo
Lebzeiten sich und seinen Eltern sowie seiner Gattin A. L. f. Tryph[aiDa?
ein Grabmal.
Pbocaea.
Rein ach, BGH X 1886 S. 328 wiederholt eine von Gennadios im
''Opijpog^ Mai 1875 S. 205 in Minuskeln und ohne Worttrennung nicht
ganz korrekt mitgeteilte und jetzt verlorene Inschrift aus Neu-PhocAa,
die für die Geschichte der Juden in Kleinasien von Wichtigkeit ist: Td-
uov Zrpdrafvoi roo *Ev'{2)n6S(üvog rov olxoy xal rdv n^'(Z)plßokuv ro'j
unacfipou xaTaax6U'{4)d(ra(Ta ix T(ü[v i8]cwv (5) i^dtpeiraTO T[oTg lo]»-
8cuotg, (6) *H auvaywyij ^Tecpij}ffev rwv 'Ioudcu''(7)wu Tdrtov 2[rpdr]üf'
XIV. Lydia: Nymphaenm. Menimen. Phocaea. Magnesia. 77
voc ToS *Evni'(S)8(ovog ^puffip are^dvü} (9) xal npoedpe^ — Wie die
Gemeindeverfassong der Jaden in der antiken Welt der der griechischen
Stftdte nachgebildet war (es begegnen: Gerusia, Bule, Archonten und
andere Beamten), so sehen wir hier, dafs eine jüdische Gemeinde eine
Wohlth&terin in Aasdrttcken, die mit denen der griechischen Inschriften
völlig ttbereinstimmen, durch Verleihung eines goldenen Kranzes und dem
Vorrechte der Proedrie ehrt Bekanntlich galt deijenige Raum der Syna-
goge, welcher die heilige Lade und die Gesetzesrollen enthielt, als Ehren-
platz. Dort befanden sich die npwroxaBedpiat^ welche die Schriftgelehr-
ten und Pharisäer zur Zeit Christi suchten (Matth. 23, 6; Mark. 12, 39;
Luk. 20, 46; vgl Jak. 2, 2. 3). Unsere Inschrift zeigt, dafs die Aus-
zeichnung der Ttpoedpta^ identisch mit der der npoiroxaBedpia^ nicht ans-
schliefslich Reichen und Schriftgelehrten zu teil wurde, sondern dafs sie
sogar jüdischen Frauen zum Dank fUr ihre der Gemeinde geleisteten
Dienste zuerkannt werden konnte. — Sind die durch den Vorsitz in den
Synagogen geehrten Personen, wie wahrscheinlich, identisch mit den dp-
^eaüvayajyoe, so erhellt, dafs dieser Titel nicht lediglich religiöse Funk-
tionen und mftnnliche Träger voraussetzt, da jene Würde sich nach Aus-
weis der Inschriften von Vater auf Sohn vererbte und bisweilen sogar
von Kindern bekleidet wurde (Revue des ^tudes juives VII 1883 S. 165),
ja dafs auch Frauen nicht ausgeschlossen waren (vgl. die dpxtaovayaiYbg
Rufina in einer von Reinach, Rev. d. 6t. juives a. a. 0. [s. S. 69] her-
ausgeg. smyrnäischen Inschrift). Demnach wäre der Titel dpxtouvayfoybQ
Dur den Vornehmsten der Gemeinde und zwar hauptsächlich den Er-
bauern der Synagogen honoris causa verliehen worden. — Auch über
den Bau der Synagogen verbreitet unsere Inschrift einiges Licht. Aufser
dem eigentlichen Tempel (oIxoq) wird erwähnt ein neptßoAog tou Ima^'
Bpou = eine rings um den vor dem eigentlichen Heiligtum liegenden
unbedeckten Vorbof laufende Säulenhalle. Diese Anhaltspunkte lassen
auf eine frappante Ähnlichkeit der jüdischen Synagoge zu Phpcäa mit
der 312 oder 313 n. Chr. von dem Bischof Paulinus erbauten und von
Eusebius X, 379 beschriebenen altchristlicheu Kirche zu Tyrus schliefsen.
Kontoleon, BGH X 1886 S. 516 n. 2. Neu-Phocäa. Grabschrift
auf Dionysios, S. des Zeuzigenes. — JHooaeTov xal ßeßXtoBi^xii^ V 1884/5
S. 9 D. 214. Drei Distichen auf den 19jährig verstorbenen Timokrates.
Jetzt in Smyrna, Museum.
Ein zu Phocäa gefundenes, jetzt im Museum zu Konstantinopel be-
findliches und von Papadopulos-Kerameus, KE0I!X\ 1884 S. 58 ff.
herausgegebenes, wahrscheinlich auf Tralles zurückzuführendes Ehren-
dekret s. S. 63.
Magnesia ad Sipylum.
Fontrier, MouaeTov xa} ßtßXtoB^xij V 1884/5 S. 76 n. tmS' in Mi-
nuskeln. Derselbe (herausgeg. von Foucart), BGH IX 1885 S. 895.
78 GHeohische fipigrapbik.
Aus Kodja-KaragaUch^Tschifllk, ca. 80 km n.ö. von Magnesia. Basis. I>it
^Op/jLoem^vMif xarotx^a (im Bezirk von Magnesia) ehrt den Logisten (Ca*
rator) Ti. Cl. Glitianns. Mooattoy xal ßeßXioß^xi^, a. a. 0. S. 77 n. tiits'
in Minuskeln und BGH, a. a. 0. 8. 996. Ans Müt^veli-Tschiflik Mm Hyl-
los; ca. 80 km n.O. von Magnesia. Basis. Die TuavwXJieevmw katotxla
(im Besirk von Magnesia) ehrt einen Theogencs, der (in Magodeia) das
■j- 4t--M Amt eines Prytanen und Stephanephoros bekleidete. - 8. 897. Mootr^ov
xal BtßhoBi^xT^^ a. a. 0. 8. 76 n. uny' in Minaskeln. Ans Kodja-Kars-
gatsch-Tscfaiflik. Basis. Dieselbe xaxmxla ehrt den Kaiser Claudius. —
Da die Provinz Lykien 48 n. Chr. eingerichtet ward, so f&lit die losohrift
zwischen 48 nnd 64 n. Chr.
Papadopulos-Eerameus, KE0I XV 1884 8.54 n. 9. Ehreo-
inscbrift anf L. Septimius Severus, vielleicht identisch mit CIG 3407.
Bemerkenswert Z. 3ff.: i} noXtg xa^tipmaev dnö ^pi^fidrwu O&ahfnaväfv,
*«A Fontrier, Mooffslov xau ßtßXto&^xi^ V 1885/6 8. 27 n. ^e' in Mi*
um T *4v
noskeln; derselbe (herausgeg. von Foucart), BGH XI 1887 8. 80 n. 1.
Ehreninschrift auf einen Athleten, Ehrenbürger von Athen, 8m7rDa und
Tarsos, welcher zuerst von den Magneten {npwrolv (5) xal ii6)^ov (Akku-
sative) rcuv] dat* altovog JHay)f^ü}v; vgl. die Ehreninscbrift von Thyatira
8. 87 n. 18) in den '0Ji6/ima rä fieydAa (4) ra iv [Uctn^t in der 229. Olym-
piade im Ringkampfe der M&nner siegte, nadidem derselbe schon frflher
an den Panathenften sowie an den vom xotvbv 'Afffag in Pergamon, Ephe-
806 und MoBi?]deia veranstalteten Spielen gesiegt hatte. — Derselbe,
MotHTsIov xal ßtßhoBijXTj V 1884/5 8. 75 n. lynß' in Minuskeln; wieder-
holt BGH IX 1885 8. 898. Grabstele, von einem Töpfer Menophilos und
seinem Weibe Ammion ihrem 8ohne Menophilos errichtet — Derselbe,
Mouaecov xal ßtßXeodi^xii Y 1885/6 8.26 u. ^d' in Minuskeln. s,
8. des Metrodoros, errichtet zu Lebzeiten ein Grabmal fttr sich, seine
Eltern, Nachkommen u. s. w. In der Strafandrohung findet sich ein Ver-
sehen des Steinmetzen: iä¥ 8d tcq fiij Ttpoa^xovra &i^'(5)vtoA^^ ^ «roiA^
aau abro^ reeost elg rdv ^(axov difjlya^ (%) ptoo . .^ sIq $k ttj/v yepeuaia¥
Tijiv Mayvi^rafv . . -< Zu Anfang von Z. 5 war offenbar zu schreiben:
KoOtoleon^ BGH XI 1887 S. 800 n. 8 in Minuskeln; MDAI XD
1887 8. 271 in Majuskeln. 1 St. Ostl. von Magnesia. Votivinschrift der
Metrodora, T. des Apollas, an die Meter Plastene — Über letztere 8.
Pausan. 5, 13, 7; Ober das wieder aufgefundene Heiligtum derselben
Kontoleou, MDAI XII, 272 ff. — Derselbe, MDAI XII 1887 S. 252
n. 16 {^AfidkBeta 1887 n. 4092). Ebd. Bule und Demos ehren den Apol-
lonios, S. des Alexandres, Skytalas, der den Tempel anf eigene Kosten
erbaute und der Göttin wethte. — 8. 258 n. 17. Ebd. Widmung des
Kalbe isios (= Galvisios) Grpheus an die pLi^ri^p ^ewv nXaaxi^fvj, —
S. 274 n. 3. 4. Beste von Weihinschriften.
XIV. Lydia: Magnesia. MoBtene. Dareioa Korne. 79
Eine Inschrift der dapeeouxw/ja^anf xarotxfa (Fontrier-Foncart, BCH
IX, 897 f.) s. unten unter Dareiou Kome. — Zwei Ehreninsehriften auf
den Konsul T. Marathonius Hannibalianns (292 n. Clir.) aus Magnesia s.
unter Sardes (S. 88).
Mosten e (Tscbobanissa).
Fontrier, Mmxretov xod ßißJUo9^xij Y 1885/6 S. 24 n. uq»'; wie-
deriiolt von demselben (berausgeg. von Foucart), BGH XI 1887 8. 89
tt. 8, beide Male in Minuskeln. Fragmentierte Sarkopbaginscbrift der
Epicbaris auf ibren Mann, sich selbst und ihre Nachkommen. Schlafs der
Stra£udn>hang: TaOvoo d[yr(jpa/^v M'{lQ)d^j^\ elc rö iy M[oavijvotg
(11) [dpj(etov]. — S. 28 n.uqij'; wiederholt von demselben BCH XI ^^^
S. 89f. n. 9 in Minuskeln. Hadjüeri, 20 Min. nördl. von Tscbobanissa.
Sehr verstQmmeite Inschrift, der zufolge Kaiser Tiberius während seiner
33. tribuniEischen Potestas, a&To{xpdr\wp (8) 17 ', ßnaroc [«% (9) xr/artjc
hl xai*(10)/9^ SwSexa n6'(ll)Xewv n^v n6hy (12) ixTgc9v. — Aus dem
Jahre 31 d. Chr. Mostene war eine der zwölf im Jahre 17 n. Chr. durch
Erdbeben zerstörten kleinasiatischen Städte (Tac Ann. 2, 47). — S« 26
n. fy' in Minuskeln. Keramidaijo, '/i St. sttdl. von Tscbobanissa. Frag-
mentierte Ehreoinschrift auf einen Freigelassenen (KX]au8{o[u] 2![e]ßa'
o[ra!i? Z. 2). — 8. 25 n. ^' in Minuskeln. Kjoselerides, ca. Vt St
sttdlieh von Karaogianlu. Orabschrift des Demos auf Aristobulos ßu^o*
xX^ff{90}y *ApT€fjuHJv (Akk.), T. des Sosigenes, und Pythokles, 8. des
Aristobulos. — n. ^ß' in Minuskeln. Ouzun«Tsinar, ca. 1 St. sädl. von
Karaogianlu. Stein mit der Inschrift: Hii/ieM \ bdw,
Dareioa Kome (Dereköi), V« St. n.ö. von Hadjileri.
Fontrier, MouaeTov xal ßeßXio9i^xij V 1884/5 S. 78 n. unC' in Mi-
nuskeln; wiederholt (berausgeg. von Foucart), BCH IX 1885 S. 397 f.
Beoe^ 2eßa<rcoec xae (2) Upf auvxXi^vwt xal (3) d^ficje *PwfjLaeußV ^ da-
[AypteouxQPfuirmß xaroe*(5)x/a rr^t dtaaijii»Tdn^ 9e^ (6) Ji^rpt Kapno-
f6ptk rhv (7) vah¥ xwnoxeuaaev unter Aufsicht des Lucius Antonius
Rnfus. ~ Derselbe, Mouaewv xoi ßeßXto^i^xf^ V 18&&/6 S. 22 n^oqc';
wiederholt BCH XI 1887 S. 90 f. n. 10. Bauinschrift: Der Adoptivsohn
eines — xenos, leiblicher Sohn des Matre[a8, ein dfvf^tijg (4) npwriov
npo(r6Sw[v (5) t^c Beäg, hat röv dup'{B)(o]va^ ßtofibu xal r^v (7) iv
Se^toT^ rou vao[ü (8) Xoorf^pa xal r^g Beäc — auf eigene Kosten erbaut
(inoajaev). — Die Göttin ist wahrscheinlich die in der vorstehenden In-
schrift genannte Demeter Karpophoros. — Derselbe^ MoutreToy xai
ßißXt»fixi^ y 1884/5 S. 77 n. un^:' in Minuskeln. BCH II 1885 S. 096.
Basis. Fragmentierte Ehreninschrift auf den Kaiser Hadrian. — Der-
Belbe, Mouaetov xal ßeßXioBi^xi^ T 1885/6 S. 23 Q. uqC in Minuskeln.
Fragmentierte Orabschrift auf ein 13 Jähriges Mädchen. — * S. 25 o. f'
80 Griechische Epigraphik.
in MioQskelD. Jetzt in Tschobanissa. Tatias, T. des Demetrios Platy-
pou8, hat sieb, ihren Kindern und sämtlichen Angehörigen ein fivi^w
errichtet.
Hyreanis (Macedones Hyrcani) = Papasli.
|2ift Fontrier, MouaeTov xal ßtßXeoBr/xTi) V 1886/6 S. 19 n. uqß' in Mi-
nuskeln; wiederholt ßCH XI 1887 S. 91 n. 11. Dorf Papasli, 8 St. östl.
von Magnesia, am Nordabhang des Tschal-Dagh. Den Kaiser 'AvT<ü]vet-
vov Euffeß^ (2) leßatrcbv] u. s. w. ehrt als (3) xr^aTi^g und <r[öi]r^jO —
(4) ^ Maxe8ü'{6)va})^ Tlpx^avoßv noktg. Der Vorschlag wurde eingebracbt
durch L. Vettius Faustinns, G. Vettius Crispinus und Menekrates, S. des
Menophilos, welch letzterer zum zweiten Maie das Amt eines Strategen
bekleidete und fttr Aufstellung der Kolos^lstatue (roe; xoko<r<roü) Sorge
trug. — Von den beiden Kaisern, welche den Namen Antoninus Pias
fahrten, ist hier wahrscheinlich Oaracaila zu verstehen. Derselbe hatte
den Winter 214/6 zu Nicomedia zugebracht, hielt sich auch zu Thyatira
auf (s. die Inschriften Giere, BGH X, 404 f. n. 8 [S. 86] und S. 417
n. 26 [S. 91]) und passierte auf dieser Reise ohne Zweifel auch Hyrka-
nis, welches ihm zum Dank fttr erwiesene Huldbezeugungen die Statue
errichtete. -- S. 21 n. oqS" in Minuskeln; wiederholt BGH XI 1887 S. 93
n. 12. Unweit Tepe Erien-Dere, 1 St. von Ali-Beili, iVi St. von Papasli.
Fragment. Der Demos ehrt den L. Vibius L. f. Romilia Varus — fianus
als Wohlthäter und Patron der Stadt. — Die Schreibweise Je]uxio^ Z. 2
kam nicht lange vor der Regierung des Augustus auf. — S. 20 n. oqf
in Minuskeln. Ali-Beili, 1 St. östl. von Papasli. Fragment der Inschrift
eines Grabdenkmals, welches Eiookäg (= lulias) für sich und die Ihrigen
errichtet. — S. 22 n. oge in Minuskeln. Kol-Dere, iVs St. westl. von
Papasli. Grabschrift: Ioi\ (2) 7ö?*j^v/a, (3) arijXhjv (4) ri^vd' i^^-(6)xa-
fiev ncU'{Q)d£g Xpuaen-(y)nou ol 7tpo(T'{S)^xovT£g (9) fijjrpo&ev (10) yi'
voug aou^ (11) /ivi^/Jt^i^g ai'{l2)۟Vcou X^^^*
Hierocaesarea (2V> St. uördl. von Papasli und s.o. von Ak-His-
sar, auf dem linken Ufer des Kum-Tschai; die Ruinen als Baumaterial
verwandt in den 10 Min. entfernten Dörfern Sassoba und Beyoba).
Fontrier, a. a. 0. S. 33 n. ^^' in Minuskeln; wiederholt BGH XI
1887 S. 96 n. 16. Sassoba. Den Stephanephoren Aurelius Diogenes ehrt
seine Vaterstadt. - n. ^i^' in Minuskeln; wiederholt BGH XI S. 94 n. 14.
Ebd. Weihung des Priesters der Roma Athenodoros MSpi^oog an Apollon
Paian. — n. ft' in Minuskeln; wiederholt BGH XI S. 96 n. 16. Ebd.
Votivinschrift eines Aooxtog^ an den Zeus Hypsistos. - S. 32 n. ^C i^
Minuskeln; wiederholt BGH XI S. 94 n. 13. Ebd. Reste der Strafan-
drohung einer Sarkophaginschrift. Der Schuldige soll r^ 'hpoxaiaa-
pe-(ß)iov noh 2000 Denare entrichten. Z. 4: labto.
XIV Lydia: Hyrcants. Hiorocaesarea. gl
Derselbe, a.a.O. S. 36 n. ^tB' in Minuskeln; wiederholt BCH
XI S. 96 D. 18. Beyoba. Inschrift des Siegers im Faustkampf an den
liEydXa I!eßa[(T'(2)7ä'ApTejJLei(Tea, M. Aur. Menogen[es aus Hierocaesarea.
Die Bildsäule errichtet der Agonothet Aur. Diopha[nes. Aus antonini-
scher Zeit. — n. ^ly' in Minuskeln; wiederholt BCH XI S. 95 n. 17.
Ebd. Den ßsoTi^ ZeßaurcoTQ^ der ^Äpxifitdt Ileptrix^t xai rm dyjiuot weihen
Dionysios, S. des Papias, — und Asklapou und Dorotheos, seine Söhne,
ein von ihnen erbautes Thor. — Über den Kult der Artemis Persike zu
Hierocaesarea s. Tac. Ann. 3, 72. Pausan. 5, 27. — 8. 34 n. fta\ wie-
derholt BGH XI S. 97 n. 19; beide Male in Minuskeln. Ebd. Votivin-
schrift: Fl. Basilianus weiht für seine Söhne (6a;v) Fl. Basilianus und
Fl. Menogenianus 79) Sem einen Altar. — S. 36 n. ipte' in Minuskeln;
wiederholt BGH XI S. 97 f. n. 20. Ebd. Aur(elia), T. des Menippos, er-
richtet für sich, die Tochter des Proenosemos (wohl aus einer früheren
Ehe ihres Mannes), Perperilla, und ihre Söhne Aur. Moschianus und
lulianus ein Grabmal; mit Strafandrohung: Entrichtung von 2500 Dena-
ren an den kaiserlichen Fiskus (eepatrarov rafxsTov), Der Bedingungssatz
ist unvollständig: To^/nf/tree (13) n]apä tol afpeafisva ün ifioÜ^ Suktsc —,
Eine Abschrift der Bestimmungen wurde hinterlegt eig rb iv ßuarecpoig
(so) dpj^e[Tov^ unter dem Prokonsulato des Asinius Sabinianus, im Monat
Apellaios. — Der Name des Prokonsuls ist unbekannt; der Schriftcha-
rakter scheint ihn dem 2. Jahrh. n. Ghr. zuzuweisen. Möglicherweise ge-
hörte zu jener Zeit Hierocaesarea oder ein Teil des Gebietes desselben
zu Thyatira. Einfacher noch ist die Vermutung, dafs der Stein bei einem
Marroorarbeiter zu Ak-Hissar gekauft wurde, welches in geringer Ent-
fernung von Beyoba liegt. — 8. 34 n. ^eß' in Minuskeln. Ebd. Frag-
mentierte Siegesiuschrift des Hippokrates — Plution aus Nikomedeia,
Ehrenbürgers von Pergamos und Tripolis (wohl in Phrygien am Mäander),
v]ecx^aag tov dywlya - -. Die Bildsäule wurde errichtet von dem Ago-
notheten Atta[los? — S. 37 n. fi<:' in Minuskeln. Ebd. Testamentsvoll-
streckung durch die Erben: IlrparoveiKT} N[i-(2)ä\ropog ajg 5«eT-(3)a-
^£[v], oi xXrjpO'(A)vapoi inotif^aa\y, — S. 38 n. <piZ' in Minuskeln. Ebd. tso?
Fragment wahrscheinlich eines Meilensteines auf der Strafse von Thya-
tira nach Magnesia (die Meilenzahl ist abgebrochen) mit Widmung an
den Gäsar Augustus (u. a. dr^rri^Ttp Z. 4) M. Aur. Daza (daxart) und P.
Aur. (weggemeifselt). In der Schlufszeile die Ghifferu: 9u(ar6epi^'
vwv) noi^Xewg), — Maximinus Daza, Neffe des Galerius, war seit 305
Gäsar, seit 307 Augustus und gab sich nach seiner Besiegung i. J. 318
selbst den Tod. — S. 39—47 n. ^ei^'—^xC aus Selendi s. unter »Thya-
tira« (S. 89 f.). — S. 47 n. ^xij' in Minuskeln. Kuyudjak, 1 St. s.o. von
Bassoba, 1 St. n.w. von Mermereh. Hermaphilos, S. des H., hat rö Ttpo'
yovtxbv pvTjpa xdi rä ripb aurou restauriert und zur Grabstätte für sich,
sein Weib Lydia, T. des Sokrates, und seinen leiblichen Sohn Asklepia-
Dus, Adoptivsohn des Sokrates, hergerichtet; mit fragmentierter Straf-
Jahmbericht fUr Altertumswissenschaft LXVI. Bd. ^
82 Griechische Epigraphik.
androhnng. — S. 48 n. tpK^' in Minaskeln. Ebd. Grabschrift der Elaudia
KoitoDis anf ihren Schwiegersohn Zosimos.
Marmara (Mermereb; balbwegs zwischen Sardes und Thyatira).
Radet, BGH XI 1887 S. I7lf.; vorher in Minuskeln Fontrier,
MouasTov xal ßtßXio^xvj V 1886/6 S. 51 n. ^Xy\ Fragmentierte Inscbrift
eines Heroon, welches die BrUder Aur. Philomelos, Aur. Pa[p]i[a8 und
Aur. Menopha[nes fQr sich und ihre Familien errichten; mit Strafan-
drohung. Darunter: XaTpe, napodeha, — Fontrier kopierte Z. 11:
ATTA\CGJI und setzte auf grund der Ergänzung Z. 10/11: Bi^aee efe
rd lepafTarov (11) rajieTov \^Ä\TTa[X£\<jü\y] — das alte Attaleia nach Mer-
mereb. Allein die Bezeichnung iepiorarov rafiBiov bezieht sich auf den
kaiserlichen Fiskas und wird niemals von einer Stadtkasse gebraucht.
Auch entspricht Mermereb nicht dem Bericht der alten Autoren von der
Lage Attaleias, da dasselbe bald als äolische, bald als mysische oder
lydische Stadt erwähnt wird und somit auf der Grenze von Äolien. My-
sien und Lydien gesucht werden mnfs. Auch findet sich auf den Mün-
zen unseres Attaleia nur das Ethnikon ^ÄTTakednuv, während die Bezeich-
nung 'ArraXeofv sich ausschliefslich auf das pamphylische Attaleia bezieht
Über die wahrscheinliche Lage unseres Attaleia s. S. 91 u.. — Radet
und Lechat, BGH XI, 397 lesen nach einer Revision des Steines: dm'
xäg — [xe]hac» Vgl. hierzu die Inschrift aus Qala-Dibi, a. a. 0. S. 397 f.
(S. 85 0.), S. 481 n. 62 (S. 93) und von Trakhala, a. a. 0. S. 398 (s. unter
XV: Mysia).
Radet, a. a. 0. S. 448 n. 6; Fontrier, a. a. 0. S. 50 n. ^X' in
Minuskeln. Grabschrift einer Gattin auf ihren Mann, der Kinder Glykon,
Apollonis und Monogenes auf ihren Vater. — Fontrier, n. ^Xa in
Minuskeln; Radet, S. 447 n. 4. Dürftiges Fragment ungewissen Inhalts.
Anfang: Ba(ieXeu]ovTo^ 'ATTdXo[ü (2) Itouq --J/ijyv^ff na]^fio[u". —
Fontrier, S. 51 n. ^^Xß' in Minuskeln; Radet, S. 448 n. 5. Fragmen-
tierte Weihinschrift: xal *ApTifju8e fleptTixg xal rwt Sr/fiip widmen
etwas Glykon und Alexandres. — Über den Knlt der persischen Artemis
vgl. Foucart, BGH XI, S. 82ff., 95ff. - Radet, n. 7; Fontrier, S. 52
n. ^X8* in Minuskeln. Unvollständiger Katalog von Eigennamen mit
Vatersnamen. Die Verzeichneten, 13 an der Zahl, fuhren sämtlich den
Namen Aurelius zu ihrem einheimischen Namen; bisweilen ist der Beruf
angegeben: Z. 5 Xarunog, Z. 9 iarpoc. —• Radet, S. 449 n. 8. Im Jahre
vc' errichtet ein Teefi7j^ei[c if7t'(S)b rou xoeve{o[u (4) XP^^ aTefdv[<p
einen Altar. — n. 9. Jemand errichtet ein Grabmal fttr seine Eltern
Marcus und Euresia, seine Gattin Philippe und deren Eltern Philippos
und Artemidora, seine verstorbene Gattin Landike, sich selbst u. s. w.
~ S. 450f. n. 10. Yeni-Köi, 3 St. östl. von Mermereb. "EroeiM qrj\
p-{y)vh£) TTteplfiBperacou ehren durch eine Grabschrift den 23jährigen
Anthos seine Eltern A: und Stratoneike nebst Familie. — S. 451 f. n. 11.
XIV. Lydia: Marmara. Lacos Gygaeas. Sardes. 83
Ebd. ^EroiK fPi\ f^^iy^Q) Adtou ß' errichtet Aurelios ApoUonides seinem
Oheim Artemidoros ein Grabmal. Z. 10 f.: Kcd mat Uyna x^P^ To(r)c
imXBhatQ. — Fontrier, S. 68 u.fXc:' in Minuskeln. Tschamlektschi,
1 St D.O. TOD Mermereh. Orabschrift der Artemidora auf ihrea Mann
and des Menekrates auf seinen Schwiegersohn Zosimos.
Badet, BGH XI 1887 S. 445—484 teilt die epigraphischen Fände
einer im Frfllgahr 1886 unternommenen und 1887 mit Lechat erweiterten
Forsehnngsreise mit.
Balek-Iekelessi (Siidafer des Mermereh-Oaeal
= Lacus Oygaeas).
Badet, a. a. 0. 8. 446 n. 1. Schlafs einer Grabschrift mit der
eigentflm liehen, griechisch-lateinischen Datierung (Z. 2/3): dvBumro[f^\
£t]ißdwp = M: Plautins Silvanus, Prokonsul von Asia 4 — 6 n. Chr.?
Vgl. Waddington, Fastes des prov. asiat. n. 64. — S. 446f. n. 2. Orab-
schrift des Antiochos, 8. des A.i und seines Oheims Thrason auf des
Ersteren Kinder Thrason und Antiochos. — S. 447 n. 8. 2 Stunden
nördlich von B.-I, an der Strafse nach Mermereh. Kaiserlicher Grenz-
stein : ^Opog I ßaaiXsixo[u - -.
Sardes.
Gardner, Journal of hellenic studies VI 1886 S. 348 n. 93; aus umfMs
den wieder aufgefundenen >MS. Inscriptions collected in Greece by C B.
Ck>ckerell, 1810—14«. Aus Magnesia; Fragment. Den T. M[arathoniu8]
Hann[ibalianus, [Prokonsul] aus konsularischem Geschlecht, Logisten
u. s. w. T^c ^aimplordrij^ lAn^rpo- (10) nöXscj^ t^C ^Aaiag u. s. w. ehren
[xa-(13)rd rä Sayfiara [r^c iepwrdTi^g (14) auvxA^ou [xae ^iXoasßdarou
(15) £ap]Scaifio[v noXetos die [ji\Oirca[t als ihren Wohlthäter. — Hanniba-
lianus war Konsul 292 n. Chr. — S. 349 n. 94; aus demselben Manuskript, des^i.
Ebd. Die Tochter des Prokonsuls T. Marathonius Hannibalianus, Gl.
Capitolina, Gattin des J. Phli— Metrophanes, ehren oi xpänaroi Il[oXu'
{9)xXeiT0€ durch Errichtung einer Bildsäule. — S. 346 f. n. 76; aus der-
selben Quelle. Fragment des Fluches gegen einen Grabfrevler. U. a. :
-/uJt€ Bp€fifJLd[T-{ß)wv pJ^xs dppdxiüv — , (7) ^[f]<^>lj?[c] ydvoero (8) röv
[Ttdyra xpövov.
Moocsiov xa\ ßeßXtoBijxij r^c eöayyeXtx^ a^o^^ iv Hp^fpvjJ V
1884/6, S. 68 n. upS', Basis, von dem Unterdirektor der Eisenbahn
Smyrna— Philadelphia (Ala Schehr), Biliotes, nach Smyrna gebracht, mit
Ehreninschrift des Gl. Anto(nius) Lepidus auf Fausteina, Gemahlin des
M. AntODinus Pius.
6*
84 Griechische Epigraphik.
Aegae (nach Radet und Lechat = Sari-Tscbam, 5 St. n.ö. von
Magnesia, nicht =: Nimrnd-Kalessi, wie gewöhnlich angenommen).
Fontrier, Mouaeeov xal ßtßXto^xrj V 1885/6 S. 28 n. ^' in Mi-
nuskeln; derselbe (heraasgeg. von Foucart), BCfl XI 1887 S. 81 f. n. 2.
Sari-Tscham ; jetzt in Magnesia. Fragment des Briefes eines Seleuciden-
königs an eine Stadt in der Nähe von Magnesia anläfslich einer Gesandt-
schaft derselben zum Zwecke der Bestätigung des Asyirechtes der per-
sischen Artemis {dauktav — Ilepatxrjl^ Beä^ Z. 1). Das Asylrecht wird
in der durch Dekrete früherer Könige bestimmten .Ausdehnung bestätigt,
f 48— 46 ~ S. 67 n. fve' in Minuskeln; derselbe, BCU XI S. 84 n. 3. Sari-
Tscham. Weihung an den Kaiser Claudius aus dessen drittem Konsulate
von G. Lartidius M. f. Palatina Niger, einem ini[TponoQ roD üeßaunou
(procarator Augusti). — S. 68 n. ^vC' in Minuskeln; derselbe, BCÜ
XI, a. a. 0. n. 4. £bd. Der Labrantide (Name der Gens oder der Tri-
bus) Teimotheos, S. des Diagoras, und sein Weib Moschion, T. des Tei-
motheos, weihen dem Zeus Hypsistos einen Altar. — Darunter (von an-
derer Hand) weihen die Labrantideu Diagoras, Teimotheos, Pytheos, SS.
des Ti(so)motheos, S. des Diagoras, dem Zeus Hypsistos rä^ ^o/i^a^/a^.
— S. 68 n. ^vc' in Minuskeln. Pylades, S. des F., errichtet Ar seine
Kinder Artemeisia und Pylades, sowie fOr sich selbst und sein Weib
Apphia ein Grabmal; mit Strafandrohung: Entrichtung von 2500 Denaren
sIq töv (7) t]ou xupeou Katffopo^ ^taxov. Die Inschrift (d. h. ein Dupli-
kat derselben) wurde im Archiv hinterlegt. — S. 66 f. n. fv8' in Minus-
keln. Mussa-Bey, ca. 20 Min. s.o. von Sari-Tscham. Fragmentierte
Ehreninschrift in äolischem Dialekt, demnach aus einer Stadt der inne-
ren Äolis: AlXtavov (2) OMIKONA ^e«'»' oe[fi'
vo-(3)raT]c xexoafiofxevov dt xal X[d''(4)yo]vTa xal nparrovra rä äpt"
ö'-(5)T]a T^ ndrpr lp\or£\o(TavTa T<b (6) xupeoj Kaiffopog xal napaipih-
^[a-(7)$aJ'ra xai dYopavo[iijoavT\a (8) xal SexaTTpwTeuffavra xal xo[t>-
{9)paTopsuaavTa xal Tavuv diTu» {10) See ^ßdvra arpoTayov inl (11) Ta>k
n6po{so)v <ptXoTtpAag 7ra/-(12)<ra;' xai dperäf Ivvexev. *Emp,s-{lB)hjB]eV''
r[oc] r[d]c xa(Ta)axeuä^ — . Das nach dem Lateinischen gebildete
xoupaTopeuaavra Z. 8/9 ist neu. — S. 69 n. ^vtj' in Minuskeln. Passa-
Köi, ca. '/4 St. s.w. von Palamut (Apollonis). Fragment, wonach die xX}/^
povojjLoe des Verstorbenen xajrd StaBi^xf^v das fiv[7jfjLeeov errichteten.
Radet und Lechat, BCH XI 1887 S. 394. Sari-Tscham. Dftrftiges
Fragment einer Weihinschrift auf Septimi US Severus. — S.395. Ebd. Pacu-
via Rufa errichtet ein Grabmal nebst Einfriedigung fOr sich, ihren verstor-
benen Sohn Marcus Pacuvius Rufus und ihren Gatten Artemas, mit Straf-
androhung: der Frevler soll dem kaiserlichen Fiskus und der Bule von
Aegae Strafsummen entrichten. Eine Abschrift der Bestimmung wurde
in dem Archiv zu Aegae und zu Pergamon hinterlegt. — Aus letzterer
XIV. Lydia: Aegae. Apollonis. Thyatira. 85
Notiz ergicbt sich, dafs Aegae wie die Nacbbarstädte Apollonis und Atta-
leia, za dem conventas iuridicus von Pergamon gehörte (vgl. Plinius, nat.
hist 5, 82, 4). — S. 397 f.. QaKa-Dibi, halbwegs zwischen Sari-Tscham
and Palamut (Apollonis). Fragment wahrscheinlich einer Grabschrift, mit
Strafandrohung: (4) — dT(8o)ixä<: - (6) — }(eeX{ag — (6) — tlg dp^tT'
(7)ov. — Eine Strafbestimmung nach attischen Drachmen ist äufserst
selten; Beispiele s. unter Marmara S. 82. Übrigens hatte die attische
Drachme das gleiche Gewicht, wie der römische Denar.
Apollonis, Apollonidea (weniger richtig ApoUonia = Palamut;
gleich weit von Pergamon und Sardes).
Fontrier, MoutreTov xa\ ßißXioBrjxrj V 1885/6 S. 64 u. <pvß' in Mi- m
nuskeln; derselbe, (herausgeg. von Foucart), BGH XI 1887 S. 86 n. 5.
Ol ix dotdurj^ MfxxeSoveg stiften etwas im Monat Peritios im 37. Jahre
des Königs £umenes (IL, = 161 v. Chr.). - Eine Lokalität Doidye ist
unbekannt. Dieser Ort hatte nach der Inschrift unter den Nachfolgern
Alexanders eine macedonische Kolonie erhalten, welche vielleicht mit der
von Attalos 1. zu Ehren seiner Gemahlin Apollonis gegründeten gleich-
namigen Stadt vereinigt worden war. — S. 65 n. ^vy' in Minuskeln;
derselbe, BGH XI S. 86f. n. 6. Unvollständige Ephebenliste, datiert
nach dem Stephanephoren und Gymnasiarcheu Apollonios, S. des Apollo-
nides, und dem Ephebarchen Apollonides, S. des Apollonios. Erhalten
sind die Namen von drei otersTg und vierzehn itpiTtwt, — S. 63 n. ^[iB'
in Minuskeln = MDAI XII 1887 S. 273. Kontoleon, BGH X 1886
S. 521 n. 22. Yotivinschrift der Klaudia Indo für ihren Manu an Aphro-
dite. — n. $pv' in Minuskeln. Dürftiges Fragment. Z. 2: -' ddeXtpov
Jvneou Jo/jtm[oM--. — S. 64 n^va' in Minuskeln. Sjoterichos und
Laudike errichten ihrem Kinie n]aai(p (4) y]evofJi£va) (5) aaXTapem (6)
^bffg dXt'(*l)'jfov eine Grabscbrift.
Thyatira (Ak-Hissar =: Axarion) und Umgegend.
Giere, BGH X 1886 S. 398 n. 1 Basisinschrift: MevsSr^fioQ (2)
SeoTtroXifiou (3) Maxtoiby. — Nach Strab. 13, 4, 4 hatte Thyatira eine
macedonische Kolonie. Dem Scbriftcharakter nach wahrscheinlich aus der
Zeit der ersten Diadochen. — S. 399 n. 2. Fragmentierte Ehreninschrift ss— so
auf den dvrf[ra///ac (?) L. Licinius Lucullus. — Derselbe war Quästor
und Proqnästor in Asien 88 — 80 v. Gbr. - S. 401 n. 5. Eine Inschrift 83?
meldet, dafs ein Denkmal oder Gebäude durch Fürsorge des Schreibers
Polykleitos, Freigelassenen des L. Sempronius Att(so)ratinus, errichtet
worden sei. — Letzterer war Konsul 34 v. Ghr. und übernahm dann viel-
leicht die Verwaltung von Asien. - S. 400 n. 3. Frapjment eines Briefes is
des (Prokonsuls) P. Gornelius Scipio an die Stadt Thyatira, in welchem
86 Griechische Epigraphik.
auf das^Erkenntiiis der Richter in Sachen der Tempelgttter hingewiesen
und als recht und hillig bezeichnet wird, gegenteiligen Aasfttbrungen kein
Gehör mehr zu schenken. — Scipio war Konsul i. J. 16 v. Chr.; durch
unsere Inschrift wird die Vermutung Waddingtons, ihm sei die Verwal-
tung Ton Asien übertragen worden, bestätigt. Am Schlufs der Inschrift
figuriert als solcher, der die Sache vor den Prokonsul gebracht hatte,
ein Aulus Ravius. Vielleicht ist derselbe identisch mit dem aus der per«
gamenischen Weihinschrift CIO 3643 bekannten Aulus Ravius lulianus.
tM-98 — 8. 402 n. 6. '0 ßuaretpijvwv 8^fiog weiht dem Kaiser Nerva, dem
Senat und der römischen Herrschaft ein auf eigene Kosten errichtetes
desffi. Denkmal oder Gebäude. — 8. 403 n. 7. Lateinische und griechische In-
schrift eines Meilensteines zu Ehren des Kaisers Nerva; eine Meile von
Thyatira auf einer von Nerva wiederhergestellten Strafse. Die griechi-
t Sil sehe Inschrift allein = CIG 848^. — S. 404 f. n. 8. Die SUdt ehrt den
"'^^ Menelaos, der unter andern Ämtern das eines lebenslänglichen Archie-
reus seiner Vaterstadt bekleidete, und dem es zum Ruhme angerechnet
wird, dafs er einen Kaiser Marcus Aurelius Antoninus (Caracalla) beher-
bergt und dreimal freiwillig als Gesandter eine Reise zu den Kaisern
nach Rom unternommen hatte. Sein Vater Fl. Dionysios war u. a. datdp'
j(7jg UepYafiijvwv gewesen, wahrscheinlich = äp^tepebg 'Aafac vautv raiv
t sss iv IlepydfUf), Seine Mutter PauUa war npuTavtg 'E^eaewv. — S. 409 f.
""* n. 13. (2) Tbv Y^Q xal ^aXdiTa[i^c xal nav-(S)TÖc dvBpatnwv iBvouc
[Se<m6'(4t)'njv, den Kaiser S]everus AUexander] Pius Augustus ehrt nach
Ratsbeschlufs ij X(Xfin[poTd'(1)T:^] xal fieparij ßaarecpi^yliov (8) n6]ktc.
desgl. — S. 407 f. n. 11. Wortreiche Ehreninschrift: (2) 'H ^eXotreßaaros ßouJi^
(3) xal 6 kp6(so)Taro€ S^fiog (4) r^c Xtxpaipordrr^i xal 8ta'(h)<n^iioTd'n^
xal p£YiCTijQ (6) xarä. rag Upäc dvrtypa^äg (7) xal xarä rä So^avra
xal </fi^-(S)^iaBevra und rou Xafi7tpoTd'(9)Tou t^c *AataQ iBvou^s] Boa-
\rei-{\0)pT^yaiV noXeotg A, [Mdpxtov*^^ (11) IlajXXeavöv rov inwvu/wy (12)
S\pxovxa u. 8. w. — Der Name des Pollianus figuriert auf Mauzen von
Thyatira unter Alexander Severus ; das Nomen gentile ist unsicher. Der
Titel fiBYiani war der Stadt durch ein kaiserliches Reskript (Z. 6) und
durch Beschlufs der Repräsentanten der Provinz Asien (Z. 7—9) zuer-
kannt worden. Er wurde wahrscheinlich nur denjenigen Städten beige-
legt, welche einen conventus iuridicus (vgl. S. 91 n. 26) hatten. — S. 410 f.
n. 14. Eule und Demos ehren die I(ulia) luliana, T. des Strategen u. s. w.
C. lulius Celsianus, die u. a. lebenslängliche Priesterin der Göttermutter
war. — S. 412 n. 16. Ehreninschrift der Thyatirener auf den [Asiajrchen
u. s. w. C. I[uli]us Iulia[nu8] Tatianus. Derselbe begegnet auch in der
Ehreninschrift von Thyatira GIG 3496. ~ Fontrier, Mouateov xal
ßißkoB^xTj V 1885/6 S. 55 n. fpLa' in Minuskeln; derselbe (herausgeg.
von Foucart), BCH XI 1887 S. 98 f. n. 21. Bule und Demos ehren dea
IJulianus, S. des lulianus Selon Germanus, eines Eirenarchen, Dekapro-
tos U.S.W. — Giere, BGH X 1886 S. 406 n. 9. Gippusfragment Bule
Xiy. Lydia: Thyatira. 87
und Demos ehreo darch Errichtung von Büsten und Statuen den L. An-
tonius— . — S. 407 n. 10. Den M. Antonius M. f. Sergia Galates ehren
die ][d]kx6Tg ^a^oTUTtoe durch Errichtung einer Bildsäule. — S. 409
n. 12. Die ^tkoaeßaarog xal ndvra dpcarr^ ßouX^ ehrt den P. Aelius
Aelianus, welcher auch in einer Inschrift von Taia-Köi (Lebas- Wadding-
ton, Inscr. d'Asie Mineure 1666) begegnet. — S. 411 f. n. 15. Ehren-
inschrift auf Aristonüs, S. des Plutiades. — Eontoleon, MD AI Xn
1887 S. 253 f. n. 18. (Ap/wvca 1887 n. 1565; "AiidXBeia 1887 n. 4085).
Den G(alos) Perelios Aurelios Alexandros, C^) iiovov xal npwrov (5) rwv
dsz^ alofvog d&Xi^'{^)T<bv d^BdpTcjv olxou'{7)fxevtx(ov dyofvcjv AÖ'{8)you'
ffveewv Ilü&iwu (9) rhu äXemrov Tipe- {10) ffßeuTijv ehren (11) ol Xavdpcot.
— Letztere = ^ dovre^vca rwv iptoupywv. Ein Ga'los Perelios Alexan-
dres begegnet in der vielleicht aus Tbyateira stammenden Inschrift Mou-
auov xal ßeßXeo^xi^ I S. 127 n. 39. Vgl. auch BGH XI, 463. ~ Giere,
BGH X 1886 S. 412 ff. Grabschriften. - S. 412 n. 17. Grabschrift des
Demos auf Demonikos, S. des Artemidoros. — - S. 413 n. 18. Inschrift
der Grabstätte des Alexandres, 8. des Theo — , und seiner Familie; mit
Strafandrohung. — S. 414 n. 19. Grabschrift des Hermes auf seinen
Herrn (^/oe^ovrO Philetos. — n. 20. P. Aelius Achilleus errichtet für
sich and seine Kinder eine mit einem Altar versehene Grabstätte. —
n. 21. Artemidoros, S. des Apollonios, errichtet fOr sich und seine Fa-
milie eine Grabstätte. — S. 415 n. 22. Quinta errichtet ihrem Gatten
Onesimos einen Altar. — S. 401 n. 4. Unter der Darstellung eines Blitz-
strahls: Jeög I Kopaovioo \ Suvofieg. — Wahrscheinlich bezeichnete das
Denkmal eine durch den Blitz getroffene Stelle. - Badet, BCH X 1887
8. 458 n. 21. Fragment, wahrscheinlich eines Schiedsspruches inbezug
auf die Verteilung von heiligen Ländereien. Vgl. tou lepoo Z. 2; dnh
dimdAwv^ wv ive^uTeua[e Z. 6. — S. 457 n. 19. Der Demos ehrt den
Lucius Co[rnelius . . .] Leotulus. Die Orthographie Jeuxcov weist auf die
erste Kaiserzeit. — S. 457 n. 20. Der Demos ehrt den Artejmidoros
MijBu ... als Prytanen, Strategen, [Gra]mmateus, Dekapro[to]s und rpe-
TeuT^Q, der die jährlichen Einkünfte seiner Gärten den Buleuten ver-
machte. — S. 459 f. n. 22. Fragment der Ehreninschrift auf einen na-
mentlich um die Panegyris des Tjrimnaios (Tupcfivrjou Z. 4) verdienten
Borger. — S. 464 n. 29. Bule und Demos ehren durch Errichtung von
Bildsäulen den Metrodoros, 8. des M., dY(üvo9£r[i^]ffavTa roü Ttpb noXetaQ
^AnoXXoßvog Tupip,vou XavTtptog xal iv86^<u\<: (Z. 5 ff.) u. s. w. ~ S. 465
n. 31. Fragment einer ähnlichen Ehreninschrift. Z. 5: unkp tou ßaac
Xiwg ... — n. 30. Ehreninschrift auf die Kaiser Gratia[n] und Val[en-
tinian II; nach 375 n. Chr. — 8. 460 n. 23. Stratoneikos, S. des Euno-
mos, errichtet zu Lebzeiten ein Grabmal fOr sich und seine Familie, mit
Strafandrohung. — S. 462 n. 25. Eine Frau errichtet zu Lebzeiten ein
Grabmal für sich, den Apollonios, S. des Papias, dessen Sohn Potamon
und die Tyche. - S. 463 n. 26. Poplios Stateilios errichtet seiner Gattin
88 Griechische Epigraphik.
Paull[a 6]a[m]eidia (?) ein Grabmal. - S. 466 n. 33. ... Markia, lap-
Siavi} xal BuaTttprjvij^ hat ein Grabmal gekauft und errichtet. — S. 461
u. 24. Grabschrift in vier iambischen Seoaren auf einen Arteroon mit
stoischen Anklängen: B]dnpev 8' d8eX^bg 'Ap^ikaog <ra)/ji' i/i6v, [</f]'J^ä Si
fieu Ttpbc äoTpa xa} Beoug i<Tt[e (Z. 7 ff.). Das Ethnikon des Vaters des
Verstorbenen, JuxiSew^ (Z. 3), weist auf eine, nur aus Plinius, hist. nat.
5, 33, 3 bekannte Stadt Lykide, die Radet auf dem Grenzgebiet von
Mysien und Lydien suchen möchte. — S. 463 n. 27. Votivinschrift der
Soteria unkp X[uTp]ou (?) ihrer Tochter an Helios. — n. 28. Desgl. des
Perelios npours^raTog an den Asklepios Soter und die Hygeia. — S. 455 f
n. 18; teilweise schon von HomoIIe, BCH J, 101 in Minuskeln publiziert.
Wegebauinschrift der Thyatirener unter dem Prokonsulate des Aufidius
Marcellus. Darüber lateinische Widmung an Caracalla, durch dessen
drittes Konsulat = 208 n. Chr. das Datum der Inschrift bestimmt wird.
— S. 466 n. 32. Fragment: . . . epi 9uaTe[ip . . . | Ma]xe86vec - - - Vgl.
die Inschrift Giere, BGH X, 398 n. 1. Der Schriftcharakter weist die
Inschrift in die Zeit der Diadochen.
Inschriften von Thyatira sind (nach Foucart) nicht nur zu Ak-Hissar,
sondern auch zu Meder und Selen di und in einem ziemlich weit gedehnten
Bezirk um Ak-Hissar gefunden worden. — Vgl. auch: iZwischen Thya-
tira und Stratonicea-Hadrianopolisff S. 92 f.
wafivf Fontrier, Mooaetov xcä ßißXio^xrj V 1885/6 S. 54 n. fXB' in
Minuskeln; derselbe (horausgeg. von Foucart), BGH XI 1887 S. 99
n. 22. Okius-ini, '/«St. n.ö. von Ak-Hissar. Sarkophaginschrift des
A]lexandros, S. des Menophilos, aus Thyatira; mit Strafandrohung: Der
Grabschänder soll der Stadt Thyatira 2500 Denare entrichten. Eine Ab-
schrift wurde hinterlegt Big rö dp^e[e]ov^ unter dem Prokonsulate des
Aemilius luncus, am 18. Tage des Xand(so)ikos. — Aus dem Militär-
diplom CIL III p. 874 (vgl. X n. 7864) ist ein Cousul suffectus L. Aemi-
lius luncus aus dem Jahre 127 n. Chr. bekannt. Wahrscheinlich erhielt
derselbe die Provinz Asien. Vgl. über die von demselben vor dem Kon-
sulate bekleideten Würden CIA III 622, GIG 1346. ~ S. 56 n. ^pf in
Minuskeln; wiederholt BGH XI S. 100 n. 23. Meder, 1 St. n.w. von Ak-
Hissar. Die Färber (ßa<petg) ehren den M]arcus, S. des Mcnandros, der
in seinem und seiner Kinder Namen der Zunft zahlreiche Dienste er-
wiesen und fast alle Ehrenämter der Stadt bekleidet (a-zparriyog'^ dyopavo^
poQ u s. w.), u. a. auch die Anfertigung von 25 Eroten in einer 100 säu-
ligen Halle oder Tempel (lpYBm<nd-{\Z)r7j]y 'Epwrcjv twv iv rtji ixa-
(lA)To]vza(nuX(f} xe'), des Rathauses {oIxoß[a'{l5)(T]eXtxou rou rr^g ysporj-
aiag) sowie eines Kanals zum Lykos (Gurduk-Tschai) {naparst^eapaTog
tfSpa-(l*l)j']<oYeou iv zip jlux<p noraptp) geleitet hatte. — S. 57 n. ^p8' in
Minuskeln; BCH XI S. 101 ff. n. 24. Ebd. (2) 77 xpautTTTj xae (pdoaißanrog
T^C Xap'(Z)7ipü'üd'njg xal oeaffrjpoTaTr^Q xal lepäg (4) rorj npoTzdropog
XIV Lydia: Thyatira and Umgegend. 89
^€oü ^HXeoü IIüBtou (5) Tuptfivaeou *An6XXa}Vog BuartipTjvwv (6) noXewQ
ßoüXii ehrt den Tib. G). Menogenes Gaecilianas, voo der Väter Zeiten
her lebenslänglichen Priester des Dionysos, Erzpriester des Kultes der
Kaiser in Asien and in seiner Vaterstadt und Agonotheten, Adoptivsohn
des Gl. Socrates Sacerdotianus, eines Agonotheten, Stephanephoren, zwei-
noaligen Prytanen, Erzpriesters und Priesters des Dionysos, und der
lulcia) Menogenis, welche der Stadt touq ^uarobg errichtet hatte, einer
Agonothetis, Stephanephoros und Prytanin, BuyaTpog r^c rrSXetoc (Ehren-
titel), leiblichen Sohn des Menogenes, eines Agonotheten, Stephanephoren
und Prjtanen, Enkel des Gl. Socrates und der Antonia Gaecilia, die beide
die Würde von dp^tepetg -rrjg ^Aatag^ Agonotheten, Stephanephoren und
Prytanen bekleidet hatten, wegen mannigfacher Verdienste um die Stadt.
— Der Nationalgott von Thyatira, Thyrimnas, war nach dem Heransg.
wohl ein lydischer Sonnengott, der mit dem griechischen ApoUon Pythios
identifiziert wurde (vgl. GIG 3493. 8497. 3500. Giere, BGH X, 421). —
Giere, BGH X 1886 S. 420f. n. 29. Ebd. Fragment der Ehreninschrift
auf einen Unbekannten, der sich durch Verschönerung der Stadt verdient
gemacht hatte. Aufserdem hatte er der Bule eine Summe vermacht,
deren Einkünfte jährlich unter diejenigen Buleuten, welche dem Geburts-
tagsfeste eines gewissen Aelianus beiwohnen würden, verteilt werden soll-
ten. — S. 422 n. 31. Frenklickre, 20 Min. von Meder. Die axurorofioe
ehren den T. Flavius Metrophanis f. Quirina Alexander - , u. a. xoupa^
TopBuaavra \ rou raiv Twjiaiwv xovßsvTou (Z. 6/7) = curatorem Romano-
rum conventus, der dreimal als Gesandter zum Kaiser nach Rom gereist
war und dort Gewährung seiner Bitte erlangt hatte. - S. 421 n. 30«
Ebd. Eubulides errichtet seinem Vater und Bruder einen Altar; mit
Strafandrohung. — Fontrier, Mooaelov xa\ ßtßXto^xTj V 1885/6 S. 39 3.jhrh.?
n. ^oj' in Majuskeln; wiederholt (herausgeg von Foucart) BGH XI 1887
S. 104 n. 25. Selendi, 3 St. südl von Ak-Hissar, 1 St. östl. von Sassoba,
1 St. nördl. von Mermereh. Ehreninschrift: Ba]mXea 0cXennov (2) ij
ßoo]X^ xk 6 d^fiog. — Nicht vor dem 2. Jahrb. v. Ghr. Es würde sich
demnach handeln um Philipp V. von Macedonien. — S. 45 n. ^xc' in
Minuskeln; wiederholt BGH XI S. 105 f. n. 26. Va St. nördl. von Selendi;
türkischer Friedhof. Bule und Demos ehren den G. Sallustius (3) Ap?]-
pianus, dptari^avov (i) narp\i8oQ^ dp^^cxov^ Sexanp<0'(b)Teu&]avTa^ d/<0'
voßeT7iffaV'(Q)Ta tcjv] ixeydXwv Heßaarafv (7) Tupc]fivr^ü}V dywywv u. s. w.,
der sich um die scenischen und gymnischen Spiele zu Ehren des Thy-
rimnas (s. 0. zu n. 24) verdient gemacht hatte. — Giere, BGH X 1886
S. 419 n. 27. Fontrier, a. a. 0. S. 41 n. ^xa in Minuskeln. Selendi;
Brnnnenstein. Artemidoros, S. des Dionysios, und Antigenes, S. des Apol-
lonios, haben dizh ribv (6) neptaawv rr^g ie'(ß)povofjLtag rag 8uo (7) xprjvag
herrichten lassen. — Derselbe, a. a. 0. S. 419f. n. 28; besser Fontrier
a. a. 0. n. fx' in Minuskeln. Ebd. Artemidoros, S. des Philippos, er-
richtet für sich, seine Nachkommen und seine Gattin Tation eine Grab-
90 Griechische Epigraphik.
statte; mit Strafandrohung. Z. 7: Ba^S^vae. — Zur letzten Zeile giebt
t^ontrier, a. a. 0. and BGH XI 1887 S. 104 Anm. die genauere Lesart:
dijvdpta xseXta. - Oardner, Journal of hellenic studies ¥1 1885 S. 347
n. 81; aus den wieder aufgefundenen >MS. Inscriptions collected in Greece
by C. R. Cockerell, 1810 — 14c. Alkimos, S. des A., errichtet zu Lebzeiten
sieh und seiner Gattin Apphion ein Grabmal. — Fontrier, a.a.O.
S. 40 n. ^c&' in Minuskeln. Selendi. Fragment eines Namenkatalogs
(ohne Vatersnamen). Erhalten sind 17 Zeilen mit 39 Namen, darunter
mehrere doppelt. Römisch sind: Flavianus Z. 1, Galliens 16, lulianus
2. 8. 16, Julius 2, Lucius 17, Marcus 3; bisher nicht belegt: Talaris Z. 7,
Eannabas 13. — S. 42 n. ^xß' in Majuskeln. Ebd. Fragment ungewissen
Inhalts. — S. 44 n. ^xb' in Minuskeln. Ebd. DOrftiges Fragment einer
Weihinschrift des Athenaios, S. des Athen . — S. 46 f. n. ^xC in
Minuskeln. Gleichen Fundorts mit n. ^x<:\ Ober- und unterhalb der
Darstellung einer Doppelaxt befindet sich die Weihinschrift, nach welcher
unter dem Prytanen und [Archierjeus der Rome And[ronei]ko8, S. des
Metrodoros, im Monat Panemos Alexa[nd]ros, 8. des Apollonios, lepa"
reucaQ der Göttin Rome, dem Cäsar Augustus und dem Volke einen
Altar widmete. Zum Dank dafOr soll derselbe alljährlich mit einem gol-
denen Kranze bekränzt werden. — S. 64 n. fhj' in Minuskeln. Eenesch,
2 St. s.o. von Ak-Hissar. Fragment: Fttr die Aufzeichnng trugen Sorge
[MJithreas . - Radet, BCH XI 1887 S. 453 n. 14. Kenescb.
Weihinschrift des Glykon, S. des Eurymedon, an den Apollon Tyrimnos
(die Lokalgottheit von Thyatira) und seine Vaterstadt. — S. 454 n. 16.
Ebd. Den unterirdischen Göttern und der Claudia, Gemahlin des Tibe>
rius, sowie seiner Tochter Paula und seiner Gattin Pölla errichtet L.
Licinnius L. f. Aemilia Secundus einen Altar und drei auvipiXta = sub-
sellia. — S. 452 f. n. 13. Ebd. Die Brüder Diogenes und Herakleides,
SS. des D., errichten ein Familiengrabmal. Z. 8/9: fjojdevhQ S^ovrog
irdpou. . . 8. 453 f. n. 15. Ebd. Eine Stele errichten die Söhne und die
Phratores. Z. 3ff.: rauTjjv Sc ^v xa^ikqt ^ dStxi^m^ty fii^re oi Beo\ tXeto^
auTOft ysvot[v]To, fii^re rixvwv \noaj\fftg^ fii^re y^ xapno[^6pog, — S. 452
n. 12. Ebd. Fragment eines bilinguen Meilensteines: ...ro]rc [de]a[7ro-
Tai]g ^fiwv. Der lateinische Text nennt einen Gonstantius und [Conjstans.
— Fontrier, a. a. 0. n. ^fi' in Minuskeln. Axarion. Dürftiges Frag-
ment. Z. 2: xod d^ifog roo na--. — S. 55 n. ffiß' in Minuskeln. Ebd.
Fragment. nios, 8. des Menogenes, errichtet ein Grabmal [für sich],
den Attinas, S. des Diodoros, - - n\tv^gpi8eT^ seinen Schwiegervater Dio-
doros — — und seine Schwiegermutter — — . — S. 59 n. f>/4c' in Mi-
nuskeln. Yaya-Köi, ca. 3 St. n.w. von Thyatira, 2 St. nördl. von Apol«
lonis. Grabschrift (?): NetlxoiujSijg (2) N^etxofiißoug (3) euvouQ J<o-(4)
Y\iyti rtp rixvip, — S. 60 n. ipfiZ' in Minuskeln. Ebd. Bule und Demos
ehren die Glykinna, T. des Apollonios, Mutter des Heros Aelianusi wegen
der Verdienste ihres Gatten Publius Aelius Aelianus um die Vaterstadt
XIV. Lydia: Tbyatira und Umgegend. Attaleia. 9]
— 0. ^fiT^' io Minoskeln. Ebd. Meilenstein mit den Namen der Kaiser
Probas, Diokletian, Maximian und Fl. Val. Constans. Darunter: ff kifi-
(itpord'oj) x(ai) Seaaiijfwrd'n^) | Bu{art(pijVü}v) 7t6(Xeg) | /i(üta) c« —
Clerc, BCd X 1886 S. 415 n. 23. Ebd. Fragmentierte Ehreninschrift auf
einen Pnester(?) —ou üatTijpoQ ^A(T[xXipu]oü*'-' n. 24. Fontrier, Moo^
asw¥ xal ßtßXtoBijiCQ V 1885/6 S. 59 n. fiu' in Minuskeln. Ebd. Bule und
Demos ehren den Lenaios, S. des Menandros, aus Tbyatira, (5) ivS6(<uc
naXcuaavTa (nach Fontrier, a. a. 0. und BGH XI, 98 Anm. von Giere
ausgelassen) (6) xa} dv^tdaX&Gaavra (7) rd fuydXa 'Acx^nsta (8) bith
httardnjy J(c/f>av-(9)r6v Euvö/wu. ~ Die luydXa ^AaxXfjTcsia werden
gleichfalls in der Inschrift von Tbyatira Mouaecov xal ßißXto&^xi^ I n. X&'
erw&bnt. — S. 416 n. 25. Ebd. Bule und Demos ehren den Aur. Auzanon,
*£pßAod — navfiYoptap^ijaavTa vawv rwv iv r^ XtxfiTtpordrjij ilepyaijafvatv
[fa^Tp]on6XeL — S. 417 n. 26. Brunnen von Yakhu4ji Tschiflik, halbwegs t m
zwischen Ak-Hissar und Taya-Köi. Fragmentierte Ehreninschrift auf einen
Unbekannten. Zwischen Z. 8 und 4 ist der Name eines Kaisers, S. des
Kaisers Antoninus (Garacalla), dessen Aufenthalt in der Stadt erwähnt
wird, weggemeifselt. Der getilgte Name kann nur der des Elagabal (218
— 222 n. Ghr.) oder des Alexander Severus (222 — 235) sein, die sich
beide Söhne des Garacalla nannten. Es wird die Rolle erwähnt, die der
Geehrte beim Aufenthalte des Garacalla spielte, welcher der Stadt einen
conventus iuridicus verlieh (onors ida}'{1)p]^iTaTo r^e naTpidc fj/uav (8)
r]i^ dyopäv t<uv dtxm). — Die Anwesenheit des Kaisers fand statt im
Anfang von 215 n. Ghr., als Garacalla auf seiner grofsen Reise in den
Orient auch die kleinasiatischen Provinzen besuchte (Herodian 4, 7-10)
und n. a. Nikomedia und Antiochia in Syrien berOhrte, und zwar nach
unserer Inschrift unter dem Prokonsulate des Marius Maximus. Hier-
nach bestimmt sich in erwünschter Weise die Zeit, in welcher der letz-
tere während zweier Jahre als Prokousul Asien verwaltete. Da in der
Inschrift das Prokonsulat des Marius nicht als zweites bezeichnet wird,
so wird es als erstes gelten dürfen; er war demnach Prokonsul 214 — 216
n. Chr., durch welche chronologische Fixierung eine Vermutung Wad-
dingtons schlagende Bestätigung erhält
Attaleia (Gurduk-Kaleh).
Radet, BGH XI 1887 S. 178. Yenidje-Köi, 2V»— 3 St. n.n.ö. von
Ak-Hissar. 'ff ßouX^ xaX 6 Sijpoc 'ArTaXtdraßv ehren den Artemidoros,
S. des A. Es errichtet ihm ein pin^pecov sein Vater Artemidoros, 8. des
Diogenes, gleichzeitig auch für sich selbst, sein Weib Apphia und seinen
Sohn Diogenes zu deren Lebzeiten, wie auch f&r die Nachkommen. —
Der Herausg. identifiziert das 1 St. westl. von Yenidje-Köi gelegene Gur-
duk-Kaleh mit dem alten Attaleia. — Radet und Lechat, a.a.O.
S. 399 ff. Halbwegs zwischen Gueuktsche-Ahmed (unweit Gurduk-Kaleh)
92 Griechische Epigrapbik.
und Seldjikli. Basis. I. Rechte Seite: Euarestos, S. des Eapiton, Enkel
des [Pb]o[k]as, bestimmt laut Testament, welches auf Veranlassung seiner
Gattin Ammion Tullia niedergeschrieben wurde, dafs seine Erjien alljähr-
lich an einem Tage (11) rjjf yXuxuTdzj^ (12) jjlou narpiSt 'Arrahc^ eine
[iX]aeo^siTea zu teil werden lassen sollen. Datum: M{ijvbg) [S]av8(so)txofj
8' drttövTog^ unter dem Strategen Arteraon, S. des Apollonios. — IL Linke
Seite: Von der ersten bis zur fünften Stunde soll das öl aus den Ein-
künften des TTsp/ßokoQ^ der von Eubulos, S. des Antiphanes, an Bassos,
S. des Euarestos, Enkel des Phokas, verkauft wurde, verteilt werden mit
der Bestimmung des d^toXoywTarog (10) datdp^Tjq xa\ XoYto-{\\)TijQ (=
curator) rb ß' üolbßioQ^ dafs ein Zuwiderhandelnder 2500 Denare an den
kaiserlichen Fiskus entrichten soll. — 111: Vorderseite: Bule und Demos
'i^rra- (2) A]£aräiy ehren den Bassos, S. des Euarestos, Enkel des Phokas,
gemeinschaftlich mit seinem Vater wegen seiner Frömmigkeit gegen den
einheimischen Zeus, sowie wegen der Liberalität seines Vaters. Datum
nach den Strategen Artemidoros, S. des Apollonios, Menophilos, S. des
Menophantes, und Menodoros. Auf den Namen des letzten Archonten
folgt statt des zu erwartenden Vaternaraens: £y^[jy-(17);i/a;'. — Die-
selben, a. a. 0. S. 492 f. Gueuktsche- Ahmed, doch aus Gurduk-Kaleh.
Marmorblock; auf zwei Seiten Inschriftfragmente. In denen der einen
Seite handelt es sich wahrscheinlich um eine Bestimmung iubetreff einer
Schenkung an einen Tempel zu Tbyatira; doch läfst sich ein zusammen-
hängender Sinn nicht gewinnen.
Acrasus.
Rad et, BGH XI 1887 S. 176. Yenidje-Köi (s. unter Attaleia, S. 91).
Aur. Eutyches aus Akrasos und Aur. Arteroidora errichten ihrem Sohne
Tychikos, (4) r^ xaraboiUfp re-(5)xv^ kvl xat fio{){^Q)vip^ und sich selbst
einen Grabaltar. — Akrasos ist im oberen Kalkosthale, auf der Grenze
von Lydien und Mysien, in der Umgegend von Attaleia anzusetzen.
Zwischen Tbyatira und StratoDicea-Hadrianopolis.
Radet, BGH XI 1887 S. 476 n. 49. Meder. Dürftige Reste einer
Ehreninschrift. Z. 6 — 8: . . . Tupijiva . . . IlauXov Uaü[koo . . .] Boartt-
pTjvibv ... — n. 50. Seldjikli. Kission und Marcia errichten ihrem
Sohnchen Marcianus eine Grabschrift, fivtag ^dpev. — n. 51. Ebd. Frag-
mentierte Votivinschrift an Asklepios. — n. 62. Gu^lembeh. Grabschrift
der Asklepiake auf ihren Vater Asklepides. — S. 477 n. 53. Desgl. des
Priesters Asklas auf seine Gattin Tatiane. — n. 54; nur in Majuskeln.
Khoumetli. Sehr unleserliche metrische Grabschrift. Z. 4 f.: Eifd 8e reg
Max[tS]ajv ndvToiv f(Xog^ ob^B^]} i;^]^/ooc- — n. 55; nur in Majuskeln.
Elezler. Rätselhafte einzeilige Inschrift. — S. 478 n. 56. Bakir. Grab-
Schrift des Demos auf den Heros Attalos, S. des Theodotos. — Gard-
XIV. Lydia: Attaleia. Aerasos. Zwischen Tbyatira aod Stratonicea. 93
ner, Journal of hellenic studies VI 1886 S. 347 n. 87; aus den wieder
aufgefundenen >MS. Inscriptions coUected in Greece by C. R. Cockerell,
1810— 14«. Ebd. Phi[l]etairo8 und Elpis errichten ihrem Kinde £ipide-
phoros eine Grabscbrift. — Radet, a. a. 0. n. 67. Kirk-Agatsch. Bule und
Demos ehren den F.] Aelius Paullus [Dam]ianus wegen trefflicher Amts-
führung als Agonothet und Erbauung eines npon\uXonov zou T[eiijiv6\u^
Tou Tuptfivoü. ' Der letztere Nationalgott wie namentlich auch die Z. 10
genannte Mutter des Geehrten, Ulpia Marcella, welche, in Übereinstim-
mung mit GIG 3507. 3508, die Ämter einer Priesterin der Artemis, Ago-
nothetis und Gberpriesterin von Asien bekleidete (ihr Gemahl, P. Aelius
Paullus, war u. a. nach Z. 8/9 Oberpriester) und einer vornehmen thya-
tirenischen Familie entstammte, weisen die Inschrift nach Tbyatira. —
S. 479 n. 68. Ebd.; aus Seledik (Stratonicea- Hadrianopolis). Anfang
einer Inschrift: 'AaxAäs ß' vioc. ^Eiü aTpa[T\7j[Y0ü ... — S. 480 n. 60.
Ebd. Ehreninschrift auf den Kaiser Hadnan, errichtet von der Ober-
priesterin lulia MevükXeiva. Vergl. Moutreeov xal ßtßXtoBijxrj I, 112. —
S. 479 f. n. 69. Bilingue Widmung an Septimius Severus; wegen der
Titel Plus und Arabiens nicht vor Ende 196 n. Chr. - S 480 n 61. t sst
Widmung an die Söhne Konstantins des Grofsen: Konstantin II., Kon- ^
staotius und Konstaus. Da der erstere bereits 340 ermordet wurde, so
fällt die Inschrift zwischen 387 und 340 n. Chr. Das Pränomen Kon-
stantins IL, Valerius, ist neu;. das tkbliche ist Claudius. — 8. 481 n. 62.
Fragment. Errichtung eines ßw[iüQ, mit Strafandrohung (Z. 2 ff.): EU Ss
TCQ erepoi ße^aet äXk[ov] xaraBiff^at, 8<üffec Iq rb h(f})wz(a)To[v\ za-
fisTou dzTtxäQ ß^\ Attische Drachmen begegnen auch anderwärts in
Strafbestimmungen; vgl. unter Marmara S. 82. - n. 63. Moschianus und
Askla errichten ihrem Vater, Moschion ihrem Gatten u. s. w. eine Grab-
schrift. Schlufs: X]a^ey napodlTa, — S. 481f. n. 64. Grabscbrift des
Symphoros auf seine (}atlin Trophyme. — S. 482 n. 65. Desgl. des Te-
le[s]phoros auf seine Gattin Marc[e]lla. — n. 66. Desgl. des Onesimos,
Antiochos und £piktet[a auf ihre Bpi^avxtQ. — n. 67. Desgl. des Stra-
toneikos auf seinen gleichnamigen Sohn. — u. 68. Desgl. der aufißewrae
auf Artemon, S. des Aristodemos. - S. 483 n. 69. Tchifl^-Keul. Grab-
schrift des Akrikolos auf die ^tXavSpoQ Eutychia und seinen Vater Nei-
kephoros. — n. 70. Balat. Grabschrift eines Thiasos auf seinen Archi-
mystes Alexandres. Erste sichere Erwähnung eines solchen Amtes; da-
her die Herstellung dpfu^oalTi^i] CIG 2062 berechtigt. — S. 483 f. n. 71.
Karidlj-Agatsch. Jemand errichtet seinen Eltern Kleandros und Paula •
eine Grabschrift. — S. 484 u. 72. Ebd. Desgl. Metrodora ihrem Gatten
Moschianus. — S. 484 n. 73. Boghaz, halbwegs zwischen Seledik und
Somah, am Bakir- Tschai (Kaikos). Pompeius Apollinarius 8exoup{wv
ßerpavos (= oöerepavoQ) und seine Gattin Claudia Sabina nebst der
Schwester Claudia Pompeia errichten dem Pompeius Paulus eine Grab-
schrift, incfuh^divTo^* Aoüxiou Jopenou 'Acxaveou.
94 Griechische Epigraphik.
Stratonicea-Hadrianopolis (Djeneviz-Kaleh).
tit7 Rad et, BCH XI 1887 S. 109 ff. Dorf Yamiirli. Eingemauerter
Brunnentrog mit stellenweise darch den Cementbewarf anleserlich gewor-
denen drei Briefen des Kaisers Hadrian an die Archonten, die Bule und
den Demos von Hadrianopolis-Stratonikeia aus der 11. tribunizischen Po-
testas und dem dritten Konsulate des Kaisers = 127 n. Chr. Alle drei
Briefe datiert: 'Aitd T<ufii^Q] I: Kai. Mart., II. III: y' I8wv 0eßpouapeaßif
= 11. Febr. — Der Überbringer der beiden ersten kaiserlichen Schrei«
ben ist der Gesandte Gl. Candidas (I, 17) oder Ga]ndidus Inlianus (II, 13),
der mit seinem vollen Namen, Claudius Gandidus lulianus, III, 7. 8 ge-
nannt wird; der Überbringer des dritten Schreibens Apollonios, S. des
Philippos (III, 10). Beide Gesandte händigten die drei Schreiben an
einem und demselben Tage {rg Ttpö a Idtov Matatv = 14. Mai 127) dem
Archonten Lollius Rusticus in der Volksversammlung ein. — Das wich-
tigste der drei kaiserlichen Schreiben ist n. I; es ist daher, wenngleich
zeitlich später, an die Spitze gestellt. Der Kaiser bewilligt auf Bitten
der Gesandten der at/o-(9)n yeevofiivj^ itö^ec rä — reXi^ rä i[x (10) r^c
XotpoQ = die bisher in den kaiserlichen Fiskus und die Staatskasse (das
Aerariuro) geflossenen Einkünfte, und schenkt der Stadt (als Munizipal-
gebäude) das Haus des Tib. Claudius Sokrates, welches in Stand gesetzt
werden soll, ä^ jiii )[p6v<oe ^[e-(14)/Ae^/af (= funditus) xazaptfpBeäj. —
Wahrscheinlich war die Stadt von Hadrian i. J. 128 auf seiner ersten
Orientreise (123/4) gegründet worden. Sokrates mochte den Kaiser bei
dieser Gelegenheit (auf dessen Route von Pergamon nach Sardes) beher-
bergt und demselben sein Haus geschenkt haben. Somit gab es schon
zur Zeit der Durchreise Hadrians daselbst eine xw/a^ oder xarotxta^
welche der Kaiser zur Stadt erhob. — Das Schreiben ist in Abschrift
nicht nur dem Prpkonsul der Provinz, sondern, da es den kaiserlichen
Fiskus betrifft, auch dem kaiserlichen Prokurator (rwt imrponan fiou
Z. 16) mitgeteilt worden. Ersterer, Stertinius Quar[tinus oder Quar[tus,
ist sonst unbekannt. Da er sein Amt noch am 1. März 127 bekleidete,
so fällt sein Amtsjahr zwischen den 15. April 126 — 127. Letzterer, Pom-
peius Sev[crus, ist gleichfalls unbekannt. — In n. II erklärt der Kaiser,
den mündlichen Bericht der Gesandten über die Verdienste des Prokon-
suls Avidius Quietus (Aouedtq} [K]ou[ei^-{9)T](ü[t) um die Stadt entgegen
genommen zu haben. Da der Geehrte in dem vom 11. Febr. 127 datier-
ten Briefe wegen seiner Verwaltung belobigt wird, so mufs er der un-
mittelbare Vorgänger des Stertinius Quartinus gewesen sein; sein Amts-
jahr reicht daher vom 15. April 125 — 126. — Hiermit übereinstimmend
setzt Waddington, Fastes des prov. asiat. S. 191 den Avidius Quietus in
die Jahre 125/6 n. Chr. — In n. IH teilt der Kaiser mit, er habe in der
dem Gesandten erteilten Audienz vernommen, dafs die Adressaten dem
Claudius Gandidus lulianus (ihrem froheren Abgesandten) ihre Dankbar-
XIV. Lydia: Stratonicea. Zwischen Tbyatira and lalia Gordot. 95
keit für die der Stadt geleisteten Dienste hätten ausdrflcken lassen. —
S. 126 n. 1. Ebd. Fragment einer Ehren inschrift des Demos auf Anto- t i*s
ninns Pius. — S. 127 n. 2. Ebd. Widmung des Andronikos an seinen "
Brüder Aelianus und an seine Eltern Diodoros und Olykonis. — n. 3.
Seledik. Orabschrift des Alexandros auf sein Weib und seine Tochter
Ammion. — S. 128 n. 5. Ebd. Orabschrift des Diogenes auf seine
Schwester Ammion und seinen Vater Pamphilos. — n. 4. Ebd. Piede-
stal: ^AyaBfj r6\x\iii-
Ramsay, American Journal of archaeology II 1886 S« 20. Die zu
Eirkagatsch gefundene Ehreninschrift der ßou^ und des B^fioQ 'ASpecafo-
noXeerwv ^rparovtxdwv Lebas-Wadd. 1043 ist auf die lydische, nicht auf
die karische Stadt dieses Namens zu beziehen.
Zwischen Tbyatira und Julia Gordus.
Rad et, BGH XI 1887 S. 470 n. 36. Taguerd& Votivinschrift eines
Teimotheos an den Zeus Keraunios onkp rou rpif/favro^. — S. 468 f.
n. 34. Ebd. Fragment. Eine ganze Verwandtschaft ehrt einen Verstor-
benen, mit AnfOhrung der Verwandtschaftsgrade. Am Schiufs Z. 19 f.:
" • aü])rjrsvetQ xoi ueSeeg xal [. . . mvjre^ ireelfujoaif . . . Darunter: Xoujpe
x}ot} tfu, [napoSTra. — S. 469 n. 36. Ebd. Paula, Phruktos und Euxenos
mit den aovrpofot ehren ihre verstorbene Schwester Tatia. — S. 470
n. 87. Kaledjik. ^Eroo^ rC, /^(voc) Auarpoo t' errichten Menekrates
und Aphphion ein fivvjplov. — n. 38. Yenoba. Apollonios und Aphphias
ehren ihren ^p&nrbQ Stratoneikos u. s. w. — S, 471 n. 39. D^r^KeuI.
^Kroug ajr\ AP7(^^^) SavSexou vjt' ehrt eine ganze Verwandtschaft, nach
Z. 12 ff. ol nd7:(n)ot^ oi narpw^ ol auvrpofot^ oi covy^vlg einen Herakli(so)-
des. Z. 4: betov = biSoo¥^ Enkel. — S. 472 n. 40. Ebd. Unterhalb der
vorigen Inschrift. ^Etoo<: atd\ fi^/jvoa) fJeptrtou ly' errichtet Ammias
ihrem Sohne Menodoros eine Grabschrift. — S. 472 n. 41. Tchitak.
Fragmentierte Bauinschrift. Z. 2/3: r[o]^;> nu'ktii>\yo\<:. — n. 42. Hemit.
^£ro{/c r\ fn^ivöQ) detou Sa errichtet T. Aur. Limneos ein Grabmal für
sich und seine Familie, mit Strafandrohung. Schiufs: Xaujpe xal au. —
S. 472f. n. 43, Gueudjek. Votivinschrift des E]ustrant[os] Neikian[o]s
Imkp r^Q (ramjp{[a]c roü bou. — I]ulia errichtet [tovs;] ini^x6[otg] ^eoTs
einen Altar. — S. 473 n. 44. Unterhalb eines Kranzes mit der Inschrift:
V S^tog are^voe Grabscbrift auf Tatei[a], T. des Menippos, Gattin des
Menodotos. — S. 473 f. n. 46. Earsoumia. Fragment einer wortreichen
Ehreninscbrift. Z. 3/4: ipßoXoü r^c xp[a]T^<rn^^ ßouX^Q mufs sich auf
die nach römischem Vorbilde mit Emblemen geschmückte RednerbOhne
des Rates von Tbyatira beziehen. Z. 14/16: xal el^ röv intixüvtaphv rou
iXatoo xrX, Das erstere Substantiv (von ineuwv/Zw gebildet) ist neu. —
S. 4741 n. 46. Ebd. Aure(lia) Onesim[e] errichtet mit ihren Kindern
ihrem Gatten Au. Modestus ein Grabmal, mit Rest einer Strafandrohung.
96 Griechische Epigraphik.
— S. 476 0. 48. Monsadja. Grabschrift der Mutter Aar. Tatias und
ihrer Familie auf den 25jfthrigeD Tatianus.
Philadelphia (Ala-Schehr).
Fontrier. BGH VII 1883 S. 601—504 veröffentlicht neun Inschrif-
ten aus sehr junger Zeit nach Abklatschen des Lehrers Gregorios Era-
loglous in Ala-Schehr; wiederholt in Minuskeln nach Abschriften und Ab-
klatschen von demselben im Mouaeeov xa} ßtßXtob^xrj t^q suayyekcxrj^
tM (TZ^^^ iv ^fiop^Ji V 1884/6 S. 62 ff. — S. 601 f. n. 1; MooaeTov xa\
ßißko&Tjxv^ V S. 62 n.wa. — Polak, Mnemosyne XV 1887 S. 264
n. 16. Jetzt im Museum zu Leyden. Fl. Dionysius Flavianus errichtet
seiner im Hyperbertaios des Jahres pov^' verstorbenen Gattin GUaudia)
Sokrateia, T. des Gl(audius) Lartidianus, sowie seinen Eltern FI. Aph-
thoros und Auphonia (Euphonia?) Gaia Grabstätten {xafidpcu = came-
rae). Beide wurden vollendet im Monat Deios des Jahres pn' (über die
sullanische Ära s. Franz, GIG III S. 1103 f., Waddington zu Lebas 667).
— [S. 602 n. 2 christlich,] — S. 603 n. 3. Moooetov xa\ ßtßkto^rjxr^,
a. a. 0. S. 63 n. üvd\ Grabstein (flpofjDnfi/jLa) des Eutycbides (?) Lenas
und seines Weibes Aphthonia. — n. 4. MooffeToy xa\ ßtßXio&ijxrj^ a a. 0.
S. 64 n. uye\ Grabschrift in Distichen auf einen 18jährig verstorbenen
Kttnstler (daxroXoxoiXoyXo^og) Doros aus Sardes, S des Lydiers Marion
und einer Lacedftmonierin. — S. 603 f. n. 6. Mo^jaseov xae ßtßXeo&^xrj^
a. a. 0. S. 62 n. uvß'. Fragmentierte Grabschrift auf die Witwe (?) eines
Prokonsuls [GJeminus u. s. w. — S. 604 n. 6. MooasTov xae ßtßXio^ijxrj,
a. a. 0. S. 66 n. ovri', Grabschrift des Trophi[mos], S. des AIex[andros],
f 179 auf sein Weib. — n. 7. Mouffseov xal ßtßXtoBijxrj^ a. a. 0. 8. 64 n. wvc'-
der RoopxXa (Pulchra?) auf ihren Bruder Severianus; datiert: btouq ff$/,
~ n. 8 Papadopulos-Keramens, KE02: X7 1884 8 64. Mooaetoy
xae ßtßXioBijXTj^ a. a. G. S. 66 n. ovB\ bnoaopeov des Gärtners Alexandres.
— n. 9. Mouffeeov xa\ ßeßXeoBijxr}^ a. a 0. S. 65 n wf. Polak, Mne-
mosyne XV 1887 8. 253 n. 9. Jetzt im Museum zu Leyden. Aurelius
Trophimos, 8. des Artemisios, errichtet, ip(on^(Ta{g) zuv Bsöv^ der Götter-
mutter eine Bildsäule, e(h)XoYS)v aoo räc Suvä/ieg,
Paris, BGU VIII 1884 8. 376. Weihung eines [7(>J^aiv(?), 8. des
Kallistratos, gemäfs seinem der Mi^rp} 'Avaeeudc dargebrachten GelQbde.
Nach Kontoleon, MDAI XII 1887 S. 266 Anm. 1) ist zu lesen: Spxo-
Ixvr^lKüv. Aus sehr junger Zeit.
Kontoleon, MDAI XII 1887 8. 266 n. 21 (ApxiXBeea 1887 u. 4057).
Ehreninschrift: '0 Xafi7ip6ra'{2)TOi *E^£(Te'(2)wv 8^p,os (3) rbv XofiTTpo^
Ta-(4)Top 0eXadeX-(ö)^da}v dr^fiov. - S: 266 n. 22. Relief einer Göttiu
mit Widmung (an Kybele?): ße^ MaruT^v^ im^avee (2) Köevrog *£psvveo^
L'ijxtvoQ, — u. 23. Sarkophaginschrift des Theogenes, S des Taos (neu).
XIV. Lydia: PhUadelphia. Maeonia. 97
-- B. M C^idXBeta 1887 d. 4050). Grabstein des Menekles, S. des Meoe-
krates. — n. 25 CAfiäXBeca a. a. 0.)- Grabstein des Primeipilos Herpido-
pboros-Eatoneios. — S. 257 n. 26 (AiidX&eia (a. a. 0.): '^v tout^ r^
(2) T^ ^pipa (3) d'.
Polak, Mnemosyne XV 1887 S. 264 n. 18. Cippus aus Kala; jetzt
im Mnseam zu Leyden, von Magna ihrem 8. Polemon im Monat Apel-
laios des Jahres axß' errichtet. Die Inschrift findet sich schon im Mou-
auov xa} ßißXto^xifj III 1/2 1878—1880 S. 168 n. rxtj' (Röhl II, 86).
Im MooaB£0¥ xcd ßißhoB^xijj Y 1884/5 S. 64 ff. werden anfser den
oben aagef&brten Inschriften noch folgende Grabschriften, meist gleich«
laDs nach Abschriften nnd Abklatschen von Kraloglons, in Minoskeln
mitgeteilt: S. 64 n. uvC- Sarkophag (ünoaöptov) des Eugenios und der
Stratonike. — S. 67 n. tß$e\ Sarkophag (bnoaoptov) des Epiktetos und
des Euagribs. — S. 68 n. elf^^ Grabinschrift (xiBamre) för Doxa, T.
des Buleuten Eubuios aus Gordos (Fopdi^vou^ vgl. unten n. i), und ihren
nodi lebenden Gatten Ammianus, ir^ ravoy A^r | hßpaplip. Datum:
Monat Deios des Jahres roy\ — S. 69 n. (/f^^ Im Audnaios des Jahres
inai' errichtet Apphiane ihrem Bruder Metras und dessen Gattin Am-
miane nebst deren Kindern ein Grabmal. — A. a. 0. n. n^', Grabstein
{juii6pto¥) der luliane, T. des Ammianus, und (x^) ihres Gatten Patri-
keios (= Patricins). — S. 68 n. ü^C'* Aufschrift eines Grabmals, nach
wekher Anr. Geiasius, S. des G. Bopaiioi^ drei bnoadpta besitzt {fx^),
von denen sich eines zur Rechten, das andere zur Linken befindet. (Offen-
bar trug das mittlere Grabmal die Inschrift.) — S. 66 n. t>^a. Frag-
ment der Grabmalinschrift einer --phonis, T. des Gaius, fOr sich und
ihre Kinder. — S. 67 n. u^y\ Fragment Eine aopß({f}atQ errichtete
das Grabmal '-nap^ icurribv rfj y^xoTa-n^ narpedu — A. a. 0. n. u^B\
Fragment. Grabinschrift, u. a. für eine Gattin Tatia. — S. 66 n. o^ß\
Fragment eines »letzten Willensc: "• ebaißst'{Z)av ^uM$ae [lou r^v (4)
ikatcqi^¥ xaim^ xaX (5) pi^ isapaxolßatu re^e<-(6)xJroc pou xcü dpäv (7)
eic Sna^ta röv i$^€ (8) ;|f/>^v[oy] ek [S]k rb /x-*.
Maeonia (Gatacecaamene).
Paris, BCH VIII 1884 S. 378. Kula. Bessere Kopie der Heil- ^m
inschrift Mowrecov xal ßtßXco&^xi^ III S. 165 n. 834 (Röhl II, 85 o.) ans
dem Jahre (ti\ — Das hier begegnende Epitheton der Magna mater
0iXets ist bisher unbekannt - S. 379 f. J^nidscheh (Tripolis). Ehren-
inscbrift in vier Hexametern auf einen Bürger der Mcuovaj TpikoXeg Her-
molaosy der römischer Senator wurde (PdtpijQ d' ivcxdß^ero ßoukfj). —
i^d^at Z. 8 s= ^fiiijfrs; ivcxd^&ero Z. 7/8 = iyxari^eTo. - S. 881 n. 1.
Gördis (Inlia Gordus). Der Demos louXtdatv ropSi^vwv und der Demos
[A\op[i^]vwv ehrt Tata, T. des Marcus, u. s. w. Ihre gesamte Verwandt-
Jabresbericht Hir Altertumswissenschaft. LXVI. Bd. 7
98 Griechische Epigraphik.
Schaft ehrt dieselbe, wahrscbeiDlich durch ErrichtuDg einer Bildsäule.
Es findet sich a. a. : J]arrc (der Bruder ihres Mannes) ri/v yoov = Schwä-
1 31 gerin. ungewöhnlich. — S. 382 n 2. Ebd. Im (6.) Monat ä6a[poz des
Jahres pe' wird Didas von seiner Verwandtschaft geehrt. — nevBspßi^g
bedeutet hier Schwager statt des gewöhnlichen Schwiegervater ; Tatas
t M begegnet als weiblicher Name. — S. 386 n. 5. Ebd. Im Panemos des
Jahres pfjß' ehrt der Demos üacrn^vwv und Publius Nonnius nebst Ver-
wandtschaft den Servilius; desgleichen derselbe Publius seinerseits die
t IM gesamte Verwandtschaft. — S. 383 f. n. 3. Ebd. Im (3.) Monat Audnaios
(Äbdvioo) des Jahres ah}' ehren Tbeogenes und (xk) Ammias nebst Ver-
wandtschaft den Theogenes u. s. w. - Bemerkenswert: Tb\y\ SvSpav. —
S. 384 f. n. 4. Ebd. Lateinische und griechische Grabschrift auf den
Aug(ustorum) verna dispCensator) Clemens, errichtet von seinem Weibe
t »6 Episteme und Kindern. — S. 387 f. n. 6. Ebd. Im Dystros (s. n. 2)
des Jahres r' werden Marcellus und Metrodora von ihrer Familie ge-
1 219 ehrt. — 8. 388 f. n. 7. Ebd. Im Audnaios (s. n. 3) des Jahres ry' wird
1 169 Apphia von ihrer Familie geehrt. — S. 389 n. 8. Ebd. Den einheimt*
—180
sehen Göttern, sowie den Cäsaren M. Aur. Antoninus und L. Aur. Com-
modus und rjj xupe^ TtaTpedt errichtet Menekrates, S. des Seztianus, ünkp
dyopavopxaQ nach Volksbescblufs auf eigene Kosten die ersten zehn Säulen
mit Kapitalen und Basen. — S. 390 n. 9. Ebd. Fttnf Fragmente; wahr-
scheinlich einer Architravinschrift zu Ehren von Cäsaren. Z. 1/2: Kai*
t 98 aapt M. 'A — roßveoMp—. - n. 10. Ebd. Ehreninschrift des Demos 7oei-
"" [Xe£]wv [r]o[p87jv(üv auf Trajan.
Im MouaeTov xal ßtßhoBrjxy} tjjq euayyeXex^g ir^oX^c^ nepioBo^
nipTvoj 1884/6, iv 2!pupvjj 1885, S. 49 — 58 werden nach Abschriften des
Arztes Michael Tsakyroglu in Kula eine Anzahl von Inschriften *zmy
KouXojv xai rcuv nepc^ roürou pepwv als unediert in Minuskeln mitgeteilt,
von denen mehrere schon durch anderweitige Publikationen bekannt sind.
A.a.O. S. 49 n, üx/ =s Papadopulos Kerameus, MDAI VI
1881 S. 272 n. 21 (Röhl II, 84). — S. 50 n. uxe' = Fontrier, BGH
V 1881 S. 325 (Röhl II, 86). — n. üxc' = Fontrier, a. a. 0. (Röhl
II, 84). — S. 51 n. uxB' = Fontrier, a. a. 0. 8. 326 (Röhl, a. a. 0.).
— A. a. 0. S. 49 n. uxS\ KjoXvre (= Gördis). Fragment. Den Apol-
IJonios, S. des A., einen Agonothetes, ehrt eine Anzahl von Personen als
ävSpa dyaBby dperijg iv[&x&v. Datiert nach dem Monat Apellaios des
Jahres pxB\ — S. 56 n. ü^j^'. Ebd. Im Pereitios des Jahres ^nry' ehren
die Peia (= Pia), T. des Tryphon, ihr Gatte Asklepiades, ihre Kinder
-Glykon, Tryphon und Zenodote, ihr Vater Tryphon, ihre Schwäger {Sipec)
Glykon und Apolloni(u)s, ihre reBpaypiyrj Elpis, sowie ihr Schwieger-
sohn (? yapßpÖQ) luliauus. — S. 53 n. ukß'. Bebekle, Städtchen, 3 St
von Kula und ca. 6 St. von Philadelphia. Volksbescblufs, Fragment: %v
A'aaTwX^ü) xibpjj 0iXadeX^dwv yevo-(2)p£vij^ ixxXrjatag und r^c jspou'
XIV. Lydia: Maeonia. 99
<Rac (3) xat rcuy Xotnatv xmfii^raiv ndvroßv xal ßou'(4k)leuaaifLeua}V adroiv
SeeXdtrBcu t&v U7ui[p''(d)^]ovTa auroTs dypbv iv ToTg IScoic 8poeg (6) 76\n(p
rtp Xe-jrofidvtff ^AyMiuvoQ Ma . pata, (7) o]vra dp(e)tvüv^ iip ip ndivreg ol
xiop[r^Tcu . Die von Steph. Byz. and XeDophon (Aoab. 1, 1, 2. Heil.
1,4,3) erwähnte Stadt Kastollos ist aller Wahrscheinlichkeit nach in
der Ebene des Sigut-Tschai zu suchen, in der Bebekle liegt and in der
allerwärts bedeutende Trttmmer aus alter Zeit begegnen. — S. 62 n. uXä\
Basibngjak, 2Vs St. s.o. von Kala. Ihren Sohn Aur. Antoneinos ehrt
Amjmia Kestia. — S. 57 n. op/i'. 3*Ev B6pk<p€. Im HyperbertSos (=
Hyperberetaios) des Jahres pn' ehrt den Tryphon, S. des Höros, eine
aovßiioaiQ (16 Personen?), sowie sein Vater Horos, seine Gattin Ammias,
seine Schwiegermatter Apphias, sein Bruder Andronikos u. s. w. — S. 58
n. upß\ Ebd.; jetzt in Kula. Im Audn^os des Jahres rcß' ehren den
Hntterbrnder (ohne Namen), sowie die Eltern Eutaktos und Stratonike
den im Alter von 11 Monaten verstorbenen Eutyches. — S. 56 n. uXB\
Dorf Chatzi-Retzep, 3 St. von Kula. Im Audnaios des Jahres apC ehren
Teimotheos und Ammias ihre verstorbene Tochter lulia. — S. 62. n. uX\
Keyxepe, 4 St. von Kula. Grabstein des Hermippos, S. des Hermogenes,
aus dem Jahre p$9j\ — S. 56 n. ufi\ Gentiz. Votivinschrift der Amias
an die 9eä Mi^ttjp; gleichzeitig fOr ihren Gatten Apellas.
Polak, Mnemosyne XV 1887 S. 251—270 wiederholt mit Verbesse-
rungen unter 22 jetzt im Museum zu Leyden befindlichen und von Lee-
mans io holländischer Sprache herausgegebenen Inschriften aus Klein-
asien 7 aus Maeonia, von denen 6 aus K}6Xvre (= GOrdis) bereits im
Mooaewif (s. o.) in Minuskeln mitgeteilt sind. — S. 252 n. 1 ; Moutrecow
xau ßtjßXeoBi^xTj, V 1884/85 S. 56 n. uXe:'. Votivinschrift: 'ApriptSi Mva£p]r<
Xapmj (2) 'AnoXXiüvtou mpimtopa (3) a^ouaa xa\ i^^a&slaa (4) lm6 r^c
iepeloQ ß^zV^' — n. 2; Mouaeeov xal ßcßXeoB^xi^^ a. a. 0. n. uXe'. Votiv-
inschrift, von Zrparoyelxi^ Me[X\Tt^Q der 'Aprep^dc 'AvosTti bnkp uyeiaQ
xm d^BaXpMV errichtet. — n. 3. Kontoleon, MD AI XII 1887 S. 254 f.
D. 19. Der 9eqi ^AvcneTre xal MtjvI Tedpou danken Meltine und Glykon.
Datum: ''Eroug r' pi^{vÖQ) Savdtxou. Zu dem Namen des Gottes vergl.
CIG 8439. Beide Teile desselben wurden flektiert; vgl. auch SIG 379:
Mi^vöc Tupdvyou^ Mr^yt Tupdvvuti (Z. 16), Mv^vt Tupdvvtot (Z. 22). »Itaque
elegantiores has voces Graeco more divisisse, Idtiozag couiunctim extu-
lisse statuendum eritc P. — S. 253 n. 4. Mouaelov xal ßißXtoB^xr^^ a.
a. 0. S. 64 n. u\f'. Der 9b^ Avaelrt xai Mrjvt Tedpou errichten Tyche,
Sokrates, Ammianos und Trophimos, Kinder des Ammias (Appeou\ sowie
Philete und Sokrat(e)ia, TT. der Ammias (Appcd8o^)^ no[e]i^aavT6c rb U'(6)
pono[t]jjpa, eiXaadpevoe p7^Tip'{6)a\f(so) 'AvaeTrev bnkp rdxvaiv xal (7)
^peppdroßv ein ivypa^ov. ^Etouq zxa pyjiybg) SavSexoü. — n. 6. Kon-
toleon, a. a. 0. S. 256 n. 20. Widmung: Afr^rpl Avaem Abp{iiXtog)
Mu\}-(%)atuoQ difade^dpevü^ Tijv (2) d8eX^v 'Af^iav (rn}X'(Z)Xrjv (^o)
7*
100 Griechische Epigraphik.
dnaem^ßsls d7[iS(0'(i)xa. ^Eroog rx^' fii^{voQ) ilepeeTioo ß'. — n. 6.
Moutrecov xau ßißhoBv^xvj^ a. a. 0. 8. 56 n. u^'. Na^h der Lesung Polaks:
MeydXjj *AvaEiT^{2)t^ iitel ^/idpT7j'iS)(Te9 0oeßog^ (8) hteC^njffev ?^90-(4)
^]o[t]i^jjLaf d7mSec'(6)Soe] (oder dno8ei'\See]) vuw £Uaad/JLB'{ß)voQ xat
eh^apt<T-(*l)rwv, '^Eroug aitd' (8) /iJy(PÄff) 'Aprsfiecffiou ß\ — Die Form
dnoSiSoT ist ans Homer bekannt; vielleicht aber ist ea ergänzen: dno-
deeSee = dnodeSee. — n. 7. Kontoleon, a. a. 0. 8. 254 Anm. 2; un-
genauer Mouaeeov xa} ßtßkto^yjxTj^ a a. 0. S. 54 n. tßXS\ Votivinschrift:
'^Eroüff avS' fir^iyb^) Aojoif Jlfe^r/-(2)viy JkxoüvSou Buydnp (3) «i/i^v
Mijrpl 'Avant A- (4) f^eomjv^.
Fontrier, Mouaetov xa\ ßtßXtoBijXTj V 1865/6 8. 73 ff. TerOffentlicbt
als ^Entypa<fai AuSe(K€y von denen er Abklatsche erhielt, noch folgende
Inschriften, deren Fundorte mir mit Gewifsheit nicht nachweislich sind:
t 970 A. a. 0. S. 73 n. ^^ in Minuskeln. Santzayak (= Santzak Kalessi,
2V< St. westl. von Smyrna?). Im Artemeisios des Jahres rvd' errichtet
Aur. Epiktetos, S. des £., aus Sardes ein Heroen fBr seinen 8ohn Alexan-
dres, sich selbst, die Amme (re^&t =s ti^%) PöUe, deren Gatten Yetti-
nianus (^em^wfajvci?), 8chwiegermutter £utychia[n]e und (stets: xi) Sohn
Eutycbianus; mit Strafandrohung: (9) Ei de rec fierä, raora iitav6$i ^
i'{\0)Tep6v Teva inBUftvivxt x7j8eü'{\\)o}]v^ dijoet lg rlt espäfzarov ra-
fUi-(\2)o]v dpyvpioo Brjvdpta 8i(X^iXia (13) n\evraxuata^ xk rfj ^looidyjvwv
xa'{\i)TotxtqL Svjvdpia Stff^ßea, — Das Fehlen des Namens der Gattin
des Epiktetos ist wohl dnrch den frühzeitigen Tod derselben zu erklären,
nach welchem ihre Stelle eine Amme einnahm. — Eine 'louSSr^vwv xar-
oixia ist sonst unbekannt. Die Bezeichnung xarotxia (= xdjpaj^ Fou-
cart, BGH IX 1886 S. 395) begegnet häufig in lydiscben Inschriften. Der
Herausg. verzeichnet folgende: A. Im Eaystrosgebiet: l) Ttipijvoiv xav-
otx{a^ deren Bewohner xw/i^rat genannt werden {ModceTov xa\ ßtßho-
Bvjxrj II 2/3 n. aX—aXß'\ 2) XovSpcavuJv xw/jltj (a. a. 0. n. (rgO> 3) ISst-
'^üTeevwv xarotxia (s. u. Tira n. ^oB\ 8. 68). B. Im Hermosgebiet:
l) KoXor^vmv x, (a. a. 0. n. ffvZ' = Röhl II, 84 u.), 2) Tatj^vv^v x, (auch
= xmpyi ; MouffeTov xal ßtßhoBTjxyj III 1/2 n. Tt<:' = Röbl H, 85), 3) iv
KoffTtoXXai xmpjj 0tXadtX<piwv {MouffeTov xal ßtßXtofi^xi^ Y n. uXß^\ s.
8. 98 u.), 4) TuavoßXXetraJv x. (a. a. 0. n. tmjr\ oTte'; s. S. 78), ö) ^Opftoe-
Ti^vwv X. (a. a. 0. n. 07:8' \ s. 8. 77 u.), 6) AapeeouxcjfujTwv x. (a. a. 0.
n. u7rC\ 8. S. 79), 7) ol iv Atpotg xdrotxot (Mouaeeov V n. ^f>y'; s. 8. 101).
Hierzu noch 8) oe iv Tapaaet xdrotxot (BGH Y 326; Röhl II, 84). -*
Aus diesen Inschriften geht hervor, dafs die xarotxtat eigene Ortsvor-
steher {äp^ovre^) und Einkttnfte besafsen, sowie das Recht hatten, Yolks-
beschlQsse — wenigstens Ehrendekrete ^ zu erlassen. Im Qbrigen unter-
standen sie der Gerichtsbarkeit ihrer Muttergemeinden, denen sie auch
Steuern zahlten. — Das Datum der obigen Inschrift entspricht dem
Jahre 270 n. Ghr.
Xiy. Lydia: Maeonia. ünbestimmbareD Fundorts. 101
Derselbe, a. a. 0. S. 76 n. ^Sa iu Minuskeln. Kemcbaii. Frag-
ment. Im Gorpiaios des Jabres pxC ehrt Menas seine {iarot/) Gattin
Amroia, sowie ~ — und Ammion und Metropo ihre Mutter durch
eine Grabscbrift. — n. ^(ß' in Minuskeln. Toma (Tamasis). Frag*
meot des Grabmals des Theodoros, S. des Demetrios, seiner Mutter Kar*
pime, seiner Gattin Am]mia und seiner Schwester lulia. Das Folgende
rätselhaft: 'Eneedi) dp^[ev?{5)ra}v fiou onXapifülif U'(6)no 'AvSpoveUou
6]ifnj? (7)yaip^ou xtu (8) va/Jidvwv ftpoQ — (9) atpo^*
zoQ fio . — S. 76 n. ^^y' iu Minuskeln. Ebd. Fragment der roh
gemeifselten Votiviuschrift zweier eepoc an den &ebg (oder die Beä) 'Etc^
KooQ* — Vgl. u. a. die unten folgende Weibinschrift n. ^o' von Agjaz-
biren. — n. f^S' in Minuskeln. Ebd. Bauinschrift: Im Jahre <7vC' im
Monat Artemeisios wurde der Altar aufgestellt ;r/9(ivo[]^<ivzv- (3) roc roS
Soußunß ix Tofv idmv (4) r^c vauxopoo. - Waddington i zu Lebas-Wadd.
668 hält Sou/wc (nicht ^ Sofio^^ Leake) für eiu altlydiscbes Wort, voci-
xopo^ s= veatxopog ist neu. — S. 77 n. ^^e' in Minuskeln. Bucblutza.
Fragment. Im Löos des Jahres — — ehren Aur. Eu und R]e-
geina den 28 jährig verstorbenen Dijonysios, S. des Au. Eutyches. In
ider Strafandrohung: (6) - ?f «« röv d^euv -• -(7)- • x]al 'ArdpxvaTeliu • ".
— Aiarknatis = Atargatis ist wahrscheinlich, wie Aua'itis, ein Beiname
der Artemis. — n. ^$<:' in Minuskeln. Indschikler. Im Löos des Jahres
ra errichtet Bassianus, S. des B., dem 96^ Ba^eXt --(2)- iS l^^^^
npoepi4n(p)Q eine Votiviuschrift. — S. 78 n. ^^C' in Minuskeln. Ebd.
Im Hyperbertaios des Jahres ehren ol i]v — ] xaroixoüVTz[^ den
Demo[pbil]06, Adoptivsohn des D., leiblichen Sohn des Menandros, wegen
seiner Verdienste um die Bürgerschaft. - Der Name der xarotxea Z. 2
ist leider zu gründe gegangen. - n. ^$9^' in Minuskeln. Agjaz-biren,
2Va St. n.w. von Kula. Im Xandikos des Jahres px' errichten ol (3) i]v
Jtfioec (ausgekratzte [4] Buchstaben) xdroexot der Meter Leto eine Bild-
säule (7) xar httrayiiv (8) rou 'AnöXXojvog. — Die erwähnte xaxotxia
ist unbekannt. — S. 80 n. ^o' in Minuskeln. Ebd. Im Panemos des
Jahres rs' errichtet Aur. Trophime, T. des Sokylos, dankbaren Herzens
{ßbxf^^f^ouaa) wegen Gewährung ihrer Bitte mit den Ihrigen dem ^eoc
'En^xoog den gelobten Altar. ~ Die bereits Mouaecov xal ßißXco^xy^
III 1/2 S. 170 n. rpe' (Röhl II, 85 o.) publizierte Inschrift wird hier
wegen irrtflmlicher Angabe des Datums wiederholt. — Nach dem Her-
aoag. ist mit Ramsay die Widmung Mouaetov xal ßtßhoBijxyj III 1/2
8. 162 n. rxZ' (Röhl II, 85) aus Kula zu lesen: *Anok(^)i»tvwg äpdX'{2)ag
Bwarfj Be^ söx'Wapeario Ay}r«p. Vgl. die Inschrift aus OrtakOi: Ebxa-
piarw Myjzpi ATjrtf^ Zn if dBovdraiV Buvarä n(ot)eT, — S. 81 n. foa in
Minuskeln. Ebd. Fragmentierte Warnungstafel aus byzantinischer Zeit.
Z. 5ff.: tX riQ Sk ebpe^l^" (6) bIc rag dvniXooQ ? ...(7)ow Ttodjat,
C^ov iiiat • - (8) rm naHvrr xk ndhv bT [rtg (9) eupe^fj xUnriuv ^re
«ae?-(lO);f?3y nouv, iwai —^C^fjUlav (11) voyJtTixaTog ^p-too xk Xdßt (12)
102 Griechische Epigraphilt.
ßouveopa (neu; = Prügel) Hxa, — d. ipoß' in Minuskeln. Ebd. Wid-
mung: EbXoyoufiev (2) unkp 'EpfjLo^/Xoo. — S. 82 n. ^oy' in Minuskeln.
Ebd. Fragment - - likoinoos Ka - - errichtet (?) mit seinem Sohne (udf)
Oaius - "(3) rijv (tt^Xijv & röv ^ebv ---(4) 8(xtüc /i^ d/ivetv rtva^ fi^re
6px/Z[6ev^ (6) ßii^re SpxwfiSrf^v 'fiveaf^€u, — n. ^oS' in Minuskeln. Ebd.
Der My^rpl 'Are/urt (2) xal Mrjvt Tedfi'{S)ou weihen Glykon, S. des Try*
phon, und Trophimos, S. des Theogenes, xar' imrayijv einen Altar auf
eigene Kosten. — Die genannten Gottheiten waren sonach ^Beol <r6/i-
ßwfioe€. Vgl. u. n.^oC* — S. 88 n> foe' in Majuskeln. Ebd. DQrftige
Fragmente der Ebreninschrift auf einen lebenslänglichen Priester und
seine Gattin, eine Priesterin. — 8. 84 n. ^(k' in Minuskeln. Ebd. Votiv-
Inschrift des Athenion an den Men Ax(so)iottenos unkp *0vi^(rtn7i'{Z)s
T^g B(B0)£Bvafiev9)c. — S. 79 n. ^$B' in Minuskeln. Hamitfjeh. Frag-
mentierte Weihinschrift einer reuigen Sftnderin : ^ErotK 'B' fJi^i^^C) nelpee-
rhu (2) 0to86rrj rkuxw[yo(: ---(8) Bpenrip' incdi) dpaplivij (4) räc /?•
pOLg aövili ixa[xa;<ra*(6)ro, xä dnoBayoö(nj[g ahr^Q (6) xk roti rXöxwvoc^
6 [&eög (7) iTreC^njaev napä (8) toü ixydvoo aJt^c, - - - |i: - (9) Utoxt
1 119 xcä dnb vuv t\lXdaaro, — 8. 84 f. n. ^oZ' in Minuskeln. KjJAv^re. Im
oberen Teile zerstörte Inschrift, nach welcher ein gewisser Skollos eid-
lich die angeblich erfolgte RQckgabe eines entliehenen Kapitals (10 000
Denare? Z. 4) mit Zins und Zinseszins au den Apollonios beschworen
hatte. Letzterer hatte darauf die Summe sn die Göttin abgetreten, und
der Meineidige war von den Göttern mit dem Tode bestraft worden
(xoX[d\o&iv*{l2)roQ ouw rou üxuXXou Imb rwv ^6-(13)aiv Iq Bavdroo
Xöyov)^ worauf die Forderung von den Göttern erneuert wurde. Deshalb
iXoeffe (= iköoe) die Tochter desselben, Tatias, robg Spxoug xal vüv
elXa-{l*!)aapev9^ euXoyee Mi^Tpl 'ArejAtri (18) xa} Mrjvl Tedpou, - Datum:
Xann(so)diko8 des Jahres (Ty\ — S. 86 n. ^oi^' in Minnskeln. Meute-
choija. 24 zeiliges Fragment eines Ediktes aus byzantinischer Zeit. Z. 6
wohl Angabe der Veranlassung: - ' iretofjLevwv rd^swv k Securetofibv r^c
xittpy^ - -. Z. 17 werden ^poufievrdptoe erwähnt. Der um seine Ver-
mittelung angerufene Beamte {»'(Ta St' ifiou' r^^ yLtydkr^Q bfioäv xal ob-
pavcou xa - - (8) - - i^c ßa<reXeiac Ic rouro fie 7Tpo)[etpt(fafidvij - -) weist hin
auf die Betdrarot raiv ndmort abroxparöpaiv npbg re Tob[s --(11)-
U']pob^ vofiooQ T<üv T« npoyovwy bfiwv xai npbg r^v tlpfjvtx^ly --(12)--v
TtBp\ ndvra^ Stxauoobvfjv und empfiehlt Bestrafung nur dann, wenn ein
vSptßioc xaryjYopoi vorhanden sei. Im flbrigen ist der Inhalt der Ver-
ordnung äufserst unklar.
XT. Hysia.
Cumae.
i-ai9 Meister, Berl. philol. Wochenschrift 1886 n. 16 Sp. 483/4 nach
'^ einem Abklatsch von Reinach (vgl. Rev. arch. 1885). Inschriftfragment
—40«
XV. Mysia: Comae. Aegae (?). |03
in ftolischem Dialekt. Nach Meisters Lesung: ""ESofe rw ddinp' ineedij
ro dcxaan^pioVf napyev6fis[vov (2) iy Mayvfjaiag xarä rb dtdypa/xfia rb
'AvTeyövw (3) inl ral^ dixatg raig tdtatg^ i^8eS{xaxe naeffat[g (4) auotre-
Xeag dvtY\ß\tuTa}g [xal ^<xa/]a>c, ina{ve[aat - . auotzeXeag Z. 4 fafst M.
als Acc. plur. von auoezi^i^g »frflhzeitig (= schnell) vollendete (auoc =
Lokativ von auwg »Morgenrötec); dve}'[8]eu7(oc als Adverb von dv'iy
SsuTog »ohne Mangel, fehlerlos t (zusammengesetzt mit ij^SeuTog = att.
ix3ei^g; äol. Seüw = att. Seat), — »Da der Antigenes, der den Ey-
mäern vorgeschrieben hatte, Richter von Magnesia kommen zu lassen,
kein andrer sein kann, als A. Monophthalmos, imd dieser noch nicht
König genannt wird, so kann die Inschrift nicht jQnger sein, als 306
V. Chr.; und da sich A. erst 319 v. Chr. nach Verdrängung des Kleitos
in den Besitz der Satrapie Lydien und der Meeresküste setzte (vergl.
Droysen, Gesch. des Hellenismus II, 208 f.), so ist die Inschrift in den
Zeitraum von 319 — 306 v. Chr. zu setzent.
Papadopulos-Kerameus, KE02: XV 1884 S. 56 n. l. Grab-
stele des Dionysios, S. des Artemon, dessen Gerechtigkeit in einem Di-
stichon gerühmt wird. Jetzt im Museum zu Koustantinopel. — S. 66 f.
0.2. Grabstele des Chiers Mentor, S. des Poseidonios, der nach Aus-
sage des aus vier Distichen bestehenden Epigramms die Mutter im zar-
ten Alter von acht Jahren verlor. Mutter und Sohn starben 25jährig
(Y. 6 hat die Abschrift: eixoaanevraerecg); die Erstere war demnach bei
Gebart ihres Sohnes 17 Jahre alt. — Jetzt im Museum zu Koustantino-
pel. — 8. 61 n. 6. Ein zu Kyme gefundenes Ehreudekret des Demos
von Bargylia in Karien auf die Kumäer s. unter Bargylia (S. 40).
Nimrad Kalessi (= Aegae? s. 8.84).
Fabricius, MDAI X 1885 S. 273. Clerc, BCH X 1886 8. 292f.
Weihinschrift auf zwei Epistylen eines in Trümmern liegenden Tempels
des ApoUon Cfaresterios, wonach der Tempel unter dem Prokonsul P.
Servilius Isauricus, Mitkonsul Cäsars 48 und Verwalter von Asia 46 v. Chr.,
geweiht wurde: a: '0 Säfiog 'An[6XAwvi Xp] b: i^tm^peaic ^^apcffrrjptov
(r<üB{€{4n^g r^g liarpeSog] a: unb IlonXtat ZB[potXi(D flon] b: ^/a/ otaß 'hau-
pexä} TW dvBundTQ}. — Vgl. u. a. die pergamenische Ehreninschrift auf
denselben in den »Ergebnissen der Ausgrabungen von Pergamonc I, 76
= ROhl II, 90).
Clerc, a. a. 0. 8. 288. Drei Fragmente eines Architravs, enthal-
tend aufser der Weihinschrift: Toig I![s]ßaaToT[g wahrscheinlich Namen-
reste von solchen, die zur Errichtung des Monumentes beitrugen. ^-
S. 290. Widmung des Antiphanes, S. des ApoUonidas, an den Zeus. —
Basisioschriften zweier nach testamentarischer Bestimmung errichteten
Statuen der Aristonika und Lysagora. — 8. 291. Weihinschrift aus der
Kaiserzeit: 9e<üv | dvoßjL^atwv. — Welche Gottheiten sind gemeint?
104 Griechische Epigraphik.
Myrina.
Pottier und Reioach, BGH IX 1886 S. 172—174. Bronzeplätt-
cheo aus den Gräbern der Nekropole von Myrina io punktierter Schrift,
mit den Namen der Verstorbenen. Letztere sind: S. 172 n. 1 Diodoros,
S. des Poseidippos, n. 2 Apjollonios, S. des Philoxenos, n. 3 Sosibios,
S. des Potamon, n. 4 Matron, S. des Chaireas, n. 6 Eikadios, S. des
ApoHonios, n. 6 Bidax, S. des — utheos, n. 7 — or, S. des Hephaistion,
aus Apamea, n. 8 Leukaios, S. des Derodotos; S. 173 n. 9 Athanaio[s,
8. des — agore — , n. 10 Tfaeodoros, S. des Damantbos, n. U Heropha-
nes, S. des ApoUodoros, n. 18 A]pelles, S. des Athanaios, n. 14 Apollo-
nios, S. des Eleon, n. 15 Diodoros, 8. des Poseidippos, n. 16 Medon, S.
des Pyrrhos, n. 17 Kjritobulos, S. des ApoUonides, n. 18 AJpelles, S. des
Herakleidas, n. 19 Eudamos, S. des Apollonios, n. 20 — xenos, 8. des
— Hos; 8. 174 n. 21 -- leas, n. 22 Peisias, 8. des Dorotheos, n. 23 Me-
nipp[os, 8. des Mag—, n. 24 Da -an — , 8. des Apollo[n — , n. 26 eine
Seite: — aos, 8. des — notos, andre Seite: Dionys -, 8. des Heraios.
— Dieselben, a. a. 0. 8. 186 — 188. 33 Henkelinschrifteu von Ampho-
ren, welche innerhalb oder aufserhalb der Grabstätten gefunden wurden.
— Pottier, BGH X 1886 S. 92. Nekropole. Grabstele der Neikasis,
T. des Theophilos, Gattin des Ikesios.
Elaea.
Reinach, BGH X 1886 S. 329f. GIG 9904 und de Rossi, BoH.
di arch. Christ. V 1867 8. 16 wird unter den jttdischen Genossenschaften
Roms eine awayonY^ ^EXaJaQ erwähnt. Schfirer, Neutestamentl. Zeitgesch.
8. 636 und die Gemeindeverfassung der Juden in Rom 8. 17 bezog den
Namen der Stadt auf das lukanische Velia, ohne dafs von einer jttdi-
schen Kolonie an diesem Orte etwas bekannt wäre. R. bezieht denselben
mit gröfserer Wahrscheinlichkeit auf das mysische Elaia, in dessen un-
mittelbarer Umgebung sich eine beträchtliche Ruine befindet, welche den
tttrkischen Namen Tschifut-Kalessi = iJudenburgt, griech. Eßpeöxaarpo
ffihrt. Jüdische Niederlassungen in Pergamon^ Smyrna (s 8. 69), Ephe-
sus, Phocäa (s. 8. 76) sind bekannt.
Pergamum.
Gonze, Sitznngsber. der Egl. preufs. Akad. der Wissensch. 1884,
17. Jan. WürfelfOmige Basis mit Inschrift in drei Distichen in Gharak-
teren der EOnigszeit; in der Nähe des grofsen Altars gefunden, fahrte
der zuerst von Eirchhoff vollständig gelesene Text (von entscheidender
Bedeutung war das WOrtchen äSe Z. 6) auf die erste Spur der Lage des
grofsen Marktplatzes. Nach dem ersten, verstttmmelten Distichon , in
XV. Hysia: Myrina. Elaea. Pergamam. 105
welchem der Eigenname Apelles enthalten und eine äyopavoii^a erw&hnt
ist, lautet die weitere Inschrift : — iie Bidxropov tTtraro Nu/x^cu^ (4) ^Epy
luj/fß eövofuoQ diBtOfi ^uXaxa' (6) rag Ivsx' AoXßoo xipaxig ß&oiQ id*
dcjfopaloiQ (6) fMyoaet toxtoü repßia ^uBsitra ^povou, — Die Inschrift
stand ohne Zweifel auf der Basis der Statue eines hier als Marktgott
erscheinenden Hermes, welcher ein Füllhorn hielt, aus dem zu bestimm-
ten Zeiten Wasser flofs. In. Gesellschaft der Nymphen, denen anch hier
die Weihung gilt, kennen wir ihn aus zwei attischen Reliefs. iDie Zeit-
angaben hatten den Zweck, den Besuchern des Marktes (äyopaToi) die
Einhaltung gewisser Bestimmungen zu ermöglichen oder zu erleichtern«
welche den Besuch und die Benutzung des Marktes regelten; also zur
Aufrecbterbaltung der edvoiiea beizutragen. Aus den Torbergehenden,
nicht sicher zu ergänzenden Versen dürfte immerhin so viel gefolgert
werden, dafs das Denkmal von einem Agoranomen Apelles in oder nach
seinem Amtsjahr errichtet worden war.c Berl. philo!. Wochenschr. 1884
0. 9 Sp. 284/5. — iNoch andre Inschriften aus der KOnigszeit thun des
Marktes Erwähnung und des im^viaxarog ronos r^c dyopäg in\ xou
ßoffiou Tofj ätbg Too laiT^poC' Conze führt den Nachweis, dafs wir
mit höchster Wahrscheinlichkeit damit den Namen des grofsen Altars
gewonnen haben.« A. a. 0. Sp. 285. — Zweite Pronaossäule vom Athene-
tempel mit Inschrift. - Auf den Vorderseiten der Sitzreihen des Thea-
ters sind grofse Buchstaben aufgeschrieben; nur an einer Stelle ist ein
zusammenhängendes Wort zu entziffern: dtaxaTS^^evat = iganz besetzte
— Maskenverzierter Deckbalken vom nördlichen Eingang in die Orche-
stra des Theaters mit Inschrift, wonach ApoUodoros, S. des Artemon,
ypafipbaraus di^ftou^ rbv nukanfa xat ro iv aur^ ndraurpia dem Jeövuaog
Ka&T^yefuSßv und dem Demos weiht. — Der Erbauer ist durch ander-
weitige Inschriften bekannt.
Ramsay, Sitzongsber. der Berl. archäol. Gesellsch. 5. Febr. 1884
(nach der Berl. pbilol. Wochenscbr. 1884 n. 9 Sp. 285); derselbe, Re-
vue archäol. IV 1884 S. 96 f. und Journal of helienic studies V 1884
S. 261. Aus Pergamon stammendes, jetzt in Smyrna befindliches Grab-
relief mit Darstellung eines Reiters, der eine Schlange füttert, rechts
daneben ein Adorant. Ober demselben Widmung des — , S. des Apol-
IjornoB, eiaee v€wx6poe der Athe[na Nikephorjos, an den Heros Perga-
moe* — Wohl 3. Jahrh. v. Chr.
Sameh bei Pergamum.
Gardner, Journal of helienic studies VI 1886 S. 347 n. 86^; aus
den wieder aufgefandenen »MS. Inscriptions collected in Greece by C. R.
Coekerell, 1810- 14 1. Rest einer Weibinschrift.
106 Griechische Epigraphtk.
Trakhala (V» St. von Somah)
Radet und Lechat, BCH XI 1887 S. 398. Aar. Glykon, 8. des
MaiDon, errichtet seiner Mutter Moschion einen Grabaltar. Ein Frevler
{dvo(acZ. 6) Bi^aee ic rö [Ta'{7)/JLeTov dzTexäc xl^e- (B) Xea^ nsvraxoaeltxc.
— Vgl. zu der Inschrift von QaXa-Dibi S. 85 o.
Sandaina (Tschavdir; 17» St. n.n.ö. von Kirk-Agatsch).
Dieselben, a. a. 0. S. 403. Der Demos UaySniveiTwv ehrt den
Me[no]philos , S des Kleomenes, wegen seiner bei der Verwaltung des
Priesteramtes des Kaisers bewiesenen Frömmigkeit und seiner ^tXodo^ia
gegen die [x\aTot[xia, — Eine alte Stadt Sandaina ist völlig unbekannt.
Adramyttinm.
Willems, Revue de Tinstmction publique en Belgique XXYII
1884 8. 384 ff. giebt einen neuen Abdruck und Ergänzungen zu der In-
schrift BCH II, 128 ff. IV, 876. Ephem. epigr. IV, 213 ff. (vgl. Röhl II.
93). Das Fragment soll nicht ein Senatsbeschlufs sein, sondern ein zu
Rom anläfslich einer Gesandtschaft im Auftrage des Senats durch einen
von einer senatorischen Kommission unterstfltzten Prätor gegebenes De-
kret betreffs eines Grenzstreites zwischen Adramyttium und Pergamnm.
— Foucart, BCH IX 1885 S. 401ff. giebt ohne Kenntnis der vorer-
wähnten Abhandlung selbständige Ergänzungen des Fragments. Abwei-
chend von Willems hält er unter Vergleichung des Senatsbeschlusses von
Oropos "E^. dpX' 1884 Sp. 97 ff. (vgl. 6. 407) das Dekret für den Schieds-
spruch eines durch eine senatorische Kommission unterstützten römischen
Konsuls (Z. 1:^ TimQ eidivai ßouXofiae' Name - ffTp]aT[f)Y]bv [unarov)
in einem Streite der Zollpächter (Z. 6. 7: ST^/ioaew-lvatg]) mit den
Pergamenern, wie ein solcher durch die Verpachtung der Gefälle Asiens
durch die lex Sempronia vom Jahre 128 v. Chr. hervorgerufen sein konnte.
Assus.
Sterrett, Papers of the American School of classical studies at
Athens vol. I 1882 ~ 83, Boston 1885, S. 1 —90 veröffentlicht die von
der Expedition des Archaeological Institute of America in den Jahren
1881 und 1882 gesammelten Inschriften. Zusätze und Verbesserungen
von Ramsay, American Journal of Archaeology I 1886 S. 149—151.
Ar- — S. 3 n. 1. Dorischer Säulenstumpf mit Bustrophedon-Inschrift: 'Api-
ffTdv8pet[a? ^\xtoc. Nach Ramsay, a. a. 0. S. 149 ist Z. 1 zu lesen:
'Ap(ardvdp[ij]c x--. Clarke, American Journal II 1886 .S. 267» 285 macht
den Sättlenschaft zum Gegenstande einer eigenen archäologischen Abhand-
lung und liest S. 273 (wie jetzt auch Ramsay) Z. 1: 'Apiorc^vdpe 1x[Ttyoo?
chaisch
XV. Mysia: TrakhaU. Sandaina Adramyttium. Assos. 107
— 6. Jahrh.? - n. 2. Archaische Felsenioscbrift: Ipov. — S. 4.n. 3 (mit Ar-
Faksim. S. 6). Schon von Allen, American Jonrnal of Philology III 1882
S. 468 n. 12 in Minnskeln publiziertes (Caaer, Delectus* n. 480) Bruch-
stück einer Mafsinscbriift — wohl dee Inventars eines Athenetempels, in
dessen Nähe es gefunden wurde — in ftoliscbem Dialekt (vgl. Röhl II«
94). Hier znerst begegnet die bis dahin nicht belegte ftolische Form der
3. Pers. Flur, von ifip^ = iaat. — S. 7f. n 4. Fragment einer Ehren-
inschrift auf die Schiedsrichter 7*]7>IJ^/bux;^oc Me)f[dyBp%toQ und TyiXiii\aL][og
'A¥oS/Kei[og ans Kebrene in äolischem Dialekt Nach Ramsay, a. a. 0.
Schlufs von Z. 17: e/c räv dy[opdv. 3. Jahrb.? — S. 8f. n. 5. Fragment
eines Rats- und Volksbeschlusses in äolischem Dialekt. Z. 4: ^AvöSixoc
KUoxpdT[etog, Den ersteren Namen möchte Gildersleeve, American Jour-
nal of Phil., a. a. 0. als Kurzform von Ava^idtxog fassen. Z. 7 bietet der
Stein die einheimische Form ^[/]o'tf^ (Vergl. Cauer, Delectns* n. 481.
ROhl, a. a 0.) — S. 10 n. 6. Arg verstümmeltes Fragment unbestimm-
baren Inhalts; äolischer Dialekt. — S. llff. n. 7. Fragment des Ehren*
dekrets einer auswärtigen Stadt auf die Assier wegen Entsendung von
Schiedsrichtern. Vorher herausgeg. von Clarke, Report on the invcsti-
gations of Assos etc. S. 136 n II (Röhl a. a. 0.)- Der Stein befindet sich
jetzt im Museum der schönen Kttnste zu Boston, bat jedoch durch den
Transport viel gelitten. Z. 23 bestätigt die Konjektur von Sterrett: in"
eXd[6vT'\eQ\ Z. 31 hat dentlich ^pdßrjffav^ nicht ^i^Bi^<rav. — S. 18ff. n. 8.
Fragment eines Ebrendekrets der Stadt Stratonikeia auf die Assier wegen
gleicher Veranlassung. Der Name des Schiedsrichters ist '"Apuvdp.svoQ
BpijiTtxXecouc. Die Inschrift fällt zwischen die Zeit der Gründung von
Stratonikeia durch Antiochos Soter (280 — 261 v. Chr.) zu Ehren seiner
Gemahlin Stratonike und dem Jahre 84 v. Chr., wo die östlichen Pro«
vinzen als beruhigt gelten konnten. Vielleicht gestattet die Erwähnung
des Kultes der Roma Z. 22, der nach Liv. 43, 6 in dem wenig nördlicher
gelegenen Alabanda i. J. 170 v. Chr. eingeführt worden war, die Inschrift
um d«s Jahr 150 v. Ohr. zu setzen. - S. 26 n. 9. Fragment einer glei-
chen Insebrift: Die Einwohner von Mylasa und Alabanda ehren den
Schiedsrichter Lanthes, S. des Prodikos. — S. 27 n. 10. Fragment einer
ähnlichen Ehreninschrift; nur erhalten Ober einem von einem Kranz um-
gebenen Ziegenkopf das Wort: Afyadwv. — Ähnliches Fragment S. 28
n. 11. Nach Ramsay, a. a. 0. ist Z. 6 die Ergänzung "i^^r^rjo; unsicher.
Z. 10 ist zu ergänzen: mt äv npoatpjaßvrai ^povoßt. — S. 29 n. 12. Arg
verstfimmeltes Fragment zweifelhaften Inhalts Z. 3: al äfineXot ai iv
rm *FoSt (ohne Zweifel eine Lokalität im Territorium von Assos;
vgl. Ramsay, a. a. 0.). — S. 30 n 13. Fragment einer Ehreninschrift 1 1
des Demos und der in Assos ansässigen römischen Kaufleute auf G. Cae-
sar, prioceps iuventutis (R ei nach, Amer. journ. of arch. I 1886 S. 386
ergänzt statt: 7tdTp<o]ya r^c ^eorriroQ richtiger i}Yeii6\¥a r. y.) und Kon-
sul l n. Chr. Vgl. hinsichtlich des Datums Ramsay, a. a. 0. S. 149 f. —
108 Griechische Epigraphik.
S. 32ff. loscbrifteD der Lollier. S. 82f. n. 14. Sarkophag mit folgen-
den Inschriften : I : Der Demos und die römischen Kaafleute ehren den Hei-
lanikoe, 8. des Athenodotos. II— III desgl. seine Gemahlin Lollia [A]r-
legilla (?), Priesterin und vewxopog der Athene Polias. Nach Ramsay,
a. a. 0. S. 160 gehören I und II der vielen orthographischen Verstöfse
wegen in das 2. oder 3. Jahrh. n Chr. IV Sarkophaginschrift der Hei*
lopis (?), T. des flellanikos, aaf sich und ihre Eltern (yovioofft). Nach
Ramsay, a. a. 0. ist die Ergänzung *EX\Xw[mQ\ unzul&ssig, da nach Q
nnr fttr einen Buchstaben Raum bleibt. — S. 86 f. n. 16. Zwei Frag-
mente der Bauinscbrift eines Q. LoUius Philetairos, Enkels des Hellani-
kos und der Lollia Arlegilla, erblichen Königs und Priesters des Auga-
stus und des Zeus Homonoos, wonach derselbe dem Augustus und dem
Demos eine Stoa errichtete (weniger genau bei Boeckh, GIG 8669 und
Waddington, Voy. arch. 1088). - S. 41 n. 18. Arg verstQmmeltes Bruch-
stock einer Ehreninschrift des Demos auf denselben. — S. 40 n. 16.
Weihinschrift: Lollia Antiochis, Gemahlin des Q. LoUius Philetairos,
ßa4TtXstHTa[4Td\ Marä tA Ttarpea, Ttpaivfi yovatxwy^ widmet rb ßahiv^v xal
rä tnofxeva ribt ßaXai^we der ^A^podeivf^i louk(ai xai rate di^fjuoe. Der
Herausg. möchte unter der letzteren lieber Livia, die in die gens lulia
adoptierte Gemahlin des Augustus, als dessen populäre und vielfach in
den Provinzen göttlich verehrte Tochter lulia verstehen, da die Inschrift
nachangusteiscb ist, lulia aber seit dem Regierungsantritt des Tiberius
in gröfserer Ungnade stand, als je zuvor. — S. 40 n. 17. BruchstOck
einer gleichen Weihinschrift der liOUia Antiochis. S. 45 f. Drei frag-
mentierte Ehreninschriften des Demos und der römischen Kaufleute: S. 46
n. 19 auf ßeäv /l[e]eouiav ^Hpai^ v[£ay, üeßcum^v]^ t^v rou Zeßaarou
9t[ou yovatxa (so Ramsay, a. a. 0.); ebd. n. 20 auf eine euepyivtc zou
xoafjLou; S. 46 n. 21 auf einen ApoUonios, S. des Apollonios. — S.47f.
Drei Fragmente gleichlautender Bauinschriften (S. 47 n. 22 wahrschein-
lich = Waddington 1088 a, ebd. n. 28 wahrsch. = GIG 8670, S. 48 n. 24),
wonach die betreffenden Gebäude aus den Einkauften von Ländereien
restauriert worden waren, welche Kleostratos, uioc nokswQ^ ipdau 6k
'AneXkxwvTtf^y der Stadt zu diesem Zwecke vermacht hatte. ~ S. 49
n. 26. Fragmentierte Ehreninschrift auf einen Wohlthäter der Stadt, der
sich namentlich durch Getreidespenden an das Volk verdient gemacht
.hatte. Wiederherstellungsversuch von Ramsay, a. a. 0. S. 161. — S 60 f.
(mit Tafel) n. 26; jetzt im Museum zu Konstantinopel n. 740. Bronze-
platte mit dem Rats- und Volksbeschlufs der Assier und der römischen
Kaufleute, dem Kaiser C!aligula durch eine Gesandtschaft zn seinem Re-
gierungsantritt Glück wtknschen zu lassen und dem Treueid der Assier.
Den Schlafs bilden die Namen der Abgesandten, eines Römers und vier
Griechen (schon bei Glarke, Report on the investigations of Assos S. 133
n. 1; vgl. Röhl 11,94). Einige berichtigte Lesarten liefert P apadop u-
los-Kerameus, h£01X\ 1884 S. 64^ unten. — S. 64 n. 27. Bruch-
XV. Hysia: Asras. Alexandra Troas and Umwogend. 109
sttteke dreier EhreniosctirifteQ des Demos: a und b auf Kallisthenes, S.
des Hephaistogenes, c auf dessen Sohn Aristias. — S. 66 f. n. 28. Frag-
ment eines ^So^fia nepl rou pij xa^iozaaBm vffdxTopac^, Auf Besehlnfs
des Rats und Volkes sowie der römischen Kaufleute wird TL Claudias
Neikasis, der sich als vo/io^eri^c um die Stadt verdient gemacht hat,
geehrt (schon bei Glarke, Report u. s. w. S. 139 n. 3; vgl Röbl II, 94).
Der Stein, jetzt im Museum der schönen EOnste zu Boston, hat Z. 11:
xa}raif<n^vou r^c; Z. 17 a. £. olp[)[]ov. — S. 68 n. 29. Basisinschrift: 1 1»
Rat und Volk von Assos ehren die lulia Domna (Gemahlin des Septi- "
mids Severas, 193 — 211 n. Chr.), fujrdpa xdarpiüv = mater castrorum;
so öfter aof griechischen Inschriften. — S. 69 f. n. 30. Basisinsehnft: t ss7
Nach Rats- und Volksbeschlufs ehrt der Prokonsul von Asien Caelios
Montius den Kaiser Fi. lul. Gonstantius (IL, 337 — 361). Cael. Montias,
ier 10 unseren historischen Quellen nur als quaestor palatii figuriert,
wurde 868 durch GktUos ermordet. — S. 67 n. 86. Schwer lesbares
Oraffito im römischen Bade; vielleicht: 7<tf* larnipta- x^h^^ (Obotw^
T8[9]fly7arv = noxy^ta* xuki$ u. 8. w. — S. 68 — 71 n. 37—47. ünver-
stindliche Inschriftreste. — S. 73 — 86. Grabschriften, o. 49 'Aaeww
*AifoStxeia^ n. 61 ^Äkixrpa Japej^eta. — n. 48. 62 Adpi^og 'Aexke/Sa^ n. 60
^AxxXsßcbQ Aapi][it}^ n. 68 'Apswapsvoc Aape)[iiiß^ n. 61 ^4^v 'Apuyva/AB¥<o^
n. 64 A3ia ^HpotSa^ n. 66 [n]oaeeSe7t7:oQ Jeo^dvjj^ n. 66 ätoipdvriQ Ato^Vfj^
n. 58 Ttpidv&a "Eparoyivr^^ n. 69 Ntx{ü]3\ripoQ^ *r\nnofie3wv Xopfatvoc^ 0tXt'
xia^ *Apur7(ov Mtda^ n. 65 AoxopyjSrj^ Ava$dvBij^ n. 67 ^AptavlaQ Aa^dou^
n. 62 K^eTop[dx]a^ n. 63 Apeanag^ n. 66 ^OvupLdfjc ^yfieezeg^ n. 68 Mop-
fiarrcog^ n. 67 — atn^og? n. 64 ^EpTjr — . S. 79 n. 70: nonXiwi Ohapltat
üonkloo uuüi Avc^vffeg Axuikaa (schon bei Clarke, a. a. 0. 8. 140 n. 6; vgl.
Röhi II, 94). S. 80 n. 71 Fragment einer Grabschrift mit Strafandrohung;
Z. 9: TV [x\aiidptov, Z. 6/6 ergänzt Ramsay, American Journal of Ar-
chaeology I 1886 S. 161: n^v r]^c yvvatxog'-^ itaparilßepat ro p]v^pa
lä]ijp[ijTpt^ K]6p7jt^ nXoorokVL S. 82 n. 72 Neue Abschrift von CIG 3673
Sarkophag {(Sarfoo) Kkaju{diou | MaxtSovoQ \ xat Kk(aodiag) Nmi^q, S. 86
n. 74 Sarkophag des Alp, Vv^ifwc Mdyvou roZ fdopSop ^Airaeoc und
seiner Familie.
AlexaDdria Troas und Umgegend.
Koldewey, MDAI IX 1884 S. 47. In der Nähe der Stadt; rechts
und Hnks gebrochen: ^Epwffro-. — Grabstele aus den Gräbern 6 Min.
westlich vom tttrkischen Bade Ludscha: 'Eppoxpiaiv | AwxeSaeog. — S. 48.
Ebendort: ASda \ Ntxaai'lS/xo), — Feranli, V> Stunde von Ludscha: K.
Kopvi^XiOQ FparczüQ \ e&ijxa r^v aophy iaurw, — Kiösel^r, zwischen Ale^
zandria Troas und Assos : 7£/o^c.| ^toyu-\(Tou,
Lolling, a. a. 0. S. 72. Bei Kulagli, in der Nähe des Sminäiion,
oach Alexandria Troas zu setzen. Zehnzeilige Inschrift: Aur. Hygianos
110 Grieehische Epigraphik.
ehrt seinen gleichnamigen Sohn oder Enkel wegen seiner Siege im Ring-
kampf und Pankration. — S. 73. Aus Kalagli am Lekton- Vorgebirge,
zu Alexandria Troas gehOrig; nach den Dardanellen gebracht und von
dort wahrscheinlich verkauft Abschrift von Vasilios Kandis. 15 zeiliges
Proxeniedekret auf H^oSpiae /latoßycou Ktavog,
Ilium und Umgegend.
LoUing, a. a. 0. S. 69 f. Oenauere Kopie des von Lebas Wad-
dington, Asie Mineure 1748!<^ nach einer Abschrift Calverts ohne Angabe
des Fundortes publizierten l7zeiligen Fragments eines Tempelinventars.
Dasselbe stammt nach Aussage des letzteren, in dessen Hause in Tscha-
uakkalessi es jetzt aufbewahrt wird, aus der Moschee des von seinen
Einwohnern wegen der Pest verlassenen Dorfes Atschikiöi, neben dessen
StAtte sich die Galvertsche Farm Thymbra befindet. Vielleicht zum ili-
sehen Athenatempel gehörig. — S. 71. Aus Hissarlik (Novum Ilium);
bei Galvert in den Dardanellen: 1) Genauere Kopie der von C. Gurtias
Hermes VH, 131 n. 4 edierten elfzeiligen Inschrift. 2) Fttnfzeiliges Frag-
ment eider Marmorplatte. 3) Äufserst verstümmeltes vierzeiliges Fragment.
Papadopulos-Kerameus, KE02 XV 1884 S. 56f. Aus Hissar-
lik; jetzt im Museum zu Konstantinopel. — S. 56 n. 3: Aouxioq üdveipoc
weiht eine Stele Nefidtn eln^xtü. — S. 56f. n. 4. Gousin, BGH IX
1886 S. 161 f. Proxeniedekret der Hier auf vier Tenedier: Teisandros,
Aischines, Gharoppes, Nikasidikos, Söhne des Aristoxenos; nach dem
Herausg. aus uachalexandrinischer Zeit, doch wahrscheinlich vor der Zeit
Antiochos I.
Sigeum.
IGA499 Köhler, MDAI IX 1884 S. 122 f. Zu lOA 492. Diese furehen-
förmig laufende ionische und attischd Aufschrift des Denkmals des Pha-
nodikos wird um 536 v. Gbr. angesetzt; doch sind die Gründe nicht stich-
haltig. Der Nachricht von der Eroberung Sigeions durch Peisistratos
steht die eben so verbürgte von einer früheren Besitzergreifung durch
die Athener gegenüber (letztere nach Duncker, Gesch. des Altert. VI*
S. 134ff. u. 466 um 610 v. Ghr.). Wenn nun der seinem Schriftcharakter
nach erheblich jüngere athenische Volksbeschlnfs wegen der Kleruchie
auf Salamis (S. 401) zwischen 570 und 560 abgefafst sein mag, so wird
die Inschrift von Sigeion nicht viel jünger als 600 v. Ghr. sein. —
V. Wilamowitz-Möllendorff, Index schol. Gölt. Winter 1885/86
S. 3 f. interpungiert in der Inschrift b: 0avod/xou ei/xl roü flpo-
xov(v)ijaeou xdyto* xparr^a xrX,
XV. Myria: Ilioni. Sigeom. Perkote. Lampsacus. Parium. 1 ] 1
Perkote (Pergaa).
Lolling, a. a. 0. S. 68. Marmorplatte im Besitz des BideNMu-
stapba: itfa]/9c/[woc 2'«-(2)xoc;vdoc Map[et'{S)vefü Ebskndfrat (4) xal r^
ci^Cii^ (6) abroü r6fiiX-{fi)Xi) 9pifJiix[aatv (7) [aürou inoeijaev], — S. 6d.
Qangerlfi« */4 Standen westiich von Pergas am Wege nach Tschanak-Ka«
lessi. Acbtzeilige, schwer zu entziffernde Inschrift (= Lebas 1748 p)
einer Meilensäale mit dem Anfange: 7a> deanönj ^^¥ 0X. KXaod,
Lampsacus.
Lolling, a.a.O. 8.66. (Bechtel, HO 171.) Marmorplatte mit
der einzeiligen Inschrift: V SeTva *AimX]Xo^ve(o^ *HneepoxX^c KXeofinopo
'Epfi^t, — Fttnfzeiliger Rest eines Ehrendekrets aaf den Prokonnesier
De(metrios). — S. 67. Fragmente: 1) atdeoo \ -n^p»»- 2) elfzeiliges
Fragment. Z. 6: ^tupav, 10: fiipo^. — Fttnfzeiliges Fragment der Ehren-
inscbrift auf einen Kaiser. Z. 2: 'Fdtfjaj. — Im Fufsboden der Kapeile
des Hag. Tryphon: Myjrpoxa \ ^ptutg. — S. 68. Sarkophagfragmente:
1) 'Ena^pä rij/v (roplt[v \ ^Ovi^4T]ejjLa} HexouvSa)", 2) "Yv]uouxl Aöp.
2exou¥^ mit Strafiindrohang. — Zweizeiliges Fragment; Z. 2: •-Ssutipa
fjfidpa^ Tpfnj'-. Darunter das eingeritzte Bild eines Kelches; christlich?
Parium (Kamaräs) und Umgegend.
Lolling, a. a. 0. S. 61 f. Tschanak-Kalessi^ im Besitz des Metro*
peilten Nikodemos von Kyzikos; aus Kamaräs stammender Marmorbalken.
Auf dessen Frontseite drei Hexameter: EIji} piv ix (2) fluptou ''OpTu\^
(3) <ro[^]^C ajüTO'(4t)8(SaxToQ^ \ (5) FpaTou ro[5 {^) psydXou, (7) 8ff nduva
(8) XüyoiQ u7so-(9)räaaee^ | tou^ (10) r« no(ijrO'(ll)'}rpd^o[tK] xa[l (12)
Too^ fra[Jla]/-(ld)ovrac dyw''{14)yi — S. 62. Kamar&s. Grabschrift auf
Pompeios Himeros. — S. 63. Ebd. Oriechische und lateinische In-
schriften, von Kiepert abgeschrieben und von Boeckh und Mommsen
publiziert. CIG 3654^ lautet: 7e/7s? (2) A. Axi^¥ttü 0{pp[(o (8) w]x^
aayrec iv ^pou - - (4) unter zwei Querstrichen : 2". MdpxtoQ Mdyvolg (6) '
0pouxTOi 0ou<fxc{c (6) x€u/i]aCo)^r£tfv 0oucx(]\o xrX, »Vermutlich war
Licinius Priester des Priapus.« Dazu Mordtmann, KE02 XV 1884
S. 64 n. 6 die Varianten : 0aixijv/<o und 77. Mdpxtog. Ergänzungen von
demselben MDAl X 1885 8. 207. - CIG 3664« lautet das zweite Wort,
wie Boeckh vermutete, üu^opdrou, — 3654 f.: Xpuaipw^ yXulxurdra}
(2) [ul]w I8iw [0\tXo[xpdTet (3) pvi^p^s X^'^' — ^^^ nnediert bezeich-
net, Jedoch, wie Mordtmann a. a. 0. Anm. bemerkte, mit CIG 3167
identisch ist die Inschrift eines kleinen, angeblich aus Gharaki bei Porto
Palid (Nordwestkttste der Kyzikenischen Halbinsel) stammenden Posta*
ments: "A^sev {=='^A^tav) (2) Z^kopvaia (3) 6ea (4) ^a^ofopto (h) Sv^
i
112 Griechisdie
/90W. — Zwei OrabschriftfragmeDte, deren gröfseres auf einen Sempronios
und seine Qemablin Claudia. S. 64 vierzeiliges Fragment. — S. 62.
Gallipoli; wahrscheinlich aus Kamaräs. Unter dem Brustbild eines bär-
tigen Mannes die Grabsohrift des Tiburtis Markos und Tiburtis Bassion
auf ihren Vater Tiburtis Lukios. — S. 66. Ebd.; aus Kamarfts. (Bech-
tel, HD 115.) Grabschrift: "Exaxairi {^yHpaxhßou. — S. 64f. Sarko-
phag- und Grabinschriften. — 8.64. Beim Emir-Tschesm^, VsSt.
von Kamaräs, am Wege nach ßiga: des Aul. Plumatns f^r sich selbst,
sein Weib Onesime und seinen Sohn Hermodoros. — Ebd.; derKorania
PoUa auf ihren Mann Ael. Menandrus. — S. 65. Ebd. ; - - xal rixvoec
xareffMeOaasv Zaߥ. — Ebd.: 1) ^toyiyßoo, 2) der Tyria Phoibe Lea auf
ihren Ifann T. Montanus. — Ebd. des Opbellios Polion ffir sich selbst
und 'sein Weib Caecilia Dionysia. — S. 66. Dirmendschik, zwischen
Aksäs und Kamaräs. Grabschrift: J[«J$?a]vr[of (2) ßeloxpcrou.
Mord tmann, KE0£ XV 1884 S. 64 n. 6. Grabschrift: *AX8$iau * -.
Zelia.
Lolling, a.a.O. S. 58--60 nach Limnios* Kopieea; nach einer
Zeichnung Mordtmanns Bechtel, HD 114: 1) Vierzeiliger Rest eines
Proxeniedekrets. 2) Prozeniedekret auf einen Ntxa0v (fou[p]iog. 3) desgl.
auf Demophon aus Eresos. 4) auf einen Kyzikener? 5) auf Kieandros
aus Prokonnesos. 6) vier Zeilen: Die Käufer der Land ereien der Flncbt-
linge sollen den Kaufpreis in vier jährlichen Raten zahlen; folgt ein
fUnfzeiliger Rest des Verzeichnisses der Käufer und des Kaufpreises. —
S. 60 f. Vermutlich zu Zelia gehörig. Ghavutzi am Aisepos, iVs Stunden
vom Meer. Kopie von L Alexandres. 15 zeiliges Beamten- (Gymnasiar-
chen?) Verzeichnis »wohl noch aus dem letzten Jahrb. v. Chr.« — S. 61.
»Aus SarikiOi, also wohl ebenfalls nach Zelia zu setzen.« Nach Limnios*
Kopie. Achtzeiliges Fragment einer Orakelinschrift; Z. 1: 7io7(r)d /uav-
reeov dvciduo - -.
Poemanenua (Manyas) und Umgegend.
Mordtmann, KE0£ XV 1884 S. 64f. n. 7. Die Demen, Völker-
schaften und Städte Asiens ehren den Herostratos, S. des Dorkalion.
Das zu Ehren des A. Mucius P. f. P. n. Scaevola (Proprätor von Asien
98 V. Chr.) gestiftete Fest der Mouxteia Z. 5 wird erwähnt von Pseudo-
Asconius in Verr. II, 27. Cic, div. § 67. Verr. II, 21 § 51.
Lolling, a. a. 0. S. 31 ff. In Panderma (Panormos)» aus Eski-
Manyas. 82 zeilige Ehreninschrift auf Demetrios, 8. des Oiniadea. Mach
Z. 28 fehlt eine Zeile entweder auf dem Stein oder in der Kopie. —
S. 85. SQdlich vom Dorfe Jun6ni beim Aisepos. Die 4rufM^u4rcat [Not}-
XV. Mysia: Zelia. PoemaDenns. Gyzicus. 113
tilait]^vw[y errichten ihrem Genossen Menekrates, S. des Androoeikos,
ein Grabmal.
Benndorf und Niemann, Reisen in Lykien und Karien. Wien
1884 S. 154 Fig. 89 n. 128. Erworben in Konstantinopel; aus einer
Roinenstatte 3 St. von Manyas und 9 St. von Balikesser (Caesarea My-
siae). Votivrelief des Menopbilos, S. des Auluselmes, und seiner Brfider
an den Apollon Krateanos.
Gyzicus und Umgegend.
Kartis and Aristarchis, KE0I: XVI 1885 S. 4 n. 2. Fragment
eines Volksbeschlasses, wonach wahrscheinlich dem fläv äyptog eine Bild-
sftnle errichtet werden soll. Die Erwähnung der Phyle der "Ap^aSeeg und
die auch auf Mttnzen von Kyzikos begegnende, oberhalb der Inschrift
eingemeifselte Ziege machen die Herkunft aus letzterer Stadt wahrschein-
lich. Der Tenor der Inschrift wie die Bezeichnung der Endung des
Gen. Siog. der 2. Dekl. durch O scheinen dieselbe dem Ausgange des
5. Jahrh. v. Ohr. zuzuweisen.
Lolling, MD AI IX 1884 S. 22 f. Sarkophaginschriften aus Kyzi-
kos; Kopieen von Dr. Limnios. S. 22 f. der Kallisto Markia und ihres
Gatten [C] Korrtios Dominos. S. 23 der Diokleia und des Sympheron.
— S. 18. Weihinschrift aus Kyzikos; Limnios' Kopie: des Asklepias auf
Apollon. ~ S. 19. In Kyzikos, Limnios' Kopie. Ehreoiuschrift des
npayfwlreuT^g:] Metrodoros auf seinen Herrn Aul. Claudius Caecina Pau-
sanias. — Desgl. äijiiapj^txrjg i^ouc/Ag i^dxeg. \ ^AptoravSpoc Eufievoog |
Toitg iaoTOü ^6¥toy. — S. 24. Desgl. D&rftiges Fragment einer metrischen
Inschrift. — S. 20. Aus Kyzikos, in Limnios' Haus in Artaki. Ehrensäule
aof den Kaiser Hadrian. — S. 18 f. Desgl.» in Artaki, Limnios' Kopie.
Weihinschrift des Sextus Fulvins Atticus. — S. 25. Desgl., in Limnios*
Haus in Artaki. Grabschrift: 'HpaxWdy^g i fJoAuvcxoo» — S. 16f. Desgl.,
in Artaki. Grofse, zu einem Wasserbecken verarbeitete Marmorplatte
mit einer an den Rändern und in der Mitte verstümmelten SOzeiligen
Inschrift aus römischer Zeit. — S. 24. Desgl., in Artaki. Strafandrohung
einer Grabschrift. — S. 26. Auf der Pagathosquelle, vielleicht der alten
Artakie bei Artaki. Best einer vierzeiligen Grabschrift. — S. 17. Ans
Kyzikos, in Panderma (Panormos); Limnios' Kopie. Weihinschrift: *0
^eiva Axe]aTopeSoü | iepwfievog] xoprjQ r^g Uwretpag i Hoaeiddivt x]a^
Atmwfw. — Desgl., jetzt in Panderma. — S. 18. Marmorpostament einer
Säule, deren Bildnis Lucilius Paulinus ri^ vtmxopm narpiSt Imkp Jitpevap*
Xiag weihte. — S. 20 f. Grabstele und Marmorplatte mit zweizeiligen
verstOramelten Aufschriften. — S. 21 f. Würfelförmiger Block mit der
Aufschrift: Edpdvot^ roü V^u/iTtou. — Ebd.; Grabschriften mit Relief-
darstellungen: 8. 25 f. des Menophaues, S. des Poseidippos; 8.26 der
Johrtsbericht für AltertuBswisMiucliaft LXVI. Bd. 8
] 14 Griechische Epigraphik.
Soteris. - S. 25. Ebd. Neue Kopie der Weihinschrfft CI6 S699 nod
KE02 1878/74 o. 6. — S. 26. Ebd. In der von Perrot, Galatie n. 58
publizierten Sarkophaginschrift in Panderroa bei dem Tsabu-Tschesm^ ist
die Lficke in der Mitte von Z. 6 gröfser, als angegeben, und es kann
iarw ahxwt ergänzt werden. — Aus Kyzikos, jetzt in Armenochori. S. 15 f.
27zeiliges Inschriftfragment ; es »scheint Angaben Ober Zölle u.dgl. ent-
halten zu haben, vermutlich ein Vertrag zwischen Kyzikos und einer an-
deren Städte. — S. 20. Rings verstümmeltes Inschriftfragment zu Ehren
eines Kaisers und der Stadt Rom. — Aus Kyzikos, jetzt bei Fr. Galvert
in den Dardanellen. — S. 18. Lygd]amis widmet der Isis ein Altärchen
aus weifsem Marmor. — S. 22 Grabstele der Andromache. - S. 24 Sar-
kophaginschrift des Aur. Theodulos Aquilinias. — In Aidintschik bei
Kyzikos. S. 22: Grabrelief mit der Aufschrift: ^Apt'^yu^oug r^ /JoXe-
fidp)[ou. — S. 23 Sarkophaginschrift des L. lulius Bassus, seines Weibes
Herennia und ihres Sohnes G. Vilius Fronto. - S. 19 Marmorpostameut
mit fragmentierter (metrischer?) Aufschrift. Schlufs: akXatg re zequuQ
xa\ fw(nap][ioLt^ 7wkAcu(S> — In Katatoko, auf der Nordseite der Halbinsel
von Kyzikos, ungefähr vier Stunden von den Ruinen der Stadt Kopieen
von Limnios. — S. 26 f. Grabschrift eines Angehörigen der Phyle Aigi-
koris (also Kyzikeners) mit Strafandrohung. Darunter die Reliefbilder
dreier Musen mit den Beischriften: Polymneia, Gurania, Kalliope; daher
das Ganze wahrscheinlich Grabstein eines Dichters. — S. 27. Zwei offen-
bar zusammengehörige rätselhafte Inschriften, deren einzelne Buchstaben
unter einander geschrieben sind; doch stehen AI ^^^ Ol in einer Zeile,
a: OII2I ^^kkl s\o\p\oi\ TlGJI al,T\o\o? - b: eiZI %Hcl ^\S\pM
TICOITICOINI aflr|o|t/? Rechts ne'ben b 16. 17: AIIT stehen wieder die
Buchstaben OHM; ▼ffl* a I* 2. Die Zeichen in a und b Z. 12 erscheinen
wie eine Ligatur von £ und OJ. — S. 28. Langada im nördlichen Teile
der Halbinsel, ungefähr drei Stunden von der alten Stadt. Kopie von
Limnios. Sarkophaginschriften: 1) des Hermogenes Protektor und seines
Weibes Sminthia (wiederholt von Mordtmann, KE02: XV 1884 S. 62
n. 1), 2) des Sekundos Gorgios und , 3) des lulianus, seines Weibes
Antiope und ihrer Kinder.
Mordtmann, MDAI X 1885 S. 201 f. n. 28. Aus Kyzikos, jetzt
in Konstantinopel. Über der Reliefdarstellung eines Kampfes des He-
rakles (der, hier vielleicht im nächtlichen Streite aus Versehen den be-
freundeten König Kyzikos, den Grttnder der gleichnamigen Stadt, er-
schlägt) Widmung der Strategen und Phylarchen unter dem Hipparchen
Phoinix an Herakles. Darunter die Namen von zwei Strategen und neun
Phylarchen. — S. 203 f. n 29. 2 St. nordw. von Panderma. Der Meter
Tolypiane errichten unter dem Hipparchen Aristagoras, S. des Arignotos,
ein Weihgeschenk : ein StotxTjr^^^ ein ypafifixireugy fQnf dtäxwoe^ ein oivo^
^Ao^. — S. 205 f. ü. 30. Aus Kyzikos (s. S. 402). Unter dem Hippar-
XV. Mysia: Cyiicos und Umgegend. Kepsid. 115
eben Meoestheus, S. des Polyjdes, errichtet dem Poseidon und der Aphro*
deite Pontia ein Weihgeschenk »eine Gesellschaft, welche irgend ein mit
der Fischerei oder Seefahrt zusammenhängendes Gewerbe oder den Zoll
von einem solchen gepachtet hatte. An der Spitze stehen der äpxw)^^^
bezw. zwei »Hauptpftchterc and zwei Geschäftsführer (in} rou j^pi^fiaveff-
fiou); anfserdem werden die elf Teilhaber (jidroj^oi) nnd zum Schlafs zwei
htaywyol genannt«. — S. 207f. n. 31. ErmenikOi bei Takvor. Unter
einer Opferdarstellnng an Artemis Weihinschrift des Glykon, S. des Apol-
lonios, seines Weibes Stratonike, T. des Menandros, and ihrer Söhne
Hermogenes and Glykod an die GOttin. - S. 208 n. 32. Ebd. Grofse
Platte mit Paaren von Fufssohlen. Auf einem derselben Reste einer
Ebreninschrift auf den Kaiser Tiberins. Die Kopie der Inschrift warde
nicht gestattet. — n. 33. Kyzikos. Über der Darstellnng eines beatel-
tragenden Hermes: ^EpfJ^]^ aaxo[^6pog? — n. 34. Ebd., jetzt in Kon-
stantinopel. Weihinschrift des Aar. Dome[tios an ApoUon. — S. 209
n. 35. Ebd., jetzt im Museam za Konstantinopel (vgl. S. 402). Grofser
Block; Grabsteine?) des Diognios, S. des Diogoetos, aas Athen. —
n. 36. Ebd. Zwei vielleicht zusammengehörige metrische Fragmente einer
Grabschrift auf einen Stog 'A[X\el$a]v8polg. — S. 209 f. n. 37. Ebd., jetzt
im Museum zu Konstantinopel (S. 402). Unter einer Reliefdarstellung
Grabschrift zweier Brflder, Dionysios und Theokritos, SS. des Bakchios,
und ihrer beiden Schwäger. — S. 210 n. 38. Ebd., jetzt im Museum zu
Konstantinopel. Sarkophaginschrift des L. lulius Onesiraus, mit Strafan-
drohung. — S. 211 n. 40. Halbwegs zwischen Panderma und Knrschumlu.
Fragmente einer Sarkophaginschrift. — n. 41. Panderma, jetzt in Kon-
stantinopel. Grabstein: ^E^w^ BoanoL — Vgl. Böanwv auf der kyzike-
nischen Inschrift GIG 3668.
Wolters, Rhein. Mus. 41 1886 S. 346f. giebt berichtigte Lesun-
gen zu dem Grabepigramm aus Kyzikos Kaibel 245.
Mordtmann, MDAI X 1885 S. 20 n. 7. Basrelief, angeblich aus
Samos, wahrscheinlich aus Kyzikos; jetzt im Tschinili Kiösck zu Konstan-
tinopel (Reinach, catalogue no. 169). Über dem Basrelief versttimmeltes
Namenverzeichnis, vermutlich Katalog der vioe. Aus römischer Zeit.,
Latyschew, a. a. 0. S. 123 n. 23 weist mit Keil und Mordtmann
die im Museum zu Odessa befindliche Grabschrift GIG 6978 Kyzikos zu
and giebt eine neae Abschrift derselben.
Kepsid (unweit Mandrae).
Mordtmann, KE0I XV 1884 S. 63 n. 3 (= Hamilton 324, Lebas
T, 1768). Nene Kopie der Sarkophaginschrift des Asklepiades nnd der
'Apripxtg mit Strafandrohung. — S. 64 n. 4 (= Hamilton 323, Lebas t '37
8»
116 Griechische Epigraphik.
y, 1769, Eaibel, epigr. n. 341). Metrische Grabschrift des Leonidas und
seines Weibes Aphrodeisia. tcou^ rxß' (der Sollauischen Ära) = 237 o. Chr.
Adrian! (Adranas, Begidscbe-Kalessi).
t 88 Mordtmann, a. a. 0. S. 63 n. 1, unter den »Inschriften ans Bithy-
nienc heransgeg. in den Sitzungsber. der bayr. Akad. der Wissensch. 1863
I S. 201 -241 n. 47). Sarkophaginschrift des KUapxo^ [M£mvS]poo und
seines Weibes A[a\Xä Mijvo{^cAou. Datum: iVjouc po^r' (der Sullanischen
Ära) = 88 n. Chr. - n. 2. Grabschrift der Jolfiua und des /'[evjvdSeg
auf ihren Vater Aneiketos.
XTI. Bitbynia.
V. Domaszewski, der Osterreichische Begleiter Humanns auf dessen
im Auftrage der kgl Akademie der Wissenschaften zu Beriin unternom-
menen Reise nach Angora, hat auf dieser Expedition eine grofse Zahl
von griechischen und lateinischen Inschriften teils neu entdeckt, teils ver-
glichen. Dieselben finden sich zusammengestellt unter dem Titel »In-
schriften aus Kleinasien« in den Archäol.- epigr. Mitteilungen aus Öster-
reich Vn 1883 S. 168—188.
Prusa ad Olympum (Brnssa).
In der Privatsammlung des Herrn Scholer, Konsuls des deutschen
Reichs, finden sich alle dem Besitzer erreichbaren Inschriften aus Bnissa
und Umgegend vereinigt.
V. Domaszewski, a. a. 0. S. 169 n. 3. Basis mit Schlangenge-
winde: 'A^a&^ Tu)[ij (2) TW ßeof xarä imTa'{9)pjv'^A7t^a. — 8. 170 f.
n. 4 (= Rhein. Mus. XXYII 1872 S. 323. Mordtmann, uuedierte griech.
Inschriften S. 318 ff.). Drei Bruchstücke eines Ehrendekrets auf einen
" fierä Toijv auvnpeeßeurwv elff Hjv IraXtav Spfu^l^e/^ (ä 9). — c 7:
- - To]u abToxpdropoQ npoc^rw^ rob^ Tipög ßaatXia MtB[paddTi^¥ - -.
a 3 die Form: drJv, 6: iarJv. — S. I71f. n. 6. Ehreninschrift auf (2)
rbv olxeOTVjv r^c Tmrpedo^ (3) A. ^Eyvdreov Ohtxropa (4) AoXkavhy (5)
Ttpeffßeorijv ZeßaoToUy dv'{ff)Tt<npaTf^Yhv BeiBovia^ (7) xad flovroo. Über
den Geehrten vgl Mommsen» CIL III 6068. — 8. 172 n. 8. Ebd. Grab-
altar: rdeio^ 'ErtcSefK (2) Bdaao^ irwv (3) ^y'. — S. 172 n. 6. Weih-
inschrift des Atoyiwit: 'EJißiou für sich und seine Gattin Metrodora. —
A. a. 0. n. 7. Kopie Mordtmanns. Fragment einer Weihinschrift des
^lovoffoSwpoQ latou. — S. 173 n. 9. Fragment einer Grabschrift: FdetK
'louXta flau-'. — u. 10. Unter einem Totenmahle Grabschrift einer
Maxima auf ihren Sohn. — n. U. Ebenso; auf einen auvxuin^yb^ Se-
cuudus. — n. 12. Kopie Mordtmanns. Grabschriftfragment; Schluft
einer Strafandrohung.
XV. Mysia: Adriani. XVI. Bithynia: Prosa a. 8. w. Mndania. 117
MordtmEDD, Arch.-epigr. Mitt. ans österr. VIII 1884 8. 197 n. 9.
Ehreninscbrift: ^0 [S\fjj[jwQ (2) ^ABijvcuov TetiioBi[oo el'{S)n6vTa xal npd-
$avTa rä äptara. Schon oft publiziert, n. a. CIO 8717, Rhein. Mos. VII
268 ff. n. 71; doch nirgends richtig. — n. 10. Rechts oberhalb der vor-
hergehenden Inschrift eingemauert: ^0 d^yuog (2) äi\ovüatov BaatXßoo (3)
xd]l lYrBav ^Apx^l&oo (4) xa\\ Seoydw^v ^eovuaeo[u. »Sicherlich Vater,
Mutter und Sohn.t — S. 198 n. 11. Ehreninschrift, von der Z. 2 — 7,
enthaltend den Eaisernamen, absichtlich mit dem Meifsel zerstört sind.
(8) ^ Xa[iinp'(9)oTdTij npoo[<ra-{10)ewy noXtQ. — Orabschriften :
S. 198 n. 12. Unter einem Basrelief: Iwa&ivijg (2) Mijv^u, ~ n. 18.
Grabschrift des KaXSeaeog ^HpaxX(^xya auf sein Weib Eta, Der letztere
bitbyoische Name erscheint u. a. GIG 3722^. 3762. — S. 199 n. 15.
Grabschrift eines '-0ew8atpou und Ta{\)e^vou\ vergl. GIG 3831. —
S. 199 o. 14. Verstümmeltes, einzeiliges Fragment
Kontoleon» MDAI XII 1887 S. 269ff. n. 36. Umfangreiches Frag- i.jahrh.
ment der Ehreninschrift auf einen Borger, der zur Zeit des Königs Mi- ^'
thr[adate8 einen Überfall der belagerten Stadt abschlug, derselben viele
Stiftungen verlieh und gemeinsam mit anderen Borgern als Gesandter
nach Italien ging.
Zwischen Brussa und Eskischehr.
V. Domaszewski, a. a. 0. S. 178 n. 18. Ans Ainegöl. Grabschrift
der Polyneike auf ihre Tochter. — S. 174 n. 14. Kursdiumln. Weih-
inschrift der Brflder (6 ddeX^o/) Paulos und Phoibos mit ihrer Mutter
Rufioa an den Zeug ßpovrwv. — Über die nur auf phrygischeo Inschriften
begegnende Schreibung deT = Au (auch n. 33 aus Alpiköi) s. Mordtmann,
MDAI X 1886 S. 13 n. 2. — n. 16. Korkattschesme, vor Bazardschik. t ns
Weihinschrift des Marcus, S. des Galpurnius, und des Hermes, S. des
Demetrius, an Demeter !mkp xapTtwv. Datum: irooc «' M. [Aö]pijXio[ü]
'Avrwvevou = 176 n. Ghr. — n. 16. Ermeni Bazardschik. Widmung des
Pasikrates und Aniketos an den Zeög ßpovr&v, — S. 176 n. 17. Ebd.
Widmung der aovyevig - - lepr^wv an den Z^bg flarntwoc* — n. 18. Ebd.,
aus Toaular. Widmung des L. Atilius lulianus an den Zeug ßpovrwv.
— n. 19. Bozuguk. Weihinschrift: Mi^rpl euj^ijv M^eog Mvj^(oo» — S. 176
n. 21. Inönfl. Grabschrift des Sohnes Zosimos und des Gatten Hermo-
genes auf Alexandra in sechs Hexametern, deren vorletzter unvollstftndig:
ve/fiojüev x^ ^Eppjoyivfjg nSmg iaBXog w . o- Z. 6 liest der Herausg. mit
Unrecht 'nj{y\^e statt r$<i^e. — n. 22. Ebd. Grabstein eines Akin[etos
und seiner Familie.
Madania.
Mordtmann, a. a. 0. S. 199 n. 17. Jetzt in Konstantinopel. Unter
einem Basrelief die Grabschrift der Kaligenia auf ihren Mann Rufus. Nach
M. aus Mudaoia; vgl. GIG 3807.
118 Griecfaische Epigraphik.
Jali Tschiftlik, zwischen Tiiglia uod Dascylium.
MordtmaDD, KE0S XY 1884 S. 73 n. 62. bnleios Polion
errichtet ein Grabmal fOr sich, sein Weib Aelia Aqoilina ond seine Kin-
der; mit Strafandrohung. — o. 58. Jemand errichtet sidi selbst ein
Grabmal.
Nicomed a.
Mordtmann, MDAI XII 1887 S. 169-173 n. 1—3. 5 (nach Mit-
teilungen von Papadopulos-KerameuSi welcher die Inschriften älteren Jahr-
gängen der Zeitung NsöXo^og entnahm ; ursprünglich abgeschrieben von
Ghrestos Papadopulos). — S. 169 n. 1. Aureiios 0^<r(rBoc (Festus) restau-
riert einen Familiensarkophag (rijv npo^ovexi^v fioo no&Xov) fflr sich und
seinen Sohn, mit Strafandrohung, und setzt der xcu/i)^ [Y^ax^^icov (Z. 6;
^Pa[x\fjXa\foü\y\ Z 4) ein Legat aus. Z. 7 wird eine auYY]iiv€[ta\ äpoj^i"
Cava>v erwähnt. ~ S. 170 n. 2. Tuzla bei Izmid. Kytheria restau-
riert T^v npo-jrovixijv Xdpvaxa für sich und ihren Mann, den Hekatontar-
chen ht rai tep<j} naXariw Yalerius Pomponius, der nach 9jähriger Ehe
ihi* ein Kind hinterliefs; mit Strafandrohung. Z. 12 geschieht einer xwivq
'ApßeXXavwv (vgl. 'ApßtXavwv n. 4, 'ApßetXavoiQ GIG 3786) Erwähnung. —
S. 170 f. n. 8. unweit Tuzla. Publia Aemilia Eudaemonia - Octavia be-
stimmt einen ßo^dg für sich und ihren Mann Aurei. Bathyllinos; mit
Strafandrohung. Z. 9: xwfjaj Upi^avaüv, — S. 173 n. 5. Skylax, 8. des
Asklepiades, bestimmt einen ßwfAhg für seinen 60jährig verstorbenen Bm-
der Aristion. — Die vorstehenden Sarkophaginscbriften zeigen mancher-
lei sprachlich-orthographische Eigentümlichkeiten aus sehr Junger Zeit.
Derselbe, a. a. 0. S. 171f. n. 4 (nach Abschriften eines Ungenann-
ten und Hanson*s). Bei Kile Suyu Izmid. Aur. Eugenios restauriert ri^w
nueXov für sich ; desgleichen Aur. Basilissa n^v TtoeaXov für sich und ihren
nach 13jähriger Ehe verstorbenen Mann Aur. Eugenios ; mit Strafandro-
hung. Am Schlufs: xaffjoj 'ApßiXavwv (vgl. oben n. 2). Nach Sprache und
Orthographie den vorhergehenden Inschriften gleichaltrig. — S. 173 n. 6
(Abschrift von dem Bruder des Herausgebers). Basis. Nach Ratsbeschlurs
{Kpi/iart ßouX[^g) ehrt M. Aelius Ulpianus Hieron, Sohn des äp^aofzoc a
ronov Ulpianus Hieron, seine Tochter Aelia Paula -Matrona, eine Prie-
sterin der Athene. — Die Lesung {npwrov) rdnov Z. 10 wird bestätigt
durch die Inschrift von Thyathra BCH X, 416 n. 26 und durch eine an-
dere Inschrift aus Nikomedien GIG 3773, welche von dem Herausgeber
a. a. 0. S. 173 f. in berichtigter Abschrift mitgeteilt wird. Derselbe er-
gänzt Z. 4 : - - oc x{al) dp^ip[u]a[T]ou.
XVI. Bitbynia: Dascylium. NicomediA Chalcedon. Pnisias. 119
Ghalcedon.
MordtmaDD, Archäol.- epigraph. Mitt. aus Österreich YIII 1884
S. 198 n. 21. Angeblich in KadikOi (Chalcedon) gefanden. KanerwXeTvog
""A^ou errichtet zu Lebzeiten seiner Mutter lulia und seiner Tochter (?)
Lyde ein gemeinschaftliches Grabmal (trovBeac^). — C7 = f^wmj.
Kurtis und Aristarchis, KE0I! XVI 1885 S. 6 n. 4. Nach
Rats- und Volksbeschlufs ehrt AbpvjhoQ £aßttyta\ybQ\ Kutvrtavöc, 6 auv-
TleyiQS]* die Aurelia Euphemia, T. toü d$eo^Y[<a]TdToü ßa(nXd[aß]c He-
xoovdeevot/ J<o^v[]^roti durch Errichtung einer Bildsäule. — Wegen der
Erwfthonng eines ßaatlebs (rex sacrificulus) ist die jetzt im Museum zu
KoDstaDtinopel befindliehe Inschrift mit Wahrscheinlichkeit auf Ghalcedon
znrftckiofC^hren, wo ein solches Institut bestand.
Latyschew, Epigrapbische Studien. Ghalcedonische Inschriften.
(Rassisch.) Journal des kais. russ. Ministeriums der Volksauf klärung
1886, Juni, 3. Abt., S. 297—324 mit Tafel. Drei Inschriftfragmente.
Kontoleon, BGH XI 1887 S. 296 n. 1. Weihinschrift: Avxper^peg
TOi hä ßamXscoc (2) Avre^/Xov rou Oeyeerou' (8) AtovoatoQ A/iuvdSa^ (4)
JSwatysi^C I!iv<rtYiu€toc^ (5) diortfiog ätovocioo (6) ^Effveae. -«- Aus Tor^
römischer Zeit. Die Ähnlichkeit des Dialektes von Ghalcedon mit dem
der Mutterstadt Megaris zeigt sich in der Namensform &€- statt &eo-.
Ein eponymer Basileus (ebenso wie in Megara) war schon bekannt ans
GIG 3794. Das hier zuerst begegnende Kollegium der drei dvxpir^pec
hatte die Obliegenheit der dydxptatQ oder der Instruktion der Prozesse.
E. A. Oardner, Journal of hellenic studies VII 1886 S. 164f.;
jetzt im Besitze von Kurtis in Konstantinopel. Auf das Präskript: To(Bb
l[X\a][ov aletfi)f^v ( 2) p^va IloTd/juov (3) xcd iare^vwaaof dyepjova ßouXoQ
(4) ßj^apov AvrtXöxou UoXta[r^aQ' folgt Z. 5 — 14 ein Verzeichnis von
zehn Aisymneten mit Namen des Vaters und der Phyle im Genetiv. Die
Namen der Phylen sind: /JoXta[Ti^a^ Z. 4. 8, Apo-- Z. 5, Ataa-* Z. 6,
napre— Z. 7. 11, Dorrwi" Z. 9. 10, "OXtSv-- Z. 12, 'HpalxXf^aQ'^ Z. 13.
— l^\^ Inschrift scheint Alter zu sein, als GIG 3794, von deren Phylen-
namen hier nur ein einziger wieder begegnet. Es müssen daher mehr
als zehn oder zwölf Phylen in Ghalcedon existiert haben. Der im bithy-
nischen Kalender nicht vorkommende Monat Potamios scheint speziell
chalcedonisch zu sein.
Prusias ad Hypium (Üsküb).
Mordtraann, MDAI XII 1887 S. I76f. n. 7. Den T. Fl(avius)
Pomponius Domitianus Timokrates, dessen Ämter und Würden mit er-
120 Onechiscbe Epigraphik.
staunlicbem Wortschwall aafgezählt werden, ehren die Phylarchen, deren
Verzeichnis sehr lädiert ist Ähnlichen Dekreten gleichen Fundorts gegen-
über weist unsere Inschrift zwei neue Epitheta auf: VXu/imov (Z. 3) und
S7^/jLoaüKmjv (Z. 4). Das letztere begegnet auch in einer andern Inschrift
▼on Üskfib, Ber. d. Mflnch. Akad. Pbilos.-pbiiol. Kl. 1863 S. 220 n. 25,
t 816 die in neuer Abschrift mitgeteilt wird. — S. 177 f. n. 8. Wortreiche
Ehreninschrift der Phylarchen auf M. Aurelius Philippianus lasen, u. a«:
napanifjupayra row xuf}to[v (8) fffJt^]y abtoxpdropa M, Ahp^Xu\y (9) ^Avy
r<ove\Jvo\v [x]a2 Bsioy A. 2enTiiAio\y (10) [2']eo(;$^[o]w xal [r]d^ \lt]pä
aÖT&v arfMireufiarla (11) [i]v r^ t^[c] ^X^^ xaipip inl rijv dyaTok[i^v]^
(12) 7Tp€<rßeu[iravTa] napä Betov A. 2eTtrifuo\y (18) I!€ou^[pov u. 8. w.
Nach den Untersuchungen Waddingtons, BGH X, 405 f. yerbrachte Gara-
calla den Winter 214/5 in Nikomedien. Nach Pmsias kam er, wie Z. 11
lehrt, auf dem Zuge nach dem Orient. Er benutzte also die ^on Niko-
medien ausgehende nördlichere Heerstrafse. Sein Vater, Septimius Se-
verus, kam nach Ansicht des Herausgebers vermutlich nach Prusias ge-
legentlich des Zuges gegen Pescennius Niger und zwar auch von Niko-
medien aus (vgl. Herodian 3, 2, 9). — 8. 179 f. n. 9. Nach Ratsbeschlufs
ehrt den Marcus Valerius lulianus Agrippa, rdv xparunov (7) dnb arpa-
retfbv htmxöv (8) xai dmrpor^plVj dessen Tochter Statilia Valeria Agrip-
piana Pha[d]illa.
Glandiopolis (Boli).
Mordtmann, MDAI XU 1887 S. 180 n. 10. Der Dekaprotos M.
Dom(itius) Philadelphos C^^nxc Iti^-- errichtet der Lucia, L. f., Neike-
Eunomion (?), (6) r^ xp(aTiarjj) nap&evexfj yüvatxe\ die im Alter von 38
Jahren verstarb, eine Grabschrift. Die Angabe des Lebensalters des Stif-
ters fehlt, da der Grabstein zu dessen Lebzeiten seiner Frau gesetzt wurde.
Dfizdsche (antiker Name unbekannt).
Mordtmann, MDAI XU 1887 S. 181f. n. 12. Fragment. Poro-
peia Antipatris ehrt ihren Wohlthäter, --ou x^poQ £[oo'(2)fieXoxev)n^
aiaQ xaX i\napX' (3) y£^(/Aav/ac] Atpxxavr^Q in{[rponov (4) rJoD auTOti
£e߀urrou i7ra[/>-(5)/e/aff laXartaQ xa\ r[«i;k (6) ffövev^rue IBvafV,
Amastris (Amassra).
Mordtmann, MDAI XU 1887 S. 182 n. 18. Für den ewigen
Bestand und den Sieg der Kaiser weiht die ^eXloaeßaaro^ (8) ^^ J9-
fjajrptäg einen Altar durch Zolles, Gorgias und Ghrysus.
Akschar Scbehir (3 St. von Biledjik).
Mordtmann, MDAI XII 1887 S. 182f. n. 14. Kopie eines un-
genannten, mitgeteilt von dem Bruder des Herausgebers. — Andropaxos,
XV\, Bitfaynia: Claudiopolis. AxnastriB u. s. w. XVII. Phrygia: Dorylaeam. 121
(A)phpfaas und Apol(l)onios, Kinder des Li[l]les (?), errichtea ihren BrQ-
dero Aristoteles und Memnou and deren Frauen einen Grabstein unter
Beibfllfe {<T[u]v[T6X]o(u)vToe?) ihrer Söhne Aristainetos und Ghrestos. »Der
Stein verdiente wegen der einheimischen Eigennamen einer Revision.«
Antiooupolis (Tscherkesch).
Mordtmann, KEiPI X\ 1884 S. 74 n. 56. Map]xeav6^, elxsTTjg
Sewv [xaTaj[Boveoj]v, weiht ein für sich und sein Weib errichtetes Grab-
mal dem Aldoneus und der Ge Meter. Spuren von Metrik: xeteofmi Sk
I ie/(^]avov ^ffyaiOToeo ^koyoi - -. — n. 57. Domitiailus, S. des He-
ra[kleides, und seine Schwester errichten ihrem Vater ein Grabmal.
■
Theo.dorupolis (Zafranboli) und Umgegend.
Mordtmann, KE0UXY 1884 S. 75 n. 59. Fragment einer wahr-
scheinlich metrischen Grabschrift. — 8. 74 n. 68. Ana Flusse Wiran
Schehr. Ssuju unweit Ghanköi. Dürftige Inschriftreste. — S. 75 n. 60.
Eski Vl^iran Schehr. Fragment einer metrischen Grabschrift. — n. 61.
Ebendaselbst. Metrische Grabschrift (5 Hexameter) einer Kleopatra und
eines Schwagers auf ihren verstorbenen Mann Gapito.
XTIL Phrygia.
Dorylaeam (Eski-Schehr).
V. Domaszewski, Archäol.- epigr. Mitteil, aus Österreich VII 1883
S. 176 n 23. ViTidmung des ätofdvfjQ Tetjx[i\ou und seiner Familie an
die Göttermutter. [Mordtmaun. MDAl X 1885 S. 14 liest: Mr^rfA i^etov
Kpa[v]oafUYdJiou (Lokalname; vgl. CIG 4121)]. — S. 177 n. 24. Ära,
von M. Aur. Titianos Nestor für sich und seine Familie Mp u}^e]aQ xk
aamjpeac geweiht V4n<f} xk dexetp.^) — n. 25. Ramsay, Journ. of hell,
stod. YIII 1887 S. 504. Zwei Stelenfragmente : ViTidmungen an Herakles
und die Meter. In beiden das rätselhafte Wort MeZeavot. — S 178
u. 29 (GIG 3810). Widmung au Zeu^ ßpovrwv, - S. 177 n. 26. Grah-
stele, yon ^Appca Teepcuou j'uvii für sich zu Lebzeiten errichtet. — S. 178
n. 27. Grabschrift des TeuBpoQ 0tXmntxou auf seinen Sohn TeoBpag.
Thal des Pursak-Tsebai.
v. Domaszewski, a. a. 0. S. 178 n. 80. Beim Dorfe Abassa. Stele:
^Ere^aav l\) *A7t'(2)^ta rbv iaur^c (3) uibv 'AnoXl6'(e)S]oTOV xal .
S. 179 n. 31. Beim Dorfe Earajflk. Grabschrift. Z. 2. 3: TeuBpavro^.
- n. 32. AlpikOi. Grabstele. Z. 1 die Namen JHoxa^ und Taxe(g, —
I) Vgl. zu dieser Bezeichnung Mordtmann, MDAI X 1885 S. Uff. n. 1.
122 Griechische Epign^ihik.
D. 88. Ebd. Grabschrift des Alexandras von Seiten seiner Brftder ond
Kinder. — n. 84. Ebd. Grabschrift der Rinder des Hypsigonos and der
Asklepia auf ihre Eltern.
Mordtmann, MDAI X 1885 S. 12f. Die ^on Fellows (S. 137)
zwischen In Oenfi und Eiutabja gefundene Inschrift CIG 3880 (später in
das Museum zu Eonstantinopel gebracht, wo D6thier, Epigr. von Byzan-
tion 90 und Dumont dieselbe nicht viel besser kopierten) giebt M. in
neuer Abschrift und Beschreibung. Auf der Vorderseite: ^AyaB^ Tü/j^
Beo7^ baiotQ xcu S[t'(2)xaeoeg *^Hp6^tk[oQ (8) flanä eo^^v, — Auf der 1.
Schmalseite: ^AaxkSjQ xa\ ^AaxX7ptä[is (2) oi AaxXijnä Xarunoe (3) Koup'
vaen^voe.
Kaimas.
V. Domaszewski, a. a. 0. S. 180 n. 35. Grabschrift der Aur.
Diaphaneia? — n. 36. Grabschrift dreier Söhne auf ihren Vater L. Cor-
nelius Publius.
Cotyaeum (Kiutabja).
Mordtmann, KE0£ XV 1884 S. 66 n. 18. Berichtigte Abschrift
der CIG III 3815 fälschlich nach Dorylaeum gesetzten Inschrift. Auf die
Grabschrift des 7Vz]rac auf seine Eltern Tatas und Babüs folgen zwei
jambische Senare mit Strafandrahung (bemerkenswert die auch anderwärts
vorkommende Form noaoiaet ohne p) und eine Grabschrift des Tatias und
der Tation auf ihr Kind Tatas. — n. 19. Grabschrift eines Alexandros auf
einen Priester. — S. 67« n. 20. 'ABr/veog errichtet fdr sich und sein Weib
'A^ea mit den beiderseitfgen Kindern Hanäc und ABi^veog ein Grabmal.
— S. 67f. n. 21. Grabschrift des Aöp. 6 Mapewv auf sein Weib ^Affla^
seinen Sohn Asklepiades nnd seine Schwiegertochter ^A^da in Gemein-
schaft mit seinem Sohne ^Emx\Tr^oq nebst Strafandrohung in zwei nnvoU-
ständigen jambischen Senaren, wie oben. Aach hier noffoim (== 7i^o<r*
otaet), — S. 68 n. 22. Grabschrift der üeui^p/va^ Sav&{e)a und Tyia
auf ihre Eltern AT[X]coc iPpoupo^ und Tyfa, — n. 23. Grabschrift eines
Elternpaares (der Name des Vaters A/jJag) auf ihren Sohn Hermes. —
n. 24. Kup{(X)a errichtet ihrem Manne und sich selbst mit ihren Söhnen
Angeas und ApoUonios ein Grabmal. — n. 25. M, üf^arvXXco^ (= Sesti-
lius) n/vSapog und sein Weib Symposion errichten ihrem Sohne Ateimetos
und sich selbst ein Grabmal. - S. 69 n. 26. ^EXntZwv errichtet sich selbst,
seinem Weibe Kyrilla und seinen ftlnf Kindern ein Grabmal. Die Inschrift
enthält u. a. fünf schlecht gelungene Hexameter. Der Herausg. giebt Ver-
besserangen zu der ähnlichen Inschrift CIG 8185™ = Kaibel 367. —
n. 27. Apollonios errichtet sich selbst und seinem Weibe Nana mit sei-
nen Söhnen Aristokles und Papas ein Grabmal. — S. 70 n. 28. Abp.
'louXiavöc x^Xxeög und sein Weib Aur. Diogeneia errichten sich ein Grab-
XYII. Fhrygia: Kaimas. Cotyaeom RetiHer. Prymnessas. Orcistas. 123
mal. Vgl den Orabsteio der Tochter des Anr. lol. CIG 8827 <i. — n. 29.
Ab{p. rde}o^ und sehi Weib Aip. Mfmi errichten einem Kinde ein Grab-
mal. — n. 80. Abp. Atowaoc Ure^dvou errichtet sich and seinem Weibe
Aöp. 'Ap)[e(r:[pdT]i^ ein Grabmal. - n. 31. Grabschrift des Heraklios aof
seinen Sohn Maximos. — n. 82 des Gaios auf sein Weib ^Atpipia^
mit Strafandrohung. — n. 38. Anr. Artemidoros errichtet fflr sich und
sein Weib Ammio(!) nnd seine Kinder ein Grabmal. — S. 71 n. 84.
Grabschrift anf MevavSpog Aio^vrou. — n. 86. Grabmal des Aur. Ale-
xandros für sich, sein Weib Aar. Archestrate und seinen Sohn Aar. Ge-
nadios. — n. 86. 'Apearoßv naatxpdrou errichtet dem Zeoc ßpovrwif eine
Votivinschrift. ""Eroug qn:' = 162 n. Chr. — n. 87. Eine Witwe er-
richtet mit ihren Kindern Tartav\ij\^ Nuv^68otoq^ ÜTpam^xöc^ Ebro^äg^
'Aßi/iea und 'BlTt/^xTi^rtK fflr ihren verstorbenen Mann Zotikos and sich
selbst ein Grabmal. — n. 88. AtoBorog^ BipokoQ^ Iletaäg und Auxroci?)
errichten ihrem Yater Anktos ein Grabmal. — 8. 71 f. n. 39. Eine Witwe
errichtet ihrem Manne Mennas und sich selbst mit ihren Kindern Epi-
tynchanos, Alexandres und Epikarpia ein Grabmal. - S. 72 n. 40. Grab-
schrift eines *EmT[üY^]avo^ auf sein Weib K[u]peka, ~ n. 41 der Aina-
rete anf ihre Eltern Eapolemos und Ape. — n. 42. *E7Tdljra]Boc errichtet
fflr sich, seine Mutter Apollonia und seinen Sohn Theodoros ein Grab-
mal. — n. 48. Ein K€U]<rapoQ SoüXoe errichtet mit seinen Kindern fflr
sein Weib \n]Xaßf{a und sich selbst ein Grabmal. Zar Steinmetzinschrift
AffxX]jj[7i]äg T€(t)pLiou xa\ *AM$avSpo^ ^ArTanev(£)Tc Xarunot vergl. CIG
3820, 4. — S 72 n. 44. Alexandros und Trophimos errichten ihren
Eltern ein Grabmal.
-Zwischen lanlisch und Tschert^.
Mordtmann, a. a. 0. S. 65 n. 10. Grabstein: 'Epfiä fiy^ifiy^^
XdpiV irwv Sixa Sxrm.
Resilier, zwischen Balat und Kilisse-Köi.
Mordtmann, a. a. 0. S. 72 n. 45. Grabschrifl der 'A7te<rete(?) auf
ihren Mann Tatianos.
Prymnessus (Seidilar).
Mordtmann, a. a. 0. S. 51. Bei Ramsay, MDAI VII S. 186 ist
statt XAIMOY zn lesen: Xdpfiou.
Orcistas (Alekian).
Mordtnraan, a. a» 0. S. 73 n. 47. Berichtigte Lesung des An- 1 165
Hanges von CIG 8822®: Aln]oxpdiropa Kaiöopa [M^dpxov Aupi^Xiov *Av- "^^
124 Grieehische Epigrapbik.
[vatitetifov HeßcuTTov; Z. 4: \i(p)fievea»6v^ llap^txdv u. s. w. -> 0^49.
Grabscbrift des Alexandros und Gaias auf ihre Mutter — n. 50 des
yl/]av^C ond seiner Geschwister auf ihre Eltern. — n. 51 Rest einer
Grabschrift. Z. 4. 5 : ddBX^a}t\ - - Kapix<ji,
^ ^ Ramsay (Mommsen), Hermes XXII 1887 S. 311. Eine 98 Zeilen
lange Inschrift, zur Hälfte mehr oder weniger lesbar, ist datiert nach
den Konsuln des Jahres 237 n. Chr. Marius Perpetuus und Mummius
Coruelianus.
Metropolis (Surueneh).
Mordtmann, a.a.O. S. 50 n. 4. Zu der Inschrift Ramsay, a.
a. 0. S. 142. Die von Röhl II, 102 vorgeschlagene Lesung des Epi-
gramms wird durch eine neue Abschrift schlagend bestätigt. Doch möchte
M. RENnrON 7j, 4 7^t^v[üT]ov lesen. Z. 6 hat der Stein fuvna^a.
Harab Oeren.
Mordtmann, a. a. 0. S. 72 n. 46. Aurelios, seine Mutter Appe
und sein Weib errichten dem Zeb^ ßpovrwv für ihre Angehörigen eine
Votivinschrift. Fehlerhaft Annali 1861 S. 187 n. 34.
Docimium (Eski-Karahissar).
Mordtmann, a.a.O. S. 51 n. 5. Die Inschrift Ramsay MDAI
VII, 8. 134 (Röhl II, 102) lautet: Xpuatffjv narplr^y] de/awfiev Joxe/ietov |
^v xzeae fioi Mx[i\^g, Nach M. hält Kaibel n. 666 den Dokimos mit
Unrecht fQr eine mythische Person; vielmehr war derselbe (so schon
Ramsay) ein Feldherr der Diadochenzeit.
Ramsay, American Journal of Archaeology 1 1885 S. I42f. n. 3.
Grabschrift (ein Hexameter und drei Pentameter) eines na-np MaxeSdßV
auf seine Tochter, napHsvov ai8oojv\ mit Strafandrohung: (8) El 8e tcc
el{c) ar^Xi^v ^ ruvßov T^v8e dkirrj-vat^ (9) Ahi ol yevifj re xal mxoc
TT^/iar^ i^ono^ (10) /Javrore vfptid^ouQ naudaff d8upaLfjLevw,
Syooada (Kassaba).
Kontoleon, BCH XI 1887 S. 219f. n. 13 (= Ramsay, BGH VII,
300 n. 24; vgl. Röhl II, 102 u.). Jetzt in Smyrna. Fragmentierter Yolks-
beschlufs zu Ehren des Philonides, S. des Herodoros.
Nacolea (Seid! Gbaai).
Ramsay, Journal of hellenic studies VIII 1887 S. 502; ungenau
Derselbe, Journal of hell stud. III 1382 S. 125, ergänzt von Gom-
XVII. Pbrygia: Metropolis. Docimium. Syonada. Naoolea u. 8. w. 125
perz, Arch.-epigr. Mitteil, aos österr. VI, 52 (Röbi II, 101). VotiviD-
schrift: Kopv^XtoQ (2) 'Avrwvio^ (3) dd 'Pufu^ (4) eÄ/iJv. — Zeus Rhy-
mios hat seinen Beinamen wahrscheinlich von einer Kultstätte.
Derselbe, a. a. 0. 8.501. Petara (Baghlije). Votivinscbrift des
Sokrates, S. des Neikolaos, Hermes und des Caius, 8. des Menophilos, aus
Nakoleia an den Zeus Petaraios.
Derselbe, a.a.O. Kakkabas oder Kakkabokome
iChosrew- Pascha -Chan). Votivinscbrift des Alexandres, 8. des Archilo-
cbos, Kaxxaßoxwfi^c fOr sein und der Seinigen Wohl an die Göttin.
(Etbnikon angenau: Baxxaßoxaf^-njg Ramsay, MDAI VII 1882 S. 182
[ROhl 11, 102]; Mordtmann, KE02 XV 1884 S. 61 n. 5 emendiert:
Baxxaßox€o[/i]^'nj€). — Eine Stadt Kakabas wird erwähnt in den Akten
des Konzils von Epbesos 431 (Mansi IV, 1361). Ihre Lage ist wahr-
scbeiuHch bei Bassara, 1 engl. Meile östl. von Chosrew-Pascha-Oban, zu
soeben. Sie gehörte zum Gebiet von Nakoleia.
Meroa (Kumbet, zwischen Metropolis und 'Nakoleia).
Bamsay, a. a. 0. S. 498 f. Fragment. Mit der Bitte fftr den fiM
ewigen Bestand der Herrschaft des [Gallienus], des Demos von [Prymnes- "
808] und von N[a]k[o]Ieia errichtet — , S. des Appas, iiia[B]atnl[c /a>«
peoßv t]ou KcUffapoQ, seinem Weibe Rhojdos ein Grabmal. Zusatz: 'Eni'
Faioü KwfxT^ (wohl christl. Name; = Altyntasch?)
Ramsay, a. a. 0. S. 513. Inschriftrest: — ATOYKflMHC
Vielleicht liegt der ursprüngliche Ortsname zwischen latoo und — ATOY*
Appia (Aba, n.ö. vom Mons Dindymus = Murad Dagh).
Ramsay, a.a.O. 8.515 in Minuskeln. Haidarlar. Meilenstein; t »s
'Ano '^n\niaQ /i{ckia) i[}''?]; errichtet unter den Augusti Di]okletian und "'^*
Maximian, sowie unter den Cäsaren C]onstantius und [Galerius].
Tottoia (Besch Karisch Eyuk).
Ramsay, a. a. 0. S. 513. Grenzstein: '^Opot To-\TTOj^-\vajv,
Aezani (Tschavdir).
Mordtmann, KE02 XV 1884 S. 06 n. 13. Grabschrift des So-
stbeoes und Rufus auf ihren Vater Tatas. — n. 14 des Menophilos und
Neikomachos auf einen Menophilos. — n. 15 des Metrodoros auf den
26jfthrigen Artemidoros. ~ n. 16 des Monas auf seinen Brader TaUanos.
126 Griechische Epigraphik.
t 80 — n. 17. VoHstftiidigere Abschrift von GIG 3846: ""Eroug 8^\ (2) VÄ]fita
Mapoua fivijiJajQ ^iptv. 80 n. Chr.
Tribanta (unweit westl. von Aezani).
Ramsay, a. a. 0. Zemme. Der alte Stadtname mag herzasteilen
sein in der Votivinschrift: '0 S^/wc o Tpeßa]v7l{]at¥ 'O^riw (2) Jexaew
'Efaj]x64ft £^f(d^£-(8)voc xaBeipw]aev.
Abeicta (Taliniz Sarai).
Ramsay, a. a. 0. S. 514. Menas, S. des M., 'Aßeexr^iwQ errichtet
uTtkp r^c Tpex{ofAt\'(4)oLC ^rofnjpeae xa-(5)} riov i8ewv 9rav-(6)rci>w dem dei
Bsvvtw eine Votivinschrift. - Zu der Trikomia mochten gehören Abeikta,
(Tribajnta and ein dritter Ort bei Otsch Eyuk.
Tiberiopolis (Amet, Hassanlar und Egri 6öz im Quellgebiet
des Amed Su, Nebenflnsaes des Bhyndakos).
Ramsay, a. a. 0. S* 516. Amet Best einer Basisinschrift: -rixva
Ttarpl I xal ^ew rifiij¥, — Waddington setzt auf grund seiner Ergänzung
'Ä\)\xt}pa]vwv in der Inschrift Lebas-Wadd. 1011 Ankyra an diese Stelle;
allein die Inschrift best&tigt diese Herstellung nicht. Die ö/wß^paot
^eoe\ welche Wadd. fttr Augustas and Livia erkl&rt, sind vielleicht Tibe-
rios and Livia. Oder es mochte Tiberius der Stadt die Adoption seines
Namens und die Einrichtung eines Kultes seiner Eltern gestattet haben.
Traianopolis (Giaur ören, 6 engl. Meilen östl. von Uschak
bei Orta-Köi).
^ 1X9 Ramsay, a. a. 0. S. 518. Tscharik-Köi. Ehreninschrift der Tpoüa-
wmoXeerwv noktg auf Hadrian als Euergetes und Ktistes. Datum: Stouq
ad% lajiyüQ) äeioo ß' = Ende Sept 119 n. Chr.
Laodicea.
Clerc, BGH XI 1887 8. 351 n. 6. Denigli. Basis. Den Fl(avius)
Any[t]os, rbv Xafi{iip6TaT0v) [x]6p(7jTa\ diotxy^aavra r^v irtoLp^ov i$ou»
tf/av, ehrt Bule und Demos r^c ^apLiTipordn^e) A€U)dtxewv pa^rponoXstulC'
— S. 352 n. 7. Ebd. Die — Larcia — n^v xparearTjVj T. des Sta[tilius]
Tritonianus, ehrt der Buleut [C] Iuli[us] Paterklos. — n. 8 (ohne Um*
Schrift). Ebd. Fragment einer Weihung der Stadt Laodicea auf einen
Prokonsul in zwei Distichen. — S. 353 n. 9. Eski-Hissar. Fragmentierte
Grabinschrift des Laodiceers M. Aur. Demetrios aus der Phyle Albenais
und seiner Eltern.
1
XVII. Phrygia: TiberiopoHs. TraiaoopolU. Laodicea. ColoBsae a. 8. w. 127
Colossae (Chonas).
Giere, a. a. 0. S. 353 d. 10. Fragmentierte Weihiflschrift des G.
Cl(aiidius) Menandros Flavianus auf seinen Sohn. — 8. 363 f. o. II.
Fragmentierte Ehreninscbrift auf einen M[a]rcu8 on, welcher zwei-
mal im Stadium in den Vküfima ^Ano^Muva^ siegte. — S. 364 n. 12. _t ^
VsSt. von Ghonas. Weihung der Apphia, T. des Herakles, Priesterin
des Zeus Ko , auf den Kaiser Trajan.
Themisoninm? (Karajuk-Bazar).
A.H.Smith, Journal of hellenic studies VIII 1887 S. 226 n. 2. umtsoo
Meilenstein, gewidmet den Augusti Diokletian und Maximian sowie den
Kiaapatv Eonstantius und Maximian. — 8.233 f. n. 14; unvollständig
CIG 3953 m. AlfiouifavcQ ^A7tok'(2)A<oSoc flXsueou (oder [üeu[p]ou) er-
richtet ihren Brfldern Manes und Gbo[r]dades sowie dem Kinde des
Manes, Apollos (? Dat: 'ÄTtoXXwSsi) und ihrem auwpofoc Protion eine
Grabschrift.
Ramsay, The cities and bishoprics of Phrygia, Journal of hellenic
stadies IV 1883 8.370—436, veröffentlicht die Resultate einer von Juni
bis Oktober 1883 in Verbindung mit dem Amerikaner Sterrett im Auf-
trage des Asia Minor Exploration Fund unternommenen Reise zur Fest-
stellung der Topographie Phrygiens. Von ttber 450 Inschriften, welche
kopiert wurden, werden vorläufig 43 der für die Antiquitäten eines jeden
Distrikts wichtigsten mitgeteilt.
Hierapolis.
Ramsay, a. a. 0. S. 376 n. 1. Widmung: fiXcißeavdg (2) 6 xal
MovoT'(Z)ovtg{?) eu^^apearai (4) rfj ^eaX. — Die Göttin ist offenbar Leto;
in Phrygien auch Meter Leto genannt; s. u.
Gonze, Arch. Ztg. XLI 1883 Sp. 94. Jetzt im Berliner Museum.
Heliefdarstellung dreier nach rechts schreitender junger Männer, die, nur
mit einem Schurz bekleidet, jeder einen grossen Hammer auf der Schulter
tragen, von roher Arbeit. Am oberen Rande der Inschriftrest: — g ipiloi^
M«wff und im Felde: ATHAZ.
Gardner, Journal of hellenic studies VI 1885 S. 346f.; aus den
wieder aufgefundenen >MS. Inscriptions collected in Greece by G. R.
Oockerell, 1810-14«. — 8. 346 n. 67. Rest wahrscheinlich einer Kauf-
inschrift des Sohnes eines Asklepijades; Z. 3: dyopd]aac rönov. — n. 69.
Rest der Grabinschrift eines Eutyches, 8. des ApoUonios. — n. 70.
Rest einer Inschrift, von der eine Kopie im Archiv hinterlegt wurde. —
128 Oriechischo Epigraphik.
S. 346 n. 75. Fragment: Jemand errichtet einen ßotfihq xai r^v xar'
oDTou aopoy.
MauoBtov xa} ßtßhoBr^xyj V 1884/6 S. 79 n. im^' in Minaskeln. Die
Zunft der Wollwäscher (H ffe/ivordrij [2] ipyaur/a ratv [3] Iptonhßrwv)
ehrt den Tib. GUaudius) Zoticus als rtputrov ip^'a-n^yolv (neu; = Werk-
fOhrer, Protektor?), sowie als Agonothet und jrpa/i{so)aTsa (10) yaaߥ
Ttt/v (11) iv ^Aatq.^ als npeaßeuripf (13) iydo$ov^ Arcbiereus und Wohl-
thftter der Vaterstadt Die Aufstellung (der Bildsäule) erfolgte seitens
der Kommission raiv mpl Map. Aup. (20) 'AnoXltoutov Se^ (21) IluXwva
xa} Map. Ahp, (22) ^ApLpuavhyß '4^r-(23)avoD St^ zw [%'(2^)xwyoQ Map,
Aupy}h''(2h)'yoQ 'BpfunTtou (26)'OuvTeavou, — S. 78 n. otti^' in Minuskeln.
Die im GIG 3906 unvollständig mitgeteilte Inschrift lautet: EitksioQ ufisev
6 I Ap}[ijyinj^, — S. 6 n. 205 in Minuakeln. Jetzt in Smyma, Museum.
Stein mit Reiterdarstellung (Men?) und der Widmung: Jtowjat--(2)
Tijv ivo/^-(3)v dv(e)Bijxa,
Kontoleon, BGH X 1886 S. 454 n. 8. 3 St von Hierapolis; jetzt
•iv Tip xarä r^v SeoSov r^c EoaYyehxij^ ^X^^^ (doch wohl in Smyma)
ypaxpttip Tob x. /I<tx^i/c. Weihinschrift einer mit einem Adler gezierten
Basis: ät\ luyiaTip rov derdv (2) JtoStopos ßeo^iXouQ (so) (3) crpa-
reuofuvoc,
Mossyna.
Ramsay, Journal of hell. stud. IV 1883 S. 878 n. 2. Etwa sechs
Meilen von Gozyne, in einer von einem Nebenflufs des Mäander gebil-
deten Tbalschlucht Reliefdarstellung der ephesischen Artemis zwischen
zwei Reitern mit dem Inschriftfragment: V d^poQ b Molaauvewu -(2)oc
elg t6 aujrjrlpapfia? — ^ ySt>o-?(3)^i} xa\ öTe^av[or— ?
Dionysopolis (Orta-Köi) und nächste Umgebung.
Hogarth (Ramsay), Journal of hell, studies VIII 1887 S. 377 ff.,
ediert eine Reihe von Inschriften, die teils auf der Trümmerstätte des
Tempels des Apollon Lermenos bei Badinlar (3 St nOrdl. von Demir4ji-
Köi, V% St n.O. von Grta-Köi [Dionysopolis], 1 St n.O. von Develar, auf
dem sfldl. Ufer des Mäander) gefunden wurden, teils mit Sicherheit auf
dieses Ruinenfeld zurflckzufQhren sind.
tM9 S. 370 f. n. 1. Basis. Z. 1 — 6: An6XXw}^a (2) Aatppojyov Bt[bv (3)
hte^av^ xarä i7r[f-(4)ra;^v Xape$ei/o[c (5) MevexXioog [J<o-(6)ve;<i'<mo-
Xekiiljs. — Z. 6 - 16 (späterer Zusatz) : Dem Apollon Lairmenos weiht
(xaraYpd^w) Marcus, S. des Dionysodoros , aus Motelia seine Sklavin
Ammia xarä r^v intTay^^v Beou (Form der Freilassung) ; mit Strafandro-
hung: ei 8e res inevxalXet, (14) Bi^aee lg rhu Bedv Ttpooret' (lb)pLOu [^j^k]
ß^' xal & Tov ^eaxov (16) aXXa [Sijv.] ßf', Datum: hoog aqy' =r 209
XYII. Phrygia: Hierapolis. Mossyna. Dionysopolis. 129
n. Chr. Motella, byz. Metellopolis, jetzt Modele (s. S. 132), liegt inner«
balb des Gesichtskreises jenseits des Mäander; Dionysopolis ist in oder
bei Orta-EOi, Vs St sfldw. zu suchen. ~ S. 378f. n. 2 — 7. Znsammen-
banglose Fragmente von Freilassungsurkunden nach dem unter n. 1 mit-
geteilten Schema. — S. 379 n. 8 — 11. DoHtige Inscbriftreste. — S. 381
—389 n. 12—17. Inschriften in höchst barbarischer Sprache und Ortho-
graphie. - S. 381f. n. 12. Badinlar. — , [7r]o[ö]«ff(?) 'Ara[B]fiiJLd'{2)p]oü,
kpd^ ßtadTaa (3) bnb abrou xk ^fid'(^)pT7^aa iv^xaß xoX'{6)afiiaa inb
70Ü ^£-(6)o5, in\ ü xiaTrjXo\x'\-(l)pdf7^aev 7TaLpay'{8)d^(ov fu^Ssva jra-
(9)ra^/oove?[v röv Beov. Die Schuld des Weibes bestand offenbar im Um-
gang mit ihrem Manne während der Periode ihres Tempeldienstes. —
S. 382 f. n. 13. Ebd. Arg verstümmelt; ähnlichen Inhalts: 'A7ti[UijQ 'AnoX-
k}ajveoo (2) MoreXXyjvbQ i$ofLoXo^oü'(^)^ xoXaaBelc bnb toü ßeoü^ (4)
ine] T^BiXjjaa /xaeve furä (6) yuvexÖQ' Seä robro oöu 7ta'{S)pcaf'jrtXuß [ff]d^
otv fi[ij]Se'(1)m xa[r}a[^p]6[v]fj rip »e^ inl (8) l$et 6[/i\eX3i^u(?y i$ [o5
t]ov (9) aT]ijXdpeov (?) psrä t^c (10) ip[^g] jvvexdg (11) Ba{a]^X]ßoc.
Wahrscheinlich wollte der zärtliche Motellener seine zum Tempeldieost
verpflichtete Gattin zurückbehalten. — S. 383f. n. 14. Ebd. 'ff deewi
Adpij\k/otß ^AnoX(2)X<üveou] 8e(ä) rb ^a/9r)^x-(3)[e]/wer inet np Z^p^l^]
he'(i)T6;^ee xal Serj{X)ßa rijv (6) x<üpaj[u] ävayya kij{&)pov [r-(6)§c dn^
aptfis) >/£.3^ ek Ti^v xJjp7j{v€, (7) ßapayeXaß, pißek xaTa^'(S)peafT^(rei
TW *6Ä<y>, iml i[?]'(9)ee tt^v aeeXt^vO) u. s. w. — Die Betreffende
hatte sich vergangen, indem sie ungeweiht und uneingedenk des Verbotes
(btapd) io den heiligen Bezirk getreten war. ~ S. 386f. n. 16. Ebd.
Nach dem Präskript: Miyag 'AnoXXw Aet/iijv6g' : (2) üö^pov Upb^ xo-
k[Be\t)^ (3) inö ^AnoXXotvoQ Aet'(Z)iirjvoo S[tdL\ r[^] ifmp'(b)r7jvxe)fe.
tmoiarplpoecla (== bnearpe^ffa?) (6) ?(f)^[oc? --(7)- l(^i)8[o]c *A7to[X-
(^)XQßv(e)au Maxtd6{yo)q xai (9) "ApdZovoQ xa{\\ elx6\y\-{\Q)a XB[X\t'
dia(t)^' i^opjoX[oY'(\\)y}adfjL&vo^ ei(nrjXo'ji{pd'{\2)^(Ta 'napa[Y\iXiu{y) /i[iy-
^e]f-(13)c xara^opvijaet in(fiyi r-(14)9; xll'^P^^l ^A\Tt6XXatvoQ (16) Ati\
fuvob. Das Vergehen scheint in dem Umstürzen eines Sessels des Ma-
kedoniers Apollonios, einer Amazonengruppe und einer Statue der Cheli-
dia(?) bestanden zu haben. — S. 387 n. 16. Ebd. [A\up^Xcog (2) Z<u-
77^X0^ (3) Aijpoavpdrou MoTeX[X-{4:)ijvbc xoXaB{e)e[^] inb to(ü) #[£-(5)oe;,
rtapayeXajv fuy^[e?-(6)c avo[/T'|ov dvaß^Tlau] inl rb X'{7)<opt6v - - (8) -
ipXiQ' fy<oye [8* (9) [f[xi^)^(rd^7j¥ (?) inl rb ;|f-(10)ay>/[ö]v. Der Inhalt
ist ähnlich, wie in n. 14. Z. 7 ff. sind dunkel und obscOn. Unter der In-
schrift eine rohe Darstellung zweier Oberschenkel mit Genitalien. —
S. 388 n. 17. Orta-Köi. — xaBap[ßi]oTg xk [B]u(r{aec [i- (2)T/ßiij<ra? tAv
xl6/ocov(?), Tita pu rb ipbv aa}'(S)pa (rafQei(?) xk p' Sna(ßyk dnoxaB^
<n[ij](re (4) T(p ipo^^ ffwpaw 8i^ 3 TrapavyeXXaf pij$'{6)iva lepbv äBurov
oJyozopxov i<fB(iye'((^)tv^ inel nd&cre rä^ ipäe (ßpa^y xoX'(7)daeiC*
Opfer und Heilung nebst Warnung vor dem Genüsse eines nicht geopfer-
ten heiligen Ziegenstückes. ndBm Z. 6 vielleicht = Toi&eTrae (Fut). —
JahTM^trleht für AltertnmtwlBMiiiebaft LXVI. Bd. 9
130 Griechische Epigraphik.
Hierhin gehört auch noch folgende Inschrift aus Badinlar in tadelloser
Sprache und Schrift: S. 389 n. 18: 'AaxXlj^mddi^g 'ATTd'{2)Xou l]epdQ
xoAaff'{3)^et^ u]nd rou irrr^-(4)ave<rr]aroü &€ou (6) 'An6X\kwvog Aap-
(Q)fiJjvoü\ 3]Te nev^Bel^ (V) e/c äno?]Xo[y]eav f}pLd-(S)p'njxev] xal 3ti . . . .
Ist der dritte Buchstabe von Z. 7 thatsächlich ein T, so wäre ein unbe-
kannter Ortsname zu vermuten; wahrscheinlicher liegt ein Versehen des
Steinmetzen oder des Abschreibers vor. — S. 390 n. 19. 20. Badinlar.
Fragmente von Weihinschriften des LoUios an Apol(l)on Helios, bezw.
des Askl[a8? — nios — , lepo^, an Apo[Ilon. — S. 398 n. 36. Ebd. Stele
mit Reliefdarstellung und Inschriftrest: — 6p^t<og xal ^ Yovrj pou Zwaepaj
inoeec. — n. 87. Ebd. Fragment: MorskkqvoL
Ramsay, Journal of hell. stud. IV 1883 S. 383 n. 6. Ebd. Der
Ml3t?r Leto and dem ^Hktog 'AnoXkaiv Aueppj^ifbQ errichtet ApoUonios, S.
des Menophilos, 'ATuoj(wpe{'njc fOr seine Kinder Laomedon und Eiphiä-
nassa (bemerkenswert die homerischen Namen) eine Stoa. Ein Ort Atyo-
chorion ist unbekannt. — 8. 38df. n. 6; vgl. Journal of hell. stud. VIII
S. 40(K Zeive. Dem Apollonios, S. des Menophilos, T<p 8eä yivooQ UpeT
roZ Zoynjpog 'Aoxhjntoo^ errichten seine Tochter £iph[ian]a[s]sa und seine
Enkel ApolQoJnios, Pa[u]lein[o]s und Demetrios ein Heroon. — S. 385
n. 7; Verbesserungen von Hogarth, Journal of hellenic stud. VIII, 390
Anm. 1. Orta-Köi, Moschee. Neios, S. des Theodotos,*^ widmet der Mi^pi
A^fT^iflO) ein Weihgeschenk, Zrt i$ dSovdrtüv duvazä mß(9o)eu Nach
einer nieht zu deutenden Zeile: Mi^rpl Atjt^ ^^XV^'
Hogarth, Journ. of hell. stud. VIII 1887 8.397. Orte-Köi. n. 29.
Orabschrift der TaUa und ihrer Kinder auf ihren Mann Alexandres, S.
des Monas. — n. 30 des Papias (Fem.?) perä roiv ueiatv auf Sopatros.
— Die folgenden Inschriften kopierten Ramsay und Sterrett 1883: n. 31.
Grabschrift des Tatianos III., S. des Menodoros, auf seine Mutter Me[I-
tjine, sein Weib Ammia, seine gleichnamige Tochter und sich selbst —
n. 32. Orabschrift des Apollonios auf seinen Bruder Papias. — n. 33
des Marcus auf seinen Vater Philippos. — n. 34. Orabschrift einer FL
Apphia. — S. 398 n. 35. DUrftige Schriftreste; wahrscheinlich einer
Votivinschrift an den Asklepios So]ter. — S. 392 f. n. 21. Develar. Altar-
förmige Stele mit fragmentierten Verordnungen in betreff der Weinberge,
offenbar im Interesse der Besitzer derselben. U. a. Z. l : h$ dvTdXwv [^
jr]>läiv[a] 1} ii\r6pBov xoitTtv 1} yS^?-(2)ajrT<w abräi — ; Z. 6: iv T[a?]ff
dpniXoiC ßoax^para 1} o[lac ^ (7) äyetp ij xari^tv npbQ t^v ßXdßi^v 4k-
[niXwv — ; Z. 13: xä ivej^upatr/av nodale napä raJu ^e<nrora;[v xä
Bp»(l4)eppdTaßV xk noepdvwv rwv iXeuBipwv» — S. 393 f. n. 22. Ebd.
Altarförmige Stele. A[rte]mon, S. des Diomedes, bestimmt ein Heroon
und einen ihm vom Demos bewilligten Begr&bnisplatz für sich und sein
Weib Cbrysop[oli]s; mit Strafandrohung.
XVIL Phrygia: Dionysopolis and Umgegend. Salada. 131
Ramsay, Joarnal of hellenic studies IV 1883 S. 380 d. 3. Sazak. t sts
Fragment der Freilassangsurkunde eines Sklaven Didymos durch einen
Priester and seine Qattin in Form einer Weihang an "Hko^ {An6XXmyf\
AepfiTjvdc mit Strafandrohung; aus dem Jahre rrc' == 232 n. Chr. —
S. 381 n. 4. Ebd. Rest einer Strafandrohung und Fragment der Frei«
iassungsurkunde eines Hierapoliten und seiner Frau in Form einer Wei-
hang an den — ^AnoXXwv Aapßfjvog mit Strafandrohung. — S. 386 f. n. 8.
Ebd. 7 Zeilen lesbar, enthaltend Namen (häufig abgeleitet von Apollon,
selten römisch) und Beitragssummen. Etwa aus dem Ende des 1. Jahrh.
~ S. 387 n. 10. Bekirla. Sandsteins&ule mit der Ebreninschrift: '0 Sij- t«??
fio^ 6 'lepoTto^stToßv (2) xai 6 B^puo^ 6 Jtovuaonoi^trwy (3) xad] 6 S^
[iwg] 6 BXcußuSecju (4) xal T[b] xoevd[u t]ou "TpyaMa^y (6) T\t^too (Spat.)
ire^m^rav (6) K6t\vTov ÜXaürwv Ohe}>[Sfxa. — Die Inschrift best&tigt die
Emendation Waddingtons, durch welche derselbe Plin., H. N. 5, 29 die
Hyrgaletici Gampi in die Topographie einftlhrte. Das Wesen des Koinon
ist schwer zu bestimmen. Die gemeinsame Widmung verschiedener Stftdte
an den Prokonsul (? ein Q. Plautius mit unbekanntem Ck)gnomen war
Konsol 36 n. Chr.) scheint auf die Anlage einer Strafsenverbindung zu
deuten. — S- 388 n. 11. Demirdji-Köi. Im Jahre at' (wahrscheinlich » t im
126 D. Chr.) errichtet Apol(l)onios, S. des Philomusos, aus Motella (i/o-
TsiA^jvoff) xarä imrajijv r^c BeoQ (= Leto) ein Weihgeschenk. — Der-
selbe, American Journal of archaeology II 1886- S. 23. Khanchallar,
l'/s Meilen nOrdl. von Demirdji-Köi. Qrabschrift der Meltine, des Oly-
i[oo und Eleutheros auf ihren Vater Menandros; mit Strafandrohung: £^
^k rec T^v ^nijhjv (6) xa^ekti ^ /mveaet, i$ee (7) rouc BeouQ havriooQ.
— /laveCetv (neu, von/iavoc abgeleitet) = » beschädigen c. Wohl 1. Jahrh.
n. Chi.
Hogarth, Journ. of hell. stud. VIII 1887 S. 398 n. 38. Seid, zwi-
schen Badinlar und Dimirdji-Köi. Die vdoi bestatten den Grammatophy-
lax Dionysios; mit dem Verbote, einen andern beizusetzen.
Salada.
Ramsay, Journ. of hell. stud. IV 1883 S. 386 n. 9. Kabalar. Der
Meter Sal^sal)udene errichtet Titus Flavius Epaphrodeitos eine Votivin-
schrift. — Derselbe, Journ. of hell. stud. VIII 1887 S. 399 f. in Mi-
nuskeln. Ebd. Mit rohen Portraits und zwischengeschriebenen Namen
bedeckter Stein, den nach Z. 1 — MrjXoxwiv/jziov fpdrpa dveBijxev. Z. 2
sind fiYefwvec MrjXoxaffu/jrliov erwähnt; Z. 4/6 ein Melokomet (und ein
Salodener?) als inefuXijadfievoc, Folgen eine Anzahl von Eigennamen mit
der Bezeichnung MeXoxmfifyaji oder £aXoudeuQ. — Melokome und Saluda
müssen Orte im Gebiet von Dionysopolis oder Mossyna gewesen sein.
9*
132 Griechische Epigraphik.
Anastasiopolis (= Situpolis?).
Ranisay, Journ. of hell. stud. IV 1883 S. 391 n. 12. Otsch Kuyu-
lar. Eid — os, S. des Asklepiades, ^[c'{2)ovu(ro]7[o[X]seT7^Q und sein Weib
Tata errichten ihrem Sohne Rhegeinos eine Grabschrift.
Motella (Modele).
1 1S7 Hogarth, Journal of hell. stud. VIII 1887 S. 394f. n. 23 in Mi-
nuskeln. Attalos, S. des A., errichtet {dnoxaHaTfjtTsv) eine Exedra und
eine axoud am 10. Hyperbertaios des Jahres axa (= 137 n. Chr.). —
Der Monatsname ist makedonischer Herkunft; vgl. u. a. n. 27. — S. 895
n. 24. Fragment einer Grabschrift. — n. 25. Fragmentierte Grabschrift
des Dem[ostratos, S. des MJenogenes, auf seinen Sohn ApoUonios. —
n. 26 (kopiert von Sterrett 1883). Ammia, T. des Bryon, errichtet
1 153 ihren Kindern Bryon und Papias ein Grabmal. >- n. 27 (kop. von dems).
Desgl. Ammia, T. des Menophilos, ihrer und des Papias Tochter Ammia;
datiert: 7. [Djeios des Jahres aX<:' (= 152 n. Chr.). Der Dios ist ein
importierter makedonischer Monat; s. o. n. 23.
Bamsay, Journ. of hell. stud. IV 1883 S. 393 f. n. 14. a: Abp,
EiBojievebq (2) Tevpdxeeg MorekhjvbQ (3) (Tüv[e\(mouSaaev r<j} /^/-(4)^
1987 abrou dSeX^tS[e\lO)' Darunter b: Grabschrift der Aur. Theophiliane auf
ihren Mann, aus dem Jahre rxa = 237 n. Chr. — B. möchte die erstere
Inschrift wegen ddek^, = Mitglied einer Bruderschaft für christlich halten.
Lunda (an der Strafse von Demirdji-Eöi nach Ischeklü).
1 19S Bamsay, a. a. 0. S. 395 n. 15. Isabey (Dorf in Baklan-Ova).
—811
Ehreninschrift auf Septimius Severus, gewidmet von Bat und Volk A\oißV'
diüßv. - S. 396. Die Inschrift Hamilton n. 348 ist in den drei ersten
Zeilen zu ergänzen : W ßolukij (2) x]a} 6 d^fio[Q (3) 6 Aoi}v]Siwv — (CIG :
1 1S8 TpaX\kiwv^ Wadd. ^rpYa\Xea»v). — S. 396f. n. 16. Kavaklar. Basis einer
Statue des Antoninus Pius, welche Apol[l]odoto[s, S. des D[io]doros,
l&lrpa'njyafv r^c narpiSoQ perä roü narpÖQ errichtet bnkp shatßttoüc tTq
Iq rbv Kbptov xcä iptkorttfitag riJQ ei^ rij/y narpßa. — Ob die Inschrift
aus Lunda stammt, ist nicht völlig sicher.
Eumenia (Ischeklü) und Umgegend.
Bamsay, a. a. 0. S. 399 ff. Von den vielen Grabschriften, die sich
hier finden (42 Inschriften wurden kopiert), teilt der Verf. eine Anzahl
aus dem 3. Jahrb. n. Chr. mit, welche schon einen starken Einflufs des
Christentums zeigen. Vgl. uuter XL: »Titnli christiani«.
XYII. Phrygia: Anastasiopolis. Motclla. Lunda. Eumenia. 133
Paris, BGH VIII 1884 S. 283 ff. Ischekltt. A. a. 0. n. 1. Grab-
schrift des AbpfjXto^ Fdeo^ ^A7t[eX]kä für sich, sein Weib, seine Mutter
Qod seinen Freund Onesimos mit dessen Weib, mit Strafandrohung. —
S. 236 f. n. 3. 4 verbesserte Lesarten zu zwei Grabschriften von Perrot,
Revue arch^ol. 1877 und Inscriptions d'Asie Mineure: des Aur. Diony-
sios und einer lulia auf ihren Mann Marcius Eubulus. — S. 286 n. 6.
Oberhalb des GIG 3902 publizierten Fragments sind zehn Zeilen lesbar
gemacht worden, welche eine Grabschrift des Aur. Zotilcos auf sich selbst,
sein Weib Aurelia und einen Bruder enthalten. — S. 236 n. 6 Frag-
ment einer Ehreuinschrift (auf einen Kaiser?). - S. 237 n. 7. Einfachere
Ergänzung der Ehreninschrift auf den an Ehren und Würden reichen
Monimos, S. des Ariston (Letronne, Journal des Savants 1826 S. 830 ff*
GIG 3886).
Mordtmaun, KEiPl" XV 1884 S. 66 n. 11. Ebd. Grabschrift
eines Asklepiades. — u. 12. 'AxukaQ ß' [X\aTun[ö]g weiht Koptwt 'A(txXij'
maß ZiüXTjpi xal Tyeta {^socg iwfjxootQ einen Altar.
Paris, a.a.O. S. 239f. n. l. Emeldjik. Interessante, pessimi-
stisch-epikureische Fragmeute der metrischen Grahschrift eines Gelehrten
in der Friedhofsmauer, an deren sorgfältiger Kopie der Herausg., nach-
dem er einige hinderliche Steine zertrttmmert, durch die von dem Iman
aufgehetzten Dorfbewohner verhindert wurde. Gleichwohl gelang es ihm
noch, einen Abklatsch zu nehmen. — 2V9 + 7 Distichen: Zu Lebzeiten
hat das Grabmal Mo(j{aatQ d\axyi^s}g [l^dtog npayiiartxbQ fOr sich, sein
Weib Tatia und seine Kinder errichtet. An irdischen Schätzen besafs
er nicht viel; ypdppatn 8* rjaxijBrjv ixn[6\vi(Tag perpeocg, mit denen er
seine Freunde ergötzte. Halte niemand Reichtum für beständig, nätn
yäp eeg ^ASi^g xal Te[k]üg iartv titrov. \ ^Eartv reg fis^rotg tov iv xr^ßiatriVf
00 nXiov 6uTo[gy \ raurb /xerpov yahjg 7:pb{g] rd^ov ix8e[)[\erat, \ Zneu^
Sere, t^v 4^^Z^^ eä[fp]/oaAer£ ndvTore _ ^ | w\g ^Sug ß{oTog^ xal pirpov
i^l Co^c xrX. — S. 241 n. 2. Ebd. Grabschrift auf die BrOder Theo-
genes und Meliton, errichtet von des letztern Sohn Gaios Zotikos. —
S. 242 n. 3. Dorf Dede-Köi. Grabschrift des Markellos, S. des Mar-
kos, auf seinen Bruder Damas und seine Mutter Apphia. — S. 244 n. 6.
Tschivril. Grabschrift des Diodorus auf seinen Sohn, den Soldaten Fl.
Diodorus. — n. 7. Grabschrift des Sohnes eines Demetrius mit Straf-
androhung. — S. 246 n. 9. Aldan. Ehreninschrift des Demos auf Ger-
manicus, nach dessen Konsulat (12 oder 18 n. Chr.). Hier begegnen zu-
erst drei Archonten in Eumenia; der Name des Einen derselben, Her-
magenee, fehlt bei Pape. — S. 246 n. 10. Grabschrift der Ammia auf
sich selbst, ihren Mann Damas und ihre Kinder Euandros und Stratonike,
njit Strafandrohung. — S. 246 f. n. ll. Grabschrift der louXea Mr^rpo"
^atpouj Ebfuver/g^ auf sich selbst, ihren Mann Faustus und ihre Kinder
Zotikqs und Alexandres mit deren Weibern. ~ S. 247 n. 12. Grahschrift
134 Griechische Epigraphik.
4as EnxenoB auf seiDe Eltern Eax. und Apphia. — S. 248 n. 14. Ge-
seljesfl. Grabschrift des üam^ac 'ArrdXoo Vpyalebg auf sein Weib Tata.
Mit Recht bezieht Ramsay, American joorna] of archaeology n 1886
S. 23 das Ethnikon auf den selten vorkommenden Namen Hyrgalea (s.
»Koinon der Hjrgalischen Ebenec S. 131). ~ n. 16. Grabschrift eines
Tryphon auf sich nnd sein Weib. ~ S. 252 f. n. 21. Jamanar. Grab-
t^se cippus einer Familie mit folgenden Inschriften: l) ^£rwc rx' (320 der
Sullanischen Ära = 236 n. Chr.) und Name des Familienhauptes, des
Veteranen Aur. Dionysios. 2) Grabschrift seines Weibes 'louXia IbBolot^
IlpBtZijVTj nnd seines Sohnes Straten auf ihren Mann und Vater. 3) Eigne
Grabschrift des Dionysios und Straten.
S e b a 8 1 e (Se vaatle-Sedjikler) .
Fünf Stunden von IscheklU (Eumenia) auf dem Wege nach üschak,
am FuTse des Bulgas Dagh, liegen zwei Dörfer, Sedjikler und Se-
vastle. Letzteres liegt auf der Stätte des alten Sebaste, wfthrend in
Sedjikler sich die Nekropole der alten Stadt befindet (Paris). — Nach
Ramsay nehmen die drei Dörfer SeljOkler, SivaslO nnd Bunarbaschi die
Steile des alten Sebaste ein.
t905 Paris, BCH VII 1883 S. 449 f. Sevastle. Der Memmia Aristo
Teuthrantis, dp^^cdpeea t^q ^Aatag (des Augustus und der Roma) errichten,
nachdem ihr diese Ehre durch wiederholten Rats- und Volksbeschlufs zu-
erkannt worden war, ihre Sklaven und ihr Pflegevater Kl. Memmios Kyros
eine Statue. Datum: Stouq <mB' (so nach Ramsay, Journal of hellenic
studies IV 1888 S. 411; Paris: nB') = 206 n. Chr. — S. 462ff. Ebd.
1 99 Verzeichnis von latkBovrBQ [B\lg x^y yspouaiav aus d. J. pny' == 99 n« Chr.
Dasselbe enthält auch die Namen dreier Frauen aus jener Erzpriester-
familie: lulia Teuthrantis, Klaudia Teuthrantis und ihrer Tochter lulia
luliane. — Zu diesem Gerusiastenkatalog geben Ramsay, a.a.O. und
Mordtmann, KE0JS XY 1884 S. 51 n. 7 einige verbesserte Lesarten:
Z. 2/3 R.: 'AiTxhjmdSou roü 'Epfioyevoug statt 'AffxXijmddou ^ Eppuoyiyoog^
Z. 6 R.: ßeoyemjQ IJanä statt BsoyivvjQ [ Jt^a, Z. 30 R. und M.:
Hhjvö^eXo^ ß' (= Mfjy. roü MijvoiptXotj) Aim8o<: statt M^iv. BXentBoQ^ Z. 82
R. und M.: OUytuv statt lAEFAN, Z. 40f. col. 1 R. und M.: Aki^av-
Spog JUeUzwvog AovyeTvog \ At6S(upoQ SavficTtnou, Z. 40 col. 2 R. : ü^vo-
xperou rou xal Movravoo {J^ deutlich sichtbar) statt limoxptrou rov xa}
Novrdvoo^ Z. 42 M.: 'Apj^ex[p]dTou statt Aii^txdrouy M]ovTavou statt
NON— , Z. 46 M. : rdX^oc sUtt TEMIOZ ; doch sind nach R. die
1 34» beiden AA zu M verbunden. — S. 451. Ebd. Rat und Volk ehren den
Q. Memmins Charidemus Teuthras, Aala^ dpxupewv iyyovoy^ iponij Spe-
OToy fii^opa. Die Statue ist errichtet von seiner Mutter Statilia Kalli-
gone i. J. rxfi' = 245 n. Chr. Z. 10 ist nach Ramsay, a. a. 0. npoiHfi^
XVII. Phrygia: Sebaste. Dios Kome. Acmonia. 135
aofievi^Q statt noei^aafievf^c zu lesen. Die Inschrift, die 40 Jahre jlknger
ist, als die obige, giebt einen neuen Beweis fQr die Erblichkeit der Erz-'
Priesterwürde in einer und derselben Familie.
Ramsay, a. a. 0. S. 410 n. 26. Ebd. Im Jahre uoß' (»= 388 tsss
a. Chr.) erwirbt A]ur. Pau[ll]os Eageni — , S. des Hermago[ras, ein He-
roen. — Wegen des Ausdruckes iHeroonc in einer so späten Inschrift
wohl nicht christlich; auch würde ein Christ seinen Namen wohl gleich
dem des Apostels geschrieben haben. Andrerseits begegnet jener Aus-
druck in der christlichen Inschrift Lebas 785 vom Jahre 353. — A. a. 0.
Lebas 730 Z. 3 ist zu lesen: KX[ouj]Seav Nedp^oo^ Z. 5: /^/av, Z. 20:
Paris, a. a. 0. S. 466 f. n. 2. Sedjikler. Aristion, Theoxenes
(Bamsay vermutet Theogenes), Metrodoros, Euagoras errichten ihrem
Vater bzw. Sohn^) Attalos ein Grabmal.
Etwa 4 — 5 engl. Meilen nOrdl. von Sivaslü liegt ein Qehöft Paya-
malan, dessen Wände mit Inschriften bedeckt waren, die aus einem Trüm-
merhaufen etwa eine Meile westlich stammen. Dort finden sich Spuren
einer alten Stadt (Palaio-Sebaste), wahrscheinlich der ersten Anlage
von Sebaste.
Ramsay, a. a. 0. 8. 413 n. 28. Fragment einer Ehreninschrift aus
spftthelleaistischer Zeit. Ist die Ergänzung nav[B]i}via(^ =: navdotvtatc
Z. 8 richtig, so würde diese Schreibung ein bemerkenswertes Beispiel
für u = <;r im 1. Jahrh. v. Chr. abgeben. — n. 27. Arg fragmentierte t m-st
Ehreninschrift auf den Kaiser Tiberius.
Dios Kome (unweit n.w. von Seljükler).
Ramsay, a. a. 0. S. 415 n. 29. Tabaklar; Herkunft des Steines 1 346
unbekannt. Dem [Kaiser M. lulius Philippus (der Name ist ausgekratzt)]
und dem gesamten Hause der Ießa<n[ot errichtet ^ (6) ätoaxwfi\yir\at¥
xaroexfa (7) r^Jc kafinpordTTj^ 2e/9a[<7-(8)r])^vttiw TTokewg ein Denkmal;
folgen die Namen der inc/ieAijaafjLevwv, Datum: £touc tX' ^ 246 n. Ohr.
Acmonia (= Ceramon Agora des Xenophon).
Ramsay, a. a. 0. 8. 415f. n. 30; ausführlicher derselbe, Ame- tc^^re
rican Journal of archaeology I 1885 S. 146-149 n. 5; wiederholt Journ.
of hell. stud. VIU 1887 S. 465. Shabban, ungefähr eine Stunde n.ö. von
Akmonia. Ehreninschrift auf L.] Servinius L. f. [Aemi]lia Cornutus, einen
1) Nach Ramsay, a.a.O., der diese Inschrift nicht su Gesieht bekam,
offenbar irrtümliche Auffassung. >It must be read learpl ^doriicv^ on the
supposition that the engraver bas twice engraved TE.c
136 Griechische Epigraphik.
der drei Legat! Augusti pro praetore unter dem Prokonsnl M. Aponius
SaturninuB. — Zum teil durch eine Verbesserung Waddingtons, zum teil
auf grund einiger von Wadd. publizierter Fragmente (Lebas 750. 751),
die sich auf denselben Geehrten beziehen und wahrscheinlich zu verschie-
denen Ehreninschriften des Grabmais gehören, ist eine vollständige Re
staurierung der Inschrift möglich. Das Fragment Leb. 751 (ßrunnenin-
scfarift auf der Strafse zwischen Islam-Köi und Ahat-Köi) ist- auf grund
einer neuen Abschrift R.'s herzustellen : MxmfBpov in\ rwv xX>jpo\fo]fjuxwv
Sexatmjp/wv {= decemvir stlitibus indicandis; die Übertragung ist neu),
ra/i/a[w] 8i^fio[u 'Pw/iaewv inap^tiaq KuTzpou (2) ot /'ov]£?c abrou rb
^<pov xareaxeuaffav; das Fragment Leb. 760: — Al\fid{qL Ko[pvouTou
— (2) — C^4T]avTd [re xoofiiwQ xal — und ein von Sterrett kopiertes
Fragment (Susuz-Köi, Kirchhof) : — aT]paTrji[Y\6g^ rtpsffß^uTijc xal dv«-
arpdrrjYo^ — . Der Text unserer Inschrift ist demnach herzustellen: — ^
;ro^£C] ilreifjjjaev (2) Ao(}xt]ov ZEpouijvtov Jo[uxcou ulbv (3) Alßie]Xi^
KopvouTOVf 8e[xavdpov (4) in]} rwv xhjpovopcxwv Sexa\(m^p{<oVf (5) ra-
pJav d^ßOü 'PcjßJLcUoßv ina[pj(e{a^ (6) Kurtpou^ dyopavdpoVy (rrpanj^olv, (7)
np^aßtoz^y xa\ dvretrrpd'njYolv (8) Mdpxm ^Antüveo} Uaroupveeva» )i(Tt[av^Q
(9) inap^siaQy rbv kawnJQ eöepYez[ijv, — M. Aponius Saturninus war
nach Tac. Hist. ein hervorragender Parteigänger Vespasians im Kriege
mit Vitellins. Tac. nennt ihn »consularis« ; doch ist das Jahr seines
Konsulates unbekannt. Wahrscheinlich war er unter Vespasian Prokonsul
von Asien und ist vielleicht als 96. oder 97. in die Liste Waddingtons
(Fastes des provinces d^Asie) einzuschalten. — Der Familienname Ser-
vinius Cornutus begegnet sowohl in Akmonia, wie in Ancyra (Galatien).
Ein Inschriftfragment von Akmonia (GIG 3858 add.), neu kopiert von
Ramsay, lautet: — r^ xotvbv FaXarwv — . Die Beziehungen einer so her-
vorragenden Persönlichkeit, wie des L. Servinius Cornutus, zu beiden
Städten mochte das Koinon veranlafst haben, eine Inschrift auf sein
Ehrenmonument zu Akmonia, wo er ohne Zweifel stationiert war, setzen
zu lassen. — Vielleicht bezieht sich auf denselben auch das Fragment
Leb. 766 : — rapJav dr/pLOo 'Faßfia{a}]v ina[p^ecag Kunpou — (2) — I!]a'
To[o]pv(iv)oo7 —
Alia (bei Kirka, zwischen Susuz-Köi und Hadjimlar).
1 170 Ramsay, a. a. 0. S. 417 n. 31. Kirka. Marmorstele mit Relief-
bild des Gottes Men in halber Lebensgröfse, leicht nach rechts gewandt,
mit hoher phrygischer Mütze, den Halbmond auf der Schulter und der
Votivinschrift: (2) Mijvl JI<Txa]y-(3)v^ (4) ^pdrpa ^HXt'(JS)ofmvrOQ (6)
'AvTiö^ou (1) xal novne- {8) eou Map- (9) xo- {10) u (2^) dve&ijxav. Datum:
Iroug avd' (= 170 n. Chr.). ~ Der Kultus des AskaSnos begegnet in
Eumenia, Sardes, Aphrodisias, Apollonia (s. S. 140) und Antiochia in Pi-
sidien. Sein Bild findet sich auf Münzen von Alia.
XYII. Phrygift: Acmonia. Alia. Hierocharax,
137
Hierocharax (lacharatax bei Hlerokles offenbar verderbt, viel-
leicht richtig: Atyo-Charax, [Ch. = »Einpfllhlangc]; Anklänge in dem
Dorfnannen Oturak, TrOmmer bei Kilisseh; sfldl. vom Dindymos und östl.
von Traianopolis zu suchen).
* Ramsay, a. a. 0. S. 419ff. n. 33. Oturak, Marmorstele. fiu
iA
Seite I.
9* ivroAdf di9avar»i>,
<i fyuf tfiM 6 XaX&v nd-
yra %HißarftQ '£««-
'a6v 6- (Zerstörtes dSdua-
*0ß' Relief; an TOi ^
a IC (= iif ?) dessen eoi xk
7ar[/9^(? Stelle ein i]v 5-
äXTj[^iea'7 rohge- potf
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TtftTfffau Kreuz.) p opOO'
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toi¥ ßacä^wt^ ' *Ap]^ttpi'
a (E)xtTuv^atvov ripyjSi'
"ra ötco ^€&t» d^avärtüv
«5 xÄ ('£)]rcr{;v;|favoc xk Tärto-
V {>)u>^ xk Td rixva aör&v
"Ov^ütßoc xk *AXi$audpof
ü ^AüxXäQ xk (E)ntruvxavoq.
36
1»
Relief;
Reiter
nach
rechts»
eine
Streitaxt
auf der
Schulter
tragend.)
30
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[X^Xnix"
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npwro"
Seite II.
TipTi^li öxd ^Exd'
]foti ädou
(Relief: «^ ^'< ^P^'
Six9h\tn''Apxyir^ro[u
haupt. dÖTOÜ d-
Zerstörtes ^^ ^^.
(Relief
Brust-
bild
mit
über
der
Brust
gefal-
teten
Hän-
den.)
iXaß-
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ts XP'
fiod-
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dfirtf
. ouro ixw i&'
d&aud'
vroiv *
roi nptü-
epl x[a]-
vat üiw
Tarcci
<It>m«
xvOy xa-
yopa,
V 'A^d'
varov ^Entxuyx^^oy dpx^P'
Seite III.
A'\^dvaxot npwroi
(Relief: (leerer Raum)
Vogel nach ^PX*»P*f ^f^'
rcchu mit deX^pot Atoy'
Ring im <J^ xi CE)mT6'
Schnabel.)
i uxau'
xrjp^'
pido"
10 C, vo-
crc.
Diese merkwQrdige In-
Bcbrift aus dem Jahre 314
D Chr., von der der Herausg.
Abklatsche gern zur Ver-
fügung stellt, bietet eine
eigentümliche Mischung
von christlichen und heidni-
schen Formein. Sie scheint
mehrere Glieder einer Fa-
milie zu erw&hnen, von
denen wenigstens zwei das
Amt eines dpxttpsö^ in
einem heidnischen Kult be-
kleideten. Kin Ausdruck
auf Seite i Z 7 zeigt, dass
Atyocharax noch 314 n Chr.
ein heidnischer Ort war.
Seite I Z 3 begegnet das
neugriechische etpat oder
Tfu. — Der Name Manes
Daes (oder Daos?), Helio-
dromos Zeus (8 II Z. 4. 6.)
ist eine merkwQrdige Kom-
bination. Manes war der
Vater des Akmon, des
OrOnders der Nachbarstadt
Akmonia, und deshalb zwei-
fellos der Uauptgott dieser
Gegend ; daher bcine Iden-
tifizierung mit dem grie-
chischen Zeus.
1) Vielleicht r/{c]cv?
138 Griechische Epigraphik.
Diokleia (Dola oder Dogbla); an der direkten Strafse von Ak-
monia nach Eukarpia und der Pentapolis. Letztere Bezeichnung, ge-
rechtfertigt durch Act Syuod. V., 653 n. Chr. (Labbe, 8. 223), umfafst
fOnf alte Städte im Thale von SandüklU: l) Eukarpia (zwischen den
Dörfern Mentesch, Maghajil und Ille Me^id), 2) Hieropolis (Kotsch-
Hissar), 3) Otrüs (Tschor-Hissar), 4) Stektorion (Eroir-Hissar), 6) Brn-
zos (Kara-SandOklü). — Die Strafse ist noch wichtig als Araberstrafse
von üschak nach SandQklfl.
1 197 Ramsay, a. a. 0. S. 422 n. 34. 10 Min. westl. von Dola (Dogbla).
Den L. Septimius Severus, vsov HXtov^ ehrt (6) ^ 7tpoxexpe/mn^ roU Mo-
f£-(7)avaiv Si^fiou ^toxXeta, Datum: (13) Ypafift.are6'{\^)oyroi tob J17-
lijoü (15) Mdpxoo ß' TOü Oöa'{l6)Xepeou* irooQ tma = 197 n. Chr. —
Die Stadt wird in der Inschrift als den Moxeanen gehörig bezeichnet;
ebenso auf einer Mflnze des Britischen Museums.
Hieropolis (Kotsch-Hissar).
Ramsay, a. a. 0' S. 431 n. 41. Kirchhof zwischen zwei kleinen
Dörfern, beide Kuyujak genannt, Vs St. nördl. von Kotsch-Hissar. —
t 376 Kleine Marmorsäule; ursprünglich Meilenstein des Kaisers Probus (276
" —282 n. Chr.). Nach der Thronbesteigung Diokletians (284 n. Chr.)
wurde der Name des Probus ausgekratzt (der Horizontalstrich des TT
Z. 4 ist der einzige Überrest des ursprOnglichen Namens) und statt seiner
t S84 der des neuen Kaisers eingegraben : ^Ayab^ "^^tü- ^^) ^^ aitavtip []^]a;v
(3) abroxpdxopt (4) M. Aup, — diox^fjrealvtp 2!]eßa<TT[af (5) ^ Xctfinpo-
ränj (6) kponoXetratv (7) noXt^. Die Änderung wurde offenbar unmittel-
bar nach der Thronbesteigung des Diokletian, bevor dessen Gentilname
bekannt war, vorgenommen, sodafs die Namen M. Aur(eliu8) unverändert
gelassen wurden. Wahrscheinlich war schon eine Änderung auf den Kai-
ser Garns (282 — 283 n. Chr.) vorhergegangen, der jene Namen fQhrte.
t S86 Im Jahre 286 wurde eine zweite Inschrift (lat.) an der linken Seite der
ersten auf die Imperatoren Diokletian und Maximian hinzugefügt. Im
t 983 Jahre 292 wurde eine neue Zugabe vorgenommen, beginnend auf der lin-
ken Seite der letzten Zeile der zweiten Inschrift: Tob^ i;r[£-(2)^av£<rrflE-
(Z)rooQ Kat'(^)aapaQ 0Xa. OuaX, KoßuardvTiov (6) xal /a[^.] OöaX. Ma-
^tpxavbv (7) ij ^hponoXsiTwv (8) nokiQ, Endlich wurde in späterer Zeit,
vielleicht während der Kriege zwischen Licinius und Konstantin, der Name
des Constantius getilgt, und hiermit endete die wechseivolle Geschichte
des Meilensteins.
Naos oder Nae (Ineb).
1 88 Ramsay, a. a. 0. S. 432 f. n. 42. Säule im Dorfe Ineb (der alte
Name ist noch unter dieser Form beibehalten): Abroxpdxopt [Jofurrav^
XVII. Phrygia: Hieropolis. Naos. Gidyessus. Otrüs. Troconda u. s.w. ]39
(2) KoLtaapi üßßourcip repfi'(Z)avtx4f rb de\ Aooxiif» Mt¥ouxt(ff (4^) Toih-
ifip {ßn(axotQ\ (4*) irou^ poß\ f^i^^Q) Rav^fwo^ (6) ol iv Näet xarot-
xouvreQ Twfimoi re xa\ — . Datum nach den Konsalo von 88 d. Chr.
und dem Jahre 172 der asianiscben Ära. Das Präoomen des Rufus war
bisher zweifelhaft in den Fasti.
Cidyessus (Bulja, im östl. Teile von Sitschanli Ova).
Ramsay, Journal of hellenic stodies VIII 1887 S. 467. Von einer f ^
Ehreninschrift ist nur lesbar der Name des Kaisers Gratian und: ^ Kt-
Otrus (Tschor-Hissar).
Ramsay, Journal of hellenic studies YIII 1887 S. 478. Basis mit
Ehreninschrift: ^ÄXi^avSpov MaxeSöva \ xretm/jv t^c noXetoQ. — Alexander
der Gr. würde in einer der Kaiserzeit angehOrigen Inschrift nicht ein-
fach als Makedoner bezeichnet worden sein; vielmehr begegnet der Ge-
ehrte auch auf Münzen von Otrüs (um 200 — 216 n. Chr.) mit der Le-
gende: 'AXe^avSpoc datdp^ijQ dviHj^xeu ^Orpoijvwv. Ihren berühmten Mit-
bürger ehrte die Vaterstadt durch Znrückführung seines Geschlechtes auf
Alexander den Gr.
Troconda (= Augustopolis?).
Ramsay, Journal of hellenic studies VIII 1887 S. 498. Verstüm-
melte Votivinschrift des Eire[na]ios, S. des Menophilos, an den Zeus
(Je/), Imkp Si^po[u] Tpoxov8ijvwv,
Oenia (unweit Aresli).
Ramsay, a. a. 0. S. 496 n. 1. Rest eines Namenverzeichnisses.
— n. 2. Fragment: — (2) SiwpBw[aaTo? (3) - irdvsro npb [?f KaXavdm^
(4) - raura xupta pLe[veev? (5) — Soypat auvxk^rou (6) — r]daK Ai-
xivvtoQ nouXiou (7) — ntpt toutou npdyparoQ — (8) — iypa^ev ^ iSoß'
«V Tcaiv 1} d^ei — (9) — iSfop^traro elg iff^dnjv fffiipav (10) — Tzpeff-
ßeora} efc ^A(r{av Staßdvrec — .
Anabura (Kara Agatsch).
Sterrett, Preliminary report of an archaeological journey made
in Asia Minor. Boston 1885. S. 13 f. n. 11. Nene Kopie der Weihin-
schrift Ramsay, MDAI VIII 1883 S. 70 n. 1 (Röhl II, 104 f.). Z. 26:
^yoifoi statt dTtuyovoi.
140 Griechische Epigraphik.
Neapolis (Tscharük Serai) unweit Änabura.
Sterrett, a. a. 0. S. 11 n. 6. Phrygische Grabschrift: /offveaejiou
xvou/ia'{2)\fe xaxltv daxerae vc (3) /lavxaTcercrrere (4) xvejJLoaeirou. —
D. 7. Aiplar (in der Nähe des vorigen, 1 St. sQdl. von Kara Agatsch).
Gleichfalls phrygisches Fragment : loaxeasfwv rd xaxov od - .
Antiochia Pisidiae (Jalobatsch).
Sterrett, a.a.O. S. 9 n. 4. Ehreninschrift: Adp. JcovOae (2)ov
Tay d^co ' (S) ^oyatrarov S'{^)xaTÖvTap^ov (5) pe'jretovdptttv (6) ^ Xofiitpä
r«Dv 'Av'(7)Tio^€wv /xi^Tp6'{8)7[oXiC ineexca^ {?) (9) re x[a]} rr^[s] e^jy-
(10)vi7C ivexa,
Mordtmann, Archäol.-epigr Mitteil, aus Österreich VIII 1884
S. 193 n. 1 (nach Abklatsch des Dr. Schmidt, Unterdirektors der ägyp-
tischen Douaneo). Siebenzeilige Grabschrift der Aurelia Valentilla auf
ihren Gatten Aureiius Makedon.
Sterrett, a. a. 0. S. 11 n. 10; Ramsay, American Journal of
archaeology I 1885 S. 143 ff. n. 4. Hissar, Vs St. Ostlich von Antiochia
Pisidiae. Widmung: Tu^i^v Eu'{2)fievrj rf} (3) KoXwv£c{A)^ Teßepto^ib)
noXeerwv /7on[7r-(6)j^va;w Vpou8i-{1)wv ßauXr/^ ör^fjut^. — Nach Sterrett
Weihinschrift der drei Städte KoXtovtta TißeotonoXetruJv {^ Antiochia),
Oronda und Pappa; nach Ramsay vielmehr Basisinschrift einer der Tyche
Enmenes von Golonia (= Antiochia) von Bule und Demos der Stadt Ti-
beriopolis Pappa errichteten Statue. Die Legende Ttßepeetjjp /7a7nn^va>v
findet sich auf einer Münze im Brit Mus. Nach unserer Inschrift war
der richtige Name des pisidischen Volkes Vpovdse^ (Ptolem.: Vpov8txoe\
Polyb.: VpoavSeic)' Im Gebiete desselben lagen die Städte Misthia und
Pappa. Der Stadtname Oroanda verdankt seine Entstehung einem Mifs-
Verständnis von Polyb. 22, 25. 26 durch Livius (38, 37. 39) und Plinins
(5, 24). Die Inschrift wirft ein wertvolles Licht auf die Lage von Pappa.
ApolloDia.
Ramsay, Journal of hellenic studies IV 1883 S. 417 n. 32. Grenz-
stein: ''Opog hphg xat äao'{2)XoQ Bsou int^avou (3) MvjvbQ \ioxaajvoü,
— Über den Kult des Men Askaänos vergl. zn der Inschrift von Alia
(S. 136 u.).
Hadrianopolia Pbrygiae (unweit Kara Agba, S.O. Phrygiens).
Sterrett, Prelimiuary report of an archaeological jouruey made
in Asia Minor. Boston 1885 S. 10 n. 5. Grabschrift eines Abp^^to^
Zw'(2}Texbg Hau^eevou (3) Ad\p(d]vonoXeeT7j^ auf sein Weib Aure - - da.
XTII. Phrygia: Neapolis. Antiochia u. s. w. XVIII. Galati a: Pessinas. 141
Mord t mann; MD AI X 1885 S. 16 d. 3. Nach Phrygien gehört
ein irrtQmlich nach Salonichi verwiesener Grabstein im Tschinili Kiösck
sa Eonstantinopei (D^thier, Archäol. Aufsätze S. 113; Reinach, Gatalogue
Q. 244). ^Ara/ftov {= ^An^tov) weiht {xarsetspwtrev) ihren Mann laeeo^ der
Ziiariprj ^Exdnj. AneXXä^ ujjd laseo^ ehren ihre Eltern (yoviQ). Darunter
die Ettnsüerinscbrift: Tetfiäac MoupfiattavuQ. — Die Inschrift zeigt auf-
fallende Ähnlichkeit mit der aus Ck)tyaeum stammenden Grabschrift CIG
3827 9 = Lebas 805, welche gleichfalls die Formen ^oßve^pi^ und xa*
reeepwaev bietet. Letztere barbarische Form scheint speziell phrygisch
zu sein, wie auch die Namen ^An^iov und Teifuag namentlich h&ufig in
Phrygien begegnen. Auch die Hinzufügung des Namens und Ethnikons
des Steinmetzen ist der phrygischen Epigraphik eigen.
XYin. Oalatla.
P es sin US (Balahissar und Sivrihissar).
V. Domaszewski, Archäol.- epigr. Mitteil, aus Österreich VIII
1884 S. 95 — 101 hat unter dem Titel iBriefe der Attaliden an den Prie-
ster von Pessinnsc mehrere Inschriften neu herausgegeben, die sich auf
dem armenischen Friedhofe in Sivrihissar befinden, wo sie von Mordt-
mann 1859 aufgefunden wurden. Letzterer hat sie veröffentlicht in den
Sitzungsberichten der Kgl. Bayrischen Akademie der Wissenschaften 1860
S. 180 — 189. Ohne Zweifel stammen dieselben, wie alle antiken Reste in
Sivrihissar, aus dem nahe gelegenen Balahissar, dem alten Pessinus. Die
Fragmente A und B sind auf einem einzigen, G und D jedes auf einem
besonderen Marmorblocke geschrieben. Wahrscheinlich stammen diese
Blöcke von einem gröfsern Denkmale, vielleicht von einem Tempel, wel-
chen die Attaliden in Pessinus erbauten (vgl. Strabo p. 567). — In der
Anordnung der Fragmeute ist der neue Herausg. Mordtmann gefolgt.
Das Fragment A stammt aus der Regierungszeit Eumenes IL, seiner er-
steren Hälfte nach aus dem Jahre 164/3 v. Chr. Die Briefe in dem i64/t t
Fragmente B sind wohl noch unter der Regierung desselben Herrschers
geschrieben, da sich Attalos nicht König nennt. Aus den Worten des
Fragmentes G Z. 14 f.: ^¥ xal nepl rou dde^^u ia^ocav hat Mommsen
(s. a.) mit Recht eine Beziehung auf Eumenes IL erkannt; demnach ist
dieser Brief später geschrieben, als die Briefe in A und B. Die Stelle
des Fragmentes D bleibt auch jetzt unbestimmbar. Die historische Be-
deutung der Briefe hat Mommsen, Rom. Gesch. 11^ 52 erörtert. Er hat
auch erkannt, dafs der im Fragmente C, 3 als Teilnehmer am Familien-
rate genannte Athenaios der bekannte Bruder Attalos IL ist. Dies ist
um so wahrscheinlicher, als auch Sosandros C, 4 bei Polybios 82, 27, 10
als ai0VTpofoQ des Königs erwähnt wird.
1 43 Griechische Epigraphik.
Derselbe, a. a. 0. S. 184f. Balahissar. S. 184 n. 51. Archi-
trav. Schlufs einer Strafandrohaog. — n. 62. Grabstein des Aur. Dio-
genes, S. des Tyrannos, und seines Weibes Kyrilla. — n. 53 (Mordtmann,
Sitzungsber. der bayr. Akad. 1860 8. 193 n. 4). Grabstein der Tertat . rta
'AvTOßvh und ihrer Tochter. — n. 54 (Mordtmann, a. a. 0. o. 3). Grab-
stein des Alexandres, mit Strafandrohung. Z. 9—11: 6 dv^yatv, — 8. 185
n. 55. Wandinscbriften einer Grabkammer: 1) rechter Hand: Grabschrift
des Polydoros, S. des Libanos, und seines Weibes Ammia, T. des Philo-
zenos (xazeaxedaaaav). 2) linker Hand: a) Grabschrift des ätoyelvfjc
Sayophu und seines Weibes {p^vexl 0eeXinßt); b) der Asklepia auf ihren
Mann Kepitdn)^, 3) Dem Eingang gegenfiber Grabschrift des ^Icxoftyog
(vorgeschlagenes Iota) Irpdßfovog auf seine Mutter Tatia.
Derselbe, a. a. 0. S. 180ff. Sivrihissar. S. 180 n. 37. Weih-
inschrift: Mijrpl Beanf HazopetvoLtat *Enijx6wt Mdw^ Ran - -, (2) if/ev£-
xXiooQ 8k dnsXeu^epo^f robg fketoOg (?). — S. 181 n. 38. Grabschrift
des Aur. Kyriios, 8. des Seleukos» auf seinen Bruder Seleukos und seine
Braut (vuv^) Karpurnia (so). — n. 39. Grabstein der Tertia, T. des
Dionysios, und ihrer Tochter Asklepia. — n. 40 des Adp. Uavijyopiog
EuijS/oo, — n. 41. Grabschrift des Marcus Venustus und der Hagia auf
ihre Eltern. — n. 42. GrabthQr mit der Grabschrift eines Epaphrodeitos.
— S. 182 n. 43. BruchstQck vom Architrav einer GrabthUr: d\pxtepeuQ
Ti^i/ o--. — n. 44. Cippus (= Mordtmann, a. a. 0. 8. 195 n. 15). Grab-
schrift des Abp. floitBioi laXXBtxoo und seines Weibes Ttxooaa BaursiXou
Ztßvxpaora, - n. 45. Grabthflr mit der Grabschrift der Euphrosyne auf
ihren Mann Sagarios. — n. 46. Stele mit der Grabschrift der Dada auf
ihren Mann Alexandres und ihren Sohn Dies. — 8. 183 n. 47. Grab-
stele des MdpxoQ Mdvrou auf sein Weib El}[d\pdc. ~ n. 48 des Argeos
Helios auf seine Mutter Kydilla und seine Schwester Lollia. — n. 49
christlich. — n. 50. Stele mit dem Schlufs einer Strafandrohung.
Germa und Umgegend.
V. Domaszewski, Archäol.-epigr. Mitteil, ans Österreich VII 1888
S. 186 n. 56. Jolanta. Stele mit Grabschrift des Antonius auf sein Weib
Nikostrate. Darunter Grabschrift des Antonius und seines Bruders Ni-
kandros mit der Schlufsformel: ;(epu (= ^atpot) Zartg b d^ayv^vataxtüv.
— S. 187 n. 69 (= Ramsay, BGH VII, 24 n. 14; vgl. Röhl II, 106).
Ebd. Grabschrift auf Mania, T. des Damostratos. — n. 60. Ebd. (s:
Ramsay, a. a. 0. S. 23 n. 13; vergl. Röhl II, 106). Grabschrift einer
'*H^kQ auf ihren Gatten Domnos und ihre Kinder Domnos und Mesos. —
n. 61 (s= Ramsay, a. a. 0. 8. 24. Ebd. Zwei in den Felsen gehauene,
stark verwitterte und schwer leserliche Fragmente, wohl einer Grabsohrift;
u. a. b Z. 2: laxwß, — iRamsay giebt a. a. 0. die beiden Fragmente
1
XVIII. Galatia: Pessinus. Germa nnd Umgegend. Ancyra. f 43
in umgekehrter Reihenfolge; sicher irrtttmlich, da ich eine genaue Zeich-
nang des Steines genommen habe.c v. D. — n. 62. Gesek. Grabschrift
des Ale]xandros, Po[le]mon, Dulion, —an und [Ph]oteino9 auf ihren Vater.
— S. 188 n. 63. Ebd. Grabstein des Manes nnd der Kyrilla. — n. 64
(= Ramsay, a. a. 0. S. 23 n. 12; vgl. Höhl a. a. 0.). Jerma, Dorf brnn-
Den. Fragment der Grabschrift auf einen dvrtüTpdryjYOQ,
Ramsay, Journal of hellenic studies V 1884 S. 263 n. 4. Eara
Hodscba, ca. iVs St. s.o. von Myrikion. Im Jahre — , im Monat X]a[n]-
dikos errichtet — os, 8. des Ge[ll]iu8, seinem Weibe Statilia einen ßw-
fio^ und eine B6pa als Grabmal. — Statilia hat zu Lebzeiten einen Sma*
ragd und zwei silberne Armbänder als Pfänder versetzt; x[äu?] fii) dno*
dt8g^ ^Ooiov J/xeow, TMre K(}pts^ üfietQ ix[S]ix^aaT9 txdTijy VBxpäv xal rä
Tix¥a Ctt^vtfa. — Boffiöc und ^6pa begegnen nicht selten auf phrygischen
GrabmAlern. Wurde nur ein Altar errichtet, so hielt man es fttr nötig,
das Wort »ThQrc noch zuzuf&gen. Letztere wurde als Bindeglied zwi-
schen dem Reiche des Lebens und des Todes betrachtet
Ancyra.
Th. Mommsen, Res gestae Divi Augusti. Ex monumentis Ancy-
rano et Apolloniensi iterum edidit. Accedunt tabulae XI photolith.
Berl. 1883. LXXXXVII, 228 S. gr. 8. 12 Mk. — Dasselbe, in usum
scholamm. Berl. 1884. 39 S. gr. 8. 1,20 Mk. — Französ. Ober-
setzung: Mommsen, R. g. D. Aug., d'apr^ la derniäre recension, avec
Tanalyse du commentaire de M. Th. M., par G. Peltier, sous la dir.
de R. Gag na t. Paris 1886. VllI, 92 S. 8.
Rez.: LOB 1884 n. 19 8p. 664/6. Kitsche, Berl. philol. Wochen*
sehr. n. 40 Sp. 1260 — 1263. B., Gultura V, 13 S. 603--606. Bormann,
DLZ o. 48 Sp. 1769—1761. Seeck, Wochenschr. f. klass. Philol. n. 47
Sp. 1476— 1481. P6hlmann, Histor. Zeitschr. XIX 1886 S. 88/89. Re-
vue crit B. 24 8. 468/4. Joh. Schmidt, Phil. Anzeiger XV S. 897-- 399.
Thödenat, Bulletin crit 1886 n. 6 Sp. 106—113.
Die neue Ausgabe der verdienstvollen Abhandlung hat im Vergleich
zu der ersten manche ins Auge springende Vorzüge. Während die erste
Ausgabe (1866) hauptsächlich auf den Abschriften oder Zeichnungen der
Franzosen Perrott und G.uillaume (1861) beruhte, die in liberalster Weise
Mommsen ihre Aufnahmen zur Verfügung stellten, bevor sie selbst die
Ergebnisse ihrer im Auftrage Napoleons III. unternommenen Reise nach
Oalatien veröffentlichten , stützt sich die gegenwärtige Ausgabe auf Ab-
güsse des Originals in den Berliner Museen, die, von Humann unter thä-
tiger Beihttlfe v. Domaszewskis im Juli 1882 entnommen (vgl. den Reise-
bericht des letzteren in der Sitzung der archäol. Ges. zu Berlin vom
X46 Griechische Epigraphik.
noke, 6: yeyovev, — n. 78. CIG 4067 Z. 2: Hepou^vta. — n. 79. CIG
4072 Z. 2: r^ id/a fitjrpl dicmj. — < n. 80. CIG 4075 nach einer Photo-
graphie, auf welcher die letzte Zeile fehlte. — S. 122 f. n. 82 = Mordt-
mann, Marmora Ancyrana p. 15 n. 4, mit einigen berichtigten Lesarten.
Etwa gleichzeitig mit der Inschrift BGH YII, 16 n. 3 (= Röhl II. 105),
die in einer Anmerkung nochmals mitgeteilt wird. ~ S. 123 n. 83 =
Mordtmann, 1. c. p. 20 = BGH YII, 20 n. 7 (= RöBl, a. a. 0.). —
S. 124 u. 84 = Mordtm., 1. c. p. 21. — n. 85 = BGH VII, 17 n. 4 (=
Röhl, a. a. 0.).
Mordtmann, KE0I XV 1884 S. 50 n. 1. Zu Ramsay, BGH YII,
19 n. 6 (= Röhl, a. a. 0.)- Z. 8/9 ist zu lesen: iaur^g narepa xdt npö-
r[ep]ov. — n. 2. Ramsay, a. a. 0. S. 17 n. 3 (= Röhl, a. a. 0.) erklärt
den Ausdruck röv npiLrov t^c inap^etou Z. 2 irrtümlich = r. ftp, r^c
inapj^iac. Wahrscheinlicher ist indp^etoQ = in. noXig, pj^rp^noXtQ t^c
inoip^iag. Jene Bezeichnung wäre demnach gleichbedeutend mit izpmr,
r^C nohwg. — n. 3. Ramsay, a. a. 0. S. 18 n. 5 (= Röhl II, 106) ist
Ailia Matrona zu lesen, wie schon Röhl vermutete. — Ramsay, a. a. G.
8. 21 n. 9 bringt die letzte Zeile: xa\ ab in Verbindung mit dem über
der Inschrift stehenden Xaipe\ doch s. o. n. 71.
y. Domaszewski, Archäol.-epigr. Mitteil, aus Österreich IX 1885
S. 125 — 131 teilt eine Reihe unedierter Texte ans einem sehr fehler-
haften, wahrscheinlich von dem ancyranischen Apotheker Leonard! ver-
fafsten türkischen Manuskript mit, welches 138 griechische und lateini-
sche Inschriften enthält, fast alle aus Ancyra selbst: S. 125 n. 86. Frag-
ment einer Ehreninschrift der <po^ 2eßaa[rii auf einen verdienten Mit-
bürger; zu ergänzen nach den gleichlautenden Dekreten anderer Phylen:
GIG 4025 a. b. c und o. n. 72. — n. 87. Fragmentierte Ehreninschrift
aus Hadrianischer Zeit; zu ergänzen nach GIG 4022. — S. 130 f. n. 98.
Fragment eines langatmigen Psephisma der ökumenischen Dionysischen
Künstler und Genossen zu Ehren des Kaisers Hadrian. — Die Inschrift
ist schon herausgeg. von Ramsay, BGH YII, 17 n. 4 (= Röhl, II, 105).
— S. 126 n. 89. Fragmentierte Ehreninschrift des Aeßtvijtog Ilofincjveog
xopvexouXdptog auf seinen Patron. — n. 90. Schwer verständliches Frag-
ment einer Ehreninschrift — n. 88. Neuer Abklatsch von GIG 4023.
— S. 127 n. 92. Die ^Xij e' dc[ardZ<ov? ehrt die K[l.] Balbeina ans
erlauchtem Geschlecht. — n. 98. Unverständliches Fragment. — S. 1 29 f.
n. 97 =3 Mordtmann, Marm. Ancyr. p. 18 n. 6. Die ^oXi) C ehrt die
vielnamige I![ep}owi)v&i Ko[p)f]oüra KopvijXid u. s. w. aus vornehmer Fa-
milie. — S. 128 n. 96. Bauinschrift; zu ergänzen nach der gleichlauten»
den Inschrift GIG 4051. — n. 95. Die Ueooi^peauol 01ym[p]ios und Heli-
kon errichten den a<oT^pai eine Weihinschrift. — - S. 127 n. 91. Pbjilo-
xenos, S. des Aquila, errichtet zu Lebzeiten sich und den Seinigen ein
Grabmal unter der Form der Weihung an die unterirdischen Götter. —
XVIII. Galatia: Ancyra. Garallia. Iconiom u. s. w. 147
S. 128 D. 94. Grabschrift aut Tpe[ß]eo^ /lijfi^[iy\rpaT4K. — S. 131 f. Zwi-
schen Ancjra uod Sarosum. — S. 181 n. 99. Akardja, in der Nähe des
Salzsees. Fragmeotierte Ehrenioschrift von Bule und Demos auf den
Kaiser Marcus Antonius. — n. 101. 2 St von Merziwan. Grabstein des
Veteranen P. Snipicius Germanus. — 8. 132 n. 102. 1 St. von Merziwan.
Grabstein des isjfthrigen Proklanos, S. des Proklos. — n. 103. Gabei-
nios Ereinianos errichtet seiner Schwester G]abeinia ein Grabmal. Da-
tum: izoü^ p(e\ wahrscheinlich =r 159 n. Chr.
Garallia (Eerelü).
Radet und Paris, BGH X 1886 8. 602 n. 4. Sarkophaginschrift
des Theophilos, Üeßaaroü dneXeuBepog imrponog (= procurator August i),
auf seinen Sklaven Kalligenes.
Iconium.
Radet und Paris, a. a. 0. 8. 605 n. 10. Rest einer Votivinschrift
auf den Zeus Megistos. — S. 504 n. 7. Grabschrift des Ou8Souc und
der Duda auf ihren Bruder Proklos. — S. 503 n. 6. Rest einer Grab-
schrift mit der interessanten Verwttnschungsformel: xexoXw'(e)pevov
i^otro (7) M^va xara^d^6''(2)vtov,
Alibei-Eöi.
Radet und Paris, a. a. 0. 8. 506 n. 11. VerstQmmelte Grabschrift
auf äouSouv r^ vufi^v,
Elmasun.
Radet und Paris, a. a. 0. S. 508 n. 15. Den Veteranen M. Au(re-
lius) Papias ehrt seine Tochter .ppa. — n. 16. Basis. Antonius und
Pontius ehren ihren verstorbenen Vater Valens durch eine Bildsäule. —
n. 17. Eine Frau ehrt ihren verstorbenen Gatten Nu[nn]os, S. des Im-
mulis, durch Errichtung einer Bildsftule.
Zosta (nach den Herausgg., a. a. 0. S. 511 zn n. 27
wohl = Lystra).
Radet und Paris, a. a. 0. S. 509 n. 19. Der Veteran Julius Rufus
bekränzt den verstorbenen Aelius Flavius Demetrius. — n. 20. Grab-
Schrift des Nonnos, S. des N[o]sis, auf einen Veteranen der 4. Legion,
— Aelius (?) T. f. Fabia. — Die 4. makedonische Legion, welche in
Spanien stand, wurde unter Vespasian aufgelöst Es kann sich daher
10»'
148 Griechische Epigraphik.
nur handeln um die 4. skythische oder flavische. Unier Seyeros Alezan-
der gamisonierte erstere in Gölesyrien, letztere in Mysia superior. —
S. 510 n. 21. Dfirftiges Fragment, in welchem mehrmals das Wort derdv
begegnet. Z. 1 : — rbv deröv xal 'AßfJLouxev Baßoou — . — n. 22. 0[r]e-
Btes, Eoseis und Alexandros, SS. des Upramusis, ehren ihren Vater U. —
und Mulis durch Errichtung einer Bildsäule. >- n. 2d. Rest einer Grab-
Schrift in zwei ungelenken Hexametern: — ^Xexac ia(;[^]37<rac (= i^e!^-
ffag?) ü'(2)7tepßoXtjj Se rox^ag- (3) Ouvo/ia 8' 'HpaxXe-(4:)a}V, u{i)dg
^EpiiepiOTog (5) larpou, — S. 511 n. 24. Zwei unbedeutende Fragmente
einer Grabschrift. — n. 27. Basis mit Kfinstlerinschrift: T, xou Fatog
(2) d8eX^o\ (3) AutnpeTg (4) inonjaav,
BosBola.
Radet und Paris, a. a. 0. S. 512 n. 28. Baboas, S. des Vabbasis,
errichtet seine und seines Weibes Kamate, T. des Marius, Bildsäule re<-
fi^g )[dpcv.
Bin-Bir-Kilisseh.
Radet und Paris, a. a. 0. n. 29. Dürftige Inschriftreste in den
Elosterruinen südwestlich vom Dorfe. — 8. 612 f. n. 32. Schwer zu ent-
ziffernde Inschrift eines Sarkophags, welchen Yidius seinem Bruder Gneiis
errichtet.
Aktscha.
Radet und Paris, a. a. 0. S. 513 n. 33. Stein eines Pfeilers
Je[x]/ioc, OtjirXog — und IlpeT/ia ehren die J[JJ/Av[a] eö^apeffreag Ivb-
x£v . . . . — n. 34. Stein einer Treppe; Fragment. Ein Ehepaar ehrt —
und ihren Sohn Zenon ipiXotnopylag xaX ebvoeag x^^^'
Ambararas.
Radet und Paris, a. a. 0. S. 513f. n. 35. Ein — k]leitos, S. des
Zenion, ehrt seine Verwandten.
XIX. Paphlagonia.
Sinope.
Mordtmann, KEOI XV 1884 8.44 ff. nach Abschriften des G.
Lanaras, korresp. Mitgl. der hellenisch-philol. Gesellsch. zu Konstantino-
pel, in Sinope. — 8. 44 n. 1 ; vgl. Meletios, r^fi///'. 8. 482. Votivinschrift:
T^
XYIII. Oalatia: Bo88olaa.8.w. XIX. Paphlagonia: Sinope. lonopolis. 149
fefiu (2) Vkoüa'(Z)pdnBt (3) 'A(o)oeiro[(:'\ (4) <popdpt[Q\ (5) ew[;fJ7V. Wahr-
scheinlich stammt der Stein ans einem Tempel des Sarapis, dessen Kult
io Sinope auch durch GIG 4159 und durch die in Tomi gefundene, von
einem Barger aus Sinope herrührende Inschrift KE02 XIII, 65 bestätigt
wird. In ägyptischen und kleinasiatischen Inschriften begegnet der Bei-
name des Sarapis: HhoQ Zeug (vgl. GIG 2717. 4042. 4262). Dafs Helio-
sarapis von den Schiffern um eine gfinstige Fahrt angerufen wurde, be-
zeugt die Inschrift eines demselben geweihten Lämpehens GIG 8184:
EunXoea^ Xaßi /xe rbv ^HXeoadpamv. — ^opdpe(o)c Z. 5 (das Wort fehlt in
den Lexicis) = Xa^avonwhjg; vgl. ^opoc = & rönoc^ rb TKoXijrijpiov bei
Suidas, 1529 (Bemh.). — S. 45 n. 2. Votivinschrift: Ophillios Polykar-
pos weiht dem Asklepios Soter und der Hygeia einen Altar. — n. 8.
Votivinschrift der Brttder Ailios ThrepUon und Pontianus Severus an den
Zeus Hypsistos. — S. 46 n. 4. Zwei Fragmente desselben Steines be-
stimmen die Rechte und Pflichten eines Käufers des Priestertums des
Poseidon Heükonios, insbesondere dessen Anteil an den öffentlichen und
privaten Opfern. — Die gleiche Simonie war gebräuchlich zu Halikarnafs
(CI6 2656) und Erythrai {Mouaelov xal ßißX. I, 106 ff.). Über den An-
teil des Priesters an den Opfern vgl. die Inschrift Revue arch. N. S.
XXTUI, 106; Aber idie Zunge der Opfertiere« (Z. 7) Spengel, Fleckeis.
Jahrb. 1879 S. 689 ff.; Aber den Kult des helikonischen Poseidon bei den
loniem Herod. 1, 148. Paus. 7, 24, 5. Strab. 8, 7, 2. 14, 1, 20. Wie in
Sinope findet sich der Kult desselben auch in der milesischen Kolonie
Tomi (vgl. KE0I lY, 168). — Zum Monatsnamen Taureon Z. 9, der
aoch in Kyzikos begegnet (CIG 3657. 3658. MD AI VI, 50) vgl. Hesych.
2, 1352 und Athen. 10, 425 c — S. 47 n. 5. Der Demos ehrt die Agrip-
pina, T. des Grermanicus Gaesar. — - n. 6. 7. Unbedeutende Fragmente.
— n. 8. Drei Henkelinschriften mit den verstümmelten Namen der Asty«
Domen; u. a. Pythokles (vgl. die Gefäfsinschrift aus Gotyora, einer Ko-
lonie von Sinope, S. 150 u.). — S. 48. Zu GIG 4162:. Die Abschrift des
Lanaras bestätigt eine in den Add. des CIG mitgeteilte zweite Abschrift
des Xanthopulos mit K€l(jü am Schlub. — CIG 4164. 4165 finden sich
auf Sarkophagen, die als Brunnentröge dienen. -- Lanaras hat ein zweites,
io der Ostseite der Aufsenwand der Akropolis eingemauertes Fragment
der Inschrift Lebas-Wadd. 1814 abgeschrieben: OIZKOZMONAI . .;
auf dem in derselben Wand eingemauerten bisher bekannten Fragment
las er: Btä rou r]pof£<i}Q abrou Atxivvioo Xpuaoyövou,
lonopolis (Ineboli).
Mordtmann, a. a. 0. S. 74 n. 54. Ol nep\ üe^rov Obeeßeov deo- t m
r^vjjv a' äp^ovra ip^ovreg riyff noXemg ehren den M. Aurelius Antoninus "
Pias; da derselbe den Beinamen Germanicns ftthrt, nicht vor 172 n. Chr.
— Emendationen zu CIG 4152 ^ Z. 4. 5.
150 Oriechische Epigraphik.
XX. Pontos.
Phazemon (Eawsa).
Mordtmann, KE02 XV 1884 S. 48 n. 12 (nach Abklatsch von
Balabanes). ISzeiliges Brachstück einer — wohl hexametrischen (vergl.
n^aaQ rbv ^p6\yov Z. 6, ävaxTOQ \ ^Äaxhpt — Z. 13, x^ Zol^^^ ^< —
Z. 15, nkriaoQ yipalQ Z. 16, Xuxdßavra Z. 17, ^/fUtepec Z. 18) — Grab-
schrift auf einen Peison (= Piso), der allen, die ihm zu Lebzeiten Gntes
erwiesen, zu danken scheint In Z. 12 wird ein Lepidns erwähnt. —
n. 13 (nach Abschrift des älteren Mordtmann aus dem Jahre 1850; vgl.
Kind, Petermanns Mitteil. 1859 S. 517). Fragment: ixifjoio^ \ AUtavöc
d[v\ean^aev.
Tschitlü.
1 184/6 Mordtmann, a. a. 0. n. 14 (nach Abschrift des älteren Mordt-
mann). Fragmentierte Sarkophaginschrift des 'Axu[X]aQ und (xk) seines
Sohnes (?) auf ihren Vater Aqnila. Datnm: irous p' (= 134/5 n. Chr.).
Vgl. Aber die Chronologie zu der folgenden Inschrift.
Comana Pontica.
1 186/7 Mordtmann, a. a. 0. n. 15 (unbeachtete Publikation von Belüno,
Fundgruben des Orients V, 45; als unbekannt neu herausgeg. von dem
russischen Reisenden Tschichatscheff, Zeitschrift fttr allgem. Erdkunde
1859 S. 330; nochmals als unediert nach einer Abschrift des älteren
Mordtmann mangelhaft von Eirchho£f, Annali 1861 S. 179 n. 3; zuletzt
von Ramsay, Journal of philology XI S. 152 n. 21 aus einem armeni-
schen Buche [vgl. Bohl II, 107]). Links fehlen jetzt vier Buchstaben,
welche Bellino noch las; seine Abschrift lautet: AT]^iov Ka^aapa (2) ^
'lepoxataapdaiv (3) Koftavdaiv noXec py\ — Aelius Caesar ist der 136
adoptierte, jedoch schon Anfang 138 n. Chr. verstorbene Adoptivsohn
Hadrians. Somit fällt der Beginn der Gomanischen Ära in das Jahr 34
1 164/8 oder 85 n. Chr. ~ A. a. 0. (Ramsay, Journal of philol. XI S. 153 aas
gleicher Quelle wie o. [Röhl II, 107]). Fflnf Bruchstücke: -x]a2 ädpji'
Xiip Obi}[p<p 2'\eßaü\T']<p xa\i t\jj 'l$[poxae\aapewv Ko/iay\i<o¥ irdUe Up]f
xa) dau[X]ip --[c;vt]oc air^ff 'A^i^- KpiOTteivoo i\rouQ] pX' AlXioo Upd-
x[Xoü - - le\pä xa\ äao[XoQ,
Gotyora.
Papadop ulos-Kerameus, KE02X\ 1884 S. 54 n. 10. GefUs-
Inschrift, nach dem Herausg. aus dem 3. Jahrh. v. Ohr.: I1(a9oxX£oo€ (2)
XX. Pontas : Phazemön n. 8. w. XXI. Cappadocia : Caesarea Cappadociae. 151
daTuvSfiou* (3) Mivmvo^ roo (4) 'Apeardwc xepa\jii<üQ, — Derselbe Asty-
nomos anf einer Henkelinschrift aus Sioope, der Mutterstadt von Cotyora
(8. S. 149).
Dascusa (Armenia Minor).
Wfinsch, Archaol.-epigr. Mitteil, aus Österreich YIII 1884 S. 240
n. 2. Gegenfiber dem am linken Ufer des westlichen Enphratarmes Ea-
ra-su gelegenen Penga (tflrk. Pindjan) auf der Stelle des alten Dascusa
fand der Herausg. am Eingange eines Gartens auf dem rechten Flufsufer
aufser einer lateinischen das Fragment einer griechischen Inschrift: -vow
(ft)ye/-(2)/AJ7f eTve'(S)xe ;|f/>j^<rTo-(4)Tar]yff. Die Steinestammen von dem
anf dem rechten Flufsufer gelegenen »Hügel der drei heiligen Kinder«,
auf welchem einst eine Kirche der letzteren stand. Bei einiger Nach-
forschung wttrde sich nach W. dort noch vieles finden lassen. Auch
sollen sich in dem 2 St von Penga und 1 St von Simara entfernten kur-
dischen Dorfe Sineker noch viele Antiquitäten finden.
XXI. Cappadocia.
Caesarea Cappadociae.
Mordtmann, MDAI IX 1884 S. 204. Eine von Döthier, Epigra-
phik von Byzantion S. 91 n. LXI beschriebene, angeblich aus Caesarea
in Eappadokien stammende, jetzt in Pera befindliche Marmorbüste trägt
die a. a. 0. ungenau wiedergegebene Inschrift : EußooXoQ xa\ (2) Jcxevveo^
Idffova (3) 'laC^/ieo^ rbv muxipa. — Die Provenienzangabe wird durch
eine Inschrift aus Schär = Comana Cappadociae BCH VII, 127 (Röhl II,
107) bestätigt, welche in der Schlufszeile bietet: — /ii^v laZrifi[toQ,
Anisa (Lage?).
Mordtmann, KE02 XV 1884 S. 62 n. 10. Das Bronzetäfelchen
des Berliner Museums, enthaltend einen von E. Curtius, Monatsber. der
Berl. Akad. 1880 S. 646 f. veröffentlichten Rats- und Volksbeschlufs von
Anisa (Röhl 11, 109) soll in Kul Tepe nahe dem Dorfe Gomerek (zwi-
schen Caesarea und Sebastia) gefunden sein. M. hatte Gelegenheit, das-
selbe, sobald es bei einem Antiquar in Konstantinopel gefunden wurde,
abzuschreiben. Seine Abschrift bietet Z. 30 statt der wegen des masku-
linen Gebrauchs von nXä^ befremdlichen Curtius*schen Lesung: elg nXdxa
Xakxouv vielmehr: elg nivaxa x* -^ Hieran schliefst sich eine Richtig-
stellung der dem Herausg. von E. Curtius, a. a. 0. S. 647 beigemessenen
Anschauungen hinsichtlich der Provenienz einiger Mfinzen mit dem Ethni-
kon ANI (Blau, Wiener nnmismat. Zeitschrift Bd. IX); dieselben sind
zweifellos Jydischen Ursprungs.
152 Griecbiscbe Epigraphik.
Gomana Gappadociae = Hieropolis (Schär),
und Umgegend.
Mordtmann, a. a. 0. o. 8. Das FragmcDt Waddington, BGH VII,
140 n. 26 ist zu lesen: Ztaivou Aa—» Ebenso dttrfte in n. 10 zu schrei-
ben sein: CICINOY. Der Eigenname Etahr^q wird von Strab. 460, 24
(Didot) als kappadokisch bezeichnet. Auch io dem Gerosiastenkatalog
aus Sebaste in Phrygien BGH YII, 452 ff. begegnet Z. 35 ein Itabn^q
Mevearparou. — n. 9. In GIG 4184 ist Mat^drou der Abschrift willkür-
lich zu [ä]ai^drou verunstaltet. Vgl. Maibuzanes BGH YH, 130 (Röhl
II, 107 u.) ond Maidates in dem Dekret von Anisa (S. 151).
Sterrett, Preliminary report of an archaeological journey made
in Asia Minor, Boston 1885, S. 25 n. 25. Yalak, 2 St. von Gomana.
144. Meilenstein mit der Inschrift: — 'A]a{ag SnaTo[c — (2) oc räq SSouq
— (3) — Totoe — 00 — (4) — VTC0T — . Aus einer beträchtlichen Anzahl
römischer Meilensteine längs der StraCse von Gomana nach Gocussus und
Arabissus geht hervor, dafs die Entfernungen von Melitene im östlichen
Eappadokien gemessen wurden.
Sobagena (Ehurman Ealessi), n.ö. von Gomana am Antitaunis.
Sterrett, a. a. 0. S. 39f. n. 57. Felseninschrift. Der Überschrift:
^AxeXkcoü Xetpiao^ou 'AXe^dvSpou rou xal 0iXt7tnioü folgen 8 Hexameter:
Einstmals entrann nach der Unsterblichen Ratschlufs ein Mädchen unver-
sehrt einem Bären, der von dieser hohen Felsklippe herabstürzte durch
die zwiefältige Kraft des Philippios und des Arsinoos. Dies ist der be-
rühmte und unerschütterliche Berg Preion. Die Heimat des Arsinoos
war Sarromaöna, die des Philippios Sobagena an dem Ziisammenflufs
zweier Flüsse. Sie waren treue Gefährten; möge dieser Fels ihre uner-
schütterliche Freundschaft künftigen Zeitaltern verkünden! — S. 40 n. 68.
Zweite Felseninschrift. Unter dem Präskript: Too ahxou Xeepuro^ou
2 Hexameter: Neun Stadien sind es von diesem Felsen bis zu der schön-
fliefsenden Quelle von Sobagena an dem Ufer des Flusses Korax (=
Rhurman Su). — A. a. 0. n. 59. Dritte Felseninschrift. Nach derselben
Überschrift wie n. 58 ein Distichon: Nahe ist Sobagena mit seinen kry-
stallenen Bädern. Wenn Du ein wenig eilst, kannst Du nach der An-
strengung baden.
Gocussus (Göksün).
1 107 Sterrett, a. a. 0. S. 19 n. 12. Weihung des Eapiton TMeuq an
den Zeus Epikarpios; aus dem 9. Jahre Trajans = 107 n. Gbr.
T^3K
XXI. Gappadocia: Gomana q.8.w. XXII. Lyda: Telmessas. Gadyanda. 153
XXn. Lycia.
Telmessas (Makri).
Benndorf and Niemann, Reisen in Lykien und Karien I 1884
S. 42 n. 11. Fragment einer Ehreninschrift des Demos von Telmessos
auf einen T. Aurelius. — S. 40 n. 9. Tempelfa^ade mit der Grabschrift:
'AfiuvToo Toü 'Epixamoo. 4. Jahrh. v. Chr.? — S. 41 Fig. 80. Grabrelief
eines Retiarius mit der Inschrift: 'EpjieT nanpaetTfjQ (Beiname des Gottes
Men) /iierd ra)v auvxeXXctpewv li-v^jJiyjQ X^^^* — »Der Name und die Be-
zeichnung der Kollegen als concellarii scheint neu und das Relief das
erste Zeugnis für eine Gladiatorenschnle in diesen Gegenden zu sein.«
— S. 42 n. 10. Grabrelief. Krinolaos ehrt sein Weib {yuvauxa aw^pova
xal [ip\iXavdpov, ^eäv) Antipatra. — n. 12. Vollständigere Kopie von
GIG III 4208; n. 13 desgl. von GIG 4218; a. a. 0. Anm. 3 einige bessere
Lesungen zu GIG 4204. 4205 ; S. 43 n. 14 ausführlichere Abschrift von
GIG 4216^ Add. 8« 1117; n. 16 neue Abschrift von GIG 4203; u. 16
desgl. von GIG 4222.
Gadyanda (Üsämlü).
Cousin und Diehl, BGH X 1886 S. 40-43 n. l-4i). Vier Frag-
mente einer Subskriptionsliste, in denen häufig das auch sonst vorkom-
mende Zeichen < eine Drachme bedeutet. Unerklärt sind die in n. 1
und 2 begegnenden Abbreviaturen ^te und ^7}\ vielleicht bezeichnen sie
Tribus oder Demos. Die auch sonsther bekannte lykische Eigentümlich-
keit von Namenbildungen auf — tQ erhält neue Belege durch VpveTteT/ieQ
und 'A]7tiX^pLic>
Benndorf und Niemann, Reisen I S. 143 n. 122. Bauinschrift, t «9-79
Der Kaiser Vespasian errichtet der Stadt ein Bad ix rwv dva(T[aj]Be\h'
Cousin und Diehl, a. a. 0. S. 45 n. 5. Architrav mit dem Frag- desgi.
ment einer Bauinschrift des Kaisers Vespasian (?). — S. 46 n. 6. Frag- desgl.
ment einer Basisinschrift zu Ehren des sonst unbekannten kaiserlichen
Legaten G. Garistanius Fronte, wahrscheinlich aus der Zeit Vespasians,
der 74 n. Ghr. Lykien zur Provinz machte. Derselbe scheint erwähnt zu
sein Lebas-Wadd., Inscr. d'Asie Min. 1317, 10: Seä Fatou ..pcff.., (GIG
4304^ Add.). Die fünf in der Inschrift aus der Regierung des Gom-
modus bei Benndorf und Niemann, Reisen I S. 74 n. 54 Z. 23 — 28 be-
gegnenden Personen des Namens Garistanius sowie ein Garistanianus
sind wohl Abkömmlinge von Klienten oder Freigelassenen dieses Pro-
1) n. 1—18 aus den Ruinen ehies dorischen Tempels.
154 Griechische Epigraphik.
konsuls. — S. 47 n. 7. Fragmentierte Basisinschrift auf Gaius Carista-
umfisonius UauXT^TvoVy bov (so) Kap[eaTav/ou — . — S. 48 f. n. 8. Zwei Fragmente
einer Basisinschrift zu Ehren des Q. Vilius Velina Titianus aus Patara;
wohl um 120 n. Chr. Die Weihinschrift seiner Tochter Vilia Procia (CIG
4283) datiert aus dem Jahre 146 n. Chr. — S. 61 n. 9. Basis. Auxewv
rb xoivüv ehrt den Meleagros aus Eadyanda, rbv i$e6vra unoypaiifiarea
Aoxtmv Tou xotifou» — S. 64 n. 10. Auf zwei über einander gestellten
Steinen. KaduavSswv fi ßouXij xal 6 8rjfioe ehren den Hyperenor, S. des
Kleobulos, aus Eadyanda, aus der Phyle ApoUonias, der aufser vielen
andern Ämtern auch das eines rafieag y&pouaiaQ und eines unofula^ tou
jIüxccjv ißvou^ bekleidete. — S. 69 n. 11. Basis. Dieselben ehren den
Artemon, S. des Pankrates, aus Eadyanda. — n. 12. Auf zwei über ein-
ander gestellten Steinen. Dieselben ehren den Caius Julius, S. des Nei-
kias, Fabia Ealliphanes, TwfiaTov xal Ka[8u]av8ea, der u. a. mit seiner
Frau das Priesteramt rwv Zeßaarwv verwaltete. — S. 60 f. n. 13. Auf
zwei über einander gestellten Steinen. Dieselben ehren den Arzt Meno-
philos, S. des Dositheos, aus Eadyanda, aus der Phyle ApoUonias. —
S. 62 n. 14. Fragment eines oberen Steines. Dieselben ehren den Apol-
lophanes aus Eadyanda, aus derselben Phyle. — n. 16. Fragment. Ka-
SuavSewv 6 Srj]ixo^ ehrt den — aus Eadyanda, aus derselben Phyle. —
S. 62 f. n. 16. Basis. Mar(cus) Aur(elius) Euphro[s]ynos aus Eadyanda
ehrt seinen verstorbenen Sohn Mar. Aur. Hermokrates nach Rats- und
Yolksbeschlufs durch Errichtung einer Bildsäule — S. 63 n. 17. Basis.
Den verstorbenen Eu]elthon, S. des A[r]temon, ehrt seine minderjährige
Schwester Lalla mit Unterstfitzung ihres Vormundes. — S. 64 n. 18.
Oberer Teil einer Basisinschrift. Dositheos, S. des Euelthon, und Lalla,
T. des Pankrates, ehren ihren Sohn, Euel|thon] und 8evBiSdffa{?) ihren
Bruder Dositheos, S. des D., aus Eadyanda.
Benndorf und Niemann, Reisen I S. 143 n. 118. Basis mit
Ehreninschrift auf Eleobulos, S. des Sarpedon, aus Eadyanda, vetxijaag
naßwv ndXrjv^ errichtet unter dem lebenslänglichen Agonotheten, dem
Lykiarchen Mettius Aurelius Philotas aus Eadyanda. — n. 119. Basis
mit fragmentierter Ehreninschrift auf einen Sieger in der dv[Sp\(üv ndXrj,
— n. 120. Basis mit verstümmelter Siegerinschrift. — n. 121. Basis
mit Siegerinschrift eines Hippias aus Eadyanda; unter dem Agonotheten
t 311 von n. 118 (s. o.). — S. 144 n. 124. Fragment einer Ehreninschrift auf
•—217
Garacalla. — n. 123. Meilenstein mit Widmung an Septimius Severus
und Garacalla (die Erbauer der Strafse, die von Eaunos quer durch Ly-
kyen geführt haben mag).
Gousin und Diehl, a. a. 0. S. 64 n. 19. Inschriften von Theater-
sitzen: 1) xare/ere (so) mo AaX{k)c/id)^ou \ 2) xa]Te/eTar uno — . —
S. 66 n. 20. Grabschrift (vier Hexameter) des Leonteus auf einen Zo-
simos.
XXII. Lyda: Gadyanda. Oenoanda und Termessas. 155
Benndorf und Niemann, Reisen I S. 144 n. 126. Indschirköi,
dML von Kadyanda. Fragment einer Sarkophaginschrift — S. 46
Amn. 4. Dorf Dont, 2Vt St südl. von Kadyanda. Zu letzterem Orte
gehörige Grabschrift eines Griechen von Kadyanda. — Einige Eorrek-
toren zu dieser Inschrift = GIG III Add. S. 1115 n. 4208 <>.
Oenoanda und Termessus (Urludscha).
Holleanz und Paris, BCH X 1886 S. 216 n. 1. D^m Demos
▼on Oinoanda errichtet der Arzt Kanaveug y' aus Oinoanda auf eigene
Kosten ein Asklepieion. — S. 218 n. 2. Basis. Den C. Licinius Mutia- um t 57
nas, Legaten des Kaisers Nero (vgl. Plin., Hist. nat. 12, 6. 13, 27), ehrt
ein Hennaios. ~ Durch unsere Inschrift wird die Vermutung Borghesi*s,
der berühmte Feldherr und Freund Yespasians habe unter Nero Lykien
verwaltet, bestätigt. B. setzt die Verwaltung desselben um 57 n. Chr. —
S. 219ff. Basisinschriften von Bnle, Demos und Gerusia Tepfijjaaimv vm
Ttpbq OhodvSotg. — Dieselben ehren: S. 219£f. n. 3 den M. Aurelius Arte-
mon, welcher u. a. das Amt eines bno^uAa^ und dp)[e^uka$ des lykischen
Bandes (iv r^ i&vec fifiwv) bekleidet und gemeinsam mit seiner Gattin
eine Panegyris aller lykischen Städte gestiftet hatte, zu der auch die
Matterstadt Termessos in Pisidien und das benachbarte Kibyra geladen
worden waren; — S. 222 n. 4 den Lykiarchen und Logisten der eigenen
Stadt Tiberins Claudius Eutyches. — S. 222 f. n. 5 den Marcus Aurelius
Onesiphoros, der u. a. im lykischen Bunde das Amt eines Priesters der
Göttin Roma und eines dp^c^oXa^ bekleidete ; — S. 224 n. 6 den Marcus
Aurelius Dionysios; — S. 227 f. n. 9 den Valerius Statilius Castus (wohl 1 2&3
ein einheimischer Ffirst mit angenommenen lateinischen Namen), vbv xpd-
Turrov 4yufifia)^ov twv ^eßaaröjv^ itpafnöatrov ße^eXaTcwvwv (= praeposi-
tos vexillationum), der für den Frieden zu Wasser und zu Laude sorgte,
in Termessos zwölf Tage verweilte, a. d. V. Id. Nov. d/'a^ov-(17)Ta Sk
xde hmiptov (= agere Imperium) ^tXo-{\S)Tetp(i}<: iv tw Xouaajpcwy an
welchem Tage die Bildsäule des Kaisers Valerian (tou xupeou ^pwv Oua-
Xepiavou veou üeßaarou) errichtet wurde. — Unter lusorium (das Wort
ist neu) kann nicht mit den Herausgg. eine lusoria uavis = Kreuzer-
schiff verstanden werden, auf welchem der Geehrte das Kommando bei
Wiederherstellung der Sicherheit der Meere geführt hätte, denn die Er-
wähnung desselben (Z. 16 — 18) wird von dem Bericht über dieses Fak-
tum (Z. 10—13) durch die Anwesenheit des Geehrten in der heimischen
Stadt getrennt; auch würde jenes Kommando nicht auf einen einzigen
Tag beschränkt geblieben sein. Vielmehr dürfte unter dem fraglichen
Ausdruck ein Festspiel zu verstehen sein, bei welchem der Gefeierte den
Vorsitz führte. Das Epitheton viog Ueßaarbg macht wahrscheinlich, dafs
die Inschrift kurze Zeit nach der Thronbesteigung Valeriaus (Aug. 253
D. Chr.?) fällt — S. 226 f. n. 7. Basis. Der lykische Bund (Auxtwv tu
156 Griechische Epigraphik.
xoevbv) ehrt den Marcus Aurelias ApoUonius aus Oinoanda, der in dem
Bunde das Amt eines Priesters des Apollon und darauf das eines dp^^t-
nach ^uXa$ bekleidet hatte. — S. 229 ff. n. 9 — 13. Fünf gleichzeitige agoni-
^^^ stische Basisinschriften; alle datiert: 'Aycjvo^eroüvTos Seä ßioo (n. 9. 10
Zusatz: iv rfj AapLTzpordrjj OlvoavSeatu nöXee) looXtoo Aouxiou UeiXho
EbapioTot}^ navvjyvpew^ Ttpwrrj^ (n. 11 — 13: deurepa^) Ueorjpeimv f/lisfav-
8peiaiv\ Ebapeazeiwy^ ^C abzog auvearfjaaTo (n. 11 — 13 Zusatz: if ISiony
//ojjj/tiara/v dg rcdvra rbv ](p6vov). Der Name der Spiele, Ueu^peea
Ebcupiareta^ ist unvollständig erhalten; zwischen beiden Worten ist das
mittlere auf allen Inschriften weggemeifselt. Die Herausgg. ergänzen:
'AXe^dvdpeea, da der Name des Kaisers Severus Alexander von den öffent-
lichen Denkmälern in systematischer Weise getilgt worden ist. Der Schriftr
Charakter würde dieser Vermutung nicht widersprechen. — Sieger sind:
S. 229 f. n. 9 der Gymnasiarch Aur. Demetrios, KoptßdaXeug xdt ^PodeaTtO'
Xe/njg; S. 231 n. 10 M. Aur. Aphrodeisios; S. 23lf. n. 11 As(iDius) Fl(a-
vius) Flavillianus aus Oinoanda; S. 232f. n. 12 Demetrios K[opuSaXeuc?\
S. 233 f. n. 13 Aur. Toalios. — S. 234 n. 14. Katagraphos, S. des Arte-
mon, iepeug nph noXeaig (= vor der Stadt) Aijroug 8tä ßioo errichtet
einen Sarkophag für sich und seine xh^povofxot.
Tlos (Duer).
Benndorf und Niemann, Reisen 1 S. 140. Basisinschriften: n. 108.
Der Demos von Tlos ehrt [Najuna, T. des Agathokles. — n. 109. Frag-
mentierte Ebreninschrift einer Mutter auf ihre Tochter, die Gattin eines
Ptolemaios. — n. Hl. Arg verstümmelte Ehreninschrift auf einen Ly-
kias; am Schlufs wahrscheinlich Reste eines Distichons. — n. HO. Dürf-
tiges Fragment ungewissen Inhalts.
Pinara.
Benndorf und Niemann, Reisen I S. 64 n. 19. Oberhalb einer
schon bekannten Inschrift in lykischem Alphabet stehen in griechischer
Schrift die Worte: ^Emrovxdvovrog roo VpvepuBoo. — S. ö5 n. 24. Ära
mit Votivinscbrift des T.tillaudius Diogenes für die cwn^pia seines rpd-
^tfiog L. Claudius Apollinarius an die Beol mirpipoi xcä itpoBopcuot. —
n. 26. Grabaufsatz: Koppdyoi (2) AaxdXou^ (3) KaAX{xap'{4)nog —drou.
- n. 26. Dürftige Reste einer Ehreninschrift. — n. 27 — GIG III 4261;
n. 28 = GIG in 4261 (!); n. 29 berichtigte Abschrift von GIG m 4259;
Anm. 4 berichtigte Lesung zu GIG 4253; Anm. 6 Berichtigungen zu
GIG 4256.
XXII. Lycia: Oenoanda und Termessas. Tlos. Pinara. Sidyma-Cragus. 157
Sidyma-Cragus^).
Benndorf und Niemann, Reisen I S. 62 Fig. 43. Epistyl des t48?
Sebasteion. Weihinscbrift: ßeoTß (rwr^pae ^eßourcoTg inl Ko[tuTou Oui^-
pav\ioo TipeaßeuTou (2) Ttßepeou KX<xu8eou Ka{4Tap[og Zeßourrofi dvTtarpa-
T^you. — Q. Yeranins, Konsul 49 n. Chr., war wohl erster Statthalter
der im Jahre 43 n. Chr. eingerichteten Provinz Lykien. — Vgl. u. n. 36.
— S. 63 Fig. 46 n. 30. Epistyl der Stoa. Bau- and Weihinschrift zu t 4i-m
Ehren des Kaisers Claudius und der Artemis von einem Arzt Epagathos,
einem Freigelassenen und accensus (dxx^dcog) des Kaisers [und wahr-
scheinlich Tib. Claudius Livianus, der nach n. 32 mit Epagathos dem
Claudius auch eine Kolossalstatue errichtete]. — S. 64 n. 32. Basis einer
Statue des Kaisers Claudius, errichtet von dem n. 80 erwähnten Arzt Epa-
gathos und Tib. Claudius Tib. f. Quirina Livianus. — S. 64 n. 31. Epi-
stylblock: ~ dYJwvo&erfiaac r-. — n. 33. Fragmentierte Ehrenin- 1 98
Schrift der I!c8u]fU<ov auf die ^eä D^Xcoreivv}^ Gemahlin des Kaisers Tra- "^^^
Jan. — n. 84. Fragmentierte Ehreninschrift auf Maria Rufina und L.
Marius Sonikos, die Erbauer des ßaXaveToy, — n. 36. Fragmentierte
Ehreninschrift auf Q. Yeranius, Q. f., — dp^t^paTeuaavra twv Heßaarwv
u. s. w. Wohl noch aus dem 1. Jahrb. oder der ersten Hälfte des 2. Jahrb.
n. Chr. — Vgl. o. S. 62 Fig. 43. — n. 36. Den Tib. Claudius Caesianus
Ägrippa ehrt ^EXiv\ri^ ^ xa\ ''Afpipio)^^ T. des lason, aus Telmessos. —
n. 37. Basis mit Ehreninschriften auf den in n. 36 genannten Caesianus:
1) der in n. 36 erwähnten Helene-Aphphion; 2) des Tib. Claudius Cae-
sianus Agrippa, eines dp^tep^o^ rwv ^eßaarwv und ypafißareuc des ly-
kiscben Bundes. Auch der Vater war Grammateus und wahrscheinlich
Archiereus des Bundes. — S. 67 n. 38. Bauinschrift: Aus den Zinsen
eines Vermächtnisses des Tib. Claudius Caesianus an die Stadt Sidyma
wurde ^ ati]^ rou rerpaaroou erbaut. Letzteres wohl eine atriumartige
Anlage; vielieicht das sog. Forum. — S. 67 n. 39. Ehreninschrift des
Lyson, S. des Diomedes, auf seinen Vater D., S. des Lysen, aus Sidyma,
der eine Anzahl kommunaler Ämter verwaltete. ^ Vielleicht noch aus
dem 1. Jahrb. v. Chr. — n. 40. Poplios und Nannis, SS. des Marsyas,
ehren ihren Verwandten Imbiaimis, S. des Pharmakes, aus Sydima. Vgl.
n. 54. — S. 67 £f. Ehreninschriften der Bule und des Demos von Sidyma.
^ Die Geehrten sind: S. 67 n. 41. 42 (oberer und unterer Teil einer t iso
Basis) 1) Tib. Cl. Arsasis, Bürgerin von Xanthos und Pinara, Gemahlin "^^^
des Konsulars Tib. Cl. Telemachos; 2) der KonsularTib. Clau[dius] Te-
lemachos, Bürger von Xanthos und Sidyma, Quästor'von Achaia, Legat
von Asia (s. Nachträge S. 157), Oikist von Hierapolis und Laodikeia am
Lykos (vermutlich nach dem grofsen Erdbeben unter Antoninus Pius). —
1) Nach Mommsen, Nachträge, a. a. 0. S. 157, wahrscheinlich die Akro<
poUs s= Kragos, die Unterstadt =r Sidyma.
158 Griechische Epigraphik.
Der Geehrte war Konsul wahrscheiDlich unter Gommodus. Sein Name
fehlt in den Fasten. Er bekleidate nach n. 50 (s. u.) das Amt eines Ly-
kiarchen. — 8. 68 n. 43. 44 (oberer und unterer Teil einer Basis) 1) M.
Aurelia Chrysion-Nemeso, Bttrgerin von Patara und Sidyma, Gemahlin
des Lykiarchen M. Aurelius Enkarpos; 2) der Lykiarch M. Aurelius
Eukarpos, 8. des Hierokles. Beide werden zu Lebzeiten geehrt — S. 69
ü. 45 (nach ihrem Tode) 1) die erwähnte Marcia Aurelia Nemeso-Ghry-
sion; 2) ihren Gatten M. Aurelius Eukarpos aus 8idyma, Priester der
Artemis und des Apollon, Vater eines gleichnamigen Sohnes, eines veo-
{so) xopoQ der Hekate. — Vater und Sohn haben Grundbesitz testamen-
tarisch vermacht (s. n. 46). — 8. 70 n. 46. Bnle und Demos ehren den
Sohn des M. Aurelius Eukarpos, auvyewj dp^e^uXdxwv xal koKidp^oav^
\_ 180 der der Stadt seinen ganzen Grundbesitz am Kragos vermachte. — S. 71
u. 50. Psephisma, welches die EinfQhrung einer Gerusia (cißtmutjaL yepov-
Tixov) festsetzt, deren Bestätigung mittelst eines im Wortlaute mitgeteil-
ten Schreibens des Prokonsuls C. Pomponius Bassus erfolgt (letzterer
nach Mommsen, Nachträge S. 157 nicht identisch mit dem von Elagabal
hingerichteten Konsul des Jahres 211 n. Chr.)« Der Name des Kaisers
ist ausgekratzt; wahrscheinlich war es (Jommodus (vgl. auch Mommseo,
a. a. 0.). In Beziehung zu denselben wird der Lykiarch Tib. Claudius
Telemachos, dessen Beamtenlaufbahn n. 42 (s. o.) giebt, gestanden haben,
da sein Name in Z. 10 erst nachträglich wiederhergestellt zu sein scheint.
— S. 78 f. n. 61 und S. 74 f. n. 52. Diese beiden zusammengehörigen In-
schriften bieten das Verzeichnis der ersten Mitglieder der neuen Gerusia
(s. n. 50). iDie Namen lassen sich in Gruppen ordnen nach den ver-
schiedenen Perioden der lykischen Geschichte; man unterscheidet per-
sische, karische, attische, ägyptisch -griechische, rhodische und römische
Namen neben sehr wenig einheimischen, und die rein heUenischeo ftber-
wiegen in einem Mafse, dafs die Gräzisierung der Provinz sich auch in
dieser Hinsicht als eine längst vollzogene Thatsache aufdrängt.« Die
grofse Mitgliederzahl des Kollegiums (ca. 100) überrascht im Gegensatze
zu der heutigen schwachen Bevölkerung des Kragos. — S. 70 n. 47.
Fragmentierte Ehreninschrift auf die vewxopo^ Marcia Aurelia Aristote-
leia-Androbiane, T. des Hypophylaz der Lykier M. Aur. Antipatrianus,
Bürger von Sidyma und Xanthos. — Der Grofsvater der Geehrten ist
Grammateus des Rates in dem Psephisma n. 50, 2 und Geront nach
n. 51, 24 (s. 0.). — n. 48. 49. Fragmentierte Ehreninschriften auf einen
Archiphylax bezw. Hypophylax der Lykier. -> S. 76 n. 53 A-E. >Frag-
mente einer Rede; welche auf die Sagengeschichte und den Kultus von
Sidyma bezug nimmt und wohl an einem Feste gehalten wurde, bei wel-
chem Pry tauen von Tlos, Sidyma und Pinara fungierten. Sprecher ist
ein Gesandter von Kalabatia, dem Hafenorte von Sidyma. Durch Weit-
schweifigkeit und Unklarheit der Periodenbildung, poetischen Phrasen-
schwall, gelehrte Reminiscenzen und eine grofse Zahl neugebildeter oder
XXII. Lycia: Sidyma-Cragus. Xanthus. 159
nogewdhnlicher Worte, die zum teil schon dem christlicheii Sprachge-
braache angehören, macht sie den Eindruck einer epideiktischen Prank-
rede. Der Schriftcharakter ähnelt dem unter Gommodus gefafsten Pse-
pbisma n. 50. Sie fällt also in die Blütezeit der zweiten Sophistik.c —
Vgl. als SeitenstQck aus gleichfalls nachhadrianischer Zeit den Protrep-
tikos Logos eines attischen Epheben über Theseas und itepl ä^x^g, wel-
chen Dittenberger CIA III 62 aus Bruchstücken nachgewiesen hat. —
S. 78 n. 54. Grabtempel mit Grabschrift des Flavius Pharnakes auf seine
Tochter Flavia Nanne, die das Oberpriesteramt des Bundes bekleidete
QDd zu der in n. 40 genannten Familie gehören dürfte. — n. 55. Sarko-
phag des Sidymers M. Aurelius Ptolemaios Aristodemos, der nach kai-
serlicher Verordnung (des Antoninus Pins) von der Stadt als Oberarzt
angestellt war und als solcher Freiheit von Steuern und öffentlichen
Lasten genofs, hergerichtet für ihn selbst, seine Gattin M. Aurelia Lalla
and Kinder; mit Strafandrohung. — S. 79 n. 56. Sarkophag mit metri-
scher (6 Distichen) Grabschrift, die in einem Akrostichon, auf welches
Z. 12 aufaierksam macht, den Namen Aristodemos, vermutlich eines Stein-
metzen, enthält — n. 57- Grabunterbau. Über dem Eingang Rest einer
Inschrift, von der nur die Strafandrohung erhalten ist. Der Denunziant
soll ein Drittel der Bufse erhalten. — S. 80 n. 58. Grabunterbau mit
fragmentierter Inschrift, welche ein Verbot enthält. Unberechtigte beizu-
setzen. — n. 59. Fragmentierte Grabschrift mit Resten von sechs Hexa-
metern. — Sarkophaginschriften: S. 80 n. 60 des Tiberius Claudius One-
simos; n. 62 des M. Aur. Lysibios für sich und seine Familie, mit Straf-
androhung; n. 63 des M. Aur. Zenodotos desgl.; S. 81 n. 64 eines Demo-
sthenes desgl. — S 81 n. 67. Grabschrift des Sidymers Hermes, S. des
lasen, auf sein Weib Numenis, T. des lasen; n. 68 des Klaudios Philta-
tos auf sein Weib Elaudia KalIid[orla. — Die Namen beider Männer
b^egnen in der Demotenliste n. 52, 9. 17 (s. o.). — S. 82 n. 69. Grab-
schrift von ^c^i auf ihren Freund Q. Eu[phros]ynos. — n. 70. Fragment
einer Grabschrift. — S. 80. Berichtigte Lesung zu GIG 4264. — S. 81
Q. 65. 66. Neue Abschrift der metrischen Ehreninschrift des Tatian, Kon-
suls des Jahres 391 n. Chr. = GIG 2266®, Eaibel 919.
Xanthus (Einik).
Benndorf und Niemann, Reisen I S. 89 n. 71. Faksimile der 446/6
drei letzten Zeilen des griechischen Epigramms der Harpagidenstele (u. a. ~^^^ ^
GIGIII 4269 und Add. S. 1122, Lebas-Wadd. n. 1249, Kaibel 768). Die
bisherigen Zeitansätze im 4. Jahrh. v. Chr. sind irrig; die Inschrift ist
dem 5. Jahrh. v. Chr. zuzuweisen. »Es liegt kein Grund vor, welcher
verböte, die im lykischen Texte der Stele gelesenen Namen »des Dareios
und Artazerxesc auf Dareios L und Artaxerzes I. zu beziehen. Der Sohn
des Harpagos scheint als königlicher Satrap eine Unterwerfung der Pro-
160 Griechische Epigraphik.
vinz vollzogen and die wiedergewonnene Herrschaft darch Einsetzung von
Subregenten befestigt zn haben.« Wahrscheinlich fällt die Inschrift zwi-
schen 446/5 und 430 v. Chr. — S. 92 n 76. Fragmentierte Ehreninschrift
auf einen Glaudianus, u. a. 7tpeaßB[oT^g dvrtarpdrvjYog (6) ^]a/?/£/a/v
^A][€uaQ xdi ^Aa{[ag xa\ X£}'ewv-(*I)og 8euTepag Tpdüxu^g [I<r)ropdig xac
d-(8)v&u7TaTog Maxe8[ovcag, S. auch die Bemerkung von Mommsen, Nach-
träge S. 157. — S. 93 n. 77. Ära mit Ehreninschrift des lykischen Bun-
des auf den an Ehrenämtern reichen M. Aur. Euelthon aus Xanthos. —
n. 78. Ära mit fragmentierter Ehren inschrift auf denselben seitens der
SavB(wv f) Tou Ju[x]e(ov e^voug pyjzpdnoXtg. — n. 79. Ära mit Ehren-
I 69—79 inschrift des Demos von Xanthos auf Aino, T. des Stason. — S. 91 f.
n. 73. Epistyl eines kleinen dorischen Triumphbogens mit der Bauin-
schrift GIG III 4271 und Add. S. 1124, Lebas-Wadd. 1254; errichtet
unter Sextus Marcius Priscus, Legaten des Kaisers Yespasian. — 8. 92
n. 74. Neue Abschrift von GIG III 4276 Add., Lebas-Wadd. 1255. —
n. 75. Dttrftige Fragmente einer Ehreninschrift. — S. 93 n. 80. Grab-
schrift des Yeranius Nikomedes auf seinen Sohn und des Hermogenes-
Nikomedes auf seinen Bruder. — n. 81. Ära mit Grabschrift der SeTpLa
lldnou auf ihren {iar^g) Mann Leonides, S. des Hierokles. — n. 82
desgl. des Tryphon, S. des Demetrios, und der Munatia, T. des Lucius,
auf einen Kindabyris. — n. 83 desgl. des Euelthon auf seinen Vater
Alexandros. — n. 84 desgl. des Hermarilos auf seinen Vater Trienda8i[s],
S. des Hermatoöroris (?). — 8.94 n. 85. Grabschrift: 'Avtiö^ou y lo-
ßarioü, — n. 86. Grabschrift des Äbp, Upuravcxög dtddaxaXog = GIG
III 4278«; vgl. n. 4303^0. — n. 87. Inschrift eines Grabes, welches
Aurelius Hermakotas, S. des Glaukos, für sich und seine Gattin Aur.
Parthena, T. der Zosime. kaufte; = GIG III 4278. Das in grofsen Zei-
gen die Inschrift durchziehende MOY ist sicher kein Rest eines froheren
Namens oder Teil einer längeren Inschrift, für welche kein Raum wäre,
sondern vielleicht eine Zeichnung des Grabes beim Ankaufe. — 8. 122
t 96-117 n. 92. Letoon bei Pydnai. Trümmer des Kaisertempels im Letoon.
Ehreninschrift der Stadt Xanthos auf den Kaiser Trigan. — n. 98. Ebd.
Ehreninschrift von Bule und Demos von Xanthos auf den Römer Tiberius
[Glau]dius, S des Tiberius Glaudius lason, Bürger von Patara (s. u. n. 89),
Xanthos und Myra, Oberpriester twv Seßaarwy^ Grammateus des lyki-
schen Bundes u. s. w., der auch von den kleioasiatischen Griechen und
den pamphylischen Städten geehrt worden war, Ttpoyovotv b[7tdp^y}V'^a
<rc\pax7^YS>v xal vaudp^^wv (so Mommsen, Nachträge S. 157) u. s. w. —
t 117—188 S. 123 n. 94. Ebd. Geringe Reste einer Ehreninschrift; wahrscheinlich
1 161-180 auf Hadrian. — n. 95. Ebd. Reste einer Ehreninschrift auf [AJnnia
[Faus]tina, welche Mark Aurel nach Asien begleitete und in dem kappa-
dokischen Orte Halalai, später Faustinopolis, starb. — n. 96. Ebd. Ehren-
inschrift der Bule und des Demos von Xanthos, der Hauptstadt des lyki-
schen Bundes, auf einen Xanthier, der zweimal vom Bunde zum dpx^p^bg
XXII. Lycia: Xanthos. Patara. Candyba. Cyaneae. 161
T&v narpipwv ^€wv gewählt worden war and die Herstellung eines eher-
nen Altares der BnndesgOtter geleitet hatte. — n. 97. Ebd. Ehren«
Inschrift des lykiscben Bandes aaf Seztus Gl. Glementianas Ktesikles. —
S. 124 n. 98. Ebd. 3]avB/[w]v ol vioi ehren ihren Qymnasiarchen ,
8. des Eaelthon. — n. 99. Ebd. Rest einer Ehreninscfarift der Xanthier.
Patara.
Benndorf and Niemann, Reisen I S. 117 n. 89. Ehreninschrift:
Ztdy^iDV [^1 ßouJiii xal 6 S^og ehren den T[ib]erias GIa[a]di[us], S. des
Claudias lasen, Qairina A[gr]i[ppi]nus als dp^^tepdfg Heßaarwv u. s. w.
— Derselbe Geehrte n. 93 (s. S. 160). — n. 90. Ära mit Widmung an t ito
den Kaiser Hadrian. — Der Gang der zweiten Reise Hadrians im Früh-
jahr 130 n. Ghr. wird durch diese Inschrift näher bestimmt — n. 91. Ära
mit Grabschrift der Hellas, T. des Soterichos, aus Patara auf ihre gleich-
namige Tochter. — n. 88. Zweizeiliges Fragment; = GIG HI 4297. —
S. 129 n. 102, Säret, zwischen Patara und Phellos. Sehr unleserliche
Sarkophaginschrift. Der Frevler soll der Stadt Patara eine Bufse ent-
richten.
Gardner, Journal of hellenic studies VI 1885 S. 364 n. 107 ^ 112;
aus den wieder aufgefundenen »MS. Inscriptions coUected in Greece by
G. R. Gockerell, 1810 — 14c. Reste zweier Ehreninschriften, wohl des
Aux/tov rb xotv6v\ 112 auf Mettius Modestus. - n. 113; aus derselben
Quelle. Syne(g)demos, S. des Menophilos, errichtet seiner Herrin, der
Demeterpriesterin Mamion, T. des Mene[kra]tes ein Grabmal.
Candyba (Gendowa).
Benndorf und Niemann, Reisen I S. 133 n. 106. Sarkophag-
inschrift des Ale[xa]ndros, S. des Andreas, aus Kandyba für sich und
seine Familie; mit Strafandrohung. — n. 106. Grabinschrift: — is, T.
des Apollonios, KavSußtaa kauft von dem Demos von Kandyba für sich
und ihre Familie ein Grab; = GIG III Add. S. 1143 n. 4308^^0, wo
Z. 4 fehlt — n. 107. Ähnliche, verstümmelte Inschrift, welche gleich-
falls einen Grabkauf erwähnt.
Cyaneae.
Benndorf und Niemann, Reisen I S. 32. Westlich von GjOl-
baschi. Sarkophaginschrift, »die eine Strafzahlung an die Gerusia von
Kyaneai vorschreibtc (Vorläufiger Bericht S. 32).
Gardner, Journal of hellenic studies VI 1886 S. 369 n. 126; aus
den wiederaufgefundenen »MS. Inscriptions coUected in Greece by G. R.
JahxMUrioht Ar Alt«rtiiiBciriM«iu«h«lt LXYI. Bd. H
162 Qriechische £pigraphik.
Oockerell, 1810--14ct £paphro4ito8, S. des Mosaios, erricbtet tdr sich»
seine Matter Aikutatbe, sein Weib, seine Kinder nnd Nachkommen ein
Grabmal. In dem Imoaöpeov sollen die BpsTtrol beigeseUt werden. Ein
widerrechtlicher Benutzer soll der Kuav{e)ezwv y^pouata 1000 Denare ent-
richten, von denen der Dennnziant die Hälfte erhält.
Aperlae (Eekoya).
Hirscbfeld, Archäol.-epigr Mitteil, aus österr. IX 1885 S. 192
—201 »Das Gebiet von Aperlai. Ein Beitrag zur historischen Topogra-
phie I^ykiensc setzt das beutige Eekova = Aperlai und bespricht die
far die Untersuchung in betracht kommenden Inschriften.
Benndorf und Niemann, Reisen I S. 28 n. 6. Epistylfragment
von einer Tempelhalle mit dem Namen des Stifters: KdXXamoc i^iXox'
[ — r]^v (no[dv—. — Anm. 2. Die Restitution der Sarkophaginschrifit
von Franz GIG lU Add. 8. 1134 n. 4300^ wird bis auf einige geringe
Abweicbungen bestätigt. Vgl. unten. — S. 29 Anm. 1. In der Sarkophag-
inscbrift GIG ni Add. S. 1134 n. 4300'' lautet der Name lAArPOY.
— S* 1181 n, 4300^ (s. 0.) steht durchgängig A and zu Anfang — a#v
di^-. S. 1141 n. 43031» ist richtig kopiert.
Gardner, Jonrnal of hellenic stndies VI 1885 S. 355 ff.; ans den
wieder aufgefundenen »MS. Inscriptions collected in Greece by C. R.
Cockerell, 1810 — 14c. — S. 355 n. 119. Herpidise-Sarpedonis, T. des
Lysandros, aus Aperiai errichtet eine Grabstätte für ihre Sklaven Synal-
lage, Musarutis und Niketes (NixT^rt) und dessen Töchter Leone und As-
klepias. Der widerrechtliche Benutzer ö^Xiat rfj *A7tep'{ll)Unrwv noXi
[dijv.] ip' , — S. 366 n. 120. Inschrift der Grabstätte des Idagros-Severus,
S. des Erat eres, aus Aperlai, errichtet für ihn selbst, sein Weib Nane,
T. des Her[m]ago[r]as, aus Aperlai und ihre Nachkommen. Der wider-
rechtliche Benutzer Ib^iptiUatt r(p *AmpXeeTcjv S^fuo [St^v.] ßfp\ — S. 357
n. 121. Aur. The[o]teimos IV. aus Aperlai erbaut eine Grabstätte f&r
sich, sein Weib Aur. Arsasis, seinen Sohn Demetrios und dessen Weib
Diokidiane und Kinder. Das Beisetzungsrecht haben auch seine Schwe-
ster Arsasis, sein Bruder Kallistratos und sein pjvcuxacbc v6[n]dc [He]r-
mapias. In dem bno(Top{i)xdv sollen die BpeTrrdpta des erstgenannten
Ehepaares und seines Sohnes beigesetzt werden. Ein Zusatz macht wahr-
scheinlich, dafs auch noch dem Steinmetzen dasselbe Recht bewilligt wurde.
Folgt die Strafandrohung. — S. 857 f. n. 122. Aur. Dionysios Dema[r]e-
[t]es aus Aperlai errichtet für sich, sein Weib Stephane, seine Nachkom-
men, seinen Schwager Aur. Soterichos und dessen Freund Perigenes, den
Sklaven ra;v d^toXoj^afTdrwv Lysandros und Diophantes ein Grabmal; mit
Rest einer Strafandrohung.
XXn. Lyda: Aperlae. Istlada. Myra. Olympus. Pbaselus. 163
Istlada (litter. onbezeugt; Aidle oder Haldle) and Umgegend.
Benndorf und Niemaon, Reisen I S. 30 n. 7. Sarkophaginschrift
des Hermandoas, S. des Pl[a]ton, für sich» sein Weib ZoUis und ihre
Nachkommen; mit Strafandrohung: der Orabfrevler soll der Oerusia von
Myra 600 Denare entrichten. »Der Inhaber dieses Grabes war also nach
dem Aber drei Stunden entfernten Myra znstftndig.c — S. 31. Sarko-
phaginschrift mit: larXaSiiüv r^ ^7/^- — Ruinen sfldl. und westl. von
dem Dorfe Hoiran. Sarkophaginschrift des Tlepolemos, S. des Tl., S. des
Tl., aas Myra.
Myra.
Gardner, Journal of bellenic studies VI 188S S. 858 n. 124; aus
dem Mannskript Gockerells (s. S. 162). Aurelios — aus Myra errichtet
far sicb^ sein Weib Thame und seine Kinder ein Grabmal.
Olympus.
Gardner, a. a. 0. S. 861 n. 138; aus demselben Manuskript Grab-
stein des Moles IIL, S. des Konon, aus Olympos; datiert nach dem dffo]-
krfwraero^ Agonotheten M. Aur. [M]oIes, S. des Demetrios. -- n. 139;
ebendaher. Demetrios ~ Philokypris Apphias aus Olympos errichtet f&r
sich , sein Weib Eulogia, seine Kinder und Nachkommen ein Grabmal.
Der widerrechtliche Benutzer soll dem Demos 500 Denare entrichten,
wovon der Angeber ein Drittel erhält Nachträglich wird die Bestattung
des Herakloon und seines Weibes Pausun erlaubt
Phaseins.
Gardner, a. a. 0. S. 361 n. 137b; aus demselben Manuskript
Wohl Rest der Ehreninschrift auf einen 0cunjXe{['njv vetx^aoan-a ^-{2)6-
fa;[c] n[6Bea? (3) dlyaivog.
Nach Lykien scheinen auch zu gehören die von Gardner nach
Gockerell mitgeteilten Inschriftreste a. a. 0. S. 358 n. 125 a, S. 359 n. 126 b,
8. 360 n. 127. 183. 135. 136 (s. unter XXXIX: Inscriptiones incertorum
loeomm).
XXm. Pamphylla.
Bezzenberger, Die pamphylischen Inschriften. SGDIBd. I 1884
Heft 4 S. 868-370 n. 1259—1269. Wortregister von Meister, 8GDI
IV Heft 1 8. 104 f. — Die Bemerkungen Deeckes zu der grohen In-
11*
164 Griechische Epigraphik.
Schrift von Sillyoo n. 1267, Jahresber. Bd. XXVIII 1881 Heft 3 S. 225
—228, sind noch nicht verwertet. Zweifelhaft ist n. 1268. Wahrschein-
lich aus Phaseiis stammt die von Hirschfeld in Adalia gefundene Mau-
solosinschrift n. 1269.
Attalia.
nach Radet und Paris» BGH IX 1885 S. 436. Fragment. Bule und
^ ^^^ Demos ehren den sonst unbekannten P. Aelius Bruttius Lucianns, r^v
[Xoi/i]7Tp6TaTov dv3u7j[aTov nafi^Xi\aQ^ Aux\iag — — . Die Herstellung:
/la/A^Xcac kann als gesichert gelten. Lykien wurde unter Claudius mit
Pamphylien vereinigt, doch erst senatorische (durch einen Prokonsul,
dv&unaTog^ verwaltete) Provinz 135 n. Chr. Unsere Inschrift ist demnach
nach diesem Jahre zu setzen. — BCH X 1886 S. 148 f. n. 1. Basis.
Den M. Gavius L. f. Galliens ehrt in einer langatmigen Inschrift, in der
die Ämter und Titel des Gefeierten in Asien, sowie seine in Rom erhal-
tenen Auszeichnungen aufgezählt werden, sein Klient M. Gavios Eire-
1 188 naios. — S. 155 n. 2. Basis. Bule und Demos ehren den Kaiser Anto-
—161
ninus. — S. 156 n. 3. Basis. Den M. Plancius M. f. Plato Memmianus
Proclus ehren M. Plancius Plato und L. Tib. f. Galpurniana. — S. 156 f.
n. 4. Grabschrift, errichtet von Severa, T. des Deiphilos, und ihrem
Gatten Galpurnius Garpus f&r sich, ihre Kinder und die Eltern der Se-
Vera, Deiphilos und Attalis. — S. 157 f. n. 5. Stein mit zwei Grab-
schriften: 1) des — Modestns (to^ktv^I^]^ ^^C /^Bvä rtov hträ ao^v;
2) (Fragment) des Gn. Valerianus und des Fl. Modestns (?), mit Straf-
androhung.
Papadopulos-Kerameus, KEiPI XV 1884 S. 53 n. 8. Gefun-
den in Basileia, zwischen Kakabos und Attaleia; jetzt auf der Insel
Syme. Fragment einer architektonischen Verzierung mit der Aufschrift:
NAYKAHP— .
Perge (Matzun).
t4i-^ Radet und Paris, BGH V 1886 S. 158 n. 6. Zwei Architrav-
fragmente. Der Demos der Pergaier ehrt den Tiberius Glaudius Gaesar
Augustus, Vater des Vaterlandes. — S. 159 n. 7. Vollständigere Ab-
schrift von Lebas^Wadd. 1373: Ehreninschrift des inap^oQ htnimt M.
Gl(audius) Rutilius Varus und des Ghiliarchen L. GI(audiu8) Pop
cianus Agellinus auf ihre Grofsmutter, Priesterin der Artemis Asylos and
der Athene, Gl(audia) Paulina Artemisia.
Aspendus (Balk).
Badet und Paris, a. a. 0. S. 160 f. n. 8. Ehreninschrift auf Tib.
Gl(audiu8) Quirina Erymneus, S. des Tib. Gl(audius) Italiens. Am Schlufs :
TipoTxa.
XXIII. Pamphylia: Attalia. Perge. Aspendos. XXIV. Pisidia: Gibyra a. s.w. 165
XXIY. Plsldia et Isauirla ').
A. H. Smith, Notes in a tour in Asia Minor, Journal of hellenic
stadies VIII 1887 S. 216—267, veröffentlicht die Resultate einer mit Prof.
Ramsay im Sommer 1884 unternommenen Reise, hauptsächlich im Gebiete
des alten Pisidiens.
Gibyra (Jusaftscha).
Smith, a. a. 0. S. 234 n. 15; unvollständiger nach Falkener Hen-
zen, Annali dell' inst. 1852 und Lebas-Wadd. V n. 1218. Der Demos
and die 7Tpayfiareo6fiev{o)e ivrau^a 'Pwfi[dt]ot ehren den Mithres, S. des
Eu — , mit einem goldenen Kranze und einem Standbild. — Vgl. die
Ehreninschrift Collignon, BGH 11, 598 n. 6 (R6hl II, 113); a. a. 0. S. 699
n. 6 (R6hl ebd.) kann auf grund unserer Inschrift hergestellt werden.
Durdurkar (Dorf zwischen Earajuk-Bazar und Ghorzam).
Paris und Holleaux, BGH IX 1885 S. 325 ff. n. 15. Sehr defekte, mi-
aus zwei Teilen bestehende Inschrift: A (Z. 1— II): Schreiben eines
(königl. Epistolographen? vgl. Polyb. 31, 3, 16) Am otos an einen
Dionytas mit Hinweis auf ein beifolgendes königliches Edikt, in welchem
der König die Berenike, T. des Ptolemaios, Enkelin des Lysimachos, zur
Elizpriesterin im Bereiche der Satrapie ernennt, deren Statthalter ohne
Zweifel Dionytas war. Letzterem wird die pttnktliche Ausführung des
Ediktes sowie die AnfsteUung von Abschriften desselben in den hervor-
ragendsten Orten anbefohlen. — B (Z. 12-38): Edikt eines Königs
An[tiocho]s (so ist mit Sicherheit herzusteUen) zu Händen des oben er-
wähnten Am tos. Unter Lobpreis der Tugenden t^c ddeX^ ßaüt"
Xiaar^g AaoStx[ijg ordnet der König göttliche Verehrung derselben an und
bestimmt die Einrichtung des neuen Kultes gemäfs seiner eigenen gött-
lichen Verehrung. Entsprechend den Erzpriestern des Königs sollen Erz-
priesterinnen der Königin für alle Tempel eingesetzt werden, in denen
dem König göttliche Verehrung zu teil wird. Nach Festsetzung der Amts-
tracht der Priesterinnen, zu der ein goldener Kranz gehört, und der Pri*
vilegien derselben folgt die Ernennung der Berenike, seiner Verwandten.
Abschriften des Erlasses sollen in den hervorragendsten Orten der Sa-
trapie ausgestellt werden. — Das Edikt ist mit Wahrscheinlichkeit zu-
rfidczuführen auf Antiochos II., der nach Polyän 8, 50 seine eigene Schwe-
ster Laodike heiratete. Da derselbe 248 v. Chr. seine erste Gemahlin
verstiefs, um sich mit Berenike, T. des Königs Ptolemaios Philadelphos,
zu vermählen, so wttrde die Inschrift zwischen 261, dem Jahre seines
1) Die lykaonischen Inschriften s. unter XVH. Phrygia. Dort
auch Antiochia Pisidiae und Umgegend.
IQQ Griechiache Epigraphik.
Regierungsantrittes, und 248 v. Chr. fallen. Ansprechend ist die Ver-
mutung des HerauBg., der Stein möchte von Laodicea am Lycus, welches
zu Ehren der ersten Gemahlin Antiochos II. erbaut war, verschleppt sein.
Ormele (Tefenfi) und Umgegend.
Cousin, BGH Vm 1884 S. 497—604. Tefenfi. Umfangreiches,
höchst interessantes und fast voUständig erhaltenes Fragment (auf drei
Seiten des Steins 38 + 39 + 44 Zeilen) von 23 Orakeln der WflrfelmanUk.
Jedesmal werden aufgeführt: Die £iner der fünf geworfenen Wfirfeli deren
Summe, der Name der Gottheit, unter deren Anrufung das Orakel erteilt
wurde, die Zahl der gleichen und ungleichen £iner, das Orakel in drei
(oder vier) nicht immer korrekten Hexametern. — Besserungsvorschläge
von H. van Herwerden, Mnemosyne XIH 1885 S. 285 — 287. Zu U
Z. 3: n]pä$iv^ f^v [n]pdff(ret^^ (»malim [iSf]pda(Teec i- e. dpäaetgt) lüj npaa-^
[airw oh y\^ äjietyov^ da dieser Poetaster nach der gewöhnlichen Regel
p^ entweder mit dem Imper. Pr&s. oder dem Eopjunkt. Aor. verbinde.
Daher auch XIT, 2 zu ergänzen: [ji^ ftpdSj^ n]pä$ev. — Z. 4: ^^aXerUtv
[x]ai dfü^x^vdv iar[iu. — Zu lY Z. 5: [alafnjpec laovrat, — Zu V Z. 4:
TÖv] t' iv vodatp iovra Beol xarfyc^oetv £]t* ainöv, — Zu VII Z. 6:
äjrijiJüov[t f,yj sj ii]o{pij. — Zu YHI Z. 8f.: iv)^e/jpee» Ebenso zu XIX Z. 2:
Bapamv hx^iptt xrL Vgl. Kaibel, Epigr. Gr. 1041, 6: i^x^ipt (^ pet\
fsv«, Bapa^üog. — Zu IX Z. 8: np[d$]Bes d\ daa ß[ouX]j. Vgl. Eaibel,
1041, 4: Seaa MXsiq^ npd^eiQ, Die fibrige Ergänzung ist unbestimmter;
vielleicht: näv 9[ixou^ 8aüa ^e^c] Swaeif np[d^eeQ $\ 8aa ß[o6^. —
Zu XI Z. 4: hp (v)ouatp Sd r' iövra. Vgl. V, 4. ~ Zu XH Z. 3: oSmu
xai[p6c* rl an]e6S€(c dk au\ p^ x[e]vd [^d^Q xxi, — Vgl. die bisher
bekannten ähnlichen Orakel der Wttrfelmantik bei Eaibel, Epigr. 6r.
S. 454—460.
1 199? Smith, a. a. 0. S. 236 n. 16. Ebd. Felseninschrift mit Reiterrelief
(des 9eb^ owCwv?), Votivinschrift des Menelaos, S. des Monis, eines
6/00- (oder 3/oo-?)^Aa^; datiert: lT[o]uff [e]op' (nadi der Ära von Sibyra
t m? 199 n. Chr.). — S. 237 n. 17. Ebd. Felseninschrift: ""Erlo]»^ ßop\ |
7i^aiv ß' Koioo. — 194 n. Chr. nach der Ära von Eibyra. — S. 238 f.
n. 19. Ebd. Ea]duas, S. des Monis, und seine Söhne, «richten dem
Monis, S. des Posidonius, ein Grabmal. — S. 239 n. 20 desgl. Demetrios,
S. des D., sich selbst und r^ tt/vau/Hso) zu Lebzeiten. — n. 21 (wiederholt
auf dem unteren Teile der Stele) dem Artemisios sein Weib Enas, seine
Söhne MnsaioB und Hieron und sein dißwpto^ Musaios. Enas ist vielleicht
herzustellen BGH U, 603 n. 15 (Röhl II, 113). — S. 240 n. 22; ungenau
Collignon, BGH II, 263 n. 15 (Röhl II, 112) — s und Meni[s zu Lebzeiten
dem lason und der Eia. Letzterer Name ist vollständig. — S. 241—246
n. 23. Hedsche. Auf vier Seiten beschriebene Basis ; bisher publiziert
XXIV. Pieidia et Innria: Ormele. Olbasa. LagboD. 167
GIG 4867: Seite A Z. Tff. and einige Worte von B; BGH II, 256 n. 11
(Röhl II, 111): A Z. 12 ff. Veneichnis einer Litte von Beisteaemden für
einen öffentlichen Zweck. Anf das Präskript: 'Aya^fj (rO^^jj) folgen die
einzelnen Spenden nach dem Schema: 6 Ssiva rou Sslve^ trifjof^ae rbv
Sj^Xov (auch SxXov) [Si^v-] —. Nach A Z. 6: dve<rn)aev scheint es sich
um Errichtung einer Bilds&nle za bandeln ; nach Hicks vielleicht um die
des ^Oj^ioc* Der Beamtenname der itpodyovre^ (A 6. 8) begegnet anch
BGH II, 260 Z. 8 and S. 253 Z. 9 (Röhl II, 112 c). — S. 248 n. 26.
Ebd. Fragment einer (Orab)8tel6, ?on Monis, S. des Dallas, seinem Bra-
der {ddeXTtqf) Menis, seiner Mutter, sich selbst und seinem Weibe er-
richtet — S. 226f. n. 4; Z. 1-3 fehlen bei Gollignon, BGH II, 173
D. 6 (Röhl II, 112). Sie lauten: 'Anb xo/t^c M» KaX-(2)not}pvtoi} Adyyoo
(3) Todrpwvoc ISeoü* folgt die Widmung des M. Oalpurnius Epineikos (der-
selbe in der Inschrift von Karamanli BGH II, 263 n. 16 [Röhl 11» 112]),
fädoBwril/C tw¥ nepl ^^^ro[v] roiuuv^ an den Zeas Megistos. — S. 248
n. 24; Gollignon, BGH II, 264 n. 17 (Röhl II, 112). Ebd. Die Zeilen:
A^ioc I 'EUvou sind vollständig. — S. 238 n. 18; ungenau Gollignon,
BGH II, 172 n. 4 (?ergl. BGH IV Taf. 10 Fig. 3). Karamanli. YoUvin-
Schrift des Osaeis, S. des Attalos, l(e)paLadfjLsy[oQ an den I!]wCfov [in]j^
x6og; darunter das Reiterbild des Gottes mit Doppelaxt auf der Schulter.
— S. 249 n. 26. Kaldschik. Unter einem Reiterrelief Votivinschrift des
Kobeliis H, S. des Attes (Gen.: Vlrt^) an den Poseidon iTnjMÖo^, Vgl.
BGH n, 173 n. 5 (ftöhl II, 112). — n. 27. Ebd. Votivinschrift: 'A]7a)X'
[X}(uvtO'(2)Q M nXo'(Z)u'cu)vt 'E\n\t'(4:)[<p\dvt (? Hicks) rb koi'{h)nbv
«^x^v. — S. 250 n» 28. Ebd. Grabschrift des Emmenides, S. des Archon,
*AnBuxebc auf Em[meni]das?
01b asa (Belenli) und Umgegend.
Smith, a. a. 0. S. 250 n. 29^ Üz-Baghtsche. Die xhjlpy^ö/wi
Kastor, Ejnas und Atas errichten ein Grabmal. — Derselbe, a.a.O.
S. 250f. n. 30. Ealowislar. Publius Gornelius, S. des Abaskas, und Gor-
nelia Tyche errichten ihrem Sohne Marcus (]lalpumius Birrhias Eutyches
und sich selbst (iarocQ) ein Grabmal. — S. 251f. n. 31. Belenli. Nikan-
dros errichtet seinem Sohne Marcus, seinem Weibe — , seinem Sohne ~
und seiner Tochter [E]io[u]li[a] (? = lulia) zu Lebzeiten ein Grabmal.
LagboD (Abu Faradin Yaila).
Smith, a. a. 0. 8. 263 n. 34. Fragmentierte Inschrift eines Sar- t wi.
kophages, den Aur. Ke — für sidi und sein Weib bestimmt; mit Straf*
androhung. Datum: irou^ etg = 237 nach der Ära von Eibyra.
168 Griechische Epigraphik.
Isinda? (Istanoz).
Smith, a. a. 0. S. 262 n. 82. Unterhalb der rohen Reliefdarstel-
lung einer weiblichen Figur Orabschrift des Hermai(o)s, S. des Tro[k]on-
das, auf seine Tochter. — Ein Trokondas, S. des Hermaios, begegnet in
der Inschrift ?ou Kretopolis Ramsay, BGH VII, 268 n. 10 (Röhl II, 111);
vgl. auch CIO 4367 g. — S. 252 f. n. 33. Zwei Fragmente. DnlikoSf
Freigelassener des Attalos, Kestros und Damo8[i]o8, SS. des Piaton, er-
richtet ein Grabmal fflr sich, sein Weib Melitine und seine Schwägerin
Eoirilla; mit Strafandrohung.
Andeda (Andia) und Umgegend.
Ramsay, MD AI X 1886 S. 337 f. Iuli]us Epagathos und Inl]ia
Secnnda weihen 'AvSi^ewv [rg ß]oüXg xat t<jj S^^fup ein ä]YaJifi[a oder
d]ydXfi[ara. Der Name der Gottheit ist nicht erhalten. — S. 338 f.
Bule und Demos ehren den Marcus Plan -(4) eins Comeli-(5)anus Gaius,
dp^t'{ß)e[p]cuTdfievo)f tc5v I!eßaa'(7)Twv u. s. w., dp^tepa<rdfjLevov (11)
Sk xal iv r^ Oöspßta- (12) v(uv Ttöht. — Unter letzterer Stadt ist Herbe
zu verstehen, welches demnach in nächster Nähe von Andeda anzusetzen
ist. Die Legende Oöepßtavwv findet sich auch auf Mttnzen.
Smith, Journ. of heU. stud. VIII 1887 S. 254 n. 35. Zivintkewi.
Bule und Demos ehren den Marcus Plancius Lelex als xr/irn^c und ^tX6-
TtarptQ, — n. 36. Ebd. Dieselben ehren die lulia Ghlide, Gattin des
Marcus Plancius Lelex, als aw^pwv und ivdperoc» — S. 255 n. 37. Dio-
nysios errichtet der Dionysias, T. des Aeimnestos, einen Grabstein.
Pogla (FuUa, Fughla).
Ramsay, MDAI X 1885 S. 335f. Psephisma zu Ehren des Aure-
lius A[rteimas] Dilitrianos, dessen Verdienste um die Bürgerschaft und
Würden aufgezählt werden. Z. 5: dp^iatpiatg,
Smith, Journ. of hell. stud. VIII 1887 S. 256 f. n. 41. Bule und
Demos ehren die Aurelia Harm[a]sta — Te[r]tia, T. des Medon, "ApTB-
fuoüc yuvaTxa aw^pova^ (8) iepaffoßdvijv ^f^ag ßa'(9)ffiXi8oc^ dijfjuoupp^-
(il) aaaav^ äpxiae{ßo)paaa/iiv7jv u. s. w. Die Bildsäule errichtet ihr Mann
Aur. Arteimianos Dileitrianos Arteimas. — S. 255 n. 39. Fragment:
ZuKTipos xcd Ha . S. 256 n. 40: —c p-srä äv^pdmiov.
Comama? (Karibtsche).
Smith, a. a. 0. S. 257 n. 42. Reliefdarstellnng zweier Figuren.
Ja/*ac 7j7 - - ow 'Oadee errichtet KaXXtöw^ t[ou\ Vadec rfj yuva(e)x} und
sich selber ein Grabmal. Vgl. GIG 4367 i.
XXIY. Piddia et Isaaria: Isinda? Andeda. Pogla. Gomama? ils. w. 169
A^fioQ n&pßivooydiiov (Eisil-agatach, ca. 3 engl. Meilen
südl. Tom Kestel-See).
Smith, a. a. 0. S. 228 f. Weihinscbriften auf einem Felsentempel.
— S. 229 n. 9; Ramsay, MDAI X 1885 S. 341: Tt. KL 'Pouacjv 'AnöX-
Ao/w nepiAtvo[üV'(2)Se(ov ed^^v. — S. 228 n. 5: Mat — [x]al — (2) oiol
— (3) *AnöUwvt nspiA[ivouv - (4) Siwv i7njx6<f) (6) «öj/^yv. — n. 6 : 'ElTtf]-
Tpo'(2)7r\og €b)[^ (8) *An6XXw[vc. — n. 7: — £^XV^' — ^- 8» Ranisay,
a.a.O. 8.840: Mdpxoc Teßi'(2)ptog ilvTcw-(3)v«oc 1acv8e'(A)u^ ed^rju.
— Die richtige Wortform: IhpfiivouvSewv ergiebt sich aus der Weihin«
Schrift Yon Smyroa MDAI XII 1887 S. 260 n. 12 (s. S. 71). Die Les-
art bei Hierokles 680, 3: 8^u MBvdeyewlv] ist daher in: 8^fiou Uep-
/uvouuSiMv zu emendieren.
Eestel.
Smith, a. a. 0. S. 267 o. 43. Bule und Demos ehren den 6. Ya-
lerins lulianus lunor als Heroen. Die Bildsäule errichtet seine Mutter Aur.
Marcia, T. des Metron[d]es Demetrios, ^eXoaropY^a^ xal fivr/fiij^ X^^*
Kdfxrj A/oarpiwv (Berreket, ca. 8 engl. Meilen 8.ö.
vom Buldur-Göl).
Smith, a. a. 0. 8. 229 n. 10. Rohe Relief darstellung des *ffpaxX^g
(2) xwjjojQ Moarpi'ifi)wVy hergerichtet 8iä imfjLe'(^)XijTwv Mdvou (5) Tara,
(6) xai 'ArrdXou (7) 'ATtoXXtuvcou (8) xcd Tp[w]cJ(og 'Apve[o]g (9) tou Tu-
ddoßQ (10) ^p^durero. — Zu letzterer Form vgl. iinpartuaero in der In-
schrift von Eayadibi S. 17 1.
Guide Tschiflik (ca. 10 engl. Meilen südl. Tom Buldur Göl).
Smith, a. a. 0. S. 268 n. 43(1). Zwei Fragmente. Votivinschrift
des Menandros, 8. des Trolles, an Pluton und Köre. — n. 44. Rohe
Reliefdarstellung zweier Figuren. — on Eolainos errichtet seiner Tochter
Amma ein fivi^jieeov, — n. 46. Zwei Sarkophagfragmente mit verstüm-
melter Inschrift. Am Schlufs: Totg x]Xrjpov6p.oeg o[üx d]xoXoo&rj(re(;
Übersetzung der lateinischen Formel: Heredem non sequitur.
Hadschilar (ca. 3 engl. Meilen südl vom Buldur Göl).
Smith, a. a. 0. S. 269 n. 46. Grabrelief mit fragmentierter Auf-
schrift, wonach Zo[sim]os dasselbe seiner Tochter — errichtet.
Yariköi (Siidufer des Buldur Göl).
Smith, a. a. 0. 8. 269 f. n. 48. Fragmentierte Ehreninschrift auf t iss
[Septimins Severus, M. Aurelius Antoninus (= Caracalla), SepUmius Geta] "
170 Qriechifsche Epi^aphik.
und lalia Domna als fi^p xdinpwv. Die Inschrift fällt zwischen den
Regiernngsantritt des Guracalla (198 n. Chr.) und daä Oeta (208 n. Chr.).
Vgl. CIG 4371.
Dawar, Dener (ca. 5 engl. MeiL vom Südende des Baidur Göl).
Smith, a. a. 0. S. 280 n. 11. Den Mgnsti C. Aar. Valerias Dio-
cletianns und M. Aar. yal(erias) Maximianas, sowie den Cäsaren Flavias
Valerias Constantias und 6al[er]ios (]onstantias errichtet ^ Xavnpä üaya.'
Xa4Ta[e]wv nöhg eine Weihinschrift
f 54.68 Ramsay, American Journal of archaeology n 1886 S. I28f.; TgL
Athenaeum, 20. Dez. 1884; Eph. epigr. V 1355. Orenzstein: Infolge
eines Reskriptes ('£f lmaroX^\g) des Kaisers Nero setzten der i^edjfiev
r^£ und dvTc<TTpdnj]rog Quintus Petronius ünib[er?] and der ine]Tpo7to€
Lucius Pupius Praesens die Grenze fest. Z. 13 ff.: a9po[Bi]nja[a]v rä
fitlv (14) iv] Se[$]tqi eh[cu UaydjXa&irdcjv^ (16) rd 8k iv d[pta]Tep§i .
S. 129. Dürftiges Fragment, dessen erste zehn Zeilen mit Z. 1—11 der
vorhergehenden Inschrift identisch gewesen zu sein scheinen. Am Schlufs
ist wahrscheinlich herzustellen: Ilaf]aJ(aa[ad<ov, — Da eine Verschlep-
pung der Steine wenig wahrscheinlich ist, so erhellt, dafs das Gebiet von
Sagalassos (s. S. 172) sich längs dem Sftdufer des Buldnr Göl erstreckte.
Takina (Yarischli).
t208 Smith, a. a. 0. S. 231f. n. 12; fluchtige Kopie von Arundell
(hiernach u. a. CIG 3966 b und mit einigen Verbesserungen nach Baiiie
CIG Add. p. 1106, Lebas V ITOO); neue, selbständige, doeh sehr fehler-
hafte Abschrift von Davis, Anatolica p. 138. — Nach einem wortreichen
Präskript mit obligaten Glttckwflnsohen für die Kaiser [L. Septimius] Se-
verus und M. Aur. Antoninus (= Caracalla), sovrie fttr die Nda ^Vpa 7oi;-
Xia (= lulia Domna) und [P. Septimius Geta (ausgekratzt)] u. s. w. unter
dem Prokonsulat des Tarias Titianus stiftet der durch mancherlei Ehren-
ämter und überseeische Gesandtschaften (wohl nach Rom) zur Zeit des
Commodus um seine Vaterstadt verdiente Tryphon, S. des Apoilonides,
r^ Y^oxoTdvfi narpßt zip Taxivetuv Si^fup ein ans dem Heiratsgute seiner
verstorbenen Schwester las hergerichtetes Bad. Er macht diese Schen-
kung mit seiner Gattin Amma auf den Namen ihrer beiderseitigen Toch-
ter Basilote unter der Bedingung, dafs Eltern und Tochter zeitlebens den
freien Gebrauch des Bades behalten sollen. — S. 261 f. n. 60. Von dem
auf vier Seiten beschriebenen Stein kopierte Arundell (CIG 3956 b)
nur Seite A und D; Seite C ist sehr abgerieben und schwer leserlich.
Die Inschrift besteht aus einem didaktischen Gedicht in Hexametern;
vgl. die iambischen ptwpat pjov6(rctxot CIG 4310 Add. Als Kern des
Gedichtes durften gelten (B) Z. 11/12: Oi cot xp^ot^\p]o¥ iare ^€wg
^311
XXIV. Pisidia et Isanria: Dowar. Takina. Kayadibi a. s. w. 171
ßidaamf{90)B€u dxa^c; (D) Z. 25: Vauj^a ßook&uw xcU aoc ^sög ^9^
fwveosi. — S. 268 n. 61. Grabschrift des Syros, S. des Artemoo, und t is^
der Myrsine auf ihren Soho — , dTtoSetSofiivoo Sth x^q vt&n^zaQ r«*
JU-(4)^ü itpbg ndvra ijfiij xai jpuatVj d^v]entXT^a[roü — ; datiert nach
dem Monat Artemisios des Jahres ai&' = 186 n. Chr. nach der sallani-
sehen Ära.
Kayadibi (ca. 20 engl. Meilen 8.w. vom Buldnr 6öl,
12 Meilen 8.w. von Takina).
Smith, a. a. 0. S. 268 f. n. 52. 'EXnk 'AXu[S]oc bestimmt einen
Sarkophag für sich nnd ihren Mann Monis, S. des Trophimos. — S. 264
n. 58. Enas, Gattin des Pablius, und ihre Brttder Publins IL und Monis
errichten ihren Eltern (yovctuat) ein Grabmal. — S. 266 n. 56. Tro- t sm
phijmos III., S. des Papias, errichtet sich selber und seinem Weibe Aur.
Ammia, T. des Zosimos, ein dvyeTov. Datum: izot^^ tX&' = 255 n. Chr.
— n. 56 a. Artemon, S. des Pole[mo]n, und sein Weib Ammias errichten
ihrem Kinde Trokondas ein Grabmal, welches Philon, S. des Andronikos,
verfertigt hat. — S. 266 n. 57. Unter der Formel: Xdpere^ napoS&nat
Reliefdarstellung eines Reiters; dann der Nekrolog: [A\up, EipijvdtüQ
£hr'(S)TpaTewTjjc (mit vorgeschlagenem et = t, vgl. Ismir = Smyrna u. a.)
iaTpa'{4)reuüeTo ivSö^wg' (5) noXXouQ äXecev (6) <TTäg Stä ^tpwv ire-
{H)Xiüryiötv iv jiü'(&)xe^ Atpxtpotg BU{^)Stip ^avdzip. Seine d\deXno\
Papias nnd Teimias, SS. des Apollonios, errichten das Grabmal — Zu
der Aoristform iarpareoaBto Z. 3/4 vergl. i^pydaero in der Inschrift von
Ktupüfj Moarpewv (Berreket) S. 169 Z. 10. — S. 264 n. 54. Altarinschrift:
ätel KaUaape, — n. 56. Fragment: /a^/o.
Ell es (westl. Ufer des Boldur 6öl).
Smith, a. a. 0. S. 260 n. 49. Ehreninschrift auf Antoneinos, S.
des Menneas, vsexri'(Z)ffavTa dvdpw[v (4) ndXi^v BiptSoQ (5) AovydktjaQ
d»(ei)nb )^pigfAdrafy (7) M, AlpiXioo A6v'(S)yvu i^huti^q (9) dj^deün^g roü
(10) xal d]ra9VoBe'{ll)rowTos Siä (12) ßiou.
Buldur (Mordtmann: Burdur) und Umgegend.
Kontoleon, BCH XI 1887 S. 220f. n. 14. Fragment eines Rats-
und Yolksbeschlusses (?) unter dem Archontat des Kallikles ß' , S. des
Dionysios, des Tamon, S. des Konon, und des Euklees (Gen. : EuxXeoüg),
S. des Kallikles.
Mordtmann, ArchäoL-epigr. Mittei]. aus österr. VIII 1884 S. 193
n. 3; nach Abklatsch des Dr. Schmidt, Unterdirektors der ägyptischen
172 Griechische Epigraphik.
Doaaoeo. Unter dem Relief des Moodgottes za Pferde VotivlDschrift des
MeDog8[8, S. des Trophimos, an Meo. — Die iDschrift ist schon mitge«
teilt von Collignon, BGH III, 334 n. 2 (R6hl II, 112). — S. 194 n. 3(1);
wie 0. Über and za beiden Seiten einer Bfiste des ApoUon mit Strahlen-
krone: — weoQ fierä. (2) r]a>w [d]vei/feä}[v (3) xarä xdAeüat[v (4) rcuv
&ewv ed'(S)x^v (6) d-(7)v^*jy-(8)xav. — Schon bei Collignon, a.a.O.
n. 1 (Röhl, a. a. 0.). — n. 6; wie o. Weihinschrift mit Portraitbttste:
Elepwv Ne[wv'(2)oQ —(3)— dve^[ijxa, — S. 195 n. 7; wie o. Vier-
eckige Säule mit Portrait; darOber: Ndfov *AT-{2)TdAou SIq (8) Mäpwvoc.
— S. 194 n. 6; wie o. Stele am Brannen bei der Brücke nach Ketsch!
Burlo. Rhodon, S. des Antiochos, Hermogas errichtet f&r sich, sein
Weib Babeis (? Dat.: BaßeT) and Kinder za Lebzeiten ein Grabmal. —
Schon bei Collignon, a. a. 0. S. 838 n. 9 (Röhl, a. a. 0.).
Kontoleon, a. a. 0. S. 221 n. 16. Kisli anweit Baldar. Fragment
Demetrios und Tiolamos (Timolaos?), SS. des Komon (so), errichten (eine
Bildsäule). — S. 222 n. 18. Tsekin unweit Buldar. Stiftungsarkunde
(xarä Sta^^xrjv Z. 4/5) des Veteranen Caius lunius lustus.
Mord t mann, a. a. 0. S. 195 n. 8. Ohne nähere Ortsangabe: AI
Abp, ^AaxXrjmddrjQ x€d Aup, Aö$dvaiVo[g (2) adroeg rd ^pwov xal roTc Sta-
S6xo[tg (3) xcä r^v iaurafv jAfjrdpa Aup, rar6/v(4)raiy vofi^v Aöp, Elp^
vT^v ^rijirjrpiot} Hu — . »Ein Fragment dieser Inschrift in Minuskeln GIG
3978 aus Arundell I 326, welcher es in unmittelbarer Nähe von Galandos
kopierte.!
Sparta (Isbarta).
Mordtmann, a. a. 0. S. 194 n. 4; nach Abklatsch des Dr. Schmidt
(s. 0.). MouaeTov xal ßtßXtoBTjxij V 1884/5 S. 24 n. 242 in Minuskeln. Im
Dorfe KpauyaZto}^ drei Standen von Buldur, gefunden; jetzt in Smyrna,
Museum. Votivinschrift ttber einem Relief: 'An-e^wo/v 9tip ^AnoXhüvt
sbx^v T^ ISiqL hparoauvfj,
Kontoleon, a. a. 0. S. 301 n. 10. Basrelief mit Reiter and Weih-
inschrift des Marcus Salvius [A]viscus an Apoilon Epekoos. — S. 228
n. 18. Rhodon, S. des Seleukos, S. des Trollos, ispaadfievog stiftet {iSpth-
traro) rov xaBijysfiova 'Eppüjv, — S. 301 n. 9. Grabschrift auf den vor-
zeitig gestorbenen Malius Censorinus. Am Schlufs: x^''{Jo)pat {= ^dtpt),
Sagalassus.
Kontoleon, a. a. 0. S. 221 f. n. 16 = Lebas-Wadd. 1197. Publias
lulius Diogenianus, S. des Publius lulius Sanctus, ein dyopavo/Ai^aag^ weiht
r^ Y^uxurarj} narpßt das Bild eines Eros. — Wadd. hat Z. 7, ohne
XXIV. Pisidia et Isaoria: Sparta. Sagalassas. Kiesme u. 8. w. 173
Zweifel nach einer correctio tacita von Bailie, dessen Abschrift er be-
nutzte: EINKAHTIKOY, <3och kann UuvxXi^Tcxd^ nicht Eigenname
sein; die Abschrift von Pell bietet: ZINKTOYMFOY; hierzu stimmt
besser die Abschrift des Lehrers za Sparta (s. o.), Earantones, die der
Publikation von Eontoleon zu gründe liegt: ZANKTOYNEOY. —
S. 222 n. 17; ungenauer Ramsay, BCH YII, 268 n. 12 (= Röhl II, 113).
Den Terentius Africanus (Ramsay: Marcianus), r^v Staffr^fiorarov ^ye-
fAova^ ehrt seine Vaterstadt.
Die zu Sagalassos gehörigen Inschriften von Du war (Sttdufer des
Buldur Göl) s. S. 170.
Kiesme.
Radet und Paris, BGH X 1886 S. 600 n. 1. i St. 8.w. vom Dorfe.
Der Sijfiog ZdXüiwv ehrt Kleon, S. des KL, inacve^dvra dp^trexTOffovvjQ
ivexev, der dem Volke 600 Denare zum Getreidekauf spendete. Sein
Bruder Memnon errichtet ihm nach testamentarischer Bestimmung eine
Bildsäule. — S. 601 n. 2. N.w. vom Dorfe, bei dem Orte Sarinch. Der
Demos ehrt den KaI[Iip]pos, S. des Arneios, welchem sein Sohn Mer[io]-
nes eine Bildsäule errichtet. — S. 602 n. 3. Den Kaiser L. Septu(so)-
mius [Sever]us ehrt lM]ouXcur(Tda}v 6 d^fwg,
Apa.
Radet und Paris, BCH XI 1887 S. 63 n. 37. Bauiuschrift: Eine
Tochter des M. A. Pappas, Jungfrau und Priesterin r^g (^eou x(a}) rajv
äytaiv^ hat auf eigene Kosten den Tempel wiederhergestellt und mit Zie-
geln decken lassen. — S. 64 n. 39. Ein zerbrochener Altar trägt 1) die
prosaische Weihinschrift eines Theophilos, S. des Th., Priesters des Dio-
nysos und des Pantheos; 2) die metrische Widmung (mit Anspielung auf
den Namen des Priesters): B](üfibv rovS* hpebg 6 Beoeg <p(\og i^ere-
keaae — — ätov6a<p^ l^wv na(z)pog ouvofjia. Beabsichtigt ist ein Disti-
chon. — n. 88. Stele mit Basrelief und Grabschrift einer Frau auf ihre
Tochter — is, T. des Fronte, und deren Mann Telephos, ^xarä 8iaBi^xag€,
Tachtali.
Radet und Paris, a. a. 0. S. 66 n. 44. Kassia errichtet ihrem
Gatten Taras[is und ihrer Schwester Zoij eine Bildsäule. — S. 66 f. n. 40.
Stele mit Basrelief eines lanzenschwingenden Kriegers: fduög noXi'(2)
fiwvogy 0et(9o)fioBiou (3) ijjovog, xal (4) 9stfji6^eog Ivvdoo. Darunter:
tlp&Toc T[jj I xwfij^. — S. 66 n. 41. Montanus, S. des Marius, errichtet
seinem Weibe Tatta eine Grabstele. — n. 43 desgl. Lucius, S. (?) des
Achilieus, seinem Bruder Kleoneikos. — n. 42. Auf dem Sockel einer
weiblichen Statue: 'BpaxU^Sijg.
174 Griechische Epigraphik.
Einik.
Badet und Paris, a. a. 0. S. 67 n. 45. Basrelief. Die Söhne des
Doglasates ehren ihren Vater und ihre Matter Eakkis sowie eine Nan[n]a.
Isaara (Hadscbilar).
Rad et und Paris, a. a. 0. S. 67 n. 46. Die Inschrift: l&0L]up6wv
^ ßouXij xa} 6 S^fJLog ot re ao^{2)/inoXe£Teu6fi£vot 'FiopLdiot lehrt eine rö-
1 117—188 mische Kolonie in Isaara kennen. — 8. 68 n. 47. Sehr defekte Ehren-
1 188—161 inschrift aaf den Kaiser Hadrian. — Dieselben, BGH IX 1885 S. 4d3f.
Zwei bis aaf den mit Errichtang der Statue beauftragten Epimeleten völlig
gleichlautende Ehreninschriften der Bule und des Demos der Isaurer auf
den sonst unbekannten C Etrilius Regulas Laberius Priscns, Legaten des
Kaisers Antoninus, dvretnpdnjyov (= Proprätor) litap^etafv Kdtxiag^
laaupiag^ Juxaovtac, unarov. — Bisher war die genauere Zeit der Ver-
einigung von Gilicien mit Isaurien und Lykaonien zu einer einzigen, unter
Verwaltung eines kaiserlichen Legaten stehenden Provinz nicht bekannt.
Bei dem Regierungsantritt des Antoninus 188 v. Chr. war dieselbe noch
nicht erfolgt; unter Septimius Severus erscheint sie als vollzogen. Wad-
dington, BGH VII, 290 hielt sie f&r das Werk dieses Kaisers. Dagegen
zeigt unsere Inschrift die drei Landschaften schon unter Antoninus durch
einen und denselben kaiserlichen Proprätor verwaltet Die Vereinigung
derselben zu einer einzigen Provinz mufs demnach in die Jahre 188—161
1 176—180 u. Ghr. fallen. — Dieselben, BGH XI 1887 S. 68 n. 48. Bule und
Demos der Isaurer ehren 8e ' imiieXi^vou Vpdarou Ttß&p(oo dpj^tepituQ den
Kaiser Mark Aurel. Da derselbe u. a. den gegen Ende 175 n. Ghr. an-
i 808-811 genommenen Titel Zappaztxbg führt, so ist die Inschrift jünger. — S. 69
n. 49. Ehreninschrift auf die dveixv^rot Seßaarol Galerius und Maximi-
nus, sowie auf die 2eßcuno\ Gonstantinns und Licinn(so)ius. Die Inschrift
fällt zwischen 308 und 311, dem Todesjahre des Oalerius. — S. 70 n. 50.
Widmung: ^Avetxijzot^ Zeßaarolg, — n 51: 'ApxtnpuTaveuaav-'lTOQ. —
Dem Schriftcharakter nach älter, als die vorhergehenden Inschriften.
XXV. Cillcia.
Gelenderis.
Moüüseov xat ßtßkoB^xt) V 1884/5 S. 61 n. op^' in Minuskeln.
Grabschrift in sechs Hexametern auf Tertius, einen Arzt. Z. S/4: Ehjrijp
dya^ÖQ^ yvwpijQ xaX^Q bnofVjVfj^ \ dvdpdaev ^Sk p)vat$l xal ^SioiQ dpa-
retvoTg. Neben ihm ruht die mvurij ^Appäg adappm^ xdk^ rodde SxotriQ^
(6) ra»v ivBxev j^a^pone xal ely *Aßao döpottrev, ~ In Prosa folgt die
letztwillige Verfügung des Tertius, dafs nach Ihm kein andrer mehr bei-
XXIV. Pisidia et Isaoria: Isaara. ZXV. Cilicia: Celenderis a. s. w. ] 75
gesetzt werden soll. Ein Zuwiderhandelnder bneOBovog iazcu 7tpoaTe/p,oiQ
ToTc (10) Ttspl axuXeuüBatg rä^pou xaB* ä xal Sie9efujv.
Gorycus.
Gardner, Journal of hellenic studies VI 1885 S. 362f. n. 181b:tn7
—188
ans den wieder aufgefundenen >MS. Inscriptions collected in Greece by
C. R. Gockerell, 1810~14c. Fragmentierte Ehreninschrift auf den Kai-
ser Hadrian, — [^''[ö] intx[hjffev *0Xu/i'{6)mov, röv ä[7[]d[vT<uv (6) xCh-
peov — . S. 363 n. 188 a. Rest einer Ehreninschrift auf einen Kaiser. —
n. 189 a. Späte Inschriftreste.
Pompeiopolis.
Mordtmann, Archflol.-epigr. Mitteil, aus österr. VIII 1884 S. 199 vor t s
n. 22. Kontoieon, MDAI XII 1887 S. 268 n. 30; ungenau Michell,
Academy 1885 n. 673 S. 229. Mersina, 1 St. östlich von Pompeiopolis.
Widmung: Asoxtiot Kaiaapij leßaaroh (2) xal narpbg r^c itarpßog (3)
ulwi^ Beou uiapvwe, viwv ^£-(4)/£Jw, Euep(Y)irjj ix Ttpoyoucjv (5) IIojjl-
fn^eoTtoJUräßu (6) 6 d^pLOQ. — L. Caesar, Sohn Agrippas und Enkel des
Augustus, starb 2 n. Chr.
Kontoleon, MDAI XII 1887 S. 258 n. 31. Rest einer Ehrenin-
schrift aus der Kaiserzeit: rplg abroxpaTopa (2) /lopTn^i'onoXerwv (3) ri^c
Updc xa} dauXou (4) xal adrovopou (5) 6 d^pog röv xxiaryjv (6) xa\ Ttdr
Tpwva r^c (7) noXewg.
Tarsus.
Mordtmann, KE02 XV 1884 S. 51 n. 6. Zu der metrischen In-
schrift Ramsay, BGH YII, 325 n. 54 (Röhl II, 115). In dTjpioupyhv
TTATTEIN Z. 9 hielt R. letzteres Wort für einen Fehler des Stein-
metzen, statt naristv\ M. möchte ein Cognomen des Demiurgen ver-
muten. Die ttber der Inschrift stehenden Worte: EYTYXIHMEPI
las R.: Etnvxis)! "Hp£p\jj]\ M. schlägt vor: Ebru^^ey, 'ffpept. Ist die
Deutung richtig, so wäre dadurch der Name des Geehrten gefunden.
Die ^pajrpog Sepdnovreg (Z. 12), die die Statue errichtet haben, waren
nach M. (s. Druckfehlerverzeichnis) wohl eine Gilde, die ihre Mitglieder
auf gemeioschaltliche Kosten begrub. — In Minuskeln wird die Inschrift
wiederholt Mooaeiov xal ßtßktoBijxr^ V 1884/5 S. 78 n. e/oi;'. Die Übei^
Schrift ist hier gedeutet: £&r6/(e)r {ßby/}p£p{e)t,
Adana.
Kontoleon, MDAI XII 1887 S. 257 n. 29. Grabschrift des
lulius Aelianus. Am Schlufs: Koufoy fye r^v ^v. Datum: "^Eroog aC.
176 Griechische Epigraphik.
XXVL Syrla.
A r a d u 8.
kurz
t^o Mommsen, Eine loschrift des altern Plioins, Hermes XIX 1884
8. 644 — 648, ergänzt das Fragment GIG 4536 f. : 'Apa8i(o\i\ ^ ßouk[^ xal
6 8^ flog (2) fa/ov IJX\cvcov I!exouv[8ov (3) inap])[ov ane/pijQ [ß]pa[x(üv
(4) 7tp]wr7jC^ Snap^ov N0 . - . . (5) . . . oiv, dvT&mTpo\nov Tiße'{ß)peo]o
louXeou ^A^[e]$[dv8pou (7) irtldp^ou [t]oü *Iou8ac[xoo arparou, (8) ine-
T]po7tov Ztip[laQy inap^ov iv (9) Aly(p7rc\u}t Xeyewvog s[ixo(n^g (10) ^et#-
repae]. — Tib. lulios Alexander Z. 6/6, ein vornehmer alexandrinischer
Jude, ist der aus Josephus wohlbekannte Generalstabschef des Titus im
jüdischen Kriege des Jahres 70 n. Chr. Dadurch scheint die Beziehung
des Fragments auf den altern Plinius kaum zweifelhaft zu sein. Auf
grund unserer Inschrift und der litterarischen Zeugnisse unterzieht der
Herausg. die Ehrenämter des letzteren nach der Zeitfolge einer kurzen
Erörterung. Der Umstand, dafs Plinius Untergeneralstabschef (lat wohl
=r vice procuratoris) im Jahre 70 war, erläutert uns seine Worte in der
Dedikation seiner Naturgeschichte an den Titus: nobis qualis in castrensi
contuberniol Offenbar gab die Prokuration von Syrien den Aradiern Ver-
anlassung, den Plinius in der ttblichen Weise zu ehren. Die Präfektur
der Flotte von Misenum, welche derselbe in seinem Tode&jahre 79 be-
kleidete und die sich richtig in seine Beamtenlaufbahn einfttgt, hat in
der irtther abgefafsten Inschrift keine Stelle mehr gefunden. — »Dafs
ein Manu wie Gaius Plinius, der in Spanien, Germanien, Palästina, Sy-
rien, Ägypten als Offizier oder Beamter ihätig gewesen ist, der ttber
Eavalleriemanöver geschrieben und im Generalstab des Kronprinzen eine
hohe Stellung eingenommen hat und der ein Opfer seiner wissenschaft-
lichen Neugier ward, ein Studierlampenbuch wie die Naturgeschichte hat
schreiben können und mögen, das wird allerdings durch diese Aufklä-
rung seiner Laufbahn noch etwas rätselhafter, als es bisher war.f
Harn (am Antilibanon; '/«St. nö. von Marab&n).
Glermont-Ganneau, Revue arch. IV 1884 S. 279 n. 44 (vergl.
Rev. arch. V, 63). Thürschwelle : Mepxoop{(p daß/uy<p xfo/ir^g Xafiaiv(oc?)
iroog 8110' lepoTOLfuotij&o) Bda[a\og ücuiptTa xicd) Obß[e'\ux'^
^ xwiLrj ino[t\f^aev^ x{at) ri^v 8andvi^v r^g xwpojg BijJiüxßog Za^pdpa ij'pa-
jfsv ' 0[X]dxxog 6 rexv^-n^g. — Der Franenname Uefp^äpa begegnet auch
bei Blanc, Inscr. grecques de Salda n. 10 (Röhl II, 118).
Berytus und Umgegend.
Mordtmann, MDAI X 1885 S. 165—171 veröffentlicht folgende,
ihm von Dr. Schröder, Konsul des deutschen Reichs in Beirut, tibersandte
Inschriften aus Beirut und Umgegend: S. 165 n. 1. Beirut Steinplatte
XXVI. Syria: Aradas. Harn« Berytus. Heliopolis o. 8. w. 177
mit ReliefdarstelluQg eines mächtigen Fascinnm, welches an einem Bande
eine Glocke trägt, etwa wie ein Kameel oder anderes Tier. Mit diesem
Fascinnm sind noch zwei andere von kleineren Dimensionen verbunden.
Dazu die Inschrift: Ilaxd^i ßdaxavog — xa\ ao, — n. 2; vorher Beaa-
donin und Pottier, BGH III S. 260 n. 4 (Röhl D, 117). Grabsäule im
Serail zu Beirut; angeblich aus Tartus (Antaradus bezw. Marathus) mit
der Aufschrift: Mdyva XP^^ (2) ^^ dUor(so)n8, z^P^' (^) C^^nxoa i-nj
jaB' xrX. — S. 167. D^r-el-qal'a ; aus den Ruinen des grofsen Tempels
des Ba'al Marqod. Auf dem in zwei Stücke zerbrochenen Piedestal einer
bronzenen Ammonstatue steht die bereits herausgegebene Weihinschrift:
M. Vardoueoc VXapo^ eb^dfievo^ dvi^rjxa unkp CfwnjpiaQ K . , .. Eöru^ooc
xal Hxvwv. Darunter eine metrische Inschrift in nicht immer vollstän-
digen Hexametern und Pentametern, deren Anfang: ElXa^i fiot^ BuX/iap»
xctfc, xo/pave xcj/jlwv, \ xcd xXue <rou^ Bianora^ vuv ^IXdpou — . Der Her-
ausg. schliefst sich der Ansicht von Renan u. a. an, daCs Baimarkos nicht
als Nebenform von Baal Melqart, sondern als Obersetzung des daneben-
stehenden xoipaye x<ofiMv aufenfassen sei (raqad hebr. und syr. = sprin-
gen, tanzen). — S. 169 n. 7 (Abklatsch des dänischen Vizekonsuls Loyt-
ved); Glermont-Ganneau, Revue crit 1885 S. 495—497. D6r>ei-
qal'a, jetzt in Beirut Weihinschrift: K]upe{p [r]e[V'(2)vcU<p BaA'(^)fAap'
xwdt (4) T^ x(ü Mij'{5)Yp}v xarä (6) xdXeuffev (7) ^eoü 'i|.(8)^€/i%-
(9)w»5 Md'{\(ü)^ifioQ (11) ebxaptor'{l2)<ov ay6-(13)^xa. Die Bezeich-
nung des Baimarkos als Megrin (Z. 4/5) steht nicht vereinzelt da. Zwei-
felhaft ist, ob unter dem ^Bbg 'Ape/idi^M^ (Z. 7 ff.) derselbe zu verstehen
sei. Dieser Name ist offenbar das Ethnikon eines einheimischen Ortsnamens
'ApiiidTj oder ähnlich (vgl. u. a. auch das 'Apt/ia^a/d Matth. 27, 67).
Heliopolis (Baalbek).
Clermont-Ganneau, Revue arch. lY 1884 S. 278 n. 41. Frag-
ment: "El/ilneaeaiv p[e]cpdxeov eb^paofrbQ (oder: dveu^pavrog)
ä xa^^ ^fidpaQ, — n. 43. Stele mit Basrelief und fragmentierter
Grabschrift auf einen lulius Di—. — n. 42. Auf einer BOste: ^Epp^
xaJi ^Apnhäro^ inoa^trav.
Barin (Lage?).
Clermont-Ganneau, a.a.O. S. 280 n. 46. Fragment: ir[o]u^ au
ex^\ — Das Jahr 725 der Seleuciden beginnt am 1. Okt. des Jahres
418 n. Chr.
Ohne nähere Ortsangabe.
Clermont-Ganneau, Revue crit 1886 S. 232 liest auf grund fM
einer nicht ganz fehlerlosen Abschrift: Ynkp aain^peac adroxpdropoQ ^^^^
Tpaeavoü^ Nepoua Zeßaarou ulou^ Zeßauxrou reppxxytxou^ Jaxixoü Mevvda^
Jahresbexkht für AltertuaswiiMaschaft. LXVL Bd. 12
178 Oriechische Eplgrapblk.
Bs^Xcdßou Tou B^ahißou^ navpb^ Nereipoo rod dTw^ea^dwoc iv r^
[A}£ß^t de* oH cä (i)opral ä^ovrae^ in(axono^ Ttdvrwv twv ivddde yeyo'
vÖTiuv IpyoßV, xar' thaeßeiojs dviBnjxev Beqi AeoxoMf, dveyetpmy, —
Nach dem Herausg. durfte sich der Ausdruck: dno^. — äyovrae auf
Menschenopfer beziehen.
Balanae (Banias).
Mordtmaun, MDAI X 1885 S. 170f. n. 9 (s. S. 176 u.). Frag-
mentierte Ehreninschrift. Einem — 8<op<p ^AvTe6[)[ou tou] dTj/v^rptou wird
nach Ratsbeschlufs eine Bildsäule errichtet. — Wohl identisch mit Re-
nan, Mission en Ph^nicie S. 108.
Westjordanland.
Enting, Epigr. Miscellen, in den Sitzungsber. der Berliner Aka-
demie 1886 S. 681 ff. teilt eine Anzahl griechischer, griechisch- jadischer
und hebräischer Orabschriften aus Palästina mit. — Caesarea: A. a. 0.
S. 684 n. 78. 79. -— Heapolis (Nabulus) in Samaria: Schreiber, Zeit-
schrift des deutschen Palästinavereins VII 1884 Heft 2 mit Lichtdruck-
tafel. Eine Dreifufsbasis mit Reliefdarstellungen von iBXa der Gölter
und Heroen, insbesondere des Herakles und des Theseus, trägt an ihrem
oberen Rande eine Widmung in drei Distichen (der erste Hexameter ist
verloren gegangen), in welchen die Schönheit des in Attika erworbenen
Weihgeschenkes gepriesen wird: — 6veo^ B^xev 'ArBeSoQ ixxofieaa^, (2)
oS]v9xev iv vpenödeaaeu dptareOaaxev änaotv^ (3) xdXAei xal fiayi^t xa\
^dpeatv npo^ipoiv» (4) Fopyvbt xa\ äiovnaog dydXXsrcu xac re yejri^ew
(5) rbv rpino8^ ehopöatv^ ou narpbg ivjreveTT^^, — Joppe (Jaffa): Cler-
mont-Oanneau, Revue crit. 1885 n. 27 S. 14f Abklatsch einer jüdi-
schen Grabaufschrift: ^Hydpaaa kj\oj\ 2!aobX iv r^ lÖTtTCfj napä Bapoo^eou
/iv^fia' dveB[i^]x(xp.ev npußTiog üaouX xal ZovxXijTtxrjv» — Euting, a.
a. 0. S. 681 n. 62'66. S. 682 n. 56. 57. 60. S. 684 n. 72—75. 80. S. 686
n. 87. S. 688 n. 88—97. — Emmaus (Amwäs): Euting, a. a. 0. S. 679
n. 46. — Jerusalem und Umgegend: Revue crit. 1885 n. 6 (9. Febr.)
S. 120. Sitzungsberichte der Acad. des inscr. et des helles lettres vom
30. Jan. 1885. Vorgelegt wurde von Clermont-Ganneau der Abklatsch
einer Stele mit griechische^ Inschriften, welche derselbe vor etwa 15
Jahren in der Nähe von Jerusalem entdeckte. Es ist eine der von Jo-
sepbus erwähnten Stelen, auf welchen griechisch oder lateinisch das Ge-
setz eingraviert war, welches den Heiden den Zutritt zu dem Tempel
Herodes des Grofsen untersagte. Die Stele trägt den Text dieses Ge-
setzes (derselbe wird nicht näher mitgeteilt) in griechischer Sprache.
Nach der Entdeckung Cl.-G.*s verschwand das Denkmal; jetzt wird es
im Museum Tschinili-Kiösk zu Konstantinopel aufbewahrt. Durch Ver-
mittlung von Sorbin-Dorigny hat GL- G. einen vollständigen Abklatsch an-
XXVI. Syria: Balanae. Wesfjordanland. Anranitis o. Ostjordanland. 179
fertigen lassen können. — Entiog, a. a. 0. S. 684 n. 70. 7l. — Cler-
mont-Gannean, £pigraphes höbraXques et grecqnes sar des ossnaires
jaifs in^dits, Revue arch. I 1883 S. 269—277, veröffentlicht eine Anzahl
von hebräischen, hebräisch-griechischen und griechischen Aufschriften von
Graburnen, die der Heransg. bei seinen Nachforschungen i. J. 1874 ge-
funden hatte. — n. 1— 30 stammen aus einem einzigen Grabgewölbe
vom Berg des Ärgernisses. Davon sind griechisch : S. 265 n. 22 : + (?)
l€COYC I6C0YC (christlich?), n.23: NATANIAOY(?) = Na-
thanael(?). n. 24: Möa^^a^. S. 266 n. 26. 26: Mapt6do<:\ der Name ist
zweimal wiederholt, n. 27: KopBaQ. n. 28: */f^^a. S. 267 n. 29: HB—,
S. 269 n. 34 Fragment einer Graburne vom ölberge; unter der griechi-
schen Zeile: . n Aa^dpou oder lata^dpou {Be . . ai^^a . . .?) folgt eine he-
bräische. — S. 271 n. 37 Fragment einer Graburne aus der Nähe von
Cho'fät, einem Dorfe nördl. von Jerusalem: Z. 2 — Map/a . S. 272
n. 40 Oraburne aus der Nekropole des Wadi Yasul und des benachbarten
Wadi Beit Sahur: SaXiofiij (zweimal). — S. 273 n. 41 ebendaher. Dop-
pelsprachige Inschrift; griechischer Teil : MavdtjfioQ, — S. 274 n. 45 aus
der n.n.w. Umgegend Jerusalems: 'AvrtySua. n. 46 ebendaher: £]dr/oa-
niXou. — Askalon: Euting, a. a. 0. S. 686 n. 81. *- Oaxa: Der-
selbe, a. a. 0. S. 684 n. 76.
Anranitis und Ostjordanland.
Mordtmann, Archäol.-epigr. Mitteil, aus Österreich VIII 1884
S. 180 — 189 publiziert aus einer grofsen Anzahl griechischer, lateinischer
und semitischer Inschriften» welche von dem deutschen Konsul in Beirut,
Dr. Schröder, in Gemeinschaft mit dem dortigen dänischen Vizekonsul
Loytved auf einer Reise im Hauran gesammelt wurden, 26 griechische
Inedita. — Glermont-Ganneau, Revue arch. IV 1884 S. 260—284
(Ergänzungen V 1885 S. 62 f.) ediert nach Abschriften des Vizekonsuls
Loytved (s. o.) 46 Inschriftnummern, die gröfstentheils mit den von Mordt-
mann (s. o.) herausgegebenen identisch sind. — Frederic D. Allen,
Greek and latin inscriptions from Palestine. 27 S. Separatabdruck aus
dem American jonmal of philology VI 1885 S. 190 — 216, veröffentlicht
66 Inschriften, welche von Rev. Dr. Selah Merrill auf einer im Auftrage
der American Palestine Exploration Society unternommenen Reise wäh-
rend der Jahre 1875—1877 kopiert wurden.
Aöre (Sanamein): Mordtmann, a. a. 0. S. 189 n. 27 nach Ab- t^a
Schrift des Dr. Makridibey; vergl. GIG 4554—4559. Seetzen, Reisen I,
87ff. beschreibt die Ruinen der Tempel, welche nach dem Inhalt der In-
schriften dem Kult der beiden syrischen Glttcksgottheiten Sa'd = Zeug
Köpiog und Gad = Tü^i^ geweiht waren. — Bau- und Weihinschrift:
^Btoüc K' tou xal Xß' (2) ßacd6<üQ ^AypiTtna xu'(S)pcou \^Ä\ßßoYaToQ
12*
-106
180 Griechische Epigraphik.
0t8a> ... (4) xaj[\ viol oIxoS6/JL/^amf [r^v (5) M]pav (Av vetxaS^occ x<Jil
k6oU''{ß)rafieoec xcd rä ^upwfia[Ta (7) d{}f)iaTi^dw del Küpiip ix ratv (8)
l]8[f]w}f ebffsßeeac X^^' ^ Ergänznngen nach CIG 4558. Die Doppel-
ära anter Agrippa IL ist nach Mommsen auf das Jahr 56 bzw. 61 n. Chr.
znrtkckznführen (Wiener nnmismat. Zeitschr. III, 451 ff.). Unsere Inschrift
r SM wtlrde dann in das Jahr 92 n. Chr. zn setzen sein. — Hnmr (l St. s.O.
von Hftra; letzteres 4 St. östlich von Rundtra): Mordtmann, a.a.O.
S. 180 n. 1. Clermont-Oannean, a. a. 0. S. 262 f. n. 1. Fragment
eines Grenzsteines zwischen zwei benachbarten Dörfern: I!e[ßa(no\
xa2 (2) K<ov[ordvTtog (3) xal Ma[^efiiavbg (4) im^aveffrarot) Kaiaa[p]e[c\
(5) ktBov BtopZovra (6) SpooQ xat/jo^g Fa , t . {*!) fidatQ xal \a/ia'(S)petuv
[(T]njpi)['{9)B^V€u ixe^uff''{\0)av ^povrcde (11) M» 'Appeoo 0pd'{l2)t'
[d]oc(?) 7r(petfAe)7t{ecXap{oü) xij[v]'{lB)ffseropo^, — Nach M. fehlen zn
Anfang mehrere Zeilen mit den Namen der Angnsti Diokletian und Ma-
ximian; in Z. 2. 3 haben sich Reste der Namen Gonstantius und Galerius
Mazimianns erhalten. Die Inschrift fällt demnach zwischen 292 und 305
n. Chr. In NoLpjdpta vermutet M. den antiken Namen des heutigen Numr,
in dem verstümmelten Dorfnamen Z. 6/7 mit Rücksicht auf die Inschriften
n. 3 (s. unter LX: »Tituli christianic) und 4 den antiken Namen von
Djftsim (s. u.). — S. 181 n. 2. Clermont-Ganneau, a. a. 0. 8. 264
n. 2. Altarinschrift: Zijvatv K'{2)d8fwu dvd-{S)di^xev. — El Mu^jeidil
(bei Teil el H&ra): Clermont-Ganneau, a. a. 0. S. 267 n. 6 (vergl.
Rev. arch. V, 62). Es handelt sich um die Erbauung eines Turmes durch
Rufus Magnus. — Dj&Bim: Mordtmann, a.a.O. S. 181 n. 4. Cler-
mont-Ganneau, S. 264 n. 4 (vgl. Rev. arch. V, 62). Ehreninschrift:
V xOpeSc fiou BövoQ 6 XaLfmpifiTaTOQ) npioroo (2) rdyi/iaro^) xöjAiijc) xcd
8001$] äp$aQ ^M'[<^}^ ^^ ^k^^ (3) ^^^ '^^^C 8eo8euovT(xc xat rb i^voQ
8eä (4) navTÖc e^veuetr&cu ija^aXlaaro, — M. möchte die Inschrift der
Zeit Justinians zuweisen , da Bonus vielleicht identisch sei mit dem von
Menander mehrfach erwähnten Heerführer, und vergleicht zn der mit
der Comitiva primi ordinis verbundenen Würde eines Dnx Not Dign.
ed. Böcking 1, 165. 2, 277. — Lebka'a (an der Pilgerstrafse zwischen
Ezra und Djftsim; Bädeker: Bkaya): Mordtmann, a. a. 0. S. 182 n. 5.
Clermont-Ganneau, a.a.O. S. 265f. n. 5 (vergl. Rev. arch. V, 62).
Metrische Grabinschrift in drei Distichen, über der Pforte eines antiken
Quaderbaues: Fa/tj^ iy Kavdrwv dvijp dya^^ (2) re mxof/o[ai]v | ree/f'
[ifi\k Zoße8d¥i^c (3) fiv^pa vv^ip TxsXov [T]uz^ 8' 8Xßea (4) ndvra n&poi
r^xit[a<ri] xat abr^ \ (5) xai xe8vg dkö^q» oTxtp i[^6]Co/i£i^* | (6) y^p^
8* h [A<]9ra^[^ ßt6(To\o 8p6fwv (7) iyrsXeaayTag | 8B$a(/)fjajv (8) iv ipol
Tobg nporipoo^ Ttpori' (10) poug. — 2iaptdpp^8og oix[o86/JLog i8sfßiaro?
— Kdmra Z. 1 (ältere Schreibung für KdvaBa gegen Waddington) ist
das heutige Eanawftt. ZoßeBdvv^g Z. 2 ist neu, Za/iäppjBo^ Z. 10 arabi-
sierte Form von ZfidpayBo^. Über die syrische Tyche Z. 3 vgl. Zeitschr.
(ler deutsch, morgenländ. Gesellsch. XXXI, 99 ff. — Zorava (Zora oder
XXVI. Syria: Aaranitis und Os^ordanland. Igl
Ezra): Allen, a. a. 0. S. 25 n. 61. Vollstftndigere Abschrift von CI6
4573 c. — n. 62. Fragmentierte Baninschrift eines fJarpextQ 'ApLfxptXtou.
— S. 26 n. 63. Rest einer Bauinscbrift: i7t[Xd]xa}asv. — n. 64. Zwei
Fragmente der Bauinscbrift eines Kae[o]o[fwc\ = CIO 4565, Wadd. 2491.
— Bnkleh: Allen, a. a. 0. S. 26 n. 65. Fragment einer Bauinscbrift
nacb den Kopieeu Merrills und Warren's (Quarterly Statement of tbe
Palestine Explor. Fund 1869 S. 329). — 8. 27 u. 66. Fragmentierte Bau-
inscbrift; am Scblufs: Siä 9(e)u8ä lepsog. — Schdch Miskln: Mordt-
mann, a. a. 0. S. 190 nacb Abscbriften des Dr. Makridibey. — n. 28.
Zwei Fragmente der Grabscbrift eines Asiamos. — n. 29. Orabscbrift
auf einen BOjäbrigen Ob^satbos. — Busr Harlrl: Mordtmann, a.a.O.
S. 183f. n. 6. Clermont-Oanneau, a. a. 0. S. 269 n. 7. Versttlmmelte
Grabinscbrift eines — drpeoQ 'Avouvou^ der das iiyvjplov i^ ldi[ag erricbtet.
— - *Ahire: Mordtmann, a. a. 0. S. 184 n. 7. Clermont-Oanneau,
a. a. 0. S. 269 n. 8 Unvollendete (?) scböne Inscbrift: lExoug e *A8ptavou,
— Dekir: Clermont-Oanneau, a. a. 0. S. 276 n. 30. Fragment: —
iroolc?] intfjLskijTi^[g. — n. 32. novTta(?) AßaßaBij(?). — n. 38. Säulen-
scbaft: rouroc Tavvi^Xou [i]x räßv ISeoßv [dv\emxBv] {?), — Suwaret es-
Seghire: Clermont-Oanneau, a. a. 0. S. 277 n. 34. Rest einer Yotiv-
inscbrlft: — erpaT[eü]ad[/JLevog ?] x{a}) nauadfievo[g] nä\TpdKp Be^
ed[$dfjLevog] [dSeX\^ou(?) adrou x(a]) M . — El-Heyat:
Clermont-Oanneau, a. a. 0. 8. 277 n. 35. Weibinscbrift: llpSxXoc
Aufwu i[(] Id^atv ü7tk[p] 'Aypt7t7teavlo]ü olou Tbv 'Epfi^v, — Eitha (El-
Hit): Clermont-Oanneau, a. a. 0. 8. 277f. n. 36 (vgl. Rev. arcb. Y,
63). Hexameter: V^nrea xOdeirrov äioiufiea 8epxeOf ^shfsl — Bhimea
(Reima): Allen, a. a. 0. S. 24 n. 58. Rest einer Bauinscbrift aus dem t soi
Konsulat des T. Postumius [Titianus] und des Virgilins oder Virginius
Nepotianus; = 301 n. Cbr. — Heapolis oder Selaema (Suleim): Allen,
a. a. O. S. 24 n. 57. Auf dem Stein eines Tempelgiebels: 'lfy(ü[d^ijg. —
Athila ('Atil): Alle n, a. a. 0. S. 23 n. 56. 56. Rest einer Ebreninscbrift t ni
—817
auf den Kaiser Caracalla. — Canatha (Kanaw&t): Mordtmann, a.a.O.
8. 184 n. 8. Clermont-Oanneau, a. a. 0. S. 269 n. 9 (vgl. Rev. arcb. V,
62); fragmentarisch Allen, a. a. 0. S. 22 n. 51. — Bau- und Weibinschrift:
0eqi naTp[w'(2)<p Md$tfi[og (») 6 xal 'Avo[üvo'(i)e] Moxs^'(b)ou Soßa^
%v6c(?) (6) irmhi<rt[v i-(7)x rSfv I8(w{v, — M. macht aus angeführten
Beispielen wahrscheinlich, dafs unter dem B^bg mirpS>og der Theandrios zu
verstehen sei. — n. 9. Clermont-Oanneau, a. a. 0. S. 270 n. 10. Ein-
gemauertes Fragment ungewissen Inhalts. — S. 191 n. 31, nacb Abschrift
des Dr. Makridibey. Bauinscbrift: — x[(i\B<xp6'zi^rog (2) Xafx(npoTdr 00)19"
poxkioog {3) v^pog oiKoSopJ/^fj. — Allen, a. a. 0. 8. 22 n. 52. Rest einer
vielleicht metrischen Inscbrift. — S. 23 n. 53. Fragmentierte Weihinschrift
an die Kupia ABijvä roQiaA), Zu Wadd. 2345 gehörig? — n. 54. Rest einer
Orabscbrift: nan]a7, rixvov. Vgl. unter Safut 8. 184. — Sfa: tfordt-
mann, a. a. 0. S. 185 n. 10. Clermont-Oann eau, a. a. 0. S. 270 n. 11.
Ig2 Oriechische Epigraphik.
PfeUeriuBchrift eines TempelporUls, stark verwittert Nach der Zeitbe-
sUmmoog: (6) i]xr/<T^J7-(6)<Ta]»' ai Su'(7)pau\ xat rb (8) 7r€]/o<)9o-(9)[A]ov.
— Ads christlicher Zeit — Sueida: Mordtmann, a. a. 0. S. 185 n. 11.
Clermont-Ganneau, a. a. 0. S* 271 n. 12 (vergl. Rev. arch. V, 62).
Allen, a. a. 0. S. 21 n. 50. M. Cocceius Oermanns-Avidus, Soldat der
d. cyrenäischen Legion, hat auf eigene Kosten räc r/orc ^aXiSaQ abv
xoyuaxiip (Schwibbogen mit Hohlleiste) errichten lassen. — Die 3. cyro-
näische Legion stand in Bostra, wo sie mehrere epigraphische Spuren
hinterlassen hat. — n. 12. Clermont-Oanneau, a. a. 0. n. 13. Drei-
zeiliges Inschriftfragment -— n. 13. Glermont-Ganneau, a. a. 0.
S. 271 f. n. 14. — Zwei Fragmente, davon a == Wadd. 2325 (Kaibel 437).
M. ergänzt dieselben zu zwei Distichen: ^£jt< xal (»auch der Tod
hat sein Outesc), | di? dniB[et^sv dlv^p [r\o[oT\o aofb^ Mövifio^, \\ ifr^/uta
yäp d[vaTi^a]aQ noXor^parov ivBa rox^atQ \ ^/a[/']£v [ei^ Y]Xux[epä]v ai^ig
6pjo^po<r[tji\vyjv. — Kröje: Mordtmann, a. a. 0. S. 186 n. 14. 15. Cler-
mont-Oanneau» a. a. 0. S. 272 n. 15. 16. Unbedeutende Inschriftfrag-
1 397 mente. — El Ayin bei Salchat: Allen, a. a. 0. 8. 21 n. 49. Yollstftn-
'^ digere Abschrift von Wadd. 1968 a aus der Zeit des Kaisers Gordian.
— Salchat: Mordtmann, a. a. 0. S. 186 n. 16. Clermont*€annean,
a. a. 0. 8. 273 n. 17. Zweizeiliges Inschriftfragment von dem ösU. Turme
der Borg, wo auch Wadd. 1997. — n. 17. Glermont-Ganneau, a.
a« 0. n. 18. Schwer lesbare Inschrift ans dem Jahre aqfj' = 298 der
mit dem 22. März 403 beginnenden bostrenischen Ära. — S. 187 n. 18.
Glermont-Ganneau, a. a. 0. n. 19. Grabschrift: 9dpat (2) Nspooa
(8)<r/ iT{wy) (4) x\ (5) OMlc (6) <iMw-(7)aroc. — Burd (verlassenes
Dorf 1 St östl. von Bostra): Mordtmann, a. a. 0. S. 187 n. 19. Gler-
mont-Ganneau, a. a. 0. S. 273 n. 20 (vgl. Rev. arch. V, 63). Deck-
balken mit Inschrift; nur der SchluDs lesbar: (2) 'IdXßoL'{S)c 6 x[a} (4)
/bA. d-(5)i^c *A'(iß)ßdäXyou. — Die beiden ersten Namen sind unsicher;
Aber den letzteren = »Diener des [Gottes] Gft vgl. Gildemeister, Zeit-
schr. der morgenländ. Geselisch. XXIII, 152. — Boatra (Bosra): Mordt-
mann, a. a. 0« S. 187 n. 20. Glermont-Ganneau, a. a. 0. 8. 273 f*
n. 21. Altarinschrift mit den Z. 2 erkennbaren Resten: ['d\pxeX[aog]
fiel 'lüoXioo, — S. 188 n. 21. Glermont-Ganneau, a. a. G. S. 274 n. 22.
—ISO
Den Kaiser Mark Aurel — ehrt ij Boinpfjvm nöXtc^ npo€[S]p[e]öovT{oc)
looMJou) MapxuK,v{ou^ — Über letzteren vgl. Mommsen zu CIL III 96 und
Renier, Mölanges S. 97ff. — Glermont-Ganneau, a. a. 0. n. 28. Ban-
inschrift: VXta[Q] Kakan6Sto[g\ (oder Kakono8io[üY}) pk eipeXtadeu [flx-
ri[<7i] iv i[rc] rok' {?). — Allen, a. a. 0. S. 18 n. 40. Grabschrift (An-
fänge von neun Hexametern) auf eine KupiXka» — S. 19 n. 41. Grab-
schrift auf eine 40 jährige Aöpy^kid 'Aax^vr) KavwjBTjvii (= aus Kd¥ix^)»
— S. 20 n. 43—46. Grabsteine einer Obaeld^ ""Aßßotj, Map&sAn^ 'E^idvt^,
BapApf^^ Apmvöi}. — Adraha (Edrel, Dra*a): Allen, a. a. 0. S. 15 n. 29.
Grabstein der d2jähr. fauiij NourpdUou; S. 16 n. 30 der 28 jähr. Zaßow
^
XXVI. Syria: Auraoitis und Ottjordanland. 188
MBt^ NaapdAXou; n. 31 des 80 jähr. Mapduac 0t)[tn]notß\ n. S2 ddr SeydBi^
Mapwva; n. 33 der 24 jähr. "^O^pi^ Meyvdoo; n. 34 des fkpfiavbc Mauedoc\
S. 17 n. 35 der — Bi) 'Ano[XX]ivap/[ou ; n. 36 des 25 jähr. 0ö{ae]k[d]d7jc
'Aaj[6voü\ n. 37 des 24 jähr. Mapx[e]oafö^ [l]äffov[o]c\ n. 38 des 51 jähr.
Jo/icTTtov rdjjLeUov (Akknsative). — n. 39 Fragment von drei Bnehstaben.
— Cbasphon (Mz^rib): Mordtmann, a. a. 0. S. 191 n. 30. Grabstein:
Ao<MZ^/oa- (2) rray^C J-(3)^o7'evot;-(4)ff ffavrö;-{5)v ^{Xoq i-(6)Ta>v fi\ —
Arbela (Irbid): Mordtmann, a. a. 0. 8. 188 n. 22. Clerraont-Gan-
neau, a. a. 0. S. 276 n. 26. Allen, a. a. 0. S. 15 q* 27. Deckbalken
einer Grabthür; innerhalb eines Kranzes: JUarä (2) ndyra (3) rei^c. -*
n. 23. Glermont-Gannean, a. a. 0. n. 27. Seohszeiliges Fragment mit
dem Anfong: 'AyaBfj T[6xfj* (2) ^Tnkp ffwn^peag, —■ n. 24. Clermont-
Ganneau, a. a. 0. S. 275 f. n. 28. Allen, a. a. 0. S. 14 n. 26. Deck-
balken: ^ErooQ qe' xarä xTt{2)(rev r^c n6Xeo[^ (3) AoOxtoQ äopri'{^)rtoQ
Ma[t}iußp (5) Ti^v tni^kriv abrp (6) ou)f 7q> iv aörfl fiv-(*t)7^ip inocT^troof»
— Über die Ära der syrischen Städte Tgl. Wetzstein, Ausgewählte In-
schr. 8. 256. — Capitolias (Beit er Ras): Allen, a. a. 0. 8. 14 n. 25.
Verzierte Thürschwelle. Ältere Inschrift: iroug xarä xr/atv r^ff nöAeaßs
— (die Fortsetzung ist weggemeifselt). Jüngere Inschrift: xk Aouxtoc
OiaXepioc OödXfjQ iaurtp inoh^aev. — Oadara (Ummkeis): Mordtmann*
a. a. O. 8. 189 n. 25. Glermont-Ganneau, S. 278 n. 25. Allen, a.a.O.
S. 13 n. 23. Bessere Kopie der Grabschrift des Gaius Annius (GIG 4660);
darunter Mordtmann, a. a. 0. Glermont-Ganneau, a. a. 0. n. 39.
Allen, a. a. 0. n. 24: ßiScupog (2) xk fldvfdoQ (3) uiou^ il7roA-(4)^«iC*
— Mordtmann, a. a. 0. n. 26 (Kopie von Loytved). Glermont-
Ganneau, a. a. 0. n. 38. Fragmentierte Grabschrift auf einen Nei-
kolaos. ^ Glermont-Ganneau, a. a. 0. n. 40. Allen, a. a. 0. n. 22.
Grabschrift auf einen zwölQährigen Titus, S. des Malchus. — Fella
(Tubakat Fahl): Allen, a. a. 0. S. 12 n. 21. Über einer Grabthür:
0aMr^öpou, ~ Oerasa (Dsoherasch): Allen, a. a. 0. S. 3 n. 4. Be-
richtigter Text der mit Faksimile im American Journal of philology III
1862 S. 206 ff. (Röhl II, 118) herausgegebenen metyschen Grabschrift der
Antiochierin luüane. Z. 10 ist i[T]ep[a]c zu lesen statt [r]ep[d]a[ij^
— n. 5. Fragmentierte Bauinschrift. Datum Z. 1: l]rou€ i/^Xp' b[nk\p \n9ii9fi
T^ff Ta»v 2[eßaaT<üy AdroxpaTÖpwv ffwrrjptaQ, — Z. 4 : ^AvT}^wve(^voo Ko-
fi[6S]ou np[oxp{rou r^c veön^To^. — Das Datum dieser Inschrift, kombi-
niert mit dem der christlichen n. 17 gleichen Fundorts (s. unter LX:
»Titnli Christian!«), ermöglicht die Bestimmung der Ära von Gerasa.
Letztere ist datiert nach dem Mai einer 5. Indiktion des Jahres 559,
erstere nach dem Jahre 138 mit Erwähnung des Gommodus. Um letz-
teres Datum mit dem Leben des Commodus in Einklang zu bringen, ist
anzunehmen, dafs jene 5. Indiktion diejenige war, welche im 8ept 601
n. Ghr. begann. Das Datum von n. 17 wäre alsdann Mai 602 n. Chr.
Der Anfang des Jahres 559 von Gerasa mufs demnach liegen zwischen
184 Grieohiflche EpigraphW.
dem 2. Mai 601 und dem 31. Mai 602 n. Chr., und das Jahr 1 würde
fallen zwischen den 2. Mai 43 und den 31. Mai 44 n. Chr. Wahrscheinlich
nahm die Ära von Oerasa ihren Anfang mit dem Tode des Herodes
Agrippa (Frühjahr 44 n. Chr.; die Änderung Clintons, Fasti Romani unter
dem Jahre 44 auf den Sommer dieses Jahres beruht lediglich auf Ver-
mutung), durch welches Ereignis die Tetrarchenherrschaft ihr Ende er-
reichte und die Provinzialverwaltung wiederhergestellt wurde, unter der
die griechischen Städte der Dekapolis einen hohen Grad von Selbstän-
digkeit erreichten. — Das Jahr 138 unserer Inschrift würde demnach
dem Jahre 181/2 der christlichen Ära, dem zweiten Jahre der Regierung
des Commodus, entsprechen. Allein der Plural rwv Z. 1 erfordert eine
Zeit, in der zwei Augusti regierten. Commodus wurde princeps iuven-
tutis 175, Augttstus 177 n. Chr. Somit mufs die Inschrift zwischen 177
und 180 n. Chr. (Regierungsantritt des Commodus) fallen. Wahrschein-
lich ist daher das Datum H AP der Abschrift in RAP = 136 der gerasi-
schen Ära (Frühjahr 179 — Frühjahr 180 n. Chr.) zu korrigieren. — S. 5
n. 6. Reste einer Bauinschrift aus dem Jahre gp' oder cp = 190 oder 106
der gerasischen Ära = 233 oder 149 n. Chr. (s. zu n. 5). •— n. 7. Bauin-
schrift, der zufolge ^ Niyueatg xaH rä 7ro^ax[e]//££v[a] xal 6 ßa}[fibc nach
testamentarischer Verfügung errichtet wurden. — n. 8. Bauinschrift einer
xaräffTpataeg r^c (rxd^g, — S. 6 n. 9. Auf drei Säulen des grofsen
Säulenganges, welcher den Marktplatz umgab: a) Ji^fu^rpeavöc in^poMTsv;
b) UctßMfOQ ZrpanjYioo inXi}po}üEV\ c) ^EpjxdXaio^ Ai^fjo^rphu inA'^piuaev,
— inXf/pwaev = >paid for.c — S. 11 n. 18. Bessere Kopie der Bauin-
schrift CIG 4662^ (vgl. Addenda vol. III p. 1183). - S. 6 n. lo. Grab-
stein eines Eallistos. — n. 11. Reste einer metrischen Grabschrift —
S. 6 f. n. 13—15. S. 11 n. 19. Geringe Buchstabenreste. -- Safut: Allen,
a. a. 0. S. 2 n. 8. Rest einer Grabschrift: 7nx9ia[r, (2) rdxva. Vgl. S. 181 u.
n. 64 unter Canatha. — Philadelphia (Ammon): Allen, a. a. 0. S. 1
n. 1. Drei Inschriftfragmente aus den Tempelruinen der Akropolis, von
denen zwei die arg verstümmelten Reste einer Ehreninschrift auf Mark
Aurel und Lucius \^rus zu sein scheinen. — S. 2 n. 2. Zwei Quer-
schnitte einer umgestürzten Säule desselben Tempels tragen die Inschrif-
ten: ^(OC€OC, <lie bei Errichtung der Säule verschwinden mufsten.
Wohl Marken des Baumeisters.
Falmyra.
ti87 Im Jahre 1881 entdeckte der armenische Fürst Simon Abame-
lek-Lasarew eine durch Umfang und Bedeutung hervorragende In-
schrift mit griechischem und aramäischem Text, die er in Abschrift und
Abklatsch nach Europa brachte. Dieselbe besteht aus vier grofsen, fast
quadratischen Feldern, die mit Ausnahme des ersten in mehrere Kolum-
nen zu ungefähr 60 Zeilen geteilt sind. Sie enthält den Wortlaut eines
XXYI. Syria: Auranitis und Oatjordanland. Palmyra. ]g5
Ratsbeschlasses von Palmyra aus dem Jahre 137 n. Chr. nnd eine lange
Reihe in AusfÜhrang dieses Dekretes getroffener Bestimmungen, die sich
sämtlich auf die Verwaltung der Finanzen von Palmyra, insbesondere auf
die Erhebung von Zöllen beziehen. — Die erste Fundnotiz gab Fon-
cart, BCH VI 1882 S. 439ff., der einige Stellen nach Lasarews Abklatsch
publizierte (vgl. Röhl II, 117). Eine vollständige Transkription des grie-
chischen nnd aramäischen Textes lieferte der Marquis de Vogtt^ im
Journal asiatique VIII tome I 1883 S. 231 -245 und tome 0 S. 149 — 183;
beide Aufsätze mit einigen Nachträgen sind vereinigt in der Broschüre:
Inscriptions palmyr^niennes in^dites; un tarif sous l'empire romain. Ex-
trait du Journal asiatique, Paris 1883. 8. 47 S. 3 Taf. Vogü6 benutzte
aufser.dem von Lasarew mitgebrachten und einem zweiten, von demsel-
ben beschafften Abklatsch auch eine Photographie, die der deutsche Vize-
konsul in Damaskus, La t ticke, hatte anfertigen lassen und zunächst an
Prof. S ach au in Berlin ttbersandt hatte. Letzterer formulierte in der
Zeitschr. der morgenländ. Gesellsch. 1883 S. 662—571 die aus dem Funde
fttr die Grammatik des Aramäischen sich ergebenden Resultate; vgl. auch
den Sitzungsber. der archäol. Gesellsch. zu Berlin vom l. Mai 1883 (Ber-
liner philol. Wochenschr. n. 22 Sp. 695, n. 17 Sp. 526). Dr. Schröder,
deutscher Konsul in Beirut, veröffentlichte dann nach einem vorzüglichen
Abklatsch von Prof. Euting den aramäischen Text vollständig und den
griechischen teilweise in den Sitzungsberichten der Berl. Akad. der Wis-
sensch. 1884 S. 417—436 mit Taf. II. Eine von dem Entdecker selbst
in dem russisch geschriebenen Prachtwerke: »Palmyra. Eine archäolo-
gische Untersuchung u. s. w. Petersburg 1884« mit Faksimile (vgl. Haupt,
Berl. phil. Wochenschr. 1885 n. 15 8p. 460—462, Hinrichs, Griech. Epigr.
S. 358), S. 44 — 64 gegebene Rezension des griechischen Teiles der In-
schrift, der Hauptsache nach wohl von dem S. 43 erwähnten russischen
Gelehrten La ty sehe w herrührend, ist in vielen Stücken von Vogü6 ab-
hängig, bietet jedoch auch manche selbständige Lesungen; für das Ara-
mäische beschränkte sich Lasarew auf den Abdruck der Vogü^schen Bro-
schüre. Auf grund der Lüttickeschen Photographie, des Euüngschen Ab-
klatsches und einer von Dr. Schröder übersandten vollständigen Abschrift
des griechischen Textes publizierte und kommentierte ausführlich den
letzteren Dessau, Der Steuertarif von Palmyra, Hermes 19 1884 S. 486
—583. — Vgl. auch Gagnat, Remarques snr nn tarif r^cemment d6-
couvert ä Palmyre, Revue de philologie VIII 1884 S. 135^145.
Feld I enthält ein Dekret des Rates von Palmyra i^ griechischer
und aramäischer Sprache; beide Versionen sind fast unversehrt erhalten.
Das Dekret ist datiert von dem 18. Xanthikos des. mit dem 1. Okt. 136
n. Chr. beginnenden 448. Jahres der Seleucidenära (= 18. April 137 n. Chr.).
— »Als man vor alter Zeit ein Statut für die Verpachtung (und damit
auch fttr die Erhebung) der der Stadt Palmyra zustehenden Gefälle er-
liefs, hatte man einen kleinen Teil der abgabenpflichtigen Gegenstände
186 Griechische Epigraphik.
in dasselbe aafgenommeD, die Mehrzahl unerwähnt gelassen. Von diesen
Gegenständen wurde die Abgabe, der sie unterlagen, nach einem her-
kömmlichen Satze erhoben. In jede fieaBcjaeg — den Kontrakt, nach
welchem die Gemeinde die Benutzung der ihr zustehenden Gefälle einem
Kapitalisten Uberliefs — setzte man die Klausel, der Pächter solle sich
bei Erhebung der Gefälle an das Statut und an das Herkommen halten:
an das Statut hinsichtlich der in demselben verzeichneten, an das Her-
kommen inbetreflf der Übrigen Artikel. Nun war es infolge dessen sehr
oft zu Streitigkeiten zwischen den Steuereinnehmern und den zollpflich-
tigen Kanfleuten gekommen ; ohne Zweifel hatte man sich aber die Höhe
der »herkdmmiichenc Abgabe nicht einigen können. Deshalb beschliefst
der Rat, letztere genau festzustellen ; er erteilt den gerade im Amte be-
findlichen Archonten und Dekaproten den Auftrag, die in dem alten Sta-
tut übergangenen Gegenstände zu prüfen und sie mit Angabe der her-
kömmlichen Taxe in den nächsten Pachtkontrakt aufzunehmen. Femer
sollen, wenn dieser neue Pachtkontrakt von einem Pachtlustigen akzep-
tiert sein wird, und dadurch die neuen Bestimmungen in kraft treten,
letztere an derselben Stelle, an der sich der alte Tarif befand, zu jeder-
manns Kenntnis öffentlich aufgestellt werden. Endlich schärft der Rat
den Archonten, Dekaproten und Syndiken ein, in Zukunft dafür Sorge
zu tragen, dafs die Abgabenpächter die Tarifsätze nicht überschreiten.«
»Feld II, III und IV enthalten die in dem Dekret angekündigteo
Sätze der Ein- und Ausfuhrzölle, vermischt mit Bestimmungen über an-
dere Einnahmequellen der Stadt, und zwar Feld II in aramäischer, Feld
III und lY in griechischer Sprache. Beide Versionen sind sehr unvoll-
ständig erhalten. Von der griechischen ist etwa ein Drittel verloren ge-
gangen, fast ein zweites Drittel unleserlich entstellt; der aramäische Text
hat zwar von jeder Zeile einige Buchstabenreste bewahrt, allein verständ-
lich ist auch von diesem nicht die Hälfte. Die unversehrt oder fast un-
versehrt erhaltenen Partieen decken sich in beiden Versionen der Haupt-
sache nach. — Der Text enthält in bunter Folge verschiedenartige Be-
stimmungen über die in Palmyra auf Rechnung der Stadtgemeinde er-
hobenen Abgaben, an erster Stelle Sätze für die von verschiedenen, in
dem alten vö/ios rehuvtxb^ übergangenen Handelsartikeln zn entrichten-
den Ein- und Ausfuhrzölle. Den Anfang unter den mit einem festen Satz
belegten Handelsartikeln machen die Sklaven (für die Einfuhr von »pueri«
22 Denare). Der Name des zweiten Artikels ist im Griechischen verloren,
im Aramäischen unverständlich ; bei Besteuerung desselben wird zwischen
Karneols- und Eselslast unterschieden. V^eiterhin folgen Zölle für Pur-
purstoffe (der Ausfuhrzoll vielleicht 8 As für das Sepfia), Wollstoffe (?),
Salbe, öl und die nur im aramäischen Text erhaltenen Artikel von Fett,
Gesalzenem u. s. w. — Auch sonstige Bestimmungen über die Zollerhe-
bungen werden getroffen, bzw. wieder eingeschärft; so für Viktualien und
Früchte, für leere und beladene Kameele. Hieran schliefsen sich Ab-
XXYI. Syria: Palmyra. Haleb. XXIX. Aegyptos: Alezandria. 187
gabeeätze für Kleinhandel und Gewerbe: 1 Denar monatlich flir jede
Schusterwerkstatt und jeden Laden, 2 As für ein zubereitetes Fell. Es
folgt eine Art Gewerbesteuer für Hetären, Salzverkauf, eine Scblacht-
steuer mit bezng auf Verordnungen des Germanicus Caesar (Oberstatt^
halter der östlichen Provinzen 17 — 19 n. Chr.)» Bestimmungen aber die
fiskalische Ausbeute des Wasserreichtums der palmyrenischen Oase, auch
wohl Ober die von der Nutzniefsung der öffentlichen Weiden zu erhebende
Steuer. Ausserdem werden Bestimmungen über die Steuerverwaltung im
allgemeinen festgesetzt: Verbot der Eintreibung von Abgaben durch un-
befugte, Fixierung des Rechtes der Stenerpächter, von renitenten Abgabe-
pflichtigen Pfilnder zu nehmen. Etwaige Streitigkeiten sollen vor einem
— natOrlich römischen — in Palmyra residierenden Beamten oder Mili-
tär zum Austrag kommen, c
tWie somit auf griechischen Handelsplätzen, wie Rhodus, Athen,
Hafenzölle erhoben wurden, besteuerte man in Palmyra die Waaren beim
Betreten und Verlassen des Stadtgebietes. Zölle dieser Art waren dem
freien Griechenland fast ganz unbekannt. Landgrenzzölle in gröfserem
Mafsstabe scheinen erst die Römer eingeftthrt zu haben.« — Parallelen
zu der zollpolitischen Selbständigkeit Palmyras unter den Römern s. bei
Dessau, a. a. 0. S. 530 ff., der überhaupt für die oben gegebenen Aus-
führungen zu vergleichen ist.
Heuzey, Revue crit. 1887 S. 19. Grabstein eines Bargers der
römischen Kolonie zu Beirut mit palmyrenischer und griechischer In-
schrift. Letztere lautet: MdpxoQ (2) louXtog (3) Md^ifioc (4) 'Apearetdi^g,
(6) xöJiwv (= colo) (6) BrjporioQ, (7) naxip Jou^{S)xüXjjc^ ^ü'(9)wiixds
Dtp • ( 10) rivoLxoQ.
Haleb (lu XaXemqj) in Syrien.
Moumeov xau ßtßXtoBrjxvi V 1884/5 S. 86 n. 278 in Minuskeln. Grab-
Schrift auf Maren und lulis als äkonot.
XXIX. Aegyptus.
Alexandria.
Merriam, The greek and latin inscriptions on the Obelisk - crab is/ia t
in the Metropolitan-Museum New- York. New- York 1883 49 S. und 1 Taf.
2,50 Mk. Vgl. Academy n. 593 1883. Athenaeum n. 2911 1888. — Er-
neute Lesung der bilinguen Inschrift auf der Scheere eines der vier
Seekrebse, welche paarweise die »Nadeln der Kleopatrat trugen. Z. 1 :
LIH KAIZAPOZ bzw. ANNO XVIII stott des bisherigen: LH
KAIZAPOZ and ANNO VIII. Dadurch wird die Inschrift in das
723 t
188 GrieduBche Epigraphik.
18. Jahr der von der Erobemog AiexaDdrias 30 v. Chr. datierenden ä^rp-
tischen Ära (= 13/12 v. Chr.) verlegt und stimmt genaa za der von
Mariette und Wescher in Philä gefundenen Inschrift (Bnllettino 1866
S. 49 f.; vgl. Röhl II, 119), die gleichfalls den Praef. Aegypti P. Rubrius
BarbaruB in das 18. Jahr der einheimischen Ära setzt Letzteren identi-
fiziert der Herausg. wohl mit Recht mit dem CIL X 6169 Erwähnten,
dessen Cognomen dann Barba[ms, nicht Barba[tns zu ergänzen wäre. —
Über die aus der Inschrift zu entnehmenden geschichtlichen Folgerungen
vgl. die Rezension von Schiller, Berliner phiiol. Wochenschr. 1884 n. 1
Sp. 13f. Bauer, Phiiol. Anzeiger XIV 1884 S. 6— 8. — [Derselbe,
American Journal of archaeology I 1886 Heft 1 : Inscribed sepulcral vases
from Alexandria (aus der Sammlung von Feuardent in New- York)].
347-;- Miller, BCH IX 1886 S. 146. Sammlung von Pugioli in Alexan-
dria, n. 8. Weihinschrift des Königs Ptolemaios, S. des Königs Ptole-
maios und der Königin Berenike, ßeJjv EZepysraßv^ an Euodia. — Pto-
lem. III. regierte 247—222 v. Chr. — n. 7. Der ^AprifitSt Storttpat weiht
etwas unkp ßafftkew^ nToXe/meou der Athener Epikrates. — n. 6. Grab-
stein der Pronoia aus Mylasa.
Jullian, Revue arch. VII 1886 S. 266 ff. n. 1. Jetzt im archäol
Museum zu Marseille. Marmorplatte mit Schriftcharakteren des 2. oder
3. Jahrb. v. Chr. : IloXuxpdTy^Q IloXoxpdTou (2) rou IloXuxpdToo ^Apyeeo^
(3) 6 dpxtawfiaro^Xa^. — S. 271 f. n. 2 mit Faks. Ebd. Rätselhafte
Inschrift in Kursivcharakteren: 'AXe^a^ie (2) ^eatanü (3) ICtC 7^^ (^)
abroo in6'ifi)y}<Te' siHffux(^)^' — S. 272 n. 3. Ebd. Widmung: *Apat)ß6i^t^
(2) i^eAadeA^we. — n. 4. Ebd. Grabschrift : "HXtodwpe, (2) eu^(//(£)^ >-*
S. 273 n. 6 (= CIG 6362 b. Rhein. Museum I S. 209. Kaibel, Epigr.
n. 260). Ebd. Z. 1 ist zu lesen : BspevtxoQ. Z. 3 ist das 2* von pjokooca
etwas beschädigt, sonst klar. Z. 4 ist zu lesen: iarepo/wv, Z. 6 fehlt
nur O» Also: rtarpe y6[o]ü^ npoXmouaa xrk,
Nerutsos-Bey, Revue arch. IX 1887 S. 198-209. 291-298 teilt
eine Anzahl von Inschriften (meist Grabsteine) aus Alexandria und Um-
gegend mit, von denen einige schon ediert sind. — Von Interesse ist
nur eine Votivinschrift (S. 208 n. 11) des Königs Ptolemaios (IV. Philo-
pator); nach dem Herausg. aus dem Jahre 217 v. Chr.
Naucratis.
Naukratis. Part. I. 1884—86. By W. M. Flinders Petrie.
With chapters by Cecil Smith; Ernest Gardner, B. A.; and Bar-
clay V. Head. Third memoir of the Egypt Exploration Fund. London
1886. VUI, 100 S. 4. Mit 44 Taf. — Naukratis. Part. II. 1886—86.
By Ernest A. Gardner, M. A., fellow of Gonville and Caing College
etc., Director of the British School of Archaeology at Athens. With an
XXIX. Aegyptns: Alexandria. Naocratis. Abydns. Ptolemate. 189
appendlx by F. LI. Oriffith, 6. A., of the British Museum etc. Sixth
memoir of the Egypt Exploration Fund. London 1888. VI, 92 S. 4.
Mit 24 Taf. — Die auf der Stätte des alten Naukratis entdeckten zahl-
reichen Inschriften (19 Stein- und 881 Vaseninschriften, fast ausschliefs-
lich kurze stereotype Widmungen an Apollon, Aphrodite u. s. w., führten,
nachdem schon Kirchhoff, Studien^ S. 44ff. die chronologischen Folge-
rungen der Entdecker bestritten, zu eitier lebhaften Kontroverse zwischen
den Herausg. und Prof. 6. Hirschfeld in Königsberg. Vgl. Hirschfeld,
Die Gründung von N.; mit Anhang: Die griechischen Söldnerinschriften
von Abu-Simbel, im Rhein. Mus. 42 (1887) S. 209—224. Derselbe, Aca-
demie 9. Juli 1887 S. 29. Gardner und Flinders Petrie, Acad. 16. Juli
1887 S. 48ff. Hirschfeld, Acad. 30. Aug. 1887 S. 122 ff. Gardner, Acad.
27. Aug. 1887 S. 189. Hirschfeld, Zu den Inschriften von N. Zur Ur-
geschichte des ionischen Alphabets. Gründungszeit von N., im Rhein.
Mus. 44 (1889) S. 461-467. Derselbe, zusammenfassend: Berl. philol. Wo-
chenschr. 1890 n. 29/30 Sp. 909 ff. und Les inscrr. de N. et Thistoire de
Talphabet ionien, in der Revue des ^tudes grecques 1890. — Als gesicher-
tes Resultat dieser vielseitig verzweigten Untersuchungen wird man einer-
seits für eine geringe Zahl der ältesten Yaseninschriften ein bis um die
Mitte des 7. Jahrb. v. C!hr. hinaufreichendes Alter annehmen dürfen, wäh-
rend die überwiegende Masse der Inschriften zweifellos dem 6. Jahrb.
angehört; andererseits lieferten die epochemachenden Funde das für die
griechische Alphabetologie unvergleichlich wichtige Ergebnis, dafs das
Alphabet von Milet-Naukratis bereits um 650 v. Chr. seine letzte Erwei-
terung erfahren hatte und die Zeichen C und XI verwandte, während die
ungefähr gleichzeitigen Inschriften von Abu-^Simbel (IGA 482) für das
nord- und südionische Alphabet die Zeichen ^ und O belegen. — Von
nicht-ionischen Inschriften sind als bisher einzige archaische Schriftdenk-
mäler der äolischen Westküste Kleinasiens eine Anzahl lesbisch -mytile-
näischer VasenaufiBchriften (II n. 786 — 793) von Interesse, die gleichwohl
bei dem Mangel an charakteristischen Zeichen den lange ersehnten ur-
kundlichen Beweis für die Abstammung dieses Alphabetes nicht erbringen.
Dir Rife (unweit Grocodilopolis).
Sayce, Academy 611 1884 Sp. 61. Felsengrab mit der Inschrift:
Abydus.
Über eine Anzahl von Sayce an den Tempelwänden kopierter In-
schriften in epichorisch-kyprischer Schrift s. unter XU. Clyprus (S. 37).
Ptolemais (Menshieh) in der Thebais und Umgegend.
Milier, BGH IX 1886 S. 132 ff. n. 1. Die TS^vcrac nep\ rbv ätd- nach
Vüoov xdl (2) Ssobc USe^oÖQ ehren den AoaiimxoQ IlToke/m/ou latarpdr ^^ ^
190 Griechische Epig^phik.
Tsoc wegen seiner Yerdienste nm d^ Kult des Königs Ptolemaios (Phi-
ladelphos), des Dionysos und der anderen Götter, sowie um die Zunft
der dionysischen Kfinstler. Unter dem Dekret folgt in drei Kolumnen
ein Verzeichnis der letzteren. — Vgl. Revue crit. 1886 S. 20 (Acad. des
inscr. et des helles lettres, Sitznngsher. vom 26. Dez. 1884). — S. 140f.
n. 2. Die dionysischen Künstler nepl rbv dtowjoov xal ßeobg ^ASeX^i»c
ehren den Dionysios, S. des Musaios. — S. 141 n. 3. Baatkei IJroXefiaewi
Bsqj (2) 0eXofi^Tope errichtet einen Weihaltar der auch sonst bekannte
Zeuspriester Nikomachos. — S. 144f. n. 4. El-Hagayah» sttdl. von Edfn.
Rest einer arg verstümmelten metrischen Grabschrift, von der 2Vs Di-
stichen erhalten sind, in barbarischer Sprache. Der Verstorbene preist
sich glücklich wegen der Bestattung durch seine Kinder (Imb TTf/Saiv Z. 4),
die ihm den Weg in die Behausung des Hades versüfse (xariwu statt
xareävae; vgl« xarifiev).
ZvTischen Küs und Koft.
ti9s Sayce, Academy n. 662 1885 Sp. 28. Eine von Lausing gefun-
dene arg verstümmelte Inschrift verherrlicht den Septimius Severus, dessen
Sohn Antoninus (Garacalla) und die lulia Domna.
Thebae.
Collitz, SGDI I S. 120—124 n. 320—823 wiederholt unter den
»äollschen Inschriften« die bekannten, den äolischen Dialekt nachahmen-
den Epigramme des Memnonkolosses.
[Bficheler, Rhein. Museum 89 1884 S. 161-166 veröffentlicht
und ergänzt das Epigramm (3 Distichen) einer Scherbe aus dem TrQm-
m^felde des grofsen Tempels zu Karnak.|
Syene (Assuan).
Miller, BGH IX 1886 S. 145 n. 6. Fragment: "Eni ßamkia^g UtIo'
ke/meou rou (2) ßeou 0tXoijJjropoQ — .
Sayce, Academy n. 724 1886 Sp. 201 f. Eine griechische Inschrift
von 65 Zeilen scheint Bestimmungen der Könige Ptolemaios Philometor,
Ptolemaios Eupator und der Kleopatra zu gunsten eines Priesterkolle-
giums von Elephantine zu enthalten. Die Stele, welche die Inschrift ent-
hält, ist als Thürpfosten benutzt und in drei Teile zerlegt worden; bis-
her ist nur der mittlere Teil gefunden.
Philae.
126- Wilcken, Die Gbeliskeninschrift von Philä, Hermes 22 1887 S. 1
117 +
— 16, zeigt, dafs die von Letronne aus der jetzt in England befindlichen
Inschrift GIG 4896 gezogenen Folgerungen sämtlich auf unzutreffenden
XXIX. Aegyptus: Thebae. Syene. Philae u. a. w. 191
Ergänzungen beruhen. Ein Vergleich der Papyruslitteratur ergiebt, dars
das Sehreiben unter A, in welchem den Priestern die Errichtung einer
Stele gestattet wird, nicht — wie L. auf grund einer irrtflmlichen Inter-
pretation von G meint — von dem königlichen Epistolographen Numenios,
sondern you dem Könige selbst und den beiden Kleopatren (IL und III.)
herrfihrt. Femer erhellt aus der auf demselben Obelisken befindlichen
Hieroglypheninschrift, dafs der Kult der Isis von Philä und Abaton mit
dem der Ptolemäer verbunden war (wie denn wahrscheinlich an allen Kult-
stätten des Landes die Ptolemäer seit dem 8. Jahrh. neben den ägypti-
schen Lokalgottheiten als «rawao; Beol verehrt worden zu sein scheinen),
sowie, dafs die durch Ergänzung zu gewinnende Reihe der Ptolemäer
mit den beiden Adolphen anfing, und dafs nicht die Priesterschaft, son-
dern Euergetes ü. den Obelisken und ein Seitenstttck zu demselben auf-
stellte. Da in der Hieroglypheninschrift Euergetes II. nur mit einer Kleo-
patra, seiner Gemahlin, erscheint, so sind beide Inschriften zu verschie-
denen Zeiten abge&fst und zwar die hieroglyphische zwischen 146 und
141 V. Chr., die griechische zwischen 141 und 132, oder wahrscheinlicher
126 und 117 V. Chr. Die Bewilligung ihres Gesuches wurde demnach
von den Priestern auf dem schon mehrere Jahre vorhandenen und von
demselben Euergetes ihrer Göttin Isis gestifteten Obelisken verewigt.
Krall, Wiener Studien Y 1883 S. 3l2ff. setzt das Datum der von si t
Letronne, Recueil des inscr. grecques et latines de r£gyptell, 125 ff.
herausgegebenen doppeltdatierten Inschrift: L ^' ^^^ ^«^ ^' ^fx(evafB)
X' nicht mit jenem auf den 26. März 25, sondern auf den 28. März 32
V. Chr. ~ Nach Porphyrius (bei Eusebius ed. Schöne I, 170) gab Antonius
nach dem Tode des Lysimachus dessen Gebiet der Kleopatra in deren
16. Regierung^ahre; die folgenden Regierungsjahre derselben wurden auch
von diesem Zeitpunkte an gezählt, so dafs ihr letztes (22.) zugleich auch
das siebente war. Diese Doppeldatierung wird durch eine Münze des
Antonius und der Kleopatra mit der Legende: irou^ xa rou xa\ c B^ol^ - '
bestätigt.
Titali locoram in Aegypto incertoram.
Merriam, American Journal of archaeology II 1886 S. 149ff. In
der Sammlung von J. W. Drexel in New-York finden sich zwei kleine, in
Theben erworbene Marmortafeln mit Weihinschriften aus der Zeit der
Ptolemäer. Der Fundort ist unbekannt. Die erste (S. 149) lautet: Tnhp sss—
ßoffiXiwQ nzokejialou (2) rou nrokeixaioo xal ßatrtXtaffrjQ (3) ^ApatvorjQ^ Sem '
0tXoTtar6p(üVy (4) Titog ^Üpou^ fuXaxirTj^ (6) xonou *A/ifiaßVte{oü, — Die
zweite (S. 151) ist eine Widmung des Komon, S. des Asklepiades, oixo- ^9-
v6fw^ ra>v xarä Naüxparev^ zu gunsten des Ptolemaios Philopator und
seines Sohnes Ptolemaios an Isis, Sarapis und Apollon. Sie fällt zwischen
209 (Gebart des Epiphanes, S. des Ptolemaios) und 204 v. Chr. (Tod
des Täters Ptol.).
192 Griechische Epigraphik.
Revue crit. 1883 S. 339. Sitzungsber. der Acad. des inscr. et des
helles lettres vom 13. Apr. — Miller teilt einige von Maspero in Ägypten
gefundene Inschriften mit (eine nähere Fundangabe fehlt), u. a. eine Wid-
mung an Isis und zwei andere ägyptische Gottheiten, eine Inschrift im
Namen des Kaisers Trajan, eine von einem hohen Militärbeamten, Apol-
lonios, S. des Sosibios, aus Thera nach einer Schiffahrt im Roten Meere
den Gottheiten von Samothrake geweihte Votivinschrift: ßeotc iieyakotg
Zafxö^pa^c 'AnoAXcjveog Unaatßioo Sy^paioQ^ ^^SfioßV tcjv i^<o rd^ewv^ <rwBelQ
iy fisydiXiov xcvSuvuiv, ixTiXeuaaQ ix riyc 'Epu&päc BaMaaijg^ ei/jyv. —
Am interessantesten ist eine leider unvollständige Inschrift mit einem Tarif
des Eintrittsgeldes in einen Tempel fQr Personen beiderlei Geschlechts,
für den Mann, welcher mit einer Frau Umgang gehabt hat und umge-
kehrt, für die Schwangere, die unlängst Entbundene u. s. w.
Jullian, Revue arch. VII 1886 S. 274—276 n. 6—10. Aus einem
grofsen Heiligtum im Nilthal. Genauer Fundort unbekannt. Jetzt in
Ghäteau-Boröly. Reste von Weihinschriften, in sehr kleinen Buchstaben,
von denen nur die Namen der Dedikanten erhalten sind. Kaiserzeit.
[Wessely, Neue griechische Ostraka, Wiener Studien VIII 1886
S. 116—124, veröffentlicht 14 durchweg auf Weinkrugscherben geschrie-
bene Aufschriften aus Ägypten; wahrscheinlich alle aus dem 2. und 3. Jahr-
hundert n. Chr.]
XXXI. Cyrenaica et quae in occidentem yergnnt«
Caesarea (Mauretania).
Kaibel, Hermes 19 1884 S. 324 veröffentlicht eine ihm von Joh.
Schmidt mitgeteilte Grabschrift in vier Distichen. Interessant, doch
nicht unbelegbar ist in V. 2 die Verbalform: 6 mxpbg vauxnoXop^a*
*Aj^dpcjv,
XXXII — XXXVII. — Da in dem grofsen Inschriftenwerk der Ber-
liner Akademie: Inscriptiones Graecae Siciliae et Italiae. Additis Grae*
ds Galliae, Hispaniae, Britanniae, Germaniae inscriptionibus. Edidit G.
Kaibel. Berlin 1890 — die in den Bereich unserer Behandlung entfal»
lenden griechischen Inschriften des Westens übersichtlich vereinigt sind,
80 kann hier von einer Registrierung derselben um so eher abgesehen
werden, als die fQr den vorliegenden Bericht in Aussicht genommenen
räumlichen Grenzen ohnehin stark überschritten worden sind.
XXXTm. Pannonia et Dada.
To6ilescu, Archäol.-epigr. Mitteil, aus Österreich XI 188*7 S. 66ff.
n. 141; schlecht publiziert in der griechischen Zeitung Hesperos, 15/27.
XXXVni. PanooDia et Dada. — XXXIX. InficriptioDes incertor. looor. 193
Mftn 1886. Marmortafel in der Kirche des Klosters Dragomirna an-
weit Saceava in der Bukowina. - Ehrendekret (48 Z.) von Bole
und Demos auf den aus Byzanz herbeigerufenen Architekten Epikrates,
S. des Nikobulos. »Das Dekret stammt sicher aus einer griechischen
Stadt am Ufer des schwarzen Meeres, vielleicht aus Kallatis. Der Z. 18.
14 erw&hnte rröXefKK VXarcxS^^ der während der Anwesenheit des Epi-
krates gemeldet wurde, scheint unbekannt zu sein, und selbst der Name
ist fttr uns unverständlich.!
XXXIX. Inscriptiones incertornm locorum.
Szäntö, Wiener Studien V 1883 S. 171 ff. Auf beiden Seiten
beschriebenes Inschriftfragment im österreichischen Museum; angeblich
aus Korinth, wahrscheinlich attischen Ursprungs. Der neunzeilige,
äufserst verstammelte Text der einen Seite ist nach Ansicht des Her-
aasgebers das Fragment einer Seeurkunde und enthält das Inventarver-
zeichnis von vier Schiffen. Der elfzeilige, gleichfalls arg verstümmelte
Text der andern Seite dürfte einem Schatzverzeichnis angehören, ähnlich
den zahlreichen Übergabsurkunden der Schatzmeister des Parthenon.
Latyschew, MDAI X 1885 S. 126 ff. Inschriften in der Eremi-
tage zu St. Petersburg, »wahrscheinlich Überreste der Altertümer, die
auf den Inseln des Archipels während des Aufenthalts der russischen
Flotte daselbst im Jahre 1770 u. f. erworben wurdenc ~ 8. 126 n. 26.
Archaisches Fragment in ionischer Schrift, von einer der Inseln des Ar-
chipels oder aus Kleinasien; wegen der Form des 0 ans der ersten
Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. (doch auch jüngere Buchs tabenformeu:
/VEH). Bepad\ydp(i}i .... (2) riot Tua[ . , . diSozai (3) dreUv} \ahr<m
xal iY'('i)}'6vot[^. — n. 26. Vierzeiliges Bruchstück (eines Rats- und
Volksbeschlusses?). Z, 1: rpiaxddt ol äf}^o[vTe^ , Z. 3: — ftpoQ
rä xotvä — . 3. Jahrb. v. Chr. — n. 27. (Grabplatte aus römischer Zeit:
JtoxJi^ a^u-(2)9r£, x^P^' '~ 3- l^*^ °' ^3' Grabstein des Heliodoros und
des Athenodoros, SS. des [A]theno[dor]os. — n. 29. Dorischer Grab-
stein der [Arjistobola. Aus Melos oder Thera? — n. 30. Sehr späte
Sarkophaginschrift des M. Aur. Olympios und des Hermogenes, fyj'ovwv
Toü xrioToo VXüfimou, — S. 128 n. 81. Sarkophaginschrift eines [A]ga-
thon ; aus christlicher Zeit. — n. 32. Arg verstümmeltes Bruchstück
aus sehr später Zeit mit geringen Buchstabenresten. — Derselbe,
a. a. 0. S. 128 n. 38. Petersburg, Akademie der Künste, unter der
Darstellung eines Totenmahles die Grabschrift: 'Ena^pSc räv Bu^a (2)
ripa SwTf^pav (3) dpjp<oe$6. Ans römischer Zeit. Ähnliche Formeln
begegnen in den theräischen Grabschriften. — S. 129 n. 34. Petersburg,
numismatisches Kabinett der Akad- der Wissensch. Geringe Reste des
Proxeniedekretes auf einen Rhodier. Etwa aus dem 3. Jahrb. v. Chr. -«•
Jahiesbericht für Altertumswissenschaft. LXVI. Bd. 13
194 Chnecliiache Epigrapluk.
11.86. Odesaa» ttoaeiai. A5io^ BeT'(Z)Tidpto^ Kpianoq xal ifö-(4)>loc
BßTctdpioQ 'j&ia-(5)fy7aJB<roc ftßX^Q (6) SvjotißoQ erriditeD f&r sich, ihre
Nachkommen nod Freigelaasenen ein Grabmal. — Die Pbyle Theseis
(die in Attika nie existierte) begegnet hier zaerst. Am wahrsoheinlich-
sien stammt das Denkmal ans einer der thrakischen oder kleinasiatischen
StAdte.
Oardner, Jonmal of hellenic stndies YI 1885 S. 251 ff. teilt nach
Abklatschen, welche Pierides Yon der Insel Syme erhielt, eine Anzahl
Inschriften mit, die entweder yon den Inseln im Südosten des ägfti-
sehen Meeres (Kos?) oder von der benachbarten kleinasiati-
schen Küste stammen. — S. 251 n. 2. Schlufs eines Ehrendekretes
in Yi^Igftrdialekt Dasselbe soll nach MaTsgabe der fttr die Proxenie-
dekrete bestehenden BesUmmongen aufgezeichnet werden. Als Gastge*
scb^ sollen dem Geehrten zwei Krflge Honig (lUhroQ d[fi^}op£axouQ
iüo) Qbersandt nnd n. a. drei Gesandte an denselben abgeordnet werden,
wrelche das Dekret aberbringen nnd den Geehrten bitten sollen, sein
Wohlwollen der Stadt bewahren va wollen. Folgen die Namen der drei
Gesandten. Nach dem Heransgeber dürfte die Übersendung dw beiden
Honigtöpfe in Beziehong stehen zu der Verehrnng der Biene, die mit
dem Kult der Artemis von Ephesos und anderswo verbunden war. —
S. 266 n. 12. Fragment der Ehreoinschrift (wahrscheinlich dorischer Dia-
lekt) auf eine verstorbene, hochgestellte Persönlichkeit Ähnliche Aus-
drücke begegnen bisweilen auf Ehreninschriften der Diadochen; vgl. inl
tbv rcu]v Buüv olxov [/i]sTaßdßi^xeu Z. 4, — j^aXx^v phf eixöva fy^Ttnov
Z. 6, — BojJLeXtxoöc dylüvaQ Z. 8, — yviilytxobg] rm vituv Z. 9. —
8. 257 f. n. 18. Fragment eines Ehrendekrets in Vulgärdialekt auf je-
mand, der u. a. — i^p}6vTUTev^ 7va yrpofurpi^Bfj dtvog Z. 5, — nopiaat
xb fyöStov — [roec dno4n]eXXofidvotc Ttpöc röv ßaat[Aia Z. 9/10. —
S. 258 n. 14. Arg verstümmeltes und unleserliches Fragment des Ehren-
dekretes auf einen Athleten (Vulgärdialekt?). Z. 1: 'A^avdpov — , Z. 2:
rbv TtBptoSove/xoo ? — S. 255 f. n. 11. Fragment einer Grenzinschrift:
— rb H} frfi;/oo-(2)v] *ABi^vat8o'{^)Q] rä^ i7teTU'(^)y]j[dvovToc (so) (5)
*AXe$avdp{'{^)9ogy ig x6pi'(*i)oQ 6 ulbg AiO'{fi)vuatog Edfp'(9)poauvou
K' (10) oko^yto[g' (II) TtMtog n6d(12)ag P, rb [^-(13)^ fiäxog pli-
(14);jf/9e Toc j[a'(l6)pdSp€tg. — S. 258 n. 5. Grabschrift: EbxXsiaQ tZq (2)
NcxoxXbuq YU'{Z)vatx6g^ NtxdyBeuQ ßiarpög. — S. 254 n. 7. Grabschrift:
*Okßp[m]äe (2) ä Nexofi^Seug (3) xa} KJieüfidxou, — S. 259 n. 15. Ver-
stümmeltes Grabepigramm in zwei Distichen auf eine Athenais, errichtet
von ihren Söhnen, den oüc ^Aptöxeidot}.
Papadopulos-Kerameus, KE02 XV 1884 S. 58 n. 2. Von
der kleinasiatisohen Küste, jetzt bei Alexandres Meliorates anf der
Insel Syme. Best eines Dekretes: Z. 4 npeafieur-'^ 5: ifoBiov^ 9:
X:UIX. InscriptioDes ine. loa > XU Tituli christiani: Atüca. 185
MordtmaiiD, Archftol.-epigr. Mitteil, aus Österreich VIII l6Si
8. 196. KoDstantinopei, PrivatsammluQg. »Die genauere Proveniemc war
nicht in Erfahrung au bringen; doch stammen die Steine von der klein*
asiatischen Küste.«. — n. 18. Miniaturbasis: 'Ara^f, Tu^r (2) Büß
u^hvfp (3) ^Aaxhjnt6io(4t)roQ 2iu<Tt!nd''(h)tpou xarä 0'{fi))M»p. — n. 19*
Basrelief mit der Widmung: Mr^rpl 'A^dlarsi Mi^poBoipo^ . Die
Inschrift eines ähnlichen Beliefe im Tschinili KiOsck laqtet: ^AY4Wt^}t
^oyuatoo äionxopoiQ xar* «ö/^m. — n. 20. Grabstein: ^A^c TfC ^M^
Tptoo. — MD AI X 1886 S. 19 n. 5. Konstantinopel, Tschinili Kiöqck.
Orahstele: 'Epp/tie 'Afxaroxloo. — n. 6. Ton den Baumaterialien des
Swaskerats, jetzt im Tschinili KiOsck. Zwei Fragmente eines Grabsteins
des Se6^cko^ äwYiv[d\oQ Ma^^opcndog^ sowie seines Grofsvaters mütter-
licherseits und seines Weibes; mit Strafandrohung. — Vielleicht aps
Ghalkedon verschleppt, da unter den dortigen Phylen eine /faJUf^a-
/dtar— • inschriftlich überliefert ist (GIG 3794).
Gardner, Journal of hellenic studies VI 1886 S. 368 ff. ; aus den
wiederaufgefundenen »M. S. Inscriptions coUected in Greece by C. R.
Gockerell, 1810— 14c. Wahrscheinlich aus Lykien. — S. 368 n. 126a.
Rest eines Namenverzeichnisses (Grabschrift?); der Name MoXi^q Z. 6 be*
gegnet u. a. GIG 4321 f., Add. 4326 h. — S. 369 n. 126 b: — inpd&i^
/ai/>2c Tou I b7:oa[o]peou. — 8. 360 n. 127. Rest einer Grabmalinschrift,
in welcher einem Glyptos und dessen Bpenlrä] das Bestattnngsrecfat ge-
währt EU sein scheint. — n. 138. 136. Dürftige Reste von Grabschrifteo.
— n. 136. Rest der Ehreninschrift auf einen T]ipj^^ivTa b[n]^ rob ^poy
Q. a., errichtet xarä n^v dtaBijxi^v.
Sz&nt6, ArchäoL-epigr. Mitteil, aus Österreich IX 1886 S. 134.
Fragment einer in der Sammlung Millosicz befindlichen fihreninschrift
auf einen Kaiser; interessant wegen der Datierung: (6) lepiuf^] rdu nph
\n[6X\t\tuq [Jtovuaou? (6) Terou ^Aaov/ot; u. s. w. Vgl. GIG zn n. 2963 b
und Lebas III (explications) n. 1601 p. 373 samt den dort zitierte^ Stel-
len des GIG.
XL. Tituli ebristiaui.
Attica.
Äthan. — Sakkelion, *Ef. äpx^ 1886 Sp. 286— 2da Eine in
den Rainen dar christlichen Kirche der Megale Panagia gefonde^A Siele
enthiUt folgende drei Grabschriften (n. 1. 2 aaf der Vorder-, a. 3 auf der
Rückseite) ans byzantinischer Zeit: 1) Sp. 236 f. n. 1. Grabschrift der
am 20. April des Jahres 6364 (nach Erschaffung der Welt » 856 n. Ghr.)
BVolloBdetenf \^x^hwB\rj) pfi'{Z)x^a x(aj) h i,iwiQ r7^fA((»fU^ (^)
Mtjt^ Jpouvyapda. Der erstere Eigenname ist nach dem Heraosg. ent»
18*
196 Griechische Epigraphik.
weder verderbt aus Mixxa oder Mtxxj^^ oder das Femininum za M^poc
(= Afj/xi^Tpeoc), hypokoristisch 3l^raoQ] also = äi^rpia. Der zweite
Name (statt äpouyyaplo) bezeichnet M. als die Oattin eines Mannes, der
mit der militärischen Wflrde eines ^pooyydptoQ bekleidet war; vielleidit
t »91 wurde er dann auch zum Eigennamen. — 2) Sp. 237 n. 2. Orabschrift
der am 28. Septe(m)ber des Jahres 6430 (= 921 n. Chr.) vollendeten
i^ErtllEtMij) h K(op()ip dou}((7J) (2) roii e{eo)o 9<i}pia)i)Q (= Qwpatg).
t 867 — 8) Sp. 237 f. n. 3. Grabschrift der am 19. Okt des Jahres 6376 (=
867 n. Chr.) vollendeten {irBXtöBi^) (8) SouXfj Xipc(no)ü (4) rou ß(eo)u
tu. Jh. Ebn'(b)pa$^ (= ElynpaJ^ia). — Derselbe, a. a. 0. Sp. 288ff. teilt aus
einem wahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert stammenden Sammelbande
der Nationalbibliothek zu Athen zwei christliche Grabepigramme mit:
1) Sp. 238 f. n. 4. 20 iambische Senare, bezeichnet als ^Irtj^oe elc {rov)
rdfov Toü Kupou dv^pj^pioo too Aeovrdpij iv rg fiovf^ r^c flerpaQ^ (so-
mit aus Konstantinopel). Der Verstorbene spielte eine einflursreiche Rolle
als Staatsmann am Hofe des Kaisers Manuel II. Palaeologus (1391 — 1426)
und starb 1431 n. Chr. — 2) Sp. 241 n. 6. 39 iambische Senare, be-
zeichnet: 9EIq töv rdfov toü ^AadvT^ xupou 'laaaxhu xcu rij^ aörou
tyydvTiQ h rg povg rou 0davBpdynou€, Der Geehrte war 2ieitgenosse
des Vorigen.
MilchhOfer, MDAI XII 1887 S. 284 n. 186. Kalyvia Dfirftiges
Fragment einer Grabstele mit eingemeifseltem christlichem Kreuz: --oc |
t . o I -- woc. Vgl. a. a. 0. S. 311 n. 367. — S. 291 n. 226. Keratea.
Fragmentierte Strafandrohung einer Grabschrift: -ov ciopjoL doi-l-j; köyo^
T<p *(e)^ t-
Megaris.
tt64 Aegoithenae. — Dragumes, *E^. äpX' ^^^^ ^P* ^^^* Fragment:
"^** -[o]v t ^ rtdXi^Q (2) a<oT^pa] r^g olxoüfi[d)n^ff " (S) imfuX\ijMvToc to[5
arpanjj'oü (4) r^s nSXetuc --u Zaia^fwu. Ergänzungen nach CIG 1079.
Ein Zosimos wird als praefectus Epiri unter Valentinian und Valens (364
—378 n. Chr.) erwähnt cod. Theodos. 6, 31. 12, 10.
Boeotia.
Plataaae. — Oardner, Journal of hellenic studies VI 1885 S. 149
n. 26. Aus den wiederaufgefundenen »M.S. Inscriptions collected in Greece
by 0. R. Cockerell, 1810^ 14.c Grabschrift in drei Hexametern und
einem Pentameter auf Skeptiane, T. des Protes: TVc nXdratav auX^aev^
t{]c at]Xeasv Sp/wv dndvrwv I HxeTtrtdvf^v Olp]<o[T]eüQ ^cXo^Mßov [xoi]
fpiXö^pearov^ \ oSvBxev iv Ilapa8t(T<p au[v] dBavdrotg ^[a]/£ x^^v, | alre^
xcd noatt ao\ \y\6vd^ ^Bipzlro tdpov, - - - ät\ovuc6diopOQ fptXöfTrcoXtQ, —
Die Wiederherstellung: idifiiro V. 4 wäre kaum härter als flXäräXav V. 1,
^tXii^safoy V. 2; inoveero u. a. wflrde sich zu sehr von dem Manuskript
entfernen.
XL. ntnli Christian!: Megaris. Boeotia. Thessalia Illyrieam. 197
Phocis.
Eine zu Blatea gefandene, wahrscheinlich äusKana in Oalilaea
stammende Inschrift s. unter iSyriac (S. 222).
Thessalia.
Larisa. — Mordtmann, KE^ÜXY 1884 S. 7. Auf dem tttrki-
schen Friedhofe findet sich eine grofse Anzahl christlicher Grabschriften,
alle nach Tilgung der früheren Schriftzfige auf alten heidnischen Grab-
steinen eingemeifselt. [Ober das Eindringen des Christentums in Thes-
salien (aus Macedonien) vgl. Feaipj'tdSij^^ SeaaaXta S. 114.] — n. 1 (un-
genau Lebas 1288. Miller, Rev. arch. 1874 n. 10. 11). Lolling, MDAIXI
1886 S. 124 n. 66. Grabschriften: 1) KaXXt - - | Mevdvdpou, 2) der Theo-
phila, Gattin des Seleukos, 3) des Menandros, S. des M. Zu der Schlufs-
formel von 2) und 3): r^ Xa^ j^aupeiv vergleicht der Herausgeber im
Druckfehlerverzeichnis diejenige der italischen Grabschrift GIG 9867:
XaipBtv Tocg ävo). — n. 2 (ungenau Miller, a. a. 0. n. 15). Neue Kopie
der Grabschrift des NeexoXao^ \ HeXeuxou. Auch hier ist der SchluCB her-
zustellen: r^] Xa[^ x^p]eev. -- n. 3. Lolling, MD AI XII 1887 S. 349
n. 108. Grabschrift des Secundus, S. des S., gleichfalls mit der Schlufs-
formel: r]^ Xa^ j^au-lpecv. — n. 4 (ungenau Lebas 1287 [danach
CIG 9423] = Bayet u. Duchesne, Mission au mont Athos n. 172. Lol-
ling, MD AI XI 1886 S. 128 n. 79. Wahrscheinlich ist zu lesen: Jeuxeo^
Kotmoo, ''EXboq^ (2) tlpipn^ navrl {xp)toTtay\q>, Darunter jQngere Grab-
schrift eines AuatQ Netxa/ou (s. Bd. LH S. 517 u.).
Lolling, MD AI VII 1882 S. 235. Vom Friedhofe sadlich von der
Stadt. Auf der Rückseite der Marmorplatte steht die Freilassungsurkunde
MDAI Vn, 226 (s. Bd. LD S. 512 u.). - XP (in Ligatur). (2) T)^X6»ev ix
yaa^Q (8) ZaXatvßoQ ixyeyuuea j (4) oSvofia PpT^yopia (5) del^ dexaTtewe
irwv I (6) dvSpdc d^apna^&eTaa (7) ^^Xou cbv nauSa ^spouaa \ (8) KXaw
dtou ^yefJLÖvoc (9) iv&dSe xeTjfi äXo^oQ, »Die Illyrierin scheint als Wöch-
nerin gestorben zu seine — Derselbe, MDAI XI 1886 S. 127 n. 75.
WeiCser Marmorblock: f] jiyilpa Kupiaxo[Uf (2) dvan{au6fuvo^) IvBa xTre*
(8) 2Ve[f>]aw/t f-
Illyrieam.
Vragniua (Dalmatien). — Hirschfeld, Archäol.-epigr. Mitteil,
aus Österreich IX 1885 S. 19 n. 30. Sarkophaginschrift: ''Eu&a xazdxtre
(2) *IouotTvoc Tpe'(B)ßouvoc BaXeV'(^)Ttvta¥i^v<ri6ufi (6) veo^tortaroc. »Vgl.
Notit. Occ. VII 47 u. 61 : Valentinianenses (intra Ülyricum cum viro specta^
bili oomite lUyrid). — Z. 5 v^o^drtarog = ein neu zum Christentum Be-
kehrter; vgl. Steph. Byz. s. v.c
J98 Oriechiscfa^ Epigraphik.
Macedonia. Thracia.
Heraolea Lyaoastii: Mordtmaon, KEOS XV 1884 S. 62 o. 3.
Grabschrift des dvayiymarri^) K(d)\ ^aprooXdp(toi) Ba(TeX[ec](K, - - dvafU-
v(<ov) abv nayr\ zip x6ö[pLif} rijv] napouff{e)a[v. — Heraolea - Perinthns
(Eregli): Mordtmann, Archäol.-epigr. Mitteil, aus Österreich VIII 1884
S. 224 f. Grabstein aus dem Vs Stunde südlich von der Stadt gelegenen
Felde, in der Nähe der kleinen Bncht Kanli-Liman, wo demnach die Be-
gräbnisstätte der christlichen Bevölkernng von Herakleia gewesen zu sein
scheint (eine andre antike Nekropole befindet sich östl. von der Halb-
insel am Wege nach Tschorlu bzw. Silivri). — S. 224 n. 68. Grabschrift
des Tiberius Claudios Maxi(m)us und seiner Gattin Sozomene, mit gött-
licher Strafandrohung ffir den Grabfrevler. — n. 59. Grabstele mit dem
wunderlichen poetisch-prosaischen Gemisch: ^E^ MdSe xslvrat ndtSs^* (2)
j^MOTÖroxoc JoüxiQ' dtaa^ (3) xkT^ptp SeoSozog' napBev6'{i)i^ do/iva
xJ^pov rplrov i$e'(6)TiJi€(Fff6¥' reTpddc Aouxeä'{ß)vij' nip.7tnj Zwig auv-
oJ«6-(7)6r IxT^ Seodouhj /i£r£7r[e«-(8)ra rdBetrae mv^' (so) Mmf oiaa
xc\\ (9) Bixa TtpÖQ xoTq nap^ivoQ- ißdo- (10) p^inj 8k rexouaa OTS&MTev
Ideiv (11) ntuSae^ ouq abr^ TtpoeTtep/^eVt (12) o<V nämv noa^v kaxofuv
ivM-(lS)^£ AouxiQ rdxuoe^ Idiotat xal a&-(14)r^ aitv 'Aaxki^eadörj^ dX6)[<p.
(16) Xpeeariayol 8k ndvTSQ |y£-(l6)d/i£V. — 8. 226 n. 60. Grabachrift
der AbpTjXia [loXofivia und ihres Gatten 'Ovijaipoc mit Strafandrohung
(eine andere chrisü. Grabschrift dreier Aurelier ans Herakleia bei Du-
mont 72^, nach Kyriacus). — In allen drei Inschriften begegnet der in
Thracien nicht ungewöhnliche Ausdruck Xar6fu{o)v, — An der genannten
Stelle fand der Herausg. noch in situ den grofsen Sarkophag mit der
Inschrift Dumont 70; vgl. das ganz korrekte Faksimile von Aristarches.
— S. 226 n. 61. Im Vorhof der Kirche des h. Georg eingemauert. Unter
einem christlichen Monogramm die Grabschrift: 0X(doütoQ) KaXca^idov
(2) ^HpaxXecjnijc, noXfn^^ ^(Z)uX^g rerdpru^Q Ixn^aa (= Ixrtaa) (4) (&)fia
rfj aupßiü) fioü xal zoT- (6) q ^eXTdrotc jxoi) zdxV'{6)otc* el 8e ztQ zoXpä^at
(7) izepöv ztva xazaBdff9'(S)ae^ 8aKTi Xdyov zaj &e^ iv ^(9)fJLdpqL xpiffew^
zou xpiv[oyzoc xzX, — S. 226 f. n. 62. Marmorner Reliquienschrein in
dier zu Anfang des vorigen Jahrb. (1729?) gebauten Kirche des h. Georg,
welcher aus einem antiken Sarkophag hergestellt ist und bei der Palaia
Metropolis, einer jetzt in Ruinen liegenden alten byzantinischen Kirche,
ausgegraben sein soll. Unter zwei Kreuzen acht iambische Senare: V
xBpTcvbQ 6bz{og) &c aop{bQ) xp6'(2)7rrsi Xc&o[c | (3) z^g Bnufiazoupyou
paipvüpioc) (4) rXuxtpiaQ \ (6) Bsiav xdpav ßpüooM.v Sftßp{ov) (6) Bauj*
pdzotv, I (7) i( wv ßwaee xdfivouaew 7:oX'(6)Xi} Ttt^yaZet. \ (9) IJtazwg rtpoa-
dpj(öu mg ztg (10) dpff/ xap8i^ | (H) ^<^ 0äzzov eupotg zoü noBot^ (12)
pivw^ Xbaitß' I (18) <vc yäp xp^vij ztg ßXbZouaa (14) Cgo^C /k^eBpa, \ (16)
o8m#c TtpdxBtzae näatv abz^c (16) i^ X^^' ~ ^^^ Martyrium der heil.
Glyceria wird von den Acta Sauctor. auf den 13. Mai gesetzt. Sie lebte
XL. Titoli ebristiaai: Macedonia. Thracia. 199
nach dem Menölogiam BasüJi (Migne, Patrologie 11t, 452) zä den Zehen
des Antoninas nnd des (dnrch Mfinzen — Eckhel, N.D. 11 p. 83. 43 — besU-
tigten) Legaten voü Thracien M. Pootios Sabinus. — ^eTa xdpa Z. 5 »
Scbftdel der Heiligen. GIG 8811 ist atßaapJa xdpa seltsamerweise als
eapnt statoae erklArt. - Belymbria (Silivri): Mordtmann, a. a. 0. tsg
8. 209 n. 26 ; ungenau GIG 8688 und KE02 VI, 245. Einzeilige InschHft
auf einem Marmorstreifen Qber dem Hauptthore Kir Kal^ Kapassi: f '/li^-
yuoBij t ^toaoüTog imXt^ räuri^ iirij ^X^V^ BeoSopac xaä SixX^g^ oSc
iStxa/oßiFsv /f(o/wo)c, ßaadeopjv Its^ tcq y^. — Die Zeit ist im GIG fichtig
anf 842—867, wo die Kaiserin Tbeodora mit ihren Kindern Michael und
TheUa regierte, festgesetzt. ZU ßaatXeOppß = ßaatAeüsiu bietet das mo-
derne Vulgftrgrieohisch Analogieeo. — Ähnlich die Inschrift ans dem 81-
livrithore zu Konstantinopel: 'Avexaeviff^ ^ Beoawaroc nuhj aSnj xvL
(KE02 II, 204 n. 29). — S. 210 n. 27. Einzeilige Inschrift auf zerstreuten desvi-
Teilen eines Marmorstreifens von einem der Seitentftrme des Thores Ort*
Kal6 Kapussi (die jetzt verlorenen beiden Anfangsworte nach einer Kopie
von Slamulis): a) f KdXhjaroy ovra] xal xartyXcaijirfUVov ftpwvdpäp xkijüt
re xal Bewp^qi Idee at^ Ttupye^ ri^ . . . b) . . ofjo^irev övxwq itpoakaßth xar»
a$i(w ^vnsp 0e[ofük}' c) dxrou rou itph eixXeouQ narptxiou^ d . . . d) . . .
ea/C 6^oC tt^ eöxXhjff a^v onaBapoxayBiBäroQ Xäpnouaav itnä kaü peo[ü]/?-
yti r^ 7t6hjl[y\ sIq So^av, 6l\Q xau}['e)ijpa rwv o/xj^ro/Muv, ek einpinetav
xal xXioQ riji nopfupa^ . . f ) oüxa\y] g) epoeoce - - . Die Inschrift ist
ist nach Mordtmann gleichzeitig mit der vorhergehenden. — S. 211 n. 28. t itsi
Monogramme auf den KapitAlen von acht byzantinischen Säulen aus den '
Ruinen einer später in eine Moschee (Fethi Djamissi) umgewanddten
byzantinischen Kirche (a nach einer Kopie Mordtmanns, b — f nbch Ko-
pieen Ton Stamnlis). Nach den scharfsinnigen Deutungen von Stamulis:
a) 'AA(i)${e)o(c) b) 'A7t(6)x(aü)z(oc) C) n(a)p(a)x(oi)p((a)p(sMog) d) xv^
Twp ; — zweifelhaft ist die Deutung von e) 1(ü{d)¥v(ij€) und f) €]{b)öX{6)'
l7(oc), — Alexios Apokauchos, 1821 — 1845, führt bei Johannes Gantacu-
zenus den Titel eines napaxotfuafuvocy d. i. eines kaiserlichen Kämme-
rers. — 8. 212 n. 29. 80. Grabsteine in der hellenischen Schule: 1) f 'E^
Bdie xarax<-(2)r< üioCov 7ipscßu'{S)Tepo^ )[puntavoc (4) j^opeoo Nijroü
fU'{6)ydhjC onb Naxo'{B)hav /ii^Cw^c) nevnroiu) ii^(7)(£t}^ iv8. es' fye
npitg (8) \ybv 9e6v xrX. Über die phrygische Stadt Naxokia (NaxöXsta
Strabo) s. Steph. Byz. — 2) Schwer lesbare 12 zeilige Grabsehrift auf
einen — ug b7iodidxo¥[o€ t]ou äyiou xk M\6^oo\ EJieo^Bpioo» Der Pa-
last des letzteren in Konstantinopel wird nach M. in der byzantinischen
Geschichte häufig erwähnt. Z. 7: K]oaaTa'nvo7toX — ? 8: Te][X]su{T)iaat
rbv ß(\p¥ — 9: -- xaXöc. Der Rest unverständlich. Oberhalb und links
von der Inschrift sind einzelne Buchstaben einer andern (älteren, aus-
gekk'atzten?) Inschrifr erhalten; lesbar: B{*x&'Oq. — n. 81. 32. Grab*
•ehriften im Hofpflaster der Panagiakirche: 1) ACÜ. (2) 'EvBd'{f)Bs
xard-{i)xtx€ 0d6p'{h)oocog dexa (6)yoff. - ^yi^»d\8[& xh(%)z\6 6 tIq
200 Griechische Epigraphik.
(rtcy r/AV]7-(3)/i]7C Kofieatr • • • (4) xk Elwa^[o'(5)Q ulb^ UofjL^wv (6) rou
/mxap{[ou (7) dno^exäpeoliS' ir£^-(8)e6ra /tu^(v^e) Noe[fißpeou (9) xe'
^fidpg) a M. ~ D. 83. Bei Herrn Stamalis: ^£^9]a x^re ]^ (2) r$c]
fiv^fJo^Q £tet (3) . . /9a ^uydrTjp (4) . . . u xcu ßau^u. — n. 34. Im Pflaster
der armenischen Kirche des heil. Georg Grabschrift auf einen Edydvtc (?)
[ir}afv Ttiyre — . — 8. 214 n. 35. Saale im Garten der Metropolis:
t K(oyara[¥r\ivou (2) f '^ou MaYxou'{S)ptwTOü f, — Byiantinm-Constan*
umtsso tinopolis. Curtis and Aristarches, KE0I1LSI 1886 S. 8 n. 9— 20.
Zwölf Inschriften auf ebenso vielen Säulenkapit&len der Philoxenoszisteme :
9) Eky[ev(ou^ 10) Eoxp[<mtou, 11) Eb'c(p)o[nioo, 12) Eln[p(mioo, 13) Ää<r[«-
ßioti^ 14) 'Axax[totß^ 15) 'A\xa[x{oo^ 16) na[xtou^ 17) '/'a«[xro(;; wahrschein-
lich des am 330 n. Chr. von Konstantin aus Rom nach Byzanz berafenen
Ratsherrn and Erbauers der Zisterne Eugenios und seiner Genossen. —
Die Inschriften 18) Kuvli^y^ou^ 19) K[u]v[ijireoü, 20) K[o]>[7^y/6ü beziehen
sich auf den Praefectus praetorio vom Jahre 384, Konsul 888 n. Ohr., der
t 891 vielleicht die Zisterne restaurierte. ~ S. 9 n. 21. Drei Fragmente, jetzt
in der philologischen Gesellschaft und im Museum: ^Etouq ntvrai\xtaxtko'
[arou iweaLxomoarou \ ijajvl AIJYuitrewv | Tpfrtp f (= Sept 391 n. Chr.).
8. 10 n. 23. Meilenstein: Äiptarö^) if. Xiptarö^). (2) V^<r(o(>c) X(pt<rT6)c
(8) vex^t. In der Mitte ein Kreuz. — Vielleicht stand der Stein im
achten (if) Stadtbezirk. — S. 11 n. 25. Ziegelinschrift: n{a)va}'{a[c. —
-n. 26: 'I<o[dvvou X\a6p[a], — Aaupa = Kloster. — Mordtmann, Hermes 20
fft.jb.? 1885 6. 312f. Grabschrift von einem sQdlichen Seitenturme des Silivri-
thores: f ^ovvouc (2) fl t^c paLxa-(Z)p(ac M»^/^C (4) ivBdSe xeTre, (6)
piijvÖQ) leTTTspßpHou) 6) x8' lv[8 . . . ], ru(v^) fffi-(7) vdropog. Wohl aus
dem 6. Jahrb. — Unterhalb der Inschrift ist noch ein zweiter frQhbyzan»
tinischer Grabstein eingemauert. Rings um ein Kreuz: 'EvB]dS€ (2) xers
'lofdvinjc (3) [>u] Asxevßp. (4) e' Iv. 8' AHC (= ^p<^W ¥^9'^)- " Curtia
im und Aristarches, a. a. 0. S. 28 n. 99; Taf. III, 10. Monogramm auf
einem Säulenkapitäl: üofiauQ. Aus einem von Justin II. 511 n. Chr. zu
Ehren seiner Gemahlin Sophia errichteten Frauenkloster. — S. 22 n. 95.
t u4 Grabschrift der Gattin eines Nonnos; aus dem Jahre 514 n. Chr. — S. 12
t5M n. 28: ^0] S,Yt[oi\ navro'(2)Xiwv, — Auf der FundstAtte stand der von
der Kaiserin Theodora, Gemahlin Justinians, wahrscheinlich 528 n. Chr.
erbaute Tempel des Heiligen. — A. a. 0. Auf 68 Säulenkapitfilen der
Kirche der heil. Sophia finden sich christliche Monogramme: S. 10 n. 24;
1 40» Taf. II, 1 : 9eo8wpou (Praefectus praetorio und Wiedererbauer der Stoa
t SM unter Theodosius, 409 n. Chr.). — 8. 13 n. 29-49; Taf. II, 2 - 22: f lou-
artviavoü. Die Säulen wurden 534 n. Chr. errichtet. — S. 14 n. 50—68;
Taf. n, 23 — 41 : ßaadeo)^. Mit geringen Ausnahmen gleichfalls aus dem
Jahre 534. - n. 69—74; Taf. II, 42 — 45: 9eo8dfpaQ, Aus demselben
Jahre. — 8. 15 n. 76—79; Taf. III, 3—7: AÖYodarac» Aus demselben
Jahre. — n. 80; Taf. III, 8: CAV^ {Mtxnmvo^) iß =s 634 n. Ohr. - S. 16
t_^ n. 81. Marmorinschrift an der Aufsenseite der Kirche der heil. Sophia:
XL. Titnli cbrlstiani: Macedonia. Thrada. 201
t fÖ] S{rio)c 9(eb)c ivBdSe xaroext' iJojSe^c ßißfjktx: tlcho}. Wahrschein-
lich aus der Zeit der WiedererbauuDg der i. J. 532 darch Fener zer-
störten Kirche durch Jnstinian 582—587 n. Chr. — S. 16 n. 82. Mono- t w
gramm wahrscheinlich eines beim Wiederanfban der Kirche beschftftigten
bysantinischen Künstlers: £t8^vou. — 587 n. Chr. — n. 88. Orabschrift
eines arpariXälr^g Bp4^C (2) dnb j[wpa/e liuyah^ (8) AwpoaT<iX[oo. ^
Die arpanjXärai = magistri militum anter Konstantin II. wurden unter
Theodosius auf fQnf vermehrt. — S. 17 n. 84. Ehemalige Kirchenthfir-
inschrift: Aktive xa} doB^aercu bptv Cf^Tetre xal (2) 6]bp^<rsTe' xpouere
xa} dvoiYr^aevat bpJv. Et. Luc. 11, 9. — A. a. 0. Jetzt im Museum. Orab-
schriften gothischer Leibwftchter unter den byzantinischen Kaisern ; vielfach
gothisches ^ = d (vgl. n. 189 S. 208). — 8. 17 n. 86: f 'EvdäSe [xaraxite 6 fM
(2) T^Q fMLX€npc[ae pynjpTfji mtnÖQ (8) Oü]aAlhp^}(, ^([Sepärog' iTeXE-{A)6Ta
p:fi(vbg) Maplrtoü ta\ (5) ^jfUptjL T€rdpTfj\^ hfd(exTta}V0Q) [c ] f. Aus dem Jahre
648 n. Chr. — S. 18 n. 86. Fragment einer ähnlichen Orabschrift. —
8. 19 n. 87 desgl. eines 2r(£/(wxc. -- n. 88 eines ßsuda}]poc -" olbc Ko]uß'
vt[oü* — n. 89 {jetzt im Museum) eines ^d^vac, Seaitortxbc nunb^ fpotdepä» t 55S
Tog\ ans dem Jahre 668 n. Chr. — 8. 20 n. 91 einer Ispyea^ ma'(2)rili de- t ms
üTtoTtxij^ BüY&njp Kav'(Z)8\x ^edepdröo deanorexoüy errichtet von ihrer
Mutter *Eßyoydfv[da\ aus dem Jahre 568 n. Chr. — 8. 21 n. 92 eines UwXo-
fiov. — n. 98 eines 'EnwxTwlp^x^ 8. eines ndrploui] BepriXa\ aus dem Jahre detgi.
568 n. Chr. — n. 94 Fragment einer ähnlichen Inschrift. — 8. 22 n. 96 eines
*t]wdvy9jg. — n. 97 ähnliches Fragment. — S.28 n.98. Grabschrift eines Leib-
wächters HaßßdriC' — 8.20 n. 90. Fragment: f 'Ivd(txTeaßVoc) ta f. Aus dem t »63
Jahre 562 u Ohr. - 8. 28 n. 100: Jcl^ 'P[wpatwy. — n. 101. KirchthQrin-
schrift: f ^Avü^atai pot nuXac Stxai{oauviQg^^[a eheX]B<bv iv oötouq i$opoXo^
y^pae nfi Ko\pi<p f. — Psalm 118, 19. — S. 24 n. 102. Wahrscheinlich umtsio
aus einer um 610 vollendeten Kapelle; jetzt im Museum. Inschrift eines
Säulenkapitäls : f ^0 0{ib)i tujv (2) ä^oßv, ßo^Bi {S)'HpaxXüp (4) r^
deoTcÖT]). — n. 108: SeJoSiopou [o]ex[o]g. — Theodorus war iitapxoQ wo-umt«t«
Xmo^q 612 n. Chr. — n. 104. 8arkophagiuschrift eines Kp[t4moQ\ arg ver-
stQmmelt, ähnlich der unter n. 27 ; wahrscheinlich Anfang des 7. Jahrh.
— S. 25 n. 105. 8arkophaginschrift eines f TijpoBiou 4Txsü[o^uXaxog. ~
— n. 106. Marmorplatte eines 8arkophags mit der Jahreszahl SP^^ = t ead
628 n. Ohr. — 8. 26 n. 107. 108. Zwei Bauinschriften des Kaisers Leo 1 74i
des Isauriers und seines als Mitregenten angenommenen 8ohnes Gonstan-
tinns an zwei Türmen der alten 8tadtmauer, beide aus dem Jahre 741
n. Chr. Über der ersten Inschrift noch: 'I{ijaoü)g X(ptarb)Q vixf. —
8. 27 n. 109. Eine Anzahl mehr oder minder erloschener Monogramme t sii
aus dem von der Kaiserin Theophano 811 n. Chr. errichteten Frauen-
kloeter des Prodromos: f Movi)] äljrtou] 1aßdv(yoo) np{o)^TOü) [7r]/o[o-
8p6p4Hj. — n. HO. Bauinschrift: ^cr]^' aus den 827 n. Chr. von Mi- fssr
chael II. neu aufgebauten 8tadtmauem. — n. lll. 112. Weitere Bau- desgl.
inschriften an TQrmen der alten Stadtmauer: t Uopyog Mc^ai^X xal ßeo-
202 Griecfaisohe Epigraphik.
^iTöo /ieyd^v ßaatUwv xal altrcoxparopwv f. Midiad 11. Bahm seinen
Sohn Tfaeophilus 822 oder 824 zoin Mitregeotett an. Von den beiden
Tarmen mit obiger loscfarift wurde der eine sicher, der andre wahr-
•t 881 scheinlich 827 gebaat. — S. 28— dO n. 113—126. Baoinschrift an elf
TQrmen des goldenen Horns, sweien am MarmararMeer und einem auf
dem Festland, erbaut 831 n. Chr. f JlOpyo^ Oeo^cXoo iv X(pt<n)^ aino»
1841 xpdzopoQ f. — S. 30 n. 127; Taf. III, 13. Am nordwestl. Thore der
Hagia Sophia. Unter der gemeinsamen Überschrift: SeofiXou xa2] Mt-
)[aijX vetcijT<bv die Monogramme: la) Kupee^ ßo^&ee b) ßeo^eAtp* 2a) 9eo^
T6xe^ ßoi^ßet b) ßeodwp^ Aöyouar^' 3 a) Xptare^ ßoi^e b) Mc^€^X ^e-
andrjj, 4 a) '^Eroog dnd xrtffewQ b) xoopjou ,<rcfi^' lvS(exTiaiv(K) S', Das
Datum der Inschrift fällt in den Sommer 841 n. Chr., nachdem Michael,
der erstgeborne Sohn (889) des Kaisers Theophilus i. J. 840 gekrönt
worden war. An Stelle von 3 b) stand früher das noch lesbare Mono-
gramm: 'Iai[dv]y[};i] rtarptdp;^ (Taf. III, 14); statt 4 b): ,cr/i[r] MiiX"
Tiä0uog) ß' (Taf. III, 16); = Sept. bis Dez. 838 n. Chr. Der Patriarch
Johannes VII., am 21. April 837 gew&hlt, stand bei Theophilus in hohem
dtagi Ansehen. — S. 30 — 32. Tarminschriften ; n. 128 an den Meermauem,
n. 129—132 am goldenen Hörn, n. 133. 134 (sowie CI6 8678) am Mar-
mara-Meer, n. 136 an den Landmauern. Aus der Regierung des Kaisers
Theophilus während der Mitregentschaft seines Sohnes Michael (seit 840
n. Chr.). Da letzterer seinem Vater am 21. Jan. 842 folgte, datieren die
Inschriften aus dem Sommer 841 n. Chr. Die Inschriften am goldenen
Hörn sind ohne das Epitheton maribv^ die am Marmara-Meer und an
den Landmauern haben dasselbe. Von der ursprünglichen Inschrift:
t HupyoQ ßeo^eXoü (ßew^lXou^ 9ea^i^Xo(j) xk iMt/co^A (Mij}[aijX) iv Xipt^
<n)<p a&Toxparöpwv (- xparwpov u. s. w.) ist erhalten: S. 30 n. 128 (Taf.
I, 10): Oew^eXou x& Mi^X^ijX iv X(piar)^ ahroxparop -, — 8. 31 tt. 129
(Taf. I, 11): t ili^pyoQ Btio^yjXou x-. — n. 130: ^pyog -- adroxparö^
pov f. — n. 181: - ßeo^C'- -a^X iv — . — n. 182: 'Twpov f. — n. 183:
Ilupyog BtofiXoü' -;^a^^ matS^v •- ; darunter: l{7iaou)Q X(pe(n6)Q \ vtx^.
— n. 184: -aijX mcrrcDv-. — n. 136 (Taf. I, 12): - xparwpiay, — S. 82
t SMA n. 136. Verstümmelte Mauerinschrift in sechs iambischen Senaren zu
Ehren des Erbauers, Mi^a^X 6 dsanön^g, Ist die — übrigens sehr zwei-
felhafte — Ergänzung von V. 6: dtä B[dp8a pjatarpovi] aj^oXS^y Sofisatt-^
xwv richtig, so wäre Michael III. gemeint, der den Bardas zum fakfi-
ötpog xaX dopeartxbc twv a^oXStv^ der kaiserlichen Garde, emanntOf
welches Amt derselbe bis zum Februar 868 inne hatte. Es wären dann
die Mauern im Sommer 866 oder 867 erbaut worden — Derselben Zeit
fMi? gehört die Inschrift CIO 8692 an. — n. 137; Taf. I, 13. Zwei Türme
trügen zu beiden Seiten eines Kreuzes das Monogramm : 0(w)g X(piim)tß
f (o/veO 7i(a)<r(<). — Diese der griechischen Liturgie entnommenen Worte
glauben die Heransgg. auf einen Sieg der Oriechen über die rutoische
Flotte am 11. Juni 941 beziehen zu dürfen, der in der Nähe des Leucht-
XL. Tituli dirlstiani: MacedoniA. Thracia. 208
tnnnaB Pfaaros mittelst gregorianischen Feuers und — dem Glauben der
Griechen sufolge — durch die Erscheinung der Gottesmutter errungen
wurde. — S. 88 n. 188; Tai III, 16. S&ulenkapit&l mit dem Mono-
gramm: ^EXanj^. — Gemeint ist wahrscheinlich die Gemahlin Gonstan-
tins YI. Porphyrogennetai vermählt 919, gestorben 96 1, die um 966 ein
nach ihr benanntes Logierhans und ein Spital grQndete, ans welchem der
Stein herrührt. — S. 84 n. 189. Über dem Ostlichen Mittelportal des t su
Schifies der Hagia Sophia. Unter einer den heil. Geist versinnbildlichen-
den Taube eine Bibel, auf deren beiden aufgeschlagenen Blättern der
aus Et. Joh. 10, 7 und 9 zusammengesetzte Spruch: a) ESnev 6 K(6pto)c'
(2) 'Erw ei/xe (3) ^ Bupa rwv (4) npaßdroßV (6) Se' k/wti b) idv rec (2)
düikdjj^ (8) acjbijatrai x(ai) (4) eheXeoasrae (5) x(a}) i$e^6öerau (6)
x(at) vofi^v (7) tbpijaet. — Die Inschrift rührt wahrscheinlich aus dem
Jahre 981, wie die Schriftzeichen - namentlich der Gebrauch des ^ s ^
(vgl. n. 84 S. 201) — bestätigen. Die i. J. 975 durch Erdbeben zerstörte
Kirche wurde in den nächsten sechs Jahren wieder aufgebaut. — n. 140. 1 1035
Turminschrift : Xp\iaxk w ^eöc, drdpaj^ov xa} dn6Xe[fi}ou ^[Xarre (2) r]^v
noJiiv aoo * vtx[a rb ii\i^[o]g [rm 9r]oi[e/i/aiw. — Der Turm ist vielleicht
erbaut von Konstantin VIII. als Alleinherrscher 1025-1028. — S. 35
n. 141; Täf. I, 14. Granitstele: Aourpibv) 'APT(wvivou), — Das Bad
wurde im elften Jahrb. erneuert. — n. 142; Taf. I, 15. Marmorinschrift 1 1034
an den Meermauem am goldenen Hörn: ^Ap]yup{jf T<o[fjLavtp. — Der ge-
nannte Kaiser stellte viele öffentliche Gebäude, die infolge eines Erd-
bebens 1082 zerstört worden waren, wieder her. Dieselben waren im
Februar 1034 vollendet Vielleicht erneuerte er auch die Befestigungs-
mauern, die gleichfalls stark gelitten haben mochten. — S. 86 n. 144; t i^ss
Taf. III, 17. Säulenkapitäl mit dem Monogramm: 8eo8wp4ov\ vielleicht
ans dem Kloster dieser Heiligen. Dieselben standen i. J. 1268 bei dem
späteren Kaiser Michael Palaeologus iu grofsen Ehren, sodafs er ihr Bild-
nis sogar in seinen Siegelring einschneiden liefs. — n. 145; Taf. 1, 16. 1 1204
Hagia Sophia; Monogramm auf einer Säule: Kk toüto Te6d<oro^ 8p§t,
— Wie die Vermischung mit lateinischen Buchstaben zeigt, aus der Zeit
der Frankenherrschaft 1204—1261 n. Chr. — n. 146. Plinthe in der t um
1190
Krypta einer wahrscheinlich durch einen vornehmen Engländer, der sich
nadi dem Einfall Wilhelms des Eroberers 1066 nach Konstantinopel
flüchtete, erbauten Kirche des heil. Nikolaos und des heil. Augustin von
Canterbury : ^IvjiXevou) Bap[dyyou, ~- Nach den Herausgebern wäre unter
dtoi Engländer und Franken Richard Löwenherz zu verstehen. — S. 87
n. 147; Taf. III, 18. Monogramme an einem Turme der Meermauern t isi?
unterhalb eines Löwen mit Schwert und Wappen: K(ofi)vtiv(ou) (2) [äouxa]
(3) il(776)^[o (4) Il(a)X{ae)oA(6^oü. — Dieselben beziehen sich auf An-
dronicus 11., der die Mauern von Konstantinopel im Jahre 1817 wieder
aufbaute und der auch in einer Inschrift von Apollonia in Epirus {KE0Z
XUI, 92 =» Röhl II, 149 u.) genannt wird, — n. 148. Turminschrift
204 Griechische Epfgraphik.
WD Aber einem aufrecht stehenden Löwen: MawuijX Oaxpaaij (2) rou Kara'
xouaijvoü (so). — Manuel Phakrases, der siegreiche Feldherr des Johan-
nes Kantakuzenos, mochte den Namen seines hohen Gönners wegen seiner
nahen Beziehungen zu demselben seinem eigenen Namen zugefttgt haben.
Als sein Herr 1366 den Purpur mit der Mönchskutte vertauschte, ging
auch er ins Kloster und wurde 1871 Metropolit von Thessalonich. —
tiM7 8. 38 n. 149; Taf. I, 17. Mauerinschrift: Mijvl Ie7n6fi(ß)piou [Ito-(2)(ic
^C<wWc' ixotfjJjByj [b ^oc;-(3)>ioc t'oS 9(eo)d diowato^ 6 '/'i>(/-(4)ooc
^^o^ IxT^. — Dionysius war i^ap^o^ xaJt xaXoyrjpoQ des Alezios, Me-
tropoliten von Kiew und ganz Rufsland, 1363—1378, und folgte nach des
letzteren Tode demselben 1884 in seiner Wttrde. Die Inschrift datiert
ti4^ aus dem Jahre 1387. — n. 160. Turminschrift: ilvfxjev/cr^]^ j) xolpreva
und reuipyiou SeanSrou 2epß(aQ iv Irse ^cvc'; ergänzt nach einer ähn-
lichen, von Mordtmann publizierten Inschrift, xopriua = courtine. Som-
mer 1448. - Leval, Revue arch. VIII 1886 S. 46 (= GIO 8672 B.
Hamer, Konstantinopel und der Bosporus, Pesth 1882, I S. IX). Nach
Entfernung des Kalkes lautet der Anfang nunmehr: 2*6, Xpeari, reTj^oc
dppaykg xtX, — Hadrianopolis : Mordtmann, Archäol.-epigr. Mitteil,
aus Österreich YIII 1884 S. 200 n. 4. 13zeilige byzantinische Orabschrift
im Hofe der Kirche des heil. Stephan: 'EvBd[S]e xaraxe£-(2)r]6u Kofiev-
rtoXoi b Ti^c ifi) pa\xapia<^ /^i^^/^^C ;^eva-(4);i£]voc ti^c fieydh^c ix{so)h^
(6)c^]aQ ulö^ KocpJoL [it\peaß{pripoü) (G) xa]2 nanuX[ii^ M^apho /vi^{vbg)
(7) No]spLßp{[ou ^fup^ Tpc]Tjii (8) ß]aaeA[t]a^ (9) l]own(¥oo
xtX. — Aus den Resten Z. 8 ff. ist zu schliefsen, dafs die Inschrift nach
den Regierung^'ahren lustinus II. und seiner Gemahlin Sophia datiert
war. Über einen aus Thracien stammenden Mag. mil. Gomenciolus unter
Mauricius vgl. CIL II 8420. — S. 201 n. 6. Turmiuschrift, durch ein-
gelassene Ziegelstttcke gebildet = GIG 8780: f K(opt)e^ ßoijBtt rtp e&^e-
ßtardr^ x{a\) ftXo^pianp ßaciXec ^pwv liodvvjj. — »Dieser Johannes
kann natürlich nicht, wie die Herausgeber wollen, Johannes VI. Palaeo-
logus sein (1426—1448), da Adrianopel bereits 1860 von den Tarken er-
obert wurde; vermutlich ist es der Komnene dieses Namens, welcher
1118— 1148 regierte.« Mordtm. — n. 6. Marmorplatte in der Mauer der
Metropolitankirche == GIG 8718, BGH IV, 109; doch beide mit unrich-
tiger Lesung. Vier iambische Senare in fast kursiven Buchstaben mit
vielen Ligaturen: '^Avai^ Mej^a^X, Aua6v<ov Svtwq xXiog^ (2) Xtnp<oatv eupe
8i* dv ^ Kaßvaraifrcvoo t (8) mpywpa reu)[et xareuavri ßapßdpwy (4)
pd)^ac Ttpbg abrwv dnröi^Tov xaMna$. — Michael Palaeologus befreite
1261 »die Stadt des Konstantine durch Vertreibung der Lateiner und
stellte das byzantinische Kaiserreich wieder her. Abaovfov Z. 1 = »der
Oströmer f. •— S. 202. Auf den Mauern findet sich ein Monogramm mit
dem Namen Bpuev{veoc), wohl = Nicephorus Bryennios, welcher sich
1077 gegen Michael III. auflehnte. — S. 208 n. 7. Grabplatte im Hofe
der Jüderim-Moschee: (Xpurri^) ^bXaxt riß aö douXo ndp8{ip) anaB(aptqf).
XL. Titali christiani: Macedonia. Thrada. 205
— 0. 8. ZiegelmoDogramm, vermutlich tod einem byzantinischen Grabe;
im Tatar-Ghan: Kwvaravriyoü. — Serdica oder Sardica (Sophia in Bal-
garien): Jire^ek, Archftol.-epigr. Mitteil, aas Österreich X 1886 S. 46.
Im Innern der mittelalterlichen Kirche Gtkldzami (türkisch = »Rosen-
moscheec), jedenfalls dem ältesten christlichen Bauwerke Bulgariens,
sieht man unterhalb der Fenster die Spur einer einzeiligen, in GQrtel-
form rings herumgeftkhrten Inschrift, von der die Worte: Cfttypo^oyTo^^
gegenttber Ttpoaxuw^eexov (vgl. a. a. 0. S. 204; = npocxuwjr^ptov)
aweypa^ dp^avy lesbar sind. — Pautalia, ülpia Pautalia
oder Pautalia Anrelii (Kttstendil): Derselbe, a. a. 0. S. 66 n. 4.
Grabschrift: ' Epfw^ivoug (2) xd 'Upatdog (6) xtd fatou (4) /A»r[cr]r[c]a-
[va;v]. — Meiembria: Derselbe, a. a. 0. S. 176 Anm. 36; in Minuskeln 1 1441
ohne Zeilentrennung. Marmorplatte vor dem Altar der Kirche 'Avdhj^ec:
t *Exotp:^dii ij doula rou &eoü MarBataa KaraxooZt^^ nakaiokoyiva iroug
<:'ou \ou v'oo pa^vl Noefi(ßpt<p) [^vJ](<xr<ci>vo^) e' f* J^hr 6960 ind. V.
= 1. Sept 1441 — 31. Aug. 1442. — Odeisus (Varna): Derselbe,
a. a. 0. S. 179 n. 1. »Grabschrift eines apamenischen Kaufmannes vom t w?
Jahre 667 n. Chr.; bemerkenswert f&r die Geschichte des syrischen Han-
dels in der spätrOmischen Zeitt: f Xaups^ mark napo'{2)StTa. davcijA
6 (3) r^ pLaxapeoQ fiy^'ii)/^^^ oib^ ^HXtodwpou, (6) dnd xwfuj^ Tapou'
r/-(8)ac i/inöpüfv r^Q *Amifi^-(7)a}v i^fopioQ Z^aoQ iv <r'(S)<o^poaovji
inj fy' iv Xipcar)^ (9) ireXiMv} fi{ij)v{dQ) *OxTa}ßp/ou (10) x' iy8{cxTiaß-
voq) c' äj C\ ßaac}e6oyT''(ll)oc lootnevtavoo rou Xa' Iro - (12) (ic ttt-
»Es ist wohl der Oktober des Jahres 667 n. Chr. zu verstehen, der in
das 81. Jahr Jastinians (1. April 667 — 31. März 668) und das 6. Indik-
tionsjahr (1. Sept 667 — 31. Aug. 668) fällt Sonderbar, aber wohl sicher
ist der AusdrucJc des Zweifels, ob derzeit das sechste (<:') oder das sie-
bente (CO Indiktion&jahr läuft.c — S. 182. Eine aus dem nördlich von
Varna gelegenen Dorfe Dispudak nach Varna verschleppte Inschrift, die
sich jedoch hier nicht finden liefs, bietet nach einem Abklatsch: X^pt-
özbt) [Monogramm] (2) rcDv S6a'(Z)[n\oTS»y i^-(4);uDi/ *Ap{x\a-(b)[dioo
x]a[2 '0\v[ai\p[{oo\ (6) Ab[Y\o(j\aTm. -~ Callatia (Mangalia): Toci-
lesen, ArchäoL-epigr. Mitteil, aus Österreich XI 1887 S. 32f. n. 11.
Jetzt im Museum zu Bukarest Grabstele des Syrers ZuvnXJxtog^ S. des
Gaesianus, vo/wcbg t^v (6) tneav^/ujv^ und seiner Gattin Meknk^ T. des
Aid^ios, ix npoY6'(\0viü¥ eöyeveig^ (11) ^pdvotQ noX-{\2)kitQ xaklog
(13) awßmaavreg (14) xal h yi^pq. TtpJtp (16) TtpoßeßijxÖTee (16) /ufi-
ra^u 8exa/(ov (17) i^* (!) iXnßc dv€ur^ {16) zdffswc ivSdSe (19) Ijxafisv
Ciu-(20)9c ala^veou dnoXau'{2l)a€wff, Das letzte Wort ist nach dem
Herausg. augenscheinlich späterer Zusatz. — Tomi (Kttstendsche): Der-
selbe» Arch.-epigr. Mitteil, aus Österreich VIII 1884 S. 6 n. 16. Samm-
lang Gogalnitscheano zu Ktkstendsche. Ober dem Reliefkrenz einer spät-
lateinischen Grabschrift: Tdu äyhu ^[eou. — Derselbe, Arch.-epigr.
Mitteil, aus Österreich VI 1882 S. 86 n. 76. Jetzt im Museum zu Bu-
206 Griechische Epigraphik.
karest 'Hi^aou) x6pte 6 ^-{2)e6ct ßoi^Be (3) itoXiv d¥a'(i)veoüfiiv{i^V'
(6) dfii^v. — Th. 6(omperz) merkt an, dafs ßoj^Betv in diesen Formeln
gelegentlich mit dem Akkusativ (auch GIG 9075, 2) und dem Genetiv
(9047^. 9067) verbunden wird. — Derselbe, Arch.-epigr. Mitteil, aqb
Österreich VIII 1884 S. 16 n. 41. Bukarest, Museum. Fragment: Unter
dem Monogramm ]£-- ^e/^-- Xpijaruoy xe;--. — 8.19 n. 68. Buka-
rest, Museum. Fragment einer Grabschrift: VitaivmiiX ir (Hälfte eines
Kreuzes). — Derselbe, Arch.-epigr. Mitteil, aus Osterreich XI 1887
S. 60 n. 116. Bukarest, Museum. Grabstein der zweijährigen Mdpoiß,
T. des Johannes, T^payfiareoTou &y{ou */w{dvvou), — S. 61 n. 121. Buka-
rest, Museum. Oberhalb und zu beiden Seiten einer Rosette (wohl kttnst-
lerische Umbildung des christlichen Monogramms): Tofmdka inc^vlQ (=?
inefavijCy Rangbezeichnung) {irwv) xe\
Insulae Aegaei maris cum Rhode, Greta, Cypro.
ThaiUi! Hicks, Journal of hellenic studies VIII 1887 S. 432, nach
Abklatsch von Bent. Inschriftrest, durch vorgesetztes Kreuz als christ-
lich bezeichnet. Z. 6 ist vielleicht zu ergänzen: iv roTc x]6X7m[eQ 'Aßpaäfi
xa2 laaäx xal 7axwß — Z. 8 wohl Schriftzitat: ''A]YeoQ iydf — . Lesbus:
Papadopulos-Kerameus, KE0UXV 1884 S. 42. Eresos. Ein wahr^
scheinlich ehemals oberhalb der Thflr einer jetzt in Trümmern liegenden
altchristlichen Kirche des 4. oder 6. Jahrb. eingemauerter Stein trägt
die Inschrift: f'O xaroixwv iv ßoi^^i^ rotf (2) ^Tiptaroü iv axifvß roo
9(e)oti roS ob'{'^)pavou odkiffB^erae. *£pi vw (4) K(up{)<p' ävTeX^nroßp
fwu el X — . Vgl. Ps. 90, 1. 2. — S. 43. Die Inschrift OIG 8729 ist
neuesten Datums» wenn das in derselben erwähnte Taxiarchenkloster
identisch ist mit der 1627 erbauten Aetfiwvog fiovij. Der Vorsteher Daniel
lebte im 17. Jahrb. Daher ist das Jahr 1146 in fipiie' = 1637 zu emen-
dieren. ~- GIG 8739 gehört nicht in das Jahr 1174, sondern 1666, wie
der Text beweist: f ZevdptH(2)iiiij xepou Maxa'{^)p(oo ßk^tiivcg (4) iroQ
JCpoB' (6) iv fuvl ^Aßyoüaroö. Der Name eines MaxiptoQ MeMfivi^ be-
gegnet auch auf andern gleichzeitigen, noch unedierten Inschriften, z. B.
auf einer Marmorplatte aus dem Jahre 1089. — Lolling, MDAI XI 1886
S. 293 n. 61. Umgebung von Piumari. Dürftige Inschriftreste: Bo^Bt^
KlüjptSt I rai " ßoi^t'. — Bamus. Gardner, Journal of hellenic stu-
dies Vn 1886 S. 163, nach Abschrift von Bent. Tigani. Auf der Rftck-
seite eines Steines mit Siegerverzeichnis, wahrscheinlich von den Heräen (s.
Bd. 60 S. 469) befindet sich die christliche Inschrift: 'I(ijooo)c X{pt<n6)Q (2)
t (3) K17 — xqi, (4) K{jjpt)s^ ßfoiBt r'{h)ou SouXou aou (6) Seaßdatvoo (7)
dvajywff'{8)T]ou. — Vazni: Zerlentes, MDAI VIII 1888 S. 386. Tisch-
basis in einer Kapelle des heil. Johannes. Dflrftige Reste, darunter: rod
KaAaßpoü und K{öpe)ef iXeijatw. — Rhodnt: Holleaux und Diehl,
XL. Titali chiistiftni: Insalae Aegaei maris. Carla. Lydia. 307
BCH DL 1885 S. 128 n. 29. Trianda. VotiYinschrift: Tnip s]^/^ ^aß-
ßarüw iXa)[ünou itpsaßtnipoo xal fiova^o[u, (A anotßdg (2) xal [m9^pe]afy
irekuhd^ 8eä rou B€(ou) rb itäv Ipyov r^g dyfcu(T<l)tT7C ixx}[i^4rfag, —
5. Jabrh.? — S. 124 n. 80. Vatby, Ruinen einer Kirche der Panagia.
VotiYinschrift: f Yitkp ei^^c 0t^nnou (2) vauxX^pou ^Aaxouydioo f. 7. oder
8. Jahrb.?
Carla.
Xara-maka; jetzt bei Alexandros Meliorates auf der Insel Syme:
Papadopnlos-Eeramens, KE0I! XY 1884 S. 53 n. 4. Fragment;
vielleicbt zn ergänzen: f ßt^^li/ 2!]Te^[dvou] vaulxX^^polu. — Nach dem
Herausgeber wahrscheinlich aus dem 3. Jabrh. — Cys (s. S. 52): Cousin
und Deschamps, BGH XI 1887 S. 311 n. 6. Fragment einer byzanti-
nischen Grabschrift {bitkp dvanaiKrewg) auf Theodora, r^? einreßieard'njg)
Ijfiwv Setmo^vijc^ sowie auf den Presbyter Nonnos und dessen Gattin Aga-
thopolia und — . — Kara-Hisaar, 2 röm. Meilen von Makuf (= Hera-
clea Salbace): Paris und Holleaux, BCH IX 1885 S. 332f. n. 18.
Meilenstein auf dem Friedhof mit drei in einander verschriebenen In-
schriften: 1) Lateinische Widmung an die Augusti Constantinus, Con-
stantias und Constans (337 — 340 n. Chr.) ; 2) Griechische Inschrift in fast t sss
kursiven, sehr unregelmäfsigen und durch Ligaturen verbundenen Schrift- "'^
zflgen: 9X(aß(oo) 9eo8o[trf\ou xal 0X(aßcou) (2) BaXXevreveavou rSiV — (3)a/w
ala}yiiov Aöy(ou<TTa}v). Darunter: '£? 'HpaxX/ag p/(Xta) ß, — Die In-
schrift kann sich nur auf Theodosius den Grofsen und Valentinian H. be-
ziehen. Da Gratian nicht erwähnt wird, so fällt sie zwischen 383 (Tod
Gratians) und 392 (Tod Valentinians IL) n. Chr. unter Z. 3 findet sich
noch die Formel: fitx{yj) ß^ entsprechend der auf römischen Münzen des
4. und 5. Jahrb. n. Chr. häufig begegnenden und noch nicht hinlänglich
erklärten chronologischen Bezeichnung: Victoria Augustorum mit folgen-
der Zahl. — 3) Griechische Inschrift: £?c ioiwa^v) ^Apxdhov Auyiouarov). nach
(2) Eig iwva ^Ovoptov Äoy(poaTov). Wahrscheinlich jünger als 395 n. Chr. ^ *^
(Tod des Theodosius.) — Aphrodisiai: Dieselben, a. a. 0. S. 83 n. 13.
Manerinschrift : f "^0 plivcoiv ^^tupLara iv r^ '^^X^^ ^Z^' '^^ dvdBepa dnb nach
TÄv Toy' nardpwv wq ixBpbg rou 6(eo)u f. Als Rächer des Frevels wer- '
den angerufen die 318 (auf dem Konzil zu Nicäa versammelt gewesenen)
Väter. — S. 84 n. 14. In der Stadtmauer: E^g Bebg (2) b p.6vog^ (3) t w«
(tIoZ^ KioaTavTetv[ov.
Lydia.
BphetUi: G. Weber, Mooaeto^ xa\ ßeßXtoB^xij r^c eöajjeXix^g
aUfo^c, mp/odoc rerdprij^ 1880—1884, iv 2pLupvji 1884, S. 43 in Minus-
keln; vorher Wood, Discoveries at Ephesus, London 1877, Inscriptions
irom tombe o(c S. 20. Sarkophaginschrift: ^ (2) Afirij ^ oop6q iart¥
208 Griechische Epigraphik.
Eöyevloü (3) Ttpeaßürdpoo xk xhjpovöfuov (4) airoü ZS^Ofv, — Smyrna:
KoDtoleoD, BGH X 1886 8. 458 o. 1. 8ehr junge Grabschrift: Jofimi-
dtXs [lap^ivou UaxrwJi/oü 8tax6vou (2) /e/oe* }[ips xa} a6, — Mouastov
xal ßtßkoB^xii y 1884/5 S. 58 0. e;/x/ in Minaskein ; nach Abschrift von
ts95 Fontrier. Bei Niederlegnng eines Thores von Smyrna, der alten Ma-
pnjrede^ IluXat^ fand sich die metrische Bauinschrift: HpxaSil^ ßaat^t
inwvofjLa Tti^Tj freu^sv | xhevb^ Sä* dvB' bmzfov ndvaofoc 'AvröXioc» —
Der Heransgeber schreibt in dem Schlnfsverse: ^AvBtmdrwv, — Unbe-
kannter Herkunft; jetzt Smyrna, Musenm. — A. a. 0. 8. 3 n. 201 in Mi-
nuskeln. Marmorfragment mit Darstellung eines Kreuzes und der Inschrift :
bnoepya, — Marmara: Fontrier, MouaeTov xal ßißkoBijxvj Y 1885/6 S. 52
n. ^Xi' in Minuskeln. Stein mit Darstellung eines Kreuzes und der In-
schrift: *ETOüff va' 0iX"{2)og T€tfiijBe}[c tm-(S)b rou xocveio[u (4)
XP^^4^ (TTefpdv[<p (5) TÖv ßwfjubv i'no\(-(fi)v}ff[e\v (Fontrier: —i^aoof). —
Äpollonia; Passa^Köi, ca. V« Stunden südw. von Palamut = Apollonis
(Apollonia): Fontrier, a. a. 0. S. 69 n. ^¥B'\ derselbe (heraus-
gegeben von Foucart), BCH XI 1887 S. 88, beide Male in Minuskeln;
wiederholt in Miguskeln und Umschrift mit ausführlichem Kommentar
um von Duchesne, BCH XI, 312ff. Marmorner Sarkophagdeckel mit frag-
^'^ montierter Grabschrift: ^ ^I^veaev dnoarohov tntßäs ävi^p wSs (= 5Se)
h aapxti re fiij xarä adpxa lepar€U'(2)ad/JLevoCy xal raürj^ fiaxdpwv
drpanouQ iXBwv^ ivBd8e ffx^vo^ h^ioo ^t/jf^C dnoXikimty^ (3) noXbg fjuky
Xd^i/fac daxTjotty noXbg 8k dyatv^^ yevd/ievo^ Iniffxonog BeTog' de ^ij/ xal
xarä 7r<£- (4) aijg aipiaeiog bnXtadpzvo^ r^v dh^ß^ roiv Ttavipwv r^c xaBo*
Xua^Q ixh^aiag dteawaaro [n/drcv. (5) Maxe$6veoQ oLrog kapatpbv ivrä-
j^eo¥ intreXec xal rö xard rou dvopLoioo da/" (6) iv TtoXXoec '^oTs unkp
Xptaroü dtwy'fjLotc ditevevxdpLSvoQ xXiog, — Fontrier möchte den Bischof
« Macedonius, dem die Grabschrift errichtet wurde, identifizieren mit Ma-
cedonius H., Patriarchen von Konstantinopel 495—511 n. Chr. unter dem
Kaiser Anastasius, der ihn in letztgenanntem Jahre nach Glaudiopolis in
Bithynien verbannte. Allein die Erwähnung der Anomöer Z. 5, sowie der
Umstand, dafs sich nach Theod. Lect 2, 36 das Grabmal dieses Mace-
donius zu Gangra befand, scbliefsen jene Vermutung aus. Da die Streitig-
keiten zwischen den AnomOern und Orthodoxen von 358—378 n. Chr.
währten, so mufs unser Macedonius Zeitgenosse des heil. Basilius und
des Kaisers Valens sein; wahrscheinlich war er Bischof von Apollonia
und identisch mit einem der 64 Adressaten des Erwiderungsschreibens
des Papstes Liberius aus dem Jahre 366 n. Chr. (Jaff6 228). In Z. 6
sind die Verfolgungen der Bekenner des nicänischen Glaubens unter
Valens (f 378) erwähnt. — Thyatira: Fontrier, a. a. 0. S. 42 n. j^x^'
in Minuskeln. Selendi. Bauinschrift: 'Avuxo8op,^&[ij 6 vabg fkwp" {2)^/00
rou 'Aertj (3) irog cfx' (nach dem Herausg. s= 994 n. Chr.).
^ 8.43 n. fx^' in Minuskeln. Ebd. Rechts neben der Darstellung
eines Kreuzes (der Schlafs von ^?xdc an wegen Raummangels links yon
XL. Titali chrisüani: Lydi». Mysia. 209
demselben) befindet sich die Inschrift ans byzantinischer Zeit : 'Ej'b Aiov
b [&ii'(2)apToXb^ j}^[<'a-(3);i37V zou nu^ae [rou (4) äyiioo Feappjou (6)
{rnydoxrfv[*eA-(6)Aa- kunbv B[i'(1)Xovro<: ro\p (8) B(bo)ü xk t^c äyTjOQ
9(eorS)x(ou) (9) xk dijä npMßvjov (10) rou äj^ou Feopj^u (11) ^kp
a^ioEog rw &- (12) fiapnjdv fwu xk t^c (13) aovßi^ou /lou^ &/ia $k (14)
xk Tov rixvov /lou (16) xk eu^eare bnk'(\Q)p :J/z5w, dijX[aSii (11^) 8noc
(12t>) Ißpo (13^) l'Asof (14^) iv (15^) T^ (16^) d^xj^. - Ist die Er-
gänzung Z. 6/6 richtig, so wurde dem Büfsenden auferlegt, die das Lang-
haus der Basilika von der Apsis trennenden gitterartigen Schranken (can-
celli), in unserem Falle in Brusthöhe ((mjBo ), zu stiften. Die in spä-
tester Orthographie verfafste Inschrift (vgl. z. B. ißpo = eüpca Z. 12^)
ist nach dem Herausg. wahrscheinlich mit der vorstehenden gleichaltrig.
— S. 63 n. ^kC in Minuskeln. Kenesch; 2 St. s.O. von Thyatira. Rings
verstümmelter Marmor mit fragmentierter Bauinschrift, nach welcher ein
Entroppos] Beou T^povo/^ das Gebäude erbaute. Aus byzantinischer Zeit.
— Rad et, BGH XI 1887 S. 464 f. n. 17. Ebd. Fragment ungewissen t neo
Inhalts; datiert nach dem 9. Nov. 6969 (der Welt = 1460 n. Ghr.). —
S. 476 n. 47. Karsoumia, zwischen Thyatira und lulia Gordus. Unver-
ständliches Fragment. Z. 6: xk 7tp(eoßuTepou) rou ^povrijvoo. — Phila-
delphia: Fontrier, BGH YII 1883 S. 602f. n. 2 giebt eine genauere
Abschrift der ursprtknglich in Tadegan-Köi, nördlich von Aezani, befind-
lichen Inschrift GIG 8624 und Lebas 980 (wiederholt in Minuskeln nach
Abklatsch und Abschrift des Lehrers Eraloglous in Philadelphia im Mou-
aetov xae ßtßXtoBi^xi^ r^f ebayyshx^^ ff^ok^g iv ^fwpvjj V 1884/5 S. 63
n. ovy')'" ^Frikp /ivi^jjlt^c [xk] (2) dvaita6oewg [t-(3)5c p.axapcoTdT7^[s (4)
'Em^vftK 8taxo-(b)vtffinjg. 'Eyivexo (6) rb Spyoy vooro (7) auvunoup'pj'
odv'{S)Twv ndvrwv (9) i{s)v8(txTe(üUog) ql Ivoug ipvrf (10) hnkp th-^r^Q
Mapxi'{\\)Xkoo xk toü ulou a^'{\2)zou ülxodofAutv, — Eontoleon,
MDAI XII 1887 S. 257 n. 27 (AfiäXBeta 1887 n. 4050). Grabstein (mit
vier Kreuzen) : '^E]rouc ^$' pjjvbg (2) A]woü xC ixotprjlBrj (3) llpaoXXiog.
Mysia.
Aasus: Sterrett, Papers of the American school of classical stu-
dies at Athens I. Boston 1885. S. 62 n. 32. Mosaikfufsboden in der
byzantinischen Kirche mit der Inschrift: SaropvTXog a^^ohxartxbg hnkp
eb^^g iauTou inon^ffsv, — Unser Saturnilus (vgl. Notitia dignitatum I,
14—16) ist nach Ramsay, American Journal of archaeology I 1885
S. 151 — im Gegensatze zu Sterrett — nicht identisch mit dem comes
domesticorum unter Theodosius II., der von des letzteren Gemahlin £u-
dokia 444 n. Ghr. aus dem Wege geräumt wurde, weswegen sie von
Theodosius verstofsen wurde. — S. 63 n. 33. Mosaikfufsboden der by-
zantinischen Kirche: *AX6moQ xar eb}[ij)* rqj äytip r6n<p, — Alypios ist
JftlurMb«rieht fttr Altortnmiwist^osebftft LXVI. Bd. 14
210 Griechische ßpigraphik.
ein gewöhnlicher Bischofisname. — S. 64 n. 34. Über der Thttr der
Moschee (CIG 8804, Faks. Taf. XIV am Schlafs von Band IV). Neues
Faksimile und Abschrift dieser Bauinschrift des ""Avdefiog, np6eSpoQ 2xa-
fjuzvdpou^ der znr Lösung von seinen Sünden die Kapelle des heil. Cor-
nelius restaurierte. — S. 85 n. 73; ungenau Lebas 1034 <^. Vgl. Ram-
say, a. a. 0. Bauinschrift: f inefjLe[Xeyac (2)' EXXoiSeou (3) npeoß(uTepou)
x(k) no'(^)XiTSuofi(evoü) (5) xk rou byetou (= olou) aörou Aouxecavou,
— S. 66 n. 35. Auf dem Thttrpfosten eines Zimmers im griechischen Bade :
6^e(oc), ßoijBet 'AXe^v8p^ (npaTrjyai HpoxXou. — 8. 79 n. 69. Byzanti-
nische Sarkophaginschrift: liodwoü xal 'Poü^af-(2)axcoü. — S. 82f.
n. 72. Sarkophaginschrift: f Aouxeavou 7:pe(rß(uTipou). Auf demselben
Sarhophag die ältere Grabschrift des Cl. Macedo und seiner Gattin Claudia
Nike (CIG 3573; vgl. S. 109). — Lampiacns: Vielleicht christlich ist
die Inschrift Lolling, MD AI IX 1884 S. 68 (s. S. 111). — Cysions:
Lolling, a. a. 0. S. 26. Säuieninschrift auf dem türkischen Friedhof
südlich von Panderma (Panormos): f ^Opoe deopeZovreg rä 8txä fieza^u
JHo {so) - (2) xeSoWou rou iv8o${oTdvou) x{al) 'Avdpiou rou eu'(S)X€nß{ouQy
— Mordtmann, MDAI X 1885 S. 210f. n. 39. Grabschrift eines im
November der 30. Indiktion verstorbenen Alexan[dros.
Bithynia.
Sivrihissar (bei Brussa): v. Domaszewski, Archilol.-epigr. Mit-
teil, aus Österreich VII 1883 S. 183 n. 49. Armenischer Friedhof; Bau-
inschrift: ßeou npovotff. (2) in\ rou eüXa-(S)ßeffTdTou np(OTo^{^)7tp£aßv'
ripoo xk (5) irepeoSeuTou [6]so - {ß) xreffrou kxria&vj (7) rh ipYo\y\ rouro
f (8) xk int To[fß] £üXa'(9)ßsffTdT0u 8cax6'(l0)voü xk oixovü[/i\ou (11)
Kupcaxou f. — Bozujnk (zwischen Brussa und Eski-Schehr): Der-
selbe, a. a. 0. S. 175 n. 20. Thürstufe des Moscheehofes: f 'Ex rä»v
napo^wv aou^ dp^dvyeh^ UiodvvijQ x{k) Kwvaravuva inoa^a[av (2) unkp
ew/^C x(k) (TfoTTjpiaQ ajbT[w{v x{k) ryjg ativyeyiag a6r[ai]y x{k) pv^p-ij^ x{k)
dvanaiKTslwQ. — Chalcedon (Kadiköi): Leval, BCH VII 1883 S. 517.
Metrische Sarkophaginschrift (3 Distichen) aus dem Garten der Kirche
des heil. Johannes Chrysostomus bei Kadiköi: f ^''^poniou xd/^g elfii
neptfppovog' ^ yäp dhj&kg (2) ouvopa r^g dper^g el^ev dii86fJL8¥oif» (3)
^Arpone Moipdaiv, ri rov surponov l^pnaaag dv8pa^ (4) ^g ^epev fif povd-
8ag^ Tpeeg 8* krdcjv 8exd8ag\ (5) llirpog 8k yviorhg ara^ep^y Ti^v8e
nXdxa j^apd^ag (6) <rr^dsv, dno^Beefievoit rouro yepag Tmpdxoßv f. —
Curtis und Aristarches, KE0I: XV 1885 S. 12 n. 27. Sarkophag-
inschrift aus der Kirche der heiligen Euphemia, jetzt in Kootantinopel:
f Maipäg, unoßohug r^g Ä-(2)^/ac too B(eo)ü ixXija^ag^ d-(3)v£veiU47a-
fiijv rijv xapto-(^)&(<rdv poc TtoeeXov f. — bnoßoXeög = xavovdp^i^g\
TtoceXog {== nueXog) auf bithynischen Inschriften = (fopxoipdyog, — Nach
den Herausgebern aus dem 5. Jahrh. — Clandiopolis (Boli): Mardt-
XL. TituH chmüani: Mysi«. Bithynia. Fhrygia. 211
mann, MDAl XII 188*7 S. 181 n. 11. Grabschrift in zwei am Schlafs
verstQmmelteu Distichen aaf einen Chrjysogonos, [n]p<oTov iv [n\dTpji (2)
xat IBuec BetBuytdoQ dp}^^c^ (3) npwrov iv ^EXlr^tv u. S. w.
Phrygia.
Dorylaenm (Eski-Schehr): v. Domaszewski, Archftol.-epigr. Mit-
teil, ans Österreich YII 1888 S. 178 n. 28. Byzantinische Grabschrift im
Pflaster einer Hansflnr, in der Nähe der Pnrsakbrficke: ''Ev^a x-(2)ard-
x]^r-(3)e 2re^vo-(4)c oevaropoo (b)oetb^'AvBp-(Q)ioi}, — Nach Mordt-
mann, Hermes XX 1886 S. 318 ist aevardpou nicht als Eigenname zu
fassen, sondern == Senator. — Emed oder Amed, westl. von Tsehavdir
(= Aesani): Mordtmann, KE0£ XV 1884 S. 65 n. 8. Ein Grabstein
mit Brustbild, unter welchem ein Kreuz, Kamm, Spiegel, Spinnrocken
and anderes weibliches Gerät, enthält die schwer zu enträtselnde In-
schrift: Mav^[c fUT]ä [Tdi]v rixvmv M7^yo[iptX\fi [p.7}T]p\ [/Av]3y/x[i7ff] ;^d-
[/>fv]? — n. 9: Tixva ndxp<p xai 9sip rt/iigv, — lolanta (Ostabhang
des Ganestt-Dagh = Dindymus): v. Domaszewski, Archäol.-epigr. Mit«
teil, aus Österreich YII 1883 S. 186 n. 57. 58. Grabsteine: 'Enupd-(2)v7}(:
hu[a-('^)x67toi} (4) £Z»;'e-(5)w/o(; und: Mvrjp''(2)iov 8c'(3)a^epo'{4)v Ed-
y€¥[c'(5)oü 8tax[o\-(e)voü, — Orcistus (Alekian): Mordtmann, /f£<2>2
XV 1884 S. 73 n. 48. Die Erben (xXrjpoyopot) des Aur. Antiochos Papas
und ihre fpdropeQ ehren ihren Herrn. Darunter: 9s(p eö^^i^v. — Hie*
rapolia: Gardner, Journal of hellenic studies VI 1885 S. 346. Aus
den wieder aufgefundenen »MS. Inscriptions collected in Greece by C. R.
Gockerell, 1810 — 14«. — n. 71: Ebyivtoz 6 iM^earoQ dp^tSedx(ovog)
x{dt) i^e(Tr{a^) rou äyeou (2) x(€u) ivS6$oü dnoaroXou x(al) ^eoXöyou
0iXtnnou, Augenscheinlich war Eugenios Vorsteher einer dem Apostel
Philippas geweihten Kirche. — n. 73: 'Eni roü dytoo f re xai Beoaie-
ßooQ) (2) dp^t&ntax(6n)o(o) ijpMV x(a«) n(ar)ptdp^o{ü) (3) reuvaeou, —
Dorf Keuaeli, ungefähr 1 Stunde n.ö. von Modele (= Motella): Ho-
garth, Journal of hellenic studies VIII 1887 S. 396 n. 28. Über der t ee?
Thfir der Moschee eingemauert; in halbkreisförmiger Anordnung: f 7w-
8(ixreä9VOQ) dx' fv^(vds) a'* eC' «'• dviarvj xb Boataar^ptov im Kupeaxoü
70U Beo^tXe(TT{dTou) imox(67tou), — Buataarijpioy ist wahrscheinlich das
Sakrarium, in welchem der Altar stand, nicht letzterer selbst Die An-
ordnung der Zahlen in dem Datum ist ungewöhnlich, insofern das Jahr
der Indiktion erst nach der Zahl des Monats und des Tages folgt =
17. Tag des l. Monats des 10. Jahres der 24. Indiktion = (nach der Ära
von Konstantinopel 312 n. Chr.) 667 n. Chr. — Destemir (nördl. Ufer
des Mäander, gegenüber Dionysopolis): Ramsay, Journal of hellenic
studies IV 1888 S. 393 n. 13. Auf dem Fragment eines byzantinischen t s&r
Architravs über einer Thür im Hofraum einer Moschee: ""Eriet) X' r^c
ßaatX(6taff?) ^lownmavou rotj ebasß(püQ) 8e<m6(rou), (2) ''Epyov Mt^a^k
'^(^c) 8(totxijcs(üQ) imaxonoüvroQ. Zur rechten Seite der Inschrift ein
14*
212 Griechische Epigraphik.
um Erenz. Datum = 567 n. Chr. — Suretlü: Derselbe, a. a. 0. S. 407f.
^ n. 24. Eine Fran errichtet fOr [sich], ihren Mann Diodotos, ihre Kinder
<l^p]o[u]yeoQ und Tatia, sowie ihre Sklavin Rhodope ein Grabmal mit der
Bestimmung: fid^^P)' ^^ ^^^ ^^ (3) ^^ Bel^aat ^7jal[iu' (9) [lerä dk zijv
hfjJj[v (10) rekeurijv oödevl i-(ll)fov kriptp red^ve, (12) fidvov r^ ßuya»
rpe fwü 7a-(18)r^. El rtg dk irepov imiTsve[v-(l4)xe(y iart inixardpa"
TOQ napä (15) 9ew Iq zbv iwva. Der Steinmetz hat irrttkmiich Z. 14
vor Z. 13 eingegraben. — S. 408 n. 25. Grabmal, neben nnd ähnlich
dem obigen, sicher aus derselben Periode, wahrscheinlich zn derselben
Familie gehörig, von einer Fran errichtet fOr [sich, ihre Tochter] Mel-
tine, ihren Mann Phrugios, sowie den Phragios, S. der Lnciana, und
eine Sklavin; hv ^ xij8eü'(*!)B^{reT€ xal ^ vu'{S)/jl}^ tou ^pooyioo (9)
TariavT^^ sonst niemand. — Auf Mttnzen von Alia wird eine Magistrats-
person Phrugios unter Gordian erwähnt. — Bria (in der Nähe von Su-
retltk und Garbasan): Derselbe, a. a. 0. S. 407 n. 23. Grabmalinschrift
Aur. Alexandros, S. des Orellios, errichtet das xuiujn^pwv sich und sei-
nem Weibe Alypia. — Kaum jttnger als 4. Jahrb. — Eumenia (Ischeklü)
und Umgegend: Paris, BGH YIII 1884 S. 234 n. 2. Grabschrift des
Aöp. £&To/]^c 'Epiw[u]^ inex^v "EXe^, EbpieveoQ^ Buleut der Tribus "Adpia-
vJc und eepeug^ auf sich selbst, sein Weib Marcella und seine Kinder,
mit Strafandrohung. 1) — Ramsay, Journal of hellenic studies IV 1883
S. 399 f. n. 17. Aur. Prokla errichtet ein Heroon ffkr sich, ihren Mann
und ihre Kinder Philippus und Paulina /iv^ip:^^] X^'P^- ^ ^^ (^) ^^^
ine^ip^ffee (9) &er\v€u irepov^ (10) £o]rae abvfj} Ttpbc (11) röv Bebv rbv
(12) C^i/Ttt. — S. 433 f. Addenda II. Die Inschrift CIG 3902 <> ist von
Hamilton mit vollendeter Sorgfalt kopiert bis auf das letzte Symbol, wel-
ches er durch ^ wiedergiebt. In Wirklichkeit ist es ein X mit langem
Yertikalstrich und soll das christliche Monogramm bezeichnen. Die ün-
geschicktheit des Steinmetzen zeigt sich auch in dem Auslassen einer
ganzen Zeile am Schlufs: sl [de reg intj^etpi^aee BeTvcu] Irepov , itnae
1) Die Schiafsformeln : i^rat ain^ npbg rdv C&vra 0s6v (Paris, a. a. 0.
n. 2. 16. 18, Ramsay, n. 17. 18) und: itnai abr^ npöq rdv 9t6v (Paris, n. [4.]
17. 19. 20. Ramsay, n. 19) werden als christlich gelten müssen. Vgl. Ramsay,
a. a. 0. S. 401 (nach Aufzählnng verschiedener christlicher Strafiandrohnngen) :
»These ezamples have decided my opinion ou a poiot aboat whicfa I long
hesitated — many inscriptions In central Anatolia, which end with the carse
i^rai abrifi npbq rbv ^6v, mast be reckoned as Christiane. Anmerk. : I see
that M. l'Abb^ Dnchesne holds the same opinion, Rov. d. Qnest. Hist. Jnly
1883 p. 31. Bat it wonid not be safe to assume the point whitout proof : b
^edg and i) f^edg are common in pagao Phrygian inscriptions. — S. 434: A
fragmentary inscription, copied by a Greek latros near Phiiomelium, confirms
the beiief that i^rai abxtf» npbg röy i9eov is a Variation of the pagan carse
introdaced by Christian scruple.t — S. 435: »Probabiy the formula iarat etc.
came into nse soon after 200 A. D.«
-» - ^.^ — *-)"■.
XL. Tituli christiani: Phrygia. 213
adr^p TTphs rbv Xp(tffT6v), Die Inschrift, die sehr wahrscheinlich aus
dem 3. Jahrh. stammt, beweist, dafs ein Christ zu jener Zeit Mitglied
des Rates von Eumenia war. — S. 401 f. n. 20. Dorf Dede-Köi. Aur.
Neikerös ß' errichtet ein Heroon fOr sich, sein Weib und seine Kinder.
Weiterhin: 'Ev&d8e (6) xexTjdeoze Ahp. (7) Mdvvog arpauatri^g (8) inneuc
ffayeTTdp((o)^ (9) 8paxwväpi(o)g i$ d^ex[e - {10) ou [= ex officio) rou kap.-
npordroo (11) ijyepLovoQ KaaTpio[o (12) KoivaravTog, (13) "öc Äv S^ im-
-njSeo'iX^^aei Irepo^^ iore ay-(l6)[Tfi5 Ttpb^ rov ßeöv]. Das dem Statt-
halter der Pacatiana erteilte Prädikat Xaimpozarog zeigt, dafs die In-
schrift jünger ist, als die Not. Dign. Hier ist der Statthalter ein ^ys-
fuov^ bei Hierokles (530 n. Chr.) ein bnaxtxog. Doch ist die Inschrift
nach Ramsay schwerlich älter, als das 5. Jahrh. n. Chr. Statt Mdwog
Z. 7 ist vielleicht Mdxvog zu lesen. -- A. a. 0. S. 400 n. 18. Ebd. Da-
mas, S. des Dioteimos, errichtet ein Heroon t^ pi^rpwvt (Onkel mütter-
licherseits) Mvj'(A)rpod(üp(p i7uax6n'(b)(p^ seinem Vater Dioteimos und
sich selbst. R reg Sk im^^eepT/aee (8) BeTve irepov rtva, ^'(d)aee ig rb
rapecov TtpoO' {10) reepou ^ (= di^vdpta) ip\ El xaxaippO'{\\)viiaei toih
rou, iore (12) abz^ npbg rbv Zatvra ßsov. — Paris, BCH VIII 1884
S. 243 n. 4. Ebd Fragmentierte Grabschrift zweier Brüder mit Straf-
androhung, xupy^rripeov = Ruhestätte. — A. a. 0. n. 6. Ebd. Inschrift-
fragment eines Grabdenkmals mit der merkwürdigen Bestimmung: "^Ere-
p]ov iSbv l[aT'(4)ae reBrjvat [)ip-(5)pi^ xai Tarcf, (6) npbg To[ug (7)
ävSpag, iäv 'n^[pa)'{B)ae rbv Seov, ifo[w - (9) <T«av i^övraiv [xal (10) t6x-
vwv aurafv i- (11) nepßaXecv, Waren die Frauen noch Heidinnen, und
sollten sie das Beisetzungsrecht nur erhalten, wenn sie Christinnen würden?
- Bamsay, a. a. 0. S. 401 n. 19. Tschi vril; vielleicht zu Attanassos oder
Eumenia gehörig. "Exoug rlf (= 249 n. Chr.) errichtet Moschas, S. des t m*
Ale8(80)an[dr]os, ein Grabmal dem Aur. Ale-(5)sandros, S. des Menekra-
(6)te8, xadtbg iveT-{*l)etkaTo iv r^ Sea'(S)&i^xjj, Et rtg 8k lTe'(9)pov
ipßaXecy Itnac (10) ctörtS npbg rbv ßeov, (11) Tourou dvHypa^ov
d'{,12)neriSf^ lg rä dp^Ta. — Die Inschrift gehört zu den wenigen da-
tierten christlichen Inschriften des 3. Jahrh. — Paris, BCH VIII 1884
S. 245 n. 8. Ebd. Fragment: 'Eni rou dp^t8tax6votj 'AXe^dv8pou, d =
8. - S. 247 n. 13: 5^Jwv ßrjpa Xpiffroü. Afl. - Paris, BCH VIII
1884 S. 249 n. 16 Jakosoma. Grabinschrift eines Mannes auf sich
selbst, seinen Sohn Alexandres und sein Weib Attalis, mit Strafandro-
hung. Z. 16: ouarau == larae, — A. a. 0. n. 17. Ebd. Grabinschrift
eines Aur. Tatianos auf seinen Vater, sein Weib und seine Mutter, mit
Strafandrohung. Auch hier: xotp:f^[Ti^pt6]v. — S. 250 n. 18. Ebd. Grab-
schrift eines Mannes auf sich selbst, sein Weib Kod]x(oviavri (?), seine
Kinder, Eltern, seinen Bruder, dessen Weib und Kinder, mit Strafan-
drohung. — S. 251 n. 19. Ulujaka. Grabschrift eines Zenodotos auf
sich, Weib und Tochter, mit Strafandrohung. — S. 252 n. 20. Ebd.
Desgl. eines Zenodotos auf seinen Vater Zenon und seine Braut Tatia,
214 Griechische Epigraphik.
mit Strafandrohung. — Sebaste (Sevastle-Sedjikler; vergl. 8. 134):
Derselbe, BGH YII 1883 S. 456 f. Grabinschriften aus Sedjikler:
1 256 1) des T. [nach Ramsay, Joorn. of hell. stad. IV, 411 ist |T durch Li-
gatur verbunden = NT; Abbreviatur von 'A]vT((uveo^)?] Pollion, navTo-
ntüXrjtg (Ramsay: —itwXr^g) auf sich, sein Weib und seine Kinder, mit
Strafandrohung: iare abrqi npbQ rbv 0e6v. Datum: iroug zfi' = 256
n. Chr. 2) des Kl. Trophimos. Strafandrohung mit gleichem Schlufs wie
1), nach Ramsay, a. a. 0. S. 412 deutlich: itnat und S&6v, — Ramsay,
Journal of hellenic stndies IV 1883 S. 402. Die Inschrift GIG 3884 ist
fälschlich Eumenia zugeteilt; sie gehört nach Sebaste und wurde entwe-
der nach Ischeklo verschleppt, oder es ist Pococke ein Irrtum in der
Ortsangabe untergelaufen. Die Konjektur von Franz zu dieser Inschrift
beruht gleichfalls auf Irrtum. — Fepnza (Yannik Euren): Derselbe,
1 260 a. a. 0. S. 405 n. 21. Dorf Kilter, ungefähr 1 Stunde östl. von Y. £u.
^Erou<: Tfie{ (= 260 n. Ghr.). Aur. Asklepiodora errichtet ein Heroon für
sich, ihren Mann Aur. Gaius Eutyches und ihren Sohn Aur. Quartus.
£2 8* izepöv zig in-{\^)taevivxet €?[c] r-(15)^ fivTjfieeov, iare [odjro)
nphg \Thv BeSv, — S. 405 f. n. 22. Ebd. Grabinschrift: Tb xoc/jjjT:^peov
'Avaazaa^you xk r^g (a)uvß7}oi} aurou xk [r]5v [r]ex-(2)vöv cdtrou f.
'Exufu'Be üß 8ouXog rou [Beou ixet - -. Weit jünger, als die vorige In-
schrift. ^ = flr, Y und V. — Ho^jalar (an Stelle des alten Ty-
mion, eines frühen Sitzes des Montanismus?), Dorf der Moxeani, an der
Strafse von Pepuza nach Diokleia: Derselbe, a. a. 0. S. 428 n. 38.
umt2so Grabinschrift: Aöpr/Xeoi (2) laeog xai MTjVo^doQ dnb atTzparetatv^ (3) not-
8eg Ahp, AffxXä 0ao<noo xa\ Adp. (4) Mpvrig Elp7jva[to\i} zbv ß[(üf\iibv
xa\ ttJv (5) xar' abrou aopbv auv rw nepißShp xot'{fi)v(bQ xareaaxeua-
aav iauToTg xac (7) raig ywat^h aöratv MeaaaXE{vji (8) flanä xal Btuitha
Eb^ivoo, ^Qg jAt^Sev} (9) iripip i$e7vae ineffsvsvxeTv Jj Bscvac (10) ^evov
vexpbv 5 aopov^ /lövocg yvi^alotg (11) :^/£a>v rdxvotg' ei 8i rtg birevavrtov
iTotij[(Tet (12) ... itrcat aörtp npbg rbv ßebv (13) xal SoKTse] zw rofuiq)
— . Die Formel in Z. 12 (vergl. S. 212 Anm.) zeigt, dafs wir hier die
Inschrift eines Familiengrabes zweier christlichen Soldaten haben. Wahr-
scheinlich nicht jünger, als 250 n. Ghr.; auch der allgemeine Gebrauch
des Pränomens Aurelius deutet auf diese Zeit. — Hierocharaz: Eine
eigentümliche heidnisch -christliche Inschrift s. S. 137. — Hieropolis:
Derselbe, a.a.O. S. 424fif. n. 36. Im Innern des Durchganges zum
1 314/6 Männerbade an den heifsen Quellen bei H. Kleines Fragment eines
marmornen Bomos, vollständig oben und links, gebrochen rechts und
unten. Nach der Ergänzung von Ramsay (S. 427): Eig *^Pwji7j[v Sc inep.-
(pev (2) ifikv ßaa[e]k^[av d&p^aai (3) Kai ßaatXtiT[aav i8eTv xpü(r6(r*(4)zo'
Xov ^p[üffoni8iXov' (5) jiäov 8^ et8ov i[xeT Xapnpäv (6) a^paY'St8av e[/ovTo
(7) Kai lupiT^g ne[8ov el8a (8) xal äazea nd[vza^ Niatßtv (9) Eu^pdzTjv
8ea[ßdg' 7tdV'(10)zj^ 8' l^r^ov <nfVo[7:a8oug' (11) ilduXov lfy]wv inölpyjv^
(12) ny(Tzcg [ndvzjj 8k Tipo^ye (13) Kai napißj^xe [zpo^ijv (14) ndvzj^y //Wv
XL Tituli cbristiani: Pbrygia. 215
dn[6 TnjY^g (15) ilav/ieyeSTj, xaB\ap6vy 8v (16) iBpd^aro nap&d[voQ äyvi^,
(17) Kae rouTov ine[Swxe ^i'{l8)Xot[g i]a[d^][etv deä Travrdc. — Bruch*
stQck der metrischen Grabinschrift des heil. Abercius, welche der Le-
gende zufolge nach Anordnung des Heiligen auf einen Altar geschrieben
werden sollte» den der Teufel, welchen der Heilige von der Tochter Mark
Aureis ausgetrieben, vom Hippodrom zu Rom hergetragen hatte. Der
Stein war ursprünglich ein nahezu viereckiger Marmorblock. Die eine
Seite zeigte nur in der Mitte einen kreisförmigen Kranz und ein dem
Rande entlang laufendes, breites Doppelband. Die anderen drei Seiten
enthielten die Inschrift in einem vertieften, von einem breiten Rande um-
rahmten Felde. Leider ist nur eine Seite erhalten ; doch bestätigt unser
Fragment den überlieferten Text in den wichtigsten Punkten. Die Er-
gänzung von Z. 9 — 12 ist zweifelhaft; Z. 11. 12 sind ausgekratzt; von
Z. 11 und der Schlufszeile (18) sind nur die oberen, von Z. 12 nur die
unteren Buchstabenreste erhalten. Die getilgten Zeilen (Z. 11 läfst sich
der Name lldukov herstellen) mochten eine häretische Anschauung zu
enthalten scheinen. Hier hat auch der überlieferte Text der Legende,
welcher dem 5. Jahrb. angehören dürfte (vgl. Ramsay, Journal of hell,
stud. VIII, 473) eine Lücke. Wahrscheinlich entstand die Legende im
Thale von Sandüklü und wurde von einem der Gegend kundigen Schrei-
ber verfafst. In Z. 12 ist das überlieferte marig 8e unhaltbar, da auf
ersteres Wort ein Vertikalstrich folgt. Akkusativendungen der 3. Dekl.
auf u begegnen häufiger im Spätgriechischen (demnach ßaaeX^av Z. 2 =
Akk. von ßaotXsug), Einen Abklatsch stellt der Herausg. gern zur Ver-
fügung. — Kelendres, in der Nähe von Hieropolis: Derselbe, a.
a. O. S. 428 n. 37. Die metrische Grabschrift des Alexandres BGH VI, t sie
518 n. 5. YII, 327 (Röhl II, 152) hat am Schlufs von Z. 4 den Rest eines
r oder P, der Zusammenhang erfordert P. Von den beiden möglichen
Ergänzungen: ipavs[päv und ^velpiog verdient letztere den Vorzug, da
sie sich näher an das kopierte xaiptp des überlieferten Textes anschliefst.
Das erste Distichon ist zu lesen; ^E\xXexx^g 7ro[^e]a;c ^ noXei[Tyig t\out
ino{[rjaa^ Z<ov' r[v* i](aß ^ave[pibg] autfJLarog iv&a ^satv, — Strafse von
Sandtlklü (vgl. S. 138 o.) nach Ballük; Steinplatte an einem Brunnen,
3 — 4 engl. Meilen von Eucarpia und 6 — 7 Meilen von Hieropolis:
Derselbe, a. a. 0. S. 424 n. 85. M. Ulpius Nectareos und M. Ulpius 1 121?
Sabinus ehren ihren Vater. Die beiden Brüder M. Ulpius müssen unter
Tngan geboren sein. Der christliche Charakter der Inschrift wird ledig-
lich durch ein Kreuz unter derselben angedeutet. Wenn die beiden
Schlufsbuchstaben: ea' das Datum angeben, so stammt die Inschrift aus
dem Jahre 121 n.Chr. — Encarpia: Derselbe, a.a.O. S. 402. Die
CIG 3888 irrtümlich Eumenia zugeteilte Inschrift gehört nach Eucarpia.
Ramsay und Sterrett kopierten den Stein nahe bei letzterer Stadt, 32
engl. Meilen von Ischeklü (Eumenia). — S. 429 n. 39. Dorf Maghajil
(vgl. S. 138 0.). Grabinschrift: Aöp. deovoc'{2)aeos 7Tpeaß[u'(S)Tepog C(ov t4.jh.?
216 Griechische Epigraphik.
xa-{4)Te4Txeuaü€v (5) rd xoefjj^Ti^pC'(e)ov. Elpi^vij mUrt (7) toTq dSeX'
^o-(S)Tg. Wegen der Bachstabeoformen und des Aasdrackes xoe/ij^T^
peov wahrscheinlich nicht älter, als das 4. Jahrh. Die Inschrift gehört
nach Encarpia. — S. 429 f. n. 40. Ebd. Grabinschrift: Aöff^Xeog (2)
^AaxhpitdSTjj^is (3) inotr^aev To[5-(4)ro rb *of/iuy[riy-(ö)/>fov. Elpi}v{7j ndajj
rfj d8el'(*J)f6T7jr\t' xal d[g äv (8) [dvopu$ji^ xrX.]. Aus derselben Pe-
riode, wie die vorhergehende Inschrift, gleichfalls ans Encarpia. Der
Friedensgrnfs, welcher sonst allen Vorübergehenden geboten wurde, ist
auf die Bruderschaft (Ramsay: xotvdv rm ddeXfotv) beschränkt. —
Antiochia Fisidiae (Jalobatsch): Mo|rJdtmann, Archäol.-epigr. Mittei-
lungen aus Österreich YIII 1884 S. 198 n. 2, nach Abklatsch des Dr. A.
Schmidt, ünterdirektors der ägyptischen Douanen. Reste christlicher
Distichen: -- Wc Ipyov hjt (2)-- Xoßouhat (3)-- PO ^porepiüv ijvuae
(4) - - ^]eafio7T6Xwv (5) - - pdeBpov dvdvrag otas (6) - - pwv f ic ^afpoug
dya^recv (7) — ipaXioug npdrepov f. — Korase; »copy given me in Ak
Scheherc (Philomelium): Ramsay, Journal of hell. stud. lY 1883
S. 434 f. n. 43: 8c dy toütjj T[g (2) aop<fi xaxoepyia (3) X^^P^ (^) ^^^'
oeaec^ 8(üa-(S)ee r^ Sedi Xoyoy (6) t^ /leXXovrt x/>ä/-(7)v6/v Ca;[y]raff
xk (8) vexpoOg.
Lycaonia.
Yonuilar: Rad et und Paris, BGH X 1886 S. 503 n. 5. Grabschrift
in barbarischem Stil und Orthographie: f ^Avdnauffov^ (rip(te\ r^v (2) Soo-
Xrjv aou Iwdvouv^ (3) ndpopov rä nh/ieXi^-{i)pLaTa rä iv yvoai xk iv <i-(5)
ptoc^ ab-n^g ^y^Xd^ara. — CIP = *t^/o«€, nXep^Xi^fiaTa = n^i^fi/ie^fiara^
yyöoe = yvwast^ ^Mpaza = ^kw/iara, »Seigneur, aie piti6 de ton
esclave Jeanne; pardonne-lui les fautes dont eile a conscience et celles
dont eile ne se doute past. — Iconium: Dieselben, a. a. 0. S. 505
n. 9. Yerstümmelte Sarkophaginschrift: f 0Xdßtog K6vw[v (2) drib 8o'
fie(ntx(ü[v (der Rest giebt keinen zusammenhängenden Sinn). — Alibey-
Köi: Dieselben, a. a. 0. S. 506 n. 12. Abpi^XtoQ Zooeou errichtet sei-
nem Weibe (rt«]vj^*0 '^ouro xotfu^7jpi{o)v. — S. 507 n. 13. Friedhof.
Rechtwinklige Stele aus sehr junger Zeit, mit byzantinischem Kreuz:
Abp. Eiff(wpe'(2)xbg ix[6&]/iiij'{B)asv rayv la-(4)wro5 i]rY6'(5)yijv Äbw^r-
(Q)[n]drev fiV'{7)i^p.i^g ^dpiv, (8) ^Bv&a xaTd-(9)xiTe Koimn- {10) drts
&uj'dr'(ll)i^p Mapxiavou. — n. 14. Brücke von Ipischin, auf dem Wege
von Alibey-Köi nach Apa. Grabstein: T<p Ihi-i^ip rmtpl (3) Mevd[^
(4) *'/l&oc 7tp-{5)saßeTe'(6)poc fiV'(7)i^fiijg ;j^a-(8)/o^v. — Zwischen Bl-
masun und Zosta: Dieselben, a. a. 0. S. 509 n. 18. Grabstele: No[6]v'
vog (2) xal 0baX6'{S)ptoc ix6a'(i)p.i^aau Ilatj'{d)kov rbv fm-(Q)pTüpa^
(7) piyyjprjg) /(c^rv). ~ Zosta (wahrscheinlich = Lystra): Dieselben,
a. a. 0. S. 511 n. 25. Moschee. Grabscbrift: Obpfid^^iv ix6ff'(2)fiij<fBv 6
7ra-(3)r^/o abrou E'{A)bypd^tog 8i8d'{6)ffxaXog fivifiii^'{6)g X^^^ t« ~
XL. Titnli Christian!: Phrygia. Lycaonia. Galatia. Paphlagonia. 217
Bin-Bir-Kilisseh: Dieselben, a. a. 0. S. 512 n. 30. Grabschrift in den
Klosterruinen s.w. vom Dorfe. Ich lese: Aunj ^ xaTuxü'(2)(ni[c] /low
jjc iov-(3)a icvog ode (4) xaruxuffo aön^[v = ASn^ ^ xarotxfjatQ fAou*
e/c aiaßva aiwvog ^8s xaroixijaw a^n^v. — Obwohl die Inschrift in
handgreiflicher Weise dem christlichen Fondamentaldogma von der Auf-
erstehung der Toten widerspricht, glaube ich sie doch wegen des Aus-
druckes: ih aiwva aiwvo^ (vgl. e/c aloßwx alwvo^ Rom. 16, 26, eh '^obg
alwvag raiv alwvwv Phil. 4, 20. Hehr. 13, 21 u. a.) als christlich in An-
spruch nehmen zu müssen. — n. 81. Grabschrift in denselben Kloster-
ruinen: t ^EuSdde xa- {2) taxiere (= xardxeerai) ^ I!T-(S)e^dvoü M^jyoc^
(4) ^apouad nore (5) fVfjv [0\eßpoü — ? — Xapoooa = Part. Fut.
von x^P^- ~~ Ambararas: Dieselben, a. a. 0. S. 614 n. 36. Grab-
schrift: K{upi)e^ ßo-^Bt '/(udvvou (2) xal /lerpou (npdropog (3) xa\
Tatpaotou. Vpr/fv^v (= ElpijVTiy) aÖTocg. — Zrpdrwp Z. 2 = equorum
curator.
Galatia.
Dorf Holanta, 4 Kilom. von Germa, auf dem Wege nach Pessinus:
Ramsay, BCH VII 1883 S. 24 n. 15. Felstrttmmer in der Nähe des
Dorfes mit der (jüdischen?) Inschrift: Mv^fia ehp[bv --J^oc 'Id[x\to[ß]oQ{J)
Elaxwß — voe/ d^va — xe 'EffBijpag. — Brunnenstein auf dem Wege
von Angora nach Pessinus und Dorylaeum, ungefähr 3 Stunden westl.
vom Dorfe BalkoKmdschi: Derselbe, a. a. 0. S. 22 n. II. Bauinschrift: t &79
^ E\rskita>B7j zh Spyov] in\ roh SaewrdTw ineffxönou UauXou, Jö^a <toi^
Xp(un)i. Der einzige Bischof dieses Namens von Ancyra fungierte im
zweiten Jahre der Herrschaft Tiberius IL, 579 n. Chr. — Ancyra (An-
gora): Derselbe, a. a. 0. n. 10. Stein im Fufsboden eines provisorisch
von dem britischen Konsul , M. Tatheral, bewohnten Hauses mit Grab-
schrift auf den am 13. Januar der 12. Indiktion verstorbenen Soukog roü
Se(ou) jivvaardffeg. — Vefes-Kiöi, zwischen Ancyra und Samsun:
V. Domaszewski, Arch.-epigr. Mitteil, aus Österreich IX 1885 S. 131
n. 100. Grabstein: f (2) *Kv^a *o - (3) rdx^re ^ (4) 8ouXrj (5) rou 8(eo)ü
S'WeoScjpa. — Tavium: Ramsay, BCH VH 1883 S. 27 n. 19. Brun-
nenstein aufserhalb der Stadt: ^Ev]Ba xaTdxer[e] 6 8ouXog rou 0{eo)u
davti^X, Der Eigenname Daniel war bei den Christen gebräuchlich.
Paphlagonia.
Sinope: Mordtmann, KE0I: XV 1884 S. 48. Zu CIG 4158 und
Add. 1114 =iLebas-Wadd. 1812. Eine Abschrift des G. Lanaras in Si-
nope zeigt Ober der Inschrift drei Kreuze; Z. 5: 6YAAAIOIO und in
der Schlufszeile CO0IHC. Die von Xanthopulos oberhalb der Inschrift
gelesenen Schriftzttge gehören nicht zu derselben, wie schon Kaibel be-
218 Griechische Epigraphik.
merkte, und fehlen bei Lanaras. Die Inschrift scheint aus dem 5. Jahrh.
n. Chr. zu sein. — lonopolis (Ineboli): Derselbe, a. a. 0. S. 74 n. 55.
Dürftige Inschriftreste: --a SLytt.
Pontus.
Trapezus: Derselbe, a. a. 0. S. 75 n. 1. Zuverlässigere Abschrift
der Annali 1861 S. 178 n. l mitgeteilten fihreninschrift auf den König
Komnenos Alexios, der als marh^ 'Ewas ^«z^ lieparcag ävat^^ (2) Ko/ivi^
vhg 'AU^tog iv X(ptüT)oj /leyaQ iu sechs iambischen Senaren gefeiert wird.
— S. 76 n. 2. Berichtigte Lesung einer a. a. 0. S. 170 n. 2 veröffent-
lichten metrischen Grabschrift: Kwuaravrivou nd^uxa Aooxtrou rd^oc»
Cappadocia.
Comana Cappadociae = Hieropolis (Char). — Wad ding ton,
BGH VII 1883 S. 140 n. 25. Gesims, vielleicht ThUrbogen, mit der sehr
fragmentierten Inschrift: Aurrj fj nuhj vou Kupeow Sixatoc eIaeX]e6oovTe
iv adT[^. — Ps. 118, 20. Vgl. S. 220 unter Kasr Verdau n. 1 und 3.
Lycia.
Sidyma. * Benndorf und Niemann, Reisen in Lykien und
Karien. Wien 1884. S. 80 n. 61. Sarkophagfragment: f Touro [tu fivij^
fxecov xaTsaxeudffaro (2) (feayev[i^g .
Pisidia et Isauria
[Antiochia Pisidiae s. unter Phrygia 8.216.]
Andeda (Andia). — A. H. Smith, Journal of hellenic studies
VIII 1887 S. 255 n. 38. Altarinschrift: f '^^u äyiou Koaravrevou -f (2)
xk reg äyiag 'EXiveg. (3) E^x^ 0tUno(u) f [Ä']o/Afiv(/)o«. (4) ^'[w. —
Vgl. GIG 8742.
Cilicia.
Seleucia: Gardner, Journal of hellenic studies VI 1885 8.362.
Aus den wieder aufgefundenen >MS. Inscriptions collected in Greece by
C. R. Cockerell, 1810— 14t. — n. 177; a: t 'cono[g . b: Grabstein
des Kopiates, S. des Ari[sa]menes; Z. 4 wohl: dvldaraaig. — n. I79a:
Grabmal (^x7j) eines Thom[as. — n. I80b drei Monogramme; wohl:
feajpyeou^ AvSpeofj^ Iwdvvou. ~ Corycus: Duchesne, BGH VII 1883
S. 234—246 veröffentlicht eine beträchtliche Zahl Grabschriften aus der
Nekropole von Korykos, von welchen hier nur die unzweifelhaft christ-
lichen Ursprungs angeführt werden sollen (vgl. die kurze Fundnotiz Röhl
XL. Titali christiani: Pontus. Cappadocla etc. Gilicia. 219
II, 153). — I. S. 238 f. n. 24: f 'Eaur^ rdv rdupov Ttotfjtra^^ dra^tav (2)
ToÜTov ev , .(üv xa} nph fMfffjQ sbatßmv, (3) ^0 yhp Su(r{a)8ß<ov xal
CÄv ^Sjj riBoTTZS' (4) äyviög ßtmaov xal rov rd^ov fcareZ^g^ (5) ocxov
yhp Seou aiaurbv iriXeaag' (6) divaou ipu}Q [tcü ba'^M*}^ iJxTi^tfa/ißv.
Daraoter das Monogramm des Verstorbenen) — S. 239 n. 26: Jf^ ^QSe
xüfie (= xetfiae) Kwffrdvrcog npbg iirjrpbq nXeophv (2) ^loüMav^g* olxov
Sk TOUTOV idojpyjaarö fiot (3) narijp Jeovuatog^ ßdaxavog 8e reg dipijp»
ncurev (4) iy ßporibv .... 8b . novoug navpl ola xX7jpov6-{h)iJuoQ ijjLÖg, ~
IL Sarkophaginschriften mit dem Präskript: f d6$a aot (n. 41: m)\ 6
ßeöCt ^ (Q- 41: ^) pLOVOQ dddvarog: l) S. 242 n. 37 eines la}(dv)voü dp-
/jLsvopd^ou und seines Bruders Stephanos; 2) S 343 n. 38 zweier [dp]p.£'
vopd^[o]e^ deren einer ein ni]TpoQ\ 3) n. 41: Ilo/iaro&exi^ Sea^epoutra
ilerpoü xahyaptou xk reg abrou ya/jisrlg 9eo86pag\ 4) S. 244 n. 46 eines
Sspytou ktvoizd)(Xo(j) xpiVT^g (?) xal ^Iwdvvou voraptou; 6) S. 246 n. 48
eines ^Iwdvyou Btxia xai Koap.ä Xa^avonwXou xal rwv ahra^v xkf^povö-
pLiüv\ 6) S. 246 f. n. 61 eines Mapä olve/in6pou\ 7) S. 246 n. 63: Zoipa"
ToBcxt Ebara^eou ikeon6[Xou. — III. Grabschriften von Kircfaenbeamten:
1) S. 235 n. 12 eines Presbyters TtopoOpou (? vielleicht: Zw7toupou)\
2) S. 286 n. 13 eines Presbyters Mi^vä 0wtivoo\ 3) n. 14 eines Presby-
ters lofdvvou und eines Diakonen üspytau; 4) n. 15 eines Diakonen Jeu-
xfou; 6) S. 237 n. 16 eines Diakonen Jwpo&eou; 6) n. 17 eines Diakonen
Nemvog und seines Weibes (yap.ijr7jg) Kofifjrriai^g; 7) n. 18 eines Diako-
nen ÜTS^dvoü^ uloü ^Eopraatoo Kav8ßou\ 8) S. 238 n. 20 eines Eüzuj^too
9ipoü{pou) [= Bupwpou] r^g dytaig r)o5 Stou ixltaiag, — IV. Grab-
schriften von Kirchenbeamten, die zugleich ein Handwerk ausübten: l)
8. 285 n. 10 eines Presbyters und /puffo^oog mit verstümmeltem Namen ;
2) 0. 11 eines Presbyters und xepaßdog IlauXou K6vovog\ 3) S. 237 n. 19
eines *I<udvvou lmo8tax(6voü) , Xevo^ou (= ^vo$6oü) mit dem Präskript:
f X(pear)ey 6 debg f)p[<o]v^ 6 ß(eor6)xou 6<og {= ulog)^ xaraax[eü]a.
NO . . HAC ^voLTov ^eaewv (= ßof^&dcjv?) tcjv rou 8ouXo[u] ffou. —
V. Grabschriften von Handwerkern und Gewerbtreibenden, als christlich
kenntlich durch vorgesetztes Kreuz: 1) S. 238 n. 21 eines 'Poufiavou xo-
mdroü xan/Xou; 2) S. 240 n. 26 eines Uaßßar/q) ipYo86Tjj xepapi (Dat.);
3) n. 27 eines (l)(odyvou Saxxä xepapeog, ueiou EbBufjJou 2axä\ 4) n. 28
eines Sepyiou ^laidvvou 'HpaxXkoi} xep(a)pda}g; 6) S. 241 n. 29 eines
rewpyeoü oloo 'Pdvvou^ rijv r^x^v xepctpeog; 6) n. 30 eines Eu^/iiip
dnwpondtXji (Dat.); 7) n. 31 eines neptyevtm ^aXxdog; 8) n. 32 eines
*Ekm8eou ^aXxiog; 9) n. 33 eines Iwdvvou xoLX[xd<og]; 10) S. 242 n. 34
eines 'loßdvvoo ^aXxorunou olou K6)fiüVog xai Ebro^rj xal Kuptaxoü; 11)
n. 35 eines "/icvä xal leaipyho [ab^pap(iüv\ 12) n. 36 eines 'Ama\foü
abpaphx} und seiner Kinder; 13) S. 243 n. 39 eines Tapaffiou tvtopd^ou
(= ^10 ')\ 14) n. 40 eines NtxoXld'loi} xakrapioo ^Axoka}vä\ 16) 8.244
n. 42 eines 'Iwdwou dBwveaxou^ ulou 2rB^dvoo\ 16) n. 43 eines Eb8a(''
fiwvog ulcj 0<ifT{vo} 'EyuTrre'w xal oBoivcaxw; 17) n. 44 eines 'HXca df^o-
220 GriechiBche Epigraphik.
veaxou; 18) n. 46 eines AeovTtou üerpou . ..TT6PAATINOY (= ip/a-
nvou?) Tcjv Bd^^oü kvon((ljXoü)\ 19) S. 245 n. 47 eines reiopytoü ipe-
oupyoo x€u letupyiag ;'a;*[«T^ff] oöroD; 20) n. 49: 9^xi ScoL^epovra feop'
yiou KOproü xaneXou; 21) n. 50: ZofiaToBixrj ^Aßpimpdou oivefinopou; 22)
S. 246 n. 62 eines *Au8pea Ilerpou iXeomuXou; 23) n. 54: Hoß/iaroBtxi
Sea^epoutra ßewdouXou ^puffo^6(o)u; n. 55: 2Vü(= 0eü)^eXou ^püffo^^6oü\
25) S. 238 n. 22 (Lesung unsicher): K6v(ov)oc AYTTiriMONAZONTOC
xa\} Mapiag. — Aufserdem S. 234 n. 7: ämaSiou tou ßouXeuTou; S. 238
u. 23: T^g [i]xxXi^<reag, -> Fompeiopolit: Mich eil, Academy 1885
n. 673 S. 229. Kreisförmiger Stein mit Bauinschrift, gefunden in Mer-
sina, 1 Stunde östl. von Pompeiopolis : 'Eni 0X{aootou) 'Iwdvvou (2) too
pLeyaXo7:pe{ns(rcdTou) xal (3) neptßXißnrordrou) x6fi(7^rog) xal äp)[0V'{A)
roQ ^ptcjv x(a}) Zi^vwvog (5) roü Xap.7tp{oTdTou) x6p.(i^Tog) x{a}) ndrpijjtH
v)og (6) ro näv ipyov yeyo'(1)vev iv Xp(iar<p) p' IvS(exTta}Vog),
Syria.
Katr Verdan = »Riesenschlofsc, Ruine von Eisa in der Richtung
nach Thadmor, ungefähr 3 Stunden von Hama entfernt: Mordtmann,
Archftol.- epigr. Mitteil. aus Österreich YIII 1884 S. 191 f. n. 32 (»nord-
syrische Inschriften, von einem deutschen Offizier in türkischen Diensten
vor langen Jahren kopiert«). Von drei grofsartigen Gebäuden sind zwei
noch ziemlich wohl, von dem dritten nur noch Mauerreste erhalten.
1) Ober der Thür des ersten Gebäudes zu beiden Seiten einer Rosette:
f Au[t]ij ^ nuXij^ §v — inoty^aty b K(6pto)i' (2) \S]ix€uo[i\ Bla[B\k — e6-
001/r' iv ab{r^. Ungenaue Wiedergabe von Ps. 118, 20. 2) Über der
t &«4 Thttr des schlofsähn liehen zweiten Gebäudes zu beiden Seiten eines Qua-
drates und eines darunter befindlichen Kreises mit Kreuz: f '£V iiij^yl)
NoEfißp(t(p) lv[S]. — ty' TOU ^üw' irc\pg und: + /Idvra ei — c So^av
ß(eo)u. Das Schlofs ist demnach in dem mit dem 1. Sept. 564 beginnen-
den Jahre erbaut 3) Über der Thttr eines Hauses: j iu aörg* dfup^.
t&96 Zu ergänzen nach 1). — Hama: Derselbe, a.a.O. S. 192. Nach
Makridy Bey ist das Datum der von Tyrrwhit-Drake, Unexplored Syria
mitgeteilten Inschrift von der griechischen Muttergotteskirche: 6T0YC
2rh = 907 Sei. = 596 n. Chr.; welches in der That der 14. Indiktion,
1 599/40 die daneben genannt ist, entspricht. — Mikiater el chwar: Der-
selbe, a. a. 0. n. 33: XMF [A(^/>O^J ßo'(2)^Bt TOU 8[oU'(B)kou aou
0W'(^)8eav(?). (1 to) f ""Etouq (2^) avaß' lud, j (= 1. Sept. 589—640
n. Chr.). (3^) 7(jy(yo5;)c X{pt<no)Q. Über >Q5^ vgl. MDAI VI, 126. —
nach 100 Palmyra: Abamelek-Lasarew, Palmyra. Eine archäol. Untersuchung
u. s. w. (Russisch). Petersburg 1884 S. 40* Grabschrift: Mo\tTio\> tou
ZaßlßaJou dpxtepiwg (2) 'nd'\vrvi}V ^p(urrcava9v) iv Naßa[Ta/qL, (8)*£]toüc
y. u\ 'ApTefieffeou. — Die Inschrift ist jünger, als 90 n. Chr., dem Jahre
400 der seleucidischen Ära. — Dtch&tim (Hauran): Mordtmann,
XL. litttli christiani: Cilicia. Syria. 221
Archäol.^epigr. Mitteil, aas Österreich VIII 1884 S. 181 n. 3. Clermont-
Oannean, Revue arch. IV 1884 S. 264 n. 3. Oberschwelle einer an-
tiken ThOr: f K(Opt)e 1(i^<ro)u X(pe<n)e, iUrjaov näaav r^v (2) yeytäv
re5(v) [Kreaz] repovrhw (3) dfii^v, K{upt)e^ ^u^a$ov . — Barin:
Glermont-Oanneau, a. a. 0. S. 280 n. 45: f rewpytog b &h\Xoxi^\xh(:
(oder: eh\atßiina\Toq) dvayvtüffl'njg, — Dekir: Derselbe, a.a.O.
S. 276n. 31. Fragment: 9£<S äym Md^tfwg, — Reima (Rimea): Allen,
Greek and latin inscriptions from Palestine (Separatabdruck aus dem
American Journal of philology VI 1885 n. 2), S. 24 n. 59. Grabstein
eines MapTsTvog. — 8. 25 n. 60: l^fßug. — Krdje (vgl. Wadd. 1962
— 1968): Mordtmann, Archäol.-epigr. Mitteil. VIII 1884 S. 186 n. 14.
Bei dem Grabheiligtum Nebi Juscha's in einer Mauer: f ^Tnkp aoTS'(2)
p(e)ag oAtou x(al) dv{a)'{S)7:a6a{£iOQ) yoviov (4) x{a\) . —
Bottra (Bosra): Glermont-Ganneau, Revue arch. IV 1884 S. 274
n. 24. Stein mit Bauinschrift: 'Eni rou iieyahrnp^enoug) xofiiTQrog) 'Hao'
X^oUf ^y[e/H6vog xa\l] aj^o^Xaortxov) ixT^oBij dnb fiepe^ecjv rb ^yet^xtve-
xbv npanwpiov, x6fJi{7^Tog) na[v]Xafi7Tp(oTdTou) x[a\l no[ke]TetJO/JLevou int'
fieXou/iivou^ iv MexT(ta}ve) ty' iroug T7ts\ — Allen, Greek and latin
Inscr. (s. 0.) S. 19 n. 42. Grabscbrift auf die 18jäbrige *0(TeS[d\B[ij] mit
dem halb erloschenen Monogramm X- — Umm el Dtohemal: Der-
selbe, S. 21 n. 48. Grabschrift: Kaioufiog. (2) KXaudtavbg (3) dd£^}(<p6g,
— Gerata: Derselbe, a.a.O. S. 8 n. 16; zuerst nach Dieterici's
Kopie (1850) heransgeg. von Boeckh, Monatsber. der Berl. Akad. 1853
S. 23, dann von Eirchhoff, CIG IV 8654. Seitdem drei weitere Ab-
schriften in dem Quaterly Statement of the English Palestine Explora-
tion Fund: 1) Girdlestone (1860), Statement 1883 S. 198, 2) Nor-
they (1871), in Minuskeln Statement 1872 S. 70, 3) Conder (1882),
Statement 1882 S. 219. Dem neuesten Herausg. stand als fünfte eine
Abschrift von Merrill (1876) zur Verfügung, die von allen die beste
ist and auf grund deren die Inschrift mit kritischem Apparat wiederholt
wird. Der Anfang lautet: t Kupeaxbg] Söfiog ei/il dsBXo^dpou ßeodw-
poü f I fidprupoQ dßavdr[ou — . Das Datum der dann folgenden Bau-
inschrift ist der 5. Mai; die Indiktion ist schwer lesbar. Der Rest wird
von dem Herausg. American Journal of philology VI, 525 gedeutet : x{ae)
dv^Xfiev rd bTt^vepBev. — S. 10 n. 17. Zwei Fragmente der metrischen f 602
Inschrift (vier Hexameter) einer Kirche des — 00 ßeoeeSeog, von der
bisher zwei Abschriften vorlagen: Beide Fragmente Conder (1882),
Quaterly Statement 1882 S. 218 f.; sehr unvollkommene Kopie des zwei-
ten Girdlestone (1860), Statement 1883 S. 108. Allen giebt beide
Fragmente nach einer neuen Abschrift von Merrill mit den Varianten.
Nach der metrischen Inschrift folgt die Bauinschrift: Xdpere t[o]ü ß(£o)ü
iBejjLsXuoBfj [--- xat ij\ Bbpa iv M[a]up r^g e' [ivd.] rou &v^' irloug.
Das 559. Jahr der Ära von Gerasa entspricht nach der Kombination des
Herausg. dem Jahre 602 n. Chr. (vgl. S. 188 u.)' — S. ll£f. n. 20. NeuQ
222 Griechiflche Epigraphik.
Kopie der langen metrischen Inschrift CI6 8655. — Batta» zwischen
Tyrus und Akka: Mordtmann, MDAI X 1885 S. I7l n. 10, nach Ab-
klatsch des dänischen Vizekonsuls Loytved in Beirut Oben zwei sich
gegenüberstehende Widder, zwischen denselben ein Kreuz; darunter:
t ^Enl Tou iv8o$(oTdTou) (2) Zwüou [(T]Tpar7^X{dTou) (3) xal roü Bioae'
ß(e(ndroo) (4) Taßax. Maxapeou (5) x(au) Xomwv d8eX^{oiv) (6) x{a})
'dxukevou np(e<rßüTepou) ix[TeffBy^ (7) r^ r^ptßärov. — »Das abgekürzte
Tabak— scheint irgend ein Amt zu bezeichnen.! — Kana in Oalilaea:
Diehl, BCH IX 1885 S. 33 ff. Vgl. /leXziov n. 428. Unter den Ruinen
der Kirche der Panagia auf der Stelle des alten Elateia in Phokis
fand Paris eine grofse Platte von grauem, weifsadrigem Marmor, 2,33 m
laug, 0,64 m breit, 0,33 m hoch. Eine der Schmalseiten trägt in jungen
SchriftzOgen die Inschrift: f Outoq ianv (2) b XiBog dnb (3) Kam r^c
/a- (4) A^^iaff, 3nou (6) zo uS<op otvov (6) inoev^aev 6 A\upto)g (7) ijpcjv
l{Trjaou)g X(pt<rc6)g f* — ^^r Herausgeber möchte den Stein für iden-
tisch halten mit dem »lit sur lequel le Christ se coucha au repas des
noces, et qu'au VI°i» si^le encore on montrait ä Canac, wie aus einer
Stelle des Antoninns von Piacenza, Itinera latina I, 93 hervorgeht:
»Deinde venimus miliario 3 in Canan, ubi Dominus fuit ad nuptias, et
accubuimus in ipso accubitu, ubi ego indignus parentum meorum nomina
scripsic. Von der letzterwähnten Inschrift des Antoninus, der im 7. Jahr-
hundert Palästina bereiste, finden sich noch Reste auf der Oberfläche
des Steines (a. a. 0. S. 36), welche der Herausg. ergänzt: f JUvT/ff&jjn^
Kupee^ TOU narpög] xal i^c p^rpoQ fiou *Avt<ovivou f. An der Herkunft
des Steines aus Kana kann somit schwerlich gezweifelt werden. Vor der
persischen oder arabischen Invasion mag irgend ein frommer Christ, viel-
leicht gar ein byzantinischer Kaiser, diese kostbare Reliquie gerettet
haben. Die Schriftcharaktere gehören dem 6. oder 7. Jahrb. an. Der
Stein wird daher ohne Zweifel zu Anfang des 7. Jahrb. von seiner ur-
sprünglichen Stelle weggeschafft worden sein. Die Kirche der heiligen
Jungfrau in Elateia scheint eigens zu dem Zwecke der Aufnahme der
Reliquie erbaut worden zu sein. Dorthin gelangte der Stein .sicherlich
über Byzanz. Vielleicht wurde er von hier nebst einer grofsen Zahl
anderer Reliquien von einem der kleinen griechischen Territorialfürsten
gefluchtet, als die Kreuzfahrer 1204 die Stadt eroberten. Jetzt befindet
sich der Reliquienstein in Athen, wo er bei den Vermählungsfeierlich-
keiten des griechischen Kronprinzen mit der Prinzessin Sophie von
Preufsen am 27. Sept. 1889 eine Rolle spielte. — Emmant-Nicopolit:
Clermont-Ganneau, Revue crit. 1883 n. 37 S. 192f. Bei den Aus-
grabungen in den Ruinen der Basilika von Amwas (Emmaus) wurde u. a.
ein Mosaikpflaster zu Tage gefördert mit der sehr verstümmelten In-
schrift: t *^^^ ^ [i7tca'{2)x67:oü et [ifnij'(B)^afffeoQ fy — . Zwei
Fragmente von weifsem Marmor tragen die Inschriftreste: —dpog xa}
(2) - - papx " • (3) - - Ttäffa - - (4) - - evn - - und : t 'Ev[Bdds xetrac? - - (2)
XL. Titali christiani: Syria. Aegyptus. 223
jf(a2) ütb[Q --(3)--a--. Ein Vasenfragment: K(Ope)e, plvT^trBijTt —. —
ölberg. — Derselbe, a. a. 0. S. 194 f. Ein Kelcbdeckel trägt in der
Mitte die Zeichen 04>NH, n&ch dem Heraasg. wobl vielmebr C4>ZH
= ZAH (= f^^i Ca»7)' Rings herum läuft die Inschrift: f 'A[y/a
c
Moped (xal) MdpBa^ TTpoaSe^e rijv HaLp\n\o<pop(ay - - cuv (6) K(Jipto)Q yt'
voaxt. — [Qaloniä bei Jernialem: Scbick, Quaterly Statement of
tbe Palestine Exploration Fund 1885 n. 1 S. 51; wiederholt von Clermont-
Ganneau, Revue crit 1887 n. 20 8. 390. Felsengrab mit Freskomalereien,
u. a. geflügelte Engel und Darstellungen von Cherubim oder Vogelleibern
mit menschlichen Köpfen und Kränzen in den Händen. Innerhalb der
letzteren die gemalten Inschriften: Elg ^ehg (2) xa\ h Xpia{y)h^ (3)
ahrcou und: -cjaC^ (2) iivr^aev (3) Bap(u^tg\ nach Cl.-G. wohl = ^Jäs",
C(ai)]^' (2) /AVjy<T[^^] (3) BoLpeü^tQ (fem.) oder Bap(o^t(o)g = Baruch.]
Aegyptus.
Antino^ (Antsina), unweit des Dorfes Mellawt: Sayce, Academy
1885 n. 668 Sp. 134. Umschrift: n. 694 Sp. 125. 140 f. Einige Erklä-
rungen Nicholson, a. a. 0. n. 701 Sp. 246. Ein mit zwei Kreuzen und
Palmzweigen verzierter Stein, offenbar ein frQberer römischer Altar, trägt
eine schwer leserliche Grabschrift in drei Distichen: '0 xKorbg h ^pu-
aetoQ ^Ep[xouXiog^ (2) b Tipafiog ohrog f ^Ev XP^^^Ji öTe[fP«>7y (3) itoiilib
Tt nap^avowv. f Toü[to (4) yäp ix ßaaeArjog e^et yepag ä$eo[v (5) ip-
yoiv^ t *^0g f^ßjj pht i\x\äQ aör[off (6) e7Tep(pe rpö/iov, f Töv S' ixu'
pb[v (7) 0t68wpov dptZrjhjQ in* dni^v7j[g t (8) 'Pu^p^C SnXorspijg Hr/xaro
xr^depova, — Alezandria und Umgegend: Nerutsos-Bey, Revue
arch. IX 1887, S. 200 n. 3, 202 n. 6. 7, 298 n. 31. Christliche Grabschrif-
ten. — S. 203 n. 8. Christliche Votivinscbrift in Form eines Proskynems.
Jahresbericht über die Mythologie aas den
Jahren 1886—1890.
Von
Friedrich Baek.
Die Aoordnung dieses Berichtes ist folgende:
I. Allgemeine nnd indogermanische Mythologie. IL Griechisch-
römische Mythologie. III. Griechische Mythologie. IV. Römische My-
thologie.
Der dritte sowie der vierte Abschnitt ist gegliedert:
1. Allgemeines nnd Methodologisches. 2. Quellen. 3. Gmppen gött-
licher Wesen. 4. Einzelne göttliche Wesen, in alphabetischer Reihenfolge.
Die allgemeine und die indogermanische Mythologie sind deshalb
hier berücksichtigt worden, weil das Gebiet der griechischen und römi-
schen Mythologie beachtenswerte Winke und Anregungen von dorther
empfängt. Dafs die Vertrautheit mit den gesamten Lebensbedingungen
und -Äufserungen des einzelnen Volkes, dessen Mythologie erforscht wer-
den soll, ungleich wichtiger ist, als die Kenntnis fremder Religionen, be-
darf heute, wo man wieder anfängt bei Otfried Mttller in die Schule zu
gehen, kaum der Begründung. In diesem Bericht indessen galt es sich
möglichst zu beschränken auf die mythologische Litteratur: auch f&r das
Gebiet der sogenannten 'gottesdienstlicheu Altertümer', das sehr zum
Schaden der Mythologie von dieser getrennt ist, sowie für die Archäo-
logie, aus welcher unserem Gebiet beständig neue Nahrung zufliefst, ver-
weist Ref. auf die betreffenden, kundigen Händen anvertrauten Berichte.
Die sogenannte 'Kunstmythologie' ist allerdings in diesen Bericht her-
eingezogen, aber nicht als ein besonderes Gebiet, worauf sie thatsächlich
keinen Anspruch hat, sondern nach sachlichen Gesichtspunkten auf die
verschiedenen Abschnitte verteilt.
Die populär gehaltene Litteratur hat Ref. eingesehen, aber nur in
wenigen Fällen darüber Bericht erstattet ; eine so erfreuliche Leistung, wie
sie für die deutsche Mythologie kürzlich Friedrich Kaufmann dargeboten
hat, ist nicht darunter.
Mythologie. 225
L Allgemeine und indogermanische Mythologie.
Voo zosammenfassenden DarstellangeD ist an erster Stelle za be-
sprechen:
P. D. Chantepie de la Saassaye, Lehrbach der Religionsge-
schichte. 2 Bände. Freiburg i. B., Mohr. 1887 und 1889. 8. 465 n.
406 S. (Aus der ' Sammlung theologischer Lehrbttcher'.)
Das Werk gliedert sich in vier Teile: den allgemeinen I p. l — 47,
den phänomenologischen, p. 48 — 170, den ethnographischen p. 171—231,
und den historischen, welcher den Rest des ersten Bandes und den gan-
zen zweiten Band einnimmt. Wir können an dieser Stelle nur die beiden
ersten Teile und vom letzten nur die auf Griechen und Römer bezüg-
lichen Abschnitte ins Auge fassen.
Der allgemeine Teil behandelt in knapp zusammenfassender Dar-
stellung die Hauptfragen, welche die Religionswissenschaft beschäftigen:
Bedeutung der Evolutionslehre fOr die Religionsgeschichte, Urgeschichte,
Ursprung der Religion, Einteilung der Religionen und Hanptformen der
Religion. Mit ungewöhnlicher Besonnenheit und Objektivität beleuchtet
Verf. die verschiedenen bisherigen Richtungen, sondert das Problemati-
sche oder Haltlose vom Annehmbaren. Den Wert der Evolutionslehre
f&r die Religionswissenschaft weifs er vollauf zu wtlrdigen, ohne jedoch
in ihr eine ausreichende Grundlage zur Beurteilung des religiösen Lebens
zu sehen, er betont gegenober den zweifellosen Erfolgen der prähistori-
schen Archäologie die grofse Dehnbarkeit des Begriffs 'prähistorisch'
und unsere völlige Ignoranz hinsichtlich des geistigen Lebens der
'prähistorischen* Menschen. Verf. wendet sich gegen die Ansiebt Tyior's
und Anderer, welche im Wilden das getreue Abbild des Naturmenschen
sehen ; Schwächen und Vorzüge der animistischen und der mythologischen
Schule treten gleichmäfsig scharf hervor: 'die Erklärungen beider, ob-
gleich auf das Ganze nicht passend, geben doch Rechenschaft von ge-
wissen Reihen und Gruppen von Erscheinungen, sind also nicht verfehlt,
aber nur in ihrer gegenseitigen Beschränkung richtig' (p. 34).
Der zweite, phänomenologische Teil giebt eine äufserst dankens-
werte, systematische Behandlung der Erscheinungen des religiösen Lebens
(Handeln und Vorstellen, bezw. Fohlen), unter denen Verf. die Handlun-
gen, also den Kultus, wegen seiner Stabilität (im Gegensatz zu den in
beständigem Flufs befindlichen Vorstellungen) als die wichtigste, zuver-
lässigste Grundlage der Religionsforsch ung hinstellt. Solcher treffenden
Beobachtungen bietet gerade dieser Abschnitt des Werkes eine grofse
Zahl. So z. B. p. 74: * Nicht überall, wo ein Natnrgebiet oder eine Natur-
erscheinung in der Religion vorkommen, liegen wirkliche Spuren ächten
Naturdienstes vor. Wenn irgend ein Gott der Mythologie sich in einer
Jahresbericht für Altertumswissenschaft. LXVI. Bd. 15
226 Mythologie.
Naturerscheinung offenbart oder über ein Naturgebiet herrscht, wenn
irgend einem Element hohe Bedeutung oder magische Kraft beigemessen
wird, so dürfen wir daraus noch nicht ohne Weiteres auf eine göttliche
Verehrung desselben schliefsen.' Wind- und Gewittergötter, soweit sie
als einseitige Personifikationen des Elementes bezw. der Naturerschei-
nung aufgefafst werden, erkennt Verf. mit vollem Recht nicht an. 'Es
ist der Gott der donnert, oder der Himmel der donnert; das Gewitter
kann aber nicht, wie es beim Himmel oder bei der Erde der Fall ist,
selbst als Gott betrachtet werden' (p. 77). So energisch also Verf. der
immer noch verbreiteten Sucht nach einseitigen Naturpersonifikationen
gegenübertritt, so giebt er doch für die meisten Göttergestalten der My-
thologie einen ursprünglichen Zusammenhang mit dem Naturleben zu, in-
dem er freilich zugleich nachdrücklich die Existenz von Göttern hervor-
hebt, welche entweder gar nicht oder nur sehr nebensächlich mit der
Natur zusammenhängen und keineswegs etwa blos Personifikationen ab-
stracter Begriffe sind (z. B. Stamm-, Volks- und Lokalgötter). Treffend
bespricht Verf. die Verhältnisse der Götter untereinander. 'Die Götter
werden zu gröfseren oder kleineren Gruppen vereinigt, welche durch
Verwandtschaft mit einander verbunden sind; sie bilden Familien oder
ein Gemeinwesen, sind einem Haupte untergeordnet, das als Herr über
alle gebietet — . Man ist auf einer falschen Fährte, wenn man
diese Götterverhältnisse in letzter Instanz auf Naturver-
hältnisse zurückführt: Apollon, der Sohn des Zeus» bedeutet durch-
aus nicht die Sonne, den Sohn des Himmels, und Horus, der Sohn des
Osiris, wenigstens nicht zuerst die wiederkehrende Sonne, den Sohn der
untergegangenen. Gruppen und Kreise von Göttern, wie in Ägjrpten,
eine Hierarchie der göttlichen Wesen, wie in Persien, eine Götterfamilie
und ein Götterstaat, wie bei Griechen und Germanen, sind teils aus der
Verschmelzung verschiedener Culte, teils aus dem Bedürfnis, die
Ordnung der menschlichen Gesellschaft auch in der Götterwelt wiederzu-
finden, entstanden' (p. 90) und ebenso ist (p. 92) der Streit in der
Götterwelt nicht ausschliefslich als ein Streit von Naturkräften
zu fassen; 'denn nicht blos die Natur bringt dem Menschen den Gegen-
satz zwischen förderlich und schädlich, den er ethisch zu dem zwischen
gut und bös vertieft, zum Bewufstsein'. Was die Mythologie im engeren
Sinn anlangt so ist es erfreulich hier wieder einmal den 0. MfiUer^schen
Grundsatz, dafs die Erklärung eines Mythus nichts Anderes sein dürfe
als die Darlegung seiner Genesis, mit vollem Nachdruck ausgesprochen
zu finden (p. 149. 167). Denn dafs er der ganzen mythologischen For-
schung seither zum Leitstern gedient habe — wie Verf. sich ausdrückt
— ist leider nicht richtig. Auch hier verlangt Verf. eine gegenseitige
Ergänzung und Beschränkung der vergleichenden Methode (deren Resul-
taten gegenüber er eine sehr genaue Prüfung empfiehlt) und der beson-
ders durch Tylor vertretenen anthropologischen.
I. Allgem. u. indogenn.: Chaotepie de Ja Saassaye. 227
Aber anch die fibrigen AbschDitte des zweiten Teiles — besonders
die Ober Idolatrie, heilige Steine, Bäume and Tiere, Opfer und Gebet,
Verehrung von Menschen — verraten eine Besonnenheit und eine Be-
iesenheit, welche dieser 'Phänomenologie' der Religion einen entschiede-
nen Wert verleihen.
Fttr die Darstellung der griechischen und der römischen Religions-
geschichte, welche der historische Teil des Werkes enthält (II p. 57—305),
hat Verf. meistens die besten Autoritäten zu Grunde gelegt und sich be-
müht alles Unsichere, Hypothetische möglichst fern zu halten. Nicht
selten bemerkt man selbständige Prüfung der letzten Quellen und glück-
liches Urteil in Einzelfragen; die Anordnung ist klar und die Darstel-
lung, wie überhaupt in dem ganzen Buche, fesselnd. Für die homerischen
Gedichte, deren relativ geringe Bedeutung als religionsgeschichtliche
Quelle Verf. p. 86 richtig erkennt, hätte sich vielleicht eine ausgedehn-
tere Berücksichtigung der neueren philologischen Kritik empfohlen. Die
homerische Vorstellungswelt scheint er sich doch zu sehr als ein einheit-
liches Ganze zu denken, auch durfte er viel stärker hervorheben, dafs
sie keineswegs die allgemein griechische ist (vgl. p. 86). Die Beurteilung
des Herodot p. 179 f. ist zu optimistisch; in dem Bestreben, Reste alter
Tierkalte zu erkennen, geht Verf. p. 178 f. etwas zu weit. Dafs von der
Totenfeier der Anthesterien als von einem allgemein griechischen Fest
gesprochen wird p. 79, ist wohl nur ein Versehen. Mit richtigem Takt
ist Verf. bei den meisten Göttern auf die sogenannte Naturbedeutung
derselben nicht eingegangen (auch die 'Himmelsgöttin' Hera p. 167
wäre besser unterdrückt worden), er erteilt p. 151 den Mythologen den
sehr verständigen Rat, statt dessen mehr den Kultus zum Mittelpunkt
der Betrachtung zu machen. Was seine eigene, nur gelegentlich und
vermutungsweise hervortretende Ansicht betrifft, so scheint er freilich
dazu zu neigen, die meisten griechischen Götter als blofse Naturwesen
anzosehen und nur diejenigen ihrer Beziehungen zum menschlichen Leben
für primär zu halten, welche sich unmittelbar aus dem betreffenden Na-
turgebiet ergeben. Er findet es merkwürdig, dafs Zeus auch als Orakel-
und Sühngott erscheint (p. 156), er wundert sich über die Gombination
Demeter-Erinnys und vermifst in den vielen Funktionen des Hermes eine
gemeinschaftliche Grundidee (p. 159. 161). Die in den vielen Epithetis
zu Tag tretende Vielseitigkeit der einzelnen Gestalten glaubt er denn
nicht durch Zerlegung oder Entwickelung einer ursprünglichen Einheit
entstanden, sondern nur durch Zusammenfügung vieler Elemente ver-
schiedener Herkunft (p. 81). Verf. steht hier noch zu sehr im Bann der
Schalmythologie. Wir vermuten, dafs die Forschung allen mythologi-
schen Handbüchern zum Trotz immer deutlicher zeigen wird, dafs das
ursprüngliche Wesen, weit entfernt durch ein Schlagwort wie Himmel,
Sonne, Gewitter u. s. w. umfafst werden zu können, im Gegenteil sehr
vielseitig war, dafs in historischer Zeit bei den meisten Gottheiten der
16*
228 Mythologie.
UmfaDg ihrer Funktionen sich eher verengert als erweitert, und dafs nur
der Kultus bis zu einem gewissen Grade dieser Beschränkung Wider«
stand leistet.
Ein knapp gehaltenes, abef gedankenreiches Programm der Reli-
gionswissenschaft entwirft
Edmund Hardy, Die allgemeine vergleichende Religionswissen-
schaft im akademischen Studium unserer Zeit Eine akademische An-
trittsrede. Freiburg i. B., Herder. 1887. 8. 39 S.
Besonders erfreulich ist uns der Nachdruck, mit welchem der Verf.
auf eine von Hypothesen irgend welcher Art nicht getrttbte, streng em-
pirische Forschung dringt, und die besonnene Kritik, welche er an der
vergleichenden Methode übt.
Hermann Preifs, Religionsgeschichte. Geschichte der Entwicke-
lung des religiösen Bewufstseins in seinen einzelnen Erscheinungsfor-
men, eine Geschichte des Menschen geistes. Leipzig 1888. 8. 548 S.
behandelt in halb historischer, halb philosophischer Darstellung die Na-
turreligionen, die Religionen ' der geistigen Individualitäten' und die des
Monotheismus. Er erklärt in der Einleitung fttr den gereiften Mann und
für die Gebildeten der Nation zu schreiben, damit sie durch die Kennt-
nis fremder Religionen ihre eigene verstehen und schätzenlernen. Aber
der hiermit ausgesprochene populäre Charakter des Werkes durfte kaum
die Lückenhaftigkeit und Unklarheit entschuldigen, welche der Verf. in
Bezug auf einzelne Gebiete der Religionsgeschichte zeigt. So ist gleich
der Abschnitt, welcher über 'die Religion des Geisterglaubens und der
Zauberei' handelt, weder durch Vollständigkeit noch durch Schärfe
ausgezeichnet. Für die afrikanischen Religionen jener Art scheinen dem
Verf. kaum andere Quellen vorgelegen zu haben, als Burton's 'Central-
Afrika' und EUis' 'Madagascar', während doch die neuere Reiselitteratur
so vieles kostbare Material aufweist; beim christlichen Heiligenkult über-
sieht Verf. das überaus wichtige Moment der Anknüpfung an die ver-
drängten einheimischen Gottheiten.
Was den Abschnitt über die griechische Religion betrifft, so ist
Verf. hier völlig unberührt vom Stande der neueren Forschung: der Satz
von der göttlichen Verehrung von Sonne und Mond und die landläufige
Reduction der Olympier auf bestimmte Natursubstrate sind ohne Skrupel
vertreten, nicht blos Apollon sondern auch Dionysos entwickelt sich aus
dem Helios, ebenso die Athene und Artemis ans der Selene. * Natur-
kreis' des Poseidon ist bald (p. 305) 'die Macht des Meeres', bald sind
es (p. 311) 'die Wolkenwesen'.
Es ist gewifs nicht leicht auf einem so sehr in der Gährung be-
griffenen Gebiet, wie es augenblicklich die griechische Mythologie und
Religionsgeschichte ist, dem Stande der neuesten Forschung gerecht zu
I. Allgem. D. indogerm.: Hardj, Preifs, Pesch. 229
werden : aber etwas gründlichere Kenntnis und etwas mehr Kritik gegen-
ober den hergebrachten Lehrsätzen, als der Verf. anwendet, mufs doch
aach Yon einem 'populären' Buch verlangt werden. Weit unbefriedigen-
der ist allerdings die Schrift von
Christian Pesch, S. J., Der Gottesbegriff in den heidnischen
Religionen des Altertums. Eine Studie zur vergleichenden Religions-
wissenschaft Freibnrg i. B. 1886. 8. 144 S.
Der Verf. will ein * möglichst getreues Bild der Vorstellungen geben,
welche die heidnischen Völker von der Gottheit hatten' und zwar ist ^ das
was hier geboten wird, das Ergebnis der Forschungen anderer, nicht auf
neue Entdeckungen ausgehende Fachstudien'. — Für das Mafs nun, in
welchem der Verf. die wissenschaftliche Litteratur für seinen Zweck ver-
wertet hat, ist bezeichnend, dafs für die griechische und die römische
Religion blos die Werke Nägelsbachs, Prellers und Zellers, z. t. in den
ältesten Auflagen, zu Grunde gelegt sind. Man bekommt u. a. zu hören,
dafs der Grieche Himmel, Sonne u. s. w. Götter genannt habe (p. 37),
dafs sich in den nacbhomeriscben Zeiten Dämonen und Heroen als Mittel-
wesen unter die Götter eingeschoben haben (p. 44), dafs ^die römische
Theologie (nicht Mythologie) mit der griechischen vollkommen identisch
ist' (p. 68). Das mit ganz unzureichenden Kenntnissen geschriebene
Büchlein kann keineswegs dem Laien zur Orieotirung empfohlen werden.
Nicht zugänglich war dem Ref. das anscheinend gleichfalls popu-
läre Werk von
Reichenbach, Die Religionen der Völker nach den besten For-
schungsergebnissen bearbeitet. 1—6. Buch. München, Ernst. 8. 1887.
Die übrigen in dieses Kapitel fallenden Schriften glaubt Ref. am
besten in der Weise anzuordnen, dafs die Vertreter der beiden augen-
blicklich bedeutendsten Richtungen, der vergleichenden und der anthro-
pologisch-historischen (folkloristischen) gesondert besprochen werden, und
sodann ein kurzer Einblick in die polemische Litteratur gethan wird,
welche der Gegensatz dieser beiden Richtungen hervorgerufen hat. Den
Beschlufs sollen die wenigen Schriften machen, welche einen besonderen
Standpunkt einnehmen.
Die wichtigste Erscheinung aus der vergleichenden Schule ist das
Buch von
Max Müller, Natural religion. The Gifford lectures delivered
before the university of Glasgow in 1888. London, Longmans, Green,
and Co. 1889. 8. 608 S.
(Dasselbe, übersetzt von EngelbertSchneider. Leipzig, Engel-
mann. 1890. 8. 687 S.)
Unter natural religion' versteht der Verf. diejenige Religion, wel-
che — im Gegensatz zur Buchreligion — *is in the head and in the heart
and in the sky, the rocks, the rivers and the mountains' (p. 666).
230 Mythologie.
Das vorliegende Buch zerfällt in drei grofse Abschnitte. Im ersten
(— p. 191) behandelt Verf. mit grofser Ansftthrlichkeit die bisherigen
Definitionen der Religion, er giebt eine eingehende BegrOndang seiner
eigenen Definition und seiner Auffassung vom Ursprung der Religion.
Das 'Unendliche', in dessen Wahrnehmung der Verf. bekanntlidi den
Anfang aller Religion erblickt, erhält eine weit schärfere Bestimmung,
als sie noch in den 'Hibbert lectures on the origin and growth of reit-
gion' gegeben war: 'religion consists in the perception of the infinite
under such manifestations as are able to influence the moral character
of man' (p. 188). Die Manifestation des Unendlichen im Menschen, ob-
jektiv und subjektiv, setzt Verf. neben diejenige in der Natur. 'Nature,
Man, and Seif are the three great manifestations in which the infinite
in some shape on other has been perceived, and every one of these per-
ceptions has in its historical development contributed to what may be
called religion' (p. 164).
Der zweite Abschnitt (p. 192—279) bringt eine kritische Darlegung
der beiden Methoden der Religionsforschung, der theoretischen (Religions-
philosophie) und der vom Verf. vertretenen, historischen Methode.
Der dritte Abschnitt endlich (p. 280 — 577) betrifft die Quellen für
das Studium der ' natural religion ': Sprache, Mythen, Sitten und Gebräuche,
heilige Schriften. Der linguistische Teil ist besonders reichhaltig: Verf.
jführt die Sprachen in ihren Hauptgruppen vor, entwickelt seine bekann-
ten Ansichten Ober das Verhältnis der Sprache zum Denken und Aber ihre
Bedeutung für die Genesis religiöser Vorstellungen. Die vergleichende
Mythologie — eine andere kennt Verf. nicht — wird geschieden in die
etymologische, die analogistische und die psychologische Schule, jede
dieser Richtungen wird eingehend gewürdigt und an Beispielen veran-
schaulicht, die erste besondei^ an skr. Ahanä (Dämmerung) — ÄXANA
— Mava — M^)fi^, wobei Benfey's Etymologie von Athene widerlegt
wird, die zweite, zu deren Vertretern Verf. u. a. Welcker und Preller
rechnet, an Rudra, Apollon, Wuotan, die dritte an Manito. Recht ärm-
lich und keineswegs der Wichtigkeit dieser Quelle entsprechend ist das
Kapitel über 'Customs and laws' ausgefallen: Verf. unterscheidet Ge-
bräuche, die auf religiösen Ideen basirt sind, und solche, welche reli-
giöse Ideen hervorgerufen haben» wie z. B. die Sitte der tessera hospitalis,
welche Verf. mit Ihering (Gastfreundschaft im Altertum 1887) von den
Phoinikiern nach Griechenland bringen läfst, die Vorstellung des Zeus
Xenios gezeitigt haben soll. Das letzte Kapitel Csacred books') bringt
nach einer Übersicht über die heiligen Schriften geistvolle Ausführungen
über den Unterschied der Buchreligionen von der buchlosen, über den
Einflufs der Schrift auf die Religion und über die schriftstellerische
Unthätigkeit der Religionsgründer.
Das ganze Buch erweckt dadurch besonderes Interesse, dafs der
berühmte Verf. überall Stellung nimmt zu den jüngsten Kritiken seiner
I. Allgem. Q. indogerm.: M. Malier, Ranze, E. H. Meyer. 281
Theorie, insbesondere 7.u derjenigen Gruppe^s, 'an antagonist who is
learned, serious, honest, and houourable' (p. 23). Ans den das Wesen
und den Ursprung der Religion betreffenden Lectures V— VII wird auch
derjenige vielfältige Anregung schöpfen, der durch Gruppe's Kritik der
vergleichenden Mythologie (s. u.) in der Hauptsache überzeugt worden ist.
Max Müller gewidmet ist das anregende Buch von
Georg Runze, Studien zur vergleichenden Religionswissenschaft.
Heft 1: Sprache und Religion. Berlin, R. Gärtner 1889. 8. 236 S.
Verf. untersucht den genetischen Einflufs der Sprache auf die Ent-
stehung religiöser Vorstellungen. Er überschätzt diesen Einflufs ebenso
sehr wie Max Müller, dem gegenüber er überhaupt nicht die genügende
Kritik anwendet. Hier und da fehlt es an der nötigen Klarheit. VITenn
es zum Wesen des Mythus gehört, dafs er religiösen Charakter hat, d. h.
den Glauben an wirkende, transscendente Mächte voraussetzt (p. 13 f.),
so hat er eben doch mehr zur Voraussetzung als 'unbefangene Naturan-
schauung' und 'das Vermögen und Bedürfnis der Sprache' (p. 16). Der
Verf. urteilt übrigens, dafs das Aufkeimen eines reinen religiösen Em-
pfindens schon mit den ersten Gestaltungen der Sprache Hand in Hand
gehen konnte, und dafs der linguistischen Ableitung gerade bei der Ent-
wickelang des Gottesbewufstseins eine verhältnismäfsig beschränkte Be-
deutung zuzusprechen sei (p. 42 ff.). Die epochemachende Kritik der ver-
gleichenden Mythologie, welche Otto Gruppe verdankt wird, scheint dem
Verf. entgangen zu sein.
Unter den Schriften, welche die vergleichende Methode an einem
bestimmten Gegenstand durchführen, ist an erster Stelle zu besprechen
Elard Hugo Meyer, Indogermanische Mythen. II. Achilleis.
Berlin, Dümmler 1887. 8. 710 S.
Es ist ein neuer Gesichtspunkt, nach welchem der Verf. die Ana-
lyse der Ilias unternimmt: die Prüfung und Vergleichung des Stiles der
verschiedenen Schlachtbeschreibungen. Indem Verf. unter Stil 'die ge-
samte künstlerische Verarbeitung des Rohstoffes zu einem Kunstgebilde'
versteht, behandelt er in erster Linie die Composition der Schlachten-
bilder, d. h. ihr inneres Verhältnis zum Ganzen (ob organische Glieder
oder Zusatz?), ihre Tendenz und die Art, wie selbige verkörpert ist, und
das vom Dichter verwandte Material nach Brauchbarkeit und Herkunft,
in zweiter Linie aber die Art der Rede, die Verwendung der Gleich-
nisse, sowie den Gebrauch gewisser Begriffe, Sprachformen und der poe*
tischen Figuren. Diese Untersuchung führt zur Annahme verschiedener
Stilarten, deren ältester die Achilleis Homers (um 850 v. Chr.) mit
ihren 3 Gesängen angehört: 1=1, 1 — 138. 148. 162—193. 247-430.
490—610; II = 11 (1-83). 84. 295a. 401— 497a. 621—674. 595. (15,
692-676. 730- 746. 16, 102—123. 18, 166-242); III ganz überarbeitet,
232 Mythologie.
etwa: (19. 866-391. 20, 76— 78. 379—494. 21, 1—16. 34—119. 186.
283—283. 324—382. 22, 21— 398) M.
Ihr Verfasser, Homer, ist im Gebiet des Hermosunterlaofis geboren,
Mn dessen Städten Magnesia, Kyme und Sroyrna verschiedenartige äoli-
sche Stammelemente, nord- und sttdacbäische, boeotische und lokrische,
mit jonischen sich mischten'. Das Thema der Dichtung, welche Übrigens
Yorwiegend nordachaeischen Charakter trägt, ist der Zorn Achills: im
ersten Gesang entstanden, im zweiten an Agamemnon und den Seinigen
(Menelaos, Odyssens, Aias und Nestor), im dritten an Hektor und den
Seinigen furchtbar bewährt. Neben Zeus, der allein das Schicksal ent-
scheidet (seine Botin nur Iris), wirken auf die irdischen Dinge nur ApoUon
ein, aber noch nicht als Schutzgott der Troer, sondern nur als Rächer
seines Priesters, Thetis als Mutter des Hauptbelden, Xanthos als von
diesem beleidigter Flufsgott, Hephaistos als Retter desselben ans der
Not (p. 386f.).
Nachdem so die älteste homerische Form der Achilleussage ge-
wonnen ist, versucht Verf. im zweiten Teil des Buches (die Achilleis
vor der Ilias) zunächst (Cap. VIII) die Umbildung klar zu stellen, wel-
che schon Homer und z. t. schon vor ihm die Volksliederpoeten auf asia-
tischem Boden an dem alten mutterländischen Stoff vorgenommen haben:
seine Historisirung, Episirung und Idealisirung. Nur andeutungsweise
und mit starken Modifikationen oder Auslassungen ist in der Achilleis
der in Thessalien sich abspielende Teil der Sage berührt: die Verwan-
delungen der Thetis bei Peleus Werbung, und die Wasser- (oder Feuer-)
taufe des Neugeborenen werden nicht erwähnt, die Erziehung durch Gheiron
ist weggefallen und die hervorragende Rolle Cheirons bei der Hochzeit
ist abgeschwächt — alles ZOge, welche Verf. auf Grund anderweitiger
Überlieferung zum ältesten Bestand der thessalischen Peleus- Achilleus-
sage rechnet. Das ursprüngliche Personal derselben bilden Nereiden
(bes. Thetis), Kentauren (bes. Gheiron), Iris und Hephaistos, der Flufsgott
Xanthos und Hektor; sie wurde eröffnet durch das Jagdabenteuer des
Peleus, wo er von den Kentauren überwältigt wurde, und schlofs mit
dem Tod Achills, der vorher den Xanthos und dessen Bundesgenossen
Hektor bezwungen hat (Gap. IX). Nachdem Verf. dann die Windnatur
der Kentauren gegen die von Röscher vertretene Auffassung derselben
als Wildbäche mit entschiedenem Glück verteidigt hat (Gap. X), er-
1) Die mittleren Stile vertreten: dieDiomedie des ältesten Home-
riden (um 800 v.Chr.), die Diomedie- und Achilleisbearbeitung des
ältesten lliaBbearbeiters (um 775 v. Chr.), die Patrokiie (um 776,
gleichz. mit Odyssee und Hesiods T. u. W.) die Epinausimache, Apate
und Teichomachie (um 760). Den jüngeren Stilen gehören einesteils an
die HektoreiB (um 700, gleichz. mit Kallinos), anderenteils die Gesänge 7 -10
und zahlreiche Episoden der übrigen Gesänge (zwischen 700 und 600 v. Chr.).
I. Allgem. tt. indogemi.: E. H. Meyer. 233
halten wir eine darcb Parallelen aus Mythus, Glaube und Kultus der
Griechen und anderer indogermanischen Völker unterstützte Deutung
des Peleus- und Achilleusmythus in seinen verschiedenen (8) Scenen,
deren jede eine besondere Gewittererscheinung veranschaulichen soll.
Alle zusammen stellen die Geschichte des Blitzes (Achilleus) von den
Vorboten des ersten FrOhlingsgewitters an bis zum letzten Blitze im
Herbste dar (Cap. XI). Da sich nun bei den Obrigen indogermanischen
Völkern Seitenstflcke zum Peleus -Achilleusmythus nachweisen lassen
(Gap. XII), die sowohl in der Form und Reihenfolge der acht Scenen, als
auch in der Zahl und dem Charakter der sieben Träger ihrer Handlung
durchweg mit dem griechischen Mythus übereinstimmen, so mufs der
ganze * Blitzroman' bereits Eigentum der ungetrennten Indogermanen ge-
wesen sein. Die Darstellung der indogermanischen Urform des Achilleus-
mythus und eine allgemeine Betrachtung, die übrigens nur z. t. als Er-
gebnis der voraufgegangenen Untersuchungen betrachtet werden kann,
beschliefsen das Werk (Cap. XIII.). —
Dafs der Nachweis der vom Verf. angenommenen indogermanischen
Urform der Achilleussage, auf welchen das Ganze hinausläuft, auch nur
bis zu einem gewissen Grade der Wahrscheinlichkeit gelungen sei, kann
man nicht behaupten. Trotz des riesigen Materiales, welches der Verf.
mit erstaunlichem Geschick ins Feld führt, ist^ die Beweisführung des
zweiten Teiles weit davon entfernt geschlossen und stichhaltig zu sein:
man vergleiche dafür Mos die im letzten Capitel gegebene Zusammen-
stellung der von den einzelnen Völkern ausgebildeten Formen der Sage.
Und diese 'indogermanische Urform', in welcher der Blitz zuerst durch
ein dem Donnerdämon gehöriges Messer veranschaulicht ist, dann
durch eine Lanze, die ihm erst geschenkt wird, dann durch eine Per-
son, die er erst erzeugt — einen 'Roman' mag man das nennen, aber
einen * wohlangelegten' nicht und bei Leibe nicht einen alten Mythus.
Von einem solchen müssen wir wirklich etwas mehr Einheitlichkeit der
Anschauung verlangen. Wenn gelegentlich vom Verf. statt des Aus-
drucks 'Achilleusmythus' der genauere 'Peleus- und Achilleusmythus'
gebraucht wird, so verrät sich darin ein unbewufster Zweifel an der
ursprünglichen Einheit des als altgriechisch und sogar als indogerma-
nisch ausgegebenen Mythus: und der unbefangene Leser wird sich, wenn
er auch die richtige Deutung der einzelnen Scenen (Cap. XI) zugiebt,
des Gedankens nicht erwehren, dafs hier eine, nicht einmal altgriechi-
sche, Vereinigung von allerwenigstens zwei ursprünglich selbständigen
Gewittermythen vorliegt.
Das grofse Verdienst des Verf. ist die vergleichende Zusammen-
stellung aller der vielfachen Beziehungen auf Gewitter und Blitz, welche
Mythus, Kultus und Hausbrauch der Indogermanen enthalten. Wir sind
anch einverstanden mit der Auffassung von Peleus und Achilleus als ur-
sprünglich göttlicher, bezw. dämonischer Wesen, in deren Mythen z. t.
234 Mythologie.
die genaoDte NaturbeziehuDg steckt. Aber damit sind sie nicht als ein-
seitige Gewitter- oder Blitzgötter erwiesen, so wenig dieser Nachweis
einer umsichtigen und vorurteilsfreien Forschung bei Zeus, Dionysos und
Athene möglich sein wird.
Die Ilias-Analyse des ersten Teiles können wir um so eher der
Kritik des Philologen überlassen, als ihr grundlegender Wert für die
mythologischen Untersuchungen des zweiten Teiles sehr abgeschwächt
wird durch den ausgedehnten Umfang, in welchem der Verf. hernach
(Cap. YIII — IX) die nichthomeriscbe Überlieferung zur Reconstruction
der thessalischen Form des Mythus heranzieht. Dafs der Verf. sich auf
strenge Methode versteht, merkt man im ersten wie im zweiten Teil:
aber beengend und beirrend lastet auf ihr das einseitige Prinzip, welches
Verf. hinsichtlich des Ursprungs der Mythologie vertritt. Immerhin nimmt
das Buch, was wissenschaftlichen Ernst, Beherrschung des Stoffes und
Lebendigkeit der Schilderung angeht, einen hervorragenden Platz unter
den Erzeugnissen derselben Richtung ein.
J. Ehni, Der vedische Mythus des Yama verglichen mit den ana-
logen Typen der persischen, griechischen und germanischen Mythologie.
Strafsburg, Trübner. 1890. 8. 216 S.
Yama bedeutet n^h der Darlegung des Verf. 'bald den Sonnengott
oder das irdische Opferfeuer, bald den Fürsten der Seligen im Jenseits
oder den gefürchteten Todesgott, bald den Erstling und Stammvater der
Menschen im Diesseits, bald endlich den AJlgott, der das weite Univer-
sum umfafst'. Die hellenische Sage soll den Yama in zwei verschiedenen
Gruppen widerspiegeln: Tyndariden- und Letoidensage, Dionysos und
Rhadamanthys. Das Beweisverfahren, welches der Verf. hierfür anwendet,
ist so schwach, dafs von einer Förderung der griechischen Mythologie
nicht die Rede sein kann. Während dieses Buch sich immerhin als
selbständige, auf die Quellen zurückgehende Forschung darstellt, giebt
J. Mähly, Die Sonnenhelden der Mythologie. (Einladungsschrift
zur Feier des dreibundertjäbrigen Bestandes des Gymnasiums Basel.
Basel 1889. 4. p. 1 - 21.)
mehr eine kritische Zusammenfassung der Ansichten anderer 'verglei-
chenden Mythologen*. Die Kritik fällt allerdings bescheiden genug aus,
da der Verf. selber bis über die Ohren in derselben Richtung steckt.
Unzweifelhafte Sonnenhelden sind nach seiner Ansicht in der griechischen
Mythologie: Belleropbon, Perseus, Herakles, Achilleus, Odysseus; wahr-
scheinlich sind es auch: Sisiphos und Theseus; vielleicht: Jason und Paris.
Das Buch 'Aryan Sun-Myths the Origin of Religions' with an
introduction by Charles Morris (London. 1889. 8. 192 S.), die
Aufsätze von W. Schwartz, 'Die melkenden Götter bei den Indoger-
manen' (Zeitschrift für Völkerpsychologie XIX [1889] p. 66—77) und
I. Allgem. a. indogerm.: Ehni, M&hly, A. Lang n. a. 285
'Noch einmal der himmlische Licht- (oder Sonnen-)Baum, eine prähisto-
rische Weltanschauung' (ebd. XX p. 89 — 118), sowie die Schrift von
Schröter, 'Das Totenreich der Indogermanen'. 8. 47 S. (Wissenschaft-
liche Beilage zum Progr. des Kgl. Gymn. zu Wongrowitz 1888) sind nach
dem Ermessen des Ref. für das Gebiet der griechisch-römischen Mytho-
logie von keiner Bedeutung. Nicht zugänglich war dem Ref. die von
L. von Schröder recensirte (Deutsche Literaturzeitung 1889 p. 804 f.)
Arbeit von W. Caland, 'Ober Totenverehrung bei einigen der indoger-
manischen Völker'. Veröffentlicht durch die Kgl. Ak. d. W. zu Amster-
dam (Amsterdam, Joh. Mtiller. 1888. 4. 80 S.).
Aus der historisch-anthropologischen (folkloristiscben) Schule
sei zuerst ein Werk ihres bedeutendsten zeitgenössischen Vertreters be-
sprochen.
Andrew Lang, Myth, ritual, and religion. London, Longmans.
1887. 8. 2 Bde. 340 und 373 S.
Nach einer kurzen Übersicht über die alten und die neuen Mytho-
logenschnlen, wobei u. a. des Eusebius vernichtende Kritik der physika-
lischen Mythendeuter ins Licht gerflckt wird, entwickelt der Verf. seine
eigene Theorie. In jeder Mythologie ist zu scheiden zwischen ratio-
nalen und irrationalen Elementen. Erstere sind sofort verständlich,
sie zeigen die Götter als vortreffliche, weise Wesen, letztere, — der
eigentliche Gegenstand der mythologischen Forschung — umfassen nicht
blos das, was jener Vorstellung von den Göttern widerspricht, wie z. B.
Schandthaten der Götter, sondern überhaupt alles Sinnlose, Ungeheuer-
liche, Wunderbare, wie besonders das ganze Gebiet der Verwandlangen.
Eine wissenschaftliche Erklärung dieses Irrationalen ist nur auf histori-
schem Wege möglich, indem man die Entwickelung des menschlichen
Geistes von Stufe zu Stufe verfolgt und einen Zustand des Denkens
nachzuweisen sucht, wo alle die Vorstellungen, welche uns irrational er-
scheinen, für den Menschen natürlich und vernunftgemäfs, der unvermeid-
liche Ausflufs seiner geistigen Gesamtverfassung waren. Diesen Zustand
des Denkens beobachten wir bei den Wilden, er äufsert sich besonders
in unterschiedsloser Gleichsetzung aller Dinge der Aufsenwelt in Hinsicht
auf Beseelung und Verstand, im Glauben an Zauberei und an Geister, in
Neugier, Leichtgläubigkeit und geistiger Trägheit. In drei überaus be-
achtenswerten Kapiteln legt Verf. diese Eigentümlichkeiten der Wilden
an ihren Sitten und Gebräuchen (Gap. III — IV) und an denjenigen ihrer
Mythen dar, welche die Thatsachen der sichtbaren Welt erklären sollen
(Cap. V): Sonnen-, Mond-, Gewitter-, Tier-, Pflanzen-, Stein-Mythen. In
der zweiten Hälfte des ersten Bandes verfolgt Verf. einen bestimmten
mythischen Gegenstand, nämlich die Entstehung der Welt und des Men-
schen, durch die Mythologien der Naturvölker (Gap. VI), der Indo- Arier
(Cap. VU— VIII) und der Griechen (Gap. IX— X). Was die Griechen
236 Mythologie.
anlangt, so weist Verf. zunächst in mannigfachen Einrichtungen und Ge-
bräuchen, besonders im religiösen Ritual deutliche Spuren einer dem
Zustand des modernen Wilden analogen Vorzeit nach, und macht somit
indirekt die Annahme wahrscheinlich, dafs auch die griechische Mytho-
logie ^survivals' aus derselben niedrigen Culturstufe enthalten müsse.
Den direkten Beweis hierfür bringt er sodann durch Aufdeckung zahl-
reicher Parallelen zwischen den kosmo- und anthropologischen Mythen der
Griechen mit denen der verschiedensten Naturvölker.
Der zweite Band des Werkes hat mehr systematischen Charakter
Verf. skizzirt die Mythologien der niedrigsten Völker, z.B. Australier,
Buschmänner, Hottentotten (Cap. XII), der Amerikaner, bes. der Mexi-
kaner (Gap. XIII -XIV), der Ägypter (XV), der Inder (XVI) und der
Griechen (XVII); das letzte Capitel (XVIII) handelt vom Märchen (heroic
and romantic tales). In dem Abschnitt über die griechische Mythologie,
auf welchen wir hier etwas näher einzugehen haben, führt Verf. die her-
vorragendsten Gestalten des Olymp vor: Zeus, Apollon, Artemis, Diony-
sos, Athene, Aphrodite, Hermes, Demeter. Obwohl es ihm gelingt, durch
Vergleichung mit niedrigeren Religionen eine beträchtliche Anzahl von
'survivals' aus grauer Vorzeit festzustellen, liegt der Wert dieses Ab-
schnittes doch mehr in der meist glücklichen Kritik, welche Verfasser
an einer ganzen Reihe der traditionellen physikalischen Deutungen tibt,
und in guten allgemeinen Gesichtspunkten. *It is most perilous to gaess
at an origin of any god in natural phenomeua, and then to explain the
details of the god*s legend with exclusive reference to that fancied ele-
meutai origin' (p. 241 f). Nur bei Zeus, Demeter und Apollon giebt er
die übliche physikalische Deutung zu, betont aber auch für diese Gott-
heiten nachdrücklich die wesentlichen und mannigfachen Veränderungen,
welche ihre Gestalt im Lauf der Zeit erfahren hat, und verwirft durch-
aus das beliebte, unwissenschaftliche Bemühen, aus jedem Sagenzug eine
Anspielung auf das Naturobjekt, dessen Personifikation der Gott ur-
sprünglich gewesen sein mag, herauszulesen (vgl. p. 194. I, 336 f.)*
Nicht selten fordert Verf. zum Widerspruch heraus, in Einzelheiten
sowohl wie in einigen Fundamentalsätzen seiner Theorie, welche er in
Cap. XI, dem letzten des 1. Bandes, kurz zusammenfafst, und bisweilen hat
man den Eindruck, als ob Verf. sich in wesentlichen Punkten noch nicht
ganz zu genügender Klarheit durchgearbeitet habe: im ganzen jedoch
verrät das Werk so feinen Takt, so ernsten historischen Sinn und so
wenig Einseitigkeit, dafs man sich von ihm einen sehr wofalthätigen Ein-
flufs auf die mythologische Wissenschaft versprechen darf.
Ein neueres Werk von Andrew Lang, welches u. a. die Märchen
bei Homer behandeln soll, war dem Ref. bislang nicht zugänglich. Es
führt den Titel:
I. Ällgem. tu indogenn.: A. Lang, Staiu-Wake u. a. 237
£tQ<ies traditJonalistes (Collection internationale de la Tradition VI.)
Paris 1890.
Die ttbrigen hier zu besprechenden Leistungen von Seiten der
Folkloristen stehen an Bedeutung tief anter dem Werke von Andrew Lang.
G. Staniland Wake, Serpent-Worship and other essays with a
chapter on totemism. London, 6. Redway. 1888. 8. 299 S.
Erschien dem Verf. das Wort ^phallism' nicht sauber genug, um
es in den Titel aufzunehmen? Der Inhalt der ersten drei Abschnitte«
auf welche es uns hier ankommt — die ttbrigen gehören der allgemeinen
Kulturgeschichte an — hätte es so verlangt. Anknüpfend an ForIong*s
'rivers of life' versucht Verf. die dort angesetzten primitiveu Religions-
formen, nämlich Baum-, Schlangen-, Feuer-, Sonnen-, Ahnenkult, teils
direkt teils mittelbar auf den Respekt zurückzufahren , welchen der ge-
heimnisvolle und wichtige Vorgang der Zeugung den Menschen einge-
flOfst habe: das Zeugungsorgan und der Erzeuger sind die ältesten Ob-
jekte der Verehrung (^there is nothing more mysterious than the pheno-
mena of generation, and nothing more important than te final result of
the generative act' p. 10), welche sich dann auf das Zeugungskräftige
Oberhaupt ausdehnt. Während Cap. II den Spuren des ^phallism* in den
Religionen des Altertums und der Naturvölker nachgeht — phallische
Riten (Beschneidung), Mythen (Sttndenfall) , Symbole (Feigen- und Pal-
menbaum, Schlange, Stier, Sonne, Steinhaufen und Pfeiler) — behandelt
Cap. III Hhe origin of serpent-worship'.
Haltbare neue Gedanken werden kaum geboten, Verf. rührt sich
aus kritiklos hingenommenen neueren Systemen und seinem 'phallischen'
Prinzip einen Brei zurecht, der höchst ungeniefsbar ist. Von einer För-
derung der behandelten Fragen kann in keiner Weise die Rede sein.
Ungefähr dasselbe Gebiet behandeln zwei ebenfalls compilatorische
und den Anforderungen strenger Wissenschaft ebenso wenig genügende
Werke, von denen wir hier nur die sehr ausführlichen Titel mitteilen:
Robert Allen Campbell, Phallic Worship, an outline of the
worship of the generative organs, as being, or as representing, the
Divine Creator, with suggestions as to the influence of the phallic
idea on religions creeds, ceremonies, customs and symbolism — past
and present. lUustrated with 200 engrav. St. Louis (1887). 4. 204 S.
Ophiolatreia: an acconnt of the rites and mysteriös connected
with the origin, rise and development of Serpent Worship in various
parts of the world, enriched with interesting trac^tions, and a füll
description of the celebrated serpent mounds and temples, the whole
forming an exposition of one of the phases of phallic, or sex wor-
ship. Privately priuted. 1889. 8. 103 S*
288 Mythologie.
Einen anderen Gegenstand nntersucfat
Friedrich Franz, Mythologische Studien. II. Buch. Der Weihe-
frtihling und das Eönigsopfer (Progr. des Staatsgymn. im IV. Bezirke
Wiens 1888). 8. 66 S.
Der Verf. sieht im griechischen Mythus einen ^mehr oder minder
verhüllten Ausdruck' des Kultus, besonders der ältesten Formen dessel-
ben, und hält es fflr die Aufgabe der Mythologie, 'durch schlichte Er-
klärung der Sage ohne jede Unterlegung eines verborgenen Sinnes die
ältesten Einrichtungen der Völker ausfindig zu machen' (p. 6). In der
vorliegenden Arbeit stellt er Belege für den Weihefrühling und das Eö-
nigsopfer zusammen, erstens bei den Bewohnern des skandinavischen Nor-
dens und zweitens bei den Griechen (zu welchen ohne Umstände auch
Lyder, Skythen und Ägypter gerechnet werden). Um den Neid der Götter
(d. h. der abgeschiedenen Stammhäupter) zu versöhnen und die von ihnen
gesandte Unfruchtbarkeit oder Seuche abzuwenden, werden entweder die
während eines Jahres geborenen^ Kinder ihnen geweiht, d. h. aus der
Heimat verstofsen, oder ein Mitglied der Königsfamüie wird geopfert.
Als Belege f&r jenes Verfahren fQhrt der Verf. u. a. die Pelasger und
Tyrrhener auf, für dieses die Sagen von Lykurgos, Penthens, Kypselos
und Oidipus.
Das Buch ist eine Geschichtensammlung, aber keine wissenschaft-
liche Untersuchung. Der Verf. hat sich weder sonderlich bemüht, wirk-
lich brauchbares Material aufzubringen und zu ordnen, noch nimmt er
irgendwo einen Anlauf zu strenger Beweisführung (vgl. die Behandlung
des Hephaistosmythus p. 40f. !), sodafs von einer Förderung des interes-
santen Gegenstandes kaum die Rede sein kann.
Von der Polemik zwischen vergleichenden Mythologen und Folklo-
risten können wir hier nur einige Proben bringen.
Stein thal, Mythos, Sage, Märchen, Legende, Erzählung, Fabel
(Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft XVII [1887]
p. 113 ff).
verteidigt die vergleichenden Mythologen, besonders Kuhn, gegen Mann-
hardt u. a.; die Polemik gegen letzteren ist arm an begründeten sach-
lichen Einwänden, aber von abstofsend gehässigem Ton.
Ch. Ploix, Mythologie et Folklorisme (Revue de Thistoire des reli-
gions XIII [1886] p. 1—46)
vergleicht die comparative Mythologie und die Folklore hinsichtlich ihrer
Methode, ihrer Ziele und ihres Wertes; sodann macht er den Versuch,
durch eine Kritik zweier Untersuchungen Andrew Langes — über Kronos,
Amor und Psyche — die Unfähigkeit der Folkloristen für die Erklärung
eines Mythus darzulegen. Verf. selbst führt das Wort Kpovog auf die
I. Allgem. n. indogerm. : Franz, Reville, Vernes, de B. Mills u. a. 239
Wurzel kri, kar zurttck, 'qui slgDifie couper, s^parer'. — Ainsi K. est
celui qui coupe, celui qni söpare: il est la premi^re lueur du matin qni
söpare le ciel de la terre; on peut dire aussi quMl s6pare le jour de la
Duit'y d. fa. 'le cr^puscule'. Eine so sichere und befriedigende Erklä-
rung (!) wie diese es sei, erklärt Verf. von der Amor- Psychesage nicht
geben zu können: er beschränkt sich daher hier auf die Kritik Lang's.
A. Lang, Folklore et mythologie (ebd. p. 197 — 205)
giebt hierauf eine knapp gehaltene Antwort, in welcher folgende Bemer-
kung besonders treffend erscheint: Mes philologues ne s'accordent pas
entre eux une fois sur trente. Ils ne s*entendent mdme pas sur la langne
dans la quelle il faut chercher la racine d*nn oom tel qu*Art6mis.'
In dem ganzen Streit nimmt eine vermittelnde Stellung ein
Jean Reville, De la complexit6 des mythes et des legendes (ebd.
p. 169 — 196). An einem Beispiel aus der Heiligenlegende (Saiut-Denys)
weist er recht glttcklich nach, aus wie verschiedenen Elementen oft ein und
dieselbe Sage zusammen gesetzt ist, wie sehr daher ein Zusammenwirken
der verschiedenen bislang ausgebildeten Methoden, der vergleichenden,
der folkloristischen, der analogistischen u. s. w. am Platze sei.
Endlich — last not least — sei erwähnt:
Maurice Vernes, Les abus de la m^thode comparative dans
lliistoire des religions en g6n6ral et particuli^rement dans T^tude des
religions s^mitiques (Revue internationale de Fenseignement T. XI [1886]
p. 428—468). Diese *LeQon d'ouverture du cours d'histoire des religions
sömitiques faite ä la Sorbonne' können wir deshalb jedem Mythologen
aufs dringendste empfehlen, weil der Verf. mit strenger Objektivität, aber
mit rücksichtsloser Offenheit und Schärfe das Unheil aufdeckt, welches
die vergleichende Methode in der Religionsgeschichte angerichtet hat.
Es sind vier *abus', welche er nachweist: La recherche des origines —
le classement des religions — la m^thode comparative proprement dite
— les cl^s de l'histoire religieuse.
Von den Werken, welche aus dem Rahmen der einen wie der an-
deren Schule herausfallen, nimmt einen eklektischen Standpunkt ein
Charles de B. Mills, The Tree of Mythology, ite Growth and
fruitage: Genesis of the nursery tale, saws of folk-lore, etc. Syracuse,
C. W. Bardeen. 1889. 8. 288 S.
Das Bestreben, das Leblose zu personifiziren,* verbunden mit der
ebenfalls angeborenen Neigung zum Übertreiben und Überschätzen, und
der Drang sich die Erscheinungen der Aufsenwelt zu erklären: das be-
zeichnet Verf. (im 1. Kapitel) als die Quellen der Mythologie. In den
verschiedenartigsten Mustern, bald aus der indischen und der indiani-
240 Mythologie.
sehen, bald aus der germanischen und der klassischen Mythologie, werden
uns dann die 'myths of explanation', welche Erscheinungen der Natur
und des Menschenlebens erklären, vorgefahrt, ferner diejenigen Mythen,
deren Ursprung in irgend welchen bildlichen Vorstellungen und Aus-
drucken zu suchen ist, und drittens, mit zahlreichen Belegen auch ans
der Heiligensage und anderen Sagenkreisen des Mittelalters, die Heroen-
sagen, die ^faded nature myths' (II— IV). Der Verf. zeigt dann den
Niederschlag von Mythen und Sagen, den Märchen und Sprichwort Owhen
you dance, you must remember to pay the piper' — Rattenfänger von
Hameln — Odin! p. 110), Aberglaube und Volksbrauch darbieten (V — VII),
er behandelt das Bildliche, Didaktische, Ethische in der Mythologie und
die Symbolik (VIII — XI). Den Beschlufs macht eine Art religiöser Zu-
kunftsmusik (XII).
Im Übrigen ein anziehend und flott geschriebenes Buch, das zwar
den Anspruch einer wissenschaftlichen Leistung nicht erheben darf, aber
wohl geeignet ist, fttr den Gegenstand Verständnis und Interesse zu er-
wecken.
Ein völlig neues Erklärnngsprinzip der Mythologie bietet das Werk von
Ludwig Laistner, Das Rätsel der Sphinx. Grundzflge einer My-
thengeschichte. Berlin, Hertz 1889. 8. 2 Bände. 343 und 471 S.
Nach einer Kritik der physikalischen Mythendeutung entwickelt
der Verf. sein Programm für das vorliegende Werk. *£s ist längst be-
kannt, dafs die deutsche Volkssage die Gleichung aufstellt: Alb ist Alp,
d. h. das zahllose, vielnamige Heer der Elbe, der in der Luft, im Wasser,
im Haus und auf dem Felde, in Berg und Wald, Haide und Ackerland,
auf und unter der Erde hansenden Dämonen, wird unter der nämlichen
Bezeichnung znsammengefafst, von welcher das Alpdrücken seinen Namen
hat. Dafs in dieser Gleichung zugleich das Rätsel des Mythus beschlos-
sen sei, mufste verborgen bleiben, so lange man bei dem Versuch der
Auflösung falsche Werte einsetzte und sich mit dem Ergebnis begnügte,
das Volk schreibe den Gewitterwesen oder Windgeistern oder Baumgenien
unter anderen Wirkungen auch diese zu, den bekannten quälenden Traum
zu erregen, mit andern Worten, der Alp sei ein Alb. Die rechte Lösung
ist aber nur zu finden bei der Wortfolge: Alb ist Alp Bei der
unabsehbaren Menge des Stoffes kam es vor Allem darauf an, erstens
die Richtigkeit des neuen Prinzips darzulegen, zweitens seine Tragweite
ahnen zu lassen. Am Beispiel der altgriechischen Sphinxsage zeigt das
erste Kapitel, dafs Altertum und Neuzeit eine bestimmte Form der Alp-
sage kennen. Das zweite und dritte Kapitel behandeln Überlieferungen,
welche in nächstem Bezüge zur Sphinxsage stehen und die zwei Haopt-
seiten der Grundvorstellung entfalten als Sagen vom minnenden und vom
quälenden Alp. Das vierte endlich ist dem Nachweis gewidmet, dafs eine
Reihe deutscher und griechischer Gottheiten, teils niederen, teils hohen
I. Allgem. u. indogerm.: Laistner, Wendorff. 241
Ranges, dem Kern ihres Wesens nach nichts anderes seien als Alpe und
Mährten' (p. X.XVf.).
Die angeblichen Resultate dieses Buches für die griechische My-
thologie sind durchaus illusorisch. Dafs das Traumleben mit seinen wun-
derbaren Erscheinungen den Naturmenschen aufs lebhafteste beschäftigt
haben mufs, dafs der überlieferte Mythenschatz in weit höherem Grade,
als man bisher annahm, Niederschläge dieses Gebietes enthält: das wird
man dem Verf. gern zugestehen, und für diese Beobachtung ihm Dank
wissen. Aber auch nur mit ungefährer Wahrscheinlichkeit solche Sagen
auszuscheiden, ist dem Verf. wenigstens für die griechische Mythologie
nicht gelungen. Sphinx, Empusa, Thetis, Danaiden, Ixion, Polyphem,
Pan, Hermes, Persephone, Demeter, Eileithyien, Hera, Dione, Dionysos,
Aphrodite, Hephaistos, Artemis, Apollon und andere Gestalten der grie-
chischen Mythologie sollen im letzten Grunde nichts anderes sein als Alp-
geister, Lure und Lurinnen. Hat irgend ein Zug, eine Sage des Gottes
mit einem angeblichen Alpmythus einer anderen Mythologie gewisse
Ähnlichkeit, so genügt dies für den Verf. um den Gott als Lur zu pro-
klamiren: wir erinnern uns nicht, dafs von einem Vertreter der physi-
kalischen Mythendeutung jemals mit so bodenloser Willkür und Ober-
flächlichkeit gearbeitet worden wäre. Auch in etymologischer Hinsicht
giebt es für den Verf. kaum ein Rätsel: mit gröfster Freigebigkeit streut
er die halsbrecherischsten Etymologien aus.
Dafs der Schlüssel zur Mythologie ganz wo anders zu suchen ist
als im Traumleben, lernen wir von
Franz Wendorff, Erklärung aller Mythologie aus der Annahme
der Erringuug des Sprachvermögens (mit vorzüglicher Berücksichtigung
des griechischen und sanskritischen Idioms). Berlin, G. Nauck. 1889.
8. 199 S.
In dem System Max Mülier's spielt bekanntlich die mythenbildende
Kraft der Sprache eine gewisse Rolle. Fast wie ein Zerrbild dieses Ge-
dankens nimmt sich das vorliegende Buch aus. Die Götter ^repräsen-
tiren' nach der Ansicht des Verf. 'im Grunde nichts anderes als den
entstandenen Sprachlaut' (p. 104 f.), die Mythen spiegeln teils die (kör-
perlichen und psychischen) Vorgänge bei Erringung des Sprechvermögens
wieder, teils sind sie daher entstanden, dafs mehrere Begriffe in Erinne-
rung an ihre ursprüngliche Spracheinheit nebeneinander festgehalten wur-
den (p. 1 u. ö.). Besonders auf letzteres scheint es dem Verf. anzukom-
men, er behandelt Kap. I die ' ursprüngliche Spracheinheit der Lichtbe-
griffe', II die 'ursprüngliche Spracheinheit der Lichtbegriffe mit dem Be*
griff menschlicher Lautausstofsung und seinen Differenzirungen sowie
mit dem Begriff geistiger Erkenntnis', III die 'ursprüngliche Sprachein-
heit der bereits bekannten Begriffe mit den Begriffsnüancen des sich
vollziehenden Schöpfungsaktes' und so fort.
Jahresbericht für Alteitumswissenschaft. LXVI. Bd. 1^
242 Mythologie.
Eine präcise Wiedergabe der wanderlichen Theorie, zu deren Be-
gründung ein ungeheures linguistisches Material zusammengetragen ist,
übersteigt unsere Kräfte: wir begnügen uns damit einzelne, besonders
kennzeichnende Aufstellungen herauszugreifen, p. 112 Anm. 1: 'höchst
charakteristisch ist diese Verwandlungsffthigkeit mythischer Personen,
z. B. des Proteus, des Nereus, der Thetis, der Erinnyen u. s. w., denn
mythische Personen sind ja nichts anderes als die erstandenen Sprach-
laute, insofern sie zwar viele Begrifibrichtungen entwickeln, aber keine
derselben die Alleinherrschaft über sich gewinnen lassen, sodafs sie von
der lebendigen Sprache nicht gebraucht werden können. Sie sind des-
halb listig und fähig sich zu verwandeln und schwer zu bewältigen',
p. 132 Anm. 2: *es ist — der Flufsgott selbst der junge schöne Sprach-
laut', p. 162 Anm. 1: 'Ekkelados heifst auch der von Athene überwun-
dene Gigant — d. h. der bei der Aussprache des Wortes 'A^w^ anfangs
hervorgetretene Widerstand', p. 177 Anm. 2: Adrastos bei Pindar * her-
aufgesandt als ein Tnneo^ aus dem starken Eampfgeschrei' — 'eine recht
anschauliche mythische Schilderung der Erringung des Sprechvermögens',
p. 164 Anm. 1: 'die Vorstellung der mühseligen, ziellosen Wanderung
der Jo und ihrer endlichen glücklichen Erlösung (vergl. den Herakles
dvamwöiievof) dürfte uns gewifs verständlich sein bei unserer Theorie
der Spracherringung'. Auch in Kulthandlungen erkennt Verf. die sym-
bolische Darstellung der 'Spracherringung'. p. 189 Anm. 1: 'das Salben
(der IpfLoxeg) mit öl ist eine besonders treffliche Symbolik jenes Vor-
ganges, den wir nach unserer Theorie überall in der Mythologie geschil-
dert wähnen — . Geschmeidigkeit und leichtes Gleiten wird bekanntlich
durch das Salben mit öl hervorgerufen' u. s. w. Sogar das Opfer findet
so seine Erklärung, p. 186 Anm. 2: 'Die entstandene Sprache ist näm-
lich u. a. ein erfreuendes Geschenk, welches den thronenden lichten Göt-
tern dargebracht wird, sie ist aber bekanntlich auch etwas Vernichtetes
und Ertötetes, indem der bei der Aussprache anfangs hervorgetretene
Widerstand schliefslich gebrochen und vernichtet wird'.
Einer Kritik bedürfen diese Phantasien nicht. Im Hinblick auf den
ameisenartigen Fleifs des Verf. mag man bedauern, dafs es ihm an der
üblichen Routine gebricht: andernfalls hätte das Buch vielleicht ähnlichen
Erfolg erzielt, wie die solare, die nubilare und die animistische Theorie.
So wie es ist, wird es nur als abschreckendes Beispiel einseitiger und
willkürlicher Forschung von Wert sein.
Anhangsweise sei hier noch kurz auf zwei Schriften hingewiesen,
deren Inhalt das hier zu behandelnde Gebiet nur streift, zunächst auf
das Buch von
Ludwig Hopf, Tierorakel und Orakeltiere in alter und neuer Zeit.
Eine ethnoL-zoolog. Studie. Stuttgart, Kohlhammer. 1888. 8. 271 S.
Verf. giebt einen Überblick über die Geschichte der Tierorakel
and ein systematisches Verzeichnis der Orakeltiere, er versucht drittens
L Allgem« n. indogerm. : Wendorff o. a. II. Griech.-röm. : Lexikon. 243
eine psychologische Erklärung der Tierorakel, welche manches für den
Mythologen Beachtenswerte enthalt.
Anton Nagele, Der Schlangen-Kultus (Zeitschrift für Völkerpsy-
chologie XYII [1887] p. 264—289)
macht ziemlich aphoristische Mitteilungen und Vermutungen über den
Schlangenkult der verschiedensten Völker. Hinsichtlich der Griechen ver-
missen wir die Bemerkung, dafs es besonders chthonische Gottheiten sind,
mit denen die Schlange verbunden wird. Dafs ferner die Schlange nach
griechischer Vorstellung bisweilen an Stelle der Gottheit tritt (p. 272),
zeichnet sie vor anderen attributiven Tieren keineswegs aus und beweist
noch lange nicht ihre göttliche Verehrung.
n. Grieehiseh-römische Mythologie.
Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mytho-
logie im Verein mit Th. Birt, 0. Grnsius, W. Deecke, F. Dene-
ken, W. Drexler, R. Engelmann, A. Furtwängler, J. Ilberg,
0. Immisch, A. Klügmann (f), Max. Mayer, 0. Meltzer, Ed.
Meyer, R. Peter, A. Preuner, K. Purgold, A. Rapp, Th. Schrei-
ber, K. Seeliger, H. Steuding, H. W. Stell, L. v. Sybel, E. Thrä-
mer, P.Weizsäcker, L. Weniger, G. Wissowa, E. Wörner u.a.
herausgegeben von W. H. Röscher. Erster Band. Mit über 500 Abbil-
dungen und einer genealogischen Tafel. Leipzig, Teubner. 1884—1890.
8. 3024 Sp. (Erschienen in 17 Lieferungen; letzter Name: iHysirisc)
Vom zweiten Bande ist uns bis jetzt zugegangen: 18-20. Lieferung
(Sp. 1—320; »Jachet — ilrist) ebd. 1890—1891.
Dieses mit grofser Sorgfalt und erstaunlichem Geschick geleitete
Werk, welches in erster Linie 'eine möglichst objektive, knappe und
doch vollständige, stets auf die Quellen gegründete Darstellung der lit-
terarisch überlieferten Mythen unter gehöriger Benutzung der Monumente
der bildenden Kunst, sowie der betreffenden Kulte' bezweckt, darf als
ein unentbehrliches Hilfsmittel für jede mythologische Forschung
hingestellt werden. Die Besprechung der umfangreicheren, bezw. irgend-
wie bedeutsamen Artikel werden wir, der Anordnung unseres Berichtes
folgend, gehörigen Ortes bringen, doch müssen schon hier zwei Aus-
setzangen allgemeiner Art gemacht werden.
Die Deutung eines Mythus oder eines Gottes durfte unter keinen
Umständen der Darstellung zu Grunde gelegt werden. Das ist zwar nur
in solchen Fällen geschehen, wo sie der Verf. für sicher oder doch sehr
wahrscheinlich hielt, aber immer zum Schaden der weiteren Untersu-
chung. Denn auch im günstigsten Fall hat eine Deutung nicht diejenige
Sicherheit, welche sie zum Ausgangspunkte geeignet machte. Zweitens
16*
244 Mythologie.
hätten wir das archäologisclie Material, dessen Fülle ein ganz besonderer
Vorzug des Werkes ist, lieber nicht in scharfer Sonderung vom übrigen
gesehen (was bei den meisten gröfseren Artikeln der Fall ist) oder gar
von anderer Hand bearbeitet. Ein abgeschlossenes zusammenhängendes
Bild, wie man es hier verlangt, ist nur dann möglich, wenn in jedem
einzelnen Punkt gleichzeitig die bildliche und die litterarische Überliefe-
rung herangezogen und verwertet wird : wer nicht beide gleich gründlich
beherrscht, ist wenigstens für die vorliegende Aufgabe nicht geschickt.
Aber dies sind doch nur verschwindend kleine Mängel gegenüber dem
hohen Verdienst, welches der Herausgeber mit diesem mühevollen Unter-
nehmen sich um die mythologische Wissenschaft erworben hat.
Charles Ploix, La nature des dieux. £tudes de mythologie
gr^co-latine. Paris, F. Vieweg. 1888. 8. 469 S.
^Je crois donner, dans ce livre, l'explication definitive de Torigine
des dieux et du polythöisme chez les peuples gr6co-italiques, et, par
cons6quent, aussi chez toutes les nations qui parlent une langue aryenne,
puisque les Grecs et les Latins ont emprunt^ leurs langues et leurs id^es
aux Aryens.' Dies der verlockende Eingang des Vorworts, in dessen
weiterem Verlauf besonders die Beantwortung der folgenden Fragen in
Aussicht gestellt wird: 1) Quelle est la nature pr^cise du phönom^ne
(sc physique) personnifiö par chaque dieu? 2) domment Thomme a-t-il
pu attribuer k ces ph^nom^nes physiques toutes les facultas qui en ont
fait un dieu? In Cap. I (Les ant^cödents du polyth^isme) nimmt Verf.
den Fetischismus (*le culte des objets au milieu desquels nous vivons'),
in Schutz gegen den Vorwurf, dafs er eine Verirrung des Menschengeistes
sei; sodann folgt in z. t. glänzender und eigenartiger Darstellung die
hergebrachte psychologische Erklärung des Fetischismus und eine nach
den Eultobjekten geordnete Übersicht der angeblichen Spuren desselben,
besonders auf griechisch-römischem Gebiet (Steine, Gewässer, Bäume,
Tiere, Tote, Himmelsphänomene).
Cap. II (Les dieux et le polyth6isme) giebt, wiederum unter vor-
wiegend psychologischer Begründung, folgenden Entwicklungsweg vom
Fetischismus zum Polytheismus : mit der zunehmenden Naturerkenntnis
und dem stetig wachsenden Bewufstsein der eigenen Kraft verlieren für
den Menschen die Erdfetische allmählich ihre Bedeutung, während die
Himmelsfetische mit ihrer nicht blos vermeintlichen Macht über das ganze
Leben das Feld behaupten. Aber von den zwei Arten von Himmelsfeti-
schen, die Verf. scharf geschieden haben will, den Himmelskörpern, be-
sonders Sonne und Mond, einerseits und andrerseits den Lichterscheinun-
gen (ph6nom^nes mötöorologiques, apparences Celestes, d. i. der heitere,
der bewölkte, der finstere Himmel, Morgenröte, Dämmerung, der 'grand
jour' in seinen verschiedenen Erscheinungen und die beiden *petit8 jours'
[cr^puscules] mit ihren vielen Nuancen) sind es nicht die ersteren, woraus
ni j* ,a-Ä_ Ä." ■-■..." jii_ "^
II. 6riech.-r6iD.: Lexikon, Ploix. 245
sich die Götter bildeteD — denn weder faabeo letztere gleichen Namen
mit den Gestirnen noch finden wir bei Griechen und Römern die Astro-
latrie in entsprechendem Mafse ausgebildet, noch auch läfst sich die Un-
zahl von Göttern und Heroen aus einer Personifikation der wenigen in
Frage kommenden Gestirne erklären — sondern jene vielen und mannich-
faltigen apparences Celestes, fttr deren jede es einen besonderen Namen
gab, bei jedem Volk einen anderen, sind die Fetische, welche der Men»
schengeist allmählich zu Göttern ausgestaltet hat; so entsteht mit dem
Zusammentreten der einzelnen Völker zu gröfseren Massen der reiche
Olymp des griechischen und des römischen Altertums. Die einzelnen
Gottheiten erhalten mit der Zeit — häufig auf Grund falscher Deutung
ihrer nicht mehr verständlichen Namen — bestimmte Gebiete des mensch-
lichen Lebens zugeteilt, sie werden in die verschiedensten verwandtschaft-
lichen Beziehungen zu einander gesetzt, von welcher nur die 'filiation',
als Ausdruck 'de succession des ph^nom^nes personnifiös' bereits der
Fetischzeit angehört. Sie erhalten endlich auch das Prädikat der Un-
sterblichkeit: von dem Phänomen und dem Fetisch war der Ausdruck
'dBdvaroe* nur im Sinn von 'nicht gestorben' angewandt worden.
Cap. IlL Zeus-Jupiter (Diespiter) = Me grand jour, le jour serein,
le cieul bleu ou brillant', absorbirt allmählich die Bedeutung des Posei-
don (d. i. der bewölkte, weniger helle Himmel) und des Hades (d. i. der
finstere Himmel) und wird zur ^force toute puissante qui dirige les mouve-
ments ot les phönomönes du ciel'.
Cap. IV. Janus dagegen (Me p^re petit jour, le p^re cr^puscule')
ist — wie alle Gottheiten nach Ausscheidung von Zeus-PoseidonHades
— eine Personifikation der Dämmerung, deren zwiefaches Eintreten, das
morgendliche und das abendliche, in der biformen Gestalt des Gottes
veranschaulicht ist. Gegenstand des Kultes ist er indessen lediglich als
Gott der Tag und Wärme ankündigenden Morgendämmerung. In der
Folge wird er auch zum Gott des Monats- und Jahresanfangs, ja zum
Gott des Anfangs ttberhaupt (Erfindungen, Zeugung, Quellen u. s. w.).
Dem janitor coeli werden alle Thore und Thüren unterstellt (janua Me
petit jour').
Gap. y. Juno und Diana, weibliche Personifikationen der Dämme-
rung (vgl. Lucina = la petite lumi^re).
Noch ktthner wird die Phantasie des Verf. in den Kapiteln VI und
Vn. Wohl oder Qbel müssen wir ihm glauben, dafs Saturnus (Diminutiv
von adrupog) und Faunus (von der Wz. bha, ^clairer, wie favere, favilla)
gleich Janus männliche, ups und Bona Dea weibliche Personifikationen
des Dämmerlichtes sind. Verf. stützt sich dabei vornehmlich auf Über-
einstimmungen dieser Götter mit Janus, bezw. Juno, in gewissen ganz se-
cundären, für die angebliche Grundbedeutung also gar nichts beweisen-
den Zügen, auch wenn diese wirklich bei Janus und Juno feststände.
Ref glaubt hier in der Wiedergabe des Buches abbrechen zu müssen:
246 Mythologie.
die folgeDden, hauptsftchlich griechischen Gottheiten gewidmeten Kapitel
bringen — das neue Erklärnngsprinzip abgerechnet — kaum irgend etwas,
das wir nicht aus den gangbarsten mythologischen HandbQchem schon
wflfsten. Ob die Gottheit Hermes oder Athena, Hephaistos oder Aphro-
dite heirst — ursprflnglich ist sie eine 'divinit^ cröpuscnlaire'.
Dafs Verf. die ganze antike Götterwelt anf ein enges Gebiet von
Naturerscheinungen zurflckzuführen wagt und in den Schlagwörtern ^grand
jour' und 'petit jour' die Springwurz fOr all die tausend verschlossenen
Thttren gefänden zu haben glaubt, vor welchen andere bescheiden inne-
halten — das kann man ihm kaum verübeln: es ist ja die herrschende
Strömung, in der er fährt. Aber auch das unglflcklichste, einseitigste
System dieser Art kann, mit wissenschaftlichem Ernst und möglichst me-
thodisch durchgeführt, fördernd in den Gang der mythologischen Wissen-
schaft eingreifen. Von P.'s Arbeit gilt dies nicht. Die Überlieferung
ist flberall nur insoweit herangezogen, als sie der Hypothese des Verf.
günstig zu sein scheint, und zwar ist es nur der landläufigste Stoff, der
uns hier unter neuer Etikette vorgeführt wird. Wo man Quellenangaben
erwartet, steht häufig genug nur ein Verweis auf Preller oder auf ein
anderes Handbuch, beinahe zur Hälfte sind sie völlig unterlassen; von
Quellenkritik natürlich keine Spur. Für den Grad, in welchem sich Verf.
mit den Hythologen neuerer Zeit bekannt gemacht hat, ist höchst cha-
rakteristisch die folgende Bemerkung p. 37: 'Tous leurs ouvrages nous
pr^sentent notamment les dieux et les h^ros de la Gr^e comme des
personnifications du soleil, dans les diffi6rentes positions qu'il peut occa-
per sur la voüte Celeste'. Von seinen Gewitter- und Wasserkollegen
hat er offenbar keine Ahnung, der Eklektiker ganz zu geschweigen.
Der Verf. ist von einer ausgesuchten Höflichkeit, wenn er sich mit
anderen auseinandersetzt, dafür nimmt er im übrigen den Mund desto
voller. Nirgends ein Geständnis, dafs dies oder jenes nur auf Wahr-
scheinlichkeit Anspruch machen könne: nein, es ist alles ganz klar und
sicher. — Nicht die ^explication definitive de l'origine des dieux' hat
P. gegeben, wie er uns im Vorwort versprach, sondern die Zahl deije-
nigen Werke um eins vermehrt, welchen die mythologische Wissenschaft
ihren Übeln Ruf verdankt. Nur als Abschreckungsmittel vor ähnlichen
Versuchen kann Ref. die Lektüre des Buches empfehlen.
Das Buch von Tal bot, Mythologie grecque et latine d'apr^s les
travaux de la critique moderne. 8. 523 S. ist dem Ref. leider nicht
zugänglich gewesen.
Ernestus Maafs, Commentatio mythographa (Index scholarum
Gryphiswald. Sem. Hib. 1886—87) 4. 22 S.
giebt eine Reihe interessanter Beiträge zur griechischen und römischen
Mythographie. I. Die Version der Telephossage bei Alkidamas ist kei-
neswegs eine Erfindung des Rhetors, sondern die mysische und im perga-
II. Griecb.-rOm.: Ploix, Maafs, Keller. 247
menischen TelephosMes vertreteue Tradition. 11. sucht Verf. aas Herodot
I 107—130 die alte Form der Kyrossage zu gewinnen. Dieselbe enthielt
nichts von Harpagos, sie — aber nicht die Herodoteische Darstellung —
ist der Sophokleischen Alexandersage analog. III. Des Apulejus Erzählung
von Tlepolemos und Gharite ist in der Hauptsache aus einer Verbindung
von Euripides' Geschichte des Protesilaos und der Laodameia mit der He-
rodoteisdien von Atys und Adrast entstanden. IV. Die Sibylle Deiphobe,
Tochter des Glaucus, ist eine Erfindung Vergils, welcher für sie das Zeit-
alter der trojanischen Sibylle, die Heimat der cumanischen und den Na-
men der chalkidischen Seherin Deiphobe wählte. V. Was Vergil, und ihn
ergänzend, Ovid von der carthagischen Anna erzählen, geht auf Naevius
zurflck, der die latinische Göttin Anna zu poetischen Zwecken nach Gar-
thago versetzte, um sie dann wieder nach Latium zurückzuführen. VI.
Ovid liefs der Daphne Metam. 543 ff. ursprünglich von Tellus Hilfe kom-
men, setzte aber in einem zweiten Exemplar des Gedichtes den Peneios
an die Stelle: beides ist contaminirt im Laurentianus und im Amplo-
nianus.
Otto Keller, Tiere des klassischen Altertums in kulturgeschicht-
licher Beziehung. Mit 56 Abbildungen. Innsbruck, Wagnerische Uni-
versitätsbuchhandlung 1887. 8. 488 S.
Das vorliegende Buch wird von niemandem mit grOfserer Freude
begrttfst werden als von den Mythologen: für die Deutung einer Sage,
für die Bestimmung einer Gottheit nach ihrem Wesen, ihrer Herkunft
und Verbreitung ist ja eine der wichtigsten Voraussetzungen das Ver-
ständnis des attributiven oder in der Sage auftretenden Tieres, die
Kenntnis der Vorstellungen, die sich mit ihm verbanden, seiner Heimat
und Verbreitung. Das Buch will nur ein Anfang sein, etwa ein Drittel
der kulturgeschichtlich wichtigen Tiere wird vorgeführt. Von den beson-
ders * mythologischen' Tieren behandelt Verf.: Steinbock (Ghimaira),
Damhirsch, Edelhirsch, Bär, Panther, Wolf, Delphin, Adler, Specht,
Gans, Nachtigall. Den Anforderungen, die von mythologischer Seite an
ein derartiges Werk zu stellen waren, hat Verf. durchaus genügt: ein
Blick auf die zahlreichen Anmerkungen, welche dem Texte angehängt
sind, zeigt, welch riesiges und weit zerstreutes Material der Verf. be-
herrscht. Wir sind nicht überall seiner Ansicht: der Satz, dafs *die
religiöse Entwickelung der Griechen ihren Weg der Hauptsache nach
über Vorderasien nach Europa genommen hat' (p. 93), femer die ein-
seitig verkehrte Deutung der Artemis als Göttin des Mondes und der
Nacht (daher 'der Damhirsch mit seinem gefleckten Fell als einfachstes
Symbol des sternbesäten Himmels' p. 76), die zum mindesten zweifel-
hafte Erklärung des Herakles als phoinikischer Sonnengott (p. 220, 294)
nnd anderes der Art unterschreiben wir nicht. Aber der Verf. arbeitet
doch viel zu besonnen, als dafs der eigentliche Gegenstand seiner Untersu-
248 Mythologie.
chuDg unter diesen Hypothesen Schaden litte: mag man sie also ruhig
in den Kauf nehmen. Eine Inhaltsflbersicht am Anfang und ein Register
am Schlufs erleichtern die Benutzung. Auf die Fortsetzung der verdienst^
vollen Arbeit darf man um so eher gespannt sein, als einige mythologisch
besonders wichtigen Tiere, wie z. B. die Schlange, noch nicht behandelt
sind. Eine vorzügliche Illustration zu diesem Buch bietet:
Imhoof-Blumer und Otto Keller, Tier- und Pflanzenbilder
auf Münzen und Gemmen des klassischen Altertums. XXYI phototyp.
Taff. mit 1862 Abb. Leipzig, Teubner. 1889. 4. 168 S.
Für eine Reihe der von Keller in ersterem Werk nicht behandelten
Tiere giebt der Aufsatz von
Paul Schwarz, Mensch und Tier im Aberglauben der Griechen
und Römer. Progr. Gelle 1888. 4. 60 S.
brauchbares Material, so besonders für Eule, Rabe, Hahn, Biene, Hase,
Schlange, Wolf und Hund. Der Verf. hat übrigens lediglich den Ge-
sichtspunkt der Vorbedeutung im Auge und fördert hierfür manches in-
teressante Ergebnis zu Tage, wenn er auch nicht überall den Gegenstand
erschöpft hat. Dafs die Schwalbe nur unglückverheifsend sein soll, er-
scheint im Hinblick auf ihre Bedeutung als Frühlingsbotin — man denke
an das anakreontische Gedicht und an das bekannte Vasenbiid — nicht
richtig. Neu ist dem Ref. was Verf. über die Eule mitteilt: dieselbe
war bald glück- bald unglückverheifsend; letzteres durchaus bei den Rö-
mern und den übrigen Indogermanen, ersteres in Athen. Ob sie hier der
Verbindung mit Athena diesen Vorzug verdankt? Bei Menander hat sie
noch schlimme Vorbedeutung, und fast durchweg ist es in Beziehung auf
Sieg, wenn sie glückverheifsend auftritt. — Was den 'Angang von Men-
schen' betrifft, so setzt der Verf. hoffentlich seine Stoffsammlung fort:
das hier Gegebene ist nur ein schwacher Anfang.
Die religiöse Bedeutung des Hahnes unterzieht einer besonderen
Betrachtung:
Ernestus Baethgen, Deviac significatione galli in religionibus
et artibus Graecorum et Romanorum. Diss. Gotting. 1887. 8. 41 S.
Ausgehend von einem im Göttinger archäologischen Museum auf-
bewahrten Thonrelief, das eine weibliche Figur mit Hahn und Kalathos
zeigt, bespricht Verf. kurz die ältesten Spuren des 'Spytg IlepmxoQ' in
Griechenland und weist ihn dann in Verbindung mit den einzelnen grie-
chisch-römischen Gottheiten nach, u. a. mit Proserpina, auf welche er
(unter Heranziehung dreier Reliefs des British Museum, die wie das Göt-
tinger grofsgriechischer Herkunft sind) jene weibliche Figur bezieht. Ein-
gelegte Exkurse behandeln die averruncirende Kraft des Hahnes seine
Beziehung zum Totenkult, seine Bedeutung als Symbol des Kampfes und
II. 6riech.-rOiD.: Keller, P. Schwarz, B&thgen, Loreoiz. 249
der Geschlechtsliebe. Eine derartige sachliche Anordnung hätte sich für
die ganze, im übrigen recht brauchbare Arbeit empfohlen.
B. Lorentz, Die Taabe im Altertum (Wissensch. Beilage zum
Oster-Programm des Kgl. Gymnasiums zu Würzen und Gratulations-
schrift zum 300 jährigen Jubiläum des Gymn. zu Zittau. 1886) 4. 43 S.
Für die religiöse Bedeutung der Taube bietet der Verf. kaum etwas
Neues, wie er sich denn auch meistens mit Verweisen auf die mytholo-
gischen Handbücher begnügt. Hinsichtlich des Aphroditekultus durften
die kyprischen Denkmäler mehr herangezogen werden. Die dem Zeus
Ambrosia bringenden neXetdSee erklärt Verf. mit Röscher als nXijüide^
'die Regnenden', die dodonäischen führt er auf neXetot^ neXetae * Greise
Greisinnen' zurück.
m. Oriechisclie Mythologie.
1. Allgemeines und Methodologisches.
L. Preller, Griechische Mythologie. Vierte Auflage von Carl
Robert. Erster Band. Erste Hälfte. Berlin, Weidmann. 1887. 8. 428 S.
Man konnte zweifelhaft sein, ob die neue Bearbeitung eines Werkes
zweckmäfsig war, dessen Grundtendenz, die ZurflckfÜhrung der einzelnen
Gottheiten auf bestimmte Naturobjekte, so sehr anfechtbar ist, dessen
Methode nicht selten hinter den Anforderungen strenger Wissenschaft
weit zurückbleibt, eines Werkes also, das nur mit grofser Vorsicht wis-
senschaftlichen Studien zu Grunde gelegt werden konnte. Auf der an-
deren Seite standen sowohl die unleugbaren Vorzüge des Werkes, seine
Handlichkeit, seine klare und z. t klassisch schöne Darstellung, wie das
entschiedene Bedürfnis, den seit 1872 neu hinzugekommenen Stoff im
Zusammenhang weiteren Kreisen zugänglich zu machen. Nachdem die
letztere Rücksicht zu Gunsten einer neuen Auflage entschieden hatte,
konnte mit dieser Arbeit allerdings keine geeignetere Hand betraut wer-
den als die des jetzigen Heransgebers. Den beiden Aufgaben, die an
ihn herantraten, erstens die Quellenangaben zu vervollständigen, bezw.
zu berichtigen, und bedeutsame, in den früheren Auflagen vermifste Mo-
mente zu ergänzen, zweitens aber — was ungleich schwieriger war —
den Resultaten neuerer Forschungen entsprechend zu ändern und zu
streichen, ohne doch den Charakter des Buches im Wesentlichen zu ver-
letzen, ist R. in höchst dankenswerter Weise gerecht geworden. Aus-
drücklich verdient hierbei hervorgehoben zu werden, dafs R. in seinen
Zusätzen und Änderungen alles Unsichere und Hypothetische in erfreu-
lichem Maafse ferngehalten und von eigener wie von fremder Forschung
250 Griechische Mythologie.
nur das Gesichertste gebracht hat Dafs einzelne Anmerkangen, wie z. 6.
198 ff. (Erichthonios and Kekropstöchter) ttberreich bedacht und za wah-
ren Fundgruben mythologischen Stoffes geworden sind, bringt zwar ein
Mifsverfaftltnis in das Buch, wird aber aus praktischen Rücksichten eben-
falls dankbar begrttfst werden.
Unter den Ergänzungen erwähne ich besonders : p. 10 ff. wo die eigen-
tttmliche und für die Entwickelung der griechischen Mythologie bedeutungs-
volle Stellung der kleinasiatischen Griechen mit Recht hervorgehoben wird
und die bei der Ausbildung der Nationalreligion wirksamen Momente scharf
prftcisirt werden, 13 f. Heimat und Ausbreitung des Heldenliedes, 18 Bedeu-
tung der Alexandriner, 19 mythologische Handbücher der Alten und ihre
Ausflüsse, 92 Anm. 3 Herkunft des Prometheus, besonders die Version bei
Euphorien, 94 Anm. 4 Hygins Bericht von Prometheus' Opferbetrug, 96 f.
der Opferbetrug ein junger aetiologischer Mythus, die Pandorasage alter-
tümlicher und ursprünglich unabhängig vom Prometheusmythus, 98 die
Fafsöffnung ein ursprünglich ebenfalls selbständiges paraenetisches Mär-
chen, 120 f. und 191 Anm. 8 bildliche Darstellungen der Aegis und ihr
Vorkommen bei Athena, 121 f. und Anm. 3 Herkunft des attischen wie
des elisch arkadischen Zeus Olympios aus Thessalien, 180 Anm. 4 Zeus
Meilichios in Athen, 137 Anm. 3 Übertragung der kretischen Zeussage
nach dem Festlande, 151 Anm. 8 Zeus Soter und Eleutherios, 162 Be-
deutungslosigkeit des Herakultus in Athen, 197 Anm. 1 ^Parthenon',
198 ff. Erichthonios u. s. w., 203 Anm. 7 historische Entwickelung der
Sage vom Kampf zwischen Athena und Poseidon, 205 Anm. 1-2 Athena
Skiras, 230 Anm. 3 Apollon als Sonnengott dem Kultus und der volks-
tümlichen Poesie fremd, 239 Anm. 1 die verschiedenen Versionen des
Apollon Python-Kampfes, 240 Anm. 1 der Pythondrache Orts- und Orakel-
hüter, 248 ff. reiche Erweiterung der die Apollonkulte und Mythen be-
treffenden Quellen und der bezüglichen Litteratur, 282 Anm. 1 Sibyllen,
304 Kallisto, 313 Anm. 1 Artemis Tauropolos, 346 ff. Aphroditekulte (348
Anm. 5 die attischen, unter denen der Urania die Priorität zukommt),
889 Hermeskult im Peloponnes und in Boiotien.
Änderungen und Streichungen hat der Herausgeber vorzugsweise
da vorgenommen, wo haltlose Deutungen vorgetragen waren. So sind
gestrichen 160 die Deutung des Namens ^Hera' auf den Glanz des
Himmels, 190 die physische Bedeutung der Metis, 835 f. die Beziehung
des Ares auf Sturm und Gewitter, 356 die Deutung der bewaffneten
Aphrodite als Göttin des Gewitters und Blitzes, 385 die des Hermes als
einer Macht der Licht- und Luftveränderung und der daran angeschlos-
sene Vergleich mit angeblich verwandten Gottheiten, 414 der natursym-
bolische Sinn des Beutels bei Hermes. Aus anderen Gründen, aber mit
demselben richtigen Takt sind weggelassen 115 die Aufzählung der ve]>
schiedenen Gruppen im olympischen GOtterverein und 116 ff. die Er-
klärung der mythologischen Beziehungen des Zeus zu bestimmten anderen
1. AUgemeioea a. Methodologisches: Preller-Robert. 251
Gottheiten aus seiner Natnrbedeutung als höchster Himmelsgott. Von
Andernngen ftthre ich als besonders verdienstlich folgende an. 17
finden wir die Bedeutung des Euripides fOr die Folgezeit stärker betont,
52 ff. die äufseren und inneren Gründe fttr nicht griechischen Ursprung
des Kronosdienstes entwickelt. Eine eingreifende Umgestaltung hat der
Abschnitt ' Gigantomachie' erfahren 66 ff. Unter besonderer Verwertung
der bildlichen Quellen entwirft R. ein anschauliches und in allem We-
sentlichen gesichertes Bild von der Entwickelungsgeschichte des Mythus.
Der Abschnitt darf in seiner jetzigen Gestalt als ein Muster mythologisch-
religionsgeschichtlicher Darstellung gelten. 283 ff. ist die Deutung der
Leto auf die Nacht, aus der das Licht geboren wird, aus dem Text ver-
bannt, dagegen wird ihre hervorragende Stellung in Boiotien betont und
andrerseits das junge Alter des Geburtsmythus wahrscheinlich gemacht.
247 ff. bleibt die Frage nach der (von P. in Kleinasien angesetzten) Hei-
mat der apollinischen Religion offen, die ursprüngliche Gestalt derselben
findet R. am reinsten im Peloponnes bewahrt, dessen Kulte daher an die
Spitze gestellt sind. 296 ist die Deutung des Namens Artemis aus dem
Text in die Anmerkungen verwiesen, aber mit Vervollstftndigung des Ma-
terials; R. neigt unter Verweis auf die im A. Kult hftufigen blutigen Opfer-
gebräuche und auf ihre Funktion als Todesgöttin zur Zusammenstellung
mit dpTOLfuoQ^ dprafieev^ also die 'Schlächterin*. Im übrigen zeichnet
sich der Abschnitt ttber Artemis darin vor der früheren Auflage aus,
dafs A. Diktynna, Britomartis, Tauropolos im Zusammenhang mit den
übrigen griechischen Formen behandelt und nur Hekate Bendis und die
kleinasiatischen Formen abgesondert sind; die enge Verwandtschaft zwi-
schen Hekate und Artemis wird nachdrücklich hervorgehoben, hinsichtlich
der bildlichen Darstellung für Artemis die Priorität des geflügelten und
tierhaltenden Typus, für Hekate die des eingestaltigen bemerkt 840
rückt R. billigermafsen den mehrfachen Kultzusammenhang zwischen Ares
und Aphrodite in den Vordergrund.
Dieser Fülle von Verbesserungen gegenüber hat Ref. nur wenige
Stellen anzuführen, wo mögliche und erwünschte Eingriffe unterlassen
sind. Zu streichen oder zu belegen war 224 Athena als Erfinderin der
kriegerischen Trompete, 126 Kylieneberg als uralte Stätte des Zeuskultes,
168 Hera als Stamm göttin. Berichtigende Einschränkungen waren nötig:
107 wo Todesgedanken und -Gebräuche lediglich den sogenannten chtho-
nischen Gottheiten vindizirt werden, 290 bei der keineswegs einwands-
freien Gleichung ^Pfeile des ApoUon = Sonnenstrahlen' (besonders im
Hinblick auf R.'s zutreffende Bemerkung 280 Anm. 8), 106 Dreiteilung
der Natur die leitende Anschauung bei den Alten, wogegen auch H. D.
Müller Mythologie der griech. Stämme II 53 ff. citirt werden durfte,
160 Hera Gemahlin des Zeus nach altgriechischer Vorstellung, was so
allgemein ausgesprochen schon der weiterhin ausgeführten Begrenzung
ihres Kultus in ältester Zeit widerspricht. Überhaupt hätte das Kapitel
252 Griechische Mythologie.
(Hera' etwas kräftigere ÄnderuDgen verdient. Bei Zeus vermifst Ref.
eine stärkere Betonung des unvereinbaren Gegensatzes zwischen kreü*
schem und hellenischem Kult: der aus der früheren Auflage beibehaltene
unglückliche Versuch, die Einheit bis zu einem gewissen Grade herzu-
stellen (135 das Sterben dos kretischen Z. 'ein starker Ausdruck der
Affektionen des Himmelsgottes') durfte wegfallen.
Es ist zu hoffen, dafs die Fortsetzung der Ausgabe nicht zu lange auf
sich warten läfst. Eine zusammenfassende Behandlung der Heroen giebt
F. Deneken, Heros (Ausführliches Lexikon der griechischen und
römischen Mythologie herausg. von W. H. Röscher. Sp. 2441—2590).
An der Hand eines reichen Materiales und mit offenem Auge für
die vielen Probleme dieses schwierigen Gebietes behandelt Verf. Etymo-
logie und Gebrauch des Wortes ^pwc, die Entstehungsgeschichte des
Heroenglaubens, Wesen und Wirken der Heroen, den Heroenkultus, die
Heroisirung verstorbener Menschen und endlich die Heroendarstellungen
der Kunst.
Hinsichtlich der Bedeutung des Wortes ^pwc zeigt Verf., dafs die
Ilias dasselbe nur von Kriegern gebraucht, während es in der Odyssee
meistens als ein allgemeiner Ehrentitel angewandt wird und in der Folge-
zeit immer mehr die Bedeutung 'halbgöttliches Kultwesen' erhält ~
eine Wandlung, der auch Wörter wie dva$j deoTtotva und vu/i^t^ unterlie-
gen. Nachdem er dann die beiden Wege, auf welchen sich die Heroen-
gestalten entwickelt haben, beleuchtet hat — der eine, bereits durch die
Entwickelung der Wortbedeutung bezeichnete, hat den Menschen, der
andere den Gott zum Ausgangspunkt — gewinnt Verf. durch eine Prü-
fung der homerischen Vorstellungen das Ergebnis, dafs den Joniem der
Heroenkult ebenso fremd war, wie chthonischer Götterkult und Totenver-
ehrung, die beide mit ihm aufs engste zusammengehören; zugleich aber
ergiebt sich dabei ein Anhalt für die weiterhin ausführlich begründete
Annahme, dafs es aiolische und von diesen beeinflufste dorische Völker-
schaften waren, bei denen — vermutlich im 9. oder 8. Jahrhundert —
aus einem Zusammentreffen gesunkenen Götterkultes mit gesteigertem
Totenkult der Heroenkult entstand. Wir erhalten sodann (Kap. H) eine
eingehende Darstellung des Wesens und Wirkens der Heroen. Richtig
erkennt Verf. ihre dauernde und eingreifende Bedeutung in der gött-
lichen Seite ihres Wesens und stellt im Hinblick auf die sehr verein-
zelten und dazu zweifelhaften Fälle, wo Heroen als Vermittler zwischen
Gott und Mensch angerufen werden, selbständige Wirksamkeit als die
durchgängige Regel fest. Wie die chthonischen Gottheiten und die Toten
sind sie bald als böswillige Mächte der Erdtiefe gedacht, bald als gute
freundliche Geister, hilfreich im Krieg und bei allen Plagen, besonders
in Krankheitsfällen ; gleich den chthonischen Gottheiten finden wir sie in
engster Verbindung mit der Schlange, in der sie nicht selten verkörpert
1. Allgemeines n. Methodologisches: Preller-Robert, Deneken. 253
gedacht sind. Yorzugsweise ist ihre Wirksamkeit eine defensive, d. h.
jede feindliche Gewalt abwehrend {dXxv^). Besonderen Dank hat sich
Verfasser in diesem Abschnitt noch verdient durch seine AusfQbrungen
über Gentil- nnd Bernfsheroen, über die körperliche Erscheinung der
Heroen in Menschen- und Tiergestalt und Ober die angeblichen greifbaren
Erinnerungen ans der Heroenzeit. Der Abschnitt ttber den Heroen kul-
tns (Kap. IV), den wir in diesem Zusammenhang nur kurz berühren kön-
nen, bietet für weitere Forschungen eine reiche Sammlung von Material
dar. Derselbe behandelt Stiftung von Heroenkulten, Lage und Einrieb«
tang von Heroenheiligtümern , Heroenaltftre und Opfergruben, Kultge-
bränche (Opfer, Spenden, Lectisternien, Weihgeschenke) und endlich He*
roenfeste. Am meisten Interesse beansprucht das V. Kapitel: Heroisirung
yerstorbener Menschen. Wichtig ist zunächst das Ergebnis, dafs die
öffentliche Heroisirung zuerst — und zwar schon im T.Jahrhundert
— in nordgriechischen Kttstenlandschaften und etwa gleichzeitig in Sizi-
lien auftrat, während im eigentlichen Hellas bis zum Ende des 5. Jahr-
hunderts nur vereinzelte Fälle von Heroisirung nachweisbar sind: die
Boioter mit ihrer Verehrung der Gefallenen bei Plataiai bilden die allei-
nige Ausnahme. Erst seit dem 4. Jahrhundert werden in Hellas die Fälle
hfiufiger. Einen halb öffentlichen Charakter haben die durch — z. t.
eigens zum Zweck der Heroisirung gegründete (vgl. das Testament der
Epikteta) — religiöse Genossenschaften dekretirten Heroisirun-
gen. Besonders ausführlich behandelt Verf. die heroische Verehrung des
Sophokles and macht wahrscheinlich, dafs dieselbe gleich nach seinem
Tode und dnrch den von dem Dichter selbst gestifteten ^taaog der Mu-
senverehrer begründet ist. Der Abschnitt schliefst mit einer Zusammen-
stellung der Heroisirungen nach Alexander. Was die öffentlichen Heroi-
sirungen dieser Zeit betrifft, so wird nunmehr häufig der betreffende Ver-
storbene auch aufserhalb des Bestattungsortes verehrt, und die Heroisi-
rung erhält somit, entsprechend dem Wesen dieser ganzen Geschichts-
epoche, eine universellere Bedeutung — analog der Apotheose. In Privat-
kreisen greift die Sitte, einen Verstorbenen mit dem Ehrenbeinamen
* Heros' zu bezeichnen (ohne dafs damit stets ein höherer Kult verbun-
den wäre) so sehr um sich, dafs selbst Freigelassene und Sklaven diesen
Ehrentitel erhalten. Was die Heroendarstellungen in der Kunst be-
trifft, so beschränkt sich Verfasser hier auf die Behandlung der Votiv-
reliefs, die heroisirten Toten gestiftet sind, und bespricht die Typen des
Reiterheros y des thronenden und des gelagerten Heros (auf den sog.
Totenmahlreliefs). Zur Gharakterisirung des heroischen Wesens dieser
Verstorbenen dienen teils Zeichen des ritterlischen Standes, Pferd und
Bewafbung, teils Attribute, welche auf ihre Bedeutung als Kultwesen
Bezug haben, wie Schlange, Kantharos und Rhyton. Wie diese Attribute
ans dem Oötterkult entlehnt sind, so werden auch überhaupt gewisse
Heroifiirte im Habitus bestimmter Götter dargestellt, und Verf. siebt es
254 Griechische Mythologie.
mit Recht Dicht als Zufall an, dafs hierfflr gerade die Typen chthonischer
Götter (Hermes, Dionysos, Asklepios, Hades, Sarapis) gew&hlt worden
sind, unter den beigegebenen Abbildungen sind hier zum ersten Mal
publizirt das Berliner Reiterrelief aus Camae, ein ebensolches aus Ta-
nagra, das schöne Reiterrelief des Museo Torlonia und das Relief eines
thronenden Heros aus Patras.
Zur Kritik fordert hauptsächlich die vom Verf. gezeichnete Ent-
stehungsgeschichte des Heroenglaubens heraus. Verf. überschätzt die
Zahl deijenigen Fälle, wo ein Sagenheros zum Kultwesen wird: eine
Untersuchung der einzelnen, in Frage kommenden Gestalten dürfte sehr
häufig den Götterkultus als das Primäre ergeben. Ein solcher brauchte
nicht zu sinken, sondern nur abseits von den Gentren zu liegen, damit
der Gott vom Fernerstehenden zum Heros degradirt werden konnte: für
seine Gläubigen blieb er natürlich Gott. Als vollends das olympische
System zu einiger Geltung gelangt war, da fehlte es für die zahlreichen
unbekannteren Göttergestalten, von denen z. B. der Peloponnes wimmelte,
im Olymp an Platz: sie mufsten also wohl Heroen sein. Auch das war
ein Weg vom Gott zum Heros.
J. Overbeck, Griechische Kunstmythologie. Besonderer Teil Drit-
ter Band. Fünftes Buch: ApoUon. Leipzig 1887—1889. 8. 624 S. mit
7 Tafeln und 25 Figuren im Text. Dazu: Atlas, 6. Liefg. (Taf. 19
—26.) 1887. Gr. fol.
Die erste Abteilung giebt eine historische Übersicht über die
künstlerische Entwickelung der Gestalt des Apolion (p. 1 — 103). Aus dem
ersten Kapitel, welches die altertümliche Kunst betrifft, heben wir als
besonders bemerkenswert folgendes hervor. Hinsichtlich des auch auf
Athena und Aphrodite bezogenen bewaffneten Idoles lakedaimonischer
Münzen neigt 0. zur Deutung auf Apolion, ohne die Schwierigkeit, wel-
che der Hahn und die Weise des Aegistragens macht, zu verkennen. —
Die von Furtwängler versuchte Ableitung der bekannten nackten ^Apol-
lonbilder' von Dipoinos und Skyllis, den kretischen Daidaliden, wird unter
Hinweis auf die weite Verbreitung des Typus bestritten. Für völlig ge-
sichert hält 0. die Deutung auf Apolion nur bei dreien solcher Monu-
mente: bei dem Kopf aus Perdikovrysi, welcher die auf Brust und Schultern
herabfallenden liockenstrippen aufweist, bei dem überlebensgrofsen mega-
rischen Torso im Kentrikon Museion und bei der hocharchaischen Statue
eines pompejanischen Wandbildes (zum ersten Mal publizirt p. 16 Fig. 2).
Von einer späteren, nur ungefähr durch Kanachos, bezw. Tekteios und
Angelion, zu bezeichnenden Gruppe tragen der ^Apolion von Piombino'
und der 'A. Strangford' ihren Namen mit zweifelhaftem Recht, ersterer
wegen einer in der älteren Kunst analogielosen Jugendlichkeit, und letz-
terer wegen jeglichen Mangels an typisch Göttlichem. Sicher dagegen
ist die Benennung Apolion bei der dem Kanachos nahe stehenden Statue
1. Allgemeines cu Methodologisches: Deneken, Overbeck. 255
aus Naxos. Was nan die s. f. Yasenbilder betrifft, so ergiebt die Za-
sammenstelloDg derselben p. 38 ff., dafs der bärtige Apollon in 13 Fällen
vorliegt, und dafs die Haartracht mit den auf Schultern und Brust her-
abfallenden Locken keineswegs die ausschliefslicbe ist. Die Darstellun-
gen des A. als stehenden oder schreitenden Kitharspielers, welche unter
den s. f. Vasenbildern bei weitem Überwiegen, zeigen in der Hauptsache
dieselbe Bekleidung: einen bis auf die FOfse reichenden Chiton mit Ober-
gewand darflber; nur in einigen Fällen ist sie beschränkt auf das Ober-
gewand. Von Attributen am häufigsten Reh oder Hinde. Dagegen ist
in den Darstellungen des Dreifufsraubes der lange Chiton die Ausnahme
(nur ein Fall nachweisbar) und die Bekleidung im ttbrigen schwankend.
Das gilt auch von den strengeren r. f. Vasenbildern, wo allerdings beim
Kitharspieler A. ein um die Arme gelegtes Tuch (^ Chlamydien*) und die
Schale unter der Kithara neu hinzukommen. — Von älteren Mfinztypen
erfahren besondere Besprechung die als A. Hyakinthios gedeutete knieende
Gestalt und der Typus von Kanlonia, wobei 0. für die auf dem Arm des
Gottes schreitende kleine Figur der doch recht vagen Deutung auf einen
Muftreinigenden Winddämon' beipflichtet.
Das zweite Kapitel behandelt die A. Darstellungen namhafter Eflnst-
1er. Verf. widerlegt hier u. a. die Annahme, als ob uns auf einigen Mün-
zen der Kaiserzeit eine Kopie des A. Palatinus von Skopas erhalten sei,
und versucht den Nachweis, dafs die fraglichen Mttnzbilder, soweit sie
nicht den als Kitharöden kostttmirten Nero darstellen, das auch auf akar-
nanischen MQnzen auftretende Kultbild des aktischen A. wiedergeben,
den Augustus im Original oder in einer Kopie nach Rom weihte. Da-
gegen werden auf den A. Smintheus desselben Meisters die Münzen von
Alexandria Troas zurückgeführt — Hef. vermifst hier die Erklärung der
zwischen den einzelnen Münzbildern obwaltenden Differenzen — und für
des Praxiteles Gruppe (Leto mit Artemis und Apollon) zu Megara die im
Numism. Comment. on Pausan. pl. A 10 publizirte Erzmünze herangezogen.
Zweite Abteilung: Die erhaltenen Monumente (p. 104 — 367). Die
archaischen und archaistischen Köpfe scheidet 0. in vier Gruppen, für
deren erste (Omphalos-A. und Verwandtes) die von Schreiber als altatti-
scher Krobylos angesehene Haartracht, die länglich geschlitzten Augen
und das lange Oval des Gesichtes besonders charakteristisch sind, für
die zweite ('Bonus Eventns' in Kassel u. Verw.) die reiche und künstlich
geordnete Haartracht und ein entschiedener Ernst der Züge, für die
dritte (die von Kekul6 auf Pasiteles zurückgeführten archaisirenden Bild-
werke) der Kopireif, für die vierte die weichen runden Formen und
der milde Gesichtsansdruck. Dazu kommen vereinzelte Typen, wie der
archaische, aber nicht auf Kanachos zurückzuführende Londoner Kopf
(Fried.- Wolters, Bausteine No. 228). Für die Blütezeit der Kunst unter-
scheidet Verf. folgende Gruppen von Kopftypen: die mit der 'Onkos-
flechte' und der dadurch bedingten dreieckigen Stirnform — die (statua-
256 Griechische Mythologie.
risch selteneo, auf Mttnzen seit dem 4. Jahrh. ?. Chr. fast allgemeinen)
bekr&Dzten Köpfe, denen aafserdem eine sehr einfache Haartracht eignet
— die scbmacklosen (A. Egremont an der Spitze) — die mit der Haar-
schleife (Korymbos), welche auf Münzen nie vorkommt und statuarisch
nicht älter ist als die hellenistische Zeit (Apollino, A. vom Belvedere
und A. Ponrtalds) — die mit aufgebundenem Vorderhaar — die des um
Hyakinthos trauernden A. — und endlich vereinzelte Typen.
Die Gruppirung der archaischen und archaistischen Statuen deckt
sich ungefähr mit der für die Köpfe gegebenen. Wie die Köpfe der
zweiten Gruppe (s. o.) im Gegensatz zu denjenigen der ersten den Gott
zum Ausdruck bringen, so weisen die Körper durch imposante Mäch-
tigkeit auf den göttlichen Charakter. Die eigentümliche Armhaltung
des der dritten Gruppe angehörigen A. im Palazzo Pitti weist 0. auch
für eine bisher nicht veröffentlichte (Fig. 10) Neapeler Bronzestatuette
nach. Die Blundeirsche Statue wird im Anschlufs an Michaelis einer
archaisirenden eklektischen Schule zugesprochen. Bei den Statuen der
vollendeten und späteren Kunst unterscheidet Verf. die Darstellungen
des musikalischen A., die des mit dem Bogen ausgestatteten (beide Ab-
teilungen werden wiederum nach äufseren Momenten in Gruppen zerlegt)
die mit dem Dreifufs und die durch besondere Situationen bedingten
Gestaltungen (z. B. als Sauroktonos). Für die der ersten Abteilung an-
gehörigen Darstellungen des langgewandeten, ruhig dastehenden Kitha-
röden ('Barberini'sche Muse', <Erato' des Vatikan, Neapeler ^Terpsichore'
u. a.) erkennt Verf. die Möglichkeit einer gewissen Abhängigkeit von
dem daphneischen A. des Bryaxis an. Den Typus einer Statue der zwei-
ten Abteilung, Berlin No. 469, weist Verf. auf einer unter Lucius Verus
im phrygischen Synaos geprägten Münze nach (Taf. IV 3): der Ergänzer
der Statue, welche bislang als ein ^unrichtig zum Bogenschützen ergänz-
ter Torso eines Faustkämpfers' galt, hätte also das Richtige getroffen;
das (bei Bogenschützen ungewöhnliche) Vorstellen des rechten Fufses hat
eine Analogie im Odysseus der Berliner Vase mit dem Freiermord. Die
Erzstatue der Sammlung Saburoff (Furtwängler T. 8 --11) wird überein-
stimmend mit Furtwängler auf A. gedeutet, aber unter Hinweis auf meh-
rere Mfinzbilder so ergänzt, dafs die rechte Hand den Lorbeer, die linke
den Bogen erhält. Aus der vierten Abteilung sei erwähnt, dafs 0. das
Motiv der Gruppe 'A. mit Wasser vogel ' in einer Liebesschwärmerei des
A. (aphrodisischer Charakter von Gans und Schwan) erkennt und gele-
gentlich des ägistragenden A. die Echtheit der Statuette Pulszky gegen
Wolters zu verteidigen sucht (Fig. 18 vergröfserte Sonderabbildung der
linken Hand mit dem Aegisrest): er hält sie für eine freie, wenn auch
nicht glückliche, Variation der im A. Stroganoff und im A. vom Belvedere
gegebenen Darstellung des A. mit der Aegis.
Für die Darstellung des spendenden Kitharöden A. auf Reliefs
leugnet 0. mit Stephani die Abhängigkeit von einem echt archaischen
1. AUgemeioea n. Methodologisches: 0?erbeck. 257
Vorbild, findet aber in dem Omphalos das delphische Lokal angedeutet
und nimmt daher einen hellenistischen, nicht einen römischen, Urheber an.
Die Yasenbilder freien nnd späten Stiles werden in acht Grup-
pen vorgefahrt. Gruppe A hftlt das ältere Kitharödenkostüm fest, wäh-
rend B wesentlich das bei den Statuen und Reliefs beobachtete, neuere
KitharOdenkostttm aufweist. Zwei fernere Gruppen zeigen den Gott unter- .
wärts mit Himation bekleidet, oberwärts nackt, die erstere G mit Musik-
instrument, die zweite D mit dem den mantischen Gott bezeichnenden
Lorbeerstämmchen. Von beiden unterscheidet sich die im flbrigen nahe
stehende Gruppe E durch weitergehende Nacktheit Dazu kommen drei
Gruppen, wo die Bekleidung variirt, doch von den flbrigen Vasenbildern
verschieden und z. t. in der ganzen Kunst ohne Analogie ist, während
als Attribut das Lorbeerstämmchen vorwiegt.
Die Graffiti, welche in der Darstellung des A. bis auf gewisse, aus
der spezifisch etruskischen Auffassung zu erklärende Besonderheiten mit
den flbrigen Kunstgattungen flbereinstimmen, und die Wandgemälde er-
geben geringen Gewinn.
Zuletzt fflhrt Verf. den Gott in besonderer Erscheinung und Attri-
bntausstattung vor: auf dem Schwane (so besonders bei der Darstellung
von A.'b Ankunft in Delphi und seiner Begrflfsung durch Vertreter des
dionysischen Kreises) und auf dem Greifen reitend (als der hyperborei-
sche Gott; die betreffenden Monumente höchstens ins 3. Jahrhundert hin-
auf datirt), auf dem geflflgelten Dreifufs schwebend, zu Wagen, beritten,
mit Schwert, Lanze, Fackel kämpfend u. s. w.
Dritte Abteilung: Mythen des Apollon (p. 368 — 521). Die erhal-
tenen Darstellungen des Pythonkampfes fahrt Verf. zum gröfseren Teil
auf die Gruppe Euphranors zurflck, deren weite Verbreitung auf klein-
asiatischen Mflnzen den Gedanken nahe lege, dafs das Original ursprflng-
lich in Kleinasien (Ephesos) aufgestellt gewesen und von hier nach Rom
gekommen sei. Eine Reminiscenz (aber keine Kopie) an das Werk des
Pythagoras giebt Verf. fflr das bekannte krotoniatische MOnzbild zu.
Pythagoras folgte der älteren, wenigstens älter bezeugten Sagenwendung,
wonach der Kampf mit Python in das reife Knabenalter des Gottes fiel.
Was das Borghesi'sche Relief betrifft, so erklärt sich Verf. von Roberts
Interpretation zwar für die Mittelscene befriedigt, aber nicht fflr die
Seitenscenen.
Der Kampf mit Tityos wird in acht Vasenbildem nachgewiesen ;
in einem Berliner Carneolskarabäus ist Verf. geneigt mit Furtwängier
den von A.'8 Pfeilen getroffenen Tityos zu erkennen.
Die Zusammenstellung der auf den Dreifufs raub bezflglichen, vor-
wiegend archaischen, zahlreichen Bilder (die s. f. Vasen nach äufseren,
die r. f. ungefähr nach kunstgeschichtlichen Gesichtspunkten geordnet)
ergiebt das interessante Resultat, dafs dasjenige Gompositionsschema ent-
schieden im Übergewicht ist, wo sowohl der davongehende Herakles wie
Jahresbericht (iir Altertumswissenschaft« LXVX. Bd. X7
258 Griechische Mythologie.
der nacheileade A. den Dreifufs mit einer Hand gefafst halten, Herakles
mit der anderen die Eeole schwingend. Ebenfalls hauptsächlich in s. f.
Vasenbildern weist 0. dann den Kampf um den Hirsch nach, den Leier-
streit mit Hermes hingegen, welcher dem Paasanias zufolge auch auf
dem Helikon dargestellt war, auf zwei r. f. Vasen.
Die den musikalischen Wettstreit mit Marsyas wiedergebenden
Vasenbilder stellt Verf. in den von Stephani unterschiedenen vier Szenen
zusammen. Fttr die erste derselben fügt er zu dem von Michaelis und
Stephani gesammelten Material einen Berliner Krater, No. 2688, hinzu,
für die zweite eine Vase der zweiten Hamilton'schen Sammlung und einen
etruskischen Krater in Berlin, No. 2950 (A. Z. 1884 T. 5), welcher die
Leier in Marsyas* Händen zeigt und darin übereinstimmt mit der ru-
veser Amphora der Sammlung Jatta. Die beiden letzteren, von einan-
der unabhängigen Monumente führt 0. auf eine uns sonst unbekannte
Sagenwendung zurück, wonach A. von Marsyas eine Probe im Leierspiel
verlangt hat. Die etruskischen Spiegel und, wenige Fälle ausgenommen,
auch die Wandgemälde beschränken sich auf die Darstellung der vierten
Szene, der Verurteilung des Marsyas. Den von Michaelis gesammelten
Reliefs fügt Verf. mehrere hinzu, u. a. die Reliefs von Mantinea (Bull,
de corresp. hell. XII pl. 1 — 3), welchen er auf Grund eigener Besichti-
gung späten (wenn auch vielleicht nicht römischen) Ursprung zuschreibt,
so dafs keine der erhaltenen Darstellungen der Sage über die zweite
Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. hinausginge. Zuletzt werden die Mün-
zen, Gemmen und die einzelnen auf die Sage bezüglichen Statuen vor-
geführt. Hinsichtlich des Stiles des ^ Messerschleifers* und seines Ver-
hältnisses zum Marsyas schliefst sich Verf. den Ausführungen von Wol-
ters (Bausteine zu No. 1415) au.
Das letzte Kapitel behandelt die Liebesabenteuer des Gottes und
Verwandtes. Von den die Daphnesage betreffenden Wandgemälden weist
0. nach, dafs sie ohne Ausnahme es an scharfer Charakteristik fehlen
lassen und dafs kein Grund vorliegt, für einzelne derselben mit Heibig
eine von der uns geläufigen Sagenform abweichende poetische Vorlage
anzunehmen. Aus den Darstellungen der Hyakinthosgeschichte scheidet
er als höchst wahrscheinlich modern die in Zeichnungen (Fig. 25) wieder-
gegebene Rospigliosische Gruppe aus, besonders wegen des völlig unan-
tiken Haares. —
Dafs der gelehrte Verf. sich auch mit diesem Bande seiner Kunst-
mythologie in ganz hervorragendem Mafse um die mythologische For-
schung verdient gemacht hat, bedarf keines Wortes für deigenigen, der
die mit der Sammlung und Sichtung bildlichen Materiales verknüpften
Mühen selber einmal gekostet hat. Um so weniger braucht die Kritik
einige allgemeinere Ausstellungen zu unterdrücken. Die Anordnung eines
so riesigen Stoffes ist gewifs keine leichte Sache, aber etwas klarer und
übersichtlicher durfte sie doch wohl ausfallen. Warum die ältesten Denk-
1. AUgemeines a. MethodologiBches: 0?erbeck, Friedl&nder, Curtios. 259
mftler nicht in der zweiten Abteilang nntergebracht sind, welche doch
*die erhaltenen Monumente' zum Thema hat and warum in dieser wie-
derom die Köpfe von den Statuen losgerissen sind, läfst sich ja am Ende
begreifen, aber notwendig war dieses, die Handlichkeit des Baches sehr
beeinträchtigende Verfahren kaum. Wir hätten ferner gewünscht, dafs
0. die Skepsis, welche er gegenttber den ältesten Stataen hinsichtlich
ihrer Benennung anwendet, ftlr das ganze statuarische Material durchge*
führt hätte : unter den Köpfen und Statuen treibt sich doch manches Mo-
nument herum, dessen Beziehung auf A. zum mindesten nicht zweifellos
ist, mag sie auch althergebracht sein. Nicht den geringsten Vorzug des
V^erkes bildet die umfassende Verwertung des numismatischen Materiales.
Man vermifst nur eine Angabe der Kriterien, nach denen die Verteilung
der Münzbilder in Originaltypen, d. h. solche, welche für die Münzen
selbst erfunden sind (Taf. III) und in nicht originale, d. h. solche, wo
Darstellungen anderer Kunstgattungen auf die Münzen übertragen sind
(Taf. IV— V), stattgefunden hat (vgl. p. 299). So lange dieser Nachweis
fehlt, bildet die Gruppirung nur ein sehr schwaches Fundament für die
daran geknttpften Betrachtungen p. 806 ff.
Zur allgemeinen Orientirung auf dem Gebiet der griechischen My-
thologie eignet sich der Aufsatz von
L. Friedländer, Griechische Mythologie (Deutsche Bundschau
1887 p. 88—100).
Verf. giebt in grofsen Strichen eine anziehende Gharakteristik des
griechischen Götterglaubens und eine im Ganzen treffende Kritik der
mythologischen Forschung von der Stoa bis auf Mannhardt: der sehr
problematische Werth der physikalischen Theorie (Forchhammer, Preller,
Gerhard» Welcker) und der comparativen (die Richtung Mannhardts aus-
genommen), ihre Vagheit und Willkür in methodischer Hinsicht wird mit
unerbittlicher Schärfe blofsgelegt. Nur das Urteil über Otfried Müller,
an welchem Verf. eine Überschätzung der historischen und lokalen Ele-
mente in der Mythenbildung rügt, können wir uns nicht aneignen: Verf.
neigt, wie besonders der erste, darstellende Teil des Aufsatzes merken
läfst, zu der unhaltbaren Auffassung des homerischen Göttersystems als
eines alten, gemeingriechischen Canons. Einen Versuch, die Genesis dieses
Systems zu zeichnen, bietet die Abhandlung von
Ernst Gurt ins, Studien zur Geschichte des griechischen Olymps
(Sitzungsberichte der kgl. preuss. Äkad. der Wiss. zu Berlin, philos.-
histor. Classe 1890. XLIII) 8. 16 S.
Hinsichtlich der physikalischen Theorie urteilt C. wie Friedländer,
aber mit tieferer Begründung: 'der wahre, allgemein menschliche Keim
aller Religion ist dabei nicht ius Auge gefafst, und niemand hat im
Olymp die Vertretung elementarer Kräfte nachweisen, niemand erklären
260 Griechisehe Mythologie.
können, wie ein vernunftbegabtes Volk daza kommen konnte, aus der
Salzflut oder der Erdnftsse oder dem Winde die Idee einer Gottheit za
gewinnen, dem es sich in Glfkck und Not, im Leben wie im Tode anver-
trauen mW (p. 14).
Die Skizze, welche G. von der Entstehung des Olymps entwirft,
wird nicht in jedem einzelnen Punkte Zustimmung finden, wie denn auch
G. gar nicht den Anspruch erhebt, irgend etwas Fertiges geben zu wollen
(p. 7): und doch ist seit Otfried Mttller ttber die Geschichte der griechi-
schen Religion nichts geschrieben worden, was an Tiefe und Klarheit die-
ser auf umfassendem Wissen, geschichtlichem Sinn und einem ungewöhnlich
feinen Gefühl für das Wesen der Religion begründeten und an neuen«
trefflichen Gesichtspunkten reichen Abhandlung sich vergleichen liefse.
Das Älteste ist der Zeusdienst und eine Naturreligion, * welche an
den natürlichen Segensorten des heimatlichen Bodens, an Quellen, Bftcben
und Flüssen ihre heiligen Stfttten hatte, welche auch die See mit men-
schenähnlichen Wesen bevölkerte und den Himmelsgestirnen mit Opfern
und Gebeten nahte . . . Gharakteristisch für diesen ältesten Zustand reli-
giösen Lebens der Griechen, von dem wir uns eine Vorstellung machen
können, ist die Richtung der Andacht auf das natürlich Gegebene und
die ausschliefsliche Verwertung dessen, was die eigene
Landschaft darbot, zur Verehrung der Gottheiten . . . Die
Götter lebten nicht anders und besser als die Menschen'
(p. 2 f. 16). C. stellt hiermit ein hochbedeutsames Kriterium für die
zeitliche und örtliche Bestimmung der einzelnen Gottheiten auf, das in
umfassender, auch auf Tracht und Attribute sich ausdehnender Unter-
suchung durchgeführt zu werden verdient.
Der olympische Götterkreis aber ist das Resultat eines langen,
regen Völkerverkehrs. Die Phönizier bringen die (unter verschiedenen
Namen und Formen auftretende) grofse weibliche Gottheit, durch deren
Verbindung mit Zeus der Grundstein zur Götterfamilie gelegt wird, sie
bringen später den Herakles, welcher bereits auf ein entwickeltes Na-
tionalgefühl stöfst und denn auch nie einer der Zwölf geworden ist. Die
Stämme tauschen unter einander nach einer langen Zeit der Gährung
und des Unfriedens, von welchem die Mythologie noch deutliche Spuren
aufweist, allmählich ihre Gottesdienste aus, und es waren die Hauptgötter
der verschiedenen Völkerschaften, welche man im Kreise der Olympier
vereinigte. Aus Sage und Kultbrauch gewinnt C. eine Reihe von
Kriterien für die ältere oder jüngere Aufnahme, sowie für
den Weg, auf dem sie gekommen, zu Lande oder zur See. Aber
die Aufnahme in den nationalen Götterkreis mufste das Wesen der auf-
genommenen Gottheit mannigfach modifiziren. ^Jeder Olympier ist
ursprünglich ein ganzer Gott, ein voller Gott, so wie ihn das Ge-
müt des Menschen verlangt, der im Gefühl der Unzulänglichkeit seiner
Kräfte eines überweltlichen Wesens bedarf, das ihm in allen Lebens-
1 . AUgemeines o. Methodoloipsches: CurtiuB, Forchhammer, Partsch. 261
lagen helfen kann, ohne dass er sich zu besinnen braucht, an welcher Tem-
pelpforte er anklopfen soll, an welchen unter den vielen er sieb zu wenden
habe, als den Spezialisten in dem besonderen Fache' (p. 11). Dieser uni-
verselle Charakter, den G. für die einzelnen Olympier mit wenigen, leicht
zu vermehrenden Zeugnissen nachweist, bleibt nach dem Eintritt in den
Götterkreis nur bei ihren ursprQnglichen Verehrern in gewissem Grade be-
stehen: als Mitglieder des nationalen Götterkreises aber wer-
den sie immer mehr auf gewisse Gebiete eingeschränkt, ihre ur-
sprüngliche Ebenbürtigkeit tritt immer mehr zurück, und das Maafs von
Ehrerbietung, das ^ ihnen gezollt wird, hftngt damit zusammen, wie weit
die Stämme und Geschlechter, denen sie ursprünglich angehören, an der
vollen EntWickelung hellenischer Geistesbildung Anteil haben oder zurück-
geblieben sind' (p. 11). Hand in Hand hiermit geht die umgestaltende
und ausschmückende Thätigkeit der Poesie. Auf einer richtigen Schei-
dung des religiösen Volksglaubens von den willkürlichen Zuthaten der
Poeten beruht das Verständnis der griechischen Religion.
P. W. Forchhammer, Mythologie eine Wissenschaft (Philolo-
gus 46 [1888] p. 193—200)
entwickelt seine eigenartige, aber völlig überlebte Auffassung vom My-
thus. *Der Mythos ist die auf dem Doppelsinn des Wortes beruhende
Darstellung der Bewegungen der Natur als vom innewohnenden Geist
gewollter Handlungen.* Diese Definition glaubt Verf. aus den 4oci-
classici' über den Mythus, wie sie sich bei Piaton, Aristoteles u. a. finden,
folgern zu müssen: eine sorgfältige Prtlfung dieser 4oci' auf ihren Zu-
sammenhang und ev. auf ihre Quellen unternimmt er nicht, am wenigsten
Ihr Piaton. Die Mythenforschung hat nach seiner Ansicht die Aufgabe,
in den rätselhaften Erzählungen die Wirklichkeit zu erkennen ; er veran-
schaulicht seine Methode hierfür am Beispiel des Achilleusmythus : ^Achill
ist der mythische Vertreter des an seiner Mündung ausgetretenen über-
schwemmenden Flusses'.
Recht überzeugend dagegen wird der Niederschlag tellurischer, be-
sonders vulkanischer Verhältnisse in der griechischen Mythologie dar-
gelegt von
JosephPartsch, Geologie und Mythologie in Eleinasien (Philo-
logische Abhandlungen. Martin Hertz dargebracht. Berlin, Hertz. 1888.
8. p. 105-122).
Die ungezwungene und einleuchtende Erklärung des Typhoeusmy-
thus, mit welcher Verf. die Arbeit eröfi&iet, mögen die Vertreter der
physikalischen Mythendeutung beachten: hier liegt vnrküch einmal eine
Personifikation von Naturgewalten vor, zu allen Zeiten als solche
verstanden. Als das ursprüngliche Lokal der Sage erweist Verfasser
in Übereinstimmung mit der besten antiken Üeberlieferung, wel-
che Kilikien nennt, den ursprünglich zu Kilikien gehörigen Argaios-
262 Griechische Mythologie.
borg im spätem Eappadokien, das höchste vulkanische Gebilde des gan»
zen Mittelmeergebietes (Arimer = Aramäer; die Griechen hielten irrttlm-
lieh die Eappadoker für Stammverwandte der Syrer). Von solchen vul-
kanischen Erscheinungen, welche in Typhoens und, an der Westküste
Eleinasiens, in den Giganten Mimas und Polybotes (Mimasgebirge und
Nisyros) ihren Niederschlag fanden, unterscheidet Verf. streng 'das stille
stetige Lodern unschädlicher Erdfeuer' wie wir es auf Lemnos und bei
Olympos an Lykiens Ostkttste im Zusammenhang mit Verehrung des
Hephaistos finden, der erst von den Kolonien des Westens in vulka-
nischen Bergen lokalisirt wird. Zuletzt behandelt Verf. die mit vul-
kanischen Erscheinungen genetisch zusammenhängenden Erdbeben, die
heifsen Quellen und die vielfach dem Erdboden entsteigenden irrespirabe-
len Lüfte (Kohlensäure) Kleinasiens in ihrem Einflnss auf den religiösen
Vorstellungskreis. Der Dienst des Poseidon, der Heilgötter und des
Pluton erfährt dabei eine sehr interessante Beleuchtung.
Otto Gruppe, Die griechischen Kulte und Mythen in ihren Be-
ziehungen zu den orientalischen Religionen. Erster Band. Einleitung.
Leipzig, Teubner. 1887. 8. 706 S.
Es ist nur eine Einleitung, die hier vorliegt, aber sie beruht auf
einer so ausgedehnten Forschung und bietet, bei manchen schwachen
und unhaltbaren Sätzen, doch eine solche Fülle tüchtiger Kritik, dafs
wir sowohl dem Verfasser wie den Fachgenossen eine ausführliche In-
haltsangabe schuldig zu sein glauben.
Der Verf. holt weit aus: das L Kapitel (p. 1 -278) giebt eine Über-
sicht über die wichtigsten Versuche, die Entstehung des
Kultus und des Mythos zu erklären.
(§ 1. Die antiken Hypothesen.) Das Charakteristikum der antiken
Religionsbetrachtung liegt dem Verf. zufolge darin, dafs die Entstehung
der Religion von den Bedürfnissen und den Überzeugungen des Indivi-
duums hergeleitet wird, und was den Mythus betrifft, so führte der phan-
tastische und den Begriffen von göttlicher Würde wenig entsprechende
Charakter der Götter- und Heroensage auf die aUegorische Erklärung:
entweder die psychologische, welche in den Gestalten der Mythenwelt
die körperlichen Personifikationen ideeller Eigenschaften und Empfindun-
gen sieht, oder die historisch-politische oder die physikalische. Unter
dem Einflufs der griechischen Philosophie gewinnt die allegorische Deu-
tungsweise auch im Orient grofse Verbreitung. (§ 2. Die Kirchenväter —
Voltaire.) Weder die Kirchenväter, die im Heidentum eine Abart der
göttlichen Offenbarung an die Juden zu sehen lieben, noch die Huma-
nisten, welche über die antiken Hypothesen nicht hinauskommen, noch
das an die Kirchenväter anknüpfende 17. Jahrhundert leisten wesentlich
Neues, bis David Hume die historische Betrachtungsweise vorbereitet
und Voltaire sie wenigstens andeutend durchführt Dagegen hat Greuzer
1. Allgem. Q. Methodol.: Partseb. Grnppe (Kritik der bish. Tbeorien.) 263
<§ 8. Die Symboliker) zwar das Verdienst, zaerst eine Vermittelung
zwischen Form und Inhalt des Mythas erstrebt and durch den Begriff
des Symbols erreicht zu haben, aber seine Annahme einer theokratischen
und dogmatischen Religionsbildung am Anfang der griechischen Ent-
wickelang ist ebensowenig haltbar wie die Grundlage seines ganzen
Systems, dafs eine neue Wahrheit zunächst symbolisch mitgeteilt werden
werden müsse. Nachdem diese Symbolik von J. H. Voss mit Erfolg be-
kämpft und von Lobeck endgiltig widerlegt worden war, gaben (§ 4. Die
Rationalisten) Lehrs und Renan die Grundlinien fttr eine von aller Sym-
bolik absehende Erklärung der griechischen Götterlehre. Von ihren
Sätzen billigt Verf. den einen, dass der Sinn eines Mythus gewöhnlich
nicht hinter, sondern in demselben gesucht werden mnfs, dagegen ist zu
verwerfen die von ihnen versuchte Loslösung der griechischen Religion
von der orientalischen und ihre Anschauung vom Epos, als ob dies mit
seiner menschlich-ethischen Zeichnung der Götter den ursprünglichen
Charakter derselben wiedergebe. Der lokalistischen Mythendeutung Forch-
hammers (§ 5) hält Verfasser den kosmopolitischen Charakter des My-
thus entgegen und ferner einen Einwand, der diese Deutungsweise mehr
als irgend ein anderes symbolisches Verfahren trifft: dafs keine Nötigung
ersichtlich ist, Mythen zu erfinden zum Ausdruck von Naturerscheinun-
gen, für welche die Sprache längst Worte besafs. Nachhaltigeren Ein-
flufs schreibt Verf. der deutschen Philologie zu, besonders den Gebrü-
dern Grimm (§ 6) mit ihrer Erklärung des Mythus als Volkspoesie, ob-
wohl durch Einführung dieses Begriffs die Frage nach der Entstehung
des Mythus mehr modifizirt als beantwortet sei.
Eine neue, von Jacob Grimm allerdings schon vorbereitete Epoche
der Religionsbetrachtung begründet die Veröffentlichung des Veda (§ 7
— 25. A. Kuhn und M. Müller). Das damals fast allgemein verbreitete
Vorurteil, als ob die Mythen überhaupt Gleichnisse für Naturerschei-
nungen wären (einer unbewussten Phantasiethätigkeit entsprungen), ver-
führte dazu, die für griechische und germanische Mythen angenommene Na-
turbedeutung nun auch in die vedischen hineinzulegen, und indem man
fUschlich alle Elemente der vedischen Mythologie in die indogermanische
Vorzeit hinaufrückte, den Kern der proethnischen Mythologie für natura-
listisch zu halten. Da nun in dem relativ geringen Bestand unzweifel-
haft naturalistischer Vedamythen nicht selten ein und dieselbe mythische
Apperception ganz verschiedene Naturerscheinungen zum Substrate hat,
bald Licht und Sonne, bald Sturm und Gewitter, so entstanden zwei
Richtungen der vergleichenden Mythologie: die solare und die nubilare.
Die Kritik der vergleichenden Mythologie eröffnet Verf. mit einer
Prüfling der angeblich indogermanischen Götternamen (§ 8 — 14)
hinsichtlich ihrer Beweiskraft i^r den proethnischen Ursprung der Religion.
Vorweg streicht er unter den hieriür aufgestellten Gleichungen als ganz
beweis nnkräftig: 1. solche, bei denen nur die Bedeutung, nicht aber
264 Griechische Mythologie.
die Form ios Auge gefafst ist (z. B. Pandora-ViQvavärä) ; 2. solche, wo
die Götternamen übliche Apellativa für Naturerscheinoogen waren (z. B.
Zeus-Dyaus), also lediglich den proethnischen Ursprang der Ausdrtlcke
für Himmel, Sonne u. s. w. beweisen, keineswegs aber die Yerebrong dieser
Naturerscheinungen in proethnischer Zeit; 3. solche Gleichungen, welche
sich auf zwei in anhaltendem gegenseitigen Gonuez befindliche YOlker
beschränken. Yerf. unterzieht sodann die einzelnen, entweder den Indo-
germanen überhaupt oder bestimmten Gruppen derselben zugeschriebenen
Götternamen einer eingehenden Kritik, welche zunächst für die angeb-
lichen indo-eranischen und gräko-italischen Götternamen das Ergebnis
hat, 'dafs erstens von den behaupteten Obereinstimmungeu einzelne nur
scheinbar sind, das femer andere lediglich der Linguistik angehören und
mythologische Schlufsfolgerungen nicht ziehen lassen, dafs drittens eine
Reihe formaler und sachlicher Übereinstimmungen nur durch die An-
nahme der Übertragung erklärt werden kann, dafs endlich keine Ana-
logie nachgewiesen ist, bei welcher die Hypothese des Importes nicht zu-
lässig wäre^ (p. 97). Und was den indogermanischen Gemeinbesitz an-
langt, so finden sich die angeblich überstimmenden Namen immer nur
in ganz wenigen, gewöhnlich nur in zweien von der grofsen Zahl der indo-
germanischen Sprachen; sie treten ferner häufig nicht in den ältesten
Perioden der Sprache, sondern erst in jüngeren, manchmal den jüngsten
Texten auf; entweder fehlt die Übereinstimmung des Mythus oder die
Namensform zeigt nur einen ganz ungefähren Anklang, der nicht ohne
Vernachlässigung anerkannter Lautgesetze zu etymologischen Schlüssen
benutzt werden kann. So kommt es denn, dafs ein und dieselben Namen
von den einzelnen Forschem auf die verschiedenste Weise erklärt werden,
und die Möglichkeit der Kombinationen wird desto gröfser , je geringer
unsere Kenntnis von der Ableitung des Namens und von der Funktion
seines Trägers ist; man stellt sogar Paare von Namen zusammen, deren
einer lediglich erfunden ist um den andern zu erklären. Verf. kommt
zu dem Endergebnis, dafs es keinen gemeinschaftlichen Götternamen in
den indogermanischen Sprachen giebt.
Hinsichtlich der Kultusbezeicbnungen (§ 16 — 16) legt Verf.
dar, dafs graeco -italische nicht nachweisbar sind (libare Lehnwort von
Xeißetv, spondere von amvdeev), und dafs die Übereinstimmungen, welche
zwischen Yeda und Avesta vorliegen, doch noch keineswegs beweisen,
dafs bereits vor der Trennung beider Yölker die spezifisch religiöse Be-
deutung, die immer erst secundär ist, ausgebildet war — ganz abge-
sehen von der auch hier in Betracht zu ziehenden Möglichkeit einer
Übertragung. Von den angeblichen indogermanischen Kultusbezeichnun-
gen streicht Yerf. alle diejenigen, wo die Gleichung formal unstatthaft
ist, oder wo die religiöse Bedeutung des Wortes auf ganz verschiedenem
Weg entstand, oder wo die religiöse Bedeutung nur dem einen Glied der
Gleichung eignet, während bei dem andern noch eine profane» bezw. keine
]. AUg. n. Method.: Qroppe (Kritik d. vcrgl. Methode, Stammbaamtheorie). 265
fixirt religiöse Bedeutung vorliegt. Die Gleichung pontifex = skr. pathi-
krit ferner ist weder sachlich noch sprachlich gesichert; Prometheus =
skr. pramantha (ein Teil des Feuerzeuges) würde, auch wenn die Gleich-
setzung sprachlich einwandsfrei wäre, den spezifisch religiösen Charakter
der Feuerreibung fflr die Urzeit noch nicht beweisen.
Die Sprache bietet also keine Beweise daftlr, dafs in der indoger
manischen oder auch nur in der indo^eranischen und in der gräco- itali-
schen Periode göttliche Wesen durch religiösen Kultus verehrt wurden
oder selbst nur in der Vorstellung existirten (p. 132). Dem Kuhn-Mül-
ler'schen System liegt (§ 17) die falsche Prämisse zu Grund, dafs die
Verbreitungsgebiete von Religion und Mythus sich mit den linguistischen
decken und dafs der Begriff der indogermanischen Völker nicht blofs ein
linguistischer, sondern auch ein ethnologischer sei: ^eine Nation aber ist
keine konstant fortdauernde Einheit, sie nimmt immerwährend fremde
Bestandteile in sich auf und setzt sich demnach in jedem Augenblick
ihrer Entwickelung ans Momenten zusammen, deren einzelne sie den ver-
schiedensten anderen Nationen als verwandt erscheinen lassen' (p. 134).
Will man aber (§ 18) die zahlreichen sachlichen Analogien, welche
unleugbar zwischen den Religionen der einzelnen indogermanischen Völ-
ker statthaben, aus einer gemeinsamen Urquelle erklären, so setzt man
sich nicht allein in Widerspruch mit gesicherten Ergebnissen der Paläon-
tologie, wonach der Kulturzustand der ungetrennt bei einander wohnen-
den arischen Völker viel primitiver ist, als die angenommene Urreligion
verlangen wflrde, sondern ignorirt auch die Thatsache, dafs fast alle
Mythen, deren Übereinstimmung besonders evident ist, ein relativ sehr
junges Alter haben (z. B. Paradiesmythen, vier Weltalter, Sintflut).
Verf. sucht dann die Vererbungs- oder Stammbaumtheorie der grie-
chischen Religion zu widerlegen (§ 19). Religionen der einzelnen griechi-
schen Stämme, welche man der Stammbaumtheorie zufolge erwarten
müfste, sind keineswegs nachweisbar. Die Verbreitung auch nicht eines
einzigen Kultus deckt sich mit einem Dialektgebiet, die antike Überlie-
ferung, welche jene Theorie unterstützte, erweist sich als irrig. Die als
Stammbezeichnungen überlieferten Namen bezeichnen ursprünglich reli-
giöse Festgenossenschaften, welche sich nach den von ihnen gefeierten
Gottheiten benannten. 'Als nun das Bewufstsein der verschiedenen Mund-
arten erwachte — was deutlich nicht geschehen konnte, bevor diese Mund-
arten eine litterarische Fixirung erfuhren — , da war es das Gegebene,
dieselben a potiori nach den grofsen Festversamnilungen zu benennen.
Daraus aber ergab sich sofort die weitere Schlufsfolgerung, dafs die Fest-
genossenschaft auf gemeinsamer Abstammung beruhe' (p. 143). Löste
sich — was häufig eintrat — die Festgenossenschaft auf, so diente
ihr Name nunmehr ausschliefslich zur Stammesbezeichnung; die naturge-
mäfs fortdauernden religiösen Beziehungen wurden in die Zeit zurückda-
tirt, wo der Stamm sich noch nicht in seine einzelnen Zweige gesondert
266 Griechische Mythologie.
hatte. Nach diesen Gesichtspunkten glaubt Verf. die antike Überliefe-
rung über Stammwanderangen konstruirt, vor allem die von der dorischen
Wanderung. Der Name 'Dorier' ist (wie Verf. in einem späteren Ab-
schnitt Ober die Bildung der griechischen Eigennamen nachzuweisen ver-
spricht) hypokoristisch aus ^Epiodoros' gebildet, einem alten Kultnamen
des Asklepios (vgl. Epione, Apis, Apia), und bezeichnete eigentlich eine
nordpeloponnesische Asklepiosamphiktyonie. Da es nun auch aufserhalb
des Peloponnes und der von hier ausgeschickten Kolonien Epiodoroskult-
stätten gab, in Thessalien und am Parnafs, so setzte man unter Nicht-
beachtung des Dialektes in diesen Gegenden die ursprünglichen Nieder-
lassungen des dorischen Stammes an. Mit den Stammwanderungssagen
aber fällt die Hypothese der Stammreligionon, wie denn auch 'in allen
Zeiten, in welche mit Holfe der historischen Wissenschaften vorgedrun-
gen werden kann, die griechischen Kulte ohne Rttcksicht auf die Stamm-
nnterschiede gemischt' erscheinen (p. 150).
Der Verf. zieht sodann die Frage in Erwägung, ob jene sachlichen
Übereinstimmungen zwischen den Religionen der indogermanischen Völker
vielleicht aus einer gemeinschaftlichen aufs er indogermanischen Quelle
hergeleitet werden könnten. Den Griechen (§ 20—22. Möglichkeit der
Übertragung orientalischer Vorstellungen nach Griechenland) ist strenge
Absonderung gegen fremde Gottesdienste ebenso fremd wie den Römern,
der nachweisbar barbarische Bestand des griechischen Kultus ist in fort-
währendem Wachsen. Andrerseits konnten orientalische Gottesdienste
deshalb sehr leicht eindringen, weil die Strömungen im mittelländischen
Meer den kanaanitischen Händler fttr seine Reise nach Spanien auf die
Fahrt durch die griechische Welt anwiesen, und weil Griechenland selber
nicht nur vorzügliche Häfen, sondern auch verlockende Handelsprodukte
darbot, deren Art überdies ein längeres Verweilen nötig machte. Und
wenn auch direkte Zeugnisse für phoinikische Niederlassungen in Grie-
chenland fehlen, so offenbart sich doch auf den verschiedensten Gebieten
griechischer Kultur ein so weitgehender Einflufs des Morgenlandes, dafs
wir ihn unmöglich bei der Religion leugnen oder nur auf gewisse äufser-
liche Momente beschränken dürfen. Eine ganze Reihe mythischer Eigen-
namen im Griechischen ist zweifellos phoiuikischen Ursprungs, eine Fülle
ferner von allgemein religiösen und von rituellen Bezeichnungen ist den
entsprechenden semitischen dem Sinne nach so ähnlich, dafs die Annahme
einer Übersetzung aus der einen in die andere Sprache unabweisbar er-
scheint.
Auch eine Übertragung westasiatischer Kulte und Mjrthen nach der
angeblich abgeschlossenen indischen Welt (§ 23—24) ist nicht nur sehr
wohl möglich nach den allgemeinen Bedingungen und bei dem nachweis«
baren Austausch auf anderen Kulturgebieten, sondern sie mufs aus be-
stimmten Zeugnissen geradezu gefolgert werden. Ebenso erscheint für
1. Allg. u. Method.: Gruppe (Kritik der Tergl a. der anthropol. Methode). 267
Central- und Nordenropa die Annahme einer Übertragung orientalischer
und sOdenropäischer Religion unabweisbar sowohl im Hinblick anf die
verschwindend dOrftigen Religionsanfänge, welche Cäsar von den Ger-
manen bezeugt, wie auf den Umstand, ^dafs gerade die mit den klassi-
schen Kulten und Mythen flbereinstimmenden germanischen Religions-
forroen meistens einen Knlturzustend voraussetzen lassen, der sicher in
dem ursprünglichen Germanien nicht bestand' (p. 181).
Eine jfingere Schule der vergleichenden Mythologie (§ 26. Die Dä-
monologisten) bezeichnet als das urindogermanische Erbgut nicht die spä-
teren grofsen Himmelsgötter, sondern einen Dämonenglanben , welcher,
ffir die höheren Yolksklassen allmählich zum Kunstmythus entwickelt, in
den Volkssagen noch heutzutage lebendig ist. — Gegen diese Hypothese
ist vor allem einzuwenden, dafs sie die Constanz der mQndlichen Über-
lieferungweit flberschätzt, und dafs von dem nichtreligiösen Volksmärchen,
diesem reinen Spiel der Phantasie, keine organische Entwicklung denk-
bar ist zu dem Mythus, welcher der eine Teil der Religion ist. Eben
die Verleugnung des religiösen Bestandteils, den die meisten Mythen be-
sitzen, ist ein Hauptfehler der Dämonologisten. Sie erklären endlich
nicht die Übereinstimmung der Mythen verschiedener Völker: denn diese
wächst nachweislich mit der kunstmäfsigen Bearbeitung, während man
vom dämonologistischen Standpunkt das Gegenteil erwarten sollte.
Bereits bei Mannhardt, dem Hauptvertreter dieser Richtung, kam
die Annahme eines gemeinsamen Ursprunges der mythologischen Vor-
stellungen zuletzt immer mehr ins Wanken zu Gunsten des von der deut-
schen spekulativen Philosophie zu absoluter Gültigkeit erhobenen Grund-
satzes von der psychischen Gleichartigkeit der menschlichen Veranlagung
(§ 27. Anthropologische Erklärung der Entstehung des Mythos). Anf die-
sem basirend suchten die BegrOnder der * Völkerpsychologie' (Lazarus,
Steinthal), den Menschen im Volke zu betrachten und die psychischen
Übereinstimmungen der Einzelwesen auf die gemeinsame Einwirkung der
vorhandenen Gesamtheit zurflckzufflhren. während die jüngeren Vertreter
derselben Wissenschaft die am Individuum studirten Gesetze der Psycho-
logie anf die Entwickelung der Menschheit Obertragen (Wilder = Kind,
während doch die geistige Thätigkeit beider eine grundverschiedene ist, dort
produktiv, hier receptiv). M. Müller zufolge besteht die allgemein mensch-
liche Anlage, welche die Entstehung des Mythus bewirkt, in der Sprache.
Durch gleichnisartige Verwendung bereits vorhandener Ausdrücke für neu
wahrgenommene Naturerscheinungen werden diese letzteren anthropomor-
phisirt und mit der Zeit deifizirt; nachdem der Ausdruck unverständlich
geworden, wurde aus dem Gleichnis ein Mythus. Einen wie grofsen Fort-
schritt nun auch diese Herleitung des Mythus bezeichnet, die weitgehen-
den Übereinstimmungen im weiteren Verlauf der Mythenbildung sind da-
mit nicht erklärt. Mit einer Eigentümlichkeit der Sprache kann doch
nicht begründet werden, dafs diese Gleichnis-Mythen bei allen Völkern
268 Griechische Mythologie.
gleichmäfsig gerade die Himmelserscheinungen betreffen, dafs ferner viel-
fach von verschiedenen Völkern ganz die gleichen Bilder fQr dieselben
Naturerscheinungen gewählt werden. Diese Gleichförmigkeit zu erklären
ist ebensowenig A. Lang gelungen, der das Grandprinzip aller Mytho-
logie in der Sitte sucht (die meisten Mythen ^survivals' einer Periode,
in welcher die geschilderten Vorgänge teils wirklich vorkamen, teils aber
der Phantasie nahelagen): denn die Sittengleichheit der Naturvölker ist
wesentlich eine negative, d. h. im gemeinsamen Mangel der Kultur be-
stehend — in allem Positiven zeigen schon die primitiven Völker die
gröfste Verschiedenheit. Verf. sieht in der Sitte einen sehr veränder-
lichen und keineswegs wesentlichen Bestandteil der Mythen und schreibt
ihr nur einen vorübergehenden, formalen Einflufs auf ihre Gestaltung zu.
Was aber die Religion selber anlangt (§ 28—29. Versuche, die Re-
ligion aus einer allgemeinen Veranlagung des menschlichen Geistes zu
erklären), so liegt der zuerst von Lessing klar ausgesprochene Satz von
der Entstehung der Religion in der Geschichte sowohl der Anthropologie
wie der modernen Religionsphilosophie zu Grunde. Unter den Vertre-
tern der letzteren (Evolutionismus) leitet M. Mflller die Religion von
dem Gefühl des ^Unendlichen' ab: dagegen ist einzuwenden, dafs erstens
den ältesten Religionsquellen zufolge diese Empfindung ursprünglich nur
dunkel war, dafs zweitens der von ihr ausgeübte Druck, als ein lediglich
intellektueller, nicht die Religion hervorgerufen haben kann, deren End-
zweck ein wesentlich praktischer ist Ebensowenig ist die Pfleiderersche
Herleitung von dem Schönheitstriebe befriedigend: *der Satz »Das Schöne
ist göttlicht, vom Schönen an sich verstanden, erklärt nicht den ge-
schichtlich gegebenen Begriff des Göttlichen, sondern er modelt diesen
nur für das Bedürfnis sinnlich reich begabter Menschen um' (p. 231).
Der von einigen Anthropologen vertretene Transformationismus (letzte Ur-
sache der Religion im Menschen selbst, Transformation der ersten reli-
giösen Begriffe durch die Einwirkung der Aufsenwelt) hat einerseits (ka-
kodämonistische Richtung) eine besondere Ausbildung in der Ahnenkult-
theorie gefunden, welche die Religion von der Verehrung der abgeschie-
denen Seelen herleitet. Aber abgesehen von der sehr unwahrscheinlichen
Voraussetzung, dafs die Todesfurcht bei den Urmenschen ein so mächti-
ger Instinkt gewesen wäre — der Totenkult erscheint sowohl in den
Veden wie in den griechischen Quellen von verhältnismäfsig so jungem
Datum, dafs aus ihm das uralte Götteropfer nicht entstanden sein kann ;
überdies ist schwer ersichtlich, wie der Glaube an die Fortexistenz der
Seele zu ihrer Lokalisirung in irgend einem Objekt geführt haben soll,
und noch weniger begreiflich ist der Übergang vom Fetischdienst zum
Gestirndienst. Hingegen hat der von L. Feuerbach und W. Bender
durchgeführte Transformationismus (eudämonistisch) , wonach der dem
Menschen innewohnende Drang nach einer illusionären Befriedigung sei-
ner Wünsche zur Religion geführt hat, bei mehrfachen Schwächen ein
1. Allg.iLMethod. : Qrnppe (Kritik d.ETolation!8miun.Traii8fonnationi8ma8).269
weseotliches Verdienst darch die Aufstellnng zweier koDstitutiven Elemente
der Religion: das der lUnsion and das des Selbsterhaltungstriebes.
Nun sind aber alle anthropologischen nnd religionsphilosophischen
Hypothesen schon insofern verfehlt, als sie aus einer allgemein mensch-
lichen Veranlagung die Gleichförmigkeit der Religion zu erklären ver-
suchen (§ 30. Gesamtkritik der religionsphilosophischen und anthropolo-
gischen Hypothesen). Die Erfahrung am Individuum lehrt, ^dafs im
Gegensatz gegen die sich von selbst einstellenden Bedarfoisse und Triebe,
wie das Ernährungs- und Ruhebedttrfnis und den Fortpflanzungstrieb,
das religiöse Gefühl nicht angeerbt, sondern anerzogen und von aufsen
mitgeteilt wird' (p. 259); 'allgemein menschlich ist nicht eine bestimmte
Religion ... auch nicht ein bestimmter aktiver Trieb zur Religion, son-
dern eine passive Potenz, eine Empfänglichkeit' (p. 259); das ungeteilte
Menschengeschlecht besafs demnach keine Religion, auch keinen religiö-
sen Trieb. Bei richtiger Begrenzung des Begriffes 'Religion*, iQr welchen
das Bewufstsein einer Obernatarlichen Macht charakteristisch ist, läfst
sich eine ganze Reihe religionsloser Völker nachweisen. Die Gleichför-
migkeit der Religion findet ihre beste Erklärung vielmehr in der An-
nahme äufserer Übertragung.
Die religiöse Anlage (§ 81. Schlufsbetrachtungen. Der reine Adap-
tationismus) gehört zu den Gesellschaftsinstinkten, welche im Gegensatz zu
den Individual- und Gattungsinstinkten nicht angeboren und vererbbar,
sondern passiv sind. Nur in den Bedarfnissen der Gesellschaft und durch
die Bedürfnisse der Gesellschaft gedeiht die Religion. Sie wurde viel
weniger allgemein, als die flbrigen Gesellschaftsinstinkte, die moralische
nnd die politische Anlage, weil sie nicht unentbehrlich für die Gesell-
schaft ist, sondern diese nur verbessert, weil sie ferner die Denkgesetze
verletzt und weil ihre Nutzeffekte nicht so einleuchtend sind.
Als aktive Antriebe aber zur Entstehung und Verbreitung der Re-
ligion lassen sich in den historischen Religionen nachweisen: der unbe-
wufste Egoismus der Religionsstifter und, in viel höherem Grade, die illusio-
näre Befriedigung der WOnsche der Gläubigen durch die Religion. Während
nun alle historischen Religionsstifter eigentlich nur Reformatoren sind, indem
sie bereits andere Religionen vorfanden, ' kann der Mann, der da zuerst for-
dert, dafs die Opferflamme des Morgens zur ünterstfltzung der Sonne im
Kampf gegen ihre Feinde entzflndet werde, . . . sich auf keine liebgewordene
Gewohnheit berufen, er lehrt Geremonien, deren Ntttzlichkeit durch keine
unmittelbar sichtbaren Folgen erwiesen wird. Und er lehrt nicht nur,
sondern er fordert auch die, wenn auch anfangs beschränkte, so doch
immerhin beschwerliche Ausflbung des Gottesdienstes. Da bedarf es un-
gewöhnlicher Energie, eines grofsen persönlichen Einflusses, um eine der
natftrlichen Vernunft so widerstrebende Lehre zum Siege zu fahren. Diese
Schwierigkeit erklärt es wohl, warum trotz der far die Verbreitung des
Kultus so günstigen allgemeinen Bedingungen die selbständige Entstehung
270 Griechische Mythologie.
desselben doch nur an ganz wenigen, vielleicht nur an einer Stelle statt*
gefunden hat. Der fast unbeschränkten Verbreitungsffthigkeit der Reli-
gion steht eine auffallende Schwierigkeit fQr die Entstehung der Religion
gegenüber' (p. 276f.).
Von Kapitel II (Übersicht Ober die wichtigsten Denkm&ler,
welche von der Geschichte des Kultus und des Mythos be-
richten) bietet der vorliegende Band nur den ersten Abschnitt, in wel*
chem Verf. die Gedichte an und über die Götter behandelt. Von
den vier Sammlungen, in denen uns der Veda (§ 82 — 38) vorliegt —
Rig-, Säma-, Yajur- und Atharvaveda — ist die letztere besonders we-
gen ihrer nachweislich jungen und sehr beschränkten kanonischen Gel-
tung als die späteste anzusehen. Älter sind Sama- und Yajurvedai welche
ihrerseits beide durch ihre Abhängigkeit vom Rigveda (aus dessen Lie-
dern die meisten ihrer Verse zusammengestellt sind) verraten, dafs sie
erheblich jünger als diese sind. Den ältesten Bestand des ganzen Veda
bilden die Bücher II— VII des Rigveda mit Ausnahme der den einzelnen
Liedercyclen derselben angehäugten SchluCslieder, die sich durch eigen-
tümliche metrische Form (Gesangsmetren) und mythologische Anschauung
(Yama) sowie durch ihren nicht immer rituellen Charakter scharf vom Übri-
gen abheben. Später hinzugefügt wurden Buch VIII — IX und noch später
I und X. Letzteres zeigt grofse Verwandtschaft mit dem Atharvaveda,
dessen Religion eine aus der des ältesten Rigveda hervorgegangene Pa-
rallelbildung zum Brahmanismus ist (vgl. jetzt: Oldenberg^s Rigveda I).
Hinsichtlich der Göttermythen des Veda schlieft Verf. sich der
von Bergaigne vertretenen Ansicht an, dafs dieselben nicht direkt aus
der Naturanschauung, sondern aus dem Ritual entstanden sind, indem die
einzelnen Geremouien desselben erst mit den Naturvorgängen verglichen
wurden; in den mythischen Menschen aber erkennt er keineswegs abge-
blafste Götter: denn aus dem sehr beschränkten Anthropomorphismus
des vedischen Olymps konnten unmöglich jene rein menschlich gedach-
ten Sänger der Vorzeit hervorgehen ; und die Beziehungen zwischen den
mythischen Menschen und den Göttern, die Bergaigne für diese Ansicht
geltend macht, sind keineswegs beweiskräftig, so wenig derselbe Gelehrte
andererseits entscheidende sachliche Übereinstimmungen zwischen der
Götter- und der Menschensage des Veda nachweisen kann. Vielmehr
sind jene Menschen teils Stammrepräsentanten - ursprünglich ganz ab-
strakte, erst allmählich iudividualisirte Gestalten — , teils gehören sie
den novellistischen Bestandteilen des Veda an, die aus einer selbständig
neben den Hymnen bestehenden profanen Litteratur stammen, und sind
von Anfang an als fromme gute Menschen gedacht.
Für die assyrischen Hymnen und Theogonien (§ 84—86) sind während
des Altertums die wichtigsten Quellen Ktesias, der vorzugsweise die alier-
jüngsten, tendenziös gefärbten Urkunden benutzt zu haben scheint, und Be-
rossos. Verf. sucht nachzuweisen, dafs die Berossosfragmente bei Apollodor
1. AUgem. n. Methodol.: Orappo (Gedichte im a. aber die GOtter). 271
keineswegs eioe christliche Fälschung seien: sie verraten eine geradezu heid-
nische Tendenz und sind nicht erst von christlichen Schriftstellern benatzt,
sondern schon von Alexander Polyhistor, welcher aufserdem auch direkt aus
Berossos schöpft, von dem auch Juba und Josephus direkt abhängig sind.
Sowohl gegenober Alexander, unserer Hauptquelle fttr Berossos, ist bei
seiner Tendenz, die Ähnlichkeit zwischen barbarischer und griechischer
Philosophie hervorzuheben, grofse Vorsicht geboten , wie gegenaber Be-
rossos selber, dessen Absicht, die griechische Litteraturform in die bar-
barische Litteratur einzufahren, auf die Wiedergabe der nationalen Über-
lieferung schädlich eingewirkt haben mufs.
Ferner ist far unsere Kenntnis der chaldäischen Religion von ge-
wisser Bedeutung die griechische Mystik, da dieselbe stark unter dem
Einflufs einer geistesverwandten babylonischen Litteratur steht, welche
trotz ihrer unleugbaren hellenischen Elemente als Fortsetzung der natio-
nalen Litteratur und als Bewahrerin altorientalischer Religionsideen an-
gesehen werden darf (chaldäische Orakelsammlung — Porphyrius).
Nicht viel mehr als durch die griechische Überlieferung gewinnen
wir (§ 35) durch die in den Keilinschriften erhaltenen assyrischen Lit-
teraturdenkmäler (Kosmogouien mit mehrfachen Anklängen an die he-
bräische und griechische, theogoniache Schriften, Gebete und Hymnen,
die sich inhaltlich mit den Vedeu, formal mit den Psalmen berahren), da
ihre Exegese und chronologische Klassifizirung höchst unsicher ist.
Far die phoinikische Litteratur über die Entstehung der Welt und
der Götter (§ 36—38) sind die dürftigen, aus Eudemos und Mochos fliefsen-
den kosmogonischen Notizen bei Damaskios unwesentlich im Vergleich
zu Eusebios' Bericht über die phoinikische Theogonie (Praep. ev. I 9 u.
10; IV 16. 6—8), einem von E. selber hergestellten Excerpt aus dem
1. Buch von Philo's des Bybliers angeblicher griechischer Übersetzung
der ^omxix^ Uruopia Sanchuniathon*s. Dasselbe ist mit der dem E. eige-
nen üngleichmäfsigkeit im Excerpiren und ohne Rücksicht auf Zu-
sammenhang und Verbtändlichkeit verfafst, in einseitiger Verfolgung der
antiheidnischen Tendenz seines Werkes. Wenn nun auch eine genaue
Analyse des Philonischen Berichtes, welche Verf. p. 354 — 373 unter-
nimmt, den sicheren Scblufs ziehen läfst, 'dafs es einen phoinikischen
Sanchuniathon, d. h. ein phoinikisches Werk von dem Umfang, wie Philo
es gelesen haben will, überhaupt nicht gab', so hat doch Philo zweifel-
los wenigstens indirekt phoinikische Urkunden benutzt und giebt diesel-
ben so treu wieder, als es seine euemeristische Tendenz und seine litte-
rarischen Grundvorstellungen gestatten; sowohl auf den phoinikischen Mün-
zen wie in litterarischen Denkmälern finden wir überraschende Bestäti-
gungen seiner Darstellung. Der ganze Charakter seines Berichtes über
das Uranidengeschlecht weist auf ein phoinikisches Gedicht als Urquelle
hin, dasselbe lag in mehreren griechischen Übersetzungen vor und ist
wahrscheinlich im 8. — 7. Jahrh. v. Chr. entstanden. Philo hat es eueme-
272 Griechische Mythologie.
ristisch bearbeitet und den ursprünglich theogonischen Charakter des-
selben bis auf wenige, allerdings dentliche Zflge verwischt. Er stellt
dieser eoemeristisch zugestutzten Theogonie (Enseb. § 12—22 H. [14 —
86 6]) eine von ihm selber ätiologisch konstruirte Anthropogonie vor-
an, welche die Entstehung des Menschen und der menschlichen Kultur
beschreibt (§ 4 — 12 H. [7-- 14 G.]) Dazu kommt die aus Hekataios ent-
lehnte Eosmogonie (auffallende Berührungspunkte mit den aus H. stam-
menden Abschnitten Diodors und Plutarchs) am Anfang und die aus
einem allegorisirenden griechischen Philosophen (dem *Tabioniden') ent-
nommene zweite phoinikische Theogonie am Schlnfs (von § 23 [36] an).
Aufser diesen Quellen hat Philo ein Compendium der griechischen My-
thologie und eine zweite phoinikische Quelle, welche geschichtlicher Art
gewesen sein mnfs, benOtzt. Eine Verwertung chaldäischer und jfldi-
scher Quellen (Hexateuch) ist zwar in den erhaltenen Fragmenten nicht
nachweisbar, aber fOr das ganze Werk mit Bestimmtheit anzunehmen.
Verf. bespricht sodann die ägyptische Litteratur (§ 39 — 40. Die
Angaben der Griechen). Diodors Hauptquelle fOr die ägyptische Reli-
gion ist der allerdings nur nebensächlich von ihm citirte Hekataios,
welcher seinerseits auf dem theologischen Werk des wahrscheinlich et-
was älteren Manetho fufst. Letzteres fQhrte vermutlich den Titel lepä
ß(ßXoQ und war in der Hauptsache eine verkürzte Übersetzung (ohne
wesentliche Zuthaten und ohne Veränderung der Disposition) des von
Clemens (III p. 156 Dind.) beschriebenen heiligen Corpus, dessen Anlage
sich auf Grund von Hekataios (bei Diodor) und Clemens rekonstruiren läfst
(p. 432f.). Eine ähnliche Bedeutung, wie Manetho fQr die griechische
Zeit, hatte fOr die römische der von späteren Philosophen und Kirchen-
vätern vielbenfltzte , aber keineswegs sehr zuverlässige Stoiker Chaire-
mon mit seinen lepä ypdfißara. Ohne genOgende Kenntnis von der
ägyptischen Priesterlehre unternahm er es, diese nach griechischen Quel-
len im stoischen Sinn darzustellen. Während er noch die frohere phy-
sikalisch-allegorische Mythendeutung vertritt, zeigt die aus Hekataios
(Übereinstimmungen mit Diodor) und daneben aus Eudoxos schöpfende
Schrift Plutarchs ^de Iside et Osiride' (Cap. 45) bereits einen Ansatz zu
der metaphysischen Deutung, wie sie der späteren Mystik eignet und fär
die ägyptische Religion — trotz gelegentlichen ZurQckgehens auf physi-
kalische Auslegungen — durchgeführt ist von den Neuplatonikern Pseudo-
Jamblichos, Heraiskos, Asklepiades und in den hermetischen Bflchern.
Letztere bilden trotz ihres späten Ursprungs und trotz ihrer Vermischung
griechischer, ägyptischer und syrischer Vorstellungen eine nicht ganz wert-
lose Ergänzung der hieroglyphischen Litteratur.
Bei dieser (§ 41—43. Die hieroglyphische Litteratur) tritt der fflr die
indische Mythologie deutlich nachweisbare Zusammenhang der mythischen
Vorstellungen mit dem Ritual fast gänzlich zurOck. Dafs dieser Zusam-
menhang ursprünglich auch in Ägypten bestand, zeigt Verf. aufser ande*
1. Allgem. n. Methodol.: Gruppe (GMichte an und aber die Götter). 278
rem durch eine eingebende Prttfung der einzelnen, anorganisch znsam-
mengeftgten Bestandteile des Totenbachs (p. 462 — 477). Sowohl von den
Göttergesprächen desselben wie von vielen der mit dem Verstorbenen
sich beschäftigenden Stücke (Bittgesänge der Toten, Triamphgesänge)
ist wahrscheinlich, dafs sie eigentlich znm Vortrag bei der Fnneralcere-
monie bezw. beim Ahnenopfer bestimmt waren. — Die transscendentalen
Religionsvorstellungen der philosophischen Hymnen (§ 43) sind weder für
den Eni tos noch für den Mythus von wesentlicher Bedeutung gewesen.
Was die phrygische Litteratur anlangt, so bietet zwar die phrygi-
sirende, * durch einen wüsten Synkretismus ausgezeichnete Litteratur der
späteren Zeit von echt phrygischen Mythen fast nichts» aber für die
ältere Zeit ist ein gröfseres kosmogonisches Gedicht nachweisbar, das die
Attissage behandelte und die Übersetzung einer phoinikischen Theogonie
war. Seine Rekonstruktion wird ermöglicht durch zwei Auszüge einer
griechischen Bearbeitung und durch die phoinikischen Parallelversionen bei
Philo (Beschneidung des *£pigeios') und Damaskios (Astronöe und Esmun).
Endlich kommt Verf. zu den griechischen und römischen Ge-
dichten an und über die Götter und bespricht hier zunächst die Hym-
nen und Gebete (§ 45). Das während der Opferhandlung gesungene Lied
ist in Griechenland, wenn es überhaupt jemals im Gebrauch war, bereits
früh untergegangen, der religiöse Gesang erscheint gesondert vom Opfer.
— Die Korruption der gröfseren homerischen Hymnen wurde vor ihrer
(etwa für das 2. Jahrhundert n. Chr. anzusetzenden) Sammlung und Auf-
zeichnung durch willkürliche Entstellung in der mündlichen Tradition ver-
ursacht Aus dem Kern des Hymnus auf den delischen ApoUon (v. 30
— 139) rekonstruirt Verf. unter Heranziehung von Hygin Fab. 140 und
V. 129—177 des Hymnus auf den pythischen Apollon ein die ApoUon-
geburt behandelndes Gedicht, in welchem Apollon ohne Artemis geboren
wurde und Typhaon, des Apollon Gegner, vor des letzteren Geburt den
Zeus besiegt hatte. Dasselbe erweist sich als Bearbeitung eines orien-
talischen Mythus, dessen phoinikische Form der zweite Teil des von Philo
verwerteten Gedichtes (s. o. S. 272) bietet, während seine ägyptische Form
durch Herodot II 166 f. überliefert ist.
Der nicht erzählende (melische) Hymnus trat in späterer Zeit äufser-
lich wieder in Verbindung mit der Geremonie, ohne jedoch, wie der ve-
dische Hymnus, auf das Opfer selbst besondere Rücksicht zu nehmen.
Dieser religiösen Lyrik schreibt Verf. fir die Ausbildung der griechischen
Gottesvorstellnngen die gröfste Bedeutung zu. Was die orphischen Hym-
nen betrifift, so hält er eine Scheidung zwischen der pseudoorphischen
Litteratur von den echten, in den Sekten vorgetragenen Hymnen nicht
für möglich, in der uns erhaltenen Sammlung sieht er nicht eine litte-
rarische Mystifikation, sondern einen Ausflufs der durch Julian bezeich-
neten theosophischen Richtung.
Jahresberleht für AltertamawlsMnsebaft. LZYI. Bd. lg
274 Griechische Mythologie.
Neben dem Hymnus blieb in fortwährendem Gebranch das Gebet.
Während die Wirkung desselben in Griechenland nicht an eine bestimmte
Formel gebunden war, ist es bei den Römern — analog der indischen
Auffassung von der gotterzwingenden Macht des Opferspruchs — zu
einer Zauberformel erstarrt, welche mit peinlichster Genauigkeit herge-
sagt sein will. Doch waren die Formeln weder ein Geheimnis der pon-
tifices noch trugen die Gebetssammlungen (indigitamenta) einen amtlich
pontificalen Charakter.
Zweitens untersucht Verf. die griechische theogonische Litteratur
(§ 46--47). Den flberlieferten Zustand der Hesiodeischen Theogonie er-
klärt er nicht aus nachträglichen Interpolationen, sondern ans der Ent-
stehung und dem Zweck des Gedichtes, das ein einheitliches^ zusammen-
fassendes Corpus vieler zum teil einander widersprechenden theogoni-
schen und genealogischen Gedichte sein will. Als solche erweisen sich
die in zwei Versionen vertretene sogenannte Titanomachie (besser Heka-
toncfaeiris), das Typhoeuslied, das Prometheuslied in zwei, das üranoslied
in drei Versionen, und mit letzteren eng verbunden die Erzählung von
der Zeusgeburt. Dazu kommen Reste von Liedern an Hekate und an
die Musen. Die drei Prooemien bieten die Inhaltsangaben von drei theo-
gonischen Quellen dar. Eine Prüfung des ganzen in der Theogonie nie-
dergelegten Sagenmaterials weist deutlich auf den Kreis Theben, Korinth,
Argos als Abfassungsort, und der Umfang des argivisch- korinthischen
Eolonialbestandes, welchen die Theogonie voraussetzt, läfst auf die Pe-
riode des Periandros als Abfassungszeit schliefsen. Eine viel ältere Theo-
gonie war es, die in der Jr^c dnärv^ der Ilias travestirt ist. Sie berOhrte
sich nahe mit der von Piaton citirten orphischen Theogonie — beiden
gemeinsam ist vor allem die bevorzugte Stellung des Okeanos und der
Tethys — und hatte zum Mittelpunkt den weltverändernden Ehebund
von Zeus und Hera. Sie erweist sich als eine Übersetzung der von
Philo (s. o. S. 271 f.) überlieferten phoinikischen Theogonie, von der sie
wesentlich nur darin abweicht, dafs Zeus statt des Okeanos den Kronos
zum Vater erhält
Von der jüngeren orphisirenden Litteratur spricht Verf. die unter
dem Namen des Lines und des Musaios gehenden theogonischen Gedichte
frühestens dem sechsten Jahrhundert zu. Unter den ausdrücklich dem Or^
pheus zugeschriebenen jüngeren Theogonien ^nd die bedeutendsten die von
Athenagoras citirte (identisch mit der von Damaskios de princ. p. 380 ff.
[Kopp] an zweiter Stelle genannten) und die von den jüngeren Neuplatoni-
kem benützte 'Theogonie* (identisch mit der dritten des Damaskios, für die
Neuplatoniker die Quelle des Zagreus- und Eoremythus). Die Verfasser
dieser jüngeren orphisirenden Gedichte in den Kreisen der Stoiker zu suchen
verbietet die Beobachtung, dafs die Mehrzahl der dort niedergelegten
Ideen der Stoa nicht allein fremd war^ sondern ihr geradezu widersprach.
1. AUg. u. Method.: Qrappe (Qriechiscfae Hymnen, Gebete n. Theogo nien). 275
Vielmehr lag diese Litteratur bereits den um die Wende des sechsten
and des fünften Jahrhunderts v. Chr. arbeitenden Philosophen zu gründe,
besonders dem Heraklit, welcher in einer Reihe wesentlicher Punlcte mit
ihr Qbereinstimmt. Den entscheidenden Beweis fflr ihr höheres Alter
sieht Verf. darin, dafs die einzelnen in ihnen enthaltenen Vorstellungen
sich schon im siebenten und sechsten vorchristlichen Jahrhundert in den
verschiedenen orientalischen Religionen vorfinden und eine nachträgliche,
in hellenistischer Zeit erfolgte Entlehnung aus diesen fttr die Mehrzahl
jener Ideen nicht angenommen werden kann. Zuletzt behandelt Verf.
die sibyllinischen Weissagungen (Anhang § 48). Er deckt im dritten
Buch der uns erhaltenen Sammlung deutliche Spuren der Abhängig-
keit von hellenischen und chaldäischen Vorbildern auf: diese, und nicht
unser drittes Buch, haben die Alten im Auge, wenn sie die Sibylle aliein
oder mit einem der bekannten Sibyllennamen citiren. —
Eine abschliefsende Kritik auch dieses ersten Bandes erscheint
dem Ref. vor der Hand nicht wohl möglich: des Verf. eigene Ansicht
über Ursprung und Geschichte des griechischen Mythus und Kultus tritt
im ersten Kapitel doch nur andeutungsweise und ohne eingehende Be-
gründung zu Tage, und auch auf viele Aufstellungen des quellenkriti-
schen, zweiten Kapitels dürfte erst dnrch die Fortsetzung klärendes und
bekräftigendes Licht fallen. Ref. beschränkt sich daher auf einige we-
nigen Punkte. Die eigentümliche Auffassung vom Ursprung der Stamm-
namen, welche Verf. am Beispiel der Dorier entwickelt, ist einer Be-
gründung — auch für die Dorier — allerdings im höchsten Maafse be-
dürftig: Verf. hätte besser gethan, sich hier nicht vorzugreifen, um so
mehr, als eine Nötigung dazu kaum vorlag. Dasselbe gilt vom 'Adap-
tationismus', zu dessen Begründung doch nur ein Anlauf genommen wird:
warum dies hier und nicht lieber nachher, wenn an der Geschichte der
griechischen Religion der empirische Nachweis geführt ist? Dagegen
hätten einige für die Kritik der bisherigen Theorien bedeutsamen Sätze
eine viel sorgfältigere Argnmentirung verlangt, als Verf. sie darbietet:
so vor allem der, dafs das religiöse Gefühl nicht angeerbt sei (p. 268),
und ferner die Hypothese von den religionslosen Völkern. Bis auf wei-
teres glauben wir weder das eine noch das andere. Gründlicher und
ausführlicher hätte Ref. den Abschnitt über die antike Religionsbetrach-
tung gewünscht: besonders hinsichtlich der Stoa, deren Bedeutung für
die Mythengeschichte der Verf. hoffentlich nicht unterschätzt. Des Euse-
bius treffliche Polemik gegen die physikalische Mythendeutung hätte
wohl berücksichtigt werden dürfen.
Bei alledem ist das Buch eine hochbedeutsame Erscheinung, nicht
am wenigsten durch seine umfassende und ruhige Kritik der vergleichen-
den Mythologie und durch den ungewöhnlich weiten wissenschaftlichen
Horizont des offenbar mit eiserner Energie arbeitenden Verfassers. Der
Fortsetzung darf man mit Spannung entgegensehen.
18*
276 Griechische Mythologie.
0. Oörres, Stadien zur griechischen Mythologie. 1. Folge. Ber-
lin, Galvary. 1889. (Berliner Stadien für klassische Philologie and Ar-
chftologie X, 2.) 8. 246 S.
Der Verf. geht aas von der Lykaonsage, als deren Grandthema er
die Selbstopfernng der Gottheit in ihrem Sohne fafst. Lykaon ist die
Erscheinnngsform des Zens als des sommerlichen Himmelsgottes, der mit
Kallisto, der Erscheinnngsform der Erdgöttin als Göttin der vegetativen
Feuchte, den Arkas erzeugt, den Repräsentanten der Vegetation, und
wie dieser durch seinen Opfertod aufser- oder unterweltlich wird (Nyk-
timos), so auch die Mutter Kallisto, indem sie von Hera oder Artemis,
welche Erscheinungsformen der Erdgöttin als sommerlicher, lichter Göttin
sind, vertrieben oder getötet, d. h. abgelöst wird. Sie wird zur Hekate
oder Persephone. Ebenso bedeutet der spätere Tod des Lykaon, wo-
durch er zum Nykteus oder Hades wird, die Ablösung des sommerlichen
Himmelsgottes durch den Herrscher der Feuchte.
Indem Verf. dann eine Reihe anderer Mythen (Athamas, Prome-
theus, Odysseus) auf dasselbe Schema zurückführt, versucht er wahr-
scheinlich zu machen, der Gegensatz der beiden Jahreshälften, der vege-
tativen Feuchte und der trockenen, abreifenden Zeit sei ^das Thema aller
griechischen Mythen ohne Ausnahme, die, obwohl sie es in der wunder-
lichsten Weise ausschmücken und variiren und es mit einem sinnver-
wirrenden Schwall von Namen und Beziehungen umgeben, doch alle auf
diesem Natursubstrat wie auf einer unverrückbaren Grundfeste ruhen',
(p. 120). Die einzelnen Götter sind eigentlich blos Erscheinungsformen
ein und desselben Himmelsgottes, wie er in den verschiedenen Jahres-
zeiten gedacht wird, und ebenso hat sich die eine Erdgöttin, indem man
ihre verschiedenen Zustände im Jahreskreislauf zu besondern Personen
ausbildete, in eine Vielheit von Göttinnen gespalten, die entweder die
sommerliche, trockene, oder die winterliche, feuchte Jahreszeit repräsen-
tiren. Meist allerdings bewahren diese Sonderformen teils in Beinamen
teils in Mythus und Kultus noch deutliche Spuren der Einheit, aus der
sie hervorgegangen sind: der Name Athene z. B. kommt eigentlich zwar
nur der Göttin der sommerlichen Jahreszeit zu, wird aber doch auch von
der aufser- oder unterweltlichen, Mm ehernen Hause' wohnenden Erd-
göttin gebraucht, wie denn auch die Beinamen 'Gorgo', *Gorgopis* auf
den winterlichen Zustand der Erdgöttin gehen. Aus der Verbindung des
Himmelsgottes mit der Erdgöttin aber entsteht der Repräsentant der Ve-
getation, der Heros, gleich seinen Eltern in verschiedenen Erscheinungs-
formen auftretend, nach Maafsgabe der Erscheinungen des Jahreskreislaufs :
bald als der herrliche, starke, die Menschen mit seinen Gaben erfreuende,
bald als der leidende, getötete und verklärte Gottessohn.
Obwohl, dem Vorworte zufolge, das vorliegende Buch nur die
Skizze zu einem Teile eines umfangreichen mythologischen Werkes sein
soll, mufs man sich doch höchlichst darüber verwundern, dab der Verf.
J m^9
1. Allgemeines n. Methodologisches: Görres, L. von Schroeder. 277
sich weder mit QaelleDoachweiseo — geschweige denn Quellenkritik —
sonderlich Mühe giebt noch auch sich mit der neueren Forschung aus-
eiuandersetzt. Der Stofif wird in wenig tibersichtlicher, häufig verworrener
Weise vorgeführt, die Beweisführung ist von KOnstlichkeit und Einseitig-
keit keineswegs frei. Der Gegensatz von Leben und Tod mag eine
wichtigere Rolle in der griechischen Mythologie spielen, als man ge-
meinhin angenommen hat, aber der Schlttssel zu allen Geheimnissen ist
er sowenig wie irgend ein anderes Schlagwort. Möchte der Verf. in dem
ausführlicheren Werk, anstatt eine so einseitige Durchführung des Jah-
reszeitenprinzips zu bringen, auch den vielen anderen, für die Entwicke-
lang der griechischen Götterwelt bedeutsamen Faktoren gründlich Rech-
nung tragen.
Leopold von Schroeder, Griechische Götter und Heroen.
I: Aphrodite, Erosund Hephästos. 1887. 8. Berlin, Weidmann. 118 S.
Verf. erklärt den Namen der Aphrodite aus d^po^ skr. abhra
* Wolke, Nebel' und der Wz. dl ^sich bewegen, fliegen (Seov, ötea^ae u.s.w.),
also Mm Gewölk sich bewegend, fliegend*. Ihr Urbild sind die indischen
Apsaras, die liebreizenden, verliebten, Schmuck und Blumen liebenden
Wolkengöttinnen. Der Charakter der germanischen Schwaigungfrauen,
welche Verf. auf Grund der Urva^lsage mit den Apsaras zusammenstellt,
verrät sich bei Aphrodite noch in ihrer häufigen Verbindung mit dem
Schwan und in der Schwanmetamorphose der ihr nahverwandten Neme-
sis, während Eros (skr. rati * Behagen, Liebe \ zugleich Name einer Ap-
saras) gleich dem Schwanenritter Lohengrin eine ins Männliche umge-
setzte Schwanjungfrau ist. Wie die Schwaigungfrau als Walküre Schlacht
und Schicksal lenkt, so erscheint Aphrodite gelegentlich bewaffnet und
steht in Beziehung zu Schicksal und Tod. Dem engen Zusammenhang
der Apsaras mit den Gaudharven, den stark geschlechtlich beanlagten
indischen Winddämonen, entspricht der lebhafte Verkehr, den Aphrodite
sowohl wie die ebenfalls von den Apsaras abzuleitenden Nereiden und
Nymphen mit gandharvenartigem, priapischen Wesen unterhalten. Zu die-^
sen gehören nicht blos Kentauren, Satyrn, Silene, Pan, Hermes und Dio-
nysos, sondern auch Hephaistos, Aphroditens Gemahl. Sein ^fututionis
valde cupidus* bedeutender Name (skr. Wz. yabh 'futuere* im Superlativ),
sein Auftreten in der bildenden Kunst (wofür eine Ausführung Löschkes
mitgeteilt wird) und einige Züge aus der litterarischen Überlieferung
verraten die weinliebende Silen-Gandharven-Natur des Hephaistos, von
welchem Daidalos und Prometheus sowie der germanische Völundr- Wielant
mehr oder weniger variirende Parallelgestalten sind. —
Die klar und fesselnd geschriebene Arbeit ist mehr ein Beitrag
zur vergleichenden Mythologie als zur griechischen. Denn anstatt den
griechischen Vorrat, zeitlich und örtlich so weit als möglich fixirt, in
seiner Gesamtheit zur Grundlage zu nehmen, werden aus ihm diejenigen
278 Griechische Mythologie.
ZQge herausgegriffen, welche den indischen bezw. germanischen Vorstellun-
gen zn entsprechen scheinen : ein grofser Best bleibt hinter dem Vorhang.
Das gilt am meisten von der Behandlung des Eros, am wenigsten von
der des Hephaistos.
Erwin Rohde, Psyche. Seelenkult und Unsterblichkeitsglaube
der Griechen. Erste H&lfte. Freiburg i. B., Mohr. 1890. 8. 294 8.
Der erste Abschnitt behandelt Seelenglauben und Seelenkult in
den homerischen Gedichten. Verf. bestimmt die homerische Psyche als
das unsichtbare Abbild des sichtbaren Menschen, welches im lebendigen
Körper, ohne irgendwie zu iunktioniren (also von unserem 'Geist* durch-
aus verschieden), als ein schwächerer Doppelgänger haust und erst im
Tode frei wird, um dann bewufstlos im Hades ihr Schattendasein weiter-
zufahren, fern von den Lebenden und ohne Einwirkung auf das Reich
des Sichtbaren. — Dieser Bestimmung gegenüber mufs bemerkt werden,
was Verf. selbst p. 4 sagt, dafs die Psyche überhaupt erst genannt wird,
wenn ihre Scheidung vom lebendigen Menschen bevorsteht oder gesche-
hen ist: ihre Existenz im lebendigen Menschen ist zwar die logische
Voraussetzung ihres Entweichens beim Tod und bei todesähnlichen
Zuständen, aber ob der homerische Grieche sich bereits für das diessei-
tige Leben die Psyche in der Form des etSai^ov vorgestellt hat, mufs
dahingestellt bleiben. Athene sendet nicht einfach das eTSwXov der
Iphthime zur Peoelope, sondern sie bildet ein solches zuerst. Od. IV
796, und nicht das efSojXov der Penelope unterhält sich mit der Schwe-
ster — wie man nach dem von R. herangezogenen Pindarfragment (131)
erwarten dürfte — sondern die träumende Penelope selbst.
Verf. weist dann bei Homer, besonders in der Leichenfeier des
Patroklos die 'survivals' eines alten Seelenkultes nach, deren ursprüng-
licher, vom homerischen Griechen kaum noch verstandener Sinn war, die
Psyche eines jüngst Verstorbenen zu erquicken (Ausgiefsung fliefsenden
Blutes^ Weinspenden und holokauste Opfer) und zu erfreuen (Leichen-
spiele); die Vermutung, dafs in diesen Bräuchen blos die Erweisung von
Pietätspflichten vorliege, oder dafs wir es hier mit Ansätzen zu neuen
Vorstellungen vom Leben der abgeschiedenen Seelen zu thun hätten, wird
treffend widerlegt. Und als ursprünglichen Grund der Verbrennung des
Toten und seiner Habe, besonders der Waffen, stellt Verf. die Absicht
fest, möglichst schnell und endgiltig die Seele aus der Oberwelt in ein
Reich zu bannen, wo sie selber Ruhe findet — deshalb fleht Patroklos*
Seele um schnelle Bestattung U. XXUI 71 ff. — und den Lebenden nicht
mehr schädlich werden kann. Der apotropaeische Zweck der Ver-
brennung tritt zwar nirgends bei Homer hervor, aber Verf. schliefst ihn
aus der namentlich II. XXUI 75 f.. Od. XI 218 ff. ausgesprochenen Vor-
stellung, dafs die Folge der Verbrennung die gänzliche Abtrennung der
Seele vom Lande der Lebenden sei. 'Homers Griechen, seit Langem
I. Allgem. n. Methodol. : Rohde (homer. Psyche, Torhomer. Seelenkalt). 279
an die Leichenverbrenniuig gewöhnt, sind aller Furoht vor »nmgehen-
denc Geistern ledig. Aber als man sich zuerst der Feaerbestattong zo-
wandte, da mafs man das, was die Vernichtung des Leibes in Zukunft
verhttten sollte, doch wohl geftlrchtet haben. Die man so eifrig
nach dem unsichtbaren Jenseits abdrängte, die Seelen, mnüs man als un-
heimliche Mitbewohner der Oberwelt gefllrchtet haben. Und somit ent-
hält auch die Sitte des Leichenbrandes (woher auch immer sie zu den
Griechen gekommen sein mag) eine Bestätigung der Meinung, dars einst
ein Glaube an Macht und Einwirkung der Seelen auf die Lebenden —
mehr Furcht als Verehrung — unter Griechen lebendig gewesen sein
mufs, von dem in den homerischen Gedichten nur wenige Rudimente noch
Zeugnis geben' (p. 30). Die direkte Bestätigung solchen Glaubens findet
Yerf. in den vielen, besonders in Mykenai erhaltenen, in der Zeit vor
der dorischen Wanderung gebauten Grabanlagen; sie zeigen, dafs dem
homerischen Brennaltar auch bei den Griechen eine Zeit vorausgegangen
war, wo der Tote nicht verbrannt, sondern mit der Ausrttstung eines
Lebendigen bestattet wurde, wo das Totenopfer bei der Bestattung
herrschende Sitte war und dauernd wiederholt worden zu sein scheint
Verf. läfst dahingestellt, welches die stärksten und innersten Gründe
dafür waren, dafs dieser Glaube an inhaltvolles und machtvolles Leben
der abgeschiedenen Seelen, an ihre Verbindung mit den Vorgängen der
diesseitigen Welt bei Homer oder — da Homer in der Hauptsache
jonische Vorstellungen wiederspiegelt — bei den Joniern so geschwächt
erscheint; doch trugen dazu bei nach der Ansicht des Verf. die Trennung
von dem Lande der Vorfahren und den Gräbern der Ahnen, die Ge-
wöhnung an die Sitte des Leichenbrandes, die allem Irrationellen, Un-
erklärlichen abholde Bichtung der religiösen Vorstellungen und die Nei-
gung, die einst körperlich vorgestellten Prinzipien des inneren Lebens
(9P^^% i$ro/o, x^^)'des Menschen in Abstracta zu verwandeln (vgl. beson-
ders p. 44).
Rudimente des vorhomerischen Seelenkultes erkennt Verf. auch in der
später eingeschobenen Nekyia: er rechnet dahin das durch den Bluttrunk
vorttbergehend wiedergewonnene Bewufstsein der Seelen, ein Zug, den der
Dichter zur Erreichung seines dichterischen Zweckes nötig hatte, und das
den homerischen Vorstellungen — welche der Nekyiadichter im ganzen
noch teilt — widersprechende Gelöbnis des Odysseus, nach seiner Heimkehr
den Toten ein Opfer darzubringen. Wenn die nachträglich hinzugefflgten
Gestalten der drei grofsen Büfser von der gewöhnlichen BewufsÜosigkeit
der Seelen eine Ausnahme machen, so soll hierdurch, dem Verf. zufolge,
die göttliche Allmacht gezeichnet werden, welche einzelnen Seelenbildern
zu besonderer Strafe das volle Bewu&tsein erhalten kann. Als fernere
Rudimente alten Seelenkultus bei Homer erwähnt Verf. Odysseus' An-
rufung der im Kikonenkampf erschlagenen Gefährten (vgl. Eustath. zu
280 Griechische Mythologie.
Od. IX 65 p. 1614/5) und die Sitte, den in der Fremde Gestorbenen ein
Kenotaph zu errichten.
Der zweite Abschnitt des Baches handelt ttber Entrttckung und
über die Inseln der Seeligen. Das tröstliche Gegenbild des Schatten-
reiches, das elysische Gefilde, wohin Menelaos entrückt werden soll, hält
Verf. fQr noch jünger als die Nekyia, weist jedoch sowohl für die Ent-
rflcknng Lebendiger wie für die Verleihung der dem Menelaos zugesag-
ten Göttlichkeit (= Unsterblichkeit, d. h. die Psyche trennt sich niemals
vom sichtbaren Ich) eine Reihe von Analogien bei Homer nach : immer sind
ee nur besondere Günstlinge der Götter, die damit begnadet werden; aber
sie erhalten mit der Unsterblichkeit keineswegs zugleich göttliche Macht.
Freie Dichterthätigkeit schuf das elysische Gefilde so gut wie die glück-
liche Insel Syrie und das Phaiakenland, welche Verf. daneben stellt» in-
dem er mit feinem Gefbhl den ruheseligen Geist der Odyssee hervor-
hebt, der sich inmitten der bewegten Handlung überall seine Erholungs-
stätten geschaffen hat (p. 76).
Nachdem Verf. dann ausgeführt hat, wie das nachhomerische Epos
den Kreis solcher Entrücknngssagen immer mehr erweitert, untersucht
er die Erzählung von den fünf Menschengeschlechtern in Hesiods Wer-
ken und Tagen. Während Hesiod die Vorstellung von den Inseln der
Seeligen, wo die entrückten Heroen ewig und in völligerAbgeschie-
denheit von der Menschenwelt ein müheloses Leben führen, aus der
Odyssee und noch mehr aus dem nachhomerischen Epos gewonnen hatte,
fand er im Kultus der boiotischen Heimat den Glauben an die Seelen
abgeschiedener Menschen vor, die entweder zu Dämonen geworden sind,
welche, die Menschen bewachend. Recht und Unrecht beobachtend,
ttber die Erde schweben oder, ebenfalls von den Menschen verehrt, im
Innern der Erde hausen — das sind die Seelen der^dem goldenen und
dem silbernen Zeitalter angehörigen Menschen. Aber die Schaaren die-
ser Geister gewinnen keinen * Zuwachs mehr aus der Gegenwart Seit
Langem verfallen die Seelen der Toten dem Hades und seinem nich-
tigen Schattenreiche. Der Seelenkult stockt, er bezieht sich nur noch
auf die vor langer Zeit Verstorbenen, er vermehrt die Gegenstände sei-
ner Verehrung nicht. Das macht, der Glaube hat sich verändert: es
herrscht die in den homerischen Gedichten ausgeprägte, durch sie
bestätigte und gleichsam sanktionirte Vorstellung, dafs der einmal vom
Leibe getrennten Psyche Kraft und Bewufstsein entschwände, ein fernes
Höhlenreich die machtlosen Schatten aufnehme, denen keine Wirksam-
keit, kein Hinüberwirken in das Reich der Lebenden möglich ist, und da-
rum auch kein Kultus gewidmet werden kann' (p. 102).
Eine ganz andere Art von Entrückung bildet den Inhalt des fol-
genden Abschnittes: 'Höhlengötter, Bergentrückung'. Uralte, in der
Erde hausend gedachte Lokalgottheiten werden, da im panhellenischen
Göttersystem für sie kein Platz mehr ist, vom Epos zu sterblichen Men-
I. Allg. a. Methodol. : Rohde (boiotiscber Seelenkult, Heroen, Ahne nkult). 281
sehen gemacht, die in Höhlen entrückt und ansterblich geworden seien
(in dem vorhin angegebenen Sinne). Fttr die ortsangesessenen Verehrer
behält die Gestalt natürlich ihren göttlichen Charakter, wenn nicht be-
sondere Umstände hinzutreten. So vor allem Amphiaraos (dessen Ent-
rflckong die Thebaüs behandelt hat, wie Verf., Welckers Annahme begrün-
dend, p. 117. Anm. 1 ausfahrt), Trophonios and Asklepios; doch aach den
kretischen Zeas sacht Verf. als hierher gehörig za erweisen. Ferner
sind einige Heroen (wie besonders Erechtheus and Hyakinthos), die in
Göttertempeln begraben sein sollten and z. t. mit dem betreffenden Gott
in Kultasgemeinschaft gesetzt waren, verdrängte Lokalgottheiten der be-
zeichneten Art.
Hierauf zieht Verfasser die eigentlichen 'Heroen' in die Untersu-
chung. Das Opferritual derselben stimmt mit denjenigen ttberein, womit
man die chthonischen Gottheiten und die Seelen verstorbener Menschen
verehrte; wie bei Homer zum Begräbnis vornehmer Toten Wettkämpfe
gehören, so waren die grofsen Agone ursprünglich als Leichenspiele für
Heroen eingesetzt. Gleich jenen Hesiodeischen Dämonen aus den beiden
ersten Geschlechtern bezeichnet dieser, den homerischen Vorstellungen
widerstrebende Heroenglaube Beste eines alten Ahnenkultus. Der
von den Joniern verlorene Glaube an das Haften der Seele im Diesseits
hatte sich überall da lebendig gehalten, wo ein Gräberkult sich erhielt,
der zwar nicht auf Verstorbene neuerer Zeit ausgedehnt wurde, aber die
uralte Verehrung grofser Toten der Vergangenheit nicht völlig erlöschen
liefs. Besonders in Königsfamilien und Adelsgeschlechtern erhielt sich
ein Ahnenkult, aber auch diejenigen 'Geschlechter', wo ein nachweis-
licher verwandtschaftlicher Zusammenhang nicht vorlag, verehren einen
Heros, der als Ahn des Geschlechtes gilt. ^Man setzte einen grofsen
bedeutsamen Namen ein, wo man den richtigen nicht mehr kannte, und
widmete seine Verehrung dem Scheinbild, oft nur dem Symbol eines
Ahnen. Immer hielt man an der Nachbildung eines wirklichen Ahnen-
kultes fest, die Überreste eines wirklichen Ahnendienstes gaben das
Vorbild, sie sind die wahre Wurzel, aus welcher der Heroenglaube und
Heroenkult hervorsprossen' (p. 159 f.)> Verf. behandelt dann die Er-
weiterung des Heroenkreises durch Heroisirung von Stadtgründern und
durch Sprüche des den Heroenglauben sehr begünstigenden delphischen
Orakels , das heilkräftige und das nautische Wesen der Heroen, ihr kör-
perliches Eingreifen in die Schlacht und in das Leben des Einzelnen
und die Heroenlegenden.
Der folgende Abschnitt betrifft den Seelenkult der historischen Zeit.
Nach einer Übersicht über den Kult der chthonischen Gottheiten, welche mit
der Zeit eine ganz andere Bedeutung gewannen, als sie für die Griechen des
homerischen Zeitalters hatten, erfährt die Pflege und Verehrung der Toten,
wie sie uns besonders deutlich für Athen überliefert ist, eine eingehende,
feinsinnige Darstellung. 'Dieser ganze Kult, sinnlich wie er war, beruht
282 Griechische Mythologie.
auf der Vcraüssetzong, die auch bisweilen laut wird» dafs die Seele des
Toten sinnlichen Genusses der dargebrachten Gaben fähig und bedflrftig
sei (p. 222 f.)'. Sie ist auch sinnlicher Wahrnehmung fähig, sie kann
schaden und helfen in aller Not Ihre Verehrung aber ist weniger durdi
egoistische Motive eingegeben als durch ein GefQhl der Pietät, das nicht
mehr auf eigenen Vorteil, sondern auf Ehre . . . und Nutzen des verehr-
ten Toten bedacht ist . . . jede Seele hat Anspruch auf die sorgende
Pflege der Ihrigen, einer jeden wird ihr Loos bestimmt nicht nach ihrem
besonderen Wesen und ihrem Thun bei Leibesleben, sondern je nach
dem Verhalten der Überlebenden zu ihr' (p. 228). Wenn aber Verf.
im Hinblick hierauf geneigt ist, ^als einer richtigen Ahnung der Meinung
derjenigen Raum zu geben, die in diesem ältesten Familienseelenkult
den Vorläufer alles Kultus weiterer Kultgenossenschaften , der Vereh-
rung der Götter des Staates und der Volksgemeinde erkennen' (p. 231),
so ist zu bemerken, dafs fOr so weitgehende Folgerungen weder die vor-
aufgeschickte Darlegung noch überhaupt das ganze Buch irgendwie ge-
nügende Prämissen bietet.
Auch in der Blutrache und Mordstthne findet Verf. Elemente des
Seelenkultes wieder. Er stellt der homerischen Anschauung, wonach im
Grundsatze zwar die Forderung der Blutrache besteht, doch der ver-
geltende Mord des Mörders abgekauft werden kann, das attische Recht
gegenüber, nach welchem die nächsten Verwandten des Ermordeten zur
gerichtlichen Verfolgung des Mörders nicht nur das ausschliefsliche Recht,
sondern auch |die unerläüsliche Verpflichtung haben. Verf. erkennt hierin
einen Teil des jenen Verwandtenkreisen obliegenden Seelenkultes. Die
mordrächende Erinnys möchte er (wofür auf den noch nicht erschienenen
Anhang 16 verwiesen wird) im letzten Grunde als die zürnende, sich
selbst Rache holende Seele des Ermordeten verstehen, 'die erst in spä-
terer Umbildung zu einem den Zorn der Seele vertretenden Höllengeist
geworden ist' (p. 247). Auch die in homerischer Zeit verdunkelten,
ganz besonders durch das delphische Orakel geheiligten Gebräuche der
Sühne sollen dazu dienen« durch feierliche Opfer die zürnende Seele
und die Götter, die über ihr walten, zu versöhnen.
Die zwei letzten Abschnitte, in welchen Verf. die eleusinischen
Mysterien und die Vorstellungen vom Leben im Jenseits behandelt,
gehören nicht zum Besten des Buches : sie enthalten manches nicht oder un-
zureichend Begründete. Was die Geschichte der eleusinischen Mysterien
betrifft, so schreibt Verf. einen bereichernden und umgestaltenden Ein-
flufs auf dieselben wohl der Einfügung des Jakchos, aber nicht den Pri-
vatmysterien der orphischen Conventikel zu. Das tröstliche Erträgnis,
welches der Gläubige von der Feier mitnahm, sieht Verf. nicht durch
die mimetischen Darstellungen von Raub und Wiederkehr der Köre ver-
ursacht, sondern ganz unumwunden und handgreiflich mufs die Aussicht
auf jenseitiges Glück den Teilnehmern dargeboten worden sein, vielleicht
1. Allg. n. Methodol. : Rohde (Seelenkolt in historischer Zeit). 288
in einem Schlofseffekt des mystischen Dramas. Der Glaube an eine jen-
seitige Vergeltung guter und böser Tbaten ist den Griechen, nach der
Ansicht des Verf., keinesfalls durch die eleusinischen Mysterien, welche
eben nur zwischen Eingeweihten und Nichteingeweihten unterscheiden,
zugeflossen, wie es denn Überhaupt unbewiesen sei, dafs die Vorstellung
von Richtern und Gericht über die diesseits begangenen Thaten in der
Bltttezeit griechischer Bildung im Volke Wurzeln geschlagen habe (p. 286).
Wir haben eine ausfohrliche Inhaltsangabe dieser ersten Hälfte
von Rohdes Buch fUr angebracht gehalten, weil hier ein weites und
wichtiges Gebiet der griechischen Religion im ganzen recht glflcklich
behandelt ist. Ahnen - und Seelenkult, mit denen vielfach ein unerlaub-
ter Spuk getrieben wird, sind hier in ihre, durch eine keineswegs i&rm-
licho Überlieferung bestimmten Grenzen verwiesen, und meist mit feinem
Gefühl sind die ganz oder halbwegs sicheren Erscheinungen dieses Glau-
bens dnrch eine vielverzweigte Entwickelung hindurch verfolgt. Dabei
befremdet allerdings, dafs Yerf von den homerischen Vorstellungen häufig
als wie von einer Stufe des gesamthellenischen Geisteslebens und in die-
sem Sinn von homerischen, vor- und nachhomerischen Griechen spricht
(vgl. p. 154, 189, 196 f., 200). Die starke antihomerische Strömung hatte
doch nur das Unglück, dafs sie poetisch nicht in dem Maafse fixirt wurde
wie die jonische durch Homer. Vieles Einzelne, was Verf. vorträgt, ist
nicht neu, wenn es auch z. t. in neuem Zusammenhang und neu be-
leuchtet auftritt: um so verwunderlicher ist es, dafs Verf. auf seine Vor-
gänger fast nirgends ausdrücklich Bezug nimmt. Eine konsequente
Durchführung des Prinzips, die neuere Litteratur nicht zu citiren, liefse
man sich am Ende gefallen: aber es wird gelegentlich auf recht neben-
sächliche neuere Arbeiten verwiesen, während z. B. die klassische und
vom Verf. keineswegs übertroffene Behandlung, welche v. Wilamowitz im
Isyllos dem Asklepios und anderen chthonischen Gottheiten zu teil wer-
den läfst, unerwähnt bleibt. An Gelegenheit dazu fehlte es wahrlich
nicht. Auch der reichhaltige, in manchen wesentlichen Punkten mit R.
übereinstimmende Artikel * Heros', welchen Deneken für Roschers Lexi-
kon geliefert hat, durfte, falls er dem Verf. bereits bekannt war, nicht
stillschweigend übergangen werden.
Otto Crusius, Beiträge zur griechischen Mythologie und Reli-
gionsgeschichte (Abhandlung zu dem Jahresbericht der Thomasschule
in Leipzig für das Schuljahr Ostern 1885 bis 0. 1886). 4. 28 S.
Der Verf., Welcher sich zur historischen Methode Otfried Müllers
und H. D. Müllers bekennt, erOflfhet diese Beiträge mit einer erfreu-
lichen Untersuchung über die 'Pelasger und ihre Kulte'.
An der Hand des Herodot stellt Verf. fest, dafs die Pelasger in
der Zeit Herodots und der Perserkriege durchweg an der See und auf
Inseln hausten, während sie vorher noch Küstenstrecken inne hatten, wie
284 Griechische Mythologie.
die Hymettosgegend, und in der ältesten Zeit wohl auch ausgedehnte
Ebenen in Boiotien und Thessalien (die jedoch gleichfalls in Berührung
mit dem Meere waren, p. 8), dafs ferner ihre Sprache eine selbständige,
unhellenische war, dafs sie mit Seefahrt, Ackerbau und mit der Bau-
und Befestigungskunst gründlich vertraut waren, und dafs sie bereits in
ihren festländischen Sitzen die Kabiren (»Kabirimc = »die Grofsen,
Mächtigenc) als Stammesgötter verehrten und diese bei ihrer Auswande-
rung erst nach Athen, dann auf die nordischen Inseln und Kttstenstrecken
übertrugen (p. 11). Sodann bestimmt Verf. auf Grund des Herodot und
anderweitiger Überlieferung die Glieder dieses GOtterkreises (sehr gut
veranschaulicht in einer Tabelle, welche neben einander die Hauptsitze der
Pelasger und andererseits die Kulte und Mythen angibt, deren Zugehö-
rigkeit zum Kabirenkreise nachweisbar oder wahrscheinlich ist): der
ithyphallische Hermes und neben ihm ständig Demeter ('Venus und Po-
thos ' des Skopas eine Metamorphose des alten Kultpaares) ; daneben meist
Harmonia (für das nationale Göttersystem umgedeutet und umgeformt
aus 'Epjitdvvi^ der Genossin des Hauptgottes Hermes), häufig Aphro-
dite (zum ältesten Religionsbesitz des Stammes gehörig, vgl. die KaXid,
Ku^a am Hymettos, die Kwhdc auf dem gleichnamigen Vorgebirge und
die KaXidg auf Samothrake), die Dioskuren und Kadmos, der Eponymos
der Kadmeia (wie Hermes Kadmilos der Hermes von Theben).
Im zweiten Abschnitt der Untersuchung legt der Verf. — indem
er einen der wichtigsten, aber nur zu häufig mifsachteten Grundsätze
mythologischer Forschung zur Geltung bringt — dar, wie im Charakter
dieser Gottheiten das von Herodot überlieferte Wesen der Pelasger sich
deutlich wiederspiegelt: 1) das agrarische vor allem in Hermes (dessen
im griechischen Kultus vorwiegend chthonischer Charakter mit vollem
Recht betont wird) und Demeter, in dem samothrakischen Festbrauch,
wo die verschwundene Harmonia-Kore gesucht wird, in der Kadmos- und
Jason -Sage, welche deutliche Reflexe beliebter ländlicher Festgebräuche
darbieten (Umzug des heiligen Pfluges, Scheinkampf mit Waffen, Stein-
werfen), 2) das maritime in der Bedeutung, welche sowohl die Kabiren
überhaupt als auch besonders die Dioskuren und Aphrodite (Hypostase
Leukothea) auf dem Meere, in Handel und Schifffahrt haben. Auch den
durch Theogonie 969 ff. überlieferten maritimen Zug im Wesen der De-
meter verwertet Verf. mit gutem Recht, indem er auf den bedeutenden
Einflufs hinweist, den der Wohnort und Charakter der Kultgemeinde
auf die Gestaltung und Umgestaltung der Göttertypen ausüben kann
(p. 24). Aus demselben Grunde steht auch bei Hermes a priori nichts
im Wege, ihm maritime Beziehungen zuzusprechen: aber was der Verf.
p. 23 an Belegen bringt, ist doch kaum beweiskräftig.
Über die ursprüngliche Herkunft des Volkes äufsert sich Verf. nur
kurz und vermutungsweise: jedenfalls erkennt er in ihm 'ein orientalisti-
sches Volk, wenn nicht von semitischer Herkunft, so doch mit semitischer
1. AUgem. n. Methodol.: Grosias, W. Maller, Robert 285
Kultur' (p. 26) und ftthrt gewisse Momente an, welche nach Phrygien
and Lydien zu weisen scheinen.
Das Oebiet der Heldensage betreffen anfser dem oben (S. 252 ff.)
besprochenen Artikel Deneken's zwei Schriften.
Wilhelm Müller, Zur Mythologie der griechischen and deut-
schen Heldensage. Heilbronn, Henninger. 1889. 8. 177 S.
bringt in der Einleitung eine etwas gereizte, aber doch sehr beachtens-
werte Kritik der Methode MOllenhoff*s und E. H. Meyer's. Die zwei
ersten Abschnitte, welche allein hier zu besprechen sind, behandeln die
Kentauren- und die Achilleussage unter eingehender Berücksichtigung
ihrer Deutung durch den letztgenannten Forscher. Auch hier ist die
Kritik treffend, aber die Deutung, welche Verf. selbst von den Kentauren
aufstellt — für die Achilleussage vertritt er die bekannte, rein histo-
rische Auffassung, wonach sie lediglich der Niederschlag geschichtlicher
Wanderungen und Kämpfe ist — entbehrt doch ebenfalls einer sicheren,
einwandsfreien Grundlage. In den Kentauren (xevreai stechen und aupoQ
Renner, Pferd) vermutet er das Reitervolk der Thessaler, die im My-
thus zu den aus Rofs und Mensch zusammengewachsenen Ungetümen
wurden ; die Lapithen sucht er, besonders auf die Person des Peirithoos
gestützt, als ein früher in Thessalien ansässiges, aus achäischen und
äolischen Elementen gemischtes Volk zu erweisen, und die Kämpfe
zwischen diesen Völkern soll die Sage widerspiegeln. — Die Sage in
Bild und Lied bis auf die letzten Quellen zu verfolgen, dieser unerläfs-
lichen Arbeit, welche alier Deutung voranzugehen hat, hat sich Verf.
überhaupt nicht unterzogen.
Die Veröffentlichung und Erläuterung wertvollen bildlichen Mate-
rials für die Heroensage verdanken wir der Schrift von
Carl Robert, Homerische Becher (Fünfzigstes Programm zum
Winkelmannsfeste der Archäologischen Gesellschaft zu Berlin. Berlin,
Reimer. 1890. 4. p. 1—96 mit 22 Textabbildungen).
Es handelt sich um die thönernen Nachbildungen goldener oder
silberner Prachtstücke, welche meistens Illustrationen zu erhaltenen oder
verlorenen Dichtwerken darbieten. R. setzt als Entstehungszeit der
Originale auf grund technischer, epigraphischer und anderer Merkmale
ungefähr das 3., bezw. die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr.
an; die Nachbildungen scheidet er nach der Art, wie die Modellform
hergestellt war, in zwei Klassen: bei der einen waren die Formen Ab-
drücke vollständig ausgeführter Modelle (wahrscheinlich der metallenen
Originalarbeiten selbst), bei der andern waren die Figuren und Or-
namente mit besonderen Stempeln der Form oder auch dem fertigen
Gefässe aufgedrückt, 'ein Verfahren, das dem Arbeiter bei der Auswahl
und Anordnung der Figuren grosse Willkür gestattete' (p. 6).
286 Griechische Mythologie.
Die behandelten Oegenst&nde sind, nach Sagenkreisen besw. Dich-
tungen geordnet, folgende: I. Klasse. 1. Homerische Becher. Odyssee:
Freiermord. A) Melanthios, B) Leiodes, Medon, Phemios. — Uias and
Aithiopis : C) Flacht nach den Schiffen, D) Priamos and Achill. Penthe-
sileia. — Lesches: E) Kampfscenen, F) Wahnsinn des Aias, 6) Kampf-
scenen, H) Fragment einer Kampfscene, J) Tod des Priamos. — Ante-
homerica: E) Raab der Helena darch Theseos nach einem kyklischen
Epiker (?), L) Opfer der Iphigeneia, nach Enripides (Iph. Aal.) 2. The-
banischer Kreis: M) Enripides Phoinissen. — II. Klasse. 1. Troischer
Kreis: a) Jinpersis, b) Opfer der Poiyxena. 2. Thebanischer Kreis:
c) Kindheit des Öidipns, d) Sieben gegen Theben. 8. Herakles: e) Sechs
Thaten. 4. Sisyphos: f) Erzeagung des Odyssens.
Aas der trefflichen Interpretation R.'8 heben wir, als fttr die Sagen-
geschichte interessant, das Folgende hervor. K ist dadnrch wertvoll,
dafs hier KOrinth in enger Verknüpfung mit der Theseassage erscheint,
a and d beruhen auf dem mythologischen Gemeingut, b und c illastriren
berühmte Dichtungen, ersteres nämlich Enripides Hekabe, letzteres, in
welchem R. mit Pottier die Hygin 66 vorliegende, von der Sopho-
kleischen abweichende Version erkennt, den Oidipus des Enripides.
e) endlich ist das älteste Monument, dessen Verfertiger sowohl durch die
Beischrift wie durch die Reihenfolge der M)ioe Bekanntschaft mit dem
(nach R.'s sehr einleuchtender Vermutung durch Matris in die mytho-
graphische Litteratnr eingeführten) Cyklus der zwölf äB^e verrät.
Anhangsweise sei hier noch kurz besprochen
August Marx, Griechische Märchen von dankbaren Tieren und
Verwandtes. Stuttgart, Kohlhammer. 1889. 8. 149 S.
M. giebt im ersten, analytischen Teil eine nach den Tieren geord-
nete Zusammenstellung derjenigen Tiermärchen, denen das Dankbarkeits-
motiv oder verwandte Motive zu Grunde liegen (Delphin, Adler, Storch,
Löwe, Hund, Pferd, Elephant, Schlange, kleine Tiere). Indem er auch
das vorsäsopische Material in die Betrachtung zieht, gelingt es ihm für
eine Reihe dieser Märchen die Priorität vor den entsprechenden indischen
Darstellungen wahrscheinlich zu machen, im Gegensatz zu Benfey, der in
den letzteren die Quelle für die griechischen gesehen hatte. Für den
Mythologen ist von besonderem Interesse der Abschnitt von den Schlan.
genmärchen (p. 96 ff.), welche abweichend von den übrigen Tiermär-
chen den mythologischen Charakter des Tieres deutlich erkennen lassen
und somit einen wertvollen Beitrag zur mythologischen Bedeutung der
Schlange liefern. Bei den Delphinmärchen vermissen wir eine einge-
hendere Vergleichnng der mythologischen Seitenstücke (Apollon Del-
phinios, Taras) umsomehr, als Verf. selber für einen Teil jener Märchen
eine mythische Grundlage anerkennt (p. 20. Anm.).
1. AUgem. n. Methodol.: Robert, Marx. 2. Quellen: Hild, Duray. 287
Der zweite, litterarhistorische Teil giebt eine in grofsen Strichen
gehaltene Darstellang der Quellen des Tierm&rchens.
2. Quellen.
Es sollen in diesem Kapitel diejenigen Schriften besprochen wer-
den, welche unsere litterarischen Quellen in mythologischer bezw.
religionsgesehichtlicher Hinsicht behandeln, sei es in einfach statistischer
Darstellung, worin wir eine sehr nOtzliche Thätigkeit erkennen, sei es
unter historisch-kritischen Gesichtspunkten, indem die eigentttmliche Stel-
lung des einzelnen Autors und sein Einflufs auf die Folgezeit untersucht
oder sein mythologischer Apparat hinsichtlich der Herkunft analysirt wird.
Die Abhandlungen ttbrigens, welche die litterarische Behandlung einer
einzelnen Gottheit oder eines Mythus betreffen, findet der Leser im vier-
ten, der Litteratur aber einzelne göttliche Wesen gewidmeten Kapitel.
An Untersuchungen, welche einzelne antike Künstler oder bestimmte
Gruppen monumentaler Quellen, wie z. B. der Vasen- und MOnzbilder,
in vorwiegend sagen- bezw. religionsgeschichtlicher Hinsicht ins Auge
fafsten, fehlt es leider gänzlich: Roberts oben besprochene Arbeit Ober
die homerischen Becher bildet die einzige und hoffentlich zur Nachfolge
anregende Ausnahme.
J. A. Hild, Le pessimisme moral et religieux chez Homere et
H^siode (Revue de Thistoire des religions XIY p. 168-— 188, XV 22—
46, XVII 129—168).
Angeregt vermutlich durch gewisse Beobachtungen Schopenhauers,
unternimmt Verf. den Nachweis, dafs Homer so gut wie Hesiod recht*
schaffene Pessimisten sind, ja dafs 4a religion primitive des Grecs paie
un large tribut aux opinions pessimistes'. In der Gesamtanffassung des
menschlichen Lebens, im Prometheus-Pandoramythus, in den Vorstellun-
gen von Weib und Liebe, von Ruhm, Tod und Schicksal, von Schuld
und Strafe, von Hafs und Neid der Götter >- überall wittert der Verf.
Pessimismus. Der tief begründete Gegensatz zwischen Homer und Hesiod
wird von ihm völlig verflüchtigt: von verschiedenen Strömungen inner-
halb des griechischen Volkes scheint er nichts zu wissen. Aber anzie-
hend zu schreiben versteht der Verf. — E^ine ganz andere Auffassung
von griechischem, besonders homerischem Wesen hat
Duruy, £tude d'histoire religieuse (Revue de deux mondes 74
[1886] p. 691—624):
'Homere est heureux au milieu des combats et le Grec au milien
de la vie* (p. 593). Abgerechnet wenige Irrtümer und schlecht begrün-
dete Hypothesen, kann dieser die Schicksalsidee, den Neid der Götter,
288 Griechische Mythologie.
Heroen- nnd Totenkalt, Tempel- and Priestertam behandelnde Aafisatz
zar Orientirung fttr weitere Kreise wohl empfohlen werden.^)
See liger, Die Überlieferang der griechischen Heldensage bei
Stesichoros. I. (Abhandlang znm Jahresbericht der Fttrsten- and Lan-
desschale St Afra in Meissen 1886. 4. p. 1—41).
Die tttchUge, von Besonnenheit and Scharfsinn zengende üntersn-
chang hält die Mitte zwischen der Überschätzang der Originalität des Stesi-
choros and dem Bestreben, überall möglichst alterttlmliche Sagenmotive
bei St. wiederznfinden. Nachdem Verf. die Unznverl&ssigkeit des ^npwroc
Ij^l' der alten Grammatiker an drei Fällen nachgewiesen hat, versucht er
zunächst (1) die Helena- and die Iphigeneiasage des Dichters zu rekon-
strairen. Das Gedicht "/i^^evi;' hatte zum Inhalt: Erscheinen der Helena-
freier — ihre Vereidigung durch den Vater — Hochzeit — Ankunft
des Paris — Flucht; dann (Palinodie): Helena von göttlichen Armen
nach Ägypten getragen (während ein von Zeus geschaffenes Scheinbild
nach Troja kam), von dem nach Ägypten verschlagenen Menelaos
wiedergefunden und ihm neuvermählt. Die Sage vom Scheinbild and
von der Entrflckung an den Nil ist keineswegs Erfindung des St., sondern
bereits fttr Hesiod bezeugt: Schol. Lykophr. 822, wo Verf. mit vollem
Recht gegen eine Änderung Einsprach erhebt: vermutlich ist die Sage
der sakralen Tradition der Dorier entnommen.
Für die Iphigeneiasage macht Verf. unter treffender Kritik der
abweichenden Ansichten wahrscheinlich, dafs sie ursprünglich nach Argos
gehört, von hier Ober Megara in den Pontes (Tauri, Byzantion) gebracht
und von derselben Tradition, welche die Atriden nach Lakedaimon ver-
legte, auch hier angesetzt wurde.
Für die Oresteia (2) gewinnt Verf. die folgende Hypothesis.
Die durch die Opferung der Iphigeneia ihrem Gemahl, dem Pleistheniden
Agamemnon, entfremdete Klytaimnestra wird von Aigisthos verführt und
erschlägt den heimkehrenden Gatten, indem sie ihm eine tötliche Wunde
am Kopf beibringt. Orestes wird durch die Amme Laodameia gerettet.
Elektra bleibt unvermählt im Hause zurück. Klytaimnestra wird durch
den Traum vom Drachen, der mit ihr den Rächer erzeugt, beunruhigt.
Den Auftrag zur Rache hat Orestes von Apollon erhalten, von ihm auch
die Waffe, durch welche er sich nach vollbrachter That vor den Verfol-
gungen der Erinnyen zu schützen sucht. Schauplatz der Handlung ist
Lakedaimon. Sicherlich fremd war dem Gedicht die Fahrt nach Tauri
und die Freisprechung durch den Areopag, aller Wahrscheinlichkeit
1) Die Abhandlungen von J. Schachter, Die gegenseitige Abhängigkeit
der religiösen und ethischen Vorstellungen in den Epen Homers (Progr. Brixen.
1889) nnd Fr. Krejöi, Der theologische Mythus und Hesiodos (Listy filologicke
XVII. 1, 2) hat Ref. nicht eingesehen.
2. Quellen: Seeliger, Kausche, Klein (Lyrik, Drama). 289
Lakedaimon. Zuletzt läfst der Dichter, auch hier der peloponnesischen
Überlieferung folgend, den Orestes sich nach Arkadien wenden (vgl. Eurip.
Elektr. 1250 fr.) In dem Peloponnes ist die Heimat der Orestessage.
Hinsichtlich der Iliupersis (3) kommt Verf. jedenfalls zu dem Er-
gebnis, dafs, wie schon Preller und andere meinten, die Darstellung der
ilischen Tafel für die Wiederherstellung der Dichtung nur geringen Wert
hat; möglicherweise aber ist Polygnot in seinem Gemälde von St. abh&ngig,
da dasselbe nirgends von diesem abweicht.
A. Ried er, Zur Pindarischen Theologie (Jahrbb. für class. Philo-
logie. Hgb. von Fleckeisen. Bd. 141 [1890] p. 657—665)
zeichnet ein verständnisvolles und anziehendes Bild der religiösen Vor-
stellungen Pindars, hat aber leider das Material keineswegs erschöpft.
Wolfram Kausche, Mythologumena Aeschylea (Dissertationes
philol. Halenses vol. IX 1888 p. 129—312).
Während Klausen in seinen Theologumena Aeschylea sich auf die
Götter beschränkte, stellt Verf. auch das Material für die ^fabulae cos-
mogonicae' (Kap. II) und *heroicae' (III) zusammen, im einzelnen unge-
fähr nach Preller disponirend. Wir hätten im Interesse der Handlich-
keit eine durchgehends alphabetische Anordnung lieber gesehen: sonst
ist das Buch - dessen Benutzung übrigens durch einen Index erleich-
tert ist — von musterhafter Übersichtlichkeit, Klarheit und Knappheit im
Ausdruck; Litteraturangaben und eigene Bemerkungen des Verf. sind in
Anmerkungen untergebracht, der gröfser gedruckte Text gibt lediglich
eine Darstellung der Aeschylea.
Johannes Klein, Die Mythopöie des Sophokles in seinen The-
banischen Tragödien. I. König Oedipus. (Progr. des WilhelmsGym-
nasiums zu Eberswalde Ostern 1890. 4. p. 1—35).
Der Hauptgesichtspunkt der hier vorliegenden Arbeit ist der ästhe-
tisch-litterarische: Verf. sucht, ausgehend von dem aristotelischen Satz,
dafs die wichtigste Aufgabe des tragischen Dichters in der auaraaiQ
Twv npaYfkdraiv bestehe, des Sophokles dichterische Arbeit an der Oidi-
pussage und seine Stellung zu Vorgängern und Zeitgenosseu darzulegen.
Hinsichtlich der Urschuld des Laios (Chrysippos) kommt Verf. zu dem
Ergebnis, dafs die Frage offen bleiben mufs, ob Sophokles diese Sage
gekannt hat. Als volles Eigentum des Dichters erweist er u. a. die
Befragung des delphischen Orakels durch Oidipus und die von jenem
erteilte Antwort, ebenso die Mehrzahl der Begleiter des Laios bei der
Tötung und die Identität des entronnenen Dieners mit den Hirten, wel-
cher den Säugling Oidipus gerettet hatte.
Des Euripides Stellung zur Volksreligion behandelt
Jahresbericht für Altert umswUscnachaft. LXVI. Bd. 19
290 Griechische Mythelogie.
Jacob Oeri, Götter und Menschen bei Enripides (Einladnags-
schrift zur Feier des dreihandertjährigen Bestandes des Gymnasiums
Basel . . . Basel 1889. 4. p. 85—146).
Der Verf. hat sich von der haltlosen Auffassung der griechischen
Götter als Personifikationen der Elemente noch nicht befreit Die grie-
chische Religion scheint ihm bei Euripides einen rückläufigen Gang ein-
zuschlagen: 'Aus den Elementen sind ihr die persönlichen Götter er-
wachsen, und dann kommt der philosophische Dichter und setzt an die
Stelle des Gottes wieder das Element* (p. 99). Den Dichter indessen
kennt der geistvolle Verf. grttndJich und entwirft ein treffendes, anschau-
liches Bild von seiner Kritik und von seinem Glauben: wie er 'meist
aus moralischen, selten aus ästhetischen Gründen — nicht aber aus sol-
chen des blofsen Verstandes' — das überlieferte Thun der Götter hin
und wieder leugnet und ihre jetzige Weltregierung tadelt, wie er ande-
rerseits zur Rechtfertigung der Götter das als Zufall oder Notwendig-
keit in die irdischen Dinge eingreifende Schicksal verwendet, wie er den
vorwitzigen Zweifel nud den groben Materialismus geifselt. Richtig be-
tont der Verf., wie viel bei Euripides von der jeweiligen Stimmung ab-
hängt, und ebenso dankenswert ist die Warnung, den Dichter wegen
gewisser Anklänge an Anaxagoras 'an ein philosophisches Dogma zu bin-
den'. 'Freilich soll ihm die Naturphilosophie dazu verhelfen, einen neuen
Begriff vom Wesen seiner Götter zu finden, bei dem die Widersprüche
gehoben sein werden, woran seines Volkes Glaube leidet, und so klopft
er denn bald bei diesem, bald bei jenem Philosophen an und fühlt sich
durch die Möglichkeit, für die Überlieferung auf diesem Wege einen
neuen Gehalt zu finden, gehoben. Aber es gelingt ihm dies doch auf
die Dauer nicht, schon deshalb, weil seine eigene Vorstellung mit viel
zu viel Liebe an dem Mythus haftet, von dem sein Denken sich losringen
möchte' (p. 101).
Nicht zugänglich war dem Ref. die Arbeit von
J. 0. Nielsson, Den homeriska bjeltesagans omgestaltning hos de
grekiska tragediförfatterne. 8^^. 117 S. Stockholm, Norstedt & Löner.
1890.
Die Schrift von Vi eil es, £tude sur les id^es religieuses des tra-
giques grecs (Extrait). Montauban, imp. Foresti^. 8. US kann hier
nur angeführt werden. Für die sagengeschichtliche Bedeutung des Ly-
kophron ist lehrreich der Aufsatz von Georg Knaack, Enphorionea
(Jahrbb für Philologie. Hgb. von Fleckeisen Bd. 137 [1887] p. 145-163),
woselbst eine weitgehende Benützung von Lykophrons Alexandra durch
Euphorien festgestellt wird, und die dem Ref. leider nur aus Enaack's
Besprechung (Deutsche Litt. Ztg. 1888. No. 88) bekannte Dissertation
von Georg Schnitze, Enphorionea. Strafsb. Inaug.Diss. 1888. 8. 68 S.
2. Qaelleo: Oeri, Enaack, Kern, Grappeu. a. (Drama Orphika.) 291
Der Verf. vervollständigt (nach dem Berichte Knaack^s) die Aofeählung
der Elntlehnaugen des Euphorien aus der Alexandra and sacht weiterhin
die Benfltzang des Enphorion darch Ovid, Nikander and Nonnos wahr-
84Aeinlich za machen.
. Fttr die orphische Theologie liegt in der Schrift von
Otto Kern, De Orphei Epimenidis Pherecydis theogoniis qaae-
stiones criticae. Berlin, Nicolai 1888. 8. 110 S. (Die erste Hälfte
als Berliner Diss. erschienen).
eine sehr beachtenswerte Leistung vor. Verf. rekonstrnirt im ersten Kapitel
die rhapsodisdie Theogonie der Orphiker« soweit es fQr die Bestimmung
des Charakters und der Entstehangszeit der Dichtung nOtig ist (Eingang
und Nu^)^ und sucht im Anschlufs daran in scharfsinniger, umsichtiger Be-
weisführung den von Schuster aufgestellten Satz zu widerlegen, dafs diese
Theogonie erst der christlichen Zeit angehöre: vielmehr sei für sie der Ansatz
Liobeck's (6. Jahrh. v. Chr.) beizubehalten, in der Theogonie des Hierony-
mos dagegen ein spätes, auf der orphischen fufsendes Machwerk zu er*
kennen. Nachdem Verf. sodann die Bekanntschaft Platon*s, Aristophanes*,
Piodar*s, der Pythagoräer, des Xenophanes u. a. Philosophen mit der
orphischen Theogonie nachgewiesen hat, behandelt er die Endemische
Theogonie, welche er von der orphischen nicht unterschieden wissen will,
und die des Apollonios, in welcher er mit guten GrOnden ein besonders
aus Empedokles schöpfendes, der orphischen Theogonie fernstehendes Ge-
dicht erkennt — Die Kapitel 2 und 3 sind der Theogonie des Epime-
Dides und dem Pentemychos des Pherekydes gewidmet, unter Voranstel-
lung der erhaltenen Fragmente. — Den Umfang, in welchem die orphi-
schen Hymnen auf die Theogonie Bezug nehmen, sucht Verf. im Hermes
Bd. XXIV, p. 498—508 zu bestimmen.
Hinsichtlich der Theogonie gelangt unter eingehender Kritik Kerns
zu wesentlich anderem Ergebnis die gelehrte Untersuchung von
Otto Gruppe in Fleckeisens Jahrbb. f. class. Philol. Suppl.-Bd.
XVII, p. 689—747 :
daCs nämlich die Theogonie Mie gesamte vor ihr liegende orphische
Überlieferung, soweit sie sich äufserlich vereinigen läfst, zusammentrage
— eine Samlung von Mythen aller Schichten der altorpbischen Dichtung'
(p. 742). In den Hauptpunkten mit ihm Obereinstimmend urteilt Franz
Susemi hl in seinem gleichzeitig (1890) erschienenen Greifswalder Univer-
sitätsprogramm (4. 12 S.).
Eduardus Luebbert, Commentatio de Pindaro theologiae Or-
phicae censore (Index schol. Bonn. W. S. 1888/89). 4. 22 S.
Das orphische Dogma von Dionysos Tod und Auferstehung bildet
das Thema dieser Abhandlung. Ausgehend von Pindar, welcher, sonst
19»
292 Griechische Mythologie.
ein Freaod der orphischen Richtnng, doch hinsichtlich des Todes des
Dionysos sich dem schlichten delphischen Glauben anschliefst, führt uns
L. die einzelnen Momente jenes gleichsam die Menschwerdung des Gött-
lichen darstellenden Dogmas vor: des Zeus unaussprechliche Liebe f&r
das göttliche, von ihm mit der höchsten Macht ausgestattete Kind, und
die ruchlose, aber doch Segen zeitigende That der Titanen. Denn aus
der Asche der vom Blitz getroffenen entstehen die ersten Menschen, und
in jeden Menschen ist somit ein Teilchen des von jenen verzehrten Gottes
übergegangen. Was die Wiedergeburt des Dionysos betrifft, so unter-
scheidet L. drei verschiedene orphische Yersioneu: die eine, wonach er
nach neunmonatlichem Schlaf im Hades als Likuites erweckt wird, die
andere, dafs er nur wenige Tage im Grabe ruht und dann zum Himmel
aufsteigt, und die dritte, dem orphischen Gedicht Jeovuaou d^tjoftaptoc zu
Grund gelegte, welche mit der Volksreligion zu vermitteln sucht, indem
sie den Sohn der Proserpina im Semelesohn wieder aufleben läfst, als
den Erretter der Menschenseelen und ihren Führer zum Himmel. —
Innerhalb des Orphischen historisch zu sondern unternimmt L. nicht, und
auch das Verhältnis zwischen der orphischen und der volkstümlichen
Dionysosreligion bleibt, einzelne Bemerkungen abgerechnet, unbestimmt:
aber die lebendige und z. t. begeisterte Darstellung ist geeignet zu wei-
teren Untersuchungen des interessanten Gegenstandes anzuregen.
Auch einzelne Prosaiker sind hinsichtlich ihrer religiösen Vorstel-
lungen behandelt worden'). Besonders erfreulich sind die beiden Arbei-
ten von:
Heinrich Menss, Der sogenannte Neid der Götter bei Herodot
(Beilage zum Programm der Ritter -Akademie zu Liegnitz 1888). 4.
21 S. und
— , Die Vorstellungen von Gottheit und Schicksal bei den atti-
schen Rednern. Ein Beitrag zur Geschichte der griechischen Volks-
religion (Fleckeisen's Jahrbücher Bd. 189 [1889], p. 446 — 176).
Von 'Neid' im strengsten Sinn kann nach der einleuchtenden Dar-
legung des Verf. bei der Herodoteischen Gottheit keine Rede sein. Denn
wenn auch das Mifs vergnügen Ober fremdes Glück vorhanden ist, so
fehlt doch das andere wesentliche Merkmal eigentlichen Neides, ni&mlich
der Wunsch, selbst im Genufs solchen Glückes zu sein. Vielmehr ist
der ^f^üvoi der Herodoteischen Gottheit ^die besondere Form göttlicher
Strafgerechtigkeit dem frevelhaften Verkennen menschlicher GlQcksbe-
schränktheit gegenüber' und ist genau entsprechend zu übersetzen mit
1) Die Schrift von L Herme njat, Les dieux et l'homme chez Thu-
cydide (Laufianne 1888, Corbaz) hat Ref nicht einsehen können; sie ist be
sprocben von G Behrendt in der Berliner philol. Wochenschrift X, 40, p.
1361-1263.
2. Qaellen: Lflbbert, Meufs, Krämer (Orphika. Herodot. Rpdoer. Appian«. *>93
«Unganst' d. h. ^Nicht-Gönnen'. — Eingeleitet ist diese Schrift durch
eiDO Darstellung des Wesens und Waltens der Herodoteischen Götter,
besonders ihres sittlichen Charakters (wobei die häufig Qbersehenen Spu-
ren von Wohlwollen und Gate hervorgehoben werden) und ihres Verhält-
nisses zum Schicksal, dem gegenüber die Gottheit keineswegs als nur
willenlos ausführende Gewalt gedacht ist^).
Bezüglich der zweiten Abhandlung sehen wir von einer Inhaltsan-
gabe, welche zuviel Raum erfordern würde, ab, setzen aber die sachlich
nicht ganz unwichtige Motivirnng des Themas, welche Verf. vorausschickt,
hierher: ^ Jeden anderen Schriftsteller sind wir zunächst nur berechtigt
als individuell zu betrachten; erst die Vergleichung mit anderen kann
die bei ihm auftretenden religiösen Anschauungen als allgemein gültig
erweisen — . Anders bei den Rednern. Der rein praktische Zweck
ihrer Worte vor Gericht und in der Volksversammlung, die Absicht eine
Abstimmung in ihrem Sinne zu bewirken, zwingt sie nur solche An-
schauungen auszusprechen, die dem religiösen Denken des athenischen
Darchschnittsmenschen, bei dem die Entscheidung lag, entsprechen. —
Das Bestehen individueller Unterschiede darf uns hierin nicht irre machen;
sie sind nur Abspiegelungen von Widersprüchen, die eben auch im Volks-
glauben selbst Yorhanden waren.*
M. fa&t die Redner als Zeugen des attischen Volksglaubens für
die Zeit von 426—826 v. Chr. und verwertet sie als solche gleich-
mftfsig, ohne Rücksicht auf den überlieferten Autornamen, wofern sie
nur der bezeichneten Zeit angehören und einem praktischen Zweck die-
nen. Des Isokrates epideiktische Reden z. B. sind daher mit gutem
Recht von dem Material ausgeschieden.
Die Tabelle von Götteranrufungen, welche Verf. am Schlufs giebt,
ist übersichtlich und anscheinend vollständig.
Die Arbeit von
Georgius Kram er, Theologumena Appiani (Diss. inaug. Vratisl.
1889). 8. 73 S.
hat für die Mythologie keinen Ertrag. Appian erscheint als frommer,
sagen- und zeichengläubiger Mann, der die Mythen nicht mit philoso-
phischer Brille anschaut und nur einmal eine rationalistische Deutung
wiedergiebt.
Ehe wir nun zu den antiken Mythographen selber übergehen, sind
noch drei Untersuchungen über Diodoros zu besprechen, weicher für un-
sere Kenntnis dieser Litteratur bekanntlich von der gröfsten Bedeutung ist
1) Völlig bedeutungslos ist der Auüsats von
D. Halperty Der Neid der griechischen Götter. Eine psychologische
Studie. Breslau 1888. 8. 16 S.
Von der griechischen Religion hat Verf. höchstens da^enige Wissesi
welches sich etwa aus Schillers Gedichten gewinnen liesse.
294 Griechische Mythologie.
6. Bosolt, Diodor and der Stoicismns (Fleckeisen^s Jahrbb. Ar
class. Philologie 1S5 [1889] p. 298-816).
kommt za dem Ergebnis, dafs Diodor * sichtlich unter dem Einflafs der
stoischen Philosophie, insbesondere des Poseidonios' steht, obwohl sein
lebhaftes Interesse nar der Ethik nnd Religon zugewandt ist Verf.
fuhrt eine Reihe von Diodorstellen auf, welche den stoischen Anschauun-
gen von Göttern und Mythen entsprechen. Dafs Diodor die physiolo-
gisch-etymologischen Mythendeutungen der Stoa nur hier und da, und
meist nicht als seine eigene Überzeugung vortrfigt, vielmehr fttr seine
Person mehr dem Euhemerismus zugetban ist, erklärt Verf. aus dem
Mifskredit, in welchen die allegorische Mythendeutung seit Chrysipp bei
den Stoikern gekommen war. — Wir sind B. dankbar fttr diesen Ver-
such, halten den Gegenstand aber einer erneuten, umfassenden Prttfung
fttr wert, wie denn Oberhaupt die Feststellung des Einflusses, den die
Stoa auf die antike Mythographie ausgeübt hat, zu den dringendsten
Aufgaben gehOrt
E. Bethe, Quaestiones Diodoreae Mythogn^hae. (Diss. inang. Gott
1887) 8. 106 S.
Zunächst (p. 1—24) zerstört Verf. endgiltig den Nimbus des von
Diodor weitgehend bentttzten Dionysios Skytobrachion: Dionysios ist, wie
sich aus einer Prttfung der angeblich libyschen Dionysossagen nnd der
Argonautica bei Diodor ergiebt, keineswegs der gelehrte, die einzelnen
Sagenversionen sorgfElltig sammelnde Grammatiker, als welchen ihn noch
E. Schwartz nimmt, sondern ein Romanschreiber, der die ttberlieferten
Sagen nach Belieben verändert und neue frei erfindet Fttr die Argo^
nautica Diodors weist Verf. die gleichzeitige Benutzung einer wirklich
mythographischen Quelle nach, deren Spuren auch bei Apolbdor und
sonst vorliegen, für die Dionysossagen dagegen wird wenigstens soviel
wahrscheinlich (p. 25—32), dass Diodor nur die libyschen Sagen aus
Dionysios' — nebenher auch Atlantica und Amazonen behandelnder —
Schrift ttber den Gott schöpft (ausgenommen III. c. 67, § 2-4, c. 73,
§ 2), während er das ttbrige aus sehr verschiedenen Quellen compilirt,
an deren Sonderung Verf. wohl mit Recht verzweifelt.
Der folgende Abschnitt (p. 83—44) betrifft zwei weitere Quellen
Diodors, Timaios und Matris. Hinsichtlich des ersteren erfährt Sieroka*s
Arbeit weicher IV* 21—24, 29, 30, 83—86 auf Timaios zurttckftthrt, ge-
ringe Modifikationen und bemerkenswerte Bestätigungen; von Matris
leitet Verf. im Anschlufs an Holzer die Erzählung von Herakles ab
(IV. 8. ff.), f> jedoch glttckliche Vermutungen ttber die Zeit dieses
Rhetors sowie ttber die Gelegenheit, fttr welche sein Enkomion auf He-
rakles verfafst war, hinzu und deckt eine Reihe von Gongruenzen dieser
Diodorqnelle mit Apollodor auf.
Anknttpfend an den von Sieroka erbrachten Nachweis, dafe IV
29b
c 67 — 85 aaff ene gmeüopuk aBgelegte Qadle nr«ckg«h«B, mtf i ■i—l
Yerf. aodami (p. 45 — 79) eine sorgfthige Verfiekbaiig dieses AbsdnitteB
imd der aaderai, sack der obigen Analyse noch ibrig bleibeDdeo Sagen
des Tieiten Bncbes ni ApoUodor, Hjgin und den von ScboUaslea tber-
lieferten ■jrthographifiriifn FragnMaten. Dabei erweist sieb ibm eine
soldie Yenraadtscbaft misiben diesen Mjftbograpben nnd Diodor, dab
^e Annab^e einer gemeinsainen Qndle imabw«sbar ersebeint. Die nt*
here Bestimmung derselben Tersncbt Yert im totsten K^itel (p. 80 — 99),
nadidem er snvor die Annabme einer Bennixnng des HeUanikos nnd Eon-
pides dnreb Diodor (Wdlmann, Scbvartz) wideriegt und aafserdem wabr>
sdieinliGb gemaebt bat, dafs andi jene mit den Mytbograpben ttbereio-
stiinmenden Znsiixe, welcbe Diodor sa den Argonaatica des Diouysios
nuMht, aas demselben mytbographiscben Oompendinm stammen. Der
Verfissser des letzteren gebort rermntliGb der ersten Hilfte des letstea
vorcbristlicben Jabrbnnderts an, er bat nicht Hypotbeseis abgescbrieben,
sondern die Dicbter sdber enerpirt nnd die ganse griediiscbe Sagen-
gescbicbte in genealogiscber AnordnoDg bebandelt, wobei er jedesmal
die bekannteste Sagenform zn Gründe legte, aber die Abweicbnngeo bin-
safbgte.
Für die Arbeitsweise Diodors gewinnt Yert das zweifellos richtige
Gesamtresoltat, dafe er seine Quellen weder sorgfältig abschreibt noch
blos ezzerpirt, sondern wo es ihm von seinem euhemeristischen Stand-
punkt passend erscheint , die eine Quelle aus einer andern ioterpolirt
und widersprechende Sagen verschmilzt» um eine einheitliche, sasammeo*
hingende Geschichte heranszobringen. Doch geht Verf. darin etwas zu
weit, dafe er ttberall da, wo Diodor mit einem Sagenzng ganz vereinzelt
dasteht, auf freie Erfindung oder auf einen Irrtum des Mannes schliefst
(s. B. p. 21, 61, 53). Auch liegt bei einigen der im Kapitel lY be-
handelten Sagen die Sache keineswegs so, dafs die Übereinstimmung
zwischen Diodor und den Mythographen nur durch die Annahme einer
gemeinsamen mythographischen Quelle erklärt werden könnte. Wir ver^
gössen zu leicht, wie engbegrenzt unser Gesichtskreis gerade fttr derer*
tige Fragen ist Im ganzen zeigt diese Dissertation eine so ungewöhn-
liehe Yerbindung von Scharfsinn und besonnener Methode, dafs man auf
die vom Verf. in Aussicht gestellte Analyse des Ovidischen Sagenbe*
Standes sehr gespannt sein darf. Derselbe Verf. versucht in seinen
Untersuchungen zu Diodors Inselbuch (Hermes XXIV [1889J
p. 402- 446)
eine eingehende Analyse von Diod. Y, 47 — 88. Die kretische Theogonie
hat zur Quelle eine auf Epimenides* Namen gefälschte Theogonie, welche
sich aufs engste an Hesiod anschlofs. Dagegen gehen die Abschnitte
Qber Daktylen und Eureten, ttber Minos, Bhadamanthys, Sarpedon und
aber die Völkerschaften Kretas auf ApoUodors Oommentar zu B 646^662
296 GriechiBche Mythologie.
zurück (Strab. X, 476 ff.)- Dosiades, Sosikrates uDd Aglaosthenes, wel-
che Diodor als seioe Quellen aofQhrt, waren bei Apollodor citirt nud
nur durch diesen dem Diodor bekannt. Eingehend prüft Verf. sodann
die Abschnitte über die anderen Inseln und sucht durch eine Yerglei-
chung mit den Berichten anderer Autoren ihre Quelle zu bestimmen.
Dafs dieselbe ebenfalls Apollodor ist, vermag Verl für Lesbos und
Tenedos am meisten, für Naxos dagegen am wenigsten wahrscheinlich
zu machen: er begnügt sich (p. 443) daher zu betonen, dass nach Ab-
sonderung des Pseudo-Epimenides die ganzen auf die Inseln bezüglichen
Abschnitte sowohl denselben Charakter zeigen — 'sie geben locale
Überlieferungen, wertvolle Notizen neben leichtfertigen Erfindungen, bei
keiner fehlt ein oder der andere Hinweis auf Homer, bei vielen ist der
Anschluss an den Schiffskatalog deutlich' - als auch Verwandtschaft mit
denselben Schriftstellern, hauptsflchlich mit Strabon.
Unter dem Titel Ramenta Mythographa (Oenethliacon Gottin-
gense 1888. p. 32—68)
giebt derselbe Verf. eine Reihe nicht besonders schwerwiegender, aber
interessanter Beobachtungen. I giebt die Reconstruction eines bis auf
drei Verse verlorenen isthmischen Liedes, in welchem Pindar die Meli-
kertessage behandelt hatte; in II wird die Stelle Lykophr. Alex. 430 ff. be-
sprochen und ^nopYot Ilafi^uXou xopujQ^ (v. 442) auf die Stadt Mallos
(anstatt auf Magarsos) bezogen; III bietet Notizen zu Hygin*s Medea-
sage, Lykos-Lykurgos, Namen der Niobe-Töchter, Diomedes. Eine Spur
des Aischylos wird für fab. 181 nachgewiesen: die fftr A.*s To^örtSec
bezeugten (Poll. V 47) Namen der Hunde des Aktaion kommen hier ver-
derbt zum Vorschein. IV bringt eine Anzahl Belege für den schon in
der Dissertation des Verf. aufgestellten Satz, dafs Pausanias ein dem
Apollodor nahestehendes mythologisches Handbuch benutzt hat
Richard Wagner, Ein Excerpt aus Apollodors Bibliothek (Rhein.
Mus. 41 [1886] p. 134—160)
macht Mitteilung über die von ihm in der vaticanischen Bibliothek ent-
deckten Auszüge aus ApoUodoros. Er versucht zu erweisen, dafs dieses
anonyme Exzerpt auf erheblich besseren Quellen beruhe als den in den
erhaltenen Handschriften vorliegenden, dafs es nicht blofs den Inhalt,
sondern bis zu einem gewissen Grade auch den Wortlaut der Bibliothek
getreu bewahrt habe, dafs drittens auf 14 Blättern des Exzerptes ein
Auszug aus dem verlorenen Teil der Bibliothek vorliege.
Derselbe Gelehrte weist in einem zweiten Auüsatz
— , De ApoHodori bibliothecae interpolationibus ((Tommentationes
philologae quibus Ottoni Ribbeckio . . . congratulantur discipuli Lip-
sienses. Lips. Teubner. 1888. 8. p. 133-161).
2. Quellen: Betbe, Wagner, Tscbiassny u. a. (Diodor. Apollodor. Hygin). 297
für eine beträchtliche Anzahl von Stellen, wo besonders von Hercher
Interpolationen angenommen waren, mit guter Begründung diesen Ver-
dacht zurück. Dem Verfasser der Bibliothek kommt es, W. zufolge,
bei dem Zweck des Buches weit weniger auf gefeilten Stil als auf deut-
liche und einfache Darstellung an; das Bestreben deutlich zu sein ver-
anlass ihn z. B. zu häufiger, scheinbar unnötiger Wiederholung der
Abstammung eines Gottes oder Heros. Grössere Zusätze sind als solche
meist aus dem sprachlichen oder sachlichen Znsammenhang sofort zu
erkennen. Von den Stellen, die ausführlicher besprochen werden, seien
hier mitgeteilt: III 4, 1 (nöXtg) I 6. 3, 9 (iS oi^pavoo) I 9. 8, 5 (xtu —
dydp^TOi) II, 5. 12, 8 (xparwy — Inettrs). Die Schwierigkeit von II, 5, 4
hebt Verf. recht glücklich durch Annahme einer Interpolation der Worte
ßierä xcd äXXunß noXXluy.
Was Hygins Fabeln anlangt, so unternimmt
M. Tschiassny, Studia Hyginiana I. (Progr. von Wien-Hernals
1888) 8. 38 S.
den Versuch, auf Grund sprachlicher Indizien Ursprung und Abfassungs-
zeit des Buches zu bestimmen. Die lexikalische wie die grammatika-
lische Beschaffenheit (nur für diese beiden Gesichtspunkte ist im vor-
liegenden, ersten Teil der Arbeit das Material zusammengestellt) ist nach
dem Drteil des Verf. derart, dafs die Abfassung in einer beträchtlich
späteren Zeit anzusetzen ist als der augusteischen.
Erst während des Druckes wurde dem Verf. zugänglich die Disser-
tation von
J. Dietze, Quaestiones Hyginianae (Diss. inaug. Kil. 1890). 8.
55 S.
Ref. muss sich daher begnügen, von dieser anscheinend sorgfältigen und
methodischen Arbeit nur die vom Verf. gegebene Inhaltsübersicht hier-
herzusetzen. Verf. handelt I. De recensione fabularum quae est in codice
Frisingensi. 1) De diversis fabularum recensionibus, 2) De elocutione
quae est in fabulis, 8) De aetate et origine recensionis nostrae; II. De
vestigiis poesis Latinae quae sunt in fabulis. 1) De fabulis quas poetae
et mythographus communibus fontibus debent, 2) De elocutionis poeticae
vestigiis, 8) De maioribus mutuationibus. — Der Aufsatz von
A. Otto, Zu Hygins Fabeln (Fleckeisens Jahrbb. ftkr class. Philo-
logie. Bd. 188, p. 281—288)
bringt eine grofse Anzahl von Ergänzungs- und Verbesserungsvorschlägen,
doch sind dieselben in mythologischer Hinsicht ohne Belang.
Eine für Hygins Astronomia ergebnisreiche Veröffentlichung bildet
die folgende, Wilhelm Studemund geweihte Schrift:
298 GriecbiBche Mythologie.
Georgias EaaffmanD, De HygiDi memoria Scholiis in GiceroDis
Aratum Harleianis servata scripsit, Scholia apparata critico et notis
iostructa et Catalogum stellarum adhuc ineditum a^jecit. Vratislaviae
1888. 8. 91 S. u. LXXXIIII p. (Breslauer philologische AbhaDdlaogen
III. Bd. 4. Heft).
Der Editio der Harleiana, welche K. darbietet, liegt eine sorg-
fältige CollatioD Alfred Hilgard's zu Grunde, sie ist begleitet von einem
Tollstftndigen kritischen Apparat und von zahlreichen Noten. In der
vorausgeschickten Abhandlung untersucht K. unter Zuhilfenahme des
Cottonianus, ffir welchen ihm eine fOr August Rei£ferscheid hergestellte
Abschrift zu Gebote stand, und des von Cyriacus exzerpirten Vercellensis
die Scholia Harleiana auf ihre Entstehung und auf ihren Wert fOr die
Herstellung des ursprünglichen Astronomialtextes. Dieselben sind der
Hauptsache nach ans der Astronomia geflossen und zwar aas einem
Exemplar derselben, das in vielen Punkten den Archetypus unserer Hygin-
handschriften an Gfite ttbertri£ft, ohne ihn jedoeh entbehrlich zu machen.
Auch auf andere Schollen, besonders die Sangermanensia , fällt durch
die scbarfisinnige Untersuchung des Verf. neues Licht.
Einer bislang wenig beachteten Gattung der Mythographie galt
eine der letzten Arbeiten Wilhelm Studemund's, des unvergefslichen
Mannes, dessen durchdringender und selbst in der Gewifsheit des nahen
Todes rastlos schaffender Geist auch fOr das Gebiet der antiken Religions-
geschichte ein erstaunliches Wissen barg.
Anonymi Laurentiani XII Deorum Epitheta edid. G. Studemund
(Anecdota varia Graeca et Latina Vol. I. Berlin, Weidmann. 1886.
S. 267—283).
St. giebt die bisher unbekannte Urquelle der von Westermann
(Mythographi p. 355 ff., vgl. ebd. p. XVIII) äufserst unglücklich heraus-
gegebenen Schrift des Nicetas, Bischofs von Serrae (im 1 1. Jahrhundert)
enthaltend die Aufzählung von Epitheta von Zeus, Ares, Hephaistos,
Dionysos, Athena, Demeter, Aphrodite, Artemis, Hera, ApoUon, Poseidon »
Hermes. Durch Benutzung von nicht weniger als 10 Godd., in welchen
diese Schrift des Nicetas erhalten ist, ist es nämlich St. gelungen, das
bei Westermann als Prosaschrift erscheinende Werk des Nicetas als viel-
mehr in dem Schema von bekannten und nach dem grammatischen Accent
gemessenen Kirchenhymnen abgefasste Poesie zu erweisen. Der Heraus-
geber vermutet, dafs für die Epitheta der zwölf heidnischen Götter
die streng kirchliche Form deswegen von Nicetas gewählt worden ist,
damit im Gedächtnis seiner Schüler der Text um so sicherer haften
bliebe. Diese Vermutung wird fast zur Gewifsheit durch die anmerkungs-
weise mitgeteilten Proben weiterer, in ähnlichen Hymnenmetren abgefassten
poetischen Stücke des Nicetas, in welchen grammatische Regeln and ähn-
liches Triviale vorgetragen werden. (Vgl. auch die in Fleckeis. Jahrbb.
2. Qaellen: O. KanffniaoD, W. StodcmiiDd (HygiD. Gfttter-EpitheU). 299
1887 durch Leop. Oohn im Anschlors ftn die Aoeodota varift pablliirteo
geographisohen Hymoen des Nicetas). Die streoge ROcksichtnahme aof
den grammatischen Aocent, die io allen diesen Hymnen herrscht, hat es
ermöglicht, die Texte des Nicetas mit fast mathematischer Sicherheit
bersnstellen. Aus der metrischen Form erklären sich auch die sahi-
reichen und ftor den Gedankenzusammenhang völlig aberflOssigen Parti-
keln und sonstigen Flickwörter, mit deren Hilfe Nicetas das Metrum
seiner kirchlichen Hymnen?orlagen susammenstoppelt
Durch einen unbekannten Humanisten ist im 15. Jahrh. eine neue
Recension der Götterepitheta des Nicetas in der Weise hergestellt wor«
den, dafs alle jene blos dem metrischen Bedarf dienenden Flickwörter
fortgelassen wurden, die gemäfs den kttnstlicheren Satskonstruktionen des
Nicetas wiederholt fortkommenden Casus oliqui der Epitheta fast durch»
gehends in den Nominativ umgesetzt wurden und endlich eine kleine
Anzahl von bei Nicetas nicht yorkommenden Epitheta seitens des Huma-
nisten anderswoher hinsugeftogt wurde. Fttr diese humanistische Ver-
ballhomisinmg hat St. fUnf Godd. benutzt. Dadurch , dafs Westermann
Godd. des echten Nicetas neben Godd. des verballhomisirenden Huma-
nisten benutste und die grundverschiedenen Lesarten beider oontaminirte,
ist jene heillose Textesverunstaltung entstanden, welche durch Wester-
manns Mythographi zur herrschenden Yulgata geworden war.
Viel wichtiger ist die Entdeckung St's von einer in zwei verhält-
nismäbig alten Handschriften Qberlieferten, sehr ausftihrlichen prosai-
schen Fassung von Epitheta der zwölf Götter, aus welcher Nicetas nur
einen sehr dirftigen Schulauszug in metrischer Form gemacht hat. In
dem berflfamten und an Anekdota so ausgiebigen Cod. C 222 ord. inf.
der Ambrosian. Bibliothek zu Mailand fand nämlich St. den Anfang jener
reichen ursprtkngliohen Fassung der Epitheta. Als Blatthüilung von flOch-
tiger Hand hingeschrieben; der Schreiber erlahmt aber in seiner Arbeit,
nachdem er die alphabetisch nach dem ersten Anfangsbuchstaben geordne-
ten Epitheta der ersten der zwölf zu behandelnden Gottheiten (des Zeus)
bis zum Buchstaben r einschl. hingeschrieben hatte; weder den Schlnfs
der Epitheta des Zeus noch die Epitheta der flbrigen elf Götter hinzuzu-
fttgen reichte seine Kraft und Lust aus. Dieses Manco des Cod. Ambros.
ist sehr zu bedauern. Denn der Text des Cod. Ambrosianus ist in dem
zur Tergleichung vorliegenden Teile an mehreren Stellen vollständiger
und besser als der Text des zweiten Cod., in welchem St die Epitheta
aller zwölf Gottheiten fand, nämlich des Cod. Laurentianus LIX 16 in
Florenz aus dem 12. Jahrh. Schon der Umstand, dafs im Laurentianus
die Epitheta der einzelnen Götter nicht, wie es im Ambrosianus nach
ältester Sitte geschehen ist, blos mit Rttcksichtnahme auf den ersten
Anfangsbuchstaben, sondern schon mit ROcksichtnahme auf die beiden
ersten Anfangsbuchstaben alphabetisch geordnet sind, erweist die Fassung
des Ambrosianus als dem einstigen Original näherstehend, die des Lau-
300 Griechische Mythologie.
roDtianus als ferner stehend. Übrigens enthält der Ambros. manche Epi«
theta des Zeus, die im Laurent, fehlen, und der Laurent, andere, die
der Schreiber des Ambros. ausgelassen hat. Die Götter sind in folgen-
der (von Nicetas schmfthlich verwirrter) Ordnung im Laurentianns ent-
halten: Zeus, Apollon, Poseidon, Ares, Dionysos, Hephaistos, Hermes,
woran sich die Epitheta der fünf Göttinnen schliefsen: Athene, Hera,
Aphrodite, Demeter, Artemis, d. h. wir baben das Kollegium der zwölf
attischen Götter, nur mit der Ersetzung der Hestia durch Dionysos.
Unter den Epitheta, die mehr oder weniger stark verderbt über-
liefert sind, finden sich neben den bekanntesten und durch seltnere Zeug-
nisse sicher gestellten Namen auch ganz neue in nicht geringer Menge
vor. Der lockenden Aufgabe, die verlorene antike Schrift zu ermitteln,
auf welche sowohl der Cod. Ambros. als der Laurentian. als auch der
von Nicetas auszugsweise benutzte (um einige Epitheta reichere), jetzt
verlorne Cod. zurückgehen, ist St. nahe getreten. Er stellt (p. 268 fg.)
alle kürzeren Zusammenstellungen von Epitheta der Götter, die sich
gelegentlich in der profanen und sakralen griechischen Litteratnr finden,
zusammen ; eine so enge Verwandtschaft aber mit dem Anonymus Lauren-
tian., dafs mit Hilfe der beiden Verwandten ein Rückschlufs auf die ge-
meinsame Quellenschrift gemacht werden könnte, l&fst sich nicht nach-
weisen. Auch den zweiten Weg führt St. seine Leser (p. 261 fg.), näm-
lich so, dafs versucht wird die verschiedenen Epitheta auf ihr Vorkommen
bei erhaltenen Prosaikern einschliefslich der griechischen Lexikographen
zurückzuführen; es bleiben aber nicht wenige Epitheta des Anonym.
Laurentian. übrig, welche sich bei keinem der erhaltenen griechischen
Autoren vorfinden. Interessant ist der Hinweis auf die dem gewöhnlichen
philologischen Studienkreis fernliegende Litteratur, wie z. B. auf die
pseudo-dositheanischen 'Interpretamenta', welche nach St.*8 Ermittelung
wenigstens eine entfernte Verwandtschaft mit dem Anonym. Laurentian.
zeigen. Die jüngsten Autoren, die vom Anonym. Laurent, citirt werden,
sind Plutarch und Oppians Halieutica; die zahlreichen dem Epiker Nonnus
eigentümlichen Epitheta finden sich dagegen im Anonym. Laur. nicht. St
urteilt aber vorsichtig (p. 261), dafs damit zwar bewiesen sei, der Autor
habe nach dem 2. Jahrb. nach Chr. gelebt, aber nicht völlig sicher fest-
stehe, dafs er vor Nonnus geschrieben habe. Die Prüfung der Ver-
wandtschaft des Anonymus mit anderen Schriften, welche die Epitheta
der Götter betreffen, ist von St., entsprechend seinem Zwecke nur eine
kritische Recensio des Textes des Anonym. Laurent, zu geben, nur so-
weit versucht, als für diesen Text erforderlich war.
Dasselbe Gebiet behandelt
Georgius Wentzel, 'EmxXr/irst^ ^etov sive de deorum cogno-
minibus per grammaticorum Graecomm scripta dispersis. (Diss. inaug.
Gotting. 1889). 8. 148 S.
2. Quellen : W. Stodemnod, G. Wentzel (Götter-Epitheta. ^EjttxXi^irBti). 301
Eine Reihe erfrealicher und ergebnisreicher üntersachungen. W.
unterscheidet im Vorwort zwischen den von Dichtern erfundenen Epitheta
und den inex^ceeg^ d. h. den im Kultus üblichen Beinamen. Um die
letzteren ist es ihm zu thnn: er untersucht ihr Vorkommen bei Hesych,
Athenaeus, Clemens Alexandrinus, dem Lykophronscholiasten und Pau-
sanias, und sucht die gemeinsame Quelle dieser Autoren zu bestimmen.
In loser Verbindung mit diesem Thema steht die erste, den Suidas
betreffende Untersuchung — I. De Suida prolusio — , da Suidas sich
scharf von jener Gruppe absondert Derselbe hat, wie W. nachweist,
den von Studemund (s. o.) veröffentlichten Katalog ausgeschrieben.
Kap. II handelt De Diogeniano. W. kommt durch eine Prüfung der auf
Diogenian zurOckfEkhrbaren Beinamen bei üesych und anderen Gramma-
tikern zu dem Resultat, dafs Diogenian eine umfassende und sorgfältige
Sammlung von imx^aes benutzt haben mufs. Ähnlich verhält sich die
Sache bei den übrigen Autoren. Was Athenaeus — III. De Atheuaeo —
in Bezug auf Götterbeinamen mitteilt, verdankt er dem Pamphilus, wel-
chem eine selbständige Samlung des so sehr zerstreuten Materials kaum
zuzutrauen ist. Clemens — IV. De demente Alexaudriuo — giebt zwar
genauer als Hesych und andere die letzten Quellen an, mufs aber doch
aus irgend einer Samlung geschöpft haben. Besonders ausführlich und
scharfsinnig behandelt W. die Lykophronscholien — V. De Lycophronis
scholiis — und den Pausanias — VI. De Pausania periegeta. Die
bezüglichen Ausführungen in ersteren müssen vor allem deshalb auf eine
speziell die intxX^aeeg umfassende Samlung zurückgeführt werden, weil
sie sich einerseits vom übrigen recht deutlich abheben, andererseits meist
auf Lykophron selbst keinen oder nur sehr schwachen Bezug haben, also
unmöglich zum Zweck der Lykophronerklärung abgefafst sein können. In
Betreff des Pausanies löst W. glücklich zunächst solches inexAr/ffees-NLa"
terial ab, welches zur Periegese im engsten Sinne gehört, also entweder
aus eigener Anschauung oder aus periegetischen Quellen stammt (auf die
sogen. Pausaniasfrage läfst sich Verf. garnicht ein). Die meisten be-
züglichen Stellen aber stimmen so wenig mit der periegetischen und
anderen Quellen des Pausanias überein und sind so sehr auf die Erklä-
rung der imxkyjaeti zugespitzt, dafs in Anbetracht der Unmöglichkeit,
dafs Pausanias selber die z. t. sehr entlegenen primären Quellen gelesen
haben könnte, auch hier die Benutzung einer eigenen imx^j^crerc- Quelle
angenommen werden mufs. Die letzte Untersuchung, VII, handelt 'de
intxA^aeiuv Sylloge, Diogeniaui, Athenaei, Clementis, scholiorum Lyco-'
phronis, Pausaniae fönte communi.'
Die von W. durch eine Vergleichung der einzelnen Autoren er-
wiesene Thatsache, dafs dieselben sachlich und in der Benutzung einer
grofsen Zahl von Schriftstellern, die unmöglich jeder einzelne selbst
nachgelesen haben kann, in weitgehendem Maafse übereinstimmen, macht
die Annahme einer imxk^aet^Sekmlung als gemeinsamer Quelle im hoch-
{
302 Grieobisehe Mythologie.
Bten Grade wahrscheinlich. In derselben waren die GOtter, ihre Bei-
namen und Kaltlokale in irgend einer Anordnung aafgesAhlt, sowie Be-
dentung nnd Ursprung der Beinamen erörtert. Aus vielen und sehr
verschiedenartigen Quellen schöpfend, gab sie bisweilen von ein und
derselben imxXji^aie mehrere, von einander abweichende Erklftrungen.
Diese Mannigfaltigkeit des Werkes und die verschiedenen Zwecke der
ausschreibenden Autoren enklärt zur GenOge die Abweichungen dieser
letzteren untereinander. Als Entstehungszeit des Werkes setzt W. das
1. vorchristliche Jahrhundert an, den Namen des Verfassers Iftfst er da-
hingestellt
Endlich sei hier noch kurz besprochen
Leopold Reinhardt, Die Quellen von Gicero's Schrift De deo-
rum natura. Breslau, Köbner 1888. 8. 68 S. (Breslauer philologische
Abhandlungen III, 2).
Die grOndbch und umsichtig gefbhrte Untersuchung ergiebt fol-
gende, von den Ergebnissen Hirzels und Schwenkes ziemlich abweichende
Analyse: Buch I. 1, i — 10, m Cicero. 10, st— 15, 4i Phik>demus. 16,
4S— 20, M Zeno. 21, 5T — 87, loi Klitomachus (§ 68 — 64 von Cicero
eingeschoben). 37, loi — 44, im Posidonius (§ 106—108, 117 — 120 von
Cicero eingeschoben). Buch IL 1, i— 4, i» Cicero. 6, ii — 16, u Chry-
sippus. 17, u— 23, so Chrysippus. 28, so -28, 7t Cicero mit Benutzung
der philosophischen Gedanken des Chrysippus. 29, 7S— 40,io4 Panaetius.
41, 104—- 44, 10» Cicero. 45, U5-61, lu Panätius (aufser § 188) 58,
tat Cicero. 61, im— 66, i67 Posidonius. Buch III. 1, i— 5, is Cicero.
6, 14 - 6, 15 Cicero mit Benutzung eines Gedankens des Garneadea-Cli-
tomachus. 7, is— 15, ts Clitomachus. 15, ts— 89, m Cicero mit Benut-
zung der philosophischen Gedanken des Carneades- Clitomachus aus Ter
16, 41 und 21, M— 28, so (aus einem alexandrinischen Sammelwerk).
3. Gruppen göttlicher und heroischer Wesen
(bezw. von Mythen).
Dies Kapitel zerfällt in zwei Teile.
Erstens (a) werden diejenigen Schriften besprochen, welche von
der Mythologie bestimmter Lokale der griechischen Welt handeln,
zweitens (b) diejenigen, welche unter bestimmten sachlichen
(d. h. auf das Wesen der einzelnen Gestalten gerichteten) Gesichts-
punkten zwei oder mehrere göttliche bezw. heroische Wesen zusam-
menfassen.
Die Anordnung ist in beiden Teilen die alphabetische, im ersten
nach den Orts-, im zweiten nach den Götternamen; wo der Titel meh-
rere Namen darbot, bestimmte der erste derselben den Platz.
Die Litteratur ttber geschlossene Gruppeu, wie Musen, Hören, Ar-
3 Orappen göttlicher and heroiseher Wesen: Harrison (Athen). 303
gonanten a. a., findet der Leser im folgenden, vierten Kapitel. Im ttbri-
gen war für die Frage, ob eine Schrift in diesem, im ersten, oder im
vierten Kapitel onterzabringen sei, meistens der Titel entscheidend,
doch wird das vierte Kapitel durch zahlreiche Verweise auf die voran-
gehenden die Auffindung bestimmter Gegenstände erleichtem.
a. Mythology and Monuments of ancient Athens beiug a translation
of a portion of the 'Attica' of Pausanias by Margaret de 6. Ter r all
with introductory essay and archaeological commeutary by Jane
£. Harrison . . . Illustrated. London, Macmillan 1890. 8. GLVI
and 685 S.
Den Zweck des eigentOmlichen Buches, welches uns hier vorliegt,
bezeichnet die Verfasserin, Jane E. Harrison, im Vorwort kurz dahin:
^Its object is, first and foremost, to elucidate the Mythology of Athens,
and with this intent I have examined its Monuments, taking Pausanias
as a guido'.
Den ersteil Teil des Buches bildet *The Mythology of Athenian
local cults". Als solche Mythen erkennt die Verf. an: Erichthonios, Ika-
rios, Triptolemos, Kephalos and Prokris, Boreas und Oreithyia, Kreusa,
Prokne und Philomela, Theseus. Das dünkt uns eine ungemein willkttr-
liehe Beschränkung, der Versuch sie zu rechtfertigen, welchen die Verf.
im Vorwort p. III f* macht, ist ganz ungentkgend. — Die Behandlung des
Theseuskreises, welche ttber ein Drittel des Ganzen einnimmt, zeichnet
sich aus durch weitgehende Verwertung der Vasenbilder; die Sichtung
und Ausnutzung der litterarischen Quellen hat sich die Verf. weniger
angelegen sein lassen. Was die Genesis und Geschichte der einzelnen
Tbeseussagen anlangt, so bietet die Verf. hierin nur wenig und kaum
Neues. Den Eiuflufs pantomimischer Darstellungen auf die Vasenmaler
dürfte sie entschieden überschätzen (p. GXVI ff.). Während nun hier
und bei Besprechung der Prokne- und der Boreassage, welche beide —
die erstere wenigstens in ihrer Grundlage — als ^nature myths' aner-
kannt werden, der mythologische Standpunkt der Verf. kaum zur Geltung
kommt, zeigt sie sich in den übrigen Sagen als entschiedene Anhängerin
von Andrew Lang.
Alte Gebräuche, deren Sinn vergessen war, und andere That^
Sachen des Kultus sollen das Substrat dieser Sagen bilden. Von einer
eingehenden Besprechung der Deutungen, welche die Verf. aufstellt, darf
um so eher abgesehen werden, als die Verf. selbst eine sorgfältige, gründ»
liehe Beweisführung kaum angestrebt hat. Manches besticht auf den
ersten Anblick, und nirgends zeigt sich die Bodeulosigkeit der herkömm-
lichen physikalischen Mythendeutung; aber überzeugt wird der kritische
Leser doch nicht, weil die Verf. es unterläfst, au der Hand der Quellen
die nachweisbare Eutwickelung der Sage und die Kultusverhältnisse, ans
denen letztere erklärt werden soll, in allen Punkten genau festzustellen.
304 Griechische Mythologie.
Besonders was die Geschichte des attischen Kultus betrifft, arbeitet sie
viel mit zwar nicht unwahrscheinlichen, aber doch unerwiesenen Prä-
missen. Als ein weiterer Übelstand ist hervorzuheben, dafs die Verf.
die einschlägige neuere Litteratur in einem Maafse ignorirt, dafs es
auch dem Belesenen grofse Mtthe und ?iel Zeit koston möchte. Altes
und Neues zu unterscheiden, wodurch die Brauchbarkeit des Buches ent-
schieden beeinträchtigt wird.
Die zweite Hälfte des Buches ist ein Gommentar zu den Athen
betreffenden Partien des Pausanias, dessen Text in Übersetzung mitgeteilt
wird. Sie nimmt sich wunderlich genug aus. Während die Behandlung
?on Apollon, Ares, Hephaistos, Artemis höchst dttrfUg ist, werden die
Dioskuren (p. 152 — 168) und Asklepios, dieser im engsten Anschluß an
y, Wilamowitz-Möllendorfs Isyllos (p. 805—328), in ganz unverhältuis-
mäfsiger Breite besprochen. Der Abschnitt Ober Hermes (p. 127—182) ist
ausführlich, aber keineswegs erschöpfend. Was über Dionysos mitgeteilt
wird, ist ziemlich befriedigend, aber nicht ganz neu: oder kannte die
Verf. die Aufsätze von Maafs und Grusius nicht? Der Parthenonfries,
dieses wichtige Zeugnis attischen Götterwesens, ist kaum berührt. Der
attische Gottesdienst tritt — was besonders bei der oben bezeichneten
mythologischen Richtung der Verf. befremden mufs — sehr in den Hin-
tergrund, während man andererseits auf vieles recht entbehrliche anti-
quarische und topographische Material stöfst.
Es ist schwer ersichtlich, zu wessen Förderung dieser Pausauias-
commentar dienen soll: für Laien zu gelehrt, für Studenten zu ungenau
und unmethodisch , für Gelehrte zu wenig neue, selbständige Forschung
bietend — ausgenommen vielleicht die Strecken, wo die Vasenmalerei
herangezogen wird. Einen gewissen Wert erhält er erst durch die zahl-
reichen, gut ausgewählten und ausgeführten Illustrationen.
Ernestus Maafs, Parerga Attica (Index Scholarum Gryphiswald.
1889). 4. 15 S.
kämpft gegen die allgemein angenommene Coojectur Bergk*s, welcher in
der Aufschrift des Kypseloskastens (Paus. V 19, 2 ff.) statt 'AHdvaBsv
setzte: 'A^eSvaBev. Das überlieferte ' ABdvaBev sei richtig: dafs die
Dioskuren Helena aus Athen zurückführen, sei die auch durch Paus. I
41, 4 für Alkman und Pindar bezeugte und für ein so altes pelopounesi-
sches Monument a priori vorauszusetzende peloponnesische Tradition.
(Vgl. dazu jetzt: Job. Töpffer, Aus der Anomia p. 86 ff., welcher mit
guten Gründen für die (Konjektur Bergk's eintritt). — Des weiteren deckt
Verf. u. a. sagenhafte Beziehungen auf, welche Attika mit Orohomenos
(Athamas), Euboia (Phaleros, Munichos) und dem thessalischen Pagasai
verbinden. Von letzterem Ort aus ist der 'Seediouysos', welchen Verf.
im Hermes 1888, p. 78 ff. nachgewiesen hat (s. unten Kap. 4) über Boio-
tlen nach Attika gekommen: der Eleuthereer Pegasos aber ist es, der
3. Groppen göttl. n. heroischer Wesen : Maass, Immisch (Attika, KlaroB). 305
den Gott nach Athen gebracht haben soll (Schol. Arist Ach. 243;
Paus. I 2, 5). Der Vorschlag des Verf., an diesen Stellen statt Pega-
SOS 'Pagasos' zu schreiben, also den Namen des durch Paus. X, 7 be-
nannten Apollondieners und Eponymen von Pagasai, erscheint durchaus
annehmbar.
Eine Reihe klarisch- kolophonischer und mit diesen zusammenhän-
gender Sagen betrifft die gelehrte Abhandlung ?on
Otto Immisch, Klares. Forschungen Ober griechische Stiftungs-
sagen (Fleckeisen's Jahrbb. für class. Philologie Suppl.-Bd. XVII.
126—210. Als Leipziger Habilitationsschrift von 1889 erschien p. 126
—181).
§ 1 legt die historische Grundlage, indem Verf. den nicht un-
bedeutenden Anteil, welchen die Boioter an der Kolonisirung Joniens
hatten, und die daherrfihrende Vertrautheit der lonier mit boiotischer
Sage bespricht. §2—3 unterzieht Verf. die Überlieferung der klarischen
Stiftungssage einer kritischen Prüfung und gewinnt dabei das Ergebnis,
dafs drei Manto-Sagen zu unterscheiden sind: eine älteste, der zufolge
Manto die Geliebte Apollon's ist (um Ol. 16 in Klaros heimisch), eine
zweite (nach Mimnermos anzusetzende), wo der Kreter Rhakios oder
Lakios (alte kretische Kolonie bei den im kolophonischen Lande an-
sässigen Kariern), und nicht Apollon, der Gatte Manto's war, und eine
dritte Version, die Manto dem Bakchiaden Zograios zum Gemahl giebt
und vom Verf. an einer späteren Stelle bereits für die Alkmaionis nach-
gewiesen wird (um 600 in Korinth gedichtet; alte Beziehungen zwischen
lonien und Korinth). Nach einem interessanten Beitrag zur Mythopoiie
des Euphorien, welchem eine tendenziös-satirische Behandlung der Sage
von Mopsos und Kalchas zugeschrieben wird, unternimmt Verf. in
§ 4 eine scharfe Sonderung von Epigonen und Alkmaionis, welche Welcher
identifizirt hatte, und sucht die für ein junges Alter der letzteren gel-
tend gemachten Gründe zu entkräften. Die folgende Untersuchung be-
trifft den Schluss der Epigonen unter besonderer Rücksicht auf die mit
der klarischen Tempellegende zusammenhängenden Personen des Alk-
maion und Amphilochos. Ausgehend vom Seherwettstreit des Kalchas
und Mopsos (Gegensatz zwischen der einheimischen und der griechischen
Mantik) trennt Verf. (§ 6—9) von den Epigonen, welche nach seiner An-
sicht mit der Aussendung Manto's abschlössen, zwei Dichtungen los, die
vielmehr zur Melampodie gehörige xrici^ KoKo^wvoq und die i^iXaatQ
'AfA^tapdoo, Die letzten Abschnitte der Arbeit, § 10 — 16, suchen das
Verhältnis von Epigonen und Alkmaionis zur Tragödie zu bestimmen,
welche dem Verf. gleichmässig von beiden, aufserdem vielleicht auch
noch von Stesichoros Eriphyle abhängig erscheint.
Jahresbericht für Altertumswissenschaft. LXVI. Bd. 20
306 Griechische Mythologie. 3. Gruppen göttl. n heroischer Wesen.
E. Tflmpel, Tyrseisches von KyUeoe ( Fleckeiseo's Jahrbb. Bd.
187 (1888) p. 68-60)
weist mit guten Gründen am Eyileneberg eine neue Station anf dem
weiten Wandergebiet der vereinigten Kadmeionen und Tyrsener nach
— erkennbar an combinirtem Aphrodite- und Hermeskalt — und macht
aafserdem beachtenswerte Bemerkungen Aber die Geschichte des itby-
phallischen Hermes.
Franz Studnicska, Kyrene, eine altgriechische Göttin. Ar-
chäologische und mythologische Untersochungen. Leipzig, F. A.
Brockhaus 1890. 8. 224 8.; 38 Abbildungen.
Verf. vervollständigt zunächst den von Puchstein (A. Z. 1880.
p. 185 f., 1881 p. 216f.) unternommenen Nachweis, dafs die Vasen von
der Gattung der Arkesilasschale in Kyrene verfertigt worden sind. Die
von MilchhOfer (Anfänge p. I7l f.) erhobenen Einwürfe werden mit
guten Gründen widerlegt: Verf. findet u. a. die afrikanisch -ägyptischen
Elemente der Arkesilasschale, welcbe MilchhOfer wunderlicher Weise
gegen den kyrenäischen Ursprung geltend gemacht hat, ganz im Gegen-
teil nur an einem Orte begreiflich, dessen Kultur so viel sichere
afrikanische, besonders ägyptische Elemente aufweist wie gerade Kyrene.
Als neue Argumente fügt Verf. hinzu, dafs auf einer der fraglichen
Vasen der aufser für Arkadien nur für Kyrene bezeugte Zeus Lykaios
erscheint (A. Z. 1881 Taf. 12, 3) und dafs eine andere, in Naukratis
gefundene (Petrie I T. 8 - 9), unzweideutige Zeichen kyrenäischen Ur-
sprungs aufweist: das (allerdings schlank und schematisch wiedergegebene)
Silphion und ein Zweig vom Hesperidenbaum in der Hand einer (zur
Hälfte zerstörten) weiblichen Gestalt, welche im Hinblick auf ander-
weitige Darstellungen als die Göttin Kyrene verstanden werden muCs.
In den sie umflatternden Flügelfigürchen erkennt Verf. Harpyien (links)
und Boreaden (rechts), also die das Gedeihen des Hesperidenbanmes
fördernden Winddämonen (vgl. Akusilaos bei Philod. mp\ ebaeß. p. 43
Gomperz).
Eine alte plastische Darstellung derselben Göttin weist Verf. im
zweiten Abschnitt (p. 28 — 39), gestützt auf Pindar Pyth. IX sowie auf
zwei sicher kyrenäische Bildwerke des British Museum, in der einen
Löwen gepackt haltenden Frauengestalt eines olympischen, offenbar vom
Giebel des Kyrenäer Schatzhauses herrührenden Kalksteinreliefs nach.
Der gröfsere, verlorene Teil des Giebels stellte nach des Verf. sehr ent-
sprechender Ergänzung Apollon, den xrean^^ von Kyrene, dar, wie er
mit seinem Viergespann auf das Ende des Kampfes wartet, um die
heldenhafte Jungfrau dann nach Libyen zu entführen (Pind. a. a. 0.).
Nachdem Verf. dann die (wesentlich durch Pindar und Hesiod bezeichnete)
litterarische Überlieferung der Sage von der Kyrene festgestellt hat
(Abschnitt lü, p. 39—46), sucht er durch eine eingehende Prüfung der
Tümpel, Stodoicxka (Eyllene, Eyrene). 307
GrttnduQgssage der lose] Thera and ihrer Pflanzstadt Eyrene die auf-
fällige Erscheinung zu erklären, dafs die Tochter des thessalischen La-
pithenkönigs zur Eponyme einer Stadt wurde, deren Bewohner als über
Thera aus Sparta kommende, Dorer galten. Die den Spartanern und
den Theräern gemeinsame Gründungssage von Thera, welche Herodot
lY 145—149 überliefert, setzt erstens die lakonische Besiedelnng der
Insel zweifellos ?iel zu früh an. Zweitens sind die Ansiedler, welche
diese Eolonisten dort vorfanden, keine Phöniker — von phOnikischer
Besiedelung der Insel ist keine sichere Spur erweislich — sondern der
thessalisch-boiotische Hellenenstamm der Eadmeier, welcher aber hier
wie anderswo fälschlich mit den Phönikern identifizirt wurde (indem an
irgend einer Stelle der kadmeischen Ansiedelungen im Osten die Be-
rührung mit einem der von den Griechen Phöniker genannten Völker
die Gleichung des nach hellenischer Weise vorauszusetzenden Eponymen
dieses Stammes mit dem griechischen Heros Phoinix ergab, welcher
frühzeitig mit Eadmos und Europa in genealogischer Verbindung er-
scheint p. 67) und die aus denselben griechischen Landschaften stam-
menden, vielleicht mit den Kadmeiern identischen Minyer. Da nun
dieses minysche Element nicht wegzuleugnen war, läfst die spartanisch-
theräische Gründungssage mittels einer gewaltsam erfundenen Wan-
derung die Minyer zugleich mit den von Theras geführten lakonischen
Epoiken nach Thera kommen. Theras selbst, der aus dem Namen der
Insel gewonnene Heros Eponymos, wird, um den Epoiken einen mythischen
Rechtstitel auf das besetzte Land zu geben, zum Nachkommen des Ead-
mos gemacht, 'und an das mit diesem bereits in Verbindung gebrachte
Labdakidenhaus angegliedert \ Was aber die Gründung von Eyrene an-
langt, so gewinnt Verf. durch scharfsinnige Untersuchung der ver-
schiedenen darauf bezüglichen Sagen das Resultat, dafs die ersten Be-
gründer von Eyrene im Wesentlichen nicht der dorischen Nachkolonie
auf Thera entstammten, sondern (durch Zwistigkeiten mit den zur Herr-
schaft gelangten Epoiken verdrängte) Glieder der älteren kadmeisch-
minyschen Bevölkerung der Insel waren (Abschnitt IV — V, p. 45—131).
Der letzte Abschnitt (VI, p. 132—174) behandelt die Göttin Ey-
rene selbst. Dafs sie nicht eine leere Personifikation der neuen Stadt,
sondern eine aus der thessalisch-boiotischen Urheimat der Gründer
überkommene Gottheit ist, erhellt aus ihrer engen Verbindung mit
Apollon und mit dem zu den Hauptgöttern des alten Hellas gehörigen
und in derselben Gegend wie Eyrene lokalisirten Aristaios. Sie ist
nicht zu trennen von der gleichnamigen Mutter des thrakischen Diomedes,
welcher, von Hause ans eine echt griechische und mit dem Tydiden
Diomedes identische Gestalt (beide in besonderer Verbindung mit Pfer-
den), erst nachträglich zum Repräsentanten eines Barbarenstammes ge-
macht wurde. Die Gründer von Abdera hatten ihn sowie Eyrene aus
lonien mitgebracht: Teos aber, von wo 540 v. Chr. die Neugründung
20»
308 Griechische Mythologie. 3. Gruppen gOttl. u. heroischer Wesen.
Abderas erfolgte, hatten Minyer unter Athamas colonisirt. Vermatlich
also war Eyrene — die übrigens mich in Eilikien auftritt, und zwar als
Kultgottheit: Hesych und Photios s. v. Ku/^ßdvv^ — mit diesen Minyem
nach lonien gekommen. Im Hinblick auf diese überaus glückliche Oombi-
nation erscheint denn allerdings der Satz des Verf. vollberechtigt: das
libysche Kyrene hat seinen Namen ?on der alten Göttin, als deren Be-
sitztum — einer häufigen Vorstellung zufolge ~ der Ort gefafst wurde
(der Bachname Kyre vom Verf. als Kurzform des Stadt- und Personen-
namens verstanden).
Verf. sucht dann die Identität der Kyrene mit Artemis oder ge-
nau gesprochen mit der grofsen Naturgöttin, welche unter dem Namen
Artemis am bekanntesten ist, zu erweisen. Wie K. bei Pindar als
dyporipa erscheint und in den späteren Darstellungen die typische Ge-
stalt der JagdgOttin zeigt, so bedeutet der Name von STjpa^ der Insel
ihrer Verehrer, das Jagdrevier, und die spartanisch-theräische Grün-
dungssage, welche diesen geschichtlichen Namen erst von dem Archegeten
der lakonischen £poiken herleitet, setzt bezeichnender Weise als älteren
Namen der Insel ^Kalliste' an, d. h. den arkadischen Beinamen der Ar-
temis. Wie diese Kallisto-Artemis mit dem lichten Höhengott fest ver-
bunden ist, so ist Kyrenes Vater Hypseus kein anderer als der Zeus^Traro^
oder ^r^tarog. Der Name Kup^vfj aber und die Kurzform Kupa ist zu-
sammenzustellen mit KitptoQ^ xupoof: er bedeutet die Herrin, 'nicht allein
ihrer Gemeinde, sondern der ganzen Natur'. Gleichwie Artemis, Medusa und
Nemesis {are^avoQ iXd^oug i^ojv xdi Nexi^g äydAfiara ob peydXa Paus. I
33, 3 versteht St. mit Dümmler als Darstellungen eines älteren Knlt-
bildes der rhamnusischen N.) tierhaltend auftreten, als norvtat Bi^pafu,
so auch Kyrene auf einem alten, von Thera oder Melos stammenden
Vasenbild, welches sie geflügelt und einen (neben ihr schreitenden)
Löwen an Ohr und Schwanz haltend zeigt (A. Z. 1854 T. 61): aus
dieser typischen, symbolischen Handlung der Kultgestalt wurde, wie Verf.
mit grofser Wahrscheinlichkeit annimmt, die Sage von ihrem Löwen-
kampf herausgesponnen. Hinsichtlich der sogenannten tierhaltenden
'Artemis' sucht Verf. zu erweisen, dafs weder die symmetrische Anord-
nung noch die Beflügelung auf kleinasiatischen Ursprung weisen, umso-
weniger als gerade in den ältesten Darstellungen diese Momente noch
nicht unbedingte Geltung haben. Auch einen anderen Zug der Sage
von Kyrene, wonach sie inl xuxvwv d^Tj^BTffa nach Libyen kommt,
möchte Verf. auf einen alten bildlichen Typus zurückführen und zieht
dafür einen Inselstein heran (Milchhöfer Anfilnge S. 86, 56*), der eine,
zwei grofse Wasservögel haltende Frau zeigt. £ndlich sucht Verf. die
Lage ihres Tempels in Kyrene festzustellen, wo sie auch nach ihrer
Heroisirung durch das Epos eine angesehene Kultgottheit blieb und wohl
erst damals hinter ihre Doppelgängerin, die panhellenische Artemis, zu-
rücktrat, ' als die nach Vertreibung der Könige zur Herrschaft gelangte
Studnicska (Eyrene). 309
nWellirende Demokratie za Gunsteo einer vereinfachten Staatsreligion
mit den Qeschlechtskulten aufränmte* (p. 173).
Wir begrüfsen diese Untersuchung als eine hocherfreuliche Leistung
um deswillen, weil hier wieder einmal gleichmäfsig das bildliche (dieses
durch gute Abbildungen veranschaulicht) und das litterarische Material
mit besonnener Methode zur Lösung eines religionsgeschichtlichen Prob-
lems herangezogen ist. Wer es noch nicht wissen sollte, der mag aus
dieser Arbeit ersehen, dafs in den engen Grenzen der griechischen Welt
noch flbergenug Schätze zu heben sind und gehoben werden können,
auch ohne dafs man nötig hätte die indogermanische Tonleiter anzu«
schlagen oder nach ^ Analogiebeweisen' aus den Naturreligionen zu suchen.
Im Einzelnen wird das Buch noch manche Berichtigung und Ergänzung
erfahren, wie sie besonders far die geschichtlichen Abschnitte IV und
V E. Maafs in einer sehr eingehenden und wertvollen Besprechung ge-
geben hat (Göttingische Gelehrte Anzeigen 1890 Nr. 9 p. 337 — 384).
FOr den eigentlich mythologischen Teil hätten wir gewünscht, dafs Verf.
das einzige und konstante Attribut der Kyreue, den Löwen, mehr in den
Mittelpunkt der Untersuchung gerückt hätte: unter den altgriechischen
Göttinnen ist K. die einzige, für welche der Löwe charakteristisch ist,
und das erscheint uns bedeutsam. Die Möglichkeit kleinasiatischer Ein-
flüsse auf die Entstehung des Typus durfte wenigstens erwogen werden.
Auch ist es keineswegs so selbstverständlich, wie Verf. p. 143 annimmt,
dafs die von den Lexikographen erwähnte Kopf^dvri gerade den grie-
chischen Bewohnern Kilikiens angehörte. Was ferner den Aristaios
betrifft, so mufs keineswegs Wesensverwandtschaft der Grund zur
genealogischen Verknüpfung mit Eyrene gewesen sein (p. 134). Im
übrigen aber hält sich Verf. von den traditionellen Vorurteilen der
Schulmythologie rühmlichst frei.
Im Anhang I (Phalanthos. p. 176-194) untersucht Verf. die der
kyrenäischen analoge Gründungssage von Tarent und gelangt zu dem
gut gestützten Ergebnis, dafs Phalanthos, eine bei den vordorischen
Peloponnesiern, in Achaia und Arkadien, heimische Gestaltung des Po-
seidon, bei der achäischen Besiedeiung Unteritaliens auch nach Tarent
gebracht, bei der nochmaligen Lakonisirung der Stadt von den la-
konischen Epöken annektirt und in der Kultgestalt des Delphinreiters
als Wappenbild auf die Münzen gesetzt wurde; nachdem er aber im
Verlauf der Zeit zu Gunsten des kanonischen Poseidon seinen göttlichen
Charakter eingebüfst hatte und zu einer historischen Person herab-
gedrückt war, wurde das unverständlich gewordene Münzbild durch die
Geschichte von der wunderbaren Rettung erklärt, bis man zuletzt, ver-
mutlich nicht lange vor Aristoteles, auch diesen wunderbaren Zug aus
der Geschichte des Stadtgründers entfernte und das Münzbild, angeleitet
durch den im Nominativ danebenstehenden Stadtnamen, auf den als Heros
und Poseidonsohn verehrten epouymen Flufsgott Taras bezog.
310 Griechische Mythologie. 3. Orappen gOttl. o. heroischer Wesen.
Anhang 11: Hektor von Ferd. Dümmler (p. 194—206). Aas-
gehend von dem Satz, ^dafs die dem troischen Kriege zu Grande lie-
genden Sagen älter sind, als ihre Fixirang aaf troischem Boden in Folge
der äolischen Besiedelang jener Küsten' and dafs die Gegner der Pan-
achaier zum gröfsten Teil * bereits im Matterlande Nachbarn and teil-
weise nahe Verwandte der in der Ilias siegreichen Stämme gewesen
sind' macht D. den interessanten Versach, Hektor als ursprünglich the-
banischen Heros za erweisen. Die Argumente sind hauptsächlich fol-
gende: 1) Hektorgrab in Theben 2) H. in der Ilias das Verhängnis der
Boioter, er erschlägt ihren Haoptherrscher Oresbios 3) H.*s boiotische
Herkunft in der Gründungssage von Ohios, welches von Boiotien und
Euboia aus kolonisirt wurde.
Georg Knaack, De fabulis nonnullis Cyzicenis. (Gommentationes
philologae in honorem sodalitii philologorum Gryphiswaldensis . . .
Berolini, Weidmann. 1887. 8. p. 33—41).
Verf. erweist als Quelle von Gonon 41 (Westermann, Mythographi
gr. p. 143), wo die Sagengeschichte von Antandros und Kyzikos (Argo-
nauten) behandelt wird, den Ephoros. Die abweichende Darstellung,
welche Apollonios von dem Aufenthalt der Argonauten in Kyzikos giebt
(Arg. I 936 ff.) geht zurück auf den vom Scholiasten des Apollonios ge-
lesenen und häufig citirten Kyzikener Deilochos (vor dem pelop. Krieg).
Die Beschreibung des Kampfes mit den Eingeborenen verdankt Apollo-
nios dem Herodoros.
Auf die Abhandlung von
H. E. Stein, Topographie des alten Sparta, nebst Bemerkungen
über einige lakedämonische Gottheiten (Progr. Glatz 1890. 4. 30 S.
m. 1. Karte),
welche Ref. noch nicht eingesehen hat, sei hier nur verwiesen.
Vorwiegend Lesbos betreffen zwei Abhandlungen von Karl Tüm-
pel. 1) Bemerkungen zu einigen Fragen der griechischen Religions-
geschichte (Progr. des Kgl. Fürstl. Hedwigschen Gymn. zu Neustettin
1887). 4. 23 S.
2) Lesbiaka. 1. "Enrä Xeaß{Sec (Philologus Bd. XLVIII. 1889.
p. 99—130.)
In jenem Programm geht T. zunächst der Enalossage auf den
Grund. Nicht ohne Willkür sucht er als letzte Quelle der ganzen
Überlieferung den Lesbier Myrsilos zu bestimmen und löst sodann von
dem Mythus eine blos explikative (durch das Vorhandensein eines
Bechers und eines 'Enalos' genannten Steins im Poseidontempel ver-
anlafste) Legende los. Als religiösen Kern des somit übrig bleibenden
Hauptmythus erweist er unter Heranziehung mehrerer Analogien, besoq-
Knaack, Tflmpel (Kysikos, Lesbos, Rhodos). 311
ders aas dem Atargatiskalt, die Kulthandlung des Meukadischen Sprungs \
Der mit dem geopferten Mädchen ins Meer springende Enalos ist in
der ursprünglichen Fassung des Mythus der sich sein Opfer holende,
delphingestaltig gedachte Todesgott eines Wasserbegräbnis anwendenden
Seevolks (xaranovreirfiog). Soweit können wir dem Verf. folgen: da-
gegen erscheinen uns die daran geknüpften Vermutungen über ^Fisch-
ahnenkult' ebenso haltlos wie der bei aller Gelehrsamkeit künstliche und
unklare Versuch, die einzelnen Bestandteile der Sage nach ihrer Her-
kunft zu bestimmen und zwei verschiedene Religionskreise nachzuweisen
(Lakonien und Rhodos), die in Lesbos zusammengeflossen seien. Eher
wird man der diese Untersuchung beschliefsenden Vermutung beipflich-
ten, dafs Arion, der Methymnäer, die Sage des heimatlichen Gründungs-
heros Enalos besungen habe, und durch ein Mifsverständnis das Schick-
sal des letzteren auf den Sänger übertragen worden sei.
Die weiteren, kleineren Mitteilungen, welche Tümpel in diesem
Programm macht, betreffen die Spar toi, die Eriunioi (und die
KopwveSeg des orcbomenischen Gultus) und die Encheleis.
Einen wertvolleren Beitrag zur Sagengeschichte von Lesbos giebt
Tümpel in dem zweiten oben augeführten Aufsatz ^Lesbiaca*. Es gab
7 verstirnte Lesbierinnen, 7 lesbische Jungfrauen in der Achilleussage,
7 Archegeten von Lesbos mit ebensoviel Töchtern (wie Verf. wohl richtig
aus Ps.Plut. Symp. VII. Sap. 20. p. 163 folgert) und 7 lesbische Musen.
Als den Untergrund dieser Erscheinung vermutet der Verf. eine Siebenzahl
lesbischer Orte, wie denn bereits durch v. Wilamowitz die eine der
7 Lesbierinnen, Briseis, als Eponyme des lesbischen Ortes Brisa nach-
gewiesen ist. Überhaupt erkennt Verf. hinter der lesbischen Lokalsage,
welche er aus den verschiedenen Mythenfragmenten zu rekonstruiren
sucht (teils kriegerischer teils rivalisirender Gegensatz zwischen drei
Heroen: Makar, Agamemnon und Achill; Streitobjekt: die durch Kauf
in den Besitz Makar's gekommenen, von Achill ihm mit dem Schwert
entrissenen und schliefslich von Agamemnon beanspruchten 7 Lesbierin-
nen) historische Verhältnisse, nämlich den Gegensatz zwischen Aiolern
(Repräsentant Makar, Sohn des Helios, des Stammgottes der Aioler),
und den eindringenden Achäern, welche Agamemnon repräsentirt, der
directe Urahn der später Lesbos und die Troas besetzenden Penthiliden.
Hauptsächlich Rhodos (für welches wir nachdrücklich auch auf die
im letzterschienenen Bericht über gottesdienstliche Altertümer be-
sprochenen hallischen Universitätsprogramme Dittenbergers verweisen)
betrifft die folgende Arbeit:
Karl Tümpel, die Aithiopenlttnder des Andromedamythos. Stu-
dien zur rhodischen Kolonisation (Fleckeisens Jahrbb. f. class. Philo-
logie. Suppl.-Bd. XVI [1887]) Leipzig, Teubner. 1887. 8. 91 S.
Verf. sucht in erster Linie das ursprüngliche Lokal der Andro-
medasage ausfindig zu machen. Eine Sichtung der Zeugnisse ergiebt
312 Griechische Mythologie. 3. Grnppen göttl n. heroischer Wesen.
drei verschiedeDe Traditionen: a) eine ältere, sicher bis aaf Earipides,
und wahrscheinlich bis auf Pherekydes (ApoUod. Bibl. II 4. 3. 6) zu-
rttckgehende, welche als Schauplatz Aithiopia nennt und die Kepheus-
gattin Eassiepeia, die Nereiden (als Veranlasserinnen des Mädchenopfers)
und die Yerstirnung sämtlicher Personen aufweist; b) eine mittlere,
durch Herodot und Hellanikos vertretene, wonach das Zweistromland
der Schauplatz ist ; als ihren Urheber vermutet Verf. Skylaz aus der ka*
rischen Earyanda, also aus der Nachbarschaft der dorischen Hexapolis;
c) eine jüngere (Ps. Skylaz und Strabon) welche Joppe als Schauplatz
nennt und vom Verf. mit grofser Wahrscheinlichkeit auf Theopompos
zurückgeführt wird. Sie kennt weder die Kepheusgattin Eassiepeia noch
die Yerstirnung; Aphrodite (nicht die Nereiden) heischt das Mädchen-
opfer; es fehlen alte Spuren der Eepheus- und Eephenensage. Diese
joppensische Tradition verrät ihren jüngeren Ursprung schon dadurch,
dafs sie entschieden bestrebt ist Aithiopia in irgend einer Weise mit
nach Joppe hinüberzunehmen. Ihren Ursprung verdankt sie — wie Verf.
unter Modifizirung einer bereits von H. D. Müller ausgesprochenen An-
sicht nachzuweisen sucht — jenen argivischen Söldnern aus der dorischen
Hexapolis, welche (Mitte des 7. Jahrb. v. Chr.) im Heer Psammetich^s
dienten und auf den einheimischen, orientalischen Eult der Fischgöttin
Atargatis (^Aphrodite') die griechische Sage von Andromeda übertrugen.
Die Tradition also (a), welche Aithiopia als Schauplatz und
Eassiepeia als eine Hauptperson der Sage kennt, ist nicht joppeusisch
(Movers, Stark, E. Moyer) sondern griechisch. Aber wo ist ihre Hei-
mat zu suchen? Auf Rhodos. Hier, bezw. in seiner nächsten Nach«>
barschaft sitzen die Figuren der Perseus- und Andromedasage fest:
Eepheus, Andromeda und Eassiepeia (die Lokalherolne von Easos),
Phoinix, Chrysaor» Gorgonen, Nereiden, Aithiopen des Helios und des
Poseidon. Über Rhodos geht die Wanderung der Argeier des Eepheus
und Danaos, und Seriphos, die mythische Zwischenstation des Perseus
auf ^dem Hin- und Rückweg von Argos nach Aithiopia und Rhodos liegt
in beider Zielstationen Richtlinie*. In den rhodischen Aithiopen sieht
Verf. die vorargivische Bevölkerung (ebenso auf Eypros, Eos, Lesbos,
Samothrake, Lemnos); ein rot farbig es Fischervolk von der Art der
afrikanischoarabischen und der mesopotamisch-erythräischen ^Aithiopen*,
auf welche Namen und Sagen der rhodischen Aithiopen bereits frühzei-
tig übertragen worden sind. Der Eult der Fischgöttin Atargatis hat,
wie in Joppe und Rhodos, so auf Lesbos und Samothrake, welche auch
den Namen Aithiopia führen, argivischen Mythus und Euitus beeinflufst.
Wir müssen uns hier mit der Wiedergabe der wichtigsten Punkte
begnügen und können auf verschiedene wertvolle Exkurse, welche die
leider wenig übersichtliche Schrift enthält, nur hinweisen (so bes. über
das Thrakertum des Perseus p. 210 f., Ober Aphrodite - Sphinx - LaXs
p. 218 f.). Das Hauptergebnis der Untersuchung, dafs Rhodos in der
Tümpel, Gruppe, Hiller de G&rtriogen (Rhodos, Thrakien). 313
ältesten Form des Mythus das Lokal war, erscheint dem Ref. gat ge-
stützt. Der Verf. wird durch sein reiches Wissen etwas leicht zu Com-
binationen verführt, ist aber in ihrer Verwertung vorsichtig und strebt
überall nach möglichst vielseitiger Beweisführung. Durch das Ganze
weht der gesunde historische Sinn eines Otfried und H. D. Müller:
dafs Verf. auf die Bedeutung des letzteren mit grofsem Nachdruck (p. 222)
hinweist, hat den Ref. besonders sympathisch berührt.
Wir erwähnen hier gleich eine an Tümpefs Aufstellungen an-
knüpfende Arbeit von
Otto Gruppe, Aithiopenmythen (Philologus XLVII. 1889. p. 92
- 107; p. 328—348; vgl. Socin ebd. p. 575).
G. macht eine Reihe von Momenten dafür geltend, dafs die Andro-
medasage ursprünglich orientalisch und nicht erst durch die Griechen in
Joppe lokalisirt sei. Derketo-, Andromeda , Jona- und Seroiramis-Le-
gende bilden nach seiner Ansicht ursprünglich eine phoinikische Le-
gende, deren Gestalt er wiederherzustellen versucht. Zur Bestätigung
dieser Ansicht deckt er sodann eine Überlieferung auf, in welcher die
wichtigsten Bestandteile dieser Legenden direct mit einander verbunden
sind: den besonders durch Hygin Fab. 152 bezeugten Synchronismus
der Sintflut und des Phaetontischen Weltbrandes. Ihn an jener Stelle
durch Annahme einer Interpolation zu beseitigen, wie man, den Stroz-
zianus überschätzend, gethau hat, hält Verf. für durchaus unerlaubt;
die Oberlieferte Reihenfolge, welche Fab. 153 hinter 152, Phaeton- und
Sintflutsage also in enger Verbindung giebt, erscheint ihm als die ur-
sprüngiiche und in jeder Hinsicht empfehlenswerteste. Verf. ist der
Ansicht, dafs 'der wunderliche Text des Frisingensis das Original Ittr
den scheinbar reineren Text des Strozzianus ist*.
Fridericus Hiller de Gaertringen, De Graecorum Fabulis
ad Thraces pertiuentibus. (Diss. inaug. Berol. 1886.) 8. 36 S.
Nach einer kritischen Übersicht über die verschiedenen Theorien,
welche hinsichtlich der Thraker aufgestellt worden sind, handelt Verf.
zunächst von der Boreas- und Oreithyiasage. Dafs die Sage im 5. Jahr-
hundert zu grofser Beliebtheit gelangt, während sie vorher nicht hervor-
tritt, bringt er nicht unglücklich mit der Schlacht am Artemision zu-
sammen, nach welcher die Athener auf Orakelgeheifs dem Boreas einen
Tempel weihten. Und im selben 5. Jahrhundert erst werden Eumolpos
und PhineuB, um ihre thrakische Herkunft zu kennzeichnen, mit Boreas
(der von alters als Thraker galt) und Oreithyia, der attischen Königs-
tochter, in verwandtschaftliche Verbindung gesetzt. In der zweiten
Hälfte seiner Arbeit sucht Verf. der Person des £umolpos beiznkommen.
Er verfolgt ihn durch die Liiteratur und gewinnt das Resultat, dafs
Eumolpos ursprünglich der Eponymos der Eumolpiden ist, deren Thä-
314 Griechische Mythologie. 3. Gruppen göttl. n. heroischer Wesen.
tigkeit er wiederspiegelt, ond in Elensis zu Hause, nicht in Thrakien.
Als priesterlicher Sänger kommt er anter die orphischen Dichter und
konnte nun auch von Thrakien, der Heimat der Orphica, hergeleitet wer-
den. Diesen Ursprung findet Verf. zuerst und in entschiedener, die
Folgezeit bestimmender Weise bei Euripides vertreten. — Der Verf.
zeigt Geschick und Verständnis fftr religionsgeschichtliche Fragen, geht
aber dem Gegenstand nicht so gründlich zu Leibe, dafs von einer er-
schöpfenden Behandlung die Rede sein könnte. Die in Aussicht gestellte
Fortsetzung, in der Pbineus und Tereus behandelt werden sollen, ist
dem Ref. noch nicht zu Gesicht gekommen.
Sam. Wide, De sacris Troezeniorum, Hermionensium, Epidau-
riorum commentatio academica. Upsalae 1888. 8. 93 S.
Die mythologische Wissenschaft mufs vom Himmel herabsteigen
und, bevor sie den letzten Ursprung und die letzte Bedeutung der
Götter zu ergründen sucht, erforschen 'quae cuique civitati vel regioni
fuerint religiones, quam similitudinem inter se habeant, quomodo ex
alia regione ad aliam translatae sint'. Von diesem sehr löblichen
Grundsatz ausgehend behandelt Verf. die Kulte der genannten Orte in
der Weise, dafs er für jeden einzelnen die litterarischen und inschrift-
lichen Zeugnisse zusammenstellt und dann zu ermitteln sucht, an wel-
chen anderen Lokalen Griechenlands derselbe Beiname, dieselbe Verbin-
dung mit anderen Gottheiten, derselbe Kultbrauch und Mythus wieder-
kehrt. Leider bleibt diese Untersuchung, deren Resultate eine Tabelle
am Schlufs veranschaulicht, viel zu sehr an der Oberfläche: festzustellen
wie alt der Kult, bezw. die Sage am einen und am anderen Ort ist, ob
und wie eine Übertragung stattgefunden hat, dazu nimmt der Verf. nur
selten einen ernsthaften Anlauf, wie er denn auch die verschiedenen
Zeugnisse gleichmäfsig, ohne Rücksicht auf ihre Entstehungszeit, ver-
wertet. Monumente sind, eine recht oberflächliche Heranziehung der
MOnztypen abgerechnet, kaum befragt, von der Bedeutsamkeit der
Attribute für eine derartige Untersuchung scheint Verf. nichts zu
wissen.
Das interessanteste Ergebnis der Arbeit ist die weitgehende
Übereinstimmung, welche Verf. zwischen Troizen und Athen, zwischen
Troizen, Hermione einerseits und Lakonien andererseits aufdeckt Es
läfst sich aber mit dieser blofsen Statistik nicht viel anfangen, so lange
der Verf. nicht die zu Grunde liegende geschichtliche Entwickelung weit
gründlicher verfolgt hat, als er es in einem Falle (p. 6 f.) versucht.
Dafs es ihm an Geschick und Methode nicht fehlt, beweist die glückliche
Anlage der Untersuchung: möchte er nur bei ferneren Arbeiten sich
engere Grenzen stecken als diesmal und dafür mehr in die Tiefe gehen.
b. Wir wenden uns jetzt zu denjenigen Schriften, welche zwei oder
Wide, Rofsbach, Boehlan (Thrakien, Troizen a. a.). 315
mehrere mythologische Wesen unter bestimmten sachlichen Gesichts-
punkten zusammenfassen.
Otto Rossbach, Auge und Pelopeia (Philologische Abhandlun-
gen, Martin Hertz dargebracht. Berlin, Hertz 1888. 8. p. 144
— 156)
verwertet drei pompejanische Gemälde (Regione VHI isola 3 No. 4;
Reg. IX isola 6 * No. 6 und 2) für die Sage vom Liebesabenteuer des
Herakles und der Auge. Verf. gewinnt unter Heranziehung der eigen-
tümlichen Version der Sage von Thyestes und Pelopeia bei Hygin 88,
welche er als Parallelmythus auffafst, folgende Umrisse der Herakles-
Auge-Sage: *H. wird bei dem Gastmahl des Aleos trunken und irrt in
der Nähe des Heiligtums der Athena umher. Unterdessen hat die
schöne Tochter des Aleos, A., als Priesterin der Athena, an den dieser
zu Ehren aufgeführten Chortänzen teilgenommen, verläfst dieselben aber
mit einer Gefährtin, um ein mit Blut der Opfertiere beflecktes Gewand-
stück zu reinigen. Hierbei erblickt sie H. und gewinnt ihre Liebe',
(p. 152). — Die Variante der Peiopeia-Sage bei Hygin 88 führt Verf.
vermutungsweise auf einen griechischen Tragiker zurück, der teilweise
vielleicht den Auge-Mythus benutzte.
Zwei bisher wenig beachtete Gestalten der Mythologie werden
durch den inhaltreichen Aufsatz von
Johannes Boehlau, Butes und Eoronis (Bonner Studien Rein-
hard Kekul6 gewidmet. Berlin, Spemann 1890. 8. p. 126 — 138)
ins Licht gerückt, indem B. die verschiedenen Vertreter der beiden
Namen auf je ein und dieselbe Gestalt zurückführt. Butes, der
Stammvater der Eteobutaden, der mythische Oikistes vom Eryx und von
Naxos ist eine alte, u. a. in Thessalien (nazische Gründungssage:
Diodor V 51) verehrte Gottheit, dem Poseidon verwandt. Wenn B. ihn
* Meergott' nennt, so hat dies ebensoviel und ebensowenig Berechtigung,
wie bei Poseidon selber, über dessen ursprünglich viel umfassenderes
Wesen doch kaum ein Zweifel bestehen kann. Die* verschiedenen ^Ko-
ronis' hingegen sucht B., wie dem Ref. scheint z. t. mit guten
Gründen als Ausfluss einer alten thessalischen, vorzugsweise chthonischen
Göttin AtYhj'Kopüivrj (A«klepiosmutter Aigle-Koronis, Aigle und Korone
in Phokis, des Theseus Geliebte Aigle oder Koronis u. a.) zu erweisen,
wobei er den Namen Kopwwij als Erweiterungsbildung von xopi^ = *die
Jungfrau' und das Attribut der Krähe als alte Volksetymologie fafst.
V. Wilamowitz' Untersuchung im 'Isyllos' wird dadurch in einzelnen
Punkten, besonders hinsichtlich der hesiodischeu Eoe, bestätigt und be-
richtigt. Gelegentlich des chthonischen Charakters der K. durfte B.
an die entsprechende Seite Aphroditens erinnern, der Gemahlin des
erycinischen ßutes.
316 Griechische Mythologie. 3. Gnippen göttl. u. heroischer Wesen.
Maximilian Mayer, Die Giganten und Titanen in der antiken
Sage und Kunst. Berlin, Weidmann. 1887. 8. 413 S. 2 Tafeln.
Das eigentliche Wesen der Gigniiten findet Verf. in der Vorstel-
lung von ihrer Erdgeburt ausgesprochen, indem er mit richtigem Takt
die in der Tbeogonie vertretene Vaterschaft des Uranos als völlig
fremdartiges Element vom Mythus loslöst, dagegen in der Abstammung
ix fuXtäv, welche die ^ Werke u. Tage' dem ehernen Geschlecht, d. h.
den Giganten, zuschreiben, den volkstOmlichen Ausdruck fftr die Erd-
geburt erkennt. Im Unterschied von Lapithen sowie andern Baum- und
Steingeschlechtem nicht an ein bestimmtes Local gebunden, sind die
Giganten ursprünglich ganz allgemein die mythisch gestalteten Autoch-
thonen und Urgeschlechter, in deren Schilderung bald die kriegerische
Gewalt — bald (Aloaden) die auf einer hohen agrarischen Kultur be-
ruhende Übermacht stArker hervortritt.
Die Titanen dagegen erweist Verf. unter sorgfältiger PrQfung der
einzelnen Gestalten als vordorische Kultwesen des Peloponnes. Sie sind
Erscheinungsformen des Sonnengottes, des eigentlichen T/raw, dessen
Name einem bekannten Prozefs gemäfs vervielfacht wurde. Von dem
Urgott Tay, welcher Sonnen- und Gewittergott zugleich war (am deut-
lichsten erhalten in: Janus, amykl. Apoll, Vejovis, Zeus Triops), ist bei
ihnen nur die Sonnenseite ausgeprägt, während seine Beziehung zu
Donner und Blitz sich auf die Kyklopen vererbt. Diese sind Gewitter-
götter, Hypostasen des Zeus, dessen dreiäugiges Bild zu Argos Verf.
mit Fug und Recht hierherzieht. Und wie die Kyklopen Hypostasen
des Zeus, so sind die Hekatoncheiren Hypostasen des von Zeus als Z.
Enalios losgetrennten Poseidon, Dämonen des vielarmigen Meeres.
Nach diesen grundlegenden Untersuchungen behandelt Verf. die
Gigantomachie. Die Wieseler -Schömann sehe Annahme von der Betei»
ligung der Giganten an der Hesiodischen Titanomachie wird widerlegt
(der Übergang von Titanen in Giganten war vorher an verschiedenen
Beispielen dargelegt), doch der Vermutung Raum gegeben, dafs bereits
bei Eumelos sich die Gigantomachie an die Titanomachie anschlofs.
Einer ausführlichen Analyse unterzieht Verf. dann ApoUodors Darstel-
lung der Gigantomachie, für welche er ein entschieden attisches Kolorit,
aber nicht attischen Ursprung zugiebt. Der Kampf mit Alkyoneus wird
als nur äufserlich angeknüpft ausgeschieden; ebenso gehört die Hinein-
ziehung des Westens — Sizilien von Athena auf den Enkelados gewor-
fen — nicht zum Kern der Apollodorischen Erzählung, wenn auch der
Mythus selbst bereits früh auf die vulkanischen Stätten des Westens
übertragen war. Endlich bespricht Verf. die hellenistischen Giganten-
kämpfe und die Weiterbildungen der Sage.
Der zweite Teil des Buches behandelt die Bildwerke. Aus sei-
nem ersten Abschnitt, der den untergegangenen Darstellungen gilt,
heben wir hervor, dafs Verf. an der Parthenosstatue dei/ ganzen In*
Mazimilian Mayer (Giganten und Titanen). 317
Denraum des Schildes mit Figuren ausgefüllt haben will, and dafs er
den Panathenäenpeplos der Part bonos und nicht der Polias zuspricht,
fttr die er allerdings vor Erbauung des Parthenons bestimmt war.
Dann werden mit dankenswerter Genauigkeit die erhaltenen Darstellun-
gen aus den verschiedenen Gebieten der Kunst vorgeführt. Bezüglich
der schlangenfOfsigen Bildung und des Typhoeus, welchen Verf. ein be-
sonderes Kapitel widmet, hat seine Untersuchung die folgendeu Sätze
zum Ergebnis: M) dafs die Begriffe Erdgeborne und Giganten sich
nicht decken, 2) dafs die Giganten in dem landestlblichen, aufserhalb
jedes Wortstreits liegenden Sinne auch in der Kunst nur als eine Mehr-
heit menschlich gestalteter Wesen eintreten, in einer Reihe von Einzel-
kämpfen mit den Göttern, 3) dafs als wirklicher Einzelkampf des Zeus
nur der gegen Typhon bekannt ist, so lange er nämlich nicht mit den
Giganten vermengt wird; 4) dafs diese Vermengung mit der Mischgestalt
der Giganten im inneren Connex stehen mufs.' (p. 282). In dem Ab-
schnitt 'attische Vasen' wird gegen Jahn — Koepp — Kuhnert auch die
Bttckseite der grofsen Neapeler Gigantomachie auf diesen Mythus bezo-
gen. Die Schlangentopfwerferin des pergamenischen Frieses (N) nennt
Verf. Hygieia, (wie denn schon Trendelenburg eine Genossin des Askle-
pios erkannt hatte), indem er den begrenzten Umfang des dargestellten
Götterkreises gegen die Heranziehung entlegener Personen wie Styx und
Isis geltend macht. Eine stichhaltigere Begründung des vom Verf. vor-
geschlagenen Namens dürfte aus einer Geschichte des Hygieiatypus und
-Kultus, welche bislang nicht geschrieben ist, gewonnen werden.
Das Gesamturteil über das Buch wird etwas herabgedrückt durch
die vielfachen, bereits von anderer Seite hervorgehobenen Spuren von
Unfertigkeit. Die Einzelresultate der ersten Abschnitte werden in den
späteren häufig nicht in dem Mafs herangezogen, wie man erwarten
sollte: der Verf. steht noch zu sehr mitten unter den Bausteinen, welche
er zurecht gehauen hat, er übersiebt sie noch nicht hinreichend. Auch
das einzelne wird z. t. noch sehr im Zustand der Gährung dargeboten,
statt geklärt und verarbeitet, und manches wäre besser unterdrückt
worden, wie z. B. die haltlose und für das Ganze völlig unwesentliche
Vermutung, dafs auch den Kykiopen ursprünglich der Name * Titan' zu-
gekommen sei. Demungeachtet gehört die Arbeit zu den erfreulichsten
Erscheinungen, welche die griechische Mythologie der letzten Jahre
aufzuweisen hat. Der Verf. zeigt Methode und Besonnenheit, sowie eine
richtige Auffassung von den Aufgaben der mythologischen Wissenschaft;
er hat sich — was besondere Anerkennung verdient — von den Erb-
fehlern der Schulmythologie ziemlich emanzipirt. Spuren davon ver-
raten sich allerdings mehrmals, besonders in der Zaghaftigkeit, mit
welcher er eines der interessantesten Resultate seiner Untersuchung ans
Licht rückt: dafs die älteste Zeit den Sonnen- und den Gewittergott
wahrscheinlich in einer Person gefafst hat. Wir glauben, auch die spä-
318 Griechische Mythologie. 3. Gruppen göttl. n. heroischer Wesen.
tere Zeit hat einseitig solare und andrerseits blos donnernde Gottheiten
nicht gekannt, sondern nur von einem stärkeren Hervortreten der einen
oder der anderen Seite kann die Bede sein. Dieser Satz erhält durch
die Arbeit des Verf. eine Reihe interessanter Belege (Eyklopen!), wird
aber nicht geutlgend hervorgehoben, sondern eher getrabt durch die
Bezeichnung der Titanen als 'Hypostasen des Sonnengottes' und der
Eyklopen als ^Hypostasen des Zeus*.
Einen seit Langbehn's Monographie ttber die Flttgelgestalten
wohl nicht behandelten wichtigen Gegenstand ans der ältesten Eunst-
und Religionsgeschichte hat mit £rfolg wieder aufgenommen
Ernst Enoll, Untersuchungen ttber das Attribut der Beflttglnng
in der ältesten griechischen Eunst. Teil einer MOnchner Inaugural-
dissertation. Mit einer Tafel. München 1888. 8. 40 8.
Entgegengesetzt der herrschenden Neigung, das Attribut der Be-
flOgelnng aus der assyrisch-babylonischen Welt herzuleiten, kommt der
Verf. durch eine sorgfältige Prüfung der formalen Behandlungsweise der
Beflttgelung zu dem ttberraschenden Ergebnis, dafs als letzte Quelle fttr
die griechische Eunst Ägypten anzusehen ist: die altgriechischen und
etruskiscben Flttgelgestalten weisen nämlich dieselben, von dem im Eu-
phratland ttblichen Typus abweichenden, Formen auf, welche Verf. als
eine in der phoinikischen Eunstindustrie vollzogene Umbildung des
ägyptischen Schemas erweist.
Die Flufsgötter, besonders hinsichtlich ihrer Gestalt in Eultus,
Poesie und Eunst, behandelt der kurze, aber tüchtige Artikel von Leh-
ner dt in Roschers Lexikon Sp. 1487— 1496. Das archäologische Ma-
terial ist in vollem Umfang verwertet.
Die Abhandlung von
Walz, Über die Erklärung der Eckfiguren am Ostgiebel des
olympischen Zeustempels und am Westgiebel des Parthenon (Pro-
gramm des Egl. Württemb. Ev. Theol. - Seminars, Maulbronn 1887)
4. 39 8.
erwähnen wir nicht wegen der neuen Erklärung der olympischen Eck-
figuren, welche Verf. aufstellt — er erkennt in ihnen ^ Leute aus dem
Gefolge des Pelops und Oinomaos, die ebensowenig zu benennen sind
wie vier andere Statuen des Giebels* — als wegen der beachtens-
werten Untersuchung, welche Verf. den Flufsgottheiten im allgemeinen
widmet Er kommt zu dem Resultate, ^dafs die Flttsse in der Sagen-
bildung zwar als mythologische Persönlichkeiten auftreten, aber selbst
als solche starke Beziehungen zu ihrem Element aufweisen, sich gleich-
sam nicht auf die Höhe freiwaltender Gottheiten erhoben haben und
stets geneigt sind in ihr Element ttberzugehen. Dagegen zeigt die
Poesie der klassischen Periode kein Beispiel, in welchem ein Flufs reine
Knol], Lehnerdt, Wals, Posnansky (FIflgelgestalten, FluTsgötter, Nemesis.) 319
Localpersonifikation wäre', und ebensowenig hält Verf. fOr das 5. Jahr-
bandert ein Monument nacbweisbar, wo ein Flufsgott lediglich zur Be-
zeichnung des Lokales gesetzt wäre. Erst spät kommt der Typus der
FlufsgOtter als gelagerter Männer auf, dessen frObester Repräsentant
die Figur des Nil. Während die alte Zeit die zeugende Kraft des
Flusses durch das Symbol des Stieres ausdrückte, werden jetzt seine
Wirkungen , .üppiges Wachstum und Gedeihen, auf den Flufsgott selbst
übertragen und in äufserlicher Weise durch Attribute wie Füllhorn und
Ährenbüschel bezeichnet.
Hermann Posnansky, Nemesis und Adrasteia. Eine mytholo-
gisch-archäologische Abhandlung. (Bresiauer philologische Abhand-
lungen. Fünfter Band. Zweites Heft.) Breslau, Köbner 1890. 8.
184 S. Mit einer Doppeitafel.
Homer bezeichnet mit vifuatq (Tadel') ein Gefühl des Unwillens
gegen die Verletzung alles dessen, was der Grieche voiioq nennt, also
der geschriebenen und moralischen Gesetze (Wurzel NEM * zurechnen'
and in malam partem 'verübeln'), und die Nemesis Hesiods ist lediglich
eine Personifikation dieses sittlichen Begriffes. Dagegen ist seit Sopho-
kles die wesentliche Modifikation bemerkbar, dafs sich die vifisaig jetzt
vorwiegend gegen alles richtet, was den Göttern unliebsam sein könnte,
gegen jede Sßpc^.
Nach dieser begriffsgeschichtlichen Darlegung untersucht Verf. die
Beziehungen der N. zu Aphrodite und zu Artemis. Wenn Agorakritos
für seine rhamnusische N. den Aphroditetypus wählte, so fufst er dabei
auf den Kyprien, welche die Aphrodite im trojanischen Krieg die Rolle
der N. spielen liefsen, indem der zur Strafe für die Sündhaftigkeit der
Menschheit veranstaltete Krieg (das ist die Tendenz des Dichters) in
erster Linie als ihr Werk dargestellt wurde. Nicht der Leda, sondern
der N. Tochter war Helena in den Kyprien: der alte naturalistische
Mythus von Zeus' Verbindung mit Leda (Himmelsgott und himmlische
Lichtjnngfrau) wird der Grundtendenz des Gedichtes zuliebe auf N.
übertragen. Während also die Beziehung zu Aphrodite keineswegs eine
ursprüngliche war, bot das Wesen der Artemis so bedeutsame An-
knüpfungspunkte (ihr strenger Charakter, ihr Beiname Oumg als Auf-
seherin und Rächerin der ußpt^) dafs eine Anlehnung der N. an diese
Göttin durchaus nahe lag.
Vom Wirkungskreis der N. bespricht Verf. a) ihre vermutlich auf
Attika beschränkte Bedeutung als Toteugöttin. Sie rächt die im Leben
nicht gesühnten Vergehen der Verstorbenen und wird deshalb an den
Nemesia durch Opfer versöhnt, sie rächt aber auch die Toten gegen die
von Lebenden zugefügten Beleidigungen, b) als Rächerin der 5ßpts
überhaupt straft sie Frevel gegen die Götter, Mangel an Ehrerbietung
gegen Höherstehende und an Schonung gegen Gleichstehende oder Un-
320 Oriechische Mythologie. 3. GrappeD gftttl. u. heroischer Wesen.
tergeordnete, Übermut und Prahlerei. Daraus entwickelt sich c) ihr
Amt als WahreriD des rechten Mafses (Ellenmafs ihr Attribut). Eine
psychologisch leicht begreifliche Entstellung war es, wenn sie d) zum
neidischen, launenhaften Dämon wurde. Darnach behandelt Verf. ihre
Annäherung an Fortuna, ihren Synkretismus mit anderen Grottheiten und
ihre Kultstätten. Hinsichtlich des smyrnäischen Kultes polemisirt er
gegen Gerhard u. A., ohne selbst eine Erklärung der Zweigestalt,
welche er fOr durchaus bedeutungslos hält (!), an die Stelle zu setzen.
Ffir Adrasteia macht Verf. wahrscheinlich, dafs sie eine Erschei-
nungsform der Kybele ist, wie sie in der Stadt des Adrastos, in
Adrasteia und in der Umgegend Verehrung fand und mit dieser lokalen
Färbung nicht nur Berühmtheit erlangte, sondern sich auch zu einer
eigentümlichen Gottheit ausbildete, die schliefslich durch ihr Wesen
kaum noch an ihren Ursprung erinnerte (p. 84). Ihre weitere Entwick-
lung in der orphischen und philosophischen Litteratur wird ausführlich
dargelegt; ihre Gleichsetzung mit Nemesis schreibt Verf. ohne aus-
reichende Begründung den Pergamenern zu.
Die bildlichen Darstellungen der Nemesis scheidet Verf. in solche
ohne Allegorie und in allegorische. Zur ersteren Klasse rechnet er das
rhamnusische Bild — welches eine ausführliche, doch nichts wesentlich
Neues bietende Behandlung erfährt — nicht aber die von Furtwängler
(Samml. Sab.) hierhergezogenen Gemmenbilder, da der Hirsch als Attri-
but der N. sonst nicht nachweisbar sei und das Charakteristikum des
N.typuB, die Gewandlüpfung, bei einigen dieser Figuren fehle. Die sehr
reichhaltige, nach Kunstgattungen geordnete Aufzählung der allegorischen
Bildwerke leitet Verf. mit einer Prüfung der Merkmale des N. typus
hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit ein: eine Reihe angeblicher N. bilder
fallen demnach als Aphrodite, Psyche, Fortuna, Pax u. s. w. aus diesem
Kreise heraus.
Der Verf. hat das Material sorgfältig zusammengetragen und ge-
sichtet, aber das religionsgeschichtliche Problem, welches sich an den
Namen der N. knüpft, hat er eher verwirrt als gelöst. Wenn er die
das rhamnusische Bild betreffende, auf Antigonos zurückgehende Pli-
niusnotiz für glaubhaft hält (vgl. p. 95) so galt es einfach die Thatsache
anzuerkennen: das Werk des Agorakritos war ein Aphrodite- und kein
Nemesisbild, aber die Typen der beiden Gottheiten waren derartig über-
einstimmend, dafs die Rhamnusier das Bild ohne weiteres für ihren
Tempel der N. gebrauchen konnten. Verf. stellt die Sache auf den
Kopf, wenn er die Motive des Künstlers für seine aphroditeartige Dar-
stellung der N. aufzuspüren sucht: wir wollen die von Agorakritos vor-
gefundene Übereinstimmung zwischen dem Aphrodite- und dem N.-
typus erklärt haben. Dafs nun die rhamnusische Gemeinde unter dem
Einflufs der Kyprien, wo Aphrodite — nach des Verf. kaum hinreichend
begründeter Ansicht - die Rolle der N. spielte, ihre Vorstellung von
Posnaoaky, Schnlts (Nemesis a. Adrasteia, Ortsgottheiten). 321
letzterer modifizirt haben sollte, wer will das glauben ? Der Verf. unter-
schätzt die Festigkeit des Kultus in befremdlichem Grade. Die Ent-
stehungsgeschichte jenes Bildes ist gerade ein deutlicher Beweis für die
ursprOngliche Verwandtschaft von N^. und Aphrodite, und wie steht es
mit dem anderen vom Verf. verfochtenen Satz, dafs N. von Hause aus
eine blofse Personifikation des abstrakten Begriffes sein soll? Er hat
ein kaum ttberwindliches Bedenken gegen sich, nämlich die intime Ver-
bindung der N. mit dem Totenkult. Wenn irgend ein Gebiet des Kul-
tus dem Einschub leerer Personifikationen Widerstand leisten mufete,
dann war es dieses. Dafs Homer die Göttin nicht gekannt hat, beweist
natttrlidi garnichts fftr des Verf. Annahme.
Otto Schultz^ Die Ortsgottheiten in der griechischen und
römischen Kunst. (Berliner Studien für classische Philologie und Ar-
chäologie. Bd. VIII, Heft 3.). Berlin, Calvary. 1889. 8. 84 S.
Verf. unterscheidet Ortsgottheiten im engeren Sinn, *d. h. die mit
der Erdoberfläche in enger Beziehung stehenden Gottheiten, wie die der
Flttsse und Quellen, der Länder, Städte und Berge' und 'Lokalgott-
heiten*, d.h. solche Ortsgottheiten, deren besonderer Zweck i^t, 'den
Ort, an welchem die Handlung vor sich geht, zu erkennen zu geben*.
Das erste Kapitel untersucht die Darstellungen der Torhellenistischen
Kunst: Ortsgottheiten sind hier nur spärlich, Lokalgottheiten garnicht
vertreten, sogar beim Alpheios und Kladeos des Ostgiebels von Olympia
soll die lokale Seite vollständig hinter der göttlichen zurtlcktreten, und
ebenso ist im Westgiebel des Parthenon, wie Verf. unter ausführlicher
Kritik der Aufstellungen Brunn' s zu erweisen versucht, an Lokalgott-
beiten überhaupt nicht zu denken. Das Vorhandensein einzelner Orts-
gottheiten in diesem Giebel wird zugegeben, aber Verf. unterläfst es sie
zu bestimmen, 'da dieses den Rahmen der Arbeit weit überschreiten
würde \ Dagegen soll in der hellenistischen und römischen Kunst, deren
Darstellungen das zweite Kapitel behandelt, das Übergewicht entschie-
den auf Seite der Lokalgottheiten sein. Verf. bespricht hier gesondert
Flufs-, Quell- und Berggottheiten, sowie solche von Ländern und Städten.
Von ersteren unterscheidet er zwei Hauptklassen: die eine von der
echtgriechischen Idee ausgehend, dafs Gott und Flufs identisch sei,
stellt den Flufs als auf der Erde sitzende oder gelagerte (meist ig
dyxwva) menschliche Gestalt dar, die andere, mehr dem römischen
Glauben entsprechende, läfst den Gott in halber Figur aus seinem Ele-
ment hervortauchen. Das Vorkommen von Berggottheiten schon in der
griechischen Kunst nimmt Verf. gegen Gerber an, aber nicht in der von
Wieseler behaupteten Ausdehnung und auch nicht für die voralexandri-
nische Zeit. Für die Flufsgötter giebt Verf. eine zusammenfassende
Darstellung des Typischen in Hinsicht auf Haltung, Attribute u. s. w. :
im allgemeinen verliert er sich zu sehr in der Erklärung einzelner Mo-
JahrMberlttbt für AltortamflirlsB«nBcbaft. IiXYI. Bd. 21
322 Oriechisehe Mythologie. 3. Gruppen göttl n. heroischer Wesen.
namente und ist weit davon entfernt, den Gegenstand erschöpft za
haben. Das wichtige Gebiet der stierförmigen FlnfsgGtter wird — eine
wunderliche Entschnldignng — deshalb abergangen , weil ' diese Bildun-
gen dem Kultus zugewiesen werden* (p. 31. Anm. 59). Betreffs der
Frage: ob Orts- oder Lokalgottheiten, ist die Argumentirung, soweit sie
nicht TÖllig fehlt, wie bei den Berggöttem, selten ganz Überzeugend.
Es mufste vor allem untersucht werden, ob die fragliche Figur in Kul-
tus und Mythus als göttliche Person festsitzt oder nicht: der Yerf.
ninunt dazu kaum irgendwo einen Anlauf.
Lediglich archäologisches Interesse hat die Arbeit von
Leo Bloch, Die zuschauenden Götter in den rotfigurigen Yasenge-
mälden des malerischen Stiles. (Diss. inaug. Mttnchen.) 1888. 8. 72 S.
Verf. unterscheidet zuschauende Gottheiten 1) durch den jeweilig
dargestellten Mythus gegeben, 2) als freien, aber wohlbedachten Zusatz
des Künstlers, 3) als FQllfiguren.
Paul Kretschmer, Semele und Dionysos (Aus der Anomia.
Archftol. Beitrftge, Carl Robert dargebracht Berlin, Weidmann. 8.
1890. p. 17-29).
Diese methodisch und scharfsinnig geführte Untersuchung bietet
einen sehr beachtenswerten Beitrag zur Geschichte der Dionysosreligion.
Den Namen üsfiehj fuhrt Verf. zurOck auf einen durch phrygische Yer-
fluchungsformeln (Ramsay, Zeitschr. f. vgl. Sprachf. Bd. 28. p. 381 ff.)
und durch die hesychische Glosse bezeugten thrakisch-phrygischen Stamm
Ce/ieX' 'Erde'; Semele ist eine phrygisch-thrakische, in jenen Formeln
als Csfu^ auftretende Erdgottheit. Was den Namen ätdvoaoQ betrifft,
so erkennt Yerf. in ^ JfJir-' den von den Thrakern unter demselben Na-
men wie von den Hellenen verehrten Himmelsgott ißtw^ oder deoQ in
jenen Formeln), und erweist '-waoc* an der Hand eines reichen lin-
guistischen Materials als das männliche Gorrelat des thrakischen, dem
griechischen vO/i^^ xöpr^ synonymen vioäx der ganze Name stammt aus
Thrakien und bedeutet soviel wie Jtöaxoupog oder Jcoc ^wg *der Mann
des Zeus' *Zeu8held\ wie auf einer schwarzfigurigen Yase (Jahn, Ya-
sens. in Mttnchen S. LXI, A. 402.) dem Dionysoskinde beigeschrieben ist
4. Einzelne Gottheiten und Heroen.
Was Achilleus betrifft, so giebt Fleischer in Roscher's Lexi-
kon Sp. 11—66 eine in löblicher Objektivität gehaltene Zusammenstel-
lung der Sagen, wobei auch die bildlichen Darstellungen erledigt werden,
des Kultus und der Deutungen. Die persönliche Bemerkung am Schlufs,
4. Eini. Ootth. n. Heroen: Fleischer, Löhr u. a. (Acbilleas — Agamemnon). 323
dafs Verf. die Forcbhammer*8che Deutung des A. für die richtige h<,
konnte um so eher unterdrückt werden, als man in dem Artikel selber
irgend ein stichhaltiges Argument fQr jene Deutung vergebens sucht:
der Abschnitt aber den A.-Kultus, dessen Reichhaltigkeit besondere An-
erkennung verdient, beweist doch blos soviel, dafs die A.- Verehrer vor-
wiegend am Meer hausten und denn wohl auch A. in Beziehungen zum
Meere gedacht wurde, aber damit wird A. doch nicht Flufsgott
Einen wertvollen Beitrag zur Achilleussage liefert
Friedrich Löhr, Achilles Auszug aus Skyros (archftolog.-epigra-
phische Mitteilungen aus Österreich-Ungarn XIII [1890] p. 161 — 176).
Verf. unterscheidet von der epischen Darstellung dieses Vorganges
scharf die ursprüngliche, in Skyros heimische Sage von A.'8 dortigem
Aufenthalt, zu welcher eine weit zurttckreichende Tradition ttber die
durch den Wechsel der Bevölkerung auf der Insel hervorgerufenen Ver-
änderungen die Anregung gab: 'die Begründung der Doloperherrschaft
auf Skyros hat unsere Sage hervorgerufen, die Vernichtung derselben
(469/68) ihr aber erst zu eigentlichem Leben verholfen*. Sodann weist
Verf. diese skyrische Version der Sage auf der Mon. in. d. Jnst. XI
tav. 33 abgebildeten Schale aus Orvieto nach, die er kurz nach 469/68
verfertigt glaubt, vielleicht von Brygos, und macht endlich einige Bemer-
kungen aber die Modifikation der Sage in der späteren bildenden Kunst
Karl Tttmpel, Achilleus und. die lesbische Hierapolis (Fleck-
eisen's Jahrbücher Bd. 137 [1888] p. 829—832),
untersucht eine meist Obersebene, durch Dictys überlieferte Sage, welche
A.'s Einnahme von Lesbos (als Stadt verstanden) betrifft Vgl. o. S. 311.
Joannes Graeven, Tres picturae Pompeianae (Oenethliacon
Gk)ttingense p. 112—144 und Taf. I— ID)
veröffentlicht und erläutert einen 1877 in Pompeji entdeckten Qyklus
von drei Szenen der Achilleussage: die Ergreifung des Achilleus bei
den Lykomedestöchtem, Thetis in Hephaistos' Werkstatt und auf dem
Rücken eines Meerkentauren, um Achilleus die Waffen zu bringen. Verf.
unterzieht die stofflich kaum etwas Neues darbietenden Bilder einem
ausfBhrlichen Vergleich mit den bereits früher bekannten pompejanischen
Darstellungen desselben Gegenstandes.
Für Agamemnon (vgl. den Artikel Furtwängler^s in Röscheres
Lexikon p. 90-97) bietet die Abhandlung von
Franz Lauczizky, Die Sage von Agamemnons Ermordung und
dem Rächer Orestes in der griechischen Poesie (XV. Programm des
Staatsgymnasiums in Nikolsburg 1887/88.) 8. 18 S.
kaum etwas Neues. Verf. legt dar, wie sich unter dem Einflufo des
Volksgeistes, seinen Wandlungen in religiöser und sittlicher Hinsicht die
21«
224 Griechische Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten and Heroen.
Sage umgestaltet hat. Aaf die einschlftgige neuere Litteratur wird gar-
nicht, auf die alten Quellen nur spärlich Bezug genommen, wie denn
Verf. seine Arbeit überhaupt nicht fQr fachwissenschaftliche Ejreise be-
stimmt zu haben scheint.
Was die beiden Aias betrifft, so verdient der Artikel von
Fleischer in Boscher's Lexikon Sp. 115—139
wegen der darin gegebenen (wohl vollständigen) Zusammenstellung der
Kulte Aufmerksamkeit. Von bildlichem Material wäre nachzutragen die
Publikation von
A. Cartault, Ajax et Cassandre (Gazette arch6ologique XI [1886]
p. 296—298).
Die Schrift von Bassi ^La leggenda di Ajace Telamonio neiran*
tichitä' ist dem Bef. leider nicht zugänglich gewesen.
Ein die Ermordung des Aigistheus darstellendes Belief ver-
öffentlicht und bespricht
Sorlin-Dorigny, La mort d*£gi8the, Basrelief en marbre du
mus^e de Oonstantinople (Gaz. arch. ebd. p. 1 — 1).
Der auf A. bezügliche Aufsatz in der 'Owl' (weekly newspaper ed.
by Clarac) XII No. 1—2 war dem Bef. nicht zugänglich.
Der Artikel 'Aineias' von Wörner in Boscher's Lexikon
Sp. 167 — 191 liefert durch klare Disposition und geschickte Behandlung
des weitschichtigen und besonders fQr den römischen Teil sehr verwor-
renen Materials ein dankenswert übersichtliches Bild der ganzen Sage
mit ihren mannigfachen Versionen. Ebensosehr mufs anerkannt werden,
dafs Verf. sich hierbei blofser Vermutungen möglichst enthalten und erst
die Schlufsparagraphen der Etymologie des Namens A. und der Erklä-
rung der Sage gewidmet hat. Er entscheidet sich für die Ableitung
des Namens von ATvijy dem Namen einer zu Ekbataoa verehrten Göttin,
deren Kultus mit dem der 'AvaTzt^f der 'Avaea^ der Aphr. Urania über-
einstimmte. Ahe/aQ bedeutet: Sohn der Aine, vgl. 'Epfu^ae^ Boped^ (?).
Die Aphrodite des troischen Ida ist dann eine heUenisirte ATvii^ oder
'Avouu^, Man darf dieser Annahme sowohl im Hinblick auf das mehr-
fach auftretende Epitheton der Aphrodite ^Aivetd^* zuneigen — das
doch ganz gewif^nicht vom Namen des A. abzuleiten ist — wie auf die
durchgängige Verbindung der A.sage mit dem Aphroditekult, mythisch
bezeichnet durch die von A. der Mutter an den verschiedensten Sta-
tionen seiner Wanderung gegründeten Heiligtümer.
Zur Geschichte der Sage bemerkt der Verf. § 24: Eine einhei-
misch troische Sage von A. (welchen Inhaltes?) erhält von den helle-
nischen Ansiedlern hellenische Färbung, wird in den troischen Sagen-
kreis aufgenommen und wandert c. 650 — 500 v. Chr. im Gefolge der
homerischen Gesänge nach dem Westen, wobei sie sich an Orten mit
altem, z. t. ursprünglich phönikischen Aphroditedienst festsetzt
Fleischer, WOrner, A. Th. Christ, Ziehen, Holland a. a. (Aias — Alpheios). 825
Ref. denkt sich den Hergang doch wesentlich anders:
A. als Stifter von Aphroditekalten an so vielen und weitzerstreuten
Orten ist kaum dorch die Wanderung der homerischen Gesänge erklär-
bar; als solcher wird er doch wohl nur dann verständlich, wenn wir an-
nehmen, dafs schon zugleich mit dem Kulte der Aine- Aphrodite die Ge-
stalt des anfangs göttlich gedachten, der grofsen weiblichen Gottheit eng
verbundenen A. (vgl. Adonis, Kinyras, Attis) in die Welt hinausgewan-
dert ist.
Anf die der römischen A.Sage gewidmeten Abschnitte wird im Be-
richt Ober die römische Mythologie gelegentlich der Cauer*8chen Schrift
zurflckznkommen sein.
Eine gute kurze Behandlung des Aiolos giebt Röscher im Lexi-
kon 8p. 192—196.
A. Th. Christ, Das Aiolosabenteuer in der Odyssee (XVI. Jahres-
bericht des E. k. Staats-Obergymnasiums zu Landskron in Böhmen.
1888. 8. p. 1—22)
kommt zu dem Ergebnis, 'dafs es eine verschiedene Version der
Sage gewesen sein müsse, welche den Untergang der Gefährten des irren-
den Helden einmal durch ihr Vergehen an dem Windschlanche des A.,
das anderemal durch das Schlachten der Heliosrinder motivirte': beides
sind ursprünglich selbständige Einzellieder und Märchen. A. ist ein in
seinem hilfreichen Wirken dem Volke längst vertrauter Märchendämon.
Julius Ziehen, Zur Aktaionsage (Bonner Studien Reinhard
Kekul^ gewidmet. Berlin, Spemann 1890. p. 179-— 187)
sucht die Ansicht zu begründen, dafs in denjenigen Darstellungen der
Verwandlung des Aktaion, wo demselben eine Hirschhaut umgeworfen
ist, nicht der Einflufs der rationalistischen Version des Stesichoros vor-
liege (so Bolte*De monumentis ad Odysseam pertinentibus*) sontfern le-
diglich 'das Bestreben, die Verwandlung durch ein einfaches Eunstmittel
in anspruchsloser Weise anzudeuten'. In der Schilderung des Hygin, wo
Artemis dem A. blos Hörner wachsen läfst, erkennt Verf. nicht eine be-
sondere Sagenversion, sondern nur ein 'pars pro toto'. Sodann glaubt
Verf. in einem pompejanischen Wandbild (Heibig Nr. 249) die Übergangs-
stufe von den älteren bildlichen Darstellungen, wo Artemis bekleidet ist,
zu der jüngeren Version, wo die Göttin nackt erscheint, nachweisen zu
können.
Ricardns Holland, De Alpheo et Arethusa (Commentationes
philol. quibus Ottoni Ribbeck congratulantur discipuli Lipsienses. Leip-
zig, Tenbner 1888. 8. p. 381— 414).
Ausgehend von dem anonymen Gedicht AnthoL Pal. IX 362, dessen
ganze Manier als Nachahmung Nonnianischer Dichtweise deutlich erwiesen
326 Oriechisehe Mythologie. 4. Eimelne Gottheiten ond Heroen.
wird, entwirft Verf. in gelehrter üntersnchnng die Geschichte der Sage
von Alpheios' und Arethusa's Liebesverhältnis.
Fflr die Amazonen giebt
Röscher im Lexikon Sp. 267—279
eine branchbare Znsammenstellnng des Materiales, wir vermissen nur
einen Hinweis auf die guten Bemerkungen, welche Rapp in seinem Pro-
gramm (über die Beziehungen des Dionysoskultes zu Thrakien und Klein-
asien) gemacht hat. Für die Entwicklung des Amazonentypus in der
Plastik ist bedeutsam der Aufsatz von
Adolf Michaelis, Amazonenstatuen (Jahrbuch des Kaiserlich
deutschen archäologischen Institutes I [1886] p. 14 — 47).
M. unternimmt nach einer Übersicht aber die betreffenden Monu-
mente und die darauf bezOgliche Litteratur in strengmethodischer, fein-
sinniger Weise zunächst die Analyse der drei Kopftypen (I Landsdowne-
scher, II Gapitolinischer, III Matteischer Typus) und dann die Rekon-
struktion der entsprechenden Statuentypen. FOr I ist charakteristisch
schmerzliche Ermüdung, ffir II äufserer Schmerz in Verbindung mit see-
lischer Trauer, für III angepannte Kraftäufserung. Bei I rechnet M. die
Wunde mit Wolters zur ursprünglichen Kompositioni aber auch den Pfei-
ler, da eine Streitaxt nicht die geeignete Stütze für einen so kräftigen,
durch schwere Verwundung zu schlaffer Ermattung gebrachten Körper
bilden könne ; überdies weist M. an den meisten Exemplaren dieses Tjrpns
eine Spur der viereckigen Marmorstütze nach, welche den Pfeiler mit der
Figur verband. III ergänzt er auf Grund der Natter*schen Gemme, deren
Zuverlässigkeit zur Evidenz erwiesen wird, so, dafs ein langer, auf dem
Boden aufgesetzter Stab durch die linke Hand gleitet und am oberen
Ende fbst gepackt wird: die Darstellung des bevorstehenden Sprunges.
Die Urheberschaft von I schreibt M. mit Klügmann und Wolters dem
Polyklet zu, für II neigt er zu Pheidias, indem er wenigstens die gegen
diesen Namen vorgebrachten Bedenken widerlegt; für III stellt er die
Unabhängigkeit von I fest, setzt ihn aber nicht viel später als die beiden
ersteren l^pen an: spätestens Anfang des 4. Jahrhunderts. Es * besteht
aulserhalb der Polykletischen Schule kein so fester Kanon, dafs wir um
etwas schlankerer Verhältnisse willen eine Statue um ein Jahrhundert
jünger ansetzen müfsten' (p. 46), und hier war zudem durch das Motiv
eine bedeutende Streckung des Körpers geboten.
Der Aufsatz von
Löschke, Bildliche Tradition (Bonner Studien R. Kekul^ gewidmet.
Berlin, Spemann. 1890. p. 289—260)
liefert p. 266 ff. den sehr interessanten Nachweis, dafs die Vorstellung von
den berittenen Amazonen eine spezifisch jonische gewesen ist —
Röscher, Michaelis, LÖschke, Enmann a. a. (Amasoneo — Aphrodite). 327
Zwei kleinere Beiträge xnr bildlichen Darstellung der Amazonen
können hier blofs erw&hnt werden: M. Majer veröffentlicht und erläutert
eine Amazonengruppe aus Villa Borghese (Jahrbuch des Kais, deutsch,
arch. Inst. II [1887] p. 77->85), F. Dfimmler eine attische Lekythos mit
einer ihr Schuhwerk ordnenden Amazone (ebd. p. 168 ff. Taf. 11).
Ffir die Andromeda-Sage verweisen wir auf die oben (S. Sllff.)
besprochene Arbeit von Tflmpel und auf den kurzen Artikel Röscher s
in seinem Lexikon Sp. 845 — 347. In der Academy Nr. 797 p. 105 ver-
sucht 1 8. Taylor die Perseus- Andromeda-Sage als einen durch Phoinikier
nach Griechenland verpflanzten babylonischen Mondmythus zu erklären
(eine Eklipse des Mondes sei das Substrat; Perseus identisch mit dem
babylonischen Bel-Merodach), während Andrew Lang ebd. Nr. 798 p. 121
diese Deutung vor allem deswegen zurflckweist, weil der fragliche Mythus
keineswegs eine deutliche Darstellung des von Taylor untergeschobenen
Phänomens sei: Naturmytben aber geben 'a superficially correct account
of the phenomena for which they supply an unscientiflc explanation'.
Über Antiope und Dirke handelt
Gumpf e in der Zeitschrift 'Listy filolog.' 1887 p. 14—19.
Da der Aufsatz in böhmischer Sprache geschrieben ist, so hat Ref.
auf eine Lesung verzichten müssen.
Eingehende Behandlung hat Aphrodite durch mehrere Forscher
gefunden. Wir verweisen auf das oben (S. 277 f.) besprochene Buch
V. Schröder's und verzeichnen hier an erster Stelle:
Alezander Enmann, Kritische Versuche zur ältesten griechi-
schen Geschichte. I. Eypros und der Ursprung des Aphroditekultes.
(M^moires de Tacademie de St P^tersbourg. VII. S^rie. Tome XXXIV,
No. 13 et dernier.) St. P^tersbourg 1886. 4. 85 S.
Es sind zunächst (p. 1 — 17) Erwägungen allgemeiner Art; welche
Verf. gegen die übliche Annahme des phoinikischen Ursprungs der Aphro-
dite vorbringt. Blofser Hausirhandel, nicht aber Kolonisation war es, was
die Phoiniker in Griechenland trieben. Die Annahme fester Handels-
niederlassungen, aus welchen mit der Zeit Städte erwachsen seien, stütze
sich einerseits auf den angeblich semitischen Ursprung einer Reihe von
griechischen Ortsnamen, andererseits setze sie die Nomadenhaftigkeit der
damaligen Westhellenen voraus. Aber an einer vollständig sefshaften
Ansiedelung der Hellenen viele Jahrhunderte vor Homer dürfe nicht ge«
zweifelt werden, und was die Ortsnamen betrifft, so lasse sich — abge-
sehen von den Einwänden, welche gegen Olshausen's Etymologien im Ein-
zelnen zu erheben seien — überhaupt nicht unterscheiden, was griechisch
und was ungriechisch ist, da die althellenischen Ortsnamen weder ihrer
Wurzelbedeutung noch ihren Bildungsgesetzen nach irgendwie klar er-
forscht seien. Ebenso sei unsere Kenntnis der griechischen und noch mehr
328 Griechische Mythologie. 4. Einselne Gottheiten und Heroen.
der phoinikischen Beligioo eine derartig unsichere, dafs anch aof diesem
Gebiete eine Scheidung zwischen Hellenischem und Phoinikischen kaum
möglich erscheine. Die Hypothese von der phoinikischen Herkunft der
Aphrodite habe nicht allein die 'älteste und ursprüngliche Überlieferung',
den Homer gegen sich, welcher davon nichts weifs, sondern sie setze
auch eine Empfänglichkeit der vorhistorischen Hellenen für fremdländi-
sches Religionswesen voraus, welche mit den in historischer Zeit der
Aufnahme fremder Gottheiten gemachten Schwierigkeiten in seltsamem
Widerspruch stehe. — Dies die allgemeinen Erwägungen, welche Verf.
gegen die phoinikische Herkunft der Göttin vorbringt.
Die eigentliche Untersuchung nun zerfällt in zwei Hauptteile, deren
erster (p. 17—62) die auf Herodot (I 105, wonach der kyprische und
der kytherische Aphrodite-Tempel von Syrien aus gegründet sein sollen)
gestützte These vom phoinikischen Ursprung der kyprischen und der
kytheriscben Aphrodite eingehend zu widerlegen versucht. Jene von He-
rodot überlieferte Vorstellung hat keine andere Grundlage als die home-
rischen Beinamen der Göttin ' Kypris' und *Kythereia', welche man fälsch-
lich als Etbnika auffasste. Die Kultur der kyprischen Hellenen hat sich
nachweisbar im Übrigen dermafsen selbständig gegenüber phoinikischen
Einflüssen gehalten, dafs in religiöser Hinsicht unmöglich das Entgegen«
gesetzte stattgefunden haben kann. Ferner verrät weder Paphos ur-
sprüngliches Phoinikerthum noch ist Kinyras, der Gründer des paphi-
schen Tempels und Kultgenosse der Aphrodite, in der älteren Litteratur
etwas anderes als ein griechischer Heros: erst die hellenistische Zeit
machte ihn zum Herrscher von Syrien.
Um die Natur und Bedeutung des Kinyras näher zu bestimmen,
geht Verf. von Apollons Liebe zu ihm aus. Kinyras berührt sich darin
mit Hyakinthos, und wie dieser unter dem amykläischen Apolionbild sein
Grab hat, so jener in der Nähe des paphischen Tempels. Gleich dem
Hyakinthos (Grdf. * 2efaxivB}oQ = Sonnenbeweger), dem delphischen Dio-
nysos und dem ebendaselbst verehrten, mit dem gleichnamigen Dichter
ursprünglich nicht identischen Heros Pindaros (Grdf. * ün^vSpapog) ist
der paphische Kinyras ein chthoniscber HalbapoUon (Gdf. * 2Jxdv8fapog)^
und zwar genauer, wie aus der Glosse Hesychs^r^ xtvaopou fpü^oc' ^
Sfia ^fidp^' zu schliefsen ist, ein 'nächtliches Wesen, dessen Thätigkeit
mit dem Sonnenaufgang zusammenhängt' (p. 54) oder (p. 56) 'ein Licht-
wesen, welches dem Apollon zur Seite steht und die besondere Aufgabe
gehabt hätte, die Sonne in Bewegung zu setzen, sie aus der dunkeln
Erde emporzuheben'. Einen symbolischen Ausdruck des (ursprünglichen)
Dualismus zwischen Apollon einerseits und HyakinthoSi Dionysos andrer-
seits erkennt Verf. in der Anlage der beiden Kultstätten: das Grab der
letzteren bedeutete (wie der römische 'Mundus') die unsichtbare, unter-
irdische Halbkugel des Himmels, der Ompbalos dagegen und der ßmfioQi
Enmann (Aphrodite). S29
auf welchem der amykläische Apolloo throote, waren ein Bild der obe-
ren Himmelshalbkugel.
Da nun der Kult des amykläischen Apollon in Idalion und anderes
auf lakonische Besiedelung von Eypros schliefsen läfst (die arkadische
Kolonie sucht Verf. als Erfindung zu erweisen), da ferner neben Apollon
keine Gottheit in Lakonien bedeutendere Verehrung genoss als Aphro-
dite (?), ihr paphischer Kultname ^Aepta aber im Grunde identisch ist mit
dem Beinamen Tlpa^ welchen sie in Sparta führt C^^pa, ''Hpfa, 'Aaepfa^
'Aa-fip'ta [^« 'Hauch' 'Geist' und Wz. ver var 'umfassen, hflten'] 'die
Hüterin der Geister, Seelen, eine prägnante Bezeichnung der Erde, viel-
leicht auch des Mondes*), so mufs in der paphischen Aphrodite einealt-
peloponnesische Göttin gesehen werden.
Nachdem Verf. sodann die Genesis der falschen Tradition Herodots
darzulegen versucht hat, behandelt er (p. 62 ff.) die Namen und das ur-
sprüngliche Wesen der kyprischen Göttin. KunptQy Grdf. * Kunapg {xdnog
^^^ZV\ ^^' v<>f 'umschliefsen, wahren') bedeutete etwas, was die Seelen
der Abgeschiedenen einschlofs, also vorzüglich die Erde {Kttnpog = Land,
das einzige Land in dem östlichsten Becken des Mittelmeeres', vgl.
Kunaptaata als früherer Name der Insel Samos; analog: die umbrische
Gupra Mater eine die Toten in ihrem Schofse hütende Erdgöttin, cupra
= die Erde). Ebenso kommt der Name KuBipeta nicht vom Namen der
Insel rä Kü&rjpa^ was lautlich unstatthaft ist, sondern beide gehen auf
die Grundform Ku^apa' oder KuBepa- zurück, deren Bedeutung dahin-
gestellt bleiben mufs. 'A^po8fnj aber bedeutete 'die Feneranzünderin'
(skr. cfi^» ' Schein , Glanz', TtTav' der Sonnengott'; analog die römische
Frutis, was nicht aus 'A^poSfn) verderbt ist sondern auf die Grdf. * For-
titis zurückgeht). Während die Namen Kypris sowie Aöria Aphroditens
ursprüngliche Beziehung zu der abgeschiedenen Seele verraten — ein bei
der Venus Libitina wiederkehrender Zug — erklärt sich der Hauptname
aus ihrer bereits von den Alten und neuerdings von Röscher betonten
Bedeutung als Mondgottheit. 'Wir gewinnen bei tieferem Eindringen
das Bild eines teils im Himmel, teils auf Erden, teils und namentlich
unter der Erde mächtigen weiblichen Geistes, welcher die Feuer des
Himmels, namentlich des Mondes, anzündet und auslöscht, die Seelen-
wandlung behütet und die Fortexistenz der Natur bewirkt. Dieser Geist
ist also die am bunten Nachthimmel thronende {noexeXö&povog)^ die >gol-
denet oder in einem goldenen Hause wohnende Aphrodite' (p. 77). —
Die Annahme eines ursprünglich so universellen Charakters, wie
er hierdurch für Aphrodite angesetzt wird, bildet einen der wenigen
Punkte, in denen wir mit dem Verf. übereinstimmen, allerdings mehr
a priori als genötigt durch das Gewicht der vom Verf. aufgestellten Ety-
mologien, deren Prüfung Berufeneren anheimgestellt sei. Die griechische
Religionsgeschichte verdankt der vergleichenden Sprachwissenschaft so
geringe positive Förderung und soviel Irrtümer, dafs man etymologischen
330 Griechische Mythologie. 4. Einselne Gottheiten nnd Heroen.
Argumenten, wenn sie nicht durch anderes sehr entschieden anterstfltzt
werden, nnr mit Mifstrauen gegenüber treten kann.
Was nun die Frage nach dem Ursprung des Aphroditeskultes an-
geht, so verkennen wir den anregenden Wert der vorliegenden Unter-
suchung nicht: es ist gut, dafs die seit Engel eingeschlafene Angelegen-
heit wieder in Flurs gebracht ist. Aber weqn Verf. am Schlüsse meint,
dafs er das Problem gelöst und der ältesten Geschichte von Hellas und
seiner Religion ein entfremdetes Eigentum wieder zugewandt habe, so
flberschätzt er den Wert seiner Leistung bei weitem. Wir sehen höch-
stens recht bescheidene Ansätze zu einer Lösung. Den allgemeinen Ein-
wänden, mit welchen Verf. das Gefecht eröffnet, lassen sich ebenso plau-
sible Erwägungen zu Gunsten der Phoinikerhypothese entgegenhalten,
geradezu unglücklich ist der Einwurf, dafs Homer, 'die älteste und ur-
sprüngliche Überlieferung' (p. 14, während p. 71 f. die Unzuverlässigkeit
Homers für die Religionsgeschichte dargelegt wird) von der orientalischen
Herkunft der Aphrodite nichts wisse. Herodot gegenüber ist gewifs Vor-
sicht geboten, — aber die Kritik, welche Verf. an der Stelle I 105 übt,
läfst sich mühelos Punkt für Punkt widerlegen. Und wer möchte den
abenteuerlichen Kombinationen, durch welche Verf. 'den Kinyras als chtho-
nischen Halbapollon zu erweisen sucht', Geschmack abgewinnen? oder
der phantastischen Symbolik, welche den Kulten von Amyklai und Delphoi
untergeschoben wird ? Aber giebt man auch dies alles zu : bewiese denn
der griechische Ursprung des Kinyras, und beweist der Amyklaioscult zu
Idalion etwas für die hellenische Abkunft der Aphrodite? Genau besehen
schrumpfen also die Argumente für letztere Hypothese zusammen auf die
zweifelhafte Identität des paphischen Beinamens Aeria mit dem sparta-
nischen ''Hpa und die, allerdings bedeutsame, allgemeine Beobachtung,
dafs die Kultur der kyprischen Hellenen sich im Übrigen von orientali-
schen Einflüssen ziemlich rein gehalten zu haben scheint.
Die Untersuchung des Verf.'s ist nicht einmal vollständig. Die
älteren bildlichen Darstellungen, in denen wir eine der zuverlässigsten
Quellen der Religionsgeschichte erkennen, deren Bedeutsamkeit für die
vorliegende Frage aufser allem Zweifel steht, sind überhaupt nicht be-
rücksichtigt. Zweitens — und das ist ebenso schlimm — nimmt Verf.
nicht einmal einen Anlauf dazu, den Aphroditekult des griechischen Fest-
landes nach seiner örtlichen Verbreitung und nach seiner Bedeutung im
religiösen Leben der Griechen des Näheren zu untersuchen. Dafs Aphro-
dite'in den entlegensten Landschaften von Hellas verehrt wurde' (p. 13),
dafs sie in Lakonien nächst Apollon die bedeutendste Verehrung genofs
(p. 42), sind völlig unerwiesene Behauptungen. Wie sporadisch vielmehr
ihr Kultus auftritt, wie er sich auf ganz bestimmte Landschaften be-
schränkt, lehrt schon ein Blick in den Pausauias.
Bei so grofsen Mängeln in Beweisführung und Gründlichkeit nimmt
sich der anspruchsvolle Ton, welchen Verf. gegen die Vertreter der ent-
EnmanD, Röscher, Ealkmann u. a. (Aphrodite). 331
gegengesetzteo Hypothese anschlägt, etwas sonderbar ans. Auch die
*H. D. Mttller*8che Richtung' erhält gelegentlich (p. 79) einen Seitenhieb:
sie wird ihn za verschmerzen wissen.
Röscher im Lexikon Sp. 390 — 406
behandelt a) die orientalische Aphrodite (Astarte, Istar, Aschera, Mylitta
n. 8. w.)9 b) die orientalische Aphrodite bei den Griechen — wobei er
einlenchtend darlegt, wie die bereits frOh hellenisirte Göttin doch in
allen ihren Beziehungen zur Natur und zum menschlichen Leben den
Charakter der orientalischen wiederspiegelt — , c) Spuren einer echt
griechischen Göttin, welche schon sehr frühzeitig mit der orientalischen
Aphrodite verschmolzen wurde. — Wir haben nur eins auszusetzen. R.
fafst die Grundbedeutung der Göttin ohne Not so einseitig lunar, dafs
er hernach einzelne Funktionen und Beinamen nur auf sehr künstliche
Weise ableiten kann. So ist es z. B. künstlich, ihre Eigenschaft als
Meeresgöttin daher zu erklären, dafs der Mond vielfach als Tauspender
galt (Sp. 894 Z. 12 ff.; 402 Z. 3 ff.), oder die Beinamen naatfdeaaa^ 'Aare
p(a^ Ohpavia gerade auf den Mond zu beziehen (Sp. 396 Z. 31 ff., 68 ff.).
Und beweisen denn wirklich die zwei — übrigens nur auf Astarte bezüg-
lichen — Notizen bei einem Herodian und Lukian, dafs die orientalischen
Urbilder der Aphrodite Mondgöttinnen waren? — Eduard Meyer*s hoch-
interessanter Artikel 'Astarte' (Lexikon Sp. 645 — 655), auf welchen wir
hier nur verweisen können, legt ein so engbegrenztes Substrat keines*
wegs nahe.
J. Yahlen, Über Arsinoö Zephyritis (Sitzungsberichte der Berliner
Akademie d. W. 1889 p. 47— -49)
bespricht zwei auf Aphrodite Zephyritis bezügliche Epigramme des Posi-
dipp, welche vermutlich als Aufschriften für verschiedene Steilen ihres
Heiligtums gedacht waren.
Von den archäologischen Arbeiten, welche Aphrodite behandeln,
sind aufser dem trefflichen Artikel Furtwängler's in Roscher's Lexikon
Sp. 406- 419 noch zwei von besonderem Interesse für die Mythologie.
A. Kalkmann, Aphrodite auf dem Schwan (Jahrbuch des Kaiserl.
deutschen archäolog. Instituts I [1886] p. 231—260 und Taf. 11).
Dafs der Schwan als Attribut der Aphrodite in der Litteratur so
völlig zurücktritt, während die bildende Kunst seit alters diese Verbin-
dung darstellt, erklärt Verf. daher, dafs der Schwan nicht auf Grund
einer so durchsichtigen Symbolik der Göttin zugeeignet war, wie z. B.
die Taube. Verf. interpretirt sodann eine Reihe hierher gehöriger Mo-
numente. Die Kertscher Kalksteinplatte mit der schwangetragenen Aphro-
dite Urania erläutert er sehr glücklich durch Catull 66 v. 51 ff., woselbst
unter ales equus eben der Schwan zu verstehen ist. Die bei Benndorf
382 Griechische Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten and Heroen.
Griech. n. sicil. Vasenbilder T. 37, 3 unzareicbend yeröffentlicbte attische
Lekythos des Berliner Museums (T. 11, 1) stellt nicht eine Apodemie der
Göttin dar; die richtige Deutung der Szene ist nach der Ansicht des
Verf. durch die vielen goldenen Sternchen nahegelegt, die den Himmel
sowie das Gewand der Aphrodite schmücken: 'wenn Aphrodite unterm
gestirnten Himmel mit einem von Sternen bedeckten Gewände fibers
Meer fährt, so tritt sie damit nach antiker Anschauung selbst als Gestirn
in die Erscheinung, oder vielmehr unter dem Bilde der Göttin erscheint
ihr Stern, der gröfste, schönste und glänzendste von allen, die am Him-
mel stehen/ Wir können hier nicht ganz folgen. Einleuchtend ist die
Erklärung der Taf. 11, 2 zum ersten Mal veröffentlichten Berliner Vase*'
Aphrodite mit dem Schwan als Anadyomene, als jährlich erscheinende
Frühlingsgöttin, daher von Dionysos und Nymphen empfangen. Zuletzt
behandelt Verf. die beiden A. Z. 1864 T. 189 abgebildeten Reliefs, auf
welchen er die Virgo Caelestis oder Venus Gaelestis von Karthago er-
kennt (wo auch das eine Relief gefunden wurde) und das bekannte Bild
eines Wiener Kraters (Benndorf a. a. 0. p. 78), dessen Mitte Apollon auf
dem Omphalos einnimmt. In der auf einem Schwan davor stehenden,
szepterhaltenden Frau ist Verf. geneigt statt Kyrene Aphrodite zu er-
kennen.
Eine andere Beziehung der Aphrodite behandelt
Max Boehm, Aphrodite auf dem Bock (ebendort IV [1889] p.
408-217).
Anknüpfend an ein hier zum ersten Mal veröffentlichtes attisches
Vasenbild (Berlin, Furtwängler No. 2635), welches Aphrodite auf dem
Bock reitend zeigt, stellt Verf. die (zwölf) erhaltenen Monumente mit
dem gleichen Typus zusammen: Dieselben verteilen sich auf den Pelo-
ponnes (Elis, Sparta) Attika, Kleinasien und Sttdrussland. Der Knltbei«
name dieser bockreitenden Aphrodite ist nicht hrcrpay/a^ d. h. *die Geile',
sondern der für das Bild des Skopas in Olympia überlieferte Name
TtdvSfjiioQ. Dafs dieses Wort wirklich im Kultus üblich war, folgert Verf.
richtig aus seiner Anwendung in Tempelurkunden (Erythrai) und Weihun-
gen (Naukratis).
Vorwiegend archäologisches Interesse haben die Aufsätze von
Michaelis (Journal of Hellenic Studios VllI [1887] p. 324 — 366:
über die knidische Aphrodite des Praxiteles, mit vollständiger und kri-
tisch gesichteter Zusammenstellung der Repliken),
Kock (Hermes XXI [1886]: die sog. Aphrodite -Kallipygos Dar-
stellung einer Hetäre),
Waldstein (Amer. Journal of Archeol. HI p. 1 — 13: über die
Venus Genetrix und die vom Esquilin),
Ealkmano, Boehni) Röscher, Reinach o. a. (Aphrodite — Apollon). 333
Y. Daho (Ball, della Gomm. arch. d. R. XYIII p. 48 ff.: über die
Venus vom Esquilin) a. a.
An Roscher's reichhaltigem and fibersichtlichem Artikel *Apollon'
im Lexikon Sp. 422 — 449 hat Ref. wiederum die einseitige Deutang aas-
zosetzen. Wenn auch zugegeben werden darf, dafs hier deutlichere Be-
ziehungen zu dem vorausgesetzten Natursubstrat vorliegen als bei einer
anderen Gottheit des Zwölf kreises, Poseidon ausgenommen, so ist doch
die enge Beschränkung des ursprünglichen Wesens auf Licht und Sonne
noch lange nicht 'eine der sichersten Thatsachen der Mythologie'. Denn
unter allen Zügen Apollons, welche R. dafür anführt, ist keiner, der nicht
bei einer weiteren Fassung des ursprünglichen Wesens ebenso verständ-
lich wäre, während andererseits eine ganze Reihe nicht unwichtiger Funk-
tionen von R. nur recht mühsam aus dem so einseitig gefafsten Substrat
erklärt wird. So Apollon als Delphinios, als Oikistes und als Ideal
der männlichen Jugend. Die letztere Funktion leitet R. daher ab, dafs
Apollon 'seit ältester Zeit als ein schöner, stattlicher und kräftiger
Heldenjüngling gedacht wurde' (Sp. 442 unter Verweis auf den homeri-
schen Hymnus, Kallimachos und ApolloniosI): das ist Sioe sehr äufser-
liche Erklärung religiöser Verhältnisse, welche überdies mit der Hypo-
these von der ürsprünglichkeit des jugendlichen Typus steht und fällt.
Solange R. nicht die alten bildlichen Belege des bärtigen Typus, welche
Furtwängler in seiner archäologischen Ergänzung des Artikels von
R. mitteilt (Sp. 464), aus dem Wege räumt, ist jene Hypothese haltlos.
Salomon Reinach gelangt in einer inhaltreichen Untersuchung
in der Revue des 6tudes grecques U p. 225—238 zu dem Resultat, dafs
der kyprische ApoUon-Opaon (man vergl. hierzu oben S. 328) aus Ar-
kadien stammt und sein Beiname 'Meladtbios' den mit ihm identifizirten
Heros Eponymos des arkadischen Melainai bezeichnet.
Inschriften, welche den kleinasiatischen Apollon Lairmenos be-
treffen, hat D. G. Hogarth im Journal of Hell. Studios VHI 376 ff. ver-
öffentlicht-, über ein ApoUon-Heiligtum in derMilyas handelt Bruno Keil
im Hermes XXV p. 313 ff.
Von dem schlimmen Verdacht, im Kreise trunkener Sklaven ein
unmelodisch Lied angestimmt zu haben, wird Apollon gereinigt durch
Th. Kock im Hermes XXH r887. p. 145 — 161. In dem bei Plut. Mor.
1098 ^ erhaltenen Komikerfragment, das eine Szene eines ländlichen Kro-
nos- oder Dionysosfestes schildert, liest nämlich K. statt '6 0oTßog\ der
allerdings hier kaum etwas zu suchen hat: 'ü^opß6Q\ der Sauhirt.
Was die bildlichen Darstellungen des Apollon anbelangt, so ist
zunächst zu verweisen aufOverbeck's oben (S. 254 ff.) besprochenes Werk
und auf die treffliche Behandlung von A. Furtwängler in Roscher*s
Lexikon Sp. 449—468. Die Diskussion über das Attribut des Apollon
334 Griechische Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten und Heroen.
vom Belvedere^) darf als geschlossen betrachtet werden, nachdem unab-
hängig von einander und fast gleichzeitig zwei Gelehrte
1) Otto Adalbert Hoffmann, Aegis oder Bogen? Beitrag zur
Erklärung des Apollo von Belvedere. Metz 1887. (Wissenschaftliche
Beilage zum Jahresbericht des Ljceums 1887.) 4. 24 S. m. einer Taf.
2) Alfred Gercke, Apollon der Galliersieger (Jahrb. des Kaiserl.
deutschen archäologischen Instituts II [1887] p. 260 — 264)
den schlagenden Nachweis geführt haben, dafs die Gestalt des Gallier-
siegers Apollon den Bogen, und nicht die Aegis, geführt haben mufs.
Das gewichtigste Argument bildet bei beiden Gelehrten der Schlacht-
bericht Justin's. H. sucht anfserdem wahrscheinlich zu machen, dafs
Properz bei seiner Schilderung eines bogenschiefsenden Apollon (V 6)
die vatikanische Statue im Auge gehabt hat. Den von G. ausgesproche-
nen Satz, da(s das Aegisattribut bei Apollon Überhaupt unerhört sei,
möchten wir ohne weiteres nicht unterschreiben : die bekannte Uiasszene
kann immerhin durch das aegishaltende Bild eines verschollenen Lokal-
kultes veranlagt sein.
Eine zweite Arbeit von
0. A. Hoffmann, Repliken des Apollo von Belvedere aus der
Kaiserzeit (Commentationes in honorem Guilelmi Studemund. Argen-
torati 1889. p. 129—144, mit einer Tafel)
legt den bedeutenden Einflufs derselben Statue, welche nach H.*8 Urteil
ein von Octavian bei Actium aufgestelltes griechisches Original ist, auf
die bildende Kunst der Kaiserzeit dar. Während er die Bronze Pulszky
als Genrebild aus der Zahl der Repliken ausscheidet, weist er als solche
nach die Statuen Clarac pl. 488, 983; 269, 908 a und 909; 476, 904;
640 B , 966 B und aufserdem eine stattliche Reihe von Kaiserportraits,
Clarac pl. 913, 2329 und 2331; 919, 2324; 914, 2335; 919, 2326 u.a.
Das Endresultat ist, dafs sowohl der ürtypus wie die nächsten Repliken
(Vaticanus, Landsdowne, Strogano£f, Giustiniani) nur den Bogen in der
Linken führten.
In einer dritten Arbeit desselben Verf.
0. A. Hoff mann, Apollo Kitharödos (Philologus Bd. 47 [1889]
p. 678—702)
wird der vatikanische Apollon Kitharödos und der Kitharödos der nero-
nischen Münzen auf das durch Augustus nach Rom verpflanzte Werk
1) Zur Orientimng Ober die verschiedenen bisherigen Ansichten vergl.
0. A. Hofimann in der Allg. Kons. Monatschr. 1888, Januar und G. Gherardini»
L' Apollo dl Belvedere e la critica moderna im Bnllettino della Commissione
arch. com. di Roma XVIIl. 1889. p. 407—466.
0. A. HofimaDD, Oercke, Robert, Seeliger (Apollon — Argonaaten). 335
des Skopas znrflckgefQbrt Die Untersachang ist anregend, hat aber den
Ref. nicht flberzengt, weder mit ihrer direkten Beweisf abrang noch mit
ihrer Kritik der entgegenstehenden Ansicht, welche den libirenden Apollon
der Angastns-Mttnzen anf das Bild des Skopas zurückführt. Nun glaubt
Verf. allerdings in einigen Stellen augusteischer Dichter eine seine An-
nahme best&tigende litterarische Überlieferung entdeckt zu haben. Wir
geben zu, dafs einige dieser Zeugnisse auf ein Werk von der Art des
vatikanischen Eitharöden passen (Ovid Metam. XI 165£f.; Tibull III 4
V. 23 ff., II 5; Properz III 31 v. 15 f.): aber warum mufs es gerade der
Palatinus des Skopas sein, der den Dichtem vorschwebt? Beweiskräftig
wäre das Gedicht des Properz, wenn nur die Umstellung, welche der
Verf. vornimmt (v. 5—6 hinter 16) überhaupt statthaft wäre. Die lange
Haartracht ferner ist bei Apollon doch nicht so selten, dafs die blofse
Erwähnung des 'intonsus crinis' bei Ovid und Tibull ohne Umstände auf
das Werk des Skopas bezogen werden dürfte. Und ob die Worte ' Phoebo
pulchrior ipso' im Munde eines augusteischen Dichters wirklich auf den
langgewandeten KitharOden bezogen werden dürfen, ist mehr als zweifel-
haft. Wir meinen, wenn überhaupt hier an ein bestimmtes Kunstwerk
gedacht ist, so war es sicherlich eine nackte Figur. — Eine vierte Schrift
desselben Verf., betitelt 'Herm-ApoUo-Stroganoff' (Marburg, Elwert 1889>
war dem Ref. nicht zugänglich. — Für den Typus des Kitharöden Apollon
sind anfser dem Aufsatz Hoffmanns einzusehen Visconti's YerOffentlichun-
gen im Bullettino della Comm. arch. com. di Roma XV (1887) p. 336ff.,
XYI p. 44—46, XVII p. 218 -225. Für den in Daphne bei Antiochia
aufgestellten Apollon des Bryaxis verwertet Max Egger in der Revue
des 6tudes grecques II p. 102 — 106 eine bisher übersehene Stelle des
Philostorgos (Mai, Spicil. Rom. IV p. 380).
Eine Darstellung der Apollongeburt , die mit genauester Kenntnis
der spezifisch delischen Form der Oeburtslegende entworfen ist, erkennt
Carl Robert (Hermes XXII. 1887. p. 446ff.) in dem von Heydemann
auf Eros und Psyche bezogenen, Arch. Zeitg. 1869 T. 16 abgebildeten
borghesischen Sarkophagdeckel ; die Version bei Hygin 140 weist er (ebd.
XXIII p. 818 f.) in einem zu Oran aufbewahrten Mosaik nach.
Hinsichtlich des Ares verweist Ref. auf den Artikel von StoU, in
Röscheres Lexikon Sp. 477 — 487. Seit dieser auf sorgfältigen Studien
beruhenden und durch streng historische Betrachtungsweise ausgezeich-
neten Arbeit ist dem Ref. keine den Ares behandelnde Schrift bekannt
geworden.
Was die Argonauten anlangt, so findet man in dem in Roschers
Lexikon Sp. 503 — 637 erschienenen Artikel Seeliger*s aufser der litte-
rarischen und monumentalen Tradition auch die lokale ausführlich dar-
gestellt, was gerade bei dieser Sage besonders wichtig ist. Den Beschlufs
macht ein zwar den Umfang des physikalischen Substrates überschätzen-
336 Griediisclie Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten und Heroen.
der, flbrigens aber beachtenswerter Versacli, die Entwickelang der Sage
zu zeichnen.
Die Dissertation von
D.Eennerknecht, De Argonaotarnm fabula quae yetemm scrip-
tores tradiderint Pars I— II. (Diss. inang. Monach. 1886.) 8. 61 S.
soll in ihrem ersten Teil (p. 5 — 15) 'de oniversa Argonaataram fabola'
handeln. Thatsftchlich beschränkt sich Verf. darauf, die euhemeristischen
Erklärungen einiger Alten wiederzugeben, an Weichert*s und Otfried
MflUer's Anflfassung auf anderthalb Seiten etwas Kritik zu üben — Mann-
hardt und Seeliger werden Oberhaupt nicht erwähnt — und endlich seine
eigene Weisheit vorzutragen, deren flüchtiger, von strenger Beweisführung
weit entfernter Charakter den Ref. eines näheren Eingehens enthebt: nur
soviel sei erwähnt, dafs Verf. die Sage vom Argonautenzug lediglich
auf die geschichtlichen Fahrten der Minder zurückführt und sie scharf
von den rein physikalischen Sagen von Phrixos und Jason geschieden
wissen will.
Der zweite Teil (p. 16— 61, wovon beinahe die Hälfte auf wört-
lich ausgeschriebene Citate kommt) stellt die Behandlung der Phrixos-
sage in der griechischen und römischen Litteratur dar. Bemerkenswertes
Neue ist dem Ref. auch hier nicht entgegengetreten.
In den * Blättern für das Bayerische Gymnasialschulwesen' XXII
(1886) p. 109—119 versucht derselbe Verf. zu erweisen, dafs Kallimachos
'den Wettlauf des Erginos und in Verbindung damit die ganze lemnische
Sage anläfslich der Leichenspiele des Königs Thoas in der von Pindar
vorgezeichneten Weise ausführlich erzählt habe'; aufserdem berichtigt
Verf. eine Bemerkung Welckers über die ovidische Darstellung der Me-
deasage.
In einer dritten Arbeit
— , Zur Argonautensage (Progr. der Kgl. Studienanstalt Bamberg
1888.) 8. 70 S.
stellt derselbe Verf. für die einzelnen Szenen der Argonautenfahrt die
litterariscbe Überlieferung zusammen, indem er zumeist sehr ausführlich
wiedererzählt. Kaum irgendwo aber bemerkt man einen ernsthaften
Versuch, der dringlichsten Aufgabe jeder sagen-geschichtlichen Forschung
gerecht zu werden: d. h. diejenige scharfe und eingehende Behandlung
der Quellen vorzunehmen, durch welche die Feststellung der ursprüng-
lichen Heimat der Sage bezw. ihrer einzelnen Gestalten und Züge ermög-
licht werden kann. Wie wenig sich Verf. dieser Pflicht bewnfst ist, geht
am deutlichsten daraus hervor, dafs er das Violarium der Eudokia mehr-
fach als antike Quelle behandelt (z. B. p. 7, 15), nachdem dasselbe bereits
1880 als moderne Fälschung erwiesen worden ist.
Groeger, Jessen, Schreiber (Argooaoten- Artemis). 337
Die Schrift von
Maximilianas Groeger, De Argonaaticamm fabolaram historia
qaaestiones selectae (Diss. inaug. Vratisl. 1889). 8. 65 S.
hat Ref. nicht eingesehen. Was E. Maafs, auf dessen Besprechung in
der Deutschen Litteratur-Zeitung von 1890 Nr. 16 p. 589 — 90 verwiesen
werden mufs, von den durch den Verf. aufgestellten Etymologien und
Deutungen wiedergiebt, macht einen wenig gflnstigen Eindruck. Recht
erfreulich dagegen ist eine im selben Jahr erschienene Berliner Dissertation :
Otto Jessen, Prolegomena in catalogum Argonautarum (Diss.
inaug. Berol. 1889). 8. 48 S.
Kap. 1 bringt eine sorgCEÜtige Untersuchung der litterarischen und
monumentalen Quellen der uns überlieferten Argonauten-Namen. Verf.
tritt Stender's Uuterschätzung des Apollodorischen Kataloges mit guten
Gründen entgegen. Die von Apollonios Rh. abhängigen Quellen scheidet
er in solche, welche jenen einfach ausschrieben (Scholiast zum Apollonios
Rh., Tzetzes, Palaeocappa), und in solche, die, wie Hygin, den Katalog
des Apollonios erweitem. Beachtenswert erscheint ferner die p. 29 f. aus-
geführte Ansicht, dafs die Leichenspiele des Pelias, welche eine Anzahl
sonst nicht bekannter Argonauten-Namen liefern, in altem und sehr engem
Zusammenhang mit der Argonautensage stehen.
In Kap. 2 fafst J. speziell die Jasonsage ins Auge. Er gelaugt in
methodischer Untersuchung und unter aufmerksamer Beachtung der lo-
kalen Kulte zu dem Ergebnis: dafs die Hochzeit von Jason und Medea
der wichtigste und allein in altem Kultus begründete Teil der Argonau-
tensage, und dafs Argos als die Heimat dieser Hochzeitssage anzusehen
ist. Der Raub des Vliefses kam später aus der minyischen Sage hinzu,
und ebenso aus der boiotischen die von Kadmos auf Jason übertrageneu
Athla. — Auf die Fortsetzung der iu Otfried Müller*s Geist geführten
Untersuchung darf man gespannt sein.
Hinsichtlich der Artemis verweisen wir zunächst auf das oben
8. 806 ff. besprochene, für diese Göttin sehr bedeutsame Werk 'Kyrene'
von Studniczka. Durch
Schreiber in Roscher's Lexikon Sp. 558 — 608
hat Artemis eine zusammenfassende Darstellung erfahren, welche an Reich-
haltigkeit und übersichtlicher Anordnung nichts zu wünschen übrig läfst
und vor vielen anderen Artikeln des Lexikons einen besonderen Vorzug
darin hat, dafs der archäologische Teil aus derselben Feder geflossen
ist. Auch guter neuer Gedanken bringt der Artikel eine ganze Anzahl,
und das Gebiet der Deutung wird vom Verf. durchaus mit der hier so
nötigen Vorsicht betreten. Anstofs nimmt Ref. hauptsächlich daran, dafs
der Verf. das ursprüngliche Wesen der Göttin immer noch viel zu eng
fafst, wenn er es auch nicht auf ein bestimmtes Element beschränkt.
JahrwlMridu für AltertumswisMnaduift. LXVZ. Bd. 22
338 Griechische Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten and Heroen.
Warum z. B. die Pflege der Jagd ein ursprünglich im Kult zurückste-
hender Zug gewesen und erst durch die Dichtung volkstttmlich geworden
sein soll (vgl. Sp. 564. 681), ist nicht verständlich: ein Jägervolk stellt
sich seine Göttin naturgemäfs als Jägerin vor. Der Verf. ist denn auch
genötigt, der apollinischen Religion einen unglaublich starken Einflufs
auf die Eutwickelung der Artemis zuzuschreiben und die Ausbildung einer
ganzen Reihe von Zügen (z. B. Kurotrophie und Beziehung zu Familien-
und Gemeindeleben, Heilkraft, Mantik, s. bes. Sp. 576 £f.), die keineswegs
blofs apollinisch sind, sondern zu den Vorstellungen gehören, mit denen
eine jede Gottheit von ihren Verehrern ausgestattet wird, auf Apolloo
zurückzuführen. — Während der Verf. dazu neigt im arkadischen Binnen-
land den eigentlichen Ausgangspunkt des Artemisdienstes zu suchen (wes-
halb ihm die Beziehung der Artemis zu Meer und SchifiFfahrt Sp. 5dl
Z. 88 £f. als sekundär erscheint, wozu an sich gar kein Grund vorliegt), legt
£. Curtius, Studien zur Geschichte der Artemis (Sitzungsberichte
der Egl. Preufsischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1887.
LUX. Sitzung der philos.-histor. Classe vom 22. Dec.) 4. 17 S.
in seiner geistvollen Weise dar, wie Artemis seit ältester Zeit ein Ge-
meingut aller Griechen gewesen, eine Volksgöttin im weitesten Umfang:
'in den Landschaften, wo sich die älteste Volkskultur am treuesten be-
wahrt hat, neben Zeus und den Nymphen ohne Konkurrenz als herr-
schende Gottheit', besitzt sie sogar in Attika bedeutend mehr Eultplätze
als Athena, die meisten nächst Zeus (p. 3 f. 8). C. erweist nach den in
seiner oben (S. 269 ff.) besprochenen Schrift aufgestellten Kriterien die
Göttin als zu den Grundschichten griechischen Religionswesens gehörig
(Mangel an Adventsagen, hochaltertümliche Beinamen, primitive Opfer
u. a.), sieht sich aber andererseits durch eine Reihe jedenfalls sehr beach-
tenswerter Gründe — p. 12 ff. : die ih der Lage der wichtigsten Stationen
des Artemisdienstes bemerkbare Bewegung von Osten nach Westen, das
Attribut des Löwen, die enge Verknüpfung mit dem Tantalidengeschlecht
n. a. — zu der Annahme genötigt, dafs dieser Kultus sich vom phrjgi-
schen Hochlande aus, wie nach Osten bis tief ins Innere von Vord er-
Asien hinein, so (in der unter phrygischen und lydischen Einflüssen ste-
henden, pelasgischen Vorzeit) nach Hellas ausgebreitet hat (p. 14f.). Und
während Artemis im Osten die grofse Naturgottheit blieb, ' an deren Festen
bei dem gygäischen See die ganze Schöpfung sich beteiligt', folgt sie in
Griechenland 'dem Menschen vom Hirtenzelte in die Stadt, und mit
seiner geistigen Entwickelung entfaltet sie sich selbst in ethischer wie
politischer Beziehung immer reicher und voller' (p. 12. 15).
Eine sehr anziehende Untersuchung von
Ernst Maafs, im Hermes XXV (1890) p. 403 ff.
betrifft einen Artemiskult von Kyrene. M. macht wahrscheinlich, dafo der
Artemis -Hymnus des Kallimachos für Kyrene bestimmt war, dafs die
Cnrtios, Maafs, Robert, Studniczka (Artemis). 339
Göttin die 'nesiotische' der dritten Phyle in Kyreoe ist, and dafs der
Hymnus die Traditionen der zu jener Phyle gehörigen Geschlechter oder
einzelner Zuwanderer, welche ihren Ursprung *anf den Inseln' haben,
wiedergiebt.
Was die bildlichen DarsteUungen der Artemis anlangt, so hat
Carl Robert, Ajchäologische Märchen ans alter und neuer Zeit
(Philologische Untersuchungen hgb. von A. Eiefsling und U. y. Wila-
mowitz-Moellendorff Heft X [1886]) p. 144—159
die Überlieferung über die Kultbilder der brauronischen Artemis einer
eingehenden Prüfung unterzogen. Hinsichtlich des alten Holzbildes von
Brauron gelangt R. zu dem Ergebnis, dafs dasselbe niemals von dort
entfahrt worden ist, und dafs die durch Pausanias überlieferte Geschichte
von der Entführung desselben durch die Perser ein Märchen ist, 'erfun-
den frühestens in der Zeit des Seleukos in der Absicht, dem von ihm
nach Laodikeia geschenkten alten Artemisidol durch Gleichsetzung mit
dem durch Euripides weltberühmt gewordenen brauronischen Bilde eine
besondere Heiligkeit zu verleihen' (p. 147 f.)- Die Sage von der tauri-
schen Herkunft des Bildes führt Verf. auf Euripides taurische Iphigeneia
zurück, indem er nachweist, wie auch anderwärts, in Kleinasien wie im
Peloponnes, die Euripideische Sagenform die lokalen Kultlegenden im
stärksten Grade beeinflufst hat. — Bezüglich der beiden im Brauronion
der Akropolis befindlichen Kultbilder stellt der Verf., auch hier den von
Studniczka, 'Vermutungen zur griechischen Kunstgeschichte' p. 18 ff.,
geäufserten Ansichten entgegentretend, nach einer Untersuchung des
Sprachgebrauches von ayaX^ und idoQ (für welchen jetzt übrigens noch
die weiteren Bemerkungen Studniczka*s im Hermes XXII [1887] p. 494
— 496 einzusehen sind) fest, dafs das alte Kultbild (idoQ) ein steinernes
Sitzbild war, das des Praxiteles dagegen {äya^iw) stehend gebildet aus
Holz oder Goldelfenbein. Dafs der berühmte Praxiteles der Verfertiger
des letzteren war, hält Verf. für höchst unwahrscheinlich und ist vielmehr
geneigt, das von Kekul6, Mitteil, des ath. Inst. V Taf. X, veröffentlichte
archaische Artemisbild einer attischen Thonschale, dessen eigentümlichen
und entschieden sakralen Charakter Verf. mit vollem Recht gegen Kekul6
betont, auf dieses Kultbild zurückzuführen.
Franz Studniczka, Mitteilungen des Kais. Deutsch. Archäol.' In-
stitutes. Römische Abt. III (1888) p. 277-802
prüft die archaische Artemis-Statuette aus Pompeji hinsichtlich der Form
und der technischen Behandlung des Gewandes, der Haartracht und der
Grössenverhältnisse; diese Prüfung ergiebt den Schlufs, dafs die Statuette
Mn Komposition und Stil die getreue Nachbildung eines um die Zeit der
Perserkriege entstandenen Werkes ist, welche nur in geringen Mängeln
der Ausführung die Hand eines der ersten Kaiserzeit angehörenden Ko-
22*
340 Griechische Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten und Heroen.
pisten verrät'. Aafserdem bespricht Verf. die Repliken and stellt die
Yermatang aaf, dafs das Urbild dieses Typus das vorQbergebend einmal
in Rom befindliche Enltbild der Kalydonier gewesen sei.
Merkbare Fortschritte hat die Forschung hinsichtlich des Askle-
pios gemacht. Der zusammenfassende Artikel
Thraemer's in Roscher*s Lexikon (Sp. 615—641)
zeichnet sich durch Übersichtlichkeit und besonnene Kritik der Ober-
iieferung aus, auch verdient hervorgehoben zu werden, dafs Verf. das
archäologische Material selber bearbeitet hat. In dem Abschnitt ' Familie
des Asklepios* vermisse ich Aristodama und Aratos (Paus. II 10, 3);
Apollon als auwaog des sikyonischen Asklepios hinzustellen, erscheint
nach den Angaben des Tansanias kaum berechtigt. Die ßestimmuug des
ursprünglichen Wesens des Asklepios als * alter thessalischer Orakel-
gottheit', welche Verf. übrigens mit allem Vorbehalt ausspricht, dürfte
nicht ganz glücklich sein: sie ist zu allgemein, insofern für die älteste
Zeit das Mantische an sich doch nicht als Charakteristikum gelten kann,
und andererseits zu eng, indem mit dem Begriffe des Mantischen das
ursprüngliche Wesen des Gottes sicherlich nicht erschöpft ist.
Einen üblen Gegensatz zu dieser im ganzen recht erfreulichen
Leistung bildet die völlig unmethodische, im Deuten Ungeheuerliches
leistende Abhandlung von
Alexander Eschweiler, Über das Wesen und den Namen des
griechischen Heilgottes. Leipzig, G. Fock, 1886. 4. 13 8.
Im ersten Teil (p. 1 — 8) versucht Verf. für den Asklepios den
Charakter einer Lichtgottheit zu erweisen, besonders unter Berufung auf
die epidaurische Geburtslegende (die Ziege als Sinnbild der Sturm und
Blitz bergenden Wolke, der Hund als Hundsgestirn, der Hirt Aresthanas
als 'der allerkräftigst e', d.i. Lichtgott, gefafst) sowie auf den Blitztod
des Gottes, auf seine angeblich nur aus Lichtgestalten bestehende Fa-
milie u. s. w. Schwer ist zu ersehen, wie der aus der Geburtssage
vom Verf. konstruirte Naturmjthus diese Lichtnatur veranschaulicbeu
soll: die hochgelegene Berggegend (Koronis) wird vom Lichte (Apollon)
geschwängert, heimlich aber auch vom Wachstumsgeist (Ischys) beschlicheo
und stirbt deshalb durch das Licht oder die Wärme (Artemis). Die
Frucht (Asklepios) würde verdorren, *käme nicht rettend der Regen (Her-
mes, Gott der Verdunkelung) dazwischen, um einen gesunden Zustand
der Atmosphäre hervorzurufen.
Im zweiten Teil (p. 9~13) werden für den Namen des Gottes eine
Urform datYaXafoQ und die Übergangsformen day^afoi^ daxkafog aufge-
stellt. Der davon abgeleitete Name ^AaxXamdi, d. i. der den Glanz Lie-
bende, komme ursprünglich dem Apollon zu (unter Berufun g auf die*
Thraemer, Eschweiler, ▼. Wilamowits-Moellendorf (Asklepios). 34 ]
sehrift Annali VI 222. tav. E und auf die übrigens nicht beweiskräftige
Mttnzaufscbrift Mionn. lY 314. S. 61) and sei aaf den Sohn erst fiber-
tragen.
U. von Wilamowitz-Moellendorff, Isyllos von Epidauros.
Berlin, Weidmann 1886. 8. 196 S. (Philologische Untersnchnngen,
herausg. von A. Eiessling und U. v. Wilamowitz-Moellendorff IX. Heft).
Es ist der dritte Abschnitt des Baches, welcher uns hier interessirt
(p. 44 — 103): 'Folgerungen ffir die Religion', welche v. W. aus den dem
Anfang des 3. Jahrhanderts v. Chr. angehörigen, dem Apollon Maleatas
und dem Asklepios gewidmeten Gedichten des Epidauriers Isyllos zieht
(die im epidaurischeu Hieron gefundene Inschrift zuerst veröffentlicht
von Eabbadias '£f>. dp^, 1885, 66). Der Abschnitt in seiner ganzen
Anlage erscheint dem Ref. als ein Muster religionsgeschichtlicher Unter-
suchung und getragen von wirklichem Verständnis ffir das Wesen der
Religion: das sind, bei dem heutigen Stande der Religionsforschung,
schwerwiegende Vorzfige gegenfiber manchen zu kfihnen und genauerer
Prüfung nicht stichhaltigen Einzelbehauptungen, deren Berichtigung nicht
ausbleiben wird und z. t. mittlerweile vom Verf. selber gegeben worden
ist Der Gedankengang des Verf. ist folgender.
Der Gott Asklepios ist Aeolern und Joniern fremd; die Asklepia-
den kommen ins jonische Epos als Vertreter von Kos, wo der Asklepios-
kult mit der (der dorischen Eolonisirung voraufgehenden) Einwanderung
der von den Thessalern verdrängten Achaeer festen Fuss gefasst und
sich vermutlich den ursprünglich wohl karischen Heros Podaleirios an-
gegliedert hatte. Sowohl die koische Genealogie des Asklepios (Eusta-
thius zu B 732) wie das Epos und andere Zeugnisse weisen auf Thessa-
lien und die im Sfiden angrenzenden Landschaften als nachweislich älte-
sten Sitz des Asklepiosdienstes. Der ganze peloponnesische Kultus ist
erst sekundär; besonders ffir Messenien, welches sich der Geburt des
Asklepios rfihmte, ergiebt sich die Abhängigkeit von Thessalien auch
ans einer Prfifung der hesiodischen Gedichte, in welchen die Asklepios-
Sage vorkam.
Verf. versucht die Rekonstruktion der hesiodischen Eöe (erhalten
Fragment 147 und 148 Rzach), welche Apollons Liebe zur Koronis und
die ihm zur Strafe ffir die Tötung der Kykiopen auferlegte Dienstbarkeit
bei Admet zum Gegenstand hatte. Asklepios kam darin vor: seine Ge-
burt, 'seine Thätigkeit als Arzt und sein Tod durch Zeus Donnerkeil.
Aber er ist nur Nebenperson und zam Heroen herabgesunken; es ist im
Grunde derselbe Prozefs, durch welchen die xriorcu von Kos und ihr
göttlicher Vater im jonischen Epos Heerkönige vor Ilios geworden sind,
der auch in Delphi aus dem thessalischen Asklepios einen Sohn des
Apollon, einen von Zeus wegen seiner üebergriffe gestraften Zauberarzt
gemacht hat. Hesiod führt uns wohl näher heran zu Asklepios, aber er
342 Griechische Mythelogie. 4. Einzelne Gottheiten and Heroen.
lATst uns denselben so wenig in seiner wahren Gestalt erscheinen als
Homer' (p. 11). 'Das hesiodische Gedicht war nicht nur kein hieratisches
Gedicht, sondern es schlug der Göttlichkeit des Asklepios geradezu ins
Gesicht und stammte durchaus nicht aus Kreisen, welche diesen Gott
irgend welcher Verehrung würdigten' (p. 84).
Aber es beherrscht doch die ganze Folgezeit: nicht allein die Dar-
stellung der messenischen Asklepiossage im Leukippidenkatalog (Arsinoe)
und Pindar, trotz wesentlicher Abweichungen, sind von ihm abhängig,
sondern auch die iepol Xoyot der Epidaurier bei Pausanias zeigen neben
echten Sagenelementen, welche Verf. auszusondern sucht, deutlich den
Einflufs der Eöe.
Während nun diese epidaurische Tradition, wie Pausanias sie dar-
bietet, weiter nichts ist als 'eine thessaliscbe Genealogie neben einem
peloponnesischen Märchen' und durch die Heranziehung von Phlegyas und
Eoronis die Abhängigkeit des epidaurischen Kultes von Thessalien offen
eingesteht, ist in dem Gedicht des Isyllos, welches 'die offizielle Tempel-
Legende der theophrastischen Zeit' giebt, eine enge Verknüpfung des
Asklepios mit Epidauros durchgeführt. Asklepios und Phlegyas sind bei
Isyllos in Epidauros zu Hause, Koronis erscheint hier nur als ein Bei-
name der Aigla, welche nach Isyllos des Asklepios Mutter ist, und nach
welcher er seinen Namen erhalten haben soll. Thatsächlich liegt die
Sache umgekehrt: Aigla — "^AeykL (Hesych s. v. AiyMi^g : 6 'Aaxk^tog) ist
eine von der Anfangssilbe des Gottesnamens abgeleitete Heroine.
Obwohl nun Verf. im ersten Bestandteil des Namens Asklepios
unter Verweis auf Alyhxijp und auf den ApoUon Alyk^Tn^g von Anaphe
den Begriff des Glanzes erkennen zu müssen glaubt, läfst er sich doch
nicht dazu verführen, aus dieser Entdeckung für das ursprüngliche Wesen
des Gottes Kapital zu schlagen: 'von welcher Seite her die gläubigen
Gemüter einen Namen für das Göttliche suchten und fanden, ist nicht
von grofsem Belange: blieben sie sich doch selbst sehr wohl bewufst,
dafs kein irdisches Wort das Wesen eines Gottes recht benennt Auch
wir vermögen mit Abstraktionen sehr unvollkommen einer
Gottheit Wesen zu erfassen, können sehr oft nur die Richtung an-
geben, in welcher die Empfindung und die Phantasie des glaubenden
Volkes sich bewegte' (p. 96). Verf. versucht dies p. 94 ff. in meisterhafter
Darlegung, welcher wir ganz besondere Beacfatung wünschen: sie eröff-
net zugleich eine weite Perspektive in die griechische Religionsgeschichte
(überhaupt. Mit guten Gründen werden als wesentliche Züge des Gottes
sein chthonischer Charakter und die Weissagung im Traume hingestellt:
er ist innerlich verwandt dem Trophonios und dem Amphiaraos.
Zum Scblufs zeichnet Verf. kurz die Geschichte des Asklepios, wie
sie sich in der Hauptsache aus der voraufgehenden Untersuchung ergiebt.
Die ältesten nachweisbaren Träger des Dienstes sind Bewohner Thessa-
liens oder seiner Nachbarkantone gewesen, ein Teil von ihnen, durch die
T. Wilamowitz-Moelleodorflf, Baillet, Loewe (Asklepios). 343
eindriDgenden Thessaler verdrängt, briDgt den Asklepios nach Kos, ein
anderer Teil, der bedeutend später von den Dorem südwärts gedrängt
wird, bringt ihn in den Peloponnes. Jene Thessaler bequemen sich dem
Kultus der im Lande gebliebenen Asklepios -Verehrer an; die Dorer
annektiren ihn im Peloponnes als Sohn ihres Apollon, wobei doch, wie
in Epidauros, Asklepios das Übergewicht behalten konnte, oder sie iden-
tifiziren die beiden Götter geradezu. Aber bereits vor der dorischen
Einwanderung hat der Asklepioskult im Peloponnes seine Geschichte.
Seine ursprünglichen Träger hatten hier an vielen Orten Kulte vorge-
funden, 'die sie ihrem Asklepios verwandt glaubten und auf die sie
seinen Namen und seine Sagen übertrugen'.
Ref. ist nicht in allem überzeugt worden: so dürfte die Verknüpfung
von Koronis- und Alkestis-Sage, welche Verf. p. 67 f. für die hesiodische
Eöe annimmt, kaum ausreichend bewiesen sein, und, um einen wesent-
licheren Punkt zu nennen, die Gestalt des Machaon, der doch (wenn wir
den Verf. recht verstehen, vgl. p. 64 f.) erst im Peloponnes dem Askle-
pios angegliedert sein soll, ist mit der Annahme der direkten Verpflan-
zung des Kultus von Thessalien nach Kos nicht wohl vereinbar: oder soll
er erst von den Dorem aus der Argolis hierhergebracht sein? — Aber
was das Wesen, den Ursitz und die Bewegung des Asklepioskultes an-
geht, sowie besonders das Verhältnis, in welches Asklepios zu verwandten
altpeloponnesischen Gottheiten und später zu Apollon trat, dürfte in der
Hauptsache das Richtige getroffen sein. Die p. 83 und im Nachtrag
p. 188 ausgesprochene Ansicht, dafs der epidaurische Asklepioskult be«
reits vor dem peloponnesischen Kriege nach Athen verpflanzt worden sei,
nimmt Verf. selbst im Gommentariol. gramm. IV (Göttinger Ind. lect.
1889/90) p. 25 Anm. 1 auf Grund neuerer Inschriftenfunde zurück.
J. Baillet veröffentlicht in der Revue archöol. S^r. III (1889)
p. 70-83 eine an der Stelle des alten Ptolemais gefundene, um 100 n.
Chr. verfertigte metrische Votivioschrift an Asklepios, in welcher der
ganze Stammbaum des Gottes abgesungen wird.
Eine zusammenfassende Darstellung des bildlichen Materiales bringt
die fleissige Untersuchung von
Aemilius Loewe, De Aesculapi figura (Diss. inaug. Argent.
1887). Argentorati, £. H. Ed. Heitz. 8. 86 S.
Kap. I (p. 7—11) betrifft die ältesten Asklepiosbilder, ohne etwas
Neues zu bieten. Die^Vermutung Panof ka's, dafs Asklepios ursprünglich
in Gestalt einer Schlange verehrt worden sei, brauchte nicht wiederholt
zu werden: sie ist in dieser allgemeinen Form jedenfalls nicht haltbar.
Kap. II (p. 11—26) handelt vom attischen Asklepios, und zwar (nach
einem vom ^IsjUos' abhängigen, vom Verf. selbst jetzt wohl nicht mehr
aufrecht erhaltenen Versuch, die Zeit der Überführung nach Athen zq
bestimmen) zunächst von den gemutmafsten Darstellungen des Gottes am
344 Griechische Mythologie. 4. EiDzelDe Gottheiten und Heroen.
Parthenon, die mit Recht geleugnet werden (für die beiden Giebelfiguren
nicht trotz, sondern wegen der Schlange, da dieselbe auf den ältesten
attischen Votivreliefs an Asklepios fehle p. 15), und dann von den Votiy-
reliefs, erstens denen, die den Gott stehend zeigen, (1) den Stab unter
der linken oder (2) unter der rechten Schulter, (3) die Schlange neben
ihm, nach dem Vorgang von Pheidias' Parthenos, aber nur 3 Fälle, (4)
Stab mit Schlange umwunden, vom Verf. bereits für das 4. Jahrb. v. Gh.
angenommen. Die Darstellungen des sitzenden Asklepios scheidet Verf.
nicht unglücklich in solche mit mehr sakraler Haltung (Stab) und in
solche, wo der Gott in olympischer Bequemlichkeit dasitzt
Kap. III (p. 26—46) betrifft die durch den attischen Typus beein-
flufsten Asklepios- Darstellungen anderer Lokale, besonders von Epi-
dauros. Beachtung verdient hier sowohl der vom Verf. unternommene
Nachweis, dafs der kurze Stab, die gewundene Kopf binde und der
Omphalos (der übrigens keineswegs eine Entlehnung von Apollon zu sein
braucht, wie Thraemer a. a. 0. Sp. 628 ganz richtig bemerkt) in Epi-
dauros zu Hause sind, als auch die Rekonstruktion des Tempelbildes
des Thrasymedes (nach der Ansicht des Verf. eines Nachahmers, aber
nicht Schülers des Pheidias), welche Verf. auf Grund der Münzbilder und
des Pausanias versucht, während er die Abhängigkeit des epidaurischen
Reliefs 'E^- äpx- 1885 T. II 6 von Thrasymedes mit guten Gründen gegen
Eabbadias bestreitet.
Kap. lY (p. 45 — 52) — vom jugendlichen Asklepios — wird an
Vollständigkeit des Materiales von der unten zu besprechenden Zusam-
menstellung Wieseler's beträchtlich übertroffen. Was den Ursprung des
jugendlichen Typus anbetrifft, so ist Verf. zwar einsichtig genug weder
die Jugend des Vaters Apollon noch die zu jugendlichen Götterdarstellun-
gen neigende Richtung des 4. Jahrhunderts als ausreichende Erklärung
gelten zu lassen und vielmehr in der Überlieferung einzelner Lokalkulte
den Grund zu suchen: aber näher läfet er sich auf dies, nach den im
'Isyllos' gegebenen kultgeschichtlichen Vorarbeiten doppelt verlockende
Thema nicht ein. — Ob jenes zakynthische Münzbild, welches Verf. als
ältesten Repräsentanten des jugendlichen Typus aufführt (p. 48 f.) wirk-
lich den Asklepios darstellt, ist unsicher und hätte der Begründung be-
durft. Hinsichtlich des angeblich aus Gortyn in Kreta stammenden Re-
liefs Ä. Z. 1852 T. 38 schliefst sich Verf. der einleuchtenden Erklärung
von Adolf Michaelis an, welcher in der sitzenden Gottheit den Asklepios,
in den dabeistehenden Gestalten Hygieia und einen Asklepiaden erkennt.
Kap. V betrifft die Darstellungen des AsklBpios als mitleidigen
Arztes, VI behandelt einige zweifelhafte Asklepios-Köp{e , u.a. den von
Melos, für welchen Verf. mit guten Gründen gegen Overbeck den Namen
Asklepios zurückfordert (p. 57 f.), und endlich VII (p. 60-76) die Askle«
piosdarstellungen seit der Zeit Alexanders d. Gr. bis zum Ausgang der
römischen Kunst. Ein näheres Eingehen auf dies reichhaltige, aber doch
Loewe, Wieseler, Robert u. a. (Asklepios-Atalante). 345
mehr ins Gebiet der EoDstgeschicbte gehörige Kapitel mafs Ref. sich
versagen. Ein sieben Seiten umfassender Index monumentorum beschliefst
das Büchlein. — Der Abhandlung von
Friedrich Wieseler, Die bildlichen Darstellungen des jugend-
lichen und unbärtigen Äscnlap (Nachrichten von der Kgl. Gesellsch. d.
W. und der Georgs-Augusts-Üniv. zu Göttingen. 1888. Nr. 6. p. 143 —
162 und Nachtrag p. 413ff.)
verdanken wir eine sorgfältige und kritisch gesichtete Zusammenstellung
aller Spuren des jugendlichen Typus, der litterarischen wie der monu-
mentalen. Doch kommt der Verf. über die Besprechung der einzelnen
Fälle nicht eben weit hinaus: er vermutet, dafs den lokalen Traditionen,
in welchen auch nach seiner Ansicht der jugendliche Typus wurzelt, eine
bestimmte 'Natursymbolik' zu Grunde liege (p. 144).
Mit dem Tempelbild des Thrasymedes in Epidauros, seiner Ent-
stehungszeit und seiner Form beschäftigen sich die Aufsätze von H. L.
Urlichs im Rheinischen Museum Bd. 44. Nr. 3. p. 474 ff. und von Ha-
rold F. Fowler im American Journal of Arch. III p. 32 ff., welch letz-
terer gegen Brunn zu erweisen sucht, dafs die Terakottareliefs von Melos
(Bellerophon und Perseus) nicht Kopien der Darstellungen am Thron des
epidaurischen Asklepios sind.
Über eine zweite, inhaltreiche Abhandlung von
Friedrich Wieseler, Über eine Anzahl von Bronzen mit der
Darstellung von Heilgottheiten (Archäol. Beiträge II, in den Abhand-
lungen der Göttinger Ges. d. W. Bd. 35. [1888] 60 S.)
wird, da sie fast ausschliesslich römische Monumente und Vorstellungen
betrifft, in dem Bericht tiber die römische Mythologie Mitteilung zu
machen sein.
Inwiefern Atalante
von Schirmer in Roscher's Lexikon Sp. 604—668 als 'eine symbolische
Gestalt' bezeichnet wird (Sp. 664 Z. 9) ist nicht verständlich, ebensowenig
ferner, warum erst durch die Fiktion eines gemeinsamen Eponymos für
das arkadische und das boiotische Schoinos doppelte Lokalisirung und
verschiedene Ausgestaltung der Atalante-Sage veranlafst sein soll (Sp. 664
Z. 66 ff.). Warum kann sie nicht in beiden Landschaften gleich ursprüng-
lich sein?
C. Robert erweist im Hermes XXII (1887) p. 446 ff., ausgehend
von einem der Mitte des 6. Jahrb. angehörigen attischen Vasenbild,
welches die boiotische Version der Atalante-Sage giebt und in der Haupt-
sache der bei Ovid erhaltenen Darstellung entspricht, dafs diese Version
von Hesiods Eöe an bis auf Ovid eine wesentliche Umgestaltung nicht
erfahren hat. Auf die argivische, in alexandrinischer Zeit umgestaltete
346 Griechische Mythologie. 4. Einzelue Gottheiten and Heroen.
Version ist R. geneigt, eine Gruppe pompejanischer Bilder (Heibig
Nr. 253—257) zurückführen.
Was den Athamas betrifft, so hätte sich
Seeliger in Röscher' s Lexikon (Sp. 669 — 676) besser damit be-
gnügt die früheren Deutungen zu registriren und das eigene Urteil, so
lange er es nicht ernsthafter begründen will, als es Sp. 674 Z. 28 ff. ge-
schieht, zurückzuhalten. Zeus Laphystios, den er ohne Umst&nde als
Vertreter der ' verzehrenden Glut der Hundstage' hinstellt, wird bekann^
lieh von andern auf die Winterstürme bezogen, und auch über die Be-
deutung von Phrixos und Widder herrscht doch wahrhaftig nicht diejenige
Klarheit und Einstimmigkeit, dafs man sie einfach als Beweismaterial
verwenden dürfte.
Athenawird in dem inhaltreichen Artikel von Röscher, Lexikon
Sp. 676—687, als Göttin der Wetterwolke und des Blitzes gedeutet Ref.
erkennt gern an, dafs es R. gelungen ist eine Reihe deutlicher und alter
Beziehungen Athenas zu diesem Gebiet von Naturerscheinungen nachzu-
weisen (vgl. bes. Sp. 677 Z. 38 ff.), vermag aber nicht zuzugeben, dafs
das ursprüngliche Wesen der Atheua mit den Worten ' Göttin der Wetter-
wolke und des daraus hervorspringenden Blitzes' (Sp. 676 Z. 63 ff.) zu-
treffend bezeichnet sei. Der von R. unternommene Beweis (Sp. 676—678)
ist von Stichhaltigkeit weit entfernt. Für den bekannten Geburtsmythus,
welcher als erstes Argument herangezogen wird, ist weder 'hohes Alter'
noch 'weite Verbreitung' (Sp. 676 Z. 53) erweisbar; seine häufige Dar-
stellung in der attischen Kunst beweist lediglich die Popularität des
Mythus in Athen, und auch dies nur für eine verhältnismässig nicht frühe
Zeit. Warum Verf. die anderen, abweichenden Geburtsmythen fUr 'später
und schlecbtbeglanbigt' erklärt (Z. 57 ff.), ist nicht ersichtlich, im Gegen-
teil, der Verf. selber mufs zugeben, dafs sie möglicherweise 'lokalen An-
schauungen entsprungen' sind (Z. 59 f.). Die Sage vom Gigantenkampf
aber (Sp. 677) wäre nur dann als Argument für jene Deutung verwert-
bar, wenn für alle andern gegen die Giganten kämpfenden Götter die
Gewitternatur erwiesen wäre, und bei dem Kampf, mit der Gorgo, welche
Verf. als Gewitterwolke versteht, erhebt sich denn doch die Frage, ob
ein Mythus überhaupt denkbar ist, in welchem die Wetterwolke (Athene)
mit der Gewitterwolke (Gorgo) kämpft? Eine noch wunderlichere Ge-
schichte würde übrigens entstehen, wenn man in jenem Geburtsmythos
einmal an Stelle der Götternamen und der Attribute die vom Verf. hinter
denselben vermuteten physikalischen Substrate einsetzen wollte: 'aus der
Gewitterwolke (Haupt des Zeus), die durch den Blitz (Beil des Hephai-
stos) gespalten wird, springt die Wetterwolke (Athena) mit der gewitter-
schwangeren Wolke (Aegis) und dem Blitz (blitzende Lanze)'. — Man
möchte jedenfalls glauben, dafs die Zeit, welche den Geburtsmythua her-
I
Seeliger, Bescher, Bildebraodt n. a. (Athamas-Athena). 347
vorgebracht hat, sich der physikalischen Substrate nicht mehr bewafst
gewesen ist
Nun hat aber eine so enge Fassung des ursprünglichen Wesens,
wie sie R. vornimmtt auch den Übelstand im Gefolge, dafs von den zahl-
reichen und mannigfaltigen Beziehungen, in welchen Athena zu den ver-
schiedensten Gebieten menschlichen Lebens steht, im besten Fall nur
drei aus jener Naturbedeutuug ableitbar sind, nämlich die Beziehungen
zum Krieg, zur weiblichen Arbeit (die Wolke als Gespinnst) und zur
Bodenkultur, während alle übrigen in tertiären Rang zurückgedrängt wer-
den, indem Verf. sie, z. t. in recht gewaltsamer Weise, erst aus jenen
drei, als sekundär gesetzten Beziehungen ableiten mufs. Es ist dem Ref.
s. B. undenkbar, dafs die kriegerische Bedeutung der Athena den Anlafs
gegeben haben soll, die Göttin zur Erfinderin des Wagens oder gar des
Pfluges zu machen, und sie zu Meer und Schifffahrt in Beziehung zu setzen.
Furtwängler, welcher das bildliche Material behandelt hat,
Sp. 687—704, denkt sich das ursprüngliche Wesen der Athena richtiger,
wenn er von ihr als von einer * der weit und unbestimmt gefafsten weib-
lichen Hauptgottheiten' spricht (Sp. 689). An Vollständigkeit läfst dieser
archäologische Teil viel zu wünschen übrig; hinsichtlich der Mythen ver-
tagt er fast gänzlich.
Richard Hildebrandt, /l^^ rkaux&mg (Philologus Bd. 46
[1888] p. 201—209)
▼ersteht ykauKÖg nicht als 'strahlend, leuchtend', sondern als gleichbedeu-
tend mit noXiög 'hell, weifslich, weifsgrau', und sucht diese Bedeutung
in einer gröfseren Anzahl von Fällen nachzuweisen. Den zweiten Bestand-
teil von yXauxamiQ führt er auf die von Baunack nachgewiesene Wz. inn
(=' Wasser') zurück. A, rXauxumtQ wäre demnach die Göttin der lichten
Flot, wie ropywmg die Beherrscherin der wilderregten Flut. Unter den
Besiehungen Athenas zum Meer, welche Verf. zu Anfang seiner Unter-
suchung zusammenstellt, vermifst man den Hinweis auf das Prozessions-
schiff der Panathenäen, während einige wenig beweisenden Momente, wie
s. B. die Verbindung Athenas mit Poseidon, aufgeführt sind. — Den
Namen 'A&f^vata sucht G. Angermann in seinen Beiträgen zur Deutung
antiker Namen (Fleckeisen's Jahrbücher Bd. 137 [1888] p. Ifif.) als 'Göttin
der Höhe' zu deuten ('Af^^vae ='^die Höhen').
Von rein philologischem Interesse ist der Aufsatz A. Scotland's
• Athene-Mentes in Ithake' (Fleckeisen's Jahrbücher ebd. p. 233 — 241).
Der Aofeat2 von
A' Neumann, Der Mythus von der Geburt der Athene und seine
bildliche Darstellung (Festschrift zur fünfzigjährigen Jubiläumsfeier des
Realgymnasiums am Zwinger in Breslau. 1886. p 74—87)
ist ftr die wissenschaftliche Forschung ohne Wert. In Athena erkennt
Verf. eine Lichtgottheit, in Zeus den Äther; die antiken Quellen werden
348 Griechische Mythologie. 4. Einzeloe GottheiteD und Heroen.
nicht oder höchst ungenau angeführt, ebenso die neueren Forscher, auf
welchen Verf. fufst. Der * berühmte Archäologe', den Verf. p. 81 erwähnt,
heifst ^Gerhard' und nicht 'Gerhardt'.
Von archäologischen Arbeiten, welche sich auf Athena beziehen,
sind beachtenswert zunächst die Veröffentlichungen von E. Petersen
(Mitteilungen des K. deutschen archäol. Instit. in Athen XI p. 309—321))
welcher über drei Athena- Statuen aus Epidauros Mitteilung macht und
zwei davon (Athena lebhaft vorscbreitend) in Beziehung zu den Athena-
Darstellungen der Parthenon giebel setzt, von Fr. Studniczka CEfjjfieplc
dipX' 1886 p. 117- 183 und 1887 p. 134—164)» welcher eine Reihe alter,
besonders durch eine altertümliche Form der Aegis interessanter Atbena-
Darstellungen veröffentlicht und eingehend bespricht, und von A.S. Murray
(Glassical Review III 11889] p. 283 f.), welcher die die Aegis betreffenden
Angaben Herodots durch einen auf Kypros gefundenen Skarabäus zu
illustriren sucht. — Dafs das im Bull, deir Inst. 1873 S. 169 auf Athena
und Marsyas bezogene Bild einer New-Yorker Vase vielmehr eine diony-
sische Szene darstellt, erhellt aus einer Mitteilung von Morgenthan
(veröffentlicht durch Conze im Jahrbuch des K. deutschen archäol. Instit
II [1887] p. 193ff.)* — Einen archaischen Athena-Kopf behandelt Fr.
Studniczka in den Mitt des atheu. Instit. XI p. 185ff.; einen Neapler
Athena-Kopf (Gerhard und Panofka, 'Neapels antike Bildwerke' Nr. 84)
veröffentlicht Botho Graef (Aus der Anomia. Archäol. Beiträge , Carl
Robert gewidmet 1890. p. 61 — 70 und Taf. I — II) und versucht ihn als
eine Nachbildung des Kopfes der Parthenos zu erweisen, indem er ihn
mit andern Nachbildungen dieses Werkes hinsichtlich der Anordnung der
Haare und der Proportionen vergleicht, besonders mit dem polychromen
Berliner Kopf Antik. Denkm. I 3.
Die Annahme Löschke's, dafs zu Athen eine mit Kybele identische
Göttin *Basileia' verehrt worden sei, bemüht sich
P. Decharme, La d^esse Basileia (Revue de Thistoire des reli-
gions XVI [1887] p. 1—6)
zu widerlegen, indem er die Inschrift von Santorin nicht auf ein Heroon,
sondern auf ein Votivmonument bezieht und die Basileia bei Diodor für
eine reine Erfindung des Euhemeros erklärt. In der Basileia in Aristo*
phanes Vögeln erkennt er eine blofse Personifikation der ^royaut^ de Zeus*.
Bellerophon wird in dem Artikel von Rapp in Roscher's Lexi-
kon Sp. 757-774 als der auf dem Gewitterrofs, unter Sturm und Donner
einherfahrende himmlische Reiter gedeutet, der das Gewitterungetüm,
die Chimaira, erlegt. — Der Verf. geht im Ganzen umsichtig und sorg-
fältig zu Werk und bringt wenigstens seine Deutung des Pegasos als
Donnerrofs zu einer gewissen Wahrscheinlichkeit, Sp. 768 ff. Die beliebte
Auffassung des Rosses als Symbol des Meeres wäre allerdings besser aus
FeterseD, Rapp, ▼. Prittwitz, Loeschke u. a. (Athena-Boreas). 349
der Beweisführung weggeblieben. Wenig überzeugend ist dagegen der
Abschnitt über den Ghimaira-Mythus: die alte und einstimmige Lo-
kalisirung der Ghimaira auf dem nicht mythischen, sondern genau be-
stimmten Boden Lykiens legt die Erklärung der Ghimaira aus vulkani-
schen Erscheinungen womöglich noch näher als es bei Typhoeus der Fall
ist (vgl. oben S. 261 f.).
H. W. V. Prittwitz und Gaffron, Bellerophon in der antiken
Kunst. (Diss. inaug. Monac. 1888.) 8. 72 S.
Verf. gebt auf die Bedeutung des Bellerophonmythus nicht näher
ein, sondern beschränkt sich auf eine Zusammenstellung und Erklärung
der auf Bellerophon bezüglichen Kunstwerke, unter dieser Anordnung:
1) Bändigung des Pegasos. 2) Bellerophon mit dem gezähmten Pegasos
in friedlichem Verein. 3) Bellerophon und Stheneboia. Sendung nach
Lykien. 4) Bellerophons Ankunft bei lobates. 5) Bellerophons Aus-
sendung zum Kampf gegen die Ghimaira. 6) Kampf mit der Ghimaira.
7) Rückkehr nach bestandenen Abenteuern: Vermählung. 8) Bellerophoos
Rache an Stheneboia. 9) Bellerophous Sturz. —
Hinsichtlich ihrer Entstehnngsart scheidet Verf. die gesamte
Masse der Denkmäler in zwei Gruppen, deren eine in Korinth und dem
dort herrschenden Lokalmythus ihren Ausgangspunkt hat (ungefähr 1—2),
während die andere unter dem mehr oder weniger deutlichen Einflufs
der Tragödie, besonders des Euripides steht.
Auf die tüchtigen Artikel Rapp's über 'Boreaden' und 'Boreas'
in Roschers Lexikon Sp. 797 — 814 kann hier nur hingewiesen werden.
Für die Boreas-Oreithyia-Sage nimmt
G. Loeschke, Boreas und Oreithyia am Kypseloskasten (Univ.
Progr. von Dorpat 1886.) 4. 12 S.
jonischen, und nicht attischen, Ursprung an, indem er die Bezeichnung
der Oreithyia als Nereide (2* 39 ff.) und als Tochter des meerbeherrschen-
den Erechtheus betont, dessen ursprünglich allgemein jonischer Gharakter
seit v. Duhn's 'Bemerkungen zur Würzburger Pbineusschale' p. 104ff.
feststeht. Oreithyia ist ursprünglich Seegottheit, und ihr Raub durch
Boreas analog anderen Nereidensagen; Verf. erkennt in 7*219 ff., wo
Boreas sich mit den Stuten des Erichthonios gattet, und in dem auf dem
delischen Akroterion wegeilenden Pferd, welches er als Andeutung der
Verwandlungen der Nereide Oreithyia fafst, Spuren einer älteren Form der
Boreas-Oreithyia-Sage, oder vielmehr 'eine ältere Anschauungs- und Aus-
drucksweise für dasselbe die Phantasie beschäftigende Schauspiel: das
Spiel des Windes mit den Wellen' (p. 4).
Der zweite Teil der geistvollen Untersuchung beschäftigt sich mit
der Frage, aus welcherlei Quelle die korinthischen Handwerker ihre
Kenntnis dieser jonischen Sage geschöpft haben. Sowohl aus der für
350 Oriechische Mythologie. 4. EiDselne Gottheiten und Heroen.
die Ejrpseloslade anzunehmenden Art der Gmppirnng, welche in der
korinthischen Eanst sonst nicht vorkomme, häufig dagegen in der joni-
schen (dafs eine Gestalt die andere mit den Armen amfafst and wegtrftgt)
als auch aus der Schlangenfflssigkeit des Boreas sei auf eine Jonische,
über Cbalkis nach Eorinth gewanderte Vorlage zn schliefsen. Zur Be-
gründung bringt Verf. eine Reihe wertvoller Beobachtungen Ober die be-
deutende Stellung, welche die jonisch-chalkidische Kunst in der Tjrpen-
geschichte einnimmt, u. a. in der Ausbildung des vom Verf. aus Ägypten
(thebanisches Wandgemälde bei Wilkinson Anc. Egyptians 3. Aufl. S. 129)
hergeleiteten Geryoneus-Typus.
Für Gharon stellt der kurze Artikel von Sybel's in Roscher's
Lexikon Sp. 884 — 886 die wichtigsten litterarischen und monumentalen
Zeugnisse zusammen; zwei sehr interessante Gharonlekythen des Poly-
techneion in Athen hat F. v. D u h n im Jahrbuch des E. deutschen archäol.
Instituts II [1887] p. 240 — 243 (mit A. D. I Taf. 28) veröffentlicht und
besprochen.
Über Daimones vergleiche man den Artikel v. Sybel's in
Roscher's Lexikon Sp. 938f. und die einschlägigen Untersuchungen in
Erwin Rohde's schon besprochenen Buch (oben S. 280). Ferner ist
zu beachten der Aufsatz von
Franz Krejci, Über die ursprüngliche Bedeutung der griechischen
Daimones (Zeitschrift für Völkerpsychologie XVII. [1887] p. 161—176),
welcher in der Hauptsache die von E. H. Meyer entwickelten religions-
geschichtlichen Ansichten (Indogerm. Mythen I) vertritt. Er versucht
nachzuweisen, dafs das Wort Sou/ioveg ursprünglich jene Geisterschaaren
bedeutete, welche, aus den vergötterten Ahnen entstanden, in der Periode
des Geisterglaubens (d. i. nach Meyer's schwach fundirter Konstruktion
die zweite Periode der Religionsgeschichte, die erste bildet der Ahnen-
kult) das ganze Weltall beherrschten und durch deren Individualisirung
erst die grofseu Naturgottheiten entstanden. Verf. stützt sich hierbei
auf die ursprüngliche Namenlosigkeit der Götter (Herodot II 52), auf
Hesiods Schilderung der Daimones (Erga 109 ff.) und drittens darauf,
dafs, wie er zu zeigen unternimmt, unter den verschiedenen Bedeutungen
des Wortes Sai/ioveg sich keine einzige findet, welche sich aus der an-
genommenen Grundbedeutung nicht erklären liefse oder gar mit derselben
kollidirte. Diese ganze Untersuchung ist recht besonnen geführt und
verdient trotz der einseitigen Gesammtaoschauung des Verf. Beachtung.
Eine schlechterdings wertlose Arbeit, bei der man sich höchstens
über den vielversprechenden Titel wundern kann, ist die von
Paul Begnand, Le äaJfiwv^ Histoire d'un mot et d*une id6e
(Revue de Fhistoire des religions XV [1887] p. 156—158).
▼. Sybel, ▼. DuhD, Ereöji, Lodwich n. a. (Gharon- Dionysos). 351
Das Erlebnis der Demeter bei Baubo (Orph. Frgm. 215; dem.
Alex. Protr. p. 17; Arnob. Adv. Nat. V 25 f.) betrifft der Aufsatz von
A. Lad wich, Baubo und Demeter (Fleckeisens Jahrbücher f&r
class. Philologie. Bd. 141 [1890] p. 51—58).
Der Verf., welchem der Bericht des Clemens psychologisch unglaub-
würdig und das orphische Gitat, wie Glemens es giebt, verderbt erscheint,
emendirt den Glemens aus Arnobius, welcher nach der Ansicht des Verf.
nicht aus Clemens geschöpft, sondern eine andere und bessere Quelle
benützt hat. 7ax;^of , der dem Verf. besonders anstöfsig ist, wird aus
dem orphischen Gitat entfernt; statt ^ndc^ S' ^ev'^laxj^og' verlangt Verf.
^naec d' ^£v taXkoc\ Der * Trar^ ' soll nur ein Teil des Baubo sein, künst-
lich von ihr 'aus ihrem eigenen Leibe geformt, keine selbständig für
sich bestehende Persönlichkeit' (p. 55). Durch eine ' tändelnd schaukelnde
Bewegung', in welche Baubo diese Puppe versetzt habe, sei Demeter
zum Lachen gereizt worden. — Der Verf. hat ohne Not aus einem,
gerade an seiner naiv-kräftigen Obszönität deutlich erkennbaren Survival
uralten Brauches eine abgeschmackte Puppenkomödie gemacht.
Die Diomedes- Kulte Grofsgriechenlands betrifft die Abhand-
lung von
Eduardus Luebbert, Commentatio de Diomede heroe per Ita-
liam inferiorem divinis honoribus culto (Index schol. Bonn. V7. S. 1889
—1890). 4. 16 S.
L. erkennt die ersten Diomedes-Verehrer Grofsgriechenlands in den
bei der Gründung von Sybaris beteiligten Troizenieru. Von Sybaris kam
der Kult nach Metapont, woselbst Verf. aufser diesem sybariUsch-troize-
niscben Diomedes noch zwei andere Formen des Heros nachweisen zu
können glaubt, nämlich eine durch aitolische Familien (deren Teilnahme
an der Gründung Metaponts hauptsächlich aus der den Namen des Ache-
loos darbietenden metapontischen Münze geschlossen wird) mitgebrachte
und eine andere, welche der Verf. mit Klausen hinter der Figur des
Leukippos, des Führers der bei der Gründung Metaponts beteiligten
Achaier, sucht. Die letzten Abschnitte der Untersuchung behandeln kurz
die zwiefache Überlieferung von Diomedes Fahrt nach Italien und die
den Thaten des Diomedes gewidmeten epischen Gedichte. — Es wäre zu
wünschen, dafs die für unsere Kenntnis der griechischen Religions-
geschichte so hochbedeutsamen Kulte Grofsgriechenlands immermehr der
Gegenstand nachdrücklicher Einzelforschungen würden: kaum für ein
anderes Gebiet liegt überdies eine so vollständige Sammlung der antiken
Zeugnisse ^ wenigstens der litterarischen und numismatischen — vor
wie hier in Klausens *Aeneas'.
Der Artikel ^Dionysos' in R. M. L. vereinigt zwei tüchtige Ar-
beiten: F. A. Voigt hat den im engeren Sinn mythologischen Teil be-
handelt und E. Thraemer den archäologischen (Sp. 1029-1153).
352 Griechische Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten und Heroen.
Voigt widerlegt zunächst die Deutung des Dionysos als *• Geist des
Opfertrankes ' mit dem Hinweis darauf, dafs bei Homer, wo die Spende
eine so bedeutende Rolle spielt, Dionysos fast ganz im Hintergrunde
bleibt. Auch die vom Verf. — nach dem Vorgange Prellers und Rapps
— zwischen dem ursprünglich thrakisch-phrygischen Dionysos und dem
alteinheimischen Deudrites vollzogene Scheidung ist zweifellos richtig:
nur fragt sich sehr, ob der orgiastische und mantiscbe Charakter des
ersteren Gottes eine ausreichende Prämisse zu der Sp. 1032 aufgestellten
Deutung bildet, dafs dieser Dionysos ursprünglich als 'die Einheit der
abgeschiedenen Geister' aufgefafst worden sei. Diese Deutung, welche
den Einflufs der vom Verf. entschieden fiberschätzten Theorie Lippert's
verrät, hat nun zwar die Behandlung des delphischen Dionysos-Zagreus
(§ 4) und einzelne Partien der folgenden Abschnitte etwas getrübt, doch
ist Verf. besonnen genug, um sie nicht in der anderwärts beliebten
Manier breitzuschlagen und darauf zu bauen.
Die Anordnung seines Artikels ist folgende: die orgiastischen Ele-
mente des Dionysoskultes, ihre Herkunft und Bedeutung, des Gottes
Geburt und Eindheitspflege, die Mythen von der Einführung seines Kultes,
Opfer, Tier- und Vegetationssymbole, der Kult in Attika, auf den Inseln
und in Kleinasien. Verf. verfügt über ein reiches Material und versteht
sich auf besonnene Methode. Die Vaterschaft des Zeus und die Mutter-
schaft der Semele sind richtig verstanden, jene als Mittel, den zugewan.
derten Gott dem hellenischen Göttersystem einzureihen, diese als Nieder-
schlag des orgiastischen Frauendienstes. Besonderes Interesse verdient
§ 19, wo Verf. die musische Kunst im Dionysoskult und die Entstehung
des Dramas bespricht: nicht die Mythen von den Leiden und Gefahren
des Gottes bilden den Urkeim der Tragödie, sondern der die Vegetations-
dämouen vorstellende, ursprünglich Naturzauber ausübende Satyrchor.
Anderenorts dagegen hat Verf. das Gewicht jener Mythen im Kultus mit
Unrecht abgeschwächt (Sp. 1039 ff.). Der im Anschlufs an Mannhardt —
dessen Forschungen eingehend für den Dionysoskult verwertet zu haben
ein Hauptverdieust der vorliegenden Arbeit ist — versuchte Nachweis,
dafs die orgiastische Handlung nicht allegorisch -mimetische Darstellung
oder Gefühlsausbruch sei, sondern rein aktive Ausübung eines Natur-
zaubers, verdient Zustimmung nur insofern, als er den mutmafslichen
Ursprung des Orgiasmus angiebt Denn dafs allmählich der Gedanke an
die Schicksale des Gottes hinzukam , der ja bereits früh — schon vor
seiner Hellenisirung — zum Repräsentanten der Vegetation in ihrem
Werden und Vergehen herabgesunken war, und dafs diese mimetische
Auffassung mit der Zeit sogar das Übergewicht erhielt, das läfst sich,
besonders im Hinblick auf den delphischen Kult, doch wohl kaum be-
streiten.
Während es diesem mythologischen Teil des Artikels an Obersichtr
lichkeit, die allerdings durch den Gegenstand recht erschwert war, und
Voigt, Thraemer, Back (Dionysos). 853
an Scbftrfe etwas gebricht, entspricht die archäologische Darstellung
Thraenier*s in beiden Beziehongen den an ein Lexikon za stellenden
Anforderungen , ohne an YollstAndigkeit hinter dem mythologischen Teil
zurflckzustehen. Verf. behandelt erstens die Darstellungen des in reifer
Männlichkeit gcfafsten Dionysos, nach den Kunstgattungen geordnet,
zweitens den jugendlichen Dionysos, als Kind und als Jüngling. Daran
schliefst sich eine Übersicht Ober die erhaltenen Typen des jugendlichen
Dionysos (1. Bekleidung, 2. Stellung), eine Übersicht der Darstellungen
bestimmter Mythen und endlich eine Aufführung der Sonderbildnngen.
Die Auswahl der beigegebenen Abbildungen ist besonders glücklich; Verf.
geht mit grofser Sorgfalt der Entwicklung des Typus in Hinsicht auf
Bekleidung, Attribute u. s. w. nach; abenteuerliche Konstruktionen frü-
herer Kunstmythologen, wie der androgyne bärtige Dionysos und Saba*
zios, werden gestrichen, fälschlich oder mit zweifelhaftem Recht heran-
gezogene Bildungen, z. B. die mit Widderhörnern und der ^ Löwendiony-
sos', erfahren eine nüchterne Besprechung. In sachlicher Hinsicht wird
man den Abschnitt über den bärtigen Gott fast anstandslos hinnehmen
dürfen, besonders die Entwicklung der primitiven Agalmata erscheint
hier wohl gelungen. Im zweiten Abschnitt ist nachzutragen der älteste
bildliche Beleg des jugendlichen Typus auf Münzen des sicilischen Galaria
(eat. Brit. mus. Sicil. s. 64, 1; Imhoof- Blumer mon. gr. s. 18. 12). Die
Jugendlichkeit des Kalamis'schen Dionysos ist zweifelhaft, da der Rück-
führung des bekannten tanagraeischen Münzbildes auf Kaiamis Bedenken
izn Wege stehen, u. a. die von Wolters (A. Z. 1886 p. 283) vorgebrachten
stilistischen. — Ein Grundfehler des zweiten Abschnittes aber ist aller-
dings das traditionelle Vorurteil von der Pn'orität des bärtigen Typus.
Verf. geht zwar insofern über die bisherige Annahme schon hinaus, als
er die Möglichkeit der jugendlichen Bildung bereits für frühe Zeit zugiebt,
immerhin aber erkennt er im bärtigen Typus den ursprünglichen und
sucht die Veranlassung zur Umbildung an denjenigen Kultstätten, welche
eine Geburtslegende des Gottes besassen (Sp. 1089 f.) oder in jenen
Lokallegenden, die von den Thaten des zu jugendlicher Kraft heran-
gewachsenen Gottes erzählten (Sp. 1130). Im Zusammenhang damit steht
es, dal^ Verf. die Einmischung weichlich-weiblicher Elemente viel zu spät
ansetzt: er bestreitet sie sogar noch für den Praxitelischen Dionysos (für
welchen nachzutragen ist v. Sallet's Numismatische Zeitschrift XIII [1885],
woselbst Rudolf Weil auf einer eliscben Bronzemünze das Prazitelische
Bild nachweist), trotz des ''äßpon^rog yifiwv* (Kallistr. descr. 8), und giebt
sie erst für die spätere, hellenistische Zeit zu (Sp. 1135).
Dem gegenüber hat Ref. in seinen ^Studien zur Geschichte grie-
chischer Göttertypen* I (Fleckeisen^s Jahrbücher 1887 p. 433-456) den
Nachweis eines ursprünglichen Dualismus des bärtigen und des
jugendlichen Typus versucht, und jenen für den alteinheimischen Dendri-
tes, diesen dagegen für den thrakischphrygisehen, durch tbrakische An-
JataxMbtrielit für AltertnmawiMttiuiobaft LXYI. Bd. 23
354 Griechische Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten and Heroen.
Siedler und nicht weniger durch unmittelbare Berflhrang in Eleinasien
za den Griechen verpflanzten Dionysos (Jakchos, Zagreus) in Anspruch
genommen. Die ältesten Sparen des jugendlichen Tjpas treten n&mlich
gerade in solchen Sagen und Kulten entgegen, wo ein Einflufs der thra-
kisch-phrygischen Dionysosreligion entweder zweifellos oder doch sehr
wahrscheinlich ist (Lykurgossage; Delphoi, Boiotien, Eleusis, Nazos).
Ein entschieden weichlich-weibischer Zug ist dem jugendlichen Typus
von Hause aus eigen, während es aber ursprünglich besonders die lange
Gewandung und die Haartracht waren, die in Verbindung mit dem jugend-
lichen Antlitz jenen Eindruck hervorriefen, ist bereits bei dem Dionysos
des Parthenonfrieses der Anfang gemacht, die Weichlichkeit von der
Tracht auf die Körperbildung zu übertragen. Dafs im Parthenonfries
die Gestalt neben Hermes Dionysos ist, und nicht die neben Poseidon,
(wie Flasch im Widerspruch mit der Körperbildung und -haltung der
beiden Figuren gewollt hat), glaubt Ref. im Eingang seiner Untersuchung
klar gestellt zu haben.
Bezüglich des thrakisch-phrygischen Ursprungs des Namens des
Dionysos sei auf Kretschmer^s Aufsatz in der Carl Robert darge-
brachten Sammlung (oben S. 322), bezüglich des orphischen Dionysos
Zagreus auf die gleichfalls oben besprochene (S. 291 f.) Abhandlung von
Luebbert verwiesen. Eine bisher kaum beachtete Seite des Dionysos
ans Licht gerückt zu haben ist das Verdienst von
E. Maafs, älONTSOS aEAAriOH (Hermes Bd. 28 [1888]
p. 78—80).
Ausgehend vom Dionysos -Kult von Pagasai, für welchen er den
Beinamen neXdyeog sicherstellt (aus dem (3od. Towuleyanus statt neXexug^
Schol. Vict. der Ilias XXIV 248), giebt M. eine Zusammenstellung der
Sagen, welche die Beziehung des Dionysos zum Meere bestätigen und —
was für die Geschichte des Dionysos-Dienstes sehr bedeutsam ist — der
Mehrzahl nach an der thrakisch-thessalisch-boiotischen Küste zu Hause
sind. Hinzuzufügen wäre die methymnäische Kultlegende bei Paus. IX
19, 8, deren Illustration Ref. a. a. 0. p. 442 Anm. 17 auf einer Münze
von Methymna nachgewiesen zu haben glaubt — Aber es liegen noch
zwei weitere Beiträge zu diesem Gegenstand vor.
0. Grusius, Der homerische Dionysoshymnus und die Legende
von der Verwandlung der Tyrsener (Philologus Bd. 48 [1889] p. 193
— 228)
widerlegt zunächst schlagend die Vermutung Ludwich*s, dafs der home-
rische Hymnus ein orphisches Machwerk sei, und entkräftet nicht weniger
gut die von Ludwich, Gerooll u. a. für eine späte Datirung des Hymnus
vorgebrachten Gründe (sprachliche Einzelheiten, Armuth in Gedanken
und Ausdruck, Mangel an Logik u. s. w.). Sodann sucht Verf. die Ent-
Maafe, Crosias, Tümpel, Graef (Dionysos). 855
stehungszeit des Hymnus durch eine Analyse der Legende zu ermitteln.
Mit einem alten Mythus vom siegreichen Kampf des Dionysos mit fisch-
gestaltigen, räuberischen Seewesen verbanden sich in Brauron historische
und ätiologische Elemente. So erkennt Verf. sehr glücklich in dem ver-
zauberten Schiff der Legende eine märchenhafte Wiederspiegelung des
mit Rebzweigen und Eppich, mit Trauben und Kränzen geschmflckten,
weinbeladenen Schiffskarrens der dionysischen nofiitj). Dem Gotte, der
(wie in Keos?) als Löwe erscheint, tritt das geweihte Tier der Göttin
von Brauron, die Bärin, hilfreich zur Seite. — Hinsichtlich des home-
rischen Hymnus gelangt Verf. somit zu dem Ergebnis, dafs derselbe in
guter Zeit auf attischem Boden entstanden und für ein attisches Rhapso-
denfest bestimmt gewesen sei, und sucht zum Schlufs diesen Ansatz durch
eine Prüfung der übrigen litterarischen Darstellungen des Mythus zu
bekräftigen.
K Tümpel, Mvuao^ 'AXceu^ (Philologus Bd. 48 [1889] p. 681—696)
giebt einen weiteren Beitrag zum * Meer-Dionysos*, indem er den von
Philochoros (Schol. Gr. in Hom. Iliad. Townleyana rec. Maafs p. 210) über-
lieferten Orakelspruch, einen Gedanken von Lobeck weiterführend, so
wiederherstellt: ^Ev ftövrip dcövuaov *Ahiß ßaitTZoiTe. Dazu giebt Verf.
die treffende Erklärung: ^In der See mufs er gebadet werden, weil er
ein Seemann ist; ein Seemann aber ist der Dionysos, weil er jener Be-
YÖlkernng von »Seeleutem angehört, die sich den Bescheid vom Orakel
erbeten hatten: den ^AXteiQ von Argolis.*. — Es handelt sich, wie Verf.
sodann darthut, um einen von Pagasai auf dem Seeweg über Euboia nach
Tiryns und von da nach Hauke gewanderten Dionysosdienst. Man ver-
gleiche dazu die oben S. 804 f. besprochene Untersuchung von Maafs,
welcher gerade Pagasai als eine Hauptstation des 'See-Dionysos* erweist
Das den Dionysos betreffende Strafsburger Programm von Ghud-
zinski (1886. 9 S.) hat Ref. nicht einsehen können. Von archäologischen
Untersuchungen liegt uns vor die Berliner Dissertation von
Botho Graef, De Bacchi expeditione Indica monumentis expressa.
Berlin, Weidmann 1886. 8. 66 S. und eine Tafel.
In der Einleitung (p. 1 — 11) entwickelt Verf. seine Ansicht über
die Sage von Dionysos Zug nach Indien. Es sind zwei grundverschie-
dene Formen der Sage zu unterscheiden: die eine verdankt ihren Ur-
sprung dem indischen Feldzug Alexanders des Grofsen, zu dessen Prototyp
Dionysos gemacht wurde, ihre Verbreitung alexandrinischen Dichtem und
Euhemeristen, für welche letzteren sie darum ein besonderes Interesse
hatte, weil der Gott in ihr ganz als menschlicher Eroberer auftrat. Die
andere Gestalt der Sage, welcher Nonnus folgt, zeigt den Dionysos durch-
aus als Gott: Verf. vermutet sie entstanden aus einer Gigantomachie des
Gottes.
23»
356 Griechische Mythplogi?. 4. Eioselne QoUbeiteQ j^d Heroen.
Per ski99enbafte Charakter, iq welchem Verf. cli^se EiQleitung ab-
sichtlich gehalten hat, macht eiq ab$chlierseDde3 Urteil vor ier Hand
nomögUch. Die Genesis der Sage vom indischen Feldzag des Dionysos
ist wohl richtig gezeichnet, doch durfte der wesentliche Anhalt, welchen
diese Neubildung in älteren Sagen hatte, nicht unerwähnt bleiben : schon
der Guripideische Dionysos ist ein weitgereister, Länder erobernder Gott
(Bakch. 13ff.). Das Neue besteht wesentlich darin, dafs nun auch Indien
in die Reihe dieser Länder tritt. Ob nun der Zweck der Erfindung, ein
Prototyp für Alexander zu schaffen, eine streng euhemeristische Auf-
fassung des Gottes nOtig machte, welche ja allerdings fQr Megasthenes
und andere t^berliefert ist, darüber läfst sich streiten. Keinenfalls ist
diese Auffassung charakteristisch genug, um jene scharfe Unterscheidung
einer * makedonischen' Sagenform von der durch Nonnns vertretenen zu
rechtfertigen. Die letztere dflrfte man eher als eine von euhemeristi-
schen Tendenzen freie, dagegen durch eine Gigantomachie beeinflufste
WeHerbtldung bezeichnen.
Der den bildlichen Darstellnngen der Sage gewidmete Hauptteil
der Schrift verdient entschiedenes Lob. Verf. unterscheidet nach dem
Inhalt der Darstellungen drei Gruppen: Kampf, Vorführung der Gefan-
genen und Triumph. Die den Triumph darstellenden — es sind lauter
römische Sarkophagreliefs — Reliefs sind weitaus die zahlreichsten, sie
zerfallen in zwei Klassen : I (ältester Typus) geht auf ein Vorbild (Relief)
zurück, das eigens zur Darstellung des indischen Triumphes des Dionysos
erfunden war, von II zeigt Abteilung A zwar ebenfalls noch den Triumph,
bringt aber immermehr dem Thiasos angehOrige Figuren hinzu, B läfst
den Triumph vOllig zum Thiasos werden und weicht auch darin von I
und II A ab, dafs der Gott nicht steht, sondern sitzt oder fast ausge-
streckt im V^agen liegt. Verf. macht wahrscheinlich, dafs die einzelnen
Elemente der Reliefs der Klasse II meistens in statuarischen Darstellun-
gen ihre Vorbilder haben.
Für die Di oskuren verweisen wir auf A. Furtwängler's Artikel
in Roscher's Lexikon Sp. 1164—1178, welcher, abgesehen von dem nn-
glflcklichen Versuch, den in Mythus und Kultus offenbar vorwiegenden
chthonischen Charakter der Dioskuren mit der traditionellen, einseitig-
falschen Deutung auf das Licht in Einklang zu bringen (^daa Licht nicht
in seiner Ruhe, sondern in seinem Obergange vom und zum Dunkel'
Sp. 1154), dem Ref. als die beste bisher veröffentlichte Behandlung des
Gegenstandes erscheint, nicht am wenigstens deshalb, weil der Verf. eben
auch das archäologische Material beherrscht. Nachzutragen wäre der
wohl erst nach Abfassung des Artikels erschienene, aber nicht mehr in
den Bereich dieses Berichtes fallende, bedeutsame Aufsatz von Friedrich
Marx, Mitteilungen des deutschen archäol. Inst, in Athen 1885 p. 189 ff.
Graef, Kurtvftogler, Maaf^ (DionytM>8— Epaphnt^). 357
Hi^rtmant) Schmidt, J. S. C. Schweigger und die Mysterien von
Samothrace (Festschrift zur fünfzigjährigen Jubiläumsfeier des Real-
gymnasiums am Zwinger zu Breslau am 15. Oktober 1886. p. 117—188)
giebt eine zusammenfassende Darstellung der mythologischen Ansichten,
welche der Physiker Scbweigger in verschiedenen Schriften niedergelegt
hat, besonders hinsichtlich der Dloskuren. S. erklärt sie als positive
nnd negative Elektrizität Für die mythologische Forschung hat dieser
Tersuch ebensowenig Wert wie die Mehrzahl der physikalischen Deu-
tungen überhaupt: aber es ist interessant zu sehen, mit welcher Ent-
schiedenheit ein Vertreter der exaktesten Wissenschaft auf mythologi-
schem Gebiet gerade das am wenigsten exakte Verfahren einschlägt.
Für die Ena lossage ist die oben S. 810f. besprochene Abhand-
lung Tümpel* 8 einzusehen.
Eine der dunkelsten Gestalten der griechischen Mythologie, den
Epaphos, beleuchtet die Untersuchung von
Ernestns Maafs, De Aeschyli Supplicihns commentatio (Index
Schol. Gryphisw. W. S. 1890-91). 4. XXXVIII 8.
Da der Titel dieser Arbeit die Fülle des in ihr dargebotenen
mythologischen Stoffes nicht ahnen liefs, so hat Ref. sie erst spät zur
Band genommen und kann hier nicht mit der wünschenswerten Ausführ-
lichkeit darüber berichten. Um also nur kurz die Ergebnisse zusammen-
zufassen: Ephaphos ist ursprünglich nicht der aus einer Berührung,
fya^ig^ entstandene, sondern der Berührer ^i^aTn-o;^', d.h. der eiuem
weitverbreiteten Volksglauben zufolge durch Auflegung der Hand auf
den Leib der Gebärenden die Geburt erleichternde Gott. Die auf einem
umfangreichen Beweismaterial fufsende und methodisch geführte Dar-
legung des Verf. p. Xff., dafs nicht blofs dem Zeus, sondern einer ganzen
Reihe sonst nicht unter ^die Beilgottheitcn* gerechneter Götter seit alter
Zeit jene Funktion beigelegt war, bedeutet wieder einen kräftigen Stofs
gegen den Trugbau der Schulmythologie, wo jeder Gott sein bestimmt
abgegrenztes Ressort hat und der Olymp zu einer Versammlung von ^Spe-
zialisten* wird, um den treffenden Ausdruck von Ernst Curtius (s. oben
S. 261) zu wiederholen. In der ältesten Gestalt der Jo-Sage ist es Zeus
^E^TtTwp^ unter dessen Beistand — wie Aigla und Ereusa unter Hilfe
Apollons — Jo den Sohn gebiert; Atyvnroc aber, wo die Geburt stattfindet,
ist ursprünglich nicht das Land am Nil, sondern, wie der Verf., in erster
LMt gestützt auf das älteste, im Hesiodischen 'Aigimios* vorliegende
Zeugnis, durch eine eindringende Untersuchung der verschiedenen Quellen
wahrscheinlich zu machen weifs, eine mit diesem Namen bezeichnete Land«
Schaft Euboias, das ' AfyuitToc fuxpd^ des Stephanus, welches Tümpel von
der thrakischen Küste öder von Earpathos verstanden hatte. -^ Auf eine
Anzahl von anderen mythologischen bezw. kültgeschichtliehdti Beobach«
858 Oriediisclie Mythologie. 4. Einselae Gottheiten und Heroen.
tnngen, za denen der Verf. durch die Suppiices geftthrt worden ist,
p. XXXIIff., kann Ref. hier nur hinweisen. Es ist wahr was Verf.
p. XXXII von dem StQcke sagt: 'nuUam novimas tragoediam, qoae res
sacras tarn pio amore prosequatur'.
Die Artikel Eos und Erinys von Rapp in Roscher*s Lexikon
Sp. 1262 — 1278 und 1310—1336 sind tflchtige Leistungen des auch mit
den bildlichen Quellen vertrauten Verf.; mifslungen scheint dem Ref. nur
der Versuch, die Erinys auf das Bild ^der ungestüm daherfahrendeo
Wetterwolke* zurflckzufQhren, denn unter den Sp. iSlOff. aufgefQhrten
Zogen ist keiner, der diese Deutung verlangte; Schlange und Fackel
aber weisen zweifellos mehr auf das Gebiet, welches in Mythus und
Kultus konstant als die Heimat der Erinyen gilt: auf die Unterwelt.
Was den Eros anlangt (vgl. von Schroeder*s oben, S. 277, be-
sprochenes Buch), so giebt Furtwängler in Roscher*s Lexikon Sp. 1340
— 1372 nicht blofs eine erschöpfende Behandlung der Monumente sowie
der bei den älteren Dichtern und Philosophen auftretenden Vorstellungen,
sondern er sucht auch für die Geschichte des Kultes aus der dürftigen
Überlieferung wenigstens einige feste Punkte zu gewinnen. Er unter-
scheidet die älteren Kulte von Thespiai, Parion und Leuktra, für deren
thrakisch-pelasgischen Ursprung er eine Anzahl von Argumenten bei-
bringt, von den jüngeren, reinhellenischen, wo Eros lediglich das Prinzip
der Männerliebe vertritt, giebt jedoch für einige der letzteren ^Kreta,
Sparta) die Möglichkeit zu, dafs ältere Elemente zu Grunde liegen
(Sp. 1343). Dafs der Kultus sich mit dem Symbol des dpyoQ Xi^oQ be-
gnügt hat, wissen wir nur von Thespiai, darf also nicht so allgemein
ausgesprochen werden, wie Verf. Sp. 1350 thut: die menschliche Gestalt
mufs nicht erst durch die Poesie ausgebildet worden sein, eben so wenig
wie es ausgemacht ist, dafs das Attribut des Bogens blofs auf ein poöti-
Bches Bild zurückgeht (Sp. 1348) und das der Leier auf die bildende
Kunst (Sp. 1350).
Gegen die Ansicht Beundorfs, welcher im Bullettino della Oomm.
archeol. d. R. 1886 p. 54ff. den *Thanatos' der ephesischen Säulentrommel
als eine Nachbildung des Praxitelischen Eros von Thespiai hingestellt
hat, erhebt Robert in den 'archäologischen Märchen' p. 160 ff. zu Gunsten
des Namens 'Thanatos* vollbegründeten Widerspruch; Ref. nimmt nur
an der auch von R. p. 166 f. behaupteten Entwicklung des Bogenattributes
aus einem rein poetischen Bilde Anstofs.
Gaia behandelt Kuhnert in Roscher's Lexikon (Sp. 1666—1686).
Nach einer Wiedergabe der nur sehr teilweise übereinstimmenden Vor-
stellungen, welche die verschiedenen Theogonien enthalten, führt er die
Göttin als Allmutter, Todesgöttin , Rächerin und Wahrsagerin vor und
bespricht dann ihre Kultstätten — für die Akropolis wird aus C. I. Att
II 481 Z. 59 und Suidas xooporpo^oQ die Existenz eines Temenos der
Rapp, Fortwftngler, Enhnert o. a. (Eos^Oiganten). 359
Oaia-Earotropbos gefolgert — und ihre Opfer. Ans dem archäologischen
Abschnitt, welchem Drexler einige numismatische Mitteilungen hinzufügt,
sei hervorgehoben, dafs E. statuarische Darstellungen der attischen Gaia
Eurotrophos sowohl in den beiden, von Michaelis auf Prokne und Itys
bezogenen Gruppen A. Z. 1859 Taf. 123 als auch in der kinderhaltenden
Göttin des Westgiebels des Parthenon erkennt.
Weizsäckers knapp gehaltenem und im kunstmythologischen Teil
sich an Overbecks Zeus anschliefsenden Artikel Ganymedes in Roscher*s
Lexikon Sp. 1595 — 1600 fügt Drex^ler einen Excurs bei, in welchem er
eine dankenswerte Ergänzung des von Overbeck angefahrten bildlichen
Materiales giebt. Aufser einigen Werken der Eleinkunst (Mosaik, Me-
tallmedaillon, Terrakotta und Vasen) kommen besonders MQnzen von
Hadrianopolis , Dardanos und Ilion hinzu. Die interessante Thatsache,
dafs je eine Mttnze der beiden letzteren Städte den Ganymedes befltt*
gelt zeigt, verwertet D. dazu, um den von Stephani auf Eros bezogenen,
durch einen Adler getragenen Flttgelknaben eines Goldschmuckes von
der Insel Taman (Gompte rendu 1880 Taf. I) als Ganymedes zu erweisen.
Auch ein MQnzbild von Pessinus, wo ein geflügelter, bärtiger Mann
(Windgottheit?) auf dem vorgestreckten linken Arm einen geflügelten
Enaben hält, bezieht D. auf die Entführung des Ganymedes und zwar auf
diejenige Version, wonach ihn Tantalos geraubt hat.
Fflr die Giganten (vgl. oben S. 816fi'.) giebt J. Ilberg in Roscher*s
Lexikon 8p. 1689—1653 eine abersichtliche Zusammenstellung des mytho-
logischen Materials, der Verf. des archäologischen Abschnittes Sp. 1653
— 1673, E. Euhnert, beschränkt sich 'auf die figurenreichen Eunstwerke,
in denen die höchsten Götter des Olympos thätig erscheinen*. Wenn
nun auch diese Behandlung jetzt durch Max. Mayer's oben besprochenes
Werk weit aberholt ist, so gebtlhrt E. doch das Verdienst, die Schwie-
rigkeiten scharf betont zu haben (Sp. 1670 ff.), welchen die Annahme eines
erst hellenistischen Ursprungs der schlangenfflfsigen Bildung unterliegt.
Die Analogie des schlangenfafsigen Boreas und die vom Verf. einfach
angenommene Deutung der Giganten als Mm Gewitter rasender Dämonen'
können natOrlich fttr das Alter jener Bildung gar nichts beweisen — die
menschliche Bildung führt E. auf das Epos zurück — aber dafs der
hellenistischen Zeit eine so gründliche Neuerung kaum zuzutrauen ist,
und dafs die Deutung der namenlosen Schlangenfüfsler der älteren Eunst
auf Typhoeus keineswegs sicher steht, das werden viele dem Verf. zu-
geben. Dafs er aber an dem Schlangenfüfsler der chalkidischen Hydna,
Gerhard A. V. B. III 237, den furchtbaren Charakter vermifst und gerade
deshalb die Deutung auf Typhoeus verwirft, zeugt von geringem Ver-
ständnis fttr den Charakter der altertümlichen Eunst und ist treffend
widerlegt von M. Mayer, Gig. n. Tit p. 276.
360 Griechische Mythologie. 4. Einselne Gottheiten nnd Heroen.
Wenig braachbar Ist die bereits 1886 ver&fiste, aber erst 8 Jahre
später erschienene Abbandlang von
Karl Heinrich Spindler, Der Gigantenmythus in seiner ältesten
Oberlieferung (Jahresbericht des Gymnasiums zu Zwickau 1888. 4.
p. 1—26).
Dem Verf. kommt es zu sehr aufs Deuten an. Zuerst bespricht
er die bisherigen Deutungen, und nachdem er dann auf 10 Seiten die
Geschichte des Mythus bis zum Ende des 4. Jahrhunderts verfolgt hat,
unter ganz dflrftiger Verwertung der bildlichen Monumente, begltlckt er
uns gleich mit einem eigenen Deutungsversuch. Die Rücksicht auf die
weitere Geschichte sei nicht nötig, 'weil der Mythus schon jetzt ein
festes und bestimmtes Gepräge trägt und in der folgenden Zeit der
Alexandriner und späterer Autoren nur eine weitere Ausbildung erfährt'
(p. 16). Die Deutung selber, welche nach einer so unzureichenden Unter-
lage versucht wird, ist eine weitere Ausführung der bereits von Röscher
ausgesprochenen: die Giganten sind ursprünglich Gewitterdämonen oder
-riesen. Die vom Verf. hierbei angewandte Methode zeichnet sich keines-
wegs durch Sicherheit vor anderen, dieser Richtung angehOrigen Deu-
tungen aus.
Auf die trefflichen Abhandlungen 0. Puchstein's (kber die perga«
menische Gigantomachie (Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1888
Nr. 47 p. 1231- 1249 m. 1 Taf. und 1889 Nr. 21 p. 323—346) kann wegen
ihres vorwiegend archäologischen Inhaltes hier nur hingewiesen werden.
Während Puchstein eine gemeinsame Quelle fttr die Darstellung der
Apollodorischen Bibliothek und den pergamenischen Fries annimmt und
diesen aus ApoUodor ergänzt, äufsert
Friedrich Eoepp, Nonniana zur Gigantomachie (Bonner Studien
Reinhard Eekulö gewidmet. Berlin, Spemann 1890. p. 102-114)
einen Zweifel daran, dafs die Apollodorische Erzählung auf ein und die-
selbe Quelle zurQckgeftthrt werden dürfe. Er weist nach, wie die Diony-
siaka des Nonnos in der Schilderung des analogen Kampfes zwischen
Dionysos und Indern sich auf Schritt und Tritt an verlorene Giganten-
dichtungen anlehnen. — Der mit feinem Humor gewtlrzte Aufsatz wirft
auf die Geschichte der Sage neues Licht.
Weitere, archäologische Beiträge zur Gigantomachie haben gelle«
fert: Wolters im Jahrbuch des Kais, deutschen archäol. Instit. I (1886)
p. 66 — 64 (Gigantomachie von Prione, fQr welche Verf. leugnet, dafs mit
ihr Amazonen- und Kentaurenschlacbt verbunden gewesen), Stads in der
'£^. dpxatoL III (1886) p. 83 — 94 u. Taf. 8 (Vasenfragmente mit Dar-
stellungen der Gigantomachie, von GOttern dargestellt: Zeus, Hermes,
Herakles und Dionysos), Visconti im Bull, della Comm. arch. com. d.B.
1887 p. 241 — 260 (Marmorreliefs mit Gigantomachie), Malenberg in
Spindler, Koepp, Fnrtwftngler, Hildebrandt a. a. (Giganten— Gorgooeo). 361
den Mem. der Kais. rnss. arch. Gesellsch. N. F. III [188*7] p. 274 (Giganto-
machie des megarischen Schatzbauses von Olympia), Bie in der Berliner
philol. Wochenschrift 1887 Nr. I6ff. und Petersen im Bull, della Gomm,
arch. com. d.R. 1890 p. 17— -26 und Taf. I— II (fragm. erhaltene Gruppe,
Satyrn im Gigantenkampf darstellend).
Hinsichtlich der Gorgonen hält Röscher, im Lexikon Sp. 1695
— 1701, in vollem Umfang an der in seiner Monographie gegebenen Deu-
tung der Gorgonen als Gewitterwolken fest, während A. Furtwängler,
welcher ebd. 6p. 1701—1727 die Gorgonen in der Kunst bespricht, we«
nigstens fflr das Gorgoneion einen z, t. solaren Charakter betont (beson-
ders als Mitte des Triquetrums Sp. 1704. 1726) und dem Gorgoneion
die Priorität vor dem Typus der Gorgonen in ganzer Gestalt zuschreibt.
Er erkennt im Gorgoneion die bei den Naturvölkern weitverbreitete
apotropaeische Fratzenmaske; dieselbe ist nicht lange vor dem 7. Jahr«*
hundert -- vorher ist das Gorgoneion in den Denkmälern und in der
latteratnr unbekannt, J 36f E 741 sucht F. als Einschiebsel zu erwei*
sen — ' in Kleinasien den Griechen aus der nordsyrischen Kunst (auf
hittitischen Inschriften, s. Transact. of Soc. of Bibl. Arch. VII Taf. 8) ttber-
liefert und in Griechenland anfangs nicht nur auf die mythisch bereits
entwickelten Gorgonen, sondern auch anf andere Dämonen übertragen
worden. Nachdem F. dann die ältesten griechischen Gorgoneion vorgo-
ftthrt hat — die Zeichnung auf dem Schilde der melischen Vase (Cüonze
Mel. Thongef. III) wird als zweifelloser Tierkopf ausgeschieden — behan-
delt er zunächst den archaischen Typus der ganzen bezw. halben Gor-
gonengestalt und des Gorgoneions, und unterscheidet fflr letzteres zwei
Reihen von Denkmälern, deren eine breite und fleischige Formen bevor-
zugt und fast keinen Gebrauch von den Schlangen macht, während in
der anderen die Schlangen ein Hauptmotiv bilden. Für den mittleren,
milderen Typus konstatirt F. eine entschiedene Abnahme in der dekora-
tiven Verwendung und die durch die Herrschaft der attischen Kunst ver-
ursachte ausschliefslichere Beziehung zu Athena. Den beiden Reihen
des schönen Typus, der ruhig schOnen und der pathetischen, wird die
phantasievolle Umbildung des Gorgoueions zu einem Meerwesen ange-
schlossen. — V^arum F. die attische Sage von Gorgos Tötung durch
Athena erst dem 5. Jahrh. zuweist, ist nicht ersichtlich.
Richard Hildebrandt, Ein Beitrag zur Deutung der Gorgonen
(Gommentt. philol. quibus Ottoni Ribbeckio congratulantur discipuli
Lips. Leipzig, Teubner 1888. 8. p. 235—249)
erhebt eine Anzahl treffender Einwände gegen Röschens einseitig nubi-
lare Deutung der Gorgonen und versucht (vgl. oben S. 347) Fopyw^ Kose-
form zu ropywTUQ^ als Beinamen der Athena zu erweisen, den sie als
Beherrscherin der wilderregten Flut und Schfltzerin der jonischen Schiffs-
fahrt fohre. Dasselbe unternimmt Verf. aber auch fflr die Namen MdSowra
862 Griechische Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten and Heroen.
(Kurzform von ßa^traofiedoütra) , IBevw (die GOttin des 'starken und
mächtigeD* Meeres) EZpodhj (des ^weitausgedehoten' Meeres), welche er
B&mtlich als das Wesen der Meerfiat wiederspiegelnde Beinamen der
Athena fafst, die erst später, als man den wirklichen Zusammenhang
nicht mehr verstand, zu selbständigen Personen verdichtet wurden. —
Das Gorgoneion hält der Verf. mit Furtwängler fflr älter als den Typus
der Gorgonen in ganzer Gestalt
Die Geschichte des Greifentypus verfolgt A. Furtwängler, in
Röscheres Lexikon Sp. 1742 — 1777, auf ein reiches Material gesttltzt,
durch die verschiedensten Volker. Er unterscheidet hauptsächlich zwei
Formen des Gryps, welche den Griechen vom Orient fertig überliefert
wurden, aber nur als äufsere Gestalt, ohne innere Bedeutung, ohne
Mythus. Die eine ist die der mykenischen Kunst, wo der Greif als
wunderbar schnelles, deshalb zumeist laufend dargestelltes Raubtier er-
scheint. Dieser Typus stimmt in allem Wesentlichen der Form und der
Verwendung flbereiu mit demjenigen, welchen in Ägypten die Kunst des
neuen Reiches aufweist. Der zweite Typus, wo der Greif als ruhiger
Wächter erscheint, ging vermutlich aus von Kleinasien und den nächst
benachbarten Inseln, er war übernommen von der nordsyrischen, hitti-
tischen Kunst. Dieser Typus wird mit nur unbedeutenden Modifikationen
von der archaisch -hellenischen Kunst festgehalten. Dagegen erscheint
in der Kunst des freien Stiles, welche die Stachelmähne am Nacken hin-
zufügt und den knopfartigen Ansatz auf der Stirne verschwinden läfst,
der Greif wieder als das schnelle Raubtier der mykenischen und ägypti-
schen Kunst. Obwohl er seine Bedeutung als allgemeiner Wächter gött-
licher Macht nicht aufgegeben hat und deshalb in Beziehung zu sehr
verschiedenen Gottheiten gesetzt wird, geht er doch jetzt ein viel be-
stimmteres Verhältnis zu einzelnen Gottheiten ein, besonders zu Apollou,
dann zu Dionysos, Artemis und Nemesis. — Den eigenartigen Typus
des LOwengreifen (LOwe mit aufgebogenen Flügeln, mit gekrümmten
Hörnern, mit den Hinterbeinen und dem Schwänze eines Adlers) (über-
nahm die griechische Kunst von der persischen, welche letztere ihn aus
dem chaldäischen ^Tiamattypus' übernommen hatte. — Das Auftreten
des Greifen im griechischen Mythus und besonders seine Verbindung mit
einzelnen Gottheiten verlangt noch eine eingehendere Untersuchung, als
Verf. sie gegeben hat. Eine solche würde doch vielleicht einen alten
Zusammenhang des Greifen mit bestimmten Gottheiten wahrscheinlich
machen.
Für Hades giebt
Chr. Scherer in Roscher*8 Lexikon Sp. 1778^1811 eine reich-
haltige Zusammenstellung des Materiales: Etymologie, Person und Wesen,
Beinamen, Kulte, bildliche Darstellungen. Leider beeinträchtigt Verf.
den Wert des Artikels dadurch, dafs er nach der grundfalschen Voraus-
Hildebrandt, Fnrtw&ngler, Scherer, Kern, Winkler (Hades). 363
setzQDg arbeitet, als ob Homer eine laotere QoeUe der ältesten nnd
allgemeio griechischen Vorstellungen sei. Weil Hades bei Homer nnr
der furchtbare Todesgott ist, der alles Lebende mit unerbittlicher Strenge
verfolgt, deshalb gilt dem Verf. jede Abweichung von diesem schreck-
haften Bilde, mag sie nun im Kultus oder sonst auftreten, fOr spätere,
mildernde Modifikation. Vielleicht hat sich Verf. mittlerweile durch die
trefflichen Bemerkungen, welche v. Wilamowitz in seinem Isyllos den
chthonischen Gottheiten widmet, eines Besseren belehren lassen. —
Wir reihen hier, unter Hinweis auf Rohde^s oben S. 278 ff. be-
sprochenes Buch, einige die Vorstellungen von Unterwelt und abgeschie-
denen Seelen betreffenden Arbeiten an. Der anziehende Aufsatz von
Otto Kern, Orphischer Totenkult (Aus der Anomia. Archaeolo-
gische Beiträge, G. Robert dargebracht Berlin, Weidmann 1890.
p. 86-96)
untersucht die Frage, ob nicht auch der attische Totenkult unter orphi-
schen Einflttssen stehe, welche fttr Sybaris durch die dort gemachten
Gräberfunde festgestellt sind, un d gelangt zu dem Ergebnis, dafs sowohl
eschatologische Vorstellungen bei Plato (besonders Phaidon p. 81 A) als
auch die von Hirsch (siehe unten S. 364) behandelten Flttgel gestalten
attischer Lekythen dieselbe Abhängigkeit von orphischen Vorstellun*
gen verraten wie die Inschriften jener sy baritischen Goldplättchen. Ref.
stimmt in der Hauptsache zu, was Plato betrifft, welcher Übrigens noch
viel eindringlicher in dieser Hinsicht untersucht zu werden verdient: vor
allem die drei grofsen eschatologischen Mythen. Ob die Darstellung
jener Lekythen wirklich den von Piaton Phaidon p. 81 Überlieferten
Volksglauben illustrirt, erscheint fraglich: es ist das eigene Grab des
Verstorbenen, um welches die unreine Seele herumflattert, weil ihr der
Abschied von dem KOrper, mit welchem sie im Leben nur zu eng ver-
bunden war, so schwer fällt; auf eine allgemeine Vorliebe der schlechten
Seelen fttr Grabstätten und Totenmale dagegen darf man aus der Plato-
stelle ihrem ganzen Zusammenhang nach kaum schliefsen.
August Winkler, Die Darstellungen der Unterwelt auf unter-
italischen Vasen (Breslauer philologische Abhandlungen Bd. III Heft 6.
1888; erweitert aus der Breslauer Inaug.-Diss. 'De inferorum in vasis
Italiae inferioris repraesentationibus ' ). 8. 92 S. mit einer Tafel. (Zu
vergleichen ist desselben Verf. Aufsatz in den archäol. Beiträgen * Aus
der Anomia' p. 149-167: Zu den Karlsruher Fragmenten einer Unter-
weltsvase.)
Der Verf., welcher in erfreulichem Grade den Stoff beherrscht und
methodisch zu behandeln versteht, ftthrt die Unterweltsvasen in zwei
Gruppen vor, erstens die, welche mehrere Szenen auf einem Bild ver-
einigt zeigen, und zweitens diejenigen, wo nur ein mythischer Gegenstand
364 GriedliBche Mythelogie. 4. Elbselne GottheiUn und fieroAn
dargestellt ist. Ref. mofs, nm bicht zu weit in das Gebiet der AnMo*
logie ObertuspriDgen, sich eine Besprechung einzelner, zum Widerspruch
herausfordernder Deutungen (wie z. B. des auf der Ganosa-Vase hinter
Grpheus dargestellten Paares auf Dionysos und Ariadne) versagen und
verweist auf die ausführliche Anzeige, welche Heydemann in der Netten
philologischen Rundschau 1889 p. 84 ff. der 8chrift gewidmet hat.
Ricardus Hirsch, De animarum apud antiquos imaginibus. Diss.
inaug. Jenens. 1889. 8. 64 S.
giebt zunächst eine Zusammenstellung der griechischen Vasenbilder mit
i^arstellungen der ^u^^ Abgeschiedenen Er unterscheidet zunächst
zwei wesentlich verschiedene Gruppen: die eine, wo die ^. entsprechend
den homerischen Anschauungen ein Abbild des lebendigen Menschen ist
und die FlQgel nicht ein integrirender Bestandteil des Typus sind (Sze-
nen: Zweikampf um einen Gefallenen, Grablegung, Toten aus der Schlacht
getragen); die andere, vorwiegend durch attische Lekythen gebildete
Gruppe, wo die Darstellung der ^. sich sehr weit vom mensohlichen
Körper entfernt und auf die Beflttgelung ein entschiedener Nachdruck
gelegt ist. Verf. sucht diesen zweiten Typus nach einer z. t. recht
schwachen Polemik gegen Benndorf (Vasenbilder p. 88ff.) durch den Dia*
weis auf den mit den Anthesterien verbundenen Volksglauben zu lUustH*'
ren. Die Untersuchung ist nicht oberflächlich, der Verf. sieht die Pro*
bleme, welche hier vorliegen, aber er arbeitet sie doch nicht befriedigend
heraus; bei manchen treffenden Beobachtungen findet sich viel Unklares
und Falsches, besonders was die bei Plato überlieferten Vorstellungen
anlangt. — Der zweite Teil der Arbeit (p. 84 ff.) beschäftigt sich vor-
wiegend mit dem Grade der Verhüllung der ^. auf griechischen (Kap. II)
und (III) auf römischen Bildern. Verf. sucht festzustellen, dafs bei erste«
ren entweder blofs der hintere Teil des Kopfes verhüllt ist oder der
übrige Körper bei unverhfilltem Haupt, während die römischen Dar-
stellungen fast immer das ganze Haupt so verhüllt zeigen, dafs nur das
Antlitz zum Vorschein kommt (p. 49). Was Verf. dabei über griechische
Tracht im allgemeinen fallen läfst (p. 86 f.) ist höchst oberflächlich und
ungenau: woher weifs er z. B., dafs die Verhüllung des Hauptes zur
griechischen Priestertracht gehört? — Ein Excurs (p. 52 ff.) enthält den
z. t. auf verkehrter Interpretation Platon's aufgebauten Versuch, die
unterweltliche Strafe der Danaiden als eine ursprünglich nicht zur Da-
naidensage gehörige und vielmehr die dfun^zot betreffende Sage zu er-
weisen.
G. Loeschke, Aus der Unterwelt (Festschrift der Univ. Dorpat
1888. 4. 12 S.):
Auf einem klazomenischen Thonsarkophag erhaltene Darstellung eineft
nackten Jünglings, der in jeder Hand einen Hahn hält und rechts and
WinkUr, Hirsch, Loeichke, Paalus, Steadiag (Hades— Hekate). 365
lloks TOP einer mftcbtigeD (?) HQndin angefallen wird, die nach dem
Yogel empor za springen scheint. Verf. erkennt in dem JOngling das
Abbild des Verstorbenen, wie er mit den (mehrfach in der Hand von
Toten erscheinenden) HAhnen die beiden Hunde, welche den Eingang
zur Unterwelt httten, besfinftigt. Die Zweizahl von Unterweltshnnden
erklärt Verf. unter Hinweis auf die beiden Hunde des Tama im Rigveda,
welche vom Toten durch Gaben beschwichtigt werden müssen, und auf
die zwei Hunde der lakonischen Statuette Mitth. d. ath. Inst* H 298 (in
welcher Verf. nicht den Verstorbenen, sondern den chthonischen Zeus
erkennt), als die filtere, der Einzahl des auf den schwarzfigurigen atti-
schen Vasen zweiköpfig gebildeten Kerberos voraufgehende Vorstellung.
Den Glauben, dafs der Höllenhund die Toten beim Eintritt in die Unter^
weit bedrohe und durch Opfergaben beschwichtigt werden könne, meint
Verf. aus ^phokles' Oed. Kol. 1556 ff. für Athen folgern zu dürfen.
Paulus hat im Eorrespondenzblatt für die württembergischen
Schulen Bd. 34 p. 533 ff. einen Beitrag zur Geschichte des Mythus vom
Lethestrom geliefert; er verweist auf Paus. 9, 39, 8 (Trophonios-heiligtum
von Lebadeia) als ältestes litterarisches Zeugnis. Ein die Unterwelt bei
Homer behandelndes Meraner Programm von Lechthaler ist dem Ref.
nicht zugänglich gewesen. — Über die Quellen von Polygnots Nekyia
handelt Dum ml er im Rhein. Museum Bd. 45 (1890).
Was Hekate betrifft, so unterscheidet
Stending in Roschers Lexikon Sp. 1885 — 1900 l) eine ältere
Aaffassung, welche die Göttin einerseits als Moudgottheit kennzeichne
(durch Beinamen wie ipoiotpopoQ n. s. w., durch die Opferzeiten, durch
ihre Dreigestalt, ihre Verehrung als Trivia und als Geburtsgöttin) andrer-
seits ihr die Fähigkeit zuschreibe, Macht und Ehre zu verleihen, sowie
Sieg im Wettkampf, in der Schlacht und vor Gericht, 2) eine jüngere,
wonach sie Gottheit des Gespensterglaubens und der Zauberei, sowie
Unterweltsgöttin sei. Darnach zählt er die Gottheiten auf, mit denen
sie vermischt (besonders lunare und chthonische) oder genealogisch ver-
knüpft wird.
Einen Grund dafür anzugeben, dafs er die chthonischen Beziehun«
gen der späteren Auffassung zuteilt, würde dem Verf. wohl schwer fallen.
Dieselben sind mindestens so alt und so stark wie die lunaren: das be-
weisen Hund und Schlange, nächst der Fackel die wichtigsten Attribute
der Hekate, und eng cbthonisch ist der Kreis, in welchem die bildende
Kunst sie vorführt Dafs die Fackel sich nur aus luuarem Charakter
erklären lasse, wird Verf. im Hinblick auf Demeter selber nicht glauben
wollen: und ob jene Beinamen wie ipiuoipop^Q u. s. w. die Mondgöttio
bezeichnen oder ob sie erst das fackeltragende Bild zur Voraussetzung
haben, bleibt sehr die Frag?.
Die bildlichen Darstellungen der Hekate hat Röscher Sp. 1900
366 Griechische Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten and Heroen.
— 1910 behandelt Wir heben daraus hervor die Besprechung der H.
des pergamenischen Frieses. R. hält es im Hinblick auf mehrere, spä-
terer Zeit angehOrige Monumente der Kleinkunst f&r wahrscheinlich, *dafs
der Kttnstler eine einleibige, aber mit drei Köpfen und sechs Armen ver-
sehene Hekate darstellen wollte' (Sp. 1908).
Ftlr Hektor sehe man Lehnerdt's Artikel in Roscher's Lexikon
Sp. 1910 — 1927 und den Anhang Dfimmler's zu Studniczka*s Kyrene
(oben 8. 810) ein. — Helena behandelt der tüchtige, die litterarischen
wie die bildlichen Quellen erschöpfende Artikel von R. Engelmann in
Roscher's Lexikon Sp. 1928 — 1978; aufserdem verweist Ref. auf oben
S. 288 und 319, sowie auf die weiter unten zu besprechende Abhandlung
ttber das Parisurteil. Der Aufsatz von R. MQnsterberg, Zur Helena der
Gjölbaschireliefs (Arch. epigr. Mitt. aus Österreich-Ungarn Bd. XIII [1899]
p. 84 — 87) hat lediglich archäologisches Interesse. ^
Im Artikel Helios in Roscher's Lexikon Sp. 1993—2026 bespricht
Rapp nach einer Übersicht Ober die Entwicklung des griechischen
Sonnenkultus in sorgfältiger Weise die Vorstellungen vom Sonnenkörper
als Ausgangspunkte fttr die Personifikation, die äufsere Erscheinung des
Helios in Litteratnr und Kunst, die Himmelsbahn in der Vorstellung und
im Mythus, Helios als Herrscher und in menschähnlichen Verhältnissea
gedacht, Helios als ethische Persönlichkeit und endlich den Kultus des
Helios, ^ Warum Verf. (Sp. 1994f.) eine zeitliche Aufeinanderfolge
von Zeus, Apollon, Helios als Trägern der solaren Vorstellungen annimmt,
so dafs Helios das letzte Glied bildete, und nicht vielmehr einen durch
die Gliederung des griechischen Volkes, vielleicht auch durch auswärtige
Einflüsse bedingten Parallelismus, ist nicht abzusehen. Die Hypothese
Rapp's setzt eine einheitliche Entwicklung der griechischen Religion und
ein allgemeines Bedürfnis nach einer vorzüglich solaren Gottheit voraus :
zwei Prämissen, welche Ref. nicht anerkennen kann.
P. Hartwig, Testa di Helios (Mitth. des Kais, deutsch, arch.
Instit. Rom. Abth. II p. 169-166 mit Taf. VII u. VII a.)
veröffentlicht einen 1857 auf Rhodos gefundenen schönen Helioskopf,
dessen Typus er auf Lysipp (Plin. 34, 63) zurückzuführen unternimmt.
Aus der Feder Rapp's stammt der Artikel
Hephaistos in Roscher's Lexikon Sp. 2036—2074.
Die antike Überlieferung ist, soweit Ref. urteilen kann, vollständig
zusammengetragen, unter sorgfältiger Verwertung der neueren Litteratnr,
auch der archäologischen. Die Untersuchung ist besonnen und umsichtig
geführt , abgerechnet die Deutung auf den Blitz Sp. 2047 f. und die bei
einem Vertreter der vergleichenden Mythologie allerdings kaum befremd-
liche Kurzsichtigkeit für die Bedeutung kultlicber und lokaler Momente,
wie sie sich doch ganz zweifellos z. B. in den verschiedenen Geburtssagen
Röscher, Engelmaoii, Rapp, Hartwig, Petersen a. a. (Hekate^Hera). 367
geltend machen. Wie gefährlich es ist, genealogische Verhältnisse natur-
symbolisch zu erklären, macht der Zusatz anschaulich, welchen der
Heransgeber hinter die vom Verf. vertretene Deutung der Hera als Luft
(die den Blitz, Hepbaistos, gebiert) einschiebt: die Göttin bedeute ur-
sprflnglich den Mond, der nach der Anschauung der Alten Wettererschei-
nnngen anzeige, d. h. nach mythischer Auffassung erzeuge (Sp. 2049).
Nicht einmal das erscheint dem Ref. ausgemacht, dafs aus der Gleich-
setzung des Hepbaistos mit dem Element des Feuers, welche in den vom
Verf. Sp. 2086 f. angeführten Redewendungen vorliegt, auch die ursprüng-
liche Beschränkung des Gottes auf jenes Element gefolgert werden
dürfe. - Für Hephaistos ist zu vergleichen oben S. 277 f.
Hera sucht W. H. Röscher im Lexikon Sp. 2076 — 2134 nach
einer dankenswerten Aufzählung ihrer Kultstätten als Mondgöttin zu er-
weisen, eine bereits in seinen * Studien' vertretene Deutung. So bereit-
willig man nun dem Verf. zugestehen wird, dafs Heras Funktion als
GrOttin des weiblichen Geschlechtslebens — wofür ein umfassendes Beweis-
material dargeboten wird — die dem Mondlicht zugeschriebenen Kräfte
bis zu einem gewissen Grade widerspiegelt, so entschieden ist dagegen
Terwahrung einzulegen, dafs Verf. auch die Analogien, welche Hera zu
anderen * evidenten Mondgöttinnen der Griechen' aufweise, zur Beweis-
führung verwendet. Solche Analogiebeweise sind völlig kraftlos, und für
die Gleichung Hera-Juno bleibt die undeutliche Gestalt der Dione ein
Argument von recht zweifelhaftem Wert.
Aus welcher Quelle Verf. die Angabe schöpft, dafs Heras Tempel-
dienst nur von verheirateten Frauen versehen wurde (Sp. 2089) ist dem
Ref. unerfindlich. — In den weiteren Abschnitten behandelt Verf. Hera
als Göttin der Ehe, ihre sonstigen Funktionen und Mythen, Attribute
und Opfer.
Im Gegensatz zu dem einseitigen Charakter des mythologischen
Teiles ist der archäologische, welcher ebenfalls von R. herrührt, durch-
aus sachgemäfs gehalten. Dafs Hera im Attribut des Kalathos sich mit
Göttinnen berührt, die nicht 'Mondgöttinnen' sind, dafs der Löwe und
die gelegentlich ihr gegebene Mauerkrone nach dem Orient weisen, hebt
Verf. nicht hervor, wie er denn auch die Annahme der semitischen Her-
kunft der Göttin nur bestreitet, aber nicht widerlegt. Gerade die (in
der vom Verf. gegebenen Übersicht fett gedruckten) Hauptlokale des
Herakultus waren semitischen Einflüssen ausgesetzt.
Was die bildlichen Darstellungen der Hera anlangt, so ist jetzt
hinzuweisen auf den vorzüglichen kleinen Aufisatz von
E. Petersen, Hera von Alkamenes (Mitth. des Kais, deutsch, arch.
Instit Rom. Abth. IV p. 66—74)
welcher den Hera-Typus zweier attischen Reliefs (Schoene T. X 54 und
Peltion arch. 1888 p. 124) auf Alkamenes zurückführt. Religionsgeschicht-
308 Grieehische Mythologie. 4. Eiofelne Gottheiten nnd Heroen.
lieb sehr beachtenswert ist die ganz geringe Anzahl von attischen Knlt-
stätten der Hera, welche bei der vom Terf. p. 69 f. gegebenen Zasammen-
Btellung herauskommt.
Die Geschichte der Herakles-Sage skizzirt in grofsen Stridien
Y. Wilamowitz-Möllendorff im 6. Kapitel seiner Einleitung in die
attische Tragödie (Berlin, Weidmann 1889) p. 258 — 840. 'Die griechische
Geschichte und die griechische Religion und Sage gehören zusammen,
weil der Inhalt teils identisch ist teils eines das andere bcidingt.' 'Die
Wurzel des ganzen dorischen Wesens ist der Glaube an die Göttlichkeit
des rechten dorischen Mannes, ^elog dv^p nennen die Spartiaten einen
der ihren, wenn er das leistet, was sie von dem Manne fordern. Dieser
Glaube durchdringt das ganze Leben. Frauen und Kinder, Hörige und
Knechte haben gar keine andere Existenzberechtigung als in Beziehung
zu dem Manne, fQr den sie da sind. Die ganze Sittlichkeit ist darauf
begründet, daCs er seine Existenz erfollt und geniefst. Der ganze Zu-
schnitt des Lebens ist darauf berechnet.' Den religiösen Ausdruck dieser
alles durchdringenden Empfindung, die Verkörperung des dorischen
Mannesideals erkennt Verf. in Herakles, dem d^ij/p ^eoc, und versucht
den Nachweis, dafs Herakles den Hellenen, d. h. der autochthonen Be-
völkerung fremd, dagegen das gemeinsame Besitztum der eingewanderten
Thessaler, Böoter und Dorer war.
Die Herakles -Sagen scheidet Verf. in geschichtliche und in reli-
giöse. Erstere, die aberwiegende Mehrzahl, sind Niederschläge der do-
rischen Geschichte: Herakles erscheint als Repräsentant der Dorer und
wird als solcher auch in ältere Sagen eingeschoben, an Stelle einheimi-
scher Heroen. Aber solche Sagen wurden stets als napipya gefühlt: die
Grundbedeutung des Herakles liegt tiefer. 'Mensch gewesen, Gott ge-
worden; Mühen erduldet, Himmel erworben' — das ist der Kern der
ältesten, der religiösen Sage und das Evangelium, das sie zum dorischen
Manne sprach. Der Kampf mit dem Löwen, die Überwindung der yyjjev&TQ^
die Höllenfahrt und die Fahrt zum Göttergarten, wo Herakles die Un-
sterblichkeit gewinnt, gehören zum ältesten, aus den makedonischen
Bergen mitgebrachten Bestand.
Verf. zeichnet sodann die Entwickelung der Sage auf hellenischem
Boden, und zwar zunächst die entscheidende Ausbildung, welche Herakles
in Argos erfuhr. Von Hera, der Herrin der Argolis, erhielt er seinen
neuen Namen 'der Beraberühmte ' (ein älterer ^AkxaToQ^ ygV'Ahefß^y^\
während der anfängliche Gegensatz der einheimischen Heraverehrer gegen
die eindringenden Heraklesdiener in Heraus Hals seinen Ausdruck fand.
Die genealogische Anknüpfung an Perseus nnd die Dienstbarkeit sollen
die dorische Herrschaft legitimiren. In Argos entstand denn auch, ver-
mutlich im 8. Jahrhundert, der Dodekathlos, eine planvolle Dichtung,
die das Leben des Herakles von der ersten Tbat, dem Löwenkampf, bis
zu seiner Himmelfahrt darstellt, mannigfaltig im Einzelnen, einheitlich
T. Wilamowiti-Moellendorff, Wernieke (Henkle^. 369
In der AnffassiiDg des Helden nnd seiner Lebensanfgabe, welche ist:
i^^poiaai jrußv, — Der verbreiteten Neigung, im Dodekatblos ein
mythographisches Gonglomerat späterer Zeit zu erkennen, hält Verf. den
einheitlichen Charakter nnd die frQhe kanonische Geltung dieses Cyklos
entgegen (Zeustempel von Olympia)» Was die Mythographen vorn und
hinten hinzufügten, Kindbeitsgeschichte und Tod, sondert sich mühelos
ab als Ausflufs zweier nicht-argolischer Sagenkreise, des oitäischen und
des boiotischen.
Hinsichtlich des oitäischen läfst Verf. die Frage nach der Person
des Dichters, der diese Sagen zuerst zusammenfassend behandelt hat,
offen, sucht aber in feinsinniger Analyse die ursprünglichen Züge der
Heraklesreligion zu lOsen von alledem, was eine der menschlich helden-
haften aber liebenswürdig Mäfslicben Weise Homers' verwandte Epik
hinzugefügt hat. Zu diesen Neuerungen gehört auch das lydische Lokal
der Omphalesage, da eine Reihe der darin auftretenden Orts- und Per-
sonennamen in der Umgegend des Oita nachweisbar ist Im thebischen
Kindermord erkennt Verf. lediglich ein Erzeugnis der kombinirenden
Reflexion, dazu bestimmt den boiotischen Sagenkreis mit dem argivischen,
dessen Übergewicht der Thebaner schmerzlich empfand, zu verknüpfen.
Der letzte Teil der Untersuchung betrifft die Heraklesreligion seit
der archaischen Zeit. Die Folgezeit steht unter dem Übergewicht der
attischen Kultur, das volle Verständnis für den dorischen Gottmenschen
geht Dichtern und Bildnern verloren, man fafst ihn einseitig auf, in
dieser oder in jener Richtung, Entstellung und Verzerrung bleibt nicht
aus. Sophisten und Kyniker kommen mit ihrem Heraklesbild dem alten
Glauben noch am nächsten, dessen letzter Verkünder Pindaros gewesen
war. *Als Heros der Kyniker, als Streiter für die Civilisation, als All-
sieger in den Kämpfen der Faust und der Keule, aber nur zu leicht dem
Weine und der Liebe erliegend hat Herakles durch die Jahrhunderte
fortgelebt, während zu dem Gotte die Menschen in Leid und Freud sich
hielten, denen er als solcher von den Vätern her vertraut war, unbe-
kümmert um das, was die Philosophen in ihm suchten oder die Dichter
von ihm fabelten: da war er eben Gott; das genügte der Frömmigkeit,
die glücklicherweise trotz jeder Theologie bestehen bleibt' (p. 837).
Den Ergebnissen dieser schönen Darlegung, welche wiederum von
des Verf. tiefem Verständnis für religionsgeschichtliche Probleme zeugt,
pflichtet
Konrad Wernieke, Zur Geschichte der Heraklessage (Aus dar
Anomia. Archäologische Beiträge, Carl Robert dargebracht Berlin,
Weidmann 1890. p. 71-86)
insofern bei, als er zwar den Grundstock der Herakles-Sage für griechisch
und hauptsächlich dorisch hält, doch bei einzelnen Zügen, denen die
Geltung sekundärer Bestandteile zukomme, den durch von Wilamowitz
Jahrsibericht fir AlteitamswiiMBScbaft. LXVL Bd. 24
370 GriecliiEclie Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten und Heroen.
fast gänzlich geleugneten orientalischen Ursprung vermutet, und er
▼ersucht denselben wenigstens für das Motiv der Selbstverbrennung des
Helden zu erweisen. Ausgehend von der thessalischen, später nach
Lydien übertragenen Omphale, in der Verf. die itonische Pallas wieder-
erkennen möchte, sucht er die Voraussetzungen, die eine Übertragung
der Herakles- Omphale- Sage nach Lydien ermöglichten, näher zu be-
stimmen. Die Gestalt des mit Herakles identifizirten Gottes Sandon
oder Sandan, auf welche alles ankommt, stellt er nicht blofs in Kilikien
(Apoll. Bibl. III 14, 3, 1) sondern auch in Kappadokien und Lydien fest
und sucht die litterarisch bezeugte, syrisch-phoinikische Herkunft desselben
archäologisch zu bestätigen. Die fOr den tarsischen Kultus des Sandon
gesicherte Vorstellung, dafs dieser Gott anf einem Scheiterhaufen ver-
brannt wird, glaubt nun Verf. auf den griechischen Herakles übertragen,
dessen Erdenlaufbahn nach alt griechischer Sage in anderer Weise
abschlofs.
Knaack sucht im Hermes Bd. XXIII (1888) p. 181 — 141 (vgL
p. 819f.) die Umrisse des Kallimach eischen Gedichtes, welches des H.
Abenteuer im Dryoperland behandelte, zu rekonstruiren. In demselben
wurde die Hylassage wahrscheinlich nur gestreift. Für Philostr. iroag. 11
24, der einen Namen für den lindischen Bauer der Heraklessage hat,
wird die Benützung eines mythologischen Handbuchs vermutet (nicht,
wie der Verf. früher, Callim. 12, angenommen hatte, des Kallimachos).
Die Kunstmythologie des Herakles, welche A. Furtwängler in
RoBcher's Lexikon Sp. 2136 — 2262 geliefert hat, zeichnet sich durch
Reichhaltigkeit, Methode und aufmerksame Beachtung der von 'Kunst-
mythologen' häufig übersehenen religionsgeschichtlichen Momente aus.
Verf. behandelt zuerst die Entstehung der ältesten Typen, dann die wei-
tere Entwickelung der Typen in den verschiedenen Kunstepochen und
endlich Herakles Thaten in der Kunst. Besonderes Interesse verdienen
die beiden ersten Abschnitte. Verf. sucht zu erweisen, dafs Herakles in
der ältesten Zeit immer ohne das Löwenfell auftritt, dafs er zumeist
ganz nackt erscheint und als Waffen sowohl den Bogen — was das Hän-
figere ist — als auch die Keule trägt; das Löwenfell führt Verf. in an-
sprechender Darlegung auf einen im Beginn des 6. Jahrhunderts erfolgten,
durch die griechischen Sagen von den Tierkämpfen des Gottes erleich-
terten Einflufs eines verwandten phoinikischen Göttertypus zurück (vgl.
Perrot, bist. III p. 421). Als sich dieses Attribut nun vom Südosten der
griechischen Welt (bes. Kypros) nach den Gegenden verbreitete, wo der
nrsprfinglich nackte Herakles Chiton and häufig auch Panzer erhalten
hatte, da entsteht die aus den älteren attischen Vasenbildem bekannte
Tracht: Chiton und darüber Fell. Die nnbärtige Bildung des (Lottes
sieht Verf. mit Recht als gleichberechtigt neben der bärtigen an und
weist sie für die archaische Zeit besonders in jonischen und von der
jonischen Knnat beeinfluTsten Ennstkreisen nach. Zu erwähnen war hier
Knaaek , FurtwftDgler, Jul. Scbneider (HeiaUes). 871
jedoch auch die ErscheiDnng, dafs thebanische Mttnzen des 6. Jahrhun-
derts nebeneiDaDder den anb&rtigeD and den bärtigen Typus aufweisen.
Fflr den Übergangsstil und den ftlteren freien Stil konstatirt Verf. eine
allmählich fortschreitende Neigung zu leichterer Ausrüstung des Helden
und zu grOfserer Nacktheit: ein im Stil des 4. Jahrhunderts abgeschlosse-
ner Prozefs, indem hier von der Waffenrüstung nicht nur das (in der
archaischen Kunst häufig zusammen mit dem Bogen auftretende) Schwert
verschwindet, sondern auch der Bogen seltener wird; die äufsere Cha-
rakterisirung des Gottes besteht jetzt lediglich in der Keule und dem
um den Arm geschlagenen LOwenfell (Sp. 2198).
Hinsichtlich des Hydra -Kampfes yermifst man einen Hinwels auf
die Abhandlung Konitzers, Breslauer üniversitätsjubiläum von 1861.
Aus dem Abschnitt, welcher besondere Bildungen des Herakles behan-
delt, hebe ich als bemerkenswert hervor, dafs F. auf Grund mehrerer
attischer und boiotischer Denkmäler (u. a. des hier zum ersten Mal
edirten thebanischen Yotivreliefe Friedrichs -Wolters 1163) eine in der
Litteratur nicht überlieferte Sage zu rekonstruiren sucht, wonach H.
den Pluton durch den Acheron oder den Okeanos in die Oberwelt trägt
und als Gegenleistung dafür von Pluton das Füllhorn erhält
Die Ableitung des Heraklestypus von Sandon und Melkart weist
Yerf. am Anfang des Artikels zurück, ebenso die Abhängigkeit des eiy-
thräischen und des thasischen Bildes von PhOnikien ; ob aber der orien-
talische Einflufs überhaupt auf die Übernahme des LOwenfelles zu be-
schränken ist, wird fraglich bleiben. Auch in dieser Hinsicht hätte
Herakles Abenteuer mit Omphale eine ausführlichere Behandlung ver-
dient, als Verf. sie giebt Sp. 2234 und 2247 : auf dasselbe fällt durch
die aus Plutarch Qu. Gr. 68 zu folgernde weibische Tracht des koisoben
Kultbildes, welche Verf. übersehen hat, ein interessantes Licht
Julius Schneider, Die zwölf Kämpfe des Herakles in der älte-
ren griechischen Kunst (Inaug.-Diss. von Leipzig 1888) 8. 78 S.
sucht das Verhältnis zu bestimmen, in welchem die beiden Künstler der
Olympia- und der Theseionmotopen zueinander und zu den überlieferten
Typen stehen ; zu diesem Zweck geht er auf die ältere Entwicklung der
einzelnen Typen ein. Soweit die Untersuchung die Mythologie berührt,
hat sie das Unglück von der kurz nachher erschienenen Arbeit Fnrt-
wängler's beträchtlich überholt worden zu sein. Der V«*f. hat sich aller-
dings seine Aufgabe nicht allzuschwer gemacht, er hat sich bei den
Athla, wo bereits das Material zusammengestellt war, wie beim LOwen-
kampf durch Adolf Michaelis Aufsatz von 1869, kaum bemüht die seit-
dem hinzugekommenen Monumente zu verwerten. Unbekanntscbaft mit
einigen der ältesten Darstellungen des Herakles und des LOwenkampfes
labt ihn zu dem Ergebnis gelangen, dafs der Löwenkampftypus von der
griechischen Kunst aus dem Orient übernommen sei» während er 4a8
a4»
8?2 GriechlficlM Mythologie. 4. Eioselne Gottheiton und Heroen.
Ll)wenfell als Attribot für altgrieehiscfa zu halten geneigt ist (p. 16. 19)
Da der Verf. übrigens Geschick und Verständnis fftr die Behandlung
typengeschichtlicher Fragen zeigt, so ist der unzureichende Umfang seiner
Vorarbeiten recht zu bedauern.
J. P. Six macht in der Zeitschrift ftkr Numismatik Bd. XIV (1886)
p. 142—147 auf einen Stater von Mallos aufmerksam (kurz nach 887 ?.
Chr.), auf welchem er, die von Rudolf VIT eil zur Erkennung eines be-
rtthmten Kunstwerkes auf Münzen aufgestellten Kriterien verwertend,
den lOwenwürgenden Herakles des Myron wiederfinden möchte.
Weizsäcker führt in einem feinsionigen Aufsatz im Korrespon-
denzblatt für wflrttembergische Schalen Bd. 36. p. 427 ff. aas, dafs die
AÜasmetope von Olympia nicht den von Paus. V 10 (Herakles im Begriff
die Last des Atlas abzonehmen) genannten Moment darstelle, sondern
dafs hier eine neuere, humoristische Wendang der Sage vorliege, welche
sich auch bei Apollodor U 6, 13 findet
Studniczka, Jahrbuch des Kais, deutsch, arch. Instit I (1886)
p. 87—94
erkennt auf der Hjdravase Gerhard A. V. II 95 f. eine treue Wieder«
Mang des alten Typus und sucht die Annahme der chalkidischen Pro-
venienz der Vase durch eine genaue Vergleichung derselben mit den
Gruppen der sicher chalkidischen Vasen zu widerlegen. Der Verf. hält
vielmehr den attischen Ursprung der Vase für wahrscheinlich.
Wolters, ebd. p. 6, bezieht den Kopf Anc Marbl. II 66 wegen
des Weifepappelkranzes auf Herakles und weist ihn der Prazitelischen
Konst za. — Dagegen gelangt Botho Graef in den Mittheilungen des
arch. Instit. Rom. Abth. IV (1889) durch eine stilistische Vergleichung
dieses Kopfes (dessen Repliken er zusammenstellt) mit dem Praxitelischen
Hermes und andrerseits mit den tegeatischen Skulpturen zu dem Ergeb-
nis, dals der Typus dem Skopas, und nicht dem Praxiteles, zuzusprechen
sei. Für Herakles Epitrapezios verweist Ref. auf Heydemanns XII.
Hallisches Winckelmanns- Programm 1887 p. 28ff. und auf P. Weis-
8äcker*8 Veröffentlichung im Jahrbach des arch. Instit. 1889 p. 106 — 112.
--• Die LeipBiger Dissertation Escher*s über Triton und Herakles (1890)
ist dem Ref. leider noch nicht zugänglich gewesen.
Karl Pilling; Zur Heraklidensage (Jahresbericht des Domgymna-
Slams zu Naumburg a. S. 1890. 4. 20 S.)
giebt eine ttbersidüliche Darstellung der Qesdiichte der Heraklidensage
te der Litteratur von Homer bis Euripides. Verf. verweist häufig, und
ttberall zustimmend, anf die durch v. Wilamowitz und Thraemer (Per^
gamos) geäufserten Ansichten : Neues von Bedeutnng ist dem Ref. nicht
entgegen getreten.
Six, 'WeUsftcker, Stodnicska, Wolters, PilliDg, Röscher (HevakleaH^rmea). 378
Was den Hermes betrifft, so giebt
Röscher, im Lexikon Sp. 2842—2890, zunächst eine Übersicht
über die Kultst&tten und Lokalsagen des Hermes » welche mit grofser
Sorgfalt angelegt ist und von jedem Forscher wegen ihrer Handlichkeit
dankbar begrüfst werden wird. Nachdem dann die bisherigen Deutnngs«
versuche besprochen und die Argumente für des Verf. eigene Deutung
— Hermes 'der älteste Wind- und Luftgott der Griechen' — kurz zu-
sammengefafst worden sind, erfahren die einzelnen Seiten in Hermes
Wesen (Diener der Götter, Räuber, Musiker, Seelenfohrer u. s. w«) eine
ausführliche Besprechung, deren Mittelpunkt jedesmal das vom Verf.
angenommene Natursubstrat bildet. Ob dieses, auch in anderen Artikeln
wiederholte Verfahren gerade für ein 'Lexikon' der Mythologie ange-
messen ist, sei dem verdienstvollen Leiter des Unternehmens zur Beur-
teilung anheimgestellt. Jedenfalls ist die Deutung selbst dabei nicht
probabler geworden: nach wie vor leidet sie bei mancher ansprechenden
Einzelheit an bösen methodischen Fehlern. Einerseits wird der Wert
des Epos, dieser doch keineswegs reinlichen und im allgemeinen weder
die ältesten noch gemeingriechische Religionsvorstellungen wiedergeben-
den Quelle weit überschätzt. Glaubt denn Yerf. allen Ernstes, dafs der
Gott auch von seinen Gläubigen 'seit ältester Zeit als ein Diener des
Zeus' gedacht wurde (Sp. 2862 Z. 87)? etwa von Orest, wenn er bei
Aischylos also betet: ' ^Epiaj ^Böva narp^* i7to7tvi6(uv xpdvif7 Ist fiber^
haupt eine Kultgottheit denkbar, die von Hause ans Sohn and Diener
eines anderen Gottes wäre (Sp. 2862 Z. 40 ff.)? Aber Verf. nimmt kaum
irgendwo einen Anlauf zur Scheidung kultlicher Vorsteilungen von solchen,
welche den poetischen Zwecken und der systematisirenden Tendenz des
Epos entsprangen. Im Kultus sind die hervorstechendsten Zftge des
Hermes zweifelk>s seine Eigenschaft als Förderer jeglicher Ftuefatbarkeit,
oder besser seine Zeagungskralt, und seine Beziehung zu den Toten.
Nun wird ja die Wichtigkeit des Windes für das Gedeihen der Yegetar
tion vom Verf. durch eine Reihe von Ci taten dargelegt, aber da& die
Sonne and der Erdboden aach in der Anschaaang der Alten aiadestens
ebenso bedeutsame Faktoren für die Fruchtbarkeit waren, wird Verf.
doch nicht leugnen wollen. Dann ist es aber, den gesunden Mansefaei-
verstand der ältesten Hermesverehrer vorausgesetat, einfach undenkbar,
dafs sie gerade den Windgott so Mar* i^oxr/v als Gott der Fruchtberkeft
and Zeugungskraft schlechthin verehrt haben sollten wie es ai8 dem
phallischen Bilde mit Sicherheit geschlossen werden darf» Korz, das von
R. angenommene Natursubstrat pafst zu dem ältesten und weitverbrei-
teten Kultbild des Gottes wie die Faust aufis Auge. Ni<^t viel besser
kommt denn auch jene andere Seite des Hermesknltes weg, die Besiehiivg
zu den Toten. Weil 'die Seelen von jeher Inftartig gedacht wurden und
demnach bei der Trennung vom Leibe in das Reich des Windes oder
374 OrieGblBche Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten und Heroen.
der Luft, dem sie entstammen, znrflckkehren müssen', wnrde der Wind-
gott zum Psychopompos — sagt R. Es genflgt dieser Kombination gegen-
über auf die bekannte Tbatsache hinzuweisen, dafs der Totengott Hermes
in Athen der ^BSvtoe heifst, also von einem ganz anderen Element den
Namen hat als von Luft und Wind. Wie Oberhaupt dem ursprünglichen
* Windgott' dieses Beiwort jemals zufallen konnte, darüber verrät B.
nichts: seine Theorie versagt gegenüber zwei so hochbedeutsamen und
unzweideutigen Zeugnissen des Hermeskultes, wie es der Beiname ^[BSveag
und das phallische Bild sind.
Von Einzelheiten ist uns aufgefallen, dafs das Ausseheu des Hermes
in der älteren Poesie nach Sp. 2366 Z. 69 f. das "eines tüchtigen kräfti-
gen Mannes mit starkem spitzen Barte' gewesen sein soll, nach Sp. 2388
Z. 64 f. dagegen das eines edlen Jünglings ' dem der Bart erst keimt, im
holdesten Beize der Jugend'. Der offenbare Widerspruch zwischen der
Darstellung älterer Vasenbilder und der homerischen scheint für den
Verf. gar nichts Befremdliches zu haben. Hinsichtlich der Etymologie
des Namens hätte die zwar aphoristisch vorgetragene aber interessante
Vermutung 0. Kellers (Fleckeis. Jahrb. 1886. p. 101 f.) wohl eine Er-
wähnung verdient
Die bildlichen Darstellungen des Herakles haben durch Chr.
Scherer, Lexikon Sp. 2890—2432, eine ausgiebige und in der Haupt-
sache treffliche Behandlung erfahren; besonderen Dank verdient es, daCs
Seh. das schwer zugängliche Material der geschnittenen Steine gründlich
verwertet hat (Sp. 2406 f.). Die Beziehung der Sp. 2396 abgebildeten
tanagraeischen Terrakotte auf Hermes ist recht zweifelhaft (vgl. Milch-
hüfer, AnfiLnge p. 214 f.): es kann ebenso gut eine menschliche Weihfigar
sein. Der bärtige Kopf auf Bronzen von Methymna (Sp. 2899 Z. 12 f.)
stellt, wie Ref. in Fleckeis. Jahrb. 1887 p. 442. Anm. 17 nachgewiesen
bat, wahrscheinlich nicht den Hermes sondern Dionysos dar. Daik der
jugendliche Typus allen auf jonischen Ursprung zurückgehenden Monu-
menten eigentümlich sein soll, wie Verf. Sp. 2397 Z. 6 f. behauptet, wäre
eine religionsgeschichtlich überaus interessante Thatsache: umso mehr
ist zu bedauern, dafs Verf. als Beleg blofs eine s. f. Vase etruskischer
Technik beibringt
Dafs in den homerischen Oedichten allerdings der jugendliche
Typus vorkommt, hofft Ref. in Fleckeisens Jahrbüchern a. a. 0. p. 489 ff.
endgiltig festgestellt zu haben. Ref. versucht daselbst im Anschlufs an
V. Duhn (Annali 1879 p. 148 ff.) den Nachweis, dafs weder die litterarische
noch die monumentale Überlieferung die beliebte Annahme der Priorität
des bärtigen Hermes-Typus bestätigt, sondern ein ursprünglicher Dualis-
mus des bärtigen und des jugendlichen Typus anzunehmen sein wird.
Eine völlig neue Deutung des Hermes empfiehlt
Roseher, Scherer, 0. A. HoffmaoD, Conse a. a. (Hermes). 375
Otto Adalbert Hoffmann, Hermes nnd Eerykeion. Stodie zur
Urbedeatang des Hermes. Mit einer Tafel. Marburg, Elwert. 1890.
8. 62 S.
Nach einer Kritik der bekannteren bisherigen Dentongsversnche
bemüht sich Verf. darzulegen:
1) Dafs die älteste Form des Eerykeion Oeine oben geOühete ara-
bische Acht, welche senkrecht auf einem Stiele aufsitzt') nicht griechi-
schen, sondern phOnikischen Ursprungs ist und zwar 'als zust&ndiges
charakteristisches Symbol' mit Sicherheit nur an der MondgOttin Astarte
nachweisbar ist, als ein Sinnbild des Mondes.
2) Dafs Hermes ursprünglich eine (indogermanische) Mondgott-
heit ist, auf welche bereits in frühester Zeit das phOnikische Mond-
symbol des Kerykeions übertragen wurde.
Der zweite Abschnitt trägt das Gepräge der bekannten mytholo-
gischen Mache: ein paar anscheinend Innare Züge genügen, um eine ur-
sprüngliche Mondgottheit zu konstruiren, mag der kultliche Charakter
des (jottes (Phallos und x^6vtog) dazu stimmen oder nicht Die Beweis-
führung ist weit schwächer als sie Röscher für seine Deutung bietet, sie
besteht nicht selten in Gitaten ans neueren Gelehrten, während doch ein
Zurückgehen auf die letzten Quellen kaum irgendwo so nötig ist wie in
mythologischen Fragen. Der Verf. hätte im Interesse seines, durch die
Abhandlung über den belvederischen Apoll so schön begründeten wissen-
schaftlichen Ansehens besser gethan von einer Deutung des Hermes über-
haupt abzusehen und dafür eine wirklich gründliche Untersuchung über
das Kerykeion zu geben. Wo, wann und wie es zuerst bei Hermes auf-
tritt, seine Weiterbildung, ob der f>dßdoQ im Homer wirklich schon als
das Kerykeion zu verstehen ist — diese und andere Fragen mufete der
Verf. einer genauen und selbständigen Prüfung unterziehen, wenn die
Mitteilungen des ersten Abschnittes für die griechische Religions-
geschichte rechten Wert gewinnen sollten.
Eine spätgriechische Bronzestatuette des jugendlichen Hermes ver-
öffentlicht Conze in den Jahrbb. des Kaiserl. deutschen archäol. Insti-
tutes II 1887 p. 133 — 136 Tai 9. Dieselbe ist dadurch besonders inter-
essant, dass die rechte Hand ein Widderborn umfafst, ' in dessen Krüm-
mung, wie von einem frisch geschlachteten Thiere, das Ohr noch ge-
blieben ist'.
Das für die Ergänzung des Praxitelischen Hermes bedeutsame
pompejanische Wandbild, welches einen den Dionysosknaben haltenden
Satyr darstellt, wird besprochen und erläutert durch H. v. Roh den,
Jahrbb. ebd. p. 66—68.
Auf die anscheinend fleifsige Untersuchung von ^
376 Grieehiflche Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten and Heroen.
J. Klemm, t)e fabulae quae est de Heras et Leandri amoribns
foDte et auctoritate (Inaug. Diss. Leipzig 1889.) 8. 61 S.
kann, da dem Ref. nnr eine flflchtige Darcbsicht möglich war, hier nur
hingewiesen werden.
Betreffs der Heroen verweist Bef. anf oben S. 262ff.
Hestia behandelt in Roschers Lexikon Sp. 2605—2668 anter sorg-
ftltiger Benützung des seit 1864 hinzagekommenen Materiales der ge-
lehrte Verf. des Baches 'Hestia-Yesta', A. Preaner. Zanädist werden
Etymologie and fiedeatang des Wortes and die Mythen besprochen, so-
dann : I. Hestia als OOttin des heiligen Feaers. 1) Die Jangfräalichkeit
der Hestia. 2) H.'s erste Stelle bei Spenden, Opfern a. s. w. 8) Andere
Enltgebräache. H. Hestia als GOttin des Heerdfeuers and Hansheerds.
ni. Hestia als GOttin der heiligen Feaer and Feaerheerde der St&dte
and Staaten. Hestia in der Speknlation. IV. Hestia in der bildenden
Knnst —
Da der Inhalt des besonders darch geschichtliche Betrachtangs-
weise and exakte Methode aasgezeichneten Artikels mehr ins Gebiet
der Sakralaltertümer gehOrt and überdies in allen wesentlichen Pankten
mit den Darlegangen der bekannten grOfseren Monographie des Terf.
übereinstimmt, so mnfs Ref. aaf einen aasführliohen Bericht verziditen.
Die Hören betrifft ein übersichtlicher und reichhaltiger Artikel von
Rapp in Röscheres Lexikon Sp. 2712 — 2741. Verf. deutet die
Hören unter eingehender Begründung als 'Gottheiten der himmlischen
Gewftsser, die durch Thau und Regen Wachstum spenden' (Sp. 2714).
Wir eikennen diese Deutung ohne Umst&nde an, weil sie (im Unterschied
von den physikalischen Deutungen der meisten Gottheiten) nicht bloDs
aaf bestimmte alte Zeugnisse sondern auch auf Kultgebräuche gestützt
ist: dafs aber auch durch die Genealogie der Hören ihre Naturbedeutung
bestätigt sein soll, wie Verf. Sp. 2716 f. meint, ist uns keineswegs ein-
leuchtend. — Verf. bespricht 1) die Naturseite der Hören, 2) die H.
als Göttinnen der Jahreszeiten, wozu sie erst in griechisch-römischer Zeit
gemacht werden, d) die H. als Schicksalsgöttinnen und ethische Mächte
und 4) den Kultus der H., wofür das Meiste allerdings sdion im Vorher-
gehenden gegeben ist Das archäologische Material ist verständigerweise
nicht hinten als selbständiger Abschnitt angehängt, sondern gehörigen
Ortes verwertet Mit besonderer Rücksicht anf die bildlichen Darstellun-
gen behandelt denselben Gegenstand:
Paulus Herrmann, De Horarum apud veteres figuris. (Dissert
inang. Berol. 1887.) 8. 48 S.
In der Praefatio bespricht Verf. die Einteilung des Jahres bei
den Griechen. Die älteste Zeit unterscheidet zwei, die Blüthezeit drei,
Klemm, PrenDer, Rapp, P. Herrmann, R. Schmidt, Winnefeld ( Hero-Hypnos). 377
die heUenistische Zeit vier Jabreszeiten. Pars I : De Horis quae non ad
quatuor anni tempora pertinent. Gap. I: Qaibas maneribas Horae fan-
gantnr, antequam anni temporibus praeesse coepernnt. Die Erklärung
des Übergangs ?om älteren, aktiven Charakter zar bloüsen Personifikation
hat sich Verf. entschieden zu leicht gemacht (p. 16). Die Dreizahl er-
klärt er als älteste Vorstellung (p. 25), während unter den zwölf ältesten
Monumenten, welche er aufführt, bestenfalls vier diese Zahl aufweisen:
bei einigen vom Pausanias erwähnten Bildern behauptet Verf. zwar, die
Dreizahl könne 'certissime concludi', bleibt aber den Beweis schuldig.
Cap. n : De monumentis, in quibus tres anni Horae expressae sunt Hier
sowie in Pars ü: De quatuor Horarum typis, quomodo in artis monu-
mentis expressi sint. Gap. I: De parietum picturis (die übrigen Monu-
mente sollen in einer demnächst zu veröffentlichenden Fortsetzung der
Dissertation behandelt werden) ist das archäologische Material sorgfältig
zusammengetragen und im Einzeben gut interpretirt, aber zu einem
klaren Bild von der Entwickelung des Typus kommt der Leser nicht.
Hauptsächlich den Hymenaios betrifft eine tüchtige Arbeit, die
eigentlich schon früher zu besprechen gewesen wäre:
Richardus Schmidt, De Hymenaeo etXalasio dis veterum nup-
tialibus. (Diss. inaug. Kiel 1886.) & 95 S.
Der Verf. stellt zunächst die Hymenaios-Sagen zusammen (Abstam-
mung von einer Muse, frühzeitiger Tod, Befreier der Jungfrauen aus
R&uberhand, Abstammung von Dionysos und Aphrodite) und versucht
darzulegen, dafs die besonders in Thessalien (Magnesia) heimische Gestalt
aus einem Beinamen des Dionysos als eines die Fruchtbarkeit fördernden
Gottes hervorgegangen ist Sowohl in Hinsicht auf Körperbeschaffenheit,
Tracht und Attribute wie auf Sagen und Gebräuche weist der Verf.,
indem er die litterarische und die monumentale Überlieferung mit grofser
Sorgfalt verwertet, eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den bei-
den Gestalten nach. Weniger geglückt erscheint dem Ref. der im zwei-
ten Teil der Abhandlung (p. 81 ff.) unternommene Versuch, den römischen
Hochzeitsgott Talasius, in dessen Namen Verf. die Wurzel ^A- (florere,
germinare) erkennt, auf Mars zurückzuführen. — Die ausführliche B^
handlung der bildlichen Darstellungen des Hymenaios, welche wir p. 57
— 80 erhalten, hat Verf. nachträglich (Jahrbuch des arch. Instit II [1887]
p. 126) in einem Punkt dahin berichtigt, dafs der phrygisch gekleidete
Jüngling des Reliefe bei Müller -Wieseler Denkm. 11 75 n. 961 nicht
Hymenaios sondern, im Hinblick auf Iph. Aul. 1040 ff., Ganymedes zu
nennen sei.
Auf die vorwiegend archäologische Untersuchung von H. Winne-
feld, Hypnos. Ein archäologischer Versuch. Stuttgart, Spemann 1886.
8. 88 S. mit Fig. u. S Tal, sowie die tüchtigen, erst 1891 erschienenen
Artikel, welche Rosoher's Lexikon tdt die Hyperboreer (von Maxim.
378 Oriechiscbe Mythologie. 4. Einzeloe Gottheiten und Heroen. ^
Mayer, 8p. 2806«^2841) und fQr Jakchos (von Höfer, II Sp. 1—11)
gebracht hat, kann Bef. hier nnr hinweisen.
Franz Winter, Jakchos (Bonner Stadien Beinhard Keknl6 ge-
widmet. Berlin, Spemann 1890. p. 143—168 mit Taf. VIII a. IX)
veröffentlicht einen jugendlichen Marmorkopf der vatikanischen Samm-
lungen, dessen Original er auf Grund stilistischer Merkmale, besonders
der Proportionsverhältnisse der Mitte des 6. Jahrhunderts zuweist Die
Verwandtschaft mit dem sogenannten Eubuleus ist, soweit man nach einem
Vergleich der Abbildungen urteilen kann, zweifellos; dafs die runden
Ansätze über den Schläfen kaum von etwas anderem als kurzen, aufwärts
gerichteten Stierhörnern herrühren können, wird dem Verf. ebenfalls
zuzugeben sein. Bedenken haben wir nur gegeu den Namen Jakchos.
Ein sicheres Zeugnis fttr die Gehörntheit des eleusinischen Jakchos fehlt;
das Sophoklesfragment 871 N. ist nicht entscheidend, da es, wie ViT.
selber bemerkt, durch die Beziehung auf Nysa die Möglichkeit nahe legt,
dafs hier wie öfters der Name Jakchos statt Dionysos gebraucht ist.
Den Namen des Ikaros versucht
G. Angermann, Beiträge zur Deutung antiker Namen (Fleck-
eisen's Jahrbb. Bd. 137 [1888] p. 1—11)
auf die Wurzel sik- 'benetzen, befeuchten' zurflckzufflhren.
ViTas Jo betrifft, so verweist Bef. auf die oben (S. 367 f) besprochene,
ergebnisreiche Abhandlung von E. Maafs und auf den (1891 erschiene-
nen) Artikel Engelmann's in Boscher*8 Lexikon II Sp. 266— 280, wo-
selbst auch die bildlichen Darstellungen zusammengestellt 'und eingehend
besprochen sind.
Max. Jacobson, De fabulis ad Iphigeniam pertinentibns. (Diss.
inaug. Begiom. 1888.) 8. 54 8.
Verf. erkennt in Iphigeneia einen allmählich zur selbständigen Figur
ausgebildeten Beinamen der als Geburts- und Ehegöttin verehrten Artemis
und vermutet in dem ursprQnglichen Menschenopfer des brauronischen
Kultus, welcher im Anschlufs an Suchier's treffliche Arbeit behandelt
wird, das letzte Substrat der Sage. — Iphigeneia, deren ursprüngliche
Bedeutung bereits entschwunden war, wurde zunächst vom Volk als ein-
stige Priesterin der Artemis erklärt Das malte man später, im Hinblick
auf die Eultgebräuche, dahin aus, sie sei, von ihrem eigenen Vater der
Göttin geweiht, durch diese (*cui talis crudelitas jam displiceret') am
Leben erhalten und zur ersten Priesterin eines milderen Dienstes gemacht
worden. Nachdem Verf. diese Hypothese aufgestellt, aber keineswegs
ausreichend begründet hat, fahrt er die Spuren des Iphigeneia-Kultus im
fibrigen Griechenland vor, bespricht die Übertragung des Namens auf
die verwandte taurische Göttin sowie auf andere nicht griechische Kulte
■ Al.iU
Winter, Jaeobeon, Arnold, Kern o.a. (JakchoB-— Kabiren). 379
und die RQckwirkong der in Tanrien lokalisirten Sage auf OriechenlaDd.
Der zweite Teil verfolgt die Sage darch die Litteratnr: eine nQtzIiche
Leistong, wenn auch kaum Neues geboten und der Gegenstand keines-
wegs erschöpft wird Aber warum Verf. hier eine unvoUstAndige Über-
sicht der bezfiglichen Denkmäler eingeschoben hat, die er. doch in keiner
Weise für seine Untersuchung verwertet, ist schwer verst&ndlich.
An einem Obermafs von Gründlichkeit und Sch&rfe leidet die Ar-
beit nicht
Für Iris bietet die Abhandlung von
Bruno Arnold, De Iride dea specimen. Pars I (Progr. des
Gymn. zu Nordhausen 1886). 4. 20 8.
in welcher die wörtlich mitgeteilten antiken Zeugnisse nahezu zehn Seiten
bedecken, nichts von Belang. Die Monumente und die Etymologie des
Namens sollen in einem zweiten Teil behandelt werden, der dem Ref.
bislang nicht zu Gesicht gekommen ist. — Waldstein veröffentlicht im
Amer. Joum. of Arch. V, 1 ein Marmorfragment von der Akropolis, in
welchem er den Iriskopf des Parthenon-Frieses erkennt A. S. Murray
(Class. Review II [1888] p. 827) macht darauf aufmerksam , wie treffend
die Darstellung der Iris im Parthenonfries das homerische * ^x^ ^ Ima-
ylvT^^ illustrire. — Nicht zugänglich war dem Ref. die Schrift von B u eb-
ner, De Iridis apud Homerum et Vergilium discrimine. Programm von
Braunau 1888 (?).
Hinsichtlich der Kabiren (über welche man auch die Bemerkungen
von 0. Crusius vergleiche, oben S. 284) ist die Forschung in ein neues
Stadium getreten durch die Ausgrabung des thebanischen Kabirions. Den
ersten Versuch, die dabei gemachten Funde für die Religionsgeschichte zu
verwerten, unternahm
Otto Kern, Die boiotischen Kabiren (Hermes Bd. XXV [1890]
p. 1 — 16, vgl. Sitzungsberichte der Archäol. Gesellschaft zu Berlin 1889,
Nr. 7 p. 1—6).
Verf. erklärt die im Kabirion gefundenen Vasen (vgl. die Berichte
von Judeich, Dörpfeld und Winnefeld in den Mitt des arch. Inst Ath.
Abt Xni p. 81 ff., 41 2 ff.) unter Heranziehung der orphischen Theogonie
und erweist einen innigen Zusammenhang zwischen Kabirenmjrsterien und
orphischen Weihen: der (nach der Angabe des Verf. in Theben immer
in der Einzahl auftretende) Kabir erscheint, mit Attributen des Dionysos
ausgestattet und mit dem /7a?c> d. h. dem orphischen Zagreus, zu einem
Paar vereinigt Hingegen werden die vom Verf. daran geknüpften Auf-
stellungen — attische Herkunft und relativ geringes Alter des theba-
nischen Kabirenkultes — doch noch einer sorgfältigeren Begründung be-
dftFfen. — Die in rumänischer Sprache verfalste Abhandlung Antonescn's
380 GrieehlNihe Mythologie. 4. EioBohie Gottheiten nnd Heroen.
fiber dett KabiroDkalt in Daden (Bukarest 1889) hat der Ref. nicht ein-
gesehen.
Ein ürQher auf die ROckkehr der Eore bezogenes attisches Yasen-
bild (Stephan!, VasensammloDg 1792; Gerhard Ges. Abh. Taf. 76) sacht
Carl Robert im XL Abschnitt der * Archäologischen Mftrchen'
(p. 179 — 202) als eine Darstellung des Angenblicks za erklaren, wo
Hermes das in der Dirkeqnelle gebadete Dionysoskind ans den Hftnden
der emportanchenden Quellnymphe in Empfang nimmt, damit es dann in
Zeus Schenkel geborgen werde (Enrip. Bakch. 619ff.). Dafs Athena
schirmend dabei steht, erscheint durch den attischen Ursprung der Vase
hinreichend erklärt: die Anwesenheit der Hera dagegen, welche R. in
der Frau neben Zeus erkennt, befremdet bei diesem Vorgang, und wird
auch durch die an sich einleuchtende Erklärung der Fackelträgerin als
Andeutung der Nachtzeit kaum annehmbarer. Dafs femer das rechts
sitzende Mädchen mit seinem Tympanon das Schreien des Kindes flber^
tönen und Heras Aufmerksamkeit ablenken soll, ist ^in etwas kflnstlicher
Gedanke.
Während Ref. weder in diesem Bild noch auf der Wien. Vorlegebl. A
Tafel 9 abgebildeten Vase Darstellungen jener Dioz^sossage erkennen
kann, läfst sich bei zwei anderen, bisher meist auf die Erichtfaoniosgeburt
bezogenen Denkmälern, der Vase Gerbard A. V. 161 und dem bekannten
Relief, in welchen R. ebenfalls, die Deutung Braun's und Jahn's wieder-
aufnehmend und neubegrUndend , die Übergabe des Dionjsoskindes dar-
gestellt findet, kein stichhaltiger Einwand gegen diese Erklärung erheben.
Dasselbe dürfte von dem feinsinnigen letzten Teil des Torliegenden Ka-
pitels gelten, woselbst R. die aus der Erde emportauchenden und von
dionysischen Gesellen empfangenen Frauengestalten einiger Vasenbilder
als Quellnymphen erweist.
Zur EntWickelung des Kybele- Typus liefert einige guten Bemer-
kungen S. Reinach, Bull, de corresp. hell. XIII 642ff., im Anschlufs an
ein von ihm ebd. veröffentlichtes archaisches Bild der Göttin, welches
aus dem aiolischen Kyme stammt und stark an die bekannten Figuren
von der Branchiden-Strafse erinnert. Votivreliefs mit Kybele aus Magnesia
am Sipylos veröffentlicht Gonze in den Mitteilungen des arch. Instit.
Ath. Abt. xni (1888) p. 202—206; in dem neben Kybele stehenden jogend-
lichen Gott vermutet Verf. nicht ohne Grund den Hermes-Kadmilos als
Götterdiener.
Thomas Hartmann, Meleager in der griechisch-römischen
Kunst, mit einer Einleitung Über die Verwertung antiker Denkmäler
bei der Lektion von Schulautoren. (Progr. des Gymn. zu Wohlau 1889.)
4. 16 S.
Far uns kommt höchstens p. 9 ff. in Betracht, wo Verf. an der Hand
der dichterischen und einiger plastischen Darstellungen der Meleageqagd
Kl M
Robert, Betoacb, Gons«, Bie (Köre— Masen). 381
diese nach ihren eincelnen Szenen beschreibt Das Yeneichnis von Sar-
kophagbildem mit diesem Thema (p. 10) ist weder yollst&ndig noch genan,
und der Gegenstand ist in keiner Weise gefördert
Für die bildliche Darstellung der Musen bietet eine grundlegende
Untersuchung
0 scar Bie, Die Musen in der antiken Kunst (Mit 19 Figuren.)
Berlin, Weidmann 1887. 8. 106 S. (Erweitert aus der Berlin. Diss.
des Yerf«).
Der Inhalt des Buches ist folgender: I. Die vier ältesten Musen-
darstellungen. IL Die Musenvasen. III. Die überlieferten Musendar-
stellungen des 6. bis 4. Jahrhunderts. IV. Die Musen der Pomponios-
münzen (und anderer gleichzeitigen Monumente). V. Hellenistische Re-
liefs. VI. Katalog der Musentypen. YII. Die Frage nach der Benen-
nung der Musentypen.
Der Schwerpunkt der Schrift liegt auf archäologischem Gebiet; nur
soweit es dieser Gesichtspunkt verlangt, berührt Verf. die mythologische,
bezw. religionsgeschichtliche Seite des Gegenstandes, ftkr welche im alige-
meinen auf Deiters' treffliches Programm (Bonn 1868) verwiesen wird.
Bei der Besprechung der ältesten Darstellungen hätte ein schärferes Ein-
gehen darauf wohl im Interesse der Sache gelegen. Dafs die helikoni-
sche Kultdreiheit 'rein dichterischer Phantasie ihren Ursprung verdankt'
und dann erst *im helikonischen Kult officiell eingeführt wurde' (p. 6),
dürfte kaum zu beweisen sein und steht wohl auch im Widerspruch mit
einer anderen Bemerkung des Verf. (p. 104): dafs aus einer 'nebelhaften
Urmuse zuerst im Kulte drei, dann durch den Einflufs der theogonischen
Poesie neun Gestalten herauswachsen, deren Gestalten sich immer mehr
zu unterscheiden anfangen', und warum eine ürmuse annehmen? Solche
göttlichen Vereine, deren Mitglieder erst allmählich individualisirt werden,
sind uralt (vgl. von Wilamowitz, Isyllos p. 15).
uneingeschränktes Lob verdient dagegen die Kritik und Sorgfalt,
mit welcher Verf. das weitschicbtige archäologische Material gesichtet
und für die Feststellung des Entwickelungsprozesses der Musentypen ver-
wertet hat Wir heben hier besonders das bedeutsame Ergebnis des
letzten Kapitels hervor: alle Musendarstellungen der griechischen oder
früheren römischen Kunst sind nur nach den jedesmal durch die Attri-
bute angedeuteten Funktionen, nicht mit bestimmten Namen zu benennen.
Dagegen sind die Typen der späteren Kaiserzeit nach folgendem Regle-
ment zu bezeichnen: Glio- Geschichte -Rolle. Kalliope- heroischer Ge-
sang-Diptychon oder Rolle. Polyhymnia-pantomimus. Euterpe-FlOten.
Terpsichore- kleinere Lyrik-Lyra. Erato-grOfsere Lyrik - Kithar.
Melpomene-TragOdie- tragische Maske. Thalia-KomOdie-komiscfae
}f aske. Urania- Astronomie-Globus*
382 Grifcbische Mythologie. 4. Eioieloe Gottheiten «md Heroen.
Für Nemesis verweisen wir auf PosDanskj's oben (S. 819if.)
besprochene Schrift; über das Nemesis- Bild des Agorakritos handelt
0. Bofsbach in den Mitteilungen des arch. InsUt. Ath. Abt. XV (1890)
p. 64 — 71.
Betreffis des Typus der stiertOtenden Nike gelangt
Cecil Smith, Nikd sacrificing a bull (Journal of Hellenic Studios
VlI [1886] p. 276^-286 mit 2 Taff.)
nach eingehender Untersuchung zu dem Ergebnis, dafs in den ältesten
Darstellungen Nike mit dem einen Bein auf dem Stier kniet, voilgewan-
det und entschieden weiblich gebildet ist, während der späteste Typus
sie neben dem Stier knieend zeigt, unbekleidet und mit mehr männlich
gebildetem Körper. — Ebenfalls mehr archäologisch als mythologisch
von Interesse ist der Aufsatz von E. Petersen in den Mitteilungen des
arch. Inst. Athen. Abt. XI p. 372—897. Derselbe behandelt archaische
Nikebilder, unter besonderer Rücksicht auf die fflr dieselben charakte-
ristische und auf lange Zeit wenigstens andeutungsweise beibehaltene
laufende Bewegung.
Hinsichtlich der Niobe vergleiche man unten S. 396 f. (Nachtrag A).
Nymphen, und zwar Waldnymphen, Kentaurenmfltter, erkennt
6. Loeschke, Die westliche Giebelgruppe am Zeustempel zu
Olympia (Dorpater Univ. Progr. 1887) 4. 8 S.
in den alten Frauen beim Eentaurenkampf des Westgiebels unter Hin-
weis auf die alte Ortsnymphe der Londoner Schale (Journ. of Hell. Stud.
II pl. 10) und auf die zweifellos als Alte dargestellte arkadische Nymphe
Nomia in Polygnot's ünterweltsbild (Paus. X 31, 10). — Beachtenswerte
Vorschläge zur Ergänzung des thasischen Nympheureliefs macht Adolf
Michaelis im Amer. Journal of Archeol. Y (1889) p. 417 — 422. — Hin-
sichtlich der bildlichen Darstellung von Quellnymphen ist zu vergleichen
C. Robert' s oben (S. 380) besprochene Untersuchung.
Für die Odysseus-Sage sucht
Otto Seeck in seinen Quellen der Odyssee (Berlin 1887) den
solaren Charakter zu erweisen und fafst seine Gedanken darüber in einem
besondern Abschnitt (p. 265 — 276) zusammen. Die ursprüngliche Gött-
lichkeit des Odysseus schliefst er aus dem fär drei Lokale bezeugten
O.-Kultns und aus der Sage, wonach Penelope Mutter des Pan war. Da
als Vater neben Hermes und Apollon auch Odysseus erscheint, vermutet
Verf., dafs der Gott 0. die Eigenschaften beider in sich vereinigt haben
möchte, obwohl beim Heroen 0. die solaren Zflge im Übergewicht seien.
Als solche bezeichnet Verf. u.a.: die Heimkehr beim Schein des Morgen-
sternes N 93 (nach p. 68 Anm. allerdings ein nur in der jfingsten Form
der Odyssee nachweisbarer Zug), das Verschwinden im fernen Westen
Cecil Smith, Loeschke, Seeck, Hergt (Nemesis— OdysseoB). 883
und die Rflckkehr im Osten, die Dienstbarkeit nnter dem Knecht Eamaios,
die DurchwanderoDg der Unterwelt, um von Westen nach Osten zurfick-
znkehren, die Tötung der Frechen, welche seine Heerden verzehrt haben
(vgl. Helios), die Gestalten der Phaiaken ('die Dunkelen'), der Kalypso
(^Verbergerin'), des Telemach (= 'Exdepyog 'Ferntreffer'), und des Meer-
gottes Laertes ('Steinheber*), dessen Vaterschaft der symbolische Aus-
druck für das Aufsteigen der Sonne aus dem Meere sein soll. Verf.
betont, dafs das Ganze nicht ein Mythus ist, sondern ein BQndel sich
z. t. widersprechender Mythen. Der Jahreslauf des Sonnengottes ist mit
seinem Tageslauf und seinem monatlich wechselnden Verhältnis zur Mond-
gOttin (Penelope, Kalypso, Kirke) wirr durcheinander geworfen, die Heim-
kehr des Odysseus symbolisirt bald den Aufgang, bald den Untergang,
bald die Eoi^unktion, bald die Wintersonnenwende; das Problem, wie er
vom Westen zum Osten gelange, finden wir auf zwei verschiedene Weisen
gelöst; was er nach seinem Verschwinden auf der Insel des Oceans treibt,
wird dreifach berichtet; neben dem Freiermorde steht die Rache des
Helios. Verf. schliefst aus dieser verwickelten Gestalt des Mythus, dafs
mehrere Städte gleichzeitig und unabhängig von einander an seiner Ans-
spinnnng arbeiteten. Die Lokalisirung des Odysseus auf Ithaka schreibt
er den Aitolem zu (für welche ein Odysseus-Kult bezeugt ist), weil diese
den Sonnengott täglich hinter Ithaka's Bergen zur Ruhe gehen sahen:
ans demselben Grund wurde Tenedos bei den Aiolern zum Königreich
des ApoUon.
Dieser Versuch des Verf. teilt bei manchen bestechenden Einzel-
heiten im Ganzen doch das Loos der meisten physikalischen Deutungen:
er fällt aus dem Rahmen strenger Wissenschaft heraus. Unter den an-
geblichen solaren ZQgen ist keiner, bei dem die Annahme des mythischen
Substrates unabweisbar erschiene: sie lassen sich alle, die vom Verf.
p. 57 besonders hervorgehobene Dienstbarkeit bei Eumaios nicht ausge-
genommen, recht gut rein poetisch verstehen.
Verf. flberschätzt die Zuverlässigkeit der Mythendeutung ebenso
sehr wie er, in seiner Analyse der Odyssee, unsere Kenntnis der griechi-
schen Religionsgeschichte zu hoch anschlägt. Dafs der p. 277 f. aufge-
stellte Götterkreis der ^Odyssee des Bogenkampfes ' entschieden uojonisch
sei, dafs der Götterkreis des Nostengedichtes, p. 320 f., uns an das Becken
des aigäischen Meeres weise — das sind bei dem bisherigen Stand der
Forschung ziemlich bodenlose Voraussetzungen, die unter keinen Um-
ständen zur Beweisführung verwandt werden durften.
Mazimilianus Hergt, Quam vere de Ulizis erroribus Eratosthe-
nes judicaverit (Diss. inaug. Erl. 1887) 8. 46 S.
versucht an der Hand des Eratosthenes die verschiedenen Lokale der
Odyssee zu bestimmen; für die Mythologie ohne Belang.
384 Griechisefae Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten and Heroen.
Friedrich Soltan, Die Mythen- and Sagen-Kreise im Homeri-
schen Schiffer-Epos genannt Odyssee, desgleichen der Ilias, wie anch
der Argonauten-Sage, zeitgeschichtlich, naturwissenschaftlich und sprach-
lich beurteilt und erläutert. Berlin, Stargardt 1887. 8. 136 S.
Eine Dilettantenarbeit fibelster Sorte, vor deren Ankauf nur ge-
warnt werden kann. Der biedere Verf. entdeckt eine akythische Ur-
sprache, die den homerischen Dichtungen zu gründe liegen soll, und
l&£Bt den Odysseus durch den sfidindischeu Ozean zum SQdpolarlande
u. s. w. reisen; die Kyklopen sind die afrikanischen Somalis, die Aiolos-
insel = Seyschellen.
Auf die Untersuchung yon Johannes Oswaldus Schmidt, De
Ulixis in fabulis satyricis persona (Gommentt. philol. fttr Ribbeck 1888
p. 99 — 114) kann, da sie mehr von litterarhistorischem als von mytholo-
gischem Interesse ist, hier nur hingewiesen werden. — Die lUnstratioo
des Freiermordes am Heroon von Gjölbaschi bespricht C. Robert im
Hermes Bd. XXV (1890) p. 422 ff.
Ein schönes attisches Yasenbild des Berliner Antiquariums, welches
den Orpheus inmitten einiger Thraker musicireud zeigt, veröffentlicht
und interpretirt
A. Furtwängler, Orpheus. Attische Vase aus Gela (Fünfzigstes
Programm zum Winckelmannsfeste der Archäologischen Gesellschaft zu
Berlin. Berlin, Reimer. 1890. 4. p. 154—164 mit Taf. II).
Verf. fohrt die ganze Gruppe von Yasenbildern, welche dies Thema
behandeln, auf die Anregung der Bassarides des Aischylos zurflck and
macht dankenswerte Bemerkungen zur Entwicklung des Orpheus-Typus
und zur thrakischen Tracht, welche bekanntlich in mehrfacher Hinsicht
das Interesse des Mythologen beansprucht.
Die Gestalt des Pan erfährt in einem unten S. 899 f. (Nachtrag B)
zu besprechenden Buche Röscheres eine treffliche Beleuchtung.
0. Bie, Ringkampf des Pan und Eros (Jahrb. des arch. Instit IV
[1889] p. 129-137)
veröffentlicht das Relief einer Thonschale aus dem opuntischen Lokris
(Berlin, Furtwängler Nr. 2900): Pan mit Eros unter Aphroditens Augen
ringend. Die daran angeschlossene Untersuchung über die Geschichte
dieses Sagenmotivs in der bildenden Kunst führt zu dem Resultat, daOs
vorliegendes Relief und das Epigramm bei Kaibel Nr. 1103 die erste
Periode der Darstellungen repräsentiren (hellenistische Zeit), ^ deren Gha-
rakteristica darin bestehen, dafs erstens in dem Kampf — die Naturkraft
des Pan der siegenden genialen Klugheit des geflügelten Eros gegenüber
gestellt wird, und dafs zweitens der Kampf in dem Kreis und vor den
Augen der Aphrodite vor sich geht, die um das Leben ihres Sohnes
bangt'. Das Wandgemälde Monum. d. I. X 36 f. und die calenische Schale
J. 0. Schmidt, Furtw&ngler, Bie, Heydemaiui» HarriBon (Odyneöt-PaiiB). 8g5
Bnil. 1874 p. 88 bilden den Übergang zn der populären römisclieii Tep>
sion, 'in welcher als charakteristische Merkmale die Einflkhning drä
palflstrischen Elements und die Aufnahme der Kämpfergrnppe in den
dionysischen Kreis her?ortreten'. — Den streitbaren £ro6 betri£fl; ein
oben, am gehOrigeo Ort, nicht erwähnter Aufsatz von
H. Heydemann, Le frecce amorose di Eros (Mitteilungen des
arch. Instit Rom. Abt. 11 p. 44—62)
auf welchen Ref. nachträglich hinweisen möchte. Das Motiv des nach
den Herzen von Göttern oder Menschen Pfeile schieCsenden Eros wird
durch die bildende Kunst und durch die Litteratur verfolgt. Der älteste
bildliche Beleg (Vases Hamilton HI 39) gehört bereits der hellenistischen
Zeit an.
Zwei Motive der Paris -Sage, das urteil und die erste Begegnung
mit Helena, sind in typengeschichtlicher Hinsicht unteraucht worden,
jenes durch
Jane E. Harrison, The judgment of Paris (Journ. of Hellenic
Studies Vn [1886] p. 196-219).
Die Verf. veröffentlicht zuerst zwei auf das Parisurteil bezflgliche
8. f. Darstellungen des Museums von Florenz und vervollständigt A. Schnei-
der's (Der troische Sagenkreis) Zusammenstellung der hierhergehörigen
Vasenbilder. Sodann unterscheidet sie die versdiiedenen Typen: A) Pro-
zessionsform ohne Paris, allein Athena charakterisirt, B) Prozessionsform
mit Paris, welcher dem Hermes gegenüber steht, C) Prozessionsform,
Paris sitzend, die Reihenfolge der Göttinnen variirt, D) Prozessionsform
aufgegeben. — Ausgehend von den Thatsachen, dafs Paris, die Haupt-
person, beim ältesten und lange Zeit dominirenden Typus fehlt, und dafs
die Vasenmalerei vom 7. bis zum 6. Jahrhundert nicht das eigentliche
Urteil, sondern die von Hermes geleitete Prozession der drei Göttinnen
zum Ida darstellt, sucht die Verf. unter grofsenteils treffender Kritik der
bisherigen Ansicht zu erweisen, dafs diese eigentflmliche Darstellung der
fitesten Kunst nicht durch den Einflnfs einer poetischen Sehildemng
(Kyprien), sondern nur so zu erklären sei, dafs man den alten, beson-
ders durch das Nymphenrelief von Gallipoli veranschaulichten Typus der
drei Chariten, welche Hermes fahrt, fQr die Parissage übernommen habe.
Die weitere Vermutung der Verf., dafs die Chariten, die Göttinnen der
Fruchtbarkeit und des Wachstums, ursprünglich als 'rival gift-gtvere'
gedacht waren, ist etwas kühn: wenn sie aber im Schönbeitsstreit ein
relativ junges Motiv erkennt, so kann Ref. ihr hierin nur beiflichten.
W. Koch, Paris vor Helena in der antiken Kunst Ein typen-
geschichtlicher Versuch. (Dissert. inaug. Marburg. 1889.) 8. 72 S.
Verf. glaubt, dafs die Darstellungen der ersten Begegnung von
Paris und Helena, diese sitzend, jener vor ihr stehend, abhängig sind
Jahresbericht für Altertumswissenschaft. LXVX. Bd. 25
386 Orieehisehe Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten und Heroen.
von dem ähnlichen Typos der Grabdenkmäler und der frOhrotfigarigen
Vasenbilder mit erotischen Szenen. Er bespricht daher zunächst , ohne
wesentlich Nenes zu bieten, die Adorationsbilder (ägyptisch, kleinasiatisch,
griechisch), die Umbildung des Adorationstypus (Totenmahl, Spendeszene,
Se^ecuaee) und die erotischen Genrebilder. Bei den Paris -Helena -Dar-
stellungen unterscheidet er vier Sondertypen. Der erste, bei dem die
Anlehnung an jene Vorbilder besonders deutlich sein soll, zeigt die Tro-
janer in griechischer Tracht, Eros ist noch nicht so in die Handlung ver-
flochten wie später. Der zweite hat die griechische Tracht des Paris
gemein mit I, führt aber Aphrodite in die Handlung ein und läfst alle
nicht direkt beteiligten Personen verschwinden. Der dritte und der
vierte Typus stellen beide den Paris in phrygischer Tracht dar, unter-
scheiden sich aber hauptsächlich dadurch, dafs III nur die beiden Haupt-
personen und Eros aufweist, während IV Figurenreichtum anstrebt. So
treten auf mehreren Exemplaren dieses Typus die Dioskuren auf. —
Zum Schlufs versucht Verf. den Nachweis, dafs Aetions, von Lukian be-
schriebenes Gemälde 'Alexander und Rhoxane' die besprochenen Paris-
Helena-Bilder teils beeinflufst hat teils von ihnen beeinflufst worden ist.
Aber dieser Nachweis ist ihm ebensowenig gelungen, wie er es verstan-
den hat die Abhängigkeit der mythologischen Szene von jenen Adorations-
ond Genrebildern wirklich plausibel zu machen.
Einen Beitrag zur Peleus-Sage (vgl. oben S. 231 ff.) liefert
B. Graef, Polens und Thetis. (Jahrbuch des archäol. Instituts I
[1886] p. 192-204.)
Verf. führt eine Reihe von Vasenbildern vor (darunter die von
Bolte ^ De monumentis ad Odyss. pert.' irrtümlich auf Odysseus bezogene
s. f. Amphora aus der Sammlung Campana [A Nr. 6], jetzt im Louvre),
welche den der Thetis auflauernden Polens darstellen, und untersucht
dann die Frage, ob dies Motiv des Auflauerns vor dem Ringkampf und
letzterer selbst bereits in den Eyprien vorgebildet war. Nein: das Epos
weifs nichts vom Liebeskampf und von den Verwandlungen der Thetis,
es läCst die Ehe einfach durch Zeus, bezw. die Götter gestiftet werden.
Die auf den Liebeskampf bezüglichen Denkmäler hingegen verraten durch
die gänzliche Abwesenheit des Zeus, dafs sie einer ganz anderen Sagen-
form folgen als der epischen: nämlich der älteren und entschieden lokalen
Charakter tragenden Form, wonach Polens durch eigene Kraft und nur
durch Cheiron unterstützt die Thetis gewinnt. — Als Anhang giebt Verf.
eine (grOfstenteils C. Robert verdankte) sorgfältige Liste der Peleus- und
Thetisdarstellungen.
Für Pelops ist nachzusehen unten S. 396 (Nachtrag A).
Eine attische Pyxis mit Darstellung des Perseus-Graien-Mjrthos
veröffentlicht und bespricht
Koch, Graef, Boehlaa, Enaaek (Paria -Phafiton). 387
J. Boehlan in den Mitteil, des arch. Instit. Ath. Abt. XI p. 866
—871; mit Taf. X.
Verf. vergleicht sie mit deijeoigen eines etroskischen Spiegels:
beide gehen auf eine der aischylischen Fassung der Sage ähnliche Vor»
sion zurück.
Die Geschichte der Phaö ton- Sage behandelt
G. Knaack, Quaestiones Phaetonteae. (Philologische Untersuchun-
gen herausgegeben von A. Kiefsling und U. v. Wilamowitz-MöUendorff.
VIIL Heft 1886.) 8. 81 S.
Fttr die Rekonstruktion des Hesiodischen Phaöton ist nicht von
Hygins Fab. 162^ und 164 auszugehen, sondern von der Astronomie
desselben II 42 unter Zuziehung der Scholia Strozziana zu Germanicus.
Die Hesiodische Dichtung enthielt die Verwandelung der Heliaden in
Pappeln, ihrer Thranen in Elektron (Lact. Plac. ad Ovid. met. II fab. II) ;
der von Zeus Blitz getötete und in den Eridanos gefallene Phaöton (als
dessen Parallelfigur Verf. den Absyrtos oder ^^A^uprog der Medeasage
erweist) kommt als Lucifer Hesperus, d. i. der der Sonne voranlaufende»
bei ihrem Erscheinen verlöschende Stern, an den Himmel (v. Wilamowitz,
Hermes XVIII p. 432 ff.). Der durch sein Ungeschick verursachte Brand
war mehr ronixq ixnupwaiQ als Weltbrand, die Anknüpfung der deuka-
lionischen Fluth aber ist als späte mythographische Mache dem Hesiod
völlig abzusprechen. Während Aischylos sich in der Hauptsache an
Hesiod anschlofs, vollzog Euripides die durch v. Wilamowitz (Hermes
a. a. 0. p. 396 ff.) festgestellte grandliche Umgestaltung der Sage.
Anknöpfend an eine Beobachtung desselben Gelehrten sucht Verf.
sodann in scharfsinniger, im ganzen glücklicher Weise ein die Phaöton-
sage behandelndes Epyllion eines Alexandriners aus Ovid, Nonnus,
Lukian und anderen späteren Autoren zu rekonstruiren. Ohne das Stück
des Euripides irgend zu ignoriren schliefst dieser Dichter sich doch im
allgemeinen der Hesiodischen Darstellung an. Seine eigenste Leistung
ist die Häufung von Katasterismen am Schlufs: eine ganze Reihe von
Sternbildern fuhrt er (nach echt alezandrinischer Manier) auf Apollons
Trauer um den Sohn zurück. Ovid, welcher das Euripideische Stück
offenbar nicht gelesen hat, hatte diesen Alexandriner vor Augen, benützte
aufserdem aber ein mythographisches Handbuch.
Zuletzt zieht Verf. die ihm von Robert überlassenen Sarkophag-
darstellungen der Phaötonsage in den Kreis der Betrachtung. Er ver-
mutet, dafs die dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert angehörigen
Reliefs, von denen die des dritten Jahrhunderts durchaus abhängig sind,
auf ein ähnliches Kompendium zurückgehen wie es von Ovid benützt
wurde: denn die Darstellung weicht sowohl von der des Alexandriners
wie von der Euripideischen in wesentlichen Punkten ab.
aß»
3S8 Griechische Mythologie. 4. Einzeine Gottheiten und Heroen.
Von den 2wei Nachträgen 2u diesem Bnch, welche der Verf. im
Hermes 1887 p. 637—40 and in Fleckeisen's Jahrbfichern Bd. 135 (1887)
•p. 818—319 veröffentlicht hat, bringt der erstere u. a. eine Vervolbtän-
dignng der über die Zeit jenes Alexandriners gemachten Angaben nnd
der andere weitere Mitteilungen Ober Ghamabon (so statt Carnabon zu
lesen nach Soph. frgm. 643 N) und Eridanos.
Das Pindarscbolion Pyth. IV 246, welches zur Erklärung des Po-
seidon IlsrpcuoQ die Sage vom Durchbruch des Tempethales und die
?on der Erschaffung des Rosses zusammenstellt, hat
Georg Wentzel, Ein Pindarscbolion und ein Philostratisches
Gemälde (Aus der Anomia p. 134—148)
in scharfsinniger, die Arbeitsweise des älteren Philostratos beleuchtender
Untersuchung als die Quelle des Phiiostratischen Gemäldes Berrakia er-
wiesen. Die Verbindung jener beiden weder mythologisch noch geogra-
phisch zusammengehörigen Sagen findet sich aufser bei Philostratos eben
nur bei jenem Scholiasten, der sie entweder selbst aus den Primärquellen
2asammengetragen oder aus einer Epikleseissammlung geschöpft hat
Rhea betrifft eine ansprechende kleine Arbeit von
Walter Immerwahr, Rhea-Sage und Rhea-Eult in Arkadien
(Bonn. Stnd. Reinhard Keknl^ gewidmet. Berlin, Spemann, p. 1 88-- 193).
Verf. kommt zu dem Ergebnis, dafs zwei Arten des Rheakultes in
Arkadien zu unterscheiden sind : ' Erstens die Kulte des Lykaiongebietes,
welche in Verbindung mit der Zeusgeburt Rhea als Göttin des fliefsen-
den Wassers betrachten, und die jedenfalls erst jungen Ursprungs sind.
Zweitens die Kulte im Gebiet von Mantineia und Methydrion, welche
sich mit der dTtdrij und äh^ beschäftigen, boiotischen Ursprungs sind,
aber in bedeutend ältere Zeit hinaufreichen und eigentlich nur eine
Metastase der Demeter darstellen. Kretische Einflasse wurden nirgends
ermittelt.'
Eine Zusammenstellung der Vasenbilder, welche die Vorführung
des gefangenen Seilenos vor Midas darstellen, hat Heydemann im
Jahrbuch des arch. Instit. II p. 111—114 gegeben.
FOr die Seirenen- Sage bringt
Rob. Unger im Philologns von 1888 p. 770—775
litterarisches Material, besonders was das Umherirren der Seirenen nnd
ihren knltlichen Wohnsitz anlangt. Über die Bedeutung der S. handelt
Giovanni Patroni, Intorno al mito delle Sirene. — Notacritica.
(Societä Reale di Napoli. Rendiconto IV [1890] p. 88-90.)
Verf. bekämpft die von Hermann Schrader aufgestellte Deutnng
der S. auf den Sirocco und versucht darzulegen, wie die atmosphärisch-
WenUel, Immerwahr, Patro&i, Vasconi, Prellwits a «.(Poseidon-Telephot). 389
meteorische Grondvorstellang, welche er selber hinter den Setrenen sucht»
sich bei den verschiedenen indogermanischen Völkern, entsprechend den
jeweiligen topographischen und klimatischen Verhältnissen entwickelt hat.
Über Selene sehe man den Nachtrag B zu diesem Berichte ein
(unten S. 398 ff.)-
Die Sage von Skylla und Charybdis betrifft die Schrift von
Domenico Vasconi, II mito di Scilla e Cariddi nelP Odissea.
Studi critici. Milano, Dom. Briola. 1890. 8. 86 S.
Es ist in der Hauptsache eine ästhetische Betrachtung und Para-
phrase der homerischen Vorstellungen, was der Verf. bietet, unter Ver-
gleichnng der fibrigen Litteratur. Wer sich fflr die Etymologie der
beiden Namen interessirt, findet p. 42f. und 61 f. Material zusammen«-
gestellt, dessen Brauchbarkeit zweifelhaft ist; p. 22 ff. erhält man eine
Erklärung der Zahlen, welche bei der homerischen Schilderung der Skylla
gebraucht sind, und einen Exkurs ttber Zahlensymbolik im allgemeinen.
Das letzte Kapitel bringt den Nachweis, dafs den antiken Autcnren von
Hesiod bis auf Silius Italiens die Meerenge von Messina als Lokal
vorschwebt.
Die Teichinen sucht
W. Prell Witz, Teichinen (Beiträge zur Kunde indogerm. Sprachen
hgb. von Bezzenberger XV [1889] p. 148 — 164)
vom linguistischen Standpunkt als 'Kupferschmiede' zu erklären, ^üAoc,
AoxoQ und KdpoBoQ als die Vertreter dreier wichtiger Zweige des älte-
sten Schmiedehandwerks: des Mtthlenbaus, der Hausgeräteverfertigung
und der Waffenschmiedekunst
Mehrfache Behandlung hat die Telephos-Sage erfahren.
Carolus Pilling, Quomodo Telephi fabulam et scriptores et arti-
fices veteres tractaverint. (Diss. inaug. Hai.) 1886. 8r 104 S.
Der Verf. dieser tflchtigen Arbeit geht weniger auf neue Ent-
deckungen aus als auf eine vollständige und Obersichtliche Zusammen-
stellung der antiken Quellen, wobei die bisher versuchten Rekonstruk-
tionen der verlorenen Dramen eine besonnen abwägende Kritik erfahren.
Besonders eingehend (p. 24—60) werden die einschlägigen Tragödien des
Euripides behandelt Den zweiten Teil der Untersuchung (p. 77 ff.) bildet
eine nach sachlichen Gesichtspunkten geordnete Besprechung der auf die
Sage bezflglichen Monumente. Von Robert' s Erklärung der drei pompe-
janischen Wandgemälde weicht Verf. in mehreren Punkten ab: mit ent-
schiedenem Recht erkennt er in der Frau neben Herakles eine zu-
schauende, vielleicht dem letzteren freundliche Göttin, und nicht eine
Gefährtin der Auge.
390 GrieduBcbe Mythologie. 4. Eiozelne Gottheiten nad Heroen.
G. Robert, Beiträge zur Erklärung des pergamenischen Telephos-
Iriesee (Jahrbflcher des K. deutschen archäol. Institutes 11 1867 p. 244
—269; III 1888 p. 46-65, p. 87-106).
Die Berliner Fragmente des pergamenischen Frieses sind hier
grofsenteils zum ersten Mal veröffentlicht und geistvoll interpretirt. Die
vom Verf. bereits in 'Bild und Lied' p. 47f. aasgesprochene Annahme,
dafs die Friesdarstellung zu einem beträchtlichen Teil auf die Auge und
den Telephos des Euripides sowie auf die Myser des Sophokles als letzte
Quellen zurflckgehe, erfilhrt eine weitere Ausführung: die Darstellung
der Geburt und der ersten Lebensschicksale des Telephos sucht Yerf.
als eine Kombination aus der Euripideischen Version und der von So-
phokles in den Aloaden vertretenen zu erweisen. Er läfst die Frage
offen, ob die Künstler des Frieses hier direkt aus dem attischen Drama
schöpfen oder durch Vermittelung der von Pausanias bezeugten, teilweise
vom Drama abhängigen pergamenischen Telephoshymnen. Letztere stellen
die lokale Überlieferung dar, sie liegen, wie Verf. sehr wahrscheinlich
macht, sowohl der Philostratischen Schilderung der Kaikosschlacht als
auch zweien mit dieser übereinstimmenden Kampfszenen des Frieses zu
Grunde (G H).
Eine dritte, von Bobert*8 Ausführungen in mehreren Punkten ab-
weichende Untersuchung der Sage und des Frieses findet man in Thrae-
mer's im Nachtrag A (unten S. 897) zu besprechendem Buche 'Perga-
mos'. Aufserdem vergleiche man oben S. 246 f. — Die Lesung des in
böhmischer Sprache verfafsten Aufsatzes von Vysoky, Die Telephos-
Sage bei Aischylos und Sophokles (Listy filologicke XII 6. 6) mufste
sich Bei versagen.
Für Telesphoros liefert
Ludovicus Schenck, De Telesphöro deo (Diss. inaug. Gotting.
1888.) 8. 66 S.
eine sorgfältige Zusammenstellung und Besprechung der litterarischen
und inschriftlichen Zeugnisse (I) und der bildlichen Darstellungen (II),
wo Telesphoros entweder allein oder mit Asklepios und Hygieia oder
mit anderen Gestalten verbunden erscheint (Demeter, Aphrodite, Harpo-
krates). Fälschlich hierhergezogene Monumente werden ausgeschieden,
und in vielen Punkten werden frühere Untersuchungen, besonders die
von Panofka, berichtigt Den Beschlufs machen eine dankenswerte Über-
sicht über die Kultstätten des T. (III) und ein kurzes, nichts Neues
bietendes Kapitel über das V^esen des T. (IV).
Für die bildliche Darstellung des Telesphoros sehe man auch den
Aufsatz von Fougöres im Bull, de corr. hell. XIY p. 6 12 ff* ein.
Hinsichtlich der Tereus-Sage ist von Interesse der Aufsatz von
Bobert, Schenck» Oder, Toepffer, Talfoard Ely (Telephos-Theseas). 391
Eugen Oder, Der Wiedehopf in der griechischen Sage (Rhein.
Mofieum Bd. 43 p. 641—566).
Der Verf. weist nach, dafs der Wiedehopf den Griechen der älte-
ren Zeit ein recht unbekanntes Tier war, kaum vor dem 6. Jahrhundert
zu Megara in die Nachtigallensage aufgenommen wurde und erst, durch
Sophokles seine feste Stelle im Mythus erhielt Einen Vorgänger des
Wiedehopfs in der Sage erkennt Verf. auf grund von Aisch. Hiket. 66£f.
im xepxo^^ mit welchem er vom Volk häufig verwechselt wurde. Auch
eine Vertanschung des Wiedehopfs mit dem Eukuk hält Verf. fQr mög-
lich und bringt Aber die Bedeutung des letzteren im Volksglauben eini-
ges interessante Material bei.
Die Verwandlungssage erklärt Verf. aus einer an Tereus* Namen
anknüpfenden etymologischen Spielerei. In der kleinasiatischen Märchen-
dichtung (Eolophon und Ephesos) weist Verf. als Gatten der Nachtigall
den holzhackenden Specht iKhxdv nach.
Auf die Geschichte der Theseus-Sage fällt neues Licht durch
den Aufsatz von
Johannes Toepffer, Theseus und Peirithoos (Aus der Anomia.
Archäol. Beiträge Carl Robert dargebracht. Berlin, Weidmann 1890.
8. p. 30—46).
Ausgehend von der Thatsache» dafs das älteste, von einigen ganz
willkflrlich als Interpolation beanstandete Zeugnis, welches wir aber The-
seus besitzen (II. I 266) , ihn in Thessalien, als Genossen der Lapithen-
fürsten im Eentaurenkampf zeigt, erweist T. als die ältesten und eigent-
lichen Lokale der Theseus- und Peirithoossage Thessalien, Ostattika
(nicht Athen) und die Koste der Argolis, und sieht es mit zweifellosem
Recht nicht als Zufall an, dafs die Wanderung der thessalischen Dryoper
ihre Stationen in denselben Gegenden hat: in den westeuboiischen EOsten-
städten Styra und Earystos, in Nordostattika (der Eponymos der Antiochis
ein Enkel des Dryoperkönigs Phylas — Peirithoossage — für Attika i. a.
Aristeid. Panath. I 177) und am argivischen Busen in Hermione, Eion
und Asine. — Wir hoffen dem Verf. dieser musterhaft geführten, inhalt-
reichen Untersuchung noch öfters auf religionsgeschichtlichem Gebiet zu
begegnen.
Talfourd Ely stellt im Journal of Hellenic Studios D[ (1888)
p. 272 — 281 die litterarische und bildliche Überlieferung von Theseus
Abenteuer mit Skiron zusammen. Die älteste Form der Sage, deren
erstes Auftreten in der Litteratur wie in der bildenden Eunst der Verf.
ungefähr in den Anfang des 6. Jahrhunderts setzt, hatte den^turz vom
Felsen. Hinsichtlich der einschlägigen Vasenbilder schliefst sich Verf.
der Anordnung von Benndorf an; die litterarischen Zeugnisse führt er
nach der Lebenszeit der Autoren und ohne Rücksicht auf die zu Grunde
liegenden Quellen auf.
392 Grieehiscbe Mythologie. 4. Einzelne Gottheiten und Heroen.
Archftologisohes Material ttber die Tbesens-Sage findet man bei
Ohirardini im Museo Italiano di antichitä clase. III 1, bei LcMilani
ebd. und besonders bei Jane £. Harri son im Joarnal of Hell. StndiesX
(1889) p. 231—242.
Über die Titanen vergleiche man oben 8. 816ff.
Otto Kern, De Triptolemo aratore (Genethliacon Gottingense.
1888. p. 102-105)
vervollständigt die Zahl der bildlichen Darstellangen, welche den Tripto-
lemos als Pflflger zeigen, durch zwei von Overbeck in seiner Kanst-
mythologie Obersehene Monumente und entscheidet die Frage nach dem
Ursprung dieser, der alt-attischen Kunst fremden, erst in alezandrini-
scher Zeit auftretenden Auffassung dahin, dafs sie nach der Übertragung
des eleusinischen Kultus nach Alezandria aufkam, unter dem EinfluDs
der Sage von Osiris, welcher in Ägypten als der erste Pflttger galt. K.
erkennt in diesem späten Ursprung des Pflogertypus eiuen entscheiden-
den Grund gegen die hergebrachte Erklärung des Namens des Tripto
lemos als 'PflOger' und schliefst sich der von Lehrs und v. Wilamowitz
empfohlenen Etymologie an.
Den Triton tanagräischer Mttnzbilder sowie den Doppeltriton
eines alterttlmlichen Terrakottaidoles will
Konrad Wernicke, Der Triton von Tanagra (Jahrb. des deutschen
ardi. Inst. II [1887] p. 114—118)
streng gesondert wissen von der bei Pausanias erwähnten kopflosen Mu-
mie, deren Ausstellung in der Kaiserzeit die ebenfalls von Pausanias
überlieferte rationalistische Umbildung der Sage veranlafste. Verf. er-
kennt mit gutem Grund in jenen Darstellungen den nach der alttana-
gräischen Sage durch Dionysos getöteten, d. h. durch den eindringenden
Dionysoskult verdrängten, Meergott Triton.
Arthur Schneider, Der troische Sagenkreis in der ältesten
griechischen Kunst. Leipzig, Engelmann 1886. 8. 191 S.
Gegen die extreme Ansicht, welche fQr die Zeit vor dem 5. Jahr-
hundert eine Beeinflussung der Bildner durch Dichtwerke nur in ganz
geringem Grade anerkennt, bildet das vorliegende Buch die Reaktion,
ohne dafs der Verf. den Einflufs technischer Momente und des allge-
meinen Sagenbewufstseins unterschätzte. Er sucht in der Einleitung
(p. 1—10) allgemeine Kriterien für die Entscheidung der Frage zu ge-
winnen, ob einem Kunstwerk allgemeines oder dichterisch gestaltetes
Sagenbewufstsein zu Grunde liege: das Letztere nimmt er für die Fälle
an, wo solche Personen, Szenen, Anschauungen auftreten, welche, für den
Sagenstoff an sich gleichgiltig, vom Dichter frei erfunden und nur zur
Ausgestaltung der Sage verwandt sind.
Ghirardifii, Miiaoi, Harrison, Kern, Werni^e, A. Schneider (TheseaB-Troja). 393
Verf. unterschätzt die Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen
dichterischer Erfindung und Sagenbestand. Wir können ein allgemein
nes Kriterium zur Entscheidung jener Frage Überhaupt nicht anerkennen:
dieselbe wird sich Oberall nur durch sorgfältige Prüfung des einzelnen
Falles beantworten lassen.
Die eigentliche Untersuchung (p. 11 ff.) hat unter dieser Aufteilung
allerdings nicht gelitten, der wohl unterrichtete Verf. untersucht von Fall
zu Fall. Fflr die einzelnen Darstellungen sowohl wie für das allgemeine
Verhältnis zwischen Bild und Lied bietet das Buch eine Fülle bemer-
kenswerter Gesichtspunkte: nur hätte man im Interesse der mythologi-
schen Forschung eine grOfsere Rücksicht auf die Provenienz der Bilder
und auf lokale Sagen und Sagenversionen gewünscht Die Masse des
behandelten archäologischen Stoffes macht dem Ref. eine Nachprüfung
der Argumentirung im einzelnen und ein abschliefsendes Urteil über
die p. 70 ff. und p. 186 ff. mitgeteilten Ergebnisse unmöglich, es genüge
daher die Aufführung derjenigen Darstellungen, deren Abhängigkeit vom
Epos der Verf. für sicher oder sehr wahrscheinlich hält:
I. Ilias und Odyssee. Menelaos und Hektor über Euphorbos
Leiche. — Koon und Agamemnon über Iphidamas Leiche. — Zweikampf
des Aias und Hektor. — Gesandtschaft an Achillens. — Hektors Flucht
vor Aias. — Nausikaa. — Blendung des Kyklopen. ~ Onatas Gruppe.
— W^affentausch zwischen Glaukos und Diomedes. — Kampf um Patroklos
Leiche. — Flucht vor Polyphemos. — Aeginetengiebel. ^ — Hektors
Schleifung — Lösung. — Achilleus mit seinen Rossen. — Die Feolische
Hydria. — Flucht vor den Kyklopen. — Hektors Bestattung. — Mene-
laos Proteus. — Reihentanz der Phäaken. — Kebriones als V^agenlenker.
— Talthybios und Epeios.
II. Die nur in Bruchstücken erhaltenen Epen. Die brett-
spielenden Helden. ~ Rettung der Leiche Memnons. — Der Waffen-
streit. — Rettung der Leiche Penthesileia's. — Amazonenrüstung. —
Achilleus und Memnons Zweikampf. — Rettung der Leiche Achilleus
durch Aias. — Aias Leichnam gefunden von Odysseus. — Troiloserzäh-
lung. — Zweikampf Achilleus mit Penthesileia. — Kampf um Achilleus
Leiche. — Psycho stasia. — Peleus und Thetis Ringkampf. — Hochzeits-
feier. — Parisurteil. — Priamos Tod.
Bei allen andern Darstellungen hält Verf. die Frage der Abhängig-
keit für nicht entscheidbar oder fflr verneinbar.
Von vorwiegend archäologischem Interesse und deshalb nicht hier-
her gehörig sind desselben Verfassers 'Prolegomena zu einer neuen
Galerie heroischer Bildwerke' (Leipziger Habil.-Schrift 1890), Heinrich
V. Brunn's 'Troische Miscellen IV' (Sitzungsberichte der Kgl. Bayer.
Akademie d.W. 1887), und Ferdinand Noack's Aufsatz 'über die
Diupersis des Euphronios' (Aus der Anomia p. 168 — 177). Die Disser-
tation des letztgenannten Verf. 'Uiupersis. De Euripidis et Polygnoti
394 GriedÜBche Mythologie. 4. Einzeloe Oottheiten ond Heroeo.
quae ad Troiae excidinm spectaot fabulis' (Diss. inaog. Giss. 1890) ist
dem Ref. leider noch Dicht zugänglich gewesen.
0. Grnpp e, Typhon-Zephon (Philologus Bd. 48 [1889] p. 487— 497)
verteidigt diese in seinem oben besprochenen Werk aufgestellte Gleichung
gegen Wellhausen mit der BegrOndung, dafs weder der Name Typ hon
ans der griechischen Sprache zu erklären noch der Mythus von ihm an
einer alten Eultusst&tte Griechenlands lokalisirt sei, dafs hingegen bei
jener Gleichung sich Wort und Begriff decken, überdies ein phoinikischer
Gott Baal-Zephon als so gut wie Oberliefert gelten könne und die nach
ihm genannte Stadt sich in nächster Nähe mehrerer späteren Typhon-
kultstätten befunden habe.
Eine interessante, auf der Akropolis gefundene Darstellung des
Typhonkampfes veröffentlicht und erläutert Alfred Brückner in den
Mitteilungen des deutschen arch. Inst Ath. Abt. Bd. XIV (1889) p. 67-87.
Darstellungen der Tyro-Sage bespricht R. Engel mann im Jahr-
buch des deutschen arch. Institutes Bd. V (1890) p. 171 ff. und giebt im
Anschlufs daran einen schätzbaren Beitrag zur Behandlung der Sage
durch Sophokles.
Über Zeus handelt
Wilhelm Hahn, Zeus in der Ilias. I n. IL (Progr. des Gymn.
zu Stralsund 1888 p. 2-26 und 1889 p. 1—28.) 4.
Verf. bespricht das in der Ilias gegebene Material Ober Zeus in
folgender Anordnung: A. Zeus und die Natur. B. Zeus in seinem Ver-
hältnis zur Menschheit: a) im allgemeinen, b) in seiner Beteiligung an
der Handlung der Dias. C. Zeus und die Götter: a) Genealogisches,
b) Götterkämpfe, c) Zeus und Poseidon, d) Zeus und Hera.
Eine so sorgfältige Sammlung und Sichtung des Stoffes, wie Verf.
sie ausgeführt hat, ist schon ein nicht zu unterschätzendes Verdienst, sie
wäre es auch ohne die vom Verf. gemachten Ansätze, den schwankenden,
flOssigen und keineswegs einheitlichen Charakter, welchen das Bild des
Zeus in der Ilias zeigt, wenigstens andeutungsweise zu erklären. Der
Verf. trifft hierbei nicht immer das Richtige, er arbeitet z. t. mit Vor-
aussetzungen, die nichts weniger als sicher sind, wie z. B. mit der ein-
seitigen Fassung des ursprOnglichen Zeus als Lichtgott C Personifikation
des lichten Himmels'), mit der 'ursprOnglichen, rein atmosphärischen
Bedeutung der Aegis' und mit der Annahme, dafs die Aegis ursprOng-
lieh auf Zeus begrenzt gewesen sei (p. l f.). Eine gewisse Neigung des
Verf. zur Oberlieferten physikalischen Mythenerklärung verrät sich auch
da, wo er von den Götterkämpfen spricht, p. 18, und ganz Obersieht, dafs
auch die Geschichte der griechischen Stämme mit ihren Wanderungen
und Gonflikten wahrscheinlich ein nicht unbedeutendes Gontingent zu
dieser Art von Mythen gestellt haben wird.
Gruppe, Brttckner, Engelmann, W. Hahn, 0. Rofsbach a. a (Typbon-Zeas) 395
ümsomehr war Ref. erfreat in anderen Teilen der Untersuchung
den Yerf. auf dem richtigen Wege zu finden: so sind die Bemerkongen
Ober Zeus Verhältnis zu Eronos und zur Hera überaus beachtenswert,
wenn wir auch hinsichtlich des Eronos nicht ganz mit dem Verf. gehen
können. Das Verhältnis zu Hera erscheint dem Ref. für die Religions-
geschichte treilich verwertet. Der Fortsetzung der im grofsen und
ganzen dankenswerten Arbeit darf man mit Interesse entgegen sehen.
Otto Rofsbach, Eretische Sagen (Rheinisches Museum Bd. 44
p. 431-439)
bespricht die Münzbilder Ton Gortyn, welche ein auf einem Baum sitzen-
des Mädchen (Europa) zeigen, und die von Pbaistos mit dem von einem
Hahn begleiteten Enaben, der bisher als Zeus fik^avog gedeutet wurde.
Der Yerf. schliefst aus ersterem Typus auf eine anderweitig nicht be-
zeugte Sagenversion, wonach Zeus in Adlergestalt die Europa entführt
und auf einem Baume niedersetzt. Für den Enaben des zweiten Typus
bestreitet Verf. die Deutung auf Zeus und nennt ihn Ganymedes. Die
Gründe, welche Verf. gegen die bisherige Benennung vorbringt, dürften z. t.
auf einer Verkennung der zwischen kretischem und griechischem Zeus
obwaltenden Unterschiede beruhen; der Hahn ist bei einem chthonischen
Zeus ebensogut denkbar wie er dem Asklepios beigegeben wird.
Hinsichtlich des Zeus Auxatog sei auf den Aufsatz von Ernst
Maafs, im Hermes Bd. 26 (1890) p. 400 ff., hinsichtlich eines Zeus Met-
Xi^tog auf die von W. Dittenberger im Index schol. Halens. 1887 p. I — X
behandelte Inschrift verwiesen.
Nachtrag A.
Eduard Thraemer, Pergamos. Untersuchungen über die Früh-
geschichte Eleinasiens und Griechenlands. Leipzig, Teubner. 1868.
8. 422 S. mit 1 Earte.
Ref. kann sich nicht versagen, von denjenigen Abschnitten dieses
Buches, welche vorwiegend sagengeschichtlicher Natur sind, Mitteilung
zu machen. Zunächst vom 1. Eapitel des I. Buches (p. 1 — 99): 'das
Dogma von der Tantalidenherrschaft am Sipylos'.
Die Gestalten der Niobe, des Pelops und des Tantalos er-
fahren hier eine durch Methode und Umsicht ausgezeichnete Behandlung.
In der homerischen Darstellung der Niobe-Sage ist eine griechi-
sche örtlichkeit als Schauplatz gedacht und wir erhalten keine Hindeu-
tung auf Maionien oder auf Tantalos. Homers Niobe ist eine aus Argolis
nach dem nordboiotischen Alalkomenai (wo Verf. an der Hand des Phe-
rekydes eine noch ältere Stätte der Sage nachweist, als es Theben ist)
vermählte Achaierin. Sie muls identisch sein mit der altargivischen
396 GriecbiBehe Mythologie. Nacfatnf A.
Niobe, der Tochter des Phorooeos. Mit der griechisehen Niobe werden
spftter Zfige einer lydischen Niobe, welche mit jener eigentlich nichts
gemein hatte als den Charakter der mater dobrosa, verschmolzen, und
die griechisch- lydische Niobe, das Produkt dieser Verschmelzong, er-
scheint stets als Tochter des Tantalos and Schwester des Pelops. Was
den Namen Niobe betrifft, so erkennt Verf. darin mit Geldner ein ans
dem boiotischen oder einem verwandten Dialekt stammendes Kompositum
aus vio = veo und ßä^yä^ y^: ^die junge Erde'. Alalkomenens, der
Gemahl der Niobe, ist der Himmelsgott Zeus, der von der uralten boio-
tischen Eultstfttte Alalkomenai seinen Namen hat. Die Kinderschaar
bedeutet die Frühlingsvegetation. Wahrend der Tod der Niobiden ur-
sprünglich natursymbolischen Sinn hat, wird er in der ttberlieferten Form
der Sage durch das Verhältnis der Niobe zu Leto motivirt: Verf. erkennt
hier den Einflufs von Delphi, welches die Göttin Niobe zu Gunsten der
Letoiden in heroische Sphäre hinabgedrückt habe.
Hinsichtlich des Pelops gelangt der Verf. in sorgfältiger, auch
die 'Achaierfrage* eingehend berücksichtigender Untersuchung zu dem
Ergebnis, dafs er 'der Arcbeget des aus Thessalien südwärts wandernden
Teiles der Archäer gewesen ist und dieselben über Boiolien nach dem
Peloponnes begleitet hat* (p. 84). In Boiotien, wo Ghaironeia (Szepter
Paus. IX 40, 11) eine Station bildete, ist die Verknüpfung des Pelops
mit der Niobe erfolgt; das ursprüngliche Lokal der Wettfahrtsage war
in Phlius (Araithyrea), wo der Wagen des Pelops aufbewahrt wurde, als
des Pelops Herrschersitz aber war vor Aischylos und Euripides Mykenai,
und nicht Argos, gedacht : seine Lokalisirung in Eleinasien (Sipylos und
Lesbos) hat ihren Grund in einer Beteiligung peloponnesischer Achaier
an der aiolischen Kolonisation, sein pisatisches Königtum in der Anzie-
hungskraft des centralen Festplatzes Olympia.
In Tantalos endlich (Name vom Stamm rak\ ravraMfa ^schwin-
gen, schlendern') erkennt Verf. eine relativ junge Gestalt, deren prim&-
res Substrat vulkanische Erschütterungen im Gebiet des Sipylos bilden.
Tantalos ist der unter dem Zusammensturz des Sipylos begrabene oder
durch sein Wanken geängstigte Anwohner dieses Gebirges, ' das mythische
Bild des UtojKoq dvarpanecg'. Die Herrlichkeit und Göttergemeinschaft
des Tantalos sowie alle ethischen Momente der Sage hält der Verf. für
spätere, nicht zum primären Inhalt gehörige Vorstellungen. Dem Tantalos
wird Niobe genealogisch angegliedert, nachdem sie am Nordabbang des
Sipylos (Steinbild, an welchem die Sage von jener einheimischen mater
dolorosa haftete) lokalisirt worden war; zugleich aber wird Tantalos Vater
des mit Niobe schon in Boiotien verknüpften Pelops.
Das 2. Kapitel behandelt nach einer Widerlegung des Niese'schen
Satzes, dafs eine vor und neben Homer lebendige und die homerischen
Gedichte tragende Volkssage gar nicht existirt habe (p. 100—108), zu-
nächst die in den Homer interpolirten Sagen (p. 109—141), welchen
Thraemer (Niobe, Pelops, Tantalos, Kabiren, Ange, Telephos). 397
der Verf. einen sehr beträchtlichen Umfang zaspricht: die attische The-
senssage, die dorischen Zndichtungen (im ganzen c. 214 Verse) — alle
Hinweise auf die Heraklessage hat Verf. im Verdacht dorischer Mache
— den Schiffiskatalog, in welchem Verf. mit Früheren eine InterpolatiOQ
boiotischen Ursprungs erkennt (während er die Boioter im Gefolge Aga-
memnons als 'harmlose Erweiterungen des älteren Bestandes der Ilias'
ansieht, welche dem in lonien vertretenen boiotischen Element Rechnung
tragen, p. 126) und endlich den Frauenkatalog der Odyssee, für welchen
Verf. durch eine eingehende Analyse gleichfalls eine spezifisch boiotische
Tendenz zu erweisen sucht. Mit einem Wort: es waren 'die homerischen
Gedichte einem successiven Zudichtungsprocess vom Stammesgesichts-
punkt aus unterworfen' (p. 141).
Die folgenden Abschnitte desselben Kapitels (p. 142^164) betreffen
den Sagenbestand der kyklischen Epen. Auf die lebendige Volks-
sage, welche inzwischen den trojanischen Krieg immer weiter ausgestaltet
hatte, nicht aber auf subjektive Erfindung bezw. Weiterbildung homeri-
scher Anspielungen, führt der Verf. hier sowohl diejenigen kyklischen
Sagen zurück, auf welche bei Homer nur angespielt wird, als auch die
neuen Stoffe der Kykliker, wie vor allem den teuthrantischen Krieg der
Eyprien und den Telephiden Eurypylos mit seinen Keteiern in der kleinen
Ilias. Gegen v. Wilamowitz sucht Verf., z. t. mit treffender Begründung,
die zeitliche Priorität der Odyssee vor den kyklischen Epen zu erweisen.
Aus dem II. Buch verdient zunächst der erste Abschnitt des 2. Ka-
pitels die Beachtung des Mythologen. Verf. entwickelt hier (p. 263—270)
die Ansicht, dafs die im 2. nachchristlichen Jahrhundert auftretenden
pergamenischen 'Kabiren' eine Mischung aus Dioskuren, Kureten und
Kabiren darstellen und letztere vielleicht aus (dem vorübergehend von
Tyrsenern besetzten) Pitane über Teuthrania nach Pergamos gekom-
men seien.
Das letzte Kapitel (p. 369—406) handelt von Auge und Tele-
phos, bezw. von der überlieferten Besiedelung Tenthraniens durch die
Arkader. Es ist zu unterscheiden zwischen der tegeatischen Sage und
der teuthrantischen. Für erstere, welche in zwei Versionen überliefert
ist (Abweichung blofs hinsichtlich der Umstände und des Ortes der Ge-
burt), ist charakteristisch, dafs zunächst nur Auge übers Meer geht Qod
Telephos ihr erwachsen nachfolgt; die teuthrantische Sage hingegen,
welche durch Hekataios überliefert ist, läfst Auge zugleich mit ihrem
Knaben in einer Larnax übers Meer nach Teuthranien gelangen. In
Sophokles Mysern wäre nach der Darlegung des Verf. für die Geschichte,
soweit sie sich in Griechenland abspielt, die tegeatische Sage befolgt
nvorden, für die Schicksale der beiden in Teuthranien aber die teuthran-
tische: auf keinen Fall will Verf. in der Hyginischen fab. 100, die ihm
für Sophokles zu monströs erscheint, mit Robert (s. o. S. 390) das Argu-
ment jener Tragödie erkennen. Auch hinsichtlich des pergamenischen
398 GriecbiBche Mythologie. Nachtrag A imd B.
Telephosfrieses weicht der Verf. in mehreren Punkten von Robertos Er-
klärung ab; er stellt neben den Fries und Philostratos den Tzetzes als
dritte Quelle fflr die attalische Version des teuthrantischen Krieges. —
Sowohl in der tegeatischen wie in der teuthrantischen Version erkennt
Verf. mit Recht alte Wandersagen, den mythischen Ausdruck einer
'Stammbewegung von Arkadern, welche Auge und Telephos als Stamm-
heroen verehrten' (p. 400), er sieht die Abweichung zwischen beiden Ver-
sionen ebenso tre£fend in dem naturgemäfs verschiedenen Standpunkt
begründet, welchen die Ausgewanderten und die Zurflckgebliebenen in
der Sache einnahmen. Auch die Annahme des ursprünglich göttlichen
Charakters des Telephos und der Auge hat viel für sich: aber die Deu-
tung auf Sonne (T.) und Morgenröthe (A.), welche Verf. p. 401 ff. ver-
sucht, erscheint dem Ref. allerdings etwas zu ktthn.
Nachtrag B.
Wilhelm Heinrich Röscher, Über Selene und Verwandtes.
Mit einem Anhange von N. G. Po litis Ober die bei den Neugriechen
vorhandenen Vorstellungen vom Monde und fünf Abbildungen (Viertes
Heft der ^Studien zur griechischen Mythologie und Kulturgeschichte
vom vergleichenden Standpunkte'). Leipzig, Teubner 1890. 8. 202 8.
Die von R. hier dargebotene, umfassende Sammlung aller an den
Mond anknüpfenden Vorstellungen des griechischen Volksgeistes bezeich-
net nach dem Urteil des Ref. einen bedeutsamen Fortschritt in der Er-
forschung der griechischen Religion, wenn auch die Schlüsse, welche der
Verf. aus diesem Material für die ursprüngliche Bedeutung einiger
Gottheiten zieht, vor einer strengen Prüfung nicht bestehen können.
Kapitel I stellt die 'Kultstätten und Lokalsagen' zusammen.
Es ist hierbei zu bemerken, dafs diejenigen Quellen, welche blofs von
einer Sage oder bildlichen Darstellung der Selene berichten, damit noch
keineswegs die Existenz eines Selenekultes für den betreffenden Ort sicher
stellen, und dafs noch weniger die mit Mi^vt^ zusammenhängenden Eigen-
namen in dieser Hinsicht irgend etwas beweisen. II betrifft die Namen
der griechischen MondgOttin: Selene, Mene, Phoibe, Maira, Aigle, von
welchen die drei letzten doch etwas zweifelhaft sein dürften.
Der Schwerpunkt des Buches liegt in den Kapiteln III — V: die-
selben werden ergänzt durch die treffliche Behandlung, welche N. G.
Politis in einem Anhang, p. 173 — 189, den lunaren Elementen des nen-
griechischen Volksglaubens zu teil werden läfst (Personifikation, Herab-
zauberung, der Mond als Kuh, Mondflecken, Vorbedeutungen, Einflufs auf
die Erde, Mondfinsternis u.a.). Kapitel III: Äufsere Gestalt des
Mondes und der MondgOttin, IV: Bewegung, Bahn, Auf- und Unter-
gang der SelenCi V: Das Wirken des Mondes und der Selene (p.
fioscher nod Politis (YolksvorstellaDgen vom Mond, Selene, Pan o. a.). 399
94), A : als ThanspeDder, B: Selene als Götdn der Meostruation und Ent-
bindung» G: Einflafs des Mondes und der Mondgöttin auf das Wachsen
und Gedeihen der Pflanzen und Tiere, D: auf Gesundheit und Krankheit,
£: Beziehungen des Mondes zu Liebe und Liebeszauber, F: Einflufs des
Mondes auf Zauberei, G : Beziehungen des Mondes und der Mondgöttinnen
zur Jagd.
Es ist eine erstaunliche Masse von Zeugnissen, litterarischen und
monumentalen, welche der gelehrte Verf. hier verarbeitet hat, eine wahre
Fundgrube fttr weitere Untersuchungen. Nur hätte man eine schärfere
Scheidung gewünscht zwischen solchen Vorstellungen, welche für den
Mond besonders charakteristisch sind, und solchen, d^ auch an andere
Naturgebiete angeknüpft werden : keinenfalls können Momente der letzte-
ren Art für den lunaren Charakter einer Gestalt etwas beweisen. Die
Fackel z. B. ist bei Demeter, in welcher der Verf. gewifs keine Mond-
göttin erkennen wird , mindestens ebenso häufig wie bei einer der p. 25
genannten Göttinnen; die Vorstellung des Stiergestaltigen (p. 31) ist mit
keinem Gott so häufig verbunden worden wie mit Dionysos, ohne dafs
eine Beziehung dieses Gottes zum Mond nachweisbar wäre; der Einflufs
auf Wachsen und Gedeihen von Pflanzen und Tieren (p. 61 ff.) ist doch
wohl ein ziemlich allgemein göttlicher Zug, besonders kräftig im Wesen
des vom Verf. als 'Windgott* gedeuteten Hermes entwickelt. Das sind
nur wenige Beispiele, die sich mühelos beträchtlich vermehren liefsen;
aber sie zeigen zur Genüge, dafs bei weitem nicht jede mit dem Mond
oder mit Selene verknüpfte Vorstellung notwendig immer lunaren Untere
grund hat.
Kapitel VI behandelt: Eltern, Ehegatten und Kinder der
Selene, VII: Attribute und Symbole, VIII: Kult, IX: die mit Selene
vermischten oder identifizirten Göttinnen Hekate, Artemis, Britomartis,
Diktynna, Bendis, Eileithyia, Persephone, Athena, Demeter, Isis und
Kybele, X: die Mondheroinen (oder Hypostasen der Mondgöttin),
welche Verf. in einen Selenetypus (Europa, Pasiphaö, Antiope, Prokris)
einen Hekate- (Medeia) und einen Artemistypus (Kallisto, Atalante, Iphi«
geneia) scheidet.
Das letzte Kapitel, XI, bringt, anknüpfend an den Mythus von
Selene und Pan, eine neue und in der Hauptsache glückliche Behandlung
des Pan. Der Verf. zeigt, wie in der Gestalt des Pan sich das Leben
und Treiben der griechischen Hirten, besonders der Schaf- und Ziegen-
hirten, widerspiegelt: <Pan ist ursprünglich weiter nichts als der göttliche
oder dämonische Typus eines altgriechischen Schaf- und Ziegenhirten,
gewissermafsen die Verkörperung des gesammten antiken Hirtenlebens
mit allen seinen Erfahrungen, Eigentümlichkeiten, Freuden und Sorgen,
daher alle ursprünglichen Funktionen des Gottes ganz einfach aus dem
zwar etwas beschränkten, aber für uns durchaus poetischen Vorstellungs-
kreise des antiken Schaf- und Ziegenhirten zu erklären sind' (p. 149f.). --
400 Griechisohe Mythologie. Nachtrag B.
Der Verf. will mit diesem Kapitel den Oegenstand Dicht erschöpft haben,
sonderD behftlt eine ausführliche BehaDdlung des Pan dem nächsten Hefte
seiner mythologischen Stadien vor.
Freilicii hat der Verf. auch hier die Grenzen wissenschaftlicher
Beweisffthrnog insofern flberschritten, als er das für die nns zagftogliche
Epoche gewornene Bild an den Anfang der Entwicklang setzt. Aber er
hat den Gegenstand so angefafst, wie wir es bei allen Gestalten der
Mythologie darchgefQhrt wflnschten: dafs nämlich bei den Verehrern des
Gottes, hioaaf bis zu den ältesten geschichtlich nachweisbaren, «der Hebel
angesetzt und untersucbt wird, inwieweit der Mythus Niederschläge ihres
Lebens enthält, ^^^er Ziele, auf welche es gerichtet ist, and der natflrlicben
Bedingungen, unter denen es sich abspielt Der Weg solcher Unter-
suchung ist meisVins weit und beschwerlich, aber er läuft auf festem
Boden; er heischt Entsagung in Bezug auf die letzten Anfänge der reli-
giösen Vorstellung Und läfst nur ein Stflck der Entwicklung schauen,
welche der Glaube durchläuft. Aber schon dieses Stflck birgt ein oner-
schöpflich reiches und mannigfaltiges Leben. Der Gott ist ein Spiegel-
bild des Volkes, das ihm mit Opfern und Gebeten naht: was es schafft
und wagt, worauf es stolz ist, seine Furcht und seine Hoffiinng find«i
in der Gestalt des Gottes einen Ausdruck, und jeder wesentliche Fort-
schritt der Verehrer hat irgendwie das Bild verändert
Druck Ton Martin Oldcnbours ia B«rUii* AdlerttrasM 1.
JAHRESBERICHT
Aber
die Fortschiitte der classischen
Alterthumswissenscliaft
Conrad Bursian,
herausgegeben
Iwan V. Müller,
ord. öflentl. Prof, der clasiiichen Philologie an dei UDivenilil BrUogen.
Sfebenondsechzigster Band.
Neunzehnter Jahrgang. 1891.
Erste Abüiellniig.
GRIECHISCHE KLASSIKER.
BERLIN 1892.
VERLAG VON S. CALVARY Ä CO-
W. Unter den Lindea 31.
I
Inhalts-Verzeichiiiss
des siebenoDdiecbsigsteD Bandes.
Die Jahresberichte über Homer Yon Dr. Weck in Metz und
Rektor Dr. A. Gern oll in Striegau, sowie die Berichte
über Hesiod und die Homeriden von Prof. Dr. A. Rzach
in Prag, und über griechische Lyriker einschliesslich He-
rondas von Prof. Dr. J. Sitzler in Baden-Baden werden
demnächst erscheinen.
Jahresbericht über Pin dar 1888 — 1890. Von Dr. L. Borne-
mann in Hamburg 1 — 28
Die Berichte über griechische Tragiker von Studienrektor
Prof. Dr. Wecklein in München; griechische Komiker von
Prof. Dr. K. Zacher in Breslau; Herodot von Prof. Dr.
J. Sitzler in Baden-Baden; Thukydides von Oberlehrer Dr.
Georg Meyer in Ilfeld und Oberlehrer Dr. Franz Müller
in Quedlinburg; griechische Historiker von Prof. Dr. Fr.
Krebs in Eichstäit; Redner von Dr. W. Grasshoff in
Stendal und Rhetoren von Prof. C. Hammer in München;
älteste Philosophen von Prof. Dr. F. Lortzing in Berlin,
und über Xenophon von Oberlehrer Dr. Weissenborn
in Mühlhausen i. Tb. folgen später.
Bericht über die in den Jahren 1886 und 1887 über Piaton
erschienenen Arbeiten. Von Prof. Dr. Gustav Schneider
in Gera 29 — 77
I. Allgemeines. Gesammt-Aosgaben 23. — Platonische Philo-
sophie so. — Reihenfolge der Dialoge 47. — II. Die einzelnen
Dialoge. Alkibiades. Apologie 63. ~ Eothydemus. Euthyhpron
57. — Oorgias 61. — Hippias ma. et mi. 52 — loo 63. — Kra-
tylus 64. — Kriton. Menexenos 66. — Parmenides 66. — Phae-
doD 69. — Phaednu 72. — Protagoras. Sophistes 76. — Theae-
tet 77.
IV Inhalts-Verzeichniss.
Bericht über Aristoteles und die ältesten Akademiker und
Peripatetiker für 1887—1890. Von Professor Dr. Franz
Susemibl in Greifswald 78 — 184
Allgemeines 78. — Protreptikos 86. — Politik der Athener 88. —
OrganoD 88. — Metaphysik 89. — Physica 89. — Psychologie
102. — De sensu; de memoria; de insomniis 111. — Parva natu-
ralia. De generatione acimalium 112. — Pbysiognomica 114. ~
De plantis, de Melisso etc. 115 — Ethica Nicoroacbea 117. —
De re publica 137. — Oeconomica 149. — Rhetorica 151. —
Foetica 154 — Katharsis 171.
Ein Spezialbericht über Aristoteles' 'Al^rjuaiojp noXizeia von
Prof. Dr. Valerian von Schöffer in Moskau folgt im
nächsten Jahrgang.
Die Berichte über spätere griechische Philosophen von Prof.
Dr. L. Haas in Passau; Plutarch von Dir. Dr. H. Treu
in Breslau; griechische Grammatiker von Professor Dr.
P. Egenolff in Mannheim; Erotiker von Oberschulrath
Prof. Dr. A. Eberhard in Braunschweig und über die
Byzantiner von Prof. Dr. Krumbacher in München er-
scheinen im folgenden Jahrgang.
Jahresbericht über Pindar 1888—1890.
Von
Dr. L. Bdmemanii.
Seit dem letzten Berichte über Pindarlitteratur (1888. I. 21 ff.) ist
der rtthrigste Mitforscher, der liebenswürdige Eduard Lübbert ans dem
Kreise der Lebenden geschieden. Über seine letzten üniversitätsschriften
mag auf Seeliger Phil. Adz. XVII 252 — 254, Rannow Wochenschrift f.
klass. Philol. V 675 ff. VI 1280ff., Abel Pfailolog. Wochenschr. IX 365 ff.
und den Referenten ebenda 717 f. yerwiesen werden.
Auch der junge ungarische Gelehrte Eugen Abel ist gestorben.
Seine Scholienausgabe (Jahresberichte 1885. I. 75 f.) wird im Auftrage
der k. Ungarischen Akademie der Wissenschaften durch N. Geyza vollen«*
det, im Wesentlichen auf Grund des Aberschen Nachlasses. Davon liegt
die erste Hälfte des dritten Bandes vor, nämlich
Scholia recentia in Pindari epinicia. Vol. I scholia in Olympia et
Pythia. Budapestini et Berolini 1891. VII u. 480 p. 8^
auch die biographischen Abschnitte aus Suidas, Eustathios und Thomas
Magister enthaltend.
Zu meinem aufrichtigen Bedauern sind seit 1885 die von 0. Schroe-
der verfafsten Berichte über Pindar, die als Beigabe der Zeitschrift fQr
Oytnnasialwesen erschienen, (vgl. diese Jahresbb. 1885 I. 122) sistiert und
auch von keinem anderen Gelehrten fortgesetzt. Dagegen knüpft sich
eine sehr dankenswerte Gabe an den Namen Ed. Boehmer, den Bergk
bereits in der Vorrede zur dritten Ausgabe, freilich mit irrigem Yomamen,
erwähnt. Boehmer hat seit seiner Schülerzeit und während eines langen
Lebens die Pindarlitteratur mit dem sorgsamsten Interesse gesammelt
und eine einzigartige Pindarsammlung aus den Jahren 1518 bis zur
Gegenwart allmählich geschaffen, deren Verzeichnis, über 600 Nummern
umfassend, kürzlich als Manuscript gedruckt ist. Es wäre zu wünschen,
daCs dieser Druck — etwa als Beilage zu den von demselben Verfasser
veröffentlichten »Sicilischen Odenc — allgemein zugänglich getoiacht wird.
Referent hat bereits diesmal das Verzeichnis mit bestem Dank benutzt
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXVU. Bd. (1801. I.) 1
2 Pindar.
Endlich erwähne ich im Yoraus meine inzwischen veröffentlichten
Aufsätze, die ich als Referent nicht weiter analysieren will, aber znm
Verständnis vieler nachfolgender Urteile zu vergleichen bitte:
a) Bornemann, Pindars siebente nemeische Ode, ein Siegertotenlied.
Philol. 46, 696—613.
b) Bomemann, Pindars sechste olympische Ode. Philol. N. F. I
689 — 698.
c) Bomemann, Pindars achte pythische Ode nebst einem Anhang
über die Pythiadenära. Philol. N. F. IV 230 ff.
d) Bornemann, Pindars elfte pythische Ode. ein Sieger- und Toten-
lied. Philol. N. F. IV, Heft 3.
Weder in diesen Aufsätzen noch im vorliegenden Berichte bin ich
aller Schwierigkeiten Herr geworden, die im Wege liegen; es soll mir
genügen, wenn ich einigermafsen den rechten Weg zum wissenschaft-
lichen Genüsse des Dichters eingehalten habe. Auch in anderer Hinsicht
bleibt dieser Bericht fragmentarisch, nämlich weil ich die Litteratur nicht
rechtzeitig vollzählig mir verschaffen konnte; so werden im nächsten
Jahresbericht Ergänzungen folgen müssen.
Schliefslich sei die freundliche Bitte aus den Jahresberichten von
1886 I. S. 63 wiederholt, dafs man doch die Verszahlen aus billiger Rück-
sicht gegen die grundlegenden Verdienste Tycho Mommsens allgemein
nach dessen Ausgabe cltieren möchte, natürlich ausschliefslich der Scho-
llen und Fragmente!
1) Alfred (und Maurice) Groiset, Histoire de la littöratore
grecque. Tome II, Paris 1890.
S. 1 — 468 handeln vom »lyrisme«; speciell auf Pindar bezieht sich
Cap. Vn (S. 863 - 426).
Es ist wieder ein grofser Genufs, die AusfEQirungen des feinsinnigen
französischen Gelehrten zu lesen, dessen Werk »La poösie de Pindarec
im Jahresbericht von 1886 S. 64 ff. als eine bedeutende Leistung gewür-
digt ist. In der diesmal vorliegenden kürzeren Fassung kehren bekannte
Gedankenreihen jenes früheren Buches öfters wieder; dennoch liegt Grand
genug vor, dies treffliche Buch nicht blos im Vorübergehen zu empfehlen,
sondern auch mehrere Einzelheiten daraus anzumerken, deren viele zu-
gleich als Anknüpfungspunkte eingehender neuer Untersuchungen dienen
können. Überall aber tritt uns der vielseitig angeregte Gelehrte mit dem
mafsvollen Urteil entgegen, und dabei ist seine Darstellung dieser viel-
fach recht schwierigen Probleme durch eine beneidenswerte »nettet^c
ausgezeichnet.
Wie die Differenzen der modernen und antiken Lyrik im allge-
meinen S. 266 f. feinsinnig gezeichnet sind, so trifft der Verfasser den
Kern der ethischen Lebensanschauung Pindars ganz vortrefflich S. 880 ff.
Ich führe folgende Bemerkungen an: »ä lire isol^ment certains de see
PiDdar. 8
vers, on pouirait le prendre ponr an mölanquolique et an dösespöi^c
[der Dichter hat in der That fUr die Wechselftlle and Widerwärtigkeiten
des Lebens ein offenes and tief eindringendes Aage] .... »qa^on ne 8*7
trompe pas cependant: Pindare est, malgr^ tont, le chantre de la vie
heurease», . . . »sa qnalit^ dominante c'est an ferme öqaüibre dans one
religiease s6r6nit6«. Die Einwirkung der Gottheit auf den Begnadigten
stellt sich dar in dem pindarischen Begriff der ^od: »race et naissance
ne sont an fond qne des mots par lesqaels nous exprimons la maniäre
dont s'exerce sor Tbamanit^ la paissance divinec. Oder wie der Dichter
der schönen Sinnenwelt gegenübersteht and sie vergeistigt: »c*est Tftme,
la vertu agissante qaMl voit dans la beaat6 sensible, et sans rien 6ter
k cette beaat^ de son 6clat, il Tanime d'ane vie snpörieuret.
Vortrefflich ist, was Groiset S. 23 f. Aber die armselige xiBtiptQ^
kurz and klar, was er S. 29 über die verschiedenen Tonweisen sagt
Als Metriker steht er nach wie vor auf dem meines Erachtens sehr ver-
ständigen Standpunkt, den er S. 403 in die Worte zusammenfafst: »On
pent contester quelquel-unes des figures rythmiqaes de M. J. H. [H.]
Schmidt, mais le principe m^me de sa theorie paratt trds solide«.
Zu wenig greifbar fafst Croiset wohl noch immer die logisch-poeti-
sche Einheit der einzelnen Ode, deren Auffindung sicherlich die schwie«
rigste und höchste Aufgabe der Pindarerklärung bleibt. Er meint, oft
sei diese Einheit in einem lehrhaften moralischen Grundgedanken zu fin-
den, oft aber sei es ähnlich wie in der Musik >une Impression diffidle
ä formulert (S. 412). Die Nomostheorie nennt er mit Recht »une tent»*
tive absolument vaine et chim^riquec (S. 404), vielmehr »il £aut tenir le
plus grand compte des triades et de la manidre dont les id^es s'y distri-
buent« (S. 417). Der Mythus in der Ghorlyrik, welcher »ne pouvait
manquer d^§tre partout präsent aux esprits« (S. 6 f.), ist das Spiegelbild
oder viehnehr die Verklärung der Wirklichkeit: »il offre ä Timagination
des types divins et h^rolques oü Thumanit^ sans doute se reconnatt,
mais agrandie et embellie, d^gag^e de tonte particularit6 mesquine, id^a-
lis6e sans chimdre et vivante sans vulgarit^c (S. 411).
Den Patrioten nimmt Croiset S. 370 in Schutz. Auf eine Honorar-
zahlung bezieht er P 11, 64 und J 2, 10: »le poäte peut se £üre payer,
mais ne doit pas 6tre cupidec (S. 387); vergleiche dagegen Philol. N. F. lY
Heft 3 und in diesem Berichte unter No. 21. Gegenüber den betreffs der Ri-
valen des Dichters ttberlieferten Thesen verhält Croiset sich S. 889 skep-
tisch, vielleicht hätte er sich noch energischer dagegen aussprechen sollen.
Die PythiadeurechDung läfst Groiset Ol. 48 , 3 beginnen (S. 869),
während Ref im Philol. N. F. IV 242 ff. Ol. 49, 3 festhält Für einen Aegiden
erklärt Verf. S. 367 den Dichter, wie meist geschieht; ifuol narepec P 6,
71 könne nicht auf die Abstammung der Thebaner Oberhaupt gehen (wie
Referent im Philol. 43, 79 ff. versucht hat), da die dorischen Aegiden
durchaus nicht Ahnen aller Thebaner waren. Als Belege dafür, dafs
4 HMtfe.
der IHehter sieht immer penOiilich die Anfflllintiig seiner Lieder geleL
tet habe, werden drei Stellen angeflElhrt (S. 371): xarä 0o(vuraav ifinolm
F 2, 67 nnd die beiden vertretenden Ghorffthrer Nikasippos in J II und
Aineas in 0 VI ; SitÜ (No. 2) S. 54 fügt 0 7, 8. N 3, 77 und fr. 124 (89),
2 hinzu, und auch für Christ (No. 5) S. 63 ist N 8, 77 beweiskräftig. In-
dessen vergliche über lUfinto in den letztgenannten Stellen Graf anter
No. 6 und 82; über J II siehe No. 21; fiber P II No. 80; endlich doi
GhorfUhrer Aineias hoffe ich Philol. 45, 618 beseitigt zu haben.
Druckfehler bei Groiset: S. 870 lies »Schmidt p. 164« und 8. 416
lies »Pythiquec statt Olympique.
2) Sittl, Geschichte der griechischen Litterator bis auf Alexander
den Grofsen. ni. München 1887.
8) Ghrist, Geschichte der griechischen Litteratur bis auf die Zeit
Justinians. Nördlingen 1889.
Es kommen in Betracht bei Sittl: S. 64—68 fiber chorische Lyrik
und S. 68—110 fiber Pindar; bei Ghrist S. 125-187.
Was ich bei der Auffassung der rorliegenden Werke — und sehr
Tieler anderer Gelehrten — durchweg vermisse, ist kurzgesagt Innerlich-
keit und lyrische Wahrheit. Vieles wird ohne triftigen Grund ganz for-
mell, äufserlich, oberflächlich, darum ohne ethische Tiefe oder ohne poe-
tische Wahrheit gefafst; der Dichtergenius wird zum poetischen Hand-
werker herabgewfirdigt. Nicht als wenn principiell diese Herabwürdigung
gepredigt wfirde, aber eine Menge Einzelheiten bewegen sich doch in
solcher Trivialität.
Dahin gehört zuerst die traditionelle Meinung, der Dichter sei
etwa wie später die Meistersinger durch ihre Tabulaturen, so durch die
fiberlieferten Typen des Siegesliedes nahezu gebunden und gefesselt ge-
wesen: ein Sklave der Tradition. So bemerkt Ghrist S. 125: »Einem
antiken Dichter war der Typus seiner Kunst zu fest von vornherein vor-
gezeichnet und der Freiheit individueller Empfindung ein zu kleiner
Spielraum gestattete. Sittl S. 54 findet im letzten System der sechsten
nemeischen Ode die Klage, wie schwer es sei, eine neue Seite poetischer
Darstellung zu finden; aber wie innig ist, was der Dichter dort sa^:
»eine Heerstrafse von Siegesruhmliedem ist hier längst gebaut, auf der
nun auch ich walle - und doch wie wohl thut immer wieder jedes neae
Glficklc Femer pflegten, sagt Sittl ebenda, die Dichter ausdrücklich
deshalb ihre Selbständigkeit zu rfihmen; aber was liegt anderes in
Stellen wie 0 3, 4 oder J 4, 57 als die herzliche Freude am scb5neB
Augenblick? Ähnlich 0 9, 48 »alten Wein, aber junge Lieder!« — wo-
rfiber freilich Sittl sagt: »Weil es um so schwerer fiel, gegen eine ältere
ähnliche Dichtung aufkommen, läfst sich Pindar einmal zu der Bitte
herab, man möge zwar den alten Wein, aber die Bifite neuer Lie4er
Pindar. 5
▼orzieheB, weil die Leute gegen alles Neue Yornrteil hegen.c Anob in
der Ode auf den Adonis-Aias (N VIII) ist Vs. 20 nicht an dichterische
Nenemngen, sondern an die recens victoria zu denken; ttbrigens wie-
der ein Lied, das einer gründlichen zusammenhängenden Durcharbeitung
bedarf. Ans Handwerk erinnert der Sittische Ausdruck S. 65, der Dich-
ter müsse neuartige Gombinationen von Versmafsen für jedes neue Ge-
dicht aussinnen. Ferner gehört hierher eine Annahme, wie sie für P II
bereits von Mommsen, Urlichs und Bergk in verschiedenen Formen vor-
getragen ist, und die nun bei Christ S. 131 Anm. 6 wiederkehrt, dafs
einzelne, besonders persönlich gehaltene Strophen wie P 1, 84 - 100. J
2, 48—48 nur dem Sieger vom Dichter überreicht, nicht vom Chor ge-
sungen seien; oder S. 188, dafs J IV eine Ergänzung sei, die Pindar an
J III angefügt habe, als der Sieger inzwischen in Nemea siegte. Mehrere
Oden also sind - man verzeihe mir den Ausdruck — Flickwerk; fakr-
wohl, poetische Einheit der Dichtung! Ganz äufserlich fafst Sittl S. 92
die Stellung des Mythus in der Ode (verwunderlich speciell den von P
XI): der Mythus ist für ihn lediglich eine »selbstverständliche Zugabe«.
Der Schlufs von N VII , dessen tiefernsten Sinn Referent im Philol. 46,
61 2 f. nachgewiesen zu haben glaubt, ist für Sittl S. 94 ein Spott gegen
phantasiearme Wiederholer. Freilich zustimmen mufs ich dem, was SitU
S. 96 über die meisten Versuche, die poetische Einheit nachzuweisen,
sagt, es komme dabei nicht die Poesie oder auch nur die Forderung des
Festes zu ihrem Recht; indessen es sind ebendieselben Forderungen der
Poesie und die Ansprüche der festlichen Gelegenheit, denen gerade Sittl
und Christ mit ihrer nüchtern -äufserlichen Auffassung der pindarischen
Kunst vielfach widerstreiten. Soll man sich wirklich mit Sittl bei Boüeaus
Wendung »un beau d^sordre« beruhigen? Findet Christ S. 135 die Zu-
sammenstellung des Proömiums mit dem Säulenportal des Saales in 0 VI
(so die gewöhnliche Deutung und auch Sittl S- 96) »wahrlich grofsartig«,
so wird es dagegen dem Referenten erlaubt sein, auf seine Ausführungen
im Philol. N. F. I 593 ff. zu verweisen. Der Einheit des Kunstwerks
widerstreitet ferner die Annahme Sittls S. 57 Anm. 5 (nach Thiersch),
manches Lied sei zugleich ein Wettgesang; so prosaisch vernichtet man
den Glanz der Bilder P 1, 45. N 4, 37 f. 9, 64 f. Ebendahin gehört so-
dann die von Sittl S. 88 bejahte Frage, ob einzelne Lieder zu späteren
Wiederholungsfesten und ähnlichen post-festum- Gelegenheiten gedichtet
seien; SitÜ meint P III, N IX, J II, P XI, 0 IX und P V ins Feld füh-
ren zu dürfen, und Christ No. S. 884 nennt 0 III eine Ode zur »Erinne-
rungsfeierc , während er sie doch in dasselbe Jahr des Sieges setzt wie
O II. Weiterhin das persönliche Gekläff Pindars gegen die Rivalen
(Sittl S. 66, Christ S. 122 und 124), vor allem die »verschleierten An^
griffe auf den intriganten Bakchylides« ; Anspielungen, welche Bury No. 12
um zwei neue Belege aus K VII und III hat vermehren wollen, nämlich
IMu/fuXdxae = Bakchylides und xpaydrat = rivals associated with the city
6 Pindar.
of Agrigentnm, beides als Wortspiele! Schon F. A. Wolf hat seine Be-
denken gegen solche Polemik geänfsert, und bei sorgsamer Erwägung
hält nicht eine Stelle Stich; vgl. z. B. ttber die »neidische Cliqne in
Aeginac (Christ No. 5 S. 41) meinen Anfsatz im Philol. 45, 696 ff. End-
lich die angebliche Erwähnung des Dichterhonorars in den Liedern, Sittl
8. 84 und Christ S. 123 und 131 Anm. 5: »Pindar appellierte ohne Zie-
rerei bezflglich der Höhe desselben an die Freigebigkeit des Bestellers
P 1, 90. J 1, 1 — 13t. Sind das zutreffende Belege? oder kann der Ver-
gleich mit Bildsäulen N 6, 1. 4, 81 dafür einen Beweis abgeben? Über
P 11, 41 habe ich im Philol. N. F. lY Heft 3 gehandelt.
Bisher sind Beispiele erwähnt, die mehr oder minder zur poeti-
schen Technik gehören. Aber auch auf das ethische Gebiet erstreckt
sich die beregte äuTserlich-nflchteme Auffassung. Wenn Sittl S. 74 sagt,
Pindar achte den selfinade-Mann nicht, so verweise ich auf Croiset's
(No. 1) viel tiefere Fassung der ^ud. Wenn er S. 75 bei Pindar öfters
z. B. P 8, 1. 11, 55. 0 4, 14 die Parole »Ruhe ist die erste Bürgerpflicht«
vorfindet, so vergleiche man meine Abhandlungen über P. 8 und 11 im
Philol. N. F. lY. N 1, 31 lehrt (gegen Sittl S. 70) nichts über Pindars Ver-
mögenslage , und das äginetische Konsulat N 7, 65 steht auf unsicheren
Fttfsen (Philol. 45, 608).
Endlich betreffs politischer Anspielungen verweise ich auf Christa
Geständnis unter Nr. 5 S. 32f.: »Mag auch die echte Poesie sich an das
ewig Geltende, den Schranken der Zeit Entrückte wenden, ein Dichter
von Siegesliedern wie Pindar mufste auf den bestimmten
Anlafs Rücksicht nehmen und dem Ehrgeiz des Siegers zulieb man-
ches ausschmücken, was uns jetzt frostig und langweilig erscheintc, —
und setze Goethe's Äufserung daneben (D. u. W. X): »Das Gelegen-
heitsgedicht, die erste und echteste aller Dichtarten, ward
[in meiner Jugend] verächtlich auf einen Grad, dafs die Nation noch
jetzt nicht zu einem Begriff des hohen Wertes derselben gelangen kann,
nnd ein Poet . . . erschien in der Welt auf die traurigste Weise sub-
ordiniert, als Spafsmacher und Schmarutzer u. s. w.c
Über Sittls Chronologie der sicilischen Oden (S. 7lf.) siehe unten
bei Christ No. 4 t Von Interesse endlich ist Sittls Urteil S. 98 Anm. 6,
die Nomostheorie habe alles gegen sich, und Christs Bemerkung über
Eurythmie S. 186, das Rechte sei noch nicht gefunden.
4) W. V. Christ, Der Ätna in der griechischen Poesie. Sitzungs-
berichte der bayerischen Akademie d.W. 1888. S. 349-398. 8.
5) Derselbe, Zur Chronologie pindarischer Siegesgesänge. Ebenda
1889. S. 1—64. 8.
Ob der in P 1 besungene Ätna- Ausbruch auf Ol. 75, 2 (Marmor
Parium) oder Frttlyahr 475 (Thukydides) zu setzen ist, sowie ob Pindar
Piodar. 7
den Prometheos des Aeschylns vor Angen gehabt hat oder umgekehrt^
wagt Christ nicht zn entscheiden. Die ersten drei olympischen Oden
gehören nach Christ in Ol. 77, 1 ; die Pythiadenära Ol. 48, 3 wird fest-
gehalten, eingehend über P 8 und 1 1 gehandelt. Hinsichtlich politischer
Anspielungen in den Oden ist Christ ziemlich znrttckhaltend, weniger
dagegen mit dem Versuch, die Übereinstimmung einzelner Wendungen
fttr Gleichzeitigkeit der Oden zu verwerten.
Was ich ttber diese verschiedenen Punkte in meiner Recension
(Berl. philol. Wochenschrift 1890 S. 365 — 367) vorgebracht habe, will ich
hier nicht wiederholen. Inzwischen habe ich über die Pythiadenära (Ol.
49, 3) und ttber P 8 und 1 1 eingehend im Philologus N. F. lY gehandelt,
nnd es erscheint mir in diesen Jahresberichten behufs Anbahnung eines ge-
meinsamen Verständnisses bezw. behufs Förderung fortschreitender neuer
Untersuchungen nunmehr von Wichtigkeit zu sein, die beiderseits einge-
nommenen Positionen zu kennzeichnen, die freilich recht weit von ein-
ander liegen.
Gewifs hat Christ S. 9 Recht, wenn er sagt, dafs Pindar an plasti-
scher Anschaulichkeit alle anderen Dichter des Altertums übertrifft (wenn
nur seine Ausleger stets dieser Plastik gerecht würden!). Vergleiche
die andere Stelle bei Christ S. 366: »Darüber läfst sich leicht Überein-
stimmung erzielen, dafs in der Kunst der Schilderung dem Pindar die
Palme (vor Aischylos) gebühre; Pindar schildert ungleich anschaulicher
mit lebhafteren Farben und in grofsartigeren Bildern die gewaltige Natur-
erscheinung selbst, die imposante Landschaft des schneebedeckten, mit
schwarzen Kieferwäldem bewachsenen Berges Ätna, die aus dem Krater
aufsteigenden Rauchwolken, die in dunkler Nacht unter gewaltigem
Prasseln in das Meer geworfenen Felsblöcke. ■ Aber nun ist sofort be-
treffs P 8 die Vermutung entwickelt, die Zeitverhältnisse hätten zur Er-
richtung eines Tempels oder Altars der Hesychia geführt und ihre Statue
hielt einen Schlüssel in der Hand. (Folgerecht könnte diese Vermutung,
um eine andere Schwierigkeit zu beseitigen, dahin ergänzt werden, dafs
sie den SchlQssel hoch [uTtepTdra^] getragen habe.) Sie sei es, die »zu-
nächst innere Kämpfet in Ägina zur Ruhe gebracht habe. Dagegen für
den Referenten a. a. 0. ist fyTuj^ta (ätxa^ ^uyaT^p bntprdrao) lediglich ein
ethischer Begriff, und ich hoffe ebenfalls gewifs Recht zuhaben, wenn
ich sage, dafs Pindar an ethischer Tiefe alle anderen Dichter des Alter-
tums übertrifft (wenn nur nicht manche Ausleger soviel Plattheiten hin-
eindeuteten — von denen Christ einmal recht hart folgende Worte ge-
braucht (S. 883): »das können nur diejenigen glauben, welche sich in
der Verkleinerung der Grörsen des Altertums gefallen und den erhabenen
Sänger der sittlichen Weltordnung nicht blos für einen servilen und
achselträgerischen, sondern auch taktlosen und unklugen Menschen aus-
geben wollen«). Pindars ^uj^ta ist seelische Gefafstheit, die wunderbare
Ruhe eines kraftvoll harmonischen Charakters, in den Höhen und in den
S Plndar.
Tiefen des Lebens erprobt Wohl prägt skli darin zugleich der Sehmers
um den Jammer der geknechteten Insel, aber keineswegs eine politische
(antidemokratische) Parteitendenz aus. Findet Christ im Schlnsse des
ersten Systems noiqi re Ikxpvaa/St J<uptec re xatfiqt die Sympathie mit
der Sache der Dorier ausgedrückt, so liegt ftr mich darin eine Hindea-
tung auf apollinische Lebensharmonie und dorisches Kraftbewufstsein.
Im Mythus selbst sucht Christ keine politische Anspielung, ein Beweis
für die mabYoUe Nüchternheit dieses Gelehrten im Gegensatz zu vielen
anderen. Dagegen kann ich nicht beistimmen, wenn Christ meint, aus
der letzten Epode trete uns Pindar als schwermütiger und ruhebedürfti-
ger Greis vor die Augen; vielmehr ich denke, er hat sich bis ins höchste
Alter und unter allem Lebensernst dennoch die volle frische Freude am
schönen Augenblick des Glücks bewahrt Endlich ist zu erwähnen, dab
Christ schwerlich Beistimmung finden wird mit der Aufstellung, der
Dichter habe auch nach der Unterwerfung von 466 Ägina »freiv nennen
können; aber was braucht denn in den betreffenden Schlufsworten der
Ode anderes zu liegen als die Bitte um Freiheit und das Verlangen nach
Freiheit, zumal unter den günstigeren Constellationen 10 Jahre nach der
Unterwerfung 446, wohin das Lied auf Grund der Pythiaden-Aera Ol. 49, 3
meines Erachtens gehört?
Für P 11 versucht Christ den Nachweis, dafs dies Lied nicht mit
der Überlieferung in das Jahr 478 bezw. richtiger 474, sondern 468 ge-
höre. Erster Grund: nur so lassen sich die drei Siege (vs. 14) aus den
vss. 46 ff. gewinnen. Demgegenüber glaubt Referent a. 0. den erforder-
lichen Nachweis geführt zu haben, speciell aber habe ich darauf hinge-
wiesen, dafs man bisher die handschriftliche Überlieferung von vs. 47
^OAufATtif T willkürlich verlassen hat Überdies kommt Christ, um seine
Ansicht zu halten, nicht um die weitere Vermutung weg, dafs zu Pin-
dars Zeit der dtdo^s ohne Waffen gekämpft sei. Zweiter Grund: für
einen jugendlichen Sieger passe der ernste Ton nicht, nämlich »die Auf-
forderung zur bürgerfreundlichen, der Förderung des Gemeinwesens zu-
gewandten Tugend vs. 54, die Warnung vor oligarchischen tyrannischen
Gelüsten vs. 53, der Hinweis auf den guten Namen als schönsten Besitz«
den der Mann am Ziele des schwarzen Todes den Seinen hinterlassen
könne vs. 56 fc Dagegen versteht Referent unter (wo} dperai Siege in
Kampfspielen und findet in ^iiikipopL ataav rupawiSwv eine Wertschätzung
des Bürgerlebens im Gegensatz zu der Herrscherkrone (z. B. eines Aga-
memnon); die Worte vom Tode und der Hinterlassenschaft beziehe ich
auf den Vater des Siegers. Dritter Grund: Nur aus der Waffenbrüder-
schaft zwischen Theben und Sparta von 458 erkläre sich der »fast mit
den Haaren herbeigezogene Hinweis auf Lakonienc vs. 16, die ganze
»weitläufige Digressionc vs. 15 — 87, der »in gesuchter, schwerflieÜBender
Sprache« vorgebrachte, »nicht aus voller Empfindung herausgequollene«,
bei einem Laufsiege »hinkende« Preis des Jolaos, Kastor und Polydenkea
Plodar. 8
¥8. 69 £ (Auf dieselbe Waffenbrüderschaft deutet Christ S. 55 anch N
11, 88 ff., wie er denn trotz seiner sonstigen ZnrAckhaltung gegen poli-
tische Anspielungen den Dichter 8. 362 >znm Dolmetsch der politischen
Anschauungen des Hieron sich hergebenc läfst.) Ich habe dies alles
durch Parallelisierung des Agamemnonmythus mit den Geschicken des
Siegers und seines Vaters aufzuhellen mich bemttht; freilich Spuren der
»gesuchten, schwerfliefsenden Sprächet kann ich nicht entdecken, und
AaMQtwg andererseits dürfte, wenn Oberhaupt ein besonderer Nachdruck
darauf liegt, den Orestes -Thrasydaios von vorn herein als einen jung
in die Fremde verstofsenen bezeichnen. Vierter Grund: die Priorität
der Oresteia des Aeschylus, — welche nachzuweisen Christ nicht gelun-
gen ist. Dabei kommen unter anderem zwei Sätze vor, die ich nicht
unterschreiben kann: 1) »Pindar wird sich als erzählender Lyriker we-
niger als der Dramatiker Aischylos an der Unwahrscheinlichkeit ge-
stofsen haben, dafs ein zwölQähriger Knabe durch seine Amme der
Metzelei im Königspalast entzogen wirdc ; 2) »der Dichter gestattete sich,
die Amme zur ^Apaofoa , »Frommsinnigenc umzutaufen und hielt sich so
halbwegs in den Wegen seines attischen Bivalent (ich habe a. a. 0. das
A4jektiv dprivoa verteidigt).
Ich komme endlich auf die Chronologie der sicilischen Oden. Fttr
Sittl No. 2 8. 71 f. verläuft das Verhältnis zu Hieron so: (OL 76, 3
Gelon t), Ol. 75, 4 Anknüpfung mit Hieron durch P 11 gelegentlich eines
thebanischen Herakleensieges, Ol. 75, 1 persönlich 0 I in Sicilien, aber
schwerlich lange Zeit im Königlichen Palast. Zweite Reise (NB!) nach
Sicilien 474/8: P III und bald (Ol. 76, 8) P I. Fraglich sind N I und
IX; 0 VI ist vielleicht Ol. 77, 1 aus Theben nach Stymphalos gesandt;
seitdem Schweigen, Ol. 78, 1 Erkaltung [?] (Ol. 78, 2 Hieron f). - Aus
Christ 8 angehängten Zeittafeln notiere ich kurz: Ol. 76, 8 Gelon f,
OL 75, 4 P II auf einen thebanischen Sieg, Ol. 76, 2 P III überschickt,
Ol. 76, 8 P I und N IX, Ol. 76, 4 N I, Ol. 77. 1 0 1. 0. III. XII, nach
Ol. 77, 1 J II, also Aufenthalt in Sicilien Ol. 76, 8 bis etwa Ol. 77, 3;
erst nach der Rückkehr 0 VI Ol. 78, 1 für den Syrakusier Agesias. —
Referent: Ol. 75, 8 Gelon f, (Ol. 76, 1 in Orchomenos 0 XIV, OL 76, 8
in Theben, Athen, Kyrene P XI. VII. IX), OL 76, 8 Spätsommer Schlacht
bei Kyme, Ol. 77, 1 Ol. IIL II. N IX. Theron f und Untergang des
Thrasydaios, OL 77, 2 P II. J H. N I, OL 77, 8 P I und III. 0 XII, also
Aufenthalt in SicOien OL 77, 1 bis 77, 3, dann OL 78, l Sieges- und Ab-
schiedsfest des Agesias in Stymphalos 0 VI, OL 78, 2 Hieron f (OL 78,
2 ? N VII auf Aegina, OL 79, 1 in Corinth 0 XIII und Rhodus 0 VII).
Dazu die Frage : zu welchen Festfeiern hat Pindar von Sicilien aus die
Reise unternommen? Meine Datierung von P II und ill mufs ich ander-
wärts ausführlicher begründen.
10 Plndar.
6) Gerrato, La tecnica composizione delle Odi Pindariche. Oe-
nova 1888. 142 S. 8.
Der erste Teil (S. 1 — 95) giebt eine Übersicht über die Aasgaben
and Auslegungen vom Altertum bis auf die Gegenwart, einschliefslich
der Nomostheorie. Der zweite Teil beschränkt sich auf S. 96 — 136.
Davon enthalten S. 102 — 109 eine Aufzählung der in den Oden vor-
kommenden Mythen, S. 116—134 eine Zusammenstellung ttber den Inhalt
der olympischen Oden. 8. 96 — 102 wird festgestellt, dafs in den Oden
ein Lob des Siegers, die Erwähnung des Kampfes u. s. w., Erinnerung
an Götter oder Heroen, viertens allgemeine Sätze u. s. w. Platz haben;
8. 109 — 114 Einiges Aber Lokalmythen, Familienmythen, agonistische
Mythen, exemplificierende Mythen; 8. 135, dafs jede Ode mit Mythus
dreiteilig ist.
Recensionen: Rivista XYII, 409 — 412; Rev. critique 1889 S. 97
von Groiset; Wochenschr. f. kl. Philol. VI, 1107— 11 10 v. Gr[usius].
7) Grusius, Über die Nomosfrage. In: Verhandlungen der 39.
PhOologen- Versammlung S. 258—275.
Knüpft an die Recensionen Lflbbertscher Schriften in der Wochen-
schrift f. kl. Phil. II 1293 ff. IV 1887; sucht Lübberts »farchtlos-stand-
haftesc Eintreten ftr die Nomostheorie wenigstens stttckweis zu vertei-
digen. Hauptsächlich wird über Kallimachos gehandelt; betreffs Ste-
sichorus, Terpander fr. 1 und Pindar P 7, 2 siehe Graf und Immisch (in
diesem Bericht No. 8 und 9). Über Pindar ist der Verfasser — offen-
bar wegen der Ktlrze der für den Vortrag angesetzten Zeit — rasch
hinweg gegangen; nur 8. 271 f. gehört unmittelbar hierher. Grusius sta-
tuiert in den Oden »verhältnismäfsig oftc ein 3 teiliges Schema — wozu
es der Nomostheorie nicht bedarf; »ziemliche vollständig findet er den
Nomos in »etwa sechst Epinikien; vor allem aber glaubt er zwei wich-
tige Verwandtschaftsglieder zwischen Nomos und Ode nachweisen za
können: 1) »ein der afppayiQ völlig entsprechendes Stück«, in welchem
»Pindar sich über seine Kunst äufsert oder mit seinen Widersachern
abrechnet«; 2) »die Thatsache, dafs der einleitende Teil oft in zwei, mit
einem Anruf beginnende, glänzende Bilder zerfällt«. Belege giebt Gru-
sius zu 1); betreffs der »Widersacher« siehe meine Bemerkungen zu No.
2 und 3 dieses Berichtes, dagegen finde ich eine Wendung persönlicher
Art wie sie bisweilen nach dem mythischen Teil als Überleitung zur
Wirklichkeit auftritt, sehr natürlich und auch ohne Nomostheorie nahe-
liegend.
8) Graf, Die <i^;^a Terpanders. Rhein. Mus. Band 44 S. 469—471.
Handelt teils über Tipootiitov bei Stesichorus fr. 46 und Pindar P
7, 2; teils über dp^d bei Terpander fr. 1 Bgk.
Wenn Grusius Wochenschr. f kl. Phil. 1887 8. 1385 die Worte des
PlDdar. 1 1
Stesichorus auf den ersten Doppelten eines nomenartigen Gedichts be-
zieht, fragt Graf mit Recht: •Sollte Stesichorus * wirklich eine solche
trockene technische Dispositionsangabe im Gedicht gemacht haben?c
Yiehnehr gemeint ist gar nicht der technische Ausdruck, sondern »An-
fang«, wie auch Terpanders Fragment lediglich eine Umschreibung von
>ix dtb^ dp^wfutrßa* ist. nifinw bei Terpander ist = darbringen, opfern,
cf. Theogn. 777, Aesch. Pers. 918 K., Bergk PLGr. III* 679f., Eur. Iph.
T. 171. Auch kann vom vö/ioc SpBto^ bei fr. 1 nicht die Rede sein, weil
dieser metrisch sich nicht vom Epos unterschied.
9) Immisch, Zur Geschichte der griechischen Lyrik. Ebenda
S. 653-567
behandelt 1) die dpäfiara rpaytxd^ indem er im Anschlufs an Hiller (vo-
riger Jahresbericht No. 1) den Zweck und das Wesen dieser Interpola-
tion klarzulegen versucht; 2) den Namen axoXtd und specicll Terpander
fr. 1. Doch fällt dieser Aufsatz dem Referenten Aber griechische Lyrik zu.
10) Czerner, De difficultatibus quibusdam in Pindari carminibus
explicandis. Programm Gleiwitz 1889. 12 S. 8^
Zuerst versucht sich der Verfasser an der Frage, warum Pindar
bisweilen die (angeblich ältere) monostrophische Form gewählt habe.
Dies Warum? kann er nicht angeben, macht aber über N 2. N 9. J 7
(8) einige Anmerkungen : es hätten sich wohl die Strophen untereinander
(antistrophisch) entsprochen, indem in N 2 und N 9 die erste Strophe
wohl vor Beginn des Tanzes gesungen, in J 7 aber die letzte als impBixoy
behandelt sei. Betreffs N 9 wird eine längere Polemik gegen L. Schmidt
und Dissen geführt und die Meinung vorgetragen, das Lied sei nach dem
Opfer am ApoUon-Altar gesungen, vor dem Marsch zum Gastmahl.
Betreffs der Mythen (S. 8— 12) stellt sich Czerner auf Dissens
Seite und sieht darin allgemeine Wahrheiten gelehrt und verdeutlicht,
was er wiederum an N 9 zu exemplificieren versucht.
11) IlivSdpou rä awZofitva fierä fierat/^päaewv, (n^futanreußv xae
mvoLxoff rwv Xd^eiov e/c röfioü^ e\ und K. KXedvBouc. Triest 1886
— 1887. Xa 466; B\ 617; ly', 371; $\ 317; 340 S. 8.
Vergleiche Jahresberichte 1888. I. S. 29 und Berliner Philol.
Wochenschr. 1890 S. 367.
12) The Nemean Ödes of Pindar, ed. by Bury. London 1890.
LXI und 272 S. d^.
Belege aus dieser irischen Auslegung der räthselbaften »Wortspiel-
Echo-Poesiec Pindars sowie Einiges über die Künsteleien, welche der
Herausgeber dem Pindar zutraut, findet man in meiner Recension Berl.
12 Piadar.
Philol. Wochensclir. 1891. Wer die Theorie des Herausgebers ei
der verstehen will, lese
13) Bnry, Paronomasia in Pindar. In: Hermath. XIII 185—208.
14) E. Bohde, Psyche. Seelencnlt und Unsterblichkeitsglanbe
der Griechen. Erste Hälfte. Freibnrg 1890.
Auf dieses interessante Werk sei ans mehreren Grttnden hier hin-
gewiesen. Speciell sei aufmerksam gemacht auf die Bemerkungen über
Ämphiaraos S. 106 f. und Kaineus S. 108, sodann Ober den Heroenglan-
ben der Griechen S. 138ff., Aber das lyrische Zeitalter mit seinem Indi-
vidualismus und seiner Religiosität S. 188, auf die Benennung der Ab-
geschiedenen als ^pioe^ speciell in Böotien S. 234 und die Förderung
der Totenverehrung durch das delphische Orakel S. 236 , endlich Ober
die Vorstellungen vom Leben im Jenseits S. 284 f.
Ob Rohde angesichts meines Aufsatzes über P 8 (Philol. N, F. IV)
seine Auffassung der Stelle über das (angebliche) Heroenorakel des Al-
kmäon S. 177 und 185, sowie angesichts meiner Behandlung von P 11
(Philol. N. F. IV ) die Notiz über die »Marterscenen auf etrurischen
Unterweltsbilderuf S. 293 u. Anm. 3) aufrecht erhalten wird? Und was
er über meine einschlägige Deutung von N 7 (Philol. 46, 596 ff.) denkt?
15) Perathoner, Die Melodie der Sprache in den Gesingen Pin-
dars. Programm des zweiten deutschen Obergymnasiums zu Brttan
1888. 23 S. 8^.
Onomatopoetisches. •— Einleitend über die Musik in der Sprache
Homers : >es erklingen in Dur- und Moll- Akkorden sowohl die Töne der
Natur als auch die Schwingungen selbst der zartesten Saiten des Her-
zens, bald hell und rein, bald dumpf und düster, bald mächtig ergreifend
wie Orgelton und Glockenklang, bald sanft anwehend wie Harfenspiel
und Flötenschallc. In dem vorliegenden Programm will Verf. sich auf
die iphysischen Affektec beschränken, die dann auch bis ins Kleinste
analysiert werden.
Um vor solchen Versuchen zu warnen, sei das letzte Stück aus-
zugsweis vorgeführt. »Tonmalerei der Ätna-Eruption Pl, 21fr.
rac ipiuyovrat bis vs. 28 xevret: tosende Lavaströme und kollernde Fels-
stttcke, gemalt durch n ;r tt in vs. 21f. und 24; die Luftströmung an der
Kratermündung, gemalt durch den dreimal alliterierenden Blase- und
Schlürf laut ^; Lava und Felsstücke stürzen emporgeschlendert in die
Tiefe, daher r und ^\ sie brechen stofsweis hervor, daher der RoU-Laat;
die Eruption wiederholt sich, denn die bezeichnenden Lautverbindungen
kehren wieder; das dumpfe Getöse hallt weithin, daher a o w oi und
besonders drei oo\ das ip€uyea$ai^ gemalt durch die sechs Kehllaute ys.
21 und die x in vs. 27, wo überdies ;if(^tftfoi0a effektvoU ist; aber am
berrliehsten ist die Lautgrnppe nXdxa aöv naTä/fp mit n^ nXa^ dem Kehl-
laate, mit a a a und dem volltönenden Aasklang ^.c — Der angekün-
digte Schlufs (Programm 1889) ist mir noch nicht zugekommen.
16) Rieder, Zur pindarischen Theologie. Fleckeisens Jahrbücher
1890, S. 667-666
onbedeatend.
Über
17) Fraccaroli, Alconi luogfai
berichtet ausftüirlich F[riedr.] M[eeger] im Literarischen Centralblatt
1889, S. 1776. Ich darf mich auf diejenigen Stellen beschrftnken, wo
Fraccaroli nach Mezgers Urteil etwas Richtiges oder Ansprechendes vor-
gebracht hat: 0 8y 8 dverae medial (cf. P 2, 49). P 7, 22 di xal rd «
tintpaytav xaUt ^6vov,
18) Aus der Anomia. Archaeologische Beiträge, 0. Robert darge-
bracht Berlin 1890.
Darin: Wentzel, Ein Pindarscholion und ein philostratisches Oe^
mftlde [näraHch schol. P. 4, 246 und Philostr. 2, 14] und Hiller von
Oaertringen, Das Königtum bei den Thessalem im 6. und 5. Jahrhundert
[vgl. P X].
19) Zielinski, Apoll bei den Hyperboreern. Rh. Mus. 38, 626.
Betrifft den Mythus von P X. Verfasser parallelisiert richtig die
Hyperboreer mit den Thessalern; dagegen ist sein Versuch, den vs. 86
neu zu erklären, verfehlt. Während sonst an die Geilheit der Esel ge-
dacht wird, hat Mezger richtig »des Getiers sich laut gebahrenden Über-
mutc übersetzt, der die feierliche Stille stört Was können nicht Esel
schreien! Gildersleeve, den diese Deutung ansprach, hat eingewandt, es
stehe Spwv dabei. Geschrei sieht man freilich nicht, wohl aber sieht
man die Unbändigkeit. Jedenfalls ist die Deutung der xvw8a^t als ivot
durch den Zusammenhang gesichert, nach Zielinski aber sollen es die
Hyperboreer als schwerfällige Tänzer des Hyporchems sein. Den Begriff
Hyporchem gewinnt er aus üßptv dp^tav durch die (blofse) Annahme,
dafs der terminus ißp9eog damals wohl überhaupt = creticus (Hyporchem-
takt) gewesen sei; so sei ßßpt^ dpBfa »ein im Vs-Takt aufzuführender
ausgelassener Tanze
20) Hill er. Zu Pindaros. In Fleckeisens Jahrbüchern Bd. 137,
1888, S. 446 f.
P 6, 87 ff wird behandelt Wohl richtig sieht Hiller bereits den
9e?oc d¥^p als Subjekt zu drtdpupey an und zieht abrou zu inoc: »nicht
verachtete Antilochus den Hilferuf seines Vaters, so dafs derselbe ein
14 PfDdar.
j^afiaenerkff litoq gewesen wftre«. — Leider sehe ich beüiiilg« dats
Hiller die YerlADgemog kurzer Endsilben (Ol. 10, 99) dnrch den metri-
scben Ictns (Bergk zu P 8, 6) billigt
21) Fraccaroli, Le dne odi di Pindaro per Trasibolo. Rivista
di filologia XY 296—342
ist mir nicht zu Gesicht gekommen. Da indessen J II in mehreren
Fragen eine wichtige Rolle zu spielen pflegt, benutze ich die Gelegen-
heit, meine Stellung zu dieser Ode zu skizzieren.
Fast zwei Jahrzehnte sind verflossen seit P VI. Theron ist Ol. 77, 1
gestorben, Thrasydäus hat seinen Untergang gefunden, in Akragas ist
die Demokratie zur Herrschaft gekommen. Nun stirbt auch Xenokrates;
was soll aus Thrasybulos werden? Nicht zu einer sogenannten i Wieder-
holungsfeier«, sondern als Threnos dichtet Pindar das Lied; diese be-
reits von Diodorus vertretene Auffassung, von der im Scholion berichtet
wird, hAtte man nicht fallen lassen sollen. - »Lang ist es her, da san-
gen ot ndhju ^üne<: ihre Lieder, c Das ist der Dichter selbst und die
Zeit von P Yl. Da spielten sie im Musenwagen auf der Phorminx, von
Gold i^^ptßaa^Totxiüv) und Ruhm {xXuT§i) umgeben. (Ich halte die Über-
lieferung iv de^ptff fest und lese inatCov mit Komma nach ^opiuy^i.)
Wenn sie auf einen schönen Jüngling trafen (auvayroiuvot) — natOrUch
ist Thrasybul gemeint — , dann schössen sie leichthin ihre klangsfifsen
Lieder auf den Geliebten, den Aphrodites Werberin, die lieblichste Ju-
gendreife zierte, {jivdcrr^p und fivdaretpa werden, wie mir scheint, von
Pindar nur plastisch = procus gebraucht; 'A^poShac ist gen. subjectivns
und wegen eltBpovou persönlich zu fassen, nicht abstract als amor.) So
klingt aus vergangener Zeit die Erinnerung und erz&hlt von Gold und
Spiel, von Ruhm und leichtem Leben, von frohem Klang, Schönheit,
Liebe und Lieblichkeit. Jetzt (antistr. a) ist es anders: jetzt sind die
Freunde und der Besitz dahin, und das böse Geschick macht — nahezu
wenigstens — des Argivers Wort »Geld ist der Manne zur Wahrheit
(Ich erg&nze die Lücke in vs. 10 dnrch )[pewv). »Nahezuc — weil Pin-
dar jedenfalls das Wort nicht wahr sein läfst. Wie war es doch schon
in jener Zeit des Glücks mit seiner Muse? Sie war noch nie gewinn-
süchtig oder Lohnarbeiterin, nicht käuflich waren süfse Lieder bei
Terpsichore als silberbelohnten Hökerin. (Liest man dpyüpwBBiaaQ
npontoXa^ so erhält man zugleich die metrisch erforderliche Länge). Wie
schrill klingen die Töne des jetzigen Daseins ins Ohr : ^cXoxspdi^c^ ipT^-
TIC 9 nipvvjpt^ dpyvpwBetaa^ nponwh^^^ ^peiov, ^pi^para^ xredvwv &a^
Aet^Belc xal ^iXwv, Aber ein Freund hat den Thrasybul nicht verlassen,
der Dichter; Thrasybul selbst ist ihm geistesverwandt, weil er auch ein
ao^o^ ist, und Pindar ist ihm wohlbekannt. (Lies c^x dyvwQ dslBm u. s. w.)
So versteht denn auch Thrasybul, warum der Dichter gerade jetzt noch
einmal alle die herrlichen Siege preist, den isthmischen, den pythischen,
Pindar. 15
den panatheiiiiscben: die Freadensonnenstrahlen fallen aafs Leid. (Ys.
15 hat Bergk richtig das ttberflüssige alnw durch aio)^ ersetzt; ys. 16
mflfste doch wohl ni/nf/fev stehn ; vs. 22 lese ich r^ und äitdaa^ ävea^.)
Aber wozu jetzt die ebenso lang ausgesponnene Geschichte von dem
Wagenlenker und dessen Wiedererkennung und Bewillkommnung in Elis,
dem »Heiligen Lande des Olympischen Zeuse ? Ich denke, das alles hat
einen tiefen Sinn : wenn dies dem Wagenlenker widerfuhr, wie wird dann
der dahingeschiedene sieggekrönte und gastliche Xenokrates selbst von
den Herolden des Olympiers jetzt bewillkommnet werden? Zu diesen un-
sterblichen Ehren hat aber auch Pindar seinen Teil beigesteuert (?8. 30
bis 32), und das ist gut. Gerade jetzt ist es gut; denn der Lebensweg
wird dadurch leichter, wenn man (d. i. Thrasybulus) darauf mitnehmen
kann den Musenpreis ruhmreicher Helden. (Vs. 33 f. werden gewöhnlich
ganz anders verstanden ; vs. 37 doch wohl el^ev.) Und gerade der Heim-
gegangene verdient in besonderem Mafse diesen Preis des Liedes ; wegen
seiner Stellung zu der Stadtgemeinde, zu der panhellenischen Gemein-
schaft, zu den Göttern, zu den Gastfreunden. Und gerade dies Letztere,
bereits vs. 24 Erw&hnte klingt mit Absicht besonders nachdrücklich
wieder durch: »stets die Segel gespannt fhr die Freunde; ob's gute Fahrt
war (v. WiUamowitz wohl richtig Hpeto^) oder Wintersturm, er that fttr
sie das Änfserstec (= 0aat^ und Netko^\ wohl aus Versehen steht bei
Mommsen vs. 42 der Plural dxrdg im Text). Diese Worte giebt einer-
seits die Dankbarkeit Pindars ein, aber zugleich enthalten sie, wie es
scheint, einen bewillkommnenden Grufs an Thrasybulus von Pindars
^etvo^ ^dauoc d. i. Hieron (auf Thrasybuls Lage pafst der Begriff ^&äcoQ
schwerlich, da er an Besitz und Alter Pindar nachsteht). Jetzt, wo das
Herz der Sterblichen, d. i. Thrasybuls, ängstliche Befürchtungen umschwe-
ben, die ihm all sein Glück nicht gönnen wollen, gerade jetzt soll er
weder seines Vaters herrliche Gestalt verschweigen und vergessen, eben«
sowenig aber Pindars tröstendes und ehrendes Lied, sondern soll an
beiden sich herzlich freuen und von beiden fröhlich mitteilend reden,
jedesmal wenn er zu Pindars verehrtem Gastfreunde kommt. (Ich ändere
vs. 44 mya Täv narptpav^ vs. 47 dXXä statt raura , und verstehe unter
vtxdetrtnoQ niemand anders als den Thrasybul selbst, den Sieger von
P VI, woran der Eingang des Liedes erinnerte, wohin das Ende zurück-
kehrt)
22) Unger, Frühlings Anfang. In Fleckeisens Jahrbb. 1890
behandelt S. 169 auch Pindar J 3 (4), 36; ib. vs. 7; fr. 76.
23) Thoma, Note sur un passage de la IV ^ Pythique de Pindare.
In Revue de Tinstruction publique en Belgique 1888, S. 177 f.
P 4, 283 sei zu deuten: il refnse ä la calomnie le concours de sa
voix brillante.
16 Ffiidar.
24) E. Bethe, De Pindari cannine quodam bthiiiio deperdito.
In: Oenethliacon Gottingeiise (1888), p. 82 — 37.
Yerf. versncht den Inhalt und Zusammenhang de^'enigen isthmi-
schen Liedes zn ergänzen, von welchem nns das fr. 5 Bg. = h. l Boeckh
geblieben ist. Er meint, die ganze Sage von der Ino nnd Melikertes
sei erzählt. Aber wo ist flberhanpt ein Anzeichen, daCs die Ode mit
epischer Ausführlichkeit den Mythus vorgetragen habe? Wie oft nimmt
Pindar mit einer kurzen Skizze auf Bekanntes Bezug!
26) Hof mann. Die in einem Fragmente des Dichters Pindar er-
wähnte Sonnenfinsternis. In: Jahresbericht über das Gymnasium in
Triest 1889, S. 43-49.
Während Boeckh expl. S. 602 nach Ideler auf Grund der Pingr^
sehen Neubearbeitung von de Liacaille, L'Art de v^rifier les dates die
im fr. 107 (74) besungene Sonnenfinsternis auf den 30. April 463 (Ol. 79, 1)
nachmittags 2 Uhr ansetzt, hat Hofinann nach v. Oppolzers iGanon der
Finstemissec sowie nach Oorrectionen von Ginzel <üe Rechnung wieder-
holt Er findet zwischen 600 und 460 n. Chr. zwei fhr Theben nahezu
totale Sonnenfinsternisse: 1) am 17. Februar 478 (Ol. 76, 2) gröfiste Phase
lOi'lO' vormittags 11,8 Zoll; 2) am 80. April 463 (01.79, 1), gröfste
Phase 2^24' vormittags 11,1 Zoll. Hofriann entscheidet sich wegen der
in vs. 11 ausgesprochenen Befürchtung von Schneefall und Frost fär das
Februardatum und somit für die erste Finsternis, während Boeckh diese
mit Hinweis auf vs. 10 abgelehnt hatte, da zur Zeit der von Herodot
9, 10 erwähnten Finsternis (»circa Ol. 76, U) der Krieg noch im Gaoge
gewesen sei. Augenscheinlich hat Boeckh hier eine ungenaue Berechnung
vor Augen und ist infolgedessen im Irrtum; auch dürfte gegen die zweite
Finsternis anzuführen sein, dafs doch vermutlich ihr Eindruck, ein halbes
Menschenaiter nach der ersten, nicht so gewaltig gewesen sein mag,
auch dafs der Dichter nicht unterlassen haben würde auf die statthabende
Wiederholung des vor 16 Jahren erlebten Phänomens ausdrücklich hin-
zuweisen. So dürfen wir wohl ziemlich sicher das Fragment auf den
17. Februar 478 datieren. Doch ist beiläufig Hofmann irrtümlich der
Meinung, nach den Herausgebern der Epinikien stamme das Fragment
ans einer dem Hiero gewidmeten Hymne.
26)Hümmerich, Die Pindar-Handschriften B und D in Nem und
Isthm. — In: commentationes philologicae, obtulerunt sodales seminarii
philologici Monacensis. Monachii 1891, S. 116—128.
Diese auf die Nemeen und Isthmien beschränkte Nebeneinander-
stellung der in 6 und D überlieferten Lesarten ändert nichts an der
bisherigen Wertschätzung; »die letztere Handschrift ist zwar weniger
genau in der Copierung alter Varianten, auch weit mehr dureh Schrei-
Pindar. 17
ber- Irrtümer und Nachlässigkeiten entstellt, aber entbehren kann man
sie nichtf.
Über N 3, 75 spricht der Verfasser eingehender. Ihm scheint
jiüLxpog • angem essen « , aber auch ^varog »gut erklärbar»; Aristarchs
Autorität ist ihm entscheidend für ^varog bezw. B. Nun ist zunächst
zu erinnern, dafs Aristarch für Pindar nahezu wertlos ist, sodann aber,
dafs die ganze Basis, auf welcher Hümmerich operiert, sehr angreifbar
ist Sollte wirklich in das Relativ cDv vs. 71 der Begriff »Tugendf mit
Recht hineingelegt sein? und welch seltsame Lehre von drei Lebens-
altem und vier Tugenden, die auch Hümmerich mit »Anklängen an
pythagoreische Lehren« nicht klärt! endlich wie auffallend der Gebrauch
von iXS.\ Ich glaube vielmehr, dperdg ist (echtpindarisch) s= victorias,
und in iX^ steckt einfach iXoe: in jedem Lebensalter (als naug, dvrjp und
naXatrepog) hat Timodemos einen Sieg errungen; nun »möge ein län-
geres Leben auch vier Siege erringen, aber die Gegenwart mahnt an die
zu gedenken, deren er teilhaftig istc. Wenn diese Auffassung richtig
ist, so fällt Bvarog als unzulässig weg, aber es ist für mich ein Finger-
zeig, dafs auch fmxpog falsch ist, zumal da immer eine Silbe fehlt; der
Text dürfte ursprünglich hg äxpog aiwv = aetas ejus extrema gelautet
haben und jenes 0£ teils als ßN gelesen, teils durch M ersetzt sein.
27) Herbig, Zur Chronologie der pindarischen Siegesgesänge
Isthm. III/IV und Isthm. YII. — In: Commentationes philologicae (vgl.
No. 26), S. 129—145.
Verf., welcher Bulle's Auslegung billigt, will die von seinem Lehrer
Christ gegebenen chronologischen Erörterungen (No. 6 S. 30 f.) weiter-
führen. Es erscheint ihm nach Dissen, Mezger und Christ als gesichert,
dafs vs. 34ff. die Schlacht von Platää gemeint sei; und mit Rücksicht
auf die sicilische Reise (über welche übrigens oben zu No. 4 f. gegen
Schlufs zu vergleichen ist) könne man nur an die Isthmien von 478 oder
476 und an die (16 Monate später) folgenden Nemeen denken. Nunmehr
wird, nach dem» Muster von Christ S. 52ff., der Versuch unternommen,
aus »bis ins einzelne gehenden Analogieen« zwischen P IX und J III zu
erweisen, dafs diese beiden Epinikien kurz nacheinander gedichtet seien;
da aber P 9, 89 — 9 1 kaum ohne Zuhilfenahme der analogen Verse aus
J III verstanden werden könne ( !), so müsse man der dritten isthmischen
Ode die Priorität zu erkennen und sie 478 setzen. — Gesetzt, der Aus-
gangspunkt (Platää) und die Beweisart (Analogieen) sei irgendwie sicher,
60 wäre selbst dann die Scblufsfolgerung noch fraglich, weil die Pythia-
denära fraglich ist. Aber sogar auf dem eigenen Standpunkt des Ver-
fassers bleibt, wenn ich ihn recht verstehe, ein unlösbarer Widerspruch;
denn er setzt ja den in J III erwähnten nemeischen Sieg 16 Monate
nach dem isthmischen, folglich etwa ein Jahr nach P IX I
Jahratb«richt fUr Alt«rthuin»wiMeiiiichaft. LXVU- Bd. (18M. I.) 2
18 PindAT.
Aber Herbig macht niminehr selbst den Einwarf^ dafs J YIII (YII)
auf einen isthmischen Pankraüonsieg von 478 gedichtet erscheine. Das
sei indessen ein Knabensieg gewesen: vs. 1 äXixiq. nnd viot (!), vs. 2
narpog^ vs. 72 äXixmv (!), TS. 76 veoroQ^ Ts. 77 fjßay. Nener Einwarf:
die Gmndstimmnng beider Gedichte ist ungleich. Antwort: es kann
recht wohl ein Monat zwischen J VII and III liegen und die Stimmung
des Dichters sich inzwischen gebessert haben ; dort der wiewohl »schftch-
temec und »versteckte« Versach, Ägina »politisch fftr Theben zu inter-
essieren! — also wieder die diplomatische Gelegenheitsdichtung! — , hier
»gottergebene Resignation und unerschQtterliche Hoffnung auf einen glQck-
verkttndenden Schicksalswechsel«.
Wo hat Herbig einigermafsen sicheren Boden unter den FtÜsen?
28) Rehro, Pindar und die Aigiden. In: Gommentationes philo-
logicae (s. No. 26), S. 146 — 159.
Durch Studniczkas Buch über Kyrene und die Übungen des Christ-
sehen philologischen Seminars veranlafst, erörtert Rehm dieselbe Frage
und dieselbe Stelle, welche Referent im Philologus 43, 79 — 85 behandelt
hatte, und vertritt im wesentlichen denselben Standpunkt der Skepsis
constmctionslustigen Theorien gegenflber, ausgenommen betreffs der per-
sönlichen Abstammung des Dichters. Mit Recht verwirft er Studniczkas
Meinung, dafs die erste Person bei Pindar nicht immer den Dichter,
sondern oft nur den Chor bezeichne; denn 0 14, 4 ist als Beweis unzu-
reichend, und betreffs P 8, 98 bedarf es nicht einmal der von Sittl ver-
suchten mythologischen Motivierung (dafs Agina die Schwester von Thebe
gewesen sei, J 7, 17 — also ein Tanten Verhältnis zu Pindar), es ist ja
in ^iXa jxärep garnicht die erste Person zum Ausdruck gebracht Statt
der von Studniczka statuierten Verlegung des Karneenfestes denkt Rehm
sich das Verhältnis von P IV und V so, dafs zuerst P IV von Theben
aus geschieht, sodann aber Pindar selbst nach Kyrene gefahren sei und
den in P IV nicht erwähnten Wagenlenker bei dessen Ankunftsfeier in
P V zugleich mit seinem Herrscher begrttfst habe. Das ist eine künst-
liche Construction, und aus P 4, 298 f. geht keineswegs hervor, dafs dies
Lied von Theben aus geschickt ist. Wie bei 0 II und III, so hat auch
hier eine zwiefache Feier des Sieges ~ auch nicht etwa eine zweite
Feier als »Erinnerungsfeierc — stattgefunden; das Karneenfest aber
kann doch wohl fUr dies Mal von dem auf einen apollinischen (pythi-
schen) Sieg hoffenden König verlegt sein. Betreffs der Ägiden und des
Kameenfestes stellt sich Rehm folgendermafsen : in den Kameen sei ein
agrarisches vordorisches peloponnesisches Fest mit einem kriegerischen
aus der Zeit des Heraklidenzuges zusammengeflossen, ein ägidischer
Familienkult sei es nicht gewesen, die lakonischen Könige seien nicht
Ägiden. Über die in den Schollen überlieferten Berichte des Ephoros
und des Aristoteles denkt Rehm — abweichend vom Referenten - so:
Pindar. 19
am das Alter der theräischen Golonie hinaafzurückeii, sei eine »sparta-
nische Yersionc (Herodot, Pausanias, Ephorus) erdacht, nach welcher
die Ägiden von Theben mit den Heraküden nach dem Peloponnes ge-
kommen seien; in Wirklichkeit (Aristoteles und Pindar) seien sie zur
Eroberung von Amyklä im 8. Jahrhundert gerufen und nachher zu Trä-
gem des Kameenfestes gemacht. Es gab nach dem Verfasser Aegiden
in Theben, und Pindar nannte »mit einer kleinen, leicht verzeihlichen
Freiheitf auch jenen Zweig der Aegiden seine Väter, der »in alter Zeit
aus Theben nach Lakonlen eingewandert war und von dort den Gült
des kameischen Apoll nach Thera und Kyrene getragen hattet.
Referent giebt zu, dafs er die »Yorsichtc wohl zu weit getrieben,
wenn er Pindar's Abstammung von den Ägiden in Frage zog und ifwl
nuTspec als Thebanoram proavi verstand; aber zu sagen, dafs Pindar ein
Ägide war, bleibt solange eine ziemlich inhaltlose Rede, als die Meinungen
über jene und ihre Wanderungen so verworren sind , wie dies Referent
a. 0. S. 80 zusammengestellt hat, und Rehms kurzer Aufsatz berührt
zuviel Fragen sprangweis, um überzeugend wirken zu können.
29) Sauppe, Variae lectiones. In: Index scholarum Gotting.
1890, S. 5
liest fr. 76 (54) vs. 6 — 9 mit der Änderung Seür statt deurepov und
früheren Coigecturen anderer Qelehrten folgendermaisen:
io8eT(ov Xdj^eve are^vwv
Tay r* iapedpSTtraßv Xoißäv^
/leoßsv re fie ^v dyXat^
tSere nopeuß/vr* doe8äv
8euT* in} rdv xtaaodirav ßeov.
Drackfehler statt nopsußevT\
30) Meinel, Beiträge zur Erklärung Pindars. Programm der
Studienanstalt zu Kempten 1890. 32 S. S^.
Meinel beschäftigt sich mit Mezgers Gommentar und behandelt in
fünf Abschnitten folgende Fragen:
a) Zu Pyth. II. Wer ist der eöepydajg? wer die Undankbaren?
wer die iptßupot? wer ihr Opfer? — Von Intrigaen des Bakchylides
kOnne nicht die Rede sein, denn nach vs. 67 0ohtaffav i/xnoXdy sei das
Lied ja von Hieron »bestellt und bezahlte, Beweis, dafs »Pindar keinen
Grand gehabt hätte sich zu ereiferac; ferner finde sich im Ixionmythus
kein Hinweis auf Bakchylides ; drittens sei es unglaublich, dafs in einem
Siegeslied persönliche Verhältnis^ des Dichters einen so breiten Raum
einnehmen dürfen; viertens würde doch Pindars Verteidigung recht
schwach zu nennen sein; endlich fänden die politischen Anspielungen
vs. 82. 86 ff. 98 u. a. so keine Erklärung. Referent ist einverstanden,
20 Pindar.
freilich Dicht mit der Erklärung der Ootvteaa ifmo^d, und verweist be-
treffs der beiläufig erwähnten Ode N VII auf PhiloL 45, 596 ff. Nach
Meinel ist nun der Undankbare Polyzelos, dessen Berechtigung Hieron
gegenüber nicht anzuerkennen sei, also umgekehrt als bei Boeckh;
Polyzelos werde vor Verwandtenraord (an Hieron) und edvat napdrpoTmc
(mit der Bruderswittwe) gewarnt; auch vs. 49 — 56 richteten sich gegen
die Gegner der »von Gott geschaffenen Tyrannisf , ohne dafs der Dichter
wie Archilochos persönlich würde. Auch die ip^&upoe seien politisch zu
erklären: eine Eoterie politischer Zuträger, die nach beiden Seiten —
gegen den Fürsten wie gegen das Volk — heuchelten und ihre selbst-
süchtigen Pläne betrieben, denen Hieron freilich als dv^ dya^Sg »nicht
immerc glaubte. Mit den ^Bovepoe vs. 89 kehre der Dichter zu den vor-
erwähnten Ixion-artigen Leuten zurück als zum eigentlichen Thema des
Liedes, indem er den Übergang dazu von der »geraden Zungec aus ge-
winne, die nämlich nach vs. 88 nicht gegen die von Gott gesetzte Gewalt
sich richten dürfe, ein Grundsatz, gegen den die <p^ovepot verfehlten. —
Ähnlich, nur in gewissem Sinne einheitlicher, fafst Böhmer, Sicilische
Oden S. 39 ff. das Lied; er sagt: »Pindar ergreift die Gelegenheit, um
vor Yerläumdem zu warnen. Er «elbst war als Parteigänger des Polyzel
hingestellt worden, auf welchen letzteren durch den Mythus in N ES^
das günstigste Licht fiel, wenn man den Gesichtspunkt des Dichters ver-
liefs. Pindar hebt nun durch einen anderen Mythus hervor, was er an
Polyzel tadelte, nämlich »dafs Polyzel zu blutiger Fehde zwischen Ver-
wandten antrieb, und dars er keine Scheu davor empfand, seines Schwie-
gersohnes Tochter zur Frau zu nehmen, die noch dazu die Frau seines
Bruders gewesen war, und zwar des Königs .... Übrigens sucht der
Dichter den Hieron hinsichtlich etwaiger Nachkommenschaft Polyzels ans
solcher Verbindung zu beruhigen durch den Hinweis auf die Kentauren,
die keine vollen Männer waren und darum keine Männerbeherrscher . . .
Der vs. 81 f. Gebrandmarkte ist jedenfalls nicht Simonides . . ., auch nicht
des Simonides Neffe Bakchylides, sondern ein darog von Syrakus [also
hier nicht Polyzel?]t. — Referent glaubt nicht oft genug davor warnen
zu können, in der pindarischen Poesie Verhandlungen über allerlei poli-
tische, diplomatische, persönliche Affären behufs Herbeiführung eines
gewünschten Endzwecks zu erblicken. Und speciell in dem vorliegenden
Falle — wie wenig Takt und Geschick würde der Dichter besessen
haben, wenn er sich wirklich in der angenommenen Weise vor der Öffent-
lichkeit mit dem Zwist der Verwandten beschäftigt hätte! Ganz zu
schweigen von jenen groben ünschönheiten, dafs er bei einer Feier
Hierons in die Welt ruft: »Polyzel, morde mir diesen nichtlc oder dem
Könige beruhigend einige Verse des Inhalts widmet: »Nur nicht bange,
aus dem Ehebund kommen höchstens Kentauren !c Wieviel höher stände
dann Simonides, der mit thatkräftiger Vermittlung bewies, dafs der lUfs
keineswegs unheilbar war. Endlich eine Einzelheit. Wenn beide Ans-
Pindtf. 21
leger von iblntiger Fehdec oder »Mordf sprechen, so stehen sie damit
auf dem Boden der hergebrachten Deutung von vs. 31 f. ijpiog Zri iiupi}-
ho^ alfia npmrtaro^ oux äzep ri^va^ inifju$e bvarot^. Aber ist diese
Deutung richtig? »Parricidium intulit mortalibusc, übersetzt Boeckh;
oder, um einen der neuesten Herausgeber anzuführen: iBrought the
stain of kindred blood upon mortalsc, liest man bei Gildersleeve. Dabei
ist nicht blos das inifu^e Bvarotg zur Floskel verblafst, sondern auch
das Wort atfia selbst; denn Blut flofs schwerlich, als Deioneus in die
mit glühenden Kohlen gefüllte Grube fiel. Nun bedeutet alpxi auch stirps
(N 6, 35. 3, 65); wie hier ind/u^e^ so steht N 11, 34 xexpdfuvov bei
otfLa mit Bezug auf Heirat, eine Bedeutung, die auch sonst bei intp^fyvufu
statthat und an dieser Stelle zutrifft, weil Ixion eine Heirat einging.
Mithin wäre zu übersetzen: »heros suam stirpem primus non sine doio
commiscuit cum mortalibusc — wobei auf dem ersten Wort (^po^c) und
auf dem letzten (Bvarot^) der Nachdruck liegt; derselbe Gegensatz
17 10, 81. Auf diese Weise wird auch in vs. 34 das »Kenn", o kenne
deine Sphäre« doppelt verständlich, ebensowie die allgemeine Sentenz
vs. 80 f. von den 8uo dfinXaxeau, jenes »Dünk* dich nicht allzugrofs und
nicht zu tief versinkec. — Betreffis des ganzen Liedes müTste eine aus-
führliche Behandlung den Nachweis unternehmen, dafs 1) der flüchtig
erwähnte Sieg an den Isthmien in Syrakus errungen war; 2) dafs der
Ixionmythus auf den Untergang des Thrasydäns geht; 3) dafs das Kor
aropetov iv AloXß&aat ^opddi^ ein in naher Aussicht stehendes grofses
Siegeslied ist, ähnlich wie das bereits irme^^ vöiap Alohjßi poXnqi dem
Hieron gelieferte Olymp. I, vermutlich aber kein anderes als das mit der
kTtrdxrurms ^Spfity^ beginnende Fyth. I; 4) dafs unser Lied also in die
Zeit zwischen 0 77, 1 und 0 77, 8 gehört; 5) dafs Hieron für Pindar
thatsächlich ein Forstenideal war, nicht aber als Schulbube betrachtet
werden darf, und was dergleichen Fragen mehr sind. Bei dieser Ge-
legenheit müfsten dann auch Textänderungen wie vs. 86 norixoXXov ix6vT\
vs. 39 & r9, vs. 54 Sxarov Svra oder neue Erklärungen wie vs. 68 jnven-
tute defendit (defendis?) audaciam bellorum begründet, vor allem aber
eine einheitliche Anordnung nachgewiesen werden. Da liegt wieder eine
überaus dankbare Aufgabe vor unsl
b) S. 17—24 behandelt Meinel Nem. YIII, doch läuft dieser Ab-
schnitt darauf hinaus, Yauvilliers* Hypothese zu erneuern und Ghrists
Datierung 461 mit unzureichenden Argumenten zu stützen, während
Meinel selbst sich darauf beschränkt, die Vermutung beizusteuern, dafs
Megas und sein Sohn an den nämlichen Nemeen gesiegt hätten, der
Vater aber vor Abfassung der Ode gestorben sei. Meinel meint »kurz
zuvor gestorbeuf — indessen war nach dem Wortlaut der Ode doch
nicht des Vaters Tod Anlafs zu diesem Gedicht, das Gedicht ist kein
Threnos, vielmehr mnfs seit dem Siege und dem Tode eine geraume Zeit
verflossen sein, und folglich muls Meinel seine Vermutung durch die
22 FindMT.
andere unwahrscheinliche Annahme stützen, dafs es Gelegenheitsgedichte
post festuni gebe. Anch anf diese Ode mnfs ich ansffahrlich anderswo
znrttckkommen.
c) 8.24 — 29 betreffen Olymp. X (Mommsen), die gröfsere der
Agesidamosoden. Zanfichst erfahre ich beiläufig, dafs v. Willamowitz in
dem Göttinger Lektionskatalog 1890 8.8 — 10 einen Vorschlag betreffs
0 11, 4 vorgetragen hat, den Referent bereits in diesen Jahresberichten
Bd. 42 8. 99 machte; sodann dafs derselbe hinter riXXeTai vs. 6 inter-
pnngiert und nnter fuXeyapu^ ^X^ ^^^^ vorläufige Abschlagszahlung ver-
stehen will. Auch Meinel hält 0 XI für »eine 8kizze eines Siegesliedesc,
0 X dagegen Air »die vollständige AusfOhrungf . Das sind schöne Worte«
aber ohne greifbaren 8inn. Der Mythus hat für den Verfasser als xocv^c
UyoQ vs. 1 1 (mit Croiset = 6loge g^n^ral de la race ou de la patrie da
vainqueur) die Lokrer, nicht den Sieger im Auge; er rfthme am Idealbild
des Herakles die ^Arpixtta als die den Wortbmch des Augeas bestra-
fende Gottheit, ferner den ^Apifjg und die bei der ersten Festfeier betei-
ligte KakXtona, Eine Analyse teils des Begriffs ^Arpexeta^ teils aber und
vor allem des von Meinel völlig aufser Betracht gelassenen Gedanken-
gangs in £p. d könnte die Unzulässigkeit dieser an und Air sich auf-
fälligen Deutung des Mythus erweisen. Wie, wenn 0 XI auf den Kna-
bensieg von Ol. 74 geht, der unbesungene Sieg in OL 76 fiel, 0 X aber
einem Siege aus Ol. 82 gilt und zwar als xocvbg X6yoQ für den nnbesnn-
genen und den letzten Sieg? Aber das läfst sich nicht mit wenigen
Worten abthun, sondern verlangt wieder eine besondere Verhandlung.
d) 8. 29 31 über N 2, 10. — Nach Meinel hat der Scholiast
Becht, wenn er in IleXetddec zugleich eine Anspielung auf die Wildtauben
findet; nun sei Salamis nach Aesch. Fers. 809 Sitz von Wildtauben ge-
wesen, so müsse auch ein Orion da sein, nämlich »der moderne Orion,
der stämmige Pankratiast Timodemosc — Das wäre höchst künstlich.
Freilich auch die bisherigen Erklärungen sprechen nicht an. Das Lied
selbst giebt uns die Lösung an die Hand vs. 23 inrä S* iv Ne/idf: da
haben wir das Siebengestirn am Himmel der siegreichen Familie; nun
mufs der prächtige Orion kommen! Das Beiwort dpetäv^ welches man
zu Wortspielen mit Vapewva verwertet hat, kann ich nicht festhalten;
das schon im Schoüon von Krates vorgeschlagene ^epeiäv ist meines
Erachtens richtig und Bury's neuester Einwand, dafs die Plejaden auch
im Winter scheinen, nicht stichhaltig: mit dem Aufgang des Gestirnes
beginnt die Schifffahrt, mit seinem Untergang die Zeit der Stürme.
e) S. 31f. über 0 6, 13. — reXeTv nach Meinel von den letzten
Ehren, cf. Schneidewin zu Soph. 0. G. 1436 und den vexpbg naXureX:^
bei Menander.
Pindar. 28
81) Anders Björn Drachniann, Über Datierung und .Veran-
lassang von Pindars zweiter pythischer Ode. In: Fleckeisens Jahr-
bücher 1890 S. 441—449.
An die »obscurenc Jolaeen sei ebensowenig zn denken als an
einen Sieg mit Fohlen; vielmehr handele es sich um einen grofsen
Erfolg. Pindar sei mit Hiero schon sehr familiär (Bergk), auch passten
die Verse 58 ff. und 63 ff. nicht auf einen jungen Herrscher. Das Ge-
dicht sei auf den olympischen Sieg von OL 78 gemacht, doch nicht be-
stellt. Bestellt sei das vorher abgeschickte Hyporchema = Kastoreion.
In der »Nachschriftt dieser »poetischen Episteif gebe der Dichter vs.
67 ff. eine offene Auseinandersetzung über das offenbar gespannte Ver-
hältnis zwischen Hiero und ihm. Die Affäre mit den Lokrem liege viele
Jahre zurück, könne aber mit Fug erwähnt werden, weil sie vielleicht
zum Andenken etwa ein Fest mit Chorgesängen gestiftet hätten. Siehe
unter No. 30.
32) Graf, De Graecorum veterum re musica quaestionnm capita
duo. I. de polyphonia et dialecto crumatica, II. de Pindari re musica.
(Habilitationsschrift.) Marburg 1889. 91 S. 8.
In der ersten Hälfte dieser Arbeit, deren Erörterungen über Fra-
gen aus der antiken Musik die Anerkennung von Jan's gefunden haben
(freilich nicht ohne Einwürfe: Philol. Wochenschr. 1889 S. 993—1001),
werden bereits einige Stellen aus Pindar berührt. S. 5— 7: Die Wörter
TtoXd^iüvoQj itdpLfwvog^ noXüxi^Xog gehen auf den Tonreichtum der Flöte
im Gegensatz zu den alten Saiteninstrumenten. S. 12: Das in 0 3, 8
angedeutete musikalische Verhältnis fafst Graf so, dafs die Singstimme
mit der tieferen der beiden Flöten übereinstimmt, während die ^pfity^
»vel huic vel acntiori tibiae poterat addic (was nicht völlig klar ist).
S. 26 ff.: In fragm. 125 Bergk ist von dem •widertönigen Anschlagen der
tiefen th^xt/c« die Rede, was wohl von dem gleichzeitigen Hervorbringen
eines tiefen und eines höheren Tones auf der fidyade^ zu verstehen ist
(siehe indes v. Jan).
Der zweite Teil der Schrift (S. 37 — 83) handelt a) von den musi-
kalischen Instrumenten bei Pindar, b) vom Chor und Chorführer, c) von
einer gewissen Freiheit der pindarischen Redeweise, d) von der Aus-
füllung der Pausen durch Musik, e) von den Tonarten Pindars. Der
Verfasser ist sehr wenig angethan von der traditionellen Bemühung, in
gewissen dichterischen Wendungen die aktenmäfsige Registrierung äufser-
licher Verhältnisse zu entdecken. So richtet Graf sich zunächst gegen
den Versuch Gevaerts (II, 471), Oden mit Flötenbegleitung von Oden
mit ^opfity^-Begleitaug sowie von solchen Oden zu unterscheiden, wo
beide Instrumente thätig gewesen seien, und meint, es lasse sich ebenso
gut behaupten, dafs letzteres durchweg der Fall gewesen. Man müsse
24 Pindar.
alle solche Wendmigen nicht so genau nehmen: es sei z. B. nur eine
poetische Wendung ans alter Zeit, wenn Pindar sich zugleich als Dichter
und Sänger und Musiker vorstelle; auch sei aus solchen Äufsernngen
keineswegs auf Pindars Anwesenheit zu schliefsen u. ä. m. Solche Skeptik
erscheint mir begründet, wenn sie logischen oder ästhetischen Forderun-
gen gerecht wird; wo dies, wie bei Graf vielfach, nicht der Fall ist,
kann sie doch immerhin anregend sein, und es erscheint mir in der Thai
der Mühe wert, die einzelnen Aufstellungen eingehend zu beleuchten.
1) Graf will aus P 2, 68 das Recht herleiten, P 2, 4 bildlich zu nehmen;
indessen ist einerseits die ganze Situation dieses Gelegenheitsgedichtes
bisher nicht aufgeklärt, und andererseits giebt der Verf. selbst von nifjoieat
eine andere Deutung »darbringenc S. 40 und Rh. Mus. 44, 470. 2) Wenn
Pindar 0 9, 109 sich als Herold denkt, so folgt daraus doch nicht, dafs
er nicht der Chorführer gewesen sein könne. 3) Warum soll er ib. vs. 13
nicht selbst die ^6pfjuy$ geschlagen haben? 4) N 4, 44 stelle sich Pin-
dar als Stegreifdichter vor, also sei das Ganze nur eine Redewendung
und nicht wörtlich zu nehmen. Mufs denn etwa rSSe auf das Folgende
gehen? 5) PI, if. soll Pindar an epische Zeiten anknüpfen, indem er
nur die ^opiuy^^ nicht die Flöte erwähnt Warum? 6) Für die Ver-
bindung der verschiedenen Instrumente soll Plato leg« III 700 D sprechen ;
diese Stelle kann aber meines Erachtens höchstens als Anspielung auf
P XI und N VII (nach meiner Erklärung im Philol. N. F. Bd. IV und 45,
696) sowie ähnliche Lieder gelten. 7) Aus der Erwähnung der reBfioiy
infolge deren andere (oben No. 2 f.) Pindar zum Sklaven der Tradition
gemacht haben, folgert Graf gerade im Gegenteil, dafs Pindar sehr frei
verfahren sei. — Resultat: Wir vermissen stichhaltige Gründe gegen
Gevaert.
Dasselbe gilt von der Polemik gegen Westphals Ansicht II' 85. 42,
Pindar habe nur das Heptachord gebraucht. Graf wendet ein: >N. 5, 24
braucht es Apoll; und P 2, 71 ist freilich von Pindars Gesang die Rede,
aber der Dichter braucht lediglich eine rhapsodische FloskeU.
S. 43—47 führen zu dem überraschenden Resultat, unter ^pfuf^a
xal aökou^ sei non citharam cum tibiis, sed citharas cum tibia zu ver-
stehen. Richtig betreffs der Doppelflöte; aber zwingende Gründe fUr
eine Mehrzahl von citharae liegen nicht vor.
Soviel von den Instrumenten. Es folgt b) der Abschnitt vom Chor
und Chorführer S. 47 — 60. Dafs der ChorfQhrer stellenweis Solo ge-
sungen, darf, wie Verf. richtig bemerkt, aus den Mitteilungen des Atha-
nasius Kircher über die Melodie von P 1 nicht gefolgert werden, weil
diese fragwürdig sind. Auch aus N 3, 10 und 0 1, 17 habe Dissen mit
Unrecht auf einen Sologesang geschlossen; richtig bemerkt, nur hätte
Graf nicht von Pindar den Ausdruck inanes phrases brauchen sollen,
und die aus Anlafs des Futurums xoivdaopjai zwischengestreuten Bemer-
Pindar. 25
knngen über angebliche poetische Episteln Pindars erheben zweifelsohne
nicht den Anspruch, dies weitschichtige Thema za erledigen.
c) S. 60—67: Von einer gewissen Freiheit der pindarischen Rede-
weise. Es sei lediglich eine Redewendung, wenn Pindar, um sich mit
den reBfxoe abzufinden, so thue, als widme er sein Lied sowohl dem
Sieger als der Gottheit; er kündige J l ein Lied auf Kastor und Jolaos,
N 9 ein Lied auf Leto und ihre Kinder. 0 1 und 10 sowie N 7 ein Lied
auf ZeuSi 0 6 auf Hera an, erfülle aber sein Versprechen nicht. Würde
Graf über den modernen Prediger oder religiösen Lyriker ebenso urtei-
len, wenn dieser mit seiner Predigt oder seinem Liede völlig in die vor-
liegende »Gelegenheitf ein- und in derselben aufgeht, aber nur flüchtig
Gottes Namen erwähnt, vorausgesetzt dafs die gesamte Stimmung und
Gesinnung des Liedes oder der Rede religiös ist? verfällt nicht vielmehr
dem Urteil der Floskelhaftigkeit und des äufserlichen Gebrauchs alther-
gebrachter Wendungen deijenige Poet oder Redner, welcher recht lang
und breit und handgreiflich dick von Gott erzählt? — Mit J 1 berührt
sich P 2, welches letztere nach Graf das darin erwähnte Kaaropstov sein
soll, nämlich als Lied auf einen Wagensieg. Siehe zu No. 30.
Mit der bisher gezeichneten Auffassung, dafs es überaus schwer
sei, aus Pindars archaistischer Diction poetische oder musikalische That-
Sachen zu eruieren, tritt Graf — nachdem er S. 67 - 78 einen bedenk-
lichen Abschnitt über Instrumentalmusik zwischen den Strophen abge-
handelt hat ~ auch an e) S. 78 — 83, die in den Gedichten erwähnten
Tonweisen heran. Hier nun soll aus ätoptav ^6p/ic)ja 0 1, 17 folgen,
dafs modus Dorius und Aeolius unter den Gesamtnamen Aeolius fallen;
aufserdem sollen Harmonie und Taktenmafs sich nicht gedeckt haben
(wie z. B. Boeckh de metr. Pind. S. 278 f. und J. H. H. Schmidt Metrik
S. 563 sagen); auch wirft der Verf. auffaUend den terminus iMelodiec
dazwischen. Die sichere Logik und das sorgsame Erwägen, wodurch
der Anfang der Grafschen Schrift sich so vorteilhaft einführt, ist kaum
mehr zu spüren.
Beiläufig sei erwähnt, dafs Graf entschiedener Gegner der Nomos-
theorie ist (p. 39) und rücksichtlich der eurythmischen Wertung der
Pausen zu J. H. H. Schmidt hält (S. 70), was Referent mit Befriedigung
berichtet.
33) Aug. Mommsen, Über die Zeit der Olympien. Leipzig 1891.
102 S. 8^.
Ich bin den Untersuchungen des bewährten Forschers mit dem
gröfsten Interesse gefolgt und nehme alles Wesentliche daraas' unbedenk-
lich an. Einige nachfolgende Zusätze und Änderungsvorschläge mögen
zugleich 2ur Stütze und Klärung der Mommsenschen Ansicht beitragen.
Zunächst sei es erlaubt zu bemerken, dafs mir neben dem luter-
26 Pindmr.
esse der Gesamtfrage zwei beiläufig bertthrte Punkte als wichtig für den
Pindarforscher erscheinen. Erstens tritt der Verfasser aas kalendari-
schen Rücksichten für die Pythiadenära Ol. 49, 3 ein, welche Referent
stets vertreten und speciell Pbilol. N. F. Bd. IV verteidigt hat; Ol. 49, 3
wttrde nämlich mit dem Hundsternnenmond 582 zusammenfallen und
somit für den Beginn einer neuen Epoche sehr geeignet sein. Jeder
Fortschritt zu sichererer Beantwortung dieser Frage ist ja für die Chro-
nologie der pythischen Oden und Pindars Leben überhaupt von Bedeu-
tung. Indessen hätte Mommsen von seinem Standpunkt aus nicht sagen
sollen, die für die pythische Zeitrechnung überlieferten Epochenjahre
Ol. 48, 3 und 49, 3 differierten • ebenso« (S. 31) wie die beiden von ihm
supponierten Olympiadenepochen 780 und 776; denn den Hundsternnen-
mond trifft man dort bei Ansatz b (Ol. 49, 3), hier bei Ansatz a (780
bezw. 780 — 2X160—460). Also würde, wenn überhaupt Mommsens
»technische Epochenc zuzulassen wären, der wirkliche Pythiadenanfang
auf Ol. 50, 3 zu setzen sein, was nirgend überliefert ist Aber jene
»technische Olympiadenepoche«, sozusagen OL 0, ist vom Verfiasser (wie*
wohl sie unsern mathematischen Begriffen entspricht) nicht mit vollem
Recht postuliert. Dafür hat nämlich Mommsen zwei Gründe nebst der
seltsamen Datierung einer Inschrift. Erstens einen siderischen Grund:
man erreiche mit der »technischen Epoche« einen Hundstemneumond,
~ wogegen mir die »historische« Epoche 776 bezw. 466 mit ihrem Hund-
stemvollmond völlig auszureichen scheint Zweitens hat Verf. den kalen-
darischen Grund S. 29 , dafs bei der »historischen« Zählung das erste
Quadriennium einer olympischen Periode sofort zu lang angesetzt werden
müsse, da es z. B. in Periode 7^' = 456 ff bis zum Neumond des 28. Juli
452, nicht etwa bis zum vorhergehenden Junineumond reiche. Dieser
Grund wird beseitigt durch den Text des trefflichen Pindarscholions zu
0 3, 33 (Mommsen S. 8), nach welchem die Periode nicht im Sommer,
sondern mit dem Monat der Wintersonnenwende beginnt Auf eben-
derselben Grundlage fufsend, kann man sich durch Probe überzeugen,
dafs Mommsen (S. 29) die im Scholion zu 0 3, 35 überlieferte Reihen-
folge von 49 + 50 Monaten irrig in 50 + 49 umgekehrt hat
Wird hiermit meines Erachtens hinfällig, was der Verfasser in
Abschnitt 6 (S. 29 32) sagt, so wird der Wert des Scholions nur erhöht
Dies ist aber das Zweite, was der Betonung wert scheint: die chrono-
logischen Notizen in den Pindar-Scholien erweisen sich durchweg als auf
treffliche Grundlage gegründet, während die exegetischen Aufetellungen
den Schwierigkeiten der Oden ganz und gar nicht gewachsen sind.
Auch hier steckt in dem kurzen, leider verderbten Text des Scho-
lions in nuce fast die ganze von Mommsen mühsam erarbeitete Con-
struction. Dies würde noch deutlicher ans Licht getreten sein, wenn
der Verfasser die Worte hb^ Se ovrog dia^tpovnüv r^ &pf energischer
J
PiBdar. 27
aufs Korn genommen hätte. Nach Mommsen S. 9 soll der Sinn dieser
Stelle sein, dafs es sich hier um nicht mehr als Ein Fest handle und
dafs dies Eine Fest dennoch sehr in der Jahreszeit schwanke. Welch
weitläufige Wendung mitten unter knappen und inhaltsreichen Notizen!
Vielmehr ist mit iv6^ offenbar ein Monat gemeint, nichts anderes als
die MonatslSnge der im Lauf einer 160 Jahrzeit angesammelten Verspä-
tungen der Numenie (S. 18); auch wird wpa nicht wohl Jahreszeit be-
deuten (denn die Jahreszeit der Olympien ist stets die dnatpa)^ sondern
Periode, Zeitabschnitt: weshalb ich in den verderbten Worten den Sinn
suche, »da die Differenz (Verspätung) im Laufe einer 160 Jalir-Periode
einen Monat beträgtt, also etwa iuöc Sk {sc* fir^vog) ^v rb Statpipov irwv
pC Sip^ oder kvoQ dk Lv rh 8tuipipov irwv 7)' mpaig x\
Berichten wir indessen über die Mommsenschen Ergebnisse, und
zwar dem Gedankengange des trefflichen Scholions folgend! Innerhalb
des Olympiadencyclus sind zwei Perioden zu unterscheiden: eine 8jährige
und eine 160 jährige. Zuvörderst {npatrov pjkv nayroQ) handelt es sich
um die dxTasTy^pig als einfachste und empirisch naheliegende nep:o8og:
8 Jahre bezw. 99 (49 + 50) Monate (daher meine Vermutung bei Momm-
sen S. 9 inj jy' pr^vag qb'), beginnend mit dem Neumond des Winter-
sonnwendenmonats. Diese Periode dient dazu, den entsprechenden Voll-
mond richtig einzuhalten, der nach dem einfachen Quadriennium um
14-16 Tage abweicht. Indessen die Oktaeteris ist iV» Tage zu lang,
und die Regelung dieses Fehlers geschieht durch die zweite, die 160
Jahr - Periode. Denn die Differenz bezw. Verspätung beträgt in dieser
1 60 Jahr-Zeit einen Monat, den man dann ausschaltet. Daher wird das
erste Fest in jeder Periode (i^pStra VXupma ayerai^ — nicht praes.
histor. mit dem Verf. S. 39) im achten Monat (am achten Vollmond)
gefeiert, insgesamt aber resultiert eine Schwankung von 45 Tagen (das
Fest kann also bisweilen auch in den 9. Monat fallen): jenes (nämlich
das erste Fest der Periode) wird gefeiert die dnuipa beginnend d. i. bei
Hundsternvollmond (Mommsens Änderung des dp^opeva in das geläufige
dpxopdvi^Q billige ich nicht), dagegen die Lage des Festes am Ende der
1 60 Jahr-Periode (r^ 8i) ist unmittelbar vor dem Arktur. Die letztere
Lage hat Mommsen in seinen« fleifsigen und dankeswerten Entwürfen
8. 48 f. meines Erachtens nicht richtig bestimmt, infolge seiner oben
widerlegten Annahme einer technischen Epoche; er mufste Ol. 80, 120
und 160 vier Wochen später setzen und dann erst den Monat aus-
schalten. Übrigens ist auch der Ausdruck 6n' (wrov rbv dpxrohpoy für
die ältere Zeit genau zu nehmen : dpxzoupog im Jahre 43 1 nach Hartwig
bei Mommsen S. 12 ist = Sept. 15, also im achten Jahrhundert == Sept.
13; dagegen das olympische Vollmondsfest am Ende der 160jährigen
Periode / = Sept 10, letzter Festtag = Sept. 11 bezw. 12.
Solange jedoch nicht sicher nachzuweisen ist, ob als Festdatum
28 Pindar.
Lona XV anzusehen ist, und solange die Zahl der Fesir bezw. Spieltage
(Mommsen S. 1 7 nach Holwerda, Archäol. Ztg. 1880 und Mie, quaestio-
nes agonisticae Rostock 1888) nicht feststeht, kann der interessante Ver-
such, aus den kalendarischen Abweichungen zu eruieren, wann die ganze
Theorie rechnungsmäfsig fixiert und durch Rttckwärtsconstruction ergänzt
sei, nicht zu durchschlagenden Resultaten führen. — Die interessanten
historischen Einzelfälle S. 54 — 100, welche die Mommsenschen Berech-
nungen bestätigen, gehören nicht mehr in den Rahmen dieses Berichts.
Bericht über die in den Jahren 1886 und 1887
über Piaton erschienenen Arbeiten.
Von
Prof. Dr. Gfustay Schneider
in Gen.
L Abteilung.
Bei der Abfassung dieses Jahresberichtes war ich vor allem bestrebt
von den einzelnen Schriften ein möglichst genaues Bild zu geben, und
ich habe gerade hierauf viel Mühe verwandt, indem ich von dem Gedan-
ken ausging, dafs dem Leser jedesmal vorzugsweise daran gelegen sei,
eine Vorstellung von der betreffenden Schrift selbst zu gewinnen. Na-
mentlich habe ich dies bei den philosophischen Arbeiten gethan; und
wiederum habe ich es bei diesen besonders fUr angemessen gehalten
meine Auffassung der Sache darzulegen. Bei der Weise, wie ich gear-
beitet habe, glaube ich annehmen zu dürfen, dafs ein jeder den Eindruck
gewinnt, dafs das urteil überall auf eingehender und zugleich ruhiger
und sachgemäfser Erwägung beruht. Leider kann ich zunflchst nur die
eine Hälfte des Berichtes liefern, doch hoffe ich es zu ermöglichen, dafs
der zweite und letzte Teil in gar nicht langer Zeit erscheint. Über rein
kritische Ausgaben und über das Handschriftliche wird Herr Professor
Dr. Schanz berichten. Wenn ich in diese Gebiete gehörige Arbeiten mit
aufzähle, geschieht es der Übersicht wegen.
I. Allgemeines.
a) Gesamt-Ausgaben.
1 ) Piatonis opera quae feruntur omnia. Ad Codices denuo coUatos
edidit Martinus Schanz. Vol. IIL Particnlus prior. Sophista.
Lipsiae 1887. 92 S.
2) Piatonis dialogi secundum Thrasylli tetralogias dispositi. Post
Garolum Fridericum Hermannum recognovit Martinus Wohlrab.
Vol. L Lipsiae 1887. 16. XLII und 656 S.
Enthalten sind in diesem Bande acht platonische Schriften: Euthy-
phroii, Apologia, Kriton, Phaidon, Kratylos, Theaitetos, Sophistes und
PolitikoB.
30 Plato.
b) Platonische Philosophie.
1) Bonitz, H., Platonische Studien. Dritte Auflage. Berlin 1886.
Grofs 8. X und 823 S.
Diese dritte Auflage des mit vollstem Rechte so hoch geschätzten
Werkes unterscheidet sieb von der zweiten nicht sehr. Die Pflichten
des Amtes haben es dem Verfasser unmöglich gemacht die bereits vor-
bereitete Erklärung einiger von den ttbrigen platonischen Dialogen zum
Abschlüsse zu bringen und den bisher veröffentlichten Abhandlungen
hinzuzufttgen. Selbst die Verwertung der auf die behandelten Fragen
bezttglichen inzwischen erschienenen Litteratur würde ihm kaum aus-
führbar geworden sein, »hätte nicht Herr Dr. Heller, Professor am
Joachimsthalschen Gymnasium, es gefälligst übernommen, ihm das Mate-
rial zur Benützung sorgsam zusammenzustellen.!
Auch wir haben Ursache dem genannten Gelehrten für den dem
Verstorbenen und seinem Werke geleisteten 'Dienst dankbar zu sein.
Zu einer sachlichen Änderung im Texte der Abhandlungen hat sich der
Verfasser, abgesehen von der Weglassung mancher entbehrlich gewor-
denen Polemik, nur an wenigen Stellen bestimmt gefunden. Neu hinzu-
gekommen ist auf S. 313—323 aus einem in der Berliner Akademie der
Wissenschaften am 6. März 1878 gehaltenen Vortrage eine Abhandlung:
»Zur Erklärung von Piatons Phädon p. 62 A.c
Das Werk ist bereits von den früheren Auflagen her allgemein
bekannt und von allen Seiten hochgeschätzt. Es wäre also vollkommen
überflüssig etwas zu seiner Empfehlung zu sagen. Abgesehen von der
neu hinzugekommenen Abhandlung ist es auch nicht nötig über seinen
Inhalt zu berichten. Ehe ich zu dieser übergehe, will ich daher nur
einen Abschnitt der letzten Abhandlung des Werkes »Die im Phädon
enthaltenen Beweise für die Unsterblichkeit der menschlichen Seelec in
aller Kürze besprechen, da es mir aus mannigfachen Gründen ganz be-
sonders v^nscheuswert erscheint, dafs die Erklärung gerade dieses Dialogs
allmählich ihren vollen Abscblufs erreicht. Die meisten Schwierigkeiten
hat der sachlichen Erklärung des Phädon der sogenannte SchluTsbeweis
gemacht. Bonitz fast diesen S. 299 kurz und bestimmt so zusammen:
»Die Seele ist notwendig verbunden mit der Idee des Lebens: sie schliefst
also die dieser entgegengesetzte, den Tod, aus, d. h sie ist unsterblich,
und da es eine andere Vernichtung des Lebens nicht giebt, als durch
den Tod, so ist die Seele der Möglichkeit des Unterganges enthoben
(c. 49 — 66). c Gegen diesen Gedankengang erheben sich die gewichtigsten
Bedenken. Daraus dafs die Seele als notwendig mit der Idee des Lebens
verbunden den Tod ausschlierst, folgt noch nicht, dafs die Seele unsterb-
lich ist. Jenes »das heifst«, das doch offenbar eine Gleichsetzung von
»die Seele schliefst den Tod aus« und »die Seele ist unsterbliche be-
Plato. 31
deutet, ist vollkommen ungerechtfertigt. Der Ausdruck »ausschliefsenc
verdeckt nur die Verschiedenheit. Daraus dafs die Seele notwendig mit
der Idee des Lehens verbunden ist, folgt nur, dafs sie nicht tot sein
kann, so lange sie Seele ist, aher nicht, dafs sie nicht tot werden, d. h.
vernichtet werden kann, also auch nicht, dafs sie unsterblich ist. Das
d&dvaroQ mufs also zunächst nur mit Buntotc übersetzt werden oder ge-
nauer mit »untodc, wie dem d^dvaxog und dem Gange der Beweisfüh-
rung entsprechend hier geschrieben werden müfste. Vergl. H. Schmidt
Beiträge, namentlich S. 149f. Die Seele ist untot, ebenso wie im vor-
hergehenden der Schnee unwarm und das Feuer unkalt ist. Diese
Eigenschaft »untot« schützt die Seele vor der Vernichtung durch den Tod
aber ebenso wenig als die Eigenschaft »unwarm c den Schnee vor der
Vernichtung durch die Wärme, oder die Eigenschaft »unkalt« das Feuer
vor der Vernichtung durch die Kälte schützt. Das hat Plato auch sehr
wohl gewufst, und darum geht nach der Gewinnung des Prädikats d^d-
varög für die Seele die Beweisführung noch ein gut Stück weiter. Meine
eigene Auffassung von dieser Beweisführung habe ich dargelegt in Bei-
träge zur Erklärung des Philebus S. 16 f. und in derselben Weise in Die
Platonische Metaphysik S. 62 f.
Gehen wir nun zu einer kurzen Betrachtung der neu hinzugekom-
menen Abhandlung über. Es handelt sich um die Erklärung von p. 62 A:
Yaa}Q fisvTot ßau/iatrcov aot tpavsTzat^ ei ToTt'o fiovov rwv dXXtov dndvzmv
äitAouv ioTiu xae ouSsnoze Twjr^dvee rw dv^pwntpf Sftmep xal r^A^a Sariv
OTB xal otc^ ßekreov re&vdvae § C?v oe^ Se ßeXrtov reBvduae, ßau/iaarov
uTü)^ aot ipacvexat^ el roorotQ rotg dvdpwTiotq fiij oatov icrrtv aurou^
eaurous £u notecif^ dAX" äXXov det neptjiivetv ehepyiryjv.
Von dieser Gestalt des Textes mit der angewandten Interpunktion
geht Bonitz bei seiner Erklärung aus. Zunächst stellt er den Zusammen-
hang fest, in welchem dieser Satz steht. Sehr richtig bemerkt er sodann,
dafs in diesem Satze ein Einwand dargelegt ist, der sich gegen die
AUgemeingiltigkeit des Verbotes des Selbstmordes erhebt. Das
rooTo gleich in der ersten Zeile des fraglichen Textes fafst er richtig
gleich abrbv iauröv dnoxrcvvuvat und dnXoüv in der Bedeutung »unter-
schiedslos«. Was er damit meint, wird noch ersichtlicher, wenn er
S. 316f. sagt: »Dafs ein Einwand vorgebracht ist, bestätigen auch die
unmittelbar folgenden Worte xal yäp otv So^tisv out<o y^ Etvat dXoyoVy
,von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet dürfte es widersinnig schei-
nen', nämlich schlechthin und allgemein den Selbstmord zu verwer-
fen.« Nach eingehender, umsichtiger Erörterung kommt er auf Seite 322
zu folgendem Resultate: »Man wird hiernach in möglichst engem An-
schlüsse an die griechischen Worte den Satz ungefähr in folgender Weise
übertragen können : , Vielleicht wird es dir jedoch wunderbar erscheinen,
wenn dieser Fall allein unter allen übrigen unterschiedslos und nicht,
wie alles übrige unter Umständen und für manche Personen, so auch
32 Plato.
der Tod zuweilen dem Menschen besser sein sollte, als das Leben; wenn
aber für manche besser ist tot zu sein, da scheint es dir wohl wunder-
bar, dafs diesen Menschen nicht erlaubt sein soll, sich selbst diese
Wohlthat zu erweisen, sondern sie dieselbe von einem andern Wohl-
thäter erwarten sollen '.c Ein grofses Bedenken gegen diese Erklftmng
liegt meines Erachtens darin, dafs da wo man dem ganzen Znsammen-
hange nach mit Notwendigkeit »der Selbstmorde erwartet, dafür »der
Tode eintritt Dieser Anstofs ist nicht beseitigt durch das was Bonitz
zu seiner Hebung vorher (S. 821 f.) vorbringt. »Wir haben uns nur zu
vergegenwärtigen, dafs das Wesentliche des in dem ganzen Satze vor-
gebrachten Einwaüdes in der Bestreitung der Allgemeingiltigkeit des Ver-
botes des Selbstmordes liegt; der Satz, dafs der Tod nicht unter allen
Umständen ein Übel ist, nimmt dazu, obgleich er nach bekannter griechi-
scher Sprechweise grammatisch coordiniert ist, nach seinem Inhalte nar
die subordinierte Stellung einer Voraussetzung ein. Unter Berücksichti-
gung der bezeichneten griechischen Weise der Satzbildung kann es nicht
auffallend erscheinen, wenn zu touto fiovov änXouv der Gegensatz in den-
jenigen Worten zu suchen ist, welche grammatisch das zweite, inhaltlich
das Hauptglied bilden otg 8k ßsAzcov xr^., als wenn in knapper Fassang
gesagt wäre: »Es kann dir wunderbar scheinen, wenn der Selbstmord
(rouTo) etwas Unterschiedsloses sein und nicht für manche Menschen^
für welche nämlich der Tod eine Wohlthat ist, erlaubt sein sollte \c
Wäre die von Bonitz gegebene Erklärung der Stelle die durchaus rich-
tige, so könnte man Plato hier von dem Vorwurfe einer recht inkorrek-
ten Ausdrucksweise nicht ireisprechen. Meiner Ansicht nach kommt
ein durchaus befriedigender Sinn heraus, wenn man unter Festhaltang
des überlieferten Textes nach den Worten Sxmsfj xa\ räXXa ein Kolon
setzt. Dann ist die Stelle folgendermafsen zu übersetzen: »Vielleicht
wird es dir jedoch wunderbar erscheinen, wenn dieser Fall unterschieds-
los ist und sich niemals in der Weise für den Menschen verhält, wie
alles andere« (nämlich so, daPs je nach der Verschiedenheit der Um-
stände und der Personen auch seine Beurteilung eine verschiedene ist).
Nun wird im folgenden der anscheinende Widerspruch, der schon ange-
deutet, mit aller Bestimmtheit hingestellt; darum wird asyndetisch fort-
gefahren: »unter Umständen und für manche ist es besser tot zu sein
als zu leben; es erscheint dir nun wohl wunderbar, wenn diejenigen
Menschen, für die es besser ist tot zu sein, nach den Geboten der Re-
ligion sich nicht selbst diese Wohlthat erweisen dürfen, sondern auf
einen andern Wohlthäter warten sollen.«
Joäl, Karl, Zur Erkenntnis der geistigen Entwicklung und der
schriftstellerischen Motive Piatos. Eine Studie. Berlin 1887. 8. 90 S.
»Der platonische Typus gliedert seine Bestimmtheit nach vier Sei-
ten hin, nach der Beantwortung der Fragen 1) nach Kern und Onmd-
Plato. 33
richtung des Gedankeninhalts der platonischen Schriften, 2) nach der
Thatsächlichkeit einer Selbstentwicklung im platonischen Geist resp. im
Gegensatz dazu einer methodischen Absicht in der Anordnung der
Schriften, 3) nach der Bedeutung der Form, namentlich der dialogischen
Dramatik, 4) nach den schriftstellerischen Motiven Piatos. Die erste
Frage kann niemals spät genug gethan werden; sie ist am besten das
krönende Endresultat aller Einzelforschung. Die andern dagegen sind
dringende Vorfragen, die in die Einleitung gehören.« ilm folgenden
sollen weniger diese Fragen selbst beantwortet, als fUr ihre Beantwortung
einige vielleicht brauchbare Momente beigebracht werden.« »Jedem, der
Antwort auf unsere Fragen sucht, bieten sich als mögliche Erkenntnis-
quellen aus Piatos eigenen Worten, als die sichtbarsten, bedeutungs-
vollsten und im wesentlichen auch als die einzigen zwei Stellen, Phaedr.
96 A - 100 B für die Erkenntnis einer Entwicklung und Phaedr. 274 B
— 278 B ffOLT die Erkenntnis der schriftstellerischen Motive Piatos. Die
Behandlung dieser Fragen wird sich deshalb wesentlich um die Inter-
pretation jener Stellen bewegen.«
Es wird nun im ersten Abschnitte (S. 8 ~ 33) die Stelle Phaedr.
96 A — 100 B eingehend und umsichtig erörtert unter Berücksichtigung
der betreffenden Litteratur, und dargethan, »dafs jener Phädoniscbe Be-
richt sich auf Plato und nicht auf Sokrates beziehe.« Mit diesem Nach-
weis ist »nun die Existenz einer genetischen Entwicklung Piatos und
einer langen, tiefgreifenden, vielfach abgestuften Entwicklung bewiesen
und für die Erkenntnis des genaueren platonischen Entwicklungsganges,
namentlich inwieweit er sich in den Schriften ausspricht, ein vielleicht
brauchbares Moment geliefert.« Das gewonnene Resultat wird gestützt
durch Heranziehung direkter Zeugnisse platonischer Schriftstellen, durch
den Hinweis darauf, »dafs Plato örtlich und zeitlich vom Schicksal an
einen Punkt gestellt war, wo die buntesten philosophischen, künstleri-
schen und politisch-sozialen Eindrücke mit überwältigender Sturmgewalt
auf ihn eindrangen,« und schliefslich durch den Hinweis auf analoge
philosophische Erscheinungen.« Der erste Abschnitt der Abhandlung
schliefst mit den Worten: »dafs nach geschichtlichem Gesetz kein Denker
zu längerer Denkentwicklung bestimmt war als Plato.« Trotz der an-
sprechenden Erörterungen ist es meines Erachtens dem Verfasser nicht
(gelungen, das gewollte »geschichtliche Gesetz« unumstöfslich darzuthun.
Sodann mufs berücksichtigt werden, dafs Plato einen recht bedeutenden
Bestand an philosophischen Anschauungen von Sokrates überkommen
und dauernd festgehalten hat, dafs seine Abhängigkeit von seinem Lehrer
eine recht grofse ist. Durch diese von Plato selbst voll und ganz aner-
kannte Thatsache erfährt die ganze Anschauung des Verfassers eine
merkliche Einschränkung.
Der zweite Abschnitt (S. 34—46) bespricht die formale Behandlung
des Stoffes bei Plato und sucht nachzuweisen, dafs dieselbe gleichfalls
Jahresbericht für Alterthunswisseitschaft. LXVU. Bd. (1891. 1.) 3
34 Plftto.
zu Gunsten einer reichen Denkentwicklung Piatos spreche. Diese for-
male Behandlung des Stoffes von selten Piatos besteht in jener Methode
der Wissensgewinnung, die, statt sich geradeswegs auf das Endresultat
hinzubewegen, die Wahrheit erst als oberste Staffel einer Stufenleiter
von vorgefahrten Anschauungen erscheinen läfst, und in der dialogiscbei
Dramatik. Die dialogische Natur der platonischen Schriften erscheint
dem Verfasser als eine blofse Wiedergabe des psychischen Gescheheu
des eigenen platonischen Denkprozesses. »Das platonische Denken wir
schon von Hause aus mehr dialogisch als monologisch. Es war dB
ununterbrochenes Paktieren zwischen einem Geist produktiver Phantasie
und einem Geist kritischer Realität. t Doch wir müssen Perioden aDte^
scheiden. Diese entsprechen in ihrer Aufeinanderfolge einem allgemeinn
Gesetz psychischer Entwicklung, und dies »macht es zur vollen Gewib-
heit, dafs die Form der Schriften keine erkünstelte, sondern die Fortt
des eigenen platonischen Seelenlebens ist.c »Die platonische Dramatik^
ist ein Kind der platonischen Entwicklungsfähigkeit Sie ging wesea^
lieh hervor aus dem Drang nach innerer Klärung, aus der Unsicherheit
des Gedankens, aus dem Stachel des Intellekts, den Streit der imm^^
neuen, innen und aufsen aufsteigenden Gegensätze im Lichte der Objekt^
vität zum Austrag zu bringen, aus der Fähigkeit und dem Trieb in si^
selbst Gegensätze zu erzeugen und sie zu vollster, kühner Macht xxm^
Plastik heranzuziehen.« — — »So ist es also sowohl die MöglichkeS
wie die erreichte Höhe, wie die Verschiedenheit der platonischen Drtfi
matik, die dringend auf eine lange, reiche Entwicklung des platonisch»^
Denkens hinweisen.« Ob hier nicht doch zu weit gegangen wird? Mach^
die Dialoge, selbst die früheren wirklich den Eindruck, dafs ihre dramM
tische Form der »Unsicherheit des Gedankens« ihre Entstehung verdank»
Der dritte Abschnitt (S. 47 - 90) beginnt mit der Frage: »W»ä
nützt uns zur Erkenntnis des Autors Plato der Nachweis einer geistf
gen Entwicklung des Menschen Plato, wenn wir nicht wissen, ob bä<li^
sich frei ineinander gaben, oder ob etwa ein festbewufster objektive^
Zweck, den jener zu verwirklichen trachtete, trennend dazwischen tnA
es verbot , dafs der innen arbeitende Gedankenfortschritt auch anbcB
in den Schriften zum reinen Ausdruck kam?« Die Entscheidung wiri
abhängig gemacht von einer Erörterung der schriftstellerischen Motif^
Piatos, speziell der hierüber Aufschlufs bietenden Phädrusstelle 274 B --
278 B. Die Erklärung dieser Stelle ist eingehend, umfassend und scharf*
sinnig. Wir wollen die wichtigsten Sätze herausheben. »Da, was jadi
Schrift leisten soll, die beste Schrift leistet, die platonische Schrift fdl^
lieh am meisten, stärksten und besten leistet, Wiedererinnemng ist ai
das, wovon die Schrift handelt uno/ivr^ffae nepl wv äv ^ zä Y^P^
fidua für den Wissenden oder den Autor selbst für die Zeit des Ver-
gesse ns, also ausdrücklich die Identität zwischen Wissen and Schrift*
inhalt betont wird, so mufs das platonische Schriftentum die platonisdM
Plato. S5
Lehre enthalten haben (wenn auch ohne ea^veta und ßeßcudn^Q für alle
Unkundigen). <c »Die bis jetzt TorgefQhrten Stellen gestatten nicht den
leisesten Zweifel , dafs Plato Belehrung durch die Schrift für unmöglich
erklärte und ftlr seine Schriften als Zweck gänzlich ausschlofs.c Motiv
der platonischen Scbriftstellerei ist die nouded^ die Wiedererinnerung nur
die gleichzeitige Wirkung. »Die platonische Scbriftstellerei findet somit
den Grund ihres Geschehens wohl in einem subjektiven Motiv, aber nicht
in einem objektiven Zweck. c In Parallele wird Goethe gestellt, »und
er (Plato) sagt es ja selbst: er schreibt, weil das Schreiben ihm Freude
macht (276 D).c »Aber wie ist es möglich, dafs das Schreiben Herzens-
sache sein und doch so tief herabgesetzt werden kann?c »Plato sah
um sich eine vielgeschäftige litterarische Thätigkeit sich entfalten. In
dieses Chaos subjektiver Meinungsergiefsungen, die, ungreifbar fär den
Kritiker, mit aller Selbstverständlichkeit des Rechtbabens glatt dahin-
flössen, rief er donnernd hinein, dafs all das leer und nichtig sei, dafs
es auf das Denken des Subjekts ankomme, auf seine Fähigkeit seine
Sache dialektisch zu vertreten, auf ein Gegenübertreten der Persönlich-
keiten Auge in Auge, auf ein lebendiges Überzeugen.«
Der Verfasser weifs, dafs so eine Kluft bleibt zwischen unserm
Gefühl und der schweren Mifsachtung der Schrift in der Phädrusstelle.
Diese sucht er im folgenden zu überbrücken. Das Resultat der Unter-
suchung sind folgende drei Sätze 1. »Das platonische Geistesleben unter-
liegt einer reichen, langen Entwicklung«. Es ist dies meines Erachtens
zuzugeben, aber nur mit jener Einschränkung, die sich aus der bedeu-
tenden Abhängigkeit Piatos von seinem Lehrer ergiebt. 2. »Die Form
der platonischen Schriften ist auch die des platonischen Geisteslebens,
das sich darin zugleich auch in seiner Entwicklung kund giebt « Dieser
Satz ist zu unterschreiben. 3. »In den platonischen Schriften kommt
das platonische Geistesleben ohne Rücksicht auf objektive Zwecke in
freier Selbstergiefsung zum Ausdruck.« Dieser Satz ist gewonnen durch
die Interpretation der Phädrusstelle, welche sicherlich das richtige trifft.
Es bleibt aber die Frage, ob Plato die dort vorgetragene Anschauung
dauernd festgehalten hat. Der Verfasser sagt S. 82 selbst: »Ein gewisses
Mafs an der hier geschehenden Herabsetzung der Schrift fällt dem da-
mals des Plato zur Last. Aus der Phädrusstelle spricht deutlich noch
ein sehr lebendiger Sokraticismus«. Und andere äufsere Verhältnisse
werden vorgef&hrt, durch die jene Herabsetzung der Schrift veranlafst
worden sei. Sodann müfste doch auch wohl die Tragweite der Worte
278 B : Ouxouv ij8ij nenoUaBoß fierptw^ ^ficv rä nept Xoywv festgestellt wer-
den. Und so scheint es mir doch recht fraglich, ob diese drei Sätze für
die Bestimmung der Echtheit und Ordnung der platonischen Schriften
so grofse Bedeutung haben als ihnen der Verfasser in dem Schlafspassus
zuschreibt.
36 Plato.
3) Sartorius, M., Die Realität der Materie bei Plato.
Philosophische Monatsheae XXII (1886) S. 129-167.
Der Verfasser der vorliegenden Abhandlung ist mit Ernst, Umsicht
and Scharfsinn an seine Aufgabe gegangen und hat sich redlich bemüht
der Schwierigkeit derselben die Spitze zu bieten.
Die Überschrift ist ungenau. Die Abhandlung bietet im wesent-
lichen doch nur eine Untersuchung des Begriffs der Materie im Timäus,
oder der Materie, die Plato als Substrat der Sinnenwelt betrachtet.
Plato kennt entschieden auch eine intellegible Materie, wenn man den
Ausdruck Materie bei ihm überhaupt brauchen darf, und es darf dem-
nach nicht von der Realität der Materie bei Plato überhaupt gesprochen
werden. Der Verfasser meint, dafs Plato der Sinnenwelt eine Materie
im realistischen Sinne des Wortes, ein eigentliches Substrat zu gründe
gelegt habe. Seinen Standpunkt präcisiert er von vornherein dahin, daCs
er sich zu den Gegnern Zellers schlagen müsse und über Teichmüller
noch hinausgehe, insofern er dessen Verflüchtigung der platonischen Ma-
terie zu einem »Moment am Werdenden und Wirklichen« nicht billige.
Der erste Teil der Abhandlung führt die Überschrift »Erörte-
rungen über die Materie in Piatos eigenen Schriftenc Be
gönnen wird hier mit Pbaedo c. 46 ff. mit den Worten: »Bekanntlich ist
es Anaxagoras, dessen Naturerklärung in Plato einen begeisterten An-
hänger und Lobredner fand«. Bekanntlich wird im Phaedon über diese
Natur erklärung der Stab gebrochen, die Begeisterung bezieht sich
auf die Aufstellung der Vernunft als des Grundes der Dinge. Das meint
offenbar der Verfasser. »Der letzte Grund, warum Anaxagoras schei-
terte, ist gerade in seiner Fassung des stofflichen Princips gegeben.«
Das kann man zugeben, ebenso, wenn dann gesagt wird: »Diesen
schwachen Punkt bemerkte offenbar schon Plato«, aber hierf^ durfte
sich der Verfasser nicht auf Phaed. c. 47 berufen. Denn hier wird
Anaxagoras lediglich der Vorwurf gemacht, dals er nicht zwischen Ur-
sache und Mitursache, zwischen Zweck und realisierendem Mittel unter-
scheide.
Im Timäus leitet Plato seine Auseinandersetzungen über die Ma-
terie durch eine Kritik fiilherer Theorieen im 18. Kapitel ein und zwar
mit einer Kritik »der ionischen Physiologen, weil ihm deren Lehren
diskutierbar erscheinen.« »In Übereinstimmung mit sämtlichen alten
Physiologen lieh Plato der Materie die Fähigkeit in den verschiedensten
Formen zu erscheinen. Während jene aber unter einander darüber
uneinig waren, welche dieser Erscheinungsformen die primäre sei, ist
Plato consequent und behauptet, dafis keine der streitigen Gestalten vor
den übrigen etwas voraus habe, sondern dafs die Materie als solche
gestaltlos sei.« Der Verfasser glaubt, durch die Konstatierung dieses
Verhältnisses Piatos zu den alten Joniem viel gewonnen zu haben. »Lehnt
Plato. 87
sich nämlich Plato gerade an diese Früheren, welche in der Materie die
höchste Qualität erblicken, so eng an, dafs er nur die erwähnte Inkon-
sequenz derselben nicht billigt, so wird es äufserst wahrscheinlich, dafs
er die von ihnen gelehrte Realität der Materie nicht habe antasten
wollen.! Diese auf dem »nur« aufgebaute Schlufsfolgerung hat wenig
Sicherheit. Es ist nicht richtig, dafs er nur die erwähnte Inkonsequenz
derselben nicht billigte, noch entschiedener ist er abgeneigt, mit ihnen
in der Materie »die höchste Realitätc zu erblicken.
Dann setzt sich der Verfasser mit der entgegenstehenden Ansicht
Zellers auseinander, namentlich mit Zellers Berufung auf die mathema-
tische Konstruktion der Elemente aus Flächen. Die sich hieraus fllr
den Verfasser ergebende Schwierigkeit sucht er durch den Nachweis zu
beseitigen, »dafs die ganze Theorie Piatos von der mathematischen Ge-
stalt der Elementarteilchen an sieb und im aUgemeinen betrachtet sicht-
lich aufserhalb seiner Physik steht. Sie kam als ein Fremdling hinein.«
Das ist kein glückliches Verfahren; hiermit kann er Zeller gegenttber
unmöglich etwas gewinnen. Der meines Erachtens einfachen Lösung der
vermeintlichen Schwierigkeit nähert sich der Verfasser auf S. 147: »Viel-
mehr bleibt die Möglichkeit durchaus offen, dafs zu dem mathematischen
Moment der Form das eigentlich materielle Moment erst noch hinzu-
kommt; können doch an einer solchen Materie die mathematischen For-
men von Dreiecken und Körpern ebenso gut zur Geltung kommen als
im blofsen leeren Raum.« Vergl. meine Platonische Metaphysik S. 26.
Dafs die Bezeichnung der Materie als röno^ oder zcjpa nicht für die
Zeller'sche Auffassung spricht, wird mit Recht behauptet, doch nicht
ganz genügend dargethan. Es beruht lediglich auf mangelhafter Er-
kenntnis, wenn S. 166 gesagt wird: »Eine blofse etymologische Spielerei
ist es also, dafs Plato für die SX;^ auch die Bezeichnung r^o^ anwandte,
ausgehend Ton dem Umstände, dafs xcjpa und ^^fopeev dieselbe Wurzel
haben.«
Sehr eingehend mrä sodann die Schlufsfolgerung Zellers unter-
sucht: »Die sinnlichen Dinge sind ein Mittleres zwischen Sein und Nichtr
sein; das Moment des Seins kommt ihnen von den Ideen, mithin ent-
stammt das Nichtsein dem anderen Prinzip, der Materie; diese ist also
das Nichtsein.« In der Bekämpfung dieser sicherlich angreifbaren Folge-
rang geht der Verfasser zu weit, wenn er schliefslich sagt: »Nach Zeller
mufste Plato durchaus den Stoff ebenso tief unter die Gegenstände der
sinnlichen Wahrnehmung setzen, als er diese unter die Ideen stellte. In
Wirklichkeit aber erhebt er ihn weit über die sinnlichen
Dinge empor.« Auf jeden Fall liegt dies nicht in der Tendenz Piatos.
Bei dieser Anschauung ist es nur konsequent, wenn ihm Teichmüller mit
der Erklärung, die Materie könne nur als ein Moment an dem Werden-
den und Wirklichen unterschieden werden, nicht genug thut. Der Ver-
fasser »hält an der vollen und ganzen Realität der Materie fest«. »Ver-
88 Plato.
gebens suchen wir allerdings eine Anfklftrang ttber die Stellung der
beiden Realitäten zu einander, und wir müssen also eine ünfertigkeit
der platonischen Doctrin in einem Hauptpunkte einräumen.c
In dem zweiten Teile seiner Arbeit »Die aristotelischen Be-
richte« weist der Verfasser nach, dafs die betreffenden aristotelischen
Stellen nicht gegen, sondern für die Realität der Materie bei Plato
sprechen. Ich habe diesen Nachweis bereits selbst mehrere Jahre vor
meinem lateinischen Namensvetter in dem ersten Teile meiner Platoni-
schen Metaphysik geführt, und brauche daher auf diesen Teil nicht näher
einzugehen mit Ausnahme weniger Punkte. Es ist der Arbeit des Ver-
fassers nachteilig geworden, dafs er übersehen hat, dafs die Bezeichnung
der Materie als rd fidya xal fuxpdu bereits im Philebus vorkommt, wie
es überhaupt für die ganze Untersuchung von Nachteil gewesen ist, dafs
dieser Dialog gänzlich unberücksichtigt geblieben ist Wenn dieses
Gro£5e und Kleine als Sud^ bezeichnet wird, so fällt es deswegen noch
nicht in das Gebiet der Zahlen, wie S. 158 behauptet wird. Wie das
Grofse und Kleine, so findet sich die Bezeichnung der Materie als r^
imtpov (Arist phys. III 4 p. 203 a) im Philebus. Mit Arist phys. I 9
p. 192 a 6 weifs der Verfasser nicht recht fertig zu werden. Ich habe
diese Stelle behandelt in meiner Plat. Metaphysik S. 84. Es ist falsch«
wenn auf 8. 163 behauptet wird: »die Zahlen spielen also auch für den
Timäns eine Rolle, aber doch mehr eine untergeordnete.« Die Propor-
tion, also die Zahl, spielt in demselben wie überhaupt in der ganzen
platonischen Weltanschauung eine eminente Rolle.
In dem dritten Absclmitte beruft sich Sartorius für die Realität
der platonischen Materie auf Simplicius, Alexander und Theophrast und
zieht aus diesen für die Entscheidung der Frage zu gunsten seiner Auf-
fassung wichtige Stellen heran.
4) Bafsfreund, Jacob, Ober das zweite Princip des Sinnlichen
oder die Materie bei Plato. Leipzig 1886. 8. 74 S.
Die mit Scharfsinn und Umsicht gearbeitete und mit erfreulicher
Klarheit geschriebene Abhandlung zerfällt in sieben Teile. I. Die pla-
tonische Darstellung des zweiten Prinzips im Timäus. U. Die z^'P^
ist nicht der leere Raum. m. Die x^P^ ^^^ nichi Stoff, oder das woraus
das »Werdendec wird. IV. Was versteht Plato unter dem xeyvöfißvov?
V. Die Materie des Plato als Imoxe^/uvov schlechthin; ihr Unterschied
von der uhj des Aristoteles. VI. Die Materie und die Konstruktion der
Elemente im Timäus. VII. Das Snetpov und die übrigen Prinzipien des
Philebus; das Chaos und die Bildung des Kosmos im Timäus.
Mit vielen in den ersten sechs Teilen gegebenen Ausführungen und
Resultaten kann ich mich im wesentlichen vollkommen einverstanden
erklären; es sind ja auch zum guten Teile dieselben Auffassungen, die
ich selbst bereits früher gewonnen und veröffentlicht habe. Um die An-
Plato. 39
sßhaunngen des Verfassers etwas genauer vorzuführen, wollen wir einiges
aus der Schrift herausheben. Was den dritten Teil anlangt, so macht
derselbe sehr richtig darauf aufmerksam, dafs Plato im Timäus jenes
Prinzip ganz unzweideutig als Materie beschreibt, aber immer nur im
Sinne eines unoxe/fievov ^ als Substrat der Formen und Erscheinungen.
Jenes Prinzip ist nach dem Timäus nicht wie die Ski^ bei Aristoteles zu-
gleich dasjenige, woraus etwas wird, und, setzt der Verfasser noch hinzu,
was in diesem als Bestandteil mit enthalten ist (S. 28 f.)- Wir wollen
die Sache an einem einfachen Beispiele deutlich machen. Wenn der
Mechanikus einen metallenen Cylinder bereitet, so geschieht dies in der
Weise, dafs er nach der ihm im Geiste vorschwebenden mathematischen
Form des Cylinders eine solche Bewegung anwendet, dafs das Metall
eine dieser Form entsprechende Gestalt annimmt. Der Cylinder wird
also nicht aus dem Metalle, sondern an dem Metalle, insofern als die
sinnlich wahrnehmbare Form des Cylinders nicht aus dem Metalle wird,
sondern an das Metall herangebracht wird. Nach der Analogie des
menschlichen Schaffens aber denkt sich Plato das Werden in der Welt.
Bei dieser Anschauung ist das »Werdendec die Form. Wenn der Mecha-
nikus einen metaUenen Cylinder bereitet, so wird nicht das Metall, son-
dern die Form des Cylinders an demselben. Es ist also ganz richtig,
wenn der Verfasser S. 87 sagt: idafs die yeveacs für Plato sich lediglich
auf den Wechsel der Formenbestimmtheit beschränkt,! und S. 47:
»Das ytyvöfievov umfafst bei Plato nicht, wie bei Aristoteles, das auvoXov,
das Ganze der materiellen Dinge, sondern lediglich ihre formale Seite,
oder genauer die Summe aller Bestimmtheiten, sowohl des notSv wie
des noadv^ welche zusammen die Erscheinung der Dinge ausmachen, c
Ob freilich der Unterschied zwischen dem Substrat im Timäus und der
Zhj des Aristoteles im gründe genommen so wesentlich ist, wie ihn der
Verfasser im fünften Abschnitte darstellt, ist mir recht zweifelhaft; im
Gegenteil glaube ich, dafs die Auffassung der npmT^ oh^ bei Plato und
bei Aristoteles im wesentlichen dieselbe ist. Plato denkt im Timäus an
die Form, die an die Materie heran kommt resp. in dieselbe eintritt,
Aristoteles denkt an das konkrete Ding. Daraus erklärt sich die Ver-
schiedenheit der Anschauung und Ausdrucksweise. Denke ich an das
konkrete Ding, so ist natürlich auch bei Plato die Materie das, »was in
diesem als Bestandteil mit enthalten ist,c während dagegen auch bei
Aristoteles die Form in und an dem Stoffe zur Erscheinung kommt und
der Stoff auch bei ihm von einem Werden, wie es der Verfasser auf
grund des Timäus schildert, ausgeschlossen ist. Doch kann ich dies
hier nicht weiter verfolgen.
Hervorheben müssen wir noch eine andere Auffassung, die in dem-
selben Abschnitte entwickelt wird und auf S. 62 kurz in die Worte zu-
sammengefafst ist: »Substanz der Dinge ist die Materie oder ihr
Substrat, und nichts anderes. Die Materie ist das allein Reale an
40 Plato.
den Dingen , weil sie beharrlich nnd stets sich gleich ist. Die Form
dagegen, dasjenige gerade, was für Aristoteles das ursprünglich Reale
und eigentliche >Wasc der Dinge bildet, ist nach Plato kein roüvo^ hat
auf Realität keinen Anspruch.! Und auf 8. 53 heifst es von demselben
Prinzipe: »es bildet eine eigene dritte Gattung des Existenten, die den
Ideen sowohl an Realität wie an Erkennbarkeit sehr nahe steht, insofern
sie einerseits mit ihnen die Eigenschaft der Beharrlichkeit und Sich-
Selbst-Gleichheit teilt, andererseits aber gleichfalls intellegibel ist, wenn
auch nicht genau so wie die Ideen, direkt durch den Begriff, so doch
jedenfalls durch Gedankenthätigkeit, mittels jenes bereits erwähnten »in-
direkten Schlusses, c Entschieden falsch ist, dafs jenes Dritte den Ideen
an Erkennbarkeit »sehr nahe stehe. c Dagegen sprechen aufser der
ganzen Weise seiner DarsteUung im Timäus ganz ausdrückliche Erklä-
rungen ebendaselbst. Yergl. 49 A f. und namentlich 51 A: fiera^cyiySizvov
Sk dnopdnard nfj roo vor^oo xal duaakwTaTov airb XiyovreQ ob ^ewn»
fieBa^ und 52 B.: aörö 8i fter* dvcuaBvjataQ dTtröv Xoyea/JL^ reve voBqify /idytQ
marov. Mit diesen Worten einschliefslich des Attributes v6Bq}^ welches
der Verfasser schwerlich richtig deutet, wird der Grad der Erkennbar-
keit dieses Dritten doch von der Erkennbarkeit der Ideen weit abgerückt,
damit wird aber nach platonischer Anschauung zugleich seine Realität
tief unter die Realität der Idee gestellt. Aber etwas Reales bleibt es,
das ist nach den bestimmten Erklärungen des Timäus gewifs. Gar nicht
besser als mit der Erkennbarkeit steht es mit der Sich-Selbst-Gleichheit
dieses Dritten. Freilich bleibt jenes gestalt- und formlose X in allem
Wechsel, und es heifst von ihm 50 B: raörbv aor^v del Ttpog/n^rdoif' ix
yäp r^c ioLUT^g rb napdnav obx i^cararae 8uvdp.ea}Q\ aber der Wechsel
gehört doch zu seiner Natur, und so wird es 48 A als nktvw/idwij ahea
bezeichnet und 52Dff. wird sein Zustand, so lange es seiner eigenen
Natur überlassen ist, als ein ganz unruhiger, wechselnder und verworrener
geschildert. So ist seine »Sichselbstgleichheitc doch eine ganz andere
als die der Idee. Der Verfasser betont eben hier einseitig einzelne
Stellen, und erhebt so dieses materielle Prinzip zu einer Höhe, die zu
der Grundanschauung der platonischen Philosophie und auch zu anderen
ausdrücklichen Erklärungen unseres Philosophen nicht stimmt. Dem
entsprechend drückt er nun auch die Formen der Sinnenwelt, die doch
ihren Grund in den Ideen haben, zu sehr herab. Der Verfasser hat sich
hier in seinem Widerspruche gegen Zeller zu weit führen lassen.
Es ist sehr zu billigen, dafs der Verfasser im siebenten Abschnitte
auf das änetpov und die übrigen Prinzipien des Philebus eingeht Doch
kann ich ihm hier mehrfach nicht beistimmen. Ich will hier nur kurz
einige Punkte erwähnen. Es ist keine »irrtümliche Voraussetzungc, dafs
es sich bei den im Pbilebus aufgestellten Prinzipien um die allgemeinen
Prinzipien des platonischen Systems überhaupt handle; das zeigen schon
die Worte 23 C: ndvra rä vuv Svra iv r^ navrl St^j dtaXdfioM/jLSv
Plato. 41
fiäUov 8\ slßouXee^ '^P^xH' ^^^^ nicht die vier Gattangen des Philebas
sind Prinzipien, wie auf S. 69 steht, sondern nur drei. Das nenepaafUvov
oder fjuxtop kann nicht Prinzip sein. Das dnetpov des Philebus ist aller-
dings nicht identisch mit der Se^a/iev^ des Timaus; aber diese ist ein
Teil, eine Species des äneipov, Aristoteles sagt bekanntlich oft genug,
Plato habe r^ ^uya xal rb fuxpov zum Substrate gemacht; dasselbe er-
scheint auch Phil. 25 C unter den Arten des äiutpov^ allerdings in der
Form des Komparativs fueCov xal aficxporepov. — >Nocl| viel wichtiger
und bedeutsamer aber ist, dafs von qualitativer Bestimmtheit oder
deren Mangel, von einer Unterscheidung zwischen Form, Formlosem
und Geformtem im ganzen Philebus auch nicht mit einem Worte die
Rede istc (S. 65). — Die Form ist doch mit dem nipag^ das Formlose
mit dem änetpov und das Geformte mit dem nenepaa/iivov gegeben. Ver-
kannt ist ferner, dafs Zahlen- und Maafeverhältnisse bei Plato auch
eine qualitative Bedeutung haben. So ruht die sittliche Bescha£fenheit
der Seele im wesentlichen auf Maafs und Ebenmaafs, die gute Beschaffen-
heit der Welt auf der Proportion. Dagegen stimme ich dem Verfasser
vollkommen bei, wenn er mit Zeller das nipaQ auf die Gesamtheit der
Zahlen- und Maafsverhftltnisse bezieht und das »Gemischtet alles um-
fassen lafst, worin Ordnung, Regel- und Gesetzmäfsigkeit, Proportionalität
und Ebenmaafs sich offenbart. Ich habe mich selbst vor ihm in diesem
Sinne ausgesprochen.
Recht bedenklich erscheint es mir dagegen, wenn auf S. 72 gesagt
wird, dafs ohne das Eingreifen der weltordnenden Intelligenz die sinn-
lichen Formen als Abbilder oder Abdrücke der ewigen Ideen in die Ma-
terie eingehen, oder in dieselbe abgedrückt werden und dadurch zur
Erscheinung gelangen. Wie soll es dann dem Weltbildner möglich sein
Verhältnis und Maafs, Symmetrie und Proportionalität in das Sinnliche
hineinzubringen? (S. 73) Die Proportionalität der vier Elemente z. B.
beruht doch offenbar auf der den einzelnen Elementen eigentümlichen
Gestalt; erhalten sie diese ohne die göttliche Vernunft, so erhalten sie
damit zugleich ohne sie ihre Proportionalität, und wenn die göttliche
Vernunft den Elementen nicht ihre eigentümliche Gestaltung schafft, so
ist sie auch aufser Stande ihnen ihre Proportionalität zu schaffen. Somit
wäre Gott für die Weltbereitung machtlos und ziemlich überflüssig. Da-
gegen steht Tim. 53 B ausdrücklich, dafs Gott das Dritte in jenem ungeord-
neten Zustande Seea^^i^jjLaT^aaro etdeai re xcu dptdfioeg. Doch ich kann
dies nicht weiter verfolgen, denn die Frage nach der sogenannten sekun-
dären Materie hängt innig mit einer andern zusammen, nämlich mit der
Frage, ob denn die zeitliche Entstehung der Welt, wie sie der Timäus
offenbar lehrt, nicht etwa nur eine Folge der anthropomorphistischen
Darstellung derselben ist.
Unberücksichtigt gelassen sind die Angaben des Aristoteles über
das materiale Prinzip bei Plato, während sich doch bekanntlich die Ver-
42 Pli^to.
treter der entgegengesetzten Anschauung gerade auf diese als auf ein
sehr gewichtiges Zeugnis fQr die Richtigkeit ihrer Au£Eassung berufen.
6) Baeumker, Clemens, Die Ewigkeit der Welt bei Plato.
Philos. Monatsh. XXIII (1887) S. 513-629.
Die tre£fliche Abhandlung zerfällt in zwei Teile. In dem ersten
Teile geht der Verfasser der Geschichte dieser Frage in der Platointer-
pretation näher nach, indem er zugleich frühere Darstellungen in manchen
Punkten ergänzt und berichtigt. In dem zweiten Teile wird das exege-
tische Problem selbst in Kürze behandelt Wir schätzen die Gelehrsam-
keit, die sich im ersten Teile zeigt, können aber nur auf den zweiten
Teil etwas eingehen, und wir wollen hier namentlich einige wichtigere
Sätze herausheben, um einigermafsen ein Bild von der Erörterung zu
geben. »Dafs der platonische Timäus dem Wortlaute nach ein Geworden-
sein der Welt, und zwar ein zeitliches Gewordensein lehrt, hätte nicht
in Zweifel gezogen werden sollen, c — — lEbenso aber mufs von der
Gegenseite anerkannt werden, dafs dem Plato wesentlich nur daran liegt,
die Yerursachtheit der Welt, nicht auch deren zeitliche Entstehung zu
erweisen.c Dargethan wird dies durch Betrachtung von Tim. 28 BC.
Ȇber die Tendenz der Stelle kann kein Zweifel sein. Alles spitzt sich
auf den Schlufssatz zu: die Welt ist geworden; also hat sie, wie alles
Werdende, eine ürsache.c — »Vorübergehend zwar wird an unserer
Stelle der Begriff des Gewordenseins mit der Vorstellung identificiert,
dafs etwas von einem Beginn her angefangen habe. Allein da im Zu-
sammenhange der ganzen Beweisführung auf einen zeitlichen Beginn gar
nichts, auf das Hervorgebrachtsein alles ankommt, so werden wir bierin
nur eine nicht weiter zu betonende Accommodation an die gewöhnliche
Vorstellung erblicken, nach der alles Hervorgebrachte einen zeitlichen
Anfang gehabt haben mufs. Eine solche Accommodation pafst in den
ganzen Mythus aufs beste hinein. Dafs aber die Darstellung des Timäus
von der zeitlichen Weltentstehung den Charakter des Mythus trage,
ergiebt sich aus den Widersprüchen, in welche diese Darstellung, wenn
wir sie als dogmatische Lehrbestimmung fassen, sich mit unbezweifelt
platonischen Lehren verwickelt.! Solcher Widersprüche werden drei nach-
gewiesen, die bereits Proklus im wesentlichen richtig hervorgehoben hat.
1) »Ausdrücklich lehrt der Timäus, dafs die Zeit, und mit ihr die
Unterschiede der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, erst mit dem
Weltgebäude entstanden seien.c »Gleichwohl läfst er nicht nur die
zeitlosen Ideen, sondern auch den Raum und sogar das Werden dasein,
ehe das Weltall wurde. Er läfst den Gott die ungeordnete Materie, die
damals so beschaffen war, nach Formen und Zahlen gestalten und be-
schreibt die ordnende Thätigkeit des Weltbildners so, dafs man sieht,
er denkt den Zustand der Unordnung als den zeitlich früheren.» »Wir
haben also den Widersinn von Zeitbestimmungen vor Entstehung der
Plato. 43
Zeit. Die Voraussetzung dieses Widersinns, die Annahme einer zeitlichen
Bildung der Welt aus einer ewigen Materie, kann nicht einen dogmati-
schen Bestandteil der platonischen Lehre ausmachen, c
2) tEs kann keinem Zweifel unterliegen, dafs Plato die menschlichen
Seelen als unentstanden betrachtet. Selbstverständlich mufs demnach
auch die Weltseele ohne zeitliche Entstehung sein. Ist aber die Seele
der Welt ewig, so kann der Welt selbst nicht füglich ein zeitlicher
Anfang zugeschrieben werden, c
8) »Nicht so zwingend, aber doch immerhin als unterstützende
Momente nicht zu übersehen sind gewisse Ausführungen in Piatos letztem
Werke, den Gesetzen.! Herangezogen wird hier namentlich die Stelle
Legg. VI 781 E- 782 A, eine Stelle, auf welche sich wiederum schon die
Neuplatoniker berufen haben.
Ich habe mich selbst bereits früher zu der Auffassung bekannt,
die hier mit Gelehrsamkeit, Scharfsinn und Besonnenheit begründet wird.
6) Zeller, E., Über die Unterscheidung einer doppelten Gestalt
der Ideenlebre in den platonischen Schriften. Sitzungsberichte der
K. preufs. Akad. der Wissensch. zu Berlin, Sitzung der philosophisch-
historischen Klasse vom 3. März 1887. S. 197—220.
H. Jackson hat bekanntlich in einer Reihe von im Journal of Phi-
lology erschienenen Abbandlungen nachzuweisen gesucht, »dafs sich schon
in den platonischen Schriften selbst zwei von einander erheblich ab-
weichende Fassungen der Ideenlehre finden, eine ältere und eine jüngere,
der aristotelischen Darstellung derselben näher stehende, jene in der
Republik und im Phädo vorgetragen, diese im Theätet, Sophisten, Par-
menides, Timäus und Philebus. Zwischen diesen beiden Gruppen von
Gesprächen finde nämlich der Unterschied statt, dafs nach der Republik
und dem Phädo allen allgemeinen Begriffen für sich seiende Ideen ent-
sprechen, und diese den Einzeldingen immanent seien, die Einzeldinge
an ihnen Teil haben; wogegen in den fünf späteren Gesprächen, ebenso
wie bei Aristoteles, nur von den Naturdingen Ideen im Sinne für sich
seiender Begriffe angenommen werden, und das Verhältnis dieser Ideen
zu den Einzeldingen lediglich das des Urbilds zum Abbilde sei, von einer
Teilnahme der Dinge an den Ideen nur in Beziehung auf die nicht für
sich bestehenden efSij, die Eigenschafts- und Verhältnisbegriffe, ge-
sprochen werde, c
Zeller weist nun eingehend nach, dafs diese Anschauungen in den
platonischen Schriften keinen Anhalt finden, dafs vielmehr das Gegenteil
derselben in diesen enthalten ist. »Von dem, was Jackson in diesen
Stellen sucht, ist nichts in ihnen zu finden. Noch viel weiter geht er
aber freilich über alles, was nicht allein Plato, sondern was irgend ein
griechischer Philosoph gesagt hat oder gesagt haben könnte, durch die
Entdeckung hinaus, dafs die sinnlich wahrnehmbaren Dinge nach Plato
44 PlAto.
nichts anderes seien als Sensationen in unserem Geiste, denen wir fUsch-
lich ein äufseres Dasein zuschreiben, weil sie gleichroäfsig in mehreren
Seelen vorkommen; und die Ideen nichts anderes als die, uns freilich
unerkennbaren und nur hypothetisch angenommenen, ewigen Modi oder
Potentialitätcn des Denkens, durch deren Aktualisation in einer be-
stimmten Stelle des Raumes und der Zeit die Erscheinung der Einzel-
dinge entstehe.«
»Eine eigentümliche Schwierigkeit erwächst für Jackson's Ansicht
ttber Piatos Lehre vom Verhältnis der Dinge zu den Ideen aus den An-
gaben des Aristoteles. Er glaubt, seit der Zeit, welcher der Parmenides
angehört, habe Plato die Teilnahme der Dinge an den Ideen, die fid&e^e^^
aufgegeben, und die Abbildung der Ideen in den Dingen, die pujfo^tg^
an ihre Stelle gesetzt.« Dieser Ansicht gegenüber behauptet Zeller mit
vollem Rechte : »Ans Aristoteles' ganzer Darstellung geht unwidersprech-
lich hervor, dafs Plato, als er ihn hörte, die Teilnahme der Dinge an
den Ideen nach wie vor lehrte, und dafs sich diese seiner Meinung nach
mit dem vorbildlichen Charakter der Ideen vollkommen vertrug.«
Auch die Stützen, welche Jackson im Theätet 166 Äff. und im
Sophisten 246 A. 248 ff. fAr seine Hypothese sucht, weifs ZeUer ihm zu
entziehen. Sehr lehrreich ist hier, was Zeller über die Darstellung der
Ideenlehre im Sophisten sagt, wenn es auch im wesentlichen eine Zu-
sammenfassung bereits früher von ihm ausgesprochener Ansichten ist
Ich möchte mir hierbei nur in Beziehung auf einen Punkt eine Bemer-
kung erlauben. Zeller vertritt auch hier die Auffassung, das TWLvreAoß^
Sv sei die Idee, und da nach Sophist 249 von diesem gesagt werde, man
könne es sich nicht ohne Bewegung und Leben, Seele und Einsicht den-
ken, so werde den Ideen Leben, Seele, Vernunft und Bewegung beigelegt
Ich meine, dafs die Bezeichnung rh navreXw^ ^v, das Absolute, auch auf
den voug^ der im Philebus und auch sonst als die höchste ah/a gefafst
wird, vollkommen pafst. Sagt doch Zeller selbst auf S. 214 der
vorliegenden Abhandlung, dafs im Philebus die ahta als wirkendes, be-
seeltes und vernünftiges Prinzip, also mit den gleichen Prädikaten
wie im Sophisten das naweXwg Sv bezeichnet wird. Dann
haben wir aber im Sophisten keine von den übrigen Dialogen abweichende
Darstellung der platonischen Lehre. Hält man diese Auffassung für
richtig, dann fällt eine Folgerung, die Zeller bei seiner Auffassang jener
Stelle für die Zeit der Entstehung des Sophisten zieht: »Die Aussagen
des Sophisten über die Ideen liegen daher von denen des Aristoteles
weiter ab, als die aller anderen Gespräche. Dieser Sachverhalt steht
der Annahme entschieden entgegen, dafs der Sophist einer Zeit angehöre,
in der sich bei seinem Verfasser der Übergang zu der späteren, uns
nur aus Aristoteles bekannten Fassung der Ideenlehre vorbereitete; er
läfst uns vielmehr in der Darstellung dieses Gesprächs einen später auf-
gegebenen Versuch erkennen, die Ursächlichkeit der Ideen mit ihrer
Plato. 45
Thätigkeit und Beseeltheit zu begründen, c Sehr bemerkenswert ist das
sich hieran Anscbliefsende : »Dieser Versuch war dem Philosophen aller-
dings durch die doppelte Erwägung nahe gelegt, dafs das höchste Sein
nicht ohne Vernunft, die letzte Ursache nicht ohne Wirksamkeit, und
daher auch nicht ohne Bewegung gedacht werden könne. Allein es war
doch so schwer, oder vielmehr so unmöglich, sich die Gattungen der
Dinge zugleich (nach Soph. 249 A) als lebendige, beseelte und vernttuftige
Wesen zu denken, und die Bewegung, die ihnen als solchen zukam, mit
ihrer Unveränderlichkeit zu vereinigen, dafs wir es vollkommen begrei-
fen, wenn der Philosoph diesen undurchführbaren Versuch nicht weiter
verfolgte : wenn er im Phaedo bald den voDg, bald die Idee als die Ur*
Sache der Dinge darstellt, aber diese beiden Darstellungen nicht mit
einander verknüpft; im Philebus die alr/a zwar als wirkendes, beseeltes
und vernünftiges Prinzip, also mit den gleichen Prädikaten, wie im
Sophisten das navreXatQ Xvy bezeichnet, aber der Ideen in diesem Zu-
sammenhange nicht erwähnt.! Derselbe Dualismus der Ursache wird
dann noch weiter fnr die Republik und den Timäus nachgewiesen. Ich
glaube, dafs Plato jenen Gedanken, »die Gattungen der Dinge, also die
Begri£fe seien zugleich lebendige, beseelte und vernünftige Wesenc nie-
mals gehabt hat, dafs er einen in sich so widerspruchsvollen und unmög-
lichen Gedanken überhaupt nicht hat haben können, dafs er vielmehr
in richtiger Erkenntnis, »dafs das höchste Sein nicht ohne Vernunft,
die letzte Ursache nicht ohne Wirksamkeit und daher auch nicht ohne
Bewegung gedacht werden könnec , den vou^ als höchstes Prinzip auf-
gestellt hat, den vou^, der die Ideen in sich hat, weil er sie in sich
haben mufs; denn ohne die Ideen ist die Vernunft überhaupt nicht Ver-
nunft. So ist der voug die ahca; aber auch die Idee kann als Grund
der Dinge angegeben werden, doch wirksam ist sie nur, weil sie der
Gedanke des vouq ist. Die Idee der Freiheit ist auch nach unserm
Sprachgebrauche eine Macht, aber nicht losgelöst von den Geistern
sondern in ihnen und mit ihnen. Damit ist auch jener Dualismus in
der Aufstellung des Grundes der Dinge beseitigt, den man einem grofsen
Philosophen nicht zutrauen kann. Aufserdem läfst Zellers eigene Dar-
stellung ihn als einen so handgreiflichen erscheinen, dafs es unbegreiflich
wäre, hätte Plato nicht mit aller Macht nach seiner Überwindung gestrebt.
Dabei ist seine Beseitigung so leicht und so nahe liegend. Zwei höchste
Ursachen erscheinen nach Zeller bei Plato: die Vernunft, d. h. die gött-
liche Vernunft, und die Ideen. Kann denn die göttliche Vernunft ohne
einen Inhalt gedacht werden? Und was soll denn dieser Inhalt sein,
wenn nicht die Ideen? Und können die Ideen, die doch ihrem innersten
Wesen nach Begriffe sind, anderswo gedacht werden als in der Vernunft?
Wir sehen, wie sich die Zeller 'sehe Untersuchung schliefslich der
Frage nach der Reihenfolge der platonischen Schriften zuwendet Jack-
son rechnet den Theätet und den Sophisten zu den späteren Schriften
46 Plc^to.
und stellt ihn mit dem Parmenides, Timäus and Philebus zusammen,
Zeller glaubt aus dem Inhalt des Sophisten darthun zu können, dafs
derselbe zu den früheren gehören mttsse. Zu demselben Resultat filhrt
seines Erachtens die enge Verbindung des Sophisten mit dem Theätet,
ider zwischen 392 und 390, am wahrscheinlichsten 391 ans Licht ge-
treten sein mufs.c Den hierfür in einer frtlheren Abhandlung Sitzungs-
berichte der K. Akademie 1886 Nr. 37 vorgebrachten Gründen wird hier
noch die Beziehung von Theät. 166 D : S iXko^^wv äv TteXroffrixbg dv^ip
liia^oipopog iv Xoyotg ipofievog .... ijkey^^ev äv ini^^tov xtä obx dvieei
auf die von Iphikrates und seinen Peltasten 392 und 391 v. Chr. voll-
brachten Thaten hinzugefügt. »Unmittelbar nach diesen Vorgängen, als
Iphikrates und seine Peltasten das Tagesgespräch in Athen waren, mufs
Plato die fraglichen Worte niedergeschrieben haben.«
Gegenüber den »sprachlichen Thatsachen«, in denen durchweg der
Theätet mit dem Staat, der Sophist und Politikus mit den Gesetzen
übereinstimmen, erklärt Zeller, dafs er diese Übereinstimmung nicht
einmal hinsichtlich der von Dittenberger beigebrachten Thatsachen ein-
räumen könne. »Diejenige Reihenfolge, in welcher diese vier Gespräche
bei Dittenberger S. 326 aufgeführt sind: ^Republik, Theätet, Sophist,
Gesetze", ergiebt sich aus keiner von den Vergleichungen , durch die
sie begründet werden soll; die Mehrzahl derselben würde uns vielmehr
sogar nötigen, die Gesetze, von denen wir doch wissen, dafs sie erheb-
lich jünger sind als die Republik, für älter als diese zu erklären, und
alle würden uns verbieten, sie für Piatos letztes Werk zu halten. Noch
andere, von diesen wesentlich abweichende Resultate bekommt man für
unsere vier Gespräche, wie für die platonischen Schriften überhaupt,
wenn man die sprachstatistische Vergleichung mit andern Partikeln, z. B.
den von Hoefer und von Frederking gewählten vornimmt. c
Es folgen beachtenswerte Bemerkungen über den Wert solcher
Beobachtungen für die Bestimmung der Ordnung der platonischen Schrif-
ten und der sehr beherzigenswerte Vorschlag erst die Probe an neueren
Schriften zu machen, z. B. an Schriften von Goethe, deren Abfassungs-
zeit uns genau bekannt ist. In dem letzten Abschnitte tritt Zeller dafür
ein, dafs der Philebus der Republik nicht nachfolgte, sondern ihr voran-
ging. Ich will nur noch eins hinzufügen. Auf S. 212 Anmerk. I wird
jene bekannte Stelle Phaedo 100 D folgendermafsen gegeben: oux äXXo
Tc adrb noteT xaXöv 1^ ^ ixe^vou rou xaXou ehe napouaia ehe xoevtovea
ehe [add. fjLeTo)[i}] ^jj 8ij xal Sttwq npoayevofievT^. Ich bin selbst seit
vielen Jahren der Ansicht, dafs ein Substantivum ausgefallen ist und
zwar fierdoj^eatg, und habe bereits vor Jahren vorgeschlagen : Jj ^ ixeofou
Tou xaXoü add. peTacj^efftg ehe napooatqi ehe xoeuwyiijL ehe 8nj^ Sij
xal 5nwg Ttpo^rjrevoixevT^. Ich glaube, dafs diese Lesart dem Znsammen-
hange des Kapitels vollkommen entspricht, ja durch diesen geradezu
Plato. 47
gefordert wird. Ausführlicher werde ich diesen Vorschlag an anderem
Orte begründen.
7) Monrad, M. J., Nonnulla de Piatonis philosophandi via et
ratione. Nord. Tidskrift VII 4 p. 282—288.
c) Reihenfolge der Dialoge.
1) Zell er, £., Über die zeitgeschichtlichen Beziehungen des pla-
tonischen Theätet. Sitznngsberichte der Königl. preussischen Akademie
der Wissenschaften zu Berlin. XXXVII (1886) S. 631—649.
Während früher allgemein angenommen wurde, das Gespräch des
Enklides mit Terpsion im Anfange des Theätet (142 A — 148 C) werde
von Plato in den ersten korinthischen Krieg, und zwar in eines seiner
ersten Jahre verlegt, und der Dialog werde wohl auch nicht lange nach-
her, etwa 392 V. Chr., verfafst sein, will Munk, dem Überweg und
Bergk beistimmen, unter dem korinthischen Kriege, aus dem Theätet
heimkehrt, lieber den des Jahres 368 verstanden wissen, so dafs die Ab-
fassung des platonischen Gesprächs frühestens in eben dieses Jahr, mög-
licherweise auch einige Jahre später fallen würde. Zeller begründet in
der vorliegenden Abhandlung die frühere Annahme.
Nach umsichtiger und scharfsinniger Erörterung kommt er auf
S. 636 zu dem Resultate, »dals die Einleitung unseres Werkes, die
Unterredung Euklids mit Terpsion entschieden dafür spricht, dafs seine
Abfassung in die mittleren Jahre des Bundesgenossenkriegs, 392 — 390
V. Chr , also noch vor Piatos erste Reise nach Sicilien fäUtc Dieses
Resultat wird nicht erschüttert durch die grofse Episode 172 C— 177 C,
»von der man vermutet hat, dafs sie gewisse Erscheinungen aus der
Zeit berücksichtige, in der sie niedergeschrieben wurde, und dafs be-
stimmte thatsächliche Veranlassungen Plato bewogen haben, den Gang
seiner Untersuchung durch diese, an sich selbst sehr schönen und gehalt-
vollen, aber für das eigentliche Thema des Gesprächs entbehrlichen
Erörterungen zu unterbrechen.c Diese Vermutung hält Zeller für durch-
aus begründet. Aus dieser Episode ist nun für die Bestimmung der
Abfassungszeit des Dialogs auch die Stelle herangezogen worden, wo
Sokrates die Reden der Philosophen mit denen der Rhetoren vergleicht
und sich mit jenen Gegnern der Philosophie, die sich für die allein prak-
tischen Leute halten, und ihrer banausischen Einbildung eingehend und
nachdrücklich auseinander setzt. Zu dieser Auseinandersetzung mufs
Plato eine bestimmte Veranlassung vorgelegen haben. Und so hat
Munk an die Erfahrungen gedacht, welche Plato am syrakusanischen
Hofe gemacht hatte, Bergk an unangenehme Erfahrungen, die Plato
vor Gericht machte. Munks Annahme wird kurz und schlagend von
ZeUer widerlegt, und ebenso überzeugend dargethan, dafs Bergks ganze
48 Plato.
Kombination in jeder Beziehung anf schwachen Fttfsen steht. Treffend
bemerkt Zeller, dafs die Veranlassung zu jener Auseinandersetzung nicht
in einer Erfahrung zu bestehen braucht, die Plato selbst bei dem Ver-
suche einer praktischen Thätigkeit machte, sondern ebensogut darin liegen
kann, dafs sich andere mifsliebig über die Philosophen geäufsert und
diesen die Vorwürfe gemacht haben, gegen die sie Plato in der Stelle
des Theätet in Schutz nimmt. Zeller entscheidet sich für diese zweite
Möglichkeit. »In welcher Weise aber Plato diese Polemik entgegen-
getreten war, läfst sich nicht bestimmt sagen.« Hiemach läfst sich aus
jenem Zuge der grofsen Episode des Dialogs ein Schlufs auf die Ab-
fassungszeit desselben überhaupt nicht ziehen.
Viel zutreffender findet Zeller eine von Bergk und gleichzeitig
von E^ Roh de gemachte Wahrnehmung, dafs sich S. 175 A f. auf einen
spartanischen König beziehen müsse, der sich einer Zahl von ftinfund-
zwanzig Ahnen, von Herakles an gerechnet, rühmen konnte. Man hat
unter diesem Könige Agesilaos verstanden. Zeller thut dar, dafs der
Eurysthenide Agesipolis der einzige spartanische König aus Piatos Zeit
ist, der sich mit fünfundzwanzig Ahnen aus dem Hause der Herakliden
brüsten konnte.
»Hieraus geht nun hervor, dafs der korinthische Krieg, aus dem
Theätet im Eingang unseres Gesprächs krank heimkehrt, nur der erste,
von 394 — 387 v. Chr. geführte, sein kann, denn der zweite, von 368,
fällt zwölf Jahre nach Agesipolis* Tode.«
Was die Zeit der Abfassung oder Veröffentlichung des Dialogs
anlangt, so ist es Zeller auf Grund mancher von ihm vorgebrachten Er-
wägungen »das wahrscheinlichste, dafs der Thätet unmittelbar nach Age-
sipolis' Feldzug gegen Argos, um 391 v. Chr., verfafst, oder wenigstens
in diesem Zeitpunkt veröffentlicht worden ist; wobei immerhin die Mög-
lichkeit offen bliebe, dafs S. 143 D - 172B und 177 C bis zum Schlüsse
schon etwas früher niedergeschrieben waren, und nur das Einleitungs-
gespräch und die Episode 172 G — 177G jetzt erst beigefügt worden.«
2) Schanz, Martin, Zur Entwickelung des platonischen Stils.
Hermes Bd. XXI (1886). S. 439—469.
Eine Prüfung der von Dittenberger zuerst angewandten Methode,
für die Chronologie der platonischen Dialoge sprachliche Kriterien zu
verwerten, ist nach der Ansicht des Verfassers um so mehr geboten,
4als gar keine Aussicht vorhanden ist, auf dem Wege, der bisher be-
schritten wurde, in der platonischen Frage zu einer allgemeinen Über-
einstimmung zu gelangen.« »Die platonische Frage kann nur durch ein
Mittel gelöst werden, welches alles subjektive Ermessen des Forschers
ausschliefst. Dies ist aber fast nur der Fall bei der statistischen
Beobachtung des Sprachgebrauchs.« Untersucht werden hier
einige Redensaiten, welche sich auf den Gegensatz von Sein und Schein
Pkto. 40
Bnrttckfthren lassen, nämlich die Redewendungen r^ ifvxi und ifwott
einerseits und wc dhjBmg^ rfj dM^Betf^ dh^MItg^ dh^Mq^ andererseits*
Die erste Gruppe hat auch Peipers in seiner Ontologia Platonica behan-
delt, ifaat aber unterlassen, sein Material in gehöriger Weise zu verwerten
und die Schlüsse zu ziehen, die aus dem Material gezogen werden
müssen.!
Wird der Betrachtung der Dialoge der Gebrauch von r<ji ävri und
Jvrciic zu gründe gelegt, so ergeben sich unter Ausscheidung der Dialoge
welche weder toj 6ytt noch Svro}^ haben und der allseitig als unecht
anerkannten, drei Klassen von Dialogen: 1) solche, in denen Svtiüs gar
nicht vorkommt, sondern nur rip Svre (Apologie, Euthyphro, Gorgias,
Laches, Lysis, Protagoras, Symposion, Phaedo) ; 2) solche, in denen beide
Ausdrucksweisen neben einander vorkommen (Phaedrus, Cratyius, Euthj-
dem, Theaetet, Republik, Sophistes) ; und 3) solche, in denen nur Xvrwg
vorkommt (Pbilebus, Politicus, Timaeus, Leges).
Zu demselben Zwecke wird sodann die Formel o^ dh^BibQ benutzt
mit ihren Synonyma r^ dXq^etqi^ dh^9wg, dh^^etq^ Da aic der Ablativ
vom Artikel und <W dki^^m^ demnach soviel wie rjjf dhjBe^^ ist, so verhält
sich dXi^ws : &^ dhßwQ = dh^BBiqL : r^ dAfj&e{^. Die hierfür aufgestellte
Tabelle ergiebt die Thatsache, dafs in allen in den zwei Verzeichnissen
aufgeführten Dialogen Sg dhjBiog vorkommt, vier Dialoge ausgenommen,
nämlich Philebus, Politicus, Timaeus, Leges. »Ziehen wir die erste Ta-
belle zur Yergleichung heran, so sehen wir, dafs dieselben Dialoge, in
denen r^ Svu fehlt (es sind die eben genannten vier), auch wg dkq^S}^
vermissen lassen. c Da nun ovnog zu r^ Svtt sich verhält wie dkr^BwQ
zu a>c dkq^atq^ »so bekommen wir zwei parallele Entwicklungsreihen,
SycwQ erdrückt r^ ovxi auf der einen, dki^^wQ hingegen o^c dXi^^lai auf
der andern. c ~ »Somit hätten wir Philebus, Politicus, Timaeus, Leges
als die spätesten Dialoge unserer Tabelle zu betrachten, c Es fragt sich
nun, ob sich nicht in der ersten Abteilung Dialoge finden, welche später
sind als einer der in der mittleren Abteilung stehenden. Schanz meint,
dafs nur bei zwei Dialogen ein Zweifel möglich sei, beim Phaedon und
beim Symposion, bleibt aber auch hier bei dem Resultate seiner Sta-
tistik Stehen.
Schanz vergleicht nun seine Ergebnisse mit den von Dittenberger
gewonnenen. Diese Yergleichung »ergiebt 1) dafs die Dialoge der ersten
Dittenbergerschen Klasse mit unserer ersten Abteilung übereinstimmen,
zwei Dialoge ausgenommen, den Euthydemus und Cratylus; 2) dafs mit
den Dialogen unserer zweiten und dritten Abteilung zusammen genommen
identisch sind die Dialoge der zweiten Klasse Dittenbergers, das Sympo-
sion und den Lysis ausgenommen. Bei näherem Zusehen reducieren sich
diese zwei Differenzen auf eine einzige, c »Durch Vergleich der
beiden Arbeiten gelangen wir zu der erfreulichen Hoffnung, dafs auf
Jahz^ftbcrickt för Alterthuüuwiuensdiart LXVU. Bd. (U91. L) 4
50 Pl«to.
dem Wege der statistischen Beobachtnng die platonische Frage ihrer
Lösung entgegengeftüirt werden kann.c
Angeknüpft werden noch einige Einzelbetrachtongen. »Es hat sich
folgendes unzweifelhaft herausgestellt: a) Der Phaedo gehört in die erste
Periode der schriftstellerischen Thätigkeit Piatos. b) Ebenso ist definitiv
erledigt die Anschauung von der frühen Abfassungszeit des Theaetet
c) Der Phaedrus steht nicht am Anfang der platonischen Schriftstellerei,
sondern auf dem Höhepunkt derselben. Er mufs nach der Sophisten-
rede des Isokrates abgefafst sein. Eine Anwendung der Torliegenden
Methode auf die Bücher der Republik ergiebt, dafs die Bücher der Be-
publik uns in zwei Stilstufen vorliegen. Die vier ersten Bücher kennen
kein Jwra;c; die sechs folgenden Bücher zeigen neben r^ owt noch ^vrcuc
auf. Die vier ersten Bücher gehören also in die erste Stilperiode Piatos
und sind zeitlich von den folgenden getrennt« — »Dafs das zehnte Buch
der Kepublik später ist als der Phaedo, wird auch durch die vorliegende
statistische Beobachtung des Sprachgebrauchs erwiesen ; denn das zehnte
Buch der Republik kennt ovran:^ während dem Phaedo dieses Wort fehlt«
— »Die blendende Hypothese Spengels, dafs der im Eingang des Sophistes
und Politicus angekündigte Philosophus deshalb nicht geschrieben wurde,
weil der Vorsatz in anderer Weise in dem fünften, sechsten und siebenten
Buche der Republik ausgeführt wurde, ist eine Unmöglichkeit« — Was
die Abfassungszeit der drei Dialoge Theaetet, Sophistes, Politicus anlangt,
so erweisen die gewonnenen Tabellen »aufs unzweifelhafteste, dafs diese
drei Dialoge durch gröfsere Zwischenräume von einander getrennt sind;
denn wenn auch der Sophistes mit dem Theaetet noch derselben Stil-
periode beizuzählen ist, so sind diese Dialoge doch zeitlich von einander
getrennt, da im Sophistes das einundzwanzigmal vorkommende Svtok das
nur einmal erscheinende np 5vxt fast erdrückt hat, im Theaetet dagegen
neben sechs r^ Svtt nur ein Svrmg vorkommt; bei dem Politicus kann
aber die Abfassung in einer späteren Zeit gar nicht in Frage gestellt
werden, da hier sowohl r^ Svrt als wq dkr^Baßc fehlt« — Wir wollen ans
dem Folgenden nur noch zwei Sätze hervorheben: »Aus dem Gesagten
ergiebt sich, dafs, wenn zwei Dialoge mit einander verbunden sind, ^araus
noch nicht gefolgert werden kann, dafs sie auch zeitlich zusammen ge-
hören.« — »Plato sucht in der späteren Periode seines litterarischen
Schaffens seine früheren Werke fortzuspinnen und zu ergänzen.« — »Es
ist klar, dafs die auf diese Weise mit einander verknüpften Werke nicht
eine künstierische Einheit und" Gliederung repräsentieren. Man wird
daher nicht mit Christ von der trilogischen oder tetralogischen Kompo-
sition als beabsichtigter Eunstform der platonischen Schriftstellerei in
seiner reifen Schaffenszeit sprechen können.«
Es wird dann noch gefragt, ob nicht auch für die unechten Dialoge
die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung nutzbringend gemacht
werden können. Zu diesem Zwecke wird der Clitopho behandelt, und
Plato. 51
im Zasammenhange damit eine genauere üntersuchnng über den Gebrauch
des Wortes Svrws bei Xenophon vorgelegt. Aus den Ergebnissen dieser
Untersuchung wird gefolgert, dafs das platonische Gastmahl früher sein
mnfs als das Xenophons. Wahrscheinlich hat Plato, nicht Xenophon
ovTWQ zuerst in die Prosa eingeführt.
Es kann keine Frage sein, dafs die von Schanz dieser Untersuchung
zu gründe gelegten Ausdrucksweisen glücklich gewählt sind und dafs es
ihm gelungen ist darzuthun, dafs es eine wichtige Aufgabe der platoni-
schen Forschung ist, die Entwicklung des platonischen Stils zu verfolgen.
Wie reich die Abhandlung an bedeutsamen Gedanken und Resultaten
ist, zeigt schon dieser Auszug. Die methodische Umsicht und Sicherheit
des Verfassers braucht nicht erst hervorgehoben zu werden. Was die
Resultate anlangt, will ich zunächst nur einen Punkt hervorheben. Ist
es richtig, dafs der Phaedo der ersten Periode der schriftstellerischen
Thätigkeit Piatos angehört, so folgt daraus, dafs Plato schon frühzeitig
seine Metaphysik im wesentlichen ausgebaut hat. Das wäre nicht wun-
derbar, da seine Anschauungen von den sokratischen abhängiger sind
als vielfach geglaubt wird. Die bei jener Datierung mögliche Annahme,
dafs im Phaedon die philosophischen Anschauungen Piatos noch in
unvollkommener Form vorliegen, wäre nicht haltbar.
3) Jezienicki, Michael, Über die Abfassungszeit der platonischen
Dialoge Theaitet und Sophistes, mit einer kurzen Einleitung über die
Versuche der Gelehrten die Zeitfolge platonischer Schriften zu be-
stimmen. 8. Lemberg 1887. 49 S. Separatabdruck aus dem Jahres-
berichte des k. k. II. Obergymnasiums in Lemberg für das Schul-
jahr 1887.
Am Schlüsse der Einleitung lOber die Versuche der Gelehrten
die Zeitfolge platonischer Schriften zu bestimmenc spricht der Verfasser
aus, von welchem Verfahren er hierbei sich besonderen Nutzen verspricht.
Es sind dies specielle Untersuchungen über die Abfassungszeit einzelner
Dialoge. »Hierbei werden natürlicherweise diejenigen Schlüsse auf die
Abfassungszeit der Dialoge den gröfsten Wert haben, welche aus den
historischen in den Schriften Piatons enthaltenen Thatsachen gezogen
werden. c Dahin rechnet er namentlich auch »deutliche Anspielungen
auf Antisthenes, Isokrates und Aristoteles. c »Das gespannte Verhältnis,
welches sich zwischen Plato und diesen Männern entwickelt hatte, gab
oft Anlafs zu verdeckten Angri£fen und gegenseitigen Befehdungen. Von
der Beachtung derartiger Anspielungen erhofft der Verf. noch weiteren
Nutzen für die Ermittelung der Chronologie der platonischen Dialoge.
Und so wendet er denn auch dieses Verfahren am Schlüsse des zweiten
Teiles seiner Schrift für die Zeitbestimmung des Theaetet und des
Sophisten an.
4»
M Plato.
Znnftchfit (auf S. 14^4S) stellt er die Ansichten anderer Forscher
üher die Abfassangszeit der genannten Dialoge fleifsig zosammen und
mtersncht eingehend die ihnen zn gmnde gelegten Argumente. Dann
wendet er das oben angegebene Verfahren an. iDie Polemik des Iso-
krates, welche in der Einleitung der Lobschrift auf Helena gegen die
philosophischen Richtungen seiner Zeit geführt wird, gibt uns ein sicheres
Mittel an die Hand nicht nur die Zeit ihrer Entstehung selbst zu be-
stimmen, sondern auch die Persönlichkeiten und Werke, gegen wekhe
seine Polemik gerichtet ist, annfthemd zu ermitteln.c Er schlieÜBt sich
deigenigen Gelehrten an, die die Helena zu den späteren Schriften des
Isokrates rechnen, und zwar setzt er ihre Entstehung um das Jahr 866.
Warum er sich gerade ftür dieses Jalir erklärt, ist aus der voranfgehen-
den Erörterung leider nicht zu ersehen. Es heilst dann weiter: tDie
darin (in der Helena) enthaltenen einzelnen Sätze und Ausdrttcke f&hren
uns nämlich auf die sichere Spur, dafs dem Isokrates bei der Abfassung
der Helena bereits Piatons Dialoge Theaitetos und Sophistes vorlagen.
Dies bestätigt sowohl die Wahl der gleichen Worte von beiden Schriftr
steilem ftlr die Charakteristik des Antistfaenes (hierfilr werden Plat
Theaet 202 d und Plat Soph. 261 b und c auf der einen Seite und auf der
andern Isokr. Hei. § l und § 2 zusammengestellt), als auch der Vorwurf,
der dem Piaton von Isokrates in der Helena gemacht wird, der aber
erst dann recht verständlich und begründet ist, wenn die Bekanntschaft
des Isokrates mit jenen beiden Dialogen vorausgesetzt wird.c Die von
dem Verf. in jenen Stellen gefundene Übereinstimmung kann ich meine^
seits nicht finden. Mit dem Vorwurfe ist nach S. 48 der in Hei. § 2—4
enthaltene Tadel gemeint, der »den Antisthenes und Piaton wegen der
Beschäftigung mit den Fragen trifft, über welche sowohl die Sophisten
Protagoras und Gorgias als auch die Eleaten Zenon und Melissos viele
dunkle Schriften zurückgelassen hatten.« Der Beweis, warum dieser
Tadel erst dann recht verständlich und begründet ist, wenn die Bekannt*
Schaft des Isokrates mit jenen beiden Dialogen vorausgesetzt wird, ist
meines Erachtens nicht genügend geführt
Das Endergebnis der Untersuchung wird auf S. 49 folgendermafsen
zttsammengefafst: »Die deutlichen Beziehungen und Anspielungen jener
Schriften (d. h. der Dialoge Theaetet und Sophistes und der Helena) aaf
einander machen die Annahme sehr wahrscheinlich, dafs Theaitet und
Sophistes vor dem Jahre 366, in welchem Isokrates die Lobrede aof
Helena schrieb, abgefafst wurden.« In dem mir zu geböte stehenden
Exemplar ist zu »vor dem Jahre 366« mit Tinte »kurz« hinzugesetzt,
wohl von der Hand des Verfassers. Aber für dieses »kurz vor dem
Jahre 866« finde ich keine Begründung in der voraufgehenden E^
Orterung.
J
Plato. 53
4) Kaasai, 6., Meletemata Platonica. L Quid yaleant errores
in temponim raUone ad natatia librorum Platonicoram tempora defi-
nienda, pancis expouitur. II. Platonia pfailosophia temporis progressu
immntata quid proficiatur ad ordinem librorum eius certias constitaen*
dum, quaeritur. — Egyetemes phii. KözlOny 1886 N. 10 p. 857—870.
n. Die einzelnen Dialoge.
a. Alkibiades I.
Toepffer, Johaunes, in Ebnarpidan Hermes XXII (1887) S. 482
bemerkt zu Alk. I 121, aufweiche Stelle sieb bekanntlich die herrschende
Ansicht ttber die Abkunft des Alkibiades stützt: »Die Ableitung vom
himmlischen Vater Zeus ist es also, was hier bezweckt wird. Ist es nun
notwendig, frage ich, dafs bei einem solchen Manöver durchaus einzig
und allein die Descendenz von väterlicher Seite berücksichtigt werden
mufste? Konnte sich Alkibiades dieser hohen Abkunft nicht auch rühmen,
wenn seine Grofsmutter eine Eurysakidin gewesen war?c
b. Apologie.
l)Wilamowitz-Möllendorf, U. v, Die Bühne des AischyloQ
Hermes XXI S. 603 Anm. 1 sagt: »Tanzplätze werden an den Heilig-
tümern, wo kykliscbe Chöre stehend sind, nicht gefehlt haben. Erhalten
hat sich nur die Erinnerung an die dp^-^arpa auf dem Markte, nioht
aber wegen ihrer wirklichen Bestimmung, sondern weil Werkeltags die
Buchhändler auf ihr ihre Waaren feil hielten. Das hatte Plato in der
Apologie 26 £ erwähnt, und seine Erklärer notierten deshalb, dafs es
auch auf dem Markte eine dpx^^rrpa gäbe (Tim. s. v.). So steht es um
diese ipx^pa und um die berufene Platonstelle.t
2) §uman, J., Bemerkungen zu einigen Stellen der Platonischen
Apologie des Sokrates. Jahresber. des Obergymn. zu Laibach 1886.
Gr. 8. S. 20—26.
Bei der Schullektüre dieser Schrift hat sich der Verfasser folgende
Stellen bezeichnet, »welche bezüglich der Gestaltung des Textes oder
der jetzt üblichen Interpretation etwas zu wünschen übrig lassen«: 18 B
soll napaXofjLßdvovTSff nicht heifsen: »zur Erziehung übernehmen«, son-
dern »bei Seite nehmen«. 18 D wird bfiäg vor dvintSoy gestrichen und
aXAoiK riväff ergänzt. Ich sehe keinen Grund zu dieser Änderung. 19 G
werden die Worte p.i^ nw^ i/o* und MeX^ou raoaurac dixag ^yotfu als
Absichtssatz gefaCst, wie es bekanntlich schon Cron thut. Vor /u^ will
der Verfasser ein aide oder ein ij einschieben. »Ich lehne sie (eine
solche mir angedichtete Beschäftigung und Kenntnis) nicht ab aus Mif»-
54 Plato-
achtang vor einer solchen Wissenschaft, noch ans Furcht, dafs mich
Meletos auch darü){er noch anklagen könnte, c — Ich vermag diesen
Versuch, der mifslichen Stelle zu helfen, nicht ffir geglückt zu erachten.
24 E in dXXä tcq du&pwnoQf Stntff Tzpwrov xal aSnh rooro olSe^ rouc
vö/wug wird die Tilgung der Worte rou^ yöpLoug empfohlen. — Ich
glauhe, dafs der von dem Verfasser statuierte Zusammenhang nicht der
richtige ist und die Worte roug vojjloik unantastbar sind. S. 26 D E
xal 8i) xcä oi viot roSra naip^ i/iou [lavBdvoüaiv , St i^earty iveors . . .
ix r^g dp^arpag 7:pea^vot>g UwxpdrouQ xazayeXäv, In diesen Worten
sieht der Verfasser eine Zurückweisung des in Aristophanes* Wolken
dem Sokrates Angedichteten. Eingehend begründet der Verfasser seine
Auffassung dieser Stelle in seiner »Entgegnung auf die Recension des
Herrn Baarc in Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 1887 S. 970 f. Diese Auf-
fassung beruht auf der herkömmlichen Deutung von ix r^g dpj^y^pag^
bei der meines Erachtens ein befriedigender Sinn nicht zu gewinnen ist
Vergl. Wilamowitz-MöIIendorf in Hermes XXI (1886) S. 603 Anm. 1. In
Beziehung auf die Worte 26 E : dX}i & Ttpbg J^oc, obrwae aot Soxw obBiva
vofuZeof 9ibu ehae wird Cron gegenüber (»diese Worte bilden den Über-
gang zu einer andern Widerlegung der Beschuldigung des Atheismusc)
mit Recht betont, dafs nur eine einzige Widerlegung vorliegt, die p. 27 B
bis E durchgeführt wird. 27 D erscheint ae vor aiWrrea&ae dem Ver-
fasser unhaltbar. Ich sehe keinen Grund zum Anstofs. — 31 A soll
fifS/wg nicht mit dnoxrs/vaire ^ sondern durch Umstellung mit dem fol-
genden rbv Xombv ßtov xaBeudovreg zu verbinden sein. »Vielleicht lau-
tete der Text bei Piaton so: üiieTc S^ Yatug xdy^ äv d^Bo/ievot^ unntep ol
voardZovxtQ iyetpSfievot ^ dnoxreevatr* &v /le Ttet&öfuyoe 'Avurtp^ ßtjfBta^
S^ &v dTtoxnevavreg eha rbv Xombv ßhv xaBeuSovrsg SeareXoTz^ ay, ei fiij
Ttva äXXov 6 Bebe bplv intTdiiipett xijS6/uvoq ü/itov. Damit wäre auch
das störende zweite tertium comparationis beseitigt, welches neben d/9o-
fuvot mit dem Worte xpoOaavreg^ resp. dpouaavr&g irrig eingefügt zu
sein scheintc — Ich kann diesen Ausführungen nicht zustimmen. —
Dafs es 35 B oüre i^/iac ZP^ notetv heifsen mnfs, ist bereits vielseitig
anerkannt. Zu der Periode 86 BC wird bemerkt: »Diese Periode ge-
winnt an Deutlichkeit und Abrnndung, wenn man dort, wo der positive
Teil beginnt, zwischen Ixaarov und ebep^erehf, das Wort iwv verwan-
delt in &/iaiv.c — Ein guter Gedanke. Doch bin ich mehr dafür iwv
mit Schanz zu streichen. — In der Periode 40 D scheint dem Verfasser
der Schlufs in den Worten fiij ort IScwti^v t^wz, dXXä rbv piyav ßounXea
einerseits und aöröv nach eüpetv anderseits eine doppelte Redaktion zu
bieten. — Zu einer solchen Annahme liegt meines Erachtens durchaus
kein ausreichender Grund vor. — »In der Periode 41 A B liest sich der
Satz xal aÖT<p Baufiaurrij äv eaj fj Seazptß^ abroBt wie eine Randbemer-
kung neben der letzten in den Text gehörigen Aussage obx dv di^ks
en^.c ^ Auf mich macht jener Satz durchaus nicht den Eindruck einer
Plato. 55
Randbemerkung, nnd seine Streichung erscheint mir geradezu unmöglich.
Bei der Beurteilung der stilistischen Fassung dieser Periode mufs man
der stilistischen Eigentümlichkeit der Apologie eingedenk bleiben, wie
sie im ersten Kapitel derselben gezeichnet ist — BSchliefslich könnte
man auch die 27 £ vielfach interpretierte Conclusion dadurch lesbar
machen, dafs man roü aArou an zweiter Stelle wegl&fst« — Das zweite
rdü aÖTOü ist haltbar, wenn man die Stelle nicht einfach vom logischen,
sondern zugleich vom psychologischen Standpunkt aus betrachtet. Die
logisch genommen unnötige, ja fast störende Wiederholung von roü adroü
erklärt sich psychologisch aus dem grofsen Nachdrucke, der auf dem-
selben liegt. ~ »Der Sinn der Stelle ist also dieser: Der Glaube an
D&monisches und Göttliches ohne den Glauben an Dämonen und Götter
ist an einer und derselben Person unmöglich.! — Das haben schon
andere gesagt; aber wie kommt dieser Sinn heraus? Dann mttTste es
doch heifsen: (Meletos wird niemand glauben machen), dafs es nicht
Sache einer und derselben Person ist an Dämonisches und Göttliches zu
glauben und andererseits an Dämonen und Götter. Dann mttfste es also
xoi Sa/fwvag xat i^eoug heifsen, während /^f^re dcufwvac fi^s BtouQ dasteht.
3) Suman, J., Weitere Bemerkungen zu einzelnen Stellen der
Platonischen Apologie des Sokrates. Jahresber. des Obergymnasiums
zu Laibach. 1887. Gr. 8. S. 6—19.
22 A möchte der Verfasser »vorläufige an C. F. Hermanns Con-
jektur x&v iXe^xzog festhalten. Sehr eingehend behandelt er dann die
Stelle 24 A B raZr^ earev bfiTv^ w ävSpec 'ABi^vauoe^ rdh^B^ . . . xcd idv
re vüv idv re au&is f^ij-r^av^re^ ounoc eüp^asze^ eine Stelle, die ihm »in
mehrfacher Beziehung unverständlich ist.« Er klammert das xcU vor
5Tt aSvi^ iarlv fj diaßoXfj ein und erklärt dann die Stelle so: »Dieses ist,
o Männer von Athen, die Wahrheit, und ich, ich sage {iyat Xiyw) sie
euch, ohne etwas Wesentliches oder Unwesentliches vor euch zu ver-
heimlichen oder zu verschweigen. Und fürwahr, ich weifs es fast be-
stimmt, dafs ich mich eben dadurch (ix rauorrfüi ri^c i^erdoeoßg noXXal
fikv dndj[Beeae fioiysYÖvaat 23 A) verhafst mache. Was auch ein Beweis
ist, dafs ich wahr rede, ist der Umstand, dafs das (rä xarä ndvroßv roiv
^tXoüo^oovTwy npo^etpa roSha) meine Verleumdung ist, und die Ursachen
sind diese. Und möget ihr dieses jetzt oder ein anderes mal unter-
suchen, ihr werdet es so finden.« — Dieser Satz schliefst den Abschnitt
ab, in welchem Sokrates auf die 20 G gestellte Frage antwortet: noBev
al StaßoXat eoi aurae yt^ovaaty ; Nachdem Sokrates erklärt hat, auf welche
Weise und durch welche Momente ihm die ttble Nachrede entstanden
ist, giebt er abschliefsend die Versicherung: »Dies (d. h. die von mir
angegebenen Momente) beruhen auf Wahrheit, und ich habe gar nichts
weder etwas Grofses noch etwas Kleines euch verschwiegen noch damit
hinter dem Berge gehalten. Und doch weifs ich, dafs ich gerade dadurch
56 Pli^-
(gerade dnrcli das was ich angegeben habe, durch jene Art von WenheH
und die damit zusammenhängende PrQfnng der Menschen) mich Yerhafst
mache; was auch ein Beweis daf&r ist, dafs ich die Wahrheit sage und
dafs dieses mein übler Ruf ist (und dafs es mit meinem üblen Rufe,
mit der ungünstigen Meinung von mir, diese Bewandtnis hat), und dafs
die Gründe für denselben die angegebenen sind.c Sokrates weifs, dafs die
von ihm für die Erklärung seiner dtaßok^ vorgebrachten umstände ihn
bei seinen Mitbürgern, also auch bei seinen Richtern verhafst machen,
ihm also bei diesen schaden. Das ist ein Beweis für die Wahrheit des
Angeführten. Denn wenn ein Angeklagter vor Gericht unwahre Angaben
macht, so thut er es doch nur in der Meinung sich damit zu nützen;
er wird also nichts Unwahres vorbringen, wenn er weifs, dafs dieses ihn
schaden mufs. Giebt er also Erklärungen, die ihm schaden müssen, so
liegt darin der Beweis, dab sie wahr sind. So scheint mir die Stelle
in guter Ordnung zu sein.
84 B G: rdxoL 8^ äv rrc b/iwv dj'avaxT^eeeev dvapany^elc imnw^ ei
6 fiiv . . . üetfiTj . . . i^a» Sk odSky Spa rourmv noe^am. Der Yerbsser
bezieht 6 /liv auf eine entferntere dritte Person, so dafs Sokrates sagt:
lYielleicht dürfte mancher von euch, indem er seiner Macht und Würde
gedenkt, die er als Richter hat, unwillig sein, wenn er sieht, dafs ich
mich in meinem Falle nicht demütige und aufs Bitten verlege, während
doch sonst manch anderer in geringfügigeren Processen Mitleid zu er-
wecken suchtec u. s. w< — Ich halte diese Beziehung nicht für richtig.
87 B möchte der Ver&sser lesen: refi^üe^r^e roeoOrou rtvhc ifumz^,
1j 8ee4Tag /Aiji ndBof (für r/ detaag; ^ fi^ ndBoß) rouro^ oh Mih^roQ [ioi
Ttfiärcu^ 8 ^fii ohx elSd)Hu oSr* el dya^v oSr^ el xaxov iarw^ dyri
xwTOu S^ IXcjfiot cDv ei oeS^ Ure xaxwv Svrwv^ toütou Tifvi^df»£¥Oci Der
Verfasser setzt sehr eingehend auseinander, inwiefern bei dieser Verbin-
dung die Gedankenfolge gewinnt, und warum er meint, dafs in der
gegenwärtigen Form des Textes eine Störung des Sinnes und Zusammen-
hanges vorliegt Ich kann mich nicht davon überzeugen, dafs die über-
lieferte Lesart nicht gesund sei.
In 40 C D E findet der Verfasser abgesehen von den im vorigen
Programme als jüngerer Zusatz (dort wird von einer zweiten Redaktion
gesprochen) bezeichneten Worten fi^ ort Wew'njv rtwi^ dXlä r^v pusfoy
ßaatXia noch folgende Einschaltungen einer spätem Hand: rtva ixXs^-
fuvau ddot, rauTJj rg yoxvi und axei/fdpsvoy. Ich vermag f^r diese An-
nahme keinen hinreichenden Grund zu erblicken.
Die Periode in 41 BC möchte der Verfasser in folgender Weise
interpungieren : xai Si) Tb /lejriaTov^ toüc ixsic i^erdCoyra xal ipeovmwa
SfOitep Tous ivraüBa Stdyeof^ zig abrwv awpoq iare xal rig oYevai fi&^^
lart S* ou — inl nomp S' avrcc, <o änfSpec dixaaraej Se$aeTo i^erdaai
rdv in} Tpoiav dyaydvra n^y noUiiv arpaztäv J^ ^OBwrcia 1j £iau^v ^ —
i^kooQ fwpiooc äyriQ etnot xat dvdpae xri. »Und vollends die Hauptr»
Plato. 57
sacbe, dio Zeit zuzubringen, indem man die Bewohner dort, wie die hier,
ausforscht und prüft, wer von ihnen weise ist und wer es nur glaubt,
aber nicht ist, — wie viel gäbe man wohl darum, o Richter, den Führer
des zahlreichen Heeres vor Troja auszuforschen oder Odysseus oder
Sisyphus oder — tausend andere Männer und Frauen könnte man nen-
nen, mit denen Gespräche zu führen und in Gesellschaft zu sein und sie
auszuforschen eine unsägliche Glückseligkeit wäre.c
c. Euthydemus.
Nikitin zu Piatos Euthydem 2*14 und Protagoras 313 in Texlr
kritische Bemerkungen zu griechischen Schriftstellern. (Russisch). Jovsal
des Kais. russ. Ministeriums der Volksaufklärung 1886, Febr. 3. Abt
d. Euthyphron.
1) Schftuz, M., Sammlung ausgewählter Dialoge Piatos mit deut-
schem Kommentar. Erstes Bändeben. Euthyphron. Leipzig 1887.
gr. 8. 69 S.
Über die Beschaffenheit des Kommentars macht der gelehrte Her-
ausgeber selbst in der Torrede folgende Bemerkungen: »Der Kommentar
macht bezüglich des Lesers keine grofsen Voraussetzungen; er zieht
daher auch elementare Dinge in seinen Bereich. Es war dies schon
deshalb notwendig, damit der Kommentar auch fQr Unterrichtszwecke
sich brauchbar erweise. Allein diese Rücksicht durfte nicht in jenen
jetzt so vielfach üblichen engherzigen Standpunkt übergehen, nur das
zu geben, was das allernächste Bedürfnis der Schule erfordert Selbst
eine Ausgabe, die sich ausdrücklich als Schulausgabe hinstellt, soll, wie
Krüger richtig bemerkt, keine Schülerausgabe sein. Ich steckte mir also
ein höheres Ziel; mein Bestreben war dahin gerichtet, in dem Kom-
mentar auch Dinge zu geben, welche selbst den Gelehrten interessieren
können. Ich habe daher in demselben alle wichtigen kritischen Schwie-
rigkeiten behandelt, Probleme der Grammatik öfters genauer angedeutet,
Eigentümlichkeiten des platonischen Stils ausftlhrlich und nicht seltee
abschliefsend behandelt. Auch der Komposition und dem Gedankenzu-
sammenhang wurde alle erforderliche Aufmerksamkeit zugewendet. Meine
Quellen habe ich — hierin von der jetzt üblich gewordenen Manier ab-
weichend — , wo es irgendwie erforderlich war, gewissenhaft citiert.«
Nach eingehender Prüfung kann ich es mit gutem Gewissen anssprecheut
dafs das hier von dem Verfasser Ausgesprochene voll und ganz geleistet
worden ist Die Einleitung zerfällt in sieben Paragraphen, von denen
der erste nähere Angaben über die Person des Euthyphron enthält, der
zweite den Gedankengang des Dialogs, der dritte die Gliederung, der
vierte die Komposition und der fünfte den Zweck desselben angiebt
58 Plftto.
Der Einflufs der Bonitzschen Anffassnng ist in den Abschnitten 2-5
nicht zu verkennen; das kann nrid darf nicht anders sein, doch haben
sie trotzdem alle ihren selbständigen Wert Alles ist scharf gedacht
und klar dargestellt und gewinnt die Oberzeugung des aufmerksamen
Lesers. Ich will nur einiges hervorheben. Es wird überzeugend nach-
gewiesen, dafs wir nur vier Definitionen anzunehmen haben, je zwei in
einer Gruppe, eine in jeder Gruppe mit sprachlicher Modifikation. Als
die von Plato als genügend erachtete Definition wird die dritte be-
zeichnet, die aus dem Dialog selbst heraus folgendermafsen vervollstän-
digt wird : »Das Fromme ist der Teil des rechten (sittlichen) Verhaltens,
der sich auf den Dienst der Götter bezieht. Der Dienst, den wir den
Göttern leisten, besteht darin, dafs wir das wollen und thun, was die
Götter wollen — das vollkommene Gute: Fromm ist also deijenige,
der seinen Willen dem göttlichen anpafst, der sich zu einem Organ des
göttlichen Willens machte Dem Inhalte nach ist dies im wesentlichen
dieselbe Definition, die Bonitz Plat. Studien ' 234 giebt und die dem-
nach auch von Schanz in einer Fufsnote angefllhrt wird: »Die Frömmig-
keit ist nichts anderes als die vollendete Sittlichkeit, nur unter der
Form, dafs sich der Mensch bewufst ist, hierdurch das dienende Organ
fär das göttliche Wirken zu sein.« Vergl. Susemihl Genet Entwick. I 115.
Als eigentlicher Zweck des Dialogs wird die Untersuchung über das
Wesen der Frömmigkeit festgehalten, aber zugleich richtig bemerkt,
dafs ein Kunstwerk neben seiner eigentlichen Bestimmung noch einen
Nebenzweck verfolgen kann und stets eine Reihe anderer Anregungen
darbietet So verband hier Plato »mit dem wissenschaftlichen Haupt-
zweck noch einen ethischen Nebenzweck, er wollte durch den Fall des
fAdvreg Euthyphro zugleich den Prozefs des Sokrates beleuchten.! —
Um einer falschen Auffassung dieses letzten Satzes vorzubeugen, will
ich darauf aufmerksam machen, dafs Wissenschaft und Ethik bei Plato,
gerade so wie bei Sokrates, in dem innigsten Zusammenhange stehen.
Der wissenschaftliche Hauptzweck des Dialogs ist demnach zugleich
ein ethischer. Die wissenschaftliche Erkenntnis vom Wesen der Fröm-
migkeit sollte zugleich zur sittlichen Überzeugung und damit zum he*
stimmenden Faktor des Handelns werden.
Der sechste Paragraph der Einleitung sucht die Zeit der Abfas-
sung des Dialogs zu ermitteln. Hier sind zwei Sätze herauszuheben:
1. »Die Stimmung Piatos über den Prozefs des Sokrates ist im Euthy-
phro eine so resignierte und leicht ironische, dafs sich dieselbe aus der
Zeit unmittelbar nach dem Tode nicht erklären läfst Es tritt dies be-
sonders zu Tage, wenn wir diesen Ton mit der Bitterkeit des Gorgias
vergleichen, dessen Abfassung kurz nach dem Tode des Sokrates nicht
zweifelhaft ist. Ich halte es für unmöglich, dafs Gorgias und Euthyphro,
die sich so ganz verschieden zu dem tragischen Ende des Sokrates
stellen, in eine Zeit fallen. Euthyphro mufs später sein.« Schanz ope-
Plato. 59
riert hier mit dem Begriff >Die Zeit unmittelbar nach dem Tode de»
Sokrates.« Wird dieser Begriff streng genommen, ich meine noch gar
nicht im allerengsten und strengsten Sinne, so hat Schanz unbedingt
recht, unmittelbar nach dem Tode des Sokrates, sowie wir dies im ge-
wöhnlichen Leben verstehen, ist der Euthyphron nicht geschrieben, daran
ist nicht zu denken. Wird aber dieser Begriff gedehnt, dann verliert
die darauf gebaute Argumentation ihre Sicherheit. Meines Erachtens
kann nicht mit Bestimmtheit behauptet werden, dafs es Plato auch nur
ein Jahr nach dem Tode seines Lehrers nicht möglich gewesen sein
sollte, sich zu der inneren Freiheit zu erheben, die nötig war, den
Euthyphron zu schreiben. Wenn hier die Möglichkeit unerörtert bleibt,
dafs der Euthyphron noch vor der Gerichtsverhandlung über Sokrates
geschrieben worden ist, was Zeller für wahrscheinlich hftit, so erkl&rt sich
dies daraus, dafs diese Möglichkeit, wie das Folgende zeigt, für Schanz
nicht vorhanden ist 2. »Wir finden eine Änderung des Standpunktes
bei Plato, indem in manchen Dialogen fünf Tugenden angenommen wer-
den, die Weisheit, die Besonnenheit, die Tapferkeit, die Frömmigkeit,
die Gerechtigkeit, in anderen vier, indem die Frömmigkeit fehlt. Da
nun unser Dialog an einer bedeutsamen Stelle, in einer Definition, die
Frömmigkeit der Btxatoauw^ subordiniert und sonach nicht als eigene
Tugend gelten läfst, so wird man jene Dialoge, welche fünf Tugenden
annehmen, für zeitlich früher halten müssen als jene, die deren nur
noch vier kennen. Allein auch hier darf Vorsicht nicht aufser Acht
gelassen werden; gelegentliche Erwähnungen der fünf Tugenden können
keineswegs als völlig beweiskräftig gelten; dagegen mufs ein entschiede-
nes Gewicht jenen Stellen beigelegt werden, wo in wissenschaftlicher
Untersuchung die Fünfzahl der Tugenden angenommen ist. Eine solche
Stelle ist Protag. 349 B. Nach dieser Stelle wird man mit Sicherheit
den Protagoras für älter halten müssen als den Euthyphro.c Diese
Sicherheit schwindet meines Erachtens, wenn man berücksichtigt, dafs im
Protagoras nachgewiesen werden soll, dafs alle Tugenden in Wirklichkeit
nur verschiedene Namen fttr die eine Tugend sind. Es kommt also hier
an sich gar nicht darauf an, ob vier oder fünf Tugenden angenommen
werden; das mufs sich nach dem Zusammenbange richten. Plato zählt
an jener Stelle fünf Tugenden auf, weil sich die Identität von Frömmig-
keit und Gerechtigkeit am leichtesten darthnn läfst, und so wird sie
denn auch gleich an erster Stelle dargethan, und weil er auf diese Weise
der dv8peea gegenüber zwei Paare von Tugenden gewinnt, was für den
Gang der Erörterung von besonderem Vorteile ist-
Noch ein drittes mufs kurz besprochen werden. »Wenn wir den
Dialogf, sagt Schanz S. 16, »nach dieser Hinsicht (gemeint ist die Ideen-
lehre) durchgehen, so finden wir zwar Ausdrücke, welche an die in der
Ideenlehre vorkommenden erinnern, z.B. 6E; allein es fehlt die wich-
tigste Bestimmung der Ideenlehre, die Realität der Begriffe aufserhalb
60 PlAte.
des Denkens. Es dürfte daher nicht angehen, den Enthyphro in eine
Zeit herabznr&cken, in der die Ideenlebre bereits ihre bestimmte nnd
klare Formnliemng gefunden hatte.« — Die Sache ist richtig, aber der
Beweis dafQr unsicher. Soweit die Ideenlehre fCkr den vorliegenden
Zweck gebraucht wird, erscheint sie in einer Form, die mit den Dialo-
gen tkbereinstimmt, in denen die Ideenlehre bereits in ihrer Ausbildung
erscheint Man vergleiche 6 D ixetvo abr^ t6 elSog^ ip ndvra rä Sota
Satd ioTtv mit den Ausführungen des Phaedon, dals das Schöne es ist«
was die schönen Dinge schön macht u. s. w., und 6 E : Tai-ngv to(wv fu
a&tijiv S{ia$ov rijv töiaoß, r(Q nori iart^^ &a eis ixeAmpf dnoßXinwv xd
j[pwfieuog airfj napa^etYiiaTi xrX. stimmt in Anschauung und Ausdruck
mit dem Timäus Qberein. Auf den Kommentar kann ich nicht nfther
eingehen. Ich will nur eine Bemerkung mir erlauben. Wenn es S. 58
in Beziehung auf die Feststellung des Verhältnisses von Gtous und
Species fftr die Begriffe Hoq und aü^cuc heisst, »die ganze spitzfindige
Untersuchung hat nur formalen Wert«, so ist dem berechtigten Stand-
punkte Piatos nicht Rechnung getragen. Die bekannte Stelle im Phile-
bus zeigt, dafs Plato die Statuiening von Genus, Species und Individuum
ftlr eine neue großartige Entdeckung hielt, die f&r die wissenschaftliche
Erkenntnis von der allergröfsten Bedeutung sei, und so hielt er es mit
Recht auch hier für geboten, um diesem wichtigsten Teile des Dialogs
eine feste Grundlage zu geben, dieses Verhältnis von deioc und aldmi
zu klarer Erkenntnis zu bringen, um auf diese Weise das Verständnis
des Verhältnisses von Sixaiov und Sctoif anzubahnen.
Im Anschlüsse an diese Anzeige weisen wir hin auf die gleichzeitig
erschienene Ausgabe
2) Piatonis Enthyphro. In scbolarum usum denuo ediditMar-
tinus Schanz, gr. 8.
»Das Projekt eine Sammlung der gelesensten platonischen Dialoge
mit deutschem Kommentar zu veranstalten, wurde dahin erweitert, dafs
beschlossen wurde, zugleich mit jedem kommentierten Dialog eine kriti-
sche Handausgabe desselben erscheinen zu lassen. Man wollte dadurch
zufi^eich dem oft empfundenen Mifsstand begegegnen, dafs gerade die
am häufigsten gelesenen Dialoge fast sämtlich in der groCien kritischen
Ausgabe mit anderen verbunden und nicht einzeln verkäuflich sind, so-
nach deren Benutzung in Schulen, bei Vorlesungen und Seminarflbungen
erschwert istc — »Es ist selbstverständlich, dafs diese kritischen Hand-
ausgaben dem neuesten Standpunkt der Kritik angepafst werden; was
seit dem Erscheinen der Dialoge in der grof^n kritischen Ausgabe von
mir und anderen Neues gefunden, wird seine Verwertung finden.c
3) Euthypbron mit Anmerkungen von M. Wohlrab. 4. Aufl.
Ich werde diese Ausj^abe das nächste Mal besprechen,
Flato. 61
e. Oorgias.
1) Piatos ausgewählte Schriften. Fttr den Schulgebrauch erkl.
von Chr. Cron und J. Deuschle. 2. Teil. Gorgias. Erläat von Deaschle.
4. Aufl. bearbeitet von Gron. Leipzig 1886. 8.
Der Wert dieser Ausgabe ist ausreichend bekannt; dieselbe bedarf
daher wohl keiner Besprechung.
2) Cron, Chr., Zur Frage nach der Gliederung des platonischen
Dialogs Gorgias Jahrb. f. class. Philol. Bd. 153 (1886) S. 563-582.
Den Gegenstand und die Tendenz dieser Abhandlang giebt der
Verfasser selbst S. 563 f. in folgenden Worten an: »Abgesehen von —
— — bildet das Yerhftltnis, in welchem die beiden zuerst in das Ge-
spräch mit Sokrates eintretenden Männer zu der Gliederung desselben
stehen, einen Gegenstand widersprechender Ansichten, zwischen denen
eine Verständigung noch nicht erreicht ist. An dieser Verschiedenheit
der Auffassung gegenüber der von Bonitz dargelegten und verteidigten
Gliederung des Gesprächs nehme auch ich teil, indem ich mich nicht
davon überzeugen kann, dafs das von Sokrates mit Gorgias und Polos
geftüirte Gespräch zwei gesonderte Hauptabschnitte bildet, so dafs jeder
derselben 'eine Frage in ununterbrochenem Zusammenhange behandelt
und zu einem vollständigen oder relativen Abschlufs bringt, eine Frage,
die von der im vorausgehenden behandelten bestimmt unterschieden und
mit ihr nicht in unmittelbaren Gedankenzusammenhang gebracht ist*
(Bonitz Plat. Studien 8. 26) Meine Ansicht geht vielmehr dahin, dafs
die Gespräche mit Gorgias und Polos nicht nur durch das Vordrängen
des letzteren äufserlich in einander verschlungen sind, sondern auch
ihrem Inhalte nach zusammengehörig erscheinen, ' insofern sie sich beide
an der Frage nach dem Wesen und Wert der Rhetorik versuchen, beide
aber ebenso sehr durch Unklarheit der Begriffe wie durch Halbheit des
sittlichen Gefühls an der Beantwortung derselben scheitern' (a. o. S. 18). c
Ich halte Crons Auffassung für die richtige. S. 580 iL handelt Gron von
der Stellung der religiösen Lehrdichtung in Cap. 79 — 82 (p. 523 A bis
527 A) innerhalb der Disposition des Ganzen. Er bekämpft die bezüg-
liche Ansicht von Bonitz mit guten Gründen und bleibt bei der in sei-
nen Beiträgen zur Erklärung des plat. Gorg. S. 71 f. ausgesprochenen
Ansicht stehen. Ich stimme darin Cron bei, dafs Bonitz diesen Abschnitt
nicht richtig eingereiht hat, doch kann ich es nicht billigen, wenn auf
jenen dritten Teil die Bezeichnung impixßaatQ oder egressio angewandt
wird und derselbe nur die Geltung eines vermittelnden Überganges haben
soll. Der Gang der Eröterung innerhalb des Dialogs ist doch folgender:
Die rhetorisch - sophistische Richtung ist unwissenschaftlich; sie
62 Pl«to.
weifs nicht einmal den Begriff der Rhetorik zu erfassen nnd anzugeben.
Ebensowenig erkennt sie das eigentliche Gnt und Lebensziel des Menschen.
Damit wird sie unsittlich auf dem Gebiete des privaten und des
öffentlichen Lebens. So fügt sie dem Menschen den gröfsten Schaden
zu, der ihm zugefügt werden kann: sie schädigt seine Seele und
raubt ihm sein Seelenheil. In allen drei Beziehungen wird dieser
rhetorisch- sophistischen Richtung die sokratische gegenQbergestellt ; sie
ist die wahre Lebensrichtung, die sich in allen drei Beziehungen herr-
lich bewährt. So weist der Dialog schön die innere Einheit zwischen
Wissenschaft, Ethik und Religion nach. Demnach gehört jene Lehr-
dichtung ganz wesentlich zum eigentlichen Inhalte und Gegenstande des
Dialogs und von einer ixßaat^ oder egressio kann nicht die Rede sein.
Verweisen will ich hierbei auf die eingehende Besprechung dieses Ge-
genstandes von K. Troost bei Gelegenheit der Anzeige der vierten Ans- .
gäbe des Gorgias von Deuschle-Gron in Jahrb. f. class. Philol. Bd. 153
(1886) 8. 806 ff.
f. Hippias maior.
Herwerden, H. van, giebt in Mnemosyne N. S. XVS. 172—174
zu diesem Dialoge folgende Emendationen und Erklärungen:
P. 283 D möchte er lieber schreiben : el yäp elSeiijg 8aov dp-yOptov
etpyaafKu iyd)^ (^ou) &au/idaatg äv, doch giebt er zu, dafs die gewöhnliche
Lesart sich verteidigen läfst.
P. 284 E: Soor, üorepov — ol eiSoreg ^ oi fuj eWorec; Hipp. Oi
noJJiot, Soor. Eialv S' olrot oi eiSorec [rb dJ^Bd^]^ ol mXXoi; Hipp. Oö
8^a. Das »inutile additamentum« r^ dk^Big ist ihm sehr verdächtig.
Notwendig ist meines Erachtens die Streichung nicht.
P. 287 A: ^Aräp fifj rt xaßXuoß jJLtfioOfievoc fyoß ixsTvov^ idv aou
drtoxptvofJLiyou dvTtXdßwjjtm rwv Xöyoßv, Stallbaum erklärt tnumquid ego
illum imitans tibi impedimento futurus sum, si dum tu respondentis partes
agis cettc H. möchte übersetzen: iNumquid obstat quominus.c (Nescio
an potius sit structura personalis pro impersonali hac: dräp fiij u xan
Xuetf iäv iyw jju/iou/isvog ixeevov aou diroxpivofiivou (diroxpevoufidvot})
dvrtXdßwpae rcDv Xö'ywv),
P. 288 B. nimmt er die Überlieferte Lesart BijXsta S* atnoQ in
Schutz gegen die mögliche Koi^ektur JlXua 8* irmo^ und erklärt, warum
die Erwähnung der Stute hier richtig ist.
P. 297 B emendiert er, mit Recht, Ei dpa rb xaXov iartv ahiov
^«dD^ dyaBou, yiyyof^ dv Imb roo xaXou rb dyaBov.
Plato. 6d
g. Hippias minor.
Zu diesem Dialoge giebt van Herwerden a* a. 0. S. 174f. fol-
gende Emendationen:
P. 863 G: Kai yäp div Setvä notoap^f S> EuSexe^ V^u/infa^B fikv elg
rijy ratv^EXXrjvmv navT^y^piV {Zray rd *OXüfima jj] del inavewv oTxoBsv
[iS ^HXtBoQ\ elQ zb ttpov napd^cj ipaurbv xotl Xdyoyra xrX» Hier will
van Herwerden nicht nur mit Naber Srav rä VXufima fj streichen, son-
dern auch if ^HXtSoQ, ut interpretamentum adverbii oTxo&ev. Nam »Eleen-
sem esse Hippiam quis lila aetate ignorabat?fl Aufserdem möchte er
iTutvewv in dvecjy korrigieren.
P. 364 C: di Xiya} xcä nepl Touratv xai dXXaw. »Omnino probanda
videtur Marciani codicis lectio xal nepl äXXwv,€ Ebenso glaubt er, dafs
p. 370 E zu korrigieren ist entweder SmTepo^ dfuevaiv et/j [xat\ nepl
ipMouQ xcä dXrj^etoQ xa\ r^c oiXXrjQ dpez^g oder, indem das erste xai
bleibt, xal (nepiy z^g äXXijc dper^^. >Nam suapte natura duplex xa/
postulat duplicem praepositionem.c
P. 366 E : 1} 6 dpa^^^ ele Xo^eapous 8uvaet' äv aou päXXov iptoBe*
cBau, ßouXopdvoü. Für ßouXo/idvou wird ßouXopsvetc verlangt.
P. 368 B werden nach npcjrov pkv SaxruXtov — ivreuBev yäp ijp^
^ou — Sv el)^eg ffauzou fyeev Ipjvv die Worte ok intazdpsyoQ dtxxzu^
XiooQ yXu^stv als »inficetum emblemac gestrichen.
P. 876 C: iirto itepl zauza &fM xal xdzw nXawüpat. »Malim
difot xdz€a,€
h. Jon.
H. van Herwerden korrigiert in Mnemosyne N. S. XY. S. 175 f.
an folgenden Stellen:
P. 630 G: xal otpm xdXXtaza dvBpwnatv Xdyetv nepVOp:^pou äßQ
ouze Mjjzpodwpoe 6 Aa^jfaxTjvhg ouze üzi^a^pßpazog 6 BdatoQ ouze FXaü'-
xwv ouze äXXoQ Me\g xzX. Zur Beseitigung des Hiatus (iNon fero
hiatumc) wird vorgeschlagen xdXXtaz^ dv&pcjncjv oder xdXXioz^ diy dvBpw"
nwv, sodann wird für FXaOxwv mit Sydenham FXauxoc gesetzt unter Hin-
zufügung von 6 ^FijyTvoc.
P. 636 B: ol dk noXXol i^ ^Opa^poo xazexoyzai ze xal l^ovzat^
wv au, w ^/a>v, e«V «? [xal xazi^ei i$ "^OpJjpou^ xzX, Die Worte ze xak
fyovzai erscheinen verdächtig, die Worte xal xazi^^et i^^Opi^pou sind
ein »manifestum emblema.c
P. 537 E: xal ef ae iya} ipoepijv^ ei zjj aözjj rdj[\fjj ^q^<o4rxope¥
[tjJ dptBpa^zex^ zä aözä iyil} ze xaH au 1} äXXjj xzX. wird rj dpSpajztxf^
tta ein »insipidum emblema« erklärt.
jM FlAte*
i. Kratjlas.
Cucnel, C, Quid sibi in dialogo cai Cratylos inscribitur pro-
posuerit Plato. Lutetiae Parisiorum 1886 gr. 8. 64 S.
Die zur Erlangung des Doktorgrades bei der Pariser Falkult&t
geschriebene Abhandlung zerfällt in zwei Teile. I. »Quid sibi in dialogo,
cot Cratylus inscribitur, praecipue proposuerit Plato, quaeritur.« Den
Inhalt dieses Teiles fafst der Verfasser selbst auf S. 34 f. zusammen,
indem er als den Zweck des Dialogs die Erhärtung folgender Sätze hin-
stellt: »Inest quaedam in verbis, quibus utimur, proprietas (dpBö'n^)^
quae ex concordia inter verborum significationem syllabarumque sonum
constat Ut bona et recta nomina habeantur, concordiam illam variis
elementis, quibus formata fuerunt, capere debent. Non vero, cum ab
hominibus, qui perfectionem assequi non possunt, creata sint, illam con-
cordiam omnia exhibent Errant igitur illi qui ex nominibus intimam
rerum naturam atque essen tiam cognosci posse putant; res enim, nisi
idearum doctrina duce et auspice, nuUo modo scrutari atque perspicere
pos8umus.c
Der Inhalt reicht über diesen Rahmen hinaus. So wird auch die
Frage der Echtheit erörtert, nameDtlich mit Rücksicht auf Schaarschmidts
Athetese. Der Verf. erklärt den Dialog für echt und rechnet ibn zu den
frtthsten Werken Piatos.
Der zweite Hauptteil der Abhandlung führt die Überschrift: »Quid
de sermonis humani origine in Gratylo senserit Plato, quaeritur. c Die
erste Unterabteilung »Quae fuerit philosophorum, qui Piatoni aetate an«
teierunt, sermonis philosophia quaeritur, c hat im wesentlichen ein nega-
tives 'Resultat: es läfst sich hierüber nichts mit Sicherheit feststellen.
Aus dem zweiten Abschnitte »Quomodo verba constituta sint, Socrate
auctore, ostenditnr,c will ich einige Stellen herausheben, die die Stellung
des Verfassers rücksichtlich der vorliegenden platonischen Theorie be-
sonders kennzeichnen. »Non, ut etymologiae, ita reicienda et contem-
nenda est ratio , qua Plato utitur ad discemendas varias nominum
partes et evolvendam harum partium significationem. Non aliam enim
viam ingressi tam clara et tam exacta invenerunt recentiores.« Und am
Schlüsse des Abschnittes: »Et certe difficile sit ad explicandum, quomodo
verba creata fuerint, doctrinam invenire quae simplicior et dilncidior
sit, quaeque cogitationi simul ac rationi melius satisfaciatc Der dritte
Abschnitt führt die Überschrift: »Quomodo primigenia verba immutata
et adulterata fuerint, ex sententia Socratis exponitur.t Der letzte ist
überschrieben: »De legis latore in Gratylo laudato.c Aus diesem wollen
wir die Erklärung des Verfassers von vofio&e-n^c anführen. Er versteht
darunter die Menschen, die an mehreren Stellen des Dialogs ol mXawit
ol TrpwToc genannt werden. Der Gedanke Piatos ist also »verba primi-
Plato. <5
genia a primis hominibas faisse creata, et inter eos ad verba fiogenda
praevaluisse qui primi reram nataram disquisiverant et perspiciendis
rebus studuerunt.« NofioBi-n^^ ist bereits Mher (S. 28) durch »qui m o-
rem condiditc erklärt.
Auf der vorletzten Seite werden die Hauptgedanken des Dialogs,
wie sie durch die vorhergehenden Erörterungen festgestellt sind, noch
einmal kurz zusammengeüafst: »Negat Plato a diis fictum füisse sermo-
nem, et hominnm opus esse contendit. Sermone enim homines intim am
rerum naturam imitari et exprimere volnerunt, illud vero ne assequeren-
tor eo ipso quod homines erant prohibiti sunt. Necessario autem ipsa
lingoae natura factum est ut speciem paulaUm mutaverit, et ex simpli-
dbus verbis composita orta sint plurima, quae, nisi ad primigMiia re-
feras, nunquam explices. Ipsa etiam primigenia verba sensim adnlterata,
et nsu attrita attenuataque sunt, aut contra vires eundo acquisiverunt,
adiunctis syllabis litterisque, quae imitationi minime necessariae erant.
Qoare a nativa forma sua paulatim discessit hominum sermo et saepe
inane sit in verbis, quae nunc sunt in usu, imitationem effigiemque re-
mm quaerere.c
k. KritoD.
Mfiller, 0. H., Jahrb. f. dass. Philol. Bd. 133 (1886) S. 92,
schlägt sehr ansprechend p. 68 C vor: xa} obx oXet äajpjfwv 8v (statt dfv)
^paaßBteBat rh rou üwxpdrouQ Ttpäyfxa.
1. Menexenns.
Zu diesem Dialog schlägt H. van Herwerden in MnemosyneN.
S. XV. S. 176 f. folgende Änderungen vor:
P. 236 B: xoi ota 8ij vä noXXä [de2] /urr' i/toS $iuot nvic inovrou
P. 286 B: St9 fwi SoxeT auvtr/Bet rby imrdftov M^ov^ dy Btpt"
xJii^ elffitv. »Corrigatur doxstv — et aliis locis bene multis, ubi &q non
additur.c
P. 239 A: dXA^ ^ iaoyovia i/fiäc fj xavä ipbaiv hovofiUay duayxdCse
f^rätv ^ri^v) xard v6/wy.
P. 241 D tritt V. H. ftkr die Koi^ektur von Oobet ein: o&rdc Sk
^YfiUteTO ßamX^Q deavoäurBai &q intj^eep^awv ndXey (^Uvaty inl robg
P. 242 A: ^XBtv in' aln^, 8 Si) ^ik^ [ix] rm dvBpdmwv rotg
mS Ttparrouat npoanhtrtw^ itp&TO¥ fitkv C^^c , dnb C^Xou ik ^Bovoc* »Bu-
specta mihi praepositio, quae, licet per grammaticam stare possit, du-
rissime additur.c
P. 246 A: alaxwfoiUvi^ rä rpornua rd re MopaBwvi xai JEaXofuvt
jcat nXaratat^. »Immo UXaraiain.t
JalirMbwicht für AlMrOiumsvisMDachAft. LXVH. Bd. (1881. L) 6
66 Plato.
m. Parmenides.
1) Ribbeck, Walter, Über Plato^s Parmenides. Philosophische
Monatshefte XXIII (1887) S. 1—35.
Der erste Teil der Abhandlung giebt eine Darlegung des Inhaltes
des Dialogs. Das dadurch gewonnene Resultat wird auf S. 13 f. in fol-
genden Worten zusammengefasst: »Während also im ersten Teil des Ge-
sprächs gezeigt worden war, dafs bei der Annahme der Sonderexistenz
der Ideen sich eine Teilnahme der Einzeldinge an ihnen in keiner Weise
denken lasse, so war das Ergebnis der Antinomien, dafs eben diese Teil-
nahme eine Thatsache sei, dafs nämlich die Einzeldinge nur durch ihre
Durchdringung mit der Idee Existenz hätten. Was sich aber schon
allein daraus nach dem Satze des Widerspruchs mit Evidenz ergab, dafs
nämlich die Sonderexistenz der Ideen aufgegeben werden müsse, das
war gleichfalls noch auf andere Weise durch eben diese Antinomien ge-
zeigt worden, indem dieselben feststellten, dafs auch die Idee ihrerseits
nur in Gemeinschaft mit den Einzeldingen Existenz be^Cze. Weiter
war aber durch die Antinomien auch das Hauptproblem des ganzen Ge-
spräches, die Frage, ob eine Idee in Gemeinschaft mit der ihr entgegen-
gesetzten stehen könne, an ihr Teil haben könne, in bejahendem Sinne
beantwortet worden. c Hieran knüpft sich die Frage: »Wie verhalten
sich nun diese durch den Parmenides festgestellten Resultate zu den
sonstigen uns bekannten platonischen Anschauungen?! Die Antwort auf
die Frage nach der Teilnahme der Ideen an ihrem Gegenteile ist: »Die
Teilnahme der Ideen an ihrem Gegenteil, wie wir sie im Parmenides
finden, ist mit der sonstigen platonischen Lehre nicht in Einklang zu
bringen.!
»Wie steht es nun mit der andern Frage, welche der Parmenides
behandelt, mit der in Betreff des Verhältnisses der Erscheinungen zur
Idee?c Das ist die Sphäre, aus der der Verfasser namentlich seine Ar-
gumente gegen die Echtheit des Parmenides entnimmt, und so müssen
wir dabei etwas länger verweilen. Im Anschlüsse an jene Frage sagt
der Verfasser: »Nach allem, was wir aus den platonischen Schriften
darüber erfahren, wird es in dieser Beziehung wohl bei dem Ausspruche
des Aristoteles sein Bewenden haben müssen, welcher erklärt, Plato
habe dieses Verhältnis bald als Teilnahme, bald als Nachahmung auf-
gefafst, sich aber über die Art und Weise derselben nicht näher ausge-
sprochen, c Dieser Ausspruch des Aristoteles beruht, wie fast seine
ganze Polemik gegen die Ideenlehre darauf, dafs er die causa efficiens
aus der platonischen Metaphysik willkürlich streicht. Ich habe bereits
vor vielen Jahren in meiner Schrift de causa fioali Aristotelea darauf
aufinerksam gemacht. »Aus einer Stelle ersehen wir allerdings, dafs
dem Phil6|pphen die Schwierigkeiten, welche sich der Annahme einer
Plato. 67
Teilnahme der Erscheinong an der Idee entgegenstellen, nicht entgangen
sind. Im Philebas nftmlich erwähnt er dieselben Bedenken, die auch im
Parmenides aasgesprochen sind, ob nämlich die Idee sich io die Einzel-
dinge zersplittere oder ob dieselbe einmal ganz für sich gesondert ezi*
stiere nnd anch ganz in jedem Einzeldinge enthalten sei. Aaf eine LOsnng
dieser Schwierigkeiten lärst sich Plato an dieser Stelle nicht ein, viel-
leicht weil er keine zn geben wnfste.c — Die Lösung dieser Schwierig-
keiten giebt der Philebas thatsächlich , wie ich in meiner platonischen
Metaphysik nachgewiesen habe. Durch diese Thatsache werden auch
die folgenden Erörterungen des Verfiassers von vornherein erschüttert.
»Ist der Parmenides von Plato verfafst, so hätte er in diesem eine Lö-
sung ftlr die im Philebus erhobenen Bedenken gefunden, aber allerdings
eine Lösung, die gerade das Eigentümlichste seiner Ideenlehre, die
TransBcendenz derselben, zugleich mit aufheben würde. Denn diese
Transscendenz ist es ja eben, deren Unmöglichkeit im Parmenides auf
jede nur denkbare Weise dargethan wird. Der Ver&sser desselben fährt
Bicht nur geradezu den Beweis, dafs das Eins ohne die Vielen, die Idee
ohne die Einzeldinge undenkbar sei, er bemüht sich auch auf indirektem
Wege darzulegen, wie die Annahme einer gesonderten Existenz der Ideen
zu den absurdesten Conseqaenzen führen müsse. Er führt zu dem Zwecke
schon beinahe alle die Gründe ins Feld, deren sich Aristoteles später
zur Bekämpfung der platonischen Ideenlehre bediente. Wie dieser weist
er darauf hin, wie die Ideen unmöglich zn gleicher Zeit ein Sonderleben
führen und doch in den Einzeldingen als ihr Wesen enthalten sein könn-
ten. Wie dieser folgert er, wenn es für alle unter einander Ähnlichen
eine Idee geben sollte, so müsse es auch für die Idee und die ihr ähn-
lichen Einzeldinge eine geben und so fort ins Unendliche, was Aristo-
teles bekanntlich als rptrog dvBpamo^ bezeichnet. Wie dieser schliefst
er, wenn man einmal selbständig bestehende Ideen annehme, müsse
man auch Begriffe, die nur vermöge gegenseitiger Beziehung auf einan-
der Bestand hätten, zu von einander gesonderten Ideen hypostasieren,
was zu den wunderlichsten Annahmen führen müsse, c (S. 24). »Aber
selbst angenommen, was die Verteidiger der Echtheit des Parmenides
behaupten, sei wahr, die Immanenz der Ideen fände sich in unserm Ge-
spräch nicht ausgesprochen, sondern es wären dort nur die Bedenken
dargelegt, die dem Philosophen selbst hinsichtlich der Transscendenz
derselben sich ergeben hatten, was wäre damit gewonnen? Denn diese
Bedenken waren derartig einschneidender Natur, dafs der Philosoph eine
Lösung derselben um jeden Preis finden oder überhaupt sein ganzes
System an den Nagel hängen mufste. Zu einer solchen Lösung ist aber
weder im Parmenides selbst — wenn man die Immanenz der Ideen, die
eine solche allerdings darstellt, dort einmal nicht finden will — noch
irgend wo sonst von Plato auch nur der geringste Versuch gemacht
worden. Er hätte sich also damit begnügt die tödlichen Widersprüche
68 Pli^to-
seines eigenen Systems mit wahrhaft rührender Offenheit seihst anfni*
zeigen, um dann, ohne dafs er die Schlichtang derselben auch nar ver-
sncht, an der weiteren Ansbildung eben dieses von ihm selbst in seinen
Onmdfesten erschütterten Systems ruhig weiter zu arbeiten, c (8. 26 f.)
^ Der ganze Abschnitt, innerhalb dessen die angeführten Stellen stehen,
beruht auf der Annahme, dafs jene Einwände begründet sind, dafs sie
tödliche Widersprüche des platonischen Systems aufweisen. Ich habe
bereits früher gezeigt, dafs diese Annahme vollkommen unbegründet ist
Ich will hier diesen Nachweis nur an dem von dem Verfasser angeführ-
ten Argumente des rphog äv^pamoQ darthun, das bekanntlich Aristoteles
immer und immer wieder gegen die Ideenlehre vorbringt, und an dessen
Richtigkeit seltsamer Weise auch in den neuesten Zeiten noch geglaubt
wird, obwohl es auf dem allergröfsten logischen Fehler beruht, nftmlich
darauf, dafs das Genus und die darunter fallenden Individuen auf gleiche
Linie gestellt werden und dazu ein neues Genus gesucht wird. Nicht
besser steht es um die meisten Einwände des Aristoteles, die ja Plato
selbst zum Teil anticipiert hat. Ich habe das früher nachgewiesen und
kann es hier nicht wiederholen, Wiederholen will ich nur, dafs , wenn
jene Argumente richtig sind, Plato überhaupt aus der Reihe der Philo-
sophen gestrichen werden mufs, und zweitens mit Rücksicht auf das auf
S. 25 von dem Verfasser im Anschlufs an Susemihl Gesagte, dafs die
Übereinstimmung der aristotelischen Metaphysik mit der platonischen
weit grOfser ist als man gewöhnlich annimmt. Ich habe auch das bereits
in meiner Abhandlung de causa finali Aristotelea dargethan. Ich will hier
nur ganz kurz die Hauptsache berühren. Aristoteles nimmt in den ein-
zelnen Dingen wirkende eWyj an und einen transcendenten Gott Jene
€tBii müssen doch auf diesen Gott zurückgeführt werden, müssen doch
in ihm ihren Grund haben. Aristoteles unterläfst es uns über dieses
Verhältnis aufzuklären. Hätte er es gethan, so konnte er bei dem teleo-
logischen Charakter seiner Weltanschauung es nur so thun, dafs er jene
Mij auf Gedanken Gottes zurückführte. Damit hätte er sich mit der
Omndanschauung Piatos konform erklärt. Übrigens entsprechen jenen
aristotelischen eXBii^ den Wirkformen in den einzelnen Dingen, bei Plato
die f^cjifff/, die die Organismen bilden und gestalten.
Es ist bereits klar, dafs Ribbeck die Unechtheit des Parmenides
darthun will. Nachdem er dies gethan unter der Voraussetzung, dafs
dem zweiten Teile des Gesprächs eine positive Bedeutung inne wohne,
thut er dies sodann auch unter der Annahme, dafs man demselben nur
eine negative Bedeutung zugestehe. Über den mutmafslichen Verfasser
des Didogs und seine Tendenz äufsert sich Ribbeck am Schlüsse der
Abhandlung folgendermafsen: »Wenn wir daher nicht an Aristoteles
selber denken wollen, und einer solchen Annahme würde sich hauptsäch-
lich der Umstand entgegenstellen, dafs der Stil des Parmenides von dem
seinigen, auch dem seiner Dialoge so verschieden ist — wenngleich ja
Plata 60
deijenige des Parmenides offenbar dem platonischen mit Fleifs nachge-
bildet ist, — so mufs doch der Verfasser jedenfalls ein Mann gewesen
sein, der durchaas auf dem Boden der aristotelischen Philosophie stand.
Im ersten Teil würde er einige Argumente des Aristoteles in der Weise
benutzt haben, dafs er dieselben, welche meist als knappe Andeutungen
sich darstellen, teils näher ausülhrte, teils durch eigene Bemerkungen,
die teilweis an Plato selbst anknüpfen, ergänzte. Der zweite Teil da-
gegen würde als ein Versuch, die platonische Ideenlehre sich auf dialek-
tischem Wege in die aristotelische auflösen zu lassen, seinen selbstän*
digen Wert behalten.!
2) Eine Darstellung der platonischen AufiiEtssung von der Einheit
des Parmenideischen Seienden giebt
Gl. Bäumker: »Die Einheit des Parmenideischen Seiendem Jahrb. L
class. Philo]. Bd. 133 (1886) S. 558 ff.
n. PhaedoD.
1) Seelisch, Adolf, Die ethischen Partien im platonischen Phaedo.
Philosophische Monatshefte XXII (1886) S. 321—352.
Der Verfasser scheidet drei vorwiegend ethische Partien im Phaedo
ans : den ersten Hauptteil von der Todesfreudigkeit des Philosophen und
die beiden Mythen, nämlich p. 80E-84C, die Schilderung der Schicksale
der Seelen nach dem Tode, namentlich die Schilderung der Seelenwanderung,
und zweitens den Abschnitt p. 107 Bff., die weitere Ausmalung des Bildes
des Jenseits p. 107 B — 108 C, die Entwerfung eines Weltbildes p. 108 C
bis 113 C und die Verteilung der Menschen auf die angenommenen Welt-
teile p. lldD— 114D. Die ethischen Partien sollen nach des Verfassers
Überzeugung die Unsterblichkeit gar nicht mehr beweisen, vielmehr sollen
sie nur aus der schon bewiesenen Lehre die moralischen Konsequenzen
ziehen. Das Verhältnis der Ergänzung, in dem die ethischen Abschnitte
za den dialektischen stehen sollten, ist also zu fassen als »das der prak-
tischen Nutzanwendung eines theoretisch erwiesenen Satzes, c Das ist
ja nicht ein ganz neuer Oedanke, aber vollkommen richtig und wird
von dem Verfasser gut nachgewiesen. Doch gehen jene von dem Ver«
fasser herausgehobenen drei Partien in diesem Zwecke nicht auf; so
meint es auch der Verfasser selbst nicht, im Gegenteil neben dem ethi-
schen Gesichtspunkte tritt in der Auffassung des Verfassers ein ästheti-
scher hervor und zwar in den Vordergrund. Ich will nur auf die erste
der drei Partien aufmerksam machen; diese hat ja offenbar nach der
ganzen Anlage des Dialogs den Zweck, für die Untersuchung eine that-
sächUche Unterlage zu gewinnen. Die thatsächliche Lebensauffassung
des Philosophen und seine thatsächliche Lebensftlhrung ruht auf dem
Glauben an die Unsterblichkeit der Seele und hat diese zur Voraus-
f
70 Plato.
Setzung. So geht die ganze Untersuchung von etwas thatsächlich gege-
benem aus.
Sehr richtig knüpft Seelisch an die obige Erörterung die Frage,
worin denn für Plato die Nötigung lag. sein Thema einmal streng wissen-
schaftlich zu beweisen, dann aber die Unsterblichkeit auch als ethisches
Lebensprincip zu empfehlen. Die Antwort ist: »Weil selbst die Ideen-
lehre einer ethischen Spitze nicht entbehrt, weil dem Plato sogar seine
eigenste metaphysische Lehre in Ethik umschl>: deshalb mufsten auch
die dialektischen Argumente des Phaedo durch ethische Elemente er-
gänzt werden. Es entsprach der tiefen sittlichen Beanlagung des Plato,
hier wie überall in seiner Philosophie die Idee des Guten auf den Thron
zu heben.c Das ist zum gröfsten Teil richtig, doch läuft eine irrtüm-
liche Auffassung mit unter. Indem Plato als die höchste Idee die Idee
des Outen bezeichnete, soll es ihm passiert sein, dafs sich ihm unver-
merkt das Ethische statt des Logischen unterschob. Hierbei ist der Be-
griff des Guten zu einseitig gefafst; »das Gutec ist hier soviel als das
Vollkommene, das Absolute.
Der Verfasser selbst fafst am Schlufs das Resultat seiner Erörte-
rungen zu folgender These zusammen: »Plato hat im Phaedo mit drei
aus der Ideenlehre geschöpften Argumenten die Unsterblichkeit philoso-
phisch bewiesen. Als Dichter und als Künstlernatur fühlte er das ästhe-
tische Bedürfnis, das so erschlossene Leben nach dem Tode im ein-
zelnen plastisch zu gestalten. Weil er es aber darüber nicht zu festen
Oberzeugungen brachte und naturgemäfs nicht bringen konnte, wählte
er die seiner Phantasie Spielraum gewährende Form des Mythus und
schlofs sich dabei an die Vorstellungen des populären Bewufstseins und
der Mysterien als eine äufserliche Stütze an. Diese Anlehnung bot zu-
gleich den Vorteil, dafs er die hohe ethische Bedeutung der Unsterb-
lichkeitslehre nicht von der Hand zu weisen brauchte. Im Gegenteil
bewirkten es weniger die Vorwürfe der Komödie als die ethische Wen-
dung, die seine Ideenlehre in Folge seiner tief sittlichen Beanlagung
nahm, dafs er selbst mit besonderer Liebe die praktische Anwendung
dieser Lehre auf das sittliche Leben machte, c — Auch hier möchte ich
betonen, dafs nach der Grundanschauung Piatos Wissenschaft und Ethik
im innersten Zusammenhange stehen und eine Einheit bilden.
2) Robert, C, Beiträge zum griechischen Festkalender
in Hermes XXI (1886) S. 168 f.,
setzt den Tod des Sokrates nicht in den Thargelion oder Skirophorioo,
sondern in das Ende des Anthesterion oder in den Anfang des Elaphe-
bolion. »Es liegt jetzt auch kein Grund mehr vor, die Worte iv roeaurn
&pf, in der vielbesprochenen Phaedonstelle (80 C) auf das Leben^ahr
des Sokrates und nicht, wie schon Dacier wollte und es der Zusammen-
hang nahe legt, auf die Jahreszeit zu beziehen, f
Pl»to. 71
8) Lieb hold, K. J., Za Piatons Phaidon. Jahrb. f. class. Phil.
Bd. 18S (1886) S. 683—691.
62 A wird vorgeschlagen, unter Aasscheidung des zweiten TsBvdvat und
der Worte Baufiatnbv fffwc <rot ^atverau zu lesen: Tawg fiivroi Bciuiiaardv aot
^ve?ra/, el roüro fiovov roiv dX^aiv änavTiov änXouv iarev xa} oiddnore roy-
Z<^vee T& ivBpiimtp^ manep xaJt riXXa^ ianv Zre xa} olg ßiXrtov reBvdvat
1j C^v, oXg Sk ßdXrioVy el roorotg roTg dvBpamoec fxij Zotov ahrohg iatnou^
eö Ttocetv^ dXXd aXXov See nepqjiiveev edep'jrinjv . — Meine Auffassung
der Stelle habe ich bereits oben dargelegt. Daz zweite reBvdvau zu
streichen ist kein ausreichender Grund, obwohl es entbehrt werden
könnte. Die Einschiebung des Baußiaurcdv Xatog aot ^nivexat bringt aller-
dings ftlr uns eine Schwierigkeit in die Stelle, die aber seine Streichung
keineswegs notwendig macht. Wollte man es streichen, um die Stelle
ganz streng logisch zu gestalten, so mOfste man auch el streichen und
obx dotov lesen. Meiner Ansicht nach ist nichts zu ändern.
66 B. Gebilligt wird Schleiermachers Umstellung der Worte p,6Tä
Toü Xdyoü iv Tjj axiipst hinter Iojq 2v r^ aStiixi ^oi/iev, für furd rou
Xoyou aber furä rou dXöyoo vorgeschlagen: »so lange wir uns mit dem
Körper und der ihm anhaftenden Unvernunft herumschlagen.! ~ Ich
glaube, dafs die ttberlieferte Lesart richtig und zu übersetzen ist: »Es
scheint fürwahr uns auf Grund der vernünftigen Erwägung bei unserer
Betrachtung gleichwie ein Pfad die Thatsache zum Ziele zu führen, dafs,
so lange wir den Körper haben und unsere Seele mit einem solchen
Übel vermengt ist, wir ganz gewifs nicht das uns erwerben werden, wo-
nach uns verlangtt
78 B. Die Vermutung Heindorfs: aörb 8k rouro ödofiat na^eTv
statt pa^elv wird als richtig dargethan.
74 D wird für wahrscheinlich erklärt: 1j MsT rt ixshotq rou
(statt ixefißoo xif) roeourov elvau^ oby rb Taoy ^ oö8s¥; der Sinn, derauf
diese Weise herauskommt, ist dem Zusammenhange angemessen. Auf-
fällig wäre der Singular ro/oDrov, wenn man ihn auch allenfalls erklären
könnte.
81 E wird vorgeschlagen: Mouvrau Sd, ZoTtep dxÖQ^ ek toidura
ijfiij^ &no7* (sc. i^v) £rr' (anstatt dfrr') dv xarafu/xeXenjxuTou (statt xal
/ASfieX.) T6)[(uaey iv rip ß(ip\ »natürlich werden sie an Naturen gebunden,
die so beschaffen sind wie die Bestrebungen, welche sie in ihrem Leben
betrieben.! — Ich glaube nicht, dafs die Überlieferung einer Ände-
rung bedarf.
82 D wird vermutet: ixehoi^ als rt pdXet ri^c iaurwv (Ifo^T^^ dikXä
[ßil ffakpau rapaTTovreQ (für n^arrovrec) CcS^t »unter der Voraussetzung,
dafs hinter adtpan ein abrrjv ausgefallen oder r^v ^u^^v aas dem Vor-
hergehenden zu ergänzen sei.t
88 B soll gelesen werden : obSkv TOffouvov xoixbv InaBev dn^ aöranf^
72 Plito.
8^ov (Ar dßv) äv r<c oh^eaj^ (oco¥) ^ voa^aa/Q ^ rt ävahütaaQ. - Fttr
Zaov wttrde ich sein, dagegen nicht für die Streichung von oh^^ das in
der Bedeutung »wie zum Beispielt hier ganz an seiner Stelle ist
88 A : tl ydp reg xcd nXiov in r^ Xiyovrt ^ fi ao{,kiYetg) (foy^mpi^
aeceiß »wenn jemand dem Redenden noch mehr als das ist, was du ein-
räumst, zugestände.! ~ Derselbe Sinn kommt heraus, wenn man X^ee^
stehen Iftfst Die Streichung ist also unnötig. Hu wird auf Simmias be-
zogen. »Simmias hatte dem Sokrates die Präexistenz der Seele einge-
räumt, dagegen ihre gröfsere Stärke und längere Dauer bestritten, wäh-
rend Kebes eine gröfsere Stärke und Dauer einräumet — Diese Bezie-
hung ist meines Erachtens die richtige, dann ist das ^ notwendig.
104 D wird vorgeschlagen: äp' oSv, 1^, cu Kißf^i^ rdSt eS^ av,
fi &ct dv xarda^^Uf fjjj pLÖvov dvayxdCst ri^ aurou IBiavalnb i(r^ttv^ dJJük
xa\ ivavrhu dvr i}[ eaBat (für abrlp dei) r<vo;; »Werden es nicht
diejenigen sein , lieber Kebes , die dasjenige , was sie inne haben
(besser: was sie erfassen), nicht blofs nötigen ihren eigenen Begriff zu
haben (besser: anzunehmen), sondern auch ein gegensätzliches festzu-
halten?! — »Festhaltene entspricht dem Zusammenhange nicht; es
müfste heifsen: »anzunehmenc. Mir erscheint die Überlieferung tadellos;
das vielfach angegriffene aör^ bezieht sich auf das was ein anderer Be-
griff herankommend erfafst.
100 A erste Zeile soll dXX* vor 8pa 8^ gestrichen werden. — Ich
halte diese Streichung für unnötig.
106 A wird vorgeschlagen rä, mvre rijv toü dprioo (sc. I8£aat) od
8i(erae , oh8k rä 8ixa t^v roo neptrroü^ rb 8tnkdato¥' touto fikv oSv
xtä abrb rcD änX^ (für äXX^) obx ivavriov, 8piüQ Sk r^v roo nepirrou
od 8e$erat, Der Sinn soll sein: »dafs dieses Zwiefache selbst, nämlich
die ZehUf trotz ihrer l^ichtgegensätzlichkeit gegen ihr Einfaches, d. h.
gegen die Fttnf, dennoch die (der Fünf inwohnende) Idee des ungeraden
nie annehmen wird.€
0. Phaedraa.
Zu diesem Dialoge giebt eine reiche Fülle von Yerbessemngsvor-
schlagen H. van Herwerden in Mnemosyne N. S. XY 8. 178 — 186.
P. 229 B: *Exet axtd r' iarh xaJt nveüpa futptov^ xail n6a xa^A
CseBae 9 8tiß ßoultüfu^ xaraxktv^yai. »MaUm i^xa^^acBat -^ iy^
xorojriUv^vai.c
P. 284 D: Ebv* oSrm 8ij naiZtDß. »Schanzins scripsit ^6?, vereor
nt recte.«
P. 286 D: bnb 8k vwBtlac aS xail oArb vouro imXdJitfOfiot^ 8nt»g re
xal wv Twwv ijxouaa. »Fortasse praestat 8noo,€
P. 286 £: 0tXraroQ ü xai wq dXr^Baßg XpuaouQj <b 0ax8pt^ Mrk
»Ezpectes fere: rXuxArarog «?.f
PUto. 73
P. 242 A: dXUi neptfui^vrec^ xal Sfta rxpl twit eifnjfiivmu Sia^M^"
BiitteQ^ rd^a inetSäv dno^u^fj tßev. iVeram lectionem ^nc/iev servavit
Bekk. Anecd. I, 26. Cetemm expectabam abrfxa imtSäv vel imtSdaß
Td}[iaTa.€
P. 242 G: oofwQ cüv ijlhj ftavBdvw t6 äfidpnjfJLa. a>c ^^ toc, &
iroupej fAavrexöv yi rt xal ^ ^^ZV' '^^* >C)omeci oleBa Si nou.t
P. 246 E: dBavdrou 8k ns^aofiivöt} rdu hf^ iaurou xivoufidvou^ ^u-
/^ obc/av TS xal Xoyov toutov aöröv tiq Xd^üfV oöx alff)[üveeTat.
iTach Tnsc. disp. I 28, 68 scheint Cicero gelesen za haben: fpo^^Q
obalav r« xa\ X6yov toutov oötöv tIq Xeywv aiaj^uveiTai^ »quod mihi
qnidem melius dictnm videtur.c
P. 246 B: näaa [fß ^uj^ij mivTdff im/uAeTrat toü dij/bxoo^ ndvTa Sk
obpavbv nepenoUT^ äXXoT^ iv dXXot^ eTSeat yeyvo/jLevij, iPrimum articolns
— contra sentenüam additns (ita enim significaretar totas animns) ex-
pungendns estc — Gemeint ist ja offenbar die ganze Seele, totas ani-
mu8, d.h. die Weltseele, denn mzvr^c intfuXetrai toü d^j[oo kann doch
nur von der ganzen Seele ausgesagt werden , aber nicht von jeder (ein-
zelnen) Seele; der Artikel ist also ganz richtig. Dann wird für ndvTa
9k ohpav6v vorgeschlagen Travra 8k oSv, indem mit Badham angenommen
wird, dafs coelum nicht hierher passe. Aber warum denn nicht? Es
folgt ja gleich: TBXia phß oSaa xal hmpwßuvf^ fieTeaiponopeT r« xal
ndvTa TÖv xödfiov SiotxeT.
P. 247 AB: hav Bk 8ij npbc Satra xal in} Boevijv ToHitv Sxpa
bnb T^v Ifitoupaveov äi/nSa {nopeöovTae] TtpoQ ävavrec ij8ij xtX. »Bene
editor (Schanz) Astium secutus delevit verbum nopevovTat, In reliquis
solus Proclus Theol. Plat. IV 16 p. 217 veram Piatonis manum servasse
mihi ?idetur scribens: ^rav 8k 8ii npb^ 8a2Ta xal Bo^v Ymatv äxpav
in] Tijv bnoupavtav 6i^t8a,t Noch wird die Vermutung ausgesprochen,
dafs fitlr bnoupdvtov die Lesart obpdvtov aufzunehmen sei.
P. 247 E: dXXä ri^v iv r^ 5 iaTtv dv Svtwq ixiOT^fo^v o5ea».
Hier soll Sv gestrichen werden, gewifs ohne ausreichenden Grund.
P. 261 A: BOoi äv WC dydXfiaTt xal Bm^ toIq mu8ixoTc* »Herito
xal Bs^ suspectum est Schanzio, sed fortasse eadem litura delenda sunt
verba toTc nai8txo7c, — Mox sub litera C Cs^ re xal dyavaxTSi xal
yapyaXlCBTai [(pbooaa Tä nrepd] verba otiosa deleverim.c
P. 268 E: Jttiv 8^ oSv 6 ^y/o^oc I8dßv tö ipwTtxhv Spftay näaa»
[ahrB^int] 8eaB€pfii^vac r^v ^^XV^t yopiraXiafAOü re xal noBoo xevTpwif
ünonXn^eBfj, Hier will H. das bereits von Heindorf angezweifelte al-
aBi^ee streichen und statt xevr/7a>v lesen 9rre/9a;i/. Imfolgenden soll ge-
lesen werden ndvTa npdyfiaTa napt^i^y r^ auZoyt re xal r^ ijwoj^tp,
P. 266 C: xal ohv ^rvse/fux ^ r«c ^Z^ ^^^ trxXijpwv (st Xiiwv) tb
xal at€p%w¥ xrJL
P. 266 £: 6 dxdXaoTOQ hnoc i^^i 8^ tv Xi^tt nph^ rhv ^vh^ou
statt 8^ Ti XiyBt,
74 Plato.
P. 267 A: ra re £Ua xail to7q dvo/iaurtv iiykatafiivii (st i^vaY'
xaüfiivijD noagrtxoTg rtaw dtä 0aSSpov [tlp^a^at]. — Für xoXtyBoojU"
wjv im Voraufgehenden wird xa^doufiivjjv vorgeschlagen.
F. 258 A: Oö fAav&dvsiQ Srt iv dpj^g dvBpbs noXtrtxou au]^
ypdppart npioTog 6 inatviri^g ^typootrax . Hier tritt H. fllr die Kollektor
Bergks ein: iv äpi^ noXtrtxou ffwjrjrpdppjarog.
P. 239 extr. : narpbg yhp xoi fu^rpöc xal $uyyeywv xail fiXmv ari-
peaBat 2v airiv eu^atro statt S6$atTo. — Meines Erachtens ohne Not.
P. 269 C: i$ ofv rö rerrfywv yditoc /ist hxetvo ^uerat, »Abundat
et nesdo an interpretis sit /isr' ixetw. An delere sufficit praepositio-
nem /iera?t
P. 260 D: roSe S' ouv fidya Xfyto, wq ivtu ifwu rtp rä, Swa eBort
oiSiv rt fiäXXou imat Tte/Betv Ts^yj^, — H. hält es fllr besser entweder
ob statt ouv zu lesen oder mit Beibehaltung der überlieferten Lesart
statt des Punktes ein Fragezeichen zu setzen.
P. 261B extr.: Sc iv *lXttp a^oXaCovre (fUr axoXdZovr^o) aov-
eypaui/fdnijv, — Im Folgenden: Kcd vcü fiä dia fywyB twv Ndavopog (^xal
VSuetrdwcy, el pij xrX.
P. 264 £ : xoLt' rot au^^d yt ^6/v pjot Soxet TtapaSerypaTa npb^ ä
TtQ ßXintüV diftvatT* äv, /itfuttrBat a&rä im^etp&v pij ndvo rt. H. ist Ar
Heindorfs Vermutung, der /iiv nach ßXinmv und Si (Herwerden will lieber
^') nach ptfutaßat einfügt.
P. 267 C: r^ rou KaX^ij^ov^ou (für XaXxijdovioo) cBdvog.
P. 276 B: norspa artoudf^ dv BipooQ elg 'A8wvtSoc xii^oc trneipac
(Dir dpwv) /flu^oi xrX,
P. 227 D: lywy^ ouv oSrtoc imrMtfo^xa dxoüaat^ anrc' iäv ßa-
dtZofv xrX, iSuspiceris iyoß 8k xal vov oSrws^ vel lyutyt ftivrot
ohwQ aut aliquid simile.c
P. 232 A: &rre, Jrav dfBmat StaXsyöpsvot dXX^Xots , rooroüg otoih
reu 1j ysyswt^pdvtjQ ^ fieXXoutn^g latoBat (j^^ dnoTtXijptotrBtacy r^c ^^n-
Bu/itdc auvuvoLt. — Im Folgenden: elSozeg 8rt d¥ayxcu6v iartv 1j 8tä ^
Xiav rtp 8taXdyeaBat 1j 8t* äXXjjv rtvä ^8ov:^y erwartet H. 9 ^^* 8üiJii^v
rtvä j[pe{av^ >sed quod volgatur fern fortasse potestc
P. 233 B: nptorov pkv ob r^v napootrav ^8ov^v Bepambtt^v truvd'
aopxii aot^ dXXä xal r^v fuXXouaav Jß^eXfav 6re(r&cu, iRequiro aut fikv
ob (jiövovy aut ... . p.6vfiv insertum post ^ßovijv. Contra puovov inter-
polatum est contra mentem oratoris p. 283 E: ob8k rote npocatrovet
Ijiövov]^ dXXä rote roü Ttpdypuaroe äitotc,€
P. 234 C: ourB yäp r^ Xofißdyovrt X6yq} j^dptrt^c Ttn^ ä$to¥, oSre
aol ßouXopdvtp robc äXXoue XavBdvetv Spo/toe 8o)ßQr6v. »Mihi pil /uova»
Lysias scripsisse videtur.c
P. 236 C: irtpa bnoa^^eaet thttty. »OpUme Schanzius imx9ip&^
quod ipsum me olim coniecisse ex vetustis meis ad hunc dialogum anno-
tationibus laetus animadyerto.c
Plato. 7i
P. 248 D: »Yerba ix roiv Sfw/afv alieno loco legi snspicor et trane-
ponendnm suspicor avfjLßouMof 8k xa} Auai^ ix rcDv Sfiocmv dn rd»
^eara Ypd(pat, cuc XP^ ipaarjj fiäXXov 1j fi^ ipafvn ;|f<3^/Ci^<tt.c
P. 242 B: ütfjuav [Si^ßauov] i$atpa} U-foo,
P. 244 A: Q»s 6 fikv nporepoe Ijv kdyoQ 0aßpoo xou IhBoxkiooQ
MopptwiMfioo [dvSpöo],
P. 244 C: ob yäp äv rfj xaXX^arjj ^ix^t i ^ pjiXXoy x/9/l/erau, abrb
ToÜTo Touvopa ifinXäxovr es pavixiiv ixdXMoav. »Participium sannm
esse dnbito.c
P. 244 E: 8Bev xa^apfutßv re xal rtfieroiv rvxoüoa i$dvnj inoaj<n
(seil. ^ fiovia) vbv iaur^c Ixovra xrX. »Scribendnm puto töv iau"
rijc p.eTexovra,€
P. 246 C: fiovov 8ij rb ^odr^^ abrb xivoüv,
P. 260 C: xa^apol XvT$g xal dn^fiavrot (für da^pavToc) toutoo^
S vuv üwfia mptfipovTtg dvoyudZopsv^ »i. e. non affecti eo malo, qnod
DQnc circumferentes corpns vocamusc
P. 251 G: »Cum manifesto Plato $ie/ooc derivarit a tribus voca^
bolis l(iv€u)^ pjtp(oQ) et /^e(<fv), nesdo an scripserit: ixätBev fiäpi^ arr'
iövra xa} jUo¥Ta.€
P. 262 G: dMvarot 8k Dripiüra 8tä nrepo^UTop* dydyxijv, iValde
incerta est baec quam auctore Heindorfio ex Stobaeo Scbanzias recepit
lectio, cum in optimis libris B et T sit nrepdfoxov et quod olim edi
solebat nvBpö^otvoy^ cui lectioni nisi forte acquiescendum est, cogitari
potent de sabstitneDdo mutatione paene nuUa nrepo^trov (a stirpe Yoca-
buli ^etü) aut si opus sit, itrepo^iTuv (a ^trug parente).
P. 263 D: a7r>b7xroc, xeXMÖafjLan fiövov xai Xoy^ ^viox^^Tat,
H. erklArt die Form xeXBopaTt fllr die einzig gute und alte and ist
nicht einverstanden, dafs Schanz die Form xeXgucpart aufgenommen
bat. Dem ^toxetrat wflrde er der Goncinnität wegen ^veoxoü/uvoc weit
vorziehen.
p. Protagoras.
Protagoras. Scholamm in usam ed. J. Kral, Leipzig 1886. B*
VII und 70 S.
Kral, J., Entgegnung auf eine Kritik des Herrn Prof. M. Schanz.
Prag. 8. 12 8.
Nikitin, Zu Piatos Euthydem 274 und Protagoras 818. S. Enthy-
demns.
q. Sophistes.
Lukas, F., Erklärung der Stelle Piaton Sophistes p. 258 DE:
Obxouif 8 fs rouTo 8ovaTbQ 8paa/ .... 8eaxp{vetv xarä yivoQ in^araur&at,
Zeitschr. 1 d. österr. Gymn. XXX Vni (1887) S. 820-388.
Vpn dieser Stelle sagt Booit? Plat Studien 8. Aufl. S. 170» An-
79 PUtQ.
merk. 16, dafs er absichtlich unterlassen habe, sie in einer auszngsweisen
Umschreibung wiederzugeben, weil er eine Erklärung, die den Worten
Piatons vollkommen gerecht würde und zugleich den Gedanken zu evi-
denter Klarheit brächte, nicht gefunden habe. Die Stelle lautet: Oixouv
8 ye TouTO dovarhg 8p äv fuav iSdav Stä noXAoiv^ 6vde ixdarou xetfidvou
Z^P'^i ndi/ra^ dtarexoLiuvTjV Ixavlb^ StaeaBdveTOtf xcd noX^e erdpac dXX^^
Xiov un6 jitaQ i$wBev nepeezo/uvag ^ xa} p/av au St^ 8X<ov noXXwv iv M
(uvjjppew^v f xal noXXäc x^plc ndimj dtwptapIvoQ* touto 8' lartv^ ^, «
xoofwveTv ixoLora SuvaTcu xa} Stijj p^^ 8caxpfyeev xarä yivog entaraad^at.
Den Sinn der Stelle sucht der Verfasser in eingehender und umsichtiger
Weise festzustellen namentlich unter Berücksichtigung des Zusammen-
hanges mit der Stelle p. 253 BC, »welche in vier durch xal verbun-
denen Sätzen vier Forderungen für die Untersuchung über die Gemein-
schaft der Begriffe aufstellt, femer mit der Stelle p. 263 D: Tb xarä
yivTj 8tatpe7ifBat xrA., »welche fQr die Erfüllung dieser Forderungen zwei
Regeln giebt.« Die Erklärung ist mit den eigenen Worten des Ver-
fassers im Auszuge folgende: »Der Dialektiker ist im stände zu erken-
nen: 1. dafs ein Begriff auf viele andere, von welchen jedoch der eine
aufserhalb der anderen liegt, in jeder Beziehung sich erstreckt, pJasß
i8iav . . . 8tat(T^dvexat^ d. h. jeder Gattungsbegriff ist ein Hauptmerkmal
jedes unter ihn fallenden Artbegriffes. 2. Der Dialektiker erkennt auch
viele Begriffe, welche von einander verschieden sind, wenn sie auch von
einem Begriffe von aufsen her umschlossen werden. c Das Verhältnis
dieser beiden Sätze bestimmt der Verfasser dahin, dafs im*ersten Satze
das Verhältnis des Einteilungsganzen zu den Einteilungsgliedern, im
zweiten Satze das Verhältnis der Einteilungsglieder zu einander berück-
sichtigt werde. Man vergleiche hiermit Bonitz a.a.O.: »Dafs durch
die ersten beiden Glieder die Unterordnung der Artbegriffe unter ihren
Gattungsbegriff bezeichnet ist, kann keinem Zweifel unterliegen. Ob darin
freilich vollkommen dasselbe, nur einmal nach der Richtung des Ab-
steigens , dann nach der des Aufsteigens , oder ob doch noch ein
gewisser Unterschied gemeint ist, wird sich schwer entscheiden las-
sen: die Wahl der Ausdrücke ndvrij 8tereTapi)n^v und l^wBav
iiBpte^opivaQ deutet wohl auf einen Unterschied.! Die eigentliche
Schwierigkeit enthält der dritte Satz. Nach diesem »mufs der Dia-
lektiker erkennen einen durch die Gesamtheit der vielen Begriffe hin-
durch mit jedem einzelnen sich verknüpfenden Begriff. Dieser Satz
bezieht sich auf die dritte der in p. 263 BC ausgesprochenen Forderun-
gen, nämlich zu untersuchen, ob sich einige Begriffe mit allen anderen
verbinden lassen.c Der Verfasser fordert selbst dazu auf, mit dieser Über-
setzung und Auffassung der Stelle Bonitz a a. 0. zu vergleichen. Es heifst
daselbst: »Der Begriff der Selbigkeit erstreckt sich über oder durch die
Gesamtheit der Begriffe in ihrer Vielheit {8t* 8Xwv TtoXXwv)^ bildet aber
nicht eine Umschliefsung derselben (i^wfiev neptax^vag) and erstreckt
Plato. 77
sich über sie nicht in jeder Hinsicht {nd)mj dtartraiiivfjv) ^ sondern ist
eben nur mit jedem einzelnen verknüpft (iv h\ ^vfjfjLfuvf^v) ^ jeder ist
sich selbst identisch.! Von dem vierten Gliede sagt Bonitz, dafs dnrch
dasselbe unzweifelhaft der vollkommen trennende Gegensatz (x^P^^ ftdvn^
dtiüpiapdvas) bezeichnet sei, z. B. avdaeg xlvvjatQ^ rabrhv 9drepov, In
Übereinstimmung damit sagt der Verfasser: »Nach dem vierten Satze
endlich mufs der Dialektiker erkennen einige Begriffe, welche als nach
allen Seiten hin verschieden bestimmt sind.t
Die drei letzten Seiten der Abhandlung dienen dem Nachweise,
dafs die »auseinandergesetze Auffassung der Stellen p. 268 B*--E auch
in der nachfolgenden, vom Verfasser des Dialoges geführten Untersuchung
aber die Gemeinschaft der Begriffe ihre Bestätigung findet. c
r. Theaetet
J. V. L. Jr. in Mnemosyne N. S. XV S. 47 will Theaetet p. 161 D
statt dXXä fWi ipeo86g r« auY}[iop^aat xal dXtjBk^ d^viam oMofjtMC
BiiuQ schreiben: diia iiot fffeuSo^ re cuyxofiiaai xxX.^ indem er be-
merkt: »Veram iustamque prolem abicere, d^av/aae^ olim ut hodie nefas
fuisse obstetrici, fiacile credimus; sed foetum monstruosum, inanem, dve-
fiiatov neqne refutare attinet, opinor, neque concedere, sed unum reci-
piendi verbum hie locum habet, quod avj'xofjJZsev graece dicitur.f Er ver-
weist auf p. 149 E: r^c oöt^q ^ ikhiQ oXet rij^yvjg bIihu ^spansüiv re xal
a'uyxofAtd^v rctfv dx y^c xapnwv . . . . e/c yt^youxa Sk dXhpf ftäv oJkt
Tou roiolnoi}^ iXhiv 8k ffuYxofitS^g,
Sokrates ist bereits aus der bildlichen Ausdrucksweise zu der eigent-
lichen übergegangen, wie im unmittelbar Voraufgehenden &(rve dre^^^^
Sdxv£i¥ irotfiot slvcu^ ineeddv rtva X^pov abrwv d^^paßficu deutlich genug
zeigt Damm ist die Konjektur van Leeuwen's nicht zu billigen.
Bericht über Aristoteles und die alteBten Aka-
demiker nnd Peripatetiker für 1887—1890.
Erstes Stftck.
Von
Prof. Dr. Frans Snsemlhl
in GreifBwald.
Die den Aristoteles im Allgemeinen betreffende Litteratur ist wäh-
rend der Jahre 1887—1890 zunächst vermehrt worden durch
1) On the history of the process by which the Aristotelian wri«
tings arrived at their present form. An essay by Richard Shute,
M. A. late Student and tutor of Christ Church. Oxford at the Cla-
rendon press 1888. XX, 183 S. 8.
Wir haben hier das unvollendete Werk eines Verstorbenen vor
uns, welches schon aus diesem Grunde eine milde Beurtheilung fordert,
dies aber um so mehr, da ich in meinen früheren Berichten schon hie
und da des Lebenden mit Anerkenung zu gedenken hatte. Es war, wie
die Herausgeber berichten, durchaus nicht die Absicht desselben diese
Schrift so der Oeffentlichkeit zu übergeben, vielmehr sie zuvor einer
gründlichen Umarbeitung zu unterziehen, deren sie freilich auch sehr
bedurft hätte. Die Untersuchungen von Heitz sind jetzt nur gelegent-
lich höchst selten und flüchtig erwähnt, nicht bloss die Zeller^s über
die Entstehung der Metaphysik, sondern sogar dessen Philosophie der
Griechen und Diels' Doxographi völlig unbenutzt geblieben (um von
meinen Ausgaben der drei Ethiken gar nicht zu reden), und so giebt
sich denn Shute unter Anderem die arge Blosse, dass er Areios Di-
dymos, den Freund des Augustus, nicht kennt, sondern ihn mit Claadias
Didjrmus unter Nero verwechselt. Dennoch haben die Herausgeber recht
gethan, denn immerhin haben seine scharfsinnig begründeten neuen Be-
hauptungen Anspruch darauf geprüft und dadurch freilich, wie ich über-
zeugt bin, widerlegt zu werden. Sein Buch zerfällt in acht Capitel:
Allgemeines. 79
1) The Problem. 2) From Aristotle to the time of Cicero. 8) Cicero
and the Latin renaissance. 4) From Cicero to Alexander Aphrodisiensis.
6) Of titles and references. 6) Of repetitions and second and third
texts, illustrated especially from the Physics, Metaphysics and de aniouu
7) Of the Nicomachean Ethics. 8) The Politics. Der QmNhcfaaden
liegt in der ausserordentlichen Mangelhalkii^Drit des 2. Cap. Hier er-
wartet man z. B. doch zu lesen, dass die Thiergeschichte schon von
dem Verfasser der unftcfaten Ztuixd^ von Eallimachos, von Antigenes aus
Earystos, der sie in ihren ersten neun Büchern als Ganzes und daneben
noch das 9. Buch als besondere Abhandlang benutzte, und Aristophanes
▼on Byzanz, von letzterem auch die Poetik und von Archedemos die
Rhetorik ausgebeutet ist, und dass der Urheber der grossen Moral am
Ende des 3. oder Anfang des 2. Jahrb. v. Chr. die beiden anderen
Ethiken im "Wesentlichen schon in ihrer jetzigen Gestalt und der der
Schrift von der Bewegung der Thiere sogar das (auch von jenem citirte)
12. Buch (A) der Metaphysik schon als Theil der letzteren kannte (s.
Jahresber. IX. S. 846). Aber man erwartet es vergebens. Dazu kommt
aber jetzt noch, dass überdies die Darstellung des Verf. in einem wesent-
lichen Stücke durch die neuesten Fortschritte der Untersuchung völlig
ttberholt ist: Polybios VI, 8 — 10 und Cicero in seiner Bepublik haben
aus Panaetios und Panaetios aus der Politik des Aristoteles geschöpft.
Erwägt man nun ausserdem, dass nach Zeller^s richtiger Bemerkung
unsere systematischen und naturbeschreibenden aristotelischen Schriften
viel zu sehr ins Einzelne eingehend ftlr blosse Vorlesungen sind, so ge-
nügt schon dies, um die Vorstellung von Shute zu beseitigen, als wären
sie aus blossen Notizen des Aristoteles und v^chiedenen Reprodu-
ctionen seiner Vorlesungen in seiner Schule entstanden, und die Ansicht
von Zell er zu bestätigen, dass Aristoteles selbst sie vielmehr zur Er-
gänzung derselben als Lehrbücher für diese seine Schule geschrieben
hat. Dass zum Theil cHefte» von ihm, Stücke aus Zuhöremachschriften
und Peripatetikerzusätze eingeflickt sind, ändert an der Hauptsache
Nichts, und bei dieser Auffassung fällt ferner jede Hinderung fort einen
Theil der doppelten Recensionen schon auf die eignen Concepte des
Aristoteles zurückzuführen. Auch die (wie mehrere andere dieser
Schriften) unvoUendet gebliebene Thiergeschichte (von der nicht bloss
das 10., sondern, worauf wir unten zurückkommen, auch das 7. und
9. Buch nicht von ihm herrühren) war trotz Shute 's abweichenden
Auffassungen doch wohl fhr denselben engeren Leserkreis bestimmt,
um diesem vor der Benutzung der systematischen zoologischen Schriften
die erforderliche Beschreibung in die Hände zu geben. Damit fällt nun
aber auch das Ergebniss von Shute im 6. Cap. zusammen, dass, wo
nicht alle, so doch nahezu alle Selbstcitate erst von späteren Re-
dactoren, mindestens zum Theil erst nach Andronikos eingeschwärzt
80 Axistoteles. %
seiend). Freilich wird es Ar Denjenigen, welcher die vonShute anter-
nommene Ansähe glücklicher und auf Grund umfiassenderer Kenntnisse
und Betrachtungen von Neuem zu tösen versuchen will, dabei ein Haupt-
augenmerk sein mttssen die wirklich so entstandenen von den ursprüng-
lichen zu sondern. Dass in der nikom. Ethik die beiden Bücher über
die Freundschaft von Aristoteles als eine selbständige Abhandlung ge-
schrieben seien, folgt zwar noch lange nicht aus den theilweise spitz-
findigen und durchweg [widerlegbaren Gründen Shute's, ist aber
immerhin möglich; dass dann aber ihre Einfügung in dies Werk unge-
mein früh geschah, erhellt aus der Ethik des Eudemos, und nicht min-
der zeigt auch dessen Anschlass an die nikomachische, dass diese in
ihrem Grundstamm wirklich von Aristoteles selbst herrührte. Ganz ver-
fehlt ist m. Erachtens der Versuch von Shute das 7. und 8. Buch
alter Ordnung der Politik oder die Darstellung der absolut besten Yer«
fassung als eine gesonderte und gleich den Dialogen und Politien') zur
Herausgabe im Buchhandel bestimmte Schrift des Aristoteles darzustellen.
Er hat dafür keinen anderen Grund als die Vermeidung des Hiatus und
etwa noch überhaupt die Flüssigkeit der Darstellung. Dieser Grund
wird aber sofort hinf&llig, so bald man z. B. auf VI (IV) ii und auf
die Partien über die Monarchie im 8. (6.) Buch hinblickt. Man
sieht dann, dass er zu viel und folglich Nichts beweist: eine starke
Vermeidung schwerer Hiate ist überhaupt der Politik, Ethik, Rhetorik,
Topik eigen und liegt bei diesen populäreren Gegenständen wohl in der
Gewöhnung des Aristoteles von jungen Jahren an. Dass er überdies
aber gerade jenen Gegenstand für das grosse Publicum geeignet ge-
halten hätte, ist ihm doch nach seiner ganzen Art schwerlich auch nur
mit der geringsten Wahrscheinlichkeit zuzutrauen. Der richtige Sach-
verhalt wird sich uns weiter unten klar stellen. Wenn Aristoteles diese
beiden, übrigens wiederum unvollendeten Bücher wirklich zunächst ge-
sondert ausgearbeitet haben sollte, so geschah es wenigstens mit der
Absicht sie nachträglich in das Ganze einzufügen, in welchem nament-
lich (um nur dies hervorzuheben) das 2. Buch, demnächst aber auch
das 3., ohne sie keinen Sinn hat, ja sogar erst Sinn bekommt, wenn
sie unmittelbar auf das 8. folgen- Die übrigens im Zusammenhange
festsitzenden und völlig unverdächtigen Rückweisungen im 4. (6.) Buch
1289* 80 ff. 1298^ 1 ff. auf das 7. (4.) haben also nur eine unter-
1) Wie verfehlt der freilich nicht von Shute allein gemachte Versodi
ist das der theodekteischen Rhetorik im jetzigen 8. Bach der aristotelischen
1410 y>2f, auszamerzen, hat sich inzwischen gezeigt, s. Jahresber. L. S. 14.
*) Ich glaube, dass zu diesen von Aristoteles selbst fbr einen weiteren
Leserkreis herausgegebenen oder zu einer derartigen Herausgabe bestimmten
Büchern auch solche Sammlungen wie die Didaskalien und solche wie die
Hutfo^taf^ r9^¥&¥ gehörten.
AOgemelnM. 81
stützende Bedeutang'). Ton wirklidiem positivem Werth sind Shnte's
ErOrteningen im sechsten Cap. über das doppelte sogenannte 7. Buch
der Physik und doppelte 2. der Psychologie: hier steht er auf sei-
nem specieUen Studiengebiete. Nor hätte er die zwiefache Familien-
Überlieferung der Politik nicht in diesen Zusammenhang hineinbringen
sollen, die keine andere ist als z. B. in den drei Ethiken, der Oekono«
mik, den zoologischen Schriften^). Recensirt ist sein Buch von Benn
Academy 1888. No. 868. S. 322 f., R. D. Hicks Giassical Rewiew ü.
1888. 8.306—307, Herr Rev. crit. 1889. I. S. 20, 6. J.Schneider Berl.
ph. W.XI. 1891. Sp. 239— 243, POhlmann D.L.Z. 1891. 8p. 619f.
Das ebenso schöne wie wahrheitsgetreue, ebenso lebendige wie das
tiefiste Wesen vollständig zur Erscheinung bringende Gesammtbild, welches
2) R. Ettcken, Die Lebensanschauungen der grossen Denker,
Leipzig, Veit. 1890. 8. S. 66—120
von der Philosophie des Aristoteles entwirft, bedarf keiner weiteren Be-
sprechung. Wer sich irgend für die Sache interessirt, muss sein Buch
eben selber lesen, und er wird die reichste Belehrung und den edelsten
Genuss davon empfangen. Nur zwei Punkte kann ich hervorzuheben
nicht unterlassen. Eucken fahrt hier zum ersten Male die Schätzung
der aristotelischen Poetik auf ihr richtiges Mass zurück und löst zum
ersten Male das scheinbare Räthsel, wie es zuging, dass Aristoteles, der
Lehrer des Alexandres, dennoch in der Politik einfach beim griechi-
schen Stadtstaat stehen bleibt: man sieht jetzt deutlich, warum dies gar
nicht anders möglich war, und wie oberflächlich und verkehrt die sonst
so geistvollen Männer geurtheilt haben, welche den offenbarsten That-
sachen zum Trotz tiefgehende Sympathien für das neue makedonische
Reich in ihn hineindeuten woUten (vgl. Ber. XXX. S. 16 ff.). Ein sehr
wesentlicher Theil dieser Gesammtskizze erhält eine weitere Ausführung
in der Abhandlung
•
3) Aristoteles' ürtheil über die Menschen. Von R. Eucken. Arch.
f. Gesch. der Philos. III. 1890. S. 541—668.
Ueber die laxe Weise, in welcher Aristoteles gelegentlich Andere
citirt, handelt
') Die dritte 1290* 1 steht in einem meines Erachtens von einem alten
Peripatetiker eingeschobenen Abschnitt, beweist aber, wenn dies richtig ist,
wiederum nur» dass die neue Ordnung die ursprüngliche, die uns überlieferte
eine später, aber schon vor Areios Didymos eingerissene war.
^) Es ist stark, wenn man S. 118 liest: »The Latin translation ascribed
to William de Moerbeke foUows a text varying cpnsiderably from that of any
of the Greek MSSc. Gehören denn etwa P^ und Mb nicht zu den Greek MSS?
JabiMbateht Ar AltertomcwinMiiasliaft. LZVU. Bd. (1891. L) 6
4) E. Zeller, üeber du richtige Avffiuseiig eisiger emtoteliMlieB
Oute. SitnuBgeberiehta der Bert. Akad. 1888. S. 1388^1840.
So heisst es Top. IX, 88. 183^ 22 f. fieyearo^ yap Sisvc ^Jj^
TuarrS^^ wenep kij^xat^ obgleich das Sprttchwort lautete: dp^^ l^yLtau
iux¥r6i^ 80 ferner Met. I, 2. 983* 17 f. dät Sk eb rouymniov koI rd
ifjLeoßov xarä ri^v napotfuav dTtoreJieuTr^öat ^ iiin das Sprttchwort Seurepop
Sfua^y zu bezeichnen. So hätte es Pol. Till (Y), 10. 1312^ 4 f. sUtt
xaB* 'Uaiodov S»q xepafui xepafieu^ genauer a;^ xaV ^BaeoSov xspapsb:
xepatuT^ Eth. II, 2.^ 1105*8 statt ^ Bupwi, xaäänep ^ah* HpOKluzo^ ^ji-
neuer i^, xa&dnep fr^ah VpdxXetro^^ ßu/iät gelautet. So passt das CiUt
des Blas Rhet II, 13. 1389^ 22 f. (wo daher Römer napä fftr xarA^ aber
sonach mit unrecht vermuthete) xard n^w Blavroc ItTmB^xtjv xaH fdoZ-
Qcu WS fjua^orrec xol piaouatv <mc ftk^ßoyre^ nur auf ^tkmßaw we fuff^
covreg. So wird Met. I, 3. 984* Uff. genau so gesprochen, als ob
schon Anaxagoras den Ausdruck Sfioeo/iep^ gebraucht hätte. Nach die-
sen Analogien erklärt nun auch Zell er jetzt (im Anschluss an BOckb)
mit Recht die vielumstrittene Stelle de coel. II, 13. 293^ 30 ff. ivtot Sk
xul xeepgyr^v M rou xevrpoo ipaah alnr^v (näml. t^v yr^v) TkltaBat xal
xtvstaBat nspl rbv dtä rou TtoanbQ SeaTerapeuov ttoJIov, Stanep iv t^ Tt-
fial^ yiypanrat so, dass das Citat des platonischen Timaeos (40 B) nur
auf tkXeaBm mpl rdv-noXav und nicht auch auf xal xiveiaBou geht, und
dass unter den iytot nicht Piaton, sondern Herakleides der Pontiker za
verstehen ist Zeiler leitet diese Ungenauigkeiten daraus her, dass
Aristoteles aus dem Oedächtniss zu citiren pflegt, da wer dies thnt
leichter geneigt ist das Fremde mit dem Eigenen zu rermischen.
Zu der Untersuchung einer anderen Frage, nämlich wie weit Aristo-
teles eine zuveriässige (Quelle f&r die ältere Philosophie sei, giebt
8> P. Natorp, Aristoteles und die Ekaten. Philos. MonatshefU
XXVI. 1890. S. 1-16. 147—169
eioe9 Beitrag, welcher zugleich einen Commentar zu Phys. I, 2 f. 184^
26—187* 10 bildet und als solcher besonders für die recht schwierige
Partie von 186* 22 ab sehr willkommen ist Aber auch die Kritik der
Kritik des Aristoteles ist nicht minder verdienstlich. Wie weit sie ihrer-
seits im Besonderen auch noch wieder die Kritik herausfordern möchte,
kann hier nicht geprüft werden. Im Ganzen hat Natorp gewiss darin
Recht, dass die Beurtbeilung der Eleaten durch Aristoteles unter An-
wendung seiner Kategorienlehre mit felsenfester Ueberzeugung von deren
Anwendbarkeit zu diesem Zwecke noch viel angreifbarer ist als die elea-
tische Lehre selbst, und dass er das eigentUehe Gedankenmotiv, welches
den Parmenides zu dieser Lehre führte, nicht verstanden hat und nicht
verstehen konnte, weil seine eigne Gedankenwelt nicht an dasselbe hinan«
reichte. Aber ebenso gewiss scheint es mir andererseits: hat Aristoteles
▲llgeneines. 88
so weit diese Lehre anbist oriseh vergröbert, so hat Natorp sie in dem*
selben Masse unhistorisch verfeinert. Auch ich gUabe, dass dem Par^
menides sein Vergleich des Seienden mit einer Kugel wirklich nur Ver-
gleich, nur Bild war, aber die Deutung, er habe es vielmehr in der That
f&r kugelgestaltig gehalten, liegt keineswegs so weit ab vom Wege, wie
Natorp meint Gewiss hatte jenem Gedankenmotiv nach die Bezeich-
nung des Seienden als begrenzt gleich den anderen Bezeichnungen aov^
;if6C, nkdov iovTog u. s. w. nicht die räumliche Bedeutung, dass aber bei
Urnen allen sofort die Anschauung ins Räumliche umschlägt und das
Seiende keineswegs rein immateriell, sondern als absolut raumerftUend
gedacht wird, das hat Zeller nachgewiesen und Natorp am so weniger
widerlegt, da er es hinterdrein doch selbst wieder halb und halb zu-
gestehen muss. Dass die Begrenztheit des Seienden im Uebergang nach
dieser Seite hin den Parmenides in argen Widerspruch mit sich selbst
verwickelt, sieht Jeder, aber woher weiss Natorp, dass er diesen Wider-
spruch nicht begehen konnte? Kommen etwa Anaximandros, Piaton, Aristo-
teles mit ihrem kugelförmigen geocentrischen Weltgebäude nicht genau
in denselben Widerspruch mit sich selbst?*) und was sollte denn wohl
den Melissos bewogen haben in diesem einen Punkte von Parmenides
abzuweichen, wenn nicht ebendies, dass er von diesem Widerspruch
etwas merkte? Indem er nun aber das Seiende im offenbaren Anschluss
an Anaximandros vielmehr ftlr unbegrenzt erklärte, ward dasselbe nur
noch mehr ins Materielle hineingezogen, folglich aber der Widerspruch
nur um so grösser, wenn doch wieder andrerseits Melissos wirklich, was
freilich Zell er Ph. d. Gr. I.* S. 611 A. 2 mit triftigem Grunde be-
zweifelt, gesagt und nachgewiesen hat, das Seiende sei kein Körper. So
ist denn schliesslich die historische Zuverlässigkeit des Aristoteles trotz
Allem keine geringere als die Natorp's, vielmehr Alles in Allem ge-
rechnet eine grössere, und muss man ihm völlig so weit Recht geben,
als er in der angegebenen Richtung wirklich schon Dasselbe that, was
Zeller nach ihm, und sich doch durch dies Alles nicht abhalten Hess
vollkommen sachgemäss zu behaupten, Parmenides habe das Seiende
mehr begrifflich (ideell), Melissos mehr materiell aufgefasst. Wie viel
richtiger hat er ferner den Xenophanes und den Melissos verstanden
nnd gewürdigt als noch heutzutage Kern und Heinzel Wie völlig
^) Hat doch noch Piaton, wie seine wunderliehe Gonstrnction der vier
Elemente beweist, sogar den geometrischen Körper nicht voll und klar vom
physikalischen anseiDanderzuhalten vermocht! Davon hat freilich Dum ml er
Berl. pbiL Woch. XL 1891. Sp. 370 ff. bei seiner vermeintlichen Widerlegung
Baeumker's Nichts gemerkt Uebrigens war Vorstehendes schon niederge-
schrieben, bevor ich Zeller 's neueste Auflage vom 1. Bde. seiner Phil. d. Gr.
erhielt, und ich habe absichtlich Nichts geändert Mein Znsammen treffen mit
seinen Gegenbemerkangen I^ S. 564 f. A. 2 ist also ein völlig ungesuchtes.
84 Aristoteles.
zutreffend ist es, wenn er Beide im Vergleich za Parroenides als fuxpbv
dYpoix6x€pöt bezeichnet und den Melissos als einen etwas plumpen Den-
ker behandelt! Wie sehr er in letzterer Hinsicht Recht hat, ist erst
neuerdings durch die ausgezeichnete Dissertation von Pabst De Melissi
Samii fragmentis, Bonn 1889 völlig klar und zweifellos geworden. Na-
torp hat dieselbe offenbar noch nicht gekannt; sonst würde er, glaube
ich, eingesehen haben, dass der Vorwurf, welchen Aristoteles 186*8 — 13
dem Melissos macht, ein vollkommen gerechtfertigter ist'). AufNatorp*s
vortreffliche textkritische Behandlung einzelner Stellen kann ich erst
weiter unten eingehen.
Hier ist nun wohl auch der schickliche Platz die beiden Littera-
turttbersichten Zeller^s
6) Bericht Aber die deutsche Litteratur der sokratischen, platoni-
schen und aristotelischen Philosophie 1886, 1887. Dritter Artikel:
Aristoteles. Arch. f. Gesch. der Philos. U. 1880. S. 269—299,
7) Die deutsche Litteratur über die aristotelische Philosophie 1888.
Ebendas. III. 1890. S. 302— 820
vorläufig zu erwähnen, von denen ich im Folgenden vielfach werde Ge-
brauch zu machen haben. Desgleichen ist hier auszuführen der
8) Bericht über die academische Ausgabe der Aristotelescommen-
tare 1886—1889. Von Ivo Bruns. Ebendas. III. 1890. S. 699
bis 619.
Lediglich erwähnen kann ich hier:
9) Aristoteles in den Alexandersagen des Mittelalters. Von Wil-
helm Hertz. München 1889. 103 S. 4. (Abhh. der Mttnchener Akad.
L Gl. Bd. XIX).
Denn so interessant der Gegenstand ist, so liegt doch m. E. seine
Besprechung ausserhalb der Grenzen meiner Aufgabe. Wer sich über
ihn unterrichten will, möge die gründliche Abhandlung selber zur Hand
nehmen.
<) Bedenkt man nun überdies im Vergleich mit der DüHtigkeit der
eleatischen WeltaDschaoung den Reichtham der aristotelischen, welcher deo
Aristoteles lu so fielen bleibenden Entdeckungen auf den verschiedenstes
Gebieten geführt hat, so kann nach diesem Allen die Schlussbe merkung Na-
torp'sS. 169, seit Kant's Unterscheidung des ^at)ß6ß9vo¥ und yoouiuvov seien
uns die Eleaten &st näher als Aristoteles» doch wirklich nur als eine Pari-
dozie bezeichnet werden.
Allgemeines. Protreptikos. g5
Etwas anders steht es immerhin mit dem knrzen Aaftatz
10) Zur Chronologie des Streites der Griechen über Plato und
Aristoteles im 16. Jahrh. Von A. Oaspari. Arch. f. Gesch. d. Ph.
111. 1890. S. 50—58.
Gaspari sucht zu zeigen, dass die Schrift Gaza's Sn ^ ^4rtQ ob
ßoü^oeroi um 1456 oder wenig später erschien, wenig spftter auch
Bessarion^s Streitschrift gegen dieselbe de natura et arte, dass dann etwa
1459 Bessarion*s Schrift über die Substanz gegen Plethon npog xä n^^
Bw¥o^ nepl obaloQ und wenig spftter die Ton Gaza npog lI^Btuva uTtkp
^ApiaroTiXouQ hervortrat, und dass gegen diese letztere sich des Michael
Apostolios heftige Vertheidigung Plethon's npb^ r^c ^^ ^ApanordXouc ^t^pl
Quaias xarä D^Boßvoc SeoSwpou rou FaC^ dyrik^Siag (dvre^]^trc?) etwa
zwischen 1460 und 1461, spfttestens 1462 richtete. Gaspari giebt zu, da^
femer Georg Ton Trapezunt 1464 seine comparatio Piatonis et Aristotelis
gegen Bessarion veröffentlichte, obwohl Bessarion's Antwort in calumnia-
torem Piatonis erst 1469 aus dem Druck kam; aber er legt weiter dar, dass
sich Gaza^s dmpfn^nxov nicht gegen de natura et arte kehrt, sondern
vielmehr auf Bessarion*s Anregung (der inzwischen sich mit diesem jün*
geren, 1450 nach Rom gekommenen Manne befreundet hatte) gegen eine
uns unbekannte Schrift von Argyropylos wider eine Aeusserung fSessa-
rion^s, und dass in dem Briefe Bessarion*s an Argyropylos, in welchem
jener diesem Gaza^s Arbeit ankündigt, unter der dno^^r^a Imkp nkdrwvoQ
die 4 Bücher in calumniatorem Piatonis zu verstehen sind, Gaza^s dnop-
pi/lttxov folglich erst nach 1469 oder frühestens Ende dieses Jahres ans
Licht getreten ist.
Unter den verlorenen Schriften des Aristoteles ist der Protre-
ptikos Gegenstand folgender ausgezeichneter Abhandlung geworden:
11) Zu Aristoteles' Proteptikos und Cicero's Hortensius. Von
H. Di eis. Arch. f. Gesch. d. Phil. I. 1888. S. 477— 497.
In dem Bericht ftlr 1874/6 III. S. 850 habe ich mich dahin ge-
ftussert, dass Ilirzel Herm. X. S. 61 ff. »nicht ohne Erfolgt die Ansicht,
diese Schrift sei kein Dialog gewesen, vertheidigt habe. Jetzt muss ich
zugeben, dass Hirzers Gründe von Diels widerlegt sind, und dass es
ungleich wahrscheinlicher ist anzunehmen, Cicero's Hortensius habe auch
in dieser Hinsicht an ihr sein Vorbild gehabt^). Von hier aus sucht
7) Die Berufung von Diels auf die Kataloge der aristotelischen Schrif-
ten bei Laert. Diog. und dem Anon. Menagianus (Hesychios) scheint mir aller-
dings nicht zwingend, sondern mich dünkt: die ersten Nummern können
lauter Dialoge, können aber auch Dialoge und par&netische Schriften
sein. Aber freilieh umgekehrt: wenn der Protreptikos ein Dialog war, so
spricht kaum viel weniger als Alles dafQr, dass die erstere Annahme die rieh«
86 Aristoteles.
DUO Diels, nachdem er ftr den Hortensius aus Aognstin. SolUoqu. 1, 17
ein neues und die grosse Abhängigkeit Tom Protreptikos aafs Neue schla-
gend beweisendes Bmchstttck gewonnen und dem bisherigen Schwanken
gegenüber dargethan hat, dass das Fragment des Aristoteles bei Stob.
Flor. III, 64 wirklich aus dem Protreptikos ist^), genauer die Anlage
des Hortensius wiederzugewinnen und von dem Ergebniss her mit Hftlfe
eines Bruchstücks von lamblichos*) auch auf die von dem Protreptikos
des Aristoteles einen theilweisen Rückschluss zu machen. Mit vollstän-
digem Erfolg bekämpft er HirzeTs Annahme, dass Aristoteles sich bei
Abfassung desselben noch nicht vollständig von der platonischen Ideen-
lehre losgesagt habe. So viel ich zu sehen vermag, hat diese vielmehr
dem Stageiriten nie eingeleuchtet, wohl aber muss ich gegen Diels meine
früher (Jahresber. XXX. S. 92. A. 101) angedeutete und von ihm nicht
widerlegte Vermuthung festhalten, dass in Bezug auf die Psychologie
Aristoteles vielleicht noch in der, abgesehen von den Kategorien, ohne
Zweifel frühesten seiner erhaltenen Schriften, der Topik, auch im Inhalt
etwas platonisirt^O). Um so lebhafter stimme ich Diels in Bezug auf
die Frage bei, auf die ich schon früher Ber. III. S. 861 ff. L. S. 2 f. zu
sprechen kommen musste und wiederum oben bei dem Referat über
Shute*8 Buch einzugehen so eben genOthigt war. Der flüssigere und
blühendere Stil, welcher überhaupt in Werken wie Topik und Rhetorik,
Ethik und Politik im Ganzen und Grossen in Annäherung an den der
Dialoge herrscht, erklärt sich, wie schon oben gesagt, aus der popu-
läreren Natur der Gegenstände, aber er ist auch in den beiden letzteren
tige ist Geradezu peinlich berührt aber hat mich% um ganz offen zu reden,
dass Diels jetzt entgegen seioer früheren, allein wahrscheinlichen Ansieht
als Quelle dieser beiden Kataloge nicht Hermippos, sondern erst Andronikos be-
trachtet. Mit der Ausflucht, t die erhaltenen Auszüge hätten die ursprüngliche
Anordnung nur theilweise bewahrte, ist hier Nichts gethan; mag man das
noch so sehr zugeben, es müsste doch wenigstens irgend eine Spur von der
PragmatieueintheiluDg des Androulkos geblieben sein, während in Wahrheit
das Ganze nur eine einzige grosse Spur des Gegentheils ist. S. ausserdem
Babe De Theophrasti libris ntpl Xiftan S. S2f. Snsemihi Qriech. alez.
Litt. Gesch. I. S. 898. A. 69. II. a 802 f. A. 828. 3. 803 f. A. 888. S. 690 f.
*) In diesen hat es denn auch Rose In seiner neuesten Fragmenten-
Sammlung eingereiht = Fr. 67.
9) Bei Stob. Ekl. IL p. 19 f. Wachsm. Diels macht zu demselben
mehrere Yerbessernngsvorschläge.
^) Zu dem dort Hervorgehobenen füge ich hinzu, dass VI, 8. 189b 8ff
Platon's Definition der Seele benutzt wird. Allzu Tiel gebe ich freilich selber
auf diese Vermuthung nkht. Denn V, 7. 187^ ff. wird sogar auch die Ideen-
lehre benutzt, gegen die doch andere Stellen (VI, 6. 148^28 ff. c. 8. 147» 6ff.
c. 10. 148» 18 ff. YII, 4. 164« 18 ff. YIII, 11. 162» 26 ff.) sich richten.
Protrept. Politie d«ir Athener. Organoo. 87
Sehrifkeii kehi gleichmAssiger: in beiden (Diele eprieht Aur von der
Ethik) wie auch in anderen sind et nur gewisse Partien, welche diesen
Charakter rorwiegend an sich tragen, während derselbe in anderen zum
Theil völlig schwindet Diels verwirft gleich mir die beiden dafür Ter>-
snchten Erklämngen, Herübemahme ans den Dialogen und Ansarbeitnlig
fQr die Veröffentlichung ^i). Dass gerade in der Einleitung anr Meta^
physik sich dieser Stil zeigt, erklärt er allerdings im Besonderen darauf
dass der Gegenstand hier mit dem in der Einleitung des Protreptikos
zusammentrifft. Im Allgemeinen aber hält er den Grund dieser Erschei-
nung für den pädagogischen: Aristoteles gab seinen Zuhörern zunächst
ein Skelett seiner Lehre und suchte es dann durch solche populärere
Ausführungen mit Fleisch zu umkleiden und ihrem Verständniss und
Interesse näher zu bringen. Ich füge hinzu: und es war natürlich, dass
er dann ancb in seinen an diese seine Vorträge sich anschliessendeii
Lehrbfichem ebenso verfuhr. Diels zeigt aber fbrner auch an dem Bei^
spiel Ethik 1094» 22— 1096<^ 11^'), dass da, wo Aristoteles ^ich diesetä
Zuge flberlässt, sofort auch nicht bloss eine Annäherung an platonische
Form, sondern auch ausdrückliche platonische Reminiscenzen einantreten
pflegen, durch welche sich auch das allerdings auffallende, aber mit un-
recht angefochtene iupoi 8k ii dvSpe^av 1094^ 19 erklärt. Ganz dazu
stimmen nun aber auch die oben S. 8 angefahrten Beobachtungen, däss
zu diesen Partien in der Politik heben anderen gerade die Darstellung
der besten Verfassung und der Abschnitt über Untergang düd Erhaltnng
11) Gegen letztere Hypothese verweist er S. 497. A. 80 einfach aof meifae
Bemerkungen Her. L. S. a.
i>) Dass »hier der Zusammeuhaog abbrecfaec, kann Kh freilich tr»ts
der ansdrOckliehen Wiederaufnahme 2. 1095» 13 ff. von 1094* 1-22 nicht fin-
den, denn in ihr wird doch durch r^y noAtrai^y (Z. 15) zugleich auf 1094* 22
bis b 10 zurückgegriffen, und nicht minder ist doch auch das Folgende 1094^ Ü
bis 1095* 1 1 ?ielmehr fQr deh Zusainmenhang unentbehrlich, dehn erst so lerneä
wir das Wesen und diö Aufgabe der Ethik, ihre Methode, ihre Stellung iiä
Gesammtgebiet der Wissenschaften in ihi'em nnt annähernd wissensöhafilidetf
Charakter nach der Auffassung des Aristoteles Tollständig kennen. Aber der
Einsehob 2. 1095^ 31— b 13, in welchem ausdrücklich auf Plaiön zuirackge-
gangen und Verse des Hesiodos citirt werden, und welcher Oberhaupt erst
recht die bezeichnete Ausdrucks- und Darstellungsweise zeigt» uaterbrleht
wirklieh und zwar eingestaodenermassen (1096b 14) den Zusammenhang und
ist an dieser Stelle völlig ungehörig. Er ist, wie Bamsauer richtig empfand,
eine Art von anderer Recension von 1094» 22— b io, indem er sich mit einem
Theil des dort Gesagten deckt, dann aber freilich eine andere Wendung hiiliinf.
Ich zweifle nicht daran, dass beide Partien von Aristoteles selbst sind , der in
seinen Vorträgen wahrscheinlich früher die letztere, später die erstere Ver-
Bion gab und diese endgQltig in sein Lehrbuch aufnahm, worauf denn der
erste Redactor (und wir müssen es ihm danken) aneb die letztere nieht nm-
kommen lassen wollte und daher, freilich an verkehrter Stelle, dinfttgte.
88
der Tynimis gehören, also GegensOnde, bei denen sidi Aristoldes so
redit im platonischen Fahrwasser befindet
Die Berliner Fragmente Ton der Politie der Athener haben
jetzt ein Interesse nnr noch in Verbindung mit dem neuen, die ganse
gebildete Welt bewegenden Funde Tom grOssten Theile des Ganzen,
leh flberlasse daher die Besprechung der beiden letzten Abhandlungen
aber sie:
12) 2kl den Berliner Fragmenten der 'A&ipßohfv fmkreia des Aristo-
teles. Von Ulrich Wilcken. Hermes XXUL 1888. 8. 464-468.
13) E. Ferrari, I frammenti deUa politica di Aiistotele nel p^iro
GLXin del mnseo di Berolino, Padova, Bandi. 1888. 10 S. 8.
denjenigen Beferenten, welcher Aber die durch ihn hervorgerufene Sint-
flut von Lltteratur statt meiner in diesen Blättern Bericht erstatten wird,
während ich im Uebrigen, so Gott will, die Berichte Aber die aristo-
telische Lltteratur auch in Zukunft noch fortsetzen werde.
Ich wende mich also zu den logischen Schriften.
14) L. Haas, Zu den logischen Formalprindpien des Aristoteles,
Burgsteinfurt 1887. 88 S. 8.
ist mir nicht zugegangen, so dass ich ftlr diese auch die Meti^hysik
angehende Abhandlung auf den Bericht von Zeller Arch. U. S. 279 t
verweisen muss. Sie ist nach demselben sorgfältig gearbeitet und be-
schäftigt sich hauptsächlich mit dem Satz des Widerspruchs in einer nur
zu wenig AussteUungen Anlass gebenden Weise. Dagegen scheint der
sich hieran anknflpfende Versuch des Verf. dem Aristoteles noch ein
zweites derartiges Denkprincip mit gleicher Geltung, nämlich den Satz,
dass »Vorstellungen, welche als Theilvorstellungen des Denkobjects er-
kannt sind, mit diesem zu verbinden sindc (ungefähr = nota notae est
nota rei), beizulegen nicht gelungen zu sein, wenn auch Aristoteles that-
säcblich in seinen Beweisfährnngen nach dieser Regel verOhrt. Auch
16) T. Maguire Aristotle*s induction. Hermathena XV. 1889.
8. 1—20
steht mir leider nicht zu Gebote.
Einzelne Steilen der ersten und zweiten Analytik sind von
Bywater in dem unten No. 61 aufgeführten Aufsatz , einzelne der
Topik von
16) J. Zahlfleisch, Zu Aristoteles Topik 187* 8—20. 133^ 6.
Zeitschr. f. d. Osterr. Gymn. XLI. 1890. S. 301—304
besprochen. Bywater vermuthet Anal. pr. I, 22. 88*32 ttdpoo rnfdc^
Anal. post. H, 4. 91^3 nav f. Ijv (anders Bonitz) und Z. 10 Sn iar} (so
Organon. Metaphytik. gg
vielleicbt schon Bo6th., anders wiederum Bonitz). Zahlfleisch be-
merkt in Bezug auf Top. Y, 4. 188^ 5, es Hessen sich gegen die Bevor^
zugnng des Codex B vor A durch Waitz die gewichtigsten Bedenken
geltend machen (es wird abzuwarten sein, dass sie geltend gemacht
werden: die Frage ist schwierig), um so mehr aber verwirft er es, dass
Waitz hier gegen beide Codices ixaripw vertheidigt. Man muss sich
aber billig yerwundem, dass Zahlfleisoh hier nur auf Waitz Rflck-
sicht nimmt und nicht auf die eingehende Auseinandersetzung von Bonitz
Aristot. Stud. lY. S. 866 f., der es überdies für nOthig hält so zu schreiben:
i C^v (Z<ixi^ AB) iartv ixariptp [r^] (r^ AB) aoiißeßrjxivai. Femer Y, 7.
187* 8—20 bekämpft Z ahlfleisch einerseits Pacius, welcher die ganze
Beispielsreihe 12. olov — 18. ^tov streichen wollte, andererseits wiederum
Waitz in Bezug auf dessen durch diesen veranlasstes Yerfahren mit dieser
Stelle, indem er eine andere Erklärung im Anschluss an ZelTs lieber-
Setzung vertheidigt. Ich kann hier nicht auf diese Frage eingehen.
Dazu kommen die Ausgaben Bussels von der Einleitung und dem
Commentar des Porphyrios und dem Commentar des Dexippos zu den
Kategorien:
17) Commentaria in Aristotelem Oraeca edita consilio et auctoritate
academiae litterarum regiae Borussicae. Yol. lY. pars I. Porphyrii
Isagogen et in Aristotelis Categorias commentarium ed. A. Busse.
Berlin, 6. Reimer. 1887. LY, 182 S. Lex. 8.
18) Commentaria etc. Yol. lY. pars II. Dexippi in Aristotelis Cate-
gorias Commentaria ed. Ad. Busse. Berlin 1888. IX, 106 S. Lex. 8.
Da indessen dieser Bericht es zunächst nur mit Aristoteles und
nicht mit seinen Commentatoren zu thuu hat, da ferner ein auch nur
einigermassen brauchbares Referat über diese ausgezeichneten Arbeiten
einen beträchtlichen Raum einnehmen und doch nur das von ßruns
(s. No. 8) in dem seinen vortrefflich Dargelegte wiederholen würde, so
darf ich mich wohl begnügen auf letzteres zu verweisen, in welchem
Jedermann, der eine vorläufige Auskunft sucht, dieselbe in völlig ge-
nügendem Masse finden kann. Mit Recht ist nach dem griechischen
Text der Einleitung auch die Uebersetzung des BoSthius in neuer Re-
cension beigefügt. Nur ganz kurz sei auch hingewiesen auf die ita-
liänische Uebertragung der Isagoge:
19) Porfirio. Isagoge o introduzione alle categorie di Aristotele
tradotta per la prima volta in Italiano e annotata da Ernesto Passa-
monti, Pisa 1889. XYl, 90 S. 8.
Sie schliesst sich selbstverständlich an die Ausgabe von Busse
an, deren Einleitung von dem Uebersetzer in der seinen sorgfältig be-
nutzt ist. Dann werden zunächst eine Uebersetzung von Eunapios' Leben
90 Aristoteles.
des Porphyrios (S. 8—6) und Bemerkungen zu demselben (S. 9-25) vor-
aufgeschickt, und hierauf folgt nach einer Inhaltsflbersicht (S. 29 — 32)
die Uebersetzung der Isagoge (S. 83—58) und der recht brauchbare
Commentar (S. 67 --90). Um über die Uebersetzung urtheilen zu kOnnen,
bin ich der italiänischen Sprache zu wenig mftchtig.
Da die aristotelische Lehre von der Materie doch zunächst einen
Theil seiner gesammten Principienlehre bildet, wenn auch nur auf der
Orenzscheide gegen die Naturphilosophie, so wird hier im Uebergange
zur Metaphysik der schicklichste Platz sein der neuesten, im höchsten
Grade anerkennenswerthen Behandlung jener Lehre bei
20) Clemens Baeumker, Das Problem der Materie in der
griechischen Philosophie, Münster, Aschendorff. 1890. 8. 8.210-293
zu gedenken. Einen Auszug geben zu wollen ist aber wiederum ebenso
unmöglich wie unnöthig. Hier kann eben wieder nur die eigene Lectftre
dringend empfohlen werden^').
Ebenso überflüssig scheint mir an dieser Stelle jedes nähere Ein*
gehen auf
21) Aristoteles Metaphysik übersetzt von HermannBonitz. Aus
dem Nachlass herausgegeben von Ed. Well mann. Berlin, O.Reimer
1890. lY, 821 S. 8.
Man kann nur das Eine bedauern, dass es nicht möglich gewesen
ist, eine neue Auflage der Ausgabe mit einigen zeitgemftssen Yerbesse-
mngen in Text, Varianten und Commentar i^^) zu veranstalten und dieser
die Uebersetzung Seite für Seite beizugeben. Dann würde sich die
letztere erst recht bequem nutzbar gemacht haben, und das wäre hoch
anzuschlagen gewesen in unserer jetzigen Zeit, in welcher man beinahe
in Verzweiflung geräth über Alles, was man lesen soll und mnss. Der
Herausgeber hat mit Umsicht und Geschick die Lücken des Manuscripts
ergänzt, die Uebersetzung nach dem Commentar berichtigt und in kurzen
zweckmässigen Anmerkungen hierüber und über die erheblichsten Ab-
weichungen von dem überlieferten Text Auskunft gegeben. Uebrigens
vergl. die Anzeigen von Wohlrab Litt. Centralbl. 1891. Sp. 371 f.,
Döring Woch. f. kl. Ph. XI. 1891. Sp. 617 — 619, Natorp Philoö.
Monatsh. XXVII. 1891. S. 620f.
i<) Auch Dumm 1er ertbeilt in seiner schon A. 5 angeführtes Recen-
sion voD Baeumker's Buch Berl. ph. Woch. XL 1891. Sp. 339—^42. 370-376
diesem Abschnitte desselben seinen vollst&ndigeu Beifall.
18b) Dass es auch für diesen trotz all seiner Vorzflglichkeit nachgerade
hie und da derselben bedarf, wird ja wohl hoffentlich Niemand mehr leugnen.
Auf einzelne Irrthümer habe ich Woch. f. kl. Ph IV. 1887. 8p. 6 ff. hinge-
wiesen. Im Uebrigen s. die folgende Besprechung von Natorp's Abh.
Metaphysik. 91
Die sebarfsinnige und gründliche Abhandlung
22) Thema und Disposition der aristotelischen Metaphysik. Von
P. Natorp. Philos. Monatsh. XXIY. 1888. S. 86—66. 540—674
hat das grosse Verdienst, dass Natorp in ihr einer Reihe wichtiger
Fragen scharf ins Gesicht blickt, welche bisher theils ttberhaupt noch
nicht, theils wenigstens noch nicht mit der nöthigen Bestimmtheit und
Entschiedenheit aufgeworfen waren. Aber über seinen Lösungsversuch
hatte Ich mir bereits ungefähr dasselbe ürtheil wie Zeller gebildet,
bevor ich noch dessen Entgegnung Archiv für Geschichte der Philo-
sophie n. S. 264 - 271 (vergl. oben No. 6) las. Die Grundfrage
besteht in dem unleugbaren Widerspruch, dass die npayrr^ ipikoaoipta
einerseits die Lehre vom Seienden als solchen oder von der Substanz
und doch andrerseits wieder nur die von der höchsten Substanz
oder von Gott, einerlei also mit BeoXoyexi^^ sein soll. Natorp glaubt,
Aristoteles könne diesen Widerspruch nicht begangen haben, und ent-
fernt daher Tor aUen Dingen das betreffende Sfttzchen VI, 1. 1026* 18 f.
uMns—BeoXopxi^ nebst 21 f. xal—elvue^*). Zeller dagegen zeigt, dass dieser
Widerspruch gerade der Grundwiderspruch der ganzen aristotelischen
Philosophie ist, dass diese Satzglieder sich ferner gar nicht entbehren
lassen, dass Natorp die ganze Stelle von Z. 10 ab falsch erkl&rt, und
dass, auch wenn man (s. u.) das ganze 6. Buch dem Aristoteles ab-
sprechen wollte, doch der Sache nach Dasselbe, nur ohne den Namen
BeoXoyexi^^ auch schon A. 2, 982^ 28 ff. 983* 6 ff., desgleichen im 12. Buch
und Psych. I, 1. 403^ 9 ff. gelehrt wird. Eng mit dieser Grundanschauung
1«) In Z. 14 entscheidet sich Natorp S. 48f. A. 18 mit Christ fAr
Schwegier's Conjectur x^ptarä, obgleich er einsieht, dass mit ihr eine neue
Schwierigkeit an die Stelle der alten gesetzt wird, vielleicht eine grössere,
wie gerade aus dem künstlichen Versuche Natorp' s sie zu beseitigen hervor-
gehen könnte. Der natflrliche Sinn der ganzen Stelle kann meines Erachtens
nur sein: die Gegenstände der Physik sind nngetrennt uod bewegt (d. h. ab-
gesehen von den Gestirnen auch veränderlich, wandelbar), die der (reinen)
Mathematik (rijg dk fia^fiaTu^i iuta) zwar unbewegt, aber doch nicht eigent-
lich getrennt (od x^P^^o. d' tawg)^ die der Metaphysik sowohl unbewegt als
getrennt (denn dies bedeutet hier Z. 16 xal — xal und nicht »auch -- undc,
wie Natorp S. 49 will, s. Zeller 8 269), d. h. wenn man x^ptaröiß mit
Natorp als »getrennt (oder richtiger trennbar) vom Stoff lichenc auffassl.
Allerdings aber hätte es dann vielmehr dxatptara xal dxit^ra heissen mOssen,
ond 80 ist denn doch wohl Schwegier's Vermuthung richtig, nur aber mit
der Erklärung Zell er 's S. 267. A. 1, nach welcher x'^ptoröv nur das FOr-
sichseiende oder Substanzielle bedeutet, denn so sind freilich auch die körper-
lichen Dinge, wenn auch nur in zweiter Linie, als ywptüxd zu bezeichnen.
Mit Recht aber nimmt Natorp Anstoss an älX ätg iv dX^, das doch wohl
kaum beieichnen kann, dass nur unsere Abstraction diese Gegenstände vom
physikalischen Körper trennt. Sollte also nicht dieser Zusatz au streichen seinV
92 Aristoteles.
Natorp's hängt es nun aber auch zusammen, wenn er sieh die eigent-
liche Metaphysik so construirt, dass nach den einleitenden Büchern
A B r die wesentliche Masse durch Z H 0 und M N A gebildet werde,
dergestalt, dass sogar wirklich alle Aporien hiermit erledigt sein sollen.
Zu einem ähnlichen Ergebniss war schon Christ gelangt, nur dass dieser
noch E stehen Hess und Z als ursprünglich für sich ausgearbeitet be-
zeichnete. Allein wiederum hat Zell er wenigstens für mich überzeugend
dargethan, dass M N^ wenn überhaupt anfänglich für den Zusammenhang
der Metaphysik geschrieben, doch später von Aristoteles, indem er bloss
A, 9 für denselben aus ihnen herausnahm, aus ihr ausgeschieden wurden
und als eigene Abhandlungen nur noch eine ergänzende Bedeutung für
sie behielten, ähnlich wie für die Rhetorik das jetzige 8. Buch der
letzteren, also ganz richtig ihre Stelle als Anhang am Schlüsse bekommen
haben, und dass allerdings das 12. Buch (^i), jedoch nur dem Inhalt
des zweiten Theils und nicht der Form nach, den Schlussstein der Meta-
physik bildet, aber doch von Aristoteles noch nicht für sie geschrieben
ist. Auch dies Buch steht folglich, wenn es einmal zur Ergänzung für
das unvollendete Werk gebraucht werden sollte, an seinem richtigen
Platze, und mit gleichem Becht ist unter derselben Voraussetzung ihm
das 10. (I) voraufgeschickt. Die Einschiebung nicht bloss der beiden un-
ächten Bücher II. XI, (aK)y sondern auch des an sich ächten Compen-
diums J ist natürlich, wann immer sie geschehen sein mag, eine grobe
Verkehrtheit, und so sind wir denn zunächst auf die Brandis-Bonitzsche
Ansicht zurückgeworfen, dass uns die eigentliche Metaphysik, so weit
Aristoteles sie ausgeführt hatte, in A B F E Z H 0 {!) vorliege. Allein
nicht blos darin stimme ich Natorp bei, dass das letzte Capitel von B
mit Christ als Interpolation anzusehen ist, und dass das 10. Buch (I)
eine selbständige Abhandlung war, welche Aristoteles zu einem Theile
der Metaphysik umzuarbeiten durchaus nicht die Absicht hatte, sondern
ich komme ihm auch darin nahe, dass ich vom 6. (£), wenn es wirklich,
wie ich glaube und vom 1. Cap. auch Natorp glaubt, von Aristoteles
ist, etwas Aehnliches annehme. Indessen zeigt Zeller, dass immerhin
schon Theophrastos es aller Wahrscheinlichkeit nach an seinem jetzigen
Orte kannte, und auch wenn man es aus demselben entfernt, fehlt doch
der formale Anschluss von Z an i^ ^ I\ Dass die RecapituUition im
Anfang von 9 femer eine andere Abfolge der Capitel in Z voraussetzt,
bemerkte schon Essen, und allem Anschein nach hat Natorp die
richtige hergestellt: 1^6. 10—14 (nebst Schlusssatz von 16). 17. 7—9.
16. 16, aber er selbst nennt dies doch nur (S. 566) »eine wenigstens e^
trägliche Gliederung«. Mir scheint endlich Schwegler^*) annähernd
1*) Schwegler'8 Ausg. der Metaph. hat das Unglück gehabt sehr bald
nach ihrem Erscbeioen durch die von Bonitz übertroffen und in den Schatten
gestellt zu werden, und darüber ist der bleibende Wertb, welchen sie trotz
Metaphysik. 98
Recht darin zu haben, das 8. Boch (ß) bezeichne sich zwar als Fort-
setzung des 7., sei aber in Wahrheit mehr eine andere, nnd zwar frag-
mentarische Bearbeitung derselben Gegenstftnde, wenn es sich auch da-
durch unterscheide, dass es gern die Begriffe ßhj und slSo^ mit Suuaiuc
und iydpyeea vertausche, und insofern allerdings die Brttcke zum 9. Buch
bilde. Wirklich endgültig ausgearbeitet waren also von Aristoteles wahr-
scheinlich nur erst die drei einleitenden Btkcher ABF. Mit diesen
allerdings erheblichen Modificationen wird sonach an dem Ergebniss von
Brandis festzuhalten sein. Auch mit Hinzunahme von A M N sind nicht,
wie Natorp nachzuweisen sucht, alle in B aufgeworfenen Probleme ge-
lost. Dass es gerade in Bezug auf die wichtigste dieser Aporien: »Gegen-
stand der Erkenntniss ist das Allgemeine, und doch ist das Wirkliche
Einzelsttbstanzc nicht der Fall ist, muss im Grunde Natorp selbst
(S. 660) zugeben. Er hat ja Recht: gelöst ist sie eigentlich in der
aristotelischen Philosophie überhaupt nicht; allein es fehlt ja in unserer
Metaphysik auch deijenige Lösungsversuch, den Aristoteles von seinen
Voraussetzungen aus folgerichtig geben musste, siehe darüber Ber. L.
S.4ffJ«)
In Bezug auf das U. Buch {K) gehöre ich zu Dei^jenigen, welche
dasselbe auch seinem ersten Theile nach für unächt halten, für einen
paraphrasirenden Auszug desselben Peripatetikers aus B F E, dessen
Werk auch der zweite Theil, das Excerpt aus der Physik, ist, und nicht
für einen Entwurf des Aristoteles zu jenen drei Büchern. Um so er-
freulicher ist mir die eindringende Beweisführung Natorp^s in einer
zweiten Abhandlung:
23) Ueber Aristoteles* Metaphysik Af, 1—8. 1066* 26. Arch. f.
Gesch. d. Philos. I. 1888. S. 178-198,
wenn ich auch nicht gerade jedes Wort unterschreiben möchte. Durch
ihrer Mftogel neben der letzteren behält, noch heute nicht zu seiner wohlver-
dienten Anerkennung gekommen. Man sieht dies wieder einmal recht deut-
lich daran, dass Natorp die allerdings richtige, jedoch schon von Seh wegler
vorgeschlagene Umstellung von IV, 2. 1004* 2 xaJ— 9 fioä^ftamp ?or 1003^ 19
dKa¥TO£ als etwas ganz Neues vorträgt, nachdem Christ, gleichfalls ohne
jenen Fingerzeig Schwegler's zu berücksichtigen, zu 1008 1> 22 schrieb:
»ab Bld&¥ primum scriptor ad lOOi* 2 transiisse videtur omissis quae inter-
iecta sunt et xal rd iy 1004« 6c .
i<) Gleich der Gottheit, den Gestimgeistem und den ewigen Theilen
der Menschenseelen sind auch die an die Stelle der platonischen Ideen tre-
tenden ewigen Formen aller Arten von EIrdendingen , also alle substanziellen
Gegenstände der Erkenntniss zugleich allgemein und einzeln. Die letzteren
sind freilich nur A6r^ ;|fa»/>c<rr<£ (Met. VllI, 1. 1042» 26 ff.), aber damit hören
sie ebensowenig auf Substanzen zu sein wie die an ihre ätherischen Körper
gebundenen Gestimgeister: x^P^^^ bedeutet hier »trennbare im engeren Sinne.
94 Aristoteles.
die Annahme, dass beide Stflcke von demselben Excerptor herrOhren,
scheint es sich mir am Leichtesten zu erklären, dass in so ganz an-
passender Weise auch das zweite hierher gerieth, und was Natorp
S. 193 gegen dieselbe bemerkt, beweist Nichts weiter, als dass freilich
Christ mit Unrecht an einen inneren Zusammenhang zwischen beiden
Theilen glaubt. Es ergiebt sich nun hieraus, dass allem Yermnthen nach
dieser Peripatetiker B F E in ununterbrochener Folge vor sich hatte
und J also damals noch nicht zwischen /' und E eingefllgt war. Wohl
aber fand dieser wahrscheinlich ziemlich alte Peripatetiker, wie Natorp
selbst in der ersteren Abb. S. 66 hervorhebt, sonach nicht bloss wahr-
scheinlich, sondern sicher £ schon am jetzigen Platze und las dort
1. 1026* 18 f. bereits (7 1064^ 1 ff.) jene von Natorp, wie gesagt, ver-
geblich verdächtigten Worte, so dass auch dies einen erheblichen An-
halt zu ihrer Yertheidigung giebt, wenn es eines solchen überhaupt noch
bedOrfte.
Eine Reihe einzelner Stellen ist in den Aufsätzen
24) Zu Aristoteles' Metaphysik. Von J. Zahlfleisch. Zeitschr.
f. d. österr. Gymn. XXXVIII. 1887. S. 249—252,
25) Zu Aristoteles' Metaphysik. Von J. Zahlfleisch. Ebendas.
XL. 1890. S. 973 -977,
26) Bemerkungen zu Aristoteles' Metaphysik. Von Göbel. Soest
1889. 4. (Gymnasialprogramm). S. 8— 12
abgehandelt. In dem zweiten derselben beschränkt sich Zahlfleisch
auf Ay in dem ersten bewegt er sich besonders gegen Schwegler inner-
halb Z. Göbel befasst sich voll Sachkenntniss und gutem Urtheil mit
A B r ä Z I. Zeller in seiner Besprechung von Christ's Ausgabe
a. a. 0. S. 260 — 264 theilt eine Reihe von kritischen Bemerkungen za
A I A mit. Ich gebe danach folgende Uebersicht.
A, 1. 981^ 5. Zahlfleisch müht sich aufs Neue ab das lieber
lieferte zu vertheidigen, m. £. vergeblich: ich halte den sehr einfachen,
von mir gemachten Verbesserungsvorschlag ao^wrepous (^tooq awp^
Tipoog\ durch den zugleich jeder Anlass zu weiteren kritischen Experi-
menten schwindet ^^), für weit sachgemässer als alle solche Künsteleien.-^
26. tüpvjToi — 29. i^dvreQ soll nach Zahlfleisch für den Zusammen^
hang (den es vielmehr verdunkelt) unentbehrlich sein: ich habe Ben
XXX. S. 25. XLII. S. 18. A. 26 den Grund dargelegt, der aber freilich
wiederum noch nicht bis zu Zahlfleisch durchgedrungen ist^^), wess-
17) Ob man 2 ro^;— 5 i&o^ als ursprünglich festhalten oder als späteren
Znsatz des Aristoteles ansehen soll, lasse ich jetzt dahingestellt.
1®) Leider auch nicht bis zu £. Well mann. Auch meine Vermuthang
XU Z. b ist Ber. XXX. 8. 25 und an einem andern, ebenso wenig entlegenea
M«t*ph78lk. 95
halb dieser Zusatz eines Redactors saohlieh falsch ist — 2. 082* 18.
Zahlfleisch vertheidigt mit nicht mehr Glück (was ich hier freilich
nicht beweisen Icann) das von Baumann, Gomperz, Christ mit
Recht gestrichene rwv ahewu, — ^16. Wenn Aristoteles wirklich hier
anch die andern Gestirne genannt hat, so ist freilich mit Zahlfleisch
ans £ xal nsp} äarpa zn schreiben, aber ich bezweifle sehr, dass ihm
die Rechtfertigang dieses Zusatzes gelungen ist — 3. 984* 14. [xaBdnsp
odwp xal nup]? Susemihl Ausg. der Oekon. S. 87. Zeller in der
unter No. 4 besprochenen Abb. S. 1337 sucht diese Worte durch fol-
gende Erklärung zu halten: tAnaxagoras behauptet von allen gleich*
theiligen Körpern das, was nach Empedokles nur von den Elementen,
wie Feuer oder Wasser, giltt, ist aber selbst in Zweifel, ob diese Er-
kiärung möglich sei. — 16. änXa^c (f. dX^cjc) Zell er. — 4. 985^ 9. xa-
y^y (i^TToy^ Zell er nach Theophr. b. Simpl. Phys. p. 28, 11 ff. — 6.
987*26. npwxtp Göbel (ist das nöthig, und wenn ja, dann nicht viel-
mehr nputroi^?). — 6. 987^22. <xa<> rouc dpi^fiouc Asklep. (vielleicht
anch schon Plotiu. Y, 4, 2. 618 A), zweifebd gebilligt von Susemihl
a. a. 0., entschieden empfohlen von Göbel, s. indessen Zeller, wel-
cher bei [vä £%] bleibt. - 28. [iv] oder weniger wahrscheinlich (fj) iv
Göbel (wohl mit Recht). - 34. [£$w xiuv npwrwv] Zeller (wohl mit
Recht). — 8. 990* 16 f. Uyauat nsp\ rtt/y aloBi^rtuv^ Mkv fiäXXov ^ nepl vw¥
pta&i)fjLarcxu)v kiyooat awp.dT<o¥ Göbel (mindestens sehr beachtenswerth). —
24 ff . Zeller bleibt bei seinen früheren Vorschlägen (vgl. auch Su-
semihl a.a.O.), es fragt sich aber zum Wenigsten sehr, ob nicht jetzt
vielmehr Göbel's Umstellung von 27 8tä rb — ixdffrotg vor 24 Sri das
Richtige getroffen hat. ~ 9. 992* 20 f [ood^dpi^puds] Zeller. — 29.
räQ (aUa^y Susemihl (vgl. £*, 996*38), r^c (jroiT^rtxägy Zell er (vgl
IX, 2. 1046^3): ich ziehe auch jetzt noch das Erstere vor. — 10.993*
19 f Göbel will aus £ aapxbc^ aus A^ fii^Sevdg behalten, die Genetive
von röit koyoy abhängig und Ixcunov zum Prädicat machen (mir nicht
aberzeugend, ich glaube mit Christ an eine starke Yerderbniss). —
B, 2. 996*33. abvä Göbel (richtig). - 4. 1004^ 14 ff. Ob Göbel die
Yerse des Empedokles richtig erklärt, kann hier nicht untersucht wer-
dett. — /; 2. 1003^ 21 ff. Natorp (Monatsh. XXIV. S 44 f. A. 11) prote-
stirt mit vollstem Recht gegen die Aufnahme von 21 ^ ov aus A^ hinter
Sino^ und (wie schon Schuppe, Die aristot. Kateg. S. 83 Anm.) gegen
die von vä da aus Alex, statt rd Te, verlangt 1004* 6 die Herstellung
von fyw aus A^ yp. Alex, und vermuthet dann hier r^ Sv [xai rö iv]
Ort, D&mllcfa hinter meiner Ausg. der Oekon. su finden. Wer Qber diese Dinge
schreiben will, sollte doch zum Allerwenigsten erst diese Berichte und den
Teubnerschen Aristoteles, so weit er erschienen ist, sur Hand nehmen. Ckrist's
Ausg. der Metaph. scheint auch Göbel noch unbekannt su sein, während
2ahlfleiseh sie beautst.
96 Aristoteles.
im Anschlnss an Christ (zn 1003^ 22), Alles mit gleichem Recht. Nicht
minder mit gutem Grunde zweifelt er (S. 41. A. 6) daran, ob Alex, selbst
das von Bonitz und Christ aus ihm eingeschobene xou rJiv roorotc
dvTixeifidifwif 1003^ 86 gelesen hat, und findet, dass die auch von Suse -
mihi a. a. 0. verdächtigten Worte 1003^ 86 a^^döv — 1004*2 ivav-
TcMv hier nicht recht am Platze seien. Endlich (S. 46. A. 18) verlangt
er wiederum gleich Susemihl die Tilgung von 1004* 32 Sn€p—iX£;[Bij
nach A^ und ]rp, rc. E. Ausserdem beweist er, dass 1004* 2 xa2 — 9
/iv^fAüfftv (nach Schwcgler^si*) Vermuthung) unmittelbar vor 1003^ 19
SnaißTo^ umzustellen sind. — 4. 1006* 26 — 28. Göbel sucht zu zei-
gen, dass nur die letzten Worte Sjore — fyot beseitigt werden müssen,
die ersten aber ÜElr den Zusammenhang nicht zu entbehren seien. Dieser
Versuch hat von vornherein alle Wahrscheinlichkeit gegen sich, denn
da der Zusatz ganz in A^ steht und ganz in £ fehlt, verlangt eine ge-
sunde Methode, dass er entweder ganz erhalten oder ganz gestrichen
wird; dieser Versuch scheitert aber auch schon daran, jedoch keines-
wegs bloss daran, dass so Z. 29 nicht ody, sondern umgekehrt yäp am
Platze wäre, wogegen o5v nach Tilgung des ganzen Einschiebsels richtig
den erst hier beginnenden indirecten Beweis einleitet — J, 2. 1013^ 25.
Oöbel vertheidigt mit Grund die Lesart rä S' äXXa, — 1014* 7.
Göbel will mipä vertheidigen, schwerlich mit Erfolg. — 15. 1021*5.
Göbel sucht den Anstoss, den Bonitz an 6 yhp dpSfihg ai»yipjsx(>aQ
nimmt, zu beseitigen. -- £, 1. 1026* 15 [d^^^-S^jj^]? Susemihl, s. oben
A. 14. — Z, 1. 1028* 32. Göbel zeigt, dass xa\ ipbati aus H^ vor xa2
Uyifi einzusetzen ist*). — 4. 1026*» 21 f. [Söt— fv]. 27 f. [r/ ij''""^"^^^'
äwu\ 29. 1080* 3. [^ r^— i^ o&] Natorp (8. 663. A. 61) mit vollem
Recht — 8. 1083^ 15. 21 ff. Auf die (ttbrigens richtigen) Bemerkungen
von Zahlfleisch gegen Schwegler kann ich hier nicht eingehen. —
1034* 17 f. Vergeblich sucht Zahlfleisch naX rh nop an diesem Platse
zu vertheidigen. — 21. Richtig vertheidigt er dagegen Jj ix iidpooQ» —
10. 1036^33. Zahlfleisch irrt: Bonitz hat richtig xa\ r^c S^c ver-
doppelt. — 1086*6. Zahlfleisch irrt wiederum: es ist jetzt richtig
xartXBovxeQ aus E A^ hergestellt — 12. 1037^ 21. Hier hat Zahl-
fleisch gegen Schwegler Recht — 13. 1038^23. Hier gilt ein Glei-
ches, aber mit Recht ist elSei von Brand is gestrichen. Fttr das von
Bonitz getilgte obaia vermuthet Innes, wie schon Ber. L. S. 6 be-
merkt ist, oZaa. — 16. 1040* 14—21. Die Auseinandersetzung von
Zahlfleisch lässt sich nicht in der Kürze wiedergeben und besprechen. —
32. Zahlfleisch verwirft die Aufnahme von del vor ^avg aus H^:
») 8. A. 16.
SO) Dies ist sicher in Hb keine blosse alte Coigectnr. Also ist Hb un-
abhängig von £ und Ab and muss folglich neben beiden flEkr die Herstellung
des Textes mit herangeiogen werden. Ein Gleiches dOrfte von T gelten.
Metaphysik. NatnrwineBSchaftl. Schriften. 97
ffrfj soll heissen, dass die Sonne sieh über den Horizont oinherbewegt,
favJT, dass sie aufgeht Aber ist das möglich? — 9, 8. 1047*9. Auch
Zeil er hfllt die Lesart Ton T ire a»c für die wahrscheinlich richtige. —
4. 1047 b 3. Zell er hält an seiner Sitznngsber. der Berl. Akad. 1882.
5. 165 f. entwickelten, von Christ nicht erwähnten und auch von mir
ftbersehenen Vermuthung el d' iazl^ rb elpr^fUvov^ Suvarbv ^ (dSuvarov
fi^y dxoXoü&6( mit gutem Grunde fest — /, 1, 1053* 18. [xal ^ nXsi/pd]
xax ^yibvi nvd, oiov xb di^Xiov Göbel nach den Spuren von A^ und
vielleicht Pseudo - Alex, (was in unseren Texten steht, ist jedenfalls ver-
kehrt). — ii, 1. 1069» soff. Von den beiden durch Averroes (s. Ber.
XLVI. S. 248) erhaltenen Lesarten bei dem ächten Alex, trifft die eine,
welche Z. 80 f. ^ p.hv ^Baprii und Z. 82 ^ 8* dßtog giebt, mit der Con-
jectur Christas zusammen, aber mit Alex, ziehen Freudenthal und
Zell er richtig die andere vor, welche dort ^ fiky ^ßapr^ fj S* deSeoQ
hat und hier i^ 6* dcBtog weglässt — 6. 1070^ 31. dvbpwmp avBpwnoQ
(was nicht, wie Christ angiebt, Bonitz, sondern Zeller zuerst ver-
muthete) ist durch den ächten Alex, bestätigt — 1074» 12. uXij <9) ^^^
Zell er. — 20. Zeller empfiehlt rä mit A^ wegzulassen. — 6. 1071^
34. odS' <,e/ (odt.y rijv alr/av Zeller, ob8k <to5 io8iy Ti)v ahtav
Schwegler schon vor Christ — 10. 1075» 19ff. Zeller erklärt sich
dagegen, dass Christ 19 dW ~ 28 iarev zwischen Asterisken ge-
setzt hat, vermuthet aber, dass 22 dp^i^ hinter 23 ^^uaiQ umzustellen
sein möge.
Noch ist kurz die Ausgabe vom Commentar des Asklepios zu
den sieben ersten Büchern zu erwähnen:
27) Commentaria in Aristotelem Graeca edita consilio et auctoritate
acad. litt. reg. Boruss. Y. VL P. IL Asclepii in Aristotelis Metaphysi-
corum libros A — Z commentaria. Ed. Michael Hayduck. Berlin,
G. Reimer. 1888. VII, 605 S. Lex. 8.
Hayduck hat zur Herstellung des Textes neben drei jüngeren
Handschriften namentlich eine ältere Pariser 1901 (A) aus dem 13. Jahr-
hundert benutzt, übrigens bei dem sehr geringen Werth, welchen dieser
Commentar wie überhaupt so auch für den Text der Metaphysik hat,
sich mit Fug begnügt die von Asklepios wörtlich aus derselben ange-
fahrten Stellen gesperrt drucken zu lassen, was ihm von seinem Receu»
senten Herr Rev. crit 1888. II. S 101 f- einen auch durch die von
diesem zusammengestellten Proben einiger Varianten dieses Commentators
kaum gerechtfertigten, jedenfalls unnöthig hämischen Tadel zugezogen
hat Am Meisten von Bedeutung ist Asklepios noch für die von ihm
angeführten Stellen aus dem Commentar des Alexandres; leider sind
unter ihnen nur sehr wenige aus den späteren, uns nicht mehr erhaltenen
Büchern.
Jahresbericht für Altertumswissenschaft LXVU. Bd. (1S91. L) 7
98 Aristoteles.
Namentlich auf die Metaphysik und die Psychologie be-
ziehen sich:
28) Bernh. Weber, De oMag apud Aristotelem notione einsqne
cognoscendae ratione, Bonn 1887. 8. Doctordiss. 32 S. 8. und
29) Henry Pierre Cazac, Pol^miqne d'Aristote contre la
th^orie Platonidenne des id^es. Essai phflosophiqne snivi d'^claircisse-
ments sor quelques points du P^ripat^isme. Tarbes, Crohar^. 78 S. 8.
Aber die erstere dieser beiden Abhandlungen ist sehr unbedeutend,
und auch aus der letzteren ist für Beigenigen, welcher namentlich den
deutschen Arbeiten gefolgt ist, wenigstens kaum noch etwas Neues zu
lernen, und ein Solcher wird überdies schwerlich in der Lage sein allen
Auseinandersetzungen des Verf. beistimmen zu können.
Und so kommen wir denn zu den naturwissenschaftlichen
Werken. Ein neuer Codex aus dem 13. oder spätestens 14. Jahrb. von
den Schriften nepl obpavou^ nep\ yeveasw^ xal ^Bopa^^ nspl (jfo^^Q hat
sich in Philippopel im Besitz eines Privatmannes gefunden. Der Ent-
decker
30) Peter N. Papageorg, Ein neuer Kodex des Aristoteles.
Berl phil. Wochenschr. YIL 1887. Sp. 482
hat zunächst kurz darüber Mittheüung gemacht, daon
81) Georgios Konstantinides, Ein neuentdeckter Codex des
Aristoteles. Jahrb. f. Phil. CXXXY. 1887. S. 214-218
eine ausfahrliche Beschreibung gegeben. Leider war ihm in Philippopel
keine andere Ausgabe als die Tauchnitzsche zugänglich, und so konnte
es nicht anders sein, als dass er den Werth dieser Handschrift stark
überschätzt hat Aus seinen Angaben erhellt, dass sie in der Psycho-
logie eine Zwillingsscbwester von V und folglich überflüssig ist'^), und
im Anfang von ntp\ oltpavoo bietet sie Nichts dar, was nicht entweder
auch in anderen Codices steht oder verkehrt oder ohne Belang ist Denn
schwerlich wird man Konstantinides zugeben, dass 269^ 15 nap* besser
sei als nepl^ und 268^ 10 ist nfj- Ttjj nicht besser und nicht schlechter
als rjj — rjjf. So bleibt nur in der (s. Prantl z. d. St) sehr verdäch-
tigen Recapitulation 277^ 24—26 xoapiot (Z. 26) für tottoi beachtenswerth.
*t) Die meisten Varianten von V (402* 6. 12. 15. 17 iri om. 18. 19
gl—Bfij, t>4) finden sich 402 «l~b 4 hier wieder, und da Konstantinides nicht
nach Bekker's Ausg. verglichen hat, wird das Zasammentreffen wohl noch
häufiger sein. Ferner sind Bekker's Collationen ja nicht so genau, dass man
darauf ohne Weiteres schwören könnte, V habe nicht ebenfalls 402 b 19 {rtig
om ). 20 {3k om.). 23 (StBl&^tv) die gleichen Lesarten.
PhyBik.' : 99
Terträgt sich aber wohl kaum mit 5^ (Z. 26) und sieht daher stark
wie eine Coi^ectar aas. Ueber de gen. et corr. aber hat Konstanti-
nides keine Mittbeilungen gemacht. Immerhin möchte der Ankanf dorch
eine grössere Bibliothek wttnschenswerth sein.
82) J. 0. Milne und R. 6. G. Proctor, The Latin Aristotle of
1482. Academy 1889 (No. 876). S. 114 f.
machen bekannt, dass sich in der Oxforder Ghrist-Ghnrch- Bibliothek,
freilich unvollständig, ein Exemplar der venetianischen Ausg. (per Phi-
lipum Yenetum) von lateinischen Uebersetzungen der naturwissenschaft-
lichen Werke des Aristoteles v. J. 1482 mit Averroes de substantia orbifi
gefunden hat
Vorwiegend auf die Physik, wenn auch keineswegs auf diese
Schrift allein, beziehen sich:
83) Mathias Kappes, Die Aristotelische Lehre über Begriff und
Ursache der xivT^at^^ Bonn 1877. Doctordiss. 46 S. 8.
84) H. Bergson, Quid Aristoteles de loco senserit, Paris 1889.
Doctordiss. 79 S. 8.
85) Karl Sperling, Aristoteles* Ansicht von der psychologischen
Bedeutung der Zeit untersucht an seiner Definition derselben als »Zahl
der Bewegungc, Marburg 1888. Doctordiss. 78 S. 8.
Die erste dieser drei Dissertationen bringt gerade nichts Neues,
giebt aber doch eine gute und richtige Uebersicht über den betreffenden
Stoff und in ihrem letzten, nach historischer Gerechtigkeit (namentlich
in Anknüpfung an Wundt und Zeller) beurtheilenden Abschnitt eine
hübsche Yergleichung zwischen dem aristotelischen und dem modernen
Standpunkt in diesen Fragen, die denn wahrheitsgemäss darauf hinaus-
lauft, dass wir keine Ursache haben uns zu überheben, sondern trotz
aller kolossalen Fortschritte in der Methode und den besonderen Er-
gebnissen doch dem Wissen um das eigentliche Wesen der Kraft (um
Dasjenige, was »die Welt im Innersten zusammenhalte) noch ungefähr
ebenso ferne stehen wie Aristoteles (und um das der Materie, wie ich
mir hinzuzusetzen erlaube, erst recht).
Ungleich grösseren wissenschaftlichen Werth hat das sauber und
gründlich ausgeführte Schriftchen von Bergson mit seiner überaus klaren,
wenn auch nicht gerade durchweg in classischem Latein abgefassten
Darstellung. Man kann nicht ausdrücklich sagen, dass es zugleich ein
Gommentar zu den neun ersten Capiteln des 4. Buchs der Physik sei,
wohl aber, dass, wenn sich endlich einmal ein Commentator und ein
wirklich berufener zu dieser Schrift finden wird, er für jenen Theil der-
selben hier eine treffliche Vorarbeit hat. An schwierigen Stellen sind
die Auslegungen von Alexandres, Simplikios, Philoponos stets sorgfältig
7*
100 Arifttoteles.
toimtft Und wenn def Verf. aveh gelegentlieh dem Aristoteles pfaysi-
kalf Bellen und mathematischen Irrthum nachweist, so hat er sich doch
■Mit Erfolg bom&ht die Schwierigkeiten, welche für denselben von seinem
eignen Standpunkte ans durch seine Auffassung des Ranmes entstehen,
zu entfernen. Um so gerechter ist sein EIndurtheil, dass Aristoteles,
Wenn er auch von diesem seinem Standpunkte aus nicht anders konnte,
doch in Wahrheit nur die Frage des Ortes behandelt hat und damit dem
figentlkhen Problem des Raumes lediglich aus dem Wege gegangen ist
Tetgl. auch meine Anaeige Beri. phil. Woch. XH. 1892.
Auf die Erörterung des Raumes folgt Phys. IV, 10—14 die der
Stlt Hier greift nun die nicht minder anerkennenswerthe Arbeit von
Sperling ein, die freilich in formaler Hinsicht sich gleicher Vortftge
»ieht rahmen kann, sondern etwas künstlich und schwerfUlSg geschrieben
ist Der Verf. fand bessere monographische Vorarbeiten als Bergson
vor, nämlich die von Torstrik (Philolog. XXVI) und Gotschlich,
S. Bef. tn. S. 355 f. Aber er hat den ganzen Gegenstand selbständig
neu durchforscht und von einem neuen Gesichtspunkt aus beleuchtet, von
dem aus man erst erkennt, wie hocbbedeutend die betreffende Erörterung
des Aristoteles und wie einzigartig im ganzen Altertham nnd bis in die
Neuzeit hinein sein vorschauender Blick ist, den er neben seinem Aus-
gang ton der Naturbetrachtuug doch auch bereits in die geistige Seite
der Zeit gethan hat , freilich nicht ohne dadurch in Widersprüche mit
sich selbst zu gerathen. Und ich kann das Urtheil von Zell er (Arch.
t G. d. Ph. III. S. 310 f., vgl. oben No. 7) nur unterschreiben, welcher
diese Abhandlung Sperling's als eine sorgfiütige und in die aristote-
lischen Gedankengänge unverdrossen eindringende Untersuchung be*
zeichnet, die nur vielleiclit dieselben hie und da für verwickelter ansiebt,
als sie wirklich sind, und welcher es namentlich auch an derselben lobt,
dass der Verf. jenes subjective Element des aristotelischen Zeitbegriffs
keineswegs ttber das richtige Mass ausgedehnt und der kantischen oder
einer sonstigen modernen Auffassung nber Gebühr angenähert hat Auf
das Specielle kann ich hier nicht eingehen.
Einzelne Stellen der Physik sind, wie schon oben (& 7) bemerkt
wurde, in der unter No. 5 besprochenen Abhandlung Natorp^s in Be-
tracht gezogen. Dazu kommt
dB) Gh. Em. Ruelle, Correction ä un passage d^Aristote (Phf-
sique n, 2. 194^ 13). Revue de philol. K. F. XII. 1888. S. 29.
A 2. 185^ 13 ei (fnr Jj) mit Brandis Gr.-rOm. Ph. II, 2. 698.
A. 15 und U h filr das erste nJisüü^ ferner 16 ^n^ve/i^c ^ dStaqi>€TO¥^
wenn nicht, was aber weit weniger Wahrscheinlichkeit habe, [d^ äSeäJ/fS-
rov] Natorp S. 10. A. 1 mit Recht. -~ 186» 11. Natorp S. 16. A. 3
will entweder xal — ihat als Interpolation auswerfen oder Mohisp ^f^
^ajTQvvTtc schreiben, aber es geafigt xai\Toi} heriustallen und ik
Physik. De cO«U>. iPiyehologie. 101
Worte als Parenthese zu bezeichnen. ^ $. 186^ 2B. [tb JUcijc^? Ma«>
torp S. 163. A. 1 (ich glaube, dies ist richtig). *-- 29 f. Wesshalb ich
nicht die ErkUrung von Na torp, sondern die von Braadis a. a« 0.
S.596. A. 27 für die richtige halte, kann ich hier nicbt anstinandersetsen, bei
letzterer aber muss entweder mit Brandis (ßl} xai oder, wie ich vor^
schlug, xal (J/y oder xae(7:epy geschrieben werden, denn xae(Toiy wiU
hier nicht recht passen. — 186^ 12. <*a«> onsp*^ Natorp S. 168. A. 1. —
20 f. [9 ivaufißißi^Mey] Natorp 8 158. A. 4, wohl mit B«eht —
11, 2. 194^ 13. Ausserordentlich verunglttckt ist die Vermutbong von
Rnelle ^poaog (j^poaovy für 9jXto^: sie vielmehr ist »dtea^e de aeas«,
dagegen ^Xto^ gesund und vollständig, s. Prantl z. d. St. und die vqq
diesem angeführte erläuternde Stelle Met. XII, 5. 1071» 13ff., vgl. Zelier
Ph. d. Gr. II», 2. S. 469 f.
Es erübrigt noch die Ausgabe vom Commentar desPhilopooos:
87) 38) Gommentaria in Arist. Graeca edita cons et auct acade-
miae litt. reg. Boruss. Vol XVL ZVI(. loaonis Pbilopooi iu physi-
comm tres priores nnd quinque posteriores commentaria. EdiditHierO"
nymas Vitelli. Berlin, 0. Beimer. XX, 997 S. I^es^- 9«
Ich befinde mich aber hier in der glücklichen Lage wiederum anf
den unter No. 8 verzeichneten ausführlichen Bericht von Bruns ver»
weisen zu können, will aber diese Gelegenheit nicht vorübergehen laeeen,
gleich Bruns »dem verdienten Florentiner Gelehrten», dem auch ich so
manche gütige thatkräftige Unterstützung schulde, für diese seine »ent-
sagungsvolle Arbeite öffentlich zu danken.
Namentlich anf die Schrift vom Himmelsgebände und das
12. Buch der Metaphysik bezieht sich
89) Pluzanski, Aristotelea de natura astrorum opiuio eiasque
vices apud phiiosophos tum antiquos tum medii aevi Paris, Thorio«
140 S. 3.,
d. h. so weit diese Abhandlung den Aristoteles angeht, was aber nur
fttr 8.40 — 67 gilt; denn das Voraufgehende betrifft die früheren, das
Kachfolgende die späteren Philosophen. Ich lasse hier einen franz^W
Bischen Kritiker Picavet Rev. crit 1888. II. 6. 428 f. reden: »Ex-
poser ... et apprMer en 140 pages ce qu'ont penft6 Thalfts, AnaxI»
mandre, Anaximtoe, Diog^ne d*Apollonie, H^raelite, Emp^docle, Anaxa^
göre, Leucippe, D^mocrite, Pythagore, Philolaue, Parm^nide, Platon,
Aristote, Epicnre, les Stoieiens, Piotio, les P^es de TEgliee et les seo»
lastiques, c*est s*obliger k ^tre souvent snperficiel et k port^r des Jage«*
ments qui ne sont pas suffisamment motivös aux yeux du lecteur etc.«,
und wenn diese Pille auch hernach wieder etwas veriuckert wird, so
hofife ich doch, dass Niemand es als eine üebereilung ansehen wird,
wenn ich meinerseits dies Büchlein wenigstens Ar die griechischen Philo*
102 AiistoMas.
sophen ein&ch als werthlos bezeichne und die Geduld bewundere, mit
welcher Wendland in seiner Recension Berl phü. Wochenschr VIII.
1888. 8p. 1048-1052 so viel Worte, deren Sinn doch sdiliesslich kanm
ein anderer ist, ftlr dasselbe übrig gehabt hat
Wir kommen zur Psychologie nebst den ergänzenden Abband^
hingen.
40) von Weddingen, L'esprit de la Psychologie d'Aristote. Etnde
critiqne sur le trait^ de Täme. BnUeUn de TAcad. des sciences de
Belgiqne 1890. No. 2
ist mir nicht zugänglich.
41) Ang. Elf es, Aristotelis doctrina de mente hnmana ex com-
mentariomm Ghraecomm sententiis emta. Pars prior. Bonn 1887.
Doctordiss. 47 S. 8.
Die Dissertation von Elf es hat ziemlich zahlreiche und znm Theil
eingehende Beurtheilun^en von Herr Rev. crit. 1888. I. S. 478 f., Wohl-
rab Litt. Gentralbl. 1888. Sp. 490, Wallies Berl. ph. W. VIII. 1888.
Sp. 1269—1271, Brnns Philos. Monatsh. XXV. 1889. 8. 604—618 ge-
funden, und man darf ihr das Lob einer fleissigen Arbeit nicht verkttm-
mem. Im Ganzen aber kann ich, ganz abgesehen von den 8chnitzem
und Uebereilungen, die ihr von Wallies, Bruns und Zeller nach-
gewiesen sind, gleich Zeller (Arch. lU. 8. 312 f.) ihren Werth nicht allzu
hoch anschlagen. Das ganze Unternehmen war verfrüht, da erst zu-
verlässige Texte aller in Betracht kommenden Gommentatoren abge-
wartet werden mussten, und mtlsste femer nicht, wie es hier der Fall
ist, bei Alexandres und Philoponos stehen geblieben sein : erst eine voll-
ständige Geschichte aller Erklärungsversuche mindestens bis auf die An-
fänge der Neuzeit hin würde wirklich von Bedeutung sein, d. h. auch
nur von Bedeutung für die Geschichte der Philosophie, nicht für die Er-
klärung der beiden hier allein in Betracht kommenden Capitel des Aristo-
teles Psych. 11, 4 und 5 und namentlich des letzteren. Die Frage ist falsch
gestellt: aus den Gommentatoren des Aristoteles lässt sich zu diesem
Zwecke gar Nichts »eruirenc, ausser so weit die Textgestalt in Frage
kommt; im Uebrigen sind wir doch lediglich auf uns selbst und unsere
eigene Exegese angewiesen. Denn so weit die Ansichten der Erklärer
auch jetzt noch auseinandergehen und vielleicht stets auseinandergehen
werden, darüber herrscht doch ein allgemeines Einverständniss , dass
weder die alten Gommentatoren noch die Araber und die Scholastiker
das Richtige gefunden haben. Einen neuen, achtbaren Versuch dergestalt
auf eigenen Füssen sein Glück zu erproben bietet uns
Psychologie. 108
42) Michaelis, Zur aristotelischen Lehre vom voDc. Nenstrelitz
1888. 4. 16 8. (Ojrmnasialprcgramm)
dar. Allein er ist in diesem Yersnch, soweit seine unvollendet gebliebene
Abhandlung reicht, genau an dem Punkte stehen geblieben, wo die tiefer
liegenden Schwierigkeiten anfangen. Zell er a. a. 0. 8. Sil hat voll-
kommen Recht mit seinem Zweifel daran, dass die tleidendec oder
»potenzielle c Vernunft, wie Michaelis will, »nur die eine 8eite in
der Bethätigung des einigen Nusc und doch zugleich die Zusammen-
fassung sämmtlicher niederer ErkenntnissvermOgen sein könne Ich halte
an meiner schon früher (Philol. Anz. V. 1873. 8. 686 ff.) entwickelten An-
sicht fest, nur dass ich jetzt in Bezug auf die actuelle Vernunft, nach-
dem ich Ber. XLVI. 8. 240. Ausg. der Oekon. S. 86 die Verbesserung
von By water III, 4. 429^ 9 Sc' aurou fQr 8k aüröv gebilligt habe, nicht
mehr vom »Lichte des Selbstbewusstseinsc sprechen kann. Aber die
Hauptsache bleibt stehen: da nach Aristoteles nichts Potenzielles sich
selbst zur Actualität entwickeln kann, so muss ein Gleiches auch hier
gelten, indem der Mensch eben zunächst nur die Fähigkeit zur Er-
kenntniss besitzt, also nur die potenzielle Vernunft als unbeschriebene
Tafel, die gerade desshalb aber auch mit den »niederen c Erkenntniss-
vermögen, also zunächst der Wahrnehmung, ohne Weiteres noch gar
Nichts zu thun hat. Die Beziehung zu diesen wird erst durch die aus
dem angegebenen Grunde anzunehmende actuelle Vernunft vermittelt
Denn diese erst ist es, welche die aus den Wahrnehmungen, der sinn-
lichen Form ohne den Stoff, sich entwickelnden, aber doch immer noch
sensiblen ^avrdafiara in rein intelligible Begriffe verwandelt und mit
ihnen die leere Tafel der potenziellen Vernunft beschreibt. Oder nach
dem andern Gleichniss: sie ist wie ein Licht, welches dieselben auf diese
Weise beleuchtet, so dass sie der potenziellen Vernunft hell und klar
werden Wie es dabei mit dem Selbstbewusstsein stehen soll, und ob
Aristoteles flberall hierüber nachgedacht hat, weiss ich nicht, aber daran
zweifle ich trotzdem nicht im Mindesten, dass er dem allein prä- und
postexistirenden thätigen voSc in diesem Zustande reiner Prä- und Post-
existenz so gut wie der Gottheit Selbstbewusstsein im Sinne von Denken
des Denkens zuschreiben wollte^. Klarer und widerspruchsfreier lässt
sich seine Auffassung, welche in die schwierige Frage nach dem a priori
und dem a posteriori im menschlichen Denken gehört, nicht machen,
M) III, 5. 460» 22 f. ;fitf/>c<r^^c ^' itnl /idvov rou^^ 8x9p itnL Denüv-
eher würde Aristoteles das, was er wollte, so ausgedrückt haben: dAA* &Tk
ßk¥ votc ^k d^ ob votr ^wpt^tlg jräp itnk ft6vov roö&* Sntp iari, xat
roöro fit6vou dMvarov xae dtdufv vöv dk oöm dtl fiti^i^fioißtöoftMu x. r. A. So
aber ist weDigstens mit anderer Interponction oö fi¥i^$iov96ofU¥ y^P unent-
behrlich, 8. Ber. XXXIV. S. 28 f.
104 Aristotelet.
weil er sie, wie ich meine, selber nicht klarer nnd widerspraclisfreier
gemacht hat und nach seinem ganzen Standpunkte nicht machen konnte.
43) Ad. Biach, Aristoteles' Lehre von der sinnlichen Erkenntnis«
in ihrer Abhängigkeit von Plato. Philos. Monatsh. XXVI. 1890. Seite
270—287.
Wie sehr Aristoteles auch in seiner Lehre von der sinnlichen Wahr-
nehmung und Vorstellung von Piaton abhängt, war bisher noch nicht
genauer entwickelt. Dies ist nun durch Biach in durchaus löblicher
Weise geschehen, selbstverständlich so, dass dabei zugleich die unter-
schiede hervorgehoben werden. Etwas schärfer hätte einer der erheb-
lichsten beleuchtet werden sollen, dass Piaton das Bewusstwerdcn der
Empfindung nicht durch einen Central- oder Gemeinsinn vermittelt, son-
dern nach Anaxagoras unmittelbar durch die Denkseele selbst zu Stande
kommen lässt Denn ebenhierin zeigt sich der empirische Zug des
Aristoteles: bei Piaton ist die Denkseele auch das eigentlich wahr-
nehmende und empfindende Subject, und nur Affect und Begierde sind
als zweiter und dritter Seelentheil von ihr unterschieden, bei Aristoteles
vielmehr auch die mit diesen beiden zu einem einzigen Theile verbun-
dene Empfindungsseele, deren unmittelbares Organ der Gemeinsinn ist,
der zu seinen Werkzeugen wieder die Einzelsinne hat. Da aber auch
Aristoteles keineswegs ein reiner Empiriker ist, so begreift sich von hier
aus die Nothwenigkeit für ihn jenes unklare Mittelglied der leidenden
oder potenziellen Vernunft einzuschiebeu, die mit dem menschlichen In-
dividuum entsteht und vergeht, trotzdem dass auch sie zum obersten
Theile der menschlichen Seele zählt.
Am Angemessensten in diesem Zusammenhange dürfte auch die
kleine Schrift von
44) Anton Bullinger, Metakritische Gänge betreffend Aristoteles
and Hegel. München, Ackermann. 1887. 37 S. 8.
zu besprechen sein, so weit es sich um ihre ersten gegen mich (Her.
XLVI. S. 239f.) und gegen Wirth und Siebeck gerichteten Seiten 6
bis 16 und 16—19 handelt, und ich freue mich, dass es mir um so
leichter wird mit voller objectiver Ruhe dabei zu verfahren, da in-
zwischen alles Persönliche dieses Streits durch brieflichen Verkehr völlig
ausgeglichen ist, so dass ich mich Über die formale Seite dieser Anti-
kritik nicht mehr zu äussern brauche. Zunächst erläutert Bullinger
seine Auffassung von Psych. lü, 8. 431^ 26 ff. re/iverae oov f/ btcar^fuj
xdl ^ aia^Tjat^ elQ rä npayfiara^ ^ fih Suväfiec ek Suvdfue^, ij S^ iv re-
As^etqt elg ivreke^etac so: es sondert sich das Wissen (in sich) für die
Dinge, das mögliche (vom wirklichen) für die Dinge in Möglichkeit, das
wirkliche (vom möglichen) für die Dinge in Wirklichkeit'*). Weiterhin
^) Bullinger folgt den Lesarten rd dova/itt nnd rä jyrtitjifcc^, das
Pgycbologie. 106
sucht er zu zeigen, dass Vahlen Psych. III, 6. 480*80 mit seiner
Setzung eines Kommas zwischen ftXe^ und ourwc »anf dem Holzweget
sei; ich mnss es Jedem fiherlassen seihst zu prüfen, oh ihm dies wirklich
gelungen ist Nach seiner Erläuterung von 430^ 14 ff. verstehe ich jetzt
allerdings, was er will, hezweifle aher sehr die Möglichkeit dieser Er-
klärung aus Gründen, die ich hier in der Kürze nicht entwickeln kann.
Ueherdies s. u. das unter No. 61 in Betreff dieser Stelle zu Berichtende.
Aus gleicher Ursache muss ich wiederum einem Jeden anheimgeben
selbst zu urtbeilen, oh sein Versuch meine Begründung daftr, dass de
gen. an. V, 2. 781» 20 — ^4 oi—iirriv wahrscheinlich eine Interpolation
sei (vgl. Ber. XLVI S. 248. 246), mich wirklich widerlegt, gesetzt auch,
dass die eine oder andere seiner Gegenbemerkungen richtig sei. Die-
selben sind übrigens nur der grösste Theil einer Auseinandersetzung
über die die Sinneneindrücke zum Herzen leitenden Ganäle (nopot), welche
eigentlich mehr gegen Zell er als gegen mich, dessen Ansicht der Bul-
linger's ungleich näher steht, gerichtet ist, und welche Zell er (Arch. IL
S. 284 f.) seinerseits immerhin mit Recht als das beste Stück dieser
kleinen Schrift bezeichnet. Ich muss hinzufügen, dass Zell er *s Einwen-
dungen mich nur theilweise überzeugt haben **), und dass ich dabei stehen
ist aber Nebensache Sino hat dud so, was er aus der Stelle herausliest, aller-
dings Aber ich fflrchtp, dass er deDselben vielmehr \u sie hineingelesen hat.
WQrde Aristoteles den Q» dank«*n rtAivtrac o5v ^ intiniiftii xai ^ attr^Tjatq xard
rd npd/fiara tli t^v duvdßti r&v du^dßitwv xat ri^u ivrtic/tcft r&v ivrtXi'
^tuüv wobl so ?erzwickt aasgedrückt haben? Ist ferner derselbe wirklich
aristotelisch? Und was soll er in diesem Zusammenhange? Ich bleibe also
bei dem non liquet stehen, über welches man leider vielfach in der Psycho-
logie nicht hinauskommt Bullinger führt fftr 9lq= ifürt swei Stellen aus
Xenophon an, aber ich habe nie bezweifelt, dass cic »fürt = izum Natsen
vonc bedeuten kann, sondern nur ob ri/ifta^ai tic statt »sich spalten (son-
dern) ine auch heissen könne »sich spalten fürt, und dieser Zweifel ist mir
auch durch die eiosige wirklich dafür (von Wilson) beigebrachte Stelle noch
nicht gehoben, a. Ber. XLVI. S 888 Noch sei gegen Bnllinger S. 14L
kurz bemerkt: dass E im 3. Buch der Psychol. viel weniger gut ist als in den
beiden ersten, ist mir sehr wohl bekannt, aber der beste Codex bleibt er auch
hier noch immer.
^) Zell er schreibt, jene itSpot seien nach Aristoteles mit Pneuma an-
gefüllt, das sagt aber Aristoteles ausdrücklich gen. an 744» 1 ff. (vgl. 781 ^
24 ff.) nur von denen fftr Grruch und Qeb(^r, und vom Auge heisst es sofort
darauf (was auch ich Rh* in Mus. XL S. 586 f. nicht erwogen habe) viel-
mehr: 6 d * d^Sa^ßidf owßta fi6voy Xdu>y f/cc rütv a\<r^'i^r7jpituv^ und dies steht
in Corrc spondenz zu 743* 35 ff. aXxwv d* iüri ort rd rwu d^aXftwv altr^ij'
r^ptoif iüxl ßipj &0ictp xal rd äXXa tti^Tfri^pta, int nöpwu, diAd rd fik» x^g
dif^ xai ^Möütoßg . , , if d* düfpi^^wg xai dxaii x. r. A. Und daraus, daas nach
106 Aristoteles.
bleiben mnss, Aristoteles nnterecheide ansdrftcklicb part an. n, 10.
656^ 17 f. und gen. an. II, 6. 744» Iff. diejenigen nopoi^ auf welcbe es
hier ankommt, von Adern {^Xißtg^ fXißia\ und jene nopot seien daher
eine Vorahnnng der Nerven^), aber freilich anch dabei, dass nach der
letzteren Stelle die itopoi ftr Gemch und Gehör und ähnlich nach der
ersteren die ftr das Auge »nur bis zu den Adern reichen, welche vom
Herzen zum Gehirn lanfenc>>), und nicht bis zum Herzen selbst, während
nach 781* 20 ff. allerdings bis zu letzterem*^), was fllr mich ein unver-
söhnlicher Widerspruch ist, man möge mir dagegen sagen, was man Lust
hat. Hinsichtlich der Polemik gegen Wirth und Siebeck muss ich
mich zu bemerken begnttgen, dass sie die Lehre vom menschlichen vouq
betrifft
So vielfach aber auch unser heutiger Standpunkt der psychologi-
schen Betrachtung von dem des Aristoteles abweicht, so sehr spricht es
doch ftlr seine Bedeutung auf diesem Gebiet, dass sich Her hart auf
demselben mehrfach mit ihm^'berfthrt, sei es nun (was sich vielleicht
nicht ausmachen lässt) angeregt von ihm, sei es nicht. Dies hat na-
mentlich schon Sie heck in seiner Doctordissertation (Halle 1872) nach-
gewiesen. Vollständiger ist dies jetzt in sorgfiUtiger und sachkundiger
Weise von
part. an. II, 10. 656i> 10 ff. III, 4. 666» 16 f. weder das Blut noch die blut-
losen Theile alü6ijTad sind, folgt (wie mir Bo Hinge r gans richtig brieflich
bemerkte) noch keineswegs, dass die blntfübrenden Theile dies sein mOsaten:
es k ö n D e n Tielmebr ebenso gut andere, aas dem Blut entstandene {dJLAd x&¥
ix Toörou Ti 656b 20) und blutversehene Theile (Ivaipa 666b 25) sein, und sie
mQssen gemeint sein, da die icöpot hier ansdrQcklich von den Adern (aus
denen sie ihre Speisung erhalten) unterschieden werden.
**) DafOr spricht auch, dass Herophilos wenigstens die vom Gehirn
nach dem Auge gehenden Nerven gleichfalls KÖpot nannte, s. Suse mihi
Griech -alex. Litteraturgesch. I. S. 789. A. 78.
s<) Denn das beisst ifpaivtw mit c/(, icp^Q oder M verbunden: »dort-
hin endenc (da nipaq »Grenze, Ende, Ziele bedeutet) und nicht »dorthin sieh
erstrecken, um dann noch weiter darüber hinanssugehenc. Dass sie
in diese Blutgefässe »ausmOndenc, wie Zell er schreibt, so dass diese nicht
bloss sie speisen, sondern auch von ihnen die weitere Vermittlung der Ein-
drflcke sum Herzen ttbemehmen, ist damit wohl noch nicht ausdracklich ge-
sagt, aber ich weiss nicht, wie man hiemach die Sache sich anders denken
könnte. Unbestimmter lautet allerdings der Ausdruck an der anderen Stelle
666b 16 ff. ix fiky aZv x&y d^0aXß&v 61 Kopot ^ipoofftv tlg rdg ntpi r^v
iyxi^iiXov ^Xißa^^ aber auch dies kann doch kaum heissen: »sie gehen su den
Blutgefässen um das Gehirn und dann weitere.
*7) Denn hier vermag ich das rtlvooüt npdg rifv napdla^ wiederum nicht
umgekehrt so su deuten: »sie reichen sum Herzen, kommen aber nicht bis
dahin, sondern bleiben nnterwegsc.
Psychologie. t07
45) Johann Schmidt, Aristotelis et Herbarti praeeepta, qnae ad
psychologiam spectant, inter se comparantur. Wien 1887. 18 8. 8.
(vor dem Jahresbericht ttber das k. k. akademische Gymnasium),
im Ganzen auch mit gebtthrender Hervorhebung der Unterschiede ge-
schehen. Mit Recht indessen bemängelt Zeller a. a. 0. S. 290 nach
dieser Richtung hin Dreierlei. »Die Bewegungen der Sinneswerkzeuge,
aus denen Aristoteles die Trftume herleitet, sind etwas Materielleres als
die ,Yor8tellungen' Herbartst '(s. Schmidt S. 9). Umgekehrt war 8. 12f.
der Unterschied der »unbeschriebenen TafeU bei Locke und Herbart
und bei Aristoteles viel schärfer zu fassen: bei Aristoteles geht dieselbe,
wie gesagt, nicht aus dem sensualistisch-empirischen, sondern vielmehr
gerade aus dem rationalistischen Element seiner Erkenntnisslehre her-
vor : der Gegensatz ist also so gross, dass darüber trotz der Gleichheit
des Ausdrucks die Aehnlichkeit verschwindet. Endlich ist (wie gegen
S. 16 zu bemerken steht) die Lehre des Aristoteles vom Willen weit vom
Determinismus Herbart's entfernt, worauf ich hernach zurttckkomme. An-
gezeigt ist die kleine Schrift von Hergel Woch. f. kl. Ph. V. 1888.
8p. 1463 und W. Jerusalem Z. f. d öst. G. XXXIX. 1888. 8. 854f.
Nachträglich ist noch
46) VincenzEnauer, Grundlinien der aristotelisch-thomistischen
Psychologie. Wien, Konegen. 1886. 283 S. 8.
zu erwähnen. Doch streift dies Buch an den Kreis meiner Besprechungen
ja eben nur an, und ich darf mich daher begnttgen auf die Recensionen
von Heitz Deutsche L.-Z. 1885. Sp. 676f., Encken Gott. gel. Anz.
1885. 8. .620-— 624 und Thilo Zeitschr. f. exakte Philos. XV. 1886.
8. 87 — 96 zu verweisen.
47) W. Goodwin, Plato^s and Aristotle's doctrines of the im-
mortality of the soul The Platouist IIL 8. 606—610
steht mir nicht zu Gebote.
Ein entschiedenes Verdienst um den Text der Psychologie kommt
dem Schriftchen von
48) Aurelius Augustinus Stapfer, Studia in Aristotelis de
anima libros. Pars prior. Landshut 1888. 82 8. 8. (Gymnasialprogr.)
zu, indem der Verf. auf G brist's Veranlassung, als Letzterer den Codex £
für die Metaphysik verglich, seinerseits diese Handschrift für nep\ ^(//$c
aufs Neue durchmusterte und dabei namentlich aucii darauf Rücksicht
nahm, was bisher seltsamerweise noch ganz unterblieben war, wie weit
die Correctoren in derselben schon von erster oder vielmehr erst von
108 Arittotelw.
einer zweiten und einer dritten Hand herrQhren*). Im Uebrigen nimmt
er darauf Bedacht die Angaben Trendelenbnrg's and Bnsseraaker's,
wo sie von denen Bekker's oder von einander abweichen, zu verificiren,
beziehungsweise zu berichtigen Und so wird hoffentlich endlich einmal
die unberechtigte Eigenthttmlichkeit aufhören, dass man in den Ausgaben
dieses Werkes in Abweichung von denen aller anderen fortwährend liest:
sec. Bekk., sec Trend., sec. Buss. Wo Trendelenburg und Busse*
maker flbereinstimmen, hätte man billigerweise längst ihnen einfach
glauben sollen, und nun stellt sich auch^ heraus, dass Bussemaker
zwar ein paar IrrthQmer begangen hat, aber im Ganzen zuverlässig ist
Nicht minder verdienstlich ist es, dass Stapf er ferner die Lesarten von
Sophonias noch einmal genau durchgeprüft hat und danach Hayduck und
Biehl mehrfach berichtigt Das Ergebniss ist freilich, dass diese Les-
arten nicht eben besonders viel zur Herstellung des Textes beitragen..
Hie und da sind sie freilich doch von Werth, s. u. In einem dritten
Theil bespricht er endlich die Disposition von 403^ 20 — 411*26 und
verbessert Trendelenburg in Bezug auf die von 415^21 — 416*18
und Biehl in Bezug auf die von 419* 22 - ^3^). Hoffentlich wird er
diese Untersuchungen allmählich über die ganze Schrift ausdehnen, mit
der es in dieser Hinsicht trotz Trendelenburg und Torstrik noch
sehr im Argen liegt, vgl. Woch. f. kl. Ph. I. 1884. Sp. 1409 ff. Uebrigens
ist bereits folgende Fortsetzung:
SS) Stapfer S. 4: >eae . . . plonmae iD^oiantar in primo et tertio
libro, aliqaot in secuDdo. alterius vero manos scriptura proxime accedit ad
prioris maDQS similitudinem . ■ . tertiae . . . litterarum ductus idem sunt ac
Hbrarii aecondi libric. Als ein Kennzeichen giebt er auch an: tut seconda
manas aliqnoties litteras radendo, prior nonnisi expaogeodo deleatc.
V) Dass wie in allen anderen aristotelischen Schriften so auch in die-
ser die Gapiteleintheilang vielfach eine verkehrte ist, unterliegt keinem Zweifel-
Hoffentlich meint jedoch Stapfer nicht, dass man sie ändern solle Da wUrde
die Verwirrung erst recht gross werden. Es genOgt die grösseren Abacfanltte
durch Absätze, die kleineren etwa, wie ich gethan habe, durch Punkt mit
Gedankenstrich zu bezeichnen Wenn Stapf er S. 26 schreibt: »neque Sase-
nihliuB cur statuat a Biehlio paragraphos retinendas fuisse intellegi omnino
potestc, 60 hätte es statt dessen wenigstens »iotellegere omnino possnm«
beisseo mUsseo, und wenn er wirklich nicht im Stande ist sich selbst zu sa-
gen, aus welchem Grunde ich diesen Wunach fQr alle aristoteiischen Werke
hege, so möge er sich darftber gOtigst aas Woch. f. kl Ph. IV. 1887. Sp. llf.
belehren, nebeDbei auch einen Blick in Bywater's Aufsatz tbon, um sich su
überzeugen, wie bequem es gelegentlich auch beute noch ^ist die alte Para-
graphontheilung zu gebrauchen, und wie vorschnell sein neque- intellegi
omnino potes^t war Es ist doch wirklich recht sonderbar, dass es jetzt bei
Aristoteles überflOssig sein soll, was man sonst bei neuen Ausgaben zu thoa
"pflegt, nämlich die Zahlen deijenigen älteren beizuschreiben, aach denen fro-
her dtirt wurde, damit man diese Citate finden kann.
PsyelMlogle. 109
4d) A. Stapfer, Kritische Studien zu Aristoteles Schrift von der
Seele, Laodshnt 1890. 34 S. 8.
erschienen, mein Exemplar von ihr war aber leider verlegt, so dass ich
die Besprechung derselben auf den Bericht ftlr 1891 verschieben muss.
Es erübrigen noch die Behandlungen einzelner Stellen von Busse
«nd besonders von Bywater:
60) Ad. Busse, Aristoteles de anima III, 11. 434* 12 — 15. Hermes
XXIII. 1888. S. 419f.
61) L Bywater, Aristotelia III. Joom. of Philology XVII. 1888.
S. 6S-74.
I, 5. 410^ 20 — 411» 7. Bywater stellt mit Becht 27 touro —
411» 2 unetXrj^oraQ (§ 15) hinter »7 euHog (§ 16) um><^) und vermu-
thet schwerlich richtig ^T Si^, — II, 1. 412^20. Er construirt und inter-
pungirt richtig: ;io>ov (6 S* — ü(pew^\ $c. — II, 3. 414» 6 ff. Er steicht
7 ^ beseitigt dagegen BiehTs Steichung von 5 dk (nach Bonitz) durch
abermalige Berichtigung der Interpunction : w intaToi/ießa {XfyofjLSv 8s
— 4^X^' ^*ör£^^ — infaroff^ae)^ ojJLoeoß^ x. t. >l.*'). - HI, 2. 428 »2.
xtvoü/idvw nach Aid. f. nocoofiivw^). — 27. ^ ^wv^ aufi^wvta nc (wie zum
Theil schon Trendelen bürg richtig erkannte) nach Sophonias und Pri-
scian. Lyd. — *> 7. Xuee aus denselben beiden Quellen. — 26. oo — 28. v5v
in Parenthese. — 3. 428» 3. (J^fjvcjfuv fi^/i/a oder etwas Aehnliches. —
15. 3i^ nach den Vulgärhandschriften (mir scheint, mit Unrecht). —
^24. Er rückt die von Torstrik und Biehl secludirten Worte
8 avfißißvjxt Toec ahHrjToT^ mit Recht unmittelbar hinter 20 rarjra hin-
auf. — 6. 430^ 14 f. Er versetzt r^ 0w;^?c hinter 20 ^i^xet und schreibt
16 S mit Vicomercato statt ^ natürlich mit der Interpunction f ixeTua
Stoufierd^ 8 voei (= rd yooufisvov = tb fitjXoQ) xcd iv ip ^povtps ^^^* fj
dSicupera^ Iftsst femer dann noch 18 dXX* Tato^ od ^(optatov eine Paren-
these bilden: ich glaube, dass er Recht hat, und damit würden denn
die Tilgung von dXX' ^ dSta/psra und alle sonstigen früheren Versuche
^) 411» 11 ixtCijniüut — 13. Mavaxwripa möchte wohl in Parenthese
in setzen sein. Ueberhaupt scheint mir die AnwenduDg der Parenthese auch
abgesehen von so dringendeD Fällen wie den von Bywater geltend gemach-
t(D zu grösserer Verdeutlichung und leichterer Uebersicht (zu diesem Zwecke
ist ja aber die Interpunction da) noch öfter wenigstens rathsam. So 427» 25
rd ^— ^etr^at. Und4dd»22ff. ist entücbieden richtiger so za interpnngiren :
^t£^Xojrtff/i6v {if yäp ixt^fda^iariv). voög fikv oltv x r. X,
si) Hinter 8 SXtft und 12 i^ipfMia sind nur Kommata zu setzen, damit
man sofort. sieht, dass der Nachsatz (anakointhisch) erat mit IStS^rc anf&ngt
*) Vorher scheint mir ^' die richtige Jjesart.
110 AriBtoteleB.
{8. Ber. XXXIV. 8. 29 f. u. Anh. meiner Ausg. der Oekon.) feilen. —
24 f. Er billigt Zeller 's Streichung von 25 raiv a/nWv, entnimmt aber
aus diesem Zusatz eine Stütze fllr seine Coiyectur 24 iv^avrioyß} th߀u
<iv> adrfiu, 6^5e (oder d' A> rt)ßt und stellt 25 ivdprsed iare (wie Themistios
gelesen zu haben scheint) her. — 7. 431» 20 ff. Er versucht die Schwierig-
keiten durch Erklärung zu heben, ich zweifle, ob mit genügendem Er-
folg. — ^5. [rg xoevjjl und das mag wohl das Richtigste sein. — 12 ff.
Er schlägt vor: rä 8k iv dpoupsiree hyöjxBva voet Zanep äv^ et (rec} rb
atiihv l fikv trefiov ou [xe^^toptfffuvoßc]^ ^ 8k xotXov [eT reff] hott ivspyeif.
(yoiovy äveu Tr^g trapxbg äv ivoet iv f rb xotAoVy oütw rä pa&f^pxiTtKä
X. T. L (indem er das in den meisten Handschriften fehlerhaft hinter 17
npdypara stehende voäßv hieher hinaufnimmt): dass bei dem ttberlieferten
Text das zweite äv unerträglich wäre, bemerkte schon Suse mihi Oekon.
S. 86. — 8. 482 » 2. €i8(ov (yoijziüv) oder etwas Aehnliches. — 9. 432 •
21. xa\ el (aber es fragt sich, ob Aristoteles nicht stets xiStv el geschrieben
hat in Folge seiner, wie gesagt, auch in seinen strengen Lehrschriften
noch oft hervortretenden Gewöhnung an Vermeidung des Hiatus). —
10. 438* 9. raura <tA> und 10. noUol (gewiss richtig). — 15. Xp^-
f«C <^'>. ~ i>ll. Bywater lässt mit Recht die Parenthese schon mit
TfpofTov beginnen. — ^24 f. Er setzt richtig 8eb — xcveTrcu in Paren-
these und hinter d^^atpuna ein Punctum. - 11. 484» 10 ff. Gewiss mit
Grund nimmt er an 11 aßri^ 8k ixetim^v Anstoss, aber sein Heilmittel
räUa Opa (was füglich entbehrt werden kann) an die Stelle zu setzen
und jene Worte hinabzurücken, indem er (mit richtiger Setzung eines
Punkts hinter 12 ^/oef/c) 12 ff. so herstellen will: vtx^ 8* iv/or« (xtü
xtysl T^v ßouhjOiy wanep aY^cupa)(6rk /ikv} aunj ixetui^v^ brk 8' ixeivf) raun^v
^ ope$ec rijv 8pe$c¥ x. t. X, ist nur ein neuer vergeblicher Versuch der zer-
rütteten Stelle aufzuhelfen W). Vielleicht war atin^ 8k hxsTvo eine Va-
riante zu iveoTS' nyv ßauXi^aev. Dagegen scheint jetzt Busse wirklich
im Ganzen das Wahre getroffen zu haben durch Umstellung von 18 f.
ij ope^iQ—yivr^Tiu hinter 15 xtyet und Interpunctionsänderuug : dp^ixtu'
repa, xal xevet ^ Spt^iQ t^v ope$c¥^ 8rav dxpacea yivTfcat. Aber ich be-
zweifle, dass dies genügt: man müsste wohl überdies brk 8k vor *d
x/ver einfügen. Dann aber ist es viel einfacher diese Einfügung vor ^
SpB^tQ zugleich mit der Umstellung vorzunehmen. Dass es nicht gerade
nöthig ist mit Zell er wansp (^ dvai} oipalpa <t^v xarco) zu setzen,
gebe ich zu, aber (^ dva») ist doch kaum entbehrlich, wenn man nicht
lieber mit Torstrik (^fftpatpav) afptupa will**). Endlich aber ist dxpor
aia^ wenn man diesen Herstellungsversuch billigt, nothwendig in dxoXa-
ata zu verwandeln. Denn auch wer es für möglich hält, dass der Sieg
tt) Das wären ja nor 86o und nicht rptU,
M) Die Paraothese 14 f. ^u^i dk d^l fi äyw äpxtxwripa x. x. ist aber
doch eigentlich nur TerBtandiieh, wenn <^ 4fyi0> üj^pa bereits voraufging.
i
De 8608. De mem. De iniomD. GeD. anim. Thiergeschiehte. Hl
einer Begierde über die andere »als Nebenfall c aacb beim dxpän^
eintreten kann (wozu ich keine Möglichkeit sehe), und sich die gezwun-
gene Erklärung von Busse, dass mit Srav dxpaeea ydtnjrcu dies eben
nur »als ein Nebenfallc bezeichnet werden soll, gefallen lassen will,
wird doch zugestehen mttssen, dass dies beim dxdkaarog^ dessen prak-
tische Vernunft ganz im Dienst der Begierde steht, überhaupt der einzig
mögliche Fall und folglich der Znsatz orav dxpaaia ymmjrat der Lehre des
Aristoteles so nicht entsprechend ist**). Also: vtxf S* ivtore xal xtvse
T^v ßooXrjaty, &rk d* ix€cvij ra^t^v, auntep ^^ ävcv^ a^alpa {füoii 9k
d€\ ^ ä¥w dp^txwripa xa\ xivee)^ (drk Sy ^ fy€$ec r^v Spe^ev^ Srav
dxoXaaea ^dvi^rar wars rpsTc x.r.X. — 12. 434^19, äntöv (^xal Bpt^
nrcxov) Bywater. — 25. rtvi Bywater (wohl unnöthig).
FOr die Abhandlung de sensu kommt in Betracht:
52) Julian Ziaja, Aristoteles de sensu c. l, 2, 3 bis p. 489^18
ttbersetzt und mit Anmerkungen versehen. Breslau 1887. 15 S. 4.
(Vor dem Programm des König Wilhelm-Gymnasiums).
Es ist dies eine t&chtige Arbeit, deren Fortsetzung sehr zu wünschen
ist Die Irrthümer, welche der Verf. allerdings hie und da begangen
hat, kann ich an dieser Stelle nicht beleuchten**).
Ueber die bekannte, die sogenannte Ideenassociation betreffende
Stelle in dem Schriftchen de memoria 2. 452* 17 ff. handelt
54) J. Freudenthal, Zu Aristoteles de memoria 2. 452* 17f.
Arch. f. Gesch. der Philos. IL 1889. S. 5- 12,
indem er die you Siebeck (vgl. Ber. XXX. 8.47.48) scharfsinnig ver-
M) Das bat offenbar auch Bywater empfunden und sich dadurch m
seinem verkehrten Herstellungsversuch verleiten lassen. Im weiteren Sinne
übrigens gehört ja freilich, wie Aristoteles aasführt, zur SptStg auch die
ßooiTjetQ: dass er das Wort hier in einem engern statt i-xt^ußla gebraucht,
mag darin seinen Grund haben, dass letzterer Ausdruck doch wieder zu eng
sein würde, indem neben der int6oßia auch der (^ufi6i in Betracht kommt.
M) Ein arger Schnitzer ist es, dass er S. 3 aas Psych. 111, 9. 432b 5 ff.
herausliest , Aristoteles habe die ßouXijatg mit zam vernünftigen Seelenthell
gerechnet. Aristoteles polemisirt vielmehr hier gegen Piaton, welcher das
dpMxraöiß in drei Tbeile auseinanderreisse , ßoöXijfftg, {hfiog^ ixi&ofua, indem
nach dieser Constniction die ßoul^üti zu der vernünftigen Seele gehören mflsste.
Aristoteles vereinigt alle drei in seinem zweiten, der Einwirkung der Ver-
nunft zugänglichen Seelentheile , der fpox^ attf^i^rcxi^, welcher zugleich das
dptxxtxöv igt, der Sitz der eben von der ßouXtjtn^, dem von der praktischen
Vernunft geleiteten Willen, abh&ogigen Charaktertagenden. Wenn die ßoöXyietq
selbst zum vernünftigen Seelentbeil gehörte (also etwa, wie TeichmOller
grundver kehrt behauptet hat, mit der praktischen Vernunft einerlei wäre),
Würden die Charaktertagenden vielmehr zu Vemunfttngenden werdea
112 Ariitotelai.
lachte neoe Erklirang widerlegt and damit die bisherige wieder eiosetst»
so dase Z. 17--19 gerade so wie bei Bekker stehea bleiben, das Fol*
gende aber nach FreadenthaTs schon früher gemachtem and jetzt
n&her begründetem Vorschlag zu verbessern ist: bI yäp fjJj htl rou 9
ifiv^Bij^ im Tou £ fidfLvijTai^ ei rb H ^ rb Z im(^ijTer ivreüdev yäp in* €^w
xMij^^vai ivBij[trat^ xaJ in\ rb J xal iiü rb Z. el 6k fi^ rourwv rt ifu-
C^elt ink zb f iXBoßV fivi^aB^eTai - si dk fjü^^ iiä rb A, Goi^ectar ist
dabei nar die Umkehrung der beiden Sätzchen Z. 20 in\ rou E fiifivt^
ratf int rou E B iß^i^cBf} (denn anch die Tilgung des zweiten Z ist hand-
schriftlich and sonst bezengt) und die Hinanfrückung von 23 et rb H ^
rb Z imCijrti vor 20 i¥reuBev, auch 22 Z für i7 ist durch F (die vet
transL) gestützt
In der Abb. de insomniis verbessert Bywater (a. a. O. S. 67f.)
2. 460^ 28 xiuaufiivou in xfvoDvroc«
Unter den zoologischen Schriften möge zuerst für de gene-
ratione animalium genannt sein:
65) Trait6 de la g^n^ration des animaux d'Aristote traduit en
firan^s etc. par J. Barthölemy-Saint Hilaire. Paris, Hachette
1887. GGLXXXIII, 124. 649 S. 2 Bde. Lex. 8.
HeinUrtheil über Hilaire*s Uebersetzungen und die beigefügten
Anmerkungen brauche ich nicht zu wiederholen. Dagegen ist auch hier
wieder die Einleitung höchst interessant und lehrreich. Wenn er freilich
zuerst entdeckt zu haben glaubt, dass das 6. Buch nicht speziell zu
dieser Schrift gehört, so beruht dieser Glaube nur auf Mangel an
Kenntniss der einschlagenden deutschen Litteratur und sogar der Philo-
sophie der Griechen Zeller 's, und selbst seine Beobachtung, dass es
mehr ein Anhang zu de part. anim. ist, hat ihm Susemihl schon vor-
weggenommen, 8. Ber. XLYI. S. 243. Immerhin bleibt seine Beweis^
Alhrang von Wertb und Interesse. Im Uebrigen vgl. die ausführlichere
Anzeige von Susemihl Berl. ph. W. XL 1891. Sp 5f.
Vorwiegend auf die Thiergeschichte bezieht sich die vortreff-
liche kleine Schrift von
66) Franz Posch enrieder, Die naturwissenschaftlichen Schriften
des Aristoteles in ihrem Verhältniss zu den BQchem der hippokrati-
schen Sammlung. Bamberg 1887. 67 S. 8. (Gymnasialprogramm).
deren Werth ausser in dem Bericht Zeller's (Arch. IL S. 271 f.) und
eingehender in den Recensionen von Kühlewein Philol. Anz. XYII.
1887. S. 666-669 und Ilberg Beri. ph W. VIII. 1888. Sp. 1237-1239
nach Gebühr gewürdigt ist Zugleich aber hat dabei Kühlewein auch
die Grenzen des Sicheren und des Zweifelhaften in Poschenrieder^s
Ergebnissen schftrfer gezogen. Immerhin bleibt so viel stehen, dass
Aristoteles. 1 1 3
Aristoteles, um von der Schrift de aqua, aere, locis hier ahzusehen'^),
ausser der über die Kopfwunden höchst wahrscheinlich auch nept äpBpafv^
Ttepl vouffwv a' und die kölschen Prognosen gekannt und benutzt hat,
vielleicht auch ntp\ <puatog naidtou. Dagegen scheinen die Aehnlich-
keiten mit nep\ zöntav xar' ävBptonov mir eher auf eine gemeinsame
Quelle hinzuweisen'^), und in Bezug auf nep\ (Topxlov muss es völlig
dahingestellt bleiben, ob der Verfasser dieser Schrift den Aristoteles,
wie Poscbenrieder meint, oder umgekehrt Aristoteles (Hist. an. in, 3)
ihn benutzte, was Kühle wein eher zu glauben geneigt ist. Die von
Kühleweiu Philologus XVII. S. 127 ff. aufgedeckten Spuren davon, dass
der Urheber des unächten 7. Buches der Thiergesch. mit den gynäko-
logischen Schriften der sogenannten hippokratischen Sammlung vertraut
war, hat Poscbenrieder weiter verfolgt und nachgewiesen, dass der-
selbe namentlich solche Stellen mit Vorliebe heranzog, bei welchen ein
Gleiches schon von dem ächten Aristoteles geschehen war. Auf den
zweiten, die Probleme betreffenden Theil von Poschenrieder's Schrift
kann ich erst weiter unten zu sprechen kommen. Die Hartnäckigkeit
aber, mit welcher bisher unsere eigentlich Ton angebenden Gelehrten
(s. Ber. XLII. S. 13) noch immer an der Aechtheit des 7. und 9. Buchs
der Thiergesch. festhielten, wird nunmehr wohl ihr Ende erreicht haben,
da auch Zell er (Arch. II. S. 272) anerkannt hat, dass fUr das 9. durch
die ausgezeichnete Abhandlung von
56) L. Dittmeyer, Die Unechtheit des IX. Buches der Aristote-
lischen Tiergeschichte, München 1887. 47 S. 8. (Bl f. d. bayer. Gym-
nasialschulwesen XXIII. S. 16—29. 66—78. 145 — 162)
nach allen Richtungen hin das Gegentheii erhärtet ist. Als so wohl aus-
gearbeitet die Thiergesch. also auch bezeichnet werden muss, so weit
>7) Dass Poscbenrieder S. 8. A. 12 auf die analogen Aeosserungen in
dieser Schrift und bei Piaton in der Politie und Aristoteles in der Politik
»kein allzu grosses Gewicht legen möchtec, darin hat er ganz Recht. Trotz-
dem kann wohl kaum im Zweifel darüber sein, dass Beide diese Schrift
kannten und auch bei diesen ihren analogen, jedoch nicht identischen Aeusse-
ruDgen vor Augen hatten, wenn auch nicht gerade erst dadurch auf dieselben
geführt wurden, vgl. Ilberg Sp. 1238.
^) Zu diesem Urtheil bewegt mich die von Kflhlewein S. 566 f. mit
Recht betonte Abweichung: Psendo-Hippokr. a. a. 0. § 5. xal xb ßkv awßa
näv ißitXtov vtoptav ntpl dk rd npöüwnou xal rify xB^ed-^v oöx iart vtupa^
dkl' fvcc Aristot. H. A. III, 6. 516^ 12 ff. xal ittpi ndvxa i<nt zd daräTtX^'
^g vBoptoy . kv dh zj xe^aXf/ oöx icziv oödiu,. dXX^ al fia^ai. Denn dass
etwa Tvcc hier die Nerven im Gegensatz zu den Sehnen {v9upa) bezeichnen
könnte, was Kühlewein für möglich hält, scheint mir bis auf Weiteres un-
möglich: ich denke, es sind eben auch hier die Fleischfasern oder Muskeln
gemeint
JahrMb«richt für Alt«rthuiiuwiM«nMhaft LXVn. Bd. (ISSl. I.) 8
114 Thiergesch. u. and. zool. u. 8.w. Schriften Physiognomik.
Aristoteles sie vollendet hat, ist sie doch ehen bei Weitem unvollendet
geblieben. Recht missverstftndlich ist übrigens der Ausdruck Ditt*
meyer's S. 46 (161), der Katalog des Diog. Laert., welcher neun Bttcher
Ttspt C^JMov aufzählt, verdiene bekanntlich keinen Glauben. Gemeint ist
offenbar nur, dass aus ihm die Aechtheit des 9. Buches nicht folgt, son-
dern nur, dass der Urheber dieses Katalogs schon die Verbindung des
7. und 9. Buches mit dem ächten Werk vor sich hatte, während er das
10. noch als besondere Schrift aufführt.
Ich schliesse den Bericht über diese ganze Gruppe der zoologischen,
psychologischen und physiologischen Werke des Aristoteles mit einer
medicinischen Doctordissertation ab, die gewiss eben als solche ein
sehr erfreuliches Symptom genannt werden muss und von de partibus
animalium ausgehend, dann auch die übrigen hierher gehörigen Schriften
in ihren Bereich zieht:
57) Friedrich Landmann, Die physiologischen Anschaaungen
des Aristoteles. Greifswald 1890. SO S. 8.
Der Verf. hat es allerdings eben nur auf einen Gesammtüberblick
abgesehen und von neueren Arbeiten ausser Lewes nur noch J. B.
Meyer's Thierkunde des Aristoteles benutzt, tiefer liegende schwierige
Fragen daher nicht berührt; aber als ein solcher kurzer und brauch-
barer Ueberblick kann diese Darstellung immerhin empfohlen werden.
Die Unächtheit der Physiognomik erhärtet
58) Rieh. Fo er st er, De Aristotelis quae feruntur Physiognomi-
corum indole ac condicione Philol. Abhh. zum 7ojähr. Geburtst von
M. Hertz, Berlin 1888. S. 282—304
genauer, als es bisher geschehen ist, und zeigt im Anschluss an Rose
Aristot. pseudep. S. 696 ff. , dass C. 1 — 3 aus einer anderen Schrift als
C. 4 -6 ausgezogen sind, diese beiden Schriften aber vor Polemon dem
Physiognomen und Suetonius, ja vielleicht schon von Hermippos (da im
Katalog des Anon. Menag = Hesych. No. 97 ^aioptw/iexä ß steht, in
dem des Laert. Diog. No. 109 freilich ^uato^yaßjjLtxä 5)*») verbunden und
von Peripatetikern unter dem Einfluss eigner Aeusserungen des Aristo-
teles (Anal. pr. II, 27. 70^ 7 ff . H. A. I, 9. 15. 49l^ff. 494» 16) ge-
schrieben waren. Den Urheber unserer Auszüge setzt er in die Zeit
des Hadrianos, indem er die Worte 3. 808» 16 oIoq äv ehj ätovoinog o
aofurrfjQ auf den damaligen Sophisten Dionysios von Miletos bezieht
S9) Wenigstens die Entstehung der ersteren Schrift fällt sonach noch
ins 3. Jahrh , wenn anders doch wohl wirklich, wie gesagt, diese Verseichnisse
auf das des Hermippos zurückgehen. Indessen s. Suse mihi Qriech.-alex L -G. I.
S. 162. A 845.
Aristoteles. De plant. Mirab. aase. Mechan. 115
Von einer Reihe anderer pseudo-aristotelischer Schriften erschien
eine werthvolle neue Ausgabe:
69) Aristotelis quae feruntur de plantis, de mirabilibus auscultati-
onibus, mechanica, de lineis insecabilibus, ventorum situs et nomina,
de Melisso Xenophane Gorgia. Edidit Otto Apelt. Leipzig, Teubuer.
1888. XXXIV, 242 S. 8.
Da ich mich aber über dieselbe ausführlicher in d. Berl. ph Woch.
X. 1890. Sp. 1361 -1364^) ausgesprochen habe, kann ich mich hier
kurz fassen: sie ist von besonderem Belang für die mechanischen
Probleme, noch mehr aber für das Schriftchen über die untheil-
baren Linien, dessen Text hier zuerst methodisch gestaltet und ab-
gesehen von Hayduck's Vorgang auch zuerst emendirt ist, am Meisten
aber für die Abhandlungen über Melissos, Xenophanes und Gor-
gia s, für welche wir hier nicht bloss die erste wirkliche, auf eine er-
neute Vergleichung des von Bekker unbegreiflich stiefväterlich behan-
delten Hauptcodex (Lipsiensis), aber nicht einseitig auf ihn allein be-
gründete Textrecension , sondern überhaupt erst einen dieses Namens
würdigen, neben vielen fremden Conjecturen auch durch zahlreiche eigene
verbesserten Text erbalten. Ausser von mir ist diese Ausgabe von
E. Richter Deutsche L.-Z. 1889. Sp. 1231 f.*>) und Wohlrab Litt.
Centralbl. 1889. Sp. 1236 f. recensirt Dazukommt der Bericht von
Zeller Arch. f. G. d. Ph. IIL S. 317 f.
Dass der Verfasser der letztgenannten' Abhandlungen, gleichwie er
trotz Kern und Heinze die Lehre des Xenophanes auf das Aeusserste
verfälscht, so auch nicht einmal für die des Melissos durchweg zuver-
lässig ist, hat einleuchtend Pabst a. a. 0. gezeigt, und für die Unter-
suchung der Quellen von Pseudo-Arist. Mirab. au sc. ist noch auf
Günther, De ea, quae inter Timaeum et Sycophronem intercedit ratione.
Leipzig 1889. 8. zu verweisen, vgl. die Reco, von Susemihl Berl. ph.
Woch. XL 1891. Sp. 71—73 und Knaack Woch. f. kl. Ph. VIIL 1891,
Sp. 399— 401 und Susemihl Gr.-alex. L.-G. I. S. 889f. Die auf diese
Sammlung bezügliche Abhandlung von
60) P. Unger, De antiquissima Aenianum inscriptione. (Aristot.
mir. ausc. c. 145) Altenburg 1888. 12 S. 4. (Gymnasialprogr.)
ist mir nicht zugekommen. Und so ist denn vor dem Uebergang auf die
weiteren, wirklich von Aristoteles herrührenden Schriften nur noch hin-
^) Wie die falsche Angabe von einer Recension B. Kübler's an dieser
Stelle Sp. 1361^1368 in diesen Jahresber. LXV. S. 226 zu verbessern ist, mnss
ich dem Verf. überlassen.
41) Vergl. was ich in meiner eigenen Recension gegen dessen sehr wenig
verständigen Tadel erinnert habe.
8*
116 liiQ- insec. De Mefisso etc. Probl.
sichtlich der Probleme auf Posch enrieder's anter No. 65 besprochenes
Schriftchen zurückzukommen.
Poschenrieder führt nämlich im zweiten Theile desselben (S. 38 ff.)
die von £. Richter (vgl. ßer. XLVI. S. 247) begonnene Arbeit in den
Problemen Entlehnungen aus den sogenannten hippokratischen Schriften
nachzuweisen beträchtlich weiter fort. Namentlich das 10. Capitel der
wirklich von Hippokrates herrührenden de a6re, aqua, locis ist, wie er
zeigt, häufig im 1. Buch verwerthet, und wo ein Zusammentreffen mit
dem 3. Abschnitt der Aphorismen stattfindet, erklärt sich dasselbe daraus,
dass auch dieser ein Auszug aus jenem Capitel ist ; nur in einigen der
Bussemakerschen Probleme findet vielmehr allerdings Abhängigkeit von
ihm Statt. In anderen Büchern weist Poschenrieder Ausbeutungen
von nepl dtai-njQ ß\ nepl voutTwv a und vom 6. (weniger sicher auch 2.)
Buch der Epidemien nach. Unsicher sind die zum Theil schon von
Usener vermutheten Spuren von nepe eXxwy und nepl ^oacjv in Busse-
makerschen Problemen.
Bericht über Aristoteles nnd die ältesten Aka-
demiker and Peripatetiker für 1887 — 1890.
Zweites Stttck.
Von
Prof. Dr. Franz Sasemihl
in Qreifswald.
Von der nikomachischen Ethik erhielten wir eine gute neue
Aasgabe :
61) Aristotelis Ethica Nicomachea. Recognovit brevique adnotatione
critica instrnxit I. Bywater, Collegii Exoniensis socias, Oxford 1800.
VIII, 264 8. 8.
Schon meine eigene unterschied sich von der B e k k e r * s nicht
zum Wenigsten dadurch, dass ich weit häufiger die Lesarten des besten
Codex E^ aufgenommen habe. Es ist aber noch lange nicht oft genug
dort geschehen, wie dies die zahlreichen Uebereinstimmungen in den
inzwischen (s. No. 90) erschienenen Commentaren des Aspasios mit den-
selben beweisen. Von diesem neuen, werthvollen Qülfsmittel hat nun
Bywater Gebrauch gemacht und überdies auch die Interpunktion, in
meinen Fusstapfen fortgehend, noch mehrfach verbessert. Andererseits
aber glaube ich in Anbetracht der vielen und zum Theil groben Fehler
in E^, welche auch Bywater nicht verkennt, dass er mit seinem An-
schluss an diesen Codex, wo derselbe allein steht, dass richtige Mass
bei Weitem überschritten hat, und dass es in solchen Fällen (und im
1. Buch auch da, wo E^ nur durch M^ unterstützt wird) gerathener
erscheint bei der Vulgata zu bleiben, so bald sich die Lesart von E^
nicht irgendwie vor ihr empfiehlt, sondern die eine so gut richtig sein
kann wie die andere. Will man es aber anders machen, dann ist sogar
Bywater noch nicht weit genug gegangen, wie ihm schon sein Recen-
seot E. Wellmann, Deutsche L.-Z. 1801, Sp. 1671 bemerkt hat, dass
dann kein Grund war z. B. 1096» 6 ixofjiivoeg, lOOö^'SO rä vSv, 1097*» 6
rijv söSatfiov/av 8' zu verwerfen. Ich selbst bin hie und da E^ allein
gefolgt, wo Bywater ihn wieder verlassen hat. Der Apparat ist jeden-
118 Aristoteles.
üalls zu knapp bemessen, und der Coigecturalkritik sind nicht die ihr
gebohrenden Rechte eingeräumt, indem vielfach unzweifelhaft richtige
oder doch höchst beachtenswerthe Coiyecturen nicht einmal erwfthnt
werden. Unter den eigenen des Herausgebers befinden sich mehrere
gute. Die höhere Kritik ist absichtlich nicht berücksichtigt. Vorzfiglich
ist der Index. Genauer habe ich mich in meiner Recension Berl. ph. Woch.
XII, 1892, Sp. 74— 78 ausgesprochen. Andere Anzeigen erschienen noch
von Lugert Woch. f. kl. Ph. VIII. 1891, Sp. 705—707 und Wohlrab
L. Gentrlbl. 1891. Sp. 684.
Es wird wohl das Zweckmässigste sein die in dieser Zeit hervor-
getretenen Besprechungen einzelner Stellen gleich hier anzuschliessen :
62) H. Ras so w, Zu Aristoteles. Rhein. Mus. XLIII. 1888. S. 583
bis 596.
63) J. Cook Wilson, On some passages in Plato^s Republic and
Aristotle's Ethics. Transactions of the Oxford philol. Society 1886/7.
64) J. Z a h 1 f 1 e i s c h , Zu Aristoteles 1135^3 8 (Nikom. Eth. E 1 0).
Zeitschr. f. d. öst G. XXXYIII. 1887. S. 249.
65) H. Jackson, Academy XXXII. 1887. No. 811. S. 340.
66) Derselbe, Cambridge University Reporter 29. Nov. 1887.
67) J. Cook Wilson, Recent emendations of the Aristotelian text.
Academy 1887. No. 813. S. 375 f.
68) Derselbe, Some recent emendations of Aristotle and Plato.
Ebendas. XXXIO. 1888. No. 824. S. 119—121.
69) Derselbe, Notes on Aristotle Nie. Eth. Transactions of the
Oxford phil. Soc. 1887/8.
70) J. Solomon, Notes on Aristotle's Ethics. Classical Rewiew III.
1889. 8. 196—198.
71) J. Burnet, Ebendas. S. 198f.
72) J. A. Stewart, Notes of Aristotle's Ethics. Ebendas. S. 293 f.
73) J. Solomon, Aristotle's Ethics VIII, 10. Ebendas. S. 294f.
74) J. A. Stewart, Eth. Nie. V, 10. 1137» 81—1138» 3. Ebendas.
1890. S. 299.
75) S. E. Winbolt, Aristotle, Ethics' T, 1. § 17. Ebendas. 8. 481.
Dabei ist im Voraus zu bemerken, dass No. 67 und 68 gegen No. 65
und 66 gerichtet sind. — Hierzu kommen aber noch Erörterungen um-
fänglicherer Partien:
76) E. Arleth, B/o^ riUioQ in der aristotelischen Ethik. Arch. f.
Gesch. der Philos. II. 1889. 8. 13—21.
Ethik. 119
11) R. Noetel, Aristotelis Ethicornm Nicomacheorum libri tertii
capita XIII. XIV. XV. enarrata. Jahrb. f. Philol. C. XXXIX. 1889.
S. T21 - 744.
In dem letzteren dieser beiden Aufsätze ftlhrt Noetel seine ver-
dienstlichen Untersachungen über die Disposition einiger Abschnitte
weiter. In dem ersteren sacht Arleth genauer zu bestimmen, was Ari-
stoteles unter dem ß/o^ ziXstoQ in der Definition der Glückseligkeit I, 6.
1098* 18 verstanden habe. Es handelt sich also dabei um die Ausfüh-
rungen I, 10. 11 von 1100* 1 ab, und er wendet sich natürlich, da er
eine neue Erklärung geben will, vor Allem gegen die von Rassow ver-
suchte als die einzige, welche bisher wirklich in die Sache eingegangen
ist, bei welcher jedoch Rassow selbst im Zweifel stecken bleibt: »eine
Lebensspanne von zweckentsprechender Dauere Ich habe selber bisher
an deren Richtigkeit geglaubt, jedoch auf alle Fälle die ünächtheit des
Zusatzes llOl* l^Jj—l^ndvratQ behauptet, auf welchem allein auch der
Grund von Rassow 's Schwanken beruht Hätte Arleth meine Aus-
gabe angesehen, so würde er dies gefunden und nicht diese Ausschei-
dung als seine neue Entdeckung vorgetragen haben. Die Sache freilich
gewinnt dabei, dass er unabhängig von mir zu demselben Ergebniss ge-
langt ist und es, wozu ich noch keine Gelegenheit hatte, auch begründet
hat Ohne Bedenken gegen Rassow's Erklärung aber bin inzwischen
auch ich nicht geblieben: kann denn ßioQ wie das ganze Leben so auch
einen blossen Theil desselben bezeichnen? warum sagt Aristoteles so
nicht lieber j^pövoc riXetoQ wie 1101» 12f. (vgl. X, 1. l\11^ 25 j^xoq
ßioo rd^iov)? muss nicht die Erklärung vielmehr daran anknüpfen, wo-
von die Erörterung ausgeht, dass dem unreifen Kinde der ßeo^ riXeio^
abgesprochen wird (1101» 5)?^) widerlegt nicht dies Rassow 's Deu-
tung? Diese Gründe sind entscheidender für mich als die Arleth' s
S. 18 f., aber ich stimme ihm sonach bei, dass ßioQ vielmehr im Sinne
von »Lebensweise, Lebensform, Lebensführungc zu fassen ist und das
mit diesem ßioQ verbundene riXEiog etwa »zweckentsprechend voll ent-
wickelt, ausgereift und voUendett^) bedeutet, während es in Verbindung
mit ;^/9ovoc nach der Natur des letzteren Begriffes allerdings »zweckent-
sprechend langt heisst Und damit wird denn auch, wie Arleth mit
Recht behauptet, völlig klar, was Aristoteles will: wer so lange in einer
durch äussere Mängel oder Unfälle gar nicht oder doch nicht allzu erheblich
1) Vgl. Pol. I, 13. 1260a 31 ff. inti dk naX^ ärtX^^y d^kov ort rourou
/ikv xal ^ äptr^ oöx aöroD npdg ain6v iüxtv, dXXd npö^ rd riXog (rdv riXetov
P48. L8 Ar. Aid.) xal rdv ^yoüßtvov. V (VIII), 5. 1339» 29ff. ottdk dmrwr^v
ärtXiatv (so M. Schmidt f. re nataiy) dp/iörret xal ra?( ^Xtx(atg änodtddvat
ralq Totauratg* oödk ^dp drtXei npo^xet riXog.
>) Ich gebrauche einen etwas andern Ausdrack als Arleth selbst.
120 ÄristoteleB.
an der thätigen Aasübung tugendhafter Lebensflüimng gehindert ist, dass
er dieselbe zu vollkommener Reife bringt, ist glückselig und wird es
nach etwaiger Störung durch schwere Schicksalsschläge wiederum, wenn
ihm hernach abermals ein Gleiches zu Theil wird.
Ich fasse nun das Uebrige möglichst kurz zusammen. I, 1. 1094*
14. Rassow hält Stj für das Richtige, indem er yielleicht mit Recht
behauptet, Sä könne nur dann aus dem Relativsatz im Demonstrativsatz
wiederholt werden, wenn es adversativ und nicht bloss anreihend sei.
— 1094^ 19. dp;^^v f. dv8pe(av Burnet, aber s. oben Ber. LXXI. S. 10.
— I, 3. 1096* 6. 9. Rassow erklärt mit Grant richtig ßtatog passi-
visch und widerlegt den Vertheidigungsversuch von xat durch Ber na js.
— 10. Solomon stützt Ramsauer's Erklärung von xaraßdXXecv »ver-
öffentlichenc noch durch Plat. Soph. 232 D und leitet diese Bedeutung
von dem gesetzlichen Gebrauch dieses Wortes im Sinne von >file, de-
posit among the public recordsc ab. >- I, 4. 1096* 16. Jackson hält
äji^oiv — dXrj^etav für einen Gemeinplatz der platonischen Schule, Wilson
bemerkt dagegen, dass von allen platonischen Stellen, welche Jackson
dafElr beibringt, nur die eine Rep. X. 696 C wirklich einen starken An-
klang enthält, und hebt bei dieser Gelegenheit die Anklänge im Ausdruck
von I, 6. 7. 1097* 24. 1098* 22 f. bei ganz gleichgültigen Dingen an Ges.
639 D. 770 B hervor. — 1096*34—^6. Gegen Rassow s. Susemihl
Quaest. Aristot. I, Greifswald 1892. S. XVIII.'^. 66. Auch der Vor-
schlag von Burnet ^6 nSavaprepov — 7 8oxee \ot *34 dnopr/aete um-
zustellen war längst im Voraus von Noetel (vgl. Ber. XVII. S. 279)
widerlegt. - I, 5. 1097* 27. Soukoug (f. aöXobg) By water (s. No. 51)
und unabhängig von ihm B u r n e t , wohl richtig. — ^8 ff. Wilson
(No. 69) macht mit Recht auf die Schwierigkeit der Construction auf-
merksam. Mit ihm nehme ich an, dass alle Dative hier gleich bezogen
werden müssen und xal hinter dXkä »auchc bedeutet, so dass der Sinn
ist: »nicht für den Mann allein für sich genommen, sondern auch für
seine Familie und für alle ihm Nahestehenden überhaupt, seine Freunde
und Mitbürgerc = »sondern mit seiner Familie u. s. w.c Die Lesart
yvvat^l in K^ M^ ist ohne Zweifel falsch und wird nicht einmal von
By water gebilligt. Ob Aristot. hier Plat. Rep. 387 E vor Augen hatte,
lasse auch ich dahingestellt, zumal da nicht viel darauf ankommt. — 16.
alpezfüTarov Jackson, was Wilson mit Recht verwirft — I, 6, 1098* 4 ff.
Burnet bestreitet vergebens, dass rourou — deavoou/ievov und dann xal
mit Recht von Rassow, Susemihl und Grant gestrichen sind. —
1, 9. 1099*8. (^xal nepT} rä ipo^txä Solomon. Sollte nicht statt dieser
gar zu gewaltsamen Aenderung (^xa\ nepiy twv ipu^exwv oder bloss ^xau^
T&v ipüxtxa»y möglich sein? — ^5. Burnet vertheidigt das von mir
nach minderwerthigen Textquellen gestrichene ^ ^ikoi, aber er sagt nicht,
wie dies zu ndyxaxoc passt. — 8. dp^ijv (f. dperijv) Rassow. — I, 10.
1099^ 23. <rd> xarä? Burnet. — 26. [xar dperijv] Burnet. Aber
r
Ethik. 121
notd rtg bedeutet iv ßiq} reXetw dvefinöSurroc oder xe^^opTjpjfievij» —
1100* 4. [reXetag] Burnet, schwerlich mit Recht. — 6. edBevoüvra
Buruet (eua&evoüvra K^, was Bywater fibersehen hat). — I, 11.
1101* 14. Da hier df/erij reXeea wieder in Verbindung mit ßiog rehtog
erscheint, nimmt Burnet zu £ucken'8 unrichtiger Umstellung von
16/jii^ - rdXecov ßeov hinter 1*1 ourw seine Zuflucht Vielmehr sind nach
dem vorhin Bemerkten }Q^r-\9nduTiüg zu streichen, indem eben jenem
vorhin Bemerkten gemäss auch nach dieser Streichung das Futurum in
den folgenden Worten 19 f. el — duBpwnoug keineswegs unverständlich
noch auch diese Worte ein massiger Zusatz sind , wie R a s s o w unter
Billigung Zeller's (der Arleth's Abb. ja noch nicht kannte) glaubt
Sie sind vielmehr gerade mit der Hinzuffigung von xal undp^st durchaus
nicht unwesentlich fhr das richtige Verständniss, um eben den Fall einer
erst künftigen Erlangung oder auch Wiedererlangung der Glückseligkeit
einzuschliessen. Gewundert aber habe ich mich über Rassow^s em-
phatische Frage, »wie in aller Weltt die gestrichenen Worte in den
Text gekommen sein sollten. Denn gerade Rassow hat ja eine Reihe
von Peripatetikerznsätzen in der nik. Eth. nachgewiesen, und gerade
Rassow hat ja hervorgehoben, dass die falsche Auffassung, als ob ßiog
xiketog das ganze Leben bezeichnen sollte, von den ältesten Zeiten her
unter den Peripatetikern bestand'). — 34. Burnet bevorzugt aus un-
zureichendem Grunde die Lesart '^ojdrjj^ doch kann er Recht haben. —
^1. Dass L^ Q0¥ statt yäp hat, ist nicht im Mindesten ein Grund mit
Burnet youv zu schreiben. — II, 2. Hier spricht nun Rassow sich
selbst (was ich nur zweifelnd that)^) entschieden für die Ansicht von
Eucken aus, dass 1103^ 26-1104*27 nicht hierher gehöre, und be*
weist dies genauer^). — 11, 7. 1107*30. Jackson vertheidigt die aller-
dings viel besser bezeugte Lesart xotvoTBpot (die auch Bywater auf-
S) Rassow S 696. A. 1 protestirt auch gegen meine Angabe, dass er
I, 7. 1998« 26— ^8 dem Aristoteles habe absprechen wollen. Natürlich ist
mein weither Freund der beste Ausleger seiner eigenen Worte, und ich nehme
es nun getrost auf meine eigene Rechnung, das ganze Gap. mit Ausnahme der
Anfangsworte als ein den Zusammenhaxig zerreissendes und schwachsinniges
Peripatetikerge wasch za bezeichnen, wofür ich den Beweis, wenn es nöthig
sein sollte, nicht schuldig bleiben werde.
4) In meiner Ausg. sind in der Bemerkung z. d. St. die Worte 1105«
14— et zu streichen.
s) Ein Bedenken gegen die Ausscheidung erregt es, dass dann in die
Definition der Charaktertugend II, 5. 1106 b 36 ff. der dp^bi kdYoq yOllig un-
vorbereitet hineinfällt. Man müsste also schon, um dies gut zu machen, an-
nehmen, dass ursprOnglich hinter 1107*7 etwa Folgendes (vgl. 1103^ 32 ff.)
gestanden hätte: ittpl dk roö dp&oö koyou ptfiiia^iax öarepov, xal r( i^rt xal
ic&g fytt itpög rag ij^adg äperdg, was ja freilich keineswegs unmöglich oder
auch nur unwahrscheinlich ist.
122 Aristoteles.
genommen hat); Wilson entscheidet sich mit Recht für xevofrepoi*).
Weiter unten 1108* 82 vertheidigt er nicht minder richtig den herge-
brachten Text und die hergebrachte Interpunktion gegen Jackson.
Rassow will nicht zugeben, dass dies ganze Capitel unächt sei. Er
hätte wenigstens den Versuch machen sollen die von Monro (s. Ber. Y.
S. 277) dafür beigebrachten GrOnde zu widerlegen; ich glaube aber, er
wtU'de bei diesem Versuch selber gefunden 4)aben, dass sie vielmehr un-
widerleglich sind; vgl. wiederum Susemihl a. a. 0. ~ 1107^25 schlftgt
Rassow ^r^) nepl fiexpä ^elvaey oder nepl iitxpä (pturav^ vor: auf alle
Fälle genügt wohl Ramsauer*s Vermuthung (j^fy nep\ fuxpä. — III,
2. 1111*9. Zur Stütze für die auffällige Construction (Aspas. scheint
freilich Xi^ov rag gelesen zu haben) vergleicht Wilson (No. 63) Plat.
Rep. 898 A. — 14. noriaag Win holt {niaaQ Bernays), vielleicht
richtig. — III, 5. 1112^ 18 Bywater meint, Aristoteles müsse etwa
geschrieben haben: (^rourou) nwg [Seä rourou'] itrrae xdxsew) deä ztvoQ.
Ich sehe das nicht ein; freilich würde ich xa\ rouro fbr xdxetvo erwarten;
muss geändert werden, so würde ich vielmehr xdxeTvo <xar rouroy vor-
schlagen. — 81. [^ ^^a Tivog] als andere Lesart zu 30 ^<* öS? Suse-
mihl Berl. ph. Woch. XII. 1892. Sp. 78. — III. II. 1117» 14. (div^
dvrmaBeTv? oder nach Aspas. (so Heyblut und Bywater in seiner
Ausg.) Av TtaßeTv? Stewart — 20. Ich habe ^ xdl secludirt, xat fehlt
in der besseren Ueberlieferung. Rassow hält vielleicht mit Recht ^
und xau für zwei Lesarten, die er für gleich passend erklärt. Mir schei-
nen beide gleich unmöglich, und ebenso urtheilt Bywater, indem er in
seiner Augs. ^y schreibt. — III, 18. 1117*> 23. Noetel sucht Ram-
sau er 's auch von mir gebilligte Ausscheidung von doxoütn — dperai ge-
nauer und richtiger zu begründen. — 1118» 2. Noetel vertheidigt Sk. —
10. popwv f. pijXiov und 12. pyjAotv f. pupwv Noetel mit Recht.'— 13.
Mit Recht entscheidet sich Noetel für imBufja^zKüv^ während Bywater
imBupü^pdzwv aus K^ Asp. (?) aufgenommen hat. 13—16. Noetel
vertheidigt gegen Ramsauer und mich Tdot - dapdtQy tilgt jedoch das
auch von mir verdächtigte r^ dk — rat;ra. — 22. Rassow sieht gleich
mir 9 eopwv für eine unrichtige Variante an und erklärt deren Ur-
sprung. — ^1 ff. dxoXaaea^ xal-Cqia' rb 8i>i - &7jpc(b8eQ' xa} Noetel —
12. T7jg f. To Noetel, indem er twv abrwv als Neutrum fasst. - 23.
Noetel vertheidigt die Interpunktion päXXov^ ^. — 24. [? p^ ^k ^fi?]
Noetel. — III. 14. 1119* 15 f. Stewart hat Recht, dass ich mit
Bekker ööBev (oder odSdv)' 3aa hätte schreiben sollen. — m, 16.
1119^ 12 f. Noetel zeigt richtig, dass so zu schreiben und interpungiren
ist: ivavrtoua&ac , rb 8k — xa} xexoXaarpsuov Zanep yäp x. r. X. (als
Begründung des Zusatzes xax xexoXaapdvov). — V, 7. 1131^ 26 ff. lieber
<) Denn xotvörtpoi wäre eine blosse Tautologie und ist schlechterdinga
kein Gegensatz gegen dXi^f^tvwTtpot, wohl aber ist xtvwTepoi ein solcher.
Ethik. 123
das $€xatov 8topBwrtxbv iv rotg kxouaioiQ {ruvaXXdyfiaffev geben Solo-
mon (No. 70) uud Wilson (No. 69) längere Auseinandersetzungen,
deren Inhalt sich nicht so in der KOrze zusammenfassen lässt; ich muss
mir daher vorbehalten sie an einem anderen Orte zu besprechen. —
V, 7. 1132^8—10 = 8. 1133» U-16. Muret und Lambin haben
die wiederholten Worte an ersterer Stelle gestrichen, und ihnen sind
die Heransgeber (jetzt auch By water) gefolgt, nur Ramsauer ver-
dammt sie an beiden Stellen, und ich habe dazu bemerkt: »nescio an
rectet (an der zweiten fehlen sie bei Michael und dem Paraphrasten).
Wilson (No. 63) sucht eingehend zu zeigen, dass wenigstens die letz-
tere nicht der richtige Platz sei, und dass die Worte eine Interpolation
an der ersteren sein mögen, dass ferner die Conjectur von Berg (nicht
Rassow, wie er angiebt) ^8) ino{€e (die auch Bywater aufgenommen
hat) der von Jackson vorzuziehen sei, aber auch Bedenken errege und
so doch vielleicht das Ueberlieferte richtig überliefert sei. Mir fehlt
hier wiederum der Raum auf diese Frage einzugehen. — V, 10. 1 136» 22.
Wilson vertheidigt das Ueberlieferte gegen Jackson. — 11 35 ^4.
Zahlfleisch empfiehlt das dnoSw der Didotschen Ausg. mit Weglassung
des Z. 5 nur in K^ Z<) stehenden ov: mir ist die Auctorität von K^
gross genug, um ihm nicht beizustimmen, und die von M^ (dimSw i^) zu
gering, um anders zu urtheilen. — 19. Stewart vertheidigt ahea^ ge-
gen Jackson^s von Suse mihi aufgenommene Goi\jectur dpoia^, —
V, 14. 1137» 81- 1138» 3. Stewart spricht sich für Ueberweg's Um-
stellung dieser Partie vor C. 11 aus und sucht die Entstehung dieser
Versetzung (in möglichem Zusammenhang mit der grossen Lücke in K^
1176» 11 -1177» 30) zu begründen: ich bleibe bei meiner Meinung, dass
hier gamichts umzustellen ist, sondern C. 11 — 13 ein Einschub aus der
eudem. Eth. sind. Man sollte endlich in England von der völlig ver-
kehrten Ansicht zurückkommen, dass die Bücher 5 — 7 ganz aus der
letzteren stammen: sie gehören ihrer Hauptmasse, aber auch nur ihrer
Hauptmasse nach sicher in die nikom. — V, 15. 1138» 18. dSexeT äv
K^ ddtxel (auTovy? Stewart. — VI, 3. 1139^28, Ob wirklich, wie
Stewart meint, <i^/$c (L^ Ar. Aid. rc. Z^) bloss eine verunglückte Con-
jectur und nicht vielmehr die richtige Lesart ist, steht durchaus nicht
fest, und vollends mit ihm Z. 39 xal zu streichen, weil es »vielleichtc
in r fehlte, ist eine ganz unberechtigte kritische Operation. — VI. 5.
1140^5. 21. Da an ersterer Stelle nur Alex, in Met 981^25 (allerdings
eine gewichtige AuctoritAt) und an letzterer ausser ihm nur noch P* M^
Paris. 1417 Eustr. '') Aret. und, wie es scheint 8), F dkrj^oug darbieten,
habe ich dies nicht in den Text zu setzen gewagt, aber doch zweifelnd
7) Selbstverst&ndlich, was Wilson h&tte einsehen sollen, im Text; die
willkürlichen Lemmen der Aldina kommen dabei nicht in Betracht.
•) S. darüber Wilson.
124 Aristoteles.
gebilligt, und dabei muss ich trotz Wilson' s Widerrede gegen Jack-
son bleiben: ich kann mir nicht vorstellen, wie Aristoteles den passen-
den Ausdruck, den er im 4. Cap. gebraucht hat, hier mit einem schwer-
lich passenden vertauscht haben sollte. — VI, 12. 1143^ 6. Wilson
(No. 69) äussert seine Bedenken in Bezug auf die Auffälligkeit der hier
ausgesprochenen Behauptung und überhaupt der in diesem Capitel ent-
haltenen Ausführungen und verspricht darzulegen, dass dasselbe von
einem andern Verf. als die Hauptmasse dieses Buches oder wenigstens
' nicht in unverfälschter Gestalt erhalten sei. Wenn er dies Yerspredien
erfüllt und dabei meine bisher von aller Welt einfach todtgeschwiegenen
Studien zur nik. Eth., Jabrb. f. Ph. CXIX. 1879. S. 753-759 benutzt,
so wird er vielleicht mit mir finden, dass das Letztere das Richtige, ge-
nauer dass 1143^ 1 xal 6 fikv — 5 voSc und 9 dcb — 11. roOrojv ein un-
aristotelisches Einschiebsel (vielleicht aus der eud. Eth.), alles Andere
aber unentbehrlich und acht aristotelisch ist — VII, 1. 1145<^ 29. äv^
Jackson, was Wilson mit Recht bestreitet, indem er, üalls wirklich
eine Aenderung nöthig sein sollte, gleich mir die von Koraes (oder
auch die von Giffen) für die einzig in Frage kommende erklärt. Ebenso
spricht er sich gleich mir gegen Zwing er 's von Jackson empfohlene
Ausscheidung von 28 xaBdnep — 29 foatv aus. — VII, 3. 1145^24.
Wilson (No. 69) meint, es sei nicht bedeutungslos, dass der Paraphrast
abx^v (aurbv Vulg.) weglasse, und vermuthet daher, dass es wirklich zu
streichen sei. — VII, 3. 1145^30. i^^os? oder etwas Aehnliches tdUxat
Jackson, aber Wilson vertheidigt mit Erfolg die Ueberlieferung. —
1146» 9. ioTiv (f. «ff)? Stewart — VII, 5. 1147»>33. [t^] oder [dxpa-
reeff] Jackson, aber Wilson zeigt, dass dies unnöthig ist — VII,
14. 1153^ 11. alptrwTarov Jackson, aber s. oben zu 1097» 16. —
VIII, 11. 1160» 19 ff. Obwohl ich sonst Bywater'sin seiner Ausg. vrieder-
holte Goi^ecturen hier übergehe, muss hier doch auf seine Begründung
(Journ. of Phil. XVil. S. 69 ff.) der von ihm vorgenommenen scharfsin-
nigen und wahrscheinlich richtigen Herstellung dieser zerrütteten Partie
hingewiesen werden. — VIII, 12. 1160^ 6 f. Mit Recht führte zur Er-
läuterung des xhjpwroi Tcg ßaffdeuQ Koraes den athenischen zweiten
Archen als Beispiel an, und Raro sauer verwies auf Plat. Polit. 291 A
rooQ xkf^pwTouQ ßaatXiaQ äpa xa\ kpiag. Gewiss richtig hat danach
Solomon auch Plat Ges. III. 692 A die xktipmrij Suvafit^ erklärt, die
man fälschlich bisher auf die Ephoren bezog, während der Sinn offenbar
ist, das Eönigthum in Sparta sei durch die Ephoren nahezu zu einer
blossen xki^pwcij ßaadeia geworden, d. h. zu einem blossen Titularkönig-
thum nach Art der priesterlichen Beamten, welche nach Abschaffung des
Königthums den Titel König erhielten, um die nur den Königen zuste-
henden heiligen Handlungen fortzusetzen. Gewiss hat Aristoteles, wie
Solomon annimmt, diese platonischen Stellen im Auge gehabt, mag
nun Piaton den humoristischen Ausdruck erfunden oder schon vorgc-
£thik. 125
fanden haben. — IX, 3. 1166^ 14. ou8k By water ohne Noth; im
üebrigen s. seine Ausg. — IX, 4. 1166<^ 19-24. Ramsauer hat ixa-
aroQ — 22. iör/v, SasemihJ ixaaro^ — 28. ßidXttna ausgeschieden.
Solomon sucht nun theils im Anscbluss an Grant, tbeils abweichend
von ihm die Stelle exegetisch zu retten. Wiederum gebricht mir hier der
Raum auf diesen Gegenstand einzugehen. — IX, 10. 1170^ 31. Wil-
son zeigt, dass Jackson mit Unrecht die Lesart von L^ dvdpwv em-
pfiehlt*). — X, 2. 1172^ 10 ff. [iv]? Zeller. Z. 12. Rassow zweifelnd
fidXiora f. itäfftv und mit Spengel aiperov f. äpcarov^ aber Zeller Arch.
f. G. d. Ph. III. S. 804 f. zeigt, dass es keiner sonstigen Aenderung als
der (schon von mir aufgenommenen) Rieckher^s und SpengeTs von
11 d' in yäp und der Ersetzung des nur in K ^ erscheinenden Sr^ durch
8k (Z. 12) bedarf. Z. 17 empfiehlt Rassow die Goi^ectur von Koraes
{.oß^y ourmg i^ov, — 1173* 11. ro fii^SsTepov Rassow, besser [twv]
und [^] Zeller. — 13. dvrtxeeuran aus M*> Rassow. — X, 3.
1174<^ 21. Stewart will mit L^ M^ Aid. das zweite 9 weglassen, sagt
aber nicht, was dann das erste bedeuten soll. — X, 7. 1177^ 13. ^^(^1^
Jackson, leicht und ansprechend, aber doch, wie Wilson richtig ur-
theilt, nicht durchaus nöthig. — 15. Rassow verwirft mit Recht jede
Aenderung. — X, 8. 1178» 30. 8k Rassow mit Recht. — ^18. Mit
nicht minderem Recht verlangt Rassow die Aufnahme der auch von
mir ttbersehenen Verbesserung Eucken's ys, — X, 10. 1179^17. ei^e«
Jackson, was durch die Parallelstelle Pol. IV (VII), 2. 1324^21 f., ob-
gleich dieselbe m. E. nicht von Aristoteles selbst herrührt, genügend
gestützt wird; die Einwendungen Wilson's sind von sehr hinfälliger
Natur^ö). — 1179^20— 1180» 6 wird mit Recht von Rassow als eine
9) Genau ist dieser Ausdruck ja ebensowenig; genau wäre allein nokt-
rwv gewesen; aber Aristot. ist oft »l&sslichc.
10) Dass 1j^ bei andern Schriftstellern aus der Bedeutung »Charakter-
eigenthflmlichkeitenc geradezu in die von »Sittenc übergeht, lehrt jedes Lexi-
kon. Aber bei Aristoteles erscheint dies ausgeschlossen, da er sachlich und
sprachlich umgekehrt dasijlt^off ans dem l^c herleitet, II, 1. 1103» 17 f. Wil-
son beruft sich sehr übereilt auf Pol. 11, 5. 1263*23; denn hier giebt die
Familie /7i vielmehr li^ctfc. Durch dies Alles hat sich freilich Newman
(s. No. 97) nicht abhalten lassen zu dieser Stelle folgendes zu bemerken : > We
have in 1263^39 rolg i^tüt xal rj ^iXoao^ %al rotq vöfiotg, and 11^ read
a^8ai here, but Ij^tm (//>) is in all probability the correct reading — cp.
Plato Laws 751 C . . . Rep. 667 G u. s. w.c Das heisst mit anderen Worten:
man gewinnt aller Wahrscheinlichkeit nach den richtigen Text des Aristot.,
wenn man denselben nicht nach seinem eigenen Sprachgebrauch und dem mit
diesem übereinstimmenden Theil seiner Abschreiber, sondern nach dem an-
dern Tbeil der letsteren und Platon's Sprachgebrauch herstellt Ebenso steht
VI (IV), 6. 1292^ 14 i^og richtig in /7^ i^^c verkehrt in ÜK Davon gar
126 Aristoteles.
andere Recensiou von 117\)^ 4 — 20 bezeichnet, und zwar als die end-
gtdtig von Aristot gewollte. Ich glaube aber weder, dass der letztge-
nannte Abschnitt, »dem sich in Bezug auf periodische Abrundung und
gewählten Ausdruck wenige Partien aus den Büchern der nik. Eth. an
die Seite stellen könnenc, früher für diese Stelle bestimmt, noch dass
er aus einer andern Schrift des Aristot., sondern dass er entweder aas
dem Coucept für seine Vorlesungen oder aus einer ZuhOremachschrift
genommen war. — Dazu kommt noch Eth. Eud. YIl, 15. 1249 '^ xal f.
xarä Rassow, ohne Zweifel richtig.
Erörterungen des Systems der aristotelischen Ethik oder einzelner
Theile desselben erschienen ziemlich zahlreich. Ich beginne mit denen,
welche Stücke umfassenderer Darstellungen sind:
78) Theob. Ziegler, Die Ethik der Griechen und Römer. Neue
Ausgabe. Bonn 1886. 8. Strauss. S. 103 — 138. 291—298.
79) Ch. E. Luthardt, Die antike Ethik in ihrer geschichtlichen
Entwicklang als Einleitung in die Geschichte der christlichen Moral,
Leipzig 1887. 8. DörfHing und Franke. S. 55 97,
und schliesse an diese sofort an:
80) Mad. Jules Favre (N^e Veiten), La morale d'Aristote.
Paris 1889. Alcan. 388 S. 16.
Mein Bericht über Ziegler kommt freilich bedeutend zu spät, da
die neue Ausgabe eben nur das Titelblatt seines schon 1882 erschiene-
nen und von mir früher übersehenen Buches erneuert hat. Um so er-
.freulicher ist es, dass sein Ueberblick über die aristotelische Ethik in-
zwischen noch nicht im Mindesten veraltet ist, sondern noch heute durch-
weg fast ungetheilte Billigung und Anerkennung verdient. Nur weniges
Erhebliche wünscht man jetzt anders. Ueber den IiTthum, dass ßto^
riXeiog das ganze Leben bezeichne, wird er wohl inzwischen bereits
selber hinausgekommen sein und auch über den Unterschied der aristo-
telischen Dreitheilung der Menschenseele von der platonischen nicht
mehr so im Unklaren stecken, wie es hier noch der Fall ist. Die Be-
zeichnung des vou^ im engeren Sinne als Tugend der Induction ist sehr
schief. Die Frage, ob Aristoteles ihn und die imtm^fu] überhaupt als
Tugenden der theoretischen Vernunft oder nur die W^eisheit als solche
angesehen hat, ist von ihm noch gar nicht aufgeworfen; beantworten
lässt sie sich freilich auch mit Sicherheit kaum. Den leitenden Faden
bei der Aufeinanderfolge der Charaktertugenden bezeichnet er m. E.
nicht EU reden, dass bei Plat. Rep. X. 557 C. 558 D (angeführt von Wilson)
doch auch die Grundbedeutung »Charaktereigenihümlicblieiteoc noch stark
hindurch scheint.
\:
Ethik. 127
im Ganzen richtig. Damit mag es für den Zweck dieser Berichte ge-
nug sein.
In Bezug auf Luthardt*s Darstellung brauche ich im Wesent-
lichen nur auf einen früheren Bericht Y. S. 271 — 276 zurückzuweisen,
da die frühere frei stehende Arbeit des Verf bei der umgestaltenden
Einfügung in ein grösseres Ganze sachlich Nichts verloren, wohl aber
dadurch, dass derselbe, wenn auch leider nur in beschränktem Masse,
berechtigten gegen jene erhobenen Einwendungen Gehör schenkte, ent-
schieden gewonnen hat So ist mir fast Alles wie aus der Seele ge-
schrieben. Gegen ein paar erhebliche Punkte muss ich aber doch Ein-
spruch erheben. Wenn Luthardt von Egoismus der aristotelischen
Moral spricht, so ist dies im Uebrigen in mehr als einer Hinsicht
richtig,, aber am Wenigsten in Bezug auf die »wahre Selbstliebec , wel-
che alle mögliche Selbstaufopferung in sich schliesst : im Gegentheil die
Moral des orthodoxen Christen, welcher seinen Lohn im Jenseits er-
wartet, ist viel egoistischer. Oder könnte Luthardt von seinem Stand-
punkte aus wie ich von dem meinen zugegeben, es sei möglich, dass
Jemand, der nicht an persönliche Unsterblichkeit glaubt i^) , dennoch
nach Menschenkraft die volle christlich-sittliche Gesinnung besitze? Ge-
wiss nicht. Und dennoch wäre dies der Prüfstein. So wenig ferner die
TipitaupeaiQ des Aristot. an diese Art von Gesinnung hinanreicht, so halte
ich doch die Behauptung, es sei die letztere gleichwerthig , ob sie in
Thaten sich anspricht oder nicht, für eine falsche Isolirung des Einzel-
menschen und für eine Ueberspannung des grossen reformatorischen
Princips der Rechtfertigung allein durch den Glauben, für einen Aus-
fluss des falschen weltflüchtigcn und nicht des wahren weltüberwinden-
den Ghristenthums. Denn wo bliebe da des Christen höchste Aufgabe,
die Mitarbeit am Bau des Reiches Gottes auf Erden? Und vollends die
hiemit zusammenhängende Annahme, als könnte auch unter den aller-
ungünstigsten äusseren Verhältnissen von Jugend auf und fort und fort
dennoch dieselbe christlich-sittliche Gesinnung sich entwickeln wie unter
den allergünstigsten, ist hinter dem Studirtisch entstanden, zeigt nur wie
viel besser Aristot. das Leben und die Menschen kannte, und verunstaltet
eine Darstellung, die sonst so voll von Klarheit und Wahrheit, Tiefe und
11) Dass falls mit dem Tode auch das Ich, »der dunkle Despotc, ster-
ben sollte, damit die Uusterblichkeitsfrage noch lange nicht abgethan sein
würde, hat u. A. Graf Schack treffend bemerkt. Und viel bedeutender ist
eine andere, ähnliche Frage, was einst ans der menschlichen Culturentwioke-
Jnng wird, wenn die Erde in das Stadium su kommen beginnt, dass Menschen
nicht mehr auf ihr leben können. Das weiss nur »der grosse Weltenmeisterc,
der aber auch sicher. Denn »Nichts ist verloren und verschwunden, was
die geheimnissvoU waltenden Standen in den dunkel schaffenden Schoss auf-
nahmen«.
128 Aristoteles.
Schönheit ist^). Dass auch Lutbardt noch immer unter ßtoQ reXeeog
das ganze Leben versteht, ist bedauerlich, aber doch Nebensache. Aber
ein »starkes Stücke ist S. 92 die Versicherung, dass Aristoteles »in der
Päderastie nichts Unrechtes findet, mit Berufung auf nik. Eth. VII, 6.
1148^ 29, wo also Lutbardt wohl das voffj^fiarwSeeg (Z. 27) nicht ge-
lesen hat, auf Pol. II, 10. 1272^ 25 f., wo Aristoteles gar nichts entscheidet,
sondern auf seine spätere Entscheidung (in der Lehre von der besten
Verfassung) verweist, die hernach unausgeführt geblieben ist, und end-
lich auf Pol. IV (VII), 16. 1335^38 ff., wo gar nicht von Päderastie die
Rede ist, sondern vom Ehebruch, der tlberdies hier streng verboten und
geahndet wird^'). Ich zweifle nicht daran, dass er über dieselbe gerade
so wie Piaton und Sokrates, d. h. verwerfend, dachte. Und wenn end-
lich dies Cap. IV (VII), 16 die volle Kluft zwischen der aristotelischen
und der christlich-modernen Anschauung (trotz Malthus) offenbart, so
durfte doch Lutbardt nicht übersehen, dass bei Alledem die des Ari-
stoteles von der (monogamischen) Ehe als inniger Lebensgemeinschaft,
so weit sie auch noch hinter der christlichen zurücksteht, doch, wie
Trendelenburg in seinen Vorlesungen sagte , > schon eine über-
raschend sittliche« und innerlicher als die irgend eines Menschen vor
ihm ist!*).
Frau Favre behandelt ihren Gegenstand einerseits sehr ausführ-
lich, andererseits aber doch auch wieder mit einer gewissen Beschrän-
kung, indem sie nach den allgemeinen Fragen über Glückseligkeit, Tu-
gend, Zurechnung im zweiten Abschnitt nur die grösseren Gbaraktertugenden
Tapferkeit, Enthaltsamkeit, Grossartigkeit, Gerechtigkeit, nebst Billigkeit
und Liberalität mit ihren entgegengesetzten Extremen und dazwischen
(vor der Gerechtigkeit) auffälligerweise die praktische Einsicht, dann im
i>) Das schwere Räthsel, welches dahinter steckt, k&on wiederum kein
Mensch lösen. Es gilt auch hier wieder es voll Gott vertrauen auf sich be-
ruhen zu lassen.
IS) nept dk r^ff rtpdg äXky^v xai npdq äkXov (näml. xotvtoviai) kann ein-
fach sprachlich nichts Anderes bedeuten als: »was aber den geschlechtlichen
Umgang eines Ehegatten mit einer andern Frau als der seinen und einer
EhegattiD mit einem andern Mann als dem ihren anlangte Hätte Luthardt
meine erklärende Ausg. der Pol. benutzt, wäre er vielleicht von diesem argen
Missverständniss frei geblieben.
1^) Auch Xenophon's hübsche Auseinandersetzungen im Oekonomikos
streifen doch erst daran. Hier kommt auch des Aristot. Testament in Betracht
in Bezug auf seine beiden Fraaen, erst recht wenn die zweite wohl nur sein
Kebsweib war. Das Verhältniss des weiblichen Geschlechts zum männlichen
hat Aristot. im Ganzen ohne Zweifel richtig bezeichnet, und wenn er auch als
Grieche das erstere noch stark unterschätzt , hat er doch nicht unterlassen,
dessen eigentbümliche Vorzüge vor dem letzteren wiederum im Ganzen treffend
zu entwickehi, s. Zeller Ph. d. Gr. II 8, 2 S. 688 f.
Ethik. 129
dritten Selbsthilfe, Gatten-, Eltern-, Kinder-, Geschwisterliebe und Freund-
schaft und im vierten Gott, Seele (in ein paar herausgerissenen Apho-
rismen) und Erziehung bespricht. Man muss Achtung haben vor den
Studien dieser Dame, wenn sie auch über die französische Uebersetzung
von Barth^lemy St. Hilaire nicht hinausgehen, aber eine wissen-
schaftliche Leistung kann man beim besten Willen in ihrem ßuche nicht
erblicken. Dass sie über die aristotelische Gottesidee im Irrthum schwebt,
mag man ihr an sich nicht anrechnen, da sie diesen Irrthum mit ge-
lehrten Männern theilt, aber eine Folge desselben ist, dass sie den Ari-
stoteles die menschliche Moral zu Gott in Beziehung setzen lässt, wäh-
rend die völlige Ablösung derselben von der Religion gerade ein wesent-
licher und nicht eben vortheilhafter Grundzug der aristotelischen Ethik
im Unterschied von der platonischen ist. Und Behauptungen, wie wir
sie S. 31 und S. 20*7 lesen: »La possession du bien supr^me . . . est
ind^pendante des circonstances ext^rieuresc und »Gependant il me semble
que la sagesse et la prudence peuvent s^appliquer aux mßmes choses,
que la premi^re envisage dans leurs principes, et la seconde dans leurs
d^tails et leurs cons^quencest zeigen, wie wenig die Verfasserin über-
haupt in das innerste Wesen des aristotelischen Denkens eingedrungen
ist. Dafür Hessen sich unschwer auch noch zahlreiche andere Beweise
beibringen. Die grosse Moral gilt ihr noch unbedenklich für eine ächte
Schrift des Aristoteles.
81) Sante Ferrari, L' etica di Aristotele riassunta, discussa
ed illustrata. Turin, Rom, Mailand, Florenz 1888. Paravia. VII,
426 S. 16.
ist ein im Ganzen recht anerkennenswerthes und des ihm zu Theil ge-
wordenen Preises würdiges Buch, in welchem die deutschen Forschungen
ziemlich vollständig benutzt sind. Es zerfällt in fünf Abschnitte. Der
erste (S. 1—90) handelt von den Schicksalen der aristotelischen Werke
und den drei unter dem Namen des Aristoteles überlieferten Ethiken,
deren von mir besorgte Ausgaben dem Verfasser freilich unbekannt ge-
blieben sind. Er kommt jedoch zu denselben Ergebnissen, welche auch
ich in denselben vertreten habe, dass nur die nikomachische im Ganzen
zwar von Aristoteles ist, dass aber von den drei ihr mit der eudemi-
schen geroeinsamen Büchern dies nur von dem weitaus grössten Theile
gilt und namentlich auch die erste Abhandlung über die Lust wahr-
scheinlich aus der endemischen stammt. Wenn er dabei Denen zu-
stimmt, welche es immerhin nicht für unmöglich halten, dass Aristoteles
selbst sie von einem früheren Standpunkte aus geschrieben habe, so
kann man ja zugeben, dass allerdings ein mathematisch strenger Beweis
für diese Unmöglichkeit sich nicht führen lässt, aber in philologisch-
historischen Dingen hat man sich m. E. nicht bei allen Möglichkeiten
aufzuhalten, sondern wo volle Sicherheit nicht zu erreichen ist, bei der
Jahreiberioht Olt AlterthumswisienBchaft. LXVII. Bd. (1891. I.) 9
130 Aristoteles.
Wahrscheinlichkeit und zumal bei einer so überwiegenden Wahrschein-
lichkeit zu beruhigen. Der zweite Abschnitt (S. 91—185), wie mir scheint,
der schwächste von allen, enthält eine weit über Gebühr verkürzte Pa-
raphrase der nikom. Ethik. Der dritte (S. 186-242) behandelt an der
Hand dieser Schrift das ethische System des Aristoteles im Verhältniss
zu dessen Gesammtphilosophie und Politik. Hier hätten namentlich die
psychologischen Grundlagen schärfer gezeichnet und hervorgehoben wer-
den sollen, dass das dpexrtxov^ dem die Charaktertugenden angehören,
mit der (/fu^i) altT^rjrtxy) zusammenfällt. Aber der Verf. ist hierüber so
im Unklaren, dass er S. 196 den groben Schnitzer begeht von einem
Unterschiede von ope^tg und ßouhjmg zu sprechen, wo es statt ope$e^
vielmehr hätte im&ufita heissen müssen, da Spe^tg vielmehr der weitere
Begriff ist, unter den die ßouXi^aec ebenso gut fällt wie die inc&ufjua
und der ßopog. Der vierte Theil (S. 243 — 336) entwickelt eine Ge-
schichte der griechischen Ethik und sucht schliesslich die Fortschritte
des Aristoteles über alle seine Vorgänger hinaus darzulegen. Der fünfte
(S. 33*7 — 421) betrachtet die Mängel seines Standpunkts, die weitere
Geschichte dieser Disciplin und die Frage, wie weit uns für unsere heu-
tige Behandlung das Studium seiner Ethik noch immer von Nutzen sein
kann. Ich billige im Wesentlichen das vorsichtige Urtheil Ferrari's
hierüber, doch musste er meines Bedenkens anerkennen und hervorhe-
ben, dass zwei Stücke zu den tiefsten und wahrsten Gedanken aller
Zeiten auf diesem Gebiete gehören , die Erörterung über die wahre
Selbstliebe und die zweite, ächte über die Lust, obwohl es dem Aristo-
teles nicht gelungen ist eine wirkliche Begriffsbestimmung von dieser zu
erreichen und ihr Verhältniss zur Thätigkeit sich und Anderen mehr als
durch ein Bild klar zu machen: X, 4. 1174^31 ff.: reXecoT Sk rijv ivep-
yetav ij ^Sovij ou^ ojg i^tg ivundp^outra , dX^ ußg imytvopLevov rc rdXog^
oTov Tocg äxfiaeoig i/ &pa *•).
Unter den Specialuntersuchungen ragt die von
82) G. F. He man. Des Aristoteles Lehre von der Freiheit des
menschlichen Willens, Leipzig 1887. Fues (Reisland). XVIII, 74 S. 8 ,
die von Bruns Deutsche L.-Z. 1888. Sp. 123 und Wohlrab L. Cen-
trbl. 1888. Sp. 395 im Ganzen zustimmend angezeigt ist, in der That
durch geistige Kraft und eindringenden Fleiss hervor, aber ich kann nur
um so lebhafter bedauern, dass diese vorzüglichen Eigenschaften m. E.
IS) Dies »Vervollst&ndigenc der Thätigkeit kann doch wohl kaum etwas
Anderes bedeuten , als dass die mit jeder gesunden Thätigkeit verbundene
Lust derselben erst ihre volle Spannkraft giebt. Ob riXog iKqrivöfjLMuoy >Ne-
benzielc oder »Nebenvollendungc = »Nebenvollkommenheitc bedeutet^ darauf
scheint mir nicht viel anzukommen.
Ethik. 131
hier in den Dienst einer verkehrten Methode ^^) gestellt und an den
hoffnungslosen Versuch, den Aristoteles mit Gewalt zum Deterministen^^)
zu machen, verschwendet sind. Zur Begründung dieses meines Urtheils
darf ich mich begnügen auf die Gegenbemerkungen Z eueres Arch. II,
S. 285—288, die ich sonst geradezu wiederholen müsste, und daneben auf
meine eigenen Ber. XLVI. S. 249 <- 252 wider einen früheren ähnlichen,
aber minder ausgeführten und erheblichen Versuch zu verweisen. Aus den
letzteren geht hervor, dass an eine einfache indifferente und willkührliche
Wahlfreiheit auch meiner Ueberzeugung nach Aristoteles allerdinccs nicht
im Entferntesten gedacht hat. Scheinbar hält er sich an einer Stelle III,
7. 1114^ 2 ff. sogar den Rückzug zum Determinismus offen, aber hier
hat gerade Heman richtig erkannt, dass dies nur eine Polemik gegen
Sokrates und Piaton ist von deren eigenem Standpunkte aus. Man muss
jedoch, wie ich dort schon andeutete, in der That zugegeben, dass sich
Ansätze bei ihm finden, welche, folgerichtig entwickelt, wohl hätten zu
der ihm von Heman zugeschriebenen Denkweise führen können, aber
dass er schon selbst diese Entwickelung vorgenommen hätte , worauf
allein es doch ankommt, muss entschieden geleugnet werden. Mangel-
haft ist bei Heman auch die Kenntniss und Benutzung der vorhandenen
Litteratur. Denn er kennt weder die Ausgaben der nikom. Ethik von Ram-
sauer und mir, noch meine schon erwähnte Abb. in den Jahrb. f. Philol.
CXIX. 1879. S. 737—765. Und doch hätten gerade diese Hülfsmittel
ihn möglicherweise von seinem Grundirrthum ^^) zurückhalten können,
nämlich dem Glauben, Aristoteles habe den Willen (ßoühjmg) in den
vernünftigen Seelentheil verlegt und daher im Grunde für einerlei mit
der praktischen Vernunft gehalten *•). Wenn ich nun aber auch He-
16) Es wird aus theils berechtigteD und theils unberechtigten Voraus-
setzungen ein Qesammtbild construirt und nach diesem alles Einzelne zurecbt-
gedeutet, beziehentlich umgedeutet.
17) Ich gebrancbe der Kürze halber diese Bezeichnung, obgleich ich
He man 's Einwendungen gegen diesen Gebranch als berechtigt anerkenne.
18) Vor dem ihn treilich schon die einfache Erwägung hatte bewahren
sollen, dass ja auf diese Weise auch die Charaktertugenden aufhören würden
die Tagenden des unvernünftigen Seelentheiis zu sein. Einen Vorgänger in
derartigen Verkehrtheiten hat Heman an Teichmüller, der freilich in
ihnen noch weiter ging.
19) Die einzige einer solchen Deutung günstige Stelle ist nämlich 1139b 4f.,
wo der Vorsatz {icpoaiptetq) als i) dp^xrtxöq vouq ^ öpe^tg diayor^rtxij be-
zeichnet wird im Gegensatz zu dem unmittelbar Vorhergehenden, wo von sol-
chem Dilemma keine Rede ist, sondern derselbe acht aristotelisch einfach
Jips^tq ßoükeuxtxt) heisst (1139^32). Man sollte doch meinen, schon dieser
Widerspruch gegen alle aristotelischen Qrundanschauungen genüge, umRam-
saner's Verdacht, dass wir in dieser Partie eines der vielen nnaristoteli-
schen Stüoke dieser Bücher vor uns haben , zu rechtfertigen ; ich habe dies
9*
132 Aristoteles.
man^s Buch im Ganzen als yerfehlt ansehen muss, so bietet es doch Im
Einzelnen fiftr Denjenigen, welcher es mit Vorsicht zu benutzen versteht,
manches Beachtenswerthe dar.
Von den beiden Abhandinngen
83) Jörg au, La doctrine du libre arbitre chez Aristote, Annales
de la facnlt^ des lettres de Bordeaux 1687. No. 2. S. 257—269, und
84) Gust. Hoepel, De notionibns voluntarii (ixouaeov) et consilii
(Ttpoa/peat^) secundum Aristotelis £thica Nicomachea (III, 1 — 7). Halle
1887. 33 S. 8. (Doctordiss.).
ist die erstere mir unzagänglich, die letztere unbedeutend.
Nachzutragen ist ans dem Jahre 1886:
85) Panag. A. Hagiosophites, ^AptaToziXoog Btaipta nepl rS>v
r^Btxwv xaH roßv dtavonjrexoßv dea^opwu rwv dvBpiunafV, Athen 1886. I,
96 S. 8. (Jenaer Doctordiss).
Das einzigeWerthyoUe an diesem Schriftchen sind indessen, wie schon
Zeller Arch. II. S. 290 f. bemerkt hat, die in demselben enthaltenen,
freilich ohne Unterschied aus aristotelischen und pseudo -aristotelischen
Schriften unter den verschiedenen sittliche Güte oder Schlechtigkeit und
Aehnliches {ot xupfwc ebyeveig^ ol äptarot, oi imecxsTg, ol iroAXoe, o\ ^atj-
Aoc) und die Unterschiede der Lebensalter und der Geschlechter in sich
fassenden Rubriken zusammengespeicberten Stellen.
86) J. Lugert, Der Ehrbegriff der nikomachischen Ethik, Prag
1889. 27 S. 8. (Gymnasialprogr., Eleinseite),
ist mir nur aus dem kurzen Bericht von Herzel Woch. f. kl. Ph. YII.
aber noch weiter begründet. Aristoteles bekämpft Psych. III, 9 keineswegs,
wie Hern an meint, Piaton bloss desshalb, weil dieser die Begierdenseele (<«£-
^ufiojrtzöv) mit der vegetati?en fflr einerlei h<, sondern weil er die einheit-
liche Strebeseele {dpexraov) in alle seine drei Seelentheile zerschl>, wäh-
rend Aristoteles sie nach allen ihren drei Arten ßouXijtngf i^ufiog, ixt&oßia,
wie oben bemerkt ist, in die empfindende Seele aufnimmt. Wenn He man
S. 146. A. meint, Aristoteles spreche sich nicht darüber ans, ob er den >vo5$
dptxTtx6g€ zum na^raog oder koojtixös rechne, so hätte er doch so viel ein-
sehen sollen, dass der prä- und postexistirende und erst mit dem jca&tjrtxöi
und den flbrigen Seelentheilen und dem Leibe zu einem indiriduellen mensch-
lichen Ich verwachsende yous Ttoo^Tixög unmöglich an sich praktisch sein kann,
ebensowenig wie Gott selbst. Praktisch wird offenbar die Vernunft nach Ari-
stoteles erst durch den empirischen Anstoss von der Strebeseele ans, und in-
dem nun wieder die praktische Vernunft auf diese einwirkt, erzeugt sie in ihr
(aber nicht in sich) den vernOnftigen Willen (die ßoohjmq), und mit ihm die
nothwendige Voraussetzung der Cbaraktertugenden, daher denn allerdings Ari-
stoteles auch wohl vooq sagt, wo es eigentlich ßoöXr^fft^ hätte heissen müssen,
ähnlich wie wir es auch machen.
Ethik. 133
1890. Sp. 229 f. bekannt, nach welchem Lug er t zu dem negativen Er-
gebniss gelangt, dass Aristoteles trotz vielfacher Berührung dieses Gegen-
standes und des Nachdrucks, welchen er auf ihn legt, sich doch auf
keine eigentliche Erörterung des Wesens der Ehre und ihres Verhält-
nisses zur Lust und zur Glttckseligkeit einlässt.
Eine recht achtbare Studie ist
87) Lienhard Eberlein, Die dianoetischen Tugenden der niko-
machischen Ethik nach ihrem Sinn und ihrer Bedeutung, Leipzig 1889
(oder 1888?). 118 S. 8. (Doctordiss.),
über welche der eingehende Bericht von Zeller Arch. III. S. 318 — 315
zu vergleichen ist, mit dessen Gegenbemerkungen in Bezug auf Eber-
lein's Meinung (S. 25 ff.), es sei Eth. Nie. VI, 12. 1143» 35 ff. nicht
vom praktischen voüc die Bede, und (S. 84. 95. 100), es werde VI,
5. 1140^ 21 ff. auf die ethische Bedeutung der Kunst hinweisen (s. da-
gegen 7. 1141» 9 ff.), ich vollkommen einverstanden bin. Und auch darin
muss ich Zeller beitreten, dass das Hauptinteresse im 6. Buch der nik.
Ethik auf diejenige Verstandestugend gerichtet ist, ohne welche die Gha-
raktertugenden nicht bestehen können, die praktische Einsicht {fppdvrjatQ).
Da indessen die Ethik auf der einen Seite Glückseligkeitslehre sein soll
und Aristoteles den höheren Bestandtheil der Glückseligkeit in der theo-
retischen, der wissenschaftlichen Vollendung, also vor Allem im meta-
physischen Wissen oder der Weisheit (ffo^ia) findet, auf der anderen
Seite aber dieser Gegenstand doch wieder hoch über dem Gebiete der
ethischen Betrachtung liegt, so gewinnt immerhin einmal auch die (rofpta
einen wesentlichen Platz in der Erörterung der dianoetischen Tugenden,
anderntheils müsste es aber sogar der wesentlichste sein und kann es doch
wieder auch nicht sein. Und so bekommt auch von der grossen Lücke im
7. Gapitel abgesehen, die ganze Darstellung etwas Schillerndes und Schie-
lendes. Ueberdies muss ich Eber lein darin Becht geben, dass Ari-
stoteles das ethische Element der Wissenschaft und die Wechselwirkung
zwischen ihr und der Sittlichkeit nicht erkannt hat. Die Schrift besteht
aus drei Abschnitten von sehr ungleicher Länge: 1. Begriff der dianoe-
tischen Tugenden S. 4—14, 2. die dianoetischen Tugenden einzeln be-
trachtet S. 14—96, 3. Stellung der dianoetischen Tugenden im Moral-
system des Aristoteles und ihre Bedeutung für die Ethik S. 96 — 118.
Die litterarischen Hülfsmittel sind im Ganzen ausreichend benutzt, so
auch Ramsauer's Ausgabe, und so ist Eberlein auch vonHeman's
Irrthttmem frei geblieben. Wenn ihm aber der eingeschränkte Indeter-
minismus des Stageiriten noch zu eingeschränkt ist, so habe ich darüber
nicht mit ihm zu rechten, am Wenigsten an dieser Stelle: mag er, ein
protestantischer Theolog, sich darüber mit Augustinus und den Refor-
matoren auseinandersetzen! Eins aber vermisse ich: wie dunkel der Be-
griff der ßoükfjmg und der zu ihrer richtigen Wirksamkeit erforderlichen
] 34 Aristoteles
dperij § fuatx^ ^ i^earij rou dpBoSo^etv nepl rijv dp^ijv (VII, 9. 1151»
18 f.) bei Aristoteles ist. lernt man aus seiner Darstellung nicht: hierüber
hätte ihm meine erwähnte Abhandlung die nöthigen Winke geben kön-
nen, wenn er sie gekannt hätte.
In dem unerträglich breit und in entsetzlichem Latein abgefassten
Schriftchen von
88) Sylyius von Monsterberg - Munckenau, De concentu
trium Aristotelis de voluptate commentationum priorisque Nicomacheo-
rum fide, Breslau 1889. 45 S. 8. (Progr. des K. Wilh. Gymn.),
wird der Versuch gemacht durch allerlei Künsteleien zu zeigen, die bei-
den Abhandlungen über die Lust im 7. und im 10. Buch der nik. Eth.
könnten in derselben Schrift formal sehr gut neben einander bestehen
und vertrügen sich sachlich vollständig mit einander*'). Nachdem sich
durch die neueren Untersuchungen immer mehr herausgestellt hat, dass
das acht aristotelische Gut im 5. bis 7. Buch stark mit fremdem, wahr-
scheinlich endemischem versetzt ist, muss man doch billig nach dem Be-
dürfniss fragen, die diese Bücher schliessende Abhandlung so lange »mit
Kalk und Gyps zu bestreichen c , bis sie mit der im 10. glücklich oder
unglücklich wie Berg und Thal oder Thal und Berg verglichen ist, zu-
mal da nachweislich Eudemos an dieser Stelle von der Lust gehandelt
hat. Wen aber die Spizfindigkeiten des Verf. überzeugen, den will ich
nicht zu bekehren versuchen. So wird z. B. demgemäss, dass Aristo-
teles ungenau Met. XII, 7. 1072 ^^ 16 xa\ f/dovi) ^ ivipyeta toutou schreibt,
um zu bezeichnen, dass die Thätigkeit Gottes auch mit Lust verbunden
ist, ein Gleiches auch dem Urheber der ersten Abhandlung 13. 1153*
12 ff. in die Schuhe geschoben, während nach meinem schlichten Ver-
stände doch kein vernünftiger Mensch, wenn er eine fremde Definition
berichtigen will, sich selber dabei eine derartige Nachlässigkeit gestatten
wird'M. In Bezug auf die dritte Darstellung Rhet. I. 11 gebe ich aller-
dings dem Verf in der Negation Recht. Auch ich glaube, dass Aristo-
teles hier durchaus seinen eigenen Standpunkt nicht hat verleugnen
wollen. Aber die Sache scheint mir doch viel einfacher zu liegen. Wo-
her kam es denn, dass Aristoteles, wie gesagt, es zu einer Definition
der Lust im 10. Buch der nikom. Ethik nicht zu bringen vermochte?
^) Die Hauptpunkte, welche hiegegen sprechen, sind zuletEt von mir
in meiner Ausg. der eudem. Eth. S. X f. A. 7 zusammengestellt.
si) Was die S. 33 angezogene, übrigens sehr dunkle Stelle Psychol. III«
7. 431 A lOf. (3. Torstrik zu ders.), in welcher der Lust und Unlust ein
ivtpYtiv zugeschrieben wird, eigentlich beweisen soll, frage ich mich ver-
geblich. Denn sei es, dass iyep^^etv hier ivep^^ei^ eXuat, oder dass es »thätig
seine bedeutet, jedenfalls bedeutet es doch nicht »eine Thätigkeit, eine iuip^
^tta seine.
Ethik. 135
leb denke, weil ihm in seiner Sprache ein Wort ftlr den Gattungsbegriff
(Gefühle) fehlte und er hier in den Schranken seines Denkens nicht zu
dem Versuch gelangte dieser Anonymie durch eine Neubildung abzu-
helfen. In der Rhetorik musste er nach ihrer ganzen Anlage eine De-
finition der Lust geben : hier in dieser noch weit weniger streng wissen-
schaftlichen und möglichst mit populären Begriffen operirenden Darstel-
lung erlaubte er sich also, trotzdem er dort bestritten hatte, dass die
Lust eine xivvjatg sei, doch sie diesem Gattungsbegriff als dem am
Meisten annähernd richtigen unterzuordnen. Aus der breitspurigen Un-
tersuchung, mit welcher der Verf. anhebt, über jene Erörterung der
Lust im 10. Buch der nik. Ethik habe ich endlich schlechterdings Nichts
zu lernen vermocht; vielleicht ist dies indessen meine Schuld und an-
dere Leser glflcklicher.
Es mag hier verhältnissmässig der schicklichste Platz sein, um
ans dem Jahr 1886 nachzuholen:
89) V. Wröbel, Aristotelis de perturbationibus animi doctrina,
Sanok 1886. (Leipzig, Fock). 68 S.
Indessen wüsste ich über diese Abhandlung auch nichts Anderes
zu sagen, als was schon Zeller Arch. II. S. 289f. über sie gesagt hat
Der Verf. hat eine fleissige und für Denjenigen, welcher sie mit nöthiger
Einschränkung zu benutzen versteht, sehr brauchbare Sammlung gelie-
fert, hat aber den Begriff ndBog^ so weit er wirklich bei Aristoteles mit
perturbatio animi zusammenfällt, auf eine ungebührliche, demselben fremde
Weise ausgedehnt,
90) 91) Commentaria in Aristotelem Graeca edita consilio et auc-
toritate academiae litterarum regiae Borussicae. Vol. XIX. Partes I. II.
Aspasii in Ethica Nicomachea quae supersunt commentaria. Heliodori
in Ethica Nicomachea paraphrasis. Edidit Gustavus Heylbut.
Berlin 1889. XII, 246. VIII, 246 S. Lex. 8.
Von den Commentaren des Aspasios sind nur die zum 1. 2. 3. 4. 8.
und unvollständig der zum 7. Buch erhalten. Zur Herstellung derselben
sind von Heylbut der sogenannte Codex Oceanus = Laurent 85, 1 (N)
aus dem 14. und der Paris. 1902 (Z) aus dem 16. Jahrb. und für den
in N fehlenden Anfang Laurent. 81, 14 benutzt, für das 8., auch in der
gewöhnlichen Commentarensammlung von Eustratios, Michael und An-
deren enthaltene Buch auch die Aldina (a)^) und der Coislin. 161
(B) aus dem 14. Jahrb. Von dem nicht geringen kritischen Werth für
den Text der nik. Ethik war schon oben (No. 61) die Rede. Doch fehlt
es auch nicht an Stellen, an denen sogar die übereinstimmende Lesart
») Vgl. meine Ausg. der nik. Eth. S. V f.
] 36 Aristoteles.
von Aspas. und dem besten Codex K^ dennoch nicht die richtige ist,
und Abweichungen dieser beiden Textqucllen von einander sind auch
nicht selten. Heylbut giebt nur Proben, und auch die Mittbeilungen
von Bywater sind nicht voUst&ndig, die sämmtlichen Lesarten des Com-
mentators nach Heylbut^ s Ausgabe zusammenzustellen bleibt also ei-
nem künftigen Herausgeber der nik. Ethik überlassen.
Für die bekanntlich zuerst von Daniel Heinsius, dann fälsch-
lich unter dem Namen des Andronikos wiederholt herausgegebene Para-
phrase hat Heylbut neben dem Text' von Heinsius (h) zwei Pariser
Handschriften BD = 1870. 1872 aus dem 16. Jahrh. zu Grunde gelegt.
In der ersteren wird der Urheber Heliodoros von Prusa genannt, und
gleich Rose, mir und Andern hat auch noch Heylbut gleich By-
water an der Richtigkeit dieser Angabe nicht gezweifelt Inzwischen
aber hat
92) Leop. Cohn, Heliodoros von Prusa, eine Erfindung Palaeo-
kappas, Berl. philol. Wochenschr. IX. 1889. Sp. 1419 f.,
im höchsten Grade wahrscheinlich gemacht, dass dieser Name lediglich von
dem Schreiber dieses Codex Eonstantinos Palaeokappa erschwindelt sei, und
da nun der des Olympiodoros in vier andern Handschriften sicher nicht ver-
trauenswürdiger ist, so wird man zu der unbestimmten Bezeichnung »der
Paraphrastc zurückzukehren haben. Cohn widerlegt auch die Meinung von
Rose und Heylbut, nach welcher die Unterschrift am Ende des
6. Buches im Laurent. 80, 3 und einigen jüngeren Codices bedeuten soll,
dass die Paraphrase 1366 angefertigt sei, und zeigt, dass sie vielmehr
besagt, der ältere (aus dem 14. Jahrh. in der That ^stammende) Theil
dieses Codex sei damals geschrieben. Die Entstehung der Paraphrase
selbst ist folglich vielmehr älteren Datums, und eben desshalb ist sie
für die nik. Ethik auch nicht ohne allen textkritischen Werth, wovon man
sich aus meiner Ausg. der letzteren überzeugen kann. Heylbut meint,
und wohl mit Recht, es sei VIII, 13. 1161 • 26 aus ihr, der alten
Uebers. und allen Handschriften ausser E^ Sfio/xa&e?^ zu schreiben nach
14. 1162» 9— 14 (SfiotonaBeos Asp. Aid.), Bywater freilich behält Sfio-
naBet^ bei.
Auf die grosse Moral und die endemische Ethik bezieht sich:
93) F. Susemi hl, Appendix Aristotelica hinter: De Platonis
Phaedro et Isocratis contra sophistas oratione, Greifswald 1887. 4.
S. Xni— XVI.
Hier werden zuerst die unrichtigen und desshalb in meiner Ausg.
nicht mitgetheilten Lesarten vonP* für die erstere Schrift von 1193* an
und sodann die weniger erheblichen Randnoten von Vettori zu der
letzteren (mit einigen Berichtigungen früherer Angaben) veröfiFentlicht.
Ethijc. Politik. 137
Und nunmehr gelangen wir denn zur Politik. Hier ist zunächst
eines von
94) G. Heylhut, Zur Ueberlieferung der Politik des Aristoteles,
Rhein. Mus. XLII. 1687. S. 102—110
gemachten und in seinen Ergebnissen der Oeffentlichkeit ttberlieferten
Fundes zu gedenken, über den dann sofort auch
95) R. D. Hicks, New materials for the text of Aristotle's Poli-
tics, Class. Rew. I. 1887. S. 20 f.
gehandelt hat. Hinter dem zweiten Theil von dem Cod. Vatic. 1298
des Aristeides befinden sich nämlich zwölf Palimpsestblätter aus dem
10. Jahrh. ^^), also 400 Jahre älter als unsere ältste vollständige Hand-
schrift, welche Stücke aus dem dritten Buche und dem vierten alter
Ordnung enthalten. Heylbut hat nun aber hieran den Versuch ge-
knüpft zu zeigen, ich habe Unrecht gethan zu behaupten, die Hand-
schriftenfamilie 11^ sei etwas besser als /7>, und in allen Fällen, in denen
sonst keine Entscheidung möglich sei (denn nur das habe ich behauptet!),
mOsse man daher ihr folgen. Wie wenig ihm jedoch dieser Versuch ge-
glückt ist, dafür liefert die Abhandlung
96) Franz Susemihl, Die Textüberlieferung der aristotelischen
Politik. Jahrb. f. Philol. CXXXV. 1887. S. 801—805
an den in den Fragmenten enthaltenen Stücken den statistischen Nach-
weis, freilich mit dem Zugeständniss , dass man hinsichtlich der Wort-
stellung allerdings zweifelhaft sein kann. Die Fragmente selbst tragen
zur Entscheidung dieser Frage gar Nichts und zur Herstellung des Textes
Nichts weiter als IH, 5. 1278^34 und 111, 16. 1287«' 34 die Bestätigung
der beiden Gonjecturen von Perizonius d<n-<ov und von Susemihl
[xa2] bei. Dennoch sind sie fär die Textgeschichte von Interesse. Ich
habe früher gezeigt, dass die beiden Familien /7^ und /7' erst zwischen
dem 6. und 8. Jahrh. scharf auseinander gingen. Also sind diese Pa-
limpsestblätter aus einem vor dieser Zeit entstandenen Codex abge-
schrieben , und letzterer stand in demselben Masse der nachherigen
Familie /7' näher wie das von Julianos benutzte Manuscript der nach-
herigen Familie 77^ Um so interessanter ist es, dass sich trotzdem in
diesen Fragmenten noch mehrfache, der letzteren angehörige, aber gar
nicht in allen ihren Gliedern fortgepflanzte Verderbnisse finden. Beson-
ders merkwürdig ist in dieser Hinsicht VI (IV), 4. 1292* 3, wo M»
richtig mit Fl^ rb näai fieretvat hat und ebenso auch P^ wo jedoch t6
^ b) Kio arger Schnitzer ist mir in der No 96 aufgeführten Abh. S. 804
begegnet.
138 Aristoteles.
nätrt auf einer Rasur steht und fxkv elvat aus eTvac corrigirt ist Die
alte Uebers. giebt olia quiihm esse eadem^ und nun sieht man erst aus
dem Palimpsest, dass hier wirklich die corrupte Lesart raXXa /lev etvae
zu Grunde lag.
Ferner erschienen die beiden ersten Bände einer neuen, sehr aus-
führlich angelegten Ausgabe:
97) The Politics of Aristotle with an introduction, two prefatory
essays and notes critical and explanatory by W. L. Newman, M. A.,
fellow of ßalliol College and formerly reader in ancient history in
the university of Oxford. Oxford 1887. Clarendon Press. V. I. Intro-
duction. XX, 680 S. V. II. Prefatory essays. 6. 1. U. Text and notes.
LXVn, 419 S. 8.,
deren Vorzüge von allen Kritikern, dem ungenannten im Litt. Centralbl.
1888. 8p. 7 f., Croiset Rev. crit. 1887. IL S. 448 f., Richards Aca-
demy XXIII. 1888. No. 827. S. 172 f., R. D. Hicks English bist. Re-
wiew 1888. No. 13. S. 146—161 und
98) Roh. Yelverton Tyrrell, Mr. Newman's 'Politics* of Ari-
stotle, Hermathena XIV. 1887. S. 329—846,
nach Gebühr anerkannt worden sind, während nur einige die Schatten-
seiten richtig hervorgehoben haben. Man wird es natürlich finden, dass
ich statt meiner einen der letzteren, einen Engländer, und denjenigen
sprechen lasse, welcher der Ansicht ist, mein Text in der erklärenden
Ausgabe sei tthe best whe shall ever havec. Er sagt: »This is by far
the most elaborate and important edition of the Politics as yet essayed
in England. The great compass and minute detail of the IntroducUon,
which extends to nearly 600 pages, show on what a scale the work is
planed, and accordingly we are prepared to find, and gladly welcome,
more than 400 pages of comment on the first two books, beyond which
the edition has not as yet advanced. The work is plainly a labour of
love, and the result of many years* study on the part of a scholar of
high attainments and very wide reading. Ranging from Homer through
the classics to Diogenes Laertius and Chrysostom , and from thence
through the Schoolmen to Bacon Hobbes and Mill, the Introduction
passes over no source of instruction, containing even many references
to the recent daily and weekly press; while the critical and explanatory
notes embrace not only all the editions, but many scattered comments
and notices in British and foreign reviews.« Dasselbe Urtheil fällt in
genauerer Ausführung Hicks, der überdies namentlich noch an ver-
schiedenen Beispielen die Vorzüge darlegt, welche dieser Arbeit durch
die überaus genaue Bekanntschaft des Herausgebers mit der griechischen
Geschichte bis in alle Einzelheiten zu Theil geworden sind, und es ist
Politik 1 39
im Ganzeu auch das meine''), nur aber glaube ich, dass in Deutschland
die Darstelllung Newman^s, so anziehend und zugleich unterrichtend
sie ist, dennoch viel mehr Leser gefunden hätte und finden würde, wenn
sie höchstens die Hälfte des Raumes einnähme, und dies hätte sich wohl
erreichen lassen, wenn nicht die bekanntesten Dinge mit derselben be-
haglichen Breite behandelt wären wie Dasjenige, was nicht auf der Hand
liegt, und die üble Folge dieser Weitschweifigkeit ist nicht ausgeblie-
ben; über vier, fast fQnf Jahre sind vergangen, und das Werk ist noch
nicht weiter von der Stelle gerückt. Nach 203 Seiten ist die Einleitung
erst bei den nicht von Piaton handelnden Theilen des zweiten Buches
angelangt, über die sie dann rasch hinweggeht, um nach Gebühr aus-
führlich beim dritten und über alle Gebühr ausführlich bei der besten
Verfassung im vierten und fünften der neuen Ordnung, welcher New-
man mit richtiger Darlegung folgt, stehen zu bleiben. Dann aber wird
auf mehr als 90 Seiten (374 — 461) die Geschichte der politischen Theo-
rien in Griechenland (mit Weglassung des Phaleas) und besonders Pla-
ton's Republik und Gesetze durchmustert >*), darauf folgt noch erst eine
Biographie des Aristoteles, die meines Bedünkens schlechterdings nicht
hierher gehört ''), nebst allerdings interessanten Bemerkungen über den
Standpunkt seiner Politik und einer Vergleichung mit Piaton, und nun
endlich kommen von S. 489 ab auch die drei übrigen Bücher an die
Reihe, von denen das sechste alter Ordnung jedoch mit ein paar Worten
abgethan wird. In Bezug auf dieses folgt der Herausgeber der neuen
Ordnung nicht, ohne sich auf eine Wiederlegung der Gründe fUr die-
selbe einzulassen: dass dies Buch unvollständig ist, nimmt er ja freilich
mit Recht an, aber schwerlich ist es so unvollständig, dass dadurch ir-
gend wie seine verkehrte Stelle gerechtfertigt werden könnte, wenn ja
überhaupt sich absehen liesse, was diese damit zu thun haben sollte.
Der 1. Band schliesst mit sieben meistens die höhere Kritik oder die
Aufklärung des Zusammenhanges angehenden Excursen (S. 565 577):
in dem ersteren findet New man nicht geringere Anstössigkeiten als ich
in VI (IV), 3f., aber mein Ergebniss, dass die Partie 1289^27—1291^ 13
von zwei verschiedenen Peripatetikern hinzugefügt sei, ist ihm zu glatt,
er sucht tiefere Geheimnisse dahinter Im zweiten handelt er gut über
III, 5. 1278» 40 ff., im dritten vertheidigt er gleich mir die Unentbehrlich-
keit von III, 12 f. (die Lückenhaftigkeit dieses Abschnitts hat er freilich
nicht begriffen, so sehr sie auf der Hand liegt), im vierten bemtkht er
^) Doch sind, wenn ich nicht sehr irre, so erhebliche Arbeiten wie die
VCD Hildenbrand, van der Rest, Oncken unbenutzt geblieben.
M) Vgl. Hie k 8 S. 147 : »obviously an incomplete essay, or eise it should
have included the substance of the preceding 874 pagesc.
^) Vgl. Hicks 8. 147: »a bizarre arrangement which may have some
hidden purpose, though what it is we fail to seec.
140 Aristoteles.
sich die Aechtheit von III, 17. 1288* 6 7:pwTov — 16 dp}[de gegen mich
aufrecht zu halten, im fünften neigt er sich stark dazu hin die Unecht-
heit von IV (VII), 10. 1329* 40 — ^35 anzuerkennen, kann sich aher doch
nicht dazu entschliessen , weil ihm, wie sich hald näher ergehen wird,
der wissenschaftliche Muth fehlt, welcher ehenso unenthehrlich ist wie
die wissenschaftliche Besonnenheit. Dies zeigt sich nämlich recht deut-
lich im 2. Bande. Der erste der beiden vorausgeschickten Essays
(S. I — XL) handelt von der Fortpflanzung und Benutzung der aristote-
lischen Politik im Alterthum, wobei er aber in einem wesentlichen Stücke
inzwischen durch das Ergebniss der Forschungen von P. Voigt,
R. v. Scala und besonders A. Schmekel überholt ist, dass nicht bloss
die Bekanntschaft von Polybios, sondern auch von Cicero mit ihr ledig-
lich durch Panaetios vermittelt ist. Er handelt dann ferner von der
Unvollendetheit dieses Werkes, über die sich freilich nichts Neues mehr
sagen liess, und über die Einheitlichkeit desselben im Ganzen bei man-
gelhafter Durchführung von ihr im Besonderen, über welche hier Man-
ches genauer dargelegt wird, als es bis jetzt geschehen war. Der zweite
Essay ist eine sehr bemerkenswerthe Erörterung über die Handschriften
und die alte Uebersetzung. Newman hat von letzterer drei englische
Codices neu verglichen, die er o y z nennt und von denen z (Phillipps
Biblioth., Cheltenham No. 891) von besonderem Werth ist als Vertreter
derselben besseren Classe, von welcher bisher und so auch in meiner
Ausgabe nur a bekannt und benutzt war, und weil er sogar gute dort
nicht sich findende, sondern ihm eigenthümliche Lesarten darbietet. Da-
gegen hätte sich Newman seine Mittheilungen aus dem werthlosen
griechischen, mit P* verwandten Cod. Oxon. Coli. Corp. Chr. 112 er-
sparen sollen, da das Einzige, was der Handschrift P^ Interesse verleiht,
die in sie eingedrungenen Lesarten aus demjenigen Zweige der Familie
11 \ zu welchem P^ gehört, sich hier nicht finden. Die kritischen Grund-
sätze und Ansichten des Herausgebers kann ich meistens nur billigen**).
^) Trotz Tyrrel'B Widerspruch muss ich daran festhalten, dass ich
erst in meiner 3. Aasg. die Vorzüge der alten Uebersetzung (F) auf ihr rich-
tiges Mass zurückgeführt und z. B. II, 11. 1273 ^ 15 mich mit der Bemerkung
begnügt habe: rwv atn&v haud integra esse monuit Susem., rwv ipymv ci.
Bemaysias etc., statt meine Coigectur <9 bitöy x&v aörwv zu wiederholen,
da es doch mindestens zweifelhaft ist, ob der Uebersetzer wirklich önd m
seinem Original fand. Aber ebenso entschieden muss ich dabei stehen blei-
ben, dass innerhalb dieser Grenze die vet transl. »instar optimi codidac und
die Schranken für die Aufnahme ihrer Lesarten in den Text von Ditten-
berger nnd Newman zu eng gezogen sind. Wollte man so in dem analogen
Falle mit Kb io der nik. Ethik verfahren, so käme man zn einem kolossalen
Rückschritt Und darin wird doch dadurch Nichts geändert, dass K^ aller-
dmgs viel besser, als F ist. Nicht minder muss ich gegen Newman 's Be-
hauptung protestiren, die vatikanischen Fragmente zeigten uns, dass wir besser
Politik. 141
aber, wie abermals schon Tyrrell bemerkt und dargelegt hat, bei der
Anwendung hat er sie leider vollständig vergessen ^^) , und die Text-
kritik ist die schwächste Seite seiner Arbeit. Er bemerkt (II. S. XLI,
vgl. I. S. Vni f.), dass mit meiner kritischen Ausgabe eine neue Epoche
für die Herstellung des Textes eingetreten sei, und so hat er denn wirk-
lich nicht ganz selten im Gegensatz zu Bekk er die von mir eingeführ-
ten Lesarten der Familie 77^ gleichfalls aufgenommen, aber auch er
glaubt mich im Irrthum mit dem beschränkten Vorzug, welchen ich
dieser Familie einräume ^), und sucht dies zu zeigen durch Begründun-
gen, die ich abgesehen von einigen wenigen Fällen als gelungen nicht
anerkennen, sondern meistens nur als gesucht oder verfehlt bezeichnen
kann^). Ich kann den Beweis hier nicht führen, hoffe aber ihn an
einem anderen Orte nicht schuldig zu bleiben. Gelegentlich schwankt
daran sein würden, wenn wir nur ältere Handschriften hätten: im Qegentheil
mit ihren nur zwei besseren Lesarten zeigen sie uns, dass die groben Fehler
unserer beiden Handschriftenclassen grösstentheils älter sind als die scharfe
Trennung dieser beiden Classen selbst, s. oben.
>7) Die Sache ist richtig, aber das einzige von Tyrrell zum Beweise
beigebrachte Beispiel II, 5. 1264^ 3 beruht denn doch ant einem Irrthum von
dessen Seite. Tyrrell und wohl auch New man selbst befinden sich aber
auch im Irrthom, wenn sie glauben, ich sei in meiner 3. Ausgabe gegenüber
der Gonjecturalkritik conservativer geworden als in meiner 2.; sie haben den
verschiedenen Zweck meiner 3. Ausgabe nicht bedacht: in der ersten als
Textrecension nach der üeberlieferung habe ich mit sehr wenigen, nothge-
dmngenen Ausnahmen gar keine Conjectnren in den Text gesetzt, in der
zweiten erklärenden, wo es galt Text und Uebersetzung möglichst in Einklang
zu halten, umgekehrt fast alle, die ich auch nur für wahrscheinlich hielt, hier
habe ich auch die Umstellungen ausgeführt, um das Ganze möglichst zu der
m. £. von Aristoteles gewollten Gestalt zurückznleiten, in der dritten end-
lich, einer Handausgabe und schonenden Recognition des überlieferten Textes,
habe ich sachgemäss einen Mittelweg eingeschlagen und nur die sichersten
Verbesserungen in die Worte selbst aufgenommen. Niemand ist also berech*
tigt daraus zu schliessen, dass ich solche Conjecturen, die jetzt nur im
Apparat stehen, wie z. B. die obendrein durch gesperrten Druck hervorgeho-
bene 1273» TouTtov xai 6 d^fwSj jetzt für weniger wahrscheinlich hielte als
früher, ich halte und hielt sie nur für nicht ganz so sicher wie gewisse an-
dere. Mein wirklicher Rückzug beschränkt sich also darauf, dass ich selte-
ner r allein oder in Verbindung bloss mit Mb und etwas häufiger als früher
n^ gefolgt bin, zumal wo sich nicht entscheiden lässt, ob die Uebereinstim-
mong von M s P > sich auch auf F ausdehnte , und das hätte ich auch sogar
noch in ein paar anderen Fällen thun sollen.
M) Sein Recensent im L. Gentrabl. giebt ihm Recht: ich weiss nicht,
ob dieser genügende Sachkenntniss besitzt, um sich ein competeotes Urtheil
hierüber zuschreiben zu dürfen.
39) Eine Probe davon s. oben A. 10.
1 42 Aristoteles.
er selbst, in anderen Fällen würde er ohne seine Angst vor Gonjecturen
die Ueberlieferung von //^ dankbar aufgenommen haben, wenn dies nur
möglich gewesen wäre ohne eine gleichzeitige unbedeutende Nachbesse-
rung **). Ueberlegt man nun aber, wie viele Fehler in 77^ durch //* und
in 11^ durch /7^ verbessert werden, und wie alt diese Fehler laut dem
vatikanischen Palimpsest und den Gitaten bei lulianos bereits sind'^),
so wäre es doch seltsam, wenn nicht recht zahlreiche auch beiden Classen
gemeinsam wären, und es springt daher sofort in die Augen, wie übel an-
gebracht hier ein solches Vertrauen zu der gemeinsamen Ueberlieferung
ist, wie dasjenige, welches Newman dazu treibt lieber zu den künst-
lichsten und unmöglichsten Auslegungen zu greifen als die einfachsten
und nothwendigsten Emendationen zu billigen'^). Dieser Schade ver-
30) So sieht er recht wohl ein, dass II, 10. 1272 b 9 die Stelle der Worte
T&v duvaoT&v {dovar&v /7S) in 77^ die richtige ist, da dies aber die Aende-
rong von 9 orav in oX Hv voraussetzt, bringt er dieselben lieber mit U^ an die
▼erkehrte. 80 kann auch er sich nicht verhehlen, dass II, 11. 1272^39 nicht
sowohl xard xb aörb (O^) als vielmehr xa^' aörd dem Sinne entspricht, da
dies aber in Pi und M^ leicht in xar' aörd (xarooro) verderbt ist, hat er
nicht den Muth es aus der vet. transl. aufzunehmen, weil es doch in keiner
Handschrift stehe, was nicht einmal wahr ist, denn P 1 hat es am Rande mit jrp-
si) Newman I. S. VIII schreibt: »it is clear that the fragments lend
the Support of whatever anthority they possess rather to the second family
than to the firstf Freilich ist das klar, aber es fragt sich eben, »whatever
authority they possessc , und hier haben weder Heylbut noch er bedacht,
dass die Sache genau in demselben Masse durch die Citate von Alexandros
und lulianos zu Gunsten von /7i wieder aufgewogen wird, so dass tabula
rasa entsteht und wir lediglich nach wie vor nach inneren Gründen entschei-
den müssen.
^) Eins der abschreckendsten Beispiele findet sich II, 11. 1272^ 39 f.,
wo die völlig sicheren Emendationen der Neueren nicht einmal erwähnt wer-
den im vollen Gegensatz zu Newman's sonstiger Breitspurigkeit, sondern
die zerrüttete Stelle et n dta^ipov ix routtov alper obq fiäkXov ^ xai9* •fiktxia»
einfach durch folgende Paraphrase gerettet wird : »and that if the family from
which they are taken is of marked excellence, they are appointed from it by
election rather than by seniorityc. Und was er sachlich zur Erklärung des
I, 2 1263 A 34 f. üeberlieferten beibringt, war zwar alles schon im Voraus von
mir widerlegt, darauf aber war ich freilich nicht gcfasst, es könnte Jemand
daraus, dass man sagen kann ^pov-^eei xai dpar^ itntv onla ^ »Einsicht
und Tugend besitzen Waffenc folgern, auch onJia iz^tv ^povi^cst xat äper^
im Sinne von »Wa£fen besitzen für den Gebrauch der Einsicht und Tagende
sei ohne Weiteres erlaubt. Man fühlt sich versucht mit Speugel zu fragen:
»wo hat dieser Hellene oder Hellenist sein Griechisch gelernt Vc und noch hin-
zuzusetzen: »und wo seine Logik ?f Und II, 2. 1261 b 2, wo er nicht umbin kann
der Familie /7i zu folgen und anzuerkennen, dass dann, wenn man nur mit
mir das von ihr gebotene cf ' ih^ öftoiooq in duoftotoog verwandelt. Alles in Ord-
Politik 1 43
anstaltet nicht wenig seinen sonst so lehrreichen exegetischen Commen-
tar, and dazu kommt gelegentlich ein aas derselben Geistesdisposition
fliessender Mangel an Entschlossenheit sich zwischen verschiedenen £r-
klärangen zu entscheiden, wenn auch in andern Fällen diese Zurttck-
haltung vielmehr eine Tugend ist. Allzu wortreich ist überdies dieser
Commentar wiederum gleich dem kritischen: in letzterem hätte nicht
unbeträchtlicher Raum gespart werden können, wenn New man es nicht
für nöthig gehalten hätte jedesmal breit auseinander zu setzen, wo es
unsicher ist, ob F dieselbe Lesart wie M» P^ hatte, auch da, wo Jeder
sich dies selber sagen kann: Aristoteles bezeichnet ein solches Verfah-
ren bekanntlich als fpoprtxov^'^). Noch ist zu erwähnen, dass Newroan
mit unverächtlicher Begründung, wenn auch nicht ohne Bedenken, die
Vermuthung ausspricht, dass I, 11 Zusatz eines alten Peripatetikers sei.
Trotz ihrer Schattenseiten bleibt seine Ausgabe eine bedeutende Leistung,
und es wäre sehr zu bedauern, wenn ihre Weiterführung und Vollendung
ausbleiben sollte.
Tyrrell fügt schliesslich seiner Besprechung einzelner Stellen aus
Newman^s Explanatory notes noch seine eigne und Maguire's Er-
klärung von I, 6. 1255^ 3 fiF. bei Ich kann nicht finden, dass damit ein
Fortschritt über meine Abhandlung (s. Ber. XXXIV. S. 42 ff. XLII. S. 35 f.)
hinaus gemacht wäre, bin im Gegentheil kühn genug zu glauben, dass
ich mit ihr die Sache erledigt habe.
In zweiter Auflage erschien
99) Aristotle. The Politics translated by F. C. Welldon. London
1888. 8. Macmillan.
Mir ist dieselbe aber ebenso wenig zugänglich wie die Recension
von W. Heine, N. philol. Rdsch. 1890. Sp. 132 f.
Besprechungen einzelner Stellen gaben
nung ist, schreibt er: »this conjecture may be right, bat of course it is only
a coDJectarec. Ja in der That eine Conjectur ist eben nichts Anderes als
eine Goqjectar, diese Wahrheit ist unbestreitbar! »With bis views about the
character of the msst, so bemerkt Tyrrell, »how can he be sare that the
ms reading is not the conjectare of a scribe with not the hondredth part of
SuBemihl'B intelligencec Und mit Recht sagt derselbe Kritiker: »What we
want, is an editor with the highest judgment, the wideat knowledge of Ari-
atotle's writings, and the most powerful grasp of his train of thoaght and in-
sight into his style. In a word, mss failing, we want skilled emendationc,
wenn er mir auch viel zu viel Ehre anthot, indem er hinzufügt : »Sus. brought
these qaalities to bear on Arist in the highest degreec. Ausserdem vgl. A. 33.
3S) Poet. 26. 1461 b 29 ff. <&c yäp oöx al<r&avoßiywv , äw ßTj aitrdg
144 Aristoteles.
100) W. Ridgeway, Aristotle Politics III, 2, 2. 1275^ 26 Journ.
of Philol. XV. 1886. S. 164.
101) C. Haeberlin, Aristotelis Politica B, 9. Rhein. Mus. XLV.
1890. S. 311—313.
Haeberlin empfiehlt II, 9. 1271*5 die auch von mir schon als
»vielleicht richtige bezeichnete Conjectur von Sylbnrg dyoneo&ovoog
fbr das nur hier bei Aristoteles erscheinende dpeu^uvou^^ will Z. 7 ro
streichen oder in r^ verwandeln (was mir nicht unbedingt nöthig scheint)
und glaubt, ich habe Z. 10* f. xcd ro aurbv alrsia^at röv dgea^^jjaofievov
T^C ^XV^ ^^^ dpBwg i^ec falsch flbersetzt: »und ebenso ist es nicht
richtig, dass Die, welche der Ehre in dies Amt einzutreten für würdig
erachtet werden sollen, sich um dieselbe bewerben müsseuf. Allein ich
habe gar nicht daran gedacht rb aördv durch »ebenso« wiedergeben zu
wollen, sondern dies »ebensoc lediglich als Bindeglied hinzugefügt und
das r^ aörbv — dpx^Q durch »dass Die ~ bewerben müssen c übersetzt,
weil im Deutschen meines Eracbtens die Hinzusetzung von »selbstc zu
»sich bewerben« eine unerträgliche Tautologie ist. — Ridgeway ver-
muthet ansprechend, die Larisäer hätten nach dem Biutbade, welches
der Tyrann Lykophron von Pherae 404 unter ihnen anrichtete (Xen.
Hell. II, 3, 4), eine grössere Zahl von NeubQrgern aufgenommen, wobei
ihre »Bürgermeister« (di^fieoupYoe) das Vorschlagsrecht ausübten, und auf
diesen Anlass sei Gorgias gefragt worden, worin denn das Wesen eines
Bürgers bestehe, wenn doch, wie das Beispiel dieser Leute zeige, nicht
in der bürgerlichen Abkunft, und da habe er sich mit jenem von Ari-
stoteles III, 2. 1275^ 26 ff. berichteten Wortspiel geholfen. — lieber V
(VIII), 1342» 9 f., s. unten No. 127 f.
102) R. D. Hicks, On the avoidance of hiatus in Aristotle's Po-
litics. Proceedings of the Cambridge phil. Soc. XIII— XV. S. 22 f.
Eine genaue Sonderung der ganz und der annähernd hiatusfreien
Partieen in der Politik und Ethik von den übrigen würde ein sehr ver-
dienstliches Unternehmen sein. Wir hätten innerhalb der ersteren nach
Ausführung dieser Arbeit einen Massstab dafür, wo wir in der Wort-
stellung der einen oder der andern Handschriftenclasse zu folgen haben,
was besonders für die Politik sehr erwünscht wäre. Hoffen wir, dass
Hicks die Ergebnisse seiner Untersuchung für diese Schrift bald ver-
öffentlichen wird! In dem Bericht über seinen Vortrag finden sich die
richtigen Bemerkungen, dass zu der Annahme eines engeren Zusammen-
hangs derartiger Theile mit Dialogen keinerlei zwingender Grund ist,
und dass zu ihnen die Capitel III, 4 f im wesentlichen Unterschiede von
der Hauptmasse des nämlichen dritten Buchs gehören
Die beiden Abbandlungen
i
Aristoteles. ]45
103) Thill, La doctriue d^Aristote sur la tyrannie, La Mus^on
VIII. 1889. S. 161—176.
104) H. 0 e r t e 1 , Die Lehre des Aristoteles von der Tyrannis,
Kaiserslautern 1890. 42 S. 8. (Gymnasialprogr.)
sind mir nicht zugegangen, wohl aber:
105) W. Lutoslawski, Erhaltung und Untergang der Staatsver-
fassungen nach Plato, Aristoteles und Macchiavelli, Breslau 1888. Köb-
ner. VIII, 140 S. 8. (Dorpater Doctordiss.)
Ein kurzer und ganz geschickter Bericht über diese kleine Schrift
von R. Stammler findet sich in den philos. Monatsh. XXVU. 1891.
S. 374, aber man erkennt doch aus demselben kaum, in wie hohem
Grade lesenswerth sie nicht allein für jeden Gelehrten, sondern auch
fnr jeden Gebildeten ist. Sie besteht aus drei Abtheilungen. In der
ersten wird die aristotelische Theorie der Revolutionen und der Er-
haltungsmittel der Verfassungen behandelt (S. 3 — 80). Zun&chst giebt
der Verf. ein übersichtliches Bild derselben, welches auch fOr die Lee-
türe des achten (früher fünften) Buches ein gutes Hülfmittel darbietet,
indem er dabei mit Recht der von Aristoteles selbst zu Grunde gelegten
Disposition nur theil weise folgt, da diese zwar im Ganzen wohldurch-
dacht, aber nicht nur von gewissen »Lässlichkeitenc, die freilich an ihrer
Stelle mehr Tugenden als Fehler, aber doch fQr Lutoslawski^s Zweck
nicht beibehaltenswertb waren, sondern auch von wirklichen Mängeln nicht
frei ist, obgleich ich dieselben zum Theil für geringer halte als er^).
Dann wird (S. 67—80) die Bedeutung dieser aristotelischen Theorie auch
noch für die Neuzeit untersucht, in welcher die Voraussetzung derselben,
die Sklaverei, in allen civilisirten Staaten aufgehört hat und mit der
Grossstaatenbildung die sämmtlichen Verfassungen der Stadtstaaten, auf
M) So hat er denn die in der That bei Aristoteles ungeordnet aneinander-
gereihten Erhaltuogsmassregeln unter allgemeine Rubriken gemacht und in
Bezug auf die Revolutionen einen Theil des von Aristoteles Beigebrachten in
andore, neue eingeordnet. Unrichtig ist die Behauptung (S. 24 f.), dass der-
selbe die Politie als die nächstbeste Verfassung nach dem Idealstaat beseicfane :
vielmehr treten die »sogenannteuf , die uneigentlichen oder gemischten Ari*
stokratien noch dazwischen. Allzu eilfertig ist die Folgerung (S. 136. A. 1)
aus der g&Dzlichen Nichtberücksichtigaog der durch den grossen Alexandres
geschaffenen Zustände: »Man möchte daraus schliessen, dass die Politik kurz
nach Philipps Tode und vor Alexanders Eroberungen heraasgegeben worden
istc. Aehnliche Gedanken finden sich bei New man. »Herausgegebene ist
sie (was nicht gegen diesen, sondern nur gegen Lutoslawski zu bemerken
ist) überhaupt von Aristoteles nicht, gearbeitet mag er an ihren verschiede-
nen Theilm zu verschiedenen Zeiten seines Lebens haben, jedenfalls aber
auch noch in den letzten Jahren desselben, s. Susemihl Arist. Pol. I. 8. 69f.
Jahresbericht ftir Alterthumswissenschaft. LXVII. Bd. (1891. I.) IQ
] 46 Aristotelefli.
welche dieselbe zugeschnitten ist, gleichfalls dahingeschwunden sind, so
dass sie unmittelbar nicht mehr anwendbar ist Der Verf. macht aber
mit Recht geltend, dass die modernen Verfassungen Mischformen sind,
in denen sich die antiken als Elemente erhalten haben, und dass die
aristotelischen Bestimmungen aus reicher und tiefer Beobachtung der
Menschennatur, die sich mehr oder weniger zu allen Zeiten gleich bleibt,
geschöpft sind, und findet daher, dass ihre mittelbare Brauchbarkeit^
deren Grenzen er näher zu bestimmen sucht, auch jetzt noch eine er-
hebliche ist. Nahe hiemit hängt der dritte Abschnitt (S. 107 — 134) zu-
sammen, welcher den Einfluss von Aristoteles auf den Principe von
Macchiavelli erörtert, indem der Verf., wie ich glaube, mit Recht, dies
merkwürdige Buch als Uebergangsglied zwischen der antiken, durch
Aristoteles vollendeten Staatsphilosophie der Stadt- und der modernen
der Grossstaaten ansieht und es zum Beweise nimmt, dass praktisch
eben die Tyrannis, die Aristoteles fhr die schlechteste Verfassung an.
sieht und doch in jenem Buche seiner Politik so eingehend behandelt,
als das Mittelglied fQr die Bildung der modernen absoluten Monarchie
und damit Oberhaupt des modernen Staates anzusehen sei. Lutos-
lawski zeigt im Anschluss an Trendelenburg und im Gegensatz za
Ranke, dass Macchiavelli kein Menschenverächter war und Aber den
sittlichen Werth der Tyrannis an sieb nicht anders als Piaton und Ari-
stoteles dachte. Er fhhrt ferner die Behauptung von Ranke, dass der-
selbe, was merkwürdigerweise Trendelenburg trotz Bankers Vor-
gang verkannt hat, in jener Schrift von dem betreffenden Buche des
Aristoteles abhängig war, so genau mit den Belegen aus, dass an ihrer
Richtigkeit kein Zweifel bleiben kann; aber er macht gegen Ranke
geltend, dass Macchiavelli nicht nur in seinen staatsklugen Discursen
über die zehn ersten BOcher des Livius keinerlei Kenntniss der aristo«
telischen Politik zeigt, sondern auch im Principe unter den zahlreichen
Beispielen aus dem Alterthum kein einziges von Aristoteles angezogenes
giebt, und er schliesst daraus mit Wahrscheinlichkeit, dass Macchiavelli*s
Benutzung desselben nur eine mittelbare aus einem schon vor ihm vor-
handenen Auszug gewesen sei. Alle diese Dinge indessen, so wenig ich
sie übergehen konnte, gehören in diese philologischen Jahresberichte
auch nur sehr mittelbar hinein; vollends aber das Urtheil muss ich je-
dem Leser selber überlassen. Anders steht es mit der Behauptung
(S. 58 ff.), dass die Politik des Aristoteles trotz seiner eigenen entge-
gengesetzten Erklärung (Nik. Eth. I, 1. 2. 1094^ 11 ff. 1095» 30 ff.) einen
wesentlich deductiven Charakter habe. Dies wird doch dadurch, dass
sie allerdings aus den angeführten historischen Beispielen allein keines-
wegs abstrahirt ist, vielmehr diese eher nachtrfiglich aufgesuchte Belege
sind, und dass die psychologische und logische Beobachtung in der
That dabei ebenso sehr mitgespielt hat als die historische, noch lange
nicht bewiesen. Denn dies Alles ist doch eben empirische Beobachtung,
Aristoteles. 147
and wenn Aristoteles seine sechs Hauptstaatsformen im Wesentlichen
bereits aus Piatons Politikos tthernahm, so machte er es doch damit
nicht anders als ein heutiger Denker, der die jetzigen Formen als be-
reits festgestellt gegeben ansieht und nun von diesem Gewinne frttherer
Indnctionen aus allerdings vielfach deductiv verfiElhrt, ohne wieder von
vorn anzufangen und die Richtigkeit dieser Indnctionen von Neuem zu
prfifen, desshalb aber doch noch keineswegs nöthig hat sich dadurch zu
Gonstmctionen a priori verleiten zu lassen. Dies führt uns nun endlich
zum zweiten Abschnitt, dem Yerhältniss des Aristoteles in seiner Staats-
pbilosophie zu Piaton (S. 81—104). Wir mfissen es dem Verf. danken,
dass er uns näher eingehend, als es bisher geschehen ist, darlegt,
wie sehr Ersterer auch hier, und sogar in der Theorie der Revolutionen,
von Letzterem abhängt, zumal da er uns zugleich entwickelt, dass da-
mit dem Verdienst des Aristoteles kein Abbruch geschieht, dass viel-
mehr erst dieser die von Piaton eben nur gestellte kolossale Aufgabe
einer allseitigen griechischen Staatstheorie gelöst hat, so weit sie über-
haupt gelöst ist. Aber leider hat Lutoslawski, ein SchtQer und Ver-
ehrer Teichmttller's, dessen Andenken er dies Büchlein gewidmet
hat, und dessen wirkliche, ohne Zweifel unverächtliche Leistungen er
weit überschätzt, sich dieses Verdienst stark verkümmert, indem er
dessen unerwiesene und unwahrscheinliche Behauptung sich aneignet,
dass Aristoteles in seiner vielfach verkehrten Kritik Platon*s denselben
nicht etwa, und zwar nicht zum geringsten Theile durch Schuld von
Flüchtigkeit, miss verstanden , sondern dessen Lehren böswillig verdreht
und gewisse von diesem mündlich vorgetragene Ansichten betrügerisch
sich selbst angeeignet habe. Schnell fertig ist die jetzige Jugend mit
solchen schmählichen Anschuldigungen und das ist ein trauriges Zeichen
unserer Zeit. Wo ich bei Aristoteles in dieser Hinsicht eine auffallende
Unfähigkeit gesehen habe sich auf den Standpunkt eines Anderen zu
versetzen, da erwidert der Verf. mir mit einem seltsamen psychologi-
schen Fehlschlnss, für eine solche sei Aristoteles zu gescheidt gewesen.
War denn etwa Her hart nicht auch ein gescheidter Mann, und hat er
nicht doch namentlich Hegel gegenüber mehrfach eine solche gezeigt?
Würde man nicht mit gleichem Recht oder vielleicht Unrecht schliessen
dürfen, Aristoteles sei viel zu gescheidt gewesen, um Piaton Vorwürfe
zu machen, die unmittelbar ihm selbst zurückgegeben werden konnten,
wie es mehrfach im Schlusscapitel des in Rede stehenden Buchs auch
nach Lutoslawski geschieht? In der That enthält dies Capitel jedoch
so viel Auffallendes, dass der Zweifel, ob es wirklich von Aristoteles
selbst herrührt, durchaus nicht unberechtigt erscheint, zumal da der-
selbe doch sonst die Kritik seiner Vorgänger vorauf zu schicken und
nicht nachhinken zu lassen pflegt. Zeigen sich doch femer dieselben
unrichtigen Auffassungen platonischer Lehren bei Aristoteles auch auf
anderen Gebieten, auf denen derselbe seine Kritik genau ebenso auch
lO»
148 Aristotelei.
gegen die richtig aufgefassten kehren dürfte, so dass hier nicht das
mindeste Interesse zu ahsichtlichem Missverständniss vorlag. Höchstens
mag es wahr sein, dass das nnhehagliche Gefühl überall so vielfach
seine eigensten Gedanken doch schon wenigstens im Keime sich vielfach
von seinem Lehrer vorweg genommen zu sehen dieser Kritik des Ari-
stoteles nicht selten einen etwas mürrischen und nörgelnden Charakter
gegeben hat.
Bei aller mir gebotenen Knappheit musste ich bei Arbeiten wie de-
nen von Newman und Lutoslawski ausführlicher sein. Desto kürzer
kann ich mich über
106) Julius Schwarcz, Kritik der Staatsformen des Aristoteles.
Vermehrte Ausgabe. Eisenach, 1890. Bacmeister. V, 139 S. 8.
fassen, da die Vermehrungen, namentlich auch die Antikritik gegen
meine Anzeige Zeitschr. f. klass. Phil. II. 1886. Sp. 257 — 260 (vgL
Her. XLII. 8. 85) mich nicht bestimmen können jetzt anders zu urthei-
len, als ich es in der letzteren gethan habe, so sehr auch diese Anti-
kritik den Beifall eines seiner Meinung nach hochberufenen Becensenten
G. J. Schneider, Berl. ph. Woch. XI. 1891. Sp. 239-242 gefunden
hat. Ich verweise daher einfach auf meine erneute Besprechung in der-
selben Zeitschr. XII. 1892. und auf die Rec von Döring Woch. f. kl.
Ph. VII. 1890. Sp. 1334-1338 und Pöhlmann, Deutsche L.-Z. 1891.
8p. 619 f. und die im Litt. Centralbl. 1891. Sp. 265f.
Endlich gehört hierher noch
107) Ed. Zeller, üeber den Begriff der Tyrannis bei den Griechen.
Sitzungsber. der Berl. Akad. 1887. S. 1137 1146.
Zell er legt richtig dar, dass der ursprüngliche staatsrechtliche
Begriff eines Tyrannen der eines gesetzwidrigen Herrschers in einer Re-
publik war, dergestalt dass die Gesetzwidrigkeit sich sowohl im Ur-
sprünge seiner Herrschaft durch Usurpation als auch darin zeigt, dass
er sich nicht unter das Gesetz stellen kann, weil er damit seine Herr-
schaft aufgeben würde. Dass er schlecht und eigennützig regieren müsste
und nicht vielmehr das Wohl seiner Unterthanen im Auge haben könnte,
war damit nicht gesagt und entsprach auch den geschichtlichen That-
sachen nicht. Die Erlaubtheit des Tyrannenmordes bedeutete dabei nur
die der unter diesen Umständen allein möglichen gewaltsamen Herstellung
des gesetzlichen Zustandes. Erst Piaton, von acht griechischem Tyran.
nenhass beseelt und doch zugleich dem Grundsatz huldigend, dass Nichts
auf den Ursprung der Herrschaft, sondern Alles auf weisen und guten
Gebrauch derselben oder das Gegentbeil ankomme, modelte den Begriff
dahin um, dass für ihn jeder eigennützige, grausame, das Volkswohl und
auch die besten Gesetze mit Füssen tretende Herrscher zum Tyrannen
ward. Aristoteles folgte, indem er sich die Theorie von den drei rieh-
Aristoteles. HO
tigen oder besseren Yerfassangen und den drei ihnen entsprechenden
Abarten {naptxßaam) aus Platon's Politikos aneignete, den Spuren seines
Meisters, so dass er die ungesetzliche Weise der Regierung eines Ty-
rannen erst als Folge des Geistes dieser Regierungsform darstellte, dah^r
bei ihm wie bei Piaton auch ein König, der seine legitim ttberkommene
Gewalt in solcher Weise missbraucht, damit ebenso gut zum Tyrannen
wird wie ein Usurpator ^). Diese neue Auffassung ward allmählich zur
geltenden M), wodurch denn die Erlaubtheit des Tyrannenmordes einen
ganz anderen und viel staatsgefährlicheren Sinn erhielt. Das Genauere
darüber gehört aber nicht mehr hierher.
Von den pseudo- aristotelischen Oeconomica erschien die Text-
recension
108) Aristotelis quae feruntur Oeconomica. Recensuit Franciscus
Suse mihi. Leipzig, Teubner. 1887. XXX, 94 S. 8.,
welche von Wohlrab L. Centralbl. 1888. Sp. 480 f., Busse Berl. pb.
Woch. VUI. 1888. Sp. 686—690, Spiro Deutsche L.-Z. 1888. Sp. 1679f.
und Ghiappelli Riv. di Filol. XVIIi. 1888. Sp. 184-136 angezeigt
und beurtheilt ist Die Anzeige des Letztgenannten kenne ich nicht,
Busse und Spiro bin ich dankbar für ihr allgemeines Lob und würde
es noch mehr für ihren Tadel im Besonderen sein, wenn ich nur beim
allerbesten Willen viel hätte aus demselben lernen können. Zwar darin
mag Busse Recht haben, da die ältere lateinische Uebers. von Durand
de St. Pour^in nur das erste und dritte Buch umfasst, während der
jüngere Uebersetzer keinen griechischen Codex von letzterem mehr ge-
habt zu haben scheint, dass dieser für das erste und zweite griechischö
Handschriften benutzte, in denen letzteres an die Stelle des inzwischen
verloren gegangenen früheren zweiten, jetzt dritten getreten war. Aber
viel leichter ist m. E. der Gedanke, dass das Vorhandensein von zwei
älteren Uebersetzungen des dritten Buchs den jüngeren Interpreten be-
stimmte aus beiden eine dritte zu machen, als dass er in Folge des
Vorhandenseins von nur einer einzigen mit Randcorrecturen so zu Werke
gegangen sein sollte. Busse hätte mir ferner doch die Frage S.XVin.
SB) In welche Widersprüche sich diese neue Theorie verwickelt, indem
z. B. Aristoteles nun doch das EOnigthum der »Barbarent, weil es ein legi-
times ist, trotz seines despotischen Charakters zu den Königthümern nnd nicht
zu den Tyrannenherrschaften, wenn auch als eine üebergangsstnfe zu letzte-
ren rechnet, hatSchwarcz grossentheils richtig dargelegt, und es ist dies das
beste Stück seiner Kritik.
s^ Ich glaube, dass dieser Erfolg sich namentlich von der Tyrannis des
alteren nnd dann des jüngeren Dionysios und später des Agathokles herschreibt,
und dass aoch Platon's Tyrannenhass bereits von seiner Berührung mit dem
älteren Dionysios stammte.
150 Aristoteles.
A. 46 beantworten sollen: »Sdre velim, ande lector iUe doctus 142, 16 ff.
hauserit secundum Orpheum pro »eeundum Herculem et Tocabolam Graecum
tnUhymosyna«^ si non ex alio codice Graeco«. Ebenso kann ich durcbans
nicbt behaupten, dass meine Zweifei, ob wirklich gerade Theophrastos
das erste Bnch geschrieben hat. gründlich durch Busse beseitigt wären.
Was mich genöthigt hat mit dem Codex P^ bis ins Ende des 13. Jahrb.
hinaufzugeben, hätte Busse aus meiner Ausg. der gr. Mor. S. VI. A. l
ersehen und, wenn er konnte, widerlegen sollen; sein blosser unbegrün-
deter Widerspruch ist bedeutungslos. Femer ist es zu viel von mir
verlangt, ich hätte klarer beschreiben sollen, wie ich zu meinen GoUa-
tionen gekommen bin, denn wie ich es anfangen sollte eine etwas ver-
wickelte Sache klarer darzustellen, als sie nun einmal war, verstehe ich
nicht: im Grunde kann doch Jeder aus meinen Angaben sofort ersehen,
dass ihre Abweichungen von denen Bekker*s überall auf genauen und
zuverlässigen Nachprüfungen beruhen, und welche von diesen Hinz und
welche Kunz angestellt hat, wenn eben nur Hinz sowohl wie Kunz zu-
verlässige Leute waren, ist wohl eigentlich ziemlich gleichgültig. Auch
die Mäkelei daran, dass ich die drei Species der Familie 77* mit /7^^<>*
bezeichnet habe, scheint mir recht überflüssig. Für die Formen abzotß
und abrou u s. w. haben endlich die Aristoteleshandschriften gar keinen
Werth. Spiro schulmeistert daran herum, dass ich an ganzen drei
Stellen auch W^ (eine Abschrift aus der Aldina) erwähnt habe, und
meint, die Benutzung und für das dritte Buch die Veröffentlichung der
jüngeren Uebersetzung hätte ich mir sparen sollen. Ich bin bei einer
Textrecension völlig anderer Ansicht, und das dritte Buch musste auch
in dieser Form schon desshalb herausgegeben werden, damit Jeder prüfen
kann, ob ihr eine griechische Quelle zu Grunde lag oder nicht. So lange
ein Mann wie Haur^au so ganz anders wie ich selbst hierüber urtheilt,
kann doch wahrlich diese Frage noch nicht ohne Weiteres für abgethan
gelten. Busse versucht auch einige Coi^'ecturen, und eine Reihe treff-
licher Berichtigungen geben
109) E. Sonne, Ad Aristotelis quae ferunter Oeconomicorum li-
brum IL Genethliacon Gottingense Halle 1888. 8 S. 27 - 31 und
110) G. Kaibel, Hermes XXV. 1890. S. lOOf.
I, 2. 1348*23. 2v ^>^ai) vermuthet Busse und erklärt sich Z. 24
gegen die Coigectur von B. Keil entweder für die von Suse mihi rh
oTav oder die von Schömann onotav^ die er dann aber in rd bnotav
verbessern will. — I, 4. 1344» 30 verwirft er das von mir nach Schö-
mann* s Vorschlag aufgenommene dvtäv und vertheidigt dvdvat im in-
transitiven Sinne. Z. 31 vermuthet er <xai) i^&rjTog für das verderbte
ir^oc« — n, 2. 1846^27. (^dn"} dfi^Tepwv Sonne. — 1347^34. Ttpa-
(dfuvot Sonne. - 1348» 26. <^'> opax/iwv und Z. 27 [xcu] Sonne. —
AriBtoteles. 151
36. 0mxatatv Kaibel. — 1348^11. 12. ddtxdinoug and (jKardi) )[p6vov
<8v> oder <4^) ^poeBijxe Sonne (ich denke: //oov^ 8v IBijxe^ wie ich
geschrieben habe, ist viel einfacher und das Richtige). — 15. 8i' irdpwv
will Sonne nach Z. 8 anmittelbar hinter Tzap' dp.^oTep(av nmstellen. —
1349* 31. nd^v (^Seo/xivou"^ Sonne, s. Snsemihl z. d. St. — ^17.
eInBv ort f. eine dtoTi Sonne (ich glanbe nicht, dass man so nach der
Mehrzahl der Fälle corrigiren darf). — 26. & nore Sonne. — 1351* 10.
TÖv—e^ovra f. ratv — i^ovratv Sonne. — 25. [toü,"] Sonne. (Nicht
diesen Artikel, wie er angiebt, sondern den voraufgehenden rb lassen
alle Quellen ausser P^ Aid. weg). — ^23. Sonne will xai unmittelbar
hinter i^oumv umstellen und dann eX mit der schlechteren Familie
schreiben; viel sicherer scheint mir mein Verfahren i^ mit der besseren
stehen zu lassen und xat mit Scaliger zu streichen. — 1363*
17. {dp^yupieyiüv Kaibel mit Recht"). — 27. nap abrouQ Sonne
mit Unrecht: man muss nap' aÜTou schreiben »auf eigene Rechnungc,
was keineswegs überflüssig, sondern im Gegen theil für den Sinn unent-
behrlich ist. — ^24. rä iyj^puaa Sonne.
Eine Reihe von Stellen der Rhetorik hat
111) H. Schütz, Kritische Bemerkungen zu Aristoteles Rhetorik,
Jahrb. f. Ph. CXXXVII. 1888. S. 681—695,
einige auch By water und Rassow (s. No. 51 u. 62) besprochen. —
^) Die Polemik von Kaibel gegen mich ist von acht moderner Sorte:
litaque rä Aaoptta veteres dixisse ani Hesychio nemo sane credet neqae licet
iam dubitare quin falso temptaverit Sylburgius Aristotelis qui dicitur Oeco-
nomicorum verba II, 36 ... coniecit ... ix t&v AaopUov^ verbornm sensami
nt demonstravit Boeckhius, recte adsecntus . . . Sylburgio obtemperavit no-
vissimas Oeconomicorum editorc (diese Ausdrucksweise ohne Beisatz des Na-
mens ist ja Mode bei unseren jüngeren »berühmten Philologenc), »multo rec-
tiuB facturus, si einsdem libri capite 15 cum eodem Sylburgio Phocaeensibus
dvibus proprium et verum nomen reddidisset . . . non ^wxaUov , quod barba-
mm est. sed ^utxamy ((Pmxatiutv Sylb.) etcc Wer vermag wohl aus dieser
geschminkten Darstellung zu erkennen, dass Böckh's Ueb. die laor. Silber-
bergwerke, Kl. Schrr. V. 8. 12 f. jene Conjectur Sylbnrg's Aaopimy ans*
drücklich zu der seinen gemacht hat, wobei er S. 12. A. 36 noch
obendrein sagte: »rod Aaupiou oAer Aauptioo ... zu schreiben ist überflüssig,
da die Bergwerke Aauptta und folglich auch Aaupta hiessen.t
Es wird wohl eine recht verzeihliche Sünde sein, wenn ich mich hierauf ver-
liess. Dass ^wxauav keine richtige Form ist, darüber bedurfte ich nicht erst
der Belehrung KaibePs; ich Hess es stehen, weil ich es bei diesem Schrift-
steller doch (worüber ich jetzt in derXhat durch Kaibel eines Besseren be-
lehrt bin) für vielleicht nicht unbedingt unmöglich hielt und Überdies zweifel-
haft war, welcher von beiden Vorschlägen Sylburg's 0wxeuiwif undiPwxaeanf
rathsamet an die Stelle h&tte treten sollen. Und nun zeigt sich, dass beide
zu verweri'en und gar 2<ichts ausser dem Accent zu Andern istl
] 52 Aristoteles.
I, 5. 1361^20. [fUcCovi] Schütz. — I, 6. 1362» 24- 26. [xai
dya&ov] Schütz, wenn man nicht lieber entweder 24 f. xal — dnoSoaj
oder 26 xal — kxdartp erhalten wolle. — I, 7. 1363 ^ 8. <tä) tocoutov
Schütz (so aber schon Römer aus corr. ^ A^ Schol, dessen Ansg.
Schütz nicht hätte unbcnatzt lassen sollen). — 18. [re] oder xal (rä
fieeZf^y Schütz. — 1364» 10. ^e /aj^ alrcov Schütz (so aber längst
Thurot, überdies s. d Gegenbemerkung von Zeller Arch. III S. 306).
— 1365» 11. nXecov By water (vgl. Z. 17 f.). — 36. 36. ahr^ Schütz,
falsch (s. Zell er a. a. 0.), wohl aber wird mit Bonitz nach corr. ^A<^
ij (f xa}) änXätg zu schreiben sein. — 1, 9 1368» 15. abroo Bywater.
— 1, 15. 1375» 29. Rassow weist treffend nach, dass das von Spengel
und Römer aus A^ aufgenommene hziBtxearipotg nur ein Schreibfehler
dieses Codex ist; ob es freilich durchaus nötbig wäre mit allen andern
Quellen auch &c zu schreiben, oder ob xal richtig ist, scheint keines-
wegs ebenso sicher, vgl. Vahlen Beitrr. z Ar. Poet. II. S 88. Bonitz
Ind. Ar. 357*> 13ff. ••). — 1376^20. axenriov <a;c dlxatov) Rassow.
— 1877*» 10. Mit Recht setzt Schütz Fragezeichen hinter ifj^vouaev, —
11,2.1378^25. o Tc Schütz (so längst Roth). S. aber Zeller a. a. 0. -
1379^10. (twv) napä? Schütz. — II, 3. 1380» 30 f. ZXax: - npaivovra
rückt Schütz vor 8 el ouv hinauf. — II, 8. 1385^ 28 f. aurwv f. abrou
re Schütz, s. aber Zeller a. a 0. — 32. dXX^ ot juLsra^u rouraiv
stellt Rassow mit Recht hinter 34 nd&ee, — 1386» 2. (jivt) raiv? und
3. yevia&ac <3v>? Schütz. — II, 9. 1386^28. roeg naxpoXoiaiQ xal fiiat-
^votg Schütz. — II, 13. 1389^ 17. Rassow empfiehlt aufs Nene
Dübner^s Goigectur a/^ai^rae) änavra, Zeller bemerkt, dass ayavTOLt
ndvra noch näher liegen würde. — 1390» 1. aÜTw? Schütz, aber s.
wieder Zeller a. a. 0. — II, 18. 1391^ 28 f. Da A^ rb hat, so ist es
verkehrt, dass Schütz, statt dies (nach Spengel und Römer) aufzu-
nehmen, dvayxata rä schreiben will. — II, 19. 1392» 13. dyojuLoto)* (was
fast gar nicht bezeugt ist) hält Schütz »natürliche für das Richtige!
Nicht einmal Spengel 's Ausg. scheint er also angesehen zu haben.
Ausserdem vgl. Zellera. a. 0. — 11,20. 1393^31. d^eXy^rs? Bywater
(d^dXj^ Ttg? Susemihl). — II, 23. 1397» 24 f. <xa/> darepw und <to>
xeXeu<rai? Bywater. — 1398» 10. äXXog f. dXXä (natürlich mit Tilgung
des voraufgehenden Kommas) Bywater. — 1400» 6. iSo^e)^ Schütz
mit Recht. — 7-9. ^— o5t<üc will Schütz hinter 24. 1402» 2 ire hin-
abrücken. — II, 25. 1402^29. Schütz sucht den Nachsatz durch Til-
gung von 8^ zu schaffen. — III, 1. 1404» 4. fir^Siva Schütz. — 13.
npoiX^jj Schütz. — 34 f. Bywater bekämpft Römer's Tilgung von
S8) Wenn Rassuw bemerkt, auch 1374b 27 sei die Schreibung Bekker's
im Gegensatz zu der Spengel's die richtige, so steckt In dieser Zahl wohl
ein Druck- oder Schreibfehler.
(
Aristoteles. 153
S' und d^eexaacv. — III, 2 1404»» 21. [xal] Schütz. — III, 3. 1406^8.
Schutz nimmt mit Recht einerseits eine Lücke hinter aS^adsg an und
erklärt andererseits 3 — 5 ^ fura^opä— etpyjtat für eine Interpolation. —
III, 7. 1408^ 9f idv — /'//vfiTow will Schütz unmittelbar vor 2 äxog
hinaufrücken. — III, 9. 1410» 30 f. auTou-aurM Schütz. — III, 10.
1411* 8. By water empfiehlt die Conjectur von Abresch äy^ovra. —
13. napj^^ff&ae? Bywater. — III, 12. 1413^ 17. Schütz will rä uno-
xptTtxä entweder vor 8t6 xal oder vor äpfiorrse stellen (Ersteres hat
l&ngst Thurot vorgeschlagen). — III, 13. 1414^ 5. Irt will Schütz
tilgen (so schon Spengel). — III, 17. 1417^ 25 ff. In dieser Stelle,
welche den Keim der Staseislehre enthält, berichtigt Schütz einleuch-
tend die Interpunktion, indem v er vor xa^ ei ein Punktum setzt, und
streicht dann 8^ vor ore^ um den Nachsatz zu gewinnen, und in der
That bleibt nichts Anderes übrig, obgleich sonst, wie Zeller hervorhebt,
mit derartigen Formeln wie fi^ Xav^avirw nicht der Nachsatz beginnt.
Vorher vermuthet er zweifelnd rotovde.
Gegen den Versuch von Rabe in der im dritten Stück dieses Be-
richts zu besprechenden Diss. S. 31 — 84 nachzuweisen, dass das jetzige
3. Buch der Rhet nicht etwa eine einzige, durch 11,26. 1403*34 ihrer
ursprünglichen Selbständigkeit entkleidete Abhandlung, sondern ursprüng-
lich zwei verschiedene gewesen und durch die Bemerkungen III, l. 1403^
6-15 und durch die Recapitulation III, 12. 1414» 27 f. erst nachträg-
lich angeleimt seien, s. Suse mihi Quaest. Aristot. I. Geifswald 1892.
S. XI ff.
Ueber die Rhetorik an Alexandres empfingen wir folgende
nützliche Arbeit:
112) Ada Ib. ipfelkofer. Die Rhetorik des Anaximenes unter
den Werken des Aristoteles. Würzburg 1889. 55 S. 8. (Gymnasial-
progr.).
Ipfelkopfer giebt eine vortreffliche Uebersicht über die verschie-
denen Ansichten betreffs der Entstehungszeit dieser Schrift, um sich
dann für die SpengeTs, die ja in der That jetzt die fast allgemein
gangbare geworden ist, auszusprechen, dass Anaximenes von Lampsakos
der Verfasser sei, unterscheidet sich aber, nachdem er aufs Neue nach-
gewiesen hat, dass der voraufgeschickte Brief von einem späteren Ur-
heber als das Werk selbst ist, dadurch von Spengel, dass er nicht
bloss das Schlusscapitel schon von 1445 ^ 25 (85, 18 Sp.) an für un-
ächt*^), sondern auch vier andere Stellen, an denen er mit Recht An-
s^) Da die Partie 14451) 25— 1446» 35 (85, 18—88, 2) manche Aehn-
lichkeiten mit dem Widmungsbriefe hat, mag vielleicht der Verfasser der-
selbe sein.
154 AriBtoteles.
stoss nimmt, für fremde Zuthaten erklärt: C. 22 (21). 1484» 17 — 29
(47, 3—16). C. 36 (36). 1440»> 15 — 28 (68, 11—19). 1441^ 11-13
(71, 20—72, 1). C. 37 (36) 1444^7-20 (81,16-82, 5). Und in der
That, wenn wirklich schon Anaximenes der Verfasser des ursprünglichen
Werkes war, würde wohl kaum etwas Anderes übrig bleiben; war es
jedoch ein Späterer, so fragt sich sehr, ob man nicht an diesen Stellen
die Spuren von dessen Contamination und nicht erst von späterer Inter-
polation zu erkennen hat. Die Sache liegt nun freilich wesentlich an-
ders, als ich sie mir früher (Ber. XLII. S. 1 f.) gedacht habe. Heitz
hat seine Polemik gegen Spengel gerade an einer Stelle angesetzt, an
welcher der Letztere vollkommen im Recht war: erst nach Syrianos ist
der ächte Anfang 2. 1421^ 7 f. (l. p. 5, 4 ff.) 8uo yivyj ratv noXtTixaßv
€t<r} Xdyiov, to fikv drjjxyjYoptxbv rö 3k dtxavixov in d i e Gestalt verftlscht
worden, welche er jetzt in den Handschriften hat^). Es kann folglich
auch keinen Zweifel leiden, dass Quintil. III, 4, 9 diese Rhetorik unter
dem Namen des Anaximenes kannte. Wie vorschnell aber der daraus
von Spengel gezogene Schluss war, erhellt daraus, dass es in jenen
Zeiten auch eine unter dem des Isokrates gab, deren Unächtheit un-
zweifelhaft ist, und dass es wahrscheinlich auch mit der unter dem Na-
men des Antiphon von Rhamnus nicht besser stand, s. Susemihl 6r.-
alex. L.-6. U. S. 451. A. 4. S. 453. A. 7. S. 480 ff. Wesshalb ich nun
aber in der That mit £. Havet und G. Thiele davon überzeugt bin,
dass dieses Lehrbuch ein Mittel- und Uebergangsglied zwischen der iso-
kratischen und aristotelischen Rhetorik auf der einen und der Casuistik
des Hermagoras auf der anderen Seite darstellt, also nicht vor dem
dritten Jahrhundert dem Anaximenes untergeschoben war, habe ich
a. a. 0. S. 451 — 457 f bes. S. 453 ff. A. 7 dargelegt Ob überhaupt je
ein achtes Lehrbuch des Anaximenes existirte, ist sehr zweifelhaft, ja
geradezu unwahrscheinlich. Gegen die Angabe vom Verf. des Briefes,
dass zu den Vorlagen, deren sich der dieser Rhetorik bediente, auch die
sogenannte theodekteische des Aristoteles gehörte, hat man wohl kaum
die geringste Ursache misstrauisch zu sein Uebrigens vgl. noch d. Rec
V. Döring Woch. f. kl. Ph. VII. 1890 Sp. 1003 u. v. Hammer Berl.
ph. Woch. X. 1890. Sp. 1528 - 1530.
Für die Poetik hat sich uns eine Textquelle eröffnet:
113) D. Margoliouth, Analecta orientalia ad Poeticam Aristo*
teleam. London 1887. 8. Stuttgart. VII, 246 S 8.
Vgl. die Rec. von Duval Rev. crit. 1888. II. S. 261 f. und die im
Athenaeum No. 3157. S. 528, namentlich aber die von Diels* Deutsche
M> M. £. sind auch die Worte 11—14 rä ßk¥ oüv^öfuliai ftUchende
Zuthat des u&mlichen Interpolatord.
Aristoteles. 1 55
L.-Z. 1888. S. 157—169 und von Susemihl Berl. ph. Woch. XI. 1891.
Sp. 1546—1549.
Dazu kommt die in Folge dieser Veröffentlicbung entstandene Ab-
handlang von
114) H. Di eis, Ueber die arabische Uebersetzang der Aristoteli-
schen Poetik, Sitzungsber der Berl Akad. 1888. S. 1—6.
Anf Grand einer griechischen Handschrift, die sonach weit älter
als A^, aber schon in ganz ähnlicher Weise verderbt war, und die wir
£ nennen wollen, entstand nämlich einst eine syrische Uebersetzang.
Diese ist freilich verloren gegangen, aber die arabische Uebertragang
von ihr aas dem 10 Jahrb. darch den nestorianischen Christen Ahn
Bashar bat sich noch in einem freilich schwer lesbaren Pariser Codex
(882 A) erhalten, ein Exemplar derselben mit Glossen aas dem syri-
schen Original ward von Avicenna in seiner eigenen Poetik benatzt, ein
anderes neben Avicenna von Averroes in der seinen; der Syrer Barhe-
braeas endlich hängt in dem betreffenden Stück seiner »Butter der
Weisheit« noch mehr von Avicenna ab und hat freilich die syrische
Uebersetzang noch gekannt, aber wenig angewendet. Den Averroes hat
neuerdings Lasinio herausgegeben, leider ohne lateinische Uebersetzung;
eine ältere lateinische Wiedergabe ist, um dies schon hier anzuführen,
neuerdings wieder abgedruckt:
115) A verreis paraphrasis in librum Poeticae Aristotelis lacob
Mantino Hispano Hebraeo interprete Ex libro, qui Yenetiis apud
luntas a. MDLXII prodiit, iterum edidit Fridericus Heidenhain.
Leipzig, 1890. Teubner. Jahrb. f. Ph. Suppl. N. F. XVII. S. 361
bis 382.
Vgl. die Rec von Döring Woch. f. kl Ph. VIII. 1891. Sp. 746
bis 748 und Susemihl Berl. ph. Woch. XI. 1891. Sp. 1550 f - Mar-
ge li out h seinerseits hat nun Avicenna (mit lat. Uebers der drei ersten
Capitel) und Barhebraeus und auch Abu Basbar herausgegeben, von
welchem bereits Vahlen (3. Ausg. S. XI f.) eine von Sachau für ihn
angefertigte deutsche Uebersetzung in Händen hatte, erklärt aber selbst
diesen ersten Versuch für so mangelhaft, dass er nicht vermocht hat
eine lateinische Uebersetzung des Ganzen zu liefern, sondern sich be-
gnügen musste eine solche für eine Reihe einzelner Stellen zu geben,
an denen ihm in 2* etwas Anderes gestanden zu haben scheint und
meist auch wirklich gestanden hat als in A<'. Man sollte nach diesem
Allen kaum denken, dass die Ausbeute eine so erhebliche sein könnte,
wie sie es wirklich ist. In der That ist dieselbe aber völlig entscheidend,
um zu beweisen, wie sehr A^' von Vahlen überschätzt ist, und der
Conjecturalkritik in viel grösserer Ausdehnung, als er sie ihr zugesteht,
ihre Rechte zu wahren. Man gewinnt erst jetzt einen vollen Einblick
156 Aristoteles.
in die znm Theil farchtbare Zerrüttong des ftberlieferten Textes. An
nahezu 50 Stellen, so viel ist schon jetzt als das Mindeste sicher, stimmte
2 gegen A^^ theils mit neueren Gonjecturen , theils mit anderen Hand-
schriften oder der Aldioa, d. h. mit solchen aus der Renaissancezeit,
überein, und nur in sehr wenigen Fällen dieser Art ist die so geschützte
Schreibung dennoch nicht die richtige. Und dazu kommen denn noch
einige Stellen , an denen eine ganz merkwürdige Abweichung von A ^
stattfindet, die entweder an die Stelle aller bisherigen Besserungsver-
suche zu treten nicht geringen Anspruch hat, oder auf Grund derer
nunmehr ein neuer und richtigerer Besserungsversuch zu unternehmen
ist Es mag hier auf die von Di eis* und Suse mihi gegebenen Ver-
zeichnisse verwiesen werden, und nur Einiges ist hier zu wiederholen,
zumal da
116) Th. Gomperz, Zu Aristoteles* Poetik Ein Beitrag zur
Kritik und Erklärung der Capitel I—Vl. Wien, Tempsky, 1888.
42 S. 8. Sitzungsb. der philos. -bist Gl. der Wiener Akad. GXVI.
S. 543-582
in einer höchst anflf&lligen und völlig unbegründeten Weise unter-
schätzig mit dieser wichtigen neuen Textquelle umgegangen ist. Ausser-
dem sind hier
117) Robinson Ellis, Adversaria, Journ. of Phüol. XYII. 1888.
S. 134 f. und
118) Valentin Wröbel, De Aristotelis de poetica libello recog-
noscendo, Sanok 1888. S. 36 f.
und die Gopjecturen von Heine in der unten No. 121 zu besprechen-
den Schrift, welche er seltsamerweise Lesarten nennt, und von denen ich
freilich keine einzige fQr richtig halte, zu berücksichtigen. Von Wrö*
beTs Schriftchen steht eine Anzeige von Döring in d. Woch. f. kl.
Ph. VI. 1889. Sp. 400. Seltsam ist es, dass Wröbel S. 3 gegen Vah-
len, welcher allem Anschein nach mit Recht den älteren lateinischen
Uebersetzungen der Poetik allen kritischen Werth abspricht, weil auch
die von ihnen benutzten griechischen Handschriften nicht unabhängig von
k^ waren, sich auf Ghrist, Susemihl, Dittmeyer beruft. Denn
weder hat in Bezug auf die Poetik, um die es sich ja allein dabei hau*
delt, einer von diesen anders als Vahlen geurtheilt noch hat Vahlen
je bestritten, dass es für andere Schriften mittelalterliche lateinische
Uebersetzungen aus nicht mehr erhaltenen griechischen Handschriften
giebt, die eben desshalb sei es von grösserem sei es wenigstens von ge-
ringerem Werth für die Herstellung des Textes sind.
Gegen den Versuch von Gomperz 1. 1447* 17 y&ß^t wider
Forchhammer's sonst jetzt allgemein anerkannte Herstellung in iy zu
Aristoteles. 157
▼ertheidigen hat schon Zell er Arch. III. S. 307 das Nöthige hemerkt;
es kommt aher noch hinzu, dass yivee^ was Gomperz ohne allen Grund
bestreitet, in U nicht stand, sondern entweder ganz fehlte oder durch
iv ersetzt war. Z. 20 vermuthet Wröbel nach dem Vorgange von Ric-
coboni*s lateinischer Uebersetzung ät' ä/jL^w f. Seä r^c ^atu^c (ich
halte nach wie vor dt^ adr^g ri^c ^ua£wg für das allein Wahrschein-
liche). An der Nothwendigkeit von 25 (^TOiaurcuy kann trotz aller
Spitzfindigkeit von Gomperz wohl um so weniger ein Zweifel sein, da
£ es hatte. Wenn femer Gomperz auch jetzt noch einen erneuten
Versuch macht Z. 26 f. auf dem schon von Manchen eingeschlagenen
Wege zu helfen, nämlich durch Annahme des Ausfalls von einem Aci^ec-
tivum hinter oi, und Zeller ihm darin beistimmt (Gomperz will ;^a-
pedarepoc, Zeller lieber ;|ffl^/eyrec einfügen), so wäre es wohl nachgerade
endlich einmal an der Zeit, die von Spengel längst hervorgehobene
Thatsache als zweifellos richtig anzuerkennen, dass der ganze Satz von
Z. 23 ab keine Gonstruction hat , wenn man nicht fiefiouvrat tilgt, man
mOsste denn, wie ich gethan habe, Z. 23 XP^^"^^ ^^^ ^^ Tuyj[dv(fity
oiaa schreiben. Da nun aber in 2 bereits ixtfiouvzat fehlte und allem
Anschein nach ^ (wie im Paris. 2038) statt ol stand, so ist dies unbe-
denklich zu billigen, um so mehr da 2* gerade hier durch Weglassung
von inonoua (Z. 29) und Zufttgung von dvwwjuLo^ vor Toy^dvotjaa (^9)
sich von seiner glänzendsten Seite zeigt: ol dp^r^avat sind eben die Tän-
zer von Profession und brauchen nicht erst durch einen Zusatz wie
dxpoi^ poüffexot\ ^pTjoroi^ noa^rtxo/^ ^ctpeeure^f j^apkarepoe (vielleicht ist
das Lexikon noch nicht erschöpft!) hiezu gestempelt zu werden. Sehe
ich nun aber, wie man es hier mit Spengel gemacht hat, so wundere
ich mich nicht darüber, dass man in Bezug auf ^ 20 — 23 meine wieder-
holten Auseinandersetzungen einfach todt schweigt. Jetzt sind Rassow
und Gomperz beide unter Billigung Zell er 's darauf verfallen xae(Toe)
zu vermuthen. Nun ist freilich an Vahlen^s Darlegung, auf welche
diese Vermuthung sich stützt, so viel richtig, dass die Worte bßoiatQ Sk
xäv et Ttc — perpaDv, auch wenn man sich nicht entschliessen kann sie
mit mir vor 13 nkijv hinaufzurücken, dennoch als der Schluss des Satzes
9 — 18 oddkv yäp — iiipTfatv angeschen werden müssen, so dass das da-
zwischen stehende 13 19 nX^v — notr^rijv dann eine Parenthese bildet.
Aber ebenso gewiss ist auch, dass mit xal noefjrijv npoaayopeuTeov der
Faden abreisst. Und die Wiederanknüpfung desselben durch diese Gon-
jectur scheint mir eine recht verunglückte. »Wir haben keine gemein-
same Bezeichnungen für Dialoge und Mimen, Elegien, lamben u s. w.,
endlich für ein solches Mischepos aus allen möglichen Versarten wie
den Kentauren des Chaeremon; gleichwohl muss man einen Verfasser
einer solchen Mischnachahmung als Dichter bezeichnen«: diesen Wider-
sinn soll Aristoteles geschrieben haben! Oder vielmehr es soll dies dess-
halb kein Widersinn sein, weil sich dieses »Gleichwohl« auf jene Paren-
1 58 AristoteleB.
these beziehe. Aber was in aller Welt hat denn die Anwenduog von
einer oder von mehreren Versarten in der nicht ftlr den Gesang be-
stimmten Dichtung mit dem Dichternamen zu thun? Man kann ja sa-
gen, und Aristoteles hat es 24. 1459^ 31-1460^ 4 mit Anführung des
nämlichen Beispiels gesagt, dass die ersteren für das Epos unpassender
sei; aber auf den Einfall, ein Epiker gefährde durch sie sogar seinen
Anspruch auf den Dichternamen, konnte doch wirklich niemals ein ?er-
nfinftiger Mensch gerathen; und wenn die Griechen von inoTtotot und
iXeyetoTtotoi sprachen, so lag dabei offenbar nicht dieser Gedanke (denn
von ihm aus hätten sie mit gleichem Recht ihre Meliker und Dramatiker
minder f&r Dichter halten müssen als ihre Epiker, Elegiker, lambiker),
sondern nach der eignen ausdrücklichen Angabe des Aristoteles die Vor-
stellung zu Grunde, der Vers mache den Dichter. Nicht jene wunder-
liche Fragestellung ist also dem Stageiriten zuzutrauen, sondern nur um
die Bekämpfung dieses Irrthums, um den Nachweis, dass es Schriftsteller
in Prosa giebt, welche Dichter und Schriftsteller in Versen (gleichviel
ob in einer oder mehreren Versarten), welche keine Dichter sind, kann
es sich für ihn handeln. Dass dieser natürliche Abschluss der in Rede
stehenden Betrachtung vielmehr als Parenthese eingeschoben sein und
ein letztes Satzglied so uubehülflich hinterher hinken sollte, ist wahrlich
schon au sich schwer denkbar; aber die Sache wird zur Unmöglichkeit,
da sich gezeigt hat, dass mit xa\ notrj-cijv Tzpocayopeuriov sich schlechter-
dings so Nichts anfangen lässt. Stellt man dagegen S/ioeto^ Sk^iiirpatv
nach der dann freilich nöthigen Streichung des Z. 12 f. bereits stehen-
den noeotTo r^v iiiiujatv dorthin, wohin diese Worte inhaltlich gehören,
nämlich unmittelbar hinter jenes pi/xi^aevj so stossen nunmehr Z. 19 ^
nocT^T^v und Z. 23 xai noiT^rijv npoaayoptorioy unmittelbar an einander,
und nun ist es völlig zweifellos, was man zu thun, nämlich dass man
xai nocfjT^v zu tilgen hat. Wie die Verderbniss entstand, ist unschwer
zu begreifen ^0^), und das angewandte Heilmittel ist freilich nicht so
glatt und einfach wie die Verwandlung von xa\ in xaeroe, dafür aber
beseitigt es den Schaden gründlich, statt ihn noch zu vermehren. — In
G. 2. 1148* 15 will Gomperz für wansp yäg Franz Medici's Con*
jectur wg flspaag^^) <xa}> wieder zu Ehren bringen, d. h. zwei Aende-
rungen zugleich vornehmen, was doch nur im Nothfalle zulässig ist;
ausserdem würde die Sache doch nur recht passen, wenn auch Philo-
xenos Perser gedichtet hätte, gleichwie er und Timotheos einen Ky-
klopen. Da nun aber 2* nicht yäg, sondern ouTcjg hatte, so hat Mar-
goliouth, wie auch Diels und Zeller urtheilen, danach m. E. richtig
40 b) Vgl. S a 8 e m i h ] , Qu. Aristot. I. S XX. Bar. XVII. S. 283.
284 f. A. 68.
*>) RichtigPf doch wohl wenigstens: &anep (^flip^aag '&4rnsp yäq A©).
Arietoteies. 159
oi rouQ hergestellt^*). Die anch von Gomperz empfohlene Streichung
aber von 16 fUfjL^ano äv rtQ findet eine Bestätigung darin, dass diese
Worte in H zwischen Zanep und oSraßs standen. Die neue Yermuthnng
iv S* oü rjj3e rjj dagegen hätte Gomperz sich um so mehr ersparen
sollen, da die alte von Vettori iv rg aörfj de sich inzwischen durch
£ bestätigt hat. 3. 1448^13. So richtig Gomperz xcd toüto verwirft,
so bedenklich ist doch auch das xal roorou jttngerer Handschriften, und
ich glaube jetzt gleich Zeller, dass Spengel mit Recht xai oder xa\
TouTo zu tilgen vorschlug, üeber die fernere Vermuthung von Gom-
perz 22 (jeWy f^ä xal f. xal aörä will ich mich hier nicht auslassen.
Bichtig vertheidigt er 30 f. das xal der Aid. f. xarä und Stahr's Til-
gung von iofißeeov, desgleichen 5. 1449^ 9 f. Tyrwhitt's Oberdies jetzt
durch 2* bestätigte Conjectur /ikv rou fJLSTpw^ lässt sich ferner in diesem
Falle mit Recht dadurch nicht irre machen, dass schon in £ fAsrä Xo^oo
statt fieydXou geschrieben war, aber gegen seine Billigung der Vermu-
thung fieydhj hat schon Zeller a. a. 0. S. 309 das NOthige bemerkt,
im Uebrigen vgl. Ber. XXX. S. 85, wo ich (^iv p^^xecy fiej^dXip vorschlug.
Wröbel's Vermuthung fikv rou ixerä Xoyou ififUrpou scheitert wohl
schon daran, dass durch die von ihm beigebrachten Beispiele schwerlich
ein solcher Gebrauch von [lerä statt iv oder des blossen Dativs gerecht-
fertigt ist. — In C. 6. 1449^ 36 ff. will Gomperz durch Umstellung
von 38 — 1450» 1 8tä yäp — rtva<: hinter 1450» 2 J^Boq helfen. Zeller
lediglich durch Umwandlung von yäp in 8i\ ich bleibe bei meiner Mei-
nung, dass einzig und allein Vahlen frtlher das Richtige getroffen hat
Da ferner 1450* 12 in 2* die Worte ohx oXfyoe aurojv fehlten, so glaubt
Di eis, dass damit in der That die Stelle geheilt sei, wenn es nicht
etwa Z. 13 noch inmav statt näv heissen müsse. Gomperz dagegen
vermuthet unter Billigung von Zeller, dass vielmehr (^dXX' iv naat
7r(fyr£C') hinzuzufügen sei*'). Aber was soll abrutv eigentlich heissen?**)
Und wie kann ahrf^Q entbehrt werden? Ich glaube also jetzt vielmehr,
dass an Stelle jener in 2* fehlenden Worte von Aristoteles iv namv
*>) Freilich mit unrichtiger Auffassung. Eyklopen sind vielmehr immer
X9(poog 9 xad' ^fiäg (s. Ber. XXX. 8. 83 f. A. 88). Aristoteles begntlgt sich
hier also mit zwei Beispielen dieser Art, wahrscheinlich weil solche im Nomos
und Dithyrambos selten sein mochten.
*S) Zeller meint freilich, er möchte lieber iäXXä ndurtg nä^tvy ver-
schlagen ohne das »lastiget iv. Allein dies iv ist ja vielmehr unentbehrlich,
wie Gomperz ganz richtig betont, damit nicht die fiipij als etdij bezeichnet
werden, was anch ein Grund dafür ist, obwohl nicht der einzige, wesshalb man
Diel 8 nicht Recht geben kann.
M) Aristoteles erlaubt sich viel, aber etwas Aehnlichos, dass nun so die
Tragödiendichter einfach durch adro( bezeichnet sein sollten, möge man mir
doch erst zeigen! Und hier steht üeberlieferung gegen Ueberlieferungl
160 Aristoteles.
alrc^c geschrieben sei. Dass solcheriei Annahmen nicht zn kflhn sind,
lehrt nns das, wie auch Di eis nnd Zeller, ja in diesem Falle auch
Gomperz (der nnr lieber xal 6 ßtoQ S' will) nrtheilen, doch wahrschein-
lich richtige 6 8k ßio^ Z. 17 in 2* an Stelle des sinnlosen xat eitdaefio-
v/ac xal ^ xaxoSaufwvea in A^. Z. 29 f. bestätigt 2 das von Vahlen yer-
mnthete Xd^ee xal Seavot^ dennoch greift Gomperz es an. Ob er selbst
wohl Xd^etc xal Siavo/ae vermathet haben würde, wenn er Jii^ei xal Sia»
voiqi im Texte gefunden hätte? Endlich ^8 ff. will er lesen: onoTd re^
npoazpttrau (aiptizat^) rj fptbytc Stonsp oux S4TTtv J^Boq zwv Xoytüv iv
ols oöx £<ne S^Xov rj iv oIq fjjjd^ 5XtoQ iarev 5 rt TtpoatpBtrat (aipBixat'^)
^ ^eoyet 6 Xiyoßv^ was Zell er mit Recht als »eine sinnreiche und be-
stechende Verbesserungf bezeichnet: jedenfalls ist sie der Textgestaltung
Vahlen* 8, yielleicht auch der meinen vorzuziehen; aber vielleicht ist
sie doch eben auch nur bestechend. Denn da der Zusatz iv ots odx
ioTt d^Xov ^ npoatpeirat ^ ^eoyet wieder einmal in 1 fehlte, so entsteht
der dringende Verdacht, dass derselbe wirklich nur eine Variante des
folgenden iv oXq pr^S' ZXioQ iaztv o n 7U}oaepecTat ^ (ptbyti ist, so dass
wir also einfach bnola xt^' dton^p obx i<rctv ^Bo^ rtov Xuywv iv oh p^8*
ZXtuQ lariv (= obx tazt dtjXov) o rt npoaupetTaLt (aipetrae?) ^ ^suyei o
Xdyofv Obrig behielten. Auf die exegetischen Bestandtheile des Gom-
perzschen Aufsatzes, die mir, so vielen von ihnen ich gleichfalls wider-
sprechen muss, doch im Grossen und Ganzen als sehr werthvoU und
ungleich häufiger als die kritischen das Richtige treffend und in die
Tiefe eindringend erscheinen*^), einzugehen fehlt mir leider hier wiederum
^) Nur da mochte ich dies freilich nicht so ohne Weiteres behaupten,
wo sie darauf hinarbeiten die unumgänglich nothwendigen kritischen Opera-
tionen oder die Anerkennung unheilbar schwerer Verderbniss abzuweisen. Vom
6. Capitel will ich hier nicht reden: jedenfalls liegen die Dinge dort so ein-
fach nicht, wie Gomperz sie darzustellen sucht. Wenn er aber in Bezug
auf 4. 1449* 19 ff von »Gewalt samkeitenc redet, so vermag ich meinerseits
mir keine grössere »Oewaltsamkeitc zu denken, oder, wenn man lieber will,
keine grössere »Grossartigkeitc , als wenn fUyt^, in der ganzen Poetik ein
ähnlicher stehender Kunstausdruck für den gehörigen (nicht zu kurzen, frei-
lich auch nicht zu langen) Umfang wie ftO&o^ für Fabel des Gedichts, hier
mit einem Male »Grossartigkeitc bedeuten soll und dieser Abschnitt in fol-
gender Weise übersetzt wird: »Was ferner ihre Grossartigkeit anlangt, so hat
sich die Tragödie im Gegensatz znr ursprünglichen Kleinheit der Fabeln und
dem zum Possenhaften neigenden Charakter der Diction . . . erst spät zu hö-
herer Würde erhobene. Sehr richtig bemerkt Zeller fQr die Erklärung von
ßUyt&oQ als »Umfange auch dies, dass es sich hier um die einzelnen bei der
Fortbildung der Tragödie in Betracht kommenden Punkte handle. Wenn er
aber seinerseits nun fifyt^g zum Subject des Ganges macht: »Ihre Grösse
erreichte erst spät die ihrer wUrdige Vollendung«, wo bleibt da xal Xi^^wg
ytXolas — fiLeraßaXsiv? Und genau dieselbe Frage gilt, wenn er hinzalOgt, der
Poetik. 161
9. 1462* 8. xal Se* ahrä f. xal ßdXtara und Z. 4 vielleicht xarä
f. noipä Heine. — IL 1462*23. xa^' Sinsp oder xaB* 8nep Heine, s.
dagegen Zeller Arch. IL S. 296, der ungleich wahrscheinlicher ver-
mntfaet, dass xaßdnep etjpijTat als Variante zu oftntep Xeyofuv zu seclu-
diren sein möge. Indessen glaube ich vielmehr, dass Essen 's Coig'ectur
<?> xa»' ä npoi^pyjrat (s. Ber. XVII. S. 284) das Richtige getroffen hat
— 38. xa^ iXeov f. ^ iXeov Heine, der dann im Zusammenhange hiemit
^2 das aberlieferte srt 8k schwerlich mit Erfolg vertheidigt**). ~ ^9.
toSt' Heine nach Twining. — 18. 1462*> 29. kiXexrat f. xa\ und ito-
Bev (ßky Heine. — 30 ff. Heine ist der Einzige ausser mir, welcher
einsieht, dass das Ueberlieferte unmöglich richtig sein kann, aber seine
Verbesserungs versuche Z. 31 f. xcu f. ehai^ dann änX^g und nsnXeyiuwig
gleiche Sinn ergäbe sich aber auch bei der Erklärung: >in Beziehung auf ihre
Grösse kam sie erst sp&t in einen würdigeren Zustande. Es hilft also Alles
Nichts: es ist hier ?on zwei verschiedenen Dingen, vom fxiya und ßtxpov und
vom Y9Xoto¥ und VcA^vov die Rede; im ersten Satzglied ist r^ fiiy^oq Snb-
ject, aber nicht dnetnfivöif^Tf Pr&dikat, im zweiten zu diesem Pr&dikat die
Tragödie selbst das Subject; die Definition der Tragödie passte, das hat Ari-
stoteles gesagt , noch weder in Bezog anf ßipyjctq npd^stog fieyt^o^ ixoutnjg
noch aitoodaia^ auf diese ihre altere Gestalt; diese war vielmehr kurz an
Fabel, was ja aber an sich Ernst und Würde doch wahrlich noch nicht noth-
wendig ausgeschlossen hätte; sie war indessen ihrem Ursprünge aus dem Sa-
tyrdithyrambos entsprechend in der That auch satyrhaft (vgl. auch Z. 22) und
erging sich in komischen Reden. So ist Alles natürlich und klar (wie zuerst
Tycho Mommsen einsah), und da man zu diesem Zweck nur fiu^anf xdx
(oder xal <ix» zu schreiben braucht, ist es doch geradezu wunderlich hier
von »Gewaltsamkeitenc zu sprechen. Sollten freilich stärkere Mittel nöthig
sein« so braucht man vor ihnen wahrlich anch noch nicht zurückzuschrecken.
Und ferner die beiden »natürlichen Ursachenc, welche nach dem Anfang die-
ses Capitels die Poesie erzeugt haben, sind zwar gewiss nicht, wie Zeller
wiederum behauptet, »Nachahmungstrieb und Freude an gelungenen Nach-
ahmongenc, denn diese beiden erklären nur die Entstehung nachahmender
Kunst überhaupt, nicht aber auch gerade einer poetisch -musischen Kunst
dieser Art, sondern dies ist also eben nur die eine Ursache; aber genau aus
gleichem Grunde ist die wegwerfende Art völlig ausser ihrem Platze, mit wel-
cher Gomperz denen entgegentritt, welche 1448^ 20f. den Aöj'Oi vermissen.
Denn bloss der Sinn für Harmonie und Rhythmus hätten doch nur Tanzkunst
und Instrumentalmusik erzeugen können, zur Vocalmusik und Poesie war die
Sprachf&higkeit unentbehrlich.
M) Man muss Heine zugeben, dass Aristoteles, genau genommen,
ftäXXov (oder /läXurra) Z. 38 hätte hinzufügen müssen, aber durch die Ver-
wandlung von 9 ^^ *^^ ^i>^d die Sache nur noch dabin verschlimmert, als
könnte eine andere Erkennung als die von Personen gar nicht Furcht oder
Alitleid oder Beides erregen, und wir haben kein Becht diese Absurdität durch
eine noch so leichte Aenderung in den Aristoteles hineinzucorrigiren.
Jahresbericht für Alterthum*wisMi»chaft. LXVIl. ikl. (1891. I.) 11
162 Aristoteles.
und xar abrijv f. xa} raiurtjv werden wohl kaum Anklang finden. —
15. 1454* 22 ff. Die Worte rat dMpstau 1j Stev^u slvai fehlten in J, an
ihrer Stelle stand: ne ut appareat quidem in ea omnimo^ d.h. etwa anne
lif^Sk ^cuveaBau xaBoXou, wie Di eis glaaht, oder vielmehr wohl, wie ich
meine, etwa wäre pr^Sk ^oUveoBat iv airfj &g infnav (oder «bc httnav
siTteTv)^ hält Diel 8 iür das Richtige, tu dvSpe{(xu Jj dtivijv etyat fQr eine
Glosse dazn, indem er Obersetzt: »der mannhafte Charakter kommt ge-
legentlich einmal auch wohl bei einem Weibe vor, aber er ist demselben
nicht angemessen, so dass er nie als allgemeiner Charakter des weib-
lichen Geschlechts erscheinen kann«. Ich stimme ihm bei, zweifle aber
sehr, dass dieser Gedanke so ausgedrückt werden konnte, und vermuthe
daher, dass vorher rb entweder zu streichen oder mit G. Hermann in
Tt ZU verwandeln ist: »es giebt zwar einen mannhaft - tapferen Cha-
rakter, aber derselbe ist nicht angemessen fftr ein Weib und kommt
daher in der Regel bei einem solchen auch nicht vorc — 16. 1464^25.
Hier stand jedenfalls in 2* nicht das richtige axdpjg^ wahrscheinlich,
wie Ellis vermuthet, am^g (»ensisc). — 18. 1465^ 24ff. Heine (S. 4)
vertheidigt den Oberlieferten Text, ich zweifle sehr, ob mit Erfolg^^). —
82 f. xarä rä pdpfj f. xa\ rä pdpTj Heine, s. u. — 83. Zeller a. a. O.
S. 296. A. l will das Fehlen der einfachen Tragödie im Oberlieferten
Text dadurch einbringen, dass er hier i^ p^v änX^^ ^ 8k nenXej'pdvij ver-
muthet; mindestens mOssten aber so doch wohl auch die Beispiele für
die än^ ausgefallen sein^). Weck lein Berl. ph. Woch. YHI. 1888.
Sp. 199 (s. u. No. 120), vermuthet vielmehr 84. ^ 8k (än}^^ xal fj pkvy
TnL&vjrex^ und hernach 1466* 2. ro dk reparatSec (dXlorpiovy^ wo denn
allerdings die Beispiele für die änX^ eher fehlen könnten; ich fürchte
aber, dass durch xal ^ pkv Aristoteles selbst corrigirt wird. — 8. fihpf
f. äkhjv und obd" iv Tatp rf> Heine, s. dagegen Zeller a. a. 0. S. 294f.
47) So fein seine Bemerkungen Ober den Unterschied im Aufbau der
griechischen und der modernen Tragödie aach sind. Aber Heine selbst (8.7 &)
übersetzt 24 iari dk icätrifQ rpajr^icLs rd pkv dimq rö dl kumii : »von der ge-
sammten Tragödie giebt es zwei Theile, Schürzung und Lösungc. Wenn
darauf nun nach Ueberweg's Umstellung von icolUxt^ unmittelbar hinter
l^wt^tv folgt: »Oft freilich gehört zur Schürzung auch schon der Tragödie
Vorangehendesc , so ist das logisch; wenn aber folgt: »Stets wird die SebOr-
zung durch das der Tragödie Vorangehende gebildet, oft gehören aber auch
noch die ersten Stücke der Tragödie mit zu ihre, so ist das ein Wiedersinn,
denn das Vorangehende ist doch noch kein Theil dessen, dem es vorangeht.
Und was will Heine mit inö rljfc ^pz^^ (Z. 28) anfangen?
M) Dazn kommt aber, dass sich die zerrüttete Stelle 1466* 2 m. E. mit
Wahrscheinlichkeit nur etwa so in Ordnung bringen Iftsst; rö dl xirapTw (^^
äxl^y oJoy . , . jcapixßaüti Sk ^ rt/oam^d^;, otow af rc ^pxid^i x. r. X, Vgl.
meinen No. 122 aufgeführten AnfiMtz S. 62 f.
Poetik. 163
A. 1, der keine Aenderung ausser oMevl wq für nöthig hält; ich halte
nach wie vor gar keine für nöthig, s. meine 2. Ausg.*'). — 10. auyxpo-
reea&ae f. del xporeeaBae Heine, eu xexpäaBat Zell er a. a. 0., aber
Yahlen's einfache und leichte Verbesserung del xparsTa&at hat inzwi-
schen durch H wenigstens annähernd Bestätigung gefunden, s. Margo-
liouth: »si prensarunt utrumque pariter (?). Fort. deaxpareTaBae. Utique
stabilitur Vahleni coniecturac — 17. Suse mihi Jahrb. f. Ph. CXXXY.
S. 68 A. 1 (s. No. 122) bemerkt dass nach den neueren Untersuchungen
seine Coigectur ^ lo^atv (auf die auch Spengel verfiel) wieder ebenso
gut möglich geworden ist als die Vahlen's (Jjj} Nioßvjv. — 20. 1456^
36 f. Der Araber übersetzt: »F et P sine A non faciunt syllabam^ quoniam
tajUum fluni eyllaba cum J, eed fPA eyUabat. Danach vermuthet Mar-
goliouth als Lesart von £\ rd FP ohx iart aoXXaßij^ dXXä fierä rou Ä^
olov TÖ FPA, Ellis: t^ FP oöt* äveu rou A auXXaß^ xa\ perä rou A^
otov rb FPA^ schwerlich mit Recht, ich denke vielmehr: rb FP oux äueu
rou A auXXaß^, xatrot (oder dXXä7) fiträ x. r. X, - 21. 1467» 24f. A«
hat eaj d* äv x€u rpmXouv xat rerpanXoüu ovofia xal noXXanXouv^ olov
rä TToXXä rwv p^yaXtcjrwv ippoxdexo^avBoQ, Aus fieyaXtcjrwv machte
Winstanley fuyaXsiotv wg^ was mit Modificationen G. Hermann und
Vahlen aufnahmen, und dass in 2 iiaaaaXtwrwy oder paaaXcaßrwv stand,
wttrde an sich auch wohl noch Nichts hiegegen beweisen. Aber der
Araber giebt: tHermokaikon Xanthus qui supplicabcUur dominum coelorumM^
und in 2 befand sich folglich ein vollständiger Vers, nach der sehr an-
sprechenden Vermuthung von Diels 'Epp,oxacx6$av&os ineu^dfievoQ del
Tttirpi^ wahrscheinlich also, wie Diels weiter ausführt, aus einem komi-
schen Epos, in welchem mit Rücksicht auf das zwischen den Ausflüssen
des Hermos und des Kaikos liegende Phokaea an die Stelle des ^avBb^
MevdXaoQ eben dieser ' Eppjoxaexo^av^oQ gesetzt war und noch andere
Masalioten mit ähnlichen langathmig componirten Namen auftraten. Je-
denfalls ist also ßiaffaXmroiv aufzunehmen^®). Warum Diels, wenn
dies Alles richtig ist, für noXXä nicht einstehen möchte, sehe ich nicht
ab. — 22. 1458*^10. Wegen 9 lap.ßonot7jaaQ vermutl^et Ellis, indem er
xepd/ievog f. y' ipdßevoc und etwa ixeeuou (jr'y vorschlägt, dass dies
zweite Beispiel nicht ein Hexameter, sondern ein Trimeter sein solle.
^) Nur aber müssen die beiden Stellen über Schürzung nnd Lösung
unmittelbar an einander gerückt werden, wovon freilich auch Heine S. 4 ff.
Nichts wissen will, was aber doch von vornherein das einsig Natürliche ist.
Ungehörig ist es, dass Heine meine verkehrte Goi^ectnr ans der 1. Ausgabe
mir noch jetzt beigelegt. Auch hat Christ die zweite Stelle nicht »athetirtc,
sondern nur als einen späteren Zusatz des Aristoteles bezeichnet.
M) Uneingedenk dieser Auseinandersetzungen von Diels habe ich in
der Bec. von Margoliouth fälschlich ßaatraXiatriov oder ßa^aXtantov zu den
Schreibfehlern in S gerechnet.
11*
4
164 Aristoteles.
Und das erste? was sollen wir dann mit dem anfangen? — 22. 1469*
18. FVlt das in A<^ fehlerhaft wiederholte zweite oaot^ hatte 2*, wie Ell is
anmerkt, SSoTg, — 23. 1459^ lOf. Heine (S. 28. A. 2, vgl. S. 20. A. 2)
will »dnrch eine neue Erklärung c nachweisen, dass die Einschiebang
von xad ^^<ov unnöthig und verkehrt sei; schwerlich ist ihm dies ge-
langen ^^). — 24. 1460^ 1. Wröbel erhebt gegen Yahlen's sehr an-
sprechende Vermatung xrvj^r/^xo), xat mit Recht das Bedenken, dass
Aristoteles solche Theilungen ohne xcU anzureihen pflegt, und empfiehlt
daher bei der Verbesserung der Aldina xivt^rixä zu bleiben. — 25.
1460 ^ 16 ff. el /ikv yäp irposeXero [dSuva/u'av] [djjLtfit^ov ^ ddwara 9xs-
nohjrae]^ o&r^C ^ äfjjjpria^ el dk rb npoeXiuBat fiij dpBwc ^xard aufiße"
ßrjxÖQi oTov Tb Sixa} [dXkä]' rbv 'htnoy . . . äXh^v Te)[Wjy [^ dduvara fre-
TtofijTou] bnocavoüv, od xaB" kaor^ Wröbel (nicht Abel). — 26. 1462* 8.
Ich glaube nicht, dass Jemand Vettori's einfacher und leichter Ver-
besserung (pTy obdkv Sdovrai WröbeTs Vorschlag oöSku deov rä vor-
ziehen wird, und noch weniger glaube ich, dass das völlig unanstössige
nepeepyd^ffBae rotg ai^fie^otg Z. 6 mit ihm durch xal dtxaan^piwv Spy^fi
^p^ad^ (!) zu ersetzen sei:
Das System der aristotelischen Eunstlehre bebandelt
119) Ch. Bönard, L*esth6tique d^Aristote et de ses successeurs.
Paris, 1889. Picard u. Alcan. 887 S. 8.
auf den ersten 167 Seiten; es folgt dann S. 166 — 184 die der Peripa-
tetiker. Dazu kommt S. 871—386 L*esth6tique d'Aristote et la critique
contemporaine. Es ist bezeichnend, dass man auch in dem letzteren
Abschnitt den Namen Bernays vergebens sucht Um die neueren Texte
hat sich der Verf. nicht bekümmert. Die Spiritus- und Accentsetzung
in den griechisch angeführten Stellen ist geradezu schauderhaft. Ari-
stoteles wird zum Vater der Lehre gemacht, dass die schöne Kunst die
nachahmende sei, obwohl wir aus Piaton ersehen, dass diese Auffassung
schon zu dessen Zeit die allgemein geltende war. Trotzdem ist B6-
nard's Darstellung im Ganzen gar nicht tlbel und ganz lesenswerth,
wenn man auch viel Neues aus ihr gerade nicht lernt. Eine Anzeige er-
schien von Richards Classical Review IV. 1890. S. 477f. ^').
fti) Die »neue Erkl&ruDgc besteht darin, dass auf den engen Zusammen-
hang der ijfdi; mit dem fiuiku einerseits und der dtäuota andrerseits hinge-
wiesen wird. Dadurch werde eine besondere Erwähnung von jenen entbehr-
lich gemacht. Auf diese Weise hätte aber Aristoteles ebenso gut die XiStQ
weglassen können mit ROcksicht auf deren engen Zusammenhang mit (den
ij&ij und) der ^idvota . Solche Ausflüchte sind Abel angebracht in einem Texte
von so zerratteter Art, wie Heine selbst ihn ansieht. Vgl. A. 63.
ft>) Dieser bemerkt mit Recht, dass B6nard Eth. VI, 4. 1140* i^t£ ftMtd
X^jroo dATj&oo£ noajrtx^ grundfalsch durch l'habitnde on facult6 de produire
PoeHk. 165
Die ttberaus schwierige und dunkle Frage über die Arteo der Tra-
gödie haben behandelt:
120) Friedr. Heidenhain, Die Arten der Tragödie bei Aristo-
teles, IL III. Strasburg W.-Pr. 1887. 40 8. 4. (Gymnasialprogr.);
121) Th. Heine, Aristoteles Aber die Arten der Tragödie. Kreuz-
burg O.-S. 1887. 29 S. 4. (Gymnasialprogr.).
Heidenhain, dessen neneste Arbeit oben (No. 112) erwähnt ist,
hat sich einst durch seine vortreffliche Doctordiss. De doctrinae artinm
Aristotelicae principiis, Halle 1876 (s. Ber. III. S. 388) vortheilhaft be-
kannt gemacht. Um so lebhafter bedaure ich, dass ich mit seinen Re-
censenten Wecklein Berl. ph. Woch. YlII. 1888. Sp. 197 — 199 und
Zeller Arch. f. G. d. Ph. II. S. 296 f. III. S. 316 f. diese seine Unter-
suchung, gegen deren erstes, im Rhein. Mus. XXXI. 1876. S. 349 369
erschienenes Stttck ich mich Ber. V. S. 284. 287 noch abwartend ver-
hielt, nunmehr als völlig verfehlt bezeichnen muss. Heidenhain eignet
sich (wie schon dort von mir angegeben ist) einen höchst verungltlckten
Gedanken von D tt n t z e r und Y a h 1 e n , welchen der Letztere inzwischen
längst wieder aufgegeben hat, an, indem er seinerseits die verderbte
Stelle 6. 1460* 12 ff. (s.o.) so herstellen will: voüxotg fikv ouv oöx dXt'yoc
a&Totv <bi einelv xi^py^vrat lHiotg^^) eUSeaev xal yäp öil>€tQ l^etu^)
nav xat ^Bo€ xal fiüBov xal Xi^iv xa\ fiiXog xal didvocav waauTo^gf wobei
denn ix^tv näv nicht nach Vahlen »vermöge Alles« sondern »enthalte
das Ganze« oder »schliesse das Ganze in sich« bedeuten soll. Obwohl
nun aber Aristoteles 18. 1466^32 doch ausdrücklich nicht von den mehr
oder weniger tadelnswerthen Arten von Tragödie , sondern überhaupt
von den Arten derselben spricht, nimmt der Verf. trotzdem hiernach das
Erstere an, verwandelt Z. 32 ehl Tiaaapa in elah lif, bestreitet, dass
man innerhalb 1466* 1—3 qiBoü eine Lücke anzunehmen habe, billigt die
Yermuthung, dass Z. 2 rb 8k reparioSeg für rö Sk Teraprov bijg zu
schreiben sei, hält aber diese TBparwdijQ rpaytpBia für die wirkliche
vierte Art, ohne sich im Mindesten an der Sonderbarkeit zu stossen,
dass nach i^ ixkv mnXeyfievij, ^ Sk na^rjrix^^ ^ 8k ^Bixi^ jetzt mit einem
Male das Neutrum statt des Femininums ^ dk reparofdijg eintreten
sollte^), nimmt nun aber endlich hinter ^dou eine Lücke an, in wel-
le vrai avec r6flezion wiedergiebt, und fügt hinzu: »The reader may perhaps
be Jed by some of M. B^nard's translations and comments feel a Utile doubt
as to the accnracy of bis Greek scholarship«.
^) Oder vielmehr mit Umstellung: xixpii¥rat dt£ tlnstv Idiotg.
M) So nach Yahlen's früherer Yermuthung.
u) S. viehnehr A. 48. 62.
1 66 Aristoteles.
eher die fQnfte und sechste Art ausgefallen sei, die XexuKi^ und ^uXtK^^.
Die TsparwdijQ bezieht er nattlrlich auf die o<ffeg^ die TtsnXiyiwnj^ in der
Peripetie und Erkennung »sich zu sehr hervordrängenc, auf den fiuBog^
die Tta^ijrexi^, indem er diese Bezeichnung auf ndBoc nicht im Sinne von
»Erleidnissc oder »drastisches Erleidnisst, sondern von »Affectc zn-
rttckführt, mit wunderbaren Erklärungskttnsten auf die dedvoea. Nun
passt aber zu diesem Allen die einzige einigermassen unversehrte Stelle,
die einzige also, welche einiges Licht in dies Dunkel bringen kann, 24.
1459^ 8ff., wie die Faust aufs Auge. Heidenhain löscht also dies Licht
flugs aus, indem er Z. 9 ^ yäp — naßv^nx^v und Z. 14 f. dnXouv xau
streicht und es fertig bringt einen Tadel des Homeros in diese Stelle
hinein zu erklären. Am Sonderbarsten ist es, dass er den Widersprach
nicht merkt, wenn er, der lauter Abarten construirt, dennoch von einer
einfachen Tragödie und Epopöe Nichts wissen will, weil Aristoteles 13.
1462^ 31 sagt: See rijv auv&emv ehat r^c xa^Xiffri^c rpayfpSiag fiij
änX^v, Die Becension von BuUinger N. philol. Rdsch. 1889 Sp. 261
bis 263 ist mir nicht zugänglich.
Ungleich werth voller ist die Abhandlung von Heine, welcher von
dem allein richtigen Gesichtspunkt ausgeht, dass die vier Arten der Tra-
gödie und des Epos aus den vier der Fabel hergeleitet werden sollen
(roaauTa yäp xal tA pLuBou [f. /JLif»j/] Tyrwhitt und zweifelnd Twi-
ning mit Ueberweg*s Nachbesserung 1465^33, wofttr Heine freilich,
wie oben bereits bemerkt, eine andere recht verunglückte Coqjectur an
die Stelle setzt) ^) und die fehlende Unterscheidung des TtaBijTcxbc und
des ^Bexü€ /luBoc folglich hinter C. 1 1 ausgefallen ist. So sieht er denn
richtig, wie es von Allen ausser Heidenhain geschieht, als die vier
betreffenden Arten die einfache, verflochtene, ethische und pathetische
an ^^). Er hat auch darin ganz Recht, dass durch furdßafftQ oder fura-
ßoXi^ die gesammte, einen Schicksalswechsel darstellende Fabel der Tra-
gödie bezeichnet wird, aber er tibersieht doch, dass in einem engeren
Sinne 18. 1466^26 ff. deijenige Theil der letzteren diesen Namen erhält,
von welchem ab die Lösung einzusetzen beginnt Danach kann also die
M) Das soll heissen: nicht nach der gleichen Anzahl, sondern in Oe-
m&ssheit deijenigen Tbeile der Fabel, auf welchen deren Arten bemhen Aber
da nnmittelbar voraufgeht : rpay^diag dk tX&iq tM xiiroapa^ so können nach
den Orundsätsen einer gesunden Hermeneutik auch rd /lipyj nor die fiifn^
TpaYipdiai^ d. h. also Fabel, Charaktere, Reflexion, Sprache, musikalische
Composition und das Theatralische, und nicht ßö^ou sein, and weon nun £r-
steres falsch ist, muss auch At^/n; falsch sein. Und was soll bei Heine'sGoD-
jectnr der Aorist iXix^'^ Es mflsste das Präsens Uro/iMv sein.
>7) Wo die einfache Tragödie ausgefallen, und wie 1466* 2 henustellen
sei, darObev schweigt Heine. Es ist das ja allerdings auch nur ein Neben-
punkt. Vgl. aber ihn A. 48.
Poetik. 167
von ihm verworfene Erklftmng Vahlen's von C 10, bei welcher diese
letztere Bedeatuog angenommen wird, immerhin richtig sein, doch ist
zuzugeben, dass die Ausdrücke 1466^ 88 f. ^g rb 8Xov iffrl nspminta xai
dofajfywptatg und 24. 1469^ 16, dvapftupeatg yäp diohiu vielmehr für die
Heiners sprechen, welcher auch in C. 10 die erstere zu Grunde legt*").
Seine Auffassung der Peripetie als »gegentheiliger Wendung f scheint
mir mit den Beispielen, durch welche die wenigstens in ihrer fiberliefer-
ten Gestalt nicht eben sehr klare Definition der Peripetie 11. 1462^ 22 £
erläutert wird, unverträglich, so viel Mfihe er sich auch giebt sie mit
denselben in Uebereinstimmung zu bringen. Ich kann dies hier leider
nicht begründen. Nach wie vor fasse ich diese Definition vielmehr so
auf: eine Peripetie tritt da ein, wo Jemand etwas thut, durch welches
er das Gegentheil von der dabei von ihm verfolgten Absicht
erreicht, und ich bin, wie gesagt, sehr geneigt mit Essen anzunehmen,
dass Aristoteles Z. 28 ^ xaB' ä npo^pi^rat geschrieben habe *'). Trotz-
dem weist Heine in der That fiberzeugend nach, dass Peripetie und
Erkennung nicht speciell tragische, sondern nur »dramatischec Momente
sind^), ganz anders als das nd&og, und fiber den durch sie hervorge-
brachten Unterschied der verflochtenen Tragödie und Epopöe von der
einfachen kann ja fiberhaupt der Streit so gross nicht sein wie fiber
das, was man sich unter pathetischer und ethischer denken soll. Und
hier halte ich die Bestimmung Heiners, eine Tragödie sei pathetisch,
wenn der Held der angegriffene, getriebene und leidende Theil sei und
unfreiwillig und gebunden handle, ethisch, wenn derselbe der angreifende,
treibende und Wirkung hervorrufende sei und sich in voller Freiwillig-
keit befinde, für misslungen, nicht bloss, weil, wie Zell er Arch. II.
S. 296 f. bemerkt, dazu die Beispiele der Ilias und der Odyssee 24.
1469^ 18 ff. kaum passen, sondern auch weil diese Bestimmung von einer
»>) Ich selbst habe mich bereits genöthigt gesehen im 18. Cap. nach die-
ser Bichtnng hin von Vahlen abzuweichen
M) Freilich muss dann angenommen werden, dass Aristoteles diesen stren-
gen Sinn nicht fiberall festhält, sondern das Wort auch in dem abgeschwächten
gebraucht, dass das Thnn bloss einen dem Thnenden unerwarteten Erfolg
nach sich sieht. Das spricht aber nicht dagegen, wie Heine meint, sondern
mit dem icd^^ ist es ebenso, s. A. 61. Aach habe ich keineswegs deshalb,
wie er S. 10. A. 4 glaubt, icptnirua durch lunerwartete Wendung c fibersetzt,
sondern nur weil ich keinen andern deutschen Ausdruck als diesen ungenü-
genden zu finden weiss. Es steckt, wie schon öfter bemerkt ist, in der Peri-
petie ein gutes Stock von der »Ironie des Schicksalsc oder der »tragischen
Ironiec.
•0) In dem Sinne nämlich, in welchem Aristoteles 28. 146 9a 17 ff.
auch von der Fabel des Epos verlangt, dass sie »dramatische sei. Peripetie
und Erkennung sind hi der That ebensogut in der Komödie möglich, um die-
ser angemessene Effecte zu erzielen.
168 Aristoteles.
nnhaltbaren Grondannahme ausgeht. Heine glaubt nämlicb mit An-
schluss an L es sing, dass das ndBo^^ von dessen Anwesenheit oder Ab-
wesenheit hier der Unterschied abhängt, »die ganze leidvolle Handlange
bezeichne, während es doch 11. 1452^ 9ff. ansdrQcklich als ein Theil der
Fabel bezeichnet und deutlich als eine bestimmte, drastische, bei der
scenischen Darstellung unmittelbar auf der Bfthne den Augen der Zu-
schauer vorgeführte Art von Erleidniss, als eine Schreckensscene be-
schrieben wird. Dass dazu vollständig die Beispiele der »pathetischen«,
d. h. also »drastischem Tragödie 1456^ 34 f., Aias, der auf offener Scene
sich selbst tödtet, und Ixion, der ebenso vor den Augen der Zuschauer
an sein Rad geflochten wird, auch das der llias (mehr wenigstens als
die Odyssee trotz des Freiermords) vollkommen passen, ist längst be-
merkt worden **). Auch Z eil er' s Unterscheidung, dass es in der pathe-
tischen Dichtung die tragischen Schicksale der Helden seien, welche den
Mittelpunkt der Handlung bilden und unsere Theilnahroe vorzugsweise
erwecken , in der ethischen die im Verlauf der Handlung sich äussern-
den Charakterzfige , ist daher zwar ungleich richtiger, aber doch noch
immer fdr die drastische Tragödie zu fein. Sicher richtig jedoch ffigt
er hinzu : »von der letzteren Art werden aber im Allgemeinen die Stücke
mit glflcklichem Ausgang sein.« Es wird nach diesem Allen dabei blei-
ben müssen: drastische und charaktermalende Fabel sind nicht so scharfe
und jedes Dritte ausschliessende Gegentheile wie einfache und ver-
wickelte, das kommt aber den Arten der Tragödie und Epopöe zu Gute,
indem so der Fehler, dass aus zweimal zwei deren vier gemacht sind,
einigermassen wieder ausgeglichen wird, so bald man annimmt, dass eine
rein einfache eine solche sein soll, welcher nicht bloss die unterschei-
denden Eigenthümlichkeiten der verflochtenen, sondern auch die der
drastischen und des Charaktergemäldes abgehen. Daher stand sie denn
wahrscheinlich auch erst am Ende, indem 1456^ 2 zwischen rb 8e ri-
Toprov und dem verstümmelten Sh^q auch ihre Erwähnung ausgefallen sein
dürfte**). Freilich ist auch so eine rein drastische oder rein »ethische«
immer noch unmöglich, sondern sie muss zugleich entweder einfach oder
verflochten sein, wie es von der llias und Odyssee 24. 1459^ 13 ff. aus-
drücklich gesagt wird. Immerhin also gehört diese ganze Lehre schwer-
lich zu den am Besten in sich fibereinstimmenden und fehlerfreisten
Theilen der aristotelischen Aesthetik. Heine aber hat zwar Greist und
<i) Es ist folglich, soweit diese gesteigerte Bedeutung von nd^i gilt,
falsch, wenn Heine sie als ein inhaltliches Moment im Gegensatx xn den bloss
formalen der Peripetie ond Erkennung bezeichnet Freilich im 14. Cap. wird
nä^ in dem abgeschwächten Sinne jeder Art von tragischem Leiden ver-
wandt. Dergleichen Laxheiten des Aristoteles machen seine Interpretation so
schwierig.
«) 8. A. 48.
Poetik. 169
fleissige Benutzung der einschlagenden Litteratur gezeigt, aber auch viel-
fach Mangel an scharfer Logik und an peinlich genauer Exegese.
122) Fr. Suse mihi, Zu Aristoteles Poetik, Jahrb. f. Ph. CXXXV.
1887. S. 61—64,
behandelt die im Vorstehenden besprochenen Stellen 18. 1456 ^32 ff. und
24. 1459 ^8 ff., freilich nur in der Kürze und weit entfernt von der Aus-
führlichkeit Heidenhain's und Heiners, erstere in dem angegebenen
Sinne, letztere mit dem Nachweis, dass Vahlen sie verkehrt und
Spengel sie richtig aufgefasst hat. Dieser Ansicht ist übrigens auch
Heine S. 20- A. 2, so sehr er sich gegen die, wie Susemihl darlegt,
nothwendig daraus hervorgehende Folgerung, wie schon gesagt, sperrt,
dass in Z. 11 rwv rjdwv ausgefallen sei*').
123) Paul Weidenbach, Aristoteles und die Schicksalstragödie.
Dresden 1887. XV S. 4. (Qymnasialprogr.)
will nachweisen, dass Aristoteles die sogenannte Schicksalstragödie be-
reits als das eigentliche Muster des acht Tmtgischen angesehen habe.
Ich darf mich benttgen auf die Kritik von Zell er Arch. II. S. 293 f. zu
verweisen. Es kommt eben ganz darauf an, was man unter »Schicksals-
tragödiec versteht, und wenn man mit Weidenbach auch solche Stücke
zu ihr rechnet, in denen der Held über Verschulden leidet, so hat er
ohne Zweifel Recht, aber dazu bedurfte es auch nicht erst eines Nach-
weises» denn das hat Aristoteles so deutlich gesagt, dass es von keinem
vernünftigen Menschen bestritten werden kann noch auch jemals meines
Wissens bestritten ist. Auf der anderen Seite leidet nach Aristoteles
C. 13 der tragische Held zwar, wenn man diese kurze Formel gebrauchen
will, durchaus nicht unschuldig, da er sein Leiden durch »einen grossen
Fehlere selbst verschuldet haben muss, sondern nur »unverdiente {dva-
f/o/c), d. h. er hat sein Leiden eher weniger denn mehr verdient als
tausend Andere, denen es bei gleich grossen Fehlern doch ganz glück-
lich ergeht. Ganz unschuldiges Leiden erkiftrt dagegen der Philosoph
für ein fitapov,
124) A. Döring, Die aristotelischen Definitionen von auvSenfiog
und äpBpoVy Poetik c. 20. Arch. f. Gesch. der Philos. IIL 1890. S. 363
bis 369,
kommt durch eine höchst scharfsinnige Untersuchung zu dem Ergebniss,
dass die verzweifelte Stelle 20. 1456^ 38—1457* 10 folgendermassen her-
zustellen sei : auvSeafiog 8e ian ^wvij ätrrjfio^, ^ ix nXetoviov fikv ^wvajv^
fitäg •*) <nj/xavnxa»v dk noeeev ne^uxev /iiav OT^fiavTcxijv ^ujvi^v^ ^v fijj ap-
M) 8. A. 51.
M) Ob diese loterpunctionsftnderung richtig ist, lasse ich hier dahingestellt.
170 Aristoteles.
fiSrret iv dpj[fj XSyoo rSivat xa^' a&ti^w, fj^ov rh dfn^i xat xh ntpi xa\
rdi äXXa, äpBpov S* iarl ^vij äai^fioCt ^ ^^^ xtüXuci oore nout ^pwvlj^
ßieav OT^fiavTexi/v hx nXetöuatv ^iovwv [ne^uxijltwf] ouvrtBeirBat ^ ^^^^ ^ 9
Xo'you dp^iju 1j reXo^ ^ Siopcaiibv dijXoc^ ne^xuea TtBea&ae xdt iirt rwv
äxpwv xal ine rou fUaou^ olov piv^ i^rot^ Si. Es ist zu bedanern, dass
er das neue, von Margoliouth beigebrachte Qaellenroaterial anberfick-
sichtigt gelassen hat, welches uns einen noch schärferen Einblick in die
Zerrüttung der Ueberlieferung verschafft, zugleich aber auch trotz
grösserer Verderbniss im Einzelnen auf richtigere Wege im Ganzen fahrt
als A^. In 2* stand richtig, wenn anders nicht meine unten zweifelnd
wiederholte Vermuthnng zutreffend sein sollte, nur eine Definition des
auvdeapog^ welche in Bestätigung der Herstellung von Christ einfiich,
wenn auch in theils verstümmelter, theils intcrpolirter Gestalt so lautete:
auvSsffpoi Si iart ^tavij ffuvBerij äaijpog^ ohv pdv^ xau\ oöSiy owB^rij ix
nXeeovwv ^wväßv ffj^pavrexwv peav aaijpov ^iüv^v ffuv&er^v^ überdies mit
einer hinter odSe eingedrungenen Glosse (nam quod audUw ex iU non est
indicaium) ^), was denn nach A^' so zu verbessern ist: auvdBopog Si iart
^v^ cunjpoc^ ,oloy /iev, ^rof, Si^ ^ ix nXstovew ^vmv peäg^ m^iß-
zexätv^) Sk noesev ni^xev puav injpjayrix^ ^vi^v, und ich sehe nicht
ein, warum nicht dabei stehen zu bleiben wäre. Nur das an sich Be-
denklichste an Döring' s Gonstruction, die Beispiele für mfvSeajiog und
äpBpov die Plätze tauschen zu lassen wird kaum zu umgehen sein. Die
Worte 1457* Z 9jv p^ ipporrec iv dpj^fj Xöyou reBeuae xaB* abrov fehlten
in 2* ganz, und wer weiss, ob nicht mit Recht: man erwartet doch o&/
statt p^. Die Worte 1456^88—1467^8 9 ^^^^ xatXutt •— pdaou aber
standen dort in folgender Form (und nicht in deijenigen, in welcher sie
in A«' in der zweiten Definition des apBpov^ welche wir uns mit Unrecht
gewöhnt hatten in eckige Parenthesen zu schliessen, wiederholt werden),
an eben dieser letzteren Stelle freilich wieder mit der Interpolation auv-
Beri} und mit Verstümmelungen: Z. 6 ff. äpBpov S' iarl ^pwviji <n;w^rn^
äar^pog ^ (1. 9j) loyou dpx^v ^ riXo^ ^ ^^^«V^^v SijXoT ^ napä^) ^ dXXd^
wo dXXd oder r^ dXXä richtig sein kann, und wo diese verstümmelten
Beispiele denn doch Bedenken erregen, ob die jetzt beliebte Herstellung
ohv rb dpu^( xal rb nepi xa} rä aXXa die wahre ist^), und dann ^ fiuv^
auvBerij aurr^poCy ^ outb xwXuet oure notel ^oßvijv piav ar^pjavrtxijjv ix
nXeiovwv ipiovwv (TuvriBeaBai xa} ine rStv axpoßv xa\ in\ rob pÄaoo. Es
ist nun wohl möglich, dass Döring hier das Richtige getroffen hat,
aber auch ebenso gut, dass diese zweite Definition ein nacharistotelificher
Zusatz ist und daraus sich die Wiederholung in A«' erklärt Denkbar
tt) non indicaium =: ä^pov,
«) 8. A. 64.
<Y) propier, jedenfalls also nicht nept.
M) Ao oJov rd ^.fLl kqI tö n, e. p. 1 xai rd äXXa.
/
Poetik. 171
wäre auch Docb, dass man hier 9 ^r äpBpov S' iarl and üpBpov 8' itnl
für das ^ vor ^wvij dun^/juic, ^ x, r, X, zu schreiben hätte, so dass die
Verwirrung, wie ich früher vermuthet habe, durch das nacharistotelische
Hineintragen einer Definition des apBpov (natürlich immer noch nicht
im Sinne von lArtikeU) entstanden wäre, und ich halte noch immer diese
meine Vermathnng keineswegs ÜOlt abwegig, aber die Stütze derselben,
dass 1456* 21 äpBpov an falscher Stelle in A^' steht, ist hinfällig gewor-
den, da I es an der richtigen hatte.
126) Max Zerbst, Ein Vorläufer Lessings in der Aristoteles-
interpretation. Jena 1887. 64 8. 8* (Doctordiss.)
weist nach, dass Daniel Heinsius sowohl in Bezug auf die Bestim-
mungen des Aristoteles über die Allgemeinheit der dramatischen Cha-
raktere (Poet 9) als auch auf die Katharsis im Wesentlichen bereits
dieselbe Auffassung wie L es sing gehabt und ausgesprochen hat, frei-
lich weitaus noch nicht mit derselben Klarheit und Schärfe, durch wel-
che die Erörterungen des Letzteren trotz all ihrer Irrthümer so bele-
bend und epochemachend für das Studium des Aristoteles gewirkt ha-
ben. Er zeigt gegen Bernays und Döring, dass Heinsius keines-
wegs von Lambin's Deutung der xd&apmQ als religiöser Lustration,
sondern gleich Bobortelli und Maggi und hernach Lessing von der
«allgemeinen Bedeutung »Reinigungc ausging und keineswegs dieselbe mit
der ersten Stufe der neuplatonischen Askese zusammengeworfen hat, wie
denn seine betreffende Arbeit überhaupt keineswegs die herabsetzende
Beurtheilung von Bernays verdient.
So sehr nun ferner die endlose Schriftstellerei über die Katharsis
den stärksten Ueberdruss erregt, so verdient doch die hübsche Abhand-
lung von
126) Feller, Die tragische Katharsis in der Auffassung Lessings.
Duisburg 1888. XXIV S. 4. (Gymnasialprogr.)
voUe Anerkennung, und die von ihm ergriffene Seite der Betrachtung,
die unmittelbar Lessing, mittelbar aber auch Aristoteles angeht, war
durchaus einer besonderen und zumal einer so wohl gelungenen Erörte-
rung werth. Feller untersucht nämlich an der Hand einer umfassenden
und überall von gesundem Urtheil geleiteten Benutzung der betreffenden
Litteratur, was etwa von Lessing^s Erklärungen der aristotelischen
Poetik sich als probehalUg erwiesen hat. Das unmittelbare Ergebniss
ist freilich ein ziemlich negatives^), aber er legt dar, dass Lessing
^) Auch in Beiug auf die Anwendung des Wortes nd^^ oder nd6i^fia bald
im Sinne von »Erleidnissc überhaupt bald von »drastischem Erleidnissc hält
Fe 11 er im Gegensatz zu Lessing und, wie wir gesehen haben, dessen Nach-
172 Aristoteles.
selbst (wie man dies nach einer, und zwar allgemein bekannten ans-
drttcklichen Erklärung von ihm ja wohl auch niemals bestritten hat und
bestreiten konnte) den unmittelbaren Zweck aller Kunst als einen
hedonischen und nicht ethischen ansah, und dass er nur bei seinem fiber-
grossen Respect vor Aristoteles und seiner irrthOmlichen moralischen
Auffassung von dessen Katharsis sich zu der Annahme getrieben sah,
dass derselbe diese mittelbare Wirkung mit in die Definition der Tra-
gödie aufgenommen habe, während es gentigt hätte zu sagen, dass die
Tragödie Mitleid errege, und dass er endlich dies durch die so allein
ttbrig bleibende, aber gleichfalls irrthtlmliche Annahme auszugleichen
suchte, der Philosoph habe gar keine strenge Definition von ihr geben
wollen. Gegenüber dem Gewicht, welches Bernays auf die eine Aeusse-
rung des alternden Göthe legt, keine Kunst vermöge auf Moral zu wir-
ken, weist Feiler auf andere, ganz anders lautende aus derselben Zeit
hin: in der That geht es wohl jedem Menschen, auch dem bedeutend-
sten so, dass er in derselben Lebensperiode bald die eine und bald die
andere Seite der Sache stärker betont und sich dadurch in Widerspruch
mit sich selbst setzt Gleich mir urtheilt übrigens auch Zeller Arch.
III. S. 315 f. höchst anerkennend über Feller's Schriftchen. Feller
schliesst sich im Ganzen an die Erklärung von Bernays an, jedoch gleich
Zell er, mir und Andern nach Ed. Müller nicht ohne erhebliche Mo-
dificationen. So ist er mit uns davon überzeugt, dass auch Aristoteles
eine mittelbare ethische Wirkung von Tragödie und Epos angenommen
hat. So hebt er hervor, was die stricten Anhänger von Bernays, wie
Ueberweg und Döring, vergebens bestritten haben, dass diese Er-
klärung durch den Nachweis der wesentlichen Einerleiheit von ndBo^
und m^Tjfia bei Aristoteles durch Bonitz einen sehr bedenklichen Stoss
erhalten hat. Und dies fährt ihn dazu, dass er es sogar unentschieden
lässt (S. XI f.), um Zell er* s Worte mit ein paar Modificationen zu
wiederholen, lob Aristoteles bei seiner Katharsis an eine Ausscheidung
gewisser Affecte oder an eine Läuterung solcher Affecte denkt, die im
Zuhörer oder Zuschauer schon vorhanden sind , oder endlich nach
Baumgart 7<)) solcher, die erst durch die künstlerische Darstellung in ihm
erregt werden, ja die Vermuthung äussert, Aristoteles habe vielleicht
absichtlich einen unbestimmten Ausdruck gewählt und damit eine ge-
folger Heine (s. A. 61) das Richtige fest. Nicht einmal das ofkm 9. 14611» 18
hat Lessing, so viel er sich hier ant seine Erklärung xn Gute thut (worauf
Fell er nicht xn sprechen kommt), richtig verstanden, wie ich noch glaubte,
8. Vahlen z. d. St. Die Sprachkenntniss ist eben inzwischen beträchtlich
fortgeschritten.
70) Dessen hier namentlich in Betracht kommendes, von Fell er vei^
werthetes, 1887 erschienenes Handbuch der Poetik mir bisher nicht in die
Hände gekommen ist.
Poetik. 1 73
wisse Weite der Deutung zugelassen, um verschiedenen Arten der mu-
sischen, tragischen, epischen Darstellung gerecht zu werdenc In die
Besprechung dieses Punktes ist nun aber die von zwei anderen Abhand-
lungen:
127) Theod. Stisser, Nochmals die Katharsis in Aristoteles'
Poetik. Norden 1889. 18 S. 4. (Gymnasialprogr.) und
128) Friedr. Giesing, Der Ausgang des Königs Oedipus von
Sophokles und die aristotelische Katharsis. Commentationes Fleck-
eisenianae, Leipzig 1890. S. 9—36
mit hineinzuziehen, von denen die letztere freilich nur in Bezug auf S. 19
bis 25 hierher gehört, die auch wohl ohne Schaden ftlr das vom Verf.
behandelte Thema hätten fortbleiben können, wenn derselbe nicht den
Beruf gefühlt hätte bei dieser Gelegenheit die jetzt geltenden Auffassun-
gen vom Sinne der aristotelischen Katharsis zu reformiren, indem er
sich vielmehr deijenigen Stisser's anschliesst, ttber die ich früher
XLII. S. 40 f. Bericht erstattet habe. Diesen Bericht wiederholt nun
Stisser und sucht ihn Stock für Stück zu wiederlegen ^') und seine
Ansicht in genauerer Ausführung und Begründung namentlich auch mit
einer eingehenden und, wie mir scheint, richtigen^') Polemik gegen
71) Ich kann ihm das natürlich durchaus nicht verdenken, stehe aber
diesem Verfahren ziemlich waffenlos gegenüber. Denn wenn Stisser von mei-
ner »BecensioDc redet und mir Ungründlichkeit in der Beweisführung und
Un Vollständigkeit und Ungenauigkeit in den Angaben vorwirft, so muss ich
bemerken, dass ich hier überhaupt keine Recensionen zn schreiben habe,
sondern nur einen Gesammtbericht in der äusserst möglichen Kürze, aber
ȟber die Fortschrittec auf dem von mir zu behandelnden Gebiete, so dass ich
eben auch meine Meinung aussprechen muss, dieselbe aber doch eben nur an-
deutend und oft kaum andeutend begründen kann. Wollte nun ein Jeder, von
dem ich ein Schriftstück besprochen habe, so wie Stisser oder Bullinger
verfahren und von mir verlangen, dass ich seiner Antikritik entweder bei-
pflichten oder sie Stück für Stück widerlegen solle, so müsste ich diese meine
Thätigkeit einfach aufgeben, und Niemand würde Lust haben mein Nachfolger
in derselben au werden. Ob das in Stisser*s Wünschen liegt, weiss ich
nicht; dass es nicht in denen Bullinger' s liegt, weiss ich jetzt. Jedenfalls
antworte ich auf Stisser 's Antikritik meines Berichtes grundsätzlich nicht,
wenn ich auch grossentheils um eine Antwort nicht verlegen wäre. Worin ich
aber wirklich geirrt habe, wird ohnehin im Verlaufe dieses neuen Berichts ge-
nOgend hervortreten Doch s. A 72.
7*) Hier wird sich ja Stisser nicht wieder über »Augurwortec von mir
beklagen können. Aber auch wenn ich bei der mir gebotenen Kürze einfach
schrieb, in seiner Polemik gegen Bernays, Baum gart, Ueberweg sei
manches Wahre, halte er dazu kein Recht: worin ich von diesem Gelehrten ab-
176 Aristoteles.
znr Verzückung Hinneigenden und daher auch frelegentlich wirklieben
»korybantiastischen« Anfällen Ausgesetzten zu verstehen, und Aristoteles
beruft sich auf die Allen vor Augen liegende Thatsache (dpoffiev)^ dass
solchen Kranken und Halbkranken durch ein uraltes priesterlicheä, ho-
möopathisches Heilverfahren 77) gerade mittels Yorspielens gewisser ek-
statischer Tonstücke (sonach also des Olympos) Linderung verschafft
wurde, bei ihnen also diese Katharsis so gut wie eine ärztliche Cur
war 78). Durch analogische Erweiterung gewinnt er dann von da aus
seinen eigenen ästhetischen Begriff der Katharsis für die mehr oder we-
niger Geistesgesunden Die Analogie würde nun aber völlig aufhören,
wenn nicht dasjenige, wovon diese zeitweilig befreit werden, der schon
mitgebrachte Affectstoss wäre, sondern der durch die Kunst erregte
wirkliche Affect, um die anderen Gründe für diese Auslegung hier
nicht zu wiederholen. Wer freilich, den Aristoteles überschätzend, ihm
nicht zuzutrauen vermag, dass er den eigentlichen faulen Fleck dieser
Theorie übersehen hat, indem ja analogisch Derjenige, welcher mit be-
reits hocherregter wirklicher Furcht und hocherregtem wirklichen Mit-
leid zum Anhören Furcht und Mitleid ausdrückender und daher auch
sympathisch erregender Musik und ins tragische Theater käme, am
Stärksten die entsprechende Einwirkung erfahren mttsste, wird nicht
umhin können die Wege von Bernays zu verlassen und die Stisser's
einzuschlagen. Aber er wird dann abgesehen von den obigen Absurdi-
täten mit Stisser auf der anderen Seite dem Aristoteles zutrauen müssen,
dass derselbe in der Definition der Tragödie bei der Bezeichnung von
deren Wirkung de^ iXioo xai ^oßou nBpaivoutra r^v zoAf rotouzwv na&y^fid'-
Twv xd&apaev mindestens so zweideutig gesprochen, dass nicht die nächst-
liegende instrumentale, sondern die zeitlich-räumliche Auffassung »durch
Mitleids- und Furchtempfindung hindurch t t») die gemeinte ist, und das
77) Der sagenhafte Erfinder war Melampua mit seiner Heilaog der Töch-
ter des Proetos
78) Nach Entfernung der Interpolation wird die Verbesserung rox^yroQ
(.r^s^ [xai] xa^ptrew^ erst recht nothwendig. Stisser scheint nicht zu wissen,
was man unter den xopußayrtwvTe^ verstanden, da er S. 6 f. mir die Frage vor-
legt, ob die Korybantiasten schon Verzückung mitbringen oder nicht.
79) Das kommt denn der Sache nach, wenn auch nicht in der sprach-
lichen Anschauung auf Göthe's Auffassung »nach einem Verlaufe von Fnrcht
nnd Mitleide hinaus. Das genügt aber Ol e sing noch nicht, sondern er ta-
delt (S. 21) Stisser, dass dieser Bernays zugegeben hat, Göthe habe mit
Unrecht die xd^apatq von dem Zuschauer hinweg in die tragischen Personen
verlegt. Beides, meint er, lasse sich ja gar nicht von einander trennen. Ich
weiss in der That nicht, wohin man schliesslich mit einer derartigen Philologie
gelangen möchte. Ob Aristoteles glaubte, der »versöhnende Abschlüsse sei
auch für den tragischen Helden da, oder nicht, haben wir garnicht zu fragen
sondern nur was seine Worie r&v roiourwv na^i^fidrtov xd^apctv bedeuten,
Poetik. 177
unentbehrliche Mittelglied, wodurch denn nun die Katharsis von diesen
durch die Tragödie erregten Affecten hervorgebracht wird, weggelassen
habe. Dagegen hilft nicht die Ausflucht Stisser's und Giesing's,
dass wir ja in der That die genauere Erörterung der Katharsis, welche
Aristoteles in der Poetik gegeben hatte, nicht mehr besitzen^). Oben-
drein müssten doch erst mindestens ähnliche Beispiele beigebracht sein,
um zu beweisen, dass nepacvetv 8cä überhaupt in diesem Sinne gebraucht
werden kann. Nun erhebt zwar Stisser den erheblichen Einwurf, dass
Aristoteles Nik. Eth. II, 4. 1106 ^ 19 ff. ja ausdrücklich die Suvdp£tc in
der Bedeutung blosser Dispositionen zu den Affecten von diesen m&y^
selbst wie von den i^eeg unterscheide. Aber er irrt sehr, wenn er
glaubt, dass Zell er und ich diesen Einwurf nicht selber uns schon
gemacht haben; ich wenigstens habe nur geglaubt, dass Jeder ihn leicht
sich selbst beantworten könne *^). Nur an dieser einzigen Stelle steht
nnd dass diese nicht eine endliche Befreiung des Helden von Furcht und Mit-
leid (mit wem eigentlich?), sondern nur des Zuschauers oder Lesers bezeich-
nen können, wird doch hoffentlich auch Giesing nicht bestreiten wollen.
^) Ja g&be nns ein wunderbar günstiges Geschick nur wie die Poiitie
der Athener, so auch das verlorene zweite Buch wieder, in welchem sie stand I
Dann würde endlich der unerquickliche Streit aufhören.
81) Hierans mag man abnehmen, welches Recht Stisser (S. 10) zu sei-
ner ungesalzenen Bemerkung hatte, dass er zwar nicht ganz, aber doch einiger-
massen die Ansicht Schopenhauer's theile, diejenigen, welche in ihrer Ju-
gend mit Hegelacher Milch getr&nkt sind, büssten dadurch den gesunden Men-
schenverstand ein. Ich möchte wohl wissen, wem die Geschichte der Philo-
sophie und gesunde Auslegung philosophischer Schriften mehr verdankt als
Solchen, welche diese Speise genossen und sieh dann anderweitig auch mit Fleisch
und Brod gen&hrt haben. Gerade bei Stisser geht vielmehr, wie das Obige
lehrt» »die Logik und der gesunde Menschenverstände, auf die er so stolz ist,
zuweilen recht bedenklich in die Brüche. Dies zeigt sich auch noch in der
Schlussbemerkung <S. 18), wenn i^op/iäUiv vielmehr (was in der That mög-
lich ist), wie es in Passow's Lexikon erkl&rt wird, »zu den Orgien vorbe-
reiten, weihenc bedeuten sollte, so würde dies nur mit seiner Auffassung ver-
einbar sein. Wenigstens mein vor der »Hegeischen Milche geretteter Rest
gesunden Verstandes sagt mir, dass sie mit ihr und jeder andern gleich un-
verträglich sein würde, wenn nicht dies Weihen eben doch ein Versetzen in
Ekstase w&re, dass es aber doch in der That auch nichts Anderes sein könnte
und folglich mit den anderen Auffassungen genau ebenso vereinbar w&re. Im
Uebrigen bin ich nach den entsprechenden Aeusserungen Stisser 's darauf
gefasst, dass es nun wieder heissen wird, ich habe, lediglich um eine vorge-
fasste Meinung zu halten, die ihr widerstrebenden Worte gestrichen, aber der-
gleichen Ausfälle lassen mich kalt. Elin Mann wie Freudenthal hat mir
öffentlich das gerade entgegengesetzte ehrende Zeugniss ausgestellt, unter allen
jetzigen Philologen verstände ich mich am leichtesten dazu früher geäusserte
Ansiebten zurückzunehmen.
Jahresbericht für AUerthumswissenschaft. LXVII. Bd. (1891. I.) 12
1 78 Aristoteles.
das nackte 8uvd/ieec in diesem bestimmten Sinne, and wer Aristoteles
kennt, der weiss auch, dass er ihn nicht auf eine einmal gemachte Un-
terscheidung und Terminologie festnageln darf. Dort war sie nothwen-
dig, aber daraus folgt noch nicht im Mindesten, dass Aristoteles sich
hier nicht erlaubt haben könnte schon den blossen in der Seele ange-
häuften und bereit liegenden Affectstoff als ndßo^ zu bezeichnen. Was
hindert denn hier denselben Ausweg wie Stisser zu ergreifen und zu
sagen: in der verlorenen genaueren Erörterung der Sache wird er sich
genauer geäussert haben? Recht sophistisch ist aber die Art, wie 6ie-
sing es fertig bringt zu behaupten, Zell er selbst habe sich ja genö-
thigt gesehen wenigstens zuzugeben, dass die Katharsis von Furcht und
Mitleid auch noch durch andere Mittel als Furcht und Mitleid zu Stande
komme. Die Sache liegt vielmehr doch so: nach Zell er und mir ent-
hält im Sinne des Aristoteles die tragische u. s. w. Furcht und das tra-
gische u. s. w. Mitleid selbst im Gegensatze zur gemeinen Furcht und
zum gemeinen Mitleid diejenigen höheren und idealeren Bestandtheile,
welche sie befähigen kathartisch auf die letzteren zu wirken. Die tra-
gische Furcht ist nicht eigensüchtig wie die gemeine; es ist mehr als
sonderbar, dass Stisser, dessen Deutung der Katharsis ihn zum Fest-
halten daran zwingt, dass auch die tragische Furcht Furcht ftlr uns
selbst sei, sich auf Tumlirz beruft, der doch im Gegentheil überzeu-
gend dargethan hat, dass sie vielmehr Furcht ist für die tragischen
Helden (s. Ber. XLII. S. 260 f., vgl. auch Zell er Arch. II. S. 292).
Und da die letzteren (nach G. 9) Typen des allgemein Menschlichen
sind, ist ebendamit auch das tragische Mitleid in eine universellere Sphäre
erhoben.
Immerhin ist durch Stisser 's Arbeiten, wie man sich auch zu
ihnen stellen mag, die Untersuchung wirklich gefördert. Dagegen hätte
der kleine Aufsatz von
129) Karl Goebel, Zur Katharsis des Aristoteles. Jahrb.f.PhiloL
CXXXVII. 1888. S. 102-104
ohne Schaden unveröffentlicht bleiben können, so wenig ich gegen den
Inhalt einzuwenden habe. Denn was Goebel selbst über die Katharsis
sagt, wiederholt nur was so ungefähr Zeller und ich schon gesagt ha-
ben, und wenn er schreibt, dass Plat. Ges. VI. 790 E f. seines Wissens
für das Verstäudniss der aristotelischen Definition der Tragödie noch
nicht ausgebeutet sei , so reicht dies Wissen nicht einmal bis zu
B e r n a y s Aristoteles über Wirkung der Trag. S. 189 f. = Zwei
Abhandlungen S. 88 f. , welcher bereits richtig bemerkt hat , wesshalb
uns diese Stelle dennoch fQr die Erklärung des Aristoteles zu Nichts
helfen kann: »Hier ist einmal dasselbe psychologische Problem von
Piaton mechanisch und von Aristoteles dynamisch behandelte Und so
sagt denn auch Zell er Arch. IIl. S. 316 nicht minder richtig: ȟber
Poetik. 1 79
die Mittel and den psychologiscben Hergang dieser Beschwichtigung bei
der tragischen Katharsis gieht die Stelle keinen genaueren Aufschlüsse
Ungleich erheblicher ist ein anderer kleiner Aufsatz von
130) C. Meiser, Ein Beitrag zur Lösung der Katharsisfrage, Bl.
f. bayer. Gymnasialschulw. XXIIL 1887. S. 211— 214,
indem hier zur Erklärung der aristotelischen xd^apmQ t<ov rotoortov
naBijfidrijjv die in der That, wie auch Zeller Arch. II. S. 292 urtheilt,
zutreffende Parallele bei Plut. de inimic util. 10. 91 F ratv na&wv rou-
Tüpv noeoufievo^ ei^ roug i^^Bpobg dnoxa&dpaet^ »wenn er diese Affecte
(um sich von ihnen zu reinigen) an seinen Feinden auslässtc beibringt.
»In der That will Aristoteles gewissen menschlichen Affecten durch die
Kunst Befriedigung verschaffen und sie dadurch aufheben, bis wieder
neuer Stoff im Gemttthe sich gesammelt hatc Dies findet denn M eis er
am Besten wiedergegeben durch die Erläuterung von Ueberweg Gesch.
d. Phil. n. S. 233 f., mit der indessen bis so weit ja auch Zell er und
und ich übereinstimmen. Aber mit Recht bemerkt Zell er a. a. 0. :
ȟber die Hauptfrage freilich, warum gerade die Kunst und durch wel-
che ihr eigenthümlichen Mittel sie jene Katharsis bewirkt, erhalten wir
durch die Plutarchstelle keinen Aufschluss. Gegen Meiser streitet
Bullinger Metakrit. Gänge (s. No. 44) S. 24—26, nachdem er S. 19
bis 24 seine Auffassung der Katharsis von Neuem vertheidigt hat. Ge-
gen seine Deutung der angeblich »absolut klaren Stellec Aristot. Pol.
1342* 4 ff. verweise ich auf meine obigen Bemerkungen über dieselbe.
Bei Lukian. de saltat. 81 findet er mit Rettig in dessen Ausg. von
Xenoph. Gastm. S. 272 die Katharsis wieder. Ich begnüge mich dies
zu berichten und enthalte mich absichtlich jeder Polemik. Sehe Jeder
selbst zu, ob dies richtig sein kann!
131) C. Schönermarck, Quos affectus comoedia sollicitari vo-
luerit Aristoteles, quaeritur. Leipzig 1889. 58 S. 8. (Doctordiss.)
leistet mehr, als der Titel seiner Dissertation verspricht. Sein eigent-
liches Thema behandelt er S. 33-52, indem er zunächst die Yermu-
thungen von Döring Kunstlehre des Arist. S. 127 - 133 bekämpft (S. 34
bis 41) und sodann nachzuweisen sucht, dass ußptg und ^(£/7/e>oc diejeni-
gen Affecte seien, auf welche Aristoteles die Katharsis durch die Ko-
mödie bezogen habe. Ich überlasse Andern das Urtheil und vermeide
es meinerseits nach Möglichkeit diesen schlüpfrigen Boden zu betreten,
indem ich trotz der Zuversicht des Verf. bei der Ueberzeugung bleibe,
dass die Anhaltpunkte zu schwach für eine auch nur einigermassen
wissenschaftliche Entscheidung sind; haben wir doch selbst bei den viel
stärkeren für die tragische Katharsis das Dunkel nur theilweise zu
lichten vermocht I Im ersten Theil und wieder zum Schluss beschäftigt
sich Schönermarck mit der letzteren. Er vertheidigt die Lessingsche
12*
180 Aristoteles.
Erklärung von <ptXdvBpa»nov (S. 10—12) mit sehr wegwerfender Behand-
lung ihrer Gegner und bringt (S. 29 f.) voUends das Kunststack fertig,
dass es eigentlich sogar noch mehr abgeschwächte Furcht ftlr den Böse-
wicht als abgeschwächtes Mitleid mit ihm sein soll Ueber die dieser
Deutung schlechthin, wie er einsieht, widersprechende Stelle Rhet. 11, 9.
1386^25 ff. (vgl. Ber. XLII, S. 236. L. S. 18) hilft er sich mit der im
Allgemeinen richtigen und auch gar nicht neuen Bemerkung hinweg,
dass es nicht zulässig sei die Bestimmungen der Rhetorik ohne Weiteres
auf die Poetik zu übertragen (S. 7 f.)* Als ob es denkbar wäre, dass
Aristoteles hier das gerade Gegen th eil von seiner eigenen Meinung
gesagt hätte ^)! Am Ausführlichsten handelt er über die tragische
Furcht (S. 16 — 30), indem er eine Reihe von Argumenten Derjenigen,
welche sie für die Furcht um den tragischen Helden erklären, theils mit
Recht und theils mit Unrecht^) bestreitet, aber schliesslich sich selbst
>*) Auch sonst ist Schönermarck in dieser Erörterung über Rhetorik
und Poetik nicht durchweg glücklich. Denn wenn es in der Rhet II, 8.
1386^4 (nicht, wie er angiebt, 1385^34) heisst, dass wir am Meisten die
<moudaiot bemitleiden, während in der Poet. 13. 1452 ^ 84ff. gesagt wird, der
Sturz der im^tzu^ ins Unglück sei nicht <Ae«ivov, sondern /itapöv, so stimmt
dies zwar zu jener seiner Remerkang, aber der Widerspruch ist doch nur ein
scheinbarer, da der tragische Held im Folgenden als ein solcher beschrieben
wird, der doch trotz seiner ßsydh^ dfiapria immer noch ein üKOudalo^ bleibt
(1453 a 16 fj oXou ttpijrat 1j ß^lriovoq ßäkXov ^j ^eipovog). Für die Rhet war
der knrze Ausdruck angebracht und die feinere Unterscheidung unnöthig.
Uebrigens vgl. hinsichtlich ihrer auch das oben unter No. 89 Bemerkte.
M) So wiederholt er S. 21 f. den abgeschmackten Einwurf von Wille,
dass ich bei der Auslegung der Worte Poet 11. 1453 • 4ff. selbst die von mir
geltend gemachte hermenentische Regel verletze, auf den ich bereits Ber.
XVII. S. 286. A. 60 das Nöthige erwidert habe. Und dabei billigt er dieselbe
Auslegung! Nicht viel besser ist sein Verfahren S. 27f. in Bezug auf meinen
Nachweis, dass Poet 14. 1253^27 — 1254* 9 die überlieferte Ordnung der Glie-
der nicht die richtige sein kann. Er sagt erst: »Snsemihlius, quem Vahlenns
magis lacessivit quam refutavitc, aber dasselbe passt genau auf ihn. Aristot.
selbst bezeichnet deigenigen Fall als den schlechtesten, an welchem zugleich
das fitapöv und das dna^ig klebt, und zwar ausdrücklich ans diesem
Grunde (/dp) ^ noch an einem anderen setzt er indirect offenbar bloss das
ßtapöu aus. Aber Schönermarck weiss es besser: »Volnptate . . . tragica
sola metitnr Aristoteles rd nd^q, Falso igitur Susemihlius putat ex ßtapf
et d-Ka^Bt normas esse depromptas etcc. Und das nennt er eine »brevis re-
futatioc I Inzwischen ist längst nachgewiesen (s. Ber. IX. S. 363f. XXX. S. 85 f.),
dass Aristot. das ausdrücklich als oö rpaytxov von ihm bezeichete dnaMq als
einen noch grösseren Fehler als das /iiapöv ansah und folglich die nach der
Ueberlieferuog beste Gestaltung nicht, wie ich wollte, als die zweitbeste, son-
dern erst als die dritte, und dass also die Umstellung der Glieder in diesem
Sinne vorzunehmen ist Das scheint nicht zur Kunde Schönermarck's ge-
langt zu sein.
Poetik. 181
entschieden zu Gunsten dieser Auffassung ausspricht, wohei er richtig
behauptet, es sei nach Aristoteles dieselbe Art von Furcht, mit der man
für sich selbst und mit der man fQr Andere fQrchtet, nur müssen diese
Anderen uns möglichst geistesverwandt und gleicbgeartet (ofiotoi) sein.
Allein damit hört doch die erstere nicht auf viel selbstischer zu sein
als die letztere. Das tragische Mitleid bespricht er S. 13 — 16, indem
er mit, wie mir scheint, recht zweifelhaftem Erfolge®^) die Erörterung
von Tumlirz noch dahin zu erweitern sucht, dass er dasselbe in Be-
zug auf Zukünftiges nicht auf das unabwendbare nahe bevorstehende
Leid des Helden beschränkt sehen, sondern auf alles zukünftige des-
selben in der Tragödie ausdehnen will^). Dass dieselbe Mitleid und
Furcht errege, bezeichnet Plat. Phaedr. 268 C D als Etwas, was auch
der Stümper weiss; dadurch lässt Schönermarck S. 29f. sich nicht ab-
halten, anknüpfend an einen unvorsichtigen Ausdruck SpengeTs^),
daraus, dass Plat. Rep. X. 606 B allerdings nur von Mitleid spricht, zu
folgern, dass erst Aristoteles die Furcht hinzugefügt habe. Das Wesen
der tragischen Katharsis und eben damit ihren Nutzen (vgl. Pol. 1341^ 36ff.)
beschreibt der Verf. 8. 66 f. genau so wie Ueberweg, womit ich in so
weit ganz einverstanden bin, nur dass ich eben auch hier jene obige
Bemerkung Zeller's wiederholen muss, dass damit noch die Antwort
gerade auf die Hauptfrage fehlt "7). Ob Aristoteles die weitere Frage,
wie aus den Unlustempfindungen Furcht und Mitleid Lust, nämlich die
olxeia ißovi} der Tragödie, entstehen kann, so beantwortet hat, wie der
Verf. S. 30-32 sie ihn beantworten lässt, darüber kann ich meinen
Zweifel hier nicht begründen. Darin freilich hat Schönermarck (S.63
bis 66) Recht, dass diese x^^ dßXaßijg (vgl. Pol. 1342^ 16) nicht mit
der Katharsis einerlei ist, aber schwerlich darin, dass sie ihr voran-
gehe. Denn ausdrücklich bezeichnet Aristoteles die Katharsis (zunächst
M) Das ftiXkov Poet. 14. 1463 1> 18 beweist gar Nichts, denn das könnte
sich sogar bloss auf die Furcht beziehen, und Alles wäre auch dann noch in
bester Ordnung. Ebensowenig verstehe ich den Einwurf, nach der Auffassung
von Tumlirz mflsste es Rhet 1386^2 yäp statt (des ersten nat) heissen.
M) So dass dann also nur noch der Hauptunterschied bliebe : wir bemit-
leiden die tragischen Personen, insofern sie über Verdienst leiden, wir furchten
für sie, insofern sie Unseresgleichen sind.
M) Ueb. d. xd^. Tttfv na^ijn, 8 43 f., welcher bei der Bemerkung, die
betreffende Definition sei gegen Plat Rep. X. 604—607 gerichtet, hervorhebt,
Aristoteles setse noch die Furcht hinzu.
S7) Darüber kommt man nicht hinweg durch Schönermarck 's an sich
vielleicht ganz, jedenfalls theilweise richtige Bemerkung: »lam si quis dicat
hanc catbarsis notionem plane abhorrere a nostrorum temporum elegantia,
equidem nihil moror. Tantum enim abest, ut catharsi summam tragoediae et
comoediae, nedum artis legem contineri concedam, ut contra ad recentium po-
pulorum artem iniuria referri existimem.c
1 82 Aristoteles.
die musikalische) Pol. 1342» 14 f. als ein xooftZtaBtu ;ie&' ^o)f^c. Und
ich denke, er kann das Yerhältniss dieser ^oi^ zu jenem xoü^iZeaBai^
der durch das Auslassen von Furcht und Mitleid erfolgenden Gemttths-
erleichterung , nicht anders bestimmt haben, als wie er überhaupt, wo-
von schon oben die Rede war, das Yerhältniss der Lust zur Thätigkeit
im 10. Buch der nikom. Ethik bestimmt: jenes Auslassen ist so, wie es
durch eine gute Tragödie geschieht, nach ihm ja auch offenbar eine ge-
sunde Seelenthätigkeit. Wie er die genaueren Modalitäten dieses Vor-
gangs beschrieben hat, lässt sich nur sehr theilweise vermuthen. Scharf-
sinnig meint Schönermarck, die Unterscheidung eines doppelten
Zweckes ob Svexa und % die nach Themistios in der Poetik gestanden
haben soll, habe sich auf die der xadapatg und der oixeea ^ov^ bezo-
gen, dergestalt, dass letztere somit als eine bloss vorttbergehende, er-
stere als eine länger andauernde Wirkung bezeichnet sei. Wenn nur
nicht bekanntlich jenes Citat des Themistios so vielen Bedenken ausge-
setzt wäre! Möchte nun aber doch Schönermarck's Schrift die letzte
über die Kartharsis sein! Denn hier heisst es nachgerade wirklich: piget
pudet poenitet taedet atque miseret Aber das ist wohl leider nicht zu
hoffen, das Schicksal wird weiter seinen Gang gehen.
Das etwas wunderliche Büchlein von
132) Dr. Adam, Die Aristotelische Theorie vom Epos nach ihrer
Entwickelung bei Griechen und Römern. Wiesbaden, Limbarth. 1889.
116 S. 8.
ist von Döring Woch. f. kl. Ph. VII. 1890. Sp. 878-376, Knaack
Deutsche L.-Z. 1890. Sp. 1020f., Sittl N. ph. Rdsch. 1890. Sp. 193 f.
und Cam. Huemer Zeitschr. f. d. österr. G. XLI. 1890. S. 503 — 505
angezeigt worden. Der Erstgenannte bemerkt u. A. richtig, dass der
Titel falsch ist, indem es »Fortwirkungf statt »Entwickelungc hätte heissen
müssen. Der Letztgenannte giebt einen sehr klaren und vollständigen
Bericht, auf den ich Jeden, der eine vorläufige Orientirung wünscht, ver-
weise. Aber auch dieser mildeste Beurtheiler vermisst doch mit Recht
Gedrungenheit und Uebersichtlichkeit der Darstellung und Schärfe der
Untersuchung, und er hätte noch hinzufügen sollen, dass namentlich auch
die bestimmte Unterscheidung dessen mangelt, was wir wirklich mit
Sicherheit oder doch hoher Wahrscheinlichkeit wissen, und dessen, was
wir nur in mehr oder weniger ansprechender Weise vermuthen können.
Dass freilich der Verf. für die in der That »schlecht geordnete und un-
vollständigec Darstellung der aristotelischen Theorie sich bei der Be-
nutzung meiner Ausgabe der Poetik beruhigte, in welcher er das bis
dahin erschienene exegetische Material am Vollständigsten gesammelt
fand, macht ihm Döring m. E. mit Unrecht zum Vorwurf: für seine
Zwecke durfte er sich vielmehr wohl damit begnügen, und besondere
sachliche Fehler hat er bei dieser Darstellung denn auch fast gar keioe
Poetik. j 83
begangen ^), abgesehen davon, dass er seine fixe Idee, die meisten spä-
teren Kunstkritiker nach Aristarchos hätten Ilias und Odyssee für ein
grösseres Ganze, einen Cyklus, angesehen, auch schon in zyiei Stellen
anderer Schriften des Aristoteles (Anal. post. I, 12, 77^ 31 ff. Soph. el.
10. 171» lOff.) hineinzuerklären versucht, in denen keine Spur davon zu
finden ist^'). Wenn abgesehen hiervon und von dieser unglücklichen
Idee selbst alles Uebrige nicht an grösseren Fehlern litte! Wenn nur
aberall der Schein einer gewissen Uebereinstimmung mit aristotelischer
Theorie von der Wirklichkeit scharf gesondert und, wo die Wirklichkeit
Torliegt, nicht gleich ohne Weiteres und ohne jeden Beweis die unmittel-
bare oder mittelbare Herkunft aus Aristoteles angenommen wäre! Ich
selbst habe (Gesch. der gr.-alex. Litt. I. S. 406. A. 179^) die Vermu-
thung aufgestellt, dass die peri patetischen und die kaliimacheischen An-
klänge in der Ars poetica des Horatius durch einen mittelbaren gemein-
samen Rückgang auf Kallimachos, den Schüler des Peripatetikers Praxi-
phanes, zu erklären seien, aber das ist eine Vermuthung, von der erst
abzuwarten ist, ob die weitere Forschung sie wiederlegen oder sie durch
stärkere Indicien zu bestätigen vermögen wird, und aus der ich einst-
weilen nicht den geringsten weiteren Schluss ziehen würde, da bei dem
fortwährenden Bauen von Hypothesen auf Hypothesen nichts Gesundes
herauskommt. Aber gesetzt auch, die Sache wäre richtig, gesetzt femer,
Kallimachos habe wirklich seine Hekale nach den Regeln des Aristoteles
über die Einheit der Fabel und ebenso Rhianos, wovon wir vollends zum
Wenigsten nach dem jetzigen Standpunkte der Forschung gar Nichts
wissen können, ebenso seine MeaoTjvtaxd aufgebaut, so wäre doch damit
die Behauptung, es sei dies der tiefere Grund des Streites zwischen
Kallimachos und Apollonios, noch nicht im Entferntesten bewiesen. Denn
Ersterer wollte keine fernere Nachahmung des Homeros, d. h. der Ilias
nnd Odyssee, während Letzterer sie, freilich verfehlt genug, anstrebte,
Aristoteles aber erklärte den Dichter der Ilias und der Odyssee für den
weitaus grössten und nachahmenswerthesten Epiker, folglich stand hierin
Apollonios ihm thatsächlich ungleich näher als Kallimachos. Und wer
wird es wohl so leicht glauben, dass auch von der Aeneide ein Gleiches
gelten soll wie nach diesen Behauptungen von der Hekale? Dass Adam
nichts Neues gebracht habe, behauptet daher Huemer mit Unrecht, aber
wie viel von diesem Neuen ist wahr? Dazu kommt aber noch seine von
Knaack gerügte und auf diesem seinen eigentlichen Untersuchungsge-
M) Döring führt (Sp. 374) als recht schlagende Beispiele für die In-
correctheit derselben drei an, von denen er in Bezug auf das erste Recht hat,
während die angeblichen beiden anderen vielmehr beweisen, dass Döring
selbst dem seit der Herausgabe seines Buches eingetretenen Gange und Fort-
schritte der Forschung nicht gefolgt ist.
8») S. hierüber Döring Sp. 375 f
184 Ariitoteles.
biet mit Recht zu rügende ünkenntniss der neueren Litteratur, so dass
er Aber das xuxXixdv novrjfM und die alexandrinische Kritik »frisch and
munter« ohne Rücksicht auf Dilthey und die homer. Untersuchungen
von Wilamowitz handelt, ja nicht einmal 0. Schneid er's Callimachea
zu kennen scheint. Ich habe sogar keine Spur einer Benutzung von
Kiessling's Horatius gefunden. So fehlen denn auch, wie Knaack
femer bemerkt, in der Sammlung der ästhetischen Urtheile in den Homer-
scholien und bei Eustathios (S. 30 — 48) manche Thatsachen von Belang)
und sie ist ohne die nöthige Kritik abgefasst
Endlich ist noch die populäre XJebersetzung der Poetik im Westen-
taschenformat von
188) H. Stich, Die Poetik des Aristoteles. Leipzig, Reclam.
101 S. 16.
ohne Jahresangabe hier kurz zu erwähnen, die ihrem Zwecke, wenn man
ihn gelten lässt (worüber hier nicht zu streiten ist), sehr gut entspricht-
Denn der Uebersetzer zeigt sich in der Einleitung, der deutschen Wie-
dergabe und den Anmerkungen als ein Mann, der nicht bloss seinen Ge-
genstand, sondern auch die Litteratur über denselben wohl kennt und
mit gesundem Urtheil geprüft und aus dieser Prüfung im Grossen und
Ganzen das Beste behalten und aus diesem Besten seinem Zweck ge-
mäss das Allemöthigste für seinen Leserkreis ausgezogen hat. Ueber
einzelne allerdings von ihm begangene Fehler mit ihm zu rechten ist
nicht meine Aufgabe.
JAHRESBERICHT
über
die Eortsckritte der classischen
Alterthumswissenscliaft
Conrad Bursian,
herausgegeben
Iwan V. Müller,
ord. öffeDÜ. Ptof, d« clasiiicbcD Philologe aa der UniveraitlEt ErkiigeD.
Achtandsechzigster Band.
Neunzehnter Jahrgang. 1891.
Zweite Abtbeilang.
LATEINISCHE KLASSIKER.
BERLIN 1892.
VERLAG VON S. CALVARY & CO-
W. UdIct den Liodeo 31.
Inhal ts-Verzeichniss
des achtuodsechzigsten Bandes.
Litteraturbericht über Plantus von Prof. Dr. 0. Seyffert
in Berlin folgt später.
Jahresbericht über Terentius und die übrigen scenischen
Dichter ausser Plautns für 1884 bis 1888. Von Gymna-
sial-Rektor A. Spengel in Passau 171—209
A. Schriften vertohiedenen Inhaltt 171. — B. Grammatitohea
179 — C. Ausgaben 183. - D. Einzelne Stellen 187. — E. Do-
natua und Eugraphiua 191. — F. Andere aoeniaohe Diohter.
Ennius 192. 200. — Livias Andronicus and Naevias 195. — Fa-
bula Atellaoa 203. — Tragoedia 206. — Seneca Tragicus 205.
Die Berichte über die römischen Epiker nach Vergilius von
Prof. Dr. Jeep in Königsberg; Lucretius von Oberlehrer
Dr. Brieger in Halle; Lucilius von Professor Dr. J. Sto-
wasser in Wien; Ovidius und lateinische Anthologie von
Prof. Dr. R. Ehwald in Gotha; Vergilius von Dr. Güth-
ling in Liegnitz; Horatius von Prof. Dr. L. Häussner
in Karlsruhe; römische Satiriker von Prof. Dr. L. Fried-
1 ander in Königsberg und über GatuU, Tibull und Properz
von Oberlehrer Dr. 0. Magnus in Berlin folgen später.
Bericht über die Litteratur zu Phaedrus und Avianus
seit 1889. Von Oberlehrer Dr, H. Draheim in Berlin 210 — 2!
Ellis' Avian -Aasgabe 210. — Uebersicht der Bemerkungen zu.
Avian 211. — Phftdrus 213. — Uebersicht der Bemerkungen^
Ph&drns 222.
^^Von
Bericht über die Litteratur zu Caesar 1883— IS^ 1 — 118
Professor Dr. H. J. Heller in Berlin . . ^' ' .,
>C 18. — Bellum
Einleitung 1. — Bellum gallloum 2. - Bellun^y^ Hiapanienae
Alexandrlnum 42. - Bellum Afrioanum 47^,^^^^ 85. - Heer-
67. - Erifiuterungaaohriften 73. - Djj^_ Grammatisches 102.
wesen 87. — Bilderatlas 97. — Le
— Einzelne Stellen 108.
/
/
IV Inhalts -Verzeichniss.
Die Berichte über Sallustius von Professor Dr. H. Wirz in
Zürich; Livius von Conrektor Prof. Dr. Fügner io Nien-
burg; Curtius von Dir. Prof. Dr. He dicke in Sorau; üor-
nelius Nepos von Prof. Dr. Bitscbofsky in Wien; Velle-
jus Paterculus von Prof. Dr. Morawsky in Krakau; zu
den Scriptores bist. Augustae von Dir. Prof. Dr. H. Peter
in Meissen ; spätere Geschichtsschreiber seit Suetonius von
Prof. Dr. Petschenig in Graz; Tacitus von Professor Dr.
Helmreich in Augsburg; Cicero von Studienrektor Dr.
Jacob Simon in Kaiserslautern, Dr. G. Landgraf in
München, Dir. Dr. J. H. Schmalz in Tauberbischofsheim
und Bibliothekar P. Schwenke in Göttingen; zu römischen
Rhetoren von Prof. Dr. Ströbel in Nürnberg; Seneca
Rbetor von Dir. Prof. Dr. H. J. Müller in Berlin; Quin-
tilian von Dir. Dr. F. Becher in Aurich; Briefe des jün-
geren Plinius von Prof. Dr. Ströbel in Nürnberg; Plinius
naturalis historia von Dr. Urlichs in Würzburg werden
später erscheinen.
Bericht über die Erscheinungen auf dem Gebiete der la-
teinischen Grammatiker für die Jahre 1877 — 1890.
Von Professor Dr. Georg Goetz in Jena . . . 119_170
EiDipitendes 119. ~ 1. Die Grammatiker der Republik und der
augusteieohen Zeit. Ennius. Glossographen Aelins Stiio 120.
— M. Terentius Varro 121. - Nigidius Figulus 123. - Cicero
123. — Verrius Flaccus 126. — II Die Grammatiker der tpfi-
teren Zelt. Scriptores de orthographia 130. — Remmius Palae-
mon 132. — M. Valerius Probus 13ö — Asconius Fedianus
Nisus. Plinius 137 — Nachtrag zu Plinius 170. — Quintilianns
138 — Flavius Caper 139. - Terentius Scaurus 141. — Sulpicius
Apollinaris 143. — Gelliua 144. — luliua Romanus 145. - Aemi-
lius Asper. Nonius 146. Porphyrio. Artigraphi 149. - Dio-
medes. Euanthius Donatus löl. — Serrius 152. - Arasianus
Messius 163. — Macrobius. Cledonius 164. - Gonsentius. Pho-
cas. Priscianus 155. — Adamantius and Martyrius. Eugraphias
158. - Fulgentius. Diflferentiarum scriptores 159. — Glotaae
160. — Placidus 161. — Pseudodositheus 163. — Einzelnes zu
01o88a»ieD 166 — Corpus glossariorum 168.
Jahresbericht üw Vulgär- und Spätlatein (spätere latei-
nische Schrii tstelUr) 1 884- 1 890. Von Professor Dr. K a r 1
Sittl in Würzburg 226 286
Einleitung über das Vulgfirufeln im Allgemeinen 266. — Archais-
mus. Cicero 233. - Die Epigonen. Fronto. Apulejus 235. ~
Inhalts • Ve rzeichniss.
Dichter. Claadianaa Mamertos 236. — Die Bibel 239. — Kirchen-
▼ftter. Gr&cismus 241. — Umgangstpraohe 243. — Lautlehre
und Orthographie 246 ~ WortbilduDg 251. — Lexiliographie
2d5. — Synthese und Syntax 267 — Partilceln 268 — Poesie.
Ausouius. Glaadianus. Juvencus 261. — Dracontins. Corippua
262. — Commodianas 263. — Rhetoren. Fronto 263. — Pane-
gyrici 264. — Apollinaris Sidonios. Ennodins. Symmachas 265.
— Kirohensohriftsteller. Hieronymas 266 — Aogustinus. Pris-
cillianus 267. — Lucifer. Optatus. Cassianas 269. — Historiker.
Ammianus 270. — Justinns 271. — Eatropius. Orosius 272. —
Grammatiker. Donatus nnd Servius. Gellias. Porphyrio 273. —
Juristen 274. — Mediziner 276. — Vitravius. Silvia 277. — In-
aohriften 278. — Appendix Probi. Petronias 279. ~ (Mittellatein
279. — Romanisten 283.
Bericht über die Litteratur za Caesar 1883 — 1890.
Von
Professor H. J. Heller
in Berlin. •
Die jüngste Zeit ist ausserordentlich reich gewesen an Erscheinun-
gen der Caesarlitteratur. Zwar bat sich die Hochfluth der Einzelfor-
schnngen in Betreff der von dem römischen Feldherrn gelieferten Schlach-
ten nnd ausgefahrten Märsche und Unternehmungen» welche in Frank-
reich dem Erscheinen des Werks Napol^on's IIL vorangegangen sind,
verlaufen; die Gesammtausgabe der Gölerschen Schriften, die Ab-
handlung des Majors Jfthns, die Werke Heuzey's, Tissot - Reinach's,
Tissot's, Judeich's und namentlich des Obersten Stoffel haben den Ab-
schluss dieser Untersuchungen gebildet. Die bewährte Tbätigkeit Ditten-
berger's, Holder's, Dinter's, Menge's, Prammer's, Em. Hoffmann's, Eraf-
fert's, Fr. Hofmann's und Anderer ist in gewohnter Weise mit frischen
Leistungen hervorgetreten; ihnen hat sich letzthin H. Walther ange-
schlossen ; Rud. Schneider und Mensel haben f&r eine neue Richtung in
der Kritik der echten Schriften Caesar's eifrig wirksam zu sein begon-
nen, und ihren Spuren sind H. Walther und Richard Richter gefolgt;
im bellum civile haben Paul und Em. Hoffmann, im bellum Alexandri-
num Rud. Schneider und Landgraf, im bellum Africanum Landgraf und
Wölfflin, im bellum Hispaniense Fleischer mit kfthner und einschneiden-
der Hand neue und zum Tbeil bisher unbetretene Wege eröffnet. In
lezikographischer Hinsicht haben Holder, Preuss, Merguet, Menge-Preuss,
Mensel, Prammer, Wölfflin-Miodönski das denkbar Erschöpfendste ge-
liefert. Die Grammatik ist, wie man sehen wird, in Einzelabhandlungen
auch nicht leer ausgegangen. Ueber das Heerwesen haben Delbrück,
Fröhlich, Domaszewski neues Licht verbreitet. Ich selbst habe einige
Beiträge beigesteuert und werde auch hier einzelne Bemerkungen ein-
fliessen lassen, auch wo ich früher gefehlt habe, es ganz offen nach
meiner Gepflogenheit eingestehen. Wenn ich in meinen vorigen Jahres-
übersichten im Philologus manches Beachtenswerthe nicht erwähnt habe,
ist es nicht aus Yerkennung geschehen; es sind mir eben die Bücher
nicht zugeschickt worden, und ich habe sie doch nicht alle auf meino
JaXiresberiobt fUr Alterthiunswiseenschaft. LXVIII. Bd. (1891 II). i
2 Rfimuche HistorOrn*.
Kosten erwerben können. Sollte ich auch diesmal in denselben Fall
gerathen, bitte ich diese Aenssemng als Entschaldignng daf&r annehmen
zü wollen, nnd ich darf wohl nm so eher anf diese Nachsicht rechnen,
da ich, nach Eossner's Tode ursprünglich nnr mit dem Bericht Aber
1889 nnd 1890 beauftragt, die Uebersicht aber die Zwischenzeit von
1883 bis 1888 in Ermangelung eines andern Bearbeiters schleunig habe
fibemehmen müssen.
Bellum Gallicum.
C. Julii Caesaris Belli Gallici libri VIT. Accessit A. Hirtii über
octavns. Recensuit Alfred Holder. Freiberg i. B. und Tübingen 1882.
Mohr. Vin und 396 S. 15 Mk.
Holder hat seiner Ausgabe wenigstens tbeilweise eine neue Yer-
gleichung der wichtigsten Handschriften zu Grunde gelegt: den Bongar-
sianns I (A) und den Vossianus (G) hat er selbst verglichen; aus diesen,
wie aus dem Parisinus I (B), dem Moysaciensis (M oder nach Dinter Q),
dem Parisinus II (a) werden viele neue Aufzeichnungen beigebracht,
desto wenigere aus dem Komanus (oder Vaticanus 3864, bei Dinter M)
und Ursinianns (oder Vaticanus 3324, von mir mit g, von Dinter mit h
bezeichnet), so dass H. Schiller (Phil. Anz. XIII Suppl. Hft 2) bezwei-
felt, dass der Herausgeber diese letzteren Handschriften überhaupt ver-
glichen habe, Mensel (Philol Wochenschrift, Hirschfelder 1883 No. 2)
ihm vorhält, den Romanns nicht vollständig genug, Rud. Schneider (Jah-
resbericht XI) ihm dagegen vorwirft, den Thuaneus (Parisinus H oder
a) nnr mangelhaft benutzt zu haben. Ueberhaupt hat er die sogenann-
ten interpolirten Handschriften nicht nach Gebühr berücksichtigt. Man
verdankt ihm die jetzt fast allgemein üblich gewordene Bezeichnung des
Uebereinstimmens der bedeutendsten integri mit dem Zeichen a, des Zu-
sammengehens der wichtigsten interpolati mit dem Zeichen ß; es wird
jedoch vielfach bedauert, dass er fQr die einzelnen Handschriften, wie
Mher schon Frigell und Dübner, seine eigenen Zeichen angewendet und
nicht vielmehr die von Nipperdey aufgebrachten und von mir weiter fort-
geführten Bezeichnungen hat gebrauchen wollen. In der Orthographie
hat er, lediglich den Handschriften folgend, durchaus nicht Consequenz
angestrebt, wenigstens nicht bewiesen; man findet adtulit neben attulit,
inpeditos neben compleant, optinere und obtinere etc.; die Schreibung
au taliis (st aut taleis unserer Ausgaben V, 12, 4) und pos für post,
wenn sie sich auch in einzelnen Handschriften vorfindet, hätte wohl nicht
in den Text gebracht werden dürfen. Einzelne Formen, wie mensuum
st mensium VI, 18, 2, rediebat U, 8, 10, interiebant VII, 82, 6, wenn
auch durch die besten Handschriften beglaubigt, sind schon seit Jahr-
hunderten wenigstens aus den Drucken verschwunden, aber von ihm wie-
der eingesetzt Mit eigenen Emendationen ist der Herausgeber sparsam
Caesar. 3
gewesen: II, 3, 3 hat er drucken lassen Andecombogiam, nach Münzen
mit der Aufschrift Andecombo, st des handschriftlichen Andocnmboriam
oder Andebroginm; V, 12, 7 Essuvios st. Essuos oder Esnvios; VIII,
praef. 4 conquadrantibns st. des bandschriftlichen comparentibas und
der Gonjectur Chr. Schneider's cohaerentibns ; VIII, 4, 1, der Sache
nach richtig, centurioni bis tantnm nnmenim st. centurionibns tot milia
nummnm. Nach den Urtheilen der competentesten Kritiker ist demnach
die Ausgabe Holder's auch noch nicht als eine definitive anzusehen, ein-
mal weil sie, wie Mensel bemerkt, noch nicht alle möglicher Weise be-
deutsamen Handschriften zu Rathe gezogen, sodann, wie auch H. Schiller,
Rud. Schneider und Menge (Philol. Rundschau 1888 No. 29) nachweisen,
weil sie die bisher als den Ausschlag gebend angesehenen Codices nicht in
ausreichender Weise ausgezogen nnd zu Grunde gelegt hat: sie behält
gleichwohl ihren grossen Werth durch die Mittheilnngen aus den Hand-
schriften und durch den ihr angehängten Index aller Wortformen, von
dem später die Rede sein wird. Man vgl. auch Prammer's Anzeige in
der Ztschr. f. d. Osten*. Gymn. 1883.
G. Jnlii Caesaris commentarii de hello Gallico. Zum Schulgebrauch
mit Anmerkungen herausgegeben von H. Rheinhard Vierte verbesserte
und vermehrte Auflage. Stuttgart, Neff, 1883. VI und 246 S. 3,10 Mk.
Der Verfasser hat jetzt den Plan der Rheinbrttcke, den sein Sohn,
ein Baumeister, entworfen hat, und über den ich im Phil. Anzeig. XIV
berichtet habe, aufgenommen. Wahrscheinlich meinen Erinnerungen in
einem früheren Heft des Phil. Anzeig. Folge leistend, hat der Herans-
geber nunmehr die nicht zum unmittelbaren Verstäudniss einer Stelle der
Commentarien dienenden Erklärungen, welche jedoch sonst flir die Kennt-
niss des römischen Kriegswesens belangreich sind, in den »Addeudac zu-
sammengestellt. Nach Rud. Scbneider's Aeusserung (Jahresbericht XI)
»bat die Ausgabe nach dem allgemeinen Urtheil wirklichen Werth nur
als Bilderbuchc.
Unter dem Gesammttitel Philol. Streifzüge hat Gitlbaner, neben
andern Untersuchungen, auch Textkritische Forschungen über Gaesar*s
bellum Gallicum, Freiburg, Herder 1884. 1885 veröffentlicht (s. Philol.
Suppl. V Heft 2). Die Verschiedenheit der Ueberlieferung in a und ß
hat den Verfasser zu der Meinung gebracht, dass diese Abweichungen
von Interpolationen in der einen oder der andern Klasse der Hand-
schriften herrühren. Daraufhin hält er es für nöthig, den Text von sol-
chen angeblichen Einschiebseln zu reinigen Bei seinen handschriftlichen
Forschungen in Rom gerieth er auch auf einen codex Ottobonianns
1736, der »ungeheuer oft« die Stellen nicht enthielt, die er selbst, als
der Gefälschtheit verdächtig, bereits ausgemerzt hatte; es ist dies, wie
ich nachgewiesen habe, ein dem Andinus und Oxoniensis (i, k nach Din-
ter's Bezeichnung) verwandter, aber stark abgekürzter Godex. Nach
4 Römisch^ ^ii^riker.
dieser seiaer Weise hat er denn die Coroment4irien de belle Oallico in
demselben Verlage in zwei verschiedenen Heften, deren jedes mit einem
Wörterbuch versehen ist, erscheinen lassen; bei dem zweiten Hefte IIb.
TI—Yin bat er nicht die Zeit gehabt, die Streichungen noch in dem-
selben Hasse wie im ersten vorzunehmen. Wie ich, hat aach Rad.
Schneider das Verfahren des Herausgebers in der Kritik wenigstens der
Schrift Gaesar's gftnzlich abgelehnt Beide geben wir Proben von den
durch den Verfasser willkürlich vorgenommenen Ktlrzungen, Rud. Schnei-
der im Jahresbericht XI. Der Klasse ß räumt ftbrigens auch Gitlbauer
^inoA unbestreitbaren Werth ein. Man hat ferner durch ihn den Ver-
dacht eingeflösst bekommen, dass Holder den Ursinianus oder Vaticanus
a324 (nicht 3314, wie im Phil, verdruckt ist, von mir mit g, von Dinter
mit h bezeichnet) nur mangelhaft verglichen habe« S. auch Prammer in
der Ztschr. £. d. 5sterr. Gymn. 1884.
G. Julii Caesaris Belli Gallici libri VH cum A. Hirtü libro octavo.
In usnm scholarum iterum recensuit 6. Dinter. Lipsiae in aedibus
Teubneri MDCCCLXXXIIII.
In dieser zweiten Auflage, welche ich ausftlbrlich Phil. Suppl. V, 2
besprochen habe, hat Dinter von den Einleitungen nur die Vita Cae-
saris beibehalten, De libris a Caesare conscriptis, die Notitia codicum
und die Discrepantia scripturae weggelassen, und statt der letzteren eine
Scripturae inter hanc et priorem editionem discrepantia vorangeschickt;
unter diesen ziemlich zahlreichen Abweichungen, es sind etwa 180, be-
ziehen sich jedoch viele nur auf die Orthographie, wie bracchio, setius,
raedis etc. Manche Einklammerungen in den Handschriften befindlicher
sinnloser Wörter, z. B. VII, 78, 2 tempore, erschweren dem Schtüer die
Uebersicht, fUr den Lehrer würden sie auch nur durch eine kritische
Anmerkung verständlich und brauchbar gemacht werden können. Man
hat mit Recht die vielen Einschaltungen der interpolirten Handschriften
stillschweigend bei Seite geschafft, warum nicht auch die offenbaren
Schreibfehler der lacunosi? In manchen Fällen ist es ja auch doch
nicht möglich, bei einer aufgenommenen Emendation die handschriftliche
UeberKeferung zu bewahren, z. B. in der von mir vorgeschlagenen Um-
ateUung I, 17, 2 debeant; praestare; auch VII, 36, 1 kann die jetzt fast
allgemein aus ß aufgenommene richtige Lesart nicht zugleich mit Ein-
klammerung der in a befindlichen Schreibfehler zu Gesicht gebracht
werden. — Den Nachweis, woher Dinter die von ihm sufgenommenen
Lesarten entnommen habe, findet man nicht überall genau angegeben:
zu IV, 20, 3 fuhrt er bei septentriones Holder an, man liest es längst
bei Seyffert, Kraner etc.: VI, 9, 7 rührt vellet nicht erst von Holder
her, es findet sich schon bei Kraner (1863) etc. — I, 2, 1 schreibt Din-
ter jetzt^ Oudendorp und Holder folgend, schwerlich mit Recht, M. Pu-
pio Pisone, I, 44, 8 giebt er^im Accusativ Pluralis omnes und zwei
Ghesar. 5
Zeflen darauf ofnnis; VII, 74, 3 nach Holder &t. pares der ersten Auf-
lage paris, ohne es in der Scriptnrae discrepantia anzugeben; di^ Uü*-
gldichheit des Genitivs Pluralis mensum 1, 5, 3 und mensium VI, 18« 2
muss in einer Schulausgabe störend wirken und brauchte nicht bewahrt
zu bleiben, da für die letztere Form auch in der ersten Stelle ß hin-
reichende Gewähr bietet. Von den vielen Streichungen Paulis (Zeit-
schrift für Gymnasialwesen), welche Holder fast ausnahmslos annimmt,
erkennt Dinter nur I, 16, 4 pabulationibus, und dies, wie ich gezeigt
habe, mit Unrecht, I, 39, 4 Vulgo - obsignabantur, YH, 19, 2 in ciyi-
tates und VII, 40, '6 deditionem significare, vielleicht aucb das letztere
ohne Grund, an Demselben Gelehrten folgend, giebt er, ohne Noth, wie
ich a. a. 0. gezeigt habe, VI, 39, 4 dispecta st. despecta und VII, 40, 6
dispici 6t. despici, und VII, 44, 3 hunc locum st. des handschriftlichen
blossen hunc, das von Oudendorp in binc verwandelt worden ist, und
das die interpolirten auslassen, welche die Neutra silvestre et angustum
darbieten, denen H. Walther 1887 auch gefolgt ist. Von Em Hoffinann
ist VII, 75, 3 sena Andibus st des zweiten Senonibus, von Menge VII,
74, 3 equitatus discessu, wodurch die Stelle keineswegs geheilt wird, an-
genommen. Von eignen Aenderungen Dinter's sind zu verzeichnen: li,
SO, 4* coUocare posse st des blossen collocare, wohl nicht nöthig, V,
13, 7 gegen die Handschriften viciens centenum milium st. vieles cea»
tum milium; VI, 13, ^ wird das schon früher von ihm conjicirte quibu6
hinter nobilibus, das Holder aufgenommen hat, nach dem Vorgang dieses
Kritikers nunmehr in den Text eingestellt , obwohl der Satz auch <^e
diese Zufügung bestehen kann, abef allerdings mit ihr deutlicher wird;
auch in I, 24, 6 hat Holder die von Dinter vorgeschlagene Einfügung
von spatio hinter passuum befolgt, und Dinter hat sie daraufhin erst in
seinen Text aufgenommen. Wie Holder selbst, hat auch der Heraus-
geber dieser neuen Auflage, der jenem vielfach folgt, wo es irgend an-
geht, die LfCsart der Klasse a bevorzugt; so beh< er Vil, 36, 4 per-
spiceret bei gegen periclitaretur der interpolirten, für das sich jetzt auch
Em. Hoffoiann (1890), trotz seiner Vorliebe für die integri, entschie-
den hat
C. Julii Caesaris commentarii de hello Galileo. Scholarum in
usum edidit Ignatius Prammer. Pragae, Tempsky, Lipsiae, f^rey-
Ug 1883.
Obgleich im Allgemeinen Dttbner und Holder folgend, hat der
Herausgeber, durch die neuerdings gefnhrten Untersuchungen veranlasst,
sich doch in verschiedenen Stellen der Ueberlieferung der interpolirten
Handschriften angeschlossen, und mehr noch als früher in der 1889 er-
schienen Auflage, welche aliein im siebenten Buche 19 weitere Aende-
rungen auf Grund von ß aufweist. Die Accusativendangen auf is, das
Gerundivum auf undus und den Superlativ auf umus hat Prammdr den
6 Römische Historiker.
Schülern vor enthalten oder vielmehr ersparen zu müssen geglauht. Eigen-
thümlich sind dem Verfasser folgende Lesarten: I, 1, 5 ea pars (st. eo-
rom una pars); I, 2, 4 qua ex re, mit cod. Andin. (i) (st. qua ex parte);
15, 3 a novissimo agmine, mit ZufQgung der in solchen Fällen üblichen
Präposition; 16, 6 wird frumentum hinter cum eingeschaltet; 25, 5 mons
aberat (st mons snberat); 29, 2 quorum omnium (st. quarum omnium
rerum); 30, 2 wird populi Romani hinter injuriis ausgelassen; 31, 13
non posse se — sustinere, mit Pluygers, mit Zufilgung von se (st. non
posse — sustineri); II, 10, 4 convenire, nach PoUe's Vermuthung (st.
convenirent); 22, 1 diversae legiones, nach Whitte^s Coi\jectur, welche
auch Walther 1887 aufgenommen hat (st. diversis legionibus); 25, 1 de-
serto loco, mit Einschiebung von loco, nach Elussmann's Vorschlag;
29, 3 dejectusque, nach Vielhaber, was auch Walther und Em. Hoffmann
aufgenommen haben (st. despectus); 32, 3 re renuntiata, mit Paul, weil
das Simplex bei Caesar nicht mit ad vorkomme, und so auch Walther
(st. re nuntiata); III, 15, l dejectis (st. disjectis), Paul, dem jetzt auch
Dinter und Walther gefolgt sind; V, 9, 1 ei praesidio navibusque, und
so auch Waltber, nach Eraffert (st. et praesidio navibus oder navibus-
que); 12, 1 praedandi, nach Eraffert (st. praedae); 24, 4 wird res hin-
ter plures eingeschaltet, Pluygers, was Walther angenommen hat; 25, 5
wird hibernis auf Vielhaber's Vorschlag einfach ausgelassen, was Wal-
ther befolgt hat; 43, ö wird eo die, wegen des kurz vorhergegangenen
hie dies einfach weggelassen; 44, 3 spectas, mit a (statt des sonst all-
gemein gesetzten exspectas in ^); 44, 12 (11) delatus, Paul, (st. dejec-
tus), und so auch Menge und Walther; 45, 2 summamque, Paul, dem
auch Walther gefolgt ist, (st. suamque); VI, 29, 1 Suebos omnes und
nachher Germani, ohne omnes; VII, 14, 5 vermuthet Prammer commu-
nis salutis, ohne communis dem Text einzuverleiben; ebenda ad Bojos,
Eraffert, (st a Boja); 27, 2 inter castra vineasque, nach meinem Vor-
schlag, dem auch Holder gefolgt ist (st intra castra oder vineas) ; 28, 5
ejecerant, mit ß^ und so auch Walther und Em. Hoffmann, ohne es an-
zumerken; Menge hat ejecerunt beibehalten, wie auch Dinter; 35, 4 ita
apertis, Deiter, (st captis); 50, 2 insigne pactum, nach meinem Vor-
schlag, den auch Menge angenommen hat, (st des handschriftlichen pa-
catum, das sonst in pacatorum verwandelt worden ist) ; 62, 2 quod ipse,
Vielhaber, (st quid ipse), und so auch Dinter 1884 und Walther, aber
nicht Menge und Em. Hofftnann; 62, 10 wird mit Whitte die tertio hin-
ter inde zugefügt, was Dinter, Walther und Menge angenommen haben,
aber nicht Em. Hoffmann; 64, 1 wird von Prammer und Menge huc
weggelassen, das Dinter 1884 wieder zufügt, während Walther vor dem-
selben noch denique der Handschriften beibehält, vorher dieraque ei rei
constituit gebend; 70, 3 wird relictis gestrichen, ebenso von Walthcr,
aber nicht von Menge, Dinter und Em. Hoffniann; 74, 2 ne autem, nach
Hand (st. ac ne), ebenso jetzt Dinter, Walther, Menge, Em. Hoffmann;
Caesar. 7
75, 1 cuiqae civitati, mit ß^ ebenso Waltber; dagegen behalten Dinter,
Menge und Em. Hoffmann die Lesart cuique ex civitate aus a bei, und
Menge erklärt ex civitate >je nach der Grösse des Landest, während
Eraner ex civitate »partitiv von numerum abhängige sein lässt, das
Alles, um nicht die Lesart der interpolirten aufzunehmen; VIII praef.
2 wird Galliae hinter rerum gestarum weggelassen, ebenso von Menge
und Walther, aber nicht von Pinter und Em. Hoffmann; VIII, 4, 1 wird
se vor sestertios eingefügt, was die aufgenommene Co^jectur Vielhaber^s
condonaturum (st condonanda) nöthig zu machen schien; Menge bebält
das handschriftliche condonata mit Aenderung der Interpunction bei;
ebenda III (d. i. terna) milia, wofür Menge sachgemäss bina gesetzt hat,
welches auch Walther giebt (st. tot milia, das Holder in bis tantum
verwandelt hat, dem Prammer jedoch alterum tantum vorziehen würde);
19, 7 wird tamen hinter victi ausgelassen, als aus der folgenden Zeile
dahin verirrt; 24, 3 ist illorum hinter impetu fortgeblieben, für das
Andere eorum aus ß gesetzt haben; 27, 5 [in itinere]; 49, 2 sub de-
cessum suum, mit ß^ so auch Walter (st. sub decessu suo); 52, 5 sena-
tus consultum per discessioncm , mit Auslassung von se hinter per,
Mommsen, so auch jetzt Dinter, Walther, Em. Hoffmann, aber nicht
Menge; ebenda evicerunt, Madvig (st jusserunt); so auch jetzt Dinter
und Walther, aber nicht Menge; Em. Hoffmann nimmt vor jusserunt
eine Lücke an; Holder schreibt, nach Pantagathns, intercesserunt; ebenda,
mit Jurinius, morando, und so auch jetzt Dinter, Walther, Em. Hoff-
mann (st. moderando, das Menge beibehält); 53, 1 M. Marcellus; 55, 2
wird das vereinzelt stehende Schlusswort contendit von Prammer und
jetzt auch von Dinter fortgelassen.
C. Julii Caesaris commentarii de hello Gallico. Nach Text und
Kommentar getrennte Ausgabe für den Schulgebrauch von Rud. Menge*
Gotha, Perthes. Drei Bändchen 1883—1885. (S. Rud. Schneider,
Jahresberichte XI, XII, XVI).
Der Herausgeber hält, wie bekannt, grundsätzlich an der in a vor-
handenen Ueberlieferung fest, auch an einigen Stellen, wo Nipperdey die
in ß gegebene Lesart aufgenommen hat, so I, 43, 9 postulavit eadem
ohne das in ß vor eadem stehende deinde; I, 49, 3 terrerent (st. per-
terrerent in ß)\ II, 34 deditionem (st. dicionem); IV, 2, 2 prava (st.
parva); VII, 38, 5, wie Frigell, multos equites (st. des blossen equites);
ausserdem bevorzugt er a: VII, 4, 7 jussit (st. jubet); VII, 80, 8 in
castra (st. ad castra); VIII, 25, 2 exercita (st. exercitata). Dagegen
schliesst er sich doch auch hier und da an ß an, so II, 4, 6 durch Bei-
behaltung des von mir vertheidigten fines, und 15, 4 durch Zulassung
des gleichfalls von mir in Schutz genommenen ad luxuriam pertinentinm;
II, 16, 2 giebt er mit Frigell Atrebatibus (st. Atrebatis); UI, 8, 4,
gleichfalls mit Frigell, acceperint (st. acceperant); IV, 1, I a finibus
8 ROmisdie Historiker.
(8t ab — ), und so auch Walther; lY, 2*1, 1 facturos sese, wo j^dodi
Dach Frigell die interpolirten sese facturos bieten, das Walther hat (st.
factnros esse); V, 24, d in Belgio (st. in Bclgis); V, 42, 8 cogebantor
(st des in a gegebenen videbantnr oder dafür eingesetzten nitebantar);
VI, 22, 2 quique nna (st des in a gebotenen qui cnm nna, für das ich
qiii tum nna yorgeschlagen habe); YII, S5, 6 cum — caperet (st. cum
— ceperat); YII, 54, 2 daret (st. dare); YIII, 89, 4 se snbseqneretur (st.
des blossen snbseqneretur), so auch Walther; YIII, 41, 5 adaeqnaret,
wie auch Walther (st. aeqnaret). Weniger glücklich giebt er YIII, 15, 6
nt consederant (st ubi consederant in ß und ut consneyerant in a). —
Aus Rücksicht auf die Handschriften einige Lesarten, die aus nnsem
Ausgaben verschwunden und zum Theil schwerlich annehmbar sind, so
II, 22, 1 delectns coUis (st. dejectus collis); lY, 26, 5 non potuerunt
(st Lipsius' Aenderung non potuerant); Y, 16, 4 haec als Plnralis des
Femininums; YII, 26, 8 haec facere (st hoc — , was das folgende id ver-
langt); Vin praef. 2 comparentibus; VIII, 14, 2 in suis — castris (st
des allgemein daftlr gesetzten pro suis — castris) ; YIII, 48, 8 quod ubi
malum — evitavit, graviter vulneratns — refertur in castra (st quod
malum oder quod ibi malum bei Em. Ho£Emann — evitavit Graviter
oder At graviter oder Äc sie proelio secundo graviter, bei Em. Hoff-
mann, vulneratns — refertur etc.).
Ausser den schon oben bei Prammer's Ausgabe angeführten oder
bereits anderwärts erwähnten Lesarten sind in Menge's Text noch be-
merkenswerth: I, 26, 8 raedasqne, mit Meiser, was Walther adoptirt
hat (st rotasque); I, 41, 4 ex Gallis, wie schon Giacconins vorgeschla-
gen hatte, und ebenso Walther (st ex aliis); lY, 25, 6 ex proximis primi
navibus, mit Madvig (st. ex proximis primis navibus der Handschriften,
von welchen Worten man primis auszulassen pflegt); YI, 28, 4 et vitae
— habeant, nach Kraffert, (st ut vitae — habeant); YII, 28, 5 pedum
quadragenum, nach Hotomann, und so auch Walther (st. pedes quadra-
genos); VU» 82, 5 divisum populum in suas cugusque eorum clientelas,
mit Zufttgung von in, nach Scaliger; YIII, 20, 2, mit Umstellung, nach
Hotomann, cognita calamitate, omnibus adversis, während Walther das
erstere, Em. Hoffmann das letztere weglassen; YIII, 48, 2 in mnrisque,
mit Forchhammer (st. des blossen murisque).
Yon eigenen Yermuthungen setzt Menge in den Text: I, 41, 1 ala-
critas — iojecta est, und so auch Walther (st. innata est); II, 19, 6
eadem enim (st eadem autem); lY, 8, 3 quam sunt — ceteri, sunt hu-
maniores, mit Beibehaltung des ersten sunt, das in den Handschriften
steht, aber gewöhnlich ausgelassen wird; Y, 18, 6 angulus alter (st. an-
golns lateris); Y, 42, 4 milium — trium (st. XY), nach Thomann; VI
80, 2 Nam ut magno — (st Nam sicut magno - und st Frigeirs Nam
magno nt — ); YII, 65, 5 reliquisque sedentibus equitibus Romanis, mit
Zufügung von sedentibus (wegen des in einigen Handschriften befind-
GMsar. 9
lieben sedent), welches heisBen soll berittenen, im Besitz von Pferden
befindlichen römischen Rittern; VII, 69, 7 castra — VIII castella-
qae (st castra ibique castella); VII, 73, 4 cirros (st cippos) mit der
ErklAmng: »wie Köpfe mit nat&rlich gelocktem Haar sehen die so her-
gerichteten Baumkronen ausc; dass mit der Lesart equitatus discessu
in VII, 74, i der Sinn der Stelle nicht hergestellt ist, habe ich Philol.
Snppl. V S. 366 auseinandergesetzt; VII, 77, 6 Atqni ego (st Atqne
ego); VIII, 13, 2 e resistentibns, mit Zufügung von e; VIII, 9, 3 pro
loco ac ratione (st. pro hac ratione der Handschriften und pro portione
Madvig's und Kraffert^s, das Walther aufgenommen hat). — K. Wald.
Meyer greift N. Jahrb. 1883 II S. 494-511 die Bibliotheca Gothana, ztt
welcher Menge's Ausgabe gehört, und namentlich diese letztere an, weil
sie den Tertianern eine zu weitgehende Unterstützung biete (ebenso
Rud. Schneider Berl. Phil. Wchschr. 1884 8. 208); Menge vertheidigt
sich und die Bibl. Goth. N. Jahrb. 1884 II S. 177—188. Ich kann nicht
finden, dass Menge in der Erleichterung der Schiller zu weit gehe. Da^
gegen möchte die Anhäufung gelehrter Anmerkungen, wie sie in Schul-
ausgaben jetzt vorgenommen wird, für sie eher belästigend und störend
werden, wenn man nicht wüsste, dass sie sich das Durchlesen derselben
zu ersparen pflegen.
C. Julii Caesaris oommentarii de hello Gallico erklärt von Fr. Era-
ner. 14. Auflage besorgt von W. Dittenberger. Weidmann 1886.
In dieser neuen Auflage hat der Herausgeber sich noch weiter als
in der vorhergehenden an die Ucberlieferung von ß angeschlossen: im
siebenten Buche sind allein 27 Stellen, darunter 36, 4 periclitaretur
(st perspiceret) neuerdings nach diesen Handschriften geändert, welche
zusammen mit den 71 Lesarten, welche auch Nipperdey aus ß in den
Text hatte aufnehmen müssen und den sieben, die in der 13. Auflage
schon berücksichtigt worden waren, zusammen die stattliche Zahl von
107 ergeben. Nach diesem Vorgang der in gewissem Sinne leitenden
Ausgabe lässt sich erwarten, dass der Werth dieser Handschriften auch
von den übrigen Heransgebern, die ihn noch nicht recht gewürdigt ha-
ben, mehr und mehr anerkannt werden wird. Dem Wunsch Geyer's ( Jah^
resbericht XI S. 145) Folge leistend, hat die Verlagsbuchhandlung eine
neu gezeichnete Karte beigefügt; die Unzulänglichkeit der vorigen habe
ich bereits viel früher an Beispielen nachgewiesen. Die 1890 erschie-
nene 16. Auflage ist in der Berücksichtigung der Lesarten der Klasse
ß noch weiter gegangen als die vorhergehende; man braucht, um sich
davon zu überzeugen, im Kritischen Anhang nur die Namen der Ge-
währsmänner zu mustern: Meusel, R. Schneider und R. Richter (im sie-
benten Buch), die jetzigen Verfechter dieser Ueberlieferung , erscheinen
da so häufig wie kaum ein anderer. In einigen Fällen hat sich der
Herausgeber ihr noch nicht angeschlossen; so VII, 8, 4, wo er ue ab
10 Römische Historiker.
bostibus diripiantur schreibt, mit Yerwandlung des in a stehenden neve
und st. des in ß überlieferten neu se ab bostibus diripi patiatur. Von
neuen eigenen Aenderungen habe ich zu erwähnen: I, 62, 6 werden die
Worte et desuper vulnerarent, als von einem Leser zugefügt, eingeklam-
mert; II, 35, 3 Turonos (st. Turones), nach Tac. Ann. III, 41, 46 und
Mfinzcn bei Desjardins, Geographie de la Gaule II, 482, und, hinter Tu-
ronos, quaeque mit Frigell und Dübner (st. Turonesque, quae), wofür
jedoch im Anhang f&lschlich quaque gedruckt ist; III, 1, 1 Varagros
(st Yeragros), mit Kiepert, Inschriften und Plin. N. H. III, 137; 8, 4
acceperint — malint (st. acceperant — mallent), wovon übrigens acce-
perint aus ß schon bei Frigell, Walther und Em. Hoffmann zu finden
und malint gleichfalls in ß vorhanden ist; 11, 4 sint (st. sunt) wegen
der indlrecten Rede hat auch schon Walther; 33, 4 pronuntiari (st. pro-
nuntiare), nach einigen Hdschr. von ß^ und so auch Walther; 44, 6 pro-
grediendi, mit ß (st. regrediendi); 64, 4 Ac tantum (st. des blossen
Tantum und des von Paul vorgeschlagenen At tantum); VI, 29, 3 Vol-
cacium (st. Volcatium); VII, 6, 4 qui eo tempore (st eo tempore qui);
18, 1 insidiandi causa, mit ß (st. insidiarum causa); 24, 1 longum pe-
des CCCXXX (st. des hdschr. latum — und st. Em Hoffmann^s [latum]
pedes CCCXXX longum); 40, 7 perfugit, mit ß^ (st profugit); 44, 6 ho-
mines (st. omnes); 46, 5 nuda, mit ß^ (st. nudata); 63, 1 quod incom-
modum, mit Zufügung des letzteren Worts (st. des blossen quod) ; 53, 4
ad flumen Elaver pervenit, pontem reficit, mit Zufügung von pervenit
(st ad flumen Elaver pontem reficit); 62, 8 in praesidio, und so schon
Walther (st des blossen praesidio); 71, 5 qua erat nostrum opus inter-
missum, nur nach Haun. I (e), wofür Walther mit Frigell qua nostrum opus
erat intermissum giebt (st. qua opus erat intermissum) ; 90, 4 His [litte-
ris] (st Em. Hoffmann's His ex litteris); VIII, 16, 1 auderent, mit ß
(st possent in a); 15, 6 wird nicht nur namque — declaratum est, son-
dern auch ut consueverant weggelassen; 20, 2 [cognita calamitate], was
nach der 14. Auflage Waltber ganz fortgelassen hat; 29, 2 perterrita
acies, mit ß (st. perterritae acies); 40, 1 ist Caesar am Anfang des Ka-
pitels gestrichen; 45, 10 nulli, mit ß (st. nullis); 60, 4 necessitudine,
mit ß (st consuetudine aus a)\ 62, 3 potuit adduci (st. adduci potuit),
nach dem Jadrensis, und auch nach /9, wo jedoch fälschlich abduci steht
C. Julii Caesaris commentarii de hello Galileo für den Schulge-
brauch erklärt von Dr. H. Walther. Paderborn, Schöningk. 1882
—1888.
Der Verfasser dieser neuen für die Fassungskraft des Tertianers
berechneten Schulausgabe hat neben der sprachlichen Seite der Erklärung
auch die sachliche, welche in der Rheinhard'schen Ausgabe zu einseitig
berücksichtigt worden sei, in's Auge gefasst. Die Einleitung beschränkt
sich auf das Leben Caesar's bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges und
Caesv. 1 1
auf die Abfassung seiner Denkwttrdigkeiten zum gallischen Kriege.
AUes, was die technischen Fragen der Militärverfassung anbetrifft, ist
jedesmal an der betreffenden Stelle in den Anmerkungen kurz behan-
delt. Das erste und zweite Heft, Buch I — IV, ist noch nach Nipper-
dey^s Text gedruckt; HefL drei und vier, Buch Y — VIII geben einen
von dem Verfasser selbstständig veranstalteten Textabdruck, in dem er,
wie gleich ersichtlich sein wird, der Handschriftenklasse ß mehr als bis-
her folgt Bei dem Bau der Rheinbrücke IV, 17 schliesst er sich an
meine Angaben an; nur ab extrema parte erklärt er, und gewiss nicht
richtig, »am oberen Endet; dass die fibulae hier und nicht am untern
Ende, d h. unter dem Wasser, durchgeschlagen wurden, brauchte nicht
erst gesagt zu werden und ging ausserdem aus der Lage der bipedales
trabes hervor; somit ist ab extrema parte entweder vollständig über-
flüssig, oder man muss es wie ich erklären, jedesmal an den Kanten der
utraque tigna vorbei und nicht, wie sonst in derartigen Fällen üblich,
durch sie hindurch. — Auf mehrere Versehen des Verfassers in seinen
geschichtlichen Erläuterungen hat Rud. Schneider im Jahresbericht XI
aufmerksam gemacht, auch nachgewiesen, dass einige Satzerklärungen
der für Schüler nöthigen Deutlichkeit ermangeln, theilweise ganz unver-
ständlich sind. S. auch Eussner, Wochenschr. f. klass. Philol. 1889.
Dr H. Walt her. De Caesaris codicibus interpolatis. Programm,
Grünberg 1887.
Der Verfasser nimmt eine Durchsicht der besonders seit Nipper-
dey mit dem Namen interpolati bezeichneten Codices oder der Klasse ß
vor. Das Ergebniss der auf die beiden ersten Bücher beschränkten
Untersuchung ist, dass wo der Paris. II (a) von dem- Ursinianus (Vati-
canus 3324, von mir mit g, von Dinter mit h bezeichnet) abweicht, die-
jenige Lesart für die der Klasse ß zu halten sei, in welcher die übrigen
interpolati mit ihm übereinstimmen, und dass da, wo h mit den integris
übereinstimmt, die Lesart des Urcodex vorliege. Die hier und da in den
Handschriften der Klasse ß von einander abweichende Ueberlieferung
legt, so schliesst er weiter, den Herausgebern die Verpflichtung auf, an
solchen Stellen die einzelnen Manuscripte namhaft zu machen und sich
nicht mit der Klassenbezeichnung ß zu begnügen. Dasselbe gilt übri-
gens auch von der Klasse a. Sodann führt er/ ausser den von mir
Philol. XVII zusammengestellten Lücken der jetzt mit a bezeichneten
integri oder lacunosi, noch eine ganze Zahl von Auslassungen an, welche
aus der Klasse ß ergänzt werden müssen ; und zählt schliesslich, nament-
lich aus dem VII. und VIII. Buch, die Stellen auf, in welchen man noch
die Lesart der interpolati an die Stelle deijenigen der Klasse a einzu-
setzen habe.
12 Romische Hitlorikdr.
G. Jalii Caesaris de bellö Oallico commentarii Septem cum com-*
mentario octavo A. Hirtii. Recensttit H. Walther. Paderbornae et
Monasterii in aedibas Schoeningbii 1887.
Wie man aus den eben kurz ausgezogenen Forschungen des Ver-
fassers entnehmen kann, hat die Ausgabe desselben manche bisher xn-
rttckgewiesene Lesarten der Klasse ß aufgenommen und geht von allen
Schulausgaben am meisten von dem Texte Nipperdey's ab, sich dafbr
um ebenso viel demjenigen Christ. Schneider's nähernd. Viele der von
ihm gewählten WortausdrOcke und Satzf&gungen, die er mit andern theilt,
sind bereits oben angefahrt. Durch eine Bemerkung Rud. Schneider^s
in der BerL Philol. Wochenschr. 1884 8. 165 veranlasst, hat er IV, 17, 10
aus ß causa hinter deiciendi operis eingesetzt, während er in der Aus-
gabe mit Anmerkungen den blossen Genitiv noch als Genetivus qualita-
tis durch Beispiele zu erläutern versucht hatte, und das davor stehende
naves nach der Gonjectur desselben Gelehrten, wegen des von Plutarch
an dieser Stelle gebrauchten arsXd^^eae xa} $uXoe^^ in trabes verwandelt.
Nach meinen wiederholten Ausführungen Philol. XV 858, XXX 588 hat
er in, 12, 1 das handschriftliche quod bis accidit semper horarum XII
spatio drucken lassen, in der Adnot. crit mit dem Druckfehler quos;
auch V, 28, 4 nach meinem Vorschlage Philol. Suppl. V 384, das, trotz
Menge's Einwendung (lieber das Relativum in der Sprache Cäsars S. 13),
von mir noch immer fttr unrichtig gehaltene et vor prioris commeatus
gestrichen; V, 26, 3 hat er von Paul angenommen decumana porta (st
una ex porta). Von eigenen Aenderungen des Verfassers finde ich an-
zumerken: I, 10, 5 hat er oppido vor Ocelo eingef> (s. Rud. Schnei-
der Berl. Phil. Wochenschr. 1885 S. 918); I, 11, 4 hinter Aedui, st. des
von Dinter angenommenen quo, ein atque eingeschaltet und dadurch die
Streichung des Namens Aedui unnöthig gemacht; I, 29, 2 schreibt er
quorum omnium numerorum (st. quarnm omnium rerum, das auch von
Andern als unrichtig erkannt ist); VII, 35, 4 dimidiaüs quibusdam co-
hortibus (st. des handschriftlichen captis — , für das Andere detractis,
distractis etc. eingesetzt haben); VII, 69, 1 Ipsum erat oppidum posi-
tum [Alesia] in colle summo, mit Zufttgung von positum und Weglassung
des von ihm eingeklammerten Namens Alesia, der hier um so unnOthiger
ist, als er kurz vorher angegeben worden war; VII, 82, 5 divisum po-
pulum, divisas cujusque eorum clientelas, wegen des auf clientelas be-
zogenen Ausdrucks des Metaphrasten dej^pv^vtae und der von Hartz Gon-
Jectanea Gaesariana S. XII gegebenen Auseinandersetzung (st. divisum
populum, suas cujusque eorum clientelas, fftr das Scaliger die Einschal-
tung von in zwischen populum und suas empfohlen hatte); VII, 77, 15
Neque enim umquam alia condicione, nach ß^ (st Neque enim uUa alia
condicione); VIII, 5, 1 calamitate ceterorum docti, mit Madvig und
Koch, (st. calamitate ceterorum ducti); VIII, 19, 7 Victi tandem (st
Victi tarnen). Mit der von Walther befolgten Richtung in der Kritik,
OMsan J8
wie mw längst wissen wird, einverstanden, in den meisten Fällen weh
die von ihm getroffene Wahl der Lesarten billigend, kann ich mit bester
Ueberzengung die Aasgaben desselben den Amtsgenossen empfehlen.
Einen ähnlichen Zweck wie Walther verfolgt Richard Richter in
folgendem Programm:
Dr. Richard Richter, Kritische Bemerkungen zu Caesars Com-
mentarius VII. de hello Galileo. Programm, Stargard in Pommern«
1889.
Der Verfasser liefert zu dem, was ich, hauptsächlich im Anschlnss
an Ohr. Schneider's Ausgabe der Eommentarien de hello Gallico, unter-
nommen, und was in jOngster Zeit Rudolph Schneider und Mensel mit
so grosser Beharrlichkeit und mit so vielem Erfolge fortgesetzt haben,
und was neuerdings auch von Walther, De Caesaris codicibns interpo-
latis, Programm, Grüneberg 1887 (s. Philol. 1890) weiter ausgeführt wor-
den ist, nämlich zur Vertheidigung und Empfehlung der von Nipperdey
angefochtenen und geringgeschätzten Handschriitenklasse )9, einen dankens*
werthen Beitrag. Besonders bei der Vergleichung der Lesarten des sie-
benten Buches hat sich ihm die Ueberzengung von der Gleichbereohti-»
gung dieser Handschriften mit der von Nipperdey bevorzugten Klasse a
aufgedrungen; auch hat er seine Untersuchung auf dieses Buch be-
schränkt Um seine Ansicht zu begründen, zeigt er zuerst an acht
Beispielen, »dass ß an gewissen Stellen bessere Lesarten als a bietet,
die nicht durch Korrektur entstanden sein kOnnen, dass also Nipperdey's
Korrektor ein blosses Phantasiegebilde istt; es sind dies: 86» 4 pericli-
taretur (statt perspiceretur oder perspiceret); 70, 3 coartantur (st coa-
cervantur, erst aus coacervati gemacht); 77, 10 Romanos — animine
causa (st Romanorum animos — sine causa); 15, 2 se prope explorata
Victoria — sperabant Deliberatur — placeat (st. explorata Victoria —
confidebant Dicebatur — placeret); 63, 6 conveninnt (st eodem con-
veniunt); 81, 1 atque earum principes donis pollicitationibnsque allicie-
bat (st atque eas bonis poUicitationibus alliciebat); 71, 5 qua (st
quam); 44, 1 bene gerendae rei (st bene rei gerendae). Im zweiten
Abschnitt seiner Abhandlung bespricht er zum Theil ausfnhrlich diejeni-
gen Stellen, welche Dittenberger nach MeuseFs und Rud. Schneider's
Ausführungen auf Grund von ß in den Text genommen hat; es sind dies
27, die er anfahrt, ausser sieben früheren; endlich empfiehlt er im
dritten Abschnitt derselben noch eine Anzahl anderer Lesarten von ß
zur Aufnahme, nämlich, und zwar diese wegen der Uebereinstimmung
von ß mit der Familie AM von a: 32, 1 reficit st refecit; 71, 4 tele-
rare st tolerari; 62, 6 etiam nunc st nunc etiam; 68, 2 secutus hostes;
36, 2 und 83, 4 civitatum und 89, 1 necessitatum ; 59, 1 Ligere; 66, l
ex ipsa coacta provineia; 90, 6 a finitimis; 48, 4 defatigati; und aus ß
allein die folgenden: 46| 6 iUo ad muniüonem st. illo munitionum^ 47, 2
lg Römische Historiker.
Absicht verfolgt, »nach und nach eine Schulausgabe herzustellen, die
auch den Bedurfnissen der Erwachsenen einigermassen gerecht werdet.
Für SchtÜer, welche den Caesar lesen, möchte schon jetzt , manches un-
brauchbar sein; z. B. I, 2, 5 belli atque fortitudinis = bellicae fortitu-
dinis, das sogenannte iv deä Suotv; angustos (prädikativ), nach pro »zu
enget, der Positiv, um zu bezeichnen, dass eine Eigenschaft f&r ein be-
sonderes Verhaltniss ungeeignet, unangemessen sei; vergl. longum est
VI, 8, 1 ; ebenso im Griech. mit Inf., z. B. Thuc I, 50, 5 öXt^rae dfjutvetv^
II, 61, 2 raTteevij . . . i^xoprepetu; I, 3, 1. His rebus adducü et auctori-
täte Orgetorigis permoti, zwei verschiedene (synonyme) Participia, um
jeden der beiden in Kap. 2 ausführlich erörterten und hier cbiastisch
wiederholten Beweggründe nachdrücklich hervorzuheben. Ich fürchte
doch hiemach, dass, um auch Erwachsenen gerecht zu werden, solche
Anmerkungen für den Tertianer aufhören eine Erleichterung des Ver-
ständnisses abzugeben, im Gegentheil ihn von dem Durchlesen derselben
überhaupt vielmehr abwenden könnten.
Zum bellum civile.
C. Julii Caesaris commentarii de hello civili. Edidit Guilelm.
Theod. Paul. Editio major. Vindobonae et Pragae. Sumptus fecit
F. Tempsky. Lipsiae Sumptus fecit G. Freitag. MDCCCi.XXXIX.
Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum edita curante Garolo
Schenkl. LXI et 136 p. Pretium 1,50 M.
Die in verschiedenen Sammlungen erscheinenden Abdrücke grie-
chischer und römischer Schriftsteller nehmen eine Mittelstellung zwischen
den kritischen Ausgaben und den Schulbüchern mit erklärenden An-
merkungen ein; für denjenigen, der in die handschriftlichen Grundlagen
des Textes genaue Einsicht gewinnen will, genügen die in den Ein-
leitungen gegebenen Vorbemerkungen nicht ; sie sollen eben nur Rechen-
schaft ablegen über die an einzelnen Stellen getroffene Wahl der Lesart
und über die Aufnahme der für nöthig erachteten Verbesserungen. Etwas
anders verhält es sich mit dieser Ausgabe PauFs: indem er die wichtig-
sten Varianten der massgebenden Handschriften vorzeichnet, selbst wenn
sie keine Aenderung der üblichen Lesart herbeiführen, auch die ortho-
graphischen Besonderheiten, sowie die vorzüglichsten Besserungsvor-
schläge, diejenigen nicht ausgeschlossen, welche er weiter nicht berück-
sichtigen zu dürfen glaubt, und darunter eine grosse Anzahl eigner Ver-
muthungen, nimmt er eine vollständige, zum Theil sehr durchgreifende
Revision des Textes vor, soweit eine solche wenigstens ohne erneute
Vergleichung der Handschriften sich bewerkstelligen lässt. Da er jedoch
andererseits, nach eigenem Eingeständniss, hauptsächlich den Zweck ver-
folgt, das Buch für die Schüler recht lesbar zu machen, und wohl nur
deshalb eine Menge sonst wenig gerechtfertigter Co^jectnren in den
1
Caesar. 19
Text einstellt, kann seine Ausgabe noch weniger als diejenige Dinter*s,
mit der sie am besten in Vergleich zu stellen ist, als eine rein kritische
Arbeit angesehen werden. Die Bezeichnung der für das bellum civile
ausschlaggebenden Handschriften h 1 a f (Ursinianus, Riccardianus, Thua-
neus oder Parisinus II, Vindobonensis I) wird, neben Mensel, auch auf
Nipperdey zurückgeführt, wodurch die Vorstellung erweckt werden kann,
dass h 1 (Ursinianus und Riccardianus) von diesem Herausgeber ver-
wendet worden seien; nur a f hat Meusel, von dem jene Bezeichnung
herrührt, mit ihm gemeinschaftlich; für die Uebereinstimmung der ge-
nannten vier Handschriften ist das Zeichen Z gewählt. Durch die Be-
vorzugung von hl und durch die Aufnahme zahlreicher Verbesserungen
oder doch Aenderungen ist der Text gegen frühere Ausgaben und nicht
bloss Nipperdey's, sondern auch Dübner's und Dinter's, vielfach abweichend
geworden. Ausser Dübner's Lesartenangaben haben von neueren Ar-
beiten besonders MeusePs Lexicon Caesarianum, Elberling's und Forch-
hammer^s Untersuehungen und Madwig's Textverbesseruugen dem Heraus-
geber gedient; auch von den übrigen neueren Emendationen sind viele,
namentlich von Koch, Kindscher, Kraffert, Vielhaber, Hartz, Hug, Dede-
rich, Dinter von ihm berücksichtigt oder doch erw&hnt worden ; manche
andere sind ihm entweder nicht zugänglich gewesen oder haben ihm
nicht erw&hnenswerth geschienen; an Vollständigkeit der Besserungsvor-
schläge darf man, bei einer Ausgabe dieser Art, überhaupt nicht wohl
Anspruch erheben. Und so ist denn auch nicht immer, was im Text
auf blosser Conjectur beruht, angegeben worden, z. B. I, 10, 2 deliberata
re, wo re in den Handschriften Wegen des folgenden respondent aus-
geblieben ist; nach der von ihm sonst befolgten Gewohnheit hätte re
schräg gedruckt werden müssen; ebenso I, U, 4 das von Nipperdey ein-
geschaltete spe, in I, 14, 5 das für das handschriftliche familiäres ein-
gesetzte familias, I, 22, 5 injuria für in ea re, U, 28, 2 cum vor contu-
melia, IT, 29, 1 animis und die sämmtlichen Aenderungen in diesem
Kapitel, II, 40, 2 usi für ut, IH, 37, 1 in vor castris etc. Wenn er da-
her auch an vielen Stellen angiebt, durch welche Handschriften die auf-
genommene Lesart gestützt ist, so wird sich der Kritiker doch nicht auf
die hier nothwendiger Weise unvollständig gebliebenen Nachweisungen
verlassen dürfen. Bei der bekannten Neigung des Herausgebers Ein-
schiebsel aufzuspüren, hat er auch im bellum civile in einzelnen Fällen
handschriftlich überlieferte Worte im Texte ganz ausgelassen, wie HI)
63, 6 exercitus adventus exstitit hinter Pompejani, und hier mit vollem
Rechte, und H, 10,5 tutoque, oder doch eingeklammert; so: I, 48, 7
caetrati, 58, 3 neque dum — cognitis, 60, 4 magna celeriter commutatio
rerum, 64, 4 ad vadum, mit Forchhammer, II, 1, 2 ad id mare quod
adigit (adjacet) ad ostium Rhodani, 10, 7 machinatione navali, 16, 1
[diu] longo [que], 16, 2 inaedificato [in] muris mit Gemoll, 21, 5 civi-
tatibusy 37, 4 castra munire, 41, 2 dal suis Signum, 44, 3 paucis diebus,
20 Römische Hntoriker.
III, 9, 3 crebris confecti vulueribns, 9, 7 inde tertia et qnarta, mit Hartz,
24, 2 veterani, 27, 2 ita vor at, 41, 5 militibus [que], 44, 4 perductas --
castella, mit Koch, 47, 2 adorti, mit Meusel, 62, 2 et hinter imponit,
66, 6 ac sine periculo, wof&r Andere, mit af, a periculo abhängig von
liberius beibehalten, 67, 3 minora, mit Hug, 83, 2 quod gestum in
Hispania diceret, mit Grater und Moros, 101, 5 circiter XL, mit Forch-
hammer, und propter eundem timorem, mit £. Hoffmann, und egerunt.
Cassius, mit Nipperdey, 107, 2 officio suo convenire, 109, 6 (6) occnpatus,
mit Madvig, U2, 2 angusto itinere et ponte, mit Schambach, und U
nutricius pueri et procurator regni, in parte Caesaris; endlich werden
noch verschiedene andere in der Einleitung als verdächtig bezeichnet,
darunter einige, ttber deren Annahme man bereits zur Tagesordnung
tibergegangen ist.
Die erst in jüngster Zeit gewonnene genaue Eenntniss der Ueber-
lieferung in h 1 hat einige unzweifelhafte Verbesserungen und verschiedene
nicht in gleicher Weise einleuchtende Aenderungen der Nipperdey^schen
Lesart und des Wortlauts anderer Ausgaben herbeigeführt; wo hier
keine Angabe gemacht wird, ist die Aenderung aus hl entlehnt. So
1,21,4 observent st. asservent; 31,3 ist in terra exponere gedruckt,
nach Z) wie schon sonst III, 23, 2; 40, 4 legiones IV st. III; 44, 1
concurrerent st. procurrerent; 45, 7 augebantur copiae st. augebatur copia;
wenn 47, 3 quod vor quinque horis gebracht wird, scheint dies eben
keine Verbesserung; auch ohne die handschriftliche Unterstützung von
af würde man versucht sein, durch Coi^ectur es dahin zu bringen, wo
es in allen anderen Ausgaben steht, nämlich vor iniquo; dagegen wohl
nothwendig tempus autem erat st. tempus erat autem; 51, 1 iter habeant
st. iter habebant; 54, 4 pontem institutum — perficit st. pontem instituit
— perficit; 56,3 haec statt bae, mit Hinweis auf b. Gall. V, 15, 4, wo
jedoch, wie hier, hae zu lesen ist; 58, 1 excipiebant ohne non; 61, 4
castra muniuntur st castra muninnt; 63, 1 castra coi^ungunt st. castra
jungunt; 64, 2 ferri signa st. inferri signa: 64, 3 centurionesque st. des
blossen centuriones; 67, 1 a Petrejo, nach f, st. ab Petrejo; 68, 2
inermes, nach f, st. inermi; 70, 5 impetum facit st. impetum fecit; 71, 1
idem st. id »wiewohl nicht richtig und vielleicht aus id ipsum entstandene,
und Omnibus partibus, »aber vielleicht omnibus precibusc, st. ex omnibus
partibus; 72, 2 optime meritos de se st. optime de se meritos, was ich
dagegen vorziehen möchte; 74, 5 quos illi evocaverant, nach hlf, st.
quos evocaverant; 76, 4 producat st. producatur; 77, 1 wird qui hinter
adversariorum gebracht, das sonst hinter Caesar steht; 83, 3 producitur
tamen, nach Z, st producitur tum; 84, 5 necesse habeat st. necesse
habeant; 86, 8 tot annos st. tot ani^s, und 9 in se aetatis ohne etiam,
das jedoch nicht gut entbehrt werden kann, nach h l f ; 86, 2 de loco et
de tempore, nach la, und 4 sacramento dicere st sacramentum dicere;
II, 7, 3 wird ad cognoscendum vor effudit hinzugefügt; 8, 1 wird ibi
Caesar 21
hinter si ausgelassen; 9, 3, tela tormentis missa st. immissa; eben da
wird, aus hif, trabes hinter has zugefügt und effecerunt st. effecerant
gegeben; 10, 1 sunt coniisi st. confisi sunt; n, 2 ab lateribus st. a
lateribus, und 4 ex illa quae suberat st. ab ea quae suberat; 14, 4
mensium st. mensum; 15, 1 latitndine, mit Z und Stoffel, st. der Con-
jectnr aititudine; 20, 3 sua sponte st. sponte sua, und 8 ac navium st.
et navium; 21, 2 populis st. publicis; 22, 1 proelio navali st. navali
proelio und 6 relinquit st. reliquit; 23, 1 quas acceperat a Caesare st.
des wohl üblicheren quas a Caesare acceperat, und 3 Hadrumetum st.
Adrumetum, und 5 ad C. Curionem st ad Curionem; 24, 3 derectum st.
directum; 31, 3 odia concilient st. odia coUigant; 32, 2 factum, inquit,
omnia st. factum omnia, inquit, und 8 non sibi — non proditi st- noune
sibi — nonne proditi, und 13 meura restituite nomen st meum nomen
restituite; 33, 1 etiam dicentem, nach f, sonst fehlt dicentem, und 4 tum
st. tunc und 6 jam se st. se jam und valloque st. et vallo; 37, 2 ac
litteris st et litteris und quibus omnibus rebus st. quibus rebus omnibus
und nisurum st. ausurum; 38, 3 cum omnibus copiis, jsonst ohne Prä-
position; 39, 4 hoc homini (nämlich Cnrioni) st hoc omne; 40, 1 sub-
mittit st. summisit und 4 deducit st ducit; 43, 4 ob timorem st. hoc
timore; III, 2. 3 atque eae st. atqne hae; 4, 4 Ptolomaeum (und so
durchweg) und 5 Domnilaus; 11, 4 pugnaturos ohne esse; 12, 1 ejus
adventu st. cujus adventu, und 2 Byllidenses st. Bullidenses; 13, 4 wird
hos vor tribuni eingeschaltet; 14, l accepit, mit 1, st. accipit und 3 in
cxiguo tempore, mit f, st. des blossen exiguo tempore; 15, 7 ab bis st.
ab iis ; 23, 2 in terra expositis ; 26, 2 increbruit st. increbuit (und eben
so 79, 4); 29,1 recepit, mit f, wegen juvit nöthig; 30, 6 ubi eum st.
enm ibi und castris st. in castris; 35, 2 und 36, 1 civitatium; 43, 1
commnniit st communit, mit f; 44, 1 faciendum non esse statnerat st.
statuerat non esse faciendum; 49, 4 adgesserat st. ao^ecerat und con-
tinerent st. coutineret ; 5 1, 3 finiri st. finire und non reprehendendum videtur st.
reprehendendum non videtur; 53, 4 GXXX, nach Plutarcb, st. GXX;
56 (55), 1 Q. Calenum st. Calenum ; 57, 3 compellare, mit h 1 a, st. com-
pellere; 58, 2 recepit st. recipit; 59, 1 ex (st. in) equitum numero und
Roucillus; 63, 5 contingeret, wofür durch Conjectur sonst coiyungeret
gesetzt ist, mit Z; 66, 1 ab specnlatoribus, mit h, st a speculatoribns
und '4, mit hl, eadem baecst. des blossen eadem; 67, 1 confirmaverant
mit hlf, st. confirmavernnt; 69, 2 Pompejana legio st. legio Pompejana;
70, 1 a (St. ab) Caesaris militibus, mit hlf; 72, l sibi wird vor vide-
rentur zugefügt; 72, 4 communes st. des Accusativs communis: 73, 1 ab
(st. a) superioribus ; 75, 1 ac conqniescere st. haec conquiescere , und 6
ipsi, mit h, st. ipsique ; 76, 1 intra vallum castrorum, mit hlf, st intra
castrorum munitionem; 77, 3 wird enim hinter Pompejus eingeschaltet;
79, 2 mit ah, derecto st directo; 80, 2 praeciicurrerat, mit If und der
Verbesserung in h, st praecurrerat, und 4 a (st. ab) Dyrrachio (st-
V.
22 Römische Historiker.
Dyrrhachio); 81, 1 primo, nach der ersten Schreibung in a, gegen Z,
st. primnm; 82, 4 ac de sacerdotiis, Z, mit Wiederholung der Präposition;
86, 4 tum, mit f, st. tunc ; 88, 1 animum advertit, mit h 1 a, und ebenso
93, 1, 94, 5 etc., dagegen animadversa 61, 3, animadversum est etc.;
88, 4 wird vor milia XLV noch numero hinzugefügt; 89, 1 cohortes in
acie LXXX constitntas habebat, laf, st. LXX, nach h oder LXXY
einiger Ausgaben; 92, 1 neque st. neve, trotz des Zeugnisses von hl
und »einiger Stellen Gicero'sc schwerlich zu billigen und 2 fecisse vide-
batur st. fecisse dicebatur; 92, 3 occurrissent, hlf, st. occucurrissent;
93, 2 ordines suos st. des blossen ordines, und 5 illae (nämlich cohortes),
Z, st. illi (nämlich die Soldaten dieser Gehörten ); 94, 3 oreretur st.
oriretur; 101, 2 quae sunt aptae, nach hl, wo jedoch apta geschrieben
steht; meist wird aptae weggelassen; 102, 3 dilectibus st. delectibus, und
4 conrogata st. corrogata; 104, l in procuratione, hlf, st. in ctiratione ;
105, 4 Pergamique st. des blossen Pergami; HO, 4 wird quorum vor
si quis eingeschaltet.
Goigecturen älterer und neuerer Kritiker, welche bisher nicht be-
rücksichtigt worden waren, haben an folgenden Stellen Aufnahme ge-
funden: I, 7, 2 quae superioribus annis sine armis essent restituta, nach
Hotoman, wo Vielhaber das in den Handschriften ohne sine enthaltene
armis fttr eine Dittographie des Worts annis hält; 10, 2, gleichfalls nach
Hotoman, mandata per eosdem remittunt, wo die Handschriften eos
geben; 11, 2 iturus esset, Mensel, st. iturus sit; 12, 2 cohortes ex urbe
educit, Aldus und Pluygers, st. reducit; 13, 5 ist at vor Gaesar, nach
Koch, als aus der vorangegangenen Sylbe entstanden, weggelassen, 14, 4
iis, Mensel, st. his; 18, 6 circummunire. Scaliger und Gobet, st. circum-
venire; 22, 1 custodiisque , Mensel, st. custodibusque, und 6 iiguria,
Koch, St. des handschriftlichen in ea re, und 6 conentur, Gruter und
Madvig, st. cogantur; 23, 4 lYviris, Mommsen, st. des früheren Ilviris
und des handschriftlichen ab iis oder his viris, und eben da eodem die,
Meusel, st. eo die; 27, 6 wird, nach dem Vorschlag Koechly's, cum vor
sagittariis eingeschaltet; 29, 3 vetere exercitu, Elberling, st. veterem
ezercitum; 30, 5 imparatissimus. Scaliger, st imparatissimis; 35, 3 de-
cemere, Oronov, st. discernere; 36, 5 iis, Meusel, st. his; 40, 1 Sicori,
Kraner, st. Sicore; 45, 5 leni, Hotoman, st. tenui, und passus, Meusel,
st. passuum; 51, 6 jumentorum, Eussner, st. impedimentorum; 59, l hoc
proelium, Giacconius, st. hoc primum, und 3 instituerant, Meusel, st.
constituerant; 61, 2 locis iis st. ipsi locis, nach Giacconius» der iis locis
vorgeschlagen hatte, und 4 conquiri, Hotoman, st. conquirere, und XXXX,
Goeler, st. XX; 62, 1 deduxerat, Achill. Statins und Giacconius, st. re-
duzerat; 64, 1 subsistere, Vascosani, st. sustinere und iter interrumpi,
mit Forchhammer, st. des blossen interrumpi, und 7 ablati flumine, mit
Dttbner, st. des handschriftlichen arma in flumine, woraus Andere ab-
repti flumine gemacht haben; 65, 1 consistit, Giacconius, und 2 reficit,
Caesar. 23
Oadendorp, st des handschriftlichen constitit and refecit; 66, 1 aquandi,
Kindscher, st. adaquandi; 6*7, 4 at luce, Giacconius, st. ad Incem, und
posse, Kindscher, st. per se ; 69, l nostros hinter prosequebantnr, Moms,
St. des handschriftlichen nee oder nos.nec, das sonst weggelassen wird,
nnd 2 efferebaiit, Pluygers, st ferebant; 71, 8 summi timoris; Pauly, st
sui timoris, und 4 aequo loco, Giacconius, st aliquo loco ; 74, 2 dein de
imperatoris fide quaerunt, Giacconius, st deinde imperatoris fidem
quaerunt, and 7 et eorum qui sine vnlnere, Dinter, st eorum qui etc.
ohne et; 75, l Afranius, Kindscher, st Afranio; 76, 6 terror oblatus,
Vossius, st terrore oblato; 78, 1 diernm VII, Dinter, st dierum XXII ;
79, 1 equitesque — sustinebant, das erstere nach Elberling, das andere
nach alten Ausgaben, st pinresque — snbsistebant, und 3 laborantibus,
Giacconius, st morantibus, und 5 auxilio, Madvig, st. auxiliis; 80, 4
reliquis iegionibus, Herzog (und Heller), st. relictis legionibus; 81, 3
castra castris conectunt, Pauly, st ^ — convertunt, und medebantur,
Madvig, st remedia dabantur, und 6 (7) quo essent ad iter, Manutius
nnd Faerni, st quo essent ad id ; 82, 3 isdem causis, Mensel, st eisdem
causis, und 4 spatii brevitate — ad summam victoria, Madvig, st. spa-
tii brevitas - ad summam victoriae; 84, 4 laborem, Giacconius, st. do-
lorem; 85, 9 nihil valere quin, Madvig, st nihil valere quod; II, 1, 4
evocat, Giacconius, st vocat; 4, 4 invisitatis, Elberling, st. des hand-
schriftlichen invisis latitatis; 6, 3 inferebat, Mensel, st inferebant; 9, 3
intra eam contignationem, Menge, st inter eam contignationem der Aus-
gaben und des handschriftlichen interea contignationem; 11, 1 de muro,
Mensel, st. des blossen muro; 14, 1 seposita, Mensel, st reposita und
[se] foras rumpunt, Apitz; 16, 1 qua aut telis, Forchhammer, st. des
handschriftlichen qua aut eis, fllr das sonst qua aut vi eingesetzt ist,
und 2 circummuniri, Aicard, st circumiri, und 3 spatii propinquitate,
Madvig, st spatio propinquitatis, und virtutem, Madvig, st. virtute; 17, 3
elatius, Giacconius, st latius; 18,4 medium, Hotoman, st. modios; 23, l
biduoque et nocte in navigatione consumpta, Giacconius, st. biduoque et
noctibus tribus navigatione consumptis, und 2 a Glupea, Giacconius, st
a Glupeis, und profugerat, Oudeudorp, st. perfagerat; 24, 2 Gastra
Gornelia, Mensel, st. castra Gorneliana; 25, 1 Bellica oder vielmehr Be-
lica, Hartz, st bellica, und 6 ad Gastra Gornelia naves traduxisset,
Mensel, nnd traduxissent, Paul selbst, st ad castra Gornelia vela di-
rexisset; 29, 3 cui quod liberet liceret facere. Schnelle, st quod Heere
sibi crederet libere facere, und offerretur, Elberling, st. offerrentnr, und
aeque enim, Glarke, st neque enim; 30, 1 quod id, Glarke, st quod in;
31, 3 at vero, Madvig, st aut vero; 32, 10 (11) [sij, Giacconius; 33, 3 (2)
consensu suorum omnium, Mensel, st conscnsu suo der Handschriften
oder Gonsensu summo der Ausgaben; 34, 6 adigi, Faerni, st abici;
35, 2 respexit, Mensel, st aspexit, und 6 (4) prohibebat, Manutius, st
prohibebant; 39, 5 proferebantur, Hotoman, st praeferebantur ; 44, 1
24 Römische Historiker.
ad naves, Ciacconins, st. des blossen naves, und 2 praemisit, Hartz^
st. remisit, und 3 invectus, Ciacconius, st. vectus ; III, 6, 2 Ceraunioram,
Yictorius, st. Germiniorum; 9, 2 vallo, Oehler, st. colle, und 5 quare
missis, Mich. Brutus, st. qui remissis der Handschriften, woraus in
manchen Ausgaben cui rei missis gemacht worden ist; 10, 5 Antonii,
Kraner, st. tanto, und 9 id interesse, Madvig, st interea et; 11, 1 Vi-
bullius expositus Gorcyrae, Giacconius und Madvig, st. Yibullius, bis
expositis Corcyrae, und quam, Ciacconins, st. antequam; 13, S praecepto
itinere, Giacconius und Madvig, st praefecto occupato itinere der
Handschriften, woraus Aldus schon praeoccupato itinere gemacht
hat; 15, 2 deligandi, Pluygers, st religandi, wohl unnötbig, man vergL
Hör. I, 32, 7, Yerg. Aen. Vü, 106 etc.; 16, 1 angusta (nämlich re fru-
mentaria), Kindscher, st. anguste; 17, 4 neque hanc rem illi esse impe-
dimento. Libo etc., Madvig, st neque hanc rem illis esse impedimenti
loco. nie ^.; 19, 8 altero die, Mensel, st. altera die, und atque una
visurum, ElJ[>erling und Madvig, st atque eundum visurum; 21, 5 ab eo
itinere, ü^sel, st des blossen eo itinere; 24, 3 unam ex bis quadri-
remibusf Mensel, st unam ex bis quadriremem; 32, 4 apparitornm,
Forchhammer, st. imperiorum, wofür Paul selbst interpretum setzen
möchte; 33, 1 ei rei, Achilles Statins, st ejus rei; 38, 4 wird, mit
Dinter und ohne Schrägdruck, quarum perpauci fnga salutem sibi reppe-
remnt hinzugefQgt; 40, 4 mole tenui naturali objecta, Nipperdey und
Madvig, st. molem tenuit naturalem objectam ; 42, 4 discripsit, Bttcheler)
st descripsit; 44, 3 in circuitu, Davisius, st circuitu ohne Präposition;
45, 6 legio — recepisset — esset, und 46, 2 legionem, Giacconius, st
legiones — recepissent — essent und legiones; 46, 3 confectis (st. des
handschriftlichen completis) Markland; 46, 3 et — transcendenint,
Giacconius, st ut - transcenderunt; 47, 6 [se], Heller; 48, 1 convalue-
rant ex vulneribus, Dinter, der in dieser Weise auf meinen Vorschlag
fiierant valetudinarii ex vulneribus eingegangen war, jetzt aber vacabant
ab operibus vorzuziehen scheint, st. des handschriftlichen fuerant valeri-
bus; 50, 1 wird aus alten Ausgaben alio excubarent hinzugefügt; 53, 1
ad duo miUa numero, Dinter, st. ad duorum milia uumero der Hand-
schriften, und 5 conlaudatumque, Dinter, st atque, und 6 veste, cibariis,
Giacconius, st. des handschriftl. vespetiariis oder vespeciariis; nach Nipper-
dey wird Kap. 56 vor Kap. 55 gebracht; 55 i56), 1 tela tormentave —
possent, Giacconius, st. telo tormentove — posset, und 3 amicitiae Gae-
saris, f und Giacconius, st amicitia Gaesaris; 57, 2 nihil adhuc efifecisse;
id arbitrari, Madvig, st. nihil adbuc arbitrari; 58, 5 frondes — deficiebant,
Faerni, st fructus — deficiebant der Händschriften oder der gewöhnlich
befolgten Gonjectur des Gellarius frons - deficiebat; 59, 4 ab iis,
Mensel, st ab bis; 62, 2 pertinebat — aberat, Jurinius, st. pertinebant
— aberant; 63, 4 milia pasuum — XVU munitione erat complexus,
Glarke, st. des handschriftlichen — munitiones - ; 66, 7 wird inania
Caesar. 25
vor manserant hinzugefügt, Madvig; 67, 2 manientinm, Mensel, st. mnni-
tionum, und 6 portae, Goeier, st. portis; 68, 2 wird, mit Mensel, enim
zwischen munitionem und quam eingeschaltet; 69, 2 ascenderat, Giacco-
nius, st ascendebat; 71, 2 [inj terrore, Ondendorp, und 8 passus est,
sed neque in litteris, Oudendorp, st. passus neque in litteris; 72, 2 non
praeoccupatis castris [et] ancipitem terrorem, Giacconins st. praeoccupatis
castris et ancipitem terrorem; 75, 3 wird, mit Oudendorp, et vor per-
territos eingeschaltet; 76, 3 quod fore providerat, Caesar, Mensel, st.
Caesar quod fore providerat; 78, 6 Oriciaque, Markland, st. Coriciaque
der Handschriften und Oricoque der Ausgaben; 79, 3 wird Senticam
hinter Heracliam ganz weggelassen, Cellarius, und 4 de proelio, Scaliger,
wie auch ich empfohlen habe, st. des blossen proelio, und elatius,
Giacconins, st latius, und 7 adjectum appositumque, Madvig, st objectum
oppositumque, woraus Nipperdey oppidum oppositum [que| gemacht hat;
81, 2 pareret — faceret, Dinter, st parerent — facerent, und 4 quo
prope jaro matura erant frumenta, Dinter, der jedoch 1884 qua hat
drucken lassen; 83, 5 neque quibus, Mensel, st ne qnibus der Hand-
schriften und nee quibus der Ausgaben; 84, 3 mutatis ad pernicitatem
armis, mit Hinzufügung von mutatis, Madvig, und 4 cum esset nsns,
Mensel, st. cum adesset usus; 85, 2 ille, vor nulla ratione, Mensel, st.
des in den alten Ausgaben schon zugefügten Caesar, welches jedoch eine
lästige Wiederholung des erst eben vorgekommenen Namens bildet; 88, 4
dispertierat, Meusel, st disperserat; 89, 1 a^junxerat, Meusel, st ad-
junzit, und 2 mediae aciei, Meusel, st media acie; 93, 6 adortae, Meusel.
wegen des vorangegangenen cohortes; 96, l dari, alte Ausgaben, st. dare,
und eben da wird, mit GemoU, hinter re impetrata ^ine Lücke an-
genommen; 103, 1 quos [que] ex suis, Madvig; 104, l iis qui erant,
Meusel, st his qui erant; 106, 1 in sumenda pecunia, Giacconins, st in
summa pecnniae, und 2 numeratis, Meusel, st ennmeratis; 106, 1 ne-
cessitudines regum, Pluygers, st necessitndines regni; 108, 2 incitatum
a suis, Yielhaber, wie anch schon andere Ausgaben haben, st. suis ohne
Präposition (nämlich poUicitationibus) ; 109, 6 efifecit, Ondendorp, st.
efficit; 110, 4 concursn militum, Aldus, st consensu roilitum, und 5 regno
expellere alios, alios arcessere, Oudendorp, st regno expellere, alios
arcessere, und 6 magnum usum, Giacconins, st hnnc usum; 112, 2 a
superioribus regibus, Brodaeus, st a superioribus regionibus, und 8 ad
regiae navalia, Morns, st ad reliqna navalia.
Zahlreicher noch sind die Stellen, in welchen Paul durch eigne
Conjecturen den bisherigen Text ändert So fOgt er I, 3, l audaces
vor landat hinzu, um einen Gegensatz zu dem folgenden segniores zu
bekommen; es war auch sonst schon promptes zu diesem Zweck für er-
forderlich erklärt worden; 6, 3 schreibt er, die Vorschläge Koch's und
Kindscher's verbindend, soluta sceleratomm audacia, ohne diese gewagte
Coigectur schräg drucken zu lassen; 7, 2 in rempubiicam, ohne ScLräg-
26 Römische Historiker.
druck, St. in republica, und ebenso 1 1, 2 ante qnam diem st. ante quem
diem, und wenig zutreffend, wie ich glaube, parto consulatu Caesari st.
peracto consulatu Gaesaris, für das Andere verschiedene Vermuthungen
aufgestellt haben; 18, 5 pnieficit, wegen des folgenden ponit wohl noth-
wendig, st praefecit; 19, 4 oppidi obsidione atque circummunitione st.
obsidione atque oppidi circummunitione; 20, 1 primo vesperi, mit Hin-
weis auf 22, 1, wie auch Dinter schon vorgeschlagen hatte; und 2
emittitur st mittitur; 23, 3 locutus queritur quod st. loqnitur quod!
26, 3 certum invcnire poterat st. — inveniri — , und mit Hinzufügung
der in den Handschriften fehlenden Präposition ab extremis Italiae par-
tibus, und 9 ingressus st. incnrsus; 26, 1 turres quatemis tabulatis
erigebat st. — cum quatemis tabulatis --; 27, 3 in oppidum irrum-
punt st. oppidum irrumpunt und ebenso II, 13, 4; 33, 4 dimittat st. des
von Nipperdey für das handschrifUiche mittat eingeführten amittat; 34, 5
atque omnibus castellis st. atque ex omnibus castellis; die Angabe PauFs,
dass die Handschriften atque in omnibus castellis enthalten, scheint auf
einem Druckfehler zu beruhen; 36, 4 alter hello victa Gallia alia attri-
buerit st. Glandorp's — hello victos Sallyas attribuerit, zum Theil nach
Madvig, der st. alia nur eadem vorgeschlagen hatte; 37, 1 occupare st
occupari; 39, 2 equitum III milia omnibus superioribus bellis habnerat
(ohne quae) et parem ex Gallia numerum [quam] ipse paraverat st
quam — pacaverat; 40, 3 at st. huc, und jumentaque st. impedimentaque,
Beides wohl ohne zwingenden Grund; 41, 2 consistit st constitit, wegen
der vorangehenden und folgenden praesentia, und 6 post has (nämlich
acies) st post hos (nämlich milites utriusque aciei); 43, 3 iocis idoneis,
ohne vorhergehendes in ; 44, 4 schaltet Paul, hinter discedere, consuerat
ein; 46, 2 nonnullam partem st nonnulla parte, mit Berufung auf b.
Gall. IV, 1, 8; aber dort wird maximam partem in einschränkendem
Sinne, an dieser Stelle des b. civ. nonnulla parte örtlich, ähnlich wie
nonnullis Iocis, gesagt; 47, 2 ab initio st des blossen initio, und so jetzt
Fr. Hofmann, mit der Erklärung »bis zu Ende», und 6 et civitates st.
ac civitates; 49, 2 facultatem st. facultates der Handschriften; 62, 1 his
tum omnibus rebus, mit Hinzufügung von rebus, und inopia praesenti,
st inopia praesentis (nämlich temporis), auch gegen die Handschriften,
aber doch wohl zu billigen, weil das folgende futuri temporis nicht auch
von inopia, sondern von timore abhängt, und 3 ita st. et tam vor paucis«
und 4 sustentabat, st. tutabatur; 64, 6 frumentandi causa st. frumenti
causa; 68, 4 eo die naves Massiliensium Domitiique sunt captae VI,
intereunt IX st eo die naves Massiliensium cum iis quae sunt captae
intereunt; 69, 3 at vor aliquo st aut und omnino (lediglich) st. omnium;
60, 2 sequuntur st. insequuntur; 63, 3 morari atque impedire iter st
morari atque iter impedire, mit Hinweis auf 6. Gall. VII, 40, 4; 64, 4
tantae magnitudinis flumini st tantae magnitudini fluminis; 67, 4 sub
oculis st des blossen oculis und metum etiam st. multum etiam; und so
Caesar. 27
Fr. Hofmann; 69, 2 ab Ilerda profectos st. ad iter profectos, und so
Fr. üofmann; 73, 2 nnntiatnr (unpersönlich und mit dem acc c. inf.)
8t. nuntiantur, mit Hinweis auf b. Gall. VI, 4, 1 und andere Stellen des
b. Gall. und des b. civ., und 8 intra mnnitionem nt sine timore — possent
st ut intra munitionem et sine timore — possent; 74, 4 armaque quod
cum St. armaque cum; 78, l prohibebantur st. premebantur; 79, 4 item
(d. h. incitati cursu) st. ita hinter atque ; 80, 2 in fronte st una fronte ;
81, 2 wird et vor eo die weggelassen; 82, 1 Gaesari st Caesaris und 4
horum st hinc; 83, 2 triplex et st. triplex sed, und 3 Caesar nisi co-
actus proelium ne committeret st des in unsere Ausgaben aufgenommenen
Caesar ne nisi coactus proelium committeret; 86, 3 hos neque st eos
neque, und 6 neque equitatus peditatusque tanta auxilia parata st neque
tot tantasque classis paratas, und 10 revertatur — dimittat st rever-
tantur — dimittant, und 11 wird se vor tulisse eingeklammert; 87, 1
quae quisque — restituantur st. quod (oder des handschriftlichen quid)
qnisque — restituat und eben da amiserint st amiserant, mit f und
Ondendorp, und 4 praefecit st praeficit; 11, 2, 1 amplitudo tormentoruro
st multitudo tormentorum; 4, 3 fügt Paul qua hinter quam zu; 5, 6
honestissimi st honest! ; 6, l streicht er se und 4 setzt er incitaverunt
st incitaverant; 9, 3 tabulatum st. tabulationem und 4 in eminentibus
trabibus statt eminentibus trabibus unsrer Ausgaben und imminentibus
der Handschriften; 10, 3 ligna st tigua; 13, 4 tum st. tunc, und quin
in oppidum irrnmperent st. quin oppidum irrumperent; 15, 1 nam illi
st nam ubi; 16, 3 (2) a quibus st des blossen quibus; 17, 3 postea
vero quam st postea vero cum; 19, 2 ad tempus st ad id tempus;
23, 1 etiam st et jam, und 6 rediit st. redit; 24, 2 relinquit st. reliquit
(s Corrigenda), und 4 longe ut lateqae is locus restagnet st longius,
lateque is locus restagnat, und voluerint st voluerunt; 25, 1 theatro
ohne die Präposition st. a theatro; 27, 2 ea credimus st et credimus;
29, 4 (3) et qui st. des handschriftlichen ut qui, woraus mau Uticam
qni gemacht hat, und in contuberniis Curionis milites st des hand-
schriftlichen in contuberniis commilitesque, woraus man non tuto a Vari
in Curionis castra commearent gemacht hat; das folgende itaque fehlt
bei Paul; 31, 4 fügt er suspicio vor studia ein, und 5 giebt er dissimu-
lare, occultare, confirmare st dissimulari, occultari, confirroari, und 8
uti spe st ut ipse; 32, 2 (3) Pompejus autem st. Pompejus enim, pro-
vincias st. provinciam, 3 (4) ut sunt st. adsunt, und 4 gravins [de] vobis
censere, mit Hinweis auf Cic. ad famil IX, 2, 4 st gravius de vobis
sentire, und 6 resistent — sequemini st. resistant — sequamini, und 7
desertos etiam st desertos enim, und 9 (10) fingitur nova religio st
relinquitur nova religio; 33, 2 (l) neu st necubi; 35, 2 appetiit st
appetit, und 3 at vor fugientium st. hac oder ac und in fuga st fuga
ohne wiederholte Präposition; 38, 3 scquebatur st. inseqnebatur, und
5 deducunt statt reducunt; 40, 3 e praemissis st praemissis ohne Prä-
38 Römische Historiker.
Position; 42, 1 signa ferre st. signa inferri; III, 4, 3 III milium st. III mUia;
8, 3 atqne erroris st. ac doloris und deterreri st. deterrere oder terrere,
nnd 4 occupavit custodiis [que] diligentius dispositis; ipse etc. st. occu-
pavit; castodiisque diligentius dispositis ipse etc., und neque subsidium
ezspectans, si [in] Cacsaris copiarum exitum iropedire posset st neque
subsidium ezspectans, si in Caesaris complexum venire posset der Hand-
schriften, woraus man — Caesari in conspectum — verbessert hat; 9, 1
Libonis st. Liburnarumi »weil discessus nur vom Fortgehen von Menschen
gesagt wirdc, und 8 expugnatione st. oppugnatione ; 10, 6 proinde civi.
bu9 St. proinde sibi, und 10 praesidia deducturum st. des handschrift-
lichen copias dimissurum; 11, l hospitiis st. copiis; 12, 2 hos sequuntur
Byllidenses et Amantini; reliquae finitimae civitates totaque £piros [et]
legatis ad Caesarem missis — pollicentur st hos sequuntur Bullidenses,
Amantini et reliquae finitimae civitates totaque Epiros, et legatis ad
Caesarem missis — pollicentur; 13, 5 [ut] castellis — civitatis ut esset
praesidio st des handschriftlichen ut castellis — civitates tutae essent
praesidio, wovon man gewöhnlich praesidio streicht; 15, l ora maritima
st omni terra und 6 oppidis maritimis st. oppidi muris, und ejus rei
facultas, mit Hinzufligung des in den Handschriften fehlenden rei, sonst
wird in der Regel ejus weggelassen, und endlich 8 idem st id; 17, 1
quibus de rebus st. quibus rebus, und 5 wird unum zu reicere gezogen
und das Komma hinter unum gebracht; 19, 2 ageret; is - pronunüavit
st ageret et — pronuntiaret, und 4 (5) quo cum isset postero die Va-
tinius st quo cum esset postero die ventum, und 6 sed is omissa ora*
tione [loquij de pace [atque] altercari etc. st. summissa oratione de
pace loqui atque altercari etc.; 21, 4 caedis nomine st. des handschrift-
lichen ejus nomine, woraus Scaliger eo nomine gemacht hat; 22, 3 sed
Goelius st et Coelius, und 4 imperiorum st. temporum; 23, 1 custodia
classis tueri st. des handschriftlichen custodia clausos tuen, woraus man
— teneri gemacht hat, das Paul schon deshalb verwirft, weil praestat
bei Caesar nicht mit dem acc. c. inf. verbunden werde; 24, 4 prohibe-
retur st prohiberentur; 25, 3 instigabantur st. castigabantur, und
(Kraffert folgend) at (und selbst fortfahrend) reliquos ejus exitus impe-
dirent st. ut reliquos ejus exercitus impedirent, und 5 quae hinter vaca-
bant st. qnod; 26, 3 impetum st et vim, und 4 schaltet er et hinter
remisisset ein; 28, 2 suis missis st summissis, und 3 harum altera naviuro
st. harum altera navis; 30, 1 ipsi, ut iter secundo austro derexerant st.
ipsi iter secundum eas terras direxerant, sodann inde st. eae und venienti
— imprudeutem st venientibus - imprudentes, und 4 quod [expedito
itinere] st. quia expedito itinere; 31, 1 setzt er isdem temporibus st bis
temporibus, und 4 fdgt er Asia hinter provincia zu; 32, 6 dictitabat —
fecerat st dictitabant — fecerant; 33, 1 venisset st. ventum esset und
omniaque reliqua posthaberet st omniaque post [ea quae]'haberet; 34, 2
in Thessaliam ire — jussit, weil sich ire in Z befindet, st. in Thessaliam
Caesar. 29
— miait; 36, 1 nam plerumque rei novitatem fama antecedit, st. des
handschriftlichen nam plerumque in novitate fama antecedit, wozu man
rei hinter novitate hinzugefügt hat, und 2 contendit st. tendit oder te-
tendit; 37, 4 transiit, — rediit, und 6, mit Dinter, rediit st. der prae-
sentia; 40, 1 ahduxit st. adduxit; 44, 3 complexus st. aroplexus und in-
stituebant st. des bandschriftlichen videbant, das in habebant umgewandelt
ist; und 6 et interiora spatia minorem circuitum habebant quam quae
erant (dies mit Kraffert) st. et interiore spatio minorem circuitum habe-
bant. Quae cum erant; 47, 1 tanto castellorum numero st. tot castello-
rum numero, und 3 consuerat st. consuevit, und 7 non illi (mit Clarke)
hordeum quin daretur st. non illis ordeum cum daretur; 49, 2 in cir-
culis st. in vigiliis, und 4 ut erant loca montuosa et aspera, angustias
vallium [has] — praesepserat st ut erant loca montuosa et ad specus
angustiae vallium, has - praesepserat, woraus man sonst et aditus
perangusti vallium has etc. gemacht hat, und 6 ad cotidianam operam
st. ad cotidiana opera, und 6 cumque aquae copia tum st. summaque
aquae copia tum etc., und cui rei cotidie melius occurrere tempus st
cujus rei cotidie melius succedere (handschriftlich subterrere) tempus
etc.; 50, 1 noctu st nocte, und intra mnnitionem st. intra multitudinem ;
61, 2 neque enim st neque vero und progrederentur st. prosequerentur,
und 5 in castris st des blossen castris, vor welchem Andere praesidio
eingeschaltet haben; 62, 2 munitiones nostras ingressi st extra muni-
tiones nostras egressi, wo extra der bandschriftlichen Lesart zugefügt
ist; 63, 3 wird illo hinter castello hinzugefügt und ex YIIl cohorte st.
ex una cohorte gegeben; 54, 1 pedum XV elatis st. pedum XY effectas
der Handschriften und eifectis der Ausgaben, und omnem partem st.
eam partem, und 2 fügt er vectibus hinter objectis hinzu; 56 (65), 1
acUunxit st adjungit; 67, 5 defert st. refert; 59, 2 pecuariae st pecu-
niariae; 60« 1 sustulit st. distulit, und 6 facinus difficilius st id diffici-
lius und proinde ac si st. proinde ac; 63, 5 allatura erat st attulerat,
und 6 excubabant st excubuerant, ferner fossas complebant st. fossae
complebantnr, endlich wird hinter admotis eine Lücke angenommen, so-
dann 8 Pompejani navibus expositi st. per mare navibus expositi (in den
Handschriften expositis); 64, 2 subsidii st subsidio, und 3 conspicatus
perterritos nostros st conspicatus equites nostros, endlich 4 referte st
deferte; 65, 4 Pompejum — egressum secundum mare manere, mit Eßn-
zufflgung dieses Verbums und Fortlassung von castra hinter egressum,
während Andere nicht blos castra, sondern auch secundum mare, die
sich in Z befinden, weglassen, und nachher muniri jussit st munire
jussit; 66, 2 fügt Paul colles vor circummuniret hinzu, mit Bezug auf
in, 46, 6, und 4 setzt er transtulerat st transtulit, wegen der übrigen
plusquamperfecta; 67, 1 eo signa legionis lata (illata, Giacconius) st. eo
signo legionis illato, und 6 wird et vor quod gestrichen und vor non-
nuUos gebracht; 69, i wird et vor re nuntiata weggelassen und 4 (6)
(
30 Römische Historiker.
gegeben aüi signa visi sequi eodem rursum conferti ruerent, aus welclien
Worten ich den Vorgang, den sie schildern sollen, mir nicht erklftren
zu können gestehe, st. des handschriftlichen alii dimissis equis eundem
cursnm confugerent, wofür ich alii demisse (mnthlos) secuti eundem cur-
sum confugerent (d. i. confugium sibi quaererent) vorgeschlagen habe;
71, 3 hoc nomine abstinuit, mit Hinweis auf Dio Gassius XLI, 52, It
st. hoc nomen obtinuit, und neque in litteris praescribere est solitus st.
neque in litteris qnas scribere est solitus ; 72, 3 non excursu aciei facto
St. non [ex] concursu acri facto, in welcher Lesart die Handschriften
agri bieten; 78, 2 praeponerent st. opponerent, und 3 recepissent st.
cepissent, und 6 quod [si] esset factum, detrimentum ut in bonum verteret
st quod si esset factum, detrimentum in bonum verteret; 74, 3 et
refectis (d. i. restitutis) munitionibus st. et relictis munitionibus; 76, 3
sed eodem die, exspectans, si in itinere st. des handschriftlichen
sed eadem spectans, si itinere; 76, 8 ceperat st. ceperant; 78, 3 frumenti
ac commeatus st. frumento ac commeatu und 5 praesidioque — cohor-
tium — relicto st. praesidioque — cohortibus — relictis; 79, 3 Domitius
cum st. Domitius qui, das eine wie das andere fehlt in den Hand-
schriften; 80, 5 inferri st inferre; 81, 2 qui minis exerciti Scipionis
terrebantur st des handschriftlichen qui magnis exercitibus Scipionis
tenebantur; 83, 3 fern st ferrent, 4 und 5 qua — qua — qua st. qui
— qui - qui; auf die Unrichtigkeit der letzteren Lesart habe ich
Philol. Suppl. y., Hft. 2, S. 365 zuerst aufmerksam gemacht; ich gebe
zu, dass ich dort irrthttmlicher Weise tabellas durch Listen tibersetzt
habe, es hätte Abstimmungstäfelcheu heissen sollen; mit dieser Modi-
fication, durch welche die Art der Benutzung dieser tabellae und der
Urtheilsabgabe allerdings eine ganz verschiedene wird von deijenigen,
die ich angegeben hatte, bleibt gleichwohl die Berechtigung der von mir
vorgeschlagenen Aenderung quos - quos — quos, vor dem man sich
selbstverständlich eorum hinzuzudenken hat, durchaus bestehen, durch
deren Vorschlag Paul doch wohl allein auf seine Verbesserung qua —
qua — qua, welche genau dasselbe aber in leichterer Weise besagt,
hingeführt sein wird; übrigens bin ich Paul für die Zurechtweisung, die
er mir zu Theil werden lässt, dankbar, und stets habe ich befolgt, was
ich am Schluss eines meiner Epigramme sage:
Nur wer Fehler gesteht, heisst mir ein Priester des Rechts.
85, 3 paulo ante iter, mit Hinzufügung von iter; 86, 1 in consilio
superioris diei st in consilio superioribus diebus, und 3 esset accessum
st Sit accessum, und 5 klammert er et vor quoniam ein, was nur bei
der von ihm angenommenen Co^jectur Elberling^s neu suam neu reli-
quorum opinionem fallerent nothwendig ist, aber nicht mit der hand-
schriftlichen Lesart ne usu manu (que) reliquorum opinionem fallerent
noch auch mit Marckland's Besserung ne suam omniumque reliquorum
opinionem fallerent; 87, 2 pronuntiabo st pronuntio, weil hl pronuntiatio
Caesar. 31
hat, und 7 haec ubi facta sant st. haec cum facta sunt; 88, 8 nume-
ruinque cohortium GX expleverat st. numeroque cohortes CX expleverat;
89, 4 simol tertiae aciei quartaeque exercitns imperavit st. simul tertiae
aciei totique exercitui imperavit, die Verbindung acies exercitus mit
Cic. Gatil. II, 6 stützend, und concurrerent st. concurreret; 91, 1 quam
instituistis operam navate (oder im Text date) st. quam constituistis
operam date, und 3 (4) laeti milites st. electi milites, und LXX, aber
nicht im Text, wo CXX stehen geblieben ist; 92, 3 (4) studio pugnandi
st. studio pugnae; 93, 4 (6) IIX (d. i. VIII) cohortium numero st. ex
cohortium numero der Handschriften und sex cohortium (ohne numero)
der Ausgaben» und 6 (7) destituti [inermes] suo praesidio interfecti sunt
st destituti inermes sine praesidio interfecti sunt; 96, 2 exercitui, »der
Gleichförmigkeit wegen« st des handschriftlichen Dativs exercitu, und
3 imperatoriis , wie übrigens schon Dinter hat, st. imperatoris; 97, 2
locis aequis st jugis ejus, was erst aus dem handschriftlichen juris ejus
gemacht worden ist; 102, 1 ita quantumcunque st et quantumcumque,
und 5 navibus [que]; 103, 3 Alexandriam reciperetur st. Alexandria re-
ciperetur; 104, 1 tum st tunc; 105, 4 in occultis locis ac reconditis
templi, mit Hinzufügung von locis, und fas nuUi est st fas non est;
106, 1 in Aegyptum, mit Hinzuf&gung der üblichen Präposition, und 6
continentibus diebus st. continuis diebus; 107, 1 qui — flaut adver-
sissimi venti st. qui — sunt adversissimi venti der Ausgaben, wegen der
handschriftlichen Ueberlieferung fiunt; 109, 6 paucorum seleratorum st.
paucorum et latronum; 110, 1 cum Achilla eae copiae st. cum Achilla
copiae, weil h f Achillae bietet; 111, 3 quadriremes omnes st. illae triremes
omnes, und 5 nostri salutem st hi salutem, und 6 navalia tueri st tarn
late tueri; 112, 1 cepit st- accepit, weil hlf coepit bietet, und 3 quae-
que illis naves st qnaeque ubique naves der Handschriften und der Les-
art Nipperdey's quaeque ibi cumque naves, und 7 paucis [quae] st. pau-
cisque und praemuniit st. praemunit
Ganz beträchtlich ist ausserdem die Zahl der Conjecturen, welche
in den einleitenden Anmerkungen vorgebracht werden, und von denen
einige, wie man aus dem Ausdruck schliessen muss, nur durch ein Ver-
sehen beim Abdruck aus der Dinter'schen Ausgabe von 1884, wie es
scheint, nicht in den Text aufgenommen worden sind: I, 4, 2 vermuthet
er, sich auf I, 30, 2 berufend, redire debeat st redeat; 10, 1 Pompejum
convenit st Pompejum invenit; 26, 1 hält er opera vor disturbaret für
eine Wiederholung desselben Worts aus dem vorigen Satze; 36, 5 ac
portibus st aut portibus ; 43, 5 aliis summissis subsidio st aliis summissis
subsidiis, mit Hinweis auf IH, 64, 1 und b. Gall. V, 58, 5; 44, 3 qui-
buscumque in locis st quibus quisque in locis; 47, 2 resUtissent st. ste-
tissent; 66, 2 illae angustiae tenerentur st. in angustiis tenerentur; 82, 2
famamque hominum st famamque omnium; II, 9, 4 ad longitudinem st
in longitudinem; 11, 2 elapsae st delapsae; 14, 3 Impetus nostrorum
82 BOmiflehe Hiitoriker
st impetas eontm; 15, 1 irrisai fieri st. irrisai fore, ganz nnnöthig;
25, 2 conferebantur st conferantur, wahrscheinlich richtig; 27, 4 ona
conyalle st. una valle; 39, 4 licenter st. libenter; III, 2, 1 convenire st
venire; 8,2 profectae st provectae; 11, l and 86,3 nöctem ac diem
st. nocte et die, wohl unnöthig; 16, 3 ex praetura et consulatn st ex
aedilitate et praetura, kaum glaublich wegen dieser Lesart in den Hand-
schriften, wenn auch noch so sehr begründet in der Sache; 17, 5 acci-
pere st recipere; 19; 2 ageretur st. id agerent; 21, 5 jussa fque] —
apparare st visa quae — appararet nach der Dinter^scben Fassung;
22, 2 Consentiam st. Cosam; 28, 1 cum classe quae erat navium L. st.
cum classe cui praeerat navium L; 25, 3 commodius st. durius; 28, 4
cognoscere licuit st. cognosci licuit, »weil ausser b. Gall. I, 42, 1 licet
bei Caesar nicht mit einem acc. c. inf. vorkommet; do, 6 eundem diem
st unum diem; 32, 3 räth er quid zu streichen, und 4 schlägt er prae-
conibus st praefectis der Ausgaben und praeceptis der Handschriften
vor, endlich 5 möchte er ob eam causam neque minus haben st neque
minus ob eam causam; 38, 1 ex fano st a fano; 37, 3 objectus st
subjectus; 41, 3 oppido st ab eo, und 5 parvam partem st. parva parte,
wenigstens nicht nöthig; 43, 4 uti st niti; 44, 6 tot opera st totis eo-
piis; 45, 3 munientes impediebat st. munitiones impediebatr, 46, 1 fossas
II inteijectis stipitibus (oder sudibus) st fossam tectis militibus, und
6 V ex omni numero st V omnino; 48, 1 admixto lacte st. admixtum
lacte; 53, 4 et periculi st periculique, mit Eßnweis auf b. Gall. I, 44, 18;
57, 4 illi (oder Sdpioni) st uni; 60, 2 domesticorum st domestico;
63, 6 conversum st transversum, und 6 tormentis telisque cigusque
generis st. tormentis cigusque generis telisque ; 65, 3 dedactis quindecim co-
hortibus quibusdam st. deductis cohortibus quibusdam; 66, 6 idem st. item;
69, 4 sinistri cornus milites st. sinistro cornu milites, und 4 (5) exanimati st.
[ex] metu; 70, 1 occurrebant st succurrebant; 71, 4 in conspectu omnium
st. in omnium conspectu, »weil, mit alleiniger Ausnahme von b. Gall. III, 28, 4
in dieser Redensart der Genitiv stets folgte; 73, 3 litoribus oronibus
omnes st litoribus omnes, und 5 expulisse se ac superasse repugnantes
st expulisse ac superasse pugnantes; 74, 2 möchte er cum vor superioris
streichen; 80, 4 modo st nondum einsetzen, und 82, 4 de imperiis lesen
st. de praemiis; 84, 1 quoad st. quo, schwerlich nöthig; 87, 6 item
juravit st. idem juravit, und 7 de re tam certa a tarn perito imperatore
st de re tanta et a tam perito imperatore; 90, 1 suaque in rempublicam
— officia st suaque in eure (nflmlich exercitum) — officia; 93, 5 infestis
signis tantaque vi st infestisque signis tanta vi der Handschriften und
der Ausgaben; 94, 2 illi st alii, und 6 reliquae (nämlich parti) st. aliis;
97, 5 noctu st nocte; 100, 2 Brundisii st Brundisio; 105, 1 Ephesi st
Epheso, und 5 palmam — exstitisse ostendebatur, unpersönlich, st. palma
— exstitisse ostendebatur; 106, 4 nee minus st. in hoc omnis, und 5
ejus Omnibus partibus st hujus urbis omnibus partibns; 112, 6 edixit
i
Oaesar. 88
st deanxit der Handschriften, wof&r man seit Scaliger dimislt ge-
setzt hat.
Um eine Yorstellang zu geben von der Umwälzung, .welche von
Paul in den Gommentarien de b. civ. angerichtet worden ist und vießeicht
noch weiter angerichtet werden wird, habe ich die Aenderungen, welche
Ton ihm im Text gegen die jetzt Überwiegend im Oebrauch befindlichen
Ausgaben vorgenommen worden sind, vollständig verzeichnen müssen, iK)
wie auch die noch nicht aufgenommenen Yermuthnngen ; bei manchen
habe ich gern meine Zustimmung erklärt, bei einigen andern meine
Missbilligung nicht zurttckgebalten; bei den meisten habe ich e9, um
nicht ungerecht zu erscheinen, fQr rathsam gehalten, dem Leser da6 Uf-
theil zu tkberlassen, da ohnebin in vielen Fällen, um ihre Richtigkeit
oder Unrichtigkeit zu begründen , weitläufige Auseinandersetzungen nOthig
sein würde». Man wird sich auch so schon überzeugt haben, dass, sieht
man von Gitlbauer's verfehlten Veröffentlichungen ab, seit langer Zeit
ein alter Schriftsteller nicht mit so grosser Freiheit — man kann auch
wohl Willkür sagen — behandelt worden ist, wie es hier mit Gaesar's
Denkwürdigkeiten Ober den Bürgerkrieg geschehen ist E% scheint mir
angebracht, diesem Verfahren in massvoller Weise entgegenzutreten, weil,
wie die noch nicht in den Text gestellten Vorschläge vermuthen lassen,
bei einem etwaigen Neudruck noch viel mehr unnöthige AendeniAgeo
getroffen werden dürften. Ein alter Schriftsteller darf aber doch nicht
wie ein Priroaneranfsatz corrigirt werden. Es ist zwar anzuerkennen,
dass der Herausgeber überall bemüht gewesen ist, bei der Feststellung
des Textes die sachlichen Verhältnisse ebenso sehr zu berücksichtigen
wie die wörtliche Ueberlieferung der Handschriften; freilich darf man
jedoch nicht, was Caesar den Umständen nach auch wohl hätte sagen
können, an die Stelle dessen setzen, was er gerade für passend erachtet
bat sagen zu wollen: so hätte I, 85, 3 nicht für tot tantasque chissis
paratas ohne irgend wekhen wesentlicken Anhalt in den ScbriftzOgen
dieser Lesart equitatus peditatusque tanta auxiüa parata, an einer an-
dern Stelle für copias dimissurum doch nkht das gänzlich unähnliche
praesidJa deducturum, und dergleichen mehr gesetzt werden dürfen. Ob
durch die vielen Aenderungen, wie ter Heransgeber es bez weckte das
Werk für Schüler lesbarer geworden, ihrem Verständniss näher gerückt
worden ist, das ist eine andere Frage, welche ich nicht unbedingt b^
jähen möchte; an einzelnen Stellen scheinen mir die bisher üblichen
oder vorgeschlagenen Lesarten, wenn auch auf unsichrer Coojectur be^
ruhend, leichter verständlich als die von Paul auf eine nodt weniger
sichere Vermuthung eingesetzten, wie III, 69, 4 (5) alii signa visi sequi
eodem rursum confecti ruerent und so manches Andere. An verschie-
denen Stellen sind sonst recht annehmbar erschienene Besserungen ua*
berücksichtigt geblieben« So wird I, 1, 1 mein Vorschlag invitati st. in
civitate zu lesen gar nicht erwähnt, obgleich man doch aus dem ganze«
JahTMberioht fllr AlterthumswisBenBoliaft LXVIII. Bd. (1891 11). 3
34 Eömisehe Historiker.
Eingang sieht, dass die Gonsnln sich zu dieser Darlegang der Lage des
Staats absichtlich drängen Hessen; I, 3, 3 entspricht die von mir em-
pfohlene Lesart urbs armis (completur) der in solchen Fallen üblichen
Ausdrucksweise, und die Aenderung der handschriftlichen Ueberliefening
ist bei weitem nicht so bedeutend wie bei Dutzenden der von Paul zu
leichterem Yerständniss in den Text gebrachten eigenen Goigecturen.
I, 5, 3 habe ich sola eorum st. latorum der Handschriften vorgeschlagen,
Ar welches sceleratorum schwerlich politisch zu rechtfertigen wäre, da
dieser Ausdruck den ganzen noch Übrigen Senat, den Caesar doch zu
gewinnen suchen musste, vor den Kopf gestossen haben wflrde; die Be-
ziehung eines Pluralis, hier eorum, auf einen Sammelnamen, wie senatus,
ist bei den lateinischen Schriftstellern nicht selten; bei Caesar selbst
findet sie sich b. Gall. II, U, 3, wo bis sich auf omnem equitatnm, und
b. civ. II, 36, 2 und 3, wo omnes und eorum sich auf oonventus be-
ziehen; ähnlich auch b. Gall. I, 2, 1 civitati persuasit ut — exirent.
I, 6, 7 wird ohne einen Zusatz oder doch Andeutung einer Lücke con-
sules ex urbe proficiscuntur aus Caesar's Munde als etwas Ungehöriges
dargestellt, obwohl aus der Geschichte schon die Tertianer wissen, dass
Aemilius Paulus und Terentius Varro, um zur Schlacht bei Cannae ab-
zugehen, beide zusammen in ganz ordnungsmässiger Weise die Stadt
verliessen, Liv. XXII, 40. I, 16, 1 wird recepto Firmo der Hand-
schriften nicht aufgenommen, wahrscheinlich nur, weil ich es als richtig
nachgewiesen hatte; anders Em. Hoffmann, der nur unnöthiger Weise
Asculoque expulso Lentulo anfügt, da jeder aus dem Vorhergehenden
dies Asculo sich hinzudenken und das folgende ibi darauf beziehen kann.
I, 44, 2 hat man jetzt fast allgemein das von mir empfohlene Lusitanis
reliquisque barbaro quodam genere oder doch barbaro genere quodam
gebilligt; Paul setzt nur im Nachtrag Kraner's Lesart — reliquisque
barbaris barbaro — ein. I, 48, 5 ist mit gänzlicher Verkennung des
Sachverhalts in herbis st. des allerdings unrichtigen handschriftlichen in
hibernis eingesetzt, wofür ich in cavernis vorgeschlagen habe, eine Con-
jectur, welche nicht nur durch Ch. Tissot^s (La Campagne de C^sar en
Afrique) Beschreibung des Verfahrens in Nordafirika (im Anschluss an
b. Afr. 66), sondern auch durch die im Alterthum beinahe überall,
z. B. in Vorderasien (unter dem Namen ctpoi) übliche Siloswirthschaft
gestützt wird; wer in herbis setzt, sollte sich doch sagen müssen, dass
frumenta in herbis zur Ernährung der Soldaten Nichts beitragen können;
als Viehfntter wären die frumenta in herbis erst recht brauchbar ge-
wesen, wenn sie sich nicht mehr in herbis, sondern schon in Aehren befanden;
der Unterschied, den Paul anzunehmen scheint, zwischen frumenta, Ge-
treide auf dem Halm, und frnmentnm, geemtetes Getreide, ist nicht halt-
bar; man vergleiche III, 47, 5, wo Paul seiner vorgefassten Meinung
zu Liebe corrigiren möchte; frumenta sind Getreidesorten, Weizen, Gerste,
und frumentum, collectiv, das Getreide, ohne Unterscheidung der Sorten;
Caeaur. 35
die Zeit war dadurch so höchst schwierig, weil die Yorräthe vom vorigen
Jahre in den biemalibus cavernis, den Graben oder Silos, welche den
Spaniern als Scheuern dienten, und wie dies spanische Wort zeigt, bis
in die Neuzeit gedient haben, aufgebraucht, das Getreide des Jahres
noch nicht reif war. I, 85, 9 lässt Paul das zweite probati ruhig stehen,
das ihm schon dadurch hätte verdächtig sein müssen, weil dasselbe Wort
in der vorigen Zeile vorkommt, mehr aber noch in sachlicher Hinsicht:
wie kann man glauben, dass Caesar den Pompejanem zum Vorwurf
mache, dass von ihnen superioribus bellis probati zu erneutem Kriegs-
dienst einberufen werden? tbat nicht gerade Caesar dasselbe? man ver-
gleiche b. GalL III, 20, 2., b. civ. 1, 39, 2 etc.; es muss statt dessen ein
Wort wie fracti, debilitati oder confecti eingesetzt werden; dann wird
es zum Vorwurf, dass Leute, welche durch frtkhere Kriege geschwächt
sind, auch dann nicht einmal sich der Einberufung haben entziehen
können, wenn sie ihr Über die gesetzmässige Dienstzeit hinausgehendes
Alter als Entschuldigung anführten, sondern ihr Folge leisten mussten,
aus ßesorgniss, sonst als Reichsfeinde behandelt zu werden; ich sollte
meinen, etiam aetatis excusatio, nicht einmal das Alter, weise ganz deut-
lich auf einen noch anderen vorher angebrachten Entschuldigungsgrund,
nämlich quod — confecti essent, hin; dies merkend, haben denn auch
mehrere Kritiker, welche an probati festhalten, wie Mensel (Jahresber. XII)
und Vielhaber, dieses etiam streichen zu müssen geglaubt Nach Madvig's
Vorschlag möchte eben da noch hinter nihil valere statt quod zu lesen
sein quin. II, 6, 3 hätte conjuncti Albici st conjuncti Albicis gegeben
werden sollen, dann würde der Satz bei dem Herausgeber keinen An-
stoss gefunden haben.
Aber mögen auch viele Aenderungen Paul's nicht glücklich, einige
ganz willkürlich, andere wenigstens nicht nöthig erscheinen, so sind doch
manche recht empfehlenswerth ; ausserdem enthalten seine Bemerkungen
ganz wertbvolle Beobachtungen des Sprachgebrauchs Caesar's, zu welchen
ihm MeuseFs Lexikon die Beispiele geliefert haben wird. Immerhin wird
der ktlnftige Herausgeber der Denkwürdigkeiten zum Bürgerkriege nicht
nur für die Feststellung der Lesarten, sondern auch für die Sacherklärung,
sowie endlich für die Erforschung der Ausdrucksweise des Schriftstellers
hier reichliche Anregung finden.
C. Julii Caesaris commentarii de hello civili (commentariorum
vol. II). Iterum recognovit et adnotationem criticam praemisit Ema-
nuel Hoffmann. Vindobonae. Gerold. MDCCCXC.
So viele Aenderungen der Verfasser schon in der 1. Auflage ge-
troffen hat, und so viele er auch in der zweiten wieder vornimmt, ist sein
Verfahren gegenüber dem Paul's, den er übrigens nicht erwähnt, noch
immer conservativ zu nennen. Neben den neuen Umgestaltungen des
Textes halte ich es für nöthig, auch die auffallendsten der I. Ausgabe,
i
36 RAmifldtee Ulitoriker.
soweit sie beibehalten snid, anzugeben. I, 2, 1 bewahrt er F0nip€9ns^[we
aderat gegen das Tfm Fr. Hofmann eingeführte auch von Paul gnt-
geheissene Pompejnsqae aberat; I, 8, 3 vermuthet er completar nrbs at
pCT Justitium tribuais etc., im Text et [jus] stehen lassend; I, 5, 2 ultimo
denique mense suamm aetioaum (st des tou Mommsen empfohlenen toto
deniqve emenso spatio suaram adionnm); I, 6, 8 in desperatione salutis
contra peraidosae legis latoram audaciam; I, 6, 2 aut sequantsr.
Statin de rcliquis rebus (st aut se<|uantur saitem. Be reliqnis rebin);
I, 6, 6 wird privatis ah yerdftchtig eingeklammert; I, 6, 6 exeant, nach
h, als noch von ut abhangig, mit Hinweis auf seine »Studient S. 80, 57
(st. exeunt); I, 7, 7 [reiiquae noadum oonvenerant]; I, 10, 1 cum L.
Caesare (st a Gaesare), hauptsftchlich nach Vind. I (f); I, 11, 8 si pacto
consulatu Caesar profectus esset (st des handschriftlichen si peracto
consulatu Gaesaris profectus esset, zu dem man non vor profectus hinzu-
zuseUen genöthigt gewesen ist und in welchem man peracto auf ver-
schiedene Weise zu verbessern versucht hat); I, 18, I in postemm civi-
tatis, das letztere Wort von rationem abhftngig (st des handschriftlichen
posteritatis); 21, 8 iis operib«s, ohne das durch Goivectur zugefügte in;
22, 3, wie schon in der 1. Ausgabe, cum eum de salate sua orat atque
obsecrat ut sibi parcat, veterera quoque amicitiam eemmemorat (st cum
eo — agit: orat — veteremque amicitiam etc., wo agit von Th. Bentlei
zugefügt ist); 28, 2 erant quinquaginta; ordinis senatorii L. Domithis
etc.; 25 wird § 7 zu § 9, und § 9 zu § 7 gemacht (s. Rhein. Mus.
1888. S. 150. »Die Hafensperre von Brundisiomc); 35, 4 [Gn. Pom-
pejum et G. Gaesarem] als ttberflflssig in einer an Caesar gerichteten
Anrede; 39, 1 ad illa auxilia peditum Y milia, equitum III milia, quae
— habaerat, et parem — numentm, quem ipse paraverat nominatim —
evocato, et hinc — addiderat, wo mit binc gemeint sein soll ex GaMia;
hinter addiderat nimmt er keine Lücke an und erklftrt optimi generis
hocninum als partitiven Genitiv, ähnlich wie III, 4, 6 reliquarum gen-
tium et civitatum (oder civitatium, wie er ungenau ans seiner eigenen
Ausgabe citirt); 40, 8 congresaae (st Nipperdey's Co^jectur egressae)
— prope priores legiones (st Nipperdey's Besserung propiore ponte);
44, 4 behält er Nipperdey's consuerant q|K>rtere (st censuerant oportere
der Handschriften) bei; gegen meine Erinnerung, dass eonsuevit nun und
nimmermehr den accus, cum infin. regieren kann, wendet er ein, dass
in oportere gar nicht ein accus, cum infin. vorliege; ich glaubte, dass,
weil bei dem unpersönlichen oportet ein Subject nicht möglich ist, das
beim Infinitiv in den Accusativ treten könnte, der Infinitiv allein als
accus, cum infin. angesehen werden würde; nur Em. Hoffmann^s wegen
— Andere werden die neue Fassung nicht bedürfen - drücke ich mich
jetzt so aus: consaevi, wie übrigens alle Verba mit dem blossen Infinitiv
(oder nomin. cum inf.), z. B. soleo, possnm, volo etc. kann nur einen
Infinitiv regiereu, zu dem ein persönlidies Subject hinzuzudenken ist
CMiar. 37
uDd zwar dasselbe, welches den Verben consuevi, soleo, possum, volo etc.
zu Grunde liegt; man kann wohl sagen malo debere invitus manere in
urbe quam hoc tempore abire in provinciam, aber man darf nicht opor-
tere hinter malo gebrauchen; 46, 4 wird ac vor directus st. hinter das-
selbe gebracht; 48, 5 ex hibernis, nämlich Gallicis, von den Caesarianern
ans Gallien mitgebracht (st. in hibernis, oder nach meinem Vorschlag
in cavemis) und novaque (nftmlich frumenta, st. neque), das letztere
gan? annehmbar; 52, 4 wird das handschriftliche quo (st. Nipperdey's
quod) beibehalten; 64, 2 carinae ac primum statnmen alvei materia
fiebant, s. Jahrbücher 1874 S. 463 (st des handschriftlichen carinae ac
prima statumina ex levi materia fiebant); 64, 1 sustineri extremum
agmen atqne interrumpi (st. des handschriftlichen sustinere etc); 72, 5
montibtts, ohne das aus Goigectur zugefügte in, wie 21, 3; 80, 4 refectis
(st des handschriftlichen relicUs, woftr Andere reliquis eingesetzt haben,
anch Dinter 1888, während er 1884 (Doberenz) relictis munitionibus
cum Jegionibus hatte drucken lassen); II, 1, 2 [ad partem]) wofür De-
derich ad portam vorgeschlagen hat; II, 4, 4 novis atque improvisis
(st des handschriftlichen invisis laütatis atque incognitis); II, 5, 3 quae
publicifi custodüs in oppido remanserat, mit Versetzung der Worte pu-
blicis custodüs quae oder que, welche in den Himdschriften hinter
uxoribus stehen; 7, 1 Sedecim vor Nasidianae (st. sed); 19, 1 DO cum
eqnitibus (st cum DG equiUbus, um die Auslassung der Präposition
cum in den Handschriften erklärlicher zu machen); 31, 8 uti spe, wie
Paul, (st ut ipse); 32, 12 adduxerim (mit den besten Handschriften,
st abduxerim der anderen Ausgaben); 82, 13 an Hispaniarum deditionem
und nachher sequemini? (st. Hispaniarum deditionem, ohne an, und sequi-
mini); 36,5 cum loci natura tum munitiocastrorumadirituncprohibebat, quod
(st derEmendation cum loci natura etmunitiocastrorumaditumprohibebant,
tum quod); 35,6 multo pluribu8(8t.mille,vorvuIneratis); 44,3[paucisdiebus],
wiePauUstpaucis [diebus]); III,2,2vix VH illarum legionum(8tXVmüiale-
gionariorum militum); 111,4,4 ex servis suis pastorumquesuorumnumero(wo
numero von ihm herrührt; suisque in der adnotatio critica beruht auf einem
Druckfehler); III, 6, 3 attigit inter Ceranniorum saxa etc. (st. attigit Ger-
miniorum. Saxa inter etc., oder attigit Ceranniorum saxa inter etc. bei Paul);
7, 1 erat (st erant); 9, 6 maxime (st [maximi]); 10, 9 interea erepu-
blica esse et (st. interea et reipublicae et oder st. Madvig^s Besserung
id Interesse reipublicae et); 10, 10 terrestres ubique copias dimissurum
(ubique nach Woelffers Vorschlag, st terrestres copias urbiumque prae-
sidia statim se dimissurum bei Dinter -Doberenz, oder terrestres copias
urbiumque praesidia deductnrum bei Paul); U, 1 [Coryrae] [omnibus
copiis]; 15, 6 si facultas detur (ohne sibi und ejus der Handschriften
und ejus rei Paul's); 16, 4 eis summam (st des handschriftlichen Pompei
summam und suam summam oder summam snam der Ausgaben); 19, 2
[duo] vor '.legatos; 19, 8 atque una visurum utrumque (st £lberling*s
atque eundeq^ visurom oder Madvig's atque una visurum); 21, 5 anna
38 Römische Historiker.
— comprensa familiae Neapoli missa, qnae — appararet (st. arma —
compreDsa et familia Neapoli visa, quae — appararet oder st. anderer*
Fassungen); 25, 4 sive ad Apsi ostinm sive ad litora Apolloniatinm (st.
des von Fr. Hofmann gegebenen sive ad litora Apolloniatinm sive ad
Labeatinm); 26, 8 etiaro vim (st. [et] vim); 26, 5 introitnm est, nach f
(8t. intro est itnm); 27, 2 dimisit, nach f (st. remisit); 30, 1 [ipsi iter
secundnm eas terra direxerant] nach Kraffert^s Bemerkung; 36, l ejectis
(st des bandschriftlichen relictis, aus dem Giacconius dejectis gemacht
hat); 86, 1 in nova re veritatem fama antecedit (st. des handschriftlichen
in novitate fama antecedit, das auf verschiedene Weise verbessert ist);
36, 2 abfiiisset, nach f (st. afnisset); 37, 3 at tarnen, nach den Hand-
schriften (st. ac tarnen Nipperdey's); 88, 4 wird bostium vor insidiis
und excepemnt hinter nacti turmas weggelassen, sowie Dinter's Lflcken-
ausfhllung quarum perpauci fuga salutem sibi reppererunt, endlich auch
reliquos vor omnes und earum turmarnm hinter omnes; eine Lücke
braucht so nicht angenommen zu werden; 40, 4 molem temptavit natu-
ralem (st. molem tenuit naturalem der früheren Ausgaben); 44, 4 atque
ut nostri perpetua munitione providebant [perducta ex castellis in pro-
xima castella] ne quo loco — adorirentur [timebant], nach Koch, Rhein.
Hub. XI. S. 639; 44, 6 cumque (st quae cum); 46, 3 comparatis,
wie schon in der 1. Ausgabe (st. Markland's confectis und des hand-
schriftlichen completis); 46, 4 rejecti (st des handschriftlichen dejecti);
46, 6 constipati, mit Faemi (st conspirati) und crates dejectae (st crates
derectae); 48, 1 werden, st des Versuchs einer Besserung nur die un-
verständlichen Wortreste der Handschriften gesetzt, zu Anfang estautem,
nach abf, (st est etiam); 49, 6 melius subesse tempus (st des hand-
schriftlichen melius subterrere oder subterere tempus); 51, 5 Sulla [a
Gaesare castris relictus]; 53, 4 renumeraverunt, mit den Handschriften
(st renuntiaverunt der Ausgaben); 58, 5 donavit (st donatum und mit
Weglessung des von Dinter zugefügten collaudatum) und nachher atque
— pronuntiavit; 53, 6 virtute spectatiores militaribus quemque donis —
donavit (st. des handschriftlichen vespiciariis militaribusque donis —
donavit, ftür das die verschiedensten Besserungsvorschläge gemacht sind) ;
63, 4 [munitionis] vor XVH erat complexus (st. des handschriftlichen
munitiones; dies nach Annahme des Yerfassers ursprünglich zugefügte
munitionis soll der Genitiv sein); 65, 4 egressum, secundnm mare
castra juxta Pompejum munire jussit, mit Versetzung der Wörter secun-
dnm mare; 67, 1 eo signa — illata, mit Giacconius und Dübner; 67, 8
eo loco, mit f, (st. e loco); 69, 4 admissis equis eundem cursum con-
fugerent (»quae barbare dicta esse Dinter censuitc); 71, 1 et f notos
equites Romanos [Fleginatem] Tuticanum Gallum; 71, 3 [hoc nomen
obtinuit] — neque in litteris scribere est solitus, mit Auslassung des
handschriftlichen quas hinter litteris; 73, 6 quod si esset factum, fore,
uti ad Gergoviam contigisset, ut detrimentum in bonnm verteret atque
qui etc., mit Zufügung von fore (woftlr Mensel futurum hinter factum
Caesar. 39
vorzieht), Versetzung des Satzes uti — contigisset (st. accidisset) and
Auslassung von ei vor qui, grösstentheils nach f; 75. 8 ea demum
spectans (st. des handschriftlichen eadem spectans); 76, 1 intra vallnm
ohne castromm, das in f fehlt; 78, 6 ei scripsit, nach f, während ei in
den übrigen Handschriften fehlt; 79, 6 et adventum, nach bf, sonst
ohne et; 79, 7 objectum [oppositumque] Thessaliae (st. Nipperdey's
oppidum oppositum Thessaliae); 81, 3 qnia prope jam matura frumenta
erant, mit Hinzufftgung von frumenta und Verwandlung des handschrift-
lichen quae in quia; 84, 2 primum, mit b (st primo); 84, 3 selectis,
nftmlich armis, [milites] (st. electis [milites] oder electos milites), wodurch
Madvig^s mutatis entbehrlich wird; 96, 3 acie refugerant, ohne das seit
Stephanns zugefügte ex; 101, 4 [propter eundem timorem] [egerat] [cir-
dter XL]; 106, 5 intacta (st in tecto); 112, 2 angusto itinere ut ponte,
nach Schiller Philol. XLII, 773; 112, 3 quo ubi quaecumque naves, wie
in der 1. Ausgabe (st. des handschriftlichen quaeque ubique naves);
112, 8 praemunit. in eo tractu (st. praemunit oder praemuniit. in hoc
tractu) und [quod] vor arcis; 112, 11 [in parte Gaesaris]. — Man wird
ans dieser von mir gegebenen Uebersicht ersehen haben, dass Em. Hoff-
roann den von ihm verglichenen cod. Vindobonensis (f) sehr bevorzugt.
Seine allgemein anerkannten Verdienste um die Gommentarien werden
natOrlich auch von mir gebührend gewürdigt; um so mehr bedaure ich,
einigen seiner Anschauungen über die Schreibweise Gaesar's nicht zu-
stimmen zu können.
Die so bedeutenden Abweichungen dieser zwei wichtigen hier
hinter einander besprochenen Ausgaben des b. civ. eröffnen den Kriti-
kern in der Behandlung einzelner Stellen ein weites Feld der Thätigkeit
G. Julii Gaesaris Gommentarii de hello civili. Für den Schul-
gebrauch erkl&rt von Dr. A. Doberenz. Fünfte Auflage besorgt von
Dr. G. B. Dinter. Leipzig, Teubner 1884.
üeber diese Ausgabe habe ich Philol. Suppl. V, Heft 2 einen
ausführlichen Bericht erstattet, den ich einzusehen bitte. Die Ab-
weichungen von der vorigen Auflage werden im Anbange verzeichnet;
manchen dieser Aenderungen, wenn sie auch nicht völlig sicher sind,
kann ich meine Zustimmung geben; so I, 80, 4 relictis munitionibus
cum legionibus subsequitur, praesidio impedimentis etc., nach Eoechly,
mit Hinweis auf U, 37, 3 (st des handschriftlichen relictis legionibus,
woraus man tbeils reliquis legionibus oder refectis legionibus oder gar
relictis impedimentis subsequitur, praesidio etc. gemacht hat); auch
wohl I, 87, 3 flagitarctur (st. flagitarentur) und postularunt (st postu-
latum est); III, 32, 3 singuli singulis (st des blossen singulis); III, 47, 6
die von mir als nöthig gezeigte Weglassung von se hinter mazimarum.
Anderes wird schwerlich gebilligt werden, so III, 69, 6 (4) dimissis locis
aequis ad eundem dorsnm confngerent, wodurch Dinter dies MascuUnum
40 lU^miscbe Hi'Mtoriker.
dorsus, dus er in demselbeii Jahre aus b. GaU. VII, 44, 8 durch Aaf-
93bQie von PauFs Copjectnr hunc locum entfernt hatte, in Caesar*6
Sprache wieder hineinbringt; and III, 101, 6 (4) deprensae (st depresfiae),
wie er in seiner Textausgabe 1870 und wie, den Handschriften folgend,
auch Em. Hofimann gesetzt hat: offenbar würden die triremes deprensae^
wenn damit gemeint wäre captae, viel einfacher den vorher erwähnten
qainqneremes captae nebengeordoet worden sein; so aber heisst sonst depre-
hendere b. civ. I, 26, 1. 36, 21 in Beschlag nehmen. — Die filr den Schul-
gebrauch bestimmten grammatischen Anmerkungen sind vielfach durch-
gearbeitet, zom Theil ganz neu abgefasst und "stark vermehrt worden;
die von Doberenz herrührenden sachlichen EriHuternngen bedürfen, wie
ich am angeführten Ort an Beispielen gezeigt habe, noch einer grftnd-
lichep Purchsicht.
C. Julii Oaesaris commentarii de hello civili, erklärt von Fr. Kraner.
Zehnte, vielfach umgearbeitete Auflage von Fr. Hofmann. Berlin,
Weidmann 1890.
Na<:hdem die neunte Auflage gegen die früheren wenig verändert
erschiene;» w^ (Bud. Schpßider, Jahresber. XIII, der »uch darauf auf-
m^r^^am gemapbt hatte, dass manche Verweisungen auf Eraner-Ditten-
berger's Bellum GalL wegen der dort getroffenen Veränderungen mit
dem jetzigen Teilte desselben nicht mehr stimmten), haben mehrere seit-
dem herausgekommene Werke eine eingreifende Durcharbeitung von
Fr. Hotof^pn's BßUum civ. veranlasst, besonders Uadvig's Adversaria,
Meu^rs Lexikon, PauFs Ausgabe, Stoffers Histoire de Jules C6sar;
der letztere hat dem Verfasser auch erlaubt, nach seinen grossen Karten
kleinere, Ilerda, Curio's Feldzug in Afrika, Dyrrhachium und Pharsalus,
beigeben zu lasaen. Die topographischen Erläuterungen sind gleichfalls
paQh des Obersten Ermittelungen umgearbeitet worden: so wird der
Rückzug der Pompejaner von Ilerda auf Mequineaza angesetzt und über
das Schlachtfeld von Pharsalns den übrigen Annahmen auch StoffeFs
Entscheidung zugefügt. Im Geographischen Register findet man wenig-
stens die berechtigten von Geyer, Jahresber« XI, ausgesprochenen Wünsche,
z. B. unter Ali^pmon, Laoiniuro, Partbini, berücksichtigt Wohl auch
anf Anregung desselben sind aus den Anmerkungen die kritischen Aus-
einandersetssungen und die Widerlegung Kraner'scher Lesarten und Er-
klärungen fortgelassen und abgekürzt im Anhange untergebracht worden:
so seine Annahme von der Bedeutung des extremum jus I, 6, 1, nicht
als das jus intercedendi, sondern als die Unverletzlicbkeit der Tribunen,
wodurch allerdings der Ablativ intercessione gewissermassen gewahrt
werden kann, den icii im andern Falle in den Genitiv intercessionis zu
verwandeln für n()tbig erklärt habe; so die Abweisung der Aenderung
Njpperdey's und Eraner's in III, 26, 4 si vel ad littora ApoUinatium etc.
für das haAdscbriftliche sive ad littora Apollinatipm, wozu er selbst sive
CaMar. 4}
ad Labeatium hinzugefügt hat, welcher Textfassung Paul beigetreten ist
Die Abweichungen von den früheren Auflagen, von anderen Ausgaben
und von der ^handschriftlichen Ueberlieferung giebt der Kritische Anhang
an. Einzelne Sätze oder Wörter, die ohne Aenderung Bedenken erregen
oder nur Zusätze eines Abschreibers zu sein scheinen, sind, statt wie
früher eingeklammert zu werden, ausgelassen: so I, 7, 2 quae superio-
ribus annis annis esset restituta, wo man durch Einschaltung von sine
vor armis der Sache gerecht zu werden versucht hat, III, 79, 7 opposi-
tomque hinter objectum; Anderes ist eingeklammert geblieben, so III,
112, 11 nutricius pueri et procurator regni, in parte Caesaris. Ausser
den bekannten älteren habe ich neue eigne Verbesserungen des Verfassers
nicht angetroffen; nur schlägt er III, 48, 1 statt id ad similitudinem pa-
nis ef&ciebant vor et similitudinem panis efficiebat, ohne es in den Text
zu bringen, und III, 49, 4 et asperae angustiae vallium, has — st et
ad specus angustiae vallium, has — , gleichfalls ohne es aufzunehmen.
in, 16, 3 ist er zu der handschriftlichen Lesart neque excusat für das
von Nipperdey eingeführte atque excusat zurückgekehrt, in der Erklä-
rung sagend, Libo entschuldigt den Bibulus nicht, weil das doch frucht*
los gewesen wäre, und im Anhang äussernd, wenn Bibulns die Aussöh-
nung aufrichtig wünschte, so musste er seinen Jähzorn beherrschen kön-
nen: dagegen lässt sich einwenden, dass die Worte ob eam causam col-
loquium vitasse etc. die durch Libo angebrachte Entschuldigung deutlich
enthalten, und dass man deshalb Nipperdey's Aenderung für gerechtfer-
tigt ansehen müsse. DI, 19, 2 klammert er, vielleicht mit Becht, nicht
nur duo, sondern auch das davor stehende de pace ein, während neuer-
dings das gewiss falsche duo durch tnto ersetzt worden ist Was von
andern Herausgebern oder Kritikern, namentlich auch von Paul, vorge-
schlagen worden ist, hat Fr. Hofmann sorgfältig benutzt, und wo es ihm
genehm schien, aufgenommen, ohne sich jedoch auf die von der Ueber-
lieferung ganz abspringenden und, mildestens gesagt, zum Theil willkür-
lichen Textverbesserungen Paul's einzulassen. III, 83, 4 ist das von mir
als unrichtig nachgewiesene tabellam qui — qui — qui, für das entweder
quos - quos — quos oder mit Paul qua — qua - qua gesetzt wer-
den muss, stehen geblieben. — So ist denn diese Ausgabe, welche frü-
her, wegen der Nichtberücksichtigung mancher Vorschläge und einzelner
handschriftlicher Lesarten, sich, wie Rud. Schneider urtheilt, nicht auf
der bisher behaupteten Höhe erhalten hatte, wieder auf den Standpunkt
der jetzigen Forschung erhoben worden. Bei den vielen Abweichungen,
welche die verschiedenen Abdrücke des bell. civ. jetzt von einander dar-
bieten, muss man die Bestimmung mancher Lehrer, dass in der Klasse nur
eine und dieselbe Ausgabe von den Schülern benutzt werden dürfe, für
sehr angemessen halten. Wenn der Preis (2,25 Mk.) nicht ein Hindemiss
bietet, würde ich diese Hofmannsche Ausgabe zur allgemeinen Einfüh-
rung empfehlen.
42 Römische Historiker.
Was ich frtther einmal geäussert habe, darf ich jetzt zum Schloss
mit noch grösserer Berechtigung wiederholen: es ist augenblicklich noch
nicht die Zeit gekommen, eine im Wesentlichen befriedigoode Ausgabe
der echten Schriften Caesar*s zu veranstalten. Einmal gehen die An-
sichten Aber die beiden wichtigsten Handschriftenklassen noch zo weit
auseinander und sind auch trotz MeuseFs, Rud. Schneider's und Anderer
fortgesetzter Bemühungen noch immer nicht zu einem festen Abschluss
gelangt; andererseits ist die Fülle zum Theil ganz berechtigter oder
doch wohlgemeinter Besserungsvorschläge und Streichungsannahmen so
gross geworden, dass eine Entscheidung darüber einem gewissenhaften
Herausgeber schwer, eigentlich wohl noch unausführbar werden möchte.
Auch jetzt noch halte ich das gründliche untersuchen und die eingehende
Besprechung der einzelnen in Frage kommenden Stellen für das An-
gemessenste, was sich unter so bewandten Umständen wird leisten lassen.
Der Kritik bleibt somit mehr als je ein weites und fruchtbares Feld er-
öffnet: dieser Art der Kritik soll durch meine ausführliche Angabe
aller neuerdings vorgebrachten Vermuthungen eine leicht fassliche Hand-
habe dargeboten worden sein.
Bellunoi Alexandrinum.
Bellum Alexandrinum erklärt von Dr. Rud. Schneider. Berlin,
Weidmann 1888.
Der als Gaesarkritiker rühmlich bekannte Verfasser hat sich nicht
damit begnügt, das Buch sprachlich und sachlich zu erklären: durch
eine fortlaufende Revision des Textes liefert er zugleich eine neue
kritische Ausgabe; er führt zwar nicht überall genau die handschriftliehe
üeberliefernng, aber doch an den wichtigen Stellen an, besonders wo er
daraufhin eine Aenderung der Lesart eintreten lässt, und nimmt zahl-
reiche neuere und ältere Emendationen , darunter nicht weniger als 83
eigne auf. Die wichtigsten derselben sind: 13, 5 Sjrrias . ., Gilicias V
(st. des handschriftlichen Lycias oder Licias) und quinqneremes VI,
quadriremes X (st. des handschriftlichen quinqueremes et quadriremes X);
81, 3 setzt er inrumperent hinter ex omnibus partibus hinzu; 35, 5
schreibt er pertinet (st. pertinens); er streicht 38, 8 medio zwischen
magno und intervallo und schaltet 47, 2 consumpto (zu postero die ge-
hörig) vor post diem tertium ein; 49, 2 schreibt er simulationis causa
(st. simultatium causa); 52, 4 giebt er L. Mercello (st. L. Mergilio);
56, 2 licentiam imperiorum (st. licentiam temporum); 57, 2 mane per-
venit Naevam. Ibi (st. mane pervenit. Noctu ibi); 65, 4 privatim (st.
viritim); 78, 8 intermissa (st. intercisa); 74, 8 in praeruptam vallem
(st. des handschriftlichen praerupta valle, ohne Präposition). Einige
andere Aenderungen sind wenigstens überflüssig. Ich selbst habe, im
Philol. 1890, wo eine ausführlichere Besprechung vorliegt, 1, 2 st. des
Caesar. 43
sinnlosen aptantar, das Rad. Schneider, in Ermangelung von etwas
Besserem, beibehält, artantur oder arctantar eraendirt, in der Bedeutang
»werden immer mehr eingeengte und habe dort diese Bedeutang an
Beispielen nachgewiesen. — Die Druckfehler berichtigt Rud. Schneider
im Jahresbericht XIV der Zeitschr. f. d. Gjmnasialwes.; ebenda setzt er
noch discriberentur in 51, 3 ein (st. describerentur).
Bellum Alexandrinum (Commentariornm vol. II). Iterum recogno-
vit et adnotationem criticam praemisit Em. Hoffmann. Vindobonae,
Gerold. 1890.
I, 2 appetuntur (st. aptantur); l, 5 urbis, nach f, (st. urbs); 5, 1
a Kilo, mit abf und Nipperdej (st. ad Nilum); 8, 7 omnia enim litora,
mit fhl (st. omnia litora);* 8, 4 ex munitionibns sustineri (st. Nipper-
dey*s munitionibus sustinore); 10, 1 nudare, mit abf (st. nudari); 14, 1
classi, mit den Handschriften (st. classe); 15, 3 qui ubi cessare Gaesarem
animum advertit (st des handschriftlichen qui ubi Caesaris animum ad-
vertit, wofür Rud. Schneider, nach Forchhammer*s Vermuthung, Caesaris
dubitationero eingesetzt hat); 15,8 wird der gewöhnlich für eingeschoben
gehaltene Relativsatz qui — haberent beibehalten; 16, 1 [pulsis], da^
gegen bleibt victis hinter dabatur stehen; 16,^ (3) cedendum, wie Rud.
Schneider, (st. des handschriftlichen cavendum); 17, 2 ex illa (seil, insula)
urbem (st. des handschriftlichen et illa in urbem, wofür Jurinius et in*
sulam et urbem vorgeschlagen hat,- was von Rud. Schneider aufgenommen
worden ist); 17, 4 ac primum (st. ac primo, das nur ab bieten); 17, 6
bis pulsis custodia portus relicta reliqui etc , mit Einschaltung dieses
reliqui; 19, 2 citeriorem illum, mit Madvig, (st. fortiorem oder certiorem
der Handschriften); 21, 6 libero (seil, mari, st libere); 22, 1 und 2
[incensi atque incitati magnas accessiones fecerint in operibus hostium
expugnandis] und [manum . . . comprehendi multum operibus ... et
ardentibus — cupiditatem, ut]; nach Fortlassung dieser Sätze nimmt
der Herausgeber keine Lücke an, wie andere Kritiker hinter manum
und hinter operibus ; 24, 4 contra flens orare Gaesarem coepit, mit Ver-
setzung des Worts contra, das in dhn Handschriften vor Gaesarem steht;
25, 3 [unam], für das Nipperdej suam eingesetzt hat; 26, 1 magnis
copiis — Pelusium adductis, id oppidum (st cum magnis copiis — Pe-
lusium advenit idque oppidum, wo die Handschriften fälschlich adducit
enthalten); 28, 3 (4) variis munitionum generibus (st. des handschrift-
lichen variis generum munitionibus, woraus Gebier varii generis muni-
tionibus gemacht hat); 33, 4 esse tutos; hos, si essent ingrati; der Ver-
fasser glaubt, dass durch Beibehaltung dieses meist weggelassenen hos
die Fehler der Handschriften esset ut hos, esse ut hos, esse tutos et
hos sich erklären lassen; 36, 5 sive amicus sive inimicus, mit den Hand-
schriften, während Nipperdey die Worte sive inimicus vor ut in hostium
fines veniret gestellt hat; dafür hat Em. Hoffmaiin »in vor ut — veniret
44 Rßmiscbe Bistpriker.
eiogeschaltet; 39, l aut si negatis di&eederet (st. des baodschriftlicboD.
— sine cansis — , wofflr — sine causa ~, obgleich fOr verderbt erklArt,
gegeben wird); 40, 2 fossam autem transire et circomire aciem sacon-
dam, oder vielleicht fossam autem circomire ab acie secunda; 43, 1 ducto
ansuque, nach hl (st Lipsius Conjectur dnctu aospicibque); 45, 2 (3)
distentis suis navibus (st. des handschriftlichen distersis, woraus Nipper-
dey dispersis gemacht hat); 45, 3 (4) [quo pugnaadi dahat Signum];
46, 1 fortuitae tarnen dimicationi rem committere maluit, mit fhl, und
Em. Hoifraann folgend auch Rud. Schneider; 49, l antea (st. in ea);
53, 5 ibi erat, mit den meisten Handschriften (st. erat ibi); 57, 1 de-
ducebatur, mit af, (st. ducebatur); 57, 2 Leptim (st. Rud. Schneider*8
Naevam); 58, 3 erit copjectura, mit Madvig (st. des handschriftlidien
erat, wofCkr Rud. Schneider est gesetzt hat); 60, 2 potestatis esset . . .
legiones (st Yielhaber's potestatis esse, legiones ohne Lücke); 60, 8
cum Cassium — iostruxisse — videret (sonst cum Cassius — ia-
struxisset — ); 61, 4 edoctus (st Nipperdey's Conjectur deductus); 66, 6
aut heres regni terreret Ariobarsanen, adtribuit ohne Lflcke, und nachher
essent (st. aut heres regni terreret .... Ariobarzani attribuit, und nachher
esset); 67,1 exercitibusimperiisquecoactus, mit ZufOgung des letzten Wortes;
72, 2 oppidum in Ponte, .positu ipso ut in piano loco satis munitum,
nach Aldus; eben da superioribus temporibus [locis atque itineribos
paene conjunctus oppido] (st. superioribus locis atque itineribus paene
conjunctns oppido); dabei wird die Vermuthung ausgesprochen, dass die
Worte itineribus paene corgunctus oppido ursprünglich hinter ab Zela
gestanden haben könnten; 73. 3 aggerere (st. des handschrifUicheo age-
rentur und des aus einer schlechten Bandschrift entnommenen agerent,
fflr das Dinter agere gesetzt hat); 77, l das vor victoria fälschlich
wiederholte quod haben nach Em. Hoflfmann*s Vorgang die Herausgeber
gestrichen; 78, 2 parvulum secum (st secum parvulum, das sich nur in
ab findet); eben da quoad sab imperio, nach Oehler's Vorschlag (st quod
der Handschriften, zu dem Larsen regnum hinzuzusetzen räth, was Rud.
Schneider befolgt hat).
Heinr. Schiller, Vom Ursprung des b. Alex. Blatt f. d. bayer.
Oymn.-Schulwes. XXVI. 242—251. 1890.
Rud. Schneider hat in seiner Ausgabe des b. Alex, sich darauf
beschränkt anzugeben, dass »erneute PrQfungen des Sprachgebrauchs,
die wir E. Fischer (Progr. Passau 1880) und F. Fröhlich (Festschrift.
Zflrich 1887) verdanken, so auffallende Unterschiede zwischen dieser
Schrift und dem VIII. Buch des b. Gall. ergeben, dass dadurch Nipper-
de/s Annahme, auch das b. Alex, sei dem Hirtius zuzuschreiben, wider-
legt wirdc. Dagegen sucht Schiller zu zeigen, dass die statistischen
Angaben Vielhaber's (Ztschr. f. d. österr. Gymn. 1869), Fischer's und
Fröhliches ttber das Vorkommen oder Fehlen einzelner Wörter und Rede-
Gaettir. 45
weodiingeii, so wie Aber die eigenthflmliche Trennung znsftmmengehöriger
AusdrQcke bei richtiger Aufzäblang wenig oder gar nicht ins Gewicht
fallen nnd die Annahme Nipperdey*8 nicht zu entkräften geeignet seien.
Nicht erst hier von Schiller, sondern anch von Ihm ist auf die Ver-
schiedenheit des Wortschatzes in den verschiedenen Büchern des b. GalL,
von Menge, von Dinter (Doberenz), von mir (Philol. Suppl. V, 368) anf
das Fehlen vieler Wörter in b. civ., die im b. Oall. sich vorfinden und
aof das Vorkommen anderer im b. civ. allein aufmerksam gemacht
worden; man ersieht daraus, wie misslich es ist, auf solche Umstände
SehlQsse zu bauen.
Dr. Gustav Landgraf, Der Bericht des C. Asinius PoUio Über die
spanischen Unruhen des Jahres 46 v. Chr. (Bellum Alexandrinum 48
bis 64) auf Grund des codex Ashburnhamensis neu herausgegeben.
Erlangen und Leipzig, Deichert 1890. Iwan von Moller gewidmet.
Im Anschluss an seine frühere Abhandlung über \sinius Pollio
als Verfasser des Bell. Afric. unternimmt es Landgraf in der vorliegen-
den Ausgabe, die schon dort ausgesprochene Behauptung, dass auch die
den spanischen Aufstand von 48 behandelnden Kapitel 48 — 64 des Bell.
Alexand. von diesem römischen Schriftsteller herrühren und von Hirtius
nur überarbeitet worden seien, weiter zu begründen. Nachdem er in der
Einleitung angeführt hat, dass Pollio, im Sommer 44 Verwalter der Pro-
vinz Spanien, zu einem solchen Bericht die geeignetste Person gewesen
ist, stellt er eine Anzahl der in dem bezeichneten Abschnitt vorkommen-
den Ausdrücke zusammen, welche mit den in seinen Briefen und Frag-
menten, sowie im Bell. Afric. gebrauchten Uebereinstimmung zeigen oder
doch Aehnlichkeit verrathen und sich sonst bei Hirtius nicht vorfinden;
es sind dies: die Klimax magnus — migor; postquam mit Gonj. Plus-
qvamperf.; speciosus; simultas; concire; adsignare; omare in der Be-
deutung von armare; praeparare; pro contione; sauciare; signa inferre;
secundani und unetvicensimani; profiteri; amplus; turbare; castra habere
und movere; hie temporal; fidus; nullum periculum deprecari; qua mente;
das allerdings nur durch CoQJectur eingesetzte infatuare; Caesariani;
die Form Bogudem: uterque educunt; expertus passivisch; ad exeundum
invitare. Die Veranlassung za der erneuten Untersuchung hat ihm die
Mittheilung der von Wölfflin und Miodonski beiderseits vorgenommenen
Vergleiehong des codex Ashburnhamensis gegeben. Nach seiner Prüfung
gehört dieser weder der römischen (UF, oder nach Mensel hl), noch
der Pariser Klasse (TV oder af) an; die Lesarten oder Schreibfehler
desselben befinden sich zum Theil auch im Dresd. D (Dresd. 1), Dresd. d
(Dresd. II) und besonders im cod. Lovaniensis, welche zu den deteriores
(oder mixti) gerechnet werden, deren Vernachlässigung Landgraf ebenso,
wie ich es mehrfach gethan habe, rügt, mit der von Menge herüber-
genommenen Bemerkung, dass R. Schneider in seiner Ausgabe des Bell.
46 Römische Historiker.
Alezandr. aus ihnen etwa 40 Lesarten habe aufnehmen müssen. Er führt
in 48, 2, mit Dübuer, aus a f h l wieder dissimulant ein (st dissimulabant
einiger Hdschr.), weil hier allgemein von dem genus hominum gesprochen
werde; 48, 3 postquam (st. des wegen des Coojunctivs eingesetzten post,
cum); 49, 1 lässt er in ea (nämlich provincia) stehen, vermuthet jedoch,
wie Menge, interea; 49, 2 behält er simultatium bei, als ein Wort, das
in einem Fragment des PoUio bei Sen. suas. 6, 24 angetroffen wird;
eben da schreibt er couciebantur (st. coiciebantur) ; 50, 2 acceptum fer^
baut, mit Ashb. (st acceptum referebant der übrigen Handschr.); 62, 1
tradit, mit Ashb. und hl (st tradidit in af); 55, 5 SH (st HS), nach
den massgebenden Hdschr., mit Billigung des Prof. Hultsch, der die Vor-
anstellung der Hälfte vor das Ganze zwar nicht üblich, aber nicht un-
statthaft findet; 55, 5 behält er Qui si (st des von R. Schneider ge-
setzten Quod si) bei; 56, 2 iicentiam superiorum temporum, mit Fleischer
(st. Iicentiam temporum oder R. Schneider*s Iicentiam imperiorum); 57, 2
nimmt er von Schneider Naevam. Ibi (st noctu ibi) an; 57, 3 cum iis,
mit Ashb. (a h 1 hat is, wofür sonst bis gemacht ist); 58, 2 die Worte
sed id qua meute, communis erat conjectura werden gleich hinter dicti-
tabat gebracht, und dann ist allerdings weder Madvig^s erit, noch R.
Schneiders est nöthig; 58, 3 infatuabantur , nach Gornelissen, Muemo-
syne 1889 (st. fatebantur); 58, 4 praetextatorum filiorum, mit Zusatz von
fiiiorum, eine Yermuthung, welche Landgraf aus dem Wort fidelium, das
im Ashb. hinter matrum steht, geschöpft bat; 59, l deterserunt, nach
Menge's Vorschlag, Neue Philol. Rundschau 1889 (st detraxerunt) ; 60, 1
wird orant hinter educerentur aus Ashb., Dresd. I (und II) hinzugefügt;
60, 3 Gassium — instruxisse — videret, aus Ashb., Dresd. I (und II)
(st Gassium in afl, Gassius in h und instruxisse in allen diesen Hdschr.,
woraus man sonst Gassius — instruxisset — gemacht hat); 60, 5 uter-
que educunt, mit Ashb. (st uterque educit); 61, 5 magno usui, aus
Ashb., welcher vor usui ein m hat (st. des blossen usui); 62. 2 fovebant,
mit Ashb. und af (st. favebant); 64, 3 nimmt Landgraf von R. Schneider
navem (st. navis, d. i. naves, der Hdschr.) auf; 64, 5 in derectum (st
des blossen derectam), aus Lovan. , der in directum, und Ashb., der in
directam bietet. Man ersieht hieraus, dass — von orthographischen
Einzelheiten wie Mauretaniam (st. des von den andern Hdschr. gegebenen
Mauritaniam), Torius (st Thorius) abgesehen — , trotz einiger annehm-
barer Lesarten, die Ausbeute des Ashburnhamensis kaum gross genug
ist, um darum allein einen besonderen Abdruck nöthig erscheinen zu
lassen. Der Werth der Ausgabe besteht hauptsächlich in den durch die
Anmerkungen dargelegten Eigeuthümlichkeiten des Stils Pollio*s, welche
der Verfasser in diesen Kapiteln ausgespürt hat; nach meinem Dafür-
halten hat er seine Sache sieghaft durchgeführt Nicht minder werthvoll
sind manche Erklärungen, z. B. die Auseinandersetzung über die Vete-
ran!: dieser Ausdruck ist für Truppen erst von Gaesar aufgebracht
Caesar. 47
ivordeo, l)ei Cicero erscheint er erst in den Philippischen Reden, anter
Augnstns wurde er officielle Bezeichnung derjenigen Legionssoldaten,
welche nach Erfüllung der 20jährigen Dienstzeit die honesta missio und
die damit verbundenen praemia an Geld oder Landbesitz erhielten. £nt<
lehnt hat Caesar diesen Ausdruck der landwirthschaftlichen Sprache;
bei Varro de re rust. I, 26, 2 werden veterani boves im Gegensatz zu
novelli juvenci erwähnt, wie denn auch andere Ausdrücke, z. B. jugum,
hibernare, aus der Sprache der Landleute in die Soldatensprache über-
gingen.
Bellum Africanum (und Alexandrinum).
Dr. Gustav Landgraf, Untersuch ungen zu Caesar und seineu Fort-
setzen!, insbesondere über Autorschaft und Composition des Bellum
Alexandrinum und Africanum. Erlangen, A. Deichert 1888. Preis
3 Mark.
Der Verfasser sucht nachzuweisen, dass die Schrift über das bellum
Africanum von Asinius PoUio verfasst worden sei, der auch für das
bellum Alexandrinum dem Hirtius zu den Kapiteln 48 — 64 (über die
Unruhen in Spanien) auf den Wunsch desselben Berichte geliefert habe,
die von ihm seiner Arbeit einverleibt worden seien; Asinius PoUio habe
ferner die von Hirtius hinterlassenen Ergänzungen der Schriften Caesar *8
das VIII. Buch des bellum Gallicum und das bellum Alexandrinum, einer
theilweisen Ueberarbeitung unterworfen, im b. Gall. VIII, 23, 3, 47, 48,
1—9 die Erzählung über die geplante Ermordung des Atrebaten Commius
und die Schlusskapitel 53, 54, 55 hinzugefügt und im b. civ. III die
überleitenden Schlusskapitel 108 — 112 vervollständigt. Zu dieser Mit-
arbeiterschaft sei Asinius Pollio ganz natürlich gekommen, da es in
seinem Interesse liegen musste nachzusehen, was aus seinem Bericht über
die Vorgänge in Spanien, denen er, seit 45, selbst in diesem Lande,
nachgeforscht hatte, geworden sei; sie habe ihn nicht gehindert, vielleicht
sogar veranlasst, später selbständig sein Werk über den Bürgerkrieg zu
unternehmen. Das bellum Hispaniense dürfe ihm jedoch nicht zu-
geschrieben werden. Uebrigens habe auch Hirtius bei der Abfassung
des bellum Alexandrinum von Caesar niedergeschriebene Notizen benutzt
80 die Kapitel 1, 2, 3, 6, 7, 9, 11, 12, 16, 21, 32, auch die Reden in
8 und 12; die Kapitel 10, 13, 14, 15, 17, 18, 19, 20 sollen sogar voll-
ständig von Caesar selbst herrühren: diese Abschnitte heben sich, meint
Landgraf, sich dabei an Nipperdey's Urtheil (Quaest. Caes. p. 14) an-
schliessend, durch die lebendigere Darstellung und den kurzen, ge-
drungenen Stil vortheilhaft von den langgezogenen, matten, eintönigen
Perioden des Hirtius ab; geringe Eingriffe Pollio's zeigen dagegen, wie
er fortfährt, die Kapitel 24, 26, 27; ganz oder grösstentheils sind von
ihm die Kapitel 4, 5, 6, 7, 30, mehr oder minder beträchtlich seine Ein-
48 Römische HiBtoriker.
schaltangen in den Kapitelo, 3, 11, 14, 18, 38. Fflr die Annahme, dass
die Schlasskapitel des III. Bachs de b. civ., wegen der Stilverschieden-
heit, nicht wohl von Caesar selbst herrühren möchten, hat Landgraf
einen Vorgänger in Dinter (Programm Grimma, 1876, p. 32 — 86); in
der Auffassung, dass Hirtius sich fOr verschiedene Theile seines Werkes
Specialberichte von Augenzeugen habe liefern lassen, sind ihm Peters-
dorff (Zeitschr. för Gymn.-Wes. XXXIV, p. 215 ff.), dessen AusfQhmngen
er jedoch selbst wie auch Eussner (Jahresber. XXXV, p. 136), fttr über-
trieben erklärt, und in durchaus richtigem Masse Schiller (Zur Hirtras-
frage), der zuerst auf die Verschiedenheiten der fünf Abschnitte des b.
Alex, aufmerksam gemacht hat, vorangegangen; aber dass Asinius Pollio
in der oben angegebenen Weise in das Werk des Hirtius eingegriffen
habe, diese Behauptung ist Landgraf allein eigenthümlich.
Da eine Ueberlieferung oder auch nur Andeutung aus dem Alter-
thum für diese seine Ansicht nicht vorhanden war, blieb ihm, um den
Beweis fttr sie anzutreten, nur die sprachliche Besonderheit heranzuziehen
und hervorzuheben übrig, so wie den umstand, dass Pollio's Name, auch
bei Gelegenheiten, wo er wohl hätte erwähnt werden sollen, ausgeblieben
und, nach Landgrafs Annahme, absichtlich von ihm ausgestrichen worden
sei, z. B. in der Darstellung der Schlacht bei • Pharsalus. Die Ver-
gleichung der drei Briefe des Af^inius Pollio, welche sich bei Cicero ad
familiäres X, 31, 32, 33 vorfinden, sowie der Wenigen von ihm herrühren-
den Fragmente (H. Meyer, Orat. Rom. fragm. p. 329 ff und Thorbecke,
Commentatio de C. Asinii Pollionis vita et studiis doctrinae, Leyden 1820,
p. 79 ff.) hat ihn zu der Ueberzeugnng gebracht, gerade diesem Histori-
ker, Poeten und Rhetor die vorhin angeführte Mitarbeit an den jetzt
allgemein Hirtius zugeschriebenen Fortsetzungen der Commentarien , so
wie in erster Linie die alleinige Abfassung des bellum Africanum, »eines
nach und nach entstandenen Tagebuchs c zuschreiben zu müssen. Die
genaue Durchsicht der unzweifelhaft von Asinius Pollio herrührenden
Schriftstücke bat in ihm die schon von Schmalz, Analyse der polüoni-
schen Briefe (Karlsruher Festschrift 76 — 101) nach dem Dialog, de orator.
cap. 21 aufgestellte Ansicht befestigt, dass dieser Schriftsteller sich den
archaisch- poetisirenden und Vulgarismen nicht verschmähenden Stil an-
geeignet habe, in dem Terentius Varro sein Vorgänger gewesen, Sallust,
Livius, Vellejus und Andere seine Nachfolger geworden sind. Mit dieser
sprachlichen Untersuchung beginnt nun der zweite Theil der Abhandlung,
in seinem ersten Abschnitt in Betreff der Latinität des bellum Africanum,
nach den eingehenden Erörterungen, welche sie in Fröhliches Züricher
Dissertation und Festschrift (Das bellum Africanum sprachlich und
historisch behandelt, 1872. — Realistisches und Stilistisches zu Caesar
und seinen Fortsetzern, 1887) und in Köhler*s Analyse (Act. Erlang. I,
377 ff.) erfahren hat, sich auf die Uebereinstiramung oder Aehnlichkeit
die sie mit der Ausdrucksweise der Briefe und der Fragmente des
GMsar: 49
Asinhis PoIUo zeigt, sich beschränkend. Hier sind die wichtigste Fälle:
pro contione dicere, nuUam yestigiam discedere (für welches Beispiel
freilich im b. Afr. 73, 3 st. ideo quod bostinm copiäs ab se suoque
vestigio non discessuras existimabat zu schreiben sein mflsste ab se
snisqae vestigium non discessuras etc.), quonam modo, in agris et in
tillis, nactas (nicht nanctus) occasionem, ntrobique, in potestate sua
teuere, die Nachstellung des Geschlechtsnamens hinter das cognomen
(z. B. 87, 5 Sulla Faustns, wie in dem Briefe X, 32, 5 Gallns Cornelius),
der Gebrauch des Singulars legio bei der durch Ordinalzahlen gemachten
Angabe mehrerer Legionen, der Gebrauch der DistributiTa statt der
Gardinalia (z. B. 81, 1 qninae cohortes, freilich auf jedem Flügel, wie
in dem Briefe X, 83, 3 (bin! tabellarii, allerdings auch bei duas navis),
cnpidissime st. libentissime, die freilich aueh sonst nicht ungewöhnlichen
Umschreibungen facere eruptionem, impressionem , salntationem , wie in
einem Fragment bei Sueton. de grammat adjutorium facere, se eab-
ducere, 93, 1, depugnare, sonst eine voz gladiatoria (aber auch b. Gall.
VII, 28, l), pollicitatio (das jedoch, wie Landgraf zu erwähnen unter-
lassen hat, zwar nicht bei Hirtius, aber doch bei Caesar selbst vorkommt),
et hercules, 12, 2, nullo negotio, trucidare, portendere, serritia, quia,
der Genitiv Bogudis. Ausser diesen in den Briefen des Asinius PoUio
Mcb eben so oder ähnlich vorfindenden Redensarten, Wörtern und Formen
hat das bellum Africanum noch eine Anzahl von Ausdrücken, die nur
in der älteren Latinität üblich waren, wie suppetias ire oder venire, se-
orsum, 48, 2, condensare, 13, 1» condensus, 14, 2, 60, 1 insectatus und
expertus passivisch, assentire, non possum pati quin, oppidam Paradae;
oder solche, die, wie man aus der Entlehnung des Vellejus schliessen
darf, von Asinius PoUio erst aufgebracht worden sind, wie Juliani st.
Caesariani, oder ihm geläufig gewesen zu sein scheinen, wie speciosissine,
48, 6; ferner solche, welche der poetischen Sprache vorbehalten ge-
blieben sind, wie 86, 8 brachium gladio percussus, 78, 10 caput ietus,
incertus locoruro, 34, 6 laetitia ac voluptate auctus (Wölfflin) etc., und
welche wenigstens in so weit als poUionisch angesehen werden können,
als diesem Schriftsteller die Neigung zu poetisirender Ausdrucksweise
zugeschrieben wird; die Fremdwörter, wie hippotoxota, trieris navis,
penteris, epibata für classiarius, pyra fQr rogus, catascopns werden von
Landgraf besser mit GelUus X, 26, 6 dem archaisirenden Streben des
Verfassers als mit Froehlich dem Mangel an Bildung eines untergeord-
neten Officiers, der durch den Gebrauch derselben sich den Anstrich
eines kenntnissreichen Mannes geben wollte, in Anrechnung gebracht;
endlich findet sich im bellum Africanum öfter der Gebranch des Plus-
qoamperfecturos und zwar nur in den Formen habuerat und fuerat, wo
man das Imperfectum erwartet, 23, 1, 31, 2, 34, 6, 43, 44, 1, 76, 2, 88, 8,
89, 1, 2; so wie das Imperfectum Conjunctivi in Relativsätzen in un-
gewöhnlicher Weise 36, 1, 77, 1. Der Umstand, dass Asinius PoUio m
JahroBbericht für AlfcorthumswisBenBohaft. LXVni. Bd. (1891 II). 4
50 Römische Historiker.
iahte 44, wo Hirtius sich mit der Abfassung des bellum Alexandrinnm
beschAftigt haben wird, die Provinz Spanien verwaltete und als Partei-
genosse am besten über die Wirren dieses Landes während der Jahre
48 und 47 berichten konnte, sowie die Wiederkehr der im bellum Afn-
canum bemerkbaren Eigenthtlmlichkeiten in den Kapiteln 48 — 64 des
bellum Alexandrinnm, z. B. speciosus 48,3, 49, 1, pro contione 52, l,
in potestate retinere 57, 4, der Pleonasmus semper consuerat 53, 1,
die Plusquamperfecta fuerat und habuerat st. der Imperfecta 57, 1, 5,
64, 2, sowie verschiedene Abweichungen von der sonstigen Ausdrucks-
weise des Hirtius, welche von Landgraf im zweiten Abschnitt des zweiten
speciellen Theils seiner Abhandlung ausführlich zusammengestellt worden
sind, haben ihn zu der Ansicht gebracht, dass die obengenannten Kapitel
des bellum Alexandrinnm von demselben Verfasser wie das bellum Afri-
canum, also nach seiner Ueberzeugung von Asinius PoUio herrühren
müssen, allerdings unter der Voraussetzung »einer starken Beeinflussung
durch die redigirende Hand des Hirtiusc Gelegentlich schlägt Landgraf
vor, 49, 2 zu lesen in gregem locupletium simultatium causa tenues
condebantur, das letztere Verbum statt coniciebantur einsetzend, unter
dessen Beibehaltung Rud. Schneider in seiner Ausgabe des bellum
Alexandrinnm (Weidmann 1888), in anderer Weise dem sonst unver-
ständlichen Satz zu Hülfe kommend, simulationis causa tenues coicier
bantur hat drucken lassen.
So weit ist die Annahme des Verfassers ganz glaublich und er-
mangelt durchaus nicht der Unterstützung der sprachlichen Besonder-
heiten; musste Hirtius sich über die Vorgänge der Jahre 48 und 47 in
Spanien, einem Lande, dem er selbst damals fern war und aller Er-
wartung nach auch weiterhin fern bleiben würde, Bericht erstatten lassen,
und war zu diesem Behuf ein späterer Verwalter der Provinz und be-
freundeter Parteigenosse die geeignetste Person, so darf man mit grosser
Wahrscheinlichkeit die über diese Vorfälle handelnde Stelle des bellum
Alexandrinnm dem Asinius Pollio zuschreiben, und wenn ausserdem die
Ausdrucksweise dieser Partie mit deijenigen des bellum Africanum und
der Briefe des Pollio vielfache Uebereinstimmung und Aehnlichkeit zeigt,
so muss man Landgraf beipflichten, wenn er diesen Abschnitt des bellum
Alexandrinnm, ebenso wie das ganze bellum Africanum, für diesen
Schriftsteller in Anspruch nimmt. Es ist auch nicht bloss natürlich,
sondern fast nothwendig, dass Hirtius, um diesen Beitrag seinem eigenen
Werk einzuverleiben« am Eingang und am Ende desselben redactionelle
Aenderungen vorgenommen hat. Weniger glaubhaft ist die weitere An-
nahme Landgrafs, dass Asinius Pollio den ganzen litterarischen Nach-
lass des Hirtius einer Ueberarbeitung unterworfen, einzelne Stellen sogar
seinen schon vollendeten Arbeiten eingeschaltet habe. Es konnten leicht
die sprachlichen Eigenthümlichkeiten, welche allein dafür beizubringen
gewesen sind, fllr nicht beweiskräftig genug angesehen werden. Daas
^
d
Caesar. 51
Asinius Pollio in bellum Gall. VIII, 2 seine Hand angelegt haben sollte,
Iftsst sich nicht durch das statt des erwarteten Imperfects gesetzte Plus^
quamperfectum fuerat erweisen, denn Caesar selbst braucht es in ganz
ahnlicher Fttgung genau ebenso b. G. II, 6, 4, noch auch durch binis
cohortibus, das hier nicht, wie Landgraf annimmt, einfach ftlr duabus
cohortibus, sondern im eigentlichen Sinne (je zwei Gehörten von den
beiden Legionen) gesagt wird. Die den Atrebaten Gommins betreffenden
Kapitel VIII, 23, 46, 47, 48 sollen nach der Meinung Landgrafs von
Asinius Pollio zugefügt worden sein, dessen Geradheit der Kritiker die
Ueberlieferung einer fttr die Römer nicht gerade rflhmlichen Thatsache
in den zuletzt genannten Kapiteln beimisst, die er Hirtius selbst nicht
zutraut; und welche er durch Anmerkung der dabei gebrauchten Rede^
Wendungen ihrem wahren Urheber zurückzugeben sich bemüht; aber ich
glaube nicht, dass auch für diesen Fall die Ausdrücke hinreichenden
Anhalt darbieten; wenn in 23 Gallia citerior von Hirtius nicht sollte
herrühren können, weil er sonst Gallia togata gebraucht, so würde man
auch b. Gall. VI, l Caesar absprechen müssen, weil dort Gallia cisal-
pina steht und er sonst immer Gallia citerior schreibt; ebenso wenig
zwingend scheint mir die Beweiskraft der von Landgraf beigebrachten
Beispiele der besonderen Latinität des Asinius Pollio; man müsste denn
47, 2 den Pleonasmus und den Coi^unctiv in dem Relativsatze qni -t
semper ad omnes motus paratus suis civibus esse consuesset dafür an-
sehen wollen, obgleich so ein Coigunctiv auch sonst, und von Cicero
selbst bei Behauptung einer Sache, welche nicht eigne Anschauung oder
Erfahrung gelehrt, die man nur durch die Aussage Anderer überkommen
hat, gebraucht wird, wie Acad. II, 26 mille et octoginta stadia quod
abesset videbat d. h. quod abesse dicebat oder credebat, oder videre
se contendebat quod mille et octoginta stadia abesset; ganz wie in dem
Satze des b. GalL VIII, 47 die Umschreibung hfttte gebraucht werden
können quem semper consuesse paratum esse milites Romani perhibebant.
— Die letzten fünf Kapitel des b. civ. III, 108 — 112, welche, wegen des
abweichenden Stils Dinter dem Hirtius zuschreibend, für das eigentliche
bellum Alexandrinum dieses Schriftstellers h<, wogegen er das unter
diesem Titel vorhandene Werk auf einen andern Verfasser zurückführen
möchte, sieht Landgraf als die von Asinius Pollio für nothwendig er-
achtete Ueberleitung der abgebrochenen Erzählung Caesar^s zu der von
Hirtius unternommenen Darstellung der folgenden Kriegsereignisse an«
wenn der Schriftsteller des bellum Alexandrinum in Kap. 4 mit den
Worten dissensione orta — ut supra demonstratum est auf bellum civ.
III, 112, 11 verweist, so erblickt Landgraf darin das deutliche Zeichen
derselben Urheberschaft dieser Stellen; und wenn er diesen Schluss des
bellum civile, sowie die Ueberarbeitung auch der vorhergehenden Kapitel
dem Asinius Pollio zuschreiben zu müssen überzeugt ist — bestärkt
haben ihn in dieser Annahme die Vorliebe für.Deminutivformen 104, <8
4*
U.
5S Römische Higtoriker.
naiAQulam' panrulam, womit man b. Afric. 54, 1 fMurvulam cansolam,
27^ 1 lapillus minutus, 68, 1 navigiolum parvalam zu vergleichen habe,
die von ihm besonders Poltio beigelegte, sonst eben nicht ungewöhnliche
Aneinanderreihung der Satzglieder durch primum — deinde, 108, 1, so
wie eine ganze Anzahl von Redewendungen, welche sich durch ähnliche
im bellum Africanum belegen lassen, darunter auch 106, 5 palma exati-
tisise ostendebatur, wofür neuerdings Paul freilich nur zaghaft palmam
exstiiisse ostendebatur in Vorschlag gebracht hat ~ , so würde allerdings
daraus folgen, dass auch der l. Theil des b. Alex. 1 — 33, der die
Vorg&nge in Alexandria behandelt, wenigstens von ihm eine Ueber-
arbeitnng erfahren haben muss, eine Ueberarbeitung, die Landgraf auch
an den seiner Ansicht nach von Caesar selbst dazu gemachten Auf-
zeichnungen — welche nicht nur die Leichtigkeit des Stils, sondern auch
der Ausdruck a nobis, 3, 1, den Nipperdey f&lschlich in a nostris ver-
wandelt habe, deutlich zeige — erkennen zu können glaubt In der-
selben Weise sucht er in den drei letzten Theilen seines Buchs für die
Kapitel 34-41, 42-47, 66 — 77 eine Ueberarbeitung durch Pollio nach-
zuweisen, ftlr den letzten Abschnitt übrigens nur eine »den Ausdruck
mitunter modificirendec Dass derselbe über den von Curio in Afrika
gelehrten Krieg Caesar einen Bericht geliefert habe, ist wenigstens ganz
glaublich.
Yon der ziemlich festen Stellung, welche Landgraf dadurch ge-
wonnen hat, dass er, gestützt auf die Ausdrucksweise der Briefe und
der Fragmente Pollio^s, diesem mit einiger Sicherheit das bellum Afn-
eaaum hat zuschieben können, hat er, hauptsächlich dabei das bellum
Africanum zu Grunde legend, in eben so geschickter Weise wie mit
folgerichtiger Methode auf Bruchstücke der anderen unter Caesar's
Namen gehenden Schriften seine Untersuchung ausgedehnt. Die Aus-
führungen Landgrafs sind nicht nur in iexikographischer Hinsicht
beachtenswerth, sondern hier und da auch in kritischer Beziehung be-
langreich: wenn Paul b. civ. 11, 13, 4 st. oppidum irrumpere durchaus
in oppidum irrumpere haben will, kann man ihm b. Afric. 29, 2 ent-
gegen halten, jedoch ohne den Scbluss zu machen, dass auch an jener
Stelle sich die Hand des Ueberarbeiters zeige; b. civ. III, 70, 1 schlägt
Landgraf vor zu lesen angiportis atque viis st angustiis [portis] atque
bis der Ausgaben, eine den Worten omnibus viis atque angiportis in
b. Alex. 2, 4 entnommene Aenderung, welche der Verfasser schon im
Archiv f^r lat. Lexik. V (1888) S. 139 begründet hat; b. Alex. 7, 1 non
morari, mit Einschaltung des Worts non, für welches aus Bong. lü
längst nihil hinzugefügt worden ist; 16, 3 schlägt er st. der Forchhammer-
,8ohen Einschaltung dubitationem die wenigstens ebenso annehmbare
ooActationem vor; die Umstellung des Adverbs necessario b civ. I, 68, 2
cum propius erat ventum, necessario ab scientia gubematorum — ad
vixtttten- eonfagiebant st. cum propius erat necessario ventum, ab scientaa
(M^r. 53,
etc. ist nach meiner Ansicht fast nothwendig; b. Alex. 19, 2 ist qmid
his obtentis duobus omnes navigiorum concursus et repentina latrocidia
subiatum iri videbantur wenigstens eben so leicht herg^teilt wie der Vor-^
schlag Bentley's omnem concursum — subiatum iri videbat ; 40^ 2 fossam
autem circumire et maceriem transscendere conata esset st des bandn
schriftlichen circumire acies secundo conata esset, soll Nipperdey^ Yer-^
besserung fossam autem circumire ac transcendere conata etc. ersetzeli;
b. GalL VII, 36, 4 möchte Landgraf completis qufbusdAm cohortibiri
lesen, wohl eine anmögliche Aenderung, weil durch die Verstärkung einr<
zelner Gohorten die Anzahl der Legionen nicht vermehrt wurde, ubd toiI
der Menge der Soldaten hier nicht die Rede sein kann ; und zu gewalt^
sam ist wohl die Aenderung b. Alex. 22, 1 hoc detrimento miütes Bostti
animo non sunt pertnrbati, sed — accessiones feoerunt st. hoc detrimeütd
m^ilites nostri tantnm afuerunt ut perturbarentur, ut — accessiones feo^
rint, das allerdings schwerlich so stehen bleiben kann.
Wenn demnach auch nicht alle Aufstellungen Landgraf s bewiesen
sind — und streng bewiesen kann etwas dieser Art überhaupt kaum
werden — , so sind sie doch hinwiederum durchaus nicht haltlos, dtlrften
aber bei der Betriebsamkeit, mit welcher der Verfasser zu Wetrk ge-
gangen ist, durch weitere Nachforschung eine Erweiterung sehwetlfch,
eher vielmehr eine Einschränkung erfahren . da wo auch sonst Hblitdhe
oder doch nicht ungewöhnliche Redeweisen entweder als unbdüngt von
Caesar herrfthrend oder aber als die Mitwirkung Pollio's verfatbebd an-
gemerkt werden. Es wird die Pflicht späterer Herausgeber der mit
Caesar's eignen Werken vereinigten Schriften sein, die von Landgraf gegeben
nen Anregungen und Winke zu benutzen, und wo eine sorgfältige Nach-
prüfung jeder einzelnen Stelle es erforderlich macht, sie abzulehnen«
Wo die Mitwirkung Pollio's sich durch Heranziehung ganz gleicher oder
ähnlicher Redewendungen im bellum Africanum sich als zvTeifeltos heraus^
stellen soUte, wie z. B. b. Alex. 11, 3, wo epibata fär das sonst von
Hirtius gebrauchte dassiarius dea Urheber verräth, 28, 2 sicuti suf^ra
demonstravimus und 33, 2 docuimus, wegen des Pluralis, fär diö Hirtlafl
b. Gall. VIII immer den Singularis setzt, 80, 1 protinus — perteadil
und 2 lassos itinere etc. wftrde es von jetzt an die Aufgabe des Er-
klärers sein, dessen eigenem Ermessen ich jedoch in keinem FaUe vof^
zugreifen beabsichtige, darauf aufmerksam zu machen.
Bei der oben klar gelegten Sachlage war es keinesweges unerwartet^
ja eigentlich fast unausbleiblich, dass die sämmtlichen Behauptungen
Landgrafs von einem oder dem anderen Kritiker Widerspruch erfahren
winden: das ist denn auch, nicht nur für das bellum Alexandrinum,
sondern auch in Beziehung auf das bellum Africanum in der Berliner
Philologischen Wochenschrift, 1889, No. 2 und im Jahresbericht XVI
von Rud. Schneider geschehen, der die bei der gleichzeiltigeii Ausgub^
seines bellum Alexandrinum einmal eingenommene Stellujig zti WahröA
54 Römische Historiker.
hatte; es ist ihm nicht schwer geworden, viele der von Landgraf fttr
echt poUionisch angegebenen Redensarten bei anderen gleichzeitigen
Schriftstellern nachzuweisen; auf die archaisch-poetische Ausdrucksweise
des Asinius hat er jedoch keine Rflcksicht genommen. Uebereinstimmend
mit ihm schliesst Albrecht Köhler in den Blättern für das bajrer. Gymn.-
Schnlwes. XXV seine ablehnende Auseinandersetzung mit den Worten:
iDemnach bietet weder das tlberliefeite beglaubigte Sprachmaterial des
Pollio noch das Urtheil der Alten über ihn genfigenden Anhaltspunkt
dafür, dass man, selbst wenn man die Sprache des b. Afr. nach ihren
Einzelbestandtheilen als archaisch-poetisch gelten lässt, ein Recht hfttte,
aus diesem Grunde auf pollionische Autorschaft zu schliessen.« Weniger
abweisend, und eher entgegenkommend, urtheilt Menge, Neue Philol.
Rundschau, 1889, S. 147 — 154. Dagegen hat der Verfasser eine höchst
belangreiche Zustimmung erhalten von Wölfflin und MiodoAski, welche
ihre neue Ausgabe des bellum Africanum ohne Umschweife unter Asinius
Pollio's Namen veröffentlicht und Landgraf gewidmet haben.
C Asini Polionis de hello Africo commentarius. Recensuerunt,
emendaverunt, adnotatione illnstraverunt Eduardus Wölfflin et Adamus
Hiodonski. A^jecta est tabula photolithographica codicis Ashburn-
hamensis. Lipsiae in aedibus B. G. Teubneri MDCGGLXXXIX. Pr.
6,80 Mk.
Die Verfasser, welche die Schreibung Polio durch die Inschriften
für besser beglaubigt halten und sich dafür auf Lachmann zu Lncret
S. 38 und auf Brambach Orthographie S. 260 berufen, haben sich in
ihrer von Wölfflin verfassten Vorrede Landgrafs Beweisen für die Ab-
'fassung des bellum Africanum durch den oben genannten Geschicht-
schreiber, wie auch für seine Mitwirkung am bellum civile und am
bellum Aiexandrinum ohne jeden Vorbehalt angeschlossen, seine dafür
angeführten Beispiele abgedruckt und noch vermehrt; sie machen darauf
aufinerksam, dass dieser Schriftsteller häufiger als andere que an eine
kurze Vocalsilbe anhftngt, was mit der Endung te in Oaesar's Gommen-
tarien nur einmal vorkommt (dignitateque, b. Gall. VI, 12, 6), öfter mit
der Endung a (wie consiliaque, b. civ. I, 26, 2) ; um das in den Briefen
des Asinius öfter vorkommende plane auch im b. Afric. zu haben, machen
sie in 22, 2 Italiam plane oppressam aus Italiam paene oppressam; sie
glauben, dass 73, 3 entweder mit Landgraf suisque geschrieben oder
snoque weggelassen werden muss, vestigio jedoch beibehalten werden
kann, da man auch non pede discedere neben non pedem discedere sage.
Für die Kriegführung und die Topographie des Kriegsschauplatzes haben
sie Histoire de Jules G^sar. Guerre civile. Par le Golonel Stoffel I, II, i
Paris 1887, und Geographie compar^e de la province Romaine d^Afrique.
Par Charles Tfssot et Sal. Reinach I, II, Paris 1887, 1888, nicht aber
TiB80t*6 La Campagne de Cösar en Afrique benutzt J
i
Caesar. 55
Unter den Handschriften, welche die froheren Herausgeber schon
eingesehen haben, ist der cod. Leidensis von jedem der beiden Bearbeiter
besonders noch einmal verglichen worden; ganz neu ist für ihre Ausgabe
die Benutzung des cod. Ashburnhamensis (jetzt auch Florentinus oder
Laurentianus genannt), tlber welchen Stangl im Philoiogus XLV, 2?
S. 213-220 Auskunft gicbt. Obgleich als die älteste der Handschriften
anerkannt (aus dem 11. oder gar 9 Jahrhundert), hat dieses Manuscript
dennoch nur geringe Ausbeute geliefert: 1, 2 ist ihm zufolge sibi hinter
ne quis nicht eingeklammert, sondern weggelassen worden; 3, 1 hat es
III milium gegeben; 19, 3 die Yermuthung equoque uti frenato bestätigt;
20, 4 giebt es importaticio (st. importato), nachher dirui ac deseri (st.
dirui ac deleri); 26. 5 miseris (st. in miseriis); 31, 9 victoriae suae (st.
victoriae suorum); 54, 6 tradidit (st tradit); 66, 1, usque eo ut; 60, 4
resistere (st. resisti); 61, 6 frumentandi gratia (st. frumentandi causa);
67, 2 die Stellung cum parte profectus exercitus und 72, 3 militum
animos; 76, 2 quarta vigilia (st. die quarto); 91, 1 conjuges, liberos (st
coi^uges liberosque); 94, 1 per virtutem (stcum virtute); die zusammen-
gezogene Form passum (st passuum) 69, 5 und mehrmals, aber nicht
immer, scheint mir bedenklich ; fUr manche Lesarten bietet der Ashburn*
haroensis einem oder dem andern Manuscript eine nicht unwichtige
Unterstützung. Diese Handschrift fährt allein den deshalb von den
Herausgebern gewählten Titel de hello Africo. Sonst haben sie sich
vielfach in der Orthographie nach derselben gerichtet, weil sie die ältere
Schreibweise befolgt, so 63, 4 promunturium, und namentlich in der
Unterlassung der Assimilation der Präpositionen, z. B. inponere, inpli-
care, wofern nicht wie in imperare, impetrare eto. die ursprüngliche Be-
deutung des Simplex völlig verdunkelt ist, unter anderen Fällen auch
ecflagitatum 22, 5, ecflagitabant 66, 2. Die beiden codd. Dresdenses
(von ihnen mit D und 8 bezeichnet, von andern mit 0 und e) haben
durch ihre häufige Uebereinstimmung mit dem Ashburnhamensis eine
grössere Wichtigkeit erlangt, als man sie ihnen, da sie zu den späteren
gehören, bisher hat zuschreiben wollen, deshalb ist z. B. i, 3 tarnen
hinter nihilo eingeklammert. Der Leidensis (b), obgleich im b. Gall.
und im b. civ. nach Nipperdey's und auch nach Meusers Urtheil (Jahres-
bericht des philologischen Vereins in Berlin XI, 1886) mit dem Thuaneus
oder Parisinus II (a) übereinstimmend, weicht nach Wölfflin's und Mio-
doAski's Feststellung in b. Afric sehr von ihm ab; dasselbe findet, wie
schon Duebner bemerkt hat, in Betreff des Ursinianus (h) statt, der für
diesen Commentar wiederum mit dem Riccardianus oder Florentinus eine
und dieselbe Quelle gehabt hat. Aus dem Leidensis ist hier und da
die Stellung der Wörter gegen die früheren Ausgaben geändert, so 24, 1
paucos dies ibi, wie 66, 1; ferner 76, 2 ab ejus impugnatione, weil
Asinius den Genitiv dem regierenden Wort voranzustellen pflege, 16, I
novo pugnae genere, 30, 2 Caesaris patientia; 61, 6 sunt potiti; die
56 Bömisehe Historiker.
Stellung des Httlfsworts vor dem Particip sei, so meinen die Heransgeber»
dem Scbriftsteller eigen gewesen; 88, 6 accessisset cum copiis, 84« 2
nactus naviginm; 8, 6 Africae terrae, dies nach £nniu8' Vorgang, etc.
Sonst ist aus dem Leidensis, und von Kraner und Anderen abweichend,
entnommen: 2, 4 naves hinter ipse (st. navem); 7, 6 in convaUibas (st
inter convalles); 10, 3 nee qnicqnam (st. neque — ); 17, 1 convertit (st.
vertit); 18, 6 jam hoste — mittente (st. in hostes — mittentes); 21, 4
disponit (st. disposuit) und possit (st. posset); 25, 4 regno pulsus (st.
— ezpulsus); 26, 6 bis se (st. iis se); 29, 3 obstitisset (st. aetitisset);
84« 2 Decumius; 86, 1 quique cum eo erant (st. — essent), dagegen
86, 1 qui modo — arma ferre possent (st. — poterant); 86, 6 profuge-
mnt (st. perfugerunt); 88, 1 effecit (st efficit); 47, 1 per idem tempos
(st — id — ); 48, 1 ad terrorem Gaesaris (st ac —); 68, 1 adUzitam
(st circa Uzittam); 66, 8 Caesarem non latebat (st — fallebat); 58, 2
ante [se] concursuros, mit Veränderung des handsohrifUichen eum in
con (st ante eas secum concursuras der Ausgaben); 69, 4 sinistrum
autem (st — enim); 61, 1 diei (st die); 68, 1 ac (vor trepidantem st
atqae); 67, 2 parvo tritici (jedoch als vermeintliche Interpolation ein-
geklammert, st pauco tritici, nftmlich numero); 68, 1 ab Scipione (st.
a — ); 72, 8 accedebat enim (st — etiam); 78, 7 inmitUt (st mittit);
84, 2 eztollit armatum. qui (wo armatum jedoch als vermeintliche Inter-
polation eingeklammert ist, st extollit Armatus); 86, 1 succurrerent
(st occurrerent) und 6 viros {quos urbanos auctores appeilant] (wo
jedoch auctores im Leid, fehlt, st urbanos quos auctores appellabant);
88, 8 intulit (st tulit); 91, 8 primum (st primo); 98, 8 ipse sibi saisqae
liberis (mit Hinsufbgung des Wortes ipse). Einiges Andere noch im
Folgenden.
In vielen F&Uen ist n&miich ausserdem Wölfflin, sei es allen oder
einseinen oder doch mehreren Handschriften folgend, von dem, was
schon herkömmlich geworden war, wieder abgewichen: so giebt er 24, 3
quoqno versus st. des von Nipperdey eingeführten quoqueversus und
eben da nee per st. neque per. Weitere Aenderuugen dieser Art sind:
28, 1 anmum advertisset (st — adverteret) und eidem (st eisdero);
28, 4 custodibus traditi — sunt interfecti, mit Versetsung des Wortes
sunt; 29, 1 in statione (st in stationibus), mit dem Vind. I; 87, 4 milia
passus XII, nach dem Ashhurnh., schwerlich zu billigen, eben da ist
ingens, wofftr seit Nipperdey cingens gedruckt wurde, wiederhergestellt;
40, 2 sentit (st. sensit); 41, 2 mit dem Ashb., Leid, und Par. II mille
passus (st miile passuum); 41, 8 dextrumque (st deltrum); 44, 1 fuerant —
equites Romani (st fuerat - eques Romanus), es bleibt ungewiss, auf
weldie Autorität hin; 46, 2 forsitan (st forsan); 46, 6 tum (st tunc);
47, 4 oppido {per] quam pauci, Leid., auch schon bei Kraner; 48, 1
elephantis (st elephantisque) ; 48, 6 recepit (st recipit); 62, 4 prospectui
(st prospectu, dat) mit Vind. I, während die Übrigen Handschriftpu
Ctmar 57
fttechlieii prospectnm haben; 53, 1 conspicati (zu legiones gehörig,
schwerlich zu billigeD, noch dazu da Vind. 1 und Dresd. I conspicatae
geben, wenngleich nachher überall veriti folgt), ebenda naves Gaesarianas
mit Umstellung; 64, 1 Avienus ohne den von Stephanus aus § 4 zuge<-
fügten Vornamen G; 57, 4 Aquinium; 63, 1 milia passus VI und ähnlich
an anderen Stellen, wohl nicht gerechtfertigt (obgleich Hellmuth im Pro-
gramm Würzburg 1888 diese Gonstruction billigt), da der Leid, nur
pass\ der Ashbumh. pass. bieten; eben da ac (st. atque) vor trepidantem,
nur nach dem Leid., und dagegen auf dieselbe Autorität hin 66, 3 atque
(st. ac) vor retardato, weil 67, 2 die Handschriften atque vor recreato
geben; 69, 2 inferri (st. inferre), nach Leid, und Par. II; 69, 4 pariter
nach dem Leid. (st. pariterque); 70, 4 cum se convertissent, Leid, (st si se
convertissent) ; 71, 3 interficiebant (trotz des Singularis levis armatura)
nach Leid, und den beiden Dresd.; 72, 4 elephans (st elephantus); 73, 3
rapsaret (st. raptaret), weil Ashb. Leid. Par. II rapsare haben); 74, 1
petnnt obsecrant ohne et; 76, 2 ejus impugnatione (st. oppugnatione
ejus) nur nach dem Leid.; 77, S transire Africam (st. transire in AM*
cam); 73, 7 occurrerent (st. der Goi\jectur succurrerent) ; 78, 8 ad collem
(st. ad colles des einzigen cod. Petav.); 78, 10 fortissimi quique mit
Ashb. und auch Leid. (st. fortissimus quisque der übrigen Handschriften);
80, 5 post tergum, Leid. (st. post terga der übrigen Handschriften);
82, 3 sibi (st. sibique) mit dem einzigen Leid., dagegen 83, 1 lapidum
(gegen lapidumque des einzigen Leid): 86, 2 se in oppidum receperunt
(st in oppidum se receperunt, das nur Par. II giebt); 85, 7 accurrisset
(mit dem einzigen Leid st accucurrisset) ; 85, 8 spe wird mit den Codd.
Petav. und Norv. hinter impunitatis gebracht; 86, 9 uti eis (st iis uti); 86, 1
decem (st L, mit allen Handschriften); 87, 2 praecurrisset (mit dem
Leid, und den beiden Dresd. gegen praecucurrisset der übrigen Hand-
schriften) ; 87, 8 cum bis (st. cum eis oder iis, mit Ashb. Vind. I Dresd.
I) und contendit (mit Dresd. II, st. iutendit); 88, 2 proficiscerentur
(Ashb. Dresd I und II, st proficisceretur) ; 88, 5 turrisque (st turrosque,
mit dem einzigen Ashb.), dagegen 93, 2 partes, mit allen Handschriften;
89, 1 ceterarum (mit dem einzigen Leid., st. ceterarumque) ; 89, 4 proicit
(wegen des folgenden deprecatur fast nothwendig, mit der Mehrzahl der
besseren Handschriften, st projecit); 89, 5 circiter ohne que mit dem
Leid.; 90, 1 contione ohne que mit dem Leid.; 90, 2 cupidi libentesqne
(mit Leid, st libentes cupidique aller anderen Handschriften); 91, 1
oppidum (mit dem Leid., st. ad oppidum der übrigen Handschriften),
eben da liberos (mit dem einzigen Ashb-, st liberosque; 91, 2 se ipse
(mit den meisten Handschriften, st ipse se des Par. II und des Leid.);
91, 8 deinde (mit dem Leid, und den beiden Dresd., st dein); 92, 4
dementia lenitateque (mit Leid., st lenitate clementiaque der anderen
Handschriften); 93, 3 wird mit dem Leid, ipse vor sibi suisque
liberis eingeschaltet; 95, 1 manum — qui Utioam diripuerant (wofür
58 Bömiscbe Historiker.
seit Monis allgemein gedruckt wird roanum - quae Uticam diri-
puerat, die Handschriften haben qua und diripuerant); 95, 2 interfecit
(mit den besseren Handschriften, st. interficit, und in Folge dessen gegen
die Handschriften nachher accepit); 97, l Salustio (mit Leid, und Vind
I, st. Sallustio); 97, 3 arbitros — datos (st. des durch Conjectur ein-
geführten arbitris — datis, wovon Dresd. li das erstere Wort hat);
96, 1 ac (mit Leid und Vind. I, st. et).
An vielen Stellen haben die Bearbeiter eigne Coi^ecturen oder
Emendationen Anderer eingeführt, theils um den Sinn herzustellen oder
die Ausdrucksweise zu bessern: 2, 2 wird longe milia passuum . . .
hinter quae est a Lilybaeo hinzugefligt, wo est (st. abest) aus dem Ashb.
genommen ist; 2, 4 His mandatis oder vielleicht His datis mandatis ^st-
Datis mandatis), und 6 petierant (st. petierunt); 3, 4 quod neque quae
circum loca peterent, gubernatoribus - praeceperat, mit Hinzu-
fügung von quae (st. quod neque certum locum gubernatoribus —
praeceperat quem peterent, nach Aldus Coi^ectur); 7, 1 wird postero
die hinter inde auf Noväk's Vorschlag hinzugefügt; 8, 1 exoneratis (st ex
onerariis); 8, 4 uti fieri possent (st. non posse Nipperdey's) , nach
Kraner's Vorgang und ohne den nur im Anfang angewendeten Schr&g-
druck; 8, 6 mirari, mit Noväk (st. miserari); 9, i se sequantur, mit
Zufügung des Pronomens ; 9, 2 se recepisse, mit Hinzufttgnng des Reflexi-
vums, nach dem Vorgang GemolFs, der recepisse se vorgeschlagen hatte;
12, 3 equitnm MCC, sagittariorum GL (st cum equitibus GGGG et sa-
gittariis GL, wofUr Dresd. I equitum und Dresd. II et sagittariorum ent-
halten); 16, 1 mehercules (st mehercule); 19, 1 conplures (st plures),
und eben da nonuulli (st compiures); 19, 3 wird zu der Gonjectur
Oudendorp's sine illorum fide noch vel vorn hinzugefügt; 19, 3 condoce-
fecerat (st. des handschriftlichen condidicerat und condocuerat der Aus-
gaben) nach meinem Vorschlag Phil. Suppl. V, S. 384, den die Verfasser
allerdings nicht erwähnen; 19, 4 fiducia inflatus, mit Landgraf (st. auda-
cia inflammatus) ; 20, 1 wird nuntii vor nitro auf Nov&k's Vorschlag ein-
geschaltet, eben da frequentare (st frequentabat) nach Nov4k; 21, 1
altemas (st. ad ternas der Ausgaben und des handschriftlichen alteras
oder adterras); 22, 2 nefariis, mit Em. Hoffmann (st des handschrift-
lichen arduis, narduis, uarduis und des perditis vieler Ausgaben); 25, i
dare (st. dari); 26, 4 concepit (st consilium cepit, das nicht mit dem
accus, cum infin. verbunden werden könne); 26, 3 wird hieme gerere
vor insUtuit hinzugefügt, wofür Em. Hoffmann jam nunc gerere vorge-
schlagen hatte; 26, 4 wird trucidari hinter diripi weggelassen, dagegen
hinter aut anstatt interiici eingestellt; 26, 6 intermittit (st. intermittere) ;
27, 1 sese vor converterent (st. eos der Handschriften, aber unter Addenda
et corrigenda zurückgenommen und eos mit Beziehung auf sua acies
durch die Gonstruction ad aovsatv erklärt); 29, 1 Labienani (st Labie-
niani) ; 29, 3 ad ecum adfixo (st. des von Daehne aufgebrachten ad equum
Caesar. 59
defixo); dl, 1 wird aut vor pabnlandi zugefügt, dagegen lignandique nach
dem Ashb. angeschlossen; 31, 4 atque (st. at und st. des handschrift-
lichen ad); 31, 9 ab reliquiis (st ab reliquis copiis, mit Berufung auf
22, 2. und nicht, wie ein Druckfehler angiebt, 19, 3, undaufFlorus iV,
2, 64); 33, 1 quaecumque [res] eis suppeterent (st. quaecumqne res eis
suppeteret); 34, 1 paulo ante (st. paucis ante dicbus, weil kurz vorher
paucis post diebüs vorgekommen war); 35, 4 intra tua praesidia (st. in
tuaque praesidia); 87, 1 exoneratas ist [sex] oneratas); 38, 1 ad jugum-
pervenit, ascendit [atquej in unumquemque coüem, turres speculasque
[facerel cepit, Alles nach Vielhaber^s Vorschlag (st. ad jugum - ascen-
dit atque in unumquemque collem * turresque casteiiaque facere coepit),
und eben da ea omnia (st. ea minus); 38, 2 degressus (st egrßssus);
39, 3 inmissi (st. missi); 40, 5 praebenda hinter fide (st. der Conjectur
Nipperdey's servanda oder Em Hoffmann's tuenda); 41, 1 concisis (st
occisis der Handschriften und Ausgaben); 45, 3 triciens in acie (st.
XXXYI annis); 47, 2 quarto quoque (st quartoque) also in tertio, quarto
quoque die; 47, 4 nihil sibi quicquam (st. sibi quicqnam non der meisten
Handschriften); 50, 3 «dversarii (st abditi Nipperdey's und abusi der
Handschriften); 51, 6 armatura (st armaturae); 52, l ac (st Scipio,
zwischen Juba und Labienus); 52, 3 deductis (st reductis); 56, 1 adigi
(st. des handschriftlichen abici, woraus sonst adici gemacht worden war);
59, 2 conlocarat (mit Noväk, st coliocabat; 62, 1 legionis X et Villi;
62, 2 wird ad vor Adrumetum hinzugesetzt, und 63, 1 et hinter conscen-
dit, und 66, 1 ex vor cotidiano instituto; 66, 1 tritt levis armaturae ein
(st. des voii Nipperdey aus den Handschriften mit HinzufUgung von ex
hergestellten ex levi armatura; 69, 4 occurrere (st accurrere); 72, 1
quotienscnmque proelium (st. quodcumque proelium quotiens); 72, 2
etiani (st. autem) hinter sollicitabatur ; 72, 4 ne vor reformidarent hinter
dem vorangegangenen ut (st des sprachwidrigen non), nach Noväk;
73, 2 consuerant (st consuerunt); 74, 1 subministraturos (mit Kraner,
St. administraturos); 77, l cum de p. R. bene meriti essent (st populus
Romanus), quod (oder cum) bene meriti essent); 80, 1 qua Scipio intrare
— conabatur (st. des handschriftlichen quas Scipio intrare - conabatur,
wo quas sich auf das vorhergehende angustiae regelrecht bezieht) ; 80, 2
III cohortium (nämlich praesidio relicto, st. des blossen III der Hand-
schriften, ftkr das der Leid, cohortibus tribus giebt); 80, 3 confecta
(nämlich nocte, die Handschriften haben confecto mit dem vor nocte
stehenden die construirt); 83, 1 contra bestem inter principes (st. in
bestem contra principes der Handschriften und der Drucke); 85, 4 re-
fecti (nach Daehno's Vorgang, st. des zu castris gezogenen refectis);
89, 1 uumerum frumenti (gegen die dem Schriftsteller von den Heraus-
gebern zugeschriebene Eigenthümlichkeit, nach NovAk's Vorschlag, st.
frumenti numerum); 90, 3 eo demum die (st. eo die demum); 94, l
60 RAmisch« Higtoriker.
Jabam Petrejm (st Juba PetrejamV, 96, l id temporis (st. id tenpvs
oder ad id tempus der Handschriften und per id tempus der Aasgaben.
Manche andere Yermuthungen sind zwar von WAlfflin und seinem
Mitarbeiter erwähnt, aber nicht in den Text aafgenomraen worden; so
84, 2 cum grandi familia sua praesidio praeerat (st cnm grandi familiae
suae praesidio praeerat); 42, 1 prope ad solis occasnm (nach Nov&k's
Vorschlag, st prope solis occasnm); 61, 2 ducere (st dnci); 56, 3 pro-
fnginnt (st perfugiunt); 72, 5 atque consaetndo equos in patientiam
bestiarum adduxerat (Noväk, st. atque in consuetudinem equos patientia
'bestiarum adduxerat); 79, 1 aquae (st. aquarum); 94, 1 laute cenatus
(Yielhaber, st jam cenatns). — Einige meiner Goiyectaren sind den
Herausgebern nicht zu Gesicht gekommen oder von ihnen nicht ber&ck-
sichtigt worden. Am Ende des Kapitels 49 habe ich für das hinter dem
von consilium ceperat abhängige coUis occupandi fälschlich stehende und
von Wölfflin eingeklammerte gratia vorgeschlagen gratuito in der Be-
deutung lauf eigne Handc, die ich Phil. Suppl. V, S. 383 nachgewiesen
habe. Tissot's geographischen Nachweisungen folgend, nach denen der
sonst so genaue Verfasser des bellum Africanum versäumt haben muss,
eine der Sachlage nothwendige Veränderung des Lagerplatzes Seipio's
anzugeben, habe ich Phil. Anz. XV, S. 427 gerathen, 77, 4 novis hinter
Scipionis einzuschalten; dann würde auch das von Wölfflin als verdäch-
tigt eingeklammerte vero sicher keinen Anstoss geben; 23, 1 klammem
die Herausgeber servorum, liberorum ein; auch das würde nicht nöthig
sein, wenn man nach meinem Vorschlag Phil. Suppl. V lesen wollte
numero servorum qninque milium, liberorum duum milium; Ütr qoinque
milium könnte der mittelaltrige Abschreiber nämlich wohl VM gesetzt
haben, das alsdann wegen der vorhergehenden gleichen Buchstaben leicht
ausfiel. Endlich, glaube ich, wird man 86, 6 demissis armis (st des von
Wölfflin eingeklammerten dimissis armis) lesen können; durch das Senken
der Waffen wird der militärische Gruss gemacht und das Zeichen der
Unterwerfung gegeben; ich vermuthe, dass in derselben Weise b. Galt
VII, 40 deditionem significare zu verstehen ist, und dass Paul deshalb
diese Worte nicht für unecht zu halten brauchte; wenn im beUnm Afri-
canum vorher erzählt wird, dass die geschlagenen Soldaten Scipio's armis
abjectis in das Lager Juba's geflohen seien, so hat man das, wie das
Beispiel des Horaz zeigt, hauptsächlich von den Schilden zu verstehen,
und nebenbei von dem, was sonst ihren Lauf hemmte oder doch be*
Schwerte, wozu die Schwerter nicht gehörten.
Auffallend ist die grosse Zahl der Interpolationen, welche Wölfflin
und MiodoAski annehmen, und durch deren Beseitigung sie den Text
des Buchs für wesentlich verbessert halten und dem Stil des Schrift-
stellers die ihm von manchen Seiten zu Theii gewordene abfällige Beur^
theilung zu ersparen hoffen; es sind gegen dreihundert, ausser den schon
Caesar. gl
beseichneten die folgenden: 1, 4 copiae (mit NovÄk), sodann esse (weil
im Leid, und Flor, ausgelassen), ferner et spe; 1, 6 tironum; 2, 5 naves
hinter reliquas, longis, onerariae (dies mit Kraner), praeter paucas (mit
Vielhaber); 3, 1 cum equitatu, Adrumetum (das letztere mit Em. Hoff-
mann), und eben da Caesar; 8, 4 praefectis und consuetudo hinter dem
ans dem handschriftlichen more ipsius gemachten mos ipsius; 4, 3 cum
hinter dem von Asinius mit dem Conjunctiv des Plusquamperfectums
gebrauchten simulatque; 4, 4 statim, mit dem Ashbum., 6 ad oppugnan-
dnm hinter difficilis, und Caesar vor dem von Aldus statt est eingesetzten
esset; 6, 7 in itinere; 7, 1 obviam, mit Leid.; 7, 2 oppidi und in oppi«
dum; 7, 3 versus; 7, 4 omnem; 7, 5 e navibus; 8, 2 naves onerarias,
8, 6 Scipio und patria; 10, 8 in suo consilio; 10, 3 prae se; 10, 4 homines,
11-, 3 eis hinter navibus und oppidum vor Ruspinam, mit Leid.; 11, 4
onerariis und hostibus, dies mit Leid., und suae naves, eben da noch
sui milites und metu; 12, 1 equites; 12, 2 non magnam, mit Leid.,
quorum parvus numerus und signa; 12, 3 eam, vor pugnam, mit Ashb.
und Aldus; 13, 1 confertam, mit Nov4k; 13, 2 Interim; 14, 1 et in la^
titudinem promovere und et Caesaris equitatum extenuare; 14, 2 cum
equitibus, mit Noväk; 16, 1 milites; 15, 2 equites Juliani mit Forch-
haramer, eben da pauci; 16, 3 legionariis und Caesarisque copiis, mit
Hinzufügung von et hinter diesen Worten; 17, 1 et vor alternis; 18, 1
eiectis, mit Leid., ejusdem generis, gleichfalls im Leid, ausgelassen;
18, 2 suis, und sodann mit Fortlassung des s der Endung firmati, also
zu hostes gezogen, recipientes; 18, 4 paucitate, )am und que hinter equi-
tibus; 19, 3 maxima autem auxilia haberet. Numidarum equitum levisque
armaturae, femer Labienus mit Aldus und quos mit Duebner, encUich
praeterea regia auxilia, elephantes CXX, equitatusque innumerabilis,
deinde legiones conscriptae ex ciyusquemodi generis amplius XU milibus;
19, 4 compluribus hinter hippotoxotisque; 20, 1 ex classe, Syris und in
castra, compluribus; 20, 2 complura hinter iierent; 20, 3 congererent
ad arietes; 20, 4 milites, mit Fröhlich, Africae, frumento, mit Nov4k,
pauca; 21, 2 deligatos, ausgelassen im Ashbum.; 22, 1 non desistebat;
22, 5 et dignitate hinter nobilitate; 23, 1 servorum, liberorum, mit No-
v&k; 23, 3 filius hinter Pompejus; 24, 4 que hinter equites ganz fort-
gelassen; 25, 1 suis hinter subsidio, mit dem Leid. ; 25, 2 et rex Bochus
coigunctis suis copiis, nach Fröhliches Vorschlag; 26, 1 cum copiis, das
im Leid, hinter venisse steht; 26, 3 e stativis castris, in Siciliam missis,
provinciam hinter Africam, weil es im Ashbum. fehlt, que hinter fnn-
ditus, weil es im Leid, fehlt; 26, 4 nuntiumque mit Nov&k; 28, l de
navibus; 28, 4 quam fratrem und atque ita esse interfectos; 29, 1 ab
utrisque dudbus, mit Nipperdey; 29, 2 ab defensoribus; 29, 3 saepius
und ejus, das letztere, weil es im Ashburnh. fehlt; 31, 1 que hinter
modeste; 31, 4 peritus und quae fieri volebat; 31, 6 rebus hinter quibn»;
62 Römische Historiker.
81, 6 exercitas hinter eorum; 31, 7 atque vor valli, im Ashbum. fehlend;
31, 8 vi et; 31, 9 quanquam erant paucae tironumque; 31, 10 in vor
secundo commeata; 32, 1 exercitus vor Caesaris; 32, 8 Nomidae vor
Gaetuli ohne angehängtes que, mit Davisius, und non intermittunt; 33, 1
paratos und et (st. parato — et), ab eo hinter petere, weil es im Leid,
fehlt; 34, 2 commeatni; 35, 3 verba; 35, 6 iegionarii; 36, 1 Afroram
und et hinter denique; 36, 4 montes, wofür sonst der Genitiv montis
aus dem Leid, entnommen ist; 37, 2 oppidum vor Ruspinam; 37, 5
singulae hinter speculaeque; 38, 1 de quo docui; 38, 2 in qua docui
.esse praesidium stationemque Numidarum; 39, 1 equites; 89, 4
suis fugientibus; 40,5 cum, das wegen des auf postquam folgenden Con-
junctivs von einem Grammatiker an die Stelle desselben habe gesetzt
werden sollen; 41, 2 armatisque; 41, 3 certo animo und patenti, das im
Ashburn. fehlt, hinter conspectu; 42, 1 propius se, von denen das letz-
tere im Leid, weggeblieben ist, und hostesque mediam aciem suam oppido
texisse, mit NovÄk, sodann uno tempore und in cornu dextro ac sinistro,
endlich defatigati mit Nipperdey; 42, 2 suis vor copiis; 43, 1 et hinter
Acyllam, so dass keine Ltlcke angenommen zu werden braucht, es findet
sich tlbrigens auch nicht in den späteren Handschriften, ebenda ubi G.
Messius [qui] cohortibus praeerat ; 44, 1 ab residua classe und navicn-
lisque actuariis; 44, 2 trieris; 46, 4 custodiae causa und onerariis lon-
gisque navibus; 47, 1 auditu; 47, 2 procedendo und que hinter propius;
47, 3 ita; 47, 4 aut paraverant; 48, 2 regis, nach Nov&k; 48, 3 magis
vor suspensiore; 48, 3 antea; 49, 1 capiendo; 50, 2 coUemqae, und
Caesar! subito se ostenderet nach Aldus; 50, 3 postquam, wegen des
folgenden cum mit dem Goi^unctiv; 51, 3 opus instruebat, nach Nov&k;
51, 5 ante, im Leid, fehlend; 52, 4 ad internicionem; 52, 5 pervenire;
54, 3 ipse hinter egomet, weil es im Leid, fehlt, und 54, 4 quod vor
mihi st. quodque aus demselben Grunde, nachher et und proficisci;
54, 6 separatim; 56, 2 notissimique; 57, 2 cum hinter pertinere, zumal
da es im Leid, fehlt, und eben da ad se, wofür Davisius eingeführt hat
ad Scipionem; 57, 3 Jubae; 58, 1 omnibus hinter castris; 58, 4 oppido
hinter eidem autem; 59, 2 et Jubae und ea hinter post, wofür
Nipperdey wohl richtig eas, auf legiones bezogen, gemacht hatte, ebenda
et in longitudinem directos und ab legionariis militibus und mit
Nipperdey, in cornibus autem duplex esse existimabatur; 59, 3 ele-
phantes hinter post autem; 59, 5 fere und haec fuit ratio Scipionis eo
die proeliandi; 60, 1 ut ab sinistro ejus cornu ordiar et ad dextrum
perveniam, ebenda 3 legionum, sowie ex vor tironum, das für ein von
Nipperdey vor secunda acie eingeschaltetes e dahin versetzt worden ist;
60, 3 et ita conlocaverat, uti sinistrum cornu triplex esset; 60, 4 bis
equitibus und [prae] miserat; 60, 5 varie, welches im Leid, fehlt, und
aus demselben Grunde in cornibus; 61, 2 subito und coepit; 61,^
V
i
5",
4l
Caesar. S3
bellantibus, für das Novdk vorgeschlagen hat ei; 61, 7 contra, das im
Leid, fehlt; 62, 1 ab Utica, das nur der Ashbum. und der Leid, ent-
halten; 62, 2 longis hinter navibus; 62, 3 cum classe; 62, 6 onerarias
und vacuas a defensoribus; 63, 1 postea; 64, l peijurium, und in Folge
dessen ist das von Aldus hinter perfidiam zugefügte que fortgelassen;
65, 1 clam, das im Leid, und Yind. I fehlt, und praeparent; 66, 1 saepe
und nachher subito; 66, 8 multitndinis und jam; 68. l longe, im Leid,
ausgelassen; 69, I ex insidiis adorti; 69, 5 jejunns; 70, 1 ad extremum
agmen; 72, l eorum hinter levique armaturae; 72, 2 bis rebus und ab
eornm equitatn levique armatura, quae erant mirifica; 72, 4 die Con-
jectur noster hinter miles, ejus hinter corporis und et speciem hinter
stridoremque; 73, 2 minimeque insidjosos und non per dolum; 74, 1
cujus Caesarem potitam esse demonstravimus ; 74, 2 ejus oppidi; 76, 8
das zweite sub, ausgelassen in Leid.; 76, 4 turmis suorum; 77, 1 male
vor gestam, wofUr a se eingesetzt ist; 77, 2 tribanum, weil im Leid,
und Ashbum. Par. II und Yind. I ausgelassen; 77, 4 cum bis, sodann
et, ferner legionibus, sodass copiis omnibns eductis übrig bleibt, sodann
V [III], vero und pass. hinter II milibus; 78, 5 quae ei proelio in acie
constiterat; 78, 8 sui vor sublati, fehlt im Leid, und im Dresd., und in
bestes; 79, 1 ad se; 82, 3 Caesaris; 83, l contendunt; 84, 3 quo (oder
qua) erat circumdatus; 85, 1 et vor sive mit dem Leid, und egrediuntur;
85, 4 quem respicerent und armis objectis; 85, 6 dimissis; 85, 9 Sci-
pionis milites und Gaesare; 86, 1 LX (lY), nach Nipperdey, cum turri-
bns ornamentisque capit, mit Eraner; 86, 8 digressus, mit Nov&k; 87, 2
ejus oppidi; 87, 4 eis interfectis; 87, 6 Uticam und Uticenses; 88, 8 sine
suspicione und intro; 88, 4 ex suspicione und vulnus hinter manibus;
89, 5 ex sua consuetudine, mit Nov&k; 90, 1 incolas, negotiatores, das
im Leid, fehlt, et eos, inter CCG, eorum hinter quidem, endlich ita;
91, 3 nee minis nee precibus suis moveri, quo magis se reciperent; 91, 4
der Yorname M. vor Petrejo; 92, 1 sibi hinter paratos esse; 92, 4 Za-
mam hinter eqnites und eben da [per] veniunt; 93, 1 manu; 98, 2 sui
comites; 94, 2 ferro hinter facile, suo hinter servo, und idque obtinuit,
wie schon Oudendorp; 95, 1 per Mauretaniam und iterque in Hispaniam
intendebant; 96, 2 ab amplioribus; 97, 1 cives Romani und Zamensibus;
97, 2 eorum hinter conventui. - In den Addendis wird noch 14, 4 casu
gestrichen; 27, 1 ab sua acie; 32, 4 adversariisque; 33, 4 cum cohorti-
bus; 34, 6 frumento auxiliisqne.
Aus dieser genauen und vollständigen Uebersicht geht unzweifelhaft
zweierlei hervor: einmal, dass die Herausgeber dem cod. Leid., dem
einzigen, den sie selbst verglichen haben, ein grösseres Gewicht beilegen,
als es bisher geschehen ist; bei der Auswahl ihrer Lesarten hat nicht
der Nachweis der hervorragenden Yorzüglichkeit der jedesmal zu Grunde
gelegten Handschriften, sondern ihr Geschmack und ihre Ansicht von
der stilistischen Eigenthttmlichkeit des Schriftstellers den Ausschlag ge-
64 Römiscke Hittoriker.
geben; spätere Bearbeiter werden vielleicht — es ist einmal in der
Kritik nicht anders — wieder eine entgegengesetzte Meinnng beth&tigen
nnd von dem, was diese ihre Yorgilnger zusammengewebt haben, mit
einem dem Penolope^s vergleichbaren Bemühen, grosse Sttlcke wieder
auftrennen. Sodann — und das folgt wiederum aus dem Vorigen —
der Umstand, dass in der oben genannten Handschrift das angehängte
que hinter dem mit einem vorangehenden verbundenen Wort bänfig fehlt,
hat die Herausgeber zu der Ueberzeugung gebracht, dass Asinins, wie
die älteren Komödiendichter, in der zweigliedrigen Aufzählung das Asyn-
deton gebraucht, und sie haben in Folge dieser Ansicht das que auch
in Fällen gestrichen, wo es der Leid, angiebt, z. B. hinter equitibus in
18, 4, hinter pollicitationibus in 40, 5 ; dass dieser cod. jedoch dies que
auch auslässt, wo die Herausgeber es für nöthig erachten, sieht man
ans 91, 1, wo er quod, die Mehrzahl der anderen Handschriften quodque,
einige quoque geben. Mancher Andere wftrde demnach den Schlnss
ziehen, dass diese Handschrift auch in den oben bezeichneten Fällen
das que fehlerhafter Weise unterdrückt hat, und dass die Annahme jener
stilistischen Eigenheit des Asinius erst besser hätte bewiesen werden
müssen, ehe man daraufhin ein kritisches Verfahren begründete. Dahin-
gegen soll Asinius nach Ennius* Beispiel zwei Wörter durch das doppelle
que verbunden haben; 20, 3 sagittasque telaque; 87, 6 lapidibusque
fustibusque; in beiden Fällen findet sich das erste que nur im Ashburn.,
auf dessen Autorität hin eine in Prosa, ausser wenn das erste Wort ein
Fron, reflexivum ist, (z. B. seque remque publicam) nnübliche Ansdrucks-
weise schwerlich eingeftlhrt werden dürfte. Wenn in manchen anderen
Fällen für die gewählte Lesart ihnen eine einzige Handschrift massgebend
gewesen ist, bleibt es schwer einzusehen, warum sie z. B. in 38, 3 mit
dem Dresd. H nicht animadverterunt (st. animadverterant) hinter post-
quam aufgenommen haben, das, da nicht von einer wiederholten Hand-
lung die Rede ist, durch Conjectur hätte hergestellt werden müssen.
Die Verfasser erkennen selbst an, dass sie in einer zweiten Auflage hier
und da wohl werden Aenderungen vornehmen können; die zu weit ge-
triebene Bevorzugung der Lesarten des Leid, und die unnöthige Strei-
chung mancher Wörter oder Sätze wird, wenn ich nicht irre, bei der
erneuten Inbetrachtnahme die Hauptsache ausmachen. Auch dürften sie
-dann wohl von manchen ihrer willkürlichen Verbesserungen zurückkommen,
die, wie z. B paulo post st. paucis post diebus in 84, 1, der Gorrectur
eines Exercitiums oder Abiturientenaufsatzes doch gar zu ähnlich sehen.
Ausser den kritischen Anmerkungen finden sich unter dem Text
davon gesonderte sehr reichhaltige Erklärungen und lexikologische Nach-
weisungen, die bei Wölfflin's anerkannter Kenntniss und Belesenhett
meiner Empfehlung nicht bedürfen. Die sachlichen Erläuterungen sind
dagegen knapper gehalten. Wegen des Treffens bei Ruspina citiren die
Verfasser im Appendix ausser Rüstow und Göler auch meine Darstellung
Caesar. g5
Phil XIII (1858), weiche nach Wölfflin^s eigener Angabe seiner Ab-
handlung in den Sitzungsberichten der Mftnchener Akademie 1889,
S. 343 — 360 zu Grunde liegt. In diesem Appendix führen die Heraus^
geber ausserdem aus, dass Appian schwerlich den Commentar über das
b. Afric. und wohl auch nicht die von Asinius Pollio verf^sste Geschichte
des Bürgerkriegs vor sich gehabt haben kann; dass Dio Gassius dagegen,
wie man unter andern aus b. Afr. 32, 3; 72, 4 schliessen darf, und eben
so Plutarch, entweder das eine oder das andere Buch benutzt zu haben
scheint. Es wird ferner die von Le Verrier für Napoleon III. gelieferte
und von Stoffel II, S. 434 gebrachte Ghronologie der Begebenheiten des
Krieges mitgetheilt, wonach die Schlacht bei Thapsus auf den 6. Februar
der Julianischen Zeitrechnung gefallen ist, und eine Untersuchung über
die Zahl der Truppen Gaesars (9 Legionen, nicht, wie Tissot meint, 12)
und seiner Gegner angestellt, endlich die von einander abweichenden
Nachrichten über den Verlauf der Schlachten und das Ende der feind«»
liehen Führer Juba und Petrejus beigebracht. - Den Schluss des Buchs
bilden zwei von Miodon ski angefertigte Indices, der erstere ein voll-
ständiges Yerzeichniss aller Wörter und sämmtlicher Stellen, in denen
sie vorkommen, enthaltend, der zweite die in den Anmerkungen vor-
kommenden grammatischen und lexikographischen Erläuterungen nach-
weisend. Ein Namensregister wird nicht gegeben; man wird vielleicht
auch eine Karte des Kriegsschauplatzes ungern vermissen.
Bellum Africanum. Iterum recognovit et adnotationem criticam
praemisit Em. Hoffmann (Commentariorum vol. II). Yindobonae,
Gerold, 1890.
8, 2 wird hinter Interim keine Lücke angenommen, da man sich
aus dem Vorigen Rabirium Postumum hinzuzudenken habe; 9, 2 rece-
pisse se, mit Gemoll, Jahrb. 119, S. 269 (st. des handschriftlichen rece-
pisse und Wölfflins se recepis.«e); 19, 3 qui [in] illo rumore [sibi] con-
fiderent, angeblich nach den Spuren der Handschriften, welche quippe
quis in illorum sibi confiderent ergeben; alle anderen Lesarten sind
gleichfalls Conjecturen; 19, 4 qui uti frenato condidicerant (st. des von
Wölffiin nach meinem Vorschlag aufgenommenen equoque uti frenato
condoceferat) ; 19, 5, wie in der 1. Auflage, praeterea regia auxilia ele-
phantis CXX equitatu innumerabili, wo elephantis der Ablativ sein
soll, wegen dessen) der handschriftliche Nominativ equitatus innume-
rabilis gleichfalls in den Ablativ verwandelt worden ist; 19, 7 quam
Africam Gaesar attigit, mit Hinzufögung von Caesar, nach Dinter's Vor-
gang; 22, 2 nefariis, was Wölffiin adoptirt hat; 24, 3, mit den Hand-
schriften und gegen Nipperdey, quoquo versus; 25, 1 Dum haec ita
fierent (st. der Aenderung Cum etc., mit Hinweis auf: Die Construction
der lateimschen Zeitpartikeln, 2. Aufl., S. 169 ff.); 25, 2 P. Sittius et
rex Bocchus — copias snas admovere, Cirtamque — rex adortus —
Jahresberlolit für Alterthumswissenschaft LXVIII. Bd. (1891 II). 5
66 RGmische Historiker.
capit, mit Einschaltung des zweiten rex; 26, 3 bellum cum suis adver-
sariis facere, jam nunc gerere instituit, so die LtLcke, welche Nipperdey
hinter accitis annahm, ausfüllend, die Wölfflin in anderer Weise ersetzt,
ebenda litteris [que] celeriter in Siciliam — [conscriptis] per catascopum
missis (st. — misit und der Beibehaltung von que und conscriptis);
36, 1 [sub manum]; 38, 1 Post Caesar ad jugum — ascendit atque —
inspecturus turres castellaque — iter facere coepit idque adeo minus
semihora efficit, mit Einfügung von inspecturus, iter und Verwandlung
des handschriftlichen atque ea in idque adeo (st. postquam — pervenit,
ascendit turres speculasque fecit atque id — bei Dttbner) ; 40, 1 instnicta,
nach f (st. exstructa); 40, 5 in fide pariter tuenda (st. des handschrift-
lichen in fide partienda, wofür Nipperdey servanda eingesetzt hat) ; 42, 2
wird defatigati beibehalten, und 44, 3 ejus hinter suggestum; 46, 3 tri-
cies armis (st. des handschriftlichen XXXVI annis, wofür Wölfflin tricies
in acie gesetzt hat); 46, 1 innuit, nach f (st. annuit); 48, 6 elephantis LX
productis, ohne vorhergehendes cum, nach f, (st. cum elephantis LX pro-
ductas, seil, copias); 51, 6 fcomplures], nach f (von Anderen wird non-
nulli gestrichen); 64, 1 commeatus (st des handschriftlichen commeatu,
für das Forchhammer ex commeatu vorgeschlagen hat); 54, 3 qaoniam
illis abusi (st. quoniam ipsi) ; 54, 6 singulos non amplius singulis addiUs
servis, nach Vielhaber's Besserung, welche auch Wölfflin aufgenommen
hat (st singulis non amplius singulos additos servos); 57, 2 cum [nihilo
minus] ejus sermonem nuntius ad Scipionem referret: se restare (st. —
ad se — , das Wölfflin einklammert, und sed restare); 58, 2 ante, secum
concursuros, nach a c f h 1 (st. ante eas secum concursuros oder ante [se]
concursuros); 60, 1 wird nur, mit Dübner, et ad dextrum perveniam,
nicht auch ut — ordiar eingeklammert; 61,2 dum — coepisset, mit
den Handschriften (st. cum — coepisset); 61, 7 behalt Em. Hoffmann
iter vor officere bei, den Accusativ bei diesem Verbum aus Lucretius V,
716 rechtfertigen zu können meinend; 63, 4 [cum suis omnibus epibatis],
nach GemoU, Jahrbücher 119, S. 270; 69, 5 equosque (vor jaculis, st.
eosque); 70, 7 quos (st quas), und ebenso Wölfflin; 74, 2 [ad] mini-
straturos (st Kraner's subministraturos) ; 75, 3 iter — ire contendit, mit
Beibehaltung des von Anderen gestrichenen iter ; 80, 2 III . . . (st III
cohortium Wölfflin's und III legionum Nipperdey's) ; 81, 1 cum elephan-
tis — collocatis (st [contra] elephantis — conlocatis); 83, 4 qui — cum
elephantis erant, praesidio deserti, mit Kraner (st Wölfflin's qui —
elephantis erant praesidio, deserti) ; 84, 2 Armatus, qui - videret (st.
armatum. Qui — videret, und ohne das vor constanter eingefügte cum,
das der Ashburn. und der Dresd. II haben sollen); 88, 4 qui dum —
concidisset et — coepissent, mit den Handschriften (st qui cum etc.);
90, 6 bis milies, mit f und anderen Handschriften (st des blossen milies);
91, 5 se cum M. Petrejo — confert, mit f und den meisten Handschriften
(st cum M. Petrejo — se confert); 92, 1 paratos esse, sibi quoad vita
Caesar. 67
suppeteret (st. paratos esse sibi, quoad vita suppeteret) ; 94, 2 dein cum
ipse sibi conaretor, mit bf (st. des gewöhnlich gegebenen deinde ipse
sibi cnm conaretur).
Bellum Hispaniense.
Bellum Hispaniense. Iterum recognovit et adnotationem criticam
praemisit Em. Hoffmann (Commentariorum , vol. II). Vindobonae,
Gerold, 1890.
1, 6 Ita pacis commodo modo hostis furato (st. des handschrift-
lichen ita pacis commoda hoste hortato, das man verschiedentlich zu
bessern versucht hat) ; 2, I multis ante iter confectis (st. des handschrift-
lichen multis iterante diebus coi^'ectis), mit Fleischer, Jahrb. 119, S. 891;
3, 1 [Erat] idem temporis Sex. Pompejus frater [qui]; 3, 3 Caesar ad
eam civitatem — meritam [esse] — jubet proficisci, mit ZufUgung von
ad, was die Auslassung von esse nach sich zieht; 6, 1 wird vor ita eine
Ltlcke angenommen; 6, 2 mulosque onustos, mit Nipperdey (st. multos
lanistas) und mit Annahme einer LtLcke hinter angnstias; 7, l Caesar
Interim munitionibus — perfectis, mit Zufügung von Interim wegen des
in den Handschriften vor munitionibus stehenden in und von perfectis,
und mit Adoptirung des blossen von Eraner eingesetzten ad oppugnan-
dum (st des bandschriftlichen ad oppidum); 7, 5 wird auxiliares, mit
Kraner und Dtlbner, eingeklammert, und hinter consistebant eine Lücke
angenommen; 8, 1 Accedebat huc ut (st. des Nipperdey^schen Accidebat
hoc ut); 9, 1 [Quod] Pompejus — remotum erat castellum a castris
Caesaris, wo castellum zugefügt ist, und nachher, hinter animadvertebat,
loci difficultate (st. loci difficultatem); 11, 2 miserunt [omne genus (näm-
lich telorum) quibus ignis per jactus solitus est mitti], als von einem
Grammatiker zur Erklärung des vor miserunt stehenden ignemque
multum hinzugeschrieben; 13, 1 brachium ducere coepit, mit Zufügung
von ducere, nach Koch, Rhein. Mus. 18, S. 478; 15, 1 wird dimisso
equo jetzt beibehalten und hinter id quod noch contra eingeschaltet;
16, 3 ultra stabat, Koch, Rhein. Mus. 17, S. 479 (st. ultra ibat); 17, 3
exceptantes, mit Koch, (st. exspectantes) ; 17, 5 cum Pompejus (st. des
handschriftlichen quae Pompejus, aus dem sonst quam Pompejus gemacht
ist); 18, 1 Cato Lusitanus (st. C. Antonius); 18, 8 ita [fune| crure deli-
gato, das letzte Wort nach Godwin^s Conjectur (st. des bandschriftlichen
ita fune crure de tigno); 19, 1 turris nostra, quae lignea fuisset (st.
des handschriftlichen turris lignea, quae nostra fuisset); 20, 1 wird
etiam vor Caesar zugefügt und vor etiam ein Komma gesetzt, weil sonst
quod am Anfange des Satzes unverständlich ist; 23, 2 Hie dum — essent,
mit den Handschriften und mit Hinweis auf »Zeitpartikeln« S 172 (st.
Hie cum — essent), sodann desistentibus (st. detinentibus) ; 24, 1 devo-
cabat eum ad dimicandum ut descenderet, mit f, (st. devocabat ut ad
68 Römische Historiker.
dimicandum descenderet; 24, 5 saluti fuit. quo sabsidio, nisi advespe*
fasset, a paucioribus nostris [omni sabsidio] priyati essent (st saluti füit
subsidio. quod nisi etc.) ; 25, 1 nuUi loco aequo se committere aadebant
(st. des handschriftlichen nullo —); 28, 3 wird jetzt hinter totos eine
Lücke angenommen, da das von Nipperdey dafür gesetzte tuto se den
Fehler nicht gehoben habe; 29, 2 [eorura] vor accessum; 29, 4 ut locus
illa planicie aequitatem daret et ornaretur etc., mit Annahme des von
Nipperdey für equitatum der Handschriften vennutheten aequitatem und
Verwandlung des handschriftlichen omaret in daret et ornaretur; 32, 2
wird hinter conversa das vermuthlich aus Dittographie daraus entstan-
dene universa weggelassen, dagegen ut et ad (zu hostium timorem ge-
hörig) eingeschaltet; nachher itaque (st. ita) vor Galli; 34, 1 [fere inter
Caesarianos et inter Pompejanos]; 34, 2 discedere, mit Dübner (st des
handschriftlichen descendere und Nipperdey s discordare); 34, 3 etenim
(st. nam, hinter coepit) und depugnarent (st. repugnarent); 36, 2 wird
im Text, mit Dinter, fore vor ut eingefügt, in der Adnotatio critica aber
die Yermuthung ausgesprochen, dass timuit ne in f (st fore ut) das
Richtige sein möchte; 37, 2 ad Gades (st. Gadibus), und nachher partim
peditum et equitatus ad persequendum celeriter terrestre faciebant iter
navigationem insequentes (st. partim pedibus [et equitatus J ad persequen-
dum celeriter iter faciebant item confestim consequentes); 38, 1 [et locum
quendam munitum natura occupat]; 38, 8 ablatus (mit den Handschriften
st des dafür eingesetzten adlatus oder allatus) ; sodann [in ea ferebatur]
(st Nipperdey's in ea tenebatur); endlich Lusitanus, more militari ex
ejus praesidio speculator missus, cum fuisset conspectus, celeriter equi-
tatu cohortibusque Gaesaris circumcluditur (st. des handschriftlichen
Lusitanus more militari, cum a Gaesaris praesidio fuisset conspectus,
celeriter equitatu cohortibusque circumcluditur) ; 38, 4 erat accessus loci
difficillimus ; nam idcirco [propter] quod ille e suo praesidio fuisset con-
spectus, celeriter adeo munitum locum natura ceperat Pompejus, ut
quamvis magna multitudine adducta pauci homines ex superiore loco
defendere possent; subeuntes [in adventu] nostros depellunt [qui] telis;
so st der unverständlich zurückgelassenen Worte der Handschriften;
40, 4 incensisque qui subsidium ferrent repellerent, mit HinzufQgung
von ferrent, nämlich repellerent eos qui subsidium ferrent; eben da ut
a nullo conspici possent, wie Nipperdey ergänzt hat, nachher in con-
spectu, ohne das noch ausserdem von diesem Kritiker davor eingefügte
reliqui; 41, 1 ad Mundae praesidium oppugnandum (st ad Mundam
[praesidium] oppugnandam) ; nachher operibus assiduis diurnis noctur-
nisque circumclusit . . . Interclusi inter se decernere armis coeperunt
et facta caede bene magna eruptionem faciunt, zum Theil mit Dinter
und Fleischer; 41, 2 ut ipse locus — sed etiam natura datus ad
oppugnandum hostem appareret, das letzte Wort aus f (st. der Lesart
der übrigen Handschriften appeteret); 41, 4 wird hinter ac Pompejus
Caesar. 69
(wofür Andere nam Pompejus haben) ut se ad oppidi oppugnationem
tatiorem efficeret gedruckt (st. des von Andern gesetzten at oppidi
oppugnationem tutiorem efficeret, oder ut oppidum ab oppugnatione
tutius efficeret). — Wenn auch diese Aenderungen grösstentheiis un-
gewiss bleiben, wird durch manche derselben doch dem Verstftndniss
ganz verdorbener Stellen aufgeholfen.
Professor Dr. Fleischer, Quaestionum de hello Hispaniensi critica-
rnm pars altera. Jahresbericht der Fürsten- und Landesschule
St. Afra in Meissen 1885.
Fleischer hatte schon im Programm von 1876 eine grosse Zahl
kritischer Bemerkungen und Textesbesserungen zum bellum Hispaniense
bekannt gemacht, von welchen verschiedene in der Ausgabe von Em.
Hoffmann Aufoahme gefunden haben, beispielsweise der Anfang des
2. Kapitels C. Caesar dictator tertio, consul designatus quarto multis
ante iter rebus confectis cum celeri festinatione ad bellum conficiendum
in Hispaniam cum venisset, nur dass Hoffinann von den beiden cum,
die Fleischer beibehalten wollte, das zweite einzuklammern für gut be-
fand. Derselbe Kritiker hat weitere Textuntersuchungen in den Neuen
Jahrbftchem far klassische Philologie, 117 und 119, sowie im Programm
von 1879 veröffentlicht Neuerdings, unterstützt, wie er selbst sagt,
durch Degenhart, De auctoris belli Hispan. elocutione et fide historica,
durch Albr. Koehler, De anctornm belli Afric. et belli Hispan. latinitate,
sowie durch Preuss, Vollständiges Lexikon zu den pseudo-cäsarianischen
Schriftwerken, hat er in der unter obigem Titel angeführten Schrift seine
Bemühungen zur Verbesserung des noch immer im Argen liegenden
Buches fortgesetzt. Er schlägt jetzt vor: 1, 5 Ita pravis commodis
hoste hortato (st. des handschriftlichen Ita pacis oder paucis commoda
hoste hortato) und im vorhergehenden Paragraphen hält er das gewöhn-
lich eingeklammerte de Cn. Pompejo mit Degenhart für echti 2, 2 nimmt
er nach facerent keine Lücke an, zu tabellariis aus dem Vorigen potitus
esset hinzudenkend; 3, 5 vertheidigt er, wie schon im Programm von
1879, die handschriftliche Lesart quem — obscurabat, ut — posset und
6 möchte er st. ad eum lesen eodem (nämlich ad praesidia) ; 3, 9 probe
(St. prope) magna pars, mit Eussner, Mttnchener Jahresbericht 1883,
wegen des doppelten prope, und profecto (st. des zweiten prope); 4, 1
vertheidigt er das handschriftliche cum vor equis, das seit Oudendorp
gestrichen wird, ein Komma vor die Conjunction cum zu setzen em-
pfehlend; 6, 1 und 2 Caesar — lapidibus corbes plenos demisit; insuper
ponit trabes: ita ponte facto copias ad castra tripartito transduxit.
Tenebat adversum oppidum e regione pontis, ut supra scripsimus [bi-
pertito], zu tenebat aus dem Vorhergehenden castra hinzuergänzend;
5, 7 möchte er hinter diebus compluribus einschalten consumptis; 6, 1
quos quomodo ab ülia retraxerat, ita in aequum deduceret, (st. der Les-
70 Römische Historiker.
art Nipperdey's quo eos quomodo ab Ulla retraxerat, in aequum dedaceret,
in welcher das handschriftliche quos in quo eos verwandelt und das hand-
schriftliche ut vor in aequum ausgelassen ist) ; eben da ita ad firmissimum
etc., mit ZufUgung dieses ad und des Wortes provinciae hinter ejus; 6, 2 Id
cum Pompejus ex perfugis rescisset, sequi; difficultates et angustias loconim
cum explorasset, milites antemissos retraxit, in welchem Satz sequi der
infin. histor. sein soll; 6, 3 Quo die Pompejo cum nuntius esset allatus,
eo die proficiscitur, die Häufung der Pronomina mit Koehler für eine
Eigenthümlichkeit des Schriftstellers haltend; 7, 1 Caesar Interim muni-
tionibus confectis (st. Caesar in munitionibus ceterisque) und nachher
ohne das durch Conjectur eingesetzte oppngnandum hinter oppidum;
7, 2 quae planities dirigitur, dividitur Salso flumine (st. quae planicie
dividuntur, Salso flumine); 7, 6 reliqua auxilia ex fugitivis consistebant
(st. reliquae, nämlich legiones, ex fugitivis auxiliares consistebant, wovon
Em. Hoffmann auxiliares einklammert); 8, 2 vermuthet er operosam (st.
des handschriftlichen inopem und st. longam Nipperdey^s oder impeditam
Koch's); 8, 6 Nam inter Ateguam — Pompejus ut habuit, mit Weg-
lassung von cum hinter nam und Beibehaltung des von den neueren
Herausgebern eingeklammerten ut; 9, 1 ad snbsidium mittendum se de-
mitteret (st. — se coramitteret der Handschriften), weil Caesar's Lager
auf einem Berge stand; nachher mit Dinter ita hac opinione fretus (st.
ista fretus opinione der meisten Ausgaben seit Aldus) ; 9, 4 cum adver-
sarios appropinquasset (st. cum ad eos appropinquasset) , wegen des
Accusativs bei appropinquare auf 6, 4 verweisend; 12, 6 tandem (st.
tamen vor repulsi) ; der ganze Satz Hl cum eruptionem - se contulerunt
soll, weil er nur eine Wiederholung des Vorigen enthält, hinter per
jactus solitus est mitti des Kapitel 11,2 versetzt werden; 14, 4 den
Satz Qui cum — excepti essent proelium facere, den er selbst früher,
wie Andere vor ihm, angefochten hatte, hält er jetzt f&r richtig; 16, 2
partem noctis (st. partem muri der Handschrift, wofar Nipperdey partem
temporis eingesetzt hat); 17, 2 et cives Romani indigemus (st. ut cives
Romani indigentes), wodurch die von Nipperdey angenommene Ltlcke
ausgefüllt wird, ferner obtinuimus aciem. Yix tuarum, nämlich legionum,
mit Weglassung des vor legionum stehenden qui (st. obtinuimus victoriam.
Qui legionum); endlich exceptantes, mit Dinter (st. exspectantes der
Handschrift.) und relicti, mit Nipperdey (st. des handschriftlichen victi),
a tua dementia petimus, mit Weglassung von deposcimus, und sodann,
st. dieses Wortes der Handschrift. Responsum est: Qualem alienis gentibus
etc , mit Zufögung des Adjectivs alienis; 18, 6 revertisset, mittere —
solebat, mit Weglassung von qui vor mittere, aber mit vermuthlicher
Annahme einer Lücke hinter litteris acceptis; 18, 7 id si fecissent, eis,
mit Leid. (st. id si fecisset, ei); nachher Ita fine turre delectus nocte
cum propius accessisset, wo fine, nach Koehler's Behauptung, die Stelle
einer Präposition der Vulgärspraohe vertreten soll (st. des handschrift-
Caesar. 71
liehen Ita fane crnre de ligno cum — ); 21, 3 (4) rursus in oppidum
(st. versum oppidum); 22, 4 ita speculatores ad oppidum, und zwar
Usavo, missi sunt (st. et speculatores ad oppidum Ateguam miserunt),
ohne Lücke hinter detulerunt; und vorher, § 2, Cum ad oppidum ve-
nissent, ohne Qui, wie tthrigens schon Kraner 1861 hat; 22, 7 quod,
ex quo die oppidum Ategua captum, esset metus conterritos — pro-
fugere etc., mit dem acc. c inf. hinter metus est, (st. quod, ex quo
die oppidum Ategua esset captum, metu conterritos — confngere etc.);
23, 3 a nostris, mit animadversum esset zu verbinden, und cedere in
der Bedeutung von accidere. Beides nach den Handschriften; 23, 4
in regressu (st. des handschriftlichen ingressus und Lipsius' Conjunctur
regressus); 23, 6 Hujus incidentis temporis ad viri fortis insignia cum
concursum — facerent, wo hujus incidentis temporis ein Hellenismus —
eine von dem Verfasser dem Schriftsteller auch in andern Ausdrucks-
weisen beigelegte Eigenthümlichkeit — statt eines abl. abs. in der Be-
deutung qua occasione oblata sein soll (st. Nipperdey's in hujus conci-
dentis, centurionis ac viri fortis, insignia — , das schon wegen des dem
Schriftsteller ungewöhnlichen ac nicht statthaft zu sein scheine); 23, 7
et munitione et praesidiis (st. et munitione praesidii, wo et für etiam
in sonst dem Schriftsteller nicht üblicher Weise gebraucht sein würde);
24, 6 Quibus mons subsidio, non virtus saluti fnit. Quod nisi advespe-
rasset, mit Versetzung des in den Handschriften hinter quod stehenden
subsidio; 25, 1 nullo loco aequo, als Dativ, wie schon Kraner 1861 hat
drucken lassen; 25, 2 eum locum efflagitarunt (st. cum locum efllagita-
rent) und nachher ut consuetudinis insuetus existimare posses (st. ut
consueti insequi; existimare posses); 25, 5 Nam — pugna wird jetzt
von Fleischer fClr richtig angesehen; 25, 6 Ita avide cupideque suarum
cuique ex partium virorum fautorumque voluntate favebatur (st. des für
lückenhaft angesehenen und unverbessert gebliebenen Ita avidi cupidique
t suarum quisque ex partium virorum fautorumque voluntas habebatur
der Handschriften); 25, 7 die Worte laudis insignia scutorumque prae-
fulgens opus caelatum werden mit Chr. Schneider hinter ferocitas Antisti
gebracht; ferner quare virtute alacri cum — se contulissent, duorum
pugna esset prope profecto perfecta, nisi propter equitum congressum —
esset dirempta (st. quorum virtute — — quorum pugna esset prope
profecta dirempta, nisi — congressum); sodann Levem armaturam —
prope castra Caesar constituit mit ZufÜgung von prope und Caesar;
25, 8 wird nostri der Handschriften beibehalten und hinter das vorher-
gehende ut ein Komma gesetzt; 26, 8 (5) ohne Lücke Etsi — adver-
sarios adhuc propulsavi, si aequo loco etc. (st. Etsi — adversarios adhuc
propulsos t Q'ii 8J aequo loco etc.); 26, 4 (6) freti, mit den meisten
Handschriften (st. fixi, das nur Par. II und Leid, bieten); 28, 4 Namque
ut superius demonstravimus loca — contineri, item convalle planitie
(genit.) dividi etc. (st. Namque superius demonstravimus loca - conti-
72 Römische Historiker.
neri, f iDterim nullam planicie dividit etc.), wo item adversative Be-
deutung haben soll; 29, 4 ut locus illa planitie (genit.) aeqnitate orna-
retur et diei solisque serenitate (st. ut locus illa planicie eqaitatam
(wofür Nipperdey aequitatem gesetzt hat) ornaret et diei solisque sereni-
tatem); 29, 5 ut quidquid potior jam casus tribuisset (st. ut quidquid
post horam casus tribuisset); 29, 6 aciemque sibi etc. (st in quo sibi
etc.); 31, 4 (6) ita usi eximia virtute proelium facere, wofür Andere at
illi eximia etc. haben; 32, 1 nostri qui (st. nostrique), so dass mit ex
hostium armis der Hauptsatz beginnt; 32, 2 mit anderer Wortversetzung
als Nipperdey eingeführt hat ex armis scuta et pila pro cespite, pro
vallo cadavera coUocabantur; sodann insuper accidit, ut in verata et
gladios et mucrones capita hominum ordinata ad oppidum conversa, vii^
tutis quae insignia proposita viderent et vallo circumcluderentur adver-
sarii, hostium timorem augerent; aus quae, das für que eingetreten ist,
soll man sich quibus zu circumcluderentur herausnehmen; 82, S (2)
Galli wird jetzt für richtig erklärt, gegen die im Programm von 1876
vorgebrachte Aenderung illi, das sonst immer für adversarii gesetzt
werde; lieber noch wäre dem Verfasser Gallis tragulis jaculisque; und
so, mit Beibehaltung des seit Chr. Schneider eingeklammerten sunt and
mit Hinzufilgung von quo, soll es heissen Ita Gallis tragulis jacalisque
oppidum ex quo hostium cadaveribus sunt circumplexi, oppugnare coe-
perunt; 32, 6 (5) [parte altera], s. N. Jahrb. 117, 277; 33, 1 cum eo
conventum esset (st. circumventum oder ventum) ; 33, 3 praesenti familiae
(st. in praesentia familiae); 33, 4 eodem tempore (st. de tempore); 34, 3
Legio — defendere coepit ne, cum jam repugnarent, (nämlich illi qui
ad Caesarem defecerant) turres — occuparent Demum legatos etc.,
mit ZufQgung von ne und Verwandlung von repugnarunt in repugnarent,
endlich mit Aenderung des handschriftlichen denuo in demum; 36, 3
keine Lücke; 38,4 Nam idcirco cum propter fuisset conspectus, celeriter
ad suum praesidium munitum locum natura ceperat sibi Pompejus, quem
quamvis magna multitudine deducta homines ex superiore loco defendere
possent: subeunt in adventu nostri depellunturque telis, wo propter als
Adverbium in der Bedeutung von prope gefasst werden und homines
seine Leute bedeuten soll, sodass ein von den Herausgebern eingeschal-
tetes pauci nnnöthig werde; 40, 6 wird nonnulli und complures beibehal-
ten, und das letztere zu dem durch mehrere Wörter davon getrennten
naves construirt; 41, 1, zum Theil mit Dinter, Fabius — operibus assi-
duis diurnis nocturnisque circumsedit (nämlich Mundam praesidium)*
Interclusi inter se discordare: facta caede bene magna eruptionem fa-
ciunt; 41, 4 in campo (st. des bandschriftlichen nam oder una hinter in
ipso oppido); 41, 5 Huc Pompejus (st. Ac Pompejus); die weitere Ver-
besserung des Satzes giebt er auf, sein eignes tardiorem (st. tutiorem
der Handschriften) zurücknehmend; 42, 7 dementes (Vooativ, st. des zu
legiones zu nehmenden aber sinnlosen decem der Handschriften). — Die
GMSftr. 73
Abhandlung weist manche Druckfehler, namentlich in den angegebenen
Zififern auf, welche ich hier verbessert habe, aber auch andere, so S. 3
oppidis qui, S 12 vocabo st. vocabulo und verschiedene ähnliche. Den
lateinischen Ausdruck des Verfassers möchte ich nicht in allen seinen
Sätzen zu vertreten haben. Von seinen Conjecturen aber sind verschie-
dene doch mindestens sehr gewagt, namentlich fine turre im 18. Kapitel,
wenn nicht auch hier ein Druckfehler (statt fine turris) vorliegen sollte.
Erläuterungsschriften.
Cäsars Kommentarien und ihre literarische und kriegswissenschaft-
liche Folgewirkung. Von Max Jahns. Berlin, Mittler 1883.
Der Major Jahns vom Grossen Generalstabe hat im Militärischen
Wochenblatt eine Zusammenstellung der bis 1 883 erschienenen wichtigsten
Erläuterungs- und Forschungsschriften zu Caesars Kommentarien ver-
öffentlicht, die auch als besondere Broschüre ausgegeben worden ist
Besonders anziehend, weil neu fQr den Philologen, wird der Abschnitt
sein, der die Urtheile älterer und neuerer Strategen über die Kriegfüh-
rung und das militärische Genie Caesar's enthält.
Dr. Gust. Braumann, Die Principes der Gallier und Germanen bei
Cäsar und Tacitus. Jahresbericht über das Königl. Friedrich- Wilhelms-
Gymnasium. Berlin 1883.
lieber den durchaus annehmbaren Inhalt dieser Abhandlung habe
ich im Philol. Anz. XIII und hat Rud. Schneider im Jahresbericht XII
Bericht erstattet. Danach bildeten die principes der Gallier den vor-
nehmsten Theil der nobilitas oder der »equites«; ein eigentliches Amt
hatten sie als solche nicht, aber natürlich konnte es ihnen übertragen
werden, wie auch die Vertretung ihres Volksstammes bei Versammlun-
gen; ihre hervorragende Stellung und ihr Einfiuss beruhten lediglich auf
persönlichem Ansehen, auf Reichthum, auf der Menge ihrer clientes, am-
bacti, soldurii, obaerati, servi. Wie aus der Namenaufschrift vieler galli-
scher Münzen hervorgeht, war das Münzrecht nicht von der Ausübung
einer fürstlichen Herrschergewalt abhängig, sondern stand jedem prin-
ceps zu ; es finden sich Münzen mit der Legende Orcitirix, Dubnorix etc.,
trotzdem dass weder Orgetorix noch Dumnorix jemals ein Herrscherrecht
oder auch nur eine Amtsgewalt besass.
De hello civili Caesariano. Quaestiones Caesarianae. Pars I. Scrip-
sit Oscar Basiner. Mosquae, Deubner. 1883.
Der Verfasser sucht zu zeigen, dass der Hauptinhalt der zum Theil
Caesar's Kommentarien entgegentretenden und sie berichtigenden Histo-
riae des Asinius Pollio wenigstens gewissermassen uns in Appian, Ptu*
tarch und Sueton erhalten sei; er behauptet ferner, Caesar habe bereits
74 Römische Historiker.
am 7. oder 8. Januar, noch bevor er die Flucht der Tribunen erbhren
hatte, den Rubicon überschritten; die von Nipperdey nach III, 8 ange-
nommene Lücke, in welcher die Niederlage des Antonius und des Dola-
bella erzählt worden sei, setzt Basiner hinter 11, 21 an und lässt den
Anfang von II, 22 lisdem temporibus sieb darauf bezieben, eine Annahme,
welche sehr einleuchtend erscheint (S. auch Rud. Schneider, Jahresbe-
richt XII).
W. Tb. Paul, Die Bestürmung von Gergovia. Philol. Wochen-
schrift 1883 No. 19.
Der Verfasser schildert eingehend die Vorgänge bei dem Kampfe
um Gergovia, b. Gall. VII, 48; er schlägt, dabei vor, in den Worten le-
gionis decimae, quacum erat, concionatus zu lesen : quacum erat G. Tre-
bonius legatus.
Chr. Tissot, Recherches sur la campagne de G^sar en AMque.
Sonderabdruck aus den M^moires de TAcad^mie des Inscriptions et
Belles-Lettres XXXI, 2 1881.
Dies ist eine bis auf die geringsten Einzelheiten erschöpfende Dar-
stellung des Afrikanischen Krieges, über welche ich im Philol. Anz. XV
Bericht erstattet habe. Das seit dem Tode des Verfassers von Sal. Rei-
nach vollendete Werk Geographie compar^e de la province d'Afrique
giebt die Lage der in Gaesar^s Feldzuge vorkommenden Ortscbaften nach
den jetzigen Benennungen an.
L6on Heuzey et H. Daumet, Mission arch6ologique de Mac^doine,
texte et planches in — fol. Paris, Firmin-Didot 1876; und L6on Heuzey,
Les Operations militaires de Jules G^sar ^tudi^es par la Mission de Ma-
c^doine. Paris, Hachette 1886. Die erste Schrift behandelt die Topo-
graphie, z. B. von Dyrrhachium, und bringt eine Anzahl von Inschriften
bei; in der zweiten nimmt Heuzey an, das Schlachtfeld von Pharsalus
habe nicht am Enipeus, sondern an einem Bache gelegen, der jetzt aus-
getrocknet sei, auf einem Platze, auf dem nach Stoffers Urtheil nur eine
geringe Truppenzahl hätte aufgestellt werden können, wofür er denn von
dem Obersten eine derbe Zurechtweisung erhält. (S. Rud. Schneiders
Jahresbericht XIII und Philol. 1890).
Der Vollständigkeit gebe ich noch an, was Perrin unter der Ueber-
schrift Pharsalia, Pharsalus, Palaepharsalus in The American Journal of
Philology VI, 2 (No. 22) 1886 vorbringt: er glaubt, gegen Mommsen,
gezeigt zu haben, dass Gaesar sowohl wie Pompejus ihr Lager nördlich
vom Enipeus gehabt haben, und dass das Lager des Letzteren auf den
Httgeln gestanden haben müsse, welche nach dem Flussthal zu abfallen ;
über die genaue Lage des Lagers Gaesar^s seien v. Goeler und Sir Wil-
liam Napier (s. Long's Decline of the Roman Republic V, 122) verschie-
dener Ansicht: Goeler setzt es bei dem Uebergang der Strasse zwischen
Gaeur. 75
Pharsalus und Larissa ftber den Enipeus an, Napier mit Scotussa im
Rücken, also gegen Westen gerichtet; eine Entscheidung, meint Perrin,
lasse sich schwerlich treffen. — Seidner, Das Schlachtfeld von Pharsa-
lus, Programm des Realgymnasiums in Mannheim 1883 kommt zu einem
ähnlichen Ergebniss: iMan muss mit Goeler das Schlachtfeld nördlich
vom Enipeus (Tsamali jetzt) suchen, dicht unter den Höhen, die im Nor-
den die Ebene von Pharsalus abschliessen. Caesar hatte am rechten
Ufer des Enipeus Stellung genommen, etwa an dem Punkte, wo jetzt die
siebenbogige Brücke über den Fluss führt, und Pompejns stand vier Ei-
loro. nördlich bei dem Dorfe Tatarli, das rechts an der Strasse nach La-
rissa liegt. Westlich mündet ein kleiner Bach in den Enipeus, das
könnte derselbe sein, der Caesars linke Flanke deckte, auf Caesars rech-
tem Flügel dehnt sich die Ebene weit genug aus, so dass hier der Ver-
stoss der pompejanischen Reiterei stattfinden konntet. (S. auch Rud.
Schneider's Jahresbericht XII).
Judeich, Caesar im Orient. Leipzig, Brockhaus 1885.
Der Verfasser stellt, auf Grund der Commentarien und der übri-
gen Historiker, in einer synchronistischen Uebersicht die Vorgänge in
Aegypten, Asien, Afrika, Italien und Spanien zusammen und gicbt in
einer Karte die Züge des Pompejns, Caesar's, Cato's, des Mithridates
und des Pharnaces an: er lässt Pompejns von Attalia in Pamphylien
sich nicht erst nach Sydra in Cilicien, sondern von da gleich nach Pa-
phos begeben. Näheres Philol. 1890.
Histoire de Jules C^sar. Guerre civile. Par le colonel Stoffel.
2 vol. in — 4®. 24 planches in — fol. Paris. Imprimerie natio-
nale 1887.
Dies umfangreiche und höchst wichtige Werk hat eine eingehende
Besprechung von Rud. Schneider in den Jahresberichten XIV und XVI
und von mir im Philol. 1890 erfahren, wo man auch einige Einwendun-
gen gegen Einzelheiten in der Darstellung des Obersten und Zusätze zu
derselben findet. Die wichtigsten Ergebnisse seiner Untersuchungen sind
die folgenden: Den Rückzug der Pompejaner lässt Stoffel, der sonst
Goeler^s Angaben im Allgemeinen nicht widerspricht, auf Mequinenza an
der Mündung des Segre in den Ebro, aber rechts von jenem Fluss statt-
finden ; die Belagerung von Corfinium und die Einschliessung von Massi-
lia haben eine durch genaue Schilderung der Lage dieser alten Städte
anschaulich gemachte Darstellung erhalten ; der Beschreibung der Kämpfe
um Dyrrhachium legt der Verfasser die topographischen Aufnahmen zu
Grunde, die Lücken des 49. und 50. Kapitels nach den dadurch gewon-
nenen Anschauungen ausfüllend; das Schlachtfeld von Pharsalus nimmt
er auf dem südlichen Ufer des Enipeus an; nach ihm befand sich das
Lager des Poropejus am Westabhang des Hügels Karadja Ahmet, auf
76 Römische Historiker.
den sich die Pompejaner nach dem Verlust der Schlacht retteten; Cae-
sar hatte sein Lager westlich davon und etwas östlich von der jetzigen
Ortschaft Yasili. Die Karte des Delta und die Pläne der alten und
neuen Stadt Alexandria veranschaulichen die Kämpfe um diese Stadt
Munda verlegt der Oberst auf die Abhänge sftdlich von Cordova zwischen
der Stadt Montilla und der Ebene von Vanda. In einem Nachtrag führt
er ans, dass die Helvetierschlacht bei Montmort etwas stldlich von dem
mont Beuvray stattgefunden haben müsse.
unter dem Titel II er da, Beitrag zur römischen Kriegsgeschichte,
Weidmann 1886, hat Rud. Schneider den Kampf der Pompejaner gegen
Caesar und seine Truppen im Jahre 49 bebandelt. Ich habe im Philol.
Anz. XVI darüber Bericht erstattet. Alle Anerkennung verdient die
Darstellung der Vorgänge um llerda. Nicht zu billigen ist, dass der
Verfasser Fabius nach dem Pyreuäenübergang auf einem Umwege über
Barcelona marschiren lässt, bei welcher Annahme der Uebergang des-
selben über den Segre hätte erwähnt werden müssen. Den Rückzug der
Pompejaner nimmt er, von Goeler wie von Stoffel abweichend, auf Flix
an, als die einzige offene Strasse, die ihnen zu Gebot stand, wie er aus
den Specialkarten dieser Gegend schliessen zu müssen glaubt. Eine auf
seine Anfrage bei Stoffel ihm bereitwillig ertheilte Antwort hat ihn, we-
gen der auf diesem Wege befindlichen Engpässe, von dieser Annahme
abgebracht: er schliesst sich im Jahresbericht XVI jetzt der Darstellung
StoffeFs in allen Punkten an.
Derselbe Gelehrte hat im Programm des Königstädtischen Gymna-
siums 1888 eine Abhandlung über den Portus Itius veröffentlicht, über
welche ich im Philol. 1890 ausführlichen Bericht erstattet habe. Der
Verfasser tritt für Boulogne-sur-Mer ein. Die sämmtlichen Angaben der
alten Schriftsteller über diesen Hafen Itius sind von ihm im Auszuge
mitgetheilt und erlauben jedem Leser sich sein Urtheil über die noch
immer ungewisse Feststellung desselben zu bilden. Zum Abschluss scheint
mir die Frage noch nicht gebracht zu sein, besonders da Rud Schnei-
der, um seine Ueberzeugung zu stützen, Strabo einer groben Nachlässig-
keit in der Annahme zweier Häfen im Lande der Moriner zeihen mnss.
In der Berl. Philol. Wochenschr. VII, 19 tritt ferner Rud. Schnei*
der mit der Abhandlung Uxellodunum für den Puy d'Issolu als den Ort
der ehemaligen gallischen Stadt ein. Da die Beschreibung des Hirtius
mit dieser Oertlichkeit nicht stimmt, schlägt er vor VIII, 41, 1 quae fere
passuum CC intervallum a fluminis circuitu habebat zu lesen anstatt
quae fere pedum trecentorum intervallo fluminis circuitu vacabat, welche
Worte allerdings auf das von Goeler vorgeschlagene Luzech besser
passen. Es bleibt freilich die Möglichkeit, dass Hirtius einer unrichti-
gen Angabe gefolgt sei.
Caesftr. 77
Em. Hoff mann, Za b. civ. I, 25, Rhein. Mas. 1888 S. 166 — 169.
Der Verfasser hält die Yertauschung von § 9 und § 7 für nöthig
(S. dessen B. civ.). Rud. Schneider, Jahresbericht XIV, glaubt, dass
die durch Goeler veranlassten Bedenken Hoffmann^s durch Stoffefs Dar-
stellung I, 260 beseitigt sein möchten.
V. Pfannschmidt, Zur Geschichte des Pompejanischen Btlrger-
krieges, Programm, Weissenfeis 1888.
Der Verfasser sucht zu zeigen, dass Caesar das B. civ. vor dem
Ausbruch des Afrikanischen Krieges, also im Jahre 47, veröffentlicht habe.
P. Müllen hoff, Deutsche Alterthumskunde II. Bd. Berlin, Weid-
mann 1887.
Der Name »Germanen« ist den rechtsrheinischen Völkern von den
Galliern beigelegt und bedeutet in der celtischen Sprache entweder Nach-
barn oder Rufer im Streit ; erst um das Jahr 80 lernten ihn die Römer
kennen. Ob Bourg-S^gne oder Bourseigne nach den Segni benannt ist,
bleibt zweifelhaft; dagegen scheint die Benennung der Landschaft Fa-
menne (um Marche-en-Famine) an der Ourte und Lesse von den Pae-
mani (fälschlich in ß Caemani genannt) herzurühren. (S. Rud. Schnei-
der, Jahresber. XIV).
A. van Kampen, Gallia, Wandkarte. Neun Blätter. Gotha,
Perthes 1887.
Empfohlen von Rud. Schneider (Jahresbericht XIV), der einige
Auslassungen und unrichtige Namen angiebt.
H. Kiepert, Wandkarte von Alt-Gallien nebst Theilen von Bri-
tannien und Germanien. Neun Blätter. Berlin, Reimer 1888.
Durchweg gerühmt von Rud. Schneider, Jahresbericht XVI, mit An-
merkung eines Druckversehens in Vertauschung der Inselnaraen Uliarus
(Ol^ron) und Ratis (R^) und der Besserung der Orthographie einiger
Namen.
W. Ihne, Römische Geschichte. Sechs Bände. Leipzig, Engel-
mann 1886.
Der Verfasser setzt grosse Zweifel in die Glaubwürdigkeit der
Commentarien, welche ihm nicht durchweg unparteiisch genug erscheinen.
In der Frage um die Dauer von Caesar's Proconsulat und seine Bewer-
bung um das Consulat wendet er sich gegen Mommsen^s Darstellung.
Gaesar's Proconsulat ging mit dem 1. März 49 zu Ende. Da er erst
am 1. Januar 48, nach Ablauf von zehn Jahren nach der ersten Amts-
führung, sein zweites Consulat antreten konnte, so lag zwischen dem
Ende des Proconsulats und dem Antritt des neuen Amts ein Raum voQ
78 RAmische Historiker.
zehn Monaten, den seine Gegner benutzen wollten, am ihn anzuklagen.
Dieser Gefahr entging Caesar durch das Gesetz der zehn Tribunen (52
y. Chr.), welches ihm die Erlanbniss ertheilte, sich abwesend um das
Consulat zu bewerben, und sein Proconsulat bis zum Ablauf des Jahres
49 verlängerte. Pompejus machte diesen Bos^chluss ungültig, indem er
ein Gesetz durchbrachte, welches allen Candidaten die persönliche Be-
werbung vorschrieb; zwar Hess er nachträglich eine Clausel einfügen, die
für Caesar eine Ausnahme gestattete, aber dieser Zusatz hatte keine ge-
setzliche Kraft, da er nicht in dem vom Volke genehmigten Gesetze stand.
Demnach betrachteten Caesar^s Gegner sein Vorrecht als erloschen und
beabsichtigten ihn nach dem Ablauf seines Proconsnlats , nach dem
7. März 49, vor Gericht zu stellen. Das Meiste hiervon — namentlich
die Darstellung der Handlungsweise des Pompejus — ist nicht neu: es
findet sich schon bei Mommsen, Rom. Gesch. III S. 362.
Th. Mommsen, Die keltischen Pagi. Hermes XIX S. 316 — 321.
Das helvetische Volk theilte sich nach Caesar's Angabe in vier
pagi. Diese Gaueintheilung ist eine allgemeine celtische und findet sich
daher auch bei den kleinasiatiscben Galatern unter dem Namen Tetrar-
chie, bei denen jedem der vier Gaue ein besonderes vor Gericht und im
Krieg leitendes Oberhaupt, der Tetrarch, vorsteht, während die vier
Fürsten zusammen eine gewisse Oberaufsicht führen.
£. Harroy (directeur de T^cole normale de r£tat ä Verviers),
Les £burons ä Limbourg, le v^ritable Aduatuca castellum de C6sar.
Namur, Lambert^de Roisin 1889.
Der Verfasser weist nach, dass nicht, wie Napoleon III., ohne
Gründe dafür beizubringen, in Tongern, auch nicht mit v. Cohausen in
Embourg, oder an den andern Orten, welche der Major Jahns zusam-
menstellt, sondern wie Goeler angenommen, und wie der Oberst, jetzt
General v. Veith in der Zeitschr. für die Geschichte Westdeutschlands,
Trier 1880, und in einem Briefe an den Verfasser, welcher zugesteht,
dass dieser Offizier ihm die Wege zu seinen Forschungen eröffnet und
freigemacht habe, schon nachgewiesen hatte, in Limburg das Adua-
tuca £buronum gesucht werden müsse. £r fasst seine Untersuchungen
so zusammen: Aduatuca muss zwischen Rhein und Maas, in der Mitte
des Eburonenlandes, gelegen haben; das passt nicht auf Tongern; Sa-
binns sagt, dass der Rhein »hinter den Römern läge« (subesse); er hätte
Maas gesagt, wenn Aduatuca Tongern gewesen wäre; (dies Argument ist
wohl verfehlt); 2000 Schritt von Aduatuca entfernt, stiegen die Römer
in ein grosses Thal, weit genug, um eine kreisförmige Aufstellung zu
nehmen, mit dem Durchgang nach Westen, der aber schwer zu erstei-
gen war, und sonst an beiden Seiten durch Engen geschlossen; dies
Alles treffe bei Tongern nicht zu, von welchem das D6fil6 von Lowaige
Caesar. 79
5000 Schritt entfernt sei, wohl aber bei Limburg, zu dem auch die übri-
gen angegebenen Entfernungen stimmen; endlich erlaube für das letztere
die Nähe des Rheins, den plötzlichen Ueberfall der Sicambrer im Jahre
63 zu erklären. Die magna convallis der Commentarien ist, nach der
Darstellung des Verfassers, das breite, tiefe und fast kreisförmige Thal
von Dolhain. Eine Karte erläutert nicht nur die Lage der Oertlichkei-
ten, sondern auch den von Harroy angenommenen Marsch der Römer,
sowie die Stellung der Eburonen, namentlich an dem Engpass Pav^ du
Diable. Zu diesen Untersuchungen hat den Verfasser der Lokalpatrio-
tismus angetrieben; schon früher, 1885, hat er ein Gedicht Les £burons
veröffentlicht, hier als Anhang beigegeben und ausserdem zu einer lyri-
schen Tragödie Freya erweitert, in welchem er Ambiorix feiert, und
jetzt blickt sein Wunsch durch, dass man diesem Vaterlandsvertheidiger
in Limburg eine Statue errichte, »wie er sie unangebrachter Weise schon
in Tongern habe«. — Der Vollständigkeit wegen führe ich noch an,
dass der General v. Veith das Lager des Labienus im Jahre 54 in*8
Dorf Izel an der Semois, das Lager desselben im Jahre 53 nach Arlon,
seine Schlacht gegen die Treverer an die Alzette bei Luxemburg; das
Lager des Cicero im Jahre 54 nach Namur, die Schlacht gegen Ariovist
in die Nähe von Beifort, die beiden Rheinübergänge zwischen Köln und
Bonn, das oppidum Aduatucorum, wie schon Goeler, auf den mont Fal-
hize bei Huy verlegt Dies oppidum Aduatucorum mit Aduatuca ca-
stellum verwechselnd, giebt der Major Jahns irrthümlich an, dass v. Veith
dies castellum auf den Berg Falhize (ausserdem noch Folhize verdruckt)
bei Huy ansetze.
B. Schöttler, Ueber die Lage der geschichtlichen Orte Adua-
tuca Eboronum (Caes.), Ära Ubiorum (Tacit.) und Belgica (Itin. An-
ton.)- Programm des Progymnasiums zu Rheinbach 1889.
Der Verfasser findet die drei genannten Ortschaften in Rheinbach
selbst, ohne andere Beweise dafür beizubringen, als Reste eines römi-
schen Standlagers.
P. de Lisle du Dr^neuc, Des Gaulois Ven^tes. Saint-Brieux 1886.
Der Verfasser sucht zu zeigen, dass die Seeschlacht gegen die Ve-
neter in dem heutigen ehemals vom Meere eingenommenen Torfmoor la
Grande Briöre rechts von der Mündung der Loire stattgefunden habe.
Dieser Ansicht hat sich auch Desjardins angeschlossen.
H. E. Maiden, Gaesar^s Expeditions in Britain. The Journal of
Philology XVII No. 34.
Der Verfasser sucht zu zeigen, dass Gaesar in Romney-Marsh ge-
landet sei. Rud. Schneider, Jahresbericht XVI, verweist auf Napoleon
III. und auf meine Abhandlung in der Ztsch. f. allgem. Erdkunde 1866«
80 Römische Hietoriker.
6. Ihm, Das VII. Buch des hellom Gallicam. Berliner Philol.
Wochenschr. 1886 No. 83.
Der^ Verfasser merkt einige Ausdruckverschiedenheiten im siebenten
Buch von den vorhergehenden sechs Büchern an.
Petsch, Die historische Glaubwürdigkeit der Commentarien Cftr
sars vom gallischen Kriege nach gegenwärtigem Stande der Kritik.
Zwei Programme. Glttckstadt 1885 und 1886.
Die Versuche Eyssenhardfs und Raucbenstein's, Caesars Glaub-
würdigkeit zu untergraben, halten einer genauen Prüfung nicht Stand,
bemerkt Rud. Schneider im Jahresber. XIII; Beide lassen sich durch
die mangelhaften Mittheilungen des Dio Cassius in*eleiten, wie Petsch
am Schlüsse der zweiten Abhandlung ausführlich nachweist. Man sehe
auch meinen Aufsatz, Philol. Anz. XIV S 309.
H. Baumann, Zum ersten Buch der Commentarien Caesar's über
den gallischen Krieg. Programm des K. K. Franz>Josephs*Gymnasioms
zu Wien 1885.
Caesar's Darstellung der politischen Lage der Sequaner vor |der
Besiegung der Helvetier stimmt mit seiner Darstellung nach der Nieder-
lage derselben nicht überein: vorher erscheinen sie politisch selbststän*
dig, nachher aber geradezu als gänzlich von Ariovist unterworfen; die
spätere Schilderung der Macht des germanischen Heerkönigs, der an-
fangs gar nicht erwähnt wird, scheint dem Verfasser übertrieben. Viel-
leicht erklärt sich dies Alles aus dem Wesen der gallischen Gauver-
fassung. Wenn das Land der Sequaner nach der in Gallien üblichen
Regel in Tetrarchien getheilt war, so konnte das an den südlichen Jura
angrenzende Gebiet durch den Tetrarchen Casticus und später durch
Vermittelung des Dumnorix mit den Helvetiern in Verbindung getreten
sein, während die drei andern Tetrarchien im Norden und nach dem
Rhein zu allein unter dem Druck des Ariovist zu leiden hatten, wegen
dessen Nähe die Helvetier den ihnen zumal bei ihrer Verbindung mit
den Raurici, Tulingi und Latovici sonst noch offener stehenden und be-
quemeren Weg südlich von der Rheinecke bei Basel nicht einzuschlagen
wagten.
G. Ehren fr ied. Qua ratione Caesar in commentariis legatorum
relationes adhibuerit, Virceburgi, Stakel 1888.
Der Verfasser weist an der stilistischen Abfassung im Einzelnen
nach, dass Caesar die Berichte der Legaten keineswegs einfach und un-
verändert in sein Werk einverleibt habe.
CaeiMr. gl
Charles Seitz, UOeavre politique de G^sar jQg6e pitr les histo-
riens de Rome au XIX« si^cle. Gen^ve et BUe, H. Georg 1889. ISO S.
Der Verfasser dieser Schrift beginnt die Aufzählung der Geschicht-
schreiber, welche im 19. Jahrhundert die politischen Bestrebungen Cae-
sar^s beurtheilt haben, mit Niebuhr und schliesst sie mit Ibne, dessen
rdmisohe Geschichte ihm bis zur Ankunft des römischen Feldherrn in
Brundisium vorliegt; vertreten sind Niebnhr, Drumann, Am6d^e Thierry,
Merivale, Mommsen, Napoleon III., G. Boissier, Froude, Duruy, Ranke
und Ihne. Mit auffallender Geringschätzung geht Seitz Ober die politi-
schen Auseinandersetzungen Napolöon^s III. hinweg, obgleich er seinen
grossen Verdiensten in der Erforschung der Lokalitäten der Schlachten
des gallischen Krieges die gebttbrende Gerechtigkeit widerfahren lässt
Den grössten Raum nimmt Mommsen ein mit den ihm entgegengetretenen
Kritikern Nitsch, Peter, Freeman. Der Verfasser zollt der Geniidität de«
berfihmten Geschicbtsohreibers und Archäologen alle Anerkennung, gleich-
wohl richtet sich sein Buch, auch wenn er 'mit seinem eigenen Urtheil
zurfickhaltend ist und sich hauptsächlich auf den Bericht der Ansichten
Anderer beschränkt, gegen die Auffassung, welche Mommsen von dem
Charakter und den Bestrebungen Caesar's gewonnen hat; ja, er glaubt,
dass diese Auffassung seine römische Geschichte von Anfang an beein*
flusst und beeinträchtigt hat: die Leidenschaftlichkeit, mit welcher er den
römischen Imperator preist und seine Gegner herabwürdigt, wird vielfach
geflissentlich hervorgehoben. Ob Caesar, wie Mommsen meint, der rö-
mischen Verfassung eine andere Form und eine andere Richtung hat ge-
ben wollen, was er allerdings nur dadurch erreichen konnte, dass er
selbst an die Spitze des Staates trat, oder ob er es einzig und allein
daraof abgesehen habe, sich zum Alleinherrscher zu machen, was ohne
die Aenderung der Staatsverfassung nicht durchgeführt werden konnte,
wird wohl allem Anschein nach unentschieden und Parteimeinung bleiben.
Wir haben in unserer Zeit, bei aller Verschiedenheit der Personen und
der Umstände, Aehnliches erlebt. Ein hervorragender Schriftsteller, der
vielfach Zustimmung erfahren hat, schreibt Friedrich III. aus Stolz den
heksen ViTunsch nach der Kaiserkrone zu, die ohne die Einigung Deutsch-
lands allerdings nicht hätte errungen werden können; andere Gelehrte
und Staatsmänner legen ihm das warme Verlangen nach der Einigung
Deutschlands bei, mit welcher folgerecht die Erlangung der Kaiserkrone
verbunden gewesen sei: je nach der Parteistellung wird man sich dafftr
entscheiden, welcher Wunsch der erste und der ursprüngliche gewesen
sei. Die Frage nach den Veranlassungen zum Bürgerkriege berührt Seitz
nur obenhin.
Jahresbericht fQr Alterthums Wissenschaft. LXVIII. Bd. (1891 II). 6
82 Römische Historiker.
Philippas Fabia, De orationibus quae sunt in commentariis
Caesaris de hello Galileo. Avenione apud J. Roumanille, Parisüs apad
£. Thorin 1889. 95 S.
Der Verfasser dieser Doctordissertation sacht zu zeigen, dass die
Commentarien, deren Abfassang er, Chr. Schneider's Annahme folgend,
i|i den An&ng des Jahres 703 (51) setzt, von Caesar zn dem Zweck ge-
schrieben worden sind, sein Verfahren vor dem Senat, in dem er viel-
fachen Angriffen aasgesetzt gewesen war, za rechtfertigen, und vor dem
ihm ergebenen römischen Volk in ein glänzendes Licht zu setzen; es
unterliegt bei ihm keinem Zweifel, dass Caesar es von langer Zeit her
darauf abgesehen hatte, sich zum Alleinherrscher des Staats zu machen.
Diesem Zweck diene die Erzählung, dienen aber auch ganz besonders
die vielen nach Gewohnheit der alten Geschichtschreiber in den Vortrag
eingeflochtenen Reden. Abweichend von der sonst üblichen Gepflogen-
heit seien von dem römischen Feldherm diese Reden, sowohl die eige-
nen als auch die von seinen Legaten oder von Barbaren gehaltenen, meist
in der indirecten Ausdrucksweise, nur in wenigen Ausnahmen in directer
Vortragsart wiedergegeben. Auch darin weiche Caesar von einigen an-
dern griechischen und römischen Schriftstellern ab, dass er nicht wie
diese rein erfundene und der Ausschmückung und lebendigen Schilderung
der Zeitsitten wegen nur erdichtete Reden eingefügt habe, sondern nor
solche, welche dem oben angegebenen Zweck dienten und von welchen
er wenigstens in den meisten Fällen Kenntniss bekommen zu haben
durchblicken lassen konnte; die indirecte Rede habe er vorgezogen, um
damit zu verstehen zu geben, dass er nur die Richtigkeit der vorgetra-
genen Thatsachen dem Sinne nach, nicht auch die Richtigkeit des Wort-
lauts verbürgen wolle. Aber wie er nach dem Zeugnisse des Asinius Pollio
in seinen Berichten der Vorfälle und Umstände es mit der Wahrheit nicht
eben genau genommen habe, so dürfe man das noch mehr bei den ange*
führten Reden voraussetzen, welche weit weniger als jene einer Feststellung
von anderer Seite hätten unterworfen werden können. Die meisten und
ausgedehntesten Reden fallen auf das erste und auf das siebente Buch,
auf jenes, weil Caesar das Bedürfoiss fühlte nachzuweisen , dass er den
in Gallien entbrannten Krieg, den er ohne Auftrag des Senats oder der
Volksversammlung führte, nicht aus eigenem Antrieb, sondern durch den
Einfall der Helvetier und durch die Gewaltthätigkeiten des Ariovist gegen
Bundesgenossen der Römer dazu gezwungen, unternommen habe, auf die-
ses, weil es mehr als die andern von der Grösse und Bedeutsamkeit seil
ner Kriegsthaten Zeugniss ablege. Der Verfasser der Schrift macht da-
rauf aufmerksam, dass Caesar, um den ihm grösstentheils feindlich ge-'
sinnten Senat zu beschwichtigen, bei verschiedenen Gelegenheiten angiebt,
wie er bei der Verwaltung seiner Provinz bedacht gewesen sei, sich nach
den früheren Beschlüssen desselben zu richten, und dass er, um den noch
gläubigen grossen Haufen zu gewinnen, sich auf die Götter berufe, an
GftMftr. gS
die er selbst längst nicht mehr glaubte; besonders aber sollen die Reden
die Ueberzeugung erwecken, dass er überall die Würde und die Grösse
des römischen Staates vertrete; einige sollen auch den Beweis liefern von
seiner eigenen Milde, andere im Gegensatz dazu die Treulosigkeit und
die Rohheit der deshalb mit Recht von ihm kekämpften Barbaren schil-
dern. Die Kunst des römischen Imperators sieht Fabia hauptsächlich in
der Weise, wie er den von ihm in^s Auge gefassten Zweck stets so ver-
folge, dass man nirgends die Absichtlichkeit herausmerke, und, wie auch
sonst an andern Stellen, namentlich bei der Rede des Gritognat, in der
geschickten Einleitung und Gruppierung der die zu machenden Vorschläge
begründenden Umstände. Die Rede des eben erwähnten Galliers ist von
allen die am ausführlichsten mitgetheilte und am sorgfältigsten ausgear-
beitete; der Verfasser meint wohl nicht mit Unrecht, dass eine so treff-
liche Rede im Munde eines Barbaren nicht recht der Wahrscheinlichkeit
entspricht. Das Werkchen Fabia's leidet an Wiederholungen, welche eine
andere Anordnung wohl hätte vermeiden lassen können; das Latein ist
— abgesehen von einigen Druckfehlern wie S. 24 nullam (orationem)
reperitur für nulla — leidlich, hier und da fliessend, öfter jedoch der
antiken Färbung entbehrend; manche Ausdrucksweisen, wie Videmus Cae-
sarem cum orationem illam tum reliquas ejusdem generis exponendo ple-
raque ex personarum atque temporum convenientia finxisse, oder wie sunt
qui sentiunt etc. würden bei unsern jungen Gelehrten schwerlich vorkom-
men, obgleich auch bei ans ein Gymnasialdirector geschrieben hat res eo
perventa est und ein späterer Akademiker in seiner Habilitationsschrift
populi migrati sunt.
Fr. Wörmann, C. Julii Caesans de hello Galileo commentarii
breviter comparati cum Xenophontis anabasi. Programm des Gymna-
siums in Recklinghausen 1883.
Beide Schriftsteller führen anziehende Ereignisse vor, ihre Schreib-
weise ist in gleicher Weise einfach und anschaulich ; Caesar schreibe, um
sich zu rechtfertigen, Xenophon, um Vaterlandsliebe zu erwecken; in Be<^
zug auf Glaubwürdigkeit stehe Xenophon höher als Caesar.
Dr. Leop. Wiegandt, C. Julius Caesar und die tribunizische Ge-
walt. Leipzig, Fock, 1890.
Der Verfasser sucht, entgegen den gewöhnlichen Darstellungen, zu
zeigen, dass die tribunizische Unverletzlichkeit, wie Nicolaus Damascei|us
berichtet, Caesar auf Betrieb der Verschworenen, nämlich um ihn zu ver-
anlassen ohne seine Leibwache öffentlich zu erscheinen, und erst im Jahre
44, wie auch Dio Cassius XLIV, 5 angiebt, zuertheilt worden sei. £^
vermuthet, der vorangegangene Senatsbeschluss, der im Jahre 45 Caesar
bei den Spielen und Festen einen Sitz auf den tribunizischen. Bänken
einräumte, sei gefasst worden, um die Popularität des Dictators, die nach
6*
S4 Romische Historiker.
dem Siege bei Munda in raschem Sinken begriffen war, wieder ra heben.
Die Angabe des Dio Cassius XLII, 20, dass ihm die lebenslänglichen
Vorrechte der Tribunen schon 48 nach der Nachricht von dem Tode des
Pompejus zuerkannt worden seien, zieht er in Zweifel, sie auf einen Irr-
thum des Geschichtscbreibers schiebend, und beruft sich auf Suetonius,
der bei der Aufzählung von Gaesar's Aemtern und Auszeichnungen die
potestas tribunicia nicht erwähnt, und auf den Epitomator des Livius,
der nach der Schlacht bei Pharsalus nur die Ernennung desselben zum
Dictator berichtet, die Zuerkennung der Unrerletzlichkeit erst in die
letzten Monate vor seiner Ermordung verlegt. Der Verfasser kommt zu
dem Schlttss, dass Caesar nie im Besitz der vollen tribunizischen Gewalt
gewesen sei, auch nie daran gedacht habe, sich auf diese zu stützen.
Gegen eine derartige Annahme verwerthet er nicht nur die Zeugnisse der
Schriftsteller, ausser der bezweifelten Stelle Dio's, sondern führt auch
innere Gründe, nämlich die Schonung der verfassungsmässigen Gebräuche
von Seiten Oaesar's in^s Feld. In der letzten Beziehung wird man wohl
dem Verfasser Recht geben mtlssen. Welches auch die Absichten Gae-
8ar*s zu irgend einer Zeit sein mochten, er hat gewiss immer vorsichtig
und politisch gehandelt. Aus diesem Grunde glaube ich auch, dass b.
Gall. IV, 26, 8 mit a milites, und nicht mit ß commilitones gelesen wer-
den müsse. Das bell. Gall. ist mit beständiger Rücksichtnahme auf das
römische Volk, namentlich aber auch auf den römischen Senat, wie man*
che ehrende Erwähnungen desselben zeigen, abgefasst; hätte er, selbst
wenn er so gesprochen haben sollte, auch commilitones geschrieben, so
musste er voraussehen, dass man ihn im Senat Soldatenschmeichler ge-
nannt und ihm daraufhin die Absicht, sich mit Hülfe des Heeres zum
Herrn zu machen, untergeschoben hätte. Commilitones ist vielleicht durch
einen Abschreiber in die Handschriften ß gekommen, der bei Suetonius,
Julius 67, gelesen hatte, dass Caesar seine Soldaten »pro concionec so
zu nennen pflegte. Herausgeber, welche in ihrer Einleitung das Leben
Gaesar^s bis zu seiner Ermordung fortführen, werden die Schrift Wie-
gandt*B zu berücksichtigen haben.
Ed. Wolfflin: G. Asinius Polio de hello Africo. Sitzungsberichte
der k. bayer. Akad. d. Wiss. 1889 S. 319—343. Im Anhang dazu: Das
Gefecht bei Ruspina S. 343 - 350. Der Verfasser schliesst sich der Dar-
stellung StoffePs, Domaszewski^s und, der Hauptsache nach, auch Nipper^
dey's S. 204 an; durch Zeichnungen werden die verschiedenen Stellan-
gen der Truppen Gaesar's erläutert Von meiner eignen Auseinander-
setzung, Philol. XIII, die er wohl billigen muss, weil er sie in dem Ap-
pendix zum b. Afr. mit den Worten erwähnt: De ipsa pugna fusius ex-
posnimus in Actis academiae Bavaricae; ante nos doctissime H. J. Heller
in Philol. vol. XIII, scheint er erst nach Abfassung seines Vortrags Eennt-
nias genommen zu haben ; nachträglich nimmt er in den Addenda seiner
Caesar. g5
Aasfabe meine Erklärung von intra cancellos und intrinsecus ohne jeden
Vorbehalt an.
Professor Dr. Franz Nesemann, Exegetische Studien zu Cae-
sar und Tacitus im Anschluss an die Frage vom Wesen der ältesten
deutschen Staatenbildung. Programm Lissa i. P. 1890.
Der Verfasser giebt an, dass Caesar, bell. Gall. VI, 22, 2, I, 51,
2, zwar die principes vici und pagi, aber nicht einen princeps civitatis
kennt, auch nicht die saoerdotes; wenn beide, der erstere meist unter
dem Titel rex, bei Tacitus erscheinen, so sucht er den Grund davon
nicht etwa in einem Irrthum Caesar^s, sondern in einer von Caesar bis
Tacitus vor sich gegangenen Wandlung der Verfassung und des Götter-
glaubens der germanischen Volksstämme. Sonst geht die Abhandlung
hauptsächlich Tacitus an.
Director Dr. Franz Cramer, Caesar und seine Zeit bis zum Be-
ginn des Gallischen Krieges. (Zur Einführung in die Comment. de
B. G.). Programm, Mülheim am Rhein 1890.
Der Verfasser sucht an der Geschichte Caesar*s vor dem Galliscb90
Kriege nachzuweisen, dass tsein Geist nicht nur jede grosse Anlage und
ursprüngliche Kraft, sondern auch alle verderbliche Leidenschaft und
sittliche Verirrung, dazu eine bewundernswerthe Fülle der ganzen Bil-
dung des römischen Volks jener sich überstürzenden Zeit in sich ver«
einigte«. Was die Commentarien anbetrifft, so sagt er, nachdem er mehr
oder weniger abfällige Urtheile angeführt hat: »Für uns ist Caesar ein
mustergültiger Lateiner, ein unübertroffener Erzähler in seiner Art —
im übrigen sind wir verpflichtet, seine Mitteilungen zu prüfen und vor
der Grösse des Römers der grossen Eigenschaften unsrer barbarischen
Vorfahren nicht zu vergessen«. Die jetzt wohl allgemein angenommene
Tendenz des Buchs berührt der Verfasser nicht. Den Schülern gegen-
über hat er auch wohl verschweigen müssen, dass, trotz des guten
Lateins, das Lesen eines technisch - militärischen Schriftstellers für das
Verständniss von Knaben nicht recht geeignet ist, und dass, wenn auch
die ausserordentliche Willenskraft, die schnelle Entschliessung, der un-
gemeine Thatendrang des römischen Feldherm der Jugend als Vorbild
hingestellt zu werden verdient, die kaltherzige Unterdrückung eines gan-
zen Volks aus politischen Rücksichten für ihre Erziehung nicht gerade
für sehr wirksam erachtet werden kann.
Die Rheinbrücke.
Ueber den Bau der Rheinbrücke haben — ausser Maxa in der
Zeitschr. für österr. Gymn. 1880, Wirth in den Blättern für das bayer.
Gymnasialwes. XVI, 1880, Maurer in den Cruces philologicae, Mainz 1882,
86 I^e Rhelobrücke.
and in den Abhandlungen Die Rheinbrttcke, Noch einmal die Rheinbrttcke,
Mainz — der Baumeister Rheinbard, Caesars Rbeinbrücke, 1883, dessen
Entwurf in die Caesarausgabe seines Vaters aufgenommen worden ist,
Scblenssinger in Studien zu Caesars Rheinbrücke, Mflnchen, Lindaner 1884
und zur Rheinbrücke in Bl&tt. fftr das bayer. Gymnasialwes. XX, 8 und
Menge, Philol. XLIV, 2 1886 ihre weit auseinandergehenden Ansichten
ausgesprochen. Ich habe über diese Versuche, den Brückenbau zu er^
klären, meine Meinung im Philolog. Anz. XIV, 10 S. 631—548 und im
Pbilolog. Suppl. V 386—388 abgegeben und glaube, die Einwendungen,
welche gegen meine Auffassung erhoben worden sind, wie die neuen seit-
dem zum Vorschein gekommenen Annahmen erfolgreich widerlegt zu ha-
ben, begnüge mich daher auf diese Aufsätze zu verweisen. Rnd. Schnei-
der hat die oben angeführten Schriften in den Jahresberichten XII und
XIII in ähnlicher Weise wie ich besprochen, auch in der Berliner
Philol. Wochenschr. 1884 161 — 166 einen eignen Aufsatz Ueber Caesars
Rheinbrücke veröffentlicht, sich im Wesentlichen der Darstellung Napo-
16on's anschliessend und nur gegen die fibulae desselben, die ich immer
für eine Hauptsache angesehen habe, Einwand erhebend. Ich ziehe fer-
ner aus, was in den Jahrb. der Alterthumsfreunde im Rheinlande, Heft
LXXX 1886, Prof. Dr. E. Hübner in seiner Abhandlung Neue Studien
über den römischen Grenzwall schliesslich darüber bemerkt: »Ueber
Helleres wohlbegrttndete und umsichtige Interpretation wird schwerlich
hinausgegangen werden können«. — Der Ort, wo Caesar's Brücken ge-
gchlagen worden sind, hat mit Sicherheit nicht ermittelt werden können.
Hübner bemerkt eben da: »Bei dem der Hauptsache nach Jetzt aufge-
deckten grossen Castell von Bonn, wo zwei von Osten kommende Strassen,
eine nördlichere und eine südlichere, münden, sind oder waren unzwei-
deutige Reste einer Rheinbrücke vorhanden. Dass Caesar hier eine sei-
ner Rheinbrücken, wohl die zweite, schlug, und dass der auf dem linken
Ufer stehen gebliebene Anfang in der Zeit der Kriege des Tiberius und
des Germanicus wieder ergänzt worden ist, entbehrt durchaus nicht der
Wahrscheinlichkeit«. Dagegen sind neuerdings bei der Kapelle zum gu-
ten Mann zwei parallele Spitzgräben und an dem nicht weit davon ge-
legenen Thurmer Werth Holzreste etc. gefunden worden; der Regierungs-
baumeister Isphording, der sie im Centralblatt der Bau Verwaltung 1886
S. 241 beschreibt, kommt zu dem Schluss, dass hier, mit Benutzung des
oberhalb an das Weissenthurmer Werth sich anschliessenden Kiesfeldes
die zweite Brücke Caesar's gestanden habe. Hiemach ist die Frage nach
dem Standort der Brücken noch immer nicht erledigt. Was ich hier als
Schlussergebniss vorbringe, findet man in ausgeführterer und begründe-
terer Darstellung, wie auch verschiedenes Andere über denselben Gegen-
stand, im Philol. 1890.
Caesar. g7
Sonntag, Bemerkungen zn Caesar de hello Oallico IV, 17. Pro-
gramm des K. Friedrichs-Gymnasiums zu Frankfurt a. d. 0. 1890.
Der Verfasser sucht meine Erklärung der fibulae ahzuweisen. Er
hat jedoch von meinen Abhandlungen nur den Bericht flher Schleussin-
ger^s Studie gelesen. In einem andern meiner Aufsätze würde er eine
weitere Auseinandersetzung über das, was man im Alterthum unter fibuia
verstand, gefdnden haben. Er meint femer, meine Darstellung stehe mit
Caesar's Worten (4, nicht 8 Fibeln) nicht im Einklang. Die Richtigkeit
meiner Angabe habe ich mehrmals nachgewiesen; eine einfache Multipli-
kation lehrt sie, und diese will ich hier, auch zu Nutzen und Frommen
anderer Zweifler, wiederholen. Haec utraque die beiden Pfahlpaare fluss-
aufwftrts und flussabwärts — macht zwei — wurden utrimque, auf de^
Innern sowie auf der äussern Seite jedes dieser Pfahlpaare — macht
vier — binis fibulis durch je zwei fibulae — macht acht — festgehalten;
allerdings auf jeder Seite der Brücke sind es nur vier. Er selbst muss,
wie auch schon Andere, utraque und utrimque in gleicher Beziehung und
als eines das andere nur wiederholend aufgefasst haben ; aber so spricht
Caesar nicht; sollten beide dasselbe bedeuten, würde er entweder
das eine oder das andere für überflüssig gehalten und weggelassen
haben. Ueber seine eigenen tfibulae« sagt Sonntag: Die zur Befesti-
gung der Brücke dienenden fibulae bestanden aus 2 etwa 6' langen
Balken von l^i — 2' Dicke, welche an zwei Seiten behauen und den Win-
keln angepasst, an den Enden durch eiserne Bänder zusammengehalten
wurden (in contrariam partem revinctae); angebracht waren sie in den
Scheitelwinkeln (disclusae). Man sieht, er bezieht disclusis und revinc-
tis nicht auf haec utraque, sondern auf binis fibulis. Ich habe mehrfach
darauf aufmerksam gemacht, dass solche^Balken, wie sie der Verfasser
annimmt, asseres, oder bei der von Sonntag ihnen gegebenen Dicke tigna
oder trabes hätten genannt werden müssen. Vielleicht selbst zu sehr
Partei in dieser Sache, glaube ich, diesen neuen Versuch einer Recon-
struction der Rheinbrücke dem eignen Urtheil der Leser überlassen zu
müssen.
Heerwesen.
H. Delbrück, Die römische Manipulartaktik. Hist Zeitschr. N.
F. XV 8. 239-264.
Das manipelweise Durchziehen und Ablösen der Treffen ist, trotz
der Behauptung des Livius, unmöglich, weil beim Kampf die dazu nö-
thigen Lücken nicht eingehalten werden können, in die der Feind sofort
eingedrungen sein würde : demnach ist die Quincunxstellung und die Ab-
lösung der Treffen, wie sie gewöhnlich angenommen wird, zu beseitigen.
Livius spricht VIII, 8 nur von einem massigen Zwischenraum. Die In-
tervalle dienten in der von der Phalanx ausgegangenen Aufstellung der
gg HMrireMo.
Sehlach tlinie nur dazu, den nöthigen Spielraum für die Bewegung zu ge-
ben, ausserdem als Durchgangsimnkte fftr die ausschwärmenden Leicht-
bewaffneten. Anfangs marschierten die hastati, principes und triarii nur
mit wenigen Schritten Abstand, so lange ist der Ausdruck Treffen f&r
sie unzulässig; die Treffen entstanden erst, vielleicht seit der Zeit des
älteren Sdpio bei Zama, als die Verbreiterung des Abstandes zwischen
hastati und principes, principes und triarii eintrat
W. Soltau, Die Manipulartaktik. Hermes XX S. 262—267.
Der Verfasser stellt gegen Delbrück die Behauptung auf, dass die
Intervalle, die ja auch dieser annehme, beim Beginn des Gefechts (Po-
lyb. XVIII, 12) dadurch geschlossen wurden, dass die Soldaten innerhalb
jedes Manipels auf doppelten Abstand (6 statt 3 Fuss) auseinandertraten
und dadurch die manipelbreite Lücke ausfüllten, bei der Ablösung sich
wieder auf drei Fuss zusammenschlössen.
A. Kuthe, Die römische Manipulartaktik. Wismar 1886. Fest-
programm.
Die Triarier, welche nicht das pilum, die Waffe für den Femkampf,
sondern den Stossspeer führten, bildeten die Reserve und dienten auch
im Nothfall für die Defensive ; die Offensive hatten hauptsächlich die bei-
den andern Truppengattungen zu ergreifen. Die Pilumsalve erfolgte mit
geschlossenen Gliedern, erst nachher zogen sich die einzelnen Manipel
nach rechts und linkshin auseinander; und bei einer wieder vorgenom-
menen Zusammenziehung erscheint die Ablösung der Treffen nicht un-
denkbar.
F. Fröhlich, Beiträge zur Kriegsführung und Kriegskunst der
Römer zur Zeit der Republik. Berlin, Mittler & Sohn 1886.
£twa seit den Samniterkriegen entwickelte sich aus der alten
etruskischen Phalanx die Manipularlegion ; anfangs bildete man nur kleine
Intervalle zwischen den Manipeln der hastati, nur so gross, dass 20 ve-
lites oder Leichtbewaffnete durch sie ausschwärmen und sich wieder zu-
rückziehen konnten; in der ausgebildeten Manipularlegion aber war die
Breite der Intervalle gleich der Frontbreite eines Manipels. Bei der
Beschreibung der Schlacht bei Zama sagt Polyb. XV, 9, Scipio habe je
einen Manipel (oTteepa) der velites in die Intervalle zwischen zwei Ma-
nipel (hier mit dem Ausdruck trr^fKua benannt) der hastati gestellt. Sonst
findet sich von Manipeln der velites keine Erwähnung. Deshalb und
wegen des Wechsels in den Ausdrücken für Manipel {tmBTpa oder artsipa
und ay^fxa/a) erhebt Rud. Schneider in der Berl Philol. Wochenschr. 1886
No. 19 gegen Fröhlich's Wiedergabe der Stelle des Polybius Einspruch,
wogegen dieser sich in No. 27 mit Berufung auf Polyb. VI, 24 verthei-
digt. In ähnlicher Weise wie Kuthe beschreibt Fröhlich den Anfang des
Gaenr. 89
t
Kampfes: »Hatten die velites nach dem Ausschwärmen sich durch die
Intenralle zwichen den Legionsroanipeln zurückgezogen, so schlössen die
Legionen die Lücken durch Abstandnehmen seitwärts; jeder Soldat er-
hielt dadurch sechs Fuss Frontraum, da drei Fuss zum ausgiebigen Ge-
brauch von Pilum und Schwert nicht genügten. Mussten die principes
zur Ablösung vorrücken, so zogen sich auf ein Commando, das in dem
Moment gegeben wurde, wo die vorrückenden principes hinter dem letz-
ten Gliede der hastati angelangt waren, die hastati wieder auf drei Fuss
zusammen. In der älteren Legion gab es noch keine triarii, die 3000
Mann theilten sich in zweimal 1500, zweimal 16 Manipel der hastati und
principes, Liv. VIII, 8. Später wurden aus den principes 600 triarii
ausgeschieden and dafür 800 Mann aus den hastati eingefügt, und so
entstand die neue Theilung, fbnfmal 120 triarii, zehnmal 120 principes,
zehnmal 120 hastati. Die erste Nachricht von den triarii findet sich in
der Schilderung des Polybius von den Rüstungen vor der Schlacht bei
Eknomus 266 v. Chr.; ihre Errichtung scheint in die Zeit der Pjrrrhus-
kriege zu faUen, jedenfalls in die Zeit vor Einführung des pilum, da ge-
wiss die hasta nach ihrer Abschaffung für die beiden ersten Treffen nicht
bei der Bildung des dritten zum zweiten Male im römischen Heere wird
eingeführt worden sein; es muss angenommen werden, dass das pilum
nach den Kriegen mit Pyrrhus oder während derselben aufkam. Der
Uebergang zur Cohortentaktik war ein sehr allmählicher, die definitive
Aufgebung der Aufstellung nach Manipeln dürfte erst seit dem Eintritt
der Italiker in die römische Legion erfolgt sein ; bei ihren Truppen hatte
die Gehörte schon längst nicht nur administrative, sondern auch taktische
Bedeutung gehabte In der Aufstellung der drei zu^ einer Cohorte ge-
hörigen Manipel schliesst sich Fröhlich an Rüstow an.
H. Delbrück, Die Manipularlegion und die Schlacht bei Cannae.
Hermes XXI S. 66—90.
Gegen Soltau wiederholt Delbrück, dass ein Zusammenziehen der
Hastatenmanipel während des Kampfes schwer ausführbar gewesen sein
müsse, indem der Feind sofort in die entstandene Lücke eingedrungen
sein würde. In der Manipulartaktik unterscheidet er zwei Perioden: in
der älteren stehen die hastati, principes und triarii unmittelbar hinter
einander, die Manipel, je zehn in jeder Abtheilung mit 120 Schwerbe-
waffneten (bei den triarii nur 60) und 40 Leichtbewaffneten neben ein-
ander, durch kleine Intervalle getrennt, und die Manipel der beiden hin-
teren Abtheilungen auf diese Intervalle der vor ihnen stehenden hastati
gerichtet. Scipio führte die zweite Periode herbei, in welcher die ha-
stati, principes, triarii als Treffen so weit von einander aufgestellt wur-
den, um sieh selbstständig bewegen und nahe genug, um sich einander
unterstützen zu können. — Gegen Delbrück wendet Mommsen, Archäo-
logisch-epigraphische Mittheilungen aus Oesterreicb«Ungarn X S. 5 ein:
90 Heerwesen.
Seit man hastati, principes und triarii unterschied, muss das Wehrsystem
eingerichtet gewesen sein auf Ablösung des ersten Treffens durch ein
zweites und Bereitsteilung einer Reserve, und damit ist die phalangitische
Ordnung, auf welche Delbrttck's Ansicht im Wesentlichen hinanslftuft,
aufgegeben.
Rud. Schneider, Der Rotten- und Glioderabstand in der Legion.
Berliner Philol. Wochenschr. 1886 No. 20.
Der Verfasser sucht den Widerspruch, der zwischen zwei Sätzen
bei Polybius XYIII, 12, wo der Abstand von Vorder- und Hintermann
auf drei Fuss angegeben wird, so wie zwischen ihm und Vegetius III,
14, der zwischen Vorderreihe und Hinterreihe sechs Fuss ansetzt, da-
durch zu lösen, dass er sagt: Stellt man die Glieder in der Frontstellung
so hintereinander, dass jeder Mann des zweiten Gliedes die eine Lftcke
des ersten deckt, jeder Mann des dritten Gliedes die eine Lftcke des
zweiten u. s. w. (Quincunxstellung), so erhält jeder Legionär genügenden
Raum zur Handhabung von Schild und Schwert (drei Fuss) und auch
zum Werfen des Pilums, da vor ihm und hinter ihm sechs Fuss frei sind.
Wilh. Votsch, C. Marius als Reformator des römischen Heer-
wesens (Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge,
herausgegeben von R. Virchow und F. v. Holtzendorff. N. F. Erste
Serie. Heft 6).
In der älteren Zeit hatten nur die Manipel Fahnen, erst Marius
fährte in seinem zweiten Consulate ein gemeinsames Feldzeichen, den
Adler, für die ganze Legion ein; die Manipelfahnen blieben, und Votsch
will auch die Einführung von Cobortenfahnen dem Marius zuschreiben,
wogegen Domaszewski die Existenz derselben bestreitet. Um diese An-
nahme zu begründen, sucht der Verfasser nachzuweisen, dass erst
Marius die Cohorteneinrichtung eingeführt habe. Ursprünglich war der
Ausdruck cohors nur die technische Bezeichnung für die taktischen Ab-
theilungen, welche die einzelnen Aushebungsbezirke der Bundesgenossen
zu stellen hatten. Da nun die Gehörten der Bundesgenossen wie die Le-
gionen in Manipel zerfielen (vgl. Liv. XXXVH, 89), so habe man sich
allmählich gewöhnt, dem einer Coborte der Bundesgenossen entsprechen-
den Legionstheile ebenfalls den Namen cohors zu geben, noch ehe die
taktische Vereinigung der drei Manipel zu einer Gehörte erfolgt war,
ungefähr um die Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Ghr. Marius ver-
einigte nun die drei hinter einander stehenden Manipel zur taktisohen
Einheit der Gehörte und brachte die Legion auf 6200 Mann. Da im
Jugurthinischen Kriege noch die Manipularstellung erwähnt, aber im B.
Gatilin. und bei Plutarch im Leben Gaesar^s die Stärke der Heere nur
noch nach Geborten angegeben wird, so schreibt Votsch die Umwandlung
der Manipularstellung in die Gohortenstellung dem Marius zu, als dem
Caesar. 91
einzigen Heeresreformator der Zwischenzeit, etwa in der Zeit des Gim-
bernkrieges, wogegen Rud. Schneider ß. Jngnrth. 61, 8 cohortis legio-
narias quattuor anführt, um zn zeigen, dass ^ie Legionscohorte keine
Neuerung der Marianischen Heeresreform sei. (S. u.).
A. V. Domaszewski, Die Fahnen im römischen Heere. Abhand-
lungen des archäologisch-epigraphischen Seminars der Universität Wien.
Heft V. Mit 100 Abbildungen. Wien, Karl Gerold's Sohn 1885. S.
Rud. Schneider, B. Philol. Wochenschr. 1886 No. 8.
Bei dem Nahkampf mit dem Schwerte löste sich die Schlachtreihe
in Einzelkämpfe auf, alsdann dienten die signa den zu ihnen gehörigen
Soldaten als Richtpunkte. So hatten denn die Feldzeichen der Römer
nicht nur eine symbolische, sondern vorwiegend eine taktische Bedeu-
tung. Demzufolge standen sie im ersten Gliede, b. Afric. 16, 7. Die
älteste Form des römischen Feldzeichens ist die Standarte (vexillum),
ein quadratisches, oben an dem Querholz einer Fahnenstange angebrach-
tes und am unteren Ende mit' Fransen besetztes Stück Zeug, welches
zu Caesar's Zeit gebräuchlich war als Reiterfahne bei den aus Infanterie
und GavaUerie zusammengesetzten Truppenabtheilungen, ebenso als Ab-
theilungszeichen fOr jedes zeitweilig aus einem Gorps herausgenommene
Detachement, wahrscheinlich auch als Reiterfabne bei einer jeden turma,
ferner als Merkzeichen bei den Transporten der Verwundeten und der
Rekruten, als ständiges Attribut des Feldherrn in der Form eines grossen,
rothen Scblachtenbanners, endlich in kleinerem Massstabe an den Feld-
zeichen der Manipel angebracht. Ausser den signa hat die Legion seit
Marius noch eine Fahne, den Adler, er ist lediglich der Ausdruck der
Zusammengehörigkeit der Trappe. Nach b. Gall. II, 25, 1 quartae co-
hortis Omnibus centurionibus occisis, signiferoque interfecto, signo amisso
die Existenz einer Gohortenfahne anzunehmen hält Domaszewski nicht
fär nöthig, weil der Zweck eines Gohortensignums neben den drei Mani-
pelsigna unerfindlich ist, und die Bildwerke nur eine einzige Form des
Legionssignum darstellen. •— Mit der tuba wurde das Zeichen zum An-
griff gegeben, b. Gall. II, 20, l und zum Rückzug YII, 47, l ; in diesen
Fällen ertönten auch die Signale der cornicines, b. civ. III, 92, 3 ut
Signa undique concinerent: das Hauptsignal wurde mit der tuba gegeben
und dies von den cornicines weiter verbreitet. Der Verfasser verbessert
b. Afric. 17, 1 contenderet (st. tenderet).
Th. Mommsen, Zu Domaszewski^s Abhandlung über die Fahnen
im römischen Heere. Archäologisch -epigraphische Mittheilungen aus
Oesterreich-Ungarn.
Der Legionsadler hatte nicht eine bloss »symbolischec Bedeutung,
er gab den Standort des Befehlshabers der Legion an. Keinem Abthei-
Inngsfbhrer fehlt ein entsprechendes Feldzeichen, und umgekehrt findet
92 HeefWMtn.
da, wo eine taktische Einheit ohne eigenen Führer ist, dies in dem Man-
gel eines Feldzeichens seinen Ausdruck. Die Legionscohorte hatte keinen
eigenen Commandanten und wie y. Domaszewski nachgewiesen hat, daher
auch kein Feldzeichen. Die republikanischen Auxiliarcohorten hatten
Cohortenstandarten , aber auch eigene Führer. Bis zur Mitte des sie-
benten Jahrhunderts der Stadt führte die Legion fünf Feldzeichen: den
Adler, den Löwen, den menschenköpfigen Stier, das Pferd und den Eber;
vielleicht bezeichnete der Adler von jeher die ganze Legion, die übrigen
vier Feldzeichen die drei Treffen und die velites; die Beseitigung dieser
Zeichen und die alleinige Beibehaltung des Adlers fand durch Marius
104 V. Chr. statt. Das Manipelsignum brauchte im Gefecht nicht im
ersten Gliede zu stehen; der Ausdruck antesignani beweist, dass es sei-
nem Zweck auch in einem der hinteren Glieder genügte. Zwar erwähnt
Polyb. schon XI, 33, 1 Legionscohorten, aber diese damalige Zusammen-
fassung der drei hinter einander stehenden Manipel war keine stehende
Einrichtung, und der griechische Schriftsteller erwähnt sie daher auch
nicht in der Schilderung der Zusammensetzung der Legion. So waren
auch die cohortes legionariae im Jugurthinischen Kriege (Sali. Jug. 61)
eine ausserordentliche Bildung; die ordentliche Formation der Cohorte
vollzog erst Marius.
F. Fröhlich, Realistisches und Stilistisches zu Caesar und dessen
Fortsetzern. Festschrift des Philol. Kränzchens in Zürich 1887. Bei der
Cohortenlegion befinden sich während des Kampfes die Leichtbewaffneten
nicht mehr zwischen den einzelnen Abtheilungen, sondern nur als grössere
Massen im Centrum (b. Gall. III, 24, 1 und b. civ. I, 83, 2), oder der
Reiterei beigegeben. Rüstow's Ansicht von Intervallen zwischen den Co-
horten ist unbegründet, dagegen wird es Intervalle zwischen dem Centrum
(media acies) und den Flügeln (cornua) gegeben haben. Bei der Ablö-
sung der prima acies durch die secunda ^ogen sich die Soldaten durch
Anschliessen nach der Mitte des Manipels in die geschlossene Stellung
zurück. — Trotz der Genauigkeit seiner technischen Terminologie fehlt
es bei Caesar nicht an Mannigfaltigkeit der Phraseologie, wofür der Ver-
fasser eine Menge von Beispielen beibringt.
Caesar's Army: a study of the military art of the Romans in the
last days of the republic by Harry Pratt Judson. Boston, Cinn &
Comp. 1888.
Hauptsächlich folgt der Verfasser in seiner Darstellung dem Buche
Rüstow's. 47 in den Text eingefügte Illustrationen stellen den Adler,
das Cohortenzeichen, welches nach Domaszewski's und Mommsen's Un-
tersuchungen freilich in Wegfall kommen und mit dem Manipelsignum
vertauscht werden muss, die Fahne (vexillum), den Adlerträger, die Ge-
schütze etc. dar; angehängt sind 14 Pläne, die Befestiguiügen des Rhone,
GMSar. 9S
die HelTetierschlacht etc. und sechs Feldzngskarten, Oallfen sar Zeit
Caesar's, der Feldzag von 68 etc. Jndson macht keine Ansprüche da-
rauf, neue Forschungen zu liefern; er giebt nur eine Zusammenstellang
des von Andern Geleisteten; die neuesten Untersuchungen deutscher Ge-
lehrter über die Manipulartaktik übergeht er, einfach bemerkend: We
assume the three maniples to have been arrayed side by side, and allow
4 feet for the interval between each two maniples, in which intervals
the centurions were probably placed; in andern streitigen Fällen, z. B.
in der Frage über das Aufrücken der Genturionen, begnügt er sich die
verschiedenen Ansichten, in diesem Punkte die Annahmen Rüstow's, GK>e-
ler's und Marqnardt's, vorzutragen. Die Ausstattung des Buchs ist lo-
benswerth; es ist auch, trotz der kleinen eben erwähnten Mängel, beson-
ders wegen der guten Abbildungen, neben den deutschen Werken über
diesen Gegenstand, dem Studierenden zu empfehlen.
Franz Fröhlich, Das Kriegswesen Caesars. I. Teil. Schaffung
and Gestaltung der Kriegsmittel. Zürich, Schalthess 1889.
Das Buch Rüstow*s über das Heerwesen und die Kriegführung C.
Julius Caesars, welches Fröhlich selbst bahnbrechend nennt, enthält nach
seiner Ansicht hier und da zu viel, hier und da zu wenig, und da seit
dem Erscheinen der zweiten Auflage desselben gerade auf diesem Felde
verschiedene Einzelschriften veröffentlicht worden sind, hat der Ver-
fasser des vorliegenden Werkes sich entschlossen, eine eigne Darstellung
des Gegenstandes zu geben. Vorarbeiten, ausser den oben angezeigten,
Die Gardetruppen der römischen Republik (1882), Die Bedeutung des
n. panischen Krieges für die Entwicklung des römischen Heerwesens
(1884), lassen ihn dazu berufen erscheinen. Fröhlich ist durchweg be-
müht, ohne Vergleichung mit den jetzigen Heereseinrichtungen, das rö-
mische Kriegswesen zar Zeit Caesar*s nach den Ueberlieferungen der
Commentaricn selbst, oder wo diese fehlen, späterer Schriftsteller zu be-
schreiben, wobei er zugleich stets auf die Gelehrten, welche denselben
Stoff nebenbei oder ausschliesslich behandelt haben, wie Mommsen, Na-
poleon III., Stoffel, Goeler, Marquardt, Lange, Domaszewski, Verehre
(Les armes d^Alise, Revue arch^ol. 1864), Lindenschmit etc. Bezug
nimmt. In Betreff des vielfach verschieden ausgelegten Avancements der
Centurionen beruft sich der Verfasser auf die Abhandlung von Albert
Müller, Philol XXXVIII S. 126-149, wo es heisst: »der jüngste centu-
rio ist der decimus hastatus posterior, er hat bei vorkommendem Avan*
cement die andern neun Stellen der posteriores dieser Klasse und dann
die zehn Stellen der hastati priores durchzumachen; hierauf tritt er zu
den principes über, bekleidet in derselben Reihenfolge die zwanzig Stellen
dieser Truppengattung und gelangt dann zu den triarii, bei denen die
Stellen in derselben Weise geordnet sind. In der Praxis wurde dies
Princip vielleicht mitunter durchbrochen, da ein tüchtiger centurio je
94 Heerwesen.
nach Umst&nden wohl dahin gestellt wurde, wo man ihn am besten ge-
brauchen konntet. Auf dasselbe etwa kommt heraus, was ich lange vor-
her Philol. XIII 8. 581 gegen Ooeler's Auffassung geäussert habe: »Fflr
wahrscheinlicher ist eine andere Ansicht zu halten, nach welcher ein
Centurio nach und nach die Offizierstellen der zehnten Gehörte durch-
macht und dann in die nennte versetzt wird; die Centnrionen der achten
Gehörte sind octavi ordines, die der ersten Gehörte primi ordines oder
centuriones primorum ordinnm; ihrer sind demnach sechs; freilich sagt
Tac. Hist. ni, 22, dass von der siebenten Legion sechs centuriones pri-
morum ordinum getödtet wurden, ohne omnes hinzusetzen, oder es allein,
ohne sex zu gebrauchen; Ritter erklärt deshalb, eine Legion habe dreissig
centuriones primorum ordinum gehabt, damit meint er jedoch die cen-
turiones priores«. — Eine durchaus verschiedene Ansicht stellt H. Bmocke,
Die Rangordnung der Genturionen, Programm, Wolfenbüttel 1884 auf:
>Es ist ein Unterschied zu statuiren zwischen den primi ordines (6),
d. h. den Führern der ersten Kompagnie in der betreffenden Altersklasse
(der nämlich die Genturionen wie ihre Mannschaft angehören), und den
übrigen neun (insgesammt 64) inferiores ordines. Ein regelrechtes Auf-
rücken in der letztgenannten Klasse ist nicht nachweisbar; es lässt sich
aus den vorhandenen Stellen nur schliessen, dass der primus beim Ein-
tritt in eine andere Altersklasse wieder als primus dieser Klasse einge-
stellt wurde, dass also bereits in der Manipularlegion die primi ordines
die Elite der Genturionen bildetenc. — »Von welcher Stelle aus die
Genturionen in die primi ordines kamen (vgl. b. civ. III, 68, 6 quem
Gaesar ... ab octavis ordinibus ad primipilum se traducere pronuntiavit),
war ganz gleichgiltig, ebenso gleichgiltig war, wenn sie einmal dieses
Ziel nicht erreichten, in welcher der übrigen neun Geborten sie ihren
Dienst thatem. Bruncke beseitigt übrigens den mehrfach gehegten Irr-
thum, dass jeder prior der Vorgesetzte des posterior gewesen sei, und
dass jeder primipilus die ganze Geborte befehligt habe. — ViTas die Ru-
derung der Kriegsschiffe anbelangt, so schliesst sich Fröhlich der An-
sicht Breusing's (Mitteilung an Bauer in Griech. Kriegsalterthümer S. 882)
und Jurien de la Graviere's (La marine des anciens) an, denen zufolge
die Annahme, dass gleichzeitig sämmtliche, natürlich in aufsteigender
Reihe an Dimensionen zunehmende Ruder in Bewegung gesetzt wurden
als unmöglich zurückgewiesen und nur eine gleichzeitig in Aktion be-
findliche Reihe Ruderer als zulässig erklärt wird. Die Anbringung von
Ruderpforten in verschiedener Höhe sollte nach Breusing dazu dienen,
den Rudern bei schlichtem Wasser eine niedrigere und bei höherem
Wellenschlag eine höhere Lage zu geben. Die Abbildungen von Schiffen
mit drei und mehr Ruderreihen sollen nur andeuten, dass die Trierea
mit einer dreifachen Garnitur von Remen versehen waren. Ob diese
Entscheidung mit den von mir Philol. XIX S. 664 — 672 gegebenen Aus-
einandersetzungen und mit gewissen Stellen des Aristophanes, z. B, Ra?
Gaenr. 95
nae 1074, in Uebereiostimmnng gebracht werden kann, erscheint mir
doch sehr fraglich; am meisten aber weicht sie von den frtther so viel
gerühmten Aufstellungen Gräser* s (De veterum re navali, Thilol. Suppl.
in Heft 2) ab — In dem Kapitel ttber das Geschützwesen folgt der
Verfasser im Wesentlichen Schambach. — In dem etwas später erschie-
nenen II. Theil wird die Ausbildang und Erhaltung der Kriegsmittel be*
handelt, in den Kapiteln Ausbildung der Mannschaften, der Offiziere, des
kriegerischen Geistes, Leistungsfilhigkeit des Materials (pilum, Schwert,
Bogen, Schleuder, tormenta), Verpflegung der Truppen, Sanitätswesen,
Ergänzung der Truppen, Erhaltung und Ergänzung der Thiere und des
Materials. — Die bisher herausgekommenen Kapitel des III. Theils be-
handeln zuerst die Gefechtstaktik der Cohorte. Der Verfasser lässt die
drei Manipel der Cohorte nebeneinander, die beiden Genturien jeden Ma-
nipels hintereinander stehen, »da ein Nebeneinanderstellen der Genturien
eine viel zu ausgedehnte Front und zu geringe Tiefe ergeben hätte ;c doch
mögen, fügt er hinzu, bei Vertheidigung ausgedehnter befestigter Linien
auch die Genturien nebeneinander aufgestellt worden sein, so vor Alesia,
wo die Distanz von 80 Fuss zwischen den Thürmen der Einschliessungs-
linie der Front eines Manipels (bei einer Tiefe von vier Mann) entsprach,
dessen beide Genturien nebeinander standen. Da die triarii nur halb so
stark waren wie die hastati und die principes, so stellt sich die Front-
tiefe der Gehörte in der Regel auf 10 Mann heraus, was mit der An-
gabe des Frontinus II, 3, 22 über die Aufstellung der Legionen des Pom-
pejus in der Schlacht bei Pharsalus übereinstimmt. Die Annahme StoffePs,
dass Caesar seine Gehörten gewöhnlich acht Mann tief aufstellte, lässt
sich nicht direct beweisen, hat aber bei der geringen Effectivstärke sei-
ner Legionen viel Wahrscheinlichkeit. Bei dem nach Rud. Schneider
angenommenen Rottenabstand von drei Fuss bildete die Normalcohorte
von 600 Mann mit 60 Mann in der Front nnd zehn in der Tiefe ein
Rechteck von annähernd 180 Fuss in der Front und 30 Fuss in der
Tiefe. So in der offenen Gefechtsstellung, in der geschlossenen, welche
durch die Ausdrücke Signa conferre in unum locum, conferti, cuneum
fiacere, testndinem facere (die beiden letzteren in der Offensive) und bei
Livius durch comprimere ordines, densare ordines bezeichnet werde,
wurde der Rotten- und Gliederabstand auf das Nothwendigste beschränkt,
der Uebergang aus der geschlossenen in die offene Gefechtsstellung wird
bei Caesar durch laxare manipulos angegeben. In der simplex acies
standen sämmtliche Gehörten nebeneinander; in der duplex acies in bei-
den Treffen je fünf Gehörten; in der triplex acies im ersten Treffen vier,
im zweiten und dritten je drei Gehörten (b. civ. I, 83, 1); den Abstand
der drei Treffen von einander wie des letzten vom Lager berechnet der
Verfasser aus derselben Stelle auf 60 Meter, er konnte aber unter Um-
ständen ein bedeutenderer, bis auf 600 Meter sein (b. Afric. 38). Fröh-
lich schliesst sich der Ansicht Delbrück*s an, nach welcher das Kämpfen
96 Heerwüen.
mit Beibehaltiing der Intervalle (zwischen den Gohorten, wie Rflstow sie an-
niaimt) fOr die Zeit der Manipularlegion (soll wohl heissen Gohorteniegion)
eine Unmöglichkeit war; »der Kampf mit Intervallen mass also kanftig
hin aus den Handbüchern gestrichen werdenc. Dagegen wird das Vor-
und ZorOckgehen der velites in ftlterer Zeit dnrch die Intervalle der
Manipeln hindurch zur Oentlge bezengt (Liv. VIII, 8, 8); jedem Manipel
der hastati waren damals aber nnr 20 velites beigegeben, fnr die n«r
^n geringer Manipelabstand nOthig war, während das Gros derselben
hinter den triarii stand; in der Schlacht bei Zama finden sidi jedoch
bereits Intervalle, die der Front eines Manipels entsprechen. Die Go-
horteniegion dagegen hat keine ihren taktischen Einheiten ständig bei-
gegebene Leichtbewaffnete (aoxilia), sie braucht also keine Cohorten-
intervalle; wo in Gaesar's Zeit Leichtbewaffnete (auxilia) erwähnt werden,
finden sie sich im Gentrum oder anderwärts zusammen aufgestellt (b.
Oall. III, 24, 1, b. civ. I, 83, 2). Legionsintervalle lassen sich ffkr die
Zeit Gaesar*s nicht mit Sicherheit nachweisen , sind aber auf jeden Fall
nothwendiger und in Folge dessen wahrscheinlicher als Gohorteninter-
valle. Wie die secunda acies die prima acies unterstotzte und ablöste,
ist nach Fröhliches Aeusserung schwer zu entscheiden; er schliesst sich
jetzt, etwas abweichend von seinen froheren Annahmen, der Auffassung
Giesing^s (N. Jahrb. f. Philol. 137 S. 849 — 862) an. Dieser nimmt, ge-
stützt auf b. civ. I, 46, 7 — 8 und III, 94, 1—2 eine Einzelablösung der
Ermüdeten durch Frische an, wodurch allerdings die taktischen Einhei-.
ten nicht mehr gewahrt werden konnten, nebenbei glaubt er auch an die
Möglichkeit einer gleichzeitigen Massenablösung, nämlich so : »Die noch
übrigen Glieder des ersten Treffens mit Ausnahme des zweiten Gliedes
nehmen, sobald die Ablösung heran ist, Vordermann auf das erste GUied;
mittels der hierdurch geöffneten Wege gehen die ablösenden Abtheilun-
gen, ebenfalls Mann auf Mann eingedeckt, bis unmittelbar hinter das
zweite Glied vor; ist dies geschehen, so springen die Leute des letz-
teren ebenfalls hinter ihren Vordermann des ersten Gliedes und ziehen
sich nun mit dem dritten, vierten u. s. w. Gliede rasch hinter die Front
zurück. Die vorderste Reihe dann aus dem Kampf zu ziehen ist sehr
einfach; es geschieht dies auf das schnellste, indem das zweite Glied
(soll heissen, die frischen Leute, welche nun das zweite Glied geworden
sind) dnrch die Intervalle des ersten sich auf den Feind wirft«. — Un-
ter den besonderen Gefechtsformationen der Legionsinfanterie werden der
orbis, der cuneus und die testudo kurz erklärt. Sodann folgt die Ge«
fechtsthätigkeit der Hülfsvölker zu Fuss, Schleuderer, Bogenschützen,
Wurfspeerschützen, deren Stellung bald im Centrum, bald vor den Le-
gionen, bald auf einem Flügel, bald auf beiden Flügeln, bald überall
hin vertheilt angegeben wird. Die in der Regel auf beide Flügel hin-
gestellte Reiterei konnte nach Schambach, Die Reiterei bei Gaesar, keine
besondere Leistung entwickeln, weil sie weder geschlossen noch in schar-
Caesar. 97
fen Gangarten anzugreifen verstand, und das rfthrte von der seit dem
zweiten punischen Kriege aufgekommenen Sitte her, leichtes Fussvolk
unter die Reiterei zu mischen. Der letzte Abschnitt Die Gefechtsleitung
liegt erst im Anfang vor.
O. Schambach, Einige Bemerkungen über die Geschützverwen-
dung bei den Römern, besonders zur Zeit Gaesar's. Programm, Alten-
burg 1883.
Geschütze aller Art (mit allgemein zusammenfassendem Ausdruck
tormenta genannt) dienten hauptsächlich zur Yertheidigung einer Stadt
oder eines Lagers, ausnahmsweise auch bei der Belagerung, aber nicht
um Bresche zu legen, sondern nur um die Vert heidiger von den Mauern
zu entfernen; dabei fiel das Abräumen der Zinnen den Ballisten, die
Entfernung der Vertheidiger von den Mauern den Katapulten und den
Scorpionen zu. Seit dem Jahre 57 führte Caesar bei seinem Heere Feld-
geschütze mit: in jenem Jahre wurden solche bei der Flügeldeckung der
Schlachtlinie verwendet, beim ersten Einfall in Britannien wurde die
Landung unter dem Schutz des auf der Flotte befindlichen Geschützes
bewerkstelligt. Die offensive Verwendung der Geschütze und ihr Vor-
schieben auf freiem Felde durch Pompejus geht aus b. civ. III, 45, 3
hervor. Da sich in den meisten Städten tormenta vorfanden, so konnte
die Beschaffung derselben Caesar nicht schwer fallen : sie wurden requi-
rirt, b. Alex. 1, 1.
Dr. Raimund Gehler, Bilder-Atlas zu Caesar*s Büchern de hello
Gallico, mit über 100 lUustrationen und 7 Karten, Leipzig, Schmidt
und Günther 1890.
>In diesem Atlasc, sagt der Verfasser im Vorwort, »ist zum ersten
Male versucht worden, das Denkmälermaterial nicht bloss für das rö-
mische Kriegswesen bei Caesar, sondern auch für gallische Tracht und
Bewaffnung möglichst vollständig zusammenzustellen; auch germanische
Tracht und Bewaffnung ist berücksichtigt worden«. Für die vorange-
schickten Auseinandersetzungen über das römische Kriegswesen hat er
besonders Marquardt, Fröhlich, Bd. 1, Dittenberger's Einleitung zu der
Kranerschen Ausgabe, StoffeFs Geschichte und R. Schneider's Jahres-
berichte, nur stellenweise Rüstow's und Goeler's Bücher benutzt; aber
auch die neuesten Abhandlungen von Domaszewski, Bruncke, Schambach,
Zander (Andeutungen zur Geschichte des römischen Kriegswesens, Ratze-
burg 1859), Assmann (Seewesen in Baumeister^s Denkmäler des klassi-
schen Alterthums, München und Leipzig 1885 — 1888), Breusing (Die Nau-
tik der Alten, Bremen 1886), de Saulcy (Journal des Savants 1880),
Droysen (die Alterthümer von Pergamon) sind berücksichtigt worden. Die
Abbildungen hat der Verfasser hauptsächlich aus Baumeister (Denkmäler),
Duruy (Histoire des Romains, nach Hertzberg*s Uebersetzung), v. Göler,
Jahresbericht für Alterthumswlssenschaft LXVIII. Bd. (1891 II). 7
98 Heerwesen.
Iwan von Müller (Handbuch der klassischen Alterthumswissenschaft, Nord-
lingen 1886), Lübke (Grundriss der Kunstgeschichte) entlehnt; für ein-
zelne sind ihm die Entwürfe aus dem celtischen Museum von Saint^Ger-
main zugänglich gewesen, z. B. die Ansicht von dem dort aufgestellten
Modell der Rheinbrücke, an dem, wie ich schon anderwärts bemerkt
habe, die fibulae in einer Weise angebracht sind, die sich schwerlich
mit den Worten Gaesar's in Uebereinstimmung befindet. »Nur da,c be-
merkt Gehler noch, »wo die Denkmäler im Stiche Hessen . . . ., ist zu
Wiederherstellungen gegriffen worden, dieselben sind aber stets als solche
kenntlich gemachte; sie entstammen zum Theil alten Handschriften. In
den ausführlichen Erläuterungen der Illustrationen ist der Verfasser vor-
züglich Lindenschmit, Froehner (La Golonne Trajane) und A. Müller (in
Baumeister's Denkmälern) gefolgt. Die Karten sind aus Napol^on's
Werke, zum Theil aus von Kampen's Descriptiones etc., entnommen.
Auf dem Titelblatt ist das Bild Gaesar's, nach der Kolossalbüste in Nea-
pel, beigegeben. Macht auch der Verfasser keinen Anspruch auf eigene
Forschung, so hat er doch die besten Quellen mit kritischer Auswahl zu
Grunde gelegt und in knapper Form das Wesentliche vorgetragen. Sol-
che Darstellungen finden sich auch anderwärts, z. B. in der Kranerschen
Ausgabe, auch Abbildungen kann man anderswo antreffen. Beides zusam-
men liegt wohl nur hier, und was die letzteren anbetrifft, nirgends in
einer solchen Vollständigkeit vor wie hier. Nur stellenweise begründet
Gehler die von ihm aufgenommene Ansicht: so weist er R. Schneider's
Erklärung der Vegetiusstelle über den Glieder- und Rottenabstand mit
dem Einwand zurück, dass bei dem römischen Schriftsteller ausdrück-
lich stehe inter ordinem et ordinem, sich dabei an Marquardt's Darstellung
anschliessend, nach welcher dort eine andere als die gewöhnliche Auf-
stellung beschrieben wird, eine Aufstellung nämlich, bei welcher die Glie-
der geschlossen, die Rotten geöffnet sind. Für die Flotte lässt er, ent-
gegen der von Fröhlich neuerdings befürworteten Behauptung, dass nur
eine Reihe von Ruderern bei allen Kriegsschiffen für anwendbar gehal-
ten werden könne, die frühere Ansicht bestehen, nach welcher die trirc-
mis drei, die quinqueremis fünf über einander angebrachte Reihen von
Ruderern gehabt haben, sich darin im Wesentlichen an Assmann anleh-
nend, der neben Hochpolyeren, in denen die Ruderer übereinander, und
Breitpolyeren, in denen sie nebeneinander sassen, und ausserdem noch
eine Verbindung von beiden Systemen, die mehrgliedrige Hochpolyere,
annimmt. — Demnach ist das Werk, dessen saubere Ausstattung dem
Schriftsteller wie dem Verleger alle Ehre macht, sehr zu empfehlen.
Schwerlich eignet es sich, auch schon wegen des Preises, zu allgemeiner
Anschaffung für Schüler; der die Gommentarien erklärende Lehrer wird
es gern haben wollen, und die Schulbibliotheken werden es sich nicht
entgehen lassen. Der Verfasser ist Lehrer beim Königlichen Gadetten-
corps. Wenn auch für den Gymnasialschüler einzelnes Ueberflüssige er-
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Caesar.
99
wähnt ist, was in den Schriften Gaesar's gar nicht in Betracht kommt,
z. B. der thorax stadios, terebra und Anderes, so werden doch die künf-
tigen Officiere, welche sich mit der Kriegsgeschichte eingehend zu be-
schäftigen wünschen, wohl auch damit ganz zufirieden sein.
Lexika.
Ausser der dritten von Draeger besorgten Ausgabe des Schulwör-
terbuchs zu den Schriften Caesar's von Ebeling 1885 und der sechsten
Auflage des Schulwörterbuchs zu den Gommentarien vom gallischen Kriege
von Sichert 1885 (zusammen mit Textabdruck, s. Bud. Schneider Berl.
Philol. Wochenschr. 1886 No. 31. 32), dem der Gitlbauerschen Ausgabe
angehängten Wörterbuch und dem von Prammer 1884 in Leipzig bei
Freytag erschienenen Schulwörterbuch sind in dieser Zeit für den Ge-
lehrten wie für den Lehrer gleich wichtige grosse lexikographische Ar-
beiten erschienen oder doch im Erscheinen begriffen. Für das Nach-
schlagen einzelner Stellen, die man aufzusuchen veranlasst ist, empfiehlt
sich der von Holder seiner Ausgabe angehängte Index, der die einzel-
nen Formen, in denen die Wörter vorkommen, z. B. die Accusative in
is wenigstens in seiner Ausgabe, verzeichnet, wobei man freilich die von
Prammer (Zur Lexikographie von Caesar de hello Gall., XXXIV. Jahres-
ber. über das K. K. Staatsgymn. im III. Bezirke Wiens), von Mensel
(Philol. Wochenschr. Hirschfelder 1883 No. 2), von Schiller (zweites
Supplementheft zum Philol. Anz. XIII) und von mir (Philol. Anz. XV
Heft 4) angegebenen Versehen zu berücksichtigen hat. Den Anfang mit
den grösseren lexikographischen Arbeiten, welche fast gleichzeitig an^s
Licht getreten sind und dem Fleiss und der Einsicht der deutschen Ge-
lehrsamkeit zur Ehre und eingehenden kritischen Studien zum höchsten
Nutzen gereichen, hat Dr. Siegmund Preuss gemacht, der ein Vollstän-
diges Lexikon zu den pseudo - cäsarianischen Schriften, Erlangen, Dei-
chert 1884, veröffentlicht hat, in zwei gesonderten Theilen, von denen
der erste das B. Gall. VIII und das B. Alex., der zweite das B. Afric.
und das B. Hisp. umfasst. Er hat den Dinterschen Text zu Grunde ge-
legt, aber jedesmal auch die Lesarten Dübner*s, FrigelPs, Holder's, Em.
Hoffmann's, Kraner-Dittenberger's, Nipperdey's, Whitte's, sowie die Con-
jecturen älterer und neuerer Kritiker angeführt. Unter condocefacio fehlt
noch meine von Wölfflin aufgenommene Co^jectur condocefecerat, B. Afr.
19, 3, st. des von ihm nur unter der Coi^ectur constituerat erwähnten
condidicerat der Hdschr. und des von Andern dafür eingesetzten condo-
cuerat. Die Eigennamen, welche man ja auch im Anhang jeder Aus-
gabe mit den nöthigen Nachweisen vorfindet, sind unberüGksicktigt ge-
blieben.
Mit Preuss zusammen hat Menge ein Lexicon Caesarianum zu den
echten Schriften Oaesar's bei Teubner seit 1884 erscheinen lassen. Der
7*
lÖO Lexika.
•
Dintersche Text bildet auch hier die erste Grundlage, auch hier sind
die Eigennamen fortgeblieben. l)ie verschiedenen Bedeutungen eines
Worts werden am Eingang des Artikels unter Ziffern zusammengestellt,
dann kommt die Eintheilung nach der Verbindung, in der das Wort mit
andern zusammen vorkommt, und hier wird auf die Bedeutung durch
eine rechts etwas höher hinaufgerückte Ziffer aufmerksam gemacht; die
Stellen, welche eine von den gewöhnlichen Bedeutungen haben, werden
vom in der Uebersicht nur der Zahl nach, im Text nach den Büchern,
Kapiteln und Paragraphen angeführt, ohne abgedruckt zu werden, wäh-
rend Preuss auch für diese Fälle die etwas zusammengezogenen Sätze
aushebt. Erscheint dies Verfahren auch ziemlich complicirt, so hat es
doch eine Kürzung der Artikel gestattet; das Auffinden einer Stelle,
welche man gerade sucht, wird jedoch dadurch nicht eben erleichtert.
In bedeutend ausführlicherer Weise ist das Lexikon zu den Schrif-
ten Caesars und seiner Fortsetzer von H. Merguet, Jena bei Frommann
1884—1886 angelegt Einerseits hat der Verfasser die echten sowohl
wie die unechten Schriften, auch die Fragmente in seinen Bereich ge-
nommen, andererseits die sämmtlichen Stellen, in denen ein Wort sich
vorfindet, ausgehoben. Einen Vorzug hat dies Lexikon durch den über-
sichtlichen Druck, der durch die bei jeder neuen Wortverbindung ge-
machten Absätze das Nachschlagen erleichtert, ähnlich wie bei dem von
Preuss für die pseudo-cäsarianischen Bücher verfassten Lexikon. Zu
Grunde gelegt ist von Merguet der Text Nipperdey's; Lesartefi anderer
Ausgaben sind, so viel ich habe ersehen können, nicht angegeben, auch
nicht die zu bedenklichen Stellen vorgeschlagenen Emendationen, er be-
gnügt sich bei diesen mit der Setzung eines Kreuzes. Fehlerhaft citirt
ist B. Alex. 45 adversum st. des zu navem gehörigen adversam; unter
voluntas fehlt contra voluntatem B. Gall. IV, l, 9; unter pertinere fehlt
B. civ. III, 49, 4 rivos qui ad mare pertinebant, wofür ich übrigens per-
fluebant vorgeschlagen habe; ad specus angustiae, wofür Paul aspera,
angustias vallium eingesetzt hat, steht nicht B. civ. II, 41, sondern III,
49. Andere Versehen habe ich bei häufigem Nachschlagen nicht gefunden.
In weit ausgedehnterer Weise noch ist das Lexicon Gaesarianum
Heusers Berlin, Weber, seit 1884, abgefasst, obgleich es sich auf die
echten Schriften Caesar's und die Fragmente beschränkt Der zweite
Band ist noch nicht fertig und reicht in seinem achten Heft erst bis re-
dpio. Mit eben so grosser Genauigkeit wie Umsicht sondert Mensel
nicht nur die verschiedenen Bedeutungen und Verbindungen, in denen ein
Wort auftritt, jedesmal den unverkürzten Satz beibringend, sondern er
führt auch an streitigen Stelleu überall die Lesarten der beiden Hdschr.-
klassen a und /9, hier und da auch die Uebereinstimmung eines oder des
andern Manuscripts der ersten Klasse mit denen dec zweiten, sowie die
verschiedenen Besserungsvorschläge, so viel ich habe abnehmen können,
vollständig an. Die nomina propria sind, und nicht bloss wo es sich um
Cftesar. 101
die Formen der Wörter, wie Atrebatibus oder Atrebatis etc., handelt,
gleichfalls vertreten. Zu Grunde gelegt ist zwar für die sieben Bttcher
des B. GalL der Text Holder's, für das B. civ. der Dinter^s, aber die
früheren Recensionen von Oudendorp au sind ausserdem zu Ratb gezogen.
Aus dem Jahresbericht XI des Vereins Berliner Philologen in der Ztscbr.
für Gymnasialwes. geht hervor, welche eingehende Studien Mensel über
die verschiedene Ueberlieferung der Codices gemacht hat ; dieser Aufsatz
vervollständigt die früher von mehreren Andern über diesen Gegenstand
geführten Untersuchungen. Er kommt dabei zu dem Schluss, dass, wo
im B. Gall. einer der Codices von a, etwa A oder B oder auch M, mit
den Handschriften der Klasse ß übereinstimmt, die richtige Lesart vor-
liegt; im B. civ. folgert er dasselbe aus der Uebereinstimmung von af
mit hl, oder wenigstens von ahl, fhl, afh, und zeigt, dass auf dieser
Grundlage die bisherigen Texte an einzelnen Stellen zu verbessern sind ;
er knüpft an diese Auseinandersetzung noch eine Reihe anderer Besse-
rnngsvorschläge an. Im Jahresbericht XII setzt er diese Bemühungen
fort. Eine besondere Untersuchung über die Formen a und al^ der Prä-
position, N. Jahrb. f. kl. Philol. 1885 Heft 5 und 6 und Jahresber. XI, hat
ihn in der schon früher von mir übernommenen Ueberzeugung bestärkt,
dass die Klasse ß bei weitem mehr Berücksichtigung verdient, als ihr
durch Nipperdey und seine Nachfolger zu Theil geworden ist Der Un-
terscheidung der Formen von is und hie, ob z. B. ab eis oder ab bis
gelesen werden müsse, hat Mensel eine besondere Sorgfalt zugewendet«
So liegt denn in seinem Lexikon — und dadurch zeichnet es sich we-
sentlich vor den andern aus — nicht bloss der Nachweis der Wörter,
sondern namentlich auch durch die Anführung aller Besserungsvorschläge,
eine durchgreifende Revision des Textes vor, auf welche bin eine neue
kritische Ausgabe veranstaltet werden könnte; Paul hat im B. civ. von
seinen Bemerkungen ausgiebigen Gebrauch zu machen verstanden, und
ebenso neuerdings Fr. Hofmann. Der Verfasser hat auch die Abhand-
lungen, welche sich über einzelne Gegenstände verbreiten, nachgewiesen;
vermisst habe ich darunter nur Planer, Caesar's Antesignanen in den
Symbolae Joachimicae 1860, s. Philol. Anz. XIT S. 149. Wenngleich
Mensel, wo eine andere Bedeutung oder eine andere Verbindung eines
Worts anhebt, es durch ein Fähnchen bezeichnet hat, so ist doch die
Uebersichtlichkeit des Drucks wegen dieser ohne Absätze veranstalteten
Zusammendrängung der Artikel etwas erschwert; das Lexikon dient un-
gleich besser als das Merguet's dem Studium, zum schnellen Auffinden
einer Stelle, die man sucht, ist das letztere bequemer. (S. auch Philol.
Anz. XV Heft 4).
Zum bell. Afric. hat fQr die Wölfflin*sche Ausgabe ein ausführli-
ches Lexikon aller in diesem Buche vorkommenden Wörter und Wort-
verbindungen der Mitarbeiter MiodoiSski geliefert
Das Schulwörterbuch zu Gaesar's Commentarien de hello Gallico
102 Grammatisches.
von J. Prammer, F. Tempsky, Prag und Leipzig 1884, besprochen von
Zeiger in der Zeitschr. f. österr. Gymn. 1884, legt die Ausgabe des Ver-
fassers zu Grunde und thut der von derselben abweichenden Lesarten
anderer Abdrücke keine Erwähnung.
Grammatisches.
Em. Hoff mann, Studien auf dem Gebiet der lateinischen Syntax.
Wien, Konegen 1884.
Hauptsächlich erörtert der Verfasser die Zeitfolge nach dem prae-
sens historicum. Die Fälle, in denen er den Gebrauch der praesentia
im Nebensatze oder in untergeordneten Sätzen für zulässig hält, sind
folgende: 1) wenn der Nebensatz nur einen begrifflichen Bestandtheil
des Hauptsatzes bildet ; 2) wenn er entweder Object oder Epexegese des
Hauptsatzes ist; 3) wenn der Inhalt des conjunctivischen Relativ-, Final-,
oder Fragesatzes durch präsentische Fassung von den historischen Be-
standtheilen des Zusammenhanges geschieden und als aus dem Sinne des
Berichterstatters gesprochen hingestellt werden soll. Ueber diese Ab-
handlung spricht im Philol. Anz. XIV. 5, 1884 ausfuhrlich G. Ihm: er
möchte der temporalen Selbstständigkeit der Nebensätze weniger enge
Schranken auferlegen, als es der Verfasser thut. Ich selbst bin über-
zeugt, dass er für einige Sätze in seiner letzten Ausgabe der Commen-
tarien, in Betreff deren er sich auf diese Abhandlung bezieht, keineswegs
eine endgültige Entscheidung gegeben hat.
Arn. Hug, Die consecutio temporum nach dem praesens histo-
ricum, Rhein. Museum 1885. In dieser Abhandlung stellt Hug fest, in
welchen Fällen er in seinem 1860 in den N. Jahrb. für Philol. LXXXI
erschienenen Aufsatz gleichen Titels sich mit Em. Hoffmann übereinstim-
mend geäussert hat, und sucht seine andern Aufstellungen gegen die Ein-
wendungen des Letzteren in Schutz zu nehmen. Sicherheit über die
Conjunctivsätze ist auch daraus nicht abzunehmen; als fest bleibt nur
die von Beiden aufgestellte Regel: Die relativen Sätze mit quam und
dem Superlativ, die correlativen mit tantum quantum, quicunque u. s. w.
haben bei praesens historicum im Hauptsatz immer praesens (des Indi-
cativs und in indirecter Rede des Con^junctivs); dasselbe ist der Fall,
wo der Schriftsteller als solcher (nicht als handelnde Person) eine er-
läuternde Bemerkung einfiicht
Franz Wania, Das praesens historicum in Caesar's Bell. Gall.
Wien, Pichler's Witwe & Sohn 1885.
Ohne auf die Auseinandersetzungen Em. Hoffmann's einzugeben,
kommt der Verfasser dieser Broschüre in der Behandlung desselben
Gegenstandes auf ein verschiedenes E rgebniss. G. Ihm bemerkt im Phil
Cftesar. 203
Aoz. XVI, Heft 7. 8: »Den Grund für den Wechsel zwischen präteri-
taler und präsentischer consecutio findet Wania in der verschiedenen
Beziehung des betreffenden Nebensatzes einerseits auf den Standpunkt
des erzählenden Schriftstellers, andererseits auf den Gedankengang des
im übergeordneten Satze sprechend beziehungsweise erwägend vorgeftlhr-
ten Snbjectesc. Dieser zwar im Eingang aufgestellte Gesichtspunkt tritt
jedoch in der weiteren Erörterung gegen andere Unterscheidungen
zurück: es handelt sich nämlich in dieser Arbeit hauptsächlich um die
Folge eines Imperfects oder Präsens des Conjunctivs nach einem histo-
rischen Präsens; nach der Annahme des Verfassers folgt das erstere, von
ihm als conditionalis , als bedingtes futurum, gleichsam als Coi^unctiv
des Futurums aufgefasst, dann (z B. in Final- oder finalen Relativsätzen),
wenn das Eintreten der im abhängigen Satze beigebrachten Handlung
nach der im Hauptsatze enthaltenen eine ausdrücklich angegebene
oder nothwendig vorauszusetzende Zeitdauer beansprucht; wo dagegen,
wie nach den Verben mandare, imperare, monere, hortari, rogare, obse-
crare etc., besonders nach militärischer Auffassung, die Ausführung als
dem Befehl unmittelbar folgend gedacht werde, stehe das Präsens des
Conjunctivs. Viele der von Wania aus den Commentarien fftr diese seine
Regel angeftlhrten Beispiele bestätigen dieselbe allerdings, und man be-
greift danach, wie der Verfasser auf dieselbe hat geführt werden können;
unter den drei von Rud. Schneider Jahresbericht XIII herausgegriffenen
und gegen sie geltend gemachten Beispielen widerspricht ihr eigentlich
nur das eine: I, 5, 4 persuadent Rauricis — uti — una cum iis pro-
ficiscantur, da hier zwischen üeberredung und Ausführung eine geraume
Zeit als verstrichen angenommen werden muss. Nach diesem Princip
sucht Wania da, wo die Handschriften von einander abweichende Les-
arten (z. B. possent oder possint) bieten, eine Entscheidung zu treffen,
die freilich nur sicher sein kann, wenn die Regel fest begründet ist.
Für die Gonsecutivsätze stellt er die Behauptung auf: »Die Handlung
des Consecutivsatzes hat in Folge ihres innigen Zusammenhanges mit
der Handlung des regierenden Satzes die Geltung einer Coincidenz, da-
her folgt auf das praesens historicum der Conjunctiv Präsentist, und er-
örtert die wenigen Fälle, in denen das Imperfectum des Coi^unctivs aus
besonderen Rücksichten gesetzt sein soll. Diese seine Anschauung führt
er*8odann noch an den Sätzen der indirecten Frage, an den Relativ-
sätzen der indirecten Rede, an den Causalsätzen, den Bedingungssätzen,
den Temporalsätzen durch und schliesst: »Das praesens historicum ist
vom Standpunkte der in der Erzählung handelnd auftretenden Personen
stets ein reines Präsens, vom Standpunkte des Schriftstellers dagegen
immer ein Präteritum, und die in Begleitung des praesens historicum
häufig auftretende, dem Conj. Impf, gleiche Form ist in sehr vielen
Fällen kein Imperfectum, also keine präterite Form, sondern ein Futu-
rum der bedingten Aussaget. Dazu bemerkt Ihm a. a. 0.: »Gegen
I
104 Grammatisehea.
die Zarttckfahrong der Syntax des praes. histor. auf feste logisch zwin-
gende Gesetze, auf eine bestimmte zeitliche Lage der einzelnen Hand-
lungen, möchte ich zum Schluss die Frage aufwerfen: wie wäre unter
diesen Umständen die yerscbiedene Behandlung des praes. histor. bei
den verschiedenen SchrifbsteUern zu erklären? wie z. B. die Thatsache,
dass im B. GalL YIII, B. Alex., Afric, Hisp. das Präsens des Neben-
satzes fast gänzlich zurücktritt gegen die präteritale consecutio, obwohl
sich diese Schriften auf demselben Gebiet bewegen, wie die Bttcher Cae-
sars ?ff Wenn auch nicht abgeschlossen, ist die Untersuchung durch die
drei eben besprochenen Schriften wieder in Anregung gebracht worden*
Chr. Hauser, C. Julii Caesaris commentariorum de b. Gall. et
de b. civ. textus, qui vocatnr, cum praeceptis grammaticis ab eodem
scriptore in libris de analogia traditis comparatio. Programm des E.
Staatsgymnasiums Villach 1883.
Der Verfasser will den Dativ der vierten Declin. auf u eingesetzt
haben; im Genitiv und Dativ der fünften Declin. steht die Ueberlieferung
der Hdschr. der Form auf e st ei entgegen, er hat gefunden, dass sese
stärker sei als se und nur von Personen gebraucht werde, und dass es
niemals sich hinter Präpositionen finde, ausser zweimal mit inter.
Dietericus Rohde, Adjectivum quo ordine apud Caesarem et
in Ciceronis orationibus conjunctum sit cum Substantive. Programm
des Johanneums, Hamburg 1884.
Nach der Beobachtung des Verfassers steht das Adjectivum (er
hätte hinzufügen sollen, diejenigen A4jectiva, welche Zahl, Mass, Grösse
angeben, wenn sie nicht eine nähere Bestimmung bei sich haben) meist
vor dem Substantivum, das Participium, wenn es nicht geradezu Adjec-
tivum geworden ist, wie praesens, rectus etc. hinter demselben. Sagt
man homo improbus, dagegen improbus civis, so wird, hätte der Ver-
fasser bemerken können, im ersten Falle klassificirt, im andern die eigene
Missbilligung ausgesprochen, daher auch pontifex maximus und Aehnliches.
Rohde kommt bei seiner Untersuchung auf das Gesetz: A<Uectiva, die
in der Regel voranstehen, erhalten durch ihre Stellung hinter dem Sub-
stantivum den Nachdruck, diejenigen, welche regelmässig hinter demselben
stehen, erhalten die Hervorhebung durch Voranstellung: auch ich glaube,
dass man schlicht und amtlich potestas tribunicia, nicht ohne einen ge-
wissen Affect tribunicia potestas gesagt hat Natürlich tritt, so fährt
Rohde fort, bei einem folgenden Relativsatz das Adjectivum, selbst das Zahl-
wort, hinter das Substantivum. Auf jeden Fall hat Rohde mit dieser Arbeit
eine Forschung wieder aufgenommen, die seit Bröder, der noch dazu auf ein
ganz anderes Ergebnis gekommen war, geruht hatte. — In einer 1887 er-
schienenen Fortsetzung Adjectivum quo ordine apud Sailusüum conjunctum
Sit cum Substantive examinavit D. Rohde, Festschrift zum Jubiläum der
Caesar. 105
Göttinger Universität, begründet er, an einer Liste der sftmmtlichen bei
diesem Schriftsteller bald vor bald hinter dem Snbstantivum stehenden
A4jectiva, diese seine Ansicht des Weiteren nnd führt anch dabei die
Zahl der Fälle, die sich in derselben Beziehung bei Caesar vorfin-
den, auf.
Meusel, A und ab vor Gonsonanten, N. Jahrb. für kL Phiiol. 1885
Heft 5 und 6.
Die gebildeten Römer haben in der klassischen Zeit die Form
ab als selbstständige Präposition nur vor deigenigen Gonsonanten ge-
braucht, die auch in der Zusammensetzung ab verlangten, also vor d, j,
1, n, r, s, vor allen anderen Gonsonanten wurde a genommen. (S. auch
Jahresber. XI).
Menge, N. Jahrb. für kl. Phiiol. 1888 S. 67, Das reciproke Ver-
hältniss bei Gaesar durch s^, ipsi se ausgedrückt. Es werden die Stellen
der Gommentarien beigebracht, in denen, statt des sonst dafür üblichen
inter se, auch se ipsi, oder gar das blosse se, dem Verfasser reciproke
Bedeutung zu haben scheinen, nämlich b. Gall. II, 26, 1 milites sibi ipsos
ad pugnam esse impedimento vidit, YI, 37, 10. YII, 28, 3. 70, 3 und in
der Stellung ipsi se b. Oall. II, 19, 6, und se allein b. Gall.
n, 26, 1 bei coi^ungere, bei dem sonst inter se steht, wie b. GalL
YII, 73, 4, b. civ. II, 2^ 3. 10, 3. Das in reflexivem Sinne üb-
liche inter se kommt bei cohortari dreimal b. Gall. lY, 25, 6. YI,
8, 1. 40, 4, bei confirmare YI, 2, 2, bei contingere YII, 23, 3, b. civ.
Ij 21, 3 vor. — In demselben Jahrgang S. 271 spricht K. Goebel dem
Satz b. Gall. II, 19, 6 ipsi sese confirmaverant die reciproke Bedeutung
ab, ebenso dem Satze se ipsi interficiunt, wo die Reciprocität nur durch
inter se hätte ausgedrückt werden können, das überall in diesem Sinne,
und wo ein Object nöthig ist, mit noch einem se eintritt. Er schliesst,
dass durch die Regel: »Das eigentlich reciproke Yerbältniss wird bei
Gaesar entweder durch inter se oder durch se ipsi ausgedrückt«, die
Grammatik nicht werde bereichert werden können. — Trotz dieses Wi-
derspruchs bleibt bei den andern von Menge angeführten Sätzen die re-
ciproke Bedeutung unleugbar. - Daraufhin giebt Menge 1889 S. 265 —
274 eine Zusammenstellung der Bezeichnungsweisen des reciproken Yer-
hältnisses, »wo eine Gegenseitigkeit zwischen Theilen entweder des Sub-
jects oder des Objects vorliegt«: von zwei Theilen: alter alterum, uter
utrum, uterque utrumque (b. Alex. 4, 1), pars cum parte (oder allgemein
ausgedrückt civis civem, uterque alterum (Gic. Tusc II, 5, 13), inter se
(und unter Umständen inter eös, inter ipsos), ipsi inter se, uterque inter
se (Gic. pro Quiuctio 30); von mehreren Theilen alius alium, civis ci-
vem, inter se, ipsi se oder se ipsi. Die Abhandlung, welche den Titel
trägt: Die Bezeichnung des reciproken Verhältnisses bei Gaesar, aber
auch Beispiele aus andern Schrifts^llern beibringt, soll eine Lücke unsrer
GnK]Ulik«a laiftH«: jwi-xk fonfcrt der TerfKoer «■ Sditus to
R«:*T d« dorn>ü<«WB Spndknbranete aaf .aber dwsea bbber nn-
L^k duk«l gFbIi«l«D«» Pnakt >W GraniBMik ein heOnvs U±t n Ter-
brriiM«.
Menge, Ceber das Bebäniin in der Spnclie Clsan. Gnniu-
Üscb>kritisGbe Abluadlnng. Ptoctm der Lateiniacbei Hnptscliik.
RaUe a. d. Suüe 1B89.
Der Verfasser giebt ■■ Aa^fc-'nss an Driger's Historisch Stbüi.
eine fiyntematiscbe l'ebei^icbt d>r G^brancfaawetsen des BelstiipniMBW
in iten CommentArien, da, «o I>riz«r die Beispiele ans dieses fttiea
lüRvl, nie ergänzend nnd in einen Anhang die ton jenem nicbt bntti-
•H'blltltcn Kinzelheilen beibringeni. Di'^^ Beispielsammlnog bsOe an-
■.l-miiirlich fUr die Auearbeitong sei=« Leitkons angelegt, er kat sie aber
Ulli iin'M nir wichtig genug gehahea. ua 5>e. da se wicht gan in in
K.«t»ii.'U ili>^ Wnnerbncbs pas&te. ia dieser besoadern Abhaarflaag n
\vu<m'iiili<<)ieri Kr hat dabei GelegenliTit cenoiBBeB. eine nicbt aabe-
iluiUKilv Anzahl von BesseningsionekliRtt nsd Lesartn in bespRcbn.
V liiil IT fiilüolileden fOr das von mir la b. GalL TU. sa 3 Torge-
mIiI.imi'ui' iiitiijiii' iiactiitn (at des bandsdihnlicken msigne par alna od
tili iiii'isi tlMtHr K'''i<'<a(ci< insigne pacaionm eia: L 44. 5 Best eratqae
■■i- (.4»i ii|>i> (tili. Mirli<ixle Wort mit den Haadicitr-. st. tdqoe se ea spe.
tllv iln' i'uiil iiui|i(ti i>i> p« spe. Zacker ideo>j3e se ean. Andere, i, R
iMMioitxrHir iiml ,Mfii«i'|, abnr nicht Waitber. nr Veage behnptet. eo
'IUI' «" i'lii. Iiulinu iiiOnhtcii); b. ci¥. ni, 14. 7 qnasaM — &eahat«i
haLrliHt i.i <|<iuiiiiim ruoiiltatem babebat der Bisdir. aad dn' Aas-
,""'":"" ''■ ""»■ '. 7. fl liriiiolpiim Jocnra (stprinripea toeani. «nl man
i'nNtiK fln,i„ ,,rj,„,„,„ |„^mi„„,, u„j j„ Wortpriaeeps skb aar ait Per-
"'"'•nNflmen verbind«; V. i-j-n hält er, wie aneh schon Wei. Or on-
,„77.2 ' y'' ^^' '■' ''"''1"" "■'■ des hdschr. qoi «-. aas dea icb
J-l-ii,? 'Zu '""■ "" "^"«''- ohne zn bemerken, w« «t t«> ge-
AH<>tfM<»a iiit.Hu'mTu'''^"' '" ^ "'"• '"■ ^3' ' "«^««fi« "■ ««ne
"" '"^ n..a ( .l,„vh rkf""""* nnricbtige Ceber-et«^ Lfete
■' "■ lu.v^.M ""j"*^^^""*; P»'i«- Sk*''-
>-!'...M «,vi, ls^Z;.',' e^merknag beBMa»d.
^■■^■■-3i=.i~'Ves et TOT
Caesar. 107
faerant valeribus); III, 84, 3 behält er expeditos ex antesignanis milites
electis ad pernicitatem annis bei, während Em. Hoffmann milites streicht
und selectis drucken lässt; b. Gall. IV, 23, 5 [at] quae celerem — mo-
tum haberent, ut ad nutnm — omnes res — administrarentur, mit Ver-
setzung des ut. S. 22 bemerkt er: »Einen Grundsatz der Kritik habe
ich von den Liebhabern von ß noch nicht aufstellen sehen; es wird von
Fall zu Fall der Text festgestellt. Darf man das überhaupt wissenschaftr
liehe Kritik nenne ?t Der Verfasser vergisst hierbei, dass auch Nipper-
dey, der entschiedenste Anhänger von a, der allein im VII. Buch 71 Les-
arten ans ß hat aufnehmen müssen, gleichfalls nur von Fall zu Fall sei-
nen Text hat herstellen können.
C. Goerlitz, Das Gerundium und Supinuro bei Caesar. Pro-
gramm des K. Gymnasiums zu Rogasen, 1887.
Der Verfasser hat aus b. Gall. und b. civ. die sämmtlichen Stellen,
in welchen ein Gerundium oder Gerundivum vorkommt, gesammelt, da-
bei auch die Sätze, in denen das Gerundium mit einem davon abhängi-
gen Accusativ auftritt, was hauptsächlich da der Fall ist, wo noch ein
anderes Gerundium (ohne abhängigen Casus eines Substantivs) damit ver-
bunden ist, z. B. b. civ. III, 15, 2 neque lignandi — neque naves —
religandi.
Ilg, üeber den Gebrauch von antequam und priusquam bei Cae-
sar. Correspondenz- Blatt für die Gelehrten- und Realschulen 1886.
9. 10. Heft.
Zusammenstellung der Fälle, in denen priusquam und das nur
zweimal vorkommende antequam mit dem Conj. Präs., mit Indic. Perf.,
mit Conj. Perf., mit Coi^'. Imperf. und Plusquamp. verbunden sind.
P. Uhdolph, üeber die Tempora in koiyunktivischen Nebensätzen
der Oratio obliqua bei Cäsar. Progr. des K. kathol. Gymn. zu Leob-
schütz 1885.
Im Jahresber. XIII bringt Rud. Schneider eine kurze Anzeige dieser
Arbeit, gegen den Versuch des Verfassers, das plusquamperf. conjunct.
im Folgesatz b. Gall. VII, 54, 4 quam in fortunam — deduxisset, ut
non solum — redissent, sed — antecessisse viderentur durch eine ge-
wisse Attraktion der Tempora zu erklären, die Conjectur Kraffert*s re-
disse empfehlend. Mir scheint man in redissent nur eine theoretische
Schwierigkeit herauszuklügeln. Da redissent das Antecedens von ante-
cessisse ist, kann es diesem gegenüber nur in der Form des Plusquam-
perf. auftreten: postquam redierunt, antecesserunt, und indirect ut, post-
quam — redissent, etiam — antecessisse viderentur. Die Abhandlung
wird von Dreher, Neue Philologische Rundschau 1889 S. 391 warm
empfohlen.
108 EiDsebe Stellen.
Max Heynacher, Was ergiebt sich aus dem Sprachgebrauch
Cäsars im b. Gall. für die Behandlang der lateinischen Syntax in der
Schale. Zweite Auflage. Berlin, Weidmann 1886.
Unter Anderm findet man hier die Aufzählung der Wort- und
Satzverbindungen, welche bei Caesar nicht vorkommnn. S. Wochenschrift
f. klass. Philol. 1887 S. 370, wo einige Versehen angemerkt werden.
Einzelne Stellen.
Laurer, Beiträge zur Kritik und Erklärung von Cäsars Büchern
über den gallischen Krieg. Programm JSchwabach 1888 und 1884.
Der Verfasser weist manche Aenderangsversuche FauFs (Ztschr. f.
d. Gymnasialwes. 1881) zarück. Er selbst schlägt vor: II, 23, 4 quo in
dextro comu loco legio duodecima — constitisset , mit ZufQgung von
loco (st. cum constitisset); II, 30, 4 ex aequo collocare, wo ex
aequo in gleicher Weise drohend heissen soll (st. sese collocare); Y,
31, 5 quare ne (st. quare nee); V, 34, 2 dispares (st. pares); VII, 74,
1 e justo discessu (st. des hdschr. ejus discessu); VIII, praef. 2 ac res
gestas Alexandriae (st. ab rebus gestis — ); VIII, 13, 4 minimis in re-
bus (st. minimisque rebus); VIII, 15, 6 ut consederant (st. ut consue-
verant) und nachher in acie considere (st. in acie sedere); 19, 8 ita
devictus (st. des blossen victus) ; 20, 2 insigni calamitate (st. cognita ca-
lamitate); 23, 2 populi Romani usqaam (st. des blossen cujusquam); 38,
6 ea omuia (st ei omnia) ; 42, 1 Quo opere proterriti (st. Quo malo per-
territi). — Derselbe Blatt, f d. bayer. Gymnasialschulwes. XXI 19 — 23,
V, 7, 8, ille a nostris revocatus (st. ille enim revocatus); VII, 35, 4 in-
terruptis quibusdam cohortibus (st. captis — ).
Rud. Menge, Quaestiones Caesarianae. Progr. Eisenach 1883.
Der Verfasser zeigt an Beispielen, dass b. Gall. I, 11, 4 quo Aedui
dem von Walther vorgeschlagenen atque Aedui vorzuziehen sei; I, 41, 4
billigt er ex Gallis (st. ex aliis); eben da verbessert er i^jecta est (st.
innata est); II, 19, 8 Eadem enim celeritate (st. Eadem autem celeritate);
II, 30, 4 vertheidigt er das auch von mir empfohlene omnibus Gallis der
Hdschr. (st. des neuerdings bevorzugten hominibus Gallis).
Roh. Wutke, Quaestiones Caesarianae, Nissae 1885.
In diesem in zweiter Auflage erschienenen Schriftchen soll der
Nachweis geführt werden, dass Caesar das b. civ., wenigstens wie es
uns vorliegt, nicht geschrieben haben könne; Wutke vermisst darin die
Deutlichkeit, welche dem b. GqH. eigen ist; z. B. I, 16, I Recepto Firmo
expulsoque Lentulo, ohne die Angabe, dass Lentulus aus Asculum ver-
trieben worden war; er hält III, 69, 4 dimissis equis eundem cursum
conficerent für richtig, aber für unklar, weil der Schriftsteller versäumt
i
Caesar. 109
hat anzugeben, dass die Pferde den Wall und den tiefen Graben nicht
überspringen konnten, (ohne jedoch zu zeigen, warum, wenn hier Ober-
haupt Reiter hatten zur Vorwendung kommen können, sie da, wo sie
hereingekommen waren, nicht auch wieder herauszureiten vermochten).
Er verbessert 1, 11, 2 peracto conventu, das letztere Wort in dem
Sinne von pacto (st. peracto consulatu Caesaris). In Beziehung auf die
zuerst angeführten Stellen schliesst er, anstatt Caesar's sei entweder ein
anderer Verfasser des b. civ. anzunehmen, oder wenigstens müsse die
wenig deutliche Sprache irgend einem AbkOrzer des Werks zugeschrie-
ben werden. Ich glaube nicht, dass irgend ein Kritiker sich von den
Auseinandersetzungen Wutke^s wird überzeugen lassen.
Meusel, Jahresber. XL XII (s. auch PauFs Bell, civ.) B. Gall.
I, 29, 2 milium CCLXIII, wie II, 33, 7, IV, 15, 3 in ähnlichen FftUen
schon steht (st milia) ; b. civ. III, 63, 4 milium passuum, wo Paul besser
mit Beibehaltung von milia das folgende munitiones in munitione geän*
dert hat; b. civ. I, 45, 5 passus, was Paul aufgenommen hat (st. passuum);
III, 66, 6 passuum, von Paul aufgenommen (st. passus); b. civ. II, 18,
4 modium wie schon Hotomann, ebenso Paul und Fr. Hofmann (st. mo*
dios); b. civ. II, 39, 5 proferebantur , wie schon Hotomann, dem Paul
gefolgt ist (st. praeferebantur) ; b. civ. LH, 24, 3 quadriremibus, und so
Paul (st quadriremem); IH, 93, 6 adortae (st adorti), so Paul; b. civ.
I, 59, 2 non longo — progressi, ut celerem receptuni haberent, spatio
angustiore pabulabantur (st. non longo — progressi spatio, ut celerem
receptum haberent, angustius pabulabantur; III, 16, 7, wie schon Kind-
scher, qua angusta utebatur, und so Paul (st qua anguste utebatur);
III, 73, 6 quod si esset factum, futurum, detrimentum ut in bonum ver-
teret, wie schon Vossius, der jedoch fore statt futurum einzuschalten vor-
geschlagen hatte; I, 23, 5 eodem die, so Paul, (st eo die); b. GalL I,
25, 6 a oder ab latere aperto, mit Zufügnng der Präposition, was Wal-
ther und Dinter-Doberenz befolgt haben; II, 21, 1 quam partem fors
obtulit (st. quam in partem — ), was die neueren Herausgeber seitdem,
nur nicht Em. Hoffmann, angenommen haben ; VII, 27, 2 will er die ver-
schiedenen Lesarten der Hdschr. intra vineas, extra vineas, extra castra vi-
neas streichen, durch meine Verbesserung inter castra vineasque nicht zu-
frieden gestellt; b. civ. II, 82, 10 [sij vor Caesarem, und so schon Giacco-
nius und mit ihm Paul; III, 30, l [eae], für das Paul inde gesetzt hat; b.
Gall. I, 48, 7 ut jubis suhle vati equorum cursum adaequarent, und so
Walther und Dinter-Doberenz, aber nicht Em. Hoffmann, (st ut jubis
equorum sublevati cursum — ); b. civ. 1, 19, 4 ist oppidi »entweder hin-
ter obsidione oder hinter circummunitione oder gar vor obsidione au
setzenc; Paul hat das Letztere gewählt; III, 76, 3 (4) quibus — impe-
ditis, quod fore providerat Caesar (st. quibus impeditis Caesar, quod
fore providerat), so dass quod Relativum, nicht Causalpartikel ist; so
HO Einselne Stellen.
auch Paul, das Komma jedoch vor Caesar setzend ; II, 25, 6 castra Cor-
nelia (st. — Corueliana) und naves traduxisset, danach Paul — trans-
duxissent (st. des blossen traduxisset oder vela direxisset). — Im Jah-
resber. XII tritt Mensel für die Orthographie Byllidenses, Domnilaus
(und das von mir empfohlene Domnotaurus), Haedui, Diviciacus, (aber
b. Gall. II, 4, 7 wird der König der Suessionen entweder Deviciacns
oder Devitiacus zu nennen sein), Cotuatus (nicht Gutruatus, VII, 3, 1),
für das von mir empfohlene Atrebatibus (st. Atrebatis), Coriosolites
(nicht Curiosolites) . Convictolitavem (nicht Convictolitavim) , Diablintes
(nicht Diablintres) ein, sowie für die Aufnahme verschiedener Lesarten
aus ß. An Conjecturen findet sich hier: b. civ. III, 19, 3 (4) altero
die, und so Paul (st. altera die); b. Gall. YII, 76, 2 moveretur, näm-
lich Commins (st moverentur, nämlich Galli, das man aus dem vorher-
gehenden Galliae abnehmen müsste); b. civ. I, 69, 3 institnerant, so
Paul (St. constituerant) ; II, 23, 3 profugerat, wie schon Oudendorp,
(nicht perfugerat); II, 35, 2 respexit, und so Paul (st. aspexit); b. GaU.
Y, 10, 2 sustinerent (st. subsisterent); IV, 25, 2 [modo]; b. civ. III, 2,
3 [magnnmj vor numerum, Paul vermuthet hier noch einen andern Fehler
und lässt daher magnum stehen.
Heller, Philol. Anz. XV Heft 4 weist die ünnöthigkeit der Con-
jecturen PauFs, b. Gall. II, 32, 3 re renuntiata (st. re nuntiata) und
VII, 44, 2 miratus (st. admiratus) nach; er vermuthet I, 3, 3 ad exteras
res constituendas (nicht wie Kud. Schneider im Jahresber. XIII gesetzt
hat conficiendas, st. des zweiten ad eas res conficiendas) ; VII, 56, 2 —
ut — iter in provinciam converteret, id ne tum quidem necessario fa-
ciendum existimabat, mit Zufügung von et hinter existimabat, worauf
dann cum infamia — tum maxime folgt. — Heft 7. B. Afric. 19, 3
servorum VM, d. i. quinque milium; 77, 4 ab Scipionis novis (nämlich
castris, mit Einschaltung von novis, weil nach Tissot eine Verlegung des
Lagers stattgefunden haben musste).
Heller, Philol. Suppl V S. 349-396. B. Gall. I, 2, 1 nicht Pu-
pio hinter M.; zu b. Gall. I, 12. 2 wird gezeigt, dass mit a fere, nicht
vero mit ß zu lesen sei, und der Gebrauch der Adversativpartikeln hinter
Ordinalzahlen festgestellt; zu I, 31, 4 wird tantopere gegen Paul's verkehr-
tes temere vertheidigt, S 357; I, 44, 11 (15) sed pro hoste mit ß (st sed
hoste in a); II, 25, 2 wird quod ipse eo sine scuto venerat gegen PauPs
Verdächtigung geschützt; II, 29, 3 coUocarant (nicht collocabant mit a); III,
2, 3 wird absentibus, das a auslässt, vertheidigt; lll, 9, 6 se quam pluri-
mum navibus posse, Komanos, mit Versetzung des in den Hdschr. vor
Romanos stehenden quam; III, 24, 3 infirmiores auimo (st. infirmiore
animo) und ebenso Kvicala; IV, 23, 3 wird angustis bei montibus gegen
PauFs Coi^ectur angustissime, mit Berufung auf Ov. Met. V, 410 ver-
theidigt; V, 13, 8 objectae mit ß (st. subjectae); V, 23, 4 et vor prioris
i
Caesar. ] 1 1
commeatus muss gestrichen werden; V, 25, 5 quaestoribus wird gerecht-
fertigt; VII, 30, 4 patienda et perferenda mit ß (st. des blossen patieuda
in a); YII, 31, 7 earum principes mit ß (st eas in a)\ VI, 36, 4 und
VII, 36, 2 despecta und despici (nicht dispecta und dispici); Vü, 45, 1
turmas de media nocte; eis imperat, und so Walther, nur dass er mit
Spillmann iis setzt, (st. turmas: eis de media nocte imperat); VII, 74, 3
si ista (magna multitudo) ad eas (nämlich munitiones) undique accessisset;
dies soll jedoch keine Textänderung, sondern nur eine Vermuthung sein,
was etwa an jener Stelle wohl gestanden haben müsse (st. des durchweg
unstatthaften si ita accidat ejus dicessu). — B. civ. I, 1, 2 invitati (auf-
gefordert, St. in civitate); I, 3, 2 completur urbs armis (st. completur
urbs et jus der Hdschr.); I, 5, 3 sola eorum audacia (st. des hdschr.
latorum audacia); I, 5, 1 intercessionis (st. intercessione) ; zu I, 6, 7
wird vermuthet, dass hinter proficiscuntur vieUeicht ante Latinas indic-
tas in Abkürzung a. 1. i. oder etwas Aehnliches ausgefallen sein müsse;
I, 85, 9 fracti oder debilitati, vielleicht noch besser confecti (st. des
zweiten probati); III, 49, 4 (3) ad mare perfluebant (st. — pertinebant) ;
III, 49, 6 propius succedere tempus (st. des hdschr. melius subterrere
oder subterere tempus) ; III, 69, 5 ut — demisse (muthlos) secuti eundem
cursum confugerent (st. ut — dimissis equis eundem cursum confugerent
der Hdschr. und — conficerent der Ausgaben); III, 79, 4 de proelio
(st. des blossen proelio) ; III, 83, 4 tabellam, quos — quos - quos (st.
tabellam qui — qui — qui) von Menge empfohlen, während Paul viel-
leicht noch passender tabellam qua — qua — qua aufgenommen hat.
— ß. Afric. 19, 3 (4) condocefecerat (st. des hdschr. condidicerat, wo-
für man theils condocuerat, theils constituerat aufgenommen hat); 34,
fin. se reficere (st. reficere); 49, fin. gratuito »aus eigner Initiative c (st.
gratia hinter coUis occupandi, welches von consilium abhängt).
Hartz, Gonjectanea Caesariana. Altonaviae, Meyer 1886.
Der Verfasser streicht b. Gall. I, 30, 4 idque und facere, sodass
stehen bleibt uti — concilium — indicere Caesaris voluntate liceret;
n, 5, l nimmt er, weil quae omnia sich nur auf eine Sache beziehe,
hinter jussit eine Lücke an; II, 32, 1 vermuthet er mansuetudine (st.
consuetudine) ; IV, 15, 2 glaubt er es sei hinter reliqua fuga -desperata
etwas ausgefallen, sodass etwa nach diesen Worten gelesen werden könnte
rursus constiterunt proeliamque redintegrare coeperunt, sed magno nu-
mero interfecto etc.; IV, 17, 9 [fluminisj hinter partem; IV, 18, 3 In iti-
nere (st. Interim), IV. 34, 3 in castris (st. in agris); V, 2, 2 structas
(st. instructas); V, 13, 6 sed ejus angulus alter maxime (st. sed ejus an-
gulus lateris maxime); V, 14, 3 [et labrumj; V, 16, 2 [equites — con-
tenderent]; V, 26, 4 sine mora (st. suo more); V, 31, 5 mane eatur (st.
maneatur); V, 42, 8 essent (st. esset); VI, 5, 5 congrederetur (st congredi
cogeretur); VI, 8, 6 unum modo impetum oder primum impetum (st des
112 Einselne Stellen.
blossen impetum) oder Versetzung des modo ans seiner Stellung hinter
impetum, zwischen quos und fugere; VI, 22, 3 regnandi (st. pecuniae);
VI, 33, 5 vielleicht a4jnmentum hinter aliud (st. initium) ; VI, 40, 2 con-
fidant (st. confidunt); VI, 43, 4 dimisso (st diviso); YII, 7, 2 irruptio-
nem (st. emptionem); VK, 19, 1 [ac saltns]; VII, 82, 5 divisas cujusque
eorum clientelas, von Walther aufgenommen (st. suas ccgusque eorum
clientelas); YII, 37, 7 eo ducenda (st ea dncenda); VIII, 3, 5 [in ejus
amicitiam]; VIII, 4, 3 his cum duabus legionibus (st ita cum etc.) VIll,
51,1 illo (dorthin) ab universae Galliae hello (st ab illo universae etc.)*
— B. civ. II, 25, 1 Belica (i. e. quae a Belo nomen traxerat, st bellica),
von Paul, aber mit der Schreibung Bellica, angenommen.
Larsen, Studia in libellum incerti auctoris de hello Alexandrino,
Hauniae 1886. (S. Rnd. Schneider's Ausgabe des b. Alex). Er fögt
2, 1 ab vor Alexandrinis zu, und so Schneider; 5, 3 streicht er tarnen
hinter Hoc; 13, 6 nam de decem missis una in cursu sub litore Aegyp-
tio desederat, mit Zufügung von de und sub und Verwandlung des hdschr.
defecerat in desederat; 15, 8 qui non aut, mit Zuftlgung von non, und
ebenda ex omni prospectu illorum (nämlich tectorum) spectacula cape-
ret (st. ex omni prospectu locum spectaculo caperet); 43, 2 conaretur
(st. cogeretur); 44, 3 magnitudo nequaquam (st magnitudine quanquam
mit zugefügtem non), und so Schneider; 66, 1 et eorum qui, mit Zufö-
gung von eorum, und so Schneider; 67, 1 excitus precibus imperüsque
(st. exercitibas imperiisque); 72, 2 coi^unctis (st coigunctus); 73, 2 pro*
fectus prima luce, mit Zufügung von profectus; 75, 4 in quibus nihil.
Menge. S. Grammatisches, Das Relativum etc.
Einzeln in Zeitschriften.
Philol. XLII, 2. Becher erklärt b. Gall. VIII praef. 4 tam operose
als gleichbedeutend mit quamvis operose, sodass quod non superetur zu
nihil esse perfectum zu ziehen sei.
XLII, 4 S. 773. H. Schiller coiyicirt b. civ. III, 112, 2 Haec in-
sula — angusto itinere ut ponte — coi^ungitur, und b. Alex. 8, 2 vel
a sinistra parte a promuntorio, vel a dextra ab insula (= Delta), Bei-
des gegen Schambach, N. Jahrb. 125, 3, der angusto itinere et ponte
der einen Stelle, a Paraetonio und ab insula der andern Stelle streichen
möchte. Weder Paul noch Rud. Schneider haben diese Goigectur
Schiller's bertkcksichtigt, Em. Hoffmann die erstere. — XLIII, 3 S. 522
vertheidigt derselbe b. Gall. Vlll, 20, 1 plus minus VUI milibus and
VIII, 54, 3 belligerandi. Beides ist von Em. Hoffmann in die neue Auf-
lage aufgenommen.
XLIY, 2 Deiter, b. civ. I, 48, 6 in tabernis (st. des hdsch. in hi-
bemis, tür das ich in cavemis vorgeschlagen habe); I, 80, 4 refeetis
i
Caesar. 113
(nämlich legionibus, st. des hdschr. relictis); III» 75, 3 eodem spectans
(st. des hdschr. eadem spectans, wofür Nipperdey id spectans, ich eo
jam spectans, Fr. Hofinann eodem spectans vorgeschlagen haben). —
XLIV, 3 will derselbe b. Gall. V, 31, 5 precibus vor permotus einge-
schaltet haben.
Philologischer Anzeiger XIII Suppl. 1 (1883). Rud. Menge erör-
tert eine Anzahl der auf Caesar bezüglichen Vorschläge Eraffert's, Bei-
träge zur Kritik und Erklärung lateinischer Schriftsteller, Aurich 1861,
theils zustimmend, theils ablehnend, ohne eigene Besserungen anzuknüpfen.
Neue Jahrb. 1884. Hans Gilbert, b. Gall. I, 18, 3 in compluris
annos (st. des blossen compluris annos) ; IV, 8, 1 ist hinter occupare nur
ein Komma, nicht ein Semikolon zu setzen, damit neqae — neque einander
entsprechen; V, 7, 8 ille ideutidem revocatus (st. — enim — ); b. civ.
I« 32, 7 defugiant illi, se oneri non defuturum (st. defugiant, illis se
oneri non futurum); übrigens führt Dübner jene Lesart Gilbert's schon
ans Dresd. I an ; III, 16, 3 prodit Libo nave et (st prodit Libo neque,
aus welchem Nipperdey atque gemacht hat).
1885, S. 224. Carl Conradt, bezieht b. Gall. VI, 21, 5 cigus rei
nulla est occultatio nicht auf das unmittelbar Vorhergehende intra —
feminae notitiam habuisse in turpissimis habent rebus, sondern auf qui
diutissime impuberes permanserunt und übersetzt nicht, wie es gewöhn-
lich geschieht, wofür es keine Möglichkeit der Geheimhaltung, sondern:
auch findet in dieser Beziehung, in geschlechtlichen Dingen, kein ängst-
liches Verhüllen statt Dagegen Walther Gebhardi 1886 S. 362: Früher
Eintritt der Mannbarkeit ist unehrenhaft, — verborgen konnte das nicht
bleiben. 1886 S. 783 vertheidigt Conradt seine Auffassung.
1886 S. 267. GemoU, b. ciy. I, 44, 2 [cum Lusitanis reliquisque]
barbaro etc.; derselbe II, 16, 2 [in] muris (dies von inaedificata abhän-
gig); III, 40, 2 stellt er § 2 hinter § 4; III, 97, 2 nimmt er eine Lücke
hinter Qua re impetrata an; im b. Alex. I, 6 [ex altera oppidi parte];
26, 2 [multiplici praesidio]; 27, 2 derivata [inter se]; b. Afric. 9, 2 re-
cepisse se, mit Zufügung von se; 19, 3 servorum, liberorum numero, mit
Zufügung des letzten Worts ; 63, 4 [cum suis omnibus epibatis]. S. 360.
Anton Funck erklärt, im Anschlass an Wölfflin's Frustra und nequi-
quam, Arch. f. lat Lexikographie 1886 S. 1—24, b. Gall. II, 27, 8 non
nequiquam »nicht in einer Selbsttäuschung, nicht in einem Irrthum über
ihre Leistungsfähigkeitc 8. 781 conjicirt Schliack, ganz wie Hartz, mane
eatur (st maneatur), und VII, 9, 6 [Arvemis]. S. 783 Hans Gilbert b.
Gall. VII, 29, 1 [ne pertubarentur incommodo] als blosse Worterklärung
des vorangegangenen ne se — animo demitterent.
1887 S. 72. B. civ. I, 22, 6 will Hans Gilbert lesen consulere
oonentur (st. cogantur, wofür Pluygers cogitent vorgeschlagen hat), mit
Hinweis auf I, 20, 3.
Jahresbericht fUr Alterthumswiasenschaft. LXVIII. Bd. (1891 II). 8
114 Einzelne Stellen.
1888 S. 189. P. Stamm, b. Gall. IV, 25, 3 Itaqae nostris (st. At-
qiie nostris). — S. 776. Derselbe b. Gall. V, 29, 2 ventaros. Sese
non hostem — spectare (st. venturos esse. Non hostem — spectare);
zu venturos soll das vor capturos stehende fuisse hinzugedacht werden«
1889. Alf. Erdm. Schöne, b. civ. I, 3, 3 turbulentius (st et jus).
— Jnl. Lange; Cäsars zweiter Zug nach Britannien; der Verfasser will«
dass die Kapitel in der Ordnung 8. 12. 13. 14. 9. 10. 11. 18. 15. 16.
17. 19. auf einander folgen. — Rud. Menge: Die Bezeichnung des re-
ciproken Verhältnisses bei Caesar, S. 265 — 274, darunter auch ipsi se
(s. Grammatisches); — H. Deiter, b. Gall. V, 19, 3: Die Präposition
in soll vor agris wegfallen, dagegen vor labore gesetzt werden ; und VIT,
64, 1 itemque (st. denique oder des dafür gesetzten diemque) ei rei
constituit diem; huc omnes etc. — Osw. May, b. Gall. V, 84, 2 saepe-
numero pugnando (st. des hdschr. numero pugnandi und des dafür ein-
gesetzten studio pugnandi).
Neue Philol. Rundschau 1887. Menge, b. Gall. VIT, 64, 1 diem-
que ei rei constituit diem XVI. Omnes etc. (st. — constituit Denique
huc omnes etc.). — 1889. Menge, b. Gall. VII, 69, 7 VIII (st ibi-
que); VII, 71, 6 qua nostrum opus, wie auch sonst schon gedruckt wird
(st qua opus); b. Alexandr. (das nach der Meinung des Verfassers theil-
weise aus einer griechischien Qnelle übersetzt zu sein scheint) 49, 1 in-
terea (st in ea), wie Landgraf, der jedoch dies interea nur auf den Satz-
theil, welcher von der Geldaufnahme handelt, bezogen haben will, wäh-
rend es nach Menge's Erklärung zum ganzen Satz gehören soll; 59, 2
deterserunt, nach Dio Cassius XLII, 15, 5 diajket(pe¥ (st. detraxerunt);
67, 1 quod — cum exercitibus imperiisque — fuisset, mit Hinzufägung
von cum.
Berl. Philol. Wochenschr. 1884 No. 39. 40. 4i. W. Paul, Kriti-
sche Bemerkungen zu Caesar's Commentarii de b. Gall. I, 35, 2 discen-
dum (st dicendum)v I, 38, 4 idemque (st idque); 1, 44, 10 quod exer-
cituum — habeat (st. quod exercitum habeat); III, l7, 4 et quos
spes — revocabat, mit Zufügung von et; III, 28, 1 Morini uni Menapii-
que, mit Zufügung von uni; IV, 3, 3 ei (nämlich Ubii, des Nachdrucks
wegen) paulo (statt et — ); IV, lo, 3 ibidem (st ibi); VI, 35, 7 non hos
paludes — (st non hos palus -); VI, 43, 4 dimisso eqoitatu (st di-
viso — ); VII, 28, 4 sed et Cenabensi caede (st sie et — ); VII, 35, 1
cum uterque utrimqae perrexisset exercitus, in conspectu fereque e re-
gione Caesaris castra ponebat, (es ist schwer zu begreifen, wie beide
Heere Caesar gegenüber lagern konnten); VII, 63, 5 ad diem (st. eo-
dem); VII, 79, 2 abductas (st. abditas).
Rud. Schneider. B. Gall. II, 5, 3 Eis datis mandatis (st His
roandatis); III, 26, 5 petere contenderunt (st petere intenderunt); IV^
Caesar. 115
31, 3 satis commode (st des blossen commode); YI, 36, 4 traditus (st.
tractus); IV, 17, 10 trabes deiciendi operis causa (wovon causa in ß
steht, wegen Flut. Caes. 22, st. naves deiciendi operis); sonst gelegent-
lich 1, 11, 6 ex fuga (st. des blossen fuga); I, 13, 6 uterentur (st. nite-
rentur); I, 14, 4 injurias intulisse (st iigurias tulisse); IV, 3, 1 Reipu-
blicae (st Publice).
1885 S. 918 Rud. Schneider, b. Gall. I, 10, 5 ab Ocelo, qnod est
oppidum — extremum; da ein Substantiv zu extremum nöthig scheint,
hat aus demselben Grunde Walther oppido vor Ocelo eingeschaltet; I,
40, 6 inermes mit ß (st. inermos); II, 10, 1 equitatum — ponte tradu-
cit (st. — — pontem traducit); II, 32, 2 repente (st. repentino); IV,
28, 2 [quae est propius solis occasum] »als Glosse zu inferior in der
Bedeutung westlicht; V, 24, 6 inopiae rei frumentariae , mit ZufUguug
des in solchen Fällen üblichen rei; V, 33, 6 et fremitu (st. et fletu);
VI, 66 alia noxia (st aliqua — ); S. 982 VII, 63, 2 utuntur (st nitun-
tur); S. 918 VII, 69, 1 oppidum Alesia positum in colle summo, mit
ZufÜgnng von positum, welches Walther, aber mit Auslassung von Ale-
sia, aufgenommen hat; S. 78 b. civ. I, 36, 3 (2) si ita accidat (st si
accidat); aber ita accidit kommt bei Caesar nur in der offenbar unrich-
gen Lesart b. Gall. VII, 74, 1 vor; 11, 23, 4 cognita ejus fuga, mit Zu-
fügung von cognita, »weil als solche Ablative der Zeit nur Verbalsub-
stantiva der IV. Declination vorkommen, wie occasu 6tc.;c nocte, die,
meridie sind dabei nicht gerechnet; III, 76, 3 impeditos ac perterritos,
mit Zuftlgung von ac; 78, 3 gehört a mari zu abductum, dagegen ab iis
copiis zu abstractum, daher ist vor atque zu interpungieren; die Abla-
tive frumento ac commeatu bilden die Apposition zu copiis und sind
vielleicht nur ein Glossem. — W. Paul No. 38 b. Gall. III, 26, 2 de-
vcctis iis cohortibus (st. eductis —).
1886 S. 723 Rud. Schneider b. Gall. DI, 26, 5 eicere (st deicere);
VII, 77, L concilio convocato, wie sonst immer, (st. — coacto); S. 982
VII, 82, 1 accesserunt (st successerunt).
1888 No. 23 Rud. Schneider b. Gall. IV, 22, 6 portum tueri (st
-— teuere).
Ztschr. f. d. Gymnalwes. 1886. Rud. Schneider b. Gall. I, 3, 8
totius Galliae imperio - potiri, mit ZufQgung des Worts imperio. —
G. V. Kobilinski I, 40, 6 quos - usus ac disciplina — sublevaret (st
sublevarent).
Jahresbericht XIV. H. J. Müller zum b. Alex, l, 3 ab incendio
fere tuta (st. des blossen incendio); 1, 4 id maxime stndebat, mit Zu-
fügung von id; 12, 2 fügt Müller naves hinter amissae hinzu; 13, 6
will er gesetzt haben quinqueremes V, das letzte Zahlzeichen st et; 19,
6 ex ponte et ex mole, die Wiederholung der Präposition wegen des
8*
116 Einielne Stellea.
folgenden ex area — et ex navibus als dem Schriftsteller flblich an-
Behend; 26, 2 streicht er das hdschr. commeatu hinter nostris, während
Nipperdey und Rad. Schneider dafür commeatuque (dat.) und Em. HofiF-
mann commeatnique schreiben; 26, 6 et illico triremem (st. des hdschr.
et illi triremem and des gewöhnlich dafür gesetzten et iUic triremem und
Dttbner's et quadriremem) ; ebenda itaque qui nnas (st. des hdschr. itaqne
unus und ita qui unus der Ausgaben) ; 27, 2 streicht Müller, wie Dübner
und GemoU, das erste inter se und fügt majus vor paulatim zu, das auf
dies letztere Wort folgende medium, dagegen fortlassend ; 32, 2 wird rege
fQr ein Glossem erklärt, 46, 7 plenis velis (st. des blossen velis) und
66, 2 florentissimumque (st. fortissimumque) vorgeschlagen; 77, 2 wird, j
wegen ähnlicher Stellen bei Liv. XXII, 66, 4, XLIV, 2, 12, expeditis |
equitibus geschützt, für welches Rud. Schneider expeditis equitibusque i
gesetzt hatte; 76, 2 nach den Handschriften Bosphori (st. Bospori). —
Rud. Schneider will ebenda in einem Nachtrag 61, 3 discriberentur (sU
describerentur) "gelesen haben.
■
Blatt, f. d. bayer. Gymnasialschulwes. XXIV S. 94. B. Gall. I,
44, 6 schlägt Zucker vor zu lesen ideoque se eam petisse st. idque se
ea spe petisse). — XXYI S. 308—317. Zucker zu B. GaU. I, 64, 1 ubi
ii, qui (st ubi qui oder Ubii, qui); III, 7, 1 entweder perterritis oder j
exterritis oder auch perculsis (st. expulsis); III, 8, 1 in magno impeta ■
maris vasti atque aperti (st. in magno impeto maris atque aperto); VQ, |
36, 6 non infirmo (st. non nimis firmo); VII, 38, 6 cunctos (st omnes
oder multos, bei dem Worte equites).
Listy filologick6 1888. Rob. Noväk, Ad b. Hisp. 1, 6 ita mnltis
ad commoda de hoste hortatis (st. Nipperdey*s ita paucis commoda hoste
hortato); 6, 2 Id cum — Pompejus rescisset, ea nocte secutus, viae diffi-
cultate et angustiis tardata hostis carra complura frumento onusta re-
traxit; 8, 2 regio — miniroe inops difficilemque habet oppugnationem et
non minus copiosa aquatione etc., mit Zufügung von minime, que und
et und Verwandlung des Accusativs copiosam aquationem in den Abla-
tiv; 11, 2 sie ut omne genus tormentorum absumeretur, quibus ignis etc.,
mit Zufügung der Worte tormentorum absumeretur quibus; 13, 7 wird
ut eam turrem sine periculo quis incenderet und 8 fune crure de ligno
einfach zu streichen gerathen; 21, 4 wird saluti gestrichen und subsidio
beibehalten; 26, 3 schlägt Noväk vor clamitare (st. agitare); 32, 2 ita
tragulis [Galileis jaculis] oppidum ex hostium cadaveribus sumptis cir^
cumplexi etc., mit Zufügung von sumptis, das aus dem hdschr. sunt ge-
macht ist; 41, 2 aditus — hosü impediret (st aditus — hostem appe->
teret); 42, 7 alias legiones (st. decem legiones).
Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 1883. Prammer
möchte bell. Gall. I, 1, 6 lesen ea pars st. eorum una pars, weil wegen
des kurz vorhergegangenen cum Germanis und der darauf bezüglicliea
Caesar. 117
Pronomina eos and eomin das eoram vor ana nicht gut auf Gallos be-
zogen werden könne; I, 24, 2. 3 [ita ati supra se] und [interea]; I, 43, 3
[ut] hinter denos; Y, 43, 5 [eo die]; VI, 29, 1 soll omnes hinter Sne-
bos gesetzt, dagegen vor Germani gestrichen werden. — 1886 Pramoier
schlägt vor b. Gall. VII, 32, 3 nunc hinter duo einzuschalten, als Gegen-
satz zu antiquitus; VII, 70, 3 [relictis] hinter portis; VIII, 4. 1 centu-
rionibus alterum tantum st. centurionibus tot milia; VIII, 24, 3 [interea]
vor sarcinas. — 1889 Fleischmann will bell. Gall. III, 2, 6 das bei per*
suasum faabebant ungehörige sibi zu ac(jungere construiren, wonach deun
finitima provinciae st. finitimae provinciae geschrieben werden soll.
Mnemosyne 1884. Van der Mey, b. Gall. I, 46, 4 [usus]; VI, 82,
2 reducerent (st. reducerentur) ; wegen der alsdann eintretenden Aus-
lassung des Demonstrativpronomens wird VI, 23, 9 und VII, 31, 3 an-
gefahrt; VII, 36, 4 sie apertis quidem cohortibus (st. captis quibusdam
cohortibus); b. civ. I, l, 3 ad certam (st. ad Gaesaris).
1889. J. J. Gornelissen schlägt vor (neu): B. civ. I, 7, 2 viola-
retur (st. notaretur); I. 33, 4 in — Galliam pertendit (st. in - perve-
nit); I, 66, 3 tectas (nämlich naves, st. certas); I, 82, 2 aciem instruit
contra; opinione — famaque (st. aciem instruit contra opinionem —
&maque); I, 86, 3 imparatos (st. imperitos); II, 1, 3 reliqua quarta
est, qua aditum habet (st. reliqua quarta est, quae aditum habeat);
II, 2, 4 invisitatis alias (st. des hdschr. invisis latitatis); II, 12, 3
perversa (nämlich opera, st. perfecta); II, 33, 1 mediam interpella-
bant (st. etiam interpellabant, oder des von Em. Hoffmann einge-
führten etiam dicentem interpellabant); II, 41, 8 servare voluisset (st
— potuisset); III, 2, 3 detinuerat; (mit Beibehaltung von magnum
bei numerum, st. deminuerat); III, a, 3 indiligentiae suae iracundiam
ac dolorem erupit (st. indiligentiae suae ac doloris iracundiam erupit);
III, 9, 2 valle munitum (st. coUe — ); III, 16, 7 easque (nämlich indu-
tias) ab iis impetrant (st atque ab iis — ); III, 44, 3 immatura sata (st
manu sata) ; III, 48, 1 qui tuebantur se holeribus (st. des hdschr. qui fue-
rant valeribus); III, 49, 2 in vigiliis custodiisque (st. in vigiliis coUoquiis-
que) ; III, 60, 1 incertas (nämlich sagittas, st des hdschr. universas, wo-
für gewöhnlich universi gelesen wird); III, 68, 6 consumptis equis (st
corruptis — ); III, 63, 8 in apertos nostros (st in aversos nostros, das
gewöhnlich st des hdschr. in adversos — gesetzt wird) ; III. 76, 2 qaam
lentissime (st quam serissime unsrer Drucke und quam suetissime der
Hdschr.); III, 81, 2 necessitudinibus (st exercitibus) ; III, 108, 3 ita fie-
rent (st des blossen fierent); III, 109, 6 occubans (st. occupatus); III,
110, 1 Eae erant — copiae (st Erant — copiae, wo Paul das eae vor
copiae einschaltet); III, 110, 2 morem (st nomen). — B. Alex. 2, 6
jumentis subjunctis (st - objectis); 16, 7 properam fugam (st propin-
quam — ); 17,4 habiliter (st mobiliter); 21, 6 libero sunt usi ponte ad
emittenda navigia (st libere sunt usi postea ad mittenda — ); 24, 6 ut
118 Einzelne Stellen.
eqnus carceribus — emissus (st. ut ex carceribns » emissus); 26, 3
dimicatio roari inita (st. dimicatio maritima); 41, 2 wird za Victor noch
insolentiesimus zugesetzt; 44, 4 numero classiariomm (st numero classis);
49, 2 furtivi (nämlich quaestus, st. sordidi); 52, 2 submisse (st ut mi-
les); 55, 3 ultro (st vere); 58, 3 id qua mente commiserit, coi^ectara
est (st. id qua mente, communis erat coi^ectura); und infatuabantur (st.
fatebantur); 59, 2 eraserunt (st detraxemnt); 60, 1 feracissimaeque (st
carissimaeque); 62, 8 aeqne (st saepe); 66, 5 imminutionemque generis
(st mutationemquc generis); ausserdem soll tamen vor propter gestellt
werden; 67, 1 quae nuUa praesidia in Gaesaris habuisset exercitibus (st
quae nulla praesidia Gaesaris habuisset, excitus); 74, 2 quominus —
reliqua pars exercitus opus faceret juberet (st des blossen faceret ohne
juberet); 76, 2 temere (st tamen). — B. Air. 3, 5 [tutura ab hostium],
so dass praesidio zu pro certo gehört; 7, 8 Uticam versus cursum pe-
tere, mit ZufÜgung von cursum, (st. des blossen Uticam versus petere);
31, 2 modestissime (st honestissime) ; 52, 4 pulvisque vento elatus, nach
Liv. IV, 33, 8 (st pulvisque vento flatus); ebenda [funditus]; 57, 6 inep-
tissimoque (st inertissimoque); 81, 2 laudem (st. locum, hinter famam);
67, 3 ante portam villulam .... muniverat (st. ante portam bellicam ....
muniverat, ohne ein Object dieses Yerbums); 88. 4 vulnus atque (st at-
que vulnus); 94, 1 compactus (st des hdschr. conatus, wofür nach Flo-
rus II, 13, 69 coenatus eingesetzt worden ist)
Bei der zur festgesetzten Zeit erfolgten Einlieferung meines ^a-
nuscripts haben von einigen Zeitschriften die letzten Hefte des Jahrgangs
1890 nicht mehr eingesehen werden können. Sollten darin Aufsätze über
die Commentarien enthalten sein, werden sie bei der nächsten Bericht-
erstattung die gebührende Berücksichtigung finden.
Der Befürchtung, welche ich Philol. Suppl. V S. 360 ausgespro-
chen habe, dass die Neuzeit zu einer völligen Umwälzung des ganzen
Textes der Gommentarien führen werde, schliesst sich Menge, N. Philol.
Rundschau 1889 S. 180 an. Die grosse Zahl der Aenderungsvorschläge,
welche ich hier, und vielleicht noch nicht einmal vollständig, aufgeführt
habe, wird diese früher geäusserte Ansicht jetzt wohl noch mehr gerecht-
fertigt erscheinen lassen. Die so viel gerühmte Deutlichkeit des uns
überkommenen echten Werks Gäsar's kann demnach nicht so bedeutend
sein, wie es gewöhnlich angenommen wird, wenn auch da so ausser-
ordentlich viele Aenderungen vorgeschlagen werden müssen, und wenn
so weit auseinandergehende Erklärungsversuche vorgebracht werden.
Bericht über die Erscheinungen auf dem Ge-
biete der lateinischen Grammatiker für die
Jahre 1877—1890.
Von
Professor Dr. Georg Goetz
in Jena.
Zam Bedauern der Redaction sowie der Freunde der grammatischen
Studien der Römer hat HermannHagenes abgelehnt, seine Berichte über
die lateinischen Grammatiker fortzusetzen. Der nachfolgenden Uebersicht,
welche die entstandene Lücke ausfallen soll, mögen einige orientierende
Bemerkungen vorausgehen. Zunächst ist hervorzuheben, dass der Aus-
druck 'Grammatiker' nicht auf die zunftmässigen Gelehrten der Gram-
matik oder gar auf die in der Keuschen Sammlung vereinigten Schrift-
steller beschränkt ist: berücksichtigt werden alle grammatischen
Schriftsteller von der ältesten Zeit an; nur die Scholiasten sind
in mehreren Fällen ausgeschlossen worden, weil sie schon an anderer
Stelle behandelt waren, ebenso sind die Metrik er übergangen. Ferner
schien es unthunlich, die Beiträge zur Kritik einzelner Stellen mitzu-
theilen, ausser in besonderen für die grammatische Tradition wichtigen
Fällen. Eine Mittheilung sämmtlicher Verbesserungsvorschläge würde
erstens einen gröfseren Raum erfordern, als er diesem Gebiete zugestan-
den werden kann; eine Vollständigkeit würde aber ohnehin nicht zu er-
reichen sein bei Texten, die sich jeder Benutzer von Neuem zurechtlegt;
schliesslich ist es auch nicht die Aufgabe eines solchen Berichts, das
Studium der behandelten Schriften den Betheiligten zu ersparen. Man
wird also gut thun, in dem Nachstehenden nur eine kritische Ueber-
sicht über die Erscheinungen auf dem Gebiete der grammatischen Schrift-
stellerei zu erblicken. Dass auch in dieser Beschränkung Einzelnes über-
sehen sein kann, sei dabei von vornherein zugegeben. Wichtigere Aus-
lassungen sollen ein ander Mal nachgeholt werden, natürlich mit Aus-
schluss von Schriften über solche Autoren, die absichtlich übergangen
worden sind, wie z. B. der späte Grammatiker Virgilius, dessen Bedeu-
tung abseits der classischen Stadien liegt. Abgeschlossen wurde der
Bericht im October 1890.
120 Lateinische Orammatiker.
I. Die Orammatiker der Republik und der augugteisehen Zeit.
Ennius.
Die Ansicht, dass der Dichter Ennius gegen Cottas Meinong
identisch sei mit dem hei Sueton de gramm. 1 erwähnten Yer&sser der
heiden Bücher de litteris syllabisque, vertritt E. Baehrens in seinem
Aufsätze über die Consonantengemination im Lateinischen (Fleckeisen's
Jahrbücher 127. 1883. S. 788): allein Gründe, durch die Cotta widerlegt
würde, hat er nicht beigebracht. Es ist richtig, dass der Grammatiker
Ennius von einem seltsamen Dunkel umflossen ist: doch w&re es minde-
stens ebenso seltsam, wenn eine Schrift des berühmten Ennius so geringe
Spuren bei den Grammatikern hinterlassen hätte.
Aeltere Olossographen.
Ueber die älteren Glossographen einfachster Art — glosse-
matorum scriptores — handelt Referent im Index schol. Jen. a.
1886 S. Xf. Die Einrichtung der für den Schulgebrauch bestimmten
Sammlungen war demnach folgende: 1) das Lemma behielt die Form,
die in der Fundstätte vorhanden war: ihr entsprach das Interpretament;
2) es fehlten anderweitige Belege; 8) es fehlten etymologische Zusätze.
Verschieden von ihnen waren die Werke wissenschaftlichen Charakters
von Männern wie Aelius Stilo und Aurelius Opilius, obwohl eine
Beeinflussung unter einander sehr wohl stattgefunden haben kann.
L. Aelius Stilo.
An der Spitze der eigentlichen Grammatiker der Republik steht
der Lelirer Yarro^s L. Aelius Stilo Praeconinus. üeber ihn handelt
Ferd. Mentz, De L. Aelio Stilone (in den Gommentationes philol.
Jenens. vol. lY S. 1—60). Lips. 1890.
Der Yerfasser hat sich die Aufgabe gestellt, 'quaecumque post
Heusdium a viris doctis de illo grammatico dicta essent vel scripta in
unum corpus congerere *. Diesen Plan hat er mit redlicher Mühe durch-
geführt, wenn ihm auch hie und da einiges entgangen ist So hat er in
den Addenda (nicht p. 406, sondern auf der Rückseite des Indexblattes)
selber bemerkt, dass im ersten Abschnitt, der über das Leben Stiles
handelt, Marx Quaest. Lucil. p. 96 ff. übersehen worden ist Der zweite
Abschnitt handelt de Aelii doctrina et studiis; der dritte de Aelii scrip-
tis (den lapsus über den Index des Aelius hat der Yerfasser in den er-
wähnten Addenda berichtigt); der vierte de Aelii fragmentis, der fünfte
enthält veterum scriptorum de L. Aelio Stilone testimonia; der sechste
adnotationes ad fragmenta. Dass man hier und da durch tieferes Ein-
Lateiniselie Grammatiker. 121
dringen noch weiter vorw&rts kommen kann, scheint mir ansser allem
Zweifel. — Als grammatische Schriften des Aelius werden ausser dem
commentarins de proloquiis folgende anerkannt: l) interpretaüo carmi-
num Saliarium; 2) ein liber etymologicus, dessen Titel wir nicht mehr
kennen, dessen Anlage aber eine glossographische gewesen za sein scheint
Dieses Werk haben sowohl Yarro als Verrins benatzt: bei den späteren
finden sich nar wenige, zum Theil sogar unsichere Spuren directer Be-
nutzung. Die Fragmente sind in vier Gruppen getheilt: 1) fragmenta in
quibus ipsa Aelii verba explicantur; 2) fragmenta in quibus Aeüi ex-
plicatio refertur; 3) fragmenta dubiae auctoritatis; 4) fragmenta spuria.
Eine Besprechung dieser verdienstlichen Schrift gibt R. Hübbe
in der Berliner philol. Wochenschr. 1890. S. 848—850.
M. Terentius Varro.
M. Terenti Varronis de lingua latina libri. Emendavit appa-
ratu critico instrnxit praefatus est Leonardus Spengel. Leonardo
patre mortuo edidit et recognovit filius AndreasSpengel. Berolini
apnd Weidmannes. 1885. XC u. 286 S. 8.
Dass die Ausgabe 0. Mtlllers nicht mehr genttgte, war längst
kein Geheimniss, namentlich seit man genauere Mittheilungen über den
Codex Florentinus erhalten hatte. Eine Neuausgabe hatte L. Spengel
verheissen, starb aber vor Ausftlhrung seines Planes. Unter diesen Um-
ständen durfte man es willkommen heissen, dass A. Groth in seiner
Dissertation (de M. Terenti Varronis de lingua latina librorum codicc
Florentino in den Dissert. Argent. IV a. 1880 S. 79—146) eine vollstän-
dige CoUation der Florentiner Handschrift publicierte. Vorausgeschickt
sind einige Bemerkungen .Ober die Eigenthümlichkeit des codex arche-
typus, beigefügt kritische und einzelne exegetische Noten. Indessen
sollten auch die Spengelschen Vorarbeiten nicht verloren gehen: fünf
Jahre nach dem Erscheinen der Grothschen Schrift veröffentlichte
Andreas Spengel unter pietätvoller, aber selbstständiger Benutzung
dessen, was Leonhard Spengel hinterlassen hatte, eine neue Bear-
beitung- Dieselbe hat vielfache Besprechungen erfahren, so von W. Christ
im zweiten Bande des Wölfflinschen Archivs S. 619ff., vom Referenten
in der Berliner philol. Wochenschrift 1886 S. 779ff., von H. Jordan in
der deutschen Litteraturzeitung 1886 S. 1602, von E. S. im Centralblatt
1887 8. 677, von J. M. Stowasser in der Zeitschrift für österr. Gym-
nasien 1886 S. 629ff., von Ettore Stampini in der Rivista di filol.
Band 14 S. 532 ff. So viel auch im Einzelnen mit Recht getadelt sein
mag, im Ganzen und Grossen hat die Ausgabe eine Lücke in befriedi-
gender Weise ausgeftdlt Die neue Recension des Textes bezeichnet einen
erheblichen Fortschritt, obschon noch zahlreiche Räthsel geblieben sind.
122 Latainisebe Grammatiker.
Auf dem geebneten Boden der neuen Ausgabe befinden sich zwei
kleinere Arbeiten:
0. Ribbeck, 'Die Composition der varronischen Bücher V— VII
de lingua latina' im 41. Band des Rhein. Museum (1886) S. 618ff.;
G. Goetz, Quaestiones Yarronianae im Index Jen a. 1886/87.
Wie der Titel der ersten Abhandlung angibt, soll die Anordnung
im Einzelnen dargelegt werden. 'Eine Vorliebe für spielende Ideenver-
bindungen, auch gelegentliche Einflechtung von Excursen und beiläufigen
Bemerkungen kann bei der Natur Varros am wenigsten Wunder nehmen.
Aber die Wortkargheit in den Uebergängen und bei der Rückkehr auf
die verlassene Bahn ist dem Verstftndniss hinderlich. Dazu kommt ein
der antiken Compositionsweise gemeinsames Princip, wie im einzelnen
Satzbau, so in der Anordnung von Dingen oder Gedanken das Unter-
und Nebengeordnete voranzuschicken und die Hauptsache durch diesen
Unterbau vorzubereiten, ohne das logische Verhftltniss der Glieder aus-
drücklich anzugeben'. Man muss zugeben, dass es dem Verfasser vor-
züglich gelungen ist, Ordnung in das scheinbare Gewirr zu bringen, wenn
man auch vielleicht Bedenken tragen wird, die Annahmen willkürlicher
Störungen des Ursprünglichen durch Abschreiber gut zu heissen. — Die
zweite Abhandlung beschäftigt sich 1) mit der Herkunft des codex Flo-
rentinus; 2) mit dem Verhältniss des Verrius Flaccus zu Varros sieben-
tem Buche; 3) mit einigen einzelnen Stellen des varronischen Werkes.
Es wird im zweiten Theile die merkwürdige Thatsache, dass Verrius den
Varro nicht benutzt hat, mit der gemeinschaftlichen Quelle, aus der beide
geschöpft haben, erklärt; als diese gemeinsame Quelle wird ein grösseres
glossographisches Werk bezeichnet. Ribbeck nimmt ft'eilicb verschie-
dene Werke an, bald einen Gommentar oder ein Glossar zu Ennius, bald
die Glossare des Opilius und Claudius, bald ein naevianisches Glossar.
Mir scheint auch jetzt die Annahme einer einzigen Hauptquelle noch die
meiste Wahrscheinlichkeit zu haben.
Vor der Spengelschen Ausgabe ist erschienen
Henry, V., De sermonis humani origine et natura M. Teren-
tius Varro quid senserit. Insulis, 1888. Diss.
Diese Arbeit enthält eine Darlegung der Ansichten Varros über
Wesen und Ursprang der Sprache nebst einer Kritik dieser Ansichten
Eine wesentliche Förderung der betreffenden Fragen bietet die wortreiche,
in fragwürdigem Latein verfasste Schrift auf keinen Fall.
Einige Bemerkungen allgemeiner Art über Varros grammatische
Schriften macht Nettleship Journ. of Phil. XV S. 190 f.
t
Lateinische Grammatiker. 123
NigidiuB Figulus.
Ueber den Fragmenten dieses gelehrten und interessanten Mannes,
dem das Alterthum eine Stelle zunächst dem Yarro anwies, hat nach der
wichtigen Arbeit von Rutgers ein eigener Unstern gewaltet. In der
ersten Hälfte der vierziger Jahre war es nahe daran, dass Martin Hertz
eine Sammlung der Ueberreste ttbemommen hätte: auf Bitten J. Men-
zels stand Hertz von seinem Vorhaben ab und die bekannte Abhandlung
von ihm erschien ohne Fragmente. Das nämliche gilt von den späteren
Arbeiten von J. Klein und J. Frey. Die neueste Zeit hat endlich das
Versäumte nachgeholt und zwei Arbeiten ttber diesen Gegenstand her-
vorgebracht, die eine zugleich mit der lang vermissten neuen Sammlung
der Fragmente. Diese Arbeiten sind:
Röhrig, A., De P. Nigidio Figulo capita duo. Diss. von Leip-
zig. Koburg 1887. 64 S. — Swoboda, A., P. Nigidii Figuli ope-
rnm reliquiae collegit emendavit enarravit quaestiones Nigidianas prae^
misit. Yindob. 1889. 144 S. (Diss. Yindob. II S. 1—65 ohne Frag-
mente).
Die Schrift von Röhr ig zerfällt in zwei Haupttheile Der erste
bringt eine Besprechung der Autoren, bei denen sich Ueberreste des
Nigidius Figulus finden. Mit lobenswerther Sorgfalt werden die Spuren
des Nigidius bei Cicero, Varro, Verrius Flaccus, Plinius, Quintilian,
Gellius, Sueton, dem Germaniscusscholiasten und anderen besprochen.
Die einschlägige Litteratur ist gewissenhaft benutzt, die Resultate frei-
lich sind unerheblich. Der zweite Theil mit der, wie M. Hertz in sei-
ner Besprechung mit Recht hervorhebt, nicht recht geschickten Ueber-
schrift »de Nigidii studiis operumque doctrina et singulis rebust behandelt
auf S. 40 — 46 die studia grammatica, S. 46 — 48, die studia philosophica,
S. 48-- 52 die studia theologica, 6. 52 ff. die Studien auf dem Gebiete der
Naturwissenschaft. Es folgt eine Zusammenfassung der Hauptresultate
nebst einer Uebersicht ttber die sprachlichen Eigenthttrolichkeiten des
Nigidius. Im Ganzen lehnt sich der Verfasser an seine Vorgänger an,
'manches aus- und weiterführend, einzelnes in stets sachlich gehaltener,
wenn auch zuweilen etwas zu bestimmt auftretender Weise mit mehr oder
minder Erfolg bestreitend' (Hertz). Die Hertzsche ^Besprechung, die
auch manche Einzelheiten erörtert, findet sich in der Berliner philol.
Wochenscbr. 1888 S. 296 ff., andere Besprechungen rühren her von A.
Breysig in derselben Zeitschrift S. 206ff. und M. Luedecke in der
philol. Rundschau 1888 S. 802.
Von erheblich grösserer Bedeutung ist die zweite Schrift Die den
Fragmenten vorausgeschickten quaestiones behandeln 1) die grammatische
Schrift des Nigidius; 2) die Schrift de diis sowie die übrigen theologischen
Werke ; 8) die naturwissenschaftlichen Schriften. Dann kommt die wohlge-
124 Lateinische Grammatiker.
ordnete Sammlung der Fragmente nebst Indices. Ich beschränke mich
anf ein paar Bemerkungen Ober die grammatische Schrift.
Die Hauptcontroverse des ersten Abschnittes erstreckt sich auf die
Anlage der commentarii grammatici. Hatte Hertz die Ansicht zu be-
grtlnden versucht, (Nigidium) certum aliquod systema hand secutum esse
videri, sed prout aiiquid notatu dignum ipsi obvenerit hoc nullo ordine
per argumentum ipsum praescripto in coromentarios rettulisse, so glaubte
Merckliu aussprechen zu dürfen, dass das Werk zy/st keine ars ge-
wesen sei, dass aber durch den zerrissenen Bau der Commentare eine
Ordnung und Entwickelung hindurchschimmere. Swoboda sucht zu be-
weisen, Nigidium per singulos vel etiam per plures commentarios singolas
quasdam materias sibi tractandas sumpsisse: eine Ansicht, die zwischen
denen von Hertz und Mercklin die Mitte hält. Es ist wohl möglich,
dass die Sache sich so verhält, aber durchschlagend sind die Argumente
Swobodas sicherlich nicht Was er S. 6 über irascere sagt, scheint mir
ganz unglaublich; die Folgerungen aber, die aus der S. 12 gegebenen
Tabelle gezogen werden, sind durchaus unsicher. Wir werden wohl da-
rauf verzichten müssen, uns eine detaillirte Vorstellung von dem Werke
zu bilden. Die weiteren Darlegungen des betreffenden Abschnittes be-
ziehen sich auf controverse Einzelheiten.
Was die Fragmentsammlung anlangt, so scheint sie mit Energie
und Sorgfalt gearbeitet zu sein. Der Verfasser konnte sich auf vortreff-
liche Vorarbeiten stützen: für Qellius bot ihm die adnotatio critica von
Hertz sehr vieles, für Servius die von Thilo, für Nonius der erste
Theil der Müllerschen Ausgabe. Der Hauptzuwachs der grammati-
schen Fragmente würde aus Nonius zu gewinnen sein, wenn die von
dem Verfasser in gelehrter und scharfsinniger Weise dargelegte Ansicht
richtig wäre, nach der eine Anzahl Stellen über Adverbia auf im bei
Nonius durch Vermittelung eines Glossars aus Nigidius geflossen ist
Man kann die Ansicht von P. Schmidt (de Nonii Marcelli anctoribos
grammaticis) für richtig halten, dass aus der Quelle des elften Buches
manches in die früheren Bücher übergegangen sei. Dass diese Quelle
aber ein Glossar war, ist nicht zu erweisen, auch durch die Plautns-
reihen nicht, die sich S. 610 finden. Man kann femer dem Verfasser
zugeben, dass unter den Quellen, aus denen die Quelle des elften
Buches geschöpft hat, Nigidius gewesen ist. Trotzdem aber wäre der
Faden, mit Hülfe dessen die Autorschaft jener Partien auf Nigidins
zurückgeführt wird, so dünn, dass auf ihn kein Verlass sein dürfte. So
wünschte ich denn, dass jene Noniusstellen in der Sammlung der Frag-
mente weggelassen wären. Im Uebrigen aber bin ich weit entfernt^ den
Werth der trefflichen Arbeit zu verkennen, die zu den besten auf die-
sem Gebiete zu rechnen ist. Vergl. die Besprechung von H. Keil in
der Deutschen Litteraturz. 1889. No.47 S. 1718—1719, von G. Wiaftowä
in der Zeitschr. f. österr. Gymn. XL 111 8. 994-997, von P. L* in der
Lateioisdie Grammatiker. 125
Reyae critique 1889 No. 47 S. 867—869, von M. Lttdecke, Neue phil.
Randschau ISOO S. 137—180, yon A. Breysig, Berl. philo!. Wochen-
schr. 1890 S. 242—249, von H. H. im Litt. Gentralbl. 1 890 S. 66. 67.
Cicero.
Hermann Schlag, Cicero, Verfasser einer grammatischen Schrift.
Zugleich ein Beitrag zur Werthbestimmung der grammatici latini. Jah-
resbericht des Realgymnasiums zu Siegen. 1888. 16 S. 4.
Dass Cicero mit der Grammatik wohl vertraut war, versteht sich
bei seiner sorgfältigen Erziehung von selbst: zum Ueberfluss wird es von
Quint. I 7, 84 und Tacitus dial 30 noch ausdrücklich bezeugt. Der Ver-
fasser der obigen Schrift sucht den Nachweis zu führen, dass Cicero sich
auch schriftstellerisch mit der Grammatik beschäftigt und ein gram-
matisches Werk herausgegeben habe. Den einleitenden Abschnitt, der
1) über Ciceros grammatische Kenntnisse und Studien handelt, 2) eine
Sichtung der grammatici nach ihrer Selbständigkeit zu geben versucht,
Obergehe ich: er ist theils unerheblich theils geradezu mangelhaft Aber
auch der Haupttheil ist verfehlt. Die sechs Fragmente, auf die Schlag
sich stützt, sind: 1) die bekannten Stellen bei Cledonius p. 26, 31; 28,
97 und Pompeius 8. 110, 10; 2) die Stellen bei Quintil. 14, 11, Velins
Longus S. 64, 16ff. und Marius Victorinus S. 18, 18. Allein die drei
letzteren beweisen für die Existenz einer grammatischen Schrift nicht
das Geringste: die berührten orthographischen Eigenthümlichkeiten wur-
den irgend einmal und zwar in früherer Zeit aus Cicero belegt (nach
Nettleship ist Verrius Flaccus de orthographia die Quelle für Velins
Longus und Quintilian). Die drei ersten Stellen beweisen ebensowenig:
vergl. die Schrift von Bertsch (Cledonii Ars gramm.) S. IV, wo F. Scholl
das Richtige gesagt hat Die Quelle war Cic. in Verr. II 2, 76, 187:
Erani aceeptae pecuniae C^ Verrucio C. f, sie iamen, ut vsque ad aUerum
R l%Uer<M conatareni integrae^ reliquae omnea essent in litura,
Dass die Spur, die Eduard Zarncke in seinem Aufsatze: Aus
Murbachs Klosterbibliothek anno 1464 (Commentationes in honorem Gu-
lielmi Studeround editae) S. 196 ff. gefunden zu haben glaubte, trügerisch
sei, hat dieser inzwischen selbst erkannt. Damit dürfte wohl die gram-
matische Schrift Ciceros beseitigt sein. Vergl. die Bemerkungen des
Ref. in der Berliner philol. Wochenschr. 1890 S. 196. 196.
Ueber die sogenannten Synonyma Ciceronis handelt
J. W. Beck, Die Synonyma Ciceronis, een handboek der Sy-
nonymiek uit den tijd van Fronte, i. d. Zeitschrift * Coniunctis uiribus*
1889 3 de Reeks No. 8.
Diese Schrift kenne ich nur aus dem Referat Sittls im sechsten
Bande des Archivs S. 694ff. Im Anschluss an die Sittische Bespre-
1 26 Lateinische Grammatiker.
drang machte ich einige Bemerkungen über den Ursprung der Sammlung
a. 0. 0. Yergl. dazu die Gegenbemerkungen von Sittl und die Zusätze
von Beck, ebenda jene S. 267, diese S. 297. Referent behält sich vor,
auf diese Frage nach dem Erscheinen der angekündigten Ausgabe der
Synonyma Giceronis von Beck zurückzukommen.
Verrius Flaccus.
S. Pompei Festi de verborum significatu quae supersunt cum
Pauli epitome edidit Aemilius Thewrewk dePonor. Pars.!. Bu-
dapestini. Sumptibus academiae litterarum Hungaricae. MDCCGLXXIX.
VIII u. 631 S. 8.
Eine neue Festus-Paulusausgabe gehörte schon längst zu den drin*
gendsten Bedürfnissen. Denn auch die Wiederholung der MüUerschen
Ausgabe von Simmel & Cie (Editio nova. ÄccedurU D fere canieeiurae w,
dd. po8t Muellerum factae. Lipsiae 1880) konnte trotz der Beigabe den
Anforderungen nicht entsprechen. Vor allem musste der Cod. Farnes,
neu verglichen werden. Wie nothwendig dies war, ergab sich beispiels*
weise aus den Festusabschnitten bei Bruns (fontes iuris Rom. fIXnfte Auf-
lage), deren Neubearbeitung Mommsen unter Zubttlfenahme der Colla*
tion von Christian Hülsen besorgt hat, ergab sich aus anderen ge-
legentlichen Notizen Hülsen s. Beiträge zur Handschrifbenkunde des
Festus resp. Paulus gaben Reitzenstein (Verrian. Forschungen S. 97 £f.),
Nolhac (le Festus d*Ange Politien in Revue de phil. X p. 145 — 148, la
biblioth. de Fulvio Orsini p. 212sqq.), Thewrewk von Ponor (1. Co-
dex Festi breviati in ' Nyelvtudom4nyi Közlem^nyek XIV; 2. der Festus-
Pauli- Codex der Corvina, eine Abhandlung, von der ich nur den Sepa-
ratabzug kenne; 3. Festusstudien, Separatabdruck aus der Ungarischen
Revue. Budapest 1882: cf. Georges, Philol. Rundschau II S. 1106—
1108; 4. Codex Festi breviatus Trecensis in jjdölanges Graux 1884.
p. 659 — 669). Nunmehr ist von der lang vorbereiteten Ausgabe des Letz-
teren der erste Band erschienen. In einer kurzen Vorrede spricht ^er
Herausgeber über seine Hülfsmittel. Der codex Farn, sowie die Schedae
sind von Abel verglichen, andere Handschriften hat er selber in Buda-
pest vergleichen können. Einen Nachweis der französischen Paulushand-
schriften verdankt er Henri Omont. Auf die Vorrede folgt der Text
des Paulus sowohl wie des Festus, aber ohne jeden Apparat. Man wird
deshalb fürs erste das Gebotene mit Dank entgegennehmen, eine Bespre-
chung aber vorläufig aussetzen: wer nicht über das ganze Material ver-
fügt, wird ausser Stande sein, sich ein richtiges Urtheil über den erschie-
nenen Band zu bilden.
Kleinere Beiträge zur Kritik und Geschichte des Festustextes fin-
den sich in den 'Meletemata Festina' (Ind. Jen. a. 1885/86. 8 S. 4.) und
*Nova meletemata Festina* (Ind. Jen. a. 1887. 8 S. 4.) des Referenten.
Lateinische Grannnatiker. 127
Die erstere Abhandlung beschftftigt sich in der Hauptsache mit dem Ver-
hftltniss Osberns zu Festus» die zweite bezieht sich auf verschiedene
Einzelglossen, sowie das Verh<niss des Apuleius zu Verrius Flaccus,
die Thätigkeit des Paulus Diaconus, die Herkunft des codex Far-
nesinas und einiges andere.
üeber die Lebensverhältnisse des Verrius handelt im Anschluss
an die Suetonische Yita
Johannes Yahlen im Index Berol. hib. 1877/78. 8.
Nach einer eingehenden Besprechung der Worte in inferiore fori
parte circa hemicyclium^ die sich zum Theil gegen Hirschfeld (Hermes IX)
richtet, kommt Vahlen auf die Anlage des Abschnittes de grammaticis
zu sprechen. Nach seiner Ansicht kam es Sueton in erster Linie darauf
an, die sich durch ihre Lehrthätigkeit auszeichnenden Grammatiker vor-
zuführen: daraus erkläre es sich z. B., dass Aemilius Asper überhaupt
nicht vorkomme, sowie auch, dass des Verrius Schriften übergangen wer-
den. Auf die Viten des Palaemon und des Probus fällt durch diese Be-
merkung ebenfalls neues Licht.
Auf die Vahlensche Schrift bezieht sich der erste Abschnitt der
Analecta critica et grammatica von A. Reifferscheid (Ind. schol. Vra-
tisL a. 1877/78) 8. 3-9, theils zustimmender, theils polemischer Art. Da
die polemischen Bemerkungen sich auf Einzelheiten erstrecken, so muss
ich darauf verzichten, näher darauf einzugehen.
Die sonstigen Beiträge erstrecken sich in erster Linie auf das lexi-
calische Werk, dass uns in den Auszügen des Festus und Paulus er-
halten ist. Was die Person des letzteren betrifft, so wird an der Iden-
tität mit Paulus Diaconus kein Zweifel mehr aufzukommen vermögen.
Einige Bemerkungen über diese Frage unter Bezugnahme auf die frühere
Litteratur finden sich in der Schrift des Referenten 'Nova Meletemata
Pestina' p. Vif.
Während das Verhältniss von Paulus zu Festus im Allgemeinen
durchsichtig ist — einige Andeutungen darüber finden sich z. B. bei
Leidolph, de Festi et Pauli locis Plautinis in den Comment. Jen. vol.
II p. 200ff. sowie bei Nettleship, Lect. and Ess. p. 202 — so ist die
Frage nach dem Verhältniss des Festus zu Verrius naturgemäss weit
schwerer zu beantworten. In der Vorrede seiner Ausgabe hat 0. Müller
auf einen auffallenden Unterschied in der Anordnung des Materials in
den ersten und zweiten Hälften der einzelnen Buchstaben hingewiesen:
er folgerte daraus, dass nur die ersten Theile dem Verrianischen Haupt-
werke entnommen seien: die zweiten Theile spricht er dem Festus zu,
der das Material 'ex aliis Verri libris de obscuris Catonis, de Plauti
vocabulis, de iure sacro et augurali, etiam de grammaticis rebus* ent-
lehnt habe. Diese Ansicht Müllers hat 0. Gruppe in den Comment.
in hon. Theodori Mommseni p. 647 ff. dahin zu modificieren versucht, dass
128 Lftteiniache Gmnmatiker.
er als Quelle des Festas nicht sowohl verschiedene Werke des Yerrins
als verschiedene Werke verschiedener Autoren hinstellt Fesios habe
das Werk des Verrius nicht bloss ezcerpiert, sondern aach interpoliert ;
die gegenwärtigen zweiten Theile h&tten die Bestimmung gehabt, den
ersten Theilen eingefügt zu werden; das sei ans irgend einem Oninde
unterblieben, so dass das Werk unvollendet Oberliefert worden sei. Von
Festus rühre wohl auch die strengere alphabetische Anordnung der ersten
Theile her. Einen weiteren Schritt that F. Ho ff mann, de Festi de
verborum significatione libris quaestiones (Königsberg 1886): er löst die
zweiten Theile von den ersten vollständig ab und sieht in ihnen das un-
verarbeitete Material zu dem von Festus p. 218 versprochenen, aber nicht
zu Ende geftXbrten Werke 'Priscorum verborum cum exemplis', das
durch einen Zufall mit der Epitome verbunden wurde.
Zu andern Resultaten gelangten H. Nettleship Lectnres and Ess.
(Oxf. 1885), die an achter Stelle zwei Aufsätze über Verrius Flaccus ent-
halten, p. 20Iff. und R. Reitzenstein, Verrianische Forschungen (Bres-
lauer philol. Abhandlungen Bd. 1 Heft 4) Breslau 1887, die in manchen
Dingen, obwohl unabhängig von einander, ähnliche Ansichten vertreten.
Yergl. Nettleship in der Classic. Review 1887 S. 337. Der wichtigste
Punkt in der Nettleshipschen Darlegung ist der, dass die von Müller
für die zweiten Theile statuirten Reihen auch in den ersten Theilen vor-
handen seien, dass also in dieser Hinsicht das ganze Werk einheitlich
sei. Indessen will es mich bedünken, als seien die Spuren, die Nett-
leship auf S. 2l6f. aufführt, zu gering, um seine Ansicht erfolgreich zu
stützen. Die meisten Beispiele sind dem Zweifler gegenüber ohne jede
Widerstandsfähigkeit. Im Einzelnen aber bietet die Arbeit Nettle-
ships manche feine Bemerkung, auf die ich die Fachleute angelegentlichst
hinweise.
Reitzenstein sucht in dem ersten Theile seiner wichtigen und
inhaltsreichen Schrift den Nachweis zu erbringen, dass die Annahme,
nach der die zweiten Theile dem Festus gehörten, unwahrscheinlich sei.
Gegen Müllers und namentlich gegen Gruppes Ansicht spricht der
auf p. 215 deutlich dargelegte Arbeitsplan des Festus. Hoff manne
Ansicht scheitert an der Thatsache, dass die zweiten Theile nicht der
Vorstellung entsprechen, die wir uns nach des Festus Worten von sei-
nem projectierten Werke machen müssen. Gegen alle drei sprechen ver-
schiedene Glossen der zweiten Theile, die in eigenthümlicher Weise auf
die ersten Theile Bezug nehmen. Die natürlichste Annahme ist die, dass
die Verschiedenheit der Theile auf das excerpierte Werk selber zurück-
geführt wird. Es fragt sich nur, wie wir uns die Genesis der Verschie-
denheit bei Verrius zu erklären haben. Reitzenstein denkt sich die
Sache folgendermassen (im vierten Abschnitt S. 73): die streng alphabe-
tische Anordnung ist ... in die ersten Theile des Verrianischen Werkes
erst nachträglich durch zahlreiche Umstellungen hereingebracht. Verrius
Lateinische Grammatiker. 129
entwarf diese Abschnitte zunächst unter anderen Gesichtspunkten und
trug ... an vielen Stellen gleichzeitig Bemerkungen, welche sich unter
einander entsprachen, in verschiedenen Buchstaben ein. Die anfänglichen
Aufzeichnungen für die ersten Theile entsprachen daher den gegenwärtig
zweiten und letztere sind Stücke der ursprünglichen Stoffsammlung des
Yerrius, bestimmt, in derselben Weise wie die vorausgehenden umgearbeitet
und mit ihnen vereinigt zu werden. Da sich die Anfänge der zweiten
Theile in den Buchstaben P, R und S ungefähr entsprechen und die Um-
ordnung in den meisten Buchstaben noch nicht bis zu den Gruppen ca-
tonischer Glossen fortgeschritten ist, müssen wir annehmen, dass Yerrius
gleichzeitig einerseits seine früheren Aufzeichnungen umzuarbeiten begann,
andrerseits weiteren Stoff sammelte, natürlich, um ihn später ebenfalls
einzuordnen'. Wir hätten also ein unvollendetes Werk, das 'von andern
ohne grosse Aenderungen in einer Gestalt veröffentlicht wurde, welche
er (d. i. Yerrius) seinem Werke nicht zu geben beabsichtigte'. Ich habe
diesen Lösungsversuch in einer Besprechung des Buches in der Berliner
Phil. Wochenschr. 1887 S. 1152 für unbefriedigend erklärt und keines-
wegs zuversichtlich, sondern mit allem Yorbehalt einen andern vorge-
schlagen, der natürlich ebenfalls problematisch ist. Ich habe den letzten
Schritt gethan und die Yerschiedenheit der Theile des Festus dem Yer-
rius selber beigelegt. Es wird dort die Yerschiedenheit der alphabeti-
schen Anordnung mit der Yerschiedenheit der Quellen in Beziehung ge-
setzt derart, dass der Grundstock der ersten Theile aus alphabetischen
Quellen, der der zweiten aus nicht alphabetischen herzuleiten sei. Diesen
Erklärungsversuch hat Reitzenstein in einer These zu seiner Habili-
tationsschrift über Arrian als falsch bezeichnet. Es ist möglich, dass er
Recht hat: obwohl vielleicht der Fall vorliegt, dass er gewisse Yoraus-
setzungen als erwiesen annimmt, die ich für controvers halte. Je mehr
ich mit dem schwierigen Gebiete der Glossographie vertraut werde, desto
zurückhaltender bin ich in solchen Fragen geworden. Ich werde übri-
gens die Frage an anderer Stelle ex officio zu behandeln haben. Dass
der Reitzensteinsche Lösungsversuch problematisch sei, hat auch
Keil in seiner Besprechung in der Deutschen Litteraturztg. 1887 S. 1582
anerkannt. — Im zweiten Abschnitt (S. 22 — 40) sucht Reitzenstein
darzuthun, dass einige inhaltlich zusammengehörige Glossengruppen, die
sich als Auszüge abgeschlossener Darstellungen erweisen, sich über das
ganze Werk hin erstrecken. Solche Gruppen sind: 1) die Sprichwörter,
die nach M. Hertz auf Sinnius Capito zurückgehen; 2) die Tribnsnamen
und 3) die Glossen über coronae militares, die Mercklin beide dem
Yarro zuweist; 4) die Abschnitte über Yornamen, nach Reitzenstein
ebenfalls varronischen Ursprungs; 5) die Notizen über verschiedene Arten
der Blitze; 6) die Erklärungen der Yerwandtschaftsverhältnisse, um von
kleineren Gruppen zu schweigen. Aus dieser Darlegung folgert der Yer-
fasser, dass Yerrius seine Aufzeichnungen für verschiedene Buchstaben
Jahresboricht für Alterthnmiwiiminchaft. LXVm. (1891. IL) 9
\
130 LAteinisdie Grammatiker.
gleichzeitig machte. — Im dritten Abeclmitte verfolgt Reitzenstein
die zasammenhaagenden Gruppen der zweiten Theile nebst ihrer Ent-
sprechung. Ich hebe namentlich herror die treffliche Behandlnng der
Plantusreihen nnd der Abschnitte über HochzeitsgebrAnche. ^ Im fünften
Abschnitte wird die Frage erörtert, welche Quellen Verrins vmnittelbar
benutzt habe. Genauer gehandelt wird über Aelius GaUus und Aelius
Stilo. — Die Excurse erstrecken sich theils auf Einzelfiragen, theils auf
die Anordnung der Citate bei umfangreicheren Glossen der ersten Theile,
theils auf die Quellenfrage, theils auch auf die Ueberlieferungsfrage. Im
Ganzen bezeichnet die Arbeit einen bedeutenden Fortschritt auf dem
schwierigen Gebtete. Vergl. noch die Anzeige im Litt. Central)!. 1888
S. 769 Yon A. E., und in der Wochenschr. f. klass. Phil. V p. 167 ~ 170
von H. Wintber.
Neben dem Hauptwerke haben auch die übrigen nicht mehr eital-
tenen Schriften gelegentliche Berücksichtigung gefunden, so z. B. das
Budi de orthographia. Einige Bemerkungen über verriaiiische Be-
standtheile bei Velins Longus und Scaurus sowie bei Quintilian gibt
Nettleship Joum. of Phil. 6. 15 (a. 1886) S. 194. Vergl. unter Quin-
tilian. Ueber Nonins und Verrius, Gellius und Verrius, Pli-
nius und Verrius und anderes wird weiter unten zu handeln sein.
n. Die Grammatiker der späteren Zelt.
Ehe ich zu der Reihe der folgenden Grammatiker übergehe, er-
wähne ich den letzten Band der grossen Keilschen Sammlung, deren
Erscheinen in diesen Zeitpunkt fällt. Derselbe hat den Specialtitel :
Scriptores de orthographia Terentius Scaurus Velins Longus
Caper Agroecius Cassiodorius Martyrius Beda Albinus. Audacis ex-
erpta Dosithei ars grammatica Arusiani Messii exempla elocntionum
Cornelii Frontonis liber de di£ferentiis Fragmenta grammatica ex re-
censione Henrici Keilii. Index scriptorum. 676 S. Lipsiae in aedi-
bus B. G. Teubneri. 1880 = Grammatici latini ex recensione
Henrici Keilii Vol. VII.
Recensionen: Fase. 1 von A. E. Centralblatt 1878 S 1644 (Refe-
rat). Fase. 2 Ton demselben Centralblatt 1880 S. 1687 (einige Vorschl&ge
zu verderbten Stellen).
Mit diesem siebenten Bande hat die Sammlung der lateiniBchen
Grammatiker von H. Keil ihr Ende erreicht: es war ein langer und
mühseliger Weg, den der Herausgeber sich einst vorgenommen hatte:
mit Befriedigung darf er vom Ziele auf die zurückgelegte Strecke blicken,
und mit freudigem Danke beutet die gelehrte Forschung die Quellen
aus, die ihr hier erschlossen wurden. Der Inhalt des siebenten Ban-
des ergibt sich aus dem Titel: eines Lobredners bedürfen die Vor-
Latelflidehe Grammatiker. 131
zttge des Keuschen Werkes nicht. Ich will mich daher auf einige band-
sehriftliehe Nachträge heschränken, die theils andern verdankt werden,
theils sich mir selber bei Gelegenbeit anderer Studien ergeben haben.
Für die Orthographie des Beda hat Keil vier Handschriften
benutzt: den Paris. 7530, Montepess. 306, Leid. 122, Sangall. 249. Er-
wähnt werden noch der Paris. 4841. Harlei. 3826 und 3969, sowie
eine Handschrift Caspar Barths. Mir sind ausserdem noch folgende be-
kannt geworden: 1) Cod. Vatic. 1469 saec. X an sechster Stelle (eine
Contamination aus Beda, Placidns und andern Glossaren); 2) Cod.
Paris, lat 13377 saec. IX von Delisle im Catalog nur als Glossarium
angegeben; 3) nach dem Catalog enthält auch der cod. Paris. 18520
saec. IX Beda de orthographia; 4) cod. Florent S. Mar. Nov. 324, olim
623, s. X f. 107 - f. 111 V; 5) cod. Laur. plut. 20, 54. — Das Mate-
rial zu Dositheus hat inzwischen eine Bereicherung erfahren durch
K. Krumbacher im Rhein. Mus. B. 39 (1884) S. 348 — 358.
Die neue Handschrift ist der Harleianus 6642 saec. IX/X.
Einen Yorbericht hatte Krumbacher bereits in den Sitzungsberichten
der philos. philol. und bist. Cl. der k. bayer. Akad. d. Wiss. 1883 S. 193
— 203 gegeben. Was den kritischen Werth der Handschrift anlangt, so
bildet er inhaltlich eine Ergänzung des cod. Monacensis 601. Beide zu-
sammen geben ein Bild der Quellenhandschrifb, die ihrerseits mit dem
cod. Sangallensis zusammen auf den gemeinschaftlichen Archetypus
Alhrt.
Auf das erste der kleineren Stücke, die in den Handschriften mit
Dositheus verbunden werden, bezieht sich eine Gelegenheitsschrift des
Referenten: der erste Abschnitt der
Quaestiones misceUae (Index schol. aestiv. Jenens. a. 1888).
Es wird darin gezeigt, dass der Abschnitt p. 426, 12 — 428, 2
sich deckt mit der Redensartensammlung, die in dem Charisiuscodex
fol. 25 'sq. enthalten sind. Die Beziehung im Allgemeinen war Keil
nicht unbemerkt geblieben: das genaue Verhältniss hatte er jedoch nicht
erkannt Ebenda findet sich ein Abdruck der Sammlung in der Chari-
siushandschrift, wodurch das bei Keil mitgetheilte Stück erst recht ver*
ständlich wird.
Zu VII 33, 14 — 34, 4 vergl. die Bemerkungen von G. Schepss im
WölfOinschen Archiv VI S. 253 f., wo über ein Würzburger Fragment
saec. IX gehandelt wird.
Andere Ergänzungen werden an rechter Stelle Berücksichtigung
finden.
Weiter mögen zunftchst die Titel einiger Schriften folgen, auf die
bei den folgenden Erörterungen an mehreren Stellen Bezug genommen
wird.
132 Lateinische Grammatiker.
Henry Nettleship, The study of Latin Grammar among
the Romans in the first Century im Journ. of Philol. 1887 B. XV
S. 189—214.
Felix Boelte, De artium scriptoribus latinis quaestiones.
Bonn 1886. 54 S. 8. Derselbe: die Quellen von Charisius I 16 und
17 in Fleckeisens Jahrbüchern 1889 B. 187 S. 401—440.
Herm. Fr. Neumann, De Plinii dubii sermonis libris et Pris-
ciani fontibus. Kiel. 1881. 64 S. 8.
Karl Marschall, De Q. Remmii Palaemonis libris gram-
maticis. Lipsiae 1887. 88 S. 8.
Remmius Palaemon.
An der Spitze der zunftmässigen Grammatiker der Eaiserzeit steht
Q. Remmius Palaemon, dessen eigenartige und erfolgreiche Thätig-
keit in immer hellere Beleuchtung gerückt wird. Die Ansicht Schott-
müllers, dass der bei Charisius citierte Palaemon nicht der alt« Q.
Remmius, sondern ein späterer sei, darf heute als widerlegt bezeichnet
werden. Schon Christ und Morawsky haben dieselbe modifidert:
ebenfalls hat es Neumann S. 32 abgelehnt, ganz auf Schottmüllers Seite
zu treten. Vergl. ferner Keil V p. 324 und Birt im Rh. Mus. 34
(1879) S. 26. Dass Schottmüllers Ansicht in Sueton keine Stütze
findet, bemerkt Vahlen Ind. BeroL a. 1877/78 S. 9. Neuerdings hat
Nettleship a. a. 0. S. 207 die Frage abermals untersucht So weist er
eines der Hauptargumente Schottmüllers, dass der alte Remmius nicht
gut des Plinius Schrift de dubio sermone benutzt haben könne, was doch
der Charisianische Palaemon gethan habe, als nicht stichhaltig zurück.
Wenn ferner Neumann S. 33 Anstoss daran nimmt, dass bei Palaemon
schon die üblichen Declinationen unterschieden werden, so verweise ich
auf B ölte 8 dritte These, wo es heisst: declinationem nominum quattuor
ordinibus comprehendere primus Remmius Palaemon docuit. Ich wüsste
in der That keinen triftigen Grund dagegen yorzubringen. Zuletzt
wurde diese Frage von Marschall im ersten Gapitel seiner Disser-
tation erörtert. Marschall stützt sich hauptsächlich auf Quintilian,
zum Theil im Anschluss an Claussens Quaestiones Quintilianeae: 'Et-
enim si Charisius eundem cum Quintiliano usurpavit Palaemonem, de
quo alio licet cogitare Palaemone nisi de Q. Remmio?' (S. 9). Auf
S. 16—18 wird dann der Schottmüllersche Palaemon des vierten
Jahrhunderts nochmals auf seine Existenzberechtigung hin untersucht und
verworfen. Mir scheint es, als könnten die Acten über diesen Theil der
Palaemonfrage geschlossen werden. Vergl. auch Bölte in Fleckeisens
Jahrbüchern S. 426.
Die Frage nach den vorhandenen Ueberresten der ars des Palaemon
Lateinische Grammatiker. 133
ist wie viele ähnliche Fragen derart, dafs sie sich schwerlich zu völ-
liger Zafriedeaheit lösen lassen wird. Je nachdem bei den einzelnen
Forschern die Neigung zur kühn vorschreitenden Conjecturalkritik oder
zu vorsichtiger Skepsis das Uebergewicht hat, wird die Entscheidung ver-
schieden ausfallen. Müssen doch in den meisten Fällen die Mittelglieder,
die man nicht entbehren kann erst construiert werden; aber nur selten
liegt der Fall so, dass nur eine einzige Construction möglich ist: daher
die grosse Unsicherheit der Ergebnisse. Referent wird sich bemühen,
beiden Standpunkten gebührend gerecht zu werden.
Die wichtigste der auf die Feststellung der vorhandenen üeberreste
Palaemons gerichteten Untersuchungen ist immer noch die Arbeit von
Schottmüller, in welcher namentlich die feinsinnige Beobachtung über
den Gebrauch von velut hervorragt. Was neuerdings Nettleship S. 208
gegen Schottmüller vorbringt, scheint mir*wenig begründet. 'I sup-
pose then,' sagt er, 'tbat the use of uelut is a sign, not of Palaemon's
band, but of some late redactor using old material and putting bis own
mark upon it' Die Yergleichung des Diomedes beweist meines Er-
achtens keineswegs, was sie beweisen soll.
Die Hauptquelle für die Herstellung der Ars des Palaemon ist und
bleibt natürlich Gharisius, und seit Schottmüller ist die Forschung
emsig bemüht, die Charisianischen Conglomerate auf Spuren des Palae-
mon hin zu prüfen. Eine Zusammenfassung, zum Theil eine Erweiterung
der gewonnenen Resultate giebt Marschall, dessen zweiter und um-
fangreichster Abschnitt (S. 20 — 76) de Q. Remmii Palaemonis doctrlna
apud Charisium extante handelt.
Die Hauptschwierigkeiten bietet das erste Buch. Während Schott-
müller das ganze 12. Capitel, den grössten Theil des zehnten und einen
Theil der Gapitel 11, 14, 15 und 16 dem Palaemon zugewiesen hatte,
erhob sich über das 15. Gapitel ein lebhafter Streit, an dem sich ausser
Ghrist namentlich Morawsky und Neumann betheiligten. Eine Ueber-
sicht über denselben giebt Marschall S. 43f. Marschalls Ansicht
geht dahin, dass für dieses Gapitel Palaemon die Hauptquelle sei: Julius
Romanns sei nur an den ausdrücklich mit seinem Namen bezeichneten
Stellen herangezogen worden. Die Aehnlichkeit der Gapitel XY und XVII
rührt daher, dass auch Julius Romanus den Palaemon ausgeschrieben
hat. Die übrigen Spuren im ersten Buche werden ebenfalls eingehend
behandelt. Marschall weist dem Palaemon die Gapitel 3, 4, 5 zu (S. 29-32)
(hauptsächlich gestützt auf die Yergleichung des Gharisius mit Dositheus),
ebenso die Gapitel 6, 7, 8, 9 (S. 32) theils mit Hülfe des Dositheus,
iheils unter Hinweis auf andere dem Palaemon zuzuweisende Stücke,
Betreffs des 10. Gapitels schliesst sich Marschall an Schottmüller
an unter Hinzufügung eines Excurses, der die Bedeutung der Schott-
müllerschen Beobachtung über velut einschränken soll. Gapitel 11
wird zum Theil gegen Schottmüller für Palaemon in Anspruch genommen
134 Lateinische Orammatiker.
(S. d6f.), ebenso das 12. (S. 37) und 18. Gapitel (S. 87fl), das ganze 14.
(S. 88), das 16., Theile des 18. und das ganze 19. Gapitel. Danach
w&re das ganze erste Bach des Gharisins in der Hauptsache eine wenn
auch zum Tbeil verstümmelte Compilation ans Palaemon: denn anch
Gapitel 17 gehört schliesslich ebenfalls dem Palaemon an. — Aach das
zweite Buch ist nach Marschall in der Hauptmasse des Materials
auf Palaemon zurückzuführen. Das dritte Buch hatte schon Schott-
müller dem Palaemon zuertheilt. Das vierte Buch liefert für Palaemon
keinen Ertrag: hingegen wird ihm wiederum das fünfte Buch zuge-
schrieben. Auf S. 76 giebt Marschall eine Zusammenstellung der ge-
sammten Ueberreste des Palaemon bei Charisius. Gestützt auf diese
Darlegung versucht Marschall die Eigenart des Palaemon zu schildern.
Er weist auf gewisse Eigenthümlichkeiten des Ausdrucks hin, auf die
Gleichartigkeit der Quellenbenutzung (vorzugsweise Cicero, Yirgil, Terenz,
Horaz), auf die Declinations- und Gonjugationsreihen. Häufig wird das
Griechische zur Illustrierung herangezogen. Gibt man das Letztere zu,
so wird er zugleich eine wichtige Quelle für die bilinguen Glossare, wo-
rüber hier nicht weiter gehandelt werden kann. — Ausser Gharisius be-
handelt Marschall die Spuren des Palaemon bei Dositheus, dessen
Hauptmasse er im Wesentlichen auf jenen zurückführt; ebenso verfUirt
er mit dem Anonymus Bobiensis.
Die ganze Darlegung Marschalls leidet freilich an einem grossen
Fehler: er hat es nicht verstanden, die verschiedenen Grade von Wahr-
scheinlichkeit gegen einander abzuwägen und hat mehr bewiesen als viel-
leicht jemals bewiesen werden kann. So kann es denn nicht Wunder
nehmen, dass ein wichtiger Punkt von anderer Seite wesentlich anders
entschieden wird, die Frage nach den Quellen des 16. Gapitels in Buch I,
die Bölte in dem folgenden Jahre eingehend und sorgfältig behandelt
hat. Die Quintessenz seiner Darlegung ist folgende: Das 15. Gapitel
zerfällt in der Hauptsache in dreierlei Bestandtheile; der erste gehört
einem anonymus de latinitate, der zweite dem Remmius Palaemon,
der dritte (etwa zwei Drittel des Gapitels) einem anonymus de analogia.
Die Verwandtschaft mit Kapitel 17 erklärt er nach Ghrists Vorgange
aus der Benutzung einer gemeinsamen Quelle: von Romanus sind meh-
rere Quellen benutzt worden, von denen der eine der anonymus de ana-
logia ist. Die Einleitung in Gapitel 16 entstammt dem anonymus de
Winitate. Die Darlegungen B ölt es zeugen von grossem Scharfsinn:
aber in manchen Punkten ist er den Beweis schuldig geblieben. Er
fühlt diesen Uebelstand auch selber verspricht auf eine Untersuchung,
'welche die gesammte Frage nach der Reconstruction der Palaemo-
nischen Grammatik' umfassen soll. Dass eine solche Untersuchung ge-
rade nach der Marschallschen Arbeit sehr willkommen sein wird, steht
ausser allem Zweifel. Einstweilen mache ich noch auf die guten Bemer-
kungen allgemeiner Art aufmerksam, die sich auf S. 434 f. finden.
XiftteiDMcbe Grammaläker. 185
In einem knrzea fünften Gapitel behandelt Marschall die Frage
nadi der Abfassungszeit der Ars des Palaeroon sowie nach der Bücher»
zahl. Ueber die letztere lassen sich keine bestimmten Anfstellimgen
machen. Die Abfassungszeit fällt nach Marschall zwischen 77 und 66
oder 87, hauptsächlich wegen der thermae Titianae bei Charisius p. 98,
31: Nettleship denkt an die Jahre zwischen 67 und 77, indem er
hauptsächlich auf Plin. Nat. Hist. praef. § 28 Rücksicht nimmt Die
Marse hall 8 che Annahme fällt sofort zusammen, wenn man die Urhe-
berschaft des Palaemon ftü* den fraglichen Abschnitt bezweifelt Recen-
sionen der Dissertation von Marschall geben H. Winther in der
Wochenschr. für klass. Philol. 1890 S. 714-717 und H. Keil in der
Deutschen Litteraturz. 1888 8. 592. 698.
Eine wichtige Stellung in der Palaemonfrage nimmt das Yerhält-
niss des Quintilian zu diesem Grammatiker ein, ein Kapitel, das besser
unter Quintilian behandelt werden wird. Yergl. ferner unter Julius Ro-
man us.
M. Valerius Probus.
Beruh. Kubier, De Probi Berytii commentariis Vergi-
lianis. Berl. 1881. 8. — J. W. Beck, De M. Valerio Probe
Berytio quaestiones novae. Groningen 1886. 8. 42 S.
Der zweite unter den grossen Grammatikern des ersten Jahrhun-
derts ist Yalerius Probus, der Berytier. Ueber die Zeit seines Le-
bens ist seit Steups unglücklicher Trennung des Probus bei Sueton von
dem des Martial und Gellius mehrfach gehandelt worden; man vergleiche
neben Teuf fei Stnd. und Charakter, p. 442 namentlich Kühler und
Beck in den noch näher zu beeprechenden Schriften. Das Resultat
kann nicht anders lauten, als dass der bei Martial erwähnte Probus
eben der Berytier ist; damit ist erwiesen, dass derselbe im Jahre 67
oder 88 — denn in diese Zeit fällt Martial III, 2, 12 ~ noch am Le-
ben war. Yergl. auch Friedländer in seiner Martialausgabe in der
Anmerkung zu der genannten Stelle.
Aber auch die übrigen Probleme, die sich an Probus anschliessen,
sind eingehend behandelt worden, so zunächst die Frage nach dem An-
theil des Probus an dem Yirgilcommentar. Nach Kubier gehört der-
selbe ins vierte Jahrhundert Da die Frage in ein anderes Gebiet ein-
schlägt, so will ich sie hier nicht näher erörtern: dass aber die Urhe-
berschaft des Probus auf schwachen Füssen steht, kann nicht bezweifelt
werden.
Die wichtigste Streitfrage knüpft sich an die Silva observatio-
num sermonis antiqui, deren Sueton am Schlüsse seiner Yita ge-
denkt Hier ist es in erster Linie die Dissertation von Beck, mit der
136 Lateinische Grammatiker.
wir uns auseinanderzusetzen haben. Eine Besprechung derselben gab
Kubier (Berl. Philol. Wochenschr. 1887 S. I372ff.), in welcher die Re-
sultate Becks in der Hauptsache abgelehnt werden. Beck sucht zu
erweisen, dass die silva observationuro sermonis antiqui Gollectaneen
waren und stets geblieben sind, d. h. niemals ediert wurden: in Folge
davon wird er genöthigt, dem Probus fast alles, was bei spätem Autoren
unter diesem Namen begegnet, abzusprechen. Interessant ist die Art, wie
sich Beck mit den Probuscitaten bei Gellius abfindet (S. 9—20). In der
Regel werden dieselben mit grösseren Abschnitten in unlösbare Verbin-
dung gesetzt; damit wird die Basis gewonnen, sie ganz zu verwerfen.
Ich muss gestehen, dass mir dies Verfahren nirgends eingeleuchtet hat.
Dass Gellius sich einmal ohne Grund brtlstet, 'Probi multos admodnm
commentationum libros' um irgend einer Notiz willen durchgelesen zu
haben, ist richtig; dass aber deshalb auch andere Gitate, gegen die an
sich nichts einzuwenden ist, als Schwindelcitate hingestellt werden, ist
nicht zulässig. Mag Gellius gleichwohl aus secundären Quellen geschöpft
haben: dass damit diese Citate beseitigt werden, glaube ich nicht.
Mit derselben Befangenheit hat Beck auch die Gitate bei den
Obrigen Grammatikern geprüft. Es kann immerhin zugegeben werden,
dass, wenn uns irgendwo eine an sich unverdächtige Quelle berichtete,
der Nachlass des Probus sei tlberhaupt nicht ediert worden, der Beck-
sche Versuch, den Namen des Probus aus der TJeberlieferung zu besei-
tigen, Berechtigung hätte. Aber so liegt eben die Sache nicht Es ist
vielmehr durchaus wahrscheinlich, dass der Nachlass des Probus nicht
unbenutzt liegen blieb. Unter diesen Umständen werden wir uns zwar
bestreben müssen. Unverdächtiges und Verdächtiges thunlichst zu schei-
den, aber ohne jede Voreingenommenheit Dass z. B. Priscian bei sei-
nen Probuscitaten gelegentlich den spätem Probus resp. Sacerdos von dem
älteren nicht unterscheidet, ist richtig; dass er aber mit dem Namen Pro-
bus auch öfter Diomedes und Charisins meinen oder dass er an andern
Stellen einen volleren Sacerdos gehabt haben soll, sind Ausknnftsmittel
bedenklicher Art. Zu meiner Freude ersehe ich, dass schon Nettleship
a. a. 0. 211 f. in einer Note Becks Ansicht zurückweist. Ebenda gibt
der gelehrte Verfasser einige Andeutungen über die Art, wie er sich
das Werk des Probus vorstellt Auch L. Müller in seiner Vorrede zu
Nonius S. 268 f. urtheilt über die silva in der vorher üblichen Weise.
Zu den von Mommsen herausgegebenen notae iuris ist inzwi-
schen ausser den Nachträgen von Mommsen selber in der Appendix
und von Hagen im Supplementbande noch ein weiterer hinzugekommen
wiederum von Mommsen im Hermes 1890 S. 153£f. aus einem cod. Phil-
lippsianus, jetzt in Berlin.
Durch Gundermann sind noch einige weitere bisher unbekannte
Handschriften ans Licht gezogen worden, von denen ich hier eine kurze
Notiz gebe: I. Godex Paris, lat. 10688 saec. VIII f. 138 sqq. = Keil IV
LatelDiwhe Grammatiker. 137
p. 277 sqq.; 2) codex Paris, lat. 7231 saec. XI fol. 84^ sqq. = Keil IV
p. 277 sqq.; 3) codex Paris, lat. nouv. acq. 162 saec. XVI fol. 31 ''sqq.
= Keil lY p. 271 sqq. ; 4) codex Paris, lat. 4841 saec. X fol. 27^sqq. =
Keil IV p. 316 sqq. Es lässt sich aus diesen Handschriften manche gute
Lesart entnehmen: doch keine, die nicht durch Goigectur leicht gefunden
werden könnte oder von Mommsen bereits gefunden wäre. Die CoUa-
tionen mitzutheilen will ich deshalb unterlassen.
Ich erwähne hier einige Abhandlungen Aber die Heimath der pseudo-
probianischen Appendix Probi.
Gaston Paris, Uappendix Probi in den *M61anges Renier'.
Paris 1887. S. 302-309.
Gestützt auf eine Anzahl topographischer Angaben, die auf Africa
hinweisen, sucht Gaston Paris darzuthun, dass dieser interessante
Tractat afrikanischen Ursprungs ist Entstanden ist er nach eben dem-
selben 'avant la fin du III® si^cle*.
C. Sittl, Wölfflins Archiv B. VI S. 557 f.
Die Resultate Sittls über die Heiroath laufen in der Hauptsache
auf dasselbe hinaus. lieber die Zeit bemerkt Sittl nur das eine, dass
der Tractat für Heiden geschrieben ist
Asconius Pedianus.
Carl Lichtenfeld, De Q. Asconii Pediani fontibus ac
fide. Breslau. 1888. 8. 88 S. = Bresl. philol. Abb. 11 4.
Von einer Besprechung dieser Abhandlung sehe ich ebenso ab wie
von andern Beiträgen zu den Scholiasten Ciceros.
Nisus.
Nach Baehrens in Fleckeisens Jahrbüchern B. 127 (1883) S. 795
hat Nisus in seiner 'ars' (artigraphus heisst er bei Cassiodorins S. 155K.)
die ganze Frage der Gonsonantengemination behandelt Velins Longus
S. 79, 20 lautet nach Baehrens: Nufus auctor eai, ui ^comese et 'con-
suese* per unum s acribamus; ei adicit rationem^ quia iuxta productam uo-
calem consona duplex progredi non eoleaL Auf eine principielle Behand-
lung der Geminationsfrage wird man freilich hieraus nicht schliessen
dürfen.
PliniuB.
Neben der bereits erwähnten Litteratur ist hier zu nennen
Fried. Schütte, De Plinii Secundi studiis grammaticis.
Nordhausen 1883. Progr. 4. 16 S.
Dieses Programm handelt in weitschweifender und ermüdender Weise
über die grammatischen Schriften vor Plinius, über die Quellen des Plinius,
138 Lateimvdie OrasmfttflBer.
Aber <üe sprachpfailosophucbeii Ansichteii deflselben und andore allge-
meinere Fragen. Dass unsere Einsicht dnrcb diese Schrift wesentfich
erweitert worden sei, iässt sich nicht behaupten. VeigL jedoch die ein-
gehende Besprechnng von J. W. Beck, PhiloL Rundschan 1885 S. 465 ff.
Die Vertheilnng des grammatischen Stoffes auf die acht Bttcher
dnbii sermonis war nach Nettleship a. a. 0 S. 205 folgende: 1) Al-
phabet and words; 2) Sabstantives doabtfnl in form, gendre, and mea-
ning; 3) Pronouns; 4) Verbs: doubtfiil coiyngation, doubtlnl Yoice;
5) Gases of nouns; 6) Question of analogy in donbtfnl dedension; 7) Ad-
verbs; 8) Prepositions and coojunctions. Bei der Spärlichkeit der Ci-
tate aus bestimmten Büchern kann diese Aufstellung natürlich nur den
Werth einer Yermuthung haben, wie Nettleship selber hervorgeho-
ben hat.
Die Ausscheidung der Fragmente aus den noch erhaltenen gram-
matischen Werken ist rüstig gefördert worden. Der ftlteste Benutzer
des Plinius ist Remmius Palaemon; vergl. S. 182. Es folgt Quinti-
lian. Ueber ihn sowie Flavius Gaper und Julius Romanus wird
im Nachfolgenden gehandelt werden. — Eine umfassende Reconstruction
des plinianischen Werkes scheint Beck zu planen, wie sich ans verschie-
denen Bemerkungen desselben ergibt.
Quintilian.
Die grammatischen Abschnitte Quintilians sind zu wiederholten
Malen Gegenstand der Untersuchung gewesen, auch nach Glaussens ein-
dringender Arbeit: bei der wichtigen Stellung, die dieser Rhetor in der
grammatischen Tradition einnimmt, konnte es gar nicht anders erwartet
werden. Ich verweise auf Marschall S. 9ff., E. Meyer (s. unter Scau-
rus) S. 29ff., Nettleship a. a. 0. S. 195ff., Bölte These 4 n. S. 436,
Birt Rh. Mus. 34 (1879) S. 25. Während man nach Glaussen ge-
neigt war, Palaemon als die einzige Quelle des Quintilian anzuerkennen,
hat sich schon Bölte in der genannten These di^in ausgesprochen, dass
neben Palaemon noch andere Autoren in Frage kommen müssten. Dei^
selben Ansicht ist Nettleship. Nach ihm stammen I 4 — 5, 54 aus
Remmius Palaemon, I 5, 54-1 6, 27 aus Plinius, I 6, 28—88 theils
ans Yarro theils aus andern Etymologen, I 7, 1-28 aus Yerrius Flac^
cus de orthographia. Dass es aber möglich sei, die Herkunft des Einzel-
nen Paragraph für Paragraph nachzuweisen, zumal wir weder des Yerrius
Flaccus Werk noch das des Yarro oder Plinius oder Remmius Palaemon
besitzen, will mir zweifelhaft erscheinen, um so mehr, als diese Schrift-
steller sich doch auch untereinander beeinflusst haben. Dass aber die
Theorie von der einen Quelle nicht aufrecht erhalten werden kann, er-
scheint mir ebenfalls sicher. .Oegen Nettleship vergl. noch Bölte
S. 486.
LateixüBche Oramxnatiker. 139
Flavius Gaper.
Ueber diesen Orammatiker bandelt im Zusammenbange Gottfried
Keil in seiner Dissertation:
De Flavio Capro grammatico quaestionum capita dno (Dissert
Hai. vol. X a. 1889. S. 243—306).
Den Inbalt dieser Scbrift, einer Hallenser Preisarbeit, gebe icb
mit des Verfassers Worten an (p. 246): ^priore (capite) de Gapri no-
mine, aetate, libris disserui et quae scriptonim eins fragmenta nomine,
aetate, libris disserui et quae scriptonim eins firagmenta nomine appo*
sito apud inferiores grammaticos exstant composni; altero quid Pri«
scianus omisso nomine auctoris ex Gapri libris hauserit, quaesivi. Yt
qnaestio plane absoluta esset, etiam reliqui grammatici aeque ac Prisda-
nuft tractari debebant; quod cum longum esset, in aliud tempus distuli.
Prisoianum vero elegi, quod reliqnorum nemo magis Gapri doctrinam se-
ctttus est'.
Der Zeitbestimmung Osanns wird mit Kecht wenig Gewicht bei-
gelegt: Gaper mnss nach Probus, den er benutzt, und vor Julius Roma-
nus, der ihn citiert, gelebt haben; näheres lässt sich nicht sagen. —
Die unter Gapers Namen gehenden Schriften de ortbographia und de ver-
bis dubiis rühren in der überlieferten Form nicht von Gaper her, obgleich
manches darin als dem Gaper gehörig bezeugt ist und der Inhalt viel-
fach an seine Methode erinnert. Die Gitate aus verlornen Schriften wer-
den trotz der Mannigfaltigkeit des Titels in der bekannten Weise auf
zwei Sdiriften bezogen, de latinitate und de dubiis generibus (so will sie
Keil nennen).
Die Sammlung der Fragmente zerfUlt in drei Abschnitte: A. aus
de latinitate. B. aus de dubiis generibus. G. Fragmente unsicherer
Herkunft Die Fragmente finden sich bei Gharisius, Priscian, Pompeius,
Sergius in Don., Bufinus de metris, Hieronymus contra Rufin., Servius.
In den darauf folgenden adnotationes ad fragmenta werden meist Pa-
rallelstellen zusammengetragen und die Ansichten anderer Gelehrten be-
sprochen. Eine Anzahl Erwähnungen, die beim Anonym. Monac. (Gramm,
lat. V) und in dem Hagenschen Bande sowie den Bemer Schollen ci-
tiert werden, gehören dem erhaltenen Pseudocaper. — Das zweite Ga-
pitel handelt über die Benützung des Gaper durch Priscian. Die Unter-
suchung stützt sich auf Neu mann in der noch öfter zu erwähnenden
Schrift (s. unter Palaemon) sowie auf Kar bäum (s. unter Priscian) und
schreitet nach Priscianbttchern abgetheilt vorwärts. Bei der Bezugnahme
Keils auf Neu mann wird es zweckmässig sein, zunächst in kürzerer
Weise das hierher gehörige zweite Gapitel aus Neumanns Schrift (de
Prisciano) zu besprechen, hierauf ausftkhrlicher das zweite Gapitel Keils.
Der Gang der Neumannschen Darlegungen ist folgender. Im An-
140 Lateinische Orammatiker.
Bchluss an die ofTenkundige Thatsache, dass Caper zu den wichtigsten
lateinischen Quellen des Priscian gehört (cf. I p. 17 1, 14, woselbst ein
grosser Theil von Buch V der Instit. dem Caper beigelegt wird), wird
zunächst das Yerhältniss des Priscian zu Caper im Allgemeinen erörtert
und festgestellt, dass Caper vieles aus Plinius geschöpft hat Hierauf
wird Buch VI im Wesentlichen auf Caper zurückgeführt, alsdann werden
bei Caper die plinianischen Spuren nachgewiesen. Genau so wird im
VII. Buche verfahren, das ebenfalls Caper zur Hauptquelle hat Es fol-
gen die Bücher VIII, IX und X. Bei Caper scheint die Anordnung eine
alphabetische gewesen zu sein: ein Fingerzeig, der im YIII. Buche zu
benutzen ist FtLr Buch IX und X wird aus der Uebereinstimmung mit
Diomedes auf Caper und weiter auf Plinius geschlossen. Die Pliniana
des ersten Buches leitet Neumann von Papirianus ab. — Die Ausfiüi-
rungen Keils gebe ich etwas ausführlicher wieder, da sie zugleich eine
Kritik der Neumannschen Aufstellungen enthalten. 1) Prise. 1. 1— IV.
Buch I und II enthalten nichts, was an Caper erinnert. Im ersten
Theile des III. Buches (de comparativo ac superlativo) wird Caper drei
Mal genannt 85, 6 (alter Gebrauch von euer, cüimus)^ 96, 2 (nuperrimus
und nuperrime\ 97, 7 (alter Gebrauch von ueUr u. s. w.). Gestützt auf
die erste Erwähnung will Keil dem Caper auch das daran anschliessende
über exter zuschreiben, vielleicht auch das über exUmus^ eüimus^ «tttmtii
etc. p. 98, 4 und 100, 15 folgende. An die dritte Erwähnung erinnern die
p. 95, 11 behandelten Superlative maturrimus und maturrissimfiß (vergL
Karbaum p. 5). Femer werden die drei Reihen p. 86, 26, 87, 15,
91| 25 dem Caper zuzuweisen sein. Im zweiten Theil dieses Buches
(de diminutivo) kann allein das p. 115, 18 stehende Probuscitat mit
Hertz, Steup, Neumann dem Caper gegeben werden. Das IV. Buch
Priscians, im Allgemeinen durch Dürftigkeit ausgezeichnet, weist nur
zweimal Capers Spuren auf (p. 128, 23 und 183, 24, denominativa). —
Es folgen Priscian V— VII. Gegen Neumanns Ansicht, V 1 — 45 stamme
ganz aus Caper, folglich auch das, was in Buch VI und VII mit jenem
übereinstimme, macht Keil geltend, es sei nicht glaublich, dass Priscian
denselben Stoff aus derselben Quelle zweimal ausgeschrieben habe: es
sei vielmehr nur das VI. Buch dem Caper direct zuzusprechen. Buch V
stamme aus einer gekürzten Quelle derselben Richtung; nur die ausführ-
licheren Stellen im V. Buche habe Priscian aus Caper seiner Quelle zu-
gesetzt Auf diese interpolierten direct aus Caper stammenden exempla
beziehen sich auch die Worte supra diciorum u. s. w., allenfalls auch
bloss auf die alphabetische Reihe p. 169, 6 sqq., deren Ordnung Keil
gegen Neumann dem Priscian zuschreibt. Hierauf stellt Keil die acht
Stellen zusammen, an denen Caper citiert wird, sowie die, welche anders
woher als dem Caper gehörig bezeichnet werden. Es folgen diejenigen,
deren Ursprung sich durch ihre XJebereinstimmuQg mit Nonius cap. III, de
dub. nom., Chans. I 15, Caper de verbis dubiis zu verrathen scheint.
Lateinische Grammatiker. 141
Caper ist gemeinsame Quelle f&r Priscian, die catholica und excerpta de
nomine des Probns. Sparen des Plinius verdankt Priscian dem Caper;
bei ihm fand er ferner die Gitate aas dem Berytier Probas, vielleicht
auch aus Caesellius Vindex, Sueton, Caesar de analogia, Arruntias Cel-
sus; selber hat er eingesehen Gellins, Donat, Charisias, Servias, Nonius
and die Catholica des Probus. — Prise. Buch VIII. Ueber die Bücher
VIII— X, worin die Lehre vom Verbum enthalten ist, hatte Neumann
nur im Allgemeinen gesagt, dass sie aus Caper de latinitate geflossen
seien. Keil will die Frage eingehender behandeln. Es gehören dem
Caper in Buch VIII: 1) die alphabetischen Reihen nebst Zugehörigem;
2) alles, worin Priscian und Diomedes übereinstimmen ; in Buch IX und
X: 1) die Stellen aus Probus dem Berytier, 2) alles, worin Priscian und
Diomedes übereinstimmen. — Mit Buch X schliesst Neumanns Unter-
suchung, daher Keil auf sich angewiesen ist. Buch XI enthält wenig
von Caper; ausser 661, 10 vielleicht das, was in dieser Umgebung steht
und mit andern Spuren zusammenstimmt. Ob Caper in Buch XII und
XIII berücksichtigt worden ist, bleibt zweifelhaft. Auch die Bücher XIV
— XVI zeigen nur schwache Spuren Capers. Die Bücher XVII und
XVIII entfernen sich ganz von Capers Richtung, sie sind nach Apollo-
nius gearbeitet mit gelegentUichen Interpolationen aus andern Gramma-
tikern, unter denen sich allerdings auch Qaper befindet; doch mag Pri-
scian dessen Lehren aus seinen eigenen früheren Büchern, wo sich immer
Entsprechendes findet, hier wiederholt haben. — In den kleineren
Schriften Priscians finden sich keine Spuren Capers. Caper ist also
hauptsächlich in den Abschnitten de nomine und de verbo von Priscian
benutzt worden.
Die Schrift Earbaums, die zum Theile ebenfalls hierher gehört,
wird unter Priscian besprochen werden.
TerentiuB Scaurus.
H. Kummrow, Symbola critica ad grammaticos latinos.
Gryphiswaldiae 1880. 4. 58 S. Rec. Rev. de phil. V p. 143.
Diese Abhandlung gibt eine Sammlung der Fragmente des Q. Te-
rentius Scaurus. Im ersten Kapitel werden alle diejenigen Stellen
aufgeführt, in denen der Name des Scaurus direct überliefert ist (Com-
roentarii in Plauti fabulas, Commentarii in Vergilium, Commentarii in
Horatium, de Caesellii erroribus, de rebus per epistulam quaesitis, Ar-
tis grammaticae reliquiae). Da die Bruchstücke der Ars sich vorzugs-
weise bei Sergius und Diomedes finden, so vermuthet der Verfasser, dass
dort noch weitere Bestandtheile vorliegen könnten, auch ohne dass sie
ausdrücklich dem Scaurus zugeschrieben werden. Er untersucht darauf-
hin zunächst die Abschnitte de metaplasmis schematibusque bei Dio-
medes S. 440, 27 ff. Aus einer Vergleichung von Diomedes 415, 12 ff.
144 Lateiniacbe Grammatiker.
Sulpicios citiert wird, doch so, dass ihm weit mehr zuzuweisen ist, als
es beim ersten Anblick scheint ; zweitens aber tragen auch andere Stellen
Merkzeichen an sich, die auf Sulpicius Apollinaris mehr oder minder
deutlich hinweisen. Zu Gellius XYIII 4 vergl. Röhrig S. 12. 13, zu
XIII 18, 3 Röhrig S. 15. Die Darlegungen Becks sind auch hier
nicht überall von gleicher Wahrscheinlichkeit. Als Quelle des Gellias
betrachtet er eine Art epistolicae quaesUones, während er die Annahme
einer Aeneisausgabe bezweifelt. — Aus der Schrift von Opitz gehören
noch hierher einige Bemerkungen allgemeiner Art ttber die Studien des
Apollinaris, vorzüglich die Studien auf dem Gebiete des alten Lateins.
GelliuB.
Bei der Wichtigkeit, die Gellius für die grammatische Tradition
hat, ist es von grosser Bedeutung, dass endlich die kritische Ausgabe
von Hertz erschienen ist, ein zuverlässiges vortreffliches Fundament fttr
alle Gelliusstudien (Berlin 1883. 1885 in zwei Bänden). Dieselbe hat
zahlreiche Besprechungen hervorgerufen, so von A. Eussner in der
Wochenschrift f. kl. Philol. 1886 S. 389 ff., im Litter. Centralbl. 1886
S. 474ff., von L. Müller, Philol. Rundschau 1884 S. 276ff., 1886
S. 107ff., von 0. Seyffert. Berl. Philol. Wochenschr. 1884 S. I73ff.,
1886 S. 1086, von Th. Vogel philol. Anz. XIV 1884 S. 442ff., Neue
Jahrb. f. Philol. B. 133 (1886) S. 71 ff. und andere mehr. Mit seltener
Einstimmigkeit wird der Werth dieser Leistung anerkannt Eine klei-
nere Ausgabe des Textes erschien in Leipzig bei Teubner 1886. Rec.
u. a. von 0. Seyffert, Berl. phil. W. 1886 p. 1508.
Mit Freuden ist es zu begrüssen, dass Hertz in demselben Jahre
1886 auch eine Sammlung seiner Opuscula Gelliana herausgegeben
hat. Unter den hier vereinigten Aufsätzen ist für die Geschichte der
Grammatik namentlich wichtig der über Gellius und Nonius Mar-
cel Ins, auf den weiter unten noch die Rede kommen wird. Ueber das
Verhältniss des Neudrucks zu der ersten Veröffentlichung äussert sieb
Hertz folgendermassen: 'das Aufgenommene ist im Wesentlichen unver-
ändert abgedruckt, ohne einzelne Besserungen und, wo es angezeigt er-
schien, durch eckige Klammern bezeichnete Zusätze auszuschliessen'.
Rec. Litt. Centralbl. 1887 S. 718 von A. E., Deutsche Litteraturz. 1886
S. 559 von H. J. Müller, Berl. Phil. Wochenschr. 1886 S. 1087 von
0. Seyffert, Rev. crit. 1886 S. 360 von L. Duvau.
L. Ruske, De A. Gellii Noctium Atticarum fontibus quae-
stiones selectae. Glaciae 1883.
Die Schrift gehört weniger hierher; denn sie beschäftigt sich
1) mit den historischen und antiquarischen Quellen; 2) mit den philo-
sophischen; 8) den juristischen. j
Lateiniselie Grammatiker. 145
Julius Romanus.
Auch dieses Grammatikers erhebliche Leistungen hat die Forschung
der jüngsten Zeit in hellere Beleuchtung gerückt. Naturgemäss kntLpfen
die Untersuchungen ttber ihn zunächst an Gharisius I 17 an, ein Gapi-
tel, dass nach der Ueberschrift aus Julius Romanus entnommen ist, wenn
man auch mit Neu mann a. a. 0. (S. 8 f.) annehmen muss, dass Ghari-
sius seine Quelle mehrfach verkürzt hat Was die Quellen des Roma-
nus selber anlangt, so hat sich bereits Neu mann bemtlht, die pliniani-
schen Reste zu ermitteln. Bölte geht in seinem Aufsatze S. 418ff. über
ihn hinaus, indem er sich erstens nicht auf Plinius beschränkt und in-
dem er zweitens zu den inneren Gründen noch eine äussere Grundlage
feststellt Hatte bereits Schottmüller darauf hingewiesen, dass die
plinianischen Gitate unter A nach einer bestimmten Gasusfolge angeord-
net seien, so erweitert Bölte diese Beobachtung auf die Buchstaben
GFIMNRT; diese Anordnung geht ohne Zweifel auf Plinius selber zurück,
dessen sechstes Buch nach den Gasus disponiert war. Julius Romanus
behielt dieselbe beim Excerpieren bei. Die so gewonnene Reihenfolge
wurde nur gelegentlich durch anderweitige Notizen unterbrochen, nicht
aber absichtlich aufgegeben. Im ersten Artikel einer Pliniusreihe ist der
Name des Plinius in der Regel genannt Mit Hülfe dieser Beobachtung
lassen sich auch eine Anzahl Lemmata dem Plinius zuweisen, die na-
menlos überliefert sind. Weiter aber finden wir bei neun Buchstaben
vor der Reihe der sicheren Pliniuscitate einen oder mehrere Titel ttber
den Ablativ der dritten Declination; bei GNR stehen daneben die den
Ablativ betreffenden Pliniuscitate an ihrer richtigen Stelle, unter Zu-
hülfenahme von S. 121, 14 ff. nach der Merkeischen Emendation vermu-
thet Bölte, auch diese 'Ablativschicht' stamme aus Plinius; Romanus
habe sie besonders excerpiert und wahrscheinlich nachträglich eingefügt
Anf Grund dieser Darlegung werden 136 Lemmata als plinianisch eiw
wiesen. - Die zweite Quelle des 17. Gapitels ist der im 16. Gapitel be-
nutzte anonymus de analogia, dem 41 Lemmata zugeschrieben werden.
Weitere zehn werden dem Palaemon beigelegt, anderen Grammatikern
zusammen 16 ; unbestimmt bleiben 46. — Was nun noch die Einleitung
von Gapitel 17 anlangt, so legt sie Bölte nach einer gelehrten Auseinan-
dersetzung dem anonymus de analogia bei: eben daher hat auch Dona-
üanus (Keil VI S. 276 ff.) die ausführlichere Darlegung derselben Fragen.
In letzter Linie geht sie vermuthlich auf Remmius Palaemon zurück*
Yergl. Palaemon [und den Nachtrag].
Neumann (s. vor Palaemon) untersucht in seiner Schrift die
plinianischen Ueberreste bei Gharisius und Priscian. Zu diesem Zwecke
behandelt er im ersten Gapitel zunächst das Verhältniss von Gharisius
I 17 (Romanus) zu Gharisius I 16, wovon bereits die Rede war. Hier-
fahrMbericht (lir Alterthumswitsexuchaft. LXVm. Bd. (1891 U). IQ
146 Laleinisehe OntaDmatiker.
auf werden die Sparen des Plinius im 17. Gapitel aufgedeckt, ebenso die
im 16.: geschöpft hat Charisius in allen diesen FäUen aus Julias Ro-
manus. Im folgenden werden dann diejenigen plinianischen Fragmente
mBammengestellt, die Charisius aus Remroius PaJaemon entnommen hat
AemiliuB Asper.
üeber die Zeit des Aemilius Asper handelt Lämmerhirt (s. an-
ter Servius) in einem Epimetrum auf S. 401 ff. Nach einer üebersicbt
llber die seitherigen Versuche, diesen Mann chronologisch zu fixieren,
hebt der Verfasser hervor, das Ergebniss sei lediglich das eine, dass er
nämlich nach Gornutus thätig gewesen sei. Lämmerhirt selber möchte
ihn ans Ende des zweiten oder in den Anfang des dritten Jahrhunderts
sMzen, freilich mit Gründen, die meines Erachtens ebenfalls unzurei-
chend sind. Bei Servius in Aen. IX 416 steht folgendes: Asper tarnen
dicit: 'per tempus utrumque', hoc est Mnter tempus utrumque', ut e
contra hunc int er fluuio Tiberinui amoeno^ id est ^per hune\
Vergl. zu VU SO: hunc inter per hunc, Terentius . . . . uias. m<
autem erebra Frontonü eloctUio. Lämmerhirt schliesst nun so: an der
zweiten Stelle ist die Erklärung von hunc inUr von Asper; von demsel-
ben Asper stammt aber die Gitation Frontos. Damit ist die Sache ent^
schieden. Allein diese Argumentation ist doch sehr bedenklich: warum
soll die Erwähnung des Fronto von Asper herrtthren? Wird doch der-
selbe Fronte noch einige Male erwähnt, ohne dass eine Spur auf Asper
hinweist.
Zu den von Ghatelain in der Revue de phil. n. s. X p. 87 sq.
pablicierten Stücken vergl. Bölte Dissert These VI: Fragmmta commei^
4a/rii in Vergüi carmina quae, f^ ab Aspro oriunda ^ Chateiain nuper edüM^
anU saeaäum p. Chr, II] conscripta non sunt, üeber Spuren des Asper
bei Priscian vergl. Neumann S. 15. Gharis. p. 139, 22ff. gibt Neu-
maan S. 19 dem Asper, nicht dem Plinius.
Nonius.
Wie sehr die neue Noniusausgabe L. Müllers einem Bedürfiuss
entgegenkam', weiss jeder, der genöthigt ist, mit Nonius zu arbeiten:
dass dieselbe einen bedeutenden Fortschritt bezeichnet, ist trotz der ent-
schiedensten Vorbehalte von allen Seiten anerkannt worden. Referent
kann nur wiederholen, was er in der Berl. philol. Wochenschrift 1889
S. 1834 ausgesprochen hat, dass er sich nämlich durch alle Vorbehalte,
eigene wie fremde, die Freude an der Fülle des Guten, das geboten
wird, nicht schmälern lassen mag. Im üebrigen verweist derselbe auf
seine und die sonstigen Besprechungen.
Die Frage nach den Quellen des Nonius spielt eine wichtige
Lateinische Orammatiker. 147
•
Bolle« Yor alleisr di« Frage nach dem Verhiltniss des Noai«8 bu CtoUins.
Grundlegend ist in dieser Hinsicht immer noch die Eoerst in Fleck-
eisens Jahrbflchern 85 (1862) S. 706 ff., 779 ff. erschienene and in den
Opuscnla Gelliana S. 85 ff. mit einigen Znsätzen wiederholte Abhandlung
Yon Martin Hertz. Auf ihr basieren die Untersuchungen von Riese,
Schottmfiller und Schmidt; an Schmidt schliessen sich Bartels,
Caesar, Reblin (siehe unten) an. Die Hauptresultate sind dann über-
gegangen in die Adversaria Noniana bei L. Müller, der seine frühere
Ansicht wesentlich modificiert hat. Auf einer principiell abweichenden
Auffassung beruhen die Annahmen Nettleships (Lect a. Ess. p. 228ff.),
dem sich zum Theil anschliesst Beck de M. Yalerio Probe S. 15 f. Doch
muss ich bekennen, dass mir die Hertz sehen Darlegungen in keinem
Hauptpunkte widerlegt zu sein scheinen. Nettleship hält es für wahr-
scheinlich, 'that Nonius did not borrow from Gellius at all; nay, that
there is nothing to show, that he had ever read Gellius'. Die Gründe,
die er vorbringt sind folgende: 1) eine Liste der dem Gellius und No-
nius gemeinschaftlichen Glossen ergibt, dass Nonius mehrfach Zuthaten
hat, die bei Gellius fehlen; dass aber Nonius diese aus andern Quellen
zugefügt habe, ist nicht wahrscheinlich; 2) es lAsst sich darthun, dass
Nonius nicht selten den Gellius ignoriert und zwar in einer Weise, die
es kaum glaublich macht, dass er ihn im übrigen benutzt habe; 8) nach
Hertz findet sich die Benutzung vorwiegend in den beiden ersten Bü-^
ehern des Nonius, was auffallend erscheinen muss. Das Auffällige ver-
schwindet sofort mit der Annahme, dass beide, Nonius und Gellius, von
einer gemeinsamen Quelle abhängig sind; 4) die Beobachtung von Hertz,
dass ganze Reihen dieselbe Folge haben wie bei Gellius, hat deshalb
weniger Gewicht, weil sich auch Ausnahmen finden und weil man an-
nehmen müsste, dass Nonius öfter ganze Bücher oder auch mehrere zu-
gleich übersprungen habe. — Von diesen Gegengründen scheint mir kei-
ner geeignet, die Darlegungen von Hertz zu entkräften; schon die eine
Reihe bei Hertz S. 96 ist in einem Grade durchschlagend, dass ich
mich ihrer Beweiskraft nicht zu entziehen vermag.
Eine kurze Uebersicht Ober die von Nonius benutzten Quellen
gibt L. Müller in den Adversaria Noniana S. 254 ff. L. Müller stellt
den Satz an die Spitze, dass Nonius ausschliesslich die Grammatiker
herangezogen habe, die im zweiten Jahrhundert von Traian an schrieben
und wirkten. Bewiesen werde dieser Satz durch das Urtbeil über die
Schriftsteller, deren Fragmente er citiere. Die Hanptquellen seien
Gellius (lib. I u. II, VI, XII, aber auch sonst; z. B. in UI, IV, Y), Sue-
tons antiquarische Schriften (XIU — XIX); Bach III stamme aus Gaper
9nd Caesellius Vindex, Buch lY und V hauptsächlich aus Lexicis, die
Bücher YH—XI seien im V^esentlichen einer Quelle entnommen, wenn
auch mit vielen Zusätzen; ebenso vielleicht Buch IV. Buch XX gehe
auf ei^en Zeitgenossen des Augustus zurück. Es folgen noch einige
10»
148 ^teinisdie Grammaiiktr.
spedeflere Bemerlningeii Aber das VerfaSltnigs zwischen Konins nnd
Gellios, Monins, Diomedes nnd Priscian, Nonias und Servins, Nonius nnd
Donat, Nonias nnd Arnsianns Messias, anf die ich den Leser verweise.
Ausser den Adyersaria Noniana kommen noch in Betracht die be-
reits berührten Schriften von Bartels, de Terentii memoria apnd No-
ninm serrata (Dissert. Argentorat IX 8. iff.), Caesar, de Planti memo-
ria apnd Noninm serrata (Argentorat! 1886), nnd Reblin, de Nonii
Marcelli lods Plantinis (Greifsw. 1886). Bartels nntersncht die He^
knnft der Nonianischen Terenzcitate ; genauer zu sprechen kommt er da-
bei auf das Yerhältniss zu Charisius und Priscianus, zu Servins und Bo-
nat Die Frage, ob die Plautusreihen aus Glossaren oder Gommentaren
stammen behandelt Reblin S. 61; vergleiche dazu Index Jen. a. 1890/91
p. VIII. Die Annahme, dass Nonius seine Reihen Gommentaren ent-
lehnt habe, stellt neuerdings in Frage
0. Froehde, De Nonio Marcello et Verrio Flaceo. 6e^
lin 1890. 52 S. 8.
Der Verfasser knftpft an die Ansicht an, dass sowohl die No-
manischen Reihen (nach P. Schmidt) als die Verrinsreihen (nach
Reitzenstein) ans Gonunentaren geschöpft seien: diese Annahme er-
fordere, so meint er, wenn ich ihn recht verstehe, dass in beiden Fällen
die gleichen Gommentare zu Grunde gelegen haben mttssten (cf. S 24,
86). Das sei aber aus verschiedenen Gründen unwahrscheinlich. Mich
wiU es bedünken , als führe er damit einen Kampf gegen Windmflhlen:
denn niemand hat meines Wissens behauptet, dass Verrius und Nonius
aus denselben Gommentaren geschöpft hätten; constatiert wurde nor
eine Aehnlichkeit der Anordnung und ein Zusammentreffen einzeber
Glossen und Belege. Dieses Zusammentreffen erklärte sich in einbchster
Weise durch die Annahme, dass die von Nonius ausgeschriebenen Gom-
mentatoren, sei es direct sei es indirect, entweder Verrius oder dessen
Quellen benutzt hätten. Der Verfasser hat also die Gommentarientheorie
— die allerdings nur auf Vermuthung beruht — keineswegs widerlegt; er
hat nur eine abweichende Erklärung der Thatsachen vorgetragen, nämlich
folgende: Nonius habe ebenso wie Verrius Flaccus seine Lemmata nnd
Beispiele aus den Autoren selber gesammelt, die Erklärungen aber, so-
weit sie nicht von ihm herrührten, aus grammatischen Werken verschie-
dener Art entnommen. Ich gebe gern zu, dass es möglich ist, sich
die Sache in dieser Weise zurecht zu legen; nur müssten wir tinsere
Vorstellung von der Thätigkeit des Nonius erheblich modificieren. Die
Darlegungen des dritten Gapitels bei Fröhde (de M. Terentio Varrone)
sind freilich nicht geeignet, die Wahrscheinlichkeit seiner Ansicht erheb-
lich zu fördern. — Manche der hierher gehörigen Fragen wird man ver-
muthlich in den Jahresberichten zu Plautus und Terenz behandelt finden.
Weitere Bemerkungen über das Verhältniss von Nonius zu Verrius
i
LateiDiflebe Orammatiker. 149
Flaccns finden sich bei Nettlesbip Lect a. Ess. 8. 277 it., deren sehn-
ter Abschnitt *Nonias Marcellns' ttberschrieben ist Yergl. die Bemeiv
knngen unter Gellins.
Die textkritischen Schriften von Meylan, Havet, Onions nnd
andern ftbergehe ich, da sie in der MttUerschen Ausgabe besprochen
und benutzt sind. Ebenso die Bemerkungen Mommsens über Person
und Heimath: auch mit ihnen hat sich L. Mttller in den Advers. Non.
auseinander gesetzt.
Porphyrie.
CarlFr. ürba, Meletemata Porphyrionea. Wien 1886. 72 S. 8.
Rec z. B. Ton K. Weyman, Archiy II S. 491 f., von K. E.
Georges, Jahresber. für lat. Lexic. XL VIII (1886) S. 42 ff.
Der Zweck dieser tüchtigen Arbeit ist, durch genaue Beobachtung
des Sprachgebrauchs die Frage nach der Heimath und der Lebenszeit
des Porphyrie zu fördern. Das Resultat geht dahin, dass der Scholiast
nicht vor dem Ende des vierten Jahrhunderts anzusetzen sei. Die son-
stigen Darlegungen gehören nicht in dieses Gebiet und sind an anderer
Stelle gewürdigt.
Artigraphen des 4. Jahrhunderts.
Ich beginne mit der Schrift von Bölte (de arUum scriptoribus la-
tinis; s. o.)* Von der Ueberzeugung erftillt, dass es unzulänglich sei, zur
Klarlegnng der allmählichen Ausbildung der grammatischen Doctrin von
den dürftigen Fragmenten auszugehen, die den älteren Meistern aus-
drücklich zugeschrieben werden, insofern es ja ans zahlreichen Spuren
ersichtlich ist, dass z. B. die Lehre eines Remmius Palaemon zumeist
namenlos in die allgemeine Tradition übergegangen ist, wendet der Ver-
üasser die umgekehrte Methode an und sucht aus der Uebereinstimmung
zahlreicher Punkte in der späteren Tradition den Weg zu den alten
Meistern zurückzubahnen. Unter den Grammatikern des vierten Jahr^
hunderte sind es namentlich fünf, die an zahlreichen Stellen genau zu-
sammentreffen, nämlich Charisius, Diomedes, der Anonymus Bobiensis,
Donatus und Dositheus. An der Hand des Abschnittes de nomine macht
BOlte den Versuch, das wechselseitige Verhältniss der Genannten unter
einander zu bestimmen. Das Ergebniss ist folgendes: trotz der grossen
Uebereinstimmung im Ganzen ergeben sich zwei Gruppen, die sich deut-
lich von einander abheben. Auf der einen Seite stehen Charisius, Do-
sitheus und der Anonymus, auf der andern Donat und Diomedes. Das
Räthsel findet seine Lösung in der Annahme, dass zwar allen dieselbe
gemeinsame Quelle im Ganzen und Grossen, den beiden Gruppen jedoch
eine etwas verschiedene Recension dieser Quelle zu Grunde liege. Da-
ISO L«tehitMbe GniiitDatIkMr.
bei sei natürlkh nicht ausser Aeht m lassen, dass aUe jene fftnf Chnun-»
maüker gelegentlich anch Terändernngen mit ihrer Quelle vorgenonmen
haben. Auf dieser Grundlage fassend sucht der Verfasser das Gemein-
same in einer Reihe von Abschnitten zu ermitteln, indem er zuerst Do-
nat und Diomedes, hierauf die abrigen mit einander vergleicht; dass was
sich als gemeinsam ergibt, wird auf einen und denselben Anonymus zu-
rUckgeiahrt. Dieser Anonymus ist aber nicht etwa mit Oominian iden-
tisch: die XJebereinstimmung zwischen ihm und Gomioian eMSxt sich
durch Benutzung derselben Quelle. Neben diesem Hauptgedanken wer-
den eine Beihe speciellcr Fragen theOs gestreift, theils eingehender be-
handelt. Recensionen dieser tüchtigen Arbeit veröffentlichten Keil in
der Deutschen Litteraturzeitung 1886 S. 1490 sowie GoUing in der
Wochenschrift f. klass. Phllol. 1887 S. 919.
L. Jeep, Bemerkungen zu den Lateinischen Grammatikern (Rhein.
Mus. B. 44. 1889 S. 26—61).
Der Gedankengang des interessanten Aufsatzes ist folgender: die
excerpta anonym! bei Keil I S. 634 ff. haben einige Abschnitte, die €ast
wörtlich mit Abschnitten des Dositheus übereinstimmen. Diese Uebei^
einstimmung erklärt sich am besten durch die Annahme, die betreffen-
den Abschnitte der Excerpte seien der nAmlichen Grammatik entnom-
men, welche Dositheus übersetzte. Die Abweichungen sind auf Lücken,
Interpolationen und sonstige Verderbnisse zurückzuführen. Ferner aber
sind die Excerpte nicht etwa, wie Keil früher annahm, am Charisins
entlehnt, sondern wie zuerst Christ aussprach und Keil später aner-
kannte, mit Obarisius aus gemeinsamer Quelle geschöpft. Dabei hat der
Excerptor die Quelle treuer wiedergegeben als Charisins, der ohnehin
noch andere Quellen hinzuzog. Diese gemeinsame Quelle selber ist zu-
sammengearbeitet aus Dositheus und einem andern grammatischen Werke.
Weiter aber stimmt an einigen Stellen, an denen Charisins seiner Quelle
nicht genau oder geradezu ungenau folgt, Diomedes mit Charisins über*
ein, trotzdem er manche Unebenheit vermieden hat Dieser Umstand
spricht trotz Keils Widerspruch dafür, dass Diomedes den Charisins
benutzt hat: freilich hat er daneben die Quelle des Charisins herange-
zogen.
Man sieht aus dieser Inhaltsangabe, dass Jeeps Darlegungen er-
heblich von den Ansichten B ölt es abweichen: es ist zu bedauern, daas
Jeep dessen Arbeit nicht berücksichtigt hat Yermutiiliöh wird diese
Frage in dem grösseren Werice Jeeps über die Lehre von den Rede-
theilen, das er bei Teubner angekündigt bat, abermals behandelt werden.
Zum Theil gehört hierher die Schrift von P. E. Meyer, von der bei
Scaurus die Rede war. Bei der Behandlung des Abschnittes de vitiis
orationis des Diomedes mnsste natürlidi auch auf Oharizius, Donstns
und Saoerdos Rücksicht genommen werden. In dem Gharisianfschefi
I
\
k
hU/MMk9 Oramiiiatik«r. 151
Abschnitt de soloecismo wird ausser Cominian nur noch eine einzige
Quelle angenommen, w&hrendEeil geschwankt hatte, ob nicht zwei an-
zusetzen s^ea. Auch der b^reffende Abschnitt des Donat wird genau
geprüft. Alle diese Fragen hedttrfen einer abemiiligen, zusammenftssM^
den Behandlung*
Diomedes.
Earl Ernrobacher, Rh. M. 39 (1864) p. 478
berichtet, dass der von Eeil nicht eingesehene Harleianus 2778 zwar
Bftmmtliehe BQcher des Diomedes enthalte, aber nichts neues ftkr die
Textkritik biete, da er auf denselben Archetypus zurfickgehe wie die
bekannten Codices.
C. Pancker, Eleinere Studien. Lexicalisohes und Syntaktisches.
I. Bemerkungen über die Latinität des Grammatikers Diome*
de s« Berlin 1883. 23 S. 8. Reo. von Funck, Archiv f. Lexic. I S. 46(lf«
Die Quintessenz dieser Abhandlung, die entweder Qbereilt oder
nicht ftr die Veröffentlichuig bestimmt war, ist die Behauptung, Diome*
des sei griechischer Herkunft; er kenne die Sprache, über die er schreibf
nur höchst mangelhaft; er verschweige gefliss^itliksh die benutzten
Quellen u. s. w. Mit Recht hat Funck dieses Resultat abgelehnt: der
Verfasser ist ohne Zweifel mit der grammatischen Litteratur der Römer
nicht hinreichend vertraut gewesen.
Was die Quellenfragen anlangt, so verweise ich auf das an andern
Stellen gesagte*
Euantbius.
Eduard Scheidemantel, Quaestiones Euanthianae. Lip«-
Biael863.* 74 S. 8.
Diese ttlditige Abhandlung, deren genauere Besprechung unter Te«
renz zu suchen ist, möge wenigstens kurz hier erwfthnt werden. Der
erste Theil handelt tkber den Verfasser der praefationes des Donatcom-
mentars, der nach Scheidemantels Ansicht kein anderer ist als
Euanthins. Der Beweis wird durch die Uebereinstimmung des Euanthia*
nischen Tractats de comoedia mit den praefationes geführt. Im zweiten
Theile werden Spuren des Euanthins im Commentare nachgewiesen.
Eine Appendix critica über einzelne Stellen des Donat beschliesst die
SdirifL
Donat.
Carl Dzi^tzko, Zur Kritik des nach Aelius Donatus benanur
ten Tereucommentars, Suppleaientband le der Fleckeisens^hei Jßtffr
bttcher jS.66lff.
fiSne fiflsprednng dieser wiohligen Sohiift gehört unter Tereai.
152 LateiniBche Grammatiker.
Servias.
An erster Stelle nenne ich die vortreffliche Ausgabe von Thilo^
von der bis jetzt erschienen sind: die Commentare, sowohl die volleren
als die kflrzeren zur Aeneis (I. 1881. II. 1884.), zu den Georgica nnd
Bncolica (II 1887). Referent hat an verschiedenen Stellen seine Befriedi-
gung tlber diese vorzügliche Leistung ausgesprochen, so dass er hier von
einer neuen Würdigung absehen kann. Auch zahlreiche andere Besprech-
ungen von Glaser, A. Riese, R. Sabbadini, E. Thomas, P. Re-
gell, Häberlin und andern stimmen, trotz einzelner Vorbehalte, im
Wesentlichen darin überein, dass die Wissenschaft allen Grund hat,
dieses Werk mit Dank entgegenzunehmen. Die Darlegungen Thilos
über das Yerhältniss des volleren Servius zu dem echten Gommentar,
die sich zum Theil mit der Schrift von Thomas, Essu sur Servius et
son commentaire sur Virgile (Paris 1880) berühren, übergehe ich eben-
falls, sowie auch die Beiträge zur Kritik des Textes, und behandle hier
nur einige Schriften, die für die Würdigung der grammatischen Tradi-
tion von besonderem Interesse sind. Auch die Schrift von R. Halfpap
gen. Klotz (Quaest Serv. Greife wald 1882) habe ich als ihrem Inhalte
nach weniger hierhergehörig übergangen.
H. Kirchner, Ueber die grammatischen Quellen des Ser-
vius. Zweiter Theil. Servius und Priscian. Gjmnasialprogr.
von Brieg 1883. S. 19—87. 4.
Die Einleitung enthält allgemeine Betrachtungen. Das VerhUtniss
des Servius zu den früheren Yirgilcommentaren bleibt der Natur der
Sache nach unsicher; aussichtsvoller ist die Frage nach seinem Yerhält-
niss zu den grammatischen Quellenschriftsteilem. In den älteren Yirgil-
commentaren waren'^nur sprachliche Erörterungen über Yirgil enthalten ;
eigentliche grammatische Gelehrsamkeit hatten ihre besondere Stelle. Da-
her hat Servius die speciell grammatischen Darlegungen nicht aus seinen
Yorgängem geschöpft, sondern ans den Grammatikern der guten Zeit,
vornehmlich Gaper. Dass diese Benutzung eine directe ist, lässt sich
als durchaus wahrscheinlich hinstellen. Es spricht dafür namentlich der
Umstand, dass nicht selten Lehren des Servius mit zahlreicheren Bei-
spielen ausgestattet bei andern Grammatikern wiederkehren. Am mei-
sten trifft dies für Priscian zu. Das Yerhältniss des Servius zu Priscian
bildet den Kern der Abhandlung. Es werden zunächst die Stellen ge-
sammelt, die in der Liehre über die Declination eine gewisse Aehnlich-
keit zeigen. Die an das gesammelte Material geknüpften Betrachtungen
laufen darauf hinaus, dass eine gemeinsame Quelle zu statuieren sei,
nämlich Gaper. Priscian habe dieselbe getreulich ausgenutzt, Servius
habe sich mehr Selbständigkeit bewahrt. Jedenfalls sei es ausgeschlossen,
dass Priscian den Servius benutzt habe, auch in der Form nicht, dass
Lateinische Grammatiker. 153
er etwa den Kern aus Servins genommen, dazn aber noch Bemerkungen
aus andern Quellen hinzugefügt habe. Eine ausf&hrlicbe Begrttndnng
behält sich der Verfasser Ar später vor.
Gust Lämmerhirt, De priscoruro scriptornm locis a 8er-
vio allatis in Comment. philol. Jen. vol. IV p. 811 — 406.
Der Inhalt dieser fleissigen und gewissenhaften Arbeit ist ein sehr
mannigfaltiger, insofern die Frage nach der Herkunft der Citate aus
archaischen Schriftstellern zu einer Reihe ganz verschiedener Unter-
suchungen führen musste. Es ist deshalb sehr zu begrOssen, dass am
Schlüsse ein Summarium hinzugef> ist, mit Hülfe dessen man sich über
den Inhalt leicht orientieren kann. Der Verfasser untersucht zunächst
die Beziehungen des Servius zu andern Commentaren und sucht eine
eingehende Benutzung des Donat zu erweisen; anderes wird auf Urba-
nus und Carminius zurückgeführt Weiter wird das Verhältniss des Ser-
vius zu Sneton behandelt. Ich begnüge mich, dies kurz anzudeuten, da
es streng genommen nicht hierher gehört. Nur der 16. Paragraph
(S. 893—400) handelt speciell über grammatische Quellen. Es wer-
den die plinianischen Spuren zusammengestellt, in denen aber Ca-
per der Vermittler ist, hierauf die des Gaper selber.
Paul Rosenstock, De Donato Terentii et Servio Ver-
gilii explicatore syntaxeos latinae interpretibus. Marggrabovae
1886. Diss. 88 S. 8.
Diese Schrift bildet einen Abschnitt einer KOnigsberger Preisauf-
gabe, die im Jahre 1884 gestellt wurde. Sie besteht aus zwei Theilen.
Im ersten werden die syntaktischen Lehren des Donat und Servius
ausgeschrieben und nach folgenden Rubriken geordnet: A. 1) De ora*
tione eiusque partibus. 2) De ordinatione verborum inter se. 3) De
coniunctione partium orationis inter se. B. 1) De nominum construc-
tione. 2) De praepositionum constructione. 3) De participiorum construc-
tione. 4) De verborum constructione. 6) De coniunctionum constructione.
6) De adverbiorum constructione. 7) De interiectionum constructione.
Der zweite Theil handelt de Terentii et Vergilii interpretum fontibus
syntacticis. Die Resultate stimmen, soweit sie richtig sind, mit dei^eni-
gen zusammen, die bereits von andern gewonnen wurden und sind jetzt
weit Oberholt. Im Allgemeinen bemerke ich, dass die Untersuchung sich
völlig auf der Oberfläche hält und dass die Darstellung eine mangel-
hafte ist
ArusianuB MessiuB.
Vergl. unter Priscian Kar bäum.
1S4 L&teinitehe Oraramatiker.
Macrobius.
Georg Goetz, Commentatiuncula Macrobiana. Index Jen.
a. 1890.
Der erste Theil dieser kleinen Gelegenheitsschrift bezieht sich anf
die handschriftliche Grundlage der Saturnalien, der zweite Theil auf die
Schrift ' De differentiis et societatibus graeci latinique verbi '. Eis wird
der Nachweis geführt, dass das bei Keil p. 655 abgedruckte Fragment
aus Glossen zusammengestellt ist.
Die quellenkritischen Schriften von H. Linke und 6. Wissowa
habe ich von diesem Bericht ausgeschlossen.
Gledonius.
H. Bertsch, Gledonii ars grammatica. Diss. von Heidelbeif.
Eeidelbergae 1884. 4. 64 u. IV S.
Der Verfasser nimmt seinen Ausgang von der Ansicht Keils, dass
der Gommentar des Gledonius ursprünglich mit der ars Donati yerbiui-
den gewesen sei; als er später von Donat getrennt wurde, hätte man
die entsprechenden Lemmata hinzugefügt; dadurch zum Theil, zum Theil
bei dieser Gelegenheit seien die zahlreichen Verderbnisse entstanden,
die der doch so hoch hinaufreichenden Ueberlieferung ankleben. 'Has
igitur . . . turbas confusionesque nova hac editione discutere stndui.
Nam Keilius cum grammaticos Latinos adlturis locupletissimam et spe-
ciosissimam editiouem pararet singulis grammaticis quod in tanto opere
nemo mirabitur non parem semper curam impendebat. Qnod in Gledo-
nium inprimis cadit cuius commentarium corruptissimum et pertarbatissi-
mum noluit ille emendare et in ordinem redigere, nisi quod hie illic verba
qnaedam segregavit turbasque significavit (et vol. V. Addenda p. 681)
. . . Quare hac in parte pro meis viribus Keilii opus perficere volni*.
Ausser Keils und Hagens Bemerkungen hat der Verfasser zahlreiche
Vermuthungen F. Seh ö 11s zur Verfügung gehabt Nach einigen weite*
ren Andeutungen über die Quellen des Gledonius folgt alsdann der be-
richtigte Text mit der adnotatio. Die Einrichtung ist die, dass an
Bande die commentierten Donatabschnitte beigefügt sind unter besoa*
derer Hervorhebung derjenigen, die in der Handschrift als Lemmata fön»
giren; dadurch werden natürlich die Lemmata selber entbehrlich. Nor
des bequemeren Verständnisses wegen sind sie an einigen Stellen b^
lassen worden. Der Text hat in der That ein erheblich verschiedenes
Ansehn gewonnen; auch eine Reihe einzelner Stellen sind, freilich häu-
figer von Scholl als dem Verfasser, in glücklichster Weise emendiert
Wer also Gledonius heranzieht, dem wird die vorliegende Arbeit will-
kommene Dienste thun.
LatdDiaeh« Orattmatiker. 1S5
... • p
Gonsentius.
Einige gute Bemerkangen über die Qaellen des Consentias finden
sieb bei Birt, Rbein. Mas. 34 (1879) S. 22ff. Mancbe Vorsebriften des
Gonsentius Ober den Accent von Atrei Terei u. a. stimmen auffallend
mit Quintilian: beide gehen vermuthlicb auf den nftmlicben Palaemon
zurQck.
Weiter sei erwähnt das Urtheil P. £. Meyers a. a. 0. S. 40: 'At-
que Consentii artem perlegentibus nobis perspicuum fit, enm complurium
grammaticomm disputationes in manibus habuisse, suo autem ingenio iu-
dicioque disposuisse, auxisse, mutasse ' und weiter unten : ' Totius autem
artis rationem inspicientes, eum non tam commentarium in unam vel
aliam artem scripsisse intellegimus, sed suo Marte novam composuisse e
reliquomm artigraphoruro, suo iudicio vitia eorum emendaturum'.
Phocas.
J. M. Stowasser, Zu Phocas de aspiratione. Wiener Stu-
dien VII (1886) S. 164—166.
Stowasser bespricht zwei Handschriften des Traktats de aspira-
tione, die beide in der Marcusbibliothek in Venedig aufbewahrt werden»
Die erste (App cl. XIII cod. XXX) stammt aus dem XV., die andere
(App. class. XIII cod. LXVI) ebenfalls aus dem XV. Jahrhundert. Die
erste deckt sich in der Hauptsache mit dem von Keil benutzten Gudianus;
die letztere nimmt eine selbständige Stellung ein. Einige Lesarten wer-
den zur Bestätigung des Gesagten mitgetheilt und besprochen.
Priscian.
Nils Fredrik Nil^n, Priscianea. UpsaUae 1884. 66 S. 8.
Bec V. f. Gustafsson 'Nordisk Revy' 1884 S. 462 463.
Den Inhalt dieser Schrift — einer Dissertation von Upsala —
bildet die Besprechung und Mittheilung der Varianten einer in Upsala
befindlichen Priscianhandschrift aus dem 12 Jahrhundert, die Hertz
meht benutzt hat Der Ertrag ^r den Text wird auf S. 61 ff. mitge-
tboilt: derselbe ist durchaus unerheblich.
Hermann Karbaum, De auctoritate ac fide grammaticomm la-
tinonun in constituenda lectione Giceronis orationum in Verrem.
Halle. 1883. 40 S. 8.
Diese Arbeit ist ein Theil einer Preisaufgabe, die die Hallenser
pMosöi^dsche Faciütät gestellt hat. Das Hanptergebniss ist der Nach*
daas Priscian viele Stellen selbständig aus guter Ueberliefemng ge-
156 Lateiniscbe Grammatiker.
schöpft hat, dass unter den sonstigen Orammatikem einiges Gewicht
anf Charisins nnd Diomedes zu legen ist, während dagegen Sacerdos
und Probas, Arusianus Messias, Nonias, Gledonins weniger Bedentang
haben. Die speciellen Ergebnisse für die Gicerokritik gehören nicht
hierher.
Wichtiger ist ftür die Geschichte der Grammatik desselben Ver-
fassers Schrift:
De origine exemplonim qaae ex Ciceronis scriptis a Charisio,
Diomede, Arnsiano Messio, Prisciano Caesariensi, aliis
grammatids latinis allata sant Progr. v. Wernigerode 1889. 4. 18 S.
Auch diese Schrift ist aus der erwähnten Preisangabe hervorge-
gangen, deren drittes Gapitel de grammaticorum fontibus handelte. Der
Verfasser hat indessen die ursprüngliche Untersuchung erheblich erwei-
tert nnd vertieft. Die Abhandlung ist folgenderroassen disponiert:
I. Exempla quae grammatici ex antiquioribus fontibus repetita esse suis
verbis profitentur. II. Exempla quae coniectura ad veterum grammati-
corum studia velut Probi Berytii, Plinii Secundi, Julii Romani, Flavii
Capri; aliorum minoris pretii referri possunt: § 1. apud Priscianum.
§ 2. apud Gharisium et Diomedem. III. De ratione, quae inter Priscia-
num et Arusianum Messium exstat et de fontibus utriusque eorum. Zu
Gapitel I ist nichts weiter zu bemerken. Die Ansicht Neumanns, dass
Julius Romanus die Stellen aus den Tusculanen sowie aus de senectute
selber excerpiert habe, wird auf S. 3 als unbeweisbar verworfen. Auf
S. 4 werden die Citate aus Statilius Maximus zusammengestellt, von dem
der Verfasser mit andern annimmt, dass er aus den Schriften Giceros
eine Sammlung der Adverbia in lexicalischer Form excerpiert habe. Das
zweite Gapitel behandelt zunächst das Verhältniss des Priscian zu Ga-
per. Dieser Abschnitt hat manches Neue: die Einzelheiten will ich nicht
anfahren, weil ich diese Frage bereits bei der Keuschen Schrift unter
Gaper ausführlich besprochen habe. Keil schliesst sich in zahlreichen
Fällen an Kar bäum an. Das dritte Gapitel behandelt die interessante
Beziehung zwischen Priscian und Arusianus Messius. Zwischen beiden
findet mehrfach ein auffallendes Zusammentreffen statt, namentlich im
VIII. und XVni. Buche des Priscian; die Belege werden auf 8. 18. 14
zusammengestellt Dass Priscian den Arusianus ausgeschrieben habe, hält
Karbaum für unwahrscheinlich; die Art der gegenseitigen Beziehung
widerräth eine solche Annahme. Hat doch Priscian manche SteUe, die
bei Arusianus fehlt, aber bei andern Autoren sich findet in Verbindung
mit Beispielen, die sowohl Priscian als Arusianus haben. Die Belege
gibt Karbaum auf 8. 15. Wollte man annehmen, Priscian habe so-
wohl Arusianus als andere Grammatiker benutzt, so mttsste man sich
oft wundern, warum er aus andern Grammatikern Gitate genommen habe
fbr Dinge, die er auch bei Arusianus fand, den er doch in erster Idnie
J . .LI .^— V^^HB^V«Wni^^^i«l«^^B^V1^B^qV9ViH^^iBB^K^*'-=«^^W:^E9^^5^*^^
LateioiBche Grammatiker. 157
benutzt haben mflsste. Durch diese Ergänzungen kommt Kar bäum zu
der Ansicht, dass beide, Priscian und Arusianus, aus gemeinschaftlicher
älterer Quelle geschöpft haben. — Ich halte diese Ansicht für sehr wahr-
scheinlich und verweise auf die Darlegungen, die ich im Ind. Jen.
1888/89 S. 5 gegeben habe, wo ich aus ganz andern Giünden wie Kar-
baum versucht habe zu erweisen, dass noch eine andere Sammlung ähn-
licher Art wie die des Arusianus existiert haben mUsse, die zum grossen
Theile das gleiche Material enthielt. Damit würde freilich die Ansicht
Büchelers über die Zeit der Abfassung der Exempla des Arusianus
erschüttert. Buch el er hat nämlich im Rhein. Mus. 1888 Bd. 43 S. 298 ff.
darzuthun versucht, dass diese Schrift vor 387 verfiasst sei: denn in die«
sem Jahre werde sie von Ambrosius 3, 16 p. 424 Bened. p. 587 Migne
berücksichtigt (reeta eloctUio . . . kuiusmodi inueniiur dicerUe aÜquo 'loeum
edUiorem quam uidoribuß decebat' =» Arus. p. 465, 2, trotz Servius, der
dasselbe Beispiel bringt). Mit der Annahme zweier ähnlichen Sammlun-
gen würde dieses Argument an Beweiskraft verlieren. — Da aber nicht
bloss zwischen Priscian und Arusianus grosse üebereinstimmung herrscht,
sondern auch Diomedes, Servius, Donatus, Gbarisius und Nonius hinzu-
kommen, so glaubt Kar bäum auf eine uralte QueUe zurückgehen zu
dürfen und vermuthet, der Grundstock stamme aus Palaemon und der
silua des Probus. Daraus hätten vielleicht bloss Donatus, Gbarisius
und Diomedes direct geschöpft, die übrigen durch andere Zwischenglie-
der. Für das XYII. und XVIII. Buch des Priscian ergibt sich aus dieser
Darlegung, dass das meiste lateinische Material aus älteren Grammatikern
entlehnt ist, nicht aber, wie manche annahmen, von Priscan selber ge-
sammelt
Theodor Matthias, Zu alten Grammatikern (Jahrbücher f&r
klass. Philologie XV. Supplementband S. 593 — 640).
Von dem mannigfaltigem Inhalte dieser Schrift gehören die beiden
ersten Kapitel hierher. Das erste Kapitel handelt über ApoUonius als
HauptqueUe Priscians; das zweite über des ApoUonius rd^^vi^ ypafifAa'
rtxyj. Vergl. darüber den Jahresbericht über griechische Grammatiker
von Egenolff 1889 S. 276ff. Das Hauptresultat der ersten Abhandlung
geht dahin, »dass ausser in seltenen Fällen, wo Priscian selbständig noch
etwas anführen wollte, was er bei ApoUonius nicht fand und deshalb wo
anders herholte, ApoUonius für aUes, was der griechischen Grammatik
entlehnt werden konnte, die ausschliessliche QueUe war, der er, Blatt für
Blatt weiterblättemd, ganz in der von ApoUonius gebotenen Reibenfolge
aUe seine aUgemeinen Erörterungen entlehntet. Für die specifisch latei-
nischen Formen hingegen seien lateinische Quellen ausgeschrieben wor-
den. Gegen dieses Resultat erhebt Egenolff den Einwand, dass es
nicht ganz zutreffe, insofern sich doch bei Priscian auch Dinge finden,
die er der lateinischen Sprache aus griechischen QueUen aufoktroyiert
158 Lateiniiebe OrammAtiker.
bat Weiter aber bezeichnet Egenolff die QaeUennnterstcbung als
nicht eingehend genug und glaubt, dass die ganze Arbelt noch einmal
gemacht werden müsse. Der zweite Abschnitt sucht nachzuweisen, »dass
sowohl Priscian wie die Scholiasten gemeint haben, Apollonius . . . hStte
eine einheitliche grosse Grammatik verfasst, weil sie Exemplare benatz-
ten, in die der grOsste Theil seiner Schriften von einem späteren Gram-
matiker zusammenredigiert, Tielleicht auch nur von einem Schreiber zu-
sammengeschrieben wäre. Mit Recht hebt Egenollf hervor, dass diese
Annahme, falls sie glaublich erscheinen sollte, mit ganz andern Mitteln
erwiesen werden mttsste als es hier geschieht. Im Uebrigen begntkge kh
mich, auf Egenolff zu verweisen. — Auf die Bemerkungen Egenolffs
in Fleckeisens Jahrb. 117 (1878) 8. 837 f., die sich auf das Veth<aias
Priscians zu Apollonius beziehen, hat bereits Matthias B&cksicht ge-
nommen*
Adamantius und Martyrius.
Franz Bttcheler, Rhein. Museum B. XXXY S. 69ff., XXXYII
S. 830 ff.
lieber das Zeitalter des Adamantius hatte Bttcheler an erster
Stelle die Yermuthung geäussert, dass er dem vierten oder fünften Jahr-
hundert angehöre: an der zweiten Stelle rückt er ihn ins sechste Jahr-
hundert und macht ihn zu einem Zeitgenossen des Eutyches und Priscian,
mit denen zusammen er von Cassiodor im Jahre 572 benutzt wird. Ueber
seine Benutzung bilinguer Glossare hat Bttcheler an der ersteren Stelle
eingehend gehandelt: vergl. die Vorrede zu den Gloss. Nom. S. XVI.
Eugraphius.
Heinrich Gerstenberg, De Eugraphio Terentii interprete.
Jena. 1886. 118 S. 8. Recens. von Sohle e in der V^ochenschr. iür
klass. Philol. 1888 8. 244 ff.
Diese tttchtige Erstlingsschrift handelt im 1. Gap. de Eugraphii
jcodiclbus; im 2.: de Eugraphii fontibus; im 3.: de Eugraphii redactio-
nibns; im 4.: de Eugraphii aetate. Die genauere Besprechung dieser
Abhandlung wird unter Terenz zu suchen zu sein. Hier seien nur einige
JSauptresultate hervorgehoben. Das interessanteste darunter ist der Nach*
weis, dass Eugraphius wahrscheinlich ein jttngerer Zeitgenosse des Cassio-
dorius gewesen ist. V^eiter ist die Darlegung von Interesse, dass Eugrsr
j)hius in vielem mit Servius zusammenstimmt, dennoch aber vielleicht nicht
aus Servius geschöpft hat, sondern aus Donat, der auch des Servius
Quelle war. Vergl. die Tabelle auf S. 37 ff. Das nämliche gilt von No-
nins: die Aehnlichkeiten zwischen ihm und Eugraphius weisen ebenfalls
auf Donat hin. Ueber dieses Verhältniss zu Donat wird demnach sehr
Lateiaistikf Grsmafttiker. 159
eiageUod gehandelt: leider ist dem Verfasser def Mangel einer
digenden Donatausgabe mehrfach hinderlich gewesen. Ob Gersten-
bergs Annahme, dass umgekehrt zahlreiche rhetorische Partien aus
Engraphius in das corpus Donatiannm übergegangen sind, richtig ist,
wage ich vorläufig nicht zu entscheiden, halte es aber nicht flür wahr-
scheinlich.
Fulgentias Planciades.
Ueber die Publication von Reifferscheid (Anecdotum Fulgen-
Uanum im Index schoL Yratisl. a. 1883/84) vergl. Sittl Jahresber. 1888
B. LV S. 241. Ebenda wird die Schrift von Armand Gasquy de Fa-
hio Planciade Fulgentio Yergilii interprete (Paris 1887 »= Berl. Stud.
fbr class. Philo!.' VI 1. Heft) besprochen. Hinzuzufügen sind die Recen-
sionen von E. Jung mann, in der Wochenschr. fflkr klass. Philol. 1890
8. 166ff, sowie Keil in der D. litteratorz. 1890 S. 1746» von L. Du-
Vau in der Rev. crit. 1888 p. 192, von R. Bitschofskj in der Berl.
philol. Wochenschr. 1888 S. 466 ff., von M. Zink in der N. philol. Rund-
schau 1888 S. lS6f., schliesslich eine Notiz des Referenten im Ind. Jen.
a- 1890 S. 6, in der ttber einen mittelalterlichen Tractat zur Thebais, an-
geblich von Fulgentius, Mittheilung gemacht wird.
Sallustcitate.
Aug. Nitzschner, De locis Sallustianis qui apud scriptores
et grammaticos veteres leguntur. Hannover 1884. 8. 104 S.
Der Verfasser sammelt zwar die Gitate bei den Grammatikern,
unterlässt es aber die Fragen der Tradition heranzuziehen. Auch Iftsst
sich im Einzelnen noch manches hinzufügen: so das Citat aus dem Keu-
schen Anonymus (B. 1) p. 552, 82, wo das von Keil eingeklammerte
sal eben Sali ust ins bedeutet Vergl. Index Jen. a. 1888 p. IX.
Differentiae.
J. W. Beck, De differentiarum scriptoribus latinis. Gro-
ningen 1888. Rec. von G. Gundermann, Philol. Anz. XVII (1887)
S. 606—608, in WOlffiin's Archiv I S. 301. 302, von M. Bonne t in Re-
vue crit. 1883 S. 441, von P. Hirt in der Berl. phil. Wochenschr. 1884
S. 77—79. II. Dazu von demselben Verfasser im Gjmnasialprogr. von
Groningen 1884: Appendix de differentiarum scriptoribus latinis.
Besprochen Archiv I S. 699 sowie von G. Gundermann an der ge-
nannten Stelle. III. Derselbe in Fleckeisens Jahrb. B. 131 (1885)
S. 639 ff.
* Alle Autoren bis zum Ausgange des Alterthums herab, von denen
9fßMnyma oder differentiae angefOhrt werden, haben der Synonymik nicht
160 Lateinische Grammatiker.
besondere Werke gewidmet, sondern dieselbe bei Grelegenheit mitbehan-
delt, meist in Verbindung mit grammatischen Disciplinen: in der älteren
Zeit mit der Glossographie, später mit der Etymologie wie Verrins Fiac-
cns und mit der Orthographie wie Flavius Gaper. Die Sammlungen von
tUffermtiae^ die unter dem Namen des Probus, Sueton, Fronto gehen, ge-
hören nicht diesen Männern, sondern einer späteren Zeit an. Isidor ist
der erste, welchen wir als Verfasser einer besonderen Sammlung von
differentiae kennen; er hat aber offenbar schon vorhandene Sammlungen
benutzt Aus diesem Umstände, und da vor Agroecius sich keine sichere
Spur von solchen Sammlungen findet, ist zu schiiessen, dass zwischen
Agroecius und Isidor, also im fünften oder sechsten Jahrhundert, jemand
alle differentiae von der älteren Zeit bis zu Servius herab gesammelt und
mehr oder weniger verktlrzt und mit eigenen Zusätzen versehen in einem
thesaurus synonymorum vereinigt habe. Von diesem Werke sind die vor-
handenen Sammlungen, alle unter einander stark verwandt, lediglich
Excerpte, und durch gegenseitige Vergleichung des ganzen Materials
wttrde man den Archetypus wiederherstellen und den Werth der diffe-
rmtiae genauer abwägen können'. Mit diesen Worten legt Gunderma nn
den Inhalt des ersten Theiles der obigen Schrift dar. Dass die An-
nahme von einem im fünften Jahrhundert entstandenen Corpus differen-
tiarum» aus dem die vorhandenen Sammlungen herrühren sollen, richtig
ist, bezweifle ich sehr, muss es aber bei diesem Zweifel vorläufig be-
wenden lassen. — Der zweite Theil der Schrift (S. 28—90) bildet die
Veröffentlichung einer bisher ungedruckten Sammlung von differentiae
aus dem Montepess. H 306 saec. IX. Dass diese Ausgabe erhebliche
Mängel hat, hebt Gundermann mit Recht hervor. - In der Appendix
wird auf S. 51 — 60 die Collation einer Sammlung von differentiae nach
Hagen Anecd. Hev. S. 275 — 290 und der bei Roth und Reifferscheid
gedruckten mitgetheilt, beide aus demselben Montepessulanus, die, wie
Gundermann bezeugt, an ähnlichen Mängeln leidet.
Beiträge zur Kritik der von Beck edierten differentiae gibt K. R&ck,
Archiv II S. 129 ff.
Becks Aufsatz bei Fleckeisen bezieht sich auf eine Mittheilung,
welche Simon Widmann ebenda B. 127 (1883) S. 649ff. über zwei im
Privatbesitz befindliche Pergamentblätter veröffentlicht hat
GlosBOgraphische Litteratur.
Das wichtige Werk des Bahnbrechers auf dem Gebiete der Glosso-
graphie, der Prodromus Loewes ist bereits von Hagen besprochen
worden. Die sonstigen glossographischen Schriften Loewes finden sich
im Anhange der Glossae Nominum, welche Referent aus dem Loe-
weschen Nachlass unter Hinzufügung der noch nicht ausgearbeiteten
Abschnitte sowie der orientierenden Vorrede in Leipzig bei Teubner her^
Lateinische Gnunmatiker. 161
andgegeben hat Becensionen erBchienen im Litt. Gentralblatt 1884 S. 22 ff.
von Jpr im Archiv f. Lexic. II S. 144 f., in der Berl. phil. Wochenschrift
1884 S. 1676 von K. E. Georges, in der Wochenschrift für Philologie
von 1886 S. 432 von 0. Keller, im phil. Anz. XV 1886 S. 619ff. von G.
Gundermann. In mehreren dieser Besprechungen finden sich selb-
ständige Beiträge.
Placidus.
A. Deuerling, Nachträge zu Placidus und dem über glossa-
rum (Blätter für das bayer. Gymnasial- und Beaischulw. 1878 B. 14
S. 286— 311).
Der erste Abschnitt enthält 'Handschriftliches', d. h. einige Noti-
zen tkber den cod. Vercellensis des über glossarum, über den cod.
Bambergensis, sowie vier Handschriften des gloss. Salom., nämlich
den cod. Ratisbonensis (Monac. 13302), Windbergensis (Monac.
22201), Scheftlarnensis (Monac. 17162), Schirensis (Monac. 17 403),
welcher letztere als pure Copie des Ratisb. bezeichnet wird. Der zweite
Abschnitt erörtert eine Reihe kritischer Fragen im Gegensatze zu Her-
mann Hagen. Deuerling hatte die Ansicht ausgesprochen, 'dass
inanche der im üb. gloss. nicht enthaltenen Placidusglossen wohl deshalb
keine Aufnahme fand, weil bereits der sehr ähnliche oder gleiche Artikel
des Isidor, welcher ja bekanntlich den Placidus häufig ganz wörtlich aus-
schrieb^ aufgenommen war\ Darauf hatte Hagen entgegnet, dass dieser
Grund nicht stichhaltig sei; es sei vielmehr anzunehmen, dass die Yer^
fasser des über gloss. alles willkommen geheissen haben, was sie fanden.
Deuerling erhärtet seine Annahme mit guten Argumenten. Weiter
sucht Deuerling zu erweisen, dass im über glossarum mehrere Placi-
dushandschriften benutzt seien: das erhelle daraus, dass mehrmals der
gleiche Artikel des Placidus im über glossarum sich in verschiedener
Schreibung der lemmata vorfinde, von denen bald die eine, bald die an-
dere mit unseren noch vorhandenen Placidushandschriften flbereinstimme,
bald auch keine von beiden. Diese Doppelsetzungen werden auf S. 293
— 296 mitgetheilt. Wenn daselbst gegen Hagen bemerkt wird, dass
Placidusglossen in den Glossaren sehr selten seien, so trifft dies doch
nicht ganz zu, wie an anderer Stelle gezeigt werden wird. Auch einige
weitere Bemerkungen auf S. 299 bed&rfen der Berichtigung. Alle diese
Fragen werden in der praef. der Placidusausgabe im Corpus genau be-
handelt werden. Im weiteren Verlauf wendet sich Deuerling zu den
Placidusglossen, die bloss im über gloss. stehen; durch die Auffindung
der Pariser Placidushandschrift ist auch diese Frage in ein anderes Sta-
dium getreten. Der dritte Abschnitt bietet eine Anzahl von Emenda-
üonen zum Texte der Glossen. Im Ganzen ist die Placidusforschung
durch Deuerlings Abhandlung entschieden gefördert worden.
Jahresbericht fUr Altertumswissenschaft. LXVUI Bd. (1891 II). l\
)62 Iittteiwebe OramiDatilrar.
H. Hagen, De Placidi glosBis in libri glosaarum eofiee Ber^
nenai obviis disputatio« Progr. 4. 16 S. Ree. von £. Chatelain,
Revue de phil. IV p. lU.
Den Hauptinhalt dieser Abhandlang bildet die Auseinandersetzung
mit A. Deuerling in Bezug auf den eben genannten Aufsatz. Es wer-
den einige Angaben Deuerlings berichtigt, die früher vertheidigte An-
sicht über das Yerhältniss von Placidus zu Isidor wird aufgegeben; die
weiteren Bemerkungen erstrecken sieh theils auf Irrthümer in der QueUen-
bezeichnung des über glossarum, theils auf das gänzliche Fehlen der
Quellennotiz; weiter folgt die Vervollständigung der CoUation des cod.
Bemensis.
G. Ooetz, De Placidi glossis (Index Jen. a. 1886). Yergl.
die Besprechungen von H. Hagen, Wochenschr. Ar kl. Philol. 1887
S. 656—659, von 6. Wissowa, Deutsdie Litteraturz. 1886 S. 1862, von
A. Deuerling Archiv f. Lexic. IT S. 6^—630, von K. £. Georges
Berl. philol. Wochenschr. 1886 S. 427— i29.
Während die Echtheit mancher PlaoidusgloBse, die bloss im lib.
gloaa. steht, problematisch war und bleiben mussto, ist durch die Auf-
fiadung einer neuen Ueberlieferung der Forschung eine sichere Basis ge-
geben. Der cod. Paris, lat nouv. acquis. 1298 saec. XI, dessen Aoffin-
düng Gundermann verdankt wird, hat •*- von andern Bestandtheüen
abgesetiien — Placidusreihen in strengerer alphabetischer Ordnung, welche
dadurch erzielt wurde, dass der Zusammensteller aus einem ähnlich an-
geordneten £xemplar wie unsere Placidushandschriften erst — um ein
Beispiel zu geben -~ der Reihe nach die Glossen mit Ma excerpierte,
daim Me, Hi u. s. w. In diesen Reihen finden sich zahlreiche Glossen,
die lediglich der über glossarum als placideisch bezeichnet Auf diese
Weise wird ein volleres Placidiisexemplar erschlossen, das nicht etwa
durch Interpolation voller geworden ist, sondern in der That als die
Quelle sämmtUcher mehr oder minder verkürzten Pladdasüberliefenu-
gen betrachtet werden muss. Aber nicht nur für diese Frage ist der
Fund wichtig: auch die Einzelkritik erhält durch denselben bedeutende
Förderung, wie an dem Buchstaben G gezeigt wird. Ich will hier auf
diese Frage sowie auf die daran geknüpften Bemerkungen Deuerlings
u^ Wisse was nicht weiter eingehen, da das Material inzwischen viel
vollständiger geworden ist und an anderer Stelle zu behandeln sein wird.
Den Schluss der AUiandlung bilden einige Bemerkungen über Glosso-
gri^hen (s. S. 120) sowie über das Vorkommen der Wörter ghua^ glona-
riumy glosiema^ welche durch Georges in der angeführten BeBjnecfaong
weiter vervollständigt worden sind.
Beiträge zur Kritik des Placidus gaben Deuerling in Fleckeiseiis
Jahrbüoheirn 121, 847f.; 131, 643£, Heraeus, Archiv f. Lexioogr. VI
S. 273 ff., Onions, Journ. of Pfaüol. XI S. 76 ff.; XII, 77ff..; XV, & U67ft
GranHMlikok-. 163
olien. lieber die aus PlacidnsglosseB zasaramengesetate Yorrede der
lat. Anthologie vergl. Bährens P. L. M. IV S. 241 ff. AUe diese so*
wie zahlreiche Einzelbeiträge werden im Corpus Berücksichtigung finden.
Pseudodositheas.
A. Boucherie, Note additioneile sur les 'Epfjo^veußiara et la xa-
^luptv^ biuXia de Julius Pollux (Not. et Extr. t. XXVII. 2. Paris 1879.
2me partie). Rec. in Revue critique 1880 No. 26.
Die hier gegebenen Zusätze zu der Publication im 23« Bande der
Notices et Extraits sind dreifacher Art Der erste Theil stammt von
Massebieau und fuhrt den Nachweis, dass ähnliche 'if^/xj^vei^/uara be-
reits von B. Rhenanusim Jahre 1517 herausgegeben wurden, eine Aus^
gäbe, die im Jahre 1642 von neuem abgedruckt wurde; eine dritte Auf-
gabe von 1547 fügt Boucherie S. 461 hinzu. Der zweite von Bouche-
rie herrührende Theil erörtert im Anschluss an Massebieau die Autor-
frage mit Beziehung auf B. Rhenanus sowie das Verhältniss der Re-
cension des B. Rhenanus zu der des Montepessulanus, sowie auf den
vermeintlichen Antheil, den Dositheus an der Abfassung der 'Ep/n^ved-
ftara hat; der dritte Theil enthält Corrections et Errata, die von Ars^ne
Darmesteter und Charles Revillout herstammen.
Karl Erumbacher, De codicibus quibus Interpretamenta
Pseudodositheana nobis tradita sunt- Monacfaü 1883. 8. 68 8.--
Rec. u. a. von G* Gundermann Philol. Anz. XY (a. 1885) 8. 523ff.
Die Vorbemerkungen dieser gründlichen und wichtigen Schrift be-
schäftigen sich mit den verschiedenen Bearbeitungen der Interpretamente
und dem Verhältnisse derselben zu einander sowie zb dem ursprünglichen
Werke. Der Verfasser dieses Werkes ist aber weder Dositheus noch Pollux,
eondem ein Anonymus um den Anfang des dritten Jahrhunderts. Kruro*
bacher begnügt sich vorläufig, dies kurz hervorzukeben und verspricht
Ukr später ausführlii^e Begründung. In den folgenden drei Abschnitten
werden die Handschriften — mit Ansnahme des Montepess. -^ nnd ihr
Verhältniss besprochen; im ersten vier Münchener, Gin. 13Q02, 22901,
27317 sowie 328; im zweiten der Sang. 902, Monac. 601, Leid. Voss.
Gr. Q. 7, Leid. Voss. Lat 26 ; der dritte Abschnitt enthält eine Bespr»'
chung des Paris. 8049, sowie der Ausgaben des B. Rhenanus, Stepha-
nus und Vulcanius. ^
Das Material hat sich im Laufe de» letzten sieben Jabro theiis
dmrch Krumbachers, tbeils durch Gundermanns Bemühungen er-
heimlich vermehrt; auch Loewes Naeblass hat einiges Neue zu Tage ge«
f&rdert Zum Bedauern des Referenten hatKrumbacher seine Absiebt,
die ßearheitung der Pseudodositheana für das Corp^ gless. zu ttberaeh-
men, aufgegeben; in Folge dessen rousste Referent selber eintreten. Det
164 Latoiniflche Grammatiker.
erste Theil des dritten Bandes, der in Vorbereitung ist, wird sowohl die Aus-
gabe als eine ausüEÜirliche Besprechung des kritisdien Materials bringen.
H. Hagen, De Dosithei magistri quae ferunter glossis quae-
stiones criticae. Bern 1877. Progr. 4. 14 S. Anz. von W. Schmitz,
Jenaer Litteraturz. 1877 S. 782.
Der Inhalt dieser Schrift ist ein dreifacher. Sie enthält 1) Fri-
derlei Dnebneri olim Hassi, tum Parisiensis, descriptio codicis membr.
bibL Acad. Medidn. Montispessulan. H. nr. 306. 2) Friderici Dueb-
neri codicis Montispess. H. nr. 306 henneneamaton Dosithei apogra-
phon cum Boucherii editione a. 1872 conlatum. 3) Coniectanea in Do-
sithei glossas. Aufgefallen ist mir, dass Hagen sich die Bemerkungen
D&bners hat entgehen lassen, die im Rhein. Mus. von 1834 S. 599 - 603
mitgetheilt sind. D&bner hatte vor, für Lindemanns Corpus gram-
mat eine Ausgabe der Interpretamente zu veranstalten.
Julius Schoenemann, De lexicographis antiquis qui remm
ordinem secuti sunt quaestiones praecursoriae. Bonn 1886. 122 S. 8.
Ausgehend von der Pseudodositheanischen Sammlung der Herme-
neumata hebt der Yeriasser die nat&rlich bereits beobachtete Thatsache
hervor, dass die sachlich geordneten Abschnitte in den verschiedensten
Recensionen trotz aller einzelnen Abweichungen in der Hauptsache die-
selbe Reihenfolge der Gapitel und Anordnung aufweisen. Die beste und
am wenigsten gestörte Anordnung findet der Verfasser in den Herme-
neumata I des Cod. Neap. Graec. H D 35 saec XVI, den er nach üse-
ners Mittheilungen eingehend behandelt Auch diese Handschrift ist
mir inzwischen nfiher bekannt geworden : sie wird im Corpus gloss. be-
sprochen, aber nicht benutzt werden. Denn wenn die hier gebotene An-
ordnung am nfichsten herankommt an das Exemplar, 'ad coius normam
glossaria secundum res in capita digesta omnia diversis temporibus alia ipsa
alia aliis intercedentibus expressa videntur', so ist das lediglich das Ver-
dienst eines sp&ten Gelehrten, wie anderwärts nachgewiesen werden wird.
Die tlbrigen Ciqiitel beziehen sich vorzugsweise auf die griednsclie
Ldtteratur; die Spuren griechischer Onomastica werden gewissenhaft ver-
folgt: hauptsfichlicb aber wird ttber Pamphilus gehandelt, der nach
des Verfassers Ansicht sein Material ebenfalls sachlich gruppiert hat.
Zwischen ihm und den Hermeneumata — damit schliesst die Abhand-
lung — ist eine, wenn auch vielfach verwischte, aber doch nicht ganz
unkenntlich gemachte Beziehung vorhanden. 'Magistelli, qui Graecos
latine Rom&nos graece docere voluerunt, Graecis Romana Romanis Graeca
accommodabant; deinde onomasticon illnd Graecolatinum vel potius ono-
mastica illa — nam plura iam drcnmferebantur — in corpus intolenint
interpretamentorum'. Die Schrift zeugt von Belesenheit und Scharfsinn.
Vergl. die Besprechung von Maass in der Deutschen Litteraturz. 1887
S. 594.
4
Lat0iiii8ehe Grammatiker. 165
Einzelnes.
Die Glossen, welche M. Warren nach Mittheilangen von Robin-
son El 11 8 im amerikanischen Journal of Philol. vol. VI No. 4. vol. VII
No. 3 veröffentlicht hat, habe ich kurz besprochen im IV. Bande des Ar-
chivs S. U9f.|; ebenda habe ich auch einige bereits vorher gemachte Mit-
theilnngen registriert, sowie den Werth der Glossen und die Ueberliefe-
rungsfrage behandelt.
Eine Besprechung des von dem Referenten im Index Jen. a. 1883
edierten Terenzglossars suche man unter Terenz.
Ich erwähne femer Warrens Ausgabe der Glossen des codex
Sangallensis 912 (On laün glossaries. With especial reference to the
codex Sangallensis 912. edited with notes by Minton Warren, asso-
ciate Professor in Latin in the John Hopkins University. Reprinted
from the Transactions of the American Philological Association. 1884.
Cambridge 1885), nber welche ich kurz berichtet habe im zweiten Bande
des Wölfflinschen Archivs S. 494. Dem Texte vorausgehen auf S. 124
— 140 einleitende Bemerkungen über die Bedeutung des Glossars flu*
phonetische und grammatische Studien; angehängt sind auf S. 188—228,
knappe, aber gründliche Noten meist kritischen Inhalts. Der Abdruck
des Textes ist nberholt durch die Mittheilungen im IV. Bande des Cor-
pus glossariorum: die Noten werden im Generalglossar des Corpus zu
berücksichtigen sein Sie sind in der Regel vortrefflich und zeugen eben
so sehr von Scharfsinn wie von gründlicher Gelehrsamkeit auf diesem
wenig bekannten Gebiete. Yergl. K. E. Georges in der Berl. philol.
Wochenschr. 1886 S. 207—209, F. Haverfield in der Academy 1886
S. 134f.
Sinonoma Bartholomei, A glossary from a 14th Century Ms.
in the library of Pembroke College. Oxford« edited by J. L. G. Mo-
wat. Oxford. Clarendon Press. 1882. 4. 48 S.
Yergl. die ausführliche Besprechung von G. Loewe in den Gloss.
Nom. S. 116 ff.
Alphita. A medico-botanical glossary from the Bodleian Ms.
Seiden B 35. edited by J. L. G. Mowat Oxford, Clarendon Press 1887.
Das hier veröffentlichte Glossar stammt ans einem Codex, der
etwa im Jahre 1465 geschrieben ist Das Material ist zum Theil ganz
jungen Datums: anderes lässt sich schon in weit älteren Quellen nach-
weisen. Yergl. Wölfflin Archiv lY S. 342, Litt. Centralblatt 1887 S. 678
[E. W.j. Eine genauere Erforschung der medicinisch- botanischen Glos-
sare steht noch aus. Einen Anfang dazu machte
Job. Schmidt, Das medicinisch-botanische Glossar von
Siena, im Hermes Band XYIII (1883) S. 521—545.
Die älteste Handschrift der Sieneser Stadtbibliothek (vergl. Her-
mes XYII S. 243) aus dem elften Jahrhundert bietet unter anderem ein
IJge LtldnMolM GffttBtttllkef.
medicinisch- botanisches Glossar, das ao obiger Stelle genau nach dem
Original abgedruckt wird. Die orsprftnglichen aus Dioscorides, Oriba-
sius, Paulus Aegineticus und verwandten Glossaren belegten Formen wer-
den in den Anmerkungen mitgetheilt
Henry Sweet, The Epinal glossary, Latin and Old-Englisch
of the eighth Century. Photolithographed from the original ms. By
W. Griggs, and edited with transliteration, introduction and notes by
H. S. Printed for subscribers and for the Philological and Early
English Text Societies. Trabner and Co. London. 1883. XIY 8. n.
80 Blätter in FoHo.
Der bereits von Mone sowie Quicherat und andern benutzte Co«
dex Epinalensis (cf. Loewe, Prodr. S. usf.), eine Parallelhandschrift zu
dem ersten Erfurter Glossar, wird hier Seite für Seite photolithographiert,
transcribiert und mit einer Einleitung versehen herausgegeben. Die pho-
tolithographische Reproduction scheint vorzüglich zu sein, die Transcrip-
tion leidet an zahlreichen Lesefehlem, die dem Herausgeber von eng-
lischer Seite vielfach vorgehalten worden sind und sich aus dem Facsi-
mile leicht verbessern lassen. Die Einleitung bezieht sich auf das Yer-
haltniss der Epinaler Glossen zu den drei Erfurter Glossaren, den Lei-
dener Glossen, denen des Gorpus-Ghristi>Gollege, auf palaeographische,
orthographische und sprachliche Eigenthümlichkeiten. Der in Vorberei-
tung begriffene fünfte Band des Gorp. gloss. wird in seiner ersten Hftlfte
dasselbe Material und einen Theil der angeregten Fragen behandeln.
Der Hauptwerth liegt ohne Zweifel in der photoiithographischea Wieder-
gabe der Handschrift.
J. H. Hesseis, An eigbth-century Latin- Anglo-Saxon glossary,
preserved in the library of Corpus Ghristi College. Cambridge. 1890.
XLYm u. 226 S. 8.
Der cod. 144 des Corpus Christi College in Cambridge enthalt
zwei Glossare; 1) eine 'interpraetatio nominum ebraicorum etgrecorum',
die ausserordentlich häufig vertreten ist, 2) die ^glosa secundum ordinem
elimentorum alphabeti'. Dieses letztere Glossar enthält in der Haupt-
sache denselben Glossenbestand wie das erste Erfurter Glossar, mit
Zusätzen, die meist am Ende der Reihen ihren Platz haben. Beide
Glossare sind in obiger Pvblication, wie es scheint, mit all der Sorgfalt
herausgegeben worden, wie sie die Wichtigkeit der Sache erfordert
Dem Abdruck voraus geht eine ausführliche Einleitung ttber die Vorge-
schichte der Veröffentlichung, ttber Alter und Art der Hattdsehrilt, Ober
orthographische und sprachliche Eigenthttmlichkeiten, Ober die Schrei-
bung einzelner Glossen und anderes, angefügt ist ein willkommener In-
dex. Auch diese Publication wird im Corpus glossariorum mit Dank und
Gewissenhaftigkeit benutzt werden.
\
LatMniBolie Qr«imatik»r, 10^
Sari Hamatin, Mittheilangen aus dem Brdviloqmil Benthemia*
nas, einem handsohriftlichen lateimschen Glossar des XV. Jahrbanderts.
Progr. der Realscbule des Johanneums zu Hambnrg. 1879. 32 S. 4.
In dem ftrsUicben Maseute zu Bnrgsteinfart in Westfalen befindet
sieb ein Breviloquus, den der Verfasser zu Ebren des Fürsten von Bent-
beim nnd Steinfart als breviloquns Bentbemianus bezeicbnet In der
genannten Pnblication wird zun&chst eine Bescbreibung der Handscbrift
gegeben. Es folgt eine Darlegung des Inhalts, eine Uebersicbt über die
Quellen, die der Glossograpb selber nennt (Isidor, Papias, Ugutio, Gui-
lelmus Brito, Breyiloquus vocabularius : ausserdem Osbem, Jobannes de
Janua, Joannes de Garlandia, Eberbardus Betbuniensis , Alexander de
Villa Dei, Alexander Neckara, Petrus de Riga u. a.), sowie eine Unter-
sucbung über die Heimath und Schreiber des Glossars. Hierauf folgen
die Excerpte nach folgenden Rubriken: h Verwandte Glossen mit denen
in Loewes Prodromus. II. Glossen zur Ergänzung von Wattenbacbs
Scbriftwesen im Mittelalter. Für die ältere Glossograpfaie ergibt sich
wenig von Belang: vielleicht haben die deutschen Glossen grösseres In-
teresse. Eine Rec dieser Schrift gab E. Ludwig, Jen. Litteraturztg.
1879 No. 20.
Derselbe, Weitere Mittbeilungen aus dem Breviloquus Bentbe-
mianus, enthaltend Beiträge zur Textkritik der Vulgata, nebst einem
Anbang: Abschnitte aus dem liber derivationum des Vgutio von Pisa.
Progr. der Realschule des Johanneums zu Hamburg. Ostern 1882.
32 und XVI S. 4.
Der erste Theil, die Beiträge zur Textkritik der Vulgata, wird an
anderer Stelle zu besprechen sein. Der zweite Theil enthält Mittheilun-
gen aus den Münchener Hugutiohandschriften No. 14056 und 12297.
Abgedruckt wird die Vorrede des liber derivationum, hierauf einige Ab-
schnitte aus den Buchstaben A, Q, X, Z. Diese Publikationen verfolgen
den Zweck, Material zur Behandlung der Frage nach dem Verbältniss
zwischen Hugutio und Osbems Panormia zu bieten.
Ueber das Turiner Glossar, das Pflugk-Harttung in seinem
Iter Italicum II S. 343 ff. veröffentlicht hat, vergl. Corp. gloss. IV praef.
p. xxxvn.
S. Berger, De glosariis et compendiis exegetieis quibus-
dam medii aevi siue de libris Ansilenbi, Papiae, Hugutionis,
Ouil. Britonis, de catbolicon Mammotrecto, aliis. Pdrisiis 1879.
Bec. u. a. Litt. CentralbL 1880 S. 18.
Nach einer kurzen Einleitung über die Bedeutung mittelalterlicher
glossograpbiscber Sammlungen füf die Erklärung der Bibel bebandelt
der Verüftsser im ersten Capitel das grosse Glossar des'Ansileubis'.
Er zählt die ihm bekannten Handschriften auf; bandelt über die Quellen
168 Lateiniflche Orammatlker.
und zuletzt über den Verfasser. Es werden allerlei Litterätumachweise
beigebracht, die durchaas willkommen, aber leider nicht im Stande sind,
die angeregten Fragen erheblich zu fördern. Das zweite Gapitel handelt
über Papias. Nach einer Aufzählung der in Frankreich befindlichen
Handschriften wird die praefatio mitgetheilt, die Quellen werden kurz
behandelt, schliesslich die Drucke und Schriften über Papias registriert.
In ähnlicher Weise behandelt Gapitel 3 den Hugutio. Der Nachweis,
dass Osbem der Verfasser des Novus Thesaurus ist, ist nicht von Wil-
manns, sondern von W. Meyer. Etwas ausführlicher werden im lY.
Capitel Ouilielmus Brito und im V. Johannes de Janua besprochen. Ga-
pitel VI behandelt Johannis Gomprehensorium, den Vocabularius familiaris
et compendiosus, Joannis Bernardi Sauonensis Vocabularium ecclesiasti-
cum, Henrici Jerung Elucidarius Scripturarum, Vocabularius Breuiloquus.
Damit schliesst der erste Theik Im 2. Theil handelt Berger in vier Ga-
piteln über den Mammotrectus.
Hermann Hagen, Gradus ad criticen. Leipzig. 1879.
Diese Schrift gehört insofern hierher, als Hagen das Material ftkr
seine Beispiele aus Bemer Glossenhandschriften genommen hat Es
kommen namentlich drei Handschriften in Betracht: 1) Der cod. Bern.
236, der ein Zwillingsbruder des im IV. Bande des Gorpus praef.
p. XXXVI besprochenen codex Leid. 24 ist, wonach die Note ebenda
p. XXIX zu berichtigen resp. zu ergänzen ist. 2) Der cod. Bern. 16,
ein liber glossarum, aber nur die Buchstaben A~E umfassend. 3) Der
cod. Bern. 178, worüber zu vergl. Gorp. gl. IV p. XL. Eine Reihe von
Glossen hat Hagen glücklich verbessert: andere würde er richtiger be-
handelt haben, wenn ihm der Zusammenhang der Tradition, namentlich
bei No. 1 und No. 3 genauer bekannt gewesen wären. Vergl. H. Nett-
leship, Notes on the glosses quoted in Hagens gradus ad criticen (Jour-
nal of Phil. XI S. 116 ff.). Auf Einzelheiten einzugehen ist unmöglich.
Gorpus glossariorum.
Gorpus glossariorum latinorum a Gustave Loewe inco-
hatum auspiciis Societatis Litterarum Regiae Saxonicae composuit re-
censuit edidit Georgius Goetz. Vol. IL Glossae latinograe-
cae et graecolatinae ediderunt Georgius Goetz et Gottholdus
Gundermann. Accedunt minora utriusque* linguae glossaria. Lip-
siae. 1888. -* Vol. IV. Glossae codicum Vati c an i 8321 Sangallen-
sis 912 Leidensis 67 F edidit Georgius Goetz. Lipsiae. 1889.
Mit Loewes jähem Tode war auch der Plan, nach dem er sein Cor-
pus glossariorum edieren wollte, verloren: Referent hat nie eine darauf
bezügliche Aeusserung gehört, vielleicht weil ein ganz bestimmter Plan
noch gar nicht vorlag. Es ist dies auch völlig begreiflich : denn die Mate-
rialsanunlung war weit entfernt davon, abgeschlossen zu sein, so dass sich
A
Lateinische Ckmmoiatiker. 169
das Gebiet noch gar nicht ttbersehen liess. In den meisten FSllen hatte
sich Loewe mit Excerpierung der interessanteren Glossen begnttgt; nur
in wenig Fällen hat er Abschriften oder vollständige CoUationen hinter-
lassen^ Wer sich die Mtthe nimmt, die Vorreden der beiden Bände, die
bis jetzt erschienen sind, zu lesen, wird stets gewissenhafte Angaben über
diesen Punkt finden. Aber auch die Loeweschen Abschriften sind in
allen wichtigen Fällen theils von dem Referenten, öfter von Gunder-
mann nachgeprüft worden, so dass nur bei ganz unwichtigen Codices
Loewe die Verantwortung zu tragen hat.
Der Plan, nach dem das Corpus bearbeitet wird, ist von dem Re-
ferenten frtlher bereits in den Teubnerschen Mittheilungen dargelegt wor-
den ; derselbe wurde abermals erörtert in einem Aufsatze Aber *Jos. Sca-
ligers glossographische Studien und Pläne' in den Sitzungsberichten der
Königl. S. Gesellsch. der Wissensch. 1888 S. 232 ff. Referent ist erfreut,
dass derselbe die Billigung hervorragender Kenner dieses Gebiets gefun-
den hat. In der That bat der weitere Fortschritt der Arbeit diesen Plan
immer mehr als richtig erwiesen. Nur durch die zweckmässige Vereini-
gung eines Corpus glossariorum mit einem kürzeren Corpus glossarum kön-
nen die Forderungen der zuverlässigen Fundierung sowie der Bequemlich-
keit der Benutzung zugleich befriedigt werden. Dass die bis jetzt erschie-
nenen Stücke — eben weil es nur Stücke sind — zunächst schwer zu
benutzen sind, kann nicht als Vorwurf gegen das Ganze gerichtet werden.
Reccnsionen des zweiten Bandes sind erschienen von H. Keil
Deutsche Litteraturz. 1889 S. 550—552, von A. Deuerling Zeitschr. f.
d. bayer. Gymnasialschulw. B. XXV S. 459 ff., von H. Nettleship Class.
Rev. 1889 8. 128f., K. Krumbacher Litt Centralblatt 1888 S. 1274ff.,
K. £. Georges Berl. philol. Wochenschrift 1888 S. 690, G. Schepss
in der Wochenschr. f. kl. Philol 1889 S. 405, sowie von Wölfflin im
Archiv B. V S. 582. -— Der vierte Band wurde besprochen von H. Keil
in der Deutschen Litteraturz. 1890 S. 961-— 952, von K. Krumbacher
im Centralblatt 1889 S. 1777—1779, von A. Funck in der Berl. philol.
Wochenschrift 1890 S. 478 ff., von G. Schepss in der Wochenschr. für
klasfi. Philol. 1890 S. 523 f., von Wölfflin im Archiv VI S. 572, von H.
Nettleship in der Class. Rev. 1890 S. 255.
Die Nachträge zum Corpus sollen dem fünften Bande einverleibt
werden. Bekannt geworden ist bisher nur einer, der von Wichtigkeit ist:
E. Steinmeyer, Lateinische und altenglische Glossen (Zeitschr.
f. d. Alterth. u. L. 33. 1889 S. 242 ff.).
Aus einem Doppelblatte in Münster, das neuerdings mit anderen
von Buchdeckeln gelöst wurde, werden Nachträge zu den Glossae No-
minnm aus den Buchstaben I und P veröffentlicht
Die zerstreuten Beiträge zur Kritik einzelner Glossen, unter denen
ich namentlich die von Nettleship hervorhebe, werden im General-
glossar des Corpus berücksichtigt werden.
i
170 LatelüiMh« ChmniMtlklff.
W. Foerster und E. Koschwits, AltfranzösifiichM Uebnngsbaoh
zum Gebrauch bei Vorlesungen und Seminarflbungen. Heilbronn 1884.
Von diesem Werke interessiert den Forscher auf dem Oebiete der
classischen Glossographie 1) der Abdruck eines Theiles der R eiche -
naner Glossen; 2) Excerpte ans einem unbekannten Glossar. Dieses
letztere ist ohne Zweifel der cod. Bernensis 224, über den ansser
Hagens Catalog zn vergleichen ist praef. Corp. gloss. lY p. XXX.
Elias Steinmeyer and Eduard Sievers, Die Althochdeut-
schen Glossen, fiand I. Glossen zn biblischen Schriften. Berlin 1879.
Band II. Glossen zu nichtbiblischen Schriften bearbeitet von E. Stein-
meyer. Berlin 1882.
Auf dieses grosse nnd wichtige Werk, das sich natArlich aneh mehr-
fach mit der classischen Glossographie bertthrt, mOge nnr kurz hingewie--
sen werden. Ein specielles Interesse hat der — wie eine Nachprüfting
best&tigt hat — durchaus zuverlässige Abdruck der sogenannten Rha*
banisch-Keronischen Glossen, welche mit in die grossere Samm*
hing der glossae 'Abavus* geflossen sind.
Ebenso ist hervorzuheben die zweite von R. P. Wttlcker besorgte
Ausgabe der Anglosaxon and old English vocabularies von
Thomas Wright. London 1884.
Nachtrag.
Unter Plinius ist nachzutragen der Aufsatz von J. W. Beck im
Philologus N. F. II (1889) S. 256 ff. Theils im Anschluss an die Schrif-
ten von Marschall und Bölte theils in Opposition zu denselben stellt
Beck da^enige zusammen, 'was sich aus einer Vergleichung der Wörter
und Ausdrucke, die unzweifelhaft aus den Büchern des Plinius hervor-
gegangen sind ', ergibt. Die Wichtigkeit einer Sammlung der pliniamschen
Ueberfeste wird mit Recht betont. — Die Arbeiten über Sueton^ so-
weit sie hierher gehören, werde ich im nächsten Bericht besprechen.
Jahresbericht über Terentius nnd die dbrigen
scenischen Dichter ausser Plaatas für 1884
(zweite Hälfte) bis 1888.
Von
Gymnasial -Rektor A. Spen^^el
in Passau.
Terentius.
A. Schriften verschiedeDen Inhalts.
Gnilelmus Prinzhorn, De libris Terentianis qaae ad recensio*
nem Calliopianam redeont. Dissert. Ootting. 1885. 35 8.
Mit Ausnahme des codex fiembinus gehören alle nnsere Hand-
schriften der Recension des Galliopius an. Die Galliopische Recension
selbst scheidet sich in drei Gattungen, von welchen die erstere — zur
Bezeichnung dieser Originalhandschrift ist der Buchstabe d gewfthk —
dem Bembinus nfther steht, die zweite — mit // bezeichnet — entfern-
ter, wahrend die dritte eine Mischung von beiden enthäH. Das Verhält-
nis dieser ersteren zwei Arten J und // zu untersuchen hat sich der
Verfasser zur Aufgabe gemacht Seine Resultate bringt nachfolgendes
Schema zum Ausdruck:
X ^^
J //
DG PC(B)F
X bedeutet das Original aller unserer Handschriften. Von diesem stam-
men der Bembinus (A), eine nicht erhaltene, dem Bembinus (parallele
I
172 Terentlns.
Handschrift (a) and eine gleichfalls nicht erhaltene, von Galliopins cor-
rigierte (A^). Von einer Handschrift dieser Calliopischen Recension
(F) kommen die Originale za unseren Codices, nämlich erstens J, das
Original zu dem Yictorianns (D) und dem Decartatns (G), und zwei-
tens /7, das Original zu dem Parisinas (P), Yaticanus (C) nehst dessen
Apographon, dem Basilicanus (B) und der Ambrosianus (F). Die Hand*
Schrift J ist nicht nach dem Kommentar des Donatus corrigiert, son-
dern nach einer dem Bembinns parallelen Handschrift (a). Was davon
in J übergegangen, erscheint zum teil in DG. Zur Herstellung der ur-
sprünglichen Form der Calliopischen Recension sind die Handschriften
DG von um so gröfserer Wichtigkeit, weil D das älteste Exemplar dieser
Recension darstellt.
Georg Goetz, Glossarium Terentianum. Ind. schol. aest Jen.
1886. Neuenhahn 18 8. 4. 50 Pf.
[Recensiert: Berl. philol. Wochenschr. V, 21, 8.644 — 47 von
0. Seyffert].
Interessant ist die Publikation des von G. Loewe im cod. Yatican.
1471 gefundenen Glossars aus dem IX. Jahrhundert mit der Commentie-
mng und Textberichtigung von G. Goetz. Der erste Teil desselben be-
zieht sich auf die drei Stücke des Terentius Andria Adelphoe und £a-
nuchus in dieser Reihenfolge der Komödien. Der Sammler der Glossen
hatte eine Handschrift des Terentius mit Erklärungen vor sich, welche
am Anfang und Ende unvollständig war, da weder Glossen aus dem An-
fang der Andria noch ans dem Schlafs des Eunuchus vorkommen. Irr*
tümer wie pecte für recte, zeigen, dafs sie in Majuskeln geschrieben
war. Oft stimmte sie mit den Lesarten des codex Bembinns überein, an
anderen Stellen mit Donatus u. a. Fleckeisens Conjecturen poste Eun.
493 und grandicnla Andr. 814 erhalten dadurch volle Bestätigung.
Dafs die Handschrift, aus welcher das Glossar geflossen ist, einer be-
sonderen, zwischen dem Bembinns und der Calliopischen Recension ste-
henden Quelle angehörte, hat 0. Seyffert in der Recension obigen Schriftr
chens (Berl. phil. Wochenschr. 1886 No. 21 S. 644—47) dargelegt und
auch selbst Beiträge zur Texteskritik des Glossars geliefert.
Adolfus Greifeid, De Andriae Terentianae gemino exitu. Diss.
Hai. 1886. 43 S.
[Recensiert: Wochenschr. f. kl. Philologie V, 10 S. 304—5 von
Schlee. Neue phil. Rundschau No. 22 p. 342 von E. Redslob. Berl.
phil. Wochenschr. VII, 16 S. 498—500 von Engelbrecht].
Zur Andria ist in Handschriften untergeordneter Gattung eine zweite
Schlufsscene von etwa 20 Versen erhalten, in welcher die Verlobung des
Charinus mit Philumena auf der Bühne abgemacht wird, während nach
der anderen Fassung dieser Vorgang durch die Worte intus despon-
{
Terentias. 178
debitur hinter die Scene verlegt wird. Die Terschiedensten Ansichten
wurden darüber ausgesprochen und zu begründen gesucht Teils schrieb man
die Scene dem Terenüns selbst zu und betrachtete entweder diese oder
die erstere als die ursprüngliche Fassung, teils einem Dichter, der kurze
Zeit nach Terentius lebte, teils auch einem Gelehrten des 2. oder 4. Jahr-
hunderts nach Christus. Nachdem man vergebens versucht hatte in der
Form der sehr schlecht überlieferten Verse einen Anhaltspunkt für ihre
Abfassungszeit zu gewinnen, fafst Oreifeld die Sache von einer anderen
Seite an, indem er, eine Andeutung Ritschis weiter ausführend, nach*
zuweisen sucht, dafs die Scene mit dem Charakter des Charinus, wie
er in dem Stücke selbst gezeichnet sei, wenig harmoniere und sich
verschiedene Ungehörigkeiten vorfinden, so dafs jedenfalls Terentius
selbst nicht als Verfasser gelten könne. Mit Hasper de dupl. Poenuli
exitu wird ferner hervorgehoben, dafs alle Stücke des Plautus und Teren-
tius mit Tetrametem schliefsen, nur diese Scene auf iambische Senare
ausgeht. Oreifeld nimmt an, sie sei von einem Schauspieler verfafst,
der das Stück mit zwei Heiraten schliefsen lassen wollte. Als wahr-
scheinliche Abfassungszeit bezeichnet er das siebente Jahrhundert der
Stadt, dieselbe Zeit, in welcher auch die Plautinischen Prologe entstan-
den und verschiedene Änderungen an den Stücken vorgenommen worden
seien. An L. Atilius Praenestinus möge man jedoch nicht denken noch
an einen anderen der Schauspieldirektoren, welche in den Didaskalien
erwähnt werden, da deren Bühnenexemplare den Grammatikern bekannt
waren und gewifs von diesen der Name des Verfassers beigesetzt wor-
den wäre.
Durch eine Bemerkung bei Schmidt de actorum numero in &b.
Plaut, et Ter. 1870 p. 39, welche auch Greifeid p. 11. Anmerk. er-
wähnt, wufste man, dafs sich in einer Erlanger Handschrift noch eine
andere Form dieser Schlufsscene findet, in welcher aufser Pamphilns
Charinus, Davus, Chremes auch noch Simo vorkommt; doch war bisher
Näheres über den Inhalt nicht bekannt geworden. Durch die Güte der
Verwaltung der Erlanger Universitätsbibliothek erhielt ich die Handschrift,
cod. Erlang. No. 800 saec. XII, zugeschickt und kann hierüber nähere Mit-
teilung machen. Der Schlufsvers der Andria lautet in dieser Handschrift
mit den übrigen übereinstimmend intus Transigetur si quid est quod
restat, dann folgt mit grofsen Lettern vos valete et plaudite. Cal-
liopius recensui, worauf der Eunuchus beginnt. Die in einigen Hand-
schriften noch folgende Schlufsscene, die mit den Worten Te expecta-
bam beginnt, ist also nicht vorhanden. Dagegen stehen auf folium 2^ vor
Einleitung und Text der Andria 16 Zeilen mit der Überschrift zur Seite
rechts VLTIMA SCENA IN ANDR- und dem Scenentitel Charinus
Pamphilns Dauus Cremes Symo mit grofsen Lettern und Abktlrzung
der Namen. (Simo spricht nur in den letzten 6 Zeilen.) Der Text beginnt
mit den Worten Te expectabam wie in jenen anderen Handschriften,
174 Terentins.
teilt dies aber dem Chremes zu. Der Inhalt der Scene ist insofern mit
der anderen gleich, als auch hier die zweite Tochter des Chremes dem
Gharinns verlobt wird, der Wortlaut aber verschieden. Es ist Prosa,
nicht Verse, die Latinität schlecht, teilweise ganz fehlerhaft. Eline Probe,
von Zeile fünf bis zehn der Handschrift, wird genügen: Pamph. O mi
Chremes, uellem. . Chrem. Quid uis? Pamph. Dicere quod rem in toao*
Chrem. Quid? Pamph. Alterae tuae gnatae inueni. . Chrem. Quid
quod enim quasi necligis quod instat. Pamph. Virum te et illa dig-
num. Dav. Probus quantiuis hie est pretiL Chrem. Quis? Dav. Ille
Charinus, nulli nostrae uicinitatis iuuenum secundus. Chrem. Nee a
nostra notitia alienus. Pamph. Et mecom a puero complicuit amici-
tiam. Chrem. Ne moram ad alia faciamus. Pamph. Tua affinitate sua.
uirtus est dignissima. Chrem. Assentier.
Welche Kenntnis des Lateinischen der Verfasser dieser Scene be-
safs, zeigt am besten der vorletzte Satz: Tua affinitate sua uirtus
dignissima, wo das Pronomen sua unlateinisch ftlr eins gesetzt ist, sciL^
Charini. Bemerkenswert ist, dafs die Worte Alterae tuae gnatae inuens^
nimm te et illa dignum offenbare Ähnlichkeit haben mit Vers zwei de
SchluljBscene anderer Handschriften: operam dedi ne me esse oblitn
dicas tuae gnatae alterae. tibi me opinor inuenisse dignum te e
illa uirum und weiter unten nee a nostra notitia alienus mit Vers
der anderen Fassung: alienus abs te tamen qui tu esses nouenua
Aufser diesen und den zwei Anfangsworten Te expectabam ist kein
Ähnlichkeit vorhanden.
Wiewohl somit diese Scene der Erlanger Handschrift für Terentii
keinen Wert hat, bleibt es doch interessant, dafs hier eine zweite Fo
jener Schlufsscene vorliegt, wobei jedoch ein Zusammenhang mit d^
Fassung der anderen Handschriften bei der Gleichheit obiger Stellen
namentlich der beiden Anfangsworte nicht abzuweisen sein wird.
Augustus Roehricht, Quaestiones scaenicae ex prologis Terexa.
tianis petitae. Diss. Argen t. 1886, Trübner. 53 S.
Die in gutem Latein geschriebene Abhandlung stellt aus den Pro*
logen des Terentius zusammen, was auf die Litteraturgeschichte die»^/
Zeit Bezug hat und ordnet den Stoff nach den drei Gesichtspunkten:
I. Comici latini quid in exemplari graeco exprimendo sectentur, IL Qnae
ratio Terentio cum poetis et prioribus et aequalibus intercedat, IH. P^
re scaenica. Ich hebe einzelnes daraus hervor. Die Definition, was die
Prologe unter nova fabula verstehen, wird richtig gegeben, nftmlieh ein
Stück, das noch nicht aus dem Griechischen übersetzt und auf die Bühne
gebracht ist R. hätte nicht nötig gehabt für Hec. prol I v. 6: nnoe
haec planest pro nova eine andere Erklärung anzunehmen und ih
schliefsen, dafs die Hecyra nach der ersten mifsglückten DarsteUani
vielfach geändert und gebessert auf die Bühne gebracht wiurde* Dm
Ter«ii4ii8. 175
Stack kointe als neu gelten, weil nur ein Teil gespielt worden war, nt
neqae spectari neque cognosci potuerit, wie es zwei Verse vorher
helfet. — Nicht bewiesen sei, dafs der Prologsprecher immer in einem
besonderen Kostfim erschien, omatus prologi (Hec. prol. 1) können anch
ein Scepter, ein Stab oder ein Ölzweig gewesen sein, wodurch er sich
ab legatus bezeichnete. In Bezug auf letzteres hätte Roehricht auf die
Bilder einiger Terenzhandschriften verweisen können, in welchen der
Prologsprecher des Phormio und der Adelphi mit einem Zweig in der
Hand gezeichnet ist. — Unsicher ist, wer die Theaterstücke dem Dichter
aUcanfte. Die Stellen Eun. prol. 20: postquam aediles emerunt und
Hec prol. II v. 49 pretio emptas meo sucht R. dadurch zu ver-
einen, dafs er annimmt pretio emptas meo beziehe sich auf die Kosten
4er Anffllhrung, die der Schauspieldirektor zu zahlen hatte, auf die Aus-
stattang, Ernährung und Unterweisung der Schauspieler u. dergl., dafür
habe der Direktor eine bestimmte Summe von den Ädilen erhalten.
Der Verfasser weifs die vorhandenen Angaben für seine Zwecke
mszonntzen, doch entgeht er nicht immer der bei solchen Fragen nahe-
liegenden Versuchung, was von einer einzelnen Person oder einem be-
sonderem Fall fiberliefert ist, zu verallgemeinern und als eigentfimliche
Itttorarische Erscheinung aufzufassen.
Enno Bartels, De Terentii memoria apud Nonium servata. Diss«
Argent 1884. 60 S.
Die vorliegende Dissertation zeigt anschaulich, wie die Stellen des
Terentius bei Nonius citiert sind. Ein grofser Teil ist durch die Schuld
ier Abschreiber entstellt und verstümmelt, gar manche hat Nonius in seiner
Sofl^^osigkeit und Oberflächlichkeit selbst entstellt, nur einige, sagt
Bartels, lassen sich zur Herstellung des Textes des Terentius benutzen.
Znweilea sind auch zwei Citate durch Textverderbnis in eins zusammen-
geflossen, und es ist Bartheis mehrmals gelungen solche in ihre zwei
Bestandteile zu zerlegen. Die grofse Zahl der Abweichungen von un-
serem Terentiustexte erklärt er als durch Glosseme entstanden, indem
Nonius ein Exemplar des Terentius mit Interlinearglossen benutzt habe,
wie sieh ähnliche in unseren Handschriften vorfinden. Die Citate des
NoniuB stimmen am häufigsten mit der Recension des Bembinus, nicht
selten auch mit den Handschriften DG, am wenigsten mit den übrigen
Codices.
Fr. Straumer, Eine deutsche Bearbeitung des Selbstpeinigers
des Terentius aus dem 16. Jahrhundert. Programm des Gymnasiums
sn Chemnitz 1888. 36 S.
Der Verfasser, welcher einen Teil des Inhalts einer Handschrift der
Zwickaner Schulbibliothek in seinen Beiträgen zur Geschichte der Schul-
komödie in Deutschland (Freiberg 1868) veröffentlichte, läfst hier den zwei-
176 TerentitiB.
ten Teil samt dem Kachweis der Hertenft und Bedeutung der Handschrift
folgen. Während Gottsched und nach ihm andere Litterarhistoriker die
Schrift in das Ende des 15. Jahrhunderts setzen, wird hier flberzeugend
nachgewiesen, dafs sie vielmehr der zweiten Hillfte des 16. angehört
Denn es finden sich in der deutschen Einleitung zum Eunuchus und
Heautontimorumeros Zeitereignisse tlber die erste Hillfte des 16. Jahr-
hunderts hinaus erwähnt. Als Ort der Entstehung und ersten Aufführung
wird Freiberg in Sachsen bezeichnet, was mit Beweisen aus der Hand-
schrift selbst belegt wird, und die Dichtung mit gröfster Wahrschein-
lichkeit dem Valentinus Apelles zugeschrieben, welcher in den Jahren
1545—1681 Rektor des Freiberger Gymnasiums war.
§
Gustavus Yallat, Quomodo Menandrum quoad praecipuarum
personarum mores Terentius transtulerit. Diss. Paris. 1883. 132 S.
[Recensiert: Revue critique Nr. 24 S. 482 von Fr. Plessis.].
In einem äufserst verschwenderisch gedruckten Schriftchen — die
Zeile enthält durchschnittlich 6 bis 8 lateinische Wörter und die Seite
16—18 Zeilen — sucht der Verfasser durch Yergleichung der haupt-
sächlichsten Rollen bei Terentius und bei Menander zu beweisen, dafs
Terentius in der Charakterisierung der Personen sich nicht genau an
Menander hielt, sondern besondere Züge beimischte und ihre Schärfe
milderte. Der Beweis wird aus den Fragmenten des Menander und
den Bemerkungen des Donatus zu Terentius geführt Da diese Quellen
spärlich fliefsen und die Worte des Donatus oft derart sind, dafs man
zweifeln kann, ob sie sich auf Terentius allein im Gegensatze zu Menan-
der oder auf beide Dichter zugleich beziehen, sind auch die Schlüsse
häufig unsicher. Soviel mufs man dem Verfasser zugestehen, dafs Teren-
jtius sich nicht scheute, wo er es nötig fand, Änderungen des Originals
vorzunehmen und dafe man in dem Urteil über die Unselbständigkeit
des lateinischen Dichters nicht zu weit gehen darf.
Louis Havet, Sur les prologues de THeauton timorumenos, de
THecyra et du Phormio. Revue de philologie t. X, 1 (1886) p. 12 — 16.
In dem Prolog zum Heautontimorumenos wird nach Dziatzko^s
Vorgang Vers 7 und 9 ausgeschieden und das übrige durch Versetzung
in nachfolgender Weise umgestaltet:
Necui Sit vestrum mirum cur partis seni
Poeta dederit quae sunt adulescentium,
3 Id primum dicam, deinde quod ueni eloquar.
[10 Nunc quamobrem has partis didicerim, paucis dabo:]
11 Oratorem esse uoluit me, non prologum.
Vestrum iudicium fecit, me actorem dedit,
Sed hie actor tantum poterit a facundia
Quantum ille potuit cogitare commode
TerentioB. 177
16 Qni orationem hanc scripsit quam dicturus sum.
4 Ex integra graeca integram comoediam
Hodie sum acturus Heauton timorumenon,
6 Duplex quae ex argumento facta est simplici.
16 Nam quod rumores distulerunt malivoli
Multas contaminasse graecas, dum facit
Paucas latinas, factum hie esse id non negat,
Neque se pigere et deinde facturum autumat
Vers 10 scheine aus dem verstümmelten Prolog zur Hecyra her-
eingekommen zu sein. Diesen Prolog zur Hec3rra legt sich Havet auf
folgende Art zurecht:
Hecyra est huic nomen fabulae: haec cum [noua] datast,
Nouae nouom u. s. w. bis Y. 7, dann ohne Lücke :
8 Alias cognostis eins; quaeso hanc noscite.
(Heaut. 7) Nouam esse ostendi et quae esset: nunc qui scripserit
Et cuia graeca sit, ni partem maximam
Existimarem scire uestrum, id dicerem:
10 Nunc quamobrem has partis didicerim paucis dabo.
Im Prolog zum Phormio wird V. 83 vorgeschlagen Quem actoris
uirtus nobis restituat locum. Doch sei V. 30 — 34 nicht ein Stück
des Prologs zum Phormio, sondern vielmehr der Schlufs des ersten Pro-
logs zur Hecyra, wie schon Schindler observ. crit. et histor. in Teren-
tium (Halle 1881) erkannt habe. Nach Havet's Ansicht gab es im Alter-
tum auch Exemplare, welche die Prologe des Ambivius nicht enthielten
und von dem Schicksal der Hecyra nichts meldeten. Unser Text sei
eine Zusammensetzung einerseits aus einem Exemplar für die Vorstellung
des Ambivius, von dem Dichter selbst ausgehend, anderseits aus einem
Bühnenexemplar, das von Ambivius ausging und das die zwei Prologe zu
Hecyra enthielt. Vielleicht lasse sich aus solcher zweifachen Überliefe-
rung der mehrfache Widerspruch in den Didaskalien, die verscliiedene
Ordnung der Stücke u. a. erklären.
Philippe Fabia, Les prologues de T^rence. Paris, Thorin und
Avignon, Roumanille. 1888. IV und 322 S.
[Recensiert: Revue critique No. 27 S. 11 — 12 von A. Gartault
Journal des savants 1890, janvier, p. 34 — 43 von 0. Boissier.]
Das umfangreiche Buch hat sich zur Aufgabe gestellt über die
Prologe des Terentius den Franzosen, bei welchen Terentius einer der
gelesensten, auch in der Schule viel behandelten Schriftsteller ist, »eine
gründliche und vollständige Studie zu bieten, würdig des Dichters und
der modernen Philologie«. So wird gehandelt über Echtheit der Prologe,
Text, Chronologie derselben, Geschichte des Prologs vor Terentius, Neu-
Jahresbericht für Alterthumswisseoschaft. LXVni. Bd. (1891 n.) 12
178 TttentilUL
gestaltuDg durch diesen Dichter, Person und Eostfim des Prologsprechers,
Prolog auf der römischen Btthne nach Terentius, Polemik der Prologe
des Terentius, Stil und oratorische Kunst derselben.
Die Darstellung ist breit und redselig — die Geschichte des Pro-
loges vor Terentius auf der griechischen und römischen Bfihne umfafst
allein 30 Seiten — und das meiste, was hier zu finden ist, ist bereits
in den deutschen Arbeiten gesagt, die übrigens gewissenhaft angeftüirt
und sorgfältig benutzt sind. Doch eröffnen sich auch einige neue Ge-
sichtspunkte, indem die Themen nach allen Seiten hin durchgesprochen
werden. Unter ornatus prologi versteht Fabia einen Ölzweig mit
Bändern, die Abzeichen der Bittenden und vergleicht Liv. 24, 30, 14:
ramos oleae atque velamenta alia supplicum porrigentes,
29, 16, 6, Tac. bist. I, 66, Yerg. Aen. VIF, 164: Paciferaque manu
ramum praetendit olivae u. a. Auch der Prologsprecher trete als
Bittender und Gesandter vor das Publikum. Dabei sind Fabia die auf
alte Überlieferung zurückgehenden Handschriftenbilder nicht entgangen,
im cod. Tat. ist der Prologsprecher zu den Adelphi und zum Phormio
mit einem Zweig abgebildet. Bezüglich der Abfassungszeit der einzelnen
Komödien und der dazu gehörigen Prologe entscheidet sich der Verfasser
fhr die Reihenfolge:
Andria verfafst im Jahre 588 d. St
688
Eunuchus
Heautont.
Phormio
Adelphi
Hecyra
691
693
694
594.
In der Textkritik befolgt er eine conservative Richtung und erklärt
sich mit Recht gegen willkürliche Änderungen, Umstellungen, Annahme
von Lücken in den Prologen. Nur Yers 6 des Prologs zum Heaut. ver-
wirft er und nimmt Vers 3 die Vertauschung der Worte primum nnd
de in de nach Paulmier und Guyet an, die auch schon in den Scholien
des Bembinus erwähnt wird: Id deinde dicam, primum quod veni
eloquar.
Nicht zugekommen sind uns:
F. Nencini, De contaminazione in Terenti Adelphis. Annaii della
scuola normale de Pisa, vol. V (IX).
H. C. Eimer, The copulative coniunctions que et atqu e in the in-
scriptions of the Republic, in Terence and in Gato (from the Am.
Journal of Phil. VIII) Baltimore 1887. 39 S.
E. Abel, Die Terenzbiographien des Altertums und des Mittel-
alters. Budapest 1887 Akademie. (Ungarisch.)
[Rec. Wochenschr. f. Ph. V 82/83 p. 1000—6. Egyetemes phil.
Közlöny 1887 Nr. 9. 10 p. 769—72.]
Terentius. t79
B. Grammatisches.
A. Weninger, De parataxi in Terenti fabulis yestigiis. Dissert.
Erlang. 1888 Jacob. 114 S.
(Recensiert: Archiv f. lat. Lexikographie Y, 3, 4 S. 692. Bl.
f. d. bayer. Gymn. XXV, 8, S. 387 f. von J. Weissenhorn.]
Auf Grund von Holtze, syntaxis prisc. Script lat. und Dräger,
historische Syntax der lat. Sprache und insbesondere J. B. Weissenhorn,
parataxis Plautina (Programm der Studienanstalt Burghausen 1884) wird
die parataktische Satzstellung bei Terentius genau untersucht und kommt
der Verfasser zu dem Ergebnis, dafs in dieser Beziehung die Sprache
des Terentius von der des Plautus im allgemeinen keine Verschieden-
heit aufweist, wofür die richtige Erklärung in dem Umstand gefunden
wird, dafs beide Dichter hierin die Eigentümlichkeit der Umgangssprache
wiedergeben, die in der Zeit des Terentius dieselbe war wie zur Zeit
des Plautus. So werden besprochen die selbständig beigesetzten Aus-
drücke scio, credo, opinor, spero, censeo, quaeso, cupio, sci-
licet u. a, Wendungen wie ibo, visam si domist u. ähnl. Auch der
Indikativ bei indirekten Fragesätzen wird nach Becker de synt. interrog.
obliqu. in dieses Bereich gezogen und der Conjunktiv ohne ut und ne
nach volo, nolo, sino, cave u. a. nach JoUys Vorgang als Parataxis auf-
gefafst, welche erst von späteren lateinischen Gramatikern, die den Aus-
druck nicht mehr verstanden, als Auslassung der Conjunktionen ut und
ne angesehen worden sei. Allerdings läfst sich facias volo in dieser
Weise leicht erklären »du sollst es thun, ich will es«, aber für cave
facias ist eine solche Auffassung weniger einleuchtend.
Im Verlauf der Arbeit ist dem Verfasser reichlich Gelegenheit ge-
boten zur Erklärung und Textgestaltung einzelner Verse bestimmte Stel-
lung zu nehmen» und er versteht es meistens unter den vorhandenen
Möglichkeiten die wahrscheinlichste auszuwählen.
Gelegentlich sei bemerkt, dafs das Wort sei licet nicht, wie von
Weninger und, soviel ich weifs, allgemein angenommen wird, aus scire
licet entstanden, sondern nichts weiter als sei, licet ist, was aus der
parallelen Wortbildung vide licet zu ersehen ist. Ein gleiches gilt von
ilicet (= i, licet).
Otto Boettger, De dum particulae usu apud Terentium et in
reliquiis tragicorum et comicorum. Diss. Hai. 1887 26 S.
[Recensiert: Archiv f. lat. Lexik. V, l, S. 149—50].
Anknüpfend an Elstius, de dum particulae usu Plautino und des-
sen Einteilung des Stoffes folgend bringt Boettger diesen Nachtrag über
den Gebrauch bei Terentius und den übrigen scenischen Dichtern. In
der Bedeutung »während« verbindet Terentius mit dum nur das Präsens,
12*
180 Terentios.
Plaatus anch das Perfekt und Futur. In der Bedeutung »so lange alsc
stimmt der Gebrauch bei Plautus und Terentius ttberein. Das Yerbum
des Nebensatzes steht in demselben Tempus wie das des Hauptsatzes,
wenn nicht in dem Inhalt der Aussage selbst die Wahl eines anderen
Tempus begründet ist In der Bedeutung »bisc verbindet es Terentius
immer mit dem Indikativ des Präsens, Plautns auch mit Futur 1. und 2.
und Perfekt. Die Verwendung der Partikel mit dem Conjunktiv ist bei
Plautus und Terentius gleich.
Esaias Laiin, De dum, donec quoad particularum usu apad Te-
rentium. Norcopiae, consort. actor. diurn. Norcop. 1888. 21 S.
[Recensiert: Neue phil. Rundschau No. 11 S. 164 f. von H.
Schnorr v. Carolsfeld. Berl. Wochenschr. IX 46 S. 1483 — 36 von
H. Deiter.]
Die Abhandlung beabsichtigt eine Ergänzung zu GrOhe, quaest
de usu Ter. particularum temporalium pars prior, Uratislav. 1867 zu
geben, da in dieser Schrift alle Temporalconjunktionen mit^ Ausnahme
von dum, donec und quoad bebandelt seien. Der Verfasser hätte,
wie er sagt, seine Abhandlung vielleicht nicht geschrieben, wenn ihm
Richardsons Dissertation de dum particulae apud priores scriptores
latinos usu, Lips. 1886 früher bekannt geworden wäre. Erst vor Voll-
endung seiner Untersuchung erhielt der davon Kenntnis, entschlofs sich
aber zur Veröffentlichung seiner Arbeit, weil seine Behandlung des Stoffes
eine andere sei und auch die Goi^unktionen donec und quoad von ihm
berücksichtigt sind.
Dum als Adverbium. Die Erklärung Richardsons wird ange-
nommen, dafs dum aus einer Pronominalwurzel entstanden und ursprüng-
lich demonstrative Bedeutung hatte. Diese Demonstrativbedeutung findet
sich bei Terentias nicht mehr, wohl aber bei Plautus. Den Überg^g
zur unterordnenden Temporalcoi\junktion zeigen Stellen wie Catull. 62,
46: virgo dum intacta manet, dum cara suis est. — Enklitische An-
lehnung der Partikel dum an eine andere Partikel, etiamdum, qui-
dum, interdum, dudum (aus dum dum entstanden), nondum, vix-
dum, nedum. — Mit einem Imperativ verbunden, ad es dum,
ehodum.
Dum als Gonjunktion, in der Bedeutung »währende.
1. mit dem Indicativ. Mit Recht wird als beachtenswert her-
vorgehoben, dafs der Indikativ auch in der indirekten Rede zuweilen bei-
behalten ist, so Heaut. 16: multas contaminassc graecas, dum facit
paucas latinas, Hec 829: dicitque sese illi anulum dum lactat detraxisse.
2. mit dem Conjunktiv. So fafst L. die Stelle Heaut 1068: haec dum
incipias gravia sunt duroque ignores, aber schwerlich richtig. Er
selbst bemerkt, dafs hier auch die Bedeutung »so lange alsc zulässig
Terentins. 181
sei. Der Coiganktiy scheint aber yielmehr durch die zweite Person Sing,
des Yerbums veranlafst zu sein.
Dum in der Bedeutung >so lange alsc i. mit Indikativ.
Auch für den Indikativ und Imperfekt sind Stellen beigebracht, sowie für
Perfekt und Futur. 2. mit Gon|junktiv. Nachdem die Stellen vorge-
führt sind, an denen der Coi^junktiv nur steht, weil der betreffende Satz-
teil einem conjunktivischen Satze untergeordnet ist oder der indirekten
Rede angehört, wird zum Beweise, dafs dum in der Bedeutung »so lange
als« auch an und fttr sich mit dem Coi^junktiv verbunden werden kann,
Eun. 741 angeführt: usque adeo illius ferro possum ineptiam et magni-
fica verba, verba dum sint. Diese Auffassung halte ich nicht für rich-
tig. Dum ist hier mit Gonjunktiv verbunden, weil es neben »so lange
als« zugleich »vorausgesetzt dafsc, »wenn nur« bedeutet, gleich dum
modo. Wir werden daher vielmehr den Satz aufstellen müssen, dafs bei
dum weder in der Bedeutung »währende noch in der Bedeutung »so
lange als« der Gonjunktiv steht, aufser wenn ein anderer syntaktischer
Grund die Wahl dieses Modus veranlafst. Bei dum in der Bedeutung
»bis dafs« setzt Terentius sowohl den Indikativ als den Gonjunktiv, in
der Bedeutung »wenn nur, nur dafs« immer den Gonjunktiv, als Nega-
tion in letzterem Falle ne.
Donec »bis dafs«, nur mit Indikativ. Es wird nachgewiesen,
welche Zeiten im Haupt- und Nebensatze stehen.
Quoad steht in direkter und indirekter Frage in der Bedeutung
»bis wie lange«, wie Phorm. 147: senem quoad expectatis vestrum.
Ähnlich auch Phorm. 523: dies quam ad dares huic praestituta.
A. Arlt, Servare bei Terenz (und Plautus) als Nachtrag zur Er-
klärung von Horat. Sat. I, ], 89. Progr. d. Gymnas. zu Wohlau.
1887. 10 S.
Als Nachtrag zu seiner Erklärung der Stelle des Horat. Sat. I,
1, 89, welche der Verfasser im Programm des Jahres 1886 No. 195 dar-
gelegt hat, stellt derselbe hier die verschiedenen Bedeutungen des Wor-
tes servare bei Terentius (und Plautus) zusammen und zwar 1. ser-
vare achtgeben, um zu sehen, was sich ereignen wird, 2. achtgeben, um
zu verhindern, dafs jemand etwas thut, was er nicht soll, 3. achtgeben,
um zu verhindern, dafs jemand etwas widerfährt, was ihm nicht soll.
— An die letztere Bedeutung schliefst sich, wie mit Recht bemerkt wird,
die weitere: verwahren, erhalten, retten so leicht an, dafs man
auf die Vermutung kommen könne, die Grundbedeutung von servare sei
achtgeben, nicht aber erretten, erhalten, was die Lexika an erster Stelle
anführen.
182 Terantlas.
E. A. Outjar, Terenzische Betonungsfragen, sprachwissenschaft-
liche Studie. Beigabe zur Pfründungs-Ordoung der Fortbildungs- und
Volksschulen zu Reudnitz-Leipzig, unteren Teiles. Leipzig 1888, Zan-
genberg und Himly. 17 8.
Eine Zusammenstellung der Fragesätze aus Terentius, welche durch
den blofsen Satzton ohne Fragepartikel ausgedrückt sind. Nachdem an
einigen Beispielen gezeigt ist, wie schwer oft Betonungsfragesätze von
den einfachen Aussagesätzen zu unterscheiden sind, werden die Stellen
selbst, nach folgenden Gesichtspunkten geordnet, vorgeführt: A. im ein-
fachen Satz, 1. bei dubitativem Sinn, 2. bei positivem Sinn, 3. bei nega-
tivem Sinn der Frage. B. im Zusammengesetzen Satz, nach derselben
dreifachen Einteilung. Da der Wortlaut der Stelle nicht angegeben,
sondern nur mit Zahlen operirt wird, vermifst man die Anschaulichkeit,
die bei Vorführung solcher Fragen unerläfslich ist. Nur so wäre zu er-
kennen gewesen, ob und wie bestimmte Gedanken gerade in diese Frage-
form gekleidet zu werden pflegen.
S. Slaugther, On the Substantivs of Terence. Johns Hopkins
University Circulars VI No. 57, S. 77—78. Baltimore April 1887.
[Abstract of a paper read at a meeting of the University Philological
Association, January 7. 1887.]
Angeregt durch Rassow's Abhandlung de Plauti substantivis, Leip-
zig 1881 gibt der Verfasser eine kurze Studie ttber die Substantiva bei
Terentius. 1) Eigennamen. Bei Plautus ist V« der Namen lateinischen
Ursprungs, bei Terentius ^/s, Plautus hat 115 zusammengesetzte Namen,
Ter. 16, Plautus 117 Namen, die man bei anderen Schriftstellern nicht
findet, Terentius fünf. 2) äna^ Xeyojxtva bat Ter. mit Ausschlufs der
Eigennamen sechs, nemlich Babylo, contortor, curatura, gerro,
praemonstrator, screatus. 3) Griechische Wörter sind meistens
termini technici und alle finden sich auch bei anderen Schriftstellern,
84 von den 42 bei Terentius vorkommenden auch bei Plautus. Sieben
sind zuerst von Terentius gebraucht, prologus, obolus, riscus, san-
dalium, psaltria, eunuchus, citharistria. 4) Zusammengesetzte
Wörter hat Ter. 32, alle auch sonst im Gebrauch; Plautus fünfmal so
viel, darunter manche Neubildungen. Zur Zusammensetzung benutzt
Plautus mit Vorliebe die Präpositionen sub, per, pro, Terentius cum.
Hierauf werden die Diminutivsubstantiva besprochen, zu denen die un-
regelmäfsigen parasitaster, homuncio und Syriscus gehören, die
Wörter auf ium, tas, tudo. Plautus hat z.B. 72 Wörter auf tas,
23 auf tudo (3:1), Terentius 50 auf tas, 9 auf tudo (5:1). Endlich die
Verbalsubstantiva auf ido, men, mentum, tor, trix, arius, us, o,
io, ela, tura, tio, tus nach ihrem Zahlenverhältnis bei Terentius und
Plautus. Die Untersuchung schliefst mit den Worten, auch aus dieser
Wortbildung könne man ersehen, dafs die Sprache des Terentius, wie
schon Engel brecht zeigte, der des Cicero näher steht als der des Plautus.
fm^
Terentios. 183
C. Ausgaben des Terentius.
Carolus Dziatzko, P. Terenti Afri comoediae. Lipsiae, Tauch-
nitz, editio stereotypa 1884. XL und 296 S.
[Recensiert: Wochenschr. f. Phil. II, 34 S. 1066 — 70 von Fr.
Schlee. Phil. Anzeiger XV, p, 6 p. 316—18. Cultura VI, 10 p. 364
— B von B. — Berl. phil. Wochenschrift V, 11 p. 326—33 von A.
6. Engelbrecht. Neue phil. Rundschau Nr. 16 S. 248 f. von H.
Schnorr.]
In der Praefatio dieser Gesamtausgabe wird zu den Fragen über
Geburtsjahr, Heimat des Dichters, über die Art, wie er nach Rom ge-
kommen u. a. Stellung genommen, dann werden die wichtigeren
Handschriften aufgezählt und nach ihrer Bedeutung gewürdigt ; den codex
Lipsiensis hat Dziatzko selbst verglichen, ebenso zu dem Commentar des
Donatus den Parisinus und andere Handschriften. Mit Recht wird p. X
bemerkt, dafs Umpfenbacbs Yergleichung des Bembinus nicht immer
ganz genau sei, doch hat Dziatzko die Addenda et Gorrigenda, welche
Umpfenbach zwischen Praefatio und Text seiner Ausgabe beigab, über-
sehen und so die darin enthaltenen Berichtigungen von Studemund und
Michaelis zu den Lesarten des Bembinus unbenutzt gelassen. Die Ad-
notatio critica gibt über die kritische Fassung aller wichtigeren Stellen
Aufschlufs und Rechenschaft und sind die Grundsätze der Textgestaltung,
wie nach anderen Arbeiten des Verfassers zu erwarten war, verständig
und besonnen. Dziatzkos Recension ist jedenfalls geeignet für die Zu-
kunft die Fleckeisensche Ausgabe zu ersetzen, welche, wiewohl in ihrer
Zeit eine bedeutende und willkommene Leistung, doch den heutigen An-
forderungen nicht mehr gentigen kann.
Karl Dziatzko, Ausgewählte Komödien des P. Terentius Afer
zur EinfEkhrung in die Lektüre der altlateinischen Lustspiele. 1. Bänd-
chen Phormio, zweite veränderte Aufl. 1885. Leipzig. Teubner. 141 S.
[Recensiert: Zeitschr. f. d. Gymn. XXXX, 5 8. 286-6 von F.
Schlee. Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XXXVI, 12 S. 908-17 von
£. Hauler. Phil. Wochenschr. V, 40 p. 1268—60 von A. Engel-
brecht.]
Diese neue Auflage des Phormio ~ die erste stammt aus dem
Jahre 1874 — ist vielfach ergänzt und verbessert, und die unterdessen
erschienene Litteratur gewissenhaft verwertet. Mehr noch als in der
ersten Auflage war der Verfasser bestrebt, das Buch für den Gebrauch
von angehenden Philologen einzurichten und hat »von dem Charakter
einer eigentlichen Schulausgabe umsomehr abgesehen, als auf Gymnasien,
wenigstens den preufsischeu, Terenz als Schulschriftsteller immer noch
nicht heimisch wird.«
184 Terentios.
Mit Recht beklagt Dziatzko die Yernachlässigung dieses Dichters
aaf den Gymnasien. Wer je mit der Schale eines dieser Lastspiele ge-
lesen hat, der weifs, dafs die Schüler dieser aas dem Leben entnommenen
Lektttre ungleich gröfseres Interesse entgegenbringen als den rhetorischen
und philosophischen Schriften des Cicero.
A. Spengel, Die Komödien des P. Terentius. Erstes Bändchen:
Andria. Zweite Auflage. Berlin. Weidmann 1888. XXXIV und 168 S.
[Becensicrt: Neue phil. Rundschau Nr. 16 S. 248—9 von H.
Schnorr. Bl. f. bay. Gymn. XXV, 9 S. 455—59 von Weniger. Berl.
Wochenschr. IX, 24 S. 756—8 von A. Engelbrecht. Zeitschr. f.
österr. Gymn. XL, 6 S. 505—8 von J. Stowasser. Rivista defil XVII,
7-9 S. 425—7 von E. Stampini. Wochenschr. f. Phil. VII, 32/33
p. 889—890.]
Über den Wert des Buches steht dem Referenten kein Urteil zu.
Französische und englische Ausgaben:
Terentii comoediae ed. by E. J. Parry. London, Whittacker.
Terenzio, le Commedie volgarizzate da A. Cesari con note di G.
Rigutini. Milano, Trevisini.
Terentius Adelphoe, publik par Fr. Plessis, Paris, Elinck-
sieck 1884.
[Recensiert: Neue phil. Rundschau 1 10 p. 149 - 52 von A. Teuber.
Wochenschrift f. Ph. II, 38 p. 1005—6 von F. Schlee. Berl. phil.
Wochenschr. V, 27 p. 846 — 9 von Dziatzko. Deutsche Litteraturz.
Nr. 6 p. 192 von A. Spengel. Lit. Centralbl. Nr. 8 p. 246 — 7 von Ap.
Philol. Anzeiger XV 7. 8. p. 417 von Th. Fritzsche. Revue critique
Nr. 6 p. 108— 1 1 von Psischari. Revue de Tinstruction publ. XXVIII 3
p. 193 — 8 von P. Thomas. Bulletin de la Facultö de Gaen 1885
Nr. 2 p. 68—70 von L. Dorison. Bulletin de la facult6 des lettres
de Poitiers 1885 Nr. 1 von Hild. Polybiblion XXI p. 41-3 von P.
de Nolhac]
Les Adelphes, expliqu^s litteralement, traduits en frangais et annot^s
par A. Mater ne, Paris, Hachette 208 p.
Les Adelphes, texte latin, publik avec une introduction, des notes,
les fragments des Adelphes de Menandre, les imitationes de Moli^re,
etc. sous la direction de E. Benoist par J. Psischari. Paris,
Hachette. 96 p.
Das Büchlein entspricht bescheidenen Anforderungen. Die Ein-
leitung bespricht Inhalt und Komposition des Stückes und stellt die pro-
Terentias. IgS
sodiscben und metrischen Eigentümlichkeiten zusammen, ohne jedoch
eine Erklärung oder Begründung beizufügen. Zur Textgestaltung bat
der Verfasser, wie er sagt, die Ausgaben von Bentley, Klotz, Wagner«
Fleckeisen, Umpfembacb, Marriott (London 1863) und Spengel benutzt,
sich aber gröfstenteils an letztere angeschlossen, nur einigemal dem
Wagnerschen Texte den Vorzug gegeben. Die Erklärung ist sehr knapp
gehalten; manches erscheint uns trotzdem überflüssig, wie zu Vers 147
die Bemerkung: etsi] cepandant, xa/nep^ oder 221 die Erklärung des
Wortes inescare.
T6rence, Les Adelphes, texte latin publik avec la notation
m^trique, une introdnction , des notes en fran^ais et un appendice
critique, par M. TAbb^ A. Bouö, licenci6 des lettres, ancien ^l^ve
de r^cole des Carmes. Paris, Poussielgue fr^res. 1887. X und 96 p.
Wie der Herausgeber in der Vorrede bemerkt, haben seiner Aus-
gabe die von Psischari und Plessis, besonders die letztere, zur Grund-
lage gedient, sind ferner die deutschen Arbeiten von Fleckeisen, Spen-
gel und Dziatzko beigezogen, ältere französische Ausgaben benützt, gram-
matische Bemerkungen den Grammatiken von Madvig, Riemann und
Reinach entnommen und metrische Angaben ans Quicherat und Luc.
Müller entlehnt.
Bouö gibt sich Mühe den Anfänger in die Lektüre des Terentius
einzuführen und den Inhalt der Dichtung dem Leser nahe zu bringen.
Vor jede Scene setzt er nähere Angaben über die Situation und die auf-
tretenden Personen. Zur Erleichterung der Versmessung bedient er sich
der Quantitätzeichen 4püd forum, äbi prae u. dgl. Die Textgestal-
tung hält sich gröfstenteils an Spengel und Dziatzko, doch ohne dafs
der Herausgeber ganz auf das eigene Urteil Verzicht leistet. Befremd-
lich sind Äufserungen wie zu Vers 133 bezüglich der Formel quid istic?
Statt eine Erklärung zu suchen heifstes: *I1 serait d^ailleurs imprudent
de vouloir trop pr^ciser le sens de ces formnies, t Zu V. 79 krit. An-
hang wird die Frage, ob nescioquid mit zweisilbigem nescio oder
nesciöquid zu messen ist, mit den Worten abgemacht: Inutile de
s*arr6ter ä ces subtilit^s.c
Mit anderen französischen Ausgaben teilt auch diese die seltsame
Scheu vor Diphthongen. Wo es in Deutschland niemand einfallen würde
an der einsilbigen Messung zweier Vokale Anstofs zu nehmen und z. B.
V. 95 Rei d&re operam, 178 Quid tibi rTi mecumst zu messen,
wird ret vorgezogen; ja im kritischen Anhang zu V. 854 ist die Messung
des Verses I ergo intro et quoi reist, ei rei hunc sumamüs diem in nach-
folgender Weise durch Zeichen vorgeschrieben: iScandez: I ergo f nitro
et quöi I rei'st Äi i rei hünc s. d. Also quoi und ei als Pyrrhichus und
doch das erste rei, wie es scheint, einsilbig; und wie der Verfasser
mit r^i hünc für die Skansion zurecht kommen will, wo doch die zwei
186 Teraotins.
Wörter eine Silbe bilden müssen ^ ist mir ein Rätsel geblieben. Eben-
sowenig verstehe ich, warnm das dreisilbige nnnciam immer nunc
jam, getrennt und mit dem konsonantischen j geschrieben wird. Nie-
mand könnte V. 156 nunc jam ilico, 170 nunc jam oculos an-
ders lesen als mit einsilbigem jam und Hiatus, zumal jede Bemerkung
dazu fehlt.
P. TerentiAdelphi, Witb not es and introductions intended for
the higher forms of public schools by the Rev. A. Sloman, M. A.,
head master of Birkenhead school, formerly master of the Queen^s
scholars of Westminster. Oxford, Clarendon press, 1886. XXXI und
128 p.
P. Terenti Phormio von demselben. Oxford 1887. 176 p.
Diese Ausgaben Slomans erfüllen ihren Zweck. Zwischen den
Originaltext sind die nötigen Regiebemerkungen in englischer Sprache
eingefügt, die Einleitungen bringen das Wissenswerte zur Kenntnis der
römischen Komödie im allgemeinen und des Terentius im besonderen,
schildern Charaktere und Plan des Stückes, besprechen die Eigentüm-
lichkeiten der Metrik und die Handschriften. Der erklärende Teil, an
manchen Stellen auch kritisch gehalten und nicht unselbständig, folgt
nach dem lateinischen Text und nimmt nach dem Umfang die Hälfte des
Buches ein.
P. Terenti Afri Adelphoe, text with stage directions by Henry
Preble, tutor in Latin and Greck, Harvard College. Boston, Ginn &
Comp. 1887. 67 p.
Die Ausgabe enthält nur den lateinischen Text nach Dziatzko mit
einem Verzeichnis der Yersarten des Stückes als Anhang und setzt nach
Art der modernen Theaterexemplare die einschlägigen Regiebemerkun-
gen in englischer Sprache zwischen den Text.
Les Adelphes, Revue sur les textes les plus recents avec nne
pr6face et des notes en fran^ais par R. A. Pessonneaux. Paris.
The Andria and the Phormio, with examination questions by
K. Cot es. Oxford.
Andria and Heautontimorumenos, by A. West. Newyork
1888. Harper.
[Rec. : Berl. phil. Wochenschr. IX 25 S. 791 f. von A. Engelbrecht.
Class. Review III, 7 S. 297 f. von E. M. Pease.]
Terentius, Comedies, construed literally and word for word, by
Giles. Vol. I. the Andria and Eunuchus. London, Comish.
166 p.
TerentiaB. 187
Terentius H e cy ra avec un commentaire par P. T ho mas. Paris 1887.
[Recensiert: Lit. Centralbl. Nr. 2 p. 58 von G. R. Deutsche
Litteraturzeit. Nr. 3 p. 89 von F. Leo. Wochenschr. f. Phil. V,
42 p. 1289 — 91 von F. Schlee. Revue critique Nr. 15 p. 286 f.
von Fr. Plessis. Neue phil. Randsch. Nr. 17 p. 26 f. von A. Teuber.]
L' Eunuco e gli Adelphi, Commentati e tradotti in versi da
L. Pepe. Torino.
Übersetzungen:
J.Herbst, Terentius Lustspiele übersetzt. 2. Aufl. Berlin. Lan-
genscheit.
6. H instin, Gom^dies de T^rence, traduction nouvelle avec le
text latin. Paris, Lemerre, 1887—89. 3 Bände.
Die Ausgabe beansprucht keinen wissenschaftlichen Wert und be-
trachtet den lateinischen Text als Nebensache. Den gröfseren oberen
Teil jeder Seite nimmt die französische Übersetzung ein, unter demselben,
seltsamerweise ohne auch nur durch einen Querstrich davon getrennt zu
sein, steht das Original, letzteres mit so minutiösen Lettern gedruckt,
dafs man sich an seinen Augen versündigen würde, wenn man es be-
nützen wollte.
Les Com^dies de T6rence, Traduction nouvelle par V. Betolaud.
Paris. 707 S.
Terencio Comedias traducidas en verso por A. Lasso de laVega.
Madrid 1884. Tom. 1.
Phormio or the Parasite, a literal translation by R. Mongan.
London.
D. Einzelne Stellen des Terentius sind behandelt:
G. Heidtmann, Terentius Adelph. 191—249. Rhein. Museum,
ö. XLUI, 1 S. 153—156.
Von der Annahme ausgebend, dafs in Adelph. 201 — 208 zwei ver-
schiedene Fassungen vorliegen, vermutet Heidtmann, die Konfusion im
Texte sei dadurch entstanden, dafs aus Versehen die beiden Versgruppen
202—204 und 206 — 207 ihre Plätze vertauschten. Als infolgedessen an
zwei Stellen der Zusammenhang fehlte, habe man zur Herstellung desselben
zwei Verse, nämlich 201 und 205, allerdings ohne ausreichenden Erfolg,
eingeschoben. Diese letzteren seien daher zu tilgen und die übrigen in
der angegebenen Weise umzustellen.
Fritz Schoell, Zu Terenz'Adelphen, Rh. Mus. B. 44, 2. S. 280— 286.
Durch Besprechung einer Anzahl von Stellen aus den zwei ersten Ak-
ten der Adelphoe will Schoell den Beweis liefern von einer »tieferen und oft
188 Tereatins.
Tersteckten Yerderbtheit unserer Terenzflberiieferangc , indem er Inter-
polationen und Lücken nachzuweisen sucht Ich kann keinen dieser
Vorschläge flberzengend nennen, mufs vielmehr die Grflnde anfechten,
auf welche die Beweisführung gestützt ist. So vor allem in derjenigen
Stelle, welche er als Grundlage und Vorbereitung benutzt, »wo man
selbst älterer und besserer Bezeugung gegenüber sich an die Vulgate
gehalten hat«. Vers 117 nämlich steht der Lesart unserer Handschriften
und des Donatus sowie anderer Grammatiker obsonat potat das Gitat
des Varro mit scortatur potat gegenüber. Letzteres erklärt Seh. als
richtig und tilgt die mit solcher Lesart unverträglichen zwei folgenden
Verse als Interpolation. Ich glaube schon in den Sitzungsberichten der
bay. Akad. d. W. 1885 S. 268 ff. gezeigt zu haben, dafs wir nur einen
der vielen Gedächtnisfehler Varros vor uns haben, indem er zwei Verse
(117 und 102) mit einander vermengte. Gegen die Sucht unsere hand-
schriftlichen Texte nach zuCllligen Citaten anderer lateinischer Schrift-
steller abzuändern, giebt es eine jedem Critiker anzuratende 'Radikal-
kur. Man stelle z. B. aus Cicero hundert Dichtercitate zusammen und
vergleiche diese ganz genau mit der Überlieferung unserer Handschriften.
Hat man dies gethan, so hat man sich selbst ad oculos demonstriert,
dafs diese Citate gröfstenteils dem Gedächtnis entnommen sind und dafs
Ungenauigkeiten und Gedächtnisfehler jeder Art mit unterlaufen. Ab-
weichenden Redewendungen solcher Citate unseren Handschriften gegen-
über den Vorzug zu geben hat denselben Wert wie wenn wir den Text
der Werke Schillers und Göthe's nach den Citaten unserer Zeitungs-
feuilletons und anderer Schriften korrigieren wollten.
Unklar ist, welchen Vorschlag der Verfasser zu Vers 264 geben
will, und sind vielleicht einige Worte des Manuskripts im Druck aus-
gefallen. Denn wenn er von den Worten Nil potest supra. sed quid-
näm foris crepuit. m4ne, mane, ipse exit foras, welche einen
iarobischen Oktonar ergeben müssen, sagt, es sei nicht, wie gewöhnlich
nach cod. A gelesen werde, sed zu tilgen, sondern vielmehr potest als
interpoliert zu betrachten und sed zu halten, so müfste ja, wenn keine
weitere Änderung vorgenommen wird, mit einem Prosodiefehler süpra
gemessen werden.
J. Mähly, Zu Terentius Phormio aus Satura I, Blätter f. d. bay.
Gymnasialwesen B. 24 S. 478 f.
Von dem Dutzend Conjekturen, welche Mähly zum Phormio giebt,
ist der Vorschlag zu Vers 561: inpone ei, feret (für et feret), wenn
auch nicht der allein mögliche, so doch jedenfalls sehr beachtenswert.
Andere seiner Änderungen sind unnötig. Ob z.B. 1021 aequo animo
feras. N. Quid ego aequo animo? steht oder Qui ego aequo
animo?, macht keinen Unterschied. Unzulässig ist es in den untadel-
haften Vers 409: Dotis dare, abduce haue, minas quinque accipe
Terentias. Igg
die Wortbetonung dar6 dabo oder 522 die altertttmliche Form dacra-
mare durch Co^jektur einzuführen. Ganz mifsglttckt ist die Behand-
lung des iambischen Oktonars 193: Te nominat. Nescio quod mag-
num hoc nuntio expecto malum, wo Mähly Hau scio für Nescio
vorschlägt, weil die prosodische Licenz nominal nescio bei Terenz
bedenklich sei. Sie wäre nicht nur bedenklich, sondern ganz undenkbar
und würde den Vers nach drei Seiten fehlerhaft machen, erstens durch
die von keinem lateinischen Dichter im iambischen Versmafs zugelassene
Kürzung nominat nescio, zweitens durch das daktylische Wort nominat
und drittens durch die kretische Messung nescio in Verbindung mit
dem Pronomen quod. Dafs anders zu messen und jede Änderung von
vorne herein abzuweisen ist, hätte Mähly schon aus der Anmerkung,
welche Dziatzko zu dem Verse giebt, leicht ersehen können. — Zwei
Zahlen der besprochenen Verse sind verdruckt oder verschrieben, die
ich, um anderen Zeitverlust zu sparen, korrigiere: Seite 478 Zeile 10
von unten ist zu lesen V. 469 (statt 409) und Z. 6 v. u. V. 622 (st. 502).
Hans Gilbert, Zu Terentius Jahrb. f. Phil. B. 135 (1887) S. 428
(und 636).
Andria 315 wird vermutet quid nisi illud impetres. . ? und
Adelph. 125 pater esse disce ab illis qui uere sient. Aber an
der ersteren Stelle ist eine Änderung unnötig, an der letzteren wäre der
Conjunktiv sient, welcher das mit Beziehung auf disce so passend ge-
setzte sciunt verdrängen soll, grammatisch unerklärbar.
Hugo Blümner, Zu Terentius Heautontimorumenos. Jahrb. f.
Phil. 131. B. (1885) S. 805—7.
Zwischen Prolog Vers 45 und 46 wird der Ausfall von mehreren
Versen angenommen, in welchen im Gegensatz zu der pura oratio dieses
Stückes (V. 46) von der impura oratio der anderen Dichter gesprochen
sein soll, so dafs die Worte in utramque partem (47) den Sinn erhal-
ten: et in stataria agenda et in pura oratione.
Ferner wird die Personenverteilung der Verse 343- 348 im An-
schlufs an Conradt (Metrische Compos. der Comödien des Ter. Berl. 1876)
vorgenommen und 346 perge porro dem Clitipho gegeben.
Theodor Braune, Zu Terentius. Jahrbücher far klass. Philol.
131. B. 1. H. 1885. S. 65—68.
Unter Anwendung des richtigen Grundsatzes, dafs die handschrift-
liche Überlieferung möglichst festzuhalten und zu erklären ist und Con-
jekturen sich möglichst genau an dieselbe anschliefsen sollen, behandelt
Braune einige Stellen (]es Ter. Unannehmbar sind davon folgende Vor-
schläge: 1. Enn. 706: Cöncede istuc paülum: audin? etiäm nunc
paululüm: sätest. Ein kretisches Wort darf in einem trochäischen
1 92 Terentins.
J. Maeh ly, Zu Donatas. Zeitschr. f. österr. Gymnasien. XXXYIII,
8—9. S. 589.
Zu der Stelle des Donatus ttber Ganticum und Diverbium wird ut
significant qui tres numeros in comoediis ponunt, qui tres continent
mutatos modos cantici^ geändert in: III significat quod tres numeros in
c. pon. quae. . und Diomed. p. 491 E. für diverbia sunt partes comoe-
diarum in quibus diversorum persona versantur vorgeschlagen: diver-
Borum morum personae versantur oder con versantur. Die Coigekturen
sind wertlos.
Henricus Gerstenberg, De Eugraphio Terentii interprete,
Diss. Jen. 1886. 117 S.
[Recens.: Berl. ph. W. VIII 34, p. 1054—57 v. R. Swoboda.
Wochenschr. f. kl. Ph. V, 8 p. 244—46 von Schlee.]
Gr. beschreibt zunächst die Handschriften, in welchen der Com-
mentar des Eugraphius erhalten ist. Die wichtigen Codices Leidensi^ I
und Leidensis II, welche er selbst einsehen konnte, vertreten zwei ver-
schiedene Recensionen, die in der Yulgata mit einander gemischt er-
scheinen. In Bezug auf die übrigen Handschriften war er auf die An-
gaben Umpfenbachs, Dziatzkos u. a. angewiesen. Die Untersuchung über
die Quellen des Eugraphius geht darauf hinaus, dafs derselbe aufser einem
Gommentar des Donatus oder Servius zu Yergilius keine anderen Schrif-
ten benutzte und die übrigen Citate anderer Schriftsteller aus diesen
Commentaren entnahm. Der Terenzkommentar des Donatus lag dem
Eugraphius nicht in der Gestalt vor wie wir ihn haben, sondern der-
selbe entnahm seine Bemerkungen aus erster Hand den nämlichen Gram-
matikern, von welchen sie Donatus entlehnte. Durch diese Annahme
wird erklärt, warum der Kommentar zum Heautontimorumenos , welcher
Im Donatus fehlt, doch bei Eugraphius erhalten ist. Die Lebenszeit des
Eugraphius setzt Gerstenberg mit Bahr in das (fUnfte oder) sechste Jahr-
hundert nach Christus und sieht ihn als jüngeren Zeitgenossen Cassiodors
an; er habe wohl sein Werk in absichtlichem Gegensatze zu Gassio-
dorus in der Mitte oder kurz nach der Mitte des sechsten Jahrhunderts
verfafst.
F. Zn anderen scenischen Dichtern.
Lucian Müller, Quintus Ennius, eine Einleitung in das Studium
der römischen Poesie. Petersburg, Ricker 1884. IX und 313 S.
[Recensiert: ßlätt. f. bay. Gymn. XX, 10 S. 495—99 von Dom-
bart, Götting. gel. Anz. 1884 No. 25 S. 988—89 v. 0. Keller. Kor-
respondenzbl. f. württemb. Schulen XXXII, 3. 4 S. 195—98 von Bender.]
Dafs Ennius der Vater der lateinischen Poesie sei, galt den
Alten und, vereinzelte Urteile abgerechnet, auch den Neueren als
Ennius. 193
ausgemachte Sache. Eine wenig schmeichelhafte Benrteilnng aher hatte
der Dichter durch Th. Mommsen in seiner Römischen Geschichte
erfahren. Luc. Mttller unternimmt es nun Ennius nicht nur dagegen in
Schutz zu nehmen, sondern ihn auch als den gröfsten Dichter der Römer
hinzustellen. iDafs Rom als die zwar jüngere und geringere, aber nicht
entartete und unwürdige Schwester der griechischen dasteht, alles was
das römische Volk und die gesamte Menschheit ihr schuldet, wird dem
Q. Ennius verdankt, f Der Verfasser hat seinem Buch eine gröfsere
Ausdehnung gegeben und es zu einer Einleitung in das Studium der
lateinischen Poesie gestaltet. Der Inhalt ist ein reicher und nach den
verschiedensten Beziehungen hin anregend, die Darstellung frisch und
kräftig. Vielfach sind die modernen Verhältnisse zur Vergleichung mit
den antiken beigezogen. Neben der allgemeinen Schilderung hat auch
das Grammatische, sowie Metrik und Prosodie sowohl des Ennius als
der Tragiker überhaupt Behandlung gefunden. Diese letzteren Ab-
schnitte hätten bedeutend an Wert gewonnen, wenn namentlich die
metrischen Gesetze durch Vorführung der Beispiele und, worauf es ganz
besonders ankommt, durch Besprechung der widersprechenden Stellen
bewiesen worden wären, was in Anmerkungen oder besonderen Exkursen
hätte geschehen können, zumal man, wenn auch die Grundsätze im all-
gemeinen die richtigen sind, doch keineswegs jedes einzelne Urteil unter-
schreiben möchte. So heifst es z. B. S. 244: lAucb dürfen nicht Ende
und Anfang zweier mehrsilbigen Worte dazu verwandt werden, um eine
Arsis aufzulösen. Verderbt, wenn auch schon zu Ciceros Zeit sich die-
selbe Lesart vorfand, ist ante pedes in folgendem Verse:
Qu6d est ant^ pedes n^mo spectat, ca61i scrutantür plagas.c
Vielmehr ist der^Vers richtig überliefert, weil Präposition und Sub-
stantiv als ein Wort gelten, wie sie sich auch im codex vetus des Plau-
tus und in anderen alten Handschriften fast regelmäfsig zusammenge-
schrieben finden. Daher sagt Plautus Merc 780: Opsönium istuc ante
pedes illi seni, Terentius Adelph. 386: Istüc est sapere n6n quod ante
ped^s modost u. ähnl. wiewohl sonst im iamb. Senar ein zweisilbige
Thesis auf strengste verpönt ist, wenn die erste Kürze der Schlufssilbe,
die zweite der Anfangssilbe eines mehrsilbigen Wortes angehört
Übrigens ist die Schrift Parteischrift und schiefst als solche viel-
fach über das Ziel hinaus. Th. Mommsen, Vahlen, Ribbeck tauchen
darin von Zeit zu Zeit immer wieder auf und erhalten dann jedesmal
einige tüchtige Prügel auf den Kopf, dafs sie wieder unter der Wasser-
fläche verschwinden. Wer an solchem Spiel Gefallen findet, hat reich-
liche Gelegenheit sich zu erheitern.
Im Zusammenhang damit steht:
Jahresbericht für Alterthuiaswissenschart LXVni. Bd (1891. II) 13
1 94 EimiaL
Lneianns Hflller, Q. Enni canninam reliqaiae. aceedant Gn.
Naevi belli Poenici quae snpersunt Petersburg, Rttcker. 1884. XLYII
und 296 S.
pKecensiert: Lit. Centralbl. No. 27 S. 914—16. Zeitscbr. f. Osterr.
Gym. XXXYI, 6 S. 340—63 v. Stowasser. Academy No. 689 8. 46
von R. Ellis. Joam. d. niss. Minist, f. mss. Yolksaufkl. August 246
—66 V. 0. Seh— r. Deutsch. Litteraturz. No. 6 8. 161—52 v. F. Marx.
Wochenschr. f. Phil. III, 30 S. 932—34 von a. Phil. Anzeiger XYI 9, 10
8. 623—80 von Th. Fritzsche.]
Schon in ersterer Schrift hatte Luc. Müller angekündigt, dafs er
gleichzeitig die Fragmente des Ennius herausgebe, iweil es nach den
vorhandenen Ausgaben absolut unmöglich sei, sich ein der Wahrheit
nahe kommendes Bild von dem hohen Geiste und der in der Litteratur
aller Zeiten beispiellosen Formengewandtheit dieses Dichters zu macheuf .
Das Buch enthält Adversaria Enniana und Quaestiones Naevianae, dann
den kritisch bearbeiteten, mit dem Handschriftenmaterial versehenen
Text der Annales, Saturae und Fabalae des Ennius und der Fragmente
des bellum Punicum des Naevius, sowie den Gommentar zu diesen ein-
zelnen Werken. Da nur die Fabulae des Ennius in den Bereich dieser
Besprechung fallen und ihre Bearbeitung mit der späteren Schrift Livi
Andronici et Gn. Naevi fabularum reliquiae auf gleicher Linie steht, ver-
weisen wir auf die unten folgende ausführlichere Recension dieser letz-
teren. Die Fragmente des bellum Punicum hat der Verfasser wie er
sagt, beigegeben imagis ut demonstraretur eorum perversitas, qui Momm-
senum secuti ducem componunt Ennio illum vel adeo praeponunt quam
quod omnia in eis ad sanitatem revocari posse existimarem.c Unseres
Erachtens sind die Fragmente dieses Gedichtes zu wenig zahlreich und
der Umfang der Gitate zu gering, als dafs man über seinen litterarischen
Wert etwas bestimmtes sagen könnte.
Durch L. Müllers Ennius veranlafst und vielfach dazu in Gegen-
satz tretend ist:
E. Baehrens, Ennius und seine Vorgänger. Jahrb. f. Ph. 13S. B.
(1886) S. 401—411.
Der Aufsatz hat den Zweck die Vorgänger des Ennius in besseres
licht zu stellen. Selten wohl sei in der Litteraturgeschichte ein unge-
rechteres Urteil gefällt worden, als von L. Müller über Naevius, von dem
er als von einem iStümperc spreche. B. unternimmt es den Naevius zu-
gleich als den eigenüichen Stifter der römischen Satire als Kunst-
gattung hinzustellen. Da die Antwort der Metelli auf die Angriffe des
Naevius in satumischem Versmafse abgefafst sei, so sei wohl auch des
Dichters fat6 Met611i Römae | c6nsul6s fiunt so au&ufassen und
gehören mitbin einer Satire an. Der Zusammenhang zwischen den satur-
LitIos Aodronieus. Cn. KmtIos. 1^95
nischen, scenischen und daktylischen Dichtern wird nach neuen Oesichts*
punkten behandelt und auch in der Frage über den Hiatus ein neuer
Standpunkt eingenommen.
Liyi Andronici etCn. Naevi fabularum reliquiae, emendavit et
adnotavit Lucianus Müller. Berlin, Calvary 1885. (ex actis men-
struis Mails h. a. ministerii institutionis publicae Rossici).
[Recensiert: Wochenschr. f. Ph. III, 30 S. 936 von a. Neue
phil. Rundschau I, 22 S. 338-42 von J. Mähly. Revue critique No. 40
S. 233 — 37 Yon L. Duvau.]
Auf die Herausgeber der epischen Fragmente des Livius Andronicus
und Naevius läfst Luc Müller die scenischen Fragmente dieser beiden
Dichter folgen. Wie er bemerkt, sah er sich dazu umsomehr yeranlafst,
als 0. Ribbeck gerade diesen Teil seiner Fragmentsammlung nicht mit
der gehörigen Sorgfalt bearbeitet habe. Seine Sammlung ist schon in-
sofern vollständiger als die Ribbeck'sche, als er auch diejenigen Stellen
beizieht 9 an welchen ohne Erwähnung eines bestimmten Fragments der
Name dieser Dichter genannt wird, z. B. dafs Donatus zu Ter. Andria
I, 1, 41 sagt, das Wort obsequi sei bereits von Naevius gebraucht
worden, oder der bekannte Vers Andr. prol. 18: Naevium Plautum
Ennium accusant u. a. Femer bereicherte er die Zahl der Frag-
mente, von anderen zweifelhaften abgesehen, durch seine vortreffliche
Coi^ektur zu Festus 174: lenins in uirgo: ornamento incedunt
nobili ignobiles, indem er erkannte, dafs darin liegt Naeuius in
Hcnrgo. Was übrigens den Wortlaut dieses Fragmentes betrifft, möchte
ich L. Müller nicht beistimmen, der nach Scaliger schreibt ornamento
incedunt gnobili und ignobiles tilgt, sondern ornamento incedunt
gnöbiles ignobiles vermuten und orn amen tum auf die Bacchanten-
tracht beziehen, vergl. Frag. X derselben Tragödie (fr. 35 R>). Für
jedes Fragment sucht L. M. die Stelle ausfindig zu machen, in der es
gestanden, bezeichnet die Person, die es seiner Meinung nach gesprochen,
den Zusammenhang und die Situation, der es entnommen. Dabei ist
mancher gute Treffer zu verzeichnen; bei anderen sind verschiedene
Möglichkeiten nicht ausgeschlossen, zuweilen lassen sich auch Bedenken
nicht unterdrücken. So bei Naev. Lycnr. fr. XIII (XIX R>), wo über-
liefert ist: sine ferro pecora manibus ut ad mortem meant. Hier
schreibt L. M. nach Bergk: sine ferro, manibus, pecua ut, ad mor-
tem meant und weist die Worte einem Satelles zu, welcher die Geduld
der Bacchanten bewundere, die sich wie Schlachtvieh von ihm zum Könige
führen lassen. Diese Annahme wird dadurch hinfällig, dafs sie sich auf
einen durch schlechte Gonjektur verderbten Text stützt. Denn in der
Sprache der scenischen Dichter dieser Zeit ist die Wortstellung pecua
ut für ut pecua, die gegen die Handschriften hergestellt ist, unmöglich.
Das überlieferte sine ferro pecora manibus ut ad mortem meanti
13*
196 Lmofl AodronicoB. Naeyiiis.
wird vielmehr von wirklichen Tieren zu verstehen sein und ad mortem
meant poetischer Ausdruck für occiduntnr. Die beste Vergleichung
bieten die Bacchen des Enripides, in denen sich Agaue rUhmt den Pen-
theus, den vermeintlichen Löwen, ohne Schwert, mit blofsen Händen zer-
rissen zu haben 1206: obx d^xuXr^roe^ SeaaaXStv ffToj^dtJfiatrev , ob Stx-
rOoeaev^ dXXä XeuxoTn^^eai ^etpa»v dxjAoure und 1209: aörg )[etp} . , j^wp/^
ri Y* dHpoQ ap^pa dee^opi^aa/iev^ und der Bote erzählt, dafs die Bach-
chanten ohne Schwert, mit blofsen Händen eine Rinderherde anfielen
und die Tiere töteten 736: pAa^otq in^X&ov j^etpdc daiSi^pou fidra. Ein
ähnlicher Vorgang, dafs Bacchanten eine Herde angriffen und die Tiere
mit blofsen Händen, ohne Schwert töteten, wird in der Tragödie des
Naevius vorgekommen und mit obigen Worten erzählt worden sein. Der
Vers ist ein iambischer Senar: Sine f6rro pecora mänibus ut äd mortem
meant! 'c Wie wandern da die Tiere . . zum Todelc Die Kürzung üt
äd mortem hat vielfache Analogie bei Plautus und Terentius, weshalb
uns jede Berechtigung fehlt sie durch Änderung zu beseitigen.
Beztlglich der textkritischen Gestaltung der Fragmente stellt sich
L. Müller öfter in entschiedenen Gegensatz zu seinem Vorgänger O.
Ribbeck. Wie gewöhnlich fehlt es nicht an einzelnen scharfen Ausfällen
gegen ihn, z.B. zu Naev. Lyc. fr. VÜI (VI R'): imiro autem prorsus
et singulari invento Ribbeckius quadrupedum nomine intellegit Bacchas
comites, quos manibus pedibusque vinctos et ob id quadrupedes dictos
iubeat rex ad se adduci! idem frg. IX bipedes volucres eosdem voluit
intellegi, dictos scilicet propter agilitatem incessus morumque levitatem!
talia nisi qui ipse legerit haud facile crediderit posse excogitari« vergl.
auch zu Naev. com. XII Dementes. Gröfsere Bescheidenheit im Urteil
wäre ratsamer gewesen. Bei einem so umfassenden Werke, wie Ribbeck's
Fragmentensammlung ist, waren einzelne Versehen kaum zu vermeiden
und wenn das Buch auch kein Ideal ist, hat es doch auch viel Gutes
und nimmt Müller selbst eine verhältnismäfsig grofse Anzahl der Con-
jekturen Ribbecks in den Text. Alle Schwierigkeiten zu überwinden ist
ja auch L. Müller nicht gelungen. Neben dem Guten steht das Mittel-
mäfsige und auch das vollständig Verfehlte mangelt nicht. So nenne ich
es eine entschiedene Verschlechterung des Ribbeck'schen Textes, wenn
er Naev. com. Tarentilla fr. IX schreibt: ubi ist! duo adulescentes habent
Qui hie arte parta patria peregre prodigunt. Vielmehr war mit dem
richtig überlieferten ante parta zu vergleichen Plaut. Truc. 348: qui
ante partum perdidi, und 62 ante parta demus postpartoribus und
Trin. 643: eorum anteperta per flagitium perderes. Luc Müller ist
ein feiner Kenner der lateinischen Dichtung, aber die scenische Poesie,
Plautus und Terentius, beherrscht er nicht in dem vollen Umfange, wie
es zur Bearbeitung dieser Fragmente unbedingt nötig ist. Liv. Andr.
trag. Aegisth. frg. IV hält er an seiner früheren Vermutung fest und
ändert nemo haec voster ruminetur mulieri, um einen Senar messen zu.
LiviaB AndronicQs. Naevias. 197
können, in nemo haece uostrum rum. roulieri, wiewohl längst nachge-
wiesen ist, dafs die Formen hice, haece, hoce bei Piautas und Teren-
tius nur vor vokalisch anlautenden Wörtern zugelassen sind. Auch
nemo voster durfte nicht beanstandet werden; nemo voster heifst
keiner aus eurem Hause, keiner eurer Sklaven, wie oft bei Plautus und
Terentius hie voster, illaec nostra, ego noster sum u. a. Die
Worte sind Teil eines längeren Verses: . . . n6mo haec voster rü-
minetur mülieri. — Naev. com. XVII Fretum (incert. v. 129 R'): haec
quidem hercle opinor pra^ficast, nam mörtuom conlaüdat ändert L. Mtlller
den Anfang ab in equidem hercle, indem er dazu bemerkt: lillud
equidem de coniectura scripsi ad numeros restituendos. nimis enim in-
condite ferebatur haec qufdem hercle, quo admisso priorem in
hercle correptam a Naevio necesse est; quod admitti posse iure ne-
gant Ritschel. proleg. trin. pag. 127 et Bentleius ad eunuch. Y, 8, 43.c
Aber in dieser Frage auf Bentley und Ritschis Prolegomena zu verwei-
sen, heifst einen längst veralteten Standpunkt vertreten. Es scheint
L. Müller unbekannt gewesen zu sein, dafs Ritschi selbst in seiner zwei-
ten Ausgabe des Trinummus Y. 68 und 559 die Yersanfänge dum qui-
dem hercle und mens quldem hercle ungeändert im Text liefs,
dafs dieser Yersanfang noch öfter bei Plautus vorkommt und Terent.
Andria 225: mihi qufdem hercle non fit v^ri simile unbeanstandet in
den Ausgaben zu finden ist. Das betreffende Fragment ist ein Citat
des Yarro de lingua lat. YII, 70 und des Paulus 223 (der gleichfalls
den Yersanfang haec quidem hercle bestätigt) und lautet bei ersterem:
'quibus testimonium est quod fretum est Naevii: haec quidem hercle etc.'
Während fretum bisher allgemein als verderbt angesehen wurde, fafst L.
MtlUer Fretum als Titel der Komödie, wie Gellius III, 3, 7 von einer Komö-
die dieses Namens spricht, welche einige dem Plautus zuschrieben. Aber
wenn er zugleich behauptet quod Fretum est Naevii sei ganz ex more
Yarronis dictum, so hat er damit unrecht. Mit quod est bezeichnet
Yarro immer den Wortlaut selbst, aber nicht das Stück, aus dem das
Citat entnommen ist; daher so häufig quod est in . . mit dem Namen
der Komödie oder Tragödie, gleich quod scriptum est in, iwie es heifst
in . .c oder quod est allein, in der Bedeutung idie folgende Stelle, in
der folgenden Stelle, wenn es heirstc, u. dgl. Wenn daher Fretum der
Titel des Stücks sein soll, so würde nur in Freto dem Sprachgebrauch
des Yarro entsprechen.
Was L. Mtüler über die EinftÜirung der Nominativendung is im Plural
der Nomina der zweiten Deklination und über das d paragogicum denkt,
spricht er zu Naev. Lycurg. fr. XII folgendermafsen aus : »admittendum
duxi apnd Naevium et is in nominativo pluralis numeri secundae, quae
finalis usque ad exitum liberae rei publicae invenitur in inscriptionibns,
et adeo d in ablativo singularis, sicut constat eum in carmine de hello
punico dixisse Troiad. Plautus quidem quatenus d paragogica quae
198 Livius Androniciu. NaeTios.
Yocatur Sit asos, etiam nunc inter doctos dubitator neque res est facilis
ad discernendum. quod com ita sit, ne in Naevio qnidem d illa utendum
pntavi nisi raro et cunctanter.c Um mit ein paar Worten die Geschichte
des d paragogicum zu erzählen: der erste, der es bei Plautns in aas-
gedehnterem MaTse anwendete, war Weise. Er &nd bei den nach-
folgenden Plautuskritikern keinen Beifall, bis Ritschi die Entdeckung
gemacht zu haben glaubte, dafs dasselbe ursprünglich massenweise im
Text des Plautus gestanden habe und durch seine Wiedereinführung
weitaus der gröfste Teil der störenden Hiate zu beseitigen sei. Da ver-
wandelte sich für die Schttler Ritschis plötzlich, was sie früher als »das
Schwauz-d des Herrn Weise« verhöhnt hatten, in ein Evangelium, und
wo es irgend möglich war, wurde der Hiatus auf diese Weise entfernt.
Unterdessen war im Meister selbst bald eine Wandlung vorgegangen.
Es war ihm nicht verborgen geblieben, dafs die wenigen unparteiischen
Recensionen seiner Schrift auf thatsächliche Widersprüche und Unwahr-
scheinlichkeiten aufmerksam gemacht hatten, und wiewohl er sich nicht
öffentlich darüber aussprach, citierte er doch wiederholt Verse, die er
früher auf jene Art emendiert zu haben glaubte, mit anderem Wortlaut
oder erwähnte jene Änderung nur als nebenbei bestehende Möglichkeit
Mir kam die Sache immer so vor, als habe er sich durch Veröffent-
lichung dieser Abhandlung die ganze Gesichte von dem d paragc^cum
vom Halse geschafft, wie Goethe seine Sentimentalität durch Veröffentr
lichung von Werthers Leiden. Wenn Naevius einmal im daktylischen
Versmafs Troiad gebrauchte, so ist noch kein zwingender Grund vor-
handen, dafs er es auch in den scenischen Versarten anwendete. Eine
besonnene Kritik wird daher diesem Mittel möglichst aus dem Wege
gehen und höchstens dann, wenn andere Hülfe versagen will oder ein
ganzer Vers dadurch hergestellt würde, damit rechnen. Ähnliches scheint
auch L. Müller mit obigen Worten raro et cunctanter utendum
putavi zu versprechen, aber thatsächlich nimmt er es mit diesem Ver-
sprechen sehr wenig genau. Denn wo bleibt das raro et cunctanter,
wenn Naev. trag. Iphig. (19 R') für passo vel hoc vicinum nach
Ribbeck passo velod vicinum geschrieben wird oder in dem nur aus
drei Worten bestehenden Fragmente Naev. incert. XXI merula sande-
racino ore zur Vermeidung des vermeintlichen Hiatus sanderacinod
hergestellt wird? Folgte auf ore ein vokalisch anlautendes Wort, so ist
ja ohnehin kein Hiatus vorhanden: merula sanderäcino or(e). Nicht
besser steht es mit Naev. com. Tarent. frag. HI (IX R*), wo L. M. unad
schreibt: oiei! iamne aud^nt mecum unad äpparere . ., indem er
oiei zweisilbig mifst wie Mil. 1406. Es könnte aber auch dreisilbig
sein wie Phorm. 663 und Eunuch. 716; dann ist unad unmöglich. Es
kommt dazu, dafs iamne Coi^ektur Müllers ist für eüa am se, statt
deren KeiFs et iamne ungleich gröfsere Wahrscheinlichkeit besitzt, zu-
mal diese Frageform bei den Komikern eine sehr beliebte ist Wie man
UtIos Aodrooleos. Naeviiu. 199
dann auch messen und einteilen mag, entweder Oiel, etiamne aüdent
mecam ana &pparere? (nach Enn. 716) oder Oiel, || £tiamne
audent m. a. a. (nach Phorm. 668) oder mit zweisilbigem oiei nnd
Hiatus nach der Inteijektion, in jedem Falle ist das handschriftliche
una Yor einer Änderung gesichert.
Und nun die Endung is statt i im Nominativ Plural der zweiten
Deklination, welche Beweise rücken dafür ins Feld? Naev. Lycurg. fr.
XII (VIR'): Ignoteis iteris sumu' . tute scis . ., wozu L. M. be-
merkt: ignoteis scripsi ad iuvandum metrum, cum in libris Prisciani,
item Nonii 485, 6 sit ignoti, eiusdem 124, 27 ignotae vel ignote.
Es bedarf kaum einer Bemerkung, dafs die Änderung ignoteis ganz
überflüssig ist, da man sowohl mit Ribbeck messen kann: ignöti (oder ig-
notae) iteris sumu', tüte scis als besser in zwei Verse verteilt: ignoti
iterls sumus || Tüte scis. Ferner Naev. TarentilL fr. V (IV R»):
ütrubi cenatüris estis, hicine an in triclinio? wie L. M. nach
Ritschis' Vorschlag für cenaturi schreibt. Schon Ribbeck vermeidet es
durch 0. utrubi cenaturi estis; es könnte z. B. sed am Anfang ge-
standen haben; aber noch einfacher ist: utrübi cenaturi 6stis, hicine
4n in triclini(o) . v^ . •
Den Hiatus läfst L. Müller bei Ldvius und Naevius im aUgemeinen
nicht zu (aufser einmal bei asynartetisch gebautem trochäischem Tetra-
meter). Um so seltsamer ist es, dafs er auf den Gedanken kommen
konnte das Citat aus des Livius Equus troianus mit doppeltem Hiatus
zu messen:
D4 mihi h&sce op^s qu&s petö, qu&s precör,
P6rrig6, öpitul4
trotz der kurzen Endsilbe von porrige. Die Messung Ribbecks in der
ersten Auflage der Frag., welche er als zweite Möglichkeit im Commentar
erwähnt, hätte in den Text aufgenommen werden sollen, nämlich
da mihi
häsce opes, quäs peto, qnäs precor, pörrige,
öpitula.
Auf den Rhythmus der Ribbeck*schen Verse ist L. Müller sehr
schlecht zu sprechen. Er meint p. 3, wiewohl es keine Saturnier seien,
klängen sie doch oft so rauh und holperig, dafs man die Worte auf sie
anwenden könne: versibu'quos olim Fauni vatesque canebant. Damach
sollte man glauben, dafs L. Müller's Verse mustergiltig seien. Wohl ist
ein und der andere eine besser klingende Münze, aber von reinem Golde
sind sie keineswegs. Folgende Verse des Müller'schen Textes enthalten
metrische und andere Fehler und sind teilweise erst durch seine Ände-
rungen fehlerhaft geworden:
Naev. com. Tarent fr. XII:
nte nimis si^t morigera nöto quisquam . .
200 Liyiiu Andronicns. NaeTius.
Naev. com. Glauc. fr. XVIII:
qu6d de obsoniö stilo mi[hi] in manum pupagft [meam]
Naev. com. Gymn. fr. VII:
4t enim tu ^nimis spisse atque tdrde incedis . .
Naev. com. CoroU. fr. XII:
dividiae mihi faerunt täm desidno afaisse te.
Naev. com. Tarent. fr. XI: primum ad virtutem üt redeatis,
4beatis ab ignÄvia bemerkt er: *altins latere Vitium soluta insolenter
nimis antepaenultima arsi fit probabilec Er mifst also &beatts ab
ign&via. Der Vers ist vielmehr regelrecht, die Endsibe von abeatis
kann in der Arsis nur lang sein, also zu messen: dbeatis ab ign4via.
Naev. com. fr. incert. VII schreibt M.: cuins fdcta viva nunc vigent
^qui apud g^ntes solu* pra^stat. Er hätte offenbar nicht soln Dir
so Ins geschrieben, wenn er nicht der irrigen Meinung gewesen wäre,
im iambischen Septenar müsse die Senkung des siebenten Fufses eine
kurze Silbe sein. Nur wenn der iamb. oder troch. Vers mit der Arsis
schliefst, mufs die vorhergehende Thesis eine kurze Silbe sein, wie beim
iambischen Oktonar und trochäischen Septenar; folgt aber auf diese Arsis
noch eine Thesis, wie beim iamb. Septenar und troch. Oktonar, so ist
die Quantität dieser drittletzten Silbe gleichgiltig.
Die äufsere Einrichtung des Büchleins ist nichts weniger als prak-
tisch. Die Dreiteilung des Stoffes, wonach zuerst von S. 4 — 25 der Text
der Fragmente steht, dann von 25 — 38 die Testimonia, zuletzt 38 — 72
der Kommentar, erschwert die kritische Betrachtung der einzelnen Verse
in hohem Grade, da man sich das Zusammengehörige unter beständigem
Umblättern zusammensuchen mufs. Wie handsam ist dagegen Ribbecks
Ausgabe, wo alles Nötige auf einer Seite zu finden ist!
(Vahlen, de fragmento Alcmaeonis tragoediae Ennianae.) Ind.
lect. Berol. hib. 1887/88. 8 S.
Kritische Behandlung der Stelle aus des Ennius Alcmaeon (Ribb.
trag. frag. 26): incede, incede, adsunt, me expetunt. Diese Überlieferung
wird zu halten gesucht und so erklärt, dafs Alcmaeon, als er die Furien
herankommen sieht, sich zur Flucht ermahnt und zu sich selbst spricht:
»gehe, gehe! sie sind da, sie suchen mich. c Ich glaube nicht, dafs diese
Erklärung annehmbar ist. Zwar gibt sich Vahlen Mühe den Wechsel
der zweiten und ersten Person durch analoge Beispiele zu belegen, aber
der Hauptanstofs liegt vielmehr in der Wahl des Wortes incedere,
das unserem »schreiten« entspricht und von der raschen Bewegung des
Entfliehens nicht gebraucht werden kann.
L. Havet. Le pelegrinage d'Ennius. Revue de phil. IX S p. 189.
Einige Bemerkungen zu dem Traum des Ennius (s. Luc. Müller
Ennius p. 140 f.) in Bezug auf die örtlichkeit, in welcher 6r gedacht ist
EnnioB. 201
L. Havet, Ennius apud Macrobium VI, 2, 26. Revue de pbil.
XI p. 74.
Auf die Vaterstadt des Ennius haben Bezug:
Yicenzo Andriani, Ricerche deir antica Cittä di Rudia, patria
di Q. Ennio. Aus dem Werke Carbina e Brindisi, Memorie del Dott.
Vincenzo Andriani. Ostuni, tipografia Ennio. 1888. Parte III p.
181—204.
Über die Lage des alten Rudiae, der Vaterstadt des Ennius, haben
die Gelehrten die verschiedensten Ansichten ausgesprochen, welche in
obigem Buche S. 197 ff. aufgezählt sind- Andriani nimmt an, dats sicher
eine Stadt Rudiae in dem Lande der Paediculi zwischen Brundisium
und Egnatia lag, und stützt seine Ansicht auf folgende Zeugnisse. Wenn
Mela II, 4 sagt: post Barium Egnatia et Ennio cive nobiles Rudiae.
etiam in Calabria Brundisium Valentium e. q. s., so geht er in der Auf-
zählung von Norden nach Süden und setzt, da er den ersteren drei
Städten die Landschaft Calabrien mit Brundisinm u. a. gegenüberstellt,
Rudiae nicht südlicher als Brundisium. Die Lage der Stadt Rudiae im
Gebiete der Paediculi bezeugt Plinius III, 2: Paediculorum oppida Ru-
diae Egnatia Barion. Da femer Strabo VI, 282, wo er von den Wegen
spricht, welche von Brundisium nach Rom führen, sagt: . . ol^ elg n^y
'Pwfjjfjv Ttpoxeerai 686g. 8uo Si elat^ fiia fxkv ^jieovixij deä ileuxereüßv^ oSe
UotStxXooQ xaXoomy xai Jauv/wv xal Uaoverwv . . , so liegt das Gebiet
der Paediculi in der Richtung von Brundisium nach Rom, das ist nord-
westlich von Brundisium. Zur Erklärung der Stelle des Strabo VI, 281 '
8e6nep ol fiij Sovdfievot xpareev t^c euBuTtXoeag xaratpouaiv iv dptarep^
ix rou 2dffa>vog Ttpög rov ' JTdpoüvra , ivreT/Bev 8ä rpnjpi^aavrec ^opov
nveüfia npoaij[ouat roeg fikv Bpevreaeußv Xtpiatv^ ixßdvTBg dk neCeuoum
ffövropwrepoy inl *Podt(ov nöXswg 'EXXi)v{8og^ i$ ^g ^v 6 noei^riig ^Ewtog
wird angenommen, dafs es ein zweites Rudiae in der Nähe von Brun-
disium gab, welche hier Strabo als die Vaterstadt des Ennius bezeichne.
Ein anderer Abschnitt des Buches (S. 209 — 214), betitelt Cenno
storico SU Quinto Ennio, giebt eine kurze Zusammenstellung der Nach-
richten, welche wir über des Ennius Leben und Schriften aus dem Alter-
tum haben.
Weit sorgfältiger untersucht dieselbe Frage:
Enrico Gocchia, la patria di Ennio (ed il nome di Plauto).
Torino, Loescher. 1884. 86 S. Einzeln erschienen ans Rivista di
filologia ed istruzione classica a. XIII fasc 1. 2. Luglio, Ottobre 1884.
S. 1—18 enthält die Untersuchung über die Geburtsstadt des Ennius.
Der Verfasser kennt nicht nur die umfangreiche italienische Litte-
ratur des XVI. und XVII. Jahrhunderts, sondern ist auch mit den Stu-
dien der Deutschen wohl vertraut. Der Humanist Antonio de Ferrariis,
202 Enniiu.
der sich von der Ortschaft Oalatone, wo er 1444 geboren wurde, Galateo
nannte, vermutete, dafs Rudiae in der Nähe von Lecce liege, wo noch
heutzutage die Ruinen einer alten Stadt sichtbar sind, eine halbe Meile
Wegs auf der Strafse, welche ans der porta di Rusce von Lecce weg
führt. Dafs diese bei Lecce gelegene Stadt wirklich Rudiae hiefs, be-
stätigte sich durch Auffindung einer Inschrift auf der Strafse von Lecce
nach Monterone, welche lautet MVNICIPES RVDIN. und die sogleich
die Worte des Ennius Nos sumus Romani qui fuimus ante Rudini
in Erinnerung brachte. Yergl. Mommsen Unteritalische Dialekte S. 58 f.
Cocchia tadelt, dafs Mommsen zwei Nachrichten aus dem Altertum als
unbegründet abweist, die Stelle des Mela II» 4: »post Barium Egna-
tia et Ennio cive nobiles Rudiae et iam in Calabria Brun-
disiumt (vergl. oben) und Plin. III, 11: »Paediculorum oppida
Rudiae Egnatia Bariumt. Beide, sagt Cocchia, setzen Rudiae zwi-
schen Egnatia und Brundisium in Übereinstimmung mit Strabo. Nur
die Stelle des Plinius, welcher Rudiae dem Gebiete der Peucetii zuweist,
habe das Urteil mancher Gelehrten irre geleitet. Aber die Benennung
Peucetii sei ebenso dehnbar und in ihren Grenzen ebensowenig sicher
gestellt als die der Calabri. Da Rudiae an der Grenze von beiden lag,
konnte es ebensogut zu den Peucetii als zu den Calabri gerechnet wer-
den, wie Horatius von sich sagt Lucanus an Apulus anceps. Nicht
weit von Oria auf dem Wege von Brundisium nach Tarent weise der
Name der Ortschaft Rusce oder Ruse noch auf das alte Rudiae hin.
Auf die Umgegend von Tarent, welche gebirgig ist, zeige auch Ovidius
(Calabris in montibus ortus) und Silius Italiens (hispida tellus),
wie man noch jetzt die Gegend um Tarent la montuosa parte della pro-
vincia Leccese heifse, während die Gegend um Lecce, Nardö und Gala-
tone flach ist. Cocchia citiert fär seine Ansicht auch ältere italienische
Gelehrte und Geographen, Girolamo Colonna, Ciego di Forli, Leandro
Alberti u. a. Die betreffenden Worte Forli's lauten: »Camminando verso
Tarento otto miglia lontano da Oria vedesi sopra il coUe il nobile casteUo
Rudiale, oggi detto Grottale. Fu edificato questo casteUo dalle rovine
della cittä di Rudia, ed h soggetto alla chiesa di San Cataldo. Nacque
ibi Ennio.« Damit stimmt die Chronik des Eusebius, welche den Ennius
einen Tarentiner heifst (Tarenti nascitur). Dem Eusebius war es,
wie schon Girolamo Colonna bemerkte, nicht unbekannt, dafs Rudiae als
des Ennius Vaterstadt galt; denn er erzählt in demselben Werke, einige
behaupten, die Gebeine des Terentius seien nach Rudiae gebracht wor-
den. So gelte auch Yirgilius, der aus Andes stammt, als Mantuaner,
Boccaccio, der in Certaldo geboren ist, als Florentiner u. ähnl., indem
der bekannte gröfsere Ort statt des unbekannten namhaft gemacht vnrd.
Alle Nachrichten aus dem Altertum, sagt Cocchia, stimmen darin ttber-
ein, dafs Ennius nicht in dem bei Lecce gelegenen Rudiae, sondern in
dem gleichnamigen Orte in der Nähe Tarents geboren ist In Tarent
Atellaoen. 203
hat er vielleicht die ersten Jahre seines Lebens zugebracht und seine
Bildung gefunden, in dem griechischen Tarent graecus graeco raore
usus (Fest p. 298 M.). Wenn Gellius XVII, 17 sage quod loqui
graece et osce et latine sciret, so sei damit wahrscheinlich die
Reihenfolge bezeichnet, in welcher der Dichter sich die dreifache Kultur
aneignete. — Die besprochenen örtlichkeiten sind durch ein beigegebenes
Kärtchen anschaulich gemacht. ^
In der Rivista di filologia XY fasc. 9. 10. p. 489 — 497 kommt
Gocchia nochmals auf die Frage und namentlich auf die Auslegung der
Stelle des Strabo zurück und bespricht auch kurz die das gleiche Thema
behandelnden Schriften Franc. Tamborrino, lUustrazioni al problema
suUa patria di Ennio, Ostuni 1884 und Luigi Mantegazza, la patria
di Ennio, Bergamo 1886.
A. Palmer, Observations on the Fragments of tbe Latin Scenic
Poets. Hermathena XY p. 46 — 66.
Unter der gröfseren Zahl von Besserungsversuchen zu den sceni-
schen Dichtern befinden sich mehrere von vorzflglicher Gflte. So vor
allem Ennius v. 255: pecudi dare uerba marito fllr uiua marito,
Atil. V. 4: Cape caede aide (für Ude) come corde nach Caecil. 239
dide ac disice. Dafs P. zu Afran. v. 236 ein dreisilbiges fluctuatim
verwirft und die an der betreffenden Yersstelle unmögliche Kttrzung
manii Naev. com. fr. 108: EtlÄm qui res magnÄs manu saepe
g^ssit gloriose trotz Ribbecks und Bttchelers Gegenbehauptung für
unhaltbar erklärt, ist ein Beweis von der Selbständigkeit und gediegenen
Kenntnis, welche sich der Yerfasser nur durch langjähriges Studium der
scenischen Dichter erworben haben kann. Enn. trag. 22 ist Palmer mit
dem Yorschlag Yahlens in dem gleichzeitig erschienenen Ind. lect. hib.
Berol. 1888/89 p. 3 zusammengetroffen. Auf Goi^'ekturen, weiche neben
dem Wortlaut des^ Fragmentes auch noch eine Änderung des Lemmas
nötig machen, unter welchem der Grammatiker die Stelle citiert, wäre
wegen der geringen Wahrscheinlichkeit derselben besser verzichtet worden.
Le favole Atellane, studio del dott. Raffaello M äff ei. Yola-
terra 1886, tipografia Yolterrana. 31 S.
[Recensiert: Berl. phil. Wochenschr. YII, 32/33 S. 997 — 98 von
J. Peters.]
Mit den vier Masken der Atellanen Maccus Bucco Pappus Dosse-
nus werden die italienischen Masken Arlecchino Pantalone Brighella
Gianduia in Beziehung gebracht. In welcher Sprache wurden die Atella-
nen aufgeführt? Strabo sagt, dafs sie die oskische Sprache beibehielten,
Livius u. a., dafs die Sprache lateinisch war. Letzteres findet Maffei
glaubwürdiger, weil die Römer im allgemeinen nicht oskisch verstanden
hätten, weshalb Livius X, 20 sage, dafs man im Jahre 456 von Rom
204 Sp&tere Tragödien.
Leute abschickte gnaros oscae lingnae exploratum quid agatur.
Dabei sei es aber doch nicht unmöglich, dafs Maccus oskisch sprach,
die anderen lateinisch. Aus den Antworten der übrigen Personen hätten
die Römer den Inhalt des oskisch gesprochenen verstehen können. Als
ursprtlngliche Heimat der Atellanen wird Kampanien angenommen. Zwar
habe Mommsen mit jener »allen Deutschen gemeinsamen Sucht thberall
Irrttlmer zu findeilt sie fQr Latium in Anspruch genommen, aber man
mtlsse mehr dem Vater der Geschichte Livius glauben, welcher ausdrück-
lich berichte, dafs sie aus Kampagnien nach Rom gekommen. Die
Lebenszeit des Atellanendichters Novius wird in Übereinstimmung mit
Yelleius nach der des Pomponius angesetzt. Schliefslich sucht Maffei
die Gründe darzulegen, warum die Atellanen sich nicht weiter entwickel-
ten und zuletzt ganz verschwanden. — Die lateinischen Citate des Schrift-
chens sind durch eine grofse Anzahl von Druckfehlem entstellt.
L. Brunei, De tragoedia apud Romanos circa principatum Augusti
corrupta. Diss. Paris, Hachette 1884. 115 S.
[Recensiert: Berl. phil. Wochenschr. V, 7 S. 204 — 5 von A. Riese.]
Zum Ausgangspunkt dient dem Verfasser das Urteil des Velleius:
nisi aspera ac rudia repetas et inventi landanda nomine, in
Attio circaque eum romana tragoedia est. Dafs uns aufser
Seneca nichts vollständiges erhalten ist, sei ein Zeichen, wie geringen
Wert die anderen Tragödien besafsen und wie wenig sie beliebt waren.
Nur die alte Tragödie sei vom Beifall des Volkes getragen gewesen und
habe sich darum kräftig entwickelt, später sei das Volk gleichgiltig ge-
worden und habe sich lieber roheren Schaustellungen (s. Terent. prol.
Hec. u. Horat epist. II, 1, 182) zugewendet. Für diese Auffassung schei-
nen mir jedoch die bestimmten Beweise zu fehlen. Wohl haben wir nur
aus der späteren Zeit derartige Klagen von Dichtern und Schriftstellern
über geringe Teilnahme des Publikums, aber wenn wir aus der alten Zeit
Nachrichten darüber hätten, würden sie wahrscheinlich auch nicht anders
lauten. Auch einen anderen Schlufs möchte ich in seiner Allgemeinheit
nicht gelten lassen. Da Cicero häufig Stellen aus Tragödien citiert,
welche beim Volke grofsen Beifall fanden, weil sie als politische oder
persönliche Anspielungen gefafst werden konnten, wird angenommen, dafs
sich das Volk zu Ciceros Zeit für solche Dinge weit mehr interessierte
als für die Tragödie selbst. Man darf bei Citaten nie vergessen, zu
welchem Zweck sie gebraucht werden. Über die Teilnahme des Publi-
kums an dem Inhalt der Tragödie zu sprechen hatte Cicero keine Ver-
anlassung. Aus seinem Schweigen ist noch nicht sicher auf das Gegen-
teil zu schliefsen.
Der Verfasser schildert nun, wie die Römer die griechische Tra-
gödie eigenartig behandeln, für den Vortrag der Cantica Neuerungen
einführen, wie das musikalische Element allmählich zur alleinigen Geltung
Za Seneca. 205
kommt, Citharöde und Schauspieler eine Person wird und der scenische
Apparat überwuchert. Von den Tragödiendichtern zur Zeit der Barger-
kriege und der Regierung des Augustus wird eingehend gehandelt und
die Vorschriften des Horatius in der Ars poetica genau durchgenommen.
Dabei fehlt es nicht an einzelnen Bemerkungen, welche von dem selb-
ständigen Urteil des Verfassers zeugen. So z. B.: Wenn Horatius vor
Oberschätzung der alten Dichter warne, so thue er dieses, um seiner
und seiner Zeitgenossen Dichtung den Eingang zu bahnen. Die an sich
auffällige Erörterung ttber das Satyrdrama habe Horatius eingefügt, weil
er den Römern, die nie ein Satyrdrama hatten, empfehlen wollte, statt
der Atellanen das Satyrdrama nach griechischem Muster einzuführen.
Die Kapitel De tragica saltatione ac de salticis fabulis, de tragoediarum
cantoribus, de citharoedis, de Pomponio Secundo, de tragoediarum reci-
tatoribus enthalten interessante Schilderungen. Das recitierte Drama
wird als das Verderben und zugleich als die letzte Stütze der römischen
Tragödie bezeichnet; denn dadurch sei ihr in späterer Zeit noch eine,
wenn auch einseitige Pflege zu teil geworden.
Karl Meiser, Über historische Dramen der Römer. Bay. Akad.
d. W. 1887. Festrede. 42 S.
Von den historischen Dramen der Römer haben wir im Vergleich
zu den Bearbeitungen griechischer Stücke nur über wenige Kunde. M.
nimmt an, dafs ihre Zahl nicht unbedeutend war, da sich in der Ge-
schichte der Römer eine reiche Fülle von passenden Stoffien den Dichtern
darbot. Spuren derselben findet er in den Werken der Geschichtschrei-
ber und löst aus Livius und Plutarch mit Geschick eine Anzahl von
Schilderungen heraus, bei welchen die Benutzung historisch-dramatischer
Poesie grofse Wahrscheinlichkeit hat.
Von Otto Ribbecks Geschichte der Römischen Dichtung, Stutt-
gart, Cotta, wird der erste Band, die Dichtung der Republik enthaltend
(1887) zugleich mit dem zweiten Bande (1889) besprochen werden.
Zu Seneca.
Karl Schulte, Bemerkungen zur Seneca- Tragödie. Progr. des
Gymnasium Dionysianum zu Rheine, 1886/86. 9 S.
[Recensiert: Wochenschr. f. Ph. IV, 29/30 S. 916—18 von L,
Tachau.j
Der Verfasser sieht in der Seneca-Tragödie eine Fortsetzung der
alten römischen Tragödie mit allen ihren aus dem Volksgeist entsprun-
genen Eigentümlichkeiten. Eine naheliegende Vergleichung mit den ent^
sprechenden griechischen Dramen habe manches einseitige und ungerechte
Urteil über Seneca herbeigeführt und die mannigfachen eigentümlichen
206 Zo Beneea.
Schönheiten dieser Tragödie übersehen lassen. Als solche werden be*
zeichnet: eine wohlthnende Wärme der Gef&hlsäufserang, eine wenn aach
mitunter überladene und schwülstige, doch im ganzen edle Sprache Yon
oft hinreifsender Gewalt, die eindringendste Darstellung geheimer Seelen-
vorgänge, aus denen die Stimmungen und Leidenschaften der handelnden
Personen sich erzeugen, endlich ein Dialog, der nicht, wie yielfiich der
griechische, auf Spitzfindigkeiten ausgeht oder sich auf Gemeinplätzen
bewegt, sondern der seine Motive der reichsten Lebenserfahrung und der
genauesten Beobachtung und Kenntnis der Menschennatur entnimmt,
Eigenschaften, welche ftlr den Unbefangenen die Lektüre dieser Tragö-
dien noch heute anziehend und genufsreich mache. Der speciell römi-
sche Charakter sei es, der in diesen Werken unbewufst zum Ausdruck
komme. — An diese allgemeinen Erörterungen schliefst sich eine Analy-
siemng der Tragödie Thyestes, von welcher gezeigt wird, dafs Seneca
mit seinen Motiven nicht erreichte noch erreichen konnte, was er wollte.
Hermann Bill, Eine Infinitivstudie mit Nachweisen über den
Infinitiv bei Seneca tragicus. Progr. d. k. k. Gymnas. in Mähr. Weifs-
kirchen für 1886/87. Verhig des Gymnas. 32 S.
[Recensiert: Zeitschr. f. österr. Gymn. XXXIV 4, S. 877—78.]»
Der erste Teil (S. 8 — 21) handelt im allgemeinen vom Infinitiv und
gehört als solcher in das Gebiet der lat. Grammatik. Im zweiten (S. 21
bis 82) untersucht der Verfasser den Gebrauch des Infinitivs bei Seneca
und giebt eine Stellensammlung nach folgenden Gesichtspunkten:
I. Der Infinitiv als Beziehungssatz:
nach Verba der Bewegung;
nach Verba causativa;
nach Verba auxiliaria, geschieden nach den Begriffen des
Könnens, Dürfens, Soliens, Vermögens, Wissens, Müssens
und Wollens.
Infinitiv abhängig von Participien und A(](jektiven.
Infinitiv abhängig von Sätzen, die mit einem abstrakten Sub-
stantiv gebildet sind.
Infinitiv bei impersonalen Verben.
Infinitiv nach Sätzen mit dem Neutrum eines Adjektivs oder
dem gleichwertigen Genetivus possessivus einer Person
mit est.
Absoluter Gebrauch des Infinitivs.
IL Der substantivische Gebrauch des Infinitivs.
Inf. als Apposition zum Subjekt.
Inf. als Apposition des Accusativ-Objekts.
III. Accus, cum infinitivo nach den Verba sentiendi und declarandi.
Verba des Affektes, des Wollens und NichtwoUens , welche
den Accus, cum inf zu sich nehmen.
Zq S«D«€a. 207
Accus, cum inf. nach abstrakten Substantiven mit est.
Yerba Impersonalia mit dem Acc. cum inf.
Neutrale Adjektive mit est.
IV. Ber Nominativ cum Infinitive.
Ein Schlufsparagraph bespricht den Gebrauch des Infinitivs in der
Tragödie Oktavia, worüber das zusammenfassende Urteil des Verfassers
lautet: »Obwohl der Gebrauch des Infinitivs in der Oktavia keine auf-
fallenden Abweichungen von dem gewöhnlichen, auch bei Seneca beliebten
Gebrauche zeigt, so gewährt doch eine eingehendere Beachtung der be-
zflglichen Construktionen die Einsicht, dafs hier schülerhafte, oft mecha-
nisch angewandte Reminiscenzen, zumeist aus Senecas Tragödien ge-
schöpft, vorliegen, während von originalen Wendungen keine Rede
sein kann.«
Kritische Bemerkungen finden sich zu zwei Stehen, S. 28 zu Troad.
729 und S. 26 f. zu Phoen. 100. Letzterer Vers, von Peiper umgestellt,
von Leo getilgt, wird mit Recht gegen alle Angriffe in Schutz genommen
und richtig erklärt.
Richard M. Smith, De arte rhetorica in L. A. Senecae tragoediis
perspicua. Diss. Lips. 1886. Fock. 122 p.
[Recensiert: Wochenschr. f. Phil. III, 4 S. 105—8 von L. Tachau.]
Die hübsch ausgestattete Dissertation veranschaulicht gut, wie sehr
die Redeweise des Seneca rhetorisch gefärbt ist, indem die Stellen vor-
geführt werden, an welchen rhetorische Schilderungen, Sentenzen, Satz-
und Wortfiguren und andere Eunstmittel der Rhetorik angewendet sind.
Der lateinische Stil der Abhandlung ist nicht besser und nicht
schlechter als in den meisten Doktordissertationen, d. h. er ist nicht frei
von einzelnen unlateinischen Wendungen, z. B. Merguetii lexicon ad
hunc finem adhibui. Finis heifst das Ende, nicht der Zweck.
H. M. B. Ter Haar Romeny, De auctore tragoediarum quae sub
Senecae nomine feruntur Vergilii imitatore. Diss. Lugd. 1887. Dote-
comiae apud Misset fratres. 96 p.
In seiner, uxori coniunctissimae gewidmeten Schrift bringt der Ver-
fasser zuerst eine Anzahl Stellen bei, in welchen dem Seneca »oder wer
sonst diese Tragödien gedichtet hat« die älteren lateinischen Tragiker
und anderseits Ovidius zum Vorbild gedient hat, und geht dann auf sein
Hauptthema, die Nachbildung des Vergilius, über. Die mit Vergilius
übereinstimmenden Erzählungen sind bei Seneca in der Regel mit eige-
nen Zuthaten noch mehr rhetorisch ausgeschmückt, die Gleichnisse etwas
abgeändert, auch wohl zwei mit einander verbunden, an anderen Stellen
sind bekannte Wendungen aus den verschiedenen Gedichten Vergils ent-
nommen, Epitheta gebraucht, die sich nur bei Vergilius finden, u. a. Mit
208 Za Seneca.
Recht bemerkt jedoch der Verf., dafs keineswegs alle Stellen, welche
eine Ähnlichkeit aufweisen, auf absichtliche Nachahmung znrückzuftlhren
sind, da Lekttlre und Erklärung des Vergilius in den Schulen der Gram-
matiker und Rhetoren einen hervorragenden Platz einnahmen und so gar
vieles aus seinen Gedichten unbewufst in die Werke der späteren Dichter
und Prosaiker überging.
In einem Anhang sind einige Eoi^'ekturen und kritische Bemer-
kungen zu einzelnen Stellen beigegeben
Rudoiphus Werner, De L. Annaei Senecac Hercule Troadibus
Phoenissis quaestiones. Diss. Lips. 1888. 58 S.
I. De Hercule Annaeana. Zuerst wird tlber den Mythus, dann
über die Komposition des Stückes gehandelt, wobei die Vorzüge der Tra-
gödie ins Licht gesetzt werden, dann die ähnlichen Stellen aus Euripides
beigezogen. Was letzteres betrifft, so erweckt Werners erste Ankündi-
gung und sein Urteil über seinen Vorgänger Leo, welcher in seiner Aus-
gabe I S. 160 ff. dasselbe Thema behandelt, zu grofse Erwartungen:
»quoniam (Leo) attigit magis materiam quam exhausit, de integro nunc
. . investigare constituimusc. Bescheidener und richtiger heifst es p. 16:
magnam locorum messem Leo nobis praeripuit, ut nihil fere nisi spici-
legium reliquum sit.
II. De Troadibus Annaeana. Untersuchung über die Quellen,
welche der römische Dichter benutzte; vorher behandelt von Braun
und Leo. Werner bringt mehrere neue Stellen aus Euripides bei, be-
sonders aus der Hecuba, doch möchte ich nicht bei allen für ausgemacht
halten, dafs wirkliche Nachahmung vorliegt. Die Bedenken, welche die
Komposition des Stückes bietet, suchte Swoboda in seiner Übersetzung
(Wien 1830) dadurch zu beseitigen und zu erklären, dafs er annahm,
die erhaltene Tragödie sei eine Zusammensetzung aus zwei Stücken von
zwei verschiedenen Dichtern. Werner vermutet, dafs wir den Entwurf,
welchen Seneca zu der Tragödie machte, vor uns haben.
III. De Phoenissis Annaeana. Die eigentümliche Gestalt dieser
Tragödie, welche keinen Chor enthält und deren Teile unter einander
nicht zusammenhängen, hat verschiedene Erklärungsversuche hervorge-
rufen. W. zeigt, dafs sich eine Anzahl von Gedanken zweimal und
öfter vorfindet, zuerst kurz, dann weiter ausgeführt und ausgeschmückt,
und schliefst hieraus, sowie aus der nnzusammenhängenden und nach-
lässigen Art der Komposition, dafs der Dichter dieses Werk nicht vollen-
dete. Aus dem Mangel an Verbindung der einzelnen Scenen könne man
noch nicht schliefsen, dafs sie zwei verschiedenen Tragödien angehören,
der Dichter könne auch einzelne Situationen verschieden ausgeführt
haben, um später das besser Gelungene zu behalten und das Geringere
auszuscheiden.
Von den beigegebenen drei Exkursen bespricht der erste die Be-
Zu Seneca. 209
deutung des von Doratus zu Ter. Adelph. ni, 1, 8 gebrauchten techni-
schen Ausdruckes Ttapexraat^ ^ der zweite, de exodis quibusdam Euripi-
deis, richtet sich gegen Behauptungen R. Arnoidts »die chorische Tech-
nik des Euripidesc Ober die Exodos des Euripides, der dritte verteidigt
an einigen Stellen die handschriftliche Lesart gegen die Änderungen der
Herausgeber.
Alfredus Pais, Quibus exemplaribus Seneca in fabula quam
Troadas inscripsit usus sit. Turin, Löscher 1888. 15 S. Aus Rivista
di filologia XVI fasc. 7—8 Genn. Febbr. 1888.
In der kleinen Abhandlung fahrt der Verfasser zunächst solche
Stellen der Troades des Seneca vor, in welchem ihm W.Braun, de
Senecae fabula quae inscribitur Troades und A. Widal, 6tudes sur
trois trag6dies de Sön^que imit^es d'Euripides, Paris 1864 und F. Leo
in seiner Ausgabe des Seneca, namentlich ersterer, mit unrecht eine
Nachahmung griechischer Originale angenommen zu haben scheinen, und
sucht dann zu beweisen, dafs Seneca, was er in diesem Sttlcke anders-
woher entlehnte, beigefügt hat, um die Handlung des Euripideischen
Stückes zu erweitern, sowie dafs er die Chöre mit Kunst und Selbstän-
digkeit behandelte.
L. Tachau,' Zu Senecas Tragödien. Philologus XLVI, 2 (1888)
S. 878-81.
In seiner Ausgabe des Seneca kam Leo (Bd. I S. 48 ff.) zu dem
Schlufs, dafs die Tragödie Hercules Oetaeus erst von Vers 706 an das
Werk eines Nachdichters sei, der erste Teil des Stückes dagegen keine
Spuren der Unechtheit an sich trage. Tachau spricht auch das Ghor-
lied 104 — 172 dem Seneca ab, weil es fast keinen einzigen selbständigen
Gedanken enthalte, sondern zum gröfsten Teil aus anderen Tragödien
Senecas zusammengestoppelt sei.
Eine Übersetzung des Seneca trag, in die ungarische Sprache lieferte
J. Kont, herausgeg. von der Ung. Akad. d. W. Budapest, 1884.
112 S.
[Recensiert: Egyetemes phil. Közlöny 1885 No. 4 p. 282 — 88 von
K. Pozder.]
Jahresbericht (ur Altertumswissenschaft. LXVm.Bd. (1891 H). 14
Bericht über die Litteratur zu Phaedras and
Avianus seit 1889.
Von
Oberlehrer Dr. H. Draheim
in Berlin.
Was wir auf dem Gebiete der römischen Fabeldichtiing za erw&hnen
haben, schliefst sich eng an das Ergebnis der vorangehenden Jahre (s.
diese Jahresberichte LIX 1889, II S. 107—121), indem wir zn Ellis*
Avian noch Nachklänge vernehmen. Wir haben daher erst diese Stimmen
zu verzeichnen und dann von der Kritik des Phaedrus zu sprechen.
K. Schenkl (Wien) in 'Zeitschrift f&r die Österreichischen Gym-
nasien' XL (1889) S. 616-618.
0. Grusius (Tübingen) in ' Fleckeisens Jahrbttchem für Philologie'
139 (1889) S. 641—666.
Herr Schenkl lobt Ellis' Avian, insbesondere auch den Kommentar
und den Index, er wünscht jedoch für die Herstellung des Textes einen
Vergleich mit den Apologi Aviani, aufserdem aber, dafs endlich eine ein-
gehende Yergleichung mit Babrios vorgenommen werde und dafs Sprache
und Stil im Zusammenhange untersucht werden, um eine Grundlage für
die Kritik zu gewinnen. Ref. fügt diesem Wunsche den anderen hin^u,
dafs dieses Werk einem Deutschen gelingen möchte! Indem Schenkl
annimmt, dafs Avian den Babrios benutzte, ist er geneigt die Worte der
Vorrede *rudi Latinitate compositas' auf Avians eigene Distichen zu be-
ziehen, abweichend von Grusius, der darin die Bezeichnung einer latei-
nischen Prosaparaphrase vermutet. Die übrigen kritischen Bemerkungen
Schenkl^s erwähnen wir in Verbindung mit den Beiträgen von Grusius,
zu dessen Anzeige wir uns zunächst zu wenden haben.
Herr Grusius tadelt in ähnlicher Weise wie Ref. (a. a. 0. S. 117)
den Berliner Kritiker und verteidigt Ellis gegen dessen Vorwürfe, dafs
er wichtiges und unwichtiges zu wenig geschieden, den Text schlecht
erklärt, unbrauchbare grammatische Anmerkungen gemacht habe und an
eine Würdigung des Dichters nicht herangegangen sei
Übersicht der Bemerkungen sn Atüui. 211
Ohne die Fehler and den Mangel an Vollendung zn verkennen lobt
Crnsius die Selbständigkeit der Erklärung, bemerkt aber, dafs Ellis
grOfseren Wert auf die Untersuchung der Handschriften hätte legen
sollen um mit dieser Darstellung die Prolegomena zu beginnen, statt zu
beschliefsen. Auch vermifst er eine flbersichtliche Yergleichung des
Avian mit Babrios. In diesem sieht Ellis die Quelle Avians, während
Grusius daran festhält, dafs eine Yermittelung durch Titians Prosa-Para-
phrase zu vermuten ist. Insbesondere werden die ungenauen Verweisun-
gen auf Halms Aesop berichtigt. Grusius hält auch die von Ellis ange-
zweifelten Fabeln 23, 85 und 88 fQr echt. Von Ellis Emendationen
lobt er ' emonuisse ' (3, 6), 'cingula* (7, 14), 'per inseptum' (9, 6) und
'sie ut' (22, 15).
Übersicht der Bemerkungen zu Avian.
Praef. 9 (Lehm) 'legenda' will Schenkl beibehalten.
1, 9 'referis' ffXr 'refers' meint Schenkl Avian zutrauen zu dürfen.
Fab. 2 ist nicht unmittelbar aus Babrios entnommen. Crusius.
ib. 10. Grusius hält 'occidit' für das richtige, nicht 'excidit'.
4, 1 'ad sidera' bezeichnet nach Grusius nicht das Tribunal der
Sterne, sondern ist örtlich zu verstehen.
Fab. 5 vom Esel im Löwenfell weicht, wie Grusius zeigt, wesent-
lich ab von Aes. 388.
8, 5 'auras' ist nach Schenkl gegen 'aras' festzuhalten, wegen Aes.
184. Grusius erklärt Msse per auras* von dem geflflgelten Kamel der
Fabel und zeigt, dafs dem Avian nicht Julians Misopogon, sondern dessen
Original, Babrios Fab. 78 zugrunde liegt
16, 9 'necdum consistere' findet Schenkl verständlich,
ib. 17 'offendit* hält Schenkl aufrecht.
17, 2 Fröhners Vermutung ' trepidas' hält Schenkl nicht fQr wahr-
scheinlich.
ib. 11. Die Besserung der verdorbenen Stelle mufs nach Schenkl
ausgehen von 'dum quis ille'.
21, 5 'credula* erklärt Schenkl passivisch 'cui facile creditur'.
Fab. 28 fühlt Grusius auf Bahr. 30 zurück, indem er bezweifelt,
dafs Aes. 55 zugrunde liegt
24, 8 'affirmans se' fieri hält Schenkl fflr richtig.
Fab. 25 stammt nach Grusius nicht aus dem Philogelos, sondern
aus Aes. 45 = Bahr. 145 (Ebb.).
Fab. 80. Grusius findet Zttge aus Bahr. 95 und Aes. 182.
ib. 11 'cor in der Bedeutung' Herz und Verstand* ist nach Grusius
auch griechische Auffassung, nicht — wie Ellis meint — nur römische.
Fab. 32 läfst nach Grusius einen Zusammenhang zwischen Babrios
und den Sprichwörtersammlungen vermuten.
14*
212 Zu ATian.
ib. 3 *fni8traqne' will Sehenkl gelten lassen, der ftberlianpt an der
Metrik und dem Ausdnicke Avians nicht glaubt Anstofs nehmen zu mttssen.
Fab. 34, 17 'mi' ist nach Sehenkl durch den Gegensatz zu *tibi*
gefordert, daher die Änderung 'en' unrichtig.
Fab. 88 hängt nach Grusius vielleicht mit Bahr. 6 zusammen.
ib. 6 * salibus ' will Grusius beibehalten, da es vortrefflichen Sinn gibt.
Fab. 40 hftlt Grusius fbr kontaminiert aus Bahr. 101 und 137 Ebb.
Fab. 41 lllhrt Grusius auf Bahr. 135 Ebb. zur&ck.
ib. 1 6 meint Grusius an der Richtigkeit der Worte ansa phare-
tratis nubibus' nach EUis gelehrter Erklftrung nicht zweifeln zu dürfen.
Fab. 42 stammt nach Grusius nicht aus Aes. 273, sondern aus
Babr. 132 Rthf.
Nicht unwichtig für Avian ist folgende Arbeit:
6. Eskuche (Gassei), Die Elisionen in den zwei letzten Fflfsen
des lateinischen Hexameters, von Ennius bis Walahfridus Strabo, in
'Rheinisches Museum' XLV (1890), S. 236—264.
Herr Eskuche hat in seiner umfassenden Arbeit, in welcher auch
Avian nicht vergessen ist, nachgewiesen, dafs dieser gleich vielen anderen
römischen Dichtern die Elision nach der fünften Hebung ganz vermeidet
(S. 247), ebenso auch die Elision nach dem fünften Trocbaeus (S. 264).
Dieses Ergebnis dient dazu, Avian im Zusammenhange mit einer ganzen
Litteratur zu würdigen, wenn es sich auch nur auf einen geringen Teil
seiner Poetik bezieht.
Den Übergang von Avian zu Phaedrus bilde ein Buch von grofser
Gelehrsamkeit, in welchem auf beide Bezug genommen wird, auf Avian
viermal, auf Phaedrus zwölfmal:
Egbert's von Lttttich Fecunda ratis. Zum ersten Male heraus-
gegeben, auf ihre Quellen zurückgeführt und erklärt von Ernst Voigt.
Halle, Niemeyer 1889. LXVI u. 273 S. 8.
Dieses Buch stellt den Lebensgang des alten Schulmeisters Egbert
(in Lüttich c. 1020) dar und gibt Text und Erkl&rung seiner Sentenzen-
sammlung. Leider ist das Ergebnis für uns ein überwiegend negatives.
Zu I 92 wird auf Av. 27 verwiesen, ohne dafs eine Beziehung vorhanden
ist; zu I 146 werden wir ebenso auf Av. 32 hingewiesen, dasselbe gilt
von I 281 und 1 811, während die betreffenden Dinge — Hund mit der
Glocke und Esel in der Löwenhaut — ebenso gut allgemein bekannt
oder einer anderen Quelle entnommen sein konnten.
Wir können also auf Grund dieser Vergleiche nicht sagen, dafs
Avian dem Egbert bekannt war. Das gleiche gilt von Phaedrus: nirgend
liegt eine Nötigung vor auf diesen zurückzugehen weder im Wortlaut
J. Hartman, De Phaedri fabolis. 213
noch im Inhalt : vielmehr kann der Inhalt sämtlicher Sentenzen dem Ro-
mains entnommen sein. Ich setze die Stellen aus Egbert mit Bezeich-
nung der Phaedrusstelle her, wobei noch herrorzuheben ist, dafs die
Zitate vielfach ungenau sind.
Egb. I, 1 - Phaedr. App. I 3 (vielmehr Fab. nov. 17);
Egb. I, 50 — Ph. Ap. 11 (L. Müller 9);
Egb. I 201 — Ph. I 9 (mufs heifsen I 19);
Egb. I 886 und 605 — Ph. IV, 2;
Egb. I 488 - Ph. IV 18 (Riese IV 19, L. Müller IV 20. Im Texte
steht 'obliqua', in der Anmerkung *antiqua');
Egb. I 669 — Ph. IV 12;
Egb. I 1097 — Ph. IV 22 (mufs heifsen 23. L. Müller 24);
Egb. I 1109 — Ph. App. 21;
Egb. I 1311 — Ph. App. II 30.
Egb. I 1840 — Ph. App. II 26.
Gegenüber diesen nicht stichhaltigen Hinweisungen hat es wenig
zu bedeuten, dafs I 1018
Gaudebat super invento sat pectine calvus;
Quam melior foret inventus sibi pilleus unus,
Calvitiam unde suam recrearet sole geluque
allenfalls aus Ph. V 6 hergeleitet werden kann, und dafs I 887
Uncinus in silvis oritur silvae spoüatur,
Pomorum arguitur frugumque et predo parentum
zu Riese delect. XII Homo et arbores zu passen scheint, was übrigens
Hr. Voigt nicht erwähnt. Wir können also nicht sagen, dafs Egbert's
Bekanntschaft mit Phaedrus erwiesen ist.
Zu Phaedrus liegen manigfache Arbeiten vor. Im Vordergrunde steht:
J. Hartman, De Phaedri fabulis commentatio. Lugduni Ba-
tavomm, van Doesburgh 1890. (Leipzig, Harrassowitz.) 124 S. 8.
Besprechungen:
1) S. Herzog (Stuttgart) in Wochenschrift für klassische Phi-
lologie 1891 S. 377-379,
2) L. Müller (St. Petersburg) in Berliner philologische Wochen-
schrift 1890 S. 1300- 1305,
£mile Thomas in Revue critique 1890 II 45 S. 304-306.
Hartman, ein Schüler Cobets, bietet uns in seinem anmutenden
Buche eine wesentlich auf den Inhalt gerichtete kritische Würdigung des
' Phaedrus', die insofern erschöpfend genannt werden kann, als sie das
Ergebnis echten philologischen Studiums ist und ein abgeschlossenes Bild
der Phaedrusforschung des Verfassers gewährt. Über den Unterschied
wahrer und falscher Kritik spricht sich Hartman ebenso ergötzlich wie
belehrend aus. Mit Humor erzählt er, wie er als Student Textstellen
214 J* Harimtii, De Phaedii fabulia.
in ünzialbnchstaben amgescbrieben und Yermatnngen durch Lexika unter-
stfltzt habe, und mit Recht stimmt er dem Tadel bei, der wegen dieser
Benutzung der Lexika tlber Bentleys Phaedruskritik ausgesprochen ist,
sowie dem anderen Vorwurf, dafs Bentley in grammatischer Einseitig-
keit, z. B. in dem Streben Pronomina demonstrativa in den Text zu brin-
gen, zu weit gegangen sei. Und wie ruhig und schonend wird dies von
dem gröfsten aller Kritiker berichtet, dessen Verdienst darunter nicht
leidet Von anderen Kritikern wird besonders L. Mflller gelobt, doch
' Omnes qui poetas Latinos amemus singulari nos affici beneficio putamus,
quum illorum aliquem Muellerus in lucem edit' ist wohl zu viel gesagt
AI. Riese wird dagegen mit Unrecht verschwiegen und mehrere seiner
Lesarten werden teils wie etwas neues teils wie unverdient verworfenes
vorgeschlagen und verteidigt (I 1, 12 tum; II prol. 12 istam statt illi,
wo Riese bereits illam schreibt ; epil. 6 ne primus forem, App. 26, 8 hac).
Vielleicht liegt hier eine Versäumnis zugrunde, denn eine Absicht ist bei
der flberall bemerkbaren Offenheit und Sachlichkeit nicht anzunehmen.
Eine Auszeichnung erhält Em. Bährens, dessen Vermutung rabulis' fUr
'ab illis' II ep. 15 als ' palmaris' vor allen Phaedruskoi\jekturen ge-
rühmt wird.
Das Hauptergebnis des Buches ist einerseits eine geschichtliche
Würdigung des Dichters, die darauf hinausläuft, dafs wir von Buch zu
Buch das Wachsen seiner Anmafsung und seiner Bitterkeit wahrnehmen
müssen, andrerseits der Nachweis, dafs die Fabeln nicht nur ein mangel-
haftes Verständnis für das Wesen der Dichtungsart sondern auch ein
Unvermögen sich klar auszudrücken verraten.
Kap. I handelt von der Herkunft des Phaedrus. Wenn er von der
Mutter am piörischen Berge geboren wurde, so folgt daraus nicht, nach
Hartmans Ansicht, dafs er ein Grieche war, vielmehr folgt aus UI praef. 54
Ego iiteratae qui sum propior Graeciae,
dafs er keiner war; früh mufs er nach Rom gekommen sein, da er ein
reines Lateinisch sich aneignete. Die Bezeichnung als Augusti libertus
ist auf ihn selbst zurückzuführen, denn des Kaisers Name mufste sein
Stolz sein ; L. Müller hätte sie nicht aus der Überschrift entfernen sollen.
Kap. II ist der Nachweis for des Dichters wachsendes Selbstbe-
wufstsein und seine mangelhafte Einsicht in das Wesen der Fabel. Mit
dem 2. Buche beginnt er Anekdoten einzumischen. Im 3. Buche finden
wir aufser Fabeln nach Aesop und eigenen nachgebildeten auch eine
Anekdote und Erzählungen über Aesop und Socrates, im 4. Buche eine
Allegorie (IV 10), im 5. Buche aber wird auf Aesop überhaupt nicht
mehr hingewiesen. Das steigende Selbstbewnfstsein zeigen uns besonders
die Prologe und Epiloge, in denen er seine Tadler ebenso einsichtslos
zurückweist, wie er sein eigenes Verdienst um die Fabel ungebühr-
lich erhebt
Kap. III behandelt einzelne Fabeln, an denen bewiesen wird, dafs
J. Harimao, De Phaedri febulls. 215
er nicht blofs'absnrdns' and'ineptas', sondern aueh * spnrcus' ist I 17
lesen wir bei Romnlus in viel schönerer Fassung, die weder Erfindung
des Romulus noch Paraphrase des Phaedrus sein kann and uns zu der
Annahme nötigt, dafs Romulus neben Phaedrus noch eine andere bessere
Quelle benutzt hat. Ebenso haben die Fabeln I 23 und I 6 und App. 1,
ferner IV 4 bei Romulus besseren Zusammenhang und treffendere Zfige
als bei Phaedrus.
Kap. lY ist eine Kritik der Promythia und Epimythia. Da in der
Perottischen Sammlung die Moralverse fehlen und man eher annehmen
kann, dafs Prosa- Sentenzen versifiziert werden, als das Gegenteil, so ist
wahrscheinlich die Prosasentenz zuerst hinzugefügt worden und lag Pe-
rotti vor, während in andere Handschriften die spätere Versifikation
flberging. Die Promythien aber und Epimythien, die wir aufserdem bei
Perotti finden, brauchen deshalb noch nicht echt zu sein.
Im y. Kapitel, welches von der Phaedrus-Kritik bandelt, werden
mehrere Bentley^sche Änderungen ausführlich besprochen und zurück-
gewiesen, die ich, soweit sie auch von Riese nicht aufgenommen sind,
nicht erst aufzähle. Dafs aber auch gegen 'Lacon' (Y 10,7) die Über-
lieferung 'latrans' verteidigt wird, kann ich deshalb nicht billigen, weil
im allgemeinen die Art, wie ein Tier spricht, in der Fabel nicht ange-
geben werden darf, da das die Illusion aufheben wflrde, im besonderen
aber 'latrare', wenn man es in der Fabel vom Hunde braucht, einen
Trotz andeuten würde, während hier nur Resignation auszudrücken ist.
Ebensowenig kann ich der Yerteidigung von*auribus' gegen *avibus' bei-
stimmen (HI 18, 8), weirauribus' ein fehlerhafter Daktylus ist. Endlich
kann ich Hartman auch nicht zugeben, dafs Bentley^s ' humanum genus'
n praef. 1 das richtige sei statt 'Aesopi genus', da *senis' in Yers 8
dann unverständlich wäre.
Das YI. Kapitel bespricht die Schwerfälligkeit und Unklarheit des
Stiles in überraschender und überzeugender Weise. Es werden einzelne
Stellen erörtert, zu denen Hartman seine im besten Sinne kritischen Be-
merkungen macht Eingehende Erklärung finden I 4; II praef.; III praef.;
I, 7; 16; epil.; App. 16, 8. Um einzelnes zu erwähnen: I 14 und III
II, 6 wird getadelt, 'fortis' I 6 verteidigt, jedoch nicht gelobt; zu I 2, 16
wird bemerkt, dafs 'hoc' auf 'genus' zu beziehen ist, denn die Frösche
verbergen sich selbst, nicht das Holz im Schlamm. Die letzten Yerse
der App. werden für den Schlufs des 6. Buches und zugleich der ganzen
Sammlung erklärt.
Die Besprechung einzelner Stellen, zu denen Hartman neue Yer-
mutungen bringt, verspare ich, um am Schlüsse das kritische Ergebnis
des letzten Zeitraumes zusammenzufassen, und erwähne noch, dafs in
diesem Buche auch andere Schriftsteller herangezogen und besprochen
werden (Suet. Gal. U; Tac. Ann. III 40; Plat. Phaed.). — Hartmans Buch
zu lesen ist ein Genufs; es ftlhrt ohne Vorwort 'medias in res' ; die Satz-
216 H. Draheim, De Pbaedri senarlo.
bildung ist gewandt and der lateinische Ausdnick Tortrefflioh. Leider
steht S. 93 *tam* vor 'landare', falls es nicht Dittographie hinter *adhi-
bitam' ist. Besonderes Lob verdient der leserliche Druck.
Die Besprechung in der Wochenschrift für kl. Phil, tadelt den Ver-
fasser und sucht zu widerlegen, was er allzu subjektiv behauptet habe.
>in 15 nennt Hartmann ganz unbegreiflicher Weise frivol; kurz, es ha-
gelt moralische Keulenschläge« heifst es. Nun, III 16 ist noch nicht des
Phaedrus schlimmstes. Doch kann diese Kritik nicht umhin folgendes
anzuerkennen. 1) »Dafs Phaedrus gegen die Gesetze (?) der Fabeldich-
tung i) verstöfst, ist ganz richtig, er ist kein Lessing, und dafs sich in
den Paraphrasen teilweise eine andere, bessere Oberlieferung erhalten
hat, ist von L. Müller längst anerkannt.» 2) »Hinsichtlich der Promy-
thia hat Hartman recht, wenn er die Behauptung L. Müllers bestreitet,
Perotti habe die Promythia in Prosa verwandelt« 3) Von Hartman's
Lesearten werden nicht weniger als neun gelobt und keine widerlegt
4) Man mufs »der Latinität des Verfassers, welche die gute holländische
Tradition nicht verleugnet, alle Anerkennung zollen.«
Anerkennend spricht L. Müller über Hartmans Buch, indem er
Studium und Ingenium des Verfassers lobt und »die Abhandlung allen
Freunden des Phaedrus angelegentlich empfiehlt«. Eine längere Erklä-
rung widmet er dem Prolog des dritten Buches, in welchem er jedoch
eine Lücke vermutet; Bentley verteidigt er gegen Hartmans strengen
Tadel, ohne ihn jedoch für die Phaedruskritik von Eilfertigkeit freizu-
sprechen, stimmt dagegen dem Tadel der Nauckischen Kritik zu. End-
lich verwirft er V. d. Mey's Koi\jektar zu App. 21, 3 (citat gradnm), w?il
Phaedrus nicht mit zwei Jamben schliefst, und schlägt vor 'celerat
gradum'.
Die französische Kritik läfst leider nichts gutes ap dem Buche,
sie nennt die Form unbequem, besonders weil kein Stellenverzeichnis
beigegeben ist, und den Inhalt 'pr^sque enti^rement inutile'. Was Gobet
in mancher Beziehung gestattet werden könne, das könne seinem Schüler
nicht gestattet werden, und zu bedauern seien diejenigen, die das Buch
durcharbeiten müfsten. Dies kann Ref. eben nicht bestätigen.
De Phaedri senario. Fleckeisen, Jahrbücher fQr Philologie 139
(1889), S. 429-431. Von Hans Draheim, Berlin.
Referent hat beim Durchlesen des Phaedrus wahrgenommen, dafs
keine vorletzte lange Silbe mehrsilbiger Wörter in der 2., 4. und 6. Sen-
kung steht. Da die langen vorletzten Silben mehrsilbiger Wörter betont
sind, so ist in diesem mit dem Versbau des Terenz übereinstimmenden
Gesetze ein Ergebnis des Verhältnisses von Vers- und Wortton z^u er-
1) Das Fragezeichen hinter »OeseUec verstehe ich nicht; will Herr
Herzog ans weif ein, was er selbst »ganz richtig« nennt?
i
Phaedros-Eritik. Fr. Polle, Phaedri fabolae. 217
kennen: es ist das Gesetz der Dipodie (s. des Ref. Besprechung von
W. Meyer, Über die Beobachtung des Wortaccentes, München 1884, in
der Wochenschrift fdr klass. Philologie 1884, 8. 1481 — 1486). Dafs
dieses Gesetz fdr die ältere anders betonende Sprachperiode nicht in
gleicher Form gilt, versteht sich; daher haben wir einen abweichenden
Vers bei Phaedrus (III epil. 84), der dem Ennius entlehnt ist,
Palam multire pl6beio piaculum est.
Genauere Beobachtungen über iambisch und anapaestisch schliefsende,
über daktylische und choriambische Wörter erweisen die Unhaltbarkeit
mancher Teztesänderungen. Die zweifellose Übereinstimmung von Wort-
ton und Verston im zweiten und im dritten Fufse führt zu gleichem Er-
gebnisse, von welchem nur drei Zeilen eine Ausnahme bilden: App. 10,
12 und 25, 4
Sed tu nisi istum tecum assidue detines
Places tibi inquit quia cui non debes places
und lY 4, 2
Dum sese aper volutat turbavit vadum,
wo die überlieferte Wortstellung unvernünftig ist
G. Suster (Rom), Miscellanea critica, in'Rivista di filologia'XIX
Torino 1890, S. 86-~98.
Herr Suster verteidigt die überlieferte Lesart I 5, 6 gegen die
Besserungsversuche von Withof, Hartel und Gomperz, indem er hervor-
hebt, dafs der Löwe für seine Beute nur das Recht des Stärkeren, Ma
prepotenza', geltend macht und in seinen Aussprüchen eine Steigerung
bemerkbar ist, *un crescendo mirabile', welche durch jede Änderung des
*qnia sum fortis' gestört wird.
L. Müller. Über A. Nauck*s Phaedrusstudien. Berlin, S. Gal-
vary u. Comp. 1890. 16 S. 8.
Vergebens hoffte ich in dieser Schrift eine Förderung der Phae-
druskritik zu finden; sie bezieht sich auf Nauck's 1880 geschriebene
Bemerkungen über L. Müller*s Phaedrus und erweist die Unnötigkeit von
zwei Koigekturen (lY 23, 4 und 25, 4) sowie die Fehlerhaftigkeit von
vier anderen.
Phaedri fabulae. Für Schüler mit Anmerkungen versehen von
Dr. Johannes Siebeiis. In 4. und 5. Auflage besorgt von Dr. Fr. A.
Eckstein. Sechste verbesserte Auflage besorgt von Dr. Friedrich
Polle, Professor am Yitzthumschen Gymnasium zu Dresden. Leipzig,
Teubner 1889. XYI und 77 S. 8.
Besprechungen:
1) E. Kräh (Insterburg) in 'Krumme, Pädagogisches Archiv'
XXXII (1890). S. 625, 626.
218 Fr. PoHe, Phadri fabnlae.
2) S. Herzog (Stuttgart) in 'Wochenschrift Ar klasnsche Phi-
lologie' 1800. S. 771. 772.
3) K. P. Schulze (Berlin) in 'Zeitschrift für Gymnasial- Wesen'
XLIY (1890). S. 140—142.
Diese 6. Auflage von Sieheiis' Schulausgahe des Phaedms hat Herr
Polle mit gewohnter Akrihie und pädagogischer Einsicht besorgt Die
Fassung der Erklärungen ist knapp und zweckmäfsig, sie enthalten nnr
das dem Schfiler zum Verständnis und zu guter Verdeutschung notwen-
dige und lenken nirgend vom Texte ab. Dafs ausgeschieden ist, was
den Dichter verunziert und Oberhaupt reinen Genufs der Antike uns
wehrt, versteht sich ftlr das Schulbuch von selbst Doch hat aufser
diesem Grunde noch ein anderer gewaltet, der den Herausgeber bewog
in 4 Lanius et simins auszuscheiden, nämlich der, dafs die Fabel ihm
unverständlich sei. Darf man einem Interpreten wie Polle entgegen-
halten, dafs der Sinn einfach der sei: tinnere Güte wird durch häfsliches
Aussehen nicht ausgeschlossen« ? Fttr diesen Gedanken ist die Erzählung
vom Lanius allerdings weniger eine positive als eine negative BegrQn-
dung — was bei der Beleuchtung, die des Phaedms Dichtertalent durch
Hartman erhalten hat, nicht mehr auffallen wird. Auf die text-kritische
Bedeutung dieser Ausgabe kommen wir im Zusammenhange zurück, ohne
jedoch die Aufnahme älterer Vermutungen besonders zu erwähnen. Von
demselben Herausgeber ist besorgt die 16. Auflage von
Tirocinium poeticum, von Dr. Johannes Siebeiis. Leipzig,
Teubner 1891.
in welcher mit gekürzten Anmerkungen und zuletzt ohne Accentbezeich-
nung die Fabeln I 1. 3. 4. 5. 8. 12. 13. 15. 21. 24. 26; II 4. 7. 8; III
6. 7. 8. 16. 18; IV 2. 3. 4. 6. 9. 10. 22; V 2. 5. 10 abgedruckt sind.
Die Besprechungen über Polle's Phaedms sind anerkennend. Herr
Kräh lobt die Vermutungen des Herausgebers und gibt einige Ergän-
zungen zu den Anmerkungen, indem er das Buch zugleich zur privaten
Benutzung der oberen Klassen empfiehlt.
Herr Herzog lobt die Auswahl und iwttnscht überhaupt dem treff-
lichen Schulbuche Erfolgt. Einige Erklärungen, die er vermifst, f>
er hinzu. In der Kritik würde er noch weiter gehen in der Aufnahme
von Vorschlägen Nauck's und Weidner's. Aus den Überschriften wtlnscht
Herzog die Sprachwidrigkeiten getilgt. Von der Unechtheit der Über-
schriften spricht aber Polle selbst: sollte er mithin unechtes bessern?
Gewundert habe ich mich immer, warum L. Müller die Überschrift der
zweiten Fabel nicht gleich den übrigen eingeklammert hat.
Herr Schulze hofft eine Wiederbelebung des Interesses Air Phae-
dms und rühmt iGeschick und Sorgfaltc des Herausgebers. Er gibt
ebenfalls Anmerkungen, die er bei Polle vermifst, und trifft dabei für
'valere adsequi' IV 2, 11 mit Herzog zusammen. V 8 wünscht Schuke
Phaedras-Lektflre. 219
als ZQ schwer gestrichen und meint, dafs auch manche Anmerkung PoUe's
fiher den Standpunkt des Untertertianers hinausgeht Indessen dtkrfte
sich Phaedms — wie Kräh mit Recht hervorhebt — auch zur Privatr
lektfire älterer Schfiler eignen.
Herzog hat einen Druckfehler gefunden, Schulze aufser dem selben
drei andere, von denen ich jedoch d^rßoroQ 8. 1 1 nicht als solchen an-
sehen möchte, jedenfalls aber nicht 'dum' I 4, 2.
£. J. Gastaigne, Trois fabulistes £sope, PhMre et La Fon-
taine. £tude bibliographique et litt^aire. Paris, A. Picard 1890.
29 S. 8.
Eine Lobrede auf Gh. Gauseret, Trois fabulistes: £sope, Phödre,
La Fontaine. Paris, G^dalge jeune. 216 S. 8; der erste Hymnus be-
ginnt mit den klassischen Worten: La premi^re n6cessit6, pour Tauteur
d'un travail de ce genre, c'est d^avoir beaucoup d*6rudition. Vernehmen
wir des Verfassers nicht gerade ungerechtes Urteil ttber Phaedrus (p. 12):
Oui, la briövet^ de PhMre confine souvent ä la s^heresse. Ses animaux
n'ont pas M examin^s par lui avec amour: ce ne sont que des hommes
habill6s de peaux de bßtes, et quels hommes! des Romains graves et
compassös. Sa morale est itoi^ours dure et impitoyable« et se ressent
trop du triste temps oü 11 vivait, de ces sombres r^gnes de Tib^re et de
Glaude, oü Rome 6tait partag^e en deux camps: les d^nonc^s et les
d^nonciateurs. Sa versification m6me est monotone. Alors, que lui
reste-t-il donc? Pourquoi est-il si universellement connu? Pourquoi met-
on son livre entre les mains des enfants? Et pourquoi M. Gauseret
vient-il k son tonr lui consacrer trente-quatre pages? In diesem Tone
bewegt sich der Verfasser zwischen wahrem und falschem, immer ober-
flächlich, erfreut uns aber zum Schlufs durch ein Familienbild, welches
ich als charakterisch ffir französische Bildung hersetze, zugleich um zu
zeigen, dafs die Franzosen noch nicht ganz durch Z . . . verdorben sind:
C'est le soir, aprte dlner, sous la lampe. La p^re et le grand'
p^re qui riennent de pareourir le Journal, fatigute de tonte eette
politique, s' en reposent en öcoutant la fiUe atnöe qui eommenee la
leeture du nouveau Tolune, dont eile a coap6 tont k IHieure les pages
sur la nappe encore mise. Bientöt ils s'approchent: .ces Tleilles fahles,
dont on leur parle si bien, leur rappellent tant de chosesl La m^re
aussi pr6te une oreille attentive» et peose que» du temps de sa jeunesae,
les Hvres Berits pour la jeunesse n'6taient pas si bien faits. Le fils,
externe au Lyc^e et eandidat prochain au baccalauröat, note en
passaDt beauconp de details qui n'^taient pas dans sa ' littörature*,
et qui lui Tsudront le maximum pour la dissertation, sMl ' tombe sur
ce sujet*. Son cadet, qui a huit ans, n'avait jamais 6t6 ä pareille
f6te et repousse du coude son gros Joufflu du petit fröre, qui ne
comprend rien, et a trouTÖ moyen de monter sur une cbaise pour
regurder les Images.
2^0 Phaedros-Lektflre.
Gereimte Übersetzungen einiger Stellen römischer und griechi-
scher Dichter vom Oberl. Dr. Bernh. Fahland. Beigabe zum Pro-
gramm des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiams zu Greifenberg i. F. 1889.
No. 126.
In der Vorrede wird der vernünftige Gedanke ausgesprochen, dafs
»die meisten antiken Yersmafse, der Hexameter nicht ausgeschlossen, auf
die deutsche Sprache übertragen, selbst in den gelungensten Übersetzun-
gen für unser GefQhl etwas fremdartiges und schwerfälliges behalten.«
Der Verf. übersetzt in geschickt gewählten Yersmafsen, unter denen auch
strophische und gereimte sich befinden, mit Gewandtheit aus Ovid, Horaz,
Phaedrus, Martial und Sophokles. Von des Phaedrus Fabeln finden wir
I 1. 4. 12. 13. 23; III 18; IV 3; V 2. Als Probe diene aus I 28 (Riese
21) Anfang und Schlufs:
Wer einst gefürchtet safs auf hohem Thron,
Den trifft im Unglück selbst des Feigen Hohn.
Ein greiser Löwe lag mit müdem Haupt
Am Boden sterbend seiner Kraft beraubt. —
Zuletzt ein £sel gar läfst ungestraft
Den Kranken fühlen seiner Hufe Kraft.
Da seufzt der Sterbende in bittrem Ton:
Gekränkt hat wahrlich mich der Starken Hohn,
Doch weil ein solcher Wicht darf spotten mein,
Empfind' ich doppelt jetzt des Todes Pein.
Phaedri August! liberti fabulae Aesopiae con note Italiane del
Prof. Carlo Fumagalli. Seconda edizione migliorata. (Raccolta di
autori Latini con note Italiane VI.) Verona, Tedeschi 1891. 83 S. 8.
Statt jeder Bemerkung setze ich eine Probe aus den Anmerkungen
her und <len deutschen Text von Siebelis-PoUe daneben:
IV 7, 6 cothumi, Schuhe mit IV 7, 5 cothurnis. Galzatura
hohen Absätzen, deren sich die Schau- molto alta usata dagli attori tragici
Spieler in der Tragödie bedienten, um per rendere la statura grande altre
dadurch gröfser und erhabener zu il naturale. Esopo qui si presenta
erscheinen. 'Aesop tritt in neuen con nuovi (cis^ inusitati) coturni,
(d. h. ungewohnten) Kothurnen auf, vale a dire con versi che hanno del
d. h. er tritt mit erhabenen Versen tragico.
auf, wie sie sich fttr die Tragödie
eignen, und die man an ihm nicht
gewohnt ist. Es folgt nun bis Vers Segne infatti una declamazione
16 eine Probe solcher Verse, in wel- (versi 6 16) sui roali cagionati ai
chen das Unglück beklagt wird, das Greci ed ai barbari da colui che
durch den Bau des Schiffes Argo fabbricö la nave Argo.
über Griechen und Barbaren gekom-
men ist
Phaednui-Lektüre.
221
II passo h imitato dij principio
della Medea di Earipide.
6. Pelii. MoQtagne della Tessa-
glia Orientale.
8. professae. Manlfesta. Partie,
deponente in senso passivo.
9. Argus. Nome di coloi che
fabbricö la naye Argo.
opere Pall. = arte Palladis.
Minerva era considerata maestra
di tutte le arti. ^
12. Aeetae. £eta fu re della
Golchide. Giasone andö, e gli portö
via il vello d'oro e la figHa Medea,
la quäle, fuggendo con lui, sparse
per la via le membra del fratello
Absirto per indugiare la corsa del
padre, che la inseguiva.
Sie sind dem Eingänge der
Medea, einer Tragödie der Euripides,
nachgebildet.
6. Pelium nemus, Pelion, Ge-
birge des OsU. Thessaliens.
8. professae mortis' in den offen-
kundigen Tod'. Das Part. perf. vieler
Deponentia kommt auch in passiver
Bedeutung vor.
0. Argus, der Baumeister der
Argo.
opere PaUadio = arte Palladis,
denn Pallas galt . . . Oberhaupt als
die Lehrmeisterin der Künste . . .
12. Aeetes, König von Kolchis,
dem Jason nicht nur das goldne
Yliess, sondern auch seine Tochter
Medea entführte. Diese nahm über-
dies ihren kleinen Bruder Absyrtus
mit sich und als Aeetes die Fliehen-
den verfolgte, tötete sie diesen, zer-
stttckte ihn und zerstreute seine
Gliedmafsen am Ufer.
Das Titelblatt dieses Werkes des Herrn Professor Fumagalli trägt
den Vermerk 'Proprietä letteraria'.
Von demselben Herausgeber erschien:
Phaedrus, Fabulae Aesopiae. Scholarum in usum. Editio altera
expurgata. Verona, Tedeschi 1890. 68 S. 16. —
Le favole di Fedro commentate da Fei. Ramorino. Seconda
edizione riveduta e corretta. Torino, Loescher 1890. XI und 100 S. 8.
Le favole di Fedro, con note e riscontri da C. L. Bertini. To-
rino, Roux, 1890. XVII und 220 S. 16.
Phaedri fabularum aesopiarum libri. Curavit C. L. Bertini. To-
rino, Rouz. 1890. 102 S. 16.
Phaedri fabularum Aesopiarum liber tertius, quartus et quintus.
Editio quarta. Aug. Taur. ex off. Säle sia na. 1889. 48 S. 16.
Phaedri fabulae. Recensuit ac notis illustravit J. Lejard. V.
editio. Tours, Mame. 1889. XVI und 160 S. 18.
Phaedrus. Texte latin, publik avec des notes et les imitations de
La Fontaine et de Florian par E. T albert. Paris, Hachette. 1890.
IV und 140 S. 16.
222 Oberricht der BemtrkmigMi uu Phaednis.
PhMre ezpliqnä litteralement, tradnit en frtn^ais et aimot6 par
D. Marie. Paris, Hachette 1890. lY und 240 S. 12.
Die genannten Ausgaben dienen hauptsächlich Schnlzwecken. Der
Behandlang des Phaedrns in der Schule ist anfser Pollens Ausgabe und
deren Besprechungen eine besondere Schrift gewidmet:
Die Fabeln des Phaedrns in der Quarta des Gymnasiums inner-
halb der Konzentration. Von Dr. Karl Maurer, GymnasiaUehrer.
Programmbeilage des Grh. Gymnasiums in Giessen 1891. 10 S. 4.
Ref. hat diese fleifsige Schrift, in welcher die Bedenken gegen die
Phaedruslektfire widerlegt und der Wert derselben sowie ihre allseitige
Ausnutzung dargestellt werden, in der Wochenschrift flkr klassische Phi-
lologie 1891 angezeigt, indem er dem Herrn Verfasser zustimmt, jedoch
in der Erklärung des Metrums nicht ebenso weit gehen wttrde. Immer-
hin l&fst sich nicht die Notwendigkeit, sondern nur die Möglichkeit
dieser LektQre beweisen und diese ist für ältere Schüler als Quartaner
vielleicht in noch höherem Grade vorhanden.
Übersicht der Bemerkungen zu Phaedrus.
I 1, 8 'longinque* vermutet PoUe, 4onge' verteidigen Hartman und
Herzog gegen Nauck, der Anstofs daran nahm.
ib. 11 'nondum eram* für 'non eram* vermutet PoUe, doch scheint
mir diese Elision aufEUlig.
2, 26 'inermes* schreibt PoUe statt inertes* nach Nauck, doch
hält Herzog, dem ich beistimme, diese Änderung für unnötig.
6, 2 'dum ferret\ die handschriftliche Lesart, hat PoUe aufge-
nommen.
5, 8 'mea cum sors sit* schreibt PoUe nach Gomperz statt 'quia
sum fortis*, wohl weniger die OberUeferung als den Phaedrus bessernd,
wie auch Suster's Meinung ist
8, 11 nimmt PoUe die gewöhnUche Lesart 'quae e nostro* wieder
auf; idurissima eUsione« bemerkte bereits L. MüUer, der 'quae ec nostro'
wahrscheinlich bilUgen wttrde.
9, 3 *edentem\ welches L. MttUer für unerträglich hielt, biUigen
Hartel, Hartman, Herzog und PoUe.
12, 2 'haec erit narratio' ist überUefert; Hestis haec narratio est*
schrieb Bentley mit Benutzung der Lesart des cod. Dan., ebenso L. MflUer ;
'haec eruit narratio^ Riese, der 'exserit^ vorschlug; 'asserit' Hartman
und PoUe.
18, 2 *serae poeoitentiae' schlägt Hartman vor als Gen. expl. bei
^poenas'. PoUe erklärt: iDie Strafe besteht in der zu späten Reue«.
Im Pithoeanus und im Remensis steht *serae\ im DanieUs ^fere', was
für Hartman's grammatisch nicht notwendige Änderung zu sprechen scheint.
Übenieht der Bemerkmigm so PhMdras. 228
14, 6 wird von Polle naeh LesBing fttr unecht gehalten.
16, 2. Fir 'mala inferre', wie Riese nach Zorn statt des flber-
lieferten 'mala videre* schrieb, hat Polle 'malnm dare* gesetzt, was
Gronov vermutete.
26, 6. Für 'gustare esuriens potuerit ciconia* vermutete Nauck
'gustare posset esuriens ciconia'. L. Mttller verwirft dies wegen des
Yersmafses (1890) und trifit darin mit dem Ref. zusammen (de Phaedri
senario 1889).
28, 10 ff. werden von Hartmann beanstandet.
II prol. 1. ^Aesopi genus* will Hartman mit Bentley in 'humanum
genus' ändern, doch mufs 'Aesopi' wegen v. 8 stehen bleiben; vielleicht
also liegt der Fehler in 'genus\
ib. & 'narrator loci' schlflgt Hartman vor, was aber zu 'auctoris
nomine' v. 7 nicht pabt.
ib. 11 'doctorum' vermutet Hartman für 'dictorum'.
3, 1 'vehementis' hat Polle nach Bongars aufgenommen.
6, 20. In dieser oft besprochenen Stelle hftlt Hartman 'ut' für
fehlerhaft.
ib. 23. Polle vermutet 'sancta maiestas ducis' für 'tanta m. d'.
8, 21 wird von Nauck und Polle ftkr unecht gehalten.
ep. 3 wird von Hartman beanstandet
ib. 10. 11. Polle schreibt nach Nauck ^obtrectare laudi - curae
conscientiam' statt 'obtrectare curam — laudis conscientiam'.
ib. 13 'arte fictus' (animus) statt 'arte fictas' (Cabulas) vermutet
Hartman.
in prol. wird von Hartman und L. Müller ausführlich, wenn auch
nicht übereinstimmend erklärt. Dafs der Prolog nach dem Epilog ge-
schrieben wurde, ist an sich nicht unwahrscheinlich, und diese Meinung
Hartman*s wird keineswegs, wie Herzog glaubt, dadurch hinfUlig, dafs
V. 29 das Futurum exarabo steht.
ib. 40. Nach diesem Verse vermutet L. Müller eine Lücke.
ib. 61 wird von Hartman beanstandet.
2, 4 'pars' statt 'alii' schreibt Polle nach Nauck.
6, 6 'iugum' ist überliefert und wird von Polle aufrecht erhalten:
•das Joch für das angejochte Tier«. Der Sinn ist demnach: er regiert
mein Gespann mit der Peitsche. Da aber das Tier nicht wohl 'iugum
meum' statt 'me' sagen kann, so vermutete Burmann 'tergum', was
wiederum zu 'temperat' nicht pafst Herzog schlügt 'cursum' vor und
beruft sich auf 'intercursum' (für 'iter-cursum') in der Paraphrase. Wie
'iugum' aus 'cursum' wurde, ist schwer zu sagen: 'fugam' (meam) scheint
mir daher richtiger.
ib. 9 'strigandum* schreibt Polle nach Siebeiis für 'tricandum'.
7, 14 schreibt Polle 'otiose' statt 'otiosum' nach 'Hss.', was in
diesem Falle aber nicht 'Handschriften', sondern 'Heinsius' bedeuten mufs«.
224 Obersicht der Bemerkniigeii so Phaedma.
7,20. Hinter diesem Yerse yermiitet Folie eine Mcke. Riclitig
ist, dafs 21 — 24 sich nicht gut anschliersen.
8, 4 'hi speculo cathedra matris supposita ut fait* vermutet Hart-
man, doch meine ich, dafs es nach dem Zusammenhange nicht darauf
ankommt, ob unter dem Spiegel ein Sessel steht, sondern darauf, dafs
angedeutet wird, wie die Kinder zu einem Spiegel gelangen.
10, 14 wird von Hartman beanstandet, ebenso v. 31.
11, 5. Hartman empfiehlt wie Nauck die Lesart Mntegritati roeae'.
16, 5 Mgnotum'(wie auch Riese schreibt) empfehlen Hartman und
Herzog.
18, 8 ^auribus* wie Hartman nach dem Pithoeanus und dem Re-
mensis vorschlägt, erlaubt das Metrum nicht; ich meine daher, ebenso
wie Herzog, dafs 'avibus' aus dem Vaticanus beizubehalten ist.
IV prol. 4. 6. Eine viel umstrittene Stelle, die auch Hartman an-
zweifelt
ib. 18 'capsas* verwerfen Hartman und Herzog, indem sie 'Chartas'
beibehalten.
2, 8 verwirft Hartman.
4, 2. Das Yersmafs ist anstöfsig, die Wortfolge unvemttnftig. Ein
Ausweg scheint itiir ^aper dum se volutat, turbavit vadum*.
6, 11 Nauck's Vermutung 'mersit tartareo specu' tadelt L. Mfiller.
7, 8. Die Oberlieferung 'libellum' halten Hartman und Herzog
(mit Riese) ftlr das richtige.
ib. 15 'illinc* vermutet Hartman, dem Herzog zustimmt.
0, 12 wird von Hartman angezweifelt.
11, 3 'qui'. Ober dessen Stellung Riese Zweifel hegte, streicht PoUe
nach Johnson und L. Moller.
16, 8 ^aequasset suae' vermutet Hartman. Es würde schwer fallen,
*^suae* nicht mit 'feminae' zu verbinden.
19, 2. 8 wird von Hartman beanstandet.
10, 6 'suescat' vermutet PoUe, indem er richtig bemerkt »ne discat
prodesse ist ungenau, da die Verneinung zu prodesse gehörte Phaedrus
schreibt aber mitunter ungenau.
28, 4. Nauck's Vermutung 'mercede pacta* tadelt L. Müller, wie
auch 24, 4 'qui pote8\
24, 8. Vor diesem Verse nimmt Hartmann wegen der folgenden
Antwort eine Lücke an, wie sie Riese hinter v. 10 vermutete.
ib. 18—18. Die Zählung dieser Verse geben L. Müller und Riese
nach Bongars. Polle stellt 18 und 14 um; die Reihenfolge der Hand-
schriften soll sein 16. 18. 18. 17. 14. 16; Bnrmann ordnet 14. 17. 18.
18. 16. 15.
V 1) 12 Polle schreibt 'afluens*, was Herzog verwirft.
2, 10 soll nach Hartman mit Punkt schliefsen; der Ut-Satz soll
zum folgenden gehören.
Übersicht der Bemerkungen ra Phaedms. 225
8, 2 wird von Hartman getadelt.
6, 2. PoUe schreibt mit Baehrens und L. Müller »praeiudicio', wo
Riese das fiberlieferte 'pro indicio* vorzieht.
ib. 12 wird von Hartman angezweifelt.
ib. 13 *come est' schreibt PoUe nach Nauck statt *mos est'. Einen
Weg hatte L. Müller durch seine Vermutung *molle est' gewiesen.
8, 6. 7 tilgt PoUe nach Nauck,
App. 2, 4. Überliefert ist 'quaecunque Fortuna indulgens', wofür
PoUe ' quaecunque indulgens Fortuna' schreibt, was nach meiner Mei-
nung gegen das Versmafs verstöfst. L. Müller und Riese haben ' quae
cui Fortuna indulgens', Hartman vermutet 'quae cuique Fors indulgens'.
ib. 10 * magno haec consilio qui' stellt PoUe, wie vor ihm L. MüUer
und Riese; jedoch ist es nicht nötig 'haec' von 'qui' zu trennen.
6, 6. Statt 'Pytho' schreibt PoUe 'Pythia', gegen das Metrum.
7, 4 8.: 10, 12.
8, 14 setzt Hartman hinter v. 21.
10, 12 halte ich wie 7, 4 wegen der Elision von Hihi' und *nisi'
für fehlerhaft. Leicht ist es dort statt der von L. Müller gewählten
Wortfolge zu setzen 'tibi numquid' und hier 'sed istum tu ni'.
11, 8 'arte' statt 'forte' schreibt PoUe nach der auch von Hart-
man gelobten Vermutung Halbertsma's.
ib. 9. Für 'qui esset meUor quam tu' schlägt PoUe die anmutende
Besserung vor: 'melior quam tu" qui esset'.
13, 19 wird von Hartman beanstandet
16, 2. Hier vermutet Hartman eine Lücke.
18, 11 — 13 wird von Hartman angezweifelt
20, 4 schreibt PoUe unter Berufung auf L. MüUer 'simul ut'.
21, 3 'citat gradum' vermutet van der Mey. Diese von Hartman
mitgeteilte und von Herzog gelobte Vermutung tadelt L. MüUer wegen
des Yersmafses, indem er selbst vorschlägt ' celerat gradum'. Da jedoch
der Wanderer nach dem Stillstehen nicht notwendig schneUer gehen mufs,
so halte ich 'recipit' für ausreichend.
ib. 7 'circumspectans omnia' schlägt Hartman vor.
23, 1 statt 'adversam' vermutet Hartman 'aversam', das auch Her-
zog empfiehlt.
26, 4 ist metrisch unregelmäfsig.
26, 8. Für 'hac' statt 'hinc' entscheiden sich Hartman und Herzog.
JahrabMicht für ^tarthiuntwiMtfuchaft LXVm. Bd. (189t IL) 16
Jahresbericht über Vulgär- und Spätlatein
1884—1890*).
Von
Professor Dr. Karl SIttl
in Würzburg.
Andere kritisieren nnd mit dem Bekenntnisse des eigenen Irrtums
anfangen, reimt sich nicht recht zusammen; ebenso ist es etwas unge-
wöhnliches, einen Jahresbericht zu schreiben, dessen Titel man die wissen-
schaftliche Existenzberechtigung abspricht. Diese Komplikation hat mich
diesmal betroffen, weil der verehrte Leiter des Jahresberichtes mich von
meinem Reviewerposten nicht herabsteigen lassen will. Die Leser wer-
den unter diesen Umst&nden entschuldigen, dafs mein Jahresbericht eine
von der üblichen abweichende Form haben wird. Ich beginne mit dem
angedeuteten Bekenntnisse.
Als ich im Jahre 1882 veranlafst wurde, meine quaestio inaugu-
ralis zu einem Buche (die lokalen Verschiedenheiten der lateinischen
Sprache) zu erweitern und herauszugeben, stand ich unter dem Einflüsse
der damals herrschenden Vorstellungen, was im zwanzigsten Lebensjahr
sehr erklärlich und entschuldbar sein dürfte. Das Buch hat eine ver-
schiedene Aufnahme erfahren ; übrigens überliefsen die Tadler mir selbst,
mich zu widerlegen. Dagegen halfen zu letzterem unfreiwilligerweise die
zustimmenden Afrikanismen- und Vulgarismenjäger. Jetzt glaube ich auf
Grund eines grofsen Materiales das Urteil fällen zu dürfen:
»Das Vulgärlatein, mit welchem die Latinisten ope-
rieren, ist ein Phantasiegebilde.«
Im folgenden sollen die Gründe, für die ich vielleicht später die
Belege in Buchform nachtrage, auseinander gelegt werden.
Die neuere Entwicklung der Sprachwissenschaft leidet an dem
Grundfehler, dafs sie zwischen lebenden und toten Sprachen kaum unter-
scheidet Bei den heutigen ist es möglich, die Aussprache minutiös festr
zustellen, und die Verbreitung gewisser Laute und Wörter sogar karto-
1) Mein erster Jahresbericht, die JahrQ 1877 — 83 umfassend, erschien
Bd. 40 S. 816 - 56.
YoIgärlateiD. 227
graphisch anschaulich zu machen. Da findet die Lautphysiologie ihr
Arheitsfeld, da kann eine wahre Lautlehre geschriehen werden. Bei den
toten Sprachen, beziehungsweise den vergangenen Sprachperioden beruht
die Lautphysiologie höchstens auf unklaren laienhaften Notizen von
Grammatikern, welchen gegenüber die gröfste Vorsicht geboten ist; dife
Keime kommen nur f&r die Ausläufer des Lateinischen in Betracht.
Den Allitterationen fehlt natürlich jede Beweiskraft. Folglich giebt es
auch keine eigentliche Lautlehre des Griechischen und des Lateinischen,
sondern eine Buchstabenlehre; die meisten Buchstaben geben aber
mehrere Laute wieder (z. B. E geschlossenes und offenes e), so dafs in
jedem einzelnen Falle nur durch Kombination der betreffende Laut
festgestellt werden kann. Die lateinische Orthoepie ist also, etwa von
der Quantität abgesehen, ein Aggregat yon mehr oder minder wahr-
scheinlichen Hypothesen.
Was von der Aussprache gilt, kann natürlich auf das gesprochene
Latein im allgemeinen ausgedehnt werden. Wir kennen das Lateinische
nicht als lebende Sprache, sondern durch die Litteratur; nur das Schrift-
latein bildet also das Objekt der lateinischen Sprachwissenschaft. Das
• Vulgärlatein t könnte a priori nur auf zwei Wegen zu unserer Kenntnis
gelangen:
1. Durch DialektpoSsie. Diese wäre aber dem Römer etwas
undenkbares. Wer einmal die Feder in die Hand nimmt, will gutlatei-
nisch schreiben. Nicht einmal zu komischer Wirkung wird die Volks-
sprache ausgenützt; im Lustspiel gebrauchen die niederen Personen wohl
niedere (»schmutzigec) Wörter, deren sich die feineren schämen, aber
die Sprache bleibt doch die gleiche. Höchstens der geniale Petronius
benutzt die Sprichwörter des Volkes zum komischen Kolorit, aber seine
Figuren sind keine naiven Plebejer, sondern Bildungsphilister; Trimalchio
hat zwar »keinen Philosophen gehörte, läfst aber doch seine Gelehrsam-
keit bewundern, und einer seiner Freunde renommiert mit dem Studieren
seines Knaben. Kurz, mit Bewufstsein hat niemand vulgär geschrie-
ben. Auf die christliche Litteratur komme ich unten zu sprechen.
2. Durch grammatische Darstellungen: Die alten Gramma-
tiker haben nie ein philologisches Interesse an der Volkssprache genom-
men, sondern dieselbe stets mit ihrem Hasse verfolgt. Was sie von ihr
sagten, war nur Warnung vor dem regellosen Pöbel. Aber wenn sie
nach griechischem Muster von »barbarismusc und »soloecismus« handeln,
belehren sie selbstverständlich nicht das Volk, das keine Grammatiken
las, sondern die Mittelklasse, welche einige Lateinklassen durchgemacht
und das Gelernte zum Teil vergessen hatte; daher das krause Gemisch
von Vulgarismen, Mifsverständnissen und unpassenden Lesefrüchten, wel-
ches den Gegenstand jener Abschnitte ausmacht Von den Traktaten
»de orthographiac versteht es sich erst recht, dafs sie blofs auf die
Schriftsprache sich beziehen.
16*
228 Bi^tio,
unsere direkte kombinationsireie Kenntnis der römischen Umgangs-
sprache redvciert sich also anf die beschränkte Anzahl von Wörtern,
welche die Schriftsteller mit »vulgoc nnd ähnlichen Ausdrücken, meist
zu eigener Entschuldigung, brandmarken. Dieses Sammelsurium, das
aus allen Perioden der lateinischen Sprache und aus allen Ländern des
Reiches zusammenzutragen ist, kann ebensowenig einen Begriff vom Vul-
gärlateinischen geben als etwa die mit iveraltetc bezeichneten Wörter
des Lexikons einer neueren Sprache die Entwicklungsstufen des älteren
Französisch, Spanisch u. dgl Für die griechische iruvi^Beia oder xotv^
umspannen solche Quellen noch ein paar Jahrhunderte mehr.
Man wäre gewifs nicht auf die Hypothese eines noch jetzt nach-
weisbaren Gegensatzes zwischen Hoch* und Vulgärlatein verfallen, wenn
die lateinische Schriftsprache etwas einheitliches wäre. Die statistische
Methode, soviele Fehler sie auch auf allen Gebieten der Wissenschaft
vom Menschen haben mag, hat doch sicherlich diese Unterschiede klar
vor Augen geführt. Aber der Name Vulgärlatein darf hier nicht gehört
werden, wenn man in die wirksamen Motive des Sprachlebens eingeht.
Pa diese für die lateinische Schriftsprache noch nie im Zusammenhange
ausgesprochen worden sind, mufs ich darauf näher eingehen.
Fragen wir die Römer selbst, so erfahren wir hier, dafs die drei
Hauptmotive der Schriftsprache sind: Ratio, auctoritas (lectio) und usus
(consuetudo). Wenn wir die nach griechischer Sprachtheorie eingeführte
Natur ausscheiden, lehrt dies bereits Varro (bei Diomedes p. 439, 14):
natura analogia consuetudine auctoritate. Die grammatische ratio ^)
beruht auf Etymologie und Analogie; unwissenschaftlich wie ihre Me-
thode war, vermochten sich die Grammatiker in verschiedenen Punkten
nicht zu einigen und zu der einen Zeit schien dies, zu der anderen jenes
allein lateinisch.') Immerhin mag Caesar, dem nicht blofs das Gewicht
seines Namens, sondern auch die Majestät seiner Nachfolger zur Seite
stand, eine Einheitssprache am kräftigsten angebahnt haben; noch in
der Zeit des Gellius betrachtete man das Werk über die Analogie als
kanonisch'). Sodann ist der regelnde Einflufs der grammatischen Bücher
des Plinius , denen die Bewunderung seiner Polyhistorie . zu Gute kam,
nicht zu unterschätzen. Auch die in der späteren Zeit herrschende Ah-
scbreiberei der Grammatiker läfst uns voraussetzen, dafs die Ansichten
über den Inhalt des grammatischen Unterrichts ziemlich gleich waren.
Die Ratio hat zweimal Epoche in der lateinischen Litteratur-
sprache gemacht, zuerst in der Scipionenzeit^) welche jetzt noch Terens
1) Vgl. E. B. QuiDtilian. 1, 6, 1.
S) E. B. GledoDioB p. 346, 6 hie Narbe et, sicut nunc praesumi ooepity
kaec Narbo; De dabiis nominibus V 676, 9 Kell : Comae et eoma, nam qnidam
▼•tabaat did» sed nunc admittitur.
<) QeU. 1, 10, 4w 19, a, 7 ff., besonders § 10.
^) Gell. 2, 20, 6 Scipionem omninm aetatis «oae purMsirnQ loeviiim.
Ratio. ^29
vertritt. Dann haben Cicero und Caesar durch ihr Zusammenwirken
die lateinische Sprache geregelt und die wuchernden Triebe nach ihrem
Geschmacke beschnitten. Wenn ihnen di^s auch nicht für alle Zeiten
gelang, trftgt doch die ganze Prosa mehr oder weniger das äufsere Ge-
präge dieses Lateins zur Schau.
Erst nach diesen Männern erhält die Grammatik einen praktischen
Zweck, die Censur des Lateins der schreibenden und redenden Zeit-
genossen. Am greif bärsten wird ihr Einflufs in der Orthographie sein;
doch lassen sich gewifs leicht andere Spuren der ratio nachweisen, z. B.
stellten Grammatiker die Theorie auf, das Gerundiv sei das passive Par-
ticip des Futurs M. Demgemäfs wurde mindestens seit dem Ende des
zweiten Jahrhunderts (TertuU. resurr. 51 c^gnoHcendus neben descensuros)
das Gerundiv zunächst als Particip angewendet. Hundert Jahre später
(bei den Scriptores historiae Augustae)*) beginnt es mit oder ohne este
den schwerfölligen »Infinitiv des Futurpassivumsc zu ersetzen.
Gegen die Bevormundung der Muttersprache lehnte sich das natür-
liche Gefahl mancher Römer auf; selbst Quintilian (1, 6, 27) eignet sich
das Bonmot an, Lateinisch und grammatisch reden sei zweierlei. Auch
andere sparen die Hiebe auf die Tyrannei der Philologen nicht').
Kfihne Schriftsteller lassen sich nicht vorsagen, welchen Weg sie
gehen sollen, sondern bilden nach eigener • ratio c neue Wörter und
Ausdrücke. Dies sind die sogenannten individuellen Spracherschei-
nungen, deren Zahl in dem MaTse zusammenschmelzen wird, als die
Durchforschung der Litteratur fortschreitet; wenn einmal der Thesaurus
vorliegt, werden nicht mehr viele Individualitäten übrig geblieben sein.
Andererseits wird immer wieder vergessen, dafs nicht jedes Wort dort,
wo wir es zuerst lesen, eine Neuerung ist; es kann aus blofsem Zufall
früher nicht niedergeschrieben worden sein, noch bedeutungsvoller ist
aber der Untergang sovieler Quellen. Der beklagenswerteste Verlust ist
für die lateinische Sprachgeschichte gewifs der der vorsullanischen Prosa,
um nicht zu reden von der Possenlitteratur. Auf festem Boden stehen
wir nur dort, wo der Schriftsteller selbst seine Neuerung andeutet oder
wo sie andere Römer ausdrücklich bezeugen. So nörgelte Cicero nicht
weniger als dreimal an dem zu seiner Zeit erst aufkommenden Worte favor.
Diese individuelle ratio war in den Augen der grammatischen Or-
thodoxie eine Ketzerei, gegen welche ein heftiger Krieg geführt wurde.
Um dadurch nicht abgeschreckt zu werden, brauchte es entweder einen
1) Plerique nach Sergios p. 504, 82; Servios lY p. 412, 19 K.; Priscian.
11, 7, 28. Vgl. auch Diomedes I p. 364.
S) Cyprian. testim. III 17 ist interpoliert; ad Fortunat. 11, wo dieselbtt
Bibelstelle vorkommt, hat nur S> soscitandos.
t) s. B. Trebell. PoUio Claod. 3: clypeus aureus vel, ut grammatici lo-
qaontar, clypeom aoreum ; vgl. August, serm. 37, 14. 299, 6.
230 Analogie.
so starken und schroffen Charakter wie Tacitns oder ein einträchtiges
Streben von Vielen; ich denke dabei an die grofse Bereicherung der
lateinischen Sprache durch die Christen, wenn auch im einzelnen viel-
fach Schwanken herrschte.^), bis hier das Papsttum Ordnung und Ein-
heit herstellte.
Bekanntlich war die Wirkung der lAnalogiec auch eine negative,
eine Seite, die gerade bei Cicero und Caesar stark hervortrat; gewisse
Wörter wurden auf die Seite gelegt oder, besser gesagt, man traf aus
der Mannigfaltigkeit der lebendigen Sprache eine Auswahl. Später haben
hier die Grammatiker mit ihren »differentiae sermonisc oder »synonymat
eingegriffen; wenn Beck seine Sammlung derselben vollendet haben wird,
steht uns die Aufgabe bevor, die praktische Anwendung derselben nach-
zuweisen. WOlfflin, Dressel und andere haben durch mühevolle Statistik
gezeigt, dafs auch Schriftsteller der sinkenden Eaiserzeit gewisse Wörter
sorgsam vermieden; damit ist freilich nicht bewiesen, dafs sie damals
verloren waren, denn bei den gleichen Schriftstellern kommen zahlreiche
Wörter vor, welche sicherlich nur mehr der Schriftsprache angehören.
Übrigens hatte die ratio auch ihre Kehrseite, wie überhaupt alles
vernünftige in ungeschickten Händen verkehrt wird. Mochten die Regeln
an sich recht gut sein, weniger geübte Leute wendeten sie, wenn sie
selbst auch schon über die Jahre, wo die Donatschnitzer etwas natür-
liches sind, längst hinaus waren, falsch an; daher die sogenannten um-
gekehrten Formen, für welche der Name »halbgebildete vieUeicht be-
zeichnender wäre. Als z. B. das romanische Deklinationsverhältnis in
der Volkssprache bereits herrschte, warnten die Lehrer, voluntate zu
sagen; es müsse voluntas heifsen. Ein Steinmetz schrieb sich dies hinter
die Ohren und setzte: de volumtas (Bulletin trimestriel des antiquit^s
africaines 1885 p. 190 u. 903) statt »de voluntatec Es müssen nicht
gerade Handwerker sein, welchen solche Dinge passieren. Der angeb-
liche Gelehrte Beza hatte gehört, magis (mais) sei ein Gallicismus, sed
müsse man sagen, weshalb er in der Schrift »in Passavantiumc schrieb:
Kon possum sed (ich kann nicht mehr). Oft spielte auch die Etymolo-
giensucht, die häufige Begleiterin oberflächlicher Bildung, herein; so
schwebte den Schriftstellern christlicher Zeit die apsis ihrer Kirchen vor,
wenn sie paropsis in parapsis änderten. Natürlich kommen derartige
Mirsgriffe um so öfter vor, je mangelhafter die Schulbildung ist; wäh-
rend der Kaiserzeit sind ihnen also die weniger bemittelten Klassen,
deren Vermögen zu einem vollständigen Studienkurse nicht hinreicht, am
1) Die Darstellung, wie die christlichen Begriffe der lateinischeo Sprache
angepafst werden, macht den Wert des Baches von G. Koffmane aus: »Ge-
schichte des Kirchenlateinsc, Erster Band, erstes Heft, Breslau (Köbner) 1879;
zweites Heft 1881. Da seitdem nichts mehr erschienen ist, scheint das Werk
unvollendet zu bleiben.
Anctoritas. 331
meisten aasgesetzt ; als aber die Völkerwanderung die öffentlichen Schu-
len vernichtete, war bis auf Karl den Grofsen kaum einer, der nicht
seine Halbbildung in seinem Latein bekundet hätte.
Auf dem Gebiete der Halbbildung berühren sich Theorie und Volks-
tum ; ein solches unabsichtliches Zusammentreffen vermittelt oft auch die
Analogie, ein Grundsatz, den die Grammatiker bewufst, das Volk unbe-
wufst durchführen; z. B. consacrare = consecrare (nach dem simplez)
kann rationalistisches oder volkstümliches Latein sein. Dem Triebe des
Analogisierens sind ja Gelehrte und Ungelebrte ausgesetzt.
vEzempla trahuntc ; dieses Wort bewährte sich bei den lateinischen
Schriftstellern, welche, seitdem überhaupt etwas nachahmenswertes vor-
lag, überall der auctoritas der älteren Schriftsteller folgten.
Schon am £nde der Republik galt die Litteratur des dritten und
zweiten Jahrhunderts als klassisch und beherrschte die Schnllektttre,
weshalb gebildete Frauen, wenn sie zurückgezogen lebten, in ihrer
Sprache Anklänge an Plautus und Naevius bewahrten'). Selbst der ge-
reifte Cicero empfiehlt, seinen Stil an den alten Rednern und Dichtern
zu bilden, wobei er nur vor dem reichlichen Gebrauche veralteter Wörter
warnt ^) und Cotta und Sulpicius werden wegen ihrer archaistischen Aus-
sprache (d. h. weil sie so sprachen, wie in den Handschriften der damaligen
Klassiker geschrieben war) verspottet >). Sein Zeitgenosse Sallust ahmte
Cato übertrieben nach und Asinius PoUio erinnerte in seinem Stil an
Pacuvius und Accius. Am klarsten spricht Horaz die sprachliche Auto-
rität der archaischen Litteratur in dem selten verstandenen Verse aus:
fFingere cinctntis non exaudita Cethegisc (a- p. 50), d. h. Wörter in die
Litteratur einfahren, welche bei den (archaischen) Klassikern fehlen.
Damit ist auf die negative Seite des Autoritätsprincipes hingewiesen:
Was bei den auctores Latinitatis nicht steht, ist nicht gutlateinisch.
Quod non est in actis, non est in mundo, so denken alle Römer, blofs
etwaige eigene Erfindungen ausnehmend.
Mit dem Aufblühen einer neuen Periode der Prosa und Poesie
gestalten sich die Verhältnisse natürlich komplicierter. Für die Epigo-
nen kamen nun aufser den archaischen Klassikern Cicero und Vergil mit
ihren Zeitgenossen in Betracht. Einen Gegensatz zwischen jenen und
diesen konstruieren zu wollen, als ob mit Fronte eine Periode des Ar-
chaismus angebrochen sei, ist ein Unternehmen, das weder durch die
literarhistorischen Zeugnisse noch durch die Sprache Frontos und seiner
Nachfolger selbst gestützt wird. Am Schlüsse der Commentationes
Woelfflinianae habe ich auszuführen gesucht, dafs zu aUen Zeiten die
Vorgänger Ciceros und Vergils geehrt und gelesen wurden; als freilich —
1) Cicero de orat. 3 § 45.
S) In dem gleichen Buche § 39.
») § 46.
283 Archaismus.
ohne dafs man damals von Überbflrdung gesprochen hätte, das erlaubte
der Bildangshochmot des Altertums nicht — der Schulsack gegen Ende
der Eaiserzeit erheblich kleiner wurde, blieb eigentlich nur Terenz
flbrig, dessen Lustspiele wie im Mittelalter und in den neueren Schulen
das Lehrmittel der feinen Eonversationssprache waren; er ist deshalb
unter die vier Autoren des Arusianus Messius aufgenommen und von
Grammatikern kommentiert. Auf die Lektflre seiner Komödien durften
z. B. mederi aliquem und numquidnam (das sich auch Lucifer angeeignet
hat) zurückzufahren sein. Aufser Terenz vertreten die alte Litteratur
Glossen, deren Anwendung man en gros in der Vorrede der salma-
sianischen Anthologie und bei Fulgentius findet; Nonius hat gewifs nicht
ftür die Erklärung der Alten, sondern gleich Polydeukes fQr Studenten
der Schriftsprache seine sachlich geordneten Sammlungen angelegt.
Über die veralteten Wörter giebt Quintilian 8, 3, 26 ff. eine wich-
tige Auseinandersetzung; wir fügen diesem Verzeichnisse probeweise bei:
actutum, adorea, apprime, ast, cluo, jugiter, ni, penitus als Adljektiv,
perpes.
Die Handschriften der Schulklassiker haben noch in der Kaiserzeit
die alte Orthographie lebendig erhalten oder doch ihr einen beständigen
Einfluls auf die damalige gesichert; ja bis in das Mittelalter lassen sich
die Spuren verfolgen^).
An altertümlichen Deklinationsformen ist auch kein Mangel, z. B.
mage = magis, quls = quibus. Neminis kann auch nach der ratio selb-
ständig erneuert worden sein.
Aus der Syntax ffthre ich an: Fruor, fangor, potior, utor, opus
est mit dem Akkusativ; quaeso mit persönlichem Objekt; curo mit Dativ;
decet mit Dativ (doch liegt auch die Analogie von npinet vor); suus sibi;
quiesco mit Infinitiv; quisque = quisquis.
Hin und wieder hat Jemand sich durch eine falsche Lesart tau*
sehen lassen, wie Hilarius bei Plautus Capt 2, 2, 88 »donec cumc
vorfand*).
AuTserdem giebt es Ausdrücke, die man leicht als archaisch er-
kennt, wenn wir auch jetzt keinen Beleg mehr besitzen: Hodieque mit
indefinitem que; necdum = nondum ; ceteri alii; bonus et optimus (aus
einer Zeit, wo man opi-tumus noch nicht superlativisch gebrauchte);
Omnibus = omnino (bei Apulejus met. 7, 17 und dem Übersetzer Dictys
2, 26); ex summo studio, ex summa ope, ex summis viribus'); crastino
(durch das Zusammentreffen von Apulejus und Gellius charakterisiert);
tunc temporis.
1) s. B. vo- in den Handschriften Juvenals: Beer, spicilegium p. 54 &
^ Prolog SU den Psaknen 2 (Zingerle, Archiv II 8. 604 vermutet donicnm).
S) Belege im Archiv VI 5. Nachweisbar ist noch lez opibus summisc
bei Plautos und EnnioB.
Archaismus. Gleero. 233
Wir haben noch nicht die Schwierigkeiten erwähnt, welchen die
Abgrenzung der Archaismen begegnet. Es ist nämlich oft nicht zu ent-
scheiden, ob etwas direkt aus den altertümlichen Schriftstellern stammt
oder nur mittelbar, wobei die Vermittler Dichter oder Freunde der ar-
chaischen Litteratur, wie die beliebten Rhetoren Fronto und Apulejus,
sind. Beispiele ftlr das erstere wird jeder leicht unter den oben ange-
fahrten Archaismen erkennen; Ober die Rhetoren werde ich unten sprechen.
Endlich bedarf es noch einer Warnung. Da Cicero und Caesar
die Sprache eingeschränkt haben, sind die frflheren Schriftsteller reicher
und haben dementsprechend mit der mannigfaltigen Volkssprache mehr
Berilhrungen. Wenn nun aber Römer der Kaiserzeit manches schreiben,
was sowohl in den romanischen Sprachen als in der archaischen Litte-
ratur erscheint, so haben sie natürlich nicht ans der Volkssprache ge^
schöpft — ein Apulejus und vulgaris — , sondern sie hatten die archai-
schen auctores im Auge. Aus Apulejus will ich nichts anftlhren, son-
dern den Fall eccum = ecce; allerdings wird die erstere Form durch
ecco und andere romanische Formen (Gröber im Archiv I S. 228) vor-
ausgesetzt, sie erscheint aber während der Eaiserzeit nicht etwa bei
Schriftstellern niederen Ranges, sondern vielmehr in Versen und bei dem
gesuchten Martianus Capella'). Folglich braucht man sich auch nicht
zu wundem, wenn das Latein des Bellum Afric(an)um früher als Typus
des »Vulgärlateins« galt, jetzt aber von Wölfflin archaisch genannt wird>
es ist eben von der Sprachordnung Ciceros und Caesars unberührt.
Gehen wir von den archaischen Schriftstellern weiter, so gelangen
wir zu Cicero. Der Ciceronianismus begann schon früh; bereits Livius
giebt seiner Bewunderung lebhaften Ausdruck*). Remmius Palaemon
entnimmt keinem anderen Prosaiker Beispiele. Ciceronianer sind Julius
Secundus, Vipstanus Messalla, Curiatius Maternus und vor allem Quin»
tilian mit seiner Schule, während Gallus Asinius und Largius Licinius
leidenschaftlich die entgegengesetzte Ansicht vertraten. Indes war Cicero
nie der einzige mustergiltige Gewährsmann der Latinität, wurde dafür
aber, weil sein Name keine Intoleranz gegen andere Klassiker bedeutete
wie im sechzehnten Jahrhunderte und später, abgesehen von den Schrullen
mancher litterarischen Einsiedler nie mifsachtet. Fronto liebt die ältere
1) Er äufsert selbstgef^Sillig vor seinen Hörern: »Quis enim vestrum unam
mihi soloecismum ignoverit? Quis vel unam syllabam barbare proountiatam
donaverit? Quis incondita et vitiosa vorba temere quasi delirantibus oborientia
permiserit blatterare?« etc. Anderen verzeihe man sie mit geringschätziger
Nachsicht, bei ihm aber werde ein höherer Mafsstab angelegt (Florida p.
119 Bip.).
>) CiL. II 4284 aus Tarraco; Frudent perist. 2, 309. 10, 1006; Martian.
Cap. 2, 168 nach der Bamberger Handachrift,
S) Brief bei QuintU. 10, 1, 39.
284 Cietro. Salloil.
Utteratar, ohne Cicero zu Terkeiuien') und der angeblidie Archaist
Gellins versteigt sich zu dem Satze (17, 1, 1): üt qnidam fuemnt mon-
stra hominam, qaod de dis inmortalibas inpias Calsasqae opiniones pro-
didemnt, ita nonnulli tarn prodigiosi tamqae recordes exstitemnt . . . at
scribere aasi sint M. Ciceronem pamm integre atqae improprie atque
inconsiderate locatum'). Cicero galt auch nachmals fQr den ersten
Redner Roms*) und herrschte mit seinen Schriften in den Schulen,
indem die Lehrer auf die rhetorischen Schriften sich st&tzten*), die
Lernenden aber die Reden und Dialoge studierten'). Unter den latei-
nischen Kirchenvätern ist eine nicht kleine Schaar, welche in Cicero,
wenigstens in seine philosophischen Schriften sich grflndlich vertieft hat
und ein an ihn anklingendes Latein schreibt: Minucius, Lactantius der
christliche Cicero'), Ambrosins der Verfasser des christlichen Buches
von den Pflichten, Augustinus als Systematiker besonders in Hinsicht
auf die Civitas dei, auch Claudianus Mamertus^), Zeno und Philastrius;
Hieronymus träumte gar, verdammt zu werden als Ciceronianus non
Christianus*), wie ihm denn auch Rufinus vorwarf er habe Mönche zum
Abschreiben von Ciceros Dialogen verwendet'). Bei den christlichen
Schriftstellern der Griechen entsprechen die Piatonismen, zur deren Er-
kenntnis in den Kommentaren zu Eunapios, von Albert Jan u. s. w.
Beiträge geliefert sind. Ciceronianismen aber gelten leider, etwa von
Amtzens Panegyrici und H. Michaels Dissertation »De Ammiani Mar-
cellini studiis Ciceronianisff (Breslau 1874) abgesehen, fOr selbstver-
ständlich.
Von Ciceros Zeitgenossen kann nur noch Sallust als Vorbild der
Latinität in Frage kommen. Da er in der Schule gelesen wurde i®),
1) P. 63 126 145. 184, 2 f.
>) Vgl. auch 10, 3, 1.
S) s. fi. Tertoll. apol. 1 ; Amob. 3, 6 ; Ammian. 30, 4, 7 ; Orientins com-
monit. 2, 8; Sidon. ep. 8, 11 V.
4) Aognstin. Eugippi excerpta p. 970, 19 ff.
i) Hieron. adv. Rufin. 1, 16 (t. II A p. 457); Aqaila 17. Der Kaiser
Alexander Severos las von römischer Prosa am liebsten die Bflcber de officiis
und de republica (Lamprid. 30).
<) Von dessen Bachern schreibt Hieronymus ep. 70, 5 Quos si legere
volueris, dialogomm Ciceronis in eis introßifv reperies; 58, 10 L. quasi quidam
fluviuB eloquentiae Tallianae.
7) Ep. p. 205, soff.
>) Epist. 22 ad Eustocfainm e 29; vgl den 70 Brief; Lübeck, Hieronymus
p. 128 ff.
9) Bd. II col. 636 der Ausgabe Vallarsis.
10) Hieron. adv. Rofin. 2, 16; Auson. Idyll. 4, 611; er gehört su den vier
Autoren des Arusianos Messius. Claudianus empfiehlt ihn ep. p. 205, SOff.
(nach Eogelbreehts Verbesserung).
Epigonen. 235
finden sich allenthalben Reminiscenzen i), vielleicht am meisten bei denen,
welche das Schriftlatein ganz aus Büchern erlernten, wie der Grieche
Ammianus und die Übersetzer des Josephus und Dictys*).
Aus der Schaar der Epigonen vermochte keiner eine ähnliche auto-
ritative SteUung zu gewinnen. Die Historiker kommen in der Haupt-
sache nur für den SUl ihrer Fachgenossen in Betracht, wie Tacitus,
Yellejus und Curtius bei Sulpicius Severus'), der erstere auch bei seinem
Fortsetzer Ammian^); den Einflufs des Marius Maximus, der eine Zeit
lang in der Mode war^), können wir nicht mehr kontrolieren. Einen
weiteren Wirkungskreis hatten die Bhetoren, solange das wichtigste
Erfordernis ftkr ein öffentliches Amt die eloquentia war. Nach der chro-
nologischen Folge nenne ich zuerst Quintilian, das Vorbild des heili-
gen Hilarius in seinem Werk »de trinitate«^), und den jüngeren Plinius,
auf welche sozusagen ein Abglanz von Giceros Ruhm fiel; Hieronymus
nennt alle zwei seine Vorbilder^).
Beachtung verdient, dafs non—saltem statt ne — quidem zuerst bei
Quintilian (1, 1, 24) und dann bei feineren Stilisten, Apulejus, Tertullian,
Cyprian in der rhetorischen Schrift ad Demetrianum, Augustin in der
Civitas dei und Hieronymus, vorkommt
Inde est quod begegnet bei Plinius (ep. 7, 5) und dann in jener
Schrift Cyprians (17 a. A.). In der Phrase melior optimo treffen jener
(pan. 92) und Boöthius (Migne 64, 937) kaum zufällig zusammen.
Wie hoch Fronto ehemals geschätzt wurde, ist bekannt; es gab
noch Jahrhunderte später Frontonianer ®). Hieronymus und Claudianus
Mamertus haben ihn als Vorbild studiert^). Der Ruhm des Apulejus
wurde in Worten nicht so gefeiert als thatsächlich sein im griechischen
Osten angelernter sophistischer Stil zur Nachahmung reizte. Das Buch
von Koziol, welches noch nicht unter dem Zeichen des Afrikanismus
entstand, kann sich vielleicht noch nützlich erweisen, um die Quelle der
rhetorischen Prosa der späteren Eaiserzeit aufzufinden.
Zunächst hat natürlich Apulejus die meisten Anhänger unter seinen
1) Fr. Vogel, Acta semiDarii Erlang. 1 318 ff. II 405 ff.; zu Hieronymus:
Lübeck a. 0. S. 117ff.; Augustious: WOlfflin, Philol. Anzeiger 11,35; von Ge-
schichtsschreibern sehe ich dabei ab; Ober die Formel veteris prosapiae W5Iff-
ÜD, Rhein. Mus. 37, 95.
>) Hertz, de Ammiani Marc, studiis Sallustianis, Breslau 1874; Teuffel-
Scbwabe § 423, 4. 433, 5.
S) J. Bemays über die Chronik des S. S., Anm. 6. 32. 35. 49. 70.
«) WOlff lin, Philologus 29, 559.
fi) Ammian. Marc. 28, 4, 14.
<) Vgl. auch SidoD. carm. 9, 313 f.; Lübeck, Hieronymus p. 213 ff.
7) Epist. 125, 12.
*) SidoD. epist. 1, 1, 2.
9) HieroQ. ep. 125, 12; Claud. Um. p. 205, SOff.
236 Apolejtts.
Landslenten gefanden; das sogeaannte afrikanische Latein ist
gröfstenteils apulejanische Rhetorik. Tertullian und Oyprian
allerdings hahen sich selbst in ihren nach den Kegeln der Rhetorik an-
gelegten Schriften seinem Zauber nicht voll und ganz hingegeben ; nfther
stehen ihm dagegen der Rhetor Amobius und der Grammatiker Fulgen-
tius^). Im Jahre 400 etwa dehnte er seine Herrschaft auch über die
Rhetorikschnlen von Südfrankreich aus. Der Nachweis dieses Einflusses
ist wohl das methodisch wichtigste Ergebnis, welches ich in diesem
Jahresberichte zu verzeichnen habe; er ist geführt bei
August Engelbrecht, Untersuchungen über die Sprache des
Glaudianus Mamertus, Wien 1885 (aus den Sitzongsber. der phil.-hist.
Gl. der kais. Akademie d. W. GX. Bd. S. 423 ff.), specieU S. 16 f. I8ff.>)
Wir werden hier zu scheiden haben 1. apulejanische Neuerungen,
z. B. haben die Phrase desudare aliquid Apulejus, Glaudianus, Sidonius
und Gassianus, den attributlosen genitivus qualitatis Apulejus (homo
justus et morum), Sidonius und Symmachus, paene mit Plusquamperfekt
wiederum dieselben drei; 2. die durch Apulejus vermittelten Archaismen,
wie blaterare (Sidon. ep. 2, 2), omnimodis (Glaudianus, Gassianus u. A.),
volo alicui factum (Symmach. ep. 1, 60), osor (Pacatus, Ausonius und
Augustinus).
Überhaupt scheint Apulejus manche geschraubten Ausdrücke in die
Mode gebracht zu haben, und zwar immer zuerst in Afrika, dann erheb-
lich später im übrigen Reiche; als Beispiele erwähne ich merito mit
sachlichem Genetiv im Sinne von »wegen« (Apul. apol. 8, Tertullian u. s. w.,
8. lokale Verschiedenheiten S. 186; Wölfflin, Archiv 1, l74f.), penes =
apud mit persönlichem Plural (nach dem Vorgänge von Tacitus und
anderen gesuchten Schreibern ApuL flor. 6. 17. 18. 20, Tertullian, Lao-
tantius u. s. w., s. Archiv 2, 393 f.), die Verbindung von Positiv und Kom-
parativ welche ich zuerst wieder bei Tacitus finde — ein Zeichen wie
sie zu beurteilen ist (Apulejus oft, Lactantius, Anrelius Victor U.A.;
einiges »Lokale Verschiedenheiten« S. 103).
Ich habe vorhin Symmachus unter den gallischen Rhetoren genannt;
denn ftlr die letzten Ausläufer der römischen Beredsamkeit sind die
Gallier vorbildlich.
Für den Unterschied von poetischen und prosaischen Stilgattungen
besafs schon Quintilian ein gemindertes Gefühl; allerdings hatte bereits
der Halikarnassier Dionysios den Rednern die Lektflre der Dichter em-
pfohlen, was er ebenfalls im zehnten Buch gethan hat; dort fahrt er
K. 1, 12 unter mehreren prosaischen Wendungen das vergilianische »et
pressi copia lactisc auf, als ob es nicht einem höheren Stile angehörte.
1) s. B. exhinc Fnlg. sine litt. XIV Z. 28 und Apol. met. H) 34.
>) Weiter geführt ist die Unlenuohttog bei Mohr» sa l^deniOB S. 8 f.
Dichte. 237
Betrachten wir nun die Schriftsprache, so stellt sich heraus, dafs etwa
vom Anfange unserer Zeitrechnung an viele poetische Sprachelemente
in die Prosa eindringen; je nach dem Charakter des Schriftstellers
schwankt ihre Häufigkeit, aher fehlen dürften sie höchstens in trockenen
Fachschriften.
Dieser Pyrrhussieg der Poesie, welche hei einer Verwirrung ihrer
Grenzen gegen die Prosa das meiste zu verlieren hatte, hängt unzweifel-
haft mit dem aufserordentlichen Erfolge des Vergil zusammen. Schon
Gaecilius Epirota führte ihn und andere seiner Zeitgenossen in die Schule
ein^), was Horaz ausdrücklich für sich hoffte; war doch nach seiner An-
sicht die erste Aufgabe des Dichters : Os tenerum pueri balbumque poäta
figurata). Weil Vergil in dem empfänglichsten Alter, wie Augustin rich-
tig bemerkt^), durchgenommen, ja durch Nachsprechen auswendig gelernt
wurde ^j und selbst den Professoren der Rhetorik als Klassiker der Be-
redsamkeit galt^), wimmelt die Prosa der Kaiserzeit und selbst der ger-
manischen Periode von sprachlichen Reminiscenzen an seine Dichtungen,
gerade wie die spätgriechische Schriftsprache an den Homerismen einen
Lieblingsschmuck hat.
Schon in der augusteischen Zeit ahmte ihn Fusius Asellius nach^).
Die Historiker stehen von Livius an unter dem Banne Vergils^), wie
ihre Vorgänger Ennius imitiert hatten®); von den Rhetoren') und jedem
rhetorisch schreibenden Römer (z. B. Lactantius, Ambrosius^^) und Hiero-
nymus^^) gilt so ziemlich das gleiche. Was die Übersetzer betrifft, ver-
steht es sich ganz von selbst, dafs sie ihre vergilianischen Lesefrüchte
in ihr buntscheckiges Latein einflechtcn^^. An Horaz, der allerdings
weniger fest im Studienplan haftete^'), sind die Anklänge st)ärlicher^^).
1) Sueton. gramm. 16.
>) Epist. 2, 1, 126.
») Civ. dei 1, 8.
^) Vgl. Augustin. civ. d. 1 8 p. 7, 1 ff.; Macrob. sat 1, 24. 6.
A) Aufser dem bekannten Dialoge des Floros ist auf Macrob. sat 5, 1 , 1
SU verweisen.
<) Sen. suas. Ili 4. 6.
7) Über Justinus Sonny, Rhein. Mus. 41, 473 f.; Orosius: MOrner, de Orosii
vito p. 177 f.
>) Von L. CoeliuB bezeugt dies Fronto (ad M. Caes. 4, 3 p. 62 N.).
9) Ober die Panegyriker Schenkl, Wiener Stadien HI S. 129.
^^) Vgl. Ihm, Studia Ambrosiana, Jabrbb. Suppl. 1889.
11) Labeck, Hieronymns p. 167 ff.
^) Bei Julius Valerius lesen wir unter anderem navita 1, 41 p. 51, 27 A;
aequor 1, 43.
IS) Doch 8. Quintil. 1, 8, 5; Tacit dial. 20; Auson. edyll 4, 66.
1«) Bei Fronto M. Hertz, Renaissance S. 47 f. A. 76; vgl. Gensorinus 1, Iff.
mit c. 4, 8; 3, 6 mit c. 1, 1, 2; LObeck| Hieronymns S. 160 ff.
238 Dichter.
Hieronymus zählt als Dichter der Schale in der Streitschrift gegen Rn-
finus auf (2, 16): Yergil, Horaz, Lucretius (welchen denn auch Arnobins
ausbeutete^), Persius (Lübeck, Hieronymns S. 195ff.) and Lucanus (Gros.
6, 1 a. E.; Lübeck a. 0. S. 194f ), denen wir für die Zeit Ammians (28,
4, 14) Juvenal anf&gen dürfen.
Ich wiederhole, dafs die Intensivität der poetischen Einflüsse grofsen
Schwankungen unterworfen war; der Unterschied Quintilians und seiner
Schule von der »silbernen Prosac, wie der unglückliche Ausdruck
für die älteren Produkte der poetisch gefärbten Prosa lautet, beruht nur
darauf, dafs er die Imitation der Dichter eingeschränkt wissen wollte').
Die Verkehrung von Poesie und Prosa kann nicht besser charakterisiert
werden als durch die Worte des Fronto: Plerumque ad orationem fa-
ciendam versus, ad versificandum ratio magis adijuvat (ad M. Gaes. 3, 16
p. 54 N.).
Wir haben bereits gesehen, dafs die Poesie Archaismen vermittelte;
dieselbe Rolle spielte sie bei den Graecismen, welche erst nach diesem
Abschnitte zur Sprache kommen sollen. Mithin bleiben hier nur Wörter
und Bedeutungen zu besprechen. Ich erwähne hier nur solche, deren
Ursprung nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. Nach unusquisque
bildeten die Dichter für den Hexameter singula quaeque (Horat a.
p.*92; Anthol. 739, 13), was seit TertuUian in die Prosa überging und
sich auf alle Geschlechter, ja sogar auf den Singular ausdehnte. Das
indefinite oder exklamative quotus des Gvid ist bei Eustathius wieder
aufgenommen. Yergils temporales tenus begegnet wieder bei Sueton,
Grosius, Symmachus und Justinians Juristen. Posthinc wurde in den
Georgica 3, 300 nach Servius von mehreren geschrieben und so müssen
wirklich die Gallier Claudianus, Sidonius und Alcimus Avitus gelesen
haben. Yel, welches freilich nie eine eigentliche disjunktive Kraft ge-
habt hat, dient Yergil und anderen Dichtern für et, wenn keine Elision
des vorhergehenden Vokales stattfinden soll, z. B. pietate vel armis;
dieses verbindende vel eignet sich die feinere Prosa der Kaiserzeit, be-
sonders seit TertuUian an, während es dem echten Bibellatein fremd zu
sein scheint. Nam rückt an die zweite Stelle des Satzes, was in der
Zeit des Servius durchgedrungen war (zu Yerg. G. 4, 44ö). Das volltö-
nende nee non et kommt zwar schon bei Yarro (r. r. 1, 6) vor, ist aber
erst durch Yergil beliebt geworden, der es zuerst als kräftigen Hexa-
meteranfang (Georg. 1, 212 u. ö.), dann auch in der Mitte verwendete
(Aen. 7, 521. 9, 310). Plinius, Florus, Sueton und Justin eröffnen eine
lange Reihe von Gewährsmännern, welche bis in das Mittelalter hinein
reicht Ein hexametrisches Wort ist ferner die Koi^unktion quamlibet.
1) Lokale Yerschiedenheiten S. 120 A. 76 (dazu circamcaesara 3, 13 und
nominito 7, 46).
>) 1, 6, 2. 8, 3, 60. 6, 17; Tacit. dial. 20.
\
Dichter. Bibel. 289
mit welcher Ovid gerne qaamvis vertauschte; Quintilian, Minucius, Lac-
tantius, Eumenios, Clandianas, Cassianus, also lauter feine Stilisten,
haben es adoptiert. Si tarnen (zuerst Bellum Alex. 63 parenthetisch)
tritt für das ältere si quidem, welches vor Vokalen nicht stehen konnte,
ein (Ovid. roet. 4, 636. 10, 323 u. ö.) und wird sogleich von den Rhetoren
angenommen (Gallio bei Sen. contr. 2, 3, 17). Im Latein der Kaiserzeit
und des Mittelalters ist diese Konjunktion gang und gäbe. Auch das
vergilianische cum tamen (Aen. 10, 609) finde ich bei Gyprian ep. 2, 2
und in der Merowingerzeit.
Mifsgriffe in der Verwertung der poetischen Lektfire waren nichts
unerhörtes: Wenn Lucifer quia im Sinne von cur setzt, hat er jenes
aus quianam, einem Archaismus des Aeneassängers, vereinfacht, obgleich
diese Bedeutung von quia gewifs nicht so auf der Hand lag wie die von
quianam.
Da die Bibel den Christen über der heidnischen Litteratur stehen
mufste, konnte auch ihre sprachliche Autorität keine geringere sein. Sie
hat denn auch auf alle Schriftsprachen der christlichen Zeit einen wesent-
lichen Einflufs ausgeübt^). »Die Macht der Gewohnheit, schreibt Augusti-
nus (de doctrina Christiana 2, 14), ist auch beim Lernen so grofs, dafs
diejenigen, welche mit den heiligen Schriften ernährt und aufgezogen
sind, eher Aber andere Ausdrücke sich wundem und sie für weniger gut
halten als jene, welche sie aus der Schrift gelernt haben, aber in den
Klassikern nicht wiederfinden«. Je geringer die weltliche Bildung eines
Theologen war, desto mehr erging er sich in Bibelworten; umgekehrt
enthielten sich die Apologeten und überhaupt alle, welche zu der heid-
nischen Welt oder den Gelehrten sprachen, so viel als möglich der bibli-
schen Anspielungen. Laien zeigen sich erst, als die ecclesia Bomana
allein mehr das imperium Bomanum repräsentierte, von der Bibelsprache
beeinflufst. Übrigens sind nicht alle Teile der Bibel gleich vorbildlich
gewesen; von dem alten Testamente können nur die Psalmen, welche
sogar von sehr vielen auswendig gelernt wurden, populär heifsen. Ihnen
kommt daher eine grofse Bedeutung für die lateinische Kirchensprache
zu, nächstdem, woran mich der Herr Redaktor erinnert, den vier grofsen
Propheten*).
Was nun aber das Eigentümliche des Bibellateins ausmacht , ist
nicht etwas einheitliches. Die Übersetzung geschah gewöhnlich nach
dem griechischen Texte, teilweise nach hebräischer Vorlage und zwar
in einer Weise, welche den von Luther in seiner Streitschrift »vom Dol-
metschen« entwickelten Grundsätzen gerade entgegen gesetzt war. Wäh-
1) Rnd. VCD Raumer, die Einwirkung des Christenthoms auf die althoch-
deutsche Sprache, Stuttgart 1845.
^ Bekanntlich empfahl der beilige Ambrosias dem bekehrten Augustinus
Jinerst die Lesung des Esaias (confess. 9, 5).
240 Bibel.
rend er ein Lesebach herstellen will, hielten es die alten Christen för
ein Gebot der Pietät, die heiligen Worte so getreu als möglich zn über-
setzen; ihr Ziel war also zu keiner Zeit eine lesbare lateinische Bibel,
sondern eine getreue Interlinearversion. Auf diesem Wege ergab sich
also eine Sprache, die in lateinischer Form einen ausgesprochen hebräi-
schen oder syrischgriechischen Charakter trug. Hieronymns konnte die-
sen nur mildem, aber nicht verschwinden machen; der gemeine Mann
war nach wie vor auf die Erklärung seines Bischofs angewiesen.
Die Eigentümlichkeiten des Bibellateins zerfallen, wie gesagt, in
Hebraismen und Graecismen. Von ersteren führe ich an: caeli (ohpa-
voe\ hebr. schamajim), früher nur von den Grammatikern theoretisch auf-
gestellt und bei dem kühnen Neuerer Lucrez vorkommend; gentes oder
nationes (li^i^, göjim) idie Heidenc; dominus misericordiae, spiritus
erroris, verbum salutis und ähnliche Genitive statt der Eigenschafts-
wörter; den identischen Genitiv ohne logische Berechtigung z. B.
vanitas vanitatum, saecula saeculorum, virgo virginum, sancta sanctorum
(rd äyea ro/v äye<ov)\ faciem (nicht facie) ad faciem (TtpoawTtov elg Ttpo-
a<unov)\ die Präposition a nach Art des hebräischen min bei attendere,
trepidare, corrumpere, jejunus etc.; kausales super = hebr/al; ebenso
super bei regnare, ferner auch bei den Steigerungsgraden; altissimus
oder potentissimus »Gott«, dagegen nequissimus »Teufel«; über-
flüTsiges Demonstrativ im Relativsatz (getadelt von Augustin doctr.
Christ. 2, 18, 20); addo, adjicio, appono oder augeo mit Infinitiv =
hebr. jasaq; quoniam = hebr. bt statt des Accusativus cum Infinitive;
iterative Verdopplung von Substantiven (Wölfiflin, Gemination S. 441ff.).
Noch zahlreicher sind aufserhalb der Yulgata die Gräcismen ; blät-
tern wir den ersten Teil von Rönsch^ »Itala und Vulgata« durch, so
sehen wir auf jeder Seite Wörter, die einfach ein Abklatsch von griechi-
schen sind, z. B. wird das Suffix -/xa mit -men, -mentum wiedergegeben:
abominamentum oder aspemamentum (ßSiXuyfid)^ assumentum {inißkyjfia\
auramentum (j^puawfia) u. s. w. Hier hat Hieronymus Wandel geschaffen,
indem er den vorhandenen Sprachschatz des wirklichen Lateins besser
ausnützte. Weniger streng ging er, um den Sinn nicht willkürlich zu
verletzen, gegen die syntaktischen Graecismen vor: Benedicere aliquem
(eöXoyeev rn/a), ebenso maledicere (vorher nur im Munde eines Barbaren-
sklaven Petron. 96 a. E.; eher zulässig maledictus, Spartian. Geta 3, 8);
calceare mit doppeltem Akkusativ; dominari aiicujus (äp^stv revög);
adorare alicui {npoaxuvtTv rm); loqui alicui {XaXetv rrw); a longe
(d^jA /laxpoSev); amodo (dndpn^ dnb roZ vüu); capit mit Infinitiv (iy-
Ux^Ttu) ; ut quid =s Iva ri (klassisch nur ohne Zeitwort).
Manchmal liegt der biblische Graecismus nicht so auf der Hand,
wird jedoch durch die Prüfung der Zeugnisse erwiesen. Quoadusque
und moz ut haben vor dem Mittelalter nur Theologen (zu denen ich
KircheD?ftter. Graedsmos. 241
auch Cbalcidins rechnel^), so dafs die Annahme nicht zu ktlhn sein wird,
sie hätten img (nengr. äß^) oder ä)[pe und i>c (^c räj^eara) umgemodelt
Unter den anctores Latinitatis nimmt die Bibel insofern eine ge-
sonderte Stellung ein, als sie am meisten von allen Litteratarprodakten
die Fähigkeit hat, auf breite Volksschichten einzuwirken; daher so manche
Übereinstimmung zwischen Bibelsprache und »Ynlgärlateinc beziehungs-
weise den romanischen Sprachen, woraus noch keineswegs ein Vulgaris-
mus der ersteren hervorgeht. Wären unsere Philologen in der lateini-
schen Bibel etwas belesener, würden Beobachtungen nicht mangeln.
Aulser der Bibel beeinflufsten die grofsen Kirchenlehrer mit
den Ideen die Sprache der Theologen. Für den Predigtstil werden vor-
zugsweise Cyprian') und Ambrosius, welche Augustin im 4. Buch de
doctrina Christiana ausdrücklich empfiehlt, in Betracht kommen ; Cyprian
hinwiederum nannte den TertuUian seinen Lehrer. Sonst hat gewifs der
sprachgewaltige Augustinus die Sprache seiner Nachfolger, vor allem
des Orosins^ und Glaudianus Mamertus, geschalt. Wir greifen zwei
FäUe heraus, wo sicher nicht zufällig Augustins Name an der Spitze der
Liste steht Mediante aliqua re sagt zuerst Augustinus (ep. 98, 5),
dann sein Schüler Mamertus und bald dessen Landsleute; das Mittelalter
vermittelt dies dann der italienischen und französischen Schriftsprache
(mediante, etwas umgebildet moyennant). Circumquaque ist ein nach
usque quaque gebildetes Lieblingswort des Augustin, an den sich sein
Bearbeiter Eugippius anschliefst, gefolgt von zahlreichen jüngeren Schrift-
stellern.
Hiermit haben wir die Prüfung des Principes der lectio beendigt
Dieser könnte man auch den Graecismus beifügen, insofern er auf der
Lektüre griechischer Klassiker beruht; indes läfst er sich auch zur ratio
stellen, da die Analogie des Griechischen, weil es für eine verwandte
oder eigentlich die Stammsprache galt, die Ansichten der Grammatiker
bestimmte. Nach den Verirrungen der älteren Grammatik, fftr welche
der Graecismus ein beliebtes Auskunftsmittel der Erklärung war, kam
eine Zeit, wo man anfing, sich desselben zu schämen. Dieses Extrem
scheint mir schlimmer als das frühere, weil es die Entstehung der latei-
nischen Schriftsprache ignoriert Livius Andronicus ist Grieche, Ennius
und Accius, welche sich mit der Sprachtheorie befassen, wenigstens Halb-
griechen; die zünftigen Grammatiker der Republik stammen zumeist aus
griechischen Ländern. Dazu kam, dafs das Griechische den Römern
gebildeter Familien eigentlich Muttersprache war. Sehr viele Kinder
redeten lange Zeit nur griechisch; obgleich Quintilian beobachtete, dafs
^) Wie hätte er sonst die Hexapla des Origenes gekannt?
' *) Seine Werke waren zur Zeit des Hieronymus (vir. ill. 67) allbekannt ;
▼gl. auch Prudent. perist. 4, 18 ore facundo Gypriane doctor.
S) Mömer, de Orosii vita, Berlin 1844, p. 52-56.
Jahretbericht für AlterthunuwissenschaO. LXVm. Bd. (1891. II.) 16
242 OraecismoB.
hieraus viele Fehler der Aussprache und des Ausdrucks entsprangen,
blieb er doch dabei, man solle den Kindern zuerst Griechisch lehren^).
Was war die Folge dieser Methode? Der junge Panlinus von Pella
kannte in den ersten Lebensjahren nur das Griechische und begann das
Letfen mit Homer; erst später folgte Vergil, welcher dem ROmersohn
schwer fiell*) Endlich zog Hieronymus aus der Graecisierung der latei-
nischen Sprache die Folgerung, dafs der lateinische Unterricht voran-
gehen müsse;*) in der That beginnt das Griechische seit dem vierten
Jahrhundert zurttckzutreteu^). Bis dahin aber waren die Graecismen
etwas kulturhistorisch so selbstverständliches, wie die Latinismen und
Gallicismen der deutschen Schriftsprache. Als Zeichen, dafs die histo-
rische Betrachtung wieder Platz greift, begrttfsen wir den Aufeatz von
Ed. Zarncke, Der Einflufs der griechischen Litteratur auf die
Entwicklung der römischen Prosa, in den Gommentationes philologae
quibus Ott. Ribbeckio u. s. w., Leipzig 1888, S. 267—825.
Während gewöhnlich Graecismen blofs in der Syntax aufgesucht
werden, entdeckt man sie bei schärferem Zusehen sogar in der Schrei-
bung: Ae (ae), oe (oe), e = ae (e) kehren im Griechischen wieder; oe
{oe) = y und y = oe, y = u*), ou = u (z.B. saloute CIL. VI 406) sind
augenscheinliche Graecismen; nicht minder scheint es sicher, dafs die
Römer, als sie das konsonantische V von dem vokalischen zu trennen
suchten, sich des griechischen ß erinnerten. In Inschriften, besonders
in Afrika, tauchen selbst griechische Buchstaben auf^).
Griechische Flexionen sind auf Inschriften beschränkt; Männer
verwandeln die Endung ins ihres Namens in is^), während Frauen von
ihrem Namen den Genitiv auf es bilden.
Die Zahl der syntaktischen Graecismen ist so grofs, dafs hier auch
nur für eine Aufzählung des Wichtigsten der Platz fehlt. Das Lexikon
wurde nicht blofs durch Entlehnungen, sondern auch durch Übertragun-
gen wesentlich bereichert; erstere sind nur in der nationalen Geschichts-
1) 1, 1, 12. 13.
^ Encharist. 76ff.
S) Epist. 107.
*) Ein Symptom in der Rirchengeschichte des Sokrates 2, 20 p. 101
bc Vales.
A) Umgekehrt steht e. B. x^vrupimvi = eenturioni Acta apoatolonun
apocrypha p. 112, 6.
s) PIYG (Plus) CIL. VI 124 verdiente daher kein sie.
7) Da diese Formen häufig falsch beurteilt wurden, bemerke ich« dafb
die Endung co( im jüngeren Griechisch zu cc (auch i^c geschrieben) kontra-
hiert wird.
Umgangssprache. 243
BchreibuDg fast verpönt^). Zar lexikalischen Seite des Graecismas ist
jetzt eine erschöpfende Zasammenfassang der bisherigen Leistungen
gegeben von
Iwan Mflller in der achten vollständig umgearbeiteten Auflage
von »Karl Friedrich von Nägelsbach^s lateinische Stilistik fttr Deutschec,
Nürnberg 1888, § 1. 2.
Es ist bereits angedeutet, dafs ein grofser Teil der Graecismen
während der Kaiserzeit durch römische Vermittler (die Dichter und die
Bibelttbersetzer) in die lateinische Prosa gelangte. Eine besondere Be«
wandtnis hat es mit der »fabula Graecanicac des Apulejus, welcher in
der Vorrede den griechischen Rhetor spielt
Wir können uns jetzt zu dem dritten Grundelemente der Schrift-
sprache wenden, das die Römer bald usus bald consuetudo nennen,
wofttr ihnen das griechische mjv^^eea, die häufigste Bezeichnung der
unattischen Umgangssprache, vorlag; das Übliche Acijektiv lautet cotti-
dianus'), vielleicht auch communis, doch liegt in dem sermo communis
(Gonsentins p. 886, 9flf. 387, 17 ff.) und dem vorbildlichen xotvij {dtdJiexTo^)^
einem Namen der oft unbegreiflich mifsverstanden wurde, schon etwas
Verachtung. Über die Abstufungen der Umgangssprache von den feinen
Cirkeln bis zu den Bauernknechten glaube idr das^ wichtigste gesagt zu
haben in meinem Vortrage:
Was ist Vulgärlatein?, in den »Verhandlungen der 40. Versamm-
lung deutscher Philologen und Schulmännerc in Görlitz S. 385 — 392.
Ich habe mich damals vielleicht noch nicht deutlich genug ttber
die Versuche, »Vulgärlateinc in den Schriftwerken zu finden, geäufsert
Für die Schriftsprache kommt nur in Betracht der sermo cottidia-
nus*), die Umgangssprache der besseren Stände, welche durch die Schule
beeinflttfst ist, aber doch im Laufe der Zeit sich wesentlich verändert
Dem sermo cottidianus steht, auch nach den Theoretikern, die Komödie,
das Spottgedicht^), der Roman und der Brief offen, doch alle nur mit
wesentlichen Einschränkungen. Die verschiedenen Arten des Lust-
spiels bedingen auch eine grofse Verschiedenheit des Tones; die eigent-
liche Komödie hat sich allmälig sehr verfeinert,^) und die griechischen
1) Von Sallust und Tacitus ist dies bekannt; zu Anrelins Victor vgl.
Elimar Klebs im Archiv fUr latein. Lexikographie VII S. 439.
<) z. B. Gic. epist 9, 21, 1. Das zu usus passende Adverb ist usurpative
(z. B. Serv. Verg. Aen. 7, 289).
S) Cic. ep. 1, 1, 2; Sueton. Oct. 87; Qaintil. 12, 10, 40; der sogenannte
PoUux ist aberschrieben: Cottidiani colloquii libellns.
«) Vgl. Qnintil. 10, 1, 9.
ft) Quintilian gesteht a. il 0. jene Freiheit nnr der alten Komödie zu.
16*
244 ümgaDgsspnehe.
Metren mofsten voo Anfang an die sprachliche Bewegangsfreiheit ein-
dämmen. Die Satire kann sich ebenfalls, ihrem Metmm entsprechend,
?on der übrigen hexametrischen Poesie nicht za weit entfernen. Der
Roman f&ilt nach Petron in die Hände der Rhetoren nnd macht, mtth-
sam ausgefeilt, die rhetorisch-grammatischen Moden mit, wenn die Ver-
fasser auch, ohne selbst daran zu glauben und wohl auch ohne die Er-
fahrenen zu täuschen, gleich den neuattischen Sophisten von Causerie
reden ^); es wird wohl niemand auftreten, der aus Horchers Scriptores
erotici Graeci das »Yulgärgriechisch« heraustode. Einige Worte mehr
erfordert der Briefstil. Vertrauliche Briefe sind in Wahrheit eine Art
von Gespräch*); doch wie viele vertrauliche Briefe besitzen wir noch?
Nichts als diejenigen, welche nicht zur Veröffentlichung bestimmt waren,
also den Briefwechsel mit Atticus nnd die Blumenlese, welche Sueton
giebt; aber dort erscheint doch auch im Neglig^ der Bhetor, welchem
die Kunstsprache zur zweiten Natur geworden war*). Alle Übrigen Briefe
aber wurden entweder von vornherein fQr einen weiteren Kreis zur Ein*
sichtnahme bestimmt oder wenigstens vor der Veröffentlichung fiberarbei-
tet, so dafs die teilweise Ungezwungenheit des Ausdrucks nur mehr
kflnstlich arrangiert war^). Mit einem dem Demosthenes abgelauschten
Kunstgriff versichert der Schreiber selbst die AUtäglichkeit seines Stiles*).
Freilich seitdem in den Rhetorenschulen die Briefetellerei eine wichtige
Kunst geworden war, hatte auch jene scheinbare Natürlichkeit ein Ende.
Plinius bildet den Übergang zu der neuen Periode der Brief künstelei,
weshalb der etwas jüngere Sueton bereits über den vertraulichen Ton
der augusteischen Briefe sich höchlich verwundert. Wer wird auch an
Alkiphron oder Synesios die Umgangssprache studieren? Der Dialog,
den man in dieser Umgebung erwarten sollte, ist in Prosa immer etwas
gekünsteltes; höchstens wären die Aufzeichnungen von Religionsgesprächen
zu nennen*).
Aufser jenen Lltteraturgattungen waren Wörter, welche noch nicht
1) Apnl. met. 1, 1 Sermone isto Milesio.
*) Cic ad Att. 1, 9, 1 illnm nostmm familiärem sermonem (die Stelle
wird fälschlich als Beleg für senno familiaris = Umgangssprache benutzt) ;
Seneca epist. 75, 1.
*) Vulgär sind auch die Briefe des Angustus nicht ; Gellius eröffnet ein
Gitat mit der Vorbemerkung : Angustus, linguae Latinae non nesdus (d. h. des
Hochlatems) munditiarumque patris sui in sermonibus sectator (10, 24, 2).
^) Symmach. epist. 7, 9 ingeniorum varietas in familiaribus scriptis negli-
gentiam qnandam debet imitarL
*) Cic epist. 9, 21, 1 epistolas quotidianis verbis texere solemus; Sidön.
ep. 4, 10, 3 litteras usnali, licet accuratns mihi melier non sit, sermone contexo ;
non enim tanti est poliri formulas editione carentes (I).
<) Ein pannonisches bei Caspar!, Anecdota fid« I S. 133 ff.; Amobii
tholiei et Serapionis conflietus, Migne LIU. Sp. 238 ff.
UmgangssprMhe. 245
die EmpfebluDg eines Klassiken oder die Sanktion der Grammatiker
erlangt hatten» nur unter der Bedingung unkritisiert zugelassen, dafs sie
die Etikette ihres Ursprungs trugen. Veranlassung gab oft der Zwang
des Stoffes (wie in der Encyklopädie des Plinius*) oder der Wunsch nach
Deutlichkeit, selten ein philosophisches Interesse an dem geistigen Leben
des Volkes'). Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten, welche fei-
nere Schriftsteller der Eaiserzeit unter ausdrficklicher Hervorhebung (ut
i^unt, ut vnlgo dicitur etc.) einzuflechten lieben, sind weniger aus der
consuetudo als aus Büchern entlehnt, wie die Sprichwörter (r^ Xeyo/jLevov
u. ä.) des griechischen Sophistenstiles aus den attischen Komikern oder
einfach aus Sprichwörtersammlungen zu stammen pflegen.
Diese Grenzen der Berechtigung des usus konnten aber nur Theo-
retiker feststellen |und einige Schriftsteller von umfassender Belesenheit
und grammatischer Bildung innehalten. Immerhin ist der »usus« in der
älteren Zeit doch nur etwas geduldetes;') die energische Verteidigung
des Horaz (a. p. 72) konnte in jener Zeit, besonders im Munde eines hel-
lenistischen Dichters, nur den Wert eines polemischen Paradoxons haben.
Erst als die Kluft zwischen busus« und »auctoritasc im Laufe der Jahr-
hunderte immer gröfser wurde, erkannten auch die Grammatiker, weil
sie den Boden unter ihren Ffifsen schwanken fohlten, die consuetudo der
Gebildeten förmlich an^). Indes wttfste ich kein Buch zu nennen, welches
diese ohne lectio und ratio darböte; dagegen hat es popul&re Redner
gegeben, die aber ihre Reden nicht veröffentlichten^).
Noch weniger erhielten die niedereren Stufen der Umgangssprache
eine litterarische Vertretung. Allerdings war durch den verewigten Ar-
chidiaconus Rönsch bei den Philologen der Glaube erweckt worden, die
alten Christen hätten den Grundsatz »den Armen wird das Evangelium ge-
predigte auch in der Schriftsprache durchgeführt. Was von den Selbstbe-
kenntnissen der Theologen zu halten sei, führte ich aus in der Miscelle
»Rusticitas der theologischen Schriftstellerc, im Archiv für latei-
nische Lexikographie Bd. VI S. 560 f.,
welche ergänzt wird durch die folgende »Hieronymusi überschriebene*).
Mit der sophistischen Methode, den ungeübten zu spielen, was ehemals
1) In der Vorrede schreibt er § 13: Rerum natura, hoc est vita narratur
et haec sordidissima sui parte ut plnrimarum rerum aut rusticins vocabulis
ant extemis, immo barbaris, etiam cum honoris praefatione ponamus.
S) Cicero de offic. 2, 10, besonders § 4, mit Berufung auf Panaiiios.
S) Vgl. Quintil. 1, 6, 2; Fronte p. 68 f. N.
*) Augustin. ars brev. a. A.; Consentius p. 387, 28.
ft) Cic. Brut. 136; Sueton. rhet. 6; Sen. contr. VII praef. 8; Quintil-
12, 10, 40.
') Nachzutragen habe ich aus Prudentins perist. 2, 574 pogtam rusticum,
womit perist 10,8. 11 f. stimmt.
246 XJmgßMkgnpnAe.
die TOB AdTokiteD hefmlidi nntenttttzten Bflrger tod Athen und jetzt
gegeoflber deo eiDgebfldeteo HAoptstidteni die Bhetoren der Profinz
^aten^), traf die Ernmernng id Worte des TestameDtes zosammeo; das
Beieh Gottes sei nieht io den Worten, sondern in der Kraft nnd den
wahren Christen werde der heilige Geist die reehten Worte eingeben.
Wie gepredigt wurde , wissen wir nicht; doch erwfthne ich als bezeicfa-
nmides Symptom, was Gbrysostomos passierte: Er mnfiste sich wfthrend
einer Predigt von einer Fran znmfen lassen, er solle doch Terstftndlich
reden. Gehen wir aber die christliche Litterator durch, so finden wir
freilidi manche, die hoifentlidi stftrker im Glauben als in der Grammatik
waren, aber keiner hat wirklich volkstnmlich geschrieben, am wenigsten,
wie bereits gesagt, die Bibelflbersetzer. FOr die Details mnfs ich hier
auf meinen Vortrag Terweisen; manches andere kann vielleicht in der
Besprechung einschlAgiger Schriften erwfthnt werden.
Die Umgangssprache ist nirgends auf der Welt durchaus die gleiche
selbst in der nämlichen Zeit ; aufser den Unterschieden des Standes, ja
sogar der Situation erfthrt sie erhebliche Unterschiede nach dem Orte,
welche um so zahlreicher und bedeutender sind als sie einen grofeen
Verbreitungskreis hat. Eigentliche Mundarten entwickeln sich freilich
nur im sermo ynlgaris, während die Sprache der Gebildeten geringere
lokale Verschiedenheiten aufweist Die Wirkungen dieses Naturgesetzes
erfuhren im rOmischen Reiche eine wesentliche Verstärkung durch die
nationalen Verhältnisse, weil der grOfste Teil der Bevölkerung nicht echt-
römisch, sondern romanisiert war. Wir kommen im dritten Abschnitt
noch auf die Art der Bomanisierung znrflck. Hier kommt es nur darauf
an, ob Spuren der alten Landessprachen auch im Schriftlatein der
einzelnen Provinzen zu finden seien. Ich habe in dem Eingangs erwähn-
ten Buche die Frage bejaht; dies kann ich jetzt nur mehr fftr das Ge-
schriebene, was nicht zur Litteratur gehOrt, d. h. die Inschriften aufrecht
erhalten*). Was ich dagegen fflr Punismen erklärte (S. 92 ff.), mufs
und kann alles auf andere Weise erklärt werden; ich spredie hier blofs
von den zwei anffiUligsten Punkten: Die Umschreibung des Abla-
tivus comparationis mit der Präposition a scheint von dem
hebräischen min untrennbar und dennoch ist dies nach den Grammatiker-
zeugnissen unmöglich; Servius billigt die Konstruktion und Sorgius sagt
sogar (p. 492), sie sei zwar nicht »in usuc, aber »auctoritatec gesichert,
1) Paeat. paneg. Theod. 1, 8 rudern hnne et incultum Transalpini sermo-
nis horrorem ; auch Apulejns' Vorrede zu den Metamorphosen könnte in diesem
Sinne gedeutet werden.
*) Ich unterliefe damals, auf das Latein der Provinz Germania einsn-
gehen; dort macht sich das Germanische fühlbar, s« B. in den einhdmischen
Göttemamen der Weihinschriften, wobei sogar Plnraldative auf -ms vorkommen
(Zisch, f denUches Alterthum 31, 355; 36, 78).
Umgangssprache, ungewöhnliches. 247
d. h. sie mafs schon bei einem Klassiker gestanden haben, welcher den
Ablativ verdeutlichen wollte. Was ich über populi »Leute c sagte
(8. 108 f.), hat zur Folge gehabt, dafs in der neuesten Ausgabe des
Gellius poptdoä 3, 13, 2 entfernt ist, um mir die Stütze für die Hypothese,
er sei ein Afrikaner, zu entziehen. Die Lesart mag ruhig bleiben; ich
streite dem wackeren Oellius nicht mehr das ROmertum ab, denn po-
pull ist durchaus kein Punismus, sondern vielmehr aus der hexametri-
schen Poesie (z.B. Lncilius bei Paul. Diac. s. v. minorem Delum; Ovid.
met. 7, 201. 523. 8, 298; Avien. descr. 481. 1299. 1333), welche vielleicht
das griechische S)[Xoi nachbildete, entlehnt. Die einheimischen Sprachen
haben also, obgleich das Punische, Iberische und Keltische Litteratur-
sprachen waren, keine Wirkung ausgeübt, weil die »barbarismic strenge
verpönt wurden ; nach Augustins Briefwechsel beanstandeten die Gramma-
tiker sogar die einheimischen Eigennamen. Anders wäre die Sache wohl
gekommen, wenn das Reich nach Nationen zerfaUen w&re, sowie die
deutsche Schriftsprache in Österreich und besonders in der Schweiz
manche lokalen Eigentümlichkeiten besitzt, oder das Französische in
Belgien und der Schweiz. So aber producierten sogar die selbst&ndigen
Kulturcentren von Gallien und Afrika ein Latein von verschiedener Num^
mer, aber gleicher Qualit&t; das »afrikanische« Latein konnte, wenn es
gefiel, an die Hochschulen von Gallien wandern und das »gallische« hin-
wiederum an die der Hauptstadt, ohne dafs jemand über die »Sprach-
dummheiten« (um den geschmackvollen Ausdruck der »Grenzboten« bei-
zubehalten) der fremden Rhetoren sich lustig machte.
Nur einer Sprache hing der Übelname Barbarismus nicht an, der
heUenischen Lehrroeisterin des Lateins. Darum nehmen sich die latei-
nisch schreibenden Griechen vor Hellenismen (wie ich zum Unter-
schiede von den Graecismen der Lateiner sagen möchte) nicht sorgfältig
in Acht; Ammian, Gi^us und Justinians Juristen gehören zur besseren
Sorte, die Übersetzer dagegen zur schlechteren.
Damit ist auch der usus in seinen Haupterscheinungen dargestellt;
doch habe ich schliefslich noch von einer scharfen Gegenströmung, welche
eigentlich weder mit der lectio noch mit der ratio unmittelbar etwas zu
thun hat, zu sprechen. Sie besteht in der Sucht nach dem Unge-
wöhnlichen. Diese kann zu allen Zeiten vorkommen, wie denn Cicero
von Sisenna derartiges zu erzählen weifs^); indes beginnt das geistige
Aristokratentum, das Schriftstellern »for the happy few« erst mit der
augusteischen Zeit, wo die Menschheit in Leute mit mehr und in solche
mit weniger als 400 000 Sesterzen geteilt wurde. Die graecistischon
Dichter waren der grofsen Masse kaum verständlich und wollten es auch
kaum sein; »Odi profanum vulgus et arceo« hiefs ihr Losungswort').
1) Brutus § 269.
>) Vergil. catal. 9 (11), 64 pingui nil mihi cum popnlo.
248 Allgemeineres.
Wfthreod Caesar in den Büchern von der Analogie geschrieben hatte,
wie ein Felsenriff mfisse man ein unerhörtes und ungewöhnliches Wort
vermeiden, befolgte Tiberius den entgegengesetzten Grundsatz. Es ent-
stand in Rom etwas Ähnliches wie der Marinismus, Euphuismus, Stile
pr^cieux und estilo culto, wogegen Quintilian vergeblich ankämpfte^).
Dessen treuloser Schiller Tacitus steht bereits auf dem Standpunkte der
französischen Akademiesprache, wenn er gewöhnliche Wörter, die auch
ein Bauer gebrauchen könnte, langwierig umschreibt, z. B. Ann. 1, 65 per
quae humus egeritur aut exciditur caespes. Ich möchte auch darauf hin-
weisen, dafs topographische Namen der Hauptstadt ebenfalls von den
feinen Schriftstellern umgemodelt wurden, z. B. scalae Gemoniae zu gra-
dus gemitorii^. Im folgenden Jahrhundert spricht sich Fronto für die
»insperata atque inopinata verbat aus'). Nachmals entwirft der Gram-
matiker Diomedes ein lebhaftes Bild von der Gesuchtheit seiner Zeit:
Nihil jam proprium placet, dum parum creditur disertum, quod alius
dixerit. A corruptissimo quoque poöta fignras seu translationes mutua-
mur, tum demum ingeniosi, si ad intelligendos nos opus sit ingenio.
Wenn auch weitere Belege ftlr den Kenner der späteren Litteratur über-
flüssig sind, führen wir doch an, dafs Ausonius von einem Jugendpro-
dukte aufrichtig eingestehti es sei »affectata obscuritatec geschrieben^).
Unsere Einleitung ist lang ausgefallen, aber sie konnte nicht kürzer
sein, wenn gezeigt werden sollte, dafs der Titel des Jahresberichtes ftkr
die Zukunft nicht mehr haltbar ist, und warum ich Fachgenossen, die
auf einen Widerspruch von meiner Seite nicht gefafst sind, trotz des
drohenden »anathema maranathac entgegen treten mufs.
Die natürliche Konsequenz für die Methode der lateinischen
Philologie besteht darin, erstens dafs jede Spracherscheinung nach den
aufgezählten Rubriken klassificiert, nicht aber kurzweg klassisch oder
vulgär genannt wird, zweitens dafs bei jedem Schriftsteller der Kaiser-
zeit, mag er lateinisch oder griechisch schreiben, seine sprachlichen
Grundsätze festgestellt werden; als Grundlagen dienen dafür Zeit, Vater-
land, Familienverhältnisse, Erziehung, Beruf und Aufenthaltsort.
Der erste Teil des Jahresberichtes wird sich gliedern in eine Über-
sicht der allgemeineren Untersuchungen und der auf einen einzelnen
Schriftsteller gerichteten.
Da eine zusammenfassende Schrift über »Vulgärlatein« in den letz-
ten Jahren nicht erschienen ist, stelle ich ein Werk vermischten Inhaltes
voran , für dessen Erscheinen ich als Referent dem Herausgeber beson-
deren Dank schulde. Der verewigte Rönsch hatte mir durch seine in
1) 2, 5, 10. 8 pro. 24-26. 9, 3, 1. 1, 1, 36.
>) Plin. nat bist. 8, 146.
>) 3, 16 f. p. 64 N.; vgl. p. 161, 3 verba singularia.
«) Epist. 7.
Allgemeineres. Laatlehre und Orthographie. 249
allen möglichen Zeitschriften zerstreuten Kollektionen die Arbeit sauer
gemacht; nach seinem Tode sind nun diese kleinen Beitr&ge gesammelt
und veröffentlicht worden:
CoUectanea philologa Ton Hermann Rönsch. Nach dem Tode des
Verfassers herausgegeben von Carl Wagener, Bremen (Heinsius'
Nachfolger) 1891. 326 S. gr. 8.
Die Leser des Jahresberichtes kennen die über nicht weniger als
13 Zeitschriften sich erstreckende Thätigkeit von Rönsch bereits aus
VollmöUers Nekrolog; ungedruckt war bisher der erste Aufeatz »Die
ältesten Bibelübersetzungen nach ihrem Werte für die lateinische Sprach-
Wissenschaften welcher anscheinend dazu bestimmt war, die Einleitung
von »Itala und Vulgatat zu ersetzen.
Da man von Rönschs Schriften zumeist sagen mufs »Sint ut sunt
aut non sintt, hat der Herausgeber nichts korrigiert, dafür aber ein aus-
führliches Register beigefügt. Das giebt erst den kleinen Arbeiten, mit
denen man bisher wenig anfangen konnte, einen praktischen Wert. Der-
selbe beruht in der Sammlung von Material, da Rönsch immer ein Dilet-
tant in der Sprachwissenschaft geblieben ist; dafür genüge als Beispiel
der Aufsatz über »die lateinischen Adjektive auf -stus und -utust (S. 2l7ff.)>
worin wir belehrt werden, dafs manifestus als Stamm manif- habe, welcher
auch in manub-ia begegne. Doch dies führe ich nur an, damit es nicht
heilst, ich thue Rönsch Unrecht; ich will mich damit begnügen, den
Fachgenossen zu empfehlen, dafs sie neben der »Itala und Vulgatat von
nun auch das Register Wageners handhaben. Nur sei daran erinnert,
dalis »Italac womöglich noch falscher als »Vulgärlatein« ist und dafs die
von der Vulgata abweichenden Übersetzungen lange nicht alle vorhiero-
nymianisch sind; denn übersetzt wurde die griechische Bibel noch im*
Mittelalter. Vorhieronymianisch dürfen, genau genommen, nur die Citate
der älteren Kirchenväter heifsen.
Pauckers »Materialienc reihe ich nach ihren einzelnen Bestand-
teilen, welche meines Wissens auch einzeln zu haben sind, ein.
L. Person, Le Latin de la d^cadence et la grammaire latine dans
les 6coles normales primaires, Paris (Cerf) 1887, 112 p.
scheint das nachklassische Latein unter dem pädagogischen Gesichts-
punkte zu behandeln.
Lautlehre und Orthographie.
Auf diesem Gebiete erschien ein zusammenfassendes Werk:
Emil Seelmann, Die Aussprache des Latein nach physiologisch-
historischen Grundsätzen, Heilbronn (Geb. Henninger) 1886. XV, 397 S.
Das Buch verdient an dieser Stelle genannt zu werden teils wegen
der fleifsigen Beispielsammlungen aus den Inschriften der Kaiserzeit teils
250 Lautlehre und Orthographie.
wegen der Yerwertong romanischer Formen, wozu der Verfasser als
Schttler von Wendelin Förster, dem das Buch gewidmet ist. bef&higt war.
Wenn er dennoch die oft bedauerte Lücke in der lateinischen Philologie
nicht ausgefüllt hat, liegt dies daran, dafs er wie so viele andere zwi-
schen Ignoramus und Ignorabimus nicht zu scheiden wufste. Aus den
Angaben der lateinischen Grammatiker, welche, vom heutigen Stand-
punkte, Laien in der Lantphysiologie waren, kann man wohl viel heraus-
lesen, ohne dafs ein Anderer dies nun auch für richtig halten mufs. In
den Inschriften aber ist die Aussprache mit einem unvollkommenen Alpha-
bete dargestellt und dazu oft »historischt ; eine lateinische Lautlehre
ohne viele Mifsgriffe ist erst dann möglich, wenn man die lateinische
Orthographie gründlich kennt
Auf diesem unscheinbaren, aber sichereren Wege vorzugehen, war
klug genug
PhiL Bersu, Die Gutturalen und ihre Verbindung mit v im La-
teinischen. Ein Beitrag zur Orthographie und Lautlehre, Berlin 1885.
Diese Lösung einer von der Berliner Universität 1882 gestellten
Preisfrage bringt einen wichtigen Beitrag zur lateinischen Orthographie.
Q stellt keinen eigenen Laut dar, sondern ist ein überflüssiges Schrift-
zeichen wie das griechische Koppa. Es steht daher für k (c) z. B. qulina.
Vielleicht h&tte Bersu die Sache noch besser geklärt, wenn er auf eine
meist verkannte Eigentümlichkeit der lateinischen Orthographie Rück-
sicht genommen hätte. 1 1 und V V werden gerne vermieden, indem
man nur einen Buchstaben setzt, z. B. ABICERE = abjicere (aMeere hat
in unserer Schrift keinen Sinn), VESVIVS = Vesuvius; man konnte aber
auch den Zusammenstofs der zwei verschieden ausgesprochenen V durch
\0 vermeiden. Da nun aber Q meistens an V + Vokal geknüpft war,
wechselte QVV mit CV; es ergaben sich also Schreibungen wie EQVVS,
EQVOS, EQVS, ECVS, ohne dafs ich behaupten möchte, dafs EGVS not-
wendig eine andere Aussprache anzeigte. Endlich sei die Frage aufge-
worfen, ob Q immer überflüfsig war und nicht vielleicht von manchen
zum Ausdruck von kv bestimmt wurde, z. B. in qi = qui (Seelmann S. 346).
Durch Seelmanns Buch ist wahrscheinlich die folgende, mir leider
nicht zugängliche Abhandlung angeregt:
H. Nettleship, On the evidence given by the ancient Latin gram-
marians on the pronunciation of Latin, in den Transactions of the
Oxford phil. Society 1887—88 p. Q— 20.
Ein wichtiges Problem der lateinischen Aussprache behandeln
A. Marx, Hülfsbüchlein für die Aussprache der lateinischen Vokale
in positionslangen Silben, mit Vorwort von Fr. Büoheler, 2. Auflage»
Berlin (Weidmann) 1889. XII, 84 S.
Lantlehre ond Orthographie. Wortbildang. 251
W. Meyer, Zar Quantität und Qualität der lateioischeo Vokale.
Precula—pergula, in der Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung
XXX, S. 835-46.
Zur Bestimmung der Quantität von in Position oder im Hiatus
stehenden Vokalen giebt es verschiedene Hilfismittel, den graphischen
Ausdruck der Länge in den Inschriften, die Angaben der Grammatiker
und die romanischen Formen. Alle drei haben ihre Mängel, weil I longa
nicht auf langes i beschränkt blieb ; die Grammatiker ferner widersprechen
sich nicht selten, indem sie nicht dem »ususc, sondern ihrer (falschen)
yratioc folgen. Dies bemerke ich wegen W. Meyer, welchem Priscians
Behauptung, die Vokale seien vor gn lang, Schwierigkeiten machten;
aber hier kann man auf Grund anderer Stellen (Seelmann 8. 91) mit
Bestimmtheit sagen, dafs die Verantwortung für diese falsche Regel
Priscian allein zufällt. Die romanischen Sprachen helfen, weil sie nicht
immer übereinstimmen, nur in einer gewissen Anzahl von Fällen. Die
bekannten Untersuchungen Försters führt W. Meyer fort, indem er be-
tont, dafs das Romanische nicht die Quantität, sondern die Qualität von
e, i und o, u anzeigt; aufserdem handelt er von quinque und pinguis.
Seine Hilfsmittel sind die romanischen Descendenten und die Etymologie;
dafs via ein offenes i hat, wüüsten wir auch ohne das Französische durch
die von Varro bezeugte bäuerische Aussprache vea und das Umbrische*
Wenn u und o, i und e in der Schrift wechseln, darf man allerdings die
cäsarische Orthographie klassisch nennen, ohne dafs deswegen der Ver-
such, den in der Mitte gelegenen Laut durch das andere Extrem auszu-
drücken, »vulgärlateinischc gescholten werden müfste.
Die Form precula (= pergula), wodurch der placentinische Rhetor
Tinea die Heiterkeit Roms erregte, ist nach Meyer eine »umgekehrte«,
weil in seiner Heimat -c- zu g und r oft umgestellt wurde.
A. Zimmermann, Kann intervokalisches et sein c im Lateinischen
verlieren?, im Rheinischen Museum XLV S. 493 — 96.
Wortbildang.
Im »Archiv für lateinische Lexikographie« wurden auf Grund des
von den Mitarbeitern gelieferten Materials eine Reihe von Aufsätzen
über die bis dahin ziemlich vernachlässigte lateinische Wortbildung ver-
öffentlicht.
Die erste rührt von dem Referenten her, weil ihn verschiedene
Umstände nötigten, binnen sechs Wochen eine druckfertige lateinische
Arbeit herzustellen:
De linguae Latinae incohativis, Bd. I S. 465—533.
Über die Beschaffung des Materials giebt die Einleitung Auskunft;
hier verweile ich nur bei dem letzten Abschnitte, welcher von der kau-
252 Wortbildong.
satiyeD Venrendnog der Incohativa handelt AoÜBer tueseo and seinen
Ableitungen ist dieser Gebrauch erst etwa dem Jahr 500 nachzuweisen
und zwar nur innotesco aliqnid als ein verbreitetes Wort, das ttbrigens
ans den Kanzleien, nicht Tom Volke stammt, wfthrend alles übrige offen-
bar die Dichter des angehenden Mittelalters aufgebracht haben 0. Da-
gegen macht sich eine afrikanische oder gallische Rhetorenschnle nicht
auffallend bemerkbar.
£. Wölfflin, Die Yerba desnperlativa, Bd. 11 8.355—64:
Das klassische Latein scheint nur consummare besessen zu haben,
welches man strenggenommen nicht einmal als ein desuperlativum be-
zeichnen kann, da es nicht zu summus, sondern zu dem Substantiv summa
gehört. Immerhin gab es den Anstofs zu neuen Bildungen, welche auf
Apnlejus als Ursprung hinweisen (prozimare, intimare, infimare); Ter-
tnllian hat dazu drei individuelle Bildungen gefQgt, eine vierte der ano-
nyme Übersetzer des Sirach, von dem der mittelalterliche Übertrager
des Ignatius abhängt, desgleichen einige dem Mittelalter angehörige.
Woher hat aber Apulejus jene Bildungen? Ich z&hle einfach auf: dpt^
areuWf xaXXtareow^ xparuneuw^ TipwuaTeuw^ /leyarreöfu. Verwandt sind
auch die Bildungen summitas, maximitas, postremitas, prozimitas.
A. Funck, Die Verba auf -illare, Bd. IV S. 68-88. 223—246.
Vorangehen mit Recht die Verba, zu welchen Snbstantiva noch
nachzuweisen sind, wie scintillare-scintilla [2) Stillare würde hier gewils
niemand vermissen]. Bei anderen ist der Stamm verbal, manchmal viel-
leicht substantivisch. Für die Sprachgeschichte fällt nichts nennens-
wertes ab. Das Thema hängt übrigens mit den Verbis auf -ulare enge
zusammen.
Ed. WOlfflin, Die verba frequentativa und intensiva, Bd. IV
S. 197—223.
Die Veranlassung zu dieser Untersuchung gab die bekannte Thatr
Sache, dafs zahlreiche einfache Verba in den romanischen Sprachen zu Gun-
sten der Frequentativa verloren gingen. Durch die statistische Aufoahme
des Bestandes stellt sich heraus, dafs die sogenannte goldene Prosa am
schwächsten vertreten ist. Analogiebildungen gehen von Apulejus aus,
der, abgesehen von den altertümlichen Vorbildern, vielleicht an die grie-
chischen Verba auf -rw dachte (captito, commorsito, compulso, demor-
sito); seine Nachfolger sind Dichter oder rhetorische Schriftsteller. Da
der Gebrauch alles, auch die Sprache abnützt, verloren die Frequenta-
tiva in der Umgangssprache ihre Kraft; jene traf hierbei unabsichtlich
1) Weder von Orestis tragoedia noch von De judicio domini ist der £nt-
stehnngsort bekannt
Wortbildung. 258
mit der Dichtersprache zasammeo, bei welcher teils der Verszwang teils
der poetische Trieb zur Übertreibung als Motive wirkten. Die späteren
Grammatiker haben daher aus der Dichterlektüre die Intensiva fttr ttber-
flflssig erklärt
A. Fnnck, Die Verba anf issare and izare, Bd. III S. 398-*442.
Mit Nachträgen S. 558. lY S. 3l7f. V S. 572 f.
Hier handelt es sich am ein hibrides Saffix wie anser •ieron;
größtenteils haftet es allerdings an griechischen Wörtern. Leider war
dem Verfasser nicht bekannt, dafs im Spätgriechischen eine darchgängige
Vermengang von -iCo» und -dw sich einstellte, welche von den gleich-
klingenden Aoristen 'laa und -i^aa aasging; wenn also lateinisches -isso
griechischem -ea; entspricht, ist nichts natttrlicher.
Aasgesondert hätten die lateinischen Verba mit griechischer Bil-
dnng werden sollen; allerdings sind sie S. 409 f. verzeichnet, doch müssen
daza die Nachträge in Betracht gezogen werden. Die Anlange der £nt-
lehnang reichen weit zarttck.
^ 0. Weise, Ein Beitrag zam Vulgärlatein, Philologas Bd. 47 (1888)
8. 45—52
handelt von lateinischen Wörtern mit griechischen Suffixen und der
Znsammensetzung griechischer und lateinischer Wörter. Komische Aus-
drücke und Vulgarismen sind nicht identisch, wie z. B. das kürzlich
von mir gelesene »Schoofinismusc gewifs niemand vulgär nennt; Medi-
ciner haben zu keiner Zeit Sprachgefühl bewiesen, ohne dafs etwa >Hy-
gienec vulgär wäre*
Der Bildung der Adjektiva ist im Archiv eine Untersuchung ge-
widmet:
Über die lateinischen Adjektiva auf osus, von Olaf Schönwert h.
Aus des Verf. Nachlafs herausgegeben und mit Zusätzen versehen von
Carl Weyman, Bd. V S. 192—222.
Die Schreibung des Suffixes machte den Römern so mauche Schwie-
rigkeit; die älteste, weil der Etymologie entsprechende, war-onsus. Da
aber das n verklang, kamen auch die Schreibungen ossus und osus anf.
Noch mehr kompliderte sich die Sache, weil das o geschlossen war, also
auch den Ausdruck durch V zuliefs. unter den Zeugnissen für onsus,
ossus, osus, unsus, usus hätten die handschriftlichen hintan gestellt wer-
den sollen, weil sie nur für ihre Entstehungszeit Giltigkeit haben. An
die Spitze gehörte auch die Verwechslung von uosus und osus (S. 207f.).
Das etymologisch berechtigte -uosus wurde, bei der Abneigung gegen
den Hiatus, wie uosus d. h. vosus ausgesprochen, woraus hinter zwei Kon-
sonanten osns entstand: astuosus, astosus (gesichert durch das Metrum,
254 Wortbildiiiig.
8. S. 207). Danach sdirieb man nmgekehrt hinter zwei Konsonanten
statt -osns 'nosns^).
Im Register Termisse ich muco»u$.
Von den Snbstantivbildnngen wurden zwei behandelt:
1) B. Fisch, Sabstantiva auf -o, onis, Bd. V S. 56 -89;
2) W. Meyer, Das lateinische Snfük o, önis, Bd. V S. 223-84.
8) R. Fisch, Die lateinischen Nomina personalia aufo, onis. Ein
Beitrag znr Kenntnis des Vulgärlateins. Pr. des Andreas-Realgymn.,
Berlin (Gärtner) 1888, erweitert (VII, 198 S.), Berlin (Gärtner) 1890.
4) R. Fisch, Die Walker oder Leben und Treiben in römischen
Wäschereien. Mit Excnrs: Über lautliche Vorgänge auf dem Gebiete
des Vulgärlateins, Berlin (Gärtner) 1891.
5) Paul Mohr, Hortulo = hortulanus, Archiv VI S. 418.
Das Material fQr das interessante Suffix ist jetzt in reicher Fttlle
beschafft; allerlei Gesichtspunkte zu dessen Klärung giebt W. Meyer
an. Im einzelnen mufs man freilich Kritik tlben, z. B. werden die Helle-
nisten den Kopf schütteln, wenn das (nicht blofs neu- sondern schon)
spätgriechische -o^, -a^ec (nach -oc, •<ic^ec) von -äSai abgeleitet wird;
aber auf den springenden Punkt hat Meyer hingewiesen, das lateinische
Namenssystem. Die Namen auf -o werden, wie die griechischen, Kose-
formen sein, bei deren Beurteilung ich ttbrigens die etruskischen Namen
auf -n auch nicht zu vergessen bitte; wie aber nun? wenn die Appella-
tiva auf -o jünger als die Personennamen wären, wie die romanischen
Nomina auf -itta und -inus von den römischen Personennamen herzu-
stammen scheinen? Salvitto und Politta haben schon in der Zeit des
Caesar, resp. Augustus gelebt').
Ed. Wölfflin, Substantiva mit in privativum. Ein Beitrag zur
Kenntnis der Africitas, Bd. IV S. 400—412.
Ich hatte seinerzeit die Substantiva mit in privativum der afrika-
nischen Latinität zugeschrieben, mufs aber jetzt nach der Beispielsamm-
lung der Archivisten meine Ansicht erheblich modificieren. Die ersten
Anftnge sind schon im archaischen Latein zu finden, welchem auch in-
quies (Plin. Gell. Tertull.) gutzuschreiben sein dürfte. Die rhetorische
an Apulejus anknüpfende Litteratur stützt sich, wie in ähnlichen oben
1) Lutuosns (die einnge Form mit 6inem Konsonanten) ist verschrieben.
*) Das Appellativ salapitta, anf welches ich in den »Gebärden der Grie-
chen und Römerc S. 108, 10 aufmerksam machte, war allerdings wohl ans
älterer Zeit überliefert
Lexikographie. 255
erwähoten FftUen auf diese Vorgänger; eioe gesonderte Gmppe bilden
die Übertragungen ans dem Griechischen, dessen Sabstantiva mit der
Form d — aia neben negativen Ac|jel{ti?en auf roc {(no<:) zur Nachahmung
reizten, wie d^#c^(r/a = incorrnptio.
Zur Lexikographie sei kurz hingewiesen auf Pauckers »supplemen-
tum lexicorum Latinorum«, das sonderbarer Weise mit L abbricht, ob-
gleich er selbst in seinen letzten Abhandlungen bis zum Q herunter
citierte (vgl. Romanische Forschungen II S. 440), die Addenda lexicis
Latinis, welche nach und nach im »Archiv für lat. Lexikographiec ver-
öffentlicht wurden, dazu die ebendort herausgegebenen »Addenda lexicis
Latinist von Ott (Bd. II Sv468ff., vgl. IV S. 141), endlich verschiedene
Aufsätze von Hermann Rönsch.
Über einzelne Wörter ist im »Archive viel gehandelt worden, ich
greife nur einige interessante heraus.
0. Ribbeck, Afannae, Leipziger Studien zur klassischen Philologie
Bd. IX S. 887 ff.
hat erkannt, dafs das apulejische afannae, das mögliche Stammwort von
affanno n. dgl, mit dem unteritalischen Scherz bIq 'A^dvag zusammenhängt.
K. Rofsberg, Anxia »Angstt, Archiv Bd. I S. 564
weist das romanische anxia Ȁngste in der Orestis tragoedia V. 660 nach.
Adam Miodoäski, Bestia. besta. belna, Archiv I S. 588
findet fQr besta, welches die romanischen Sprachen neben bestia voraus-
setzen lassen (Gröber, Archiv I S. 250), je einen Beleg in der Arnobius-
handschrift (die natürlich nur fUr das neunte Jahrhundert, aber nichts
für Amobius beweist) und bei Yenantius, also nur im MitteUatein. Es
mag eine Rflckbildung ans dem Adjektiv bestens sein.
K. Sittl, Galandra— callandrum — charadrius, Archiv II S. 478—
482. 611.
Calandra »die Haubenlerchec (s. Diez* Lexikon) wird bxd x^H^ddptoQ
zurückgeführt
Ed. Wölfflin, Circare, Archiv Bd. III S. 559.
Circare (it. cercare, frz. chercher) wird aus Glossen und einer In-
schrift nachgewiesen. Die Griechen waren mit yopeuo}^ das die Lateiner
später entlehnten (gyrare), vorausgegangen.
1) Fr. Bttcheler, Satullus, Archiv I S. 108;
2) Ph. Thielmann, Satullus, Archiv I S. 348.
Das Wort satullus (vgl. Diez II c soül) wird durch mehrere Stellen
belegt
\.
256 Lexikographie. Synthese.
L. Hftvet, Strambus, Archiv I S. 598
findet strambus = strabus in einer Handschrift des Nonias. Analog ist
glombas = globus.
Für die Formenlehre sind im Archiv wenige Analogiebildungen,
welche dem Mittellatein voransliegen, nachgewiesen:
Thielmann, Contrire, Archiv III S. 542
fügt zu den bekannten Bibelstellen für contrire = conterere (nach con-
trivi, contritum) zwei neue hinzu.
A. Funck, Cecurrit, Archiv VI S. 665
glaubt, cecurrit vulgär nennen zu dürfen; da jedoch dieses Perfekt in
einer metrischen Inschrift vorkommt, dürfte es eher als Archaismas
(oder Graecismus?) zu bezeichnen sein.
H. Herzog, Archiv I S. 674
zeigt, dafs die Gemeinsamkeit des Particips subreptus zur Folge hatte,
dafs subrepo und subripio im Pr&sens und Perfekt verwechselt wurden.
Zwischen Formenlehre und Syntax steht das gerade für die roma-
nischen Sprachen sehr wichtige Dilemma: Ausdruck eines Gedankens
durch Flexion oder durch Synthese. Hierauf bezichen sich mehrere
Abhandlungen des Archivs:
Ed. Wölfflin, Zur lateinischen Gradation, Bd. I 8. 92-101. 573 f.
giebt Nachträge zu seinem Buche über die »lateinische und romanische
Comparationc.
Phil. Thielmann, Habere mit dem Infinitiv und die Entstehung
des romanischen Futurums, Bd. II S. 48 — 89. 167—202
entwickelt in behaglicher Breite die Gründe des Verlustes des alten
Futurums und die mannigfachen Arten, wie dessen Idee ausgedrückt
wurde; sämmtliche romanischen Typen werden schon aus dem sechsten
Jahrhundert nachgewiesen. Das wahre Futurum (auf -bo) hat sich über-
haupt im Lateinischen wenig entwickelt; ich glaube, es wäre nicht über-
flüssig, einmal seine Verbreitung innerhalb der vorklassischen Litteratur
ohne Einmengung der sogenannten Futura auf am, es etc. zu erforschen.
Ital. fia ist nicht blofs lat. fiam (S. 157), sondern auch fiat Nach Otts
Vorgange wird gar behauptet (S. 160), in Afrika sei credet, credent statt
credes, credens gesagt worden. Thielmann (S. 162) sieht die Stelle in
den Differentiae Isidori (nicht bei Isidor selbst), wie ich früher, an ; aber
in den Worten »birtus boluntas bita vel his similia quae Afri scribendo
vitiantc haben wir beide das vorletzte Wort übersehen, welches die Be-
merkung auf die Orthographie beschränkt. Das gothische haban mit In-
Synthese. Syntax. 257
finiÜT (S. 167) stammt wohl aus der Vorlage, wie Überhaupt die Syntax
des Bibelttbersetzers Ulfilas nicht identisch mit der der gothischen Um-
gangssprache ist Es wäre zu S. 168 zu fragen, ob nicht die walachische
Schriftsprache aus dem Sp&tgriechischen, welches Jahrhunderte lang
die Sprache des dortigen Hofes war, die Umschreibung des Futurs mit
»woUent geschöpft hat. Schliefslich möchte ich bemerken, daTs Bibel-
latein und Africitas zweierlei Dinge sind.
Phil. Thielmann, Habere mit dem Part. Perf. Pass., Archiv
Bd. m S. 372—423. 509-649.
Auch hier sind, wie es sich gebührte, die Übergänge von dem lo-
gisch begrtlndeten habere zum blofsen Konjugationswerkzeug umsichtig
dargelegt. Wiederum fehlen aber eigentliche »romanischec Stellen vor
dem sechsten Jahrhundert. Th. versucht Unterschiede zwischen dem
Mittellatein der drei romanischen Länder nachzuweisen, zu welchem
Unternehmen jedoch die Zettel des Archives nicht ausreichen, z. B. kommt
das unwandelbare Particip schon im Edictus Grimnaldi vor (c. 7 auditum
habuisset haec verba). Vom Rätoromanischen getraute ich mir nicht zu
sprechen, nachdem die Lex Guriensis von gewichtigen Stimmen Udine
zugewiesen wird und der neue Gegenbeweis von Zeume, wie ich zeigen
zu können glaube, nicht stichhaltig ist.
Ed. Wölfflin, Der Ablativus comparationis, Bd. VI S. 447—67.
Die Erläuterung des blofsen Ablativs durch die Präposition a wird
nur S. 448 berührt; meine eigene Ansicht ist oben (S. 246) ausgesprochen.
Der Hauptinhalt der Abhandlung bezieht sich auf den reinen Ablativ.
Am Schlüsse wird auch die Verbindung des Komparativs mit dem Dativ
berührt: Sallust lehrte mehreren Späten die Phrase Binferior alicuic,
welche auch mit »deteriort uod »minort variiert wurde; Martinus von
Bracara und der Verfasser des dunklen Werkes »Praedestinatusc gehen
nach falscher Analogie weiter. Ich möchte auf eine weitere Entartung
hinweisen: Anthol. 481 (Riese) V. 119 multo sum parvulo parvus (Riese:
num 'minor'?). 172 nulla mihi velox avis inventa volatu (=» me velocior).
Eine später der Synthese verfallende Kopjugationsform behandelt
H. Neumann, De futuri in priscorum Latinorum vulgari vel coti-
diano sermone vi et usu I. Diss. v. Breslau 1888,
beschränkt sich jedoch auf die Lustspiele des Plautus und Terenz.
Aus dem Gebiete der eigentlichen Syntax sind zwei Archivabhand-
lungen zu nennen:
Phil. Thielmann, Facere mit dem Infinitiv, Bd. III S. 177—206.
weist sorgfältig die Entwicklung der Konstruktion und den Bedeutungs-
übergang zu »etwas thun heifsenc nach. Das ihm vorgelegte Material
Jahresbericht für Altertujnswissenschaft LXVni. Bd. (1891 II). 17
258 Syntax.
ist, soweit meine gelegentlichen Notizen zeigen können, nicht vollständig :
Ich Yormisse S. 181 Volcatius Sedigitus bei Gellias 15, 24 V. 9. 12, S. 182
Qyid. her. 19 (20), 200, S. 183 Petron. 61 (in vulgärem Gespräch), S. 184
Gell. 5, 1, 6.
Wenn Porphyrie za den Afrikanern gerechnet wird, wantm nicht
Laktanz?
Ed. Wölfflin, Der substantivierte Infinitiv, Bd. in S. 70—91
weist die Zunahme des substantivierten Infinitivs nach; Yarro de lingna
Latina scheint daffir nicht excerpiert worden zu sein. Natürlich treten
diese Infinitive in den Übersetzungen und in der gräcisierenden Litte-
ratur am häufigsten auf. Nachzutragen finde ich die interessante Phrase
des Fulgentius (sine littera Z. 45 Reifferscheid): in suum volle. Gerin-
gere Vollständigkeit ist im Mittellatein erzielt: S. 91 Z. 6 v. u. mufs statt
»biberes daret stehen: biberes] potiones, Glosse bei Förster, altfranz.
Lesebuch 8.34. — Jaffi6, Codex Carolinus ep. 3 (J. 747) p. 21: velle
habeant vivendi. Die aus dem Neugriechischen beigebrachten Parallelen
könnte ich jetzt nicht unerheblich vermehren.
Nach eigenen Sammlungen arbeitete ein Sch&ler Studemunds:
Dr. H.Blase, Geschichte des Irrealis im Lateinischen, zugleich
ein Beitrag zur Kenntnis des afrikanischen Lateins, Erlangen (Andreas
Dcichert) 1888. IV, 79 S.
Was die Kraft eines einzelnen vermag, hat Blase im Stadium des
Sammeins geleistet; da überdies das Material sorgfältig durchgearbeitet
und wohl geordnet ist, hat die Arbeit einen dauernden Wert, auch wenn
man den Ansichten des Verfassers tlber die Unterschiede der Provinzen
nicht zustimmt. Selbst der Gebildete konnte den freien Gebrauch des
Plusquamperfektkonjunktiv rechtfertigen durch die Freiheiten, welche sich
das Hochlatein mit dem Indikativ herausnahm ; ich erinnere nur an Ta-
citus. Übrigens ist die Irrealisfrage zum grofsen Teil keine rein gram-
matische, sondern eine psychologstilistische, wenn wir die Symmetrie des
Satzpaares in das Auge fassen; ihre Formulierung wttrde etwa sein:
Haben beide Sätze das gleiche Tempus, den gleichen Modus oder diffe-
rieren sie in dem einen oder gar in beiden?
Georg Mayen, De particulis quod quia quoniam quomodo ut pro
acc cum infinitivo post verba sentiendi et declarandi positis, Diss. von
Kiel 1889. 62 8.
Diese Rieh. Förster gewidmete Abhandlung ist ebenfalls das Er-
gebnis einer umfassenden Lektüre ; nur hat der Verf. gegen sein eigenes
Interesse die Sammlungen Anderer nicht vollständig ausgendtzt Die
Verwendung von quod in explikativem Sinne reicht bis Plantus hinauf
und hat sich allmälig der des griechischen Sre angenähert Im Grunde
^
Partikeln. 259
war qoia als alter Plaral des Neutrams nichts anderes, ist aber doch
erst ans TertuUian nachzuweisen. Auch hier könnten Entwicklungsstufen
nachgewiesen werden z. B. Anon. de aleat. 8 hoc . . . scire debes quia . . . ;
[Commodian.] Apolog. 51 f. et quia. . . ., dixerat et ipsnd. Ferner wttrde
der Verdacht der Vulgarität von ihr abgewälzt, wenn angegeben wäre,
dafs die Grammatiker Diomedes (I p. 328) und Gharisius (11 p. 209) die
Konstruktion nicht verschmähen. Quoniam hat einen durchaus biblischen,
resp. hellenistischen Gharakter; die Grammatiker, welche es billigen,
(Martian. Gap. § 370; Prob. cath. p. 34, 25 = Sacerdos I p. 431, 14) wer-
den also Ghristen gewesen sein. Quomodo endlich entspricht dem grie-
chischen &g. Die Statistik S. 47 ff. wäre besser weggeblieben, da viele
Stellen nachzutragen wären. Ein Anhang behandelt das dem quomodo ~ &€
gleichstehende ut, das nicht blofs in den Schuianekdoten von Journalisten,
sondern seitTerenz vereinzelt vorkommt Nachzutragen bleibt: Gic pro
Gluentio 25 hoc non ignoratis ; in den Astronomica des Hyginus (der aber
nicht der Augusteer ist!) kommt ut öfters vor: 2, 4 a. A. 7 gg. E.
10 u. s. w.
Die Partikellehre nimmt eine Mittelstellung zwischen der Syntax
und der Bedeutungslehre ein. Ich beginne mit den Präpositionen :
Über a mit dem komparativen Ablativ s. S. 246.
Von in vanum (it. invano, frz. envain) und dessen Verfeinerung
in vacuum handelt
Ed. Wölfflin, Archiv II S. 17—19.
Auch strengere Stilisten konnten sich im Hinblick auf das Grie*
chische diese Phrasen gestatten.
Über die Verbindung von Präpositionen mit Adverbien, wozu eben-
falls das Griechische den Gebildeten und wer weifs ob nicht auch den
Ungebildeten den Weg wies, sprechen
1) Ed. Wölfflin, abante, Archiv Bd. I S. 487—89;
2) E. Hamp, Die zusammengesetzten Präpositionen, Archiv Bd. V
S. 321-68;
3) Paul Geyer, Inante, incontra, desubtus, Archiv Bd. VII S. 408.
Die stattlichste Gruppe bilden, wie natürlich, die Zeugnisse aus
den Übersetzungen und den Dependenzen des Bibellateins. Vollständig-
keit der Beispiele ist nicht erzielt; an Artikeln vermisse ich de ante
cruce in der Peregrinatio Silviae 97 und in de. Da das zweite Glied
meist ein Adverb ist, dürfen meiner Ansicht nach abinde (Ampel. 9, 1.
Theodos. de situ s. terrae 13 codd. GP. Anon. de S. Helena 18. 20),
abistinc (Querolus 1, 2 p. 9 P.), delonge (in der Bibel; Schol. Stat. Theb.
2, 558 ; Anthim. 4), alonge, adplene u. s. w. nicht fehlen.
17*
260 Partikeln.
Mehrfach besprochen worden im Archiv die nominalen »Präposi-
tionenc, d. b. erstarrte Casus:
Ed. Wölfflin, Tenos, Bd. I S. 416—26.
Dieses Wort ist von den Gebildeten, besonders im frühen Mittel-
alter unglaublich mifsbraucht worden (z. B. corde tenus, von Herzen).
Vergils wegen scheint der Bonlogner Glossator des Prndentins den Ge-
nitiv dem Ablativ vorzuziehen, denn er erklärt ecclesia tenus fol. 392 b
mit eclesie tenus.
Derselbe, Fine (fini) = usque, Bd. I S. 424- 26. 680.
Das italienische fino a wird bis auf Cato zurückgeführt.
Derselbe, Zu den lateinischen Kausalpartikeln, Bd. I S. 161 —
176. 674.
Nach interessanten Beobachtungen über die Vorurteile guter Schrift-
steller gegen ob oder propter folgt eine Untersuchung über causa und
gratia, sowie deren jüngere Stellvertreter merito und beneficio. Letzteres
geht von Apulejus aus, wahrscheinlich auch ersteres von seiner Schule,
da es zuerst bei TertuUian auftaucht. Die Abhandlung schliefst mit
ergo. Es giebt indes noch andere Blüten des Barockstiles, z. B. animo
(Lex Langob. 311 lucrandi a., 31 latrocinandi a.).
Die Satzpartikeln haben, abgesehen von der erwähnten Dissertation
über quod, quia, quoniam, wenig Beachtung erfahren:
D.Engländer, Donec als koordinierende Partikel, Archiv Bd. VI
S. 467 f.
glaubt die Anfänge der selbständigen Stellung von donec (ital. dunque)
schon bei Petron c. 40. 66 zu finden, ohne mich wenigstens zu überzeu-
gen. Während manche aus donec nach Analogie von nunc, tunc dune
machten (A. Zimmermann, Archiv Bd. V S. 667 ff.), betrachtete eben das
Volk donec als Parallele zu nee und knüpfte mit do-neque Hauptsätze an.
Zum psychologischen Teile der Syntax gehört die Verdopplung des
gleichen Wortes. Ed. Wölfflin liefert zu seiner bekannten Abhandlung
über »die Gemination« (Sitzungsber. der k. b. Akademie 1882 H. 3) im
Archiv Bd. II S. 323 f. einen Nachtrag, welcher sich auf die distributive
Bedeutung der Gemination bezieht. S. 323 Z. 13 ist die Parenthese zu
streichen, da die Beispiele gerade in den von Hieronymus selbständig
aus dem Hebräischen übersetzten Büchern stehen; mit »ignis et ignisc
meint Apulejus im Geschmacke griechischer Liebesepigramme die ver-
schiedenartige Knaben- und Frauenliebe. Die distributive Gemination
tritt in der Litteratur nur als biblischer Hebraismus auf.
Wir gehen nun zu den Monographien über einzelne Schrift-
steller über, welche wir nach Litteraturgattungen sondern, weil diese
zumeist auch Stilgattungen darstellen.
Poesie. 26 1
Die oberste Klasse in der Sprache ist die Poesie, in welcher man,
nach spätröroischen Begriffen, am wenigsten »Vulgärlatein« yoraussetzen
kann. Die spätlateinischen Dichter sondere ich in drei Sprachgruppen
1. classicistische Dichter, welche sich mit gntem Erfolge beroQhen
wie die klassischen Epiker zu schreiben:
FQr Ansonius ist, abgesehen von den Registern der Ausgabe
Schenkls — ich erinnere hier ein für allemal an die Register der Wiener
Kirchenväterausgaben und der auctores antiquissimi der Monumenta 6er-
maniae historica — zu erwähnen
Edouard Everat, De Ausonii operibus et genere dicendi, Diss.
von Clermont, Paris (Thorin) 1885. 125 p.
Der Verfasser, Advokat am Appellgericht von Rheims, widmet der
Sprache seines Autors nur einen kurzen Abschnitt (p. 61 — 73), wovon
ein erheblicher Teil durch allgemeine urteile und Proben von Imitationen
des Vergil und Horaz ausgefüllt wird. Auf die Sprache beziehen sich
eigentlich nur p. 64 (griechische Wörter) und p. 70 — 73 (neue Wörter
und Wortformen; ArchaismeUi wobei die epischen wie olle auszusondern
waren).
Über Claudians Sprache handeln
1) Friedrich Trump, Observationes ad genus dicendi Clandiani
ejusque imitationera Vergilianam spectantes, Diss. von Halle 1887; 64 S.;
2) Th. Birt, Verbalformen vom Perfektstamme bei Glaudian, Ar-
chiv f. lat. Lexikographie Bd. IV S. 589-694.
Trump handelt, unter fleifsiger Benützung der Litteratur über die
lateinische Dichtersprache — das Verzeichnis S. 2 f. empfehle ich für ähn-
liche Arbeiten zur Benützung — , von der Casuslehre und dem Infinitiv-
gebrauch im Vergleiche mit den klassischen Dichtern, im zweiten Teile
von den Vergiiimitationen.
Birt giebt interessante statistische Beobachtungen über die Kon-
traktion im Perfektstamme, woraus sich ergiebt, dafs Glaudian -viss-,
-vist- kontrahierte, dagegen -ver- beliefs.
Juvencus ist nur mit einer Miscelle des Archivs bedacht:
Mich. Petschenig, Zur Latinität des Juvencus, Bd. VI S. 267f.
weist mox = simulatque und per = ad bei Juvencus nach. Ersteres ist sehr
verbreitet, zumal in der Poesie ((3ommodian, Corippus, Ennodius, Venan-
tius); die erste Stelle, die ich bisher gefunden habe, ist 2 Gor. 8, 15 bei
Gypr. test. 1, 4. Auch das zweite mufs alt sein, denn schon Glodius Tur-
rinus gebrauchte nach Seneca (contr. 10, 35, 1) pervenio im Sinne von
advenio; natürlich steht dies nicht mehr im Texte. Aus pervenire ad
und anderen Verbindungen von Gompositis mit per entstand wohl durch
262 Poesie.
psychologische Angleichnog penrenire per a. Ä. (Tgl. per qoas fines. . . .
pertinet Bell. Alexandr. 2).
2. Classicistische Dichter des ansgehendeD fHofteo and des sech-
sten Jahrhunderts, welche durch die Rhetorenschulen ihrer Zeit heein-
flufst sind. Die zwischen Prosa und Poesie geteilten Gallier Sidonius
nnd Ennodins verspare ich auf die folgende Gattung, weshalb hier nur
Dracontius nnd Corippus zu besprechen bleiben.
1) Beruh. Barwinski, Quaestiones ad Dracontium et Orestis tra-
goediam pertinentes I. de genere dicendi, Diss. v. Göttingen 1887;
2) C. Rofsberg, Zu Dracontius, Arch. f. lat. Lex. Bd. IV S. 44—51.
Die erstgenannte Arbeit verdient jedenfalls den Vorzug vor der
Münsterer Dissertation Beruh. Westhoff's »quaestiones ad Dracontii
cannina minora et Orestis tragoediam spectantesc (1883), schon weil hier
das gewöhnlich ignorierte Hauptwerk des Dracontius »de deoc eingehend
berflcksichtigt wird. Leider aber bat auch dem Verf. sein Interesse nicht
auf die Übrigen Dichter der Zeit ausgedehnt; die Ähnlichkeiten des Dra-
contius und der Orestis tragoedia wären ihm dann schwerlich so grofs
erschienen. Übrigens weifs er nur vier gemeinsame Idiotismen anzu-
führen: plectrifer (in der Orestis tragoedia nur Konjektur!), diademalis
(auch bei Eugenius, Migne 87, 384 B und jedenfalls noch öfter im Mittel-
latein); auch bei palpitare = palpare und palla (von der Nacht) gebe
ich die Hoffnung nicht auf, sie anderswo noch zu finden. Übrigens kann
doch auch der Verfasser der Orestis tragoedia den Dracontius nachgeahmt
haben. Die Dissertation ist zunächst auf den Nachweis der Überein-
stimmung gerichtet; doch handeln S. 39 ff. von den »Vulgarismen«, S. 62 ff.
von den »Africanismenc und S. 6lff. von anderen spätlateinischen Er-
scheinungen. Die »Africanismenc sind in jenem Jahrhundert durch die
Litteratur des ganzen Reiches verbreitet ; gut, dafs die Heimat des Dra-
contius nicht durch ihn selbst bekannt ist. Durch die Sprache könnte
ich wenigstens sie nicht nachweisen.
Rofsberg handelt von dem intransitiven Gebrauche transitiver Verba,
exstare und constare = esse (ein kräftiges Wort, wozu Vergil schon den
Anstofs gab, wenn er stare gerne zu leblosen Subjekten setzte), exspec-
tare = spectare und »einer eigentümlichen Spracherscheinung des Spät-
lateinsc, d.h. der bereits aus Livius bekannten Verwendung des präsen-
tischen Particips für den fehlenden Aorist.
Für Corippus hat der Herausgeber desselben, auf dessen Index
ich hier aufmerksam mache, eine Miscelle im Archiv veröffentlicht:
Mich. Petschenig, Transitive Verba als Reflexiva bei Corippus,
Bd. III S. 160. 284 f.
Diese Spracherscheinung wurde nachher, wie bemerkt, von Rofsberg
aus Dracontius nachgewiesen; Fr. Vogel fügt a. 0. S. 442 andere Bei-
Poesie. Rhetoren. 263
spiele Ar corrigere bei. Sollte das Orieehische Aolafs zn einer Rhe-
torenregel gegeben haben? Vielleicht finden sich bei den Panegyrikern
Altere Beispiele.
8. Dichter, welche anch klassicistisch sein wollen, aber weder in
der Metrik noch in der Grammatik fest sind:
Heinrich Schneider, Die Casus, Tempora und Modi bei Com-
modian, Programm von Nürnberg 1889 (Diss. v. Erlangen).
Schneider denkt, was nicht jedem Verfasser einer grammatischen
Dissertation einfällt, daran, aus welchen Elementen die Sprache seines
Autors bestehe, wobei er die klassischen Anklänge mit Recht an den
Anfang stellt. Der Rest der Disposition aber (2. Vulgär-, bezw. Kirchen-
latein; 3. Graecismus; 4. Hebraismus) entspricht insofern nicht ganz den
wirklichen Verhältnissen, als die Hebraismen alle der Bibel entspringen,
nicht ausgenommen saraballura, welches S. Dehn er im Archiv II S. 611 f.
richtig mit »Mantelc übersetzte. Man braucht nur Fürsts hebräisches
Wörterbuch aufzuschlagen, um zu sehen, dafs das Wort aus dem Pro-
pheten Daniel stammt und von den uns bekannten jüdischen Erklärern
allgemein als »ManteU gefafst wurde; Gommodian benützte eben eine
vorhieronymianische Bibelübersetzung. Meiner Ansicht nach hat seine
Sprache aufser der classicis tischen Grundlage drei Elemente: das Bibli-
sche, einiges aus der Sprache seiner Zeit und vieles pseudoklassische;
auf seine Metrik hat die Aussprache wohl einigen Einflufs gehabt, viele
Verse sind aber einfach verunglückt.
Unter den Prosaikern stehen den Dichtem die Rhetoren, welche
die Sprache nicht als Werkzeug handhaben, sondern um ihrer selbst
willen betreiben, am nächsten. Au ihnen können wir die Sprachmoden
in ihrer höchsten Entfaltung studieren.
Fronto ist uns weniger als Rhetor denn als Briefschreiber be-
kannt; daher fällt der den Lustspielen entlehnte Aufputz, welcher den
Eindruck des Familiären machen soll, dem Leser sofort in die Augen,
dafs er, Fronto für einen begeisterten Archaisten haltend, die Grundlage,
das »silbernec Latein übersieht Eine Vergleichung mit der Sprache
Suetons wäre wohl am Platze.
Carl Priebe, DeM. Gornelio Frontone imitationem prisci sermo-
nis Latini adfectante, part. I. Progr. des Gymn. von Stettin Ostern
1886 (Nr. 126). 18 S. 4. II. 1886. 13 S. 4.
In der Einleitung wird, hauptsächlich an der Hand des Quintilian,
eines hierin einseitigen Gewährsmannes, versucht, die allgemeinen Stil-
verhältnisse zur Zeit, da Fronto auftrat, darzustellen. Zur Charakteristik
der rhetorischen Grundsätze Frontos werden verschiedene Züge zusam-
mengetragen; richtig ist, dafs Fronto die griechische Litteratur nicht
sehr liebte, aber ifutiles ezercitationesc sind seine griechischen Briefe
264 Bhetoren
gewirs nicht, denn KaiBerionen beofltzt man nicht als Adressaten von
Exercitien. S. 6 ff. handelt P. Ober die Lektüre Frontos; ich habe dar-
über anderwärts schon angedeutet, dafs dessen Bemerkungen nicht ein-
seitig betrachtet werden dürfen; da er für Vorgerückte schrieb, brauchte
er von Schriftstellern, wie sie Quintilian empfiehlt, nicht zu reden, ge-
schweige denn sie zu rühmen. Die Aufeählungen von ungewöhnlichen
und archaischen Wörtern sind nützlich, wie auch der zweite Teil über
die »imitatioc ; freilich ist Fronte kein Philologiestudent, sondern ein ge-
borener Römer gewesen, so dafs er nicht zu allem Bücher brauchte.
Beispielsweise wird jeder Deutsche auch ohne Hilfsmittel sagen können:
»Ich feiere deinen Geburtstag mite, warum nicht Fronte (p. 48, 3 f.)?
Epoche macht in der Stilgeschichte Apulejus, der Vermittler der
gleichzeitigen griechischen Mode. Ich habe zum Archiv eine kleine
Miscelle, zu der mich die interessanten Abhandlungen von E. Rohde an-
regten, beigesteuert:
Apulejus über seinen Stil, Bd. VI S. 658 f.
Eine Analyse der Vorrede der Metamorphosen, woraus sich der
Bildungsgang und die Grundsätze des Rhetors von Madaura ergeben:
Buchlatein, Graecismus und künstlicher (aus den Lustspielen geschöpf-
ter) sermo.
Mit dem Ende des dritten Jahrhunderts schliefst sich an die afri-
kanische Schule die gallische, welche ihr vieles abgelernt hat.
Die Panegyriker harren trotz ihres mit Konjekturen heimgesuch-
ten Textes und den brauchbaren Vorarbeiten des Herausgebers Arntzen
ihres Grammatikers; zu nennen ist nur
Karl Burkhard, De perfecti tertiae personae formis in (e)runt et
ere exeuntibus quae in panegyricis Latinis inveniuntur, Wiener Stu-
dien Bd. VIII (1886) 8. 170 ff.
Für die feine Technik dieser späten Redner sehr beachtenswert
(8. Jahresbericht Bd. LIX S. 30); die Formen auf -re waren damals sicher
Archaismen.
Obgleich eigentlich Philosoph oder Theolog, ist doch Claudianus
Mamertus, der jüngere Freund des Augustinus, hier zu nennen; ich
führe, um sein für die Zeit sehr gewähltes Latein zu charakterisieren,
aus dem Vorworte an: memet, tute, dedere, haud, veluti, et fraudatus
temporis et occupatus animi, succinctim, uti = ut, proquiritatum, lucta-
men, quippiam, parciter, uti autumo, posthinc, usque ad metam sui, en,
faxis, haud, defensitato, secus. Er schreibt aber auch an einen »veteris
reparator eloquentiaec. Eng eibrecht ist also durch ein günstiges Ge-
schick auf diesen Schriftsteller geführt, dessen Herausgabe die S. 236
gerühmte Abhandlung begleitete. Der bleibende Wert derselben besteht
in dem Nachweise, dafs ein sozusagen hochgallischer Stil im fünften und
Rhetoren. 265
sechsten Jahrbnndert existierte und dafs Apalejns ihn beeinflufste. An
Einzelheiten will ich hier am wenigsten mäkeln.
Diese Studie regte die Freunde des Apollinaris Sidonius za
dankenswerten Ergänzungsarbeiten an:
1) Paul Mohr, Zu Apollinaris Sidonius, Progr. v. Bremerhaven
1886 (Nr. 662). 18 S. 4.
2) E. Grupe, Zur Syntax des Apollinaris Sidonius, Progr. v. Pfalz-
burg 1888;
3) Max Mttller, De Apollinaris Sidonii Latinit>it6, Diss. v. Halle,
Leipzig 1888;
4) Paul Mohr, Zum Konjunktiv nach Komparativ mit quam, Ar-
chiv f. lat. Lexik. Bd. VI S. 418.
Mohr nimmt den richtigen Standpunkt ein, indem er gerade die
mafsgebenden Schriftsteller, Apulejus, den jüngeren Plinius und Sym-
machus, sowie Landsleute des Apollinaris (warum nicht auch die Pane-
gyriker?) zum Vergleiche heranzieht; so ergeben sich interessante Belege
für den Zusammenhang dieser Schriftsteller. Ein neuer Punkt ist in
Nr. 4 beigebracht. Mit Recht betont Mohr die Benützung des Apulejus;
dafs Sidonius ihn nicht ausdrücklich nennt, möchte ich daraus erklären,
dafs Apulejus nicht wohl zu den »vcteresc gezählt werden konnte, und
doch nicht, gleich Symmachus, ein allbekanntes Vorbild aus der nächsten
Vergangenheit war.
Das Programm von Grupe ist der hiesigen Bibliothek nicht zu-
gegangen.
Max Müller kennt zwar die Abhandlung Engelbrechts, verwertet
sie jedoch nicht entsprechend; doch enthält seine 104 Seiten starke Ar-
beit sehr reichhaltige in der Degeneredicendi-Art angelegte Sammlungen.
Zu den gallischen Rhetoren gehört seinem Bildungsgange nach
Ennodius.
Fr. Vogel, Ennodiana, Archiv Bd. I S. 267-271
stellt allerlei unklassisches zusammen, z.B. onus == honorem [ich glaube
eher, dafs Ennodius honus schrieb, wie in den Handschriften ganz ge-
wöhnlich statt onus steht]; der Ablativ balane hat mit balanus nichts zu
thun, sondern gehört zu dem germanischen bala (fahl).
Auch der Römer Symmachus hatte — so änderten sich die
Zeiten zur Beschämung der Hauptstädter — die gallische Rhetorik
erlernt; seine Sprache ist von der seiner geistigen Landsleute nicht zu
trennen,
266 Rhetoren. KirehenBchriftsteller.
E. Th. Schulze, De Qn. Aurelii Symmachi yocabalormn formatio«
nibus ad sermonem vulgarem pertiuentibns, Diss. von Halle 1885, in
den Dissertationes Halenses Bd. VI S. 111—282
hat eine sehr fleifsige lexikographische Studie geschrieben, aber, wie
schon ans dem Titel hervorgeht, das Wesen des gekflnstelten Stiles ver-
kannt;^) klassische Dichter, altertümliche Schriftsteller, Cicero, der jün-
gere Plinius, Apulejus, gallische Lehrer und etwa noch die feinere Kanzlei-
sprache haben den Sprachschatz des Symmachus, der dazu manche eigene
Erfindungen hinzuthat, geliefert, nicht aber die Umgangssprache.
Ich mufs wider Willen schon hier einer Abhandlung gedenken, auf
die ich später zurückkomme:
Paul Geyer, Beiträge zur Kenntnis des gallischen Lateins, Archiv
Bd. II S. 25—47.
Der Verfasser, welcher interessante Beiträge zur Kenntnis des
Mittellateins liefert, hat nämlich den methodischen Fehler gemacht,
die feinen Rhetoren und Historiker des römischen Galliens mit den
Schriftstellern der Merowingerzeit und sogar mit der damaligen ganz
zersetzten Kanzleisprache zu vermengen. Wenn der belesene Sulpicins
Severus die alte Phrase »loqui apud aliquem», aber auch nur diese mifs-
bräuchlich ausdehnt, so sieht er in diesem einem der zahllosen Milsgriffe
des späten Scbriftlateins schon das französische avec; er führt sogar aas
Virgilius con = apud als Vorläufer desselben Gebrauches an, obgleich
jener selbst das con als Hirngespinnst kenntlich macht, sagt er doch: ex
quarto philosophicae Latinitatis genere.
Mit den Rhetoren haben, mögen auch falsche Vorstellungen dar-
über herrschen, den nächsten Zusammenhang die Kirchenschrift-
steller. Doch müssen wir hier den Gelehrten und den Rhetoren den
Vortritt lassen.
Hieronymus, unstreitig der gelehrteste Mann seines Jahrhunderts,
schrieb natürlich auch ein gelehrtes Latein, doch ohne dafs man es als
rhetorisch bezeichnen könnte, indem er stets deutlich sein wollte, mochte
er für Gelehrte schreiben oder für das Volk. Da Teuffels offene Anti-
pathie die meisten Philologen von Hieronymus fernhalten dürfte, habe
ich die mafsgebenden Selbstäufserungen zusammengestellt:
Hieronymus, Archiv Bd. VI S. 561—62.
Henri Goelzer, £tude lexicographique et grammaticale de^Ia
Latinit^ de Saint J6rome, Paris (Hachette) 1884. XII, 472 S.
Habent sua fata libelli; so manches gute französische Buch bleibt
in Deutschland unbekannt, während dieses bei uns eine auffallend g&n-
4
1) Auf dem richtigen Wege ist W. Kroll in der kürzlich erschienenen
Breslauer Dissertation: >De Q. Aurelii Symmachi studiis Qraecis et Latinis p. I.«
i
ibt
90
Kirchensehriftsteller. 267
stige Anfbahme gefunden hat. Sogar Recensenten des stattlichen Werkes
dachten nicht daran, es mit dem früher erschienenen Buche von Paacker
(de latinitate b. Hieronymi observationes ad nominum verbornmque usum
pertinentes, Berlin 1880), welches durch seinen hohen Preis eine sehr
geringe Verbreitung erlangte, zu vergleichen; im Besitze von beiden
BQchern, habe ich äufserst selten Veranlassung, zu Gölzers Buch zu
greifen. Citate werden nicht besser, wenn sie abgedruckt werden, eher
schlechter, wie ich schon in meinem ersten Jahresberichte (Bd. 40 S. 350 ff.)
nachweisen konnte.
Augustinus war bis zum Mannesalter Rhetor gewesen; nach
seiner Bekehrung vergafs er nicht, was er Jahre lang geübt hatte, mochte
er auch demonstrativ dagegen eifern. Der »Gottesstaat« will als philo-
sophisches Werk ciceronianisch sein; mehr Rhetorik giebt sich kund in
den »Bekenntnissenc und den Predigten, welche mit ihren rhetorischen
Gapricci dem Volke nicht leicht verständlich waren. Die Latinisten
wichen bisher Augustin gewöhnlich aus; erst ein französischer Latioist
hatte den Mut zu einer solchen Arbeit, wofür er zweckmäfsig die Pre-
digten w&hlte:
A. Regnier, De la Latioit^ des sermons de Saint Augustin, Paris
(Hachette) 1887. XVIII, 212 S.; vgl. die inhaltsreichen Kritiken von
Lejay, Revue critique 1887 I S. 490—95 ; Mayor, Glassical review 1887
p. 235 f.; Georges, Berliner philol. Wochenschrift VII Sp. 1468 ff.
Auf Echtheitsfragen, welche bei den augustinischen Sermonen com-
pliciert sind, ist er nicht eingegangen; die in Vorbereitung befindliche
Wiener Ausgabe dürfte wohl manche sprachliche Änderung bringen.
Der Wiederentdecker des Priscillian hat noch vor dem Erschei-
nen der Ausgabe einen Aufsatz über die Sprache veröffentlicht:
Georg Schopfs, Die Sprache Priscillians, Arcb. Bd. III S. 309—28.
In dem anderen Jahresberichte (Bd. 59 S. 44 f.) habe ich Bedenken
geltend gemacht, ob man den nicht überlieferten Namen des Priscillian
auf alle Stücke der Würzburger Handschrift ausdehnen dürfe; solange
die Einheit des Verfassers der beiden Apologie und des der übri-
gen Stücke nicht erwiesen ist, darf sie noch nicht als eine Thatsache
gelten, an die man Monographien über die Sprache, die Philosophie
u. s. w. des Ketzers wider Willen anknüpfen kann. Da meines Wissens
nur Kraus (Litterarische Rundschau 1891 1. April) dieser Ansicht, welche
nicht des mich nicht interessierenden Priscillian wegen, sondern princi-
piell ausgesprochen wurde und z. B. auch auf das »Apoiogeticonc des
»Commodianc ausdehnbar ist, Rechnung getragen hat, unterzog ich bei
dieser Gelegenheit die Sprache, weil Schopfs die charakteristischen Ele-
mente derselben nicht sondert, einer selbständigen Prüfung, wobei sich
herausstellte, dafs der III. Traktat sich wesentlich von den sicher Pris-
268 Eirchensehriftsteller.
cillian angehörenden I. und II. unterscheidet; hier finden wir hinc = de
eo (p. 44, 8), fortassis (46, 8. 18), auffallend oft qualiter, je zweimal quo-
modo und numquid (aut n. = an), quilibet ille sit qui oder quilibet qui,
evangelista, cata Lucanum (!) oder Matthaeum, in regnorum (47, 8), ecce
p. 49, 28 (aufserhalb biblischer Gitate), suapte natura 54,16, singali
quique, nicht singuli, Jesus p. 61, 3 während bei Priscillian Jesus Hiesu,
Josua aber Jesus heifst u. s. w.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit aufmerksam machen, dafs die
äufsere Gestalt der Handschrift gegen die Einheit des Originals spricht
Indem ich vorausschicke, dafs, als die Handschrift im zwölften Jahrhun-
dert gebunden wurde, bereits der Anfangt) und der Schlufs, wahrschein-
lich aber noch nicht der Quaternio zwischen f. 121 und 122 fehlten, will
ich einfach die Subskriptionen mitteilen >): f. 40 b Explicit incipit über
addamasum episcopum; 55 a Explicit addamasum incipit lib.de fide de
apocryfis (die folgende Seite bleibt frei, ein bekanntes Zeichen der Lücke;
f. 56 beginnt mitten im Texte. 74 b Finit incipit tractatus paschae lege
felix Amantia cum tuis in XPO dno nost. ; 81a Finit; 91a Finit tracta-
tus etc., ebenso 111b und 117b; leider fehlt der Quaternio nach f. 121,
welcher vielleicht ein ähnliches Anzeichen der Lücke wie f. 55 enthält;
12db explic. tractat. ad populum incipit ejusdem; 141 b tractatus ad po-
pulum explic. incipit benedictio super fideles. Daraus ist wohl klar, dafs
der Schreiber zuerst Lagen mit den zwei Verteidigungen Priscillians ab-
schrieb, deren Blätter, wie bei ihm f. 40. 74. 111. 117. 123. 141. genau
mit der subscriptio endeten; die angekündigte HI. Schrift de fide fand
er nicht, wohl aber Lagen mit 111 ff., weshalb er nachträglich de apocryfis
beisetzte. Diese rührten aber, wie das regelmäfsige finit statt explicit
beweist, aus einer anderen Handschrift her. f. 122ff. können, da hier
explicit wiederkehrt, aus der ersten stammen, aber auch aus "einer dritten.
Eine Subskription zeigt, dafs die Bestellerin des Ganzen oder der Vor-
lage des zweiten Teils eine Amantia war, welche nach dem Zusätze »cum
tuisc eine Äbtissin gewesen sein wird; auch die ähnliche Hieronymus-
handschrift derselben Bibliothek stammt aus einem Frauenkloster. Die
eigennützige Nennung der Amantia wurde von einem späteren Besitzer
ausgekratzt, damit der Segen auch über ihn komme; doch fügte er ge-
wissenhaft den Namen in tironischen Noten bei.')
Wir haben nach diesen Schriftstellern comme il faut von Theo-
logen zu reden, die gemäfs ihrer Stellung als Bischöfe oder bischöfliche
1) Nach der Zählung der letzten Lagen ein Quaternio.
>) Die Punkte und Trennungszeichen, welche Schepfs teilweise wegge-
lassen hat, lasse ich ganz weg.
') Einem Verteidiger der Echtheit bliebe freilich der Ausweg, dafs die
Handschrift unter mehrere Kopisten verteilt war (vgl. Wotke, Zeitschrift für
österr. Gymn. 1891 S. 296 f.).
EircheDSchriftsteller. 269
Sekretäre sich in ihrer schriftlichen Ausdrucksweise nicht gehen lassen
durften.
W. Hartel, Lucifer von Cagliari und sein Latein, Archiv Bd. III
S. 1—58
bringt den interessanten Schriftsteller Sardiniens zu Ehren; aus den bei-
gebrachten Parallelen zeigt sich, dafs Lucifer mit Tertulliau und Cyprian,
welche damals die Klassiker der lateinischen Kirche waren, Berührungen
hat, und vieles aus der lateinischen Bibel schöpft. Von einer Kenntnis
heidnischer Klassiker zeigen sich wenige Spuren, doch s. oben S. 232. 239.
Die lehrreiche Untersuchung hat also in Lucifer eine Quelle des Lateins
der strengkirchlichen Litteratur aufgedeckt
Eine gewisse Verwandtschaft mit diesem streitbaren Bischof hat
sein Zeitgenosse Hilarius, dessen Interesse ebenfalls in der Theologie
sich erschöpft. Des letzteren Herausgeber Anton Zingerle, welcher
hoffentlich seine Sprache im Zusammenhang darstellen wird, hat zwei
kleine Miscellen veröffentlicht:
Necesse est mit dem Indikativ. Nedum modo, Archiv Bd. II, S. 318.
Beides ist aus der handschriftlichen Überlieferung dem Hilarius
zurückgegeben, doch fehlt auch mir zur Zeit noch eine Parallele.
Ron seh, Wörter und Wortbedeutungen aus des Optatus Milevi-
tanus sechs Büchern, Ztsch. f. die Österreich. Gymnasien 1884 S. 401 —
407 = CoUectanea philologa p. 168—162
beschränkt sich darauf, zum Wörterbuch von Georges Nachträge aus dem
polemischen Werke des numidischen Bischofs Optatus zu liefern; man
bemerkt sofort einiges biblische, dabei jedoch auch das altertümliche
prosapia.
Glandianus Mamertus ist bereits oben S. 264 besprochen.
Zur Erkenntnis der Latinität von Johannes Oassianus, der aus
den sketischen Mönchskolonieu stammte und über Konstantinopel und
Bom nach Marseille kam, wo er sein reiches Leben beschlofs, schrieben
1) Carl Paucker, Die Latinität des Joannes Cassianus, in Voll-
möllers romanischen Forschungen Bd. II S. 391 ff.;
2) Mich. Petschenig, Romanistisches bei Oassian, Archiv f. lat.
Lex. Bd. V S. 138—9.
Pauckers Abhandlung gleicht in ihrer Anlage den übrigen des
unermüdlichen Gelehrten. Petschenig will romanische Wörter bei
Gassian nachweisen, wählt aber (abgesehen von cosa) solche, welche der
italienischen Schriftsprache angehören » resp. aus dem mittelalterlichen
270 EirchenschrifUteller. HiBtoriker.
Latein stammen, z. B. crapnla, ebdomadario, eloqaio. Gassianas schreibt
für seine Zeit ein gewähltes Latein.
Keine ausgeprägte Physiognomie bat Eustatbios, der Übersetzer
von Predigten des Basilios:
Carl Pancker, De latinitate scriptorum quorundam seculi quarti
et ineuntis quinti p. C. minorum observationes IV. Eustathius, in den
»kleineren Stadienc, Berlin (Calvary) 1884 S. 103 — 17.
Phil. Weber, Kirchengeschichtlicbe Anecdota und ibr sprachlicher
Wert, Archiv Bd. I 8. 255-266
giebt in der Art von Rönsch Auszüge aus mannigfaltigen Schriften:
Casparis kirchenhistorischen Anecdota, Martinus von Bracara de correc-
tione rusticorum (Ghristiania 1883), Acta Tbomae von Bonnet nnd einer
Übersetzung des Barnabasbriefes (Oxford 1883) in einer knappen keine
Nachahmung verdienenden Citierweise. Inextimabilis (S. 262) ist soviel
wie inestimabilis, nicht eine Ableitung von extimus, desiderantissimus
(S. 266) nicht ein orthographischer Fehler sondern eine semasiologische
oder syntaktische Erscheinung. Yaciat = faciat (S. 266) verrät einen
irischen Schreiber, jurcadrix = jurgatrix aber keineswegs einen Nicht-
romanen; c = g tritt häufig in der merowingischen Zeit als »umgekehrtec
Schreibung auf.
Wir dttrfen auch hier nicht unterlassen, der Ausgaben des Herrn
Abb6 Ferd. Leonard in Bastogne (Belgien) zu gedenken, weil er sich
sagte, wer Kirchenväter in die Schule einfahre, mttsse auch die Besonder-
heiten ihrer Sprache lehren ; in die Bd. 59 S. 62 und 99 besprochenen
Ausgaben von TertuUians Apologeticum und einigen Schriften Cyprians
hat er daher einen grammatischen Abrifs als Ergänzung zur Schulgram-
matik des klassischen Lateins eingefttgt.
Haben die Theologen durch das Predigen Beziehungen zur Rhetorik,
so gilt das letztere von den Historikern, insofern sie Reden einlegen.
Die rhetorische Geschichtsschreibung der späteren jZeit vertritt Ammia-
nus, dessen Stil um so mehr nach der Schule schmeckt als ihm das La-
teinische nicht angeboren war; der belesene Grieche vermeidet denn auch
nicht Hellenismen (s. o. S. 247). Sein zusammengelesenes Latein hat in
den letzten Jahren viele Interessenten angezogen:
1) G. Reinhardt, De praepositionum usu apud Ammianum, Diss.
V. Halle, COthen (Schettler) 1886. 62 S.;
2) H. Ebrismann, De temporum et modorum usu Ammianeo,
Diss. V. Strafsburg 1886. 74 S. (Dissertationes Argentoratenses X
p. 111—186);
8) A. Reiter, De Ammiani Marcellini usu orationis obliquae, Diss.
V. Wttrzburgy Amberg (Habbel) 1887;
Historiker. 271
4) Fr. Liesenberg, Beobachtangeo über den Sprachgebrauch des
AmmiaDUS Marcellinus, Progr. v. Blaukenburg 1887;
5) Derselbe, Der Sprachgebrauch des Ammianus Marcellinus
I. Kap. Der Wortschatz (das Nomen) , Progr. v. Blankenburg 1888 ;
I. Kap. Fortsetzung und Schlufs [Verba, Adjectiva, Deminutiva, Com-
posita und Fremdwörter], ebend. 1889; U. Kap. (Syntax und Stil,
1. Abt. [auf Grund älterer Arbeiten], ebend. 1890.
6) Mich. Petschenig, Zu Ammianus Marcellinus. quidam = ali-
quis, quisquam. quisque = quisquis, Archiv Bd. VI S. 268 f.
unter den anderen Geschichtswerken wenden sich an ein gebildetes
Publikum in entsprechender feuilletonistischer Form die Geschichten Roms
oder der Welt. Den höchsten Schwung nimmt die Sprache des Flor us,
der augenscheinlich von Beruf ein Rhetor war, mag er nun eine Person
mit dem Vergilianer sein oder nicht.
Ed. Wolf f 11 n, Die ersten Spuren des afrikanischen Lateins, Ar-
chiv Bd. VI S. 1—7
nimmt Florus auf Grund einiger Spracheigentümlichkeiten für Afrika in
Anspruch ; vielleicht müssen aber die Afrikanismen eine Umtaufe erfahren
wie die »Vulgarismenc des Bellum Africanum. Die Orthographie frag-
lare braucht nicht florianisch zu sein, da sie in den Handschriften weit
verbreitet ist; über ex summo studio s. o. S. 232 (es könnte auch Grae-
cismus sein); longe longeque verbindet Florus mit einem Komparativ,
was sonst Ovid, Gellius und Scaevola haben (Wölfflin, Gemination S. 478);
zu simul pariter führt W. selbst das plautinische Vorbild an; vix et
aegre ist aus fioXeg xcd ßpaSdiog, wie damals die Rhetoren sagten, über-
setzt; über nee non et s. o. S. 238; sequior sexus ist eine Koigektur, exi-
tium sui und ähnliche Ausdrücke sind in der Kaiserzeit häufige Grae-
cismen. Ja, Florus ist ein Genosse des Apnlejus, aber nur auf dem Ge-
biete des rhetorischen Stiles.
Weniger hoch geschraubt ist die Sprache des Justinus, welche
kürzlich durch eine treffliche Dissertation Beleuchtung erfahren hat:
Job. Benesch, De casuum obliquorum apud M. Junianum Jnstinum
usu, Diss. von Wien 1889. 79 S.
Die Kasuslehre ist mit Beiziehung der Parallelstellen und Kritik
der Überlieferung behandelt; wenn ich dennoch sage, dafs die Stellung des
Justin in der Sprachgeschichte damit noch nicht fixiert ist, mufs ich bei-
fügen, dafs es mir auch noch nicht gelungen ist, das zum silbernen La-
tein und den Lesefrüchten hinzutretende Element, welches Benesch »vul-
gäre nennt, befriedigend zu analysieren.
Dem Justinns reihe ich zwei Sallustianer an:
272 Historiker.
Elimar Elebs, Lautas and Aarelias Caes. 10, 6, Archiv Bd. YII
S. 438—40
nimmt das verkannte Wort laatas, as znm Anlafs, am von den Oraecis-
men nnd Archaismen des Aare lins Victor verständig zu handeln.
Za Salpicius Severus führe ich die Bd. LIX. S. 60 besproche-
nen Arbeiten Fürtners an:
1) Snlpicias Severas als Nachahmer des Vergil, Blätter f. bajer.
Gymnasialschalwesen 1881 Bd. XVII S. 97 107. 172;
2) Textkritische Bemerkangen za Salpicias Severas, Progr. des
Gymnasiums io Landshut 1886.
Entsprechend der Kürze seines Büchleins schreibt Eatrop in der
Hauptsache ein knappes nüchternes Latein:
J. Sern, Der Sprachgebrauch des Eutropius, I. Progr. v. Hall 1888;
II. Progr. V. Laibacb 1890.
Eine fleifsige Arbeit, aus der aber die Eigenart des Mannes nicht
ersichtlich ist; vgl. Archiv Bd. V S. 602. VI S. 590 f.
Orosius verleugnet zwar den Theologen nicht, will aber doch
offenbar nach der Weise der weltlichen Historiker schreiben.
Carl Paucker, Die Latinität des Orosius (1888), in den »klei-
neren Studienc, Berlin (Galvary) 1884. S. 24-64. 101-102.
Zur Geschichtsschreibung gehört nach antiken Begriffen so viel
Studium oder eine so gewandte Feder, dafs man sich hier vor dem
Worte »vulgär« am meisten zu hüten hat. Als dasselbe bei den Lati-
nisten anfangs blofs den Gegensatz zu Cicero ausdrückte, war es manch-
mal auf Sallust angewendet worden; nachdem jedoch der Sprachge-
brauch etwas korrekter geworden, blieb Sallust gewöhnlich aus den Listen
der sogenannten vulgären Autoren weg. Auf diesem jedenfalls richtigen
Standpunkte steht noch nicht ganz
Isaac Uri, Quatenus apud Sallustium sermonis Latini plebeji aat
cotidiani vestigia appareant, thäse von Paris (Hachette) 1886. 139 8.
Nach Sallust schlug die Stunde der Befreiung aus der Beobach*
tungsstation für Vulgarismen dem Bellum Africanum resp. Africum , in
dessen vielgenanntem »FeldwebeU Wölfflin Asinius Pollio sah; uns geht
hier nur die Sprache an: diese ist jedenfalls nicht vulgär, sondern nur
von den Regeln Giceros und Caesars unbeeinflufst.
Isoliert steht also jetzt scheinbar das auch nicht volkstümliche,
sondern mehr schwerfällige Bellum Hispaniense, wovon Wölfflin
^ine Ausgabe vorbereitet; als Probe seiner feinen Observationen veröffent-
lichte er die Miscelle
i
Historiker. Grammatiker. 273
Jobere ut im Bellom Hispaniense, Archi? Bd. VI S. 484.
Die Analogie vod imperare veraDlafst die gleiche KoQStniktion
von jubere.
Fremd ist die Rhetorik den sogenannten Fachschriftstellern,
denen es nicht auf die Form, sondern auf die Sprache ankommt. Pen
ersten Platz verdienen gewifs die Grammatiker, die Lehrer und Rich-
ter der Sprache. Wie wichtig wäre es zu wissen, was in einer bestimm-
ten Zeit für korrektes Latein galt. Aber die Monographienfabrikation
erstreckt sich vorläufig noch nicht auf dieses Gebiet; die einzige zu ver-
zeichnende Arbeit ist durch eine Preisfrage veranlafst:
P. Rosenstock, De Donato Terentii et Servio Vergilii explicatore
syntaxeos Latinae interprelibus , Preisschrift n. Diss. v. Königsberg,
Marggrabau 1886.
Ein Latinist wird hier ein Correctiv vieler seiner Ansichten finden ;
z. B. empfand Donatus die Verbindung von zwei Konjunktionen nicht als
Vulgarismus, sondern Archaismus (in Ter. Ad. 2, 2, 16, gegen meine Lok.
Versch. S. 98). »Supervacua ponitur interdum conjunctio enim aut pro
altera coigunctione (Donat. Hec. 2, 1, 41, also kein Africanismus, s. Lok.
Versch. S 138). Servius erlaubt zu Verg. Aen. 7, 787 tam, magis, maxime,
minus, minime bei Steigerungsgraden. Ich kann die Anstellung ähnlicher
Untersuchungen nur dringendst empfehlen; freilich ist bislang sogar 'ein
Varro vernachlässigt.
Häufiger wurde eine weniger dankbare Aufgabe, der Sprachgebrauch
der Grammatiker selbst, in Angriff genommen:
R. Neubauer, De coQJunctionum causalinm apud Gellium, Diss.
von Erlangen 1890 (Hier noch nicht eingetroffen);
Karl Paucker, Bemerkungen über die Latinität bei dem Gram-
matiker Diomedes, Berlin 1883 = Vorarbeiten zur lateinischen Sprach-
geschichte 1884 m. Abt. S. 1-28.
Die Untersuchung entbehrt der Abrundung, weil der Abschreiber
Diomedes nicht für sich allein behandelt werden kann.
Gar. Franc. Vrba, Meletemata Porphyrionea, Diss. v. Wien
(Gerolds Sohn) 1885. 70 S.
Eine tüchtige Arbeit! Einige Nachträge gab Georges in der Philo-
logischen Rundschau 1885 Sp. 1236—88. Zu einer festeren Bestimmung
des Scholiasten wird man vielleicht einmal durch Vergleichung anderer
Grammatiker kommen.
Aus Glossen brachte das j Archiv f&r lat. Lexik.« mehrfach Mit-
teilungen, wobei jedoch, Götz ausgenommen, zwischen Lemma und Er-
klärung zu wenig geschieden wird. Einiges verspare ich für das Mittel«^
latein; hier sei nur von Placidus die Rede:
Jahresbericht für AlteithuauwiMeaschaft. LXVm. Bd. (1891 IL) lg
274 Juristen.
Stowasser, Goi^ectaaea, Archiv II S. 819
verkennt »acatns«, welches dort substantiviert ist (vgl. Acta S. Potiti 20
zweimal) und das Substrat fttr das italienische aguto »Nagele liefert.
Von den Qbrigen Fächern erhält am meisten die Jurisprudenz
Ihre Junger in der Kenntnis des klassischen Lateins; sie haben ja fort-
während mit Gesetzen und den Ansichten älterer Rechtslehrer zu thun.
So trägt ihr Latein zugleich ein verhältnismäfsig altertümliches und fach-
männisches Gepräge. FQr die Erkenntnis des Juristenlateins hat seiner
Zeit der jetzt vergessene Düker erhebliches geleistet durch seine opus-
cula varia de Latinitate Jurisconsultorura veterum, Leiden 1711, wo be-
reits die Individualitäten der grofsen Juristen unterschieden sind; in
diesem Sinne bedeutet das bekannte Wörterbuch von Dirksen einen Rflck-
schritt. Zu diesem Buche haben zahlreiche Juristen einzelne Nachträge
und Berichtigungen geliefert, z. B. neuerdings in der romanistischen Ab-
teilung der »Zeitschrift der Saviguystiftungc. Schon seit Jahren wird
ein zeitgemäfser Ersatz fttr Dirksens Wörterbuch vorbereitet; damit hängt
wohl direkt und indirekt die frischere Bewegung der letzten Jahre zu-
sammen. Sie koncentriert sich auf zwei Punkte, wobei wir die Unter-
suchung der Sprache einzelner Juristen voranstellen wollen:
1) Ed. Grupe, DeJustiniani institutionum compositione, Diss. v.
Strafsburg 1884, Dissertatt. philol. Argentoratenses IX S. 68 ff.
2) W. Kalb, Über die Latinität des Juristen Gajus, Archiv f. lat.
Lexik. Bd. I S. 82^92 ;
8) Otto Gradenwitz, Interpolationen in den Pandekten. Kriti-
sche Studien, Berlin (Weidmann) 1887; vgLLenel, Ztsch. der Savigi^^
Stiftung IX S. 177—188;
4) W. Kalb, Das Juristenlatein. Versuch einer Charakteristik auf
Grundlage der Digesten, (Programm von Nflrnberg 1886) zweite erwei-
terte Auflage, Nürnberg (Ballhorn) 1888. 90 S.
5) Derselbe, Roms Juristen, nach ihrer Sprache dargestellt,
Leipzig (Teubner) 1890. VIII, 164 S. [Vgl. Schmalz in den Jahrbb.
f. klass. Philol. 148 S. 215^224.]
Die Juristen Justinians gehören einer so späten Zeit an, dafs der
verfeinerte Sprachsinn ihre Zusätze zu den Digesten mit einiger Sicher-
heit erkennen kann; auch Gajus, ein Grieche seiner Abstammung nach
und aufserhalb der Zunft stehend, zudem hinsichtlich der Erhaltung sei-
ner Arbeit glücklicher als die anderen, zeigt ebenfalls eine ausgeprägte
Physiognomie. Die eigentlichen klassischen Juristen aber sind keine
Schriftsteller im eigentlichen Sinne, weil sie an die Sache, nicht an die
Form denken, und uns in der Hauptsache durch Excerpte, welche nicht
Joiisten. 275
treu kopiert worden, bekanot 8iod. Unter diesen ümstftnden wflrde nicht
jeder den Mut, wie Kalb, gehabt haben, die einzelnen Juristen der Di-
gesten sprachlich abzuconterfeien. Was er z. B. als Africismen des Pa-
pinian, als Qallicismus des Aemilius Macer anfflhrt, wagte ich nicht in
eine etwaige Neuauflage meiner »lokalen Verschiedenheitenc aufeunehmen ;
soviel scheint mir allerdings sicher, dafs der hochgebildete Papinianus
in der alten Litteratur belesen war (insuper habere, peroimium, exter).
Wenn der Herr Verfasser auch nichtjuristische BOcher der Kaiserzeit
lesen wird, dttrfte er viele lEigentflmlichkeitenc einzelner Juristen oder
gewisser Gruppen, die er geistreich bildet, bald da bald dort wiederfin-
den, z. B. constitutus als Partizip von sum, welches Scaevola bei seinen
Schülern und Anhängern in die Mode gebracht haben soll, während doch
im Spätlatein nichts gewöhnlicher ist.
Unter dem Protektorate der Berliner Akademie ist ein Wortregister
der Digesten angefertigt, welches an der kgl. Bibliothek zu Berlin jeder-
mann bentttzen kann. Dazu werden die gesondert erhaltenen Schriften
der klassischen Juristen und die sonstige juristische Terminologie des
Lateins aufgenommen, um das Material f&r ein Wörterbuch des älteren
(»klassischenc) Juristenlateins zu liefern. Im Jahre 1887 erschien eine
Probe, an welche sich eine Diskussion schlofs:
1) Gradenwitz, Kahler und Schulze, Zum Wörterbuche der
klassischen Rechtswissenschaft, Zeitschrift der Savignystiftung Bd. VIII
romanist Abteilung, S. 1—18 (Separatabzug);
2) Wölfflin, Zum Wörterbuche der klassischen Rechtswissenschaft^
in derselben Zeitschrift Bd. IX S. 1--18;
8) Gradenwitz, Zu Wölfflins Aufsatze über das Wörterbuch der
klassischen Rechtswissenschaft, ebendort S. 98—110.
Das »Wörterbuch fttr klassische Rechtswissenschaftc (ein Titel, der
leicht mifsverstanden werden kann) ist juristischen BedOrfnissen entsprun-
gen, so dafs die philologischen Interessen erst in der zweiten Linie ste-
hen. Als Philologe bedauere ich dies, doch begreife ich es auch; nur
will mir scheinen, als ob es doch möglich wäre, eine Verständigung zwi-
schen den beiden Fakultäten zu erzielen. Dem Juristen wird es aller-
dings sehr gleichgiltig sein, ob seine antiken Fachgenossen mit irgend
welchen rechtsunkundigen SchrifLstellern, mögen sie unter Philologen auch
noch so berOhmt sein, einen Ausdruck teilen. Aber die geschichtliche
Auffassung der Sprache kann der Rechtsgeschichte nicht fremd bleiben;
auch der Jurist muls Interesse daran haben, wie die Rechtsterminologie
von den Gesetzen der Republik bis zum Oorpus Juris sich ausgebildet
bat Zu diesem Zwecke mflssen die älteren Quellen des Rechtes nicht
blofs berücksichtigt werden, sondern planmäfsig den Ausgangspunkt bil-'
18*
276 JoristeD. Mediemer.
den. Wenn ferner das Wörterbncb auch die kritische Beorteilong da*
Digesten fordern soll, dann wird es nnnmgftnglich sein, anch die Sprache
der Interpolatoren hereinzuziehen und aalserdem den nichtjoristischen
Sprachgebranch zu Yergleichen, damit man sehe, was nicht vor dem
sechsten Jahrhundert im Gebrauche war. Jedenfolls mufs neben der
theoretischen Interpretation anch die historische Betrachtung deutlich
hervortreten.
Da die Redaktoren des Wörterbuches gewifs znr Probe des band-
werksmilfeigen Teiles der Arbeit, welcher lange Übung und ?iele Ver-
suche verlangt, diese Artikel der Öffentlichkeit vorgelegt haben, erlaube
ich mir einige praktische Vorschläge: In jedem Artikel sollte den An-
fang machen eine knappe Etymologie in Qeorges Weise z. B. de-legare,
delegatio (delegare). Dadurch ist gleichzeitig ein Wink gegeben, welche
Artikel man zu vergleichen hat (also in diesen Fällen legare und dele-
gare). Die Bedeutungen sind alle durch Ziffern auseinander zu halten,
was z.B. in dem Artikel »violarec Ordnung schaffen wflrde (l. res sacras;
2. personas a) vires, b) mulieres; 3. matrimonium). Notizen über die
Beugung oder Aber das Fehlen bei gewissen Schriftstellern stören am
Anfang, weshalb ich den Platz am Schlüsse des Artikels vorziehe. Durch
kttrzere Siglen (z. B. ü. statt Ulp., G. statt Gai.) könnte Platz erspart
und die Übersichtlichkeit vermehrt werden; kleine statistische Angaben
(bis, quater) kann der Benutzer leicht selbst machen. Statt bei den
Redensarten immer ein Spatium zu lassen und das gesperrte Stichwort
vorzusetzen, würde es genügen, in dem Gitat das betreffende Wort ge-
sperrt zu drucken, z. B. unter Laedere: si salictum maturum ita, ne
stirpes laederes, tnleris. Dies die unmafsgeblicben Wünsche eines, der
einige Erfahrung in Wörterbüchern hatl
H. 8 u Chi er, Vnlgärlateinisches ans den Rechtsquellen, Archiv
Bd. V 8. 680
macht auf die Schreibweise der Summarien des codex Theodosianns auf-
merksam.
Unter den Fachschriftstellern machen die Mediciner den Über-
gang von der wirklichen Bildung zum — wollen wir sagen, Dilettantis-
mus. Gelsus, Scribonius, Marcellus Empiricns (der freiwillige Arzt)
schreiben nicht schlechter als die Laien, während Cassius Felix und die
Übersetzer ohne humanistische Bildung invita Minerva die Feder in die
Hand genommen haben.
G. Helmreich, Beobachtungen auf dem Gebiete des Mediciner-
lateins, Archiv Bd. I S. 820—28
handelt von mehreren Fachausdrücken, dazu von mdca und recetäatutn
(was mich an den gesund sein sollenden Retzinatwein erinnert).
Vitnivias. SiWia. 277
Derselbe, Paolom, pusülum, param und Synonyma, Archiv Bd. II
S. 127—29
liefert den Nachweis, dafs panlum nach Celsus aus der Mode kommt;
bezeichnender Weise erscheint aber das romanische paucum nie, blofs
Mi^rcellas streift mit pauculum daran.
Die Baumeister waren, wie ihr griechisch-lateinischer Name be-
sagt, im Altertum nicht mehr und nicht weniger als Paliere. Vitruvius
aber, ein ehrgeiziger Mann, hatte sich Bildung genug angeeignet, um ein
relativ gelehrtes Buch zu schreiben. Seine Furcht vor der Kritik der
Grammatiker ist natürlich nur falsche Vorredebescheidenheit; aber wie
in der historia, konnte ihm auch in der Sprache ein Verstofs passieren,
zumal er fein schreiben wollte. Wie ein deutscher Parvenfl an franzö-
sischen Brocken Freude hat, so flicht Vitruv gelegentlich trotz einem
Dichter Graecismen ein. Vulgär ist also seine Sprache nicht, sondern
gesucht und dabei schwerfällig. Nach diesen orientierenden Bemerkun-
gen zählen wir die zahlreichen Untersuchungen auf:
/„
1) H. Ulrich, De Vitruvii copia verborum, I. Progr. v. Franken-
thal 1883, II. Progr. v. Schwabach 1885;
2) Job. Praun, Bemerkungen zur Syntax des Vitruv mit eingehen-
der Darstellung der Substantivsätze, Diss. v. Mflnchen, Progr. v. Bam-
berg 1885. 108 S.;
3) Richardson in den Harvard studies I p. 153 — 58;
4) Phil. Eberhard, Vitruvianae observationes grammaticae, I.
Progr. v. Pforzheim 1887 (über Participium und Präpositionen); II. Pro-
gramm V. Durlach 1888 (Bedingungssätze, Tempora, cum u. A.).
^ 5) M. Stock, De Vitruvii sermone. De formis enuntiatornm tem-
poralium, Diss. v. Berlin 1888.
Wir haben durch einen glücklichen Fund eine Dilettantin kennen
gelernt, eine vornehme Nonne ans Sfldfrankreich , welche man jetzt ge-
wöhnlich Silvia nennt. Doch würde derjenige, welcher ihre Sprache
vulgär nennte, ihr einen ungerechten A£front anthun. Mag auch ihre
Bildung über Bibel und Erbauungsbücher nicht hinausgehen, sie will doch
Schriftlatein schreiben. Ganz gelungen ist es ihr allerdings nicht; ihr
Sendschreiben verfällt oft in die Umgangssprache ihrer Kreise, die aber
doch wohl das Prädikat »feinere« verdienen; eine zusammenhängende
Darstellung wäre sehr erwünscht:
1) Wölfflin, Über die Latinität der Peregrinatio ad loca sancta,
Archiv Bd. IV S. 259—276;
2) Paulus Geyer, Zur Peregrinatio ad loca sancta, Archiv Bd. IV
S. 611— 15;
278 BibL Inselirifteii.
3) WdlffliD, Zor Peregrinatio ad loca sancta, Arehiv Bd. VI
8. 568 (sella = Sattel).
Überhaupt hat öfter religiöser Eifer manchen zum Schreiben ge-
bracht, welcher ohne diesen Beweggrund wohlweislich geschwiegen hätte.
Bezeichnenderweise sind alle solchen Produkte der christlichen Litteratur
anonym. In Betracht kommen hier besonders die anonymen Bibelüber-
setzungen, wenn dort auch viel weniger »Vulgftrlateinc steckt als die
Arbeiten Aber das Bibellatein vermuten lassen möchten.
Phil. Thielmann, Lexikographisches aus dem Bibellatein, Archiv
Bd. I 8. 68—81
handelt von den Wörtern nectnra [vgl. flectura, während der Plural rigora
nicht als Feminin gefafst werden durfte], obrepilatio, beneolentia [vgl.
graveolentia, 8uawd/a, auch beneolens bJjtvooq 9bwSii^\ invincibilis [durch
ein französisch-engliches Wort des hohen Stiles natflrlich nicht als vulgär
erwiesen] und andere seltene Wörter.
SamuelBrandt, Tormenta. Ein Beitrag zur Kenntnis der Sprache
der Itala, Archiv Bd. V 8. 286-89
verteidigt den Ablativ tormenta Sap. Sal. 2, 19 bei Lact inst 4, 16, 9;
sicher ist die Form nicht, weil die Endung des damit verbundenen Wor-
tes contumelia, wie so oft, im Kopfe des Schreibers die andere Endung
sozusagen attrabiert haben kann.
[H. Entzian, De notione verborum tentandi ex nsn V.T. explicata,
Diss. v. Halle 1887
geht vom hebräischen Texte des ajten Testamentes aus.]
Verhältnismäfsig am wenigsten von der Litteratursprache abhängig
können Inschriften von Privatleuten sein; man mnfs jedoch sidi
erinnern, dafs gewifs jede Familie den Spott besser unterrichteter scheute.
»Spernere se spemic war im Altertum auch, was die Bildung anlangte^
unbekannt. Die verschiedenen Motive, welche bei der Niederschreibang
der Inschriften in Betracht kommen, habe ich in meinem Görlitzer Vor-
trage angedeutet Leider haben wir noch immer auf den Zukunftsindex
des Corpus inscriptionum Latinarum zu hoffen; ein einziger Aufeatz, um
freilich von zerstreuten Bemerkungen abzusehen, gehört hierher:
M. Ihm, Vulgärformen lateinischer Zahlwörter auf Inschriften, Ar-
chiv Bd. Vn 8. 66 - 72.
Trea ist nicht vulgär, sondern eine analogistische Schreibung nach
tres; ebensowenig qninquae, quinquem (nach Septem, decem), hocto, decen»
quinqueginta (nach qnlnque), sexstus. Meines Erachtens mtlssen nicht
nur die Inschriften der christlichen Zeit angezeigt werden, sondern auch
Appendix Probi. Petron. Mittellatein. 279
ob sie Öffentlich oder privat, ob von Leaten besseren Standes gesetzt
oder von niederen Personen, ob in Quadrat- oder Cnrsivschrift.
Als Gewährsmänner des Vulgärlateins bleiben also der anonyme
Verfasser der sogenannten Appendix Probi und Trimalchios Gastfrennd.
Über die erstere habe ich im Archiv eine Miscelle veröffentlicht:
Die Heimat der Appendix Probi, Archiv Bd. VI S. 557 f.,
worin Afrika nicht aus sprachlichen, sondern sachlichen Grttndon als Hei-
mat nachgewiesen wird.
Von Petron handelt
y^ J. A. Cesareo, De Petronfi sermone, Firenze 1887. 56 p. Vgl.
Berl. philol. Wochenschrift Bd. VHI (1888) Sp. 1216ff.; Nene philol.
Rundschau 1888 No. 16 Sp. 244.
Die Schrift ist mir nicht zugegangen; ich kann also nicht sagen,
ob sie allein die Sprache dos Petron selbst oder nnter Verroengung mit
der seiner komischen Figuren behandelt.
Hier könnte Rec. abbrechen, wenn das Mittelalter noch die dunkle
(d. h. unbekannte) Zeitperiode wäre. Jetzt haben sich aber einige An-
sätze zur Kunde des sogenannten Mittellateins bereits entwickelt
Die Beschaffenheit der Quellen bringt es mit sich, dafs sich gewöhnlich
nur Historiker und Juristen damit beschäftigen und dies nur notgedrun-
gen. Um die Klärung des Dunkels bemühten sich
1) Gröber, Sprachquellen und ViTortquellen des lateinischen ViTör-
terbuches, Archiv f. lat. Lexik. I S. 35 — 67;
2) Sittl, Zur Beurteilung des sogenannten Mittellateins, Archiv
Bd. II S. 550—80.
Durch den Untergang des römischen Reiches wurden mit wenigen
Ausnahmen die öffentlichen Schulen vernichtet, so dafs von nun an das
Bildungswesen auf eine ganz andere Basis gestellt wurde; dieses Ereig-
nis fnhrte, wie auf griechischem Boden der lateinische Kreuzzug, eine
Unterbindung der klassischen Traditionen herbei, welche sich in dem
Leben beider Nationen nie mehr gleich stark wiederholte. Die Geschichte
^ der alten Litteraturen und Schriftsprachen hat daher bei dem Untergange
des römischen Reiches und dem lateinischen Kreuzzuge abzubrechen, wenn
sie nicht bis zur Neuzeit heiabgefflhrt werden soll. Indem das Niveau
-'der Bildung sank, wurde der Abstand zwischen dem sermo communis
und dem sermo vulgaris geringer, wie andererseits die Schriftsprache
stark abfiel. Daher tauchen in ihr zahlreiche Wörter und Formen
auf, welche früher gewifs schon gesprochen, aber nicht geschrieben wor-
den waren; nichtsdestoweniger wäre es falsch, das Mittellatein als ein
halbromanisches Latein anzusehen. Noch immer steht die lectio hoch,
280 MitteUatein.
freilich mehr der Bibel und der christlichen Schriftsteller als der Klassi-
ker; noch immer beherrscht die ratio die Schriftsprache, freilich zumeist
die verschrobene des Bildnngsphilisters. Zu keiner Zeit wimmeln die
Schriftstücke von sovielen »umgekehrten« Schreibungen und Flexionen^).
Wenn wir mit der Zeit das Mittellatein durchschauen wollen, wer-
den wir nicht vergessen dürfen, dafs Kanzlist und Schriftsteller, Ans-
nahmsfälle abgerechnet, verschiedene Persönlichkeiten sind. Für die Aus-
bildung der ersteren sorgte allerdings der Staat, aber in philologischer
Hinsicht ganz unzureichend. Sie waren hauptsächlich auf ihre Formel-
bücher (in Rom liber diurnus genannt) angewiesen. Den Unterschied
der zwei Quellenarten hat richtig erkannt
£. Bonrciez, De praepositione ad casuali in latinitate aevi Mero-
vingici, th^se von Paris 1887. 116 S.; vgl. Paul Geyer, Archiv Bd. lY
S. 380—32,
anders
Paulus Geyer, Beiträge zur Kenntnis des gallischen Lateins,
Archiv Bd. 11 S. 26-47,
welcher das Hochlatein der gallischen Redner und den immerhin gebil-
deten Gregor mit dem Jargon merowingischer Urkunden unter einen
Hut bringt.
Die Urkundensprache ist behandelt von
Karl W. Gaul, Romanische Elemente in dem Latein der lex Sa-
lica, Dissertation von Giefsen 1886.
Er benützt die Ausgabe von Bohrend (1874) statt der Specialaus-
gaben von Holder.
Von den Schriftstellern wurde nur Gregor von Tours eingehender
bearbeitet Was von seinem eigenen Verdammungsurteil über sein La-
tein zu halten sei, glaube ich im Archiv Bd. VI S. 560 f. durch Nachweis
ähnlicher Stellen gezeigt zu haben. Seit vielen Jahren wufsten die Fach-
genossen, dafs Herr Max Bonnet, der gefällige Professor in dem hand-
schriftenreichen Montpellier, mit einem Buche über Gregors Latein be-
schäftigt sei; endlich erschien dasselbe unter dem Titel:
y Le latin de Gregoire de Tours, Paris (Hachette) 1890. 787 S.
In der Einleitung des stattlichen ViTerkes sind verschiedene falsche
oder schiefe Ansichten von Latinisten (auch von mir) über Vulgärlatein
treffend gerügt; doch wurde der Verfasser durch seine wenig günstige
Meinung von Gregors Bildung verhindert, das Angelernte in dessen La-
1) Als Beispiel einer verunglückten Bildung mag flssor (schreibe fessor)
dienen, welches fateor entspricht und nach (coD)fe88U8 gebildet ist.
Bfitteilatein. 281
tein genügend zu würdigen. Die lange Zeitdauer der Vorarbeiten hat
leider zur Folge gehabt, dafs Herr Bonnet seine Ansichten ttber die
Grenzen des Aufzunehmenden, wie es uns allen zu gehen pflegt, öfters
änderte und deshalb seine Excerpte sehr ungleichmäfsig sind; trotz des
grofsen Umfanges ist das Buch von YoUstAndigkeit weit entfernt. Ich
wähle als Beispiel nach meinen Excerpten einzelner BOcher eben jenes
angelernte Latein, indem ich das (im Register wenigstens) fehlende mit
einem Stern bezeichne: jugiter fari (als Passiv bist. Franc, praef.), * ante-
rior (I praef.), *pla8mare (1, 1), * astus (1, 1), ♦ dignanter (l, 2), ♦ stati-
culus (1, 6), * versns als Präposition (l, 10), rorulentus (gewifs aus Pru-
dentins wie allophylus und * nix decidua 9, 17), ''^ historiograpbus (1,
86 u. 0.), * cum primitus (sobald als, 1, 48), * expeto aliquem (2. IV
* tumulare, * ago'n (1, 3), * inlucescente caelo (2, 7), quamlibet mit Con-
junktiv (aus gallischen Bhetoren, wie eques = equus!), * sciolus (10, 14),
archiater, * Ines (10, 23), * fantasmata (10, 26), * malignantes (10, 81),
* aedes (Kirche, 10, 48), * chronicalis (10, 48), * deinceps = deinde (9, 6),
* minutatim (9, 9), * quispiam u. s. w. Man sieht, dafs Aussicht auf Er-
gebnis sein wird, wenn jemand nach Spuren gallischer Rhetorik und des
Prudentius sucht. Die Handschriften weichen so von einander ab, dafs
wohl ein Novellenschreiber, aber schwerlich ein Editor genügende Be-
rechtigung hat, den Gregor als einen veruoglOckten Lateinschüler uns
vorzuführen. Herr Bonnet zeigt eine grofse Belesenheit in der latinisti-
schen Litteratur; sein Blick ist nach rückwärts gerichtet, wogegen er die
Zeitgenossen Gregors nicht zu dessen Folie benützt, ausgenommen etwa
die Inschriftensammlung Leblants, Venantius und Paulus Diaconus.
R. Urbat, Beiträge zu einer Darstellung der romanischen Elemente
im Latein der Historia Francofum des Gregor von Tours, Diss. v.
Königsberg (Koch) 1890.
Ein Romanist stellt auf Grund der Ausgabe von Arndt verschie-
denes, was an das Französische erinnert, namentlich aus dem Gebrauche
der Präpositionen zusammen.
Den Grundsatz, dafs Handschrift und Schriftsteller sich nicht decken,
möchte ich wiederholen bei Gelegenheit einer Archivmiscelle, welche den
Geographen von Ravenna betrifft:
Carl Fr ick, Golpus. colfus. colfora, Bd. VII S. 443 f.
Am meisten nach der Schule schmeckt immer das Latein, welches
der Nicht-Romane schreibt. In dem Zeitalter des eigentlichen Mittel-
lateins spielen die Irländer diese Rolle. Ich habe auf ihr hochge-
schraubtes, von Bildern und Compositis durchzogenes Latein im Archiv
Bd. I S. 285 bei Gelegenheit von Pauckers »supplementum Latinorum
lexicornmc, welches sich auch auf einige Scoti erstreckt, aufmerksam ge-
macht. Die Unkenntnis dieser Latinitas verleitete Paul Geyer, die
282 MittellateiD.
»Hisperica famioac (im V. Bande der »classici aactores» von ADgelo Mai)
mit dem spanischen in Verbindung zu bringen:
Die Hisperica Famina, Archiv Bd. II S. 255-66.
Die Widerlegung erfolgte durch J. Stowasser:
Zu den Hisperica Famina, Archiv Bd. III 8. 168 — 76.
In den Bd. 59 S. 76 f. erwähnten Abhandlungen und in dem Wiener
Gymnasialprogramm »Stolones Latinic (1889), vgl. Thumeysen, Archiv
Bd. VI S. 598f.) liefert Stowasser weitere Beiträge; eine systematische
Darstellung wäre sehr erwünscht.
In die Zeit des Mittellateins gehören grofsenteils die Glossare,
d. h. die Erläuterungen.
Löwe, aus lateinischen Glossaren, Archiv Bd. I S. 21 — 34
bringt allerlei interessantes z. B. lynx] leopardus vel lupus cervalis (ital.
lupo cerviero); inclinus (ital. inchino); pedo (ital. pedone). Ausführlicher
ist der Artikel »excarsac (it. scarso) S. 28.
Mit Karl des Grofsen Zeit bricht die erste Renaissance an, welche
die Orthographie und Grammatik verbessert und Bücher wie Urkunden
aus der älteren Zeit einer durchgreifenden Säuberung unterzieht; das
Latein verbessert sich jetzt. Gegen die übliche ignorante Mifsachtung
des mittelalterlichen Lateins richtet sich die dankenswerte Einlei-
tung zu Iwan Müllers Bearbeitung von Nägelsbachs Stilistik. Leider
interessieren sich dafür meistens Editoren (wie Voigt, Dümmler, Traube);
mehr systematisch handelt über das Latein eines einzelnen mittelalter-
lichen Autors
Ruodlieb herausgeg. von Friedrich Seiler, Halle 1882;
s. Jahresbericht Bd. 59 S. 81.
Principiell ist überall der Einflufs der Kirchensprache zu erwarten,
da die meisten Schriftsteller dem Priesterstaude angehören; der EinfluDs
der romanischen Sprachen verstärkt sich, seitdem sie eine Litteratur be-
sitzen. Klassicismen sind verhältnismäfsig am häufigsten bei den Deut-
schen und Engländern.
Den Bedürfnissen der Historiker nicht aber der Philologen ent-
sprechen die lexikalischen Hilfsmittel. Die Neuauflage des Ducange ist
nun fertig und im Preise sehr gesunken:
Glossarium mediae et infimae latinitatis conditum a Carole Dufresne
domino Du Gange .... editio nova aucta pluribus verbis aliornm scrip-
torum a Leopold Favre, Niort 1882—88. 10 Bde. in 4.
Man hat daran bekanntlich keine Neubearbeitung, sondern nur
einen Abdruck, vermehrt um die Artikel Diefenbachs und Fratis (s. a.)i
Mittellateio. Bomaoisten. 283
und vieUeicht noch einige andere. Die Aasgabe wird nnr der notwen-
digen besseren den Weg sperren.
In dieses Lexikon ging eine lokal-patriotische Wörtersammlung auf:
C. Frati, Spoglie di voci usate negli statnti de] comnne di Bo-
logna dagli anni 1250 al 1267 o non notate o notate in altro signifi-
cato oel »Glossarium mediae et infimae Latinitatis« di Carlo Ducange
non che di parecchie voci errate, Bologna 1884 (in den Monamenti
Storici m 1). 155 S. 4.
De Mandrot, De la signification da Mot miles dans les chartes
da IX. an XIII. si^cle, im Giornale araldico di Pisa 1882, p. 116—20
ist mir nicht zagänglich.
Eine Grandlage fOr die Kenntnis des mittelalterlichen Lateins bil-
den die damaligen Lehrbücher. Über diese vgl. Jahresbericht Bd. 59
8. 77 f., aafserdem
Bäbler, Beiträge za einer Geschichte der lateinischen Grammatik
im Mittelalter» Halle (Waisenhaas) 1885.
Nicht unwichtig sind ferner die FormelbOcher and Briefsteller:
N. Valois, De arte scribendi epistolas apnd Gallicos medii aevi
scriptores rhetoresve, thdse von Paris 1880.
Wir wenden ans nun schliefslich zu den Studien der Romanisten,
die den lateinischen Philologen unmittelbar bertthren. Eigentlich ist ja
die lateinische Sprache die Grundlage für die romanischen, so dafs für
die geschichtliche Erkenntnis der letzteren eine Vertrautheit mit jener
onerläfslich ist Leider entsprechen die wirklichen Verhältnisse wenig
jenen theoretischen Forderungen.
Am meisten interessieren uns die jetzt herrschenden Ansichten vom
Yalgärlatein : Der Romanist soll befähigt sein, aus der Obereinstimmung
mehrerer oder aller romanischer Sprachen die vulgärlateinische Form zu
erschliefsen. Diese Theorie wird vertreten von
1) Gast. Gröber, Vulgärlateinische Substrate romanischer Wör-
ter, Archiv Bd. I S. 204-254 (A B). 539 — 557 (C). II S. 100 — 107
(D). 276—88 (EF— fiticum). 424—443 (flagrare - gutta). lEL S. 138
— 143 (H— ilicem). 264— 275 (ille— lamna). 507—531 (lacusta — mille).
IV S. 116-136 (minaciae— nutrire). 422—454 (0 P). V S. 125 — 132
(quadr&ginta — rasculare). 234— 242 (reburras— ratiliare). 453 — 486 (S).
VI 8. 117—149 (T— Z). S. 377—97 (Nachtrag).
2) Wilhelm Meyer, Die lateinische Sprache in den romanischen
Ländern, in »Grundrifs der romanischen Philologie anter Mitwirkung
von 28 Fachgenossen herausgegeben von Gustav Gröbere Bd. I (Strafs-
barg, Trübner) 1886. Erster Abschnitt. 32 S.
Das Vorbild der indogermanischen Ursprache lockte auch eine ro-
manische Ursprache herzustellen; hat es aber eine solche gegeben? Eine
284 Romanisten.
lebende Sprache ist nie eine Einheit; sie zerfällt nicht blofs in räumlich
geschiedene Dialekte, sondern auch an dem gleichen Orte in zahlreiche
Spielarten. Jenes rekonstruierte Vulgärlatein nun — wer hat es ge-
sprochen und wo? Alle Römer? Eine so verbreitete einheitliche Vulgär-
Sprache existiert nirgends in der Welt. Ich werde daran erinnert, dafs
in der Litteratur, wie ich selbst jetzt am besten wissen mfisse, so gut
wie keine »lokalen Verschiedenheitenc nachgewiesen seien; warum indes
diese Erscheinung nicht auffallend sei, wird der Leser des Jahresberichtes
leicht verstehen. Auch in Frankreich herrscht eine Schriftsprache mit
straffer Einheit, obgleich zahlreiche wesentlich verschiedene Mundarten
existieren. Ja, wenn der Staat eine bestimmte Art von Vulgärlatein an-
erkannt hätte, etwa wie die mittelalterlichen Könige bei Annahme einer
nationalen Schriftsprache! An der Romanisierung war die christliche
Kirche erst spät beteiligt, so dafs der Einflufs der einheitlichen Kirchen-
sprache nur ft^r den Anfang des Mittelalters in Betracht kommt. Auch
ging die Kolonisierung nicht so massenhaft vor sich, dafs die direkte
EinfQhrung einer bestimmten Phase des italischen Lateins irgendwo denk-
bar wäre. Die grofsartigsten Ansiedinngen erfolgten unter Caesar und
Augustus, welche aber ihre Veteranen Ober das ganze Reich zerstreuten ;
überdies wurden die Veteranen oft nicht isoliert, sondern mit froheren
Bewohnern zusammengethan, namentlich mit reichen Leuten, die dann ge-
wifs nicht Vulgärlatein von einem ausgedienten Soldaten lernten, sondern
einen ordentlichen Lehrer nahmen. Auch in den Provinzen entstand so-
fort eine Vielheit von sermones: Italische Kaufieute, Ackersklaven, Hand-
werker, Beamte mit Schreibern, Lehrer verschiedener GOte, einige Polizei-
soldaten, ausgediente Auxiliaren (Legionare dagegen nur in den Grenz-
ländern und dort am ehesten in den Winterquartieren), das waren sehr
verschiedene Träger des Lateins; auch in Gallien beispielsweise redete
der Millionär notwendig anders als der Bauer. Gröber, welchem Meyer
folgt, stellt die Latinisierung des Reiches so dar, als ob zuerst die von
Sardinien erfolgt sei ; dann wäre Spanien lateinisch geworden und schliefs*
lieh Gallien. Aber noch im Jahre 19 n. Chr. kann Sardinien nicht ganz
unterworfen, geschweige denn latinisiert gewesen sein. Überhaupt bildete
die Latinisierung keinen Damm gegen die Einfit^sse anderer Reichsteile ;
den römischen Verkehr kann man sich nicht grofsartig genug vorstellen.
Andererseits ist Italienisch, Französisch u. s. w. immer nur ein ab-
strakter Begriff, welchem die Schrift-, nicht die Volkssprache zu Grunde
liegt. Ferner wirken nattlrlich auch in nachlateinischer Zeit die Analogie
und Volksetymologie fort, z. B. setzt frz. Saintes nicht notwendig Santo-
nes (V S. 457) voraus, da saint nahe liegt; ebenso steht neben lacusta
(locusta, III S. 607) langusta d. h. angusta mit dem Artikel; das kirch-
liche Wort abismus (I S. 233) kann auch im Mittelalter nach Ghristia-
nismus umgebildet werden u. s. w.
Trotz dieser principielleu Bedenken mttssen wir den Artikeln Orö-
BomaniBten. 285
bers grofse Bedeatong für die lateinische Philologie zasohreibeo. Was
den zusammenfassenden Aufsatz W. Meyers anlangt, möchte ich ihn Phi-
lologen schon wegen der übertriebenen Knappheit nicht empfehlen; auf
andere Mängel macht eine ausführliche Becension von Seelmann (über
deren Motiv vgl. W. Meyer in der Ztsch. f. rom. Philol. 1891 S. 281 f.) in
den Gott. Gel. Anzeigen 1890 S. 665 £f. aufmerksam. Die Herrn Boma-
nisten werden es einem klassischen Philologen nicht übel nehmen, wenn
er bedauert, dafs das wirklich durch Inschriften, Handschriften und Gram-
matiker bezeugte Latein zurückgestellt wird zu Gunsten der Kombina-
tion. W. Meyer ist in seiner neuen romanischen Grammatik noch weiter
von uns abgerückt.
G. Körting, Lateinisch-romanisches Wörterbuch, Paderborn (Schö-
ningh) 1889—90
giebt ein keineswegs auf die lateinischen Elemente beschränktes etymo-
logisches Wörterbuch der romanischen Sprachen, aus welchem der klassi-
sche Philologe das Fortleben der lateinischen Wörter ersehen kann; frei-
lich darf er nicht vergessen, dafs sich auch zahlreiche Schriftwörter dar«
unter befinden, z. B. ambactiator, ambo, beryllus, cancellarius. Das La-
teinische ist nach den nächstliegenden Hilfsmitteln angesetzt.
Wir reihen daran einige an Diez' Wörterbuch anknüpfende Miscel-
len des »Archives für lateinische Lexikographiec :
Konrad Hofmann, Acieris. frz. acier, Bd. H S. 276.
Die Gleichung ist bedenklich, weil acieris ein altes hieratisches
Wort war, besonders aber weil es ein bronzenes Beil bedeutete; dagegen
hiefs der Stahl aciarium (Corpus Gloss. IV p. 6, 22 als Lemma).
Derselbe, Mauvais, Bd. I S. 591—92
leitet mauvais von malvax (ixdXßa^) ab. Warum nicht von malva (vgl.
blitea, inutilis; herba nullius usus, Nonius p. 80, 21)¥
Bec, Montaneus, Bd. I S. 438
weist die lateinische Form von montagua, montagne in einem Heiligen-
leben nach,
Derselbe, Spacus, ital. spago, Bd. II S. 133—34
spacus an zwei Stellen des Arztes Cassius Felix.
Konrad Hofmann, Tranix, Bd. II S. 132f.
belegt das Stammwort von ital. tralcio (Bebzweig) aus dem Edictus Bo-
tharis (c 295).
Anderes s. o. S. 265.
Mit Diez steht auch eine wichtige Untersuchung in Zusammenhang:
286 BoniuiifiteD.
Bad. Tharneysen, Eeltoromanisches, Halle (Niemeyer) 1884.
Den Inhalt giebt der Untertitel an: iDie keltisdien EtymologieD
im etymologischen Wörterbuch der romanischen Sprachen von F. Diese
Die üntersuchnng ist für die Latinisierung der keltischen Länder und
den keltischen Kultnreinflurs auf das gesammte Sttdwesteuropa von Wich-
tigkeit In der Einleitung werden verbreitete Vorurteile kritisch geprüft,
z. B. dafs das französische tt von den Kelten stamme (S. 10 f.)-
um nicht eine Zurückweisung aus fremdem Jagdgrunde zu erfahren,
bleibe ich hier stehen, obgleich verschiedene romanistische Untersuchun-
gen mich zur latinistischen Kontrole reizten ; ich erwähne nur aus buch-
händlerischen ROcksichten, dafs A. Mahns Grammatik und Wörterbuch
der altprovenzalischen Sprache I. Abt. (Lautlehre und Wortbiegungs-
lehre), Köthen (Schettler) 1885 und M. Louis Gar and, essais. Le latin
populaire 6tudi6es au point de vue de la phon^tique dans le dialecte
languedocien de Pamier^ (Ari^ge), Paris (Belin) 1885 in meine Hände
gelangten.
Den Schlufs bilde die lichtvolle Abhandlung eines der wenigen
Lateinfreunde, welche ihrerseits den Schlufsstein längerer Erörterungen
abgiebt:
Hermann Suchier, Der Untergang der geschlechtlosen Substan-
tivform, Archiv Bd. HI S. 161-67.
Hiermit bescfaliefse ich den Jahresbericht, welcher statt eines Aggre-
gates von Recensionen fast zu einer Homilie ttber den Text >Dn sollst
den Namen Vulgärlatein nicht milsbrauchen« geworden ist.
Druck von Martin Oldenbourg in Reiiin» AdlentrasM S.
JAHRESBERICHT
über '
die Eortschiitte der classischen
Alterthum swissenschaf t
begründet
Conrad Bursian,
herausg^ebcn
Iwan V. Müller,
oid. fiSratl. Prof. dn classiicheD Philologie >n d«r UniTeniUI Ertang«!!.
Neonnndsechzigster Band.
Neunzehnter Jahrgang. 1891.
Dritte AbtheUiug.
ALTERTHDMSWISSENSCHAFT.
Register über die drei Ablheiluogen.
BERLIN 1892.
VERLAG VON S. CALVARY & CO.
W. Untei dcD LittdcD 21.
Inhalts-Verzeichniss
des DeuDundsecbzigsteD Bandes.
Bericht über die Litteratur der Jahre 1887 und 1888, welche
sich auf die Geschichte der Hochschulen, GyrnuasieD, La-
teinschulen etc. bezieht. Von Dr. theol. et phil. Karl
Hartfelder, Gymnasialprofessor in Heidelberg . . 1 — 112
Sohulgesohiohte. UniTersitftten 1. — Vaganten 41. — Schulord-
nungen 43. — Gymnasien 54. — Pädagogik 98. — Franzödiscbe
Scbulgescbichte 108.
Bericht über die Litteratur des Jahres 1888, die sich auf
Encyklopädie und Methodologie der klassischen Philologie,
Geschichte der Altertumswissenschaft und Bibliographie
bezieht. Von Prof. Dr. K. Hartfelder .... 145—193
Allgemeines 146. — Qetohiohte des Humanismut. Italien 149.
— Deutschland 157 Erasmus 161. Wimpfeling 166. -— Reuchlin
168. — Hütten 171. — Toxites 176. — Polnische Humanisten
179. — Buchdruckergeschichte 183. — Französische Philologie
186 — Neulateinische Dichtung 190.
Die Berichte über Paläographie von Bibliothekar Dr. R. Beer
in Wien ; alte Geographie und Geographen von Oberlehrer
Dr. R. Frick in Höxter, und Topographie von Attika von
Oberlehrer Dr. Chr. Beiger in Berlin erscheinen später.
Bericht über Geographie von Griechenland. Von Prof.
Eugen Oberhummer in München 251 — 28f>
Die westgrieohischen Inseln 261. — Eerkyra 262. — Paxoi 262.
— Leukas 26d. — Ithaka und Kephallenia, Inselgruppe 266. —
Ithaka 273. — Kephallenia 276. — Zakynthos 281. — Nachtrag
284.
Die Berichte über Geographie von Unter-Italien und Sicilien
von Prof. F. von Duhn in Heidelberg; Geographie von
IV Inhalts -Verzeichniss.
Mittel- und Ober- Italien, Gallien, Britannien und Hispa-
nien von Dir. Prof. D. Detl eisen in Glückstadt; Topo-
graphie der Stadt Rom von Prof. Dr. 0. Richter in
Berlin; Griechische Geschichte von Prof. Dr. A. Bauer
in Graz; römische Geschichte und Chronologie von Dr.
Hüter in Giefen; griechische Litteraturgeschichte, und
römische Litteraturgeschichte von Prof. Dr. E. Zarncke
in Leipzig folgen später.
Bericht über die Arbeiten auf dem Gebiete der alten Philo-
sophie in Russland im Jahre 1890. Von Prof. W. Luto-
slawski 194_lif
Die Berichte über antike Mythologie von Dr. 0. Gruppe
in Berlin und über griechische Staat salterthümer von Dr.
C. Schäfer 'in Pforta erscheinen im nächsten Jahrgang.
Jahresbericht über die griechischen Sakralaltertümer. Von
August Mommson in Hamburg 113 — 144
Sechstor Artikel: Elia
Die Berichte über griechische Privatalterthümer von Prof.
Iwan von Müllerin Erlangen; römische Alterthümer von
Prof. Dr. M. Zöller in Mannheim; scenische Alterthümer
von Studienrektor ProL Dr. B. Arnold in München;
Naturgeschichte und Technik im Alterthum von Dr. Max
Schmidt in Berlin; antike Mathematik von Oberlehrer
M. Curtze in Thorn; Medicin bei Griechen und Römern
von Prof. Dr. Th. Puschmann in Wien; griechische
Epigraphik von Oberlehrer Dr. W. Larfeld in Remscheid;
römische Epigraphik von Direktor Dr. F. Hang in Mann-
heim: Geschichte der alten Kunst von Dr. Kroker in
Leipzig; vorgeschichtliche Kunst, Vasenmalerei etc. von
Prof. P. Dümmler in Basel; Baukunst von Architekt P.
Koldewey in Berlin; Numismatik von Dr. R. Weil in
Berlin; vergleichende Sprachwissenschaft von Dr. H. Zie-
mer in Colberg; griechische Grammatik von Prof. Dr. B.
Gerth in Zwickau; Kyprisch, Pamphilisch und Messapisch
von Prof. Dr. W. Deecke in Mühlhausen i. E.; lateinische
Grammatik und Etruskisch von demselben; lateinische
Lexikographie von Prof. C. Wagener in Bremen ; antike
Musik von Dr. H. Reimann in Berlin werden später er-
scheinen.
Inhalts-Verzeichniss. V
Bericht über die Erscheinungen auf dem Gebiete der grie-
chischen und römischen Metrik. Von Prof. Dr. R. Klotz
in Leipzig 199—250
I. Untersuchungen zur Geschichte der metrischen Theorie 199.
— 11. {Metrische und prosodische Schriften allgemeinen Inhalts
206. — III. {Metrische Schriften über griechisches Epos 214. —
iV (Metrische Schriften zur griechischen Lyrik 218. — V IMe-
trische Schriften Qber das griechische Drama 227. — VI Der
saturnische Vers 235. — VII. (Metrische Schriften über das rö-
mische Drama 236. — VIII. IMetrIsche Schriften über römische
Lyriker und Epiker 245.
Register 287—302
1. Register Aber die besprochenen Schriften 287
II. Register der behandelten Stellen:
Griechische Autoren 298
Römische Aatoren 299
Bericht über die Litteratur der Jahre 1887 und
1888, welche sich auf die Geschichte der Hoch-
schulen, Gymnasien^ Lateinschulen etc. bezieht
VOD
Dr. tkeol. et phil. Karl HartMAer,
Gymnasialprofesflor in Heidelberg.
Seit dem Bestehen des BJabresberichtesc wardeB die Eniefaeiniiii|ea
iber Encyklopädie und Geschichte der Philologie stets geiiieiiisan mit
den Publikatk>iien Aber SoholgescUcbte juA Methodologie des Unter-
richtes besprochen. In den letzten Jahren aber htoften si(A die Ar-
bettea anf diesen Gebieten der Art, dafe es ratsam schien, «nie Trennung
in der Weise ?orE«nefamen, dafs dio Scholgescbichte und Ifetbodölogie
des Unterrichtes zu einem besonderen Abeehaitt gestaltet wurde. Dabei
soll nach den Wnnsche ron Eedafctear and Verleger die litteratar,
welche sich aosschliefslich anf die sog. Reform des GymniBsiunis bezieht,
nicht mit herangeflogen werden.
Da eine Schulgescfakhte nicht geschrieben werden Icahn, ohne der,
tttditigeii SchulmAnner zn gedenken, so ist es angezeigt, mit diesem Ab-
schnitt das Referat über Biographien hervorragender Scfanknftnner- sä
verbinden. Ans demselbea Grunde empfiehlt es sich foner, auch Ver-
öffentlichungen ttber wichtige Lehrhttcher sowie über die Gesciiohte
einzelner Uaterricbtezweige, soweit sie das Gebiet der beiden klassischen
Sprachen betreffen, mit heranzuziehen.
Weil neue Gedanken in früherer Zeit in der Regel zaerst aa den
Hochscholen auftraten und dann erst in die weiteren Kreise der Lateia-
schulen oder Gj^uiasien, wie man später sagte, drangea, so empfiehlt
ea sieh, dem Gange dmr Geschichte zu folgen und auch hier die Ge»
schichte der Hodisohulen Toranzustellen. Nun besafs die erste Hftlfte
des Mittelalters noch keine UniTersitftten, und so wurde der An&ng out
einer Schrift gemacht, welche das Unterrichtsweeeo in fnaheren Mittel-
akelr in zusammenüassender Webe darstellt and wie eine Eialeito&g zum
Felgendm betrachtet werden kann.
JAhreabwloht fUr AlterthumswisBenaohAft LXIX. (180L lU.) 1
2 Scbolgeschichte.
Aach dieses Mal wurden einige Schriften, die schon |in früheren
Referaten hätten besprochen werden müssen, ergänzend nachgetragen.
Franz Anton Specht, Geschichte des Unterrichtswesens in Deutsch-
land von den ältesten Zeiten bis zur Mitte des dreizehnten Jahrhunderts.
Stuttgart. Gotta. 1885. 8^. XII u. 411 S.
Dieses gut ausgestattete Werk ist eine von der Münchener histo-
rischen Kotnlnission gekrönte Preisschrift. Wer die früheren Dar-
stellungen dieses Gegenstandes kennt und mit Spechts Werk vergleicht,
wird dem urteil des Preisgöricbtes gewiTs beistimmen.
Zunächst hat der Verfasser sein Thema stets scharf im Auge be-
halten. Während man in sonstigen Büchern gleichen Gegenstandes mehr
eine Art von Kulturgeschichte findet, deren Grenzen verschwommen und
unklar sind, haben wir hier eine wirkliche Geschichte des Unterrichts-
wesens. Von sonstigem Stoffe wird nur herangezogen | was diesem
Thema dient
• Sodann schöpft der Verfasser aus den ersten Quellen. Ganz im
Gegensatz zu bekannten Darstellungen, die nur aus verbreiteten Mono-
graphien abgeleitete Bächlein sind, hat sich Specht zu den Quellen-
werken selbst gewandt. Die Litteratur könnte wohl da und dort noch
ergänzt werden, aber überall zeigt sich der Verfasser gut mit der wich-
tigsten einschlägigen Litteratur vertraut
Der Stoff ist in folgende drei Abschnitte gegliedert: 1. Begründung
des Unterrichtswesens in Deutschland. — 2. Entwicklung und Art des
Unterrichtswesens. — 3. Hervorragendere Unterrichtsanstalten.
Nachdem die Anfänge geistiger Kultur in Deutschland kurz dar-
gestellt sind, wird Karls des Grossen Fürsorge fär das Unterrichtswesen
und dessen Ausgestaltung unter Ludwig d. Fr. charakterisiert Die Ver-
dienste der Mönche um die Studien werden eingehend dargelegt, sowohl
im Elementarunterricht wie in dem Unterricht in den sieben freien
Künsten, welche in Trivium und Qnadrivium zerfielen. Die Kloster-,
Dom- und Sttftsschulen werden scharf auseinander gehalten, auch die
Schulbildung der Frauen nicht vergessen.
Die hervorragenden Unterrichtsanstalten, nach den Landschaften
geordnet, sind: Hessen, Schwaben, Rheinland, Sachsen und Bayern.
In dem Abschnitt über Hessen finden Fulda und Hersfeld, in dem über
Schwaben die unvergleichlichen Schulen von Reichenau und St Gallen
die verdiente Anerkennung. Eine beachtenswerte Thatsache ist, dafs
das bunte Schulleben und die höchst bedeutsame Pflege der Wissen-
schaften hier mit dem Einzug des streng kirchlichen Geistes der Glunia-
censer aufhört. So erlosch besonders »die einst nach allen Seiten hin
Licht spendende geistige Lampe St Gallons nahezu gänzliche. (S. 328.)
Warum schreibt Specht immer noch das falsche Bonifiacius? Der
Name Bonifatius kommt von boni fati und hat nichts mit benelacio an
Kaofmann, Geschichte der deatschen üniTerut&ten. 3
tban« Auch wäre es endlich an der Zeit, das falsche Virgil, dessen
Unrichtigkeit schon Laorentius Valla dargethan hat, mit dem richtigen
Vergil zn vertauschen. Das Register, welches sonst sehr dankenswert
ist, scheint mir etwas zu äufserlich gemacht zu sein: so mofste z. B.
bei St. Gallen S. 318—828 und bei Reichenau S. 30*7—813 stehen.
Zusammen&ssende Arbeiten ttber Oeschichte der Hochschulen er-
schienen von Georg Kaufinann und Heinrich Suter.
Die Geschichte der Deutschen Universitäten von Georg
Kaufmann. Erster Band: Vorgeschichte. Stuttgart. Gotta. 1888«
80. XIV und 442 S.
Der durch gediegene litterarische Arbeiten bekannte Verfasser hat
sein Werk der Universität Bologna gewidmet, »welche zuerst der aka-
demischen Freiheit rechtliche Formen gäbe Die Anregung zu dem auf
drei Bände berechneten Werke geht von Herrn Dr. v. Gossler, dem
kgl. preufsischen Minister der Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten,
aus, der auch dem damals noch im Schulamte thätigen Verfasser einen
gröfseren Urlaub zur Vorbereitung und Abfassung des Werkes vermittelte,
ihm aber volle Freiheit bei der Arbeit selbst gewährte: »Ich bin nur
veranlasst und untersttltzt, aber ich bin nicht beschränkt worden, c
In der Einleitung werden drei Perioden unterschieden, von denen
die erste das Mittelalter, die zweite das 16. und 17., die dritte, inaugu-
riert durch die GrtUidung von Halle 1694 und Göttingen 1787, die
beiden letzten Jahrhunderte umfafst. Die erste Periode ist die aus-
schliefslich katholische, die zweite ist beherrscht von dem Gegensatz
der katholischen und protestantischen Universitäten, bis dann durch das
Vorangehen von Königsberg, Jena und Berlin die allgemeine Steigerung
des geistigen Lebens auch den bisher widerstrebenden katholischen Teil mit
fortrifs. Versuche, den fast entschwundenen Gegensatz der protestanti-
schen und katholischen Universitäten zu erneuern, wäre ein Rückfall in
überlebte Entwicklungsstufen. »Ohne Widerspruch erkennen heute die
übrigen Völker den eigentümlichen Vorzug der deutschen Universitäten
an und bemühen sich auch vielfach, ihre Einrichtungen nach diesem
Muster zu verbessern.! Gleich hier nimmt Kaufmann Stellung zu dem
bekannten Werk des Paters Denifle, dessen Wert in der Sammlung des
Materials und vieler Einzeluntersuchungen anerkannt wird, das aber
nach Kaufmanns Meinung »in wesentlichen Punkten sogar die bereits
gebahnten Wege wieder verbaute, sodafs der Verfasser von Denifie
wieder zu Savigny zurückkehrt.
Als Anfang soll dem Werke eine kritische Obersicht über die
seit Kant und Schleiermacher sich stets erneuernden Reformvorschläge
beigegeben worden.
Das erste Kapitel »die ScholasUkc zerfällt in die Abteilungen:
4 Schoigetehichte.
Wesen der Scholesiik, Überblick über die Oeschiehte der Scholastik,
die wissensohaftllohen Leistnngen der Scholastik.
Die Vorstallung, dafs die Wissenschaft eine selbständige Macht
sei, weder vom Staate noch von der Kirche abhängq;, hat sieh erst auf
dem Hühepunkte mittelalterlichen Lebens entwickelt, anfangs sich nur
schttohtem hervorwagend and sich der Lehre von der doppelten Wahr-
•
heit als schützende Hftlle bedienend. Die sittelalteriiche Wissenschaft
war die Scholastik und ihr Organ die Universitäten.
Die Scholastik war kein durch die Theologie verdorbenes Philo-
sophieren, sondern eine wissenschaftliche Richtung, welche das geistige
Leben der Zeit von 1060 — 1600 beherrschte und sich auf alle Wissen-
schaften erstreckte. Die wissenschaftliche Bewegung war viel mehr als
heute von den Schulen und Universitäten getragen, die Lttterator war
flberwiegend Bchuilitteratur, Lesebftcher, Kompendien, anfangs als 8en-
tentiae, dann als Snmmae und Summulae beseichnet. Die Lehrbücher
Uttea meist durch Überladung mit dem Material, wogegen noch die
Humanisten kämpften.
Was den Stoff hetriit, so beschäftigten sieh die Scholastiker mehr
mit dan Meinungen ihrer Vorgänger über einen Gegenstand als mit dem
Gegenstand selbst Ein ferneres Merkmal ist das Übergewicht der logi-
schen Interessen, die ausscbliefslich dialektische Behandlung der Fragen.
Im Grunde aber war diese wissenschaftliche Subtilität dem Wesen
des Mittelalters zuwider, das sonst ein Bedürfnis nach Anschauung hat
und dem Augenblicke hingegeben ist Trotsdem sahlten alle Wissen-
schaften der scholastischen Methode ihren Tribut, so anch z. B. die
Grammatik. Anstatt Beispiele etwa aus Cicero und Livius zu sammeln,
um den Sprachgebrauch zu verstehen, erörterte man das Wesen und
den Begriff der Bedeteile. »Sie beseitigten den Widerspruch, daiÜB ein
Wort in der Vulgata anders construiert wird, ein anderes Geschlecht
habe als in den Segeln der Alten, mit dem Schlufs, dafs die heilige
Schrift die Wahrheit verkündet, ihr ergo auch in diesem Fall höhere
Autorität zukomme, oder sie zerlegten die Begriffe, an denen der Wider-
spruch der beiden Autoritäten haftete, so lange, bis der Widerspruch
von den logischen Staubwolken verhüllt war.c Die Auslegung aber steht,
alles historischen Sinnes haar, ganz unter dem Einfiufs der Allegorie,
die in dem Texte alles und jedes finden kann.
Auph das Mittelalter hatte seine Renaissance, welche das Studium
der Klassiker pflegte. Einer ihrer letzten Vertreter war Johannes
von Salisbury, der die neu aufkommende rein scholastische Biditung
mit Hohn und Spott überschüttete« »Die Poeten und Geschichtschreiber
liest man nicht mehr, diesem Geschlecht gelten sie mcht, und in kürse-
ster Frist treten die als Lehrer auf, die als illitterati zur Schule kamen, c
Trotzdem siegte die rem scholastische Richtung unter Peter Abälards
i
Eaafmann, Oesebicbte der dmitsoben ünivenit&ten. S
(t 1142) FakruBg ttber die hunanistisdie Scholastik. Das Thema einer
Schrift des Anselm von Oanterbury spricht das Thema der Scholastik
aus: Fides quaerens intellectnm, der Glaube, der sein Geheimnis zu
begreifen sucht. Seit 1100 ist nun Paris der eigentliche Mittelpunkt
der Scholastik. »Man kann die Scholastik geradezu charakterisieren als
die Periode, in der Paris als das wiäsenschaftliche Hauptt des Abend*
landes galt, und in welcher dieser Einflufs von Paris sich dadutch
geltend machte, dafs die logischen Studien überwogen und die Metlioden
aller F&cher von der dialektischen Richtung ergriffen wurden.« (S. 50.)
Ein weiterer Abschnitt S. 62 — 9*7 behandelt »die wissenschafdichen
Leistungen der Scholastik«. Das Studium war in den misten FäReH
kein Brotstudium, trotz des Satzes: Dat Galenus opes et Justinianus
honores. Darin liegt die Ge&hr wie die Kraft desselben. Mafsgebend
war das encyklopädische Interesse des Mittelalters: man ging von der
Logik zu den Wissenschaften der oberen FakaltAten wmter, wodurch
eine gewisse Oberflächlichkeit sich einstellte« Die Wissenschaft wurde
zur blofsen Kompilation, wie man aa den 21 Folianten ersehen kann,
welche Albertus Magnus zusammengeschrieben bat. So entstehen auch
viele Encyklopädien wie der Eluoidarius des Honorius von Augustodunttm^
das Speculum des Vincenz von Beauvais.
Aufserdem aber standen viele Scholastiker in Stellungen mit prak'-
tischer Thätigkeit als R&te, Erzieher, Gesandte, Berater in Yertrauei^*
Posten aller Art, so dass »in dem Arbeitszimmer des Soholastikei^ nicht
weltfremde Ruhe« herrschte.
Wenig gClnstig war die Scholastik ffir die Geschichtschreibung*
Besondere Pflege fand die Kunst, Briefe und Urkunden abzufassen« Von
epochemachender Bedeutung waren die Leistungen dieser Jahrhunderte
auf dem Gebiete der Musik, die im 11. Jahrhundert durch Guido von
Arezzo zu einer besonderen Wissenschaft wurde. Das römische Recht
fand durch die Glossatoren eine grtlndliche Pflege, bis dann schliefslich
diese Arbeiten in der Glossa ordinaria des Accursius iht^n Absehlufs
fand. Am rOmischen Recht wurde die Schulung gewonnen für daä ka*
Donische. Den ersten einflufsreichen Versuch in diesem machte Gratiaa
mit seinem Decretum um 1150. Die Behandlung ist nicht historisch,
sondern rationalistisch. Dadurch wurde die Grundlage für die Durch-
ftlhrung der gregorianischen Ideen gewonnen. In der Politik haben die
Scholastiker durch politische Streitschriften und Erörterung zahlreicher
Probleme, zum Teil solcher, die jetzt noch verhandelt werden, grofse
Förderung gebracht. Selbst in der Naturwissenschaft haben sie tttchtige
Leistungen aufzuweisen, wie die von Roger Baco und Albert dem Grofsen.
Die Astrologie wurde schon im 14 Jahrhundert von einem Pariser
Scholastiker als Irrtum und Trug bezeichnet.
In der Medidn war man abhängig von Galen und den Arabern.
Zu wesentlichen Fortschritten fehlte es an der richtigen Methode der
6 8cho1g(»8cfaicbte.
Untersuchung und vor allem an einer Chirurgie, die man den Badern
fiberliefs. In Theologie und Philosophie beruht der Hauptwert der
Scholastik. »Die Scholastik hat zum erstenmal das grofse Problem des
Verhältnisses von Wissen und Glauben behandelt und so behandelt,
dafs es nicht wieder verschwinden kann aus dem Besitz der mensch-
lichen Bildung, ff Einen dauernden Gewinn brachten sodann die logi-
schen Arbeiten. Dem harten verwerfenden Urteil Prantls ttber die
Scholastik kann schliefslich Kaufmann nicht beitreten.
Das zweite Kapitel behandelt »Die Entwickelung der Uni-
versitäten aus den Schulen des 12. Jahrhanderts«. Zu der
Zeit, da sich in Italien, England, Frankreich nn^ Spanien aus ver-
schiedenen Schulen die Universitäten entwickelten, bedeutete universitas
so viel als Gemeinde, sodafs die universitas magistrorum et scholarium
oder studentium die Schulgemeinde im Gegensatz zu universitas civium,
der bftrgerlichen Gemeinde, bedeutet. Der Namen der Genossenschaft
wurde zum Namen der Schule.
An den Universitäten durfte man erst lehren, wenn man gewisse
Bedingungen erfftllt hatte. Die Verleihung der Lehrberechtigung erfolgte
stufenweise in einer bestimmten Reihenfolge, weshalb man von akade-
mischen Graden spricht, mit denen akademische Titel verbunden
waren. Die Korporation bemüht sich um Privilegien zum Schutz aller
ihrer Mitglieder, die meist Freunde waren, und sodann um die Hebung
und Förderung der Anstalt
Der ältere Name für universitas war Studium generale oder scholae
generales. Die Bezeichnung generale dürfte dadurch entstanden sein,
dafs die Lehrer an solchen Anstalten nicht mehr allein standen, sondern
an die Bestimmungen der Genossenschaft gebunden waren. Die Bezeich-
nung gymnasium oder gymnasium litterarum oder scolarum, auch archi-
gymnasium wird erst später häufiger.
Die Ausbildung der eigentümlichen Formen der Grade, der Rechte
etc. ist gleichbedeutend mit dem Entstehen der Universitäten und un-
gefähr 1200 zu setzen. »Man kann (bei den ältesten Universitäten) eine
Periode der Ausbildung, aber kein Gründungsjahr nennen; denn sie sind
nicht gegründet worden.« (S. 106.)
Bis zur Entstehung der Universitäten wurde die Frage, ob dem
Staate oder der Kirche das Recht auf die Schulen zustehe, überhaupt
nicht aufgeworfen. Bezüglich der mittelalterlichen Lehrfreiheit kommt
Kaufmann zu einem etwas anderen Ergebnis, als Specht in seiner Ge-
schichte des mittelalterlichen Unterrichtswesens. Die Universitäten sind
aber ans keiner Gattung der früheren mittelalterlichen Schulen hervor-
gegangen, sondern »ans dem teilweise allerdings in Anlehnung an Kir-
chen- und Klosterschulen entwickelten Treiben eines Standes von Ge-
lehrten, die ans dem Lehren und Lernen einen Lebensberuf machten.«
(S. 120.) Der Typus eines solchen Gelehrten ist der glänzende Abälard,
^^^^^^^m^^^^^^mmm^
KaafJDsaim, Geschiebte der deutschen UniversitAten. 7
der Schalen gründete und wieder auflöste, ganz wie es ihm gut dtlnkte,
auch schon, ehe er Geistlicher geworden.
Ein weiterer Abschnitt behandelt »Die Schulzucht und die akade-
mische Freiheitc (S. 139 — 156). In den Klosterschulen herrschte die
gröfste Strenge und genaue Beaufsichtigung. »In der Schule sein, das
hiefs unter der Rute sein.c Dagegen führten die nicht klösterlichen
Scholaren ein ziemlich ungebundenes Leben. »Die akademische Freiheit
artete vielfach in akademische Frechheit aus.c Die Freiheit des Stu-
dentenlebens bltthte schon im 12. Jahrhundert, lange vor der eigentlichen
Existenz der Universitäten, wie man aus den Yagantenliedern ersieht
Verfasser solcher sind der deutsche Archipoet unter Barbarossa, der
Engländer Walter Mapes und der Franzose Walter von Ghatillon. Dem
jugendfrischen Treiben der Scholaren hängt aber auch ein gut Stttck
Gemeinheit an.
Das dritte Kapitel »Die Stadtuniversitäten Italiensc bespricht zu-
erst die Entstehung der Universität, die meist spontan, aus eigener Kraft
durch den Zusammenschlafs verschiedener Lehrer mit ihren Schulen er-
folgte. Zahlreiche Bedürfnisse drängten dazu, Ordnung und Regel in
der bisherigen Vielheit zu schaffen. Nur in Deutschland, wo es im
13. Jahrhundert nicht zu Universitäten kam, erfolgten die späteren
Gründungen durch einen besonderen Akt und nach dem Muster schon
vorhandener Hochschulen. Ähnlich in Spanien.
Bologna, das im 12. Jahrhundert alle Rechtsschulen überstrahlte,
war nicht die älteste: im 11. Jahrhundert hatten Pavia und Ravenna
gröfsere Bedeutung. Das erste Privileg für Bologna ist die von Kaiser
Friedrich I erlassene Authentica, nach dem Anfangsworte Habita ge-
nannt, vom November 1158. Dieses Gesetz nahm alle in Schutz, welche
causa Studiorum peregrinantur, solche dürfe man nicht für die Schulden
oder Vergehen eines Landsmannes haftbar machen. Die Habita war
zwar ftlr alle Schulen gegeben, aber ihr Einflufs zeigt sich am stärksten
in Italien. Im Kampfe mit anderen Städten sah sich Bologna genötigt,
Gehälter ftkr die Professoren einzuführen, um dieselben festzuhalten.
Aber trotzdem war die Professur ein Gewerbe und kein Amt, die Uni-
versitäten waren die Märkte, auf denen die Gelehrten ihre Arbeit
ausboten.
Die EntWickelung der Korporation war ein Bildungsprocefs,
vergleichbar der Bildung der Hansen oder Kaufmannsgilden an fremden
Orten. Lehrer und Schüler vereinigten sich zu einer Korporation, nicht
weil sie Schüler und Lehrer waren, sondern als Fremde. Die orts-
bflrtigen Scholaren gehörten zur universitas civium. In der ersten Hälfte
des 13. Jahrhunderts zerschmolzen die verschiedenen Teil verbände der
Bologneser Scholaren zu den zwei grofsen universitates oder Nationen
der Citramontanen und Ultramontanen.
Bezüglich der Promotion ist ein päpstliches Dekretale von 1219
g Schnlgesehidit«.
duB erste Zeugnis fbr eine fönnliefae Prftfang zur Erteilung der Licenz
oder venia legendi. Aber noch ehe das 13. Jahrhundert zu Ende ge-
gangen, war in Bologna der Dpktortitel weniger eine LehrberechUgung,
ai^ eine Art Adel. Viele aber lehrten, ohne die Doktorwürde zu be-
sitzen; doch herrschte in Italien im allgemeinen die Meinung, daTs der
Professor promoviert haben solle.
Im übrigen aber trieben sie das Lehren ¥rie ein OeschAit; sie
priesen ihre Vorlesungen an, besuchten die Scholaren in deren Woh-
nungen, um sie zum Belegen zu veranlassen und dergleichen n|ehr. In
Folge der anderen Stellung der Pariser Lehrer kam das dort nicht vor.
Nach der Studienordnung bestand der wissenschaftliche Unter-
richt in ordentlichen und auTserordentlichen Vorlesungen (lectiones
ordinariae und extraordinariae), Bepetitionen und Disputationen. Dies
blieb so bis in das 17. Jahrhundert.
Die Statuten von Padua, Perugia und Florenz, deren Statuten
Bologna nachgebildet sind, liefern manche Ergänzungen, aber auch chsr
rakterisüsche Abweichungen.
I9 einem kurzen Anhang über die bisherigen Listen der italieni-
schen Universitäten hebt Kaufmann hervor, dafs auch die von Denifle
aufgestellte liste Fehler hat.
Das vierte Kapitel behandelt iDie Kanzleruniversitftten in
Frankreich und Englandf. In Frankreich finden sich in den Städten
Reims, Orange, MontpeUier und Avignon Anfänge einer Organisation
auf Grund der Habita. Dagegen erfolgte in Paris, Angers, Toulouse und
Orleans, den wichtigsten Mittelpunkten für die Ausbildung des akademi-
schen licbens in Frankreich, die Entwickelung im Anschlnfs oder der
Anlehnung an kirchliche Institute oder unter dem Einflufs kirchlicher
Gewalten. Meist waren dies die Bischöfe und ihre Kapitel. Eines der
angesehensten Mitglieder des Kapitels war der Kanzler, der in der
Regel auch den Magister der- Domschule zu bestellen hattp. Daraus
entwickelte sich auch seine Stellung zur Universität, und so benutzt
Kaufmann den Ausdruck Kanzleruniversität, wenn auch in manchen
Kapiteitn der betreffende Kanonikus, der dieses Amt verwaltete, nicht
Eenzler hiefs.
Am einfachsten und reinsten entwickelte sich dies VerhältQis zu
Orleans, wo schon im 12. Jahrhundert ein reges wissenschaftliches
Leben bestand, aus dem sodann die Universität entstand, deren Leiter
der Scholaster war.
In Paris waren im 12. Jahrhundert die Schulen der Kathedrale
auf der Seine-Insel (inter duos pontes) und der Abtei S. Genovefa (in
monte), deren Rivalität durch die wissenschaftlichen und socialen Be-
dürfiiisse der Scholaren überwogen wurde. Sie werden mit dem Aus-
druck Scholae Parisienses zusammengefafst« Die Scholaren werden dem
geistlichen Gericht unterstellt, und damit wurde die Residenspflicht des
Ranfjasann, Geschichte der deatschen ünivenit&ten. 9
Kanzlers im Kapitel wegen der vielen Geschäfte nötig. Lehrer und
Schüler wurden im Anfang des 18. Jahrhunderts in eine Korporation,
die communitas scholarium, vereinigt Die Bestimmnngen von 1207 und
die sogenannte Konhordia von 1213 wurden unter Leitung des päpst-
lichen Legaten Bobert de Gour^on in ein Aktenstück zusammengefafst
Mehrfach nahm sich sodann der päpstliche Stuhl der Doktoren und
Scholaren gegen den Bischof an.
Ein Streit zwischen Krone und Universität im Jahre 1229 fbhrte
zu einer Zerstreuung der Hochschule, und erst eine Bulle des Papstes
Gregor IX. von 1281 schlichtete den Streit mehr zu Gunsten der Uni-
versität, so dafs diese wieder nach Paris zurückkehrte. Durch den nun-
mehr 20 Jahre dauernden Kampf hatte sich das Studium von Paris
neben dem Bischof und Kanzler, sowie neben den königlichen Behörden
und der Stadt eine eigenartige Selbständigkeit errungen. Auch die Be-
deutung des Kanzlers im Kapitel war gewachsen.
Die Universität gliederte sich in Fakultäten und Nationen, welche
Abteilungen sich durcheinander schoben. Die Fakultäten waren die der
Theologie, des Rechts, der Medicin und der Artes oder Philosophie.
Die drei ersten hiessen die oberen Fakultäten. Aber gerade in der
Artistenfakultät spielte sich das wissenschaftliche Leben ab: hier foch-
ten die Scholastiker und Humanisten um den Vorrang; hier fanden die
Kämpfe um Aristoteles und die zwischen^ Realismus und Nominalia*
mus statt
Die Artisten gliederten sich in vier Nationen: Gallier (Franzosen),
Engländer (später Deutsche genannt), Pikarden und Normannen, Jiber
deren Alter vielfach gestritten wird. Später gehörten auch die Scho-
laren der oberen Fakultäten und die Magistri der Artisten zu den Na-
tionen. Unter diesen fanden oft Streitigkeiten statt, die einen erheb-
lichen Teil der in der Universität vereinigten Kräfte verbrauchten.
In den beiden ersten Jahrzehnten ihres Bestehens hatte die Uni*
versität weder einen Rektor noch einen geschäftsführenden Vorstand.
Di^ ältesten Erwähnungen des Rektors fallen 1287 und 1244. Dessen
Amt heifst Officium reotoriae universitatis, er war zugleich Vorstand der
Artistenfakultät. Die anderen Fakultäten hatten ihre eigenen Dekane.
Di^ Magistri der oberen Fakultäten hatten kein Wahlrecht bei der
Wahl des Rektors. Je länger die Universität bestand, desto bedeutender
wurde die Stellung des Rektors, der dann auch mit dem Kanzler in
Streit geriet, und in diesem Kampfe wurde sich die Universität .ihrer
Stellung und Organisation immer deutlicher bewfust.
Mitten in dieser Entwickelung wurde die Universität in einen
Kampf mit den beiden Bettelorden der Dominikaner und Franziskaner
verwickelt, welcbe im Anfang des 13. Jahrhunderts entstanden waren.
Die gröfste Bedeutung errangen die Dominikaner in Paris, die Franzis-
kaner in Oxford. Der Kampf begann um die theologische Fakultät, an
10 Scbolgeschichte.
der die Dominikaner zwei Professuren erlangt hatten. Aber scbliefslich
unterlag die Universität 1259, da der Papst sich der Dominikaner an-
nahm. Doch trafen die Befärchtungen , welche die Universität gehabt
hatte, nachträglich nicht ein. Auch waren die Dominikanerscholaren
meist Männer von 80 Jahren und dar&ber, die dem Studium mit Eifer
oblagen.
Der Vorteil, welchen die Dominikaner durch ihr sorgenfreies Leben
im Kloster genossen, war so einleuchtend, dafs man sich auch von Seiten
des Weltklerus diesen Vorteil durch Grtlndung von Kollegien zu ver-
schaffen suchte. Den Anfang machte Robert von Sorben, ein bei dem
König in Gunst stehender Kanonikus von Gambrai. Dieses Kollegium
hatte eine feste Hausordnung, liefs aber sonst genügende Freiheit. Bald
wurde dasselbe, die Sorbonne genannt, der eigentliche Kern der theo-
logischen Fakultät und erlangte einen Weltruf. Man war stolz auf den
Zusatz Gollegü Sorbonii bei dem Titel Magister (Doctor) facultatis theo-
logiae Parisius.
Der Sorbonne an Ruhm am nächsten kam das Collegium von
Navarra oder von Champagne, durch die Königin Johanna, die
Gemahlin Philipps des Schönen 1305 gegründet und 1315 mit genaueren
Statuten versehen. Die Mitglieder zerfielen in drei Abteilungen:
Grammatiker (20), Artisten (30) und Theologen (20). Die Leitung des
Kollegiums hatte eine Kommission, bestehend aus dem Bischof von
Meaux, dem Abt von St. Denis, dem Kanzler und dem Dekan der
theologischen Fakultät und einem Magister der Theologie, welche die
Schc^aren beaufsichtigte.
Die anderen Kollegien stehen hinter den genannten an Bedeutung
zurück, so das CoUegium Harcurianum, gestiftet 131] vom Bischof von
Goutances für 40 Scholaren, wovon 28 Artisten und 12 Theologen sein
sollten; für diese Stellen hatten die Normannen ein Vorzugsrecht für
eine bestimmte Anzahl von Stellen.
Von 1200—1500 entstanden 50 solcher Kollegien in Paris; von
85 derselben ist die Zahl der Mitglieder bekannt, die zusammen 680
beträgt. Am stärksten war das Interesse für Gründung solcher Studien-
häuser in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts.
Wer in diesen Kollegienhäusem keine Aufnahme fand, für den
gab es sogenannte Pädagogia, Privatschulen mit Pension, »unseren
Alumnaten vergleichbar, in denen Scholaren Unterhalt und Unterricht
fanden.! Diese Schnlindustrie, welche in Bologna und Oxford älter ist,
blühte im 14. und 15. Jahrhundert in höherem Grade. Aber auch über
diese Privatanstalten übte die Universität eine Art von Aufsicht, und
1452 wurde ausgesprochen, dafs niemand eine solche Anstalt gründen
dürfe ohne Erlaubnis des Rektors und der Prokuratoren.
Die Bedeutung der Kollegien für die Universität ist nicht gering
anzuschlagen. Sie halfen dem sozialen Elend und dem wüsten Treiben
Kaufmann, Geschichte der dentschen Universitäten. 11
der Scholaren einigermafsen ab; sie ermöglichten manchem tüchtigen
Mann das Studium, dem es sonst unmöglich gewesen. Aber auch rein
wissenschaftlich haben sie Segen gestiftet. »Der Einflufs der Sorbonne
und die Bedeutung, welche die Zöglinge des Kollegiums Navarra Peter
d' Ailly und Johannes Gerson für die Theologie gewonnen haben , sind
allein schon glänzende Beweise dafür, wie viel Paris den Kollegien
verdankt, c
Die Fälle konkurrierender Behörden an der Universität erzeugte
zahlreiche und beständige Streitigkeiten. Die theologische Fakultät be-
stand aus Gruppen von Magistern, Baccalaren und Scholaren, die als
Mitglieder eines Kapitels oder eines Ordens oder Besitzer einer Pfründe
zahlreiche sonstige Verpflichtungen hatten, so dafs man diese Fakultät
eine Föderativrepublik von Korporationen genannt hat. Kaufmann er-
klärt, dafs man das Gleiche von den Artisten und der ganzen Universität
sagen könne.
Schliefslich sucht der Verfasser darzuthun, dafs die Kollegien und
und Pädagogien keineswegs, wie behauptet wurde, die alte libertas
scholastica des 13. Jahrhunderts vernichtet haben. Die Scholaren der
erwähnten Anstalten sind keineswegs Schüler, sondern immer noch Stu-
denten. Zugegeben wird, dafs der frische Geist der Forschung von
ehedem im 15. Jahrhundert gewichen war. »Die mittelalterliche Form
des Studiums hatte sich überlebt, es war an der Zeit, dafs auch die
Träger desselben, die mittelalterlichen Universitäten, den Schulen der
Neuzeit Platz machten.c
In dem folgenden Abschnitt wird von den englischen Univer-
sitäten gehandelt. Während im 12. Jahrhundert Oxford hinter Paris
noch zurückstand, entwickelte es im 13. Jahrhundert die Korporation
der Magistri noch etwas früher als Paris. Urkunden über die Verfassung
von Oxford existieren erst seit der Mitte des 13. Jahrhunderts. Auch
die Universität Oxford entwickelte sich in Anlehnung an eine kirchliche
Behörde; auch die Einrichtung mit dem Magistercollegium , das ohne
Besoldung war etc., ist ähnlich wie in Paris. In dem bloss nationalen
Oxford zerfielen die Scholaren in Nord- und Südlente. •
Auch Cambridge entstand wie Oxford durch Ausbildung hier
von schon länger blühenden Schulen. Aber trotz aller Abhängigkeit von Ox-
ford darf es nicht als einfache Nachbildung von diesem betrachtet werden.
Im fünften Kapitel werden »die Staatsuniversitäten und
die spanischen Universitäten« behandelt. Neben den Stadtuniver-
sitäten, wie Bologna, Modena, und den Kanzleruniversitäten, wie Paris
und Oxford, gibt es auch Staatsuniversitäten, schon im Mittelalter, wie
Neapel und Palencia, wiewohl bei letzterem auch die Kirche ihren An-
teil bei der Gründung hat. Die Gründungsurkunde für Neapel ist von
Kaiser Friedrich II. 1224 erlassen Die Hochschule wurde als eine An-
stalt für den Staat und als eine Anstalt des Staates geordnet«
12 Scholgescbichte.
Friedrichs Sohn Koiurad veriegte die Schale nach Saleroo. In
allen wichtigen Fragen hatte der königliche Justitiar die eigemt*
liehe Entscheidung.
Die spanischen Universitäten haben den Typus der Staatsuniver-
sität nicht so rein ausgeprägt. So neigt z. B. Lerida stark nach der
Form der italienischen Stadtuniversitäten, besonders Bologna. Zur Unter*
haltung der Hochschule zieht der König die Stadt und das Bistum mit
heran. Aber wie auch die spanischen Universitäten sich unter dem Ein-
flufs von Frankreich und Italien entwickelten, so bewahrten sie doch
mehr Selbständigkeit als die Deutschen.
Ein sechstes Kapitel behandelt »Die Gleichartigkeit in der
Entwicklung der Universitäten, im besonderen die akade-
mischen Grade und die Stiftungsbriefe.« Trotz grofser Ver-
schiedenheiten in Frankreich und Italien vollzog sich an diesen Univer-
sitäten eine gleichartige Entwicklung. Gemeinsam war die Einteilung
in ordentliche und aufserordentliche Vorlesungen, ebenso die Vorschriften
über die Vorlesung selbst, die Einteilung des Studieigahres. Bei aller
Übereinstimmung zeigt die Einrichtung der Grade doch sehr wesentliohe
Verschiedenheiten. Besonders eingehend wird von den Ldoentiaten ge-
handelt
Der Anhang enthält mehrere Spezialuntersuchungeli, worin sich
Kau&uann über Einzelfragen ausspricht, auch mit seinem Gegner Denifle
auseinandersetzt. Erfreulich ist der leidenschaftslose Ton in der Polemik
dieser Abschnitte wie auch im ganzen Buche. Hoffen wir, dafs es dem
Verfasser vergönnt ist, recht bald die Fortsetzung seines lehrreichen
und an neuen Ergebnissen so reichen Werkes uns zu schenken.
Auf alle mittelalterlichen Hochschulen erstreckt sich:
Dr. Heinrich Suter: Die Mathematik auf den Universitäten des
Mittelalters. (Festschrift der Kantonsschule zu Zttrich zur Züricher
PhilologenversammluDg. S. 39—96)
Der Inhalt dieser fleifsigen Schrift ist in drei Abschnitte gegliedert,
von denen die zwei ersten als Einleitung zu betrachten sind.
Im ersten wird auf Grund der bekannten Werke von Buläus, Hu-
ber, Savigny, Paulsen, Denifle u. a. — jetzt kommt dazu noch das Werk
Kaufinanns — die Entstehung der Universitäten dargestellt Der Ver^
fasser ist der Meinung, dafs die ältesten Universitäten aus den Kloster-,
Dom- und Stiftsschulen herausgewachsen sind, wobei ihm der Umstand,
dafs der Kanzler der Abtei oder des Domstiftes auch der Kanzler der
ältesten Hochschulen war, einen wichtigen Beweisgrund abgab.
Die Entstehung der deutschen Hochschulen unterscheidet sieh von
den ältesten italienischen und französischen dadurch, dafs man bei den
deutschen den Tag, an welchem sie zu Studia generalia erhoben wurden,
durch das Datum der päpstlichen Errichtungsbulle genau angeben kann.
Km&BiKsmu jiiMw-r:
Sater, Die Mathematik aaf den UniTenit&ten. (3
Sodann wird die Organisation der mittelalterlichen Hochschulen
kurz entwickelt: den Grundstock der Hochschule bildete die Artisten-
fakultät, so genannt von den sieben liberales Artes, deren Lehrer wie
Schüler sie umfafste. An mehreren Hochschulen teilte sich diese Ver-
einigung Yon Lehrern und Schttlem in Nationen; in Paris hiefsen sie
die französische, normannische, picardische und englische Nation, welch
letztere später die deutsche genannt wurde. An die Artistenfakultät
schlössen sich die drei oberen Fakultäten, die theologische, juristische
und medizinische, als selbständige Korporationen an, jede mit ihrem
Dekan an der Spitze.
Den Lern- und Lehrgang an den mittelalterlichen Universitäten
schildert der Verfasser mit Paulsens Worten. Die Einrichtung der
Kollegien und Bursen wird kurz besprochen.
Im Abschnitt II wird der Lehrgang der Artistenfakultät behandelt.
Die Lehrgegenstände waren die bekannten sieben freien Künste; zur
Physik gehorten auch die Disziplinen des Quadrivinms. Die üblichsten
Vortesungen auf diesem Gebiete waren: Algorismus, computus, sphaera
materialis, arithmetica, theorica planetarum, proportiones, geometria,
laUtudines formarum, perspeotiva communis, musica.
Zu den Vorlesungen traten die Exereitien und Disputationen hin-
zu, welche die Aufgabe hatten, den Wissensstoff tüchtig zu befestigen.
Unter den Disputationen nahm die quodlibetida die wichtigste Stelle ein.
Sie wurde nur einmal im Jahre abgehalten, war «in wichtiger Festakt
für die ganze Hochschule und nahm immer mehrere Tage in Anspruch,
manchmal sogar Wochen. Der Vortrag in den Vorlesungen sehlofs sich
an das vorgeschriebene Lehrbuch an und artete gelegentlich trotz wieder-
holter Verbote in das Diktieren der Erklärungen, die nominatio ad
pennam, aus.
Erst im dritten Abschnitt wird der eigentliche Gegenstand des
Themas behandelt. Die hervorragenden Mathematiker, ihre Lehrbücher
und sonstigen litterarischen Leistungen werden besprochen, die ein-
zelnen Hochschulen und ihre Leistungen durchgegangen. Der Ver-
fasser führt seine Darstellung herunter bis auf die Zeit des Huma-
nismus, der freilich aus Mangel an Raum nicht mehr recht besprochen
werden kann.
Am Schlüsse spricht Suter sein Bedauern aus, dafs er S. Günthers
»Geschichte des mathematischen Unterrichtes im deutschen Mittelalter
bis zum Jahre 1525c (Bd. III der Monumenta Germaniae paedagogica)
nicht mehr für seine Arbeit benutzen konnte. Günthers Werk erschien
erst, als Suters Arbeit schon dem Drucke übergeben war. »Keine der
beiden Schriften wird, wie es im Wesen menschlicher Werke begründet
liegt, vollkommen sein — daffi sie sich in manchen Punkten frucht-
tragend für die maihefiiatisch-historische Forschung ergänzen mOgen, Ist
mein iimigster Wunseh.c
14 Schulgescbichte.
Der wertvollste Teil der Arbeit ist Abschnitt III. Leider aber
bricht der Verfasser gerade da ab, wo sein Thema anfängt interessant
zn werden. Er hätte besser daran gethan, statt der zwei ersten Ab-
schnitte, in denen er doch nur referiert, die Geschichte des mathemati-
schen Unterrfichtes, wie er sich unter dem Einflufs des Humanismus ge-
staltete, zu geben. Denn erst in der Humanistenzeit und durch die
Humanisten bekamen die mathematischen Studien neues Leben. Bezeich-
nend ist, dafs der berühmte Humanist Eonrad Celtis der Stifter eines
CoUeginm poetarum et mathematicorum ist Unter dem Einflüsse des
Humanismus wurden überall an den Hochschulen Lehrstühle für die
mathematischen Wissenschaften geschaffen, so z. B. in Wittenberg und
Heidelberg. An letzterer Hochschule las der Humanist Adam Werner
von Theroar in der Artistenfakultät über Mathematik, wie sein noch in
der Münchener Handschriftensammlung vorhandenes Kollegienheft zum
Algorithmus darthut.
Im übrigen aber läfst sich aus unserer Arbeit reiche Belehrung
gewinnen und bietet dieselbe manche Ergänzungen zu der wertvollen
Arbeit Günthers.
Zu S. 89 sei bemerkt, dafs der Verfasser bei Töpke (die Matrikel
der Universität Heidelberg, II, 655 ff.), wo das Vermögensverzeichnis
der Universität vom Jahre 1896 und der Accessionskatalog der Univer-
sitätsbibliothek von 1396 bis 1432 abgedruckt ist, wertvolle Angaben
über mathematische Bücher im Besitze der Universität finden kann.
Für die deutschen Hochschulen waren die italienischen und fran-
zösischen die Vorbilder. Wir wenden uns deshalb zuerst zn den Pu-
blikationen, welche die Geschichte Bolognas behandeb, und die an-
läfslich des 800jährigen Jubelfestes der Universität etwas zahlreicher
als gewöhnlich sind.
Acta Nationis Germanicae universitatis Bononiensis ex
archetypis tabularii Malvezziani iussu instituti Germanici Savignyani
ediderunt Ernestus Friedländer et Carolus Malagola. Cum quinque
tabulis. Berolini typis et impensis Georgii Reimeri. MDCCCLXXXVII.
fol. XXXIX und 508 p.
Die vortrefflich ausgestattete Publikation, zu der sich ein deutscher
und italienischer Gelehrter vereinigt haben, verdankt die Möglichkeit
ihrer Drucklegung nur der Freigebigkeit des deutschen Kaisers und den
Mitteln der Savigny- Stiftung.
In der ersten Vorrede (p. VII— XX) gibt Friedländer Auskunft
über die handschriftlichen Vorlagen des Werkes, von denen Malagola
in seiner Schrift: I libri della Nazione Tedesca presse lo studio Bo-
lognese (Modena 1884) schon ausführlich berichtet hatte. Als im Jahre
1796 durch den Franzosenstunn die altehrwürdige Universität Bologna
zu Grunde ging, da scheinen die Akten der deutschen Nation verschleu-
Friedl&nder-Malagola, Acta Dationis Oerroanicae. 15
dort worden zu sein. Im Jahre 1825 fand Josephe Maria Malvezzi de^
Medici, der Sinn für die Sammlang bibliothekarischer und archivalischer
Schätze hatte, die für unsere Publikation wichtigen Aktenstücke und
erwarb sie für sein Hausarchiv.
Von den in Frage kommenden Aktenstücken werden viererlei her-
vorgehoben: 1. Die auf die Statuten und Privilegien bezüglichen.
2. Die Matrikeln. 3. Die Annalen. 4. »Liber armorum.c — Hierzu
sei bemerkt, dafs der Carolus Henricus Hapferer (p. IX) wahrscheinlich
aus Capferer verlesen ist, so nämlich heifst eine heute noch zu Freiburg
i. B. existierende Familie.
Ein weiterer Abschnitt der Praefatio, welchen Malagola geschrieben
(p. XXI ~ XXXIX), behandelt: »Memorabilia nationis Germanicae in
studio Bononiensic in folgenden Kapiteln: I. De Bononiensium Studio,
Universitatibus, Nationibus. II. De constitutione Nationis Germanicae.
III. De Nationis privilegiis. IV. De rebus a Natione Bononiae gestis.
y. De sodalibus Nationis Germanicae.
Da nicht sämtliche Jahrgänge der Matrikel erhalten sind, so
kann auch die Zahl der deutschen Studenten nicht sicher festgestellt
werden. In den 322 Jahren aber, für welche die Matrikel erhalten istf
wurden 6694 inscribiert. Darnach dürfte nach einer Durchschnitts-
berechnnng die Gesamtzahl der Mitglieder der deutschen Nation etwa
10 800 gewesen sein. Das ist in der That eine bedeutende Ziffer; der
Einflufs einer so grofsen Anzahl Studierender, die ihre Bildung in Bo-
logna holten, mufs darum für sehr erheblich angesehen werden.
Malagola macht auf die grofse Zahl von deutschen Fürsten auf-
merksam, welche im Laufe der Zeit der deutschen Nation angehört haben.
Voran steht das Hans Habsburg, dann folgt Baden. Ans dem bayeri-
schen Haus werden fünf genannt; ferner sind vertreten Braunschweig,
Sachsen, Württemberg etc.
Ein weiterer Abschnitt (p. 1—15) gibt den Abdruck der Statuten.
Unter den von der Nation zu feiernden Festtagen erscheint neben den
christlichen Hauptfesten und wichtigsten Marientagen auch das Fest der
heiligen Katharina: Eatherine festivitas, nationis nostre dive tntelaris.
An den Abdruck der Privilegien (S. 19 — 81), deren es zehn sind,
und die von 1630 bis 1737 reichen, schliefsen sich die Annales an,
welche den hauptsächlichsten Inhalt des Werkes ausmachen. Sie be-
ginnen mit dem Jahre 1289 und reichen bis 1662 exclusive der Matri-
cula doctorum.
Ein vierter Abschnitt »Instrumentac (p. 345 — 426) gibt den Ab-
druck von Urkunden, welche von 1266—1543 reichen. In dem umfang-
reichen Index vermifst man zunächst die Vollständigkeit der Hinweise.
So sind z. B. unter Danzig noch die Formen verzeichnet: Dantiscum,
Danczke, Dangez, Gdanum, Gdanczk, Gdanzik. Es ist klar, dafs sämt-
liche neben Danzig hier verzeichneten Formen noch besonders in das
16 Sehnlgeschiehto.
Register anfeiinehnien waren. Da das nicht geschehen, so wird mancher
Benutzer des Werkes oft lange snchen müssen, bis er das Gesadite
findet. Von anderer Seite wurde bereits auf weitere Mängel des Index
aufmerksam gemacht, so dafs ich von einer blofoen Wiederholung an
dieser Stelle absehe.
Aus der Menge von wichtigen Oelehrtennamen, über weldie hier
Mitteilungen gegeben werden, sollen an dieser Stelle nur einige hervor-
gehoben werden, um die Wichtigkeit der Publikation zu veranschaulichen ;
wir w&hlen dabei die alphabetische Folge:
Zum Jahre 1518 (S. 288) Georgius Achznicht Moravns. Derselbe,
welcher sich Amelins später nannte (eine Ergänzug zu H. Schreiber,
Geschichte der Universität Freiburg, II, 353).
1487. Rudnlfus Agricola de Grunigen de Frida; übrigens eine
sehr auffallende Angabe, die kaum richtig sein kann, da Agricola den
27. Oktober 1486 zu Heidelberg gestorben ist. Ygl. E. Morneweg
Job. von Dalberg (Heidelberg 1887) S. 101.
1530. Cornelius Heüricus Agrippa (p. 298).
1500. Dominus Johannes Botzheim de Sasbach vicarius chathe-
dralis ecclesie Argentinensis (p. 257). Damit ist der bekannte Erasmianer
gemerat. Ergänzung zu K. Walchner Job. von Botzheim (Schaff hausen
1836) S. 6.
1496. Hermannus Busio (oder Bussius) de Westvalia (p. 247).
Diese Angabe über Hermann van dem Busche stimmt nicht recht za
Liessems H. van dem Busche I (Köln 1884) S. 4.
1509. Hermanus comes de Newenhere (p. 271), ist der als Freund
des Oeltis bekannte Graf Hermann von Nuenaar.
1509. Joannes desar Jnliacensis (p. 271).
1470. Gonradus Geltis Franco (p. 214). Dieser Aufenthalt lifet
sich mit der bis jetzt ziemlich allgemein angenommenen Chronologie des
Lebens von Celtis nicht vereinigen.
1558. Nicolaus Gisnerus (p. 386). Wahrscheinlich der später als
Historiker und lateinischer Dichter bekannte Heidelberger Professor.
1475. Nobilis et generosns dominus Bohuslaus de Hassenstein
baro de Bohemia (p. 219 u. 222), ist jedenfalls der als Humanist be-
kannte Freund des Geltis, den dieser später in Prag besuchte.
1612. Ulrichus de Hütten Franco (276 u. 281); genaure Fixiemng
za D. Straufs Ulrich v. Hütten (Leipzig 1871), 2. Aufl., 8. 67 ff.
1507. Christophorus Longolius (p. 269). Dazu fCIgte eine spätere
Hand: Gioeronianae phrasis peritissimus.
1448. Johannes Birckheymer patritios de Nornbergk (p. 194),
ist der Vater des berühmten Willibald Pirckheimer.
1517. Grotus Rubianus (p. 282).
1500. Thomas Truchses Spirensis etc. canonicus (p. 257, 268 etc.).
Auf einige chronolegisGhe Schwierigkeiten, gerade bei berühditen
-=T"
Annoario della regia tmlyersitä di Bologna. 17
Namen, wie Agrioola, Geltis, van dem Busche, machte bereits Th. Kolde
(Briegers Zeitschrift für Eirchengeschichte, X, 447) aufmerksam.
Sollte der Schlüssel dafür vielleicht darin zu suchen sein, dafs
wir keine eigentliche Matrikel, sondern nur ein Verzeichnis von Gaben
an die deutsche Nation vor uns haben? Solche Geschenke konnten auch
in Abwesenheit des Gebers in das Verzeichnis eingetragen werden.
Selbst der vorher eingetretene Tod des Schenkenden ist kein Grnnc)
dafür, dafs nicht sein Geschenk noch später eingetragen wird.
Aufschlufs darüber erhalten wir voraussichtlich durch die Arbeit
G. Knods, der einen eingehenden Index mit litterarischen Nachweisen
zu dem Werke ausarbeiten wird. Dann erst wird sich auch mit voller
Deutlichkeit zeigen, welch reiches und wichtiges Material zur Gelehrten-
und Kulturgeschichte diese umfangreiche Publikation enthält.
Annuario della regia universitä di Bologna. Anno scolastico
1887—88. Bologna 1887. 8^. 349 S.
Aus dem Inhalt des umfangreichen Bandes seien folgende Nommem
erwähnt: 1. Parole del Rettore. — 2. Discorso inaugurale. — 8. Ordine
degli Studi. — Sodann folgen Verzeichnisse des Lehrkörpers nach Fa-
kultäten : voran steht die Facoltä di Lettere e Filosofia, Facoltä di Scieaze
Matematiche, Fisiche e naturali, Facoltä di Giurisprudenza. Daran
reihen sich die Schulen: Scuola di Farmacia, Scuola di Medicina Vete«
rinaria, Scuola d'Applicazione per gli Ingegneri, Scuola di Magistero.
Unter den Professoren der Facoltä di I^ettere e Filosofia werden,
was für den »Jahresberichte von Wichtigkeit ist, aufgezählt Professori
di Letteratura Greca, di Filologia Indo Europea, di Letteratnra Italiana,
di Letteratura Latina, di Archeologia e Numismatica, di Storia antica,
di Pedagogia, di Storia comparata delle letterature neo latine etc.
Bei einer Vergleichung mit der deutschen Organisation fUlt am
meisten das Fehlen der theologischen Fakultät auf.
Aus dem Calendario ed Orari delle lezioni ergibt sich, dafs die
Vorlesungen, allerdings mit geringen Unterbrechungen, von Oktober bis
Mai reichen, so dafs die vier heifsen Monate von Juni bis September
incl. Ferien sind. Für die Vorlesungen scheinen die frühen Morgen-
stunden wenig beliebt; selten nur fällt eine solche vor neun Uhr morgens.
Einen besonderen, auch geschichtlichen Wert hat das Verzeichnis
der Rektoren Bolognas, welches der als Schriftsteller rühmlich bekannte
Archivar Carlo Malagola beigefügt hat (S. 196—255): I rettori nell*
antico studio e nella moderna universitä di Bologna beginnen mit 1244.
Unter der grofsen Zahl deutscher Namen sind jedoch verhältnismäfaig
wenige, welche litterarisch oder wissenschaftlich sich ausgezei^shnet haben.
Auf S. 317 ist die Frequenz der Bologneser Hochschule seit dem
Jahre 1839 verzeichnet. Abgesehen von geringen Schwankungen stellt
dieselbe eine aufsteigende Linie dar. Merkwürdig, dafs auch in Italien
Jahresbericht fUr Altertumswissensohaft. LXIX. (1891. III.) 2
] g Scbnlgeschicbte.
dieselbe Erscheioung wie in Deutschland zutage tritt, eines sehr beträcht-
lichen Anwachsens derer, welche akademische Studien machen. Bezeich-
nend sind folgende Zahlen: im Jahre 1878 sind es 566 Stodenteo,
1879:581, 1880:668, 1881:733, 1882:826, 1883:952, 1884:1127,
1885 : 1308, 1886 : 1298, 1887 : 1338, 1888 : 1391.
Daran schlierst sich eine Zusammenstellung der Frequenz sämt-
licher italienischen Hochschulen in den letzten fQnf Jahren. Daraus er-
gibt sich, dafs das Königreich Italien 21 Hochschulen hat, von welchen
am besuchtesten sind Napoli mit 4083 Studenten, Torino mit 2102,
Bologna mit 1338, Roma mit 1254. Wie klein sind daneben
Universitäten wie Ferrara mit 42 Studenten, Camerino mit 75, Urbino
mit 89, Macerata mit 99 Studenten. Dagegen erscheinen selbst die
kleinsten deutschen Hochschulen noch glänzend besucht.
Hermann Fitting. Die Anfänge der Rechtsschule zu Bologna.
Berlin und Leipzig 1888. 8^.
Im Vorwort setzt der Verfasser zunächst auseinander, dafs seine
Schrift ihre Entstehung der Aufforderung eines italienischen Freundes
verdanke, der ihm geschrieben hatte, man erwarte von ihm fttr das 800-
jährige Jubiläum eine Festschrift.
In einem ersten Abschnitt legt Fitting die bisherigen Ansichten
dar, welche man von dem »Betrieb des Rechtes vor dem Auftreten der
Bologneser Schulet hatte. Dagegen will er den Beweis erbringen, dafs
die Pflege des römischen Rechtes nicht erst durch Irnerius von neuem
erweckt wurde.
Lange vor dem Auftreten des Irnerius, zu allen Zeiten des Mittel-
alters, wurde das römische Recht gelehrt. Die Bologneser Schule selbst
hat in der Erteilung des Rechtsunterrichtes durch Irnerius niemals et-
was Neues gesehen.
Die frühere unrichtige Vorstellung hing mit dem Irrtum zusammen,
dafs nach langer geistiger Nacht erst mit dem 12. Jahrhundert wieder
Wissenschaft und Schule in Italien erstanden seien. »Diese Vorstellung
mufs aber nach dem heutigen Stande der Forschung rückhaltlos aufge-
geben werden. Nichts ist sicherer, als dafs auch in den schlimmsten
Zeiten des früheren Mittelalters Kunst und Wissenschaft nicht voll-
ständig erloschene.
Unter den Gelehrten, denen wir diese neue Ansicht danken, wer-
den genannt Giesebrecht, der Franzose Ozanam, der an Giesebrecht an-
knüpfte, der Italiener A. Gloria, der Schweizer Gabriel Meier und die
Deutschen Specht und Hartwig.
Ein Rest der Bildung des Altertums wurde durch die Kirche stets
bewahrt und damit die Entwickelung der modernen Wissenschaft ver-
mittelt.
lo den christlichen Schulen wurden die sog. sieben freien Künste
Fitting, Bechtsschule in Bologna. 19
gelehrt > die nach der flblicfaen Einteilung in Trivium und Quadriyium
zerfielen. Wie im Altertum, schlofs sich auch im früheren Mittel-
alter an die zum Trivium gehörige Rhetorik ein gewisser Rechts-
unterricht an. £ine Anzahl von Stellen beweisen diesen juristischen
Unterricht, für das sechste und siebente Jahrhundert unwidersprechlich
(S. 16 ff.). Die Rechtskunde wurde eben zu den Artes liberales ge-
rechnet.
Zu der Zahl der Beweisstellen , welche Fitting vermehrt, tritt als
ergänzender Grund die Thatsache hinzu, dafs Irnerius zuerst Lehrer der
Artes war, ehe er sich der Lehre des römischen Rechtes zuwandte.
Schon im Altertum schlofs übrigens das Trivium mit der Behandlung
des genus iudiciale ab, eine Einrichtung, die auch im Mittelalter sich
nicht geändert hat.
Die zwei praktischen Ziele der Rhetorik waren eine Anleitung zur
gerichtlichen Beredsamkeit und das Dictamen prosaicum, d. h. die An-
leitung, Briefe und andere Schriftstücke, namentlich geschäftlichen In-
haltes, nach Form und Inhalt richtig abzufassen. Auch darin blieb man
der antiken Tradition treu, dafs man im ersten Teil des Mittelalters das
römische Recht dem Unterricht zu Grunde legte.
Im übrigen kann die Schrift Fittings, so wertvoll dieselbe wissen-
schaftlich sein mag, im Rahmen unseres Jahresberichtes nicht weiter
besprochen werden.
Eine litterarische Huldigung für die Bologneser Hochschule ent-
hält auch folgender Band:
Per rVIII Gentenario della Universitä di Bologna. Studi
giuridici e storici. Roma. L. Pasqualucci, Editore 1888. 317 S.
Das Register verzeichnet als Inhalt folgende Arbeiten:
1. Sopra un Senatoconsulto fatto nell' anno 176 delF era volgare.
Memoria die Uario Alibrandi, giä professore nelP Universitä di Roma.
2 I Giureconsulti di Pisa al tempo della Scuola bolognese, e al-
cune ricerche sull' uso che si fece in questa scuola del celebre manos-
critto pisano. Memoria di Francesco Buonamici, professore neu* Uni-
versitä di Pisa.
3. I diritti del creditore sopra V isola nata nel fiume. Memoria
di Pietro Gogliolo, professore nell' Universitä di Modena.
4. Sull* esistenza della formola proibitoria nelF Albo pretorio.
Memoria di Contardo Ferrini, professore neir Universitä di Messina.
5. II concetto giuridico del tesoro nel diritto romano e odierno.
Memoria di Muzio Pampaloni, professore neU* Universitä di Siena.
6. Possesso delle cose e possesso del diritti nel diritto romano.
Memoria di Giuseppe Brini, professore nell' Universitä di Parma.
7. Deir origine dei legati. Memoria di Carlo Fad da, professore
nell' Universitä di Genova.
2*
20 SchalgeRcfaichte.
8. II possesso del precarista» Memoria di Vittorio Scialoja,
professore neir Uoiveraitä di Roma.
9. U possesso di parti di cosa. Note esegetiche. Memoria di
Silvio Perozzi, professore all' Universitä di Macerata.
Der Inhalt dieser Arbeiten liegt anfserhalb unserer Aufgabe. Fflr
ans Deatscfae erfreulich ist die Benutzung unserer gelehrten Litteratar
durch die Italiener, wie das aus den Anmerkungen hervorgeht.
Auch Grofsbritannien hat dem berühmten Bologna seine gelehrte
Huldigung dargebracht:
John Eirkpatrick Professor in the university of Edinburgh. The
octocentenary Festival of the University of Bologna June 1888. Edin-
burgh. James Thin, publisher to the university 1888.
Der Inhalt dieser mit englischer Oediegenheit ausgestatteten kleineD
Sehrift (solides Papier, schOne Lettern, hübscher Einband) besteht aus:
I. Beschreibung der studentischen Festlichkeiten, von dem Delegierteo
der Edinbnrger Studentenschaft — 2. Die Festrede zu dem 800-
jfthrigen Jubiläum von Professor Enrico Panzacchi. — 3. Die Jubi-
läumsadresse von Professor Giosu^ Carducci.
Diese Nummern sind schon auf dem Titelblatt verzeichnet Da-
neben fehlt einiges, was den Schlufs des kleinen Buches bildet, wie eine
lateinische Adresse von J. B. Gandini, die Übersetzung eines Briefes
von Kaiser Friedrich (Berlin 9. Juni 1888) und ein dreistropbiges deat-
sches Gedicht von Prof. F. von Holtzendorff.
Neben Bologna ist Paris die wichtigste mittelalterliche Hoch-
schule.
Obgleich mit Rücksicht auf den Zweck des »Jahresberichtesc nicht
genauer auf einen Aufsatz Denifles eingegangen werden kann, so soll
doch wenigstens wegen der grofsen Wichtigkeit der betreffenden Arbeit
deren Titel nebst Hauptinhalt hier kurz verzeichnet werden:
Die Statuten der Juristen-Unversität Bologna vom Jahre 1317 — 1347,
und deren Verhältnis zu denen Paduas, Perugias, Florenz (Archiv für
Litteratur- und Kirchengeschichte des Mittelalters III 196—397).
Die Arbeit besteht aus folgenden Abschnitten: 1. Die Statuten
der Universität Bologna vom Jahre 1317—1347. — 2. Verhältnis der
Statuten vom Jahre 1317 zu jenen vom Jahr. 1432, resp. zu den ge-
druckten. — 3. Die Statuten der Universität Bologna vom Jahre 1317
in ihrer Beziehung zu jenen der Universität Perugia und Florenz. —
4. Die Statuten der Universität Padua und jene Bolognas vom Jahre
1317. — 6. Die Puncta taxata oder die Ordnung der Vorlesungen an
der Universität Bologna Ende des 13. und im 14. Jahrhundert. — Sta-
tuta universitatis scholarium iuristarum Bononiens. — Beilage: De ori-
gine et progressu iuris scolastici Paduani.
Denifle, Das erste Studienhaus der Benedictlner. 21
Seit Jahren ist P. Heinrich Denifle mit Vorarbeiten zu einer
Geschichte der Universität Paris beschäftigt. Wertvolle Vorarbeiten
dazu enthält das von Denifle gemeinsam mit Franz Ehrle herausge-
gebene »Archiv f&r Litteratnr- und Kirchengeschichte des Mittelaltersc
(Berlin. Weidmann 1886 £f.), in dem auch die unmittelbar vorangehende
Arbeit sich befindet. Doch gehören mehrere dieser Arbeiten mehr in
die Kirchengeschichte als in den Rahmen des »Jahresberichts für Alter-
tumswissenschaftc , so dafs sie hier nicht eingehend besprochen werden
können.
Kurz erwähnt seien folgende:
H. Denifle. Das erste Studienhaus der Benedictlner an der Uni-
versität Paris (Archiv für Litteratnr- und Kirchengeschichte des Mittel-
alters, hrsgeg. von P. Heinrich Denifle 0. P. und Franz Ehrle S- J.
I 570—583.
Zur Blüte der Universität Paris trugen sehr wesentlich die Kolle-
gien bei, welche an derselben von verschiedenen Orden, für ihre Ordens-
mitglieder gegründet wurden. Die Geschichte der Häuser der Domini-
kaner, Franciskaner und Cisterzienser liegt nach des Verfassers Angabe
ziemlich klar vor, mehr Schwierigkeiten macht die Geschichte der übri-
gen Ordenshäuser, so auch der Benediktiner. Dieser Orden befand sich
gerade in einem Zustand der Erschlaffung, als die Hochschule Paris sich
konstituierte, woraus sich erklärt, dafs der alte Orden, der früher die
Wissenschaft allein pflegte, sich von den jüngeren überflügeln liefs.
Die Gründung des Kollegs St. Bernard, des Cisterzienserhauses,
fällt 1244—45. Anfangs mufsten die Religiösen desselben aus Mangel
an Lektoren ihren Unterricht auswärts suchen. Es scheint, dafs Abt
Johann von der Benediktiner-Abtei von Fleury das Beispiel der Cister-
zienser hatte nachahmen wollen. Erst 1260 wurden seine Bestimmungen
über die den Studierenden zu gewährenden Subsidien durch den ganzen
Konvent bestätigt.
Dem Beispiel der Benediktiner folgten die Gluniacenser, welche
1269 ein Kolleg in Paris gründeten, das bald zur Blüte gelangte.
Der Abdruck einiger Urkunden, voran das Decretum abbatis Jo-
hannis pro scholaribus, beschliefst die kleine lesenswerte Arbeit.
Einen weiteren Beitrag zur Geschichte der Hochschule Paris ent-
hält das Verzeichnis der »Magistri in theologia Parisiusc, welches De-
nifle veröffentlicht hat (Archiv für Litteratnr- und Kirchengeschichte des
Mittelalters II 208 ff.).
Die berühmteste der mit der Pariser Hochschule verbundenen
Anstalten ist unstreitig die Sorbonne, welcher folgende Arbeit ge-
widmet ist:
32 ScfaDlgeschlchte.
£lie M^ric, Doctear eu Thtelogie, Profesaear de Theologie morale
k la SorboDoe. La Sorbonne et Eon fondatenr. Dracoars prooonc^ le
8 Octobre 1888 k rinaagaratioo du moniiiDent de Robert de Sorbon
dans r^glise de Sorben (Ardennes). Paris. Victor LecoSra. 1888.
lo der Kirche des Dorfes Sorbon (Depart. der Ardennen) wurde 1888
dem berObmten Stifter der Sorbonae ein bescheidenes Denkmal erricbtet
Die kleine Schrift entbalt die Beschreibung des Festes und die Rede,
tnit welcher M6ric dabei deu bertthmten Franzosen gefeiert bat.
In der Einleitung der Rede sind einige Angaben Ober das Leben
Roberts von Sorbon (1201 — I2T4) zoBamnieDgestellt, der Berater von
K&oig Ludwig, ein gefeierter Lehrer und Stifter der berObmten Stadien-
aostalt der Sorbonne war.
In ersten Teil der Bede behandelt der Verfasser die Einrichtung
der Sorbonne, ihre Stelle und Bedeutnng fllr die Kirche und fOr Franh-
reich.
Im Oegensatz zn den verweltlichten and verwahrlosten Schulen,
wdcbe Paris im IS. Jahrhundert hatte, sollte die anfangs sehr beschei-
dene Stiftung Roberts die zokOnftigen Geistlichen in strenge Zncht und
Ordnung erziehen. Vorbilder gaben die SchQler der Bettelorden ab.
Aber keine Artisten noch Dekretalisteu, sondern nur Theologen fanden
Aufnahme in die Sorbonne. Wenn der Verfasser S. 22 behauptet, das
IS. Jahrhundert sei auch fär Dentscbland die Zeit der UniversitätsgrOn-
dnogen, so ist dagegen zu bemerken, dasa die ältesten deutschen Hoch-
schulen erst im 14. Jahrbandert entstanden sind-
Ein weiterer Abs(±nitt schildert die grofsen Lehrer der Sorbonne,
nennt anch hervorragende Männer, die Beziehungen sur Sorbonne suchten,
wie Bichelieu, der daselbst begraben seiu wollte. Doch vermifst man
hier charakteristische Einzelheiten. Die Schilderung der grofsen Scbo-
laatiher, wie Bonaventuras, Alberts des Grofsen, Roger Bacous etc. be-
wegt sich in den allgemeinsten Wendungen. Der gleicbe Mangel findet
sieb bei der nun folgenden Begchreibnng einer theologischen Disputation,
wie sie in der Sorbonne gehalten worden sind. Diese Beschreibung
würde bei jeder mittelalterlichen Hochschule zutreffen uud cutbehrt voll-
ständig der Lokalfarbe.
Eine kurze Erwähnung der Verdienste der Sorbonne um den BOcher-
druck (dieselbe druckte durch Michael von Colmar die ersten Bächer in
FraniirQJch), um die Aufklärung, um die Verbesserung des Unterrichtes, für
Verbreitung der Kenntnisse auch in andere Länder aufserhalh von Frank-
reich etc. heschliefsen den durchaus rhetorisch gehaltenen Vortrag, der
keine Bereicherung unseres Wissens von der Sorbonne bietet, wohl auch
ein sulobes nicht anstrebte.
VoD Frankreich wenden wir uns nach Deutschland. Eine der
Altesten Hochschulen im Gebiete deutscher Znnge ist Wien.
k
jti i . i^H^^-i^ ji.. I "7^-^9^^^^^^^nv^^«9^H^iKP^PiBBapes>
J. V. Aschbach, Die Wiener Universität. 23
Joseph Ritter von Aschbach. Die Wiener Universität und ihre
Gelehrten 1520—1565. Herausgegeben von der k. k. Universität in
Wien. Wien. Holder 1888 (Band III von »Geschichte der Wiener
Universität«.)
Über der Geschichte dieser Hochschule waltet ein eigener Unstern.
Aschbach hatte als bejahrter Mann den ehrenvollen Auftrag ttbemommen,
die Geschichte der Universität zu schreiben, welcher er den gröfsten
Teil seines Lebens gedient hatte. Als 81 jähriger Greis schlofs der un-
ermüdliche Gelehrte das Manuskript des dritten Bandes ab, der aber
nur bis 1565 reicht. Adalbert Horawitz wurde nun mit der Herausgabe
dieses übrigens vollständig fertigen Bandes beauftragt. Schon schwer
leidend förderte er auf seinem Krankenlager den Druck nach Kräften
und arbeitete das doppelte Register (Sach- und Namenregister) aus.
Aber noch ehe das Buch vollendet war, wurde auch Horawitz von einem
frühen Tode ereilt. Wer wird nun das Werk weiterführen?
Der Sto£f zerfällt in folgende Abschnitte: 1. Verfall der Wiener
Universität nach dem Tode Maximilians I. — 2. Die Reconstruction der
Wiener Universität als Staatsanstalt durch die Ferdinandeischen Reform-
gesetze. — 3. Studiengang und Einrichtungen in den Fakultäten zur
Zeit der Ferdinandeischen Reformgesetze. — 4. Gelehrtengeschichte von
1520 - 1565. (Alphabetisch geordnete Biographien der einzelnen Ge^
lehrten.) — 5. Biographische und litterarische Notizen über die Wiener
Bischöfe Johann Faber und Friedrich Nausea wie auch Ober einige
andere gelehrten Gelebritäten am Hofe der Kaiser Ferdinand I. und
Maximilian II.
Die Bewegung, welche durch Luther von Wittenberg ausging, er-
streckte sich auch bis in die Hochschule Wien. Freilich kamen hier noch an-
dere Umstände hinzu, durch welche die Universität erschüttert wurde
und verwaiste. Doch hielt Ferdinand, der Bruder Karls V., die luthe-
rische Bewegung mit blutiger Strenge nieder. Wiederholt mufste die
theologische Fakultät sich mit lutherischen Ketzerprozesssen beschäftigen,
so wenig angenehm ihr das auch war. Besonders eifrig als Ketzer-
verfolger war der Wiener Bischof, Johann Faber, früherer Hofprediger
Ferdinands. Besonders heruntergekommen war die Artistenfakultät, die
noch vor wenigen Jahren etwa 100 Lehrer gezählt hatte. Die Zahl der
Studenten war sehr gesunken, und die Zucht derselben bedenklich ge-
lockert.
Anfang der 30. Jahre des 16. Jahrhunderts stand die Universität
durch immer wiederkehrende Seuchen und die beständige Tttrkennot in
Gefahr, sich ganz aufzulösen. Dafs es nicht soweit kam, dankt die Hoch-
schule der Universitäts-Reformation durch Ferdinand, der zugleich ihren
autonom-klerikalen Charakter aufhob und sie zur Staatsanstalt machte,
ohne vom Papste oder der Hierarchie beinflufst zu werden. Diese Um-,
Wandelung vollzog sich 1588—1564.
24 Scb algeschichte.
Anfangs veränderte man im Studienkurs der Artistenfakulät wenig.
Dem Hnmanismus trug man Rechnung durch eine lectnra in litteris
hnmanioribus und eine Vorlesung über griechische Sprache. Nach dem
reformierten Studienkurs sollte mit Latein und Griechisch der Anfang
gemacht werden. Auf die philologischen Fächer kamen sodann Dialektik,
Logik und Rhetorik, hierauf Geschichte und Dichtkunst, worunter die
Lektfire der römischen Dichter zu yerstehen ist. Mathematik und Phi-
losophie schlössen den Lehrgang uach oben ab, für den es anfangs an
t&chtigeB Lehrkräften und gut vorbereiteten Studenten fehlte.
Die 1687 getroffene Einrichtung, wonach jeder Burse ein beson-
deres Fach zugewiesen wurde, bewährte sich nicht, und 1554 kehrte man
zur alten Einrichtung zurück, wonach in jeder Burse Sprachen, Rheto-
rik und Dialektik gelehrt wurden. Den Leitern dieser Anstalten wurde
eine strenge Aufsicht Ober das sittliche und religiöse Verhalten der
Scholaren empfohlen.
Von neuem wurden in der Artistenfakultät wieder lateinische
Dichter gekrönt wie einst in den Tagen des Geltis. Doch gelang es
nicht, den DichterkrOnungen ein rechtes Leben einzuhauchen, ebenso
wenig als es gelang, die Disputationes quodlibeticae von neuem zu be-
leben. Beides wurde von juristischen und medizinischen Fachleuten f&r
wertlos erklärt.
König Ferdinand that alles, um Lutheraner fern zu halten und
den katholischen Charakter der Hochschule zu wahren. Ein wichtiges
Ereignis war es für die Hochschule wie für das Land, dafs auf seinen
Wunsch 1551 die Jesuiten ihren Einzug hielten. Wie überall, wo dieser
Orden seinen Einzug hielt, gab es auch hier bald heftigen Streit.
Sehr tolerant gegen die Lutheraner war Ferdinands Sohn und
Nachfolger Maximilian IL (1564—15*74), unter dem die Mehrzahl der
UniTcrsitätsprofessoren sich zum Luthertum bekannten. Dabei herrschte,
abgesehen von der fast verwaisten theologischen Fakultät, ein reges
wissenschaftliches Treiben an der Wiener Hochschule.
Der Abschnitt »Gelehrtengeschichtec bringt die Biographien der
Hochschullehrer in alphabetischer Folge. An dieser Stelle sind zu nen-
nen Johann Alezander Brassicanus, 1500—1539, ein Humanist aus der
schwäbischen Schule, Claudius Cantiuncula, der bekannte humanistisch
gebildete Jurist und Freund des Erasmus, Johann Sambucus aus Tyrnau,
dessen philologische Studien sich hauptsächlich auf die Griechen bezogen,
Georg Tanner aus Emmersdorf, ein Gräcist und tüchtiger Jurist etc.
Diese Biographien zeigen, welch ausgedehnte Gelehrsamkeit Asch-
bach besafs. Dabei konnte es aber dem berühmten Historiker doch
passieren, dafs er ganz wichtige Arbeiten übersah. So fehlt bei Johann
Faber gerade die neueste Monographie: Adalbert Horawitz Johann
Heigerlin (genannt Faber), Bischof von Wien, bis zum Regensburger
11
Hartfelder, Berufung Melanchthons nach Heidelberg. 25
Convent. Wien. 1884. — Das Gleiche ist bei Friedrich Naasea der
Fall. Aach hier ist die neueste Arbeit gänzlich übersehen: Joseph
Metzner Friedrich Naasea aas Waischenfeld, Bischof von Wien. Bam-
berg 1884 (Lyceal-Programm). — Aach die Litteraturangabe aber Bei-
tbasar Habmayer S. 14 ist unvollständig.
S. 36. Anm. 1 wird die Berufung des Erasmus nach Wien, wie mir
scheint mit Unrecht, angezweifelt. Dagegen wird S. 310 und 311 das
Ereignis wieder behauptet. Ein ganz direkter Widerspruch!
Der bekannte Humanist heifst nicht Michael Hummelberger, son-
dern Hummelberg, wie Gustav Knod aus der Heidelberger Matrikel
nachgewiesen hat.
Trotzdem erregt dieses Buch das Bedauern, dafs es Aschbach vom
Geschicke nicht vergönnt worden, die Geschichte der Wiener Hochschule
bis in unser Jahrhundert fortzusetzen.
Zu den älteren Hochschulen auf deutschen Boden gehört auch
Heidelberg:
Karl Hartfelder. Die Berufung Melanchthons nach Heidelberg
1546 (Zeitschrift f. d. Geschichte d. Oberrh. Bd. 42 (N. F. Bd. HI,
S. 112—119).
Die Universität Heidelberg teilte das Schicksal der meisten deut-
schen Universitäten im 16. Jahrhundert: sie kam im zweiten Jahrzehnt
so herunter, dafs sie der Auflösung nahe war. Die pfälzischen Kurfürsten
Ludwig y. und Friedrich IL gaben sich zwar viele Mühe, ihr General-
studium wieder in die Höhe zu bringen, ohne dafs es recht gelingen
wollte.
In dieser Not kam man in Heidelberg auf den Gedanken, Melanch-
thon um Rat anzugehen. Er war ein geborener Pfälzer und hatte den
Zusammenhang mit der Heimat wo ihm viele Verwandten lebten, nicht
aufgegeben. Anfserdem hatte sich Melanchthon bereits erprobt als Re-
organisator von Wittenberg, Tübingen, Frankfurt a. 0., Leipzig und
Rostock.
Den 12. März 1546 schrieb der Kurfürst Friedrich II. in dieser
Angelegenheit an den Kurfürsten von Sachsen. Von dieser Thatsache
hatte man auch schon bisher gewufst, aber erst die Korrespondenz selbst,
die ich in dem Weimarer Archiv gefunden und abgeschrieben habe,
bringt volle Klarheit in diese Angelegenheit.
Darnach hat Melanchthon keinen eigentlichen Ruf nach Heidel-
berg erhalten, d. h. es wurde ihm keine Professur in Heidelberg an-
geboten.
Man will vielmehr seinen Rat eine Zeit lang in Heidelberg be-
nutzen, nur darum bittet der PAlzer Kurfürst. Der Kurfürst von Sach-
sen schlag jedoch die Bitte ab. Da kurz vorher Luther gestorben war.
26 Schulgeschichte .
so fürchtete man eine »Zerrttttungc und »Mifsordnungc der UniversiUt,
wenn der andere berühmte Lehrer, dem Wittenberg seinen Weltruf ver-
dankte, jetzt die Universität verliefs.
Melanchthon selbst hatte den Wunsch, wenigstens nicht gerade
jetzt nach Heidelberg zu müssen. Er fürchtete auch die üble Nachrede
schmähsüchtiger Menschen, welche gesagt haben würden, weoo er jetzt
gerade nach Heidelberg gegangen wäre, er suche für seine neue Lehre
einen neuen Platz.
Dem Aufsatz habe ich die drei Aktenstücke als Beilagen in ihrer
urkundlichen Form beigegeben.
Dr. Paul Hintzelmann, Universitätsbibliothekar. Almanach der
Universität Heidelberg. Zweite Ausgabe für das Jahr 1888. Mit
einem Bildnis, einer Tabelle und einem Plan. Heidelberg. Karl
Winter. 1888.
Der Almanach enthält, wie der des Jahres 1886, alle wünschens-
werten Nachweisungen über den Lehrkörper, die Gesetze der Hochschule.
Habilitations- und; Promotionsordnung, Nachweise der studentischen Ver-
eine u. dergl.
Von Heidelberg wenden wir uns Rheinaufwärts nach Basel, mit
dessen Hochschule im IC. Jahrhundert das damals gleichfalls reformierte
Heidelberg lebhafte Verbindung unterhielt.
Dr. Rudolf Thomm eil, Geschichte der Universität Basel. 1532 bis
1632. Basel. Detloff's Buchhandlung. 1889. VIII u. 383 S.
Der Verfasser, dessen Werk aus einer Preisarbeit entstanden ist,
beginnt erst mit 1532, obgleich die Hochschule Basel schon im 15. Jahr-
hundert gegründet wurde, weil für die ältere Zeit das Werk Vischers
vorbanden ist, dessen Anordnung und Einteilung Thommen auch in
seiner Arbeit festgehalten hat.
Das erste Kapitel behandelt die »Wiedereröfinung der Universitätc
Im Jahre 1529 hatte die evangelische Partei in Basel gesiegt, nachdem
der Rat eine Reihe von Jahren zwischen den beiden Parteien geschwankt
Unter den Altgläubigen, welche deshalb in grofser Anzahl die Stadt
verliefsen, waren aufser dem Domkapitel und Desiderius Erasmus auch
viele Professoren und Studenten weggezogen. Der Rat belegte zunächst
das Vermögen und die Insiguien der Universität mit Beschlag. Trotz-
dem wurden manche Vorlesungen gebalten und besucht.
Das Verdienst, diesen Faden der Tradition in die neuen Verhält-
nisse hinübergesponuen zu haben, gebührt in erster Linie Johannes
Oekolampad. Er hat während der Zeit, in der die Universität nur so
»hindämmerte«, »die theologische Fakultät fast durch drei Jahre ver-
treten und nichts unterlassen, wodurch die Akademie neu eingerichtet
und in ihrem früheren Glanz wieder hergestellt werden möchtec, wie
die Matrikel der Theologen sagt
Thoromen, Geschichte der Universität Basel. 27
Trotz der schweren Zeitläafe (es ist die Zeit politisch -kircbiicher
Kämpfe in der Schweiz) begann sich der Rat um die Universität za be-
kümmern. Oekolampad bekam den Auftrag, ein Gutachten über die
Wiederaufrichtung der Schule anzufertigen, das als Beilage I in lateini-
scher und deutscher Fassung S. SOI— 311 mitgeteilt wird. Im allgemeinen
wurde vorgeschlagen: Unentgeltlicher Unterricht, Abschaffung der Taxen
und kostspieligen Gebräuche bei Verleihung der akademischen Grade,
Herabsetzung der Gebühren bei der Immatrikulation.
Im Jahre 1532 wurden die neuen Statuten der Universität, auf
welche Oekolampads Gutachten unverkennbaren Einflufs gewonnen hatte,
von dem neugewählten Rektor und einigen Professoren beschworen. Im
Gegensatz zur früheren Hochschule, die eine päpstlich-kirchliche Anstalt ge-
wesen, war die nenaufgerichtete Hochschule eine Schöpfung der neuen Staats-
gewalt. Die Folgen dieses veränderten Wesens war eine bedeutende Ein-
schränkung der Rechte, welche früher die Hochschule besessen hatte. Zu-
nächst gingen allerdings die Hoffnungen, welche man an die Wiedereröffnung
der Hochschule knüpfte, nicht in Erfüllung. Der Besuch blieb mäfsig.
Zum Zwecke der weiteren Hebung der Hochschule wurden 1586
neue Gutachten verlangt; für die theologische Fakultät lieferte es An-
dreas Karlstadt, der frühere Gegner Luthers, der inzwischen in sich ge-
gangen war. Schon 1539 wurden in einer Neuordnung der Statuten
allerlei Wünsche der Universität berücksichtigt; insbesondere erhielt sie
gröfsere Freiheiten.
In dem zweiten Kapitel wird »Die Organisation und äufsere Ge-
schichte der Universität« dargelegt. Da früher der Bischof Kanzler der
Hochschule gewesen war, so unterhandelte man jetzt mit demselben, und
derselbe trat schliefslich sein Kanzlerrecht an die Dekane der vier Fa-
kultäten auf zehn Jahre ab.
Der Amtskreis des Rektors blieb derselbe wie vor der Reformation.
Die Wahl zum Rektor wurde blos von der persönlichen Qualifikation
abhängig gemacht; auf die Reihenfolge der Fakultäten wurde keine
Rücksicht mehr genommen. Die Wahl war immer noch eine grofse
Feierlichkeit, zu der auch die Studenten durch dramatische Vorstellungen
beitrugen.
Neben dem Rektor stand die Regenz, ein Ausschufs der Lehrer
der Hochschule, dem nur ordentliche Professoren angehören kounten.
Sie ist die oberste Verwaltungsbehörde und der oberste Gerichtshof und
erhielt 1558 das wichtige Recht der Aufsicht über den Büchermarkt.
Die Regenz hatte auch über die Ferien zu bestimmen, die schon
damals thatsächlich länger dauerten als officiell festgesetzt war. Doch
wurden wenigstens in der Artistenfakultät auch während der Ferien von
Laureati, also Erst-Graduierten, Vorlesungen gehalten.
Zu allerlei Händel führte gelegentlich das Aufsichtsrecht der
Regenz über die niederen Schulen Basel erlebte dieselben Kämpfe
28 Schnlgeschichte.
zwischen der Artistenfakultät and der Lateinschule, wie Heidelberg.
Das Pftdagogium wurde sodann als erste Klasse den schon vorhandenen
zwei Klassen der Artistenfakultät beigefttgt, und so blieb es bis 1689.
Den Verkehr zwischen der Regenz der Hochschule und dem Rat
der Stadt vermittelten die Deputaten.
Im Gegensatz zur froheren Einrichtung wurden die Professoren
jetzt vom Staate besoldet. Eine Reihe von Bestimmungen verschärfte
die Pflichten der Professoren gegenüber von den Studenten: selbst vor
einem einzigen ZuhOrer mufsten sie lesen.
Neben der Regenz hatten die Dekane der Fakultäten ziemliche
Befugnisse. Dieselben werden übrigens von denen der Dekane an an-
deren Universitäten schwerlich sehr verschieden gewesen sein.
Die Immatrikulation, die mit Erlegung einer Gebühr verknüpft
war, fand das ganze Jahr hindurch statt. Die von der Schule kommen-
den Studenten mufsten sich der Depositio rudimentorum unterwerfen.
Diese wunderliche Ceremonie wurde durch den Dekan der Artisten ge-
leitet. Die meisten Studenten wohnten in der Stadt, nur wenige bei
Professoren. Bursen waren nicht mehr vorhanden. Grobe Excesse der
Studenten sind in dieser Zeit selten. Die gewöhnlichen Strafen waren
Geidbufsen.
Zu den Studenten gehörten auch die sogenannten Alumnen, Sti-
pendiaten oder Bursanten, welche in dem fälschlicherweise sogenannten
Erasmianum, einem Konvikt, von Staatswegeu ausgebildet wurden. Die
Kosten wurden aus dem früheren, vom Staate eingezogenen Kirchengut
bestritten. Im Jahre 1645 wurden zwölf Freistellen fttr solche geschaffen,
die sich später dem Kirchen- und Schuldienst widmen wollten. Wenn
aber Thommen meint, dieses Basler Alumnat sei etwas ganz Einzig-
artiges, so ist das ein Irrtum. Schon 1643 hatte man ein solches in
Wittenberg geschaffen. Fflr das Einzelne verweise ich auf mein Buch
über iMelanchthon als Praeceptor Germaniaec S. 482. — In der Ver-
pflichtung, einen Teil des empfangenen Stipendiums zurückzahlen zu
müssen, wird mit Recht ein ethisches Moment gesehen.
Die akademischen Grade mit den dazu gehörigen Prüfungen wurden
aus früherer Zeit festgehalten, nicht ohne dafs man gelegentlich der
Gefahr des Formalismus verfallen wäre.
In dem dritten bis sechsten Kapitel ist sodann die Geschichte der
vier Fakultäten behandelt. In der theologischen Fakultät erscheint als
Lehrer auch einer der hervorragendsten deutschen Philologen, Simon
Grynäus, geboren 1493 in Yeringen. Seine Ausbildung erhielt er in
Pforzheim als Mitschüler Melanchthons und in Wien. Nachdem er in
Ofen eine Schulstelle bekleidet hatte, in Wittenberg ein Anhänger der
Reformation geworden, erhielt er 1524 die griechische Professur in
Heidelberg und 1529 dieselbe zu Basel. Nach einer Reise nach England
erhielt er nach dem Tode Oekolampads zur griechischen Professur noch
Thommeo, Geschiebte der Universität Basel. 29
die für das Neue Testament. Nach wenig erfolgreicher Thätigkeit in
Württemberg von 1534—36 kehrte er wieder nach Basel zurück.
Aus dem Abschnitt über die juristische Fakultät (S. 143 — 206)
erfahren wir, dafs bei der Wiedereröffnung der Universität 1532 zunächst
nur ein Professor vorhanden war, der berühmte Bonifacius Amerbach,
ein Schüler des Zasius, ein Mann mit trefflicher humanistischer Bildung.
Von besonderem Werte für die Zwecke des »Jahresberichtesc ist
sodann der Abschnitt über die philosophische Fakultät (S. 258 bis
298). Zunächst macht der Verfasser darauf aufmerksam, dafs dieselbe
durch die Neugestaltung ihre frühere Bedeutung verlor und ausschliefs-
lich zur Vorbereitungsschule für die drei anderen Fakultäten wurde.
Der Unterricht entspncht dem heute in den obersten Klassen eines
Gymnasiums erteilten. Thommen hätte hinzufügen dürfen, dafs die mehr
schulmäfsige Behandlung der Übungen in anbetracht des jugendlichen
Alters der in diese Fakultät gehörigen Studenten gewxfs der Mehrzahl
nützlicher war als die frühere Einrichtung. Sieht man von den rein
scholastischen Übungen ab, so ist der Lernstoff ein umfangreicherer als
ehedem. Insbesonders wurde auch Griechisch verlangt. Die gelesenen
Schriftsteller sind ziemlich verschieden von den heute üblichen.
Als Lehrbücher werden u. a. genannt die Dialektik des Johann
Cäsarius, die lateinische Grammatik Melanchthons und die griechische
Ceporins.
In dieser Fakultät unterrichtete Simon Grynaeus Lateinisch, Alban
zum Tor Griechisch, Sebastian Münster Hebräisch. Im Jahre 1553
wurde der Franzose Castellio als Lehrer des Griechischen für Basel
gewonnen. Die Lehrkanzel für Beredsamkeit und Rhetorik erhielt im
Jahre 1546 der Italiener Colins Secundus Gurio, der sich auch durch
philologische Arbeiten bekannt gemacht hat. Sein Kommentar zu Giceros
Topica fand sogar Melanchthons Beifall.
Zwölf Beilagen, wertvolle Urkunden zur Geschichte der Basler
Hochschule (301 — I7l), Nachträge und Berichtigungen (S. 372) und ein
gutes Register (S. 373—383) schliefsen das wertvolle Buch ab.
Es möge verstattet sein, hier einige Versehen kurz zu berichtigen:
S. 10 ist die Bezeichnung »Herzog von Sachsen« mifsverständlich :
es ist vielmehr der Kurfürst von Sachsen gemeint, der freilich nebenbei
auch den Herzogstitel führte. Spricht man um diese Zeit vom Herzog
von Sachsen, so versteht der Geschichtskundige den Herzog Georg von
Sachsen mit der Residenz in Leipzig, der aber ein heftiger Gegner der
Reformation und des Schmalkaldener Bundes war.
S. 10 wird von einem »vollständigen Verschwinden« der Wieder«
täufer geredet, was unrichtig ist, da diese Sekte trotz aller Verfolgungen
sich zu behaupten wufste.
S. 115. Der Geburtstag des Simon Sulzer ist nicht der 22., son-
30 Schalgeschichte.
derD der 23. September 1508. Vgl. daza 6. Linder, Simon Salzer etc.
(Heidelberg 1890) S. 11.
An verschiedenen Stellen, z. B. auch S. 113, wird erwähnt, dafs
einzelne Lehrer der Hochschule die Erwerbung akademischer Grade ab-
lehnen. Es dQrfte darin eine Nachwirkung der humanistischen Oppo-
sition gegen alle akademischen Grade zu suchen sein. Vgl. dar&ber:
D. F. Straufs, Ulrich von Hütten (Leipzig 1871). 2. Aufl. S. 39.
Bezüglich der Zahlen der Immatrikulierten auf S. 17 dürfte eine
Vergleichung mit den Immatrikulationen in den 30 unmittelbar voran-
gehenden Jahren charakteristischer und wertvoller gewesen sein als mit
den Zahlen des 19. Jahrhunderts.
Vgl. auch meine Besprechung des Thommenschen Baches in Sybels
Histor. Zeitschrift. N. F. Bd. 29, S. 648.
Aus Sttddeutschland wenden wir uns jetzt nach dem Norden, nach
den Hochschulen Wittenberg und Frankfurt, welche beide Schöpfungen
des deutschen Humanismus sind.
D. Julius Köstlin: Die Baccalaurei und Magistri der Witten-
berger philosophischen Fakultät 1603 — 1517. Aus der Fakoltäts-
matrikel veröflFentlicht. Osterprogramm der Universität Halle-Witten-
berg 1887. Halle, Niemeyer, 1887. 8^. 4 u. 29 S.
Die Universität Wittenberg, von der die gewaltige geistige Be-
wegung der deutschen Reformation ausgegangen ist, gehört zu den
jüngeren deutschen Universitäten, welche erst der Humanismas ins Leben
gerufen hat. Eine Stiftung des Kurfürsten Friedrich des Weisen, der
für die Humanisten allzeit ein gütiger Gönner war, ist sie ein echtes
Kind der neuen Zeit. Der deutsche Humanismus schuf sich in dieser
ultima Thule des damaligen Deutschland einen Sitz, wo er sich in schön-
ster Harmonie mit der Theologie des Mittelalters befand. Die humani-
stischen Gelehrten, welche an der Elbehochschule wirkten, sind zwar
keine Namen ersten Ranges, aber in ihrer Weise doch achtbare Ver-
treter der neuen Geistesrichtung. Ehe Luther mit seinen Thesen hervor-
trat, steuerte Wittenberg ganz unter humanistischem Winde.
Die Geschichte der Hochschule ist noch nicht hinlänglich aufge-
hellt. So dankenswert die Publikation der Matrikel bis 1660 (Tod
Melanchthons) und des Dekanatsbuches der theologischen Fakultät durch
Foerstemann ist, so mufs doch jede neue, besonders urkundliche Publi-
kation über die Geschichte der Universität Wittenberg freudig begrflfst
werden. Eine solche ist dieses Heftchen, das der bekannte Lutber-
forscher Köstlin uns darbietet
Der Codex, aus dem die Veröffentlichung genommen ist, warde
schon von Muther und manchen anderen Gelehrten benutzt. Wenn über
denselben auch schon anderwärts Bericht erstattet ist, so wäre es doch
vielleicht angezeigt gewesen, dafs in der Einleitung von Köstlin noch-
Haapt, Der Stand des geistigen Lebens an der Universität Wittenberg. 31
mala alle Angaben zusammeDgestellt wurden. Unter anderem enthält
derselbe also auch die Magisterpromotionen Wittenbergs von 1503 — 1554
Über den Wert solcher Listen von Baccalaurei und Magistri fttr
die Gelehrtengeschichte herrscht zur Zeit kein Streit mehr. Aus der
Menge der mitgeteilten Namen mögen nur einige, die speciell für die
Geschichte des Humanismus und der Reformation von Belang sind, an
dieser Stelle genannt sein:
S. 2. Johannes Sommerfeit (1503). — S. 5. Frater Wencesslaws
Linck ordinis S. Augustini (1504). — S. 5. Andreas Bodenstayn de
Karstat, was offenbar ein Schreibfehler der Handschrift ist für Karlstatt,
denn aus diesem am Main gelegenen Städtchen stammte der bekannte
Gegner Luthers. — Sollte auf S. 6 Erfodia nicht ein Druckfehler fOr
£rfordia (= Erfurt) sein? — S. 8. Ricardus Sbrulius, mit dem späteren
Zusatz: Poeta italus (1607), der später humanistischer Lehrer an der
Universität wurde. — Neben ihm (S. 8) steht Martinus Polich de Lypsk,
was offenbar der bekannte Humanist Martin Polich von Melrichstadt ist,
der bei Friedrich von Sachsen hoch in Gunst stand. — S. 8 ist auch
Joannes Schurff de Scto. Gallo bemerkenswert. — Im März 1510 wurde
Judocus Trutfetter, wohl der Lehrer Luthers, promoviert (S. 10). —
S. 13: Martinus Pollich de Melierstatt. — Unter den Magistri des
Jahres 1503 steht (S. 21) Georgius Spaltinus, gewiss Spalatinus, der
spätere Hofprediger Friedrichs des Weisen, ein Humanist aus dem
Kreise Mutians. - Sollte in der That die Handschrift (S. 24) Vichardus
Sbrulius Utinensis Italus haben statt Richardus? — Auf S. 26 treffen
wir Philippus Engelprecht de Engen. Es ist der unter dem Namen
Engentinus bekanntere Humanist, dessen Name in der Freiburger Uni-
versitätsgeschichte eine wichtige Rolle spielt, und über den Heinrich
Schreiber eine nützliche Monographie geschrieben hat. — S. 27 : Augustiu
Schurff de S. Gallo Gonstanciensis diocesis.
An den Herausgeber, der uns erfreulicherweise Fortsetzungen der
Veröffentlichung in Aussetzung stellt, richten wir die doppelte Bitte,
erstens in Zukunft oben an jeder Seite die Jahreszahl der verzeichneten
Promotionen anzugeben, und zweitens darauf hinzuwirken, dass wir ein
vollständiges Urkundenbuch, wenigstens für die ersten 60 Jahre der
Wittenberger Hochschule bekommen.
Oberl. Karl Haupt: Der Stand des geistigen Lebens an der
Universität Wittenberg dargestellt an den Quaestiones und den Scripta
publica aus den Jahren 1530 — 1546. (Festschrift zur Feier der Ein-
weihung des Neuen Gymnasialgebäudes zu Wittenberg am 10. Januar
1888 veröffentlicht vom Lehrerkollegium.) S. 69 — 110.
Eine den Anforderungen heutiger Wissenschaft genügende Ge-
schichte der Hochschule Wittenberg steht immer noch aus. So mangel-
haft das Werk Grohmanns ist, so muss man sich doch mit demselbea
32 Sehalgeachichte.
immer noch behelfen. Es ist deshalb jede litterarische Gabe, wie die
Haupts, welche einen Beitrag zu dem genannten Thema bietet, dankbar
aufzunehmen.
Was die Quaestiones betrifft, die eine Hauptquelle für den Ver-
fasser waren, so hätte derselbe an irgend einer Stelle deutlich erklären
sollen, dafs man darunter Thesen für die regelmäfsig wiederkehrenden
Disputationen an der Hochschule zu verstehen hat. Vermöge der be-
herrschenden wissenschaftlichen Stellung Melanchthons an der Universi-
tät hat er von 1518 bis zu seinem Tode 1560 eine grofse Anzahl der
lateinischen Sätze formuliert, worüber die Magistranden und Doktoranden
disputierten.
Haupt bespricht nur eine Anzahl dieser Themata, bei weitem nicht
alle, so z. B. die Sätze über Astrologie, über Fürstenmacht u. dgl. mehr.
Eine wirkliche Förderung der in Frage kommenden wissenschaft-
lichen Probleme liefert aber die Arbeit nicht. Der Verfasser hat sich
zu sehr auf die im Thema von ihm genannten Quellen beschränkt. Er
hat es unterlassen, zunächst einmal genau die Persönlichkeiten festzu-
stellen, für welche Melanchthon seine Quaestiones und Propositiones
geschrieben hat. Das war mit Hilfe der von Foerstemann veröffent-
lichten Matrikel der Universität Wittenberg und unter Beiziehung der
Hilfsmittel vorzunehmen, welche der Briefwechsel Luthers und Me-
lanchthons an die Hand gibt. Sodann hat Haupt von dem reichen Ma-
terial, das die Deklamationen Melanchthons für seinen Zweck boten,
viel zu wenig Gebrauch gemacht.
Man kann an dieser Arbeit wieder einmal sehen, wie auch tüch-
tiges und redliches Streben für die Wissenschaft im ganzen fast wertlos
wird, wenn der Strebende nicht vor Beginn seiner Arbeit sich über den
Stand der von ihm zu behandelnden Frage orientiert.
In vielfachem Verkehr mit Wittenberg stand die ehemalige kur-
brandenburgische Landesuniversität Frankfurt a. 0.
Ältere Universitäts-Matrikeln. L Universität Frankfurt a. 0.
Aus der Originalhandschrift unter Mitwirkung von Dr. GeorgLiebe
und Dr. Emil Theuner herausgegeben von Dr. Ernst Friedländer,
Geh. Staats-Archivar und Archiv-Rath. Erster Band. (1606 — 1648).
Veranlafst und unterstützt durch die K. Archiv- Verwaltung. Leipzig.
Verlag von S. Hirzel. 1887. Lex. 8®. XVI und 1648 S. (Bd. 32
der Publikationen aus den K. Preufsischen Staatsarchiven).
Bei der unbestrittenen Wichtigkeit, welche Universitätsmatrikeln
für Gelehrten-, Kirchen*, Profangeschichte, Namensforschung etc. haben,
ist es freudig zu begrüfscn, dafs die Egl. Preufsische Archiwerwaitung
dio Publikation der älteren Matrikeln von Köln, Frankfurt a. 0. und
Greifswald in Angriff genommen hat. Nicht als ob dieselben nicht schon viel-
fach benutzt und auch zum Teil publiziert wären, wie die Kölner durch
1
I
Ältere Universitäte-MatrikelD. I. Uniyersit&t Frankfurt a. 0. 33
Schmitz, aber es ist doch ein anderes, ob eine solche wichtige Ur-
kunde durch einen zuverlässigen Abdruck in extenso der wissenschaft-
lichen Benutzung wahrhaft zugänglich gemacht ist, oder ob blofs einzelne
gelegentliche Notizen daraus mitgeteilt sind.
Die im Jahre 1506 eröffnete kurbrandenburgische Unirersität
Frankfurt a. 0., die erst 1811 nach Breslau verlegt wurde, die sog. Yia-
drina, war in der ersten Zeit ihres Bestehens * ein Sitz der humanisti-
schen Bildung und ein wichtiger Kulturmittelpunkt für das nordöstliche
Deutschland, dessen Söhne in grofser Anzahl an dieser Hochschule ihre
Bildung suchten, wiewohl auch die fibrigen Teile Deutschlands, selbst
das ferne ElsaTs, gelegentlich ihre Vertreter sandten. ilDie Studenten)
kamen von nah und fern, und es gewährt ein grofses Interesse, aus der
mehr oder weniger grofsen Anzahl der aus einer Gegend oder aus einem
Orte Stammenden den Bildungsgrad dieser Heimatsstätten abschätzen
zu können. Denn man wird nicht fehlgehen, wenn man eine feststehende
Wechselwirkung zwischen der Bildungsstufe einer Gegend und der An-
zahl der von ihr entsendeten Studierenden annimmt. Und umgekehrt
wird man auch behaupten dürfen, dafs je mehr Studierende aus einem
Landesteile nach vollendetem Studium wieder dorthin zurückkehrten,
desto mehr sich Bildung und Kultur daselbst ausbreiteten.« (p. V.)
Die Matrikel der Universität Frankfurt hat sich gut erhalten; die
einzige Lücke um&fst die Zeit vom Herbst 1641 bis zum Herbst 1542.
Die Vorlage selbst wird in der Einleitung eingehend beschrieben.
Da in der ersten Zeit ihres Bestehens die Universität die Ein-
teilung in vier Nationen hatte, so sind auch die Einträge der Namen
bis 1527 und dann nochmals 1542 nach vier Nationen geordnet: Natio
Franconum, Marchitarum, Slesitarum und Prutenomm. iVon 1543 an
finden wir die Nationenbezeichnung nur noch in den Einleitungsworten
zu den einzelnen Semestern, wo eine Randbemerkung jedesmal angiebt,
aus welcher Nation der Rektor gewählt war, was in regelmäfsiger
Reihenfolge aus den vier Nationen erfolgt zu sein scheint«
Als Grundsätze bei der Drucklegung waren die heutzutage all-
gemein gültigen Regeln für Urkundenpublikationen mafsgebend. Spätere
Zusätze von fremder Hand sind kursiv gesetzt, die zahlreichen, sich
immer wiederholenden Bemerkungen am Rande sind abgekürzt wieder-
gegeben. Bei zweifelhafter Lesart, z. B. ob n oder u, ist ein Frage-
zeichen beigefügt.
Ein Rektorenverzeichnis eröffiiet sodann (von S. XIII — XVI) die
Publikation selbst Ein zweiter Band wird die Matrikel bis 1811 und
ein dritter ein Personen- und Ortsregister enthalten.
Im übrigen ist die Einrichtung des Druckes sehr praktisch: oben
steht an jeder Seite die Jahreszahl, die Zeilen, 40 — 50 auf der Seite, sind
gezählt, die folia der Vorlage am Rande notiert, am Ende jedes Jahres
Jahreaberioht für AltarthttmawiafieasohAft. LXIX. (1891. m.) 3
34 Schulgeschichte.
die Samma der Immatrikulierten notiert. Die beigegebenen spärlich
Anmerkungen wollen freilich nicht viel besagen.
Zum Schlüsse mögen einige bekannte Namen aus der Matril
hier verzeichnet sein: Der erste Rektor war Conradus Wimpina
Buchen im Odenwald. — Ulrich von Hütten (Udalricas de Hütten
Buchonia) 1506. — Der bekannte Historiker und Editor Johannes Hn
dich de Strintz (gewöhnlich Huttich) 1506, der Humanist Wolfgang An]
, von Kaisersberg im gleichen Jahr. Hermannus Trebelins de Ysena
poeta 1511 (S. 29). — Richardus Sbrulius Foro-Julianus 1512, der 1
kannte Humanist, der auch in Wittenberg gewesen. — Magister Joani
Cellarius Gnostopolitanus Hebreus 1521 (S. 59) etc.
Ältere Universitätsmatrikeln. I. Universität Frankfurt a.
Ans der Originalhandschrift unter Mitwirkung von Dr. Georg Lie
und Dr. Emil T heuner herausgegeben von Dr. Ernst Friedländt
Geh. Staats- Archivar und ArchivRath. Zweiter Band. (1649 — 181
Veranlafst und unterstatzt durch die Kgl. Archiv-Yerwaltang. Leips
S. S. Hirzel. 1888. 8^. YIII und 1811 S. (Bd. 36 der Pnblikatioii
I aus den Kgl. Preussischen Staatsarchiven.)
I
Nur ein Jahr nach dem Erscheinen des ersten Bandes erhall
wir bereits den zweiten, welcher den Schlufs der Frankfurter Matril
I bildet. Denn die Universität Frankfurt a. 0. hörte mit dem Jahre 1€
' als solche auf und erstand dann in Breslau von neuem.
Voran steht das Rektorenverzeichnis (S. V-VIU). Sodann fo
der Abdruck der Matrikel. Die Einrichtung des Druckes ist zunäd
wie beim ersten Band : am Rande oben steht zur schnellen Orientieni
das Immatrikulationsjahr, die Studenten sind nach Vor- und Zunan
und Heimat verzeichnet. Die im Mittelalter üblich gewesene Anga
der Diöcese fehlt hier selbstverständlich. Am Rande sind die Fol
Seiten der Vorlage angegeben und Zahlen bezeichnen die Zeilen.
Anders wird die Einrichtung seit dem Jahre 1768 durch eine E
binetsordre Friedrichs IL vom 27. Juli 1768, welche selbst auf S. 4
mit abgedruckt ist, wurde bestimmt, dafs wegen der üngewifsheiü
welche manchmal in Folge der bis dahin ablieben Eintragungsweise ei
standen seien, in Zukunft das Album in Kolonnen eingeteilt und folge
des eingetragen werden müsse:
1. Die Nummer der Immatrikulation. — 2. Das Datum der Ei
Schreibung. — 3. Tauf- und Zunamen. — 4. Namen, Stand und Ohara
ter des Vaters. — 5. Wohnort des Vaters, resp. der Mutter. — 6. H(
mat oder Herkunftsort
^ Nicht alle diese Angaben sind im Drucke mit aufgenommen. D
r Name des Vaters, bez. der Mutter ist weggelassen. Die Ortsnamen sii
i in der jetzt ablieben Form wiedergegeben u. s. w.
Eine sehr wertvolle Rubrik iBemerkungenc beginnt mit dem Jahi
Schöne, Die Universität GOttingen im Biebenj&hrigen Kriege. 35
1770. Es finden sich daselbst Angaben fiber die von den Studenten
beigebrachten Examenzeugnisse, über etwa vorhandene Armut, Gennfs
eines Freitisches, Bewerbung um akademische Grade, Besuch früherer
Universitäten u. dgl.
Wichtig für die Geschichte der einzelnen Schulanstalten ist die
gegen das Ende aufgenommene Rubrik lYorbildungc , aus der wir er-
sehen, dafs ein nicht unbeträchtlicher Prozentsatz der damaligen Stu-
denten seine Yorbildung durch Privatunterricht erhielt.
Vergleicht man die Heimat der Studenten im zweiten Teil dieses
Bandes mit den Angaben des ersten Bandes, so fällt zunächst auf, dafs
die Hochschule einen mehr territorialen Charakter erhalten hat. Die
Süd- und Mitteldeutschen fehlen fast ganz; dafür kommen aber seit der
Zeit, wo Preussen polnische Landesteile erlangt hat, zahlreiche polnische
Namen vor. Selten erscheint in diesen letzten Zeiten der Hochschule
ein Nichtpreufse.
Auch die Professoren stehen in der Matrikel.
Um eine YorsteUung der beigesetzten Bemerkungen zu geben,
mögen beispielsweise einige hier wiedergegeben werden:
1792 heifst es bei Anton Brichta aus Breslau, der Jura studiert:
•Hat seinen Abschied vom Regiment noch zu bringen; Pater Diez hat
gutgesagt und sein testimonium vom Jesuitencolleg zu Breslau zurück-
genommen; maturus.c
Bei Karl Lud. Silvius Wilhelm von EOnigsdorff aus Schlesien, der
1792 immatrikuliert wurde, fehlt zunächst die Angabe eines Fakultäts-
studiums und in den Bemerkungen steht: »Wird sich hier einige Zeit
aufhalten, um Vorlesungen vorzüglich cameralistische anzuhören, ohne
vorher sich bestimmen zu können, ob derselbe ein eigentliches Amt im
Staate bekleiden werde. c Man sieht, dafs eine gewisse, auch heute
noch vorhandene Art von Studenten schon vor 100 Jahren existierte.
Bei einem gewissen Johann Friedrich Hentschke, 1790 immatriku-
iert, steht bemerkt: »Fuit cantor Wrietzensis et a consistorio supremo
examinatus; vi test. summe reverend. Steinbart gr. ob paupertc
Hoffen wir, dafs bald der in Aussicht gestellte dritte Band, wel-
cher ein ausführliches Personen- und Ortsregister bringen soll, erscheint.
Erst durch einen Index erlangt eine solche Matrikelpublikation ihre
rechte Verwendbarkeit.
Zu den jüngsten deutschen Hochschulen gehört Göttingen:
A. Schöne, Die Universität Göttingen im siebei^ährigen Kriege. Aus
der handschr. Chronik des Prof. Samuel Christ. HoUmann (1696 — 1787)
mit Erläuterungen und Beilagen herausgegeben. Leipzig. Hirzel. 1887.
Die Universität Göttingen war den 17. September 1737 eröffiiet
worden. Rasch blühte die neue Schöpfung empor, gefördert durch die
weise Leitung des Geheimerats von Münchhausen.
8*
36 Schulgfsebiebte.
Eine grofse Zahl glänzender Gelehrten zierte die jange Hochschule:
A. V. Haller, J. M. Gesner, J. D. Michaelis, Tobias Mayer, Abr. G. Käst-
ner u. a. Bald erfreute sich die Universität eines deutschen Rufes.
Aber noch nicht 20 Jahre alt wurde sie im Sommer 1767 yon einer
Ge&hr bedroht, welche sogar ihre Existenz in Frage stellte. Göttingen
wurde von den Franzosen besetzt und schwebte bis 1762 in schwerer
pefahr.
In welcher Weise die Universität die schweren Kriegsschicksale
durchmachte, erfährt man aus der Chronik S. Chr. Hollmanns, die 1784
bis 87 verfafst wurde, und von der sich eine von Oberbibliothekar J. D.
Reufs herrührende Bearbeitung auf der Universitätsbibliothek befindet
Der Verfasser Hollmann, 1696 zu Stettin geboren, war seit Grün-
dung der Universität Professor der Philosophie und Physik. »Er ist
ein rechtschaffener Vertreter der Mittelmäfsigkeit, deren Mitarbeit, wenn
sie sich nicht überhebt, und wenn sie ihre Pflicht nach bestem Ver-
mögen erfhllt, auf allen Gebieten unentbehrlich ist.c
Zur Kontrolle der Chronik hat der Verfasser Aktenstücke ans
dem Kgl. Staatsarchiv zu Hannover und dem Universitätsarchiv und
städtischen Archiv zu Göttingen herangezogen, die als willkommene Er-
gänzungen im Anhang abgedruckt sind.
Das Bild, welches die Chronik und die ergänzenden Berichte ge-
währen, zeigt, wie Magistrat und Bürgerschaft der im 30jährigen Krieg
sehr heruntergekommenen Stadt Göttingen bemüht sind, wo möglich den
gröfsten Teil der Kriegslasten auf die Universität abzuwälzen. In der
schwierigen Lage war die Universität im wesentlichen auf sich selbst
angewiesen; nach den obwaltenden Verhältnissen konnte sie weder auf
wirksame militärische noch staatliche Hilfe hoffen. Ein pflichttreues und
opferbereites Staatsgefühl hatten in dieser Zeit nur die Preufsen. Wohl
aber gab es unter den Göttinger Professoren damaliger Zeit aach
•fritzischc Gesinnte.
Doch mufs man der Universität nachrühmen, dafs sie alles gethan
hat, um den Bestand der Hochschule zu sichern und die Studenten vor
Schädigung zu bewahren, Mit Sorgfalt wachte man über die Erhaltung
der Bibliothek. Bei der durch den Krieg herbeigeführten Absperrung
von der Hauptstadt erstarkte der Geist der Selbstverwaltung
•Die Universität Göttingen hat es in jener Zeit vermocht, das
schlummernde politische Vermögen in ihren Dienst zu stellen und es
zu einem mannhaften und pflichtgetreaen Gtemeingefühl zu entwickeln«
Der Inhalt der Chronik, welche fast nur kriegerische Ereignisse
und dadurch entstehende Verwickelungen berichtet, kann hier nic^t im
einzelnen wiedergegeben werden. Das gut ausgestattete Büchlein ist
eine unterhaltende, besonders auch den Historiker anziehende Lektüre.
Ein denkwürdiger Promotionsakt, an dem auch die französischen
Offiziere Anteil nahmen (8. 27), ist besonders charakteristisch.
Festschrift der Uni?. Georgia-Ant^ta. Fakidtätstndien za DQsseldori 87
Festschrift za dem ISOjfthrigen Jubiläum der ÜBiversität Geor-
gia-Aügusta. Göttingen. 4^
Der Inhalt der kleinen Schrift besteht aus folgendem: I. Einem
Gedichte Emil Hartmanns: Zum dritten Jubelfeste der Georgia- Augusta-
— 2. Einem kurzen Abrifs der Geschichte der Universität, für den
Ungers iGöttingen und die Georgia -Augustac eine Hauptquelle ist.
Unter den Männern, welche einen grossen Einflufs auf die Gestaltung
der Universität hatten, wird Ch. G. Heyne erwähnt, »ein Mann, dessen
grofse Bedeutung fttr die Wissenschaft sich mit einer nicht minder
grofsen Bedeutung ftlr die Verwaltung der Universität verknüpfte.! Zu
seinen Kollegen gehörte auch der Historiker A. L. von Schl6zer. Von
den Lehrern des 19. Jahrhunderts seien hier genannt: Dissen (1803,
tl8d7), G. 0. MüUer (1819, flS^O), K. F. Hermann (1842, il8bb\
Schneidewin (1836, f 1856), die beiden Grimm etc. — 8. Dem Verzeich-
nis der gegenwärtigen Lehrer der Georgia-Augusta. — 4. Dem Verzeich-
nis der gegenwärtigen studentischen Verbindungen und Vereine der
Georgia-Augusta. — 6. Übersicht über die Zahl der Studierenden im
Sommersemester 1887. — 6. Der Chronik der Universität fttr 1886/87. —
7. Dem Programm der 160 jährigen Jubelfeier der Georgia« Augusta.
Kurzes Leben hatte die hohe Schule zu Düsseldorf:
Dr. Paul Tönnies, Die Fakultätsstudien zu Düsseldorf von der
Mitte des XVI. bis zum Anfang des XIX. Jahrhunderts. Ein Beitrag
zur Geschichte des Unterrichtswesens in Jülich-Berg. Teil 2. Düssel-
dorf. (Programmbeilage 1887. Nr. 459 der Höheren Bürgerschule
und Vorschule zu Düsseldorf).
Die Aufhebung des Jesuitenordens 1773 brachte eine Veränderung
der Jesuiten- Anstalt zu Düsseldorf, insofern die Bestellung und Ver-
pflegung der Kongregierten durch Rescript vom 21. Oktober 1774 auf
die Hofkammer überging. Das staatlich gewordene Schulwesen soUte
nun eine neue, zeitgemäfse Form erhalten. Der Euritlrst ernannte eine
aufserordentliche Schulkommission, bestehend aus zwei Geheimräten,
zwei Hofkammerräten und dem Stadtdechanten.
Im Herzogtum Berg gab es seit 1802 für das gesamte Schul-
wesen eine ständige Schulkommission. 1806 übergab ihr Joachim Murat
die Aufsicht über das gesamte Unterrichtswesen über die Herzogtümer
Gleve und Berg. Ein Dekret vom 17. Dezember 1811 stellte alle Schul-
angelegenheiten direkt unter den Minister und den Rektor der noch zu
gründenden Universität. Da aber die letztere vorerst doch noch nicht
ins Leben trat, so wurden durch den Präfekten des Rheindepartements
am 29. Februar }812 alle Eingaben in Schulsachen direkt an das Mini-
sterium verwiesen; deshalb fanden die Alliierten die Unterrichtsverwaltung
in vollständiger Auflösung.
So wertvoll die aus guten Quellen geschöpften Mitteilungen des
38 Scfaolgeschichte.
YerfiEMsen über Stadiendirektoren, Jesuitenfonds, Klosterfonds, Schnlfonds,
Oehaltsyerhältiiisse, Repetenten, Zuhörer, Vorlesungen, Disputationen und
Examina, Auditorien etc. sind, so muIiB doch von einer Wiedergabe an
dieser Stelle abgesehen werden, weil die Schule eine theologisch-joristi-
sdie war, allerdings mit HinzufUgung medizinischer Kurse. Die Philo-
sophie wurde seit 1^87 allein von den Professoren des Lyceums vorge-
tragen.
Am Schlüsse (S. 88 — 99) ist ein Verzeichnis der Vorlesungen ge-
geben, soweit dasselbe aus den Akten und den Publikationen in den
Jülich- und Bergischen Wochenblättern festgestellt werden konnte.
Zu den f&r Deutschland wichtigen Hochschulen gehörte ehemals
auch Löwen:
£. Reusens, Documents relatib ä Thistoire de Tuniversit^ de
Louvain 1426—1797 (Analectes pour servir k Thistoire ecdteiastiqne
de la Belgique. s^rie II. tom. V [XXI« de toute la coUection]. Lon-
vain 1888).
Der Inhalt dieser Arbeit ist vom Verfasser selbst folgendermafsen
angegeben: Collies et p^dagogies. 36. P^dagogies du Faucon. 86. Mai-
son de pauvres deStandonck. 87. Coline de Busleiden ondes Trois-Langnes.
Der Aufsatz ist keine Darstellung, sondern es sind Aaszttge ans
den Akten der Universität und gedruckten Schriften. Beachtenswert sind
die Rektorenreihen der besprochenen Studienhäuser. Die Auszüge ans
den Universitätsakten ergeben lehrreiche Einblicke in das Schulwesen.
Man beachte z. B. S. 27 die Verhandlung wegen der Studenten, welche
aus dem einen Studienhaus in ein anderes auswanderten, ohne vorher
die Erlaubnis eingeholt zu haben.
Unter den Lehrern der erst genannten Anstalt erscheint a. a. auch
der aus dem Streite mit den Dunkelmännern hinlänglich bekannte Ketzer-
meister Jacobus de Hoogstraeten (p. 106). 1486 ist er unter den Ma-
gistranden des Studienhauses der erste und dann Lehrer der Philosophie
an demselben. Er zieht hierauf nach Köln und steigt zu hohen Ehren
auf. Der Verfasser Reusens urteilt über ihn: Vir plane doctus, strenni,
fortis et infracti animi; doch war es mit seiner litterarischen Bildung
nicht zum besten bestellt, non satis fortasse politiori literatura tinctus.
Noch nach seinem im Jahre 1627 erfolgten Tode grollten ihm die Geg-
ner, wie ans einem Distichon hervorgeht, das seinem Grabmal angehef-
tet wurde.
Unter den späteren Lehrern erscheint auch Aubertus Miraeus
(eigentlich Le Mire) aus Brüssel, geboren den 2. Dezember 1673, ge-
storben 1640, der Biograph des berühmten Justus Lipsius.
Die Domus pauperum Standonck war nach dem Willen ihres Stif-
ters ausschliefslich für Arme bestimmt (S. 161). Unter den Leitern
dieses Hauses erscheint auch Jacobus Latomas, bekannt durch seine Be-
ziehungen zum Leben des Erasmns.
WiBlocki, Liber diligentiaram facaltatis artistic anifersit. Graeoviensis. 89
Von henrorragender Bedeutung für die Geschiebte des XJnterricbtes
und des Homanismus insbesondere ist das Collegiam Bnsleidiannm oder
triam linguamm, genannt nach seinem Stifter Hieronymns Basleiden, Rat
von Kaiser Karl V. Es war ansschliefslich dem Studium des Lateinischen,
Griechischen und Hebräischen bestimmt.
Die einst blühende Anstalt kam durch die Unruhen in den Nieder-
landen so herunter, dafs 1678 es nur von einem einzigen Lehrer, der
keinen Gehalt mehr bezog, bewohnt wurde. Es war fast zur Ruine ge-
worden. Die Angaben Reusens Ober die bertthmte humanistische An-
stalt stützen sich hauptsächlich auf die bekannte ausführliche Monogra-
phie von N^ve (Memoire sur le coU^ge des Trois-Langues).
Ebenso sehr wie Löwen wurde in früherer Zeit Erakau von
deutschen Studenten aufgesucht:
Dr. Wladislaus Wislocki, Liber diligentiarum facultatis artisticae
universitatis Cracoviensis. Pars L (1487 — 1563). Ex codice manu-
scripto» in bibliotheca Jagellonica asservato editionem cnravit W. W.
Cracoviae, sumptibus academiae litterarum. 1886. 8®. XUI u. 543 p.
Im Jahre 1487 beschlossen die Lektoren der Artistenfakultät in
Krakau, dafs der Dekan der Fakultät ein Verzeichnis der Vorlesungen
und Exercitien führe, wobei auch die Versäumnisse einzutragen seien.
Diese »Registra facultatis artisticae« oder iLibri diligentiarum facultatis
philosophicaec, die von 1487 — 1780 geführt wurden, haben sich in meh-
reren handschriftlichen Bänden erhalten. Zum Jubiläum des lateinischen
Dichters Johannes Eochanowski wurden die Aufzeichnungen von 1487
bis 1568 im Auftrage der Krakauer philosophischen Fakultät veröffentlicht.
Freilich ist dieses Verzeichnis nicht absolut vollständig. So fehlen
z. B. die Einträge aus dem Sommersemester 1491 und dem Winter-
semester 1495, ferner am Anfang die Vorlesungen und Disputationen
der Baccalaurei ; sodann sind auch die weiteren Verzeichnisse nicht ganz
zuverlässig, sonst könnten Valentin Eck und Franciscus Stancarus nicht
fehlen. Aufserdem fehlen auch alle Vorlesungen und Übungen, welche
aufserhalb des Collegiam maius gehalten wurden.
Der Inhalt des Buches zerfällt in folgende Abschnitte: 1. Tabulae
lectionum et exercitiorum Ordinesque magistrorum 1487 - 1563. —
2. Appendix 1485 — 1575 (Aufzeichnung einiger Ereignisse, welche für
die Universitätsgeschichte von Wichtigkeit waren). — 3. Index triparti-
tus: a. Lecturae et exercitia, lectiones et exercitationes, quaesUones et
textus. b. Legentes magistri eorumque diligentiae et negligentiae. c. Me-
morabilia. - 4. Specimen Tabulae Ordinisque ex Codicis pag. 58 et 59
descriptum.
Die Indices, welche ein solches Buch erst recht verwendbar machen,
sind durch Sorgfalt und Zuverlässigkeit ausgezeichnet und machen dem
Herausgeber alle Ehre.
40 SdmlgMchidite.
Du Werk ist in Tie Ifacber Hinsicfat höehst lehrreieii. Meines
Wiesens besitzt keine andere Hochschole eine solch schtelmre Qaeile.
Über die unzähligen Yorlesnngen nnd Exerdtieo, ttber die TOitnigenden
Lehrer, deren FleÜiB mid Unfleifs, ttber die gelesenen Schrüksteller n. d|^
an der Hochschule Krakan erhalten wir die wertrcAsten Nadurichten in
einer seltenen Ffllle.
Beachtenswert ist, dafs die Lehrer der Hochschule in ihrer grofoen
Mi^oritit trotz des universellen Charakters der mitteUüterliclien Hodh
schulen Polen sind In zweiter Linie sind sodann die Ungarn Tertreten.
Im ganzen selten. sind die Deutschen, obgleich dieselben unter den Stu-
denten zahlreich gewesen sein dflrften. Beispielsweise seien genannt
Rudolf Agricola von Wasserburg (hier ide Gonstantiac bezeichnet), Kon-
rad Geltes, Sonunerfeld (oder Aesticampianus) etc.
Ein wichtiges Stfick deutscher Universitfttsgeschichte enthilt auch
das Leben des bertthmten Thomasius:
Dr. Alezander Nicoladoni, Christian Thomasius. Ein Beitrag
zur Oeschichte der AufklArung. Mit dem Bildnisse des Thomasios.
Berlin. Stuhr. 1888. 8<>.
Im Oktober 1887 sind es zweihundert Jahre gewesen, dafe in
Leipzig die erste akademische Vorlesung in deutscher Sprache angekttndigt
wurde. Bis dahin hatte man in Deutschland nur lateinisch vorgetragen.
Der Erinnerung an dieses kulturhistorische Ereignis verdankt die
Schrift N.'s ihre Entstehung. Sie erneuert das Andenken an Thomasins,
der diese erste deutsche Yorlesung gehalten hat. Der Verfasser rechnet
den grofsen Aufklärer zu jenen Männern, »in denen sich alle Regungen,
alle Gedanken ihrer Zeit wie in einem Krystallprisma wiederspi^eln,
indem sie von ihnen auff^enonunen und eifirig verbreitet oder abgestossen
und bekämpft werden.«
Der Inhalt des Buches zerfäUt in: 1. Einleitung (die Obrigens
schablonenhaft gearbeitet ist nnd sich in Allgemeinheiten bewegt, die
teilweise sehr anfechtbar sind). -> 2. Thomasins in Leipzig. — 3. Tho-
masins in Halle. — 4. Die Philosophie des Thomasius. — 6. Thomasins
als Jurist — 6. Schnfsbetrachtung.
Der Ton, in welchem die Schrift geschrieben ist, macht teilweise
den Eindruck, als ob der Verfasser eine humoristisch -satirische Dar-
stellung beabsichtigt hätte. Man lese z. B. S. 15: BNach dem westr
ftUischen Frieden gab es in Deutschland nunmehr Landesherren, Hof-
schranzen und Pfahlbflrger, Serenissimi von Gottes Gnaden und in De-
mut ersterbende ünterthanen. Der Respekt der Unterthanen erstreckte
sich auch auf die Umgebung der Landesherm, auf die Hofschranzen nnd
die Hofprediger.c Nach solchen und ähnlichen Leistungen wird es dem
Leser schwer, daran zu glauben, dafs es dem Verfasser rein um die
Sache zu thun war.
Nicoladoni, Christian Thomadas. 41
In dem lersten Kapitel« wird zanftchst ein dfisteres Bild von der
damaligen Universität Leipzig entworfen. Nach des Verfassers Meinung
entspricht die Schildemng, welche Leibniz in seinen »Denkschriften über
die Errichtung der Berliner Sozietätc entwirft, ganz dem Leipzig, in
welchem Carpzov, Angust Pfeiffer und Valentin Alberti thätig waren.
1681 habilitierte sich Christian Thomas oder Thomasius, nachdem er
schon 1675 zu Frankfurt a. 0. Vorlesungen gehalten.
Für die Aufgabe des »Jahresberichtsc ist der Umstand von Be-
deutung, dafs Thomasius im Wintersemester 1687 auf 1688 die erste
Vorlesung in deutscher Sprache gehalten hat, nachdem bis dahin aus-
schliefslich Latein gesprochen worden, seitdem überhaupt deutsche Uni-
versitäten bestanden. Die zünftigen Kollegen des Thomasius waren
empört und sprachen von einem unerhörten Greuel, von einem seit Be-
stehen der Universität noch nie geschehenen crimen. Thomasius blieb
aber seinen Gegnern nichts schuldig, und dabei war ihm keine Autori-
tät zu hoch. Auch vor Luther und Melanchthon machte seine Kritik
nicht halt.
Die Einzelheiten des Kampfes zwischen Thomasius und seinen
orthodoxen Gegnern geben ein häfsliches Bild akademischer Zustände:
öffentliche Beschimpfdngen in den Vorlesungen vor den Studenten, da-
neben im geheimen eine Menge von Intriguen. Nur die Studenten und
Pietisten standen schliefslich zu Thomasius. Derselbe floh 1690 nach
Berlin, um der Verhaftung zu entgehen.
Zum kurfürstlich brandenburgischen Rat ernannt, begann Thoma-
sius 1690 Vorlesungen an der Ritterakademie zu Halle über deutschen
Stil. Diese Schule wurde in eine Universität umgewandelt, welche den
12. Juli 1694 eröffnet wurde. Das Erziehungsideal der neuen Hoch-
schule war, ihre Schüler zu brauchbaren und klugen Menschen zu
machen.
Welche Absichten Thomasius bei seiner Thätigkeit in Halle hatte,
ersehen wir aus seinem »Entwurf der politischen Klugheitt, die eine
abfällige Kritik der bisherigen Hochschulen enthielt, welche nach seiner
Meinung blofs gelehrte Narren erzogen. S. 49 ff. wird eine ausflihrliche
Mitteilung aus der Th. Schrift gegeben. Nach seiner Meinung ist eine
Reform aller Fakultäten notwendig.
Im übrigen blühte die Universität Halle, über welcher der Geist
der Freiheit und religiösen Toleranz waltete, schnell im höchsten
Grade auf.
Der Inhalt der zwei letzten Abschnitte »Die Philosophie des Tho-
masiusc und »Thomasius als Juristc liegen aufserhalb der Aufgaben des
Jahresberichts.
Mit der mittelalterlichen Hochschule hängt die Einrichtung der
Vaganten oder fahrenden Schüler zusammen:
42 Seholgesehichte.
Nie. Spiegel (kgl. Stadienlehrer bei St Stephan in Augsburg),
Vaganten und Bacchanten. I. Teil: Der Ursprung des Yagantentoms.
Angsbnrg 1888. (Würzburger Dissertation.)
Der Verfasser holt für sein Thema weit aus: er geht zurftck bis
auf die Verdrängung der Naturalwirtschaft durch die Oeldwirtschaft
im 12. Jahrhundert und die Folgen davon f&r Adel und Geistlichkeit.
Er betrachtet sodann in einem weiteren Abschnitt »das Streben der
Geistlichkeit, insbesondere aber der Ordensgenossenschaften, nach Er-
weiterung ihres Besitzes und die Rückwirkung desselben auf die Lage
des Weltklerus, c
Dabei wird das Streben der Bettelorden nach Besitz anschaulich
geschildert Das Eindrängen der Mönche hatte zur Folge, dafs sich die
Lage des Weltklerus verschlechterte. Er mufste die Einkünfte aus den
Gemeinden mit den bettelnden und oft sehr zudringlichen Mönchen tei-
len. So kam man zum cumulus beneficiomm, d. h. zur Vereinigung
mehrerer kirchlicher Pfründen in der gleichen Hand, eine Einrichtung,
die ihre grofsen Bedenken hatte und zu bedeutenden Mifsständen führte.
Ein starker Zudrang zu den Studien erfolgte seit dem 12. Jahr-
hundert, und gleichzeitig damit tauchte ein Gelehrtenproletariat auf, das
sind eben die Vaganten.
Das Wandern von Schule zu Schule war nichts Neues, indem
selten eine Schule für alle Fächer des Triviums und Quadriviums gleich
gute Lehrkräfte besafiB. Aber mit der sich weiter entwickelnden Wissen-
schaft und der jetzt entstehenden Scholastik steigerte sich auch das
Wandern der Studierenden. Besondere Anziehungskraft äufserte Paris
und Oxford. Wenn Spiegel von dieser englischen Universität behaup-
tet, unter Heinrich IH. seien dort 30 000 Studenten gewesen (S. 53), so
ist dazu zu bemerken, dafs die übertrieben hohen Zahlen mittelalterlicher
Hochschulen neuerdings vielfache Zweifel hervorgerufen haben, und dafs
man die grofsen Ziffern von ehedem jetzt in der Regel beträchtlich re-
duziert
Nach kirchlicher Vorschrift sollten Studenten nur dann ausgeweiht
werden, wenn sie den Nachweis eines hinreichenden Einkommens geben
konnten. Dies waren viele nicht imstande und blieben deshalb möglichst
lange auf der Schule, wo zu Zeiten zügellose Sitten herrschten. Sodann
aber begannen sie ein unstetes Wanderleben.
»Aus solchen steUenlosen und durch die Wanderung bald jedem
ernsten Streben abhold gewordenen jungen Klerikern, verschwenderisch,
solange das Geld vorhielt, ruhmredig gegen andere, roh und moralisch
verkommen, wie sie auf den Schulen geworden, bildeten sich die Scharen
der Vaganten.«
Den Übergang von der Geschichte der Hochschulen zu der der
Lateinschulen und Gymnasien mögen zwei Bände der Monumenta Ger-
Batie Studiorum et Institotiones Scholasticae Societatis Jesu. 43
maniae Paedagogica bilden, welche auch beide genannte Schulgattangen
betreffen:
Ratio Studiorum et Institutiones Scholasticae Societatis
Jesu per Germaniam olim vigentes coUectae concinnatae dilucidatae a
G. M. Pachtler 8. J. Tomus I. Ab anno 1641 ad annum 1599.
Berlin. A. Hofmann u. Comp. 1887. LIII und 460 S. (Bd. II der
von Karl Eehrbach herausgegebenen Monumenta Gennaniae Paeda-
gogica).
Entsprechend dem die verschiedenen Eonfessionen in sich schliefsen-
den Charakter des grofsartig angelegten Unternehmens folgt als Bd. II
ein aus dem Jesuitenorden hervorgegangenes Werk, nachdem der erste
Band die protestantischen Schulordnungen Braunschweigs gebracht hat.
Der Herausgeber Pachtler hat sich längst durch pädagogische Arbeiten
bekannt gemacht, die freilich, da sie im Geiste seines Ordens geschrie-
ben waren, vielfachen Widerspruch gefunden haben.
Das umfangreiche Vorwort gibt Auskunft über die verschiedensten
Fragen. Die Materialien entstammen unter anderem auch dem Archiv
der deutschen Ordensprovinz der Gesellschaft Jesu. »Die Ges. J. hat
keinen Grund zu Geheimhaltung jener Schätze, sie findet im Gegenteile
in der Veröffentlichung derselben eine ruhmreiche Rechtfertigung ihres
Wirkens und ihrer Geschichte.« Doch haben auch andere Archive und
zahlreiche Privatleute von ihrem archivalischen Reichtum beigesteuert.
Am schmerzlichsten vermifst der Verfasser örtliche Schulvor-
schriften vonseiten der Ordensoberen, einzelne Disziplinarverfügungen,
Schuldiarien, Lektionspläne, Tisch- und Konviktsordnungen. Wenn
Pachtler fortfährt: »Wohl mag noch einiges, der Himmel weifs wo, in
abgelegenen Winkeln schlummern, aber das Meiste ist unwiederbringlich
verloren. Denn zur Zeit der Unterdrückung des Ordens ist man aus
Unkenntuiss und Leidenschaft mit jenen Papieren umgegangen, wie der
Wind mit den Blättern der Sibylla,« (S. VII), so darf vielleicht gefragt
werden, ob es eine ausgemachte Sache ist, dafs solche »örtliche Schul-
Vorschriften« so zahlreich vorhanden gewesen, und wenn dies der Fall,
^ ob sie in der That von so allgemeinem Interesse und von solcher Be-
deutung gewesen, dafs es angezeigt ist, ihren Untergang sehr zu be-
klagen.
Bezüglich der gedruckten Litteratur erklärt Pachtler, dafs »Partei-
schriften mit ihrer Grundlage von Vorurteilen« für seine Darstellung
keinen Wert hatten. In der Sache wird man dem Verfasser nur Recht
«
geben können, dafs Parteischriften keine mafsgebenden und zuver-
lässigen Quellen sind. Aber als Parteischriften dürfen nicht alle Schrif-
ten bezeichnet werden, welche dem Jesuitenorden nicht günstig sind.
In der Znsammenstellung der häufiger benutzten gedruckten Schriften
S. XLIV — LIII wird zu den Arbeiten von Wolfgang Bauer (Aus dem
46 Scholgeschiehte.
Sodann folgt ein umfangreicher Abschnitt über die archivalischen
Quellen p. XXI — XLIY, der eine stattliche Reihe von Quellen verzeich-
net. Eine Aufzählung der häufiger benutzten Druckschriften beschliefst
das Vorwort.
Wir müssen uns mit Rücksicht auf den hier zu Gebote stehenden Raum
damit begnügen, von der an das Vorwort sich anschliefsenden Urkunden-
publikation nur das Wichtigste hervorzuheben. Teil I enthält: a. Son-
derrechte im Schulwesen, welche der h. Stuhl der Ges. J. verliehen hat
(Unterabteilungen: Schulen, akademische Grade, Kollegien, Besitz der
Gesellschaft Jesu, Gebäude). — b. Die Konstitutionen der Ges. J. über
das Schulwesen. — c. Die Beschlüsse der Generalkongregation der Ges.
J. über das Schulwesen von 1558-1883. — d. Auf das Schulwesen be-
zügliche Regeln der einzelnen Ämter der Ges. J. (für den Provinzial
und Rektor).
Der zweite Teil, enthaltend die örtlichen Vorschriften über das
Schul- und Erziehungswesen der Ges. J. bis zum Jahre 1599, ist be-
sonders stoffreich; er besteht aus 53 Nummern. Beispielsweise seien
daraus angeführt Stellen aus Briefen des seligen Petrus Ganisius, die
älteste Einrichtung des CoUegs zu Köln a. R., Statuten der Universität
von Trier von 1562, älteste Studienvorschriften über das Collegium Ro-
manum 1566, Lektionsplan des Würzburger Jesuitenkollegiums im ersten
Jahr seines Bestehens 1567, Lektionsplan der humanistischen Klassen
zu Ingolstadt 1568, Lektionspläne des Kölner Jesuitengymnasiums, eine
Disputationsordnung von 1580, Verordnungen Aquavivas über Schulvisi-
tationen u. a.
Der dritte Teil besteht aus folgenden Unterabteilungen : a. Kolle-
gien, b. Collegium Germanico-Hungaricum bis 1599. c. Konvikte und
Seminarien. Die hier mitgeteilten wertvollen Urkunden beziehen sich
auf Ingolstadt, Dilingen, Graz., Köln, Löwen, München etc., zum Teil
haben sie auch ganz allgemeine Gültigkeit.
So dankbar wir für dieses reiche Urkundenmaterial sein müssen,
so mögen doch hier einige Punkte angemerkt sein, die ich mir beim
Studium des Werkes notiert habe:
Zu p. XIX: Die Aufzählung der Provinzen des Jesuitenordens
wäre besser ersetzt worden durch eine Beschreibung oder eine Karte der
Provinzen, aus der man die Ausdehnung derselben genau erkennen könnte.
Zu p. XIX: Ausdrücke wie Domus probationis, Residentiae,
Missiones, Socii mufsten genau erklärt werden; denn selbst die Mehr-
zahl der katholischen Leser wird diese Ausdrücke schwerlich erklären
können, wie viel weniger die protestantischen, für welche das Buch doch
auch geschrieben ist.
Zu p. XXYIII sollte bemerkt sein, wo sich das Archiv der deutschen
Provinz der Ges. J. zur Zeit befindet, welches so zahlreiche Vorlagen
geliefert hat Doch wohl in Rom?
Die sftchsisch-siebenbürgiBcheD SchalordDongen 47
Wenn aber die Gesellschaft Jesu bei ihrer Verbreitung im 16. und
17. Jahrhundert auf so entschiedenen Widerstand gerade bei den Katho-
liken stiess, so mrd jeder Leser dieses Werkes die Ursachen dazu fin-
den. Man vgl. z. B. S. 1 § 1, S. 2 § 3 und viele andere. Der § 1
mufste zu mannigfachen Kollisionen mit den geordneten Vorlesungen an
den Universitäten führen, womit die Vertreter der letzteren sicherlich
nicht einverstanden sein konnten. Als besonders lästig dürfte aber § 3
empfunden worden sein, der folgendermafsen lautet: »Alle Studierenden,
welche in unsern Kollegien Philosophie oder Theologie gehört haben,
können auf jeder Universität zu den Graden zugelassen werden, und die
in den genannten Kollegien zurückgelegten Kurse müssen ihnen ange-
rechnet werden; wenn sie daher ihre Prüfung gehörig bestanden haben,
so können und müssen sie nicht in geringerem, sondern in gleichen Mafse,
als wenn sie auf den Universitäten selbst studiert hätten, zu allen Gra-
den zugelassen werden. (Pius V.)< Man mache sich einmal eine Situa-
tion klar, wie sie diese Bestimmung zuläfst: in derselben Stadt bestehen
z. B. eine Universität und ein Jesuitenkollegium neben einander. Das
letztere hat einen grofsen Zuflufs von Schülern, die es in den jahrelang
dauernden Kursen ausbildet, ohne sich im geringsten um die Universität
zu kümmern. Wie nun aber die Zeit herannaht, wo die akademischen
Grade durch Prüfungen erworben werden sollen (und der Besitz dieser
akademischen Grade verschaffte mancherlei Vorteile), da erscheinen die
Zöglinge der Jesuiten als Examinanden vor dem Lehrer der Universität,
die sie bisher nicht beachtet, deren Vorlesungen und Übungen sie nicht
besucht haben, um sich bei ihnen alle die Vorteile zu erwerben, die
deren eigene Schüler nur durch jahrelangen Fleifs und Ausdauer bei dieser
selbst erwarben. Kein billig Denkender wird sich wundern, wenn er in
der Geschichte der Universitäten liest, dafs überall Händel entstanden, wo
die Jesuiten in die Universitätsstädte einzogen. Das ist nur ein Beispiel.
Was wir auf S. 3 als § 2 ff . lesen, gibt Anlafs zu ähnlichen Erwägungen.
Doch genug davon. Das ist kein Tadel gegen den Herausgeber,
dem wir vielmehr für seine Arbeit zu lebhaftem Danke verpflichtet sind.
Nur möchte ich zum Schlufs noch zur Erwägung geben, ob es nicht für
dieses Werk wie für das ganze Unternehmen besser wäre, wenn der ge-
plante Umfang dieser Publikation bedeutend verkürzt wird.
Ebenfalls zu dem Sammelwerk der Mon. Germ. Paedag. gehört:
Dr. Friedrich Teutsch, Professor in Hermannstadt, die sieben-
bürgisch-sächsischen Schulordnungen mit Einleitung, Anmerkungen und
Register. Erster Band. 1643 — 1778. Berlin. A. Hofmann & Co. 1888.
80 CXXXVIU und 416 S. (Bd. VI der von Karl Kehrbach heraus-
gegebenen Monumenta Germaniae Paedagogica).
Der kernige Stamm der Siebenbürger Sachsen wohnt zwar weit
ab vom deutschen Vaterlande, aber hat bis jetzt mit germanischer
48 Schulgeschichte.
Zähigkeit an seinem Volkstum festgehalten, und so konnten seine Schul-
ordnungen Aufnahme in das Unternehmen der Monumenta Germaniae
Paedagogica finden.
Das Werk ist von dem Verfasser im Auftrag der sächsichen Mittel-
schulen Siebenbürgens dem evangelischeu Bischof Dr. Greorg Daniel
Teutsch, dem tapferen Vorkämpfer für das Deutschtum, seines Volkes,
zum 70. Geburtstage gewidmet.
Zum ersten Mal erscheinen hier die sächsisch^iebenbürgischen Schul-
ordnungen vollständig gesammelt, wiewohl einzelne schon vielfach benatzt,
auch in Gelegenheitsschriften, wie Schulprogrammen, veröffentlicht wor-
den sind. »Der Gang des geistigen und sittlichen Lebens im sächsichen
Volk wird aus denselben besser erkannt, das Ringen des Volkes, auch
in der stillen, tiefernsten Arbeit der Schule die hier so oft schwer be-
drohten Güter des deutschen Volkstums zu schützen und zu kräftigen,
seinem vollen Wert nach beurteilt werden können. c
Der Verfasser meint, man merke auch den siebenbürgischen Schu-
len an, dafs diejenigen, welche sie gründeten und erhielten, 300 Jahre
mit den Türken kämpften. Bezeichnend sei, dafs die Schalen in der
Nähe jener Kirchen stehen, für die sich ein eigener »VerteidigongsstiU
entwickelt habe.
Aus der »historisch-kritischen Einleitungc erfahren wir zunächst,
dafs die deutsche Schule in Siebenbürgen bis in den Anfang des 14. Jahr-
hunderts hinauf nachweisbar ist, dafs sie aber vermutlich noch weiter
hinaufreicht Aber die Angaben bleiben bis zum Anfang des 15. Jahr-
hunderts dürftig. Einen besseren Einblick gewähren erst zwei Urkunden
von 1438 und 1439.
Von Anfang an hat die sächsisch-siebenbürgische Schale zwei Kenn-
zeichen, die ihr bis zur Gegenwart geblieben sind: sie steht im Schutz
der Kirche und ihre Schulgemeinde deckt sich mit der deutschen Ge-
meinde, sodafs die Schule zur Gemeindesache wird.
Die Entwickelung dieser Schulen hat sich im engen Anschlufs an
das deutsche Geistesleben vollzogen. Die eigentlichen Schulordnungen be-
ginnen erst mit der Reformation.
Den Stoff hat der Verfasser, soweit er ihn aus handschriftlichen
Vorlagen schöpfen mufste, aus zahlreichen Archiven gesammelt, von denen
aber keines aufserhalb Ungarn-Siebenbürgen liegt. Die Grundsätze der
Herausgabe sind die von Karl Kehrbach im Plan der MGP aufgestellten
mit einigen, schon von Koldewey beim ersten Band der MGP angebrach-
ten Modifikationen.
Die erste erhaltene ausführliche Schulordnung ist in der Kirchen-
ordnung des Honterus vom Jahre 1548 enthalten. Jakob Honterus aus
Kronstadt, ein Mann mit gediegener humanistischer Bildung, wurde im
Verein mit Luther und Melanchthon der Reformator des siebenbürgischen
Sachsenlandes. Seine 1543 erschienene Reformatio ecclesiae Coronensis
Die s&chsisch-BiflbeDMrgiaehen Schalordnnngen. 49
ae totius Baroensis provinciae (der Eirefae von Kronstadt und dem Bar-
zenlande) wurde im gleichen Jahre von Melaachtbon in Wittenberg mit
Vorrede herausgegeben. Der Abschnitt »De scholisc enthält die Gmnd-
zftge der nenen Entwickelang. In erweiterter Gestalt wurde das Bttchlein
durch die Landesuniversität, d. h. durch die politische Volksvertretung
des Sachsenlandes zum Gesetz erhoben.
Über die Bedeutung der Honterschen Schulordnung sagt Teutsch:
»Diese selbst ist nun der erste praktische Ausdruck der Thiti^eit auf
dem Gebiet der Schule im Reformationszeitalter. An deutsche Vorbilder
anschüefsend, nahm sie doch sehr vieles von den bestehenden Sehul-
zttständen auf und ist zugleich fftr die Einrichtung der anderen Gymna-
sien im Sachsenland Vorbild geworden. So ist denn Honterus in der
That fttr uns Luther und Mel«ichthon zugleich gewesen-c
Neben der Schulordnung ist speciell die Organisation der Eron-
stftdter Schule das Werk des Honterus. Er geht dabei weit über das
in Deutschland damals Übliche hinaus: neben Grammatik, Dialektik und
Rhetorik erscheint auch Griechisch und Musik, ja sogar Geographie und
Arithmetik. Ob sich ftbrigens dieser erweiterte Lektionsplan nicht aus
dem Mangel einer siebenbttrgischen Universität in damaliger Zeit erklärt?
Honterus und sein Mitarbeiteer Val. Wagner, sein Nachfolger im
Eronstädter Pfarramt, haben eine lange Reihe von Schulbflchern heraus-
gegeben, welche p. XVU ff. zusammengestellt sind, die aber zum gröfsten
Teil Nachdrucke oder Bearbeitungen von Werken anderer sein dttrften.
Fflr die Leges hat Teutsch die Abhängigkeit von Heiden erkannt, fbr
die LehrbücJier besonders des Honterus ist sie noch festzustellen.
Daran reiht sich der Beschlufs der sächsischen Nationaluniver*
sität vom Jahre 1546. Unter Nationaluniversität verstand man die seit
1466 rechtlich bestehende, mit grofsen Rechten ausgestattete Gesamt-
vertretung der sächsischen Nation, die auch in Kirchen- und Schulsachen
beschlofs.
Weiter folgt ein Gutachten des sonst in Folge dogmatischer Strei-
tigkeiten nicht eben gut beleumundeten Franz Stancarus, das derselbe
1649 über die Hermannstädter Schule abstattete.
Die Anordnung des Stoffes ist nun die, dafs in der Einleitung die
nötigen Angaben über die veröffentlichten Aktenstücke, ihre Geschichte,
die etwaige handschriftliche oder gedruckte Vorlage und dergl. gemacht
werden, woran sich sodann der Abdruck der Aktenstücke selbst schliefst
Dieselben umfassen die Jahre 1643 bis 1778.
Mit S. 847 beginnen sodann die Anmerkungen, welche sprachliche
und sachliche Erläuterungen geben. Aus diesen Anmerkungen ergibt
sicli, dafs d^ Verfasser mit der nicht ganz kleinen Litteratur des sieben-
btlrgischen Saohsenlandes sehr gut vertraut ist Manchmal aber hätte
man eine noch weitergehende Berttcksiohtigung der deutschen Litteratur
gewtlnBoht
Jahresbericht für Alterthus&swissensdutft. LXIX. Bd. (1891. lU.) 4
50 8chalge8chichte.
Ein Verzeichnis der mehr&ch erwähnten Schriften und ein Inhalts-
verzeichnis beschliefsen den stattlichen Band.
Im einzelnen gewährt die Lektüre viele wertvolle Bereicherangen
zur Schulgeschichte. Auf S. 3 z. B. erfahren wir, dafs die siebenb&r-
gischen Schulen im 16. Jahrhundert kein Schulgeld erhoben (praeceptores,
qui publicis stipendiis contenti, omme genus disciplinarum gratis docent).
Auf S. 5 ist mit klaren Worten gesagt, dafs nur der Rektor der
Schule seinen Qehalt vom Senat, d. h. nach unserer heutigen Sprech-
weise von der Regierung bezieht, dafs aber seine Gehilfen (die synergi
und der aedituus) vom Rektor besoldet werden, »damit beide (d. h. der
Senat und der Rektor) dienstwilligere Untergebene haben.« Vgl. dazu
S. 6 Z. 36 und 37.
Jedenfalls führte die Schule zu Kronstadt ihre Schüler viel weiter
als die meisten deutschen Lateinschulen in der ersten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts. So ist z. B. wiederholt neben Rhetorik, Dialektik und Geo-
graphie auf die Mitteilung des Griechischen hingewiesen: exercitium
grammaticae graecae et latinae tota septimana nunquam praetermittatur
(S. 7 Z. 15) oder una lectio graeca quotidie in schola continuetur (S. 7
Z. 19.)
Geschichte der Hochschulen und sonstigen Schulen betrifft:
Dr. Paul Wiegand Heinrich W. J. Thierschs Leben (zum Teil
von ihm selbst erzählt). Mit Thierschs Porträt in Stahlstich. Basel,
Schneider. 1888. 8^. XX und 464 S.
Obgleich der Mann, dessen Leben dieses Werk erzählt, Theologe
war, so mufs es an dieser Stelle doch behandelt werden. Denn der
Theologe Thiersch ist der Sohn des berühmten Philologen Friedrich
Thiersch, des Praeceptor Bavariae, und so erzählt das erste Kapitel
das Leben des bayerischen Philologen und Schulmannes. Sodann aber
wird Heinrich Thierschs Schul- und Studienzeit eingehend geschildert,
und wir erhalten damit ein Stück Geschichte 'deutschen Schullebens.
Femer hat Heinrich Thiersch durch seine akademische Thätigkeit and
seine im Jahre 1867 erschienene Schrift über die »Zurückfilhrung des Gym-
nasialunterrichts zur Einfachheit! auch einige Bedeutung ftlr die Entwicke-
lung des höheren Unterrichts in Deutschland.
Der erste Abschnitt des Buches »das väterliche Haust ist nur ein
Auszug aus dem grofsen, zweibändigen Werke, worin der Sohn Heinrich
das Leben und Wirken seines Vaters feierte, und das 1866 in Heidel-
berg erschienen ist. Wir sehen deshalb an dieser Stelle von einer Wie-
dergabe genannten Abschnittes ab.
Der Herausgeber konnte für die Fortsetzung eine Autobiographie
Heinrich Thierschs benützen, welche sich in dessen litterarischem Nach-
laß fand und sein Leben bis zum 60. Jahre darstellte.
Heinrich Th. wurde den 6. November 1817 zu München geboren.
Wiegand, Heinrich W. J. Thienchi} Leben. 51
wo sein Vater damals noch Gymnasialprofessor war. Die Paten des
erstgeborenen waren Schelling und Friedrich Roth, ebenfalls Protestanten,
wie Vater Th. selbst.
Durch den Privatlehrer Servatns, Dr. Schmetzer, den Vorstand
einer Privatschule, sowie durch den eigenen Vater vorgebildet, trat H.
1827 in das neue Gymnasium zu Manchen ein, welches jetzt Ludwigs-
Gymnasium heifst Im Jahre 1829 ttbergab ihn der Vater der lateinischen
Schule zu Nürtingen, einer jener trefflichen Schulen der altwürttember-
gischen Art, für welche der Vater Th. eine grofse Schwärmerei hatte,
und die auch auf den Sohn übergegangen zu sein scheint. Der Rektor
Planck legte allen Nachdruck auf das Lateinische. Im Griechischen
wurde weniger geleistet. Die ganze Einrichtung dieser jetzt nicht mehr
vorhandenen Schulen findet hohe Anerkennung, nur die »altwttrttem-
bergischen Tatzent sind ein düsterer Schatten in dem sonst so hellen Bild.
Im Jahre 1829 trat Th. in das alte (jetzt Wilhelms-; Gymnasium
ein, wo er das Glück hatte, 1831 und 1832 den bekannten Philologen
Bernhard Spengel als Lehrer zu haben. Th. hatte die Empfindung, in dem
einen Jahre bei Spengel mehr gelernt zu haben als in allen anderen
Klassen der Schule. Ganz besonders genufsreich war bei diesem Lehrer
die Lektüre des Auetor ad Herennium. 1833 bestand Th. die Abiturien-
tenprüfung (Th. braucht die Bezeichnung »Absolutorialexamenlt), wo-
bei Döllinger den Vorsitz führte. Wenn Th. fortfährt: »Wir wufsten
nichts von den geisttötenden und unmäfsigen Anforderungen einer
preusHschen Maturitätsprüfung , und dieses Examen bildete einen ganz
anmutigen Schlufs meines Gymnasiallebens,« so läfst sich bezweifeln, ob
der Verfasser hier mit wirklicher Sachkenntnis oder blofs nach Hören-
sagen redet.
Als akademischer Bürger der Münchener Universität hörte er neben
Schelling, der ihn sehr fesselte, besonders seinen Vater, der damals in
seiner besten Kraft stand. Seine griechische Litteraturgeschichte war
»ein wahrhaft grofsartiges Kollegium.« Daneben las er über Pindar,
Äschylus* Agamemnon, Tacitus Annalen und Ciceros Tusculanen, im phi
lologischen Seminar Plutarch, Aristopbanes, Lucrez und Velleius Pater-
culus. Aber auch Spengels Übungen an diesem Seminar, z. B. über Varro
de lingua latina, waren sehr nützlich. 1834 bestand Th. die philo-
sophische Prüfung, die damals in Bayern vor dem Fachstudium vorge-
schrieben war, das sogenannte Fuchsenexamen.
In neue Bahnen gelangte der Student im Jahre 1836, als er zum
Studium der Theologie nach Erlangen ging. Mit der Philologie war
es damit aus: »Döderlein hielt nur selten eine Sitzung des Seminars.
Der grundgelehrte Joseph Kopp kam in den Vorlesungen über Piatos
Eratylus nur etwa bis zum fünften Kapitel.« (S. 39).
Nachdem Th. das theologische Examen in Ansbach bestanden,
studierte er noch ein Semester in Tübingen, wo er auch Baur, das Haupt
4*
Se MiDlgesdiidit«.
der Tabil^er Schale, wenifisteiR oberflftehli^ keimen lernte. Sein Prt-
iwUtetfum galt dsmitls defti Text der Septoaginta «nd den Hebraismen
im Griechischen des N. T.
Im Jahre 1888 bestand er sein Doktorexamen in Manchen, unter
seinen 40 Thesen waren die besten, welche Textverbessemngen in den
homerischen Hjrmnen gaben nnd die von Spengel anerkannt wurden.
Schelling opponierte bei der Dispntation im schönsten Latein. Als
Qnaestk) inangnralis trug Th. etwas ttber die neugriechische Sprache vor.
Nachdem er noch 1839 das GymnasiaUehrerexamen bestanden hatte«
wurde er im Oktober desselben Jahres theologischer Repetent in Erlan-
gen und später Professor zu Marburg.
Aus der Fortsetzung kommt nur weniges für den »Jabresberiditc
in Betraeiit. Th. machte schledite Erfahrangen mit seinen Zuhörern
und fami den Havpt-Grund darin, dafs man iSSd in Kurhessen eine
neue Schulordnung geschaffen habe in der Nachahmung des preufsischen
Schulwesens durch Hassenpfiug und Vilraar. »So bekamen wir in Hessen
die moderne, preufsische Vielwisserei, noch dazu ohne die preufsisclie
StiMunheit und PankUicUceitt Man kann billigerweise bezweifeln, ob
Th,, der nie eine preufsische Schule von innen gesehen hat, zu einem
sotohem Urteil berechtigt war. Aufserdem bleibt zu bedenken, ob theo-
logische Prüfungen, bei welchen Th. seine Erfahrungen und Beobachtun-
gen sammelte, geeignete Veranstaltungen flir solche harten Urteile sind !
Auch darf maa mit Recht fragea» ob nicht Th. durch seine Voreingenom-
menheit vieles anders gesehen hat, als es in Wiüirheit gewesen ist. Jeden-
ialls Ist Thierschs Bericht, der auf S. 384 ff. abgedruckt ist, mit kri-
tischen Augen zu lesen. Da heilet es z. B. mit kaiegorischer Sicherheit
nnd einer gewifs zu bezweifelnden Allgemeinheit: »Die Studierenden
der Theologie besitaen mit seltenen Ausnahmen schwache Kenntnisse im
Lateinischen, ebenso schwache im Griechischen und noch schwächere im
Hebr&ischein.c »Es bedarf nur noch geringer Zunahme dieses Übels,
so wird dem Professor der neutestamenUichen Exegese nichts mehr ftbrig
sein, als die Vorträge ttber den Grundtext in Vorträge Aber den deutschen
Text zu verwandein.« Das neutestamentliche Griechisch ist bekanntlich
80 schwierig nicht, und doch hatten die Zuhörer Th.*s sieben Jahre lang
griechischen Unterricht gehabt! Sollte hier der Sohn des bertthmten
Oiieisten Thiersoh die Dinge nidit schwärzer gesehen haben, als sie
wirklich waren?
Das Weric über den jüngeren Thiersoh ist eine wertvolle Gabe zur
Geschichte der Studien und der Bildung Deutschlands im 19. Jahrhun-
dert. Wer es aber benutzen will, wird gut daran thun, die nötige kritische
Vorsicht anzuwenden und das »audiatur et altera pars« zu ttben.
Einem früher viel gebrauchten Lehrbuche gilt folgende Arbeit:
Lieb], Disticfia Cornnti des Jo. t. Ourlasdlt ond SchoKMt GorDutos. 58
Hins Liebl, Die Dfslioha Gornnü) auch Ooraatns oder Bistigram
des Jo. V. Garlandia genannt, and der Scholiast GonMitas« Mit deai
Text des Gonmtus antiquos und doviis. Stranbing (Programm der
Kgl. Studien-Anstalt Straubing.)
Unter den Lehrbftehera, mit weleben die Hnmanisten die scho-
lastische Barbarei des Mittelalters charakterisieren, erscheint mehrfach
anch der Cornutus. Wimpfeling, Torrentinus und die Epistolae obscu-
rorum viromm sind einig in seiner Vemrteihing. Die aahh*eiohen er-
haltenen Handschriften desselben beweisen, dafs er Tiel gebraucht wurde,
bis er am Anfang des 16. Jahrhunderts verdienter Vergessenheit an-
heimfiel.
Nachdem der Verfasser die litterarischen Nachrichten ftber Cor*
nutns zusammengestellt hat, zähh er die von ihm zur TextrezMMion be-
nutzten Handschriften auf. Es sind das der Cod. ac. Erlang. 264, Cod. lat
Monac. 21, 666, 7678, 14958. Der Älteste Druck stammt von Hagenau 1489.
Da nicht zu erschliessen war, was ursprüngliche Lesart, so ver-
fuhr der Herausgeber bei der Textgestaltung eklektisch. Von S. 10-^27
folgt sodann der Abdruck des Werkes mit allem gelehrten Beiwerk.
Von dem Werte des Lehrbuches denkt der Herausgeber selbst
sehr gering. Er bezeichnet es als ein vorsifiziertes Fremdwörterbuch flir
Vorgeschrittenere, durch welches »man mit Hilfe eines breiten Kommen-
tars, ohne welchen ein Verstftndnis unmöglich sei, Moralphiloeophie und
etwas Grammatik, hauptsächlich aber Etymologie c lernte, »eine Vorschule
der Bibel.« Er pflichtet dem verwerfenden Urteil des Erasmut von
Rotterdam bei, welcher sagte: »Deum immortalem, quäle saeculum erat
hoc, quum magno apparatu disticha Joannis Garlandini adolesoentibus
operosis ac prolixis commentariis eaarrabantur?« (8. 27.)
Von der Wissenschaltliehkeit der Kommentare zu diesem Buche
erhält man einen Begriff z B. durch folgende Erklärung: Reuma dicitur
a removeo, quia removet superfluas (?) liquores de cerebro« (p. 290 Der
Verfasser sagt: »Die Kommentare beweisen 6m Abhandenkommen jeder
Kenntnis des Griechischen und die Suchti alles zu erklären trotz gäiuslicb
unzureichender Sprachkenntnis.«
Auf S. 85 ff. stellt der Verfasser die Grtlnde gegen die von Hau-
r^au behauptete Autorschaft des Johannes von Garlandia zusammen.
Leider ist die sehr ntltzliche Schrift durch schlechtes Papier und
noch schlechteren Druck nur schwer zu lesen.
Theodor Schwarz, stud. phil. Über den Verfasserund die Quellen
des Rudimentnm Novitiorum. Eine von der philosophischen Facultät
der Universität Rostock gekrönte Preisschrift. Rostock. (Verlag von
Wilh. Lohmann in Braunschweig.) 1888. 8^. 80 8.
Das Radimf ntum Novitiorum ist eine auf Pergament gedruckte In-
kunabel in Folio, von dem wie von seinen zahlreichen Abbildmwn
54 Sdralgesehiehte.
Schwarz S. 1 — 12 eine genaue Beschreibung gibt, und von der elf Exem-
plare nachgewiesen werden.
Der Inhalt, nach sechs Weltaltem gegliedert, ist eine Geschichts-
darstellung seit Erschafifang der Welt bis herunter auf die Geschichte
der Kaiser und Päpste, nebst mancherlei Zuthaten. Den Schlufs bildet
ein Martyrologium oder Calendarium nebst einem Sachregister mit der
Conclusio.
Das Rudimenturo, das ohne historischen Quellenwert ist, zeigt die
Einwirkung dominikanischer Werke und reiht sich damit in die Kette
von Arbeiten ein, wie die eines Yincenz von Beauvaix, Martin von Troppau
und Heinrich von Herford. Das Buch sollte alles Wissenswerte vereinen
und somit eine ganze Bibliothek ersetzen.
Der anonyme Verfasser kann nach dem Inhalt weder ein Franzis-
kaner noch Dominikaner gewesen sein. Von klassischen Schriftstellern
eitiert er: Cicero, Ovid, Vergil, Horaz, Sueton, Justin, Plinius.
Schwarz sucht den Verfasser des Werkes, das 1475 durch Lucas
Brandis von Schasz gedruckt wurde, in Lübeck, ohne aber eine bestimmte
Persönlichkeit namhaft zu machen.
In einem weiteren Abschnitt stellt der Verfasser die sehr zahlreichen
citierten Schriftsteller zusammen. Wenn aber Schwarz annehmen sollte,
wie das seine Meinung zu sein scheint, dafs der Verfasser des Rudi-
mentum alle diese QueUen selbst herangezogen und ausgeschrieben hat,
so ist dagegen zu bemerken, dafs die Schriftsteller jener Zeit die Citate
in der Regel aus ihren meist nicht sehr zahlreichen Quellen mit über-
nahmen. Mir scheint die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dafs die zahl-
reichen Citate aus einem oder einigen wenigen Schriftstellern mit dem
Hauptinhalt des Werkes mitabgeschrieben sind.
Die weiteren Abschnitte über das Verhältnis des R. N. zum Ghro-
nicon Slavicum liegen aufserhalb des Rahmens dieses Jahresberichts.
Bevor wir uns zu der Geschichte der einzelnen Schulen wenden,
empfiehlt es sich, zwei Arbeiten zu besprechen, welche das eigentliche
Lehrziel des Gymnasiums zu bestimmen suchen:
Dr. J. K. Fleischmann, K. Gymnasialprofessor Das Bildungs-
ideal des deutschen Gymnasiums in seiner geschichtlichen Entwicklung
bis gegen Mitte des XVIII. Jahrhunderts. Hof. 1888. 8^. 27 S. (Pro-
grammbeilage)
Die Schrift verdankt ihre Entstehung dem Umstände, dafs der
Verfasser sich geschichtlich orientieren wollte, um die gegenwärtigen
Bestrebungen zur Reform des Gyronasialunterrichtes kritisch würdigen
zu können. Ohne selbst eigentliche Quellenstudien zu machen, hat er sich
aus guten und verbreiteten Darstellungen über die Geschichte unseres
höheren Schulwesens unterrichtet. Neue Gesichtspunkte begegnen des-
halb ebenso wenig wie neue Thatsachen.
J
Fleischmann, Bildongsideal des deutschen Oymnaeiams. 55
In ansprechender Form werden wir kurz belehrt ttber das mittel-
alterliche Schulwesen. Im 16. Jahrhundert bildet sich durch das Zn-
sammenwirken der humanistischen und religiösen Reform eine neue Zeit
für die Schulen. »Der Gedanke einer allgemeinen wissenschaftlichen
Vorbildung kommt wenigstens im protestantischen Deutschland deutlich
zum Ausdrucke. (S. 7) Der ausgedehnte und eifrige Betrieb des Grie-
chischen neben dem Lateinischen ist eine Errungenschaft dieses Zeit-
alters. Der berfthmte Sturm in Strafsburg formuliert das Lehrziel der
Zeit als sapiens atque eloquens pietas.
In der nächsten Zeit aber verkümmert das Griechische wieder: es
wird zu einem blofsen Anhängsel des lateinischen Unterrichtes. In den
protestantischen Schulen beschränkte man den griechischen Unterricht
auf die Lektüre des N. Testaments Allmählich erringen sich Geschichte
und Geographie sowie Mathematik eine selbständige Stellung im Lehr-
plan. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erhält sodann der
deutsche Unterricht die Bedeutung eines besonderen Lehrgegenstandes.
Wenn auf S. 9 behauptet wird, dafs im Jahre 1538 die sächsischen
Schulen durch Luther und Melanchthon eine neue Einrichtung erhielten,
so ist das wohl ein Druckfehler für 1528, in welchem Jahre der »Unter-
richt der Visitatoren an die Pfarrherrn im Kurfürstentum Sachsenc er-
schien. Sodann wurden die sächsichen Schulen eigentlich nicht neu ein-
gerichtet, sondern man fixierte einen schon längst vorhandenen Zustand
auch schriftlich Aufserdem aber gab es in Sachsen auch Schulen, in wel-
chen das Dreiklassensystem des »Unterrichtsc nicht zur Anwendung kam,
wie z. B. in der berühmten Zwickauer Schule.
Auch die Bemerkung über die Terenzlektüre (S. 21) ist nicht ganz
zutreffend. Terenz wurde im 16. und 16. Jahrhundert aufserordentlich
häufig gelesen, weil man die Schüler lateinisch sprechen lehren wollte^
wozu die lateinische Eonversation der terenzischen Lustspiele sehr wesent-
lich beitrug. Die Terenzlektüre diente also, wenigstens in erster Linie,
nicht »der Fertigkeit im lateinischen Stil.«
Aus den »Nachweisen und Erläuterungen« (S. 19 ff.) ersieht man,
dafs der Verfasser eine ausgedehnte Litteratur mit Verständnis be-
nutzt hat.
Oberlehrer August Fink. Die Idee des Gymnasiums und ihre
Verwirklichung. Teil I. (Beilage zu dem Programm des Kgl. Gym-
nasiums zu Meldorf. 1887. Progr. Nr. 265. 22 S.).
Kein kleines Thema für eine oder auch einige Programmbeilagen!
Worauf es dem Verfasser ankommt, erfahren wir gleich am Anfange, wo
er sagt: »Welchen Wert haben insonderheit für die Idee des Gymnasiums,
falls eine solche nachweisbar ist, die alten Sprachen? Verlegen sie mehr
der Jugend den Weg zur modernen Kultur, oder bilden sie gar den
einzigen Zugang zu derselben? Bilden sie nur formal, wie man oft be-
56 SeholgMohiehta.
havpten hört, oder geben sie auch die inhattiidie Chmadlage für wert-
volle Provinzen des geistigen Lebens uaA Strebens ? Ist die in den alten
Sprachen fliefisende und geformte Gedankenwelt durch idealere Antriebe
geadeh als die anderer Sprachen? Warum das? Was heilist flberhanpt
ideale Bildung und wozu brauchen wir sie? und wie rufen wir se ins
Leben, Ms wir sie brauchen ?t Wir sehen, ein ganzes Ffillhom von
Fragen, was der Verfasser tlber den Leser ausschtlttet.
Derselbe will nun aber keine Bdtftmpfung von Meinungen und Ein-
richtungen geben, es ist ihm um »ErschlieCsung der Saehec zu thun.
Doch soll die Untersuchung durch keine apologetischen Wftnsche beein-
flufst werden. Der Verfasser betont offen, dem Neuen lieber zu viel Rechnung
zu tragen als zu wenig. »Es war nur Sehnsucht und Schauen mehr
dem erwachendem weltgeschichtlichen Tage zugewandt, als dem, welcher
zu Baste gehen will.c Bescheiden fährt er fort: »Ich bin mir wohl be-
wnfst) dafs ich nur zu stammeln vermag von dem, was die hohen M&chte
des Lebens für ihr Reich, welches zu uns kommen soll, vorbereiten, aber
gleichwohl möchte ich dies Stammeln selbst nicht missen, um alles in
der Welt.« (S. 4.) Sodann verspricht uns der Verfasser, er wolle nicht
über den Stil grübeln, sondern sich das Lob der Natürlichkeit und Wahr-
heit verdienen.
Aber wie fängt er nun das an? Bezeichnend ist sogleich der An-
fang seiner Argumentation: »Unterricht und Erziehung gehören in die
Sphäre des Menschlichen. Gott bedarf ihrer nicht und die Lebeweseo
unter den Menschen fühlen ihren Wert nicht.« Und so geht es weiter
in dieser »grauen Theorie.« Schliefslich wird festgestellt, dafs Lehrer
und Sdiüler in ihrem Ordnungsverhältnis zu den Eltern nicht isoliert
in der Welt stehen, sondern neben vielen andern, unentbehrlichen 0^
ganen sich befinden. Bis auf die wesentlichen Unterschiede von Mensch
und Tier geht der Verfasser zurück, um seine Gedanken möglichst gründ*
lieh darzulegen. Meist schwebt er hoch über die Erde im Nebel eines
Abstraktion, die keinen Zusammenhang mehr hat mit dem Boden der
täglichen Lebens. Daneben stöfst man aber doch wieder auf rechte
Trivialitäten, wie z. B. S. 12: »Wir Menschen sind keine Engel und es
ist nur gut, dafs wir es nicht sind; als Engel würden wir uns in dieser
Welt nicht zurecht finden können; wir sind aber doch einmal drin in
dieser Welt und müssen uns versuchen, uns darin zurechtfinden. Wollen
wir das aber, und in diesem Wunsche werden wir uns alle begegnen,
die wir die Nummer ins Menschliche gezogen haben, denn Einigkeit
macht uns stark gegen die gemeinsamen Feinde, so müssen wir uns mit
einander vertragen, wir müssen die Diagonale der wirkenden Kräfte
suchen, jn welcher die materieUe und die ideale Kultur ihre Aussöhnung
finden etc.c
Ich färohte, dafs es den meisten Lesern dieser Arbeit wie mir er-
Fleischmaim, Bildnngsideal dts dratschen G^rmnasinms. 5T
geben wird: sie werden sie ermttdet und olme Belehrung bei Seite legen«
In der Thai, selebe Arbeiten blieben besser angedruckt
Es ist Schade «m das schöne Thema: »Die Idee des Gymnasrams
und ihre Terwirklicbnng.c Darüber liefse sich anziehend nnd lehrreich
schreiben. Es wftre die Aufgabe des Yerfossers gewesen, seine Frage
zunächst einmal geschichtlich anzufassen, indem er uns zeigte, welche
Auffassungen von dem Wesen des Gymnasiums in der Geschichte snU
getreten sind. So würde er schliefslich mitten hinein in den jetzt toben-
den Kampf um das Gymnasium geführt worden sein, wobei es ihm an
litterarischen Gegnern nicht fehlen konnte. Wenn der Verfasser die
Sache fördern und nicht blofs zu seinem Privatvergnttgen schreiben
wollte, so mufste er sodann mit ehrlichem Mute den GrUnden der
Gegner auf den Leib rücken. Eine Widerlegung der zahlreichen Vor-
würfe, die man jetzt leider passender und unpassender Weise gegen das
Gymnasium schleudert, wftre verdienstlicher gewesen als seine nebel-
haften und unfafsbaren allgemeinen Betrachtungen, aus denen nichts zu
lernen ist.
Nun sagt der Verfasser freilich, es sei ihm nicht »um Bekämpfung
von Meinungen, sondern um Erschliefsung der Sachet zu tbun. Aber
wenn nur etwas Rechtes erschlossen würde! Wenn es sich um das gegen-
wärtige Gymnasium handelt, ist es nicht nötig, auf den Unterschied von
Mensch und Tier zurückzugehen Was soll dabei herauskommen, wenn
man bei jeder wissenschaftlichen Streitfrage mit der Schöpfung anfängt?
Für wen ferner hat der Verfasser geschrieben? Für das grofse
Publikum gewifs nicht, das von diesen abstrakten Erwägungen keinen
Gewinn davon tragen wird. Aber ebenso geht es dem kleineren Kreise
von Leuten, die sich für den Kampf um das Gymnasium interessieren.
Nicht einmal die gegenwärtigen Streitpunkte werden klar. Wenn aber
der Verfasser sagen sollte, er habe für sich, zu seiner eigenen Beruhi-
gung und Belehrung geschrieben, so ist dagegen zu bemerken, dat^ das
ein Mifsbrauch der sonst so schätzenswerten Einrichtung der Programm-
beilagen ist.
Die wichtigsten Lehrgegenstände in der Lateinschule der Vergan-
genheit waren Latein und Griechisch. Wir beginnen deshalb unsere
Besprechung der Geschichte der Lateinschulen und Gymnasien mit einem
zusammenfassenden Werke über die Geschichte und Methode der ge-
nannten Fächer:
Fr. Aug. Eckstein, Lateinischer und griechischer Unterricht
Mit einem Vorwort von Dr. W. Sehr ad er. Geh. Beg.-Rat und Cura-
tor der Universität Halle. Herausgegeben von Dr. Heinrich Heyden.
Leipzig Fues' Verlag (B. Reisland.) 1887. 8^. XIII und 601 S.
Das vorliegende opus posthumum ist eine Novität nur in seinem
zweiten Teile, soweit es sich auf den griechischen Unterricht bezieht.
58 Scholgeschichte.
Der Abschnitt ttber den lateinischen Unterricht ist der bekannte and
vielbenttt2te Artikel aus Schmids Encyklopädie des gesamten Erziehungs-
Wesens. Schrader, der das Verdienst hat, die Herausgabe dieses Baches
aus Ecksteins litterarischem Nachlafs veranlafst zu haben, ist zwar der
Meinung, der Verfasser selbst hätte den Abschnitt ttber den griechischen
Unterricht in dieser Form nicht veröffentlicht: »er würde (diese Vor-
lesungen) inhaltlich tiefer, aus dem Schatz seiner Belesenheit reicher
ausgestattet und in der Form mehr abgerundet haben.t Gleichwohl
riet er zur Herausgabe, weil sie die reife Erfahrung, die umfassende
Litteraturkenntnis und den mafsvoUen Sinn Ecksteins bezeugen.
Der Herausgeber Heyden, ein Schttler Ecksteins aus dessen letzter
Zeit, hat das Manuskript seines Lehrers möglichst genau wiedergegeben,
Änderungen nur an den Stellen vorgenommen, an denen E. selbst im
Sommer 1884, wo er zum letzten Mal über diesen Gegenstand Vorlesnn-
gen hielt, anders vortrug; aufserdem prüfte er die meisten Citate nach
und fertigte ein Begister der Personennamen.
Der erste, dem lateinischen Unterrichte gewidmete Teil des Baches
behandelt die Geschichte des lateinischen Unterrichtes (S. l — 136) in
folgenden Abschnitten: Geschichte des lateinischen Unterrichtes bei den
Römern (S. 3 43), im Mittelalter (S 43—62), bei den Humanisten seit
dem fünfzehnten Jahrhundert (S. 62 — 86), in der lateinischen Schule vom
16.-18. Jahrhundert (85 — 108), im Gymnasium seit Gesner und Ernesti
(108—186). Am dürftigsten ist das Mittelalter behandelt und lassen sieb
jetzt hierfür aus dem fleifsigen Buch von J. A. Specht, Geschichte des
Unterrichtswesens in Deutschland (Stuttg. 1885) bedeutsame Erweite-
rungen gewinnen. Vermutlich ist dieses kurz vor Ecksteins Tode e^
schienene Buch demselben nicht mehr zu Gesicht gekommen
In dem dritten Kapitel sind zunächst die Bemühungen der ita-
lienischen Humanisten geschildert, die Entdeckung zahlreicher Schriften
der Alten, z. B. die der Archiana 1333 durch Petrarca zu LütUch, des
Quintilian Asconius undValeriusFlaccus durch Poggio in St Gallen w&hrend
des Eonstanzer Concils. Zunächst werden die Handschriften fleifsig abge-
schrieben; nach der Mitte des 15. Jahrhunderts folgen sodann die Drucke.
Doch nur allmählich hat die Kunst Guttenbergs, welche anfangs in
Jtalien nur durch Deutsche ausgeübt wurde, die vornehmere Kalligraphie
besiegt.
Die Humanisten werden Lehrer und Erzieher der Jugend. Eine
Reihe von humanistischen Lehrschriften über Pädagogik erscheint, z. B
von Vergerio (De ingenuis moribus et liberalibus studiis), Maffeo Vegio
(De educatione liberorum et eorum claris moribus libri VI), Filelfo
(De liberorum educatione), Battista Guarino (De modo et ordine docendi
ac discendi), Greg. Corrari (Quomodo educari debeant pueri), Liou Bruui
(De bonis studiis). In den meisten derselben wird auch von der Methode
des Unterrichts kürzer oder ausführlicher gehandelt Zahlreiche Gram-
Eckstein, lateinischer and griechischer Unterricht. 59
tnatiken nach hnmanistischem Zuschnitt erscheinen, welche das Geschäft
des Lateinlemens erleichtem sollen.
Als Verfasser solcher Lehrbücher sind zu nennen z. B. Battisto
Goarino (Grammaticae institationes und Carmina differentialia), Gian-
Francesco Boccardo von Brescia (Pylades Brixianus); diese beiden stellen
noch eine Art von Vorstufe dar. Ganz humanistisch sind die Bttcher
von Francesco Negri (Niger) Nie. Perotti, Antonio Mancinelli, Giovanni
Sulpicio, Dionysius Nester, besonders auch Manuzio, dem man zu-
stimmte, wenn er sagte: Cum incultos et barbaros discimus, t^es et ipsi
evadimus.
Die empfohlenen Schulschriftsteller wechseln bei den einzelnen
Verfassern. Über Cicero, Vergil, Sallust, Ovid, Livius, die heute noch
Schulschriftsteller sind, erscheinen auch andere, deren Lektüre jetzt ent-
schieden Bedenken erregen würde, wie Juv^nalis, Persius, Valerius,
Maximus, Mela, Solinus. iDie Philosophie soll aus Cicero, die Rhetorik
aus demselben und Quintilian gelernt werden.« Die schönsten Stellen
wurden auswendig gelernt, plautinische Stücke aufgeführt, besonders an
den prachtliebenden Höfen.
Schriftliche Übungen wurden anfangs nur in geringem Mafse ver-
anstaltet. Für die Imitatio galt als Norm der Satz Vallas: Ego pro lege
acclpio, quidquid magnis auctoribus placuit. Anleitungen zur Ab-
fassung von Reden und Briefen entstehen in ziemlicher Anzahl. Die
Bedeutung der humanistischen Epistolographie ergiebt sich auch aus der
grofsen Zahl humanistischer Briefsammlungen Die Schriftstücke der
italienischen Kanzleien, auch der päpstlichen, gewinnen ciceronischen
Schwung. Die Ciceronianer freilich mit ihrer sklavischen Nachahmungs-
weise finden auch Gegner, bis am Ende des 16. Jahrhunderts in Italien
ein Mifsvergnügen am Latein entstand und viele vorzogen hetrusce
hariolari quam latine aut graece sapere, wie Sturm sagt. Gleichzeitig
damit verlor der Humanismus seinen Einflufs in Italien, woran neben
der grammatica maledicentia auch der Lebenswandel mancher Huma-
nisten (keineswegs aller oder auch nur der meisten!) schuld war.
Die Deutschen verhielten sich noch in der Mitte des 15. Jahr-
hunderts sehr mifstrauisch gegen die neue Bildung, wie Enea Silvio de'
Piccolomini bezeugt, der 1442 in die Reichskanzlei Friedrichs III. ein-
trat. Die ersten Vertreter der neuen Wissenschaften waren sodann neben
einzelnen Italienern an deutschen Höfen besonders der unstete Peter
Luder von Kislau, Samuel Karoch, Ulrich Gossembrot; wichtiger als
diese sind sodann Rudolf von Langen und Johannes von Dalberg; da-
gegen bestreitet Eckstein, dafs die Brüder vom gemeinsamen Leben einen
Einflufs auf die Verbreitung des Humanismus hatten, eine Behauptung,
welche W. Wattenbach vor Jahren schon drucken liefs.
Bedeutsam war der Einflufs der Schule von Deventer, von wo
der Kampf gegen das Doctrinaie des Alexander de Villa-Dei ausging.
CO Mralgeidiichte.
In Dennter hdfeea die HttiMnisten yoa Mfliuter ihre BUnng. Der
Wanderapostel der neuen Lehre war Hermami vo» (besaer vaa) den
Bnsebe, der in Deventer nad Heidelberg seine Bildung erworben hatte,
und dessen Yallam humanitalis (1618) eine Verteidignngsechrift der neuen
BiMuDig ist.
Ein ähnlicher Mittelpunkt für Sttddeutschland wurde Heidelberg,
besonders in der Regierungszeit Philipps des Anfrichtigen. Die Namen
Agrieola, Konrad Geltis, Dietrich ?on Pleningen u. a. sind in dieser Zeit
Büt Heidelberg unzertrennlich verbunden.
Der bedeutendste Schüler Deyenters ist Erasmus, dessen hervor-
ragende Lehrschriften eine kurze Besprechung finden: De constructione
libellus (1615), eine sehr präzise Syntax, Familiarium cottoquiomm for-
mula et alia quaedam (1518) für Sprech- und Leseübungen, ein Auszug
aus Vallas Elegantiae zur feineren Kenntnis des Sprachgebrauchs, De
duplici copia verborum ac rerum commentarii duo (1612), phraseologische
Sammlungen zur Variation des Ausdrucks, Liber de conscribendis epistolis
(1622) zur Verbesserung der Epistolographie, Adagia (seit 1500), Para-
bolae, Apophthegmata (1531) zur Ausschmückung der Rede« Dialogus
Giceronianus (1528), durch welchen er das gewaltige bellum Gicero-
niaaum entzündete, das er aber gegen seine itaUenischen und französischen
Gegner verlor.
Reuchlins Bedeutung liegt auf einem anderen Gebiete als dem des
Unterrichts. Sein Breviloquus, eine Jugendarbeit, erhebt sich nicht über
die mittelalterlichen Vorgänge. Doch scharen sich um ihn die Humanisten
in dem Streit gegen die Obskuranten.
Von grosser Bedeutung war die Thätigkeit Bebeis in Tübingen.
In zahlreichen Schriften trat er für die Pflege eines besseren Latein ein:
De utilitate latinitatis. De necessitate linguae latinae, Commentoria de
abusione latinae linguae apud Germanos et de proprietate eiusdem, Vo»
cabolarius externarum leotionum etc. Aus seiner Schule koramea die
zahlreichen Grammatiker des Südens: Jakob Locher (Philomusos), Jacob
Heinrichmann, Johann Brassicanus (eigentl. Köl), Johann Alteastejg,
Greorg Simler, Philipp Melanchthon. — Besondere Erwähnung verdienen
die diesem Kreise nicht aogehörigen Johannes Gochläus und Johannes
Aventinus. Die Grammatik des letzteren wurde 1519 amtlich statt des
Doctrinale in Ingolstadt eingeführt.
Ein ähnlicher Mittelpunkt wie Tübingen für Schwaben war Schielte
Stadt und später Strafsburg für das obere Rheinthal. Dringenberg,
Hleronynus Gebwiler, Sapidus sind hier die bekanntesten Namen der
Scholarchen.
Das nördliche und östliche Deutschland verhielt sich vorerst ab-
lehnend. Auch Leipzig, wo manchen Humanisten das Leben sauer ge-
macht wurde, galt noch als tellus barbarica.
In den zusammenfassenden Darstellungen über die Theorie des
Eckstein, lateiniacber ond griMhischer Unterricht gl
Unterrichts nachten sich die Deutschen bald von Qnintüian los. An
dieser theoretischen Litteratur beteüigten sich n. a. Wimpfeling, Bebel,
Erasmus.
In Frankreich wurde das Doctrinale durch die Orammatik des
Deepauterius yerdpftngt, weldie Jodocus Badias von Aasche (Aseensius)
naehdmckte; Iftnlich wirkten die Gommentarii grammatici^ welche Robert
Estienne seit 1587 druckte.
In Spanien läfst Aelius Antonius Nebrissensis (f 1622) hn Jahre
1481 seine Libri qninque de institutione lingnae latinae erscheinen.
Spanier ist auch der grofse Methodiker L. Vives (f 1540), von dem Sturm
und die Jesuiten vielerlei entlehnt haben. Der Grammatiker der Jesuiten,
Alvarus, ist ebenftills Spanier.
Die Urowandelung der Studien in England knüpft sich an die
Namen William Grocyn (f 1519), Thomas Linacre, John Golet (f 1519),
Erasmus, Rob. Barnes, welch letzterer seit 1525 die Studierenden in
Cambridge aufforderte, die Klassiker statt der Scholastiker zu studieren.
Das vierte Kapitel behandelt die Geschichte des lateinischen Unter-
richts in der lateinischen Schule vom 16. — 18. Jahrhundert (S. 85—108).
Der Verfasser sucht zunächst das Verdienst Luthers und Melaneh-
thons um das Schulwesen auf das richtige Mafs einzuschränken. »Die
Deutschen Reformatoren haben den Unterricht nicht neu gestaltet, son-
dern das Trivium des Mittelalters festgehalten. Dafs sie überhaupt
Schulen organisierten, ist ihr Verdienst. t Wenn auch im ganzen damit
das Verhältnis der beiden Reformatoren zur Lateinschule richtig aus-
gedrückt ist, so sind hier doch einige Einschränkungen zu machen. In
manchen Lateinschulen der Evangelischen wurden auch die Anfänge des
Griechischen gelehrt, was in den Trivialschulen des Mittelalters nicht
geschah.
Welcher Entwickelung die von Luther und Melanchthon geschaffenen
Anfänge fähig waren, sieht man aus der wOrttembergischen Kirchenord-
nung vom Jahre 1559 und der daraus entlehnten sächsischen von 1680.
Die Grundsätze der Reformatoren fanden sodann eine weite Ver*
breitung. Praktisch wurden dieselben befolgt durch Michael Neander,
welcher ebenso, wie Melanchthon, »der gemeine Präceptor Teutschlandsc
genannt wird, durch Valentin Trozendorf (jetzt Troitschendorf) in der
Goldberger Schule. Den gleichen Standpunkt vertreten die zahkeichen
Ordnungen Bugenhagens und die theoretischen Schriften von Joadiim
Oamerarius, Hieronymus Wolf, Jakob Micyllus.
Diesen »Götzendienst des Latein,t wie Raumer sagt, entwickelte
am höchsten Johannes Sturm in Strafsburg, alter praeceptor Germaniae
geheifeen. Er neigt mehr nach der Seite der Schweizer, z. B. Ulrich
ZwingH (Quo pacto iugenui adolescentes lormandi sint, 1628). In ähfr-
ieh em Sinne wirkte Oordier an dem OoU^e de Rite zu "Qtai (1586^
62 Schalgeschichte.
1569), über welchen Berthault (Paris 1875) geschrieben. Sp&ter wurde
von den Schweizern dem Melanchthon Jobannes Friese an die Seite
gestellt.
Die bekannten Einrichtungen der Strafsburger Schule und Sturms
Thätigkeit finden eine kurze Charakteristik. Seine Art weicht von den
Norddeutschen dadurch ab, dafs er mehr auf dem Boden des Humanis
mus stehen bleibt.
Sturm hat durch seine Vorlesungen in Paris auch eingewirkt auf
Pierre de la Ram^e (Petrus Ramus), der nicht blofs durch seine Geg-
nerschaft gegen Aristoteles, sondern auch durch seine fafslichen Lehr-
bücher (die lateinische Grammatik 1559) sich ausgezeichnet hat.
Der letzte deutsche Humanist ist Nikodemus Frischlin, der selbst
in der Ungebundenheit seines Lebens den alten Humanisten glich.
Mit Sturms Pädagogik stimmen die Jesüitenschulen nach Orga-
nisation, Lehrgang und Ziel vielfach ttberein. Nach der Meinung Eck-
steins haben die Jesuiten nicht blofs aus der Schola Aquitanica (College
de Guyenne), sondern noch mehr von Sturm entlehnt Für die Jesuiten
ist mafsgebend die nach mehijähriger Beratung 1584 festgestellte Ratio
et institutio studiorum societatis Jesu (Rom 1599), die bis heute mafs-
gebend ist, wenn der Orden auch Raum für Modifikationen l&fst. Im
Unterricht der klassischen Sprachen ändert selbst die Festsetzung von
1832 nichts Wesentliches. Erst seit 1703 ist der Muttersprache ein
Plätzchen eingeräumt. Fertigkeit im Lateinischen, in Prosa und Vers,
bleibt die Hauptsache.
Der Verfall der Latinität gegen Ende des 16. Jahrhunderts wird
der lutherischen Orthodoxie Schuld gegeben. So sagt der berühmte
Scaliger: Lutherani omnium hodie imperitissimi et clamosissimi. Aber
bei den Katholiken sah es nicht viel besser aus. Selbst das viele Latein-
sprechen hatte nachteilige Folgen. Plurimi Germani, sagt Scaliger, gram-
matice loquuntur, pauci latine ac romane.
Warnungen und Mahnungen in dieser Zeit des Rückgangs gingen
z. B. von Johannes Gaselius (Chessel, f 1613) und Fr. Taubmann aus,
von denen der erste noch der Schule von Melanchthon-Gamerarius ent-
stammt
Das 17. Jahrhundert bringt sodann die pädagogischen Reformer,
von denen kurz charakterisiert werden: Wolfgang Ratke (Ratichias),
Job. Rhenius, Job. Balth. Schupp, Job. Bruno, Job. Am. Gomenius, Joh.
Joach. Becher.
Die gesetzliche Regelung des Unterrichts lernen wir aus den
Schulordnungen der Zeit kennen. Sie halten an der Schola latina fest
Auch in Frankreich bildeten die Colleges ein pays latin. £s
hing das mit der streng konservativen Richtung der Pariser Universität
und dem Einflufs der Jesuiten zusammen. Die Neuerungen der Ora-
torianer und Jansenisten stiefsen gerade bei den Jesuiten auf hartnäckigen
^MSK
Eckstein, lateinischer und griechischer Unterricht 63
Widerstand. Trotzdem fehlt es auch hier nicht an Reformern. Das Werk
von Charles Rollin (De la mani^re d'enseigner et d*6tadier les belies lett-
res par rapport ä Tesprit et au coear, gewöhnlich trait^ des 6tades ge-
nannt, Paris 1726), das auch mehrfach ins Deutsche übersetzt wurde,
ist bei uns durch die Anerkennung Friedrichs IL und Gesners empfohlen.
Abenteuerliche Pläne tauchten auf, um die Erlernung des Latein
. zu erleichtem. In vielen deutschen Schulen traten auch die Klassiker
hinter die Neulateiner zurück.
Daneben verlor das Latein im öffentlichen Gebrauch immer mehr
an Boden. Nachdem es seit Maximilian I. und Karl V. die amtliche
Sprache des deutschen Reiches geworden, macht ihm seit dem 17. Jahr-
hundert die französische Sprache eine gefährliche und schliefslich sieg-
reiche Wettbewerbung. Seit 1717 ist auch das Deutsche dem La-
teinischen gleichberechtigt Auch an den Universitäten weicht es seit
dem 18- Jahrhundert Oberall zurück. Der bekannte Christian Thomas
hat zuerst in Leipzig und sodann mit gröfserem Erfolge in Halle deutsch
gelesen.
Das fünfte Kapitel behandelt »die Geschichte des lateinischen Unter-
richts in dem Gymnasium, c (S. 108 — 131).
Drei Männer, zuerst Schulmänner, später Lehrer an Hochschulen,
haben bei uns besonderes Verdienst um die Altertumsstudien sich er-
worben: Gesner in Göttingen, Ernesti in Leipzig, F. A. Wolf in Halle.
Für tüchtige Latinisten sorgten auch die Brüder Joh. Georg und Job.
Ernst Imman. Walch in ihrer Societas latina zu Jena.
Gesner ist als Methodiker sehr wichtig. Unter anderem hat er
den Unterricht zwischen statarischer und kursorischer Lektüre festgestellt.
In seine Fufstapfen trat J. A. Ernesti, zunächst als sein Nachfolger an
der Thomasschule, wo er in Lektüre und schriftlichen Übungen nichts
änderte. Seine Art ist charakteristisch dargestellt durch die von ihm
entworfene »erneuerte Schulordnung für die Chur-Sächsichen drey Fflrsten-
und Landschulenc (1773). Seine Methode schildert sein Schüler Bauer in
Hirschberg. Andere Schüler sind Scheller, Schmieder, Gierig, Gurlitt u.s. w.
Eine neue Methode schuf sodann Joh. Beruh. Basedow, der schon
als Hauslehrer seinen Zögling durch stete Übung im Sprechen, angeb-
lich mit gutem Erfolg, in die Kenntnis des Latein eingeführt hatte. Aber
seine Methode, wonach er in vier Jahren zur Universität vorbereitete,
fand viele Gegner, besonders auch an den sächsischen Philologen, wie
Ernesti, Krebs, R. H. Sintenis; dann aber auch an E. L. Posselt,. J.
H. Vofs.
In Preufsen fand das Elemantarwerk von Basedow einen Verehrer
in dem Freiherrn von Zedlitz. In Halle, wohin man Trapp, den An-
hänger Basedows, berief, wurden ebenfalls Versuche in dieser Richtung
angestellt, aber nicht mit Erfolg gekrönte.
Der entschiedenste Gegner des Philanthropismas wurde der be-
64 8Aiilf«iduehto.
rflhnite Fr. A. Wolf, weleher den 8. April 1788 an Tnpps Stelle
Badi Halle berufen worden war. Den 17. Oktober 1787 erMhete
er das philologische Seminar, worin er »brandibare ScboUeate fllr die
oberen Klassen litterarischer Schulen oder Gymnasien» ziehen wollte.
Den lateinischen Stil hat er in besonderen Vorlesungen behandelt Der
lateinische Unterricht gedieh in dieser Zeit, wodarch die Verordnung
▼om 12. Oktober 1812 tat das Abitarienten-Examen der lateiniscfae Auf-
satz nnd lateinische Interpretation gefordert wurde.
Es finden nnn noch eine kritische Besprechnng die Methoden von
James Hamilton nnd Joseph Jacotot (S. 118 ff.), die Äosserungen roa
Thiersch und seinem Anhftnger K. L. Roth, von dessen Frennd Nftgels-
bach. Eingebend behandelt werden die YorschlAge von KOchly, Perthes
und aoideren. Die am Schiasse des Abschnittes stehende litterator gibt
tbrigens nur ältere Werke an.
Der zweite Teil, BMethodik des lateinischen Unterrichtsc (8. 132
—868) behandelt zunächst das formale und materiale Prinzip (S. 1S2)
und die Orthoepie (S. 185). Daran schliefisen sich drei Kapitel: 1. Gran-
matischer Unterricht — 2. Lektftre. — 8. Schreibübungen, Kompo-
sition, Stil.
Fllr den Lateinunterricht erwächst nach Eckstein eine doppelte
Aufgabe: »einmal wollen wir durch die Erlernung dieser Sprache die
Orandlage der allgemeinen grammatikalischen Bildung schaffen und die
Einsicht in die Sprachdenkgesetze gewähren, sodann die Bekanntschaft
mit der römischen Litteratur yermitteln.c Nur die VereinigaBg dieser
beiden Prinzipien, des formalen und materialen, ist berechtigt.
Bezüglich der Orthoepie ist eine Reform dringend notwendig, wenn
man es auch nicht zugeben will. Auch Accentuation und Quantität
mflssen frtthzeitig richtig eingeübt werden.
Es folgt nun zunächst eine Obersicht der lateinischen Grammatik,
die immer wieder zurückgreift auf die früher gegebene Geschichte des
lateinischen Unterrichtes. Melanchthons grofse Bedeutung kommt hier
zn ihrem Rechte. Eine Opposition gegen die streng grammatische Methode
im Zeitalter des Humanismus und der Reformation erhebt sich 'sodann
im 17. Jahrhundert. Bei Herder wird auf den grofsen Gegensatz hin-
gewiesen, der zwischen den Äusserungen aus seiner früheren und spä-
teren Zeit existiert Der Ephorus des Weimarer Gymnasiums, welcher
zahlreidie Erfahrungen gesammelt hatte, betont die Wichtigkeit des
grammatischen Unterrichts im Lateinischen. Die Darstellung behandelt
sodann die grammatischen Lehrbücher und ihre Methode bis zur neuesten
G^egenwart Es ist unmöglich, an dieser Stelle alle die Einzelheiten,
Namen und Lehrbücher, auch nur in der Übersicht wiederzugeben.
Im lateinischen Elementarunterrichte hat man der Methode eine
besondere Aufinerksamkeit zugewandt, aber mit dieser »Methode^jfigmrei«
dach nicht immer die alte Sicherheit in den Formen erreicht. »Es ist
Eckstein, UteiniBcher and griecliiflcher Unterricht 65
eine ganz falsche AufEassung, dafs man früher wochenlang nor die Pa-
radigmata hahe auswendig lernen and aaüsagen lassenc (S. 158). Dafs
Eckstein ein Feind der sogenannten Übangsbücher far den lateinischen
Unterricht war, ist eine bekannte Thatsache. S. 151 berichtet er über
seine daraaf bezüglichen Thesen, die er 1878 auf der Philologenver-
sammlang zu Wiesbaden verteidigte.
Es folgt nan eine Darstellung, wie das Pensam der Sexta and
Quinta zu behandeln ist; die einschlägige Litteratur wird verzeichnet,
sodann vom Unterricht in der Syntax, dem Lernen von Vokabeln, Phrasen
und Sentenzen gehandelt Von der Bedeutungslehre, Semasiologie, wird,
im Anschlufs an die Arbeiten Heerdegens, geurteilt, dafs nur die An-
fänge der Disziplin vorlägen, von der man also in der Schule noch keinen
Gebrauch machen könne. Auch hier ist, wie meist in dem Buche, die
Geschichte der einzelnen Fragen mit dem Gegenstande selbst verwebt
Das ist ein Vorzug dieses Werkes vor dem Schillerschen Handbuch der
Pädagogik, das die Geschichte der einzelnen Fragen nicht gibt, dafür
aber in der Darlegung der Methode viel ausfllhrlicher ist und auch die
betreffende methodologische Litteratur eingehender berücksichtigt. Bei
Eckstein wird die methodische Regel vielfach nur ans der Geschichte
der Disziplin selbst gewonnen.
Im zweiten Kapitel (S. 191—304) wird die Lektüre behandelt
In Quarta tritt an die Stelle des Lesebuchs der Schriftsteller. Trotz
Köchly, welcher in Folge seiner Abneigung gegen Nepos eine Chresto-
mathie für Quarta fordert, sagt Eckstein: »Weg mit den Chrestomathien
in den Mittelklassen.!
Die für die Lektüre zu wählenden Schriftsteller können nur die
klassischen sein. Damit sind z. B. Schriften wie das bellum Africa-
num oder Hispaniense aus der Schule ausgeschlossen. Aber auch die
Kirchenväter, die von eifrigen Protestanten wie Katholiken als Schul-
lektüre schon empfohlen worden sind. Aber auch die Neulateiner sind
nicht zu dulden, wenngleich dieselben im 17. Jahrhundert in die Schulen
eingeschmuggelt wurden.
Das Ergebnis, welche Historiker auf der Schule zu lesen sind, fafst
Eckstein zusammen mit den Worten: »Sonach haben wir für die Lektüre
der Historiker nur vier kanonische Schriftsteller: in Quarta Nepos, in
Tertia Caesar, in Secunda Livius, in Prima Tacitus.c (S. 243).
Eingehend wird die Geschichte der Cicero-Lektüre seit den Tagen
der Humanisten bis zur Gegenwart behandelt Doch vermisse ich eine
entschiedene Parteinahme zu gunsten des vielgeschmähten Redners. Es
wäre in der That merkwürdig, wenn wir Latein treiben wollten ohne
eingehende Behandlung des gröfsten lateinischen Stilisten. Es hat den
Anschein, als ob man in Deutschland am feindseligsten gegen Cicero ge-
stimmt sei. Italiener, Engländer und Franzosen beurteilen ihn viel ge-
rechter. Die Auswahl der dceronischen Schriften, wie sie der Verfasser zur
Jahrttbtricht fOr AltwcthumiwiMaaschaft LXIX. Bd. (189^ m.j 6
66 Schalgeschicbte.
SphullektOre empfiehlt, hat viel Eigentümliches; doch können die Einzel-
heiten hier nicht alle wiederholt werden.
In dem Abschnitte Ober die Lektüre der Dichter finden eine Be-
sprechung: Phadrus, Ovid, Vergil, Tibull, Catull, Properz, Horaz, Terenz,
Plautus. Daran schliefsen sich Bemerkungen über das Lesen, Präparieren,
die Stegreiflektüre, das Konstruieren, »das jetzt an vielen Orten kanm
dem Namen nach bekannt ist,c das Übersetzen, die Erklärung. Statt
der von Wolf empfohlenen Einleitungen befürwortet Eckstein Epilegomena,
»in denen durch Verbindung der gewonnenen Einzelheiten dem vollen-
deten Werke die Krone aufgesetzt wird.c
In dem Abschnitt »Schreibübungen, Komposition, Stile wird diese
ganze Frage historisch- statistisch besprochen, d. h. die Geachicfate dar
Kompositionsübungen und der gegenwärtige Betrieb in den Terschiedenea
deutschen Ländern besprochen. Gelegentlich der Behandlung der Kor-
rektur lesen wir: »Nur den Unterschied zwischen ganzen und halbea
Fehlern sollte man endlich aufgeben, weil in der Regel die leUterea
(Schreibfehler) die Zeichen der schlimmsten Nachlässigkeit sind.c
Bezüglich des lateinischen Aufsatzes wird sodann die ganze Ge-
schichte dieser seit 40 Jahren viel verhandelten Frage vorgeft&hrt, wobei
sich ein entschiedener Gegensatz zwischen dem Süden und Norden e^
gibt. In Preufsen werden zwar überall lateinische Aufsätze angefertigt,
aber die Praxis ist sehr verschieden, und an Stimmen dagegen hat ei
auch dort nicht gefehlt. Wenn auf dem Gymnasium tüchtig Latein ge*
lernt werden soll, so mufs nach des Verfassers Meinung es nicht blob
gelesen und geschrieben, sondern auch gesprochen werden. Doch kau
dies nur dann erfolgreich betrieben werden, wenn man schon in den oo-
teren Kursen damit beginnt. Übrigens gibt auch Eckstein zu, dafs die
Fähigkeit, Latein zu sprechen, selbst bei Lehrern jetzt immer mehr ab-
nehme.
Die Anfertigung lateinischer Verse wird empfohlen als ein BS-
dnngsmittel, bei welchem Gefühl und Geschmack sich mit der Logik ver-
einigen.
Viel kürzer ist der Teil des Buches, welcher dem griechischen
Unterricht gewidmet ist (S. 365—488). In den einleitenden Betrach-
tungen werden folgende Themata behandelt: »Das Verhältnis der griechi-
schen Sprache zur lateinischen im Unterrichte, »Der Unterricht in dar
griechischen Sprache mufs ein obligatorisches Fach im G7^masial1lnt6^
rieht sein«, »Der griechische Unterricht mufs mit dem attischen Dialekt
begonnen werden», »Ober die Aussprache des Griechischen.c
Ein sehr fragmentarischer Teil behandelt sodann die Geschichte
des griechischen Unterrichts in Deutschland seit der Reformatioo. Wamm
aber erst mit der Reformation anfangen, da der griechische Unterricht
in Deutschland doch schon durch die Humanisten eingeffthrt wurde? Gerade
diese erste Zeit des griechischen Unterrichts ist höchst anziehend, wie
Eckstein, griechischer nnd UteiniBcher üaterricht. 67
man aos den Arbeiten von Horawitz und Paulsen sehen kann. Nach
einer Bemerkung des Herausgebers hatte Eckstein offenbar die Absicht,
auch diesen ersten Zeitraum des griechischen Unterrichtes zu behandeln,
ist aber Ober Notizen und Excerpte nicht hinausgekommen.
Der zweite Teil behandelt die Methodik des griechischen Unter-
richtes: Grammatischer Unterricht, Lektüre, Schreibflbnngen. Die Not-
wendigkeit der letzteren wird behauptet,* jedoch sofort betont: »Es han-
delt sich im Griechischen nicht am eine stilistische Durchbildung wie im
Latein.c Bezüglich der Übungen im Verfertigen griechischer Verse,
welche in England eifrig betrieben werden, sagt Eckstein: »Nirgends
hört man bei uns (nämlich in Deutschland) etwas von griechischen Vers-
Übungen, während die Engländer jährlich viele griechische Verse krönen
und drucken lassen.!
Ist der zweite Teil auch an Gehalt und innerer Durchbildung des
Stoffes weit hinter den ersten zu setzen, so wollen wir doch für diese
wertvollen Bausteine dankbar sein. Die Geschichte des griechischen
Unterrichtes in Deutschland ist freilich noch zu schreiben. Vielleicht
schenken uns die Monumenta Germaniae Paedogögica eine Monographie
darüber. Jedenfalls wird der zukünftige Geschichtsschreiber des griechi-
schen Unterrichts aus dem Ecksteinschen Buche vielen Nutzen ziehen.
Ein Personenregister, das aber leider der wünschenswerten Voll-
ständigkeit entbehrt, schliefst das Werk ab.
Im einzelnen ist eine ziemliche Anzahl von Einzelheiten, besonders
mit Hilfe monographischer Arbeiten, richtig zu stellen. Beispielsweise
seien folgende verzeichnet:
S. 81 wird behauptet, dafs der Westfale Dringenberg 1460 zur
Leitung der Schule in Schlettstadt berufen worden sei. In einer Be-
sprechung der auch von Eckstein citierten Dissertation Struvers über
die Schlettstadter Lateinschule, welche Gustav Knod im zweiten Band
der »Strafsburger Studien c veröffentlichte, ist jedodi mit überzeugenden
Gründen wahrscheinlich gemacht, dafs Dringenberg die Anstalt von 1441
—1477 geleitet hat.
Auf S. 82 werden einige Lehrschriften Jakob Wimpfelings aufge-
zählt Ungern vermifst man unter denselben den Jsidoneus (1497), der
mindestens ebenso wichtig als die dort erwähnten Schriften ist. Auch
ist der Satz: »Wimpfeling hat die Jugend an den verschiedensten Orten
unterrichtete in dem dortigen Zusammenhang verwirrend, da Wimpfeling
fast nur Lehrer der akademischen Jugend gewesen ist
ViTenn S. 88, Anm. 2 behauptet wird , Eckstein habe den von Me-
lanchthon herrührenden Schulplan für die kleine Stadt Herzberg vom
Jahre 1688 zuerst herausgegeben, so ist das unrichtig. Eckstein hat
dieses merkwürdige pädagogische Aktenstück nur wieder herausgegeben.
Die erste Ausgabe eriolgte vielmehr durch J. F. Köhler in seinen »B^-
6»
68 SebnlgMchidite.
Mgeo znr ErgflnziiDg der deutschen Litteratnr und Kiiiiitg6idi]dite.c
I (1792) 213.
Auf 8. 64 steht die weit yerbreitete falsche Beseichnnog Kost-
Ditzer Konzil, die unausrottbar scheint Schon Tor einem Menschen-
alter hat der Archivar Marmor gezeigt, da(s die Stadt immer Konstanz
and nie Kostnitz geheifsen hat
Schwerlich richtig ist es, wenn S. 64 gesagt wird, dafs Poggio in
8t Gallen den Kommentar des Asconius zu acht Reden des Cicero ge-
funden habe. Es dttrfte Asconius blofs zu fttnf Reden gewesen sein.
Vgl 0. Voigt, die Wiederbelebung des klassischen Altertums P 242.
Die Angabe auf S. 70, wonach die Grammatik des Gurius Lanci-
Iotas Pasitts 1604 erst erschienen, ist jedenfalls unrichtig. Gut bezeugte
Ausgaben von 1511 und 1617 sind nachgewiesen bei Horawitz und
Hartfelder Briefwechsel des B. Rhenanus S. 604.
Der 8. 77 erwähnte Kurfttrst von der Pfalz, der bekannte Freund
der Humanisten, ist nicht Philipp II, sondern Philipp der Aufrichtige
(1476—1608), Aber welchen L. Hftusser (Geschichte der rheinischen
P&lz I 421 ff.) zu vergleichen ist
Zu den Angaben aber Rudolf Agricola auf der gleichen Seite kann
jetzt die belangreiche Ergänzung gemacht werden, dafs Agricola auch
in Erfurt studiert hat, eine wichtige Thatsache wegen der bekannten
Richtung dieser Hochschule. Kgl. darüber Karl Morneweg Job. von
Daiberg (Heidelberg 1887) S. 80.
Auf S. 78 wird von Rudolf Agricola eine Ausgabe seines berühmten
Briefes an Barbirianus de formando studio (Paris 1522) erwähnt Ich
weifs nicht, worauf sich diese Angabe sttttzt. Dagegen erregt der um-
stand Mifstrauen, dafs Bnisson in seinem Repertoire des ouvrages p6da-
gogiques etc. (Paris 1886), der gerade die französischen Ausgaben so
zahlreich verzeichnet, eine solche nicht kennt, sondern blofs Ausgaben
(aus Paris) 1527, 1664, 1587, 1651 und 1572 anf&hrt
Wenn auf S. 78 zu der Ausgabe des bekannten Ligurinus Gnntheri
durch Celtis bemerkt wird, dafs Celtis diesen selbst verfertigt haben soU,
so hätte nach dem jetzigen Stand der Frage (ich erinnere an Pannen-
borgs Forschungen) die Bemerkung von der angeblichen Verfasserschaft
des Celtis unterdrückt werden müssen.
Ganz unbegreiflich ist mir der Satz S. 75: »Es ist ein Irrtum, den
Brüdern des gemeinsamen Lebens einen Einflufs auf die Verbreitung des
Humanismus zuzuschreiben, c Von den Fraterherren oder Brüdern des
gemeinsamen Lebens ist freilich der Humanismus nicht ausgegangen,
aber nachdem er in ihre Schulen eingedrungen (man denke doch blols
an Deventer und Lüttich), so wurden diese geradezu Mittelpunkte seiner
Verbreitung. Statt aller weiteren Litteratnr verweise ich auf Reichlings
Murmellins und die Erasmus-Litteratur.
Auf S. 88 wird behauptet, was freilich in sehr vielen Büchern za
Veil, Zam Ged&chtniB Johannes Sturms.
69
lesen ist, dafs die neue Richtung des Humanismus mit der Kirche ge*
brechen habe. Das ist weder fflr Italien noch für Deutschland richtig,
soweit verbreitet auch diese irrige Meinung sein mag. Humanismus und
Kirche sind in den meisten Fällen gar keine Gegensätze gewesen. Unter
den italienischen Pädagogen z. B. ist kein einziger, der die Religion aus
dem Jugendunterricht entfernt wissen wollte. Im Gegenteil, die meisten
pädagogischen Humanisten sind durch Frömmigkeit ausgezeichnete Männer
gewesen.
Die Litteraturangaben sind wertvoll, wenn auch keineswegs erschöpfend.
Das Letztere freilich darf man von einem solchen Werke auch nichts
verlangen; wohl aber darf man verlangen, dafs jeweils das wichtigste neuere
Werk citiert ist, mit dessen Hilfe man sodann die andere Litteratnr
finden kann. So vermifst man eine Reihe der wichtigsten Werke aus
neuerer Zeit, wie Denifles Buch tkber die Universitäten bis 1400, Neu-
deckers Arbeit Ober das Doktrinale Alezanders, weitere Arbeiten Watten-
bachs über Peter Luder, Reichlings Monographie über Murmelliusi Marx
Hilfsbüchlein für die Aussprache der lateinischen Vokabeln und positions-
langen Silben etc. etc
Aber diese Ausstellungen schliefsen nicht aus, dafs wir das Werk
für eine höchst wertvolle und nützliche Arbeit erklären, die zum Aus-
gangspunkte für jede kommende Arbeit auf diesem Felde werden wird.
Die einzelnen Mängel dürfen uns die Schätzung der Arbeit im ganzen
nicht verkümmern, und dem Herausgeber des Werkez sind wir zu warmem
Danke verpflichtet.
Unter den Lateinschulen des südwestlichen Deutschland erfreute
sich im 16. Jahrhundert keine eines höheren Ansehens als die Schule
Sturms in Strafsburg. Ein festlicher Aulafs zeitigte mehrere Arbei-
ten über die Geschichte dieser Schule:
H. Yeil Zum Gedächtnis Johannes Sturms. Eine Studie über J.
Sturms Unterrichtsziele und Schuleinrichtungen mit besondere^ Berück-
sichtigung seiner Beziehungen zu dem niederländischen Humanismus
(Festschrift zur Feier des 350jährigen Bestehens des protestantischen
Gymnasiums zu Strafsburg. [Strafsburg 1888]. S. 1—132).
Der gegenwärtige Konrektor des Gymnasium Sturmianum benutzt
einen festlichen Gedenktag seiner Anstalt, um dem berühmten Schöpfer
der weitberühmten und immer noch blühenden Anstalt ein kleines bio-
graphisches Denkmal zu errichten.
Eine kurze Übersicht über die Sturm betreffende Litteratur orien-
tiert den Leser über den gegenwärtigen Stand der Frage. Im ersten
Abschnitt werden die Beziehungen dargelegt, welche Sturm aus Paris,
wo er mit Erfolg an der Universität lehrte und selbst bei Franz L Ein-
flufs hatte, nach Strafsburg Ibhrten, woselbst er den 14. Januar 1637
70 SehoIgMchichte.
eintraf. Im Anschlufs an die tttchtfge Arbeit Engels aber das Strafe-
bnrger Schulwesen vor der Einrichtung der Sturmschen Schale beriditet
Veil kurz ttber die verschiedenen evangelischen Schulen vor 1538. Die
Abhängigkeit von Melanchthons leitenden Gedanken schliefst er ans
dem Inhalte der Schulordnungen von Otto Brnnfels und Johannes Schwebel.
Sturm hatte von 1621—1624 die Schule der Hieronjmianer in
Lattich besucht; diese Anstalt mit ihren acht Klassen wurde das Vor-
bild für die Schule, welche Sturm in Strafsburg einrichtete und ebenso
für die Zwickauer Schule, welche Petrus Plateanus leitete; doch hat
letztere sich an das Vorbild genauer angeschlossen, während Sturm sei-
ner Schule noch weitere Aufgaben stellte. Die Irrtümer in dem 6atr
aohten Sturms (S. 33) können fibrigens auch Gedächtnisfehler sein, denn
es liegen zwischen dem Gutachten und seinem Ltttticher Anfenthalt 14—
17 Jahre. Auch handelt es sich nicht um eine blofse Kopie Ltttticher
Verhältnisse, sondern um eine wirkliche Neuschöpfung.
Da Sturm durch seinen Ltttticher und Löwener Aufenthalt, was
fttr seine Kenntnis des Latein entscheidend war, ganz direkt mit dem
niederländischen Humanismus zusammenhängt, so widmet Veil diesen
Beziehungen einen ausführlichen Abschnitt (S. 88—69). Rudolf Agricola,
die Fraterschulen mit ihren ausgezeichneten Lehrern, besonders A. Hegius
in Deventer, die bertthmten westfälischen Schulmänner humanistiseher
Richtung, sodann der gröfste aller Humanisten, Desiderins Eraamus von
Rotterdam, der ebenfalls Niederländer ist, und Ludwig Yives werden in
entsprechender Weise gewttrdigt. Trotzdem hätte vielleicht dieser Ab-
schnitt etwas kürzer sein dürfen, ohne dafs dadurch dem Wert der
Arbeit Eintrag geschehen wäre.
In der Fortsetzung wird sodann die Vereinigung der verschiedenen
Lateinschulen der Stadt im September 1638 besprochen. Sturm war
der Organisator der nach dem Vorbild der Ltttticher Anstalt eingerich-
teten Schule. Im Mai 1666 bewilligte Kaiser Maximilian II die Er-
weiterungder Lateinschule zur Universität, die jedoch nur Baccalanrei und
Magister *der sieben freien Kttnste ernennen, aber keine Grade in den
drei oberen Fakultäten erteilen durfte. 1621 bekam Strafsburg sodano
die vollen Rechte einer Universität.
Auch fttr die 1660 zur Hochschule erweiterte Anstalt war Stnrm noch
der leitende Geist, wie man aus seinen Epistolae academicae und anderem
ersehen kann. Ihn zu hören, kamen die Schttler aus Deutschland, Frank-
reich und den Ländern des Ostens nach Strafsburg. Mit weltmännischer
Klugheit wufste er besonders Studierende ans dem Adel nach Strafs-
burg zu ziehen. Seine Toleranz gegen Hugenotten und Papisten machte
ihn den lutherischen Geistlichen der Stadt verhafst, und so erlag Sturm im
Jahre 1681 deren Angriffen. Der Rat nahm ihm das Rektorat der Schale ab
»seines hohen Alters und auch anderer Ursachen wegen.c 82 Jahre
H. Veil, Zum GedAcbtnifl JobanDes Starm. 71
alt, starb Sturm den 8. März 1689. Die Naobwelt feierte ibn als tpater
scboiae, Cicero et Nestor Teotoaicos.«
Ein sechster AbscbDitt legt die innere Einrichtung der Schule,
mit ihrer Gliederung in Klassen, den Klassenpensen u. dergl. dar. Auch
die neuen Aufgaben, welche durch die Weiterentwickelnng zur Universität
entstanden, wird dabei nicht übergangen.
Aus Veils Darstellung ersieht man, dafs das Strafsburger Thomas»
arcbiv noch höchst wertvolle Materialien für die Geschichte der Sturm'-
schen Schule in sich birgt. Da schwerlich jemand bezweifelt, dafs das
Gymnasium Sturmianum des 16. Jahrhunderts in Deutschland seines-
gleichen nicht hat, so dürfte empfehlenswert sein, diese wichtigen Quelleq
in einer Art von Urkundenbuch zu vereinigen und dadurch weiteren
Kreisen zur wissenschaftlichen Benutzung zugänglich zu machen. So gut,
als es sich lohnte, ein politisches Strafsburger Urkundenbuch herzu«»
stellen, würde es sich lohnen, ein solch pädagogisches oder kulturhisto-
risches Strafsburger Urkundenbuch herauszugeben.
So zuverlässig und belehrend YeiU Arbeit ist, so dürfen doch
einige Kleinigkeiten hier genannt werden, welche Richtigstellung ver-
langen:
Wenn S. 45 behauptet wird, dafs Rudolf Agricola von 1488 — 1486
»die Stellung eines akademischen Lehrers an der Universität Heidel-
bergc eingenommen habe, so ist das nicht richtig. Agricola verbrachte
allerdings einen Teil dieser Zeit in Heidelberg, aber in durchaus freier
Stellung. Er war der Freund und Gast des berühmten Camerarius, be-
zog wohl vom Kurfürsten auch einen Gehalt, aber amtliche Beziehungen
zur Universität hat er keine gehabt
Auffallend ist, dafs Yeil regelmäfsig die falsche Form Virgil (S.
47. 48. 53. 54. 57 und sonst) statt der richtigen Vergil schreibt. Nach-
dem schon Laurentius Valla im 15. und Melanchthon im 16. Jahrhundert
das Richtige hatten, wäre es endlich an der Zeit, dafs die falsche Namens-
form aus den Büchern verschwände.
Auf S. 41 wird Nikolaus Gusa als einer der »genialen Nieder-
1 ändere genannt, welche den Anstofs zu einer durchgreifenden Reform
des Schulwesens gegeben haben, und doch steht auf derselben Seite, dafs
Gusa aus Cues bei Berncastel an der Mosel stammte.
Auf S. 18 wird für das Heidelberger Gutachten Jacob Sturms auf
Miegs »Monnmenta pietatis et litteraria« (Frankf. 1701) verwiesen. Aber
der Verfasser hätte besser auf Winkolmanns Urkundenbuch der Uni-
versität Heidelberg (I 214-^216) hingewiesen, wo zahlreiche Druckfehler
des Miegschen Druckes verbessert sind.
Auch an anderen Stellen hätten die Gitate besser auf andere Schrif-
ten hingewiesen. Bei dem Hinweis auf die Strafsburger Drucker (S. 1 1,
Anm. 2) vermifst man ungern L. Schmidt Zur Geschichte der ältesten
Bibliotheken und der ersten Buchdrucker in Straüsburg. Strafsbnrg 1882.
72 Sefaalgesehiehte.
— Bei den Nachweisen fQr Rudolf Agricola auf S. 48 (Anm. 1) hätte
das ganz wertlose Schriftchen Bosserts wegbleiben können. Dafür ver-
mifst man KarlMorneweg, Johann Ton Dalberg, ein deutscher Huma-
nist und Bischof (Heidelberg 1887), der ttber Agricola eine ganze An-
zahl wertvoller Daten bringt. So bat z. B. Momeweg aus der Erfurter
Universitätsmatrikel nachgewiesen, dafs Agricola auch in Erfurt studiert
hati eine für den Bildungsgang Agricolas wie fftr die Unterrichtsgeschichte
gleich wichtige Thatsache, die auf S. 43 erwähnt werden konnte. — Zu
der reichhaltigen Litteraturzusammenstellung ttber die »Bruderschaft des
gemeinsamen Lebensc S. 39 möchte ich noch den wichtigen Artikel
Hirsches in der Herzog-Plittschen Real-Encyklopädie fttr prot Theo-
logie hinzufügen.
Diese Einzelheiten sind unwichtig, wenn man den Wert der Ar-
beit im ganzen schätzt, deren uns zu freuen wir alle Ursache haben.
Eine Parallele hierzu bildet:
Heinrich Veil, Eonrektor. Das protestantische Oymnasinm su
Strassburg in den Jahren 1588 — 1888. Eine historische Skizze aus
Anlafs der Feier seines 860 jährigen Bestehens im Auftrag der Di-
rektion.
Das Strafsbnrger protestantische uymnasium ist eine Schöpfung
der Reformation und hat zur Voraussetzung die fruchtbare geistige Be-
wegung der Wiedererweckung der klassischen Studien. Aber die j fingere
Bewegung der Reformation erwies sich an Tiefe und nachhaltiger Kraft
unendlich bedeutender als der Humanismus. Eine Zeitlang schien der
Sturm der Reformation auch den Bildungsbestrebungen des Humanismus
gefährlich zu werden. Aber die Häupter der kirchlichen Bewegung be-
wiesen durch die Reorganisation und Wiederaufrichtung von Schulen,
dafs sie keineswegs das Schulwesen stören wollten.
Auch in Straüsburg, einer der bltthendsten und regsamsten Städte
am Ende des Mittelalters, hatte der Humanismus Pflege gefunden. EQer
lebten Männer wie Geiler von Eaisersberg, Jakob Wimpfeling, Sebastian
Braut, Hieronymus Gebwiler. Nachdem durch die kirchliche Bewegung
zunächst die älteren Schulen eingegangen, dachte man an einen Ersats,
vor allem der hochgebildete Jakob Sturm von Sturmeck, Strasburgs
grofser Staatsmann. Neben den »Lehrhäusemc oder Volksschulen ent-
standen von 1628 — 1686 drei Anstalten unter Job. Sapidus, Otto Brunfels
und Johann Schwebel.
Im Dominikanerkloster wurden Vorlesungen f&r zukünftige Prediger
eingerichtet, ein vorläufiger Ersatz fflr eine Hochschule. Ein aus drei
Ratsherren zusammengesetzter Auschufs, Schulherren oder Scholarchen
genannt, dessen Seele Jacob Sturm war, wurde 1628 mit der Leitung
des Schulwesens beauftragt.
Mancherlei Obelstände halber, die trotzdem noch vorhanden waren.
Heiorich Teil, Das protestantische Gymnasium so Straftbnrg. 73
gaben die Schnlherren dem damals noch jungen Johannes Sturm ans ScUei-
den einem Schflier der Hieronyraianerschnle zu Lttttich and das Collegium
trilingue zo Löwen, den Auftrag, ein Gutachten Aber die Verbesserung
des Strafsburger Schulwesens abzugeben. In Folge dessen wurden vor-
läufig im Jahre 1688 die bisher getrennten Lateinschulen vereinigt. So
entstand das berühmte Gymnasium Argentinense Sturms.
Seit Michaelis 1538 war dasselbe in den Räumen des Dominikaner-
klosters untergebracht, das 1254—69 erbaut worden, später aber bedeu-
tende Veränderungen erfahren hatte. Die alte Dominikanerkirche, deren
Chor früher für feierliche Schulakte benutzt worden, wurde nach 1681
wieder dem Kultus zurückgegeben und heifst jetzt die »Nene Kirchcc
Die Strafsburger Schule blühte unter Sturms Leitung (1588 — 1681)
zur berühmtesten Lateinschule des südlichen Deutschlands auf und wurde
das Vorbild für viele ähnliche Schulen. Die neun oder zehn ersten
Schuljahre galten der Erlernung des Latein, Griechisch, der Rhetorik
und Logik. Daran schlofs sich der etwa fünf Jahre umfassende Kursus
der Lectiones publicae, in dem man Studien wie an einer Universität
machen konnte. Seit 1566 wurde dieser Kurs zu einer Art von Univer-
sität umgestaltet, indem Kaiser Maximilian II das Recht verlieh, Bacca-
laureen und Magister der freien Künste zu ernennen.
Erst im Jahre 1621 wurden durch Ferdinand 11 der Schule die
Rechte einer vollen Universität gegeben. Damit löste sich die Latein-
schule als blofs vorbereitende Schule vollends los und behielt den Namen
Gymnasium. Der Umstand, dafs in Folge des 80jährigen Krieges der
Zuzug fremder Schüler nachliefs, und Gründe der Sparsamkeit veran-
lafsten den Rat im Jahre 1634, die zehn Klassen der Schule auf sieben
zu beschränken. Doch wurde Sturms Lehrplan im wesentlichen fest-
gehalten. Für die Direktion, die bisher ein Universitätslehrer gehabt
hatte, wurde ein besonderer Gymnasiarch bestellt.
Die Vereinigung Stra^sburgs mit Frankreich im Jahre 1681 änderte
zwar zunächst nichts an der Einrichtung der Anstalt, brachte aber die
Konkurrenz eines in Strafsburg neu errichteten Jesuitenkollegiums. Auch
schadete der Schule der dem Zeitgeist abgewandte und verknöcherte
Betrieb des Unterrichts.
Das Jahr 1789 brachte einige Veränderungen, wie deutsch ab-
gefafste Lehrbücher, Erweiterung des geschichtlichen und geographischen
Unterrichts, Beschränkung der auswendig zu lernenden Regeln u. s. w.
1751 wurde ein Lehrer des Französischen angestellt und überhaupt dem
Zeitgeiste weitgehende Rechnung getragen. Das erste deutsche Pro-
gramm der Anstalt erschien 1789 von J. J. Oberlin.
Mit diesem Jahre begannen wechselvolle Schicksale für die Anstalt:
Einkerkerung einzelner Lehrer, Schließung der Schule, Herabdrückung
zu einer Anstalt ausschliefslich zur Vorbereitung lutherischer Theologen.
74 Schalgescbicbte.
Erst der Storz Napoleons I brachte bessere Zeiten nnd ein nemlieh
grofses Mafs von Freiheit der Regierung gegenflber.
Die Veränderungen des Lehrplans durch J. Matter (1822—29)
hatten eine möglichste Annäherung desselben an die französischen Ljoeen
unter Berücksichtigung der Realien zum Ziele. Die neun Jahresabtei-
lungen zerfielen in zwei Kurse zu vier und fünf Abteilangen. Matters
Einrichtungen wurden von seinem Nachfolgern weiter entwickelt : F. Brach,
K. Schmidt, E. Reufs und C. F. Scbneegans (seit 18G6). Seit 1879 ist
die »Neue Realschulec als besondere Anstalt losgelöst
Die Wiedervereinigung mit Deutschland brachte einen im Geiste
des strengeren Humanismus veränderten Lehrplan, diese Umwandelong
gehört »jedenfalls zu den wichtigsten und tiefeiugreifendsten Ereignissen
der inneren Geschichte des Gymnasiums. Die Entwickelung, welche seit»
dem die lebenskräftige Schöpfung der beiden Sturm genommen (das
Gymnasium zählt heute in 26 Klassen 712 Schüler mit 88 Lehrern) lifoc
uns mit Vertrauen und Zuversicht in die Zukunft schauen. c
Karl Engel Das Gründungsjahr des Strafsburger Qymnaaioiis
1538 — 1539. (Festschrift zur Feier des 350jährigen Bestehens des
protestantischen Gymnasiums zu Strafsburg (Strafsburg 1888) I 113
—142).
Der Verfasser, welcher durch sein Programm über idas Schal-
wesen in Strafsburg vor der Gründung des protestantischen Gymnasianisc
(Strafsburger Programm 1886) sich als einen tüchtigen Kenner der Strab-
burger Schul gescbichte ausgewiesen bat, schildert auf Grund der besteo
Quellen das erste Jahr der berühmten Sturmschen Schule.
Das Gründungsjahr der Schule ist zugleich der Höhepunkt voo
Strafsburgs politischem Ansehen. Schon seit 1534 bestand ein Abkommea,
wonach Strafsburg die Ausbildung von Kirchen- und Schuldienem für
eine Anzahl evangelischer Städte Oberdeutschlands übernahm. Unter
Oberleitung der Schulberren oder Scbolarchen und unter Beihilfe der
Schulvisitatoren wurde im Jahre 1538 das ehemalige Dominikanerkloster
zu einer Schule hergerichtet, deren Leitung der Rat dem berfihmteD
Johannes Sturm übertrug. Derselbe veröffentlichte den Plan derselben
in seiner Schrift »De literarum ludis recte aperiendis.c
Ein wichtige Frage war die Wahl tüchtiger Lehrer. Neben den
Leiter Sturm wurde berufen Peter Hasenfufs, genannt DasyiKMlius, aas
Frauenfeld in der Schweiz, Verfasser eines lateinisch-deutschen WOrter^
buches, sodann Simon Steiner (Litbonius) aus Grencben in Wallis, ein
Verwandter des vielgewanderten Thomas Platter, hierauf Johann Sapidos,
der frühere gefeierte Rektor der Schlettstadter Schule, ferner der be>
scheidene Johann Schwebel, der die anfangs übernommene vierte Klasse
bald mit der sechsten vertauschte. Er tauschte dabei mit dem jflngereo
Kollegen Jakob Scherer (Villicus) aus Strafsburg. Grofae Bedenken
Karl Engel, Grflndangsjahr des Strafsbarger Oymnaaiams. 75
erregte die Emenonng von Peter Schriefsbamer oder Scbriefsheimer, von
Botzer einmal Siderander genannt Sein Helfer war Cbristopbonis Hils-
pach. Johann Kirchbeimer, ein weiterer Lebrer, wurde bald dnrcb Petras
Novesius oder Novesianus ersetzt.
Eröffnet wurde die Anstalt den 30. September 1538 vorläufig in
den Räumen des früheren Barfofserklosters, da der Umbau des Domini-
kanerkloster nicbt rechtzeitig fertig wurde. Unter den Schillern waren
auch ganz arme, die man nach dem Kloster St. Merx Marcianiten nannte.
Es durften deren aber nicbt Ober 100 sein. Wahrscheinlich zu Ostern
1689 dflrften sodann die neuen Schulräume im Dominikanerkloster be-
zogen worden sein.
In den oberen Zimmern der Schule war das Kollegium, d. h. das
Alumnat der Schaler, welche sich zum Kirchen- oder Schuldienst ver-
pflichtet hatten.
Unter die Lehrer wurden auch zwei Franzosen berufen, der be-
rtthmte Galvinus, der aus Genf vertrieben worden, »ein gelarther, frommer
Gesellff wie das Protokoll der Schulherren sagt, und Claudius Feranus,
der neben Bedrottus Vorlesungen hielt.
Aus einem bisher handschriftlichen Lehrplan, der im Abdruck als
wertvolle Urkunde der Arbeit beigegeben ist, macht Engel sodann Mit-
teilungen über einzelne Vorlesungen. Das Ziel der Schule war die aus-
scbliefslich dialektische und rhetorische Schulung des Geistes, die sodann
der Erreichung höherer Zwecke dienlich sein sollte.
Die Erhaltung der Schule wurde mit dem früheren Vermögen der
Klöster bestritten. Aus der Staatskasse wurde nichts beigesteuert. Be-
sondere Fürsorge wandte man auf die Unterhaltung armer SchtÜer und
Studenten. Sogar Reisestipendien für Universitäten wurden gegeben.
Das gröfste Verdienst um das Gedeihen und Blühen der Schule
erwarb sich neben ihrem Rektor Sturm der berühmte Stettemeister Jakob
Sturm und der Domprediger Kaspar Hedio. Jakob Sturm hatte trotz
seiner vielen politischen Geschäfte doch immer noch Zeit und Interesse
für die mancherlei Fragen der Schule. Während die beiden Sturm oft
lange von Strafsburg abwesend sein mufsten, war Hedio unermüdlich in
seinen Bemühungen für die Schule. Als er starb, berief man zwei Visi-
tatores an seine Stelle, weil man es nicht für möglich hielt, dafs ein
einziger Mann dieses arbeitsreiche Amt versehen könne.
Bedenkt man alles das, »so kann es,f schliefst Engel seine
wertvolle Arbeit, »wahrlich nicht in Verwunderung setzen, dafs der Ruf
der Strafsburger Schule, in welcher der klassische Geist mit religiösem
Ernste verbunden herrschte, in kurzer Zeit über alle Länder sich ver-
breitete.!
224 Obenicht der Bemerkungen lu Phaednu.
7,20. Hinter diesem Verse vermutet PoUe eine Lücke. Richtig
ist, dafs 21 — 24 sich nicht gut anschliefsen.
8, 4 ^hi speculo cathedra matris supposita ut fuit' vermutet Hart-
man, doch meine ich, dafs es nach dem Znsammenhange nicht darauf
ankommt, ob unter dem Spiegel ein Sessel steht, sondern darauf, dafs
angedeutet wird, wie die Kinder zu einem Spiegel gelangen.
10, 14 wird von Hartman beanstandet, ebenso v. 31.
11, 6. Hartman empfiehlt wie Nauck die Lesart Mntegritati meae'.
16, 6 ^ignotum' (wie auch Riese schreibt) empfehlen Hartman und
Herzog.
18, 8 'auribus' wie Hartman nach dem Pithoeanus und dem Re-
mensis vorschlägt, erlaubt das Metrum nicht; ich meine daher, ebenso
wie Herzog, dafs ^avibus* aus dem Vaticanus beizubehalten ist.
IV prol. 4. 5. Eine viel umstrittene Stelle, die auch Hartman an-
zweifelt
ib. 18 ^capsas' verwerfen Hartman und Herzog, indem sie * Chartas*
beibehalten.
2, 8 verwirft EUutman.
4, 2. Das Versmafs ist anstöfsig, die Wortfolge unvernünftig. Ein
Ausweg scheint itiir ^aper dum se volutat, turbavit vadum*.
6, 11 Nauck's Vermutung 'mersit tartareo specu' tadelt L. Müller.
7, 8. Die Oberlieferung 'libellum' halten Hartman und Herzog
(mit Riese) für das richtige.
ib. 16 'illinc* vermutet Hartman, dem Herzog zustimmt.
9, 12 wird von Hartman angezweifelt.
11, 3 'qui\ über dessen Stellung Riese Zweifel hegte, streicht Polle
nach Johnson und L. Müller.
16, 8 ^aequasset suae' vermutet Hartman. Es würde schwer fallen,
*snae' nicht mit ^feminae* zu verbinden.
19, 2. 3 wird von Hartman beanstandet.
19, 6 ^suescat* vermutet Polle, indem er richtig bemerkt »ne discat
prodesse ist ungenau, da die Verneinung zu prodesse gehörte Phaedrus
schreibt aber mitunter ungenau.
28, 4. Nauck^s Vermutung 'mercede pacta' tadelt L. Müller, wie
auch 24, 4 ^qui potes\
24, 8. Vor diesem Verse nimmt Hartmann wegen der folgenden
Antwort eine Lücke an, wie sie Riese hinter v. 10 vermutete.
ib. 18- 18. Die Zählung dieser Verse geben L. Müller and Riese
nach Bongars. Polle stellt 13 und 14 um; die Reihenfolge der Hand-
schriften soll sein 16. 18. 18. 17. 14. 16; Burmann ordnet 14. 17. 18.
18. 16. 16.
V 1, 12 Polle schreibt 'afluens', was Herzog verwirft.
2, 10 soll nach Hartman mit Punkt schliefsen; der UtrSatz soll
zum folgenden gehören.
76 Schalgesehichte.
Alfred EricbsoD Stimmen ttber das Strafebnrger Oymnasiom aas
viertbalb Jabrbanderteo. Ein Beitrag zur 360jfthrigen Jabelfeier am
1. August 1888. Strafsburg. C. F. Scbmidt's UniversItäts^Bucbhand'
lang Friedrieb Bull. 1888.
Jakob Wimpfeling batte 1501 dem Strafsbnrger Rat in seiner iGer-
maniac den Vorschlag zur Errichtung eines Gymnasiums gemacht, ein
Gedanke, der aber erst durch die Schöpfung des Johannes Sturm Wirk-
lichkeit wurde.
Erichson stellt aus Handschriften und seltenen Bflchem Urteile
zusammen, um zu zeigen, welchen Eindruck die berühmte Schale im Laufe
der Zeiten auf näher und ferner Stehende gemacht hat.
Schon 1539 rOhmt Sailer aus Augsburg, er habe idergleichen
schnelenc sein Leben lang nicht gesehen. 1548 berief der Kurftkrst von
der Pfalz den Prediger Paul Fagius nach Heidelberg, um an der Uni-
versität daselbst ein Pädagogium nach Sturmschem Muster zu errichten.
Besonders wurde die Anstalt durch zahlreiche auswärtige Schiller
bekannt, zu denen auch der Sohn Zwingiis, Wilhelm Zwingli, f 1541, and der
junge BttUinger gehörten. Auch Philipp von Hessen schickte 1561 »et-
liche seiner Söhnec nach Strafsburg, um »gute Sitten, Künste and
Sprachenc zu erlernen.
Der Ruhm der Anstalt wuchs besonders, seitdem durch den Kaiser
im Jahre 1566 ihr das Recht, Baccalanrei und Magistri zu creieren, ver-
liehen worden. 1621 bekam Strafsburg eine vollständige Universität
Im Jahre 1575 hatte Nikodemus Frischlin von dem »herrlichen
Lycenmf Strafsburgs gesungen, das hervorragende Männer an die Spitze
der Jugend stelle. 1578 feierte der Schlesier Georg Calaminus die Schale
in einem lateinischen Gedicht mit dem Anfang: 0 salve, schola Sturmiana,
salve: Facundissima Regis eloquentis salve filia.
Weitere ehrende Zeugnisse enthalten die sogenannten Schulpredig-
ten, welche einst am Dienstag nach Ostern im Münster von Professoren
der Theologie gehalten wurden. Seit Elsafs französisch und die Regierung
katholisch wurde, werden die Zeugnisse seltener. Aus unserem Jahr-
hundert sind die Aussprüche Bruchs und Baums bemerkenswert
Dr. Johannes Crüger Zur Strafsbnrger Schulkomödie (Fest-
schrift zur Feier des 850jährigen Bestehens des protestantischen Gym-
nasiums zu Strafsburg (Strafsburg 1888) S. 305—844).
Der Verfasser unterscheidet drei Perioden der lateinischen Schal-
komödie in Deutschland: 1. die Zeit des Versuchens; 2. die Schal-
komödie im engeren Sinne; 8. die Zeit, in der sich die Schulkomödie
von der Schule wieder unabhängig machte.
Nicht alle Städte haben die drei Perioden erlebt, wie Strafsbnrg.
Die erste Periode ist freilich nur spärlich vertreten durch das 1612 zum
ersten Mal gegebene lateinische Stück iHerkules am Scheidewege von
Joh. CrQger, Zar Sirafsbarger Sehnlkomödie. 77
SebasUan Brant, welches uns verloreo ist, sodann durch den Lazarus
redivivas des Johannes Sapidos, welcher 1689 durch Schttler aufgeführt
wurde, als man die neuen Räume des Gymnasiums bezog.
Nach Crügers Meinung, der sich dafür auf das Schweigen der
Strafsbnrger Ratsprotokolle bezieht, hat Sturm in der ersten Zeit seiner
Schulleitung keine dramatischen Stücke aufftlhren lassen. Erst in den
1666 erschienenen Epistolae classicae und in den Scholae Lavinganae em-
pfiehlt er SchüleraufTührungen für die vier obersten Klassen.
Die erste.derartige Aufführung war im Jahre 1667. Es wurde der
terenzische Eunuch durch die Schüler bzu den Predigernc aufgeführt
Den Aufführungen terenzischer Stücke schlössen sich solche geistlichen
Inhaltes an.
Unter der Leitung des alternden Sturm traten sodann Aufführungen
griechischer Stücke zu den lateinischen hinzu. Allmählich gestalteten
sich diese Strafsbnrger Aufführungen zu regelmässig wiederkehrenden und
wurden eine Sehenswürdigkeit Strafsburgs.
In einem zweiten Teil behandelt Crüger »Leben und Wirkungen
des Georgius Galaminusf(=Rörich), der 1647 zu Silberberg in Schlesien
geboren worden war» auf den Lateinschulen su KOniggrätz und Breslau,
sodann zu Heidelberg, in der Schweiz und Strafsburg seine Studien ge-
macht hatte. In letzterer Stadt hat er mancherlei Gelegenheitsgedichte
geschrieben. Dazu gehört auch sein »Garmius sive Messias in praesepic,
der am 2. Januar 1676 zum ersten Mal gespielt und später öfters wieder-
holt worden sein dürfte. Ein Wiederabdruck dieses lateinischen Schul-
dramas (S. 842 — 864) beschliefst die Arbeit.
Zu S. 823 sei ergänzend hinzugefügt, dafs über Peter Calaminus,
den Vetter Georgs, in der Heidelberger Matrikel (von Töpke herausgege-
ben) sich eine Anzahl dankenswerter chronologischer Daten findet.
Dr. Rudolf Reufs, Gberlehrer. M. Samuel Gloner, ein Strafs-
bnrger Lehrerbild aus den Zeiten des dreifsigjährigen Krieges (Fest^
Schrift zur Feier des 360 jährigen Bestehens des protestantischen Gym-
nasiums zu Strafsburg [Strafsburg 1888] S. 143—226).
Die Hauptquelle dieser fleifsigen Arbeit ist neben den sehr zahl-
reichen Druckschriften Gloners mit lateinischen Gedichten ein Band mit
Briefen an Gloner, der sich im Archiv des Strafsburger Thomasstiftes
befindet; Briefe von Gloner sind nicht darin enthalten.
Gloner ist ein Strafsburger Kind ; den 2. März 1698 geboren, durch-
lief er das Gymnasium seiner Vaterstadt und studierte auch an der Strafs^
burger Hochschule. Den 12. Januar 1620 erhielt er den Dichterlorbeer
durch dem Basler Pfarrer Johann Jakob Grasser, der seiner Zeit in
Padua die Pfalzgrafenwürde erworben hatte, wonach er Poetae laureati
kreieren konnte.
Nachdem Gloner geheiratet hatte, erhielt er 1020 durch den Mark-
78 Scholgeschicht«.
grafen von Baden eine »fürstliche Vokationc an das badische Gymnasiiia
illustre zu Durlach. Hier entstanden mehrere Kinder von Gloners la-
teinischer Muse. Nach kurzer Thätigkeit an dieser hochgeachteten Anstalt
kehrte er nach Strafsburg zurück und wurde den 17. Dezember 1622
zum Collaborator decimae classis der Anstalt, an der er selbst einst sto-
diert hatte. Obgleich aufserordentlich produktiv in lateinischen Gedichten
während der nächsten Jahre, gelang es ihm doch nicht, wie er hoffte,
Lehrer der Eloquenz an der Strafsburger Hochschule zu werden. Doch
stieg er 1627 zum Lehrer der Sexta am Gymnasium auf, .wenigstens eine
kleine Anerkennung fttr seine unermüdliche Thätigkeit.
Unter seinen zahlreichen Korrespondenten finden sich aacb einige
von gröfserer Bedeutung, so der bekannte Johann Michael fiioscheroscli
und Johann Valentin Andreae, Superintendent zu Calw in Württemberg.
Mit den Jahren stieg er in die höheren Klassen auf und wurde
durch den Auftrag der Visitatio GoUegiorum geehrt. Lange Zeit be-
schäftigte ihn eine Ausgabe des Ovid, die aber nie im Drucke erschien.
Im November 1642 erlag der Dichter einer schweren Krankheit. Gedichte,
die in seinem Nachlafs sich fanden, und deren Inhalt nicht mehr bekannt
ist, führten zu einem Beschlufs des grofsen Rats, dafs Gloners Name
in der Matrikel der Universität zu tilgen sei. Ein übles Nachspiel sn
dem sonst makellos geführten Leben!
Die zahlreichen lateinischen Gedichte, welche Gloner geschriebeo
hat, werden von Reufs überall im Zusammenhang mit der Darstellong
seines Lebens besprochen.
Aus dem Rheintbal wenden wir uns nach Schwaben:
Rektor Dr. Friderich, Die Schul Verhältnisse Reutlingens zur
Zeit der freien Reichsstadt. I. Teil (Programm des K. Gymnasiums
in Reutlingen für 1886— 1887. Reutlingen. 1887. Programm Nr. 649.
S. 21—40).
Obgleich authentische Urkunden über das Schulwesen Reutlingens
erst mit dem Jahre 1566 beginnen, so bezeugt doch schon eine Nach-
richt von 1292 das Vorhandensein einer Schule: in einer Urkunde von
diesem Jahre fungierte als Zeuge H. der Schulmeister von Rutelingeo.
Im 14. Jahrhundert las nach den Annalen des Grusius Mag. Eberhard
Barter, Ganonicus in Rotenburg a. N., als Doctor Scolarium zu Real-
lingen und Tobingen über 30 Jahre Grammatik, Logik und Philosophie.
1396 starb der Knabenschuliehrer Konrad Spechthart, dessen Grabsteio
ihn, mit einem langen Talare bekleidet und auf einem Katheder vor
einem Buche sitzend, darstellt. Er ist der Kommentator des Specnlom
grammaticale von seinem Oheim Hugo Spechtbart
Vermutlich hatte Reutlingen im 13. und 14. Jahrhundert eine
Trivialschule, in der Lesen, Schreiben, Singen und Latein gelehrt wurde,
Fridrich, Die SchnWerhältDisse Reutlingens. 79
schwerlich aber auch Rechnen, wie Fridrich S. 22 meint Das Rechnen
18t in die TriWalscbulen erst viel später eingedrungen.
Im 16. Jahrhundert leitete Präceptor Georg Keller die Reutlinger
Lateinschule, in welcher auch der bekannte Reformator Matth. Alber
Schfller war. 1511 wurde dieser selbst zum Provisor der Schule seiner
Heimatstadt berufen.
Höhere Bedeutung aber bekam die Reutlinger Schule erst durch
Albers Freund, Job. Scbradin, einen Mann von feurigem, lebhaftem Geiste,
der vermutlich zwischen 1524 — 33 »mit geringer, spottlicher Besoldung!
die Stelle eines lateinischen Präceptors bekleidete.
Aus der Kirchenordnung Albers fOr Reutlingen c. 1526 geht her-
vor, dafs damals die Stadt schon eine Mehrheit von Schulen, lateinische
und deutsche, hatte. Der Senatus ecclesiae, eine Art von Presbyterium,
aus 12 Mitgliedern, darunter auch die Geistlichen der Stadt, sollten den
Schulmeister wählen und die Visitation der Schulen »nach lut der Schul-
ordnnngc besorgen.
Die Mitte des Jahrhunderts bringt Reutlingen wegen seiner Teil-
nahme am schmalkaldiscben Kriege einen bedeutenden RQckgang. Von
da an aber fliefsen die Quellen für die Schulgeschichte reichlicher: es
sind Akten, Ratsprotokolle und die zwei Chroniken der beiden Schul-
männer Fizion und Hofißstetter.
1665 entwarf der Präceptor Heinricus Ryesser (Reiser?) eine
Lektionsordnung, die sich erhalten hat, die aber dem Rate nicht ganz
genOgt zu haben scheint, so dafs ein neuer Entwurf fertiggestellt und 8. Juli
1566 vom Rate angenommen wurde. In dieser neuen Ordnung war vor
allem Sonderung der Kinder verlangt, ferner Einhaltung der festgesetzten
Lektionen und Autoren, genauere Abgrenzung der Funktionen des Präcep-
tors und Provisors und »endlich (und das ist dem Rate ein Hauptan-
liegen) die Regelung des Gesangunterricbts.c Der Rat setzte die ein-
zuflbenden Lieder und Psalmen fest und trägt selbst kein Bedenken —
eine Folge der politischen Lage — die alten katholischen Kirchen-
gesänge wieder in die protestantischen Kirchen Reutlingens einzuführen.
Diese Schulordnung ist S. 29—31 im Wortlaute mitgeteilt. In classe ludi
moderatoris wird übrigens auch das Elementale grece linguae getrieben.
In Folge einer Visitation von 1574 bekamen die Schulvögte den
Auftrag, den Lehrern allerlei zu »ii]gungierenf , wie der praeceptor in su-
periori classe soll das Elementale Graecum ohne Weitläufigkeit, sim-
pliciter, vorhalten und nichts dazu diktieren, bevor sie jenes begriffen
hätten; auch Mafshalten in castigandis pueris wird empfohlen.
Schon 1586 wieder wird eine neue Schulordnung erlassen, die 1610
mit einigen Abänderungen, wie es scheint, erneuert wurde. Es wird
geklagt, dafs die Knaben zu kurz der Schule anvertraut (ein, zwei oder
drei Jahre) und dann einem Handwerk ttbergeben werden. Unter den
Vorschriften für die Schüler der ersten Klasse lesen wir: »Der Lehrer
80 SehnlgeMhidite.
maÜB fleibig aufmerken, dafs die Knaben die Tocales ?nd consonantes
der lateinischen Sprachart defltUicfa aussprechen.c Die Schole wnrde
zu einer Anstalt von drei, später vier Klassen ansgebant
Auf S. 36 folgt ein Verzeichnis der Rektoren and Praeceptoren
von 1669 — 1666 mit biographischen Notizen fQr die einzelnen.
Die Blftte der Schulen knickte sodann der 30j&hrige Krieg , der
die Einwohnerzahl Reutlingens von 7000 unter 4000 herabsinken liels.
Noch gröfser war aber der sittliche Schaden, obgleich der Rat auch
mitten unter den Greueln des Krieges sein lebhaftes Interesse fftr Schule
und Kinderzucht bekundete, wie z. B. 1646 zwei neue Schulstellen ge-
gründet wurden. Ein Erlafs des Rates vom 12. November 1661 bekun-
det den ziemlich trostlosen Zustand der Schulen, wie er durch eine Visi-
tation festgestellt wurde (vgl. 8. 89).
Ebenfalls schwäbische Verhältnisse schildert folgende Arbeit:
Die Städtischen Lateinschulen am Ende des Mittelalters. Ein
Vortrag von Chr. Kolb, Professor am Gymnasium in Schw. Hall.
Schober. 1887.
Einen Anlafs zu seiner Arbeit fand der Verfasser in Heft 13 der
von Dr. Johannes Müller herausgegebenen »Sammlung selten gewordener
pädagogischer Schriften früherer Zeitenc, welches *Vor- und frührefor-
matorische Schulordnungen und Schulverträge in deutscher und nieder-
ländischer Sprächet enthält, darunter auch zwei Nummern über Seh.
Hall. Für seine Darstellung zieht er noch bei eine Memminger Schul-
ordnung von 1618 und eine Ordnung fElr die lateinischen Stadtschulen in
Nördlingen vom Jahre 1612, in der Annahme, dafs in diesen beiden
Reichsstädten die Schulverbfiltnisse im wesentlichen waren wie zu Schw.
Hall. Die Richtigkeit dieser Vermutung soll nicht bezweifelt werden,
aber angemessener wäre es doch gewesen, einmal die Archive, z. B. auch
in Stuttgart, auf diesen Gesichtspunkt hin durchzusehen. Vielleicht sind
doch noch Dokumente zur Schulgeschichte von Schw. Hall vorhanden.
Der Verfasser entwirft sodann ein Bild, das ganz ansprechend ist, sich aber
aus dem bekannten Werke Kämmeis »Geschichte des deutschen Schul-
wesens im Übergange vom Mittelalter zur Neuzeitc (Leipzig 1882) in
vielen Punkten erweitem läfst.
Von Süddeutschland wenden wir uns nach Sachsen und Thü-
ringen, dessen Schulwesen für manche Länder Deutschlands vorbild-
lich gewesen ist:
Lic. Dr. Georg Müller, Das kursächsische Schulwesen beim Erlafs
der Schulordnung von 1680. Dresden 1888. (Programm Nr. 606,
Wettiner Gymnasium io Dresden).
Da Kursachsen das Heimatland der deutschen Reformation ist, so
haben dessen Schulverhältnisse ein ganz besonderes Interesse. Müllers
Dr. Qeorg MQller, Das kunfteMsche Schalwesen. gl
Arbeit ruht aaf aasgedehnten archlyalisohen Nachforsohnngen and seagt
Oberall eine gute Kenntnis der in Betracht kommenden Litteratar. Der
Stoff ist in vier Gruppen gesondert: 1. Das ländliche Schulwesen. 2. Die
lateinischen Schalen in den St&dten. 8. Die deutschen Schalen. 4. Die
Madchenschulen.
Fttr die Aufgabe des »Jabresberichtesc kommt allein Nr. 2 in
Betracht. Der Verfasser gibt Aufscblafs Ober die Schulen in den grOfseren
und kleineren sächsischen Stftdten. Zuverlässige Angaben über Zahl
und Vorbildung der Lehrer, von denen mauche keine Universität besucht
hatten, Mitteilungen ttber die benutzten Lehrbücher, unter denen fast
überall die Lehrschriften Melanchtfaons erscheinen, kurze Charakteristik
mancher erfreulichen und nicht erfreulichen Erscheinungen geben uns
ein ungefähres Bild der damaligen sächsischen Lateinschule. Im Grie-
chischen brachte man es in den besten, d. h. in den mit einem zahl-
reichen Lehrpersonal ausgerüsteten Schulen doch nur zu sehr mäfsigen
Leistungen. In kleineren Städten macht der Pastor die Schulordnung,
in grOfseren der Rat mit dem Schulmeister. Der Krebsschaden der
wandernden Schüler existiert immer noch. Die Besoldnngsverhältnisse
der Lehrer sind an vielen Orten sehr unzureichend. Auch die Schul-
häoser sind oft unzulänglich. Meist wendet man sich in Notfällen an
den bedrängten Kurfürsten.
Müllers wertvolle Arbeit ist mehr eine Materialiensammlung, als
eine ausgeführte Darstellung. Sie will mehr studiert als gelesen sein,
da der Verfasser unterlassen hat, die allgemeinen Verhältnisse jeweils
einleitungsweise zu schildern.
Das alte Gymnasium in Jena. Beiträge zu seiner Geschichte.
Erster Teil. Von Dr. Gustav Richter. Eine Festschrift gewidmet
Seiner Excelleoz dem Grofsh. Sachs. Staatsminister Dr. G. T. Stichling
zum 8. September 1886. (Programm des Gymnasiums Garolo-Alexan-
drinum zu Jena. 1887. Nr. 626. 4^. 44 S.).
Abgesehen von gedruckter Litteratur diente als Quelle das städtische
Ratsarohiv in Jena, das Ernestinische Gesamtarchiv zu Weimar und ein
auf d^r Jenaer Bibliothek befindliches Manuskript des gelehrten und
fleissigen Jenenser Historiographen Adrian Beier, die lAthenae Salanaec.
Die Anfänge der Schule reichen in das Mittelalter zurück; schon
1809 wird die Schule als alt bezeichnet, so dafs die ersten Spuren ins
18. Jahrhundert führen. Eine Urkunde von 1846 ergibt, dafs das Schul-
lokal in dem Turme der Stadtkirche war, in einem jetzt als Sakristei
dienenden Räume (under dem thorme, do dy schule von aldere gewest).
Nach mancherlei Streitigkeiten über das Besetzungsrecht einigte
man sich 1864 dahin, dafs dasselbe nicht dem Kloster in Jena allein,
sondern demselben gemeinsam mit der Stadtbehörde zustehe. Bei der
Jahmberichl för AlterthumswiMaischaft. LXIX. Bd. (1891. III.) 6
82 Schalgeschiehte.
Aufhebong des Klosters 1525 ging dieses Recht auf den Korfttrsten tod
Sachsen ttber, der es bald dem Rat von Jena aosschliefsUch abertrng.
Ein zweiter Abschnitt behandelt »Die Schale im Jahrhundert der
Reformation.c Die Räume des aufgehobenen Nonnenklosters wurden zu
Schulräumen umgewandelt. Aber im ttbrigen scheinen nur darfUge Mittel
der Schule zur Verfügung gestellt worden zu sein.
Der erste protestantische Schulvorsteher (Ludimoderator) war Franz
Mohr (Maurus), vorher Kantor in Weimar, seit 1624 in Jena, von wo
er 1587 nach Lobeda ging. Sein treuer Gehilfe war sein Sohn Johannes.
Neben Mohr war auch Andreas Misenus thätig, dessen Nachfolger
Kaspar Pailscher aus Mosbach (1530—85) wurde.
Nähere Kunde haben wir erst von Stephan Reich (Riccius),
ttber den Ernst Koch in Meiningen gründlich gehandelt hat. 1512 in
Kahla geboren, besuchte er 1525 — 29 die Stadtschule in Jena, studierte
sodann in Wittenberg unter Melanchthon Theologie, Philologie und Ma-
thematik. Wahrscheinlich Mohrs Nachfolger geworden, leitete er die
Jenenser Schule bis 1540. Hier begann er seine ausgedehnte schrift-
stellerische Thätigkeit: eine Übersetzung der drei olynthischen Reden
des Demosthenes, des Schreibens des Königs Philipp an die Athener und
der Antwort des Demosthenes, der vier phiiippischen Reden, die sich
jetzt handschriftlich auf der herzoglichen Bibliothek in Gotha befinden.
1540 ging Reich nach Saalfeld, um später in den Kirchendienst ttber-
zutreten.
Unter Reich und seinem sonst unbekannten Nachfolger Mag. Jo>
hannes Heseling (1540—45) kam die Schule so empor, dafs man einen
Konrektor brauchte, welche Stelle 1545 mit Georg Meltzer, leiner allem
Anschein nach ausgezeichneten Persönlichkeit c, besetzt wurde. Derselbe
war zugleich Kantor. Als Sohn des Stadtrichters in Buttstedt geboren,
hatte er die Stadtschule zn Zwickau, unter dem berühmten Plateanns
die »Schleifmtthlec genannt, besucht und dann seine Studien in Witten-
berg unter Luther und Melanchthon gemacht. Er wirkte sechs Jahre als
CoUaborator der Schule zu Goslar und 53 Jahre zu Jena. Gestorben
ist er als 88 jähriger Greis, »venerandus senex, pietate et eruditione
praestans, nee non de scholis optime meritus.c 1598 wurde als sein
Nachfolger Christoph Keiner berufen.
Heselings Nachfolger wurde Kaspar Arnurus aus Stadtilm, der 22
Jahre lang (1546 — 68) die Schule >non sine sui laude et pubis literariae
fruget leitete. In diesen Zeitraum fallen die Anfänge der üniversitAt
Jena, eine Ereignis, das zur Hebung der Schule sehr wesentlich beitrug.
Mit der Einrichtung von fünf Klassen im Jahre 1587 erreichte die
Schule auf lange Zeit hinaus ihren Abschlufs.
1560-^1573 hatte der Mediziner Johann Mellinger aus Halle- and
1678—1598 M. Ludwig Salveld aus Kahla das Rektorat. Auf diesen
folgte Johann Faber, vorher Rektor in Schleusingen und Nordhaosen«
Dr. Gastav Richter, Das alte QymDasium in Jena. 83
der aber bald nach Koburg ging. Als tüchtiger Hebraist und Grftdst
hat er sich auch litterarisch hervorgethau. Von 1699—1602 war Eilian
Wallendorp aus Ilmenau Rektor.
So hatte sich die Schule im Zeitalter der Reformation stetig ent-
wickelt; erst gegen Ende des Jahrhunderts trat ein Rückgang ein, »der
auch an anderen Schulen beobachtet wird und, wie es scheint, in einer
allgemeinen Abneigung gegen die gelehrten Studien seinen Grund ge-
habt hatt
Die Schule steht unter dem Stadtrat, aber die Berufungen der
Lehrer bedürfen der landesherrlichen BestAtigung. Das Gehalt ist be-
scheiden, gleichwohl das Schulamt viel begehrt als übliche Übergangs-
stufe zum Pfarramt. Über Unterricht und Schulzucht ist S. 16—31 auf
Grund der Quellen gehandelt; die Jenenser Schule scheint keine charak-
teristischen Verschiedenheiten von anderen Schulen der Zeit zu haben.
Der dritte Abschnitt »Die Stadtschule in der ersten Hälfte des
17. Jahrhundertf schildert zunächst, wie der Rückgang der Schule nicht
blofs durch die schlimmen Zeitläufe, sondern auch durch die üntüchtig-
keit des Rektors M. Christoph Keiner herbeigeführt wurde, dem man
endlich 1602 ein Testimonium dimissionis geben konnte. In Folge der
geringen Schülerzahl scheint die Schule in dieser Zeit auf vier Klassen
reduziert gewesen zu sein.
Der neue Rektor Immanuel Hase, geboren 1670 zu Auma als
Sohn des dortigen Schulrektors, trieb nicht hohe Künste mit den Schülern,
sondern lehrte sie rä npbg rbv ßiov ^pi^acfia. 1621 starb dieser Homo
antiquae virtutis et fidei.
AufTallender Weise war die Zeit des 30jährigen Krieges eine Zeit
des Aufschwunges für die Schule. Dieselbe blühte unter dem Rektor
M. Johann Wilhelm Wallich, geboren 1591 zu Weimar, der, erst 25
Jahre alt, »ob eruditionem solidam et humanitatem singularemc die Stelle
1616 erhielt und 20 Jahre lang dieselbe bekleidete. Als Kollegen standen
ihm Franz Trömler und Kantor Nikolaus Erich zur Seite.
Von den Rektoren der Folgezeit ist besonders Mag. Christian
Chemnicius zu nennen. 1615 zu Königsfeld bei Rochlitz geboren,
wurde er 1638 Rektor in Jena. Unter ihm wurden Komödien des Terenz
aufgeführt. Er war nach kurzer Thätigkeit in Weimar als Professor
der Theologie wieder nach Jena zurückgekehrt, wo er 1666 starb.
Joh. Christfried Sagittarius verwaltete das Rektorat nur drei
Jahre und wurde schon 1646 Professor historiarum et poeseos an der
Universtität. Sein Nachfolger war Joh. Frischmuth aus Wertheim
a. M., wurde aber 1649 aufserordentlicher Professor der orientalischen
Sprachen an der Universität.
Was die Besoldungen betrifft, so bezogen an barem Gelde der
Rektor 90, der Konrektor und Kantor je 60, der Quartus 52, der Quin-
tus 25 Gulden; daneben erhielten sie Getreide. Nebeneinnahmen brachten
6»
g4 Sehulgescbiehte.
eiDzelae Vermftchtaisae, Nei^ahr- and Oregoriasamg&nge, die Oebfthren
ffir das Singen bei Hochzeiten and Begräbnissen. • Diese verschiedenen
Einnahmen waren gewifs nicht nnbeträchtlich, die Art ihrer Erhebong
aber konnte dem Ansehen der Lehrer wenig förderlich sein.«
Über die innere Entwickelang der Schale sind wenig An-
haltspunkte vorhanden. Der Unterrichtsplan aus dem Jahr 1642 stimmt
mit der Schulordnung von 1693. Trotz des Aafeehens, das die Reformen
Raticbs in Weimar und Jena machten, merkt man im Lehrplan nicht
viel »vom Durchbroch des modernen Geistes.f Donat wird in der Be-
arbeitung des verdienten Rhenius (1574—1639) benutzt« Griechische
Grammatik wird in grOfserem Umfange betrieben.
Eine anmutige Beschreibung des Gregoriusfestes beschliefst die
lehreiche Abhandlung, zu der Fortsetzungen in Aussicht gestellt werden.
Bibliographisches Repertorium ttber die Geschichte der Stadt
Frei her g und ihres Berg- und Hüttenwesens. Für akademische Vor-
lesungen und für den Freiberger Altertumsverein von Dr. phil. Eduard
Heydenreich, Oberlehrer am Gymnasium Albertinam, Privatdozent
der Geschichte an der Egl. Sächsischen Bergakademie, Bibliothekar
des Freiberger Altertumsvereins. Freiberg in Sachsen. 1885. 8^ IX
und 128 S.
Dazu ein Nachtrag desselben Verfassers: Zur Bibliographie
über die Geschichte der Stadt Freiberg und ihres Berg- und Hütten-
Wesens. 5 Bl.
Diese umfangreiche Zusammenstellung ist hier zu erwähnen, weil
sie von S. 16—19 (Nr. 202—263) die ausgedehnte Litteratur über die
Freiberger Schule bietet, deren Bedeutung durch Namen wie Petras
Mosellanus (Schade), Job. Rhagius Aesticampianus, Job. Rivius (Bacb-
mann), Erasmus Sarcerius, Fabricius u. a. einleuchtend wird. Ferner
enthält der Abschnitt »Reformationszeitc S. 64—68 (Nr. 876 — 932) eine
Anzahl von Schriften, welche für Schul- und Gelehrtengeschichte io
gleicher Weise von Wert sind. — Zu Aesticampianus hätten noch die
beiden sorgfältigen Arbeiten von G. Bauch über diesen Humanisten
(Archiv für Litteraturgeschichte. XU 321-370. XUL 1—33) angeführt
werden können.
Der Nachtrag enthält die Litteratur zu dem bekannten Gregorias-
feste, einem viel gefeierten Schulfeste früherer Zeit, das sich in Freiberg
offenbar lange erhalten hat.
Es wäre zu wünschen, dafs wir auch über andere, geschichtlich
bedeutsame Schalen, solche nützliche Zusammenstellungen erhielten.
Dr. Eckstein, Die Feier des Qregoriosfestes. 85
Oberlehrer Dr. Eckstein Die Feier des Oregoriasfestes am Gym-
nasium zu Zittau. Zittau 1888. (Prograrombeiiage (Nr. 616) zum
Jahresbericht des Gymnasiums in Zittau).
Das Gregoriusfest wurde wahrend des Mittelalters als Schulfest
am 12. März allgemein in Deutschland gefeiert. Die Entstehung des-
selben ist nicht mehr genau festzustellen. Die Feier bestand in einer spafs-
haften Form, die Neulinge in die Schule einzufahren, wobei die Schüler
sich vermummten und dann mit Backwerk beschenkt wurden. Zugleich
sammelten auch die Lehrer Efswaaren für sich bei den Einwohnern der
Stadt ein.
Eckstein verfolgt nun die Feier dieses Festes in Zittau, das bis
ins Mittelalter daselbst nachweisbar ist. Auch die Reformation hob das
Fest nicht auf, wie z. B. Melanchthon mehrere Gregoriuslieder dichtete.
Nur hat man vermutlich die bei dem Feste übliche Wahl eines Schul-
bischofs und seiner Kleriker unterlassen. So wenigstens war es in Gör-
litz, dessen Gymnasium grofse Ähnlichkeit mit dem Zittauer hatte.
Seit 1686 war die Stadtschule in ein Gymnasium verwandelt wor-
den ; als Rektor trat Kaspar Janitius ein, unter welchem das alte Schul*
fest nachweisbar gefeiert wurde. Über die Feier des Gregoriusfestes
von da bis auf Gerlach, der 1602 Rektor wurde, hat sich keine Nach-
richt erhalten. Vermutlich wurde es ohne bedeutende Veränderungen
gefeiert.
Von 1678 — 1708 leitete der berühmte Schulmann Christian Weise
die Anstalt. Unter ihm wurde der Feier eine bestimmte Idee zu Grunde
gelegt, die sich, dem Zeitgeiste entsprechend, in Allegorieen darstellte.
Diese Neuerungen lernen wir durch ein Festprogramm aus dem Jahre
1679 kennen, das auf S. 6 fif. vollständig mitgeteilt wird.
Gelegentliche Ausschreitungen der Schüler bei dem Feste erweck-
ten übriges demselben auch Feinde. Trotzdem dauerte es noch bis
1737, in welchem Jahre die Regierung auf Antrag; des Rates es aufhob.
Wenn auf S. 2 behauptet wird, dafs das Verhältnis der Lehrer an
den städtischen Schulen vor der Reformation zu den städtischen Behörden
derart war, dafs die Lehrer nicht eine besondere Pflicht übernahmen,
sondern dafs ihnen nur das Recht zu lehren gewährt wurde, so stimmt
das nicht mit den Verträgen, welche zwischen den Lehrern und den
städtischen Behörden vielfach geschlossen wurden. In denselben sind in
der Regel die Pflichten der Lehrer sehr bestimmt festgestellt. Häufig
erfolgte die Lösung des Vertrages, wenn der Lehrer seinen Pflichten nicht
nachkam. — 1686 ist ein unangenehmer Druckfehler für 1686. — Luchori
S. 7 unten ist Druckfehler für Lutheri.
Im übrigen ist das Programm ein dankenswerter Beitrag über
eine jetzt untergegangene Schuleinrichtung, Ober die nicht viel Zuver-
lässiges bekannt ist
86 Schnlgeschichte.
Prof. Wilb. Bernhardt Das Gymnasium zu Wittenberg Ton
1620 bis 1868 (Festschrift zur Feier der Einweihung des neuen Gym-
nasialgebäudes zu Wittenberg am 10. Januar 1888, veröfifentlicht vom
Lehrerkollegium. S. 33 — 67).
Wenig Lateinschulen sind im 16. Jahrhundert von ähnlicher Wich-
tigkeit wie die Wittenbergs. Ging doch von dieser Stadt das neue
geistige Leben der Beformation aus. Bernhardt stOtzt seine Darstellung
auf die Monographie dieser Schule, welche der frühere Rektor Franz
Spitzner geschrieben hat.
Die Lateinschule geht zurQck in die Zeit vor der Reformation:
schon 1371 wird ein Rector scbolarum genannt. Üble Zeiten kamen f&r
die Schule in den Tagen des Jahres 1522 als die bilderstflrmerischen
Wiedertäufer die Stadt verwirrten. Der damalige Rektor M. Georg
Mohr empfing eines Tages seine SchOler mit der Mahnung, sie sollten
aus der Schule bleiben. Es kam soweit, dafs das Schulhaus während
der Karlstadtschen Bewegung zu einer Brodbank gemacht wurde.
Weitere Leiter der Anstalt sind Peter Bloch aus Brück, Andreas
Balduin, Christoph Walter aus Wesel, Arnold Corner aus Westfalen u. a^
von denen Bernhardt kurz berichtet. Verschiedene Male wird bemerkt,
dafs der Rektor zugleich Dekan der philosophischen Fakultät an der
Hochschule war.
Je näher die Darstellung der Gegenwart rückt, desto reicher wer-
den die Angaben. Charakteristisch ist die Thatsache, die von vielen
Rektoren erzählt wird, dafs sie mit der Zeit entweder Professoren der
Beredtsamkeit an der Universität oder Pfarrer auf irgend einer geist-
lichen Stelle wurden. Das Amt des Lehrers wurde allgemein als eine
Dnrchgangstbätigkeit angesehen, der man sich nur so lange widmete, bis
man eine bessere Stelle erlangen konnte.
Unter den Rektoren sind tüchtige Männer. Im Jahre 1809 über-
nahm Lobeck das Rektorat, legte es aber schon 1810 aus Gesundheits-
rücksichten wieder nieder. Doch suchten sein Nachfolger Weichert und
der Konrektor Spitzner im gleichen Geiste zu wirken. 1814 wurde
letzterer Rektor. Bezeichnend für die Übeln Zustände ist, dafs derselbe
oft täglich 8—12 Stunden zu geben hatte. Im Jahre 1817 erfolgte end-
lich die Neugestaltung der Schule: dem Rektor Spitzner wurde Friede-
mann als Eonrektor beigegeben. Letzterer wurde Spitzners Nachfolger,
als dieser 1820 nach Erfurt berufen' wurde. Aber schon im Mai 1824
kehrte Spitzner wieder und leitete die Anstalt bis zu seinem im Jahre
1841 erfolgten Tode. Unter den Schülern der Anstalt ist F. W. Ritechl,
der spätere grofse Philologe, zu nennen.
Aufgefallen ist mir, dafs der Verfasser die Einrichtung der Schule
im Jahre 1633, wie sie sich aus der Kirchenordnung dieses Jahres er-
gibt (vgl. C. E. Foerstemann, Neues Urkundenbuch der evangelischen
Kirchenreformation I 390), mit keiner Silbe erwähnt.
E. Enaat, Lehrplan des altstftdtischen Gymnasioms tn Magdeburg. 87
Es mögen hier noch einige weitere Bearbeitungen von Schulge-
Bchichten des mittleren und nördlichen Deutschlands sich anschliefsen:
Direktor Professor Dr. Karl Knaut Der Lehrplan des altstäd-
tischen Gymnasiums zu Magdeburg vom Jahre 1619 (1. Jahresbericht
über das städtische König Wilhelms- Gymnasium zu Magdeburg 1887.
40. Programm Nr. 224). 8. 13—28.
Das altstädtische Gymnasium hatte 1529 das Franziskaner- Kloster
zu Magdeburg bezogen. Allmählich stellte sich die Notwendigkeit eines
Umbaues ein, der 1618 begonnen und 1619 beendet wurde. Das Lehrer-
kollegium liefs zu der feierlichen Eröffnung eine Festschrift erscheinen,
einen stattlichen Quartband von 200 Seiten, wozu aufser dem Kantor
jeder der elf Lehrer einen Beitrag in Form einer Oratio lieferte, und
worin auch die Schulgesetze stehen.
Im Jahre 1668 veröffentlichte der damalige Rektor, der später
auch als Gelehrter hochverdiente Gottschalk Prätorius, die iLudi lite-
rarii Magdeburgensis ordo leges ac statuta ,c die auch Yormbaum in
seine Schulordnungen aufgenommen hat. Diese Gesetze blieben lange in
Geltung. Zwar sollen sie 1672 unter Rektor Hilderich einer Durch-
sicht unterzogen worden sein, aber die Abänderungen können nicht von
Bedeutung gewesen sein. Die Verschiedenheit der Gesetze des Prätorius
und der Schulordnung von 1619 liegt weniger in einer Verschiedenheit
des Inhalts als in der veränderten Reihenfolge der einzelnen Bestimmun-
gen. Rektor Goetze stellte nämlich die eigentlichen Schulgesetze voran
und fafste die übrigen Teile des Planes zu einem Schema zusammen.
»Die Gesetze stimmen zum weitaus gröfsten Teile wörtlich mit der von
Prätorius gegebenen Fassung flberein, an einzelnen Stellen gibt die neuere
Redaktion Änderungen und Erwägungen auch in Bezug auf die Zucht
in und aufser der Schule.« (S. 16).
Sechs Jahre später erschien bereits eine neue Auflage der Goetze-
sehen Schulordnung, von dem Rektor Sigismund Evenius veranstaltet.
Der Verfasser gibt sodann neun Schemata für die einzelnen Klassen
der Schule, worin die Lehrgegenstände und die dabei nötigen Lehr-
btlcher verzeichnet sind. Die letzteren werden in den Anmerkungen
S. 26 — 28 erklärt. Wenn aber zu den Disticha Catonis oder Proverbia
Salomonis bemerkt wird, dafs diese in der Ausgabe Melanchthons benutzt
worden seien, so dürfte hier ein Irrtum mit unterlaufen. Meines Wissens
ist eine solche Ausgabe Melanchthons nicht erschienen.
Bei Johannes Murmellius konnten alle angeführten Gitate weg-
bleiben; denn die dort angegebenen Werke sind gänzlich überholt
durch D. Reichling Johannes Murmellius. Sein Leben und seine Werke.
Freiburg i. B. 1880. — Daselbst kann auch die Angabe nachgesehen
werden, dafs die Zahl seiner Arbeiten nicht 26, sondern 47 beträgt
88 Soholgeseliielite.
H. Ktthleweio, Mitteilongen Ober Michael Neaoder and seine
Schale (Neoe Jahrbb. fttr Philologie aod Pädagogik. Bd. 186 (1887)
8. 166-180).
Michael Neaoders Lateioschnle zu Ilfeld erfreute sich eines guten
Rafes. »Ihr 8chicket,c sagte einst Melanchthon zn Neander, »ans feine
gelehrte adolescentes aas eurer Schale hierher gen Wittenberg and es
ist za beklagen, dafs die Schale fallen soll c Viele Schfiler Neanders
wurden »immediate Pastores Rectores und andere dem gemeinen Wesen
dienliche Leute,« ohne dafs sie noch eine Hochschule zu besuchen hatten.
Wenn auch Deutsch, Französisch und Mathematik nicht gelehrt
wurde, so ist die Zahl der Lehrgegenstände doch nicht klein: es waren
Religion, Dialektik, Rethorik, Latein, Griechisch, Hebräisch, Musik, Ge-
schichte, Geographie und Naturkunde.
Die Akten der Schule sind zerstreut, so dafs eine Rekonstruktion
der Neanderschen Schule sehr schwer ist. Von Werte sind deshalb
Archivalien in dem gräfl. Stolbergschen Archive, mit welchen der Her-
ausgeber seine frühere Programmarbeit fortsetzt; es sind die Appendix
zu den ältesten Gesetzen vom Jahre 1580, die Privatgesetze der Barsch
vom Jahre 1690 und die Gesetze der Schule von 1597, in welchem Jahre
die Schule schon unter Neanders Nachfolger Cajus stand.
An die kurzen Vorbemerkungen schliefst sich dann der Abdruck
der genannten Aktenstocke, die als wertvolle Urkunden des protestantischen
Schulwesens zu bezeichnen sind.
Die Appendix vom Jahre 1584 zeigt durch ihre strengen Straf-
androhungen, dafs es den Leitern der Schule mit einer strengen Zucht
Ernst war.
Die Gesetze des Coetos (die Barsch) vom Jahr 1590 enthalten
die Bestimmungen für die Disziplin, welche die Schüler der Anstalt
unter sich selbst übten. Sie sind eingeteilt in: Leges in aede sancta;
leges quaedam in mensis observandae; leges quaedam in schola, dor-
mitorio, cellis, cubiculis et alibi observandae; de silentio.
Die Gesetze vom Jahre 1597 werden durch verschiedene Sinn-
sprüche eingeleitet, aus welchen hervorgehoben sein mag: Amara sunt
vitiosis ac male viventibus praecepta justiciae. Die Leges scholae Ilfel-
densis zerfallen in die Abschnitte: 1. Pietas. 2. Studia. 3. Mores. Diese
Unterschriften sind bezeichnend für die Ziele, welche die Reformation
erstrebte.
Man ersieht daraus unter anderm, dafs unsere Vorfahren den Tag
früher anfingen. Um sechs Uhr mufsten die Zöglinge schon der Mor-
genandacht (preces matutinae) beiwohnen. Das Studium des Lateinischen,
Griechischen und Hebräischen wird gleich eindringlich eingeschärft.
R. Winter, Die Entwickelang der Lehranstalt in Qnakenbrflek. 89
Direktor Dr. Richard Winter Die Eotwickelung der höheren
Lehr-Anstalt in Quakenbrttck. Nach den Akten des städtischen
Archivs dargestellt (Beilage zum Programm des Real-Gyronasiams zn
QuakeobrOck. 1887. 4*^. Programm Nr. 312. 23 S.).
Der Stoff ist in folgende Abschnitte zerlegt: I. Übersicht der Ent-
wickelung der Stadt QuakenbrQck. — II. Die Entwickelang der latei«
nischen oder Rektor-Schule bis zu ihrer Umwandlung in ein Progym»
nasium. ~ III. Das Progymnasinm 1832 — 1859. - IV. Die höhere
Stadtschule. 1869—1870. — V. Die höhere Bürgerschule (seit 1870)
und das Realgymnasium (seit 1878). — Anfang: I. Abiturienten der
höheren Borgerschule (38). — Abiturienten des Realgymasiums (72).
In dem Städtchen QuakenbrQck, das in der Provinz Hannover an
der Hase gelegen ist, und das im Anfang des 13. Jahrhunderts gegründet
wurde, wird schon 1364 eine lateinische Schule und ein gewisser Johannes
als rector scholarum erwähnt. Eine Reform der Lateinschule wurde so-
dann durch Hermann Bonnus, den Sohn eines QuakenbrOcker Ratsmit-
gliedes, der in Lübeck Rektor geworden war, im 16. Jahrhundert durch-
geführt. Eine gründliche Neuordnung der Schule erfolgte aber erst,
nachdem 1660 durch den westfälischen Frieden und die perpetuierliche
Kapitulation die konfessionellen Verhältnisse des Hochstiftes Osnabrück,
zu dem Quakenbrück gehörte, geordnet worden. 1662 wurde Henrikus
Hofimann zum Rektor angenommen und die revidierten Schulgesetze
publiziert. Während der Prediger der Stadt 160 Thlr. erhielt, wurden
dem Rektor scholae nur 30 Thlr. zugewiesen. Die Schule hatte drei
Klassen : die des Rektors, des Kantors und des Präceptors oder Jnfimas.
Einen Einblick in das innere Leben der Schule gewähren die Schulord-
nung von 1772 und Programme von 1784 und 1802. (Die Schulordnun-
gen von c. 1662 and c. 1721 waren nicht mehr aufzufinden.) »Die Sprache
dieses Schriftstücks (der Ordnung von 1772) ist schwülstig: edle Pflanz-
stätten sollen die Schulen sein, aus denen Bäume der Gerechtigkeit und
Pflanzen dem Herrn zum Preise aufwachsen mögen. c
Sehr ergötzlich ist zu lesen, mit welchen Schwierigkeiten das Pro-
gymnasinm zu kämpfen hatte, dem in einem gewissen Mahler, der sich
anfangs als Mädchenlehrer in Quakenbrück niedergelassen hatte, ein
gefährlicher Konkurrent erwachsen war. Die Lösung der Kalamität
wurde dadurch beträchtlich erleichtert, dafs Mahler später in einem
Tabakgeschäft als »wohlbestallter Gompagnonc eine gute Versorgung
gefunden hat.
Charakteristisch ist, dafs das Progymnasium in hannoverscher Zeit
eingegangen ist, dafs dagegen, nachdem Hannover preufsisch geworden,
seit 1870 eine höhere Bürgerschule und seit 1878 ein Realgymnasium
in der kleinen Stadt entstanden ist
90 Sdmlgetdii^t«
AMb der Oesehiehte des KOoiglicbeo Christi aoenms so AI-
toot. 1788 — 1888. Festschrift zor Feier des 150jihrigen Bestehens
der Anstalt, ?on Georg Hef s, Direktor. Mit einer Ansieht der Schule
im Jahre 1805. Aitona« 1888. 4^. 34 S.
Die Vorgängerin des Qiristianenms war die grofse lateinische
Schole von Altona, deren Geschichte Eggers, der frohere Leiter der
Anstalt, in drei Programmen geschrieben hat Hefs bietet nnn keine
Geschichte der letzten 160 Jahre der ?on ihm geleiteten Schale, son-
dern nur einen kurzen Überblick, der in weiteren Kreisen Teilnahme
erwecken soll
Der Stoff ist in drei Abschnitte eingeteilt: 1. Die Zeit des 6yo-
nasiom Academicam (S. 2 — 14). 2. Das Gymnasinm mit der Selecta (S.
14—80). 8. Das schlichte Gymnasium 1844 bis zur Gegenwart
Der erste Abschnitt behandelt' znnftchst »die Zeit der Vereinigung
der drei Anstalten.! Eine von 1682—89 vorhanden gewesene Latein-
schule war eingegangen. 1725 wurde eine neue Anstalt errichtet, im
wesentlichen ein Gymnasium trilingue, worin Latein, Griechisch und He-
bräisch gelehrt wurde. Der etwas ver&nderten Schule wurde sodann ein
Gymnasium Academicnm Altonanum aufgesetzt, bestimmt wenigstens die
ersten Jahreskurse der Hochschule zu ersetzen.
1740 wurde sodann der wohldurchdachte Plan fUr drei Anstalten:
Gymnasium Academicum, Paedagogium und Vorbereitungsschule, veröffent-
licht Das Pädagogium begann mit solchen Schfilern, welche schon Ober zwOlf
Jahre alt waren und einige Vorkenntnisse im Lateinischen besafsen. Das
Gymnasium war ursprünglich auf zwei Klassen berechnet; thatsächlich
wurden drei daraus. Auch ein kleines Gonvictorium war damit verban-
den. Aber seit dem Tode Christiaus VI (f 1746), der ein warmer Freund
der Schule gewesen , ging dieselbe zurück: das Sinken der Mittel für
die Anstalt, Uneinigkeit der Lehrer unter einander und Verfall der Zucht
unter den Schfllern sind die hauptsächlichsten Ursachen.
Das führte dazu, dafs man 1760 das akademische Gymnasium von
den beiden andern Anstalten trennte. Am Gymnasium wurde 1761 der
bekannte Basedow, der vorher an der Ritterakademie zu Soroe thätig
war, als Professor der Moral angestellt. Sein Altonaer Aufenthalt war
wenigstens fttr das »Elementarwerkt sehr forderlich. 1771 ging er nach
Dessau, vom dänischen KOnige mit einer Pension bedacht. Seit 1768
lehrte an der Anstalt auch der vielschreibende Litterat Dusch, der ang
dem Leben Lessings bekannt ist. Er Oberuahm 1771 die Professar der
Mathematik und Philosophie. Trotz des tiefen Verfalles fand die Anstalt
an dem allmächtigen Struensee, der in Altena frfiher gelebt hatte, einen
warmen Fürsprecher.
In der zweiten Periode (»Gymnasium mit Selectac) wird zunächst
im ersten Abschnitt die Zeit des wechselnden Direktorats 1791—94 be-
handelt. Die Halbakademie, die sich flberlebt hatte, wurde nämlich
Hefs, AbriTs der Geschichte des Eönigl. ChristitDenins zu AltoDa. 91
1771 genötigt, eine Stufe herabzusteigen, sie wurde mit dem Pädagogium
wieder vereinigt. Dusch und Henrici sollten im Direktorat wechseln.
Mit der Einigkeit der beiden stand es nicht sonderlich. 1773 kam eine
neue Ordnung, welche die eingeführten Veränderungen noch genauer be-
stimmte, der man den Geist der Aufklärung Qberall anmerkt.
Trotzdem wollte eine rechte Blate der Anstalt sich nicht einstellen,
woran zum teil auch die Bequemlichkeit der Professoren schuld war.
Eine tüchtige Kraft wurde in Struve gewonnen, der 1791 eintrat
und von 1794-1844 das Direktorat bekleidete. Während der grofsen
Bewegungen der Zeit verlief der Unterricht des Christianenms bis zum
Jahre 1815 im ganzen gleichmäfsig; erst nach dieser Zeit stellten sich
wieder die alten Übelstände ein. Struve wurde seines Lebens nicht
mehr froh; sein Nachfolger wurde Eggers.
Im Jahre 1828 wurde unter den Selectanern der Altonaer wissen-
schaftliche Verein gestiftet, der sich mit der Interpretation lateinischer
Schriftsteller und mit deutscher Sprache beschäftigte. Juni 1886 wurde
Th. Mommsen als Mitglied aufgenommen. Bald folgten seine beiden
Brüder, von denen Tycho später bis Ostern 1851 auch als Hilfslehrer
an der Anstalt thätig war.
Dem Streben nach Gleichmachung fielen die Eigentümlichkeiten
der Anstalt schon teilweise in der dänischen Zeit zum Opfer. Klagen
des Gymnasiarchal-Kollegiums vom Jahre 1840 führten schliefslich dazu,
dafs 1844 die Gymnasienordnung auch für das Christianeum eingeführt
wurde.
Nachdem Schleswig-Holstein ein Bestandteil der preufsischen Mo^
narchie geworden, wurde den 1. Oktober 1866 das Gymnasiarcbal-Kolle-
gium aufgehoben und die Anstalt unmittelbar unter die Regierung ge-
stellt. Im Jahre 1868 wurde sodann das neugebildete Provinzialschul-
KoUegium die nächst vorgesetzte Behörde Rasch erfolgte nun, fast Jahr
um Jahr, die Erweiternng der Anstalt. Einzelne preufsische Einrichtun-
gen wurden allmählich, aber mit Vorsicht eingeführt.
Es hat sich »die Thätigkeit der Lehrer in den letzten Jahren in
fest geordneten Bahnen bewegen können, und die Anstalt ist unter preu-
fsischem Scepter, in Folge der stets bereitwilligen, mit Rat und .That
helfenden Fürsorge der Regierung und des Aufschwunges des deutschen
Volkes und Reichs auch in diesen Landen so schnell gewachsen, wie zu
keiner anderen Periode.«
Professor Dr. Wilhelm Hörling Das höhere Schulwesen in M.
Gladbach seit Aufhebung der Abtei. 28 S. 4^. (Beilage zum Pro-
gramm des Gymnasiums mit Real-Parallel-Klassen zu M.-Gladbach ftlr
1887. Programm Nr. 419).
Der Ursprung der Stadt München- Gladbach hängt mit der Grün-
dung des dortigen Benediktiner-Klosters zusammen. In allen Benedife
92 SehalgMchiehtd
thierklOsteni waren Schulen, da duroh die Ordensregel des hl. Benediktns
im Gegensätze eu den beschaulicbeu Orden die Meidang jedes Mttfsig-
gangs geboten war. Berflhmte Benediktinerschalen waren z. B. zu Fulda,
Reichenan, Gorvey und PrOm. (Warum wird nicht vor allem St Gallen
genannt?)
Die Klosterschule reicht jedenfalls in alte Zeiten hinauf, wenn auch
erst 1816 ein Rector scholarum urkundlich nachzuweisen ist In den
Stfirmen der Franzosenzeit, nach der Schlacht bei Aldenhoven, am 2. Ok-
tober 1794, wurde die Schule der Abtei geschlossen, nachdem der Abt
noch rechtzeitig die wertvollsten Gegenstände nach dem rechtsrheinisch
gelegenem Kloster Werden verbracht hatte. 1802 wurde die Gladbacher
Abtei aufgehoben; wertvolle Gegenstände, besonders aus der Bibliothek
(dignes du choix de la r^publiqne) wanderten nach Paris, und die Ge-
bäude wurden 1804 verkauft.
Bald machte sich das Bedürfnis einer höheren Schule wieder gel-
tend: 1806 arbeitete Bürgermeister Lambert eine Denkschrift Ober die
Gründung einer höheren Lehranstalt aus. ein Entwurf fOr die Errichtung
einer Schule mit fünf Klassen ist beigefügt Es sollen Lateinisch, »die
bekannte Sprache der Gelehrten,! Französisch und Deutsch gelehrt
werden. Die Rhetoriker, welche die oberste Klasse bilden, sollen in der
Geschichte »womöglich bis zum Reiche unseres grofsen Napoleon gehenc.
Als Lehrkräfte werden zwei »Professoresc und ein Korrektor für das
Silentium in Aussicht genommen. Am l. April 1806 wurde die £cole
latine et frangaise de Gladbach eröffnet
Der nächste Abschnitt »Lateinisch-französische Schule bis 181 5c (S.
6 und 6) berichtet dafs schon im Jahre 1808 alle Schüler französische
Vornamen haben. Die vier Klassen hiefsen l. Rheteurs. 2. Grammaire
2itaie anu^e. 3. Grammaire l^^^^ ann^e. 4. Classe 616mentaire. Die Ober-
aufcicht führte die Universität Lütticb, an welche jeder Schüler monatlich
lV4 Frank zu bezahlen hatte. Bei den öffentlichen Prüfungen wurden
französische Reden gehalten, z. B. auf Napoleon L Diesem undentschen
Wesen brachten die Freiheitskriege ein schnelles Ende.
Das nächste Kapitel »Das Kollegium bis zur Auflösung 1829c (S.
6—8) berichtet, wie sich die französische Schule in eine lateinisch-deutsche
Anstalt umgestaltete, die 1816 der Kirchen- und Schulkommission der
Königl. Regierung zu Düsseldorf und dem Königl. Gonsistorinm zu
Köln unterstellt wurde. Seit 1823 gab es eine Schulkommission, 1826
wurde die Schule ausschliefslich dem Geschäftsbereiche der Königlichen
Regierung zu Düsseldorf überwiesen. Die Anstalt umfafste vier Gym-
nasialklassen. Von den sechs Lehrern der Anstalt, worunter zwei Kap-
lans hatte keiner seine wissenschaftliche Befähigung nachgewiesen. Im
Jahre 1823 erscheint ein Lehrer, der sich zum höheren Schulamt vor-
bereiten will. »Auch ein Student der Rechtswissenschaft übte sich im
UnterriGhtgeb6n.c (S. 7).
1
W. HörliDg, Das höhere Schalwesen Id M.-Oladbach. 93
Geradezu armselig sind die Oehaltsverhältnisse trotz der wachsen-
den Scholerzahl. Ais der Rektor 1824 um ünterstotzang darch die
Regierung bat, erklftrte diese, es seien keine Mittel verfügbar. Der Rek-
tor sollte einen Gehalt von 465 Thaler erhalten.
1824 wurde der ünterrichtsplan der Schale genehmigt und die
Schule unter dem Namen eines Königlichen Gollegiums mit vier Klassen
als öffentliche Anstalt anerkannt. Die Zuschüsse der benachbarten Ge-
meinden aber hörten bald auf, der verdiente Rektor Növer legte 1828
sein Amt nieder, und die Schule löste sich auf.
Im nächsten Abschnitt »Die höhere Stadtschnlec (S. 9— 23) wird
zunächst berichtet, dafs Ostern 1829 eine neue Anstalt unter der Lei-
tung von Lehrer Schtlngel eröffnet wurde. Einen jämmerlichen Eindruck
macht die Fortsetzung dieses Kapitels. Die viermal um Geldmittel an-
gegangene Regierung verweigert jeden Zuschufs, der Rektor bekommt
1836 kein Gehalt, 1837 bittet ein Lehrer um die Auszahlung seiner Be-
soldung von 1833 u. s. w. Was kann man bei solchen Zuständen für
Leistungen erwarten! Nicht einmal zur Heizung der Schullokale reichten
die Mittel!
Inzwischen hob sich in Gladbach der Wohlstand und die Zahl der
Bevölkerung derart, dafs die Frage einer höheren Schule zu einer Lebens-
frage der Stadt wurde. Aber die wachsende evangelische Bevölkerung
machte Forderungen, welche die katholische Migorität nicht erfOUte.
Daher gründeten die Evangelischen eine höhere Bttrgerschule neben dem
katholischen Progymnasium. Die Folge war ein lebhafter Streit, der
lange anch die Regierung beschäftigte, und ttber den die Aktenstocke
im Auszug mitgeteilt werden.
Im Jahre 1862 erhielt die Anstalt das Recht, die BerechUgang
zum eiigährig-freiwilligen Militärdienst zu erteilen.
Daneben bestand die höhere Borgerschule weiter, der ein der Zahl
der Konfessionsverwandten entsprechender Znschufs ans der Gemeinde-
kasse ebenfalls zugewiesen wurde.
Weitere Fragen, welche bei dem Progymnasium zu lösen waren,
betrafen einen Neubau für die Anstalt und besonders die Erhöhung
der Lehrergehalte, was mit der Einführung des Normalgehaltes zusam-
menhing.
Im Jahre 1874 starb der Rektor Högers, unter dessen Leitung
die Scholerzahl so gewachsen war, idafs keine ähnliche Anstalt der Rhein-
provinz ihr darin gleichkam.«
Die Geschichte der höheren Bürgerschule und die Verschmelzung
der beiden Anstalten wird in einer Fortsetzung der Arbeit in Aussicht
gestellt.
94 Scholgeschiclite.
Nodnagel, Geschichte des Orofsherzoglichea Realgymnasiiuns und
der Realschule von 1887 — 1887 (Beilage zum Jahres- Bericht dieser
Anstalt. Oiefsen. 1887. Programm 692).
Die Anstalt ist aaf eine von der Stadt aasgegangene Anregung
entstanden, welche in einer von Dr. Vogt im Jahre 1834 aasgearbeiteten
Denkschrift der Regierang ausgesprochen worden. Die 1837 eröffnete
Schule wurde durch Dr. Winkler, einen Lehrer des Gymnasiums, mit
einer lateinischen Ode als Gymnasii minor natu soror begrfifst Von
1837 — 1869 hat die Anstalt als vierklassige Realschule bestanden, nach-
dem sie mit drei Klassen ins Leben getreten war. Von 1869—1878 war
sie sechsklassige Realschule, seit 1879 Realschule I. 0. (Realgymnasiom)
und IL 0. Schon im Schuljahre 1882/83 assimilierte sich die Schale
möglichst den preufsischen Realgymnasien durch Vermehrung des la-
teinischen und durch Verminderung des mathematischen, chemischen ond
geschichtlichen Unterrichts. Die Direktoren und Lehrer sind am Elnde
in einer Tabelle zusammengestellt. Citate wie S. 21 : »Paulsen, Geschichte
des gelehrten Unterrichtsc und S. 22 >A. Scholtze Die Anfänge des
deutschen Realschnlwesensc ohne Seitenzahl wären besser weggeblieben.
Das fünfzigjährige Bestehen des Dorotheenstädtischen Real-
gymnasiums zu Berlin als städtische höhere Lehranstalt von Pro-
fessor Dr. Bernhard Schwalbe, Direktor. Berlin. Gärtner. 1887.
4^. 34 S. (Beilage zum Programm des Dorotheenstädtischen Realgym-
nasiums. Ostern 1887. Programm Nr. 94).
Der Inhalt ist folgender: Einleitung. — I. Der Verlauf der Feier,
von Dr. Borchardt — IL Festrede des Direktors Prof. Dr. B. Schwalbe
(Geschichte der Anstalt). — IIl. Statistisches, vom Direktor, i. Frühere
Darstellungen der Geschichte der Anstalt. 2. Frequenz der Anstalt,
mit Tabellen. 3. Abiturienten. 4. Lehrer. 6. Titel der wissenschaft-
lichen Programmabhandlungen seit 1874. 6. Lehrpläne seit 1836. ->
7. Berechtigungen, Lehrmittel, Etat. — 8. Inhalt der Festschrift.
9. Die Jubiläumsstiftung. — lo. Überblick aber die Geschichte der
Anstalt.
Die Lektflre dieses Programms beweist, welch grofse Fortschritte
das Schulwesen seit 50 Jahren in Deutschland gemacht hat. Hervor-
gehend aus einer kleinen Privatschule, wird sie höhere Stadtschule und
darnach Realgymnasium. Fast idyllisch kommen uns die Schulzustände
noch vor drei Menschenaltern vor. Man lese z. B. die Schilderung 8. 14
nach: Examen mit Berechtigungen gab es Oberhaupt nicht; aus jeder
Klasse oder Schule konnte man zur Universität abgehen; regelmäfsiger
Schulbesuch wurde nicht gefordert ; Öfters behielten die Eltern ihre Kin-
der zeitweise zu Hause, womit auch das Schulgeld während dieser Zeit
wegfiel.
R. Lack, Zur Geschichte der Anstalt Steglits. 95
R. Lttck, Zar Geschichte der Anstalt (des Progymnasiams zu
Steglitz). I. Jahresbericht dieser Anstalt. Steglitz. 1887. 4<>. 16 S.
Steglitz, einer der Vororte Berlins, das noch 1871 kaum 2000 Ein-
wohner hatte, wuchs durch den Zuzug gebildeter Berliner Familien so
rasch, dafs das Bedürfnis einer höheren Bildungsanstalt entstand.
Demselben suchte zuerst eine höhere Privatknabenschule von 1873
— 1886 zu entsprechen, die aber trotz aller Bemühungen kein rechtes
Gedeihen hatte. Nach mannigfachen Unterhandlungen reifte der Gedanke
einer öffentlichen Schule, die im April 1886 eröffnet werden konnte, nach-
dem vonseiten der Gemeinde sehr erhebliche Leistungen übernommen
worden.
Bei der Eröffnungsfeier hielt Geheimrat Dr. Elix als Vertreter der
Staatsbehörde die Weiherede, worin er das Wesen einer Staatsschule
im Unterschied von einer Privatschule auseinandersetzte und als die drei
Eckpfeiler, auf denen unser Kulturleben ruhe, das Christentum, das
Altertum und unser deutsches Volkstum bezeichnete. Die daran sich
anschliefsende Rede des Rektors Lück behandelte den Wert der alt-
klassischen Studien (S. 11-14).
Dr. phil. E. Weineck, Rektor. Zur Geschichte des Real-Pro-
gymnasiums zu Lfibben, bei Gelegenheit der Feier des fünfsigjäbrigen
Bestehens der Anstalt am 8. Juli 1887. Lttbben. 1887. 4^. 32 S.
(Programm Nr. 110).
Der Verfasser war verhindert, seine ursprüngliche Absicht, die Ge-
schichte der von ihm geleiteten Anstalt zu schreiben, auszuführen. Doch
wird er später sein Versprechen nachholen, »sobald Gott wieder Kraft
und Mufsc verleiht.! Als einstweiligen Ersatz gibt er den Wiederabdruck
der Übersicht »Zur Geschichte der Schulen Lübbens.c welche C. W.
Wagner, sein Amts Vorgänger, 1867 veröffentlicht hat, und ergänzt diese
Arbeit durch Zugabe eines vierten Kapitels.
Der erste Abschnitt ist betitelt: Das Lyceum. Lübben hatte
schon im 13. und 14. Jahrhundert für seinen geistlichen Bezirk (Präpo-
situr) eine Schule, die ein Schulmeister leitete, dem zugleich der Ghor-
gesang in der Kirche oblag. Seit der Reformation wird die Schule
städtisch, und die Schnlaufsicht geht über in den Geschäftakreis des deut-
schen städtischen Predigers. Vermutlich wenig förderlich für den Unterricht
dürfte die Einrichtung der Kurrende gewesen sein. Seit dem 18. Jahr-
hundert heifst die aus zwei Auditorien bestehende Schule Lyceum.
Aus der Zahl der Rektoren der Anstalt, deren Namen man nicht
alle weifs, seien hervorgehoben Mag. Paul PoUichius (seit 1570), Mag.
Peter Prätorius aus Frankfurt (1683—93). Ihm folgte Jacob Copins,
der in seiner Dienstweisung den Auftrag erhielt, »den Schülern die Artes
logicas, grammticam Philippi (]j|[elanchthoni8) et rhetoricam Lncae Lossii
ordentlich und wohl zu erklären, den usum praeceptorum bei den Autho-^
96 SebDlgesehieku.
ribas, 80 er Joen lesen wird, mit Vleifs anzuaeigen und daneben die
Regalas mit Jnen stets zu examiDieren und zo repetireD.c
Das zweite Kapitel behandelt »Die höhere BOrgerschulec. 1815
ging Lfibben mit der Niederlausitz aus der sächsischen in die prenfsische
Landeshoheit Ober. Die prenfsische Regierung nahm sich der Schale
an. Ein provisorischer Plan, den Rektor Snttinger ausarbeitete, sollte
mit dem 17. April 1817 in Wirksamkeit treten und blieb zehn Jahre io
Geltung. Dr. Christian Gottfried Koppe wurde 1829 Rektor der aaf
fOnf Klassen eingerichteten BQrgerschule.
Das dritte Kapitel »Die Realschulec beginnt mit den Worten:
»Dafs die hiesige Schule redlich mitgearbeitet hat, um den Begriff der
Realschule nach vielen Versuchen, wie sie Qberall gemacht worden sind,
klar hinzustellen, das haben die höheren Unterrichtsbebörden unseres
Staats wiederholentlich anerkannte. Seit 1841 hatte die Anstalt das
«
Recht, ihre Schüler mit der Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Mili-
tärdienst zu entlassen. 1860 wurde sie zu einer Realschule II. Ordnung
erhoben. »Ohne die ausgezeichneten Beweise der Königl. Gnade hätte
die Schule nicht werden können, was sie geworden ist«. Diese Gnaden-
bewilligungen, sehr bedeutende Geldleistungen, werden S. 12 nochmals
zusammengestellt.
Das von Weineck hinzugefügte vierte Kapitel behandelt »Die voll-
berechtigte höhere BQrgerschule und das Real • Progymnasium c 1876
wurde die Anstalt als vollberechtigte höhere BQrgerschule anerkannt,
seit Ostern 1882 ist sie Real-Progymnasium.
Professor Julius Löffler, Zur Geschichte des Gulmer Gym*
nasinms während der zweiten 25 Jahre seines Bestehens. Golm 1887.
(Programmbeilage 1887. Nr. 27).
Der Stoff dieser 73 Quartseiten umfassenden Schrift ist in folgende
Abschnitte gegliedert: 1. Chronik. 2. Der Etat. 8. Die Bibliotheken.
4. Frequenz der Anstalt. 5. UnterstQtznngen, Stiftungen, Legate. 6. Die
Programme. 7. Verzeichnis der Lehrer, welche in dem Zeitraum vom
Jahre 1862 bis zum Jahre 1887 an dem Gymnasium thätig gewesen
sind. 8. Verzeichnis der Abiturienten vom Jahre 1863 bis zum Jahre 1887.
Die Chronik verzeichnet bei jedem Jahre die fQr das Leben der
Schule bedeutungsvoll gewordenen Thatsachen. Beim Jahre 1876 wird
angemerkt: »Im Februar fand unter Leitung des 0. L. Dr. Thomas-
zewski und des G.-L. Dr. Preufs von SchQlern der Unter-Prima eine
Aufführung der Captivi von Plautus in lateinischer Sprache und in
antiken KostQmen mit einem deutschen Prologe vor einem gewählten
Publikum sUttc. (S. 12).
Nach der Tabelle über die Frequenz der Anstalt hatte dieselbe
ihren Höhepunkt in den Jahren 1864—1866 erreicht Die Zahlen der
aehtsiger Jahre sind beträchtlich kleiner, was im Interesse der ScfaQler
wie Lehrer nur wQnschenswert sein kann.
Löffler, Oeschicbte des Culmer Gymnasioms. 97
unter den auf S. 24 verzeichneten Programmbeilagen sind die auf
altsprachliche Fragen sich beziehenden in der Mehrheit. Es mögen da-
von genannt sein: Job. Peters Quaestiones etymologicae et grammaticae
de U8U et vi digammatis ejusque immutationibus in lingua Graeca. (1864).
— Jos. Haegele De pronomine ipse cum pronominibus personalibus
juncto. Qaaestio grammatica (1866). — A. Wentzke Die Kategorien
des Urteils im Anschlufs an Aristoteles erklärt und begründet (1868).
— R. Thoroaszewski Einleitung zu Homers Uias nebst Vorbemer-
kungen zum griechischen Unterricht. 1869. — *Frauz Schultz Die
Mischung der Dialekte bei Theokrit (1872). — Albert Rönspiefs De
conjugationibus latiuae formis apud Terentium earumque origine (1873).
— Anton Tomaszewski De Iliadis libro vicesimo quarto. Pars
prior. (1876).
Eine wichtige Schulangelegenheit, wenigstens für die Lehrer, sind
die Beilagen zu den Schulprogrammen:
F. Schnorr v. Garolsfeld Die Schulprogramme und die Biblio-
theken (Hartwigs Gentralblatt für Bibliothekwesen 17 20 und 21).
Der Verfasser, Bibliothekar in Dresden, macht den Vorschlag, »dafs
den fflr den Austausch bestimmten Exemplaren der deutschen Schul-
programme künftig durch Golumnentitel und Beifügung von das Ganze
der Sammlung umfassenden Titelblättern und Registern die Form einer
aUjährlich erscheinenden mehrbändigen Zeitschrift gegeben werden möge.c
Neben Bandtiteln würden sodann noch nötig werden Register mit alpha-
betisch geordneten Verzeichnissen der vertretenen Schulen, mit eben-
solchen Verzeichnissen der Verfasser und Repertorien über die behan-
delten Themata. Alle zehn Jahre hätte femer ein Gesamtrepertorium
zu erscheinen.
Der Vorschlag des Verfassers verdient jedenfalls eine sorgfältige
Erwägung. Vielleicht dürfte sich empfehlen, einstweilen die Beilagen
der einzelnen Provinzen, resp. kleineren Länder zu einem Bande zu
Tereinigen.
Dem berühmten Leiter des Hamburger Gymnasiums gilt folgende
Arbeit:
Dr. Emil Wohlwill Joachim Jungius. Festrede zur Feier seines
dreihundertsten Geburtstages am 22. Oktober 1887 im Auftrage der
Hamburger Oberschulbehörde gehalten. Mit Beiträgen zu Jungius'
Biographie und zur Kenntnis seines handschriftlichen Nachlasses.
Hamburg und Leipzig. Vofs. 1888. 8^. 85 S.
Der Redner weist auf die grofse Bedeutung von Jungius hin, den
Leibnitz unmittelbar neben Descartes, Galilei, Pascal und Gampanella
stellt. Auch denkt derselbe von seiner Befähigung für Mathematik und
LfOgik sehr hoch. Goethe feierte Jungius gleichfalls und zwar wegen
JahNtb«icht für AUwtbufluwisMnMhaft. LXIX. Bd. (IWl. lU.) 7
98 SchalgeMhichie.
seiner botanischen Ansichten und gab dadurch den Anlafs su Guhraoers
hochverdienstlicher Lebensbeschreibung.
Wie andere bahnbrechende Geister des 16. und 17. Jahrhunderts,
wie Galilei und Kepler s. B., ist auch Jnngius ein Gegner des Aristoteles.
Erst 22 Jahre alt, wurde er Professor der Mathematik, gab aber diese
Professur bald wieder auf, um sich gemeinsam mit Etatichius und Hei-
vich mehrere Jahre der Erneuerung der Pftdagogik zu widmen. Im Inter-
esse der Muttersprache hat er die lateinische Sprache und ihre Allein-
herrschaft in der Schdle bekämpft.
In der Medizin, die er hauptsächlich in Padua studierte, war er
anfangs Verehrer des Galenus.
Ans Italien zur&ckgekehrt, hat er in den nächsten Jahren Stellmi
an verschiedenen Orten bekleidet: Rostock, Helmstädt, Braunschweig,
Wolfenbtlttel. Den 19. März 1629 wurde er Rektor der klassischen
Schule und des Gymnasiums zu Hamburg. In dieser Stellung entwickelte
er hauptsächlich seine Meinung Ober die Nichtigkeit der aristotelischen
Physik, indem er zur atomistischen Lehre des Anaxagoras und Demokrit
zurflckkehrte.
Natürlich machten ihm die an den Universitäten lehrenden Aristo-
teliker Neuerungssucht und Sektiererei zum Vorwurfe. In Disputationen
wurden die Lehren des Aristoteles kritisch behandelt, weshalb nach des
Verfassers Meinung die philosophische Fakultät Hamburgs alle andern
Deutschlands in der Zeit des 80jährigen Kriegs an Bedeutung abertraf.
Nur weniges hat Jnngius selbst veröffentlicht, und 84 Jahre nach
seinem Tode hat ein Brand den gröfsten Teil seiner Manuskripte ver-
nichtet. Den Rest bewahrt die Hamburger Bibliothek.
In dem Anhang begründet der Verfasser die Notwendigkeit einer
neuen Biographie von Jungius und liefert selbst einige Beiträge dazu,
die zum Teil fOr die Geschichte der Schulen in Deutschland von Inter-
esse sind: wie 1. Zur Periode der Giefsener Professur (1609 — 1616)»
S. Aus der Zeit der Paduaner Studien (1618—1619), 6. Zur Zeit der
zweiten Rostocker Professur (1626-1628) u. s. w.
Ein Bericht Ober neuerdings wieder gefundene Schriften und Hand-
schriften von Jungius schliefst das nützliche Buch ab.
Der stundenreicbste Lehrgegenstand auf dem Gymnasium ist das
Latein, worüber folgende Arbeit zu vergleichen ist:
Dr. Bernhard Lengnick, Oberlehrer. Der Bildungswert des
Lateinischen nach dem auf unseren Gymnasien herrschenden Betriebe.
Berlin. Gärtner. 1887. 4. (Wissenschaftliche Beilage zum Prognunm
des EOnigstädtischen Gymnasiums zu Berlin. Ostern 1887. Programm
Nr. 63).
Begünstigt durch den in der Zeit liegenden Zug, alle bestehenden
Verhältnisse einer unermüdlichen, oft übereifrigen Kritik zu unterziehen.
B. LeDgnick, Der Bildaogswert des LateiDischen. 99
begann vor etwa anderthalb Jahrzehnten gleichzeitig mit der Über-
bürdangsfrage der Kampf gegen die klassische Bildung von neuem. Dieser
Kampf ist freilich alt, wenn auch die Gründe gegen die klassischen Sprachen
im Laufe der Zeit gewechselt haben. Aber der frtlher lokalisierte Kampf
ist jetzt international geworden. Derselbe Kampf gegen die klassischen
Sprachen tobt gegenwärtig in Österreich, Deutschland, England, Frank-
reich und der Schweiz. Der Verfasser hätte auch Belgien und Italien
hinzufügen dürfen. Bis jetzt sind die Gegner im Vordringen geblieben,
»zumal gerade die berufenen Verteidiger der angegri£fenen Position, die
»auf den Lorbeeren ihres unverdienten und schädlichen Berechtigungs-
mangels sanft ausruhenden Grammatokraten,c wie Geheimrat Esmarch in
Kiel uns Gymnasiallehrer zu nennen beliebt, es an eiAer überzeugenden
und energischen Abwehr haben fehlen lassenc
Das Publikum ist zum Teil auf der Seite der Gegner, und die
UnterrichtsbehOrde hat diesen insofern Zugeständnisse gemacht, als durch
die Lehrordnung vom Jahre 1882 die Stundenzahl für die beiden alten
Sprachen vermindert wurde.
Welches sind nun die gegen den Betrieb der alten Sprachen ge-
richteten Vorwürfe? L. referiert in Kürze die Ansichten von K. Vogt,
Esmarch, Asmodi Redivivns, Schmeding, Graf Pfeil und Friedrich Paul-
sen. Der Verfasser hat offenbar mit Absicht nur charakteristische Re-
präsentanten gewählt, sonst wäre diese Zahl viel grösser geworden. Doch
hätte er den Jesuiten Pachtler nicht vergessen sollen, der ebenfalls für
eine gänzliche Reform der gegenwärtigen Gymnasien ist.
Der Verfasser beginnt nun seine Betrachtung in der Weise, dafs
er nicht die Gegner widerlegt, sondern die Methode des Lateinunter-
richtes beleuchtet und bei jeder Stufe die Vorteile derselben hervorhebt.
Das Erlernen der lateinischen Sprache auf dem rein grammatischen Wege
schafft zwar keine Redefertigkeit, die aber auch für das Latein gar nicht
notwendig ist (nicht einmal der Philologe braucht sie), wohl aber ein
Wissen, das allgemein als ein wesentliches Element höherer Bildung an-
gesehen wird.
Sodann werden die Gewinne festgestellt, welche aus dem Latein-
betrieb im einzelnen sich ergeben, aus dem Erlernen von Vokabeln, For-
menlehre und Syntax. Bezüglich der Erörterung des Vokabellernens
kommt der Verfasser zu dem Resultat, dafs das Studium der modernen
Sprachen nicht den gleichen Gewinn wie das Lateinische abwirft.
Bezüglich des Gewinnes, welchen die Erlernung der lateinischen
Formenlehre abwirft, sagt der Verfasser (S. 10): »Buchen wir jetzt den
Gewinn, der sich aus dieser von dem Anonymus Asmodi Redivivns als
nichtswürdige Menschenquälerei betrachteten Arbeit ergiebt. Abgesehen
von dem Erwerb an Lateinwissen , wird erstens die Fähigkeit des
Schliefoens in den verschiedenen Formen fortwährend geübt und dadurch
entwickelt, und zwar an einem sehr anschaulichen Material. Zweitens
7»
100 SehnlgMchichte.
wird die Tagend der Besonnenheit anerzogen. Denn bei dem besUo-
digen Zudr&ngen der verschiedengten Reihen and bei der Schnelligkeit,
mit der oft gleichzeitig aas mehreren derselben die Wahl za treffen ist,
heifst es, den Kopf nicht verlieren and aof der Hat sein, dafs nicht fehl-
gegriffen und falsch assodiert werde.c
Der Hauptgewinn , welcher sich aas dem Stadiam der Syntax er-
gibt, besteht in der beständigen Gbang der wichtigsten Denkformen, in
dem Anlafs, den Inhalt des Übersetzten sich mit Energie zu vergegen-
wärtigen and der Erkenntnis der zahlreichen logischen Beziehungen,
die zwischen Wort- and Fremdwörtern, zwischen Satzteilen and Satz-
ganzen bestehen.
Ein weiterer Abschnitt handelt von den Vorteilen, welche das Über-
setzen mit sich bringt, und der verschieden ist auf den einzelnen Stafen.
»Dieses Arbeiten and Ringen ist der Haaptsegen, den die Übersetzangs-
methode and nnr sie allein mit sich bringt, ond der namentlich aof der
häoslichen Präparation mht, wofern er nicht durch die zn einer wahren
Schalpest gewordenen deutschen Übersetzungen vereitelt wird.c (S. 15).
Die angebliche Gefahr des Übersetzens aas dem Latein, die Ver-
wendang und Angewöhnung undeutscher Wendungen (»nachdemc mit
dem Imperfekt, falsche PartizipialkonstrukUonen, unstatthafte Phrasen
und Yermengung zweier miteinander), die zur Mifshandlung der deutschen
Sprache führt, wie Oeheimrat Esmarch sie vielfach an seinra Studenten
beobachtet haben will, kann dadurch beseitigt werden, dafs der Lehrer
beharrlich das Ziel der Sprachrichtigkeit im Auge behält Durch das
Übersetzen aus dem Lateinischen wird das Sprachgefühl ausgebildet,
wie auch Wieland z. B. gesagt hat, er habe sein Deutsch an Cicero
gelernt.
In einem zweiten Teil der Abhandlung ist der Verfasser bemflht,
den Büdungswert der lateinischen Klassiker festzusetzen, soweit sie fär
das Gymnasium in Betracht kommen. Bei der Beurteilung der römisdien
Schnlautoren handelt es sich nicht darum, welche Bedeutung sie Dir den
fertigen Mann haben, sondern fOr die noch werdende Jugend. Form und
Inhalt kommen in Betracht bei der Wertschätzung eines litterarischen
Erzeugnisses. FQr die Vortrefflichkeit der lateinischen Sdiriftsteller be-
züglich der Form werden ürteüe Gottscheds und Breitingers angeführt;
diese, sonst Gegner, stimmen in der Anerkennung von deren Vortreff-
lichkeit überein.
In Kürze werden sodann die einzelnen lateinischen Schulschriitsteller
nach dieser Seite durchgesprochen. Der Vorwurf, dafo man die beste Zeit
mit grammatischen Spitzfindigkeiten vergeude, würde vor einem oder zwei
Menschenaltem berechtigt gewesen sein. Gegenwärtig ist an nnseren
Schalen die Grammatik nnr noch Mittel zum Zweck. Wenn aber die
Studenten angeblich keinen Einblick in das klassische lieben des Alter-
tums haben, so möge man bedenken, daCi alles Wissen, das nicht geübt
B. LeDgDick, Der Bildangswert des Laieiniachen. 101
wird, gchoell der Zeit zum Raube ftUt, auch das mathematische and natur-
wisseDschaftlicbe. »Ist es aber deshalb seiner Zeit nicht vorhanden oder
anfhichtbar gewesen?c
Die Kenntnis der antiken Welt ist, nach Seiten ihres Bildungs-
wertes beurteilt, um so wertvoller, je fremdartiger diese Welt ffir uns
ist. So schreibt man ja auch dem Aufenthalt in fremden Ländern eine
besonders bildende Kraft zu, weil uns dadurch die Augen Ober unsere
eigene Heimat geA£fnet werden. Zugleich lernen wir aus diesen Schriften
ein eigentfimlicbes Menschentum kennen.
Der Verfasser spricht schliefslich nochmals die Überzeugung aus,
»dafs wir an dem Lateinischen für die Bildung der Jugend, welche sich
den Wissenschaften oder dem höhern Staatsdienst zu widmen gedenkt,
hinsichtlich der Litteraturwerke einen sehr fruchtbaren, hinsichtlich der
Sprache selbst und ihres Betriebes den geradezu fruchtbarsten Lehr-
gegenstand haben, und dafs es einem nationalen ünglttck gleich zu achten
wftre, wenn je das Studium dieser Sprache aufhören sollte, die Grund-
lage des höheren Unterrichts zu seio.c
L. hat seinen Stoff so dargestellt, dafe er die jetzt brennende Frage
positiv bearbeitet hat. Vielleicht wflrde die lesenswerte Arbeit noch wir-
kungsvoller sein, wenn er einen negativen Teil vorausgeschickt, d. h. zu-
nächst die Anklagen der Gegner kritisch beleuchtet hätte. Eine solche kri-
tische Würdigung, die f&r einen mit diesen Fragen Vertrauten nicht allzu
schwer ist, wäre geeignet, einiges Wasser in den brausenden Wein der
Gegner zu giefsen. Vielleicht schenkt uns der Verfasser diese Ergänzung
zu seiner Arbeit in einer nicht allzu fernen Zukunft
Zur Methode und Frage des lateinischen Unterrichtes seien aus
der »Zeitschrift far das Gymnasiaiwesenc, Jahrgang 41, folgende
Arbeiten knra verzeichnet:
1. G. Bromig Zur Behandlung der lateinischen Deklination. S. 80.
2. W. Fries Die Verbindung von Lektüre and Grammatik im
lateinischen Unterricht, vornehmlich der mittleren Klassen. S. 585.
3. P. Höfer Haben die Forschungen über die Kriegszfige der
Römer in Deutschland bisher zu solchen Besul taten geführt, dafs sie
schon jetzt für den Geschichtsunterricht und die Tacituslectfire verwertet
werden können? S. 521.
4. 0. Weifsenfeis Über unsere Vorlagen zum Übersetzen aus
dem Deutschen ins Lateinische für die oberen Klassen. S. 898.
A. Wilms Zum lateinischen Unterricht in der Quarta (Neue
Jahrb. für Philologie und Pädagogik. Band 136, 190—196).
Der Verfasser, ein Anhänger der induktiven Methode, fafst seine
102 Schnlgeschichte.
Darstellung dahin zasammen: der Unterricht in Quarta solle sich folgen-
dermafsen gestalten. (S. 193):
1. Präparation eines Abschnittes in der Klasse nach laatem, aas-
dmcksToUen Vorlesen darch den Lehrer.
2. Repetitionen durch einen oder mehrere Schaler. Sacherklänmg
durch Katechese. Durchaus notwendig ist hier die Aufdeckung des prag-
matischen Zusammenhangs (in ähnlicher Weise, wie es von Frick z. B.
in den Materialien für den Geschichtsunterricht in Quinta meisterhaft
gezeigt worden ist).
8. Während die Präparation ruhigen Schrittes weiter geht, regel-
mäfsige Retroversion des Repetierten.
4. Lateinisches Erfragen des Inhalts und der bei der ersten Be-
sprechung neugewonnenen Gesichtspunkte.
Da der Aufsatz die Antwort ist auf einen Angriff welchen Netzker
auf einen Artikel von Wilms (Zeitschrift für Gymnasialwesen. Dezember-
heft 1886) gemacht hat, so ist er an mehreren Stellen polemisch gehal-
ten. Eine Replik Netzkers erfolgte sodann unter dem Titel »Zum latei-
nischen Unterricht in Quartac im gleichen Band der Neuen Jahrbb. S. 597
—602.
Dem Bestreben, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung
für die Schule in methodischer Weise zu verwerten, verdankt eine Zeit-
schrift ihre Entstehung, welche fttr die meisten Lehrer ein willkommenes
Hilfsmittel sein wird: Lehrproben und Lehrgänge aus der Praxis
der Gymnasien und Realschulen. Herausgegeben von 0. Frick
und G. Richter (Halle). Der Hauptinhalt der in zwölf Heften erschei-
nenden Zeitschrift enthält Probelektionen in mehr oder minder aus-
geführter Form, an denen die Lehrer von ihren räumlich getrennten
Kollegen lernen können. Der Einflufs der Herbartschen Schule ist über-
all unverkennbar. Das wird aber für solche, welche dieser pädagogischen
Richtung nicht angehören, kein Grund sein, diese trefflichen Materialien
auch zu verwenden.
Es ist unmöglich, den reichen Inhalt der zwölf Hefte an dieser
Stelle wiederzugeben. Derselbe erstreckt sich, abgesehen von allgemeinen
Fragen, auf alle Lehrgegenstände der Gymnasien und Realschulen. Doch
wird es nützlich sein, hier diejenigen Arbeiten mit dem Titel zu ver-
zeichnen, welche eine direkte Beziehung zu dem i Jahresbericht für Alter-
tnmswissenschaftc haben.
Das Gebiet des Lateinischen betreffen folgende Aufeätze:
1. W. Fries Das lateinische Extemporale in Sexta.
2. K. Heilmann Die ersten Lektionen im Lateinischen in Sexta.
3. J* Lattmann Die ersten Lektionen des Lateinischen und der
Geschichte in Sexta.
Wilms, Zam lateinischen Unterricht in der Qoarta. 103
4. A. Hempel, Behandlang einiger Punkte aus der lateinischen
Kasaslehre (im Anschlafs an Nepos, Epamin. I, 1).
5. Böhme, Eine Neposstnnde in Qoarta.
6. Uachez, Zwei Lhomondstonden in Qoarta.
7. 6. Ihm, Entworf zo einer Behandlong Gaes. bell. Oall. II 26
in der Ünter-Tertia.
8. 0. Richter, Zwei Ovidstonden in Unter-Tertia.
9. W. Fries, Eine Gaesarlektion in Ober-Tertia (bell. g. lY 12).
10. W. Mfiller, Der unabhängige Koujonktiv im Lateinischen.
11. J. Sander, Eine VergiUektion in Ober-Sekonda.
12. R. Meng, Einige Horazstanden in Unter-Prima.
13. Herm. Meier, Die Bandosia-Ode (Hör. III 18).
14. 0. Schimmelpfeng, Horaz Od. IV 7.
15. 0. WeiTsenfels, Die Urbanität. (Begriffsbestimmong ge-
wonnen aas Repetition von Horaz Epist. I 7).
16. P. Dettweiler, Die Tacitoslektfire.
17. E. Goebel, Über Eompositionsflbongen.
Das Gebiet des griechischen Unterrichts betreffen folgende
Arbeiten:
1. R. Menge und 0. Schmidt, Das griechische Medium. Eine
grammatische Ihräparation.
2. A. Matthias, Der Anfang griechischer Schriftstellerlektflre
(das erste Kapitel des ersten Buchs von Xenophons Anabasis in Ober-
Tertia).
3. G. Schmuhl, Eine Lektion in griechischer Grammatik (Ober-
Tertia).
4. A. Arlt, Die zweiten Aoriste nach Analogie der Verben auf lu
(Lektion in Ober-Tertia).
5. 0. Kohl, Repetitorischer Durchblick durch die Anabasis. Ma-
terialien zur Gewinnung einer Charakteristik und Biographie des Xe-
nophon.
6. P. Dettweiler, Eine Demosthenesstunde in Unter-Prima.
7. Fr. Heufsner, Eine Homerlektion in Prima. H. HI 161—244.
8. Fr. Heufsner, Zur homerischen Psychologie (die Thersites-
Scene im Unterricht).
9. 0. Willmann, Stemkundliches bei der Autorenlektfire.
10. 0. Frick, Aus dem Homerheft meiner Primaner.
11. 0. Frick, Zur elementaren Behandlung von Thukydides VII
c. 70 und 71.
104 Scholgeschichto.
12. G. Richter, Zur Eioftthniog in den fipriechischen Tragiker.
13. 0. Richter, Die Behandlung der Antigene des Sophokles.
Neben Probelektionen enthalten die »Lehrproben and Lehrgänge«
auch Aufsätze allgemeineren Inhaltes, welche sich mit Fragen der
Pädagogik und Methodik beschäftigen. Von solchen Arbeiten seien hier
folgende erwähnt:
1. 0. Frick, Allgemeine Gesichtspunkte für eine didaktische Stoff-
auswahl.
2. 0. Frick, Aphorismen zur Theorie eines Lehrplans, betreffend
die Klassen-Lektfire der Gymnasial-Prima.
8. 0. Alten bürg, Parallele Behandlung verwandter Stoffgebiete.
GrundzOge einer Lehrplan-Organisation fflr die oberen Gymnasial-
klassen.
4. 0. Frick, System und Methode.
6. 0. Frick, Die praktische Bedeutung des Apperseptionsbegriffes
für den Unterricht.
6. 0. Frick, Zur Charakteristik des »elementarenc und »tjpischenc
ünterrichtsprinzips.
7. 0. Frick, Didaktischer Katechismus, betreffend den psychischen
Lern*Prozefs in dem erziehenden Unterricht
8. 0. Frick, Der allgemeine Gang einer Interpretation.
9. 0. Frick, Zur Frage der pädagogischen Seminare.
10. 0. Frick, Mitteilungen aus der Arbeit im Seminarium prae-
ceptofum an den Frankeschen StMtungen zu Halle.
11. H. Schiller» Mitteilungen aus dem pädagogischen Seminar
in Giefsen.
In dem im ganzen monoton verlaufenden Leben der Schule sind
Höhepunkte die gelegentlichen Feste, bei denen jeweils Schulreden ge-
halten wurden:
Zwölf Schulreden an der Königl. Studienanstalt bei St Anna
in Augsburg bei der Jährlichen Schlufsfeier gehalten von Dr. Christian
Wilhelm Joseph Cron, Königl. Oberstudienrat und Studienrektor a. D.
Augsburg. Rieger. 1888. 8^. VIII und 206 S.
Der Verfasser dieses empfehlenswerten Buches, ein hochgeachteter
bayerischer Schulmann, der sich durch seine Plato-Arbeiten einen wissen-
schaftlichen Namen gemacht, betrachtet seine Schrift als »ein Scherf-
lein zur Gedächtnisfeier fttr König Ludwig den Ersten von Bayern«.
Da die Gegner des humanistischen Gymnasiums gerne das Gedicht
des genannten Königs anführen, wonach die Jugend in den Gymnasien
»versitzec, so dafs diese Schulen ihrem Namen wenig Ehre machen, be-
Joseph CroD, Zwölf Schalreden. 105
tont Cron, dafs König Ludwig I trotzdem ein entschiedener Anhänger
des altsprachlichen Gymnasiams war. Au eine Äufserung desselben Aber
Klopstock anknüpfend, sagt der Verfasser: »Was aber noch wichtiger ist
in jener Kundgebung König Ludwigs, das ist die unumwundene Aner-
kennung, dafs der von dem jungen Klopstock auf die Erlernung der la-
teinischen und griechischen Sprache gewendete Fleifs die Schwingen
seines Geistes nicht lähmte und schwächte, sondern zu höherem Fluge
stärkte und ermutigte. Anerkannt wird auch, dafs die Beschäftigung
mit den Alten seiner wahrhaft deutschen und christlichen Gesinnung keinen
Eintrag that.« (S. VI).
Mit Befriedigung stellt der auf seine engere Heimat stolze Ver-
fasser fest, dafs Bayern in der Übereinstimmung dreier Könige (Lud-
wig I, Mnimilian I und Ludwig II) eine Borgschaft dafür sehen darf,
»dafs die von König Ludwig im Jahre 1829 ausgesprochene Willens-
meinung, die dahin lautete: »Ich will, dafs meine Schulen werden sollen
wie die in Sachsen und WOrttemberg,c in erweitertem Mause in Wirk-
lich getreten istc.
Der Inhalt des Buches ist folgender: l. Pflicht des Hauses und
der Schule gegen die Muttersprache (1878). — 2. Die Mittelschule, ihr
Beruf und ihre Gliederung (1874). — 3. Die Abschaffung der Schulpreise
durch die Schulordnung vom 20. August 1874 (1876). — 4. Was
bieten die Schriften des klassischen Altertums far die sittliche Bildung
der Jugend? (1876). — 6. Das antike und moderne Drama (1877). —
6. Der deutsche AufeaU (1878). ~ 7. Zu Schutz und Trutz (1879). —
8. Zur Witteisbacherfeier (1880). - 9. Lessing und die Schule (1881).
•— 10. Goethe (so und nicht Göthe hätte der Verfasser schreiben sollen)
und die Schule (1882). — 11. Schule und Haus (1883). — 12. Klopstock
und die Schule (1884).
In mehreren der Schulreden nimmt der Verfasser Stellung zu den
gegenwärtig brennenden Fragen im Gebiete der höheren Schule oder
Mittelschule. Überall zeigt er sich dabei als ein Verfechter des huma-
nistischen Gymnasiums. Wenn jemand versucht sein sollte, in der Ent-
stehung der technischen Hochschulen und Realschulen den Anfang zu
einer durchgreifenden Umgestaltung der Mittelschule Überhaupt zu er*-
blicken, so dafs durch vollständige Umbildung die frühere Einheit wieder-
hergestellt werde, so entgegnet darauf Gron : »Solchen Erwartungen und
Wünschen vermöchten wir uns in keiner Weise anzuschliefsen.c (S. 18).
Aber ein langes Leben, das viele Erfahrungen brachte, macht den
Verfasser nicht zum Feinde jeder Neuerung. Er zählt die Veränderung
gen auf, welche er selbst erlebt hat (S. 114). Einstens gab es im Gymna-
sium keinen Turnunterricht, der jetzt unter die verbindlichen Lehr-
gegenstände aufgenommen ist Das Gleiche gilt von dem Unterricht in der
französischen Sprache: »In meiner Jugend war dies nicht der Fall, ja
er wurde an manchen Anstalten mit weit weniger Eifer besucht und be-
106 Schalgescbichte.
trieben, als dies jetzt bei dem Unterricht in der englischen Sprache,
dessen Benutzung den Schülern der oberen Klassen freigestellt ist, nach
allen Wahrnehmungen, die ich zu machen Gelegenheit hatte, der Fall istc.
(6. 114). Statt vier Stunden Mathematik in der oberen Klasse hatte man
ehemals nur eine Stunde in der Woche. Die Geschichte schlofs mit dem
Jahre 1789 ab, während man jetzt bis 1871 gehen mufs. »Und welche
Periode (von 1789—1871)1 gewifs eine solche, die an Reichtum wahrhaft
welthistorischer Ereignisse und daraus hervorgehender Umwandlungen
der Begriffe und Zustände keiner in der Weltgeschichte nachsteht, die
uns sowohl das wissenschaftliche als das vaterländische Interesse nicht
erlaubt, unserer Jugend vorzuenthaltenc (S. 116).
Eingehend beschäftigt sich Cron mit zwei Wünschen, die bezüglich
der bayerischen Gymnasien geäufsert worden sind : Einführung der Na-
turwissenschaften und etwas mehr Mathematik oder »auch ein bifscfaen
Kegelschnitte !c (S. 109).
Zum Verständnis dieser Forderungen ist nötig zu bemerken, dafs
die Naturwissenschaften, wenigstens die beschreibenden, an den bayerischen
Gymnasien bisher überhaupt nicht gelehrt wurden. Der bayerische Gym-
nasiast lernte keine Naturgeschichte, keine Zoologie, keine Botanik,
keine Mineralogie, während in Preufsen für die ganze Anstalt wöchent-
lich 10, in Württemberg 7, in Sachsen 9, in Baden 18 Stunden dafllr
verwendet wurden. Nur in der Physik wurden an bayerischen Gymna-
sien wöchentlich drei Stunden gegeben.
Auch die Forderung nach mehr Mathematik wird verständlicher,
wenn wir erfahren, dafs die bayerischen Gymnasien unter den Schulen der
gröfseren Staaten Deutschlands die niedrigste Stundenzahl für Mathematik
haben, nämlich nur 28 in der Woche. Preufsen hat 84, Hessen 85, Baden 33,
Württemberg 82Vs (hei Abrechnung der Stunden in der untersten Klasse,
die einen Jahreskurs über die sonstigen deutschen Anstalten darstellt).
Fafst man aber diese Sachlage ins Auge, so hat die Beweisführung
8. 110 ff. nicht viel Überzeugendes: »Die Lehrer der Mathematik wissen
zu gut, dafs sie jetzt schon einen unverhältnismäfsig grofsen Ansprach
an die häusliche Thätigkeit des Schülers machen müssen und hierin nicht
weiter gehen dürfen, ohne wesentliche Zwecke zu gefährden. Woher
sollte denn die Zeit genommen werden zu dieser Erweiterung des Unter-
richts?« Darauf werden die Gegner Crons, zu denen ich nicht gehöre,
sagen: Was in Preufsen und Hessen möglich ist, kann auch in Bayern
nicht unmöglich sein. Der Verfasser beweist hier nichts, weil er zu
viel bewiesen hat Eine wirksamere Abwehr hätte er durch das Aas-
gehen vom humanistischen Prinzip gewinnen können.
Ein vielbesprochenes Thema, das Verhältnis von Schule und Hans,
behandelt die elfte Rede. Der Verfasser geht dabei von dem Alumnat
aus, das mit der von ihm geleiteten Anstalt verbunden ist, und in dem
etwa ein Sechstel der sämtlichen Schüler Aufnahme gefunden. Für diese
Joseph CroD, Zwölf Sdralreden. 107
existiert kaum die schwierige Frage des Verhältnisses von Schale nnd
Hans: »sie nehmen alle gleichmärsig teil an den Vorteilen des fOr die
hänslichen Arbeiten der Schttler in Bezug au| Luft, Licht, Wärme treff-
lich eingerichteten Saales and können ungestört ihre Vorbereitung für
die Unterrichtsstunden betreiben. Wie ganz anders steht es in dieser
Hinsicht bei den Stadtschfllern! Die ganze Mannigfaltigkeit der Verhält-
nisse und Bedingungen, unter welchen diese ihre häuslichen Arbeiten
verrichten (besser: anfertigen), eingehend zu schildern, wäre ja teils un-
möglich, teils ungehörig und zwecklos.c (S. 165).
In geistreicher Weise wird sodann auf die verschiedene Auffassung
der Erziehung in Sparta und Athen eingegangen. Im ersteren war die
Erziehung der Knaben vom siebenten Jahre an Sache des Staats, in
Athen dagegen blieb die Heranbildung der Jugend wesentlich die Auf-
gabe der Familie. In Sparta konnte die Frage nach dem Verhältnis
von Schule und Haus gar nicht entstehen* Bezüglich Athens meint Gron:
»Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dafs, wenn wir heutzutage nur die
Wahl zwischen diesen beiden Wegen der Bildung und Erziehung der
Jugend hätten, die meisten wohl unbedenklich das Verfahren der Athener
dem der Spartaner vorzögen. Denn wenn man auch gerne die Mühe and
Sorge fOr die Erziehung und den Unterricht der Kinder dem Staate Aber
läfst, ganz entschlagen des Rechtes Aber seine Kinder will man sich denn
doch nicht.«
Es ist von Interesse, diese Rede mit einer von Bender zu ver-
gleichen, welcher das gleiche Thema behandelt hat. Wie verschieden
sind die beiden, ohne dafs wir uns hier ffir die eine und gegen die
andere entscheiden. Si duo faciunt idem, non est idem.
Im übrigen wünschen wir den Cronschen Schulreden zahlreiche
Leser. Die Männer der Schule werden das Buch nicht ohne Nutzen aus
der Hand legen.
Osk. Altenburg Hoc age! Rede zur Entlassung der Abiturien-
ten gehalten bei der Feier von Kaisers Geburtstag am 22. März 1888
(Neue Jahrbb. ffir Philologie und Pädagogik. Band 186, S. 347—852.)
Der Redner spricht zaghaft, nach eigenem Geständnis, weil dem
Besten, was die Schule bieten kann, dem Studium der klassischen
Schriftsteller, in dem tosenden Kampf um das Gymnasium der formale
Wert, der Wert für die Kraft des Denkens und die allgemeine Durch-
bildung abgesprochen wird. Aber als »verhärteter Philologe« ist er von
dem idealen Werte der Altertumsstudien überzeugt.
Doch ist ein Unterschied zu machen: »Die Philologen hüten den
Schatz, darf ich sagen, wie das Gold im Rhein, aber sie überliefern ihn
uns Pädagogen nur als das rohe Material«. Dieser Rohstoff mufs durch
das Werkzeug des logischen Denkens verarbeitet werden, bis er für
die Schale verwendbar ist*
108 Scbalgeschichte.
Was vonseiten der Sohnle anzustreben ist, sagt der Verfasser so-
dann mit den Worten: »Es konnte gelingen die Oedankenkreise des
Altertums mit den Ideen des Christentnms nnd wiederum das Altertum
mit unserem nationalen Empfinden und endlich das Christentum mit
unsern deutscbnationalen Idealen in die engste Beziehung und Ver-
knüpfung zu bringen.c
Unter dem Hinweis auf die horaziscbe Dichtung, der das »hoc
agec des Titels entnommen ist, werden nun den scheidenden Schalem
eine Anzahl beherzigungswerter RatschlAge gegeben und besonders he*
tont, dafs die Bildung zum Menschen nie abschließt »Sie kennen das
Wort: Das Heil liegt nicht im Sein, sondern im Wordene
Mit einer beweglichen Anrede an die einzelnen Abiturienten, die
je nach der Wahl des Berufes eingerichtet ist, schliefst die Bede.
Anhangsweise seien noch einige Arbeiten aber französische
Schulgeschichte besprochen:
J. Carrö, Agr6g6 de l'universit^, Inspecteur g6n6ral de Fenseig-
nement primaire. Les Pödagogues de Port-Royal. Histoire des
Petites £coles. Paris. Delagrave. 1887. 8 o. XXXVI und 348 S.
Der Verfasser erklärt in seinem Vorwort, dafs die P&dagogen von
Port- Royal zwar eigentlich die Schöpfer der modernen Unterrichtsmethode,
trotzdem aber wenig bekannt seien. Zum Nutzen der Lehrerschaft hat
nun Garr6 Auszflge aus den wichtigsten Schriften der genannten Päda-
gogen gegeben und denselben eine orientierende Einleitung Aber Port-
Boyal vorangestellt. Das Buch enthält solche Auszfige aus den Schriften
von Saint-Gyran, De Saci, Lancelot, Guyot, Coustel, Le Mattre, Nicole,
Arnauld, Pascal, Pierre Thomas du Foss6, Racine, Jacqueline Pascal.
Die Petites-^coles von Port-Royal erhielten ihren Namen vermut-
lich davon, dafs ursprünglich die Zahl der Zöglinge in diesen Schalen
klein war. Das berühmte Kloster, dessen Ursprung bis 1204 hinauf-
reicht, lag urspr&nglich nahe bei Ghevreuse südöstlich von Paris, wurde
aber 1626 in den Faubourg Saint-Jacques zu Paris abertragen. In diese
Zeit fällt die höchst beachtenswerte pädagogische Thätigkdt von Abb6
SaintrGyran , mit welchem die Leiterin von Port-Royal schon seit 1620
in Verbindung gestanden hatte. Seine Anregungen dauerten auch na<di
seinem im Jahre 1648 erfolgten Tode noch weiter. Die Schulen kamen
in die Höhe, aber die Eifersucht der Jesuiten hatte zur Folge, dafs die
Schulen 1650 wieder von Paris wegverlegt wurden. Unter den Zöglingen
war im Jahre 1665 auch der junge Racine. 1661 erfolgte sodann die
endgfiltige Aufhebung der Schulen.
Der Geist der Erziehung ist unbedingt beeinflufst von Saint-Qyran.
Von kirchlichen Voraussetzungen ausgehend und besonders die Bedeutung
der Taufe sehr hoch stellend, wollte er zunächst die Unschuld der Kin-
der erhalten, dieselbe gegen die schlechten Regungen des Qeistes ver-
J. Carrt, Les P^dagogaes de Port-Royal. 109
leidigen. Nach einer Vorschrift des Erasmus worden sodann immer nur
einige willige Kinder unter der Leitung eines Lehrers auf dem Lande
in einem besonderen Hause untergebracht. Lehrer und Diener mufsten
mit der gröfsten Sorgfalt ausgewählt sein. Um jeden Anlafs zur Rei-
zung der Sinnlichkeit fernzuhalten, wurden die alten Schriftsteller nur in
gereinigter Gestalt zugelassen. Romanlektttre, Theater und sogenannte
Bildungsreisen waren verpönt.
Das Lernen trat hinter die Erziehung zurück, doch bemühte man
sich, den Kindern eine gute Grundlage von Kenntnissen zu geben
und dafttr die kürzesten und leichtesten Methoden zu erfinden. Sobald
die Kinder lesen und schreiben konnten, begann das Latein, das mit
Hilfe der Grammatik, nicht wie eine lebende Sprache gelernt wurde.
Übersetzungen mufsten die Klassikerlektüre erleichtern. Lateinische
Extemporalien erfreuten sich höherer Gunst als das Anfertigen lateini-
scher Verse. Im Gegensatz zu den Jesuitenschulen fand das Griechische
eine besondere Pflege.
An einem kurzen Abrifs der Geschichte von Port-Royal schliefsen
sich Auszüge pädagogischen Inhaltes an aus Saint-Cyran, De Saci, Lan-
celot, Gnyot, Gonstel, Le Maltre, Nicole, Arnauld, Pascal, Pierre Tho-
mas du Foss6, Racine, Jacqueline Pascal.
Einige der Auszüge beziehen sich auch auf das Erlernen der klassi-
schen Sprachen. In einem »Avis au lecteur« verlangt Lancelot (p. 76)
die Beseitigung der lateinischen Lehrbücher für den lateinischen IFnter-
richt. »Gar qui est Thomme qui voulftt präsenter une grammaire en
vers h^breux ponr apprendre Th^breu, on en vers grecs ponr apprendre
le grec, ou en vers Italiens pour apprendre Titalien?« Da die Kinder
nur französisch verstehen, so werden Grammatiken mit französischen
Memorialversen empfohlen.
Ein anderer Pädagoge von Port-Royal, Nicole, nimmt sich in seinem
Trait6 de T^dncution d'un prince« der Grammatik gegen ihre Feinde
an. Nur Lektüre, keine Grammatik, das ist eine Rede fauler Leute. —
Besonderes Interesse verdient das »Memoire sur le Reglement des £tudes
dans las Lettres humaines« von Amaud, Doktor der Sorbonne. Zunächst
wird von Mifsbräuchen im Unterricht der klassischen Sprache gehandelt.
Ein Mifsbranoh ist es, wenn manche Lehrer ihre Schüler so unterrichten,
als ob sie lauter Poeten zu erziehen hätten, oder wenn die Auszeich-
nungen blofs nach den lateinischen Exerdtien gegeben werden, oder
wenn vor lauter sonstigen Übungen zu wenig Schriftsteller gelesen werden.
Auf S. 216 und 217 ist ein Lehr- und Stundenplan für die klassi-
schen Sprachen zusammengestellt Obgleich derselbe schon im 17. Jahr-
hundert ist, 80 sind die gelesenen Schriftsteller doch fast dieselben, wie
heute. Nur ist die Zahl heute beträchtlich kleiner. Aus unseren Schulen
sind verschwunden Quintus Gurtius, Florus, Eutropius, Sneton, Jnvenal,
PliniuBf Seneca» Lukian und Plntarch.
110 Schnlgeschichte.
Aus diesen AofeeichDungen ergibt sich, dafs die Frage des latei-
nischen Exercitiums schon die Menschen des 17. Jahrhunderts erregt hat,
und dafs man schon damals sehr abweichende Meinungen über dasselbe
vortrug.
Ein weiterer Beitrag zur französischen Schulgeschichte:
Les 6tudes classiques avant la r^voiution par Fabb^ Au-
gustin Sicard vicaire de Saint^Philippe-du-Roule. Paris. Perrin et
C^o- 1887. 8. IX und 690 p.
Der Verfasser dieses gewandt geschriebenen Buches hat seinen
Namen bereits durch ein anderes Werk: »L'öducation morale et civiqae
avant et pendant la Revolution (1700 — 1808)» bekannt gemacht. Es ist
im wesentlichen eine Apologie der klassischen Studien, welche mit den
Mitteln der Geschichte geführt wird. Die Entwickelung hat in Frank-
reich vielfach einen ähnlichen Gang genommen wie in Deutschland, wes-
halb sich überall ungesucht Parallelen ergeben. So pafst sogleich die
Schilderung des ersten Kapitels: Organisation des ötudes classiques avec
la Renaissance et le XVII® si^cle auch auf deutsche Verhältnisse. Der
Verfasser schildert die Scholastik mit ihrer Leidenschaft für nutzlose
Disputationen, über welche Vives' Ausspruch aus dem Jahre 1531 citiert
wird: »On dispute avant le dtner; on dispute pendant le dtner; on dis-
pute apräs le dtner; on dispute en public, en particulier, en tout liea,
en tout tempsc. (S. 5). Unter den Gelehrten, deren Lehrbücher die
Scholastik im 16. Jahrhundert verdrängten, hätte neben den Estienne,
Bud6, Scaliger, Casaubonus etc. auch der deutsche Melanchthon nicht
fehlen sollen; denn aus dem von Buisson herausgegebenen Repertoire
des ouvrages pödagogiques ergibt sich, dafs sehr viele Schriften des
grofsen Praeceptor Germaniae in Frankreich nachgedruckt, vermutlich
also auch in den französischen Schulen vielfach benutzt wurden. Die
letzten Zeiten vor der Revolution schildert der Verfasser mit Worten
Jouberts, der zwar nicht für die Methode, wohl aber fQr die damaligen
Lehrer, die meist Geistliche waren, ein Wort der Anerkennung spendet
(S. 654), und ruft dann aus: Quel panögyrique, quel tableau! En faisant,
si Ton veut, la part du coeur dans cet 61oge de professeurs qui
avaient cultivö en lui avec tant de bonheur tous les dons littdraires,
quel est le t^moin, quel est le contemporaüi qui pourrait nous dire avec
plus de compötence que Joubert ce qu'6taient les mattres et les möthodes
avant 1789c. Der Gedanke an das, was man diesen Männern damals
zufügte, macht den Verfasser nach seiner eigenen Aussage melancholisch.
Ein Anhang stellt die Schriftsteller zusammen, welche in den verschiede-
nen Schulen gelesen wurden und zwar nach folgenden Rubriken: Plan
d'ötudes des jösuites. Plan d'ötude de Toratoire. Plan d'^tudes de Port-
Royal. Plan d'^tudes de i'universit^.
Philippe Lanrao, Notioe sur le College d'Agen. m
Philippe Laozan, Notice sur le College d'Agen depuis sa fonda-
tioo jusqa'ä, dos jours (1581—1888). Agen. Michel et Medan, Editeurs
1888. 8^ X and 132 p.
Agen ist eine kleine Stadt an der Oaronne, unweit Bordeaux. Der
Verfasser schöpfte seinen Stoff aus verschiedenen Archiven, nicht zum
wenigsten aus dem des Bischofs zu Agen.
Die in vielen Einleitungen vorkommende Bescheidenheitsphrase,
die sich audi hier findet» wonach der Verfasser wartete, ob nicht ein an-
derer, mehr zu der Arbeit befähigter Gelehrter das Thema in Angriff
nehmen wflrde, konnte unbeschadet des Wertes der Schrift auch weg-
bleiben.
Über die mittelalterliche Schulgeschichte von Agen ist aus Mangel
an Nachrichten nicht viel zu melden. Um das fflnfte Jahrhundert gab
es im südlichen Gallien noch vortreffliche gallisch-römische Schulen.
Von da ab bis zu der Errichtung der Dominikanerschule im 13. Jahr-
hundert fehlen die Nachrichten.
Im Jahre 1512 wurde die bisherige alte Schule ungenügend. 1535
wurde sodann ein neues Schulgebäude erworben. Die Konsuln der Stadt
baten 1560 den König um die Gründung eines College, wie solche zu
Aix, Tournon und Ntmes seien, damit die Einwohner der Stadt nicht
wie bisher ihre Kinder nach Paris und Poitiers auf die Schule geben
mOfsten. Es wurde auch eine Schule schliefslich geschaffen.
Neues Leben aber kam erst durch die Gründung eines Jesuiten-
kollegiums 1581. Der gefürchtete Orden besafs die Anstalt bis 1762.
Von da an folgte ein häufiger Wechsel.
Zunächst wurden die ausgetriebenen Jesuiten ersetzt durch Domi-
nikaner (1762— 1Y67); es folgten die Prßtres s^culiers (1767—1781), die
Oratorianer (1781 — 1793), die grofse Revolution, speciell der National-
konvent, schlofs die alten Universitäten, und so folgte eine Neugründnng,
die £cole centrale (1796 — 1802) , sodann die £cole secondaire (1802—
1808), schliefslich Le College communal et le lyc^e.
Besonders charakteristisch sind die Mitteilungen über die unter
dem Nationalkonvent errichtete £cole centrale. Am Tage der Eröffnung
zog man unter Trommel gewirbel in feierlichem Zuge nach der Anstalt.
Auch fehlte es nicht an riner Musikkapelle, die sich aus den Musiklieb-
habern des Städtchens zu;:ammensetzte, >le tout flanqu^ de cent gardes
nationauxc. Man sieht, die Republik hat es wenigstens an Spektakel
nicht fehlen lassen. Ob dabei auch der Geist redlicher Arbeit mit
einzog?
Die Schrift Lauzuns wird durch die Mitteilung zahlreicher Akten-
stücke zu einem pädagogischen Urkundenbuch der Stadt und behält da-
durch bleibenden Wert
Der schon seit Jahren mit französischer Schulgeschichte beschäftigte
112 Schalgeschichte.
y.-E. Veuclin hat zwei weitere kleine Schriften über denselben Gegen-
stand veröffentlicht Dieselben führen die Titel:
Les Fondatenrs d'fcoles an XVII® siMe. Les Chätelains de Gonr-
b^pine et les Soeurs Jonen, de St-M artin-le-Vieil. Bemay. YencHn 1888.
Nouvelles Glanes historiques snr l'Instmction publique avant et
pendant la Revolution. Bemay. 1888.
Die Schriften, deren Verdienstlichkeit ftlr die lokale Schnlgeschichte
des nördlichen Frankreichs nicht bestritten werden soll, danken übrigens
ihre Entstehung keinem rein wissenschaftlichen Interesse. Die Tendenz
derselben ist dadurch hinlänglich gekennzeichnet, dafs der Verfasser eine
Schrift mit dem Titel: »Le C16ricalisme n'est pas Tennemi de la Libert^,
du Progrte et de la Civilisationc geschrieben hat. Entgegen dem fran-
zösischen Brauch ist das Papier des Schriftchens sehr schlecht
Jahresbericht
über die griechischen Sakralaltertümer.
Von
Aagast Mommsen.
6. Artikel : Elis.
A. E. J. Holwerda, Olympische Studien I-III (Archäol. Zeitung
Jahrgang XXXYIII 1880. S. 169—172 und XXXIX 1881 Spalte 206
—215).
I. Reihenfolge der Festspiele. Ausgegangen wird von Paus.
V 9, 3; die Worte seien zwar iQckenhaft, aber so viel lasse sich doch
entnehmen, dafs 'die Wettkftmpfe, die man vor der 77. Olympiade an
einem Tage abhielt, seitdem auf zwei verteilt wurden'. Die Schlufs-
folgerung bezieht sich anscheinend auf alle Wettkämpfe des Olympien-
festes. Aber das Programm lehrt, dafs der Verfasser nur die Spiele
des reiferen Lebensalters im Auge hat; in der That konnte aus Paus,
a. 0. Ober die Spiele des jüngeren Lebensalters nichts gefolgert werden.
— Weiterhin nimmt die Untersuchung, in welcher Ordnung die Leistungen
der Männer sich an einander schlofsen und wie sie sich auf Tage verteilten,
folgenden Gang. Am selben Tage und unmittelbar ist dem doh^og das
arddeov, diesem der Biaukog gefolgt, Paus. VI 13, 2. Ein zweites Konti-
nuum haben mihi ^^Tf^ nayxpd'ctov gebildet, P. VI 15, 3, vgl. Inschr.
N. 147 Arch. Zeit. 1878 S. 91; ein drittes iTtnodpofiea Ttivva^kov Xen.
Hellen. VII 4, 29. Wie sind nun diese Gruppen auf die beiden
Männerspieltage zu verteilen? Da nach einer Notiz bei Jul. Africanus
zu Ol. 113 der Dolichos morgens stattgefunden haben mufs und das
Pankration abends stattfand nach der Inschr. N. 147, so sind nur zwei
Kombinationen möglich. Entweder sind dem einen Tage doXt^o^ ffrdStov
dtaoXoQ itdh^ nuy'fjufi nayxpdreov^ dem andern enno8pofu'a nivraBXov\ oder
dem einen SoXt^oQ ardSeov diauXo^ tTcnoBpopIa nsvra^kov^ dem andern
Tzdhj noyfi^ nayxpdTwy zuzuweisen. Erstere Kombination ist die einzig
zulässige; die andere ergiebt eine durchaus unwahrscheinliche Verteilung.
(Die Hippodromie hatte Ol. 77 vier Kampfarten, aufser TiBptTtnov und
xc^C auch noch dTv^)^ und xdkTn^. Nach der zweiten Kombination
Jahretbericht fiir AlterthumswisMnschAft LXOC. Bd. (18U. m.) 8
114 Griechische Sakralaltertflmer.
würden also dem einen Tage acht Eampfarten zafallen, dem andern
drei; und obendrein war unter jenen das langwierige Pentathlon). Die
erste Kombination stimmt auch mit Paus. V 9, 3 am besten. Die Wett-
kämpfe zu Wagen und zu Rofs und das Pentathlon hatten gehindert die
Pankratiasten zur rechten Stunde in die Arena zu rufen ; aus der älteren
Reihenfolge nahm man also die hippischen und pentathlischen Leistungen
heraus und wies sie dem neu kreierten Kampftage zu. — Die Iflcken-
haften Worte des Pausanius a. 0. sind etwa so herzustellen: b de xotfiioq
6 nepl TÖv dyiova iip^ ^/^o/v, a;c Bueabai rcJ Be<j} rä Upeta^ [IrKtra 8k
yi^veoBat toüq dytovag] nevra^Xot) fikv xal Spofiou rcDv 'Srmojv iMTzepl^
flfidp^ nporipqL 8e rwv Xotnaiv] dyoßveafidrwv xrX. — Mutmatsliches Pro-
gramm für die fünf Oljmpientege: Tag 1. BouBuaia (Pindar Ol. V, 6).
Am ersten Tage wird auch der Eid vor Zeus Horkios und die Prttfnng
der Knaben und jungen Pferde stattgefunden haben. Tag 2. Wettkampf
der Knaben. Tag 3. Erste Hälfte vom Wettkaropfe der Männer: iolt^oQ
arddeov diaukoQ mkfj Tnjyfiij nayxpdrcov. Komos der Sieger. Tag 4. Zweite
Hälfte vom Wettkampfe der Männer : iTvnoBpopLea TtävraBXov ^nXeroßv Bpo"
flog. Komos der Sieger. Tag 5. Opfer der Sieger und der Theoren.
Festmahl im Prytaneion.
Bem. Die Verteilung der Gruppen auf die Tage ist flberzeagend.
Dafs der Verfasser den mit den Läufen beginnenden Tag dem hippisch-
pentathlischen Tage voranstellt, verdient ebenfalls Beifall, doch vermifst
man eine nähere Begründung, dergleichen die Einführungszeiten der ein-
zelnen Spiele und die Analogie dargeboten hätten. Auch die Annahme
eines besonderen Tages für den Knaben*Agon dürfte zu billigen sein;
aber der Verfasser mufste diesen Punkt erörtern. Den Hoplites als
letzte Leistung dem Pentathlon anzuschliefsen entspricht der Überliefe-
rung, und was der Verfasser bemerkt, Pausanias habe sich begnügt für
den zweiten Tag des Mänuer-Agons blofs Hippodromie und Pentathlon
zu nennen, also den Hoplites ignoriert, ist wenigstens möglich. — unter
den Wettspielen fehlt das Gertieren der Trompeter und Herolde. — Im
Programm ist auf den Vorabend des Olympienfestes keine Rücksicht ge-
nommen. — Der Versuch Paus. V 9, 3 herzustellen, beruht auf Voraos-
setzungen, die keine Gewähr bieten, und kann auch den, der die Vor*
aussetzungen zugiebt, keineswegs befriedigen. Zugegeben, dafs die bei
Pindar Ol. V, 6 vorkommenden Rindsopfer dem Anfang des Festes an-
gehören (unsicher) und dafs ^ueaBau r^ ßedi rä lepeea bei Paus, auf
die Darbringung dieser Opfer zu beziehen ist (unsicher), wird an des
Verfassers inecTa 8k ytyvea&ac xtX. Anstofs zu nehmen sein, weil Pau-
sanias danach den zweiten Olympientag (Wettkampf der Knaben) über-
sprungen, und auch bei dem dritten und vierten, die ja in umgekehrter
Folge, erst der vierte, dann der dritte, vorkommen, das ^na nicht
wahr gemacht hätte. — Statt jiyvetfBm roug dyä^vac Tuvrd^Jiou und wie
es weiter lautet bei dem Verfasser, erwartet man yeyuea^ai Ttivra&Xov
Elia. 115
fih xal BpofJLOV Tütv Imnuv baripqi fjfiep^^ itporipqL Sk rä Xoenä dyaßvifffJMrau
— Auch was S. 170 über die Worte rä npb roorwv Sk inl ijpepaq ^yov
XTJQ aÖT^Q 6jÄot(o^ xa} dv^pwnoßv xal TmroßV dywva gesagt wird, ist zn be-
anstaDden; man könnte, meint der Verfasser, aas diesen Worten folgern
wollen, dafs sp&ter, von Ol. 77 ab, ein Wettkampf von Menschen und
Pferden am nämlichen Tage nicht mehr stattgefunden habe, dafs diese
Folgerang aber durch Xen. Hellen. VII 4, 29 (Hippodromie und Pen-
tathlon anmittelbar einander abgeschlossen) widerlegt werde, dafs Pau-
sanias sich also etwas karz and ungenau ausgedrückt habe. Aber djiüv
und dydjviapa sind zu unterscheiden; die einzelne Eampfart ist ein
dy(ovefffia, dyaiv fafst die Eampfarten desselben Schlages zusammen,
vorausgesetzt, das schon eine Mehrzahl eingeführt ist Das Pentathlon
ist kein dyiov^ sondern ein dytuvurpa, Paus. VI 19, 4; vgl. 6, 6. Die
Verbindung von Hippodromie und Pentathlon kombiniert also nicht zwei
Agonen. Von Ol. 77 ab hat eine Kombination zweier Agonen in der
That nicht mehr stattgefunden.
IL "^E^edpog. Früher hat man gemeint, bei den einzelnen
Eampfarten eines Olympienfestes sei nichtj mehr als ein Ephedros er-
lost worden und angenommen, dafs der Ephedros alle aus den Paaren
hervorgehenden Sieger, einen nach dem andern, habe bekämpfen müssen
(Böckh), oder dafs er, bis in den Paarkämpfen Einer über sämtliche
Gegner gesiegt, wartend, mit diesem Einen der noch auf dem Plan war,
sich habe messen müssen (Krause). Aber die in Olympia gefundenen
Inschriften N. 146—148 Arch. Zeit. XXXVI S. 90 ff. leiten anders. Das
Losen, welches über Paarung und Ephedrie entschied, hat (abgesehen
von den Fällen, in welchen sich so wenige gemeldet hatten, dafs es des
Loses überhaupt nicht bedurfte, bei zwei Aspiranten, oder eine einzige
Losung genügte, bei drei oder vier) mehrmals stattgefunden und es hat
die Ephedrie mehreren Personen zufallen können. In N. 147 heifst es von
Tiberius Claudius Rufus: ndvrag pjkv dvifsdpoQ i'nayxparlaae, rou^ xkf^poo^
rotg doxtpAordrotQ ka^dtv dvBpdatv ' Rufus hat alle durchs Los bestimmten
Reihen durchgekämpft, auch nicht eine Reihe ist an ihm vorübergegangen,
nie hat er eine Ephedrie gehabt, das Los hat ihn stets den erprobtesten
Kämpfern gegenübergestellt.' Nur durch mehrere Losungen werden die
Worte verständlich. Denken wir uns, dafs der Wettkämpfer achtzehn waren,
so ergab die erste Losung neun Paare, die zweite aus den neun Siegern
vier Paare und einen Ephedros, die dritte zwei Paare und einen Ephe-
dros, die vierte und letzte ein Paar und einen Ephedros. Nach N. 446
hat Ariston aus Ephesos seinen Sieg selbsiebente im Enaben-Pankration
erlangt, ohne in einem der Gänge Ephedros zu sein (dvd^edpoCf ^caplg
ifpeSpeeag) und hat die Hände niemals in den Schofs gelegt, er kam
stets in eins der Paare (inzä yäp ix ncUSatv naXdfiag ii6vog odx dvd-
Ttttoaa Cs^yvufievog 8' als} ndvrag dneare^dvouv). Die erste Losung er-
gab aus den sieben Jünglingen drei Paare und einen Ephedros, die zweite
8*
11g Oriechische SakralaltertQmer.
aus den drei Siegern und dem Ephedros zwei Paare und die beiden aas
letzteren hervorgehenden Sieger haben um den Kranz gestritten. In
diesem Falle kam die Ephedrie nur einmal vor. Wie oft sie vorkam
und ob sie überhaupt vorkam, hing ab von der Anzahl der Agonisten.
Bem. Mit gutem Grunde hat der Verfasser sich gegen die filteren
Hypothesen erklftrt. Die Ephedrie gewährte dem Agonisten flberliefer-
termafsen einen Vorteil; ohne denselben, als di^i^eSpog^ gesiegt zu haben,
erhöhte die Ehre des Siegers, der die Anephedrie gern einflocht in den
Ruhmestitel welchen die Ephedrie verunziert hätte; Arch. Zeit. XXXIV
S. 223 Nr. 28 ist gewifs nicht [v]cxi^aavTa [dydp](ov 7Ta}'xpd[Tto]v ifeBpoy^
sondern — — nayxpd[Teou d]vs^eSpov zu lesen, wie Dittenberger A. Z.
XXXVI S. 91 treffend vorgeschlagen bat. Wenn der Ephedros mit allen
Paarsiegern nach der Reihe kämpfen mufste (Böckhs Meinung), so war
er nicht im Vorteil, sondern vielmehr sehr benachteiligt. Im entgegen-
gesetzten Sinne falsch ist Krauses Ansicht, bei der der Ephedros 'gar
zu leichtes Spiel gehabt hätte' vgl. Dittenberger A. Z. XXXIV S. 223.
Ohne Zweifel hat der Verlasser die Wahrheit gefunden. Freilich fafst
er sich auch hier etwas kurz; eine Erörterung von Lukian Hermot 40
wäre doch am Platze gewesen.
III. Pentathlon. Einst ward angenommen, der pentathlische
Kranz habe ebenso viele Siege erfordert, als das Pentathlon Leistungen
enthielt. Diese Annahme hat schon Krause zurückgewiesen. Es leidet
keinen Zweifel, dafs fttr die Erlangung des pentathlischen Kranzes drei
Einzelsiege (das dnorpedSac) genügten. 1867 erschien Pinders 'Fflnf-
kampf der Hell.' Nach ihm war die Reihenfolge der fünf Leistungen: &A/ia
dxovxiov dpo/wg deaxo^ ndhj^ und die vorangehende Leistung diente immer
für die folgende als Zulassungsmodus, wer gewissen bescheidenen An-
forderungen genügt hatte im a^ce, ward zum dxoyrtov zugelassen, zum
SpöfjLoc dann die vier besten Akontisten, zum Scexoc die drei besten
Läufer, zur ndXy^ endlich die zwei besten Scheibenwerfer. Im SXfAo^
meinte Pinder, sei man mit einer minimalen Leistung zufrieden ge-
wesen; auch auf die zweite Leistung {dxövTiov) habe man nicht viel 6e*
wicht gelegt, für den Sieg sei sie nicht mitgezählt worden. Die innere
ünwahrscheinlichkeit dieses Systems, bei welchem die ndXi^ ein nnm&lsiges
Oewicht erhält, hat Percy Gardner in treffender Weise beleuchtet. Dem
StaxoQ die dritte Stelle zu geben und nur drei Scheibenwerfer zu sta-
tuieren, ward Pinder veranlafst durch Paus. VI 19. 4 (drei Wurfscheiben
in einem der Thesauren). Aber das Vorhandensein dreier Scheiben
hatte verm. praktische Gründe; die weitest geworfene lieCs man liegen
und holte die weniger weit geworfene zurück, damit nun über dem Zu-
rückholen nicht unnütze Zeit verginge, war die dritte Scheibe da; der
neue Agonist nahm sie und warf, indes die den schlechteren Wurf mar-
kierende zurückgeholt ward. ~- Gardner läfst die Pentathlen zu zwei
und zwei (oder zwei mit Ephedros) kämpfen, danach die Sieger aas den
Elia. 1 1 7
einzelneo Paaren, bis schliersliQh Dur wenige mehr auf dem Plan sind
die um den Endsieg streiten. Das stimmt aber nicht mit Philostratos
Tspl yofiv. 3. So bat sich denn durch Gardner nur die Zahl der fehl-
geschlagenen Versuche gemehrt, daher wir uns anders zu wenden haben
werden. — Wenn jemand im Pentathlon vor Absolvierung der fünf
Kämpfe gesiegt, d. h. drei Einzelsiege erlangt hatte, wurde das Pentath-
lon abgebrochen. Dies geht hervor aus Pind. Nem. VII 70—76. Der
hier gefeierte Sogenes aus Ägina mufs durch einen glücklichen Speer-
wurf, der ihm den dritten Einzelsieg brachte, des Ringens überhoben
gewesen sein. Die fünfte Leistung, eben das Ringen, fiel also in diesem
Falle ans. — In dem Falle des Hieronymos und Tisamenos Paus. III 11,
6 ward der pentathlische Kranz ebenfalls durch drei Einzelsiegc erlangt,
so jedoch, dafs das Ringen nicht ausfiel; nach dem vierten Kampfe hatten
die beiden Agonisten je zwei Einzelsiege gewonnen, so dafs aufser ihnen
niemand mehr Aussicht auf den peutathlischen Kranz hatte; für die
übrigen ward mithin das Pentathlon abgebrochen, blofs Hieronymos
und Tisamenos traten auf den Plan um zu ringen, Hieronymos
warf den Gegner nieder und dieser dritte Einzelsieg sicherte ihm den
Kranz — Hatten nach dem vierten Kampfe zwei je einmal, einer zwei-
mal gesiegt, so war für die, welchen gar kein Sieg zu teil geworden, das
Pentathlon zu Ende, sie schieden aus, die drei aber traten zum Ringen
an; behielt dann derjenige welcher schon vorher zweimal gesiegt, auch
im Ringen die Oberhand, so war das Pentathlon natürlich entschieden,
aus dem Doppelsiegcr war ein Dreimalsieger geworden; siegte aber einer
der beiden anderen, so dafs es nunmehr zwei Doppelsieger gab, so ent-
schied ein neues ndkatffjxa zwischen diesen (und je nach den vorher be-
standenen Kämpfen ward der Kranz entweder für zwei oder für drei
Kampfarten zuerkannt). — Ausscheiden tbat nur dann keiner, wenn nie-
mand, nach der vierten Leistung, mehr als einen Einzelsicg erlangt
hatte ; erwies sich dann im Ringen als den stärkeren einer der schon in
einem der früheren Kämpfe das gleiche Glück gehabt, so fiel ihm durch
zwei Einzelsiege der Ganzsieg zu. Falls aber das Ringen zu Gunsten
eines bisher überall unterlegenen Agonisten endete, so waren fünf Einzel-
sieger da, wie in dem mythischen Pentathlon bei Philostratos, und diese
fünf mufsten wieder paarweise ringen bis schliefslich einer als Sieger
hervorging (seinen Kranz verdankte derselbe je nach den früher bestan-
denen Kämpfen entweder zweien Kampfarten oder nur einer einzigen).
In letzterem Falle war Peleus bei Philostr. a. 0.; er hatte nur als Rin-
ger gesiegt, dafür aber diesen Kampf sowohl in der fünften, ordentlichen
Leistung als auch in dem Scblufs-Certamen bestanden. — Was die Reihen-
folge betrifft, so sind die drei letzten Stücke so zu ordnen: dxdynov
dpofioQ ndXrj, Ob mit äXfia oder otaxoq begonnen ward, läfst sich nicht
entscheiden.
Bern. Sehr richtig entnimmt der Verfasser aus Pind. Nem. VII,
118 OriechiBche Sakralaltertümer.
dafs Sogenes durch einen glücklichen Speerwurf einer weiteren Fort-
Setzung der pentathlischen Kämpfe enthoben worden sei; es kann wohl
herkömmlich gewesen sein, dafs ein dreifacher Einzelsieger, ohne übrigens
dazu verpflichtet zu sein, zurücktrat. Dafs aber auch die übrigen Teil-
nehmer zu kämpfen aufhörten und 'das Pentathlon abgebrochen wurde'
folgt aus Pindar nicht. Wenn keine Aussicht mehr war den Ganzsieg
zu erringen, so liefs sich doch noch ein Einzelsieg erringen und der
Agonist konnte, zu Hause angelangt, wenigstens sagen, er habe in dem
und dem Stücke etwas Hervorragendes geleistet, eine Freude, die der
pentathlische Sieger dem Kameraden gönnte und durch eigenes Zurück-
treten förderte. — Ein Abbruch des Pentathlon nach dem dritten oder
vierten Kampfe empfiehlt sich auch vom sakralen Standpunkte nicht.
Man kämpfte vor dem Angesichte des Zeus, ihm galten die Olympien,
und es war nicht in der Ordnung an dem was sich gebührte, zu kürzen
und statt eines vollständigen Pentathlons einen Bruchteil desselben dar-
zubieten, weil dem Ehrgeize des Ganzsiegers schon durch drei Erfolge
genügt war. — In Fällen wo nach Absolvierung des Pentathlons mehrere
Einzelsieger den gleichen Anspruch hatten bekränzt zu werden, mufste,
meint der Verfasser, noch wieder gekämpft werden. Das ist nicht be-
wiesen. Einen Fall derart gibt Philostr. a. 0., sagt aber von einem nach
Absolvierung der fünf Wettkämpfe begonnenen sechsten nichts. Die fünf
Helden hatten in dem Pentathlon jeder einen Einzelsieg gewonnen, Po-
lens, Sieger im Ringen, war in den übrigen Kampfarten der nächstbeste
gewesen ($v deurepo^). Der Kampfrichter (Jason) rechnete die fünf
Leistungen des Peleus zusammen {$uväi/fae rä ndvre) und die Berück-
sichtigung auch der Nebenleistungen führte dahin, dafs Peleus pentath-
lischer Sieger wurde. Diese Auffassung bekämpft der Verfasser durch
die wenig plausible Behauptung, das von Peleus gesagte $v Seurepog sei
nicht eigentlich zu nehmen und bedeute nur, dafs Peleus den Gegnern
unterlegen sei. — Auch die Langwierigkeit des Fünfkampfes macht die
Zusetzung eines Schlufs-Certamens unwahrscheinlich. — Was der Ver-
fasser über Paus. VI 19, 4 (drei Wurfscheiben) sagt, ist beachtenswert.
— Die Reihenfolge der fünf Leistungen angehend, ist vielleicht Paus. V
7, 10, vgl. VI 14, 10 (Flötenbegleitung zum a^a) heranzuziehen. Mög-
lich dafs die obligate Musik aus einem Anfangssignal entstanden ist.
Verhielt sich das so, so mufs das &^a der ersten Stelle zugewiesen werden.
E. Curtius, Die Altäre von Olympia. Aus den Abb. der Akad.
Berlin 1882. 48 S. 4^, 2 Tafeln.
Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit den bei Pausanias V 14 f.
verzeichneten Altären, 69 an der Zahl, im zweiten wird von der Mantik,
im dritten von der Geschichte des olympischen Kultus gehandelt Aus
den einzelnen Abschnitten sei Folgendes hervorgehoben.
S. 3—14. Die olympischen Altäre hat Pausanias, wie er selbst
Elia. ] ] 9
V 14, § 4 QDd abermals § 10 bemerkt, oicht nach ihrer Ortlichen Folge,
BODdern so verzeichoet, wie sie, elelschem Herkommen gemäfs, einer
nach dem andern benutzt wurden. Sein Verzeichnis ist also eine Art
von Ritualbuch. Da die im Opferbrauch nach einander benutzten, also
ritualisch verbundenen Altäre oft auch örtlich benachbart waren, so
warnt er, wo dies nicht der Fall, sondern ein erheblicher Abstand
zwischen zwei hinter einander genannten Altären vorhanden war, (§ 10,
Themis und Zeus Katäbates), vor topographischen Schlössen, welche die
Leser aus seiner Reihenfolge ziehen könnten. Doch auch ohne diesen
Anlafs fügt er manche topographische Winke hinzu. — Unter den zahl-
reichen Opferstätten Olympias sind die, welche ans Asche bestanden,
die ehrwürdigsten; solcher waren nicht weniger als vier, im Verzeichnisse
des Paus, der 1., 19., 24. und 34. Zwei eigneten dem Zeus (19 und 34),
einer der Hestia im Prjtaneion (1) und einer der Hera Olympia (24).
Merkwürdig sind auch die sechs von Herakles gestifteten Doppelaltäre,
von denen der verstümmelte Text des Paus. § 4 nur unvollkommene
Kunde giebt Nach glaubwürdiger Ergänzung sind die Götterpaare,
denen Paus, sie zuwies, diese: Kronos und Rhea, Zeus Laötas und Po-
seidon Laötas (Aaoira^ viell. 'Volksammler'), Hera Laötis und Laötis
Athena, Artemis und Alpheios, Hermes und Apollon, Dionysos und die
Chariten. Vermutlich hatte jede der zwölf Gottheiten dieses eine Lokal-
färbung (Alpheios) tragenden Cyklus einen gesonderten Altarwürfel, so
dafs zwischen den beiden als Doppelaltar zu betrachtenden Würfeln noch
Raum blieb (vgl. Paus. § 10 a. £., Einschub des Musenaltars). Wenn
die ritualische Abfolge der Altäre stellenweise — und zwar häufig ^
der örtlichen Nähe entspricht, s. o., so vereinigt sie doch auch entlegene
Altäre (N. 32 und 33 des Verzeichnisses: Gäa, Themis, N. 34: Zeus
Katäbates; N. 32 f. westlich von der Altis, N. 34 beim grofsen Brand-
opferaltar des Zeus inmitten der Altis) deren ritualischer Anschlufs
andere, nicht toj>ographische. Gründe haben mufs, s. u. Die Abfolge der
Altäre bleibt uns also im allgemeinen ihren Ursachen nach dunkel, ein
durchgeführtes System ist nicht zu entdecken, obwohl der Umstand, dafs
die Abfolge im Prytaneion (Hestia) beginnt und endigt, auf eine gewisse
Systematik hinzudeuten scheint. — Olympia war einst ohne Tempel, ein
grofser Altarplatz, auf dem sich das gottesdienstliche Gemeindeleben,
nebenher auch das politische Leben (Reste des Herrscherpalastes), he«
wegte. Die Altäre dienten nicht blofs als Opferplätze, sondern es wurden
an ihnen, wie die zahlreichen in den Aschenschichten, z. B. denen des
grofsen Zeusaltars gemachten Funde lehren, auch Weihbilder nieder-
gelegt. Solch eine alte Opfer- und Weihstätte wurde nachgehends um-
baut und überdacht, und damit hatte die Altargottheit einen Tempel.
So entstand der Zeustempel; einen älteren Bau scheint er nicht ersetzt
zu haben, was sich ehedem auf seiner Area befand, waren die Altäre,
deren Pausanias § 4 als innerhalb des Tempels befindlicher erwähnt (§ 4 zu
120 Griechische Sakralaltertamer.
lesen: SetJTdpqt Sk (Buooeev 'HXecoe) nfi VXofimqt dil [Bu]ovTe^ ine r[a>]w
ßwfi[w]v t[(u]v ivToQ 70U vaou) ; der Bauschutt des Tempels hat ihre
Spuren zu Tage gebracht; sie sind also wohl zu scheiden von dem
grofsen Brandopferaltare inmitten der Altis, der mit dem Tempel in
keinerlei Ortlicher oder liturgischer Beziehung stand. Ebenso ist in
älterer Zeit das Heräon auf einem durch Altardienst längst der Hera
geheiligten Platze erbaut worden, die Aschlagen im Süden des Tempels
unter dem Stufenbau lassen das mit Sicherheit erkennen. Der gleiche
Schlufs ist für das Metroon zu ziehen aus den beiden Schichten von
Aschenerde, welche die Unterkante dieses Baus birgt. — S. 14-28.
Mautik. Das älteste Orakel war tellurisch; es befand sich auf dem
Gäos (racoc)t einer in die Erdtiefe hinabgehenden Stätte der eponymen
Göttin, dergleichen es auch anderswo in Hellas gab. Für ein hohes
Alter des olympischen Gäadienstes spricht es auch, dafs der Altar aus
Asche bestand. Pausanias, der Y 14, 10 von dem alten Orakelsitze uod
dem daselbst vorhandenen Aschenaltar der Gäa spricht, reiht ihm den
Opferplatz des Zeus Katäbates au, hinzufügend, dafs dieser Platz bei
dem grofsen Brandopferaltar des Zeus liege und dafs seine Darstellung
nicht der Topographie, sondern der ele'lschen Opferordung folge. Wie
ist es nun zugegangen, dafs in Pausanias Verzeichnis oder vielmehr im
elelschen Ritualbuch zwei einander nicht nahe liegende örtlichkeiten ver-
bunden wurden? Die Lösung des Problems ist diese: Zeus Katäbates
mufs für den Urheber des Erdspalts im Gäos gegolten haben, das Erd-
orakel, umgestaltet in ein Orakel des Zeus, mufs in die Altis nach dem um-
hegten Orte (^pd^fia), wo wir ebenfalls einen Erdspalt vermuten dürfen, ver-
legt worden sein. Dieser alte Zusammenhang der beiden mantischen
Stätten, des Gäos und der beiden Zeusaltäre, trat in der elelschen
Opferordnung hervor, indem immer zuerst Gäas Aschenaltar und nn-
mittelbar danach der des Zeus Katäbates zu bedienen war. Es ist also
die chthonische Mantik zur Weissagung aus den flammenden Zeusopfern
(Pyromantie), die Stätte des grofsen und des ihm benachbarten umzäun-
ten (^pdjrfJLo) Zeusaltars zum Manteion geworden. — Die Hinüberleitung
des Erdorakels in die höhere Sphäre geschah durch Themis, die der
Urprophetin Gäa gegenüber als die jüngere Göttin erscheint. Das neue
im Namen des Zeus am grofsen Altar zu übende Seheramt ward über-
nommen von Prophetengeschlechtern die ihre Befugnis von ApoUon her-
leiteten und im Peloponnes zu hohem Ansehen gelangten, den lamiden
und den ebenfalls dem lamos, nach anderen einem eigenen Ahnherrn
entstammenden Klytiaden. Die Seher aus dem Geschlechte des Apollons-
sohnes lamos nehmen eine hervorragende Stelle ein in dem geistlichen
Konsistorium Olympias, dessen Mitglieder wir jetzt aus Inschriften voll-
ständig kennen, es präsidierte der Theekolos — der Zeuspriester wird
nur als Ehrenposten erwähnt. Der elegische Stadtadel hatte das Privileg
diese klerikalen Ämter zu bekleiden, ihm waren die lamiden und Kly-
Elis. 121
tiaden eiDgeordnet. — Wo wohnten nun und fangierten die Kleriker?
Die Antwort ist im allgemeinen dadurch gegeben, dafs die bezüglichen
Personal Verzeichnisse: BeoxoXot, anov8o<p6poi u. s. w. sich sämtlich im
Westen der Altis gefunden haben. Es giebt hier zwei quadratische Bau-
anlagen, eine kleinere aus guter hellenischer Zeit im Norden der byzan-
tinischen Kirche und eine von der kleineren östlich gelegene, die aus
römischer Zeit herrührt und weiter nichts zu sein scheint als eine ge-
räumigere Wiederholung der hellenischen Bauanlage. Es lassen sich
acht Gemächer erkennen, in der Mitte ein Bruunenhof. Vermutlich sind
dies die Wohnräume der olympischen Geistlichkeit gewesen. Das gröfsere
Quadrat wird teilweise von einer Wasserleitung umzogen und mag ehe-
dem zu der Priesterwohnuug (dem kleineren Hause aus hellenischer Zeit)
als Garten gehört haben. Die byzantinische Kirche, ein antikes Gebäude,
welches man später für christlichen Gottesdienst benutzte, wird der
Theekoleon, Paus. V 15, 8, sein; das Konsistorium der olympischen
Geistlichkeit hielt da seine Sitzungen, auch seine Schmause (Saal von
100 Fufs Tiefe, zwei Säulenreihen). Ebenfalls nördlich von der Kirche
und westlich von dem kleineren der beiden quadratischen Gebäude, von
diesen jedoch durch eine schmale Gasse getrennt, findet sich ein Bau,
bestehend aus drei Gemächern, deren eins quadratisch angelegt, aber
durch eingesetzte Porusquadern in einen kreisförmigen Raum umgewan*
delt ist. Am inneren Rande der Südseite ist ein Altar, dessen Aufschrift
seine Bestimmung für Heroendienst erweist, eine vierseitige Eschara
aus Erde; die drei sichtbaren Seiten des Altars bekleidet Kalkputz,
unten sieht man Reste von Asche und Kohlen. Es lassen sich etwa
zwölf Putzschichten unterscheiden, von Zeit zu Zeit hat man den Altar
neu überzogen mit weifser Tünche. Die Mehrzahl der Putzschichten
zeigt Malerei, meist Blattschmuck (die vierte Schicht auch eine weit ge-
öffnete Rose); über der Malerei Messt man: T^patog {^patop)^ auf der
neunten Schicht Pluralis: fipafiov. Der Heros wird lamos sein, die Mehr-
heit mag siob auf lamos und Klytios beziehen. Der den Altar ein-
schliefsende Steinring ist vermutlich der Gäos, jener Ursitz olympischer
Mautik im Dienste der Erdgottheit. Westlich von dem Heroon ist eine
Eingangshalle, wo sich die Orakel Begehrenden melden konnten. In dem
südlichen Vorbau, der eine Opferstätte gehabt zu haben scheint, ist viel-
leicht das Heiligtum der Themis zu erkennen , die ja bei dem Erdspalt
des Gäos ihren Altar hatte. Hier lagen also die Lokalitäten wo die
Sehergeschlechter fungierten, ein Ergebnis, welchem auch die im Norden
der Kirche aufgefundeneu Basen von Statuen geistlicher Würdenträger
günstig sind. — Pausanias erwähnt den Heroenaltar so wenig wie den
des Pelops. Von den bei ihm aufgezählten Altären können wir, aufser
dem des Herakles beim sikyonischen Schatzhause, dem des Zeus und dem
der Hera, vielleicht noch den Nymphenaltar am Opisthodom des Zeus-
Tempels nachweisen, dazu den des Zeus Horkios im Buleuterion. End-
122 Oriechische Sakralaltertflmer.
lieh ist bei den AufgrabuDgeD eine bei Paus. Dicht genannte Altarstelle
neben dem östlichen Eingang der Palästra angetroffen worden; es mögen
daselbst die zur Teilnahme sich Meldenden auf die Gesetze des Gym-
nasiums verpflichtet sein. — S. 28—38. Zur Geschichte des Kultus.
Von den Ereignissen die den Historiker vorzugsweise beschäftigen, ist
die Pisatis weniger als andere Landschaften berührt worden; innere
Wirren konnten zu Olympia nicht entstehen, da eine Yolksgemeinde
nicht vorhanden, der Ort nur vorübergehend, zur Zeit der Panegyris,
stark besucht und belebt war; in der Zwischenzeit der Hochfeste blieben
dort nur Priester mit ihren Dienern um in einförmigem Kreislauf Tag
für Tag ihres Amtes zu warten an den Altären. So hat denn der Kul-
tus sich ruhig entwickeln und in grofser Reinheit erhalten können. —
Den Urbewohnern, die auf sich selbst gewiesen nur ihre Quellen und
Flüsse verehren mochten, kam zunächst durch seefahrende Semiten der
Eronosdienst zu. Auch andere Seevölker wirkten ein, die Göttermutter
z. Beisp. ist kretischen, die Eudymionsage karischen Ursprungs. Ein
starker Verkehr mit dem Morgenlande, dem die vorhellenischen Gottes-
dienste entstammen, wird jetzt bezeugt durch die in den Tiefen der
Altis gemachten Funde assyrischen Charakters, welche offenbar durch
phönikische Küstenfahrer nach Eiis gebracht worden sind. Manche der
hervorgezogenen Votivgegenstände weisen auf Kypros, einige auf Karien
(Doppelaxt), hin. — Als hierauf eine einheimische Geschichte begann,
ward die von Haus aus kretische Göttermutter am Fufse des Kronion
als Hera eine amphiktyonische Göttin, der die Umlande einen Peplos
woben und feierlich darbrachten. Der acht Jahre nach Oxylos durch
die Skillusier erfolgte Bau des Heratempels hatte vermutlich den Zweck
die Arophiktyoneu enger zu verbinden, gegenüber den von Norden vor-
dringenden Fremdlingen. Was Orakel angeht, so begnügte man sich
mit dem tellurischen. — Mit den Atolern zogen Achäer ein ; jene mochten
ihren Artemisdienst ins Land bringen, bedeutender war der Einflufs der
Achäer, die das Pelopion gegründet haben müssen, dazu den grofsen
Brandopferaltar des Zeus, auf welchen nunmehr von der alten Landes-
göttin Hera die Herrschaft überging. Die Achäer werden auch das
pisäische Zeusfest, (später) Olympien genannt, eingerichtet haben, indem
sie das bisher für die Heräen benutzte Stadion, neu vermessen, in den
Dienst des Zeus übergehen liefsen. Die achäischen Einrichtungen wurden
übernommen von den eleischen Adelsgeschlechtern, welche mit den Heri-
kliden und dem Doriertum verbunden sind. Vertreter dieser letzten
unter dorischem Einflüsse stehenden Entwickelungsstufe ist Herakles
Amphitryons Sohn, der nun in die Geschichte der pisäischen Gottes-
dienste eintritt und Pisas Zeusfest zur peloponnesischen Panegyris erhebt
Anlehnung an das Doriertum bezeugen die dorischen Hymnen im Ritas.
Vielleicht sind erst jetzt jene Bergnamen des Nordens von wo Herakle«
den Ölbaum brachte, Olympos und Ossa, auf die Höhen von Pisa Obe^
Eli8. 123
tragen Qod damit die Derivata 'OXufxma {'OXufima u. a.) in Gebrauch ge-
kommen. Auf die nordische Dorierheimat weist auch der Zwölfgötter-
cyklus hin, den Herakles, mit eigentümlicher Anlehnung an das in der
neuen Heimat Vorhandene (Alpheios neben Artemis), zu Olympia ge-
stiftet hat — Während die Agonistik den mannichfaltigsten Neuerungen
unterlag, sind die gottesdienstlichen Satzungen unverändert geblieben;
an dem, was einmal herkömmlich, ward festgehalten. Die zahllosen Vo*
tivbilder wiederholen immer dieselben kunstlosen Formen; von der vor*
geschichtlichen Zeit an sind und bleiben die Altäre Fundament des Kul-
tus, neben ihnen erscheinen die Tempel als Luxusbauten, die sich ent-
behren liefsen; dem in fernster Vergangenheit importierten Kronos wird
nach wie vor auch in den historischen Jahrhunderten sein Frühlings-
opfer von den Basilen dargebracht. — Nebenher verdient bemerkt zu
werden, dafs zu Olympia nicht wie anderswo der religiöse Partikularis-
mus zur Herrschaft gekommen ist; die jungen wie die älteren Götter
waren gleichberechtigt. Diesen besonders in den sechs Doppelaltären
sich zeigenden amphiktyonischen Charakter sorgfältig zu pflegen, lag
im Interesse der Eleer.
Bem. Was S. 9 ff. über die Altäre als die ältesten und eigent^
liehen KuHusstätten und die erst später hinzugekommenen Tempel aus-
geführt ist, wird jeden überzeugen. —'Dafs der elelschen Opferordnung zu-
folge immer erst am Altar der Gäa und dann an dem des Katäbates geopfert
wurde' S. 16, verlangt Erklärung. Zunächst wird man an den Kalender
denken, also, da Zeus Katäbates ohne Zweifel ein mantischer Gott, der
Gäos eine mantische örtlichkeit gewesen ist, zu fragen haben, ob sich
die ritualische Verbindung der Gäa und Themis einerseits und des Zeus
andererseits nicht durch einen diesen Gottheiten gemeinsamen Monats-
tag der Weissagung, etwa die Hebdome, erklären lasse, wie zu Delphi
die Weissagung alter Zeit sogar auf einen Tag eines bestimmten Mo-
nats, den 7. Bysios, beschränkt war. Aber für einen olympischen Weis-
sagetag fehlen Beweise, und einer kalendarischen Vereinigung sämt-
licher Altardienste, z. Beisp. an der Numenie, s. unten S. 129, ist der Um-
stand günstig, dafs die Verrichtungen mit der Hestia im Prytaneion an-
fingen und aufhörten. (Es mochte dies darauf beruhen, dafs der Opferer
dem Prytaneion Feuer und was sonst erforderlich, entnahm, damit gleich
die übrigen Altäre bediente und schliefslich die Zttndbüchse bei der
Hestia wiederum ablieferte.) Es ist also vielleicht besser keinen beson-
dern Weissagetag in den Monaten des pisäischen Kalenders anzunehmen.
Der Verfasser wendet sich denn auch ganz anders, er versucht, den topo-
graphischen Sprung in den Altardiensten, Paus. V 14, 10, aus der Ge-
schichte des Gottesdienstes zu erklären; das Orakel des Zeus inmitten
der Altis ist ihm ein Absenker, eine Art von Filial des Gäos, und. diese
alte Beziehung der beiden mantischen Stätten hat es veranlafst, dafs
immer erst an der älteren, unmittelbar danach an der jüngeren zu opfern
124 Griechische SakrtiAltertflmer.
war. Dafs aber Zeus mit Poseidons Amte betraut und als Urheber
des Gäos und des Stomiou augesehen ward, dafs auch im Pfaragma sich
solch eine geheimnisvolle Tiefe befand, deren Entstehung dem Zeus zu-
geschrieben ward, ist nicht bewiesen. Des Himmelsgottes Orakeistfttte
kann nicht Filial eines Erdorakels gewesen sein, noch weniger hat man
das Orakel des Himmelsgottes inmitten der Altis als ein von anders-
woher dahin verlegtes Erdorakel ansehen können. Wir müssen uns f&r
das Zeusorakel und seine Entstehung an das Klima Westgriechenlands
halten und die mantische Gäa und den Erdmuud völlig bei Seite lassen.
Donner und Blitz haben den Bewohnern von Elis, wo es häufiger und
stärker wettert als in Attika, gewifs allezeit für wichtig und bedeutsam
gegolten; noch heutzutage sehen die eleischen Bauern nach den Blitzen,
von welcher Seite sie kommen, um danach die Feldarbeit fortzusetzen
oder einzustellen; s. Jahreszeiten S. 84. Diese sehr simple Prognostik
hat sich zur Mantik gesteigert. Ich glaube alsot wir müssen auf die
historische Erklärung des Verfassers, so interessant sie ist, verzichten.
Will man nicht einen besonderen, jenen drei Gottheiten gehörenden
Opfertag annehmen, so sage man, dafs es bei den Orakelfragern üblich
gewesen erst der Gäa und Tbemis ein geringes Yoropfer darzubringen
und dann dem Hauptorakelgott zu nahen und dafs dieser Observanz auch
bei den Monatsverrichtungen Rechnung getragen sei. — In dem den
Heroenaltar einschliefsenden Steinringe beim Kladeos sieht der Verfasser
den alten Gäos, S. 25. Dieser Vermutung dürfte die Bodenformation
der Flufsufer (r^ iXwdeCy Paus. V 11, 10) nicht günstig sein; für den
Gäos und den mantischen Erdspalt {arufxeov) erwartet man Felsgeklüft,
Vgl. unten S. 129. — Die Weglassung des Pelopsaltars in Pausanias Ver-
zeichnis wird S. 26 so erklärt, dafs das dem Pelops gebührende Jahres-
opfer eines schwarzen Widders von den Beamten dargebracht sei; Pausa-
nias Verzeichnis umfasse aber nur die von den Priestern bedienten
Altäre. Hier war auf den Kalender Rücksicht zu nehmen. Ist nämlich
dem Pelops nicht öfter als jähriich geopfert worden — und darauf
scheint Paus. V 13, 2 Buoofft 8k auroj (r<p üikom) xai vuv in oi xarä
irog räc dp^äg ej^ovreg zu führen, so erklärt sich die Weglassung des
Pelopsaltars daraus, dafs 14, 4—16, 10 nur von allmonatlich benutzten
Altären die Rede ist. — Was S. 30 von der Göttin des Metroons am
Fufse des kronischen Hügels, der /ir/rr^p Bewv, gesagt wird, sie sei *als
Hera' Vorsteherin der Ampbiktyonie geworden, weifs ich nicht hinzu*
bringen. Sollte der Verfasser ernstlich meinen, dafs Hera eine jüngere
Formation der Göttermutter gewesen ist und dafs die Kopie Selbständig-
keit erlangt hat neben dem fortexistierenden Urbilde? — Beiiallswürdig
ist die Annahme, dafs es Hera war, um welche sich die zu eigener Ent-
wickelung gelangenden Gebietsteile zuerst amphiktyonisch vereinigten,
Zeus hohes Ansehen dagegen einer jüngeren Zeit angehört. — Auch
dem was 8. 31 aufgestellt wird, dafs die Einrichtungen des Zeuskults
EliB. 1 25
(Olympien) achäischen Ursprungs seien and dafs die elelschen Geschlechter
sie einfach übernommen haben, möchte ich beitreten. Die Kenntnis der
Oktaäteris, auf der die 49 und 50 monatigen Intervalle der Zeusfeste be-
ruhen, kann den Achäem viel eher als den rohen Ätolern beigelegt
werden, und wer die oktagterische Zeitrechnung schon der Wanderzeit
beilegte wegen der penteterischen Herften, dürfte in eine allzu ferne Ver-
gangenheit hinaufgreifen. — Das zähe Festhalten an den alten Her-
kömmlichkeiten, ist S. 32 f. trefflich ins Licht gesetzt. — Überhaupt ist
die Abhandlung sehr schätzbar, niemand wird sie ohne Dank aus der
Hand legen.
Ludwig Weniger über das Kollegium der sechszehn Frauen und
den Dionysosdienst in Elia. Weimar 1883. Programm des Gymnasiums.
24 S. 40.
Mitteilungen aus dem Inhalt. L Die Eleer haben dem Dionysos,
dem milden (Dion. Lysios) wie dem tobenden (dem Dion. thrakischen Ur-
sprungs) eine besonders eifrige Verehrung gewidmet (Paus. VI 26, 1),
jenem in dem am Markte der Stadt Elis belegenen Theater, diesem in
einer acht Stadien vor der Stadt anzutreffenden Kapelle (ocxT^/xa). Dem
milden Dionysos ist also unter freiem Uimmel gedient worden; das
Theater bot seine Thymele als Altar und solcher Altardienst wird an
dieser Stätte schon lange vor dem Theaterbau, der wohl ins IV. Jahr-
hundert V. Chr. zu setzen ist, stattgefunden haben. An dem tempel-
losen Opferbrauch der Stadt sind später wenigstens auch die sechzehn
Frauen beteiligt gewesen. Die Geremonien des orgiastischen Dionysos
dagegen waren ein Geheimdienst, sie vollzogen sich daher in jener ab-
seits der Stadt, wohl im Demos Orthia, erbauten Kapelle. Von den
Ceremonien sind uns genauer bekannt die Thyia, vermutlich begangen
im Monat Thyios. Mit diesen Herkömmlichkeiten war die Thätig-
keit der Sechzehn von alters her verbunden. Das Thyienfest mufs
sich auch auf die Heroine Physkoa, Dionysos Geliebte und Mit-
stifterin seines Dienstes in Elis bezogen, haben. Zu Elis gab es auch
einen Silenstempel; dem vielleicht hier begrabenen Silen mochten Heroön-
bräuche ausgerichtet werden. — In der Pisatis dagegen, so weinreich sie
ist, finden sich nur vereinzelte Spuren einer Verehrung des Dionysos.
Ehedem wird das anders gewesen und der Weingott auch zu Pisa leb-
haft gefeiert worden sein; andere Kulte mögen seinen Dienst im Ver-
laufe überholt und zurückgedrängt haben. — IL Die Sechzehn, welche
alle vier Jahr der Hera ein Gewand zu weben und die von Hippodameia,
zum Dank für ihre Heirat mit Pelops, gestifteten Heräen, einen Mädchen-
wettlauf im olympischen Stadion, zu leiten hatten, sind offenbar identisch
mit den 'sechzehn heiligen Frauen des Dionysosdienstes' Plutarch de
mulier. virt. Tom. II p. 209 Tauchn. Nach Paus. V 16', 6 stellten die
sechzehn Frauen zwei Reigen, den der Physkoa und den der Hippo-
dameia. Letzterer mufs im Dienste der Hera gestellt worden sein, und
126 Griechische Sakralalt ertOmer.
da Phjskoa und ihr Sohn den Dienst des Dionysos in Elis gestiftet haben,
80 kann die Stellung des nach ihm benannten Reigens nur für einen
Akt des Dionysosdienstes gehalten werden. Die merkwürdigste aber
unter den dionysischen Verrichtungen die den Sechzehn oblagen, ist die,
dafs sie den stiergestalteten Gott und die Chariten durch ein beiliges
Lied: iX&eTv^ ^pw deovuffe xrk. herbeiriefen. Wenn Plntarch diese Ver-
richtung den 'Frauen der Eleer\ also nicht ausdrücklich den sechzehn
Frauen, beilegt, so wird er mit cd ^HXeewv yvvcuxeg doch gewifs die
Sechzehn meinen. Es bezieht sich die Herbeirufung des Gottes ohne
Zweifel auf ein elelsches Epiphanienfest. Die Anrede f^oi, weil der
Gott starb; man rief den Gestorbenen, dafs er aus dem Hades empor-
steige, und rief nicht vergeblich; Dionysos kam herauf aus seinem Grabe
und war wieder unter den Menschen, es vollzog sich eben die Epiphanie.
Die Stiergestalt deutet auf wilde Unbändigkeit und das stürmische
Wesen welches dem Mänadentum eignet. Neben dem Stiergotte selbst
nennt das Ruflied die Huldgöttinnen {iXBch — — auv Xaptreaaiv) so
dem tierischen Ungestüm eine gewisse Schranke setzend; Dionysos soll
kommen als Bringer erfreulicher edler Geselligkeit. Der Name des Er-
scheinungsfestes und die Bräuche ergeben sich besonders aus Paus. VI 26, 1 :
nach der Eleer Glauben kommt der Gott zu ihnen am Feste der Thyien,
welches sie in der Kapelle acht Stadien vor der Stadt Elis begehen ; die
Priester stellen drei leere Kessel hinein, die Pforten der Kapelle werden
geschlossen und Siegel angelegt; anderen Tages entsiegelt man die Ka-
pelle und nachts hat sich das Wunder vollzogen — die Kessel sind
mit Wein gefüllt. Was hier überliefert ist, kOnnen wir bakchische Nyk-
telien nennen und nächtliche Reigen der Sechzehn, die fackelschwingend
von der Stadt nach der Kapelle zogen, voraussetzen. Bei der Kapelle
angelangt, müssen die sechzehn elelschen Thyiaden — 'Thyiaden' nämlich
können wir sie mit Recht nennen — ihr iX^eTv ^pw JeSvuffe angestimmt
haben. Bei dem mit reichlichem Weingenufs verbundenen Opfermahl
mag auch ein gewisses Opferbrot, welches die Eleer ßdxj^uXo^ Athen.
HI p. 1 1 1 E nannten, Verwendung gefunden haben. — Der Monat Thyios
entsprach vermutlich dem att. Mämakterion (November und Dezember);
das Thyienfest ist also begangen worden um Wintersanfang. — III. Da
die Sechzehn zwei Chöre bildeten, einen dionysischen, den der Physkoa,
der der Stadt Elis und ihren Umlanden, und einen heräischen, den der
Hippodameia, der dem Alpheiosthal (Pisatis) entsprach, so haben wir
ein Doppelkollegium vor uns, welches in Hälften zu je acht Mitgliedern
zerfiel; es wird zwei Oberinnen gehabt haben, so wie es längere Zeit
zwei Hellanodiken gab. Bei der praktischen Ausführung der Tanzreigen
konnte die Zweiteilung zur Geltung kommen. Auch für die Zusammen-
setzung des Kollegiums mochte sie mafsgebend sein (der Verfasser scheint
anzunehmen, dafs die Sechzehn sich aus acht Eleerinnen und ebenso
vielen Pisatinnen zusammensetzten). Dennoch erscheint die Genossen-
Elia. 1 27
Schaft überall wo sie erwähnt wird, ungeteilt, mag es sich nm dionysische
oder am heräische Verrichtungen bandeln. Auf eine gemeinsame Wirk-
samkeit sämtlicher 16 Kollegiatinnen führt auch die Überlieferung, dafs
aus den 16 Städten des ganzen Landes — vermutlich acht elelschen
und acht pisatischen — je eine gewählt worden sei, als es sich darum
gehandelt habe die beiden Landesteile mit einander auszusöhnen, und dafs
die Aussöhnung durch die erwählten 16 Matronen auch zu Stande ge-
kommen sei. Nach erfolgter Aussöhnung mufs ihre Wirksamkeit eine
gemeinsame gewesen sein. — Physkoa, die erste elelsche Thyiade, hängt
mit den ältesten Erinnerungen der Ätoler und Lokrer zusammen, woraus
zu ersehen, dafs der dem Thrakergott geltende Frauendienst in fernster
Vorzeit entstanden ist. Die Hippodameia unserer Tradition ist jünger,
aber man kann einen Kern herausschälen der bakchisch und sehr alt ist.
Hippodameias Vater ist der Weinmann (Otvö/iaog). Sie ist Führerin
des nach ihr benannten bakchischen Chors — ein bakchischer Chor ist
veredeltes Nachbild des Mänadentums und dieses selbst wieder bildlicher
Ausdruck eines atmosphärischen Vorgangs, der Winde und Stürme. Auch
den von Hippodameia gestifteten Mädchenwettlauf können wir heran-
ziehen. Danach läfst sich sagen, dafs sie etwas Bewegtes, Stürmisches,
Thyiadenartiges in ihrem Wesen habe und dafs sie ursprünglich Thyiado
gewesen sei. Ehedem haben, wie es scheint, Thyiaden in beiden Land-
schaften, in Niederelis wie in der Pisatis, dem Weiugott geschwärmt;
als man dann Dienerinnen der Hera brauchte, wurden die priesterlichen
Frauen des pisatischen Bakchos auch für den Dienst der Hera verwen-
det, man that, um den Hader der Landschaften auszugleichen, die elelsche
Frauengenossenschaft mit der pisatischen zusammen und überwies dem
so entstandenen Kollegium der Sechzehn, neben dem fortbestehenden
Backchosdienst, zugleich den Dienst der olympischen Hera. — Wenn
Pausanias V 16, 6 von noch 'anderen Ehren' spricht, die der Physkoa
aufser dem nach ihr benannten Chor zu teil wurden , so mag er Todten-
dienst im Auge haben. Nehme man also an, dafs Physkoa in ihrem
Heimatsort (Demos Orthia), etwa in der Dionysoskapelle, ihr Grab hatte,
aus diesem mochte sie am Thyienfeste durch die Sechzehn heraufcitiert
werden. — IV. Dafs der Genossenschaft auch dionysischer Altardienst
oblag, läfst die Erzählung bei Plutarch a. u. erkennen: zu Gunsten et-
licher von dem Tyrannen Aristotimos mifshandelter Frauen und Kinder
solcher die vor ihm aus Elis entflohen waren, traten die Sechzehn bittend
ein, Zweige und Bänder die sie von denen des Gottes (Dionysos) ge-
nommen, in den Händen ; der Tyrann liefs sie fortjagen und legte einer
jeden der Matronen eine Bufse von zwei Talenten auf. Der Vorfall er-
eignete sich zu Elis in der Nähe des Marktes, wo das Heiligtum des
Dionysos, das Theater mit dem Altar, lag. Der Altar wird mit Zweigen
und Bändern behangen gewesen sein, und dieses Schmuckes bedienten sich
die Sechzehn, wozu sie vermutlich als Altarpriesterinnen des Dionysos das
128 Orieebisehe Sakralaltertlimer.
Recht hatten. Der städtische Altardienst mufs den Sechzehn anch dämm zu-
gewiesen werden, weil sie den dionysischen Chor der Phjskoa zu stellen
hatten. — Die Reinigung mit Ferkelblut und Wasser, welche allem, was
den Sechzehn oblag, vorangehen mufste, Pausanias V 16, 5, hatte ver-
mutlich ihren Grund in dem Heroendienst der sie an heilige Or&ber
rief. Jede Berührung mit dem Tode ist eine Besudelung die ceremoniös
beseitigt werden mufs. — Die Sechzehn hatten vermutlich priesterliche
Tracht und führten bei den entsprechenden Anlassen des Gottesdienstes
Thyrsos und Fackel. — Obwohl der delphischen Schwesterschaft (Tbyia-
den) nahe verwandt, unterschieden sie sich doch von derselben insofern
als sie, um die Orgien zu feiern, nicht ins Gebirge zogen.
Bem. Der Verfasser spricht so, als wären die Sechzehn Mit-
glieder der Chöre gewesen und als könnte man jeden der beiden Chöre
zu acht Mitgliedern rechnen. Aber Pausanias V 16, 6 sagt, dafs sie die
Chöre stellten, al Sk ixxaeSexa yviKuxeq xal j^opoog Suo Urräat^ d. h. auf-
stellten. Über das aufgestellte Personal ist damit nichts ausgesagt In
der Regel sind wohl die Aufstellenden von den Aufgestellten ganz ver-
schieden, wie es Herod. III 48 von der samischen Behörde heifst, dafs
sie Chöre von Jungfrauen und Jünglingen aufstellte, {oe Hdpuot) Zrcaaay
^opouQ TtapBdvwv Te xal ^eßewv. Bei Aristoph. Av. 221 f. {^oTßoc)
Bewv tan^ae ^opoug liefse sich allerdings vielleicht Phöbos als Führer
des Götterreigens denken, und man könnte fragen, ob nicht wenigstens
die Rollen der Physkoa und Hippodameia von den Sechszehn aus ihrem
eigenen Mittel besetzt worden seien. Allein auch dieser beschränkten
Mitwirkung steht das Lebensalter der Sechzehn entgegen. Um rührende
Bitten vorzutragen waren die Matronen, geschmückt mit dem Schmuck
ihres Altars, s. vorhin, ganz an ihrer Stelle - xal jap te Jctoc elat
Jebg xoupat /leydXoto j[cjXai re j^ffae re - aber die schöne Braut des
Bakchos kann nicht von einer Matrone dargestellt worden sein, ebenso
wenig die vielbegehrte Plejadentochter. Wie also die Sechzehn bei dem
Wettlauf ihrer Geschlechtsgenossinnen nicht selber mitliefen, wohl aber
denselben ordneten und leiteten, so werden sie auch die beiden Tanz-
reigen blofs geordnet und geleitet, nicht selber mitgetanzt haben. Hier-
nach sind denn manche der Aufstellungen des Verfassers abzulehnen. —
Wer vollständig ausgegohrenen Wein voraussetzt, wird den Thyios dem
att. Anthesterion (Chron. 348) gleichen müssen. Aber die vom Verfasser
vorgeschlagene (einst auch von mir, Delphika 263, I, vertretene) Glei-
chung dürfte doch richtiger sein. In Elis ging es im allgemeinen etwas
primitiv her, man wartete wohl die Nachgährung nicht ab und genofs
den noch trüben Wein, feierte also das Tbyienfest im Mämakterion oder
im Poseideon. Damit ist es nahe gelegt zu fragen, ob der brumale An-
fangsmoment der Eleer, augeblich Tbosythias gebeifsen, etwa Diostbyios
und Thjios hiefs; da Dionysos Hauptgottheit der Eleer war. Paus. VI 26, 1,
so pafst sein Fest gut in den Aufangsmonat. — Wenn der Bakchos-
£118. 129
dienst in das ätolische und lokrische Altertum hinaufgereicht hat, so
folgt daraus nichts far Elis; nach Elis kam er erst durch die aus jenen
nördlichen Landschaften Einwandernden. — Eine ursprttnglich bakchische
Hippodameia ist ebensowenig annehmbar wie die HOlfshypothese, der zu-
folge den bakchischen Chören das Mänadentum zu Grunde liegt und auch
dieses wieder nur eine das wahre Gesicht ?erhüllende Maske ist, die
wir laften mttssen um endlich die eigentliche Grundbedeutung (Stürme)
zu finden. — Berührung dessen» was tot ist, ?erunreinigt allerdings, und
nach der Berührung ist eine Reinigung nötig. Paus. V 16, 6 aber spricht
nicht von nachgehends geübten Reiniguugsceremonien, sondern von solchen
die jeder sakralen Handlung der Sechzehn vorangehen mulsten. — un-
geachtet dieser Ausstellungen und anderer die sich noch machen liefsen,
hat die Abhandlung Wert; sie ist anregend und auch lehrreich. Mir wenig-
stens war sie es.
Ludwig Weniger, Der Gottesdienst in Olympia. Berlin 1884.
33 Seiten. (Wissensch. Vorträge herausgeg. von R. Virchow und Fr.
von Holtzendorff, XIX. Serie Heft 443).
S. 12 verweilt der Verfasser bei dem grofsen Aschenaltar, der sich
dem Zeus erhob auf einem ovalen Ringe von Steinen, wie Feld und Flur
deren darbieten. Er vergleicht Mose U 20, 26 'und so du mir einen
steinernen Altar willst machen, sollst du ihn nicht von gehauenen Steinen
bauen; denn wo du mit deinem Messer darüber fährst, so wirst du ihn
entweihen'. (Der mit Kalk übertünchte Altar mit der Aufechrift ^pwo^
erinnert an Mose V 27, 4 und 8). — S. 18 wird vermutet, der Monats-
dienst an den 69 Altären habe sich nicht kalendarisch verteilt, sondern
sämtliche Altäre seien hinter einander bedient worden an einem be-
stimmten Monatstage, dem l. oder dem 7. oder dem 14. — E. Gurtius
Hypothese, der zufolge die Au&chrift des in dem Rundbau gefundenen
Heroenaltars den Ahnherrn der olympischen Sehergeschlechter angeht,
jener Rundbau für den Gäos zu halten und daselbst das aröficov zu
suchen ist, findet der Verfasser S. 28 'sehr bestechend'; doch sei sie
nicht erwiesen; es habe mehr für sich das Gäaheiligtum innerhalb
der Altis und näher am Kronion anzunehmen. — Einer Besprechung
des oktaöterischen Kalenders S. 29 lehnt sich die Hypothese an, dafs
'die alten Olympien des Zeus und der Hera ach^ährig gefeiert^ worden
sind als ein den neuen Zeitkrets einleitendes Schaltfest zum Behuf der
Entsündigung. — S. 30 wird von den Kalendermonaten gehandelt. Das
elelsch-olympische Jahr beginnt dem Verfasser mit dem Neumond zu-
nächst (und zwar wohl zunächst nach) der Sommerwende; den Namen
des 1. Monats wisse man nicht, der 2., ApoUonios, habe dem August,
der 3., Parthenios, dem September, der 9., vermutlich Thyios, dem No-
vember entsprochen. Die penteterischen Heräen seien dem Parthenios
zuzuweisen und eben dem Jahre welches bald im ApoUonios bald im
Jahresbericht für AlterthumtwisswuchAft. LXXX. Bd. (1891. m.) 9
l
130 Griechische Sakralaltertfliner.
Partheoios die Olympien brachte. (Yielleicht war des Verfassers Mei-
ooog die, dafs, wenn die OlympieD in den Apollonios fielen, derselbe Mo-
nat ffir die Heräen diente. Doch spricht er nnr von Herften im Par-
thenios).
Bern. Ich beschränke mich auf ein blofses Referat. Der Ver-
fasser geht wenig ein anf die Grttnde welche ihn zn seinen Ansich>
ten fahrten, and es ist weitl&aftig, auch, mifslich , Ansichten zu erörtern
denen der welcher sie vertritt, eine BegrOndung nicht hinzugefbgt bat.
Übrigens verweise ich auf die anderen Partien dieser Berichterstattung,
in denen einige der vom Verfasser bertkhrten und in obiges Exzerpt auf-
genommenen Punkte erwogen werden.
Friederic. Mie, Quaestiones agonisticae imprimis ad Olympia per-
tinentes. Rostock 1888. 61 S. 8®. Inauguraldiss.
Übersicht des Inhalts. Kap. I. Nach Pausanias hat die Lei-
tung der olympischen Spiele stets den Eleem obgelegen, ausgenommen
nur die Olympiaden 8, 34 und 104, welche von den Pisftern und Ar-
kadern geleitet wurden und daher Aoolympiaden hiefsen. Strabo und
S. Julius AfricanuB dagegen wissen nichts von Anolympiaden ; sie Ober-
liefern, dafs die Vorstandschaft viele Jahre hindurch den Pisftern zu-
gestanden habe. Im wesentlichen sind die letztgenannten Autoren
einig, weichen jedoch insofern von einander ab, als nach Strabo die
Pisfter von OL 27 an bis zum Untergange ihres Gemeinwesens, d. h. ver-
mutlich bis zur Zeit des Tempelbaues Ol. 81, den Spielen vorstanden,
nach Africanus aber ihre Vorstandschaft sich von Ol. 28 bis 62, Ol. 29
ausgenommen, behauptet hat. — Pausanias ist ein unzuverlässiger Skribent,
wir müssen dem Strabo und Africanus folgen, um so mehr, als jeder der
beiden aus einer besonderen Quelle geschöpft zu haben scheint. Was
Pausanias meldet, wird einem elelschen Schriftsteller nachgeschrieben
sein, der das lange Zeit obwaltende Übergewicht der Pisäer nicht Worts
haben wollte. — Das Ende der pisftischen Vorstandschaft ist mit Afri-
canus auf Ol. 52 zu setzen. Pyrrhos, seines Bruders Damophon (am
Ol. 48) Nachfolger zu Pisa, überzog die Eleer mit Krieg, unterlag aber,
und damals müssen die Pisfter ihre Vorstandschaft bei den Olympien
verloren haben. Von Strabo, der das Ende derselben um OK 81 ange-
nommen zu haben scheint, ist also abzusehen. — Auch was den Anfang
der Vorstandschaft, nach Strabo Ol. 27, anbetriflft, dürfte die Über-
lieferung des Africanus den Vorzug verdienen, mithin Folgendes anzu-
nehmen sein: Ol. 28 ist Elis im Kriege mit Djrme; das benutzen die
Pisfter und reifsen die Leitung der Spiele von Ol. 28 an sieh; freilich
wird ihnen der Raub wieder abgejagt, in der 29. Olympiade sind nicht
sie die Leitenden; aber bald darauf gewinnen sie ihre Unabhängigkeit
wieder und leiten von Ol. 30 an die auf ihrem Boden begangenen Olym-
pien bis Ol. 62. — Wenn Africanus für OL 87 und 62 elelsche Sieger,
Elia. 131
pisäische aber fttr keine der Olympiadeii 30—62 ttberliefert, so ist da-
mit die von Ol. 80—52 danemde Leitung der Pisäer vereinbar. Sieger
ans Pisa nämlich nennt Africanus ttberhaupt nicht. Yermntlich sind die
Sieger von Ol. 87 und 62 nnr nominell Eleer, in Wahrheit Pisäer ; so hat
Africanns den Hypenos, Sieger von Ol. 14, einen Eieer genannt, obwohl
derselbe ans Pisa war nach Paus. V 8, 6. — Die den Eleern geltende
Rhetra d fpdrpa rocg faAeioiQ (Fr. Blafs, Dial. Inschr. N. 1152) kann
nicht vor die pisäische Zeit (vor Ol. 80) gesetzt werden , so alt ist sie
nicht; auch in die pisäische Zeit, da die Eleer vollständig ausgeschlossen
waren, kann sie nicht gesetzt werden. Mithin gehört sie der Zeit nach
Ol. 62 an. Wenn sie nun lin. 6 nicht mehrere Hellanodiken, sondern
nur einen nennt, so erhellt, dafs erst nach Ol. 62 mehrere Hellanodiken
kreiert wurden, die Meldung des Pausanis also, dafs von Ol. 60 ab zwei
Hellanodiken gewesen seien (V 9, 4), auf einem Irrtum des Autors oder
auf handschr. Korruptel der Zahl beruht. — Kap. IL Kampfarten. Die
Autoren welche uns Siegerverzeichnisse geben, Africanus Pausanias Phi-
lostratos, gehen zwar alle auf die elelschen Fasten zurück, weichen aber
im einzelnen nicht selten von einander ab, so dafs die drei Verzeich-
nisse aus ebenso vielen abgeleiteten Quellen geflossen sein mtkssen. —
Gymnastik. Dem bis Ol. 13 allein ttblichen Männer- Wettlauf wurden
nach und nach andere gymnische Leistungen der Männer zugefügt. Zu
diesen gehört auch die des Trompeters und Herolds, welche spät (Ol. 96)
rezipiert ist. Wenn Trompeter und Herold bei Phlegon (Liste fttr Ol. 177)
fehlen, so folgt daraus nicht die Abschafifung der Eampfart; dafs sie
01.229 und 267 f. geübt ward, also fortbestand, ersehen wir aus In-
schriften. — Knaben-Gymnastik seit Ol. 37. — Einen SöXt^oc Tnnto^
(G. I. Gr. 1515) kannte Olympia nicht. — Hippodromie schon seit Ol. 26.
Junge Pferde (nwXot) von Ol. 99 an. Abschaffungen und Wiederaufnahmen
der Hippodromie in der Eaiserzeit — Kein besonderes Wettreiten der
Knaben (Nachweis von Kindscher). — Ol. 287 Erneuerung der eine Zeit
lang ruhenden Olympien durch Kaiser Valens; endliches Eingehn Ol. 298
unter Theodosios. — In jeder Kampfart ward nur einer gekrönt. So ohne
Zweifel auch im Viergespann; die in dieser Kampfart dem zweiten dritten
und vierten Sieger zufallende Ehre mag darin bestanden haben, dafs
der Herold die Namen ausrief. Die sieben Krotoniaten, Stadion-Sieger
in einer und derselben Olympiade (Strab. VI p. 262) werden jeder in
seiner Abteilung (Paus. VI 13, 2) gesiegt und dann wieder unter sich
certiert haben, so dafs nur einer den Kranz erhielt. — Einen musischen
Agon schlössen die Olympien nicht ein. Dem Herkommen zuwider hat
Nero einen musischen Agon zu Olympia Ol. 211 angestellt und diese
Festfeier haben die Eleer in ihrem Verzeichnis gestrichen, daher an Bei-
behaltung des von Nero inaugurierten Agons nicht zu denken ist. Die
zu Olympia gefundene Inschrift Arch. Zeitung XXXVII S. 132, Nr. 261
welche von einem musischen Agon Kunde giebt, bezieht sich nicht, wie
9*
132 Griechische Sftkralaltertflmer.
der Herausgeber meint, auf die Olympien, sondem auf die ihnen eben-
bürtige Feier der Augustalien zu Neapel; Frgm. b lin 10 j'etvea&apoa»
k NBa7t6}[et\ und Frgm. c lin. 26 Nsanoll, .] Auch abgesehen von diesen
auf die italische Stadt Neapolis führenden Resten, machen es verschie-
dene aus der Inschrift zu entnehmende Momente unmöglich in den Spie-
len einen Agon der Olympien zu erkennen. Ebenso wenig braucht
Nr. 331 neiaäcoi ÜTtep^udv dfiofiovo^ eevexa iMoXn^g auf einen zu Olym-
pia gewonnenen Sieg bezogen zu werden. Es gab auch kein Theater zu
Olympia; Xen. Hellen. VII 4, 31 mufs verdorben sein. — Kap. UI. Fest-
ordnung. Bei [Pindar] Ol. Y, 6 ist diBkwv re nefiitofidpois (nicht ite/i-
Trrafxepoes) ä^Xkat^ äollscher Akkusativ, wenn man nicht vorzieht ne/i-
nafjLspouc ä/iMag zu schreiben (Bergk). Tsaumis verherrlichte die fttnf-
tägigen Olympien mit Rofs- und Maultiergespannen und Reitpferd.' Wie
kommt es nun , dafs die Scholiasten das Fest dennoch auf sechs Tage
setzen, von Luna 11— 16? (11 — 16, Variante des Vratislav. A, ist zu ver-
werfen.) Sie haben Pindar Ol. III 21 diBXwv äyväv xptoof irrtümlich auf das
von den Hellanodiken zu fällende Urteil bezogen und einen besonderen Tag,
Luna 16, für die ürteilsfindung und Zuerkennung der Siegerkrftnze an-
genommen. Aber einen solchen Tag hat es nicht gegeben; nach jedem
Kampfe wurde der Sieger gleich ausgerufen und bekränzt, und am Abende
seines Kampftages zog er nach der Altis zur Stätte des Zeus, daselbst
den erstrittenen Kranz darzubringen. Das Hellanodiken-Gericht am 16.
ist also von den Scholiasten erfunden, mithin Luna 16 zu streichen, wo-
nach sich für die Olympien fünf Tage, Luna U — 15, ergeben. Kam der
Vollmond auf den 13., so mag die Feier am 10. begonnen und am 14.
geendet haben. — Bei dem fortwährenden Hinzukommen neuer Spiele
ist es nicht glaublich, dafs die Olympien gleich von ihrer Einsetzung an
fünftägig waren. Für 01.82, als [Pindar] Ol. V gedichtet ward, steht
diese Bemessung fest. Sie schreibt sich vermutlich her von Ol. 77; da-
mals fing man an die Zusammendrängung gymnischer und hippischer
Leistungen auf einen und denselben Tag als einen Übelstand zu em-
pfinden und änderte das Programm so, dafs der Obelstand beseitigt ward,
Paus. V 9, 3. Die Ol. 77 festgestellte und Ol. 78 ins Leben getretene
Änderung des Programms mag bis in Pausanias Zeit gegolten haben. —
Abfolgen von Spielen, welche feststehn. Aus Paus. V 9, 3 erhellt, dafs
nach Ol. 77 Hippodromie und Pentathlon einem zweiten Tage zugewie-
sen wurden ; die Läufe behielten ihre erste Stelle und da das Paukration
bis in die Nacht dauerte, Inschrift N. 147, ist die Abfolge: Pale t
Pygme f Pankration den Nachmittagsstunden des Lauftages zuzuweisen.
(Also wie bei Holwerda, s. oben S. 113). Eine sonnenklare Bestätigung
dieses Programms, die dennoch von niemand beachtet worden, giebt
Luk. Timon § 60. — Die den gymnischen Männerkämpfen voran-
gehenden Kämpfe der Knaben hatten mit jenen ohne Zweifel den Tag
gemein. (Hierin weicht der Verfasser von Holwerda ab, der einen be-
Elis. 133
sondern Tag des Knabenagons stataiert, s. oben S. tl4). — Trompeterand
Herold überall und wohl auch zu Olympia, vorangehend. — Die Stelle des
Hoplites ist unsicher; vielleicht hat er den Beschlufs der Laufspiele gemacht.
— Dafs am Tage nach der Hippodromie dem Zeus feierlichst zu opfern
war, lehrt [Andok.] 4 § 29, und diesen grofsen Festakt wird der Scholiast
zu Find. Ol. III 33 mit seinem nachvollmondlichen Opfer gemeint haben.
Wir setzen also die dem Zeus geltenden Bräuche auf Luna 16, den
6. Festtag. Diesem Tage gehörte auch ohne Zweifel die Bewirtung der
Sieger im Prytaneion an. öffentliche Eingangsopfer verstehen sich von
selbst; private Darbringungen (Taraxippos) daneben, jedoch zwanglos.
— Vorbereitende Akte. Eidschwur der Beteiligten; denen die sich unter
den Augen der Hellanodiken geabt, wurde wohl nicht zugemutet zu
schwören, dafs sie die vorgeschriebene Zeit auf npoyufivdtrfiara gewen-
det hätten. Musterung. — Programm der Olympien (seit Ol. 78): Erster
Tag: nporeksta. Zweiter Tag: Schwur der Hellanodiken und der Athle-
ten bei Zeus Horkios. Musterung der Athleten und der Pferde. Dritter
Tag: zu Anfang Trompeter und Herold, dann Knaben-Gymnastik und
zwar Stadion + Pale + Pygme +• Pankration, schliefslich Männer-Gym-
nastik und zwar Dolichos + Stadion -^ Diaulos + Hoplites + Pale +
Pygme + Pankration. Vierler Tag: Hippodromie + Pentathlon. Fünf-
ter Tag: gemeinsamer Festzug, und Opfer dem Zeus gebracht. — Die
Spiele müssen sehr früh am Tage begonnen haben. — Exkurs zu Ka-
pitel III. Bei Paus. V 9, 3 ist zu schreiben : 6»<: ^Oea^at t<S ^e^ß
rä ItpBta TrevrdßXoü /ikv xal Spofxoü räiv '^itkuv ü<TTep[^ ^iiiptjf.^ npotipq.
8k yiyyea&ai rä äAAa] dy<uW(rfjtaT[d],
Bem. Kap. I ist historischen Inhalts, daher Einwände im ein-
zelnen, zu denen des Verfassers nicht hinreichend begründete Polemik
gegen Busolt und die gewagte Verwertung von Dial. Inschr. N. 1162 An-
lafs böten, hier nicht verfolgt werden können. Der Standpunkt, welchen
der Verfasser den divergierenden Traditionen gegenüber einnimmt, ist
beifallswürdig. Für die Sakralaltertümer würde Kap. I freilich wert-
voller sein, wenn auch auf Mythen und mythische Stiftungen eingegan-
gen wäre. Die Pisäer fordern die Leitung der Olympien 'beständig als
ihr altes Recht zurück'» und vor dem Zeitpunkt, den unsere Überliefe-
rung als die Olympiade des Iphitos bezeichnet, mufs die Vorstandschaft
des ' noch nicht so angesehenen Festes' bei Pisa gewesen sein ; 0. Müller
Dor. I S. 447. Unter die Feinde des Olympienstifters Herakles sind die
Pisäer (Paus. V 3, 1) gewifs erst durch elelsch gefärbte Berichte ge-
kommen, die aber die Thatsache, dafs Herakies den Pisäern Schonung
angedeiheu liefs, nicht ableugnen konnten. - Dafs wir dem Strabo und
Africanus folgen und die Anolympiaden verwerfen müssen, ist auch meine
Überzeugung. Aber die Zurückführung dieser Fiktion auf einen eleischen
Schriftsteller, der mehr patiiotisch als wahrheitsliebend war, ist kein
glücklicher Gedanke. Die Anolympiaden beruhen auf der offiziellen
134 Griechische Sakralaltertflmer.
Fasten-Redaktion jüngerer Zeit, Paus. 7122, 8, in welcher dem Ele^-
tum sehr viel, dem Pisäertam möglichst wenig eingeräamt gewesen sein
wird. Wenn Paasanias das elelsche Olympiaden -Verzeichnis als seine
Quelle nennt, so dflrfen wir glauben, dafs er das Verzeichnis eingesehn
hat. Unser Verfasser will ihm das nicht glauben (p. 18), Pansanias ist
ihm überhaupt ein scriptor infidus (p. 16). Er folgt der heutigen Mode
den Pausanias zu verschreien, obwohl gerade jetzt, dank den Ausgra-
bungen, eine ganze Reihe von Fällen vorliegt, welche die GlaubwOrdig-
keit des Periegeten in sehr vorteilhaftem Lichte zeigen; grOndliche
Forscher wie G. Treu Arch. Zeit. XXXVII (879) S. 207, K. Porgold, M.
Fränkel u. a. haben sich denn auch in diesem Sinne geäufswt nnd Pu-
sanias Sorgfalt und Genauigkeit anerkannt. — Kap. 11. Ein musischer
Agon hat allerdings nicht zu den Herkömmlichkeiten von Olympia ge-
hört; die Inschrift Arch. Zeit. Nr. 261 ist von dem Herausgeber (Ditteo-
berger) unrichtig beurteilt worden. N. 831 dagegen dürfte sich auf die
Olympien beziehen; vgl. Paus. V 7, 10 (r^ ooki^/ia rb Uu&ixov), aaeh
VI 14, 10. — Die Annahme einer Körruptel bei Xen. Hellen. VII i, 31
beruht auf einer einseitigen Auffassung des Wortes ^earpov, welcfaei
auch den Platz für das zuschauende Publikum beim Stadion bedeutet
Vgl. C. I. A. II p. 82 n. 176 roü aTaS[r\ou xal tou ^edrpou rou IkofaM^
[vai^xou^ wo (nach Dörpfelds Mitteilung) Haigh ebenfalls das dionysische
Theater verstanden hat, offenbar aber der Zuschauerraum am Stadion ge-
meint ist. Vgl. Virgil. Aen. V 288 mediaque in valle theatri, wo Servius be-
merkt: media in valle erat circus theatri, i.e. spatium spectacoli; et theatnoi
graece dicit [a circumspectione; omne spectaculum theatrum possumns
dicere] dno rijg Bea^piagy non enim est speciale [nomen]. Gegen Xeoo-
phons olympisches Biazpov ist mithin nichts einzuwenden. — Kap. Dl
Dafs je nach dem Eintritte des Vollmonds am 13. oder 14. der Anhag
der Olympien ein kalendarisch verschiedener gewesen sei, ist nicht glaub-
lich; man wird sich einfach an ein und dasselbe Kalenderdatnm gehal-
ten haben. — Der Verfasser scheint Paus. V 9, 6 so verstanden u
haben, als sage Pausanias, dafs die neue Ordnung Ol. 77 beschlossen,
jedoch erst Ol. 78 zur Ausführung gekommen sei (p. 32). Aber sollte
nicht xariarrj in den Worten ourog xariaxTj ofiaiy 6 xdapuoQ dlufjaoA
kßdopjfj Ttpog racc ißSo/xr/xovra bedeuten 'trat ins Leben'? — Die Olym-
pien können allerdings nicht gleich von Anfang an fünftägig geweeee
sein, und der Grund ist wohl mit dem Verfasser in den Spielen zn snchea
Doch wird nicht blofs das Hinzukommen neuer Spiele, sondern auch die
gesteigerte Frequenz der Teilnehmer dahin geführt haben die Dauer des
Festes zu verlängern. Die für die einzelnen Kampfarten erforderliche
Zeit war sehr abhängig von der gröfseren oder geringeren Zahl der an-
gemeldeten Athleten; je mehr Athleten, desto mehr Gänge nnd Pa•^
bildungen. Die Reform von Ol. 77 ist ohne Zweifel veranlafst durch dei
immer stärker werdenden Zudrang, nicht durch Einführung neuer Kampf-
^^im
Elia. 135
arteo. Es mag also zwar die Anordnang {xoofioc) sich seit Ol. 77 be-
haoptet haben, aber die Fanftägigkeit des Festes piDdarischer Zeit ist
gewifs nicht mafsgebend geblieben fttr die Epigonen. — Auf das Dekret
Lukian Timon § 60 legt der Verfasser ein ganz ungebürlicbes Gewicht.
Der Eingang nu$ xal ndXnjv xa} Spö^ov giebt eine unrichtige Abfolge,
und was wir vor uns haben, ist ein lukianischer Spafs. Dissen hat die
Stelle gekannt und abgelehnt, weil der Sprechende schmeichelt und lügt;
wie unser kritischer Verfasser sagen mochte: locus — Lucianeus aper«
tissime planissimeque demonstrat, ist nicht zu begreifen. — Das Pro-
gramm des Verfassers ist nicht ansprechend. Man vermifst den Vor-
abend der zu Elis festlich war, Pausanias VI 23, 3 (Totenopfer im
elelschen Gymnasien dem Achill dargebracht), und auch zu Pisa ent-
sprechend begangen sein wird. Dann sind die beiden ersten Tage sehr
leer, die beiden folgenden fast flberfüllt. Dafs der Knaben- Agon mit
dem der Männer den Tag gemein hatte, sagt Plutarch Sympos. II 5 —
direkt wenigstens — nicht, und aus Africanus zu Ol. 113 'Apyeu^'Apyscog
d6h^0Vy hg iv ^Apyet Tijv ioLuroü vtxi^v auBj^fiepov äiajYyeiXsv scheint mit
Holwerda, s, oben S. 113, gefolgert werden zu müssen, dafs der Dolichos,
eine Leistung die zum Männer*Agon gehörte, in der Morgenfrühe statt*
fand, dem Männer-Agon also keine Knaben-Wettkämpfe selbigen Tages
vorangingen. Der Dolichos-Sieger Argeus, welcher nach seiner Leistung
zu Olympia, zu Fufs ohne Zweifel, nach Argos ging oder vielmehr lief
und gleichsam einen zweiten Dolichos von mehr als 13 Meilen ausführte,
hätte, wenn die Knabenkämpfe vorangingen und er erst mittags etwa
zu Wege kam, nur durch ein Wunder vor Sonnenuntergang seine Hei^
matsstadt erreichen können. — Durch die immer mehr Zeit verlangen-
den Spiele hat sich ohne Zweifel die Anzahl der Olympienfesttage nach
und nach gemehrt. Auf diesem Wege aber ist des Verfassers Pro-
gramm nicht wohl zu erklären. Von dreitägigen Olympien die einen
ceremoniösen Tag zu Anfang und einen ebenfalls ceremoniOsen Tag am
Schlufs, in der Mitte aber einen den Agonen gewidmeten Tag hatten,
gelangte man zu viertägigen Olympien mit zwei agonistischen Mittel-
tagen, von denen der hinzukommende den seit Ol. 87 zugelassenen jün-
geren Athleten bestimmt war; die Reform von Ol. 77 brachte denn den
dritten agonistischen Tag. — P. 40, 2 bemerkt der Verfasser, die Spiele
hätten kurz nach Mitternacht, wenn es helle würde, pauUo post mediam
noctem prima luce, begonnen. Kurz nach Mitternacht dämmert es aber
noch nicht. Am 43. Tage vom Sommersolstiz z. Beisp., also im V. Jahrb.
am 9. August, fängt die Morgendämmerung gegen halb vier Uhr
an , es ist fast sieben Stunden völlig Nacht. Die Sammlung des Publi-
kums mag schon bald nach Mitternacht begonnen haben, nicht aber der
Agon. Die Trompeter und Herolde über deren Leistung das Ohr ent-
schied, konnten in der Morgendämmerung antreten, dunkle Nacht aber
ist auch für die Trompeter und Herolde unpassend. -— Die Emendation
136 Griechische Sakral«! tertflmer.
Paas. y 9, S aogehend, vergleiche man, was oben 8. 114 ans Holwerdas
Stndien mitgeteilt ist. Der Verfasser beschränkt seine Änderung auf
die Worte dpdfwu ra> Tnrnov xrX.; er setzt mit Holwerda baripif ffftdp^
Ttporip^ 9e, weicht aber dann von Holwerda ab, indem er, statt des
handschr. dyaßveffßidTiuu^ dywvicfiaxa vorschlägt und so andern Sinn ge-
winnt; ^oeaBai ist ihm nicht das Opfer des ersten Tages (Holwerda)
sondern das des fünften. Er findet die Genitivstruktur unerträglich;
worauf sich das nachhinkende dYwvecfidrwy beziehe, sei unverstilndlich.
Das ist nicht zuzugeben ; dyoßvtfffjtdrwv wird regiert von uütepa = uarepoy
und TKvrdBXou xrX, sind abhängige Genitive zu dy-oßveofidraßv so dafs
dywyt(r/ia ngvrd^Xoo^ dy, dpSiiöu zu Grunde liegt. — Es fällt auf dafs
in dem Exkurs des Holwerdaschen Emendationsversuchs mit keinem
Worte erwähnt wird.
0. F. Unger, Der Olympienmonat; Philologus XXXIII 1874. S. 227
—248.
Mitteilungen aus dem Inhalt Die Olympien sind nicht, wie
man gewöhnlich meint, am ersten Vollmond nach der Sommersonnen-
wende, sondern vier Wochen später, am zweiten Vollmond gefeiert wor-
den. — Nach attischem Kalender kommt ihre Zeit meistens auf Meta-
geitnion 11—16; auf Hekatombäon 11—16 nur in dem Falle, wenn der
Neumond mehr als zwei Wochen nach der Wende fiel. Die späteste
Lage des Olympienvollmonds entspricht dem 24. August jul. Kai. —
Während das attische Jahr mit Neumond nach der Sonnenwende begann,
knttpfte sich in EHs der Jahresbeginn an die Winterwende. Das elelsche
Neujahr ging also dem attischen um ein Semester voran und der achte
Monat der Eleer, Schol. Find. Ol. III 83, Metageitnion im att. Kalender,
war Normalzeit die Olympien zu begehen. — In den Worten Schol.
Plat. Phädr. p. 226 B t^ VXufima — — Mouvuxewuo^ fjojvbe ^yero ist
MtTayetzvimoQ zu lesen. — Schol. Pind. Ol. III 86 giebt fär die Olym-
pienfeier zwei lunarische Monate der Eleer, ApoUonios und Parthenios,
an und läfst sie zweien ägyptischen Monaten, dem Thoth und dem Me*
sori» entsprechen. Letztere müssen dem Wandeljahr der Zeit vor Ha-
drian (nach Chr. 16-116) entnommen sein, aus welcher die sachkundigen
Notizen über die grofsen Spiele herzurühren scheinen. Thoth 1 ent-
sprach im Jahre 16 dem 19. August, im Jahre 116 dem 26. Juli. In
dem vorhadrianischen Säkulum ist mithin der zweite und dritte Voll-
mond nach der Wende, niemals der erste, in den altägyptischen Anfangs-
monat gefallen. Auf diesen kommt es besonders an, der Scholiast nennt
ihn zuerst : (b dywv) nork pkv rqi ^AnoXkmviq} fiyjvi^ rcork 8k rif IlaipBevl^
Ttap* ÄlywtrtouQ 9wB ^ Meetopl imrehhcu. Es ist nämlich die hand-
schriftliche Folge 0(bd^ ^ Meauipi einfach beizubehalten und nicht mit
Böckh in Mtcwp\ ^ 9w^ zu ändern. — Bei Thermopylä und Artemision
wurde Ol. 76, 1, im Sommer 480 vor Chr., gekämpft in den Tagen der
Eli8. 187
Olympien und der gleichzeitig begangenen Karneen. Der syrakasanische
Karneios aber, Plot. Nik. 28, mithin auch der peloponnesische , ist den
Athener Metageitnion gewesen. Die Zeit zwischen den Schlachten hei
Thermopylä, etwa 11. Metag. = 16. August 480, und bei Salamis,
20. BoSdr. = 23. September kommt so auf 5V> Wochen; 5 Va Wochen
sind passender als 9Vs Wochen. — Was die hier httlfsweise henutzte
Gleichnng: Karneios = Metageitnion angeht, so wird sie bestätigt durch
Thok. y 64 (Sommerhalbjahr 419 endend mit dem Nachmonate des Kar-
neios); Tgl. ebend. 75. - Im Jahre 428 wurden die Lesbier nach Olym-
pia zur Panegyris (Ol. 88) beschieden. Nach dem Feste war man, wie
aus Thuk. III, 16 erhellt, im Peloponnes mit den Früchten des am
28. Juli beginnenden und Mitte September endenden Nachsommers
(Opora) beschäftigt, und in diese Zeit fällt nicht der erste Vollmond
nach der Wende, Juli 15/6, wohl aber der zweite, August 13/4. — Der
Athener Bündnis mit Argos und anderen Staaten ward geschlossen im
Jahre 420, welchem die 90. Olympienfeier angehört; es sollte alle
zwei Jahre bestätigt werden], 30 Tage vor den Olympien und 10 Tage
vor den grofsen Panathenäen, Thuk. Y 47, 10. Wir müssen den Ab*
schiufs des Bündnisses im Jahre 420 und die für 418, 416 ... . vor-
gesehenen Bestätigungen einem und demselben attischen Kalenderdatum,
dem 11. Hek., zuweisen. Es ergiebt sich aber dasselbe Datum nur wenn
wir für die 30 Tage von metageitnionischen Olympien und zwar vom
11. Metag. als Olympienanfange ausgehen. — Polybios hat in den ersten
fünf Büchern nach echten Olympiadenjahren gerechnet, später aber an-
dere, ihm eigentümliche, angewendet. Diese ihm eigentümlichen Olym-
piadenjahre beginnen im November mit dem Frühuntergang der Plejaden.
Von seiner chronologischen Schwenkung dürfte er die Leser im sechsten
Buche oder zu Anfang des siebenten verständigt haben.
Bem. Obwohl sich der Verfasser mit Recht von der alten Lehre
lossagt, scheint er nicht hinreichend erwogen zu haben, dafs die Olym-
pien dnrch eine OktaSteris geregelt wurden. Die Okta^teris, auch wenn
sie rechtzeitig durch Ausschub von 30 Tagen geregelt ward, hat die
Feier weder bei dem ersten noch bei dem zweiten postsolstitialen Vollmond
halten können, da sich anderthalbmonatige Grenzen ergeben. — Als Früh-
grenze des Olympienvollmonds mnfs dem Verfasser etwa Juli 27 gegolten
haben. Nissen, s. unten S. 139, gelangt zu Juli 25, und auch nach meiner
Überzeugung kann die Frühgrenze nur dem Ende des Juli zugewiesen wer-
den. Der Spätgrenze August 24 aber steht ein bestimmtes Zeugnis ent-
gegen. Nach Schol. Pind. Ol. III 33 wurden noch, wenn Arkturs Frtth-
aufgang bevorstand, bn' alnbv roy dpxroopov^ also im September, Olym-
pien gefeiert. — In Betreff der Distanz des attischen Neujahrs vom
elelschen habe ich Chron. S. 347 dem Verfasser beigepflichtet, finde aber
jetzt, dafs sich mit mehr Recht ein sieben Monate vor dem 1. Hek.
eintretendes Netgabr der £leer aus dem Scholion a. 0. entnehmen läfst.
138 Griechische Sakralaltertümer.
— Das Schol. Plat. ist ohne Zweifel fehlerhaft, des Verfassers Emeodation
verdient Beifall. — Die Gestalt, welche der Verfasser dem Schol. Find.
OL III 36 giebt, ist zu beanstanden. Die ägyptischen Monate fehlen in den
übrigen Handschriften, nar die Breslaner hat 9w& ^ Meaatpt. Die Breslaaer
Handschrift giebt die hellenischen Monate in anderer Abfolge als die
übrigen Handschriften, sie hat UapBeWip ^ 'ArtoUtovi!^, Wir müssen ent-
weder beide Abfolgen nach der Breslauer Handschrift beibehalten oder
mit Böckh die Abfolge der hellenischen Monate nadi den übrigen Hand-
schriften geben und die ägyptischen MonaCiS umordnen. Für die Einzel-
gleichungen in welche die Doppelgleichung des Scholiasten aufzulösen
ist, macht es nichts aus, ob wir uns ganz der Breslauer Handschrift
anschlielsen oder dem Vorschlage Böckhs folgen, in jenem wie in diesem
Falle ergiebt sich, dafs die Einzelgleichungen: Parthenios = Thoth and
Apollonios = Mesori zu Grunde liegen, Apollonios also der frühere,
Parthenios der spätere Monat gewesen ist. Vgl. Bischoff de Fastis
p. 349. — Verfehlt ist ferner die Vermutung, dafs wir es hier mit be-
weglichen Monaten altägyptischen Kalenders zu thun haben; das Wan-
deljahr Ägyptens ist nicht geeignet lunarische Schwankungen zu deter-
minieren. Thoth und Mesori sind mit Nissen für Monate des festen
Jahres der Alexandriner zu nehmen. — Der Verfasser äufsert sich nicht
darüber, wie im genaueren die von ihm angewendeten Monate Athens
zu nehmen sind. Was S. 232 gesagt wird, läfst glauben, daCs der Ver-
fasser für Ol. 75, 1 Arch. Ealliades den aktuellen Kalender wie Böckh
denselben annahm, im Sinne hat und dafs ihm Boödromion das ist
was die Zeitgenossen von Ol. 76, Boddromion nannten. Hieran wird
man aber wiederum irre dadurch, dafs der Verfasser für das Jahr des
Diotimos 88, 1 den geltenden Kalender bei Seite lädst und, wie sein An-
satz des MetageitnionvoUmonds auf Aug. 13/4 428 lehrt, einem blofs
theoretischen System — anscheinend dem von Dowdeli-Ideler herrührenden
Entwurf der metonischen Dekennaäteris ~ folgt. Das Jahr des Kalliades
nämlich, wie es von Böckh Mond. S. 74 konstituiert worden, stimmt
seiner ersten Hälfte nach überein mit Dodwell-Idelers Dekennaötens, so
dafs des Verfassers Gleichungen Metag. 11 = Aug. 16 480 und Boddr. 20
= Sept. 28 sich nicht notwendig auf den zur Zeit der Schlacht bei Sala-
mis geltenden Kalender beziehen. Der Verfasser ist also seinen Lesern
wenig zu Hülfe gekommen; er hätte sie davon verständigen müssen, ob
er mit aktuellen Monaten oder mit blofs theoretischen operiere, und
wenn mit theoretischen, welchem System dieselben entnommen seien. —
Wie der Verfasser, so hat auch Nifsen die 76. Olympienfeier an den
Augustvollmond 480 geknüpft und diesem Ansatz möchte ich beitre-
ten. Die Schlacht bei Salamis dagegen kann, da sie zur Zeit der be-
ginnenden Bodenbestellung stattfand, nicht in den September (Böckbs
Ansicht) gesetzt werden; Dodwell und Nissen haben sie mit Grund im
Oktober angenommen; vor dem ersten Herbstregen (Oktober) ist der
Elia. 139
Boden nicht bestellbar. — Bei Thok. III 15 (iv xapnoü iu^xontSg ^av)
yerstefat der Verfasser die * Ernte von Obst, Oliven, Feigen nnd anderen
Baumfr&chten', welche sich im Nachsommer (Opera) vollzieht. Hier ist
einiges falsch; Oliven erntet man von November bis Januar; von Obst,
wenigstens von Kernobst (v. Heldreich Nutzpfl. S. 64) kann für Griechen-
land kaam die Rede sein. Aber in der Hauptsache hat der Verfasser
ganz das Rechte getroffen, wir müssen die Fruchtlese der Opora ver-
ßtehn, das Pflücken von Efstrauben (nicht von Keltertrauben) und Feigen,
mit welchem sich die Bündner sehr gemächlich beschäftigten, so ihre
Gleichgültigkeit gegen Spartas Befehle dokumentierend. Efstrauben und
Feigen hat man im August, den Vollmond des August hat also der Ver*
fasser mit Recht für die 88. Feier der Olympien in Anspruch genommen.
— Ob der Vertrag von 420, Thnk. V 47, am 11. Hek. geschlossen wurde,
ob sich die Bestätigungen ebenfalls am 11. Hek. zu vollziehen hatten,
mufs dahingestellt bleiben. Darin aber, dafs mit den 80 Tagen vor den
Olympien und den zehn vor den grofsen Panathenäen dasselbe attische
Datum bezielt worden ist, dürfte der Verfasser Recht haben, weil sich
nur so einigermafsen kalendarische Biennien att. Kai. zwischen den Be-
stätigungen ergaben. In dem Vertrage also werden metageitnionische
Olympien vorgesehen sein, zunächst für das laufende Jahr. Ob aber die
auCsergewOhnlichen Umstände, unter denen die 90. Feier zustande kam,
gestattet haben sie im Metageitnion Arch. Astyphilos abzuhalten, ist
eine andere Frage. — Das Material, aus dem der Verfasser seine Theo-
rie entwickelt, ist nur ein Teil desjenigen was sich heranziehen liefs. Im
Jahre 1874, als der Aufsatz im Philologus erschien, standen allerdings
die Inschriften welche den deutschen Ausgrabungen verdankt werden,
noch nicht zu Gebote, aber auch was man damals hatte und was in
älteren Werken (Petav, Dodwell) vorlag, ist vom Verfasser hOchst un-
vollständig dargeboten. Und wie die älteren Sammlungen, so sind auch
die älteren Meinungen und Kontroversen ignoriert
H.Nissen, Über Tempelorientierung. II Olympia ; Rhein. Museum XL
1886 S. 849-361.
Aus dem Inhalt. Die herrschende Meinung, dafs die olympischen
Spiele um den 1. Juli stattfanden, ist weiter nichts als ein Dogma, und
das Dogma ist falsch; als mittlere Bestimmung ist vielmehr der erste
September anzunehmen. — Aus Schol. Pind. Ol. IH 36 geht hervor, dafs
die Olympien in den alexandrinischen Monaten Mesori und Thoth,
zwischen Juli 26 und September 27 begangen wurden; aus Schol. Pind.
UI 88, dafs zwei Olympiaden einen Oyklus bildeten und die erste Feier
in den achten Monat des mit der Winterwende beginnenden elelschen
Jahres, in die sogenannten Hundstage, wenn die Sonne im Zeichen des
des Löwen steht — diese Bedeutung hat Snatpa hier, vgl. Ideler I S. 246
— die andere gegen den Frühaufgang des Axktur, 20. September, fiel
140 Griechische SakralaltertOmer.
Es Iftfst sich also anfetellen, dafs die angeraden Olympiaden sich an den
Vollmond des Angust, die geraden an den des September knüpften.
Genauer ist die Regel so zu fassen, dafs die ungeraden Olympiaden in
die erste Hälfte des Nachsommers (den Löwenmonat), die geraden in
die zweite Hälfte fallen, jene also meistens dem August, mitunter auch
dem Juli, diese meistens dem September, mitunter auch dem August
angehören. So knüpfte sich die 184. Feier an den Vollmond des
28. Angust 44 vor Chr. als die Hundstage schon vorbei waren«
5. hernach. — Ol. 75, 1 vor Chr. 480/79, Schlachten bei Thennopylä
und Salamis. Die Tradition lehnte Thennopylä den Olympien, Salamis
den Elensinien an; zur Geschichtserzählung passen die Zeiten: Aug. 19
Olympien- Vollmond, Sept. 11 — 18 Kameen, Okt. 23 Elensinien. Die
Setzung der Olympien auf August 480 stimmt mit obiger Regel. — Die
Thuk. in 8 erwähnte Olympiade der sich die im Verfolg berichteten
Dinge anschliefsen, ist von gerader Zahl — die 88. — verlangt also
nach der Regel den September, und der ergibt sich in der That aus
III 16 iv xapnoo (uyKOfieSf^ Ijdav, denn xapnog ist nach IV 84 und 88
auf Keltertrauben zu beziehen. — Die Regel bestätigt sich femer ftlr
die 90. Feier, welche derselbe Autor V 50 gegen Ende des Sommers
setzt — Alexander der Gr. ist geboren Ol. 106 (vor Chr. 356/5) am
6. Loos = Bogdromion ([Dem.] 18, 151) und die Nachricht kam
dem Vater zugleich mit zwei Siegesbotschaften; eine davon meldete einen
Sieg in den olympischen Spielen. Die Feier von Ol. 106 ist danach dem
September (Vollmond am 26. im Jahre 356) zuzuweisen was der Regel
entspricht. Plutarch Alex. 3 hat mit Unrecht Loos und Hekatombfton
gleichgesetzt. — Bei Polybios schwankt der Jahranfang um ein oder
zwei Monate, man kann ihn im Mittel auf den 1 . Oktober setzen ; Ungers
polybianischer Jahranfang (November) ist zu spät. Auch was er auf-
stellt über eigentliche und uneigentliche Olympiaden verdient keinen
Beifall, Polybios wird sich an die wirkliche Zeit der Feier gehalten
haben. Eine Okta3teris rückt fort und fort in der Jahreszeit vor und
mufs in 160 Jahren um einen Monat gekürzt werden; aber die Epoche
kennen wir nicht und eine ordentliche Befolgung des 160jährigen Kreises
ist unwahrscheinlich. Entwirft man eine Tabelle der August- und Sep-
tember-Vollmonde, so stellt sich heraus, dafs letztere zur Geschichts-
erzählung des Polybios besser passen als erstere. — Für Ol. 184 vor
Chr. 44/3 folgt aus Cic. ad. Att. XVI 7, 5 eine Augustfeier; die a. 0.
vorkommenden Olympien müssen an den 28. August (Vollmond) geknüpft
gewesen sein. Was der Scholiast aufstellt: von zwei einem and
demselben achtjährigen Cyklns angehörenden Olympienfesten falle das
erste in die Opora, d. i. in die Hundstage, bestätigt sich also, denn
den 28. August umfassen die Hundslage nicht mehr. — Die heut-
zutage herrschende Meinung wird, wie durch die 184. Feier, so auch
durch die bei Statins Silv. IV 4 vorkommende widerlegt; sie fand statt
£118. 141
im Jabre 95 uns. Zeitr. und lehnte sich dem Vollmonde des 4. August
an. Juli 5 kann man nicht wählen, weil Statius der Hundstage
erwähnt — Aus Statius a. 0. wird auch noch entnommen, dafs die Ok-
taäteris nach der sich die Feier ehedem reguliert hatte, aufser Gebrauch
gesetzt war. Nero hat das Olympienfest zwei Jahre zu spät be.
gangen im Jahre 67 statt 65 oder wie wir auch sagen können, im Jahre
211, 3 der alten Ära. Die von Statius erwähnte Feier des Jahres 95
steht im selben Verhältnis zur alten Epoche, sie gehört in das Jahr
218, 3 der alten Ära. Von Nero ab hat also eine neue Ära gegolten.
— Die Eaiserzeit wird die alten schwankenden Olympiaden ersetzt haben
durch die alexandrinische Epoche; daher beginnen Eusebios u. a. ihre
Olympiaden am 1. September nahe dem 1. Thoth des festen Jahres
(August 29 (30)).
Bem. Das Schol. Find. Ol. 111 35 giebt der Verfasser nach Böckh,
dessen Umstellung von 0<bB ^ Meampl allerdings sehr beachtenswert ist.
Beifall verdient auch die Behandlung der Monate Mesori und Thoth
als alexandrinischer. — Aus Meampl ^ SatB^ entnimmt der Verfasser
einen Spielraum von 65 Tagen, die ihm für olympienfähig und auch für
^wirklich benutzt zu gelten scheinen; er setzt Olympienvollmonde auf
Mesori 1 1 = August 4, auf mittlere Tage und auf den vorletzten Tag
des Spielraums, Thoth 29 = Sept 26. Aber nach dem andern SchoUon
mufs der Frühaufgangstag des Arktur Mitte September als Spätgrenze
angesehen werden, s. oben S- 137. Ein Eontinuum von Mesori 1 bis
Thoth 30 haben wir nicht vor uns, da die Epagomenen fehlen. Der Autor
aus welchem Schol. 35 flofs, dürfte überliefert haben, dafs man die Olym*
pien frühestens im Monat Mesori, spätestens im Monat Thoth begehe; dafs
Mesori 1 dem frühesten, Thoth 30 dem spätesten Olympienvollmond
entspreche, braucht er nicht gesagt zu haben. — Mit des Verfassers
65tägigem Spielraum ist das was er aus Schol. 33 schliefst, nicht zu ver-
einbaren. Er schliefst, dafs die ungerade Olympiade dem August, die
gerade dem September angehört habe, was auf einen Spielraum von
Monatslänge führt. Der dem September angehörende Vollmond der ge-
raden Olympiade liegt um einen halben Monat später in der Jahreszeit
als der dem August angehörende der ungeraden, welche vorherging.
Tage aus der ersten Augusthälfte können also für die ungeraden Olym-
piaden nicht zur Anwendung kommen, weil sich dadurch Vollmonde die
ebenfalls im August lagen, für gerade Olympiaden ergeben würden.
Ebenso ist die zweite Septemberhälfte den geraden Olympiaden versagt,
weil durch gerade Olympiaden dieser Lage ungerade bedingt würden
die ebenfalls in den September fielen. (Wie der Verfasser S. 354 den
Olympienvollmond Ol. 106 auf Sept. 26 356 vor Chr. hat setzen können,
ist, seiner Theorie gegenüber, nicht zu begreifen ; für die beiden benach-
barten Olympiaden ungerader Zahl würden sich ja ebenfalls Sep-
tembertage, September 11 360 und September 12 352, ergeben). Nach
142 Griechische SaknlAltertflmer.
des Verfassers Theorie bestdnde also das Bewegungsgebiet des Olym-
pienvoUmonds ans der zweiten Augasthälfte and ersten Septeraberhftlfte.
Das alle vier Jahr eintretende Olympienfest aber beansprucht, wenn es
oktaSterisch reguliert ward, einen halben Monat mehr. — Der Yerfosser
bezieht VXufima äyerae — rä fikv dp^ofieva r^c ^ntopag, rä. 9k M aiMnß
rbv dpxroupov Schol. 33 auf die Oktaöteris Olympias. welche mit der un-
geraden Olympiade beginnt, und in ihrem fünften Jahre die gerade hat ;
mit T^g SnwpoQ also ist nach ihm der Spielraum der ungeraden, mit
ÖTi aörbv rdv dpxroopov der der geraden angegeben. Damit wird dem
Ausdruck un aörbv t6v dpxroupov eine Erstreckung zu teil, die ihm
nicht gebührt; der Ausdruck ist allerdings nicht auf den Vortag des
Arktur zu beschränken, aber auf mehr als einige Tage vor Arktur kann
er nicht erstreckt werden, und die gerade Olympiade verlangt auch bei
sorgfältigster Lenkung der OktaSteris einen Spielraum von Monatsl≱
so viele Tage können nicht mit un atnhv rov dpxroupov gemeint sein.
Der Scholiast denkt nicht an das Verhältnis benachbarter Olympiaden
die von einem achtjährigen Cyklus umfafst werden, sondern an die ganze
Reihe der Olympienfeste und ihren nicht wenig verschiedenen Stand in
der Jahreszeit Mit bn* abrbv rhv dpxroupov will er uns ihren jahreszeitüch.
spätesten Stand kennen lehren. Folglich hat er vorher, vom frühesten
Stande gesprochen und ist dpiopiy^ijo] r^c ^topag zu setzen, so dafs
die fatale Nötigung fhr dnwpa die seltene und späte Bedeutung 'Hunds-
tage' zu statuieren verschwindet. — Ol. 75 angehend vgl. oben S. 138.
— An den Vollmond des 13. Sept 428 kann die 88. Feier der Olympien
keineswegs geknüpft werden. Des Verfassers Erörterung von Thuk. III
8 — 18 ist unhaltbar. Das Phthinoporon beginnt {nepl rd ^&ev6nwpov
^17 dpj^öpevov^ Kap. 18, 3) nicht im Oktober, sondern schon im Sep-
tember, etwa am 20., wenn der Arktur morgens wieder sichtbar wird.
Wollte man also mit dem Verfasser die 88. Feier an den Vollmond des
12/3 Sept. knüpfen, also den letzten Feiertag auf Sept 18/4 setzen, so
müfste alles was nach Thukydides zwischen den Olympien und dem An-
fange des Phthinoporon geschah, sich in den wenigen Tagen zwischen
Sept 14 und 20 vollzogen haben. Das ist aber eine bare Unmöglich-
keit Der Ausdruck xapnoc Kap. 16, s. oben S. 139, läfst unbestimmt,
welchem Ertrage die Ernte gilt, und wenn IV 84 und 88 mit xapftog
Keltertrauben gemeint sind, so hindert das nicht 111 16 Tafeltrauben und
Feigen zu verstehn. Mit der Weinlese, also dem Abnehmen der für
die Kelter bestimmten Trauben, können die Bündner gleich nach dem
13/4 Sept nicht beschäftigt gewesen sein, da ja noch nicht einmal das
Phthinoporon herangekommen und Arktur erschienen war. (Sept. 14 ist
in uns. Kai. ungefähr Sept. 8. Vgl. auch Mittelzeiten S. 11). — Die
Olympien von Ol. 90 knüpft der Verfasser an den 14/6 Sept. 420,
weil Thukydides die Feier gegen Ende des Sommers erwähnt; vgl. Petav.
Doctr. Temp. IX 48. Es mögen diese Olympien allerdings erst im Sep-
EliB. 143
tember begangen sein, aber die besonderen Umstände unter denen sie
begangen wurden, sind einer Scblufsfolgerung dafs September ihre rechte
Zeit gewesen ist, gar sehr hinderlich. — Die Position Ar Ol. 106: Olym-
pienvollmond Sept. 26 356 stimmt nicht mit der Spätgrenze M abzhv
rbv dpxroopov Schol. Find. OL lU 33. — Aus Cic. ad Att XVI 7, 5
hat Petav ganz andere Schlüsse gemacht, aber er hat Unrecht. Die
184. Feier mufs mit dem Verfasser Ende August gesetzt werden. —
Ans Statins Silv. IV 4, 30 — 33 folgt nichts, was die Jahreszeit der
Olympien anginge. Die Worte des Statins 'et sontes operit pharetras
arcumque retendit Parthns et Eleis auriga laboribus actos Alpheo per-
mulcet equos et nostra fatiscit laxatnrque chelys' sind ohne Bezug auf
Jahr und Zeit im Jahre gesagt Dafs die poätische Epistel in der Olym-
pienjahrszeit geschrieben ist und dafs das permulcere equos in der-
selben Jahreszeit stattfindet, hat seine Richtigkeit, ist aber Zufall und
dem Urheber der Epistel gleichgültig; Statins würde sich ganz eben-
so geäufsert haben, wenn die Olympien z. Beisp. im Mai gefeiert
wären. — Die von Nero im Jahre 67 begangene Olympiade ist
annulliert worden, Pansanias X 36, 9. Sein Auftreten zu Olym-
pia (musischer Agon) fand keine Nachfolge, wie das Nichtvorhanden^
sein eines Theaters lehrt; das Bearpov bei Xenophon ist anders zu
deuten, s. oben S. 134. Eine neue Ära kann sich an Neros Olympien-
feier nicht geknüpft haben; vgl. Fr. Mie Quaest. agonist p. 24. Die
Streichung der unzeitigen Feier wird gleich nach dem Tode des wüsten
Imperators (68), vermutlich schon unter Galba (69) erfolgt sein. Galba
hat das Thun seines Vorgängers ganz und gar nicht respektiert; Nero
hatte den Hellanodiken Geldgeschenke gemacht, Galba nahm ihnen die
geschenkten Gelder wieder ab. (Dies lehrt eine Stelle , auf welche Dr.
Heinrich Eöstlin mich aufmerksam zu machen die Güte hatte, Dio Oass.
63, 14).
G. F. Unger, Zeitr. der Griech. und Rom.; Iwan von Müllers Handb.
der klass. Altertumswiss. I. Nördlingen 1886. S. 603 f. §. 48.
Die im Philologus 1874 nebenher zugelassene Korrespondenz des
Olympienmonats mit dem Hekatombäon Athens wird im § 48 der Zeitr.
übergangen; was den Olympienvollmond betrifft, so heifst es, der erste
Vollmond nach der Wende sei nicht der der Olympien; von dem einst
so ernstlich und auschliefslich betonten zweiten Vollmond ist es still,
auch von der Spätgrenze August 24 ist nicht die Rede. Danach könnte
man denken, dafs der Verfasser seine früheren Aufstellungen nicht in
allen Stücken aufrecht erhalten wolle. Aber wenn er bemerkt, dem Meta-
geitnion (August) seien alle genauer bekannten Einzelfälle zuzuweisen, nicht
blofs die auf eine, gleich der ersten Feier, ungerade Olympiadenzahl
treffenden, wie die von 480 und 216 vor Chr., sondern auch die von
428 und 420, so hat er Vollmonde des August im Auge, die dem zweiten
144 Griechische Sakralaltertümer.
Postsolstitialgebiete angehören. Der Metageitnion (Angust) Ol. 88, 1 Arch.
Diotimos ist ihm nicht der aktuelle, § 34 der Zeitr., sondern der theore-
tische, § 27. Für Ol. 141 setzt er Luna XVI des Olympienmonats
= August 12 216 (Jahr der Schlacht bei Cannae); vgl. G. F. Unger,
römischer Kalender; Jahns Jahrbuch 1884 S. 562. — Auch die oben
S. 138 beleuchtete Konstituierung des Textes Schol. Pind. Ol. III 35
hält er aufrecht, wie seine Gleichung § 48: Apollonios = Metageitnion
lehrt. — £s scheint also, dafs er seine 1874 vorgetragenen Ansichten
auch jetzt noch vertritt.
Bericht über die Litteratur des Jahres 1888,
die sich auf Encyklopädie und Methodologie der
klassischen Philologie, Geschichte der Alter-
tumswissenschaft und Bibliographie bezieht
Von
Dr. theol. und phil. Karl Hartfelder,
OymnaBialprofessor in Heidelberg.
Von allgemeinen Arbeiten ist für dieses Jahr nur zu nennen:
Prof. Dr. Rudolf Hirzel, Über die Stellong der klassischen Phi-
lologie in der Gegenwart. Akademische Antrittsrede, gehalten in Jena
am 6. Mai 1888. Leipzig. Verlag von S. Hirzel. 1888. 8. 36 8.
Der Verfasser des bekannten dreibändigen Werkes »Untersnchan-
gen zu Ciceros philosophischen Schriften c benützt den Antritt seines
philologischen Lehramtes in Jena, am seine Ansichten Ober die von ihm
vertretene Wissenschaft vorzutragen. Charakteristisch ist der Anfang:
iDie Wissenschaft, die ich die Ehre habe zu vertreten, ist es seit ge-
raumer Zeit gewohnt die Stelle des Aschenbrödels unter ihren Schwestern
zu spielen. Ob ihr aber auch wie diesem in irgend einer nahen oder
fernen Zukunft die Königskrone winkt, das ist eine Frage, die von den
zahlreichen Gegnern der Philologie und des klassischen Altertums heut-
zutage mit aller Entschiedenheit verneint wird. Einen Trost behält die
Philologie unter allen Umständen, die Erinnerung an eine so stolze Ver-
gangenheit, wie sich ihrer kaum eine andere Wissenschaft rühmen kann.c
Aus ihr sind alle historischen Wissenschaften hervorgegangen, so auch
die romanische und deutsche Philologie — man denke an Namen wie
J. Bekker und E. Lachmann, die beiden Gebieten angehören. Auch die
Geschichte hat von ihr tiefe Anregungen erhalten. Niebuhrs Werk liegt
im Kreise der von Wolfs Prolegomena ausgegangenen Wirkungen. Dahl-
mann und Ranke bestätigen diese Theorie. Selbst die Theologie, vor
der die heidnische Philologie nicht immer Gnade gefunden, hat ihre
Dienste nicht immer verschmäht: Schleiermachers und F. Chr. Baurs
Leistungen stehen auf dem Boden der Philologie. Die Kunstgeschichte
femer ist eine Tochter der Archäologie.
Da aber die Philologie die Kenntnis des klassischen
Altertums vermittelt, so gebührt ihr ein Teil des Dankes,
Jahresbericht für AlterthumswiBienschaft. LXIX. Bd. (1891. III.) IQ
146 Owchichte der Altertomswinenscluift
den wir dem klassischen Altertum danken. Anfser der Be-
naissance des 14. und 15. Jahrhunderts hat es aber schon zur Zeit Karls
des Grofsen und der Hohenstaufen eine solche gegeben. Selbst Galilei,
Kopernikus und Galilei stehen auf diesem Boden. Auch jenseits des
Oceans beginnt man jetzt die Pflege der klassischen Studien, und der
Hellenismus unserer klassischen deutschen Litteratur ist allbekannt. »Es
ist unvermeidlich: wer das Altertum aus dem Bereich unserer Bildung
streicht, der Ternichtet damit die historische Bildung; dieser gilt daher
thatsftchlich der Kampf, der nur nominell gegen die Philologie speciell
erhoben wirdf (S. 7).
Auf zwei Seiten wird die Philologie angegriffen: man
will sie aus der Schule verdrängen und aus der Reihe der
strengen Wissenschaften streichen. Aber die Zeit zu einem Ne-
krolog fttr die Philologie ist noch nicht da. Wenn man glaubt, dafs es
mit ihr aus sei, wenn der klassische Bodeo ganz durchwählt ist und
keinen neuen Stoff mehr von sich giebt, so ist das ungerecht; denn man
verlangt auch z. B. von der Mathematik und Physik nicht Vermehrung
des empirischen Materials. Auch waren die epochemachenden Thaten
in der Geschichte der Philologie unabhängig von der Vermehrung des
Materials.
Die Philologie hat befruchtend auf andere Wissenschaften gewirkt
und ist wieder von diesen befruchtet worden: man denke an die Sprach-
vergleichung, Germanistik, historische Geographie, Kriegswissenschaft;
und femer »wie könnte eine Wissenschaft unserer Tage sich behaupten,
ohne der Statistik ihre Reverenz zu machen f (S. 13). Insbesonders ist
der geschichtliche Zug der Zeit ihr zugute gekommen: das Altertum ist
jetzt kein starres Ganzes mehr, wofür es noch zur Zeit Schillers und
Wilhelms von Humboldt angesehen wurde. Selbst die modernste Phase
des historischen Zuges, überall eine Entwickelung zu entdecken, ist nicht
spurlos an der Philologie vorübergegangen. »Die Philologen schwimmen
auch hier nur mit dem Strome. Nicht Protagoras ist der Vater der
Sophistik gewesen, noch weniger hat Sokrates die Ethik erfunden oder
ist mit seiner Persönlichkeit wie ein Bote des Himmels unter die Man-
scheu getreten: vixere fortes ante Agamemnona. Der Gedanke der rö-
mischen Monarchie, wie er später zur Ausführung kam, gehört nicht
Julius Caesar ausschliefslich, sondern war bereits im Kopf des G. Grac-
chus lebendig.! »Man sträubt sich ordentlich einen epochemachenden
Akt anzuerkennen, der eine einzelne Persönlichkeit zum Urheber hat
und die Gontinuität der Entwicklung zu durchbrechen scheintc (S. 16).
Dieses frische und gährende Leben spricht nicht dafür, dafs die
Philologie eine sterbende Wissenschaft ist. An Aufgaben und Material
fehlt es nicht. Die Altertumswissenschaft wird darum in absehbarer Zeit
nicht zu Ende kommen, wenn sie nämlich eine echte Wissen*
Schaft ist.
Uinel, Über die StelloDg der klassischen Philologie. 147
Dieses letztere wird freilich bestritten. Die Vertreter der exakten
Wissenschaften meinen, die Philologie bringe nur Koiyektoren hervor,
»Konjekturen aber seien wissenschaftliche Seifenblasen und somit das
ganze Treiben der Altertumswissenschaft nur ein mflfsiges Spielt Hirzel
ist nicht der Meinung, die ein berühmter Philologe ausgesprochen hat,
dafs die Konjektur die Blflte philologischer Thätigkeit sei. Man erbaut
einen mächtigen Palast auch nicht lediglich um der goldenen Spitzen
willen, mit denen die Türme geziert werden. Bei den gröfsten Philo-
logen, wie bei Scaliger, waren die Konjekturen nur die Spfthne, welche
von der übrigen Arbeit abfielen (S. 20).
Dabei herrscht das Bestreben, eine Anzahl Wissen*
Schäften, die bisher als ausschliefsliches Gebiet der Philo-
logie galten, von ihr loszulösen, so die Archäologie, Oeschichte
der alten Philosophie, alte Geschichte, Mythologie, Linguistik. Philologie
soll eingeschränkt werden auf Interpretation und Kritik. »Es ist nicht
das erste Mal, dafs man in dieser Weise den Versuch macht, die Philo-
logie in ihre Elemente aufzulösen, um einen Schatten an die Stelle zu
setzen.! Heeren und Ruhnken haben ähnliche Meinungen vorgetragen
oder beklagt; auch der unerquickliche Streit zwischen G. Hermann mit
Böckb und 0. Müller beruht darauf. Sachlich ausgedrückt lautet der
Vorwurf, die in der Altertumswissenschaft znsammengefafsten Kenntnisse
bilden keine in sich geschlossene Wissenschaft.
Wenn man aber bei den einzelnen Disciplinen der Naturwissen-
schaft vergeblich nach dem einen Gedanken sucht, der dieselben in ein
System verwandelt, so liegt das Band der Einheit für die Altertums-
wissenschaft in der Beschaffenheit des Gegenstandes; denn Staat, Reli-
gion, Kunst, Poesie, Sprache etc. sind im Altertum auf das festeste mit
einander verknüpft. Den grofsen Vertretern der philologischen Wissen-
schaft, wie Scaliger, Casaubonus, Bentley, Hemsterhuys, Fr. A.Wolf,
schwebte als Ideal ihrer Wissenschaft eine zusammenfassende Darstellung
des gesamten antiken Lebens vor.
Freilich ist in unseren Tagen die Frage nicht zu umgehen, ob es
sich noch für uns lohnt, das Altertum zum Gegenstand mühsamer und
eingehender Forschung zu machen. Vor dem Vorwurf des Dtilitarismus
scheut der Verfasser sich nicht; »denn thatsächlich entspringen die
Wissenschaften um des Nutzens willen und sind, wenn sie diesen soliden
Grund verliefsen, vielfach in luftige Theorien und Spitzfindigkeiten aus-
geartet. Auch die Philologie diente ursprünglich dem Leben.c Aber
unsere Stellung zum Altertum hat sich in den letzten Jahrhunderten
vollständig geändert. Wir glauben nicht mehr daran, die Vergangenheit
wieder lebendig machen zu können. Seit Niebuhr und Böckh lautete
die Forderung: Lebendige Vergegenwärtigung des Vergangenen. Dem
Altertum verleiht einen unvergänglichen Wert der Umstand, dafs das
Gefühl für den Zusammenhang aller Lebensäufserungen viel stärker ge-
10»
148 Ctoachiehte der AltortomswiMenschAft
Wesen ist Im politischen nnd religiösen Leben Ist dies am einlenchtend-
sten. iDas Leben der antiken Völker wurde, wie das kaum eines ande-
ren, vom Gedanken an die Gottheit getragen: kaum eine Stätte konnte
der Grieche oder Römer betreten, die nicht durch den Kult eines Gottes
geweiht war, kaum eine Handlung vollziehen, durch die er nicht au die
Sphäre eines solchen rflhrte; was Goethe einmal von der katholischen
Kirche rflhmt, dafs sie den Menschen von der Geburt bis zum Grabe
fortwährend an sich erinnert, dasselbe gilt in viel höherem Mafse von
der antiken Religion. Und dabei ist diese Religion nicht fanatisch, son-
dern verbindet sich mit dem freisten Weltsinn. Sie durchdringt auch
die politische Gesinnung der Griechen wie der Römer, nnd eben darum
wurde es diesen so leicht f&r ihr Vaterland zu leben und zu sterben;
den traurigen Zwiespalt, der unser Empfinden zerreifst, kannten sie
nichtc (S. 32).
Der Verf. will die Konsequenzen dieser Ansichten für die Stellung
der humanistischen Bildung an der Schule nicht ziehen. Trotzdem fnhrt
er aus, dafs es nicht das erste Mal sei, dafs man die naturwissenschaft-
liche Bildung zur allgemeinen machen wolle. Hirzel meint, die aus-
schliefslich naturwissenschaftliche Bildung führe leicht zum moralischen
und politischen Quietismus, wie man am Beispiele des Epiknreismus
sehen könne.
Der Verf. schliefst mit einer Gohortatio an die Philologen, sich
ihrer schweren Aufgabe auch w&rdig zu zeigen. Peccatur extra muros
et intra. Die Philologen stehen nach des Verf.*s Meinung in der Regel
nicht auf der Höhe der modernen Bildung. iSchon andere haben den
Finger auf diese Wunden gelegt, und es steht zu hoffen, dafs sie geheilt
werden. Dann wird auch das Wort unseres Dichters nicht zu Schanden
werden von den 'allen Unsterblichen, deren dauernder Wert, wachsenden
Strömen gleich, jedes lange Jahrhundert fQllt.c (S. 35).
So geistvoll die AusfQhrungen des Verfassers sind, so glaube ich
doch , dafs die Gedanken S. 27 von der Notzlichkeit der Philologie und
S. 33 von der Stellung der humanistischen Bildung an der Schule
eine tiefere Würdigung erhalten mufsten, als es thatsächlich ge-
schehen ist Im letzten Grunde hängt die Stellung der klassischen
Philologie in der universitas litterarum unserer Hochschulen doch von
ihrem Bildungswert, d. h. von der Verwertung der Humaniora an
den Schulen ab. Es unterliegt keinem Zweifel, dafs der klassische
Philologe an unseren Universitäten nur deshalb eine unvergleichlich
bedeutendere und wichtigere Stellung hat als sein die OrientaUa ver-
tretender Kollege, weil er hunderte von jungen Leuten vorbildet, wo
der Orientalist blofs einzelne Zuhörer hat Hier ist nicht der Begriff
der klassischen und der orientalistischen Altertumswissenschaft ent-
scheidend, sondern die praktische Verwertbarkeit der beiden Wissen-
schaften« Setzen wir einmal fflr einen Augenblick den Fall, die Alter-
mt
Klette, Beitrage I. 149
tamswissenscbaft wQrde ihre beherrschende Stellung an der Mittelschule
gänzlich einbQfsen, sie wftrde eine Wissenschaft wie die Aegyptologie
oder Chaldäologie, also eine Wissenschaft neben vielen andern, immerhin
aber eine Wissenschaft, der man den Charakter einer solchen ebenso-
wenig bestreiten würde als der Aegyptologie oder Assyriologie, so wQrde
sich die gegenwärtige Stellung nnd Hochschätsung vollständig ändern.
Es will mir scheinen, dafs die klassische Philologie ihre bisherige herr-
schende Stellung nur dann behaupten wird, wenn sie diesem Gesichts-
punkt Rechnung trägt. Löst sie sich ganz los von den Gesichtspunkten,
durch die sie bisher grofs gewesen, ignoriert sie geflissentlich die Be-
dürfnisse der Schule (um nicht zu sagen, verachtet sie dieselbe), so dQrfte
ihr auch in dem Streben nach Wertschätzung und Achtung der Rang
von den Wissenschaften abgelaufen werden, die dem täglichen Leben und
seinen BedQrfnissen besser Rechnung tragen.
Mit einer Anklage der in der Schule thätigen Philologen, dafs sie
nicht auf der Höhe der Bildung stehen, womit Hirzel schliefst, ist es
also nicht gethan. Man wird vielmehr fragen: Warum stehen die Männer
der Schule, soweit sie Philologen sind, nicht auf der Höhe der Bildung?
Und wie dann, wenn darauf geantwortet wOrde, dafs die Art ihrer aka*
demischen Vorbildung daran schuld sei? Es scheint mir deshalb, dafs
man die klaffende Tiefe zwischen dem, was die Philologen lernen, nnd
zwischen dem, was sie später brauchen, noch mehr ausfollen mflfste. Der
Gegensatz zwischen Theorie und Praxis, wie er jetzt vielfach besteht, ist
früher nicht gewesen; also mufs er nicht unbedingt sein. Es ist auch
durchaus nicht nötig, dafs die gleiche Persönlichkeit die rein wissen-
schaftliche nnd die mehr praktische Seite der Altertumswissenschaft an
der Universität vertritt. Aber es ist im höchsten Grade wünschenswert
(und zwar gerade im Interesse der Altertumswissenschaft selbst), dafs
diese letztere Seite vertreten ist. Wir heben deshalb die auf ähnliches
zielenden Worte Hirzels (S. 27) von der Verwendbarkeit aller Wissenschaft
hier besonders hervor: iThatsächlich entspringen die Wissenschaften um
des Nutzens willen und sind, wenn sie diesen soliden Grund verliefsen,
vielfach in luftige Theorien und Spitzfindigkeiten ausgeartet. Auch die
Philologie diente ursprünglich dem Leben.c
Dem Gange der Geschichte folgend, beginnen wir mit den Arbeiten
über die Geschichte des Humanismus in Italien.
Dr. Theodor Klette, Bibliothek - Gustos. Beiträge zur Ge-
schichte und Litteratur der Italienischen Gelehrten-Renaissance. I. Jo-
hannes Conversanus und Johannes Malpaghini von Ravenna. Nebst
Ezcursen zu Manuel Chrysoloras und den öffentlichen Dante-Lektoren
zu Florenz. Greifswald. Abel. 1888. 8. 59 S.
Unter den ersten Wanderlehrern des Humanismus in Italien er-
scheint Johannes von Ravenna, von seiner Thätigkeit gewöhnlich Johannes
150 Geschichte der Altertamswitnensehaft.
Grammätieos geDannt Die Schwierigkeit der Darstellong seines LebeDs-
ganges veranlalste einige Hypothesen, die Annahme mehrerer zeitgenössi-
schen Gelehrten des Namens und die Bestreitung dieser Annahme.
Auf Grund nea herausgegebener Quellen behauptet Klette, dafs es
drei Persönlichkeiten dieses Namens gegeben habe, von denen nur zwei
rechtmftfsige Träger dieses Namens seien.
Petrarca spricht in Briefen von einem jungen Ravennaten, dessen
Namen er aber nirgends angibt, in dem man aber Johannes von Ravenna
erkennen will. Im Gegensatz zu dieser Anonymit&t findet sich ein Jo-
hannes von Ravenna vielfach als Sohn des Clonversaous, Gonversinns oder
Convertinus, später als der des Jacobus Malpaghini bezeichnet.
Im Jahre 1868 wurde Johannes von Ravenna, Sohn des Conver-
tinus, zum Lehrer der Rhetorik in Florenz bestellt. Dieser kann aas
chronologischen Gründen nicht mit dem Ravennaten Petrarcas identisch
sein. 1382 ist er in Padua als Lehrer der Rhetorik nachweisbar, nach-
dem er 1376-- 1379 Lehrer in Belluno gewesen. 1396 und 1399 ist er
daneben auch als Kanzler des Herzogs von Garrara nachzuweisen. Ein
Brief an ihn von Coluccio Salutati ist, weil ohne Jahresangabe, einst-
weilen für die Chronologie seines Lebens nicht zn benutzen.
Als zweifellos von ihm herr&hrend werden die Schriften bezeichnet,
welche sich auf das Hofleben und Geschichte der Carraras beziehen:
De introitu in Aulam, De fortuna aulica, De dilectione regnantium, De
lustro Alborum in Urbe Padua, Familiae Carrariensis natio. Von diesen
wird auf S. 16 — 19 die Einleitung der letzten aus einer Dresdener Papier-
handschrift mitgeteilt. Aus einer Stelle derselben schliefst Klette, dafs
die Schrift im Anfang der achtziger Jahre des 14. Jahrhunderts ent-
standen ist.
Zugleich ist der Verfasser geneigt, eine Lehrerthätigkeit des Jo-
hannes in üdine 1390 - 1392 anzunehmen.
Im zweiten Abschnitt (S. 29 — 33) wendet sich Klette zn einer
andern Persönlichkeit gleichen Namens« An der im Jahre 1321 ge-
stifteten Universität Florenz, welche aber erst 1387 durch Statuten-
Veränderung und neue Mittel aufblähte, wurden in dieser Zeit des Anf-
blflhens Manuel Chrysoloras und Johannes Malpaghini da Ravenna be-
rufen. Der letztere heifst Johannes magistri Jacobi de Malpaghinis da
Ravenna. Über seinen vorflorentinischen Aufenthalt ist beinahe nichts
Sicheres bekannt.
Vielleicht ist er zwischen 1355—1367 zu setzen. Sicheren Boden
betreten wir erst mit 1397, wo er als Lehrer am Studio in Florenz nach-
weisbar ist Im Jahre 1402 wird er von neuem zum Lektor der Rhe-
torik gegen ein Gehalt von 70 Goldgulden bestellt. Sein Anstellnngs-
dekret wurde 1412 erneuert und er zugleich zum Dante-Lektor ernannt
Wahrscheinlich ist er April oder Mai 1417 in Florenz gestorben. Denn
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I
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Santoro, Cicerone. 151
im Mai 1417 warde Johannes Gherardi de Prato zum neuen Lektor Ar
Dante bestellt.
Nachdem noch einige Schriftstücke unter die zwei Johannes ver-
teilt sind, werden S. 44 und 45 die Ergebnisse der Untersuchung in
ttbersichtlicher Tabelle zusammengestellt.
In £xcurs I (S. 47 — 54) wird von Manuel Ghrysoloras gehandelt,
indem mit Beiziehung der neuesten, von Gherardi, Legrand und Sabba-
dini herrührenden Litteratur folgende Daten festgestellt werden: 1394
oder 1395 verläfst Ghrysoloras seine griechische Heimat, in Venedig wird
er 1396 fflr das Studio von Florenz gewonnen; der seh liefsliche Vertrag
wird aber erst den 11. Dezember 1396 abgeschlossen: Ghrysoloras erhftlt
150 Goldgulden. Den 14. März 1398 wird sein Gehalt erhöht. 1399
wird ihm erlaubt, Florenz zu jeder Zeit und auf beliebige Dauer zu ver-
lassen, ohne dafs sein Vertrag mit Florenz gelöst wurde. Seit 1400
scheint er in Pavia zu lehren. 1402 ist er noch Lehrer an der Univer-
sität daselbst, 1404 schon in Rom nachweisbar.
Fflr die Fortsetzung nimmt Klette die Aufstellungen an, welche
Sabbadini in seiner Schrift: Guarino Veronese e il suo epistolario (Sa-
lerno 1885) gegeben hat.
1407 scheint er nach Venedig zurflckgekehrt zu sein, 1408-1410
folgen Reisen nach England, Frankreich und Spanien. 1410 Rückkehr
nach Italien, wo er sich in Rom, Florenz, Bologna und Rom aufhielt.
1413 wird er zu Kaiser Sigismund nach Deutschland geschickt, 1415
stirbt er in Konstanz und wird daselbst im Dominikanerkloster begraben.
Ein zweiter Excurs (S. 54 - 59) behandelt die öffentlichen Dante-
Lektoren in Florenz. Im Jahre 1373 wurde die Errichtung eines Lehr-
stuhls zur Dante*Erklärung beschlossen. Der erste Inhaber ist der be-
rflhmte Giovanni Boccaccio. Zum Jahr 1402 wird Filippo de Villanis
erwähnt. Im Jahre 1412 wird Johannes Malpaghini von Ravenna als
Dante- Lektor genannt. 1426 wurde die dafür ausgeworfene Summe ge-
strichen. Später hatten Lorenzo di Giovanni da Pisa, Francesco Filelfo,
Antonius de Aretio u. a. den neu errichteten Lehrstuhl inne. Später
wurde dieser Lehrstuhl mit der Professur der Poesie verbunden, so dafs
Ghristoforo Landino, der Haupterklärer Dantes, welcher seit 1457 die
Professur der Poesie in Florenz bekleidet, nicht ausdrücklich als Dante-
Erklärer in den Akten erscheint.
Alfieri e Racine. — Gicerone giudicato dal Petrarca.
Appunti di Beniamino Santoro. Giovinazzo. Tipografia del R. Ospizio
V. E. 1888. 8. 26 p.
Von den zwei in diesem Schriftchen vereinigten Arbeiten kommt
für den »Jahresberichte nur die zweite in Betracht. Bekanntlich hat
das Urteil Mommsens in der »Römischen Geschichtec über den Gharakter
Giceros einen wahren Sturm unter den italienischen Gelehrten erregt
152 Geschichte der Altertnnuwissenschaft.
Zahlreiche Apologien des grofsen Bedners erschienen, nm die Darstellnng
des dentschen Gelehrten zn entkräften. Die Italiener nahmen znm Teil
ans patriotischen GrQnden fQr Cicero Partei, denn sie sehen in den Rö-
mern ihre direkten Vorfahren nnd Landslente.
Der Verfasser dieser kleinen Schrift sucht nun Mommsen den Rnhm
der Originalität zn entreifsen. Er geht dabei anf Petrarka zurflck,
welcher zwar den Stilisten Cicero im höchsten Grade bewunderte, aber
von dessen Charakter abschätzig urteilte. Dieses Urteil wurde sodann
im 18. Jahrhundert von Galiani und im 19. von Mommsen wiederholt.
Es scheint Santoro unbekannt zu sein, dafs Dmmann mit seiner
massiven Gelehrsamkeit schon vor Mommsen den Charakter Ciceros wo
möglich noch ungünstiger als dieser beurteilte. Die GrQnde Drumanns
stammen aber alle aus den Werken Ciceros selbst und nicht aus Pe*
trarka. Man sieht nicht ein, warum nicht auch Mommsen seine Anklagen
ans den Ciceronischen Schriften selbst schöpfen konnte. Übrigens gilt
bezüglich des ganzen angeblichen Nachweises das Wort: Si duo fadunt
idem, non est idem.
Dr. Alfred Masin s, Oberlehrer am Königl. Realgymnasium in
Döbeln. Ober die Stellung des Kamaldulensers Ambrogio Traversari
zum Papst Eugen IV. und zum Basler Konzil. Döbeln. 1888. 4. 22 S.
Zu dem glänzenden Humanistenkreis, welcher zu Florenz am Hofe
der Medici sich zusammenfand, gehörte auch der Kamaldulenser Ambro-
gio Traversari, der durch seine geistliche Stellung eine Sonderstellung
einnahm.
Im Jahre 1386 zu Portico im Kirchenstaate geboren, trat er 14 Jahre
alt in das Kloster Maria degli Angioli in Florenz ein, welches dem Orden
von Kamaldoli gehörte. Verhältnismäfsig früh wurde er Subprior seines
Klosters und 1431 Generalabt seines Ordens. Ohne diese Stelle aufzu-
geben, wurde er Gesandter des Papstes Eugen IV. au! dem Baseler
Konzil. Nachdem er noch lebhaften Anteil an den Unionsverhandlungen
mit den Griechen auf dem Konzil in Florenz genommen, starb er 1439.
Er hat ein besonderes Interesse fQr uns durch seine humanistische
Bildung, die er in Florenz durch Cbrysoloras und Niccolo Niccoli erwor-
ben hat. Er stand in freundlichen Beziehungen zu Poggio Bracciolini,
Francesco Filelfo, den Venetianern Francesco und Ermolao Barbaro und
dem berühmten Erzieher Vittorino von Feltre, dem Vorsteher der Gasa
giocosa bei Mantua.
Seine ausgezeichnete Bildung erstreckte sich neben Latein und
Griechisch auch auf Hebräisch. Trotzdem war er kein produktiver
Schriftsteller. Wir besitzen aus seiner Feder aufser Übersetzungen eini-
ger Kirchenväter nur eine lateinische Übertragung des Diogenes von
Laerte.
Ambrogios Beziehungen zur Kurie beginnen mit der Ernennung
Holstein, BegrQfsangBrede. 153
seines Verwandten Gondolmieri zum Protektor des Kamaldulenserordens
durch Papst Gregor XII. Im Jahre 1482 kam Amhrogio zuerst nach
Rom, wo inzwischen Gondolmieri (als Papst heifst er £ugen IV) auf den
päpstlichen Stuhl berufen worden war. Nicht die humanistische Bildung,
wofQr Eugen IV wenig Verständnis hatte, sondern ein asketischer Zug
brachte die beiden Männer zusammen.
Amhrogio führte als Ordensgeneral wieder die Strenge der alten
Zucht ein. Die Wahl Eugens IV begrttfste er enthusiastisch und sandte
ihm die Schrift De consideratione von Bernhard von Clairvaux, die dieser
einst Eugen III gewidmet hatte. Gosimo von Medici lieh ihm die Summe
zu einer Reise nach Rom, um sich dort in seiner Eigenschaft als Ordens-
general vorzustellen.
Damals durchwanderte er am Arm Poggios die Ruinen des alten
Rom, fQr welche dieser den Erklärer machte. Zugleich musterte er die
Bibliotheken seiner Gönner. Den grOfsten Anstofs nahm der asketische
Mönch an dem weltlichen Treiben der Stadt. Dem Papste überreichte
er die lateinische Übersetzung der griechischen Biographie von Chry-
sostomos, die er angefertigt hatte, um die Kosten der Reise zu decken.
Als Eugen IV aus Rom vertrieben flachten mufste, eilte ihm Tra-
versari von Pisa aus entgegen und traf ihn, wie er in seinem Tagebuch
schildert, zwischen Pisa und Livorno, wo er den unglflcklichen Kirchen-
fQrsten von neuem seiner Ergebenheit versicherte. Das weitere Leben
des Papstes und dessen Beziehungen zu Traversari liegen aufserhalb der
Aufgabe; hier soll blofs die Sendung des letzteren nach Basel dargestellt
werden.
In dem Streite des Baseler Konzils mit dem Papst sollte im Jahre
1485 Traversari vermitteln. Derselbe ging als Gesandter gemeinsam mit
Antonio de San Vito dahin ab.
Traversari berichtet in zahlreichen Briefen an den Papst und seine
Freunde Aber die Reise nach Basel und den Aufenthalt daselbst. Auf
dem Wege dahin besuchte er seinen Freund Vittorino von Feltre in
Mantua. In Verona verlebte er mit Francesco Barbaro zwei genufsreiche
Tage. Den 21. August 1436 traf er. Ober Trient und Konstanz reisend,
in Basel ein. Er war geschickt worden, um wegen eines Beschlusses
gegen die Annaten mit dem Konzil zu unterhandeln. Diese Dinge wie
seine ganze Thätigkeit in Basel haben mit dem Humanisten Traversari
nichts zu thun und können also hier nicht besprochen werden.
Hugo Holstein, Die Begrüfsungsrede des Papstes Pius II. bei
der Ankunft des Hauptes des h. Andreas in Rom am 12. April 1462
(Zeitschrift für vergleichende Litteraturgesch. etc. N. F. II. S. 864
und 366).
Die kleine Rede mufs hier kurz erwähnt werden, weil ihr Ver-
fasser, Papst Pius IL, bekannter unter seinem froheren Namen Aeneas
154 GeBcbicbte dar AltertamswissenBchafr.
Sylvius Piccolomini, einer der glänzendsten humanistischen Namen des
15. Jahrhunderts, ganz besonders auch für die Verbreitung des Huma-
nismus in Deutschland von Wichtigkeit ist.
Auf Machiavelli beziehen sich zwei Arbeiten:
Georg Ellinger, Die antiken Quellen der Staatslehre Machia-
vellis. Tübingen. Laupp. 1888. 8. VIII n. 62 S.
Das Schriftchen, ein Sonderabdruck aus der »Zeitschrift fOr die
gesamte Staatswissenschaftc , ist ein Teil einer grolsen Arbeit, welche
der Verfasser seit längerer Zeit vorbereitet, und die eine Geschichte
der politischen Theorieen im Zeitalter der Reformation enthalten soll«
eine Fortsetzung der Arbeit desselben Verfassers Aber »das Verhältnis
der öffentlichen Meinung zu Wahrheit und Loge im 10., 11. und 12. Jahr-
hunderte Nur durch Forschungen aber die Geschichte des moralischen
Bewufstseins in dem Zeitalter der Renaissance wird ein volles Verständnis
des Systems von Machiavelli möglich.
Zugleich aber ist es nötig, die Abhängigkeit der Schriftsteller der
Renaissancezeit von klassischen Autoren im einzelnen nachzuweisen.
Keine von den Vorarbeiten hatte den Stoff auch nur annähernd erschöpft»
so dafs Ellinger im wesentlichen auf eigene Studien angewiesen war.
Der erste Abschnitt behandelt die »Hauptprincipien (warum nicht
blofs 'Principien'?) der Staatslehre Machiavellisc (S. 1-21). Die Er-
örterung über -die Verfassungen an der Spitze der Discorsi, wonach eine
Art von Kreislauf derselben vorhanden ist, hat M. im wesentlichen aus
dem sechsten Buch des Polybius entlehnt. Auch Thukydides dürfte ffir
diesen Gedanken mit Quelle gewesen sein. Ebenso ist die Betrachtung
aber den Nutzen der Geschichte auch für den praktischen Staatsmann
schon bei Polybius und Diodor zu finden.
Die Ansichten über das Glück, worüber auch Plutarch geschrieben,
dürften aus Gurtius Rufus entlehnt sein; denn wie dieser, verlangt Machia-
velli, dafs man sich dem Glücke nicht rückhaltslos ausliefern soll. Eine
Stelle von der Nutzlosigkeit der Mittelwege geht auf Livius IX 3 zurück.
Aber auch der sentenziöse Sallust ist gelegentlich Quelle.
Ein zweiter Abschnitt behandelt »die Discorsi und die Beurteilung
des römischen Staatswesens!. Wenn Machiavelli die Trefflichkeit des
Heerwesens und die Wertschätzung der Religion als die zwei Haupt-
gründe von Roms Gröfse bezeichnet, so wiederholt er damit — mntatis
mutandis — nur Gedanken von Herodot, Seueca, Thukydides, Xenophoo,
Polybius. In anderen Ansichten scheint er von Cicero, Aristoteles und
wiederum Herodot beeinflufst zu sein.
Ein dritter Abschnitt behandelt »das Fürstenideal Machiavellisc
Es sind bei ihm zwei Fürstenideale zu unterscheiden ; das eine ist stück-
weise dargestellt in den Discorsi, das andere ausgeführter im Principe.
Der Gedanke, dafs ein erbliches Fürstentum entarten müsse, stammt
Baumgarten, Karl V. 155
zunächst aus Aristoteles, der behauptete, dafs durch die Vererbung des
FOrstentums die Staaten zugrunde gerichtet w&rden.
Für den Principe Machiavellis dürften femer Xenophons Abhand-
lung De tyrannide und die dem gleichen Schriftsteller zugeschriebene
Schrift Hieron bestimmend gewesen sein. Aber im Laufe der Darstellung
macht M. auch Anleihen bei Aristoteles, Plularch, Thulcydides, Cicero u. a.
Der Anhang enthält folgende drei Abschnitte: 1) Über dik Methode
der Untersuchung in Machiavellis Staatslehre. — 2) Verzeichnis der von
Machiavelli in den Discorsi und im Principe selbst erwähnten antiken
Schriftsteller. — 3) Machiavelli und Aristoteles.
Im ersten Abschnitt entwickelt EUinger, dafs M. in der Methode
seiner Staatslehre sich im wesentlichen an Plutarch angeschlossen habe.
Die von M. citierten Schriftsteller sind: Livius, Cicero, Tacitus,
Sallust, Plutarch, Xenophon, Diodor, Quintus Curtius, Herodian, Aristo-
teles. Der so häufig benutzte Polybius wird merkwürdiger Weise nicht
genannt. Benützt und nicht genannt sind noch Justin und Sueton.
Zum Schlafs tritt Ellinger nochmals der Behauptung Leos ent-
gegen, welcher Pasquale Villari in seiner Monographie über Machiavelli
beipflichtet, wonach dieser zur Zeit der Abfassung des Principe die
Politik des Aristoteles noch gar nicht gekannt habe.
Nur ein einziges Kapitel gehört in den Rahmen des »Jahresbe-
richtsc von einem grofsangelegten Werke, dessen £nde noch nicht er-
schienen ist:
Hermann Baumgarten, Geschichte Karls V. Stuttgart, J. G.
Cotta. Bd. L (1886). Bd. H. £rste Hälfte (1886). Zweite Hälfte (1888).
£8 ist der Abschnitt »Macchiavelli und Lutherc (I 320—348) und
dazu ein Anhang: Ȇber Macchiavellis Principec (I 622-536).
Machiavelli hat eine durchaus äufserliche Auffassung von dem Ver-
hältnis von Fürst und Volk. £r kennt überhaupt keine sittlichen Mächte.
Die Religion ist in seinen Augen nur ein Werkzeug der Politik. Was
letzterer frommt, ist gut, was sie hemmt, ist verwerflich. Treue und
Wahrhaftigkeit haben keinen Wert an sich, sondern sie werden ange.
wandt, wenn man mit ihnen schneller zum Ziele kommt als mit Untreue
und Unwahrheit.
£ine neue Auffassung des Principe Machiavellis begann nach Villaris
Behauptung mit Rankes Untersuchung über neuere Geschichtschreiber
vom Jahre 1824. Darnach wäre das Buch unter dem »Gesichtskreis ent-
standen, der im Jahr 1614 vorwaltetec Aber nach einem Briefe Vettoris
kann kein Zweifel sein, dafs der Principe den 10. Dezember 1610 bis
auf die letzte Revision vollendet war, wodurch Rankes Behauptung und
die daraus abgeleiteten Folgerungen hinfällig werden.
Nach Baumgartens Meinung ist das Buch nicht für einen bestimm-
ten politischen Moment, auch nicht f&r die Medici geschrieben. Die Not
156 Geschichte der Altertamswissenschaft.
seiDer Lage trieb Machiavelli nach seiner eigenen Angabe dazu, durch
die Medici Beschäftigung zu suchen. Damit stimmt aach der Inhalt,
der allgemein gehalten ist und nicht auf einen bestimmten politischen
Moment Beziehung nimmt. Berflcksichtigt man die gleichzeitigen Briefe
Machiavellis, so wird der Principe fast unverständlich, wollte man an
der Ansicht festhalten, der Verfasser habe Lorenzo de Medici znr Be-
freiung Italiens auffordern wollen.
Der Fürst, dessen Ideal im Principe gezeichnet wird, ist kein
grofser nationaler Herrscher, sondern ein Dynast von der Art, wie es
deren im damaligen Italien manche gab.
Die Rankesche Auffassung hat nur eine Stütze, das Kapitel 26 des
Principe, welches den Aufruf zur Befreiung Italiens von den Barbaren
enthält. Aber dieses Schlufskapitel ist ein Ausflufs der Phantasie und
steht im grellsten Gegensatz zu der sonstigen NCtchternheit der Schrift.
Nur diese Apostrophe dürfte später für Lorenzo hinzugefügt sein.
Adolfe Verdi, Gli Ultimi anni di Lorenzo de* Medici doca
d'Urbino (1516—1619). £ste. G. Pitrogrande, editore 1888. 8.
Der von den Zeitgenossen und späteren Historikern nicht günstig
beurteilte Lorenzo, Herzog von ürbino, fand neuerdings eine gerechtere
Beurteilung durch Giorgetti, dem sich jetzt noch Verdi anreiht
Dieser Lorenzo, Enkel des berühmten Lorenzo des Prächtigen,
Sohn Pietros U und der Alfonsina Orsini, wurde 1492 in Florenz gebo-
ren. Frühzeitig zeigte er geistige Gaben, die bewiesen, dafs er seines
berühmten Grofsvaters nicht unwürdig war.
Es ist hier nicht der Ort, die Darlegungen Verdis, welche tief in
die verschlungenen Gänge der italienischen Politik im Anfang des 16. Jahr-
hunderts führen, zu verfolgen. Von vielen Zeitgenossen wurden seine
Talente sehr hoch geschätzt. Es bleibt eine bezeichnende Thatsache,
dafs ihm Niccolo Machiavelli seinen »Principec gewidmet hat
Die herrschende Modekrankheit damaliger Zeit brachte ihm ein
frühes Ende. Dabei nahm er mit sich in sein Grab das drückende Be-
wufstsein, durch die ansteckende Kraft der furchtbaren Krankheit aach
der Mörder seiner tugendhaften Gemahlin, Maddalena d^Auvergne, zu
sein (p. 114).
Kurz erwähnt sei ein anmutig und frisch geschriebenes Werk von
Leader Scott, Tuscan Studios and Sketches. lUustrated. Lon-
don. T. Fisher Unwin 1888. 8.
Der Verfasser ist bekannt als ein Kenner italienischer Kunst Der
gröfste Teil dieses Werkes ist gleichfalls der Kunstgeschichte der ita-
lienischen Renaissance gewidmet, kann also hier nicht besprochen werden.
Doch möge auf Kapitel II (>A library of Codicesc) hingewiesen sein,
^pwf^mm^m'^'^'^mm^mf^mtmm^i^i^^Kmvmm^Kvaf^^^m^^^m^-^^**^
Egelhaaf, Deutsche Geschichte. 157
das die Geschichte der Florentiner Bibliotheken in einer ffir weitere
Kreise lesbaren Form darstellt.
Von Italien wenden wir uns nach Dentschland.
Eine zusammenfassende Darstellung des deutschen Humanismus
findet sich bei:
Gottlob Egelhaaf, Dr. ph., Professor am Karlsgymoasium zu
Stuttgart. Deutsche Geschichte im sechzehnten Jahrhundert bis zum
Augsburger Religionsfrieden (Zeitalter der Reformation). Erster Band.
1617—1526. Stuttgart. J. G. Cottas Nachfolger. 1889. 8. VIII 680 S.
(Bibliothek Deutscher Geschichte, herausgegeben von H. v. Zwiedineck-
Sttdenhorst).
Aus dem reichen Inhalt dieses gehaltvollen und sehr gut ausge-
statteten Bandes kommen fOr den Jahresbericht nur folgende zwei Ab-
schnitte in Betracht: »Der Bruch mit der mittelalterlichen Weltauffassungc
S. 9 ~ 102 und »die Leipziger Disputation und das Eingreifen der Huma-
nisten und Ritterc S. 199—216.
Der erste Abschnitt ist eine kurze Geschichte des deutschen Huma-
nismus. Das Wesen der Renaissance sieht Egelhaaf in der Auflehnung
des Menschen gegen die alles umspannende Macht der kirchlichen Ge-
sichtspunkte. In Italien reicht diese Bewegung bis ins 13. Jahrhundert
zurttck, in Deutschland beginnt sie erst mit dem 15. Jahrhundert.
Die Vorboten des Humanismus in Deutschland sind der bekannte
Peter Luder von Kislau, der z. B. auch in Heidelberg lehrte, sodann Samuel
Earoch von Lichtenberg, beide durch lockere Sitten die neue Bewegung
nicht sonderlich empfehlend. Bedeutungsvoll war sodann die Thätigkeit
des Aeneas Sylvius Piccolomini, des späteren Papstes Plus II (1458 bis
1464), der auf dem Basler Konzil und seit 1442 als päpstlicher Legat
am kaiserlichen Hofe fttr Verbreitung humanistischer Bildung thätig war.
Bald nahmen sich auch die Fürsten der neuen Bildung an, vor
allem Kaiser Maximilian I, sodann Herzog Eberhard im Bart von Württem-
berg (t 1498), Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen (f 1525) und Kur-
fürst Albrecht von Mainz (f 1545). — Auffallenderweise ist hier Kurfürst
Philipp der Aufrichtige von der Pfalz vergessen, der mindestens ebenso
viel für die Geschichte des deutschen Humanismus bedeutet wie Eber-
hard im Bart und Friedrich der Weise.
Anfangs lebten Humanismus und Kirche im besten Frieden. Rudolf
Agricola fing in der letzten Lebenszeit an, sich mit Theologie zu be-
schäftigen. Alexander Hegins (1433—1498), der ausgezeichnete Schul-
mann, kämpfte eifrig gegen die scholastischen Lehrbücher und war doch
ein frommer Dichter. Aber schon die nächste Generation hat trotz
mancher Ausnahmen eine Neigung zur Opposition gegen die Kirche.
Als einen Typus deutscher Humanisten reinster Ausprägung mufs
man Konrad Celtis betrachten, welchen Egelhaaf eingehender schildert.
158 Geflcfaicbte der AltertamswisseDScbaft.
hauptsächlich auf Grood einer geistvollen Stndie, welche Friedrich
von Bezold vor einigen Jahren von diesem gegeben. Seine Weltan-
schauung ist eine »völlig antik-naturalistischec ; trotzdem botet er sich,
mit der Kirche zu brechen. Wenn ihm das Eirchentum nicht zusagte,
zog er sich vom grofsen Haufen zurück.
Ein weiterer Abschnitt behandelt Johannes Reuchlin von Pforzheim
und seinen Streit mit den Kölner Obscuranten über die JudenbQcher,
wobei die Werke Geigers über Reuchlin und von D. Fr. Straufs über
Ulrich von Hütten herangezogen werden. Schliefslich hat übrigens Reuch-
lin seinen Prozefs verloren: den 23. Juni 1620 entschied der Papst gegen
ihn. Doch hatte er die öffentliche Meinung auf seiner Seite, wie man
an den Epistolae obscurorum virorum und an dem Triumphus Reuchlini
sieht. Beide Schriften waren anonym erschienen. Von dem Kunstwort
der »Briefe der Dunkelmänner! urteilt Egelbaaf günstiger, als es viel-
fach in der letzten Zeit geschehen: Das Latein ist »flüssig, lebensvoll,
aber barbarisch und doch seiner Barbarei sich scheinbar selbst nicht
bewufst; mit einem Wort: es hat allen Reiz des Naiven und Komischen
zugleich an siehe
Daran schliefst sich eine Charakteristik Ulrichs von Hütten (S. 37
— 45), die, obgleich keine Apologie, doch erfreulich ist, wenn man an die
neueren Verunglimpfungen des begeisterten Patrioten denkt
Ein ganz anders gearteter Mann ist Desiderius Erasmus, zu
dessen Schilderung der Verfasser sodann übergeht. Der Sohn einer
später wieder gelösten Verbindung, wurde er mit neun Jahren der Schule
in Deventer übergeben. Nachdem er die Mutter und dann den Vater
verloren hatte, trat er auf Rat seiner Vormünder in das Kloster Stein
(Emmaus) bei Gouda ein. Hier bei den Augustiner-Ghorherrn widmete
er sich seinen mönchischen Pflichten und trieb nebenbei humanistische
Studien. 1491 aus dem Kloster befreit, blieb er zuerst bei dem Bischof
von Cambrai, um sich sodann 1496 nach Paris zu begeben. Mittellosig-
keit zwang ihn zum öfteren Wechsel des Aufenthaltes. 1506 — 1509 war
er in Italien. Schliefslich blieb er in Basel beim Buchhändler Froben
bis zum Jahre 1529. Die gewaltsame Einführung der Reformation in
Basel vertrieb ihn: er siedelte mit Glareauus nach Freiburg i. B. über,
das er aber kurz vor seinem Tode wieder verliefs. Er starb in Basel 1536.
Philologie und Pädagogik, Theologie und Moral verdanken ihm
Anregung und Förderung. Zahlreiche Klassiker und Kirchenschriftsteller
hat er herausgegeben, viele übersetzt, daneben auch Erbauliches ge-
schrieben.
Eine besondere Wirkung übte er durch folgende Schriften aus:
die Sprüchwörtersammlung (Adagia), das Lob der Narrheit (Laus stulti-
tiae oder encomion morias) und die Ausgabe des griechischen Neuen
Testamentes.
Die Sammlung der Adagia, zum erstenmal 1500 erschienen, wurde
^
Egelbaaf, Deotsche Oeschichte. 159
in jeder neaen Ausgabe umfangreicher. Erasmas that sich später auf
dieses Buch etwas zugut.
Satirisch gehalten ist das Lob der Narrheit, dadurch an Seb.
Brants Narrenschiff erinnernd. >Es ist ohne Frage ein merkwürdiges
Buch, unter welchem Gesichtspunkt man es auch betrachte. Stilistisch
ist es eine hervorragende Leistung, in einem flotten Rhetorenlatein ge-
schrieben, wenn auch nicht ängstlich gefeilt, voll von Belesenheit in der
antiken Litteratur, voll von Witz und Anmut Man weifs beim Lesen
kein Ende zu finden. c
Eine Leistung positiver Art. ist sodann seine Ausgabe des Neuen
Testaments, die 1616 bei Frohen in Basel erschien, ein wichtiges Buch
am Vorabend der Reformation. Erasmus stellte eine Veritas Graeca
der seither sklavisch hingenommenen lateinischen Übersetzung der Vulgata
entgegen. Die streng kirchlichen Kreise suchten vergeblich, z. B. durch
Dorpius, Erasmus von der Edition abzuhalten.
Schon die Zeitgenossen haben die Bedeutung des Erasmus sehr
hoch angeschlagen. Er stellt den Humanismus auf der Spitze seiner
EntWickelung dar. Diese geistige Richtung wird in ihm ihrer Rechte
und ihrer Pflichten sich bewufst. Mit Recht sagten die epistolae obscu-
rorum virornm: »Erasmus ist ein Mann ffir siehe
Auch fOr die Pädagogik ist er von Bedeutung geworden. Er giebt
Vorschriften Ober Mädchenerziehung. Das Ziel der Erziehung bei den
Knaben ist ihm Vereinigung von Religion, Sittlichkeit und Wissenschaft.
Eine Fortsetzung dieser Darstellung findet sich sodann S. 209 ff.,
wo geschildert wird, wie die Leipziger Disputation zur Folge hatte, dafs
die meisten Humanisten auf Luthers Seite traten. Schon vorher hatte
sich ihm Melauchthon angeschlossen, und bald war die wärmste Freund-
schaft zwischen den beiden Männern vorhanden. Luther schreibt Ober
Melauchthon an Erasmus: »Bleibt dies Haupt gesund, so dQrfen wir uns
ich weifs nicht was Gröfseres versprechenc.
Als fernerer Bundesgenosse stellte sich Grotus Rubeanus ein, der
mutmafsliche Verfasser des ersten Teils der epistolae obscurorum virorum,
der durch Luthers Schriften »biblische geworden war und sogar in Rom
die Schriften des Reformators verbreitete.
Eobanus Hessus, das glänzendste Talent unter den jungen Poeten,
früher begeisterter Schwärmer für Erasmus, erklärte die neu erschlossene
Bibel fQr den wahren Born der Frömmigkeit. Auch Erasmus sprach
freundlich ttber Luther, wenn er auch dringend zur Mäfsigung mahnte.
Von den Künstlern schliefst sich Albrecht Dürer an, dem der
Wittenberger Reformator als »ein mit dem heiligen Geist erleuchteter
Manne erschien.
Das städtische Patriziat stellte seinen Vertreter in dem glänzenden
Willibald Pirkheimer, der Johann Eck, Luthers Gegner in Leipzig,
160 Geschiebte der AltertomswisseiiBchaft.
in der anonym erschienenen Schrift iDer abgehobelte Ecke (Eddas
dedqlatas) verspottete.
Am heftigsten war Ulrich von Hatten, der von jetzt an Lather als
BandesgenoBsen betrachtete. Egelhaaf bespricht karz die drei Schriften :
»Vadiscos oder die römische Dreifaltigkeitc (Trias Romana), »das zweite
Fiebere and »die Anschaoendenc (Inspicientes). Hatten war rastlos
thätig, die Geister gegen Rom aufzuregen.
Zum Schlüsse mögen einige kleine Versehen erwähnt werden, die
den Wert des bedeutenden und gut geschriebenen Buches in keiner Weise
beeinträchtigen.
Auf S. 13 ist behauptet, dafs Peter Luder im Jahre 1444 in Heidel-
berg als Professor der lateinischen Sprache Anstellung gefunden habe.
Aber Luder wurde erst 1466 Lehrer an genannter Hochschule. Vgl.
W. Wattenbach in der Zeitschr. f. d. Geschichte des Oberrheins, Bd. 22
(1869) S. 43.
Auf S. 22 wird die Parteinahme des Konrad Celtis in dem Streite
über die unbefleckte Empfängnis Mariae damit erklärt, dafs er dadurch
zugleich gegen die den Humanisten verhafsten Dominikaner Partei er-
greifen wollte. Das ist aber nicht richtig, da auch auf der Seite der
Dominikaner humanistisch gebildete Männer stehen. Vgl. darüber die
Nach Weisungen bei Ch. Schmidt Histoire littäraire de TAlsace (an ver-
schiedenen Stellen).
Auf S. 89 lesen wir, dafs Hütten von dem Rektor der Universität
Wien zurückgewiesen werden konnte, weil er damals noch keinen akade-
mischen Grad, weder den eines Baccalaureus noch den eines Magisters,
besessen habe. Das ist jedoch anrichtig. Hütten war schon 1506 in
Frankfurt a. 0. Baccalaureus geworden, was er freilich später ableugnete.
Vgl. D. Fr. Straufs Ulrich von Hütten (2. Aufl.) S. 39.
Auf S. 51 wird zu den GoUoquia des Erasmus die Zahl 1524 hin-
zugefügt. Aber die erste Ausgabe dieses weltberühmten Buches des
Erasmus war schon 1518 in Basel durch Beatns Rbeuanus veranstaltet
worden. Vgl. Horawitz und Hartfelder Briefwechsel des Beatus
Rhenanus (Leipzig 1886) S. 605.
Auf S. 211 wird, wie üblich, der Eckius dedolatus dem Nürnberger
Willibald Pirkbeimer zugeteilt. Nach den Nachweisungen, welche Sieg-
fried von Szamatölski in der neuesten Ausgabe genannter Schrift (Heft 2
der »Lateinischen Litteraturdenkmäler des XV. und XVI. Jahrhundertsc)
p. IX und X gegeben hat, halte ich das für unmöglich. Darnach hat
wahrscheinlich Matthaeus Gnidius das Büchlein verfafst.
Der gröfste aller Humanisten nördlich der Alpen ist der Nieder-
länder Desiderius Erasmus von Rotterdam. Ihm gelten zwei Ar-
beiten:
Nolhac, £rasme en Italie. 161
firasme en Italie. £tude sur un Episode de la Renaissance
avec doQze lettres in6dites d'£rasme par Pierre de Nolhac, maltre
de Conferences k r£cole des Hautes-£tades. Paris. Librairie G.
Klincksieck. 1888. 8. VIII u. 139 S.
Der Verfasser dieses kleinen, ansprechend ausgestatteten Buches
bat sich bereits durch mehrere Arbeiten als ein Kenner der Renaissance-
zeit ausgewiesen; die hier hauptsächlich in Betracht kommenden fobren
die Titel: Le Canzoniere autographe de P^trarque, La Biblioth^ue de
Fulvio Orsini.
Die Zeit des italienischen Aufenthaltes von Erasmus bezeichnet
Nolhac als einen der wenigst bekannten Abschnitte im Leben des grofsen
Humanisten. Mit Hilfe von neuen Aktenstücken suchte er hier nach
Kräften Licht zu schaffen und die Chronologie der italienischen Reise
ins Klare zu bringen.
Seit dem Jahre 1500 finden sich in des Erasmus Briefen Andeu-
tungen von seiner Absicht, nach Italien zu geben und dort seine Bildung
zu vollenden, sich auch daselbst akademische Grade zu holen, da die
italienischen Hochschulen damals höhere Achtung genossen als die nörd-
lich der Alpen. Endlich bot sich ihm dazu eine günstige Gelegenheit im
Jahre 1506, wo er gerade in England war. Er sollte als eine Art von
wissenschaftlichem Reisebegleiter mit den beiden Söhnen des Battista
Boerio von Genua, des Leibarztes von König Heinrich VII von England,
nach dem Lande der Sehnsucht für jeden Humanisten gehen. Der eigent-
liche Erzieher der beiden Studenten, welche in Italien ihre Bildung ab-
schliefsen sollten, war aber nicht Erasmus, sondern ein gewisser Clyston.
Die Reise führte zunächst nach Paris, wo Erasmus unter andern
auch mit dem Drucker Badius Ascensius verhandelte, hierauf nach Lyon
und dann in die Alpen, wo das kleine, aber berühmte Carmen equestre
uel potius Alpestre entstand. In Turin wurde Erasmus den 4. Septem-
ber 1506 zum Doktor promoviert. Dann ging es nach Bologna weiter,
wo die beiden Boerio studieren sollten. Aber die herrschenden Kriegs-
unruhen trieben Erasmus bald über den Appennin nach Florenz.
Nach etwa sechswöchentlichem Aufenthalt kehrte er jedoch nach
Bologna zurück. Den 11. November 1506 sah er Papst Julius H. als
Triumphator in die Stadt einziehen und verglich als stiller Zuschauer
den mit einem Harnisch geschmückten Statthalter Christi mit Christus
und den Aposteln. Im ganzen blieb er 13 Monate in Bologna. Das
Verhältnis zu Clyston, dem Erzieher der beiden Boerio, verschlimmerte
sich 80, dafs er noch nach 25 Jahren den Mentor der beiden Studenten
als monstrum und porcus bezeichnete.
An den öffentlichen Vorlesungen der Universität Bologna scheint
er nicht teil genommen zu haben. Filippo Beroaldo, den Erasmus so
hoch schätzt, war schon gestorben. Scipio Fortiguerra von Pistoia, ge*
Jahresbericht für AlteithunuwiMenschaft LXIX. Bd. (1891. lO.) H
162 Geschichte der Altertam&wiBseoBchaft.
naDDt Karteromachos, hat er persönlich kennen gelernt, aber gearbeitet
hat er blofs unter der Leitung des bescheidenen Paolo Bombasio, der
von 1606—1510 Griechisch an der Universität Bologna lehrte, and zwar
im Hause dieses Gelehrten.
Erasmus vermehrte die Sammlung der Adagia, sah seine lateinische
Übersetzung der Hecuba und der Iphigenia in Aulis von Euripides, welche
Badius Asceusius in Paris mangelhaft gedruckt hatte, nochmals durch,
arbeitete auch an zwei uns verlorenen Schriften: den Briefen der Anti-
barbari und einer Declamatiuncula ttber das klösterliche Leben. Von
hier aus kottpfte er auch eine Verbindung mit dem gelehrten Drucker
Aldus Manutius in Venedig an, der sodann eine verbesserte Ausgabe
der genannten Euripidesttbersetzungen veranstaltete ( Venetiis mense
Decembri 1607). Gegen seine früher geäufserte Absicht (er hatte zu-
nächst nach Rom gehen wollen) wanderte er sodann im Anfiang des Jahres
1608 nach Venedig.
Das zweite Kapitel behandelt den Aufenthalt des Erasmus in
Venedig, wo er im Hause des gelehrten Druckers Aldus Manutius wohnte.
An diese Zeit knüpfen sich die besonders von J. G. Scaliger in seiner
Oratio contra Ciceronianum Erasmi verbreiteten Anklagen, Erasmus sei
im Genüsse des Weins unmäfsig gewesen. Die Wahrheit dürfte sein,
dafs der an die reichliche Kost der Nordländer gewöhnte Erasmus an
der knickerig und dürftig besetzten Tafel des Manutius Hunger leiden
mufste und sich deshalb selbst verköstigte. In der »Opulentia sordidac
der Erasmiscben Colloquia sieht Nolhac eine Schilderung dessen, was
Erasmus im Hause des Manutius erleben mufste.
Während dieses Aufenthaltes beschäftigte sich Erasmus mit einer
Qeuen Ausgabe seiner Adagia, die so verbessert und erweitert wurde,
dafs sie als ein neues Werk gegenüber der ersten Ausgabe bezeichnet
werden kann. Mit Vergnügen erlebte er dabei die liberale Unter-
stützung zahlreicher in Venedig lebender Gelehrten: aufser Aldus Manu-
tius werden Johann Laskaris, Battista Egnazio, Marcus Mnsurus und
Frater Urbano Bolzaui genannt. Erasmus erkennt das an: »J'ai M
aid^ par des gens que je ne connaissais ni de vue, ui de nomt (S. 40).
Nach acht oder neun Monaten war die Arbeit der Adagia beendet. Aldus
suchte den gelehrten Niederländer noch ferner zu halten, um von ihm zu
lernen, aber Erasmus blieb nur noch einige Wochen. Nolhac weist aus-
führlich nach, wie unbegründet die Meinung der Verkleinerer des Eras-
mus, unter denen besonders Scaliger zu nennen, sei, wonach derselbe
als untergeordneter Korrektor in der Aldinischen Druckerei beschäftigt
gewesen.
Wertvoll waren für Erasmus die Beziehungen, die er zur Ge-
lehrten-Akademie des Aldinischen Hauses gewann, wobei aber zu beachten
ist, dafs nicht alle veneUanischen Gelehrten, welche Erasmus kennen
lernte, auch zu dieser Akademie gehörten. Von einigen Gelehrten wissen
Nolhac, £ra8me en Italie. 168
wir bestimmt, dafe Erasmos damals ihre persönliche Bekaontschaft oicht
gemacht hat, z. B. Alberto Pio, FUrst von Carpi, Pietro Bembo, Barto«
lommeo Alviano. Um so inniger wurde die Freundschaft mit anderen,
z. B. Giambattista Egnazio, Frater Urbano Bolzani, Paolo Ganale. In
die Zeit seines venetianischen Aufenthaltes fällt auch die Bekanntschaft
mit Girolamo Aleandro, dem später so Abel berflchtigten päpstlichen
Nuntius zu Worms (1521), der schliefslich Bibliothekar der Yaticana und
Kardinal geworden ist. Die beiden Freunde, welche sogar die Wohnung
mit einander teilten, ahnten damals nicht, wie feindselig sie später ein-
ander begegnen würden. Als Aleander von Venedig nach Paris abging,
om eine Professur des Griechischen zu Obemehmen, nahm er Empfehlungs-
briefe des Erasmus mit, die ihm gewifs genützt haben.
Das dritte Kapitel hat folgenden Inhalt: £rasme ä Padoue. Visite
ä Ferrare. S^jour k Sienne. Triple s^'our d'£rasme k Bome. Ses
liaisons et ses observations. Voyage de Naples.
Im Oktober oder November 1508 zog Erasmus nach Padua, wo
er die Hofmeisterstelle bei dem Prinzen Alexander, einem Sohne des
Königs Jakob IV von Schottland, flbernahm. Derselbe, erst 18 Jahre
alt, war bereits Erzbischof von St. Andrews, und Erasmus hat später
von ihm stets mit Anerkennung gesprochen. Zugleich erneuerte er die
Bekanntschaft mit Marcus Musnrus, lernte Lazarus Bonamicus und den
Spanier Luis Texeira kennen; seine Studien galten auch hier hauptsäch-
lich dem Griechischen: er studierte zumeist Pausanias, Eustathius, die
Scholiasten zu Lykophron, Euripides, Pindar, Sophokles und Theokrit
Gerne wäre er noch länger geblieben, aber durch den Abschlufs
der Ligue zu Gambrai war Padua vom Kriege bedroht, und so reiste
Erasmus mit seinem Zögling Ober Ferrara, wo er mit Celio Galcagnini,
Paniciato, Oelio Richerio, de Rovigo (Rhodiginus) und Niccolö Leoniceno
bekannt wurde, Aber Bologna, wo er blofs Bombasio begrflfste, nach
dem gesunden und aufserhalb des Bereiches des Krieges gelegenen Siena.
Hier widmete er sich besonders dem Unterricht seines Zöglings, fflr den er
auch sog. Declamationes schrieb. Erhalten von diesen ist nur die Deda-
matiuncula de morte. Ein Stiergefecht, das zum Karneval in Siena auf-
geführt wurde, fand wegen der Tierquälerei nicht seinen Beifall. Aber
das Verlangen, Rom zu sehen, liefs ihm keine Ruhe. Er nahm Urlaub
von seinem Prinzen und ging allein nach der ewigen Stadt.
Als Zeit fflr den Anfang dieses ersten Aufenthalts von Erasmus in
Rom rechnet Nolhac das Ende des Februars oder den Anfang des März
1509 heraus. Über die Ruinen, deren Rom damals noch mehr hatte als
jetzt, macht er nur sehr allgemeine Angaben. Er gab sich ganz dem
Genüsse des römischen Lebens hin, dem Studium der Sitten und dem
Vergnügen der Freundschaft. Die* Bekanntschaft mit Karteromachos
wurde erneuert und verwandelte sich in eine innige Freundschaft. Unter
den neuen Bekanntschaften ist zu nennen Tommaso Inghirami, Biblio-
164 Geschichte der Altertomswiteeiischaft.
thekar der YaticaDa, der Typus eioes römischen Prälaten aas der
der ReDaissance, zugleich ein ausgezeichoeter Prediger, von aeiaen ho-
manistischen Freunden Phaedrus genannt.
Vermutlich hat Erasmus auch damals in Rom weilende LandsleoU
kennen gelerot, etwa den Luxemburger Johann Goritz (Coricius), der
schon Reuchlin freundlich aufgenommen hatte und in seiner Villa auf
dem Quirinal für Poeten ein offenes Haus hatte.
Auch auf seine religiösen Überzeugungen wirkte der rOmisdie
Aufenthalt ein. Noihac spricht sich gegen die Abschwftchangen aus,
die man an denselben gewöhntich vornimmt. Er war freilich nickt
damit einverstanden, als man später nach dem Beginn der Reformatio!
diese abschätzigen Äufserungen gegen seine katholische Überseagnng
verwenden wollte.
Unter den römischen Prälaten wurde ihm Raffaello Riario am v«^
trautesten. Dieser war Kardinal von San- Giorgio in Velabro and Neue
des Papstes Julius II. Verschiedene Male hat ihn Erasmus besucht
Aber bald kehrte er nach Siena zu seinem Zögling zurfick. Zv
gleichen Zeit beinahe wurde dieser nach Schottland zurQckgerufeo. Bi
er aber vor seiner Heimkehr noch Rom und Neapel sehen wollte, so
ging Erasmus nochmals nach Rom und auch nach Neapel. Ganz kan
vor seiner Abreise aus Rom nach dem Norden machte er noch eioei
Besuch bei Kardinal Grimani, dem es durch die Liebenswürdigkeit seiaei
Wesens und durch seine glänzenden Anerbietungen beinahe geglQckt
wäre, den grofsen Humanisten in Rom dauernd zurückzuhalten.
Aber die den Freunden in England gegebenen Versprechoogen
waren zu bestimmt, als dafs Erasmus wortbrüchig werden durfte. Dordi
den eben erfolgten Tod des Königs Heinrich VII von England schien
fttr dieses Land eine neue Zeit anzubrechen. Die Humanisten setitei
auf Heinrich VIII. die allergröfsten Hoffnungen. So rifs sich denn Eras-
mus los und kehrte nach dem Norden zurück. Der Weg, dessen Itioerar
durch Rbenanus erhalten ist, führte durch die Lombardei, Ober den
Splügen, nach Chur, Konstanz, Basel, dem Breisgau, Strafsburg, den Rhein
hinunter, über Löwen und Antwerpen nach England, wo er in den ersten
Tagen des Juli eingetroffen sein dürfte. Auf dieser Reise wurde eines
der berühmtesten Werke des Erasmus, das »Lob der Narrheitc, aus-
gedacht.
Bezüglich des Gesamtergebnisses der italienischen Reise schliefst
der Verfasser seine Darstellung: >L' Italic a 6t^ pour £rasme T^cole oü
s'est achev^e sa formation intellectuelle. G^est lä qu*il a muri ce tatest
d'^crivain qui va remuer les id^es de toute une g^n^ration, la plos
föconde du si^clec (p. 94).
Der Anhang enthält 15 Briefe des Erasmus, von denen 12 unediert
waren. Sie sind an Aldus Manutius» Franciscus Asulanus, Sadolet und
Bembus gerichtet. Die Vorlagen befinden sich zum teil in der Vaticana
J. B. Kan, ErasmiaM. 165
nnd stammen ans det Antographensammlang der Königin ChriHiAe, die
andefen aus der Bibliothek Barbarini. Sie enthalten eisen Teil der Be«
lege zu der von Nolhac gegebenen Darstellung.
Fflr die Geschichte der Philologie kommen aus diesen Briefen
hauptsächlich die Angaben ttber die in Basel bei Frohen erschienene
Livinsausgabe in Betracht, welche bekanntlich fttr den Livinstext von
grorsem Werte ist. Nach Brief XIV hat Beatus Rhenanns dabei die
Hauptarbeit gethan (principalem operam praestitit), dann der später in
Freiburg wirkende Henricus Glareanus, von dem Erasmus eagt: qnum in
disciplinis omnibus, tum praecipue in veterum historiarnm oognitione
egregie exercitatus. Der dritte Mitarbeiter war der Boehroe Sigismiind
Gelenius, dessen philologische Schulung bekannt ist Erasmus schrieb
wegen dieser Ausgabe an Bembus, der damals zu Padua war, um eine
Liviushandschrift. Dieser besafs mehrere Liviushandschriften, welche
Nolhac in den vaticanischen Codices nr. 3329, 8830 und 8331 nacfage^
wiesen hat. Insbesonders ist 3330 ein Autograph des Poggio, das frei-
lich Bembo nicht aus der Hand gab. Ein Brief des Egnatius an den
gleichen Bembo, der ebenfalls Nachrichten zur Vorgeschichte der erwähn«
ten Livinsausgabe bringt, beschliefst die ansprechende Schrift, die Be^^
lehrung und Unterhaltung zugleich gewährt.
Die Gitate und Zahlen des Namensregisters sind zuverlässig, wie
ich mich durch zahlreiche Stichproben überzeugte.
Auf Nolhac bezieht sich folgende Arbeit:
J. B. Ean, Erasmiana (Programm des Gymnasium Erasmianutn
[Erasmiaansch Gymnasium] in Rotterdam. 1888. S. 8 — 9).
Der Verfasser dieser lateinisch geschriebenen Studie, der Direktor
des nach Erasmus genannten Gymnasiums zu Rotterdam, ist längst durch
seine Schriften als ein tüchtiger Kenner der Werke des berühmten Desi-
derius Erasmus bekannt. Diese neueste Arbeit schliefst er an Paul
de Nolhac (£rasme en Italic. Paris 1888) an.
Zu Beginn macht er von neuem darauf aufmerksam, dafs eine kri-
tische Durcharbeitung von des Erasmus Briefwechsel notwendig sei, um
eine feste Grundlage für das Leben des berühmten Humanisten zu ge-
winnen:
»Mihi constat, epistulas ex Museio Merulae, Scriverii, aliorum
prodiisse multas, quae, si quid video, tum demum genuinae erunt, cum
Musae fingere desierintt
Aber die Bemerkungen Eans, welcher die schöne Darstellung
Nolhacs anerkennt, beziehen sich nur auf den Nolhacs Buch beigegebenen
Anhang, aus 15 Briefen bestehend. Zwölf von diesen waren bis jetzt
ungedruckt, die Vorlagen befinden sich in Rom.
166 Geschichte der Altertumswissenschaft,
Kan giebt nun eine Beihe so flberzeogender Emendationen zn dem
Nolhacschen Texte, dafs deren Anfnahme kaum Widersprach finden dflrfte.
Mit Erasmus befreundet war Jakob Wimpfeling, Aber den
sich die Litteratur noch ständig vermehrt.
Gustav Enod, Zur Bibliographie Wimpfelings. Ein Nachtrag
zn Schmidts Index bibliographicus (Hartwigs Gentralblatt f. Bibliotheks-
wesen y (1888) 463-481).
Rieggers treffliche Zusammenstellung Wimpfelingscher Schriften in
den Amoenitates Friburgenses wurde mit Recht der Ausgangspunkt der
späteren Wimpfeling-Forschung. Wiskowatoff und Schwarz haben diese
Frage wenig gefördert. Erst Kar] Schmidt hat in dem Index bibliogra-
phicus zu Wimpfeling in seiner Histoire litt6raire de l'Alsace einen
wesentlichen Schritt vorwärts gethan. Zu den bei Riegger verzeichneten
86 Schriften von Wimpfeling fflgte er 20 neu entdeckte, darunter sechs
von Wimpfeling selbst verfafste.
Auch Schmidts Zusammenstellung ist noch der Ergänzungen fähig,
und Enod teilt einige mit, ohne den Anspruch zu erheben, die Wimpfe-
ling-Bibliographie erledigt zu haben.
Schmidt hatte seine Wimpfeling- Bibliographie eingeteilt in: 1)
Ouvrages de Wimpheling lui-m6me. 2) Ouvrages dont Wimpfeling a 6t6
r^diteur ou ä la publication desquels il a concouru. Enod glaubt, dafs
es besser gewesen wäre, wenn eine dritte Gruppe für diejenigen Schrif-
ten gebildet worden wäre, zu denen Wimpfeling, absichtlich oder unab-
sichtlich« einige Prosa- oder Yerszeilen beigesteuert hat, ohne an der
Herausgabe derselben direkt irgendwie beteiligt zn sein. Unter den
Werken, welche in diese Gruppe zu setzen gewesen, befindet sich auch
D. Erasmi Roterodami De duplici copia verborum (Strafsburg 1514).
Sodann fQhrt Enod mehrere erste Drucke zu einigen bisher unbe-
kannt gebliebenen Ausgaben der im Schmidtschen Index bibliographicus
verzeichneten Werke an, so eine Ausgabe von Gontra turpem libellum
Philomusi (Heidelberg 1617), Dogma moralium philosophorum (Strafs-
burg 1612), F. Baptistae Mantuani Garmelitae Fastorum libri duodecim
(Strafsburg 1518) etc.
In einem dritten Abschnitt behandelt Enod vier Schriften, die,
obgleich nicht unter dem Namen Wimpfelings erschienen, doch von ihm
herrühren dtlrften, so: De mensuris Syllabarum epithoma (Strafsburg
1600), eine kleine Schrift, die auch als Anhang der vielgebrauchten
Pergerschen Grammatik gedruckt wurde.
Der Otho B. Moguntinus (S. 478) ist jedenfalls Otto Brunfels, der
später noch mehr von sich reden machte.
Wie aus allen bisherigen Arbeiten Enods, ist auch aus dieser
wieder vieles zn lernen.
HolstoiD, Ein Wiropfeling-Godex. ]f)7
Prof. Dr. Holstein, Ein Wimpfeling- Codex (Allgem. Ztg. 1888.
nr. 108. S. 1578 u. 1579). Vgl. dazu von dem gleichen Verfasser:
Ein Wimpfeling- Codex (Zeitschrift f. vergleichende Litteraturgesch.
N. F. n 213—216).
Holstein wurde durch Johannes Bolte auf einen zu Upsala befind-
lichen Codex aufmerksam gemacht, der eine alte Abschrift der Scae-
nica progymnasmata Reuchlins enthält. Bei genauerer Untersuchung
ergab sich, dafs der Sammelband eine Menge der wertvollsten Anekdota,
bes. von Wimpfeling barg, die unsere Kenntnis des oberrheinischen Hu-
manismus im allgemeinen und des Heidelberger Humanismus im beson>
dem beträchtlich erweitern.
Nach eigener Angabe in der Handschrift wurde Wimpfeling den
9. Februar 1496 Licentiat der Theologie (sacrae paginae licentiatus), was
bisher unbekannt war.
Die Handschrift enthält neue Reden Wimpfelings, eine oratio ad
clerum Wormatiensem vom 23. April 1476 , den Anfang einer disputatio
quotlibetaris von 1478 oder 1479, eine Licentiatspromotionsrede vom
12. März 1479, eine Rede von 1482, eine ad synodum Wormatiensem
wahrscheinlich von 1482, eine de assumptione beatae virginis vom
16. August 1482, eine ad clerum Spirensem etc. Holstein sagt: »So
wären wohl alle Reden zur Stelle, die der gelehrte Abt Johann Tritheim
in seinem Katalog berühmter Männer, dem ersten Versuch eines 6e-
lehrtenlexikons aus dem Jahre 1496, seinem Freunde Wimpfeling zu-
schreibt, c
Aber auch drei bis jetzt unbekannte Reden von Pallas Spangel,
dem Freunde Wimpfelings, stehen in der Handschrift.
In dem Bestreben, die litterarischen Denkmäler seiner Zeit zu
sammeln, wohl zum Zweck der Veröffentlichung, hat Wimpfeling auch
noch andere Stücke in diese Sammlung aufgenommen, wie Briefe von
Theodorich Gresemund, Reuchlin, Jodocus Badius, Konrad Leontorius,
seine eigenen Konzepte zu Briefen au den Kanzler Nikolaus Sachs,
Konrad Hammelburg von Christoffelsheim, Pallas Spangel, Johann Dal-
berg, den Grafen Ludwig von Löwenstein, Johann von Sickingen, Erz-
bischof Bertold von Mainz, Bischof Ludwig von Speyer, den Rektor der
Schule zu Deventer.
Aufser Briefen aber auch unedierte lateinische Gedichte von nam-
haften Verfassern wie Reuchlin, Celtis, Peter Boland, Theodorich Grese-
munt, Sebastian Brant, Peter Schott, Werner von Themar, Jakob Dra^
kontius, Engelhard Funk (Scintilla), Robert Gaguin, Jodocus Badius etc.
Sodann Abschriften römischer Inschriften, welche wahrscheinlich
Thomas Wolf in Rom gesammelt hat
Wir sehen mit Spannung der Bearbeitung und Veröffentlichung
dieses reichen Quellenmateriales entgegen, die Holstein schon begonnen
16g Geschichte der AltertnmswiBsenschaft.
hat, und stimmen vollkommen seinem Schlafsworte bei, womit er seine
vorlänfige Mitteilnng schlierst: »Nnr ungern möchte man die Aassicht
anf eine so wertvolle Bereicherung unseres Quellenmaterials fflr eine so
wichtige und folgenreiche Zeit frischesten Strebens noch lange hinaas-
geschoben sehen, c
Ein Geistesverwandter Wimpfelings ist Johannes Reuchlin:
Hugo Holstein, Johann Reuchlins Komödien. Ein Beitrag zur
Geschichte des lateinischen Schuldramas. Halle a. S. Verlag d. Bach*
handlnng des Waisenhauses. 1888. 8. V u. 172 S.
Die hübsch ausgestattete Schrift enthält folgende Abschnitte:
1) Einleitung S. 1—9. Reuchlin flüchtete nach dem am 24. Fe-
bruar 1496 erfolgten Tode des Herzogs Eberhard von Warttemberg nach
Heidelberg, wohin ihn längst Johann von Dalberg, Bischof von Worms
und Kanzler des Kurfürsten von der Pfalz, eingeladen hatte. In Heidel-
berg hatte die neue Bildung des Humanismus zwar nicht an der Uni-
versität, wohl aber am Hofe eine feste Stellung erobert Rudolf Agri-
colft, Jakob Wimpfeling, Konrad Celtis, Dietrich von Plenningen, Johann
Vigilius (eigentlich Wacker), Adam Werner von Themar, Konrad Leon-
torius u. a. hatten hier ein neues geistiges Leben zur Entfaltung gebracht.
In diesen Kreis trat Reuchlin, der auf Dalbergs Verwendung mit dem
Titel eines kurfürstlichen Rates zum obersten Zuchtmeister der Söhne
des Kurfürsten ernannt wurde.
Die von Reuchlin zuerst gedichtete Komödie Sergios vel Capitis
Caput, die primitiae seiner dramatischen Studien, welche gegen den
Mönch Konrad Holzinger, den Kanzler des Herzogs Eberhard des Jün-
geren, gerichtet war, wurde nicht aufgeführt, wohl aber die Scaenica pro-
gymnasmata, welche am 81. Januar 1497 ihre erste Aufführung im Haase
Dalbergs erlebten. 1480 schon hatte Wimpfeling seinen Stylpho geschrie-
ben, aus dem Jahre 1485 ist die Schulkomödie Godrus des Rektors Jo-
hannes Kerckmeister zu Münster vorhanden. Im Jahre 1497 fanden zu
Freiburg und Augsburg Aufführungen lateinischer Dramen statt. Aber
Reuchlin übertraf diese dramatischen Dichtungen.
Bald nachher ist Reuchlin, nachdem er noch im Auftrage des
Kurfürsten Philipp eine Reise nach Rom gemacht hatte, wieder nach
Württemberg zurückgekehrt. »Reuchlin hat sich gern der Heidelberger
Tage erinnert, in denen ihn ein fröhlicher Freundeskreis umgab und die
Sorgen des Lebens vergessen liefst (S. 9).
2) Joannis Reuchlin Phorcensis scaenica progymnas-
mata, hoc est ludicra praeexercitamenta S. 11 — 30. Wieder-
abdruck des auch Henno betitelten Lustspiels nach einem Ck)dex Erfor-
diensis 1497, einem Codex Upsaliensis 1497 und der Editio princeps bei
Jo. Bergmannus de Olpe 1498.
3) Die Didaskalie zu dem Stücke, in der die sämtlichen mit-
Holtteio, Beaohlins EomOdien. 169
spielenden Studenten genannt sind, and lateinische Gedichte in
Distichen von Sebastian Brant, Jacobns Dracontias und Adam
Werner von Themar S. 30—34.
4) Ein Nachweis ttber die Aufftkhmng im Hause Dalbergs und die
mitspielenden Studenten, unter denen z. B. auch der spfttere kaiserliche
Rat, Jakob Spiegel von Schlettstadt, der Neffe des berflhmten Jakob
Wimpfeling, sich befand. Die zahlreichen, an verschiedenen Orten er*
schienenen Ausgaben der Progymnasmata und der von Spiegel dazu
verfafste Kommentar beweisen die grofse Verbreitung der Komödie.
S. 34 - 37.
5) Die Fabel des StUckes in deutscher Sprache, das neben
seinem scherzhaften Zweck auch eine Verhöhnung der Geheimniskrämerei
und Wahrsagerci der Astrologen ist. In einer Anmerkung ist das Argu-
mentum der Komödie in der Fassung des Antonius Tunnicius Monaste-
riensis eingefügt.
6) Die von Reuchlin benützte Quelle S. 40-~48, für die ge-
wöhnlich ein französisches Stück, der Maltre Pathelin, angesehen wird,
als dessen Verfasser der um 1469 zu Poitiers geborene Pierre Blanchet
gilt. S. 40 — 48. Holstein erklärt: »Vergleicht man den Inhalt des fran-
zösischen Stückes mit dem Reuchlinschen , so wird man allerdings Ähn-
lichkeiten, aber auch mancherlei Abweichungen findenc (S. 41).
7) Die litterarische Verbreitung. Die von den Heidelberger
Humanisten gefeierte Komödie wurde auch von dem damals in Speier
weilenden Wimpfeling abgeschrieben und die Abschrift bei einer gelegent-
lichen Anwesenheit Reuchlins in Speier diesem zur Korrektur vorgelegt.
In seinem Isidoneus verkündet sodann Wimpfeling das Lob der Progym-
nasmata. Gedruckt wurden dieselben zum ersten Mal 1498 bei Berg-
mann von Olpe in Basel, worauf alsbald ein fehlerhafter Nachdruck bei
Johann Grüninger in Strafsburg folgte. Celtis feierte Reuchlin deshalb,
und der Pforzheimer Lateinschüler Melanchthon führte den Henno zu
£hren seines Grofsoheiros Reuchlin, im Verein mit seinen Schulkameraden,
im Jahre 1608 auf. Auch Luther kannte das Stück, wie aus zwei An-
führungen hervorgeht.
Zahlreiche Drucke beweisen die weite Verbreitung: 1503 erschien
zu Leipzig ein Druck von Basilius de Wilt, 1608 — 1616 bei Thomas
Anshelm zu Tübingen vier Textausgaben, 1613 eine Ausgabe zu Deventer
aus der Druckerei des Theodoricus de Borne mit Titel-Epigrammen von
Murmellius, Tunnicius und Hbrlenius, 1614 — 1621 sechs Mal bei Schu-
mann in Leipzig; einen ausführlichen Kommentar zu den Progymnasmata
lieferte Jakob Spiegel Derselbe ist vorwiegend sprachlich und anti-
quarisch, ȟberragt aber Simlers Kommentar zum Sergius durch eine
Fülle von gelehrten Bemerkungen, die von einer nicht gewöhnlichen
philologischen Bildung des humanistisch gerichteten Verfassers zeugenc
(S. 61). Gottsched gebührt das Verdienst, wieder die Aufmerksamkeit
170 Geschichte der Altertomswisseiischaft.
aof diese Dichtang gelenkt za haben, naehdem sie aber aadi TorliCT
nicht ganz vergessen war. Wilhelm Scherer »bezeichnet Reochlins Henno
als das beste der ?on den deutschen Humanisten Terfafsten lateinischen
Stacke.»
8) Unter den Nachbildungen werden die dramatischen zuerst
behandelt: Hans Sachs eröi&iete den Reigen (1531), sodann folgt Johann
Betz ans MOnchen (1540), Gregor Wagner (1547), Jakob (Strafsburg
1658), das Lnzemer Neojahrsspiel (1560). Andere Nachbildungen rtthren
her von Jörg Wickgram in seinem RollwagenbOchlein (1555), Georg
Rollenhagen (Froschmeuseler 1595).
9) Von den Handschriften wurde God. Monac. lat 24529 als eine
schlechte Abschrift nicht benützt, wohl aber eine Erfurter Handschrifi
(Mscr. fol. 88) und eine von Wimpfeling geschriebene, jetzt zu üpsala
befindliche (Cod. Hist. 8), Ober deren Inhalt Holstein einen interessanten
Bericht in der MOnchener Allgemeinen Zeitung gegeben hat (vgl. oben
S. 167). Beide haben Lesarten, die besser sind als der älteste Druck.
10) Aus derselben Wimpfeling-Handschrift wird sodann ein Kom-
mentar Reuchlins zu seinem eigenen Stocke mitgeteilt, den aber schon
Spiegel für seinen Kommentar benutzt hat.
11) Sodann folgt ein Abdruck der anderen KomOdie Reuchlins
Sergius vel capitis caput, die eine Satire auf den Mönch Holzinger
am Stuttgarter Hofe ist, deren Aufffthrung in Heidelberg Dalberg wider-
riet, damit nicht der am pfälzischen Hofe einflufsreiche Franziskaner
Castellns, der als ein Feind humanistischer Bildung bekannt war, sich
getroffen fohlen könne. Dem Abdruck des Textes folgt eine deutsche
Inhaltsangabe (S. 128 — 130), aus der sich ergiebt, dafs in den ältesten,
ohne Angabe des Ortes erschienenen Ausgaben vor dem Epilog noch ein
Ghorgesang steht, welcher dem die Dichtkunst feiernden Ghorgesang des
Henno sehr ähnlich ist.
12) Der Abschnitt Ober die litterarische Verbreitung des
Sergius berichtet, dafs 1504 Hieronymus Emser Ober denselben zn Erfurt
las- Unter den damaligen Zuhörern war auch Luther. Nachdem das
Stock 1504 in Leipzig gedruckt worden, war es bald eine häufige Sehul*
lektOre. Simler schrieb einen Kommentar dazu, der leider ausscfaliefslich
grammatisch ist. Auch Ulrich von Hütten kannte das Stock.
13) Der Anhang bietet zunächst eine kurze Abhandlung Ober den
Sprachschatz der beiden Komödien und die Ghorgesänge, sodann die
Widmungsbriefe der Herausgeber: Job. Bergmann de Olpe an Dalberg
(Basel 1. Mai 1498), Basilius de Wilt an den Grafen Schlick (Leipzig
11. Juli 1503), Jakob Spiegel an Jakob Lemy (TObingen 24. Januar
1512), Jakob Spiegel an Georg Simler (Tobingen 1512), Georg Simler
an Johann Renchlin (Pforzheim September 1507), Andreas Althamer an
Johann Pellion (Leipzig 29. Juni 1520).
Werekshagen, Luther and Hatten. 171
14) Eine Bibliographie der beiden Komödien ond zwei Register
(Personen- and Ortsverzeichnis) beschliefsen die nOtzliche Schrift.
Einige Ausstelinngen machte ich in einer Besprechung (Philol.
Wochenschr. 1889,No. 38). Im übrigen aber verdient die Schrift entschiedene
Anerkennung. Sie behandelt das Thema gründlich und ansprechend, und
sie würde eine noch wertvollere Quelle für die Geschichte des deutschen
Humanismus sein, wenn sich der Verfasser hätte entschliefsen können,
aus dem Vorrat der reichlich fliefsenden Quelle der ihm zugänglichen
Handschrift von Upsala noch einiges über die Heidelberger Humanisten
mitzuteilen. Doch ist dieser Wunsch kein Vorwurf, durch den das Ver-
dienst des Verfassers geschmälert werden soll.
G. Werekshagen, Luther und Hütten. Eine historische Studie
über das Verhältnis Luthers zum Humanismus in den Jahren 1518—
1620. Mit einem Vorwort von Prof. W. Bender in Bonn, Wittenberg.
Herros^. 1888.
Während die Beziehungen Luthers zur Mystik schon vielfach unter-
sucht wurden, z. B. neuerdings durch Hering, hat man seinem Verhältnis
zum Humanismus nur selten grOfsere Aufmerksamkeit geschenkt. Indem
zuletzt noch Walther jede Abhängigkeit Luthers von Hütten, einem
der Hanptvertreter des deutschen Humanismus, abzuwehren sachte, ist
Werekshagen zu teilweise anderen Ergebnissen in seiner vorurteilsfreien
Untersuchung gelangt.
Bis zum Herbste 1618 ist Luther ein Anhänger der Mystik und
ein Feind der thomistischen Orthodoxie. Aber gleich bei Beginn seines
Streites brachten die Gegner ihn und seine Sache in Verbindung mit
den Humanisten. Man sah in ihm einen Fortsetzer des Kampfes, den
Reuchlin gekämpft hatte. Selbst der kühle Erasmus spricht von »Reuch-
lini Lutherique negotiurac
Direktere Einflüsse des Humanismus auf Luther lassen sich seit
September 1618 nachweisen. Besonders ein aus Rom geschriebener
Brief, wahrscheinlich von Grotus, machte tiefen Eindruck auf den Refor-
mator. Die Gedanken über die Verkommenheit der Kurie und ihr frevles
Spiel mit den Deutschen scheint er aus den Schriften besonders der süd-
deutschen Hunanisten gewonnen zu haben.
Durch die Vermittelung Melanchthons wandte sich sodann Ulrich
von Hütten nach der Leipziger Disputation an Luther. Die Annäherung
machte langsame Fortschritte, aber schon in dem Kommentar Luthers zu
dem Galaterbrief, »einem Abbild von Luthers Denken und Fühlen in
jenen Tagenc, will W. den Einflufs Hutteiis auf Luther bemerken.
Seit Oktober 1619 tritt sodann Grotus Rnbianus in Briefwechsel
mit Luther, seinem ehemaligen Universitätsfreunde, und mahnt ihn, An-
walt des deutschen Volkes und der deutschen Sitte zu werden, den theo-
logischen Streitigkeiten aber keinen allzahohen Wert beizulegen.
172 Geschichte der AUeitiuuwisiaisdiiift.
Den tiefeten Eindruck machte anf Luther die Söhrift V alias Aber
die Donatio Goostantini, welche Hatten neu herausgab, und die Luther
Februar 1520 zu Gesicht bekam. Schon frflhere Gelehrte haben die
Abhängigkeit Luthers in seiner Schrift an den christlichen Adel von dem
Huttenschen Yadiscus behauptet, andere dieselbe auch wieder bestritten,
wie z. B. D. Fr. Straufs. Werckshagen sucht die Abhängigkeit Luthers
durch eine Nebeneinanderstellung der ähnlichen Stellen beider Schriften
S. 44 — 76 zu erweisen. Doch hebt der Verfasser selbst hervor, dafs
Luthers Stoff reichhaltiger ist als der Buttons und die Abhängigkeit nur
in einzelnen, keineswegs allen Punkten statt findet
Auch Urteile von Zeitgenossen untersttttzen nach des Verfassers
Meinung die Behauptung, dals Luther sich dem Einflüsse Huttens hin-
gegeben habe.
In der nächsten Zeit hat Luther nach Werckhagens Meinung ver-
schiedene Male geschwankt: »Es zeigt sich hier wieder aufs neue, dafs
Luther in politischen und diplomatischen Geschäften ebenso unselbstän-
dig war, wie in theologischen Dingen selbständig, flberiegen, unbeug-
same (S. 89).
Ihren Höbepunkt erreichte Luthers Verbindung mit Hütten im
Herbste 1620. Luther bedauert es, dafs Hütten es nicht gelungen sei,
die päpstlichen Legaten Marianus und Aleander zu fangen. Von da an
trennen sich ihre Pfade. Luther mifsbilligt das gewaltsame Vorgehen
seines bisherigen Bundesgenossen und erwartet den Sieg seiner Sache
nur durch geistige Mittel, verbo dei, wie er an Spalatin schreibt
Es soll nicht verschwiegen werden, dafs Werckshagens Schrift
mehrfach Widerspruch erregt hat; ob immer mit Recht, mufs an dieser
Stelle unerörtert bleiben.
Oberlehrer Dr. Hermann Liessem, Bibliographisches Verzeich-
nis der Schriften Hermanns van dem Busche. Fortsetzung. Köln.
1888. 4. S. 9 - 22. (Programmbeilage d. Kaiser Wilhelm-Gymnasiums
zu Köln. Progr. Nr. 405.)
Die Fortsetzung der Artther hier schon besprochenen Arbeit
Das bibliographische Verzeichnis umfafst die Nr. XIV^-XXIX. Im
Anscblufs an letzte Nummer teilt Liessem elf Aktenstücke aus den Kölner
üniversitätsakten mit, welche von Mitte Oktober 1607 bis September
1620 reichen und sich auf den Streit Reuchlins wegen der Judenbücher
beziehen. Diese bis jetzt unbenutzten Mitteilungen zeigen, dafs die
ganze Kölner Hochschule auf Seiten der Gegner Reuchlins stand. Der
Einflufs des Professors der Theologie, Jobann Hölem aus Venrath, wels-
cher 1614 zum Rektor der hohen Schule gewählt wurde, wird durch
diese urkundlichen Mitteilungen belegt.
Strauch, Zwd fliegendt Blftttor. 173
Phil. Straach, Zwei fliegende Blätter von Caspar Scheit (Seufferts
Vierte^'ahrsschrift f. Litteraturgeschichte I, 1, 64 — 98).
Caspar Scheit ist der Lehrer Fischarts, des bekannteo Schrift-
stellers aus dem 16. Jahrhundert, dessen Biographie Strauch veröffent-
lichen wird. Das eine fliegende Blatt ist der Rhytmus Codri ürcei die
divi Martini pronunciatus, der auch einigen Drucken der Quaestio fabu-
losa de generibus ebriosorum et ebrietate vitanda angefügt ist.
Diese Quaestio, die vermutlich im Jahre 1516 zu Erfurt gedruckt
wurde, entstammt, wie die Epistolae obscurorum virorum, dem Erfurter
Huroanistenkreise und hat Beziehungen zu Eobanus Hessus, wenn er auch
nicht ihr Autor sein kann. Dieser bebandelt nämlich dasselbe Thema
in seinem Gedicht De vitanda ebrietate (1516).
Der Inhalt des Flugblattes besteht zunächst aus einem lateinischen
Gedicht in Distichen (56 Verse), die S. 68 — 70 wieder abgedruckt sind.
Daran schliefst sich ein kurzer prosaischer Text, von dem Strauch an-
nimmt, dafs ihn Scheit auch nicht selbst gebildet, sondern irgendwoher
entlehnt hat.
Der Inhalt des zweiten Flugblattes liegt der Aufgabe des »Jahres-
berichtsc ferner.
Der Übersetzung der klassischen Schriftsteller ins Deutsche wird
neuerdings erhöhte Aufmerksamkeit zu teil:
Karl Hartfelder, Eine deutsche Übersetzung von Ciceros Cato
aus der Humanistenzeit (Germania Jahrg. 33. N. R. 21 Jahrg. [1888]
S. 27-31).
Eine auf der Universitätsbibliothek zu Heidelberg befindliche Hand-
schrift (Cod. Pal. Germ. 469) enthält eine deutsche Übersetzung von
Ciceros Cato, die man bisher Jakob Wimpfeling, dem bekannten Schlett-
stadter Humanisten, beilegte. Aus einem sprachlichen Grunde ist dies
nicht möglich. Ich glaube nun mit zureichenden Gründen dargelegt zu
habeUi dafs der Übersetzer des Cato höchst wahrscheinlich Johann Gott-
fried von Odernheim, Stiftspfarrer zu Oppenheim am Rhein, war.
Konrektor Prof. Dr. Fr. Straumer, Eine deutsche Bearbeitung
des »Selbstpeinigersc des Terenz aus dem 16. Jahrhundert. Chemnitz.
1888. 4. 35 S. (Programmbeil, des Königl. Gymnasiums zu Chemnitz.
Nr. 503.)
In der Einleitung giebt der Verfasser eine Übersicht über das
Schuldrama, wobei er bis in die erste Hälfte des Mittelalters zurückgeht.
Neues Leben für diese Gattung der Litteratur brachte der Humanismus.
Dieser wie die Reformation benützten die Schulkomödie hauptsächlich
auch zu dem Zwecke, um die Schuljugend schneller zum Lateinsprechen
zu führen. Denn auf idas zierliche Lateinredenc legte die ganze Zeit
174 Geschichte der Altertnmswisseoscbaft.
den allerhöchsten Wert. Auch Melanchthon liefs durch die Mitglieder
seiner Schola privata öfters lateinische Dramen auffahren.
Wenn jedoch Straumer S. 6 behauptet, erst die Reformation habe
die Bedenken erweckt, ob man der Jugend noch fernerhin die heidni-
schen Dichter vorlegen dürfe, so ist das nicht richtig. Diese Bedenken
sind beträchtlich älter. Schon der Humanismus, wie ihn Jakob Wimpfe-
ling und sein zahlreicher Anhang vertrat, hatte die gleichen Bedenken,
wenn auch nicht alle heidnischen Schriftsteller ohne Unterschied verwor»
fen wurden. Vgl. dazu K. A. Schmid, Geschichte der Erziehung etc.
Bd. II (Stuttgart 1889). 2. Abt. 70 S.
Der ausschliefsliche Gebrauch der lateinischen Sprache wurde mit
der Zeit ein wesentliches Hindernis für das Verständnis der Spiele. Man
mufste den Forderungen des Publikums nachgeben, und so kamen die
deutschen Schulkomödien auf. Paul Rebhuhn begann auf Anregung
Luthers biblische Stücke zn dichten Joachim Greff und Hans Acker-
mann folgten nach.
Doch suchte man die alten Stücke durch Übersetzungen oder Hin-
zufügung deutscher Inhaltsangaben zu halten. Eine solche Übersetzung
des Terenzischen Heautontimorumenos zieht Straumer aus handschrift-
licher Verborgenheit ans Tageslicht hervor. Die Handschrift, auf welche
seiner Zeit schon Gottsched aufmerksam gemacht hat, befindet sich in
der Schulbibliothek zu Zwickau.
Straumer sucht nun zu beweisen, dafs
1) diese Übersetzung nicht, wie Gottsched behauptet, ins 15., son-
dern in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts gehört,
2) dafs der Ort der Entstehung und Aufführung Freiberg in
Sachsen ist,
3) dafs der mutmafsliche Verfasser Valentinus Apelles, ein Schüler
Melanchthons, der Rektor des Freiberger Gymnasiums in den Jahren
1545-1581, ist.
Eine Charakteristik dieses als Schriftsteller nicht unbekannten
Mannes, Mitteilungen über die Schüleraufführungen zu Freiberg, der
Nachweis, daTs Apelles von Sebastian Brant abhängig, beschliefsen die
Einleitung, worauf ein Abdruck der Übersetzung folgt
Zu S. 12 sei berichtigend hinzugefügt, dafs Apelles schwerlich
solchen dramatischen Aufführungen im Hause Melanchthons beigewohnt
hat. Diese Aufführungen haben nur so lange stattgefunden, als Melanch-
thon seine Schola privata hatte. Die Melanchthonsche Hausschule, welche
anfangs der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts gestiftet wurde, hat
kaum ein Jahrzehnt gedauert. Appelles ist aber erst den 13. Februar
1514 geboren. Auch wird er unter den Mitgliedern der schola privata
nicht genannt. Vgl. darüber K. Hartfelder, Ph. Melanchthon als prae-
ceptor Germaniae. (Berlin 1889.) S. 494.
Ebenfalls in die Zeit des Humanismus führt folgende Arbeit:
Schmidt, Michael SchOtz. 175
C. Schmidt, Michael Schfitz genannt Toxites. Leben eines Hu-
manisten und Arztes aus dem 16. Jahrhundert. Strafsburg. G. F.
Schmidts Uniyersitäts- Buchhandlung (Friedrich Bull) 1888. 8. VII
n. 130 S.
Der rühmlich bekannte Verfasser der Histoire Htt^raire de l'Alsace
bietet uns eine neue Gabe seiner vortrefflichen Kenntnis des deutschen
Humanismus 9 deren Stoff von dem Gebiet des oberen Rheinthals nach
der Schweiz, nach Württemberg und anderen Gebieten übergreift.
Michael Toiites, geb. ungefähr 1515 zu Sterzing bei Bruneck im
Pusterthal in Tyrol, »ist keine liervorragende, aber immerhin eine nicht
uninteressante Persönlichkeit, merkwürdiger Typus eines begabten, jedoch
unstäten, von mancherlei Mifsgeschick heimgesuchten Gelehrten des
16. Jahrhunderts ) der als Humanist und Poet seine Laufbahn begann,
und sie endigte als Alchimist und paracelsischer Arztf.
Der Stoff, den der Verfasser aus zahlreichen Schriften, Korre-
spondenzen, Protokollen, Gerichtsakten und Vorreden von Büchern zu-
sammenlesen mufste, wird in folgenden Abschnitten behandelt:
1) Jugend- und Studienjahre. Schulmeisterei , Poesie und Mifs-
geschick zu Urach.
2) Toxites, Lehrer am Strafsburger Gymnasium, dann Schulmeister
zu Brugg. Sein wiederholter Aufenthalt zu Strafsburg.
d) Toxites zu Tübingen.
4) Toxites, paracelsischer Arzt zuerst zu Strafsburg, dann zu
Hagenau.
5) Index bibliographicus.
Schütz, der sich später gewöhnlich mit dem griechischen Toxites
bezeichnet, nennt sich gelegentlich auch Rhaetus oder Rhaeticus, da Tyrol
früher zum alten Rhätien geborte. Zuerst besuchte er die Lateinschule
zu Dillingen. Christoph von Stadion, Bischof von Augsburg, bekanntlich
ein Gönner des berühmten Erasmus, verschaffte ihm die Mittel zum Be-
such der Universität Tübingen, woselbst er den 27. September 1532 zum
baccalaureus artium promovierte. Doch verliefs er die Hochschule, ohne
Magister geworden zu sein. Aus Mangel an Mitteln mufste er auf das
Studium der Medizin und Jurisprudenz verzichten. £r blieb bei dem
> bescheideneren f Humanismus. Doch besuchte er 1535 in Pavia auch
einige medizinische Vorlesungen. Von Italien soll er nach Wittenberg
gegangen sein, wofür freilich urkundliche Zeugnisse nicht beigebracht
werden konnten.
Um 1537 erhielt er eine Schulmeisterstelle zu Urach in Württem-
berg, woselbst zu Anfang des Jahrhunderts Johann Brassicanus (Kol) aus
Konstanz im humanistischen Geiste gewirkt hatte. 1540 wurde er ge-
fangen gesetzt und gefoltert, weil man ihn beschuldigte, anonyme Schmäh-
verse gegen den Uracher Pfarrer verfafst zu haben. Erst die fünfte
176 Gesehicht« der AhfUnMWMWMfhift.
FolteruDg erprefste ihm ein Geständnis; am sich seiner Familie zu er-
halten, bekannte er sich trotz seiner ünschold schuldig. Dss anglQck-
liche Opfer einer jämmerlichen Jastiz fand, ans Urach mit Schimpf ond
Schande vertriebeo, bei S. Grynaens in Basel yorObergehend eine Zaflocfat
Im Jahre 1542 wurde er Lehrer am Gjrmnasiam Starmianom n
Strafsburg, anfangs mit einem Gehalt von 40 Gulden. Die Scholthitig-
keit liefs ihm noch Zeit, der Muse zu opfern. Damals entstanden meh-
rere lateinische Gedichte, z. B. eine Apotheosis auf Capito, Bedrott ood
Grynäus, eine Epistola gratulatoria an Hermann Ton Wied, Erzbiscbof
von Köln, ein Carmen panegyricum an Otto Truchsefs von Walbarg,
Bischof von Augsburg, wofQr er zu Speyer poeta laureatos wurde. Nach-
lässigkeit im Amte, vielleicht durch häusliches Elend veranlafst, fährtei
zu seiner Entlassung auf Weihnachten 1545. Doch hat ihn Sturm aock
femer noch unterstützt. 1548 verlieDs er Strafsburg, angeblich wegei
des Interims, und zog zunächst nach Basel, von Sturm mit einem Em-
pfehlungsschreiben an Bonifaz Amerbach versehen. Er wurde im Aagost
dieses Jahres ludimagister zu Brugg im Aargan. Aber im Sommer 1551
ist er schon wieder in Strafsburg. Sturm beschäftigte ihn znnädist bei
einem grofsen geplanten Werke, der Analysis Giceroniana oder Resolotk)
Ciceroniana, einem Buche, in welchem alle von Cicero gegebenen Defi-
nitionen gesammelt werden sollten. Dasselbe kam übrigens nie zastaode.
Der dritte Abschnitt behandelt »Toxites in Tübingenc. Nachdeo
Herzog Ulrich von Württemberg 1550 gestorben war, bemühte sich Toxites
sofort dessen Nachfolger Christoph von seiner Unschuld zu fiberzeogeo.
Unterdefs wurde auch der wahre Reimschmied, ein Trabant oder Soldat
aus Herzog Ulrichs Gefolge, bekannt. So gelaug es schliefslich Toxites,
seine gekränkte Ehre wieder herzustellen. 1556 wurde er nach Statt-
gart berufen, um mit den herzoglichen Räten über die Reform des Tfl-
binger Pädagogiums zu beraten. Sein Rat wurde von Einflnfs bei der Nea-
gestaltung des württembergischen Schulwesens. Zugleich wurde er Lehrer
der Poesie an der Hochschule Tübingen. Wichtig wurde sein Gntachteo:
»Consultatio de emendandis recteque instituendis litterarum iudis«, worio
er das als Ziel aufstellt, was Sturm die Pietas litterata nennt. Er em-
pfiehlt im wesentlichen die Sturmschen Einrichtungen.
Toxites hätte nun eine ruhige Stelle gehabt, wenn er nicht dorck
seine Unruhe und seine Heftigkeit sich dieselbe wieder verdorben bitte.
Im Frühjahr 1560 schied er aus seinem Amte. Der übrige Teil des
Buches kommt für den »Jahresberichte nicht in Betracht.
Zum Schlüsse seien einige Versehen der nützlichen Schrift ve^
bessert.
Auf S. 2 Anm. 6 ist der Ausdruck »berechtigte sehr onglücklidi,
da dieser Begriff nicht auf die Lateinschulen des 16. Jahrhunderts pafst
Zu S. 22 sei bemerkt, dafs der Weggang des Camerarias aus Tü-
bingen noch andere Gründe hatte.
Köstlin, Die Baccalaarei and Magistri. 177
Ein häfslicher Ausdruck ist: »seine Vorlesungen zu seinem eigenen
Profit herausgebenc S. 39.
Schreibungen wie Stuttgard (S. 63) und Melanchton (8. 64) sollten
in einem solchen Buche nicht vorkommen.
Die Epistolae Bonifacii Amerbachii et Yambüleri sind nicht von
Sieber herausgegeben, wie S. 67 steht, sondern von M&hly.
D. Julius Köstlin, Die Baccalaurei und Magistri der Witten-
berger philosophischen Facultftt 1618—1537 und die ordentlichen Dispu-
tationen 1536 — 1537. Aus d.Facultätsmatrikel veröffentlicht. Oster-Progr.
d. Univers. Halle- Wittenberg 1888. Halle. M. Niemeyer. 1888. 8. 26 S.
Die Fortsetzung der dankenswerten Publikation von 1887, welohe
die Jahre 1503—1517 umfafste.
Der Inhalt besteht aus folgenden Abteilungen: 1) Baccalaurei.
2) Magistri. 3) Magistri in senatum artisticum recepti. 4) Disputa-
tiones ordinariae in facultate artium post fnndationera Universitatis.
Wie jede solche Matrikelpublikation, liefert auch diese wieder
zahlreiche Ergänzungen zur Gelehrtenbiographie. Nur einige seien hier
hervorgehoben:
S. 13. Den 4. Dez. 1521 wurde zum Magister promoviert: Rhein-
hardus Hadamarius Lorichius Treverensis, bei dem die Randbemerkung
steht: Aphthonii commentator.
S. 14. Den 5. Okt. 1533 wurde zum Baocalaureus promoviert:
Caspar Brusch Egranus, mit dem Zusatz »poetac, der bekannte Histo-
riker, Ober den Ad. Horawitz eine Monographie geschrieben hat.
Nach S. 14 wurde im Jahre 1533 zum Baocalaureus promoviert:
Dionysius Capnion Weiblingensis ex diocesi Constantiensii also aus Wieb-
lingen nicht weit von Ulm. Es wird noch zu untersuchen sein, wie sich
dieser Dionysius Capnion zu dem gleichnamigen Bruder des berühmten
Johannes Reuchlin verhält.
Nach S. 16 wurde im Jahr 1518 zum Magister promoviert: Joannes
Agricola Islebius, wozu die Bemerkungen: Sneyder teutonice, derselbe
Mann, welcher sich als Theologe, Schulmann und Schriftsteller ausge-
zeichnet hat
Auf derselben Seite aus gleichem Grunde ist verzeichnet: Frater
Lenhardus Beier Augustinianns.
Im Jahre 1519 wurde nach S. 17 zum Doktor promoviert: Frater
Gabriel Zwilling Augustinianus Neuburgensis diocesis, also ein Kloster-
genosse Luthers, der ihm und Melanchthon durch sein unruhiges Wesen
viel Mflhe machte. Vgl. G. Eolde, Analecta Lutherana p. 35.
Der auf S. 17 verzeichnete Hermannus Dulichius de Stenhem ist
der Schulmann Tnlich, welcher die 1525 neugestiftete Lateinschule zu
Eisleben gemeinsam mit Agricola zu leiten erhielt. Vgl. E Hartfelder,
Melanchthon als Praeceptor Germaniae p. 497.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXIX. Bd. (1881. III.) 12
178 Geschiclite der AltertamswitseiiMliaft
Ein charakteristischer Eintrag steht auf 8. 19 ; das PromoTieren
zom Magister wird gerechtfertigt mit der Bemerkung: Gnm et publici
mores qoibnscom non est otile pugnare hos reqoirant titnlos. Das Bei-
behalten der akademischen Grade wird also durch den Hinweis auf die
pnblid mores gerechtfertigt Man wQrde sie demnach am liebsten aufgegeben
haben, hätte nicht die öffentliche Meinung sich derselben angenommen.
Zum Jahre 1528 (8. 19) ist als Magistrand yerzeichnet: Yitus
Oertel Winshemius Medicinae doctor Graecae linguae professor; es ist der
Gräzist, der unter dem Namen Windsheim oder Vinshemius bekannter ist.
Drei weitere bekannte Persönlichkeiten begegnen wir auf 8. 20:
Gunradus Lagus, mit der späteren Bemerkung: iuris consultus cuius
extant institutiones. — Caspar Greutsiger Lypsensis, mit dem späteren
Zusatz: D. Theol. — Yitus Diethrich Nnmbergensis. —
Auf S. 22 steht zunächst der Melanchthonianer: Johannes Marcellus
Regius, fftr Regius ist später Regiomontanns geschrieben, sodann: Andreas
Aurifaber Vratisslariensis, mit dem späteren Zusatz: Medicinae doctor
mortuns in Monte regio 1560, ferner Erasmus Reinholt Salveldensis, mit
den späteren Zusätzen: Professor Witebergensis und mathematteus im-
mortali laude dignissimus, sodann der später in TQbingen als Gräzist
thätige Mathias Illiricus.
Im Mai 1586 wurde zum Magister ernannt: Simon Lemnius Bhe*
ticus (8. 22), der lateinische Epigrammatist, der später wegen seiner
Schmähgedichte gegen die Reformatoren aus Wittenberg yerbannt wurde.
Fttr den Bearbeiter der Geschichte der Universität Wittenberg ist
von besonderem Werte der dritte Abschnitt (8. 24 — 26), der die Auf-
nahme unter die Lehrer der Artistenfakultät feststellt. Wir erfahren
z. B., dalis Balthasar Vachus (auch Phachus oder Vacha), der bekannte
Humanist, 1627 in die Fakultät aufgenommen wurde, ebenso 1528 der
Grädst Oertel.
Den EinfluTiB Melanchthons merkt man an der 1588 getroffenen
Bestimmung, dafs niemand mehr in die Fakultät aufgenommen werden
solle, der nicht zuerst eine öffentliche Disputation abgehalten, und ferner
dafs niemand Dekan der Fakultät werden solle, der nicht mindestens
Ein Mal eine Disputation geleitet habe.
Im April 1587 wurde Paul Eber aus Kitzingen in die Fakultät
aufgenommen, der Liebling Melanchthons, der nach dessen Tode einen
Teil seiner philologischen Vorlesungen übernahm. Im Herbste des gleichen
Jahres fand sodann der schon erwähnte spätere Tübinger Poet und Grä-
zist gleichfalls eine Lehrstelle zu Wittenberg (S. 26).
Jak. Zeidler, Die Schauspielthätigkeit der Schüler und Studenten
Wiens. OberhoUabrunn. ISBS. 8. 44 8. (Beilage z. Progr. des k. k.
Staats-Gymnasinms u. d. gewerbL Fortbildungsschule in Oberhollabrann.)
Das moderne Drama wurde in der Schule nach dem Muster der
Morawski, Gricii carmina. 179
Antike in der Zeit des Hamanismns geformt. Der Verfasser geht, am
dies darzulegen, bis auf die Zeit von Karl d. Gr. znrück, was vielleicht
des guten zu viel ist Unter den verschiedenen Gattungen schauspiele-
rischer Schfllerthätigkeit kommt für die Zwecke des Jahresberichtes be-
sonders die zweite in Betracht, welche das humanistische Scholdrama
nrnfafst, mit Maximilian I in der Aula Universitatis begann und sich bald
in die flbrigen Schalen Wiens verbreitete and schliefslich nach langer
Dauer in den Rektorendramen ihr Ende fand.
Dramatische Darstellungen sind bezeugt von den Schülern der
ältesten Schule zu Wien, d. h. der »Bürgerschal auf sand steffans Freit-
hoffc. Ebenfalls Gelegenheit zu solchen gab das Fest der hl. Katharina,
der Schutzpatronin zuerst der Artistenfakultät, später der ganzen Uni-
versität Wien. Auch das in ganz Deutschland gefeierte Schulfest des
hl. Gregorius wurde gelegentlich durch dramatische Darstellungen ver-
herrlicht
Mit Hilfe einer sehr ausgebreiteten Belesenheit verfolgt der Ver-
fasser dieses Treiben der Wiener Schüler durch die verschiedenen Jahr-
hunderte.
In einem Abschnitt II (S. 20 ff.) wird sodann das »Humanistendrama
and biblische Schulkomödiec behandelt Auch hier holt der Verfasser
wieder unnötig weit aus, indem er sogar bis auf Dante zurückgeht
Hier wäre mancherlei aaszasetzen. Die auf S. 21 stehende Bemer-
kang über den Einflufs des Heidelberger Humanisten Agricolas anf
Dringenbergs Schule za Schlettstadt ist nicht erweislich, so oft es aach
behauptet worden ist
Die Bezeichnang »Hnmanistenordenc S. 21 ist zum mindesten irre-
führend etc.
Die Lektüre dieser inhaltlich sehr reichen Arbeit ist recht müh-
sam, weil der Verfasser nicht scheidet zwischen anbedingt Hierhergehö-
rigem and Femerliegendem. Auch von der in Überfülle citierten Litteratar
konnte manches wegbleiben.
Beziehungen za Italien und Deutschland zugleich anterhielt der
Humanismus in Polen:
Casimir US Morawski. Andreae Cricii carmina. Cracoviae 1888
(Vol. III des Corpus antiquissimorum poetarum Poloniae Latinorum
usque ad Joannem Cochanovinm).
Es ist das die zweite Publikation dieses von der Krakauer Akademie
geleiteten Unternehmens, nachdem im Jahre 1887 ein Band (der zweite Band
in der ganzen Reihe) mit den Schriften von Paulus Crosnensis Ruthenas
und Joannes Visliciensis erschienen ist Das gut ausgestattete Werk ist
der Universität Bologna gewidmet, academiae Bononiensi, quae »Casimire
magno, Gymnasii Cracoviensis celeberrimo conditori, praestantissimum
scholae informandae praebuit exemplum.c
12*
ISO Geschichte der Altertumswissenschaft.
Aus einer kurzen Yorbemerkang zur Praefatio ergiebt sich, dafs
fflr diese Sammlang der polnischen Nealateiner neben dem wissenschaft-
lichen Gesichtspunkt aach der patriotische mafsgebend ist.
Die Praefatio (p. II — LXII) umfafst folgende Abschnitte: 1) De
editionis carminum Cricianorum fontibns et condicione. — 2) ßiogra-
phoram Cricii conspectus. — 3) Fasti Criciani. — 4) Vita Gridi a Sta-
nislao Gorscio enarrata. — 5) De Cricii poesis indole einsque arte metrica.
Da sich die eigentümliche Begabung des Cricios mehr in seinen
Gedichten als in seiner Prosa zeigt, so kann man aus unserer Publika-
tion, die nur wenige Prosastflcke, wie den Dialogus de Tarlone, Dialogus
de Asiana diaeta, enthalten, doch die charakteristischen Eigenschaften
des polnischen Schriftstellers kennen lernen.
Der Band enthält die Gedichte des Cricius in möglichster Voll-
ständigkeit, indem zu den gedruckten die nur in den Handschriften vor-
handenen herangezogen wurden. Dafs des Cricius nur handschriftlich
verbreitete Leistungen bis auf unsere Zeit gelangt sind, bleibt ein beson-
deres Verdienst des Krakauer Kanonikus Stanislaus Gorski (1489 — 1572),
dessen reichhaltige Sammlung mit den neun Bänden der Acta Tomiciana
noch nicht erschöpft sind.
Von S. XI an folgt eine ausführliche Beschreibung der benützten
Handschriften, deren wichtigste der Codex bibliothecae Cornicensis ist
Von einem fortlaufenden kritischen Apparat konnte bei der Ausgabe ab-
gesehen werden, da die meisten Verschiedenheiten der Handschriften sich
auf Orthographie und Wortstellung bezieheo. £ine besondere Schwierig-
keit entstand für den Herausgeber dadurch, dafs in den Handschriften
zahlreiche nicht von Cricius herrührende Epigramme unter die echten
gemischt sind.
Auf S. XXI - XXYI steht eine kritische Würdigung der biographischen
Arbeiten über Cricius (Biographorum Cricii conspectus), wobei Maximi-
lianus Ossolinski besondere Anerkennung erhält.
Geboren ist Cricius im Jahre 1482 in Krzycko. Von seinen Brü-
dern waren Nikolaus, Johannes und Lukas geistlich. Die Schwester
Elisabeth heiratete Albert Zebrzydowski , aus welcher Ehe Andreas, der
Freund des Erasmus, stammte. Er soll in Krakau studiert haben, doch
fehlt er in der Matrikel, und ebenso verdächtig ist sein angeblicher
Aufenthalt in Paris. Besser bezeugt sind seine Studien in Bologna, wo
er Schüler des berühmten Antonius Urceus, genannt Codrus, war, der
von 1482 ~ 1600 an dieser Hochschule lehrte. Daneben war er auch
Schüler des Philippus Beroaldus. Im Jahre 1604 ist Cricius wieder in
Posen, 1507 wird er Kanzler des Domkapitels daselbst, 1511 dessen
Scholaster, 1516 Sekretär des Königs Sigismund, durch dessen Gunst er
1622 Bischof von Premisl wird. Im Jahre 1585 werden seine zahlreichen
Verdienste, besonders auch bei diplomatischen Geschäften, durch das
Erzbistum Gnesen belohnt. Gestorben ist er den 10. Mai 1587.
MorawskJ, Cricii cannina. 181
In dem Abschnitt >Be Cricii poesis indole eiosque arte metricac
erklärt der Heransgeber, dafs die Jagendgedichte, Carmina amatoria,
trots metrischer YerstOlise, zum Teil wirkliche Poesie bieten. An den
Hof von König Sigisronnd gezogen, wagte er Gröfseres, verfiel aber, ob-
gleich Hofpoet, weder in den Fehler des leeren Wortschwalles, noch
niedriger Schmeichelei. Am besten gelangen ihm zn allen Zeiten kleine
Spott- und Scherzgedichte.
Wie man aus den Gedichten ersehen kann, verfügte er Ober einen
grofsen Kreis von gelesenen Schriftstellern. Entlehnungen aus Plautns
und Terenz sind nicht ganz selten. Aber auch andere Schriftsteller wer-
den gelegentlich nachgeahmt oder benutzt, wie Catull, selten Horaz, häu-
figer Vergil, Ovid, Tibnll, Properz, Juvenal, Martial. Neben den klassi-
schen Schriftstellern macht Cricius auch bei humanistischen Dichtern
Anleihen, wie bei Antonius Codrus ürceus und Angelus Politianns.
Die vom Herausgeber gerflgten Yerstöfse gegen Grammatik, Sprach-
gebrauch und Versbau sind flbrigens bei anderen Vertretern der älteren
Humanistengeneration ziemlich häufig. Selbst der berühmte Konrad Celtis
ist nicht frei davon. Die späteren sind sprachlich korrekter, dafQr fehlt
ihnen aber die Frische der Empfindung und der gröfsere Umfang der
Gedanken. Doch gesteht Morawski offen, dafs Cricius, wie die Polen
bis heute, f)lr die Feinheiten der Prosodie wenig empfängliche Ohren
gehabt habe: quod quidem Vitium etiam hodie apud Polonos saepissime
offendit vixque ezstirpari potest (p. LV). Die Würdigung, welche der
Herausgeber seinem lateinischen Poeten zuteil werden läfst, ist nüchtern
und frei von Überschwänglichkeit.
Die Werke des Cricius werden sodann in folgenden acht Büchern
mitgeteilt: 1) Carmina sacra. — 2) Carmina de rege Sigismnndo, eins
familia et aula. — 3) Carmina ad rempublicam et res religionis spec-
tantia. — 4) Carmina satirica. — 5) Epitaphia. — 6) Carmina ama-
toria. — 7) Reliquorum epigrammatum farrago. — 8) Dialogi de Asiana
diaeta.
Einen merkwürdigen Gegensatz bilden die Carmina sacra zu den
Carmina amatoria. Die erste Abteilung enthält Gedichte an Jesus, die
Jungfrau Maria, auf das Leiden des Erlösers, den hl. Geist, die hl. Anna;
unter den Liebesgedichten finden sich Verse, welche mit einem wahren
Cynismus die sinnliche Liebe darstellen. Doch vermag die Zeit der Ab-
fassung wie die wechselnde geistige Atmosphäre, in welcher der Dichter
lebte, diesen scheinbaren Widerspruch zu erklären. Zugleich war Cricius,
wie viele Humanisten Erasmischer Richtung, ein heftiger Gegner Luthers,
gegen den er satirische Gedichte schleuderte (p. 99 ff.).
Einige Ausstellungen machte ich in einer Besprechung Berl. philol.
Wochenschrift 1891, Nr. 1.
182 Geschichte der AltertamswisseiiBchaft.
Casimir Ton Morawski. m. Beiträge zur Geschichte desH«-
manismos io Polen. Wien. 1889 (Separatabdruck ans Bd. 118 der
Sitzungsberichte der kais. Akademie d. Wissenschaften in Wien. Philos.-
histor. Classe).
Der erste Abschnitt behandelt den Humanisten Johannes Syl-
yius Siculus, welcher im juristischen Matrikelbuch der Universität
Wien zum Jahr 1497 als »legum doctor Patavinusc yerzeichnet ist. Schon
vor 1600 verliefs er Wien und begab sich nach Krakau, dessen Univer-
sität damals unter dem Scepter der Jagellonen schön aufblähte.
Gegen die Hypothese, dafs Sylvius Siculus der Verfasser des von
Zeifsberg veröffentlichten Traktats »De institutione regii pueric sei, ver-
halt sich M. ablehnend aus chronologischen Gründen.
Seit 1506 hatte Siculus zu Krakan einen Streit mit Gonstantius
Clariti de Cancellaris Bononiensis (= Gostanzo Glaretti de* Gaocellieri),
einem anderen Humanisten, der ebenfalls in Erakau lehrte. Er scheint
fibrigens in Polen gute Freunde, mächtige Gönner und tachtige Schaler
gefunden zu haben. Zu den letzteren gehörte z. B. Andreas Cricins,
einer der hervorragendsten polnischen Neulateiner. Gefeiert wird er
auch von dem Engländer Ck)xus, welcher ebenfalls in Erakau lehrte.
Trotz seines unreinen Privatlebens wurde er 1629 der Erzieher
von Sigismund August, dem Sohne Sigismunds, zu dessen späteren Un-
glfick im Leben der Erzieher auch beigetragen haben mag. In dieser
Stellung hat er auch gelegentlich seiner scharfen Zunge die Zagel schiefsen
lassen. Doch schützte ihn die Gunst der herrschsflchtigen Eönigin Bona,
die andere Einflüsse von ihrem Sohne fernzuhalten wufste.
Ober die weiteren Schicksale des Sylvius erfahren wir nichts. Wahr-
scheinlich starb der hochbetagte Mann um diese Zeit, nachdem er seinen
verderblichen Eioflufs fünf Jahre laog auf seinen Zögling ausgeübt hatte.
Der zweite Abschnitt behandelt »die Berufung Melanchthons nach
Polenc Diese Berufung unterscheidet sich von der nach Frankreich
und England durch den Umstand, dafs sie von katholischen Ereisen aus-
ging. Man hoffte, Melanchthon leicht wieder für den Eatholizismus ge-
winnen zu können, wenn man ihn nur aus Wittenberg wegbrächte.
Aus einem an den humanistisch gebildeten Andreas Cricius gerich-
teten Brief, der S. 24 mitgeteilt wird, ersehen wir, dals die übrigens
erfolglose erste Berufung 1530 erfolgt war. Andreas Cricius hat seine
Einladung 1533 wiederholt, ohne jedoch seinen Zweck zu erreidieQ.
Melanchthon ist ebenso wenig nach Polen wie nach England oder Frank-
reich gegangen.
Von Polen wenden wir uns nach Ungarn:
H. Schnorr von Garolsfeld, Nogaroliona (Zeitschrift für ver-
gleichende Litteraturgesch. etc* N. F. 11 366—868).
Zu der von Eugen Abel veranstalteten Ausgabe der humanistisch
■epi
Gastellani, La stampa in Venexia. 183
gebildeten Isota Nogarola ood zu dessen darstellender Arbeit aber die-
selbe werden einige wertvolle Ergänzungen nnd Varianten gegeben.
Unzertrennlich von der Geschichte des Humanismos ist die Ge-
schichte des Buchdrnckes:
Carlo Castellani, La stampa in Yenezia dalla sua origine alla
morte di Aldo Mannzio Seniore (Giomale della Libreria, della Tipo-
grafia e Industrie affini 1888, p. 289 ff.).
Die Arbeit will mit Hilfe von Zeugnissen aus den ältesten Drucken
die spärlichen Angaben ergänzen, welche die Archive Aber die älteste
Bnchdruckerthätigkeit liefern. Voran stehen einige Angaben aber Johann
und Wendelin von Speyer (Giovanni e Vindelino da Spira), die vielleicht
BrQder waren und zuerst in Venedig druckten. Das erste Buch, das aus
ihrer Presse kam, waren Ciceros Epistolae ad familiäres im Jahre 1469.
Im Jahre 1469 erschien von Giovanni die Historia naturalis des
Plinius, im Jahre 1470 vollendete Wendelin nach Giovannis Tod die
Ausgabe von Augustins De civitate dei.
Im Jahre 1470 erschienen zwei neue Drucker, der Franzose Nicola
Jenson und der Deutsche Cristoforo Valdarfer. Der erstere druckte
bis 1482.
Über die Ausgaben von Eusebii Praeparatio evangelica, Auetor ad
Herennium, Justinus etc. ist die Arbeit selbst einzusehen.
Antonio Brizi, Annali tipografici di Perugia dair origine della
stampa ad oggi. Bologna. Societä Tipografica giä Oompositori. 1888. 26 p.
Das kleine Schriftchen verzeichnet zunächst 26 Buchdrucker oder
Firmen die in Perugia gedruckt haben, von 1560 — 1886. Bei jedem
Namen sind neben den Jahreszahlen einige Notizen gegeben, mit denen
freilich wissenschaftlich nicht viel anzufangen ist
Am Ende steht ein »Prospetto cronologico delle tipografie Peru-
ginec von 1471 bis zur Gegenwart. Die Namen der ersten Drucker,
welche im 16. Jahrhundert in Perugia gearbeitet haben, sind deutsch,
eine ttbrigens schon längst bekannte Thatsache.
In frtthere Zeiten führt zurttck:
P. J. Wichner, Zwei BOcherverzeichnisse des 14. Jahrb. in der
Admonter Stiftsbibliothek (Beiheft Nr. 4 zu Hartwigs Centralblatt für
Bibliothekswesen. Leipzig 1888—89, S. 1 — 37).
Die beiden Verzeichnisse ans den Jahren 1870 und 1380, die bis
jetzt nicht vollinhaltlich bekannt waren, worden von dem Mönche und
Armar Peter von Arbon zu Admont angelegt. Die Mehrzahl der ver-
zeichneten Bücher ist theologischen Inhalts, doch fehlt es auch an Klassi-
kern nicht. Beispielsweise seien genannt Eutropius hystoriographus (S. 14),
Priscianns (S. 84), Guidius magnus und Ouidios fastorum (S. 36) etc.
184 Geschichte der Altertumiwinenidiaft.
Einem in Deutschland bisher kaum bekannten Neultteiner gilt die
folgende Publikation:
Paciecidos Libri duodecim, decantatur clarissimus P. Franciscns
Paciecus, Lusitanus, pontilimensis, 6 Societate Jesu, Japoniae provin-
Cialis etc. Authore P. Bartholomaeo Pereira Lnsitano etc., opus in
gallico reddidit sennone A. Guichon de Grandpont, Commissarins
generalis navalium. Paris et Brest 1887. 8. 466 p.
Das in Hexametern geschriebene Epos behandelt das Leben und
Martyrium des Jesuitenpaters Fran9ois Pacheco aus Portugal, der im
Jahre 1626 in Japan lebendig verbrannt wurde. Die Ausgabe ist der
Art eingerichtet, dafs links der lateinische Urtext und rechts die franzö-
sische Übersetzung in Prosa steht.
Voran geht eine orientierende Vorrede des Übersetzers^ sodann
kommen einige Angaben Aber B. Pereira, woran sich eine Vita Pacied
schliefst. Am Ende steht das ludicium magistrorum Societatis Jesu, das
nach den im Jesuitenorden herrschenden Bestimmungen abgegeben wurde,
ehe das Werk gedruckt werden durfte. Eine Schlufisbemerkung des
Übersetzers und ein Index aliquorum propriorum nominnm (warum
nicht »omniumc?) beschliefst das nicht ganz kleine Werk.
Wenn man den beigedruckten Gutachten der Jesuitenpatres, denen
natürlich der Übersetzer voUstAndig beipflichtet, Glauben schenken dOrfte,
hätten wir es hier mit einem Werk zu thun, das nach seinem poetischen
Wert der Aeneis ganz nahe kommt, ja im Grunde wegen seines religiösen
Inhaltes das heidnische Gedicht Vergils übertrifft. Man höre z. B. das
Urteil des Paters Andreae Madeyra: »Laude primum omnium argumen-
tum, grave, idoneum, illustre, et in quo antiquos — longe superat, pium.
Quod in summa laude pono, nnllum omnino in carmen incides, qaod
bene tornatum non sit; nihil inane, nihil exsangue; habent omnia nerros,
ossa, sanguioem. Itaque Musae, si latine loquerentur, non alio
nterentur sermonec. Das Epos wird ein aureus libellus genannt, der
die Kritik nicht zu ftlrchten braucht.
Der Jesuit Petri Peixoto ergeht sich in fthnlichen Übertreibungen :
Fluunt numeri vena divite, stylo facili, eo tenore versnum, ut, si ei
Thessala recitentur voces (sie, wohl voce), excantare sidera ac dedncere
Innam possint. ^ Solche LobsprOche kann man nur in lateinischer Sprache
ertragen.
Was der Übersetzer von gelehrten Anmerkungen hinzugefOkgt hat,
ist nicht von grofsem Belang. Bezeichnend ist, wenn S. 20 zu dem
Satze: vates, qnos Tullius cum Ennio appellat Sanctos in der Anmer-
kung bemerkt wird: »TuUius, Pro Archiac. Da die Giceronische Rede
Pro Archia aus 82 Paragraphen besteht, so ist mit einem solchen Citat
wenig geholfen, und der Leser mag nur fleifsig suchen, bis er in Gap. 8,
§ 18 die richtige Stelle findet. Oder wenn am AnfiEUig des sechsten
Vander Haeghen, Bibliographie Lipsieone. 185
Boches, wo sieh eine Beschreibaog der Fama findet, daza aaf das 12. Bach
Yon Ovids Metamorphosen verwiesen wird, so mufste doch zuerst Vergilii
Aeneis lY 178 — 197 genannt werden, eine Stelle, die ftlter ist und das
Muster fttr die späteren abgab.
Im Obrigen aber soll nicht bestritten werden, dafs das neulateinische
Gedicht mancherlei VorzQge bat und eine achtbare Leistung ist Als
Probe, da den meisten Lesern die Schrift selbst nicht leicht zugänglich
sein dürfte, soll der erwähnte Anfang des sechsten Buches hier stehen:
Enceladi interea soror importuna relinquens
Gocyti sedem infandam, super aetheris auras
Centum ocnlis centumque alis instructa subibat.
niam turba nocens, deztra laevaque frequentes
Obscuri in nebulis variaque in veste sequnntnr
Rumores, circumque fluunt Mendacia pennis.
Haec faciem aspectu foedam visosque retortos
Dentatasque acies et linguae fulmina multo
Grine tegunt, jactoque super velaminis auro
Occultant natale malum, lateque nitentes
Ezpandunt alas, fictisque coloribus errant etc.
Kein Humanist, sondern schon ein Philologe ist der berflhmte
Lipsius:
Ferd. Vander Haeghen, Th. J. J. Arnold, R. Vanden Berghe.
Bibliographie Lipsienne I — III. Gand. C Yyt. 1886—1888
(Bibliotheca Belgica, Pnblication de l'universit^ de Gand).
Das ausgezeichnete Unternehmen der Bibliotheca Belgica, geleitet
von Ferdinand Vander Haeghen, dem Bibliothekar der Universität Gent,
setzt sich zur Aufgabe, eine Bibliographie der niederländischen Gelehrten
zu geben. Schon der äufsere Umfang des aber Lipsius Gebotenen (es
sind drei Bändchen) lälst vermuten, dafs wir es hier mit einer sehr
gründlichen Arbeit zu thun haben. Ein Studium der Bibliographie er-
weckt den Eindruck, dafs die Arbeit für alle Zeiten abschliefsend ist,
soweit ein Nichtfachmann zu einem solchen Urteil berechtigt ist.
In der I. und IL Serie sind lOeuvres de Juste Lipsec behandelt,
in der dritten: a. Auteurs latins anciens publi^s ou annotös par Juste
Lipse. b. Pitees de Lipse diss^min^es dans divers ouvrages. c. Quel-
ques ouvrages concernant Juste Lipse.
Nur durch die Benützung zahlreicher Bibliotheken konnte ein
solches Werk hergesteUt werden. Es giebt auf jede berechtigte Biblio-
graphische Frage Antwort: Genauigkeit der Titelangabe, Format, Seiten-
zahl, Vorrede, Facsimile der Buchdruckerzeichen und der Handschrift
des Lipsius, Angabe einiger Bibliotheken, wo sich das Werk findet u. s. w.,
alles ist berücksichtigt. Eine kurze Einleitung enthält eine Biographie
über Lipsius und verzeichnet auch die Litteratur über denselben.
186 Geichichte der Altertamswissenichaft.
Wohl dem Biographen, der eine solche Vorarbeit fQr seinen Helden
besitzt. Das ist in der That ein festes Fundament, aof dem sich ein
solider Bau errichten läfst.
Auch fflr die deutsche Gelehrteogeschichte ist ein namhafter Gewion
davon zu erwarten. Möchte es dem fleifsigen Leiter der Bibliotheca
Belgica vergönnt sein, uns bald die sehr notwendige und wttnschenswerte
Bibliographie des Erasmus zu schenken.
Die Geschichte der französischen Philologie ist durch zwei Arbeiten
vertreten :
Henri IV, Bongars et Strasbourg par L6on G. P61issier.
Paris. Berger-Levrault et Cie. 50 p.
Der Inhalt dieser kleinen Schrift, welche ein Separatabzug aus der
Revue alsacienne ist, mufs nur deshalb hier besprochen werden, weil der
politische Agent Jacques Bongars (1664 — 1612) zugleich einer der gröfsten
Piiilologen Frankreichs ist. Der Verfasser schliefst sich an das Werk
von M. Anquez (Henri IV et TAIlemagne, d'apr^s les m^moires et la
correspondance de Jacques Bougars. Paris 1887) an, erweitert aber
dasselbe durch mancherlei Schrlftstttcke.
Bongars ist bei uns bekannter, seit H. Hagen seinen sorgfältigen
Katalog ttber die Handschriften der Bibliothek zu Bern, welche den hand-
schriftlichen Schatz aus Bongars' Nachlasse besitzt, veröffentlicht hat
Seine politische Thätigkeit scheint nicht unbedeutender gewesen zu sein
als seine wissenschaftliche, doch kann der »Jahresbericht flkr Altertums-
wissenschaftc die erstere nicht eingehend würdigen.
Auf S. 23 lesen wir folgende Schilderung von Bongars: ill 4tait
alors (1693) dans la force de T&ge, 6tant n6 en 1554 k Orleans; fonn6
dds Tenfance k la connaissance des hommes et des choses d^Allemagne,
ayant appris l'antiquit^ par les legons et les discours de Juste Lipse, de
Cigas, de Fulvio Orsini, la politique contemporaine et les affaires d^i
compliquöes de TEurope Orientale par ses voyages sur le Danube, en
Hongrie et jusqu*ä Oonstantinople, il 6tait admirablement pr6par6 k
cette carridre redoutable de la diplomatie, oü 11 devait rendre tant de
Services k son pays.c
Von allen deutschen Staaten liebte er Strafsbnrg am meisten: hier*
hin zogen ihn unter anderem auch die reichen Bflcherschätze.
Der kleinen Arbeit ist ein Bild von Bongars beigegeben, welches
in seinem Todesjahr durch Brunn zu Strafsburg gestochen wurde. Die
lateinische Unterschrift dazu rflhrt von Janus Gruter her, dem berfihmten
Heidelberger Philologen; das Werk ist dem kurfürstlich pfälzischen
Rate Georg Michael von Lingelsheim gewidmet, dessen Name ebenfalls
mit der Geschichte der Wissenschaften im 17. Jahrhundert unzertrennlich
verbunden ist.
TMnliey de Larroqae, Lettres de Peiresc. 187
Lettres de Peiresc aox fr^res Dapuy, publikes par Philippe
Tamizey de Larroque, correspondant de Tlnstitat, membre noo
rösidaDt du comit^ des travanz historiqaes et scientifiqaeB. Tome
Premier. D6cembre 1617 — D6cembre 1628. Paris. Imprimerie Na-
tionale. MDGCCLXXXVni. 4. IX n. 914 p. (Gollection de doca-
ments iD^dits aar l'histoire de France publi6s par les soins da ministre
de rinstmction publique. Deuxi^me sörie).
Ein stattlicher Band, schön gedruckt , auf gutem Papier, mit der
Eleganz und Opulenz ausgestattet, wie das bei amtlichen französischen
Veröffentlichungen seit langer Zeit Qblich ist.
Der amtliche Auftrag zur Veröffentlichung der Briefe von Peiresc
an die BrQder Dupuy wurde den 18. Dezember 1885 gegeben, der ver-
antwortliche Kommissar dafflr ist Leopold Delisle.
Der Herausgeber Tamizey de Larroque verspricht >un travail ana-
lytiquec flber Nicolas Claude de Fabri, Herr von Peiresc (1580-1637),
welche mit dem Orts- und Personenverzeichnis zu dem Briefwechsel ver-
öffentlicht werden soll. Die Briefe sind an die beiden Brflder Dupuy
gerichtet, von denen der ältere, Pierre, den 27. November 1582, der
jüngere, Jacques, 1586 geboren wurde. Von dem Briefwechsel mit einem
dritten Bruder, Christophe Dupuy, der Prior der Earthause zu Rom
wurde, und mit dem Peiresc ebenfalls Briefe wechselte, hat sich nur
weniges erhalten.
Der Briefwechsel, welcher vom 9. Dezember 1617 bis zum 9. Juni
1637 geht, also bis wenige Tage vor dem Tode von Peiresc (24. Juni
1637) umfafst gegen 500 Briefe, deren Originale sich in den Bänden
716 — 718 der Sammlung Dupuy auf der Nationalbibliothek zu Paris be-
finden. Der Verfasser versichert, dafs er die Originalien ohne jede Ver-
änderung wiedergegeben habe, »avec la minutieuse fid61it6, qui est tou-
jours obligatoire, quand il s'agit de documents originauxc (p. II).
Auf der Bibliothek Ingnimbert zu Carpentras befindliche Briefe des
Peiresc glaubte der Herausgeber mit Rücksicht auf ihren wenig bedeu-
tenden Inhalt und um die ohnehin schon umfangreiche Veröffentlichung
nicht noch umfangreicher zu machen, weglassen zu sollen.
Leider ist es dem Herausgeber nicht gelungen, die Briefe der
Brflder Dupuy, welche ganz regelmäfsig von Paris aus an ihren Freund
in der Provence schrieben, wieder aufzufinden, obgleich noch am Anfange
des vorigen Jahrhunderts 238 Briefe, etwa die Hälfte des Briefwechsels,
nachweisbar vorhanden waren.
An den Briefen des Peiresc rflhmt der Herausgeber zunächst ihre
ungeschminkte Einfachheit und Natflrlichkeit: Jamais un mot cherchd,
jamais une prötentieuse image! Dans cette honndte et agr^able prose
se reflite le caract^re de Tdcrivain. Der Inhalt ist wertvoll durch den
grofsen Umfang der geistigen Interessen ihres Verfassers, die sich auf
Igg Geschichte der Altertumswissenschaft
nahezu sämtliche Kultarländer Europas erstrecken. Gkinz besonders
Italien hatte Peiresc in sein Herz geschlossen, und im Oriente unterhielt
er eigene Agenten, unter den zahlreichen Gelehrten, von denen gelegent-
lich im Briefwechsel gehandelt wird, mögen nur folgende wenige Namen
hervorgehoben werden : Isaac Gasaubon, Grotius, Daniel Heinsius, Lucas
Holstenius, Justus Lipsius, Claude de Saumaise (Salmasins), die Brflder
de Thou etc.
Zugleich sind die Briefe ein schönes Denkmal für die Trefflichkeit
des Charakters von Peiresc selbst: La passion du bien dont sod noble
coeur fut toujours anim4 n'6clate dans aucune autre partie de sa corre-
spondance aussi vivement que dans ses lettres k Pierre et Jacqnee
Dupuy. II 8*7 montre Tauxiliaire z616 et, pour ainsi dire, le serviteur
infatigable de ceux qui travaillent, prodiguer ses enoouragements, ses
conseils, ses livres, ses manuscrits, For de sa bourse, comme celui de
son Erudition (p. VIII).
Nachdem bis Seite 765 im ganzen 147 Briefe von Peiresc mitgeteilt
sind, folgt ein Anhang (767- 914), Briefe der BrOder Dupuy an Peiresc
enthaltend.
Am Fufse des Textes stehen Anmerkungen, welche Ober Gelehrte,
Bücher und anderes, das im Texte erwähnt wird, Aufechlufs geben. Erst
wenn einmal die versprochenen Sach- und Namenregister vorliegen, wird
man sich eine Vorstellung von dem gewaltigen Vorrat wertvollen Mate-
rials machen können, das hier aufgespeichert ist.
Wir wünschen dem Herausgeber, dafs es ihm vergönnt sein möchte,
sein umfangreiches Werk in nicht allzu femer Zeit zu Ende zu führen.
Weitere Arbeiten zur Gelehrtengeschicbte mögen hier folgen:
R. V. Höfler, Erionerungen an Phil. Jacob Fallmerayer (Mitthei-
lungen d. Vereines f. Geschichte der Deutschen in Böhmen. Jahrg. 26.
Nr. IV [Prag 1888J, S. 895-416).
Fallmerayer, unter uns eine fast vergessene Persönlichkeit, war in
den vierziger Jahren unseres Jahrhunderts einer der bekanntesten 6e*
lehrten Deutschlands.
Nachdem neuerdings ein Tiroler Gelehrter, Gymnasialdirektor Dr.
J. C!h. Mitterrutzner, das Andenken an denselben erneuert hat, teilt auch
der bekannte Historiker Höfler allerlei über denselben aus seiner Erinne-
rung mit. Höfler lernte ihn im Jahre 1827 kennen, als er zur Absol-
vierung des philosophischen Kursus das Lyceum zu Landshut bezog.
An dieser Anstalt wirkte der im Jahre 1790 in Tirol geborene Philipp
Fallmerayer als Professor der Geschichte und klassischen Philologie.
Kurz vorher hatte der Gelehrte durch Lösung der von Kopenhagen aoa
gestellten Preisaufgabe über das trapeznn tische Kaisertum die allgemeine
Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Unter seinen Zuhörern war die Stim-
mung über den Gelehrten sehr geteilt: manche hielten ihn für einen
1
Lettere inedite dl Giacomo Leopardi. 189
Phrasenmacher. Seine kleine Schrift fiber Geschichte machte einen ver-
schwommenen Eindruck, nnd man vermifste an ihr philosophische Durch-
bildung.
Höfler fand mehr Geschmack an F/s Vorlesungen Ober Hesiod und
Plautus* Miles gloriosus als an diesen historischen Vorlesungen. Dabei
zeichnete er sich aus durch eine tüchtige Kenntnis des romäischen
Rechtes, wozu er die byzantinischen Schriftsteller fleifsig studiert hatte.
Die bekannte These F.*s: maa ^ *EXXä^ iaXaßwBv^^ wonach die
althellenische Bevölkerung Griechenlands mit Stumpf und Stil ausgerottet
wurde, ist nach Höflers Meinung aus der Eitelkeit des Gelehrten ent-
sprungen, der damit auffallen wollte. Über diese Meinung entbrannte
später ein heftiger Kampf in der Münchener Akademie, wo der alte
Philhellene Thiersch F. bekämpfte.
Trotzdem war seine »Geschichte der Halbinsel Moreac ein Werk
von weittragender Bedeutung, so schlimm auch später die Kritik dem-
selben mitgespielt hat.
Der Verfasser war aber im wesentlichen Autodidakt, mit allen
Schwächen und Vorzügen solcher Menschen. Von seinen Lehrern scheint
nur Dr. Ast einigen Einflufs auf ihn gehabt zu haben.
In Folge einer Orientreise von 1831 — 1834, wobei ihm seine mannig-
faltigen Sprachkenntoisse sehr zu statten kamen, gewöhnte er sich »eine
gewisse orientalische Ruhec an, die ihm eine äufsere Würde verlieh.
Während seiner Abwesenheit wurde er zu seinem grofsen Leidwesen
pensioniert, erlangte aber als Mitglied der k. Akademie in München eine
geachtete Stellung.
Die Mitteilungen über die spätere Stellung F.*s als Lehrer des
nachmaligen Königs Max II und was sich daran knüpfte, berühren die
eigentliche Gelehrtengeschichte nur in geringem Grade.
Von dem begeisterten Leopardianer Camillo Antona-Traversi liegt
wieder eine neue Publikation vor:
Lettere inedite di Giacomo Leopardi e di altri a' suoi parenti
e a lui per cnra di Emilio Costa, demente Benedettuci e Camillo
Antona-Traversi. Cittä di Castello. 1888. 8. XXIII u. 287 S.
Auf eine orientierende Einleitung kommen folgende Nummern:
1) Lettere inedite di Giacomo Leopardi a Pietro Brigheoti. 2) Lettere
Stelliane. 3) Lettere Brighentiane. 4) Lettere Giordaniane. 5) Lettere
Lemonnieriane. 6) Lettere Gussalliane. 7) Lettere di vaij. — Anmer-
kungen erleichtem das Verständnis.
Wer eine Geschichte der klassischen Studieu in Italien schreiben
will, findet zahlreiche Notizen von Wert in dem kleinen Bändchen. Vgl.
z. B. die Angaben über Fronto S. 85 , über die Aeneide S. 78, 79, 86,
über Seneca S. 86 etc.
190 Gcfdudiie der Altertaatvineiiidaft.
Ein anmiitiges kleines Bocfa, das in dieeeai ZuBanuneidiiiig be-
sproehen werden mofs, yerdanken wir eiaem höheren bayenadiai Eisen-
bahnbeamten:
Adolf Pernwerth ?on Bärnstein, In doplo. Gedichte zugleich
in lateinisch-rfaythmiscfaer nnd in dentscher Fassung. Mit einer kurz-
gefafsten Geschichte der lateinisch -rhythmischen Dichtung. Manchen
1888. Literarisch -artistische Anstalt Theodor Riedel. 16- XXII u.
110 &
Der Verfasser des Liederbuches ist kein Neuling auf diesem Ge-
biet Er hat seinen Namen bereits durch zwei Schriften bekannt ge-
macht: 1) Garmina burana selecta. Ausgewählte lateinische Studenten-,
Trink- und Liebeslieder des XII. und XIII. Jahrhunderts aus dem Codex
buranus, mit neudeutschen Übertragungen, geschichtlicher Einleitung,
Anmerkungen und Beigaben. Wfirzburg 1879. -> 2) Ubi sunt» qni ante
nos in mundo fuere? Ausgewählte lateinische Studentin-, Trink-, Liebes-
und andere Lieder des XIY. bis XVIII. Jahrhunderts. Eine literatur-
geschichtliche Studie, zugleich ein Liederbuch. Wfirzburg 1881.
Da sämtliche Gedichte der kleinen Sammlung in lateinischer und
dentscher Fassung dargeboten werden, so wurde der Titel iln duploc
gewählt
In der kurzgefaßten geschichtlichen Einleitung ist eine knappe
Geschichte der lateiDiscben rhythmischen Poesie gegeben. Im Gegensatz
zur »urbanen Poesie der BOmerc entwickelte sich zumeist aus dem
Soldatenlied die lynlgäre Lyrikc, welche statt Quantität nnd Elision nur
den Accent anerkennt. Eine hohe Bifite erreichte diese Form der Dich-
tung im altcbristlichen Kirchenlied, der Hymnenpoesie der ersten christ-
lichen Jahrhunderte, sodann in der weltlichen Dichtung der fahrenden
SchAler, der Goliarden des 12. nnd 13. Jahrhunderts, welche sich von
der Grenze der innigsten nnd reinsten Gefdhle bis znm frivolsten Gynis-
mus bewegen.
Die bedeutendste Sammlung solcher Lieder enthält der Codex
buranus, eine Handschrift aus dem altbayeriscben Kloster Benediktbeuren,
welche sich jetzt in der Mfinchener Hof- nnd Staatsbibliothek befindet,
und die Schmeller 1847 als Carmina burana herausgegeben hat
Diese Poesie Hefs mit dem Aufkommen des Humanismus nach,
weil dieser auf das klassische Prinzip der Quantität zurfickging. Nach-
dem sie im 17. und 18. Jahrhundert ein kfimmerliches Dasein gefristet
hatte, gewann sie im 19. Jahrhundert neue Verehrer und darum auch
neue Pflege. Als Meister solcher Dichtung werden genannt: Viktor
von Scheffel, Felix Dahn, Gustav Schwetschke der moderne »Meister von
Latiums Sprächet, Fr. Weinkanfi^ Ernst Pfltz u. a. Nach der vorliegen-
den Probe fflgen wir auch Adolf Pernwerth von Bärnstein hinzu.
Zannoni, I precaraori di Merlin Gocai. 191
Gegenttber dem wttsten Geschrei gegen die klassischen Sprachen,
von dem Deutschland wiederhallt, liest man mit Freuden einen Satz wie:
»Die lateinische Sprache war seit Jahrhunderten, ist gegenwärtig und
bleibt fOr unabsehbare Zukunft die Weltsprache aller humanistisch Ge-
bildeten des ganzen Erdkreisesc. Dabei bekleidet der Schreiber dieser
Zeilen eine Stellung im Eisenbahndienst!
Zu den Litteraturangaben auf S. 10 und 11 ergänze ich noch:
1) Garmina dericorum. Studentenlieder des XII. und XIII. Jahr-
hunderts. Edidit domus quaedam vetus. 6. Aufl. Heilbronn 1880.
2) 0. Hubatsch, Die lateinischen Vagantenlieder des Mittelalters.
Görlitz 1870.
3) W. Hertz, Spielmannsbuch. 1886.
4) Jaff6, Die Cambridger Lieder. 1869.
Was die Gedichte selbst betrifft, so sind sie in der That sehr ge-
fällig. Der Mehrzahl nach Gelegenheitsgedichte, beweisen sie, dafs man
die Ereignisse der jüngsten Gegenwart in lateinischer Sprache allgemein
yerständlich und ansprechend behandeln kann.
Als Beispiel mOge ein dem Reichskanzler zum siebenzigsten Ge-
burtstage (1. April 1886) gewidmetes Gedicht dienen:
Principi-cancellario de Bismarck annum
septuagesimum peragenti.
Princeps cancellarie,
Peragens annorum
Septuaginta hodie
Girculum decorum:
Te sincera salutant
Germanorum vota,
Tua fama resonant
Littora remota.
Victor stas in proeliis
Ensium, verborum,
Rector in consiliis
Mundi populorum:
lüde nostra tempora
Te miraotnr lumen,
Te futura saecula
Affabuntur numen.
Giovanni Zannoni, I precursori di Merlin Gocai. Studi e
ricerche. Gittä di Gastello. S. Lapi tipografo editore. 1888. 8. 207 S.
Auf der Grenze der Aufgabe des »Jahresberichtesc bewegt sich
dieses lehrreiche Buch, welches die Geschichte der macaronischen Dich-
tung in Italien bis auf Merlin Gocai darstellt Diese in Deutschland
nur selten gepflegte Form der Poesie scheint in Italien grofse Verbrei-
tung und ziemliche Beliebtheit genossen zu haben.
Der Verfasser greift bis auf die macaronischen Verse der Goliarden
zurück. Über den umstand, dafs man bisher in Italien keine Goliarden-
lieder aufgefanden hat, citiert der Verfasser eine beachtenswerte Bemer-
kung Ton Bartoli (I precursori del rinascimento, Firenze 1876): iGhe in
192 Geschichte der Altertumswissenscbaft.
Italia Don si sieno trovati manoscritti goliardici non tooI dir molto:
ognuno sa in che condizioDc sieno le nostre bibliotecfae.c Wenn dieser
Satz die Wahrheit nnd keioe Übertreibung enthält, so dOrfte die Alter-
tumswissenschaft Doch auf gelegentliche wertvolle Funde in Italien Aus-
sicht haben.
An den einleitenden Text schliersen sich folgende Proben an:
1) Tifi degli Odassi, Macaronea. — 2) Nobile Viconse Opus. —
8) Matteo Fossa, Virgiliana. — 4) Bassano da Mantova: a) Ad
magnificus dominus Gasparus Vescontus. b. Macaronea contra Savoynos.
— 6) Giovanni Giorgione Alione, Macaronea contra Macaroneam
Bassani.
Ein kurzer Anhang und ein Glossar schwieriger italienischer Aus-
drücke beschliefst das Buch.
Um einen Begriff dieser macaronischen Dichter zu geben, mag hier
der Anfang der Virgiliana von Matteo Fossa stehen, welcher die ersten
Verse der Vergilschen Aeneis benützt:
Tu quicumque leges non dicas Macaroneam:
De macaroneis nil tractant carmina nostra; '
Nomine sed vero dicantur Virgiliana.
Incipimus quamvis non canimus arma virumque.
Non hie arma virumque canimus neque troica gesta,
Sed mage sbefatus cantabitur Angelus isto
Carmine: vos, socii, letos advertite sensus.
Hie Priscianus adest confractus membra cerebro et
Gonqueritur: queriturque licet, tamen arma virumque
Incutimus capiti. Veniam dabis, o Prisciane,
Invite et quamvis faveas, mea o Beta, roganti
Atque adsis faveasque, precor — quot carmina feci
Inguine cum mammis magna scis ea fuere.
Julius Thikötter, Hallelijg^. Lateinische und deutsche Hymnen.
Bremen. M. Heinsius. 1888.
Von den 26 Hymnen, welche die kleine Schrift enthält, sind zwölf
lateinisch nnd deutsch zugleich. Der Verfasser sagt von den Kindern
seiner Muse, die Dichtung der Hymnen sei ihm ganz nngesncht von
selbst gekommen; sie habe ihm persönlich Freude gemacht Zu dem
letzteren sei bemerkt, dafs das wohl glaublich ist, und wir hoffen, dafs
diese in der That schönen Hymnen auch noch anderen Menschen anfser
dem Verfasser Freude machen werden.
Bezüglich der ersten Bemerkung ist aber doch zu betonen, dafs
Thikötter seinen Geist vorher durch Lektüre alter und vielleicht auch
neuerer Hymnendichter (man darf wohl an J. V. von Scheffel eriimern)
befruchtet haben mufs.
DQhr, Goetheg HermaDo und Dorothea. 19«S
Zur Probe mag hier eine Strophe ans der Hymne »Domine fac
salvam imperatoremt stehen:
Omnes tribos, omnes gentes
Totam per Germaniam,
Regia landibus gaudentes
Gonsalutant gloriam.
lobilant in orbinm mnris,
Gestiont in campis mris
Nobiles et pauperes,
Humiles et principes.
Goethes Hermann ond Dorothea. Ins Altgriechische Obersetzt
von Professor Dr. A. DOhr. Gotha. Perthes. 1888. 8. 68 S.
Die Verlagshandinng versendet mit dem Schriftchen eine Anzeige,
welche folgende Mitteilnngen enthält:
Der Übersetzer D. hat schon früher eine Übersetzung von Geibels
Erinnerungen an Griechenland hergestellt, die nicht blofs Geibels, son-
dern auch eines engeren Kreises von Freunden Beifall gefunden hat.
Die Übersetzung von Hermann und Dorothea war ursprünglich auch nur
für Freunde bestimmt, aber zahlreiche Anmeldungen zur Subscription
veranlafste den Druck von mehr Exemplaren.
Dfibr ist ein ehemaliger mecklenburgischer Schulmann, der diese
Arbeit schuf in »einer gänzlich idealen Begeisterung für die klassischen
Sprachen, für deren Betrieb und Lehre der Verfasser die beste Kraft
seines langen, nun schon in das neunte Jahrzehnt gehenden Lebens ein-
gesetzt hat, und denen auch die Mufse des Veteranen ganz gehörte
Erfreulich im Gegensatz zu zahlreichen anderen BQcheranzeigen
ist das offene Geständnis, dafs der Verfasser sich nicht einbildet, er
komme »etwa einem tiefgefühlten Bedürfhisc entgegen. Das Büchlein
verdankt seine Entstehung einer persönlichen Liebhaberei und wendet
sich an die »nur kleine Gemeinde derjenigen, welche in dem realisti-
schen Drange unserer Tage Sinn und Zeit für solche Studien sich be-
wahren, c
Gewidmet ist die Übersetzung dem Ehepaar Schliemann: "AuSpl
ivTCfiordr^ EPPIKQt 2XAIEMANN rip Ttdvu xal rjj yvvcuxl abroü
l'O01At Tj ix T^g r^veäg täv KA2TP0MENQN. Das Widmungs-
gedicht ist in Distichen, die Übersetzung selbst in Hexametern geschrieben.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXX. Bd. (1891. III.) ]3
üeber die Arbeiten auf dem Gebiete der alten
Philosophie in Rnssland im Jahre 1890.
Von
W. Lutostawski.
Während in den letzten Jahren in Rossland sich eine sehr leb-
hafte Thätigkeit anf dem Gebiete der Philosophie entfaltet hat, bleibt
die Geschichte der Philosophie, und besonders die Geschichte der alten
Philosophie verhiLltnissmässig am wenigsten bebant, vielleicht wefl die
tonangebenden philosophischen Schriftsteller in Rnssland keine Historiker
sind, nnd in Folge dessen das Interesse flir historisch philosophische
Forschnngen im Pnbliknm noch nicht erwacht ist; aber wahrscheinlich
anch deshalb, weil historisch -philosophische Forschnngen ausgedehnte
Bibliothek -Mittel voraussetzen, die in Rnssland fehlen. An den mssi-
schen Universitäten war das Stndinm der Philosophie in der letzten
Zeit auf ein Minimum redudrt, so dass sich das BedQrfhiss systemati-
scher BOcheranschaffung nicht ftüüen liess. Deswegen sind die Biblio-
theken selbst der reichsten Universitäten Russland auffallend arm an
philosophischen Werken, und nicht einmal in Moskau ist es möglich,
die besten Ausgaben vieler classischer Philosophen aufzutreiben. Jetzt,
wo die Beschäftigung mit Philosophie sehr rege zu werden beginnt, sucht
man diese Lücken zu fallen, und bemOht sich zunächst um eine vor-
läufige Orientierung Ober den gegenwärtigen Zustand der philosophischen
Disciplinen in Europa, mit einiger Yemachlässigung des Studiums frü-
herer Philosophen. Das Studium der Gegenwart erscheint den Meisten
anziehender, und ist auch viel leichter, da es sich hauptsächlich auf die
Literatur der letzten Zeit bezieht, während zum historischen Studium
wir fortwährend Werke früherer Zeiten benutzen.
Im Laufe des Jahres 1890 ist kein auf die Philosophie des Alter-
thums bezügliches Werk besonders erschienen, ausser dem schon im
Jahresbericht für 1889 besprochenen und auch thatsächlich im J. 1889
gedruckten Werke über die Metaphysik im alten Griechenland vom
Plato. 195
Ftirsten S. Trnbieckoj. Dies Werk ist nicht ohne Tendenz geschrieben,
hat aber in Russland eine grosse Anerkennung gefiinden, die sich auch
in einer Recension von Rad}ow im Archiv für Geschichte der Philoso-
phie (Band III Seite 690) kundgiebt. Eine ins Einzelne gehende Be-
sprechung und Kritik der Ausführungen von Fürst Trnbieckoj, würde
die Rahmen dieses Berichtes übersteigen.
In der philosophischen Zeitschrift »Woprosy filosofii i psichdogii^)
(Fragen der Philosophie und Psychologie) lesen wir im Laufe des
Jahres 1890 nur zwei auf die Geschichte der alten Philosophie bezüg-
liche Arbeiten:
1. D. Owsianniko-Kulikowskawo Oczerki iz istorü mysli
(D. Owsianniko Eulikowsk^ Skizzen aus der Geschichte des Gedankens)
Woprosy N. 5 Seite 103—134.
Es ist dies die Fortsetzung des gleichnamigen Ansfsatzes in N. 2
derselben Zeitschrift*). Der Verfasser betrachtet die Lehre von den
Elementen, besonders vom Wasser, von der Luft und von der Erde in
der ältesten Philosophie. Er findet eine enge Beziehung zwischen der
Lehre von Thaies und populären griechischen mythologischen Anschau-
ungen, die er wiederum aus indischen Mythen und aus der semitischen
Eosmogonie herzuleiten strebt. Unter Berufung auf Plutarch, schreibt
Owsianniko -Eulikowskij dem Thaies die Vorstellung zu, dass die Aus-
dünstungen des Wassers die ganze Welt, sogar das Feuer der Sterne
und der Sonne nähren. Diese Ausdünstungen sind aber eine Luftart,
und so findet Owsianniko -Eulikowskij es ganz natürlich, dass später
Anaximenes die Luft als Urelement auffasste. Die ursprüngliche Vor-
stellung der Elemente, meint der Verfasser, trennte noch nicht den Be-
griff der Elemente von dem Begriff der Eräfte. Diese Unterscheidung
findet der Verfasser erst bei Empedokles, der neben Parmenides zuerst
die Erde als Element aufgefasst haben soll. Auch diese Vorstellung
sucht der Verfasser auf indische Quellen zurückzuführen. In der Tren-
nung der Idee der Eraft von der Idee der Materie, sieht Owsianniko-
Eulikowsky ein wichtiges Ergebniss der ältesten Philosophie, und zwar
so, dass die ursprünglich mythischen Anschauungen allmählich zu philo-
sophisch präcisen Begriffen geführt haben.
Der Gedankengang beruht auf einer Reihe von Wahrscheinlich-
keitsschlüssen, die etwas an ähnliche Theorien von Plessing im XVIII.
und von Patrizi im XVI. Jahrhundert erinnern. Diese seine Vorgänger,
so wie auch neuere Schriften über denselben Gegenstand, scheint Owsian-
niko Eulikowskij nicht zu kennnen.
1) Diese Zeitschrift werde ich weiterhin kurz als »Woprosy c an-
führen.
S) Besprochen im Jahresbericht für 1889.
18»
1 96 Pl»to.
Dieselbe Yernacblässigiing der Uteratar des Gegenstandes bemerirt
man auch in der Abhandlung.
2. Kn. E. Trnbieckowo Politiczesk^'e idieaty Ptatona i Aristo-
tiela w ich wsiemirnoistoriczeskom znaczenii. (Ffirst E. Trubieckoj.
Die politischen Ideale von Plato und Aristoteles in ihrer welthistori*
sehen Bedeutung.)
Der Verfasser sieht in Piatos Staat eine philosophische Theokra-
tie (!), deren Einrichtung völlig voo den Vorstellungen ttber das Jenseits
abhängt. Im Gegensatz dazu soll der Aristotelische Staat sich selber
Zweck sein. Der Verfasser sieht sogar eine Ahnung des späteren Kul-
turkampfes im vermeintlichen Gegensatz zwischen der Tbeokratie voo
Plato und dem angeblichen Kulturstaat von Aristoleles. Wenn man
derartige Gedanken ausspricht, sollte man doch die vorhandenen Nach-
weise der Uebereinstimmung zwischen Plato und Aristoteles anf dem
Gebiet der Politik zuerst widerlegen (z. 6. Lutostawski Erhaltung und
Untergang der Staatsverfassungen, Breslau 1888). Aber der Verfasser
kümmert sich ebensowenig um die Literatur seines Gegenstandes wie
Owsianniko-Kulikowskij, und er ist nicht einmal vertraut mit der Art
und Weise, wie Aristoteles citirt wird. Er dtirt die Politik nach
Büchern und Kapiteln, was doch bei diesem Werke um so weniger
angemessen ist, als hier die Reihenfolge der Bücher nicht zweifellos
feststeht
Fürst E. Trubieckoj nennt schliesslich Plato den Propheten des
christlichen theokratischen Ideals, Aristoteles den Propheten des zeit-
genössischen europäischen Gulturstaates. Offenbar scheint ihm die ?od
Aristoteles behauptete Nothwendigkeit des Sklaventhums eine solche
Kleinigkeit zu sein, dass man sie bei der Vergleichung griechischer und
moderner politischer Ideale ausser Acht lassen kann. Nur am Schlass
seines Aufsatzes entsinnt sich der Verfasser, dass Plato und Aristoteles
darin wenigstens übereinstimmen, dass beide immer nur einen Theil der
Staatsbewohner im Auge haben.
Zum Theil bezieht sich auf Aristoteles auch das Werk:
3. Razlicznyja naprawlenija w togikie i osnownyja zadaczi etoj
nauki. Soczinienije privatdocenta imperatorskawo Charkowskawo ani-
wersitieta P. Leikfeld. Charkow 1890. (Verschiedene Richtungen
in der Logik und Grundaufgaben dieser Wissenschaft, von dem
Privatdozenten der Kaiserlichen Universität zu Charkow, P. Leikfeld).
Der Verfasser bekennt sich als Aristoteliker und Vertheidiger der
von Aristoteles aufgebrachten Auffassung der Logik. Dies hindert ihn
aber nicht, Aristoteles häufig gänzlich misszuverstehen. Er kennt übe^
haupt den Aristoteles nur in der Ausgabe von Buhle, and nur zun
Theil in der Didotschen Ausgabe. Selbst von der Ausgabe von Bohle
■ ■ . LM- «^
PUto. 197
hatte er offenbar ein nnvollst&ndiges Exemplar, da er diese Ausgabe
^schlich als ans drei Bänden bestehend citirt and sie im J. 1716—17
erscheinen lässt!
Die Zeitschrift Wiera i Raznm (Glauben und Vernunft) enthält
im Jahrgang 1890 einige umfangreiche Arbeiten zur Geschichte der alten
Philosophie :
4. Zielonogorskij, Idiei i dialektika po Pfatonu (Ideen und
Dialektik nach Plato) N. 7—8 Wiera i Razum.
Der Verfasser, Professor an der Universität zu Charkow, fordert,
dass man die Ideen nicht mit Begriffen verwechsle und glaubt bei Plato
zwei Arten von Ideen unterscheiden zu dürfen: 1. ewige Ideen, wie die
des Feuers, der Luft und des Wassers. 2. Ideen als Gedanken Gottes,
nach denen die Welt geschaffen wurde.
Von demselben Verfasser lesen wir in N. 10-- II derselben Zeit-
schrift die Abhandlung:
6. Greczeskije tragiki i sofisty (Griechische Tragiker und
Sophisten).
Der Verfasser sieht in den Werken von Aischylos, Sophokles und
Euripides eine philosophische Kritik der Oberlieferten Tradition, ver-
bunden mit gewissen positiven philosophischen Tendenzen, die den So-
phisten fehlen.
Endlich enthält N. 13 derselben Zeitschrift:
6. Th. Sadow, Nrawstwiennyja poniatga i nrawstwiennaja filoso-
4ja obrazowannawo obszczestwa w drewniem Rimie. (Sittliche Be-
griffe und Moralphilosophie der gebildeten Gesellschaft im alten Rom.)
Der Verfasser stützt seine Darstellung auf Cicero, Seneca, Horaz
und anderen römischen Schriftstellern.
Von Abhandlungen in Zeitschriften sind noch zu erwähnen:
7. Korsunskij, Uczenije Aristotiela i jewo szkoly o bogie (Lehre
von Aristoteles und seiner Schule über Gott).
N. 9, 11, 14, 16, 19, 21, 23 per Zeitschrift Wiera i Razum.
8. P. Leikfeld, K uczen^u Aristotiela o bezsmieriji duszi. (Zur
Lehre des Aristoteles von der Unsterblichkeit der Seele.)
N. 18 Wiera i Razum.
9. M. Earpinskij, Bezkoniecznoje Anaximandra. (Das Unbe-
grenzte von Anaximander.)
N. 4, 6, 6 der Zeitschrift: 2urniU Ministierstwa Narodnawo pros-
wieszczenga (Journal des Ministeriums der Volksaufklärung).
198 Plato.
10. A. Traczewskij, Wospitatielnyje idieafy Etassiczeskawo mira.
(Die Erziehungsideale der klassischen Welt.)
N. 3, 4, 6 der Zeitschrift: Russk^ja szkola. (Rassische Schale.)
11. Salonikio, analiz diidoga Platona Charmid. (Analyse des
Dialogs Yon Plato Channides.)
N. 11—12 der Zeitschrift: Gimnazia (das Gymnasium).
12. Zitieckij Dialog Pfatona Kratit. (Der Dialog Piatons Kra-
tylos.)
N. 12 der Zeitschrift: iumsi ministierstwa narodnawo proswiesz-
czenya.
Ausserdem verdienen Erwähnung einige Schulausgaben yon Piatos
Dialogen:
1. Piatons Apologie mit Einleitung, russischer Uebersetzung und
Anmerkungen von Danilczenko. Kiew 1890. YIII u. 116 S.
2. Piatons Apologie mit Einleitung und Anmerkungen von Pos-
piszil. Carskoje Sielo 1890. 150 S.
3. Piatons Protagoras, ins Russische Obersetzt von Dobiasz. Kiew
1890. 77 S.
4. Piatons Protagoras tibersetzt von E. D. mit Anmerkungen. Kiew
1890. 166 S.
5. Piatons Kriton übersetzt von Paschalow. Kiew 1890. 54 S.
Diese Ausgaben zeugen von der in der letzten Zeit eifriger be-
triebenen Lectttre der griechischen Schriftsteller an den Gymnasien. Es
ist nftmlich unlängst in Russland das Uebersetzen aus den alten Sprachen
in das Russische in den Gymnasien abgeschafft worden, damit die Schul-
jugend mehr Zeit der Lektüre klassischer Schriftsteller zuwenden könne.
Kazan, den 1. November 1891.
W. Lutosfawski.
Bericht über die Erscheinungen auf dem Gebiete
der griechischen und römischen Metrik.
Von
Gymnasial-Oberlehrer Prof. Dr. Riebard Klotz
in Leipzig.
I. Untersuchungen zur Oeschichte der metrischen
Theorie.
In unserm Beriebt, der im AnschloTs an unseren letzten XLXIII.
(1886. III), S. 65-160 und vorletzten XXXVI. (1883. III), S. 289-453
Erscheinungen der Jahre 1886 — 1891 behandelt, heben wir die rege
Tbätigkeit hervor, mit der nach Rudolf WestphaVs Arbeiten, vgl. letzten
Bericht No. 1 fg., die kritisch-historischen Forschungen fortgesetzt worden
sind. Diese stehen vielfach in innigem Zusammenhange mit der Geschichte
der grammatischen Theorie überhaupt, die in einem besonderen Bericht
zur Besprechung kommt. Deshalb beschränken wir uns hier auf solche
Leistungen, die lediglich oder ganz vorwiegend metrischen Inhalts sind.
Wir scheiden in vier Gruppen die Arbeiten über die altern Rhythmiker
und Metriker von Aristozenos bis Philoxenos und Heliodor, über
Hephaestion mit seinen Bearbeitern und Erklärern, über die späteren
Byzantiner und Römer.
1) Friedrich Blafs, Kleine Beiträge zur griechischen Metrik.
Fleckeisen*8 Jahrbücher 133. Bd. 1886. S. 451—464.
2) Alfred Croiset, Besprechung von R. Westphal's Aristozenos
von Tarent u. 8. w., s. letzter Bericht No. 2. Revue critique 1886,
No. 52, S. 501 ffg.
8) Gerhard Schultz, Die Metrik des Philozenus. Aus der
Anomia. Archäologische Beiträge, Carl Robert zur Erinnerung an
Berlin dargebracht. Berlin, Weidmann, 1890. 214 S. 8. S. 47 — 60.
4) Oscarus Leichsenring, De metris graecis quaestiones ono-
matologae. Diss. Greifswald 1888. IV u. 48 S. 8.
5) F. Leo, Die beiden metrischen Systeme des Altertums. Hermes
XXIV. S. 280—301.
Blafs sucht Bruchstücke des Aristozenos bei den spätem Me-
trikern nachzuweisen. Jede Anführung der Musici und Rhythmici bei
200 Metrik.
diesen, besonders bei Marios Victorinns and Gaesios Bassns sei auf
Aristoxenos zn beziehen. Der triplasische Takt, den dieser vereinzelt
zugelassen, finde sich z. B., wenn bei Alkman (p. 2, v. 29 ed. Bergk, vgl.
Heph. 6. 30) in äarpov adeipofjLsvae \ fxd^ovrau und elp^Q iparoQ \ iTtißav
die zwei letzten Wörter w.v^ und ^w. gleichgestellt wttrden auf Grand
eines Imep^eac^. Die zweite Form des Dochmios wird von Bacchius mit
£ur. Hei. 661 belegt, wo zu lesen sei : Ifievov ix TpoiaQ ^/oovov) | noibfT^
jxoXttv, Der ivonXtoQ oder npoao8tax6s sei nach alter klassischer Theorie
bacchiisch zu messen, ebenso die Glykoneen und Verwandtes, vgl. letzten
Bericht No. 138 u. 139. — Croiset bespricht die aristoxenische Defi-
nition von TTouc und stimmt Westphal nicht bei, der bei den Worten
^ 8k injfiatvSjjLeBa rdv fiu^fibv xal p^wpe/iov Ttoidöfjuey r^ aladijoet^ nooQ
ioTDf etc 9 ^^s^ou^ kyog an die fjieraßoXal ßüBfuxai denkt, sondern
erklärt die letzten Worte ek 9 ^^s/ou^ kv6g »Wenigstens ein Takt« mit
der Begründung 'une fraction de pied ne forme pas un rythme'. —
No. 3 Ober die Metrik des Philoxenos, Heliodors Vorgänger, der den
Übergang bildet von dem altem System zu dem jQngern des Heliodor.
— No. 4 u. 6 beschäftigen sich mit der Frage, welche griechische Theorie
bei Übertragung griechischer Versmafse in die klassisch-römische Poesie
befolgt wurde. Leichsenring gewinnt aus einer sorgfältigen Zusammen-
stellung aller Namen, die man einzelnen Versen nach ihren Erfindern
oder bekanntesten Vertretern gab, das Ergebnis, dafs diese Nomenclatur
nicht vor Eallimachos stattfand. Dafs diese Thätigkeit, die den Alexan-
drinern zugeschrieben wird, mit der Derivationslehre zusammenhänge,
wird verneint. — Nach Leo ist die durch Heliodor und Hephaestion
vertretene Antispastentheorie das alexandrinische System und es liegt
kein Grund vor es als »jttngeresc hinzustellen. Die Derivationslehre,
das System des Varro, Caesius Bassus und der aus diesen schöpfenden
römischen Metriker, ist im Gegensätze zu dem alexandrinischen in Per-
gamon entstanden, zur Zeit der classicistischen Rhetorik, d.i. zur Zeit
des Kampfes zwischen Aristarcheern und Krateteern. Manches ist erst
aus der musikalisch-rhythmischen Technik in die rhetorische gekommen
und aus letzterer in die metrische, was an dem Worte xwkoy klar ge-
macht wird. Varro selbst leitet den Terminus ' clausula' für das kleine
xwXov gewöhnlich am Ende, aber auch am Anfang der Periode aus der
Rhetorik her: quod clauderent sententiam.
Guilelmus Studemund, Anecdota varia graeca musica metrica
grammatica. Berolini 1886. A. u. d. T.: Anecdota varia graeca et
latina ed. Rud. Schoell et Guil. Studemund vol. I. VI und 313 S. 8.
Unter den Anzeigen dieses wichtigen Werkes verweisen wir auf
P. Egenolff, Zur Geschichte der Überlieferung griechischer Metriker,
Fleckeisen's Jahrb. 135. Bd. 1887. S. 389—408.
Wilh. Studemund hat für Plautus seine Lebensaufgabe noch lösen
Geschichte der metriechen Theorie. 201
köDDen, aber er ist gestorben ohne das Corpus scriptorum metricoram
graecornm ausgearbeitet zu haben. Doch sind wir diesem Ziele bedeu-
tend näher gekommen, da durch ihn und seine Mitarbeiter und Schfller
das Aufräumen des umfangreichen, wenn auch sehr ungleichwertigen
Stoffes gründlich besorgt wird. Einen grofsen Teil dieser Arbeiten bringt
dieser Anecdotaband, allein ergänzt wird er noch durch eine Anzahl
Dissertationen und andrer Monographien, die wir im Folgenden vereinen.
Die Leistungen von Wilhelm Studemund selbst sind:
6) De codicibus aliquot Italicis ad Hephaestionem et Choerobosci
exegesin pertinentibus = Anecdot. p. 97 — 209.
7) Anonymi Ambrosiani de re metrica, ibid. p. 211—256.
8) Ad Dionysii qui fertur de pedibus tractatum, ibid. p. 291 — 293.
9) De Anonjmo Berolinensi, ibid. p. 293 — 298.
10) Tractatus Harleianus qui dicitur de metris. Breslau. Ind. lect.
hib. 1887. 29 8. 4.
11) Duo commentarii de comoedia. Philologus XLVI. S. 1 — 26.
12) Pseudo-Plutarchi de metro heroico. Ebenda 8. 27-84.
13) Besprechung von Dionysii Thracis ars grammatica . . . edidit
Gustavus ühlig, Lipsiae 1883. Fleckeisen's Jahrbflcher 131. Bd. 1885.
8. 745—772.
No. 6, im Anschlufs an No. 14, s. u., bringt metrische Kleinigkeiten
ans Cod. Yatican. 14, sodann aus dem wichtigen Ambrosianus I 8 ord.
sup., der besten Hephaestionhandschrift (A), den Apparat zu den 8cholia
Hephaestionea (zugleich auch aus K Q), darauf aus Ambrosian. Q. 5 sup.
ord. libellus anonymus de metris Byzantinae aetati familiarissirois, die
gewöhnliche Byzantinerweisheit fiber lamben, Hexameter, Elegie und
Anacreonteen, zwei Traktate nepl ro/iwv und ein kleines Bruchstück nepl
TtoSwv ipiujvtia, beides nach Q und D, d.i. Parisinus 2881, vgl. auch
Hoerschelmann, Götting. gelehrten Anz. 1887, 8. 608 ff., dann ätovuaiou
nepl noSwu mit reichem Apparat, dazu Nachtrag in No. 8, dem Dionysius
Thrax wohl nur darum zugeschrieben, weil die 8cbrift in einer Hand-
schrift stand, die dessen Grammatik enthielt, vgl. Anecd. var. p. 154,
weiter im Anschlufs an eine Inhaltsangabe Ober codex Venetus Marcianus
CCCCLXXXIII (E) kritische Ausgaben von Heliae monachi liber de
metris (gewöhnliche Byzantinerarbeit) cum appendicibus (fiber Synizese,
^wXä £m^ und r^ iv arij^otg ndBij) und Pseudo-Herodian nepl art)[wv r^c
Xi^ewg und anderes Unwichtige, schliefslich Michael Psellus und Johannes
Botaniates ntp} iapßtxou fierpoo in byzantinisch -iambischen Trimetern
und aus den Anecdota Chisiana nepl dvopaatag rwv furpwv mit einem
Scholion, das dem oben erwähnten Traktat des Dionysius entlehnt ist. —
202 Metrik.
No. 7: Unter der metrischen Ansbeote aus dem berühmten codex Ambro-
sianns G 222 ord. inf. 5. XIII (vgl. Ritschi, oposc. I. S. 197 ff.) ist das
Wichtigste der Abschnitt ntp\ noSäßV nevraauXXdßwv ond nepl i$aauXXdßmv^
aus derselben Quelle geflossen, wie Diomedes, ars gramm. p. 481, 13 bis
482, 10, dem noch nfther steht der in No. 9 behandelte Berliner Anony-
mus. — No. 10 ist eine Ausgabe ?on eines Pseudo-Castor's Excerpta
rhetorica — No. 11 eine kritische Bearbeitung des von J. A. Gramer,
Anecdot. Paris. I, p. 3 — 10 zuerst herausgegebenen, aus zwei verschiedenen
(§§ 1—18 u. 19—39) bestehenden Commentars Ober die griechische Ko-
mödie mit Benutzung reicher, zum Teil neu entdeckter Hilfsmittel.
Dasselbe gilt von No. 12. — No. 13: Gustav ühlig, a. 0. (in Prolegom. u.
p. 117, 3 — 124) hatte Yarii Anonymi de re metrica herausgegeben.
Studemund bespricht, bes. S. 750 ff. die Verbindung mehr oder weniger
elementarer Traktate ttber Metrik mit der rs/vij des Dionysios, vgl. auch
zu No. 16.
Wilhelm Hoerschelmann hat nächst Studemund sehr viel ge-
than, Ordnung in den Wust von metrischen Schriften der späteren Zeit
zu bringen. Wir ftlhren hier von ihm auf:
14) Exegesis in Hephaestionis enchiridion edidit Guilelmus Hoerschel-
mann = Anecd. var. p. 31 — 96.
16) Ein griechisches Lehrbuch der Metrik. Dorpat 1888. 76 S. 8.
16) Zur Geschichte der antiken Metrik I. Philologus XLVH. 1.
S. 1--12.
No. 14 ist eine kritische Ausgabe von (retopytoo toü Xoipoßoaxoo)
^E^vjyvjaiQ^ vgl. vorletzten Bericht No. 4. In den Epilegomena giebt H.
und Studemund Auskunft ttber den Apparat, vor allen E d. i. Venetus
Marcianus GGGLXXXIII s. XIY, und V, d. i. Yaticanus graecus 14. Der
berühmte Saibantianus ist nur eine Abschrift von K, desgleichen ein
Laurentianus conv. No. 8, vgl. oben zu No. 6. — No. 16 bringt volle
Klarheit Ober einen grofsen Teil der byzantinischen metrischen Über-
lieferung. Das wirklich auf alter Tradition beruhende wird in aber-
zeugender Weise von den spätem wertlosen Traktaten und GoUationen
geschieden. Das auf sichrer Grundlage beruhende Ergebnis ist: Es gab
ein frohbyzantinisches Handbuch der Metrik, aus dem alle spätere ähn-
liche Litteratur entstanden ist. Dies besitzen wir nicht mehr direkt,
sondern in drei verschiedenen Bearbeitungen, die sämtlich mit andern
BOchern verschmolzen sind, nämlich 1) mit einem metrischen, dem
'Eyj^etpßiov des Hephaestion zugleich mit einem altern schon frOher zu
fester Form erstarrten Gomplex von Scholien und Abhandlungen, wo es
jetzt als fünftes Buch derScholiaB steht; 2) mit einem rhetorischen
Werke, dem wichtigen Gorpus griechischer Rhetoren, das vor allem in
dem altehrwQrdigen Parisinus 1988 (vgl. auch Studemund, No. 13 S. 758 ff..
Oesehiehte der metrisohen Theorie. 208
t69ff.)9 aber auch sonst Oberliefert wird, und 8) mit einem gramma-
tischen Werke, der rij^vj^ des Dionysios Thrax, vgl. Verf. Götting.
Gelehrt. Anzeig. 1889, S. 604. Es wird Überlieferung, Inhalt, Umfang
und Verhältnis der drei Recensionen ausführlich erörtert. Am selbstän-
digsten ist die Appendix Hephaestionea, eine Bearbeitung der alten Vor-
lage durch einen Schulmann zu einem praktischen Lehrbuch, die beiden
andern die Appendix Dionysiana und rhetorica sind wenig abweichende
Ausgaben des alten C!ompendiums. Da diese drei Recensionen in der
Hauptsache die ganze Tradition der betreffenden Texte repräsentieren,
so fiberhebt uns eine solche Znsammenstellung des Eingehens auf das
jämmerliche spätbyzantinische Scribententum in dieser Hinsicht vollstän-
dig. Vgl. noch Hoerschelmann, Götting. Gelehrt. Auz. 1889 S. 794ff. fiber
den cod. Paris. 2881 fol. 76^. — No. 16 behandelt die ätau^pai.
17) Georgius Amsel, De vi atque indole rhythmorum quid ve-
teres iudicaverint. (Breslauer philologische Abhandlungen. Erster Band
drittes Heft.) Breslau 1887. 166 S. 8.
18) MaxGonsbruch, De veterum nepl notijfiaxoQ doctrina. Acce-
dunt commentarii Hephaestionei. Breslau 1890. VII und 127 und
XXXIV S. 8.
19) , De Hephaestioneis qui circumferuntur nept nocruiarog
commentariis. Diss. Breslau 1889. 54 S. 8.
20) , Zu den Traktaten nep\ xwfjupd/ag, Commentationes in
honorem Guilelmi Studemund. Strafsburg 1889. 211—236 S. 8.
21) Carl Den ig, Quaestiones Hepfaaestioneae. Progr. von Bens-
heim. Darmstadt 1886. 29 S. 4.
22) Henricus zur Jacobsmuehlen , Pseudo-Hephaestion de
metris. Strafsburg 1886. 112 S. 8. Dissertationes philologae Argen-
toratenses selectae Vol. X p. 187-298.
23) Ludwig Voltz, De Helia Monacho Isaaco Monacho Pseudo-
Dracone scriptoribus metricis Byzantinis. Diss. Strafsburg 1886.
24) — — , Die Traktate ntpl naBwv rou ^pwtxou fiirpou. Commen-
tationes in honorem Guilelmi Studemund. Strafsburg 1889. S. 77-89.
26) , Zur Überlieferung griechischer Grammatiker in byzan-
tinischer Zeit. Fleckeisen's Jahrbficher 139. Bd., 1889, S. 679—599.
26) Georgius Rauscher, De scholiis Homericis ad rem metricam
spectantibus. Diss. Strafsburg 1886. 60 S. 8.
27) Henricus Grofsmann, De doctrinae metricae reliquiis ab
Eustathio servatis. Diss. Strafsburg 1889. 55 S. 8.
28) Georgius Straehler, De caesuris versus Homerici cap. I.
Commentatio inaug. Breslau 1889. 49 8. 8.
204 Metrik.
Amsel (No. 17) giebt anhangsweise nach Mitteilnngen von W.
Stodemnnd nnd Leop. Gohn variae lectiones zn Aristides Qointiliani,
Psendo-Draco und Pseado-Moschopnlos de re metrica wie sn einer Epi-
tome enchiridii Hephaestionei. Die Arbeit selbst bespricht die AnsichtMi
der Alten Ober das Ethos der Rhythmen und zwar nicht blofs der Me-
triker nnd Mnsiker» sondern auch der Rhetoren o. a. nnd giebt nns eine
Vorstellnng von dem, was man aber verschiedene metrische nnd rhyth»
mische Erscheinungen in den verschiedenen Jahrhunderten des sp&tem
Altertums wufste. — Von Consbruch in No. 18, wovon No. 19 nur ein
Teil ist, erbalten wir eine grOndliche Quellenuntersuchung über die LfOhre
Ttepl Ttoc^fAüToCf die seit alter Zeit, auch bei Aristides den letzten Teil
bildete, wie ähnlich bei Atilins Fortunatianus und Marius Victorinos.
Auch Hephaestion hatte sie schon selbst als Anhang seinem Encheiridion
angefttgt. Wie dieser Abschnitt weiter Oberliefert wurde, ist anschaulich
dargestellt, zur Zeit des Choiroboskos und Tzetzes, endlich das Verhältnis
von zwei dazu gehörenden Commeutaren und der Schollen dazu. Der
Verfasser des ersten, entschieden bessern Commentars scheint älter als
Choiroboskos, doch läfst sich nicht, wie Hense meint, bei ihm Benutzung
des Heliodor nachweisen, der zweite Commentar gehört etwa in die Zeit
des Choiroboskos. — Nach No. 20 gehen die meist anonymen Traktate
n. X., zusammengestellt in Dübner's Aristophanesscholien p. XIII bis XXXI,
dazu die TzetzianischeD Prolegomeoa zu Lykophron, des Johannes Tzetzes
Prolegomena zu Aristophaues und die in No. 11 erwähnten Traktate
zurOck auf einen Eukleides, etwa Zeitgenossen des Choiroboskos, der
wieder u. a. aus Dionysios schöpfte, nicht dem Musiker, sondern dem
Euripideserklärer (schol. Eur. Or. 1691 ix rou Jtovwriou ftno/iM^/iaroc),
der sicher nach Didymos lebte und vielleicht derselbe Dionysios war, der
nach Athen. XIV 641 A Trypho's Werk Oberarbeitete. Den Traktat des
Eukleides haben wir uns als einen Teil von Prolegomeoa zu Aristophanes
zu denken. Ein ähnlicher Traktat im cod. Coislin. 120 s. X, jetzt am
bequemsten in Arist. Poet. ed. Vahlen* p. 78 sq., ist frei von der Euklei-
dischen Überarbeitung. Einzelnes in beiden Gruppen fOhrt, natOrlich
durch verschiedene Mittelglieder, wirklich auf Krates und die Pergamener
zurOck. — No. 21 (Denig) ist textkritischen Inhalts Ober die Bedeutung
des codex Darmstadiensis n. 2778 miscell. Graec. Chart. 4^ der fol. 208 ^^
bis 216^ Hephaestions Encheiridion bis cap. X ''Ap^og ifißare&wv (ed.
Westpb. p. 31, 21) mit Scholien enthält, von denen einige neu sind. —
JacobsmOhlen in No. 22 giebt nicht blofs den Text eines Pseudo-
Hephaestion mit reichem Apparat, sondern weist auch den Zusammen-
hang der einzelnen Capitel mit der verwandten Litteratur nach. —
Voltz No. 23 ist gleichfalls Quellenuntersuchung Ober sehr späte Litte-
ratur, vgl. zu 26. — Nach No. 24 von demselben Verf. ist im zweiten
bis vierten Jahrhundert nach Chr. und noch später, bei Athenaeus, Dio-
medes und Marius Victorinus die Kenntnis nur von drei 7ui9ij des Mangels
Geschichte der metrischen Theorie. 205
▼erbreitet: des ari^o^ dxi^loQ^ Beispiel ^2, des fuioupoQ M20S oDd
des kayapdg, auch (nicht bekannt seit wann) /itaöxlaaroi genannt, Bei-
spiel froher Kao, dann 3l. Zn diesen 7td&i^ xar* ivSeiav oder xar'
ikkttfpty traten später noch die drei naBti xarä nXeovoaptöv oder xarä
fUfe^oQ^ die aach mit den et^Tj des Hexameters verbanden wurden. —
No. 25 behandelt die Abschnitte aber Silbenqaantität, eine Qaellenanter-
snchnng besonders Qber die Einleitung der Schrift des Jakob Diassorinos
oder Psendo-Drakon n^pl fjtdrpußv noa^rixStv, dazu vgl. P. Pulch, Hermes
XVin, S. 180 fg. und Leop. Gohn, Konstantin Palaeokappa und Jakob
Diassorinos in den philologischen Abhandlungen, Martin Herz zum
70. Geburtstage dargebracht, Berlin 1888, S. 123ffg. — No. 26—28 be-
schäftigen sich vorwiegend mit Homer. Rauscher weist die im Titel
genannten Scholien möglichst den einzelnen Grammatikern zu von Erates
und Aristarch an, das meiste dem Aristonikos und Nikanor. Hier sei
auch auf die Besprechung durch Arthur Ludwich in der Berliner philolog.
Wochenschrift VII. 10 S. 290—300 aufmerksam gemacht. — Grofsmann
sammelt ans Eustathius' Homercommentar und weniges aus dessen Gom-
mentar zu Dionysius periegeta und des Johannes Damascenus hymnus
pentecostatis, das bisweilen eine vollständigere Fassung bietet als ahn*
liehe Schriften. — Endlich Strähler giebt eine gründliche Yeterum
(sowohl griechischer als römischer) de caesuris commentariorum aesti-
matio. Vgl. auch zu No. 46.
29) Karl von Jan, Die Eisagoge des Bacchins. Progr. des Ly-
ceums. Strafsburg i. E. 1891. 24 S. 4
über ein auf altern Quellen beruhendes Lehrbuch der Harmonik von
einem unter Kaiser Constantin lebenden Bacchius Geron, das nur an
zwei Stellen wenig rhythmisch -metrisches enthält, Überlassen wir dem
Berichterstatter fttr Musik. Vgl. dasselbe Programm von 1890.
80) Ernst Graf, Rhythmus und Metrum. Zur Synonymik. Mar-
burg 1891. IV 97 S. 8
eine Zusammenstellung Ober den Gebrauch der Wörter jiu&fjLog und /li^
rpov u. ä. und ihrer lateinischen Übersetzungen besonders bei Plato,
Aristoteles, Dionys von Halikarnafs und Aristides Quintilianus unter den
Griechen, bei Cicero, Varro, Quintilian und Augustin unter den Römern.
Die heliodorische Unterscheidung zwischen fierpa und j^uBfioe läfst sich
noch nicht bei Aristoteles und Plato nachweisen. Augustin verdient
Beachtung, da er sehr viel Varronisches erhalten hat.
Vgl. noch Wilhelm Wartenberg, Bemerkungen zur Rhythmik
und Metrik mit besonderer ROcksicht auf den Schulunterricht Progr.
Eupen 1891. 18 S. 4.
206 Metrik.
31) Gerhard Schultz, Über das Kapitel de Yersaain generibas
bei Diomedes p. 606 ff. K. Hermes XXII. 1887. S. 260-281
giebt eine eingehende Quellenuntersachang über die citierte Stelle. Ein-
geschaltet ist ein Abschnitt (II) über die metra Horatiana, der auf einen
nach Zeit und Lehre dem Horaz sehr nahe stehenden Qrammatiker
zurückgeht. Horaz kennt keine viersilbigen Versflüfse, ganz wie die älte-
sten uns erreichbaren Grammatiker (so Pseudocensorin. Gramm. Lat VI,
p. 610, 22) und die Rhetoren Dionys von Halikarnafs und Quintilian. Die
Hauptmasse, Abschnitt 1, ist eine Darstellung der metra derivata, dakty-
lische Verse ab inferiore parte hexametri, Trimeter und Octonare, und
Abschnitt UI, versus heroi a superiore parte hexametri u.a., gehören
gleichfalls einem Grammatiker der altem Schule an, die nicht über drei-
silbige Verse hinausging, zwar jünger als Pseudocensorin, etwa Zeit-
genosse Fronto^s. Abschnitt IV ist eine Sammlung, die Metra des Seneca,
Petronius, Septimius Serenus und der Neoterici verbindet. Letztere sind
identisch mit den sonst auch so genannten poötae novelli (50—160 n. Ohr).
Charakteristisch ist fQr alle diese, dafs sie die Lehre von der procreatio
metrorum durch adiectio, detractio u. s. w. in die Praxis übersetzten, so
besonders Seneca nach Leo's Darlegung, in seiner Ausgabe des Seneca I.
p. 98 — 146. Eiuflufsreich in dieser Hinsicht wird Caesius Bassus gewesen
sein (p. 271, 23). Terentiauus, der den Septimius Serenus und die novelli
wiederholt erwähnt, schrieb um 175 als jüngerer Zeitgenosse des Septi-
mius Serenus.
Anhangsweise sei noch darauf hingewiesen, dafs H. Reimann in
einer Besprechung von desselben Verfassers Breslauer Doctordissertatiou
über die Quellen des Marius Victorinus, vgl. letzten Bericht No. 12, in
der Berliner philologischen Wochenschrift VI (1886) 38. S. 1184—1190,
die Annahme verwirft, dafs der bei Mar. Victorin. p. 140, 1 unter einer
ganzen Anzahl von Metrikern genannte Thacomestus eine Hauptquelle
des Aphthonius gewesen sei. Ähnlich auch in No. 5 s. o.
Vgl. auch Mähly, Donatus über diverbium und canticum in Zeit-
schrift für Osterr. Gymn. XXXVIII. 8/9. S. 589.
II. Metrische und prosodische Schriften allgemeinen
Inhalts.
An die Spitze zu stellen ist die nunmehr vollendete dritte Auflage
der Rofsbach-Westpharschen Metrik, vgl. letzten Bericht No. 1.
32) A. Rofsbach und R. Westphal, Theorie der musischen
Künste der Hellenen. Dritter Band erste Abteilung: Allgemeine Theorie
der griechischen Metrik von Rudolf Westphal und Hugo Gleditsch,
Leipzig, Teubner 1887. XL VI u. 368 S. 8. Dritter Band zweite Ab-
teilung: Specielie griechische Metrik, dritte Auflage bearbeitet von
August Rofsbach. Leipzig, Teubner 1889. LXXII u. 870 S. 8.
Allgemeines. 207
83) Rudolf Westphal, Der Rhythmus des gesungenen Verses.
Allgem. Mnsilu. 1888. No. 27. 28.
34) , G. Lang, Musik zu Sophokles* Antigooe. Progr. Lörrach
1890. Götting. Gelehrt. Anzeigen 1890. 21 S. 850-867.
WestphaFs allgemeine Metrik ist in dritter Auflage nicht so ver-
ändert wie dessen Rhythmik, aber alle Kapitel sind bereichert. Die
hauptsächlichste neuere Litteratur wird berücksichtigt und in Anschlufs
an W.'s Aristoxenosforschung, s. letzten Bericht S. 59fg., die alte Tradi-
tion noch konsequenter verfolgt. Das erste Kapitel hat jetzt 94 statt
66 Seiten. Die von Gleditsch besorgte Prosodie (Kap. 2), in der § 19
Ober Vokal vor Vokal im Inlaute eine Lücke der ersten Auflage ausfüllt,
bringt selbständige Beobachtungen wie über prosodischen Hiat im Drama
S. 123fg. und 128 u. a. Das vierte Kapitel, eine schon in den ersten
Auflagen glücklich angelegte Besprechung der vier Arten der rhythmisch-
metrischen Systeme nach Hephaeslion, ist in der ursprünglichen Gestalt
erhalten geblieben, dagegen das Dritte zerlegt in ein drittes, die Lehre
von den Versfüfsen, Kola und Metra und ein fünftes, die Theorie der
gleichförmigen und der ungleichförmigen synartetischen und asynarte-
tischen Metra. Vgl. noch R. Westphal, Die aristoxenische Rhythmus-
lehre, Vierteljahrschrift für Musikwissenschaft. VII. l.
Die bedeutendste Leistung innerhalb unserer Berichtsjahre ist die
neue Bearbeitung von RoTsbach's Metrik, die jetzt ein in allen Partien
vollständiges Werk geworden ist. Die neuere Litteratur ist, soweit sie
wertvoll, mit ganz wenig Ausnahmen, s. u., vollständig berücksichtigt,
darunter heben wir Rofsbach^s eigne Schüler hervor, wie Johannes
0 verdick, Kritische Studien I. Münster 1884 und Gurae Aeschyleae.
Breslau 1886. Das Musikalische ist zurückgedrängt und dafür alle Teile
erweitert und vertieft. Die Einleitung, abgesehen von der Polemik gegen
Christ (s. vorletzten Bericht No. 8), behandelt in kräftigen Zügen die
Grundlage und Ziele der griechischen Metrik. Die Vorzüge der ersten
Auflage sind jetzt auf alle Stücke gleicbmäfsig übertragen, die früheren
grofseo Lücken ausgefüllt, die Joniker, noch in der zweiten Auflage auf
einer Drittelseite, jetzt auf 41 Seiten behandelt und die Dochmien, sonst
ein Anhang von 13 Seiten, ein selbständiger Teil von 70 Seiten. So ist
auch das übrige Material von Neuem kritisch durchgearbeitet, Analysen
von Strophen nach eurythmischer Anordnung sind wieder reichlicher
gegeben, £tho8 und Strophengattungen der einzelnen Rythmen klarer
und eingehender bestimmt.
Im Einzelnen ist die Durcharbeitung natürlich verschieden, je
nach dem Gang, den die Forschung genommen. Im ersten Buche über
das daktylische Rhythmengeschlecht erhalten wir eine ausgeführte Ge-
schichte der metrischen Behandlung des Hexameters von Homer bis in
die späteste Zeit. Von Rofsbach selbst ist der alexandrinische ganz neu
_>
208 Metrik.
bearbeitet nod von A. Lud wich der des Noonos, der nicht etwa frem-
den Geist in die epische Form einführte, sondern nar die starren Kon-
sequenzen der Ennstregeln der Alexandriner darstellt. Das zweite
dem iambischen Rhythmengeschlecht gewidmete Bnch enthält einen Ab-
schnitt, in dem Ursprung, Ethos und Gebrauch der einzelnen metrischen
Formen und ihr Vorkommen in verschiedenen Dichtungsgattungen in
zutreffender Weise dargestellt wird. Dagegen sind am wenigsten die
schon in den frühem Auflagen so gelungenen Abschnitte Aber die Trochften
und lamben geändert, doch hat auch hier die neuere Forschung manche
Erweiterung veranlafst, wie über die Auflösung der Hebung nach Kumpel
S. 188 und nach Overdick S. 224. Über die sog. latenten oder Qaasi-
Gäsuren, vgl. vorletzten Bericht No. 53 und 64, vermilst man eine Notiz«
gilt ja S. 188 ein Vers wie Aesch. Pers. 165 noch als cäsurlos. Ebenso
war das Porson'sche Gesetz 8. 188 und 233 jetzt anders zu fassen; vgl.
zu No. 35. Auch die Proceleusmatikerfrage erfordert eine neue Behand-
lung, nachdem Aug. Nauck, Nachlese zu den Fabeln des Phaedrus, M4-
langes Gr^co-Romains etc. Petersburg. V. 3, 1888. S. 303 auf die ge-
ringe handschriftliche Gewähr fUr einen grofsen Teil dieser Formen bei
Aristophanes hingewiesen hat, sogar für so sicher angenommene Beispiele,
wie Arist. Lys. 1148 d8txeo/ie^. Die nach Hermann gegebene Einteilung
ist weder sachgemäfs noch ausreichend. Fälle wie norepov dmoBouvat.
wanep xipaiiov 7va /irj, dlexTpuSva xärä rabrd. Tcadartw rd yspoc; ::
5^ev al rpojpet^. xa\ M/iaTcov Sre 8i^^ wohl auch Machon 2, 11 iaaylt
Sfä mumv scheinen ebenso legal wie im römischen Trimeter rös agitür
apud iüdices u. v. a., alle andern sind unsicher. Das dritte Buch, schon
nach Umfang das bedeutendste, ist eine vielfach erweiterte Darstellung
der Dactylo-Epitriten und Logaöden u. ä. Die ersteren mifst R. im
Gegensatz zu Westphal diplasisch. Ein strikter Beweis läTst sich schwer-
lich geben. Doch weist R. nach, dafs er bei seiner Auffassung nur
Silbenwerte annimmt, die die alte Theorie bezeugt, dafs der rpdno^
^aü^aartxö^ nicht das isische Rhythmengeschlecht erfordere, während
die Behandlung der Anakruse allerdings nichts entscheidet. Aufserdem
findet R. bei Pindar zwei Anzeichen für seine Messung, nämlich Ol. 13,
V. 6, eine Strophe, die aus logaödischen und dactylo-epitritischen Reihen
zusammengesetzt sei, und in dem Gebrauch der irrationalen Senkungen,
die ganz zu denen der diplasischen Verse stimmen. Die Logaöden wer-
den aus prähistorischen Metren des griechischen Volkslebens erklärt.
Die metrische Tradition über sie, ihre Bildungsgesetze und ihr Auftreten
in der subjektiven Lyrik wird, von kleinen Zusätzen abgesehen, in der
alten Weise geschildert; aber bedeutend vermehrt und in längeren Par-
tien ganz neu ist die Schilderung des Gebrauchs logaödischer Strophen
in der chorischen Lyrik, besonders des vierfachen bei Pindar. Nur OL 2
wäre wohl besser unter die päonischon Strophen gesetzt, da Logaöden
nur epodisch, in den Schlnfszeilen eintreten, wie Ref. auch jetzt die Ode
Allgemeines. 209
nicht anders messen kann als im letzten Bericht No. 55. Ebenso treff-
lich ist auch fflr die dramatischen Logaöden mit Bewahrung der alten
Grundlage die genauere Scheidung der Compositionsweisen durchgeführt.
Auch im letzten Buche über Päone, Bacchien und Dochmien werden
Ethos und Gebrauch der einzelnen Formen und Strophengattungen ein-
gehend erörtert. 0. Grusins, litterar. Gentralblatt Jahrgang 1890. 45
S. 1575 und 1891. 7 S. 215 findet im D och m ins die kürzeste äolische
Reihe mit freiem Eingang und es läfst sich nicht leugnen, dafs die Irra-
tionalität der Senkung im Ausgang des Dochmius ähnlich zu verstehen
iaty wie der sog. ä^yog oTtovSatog mpk rd^iv rtpoaXofißavojJLevog^ Rofs-
bach's Metrik 8. 536 fg. im Glykoneion und in andern logaödischen und
auch iambisch- trochäischen Versen. Allein schon die andre metrische
Bildung des Eingangs und die Auflösbarkeit der Schlufslänge im Doch-
mius bereits bei Sophokles widersprechen dieser Auffassung, auch die
älteste rhythmische Tradition giebt nicht einen neunzeitigen, sondern acht-
zeitigen puBfiltg urog, idv reg hxTaoTjfioig ßolvi^. Das erkennen auch
Westphal und Rofsbach an, die jetzt beide wieder die früher allgemein
angenommene Erklärung des Dochmius als einer Combination eines fflnf-
und dreizeitigen Taktes billigen und nur darin abweichen, wie sie dies
mit des Aristoxenos Theorie vereinigen. Nach Westphal's (No. 32)
neuster Ansicht meine Aristoxenos, wenn er den achtzeitigen Takt nur
in 4 + 4 zerlegbar findet, nur die ^uve/i^c ßu^itxmoua, hier aber hätten
wir dauvex^ /6., da weder der fünf- noch der dreizeitige Takt hinter
einander vorkämen. Roisbach nennt den Dochmius einen ßuBfibg /isra-
ßdkXwv^ läfst aber für Ghordochmien die Möglichkeit rein bacchiischer
Messung offen. Und wirklich kann einmal, Aesch. Eum. 140 fg., ein
solches Ghorlied bacchiisch gemessen werden, da hier das Ethos der
Päonen pafst und keine irrationale Sendung, wohl aber nach jedem Takte
Wortschlufs und V. 147 u. 149 Hiat oder syllaba anceps vorkommt und
das Schlufskolon entschieden päonisch-bacchiisch ist wie auch die folgen-
den Strophen, vgl. Referent, de numero dochm. p. 11 sq. Allein andre
Ghordochmien, in denen sich irrationale Sendungen und mehrere Kürzen
im Taktschlufs zeigen, sind sicher dasselbe Mafs wie in den Monodien.
Dafs dieser Dochmius ein einheitlicher Takt ist, hebt Rofsbach mit
Recht hervor, aber gegen die Annahme eines Taktwechsels erheben sich
Bedenken. Denn der angebliche Bacchius im R.*schen Dochmius ist ja
metrisch gar kein Bacchius, da er irrationale Senkung verträgt, und der
andre Bestandteil desselben, der Einzeliamb ist ein Unding nach alter
rhythmischer Theorie, die als kleinste iambische Reihe nur den Mono-
meter , d. i. die Dipodie kennt. Deshalb bleibt es für Ref. bei seiner
Ansicht, wonach der Dochmius wohl ein ^u$/idg fisraßdkXiuv genannt
werden kann, aber nicht im Rofsbach'schen Sinne» sondern nur in dem
Plutarch's, amator. 16, vgl. S. 327, also in dvdxXaacg statt in dpBonjg^
Jahresbericht fiir Alterthums Wissenschaft. LXIX. Bd. (1891. III.) I4
210 Metrik.
p. dxrd<nifwi do^/icoc im Gegensatz zu p. d. ipBog^ ¥gL letiten Berieht
S. 59 fg. Sonst aber beweist aach diese neue Bearbeitiiiig der Dochmieo
nach den einzelnen Strophengattnngen glänzend, wie richtig der Aus-
gangspunkt der R/schen Doctrin hier wie in den andern Kapiteln ist,
wonach die einzelnen Stilarten der verschiedenen Rhythmen sorgftitig
unterschieden werden.
In einem Werke, das die Stilfeinheiten der klassischen hellenischeo
Verskunst in einzig gelungener Weise darstelltt kommt leicht die spätere
Metrik zu kurz weg, aber auch hierin hat die neue Bearbeitung rieUadi
Wandel geschaffen, so besonders bei den epischen Konstfonnen. Aach
am spätem Drama wird z. B. S. 704 technische Fertigkeit anerkannt, and
von Euripides heifst es, er triebe unbewnfst der modernen Gestaltung
des Dramas zu. Wenn jedoch Euripides sich öfters Aber die klassiseheo
Vorschriften hinwegsetzt, so bedeutet dies nicht unbedingt, wie Rofsbach
meint, einen ROckschritt, eine Auflösung, sondern Euripides steht in
gewifs bewufstem Übergang zur modernen Kunst ebenso eigenartig da,
wie Äschylus und Pindar und Sophokles. Ähnliches gilt von der spätem
Entwicklung und der römischen Metrik, gegen die zwei neoe Ausfälle
S. 576 und 578 gemacht werden. Zur Beurteilung des »die griechischen
Mafse korrumpierend enc Horaz ist zwar, wie R. richtig behauptet, eine
Berufung auf den Charakter der lateinischen Sprache nicht gerechtfertigt,
aber die römische Metrik läfst sich Oberhaupt nicht durch unmittelbarea
Vergleich mit dem klassischen Muster verstehen, sondern nur aus einer
vie^ährigen, dazwischen liegenden Entwickelung der formalen Kunst
Im Anhange behandelt Max Ficus die griechischen Choliamben,
Karl Kunst den Hexameter des Theokrit und Friedrich Haussen
die Anacreontea. Über letzteren vgl. leuten Bericht No. 65—68, Aber
Kunst unten No. 67. Ficus fafst die vorletzte Silbe im Choliambus mit
Rofsbach S. 231 als gedehnte Senkung, bespricht die metrische Gestaltung
derselben, femer Anapäste, Dactjlen, Spondeen, Gäsuren, Elision n. ä.
und die Mjthiamben des Babrios, die, eine eigenartige Schöpfung, eine
Mischung des quantitierenden und rhythmischen Princips, die Gesetze
der alten Metriker beobachten und den Wortaccent berficksichtigen,
worin Verf. nicht eine Nachahmung des römischen Choliambus findet,
sondern den Einflufs der unprosodischen syrischen Poesie, s. zn No. 46.
Andere Schriften allgemeineren Inhalts sind:
35) Louis Havet, Cours ^Mmentaire de m^trique greoque et Im-
tine. R^dig^ par Louis Duvau. Paris. Delagrave 1886. 194 8. &
Deuxi^me Edition 1888. 199 S. 8.
36) Hugo Gleditsch, Metrik der Griechen und Römer, 2. Aufl.
Nördlingen 1890. Handbuch der klassischen Alterthumswissenschaft,
herausgegeben von Dr. Iwan v. MoUer. IT. Bd. 2. Hälfte. 3. 677—870.
Allgemeines. 211
87) A. E. Chaignet, Essais de m^trique grecque. Le vers iam-
biqne pr6c^d6 d'une iotroductioD sar les principes g6n6raax de la
m^triqne grecque. Paris. Vieweg. 1887. 282 S. 8.
38) F. Plessis, M^trique grecque et latine. Paris. Klinclssieck.
1889. X a. 336 S. 12.
39) Solerti, Manuale di metrica classica ed italiana (ad acceuto
ritmico). Turiu, Löscher. 1886. 104 8. 8.
40) S. Becchetti, nuovi elementi di metrica comparativa greca,
latina, italiana. Napoli 1887. 176 S. 8.
41) A. Dühr, Über Metrik und Rhythmik. Progr. Friedland
1886. 28 S. 4.
42) G. Garneri, Della prosodia e del verso latino. Turin 1889. 16 S.
43) A UefitreXo^y'EUijvtxij iierptxrj. Athen 1890.
44) Fr. Allen, On greek versification in inscriptions. Papers of
the American School at Athens V S. 36—204. Boston. Damrell 1888.
46) Heinrich Butzer, Der lonicus a maiore. Frankfurt a. M.
Progr. der Wöhlerschule 1889. 1—26 S. 4.
Havet (No. 26) bringt manches Neue und Beachtenswerte, so die
Begründung dafQr, dafs der Hexameter ursprQnglich rein daktylisch war
und der Spondeus nur als secundäre Form aufzufassen ist, vgl. No. 61 fg.,
ferner die Ausdehnung des sog. Porson'schen Gesetzes über die Trimeter-
uud Tetrameterschlüsse auf die zweite Senkung der Tetrameter und die
ausführliche Darstellung der archaischen Prosodie; eingehende Be-
sprechung vom Ref. in Berlin, philol. Wochenschrift VIII. 1888. S. 84
bis 88. — In No. 36 ist Verschiedenes gebessert, besonders der musi-
kalische Teil erweitert, vgl. letzten Bericht No. 13. — Die nächsten
sind für einen gröfseren Leserkreis geschrieben. No. 87 besteht aus
einem kurzen einleitenden Teil und einem längern über iambische Verse
der Griechen. Auch Plessis (No. 38) ist wertvoll, weil er für Eigen-
artiges der römischen Metrik Sinn hat, ohne diese jedoch zu sehr zu
erheben, so das Urteil über Catull IV, S. 166 u. a. Fünf Excurse behan-
deln die Wortstellung im Pentameter, Senar und in horazischen Oden,
das Verhältnis der Dactylen und Spondeen im klassischen Distichon, die
archaische Prosodie, die sog. lex Meinekiana der Horazoden, die Spon-
deen als Ersatz des Dactylus in den Hendecasyllaben bei Catull 66; der
dritte Excurs ist nach L. Havet, die Übrigen selbständig, zum Teil nach
früheren Ansätzen des Verf *s im Bulletin de la Facultö des lettres de
Caen 1886—1888 und der Revue critiqne 1888. Über No. 37 und 38
vgl. J. Sitzler, Neue philol. Rundschau 1888 S. 63—66 u. 1890 S. 74 fg.
Ober No. 39 vgl. litterar. Centralblatt 1886. 48 S. 1669. — No. 41 giebt
14*
212 Metrik.
Allgemeiaes über den Begriff der Metra als Klangreihen nach Berlin,
philol. Wochenschrift Y (1885) S. 1602. — No. 44 stellt die ans Inschriften
sich ergebenden Regeln übersichtlich zusammen nach M. W. Humpbreys
in Glassical Review III, 6 8. 271fg. — Endlich Batzer (No. 46) bespricht
im allgemeinen die alte Überliefernng; polemisiert dabei gegen West-
phals Ansicht über die Bedeutung von arsis thesis snblatio positio bei
Marius Victorinus, vgl. letzten Bericht No. 4 — 8. Der looicas a maiore
sei zu betonen .^v^v^. Der Gebrauch desselben wird verfolgt bei deo
griechischen Dramatikern sowie bei den spätem Griechen and den Rö-
mern, besonders bei Varro und Terentianus Maurus.
Die späteste griechische und römische Poesie und die mittelalter-
liche Rhythmik behandeln:
46) Wilhelm Meyer, Anfang und Ursprung der lateinischen and
griechischen rythmischen Dichtung. Abhandlungen der philosophisch-
philologischen Klasse der königl. bayr. Akademie der Wissenschafteo.
17. Bd. II. Abtheilung. München 1886. S. 265 — i60, vgl. letzten Be-
richt No. 35.
47) P. Edmond Bouvy, Pontes et M^lodes. Etade sur les ori-
gines du rhythme tonique dans Thymnographie de TEglise grecque.
Nimes 1886.
48) Maximilian Kawczynski, Essai comparatif sur Torigine et
f hbtoire des rythmes. Paris, E. Bouillon. 1889. 220 8. 8.
49) Carolus Deutschmann, De poesis Graeconun rhythmicae
usu et origine. Koblenz 1889. 29 S. 4.
Meyer (No. 46) stellt die Hypothese auf, dafs die rhythmische
Dichtungsform von den semitischen (syrischen) Christen gleichzeitig za
den griechischen und lateinischen Christen gewandert sei, und hat daAr
verschiedene, auch verschiedenwertige , aber jedenfalls sehr beachtens-
werte Momente angeführt No. 47 — 49 bekämpfen diese Hypothese,
ersterer ausführlich in Anknüpfung an die Hymnographie der griechischen
Kirche, während No. 48 die rhythmische Dichtung des Mittelalters be-
handelt und den Zusammenhang mit der klassischen Poesie ähnlich wie
auch No. 49 nachweisen will. Die wichtige Frage darf noch nicht als
endgiltig entschieden angesehen werden, zumal solange nicht über
hebräische und syrische Metrik gröfsere Klarheit gewonnen ist. Darum
bleibt aber Meyer's Schrift eine bedeutende Leistung. Denn wenn auch
in manchen Einzelheiten nicht beizustimmen ist, wie in der Annahme
des Reims in der früheren byzantinischen rhythmischen Dichtung, z.B.
im Epilog des Briefes ad Diognetum (8. Jahrb.) u. a. und Oberhaupt
manche Momente, z. B. die Acrosticha wenig oder nichts beweisend sind
so fällt doch, ganz abgesehen von der fraglichen Hypothese, durch H.'s
Allgemeines. 213
Darstellung der griechischen Hynonograpbie und der lateinischen rhyth-
mischen Dichtung in ihrem Zusammenhang mit der mittelalterlichen und
neuem Metrik der romanischen und germanischen Völkerschaften auch
auf manche metrische Vorgänge des spätem Altertums helles Licht.
Eingehend behandelt werden u. a. die zwei rhythmischen Dichtungen des
Gregor von Nazianz, worüber jedoch noch Zweifel bestehen bleiben.
Das gute alte Scholion, wonach Gregor r^v Uupaxöaeov Hw^pova /lifieerae.
oüTog yäp fiovog notrjrwy^ was auch Aristoteles berichtet, /^u&fioTg reae xal
xatXote i}(p7jaaTo fierptx^g dva^oycag xara^povi^aag bleibt unerklärt, kann
uns aber davor warnen in solche Dichtungen einer Übergangszeit allzuviel
Kunst hineinzugeheimnissen. Anerkennung verdient ferner die Behand-
lung der Metrik des Gommodian, ferner der rhythmischen Hexameter
langobardischer Inschriften (7. Jahrb.) und der etwa gleichzeitigen sechs-
zeiligen Rätsel und einer fälschlich dem Verecundus zugeschriebenen
Exhortatio paenitendi (Anfang des 8. Jahrb.). Commodians Versbau sieht
M. im grofsen Ganzen ebenso an wie Haussen, s. vorletzten Bericht
No. 106 und letzten Bericht No. 65— 68. Es ist ein asynartetisch ge-
bildeter Hexameter mit Beachtung der Quantität und des klassischen
Tonfalls im Ausgange der beiden Vershälften, sonst wird weder der
Wortaccent noch die Quantität sonderlich beachtet. Doch sucht M.
S. 295 - 300 wenigstens einige Beschränkungen nachzuweisen, die jedoch
sicher nicht so streng eingehalten sind wie die Schlufsregeln. Auch
Haussen*s Beobachtung, dafs positionslange Silben in der drittletzten
Silbe der ersten und in der dritt- und viertletzten Silbe der zweiten
Halbzeile gemieden sind, wird bestätigt, dagegen erkennt M. nicht an,
dafs alle naturlangen Vokale in unbetonten Silben als kurz gelten. Bald
bilden die Anfangsbuchstaben der Zeilen oder Strophen Acrosticha oder
die Endvokale Reimketten, bald sind die Zeilen in regelmäfsige Strophen
gegliedert; im Carmen apologeticum gehören immer je zwei Langzeilen
zusammen, letzteres auch in den Rätsein und der Exhortatio. s. o. Aus
No. 49 heben wir noch die Behandlung der dreigeteilten Byzantiner-
strophen hervor, deren kunstvoller Bau vielfach noch an die alte Lyrik
erinnert.
50) E. Wölfflin, Der Reim im Lateinischen. Archiv für Lexiko-
graphie I, 3 S. 350—389.
vgl. S. Mehring, Der Reim in seiner Entwickelung und Fortbildung.
Berlin 1889. HI u. 144 S. 8.
Wölfflin findet, dafs sich weder der Gliederreim noch der Satz-
reim in der archaischen und klassischen Zeit der Römer merklich ent-
wickelt hat, abgesehen vom Flexionsreim, der Überhaupt kein eigent-
licher Reim ist, und andern ganz vereinzelten Fällen, wie Vergil. Buc.
8, 80 , wo die verlassene Geliebte den Daphnis wieder herzaubern will
und dazu wie in den alten Zauberformeln des Refrains und Vergleichs
214 Metrik.
sich bedient: Limus ut hie durescit et haec ut cera liquescit, aller-
dings auch nur Flexionsreim; auch sonst bleibt es sehr zweifelhaft, ob
Überhaupt Absicht vorliegt. Als Herd, auf dem beide Arten des Reims
gleichsam aasgebrOtet worden sind, ist Afrika zu bezeichnen, besonders
Apuleius, Tertullian und Augustin. Eine nicht unwichtige Vermitteluug
ist vielleicht bei Commodian aus Gaza in Syrien anzuerkennen. Bei den
afrikanischen Christen scheinen die semitischen, auf einen Vokal be-
schränkten Flexionsreime mit den volleren lateinischen, wie sie Apuleius
anwandte, zusammengeflossen zu sein und dies neue Formelement in der
Predigt, besonders des Augustin und im Kirchenlied Aufnahme und
Pflege gefunden zu haben. Nach einer Vermutung K. Sittl's, S. 389. hat
der Reim seinen Ursprung in Ägypten; von den Ägyptern sei er schon
zur Ptolemäerzeit zu den in Ägypten wohnenden Semiten gekommen.
in. Metrische Schriften über griechisches Epos.
über die metrischen Schriften zu den einzelnen Dichtern halten
wir uns kürzer, weil diese meistenteils in den besondem Berichten zur
Sprache kommen, und heben nur solche Leistungen hervor, die allgemeine
metrische Fragen behandeln. Auch verbinden wir mit dem Epos die
Bucolica wie bisher und die Schriften über Verstechnik der Elegie, die
der hexametrischen ziemlich gleich ist.
Eine gröfsere Zahl von Arbeiten beschäftigt sich mit der Frage
über den Ursprung des daktylischen Hexameters, vgl. Ref.*s Ansicht im
vorletzten Bericht No. 29.
51) Hermann Usener, Altgriechischer Versbau. Bonn 1887.
127 8. 8.
62) , Altertümliche Verse. Rhein. Mus. f. Phil. 43. Bd. 1888.
S. 149. 150.
53) 0. Grusius, De inscriptione Imbria versibus inclusa. Ebenda
S. 305. 806.
54) Heinrich Seiling, Ursprung und Messung des homerischen
Verses. Jahresb. Realgymnasium zu Münster i. W. Nördlingen 1887.
20 S. 4.
55) Fritz Gerald Tisdall, A theorieof the Origin and Develop-
ment ot the heroic Hexameter. New- York. 1889. 40 S.
56) Hermann Kluge, Zur Entstehungsgeschichte der Ilias. Kötben
1888. VIII u. 220 S.
57) Rudolf Thurneysen, Der Weg vom daktylischen Hexameter
zum epischen Zehnsilber der Franzosen. Zeitschr. f. roman. Philologie
XL 3. 4. Heft.
Vgl. S. L. Larkins, The scansion of heroic verse. London. Philol.
Society, 5. Dec. 1890 (Academie No. 973 p. 616).
f
Griechisches Epos. 215
üsener's Bach, No. 51, anregend geschrieben, von der Kritik
mit wenig Ausnahmen anerkannt, zieht als »ein Versuch vergleichender
Metrikc die Verse der Inder, Eranier, Germanen, Czechen, Polen, Russen,
SQdslaven, Litauer und Italiker heran und sucht zu erweisen, dafs oft
durch fortgesetzte Katalexen Tripodien aus Tetrapodien entstanden wären.
So gehe auch der griechische Hexameter auf den alten epischen Vers
mit acht Hebungen zurück. Die Zusammensetzung aus zwei Tetrapodien,
deren zweite einen Auftakt habe, zeige sich noch im Gebrauch des
Digamma und der Positionslängen bei Muta vor Liquida, wie xai noH
reg feiTtjjat' \ rärpoQ f Z8e noXXhv d/ieejjtwv (allein närpog kQrzt sich doch
leicht nach Analogie von n^äv^p u. a), ferner in einzelnen inschriftlich
erhaltenen Hexametern volksttimlicher Bildung (doch bleibt auch hier
eine andre Auffassung möglich, soweit überhaupt Verse wirklich gemeint
sind; z. B. die Annahme der Sitte in ein für eine ähnliche Gelegenheit
verfertigtes Gedicht andre Eigennamen einzusetzen, so S. 33. 87 . . . röSe
arifia \ fi^^rr^p inidr^xe Bavövre \\ 0avoxptrri \ ntuBl ^apeCopsvi^ etwa Statt . . .
OYjfia I nariip inißi^xe ßavovrt || Maetuv AipoytSrjQ \ natSi ^aptCopevog, dazu
die Beobachtung, dafs zu elidierende Silben auf Inschriften oft ausge-
schrieben werden ohne oder sogar mit v i^eXxuarexöv). Überhaupt sind
nach Verf. so gut wie sämtliche griechische Verse von sechs bis acht
Hebungen, da die verschiedene Ausfüllung der Senkung durch eine oder
zwei Silben etwas secundäres sei, auf diese Langzeilen von acht Takten
zurückzuführen, darunter sogar der iambische Trimeter als ^ ^ v^ j. «^ ^ C/ 1
jsjjyjj^ oder als ^jsj^i.] ^^^w^^^. Nur bei den Pentapotien, den
Elfsilbern der lesbischen Poesie läfst Verf. die Möglichkeit einer geson-
derten metrischen Bildung offen.
Es ist schwer den reichen Inhalt des Buches wiederzugeben. Als
gelungen heben wir hervor S. 80fg. , die Behandlung von Bergk, carm.
popul. 6 (PL III p. 656 fg) oder des rhodischen Schwalbenliedes bei
Athen. VIII p. 360^, ferner die Bemerkungen über die Entstehung des
logaödischen Versmafses, die Würdigung des Archilochos, der an dem
ewig jungen und verjüngenden Born der Volksüberlieferung schöpft, wie
denn der Formenreichtum der griechischen Metrik nicht durch freie
Schöpfungen einzelner Dichter, sondern aus dem Boden des Volkes er-
wachsen sei. In solchen allgemeinen Betrachtungen liegt ein Hauptreiz
dieses Werkes, so ferner über die epodische Composition, die Elegie
(vgl. No. 76) nach der altern Auffassung von C. Dilthey, S. 113fg., über
Einflufs der Instrumentalmusik auf die Metrik.
Unter den vielen Besprechungen nennen wir drei, die von A. Lud-
wich, Berliner philolog. Wochenschrift VII, 16 S. 453—457, der die Be-
weise ans dem Bau des Hexameters bespricht, R. Westphal, Götting.
gelehrt. Anzeigen 1888 Ko. 20, der mit U. übereinstimmend den Hexa-
meter als eine asynartetische Verbindung einer daktylischen und anapästi-
schen Tetrapodie fafst, und Fr. Haussen, Philol. Anzeiger 17. Bd. (1889)
216 Metrik.
S. 246 — 252, der die Ansicht vertritt, dafs die Verwitterung des Verses
anch mit der Verwitterung des den Vers bildenden Spracbmaterials in
ursächlichem Zusammenhange steht.
No. 62 und 53 besprechen zwei Inschriften, die aus viertaktigen
nach ü.'s Theorie freier gebauten Eurzversen bestehen, vgl. auch Ferdi-
nand DOmmler, Mitteilungen des archäologischen Instituts. Athenische
Abteilung XVI. S. 129. •— Peiling (No. 54) will den Hexameter durch
verschiedene Dehnungen und Pausen zum Tetrameter erweitern. —
Tisdall (No. 55) hält die Ansicht fest, dafs der Hexameter ans zwei
Tripodien zusammengesetzt ist Dabei sei der häufige Gebrauch der
trochäischen Hauptcäsur recht gut denkbar, exakte Messungen der Cäsur-
pause mit moderner Notenschrift sei verfehlt; vgl. vorletzten Bericht
No. 29 am Ende. — Kluge (No. 56) behandelt S. 1 — 78 die vorhome-
rischen Verse. Der Hexameter soll aus zwei Tripodien oder drei Dipo-
dien entstanden sein, woher sich die verschiedenen Cäsuren im dritten
Fufse oder im zweiten und vierten erklären. Der Vers sei ursprünglich
silbenzählend gewesen, der daktylische Rhythmus erst daraus hervor-
gegangen, dafs am Anfang des zweiten, beziehentlich auch des dritten
Eurzverses eine Anakrusis eingetreten sei, mit der vorhergehenden Sen-
kung die beiden Kürzen des Dactylus gebend. Von diesen Stellen hätten
sich die Daktylen aber die übrigen Versfüsse verbreitet.
58) Johannes (Hans) Draheim, De arseos vi Homerica. Fleck-
eisen*8 Jahrb. 139. Bd. 1886. S. 667—675.
59) , De hiatu debili qui dicitur Homerico. Ebenda 137. Bd.
1888. S. 609-613.
60) J. V. Leeuwen, Homerica. IV. Mnemosyne XVIII. 3. S. 265
bis 299.
61)Jo8. Menrad, De contractionis et synizeseos usu Homerico.
Diss. Münster 1886. 216 S. 8.
62) A. Platt, Note on Homeric scansion. Journal of Philology XVIII
S. 120—125.
63) , Spondeus in the 4 th foot in Homer. Ebenda S. 150—159.
64) Führer, Die metrische Verlängerung kurzer Silben bei Homer.
Gymnasium 1888 No. 12.
Der Inhalt dieser ganz specielle Fragen der homerischen Vers-
technik behandelnden Schriften ergiebt sich meist schon aus dem Titel.
No. 58 über die Stellung der Spondiaca (vier Gesetze), Trisyllaba mo-
lossica duos ictus recipiunt, nisi in fine versus, Quadrisyllaba dispondiaca
simplicia aut composita: illa in thesim fere desinunt, haec in arsim, also
non legitur in caesura ojxecdwv^ non legitur in fine xaXhXatvot^ ähnlich
bei den fünfsilbigen Wörtern. — No. 59 sucht den sog. prosodischen
Griechisches Epos. 217
Hiat, d. b. die Verk&rzung auslautender langer Vokale in der Senkung
bei folgendem vokaliscben Anlaut zurückzuführen auf sprachliche That-
sachen. — No. 60 über Gebrauch der Cäsur xarä riraprov r/oo/oTov. —
No. 61: Die Überlieferung giebt Contraktion und Syuizese in allen Ge-
sängen , weiteres gehört ins Gebiet der Textkritik. — No. 62 über das
Vorkommen des Molossus.
66) Johannes Paulson, Studia *Hesiodea. I. De re metrica.
Diss. ex actis Universitatis Lundensis tom. XXIII. Lund. 1887. III u.
168 S. 4.
66) £. Eberhard, Metrische Beobachtungen zu den homerischen
Hymnen. Progr. Magdeburg 1886. 32 S. 4.
67) G. Kunst, De Theocriti versu heroico. Dissertationes philo-
logae Vindobonenses. I. S. 1-124. Leipzig 1887.
68) Ganutns Wintzell, Studia Theocritea. Gommentatio acade-
mica. Lund. 1889. 146 S. 8.
69) Alfred Gercke, Alexandrinische Studien (Forts.). Rhein.
Mus. f. Philol. 44. Bd. 1889. S. 240—268.
No. 66— 67 sind fleifsige Zusammenstellangen verwandter Art Ober
Verteilung der Dactylen und Spondeen, Bau der letzten Versteile, Gft-
snren, Quantität, Hiat n. a. in den in den Titeln genannten Dichtungen.
No. 67 zeichnet sich aus durch die feine Unterscheidung zwischen Theo-
krits bukolischen (L III-XI), mimischen (H. XIV. XV. XVIII) und epi-
schen Gedichten (XII. XIIL XVI. XVIU. XXII - XXVI). Darüber aus-
führlich Ref. in Berliner philolog. Wochenschrift IX. 1889. 10. S. 301 fg.
— No. 68 giebt im letzten Kapitel zu No. 67 einige Nachträge über
Hiat, Position und Elision. - No. 69 handelt nur S. 241 und 263 über
Metrisches, nämlich über viersilbige Versschlüsse wie Bepevixa bei Kalli-
machos, Apollonios, Theokrit und Aratos und über den Ausgang längerer
Wörter im zweiten Fufse des Hexameters bei den letzteren.
70) Hermann Di e Is, Sibyllinische Blätter. Berlin 1890. 168 S. 8.
71) Philodemi Gadarensis epigramroata ab Georg to Kaibel edita.
Ind. schol. aest. Greifswald 1886. XXVIII S. 4.
72) Arthur Lud wich, Zur Periegese des Dionysios. Rhein. Mus.
f. Phil. 41. Bd. 1886. S. 302-304.
73) - — , Johannes von Gaza. Ebenda 44. Bd. 1889. S. 194
bis 206.
74) Arnold Dittmar, De Meleagri Macedonii Leontii re metrica.
Diss. Köni^sber^ 1886- 30 S. 8.
218 Metrik.
75) H. Schrader, Die hexametrischeD Überschriften xo den 48
homerischen Rhapsodien. Fleckeisen's Jahrb. 137. Bd. 1888. S. 577
bis 609.
Diels (No. 70) kommt S. 56-64 anf di« metrische Form der von
Phlegon Qberlieferten, vermutlich von Fabios Pictor verfafsten sibylli-
nischen Orakel zn sprechen. Der Trochäus im vierten Fofse erscheint
häufig; Überhaupt zeigt sich keine Spur der Feinfflhligkeit der Alexan-
driner, sondern die Verse stehen dem Isyll nahe, vgl. letzten Bericht
No. 138 und 139; auch die Hiate sind in der homerischen Weise behau*
delt Wir haben hier dilettantische Versuche nach homerischem Vorbild
schlecht und recht Hexameter zu bauen. Vgl. R. Volkmann, De Pjthiae
oraculis 5—7 p. 396 sq. — No. 71 enthält eine knappe und klare Dar-
stellung der metrischen Kunst des genannten Epigrammatikers. — Nach
No. 72 hat Dionysius Periegeta fOr den Gebrauch der positio debilis und
der correptio attica sich zwei Einschränkungen auferlegt: 1) Keine aus-
lautende ROrze darf vor muta cum liquida verlängert werden, zb i:päfToy^
rä Ttpwra gelten fftr je ein Wort und wurden von Alters her mit Posi-
tionslängen gemessen; v. 764 axptg statt ä^pt, 2) Kein an- oder inlau-
tender kurzer Vokal bleibt vor muta cum liquida kurz, sondern mufs
gelängt werden, ausgenommen der Eigenname ^AfpoBiv^ nach altem, wohl-
bercchtigtem Herkommen, v. 283 und 1173 zu ändern. Einige andre
Dichter haben diese Regeln gleichfalls sorgsam beobachtet, auch im ele-
gischen Versmafse, z. B. Antimachos. Fr. 9 ist mit den Handschriften
ein Hexameter anzunehmen: Sptog xopofljat Moauj^^u. Vgl. letzten Be-
richt No. 51. — No. 73 erwähnt, dafs Johannes von Gaza die sog. cor-
reptio attica nicht vor gutturalis oder dentaüs cum liquida, sondern nur
vor labialis cum liquida zuläfst. — No. 74 Ober Prosodie, Hiat, Gäsur,
Verteilung der Dactylen und Spondeen, Wortbetonung, VersschlQsse bei
den drei im Titel genannten Dichtem, von denen der erste in Homer*8
Spuren wandelt, die beiden andern in denen des Nonnos. — No. 75: Die
späteren der genannten iniypa^ou bieten die Technik des Theodoros
Prodromos, s. No. 96 fg., und Johannes Tzetzes. Diese wird, soweit sie
den spätbyzantinischeu Hexameter betrifft, eingehend untersucht.
IV. Metrische Schriften zur griechischen Lyrik.
76) Otto Immisch, Ober den Ursprung der griechischen Elegie.
Verhandlungen der 40. Versammlung deutscher Philologen und Schul-
männer in Görlitz vom 2. bis 5. Oktober 1889. Leipzig 1890. VIU u.
503 S. 4. 8. 372—384.
Der Pentameter ist aus der Verdoppelung eines Eurzverses, der
sog. Penthemimeres »gewordene, der vielfach selbständig und in anderen
Verbindungen sich schon in früher Zeit nachweisen läfst, wie denn auch
Oriechische Lyrik. 219
der Pentameter selbst nicht immer blofs in der Verbindung mit dem
Hexameter auftritt. Nach der hellenistischen Hypothese (bei Horaz und
Didymus) ist die Elegie aus den i^yoe (Klagegesängen in yerschiedencn
Versmafsen) entstanden. Diese Hypothese geht auf Euripides zurück,
der auch der erste ist, von dem wir eine wirklich threnodische Elegie
haben, und führt auf den düstern aulodischen Nomos, während in der
altern Elegie ein andrer Ton herrscht. Diese durch die alte Hypothese
nicht erklärte Doppelbeit der Elegie erklärt sich dem Verf. aus dem in
Karien heimischen Aphrodite- und Adoniskult, der im d^avcafioc wilde
Trauer um den dahingeschiedenen blühenden Bräutigam der Liebesgöttin,
in der £upe<rt^ die ausgelassene Feier seines Auferstehens bietet. Das
V\rort ikeyo^ in Verbindung mit ähnlichen, zumal mit üaXafißat ist semi-
tisch = fistula canora. Sinnreich wird in der Perikleselegie des Archi-
lochos die Mischung der beiden entgegengesetzten Stimmungen aus dem
Ursprung der Elegie erklärt.
77) F. Spiro, Der kyklische Dactylus und die lesbische Lyrik.
Excurs: Metra des Aristophanes. Hermes XXIH. 1888. S. 234—258.
78) F. Haussen, Ober die sogenannten kyklischen Versfüfse.
Verhandlungen der 37. Versammlung deutscher Philologen und Schul-
männer in Dessau, 1. 4. Oktober 1884. Leipzig 1885. 298 S. 4.
8. 213—216
79) U. V. Wilamowitz-Möllendorff, Zu Plutarchs Gastmahl der
Sieben Weisen. Hermes XXV. 1890. S. 196—227.
Von diesen die lesbiscbe Lyrik behandelnden Schriften wird in
No. 77 nach einer principiellen Erörterung über den Wert oder vielmehr
Unwert der alten und neuern metrischen Theorien des kyklischen Dactylus
auch in dem Sinne, wie ihn Westphal Rhythmik' neuerdings noch halten
wollte, verworfen, dabei die alte Theorie, die zwischen fiirpov und poBfioQ
unterscheidet, schon bei Plato und Aristophanes zu erkennen, vgl. jedoch
No. 30, ebenso wie von Chaignct, vgl. No. 37, beurteilt und die Bestand-
teile der lesbischen Logaöden besprochen : Trochäus in gerader und un-
gerader Zahl, mithin verschieden von den andern dipodisch zu messenden
Trochäen; Dactylus teils in der Mehrzahl, wie in der dactylischen Poesie
der lonier, teils vereinzelt in engster Verbindung mit Trochäen; auch
deren Gebrauch bei Pindar erörtert. Im Exkurs wird angenommen, dafs
zwischen Cretikern (Päonen) und trochäischer Dipodie kein principieller
Unterschied sei; nach Vorgang der Lyriker und Tragiker habe die Ko
mödie die katalektische Form .v., nachdem die unterdrückte Senkung
spurlos weggefallen, wie beim Bacchius in iambischeu Reiben (z. B. ätbg
nXa- 1 yäv e^oumv \ tlnttv) in der letzten Silbe aufgelöst , wie Arist. Ach.
282. Ebenso habe man eine doppelte Catalexis mit Unterdrückung beider
Senkungen der Dipodie gebildet, so erkläre sich Lysistrate 780 828 als
220 Metrik.
eine trochäische Stropbe mit unterdrückten Senkaogen und Aaflösnng
der Hebungen vor diesen. — Ober 78 vgl. auch letzten Bericlit No. 38.
0. Grusins, Litter. Gentralbl. 1887. 44 S. 1591 und 1890. 45 S. 1574,
vgl. auch 1891. 7 S. 213 und Philol. L S. 171, versteht den Namen
»klyklischc lautphysiologisch vom leichten Bau der FOfse. — No. 79 be-
handelt 8. 225 fg. die Metrik des sog. lesbischen MflUerliedchens. Es
geht auf Klearch zurück, ist lange nach des Pittakos Tyrannis gemacht
und fallt nicht im mindesten aus der gewöhnlichen Metrik heraus. Verf.
mifst es ionisch, nur der Anfang bleibt noch zweifelhafter Messung.
80) H. Reim an n, Disputationis de prosodiorum similiumque apud
Oraecos carminum natura nuper (vgl. letzten Bericht No. 52) editae
additamentum. Progr. Gleiwitz 1886. 10 S. 4.
81) 0. Cr u sin s, Ober die Nomosfrage. Verhandlungen der 39. Ver-
sammlung deutscher Philologen und Schulm&nner in Zflrich vom
28. September bis 1. Oktober 1887. Leipzig 1888. X u. 374 S. 4.
S. 258 ~ 273.
82) , Stesichoros und die epodische Komposition in der grie-
chischen Lyrik. Commentationes philologae quibus 0. Ribbeckio prae-
ceptori inlustri sexagesimum aetatis magisterii Lipsiensis decimnm annam
exactum congratulantur discipuli Lipsienses. Leipzig 1888. IV und
557 S. 8. S. 1—22.
83) — — , Ein Liederfragment auf einer antiken Statnenbasis.
Philologus L (N.-F. IV). 1891. S. 168—172.
No. 80 ist eine Zusammenstellung und Erklärung der Zeugnisse
der Grammatiker und Lexikographen über Prosodien u. ä. Die epodische
Komposition geht zurück auf alte religiöse Sitte, besonders des Apollo-
kultes, vgl. No. 82. — 0. Crusius in No. 81 verteidigt die sog. terpan-
drische Composition als alte aus dem Apollohymnen herübergenommene
Art den Inhalt zu gliedern. Die ursprüngliche dreiteilige Form wurde
zur siebenteiligen erweitert, so schon in den homerischen Apollohymnen.
Die Überlieferung bei Pollux ist richtig, ofpayiQ (vgl. Theogn. 19fg.) ist
der alte technische Ausdruck für den Teil, wo der Dichter durch Nennung
seines Namens sein Eigentum schützen will und überhaupt von seinem
persönlichen Interesse spricht, Westphal's Umstellung ist zu verwerfen,
doch könnte mau das zweite vermittelnde Glied, das Pindar bisweilen
nach dem Hauptteile, dem diupaXoQ einschiebt, ävTexararpoTtd nennen,
da fiEraxararpond nur hinter xararp&nd Sinn hat. Aus dem monodischen
Nomos des Terpauder nahmen auch die Meister der Ghorlyrik, Alkman,
Simonides und Pindar nicht blofs in ihren Götterhymnen, sondern auch
in den Enkomien und Epinikien die alte Form herüber. Desgleichen
die hellenistischen Hymnendichter. In drei Hymen des Kalllmachos
(II, V, VI) liegt das Schema klar zu Tage. Im ApoUohymnns korrespon-
Griechiaelie Lyrik. 221
diert sogar die Verszahl genau oder annftherod. Ähnliches gilt von den
Hymnen des corpus Theocriteum (XVI, XYII, XXn, XXVI, vgl. XV, loo
bis 144). Von den »Jungrömernc folgt weniger Catnll (jedenfalls nicht
carm. 68), wohl aber Tibull im Hymnus wie Enkomion, in seinen »Fest-
gedichten im Hymnenstile der terpandrisch-kallimachtschen Norm, Pro-
perz selten, am glücklichsten V, 6. Einigermafsen verwandt sind einige
Partien in Ovid*s Fasti sowie der Hauptteil der Ibis (wohl dem Kalli-
machos entlehnt), auch Catalept. Verg. XI und der Panegyricns auf Piso
(P. L. M. I 226). Vgl. unten No. 87 fg. — No. 82: Das geflügelte Wort:
OöSk rpia ro;v ü-n^mj^öpoo , einer attischen Komödie entlehnt, bedeutet:
»Du kennst nicht einmal drei Verse (oder Gedichte) des Stc Die epo-
dische Gomposition ist schon bei Alkman sicher, vgl. zu No. 80- Der
Ausdruck arpo^^ d^rlarpo^oQ und hnpBog sind musikalisch zu verstehen,
ebenso wie bei den Byzantienern die oixot (= Stange, Zimber, Stollen)
und xouxooUta (Abgesang). — No. 88 bebandelt eine im Bulletin de
correspondance Hellönique VII (1883) S. 277 von W. M. Ramsay veröffent-
lichte Inschrift aus Kleinasien, die ein Distichon enthält und ein mit
richtigen Vokalnoten über jede Silbe (mit einer Ausnahme) versehenes
vierzeiliges psAuddpiov^ bestehend aus katalektischen iambischen Dimetern
(^lu'ofißoe^ d. i. halbe Tetrameter nach Athen. VII p. 296 B u. a. im
Widerspruch zu F. Haussen, Comment. philol. . . . Ribbeckio etc. p. 190 sq.)
mit einem Pherecrateus als zweiter Zeile, alle Verse ganz regelrecht, nur
ist im ersten Dimeter auch die zweite und dritte Senkung unterdrückt.
Alle über eine Mora auszuhaltenden Töne sind mit dem Dehnungszeichen
versehen. Darin, dafs einmal drei Notenzeichen über einer Silbe stehen,
wird ein neuer urkundlicher Beweis für die rpioT^ßo^ gefunden. Icten
sind nicht bezeichnet, den Schlufs markiert ein Zeichen, worin Verf. eine
Instrumentalnote als Andeutung für die am Schlüsse einfallende Beglei-
tung sucht. S. 166 wird, wie ähnlich schon Litt. Centralbl. 1891. 7 S. 218,
behauptet, dafs der Ictus den Versfufs wie eine gerade Linie die andere,
nur an einer Stelle treffen kann. Das kann für den Hauptictus längerer
Verse richtig sein, auf die Einzelfüfse angewandt scheint es eine Über-
tragung moderner Begriffe in die alte Rhythmik, denn die alten Trochäen
und lamben sind nicht dasselbe wie unser V» oder y% Takt u. s. w., son-
dern das Verhältnis steht 2:1, sodafs die Hebung wirklich zwei Moren
enthält, so auch in der Instrumentalmusik, .wo die zwei punktierten
Kürzen für die Hebung überliefert sind, worin Ref. mit Westphal die
Einwirkung der Vokalmusik sieht Endlich in der wichtigen Stelle Dionys.
Hai. de compos. verb. c. 11 schreibt Verf. r^ dpßdXriQ inl (r^y pdoji
auXXaß^ rijv rpfnjv dfiÖTovov i^ec^ und erklärt roS riBere ßaporipapkv
1^ npfinf} yfyverae^ al duo 8k fier auri/u d^urovoe re xal dfio^wvot ' die erste
ozytonierte Silbe ist tiefer, die beiden folgenden liegen höher und zwar
auf demselben Ton' (genauer: Die erste Silbe wird in der Melodie die
tiefere, die beiden folgenden erhalten denselben hohen Ton); roD xTuneTre
222 Metrik.
6 nepeanaajjLd^ r^^viazai' fuqL yäp al Buo aolXaßai Xiyovrm zdatt *der
Diphthong wurde also mit zwei NoteD auf derselben Stufe vorgetrageo'
(Dionysios sagt vielmehr, dafs die beiden Silben [xTunetr^ nicht Moren
[-Tr^rr'] musikalisch gleich behandelt und wohl nicht hochbetont waren.
Auch Westphal Übersetzt falsch: ist durch den Circumflex verdonkelt
statt der Circumflex ist verdunkelt); rb dnoitpoßare ob Xafißdvet n^
rr^g liiar^g ffuUaß^g npoa(p8{a)f ü$eTav^ dU^ in} vijv rsrdpTTjV oißXXaßjv
xavaßeßijxev ^ rdatg rr^g rperrjg ' die oxytonierte dritte Silbe sinkt ebenso
tief herab wie die vierte'. Westphal und Referent verstanden die letzten
Worte anders: 'die Tonhöhe der dritten ist auf die vierte Silbe über-
gegangen'. Doch hat diese Übersetzung das Hermann'sche fteraßdßi^xev
zur Voraussetzung, das keine diplomatische Grundlage zu haben scheint.
Die Stelle handelt nicht lediglich von der Höhe und Tiefe der Töne,
sondern vom Verhältnis der MelodiefOhrung zur Wortbetonung, nnd darum
hatte Ref. im vorletzten Bericht S. 302 fg. mit dieser Stelle die Ansicht
widerlegt, wonach die Wortbetonung ein Anhalt für die Auffindung der
Versicten sein sollte, und auf unbetonte Versstellen des Dochmius in n-
und xTUTtEcr' und auf die Phrasierung des re&ere als „^ (ist) n- Ä-
geschlossen. Ob er hierin zu weit gegangen, darüber erwartet er Be-
lehrung in der in nahe Aussicht gestellten Veröffentlichung des mit Noten
versehenen Orestesfragments durch Wessely.
84) Ernst Graf, Nomos orthios. Rhein. Mus. 43. Bd. i88d.
S. 512—523.
85) — — , Die dp;(d des Terpander. Ebenda 44. Bd. 1889.
S. 469—471.
86) Otto Immisch, Zur Geschichte der griechischen Lyrik Ebenda
44. Bd. 1889. S. 553—567.
No. 84: ""Op&tog heifst im metrischen Sinne »gleichgetciltc, wie spä-
teres fiovoeeo^g, d. h. von Fttfsen die aus gleichen ar^/isia bestehen, wie
vom Pilon aus fünf Kürzen, und von Versen, wie dem aus reinen lamben
bestehenden Trimoter und dem aus reinen Dactylen bestehenden Hex«*
meter. Davon getrennt zu halten ist die Bedeutung desselben Wortes
in musikalischem Sinne, wo es »hocht bedeutet und mit d^ug^ dvarsTa-
/idvog identisch ist. So erklärt sich der Hexameter in Terpanders ifofiog
op&eog und der Päon und Trochäus im Olympischen vo/iog opßeog, hier
npßeoi im musikalischen Sinne. Die gedehnten Längen (vierzeitig und
fünfzeitig) werden für die griechische Poesie verworfen. Die ^laxpä
TTsvTdar^fiog des Bellermann^schen Anonymus (vgl. letzten Bericht S. 89)
gehöre in die von sprachlichen Elementen unabhängige Instrumental-
musik. Die Griechen verstanden es, die bunteste rhythmische Mannig-
faltigkeit, ohne Silbeudehnung, zu einem Ganzen zusammenzoschliefsen
mit einer Kunst, die wir nur teilweise dunkel empüudeu können, da wir
Griechische Lyrik. 223
ihr nichts an die Seite za stellen haben. — No. 85 : Auch Terpander's
vofioQ SpBioQ war, wie uns zuverlässig bezeugt wird, in Hezametera abge-
fafst. Das bekannte Bruchstück (fr. 1 Bergk): Zeu ndvrwv dpxd . . , ffol
nifinw rauTav räv Sfivwy dp^dv widerspricht dem nicht, da hier dp^d
nicht im technischen Sinne zu verstehen ist — No. 86 stimmt mit No. 85
ttberein, dafs Terpander*s voiAot hexametrisch waren. Die Ausdrücke
SpBea und axoha^ nicht lediglich im rhythmischen Sinne, haben mit Vers-
roafsen nichts zu thun. Dagegen ist axoXtSg ein Name für Ampbibracbys,
aber auch hier hat das Metrum seinen Namen vom axoXtoy.
87) Alfred Dippe, Über die Frage der terpandrischen Kompo-
sition. Wochenschrift f. klass. Philologie 1888. 32/33 S. 1018-1021.
34 S. 1060—1063. 35 S. 1082—1086 und 36 S. 1114-1118.
88) Eduard Luebbert, De Pindaricorum carminum compositione
ex Nomorum historia illustranda. Bonn 1889. 19 S. 4.
89) Luigi Gerrato, La tecnica composizione delle odi Pindariche.
Genova 1888. 142 S. 8. vgl. denselben, Rivista di filologia XVIII
4-6 S. 176-234.
90) Aug. Heimer, Studia Pindarica. .Diss. Lund. 1885. 150 S. 4.
91) Fr. Weigmann, Über den Rhythmus des Asklepios-Päan.
Gommentationes philologae Monacenses. München 1891. 209 S. 8.
S. 10—21.
Nach No. 87 war der vdyiOQ in alter Zeit nicht-antistrophisch und
Einzelvortrag. Doch an dem rptfiepijg v6p.oQ des Sakadas sei nicht zu
rütteln, er war cborisch (Plut. mus. 8 3e8d$ae ^8eev rltv x^pov) und bestand
aus Strophe, Antistrophe und Epode (doch ist dies letztere recht zweifel-
haft; nach Plutarch waren die drei Teile nicht nach dieser Gliederung
charakterisiert, sondern äwptarl /ikv ttjv npwTj^v (nämlich rovoiv (rrpo^^v),
^poytorl Sk rijv Seuripav^ AöSt<rc\ 8e ttjv rpivr^v, xakeleBat 8k Tpe/iep^
rhv vöfioy rourov 8cä rijv /leTaßoXvjv), Der vopoc war in demselben Vers-
mafse gehalten, meist in Hexametern, aber auch in rpo^cuot arj/iayroe
und Sp&coe, Die Versuche, die terpandrische Komposition bei Pindar,
Aeschylus, Selon, Sappbo, Gatull u. a. zu finden sind schon grundsätzlich
zu verwerfen und verfehlt Nur Käsebier, De Gallimacho vopwv poeta,
Progr. Brandenburg 1873, ist es im Ganzen gelungen, den vo/ao? bei
Gallimachos nachzuweisen, im Einzelnen aber hat er zu viel Responsion
yermutet. Verf. findet in allen Hymnen dos K. die terpandrische Kom-
position , nur nicht in Verszabl durchgeführt. — Auch No. 88 und 89
behandeln dieselbe Komposition bei Pindar, über erstere vgl. letzten Be-
richt No. 56 — 61, über letztere A. Groiset, revue critique 1889. 32 S. 97,
übrigens auch oben No. 81. — In No. 90 wird S. 85 fg. eine Statistik
über die Positionserscheinungen (muta cum liquida) bei Pindar gegeben,
224 MaCrik.
die di^enige too Breyer, TgL Torietsteo Jabresb. No. 42, an Euktfaeit
noch fibertrtflt — No. 91 ist eio Venodi Aber die im letzten Beridit
No. 138 nod 139 besprocbene DiehtoDg io moderner Komposition.
Hieran schliefsen wir noeb Scbriften aber den iarabisdien Trimeier,
besonders der Spfltgriecben, wftbrend anderes Aber dieses Versmafs im
nächsten Abschnitt nnter No. 108 fg. nnd No. 125 nnd 129 xnsaramen-
gestellt wird.
92) A. Platt, On tbe iarobic trimeter. Jonrnal of Pbilologjr XVIII.
36 8. 161—180.
93) A. Kopp, Über die positio debilis nnd die correptio attica im
iambiscben Trimeter der Griechen. Rhein. Mns. 41. Bd. 1886. 2 S. 247
—266 nnd 3 8. 376--386.
94) W. Stndemund, Über den Arzt Demokrates. Vortrag in der
zweiten allgemeinen Sitzung der 39. Yersammlnog deutscher Philologen
nnd Schulmftnner in Zürich 1887. Berliner phil. Wochenschrift VQ 47
8. 1486-1487.
96) — — , Incerti scriptoris Mtvdvdpoo xat fitltinüavoc eujxpieiQ
cnm appendicibtts. Ind. lept. hib. Breslau 1887. 42 S. 4.
96) Isidor Hilberg, Kanu Theodoros Prodromos der Verfasser
des XptarbQ ndax^y »ein? Wiener Studien VQI 1886. S. 282—307.
97) , Textkritische Beiträge zu Georgios Pisides. Ebenda IX
1887. 2 8. 207 - 222.
98) , Zur Verstechnik des Ephraämios. Ebenda X 1888. 1
S. 60—92.
99) Carl Friedrich Mttller, Ignatii Diaconi tetrasticha iambica
68 versus in Adamum 143 rec. et breyi adnotatione instrnzit Prae-
missa est de Ignatii metrica arte vita scriptis disputatio Progr.
Kiel 1886. 32 8. 4.
100) A. Kopp, Die Quantität der ancipites im iambischeo Trimeter
der Spätgriecheo. Hermes XIX 1886. 1 S. 27—33.
Nach No. 92 war der iambische Trimeter ursprünglich Tanzrhythmus
bei dem Erntefeste der Demeter und des Dionysos, basiert auf dem
Epitrit u I .w.. I .w I .w., ähnlich dem persischen sog. Königs-
metrum _w«.|«w„.|_w_; besprochen wird femer der byzantinische
Trimeter, des Archilochos Verdienst um das Versmafs (Porson'sche Gesetz),
Positionslänge bei Homer und den lambikorn einerseits und bei den
attischen Dichtern, besonders den Komikern andererseits, vgl. Wochen*
Schrift f. klass. Phil. 1890. 17 8. 466. - No. 93 deckt sich zum Teil mit
Johannes Kumpel, Progr. Insterburg 1866 und 1866 und Karl Goebel,
Griecbiscbe Lyrik. 225
De correptioDe attica, Dissert. von Bonn, Strafsburg 1876. Die Ergeb-
nisse sind: Bei Simon ides von Amorgos macbt muta cum liquida
immer Positionslänge (I 13 Bergk zu ändern); im komischen Trimeter
des Aristophanes immer die schwereren Verbindungen ^/i, yv, 8fi^ ^v, j^A^
ßX; dagegen die leichteren nie; also alle aufser media vor fi, w, X, Die
wenigen von Rumpei notierten Ausnahmen von dem letzten Teile der
Regel erklären sich entweder aus Gitaten anderer Dichter (so auch Fax 10)
oder lassen sich leicht ändern: Yesp. 151 vüvt\ Flut. 166 mit Brunck,
£qu. 207 mit Bentley, Nub. 869 mit Meineke, Thesm. 1184 mit Enger,
doch ist die Form dap^fiij Flut. 1019 wohl als unaristophanisch zu ver-
werfen, während an einigen andern Stellen Naturlänge des Vokals an-
zuerkennen ist, wie in idpu(o mit Compositis. Dasselbe Frincip wie
Aristophanes, wenn auch nicht mit der gleichen Strenge, verfolgen (Fseudo-)
Scymnus in seiner Feriegese (1. Hälfte des 1. Jahrb. v. Chr.) und Diony-
sius in seiner dvaypaupri rrjg 'EUd8og und der Arzt und Foötaster Ser-
viiius Damocrates (1. Jahrb. v. Chr), die beiden ersten sind bei Eigen-
namen etwas freier, bei letzterem ist von der leichtfertigen Ausgabe
Bussemaker's abzusehen. Der letzte Vertreter der koroischen Technik
strengster Observanz ist Lucian in seinem Ocypus, während dessen Tra-
godopodagra in dieser Hinsicht sich ganz den klassischen Tragikern
anscbliefst. Bei diesen klassischen Tragikern wird durch die schweren
Verbindungen der muta c. liqn. die Silbe gelaugt, mit wenigen Ausnahmen
bei ßX und yA und zwar bei allen drei Tragikern, sowie bei Lykophron ;
vor leichten Verbindungen bleiben Endsilben stets kurz (6 Stellen bei
Rumpei zu ändern), bei Bihnenvokalen herrscht Willkür. Die attica
correptio ist am häufigsten in der Senkung des sechsten Fufses, we-
niger häufig im zweiten, am seltensten im vierten Fufse; unter den
Fällen, wo correptio in zweisilbiger Hebung oder Senkung zugelassen
wird, ist die aufgelöste Hebung des dritten Fufses bevorzugt; selten sind
dreisilbige FUfse mit correptio attica bei Äscbylus, Sophokles und in
einigen Stücken des Euripides (Ale. Med. Hipp. Hec. Heraclid. Rhes.) im
Gegensatz zu andern Stücken des Euripides (Troad. Or. Fhoen. Hei.
Bacch.) und zu Lucian. Äscbylus hat unter 62 Fällen der positio debilis
bei leichter Verbindung dreimal ein Wort, das sonst gar nicht in den
Trimeter unterzubringen war, in 41 Fällen mied er so offenbar dreisilbige
Füfse; zweisilbige Senkung mit correptio, natürlich nur im ersten Fufs
hat er nur Ag. 399 'Apa^vacov (bei einem Eigennamen , was Verf. nicht
bemerkt), in andern Fällen liegt Synizese vor, wie Fers. 808. Suppl. 282
Cho. 682. Cho. 275 (?), dagegen zweisilbige Hebung mit correptio attica
27 mal neben den 41 Fällen der irregulären Fosition. In diesen 68 Fällen
wählt er nicht willkürlich, denn bei den Fällen der aufgelösten Hebung
liegen die Silbenverhältnisse so, dafs bei positio debilis die kurzvokalige
Silbe an der luuctur, die ihrer metrischen Geltung nach die Mitte hält
zwischen Wortende und Inlaut, als lang zu brauchen gewesen wäre. Bei
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft* LXIX. Bd. (1891. III.) 15
226 Metrik.
jenen 41 irregulären Positionen bandelt es sich 35 mal um Inlantsilben
und nur 6 mal um lunctursilben (2 mal lang gebrauchte Angmentsilben).
Auch die noch nicht erklärten 18 Ausnahmefälle der positio debilis bei
Äscbylus (in 12 Wortstämmen) sucht Verf. als Folge eines Princips hin-
zustellen. — No. 94 giebt im £ingang einen Oberblick Aber die Ge-
schichte des griechischen iambischen Trimeters, der bereits in der neuen
attischen Komödie das Uauptmafs der Sentenzen war; so brauchte ihn
auch die stoische Philosophie, Zenon, Aristou von Chios, Krantor. ApoUo-
dor von Athen und seine Nachfolger: Skymnos von Chios, die Periegeten
Pseudo-Dionysios und Pseudo-Apollodor yerwandten ihn um das Memo-
rieren zu erleichtern zu Schulzwecken; ähnlich verfährt auch der Arzt
Galen. — No. 95 enthält eine kurze Geschichte des iambischen Trimeters
im byzantinischen Lehrgedicht bis ins 7. Jahrb. n. Chr., besonders in
bezug auf Gäsuren und Auflösungen. — Von Hilberg (No. 96—98) werden
sämtliche byzantinische lambographen in drei Klassen eingeteilt: 1) die
Klassiker, in Quantität und Gäsuren korrekt; nur die Längnngsfähig-
keit vokalisch auslautender Kürzen durch folgende Doppelkonsonanz
beginnt zu schwinden, Auflösungen sind nur noch sehr selten angewandt.
Dahin gehört Georgios Pisides, dessen Hexa^meron planmäfsig nach den
später geltenden Gesetzen gefälscht wurde» wie auch in den übrigen
Werken sämtliche Abweichungen von der strengen Quantität auf Text-
verderbnis beruhen. 2) Die Epigonen, deren Trimeter sonst den klassi-
schen noch gleich stehen, aber schon auf zwölf Silben und paroxytoni-
schen Schlafs beschränkt sind und die Quantität der Vokale nur da
wahren, wo sie durch besondere Zeichen gegeben wird, e und o nur bei
Eigennamen und KunstausdrQcken lang, kurzes a, ;, u im Auslaut nur
bei sog. freien Wörtern, s. vorletzten Jahresber. No. 14, gelängt. Dahin
gehört Theodoros Prodromos. 3) Die Stümper, die a, <, u am Ende
unbeschränkt lang brauchen, ja vielfach auch Diphthonge, ij und w ver-
kürzen und die längende Wirkung der Doppel konsonanz vernachlässigen.
Zu den bessern derselben gehört der Verfasser des Xpitnog ndaj^wv,
Ephra(^,mios ist ein Stümper schweren Grades. — Nach No. 99 ist Ignatius
Diaconus, um 800 v. Chr., streng in Quantität, iäfst den Spondeus nur
an 1 ., 3. und 5. Stelle zu, meidet Hiat, aber auch alle Auflösungen und
braucht fast nur betonte Paenultima, gehört also zu Hilberg's Epigonen.
— Nach No. 100 gilt die Freiheit im Gebrauche der Vokale a, t und u
als aucipites wenigstens bei den bessern spätgriechischen Dichtern nicht
für die Endsilben. War doch die Quantität dieser Endsilben vielfach
durch den Accent gegeben : py^ropoX, cfoxä^ nou8ä:^ yeipxipw: gegen yitpupä
und ähnlich in den analogen Fällen: br^pai^ ^PT^i ävBpag^ iterpag u.a.
Also daif kurze Endsilbe mit Vokal a, t, u nicht ohne Position in der
Hebung stehen, wie lange Endsilben nur in Hebung oder l., 3. and
5. Senkung. Dies wird nachgewiesen aus den ersten 150 Versen des
Gedichtes Bhodanthe und Dosikles von Theodoros Prodromos und aus
Griechisches Drama. 227
den ersten 150 Versen des Gedichts über Drosilla und Gharikles von
Niketas, Eugenianus (nach Erot. Graec. rec. Hercher). Einsilbige Wörter
mit kurzem Vokal, wie rd, rt^, ydp sind selten als Längen verwendet,
dagegen wurde auch da, wo die Quantität nicht so leicht herzuleiten
war, wie in der Flexion, also bei Präpositionen und Adverbien die letzte
Silbe gewissenhaft gemessen. Auch für das Innere der Worte kann die
fragliche Freiheit nur in beschränktem Umfange zugestanden werden.
In den 300 angezogenen Versen finden sich unter 72 Fällen, in denen
die Kürze als Länge gebraucht wird, 64 Worte, in denen zwei kurze
Silben so aufeinander folgen, dafs sie nicht anders im Verse unterzu-
bringen waren; auch in zwei andern Fällen von freier Quantität pafst
das Wort nur so in den Vers (dxrffftT/zsvov), fünfmal folgt wenigstens
eine zweite Kürze auf die verlängerte. Nie. Eug. 81 noa r£ xpe)fa}v
ändert Verf. ohne Not. Endlich 16 Fälle einer irregulären verkürzten
Länge wären zu erklären durch schwankende Aussprache und Unkenntnis
der klassischen Technik.
V. Metrische Schriften über das griechische Drama.
101) Leopold Schmidt, Gommentatio de parodi et stasimi nomi-
nibus. Ind. lect. aest. Marburg 1889. 13 S. 4.
102) Ernst Graf, ätauho\t, Rhein. Mus. 46. Bd. 1891. S. 71-76.
No. 101: In Arist. poet. c. 12, das, erst später von einem Schüler
aus Aristoteles' nep) noof^rwv oder selbständig eingesetzt, die Grundlage
für alle späteren Nachrichten über Parodos, auch der abweichenden Defi-
nitionen bildet, ist der Satz xoeuä fikv dndvraiv (sc. noojTiüv) raura^ tSta
8k rä dnd z^s (Txi^v^g xou xopixot spätere Interpolation und ki^t^ im
Gegensatz zu [likoQ ^opob äveu dvanatarou xou Tpo}[ouofj (d. i. Genetiv
von dvänaearov = anapaestum Cic. Tusc. III 24 , 57 und rpo^dtov wie
Suid. s. V. Tpo^ouov rc cf. Athen. 14, 622^) von den melodramatisch vor-
getragenen anapästischen Dimetern und trochäischen Tetrametern zu
verstehen, doch sei die Definition nur als allgemeine Norm gemeint, von
der es in praxi Abweichungen gäbe. Gut wird das verschiedene Ethos
des trochäischen Tetrameters des Äschylus und der Komiker dargelegt
und metrisch begründet, dafs die aufgelösten Hebungen im ersten und
fünften Trochäus anderer Natur sind als die in zweiter Hebung der
Dipodie. — No. 102: Im griechischen Drama war nur ein (xöXj^ti^c in
Thätigkeit, der an der Spitze des Chors am Schlüsse hinauszog und wohl
ebenso mit dem Chore einzog. Dieser hatte auch die singenden Bühnen-
personen zu begleiten. Alles vor der Parodos stehende, fast nur Tri-
meter, blieb ohne Begleitung. Für die wenigen Monodien vor dem ersten
Chorliede kann man sich mit einer stillen Parodos behelfen. In der
Definition von dtauhov ist das Wort evSov zu streichen, das schol. Arist.
16*
228 Metrik.
Ran. 1264 bei einem besoodern Fall eingesetzt ist, bei Hesycb ricbtig
fehlt, ätauhov bedeutet s. v. a. auXrjfia,
103) Aemilins Neidhardt, Quaestiones Aescbyleae. Particala I.
Eomenidum fabulae quae Delphis agantar coroplectens. Progr. Erfart
1888. 26 S. 4.
104)Ricardas Bethge, De Septem ad versus Thebas ^abalae
Aescbyleae episodio altero. Progr. Berlin 1890. 23 S. 4.
105) Alfred Dippe, De canticorum Aeschyleonim coropositioue.
Progr. Soest 1886. 33 S. 4.
106) W. Hamelbeck, Die rhythmischen Verhältnisse in den lyri-
schen und chorischen Dichtungen der Griechen. I. Progr. von Ober-
ehnheim. Strafsburg 1890. 43 S. 4.
107) Friedrich Spiro, Versabteilungen. Aus der Anomia. Ar-
chäologische Beiträge, Carl Robert zur Erinnerung an Berlin darge-
bracht. Berlin 1890. 8. S. 186—191.
108) J. B. Bury, Gaesura in the iambic trimeters of Aeschylus.
Journal of philology XV. 1 S. 76 — 79. Vgl. auch derselbe, Notes on
I. the trilogy and II. certain formal artifices of Aeschylus. Journal of
Hellenic studies 1885. S. 167-179.
109) Robert Yelverton Tyrrell, On the elision of words of
pyrrhic value. Hermathena 1885. No. XI S. 258—266.
110) Jos. Riha, Über den Vortrag der chorischen Partien in der
Sophokleischcn Tragödie 'Oedipus auf Kolonos' ('cechisch). Progr.
Prag (Communal-Real-Gymn.) 1889. 20 S.
111) Sigofredus Reiter, De syllabarum in trisemam longitu-
dinem productarum usu Aeschyleo et Sophocleo. Dissert. Vindobon. I.
(111 S. 8) Leipzig 1887. S. 125-236.
112) — — , Äschylus' Orestie von N. Wecklein. Zeitschrift f. d.
österr. Gymn. 41. Jahrg. 1890. S. 113-117, vgl. auch ebenda 39. Jahrg.
S. 865-869.
Von diesen über Äschyleische und Sophokleische Metrik handeln-
den Schriften nimmt No. 103 folgende Symmetrie fQr den Eingang der
Eumeniden an: 33. 30. 30 (= 93), 23. 23 (= 46) und 37. 19. 37 (= 93)
und erklärt in der Aristotelischen Begriffsbestimmung der Parodos okoü
^opou im Gegensatz zu xotvbg j^opou xal dno axrjyr^^ d. i. kurz für xotvog
Xopou [^ xoivüc z^P^^^ ^^^ ^^^ üxTjV^s. Demnach beginnt die Parodos
in den Eumeniden erst V. 321; die erste Chorleistung v. 140fg. ist unter
die einzelnen Choreuten zu verteilen. — No. 104 findet für die sieben
Bedepaare des genannten Epeisodions folgende Verszahlen: 20:20 str. 1,
Griechisches Drama 229
15 : 16 antistr. 1; 15 : 15 str. 2, 15 : 15 antistr. 2; 24 : 24 str. 3, 29 : 29
antistr. 3; 24:24 ohne im ersten, zweiten und sechsten Paare und in
des Spähers dritter, vierter und fünfter und des Eteokles siebenter Rede
die überlieferte Verszahl zu ändern. Die neuen Behandlungen dieser
Frage kennt er jedoch nicht, vgl. vorletzten Bericht No. 45 und letzten
No. 70 und 75. — No. 105 weist die terpandrische Komposition West-
pbal's VL. a. von den äschyleischen Chorgesängen besonders dadurch ab,
dafs er die wirkliche, sehr mannigfaltige Gruppierung eingehend darlegt.
Vgl. No. 89. — No. 106 behandelt die daktylischen Chorlieder des
Äschylus, Pers. 852— 907, Agam. 104—169 und Verwandtes nach ihrer
eurythmischen Gliederung im Sinne Westphal's (nicht Rofsbach's). Spon-
deen, die antistrophisch respondieren, meist im Eingange der Tetrapodie,
sind zu dehnen und einer daktylischen Dipodie gleich zu setzen. —
No. 107 betont den Worteinschnitt als Argument für die Versabteilung
in Äsch. Ag. 20lfg., Sept. 686 fg. und ähnliches über des Kallimachus
0aXaixeta, wo Stets nach der dritten Silbe Wortschlufs eintritt und des-
halb ionische Trimeter anzunehmen sind _^_ | v^w.w«v-»_«. — Über
No. 108 und 109 8. Jahresber. XLVI. (1886. I) S. 222 u. 223 und S. 213.
Ersterer sucht durch die bekannten Mittel (Annahme einer Cäsur in
lunctur und der Trithemimeres) die cäsurlosen Verse des Äschylus weg-
zubringen, bis auf zwei Pers. 512 (beabsichtigt) und £um. 26 (zu ändern);
letzterer bemerkt, dafs Elision pyrrhichischer Wörter niemals unmittelbar
vor einer starken Interpunktion vorkommt. — Über No. 110 ein deutsches
Referat in Zeitschrift f. d. Österreich. Gymn. 1888. 11. S. 1046 fg. —
No. 111 verficht die Ansicht, vgl. vorletzten Bar. No. 47 S. 360, dafs bei
Äschylus und Sophokles einer dreizeitigen, bez. vierzeitigen Lauge anti-
strophisch eine Länge und eine, bez. zwei Kürzen entsprechen könnte;
ferner werden die Kriterien zusammen gestellt, nach denen man bei
trochäischen und spondeischen Schlüssen Brachykatalexis anzunehmen
habe und schliefslich die Ansichten der griechischen und römischen
Grammatiker über die Verschiedenheit langer Silben dargelegt und da-
nach bewiesen, dafs die von der rovi) getroffenen Silben nach Tonumfang
oder Sinn bedeutsam sind, vgl. vorletzten Bericht No. 44 S. 347. Ref.
bat sich über die Schrift ausgesprochen in der Berlin, philolog. Wochen-
schrift IX (1889) 9 S. 271 — 276 und besonders Verf.'s Beweismaterial für
die freiere Entsprechung geprüft u. a. darauf hingewiesen, dafs Stellen,
wo es sich nur um richtige Lesung handelt, wie -otg^ -otat^ -otfftv ; -eaatv^
-eaat u. ä. , in\ st ine{ (et und t im Mediceus oft verwechselt wie in
^peyei St. ^pevt) oder wo überhaupt eine leichte Änderung nötig ist oder
nahe liegt, wie Ag. 172, Choeph. 808 ^uXXdßoi 8' äu ixdixwg u. v. a.,
nichts beweisen können, zumal die gleichen Versehen auch im Dialog
und anapästischen System begegnen. Dagegen hält Verf. in No. 112
seine Aufstellungen aufrecht, wie er auch vielfach Zustimmung gefunden,
vgl. Jahresber. LVUI. (1889. I) S. 405. Auch hat A. W. Verrall in seiner
230 Metnk.
Ausgabe der 'Enrä inl BijßaQ^ London 1887 in dem ersten Anhange ähn-
liche Responsionen behauptet, vgl. a. 0. S. 408.
113) Maximilianus Seliger, De versibas creticis sive paeonicis
poetarum Graecorum. Disa. Königsberg 1886. 52 S. 8.
114) K. Steiger, De versuum paeonicorum et dochmiacorum apad
poetas Graecos usu ac ratione. Wiesbadener Progr. (auch Leipzig, Fock)
1886. 62 S. 1887. 30 S. 1888. 28 S. 4.
116) F. V. Fritzsche, De numeris dochmiacis V— YIII Rostocker
Lectionskataloge. Winter 1885 — Sommer 1887.
Von diesen alle drei Tragiker behandelnden Schriften enthält
No. 113 Zusammenstellungen der verschiedenen Reihen des päonisch-
kretischen Rhythmus, wie sie vorzugsweise bei den Dramatikern vor-
kommen, jedoch nicht mit Ausschlufs der Lyriker. Ein Ditrochaeas
respondiert nie mit dem Creticus (doch Äsch. Ghoeph. 792 ist einfach
ivt Spo/iü) 6t. iv 8p, zu schreiben). — No. 114 ist eine ganz vorwiegend
teztkritische Behandlnng der päonischen und dochmischen Strophen, auch
solcher Partien, wo diese Mafse sich nur unter andere Rhythmen ge-
mischt finden. — No. 116 Fortsetzung von No. 86 des letzten Berichtes,
w. s., insbesondere über Verwandtschaft des Glyconeam und der dacty-
lischen n€vBijfu/iepi^ mit dem Dochmius.
116) Oswaldus Eichler, De responsione Euripidea particula L
Diss. Leipzig 1886. VI u. 68 S. 8.
117) Albrechtus Groeppel, De Euripidis versibus logaoedicis.
Diss. Leipzig 1890. 96 S. 8.
118) Ghr. (Garolns Ludovicus d. i. Charles Louis) Bally, De
Euripidis tragoediarum partibus lyricis quaestiunculae. Diss. Berlin
1889. 54 S. 8.
119) E. Schwartz, De numerorum usu Euripideo I. Progr. Kiel
1891. 24 S. 4.
120) Th. Neu mann, Quid et ex elocntione et ex metrica arte
Cyclopis Enripideae redundet ad medium quem drama satyricum inter
tragoediam et comoediam tenet locum accuratius cognoscendum demon-
stretur. Progr. Colberg 1887. 17 S. 4.
121) Jacob Oeri, Die grofse Responsion im Rhesos und einiges
andere. Fleckeisen's Jahrbücher f. klass. Philol. 137. Bd. 1888.
S. 657—663.
No. 116 — 120 behandeln die enripidische Metrik von verschiedenen
Seiten, No. 116 die Responsionsgesetze der Dactylen und Anapästen vor-
wiegend textkritiscb. Dactylische Chorstrophen zeigen dieselbe strenge
Oriecbiacbes Drama. 231
Responsion wie bei Äscbylus und Sophokles, ebenso die in anderen
Strophen alloeometrisch verwendeten Dactylen. Dactylische Amoebaea
sind kaum freier, dactyliscbe Monodien sind dnoXsXufidva. Auch die
Anapästen baut Euripides gern antistrophisch, jedoch bei dem parakata-
logischen Vortrag mit freier Responsion. Accurata responsio, si dimeter
dimetro, paroemiacns paroemiaco, monometer monometro respondet, libera
autem si secus se habet et interduro tempus, quod necessarium est ad
ezplendam dimetrum in altera stropha aut pansa aut tone sappletur;
strenger ist die Responsion in der Parodos (Tro. Ale), in den Gomma-
ticis (Tro. Hec.)9 in carminibus solemnibns (Ion); freier in threnodischen
Monodien (Iphig. Taar. Hec. Tro. Iphig. Aul). — No. 117, ein Seiten-
stttck zu No. 47 des vorletzten Berichtes, untersucht sorgfältig Respon-
sion und Auflösungen der Logaöden des Euripides. Der Dactylus
nimmt nicht an der Freiheit der sog. Basis teil und abgesehen von dem
Polyschematismus, der nur im zweiten und dritten Glyconeum vorkommt,
respondiert er immer streng (doch Iphig. Aul. 764 ist deshalb Tpateg nicht
zu ändern, vgl. Ref. de numero dochmiaco p. 20) und duldet keine Auf-
lösung und Zusammenziehung, findet sich jedoch nicht selten zweimal in
einem Gliede, auch durch andre FoCse getrennt. Der Anapäst soll ganz
gemieden sein, auch in der Basis, wo ihn Arist. Ran. 1322 bezeugt und
auch einzelne Stellen bieten. Eine iambische Basis respondiert weder
mit einer trochäischen noch mit einer tribrachischen, daher Anacrusis
und Dehnung wahrscheinlich; sonst aber ist freiere Responsion in der
Basis anzuerkennea, bei einsilbiger Anacrusis kann sich Länge und Kürze
entsprechen; zweisilbige dagegen, meist nur vor Dactylen, respondiert
streng. Sonst wechselt Trochäus und Spondeus auch an vorletzter Stelle,
Tribrachys nur mit Trochäus. Die letzte Hebung wird bei akatalekti-
schem Schlüsse nie aufgelöst (Iph. Aul. 794 anders abzuteilen), bei kata-
lektischem nur nicht, wenn ein Dactylus vorhergeht, sonst aber ziemlich
oft, was jedoch für Ref. zweifelhaft bleibt. Denn von den 23 Beispielen
ist kaum eins beweisend, da Versabteilung, Lesung oder Messung un-
sicher. Endlich wird El. 437 u. 447 die Responsion elelktaaoiisvog und
Nü/i^€uag axomdg für annehmbar gehalten, jedoch Arist. Ran. 1314 und
1348 bezeugt nur die Dehnung, nicht die freiere Responsion. Die spon-
deischen vorletzten Ffifse finden sich besonders im Strophen- oder Perio-
denschlufs. Die Auflösungen sind nicht bedeutungslos, sondern bezeichnen
eine schmerzliche oder freudige Aufregung. Diese Auflösungen und
»Freiheiten c sind in den späteren Stücken viel häufiger. Darin ist aber
mit Hermann und Verf. S. 93 nicht incuria, corrumpi u. ä. zu sehen,
überhaupt kein Rückschritt, sondern ein natürlicher Fortschritt, vgl. vor-
letzten Bericht No. 67. — No. 118 bespricht eingehend die Kompositions-
arten sämtlicher lyrischer Partien des Euripides und stellt die Verschie-
denheit zwischen Äschylus, Sophokles und Euripides fest und wieder
zwischen den x6///xo/, rä dnö cxi^vr^g^ den Monodien und Chorgesängen,
232 Metrik.
vielfach im Aoschlufs ao Heinrich Schmidt, mit dem Verf. aoch ffir eine
gewisse metrische Einheitlichkeit aller Chorgesänge desselben Stfickes
eintritt, was Zielinski fQr Aristophanes behauptet hat, worüber vgl. letzten
Bericht No. 87 S. 114. — Über No. 119 s. Nachtrag, über No. 120
den Bericht über Euripides*^ — Zu No. 121 vgl. vorletzten Bericht
No. 56—61. Die grofse Responsion des längsten Aktes in vier sopho-
kleischen Stücken (Trachin., Elektra, Oedipus Tyr. und Philoctet) and
eine gleiche im Rhesos, einem Drama, das nach alter Überlieferang t6v
üo^oxXetov ^apoxT^pa bnofoivetv soll, ist dem Verf. »der stärkste Beweis
dafür, dafs es eine Zeit gab, in welcher die alten Dramatiker anf die
Verszahl im Grofsen achteten c
122) Theodor Zielinski, Quaestiones comicae. Petersburg. Ex
Ministerii ab Instructione publica Annalium a. 1886 fasc. 11 et 12
p. 53—175, auch Leipzig (Fock) 1887. 126 S. 8.
123) Otto Ribbeck, Zu des Aristophanes Acharnern. Leipziger
Studien. 8. Bd. 1885. S. 379-382.
124) Ottomar Bachmann, Th. Zielinski, Die Gliederung der
altattischen Komödie. Berliner philolog. Wochenschrift 1888. No. 18
S. 551—558, No. 19 S. 581—585 und No. 20 8. 613—619.
125) , Zur Kritik der Komoedien des Aristophanes. Philo-
logus Suppl.-Bd. V. 2. (1885) S. 229—260.
126) 0. Crusius, HofinvjxTot dvdnouaroe. Rhein. Mus. 43. Bd.
S. 197—202.
127) Friedrich Spiro, HufiTcruxroe dvdruiunoi. Hermes XXIII 4
S. 607-612.
128) Henri Weil, loiinroxrot dvdnaeffrot, Revue de Philo-
logie XIIL 1 S. 44—46.
129) Franciscus Perscbinka, De mediae et novae quae vocatur
comoediae atticae trimetro iambico. Dissertationes philologae Vindo-
bonenses III. 1. Leipzig 1891. S. 319-373.
No. 122 enthält im ersten Abschnitt De partitione comica eine Ab-
wehr gegen Blafs's Kritik von No. 87 des letzten Berichts, dywv sei
schwer ins Deutsche zu übersetzen, keinesfalls »Kampfe, sondern eher
»Streit«. — In No. 123 wird unter Abweisung von Zielinski's Hypothese
über eine Diasceue der Acharner nachgewiesen, dafs der Dichter der
Acharner mit feiner Komik keinen dyatv in der gewöhnlichen Form
baute. — Auch No. 124 behandelt besonders die Acharner und stellt für
dies Stück folgende Gliederung auf: L Prolog 1—203 (1—42. 43—173.
174—203). II. Parodos 204-279 (Chor 204-240, Procession 241—279,
eine Umstellung sei nötig, worüber 0. Bachmann, Philolog. Suppl.-Bd. V 2
Griechisches Drama. 233
S. 258-260 handelt). III. Proagon 280-488(280-346 Streit in Tetra-
metern, 347 — 392 Vorbereitungen, 393-488 Verkleidung). IV. Agon
489—627 (489—496 Chor, 497 — 556 Dikaiopolis' /S^tf^ff, 557-671 Streit
der Halbchöre, 572 — 627 Gewinnung des zweiten Halbchores). V. 1. Para-
base 628—718. VI. l. Syzygie 719—970 (719—835 Megarerscene, 836
bis 859 Chor, 860-970 Boioterscene). VII. 2. Parabase 971— 999.
VIII. 2. Syzygie 1000- 1066 (1000— 1007 Einleitung, 1008-1017 Amoi-
baion, 1018—1036 Der Landmann, 1037-1046 Amaibaion, 1047—1066
Der Hochzeiter). IX. 3. Syzygie (Exodos) 1067—1234 (1067 1142 Aus-
zug der Dikaiopolis zum Schmaus, des Lamachos zum Kriege, 1143—
1173 Chor, 1174—1234 Rückkehr der beiden). Übrigens sei bemerkt,
dafs der dem Ref. gemachte Vorwurf, Zielinski ganzlich mifs verstanden
zu haben, sich so aufklärt, dafs Bachmann die beiderseitige Ironie das
eine mal ernst genommen hat. Andre beachtenswerte Recensionen von
Zielinski's Buch sind von Zacher, Wochenschr. f. klass. Phil. 1886 No. 49
bis 51 S. 1646-63. 1669-77. 1609—15, ückermann, Phil. Anzeig. XVIII.
1887 No. 6/7 S. 353-361, M. W. Humphreys, The agon of the old co-
medy. American Journal of Philology VIII. 2 — 3 No. 30 - 31 Juli-
Oktober 1887 S. 179—206. — No. 125 bespricht S. 248—264 diejenige
Bildung des Tribrachys im iambischen Trimeter des Aristophanes, in der
die Cäsur hinter der zweiten Kürze eintritt, sodafs der Ictus auf die
Endsilbe eines zwei- oder mehrsilbigen Wortes fällt (vgl. Enger, praef.
ad Lysistr. p. 26 fg. und Rhein. Mus. 19. Bd. S. 134—136, sowie Rumpel,
Philolog. 28. Bd. S. 607 ). Verf. führt sämtliche 102 Fälle auf und weist
nach, dafs die meisten in der ersten Dipodie und im vierten Fufse vor-
kommen, je einer im dritten Ach. 71, und im fünften Ach. 830 (vom
Verf. unnötig geändert, da hier wie "Av. 1523 Elision verbindend und
entschuldigend hinzukommt). Als Grundbedingung dieser metrischen
Bildung versucht Verf. zu erweisen, dafs die überlieferten Tribrachen
sich auf Wörter verteilen, die in engster Verbindung stehen. An 13 Stellen
sind es eigentlich drei einsilbige Wörter, zu denen auch Av. 1527 S^ev 6
gezogen wird; an 15 ist das zweite Wort enklitisch, fünfmal äpa und
ydp^ an acht sind beide Wörter durch Elision verbunden, an 22 ist es
die Verbindung der Präposition mit ihrem Casus, an 13 handelt es sich
um formelhafte Verbindungen : dxouere Xeat^ aurcxa /laAa, ra^u nävu^ rtva
rpoTtou, in andern um Verderbnis oder Conjectur. Aber trotzdem bleiben
immer noch 12 ganz unbedenkliche Stellen, wo die angeführten Ent-
schuldigungsgründe nicht ausreichen. Auch diese will Verf. bewältigen.
Zwar Lys. 993 eldor ifid statt sldöra fis ist gleichgiltig, da Enklisis
eintritt, aber an andern Stellen kann keine engere Verbindung als die
grammatische Rektion angenommen werden, wie Nub. 884. Lys. 52. 102.
Thesm. 1049. Equ. 1169. Ach. 161, besonders auch Nub. 817; zwei Stellen
zeigen sogar Personenwechsel Ach. 1022 (Verf will ändern no^ev; I dnh)
und Plut. 838 (oTir/ St. ort). Mit allen den (^uisquilien des Verf. kommen
234 Metrik.
wir nicht Ober die Thatsache hinweg, dafs die Gesetze der nur einen
geringem Wert vertretenden irrationalen Senkung sich nicht aaf die ans
zwei vollen rationalen Kürzen bestehende Hebnng Übertragen lassen.
No. 126—128 bandeln Ober die von Hephaestion p. 56 W. ange-
führte Stelle aus Pherecrates. Grnsius mifst sie anapftstisch mit Paose:
ävdptg i:p6ff)^eTt rdv vouv wv_llv%> i^eup^fLare Koewp. Spiro findet die
Nenemng des Pheiekrates in der stich ischen Anreibnng eines bis dahin
nur als Glied lyrischer Strophen mit andern ähnlichen Versen vermischten
Kolons (kvoüv bei Hephaestion = avfatTuaaeiv des Pherecrates) and mifst
steigende loniker wie das Kallimacheische FaX^ fo^rphc dpen^. Weil
verteidigt seine in der Revue critiqae 1876. 1 S. 160 gegebene Erklft-
mng, wonach die fraglichen Verse anapftstische Dimeter mit Binnen- und
Schlnfskatalexe sind, wie Äsch. Pers. 694 fg.
No. 129 Ober den metrischen Bau des i. T. genannten Verses, ein-
gehend Ober die Formen des Spondeus und Tribrachys, Dactylen und
Anapasten als Ersatz des lambus. Proceleusmatische Formen wie. ww I
sjyj_ und www I wvy. werden verworfen (doch Mach. 2, 11 liest Ref. Saaje
Seä). Anfser den beiden allein von der alten Theorie und Oberhaupt
allgemein anerkannten Gäsuren werden noch drei Gftsuren nach dem
zweiten, dritten und vierten lambus angenommen, was jedoch das bei-
gebrachte Material nicht beweist, da Gäsurschlüsse wie ^atg' dXX^ dato^
8oQ, I : : xcu . . rov ßooXofievov, \ b , . dnöXnüS rou Zf'^fiou \ ip6pti . . un-
möglich sind und andre Verse die gewöhnliche Hauptcftsur gestatten,
wenn man die Freiheiten des Vcrsschlusses auch im Gilsurschlufs ge-
stattet, den Verf. ohne triftigen Grund strenger eingehalten wissen will.
Den Schlafs bilden Zusammenstellungen ftber prosodische Erscheinungen,
Positio debilis u. ä. — Im Anschlufs hieran sei erwähnt, dafs auch in
No. 161 Einzelnes Ober die spätere attische Komödie beobachtet wird,
im allgemeinen S. 2 fg., S. 23, latente Gäsuren S. 198 fg., Vernachlässigung
der Hauptcäsur S. 199 — 206, Bildung der Hebungen S. 261-^264 und
269—273, endlich S. 380 fg., daüs die Trimeter der Komödie zwar ohne
Musikbegleitung, aber mit reicher bndxptatg (fiepa^ae^ vgl. Arist. bei
Hephaest. p. 19 W.) oder ausdrucksvollen tanzartigen Bewegungen vor-
getragen wurden, ähnlich (nicht gleich!) den Sotadeen. Wenn 0. Grusius,
Litt. Gentralbl. 1891 No. 7 S. 213, dies als marionettenhafte Gebunden-
heit verwirft, so sei nur daran erinnert, wie in unsern bessern Spielopern
ein tüchtiger Buffo seine Rolle vorträgt oder wie gute englische Schau-
spieler eine Sbaekespearische Komödie geben, oft so, dafs alles immer
in Bewegung ist oder wirklich tanzt, wodurch das Ausgelassene der
schwankartigen Handlung, wie wir sie so oft auch bei Menander und
Terenz finden, erst ansprechend wird. Auch aus der schon viel erörter-
ten Aristidesstelle Ober die Sotadeen läfst sich kein Schlafs gegen diese
Auffassung ziehen. Denn hier soll nur bewiesen werden , dafs j^uBpoc
vorhanden sei schon in der blofsen Orchestik wie im fid^^ und in der
Saturnier. 235
blofsen Xe$eC' Für letzteres werden als Beispiel die Sotadeeo erwähnt,
wie Ref. meint mit Westpbal und Sasemihl u. a. , weil sie wirklich nur
Xe(ec waren , die bnoxptatQ dazu nur nenXaajAsvij d. i. fingiert (anders
Graf No. 30. S. 80). Der komische Trimeter mit seinem mimetischen
Vortrage, seiner wirklichen bnoxptatg hätte nicht in diesen Znsammen-
hang gepafst. Auch war er ja nur ein Teil der Komödie und diese ge-
hörte nach alter Technik zu den iitxrd.
VI. Der saturnische Vers der Römer.
180) Otto Keller, Der saturnische Vers. Zweite Abhandlung.
Prag 1886. 42 S. 8.
131) Feiice Ramorino, Del verso Saturnio. Memoire del R.
Istituto Lombardo di Scienze e Lettere. Vol. XVI, VII della Serie III.
S. 216-250, auch Separatabzug. Milano 1886. 36 S. 4.
132) , Sul verso Saturnio. Due letture. Giornale di filolo-
gia I 2, S. 123—124.
133) , Alcune osservazione sulla quistione dei verso Saturnio.
Memoire deir Istituto Lombardo XIV, 3.
134)LuigiValmaggi, La quistione de saturnio secondo una
recente teoria. Rivista di filologia XIV 6/6 S. 218-225.
135) J. Mäbly, Versus Saturnius (bei Naevius). Zeitschrift f.d.
österr. Gymn. XXXVIII. 8/9 S. 689.
136) Nettleship, On recent theories of the Saturnian verse.
Transaction of the Oxford Phil. Society 1886/1887. S. 23-25.
137) Carl Pauli, Altitalische Studien. Hannover. 4 Hefte. 1883
bis 1885. S. 75-85.
138) Aemilius Baehrens, Analecta ad versum saturnium spec-
tantia. Im Fragmenta poötarum Romanorum (Poötae minores vol. VI).
Leipzig 1886. 427 S. 8.
139) Carolus Zander, Versus Italiciantiqui. Lund 1890. GXXVII
u. 124 S. 8.
140) , De homoeoarcto Saturniorum versuum. Commentationes
Wölfflinianae. S. 239—243.
141) Ed. V7öff li n , De Scipionum elogiis. Revue de philologie XIV.
S. 113-122.
142) Rudolf V7estphal, Klotz, Richard, GrundzOge altrömischer
Metrik. Götting. gelehrte Anzeigen 1891. 6 S. 212 222.
236 Metnk.
No. 130—134 verfechten die Theorie ooprosodiscber Satnniier, s.
letzten Bericht No. 90 96 and Ref. in der Berliner philolog. Wochen-
schrift VI. (1886) No. 18 S. 560 fg. Ramorino bespricht auch die sp&t-
lateinische Dichtang, einige metrische Inschriften, Soldatenverse aas der
spätem Kaiserzeit and Commodian, dessen Verse nach dem Vorbild d er
nach dem Wortaccent gesprochenen Verse Vergils entstanden sein sollen.
Der Saturnier ist ihm ein zweiteiliger Vers aas vier betonten and vier
oder mehr anbetonten Silben mit einem bald längeren, bald kfirzeren
Auftakt. Wertvoll ist die Übersicht der satarnischen Poesie nach histo-
rischen nnd sachlichen Gesichtspnnkten. — No. 134 ist eine beifällige
Recension von No. 131. — Pauli konstatiert im Arvallied Kurzzeileo
von vier Hebnngen mit facnltativem Auftakt, s. Qbrigens W. Deecke , in
unserm Jahresber. XLIV. (1885. III) S. 244. — Bährens sieht im Sa-
turnier die Verbindung zweier katalektischer iam bischer Dimeter mit je
drei Icten (tripudium). Die letzte Thesis des ersten und die erste Thesis
des zweiten Dimeters kann unterdrückt werden. Hiat ist gestattet nach
Gäsur und einer Arsis; tn und s im Auslaut sowie h sind volle Konso-
nanten, qu macht Positionslänge. — Zander sucht unter Benutzung
auch späterer Inschriften und sprichwörtlicher Sentenzen aus klassischen
nnd sogar nachklassischen Schriftstellern zwei Arten satumischen Vers-
baues nachzuweisen, eine streng gräcisicrende und eine freiere itah'sche,
vgl. darüber Ref. im Litterar. Centralbl. 1891 No. 2 S. 51 fg; anerkennend
ist Cari Pauli, Neue philo!. Rundschau 1891. 5 S. 136—139. — Wölfflin
schliefst aus der Buchstabenform, Nachahmung der Calatinusinschrift und
Anklängen an die gräcisierende scenische Poesie, dafs die ersten £io-
gien: hone oino und Cornelius Lucius um das Jahr 200 abgefafst wären^
und verteidigt Havet's Mes.sang vlro mit umbrischen veiro, auch bei
Naevius 13 und 43 MflUer. Alte Elogiensitte sei es gewesen, den Inhalt
in zweimal drei Satumien zu verteilen. Westphal stQtzt seine Ansicht
über den Saturnier, vgl. letzten Bericht No. 92 und oben No. 51 durch
eine Betrachtung der verschiedenen Kunstformen der Poesie bei den
semitischen und indogermanischen Völkern. — Endlich hat Referent
in No. 151 den Saturnier vielfach behandelt und zwar die Prosodie
S. 96ffg., Schlüsse S. 225 ffg. u. 233ffg., das Dipodiengesetz S. 3l7fg. u. a.,
das streng mit der griechischen Tragödie übereinstimmende Dipodien-
schlufsgesetz (vgl. oben zu No. 35) S. 226 fg. 233 und im allgemeinen S. 363.
Vn. Metrische Schriften über das römische Drama.
143) L^on Vernier, De senariis Italicis. Vesontione (Besan^n)
1888. 78 S. 8.
144) , £tude sur la versification populaire des Romains ä
r^poche classique. ßesaiiQon 1889. 68 S. 8.
Römisches Drama. 237
145) P. Langen, Zur Accentlebre. Philologus 46. Bd. 1887. 2.
S. 400 — 420.
146) Hermannus Leppermann, De correptione vocabuloram
iambicorum, quae apud Plautum in senariis atque septenariis iambicis
et trochaicis invenitur. Gomm. philol. Münster 1890. 84 S. 8.
147) Aloysius Boebmer, De correptione vocabuloram natura
iambicorum Terentiana. Comm. philol. Münster 1891. 69 S. 8.
148) F(ranz) B(ttcheler), Prosodisches zu Plautus. Rhein. Mus.
41. Bd. 1886. S. 311—313.
149) 0. Keller, Zu Plautus und Terentius. Fleckeisen's Jahrbb.
f. kl. Philol. 133. Bd. 1886. S. 863—864.
150) Louis Havet, L's latin caduc. £tudes roroanes d^di^es k
Gaston Paris le 29 Dec. 1890 par ses 61^ves fran^ais et ses ^Idves
ötrangers des pays de langue frangaise. Paris 1891. S. 303 — 329. 8.
151) Richard Klotz, Grundzüge altrömischer Metrik. Leipzig
1890. X u. 590 S. 8.
Yernier (No. 143 u. 144) sucht erneut nachzuweisen, dafs die von
der klassischen abweichende Prosodie und Metrik der scenischen Dichter
Roms durch vulgäre Aussprache sich erkläre. Gelungen ist die Wider-
legung von Havet's Theorie der brevis brevians (vgl. vorletzten Bericht
No. 69) und hervorzuheben die eingehende Berücksichtigung der Vers-
kunst des Phaedrus.
P. Langen in No. 145 verteidigt gegen W. Meyer (vgl. letzten
Bericht No. 98) die Theorie RitschFs und seiner Vorgänger und betont,
dafs die Natur des lateinischen Accents eine andere als die des griechi-
schen ist, dafs bei der Auffassung der alten Schule die spätere accen-
tuierende Poesie sich natürlich erkläre, während Meyer zu ihrer Erklä-
rung (vgl. oben No. 46) ein fremdes Element heranziehen mufs, ferner,
dafs Meyer für die Vermeidung des Widerstreits zwischen Wort- und
Versaccent im dritten Fufse des Senars eine andere Erklärung nötig hat
als im zweiten und vierten Fufse und wieder eine andere für die Ver-
meidung der Betonung der kurzen Paenultima in drei- und mehrsilbigen
Wörtern, während nach Bentley^scher Theorie das alles aus einem Ge-
sichtspunkte erklärt wird. Dafs spondeische und anapästische Wörter
seltner im zweiten und vierten Fufse ständen als iambische, habe seinen
Grund darin, dafs erstere in natürlicher Betonung überall im Verse Platz
fänden, die iambischen Wörter aber sonst nur noch am Ende. Die
Regel über iambische Schlüsse sei eine Folge der Vorliebe der Römer
für schwerere Bildung des Versfufses, aber die häufige Anwendung der
gewöhnlichen Cäsuren eine Folge des Strebens nach Übereinstimmung
von Wort- und Versbetonung. Dies beweise auch die Thatsache, dafs,
238 Metrik.
iveDo maD auf die Trimeter des Aristophanes die lateiDischeo Betoonogs-
gesetze anwendet, die Übereinstimmung der Versicten mit der angenom-
menen Betonung bei weitem noch nicht so häufig wäre, als im Senar
des Plautus und Terenz. (Doch läfst sich dies u. ä. auch noch ganz
anders erklären; vgl. No. 151 S. 278.) — No. 146 giebt eine sorgfältige
Zusammenstellung iambischer Wörter, die bei Plautus in den gewöhn-
lichen drei Dialogmafsen nicht gekürzt oder gektlrzt vorkommen, nach
Nomina, Verba und Particulae, vollständiger als Mtlller (Plaut. Prosodie),
weil alle 20 Stflcke berücksichtigt werden, unvollständiger, weil alle sog.
freieren Mafse, besonders die iambischen Octonare und die Anapäste,
wo gerade viele solche Kürzungen stattfinden, unbeachtet geblieben sind.
Als strengster Anhänger der Ritschrschen Schule (z. B. fallende Proce-
leusmatiker und iambische Wörter in der dritten Stelle des Senars,
selbst in Elision werden verworfen) richtet sich Verf. gegen Müller's
und Referents Ansicht, ohne jedoch ein neues entscheidendes Moment
geltend machen zu können. Wie wenig derartige Zahlenzusammenstellun-
gen in solcher Hinsicht beweisen können, zeigen Beobachtungen wie
S. 79: in septenario troch. — in particulis formas in vocalem exeuntes
correptas (89) numero antecedere formas uon correptas (31), cum in
senar. et sept iamb. hae praevaleant. Fruchtbarer wäre eine vom Verf.
unterlassene der ersten Silbe solcher Wörter. Je leichter diese, desto
häufiger die Kürzung und umgekehrt. So wird bei sämtlichen schweren
Kürzen der positio debilis nie gekürzt. Gegenüber den häufig ge-
brauchten, iambisch gemessenen Formen, wie lucri lucro sacro sacris
sacres stupri probri plagri popli capro libro libros libris labris scutris
scabrae patris patri patres utri u. ä. findet sich nur ganz vereinzelt ßa.
1041 ütram schwerlich richtig, Ba. 404 pätr^m (beides vom Verf. nicht
erwähnt) und in Anapästen Ba. 641 duplex, 1166 pröbrt, wo jedoch
Hermann und Ritschi: probripellecebrae lesen, 480 labra ä labris in
einem lückenhaften Verse, Aul. 715 obsecrö. Selbst Kürzungen bei qu,
wie löquör Pseud. 156. Asin. 152 (Amph. 407 jedoch löquör) und aqua
Stich. 852 steht eine grofse Anzahl schwerer Messungen gegenüber: coqul
coquös coquet equas equös equis aqua aquae loqui löquör loquär seqaör
liquet nequis nequit. Dies spricht für Referents Erklärung. Sprachlich
war die leichte erste Kürze z. B. in levi noch keine volle Mora und die
unbetonte Schlufssilbe nicht mehr zwei volle Moren (etwa V^-h 1V>)) beide
zusammen schwankten zwischen dem Werte von zwei und drei Moren
und galten unter dem solche Bruchteile nivellierenden Einflufs der Me-
trik bald als drei, bald als zwei Moren, ohne dafs sprachlich wirklich
etwas beschnitten zu werden brauchte, wie etwa patre^ statt patrem, vgl.
Ref. No. 151 S. 65 u. 306. — No. 147 giebt gleich sorgfältig und ebenso
rubricierte Zusammenstellungen aus allen Versen des Terenz, der im
ganzen Grofsen mit Plautus übereinstimmt; nur modo, ubi, ibi, mihi,
sibi (tibi 4 mal iambisch), ego, -or, -at, -et, -it u. ä. soll er nur mit
Römisches Drama. 239
letzter Kflrze brauchen, -It im Perf. ist lang in stitit (so auch noch bei
Roms späteren Dichtern). In der inneren Senkung der iambischen und
trochäischen Dipodien liebt er iarobische Wörter: Andr. 760. Heaut. 812.
1031. Hec. 223. 753. Ad. 167 (doch sind diese Stellen nicht alle sicher).
Hec. 527 wird gat als Octonar gemessen. Wie in No. 146 wird in eo,
eos, deos, scio u. s. w , sofern sie nicht iambisch gebraucht werden,
immer Synizese angenommen, doch läfst sich diese Annahme nicht be-
weisen, da sich die berQhrten Zahlenverhältnisse auch ganz anders erklä-
ren lassen, s. zur vorigen No. 146.
No. 148: Nach der Regel ' vocalis ante vocalem corripitur* sind
viele griechische Lehnwörter in plautinischer Zeit gekürzt worden: bali-
n^um, gunaec^um, platea, PhilippSos, Al^os, Seleucia; so auch Ghius
oder Cius trotz Xioc Poen. 699. Gurc. 78, ebenso Asin. 333 PellaSo oder
Pelleo. — No. 149 will Überall, wo senex pyrrhichisch zu messen ist,
eine Nebenform senis einsetzen, vgl. Referent, No. 151 S. 55, Anmerk.,
wo das Gitat versehen ist. — No. 150 untersucht gründlich den Gebrauch
des auslautenden s vor kurzem Vokal bei den lateinischen Scenikern (mit
Ausschlufa der Anapästen) und bei den hexametrischen Dichtern bis in
die Giceronische Zeit. Ergebnis: les contemporains de Gaton TAncien
pronon^aient tempu plutöt que tempus; si Vs de tempus a repris
vie eu latin et a fini par subsister en frangais, la cause pr6mi^re en est
dans un detail de la technique des rhapsodes grecs. Gelegentlich er-
wähnen wir hier die Behandlung einer allgemeinen prosodischen Frage
durch F. d'Ovidio, della quautitä per natura delle vocali in positione.
Miscellanea di filologia 1886, und dafs J. Dosson, Que, ve, ne apr^
un e bref, Revue de Philologie, n. S. XIV, S 65 — 56 die genannte Er-
scheinung auch aus Gaesar (bell. Gall. civ. sowie Afric. u. Alex.) belegt
vgl. vorletzten Bericht No. 24.
No. 151 sucht den Versbau der römischen Dramatiker durch schär-
fere Berücksichtigung des griechischen Vorbildes und der saturnischen
Verse sowie durch Anlehnung an die spätere Metrik der Römer zu er-
klären, ohne sich die Aufgabe zu stellen, jede Einzelheit in monogra-
phisch ausgeführter Weise zu erledigen. In dem was nach Scheidung
der altrömischen und griechischen Elemente zurückbleibt, wird das ge-
funden, was die Dramatiker Roms selbständig geschaffen haben, um die
beiden zum Teil recht ungleichartigen Bestandteile zu einer höheren
Einheit zu verbinden. Alles dies erklärt sich dem Verf. aus dem künst.
lerisch wie historisch gerechtfertigten Streben nach gleichmäfsiger Be-
handlung der metrischen und rhythmischen Formen innerhalb des bei
aller Mannigfaltigkeit einheitlich zu gestaltenden Kunstwerkes. So wird
in der Prosodie das metrische Kürzungsgesetz nicht blofs in
iambischen und iambisch anlautenden Wörtern und Wortverbindungen
gefunden , sondern auch in iambisch endigenden und zwar nicht blofs in
Anapästen, die überhaupt keine besondere Freiheiten aufweisen, sondern
240 Metrik.
auch )D lamben und Trochäen. Ebenso beim Hiat. Per logische,
aufser bei Antithesen und Eigennamen besonders bei Personenwechsel,
wird vom prosodischen und metrischen ferngehalten und darum auch
hierbei die kurze Schlufssilbe in Hebung wie Senkung zugelassen (dafür
über 30 Beispiele); der pro sodische Hiat, auch bei mehr- als ein-
silbigen Wörtern, wie im griechischen Vorbilde und in den verschieden-
sten Dichtungsgattungen der Römer, auch bei Plautus bei den Anapästen
in Hebung wie Senkung (mentem ämabo, plorä ämabo. Nam hunc dnulüm
ab tui und mitte me äctutum), in den übrigen Versmafsen nur in Hebung,
alles wie im Griechischen, wie Düae unum expetitis palumbem, öfters
in A und P, je einmal von Nonius und Priscian bestätigt, über 60 Bei-
spiele, darunter Gas. 756 Mihi inanitate iamdudum intestina murrourant
mit P, nicht Mihi ieiuuitate, das auch nicht in A steht, weil inanitas der
gewähltere Ausdruck ist und mit intestina allitteriert, ib. 994 Tut amoris
causa. :: Ego istuc feci? :: Immo Hector Ilius mit P und [Servius]. A
ecastor unmetrisch statt ector; aber nicht ibid. 447 iaciam (clamy u. Ba.
946 id6m ^sum) Ulixes; ferner animnle mi Glympio. omniä quae isti
dedi, 6 Beispiele ; auch obsequi animo suo, wie qnt animo suo, und sequi
änimo suo, und Glanculüm abii a legione, über 30 Beispiele, dazu Aul.
455, je eins von Varro und Gbarisius bezeugt, überall an den Stellen
nnd unter denselben Umständen, wie die entsprechenden Wörter mit
Schlufskttrze ; dagegen Hiat einsilbiger Wörter in iambisch-trochäischcn
Senkungen (Fleckeisen, Luchs) nur in einzelneu Fällen sprachlicher
Enklisis wie Asin. 706 ikm de hordeo, vgl. nöque dehörtarl dccet. Der
metrische Hiat bei Plautus nach dem saturnischen Vorbilde in der
iambischen Hauptcäsur iambischer und der trochäischen trochäischer
Langverse, letzterer wiederholt von Festus und Nonius bestätigt, auch in
der seltneren iambischen Gäsur trochäischer Septenare, weil dort zwei
sonst auch selbständig gebrauchte Dimeter entstehen, dafür allerdings
nur fünf Beispiele, von denen sich zwei anders messen lassen, weshalb
dieser Hiat von Niemeyer und Seyflfert, s. u., verworfen wird, doch wird
er auch noch überliefert Gas. 532 und Gist. 494 Ussing. Bei Terenz
sicher kein prosodischer Hiat bei mehrsilbigen Wörtern, wohl auch kein
metrischer, nur für die Diärese iambischer Langverse wird er noch zwei-
felhaft gelassen, Hec. 741 istac de re statt de istac re oder mit Bentley
magnam — gratiam — quod statt magna — gratia— quam? Die bei Plautus
zahlreich überlieferten Hiate in der Senarcäsur entstammen dem Einflufs der
spätem Technik, auch in den Argumenten, c. 169 n. Ghr. nach Ausweis
einer guten Inschrift, jedenfalls nicht vor dem dritten nachchristlichen
Jahrhundert diplomatisch zu erweisen, vgl. S. 173 fg., auch in der trochäi-
schen Gäsur iambischer Verse ist der Hiat nicht zulässig, trotz Amph.
251 (illi wie vier Verse vorher statt illic zu lesen, Nonius illis, E illi)
und Ba. 946. Epid. 26; wohl aber in sämtlichen Hauptdiäresen der ana-
pästischen, cretischen und bacchiischen Langverse (für letztere 5 Beispiele,
Eömisches Drama. 241
dazu Poen. 240 vgl. S. 344), aber nicht in den iambischen Nebencäsuren
der Anapästen und Bacchien, Poen. 211 Et navem, 214 sat istae statt
satis hae. — Die Metrik behandelt den Bau der Cäsaren und Schlüsse
und die Bildung der Hebung und Senkung. Gebrauch der latenten Gä-
suren und Vernachlässigung der Hauptcäsur ist in iambischen und trochäi-
schen Versen gestattet, wie im griechischen Vorbild, in Anapästen, Päo-
neu und Bacchien wieder nach Analogie der lambeu und Trochäen. Eine
Nebencäsur im erotischen Tetrameter, etwa nach der ersten Hebung des
zweiten Dimeters ist nicht anzunehmen. Trochäische Schlüsse sind
nach dem saturnischen Vorbilde gebaut, also die vorletzte Senkung wird
nur bei einsilbigem Schlufswort rein gehalten, so aber auch in Anapästen
(scir^ püto me) und ähnlich im katalektischen Päon (est üt äb^am) und
brachykatalektischen Anapäst, wie Gas. 756 f. Fttr iambische Schlüsse
wird das Luchs^scbe Gesetz anders als bisher begründet und dahin er-
weitert, dafs Schlüsse wie r^veniät senex (von Nonius bestätigt) und
selbst Doppeliamben in Elision zugelassen werden, wie quoius ille ager
fuit. Die aufgelöste Hebung wird nur insofern der griechischen ähn-
lich gebildet, als Plautus (nicht Terenz, Hec. 701 Omnibus, Eun. 848
Desine iam : couclamatumst in Enklisis) den auf den Endkürzen betonten
Dactylus braucht, meist im Beginn wie der Anapästen so der lamben
oder des zweiten iambisch einsetzenden Teiles der Langverse, und ver-
einzelt auch tribrachisch endigende Wörter; sonst aber abweichend.
Denn wird eine Hebung durch kurze Endsilbe und kurze Anfangssilbe
gebildet, so ist in der neuern attischen Komödie das erste Wort ein
Trochäus oder Pyrrhichius, im Lateinischen kann es jede in den Vers
passende Ausdehnung haben; das zweite Wort ist wieder im Griechischen
freigegeben, im Lateinischen aber mufs es ein zweisilbiges iambisches
oder pyrrhichisches oder ein solches dreisilbiges sein, das den Worttou
auf der ersten Silbe hat (dicere l^pidö modo, nicht dicere mÖdestö modo),
auch so, dafs ein Proceleusmaticus entsteht: r6s agitür äpud iüdices
oder ein solches vier- oder mehrsilbiges Wort, das einen starken Neben-
ton auf der ersten, der Stammsilbe bat. In Anapästen ist die aufge-
löste Hebung teils streng nach griechischen Regeln: ut tüö guttüri sit
monumentum (nicht etwa tuo; es bleibt bei den drei S. 286 angeführten
Ausnahmen, da die von Seyffert, s. u., hinzugefügten Stellen sämtlich
ganz unsicher und darum von Verf. vor der Drucklegung aus seinen
Sammlungen gestrichen sind), teils wie in den entsprechenden lamben
gebaut, wodurch gegenüber dem steifen Vorbild ein wunderbar belebtes,
aber durchaus nicht regelloses Versmafs gewonnen wird; selbst der Ge-
brauch der seltnen proceleusmatischen Formen zeigt grofse Vorsicht.
Dagegen im cretischen Verse ist die Auflösung sehr beschränkt durch
Zerlegung der Tetrameter in je zwei Dimeter, weil darum zweimal iam-
bischer Schlufs streng einzuhalten ist (fast nur uosträ süperät mänüs
und r^veniünt u. ä.), ebenso auch durch das Sprachmaterial, vgl. S 299.
Jahresbericht für AlterthumswUsenschaft. LXIX. Bd. (1891. lil.) IQ
242
Der Bacchias gestattet dieselben AaflösoDgen io der ersten Hebung
wie die kataJektische iambische Dipodie und, da Plantns die Takte
innerhalb der Dipodie öfter bindet, auch in der zweiten Hebung des je
ersten Taktes, doch immer nur im Anfang eines Wortes, ebenso auch im
zweiten Fufse des Tetrameters nach der iambischen HanptdUor, und wird
so, zumal die Doppelkfirzen der Senkung immer nur solche der leich-
testen Natnr sind, S. 343, in seinem Wesen durchaus nicht zerstört, wohl
aber erheblich belebt Die erste Senkung der lamben und Trochäen
ist nicht freier gebaut als die Obrigen, Men. 386. Epid. 3 findet Enklisis
statt, ebenso Truc. 262 nach A und P, und ?on Sejffert, s. n., hinzu-
gefügt Poen. 512 Siciue oportet nichts zu ftndem. Stich. 135 nach Fleck-
eisen; im Anfang des zweiten Teiles Ba. 411 (perdit, Dittographie). Cist.
610 (enim statt etenim), Most. 842 (est ?erstellt). Trin. 1127 unsicher.
Mil. 721 ebrius. Vid. fr. V, 3. Stich. 769 Qui lonus ant etc. Auch in
allen inneren Senkungen ist der Anapäst, bez. Ghoriamb statt des lambs,
wenn er auch im zweiten Fufse des Seuars selten ist (GrOnde dafür
S. 566), wie im Griechischen principiell zulässig, ebenso Spoudeen nach
altrömischem Vorbilde, aber meist nur in der S. 132 fg. des letzten Be-
richtes angegebenen Weise und bei Auflösung der vorhergehenden He-
bung, endlich fallende wie steigende Proceleusmatiker, auch von Festus
und Douat bezeugt, ganz wie in den Anapästen, wenn Hebung and Sen-
kung durch Wortscblufs mit oder ohne Elision geschieden ist, oder bei
längeren Wörtern, die den beiden oTjiieta des Einzelfnfses ihrer Zu-
sammensetzung nach entsprechen. So zeigt sich bei grofser Beweglich-
keit und reichem Wechsel nirgends ZOgellosigkeit und Freiheit, sondern
tiberall Strenge und Konsequenz. — In der Rhythmik wird das Wesen
der einheitlichen Technik, die verschiedenen Vortrags- uud Kompositions-
arten und Rhythmeugattungen nach Ethos und Gebrauch besprochen,
besonders eingehend die Arten der Rhythmischen Metabole, Antithesis,
Epimixis alioeometrischer Reihen, taktwechselnde Verse meist xarä
azi^oy^ taktwechselnde Gantica sowie die Metabole der Kompositions-
arten. Die Römer haben fast alles aus der Rhythmik der Griechen sich
angeeignet, wie die mit Gestikulation oder Tanz ausdrucksvoll begleitete
Deklamation, die noLpaxaxaXoyij^ das Recitativ und den eigentlichen Ge-
sang iu Einzelvortrag und Chor, in bescheidenem Mafse auch antistro-
phische und cpirrhematische Komposition im Melos und Dialog. Der
Gebrauch selbst der einfachsten Kunstmittel und der einzelnen Rhythmen
bleibt oft noch ganz der alte, aber da man sich mit Recht nicht mehr
au die iu Athen angelegten Schranken gebunden fnhlte, so wurde das
griechische Material auch vielfach erweitert und bereichert, indem man
auch eine nicht minder belebende einheitliche rhythmische Technik durch-
führte, d. h. alles, was in der einen Rbythmengattung und Kompositions-
weise gewagt und gelungen war, soweit möglich, zum Gemeingut aller
machte. So wurde namentlich die Systembildung stilgerecht erweitert,
RömiBcbes Drama. 243
ebenso der Gebrauch der Anapästeo und der bei den Griechen immer
nur auf wenige Takte (selten auf auch nur zwei Tetrameter) beschränkten
Baccfaien, was alles im Einzelnen erläutert wird. — Die dem Ref. be-
kannt gewordenen Recensionen erkennen fast sämtliche Hauptergebnisse
an und geben sehr dankens^ v3rte Verbess erungen und Nachträge im Ein-
zelnen. So Max Niemeyer, D. L. Z. 1890. 40 S. 1457-1459 zu S. 28
Z. 3 Baier statt Beier, S. 42 Z. 7 auxilio statt auxilium, S. 46 Z. 15 istic
auch anders zu messen, und tadelt die unkorrekten Zahlen, die jedoch
zweimal, bei der Korrektur und Registrierung verglichen wurden, sodafs
nur wenig Versehen geblieben sein können, wie denn die gerflgten neun
Citate bereits im Register berichtigt sind, sodann die ungenttgenden
Sammlungen, wie S. 46, was 0. Seyffert, s. u., sogar zu einer »unsäg-
lichen Unordentlichkeitc steigert, während Verf. S. 44 — 46. 55 - 58 aus-
gesprochener Mafsen einen »durchaus nicht erschöpfenden und aus dem
von Müller . . . gegebenen Materiale leicht zu vervollständigenden Über-
blick« nach drei metrischen Gesichtspunkten giebt in einer längst abge-
thanen Sache ! Endlich schliefst N., wo Verf. eine neuere Änderung des
Textes ignoriert, gleich auf Ignoranz, mit welchem Rechte, ersieht man
z. B. aus* Cure. 517, wo Verf., weil er: quaeso ut hanc eures bene sit
isti hält, Lachmann's Worte nicht gelesen haben soll. Aber aus diesen
geht ihm hervor, dafs curare c. coni. ohne ut bei Plautus, wo noch ein
stilistisches Moment (Vermeidung eines doppelten ut) mitspricht, wie bei
Lucrez richtig ist, da es im Umgangston üblich ist, sicher im Gicero-
nischen Briefstil, bei Lucilius und Horaz, ferner bei Phaedrus, Petronius
und wieder bei dem archaisierenden Fronte. — 0. Crusius, Litt. Gentral-
blatt 1891. 7 S. 212-215 berichtigt S. 40 Z. 4 Verbalformen, S. 278
zweimal corpora, S. 372 Z. 6 Zielinski, S. 558 Z. 18 p. 43 st 45 (S. 554
Z. 12 ist aus im Sinne von nach gemeint) und erklärt das metrische
KOrznngsgesetz etwas anders, vgl. No. 146, und meint, wie auch Weissen-
horn, Blätter f. d. bayr. Gymn." Wesen 1891. 5 S. 296-298, Verf. beur-
teile die Römer zu günstig gegenüber ihrem Vorbilde. Doch handelt es
sich hier immer nur um die metrische Kunst, und dafs die neuere atti-
sche Komödie keine neuen metrischen Formen schuf, sondern im alten
Geleise sich fortbewegend ziemlich einförmig wurde, läfst sich nicht
widerlegen. Weiter sei die einheitliche Technik eine »Verarmung!, an
Stelle eines edeln Instrumentes mit vielen Registern sei ein neues mit
einem einzigen getreten. Vielmehr wurden die einzelnen Register nach
Gebrauch und Wirkung beibehalten, wie oft betont wird, z. B. S. 556,
nur wurden öfters mehrere Register zugleich angeschlagen und so hat
die Einheitlichkeit hier nicht Einförmigkeit und Verarmung, sondern Viel-
seitigkeit und Bereicherung gebracht. Über andre Ausstellungen s. oben
No. 83 und 129. - 0. Seyffert in seinei Berlin, philol. Wochenschrift
1891. 28 8. 878—884 und 29/30 S. 924—930 verbessert, abgesehen von
bereits Angeführten S. 82 Z. 37 Lesung statt Goniectur, S. 91 Z. 17 zwei-
16«
244 Metrik.
statt eiD- und Z. 25 conservitiam c. statt c. conserv., 8. 124 Z. 20 fehlt
bei Pers. 498: nach Vermutung, S 174 Z. 8 'hier' vor 'hiatuslose'. S.
340 Z. 20 St. 'u. einige andre': Amph. 103. Mil. 1095. Vid. fr. III 63
(doch sind es dann auch nur sechs Beispiele). S. 485 Z. 27 'Spengel*
nach A. S. 547 Anm.: Handschrift 6, wie schon richtig S. 57 angegeben,
8. 548 Anm.: Die Handschriften sitiare sicine hoc etc. 8. 539 zu Most.
332 te-araplectare st. ted- amplectere, da das zur Verteidigung der
Überlieferung angenommene Anakoluth schwer glaublich erscheint. Andre
dem Verf. zugeschriebene »Irrtümer und Mifsgri£fe< erklären sich aas
dem abweichenden kritischen 8tandpunkt. 8. erwähnt z. B. als »eins der
zahlreichen begrtlndeten Bedenken! gegen die Responsion von Ba. 1150
bis 1206, dafs »für den, der den plaulinischen Sprachgebrauch von age
Übersieht«, Verfs. Erklärung von Ba. 1191 »völlig unstatthaft ist«. Ref.
beweist der Vers nur, dafs man den Sprachgebrauch der Komiker nicht
allzu engherzig einschränken darf. Denn hat Cicero vereinzelt Mil. 19, 49
Age mit dem modus concessivus und folgender Frage gebraucht: Age
Sit ita factum, quae causa cur etc., dann kann auch Plautus hier einmal
in ähnlichem vom Zusammenhang geforderten Sinn sagen: Age iam id —
patiar. Egon — inspectem?, zumal age mit Frage plautinisch ist und
age oder age iam besonders bei Terenz mit einer coucessio vorkommt:
Age dicat: sino. Age age iam ducat: dabo. Ähnlich ist es mit der
zweimal Oberlieferten und an sich echt lateinischen Redensart: manus
addita est, die man wegen eines bisher noch nicht einmal erklärten, wohl
dreimal gebrauchten activen adii manum ändern will, was in dem einen
Fall das Metrum gar nicht gestattet, und mit vielen andern sprachlichen
und metrischen Einzelheiten: huiüs, eiüs (doch Gas. 356 Opinione melius)
u. dgl. Auch S.'s übrigen zahlreichen Ausstellungen scheinen dem Ref.
unbegründet oder geradezu auf Mifsverständnisseu oder Irrtümern be-
ruhend, wie die verschiedentlich falschen, die ganze Grundlage der Frage
verschiebenden Angaben über den prosodischen Hiatus, den auch das
griechische Drama in der iambisch - trochäischen Hebung kennt 8. 122,
ähnlich über den Senarcäsnrhiat (Gas. 347 bezeugt Festus keinen Hiat,
sondern caesura latens), über die drei (!) von Nonius benutzten Receu-
sionen des Plautus, s. LXIII.Bd. (1890. H) S. 3, f^nestra, das einem nur er-
schlossenen monestrum gleich gesetzt wird, aduptaticium als »sichrer Beleg für
die Verkürzung einer hochtonigen Silbe bei Verrückung des Versaccentesc,
über Verfs. Messung zu Enn. trag. 76 (s. S. 565 u. 532) oder Messungen
yvie molestiäm ut, domüm uti, zu 8. 174, wo Verf. nicht Senare und
Septenare soll unterscheiden können (!), zu S. 90 (üxor und üxorem etc.
verwechselt), 92 (voluptäs mea), 8. 117 (log. Hiat), ferner zu Trin. 725,
Merc. 244, Pseud. 592 (st. 599). Pseud. 1190 st. Poeu. 1190. Pers. 191
(die Versabteilung in A ist doch sicher falsch) u. s. w., sodafs es schwer
hält, den Vorwurf »die Pflicht philologischer Akribie über Gebühr verab-
säumt zu haben« dem Reo. nicht zurückzugeben. Für das metrische
Römische Lyriker und Epiker. 245
KürzoDgsgesetz giebt 8. einige Nachträge ond man könnte nach ihm
auch solche, allerdings sehr vereinzelte Fälle, wie quöd höstica und
stmillumae noch als legal annehmen. — Ref. verbessert S. 40 Z. 11 cara
48, 32 expetessuiit, 55, Anm. nach No. 149, S. 211 Z. 34 Andr. 945 zu
streichen (nach Fl eck eisen), 315, 2 innerhalb der Dipodie, 320, 34 Ba.
1026. Ampb. 187. Poen. 1360, 327, 35 ad rävim, 422, 5 Hocln de im-
provisö, 429, 37 Egon, 436, 15 obiectust, 496, 5 Gas. 608 — 611 zu streichen,
500, 40 Ita bic ^sola) s61is , 518, 34 1 jetzt nach A, 523, 31 volo scire
ego item, mea^^n) domi, 524, 16 satin, 18 abibo, 564, 13 'In der callio-
pischen Recension . . . nichts eignes hinzutbaten' zu streichen, 567, 2 Ver-
treter dieser Klasse, 15 Trin. 820.
VIII. Metrische Schriften über römische Lyriker
und Epiker.
152) S. Eskuche, Die Elision in den zwei letzten Fttfsen des la-
teinischen Hexameters, von Ennius bis Walahfridus Strabo. Rhein.
Mus. 45. Bd. 1890. S. 236—264.
158) J. Skobielski, Der sapphische Vers bei den lateinischen
Dichtern. Jahresbericht des k. k. Obergymnasiums in Gzernowitz 1889.
28 S. 8.
154) Wilhelm Meyer, Caesnr im HendekasyUabus. Über weib-
liche Caesur des classischen latein. Hexameters und lat. Gaesuren
überhaupt. Zu Gatulls 2. und 62. Gedicht. Sitzungsberichte der philos.-
philol. Klasse der k. bayer. Akademie der Wissenschaften 1889 Bd. H,
. Heft H, 8. 208—257.
155) Isidor Hilberg, Über die tektonischen Regeln der latei-
nischen Hexameterdichtung. Verhandl. der 89. Versammlung deutscher
Philologen und Schulmänner in Zürich vom 28. Sept. bis 1. Oct. 1887.
Leipzig 1888. S. 231—246.
156) J. Oertner, Über die Definition der Gäsur. Fleckeisen's
Jahrbb. 142. Bd. 1890. S. 121-123.
No. 152 behandelt die Elisen bei kurzem Vokal im vorletzten Fufse
des Hexameters. Diese Elision iSndet am häufigsten bei auslautendem
e statt, bei ä fast nur mit anlautendem a; die augusteische Zeit bedeutet
einen grofsen Fortschritt gegen Ennius und Lucrez; besonders strengen
Versbau haben Vergil und Ovid eingeführt; ihnen folgen die anderen
Dichter, besonders Martial; etwas freier in Einzelheiten sind Manilius
und Persius, der sich dem lucrezisch*horazischen Stil nähert. Alle spar
teren Dichter bis Alcnin und Walahfridus Strabo halten sich an die
strenge klassische Norm, ausgenommen die vier Dichter des 4. Jahrb.
246 Metrik.
ATieous, AnsooiQS, Prudentins nnd der Verfasser des Carmen de figaris.
Bei Ansonins läfst sich nicht ermessen, wie viel Altertflmelei oder Nach-
lässigkeit ist, bei Avienos and dem Verf. des c. de fignris sowie bei dem
vermutlich gleichalterigen Reposianns ist eine archaisierende Richtnng
nnverkennbar. — No. 153 ist eine Behandlang des sapphischen Verses
von Catall bis in die karolingische Zeit in Bezog auf verschiedene me-
trische EigentQmlichkeiten, wie Synaloephe. vgl. Isidor Hilberg, Ztschr.
f. d. österr. Gymn. 41. Jahrg. 1890. S. 183. — No. 154: Die Römer haben
im Hendekasyllabas abweichend vom griechischen Vorbilde, in dem sich
keine bestimmte Cftsur nachweisen läfet, die beiden Teilungen nach dem
Dactylus (5. Silbe) oder nach der folgenden Hebung (6. Silbe) vorge-
nommen, die zwei ziemlich gleich grofse Teile and gute Abwechselang
des Tonfalles im Cäsar- und Zeilenschlufs geben. Dieses Gesetz wurde
schon zu Catuirs Zeit gebildet und mit wenigen Ausnahmen sogar sehr
streng bis auf Luxorius beibehalten; trochäisches Wortende im Dactylus
wurde nur so zugelassen, dafs die nach der nächsten Hebung folgende
Cäsur diesen Einschnitt verhfiUte. — Etwa V^ aller klassischen lateini-
schen Hexameter haben die gewöhnliche Cäsur nach der dritten Hebung;
etwa 1/6 hat Cäsur nach dem dritten TrochSus, jedoch immer verbunden
mit Cäsur nach der zweiten und vierten Hebung zugleich. Aufserdem
iSnden sich wohl einzelne Verse ohne jeden Einschnitt im 3. Fufse, aber
mit dreifacher Cäsur nach der 2., vor der 3. und nach der 4. Hebung,
doch sind es sehr wenig. Der Grund dieser Erscheinung ist derselbe
wie bei den Hendekasyllaben und stimmt Verf. mit Louis Havet, M^moires
de la Sociöt6 de Linguiste. VI. 1885 S. 14 ttberein. Ähnliches gilt von
Horaz* alcäischen und sapphischen Oden und in beschränkterem Mafse
auch im asklepiadeischen Vers und im Pentameter, insofern bei diesen
wenigstens verschiedener Wortschlufs eintritt. -^ In Catnlls 62. Gedicht
wird strophische Gliederung angenommen. — No. 155 giebt eine Über-
sicht über die Lehre von den Satzfugen innerhalb des lateinischen Hexa-
meters von dessen Anfängen bis zum Ende des neunten Jahrhunderts.
Aus diesen reichhaltigen Mitteilungen, einem Vorläufer zu einem gröfsern
Werke aber Satzfugen und Wortstellung der lat. Poesie, heben wir her-
vor, dafs die Satzfugen am Ende des zweiten Dactylus bei Vergil, Horaz,
Silius, Statins, Valerius Flaccus u. a. häufig sind, dagegen von Ovid,
Lucan und Claudian und den Spätem ganz vermieden wurden. Ähn-
liches gilt vom Satzasyndeton nach dem dritten Trochäus; nach dem
vierten gestatten es nur Horaz und Martial, Ovid und Statins, nach dem
fOnften die Älteren, in der Kaiserzeit der Conversationshexameter der
Satiren und Episteln und vereinzelt Prudentins (Einflufs des Horaz),
Sidonius Apoll, und Venantius Fortun., noch spärlicher findet es sich
nach dem dritten spondeischen Fufse. ~ No. 156 schlägt vor die Unter-
brechung der rhythmischen Tonweisen nicht Einschnitt, ro/i^^ caesura,
sondern 'Pause' zu nennen.
Römische Lyriker und Epiker. 247
157) F. Mering, De alliteratione Luciliana. Progr. Wattenscheid
1891. 12 S. 4.
158) Hugo Blümner, Zu Catullus. Fleckeisen's Jahrb. f. klass.
Philol. 133. Bd. 1885. S; 879—881.
159) F. Plessis, Sur rhend^casyllabe phal^cien. Bulletin de la
Facnlt^ des Lettres de Caen. 2. Jahrgang. 1886. S. 201 fg.
160) Seitz. De Catulli carminibus in tres partes distribuendis.
Progr. Rastatt 1887. 4.
Über diese Schriften verweisen wir auf die Specialberichte. In
No. 158 wird Gatulls carm. 30 in vier dreizeilige Strophen . eingeteilt;
Vers 4 (non st. nee) und 5 werden nach V. 10 und zwar in umgekehrter
Folge gestellt. — Wegen No. 159 vgl. oben zu No. 88.
161) Theodor Kock, Das Metrum von Horaz Carm. I 10. Rhein.
Mus. 41. Bd. 1886. S. 315—317.
162) Hans Habenicht, Die Alliteration bei Horaz. Progr. Eger
1885. S. 1—27.
163) Theodorus Reichardt, De metrorum lyricornm Horatia-
norum artificiosa elocutione. Diss. Marburg 1889. 79 S. 8.
164) C. Ebart, Horatii hexametrum descripsit O.E. Progr. der
Oberrealschule im VIH. Bezirk. Wien 1889.
165) R. Köpke, Die lyrischen Versmafse des Horaz. 4. Aufl.
Berlin 1889. 62 S. 8.
166) Claudio Annaratone, Metrica di Orazio. Roma 1889.
26 S. kl. 8 mit 1 Tabelle.
No. 161 weist durch eingehende Untersuchung des metrischen Baues
die Hypothese zurflck, wonach die fragliche sapphische Ode, weil in
15 Versen dreimal die gewöhnliche Gäsur vernachlässigt sei und in allen
Versen mit einer nur die Regel bestätigenden Ausnahme die Zeilen mit
einem amphibrachischen Worte schliefsen, nach einer ganz besonderen
Theorie gebaut wäre, die den Vers aus dem Glyconeum mittelst der
adiectio eines Amphibrachys erklärt habe. Die Ode unterscheidet sich
in ihrem Bau nicht wesentlich von den übrigen und das Überwiegen
dieses monotonen Schlusses ist nur ein Zeichen des noch wenig Selb-
ständigkeit und Herrschaft Über die Formen verratenden Anfängers. —
No. 162 ist eine sorgsame und übersichtlich geordnete Zusammenstellung
aus sämtlichen Werken des Horaz, aus der hervorgeht, dafs wie Vergil
und Ovid auch Horaz die AUitteration oft und gern anwandte und wenu
2ig Metrik.
aaeb oicbt beabsiciitigte , so doch fikblte. üngefthr 58V« Veise sind
durch Allitteration ausgezeichnet, io den Satiren und Episteln 77 Vo, in
den Carmina und Epoden 38^0- — No. 163 handelt grftndlich über
Wortstellung und Cäsur der gewöhnlichen sapphischen, alcäischen und
asclepiadeischen Strophen unter eingehender Vergleicbung mit den grie-
chischen Vorgftngem und CatuU sowie mit Seneca, Statins und den spä-
teren Dichtem bis Ausgang des 6. Jahrb., wobei die mafsgebende Bedeu-
tung des Horaz glänzend zur Geltung kommt. — Gber No. 164 siebe
F. Hanna, Zeitschrift f. d. Osterr. Gymn. 41. Jahrg. 11 8. 1055. Die
beiden letzten Schriften sind fOr den Schnlbedarf.
167) M. K rafft, Zur Wortstellung Yergils. Progr. Goslar 1887.
38 S. 4.
168) L. Quicherat, Les vers hyperm^tres de Yirgile. Revue de
Philologie, n. S. XIV S. 51-55.
169) Richard Hildebrandt, Studien auf dem Gebiet der römi-
schen Poesie und Metrik. L Yergils Culex. Leipzig 1887. YII, 176.
kl. 8 mit einer Tabelle.
170) Siegfried Lederer, Ist Vergil der Yerfasser yon »Culexc
und »Giris« ? Jahresb. aber das k. k. akademische Gymnasium. Wien
1890. S. 14 — 30 mit einer statistischen Tabelle.
Yon diesen Ober Yergilsche Metrik handelnden Schriften enthält
No. 167 Untersuchungen Ober den Hexameter, besonders die Cäsnren,
No. 168 will auch Georg. II 69 und III 449 den Hypermeter annehmen,
No. 169 sucht aus der Überlieferung einen echten Culex mit sjrmmetri-
scher Gliederung 12. 12 | 12. 24. 12 | 12. 12 herauszuschälen und nach-
zuweisen, dafs jeder römische Hexameter aufser der Cäsur eine logische
Pause »das Intervall« habe; die Cäsur bindet den Yers, das Intervall
gliedere ihn. Diese Yorstellung soll nach Manns Yict p. 55, 11 schon
bei Yarro vorhanden gewesen seiu. Die Begriffe Kolon, Komma, Syzygie
und des darpcfidj^tov d. i. Fignrenspiel werden besprochen, sowie mehr-
fach die Cäsuren und die Überlieferung darfiber bei Marina Yictorin. —
No. 170 ist zugleich ein Beitrag zur Geschichte des lat. Hexameters.
Fttr sämtliche Yergirsche Werke und des Yalerius Flaccus Argonautica
wird das Yorkommen der Dactylen und Spondeen untersucht in der
Drobisch'schen Methode. Yergil hat den Dactylus im ersten Fufse be-
vorzugt , aber in abnehmendem Mafse. Auch im 2. und 3. Fufs kommt
in der Aeneis und besonders in den Georgica der Spondeus mehr zur
Geltung. Einen Culex schrieb Yergil vor den Eclogen und feilte ihn
nach denselben in metrischer Beziehung. Ciris ist nicht vergilisch. Ref.
scheint auch hier die Statistik zu einseitig verwertet, da der Stilunter-
Römische Lyriker und Epiker. 249
schied der Dichtungsgattungen ganz unberflcksichtigt bleibt, der die
Verschiedenheiten der Vergtrschen Werke besser erklärt als der chro-
nologische.
171) H. T. Karsten, De Tibulli elegiaruro structura. Mnemosyne
XV 2 S. 211—236.
172) B. Eschenbnrg, V^ie bat Ovid einzelne Wörter und Wort-
classen im Verse verwandt? Progr. Lübeck 1886. 39 S. 4.
fiberlassen wir den Specialreferenten. No. 172 giebt sich als Beitrag zur
Einheitsfrage der Heroides des Ovid.
173) Johannes Draheim, De Phaedri senario. Fleckeisen' s
Jahrb. 139. Bd. 1889. S. 429—431.
174) Robertns Doering, De Silii Italici epitomes re metrica et
genere dicendi. Diss. Strafsbnrg 1886. 68 8. 4.
175) P. Verres, De Tib. Silii Italici Punicis et Italici Uiade latina
quaestiones grammaticae et metricae. Diss. Münster 1888. 92 S. 8.
176) E. Kranich, Die Alliteration bei P. Papinius Statins L Progr.
Mähr. Neustadt 1886. 23 S. 8.
177) Ludwig Friedlaender, M. Valerii Martialis epigrammaton
libri. Mit erklärenden Anmerkungen. 2 Bde. Leipzig 1886. 623 u.
546 S. 8.
178) 0. Unreim, De Aviani aetate. Diss. Jena 1886. 64 S. 8.
179) Job. Draheim, De Aviani elegis. Fleckeisen^s Jahrb. 143. Bd.
1891. S. 509—511.
180) L6on Vernier, La versification populaire en Afrique. Gom-
modien et Verecundus. Revue de philologie XV 1891 1 8. 14-33.
181) , Notes sur Gommodien. Ebenda 8. 117—130.
Nach No. 173 wahrt Phaedrus das sog. Dipodiengesetz , vgl. vor-
letzten Bericht No. 81 und letzten Bericht No. 98, streng sowie auch
das Gesetz Ober iambische Schlüsse, ferner läfst er Wort- und Vers-
accent im 2. — 4. Fufs immer zusammenfallen. — No. 174 und 176 be-
handeln die Frage, ob die Ilias latina von Silius Italiens sei oder nicht,
heben aber auch manches metrische hervor. Döring hatte schon früher
im Programm des Strafsburger Lyceums v. 1884 über den Uomerus la-
tinus gebandelt und empfiehlt in No. 174 die Vermutung, dafs die Ilias
latina vom Verfasser der Punica sei, er behandelt die Verteilung der
Spondeen und Dactylen, spondeische Versausgänge, Gäsuren und Elision.
250 Metrik
Verres im metrischeo Teile S. 48 — 80 luilersacht alle 17 Bücher der
Panica, während D. oar I, IX und XVU berflcksichtigt Ergebnis ist:
strenge Anwendung der metrischen Gesetze in der Ilias, laxerer Versbau
der Ponica. vgl. aach Ed. Altenborg, Observationes in Italici Iliadis
Latinae et Silii Italici Punicorum dictionem. Diss. Marpurgi Cattomm
1890. 64 8. 8. — No. 177 enthält in der Einleitung I. 8. 26-50 (vgl.
Nachträge II, S. 641) Znsammenstellongen Ober Martial's Versbau; der
Abschnitt Ober das elegische Distichon ist von Tb. Birt. — Über No. 178
8. unsern Jahresbericht LIX. Bd. (1889. II) S. 111 fg. ~ No. 179 bespricht
Cäsuren und Wechsel zwischen Wort- und Versbetonung. — Nach No. 180
ist der Text des (^ommodian conservativer zu gestalten; nur die zwei
letzten Verse zeigten noch die klassische Verteilung der Worte und
Accente, sonst gäbe es keine Rücksicht auf Wortaccent nach populärer,
an keine Quantität sich bindender Art, s. No. 46 und 131. vgL Gaston
Boissier, M61anges Benier, 1887 (Bibl. des Hautes Stades, fasc. 73),
8. 51 fg. — No. 181 textkritische Durchfflhrung dieser Aufstellungen.
182) M. Manitius, Über Hexameterausgänge in der lateinischen
Poesie. Rhein. Mus. 46. Bd. 1891. 8. 622—626.
Statistisches über die Hexameterausgänge in monosyilabum und
auf vier- und mehrsilbige Wörter von Lucrez bis auf die Angelsachsen
des 7. Jahrb. mit Aidbelm und Baeda.
Nachtrag.
Zu No. 29 vgl. C. V. Jan, Rhein. Mus. 46. Bd. 8. 557 — 596: In dem
Auszug des Werkes des Bacchius ist das Rhythmisch-metrische ungleich-
wertig: § 89 — 92 berührt sich mit Chöroboscns, 93—98 ans der Schule
des Aristoxenus, der Schlufs aus der der ouyLnkixovreQ.
Zu No. 151 vgl. Richard Klotz, Metrisches zu Plautus Gasina.
Fleckeisen's Jahrb. 143. Bd. 1891. S. 829 — 847. 1. Gäsurhiat in den
acrostichischen Argumenten, aber nicht in den nicht- acrostichischen, noch
weniger im Plautus, letzteres im Anschlufs an die Beweisführung in
No. 151 S. 165 ff., gegen die 0. Seyffert (s. No. 151) sich gewendet hat,
der jedoch damit nicht, wie Verf. geschlossen hatte, den Hiat selbst ver-
teidigen wollte, was Ref. authentisch erfahren hat und hiermit berichtigt.
2. Die einzelnen Bestandteile und der ganze Bau der Gantica wird auf
Grund der überlieferten Versabteilung nach Verf.*s Grundsätzen erklärt.
Bericht über Geographie von Griechenland.
Von
Dr. Eaj;en Oberhummer
in München.
n. Die westgriechisclien Inseln.
Die Litteratur über die ionischen Inseln bis zam Jahre 1874 bezw.
1879 findet sich ziemlich vollständig verzeichnet bei Wiebel, Kephalonia
8. 1 — IX und Riemann, Recherches I S. 2f.O, wozu für Veröffentlichungen
von griechischer Seite noch Miliarakis S. 79^) zu vergleichen ist; Litte-
raturnachweise über die einzelnen Inseln sollen unten noch besonders
namhaft gemacht werden.
Von zusammenfassenden Arbeiten über die ionischen Inseln ist,
abgesehen von allgemeinen geographischen und Reisewerken über Griechen-
land, welche bereits in meinem ersten Bericht aufgeführt sind'), in erster
Linie zu nennen:
1) Zur Ergänzung obiger Verseichnisse führe ich aus meiner Litteratur-
zusammenstellung noch an:
J. Lee, Antiquarian Researcbes in the lonian Islands in the year 1812.
Archaeologia Bd. XXXIII (1849) 8. 36-64, T. II u. 111 (hauptsächlich Ithaka
betreffend).
Hen Cook, Tour in the lonian Islands, Greece and Constantinople.
London 1851 (unzugänglich).
H. M. Drummond, Catalogue of the Birds foond in Corfou and the
other lonian Islands Annals and Magazine of Natural History Bd XII (1843)
S. 412-423.
A. V. Reumont, Die ionischen Inseln unter venezianischer Herrschaft.
Histor. Zeitschr. VIII (1862) 8. 13-37 und die dort (S. 13) angeführte Litteratur.
3) Bezüglich des wichtigen Litteraturverzeichnisses von Miliarakis, auf
welches ich häufig zurückzukommen haben werde, verweise ich auf meine
Anzeige in Bd. 64 8. 349 und 437 dieses Jahresberichts.
8) Einige Arbeiten zur Flora der ionischen Inseln wurden ebenfalls
bereits dort (S. 384 f.) besprochen.
252 Geographie von Griechenland.
OthoDRiemaDD, Recherches archöologiqoes sor les lies ioDiennes.
Paris, Ernest Thorin. I. Corfou. 1879. 68 S. M. 3. — IL C^pha-
lonie. 1879. 70 S. M. 3. — III. Zante. IV. C^rigo. V. Appendice.
1880. 66 S. M. 3,50. (Biblioth^que des £coles fran^aises d' Äthanes
et de Rome. Fase. 8, 12, 18)
Da jede der vorgenannten Inseln für sich behandelt ist, werde ich
aof die einzelnen Teile der wichtigen Arbeit an entsprechender Stelle
zorttckkommen ; hier sei nur erwähnt, dafs der »Appendicet (H. III
S. 49—60) zahlreiche Berichtigangen zu den vorhandenen Karten enthält
und zwar auch für die sonst nicht behandelte Insel Leokas, fOr welche
Herr Stamatelos in Sta. Maura dem Verf. Materialien lieferte.
Als Vorläufer der unten zu besprechenden vortrefflichen Mono-
graphien der ionischen Inseln erschien
J. Partsch, Bericht über die wissenschaftlichen Ergebnisse seiner
Reisen auf den Inseln des Ionischen Meeres. Sitzungsber. d. k. preufs.
Ak. d.'Wiss. 1886 Bd. 36 S. 616—28.
Verf. macht hier Mitteilungen^) über die einst wertvolle, aber
selten gewordene Karte von Korfu von Gironci und Rivelli (Paris 18 60)
sowie über die niemals veröffentlichten, in dem grofsen Mafsstab von
1:10660 ausgeführten Aufnahmen der Insel aus der Zeit der englischen
Verwaltung, welche ihm erst nach langem Bemühen zugänglich wurden
und nun eine Hauptgrundlage für seine neue Karte (s. u.) bildeten.
Ferner berichtet der Verf. über zwei im Besitze von Hm. Prof. Romanos
in Korfu befindliche handschriftliche Werke über die Insel, von denen
das eine (86 Bl. in 4.) von Dr. Stelio Vlassopulo im J. 1811 verfafst
wurde und statistischen Inhaltes ist, das andere (118 Bl. in 4.) ans dem
J. 1824, als dessen Verf. der 1814 — 31 in Korfu wirkende sizilianische
Arzt Dr. Benza nachgewiesen wurde, eine sehr brauchbare Natur-
beschreibung der Insel enthält. In Anschlufs hieran legt nun P. die
Ergebnisse seiner geologischen Durchforschung von Korfu sowie seiner
Wanderungen auf Kephalonia — die auch von dieser Insel einst vorhan-
dene Karte gelang es ihm nicht mehr aufzufinden — dar, welche dann
später in den unten besprochenen Monographien umfassende Verwendung
gefunden haben.
Ich wende mich nun, da von anderweitigen allgemeinen Arbeiten
über unsere Inselgruppe nichts zu erwähnen ist, zur nördlichsten und
bekanntesten dieser Inseln, nämlich
Eerkyra.
Die ältere Litteratur über Korfu findet man verzeichnet bei Bursian
II 366 f. A., Riemann I 6 f., Gregorovius S. 33 — 46 (s. u.), und am voll-
1) Aasfflhrlicher wiederholt in der Einleitung zur Monographie von
Korfu, 8. n.
Kerkyra. 263
ständigsten bei Partsch, Korfu S. 1 — 8, wo die wichtigeren Vorarbeiten
einer eingehenden Kritik unterzogen sind; dazu für griechische Litteratur
Miliaralcis S. 84 f.
Unter allen in neuerer Zeit über Korfu erschienenen Schriften
beansprucht unstreitig den ersten Rang
Joseph Partscb, Die Insel Korfu. Eine geographische Mono-
graphie. Mit einer Karte der Insel Korfu und drei Nebenkarten. Er-
gänzungsbeft No. 88 zu »Petermanns Mitteilungen«. Gotha^ Justus
Perthes. 1887. 4. (VI) 97 S. 1 T. M. 6,40.
Die Schrift zerfällt in zwei Hauptteile, »Naturbeschreibung« und
»Anthropogeographie«, denen ein Kapitel »Litterarische Vorstudien» vor-
ausgeschickt ist. Letzteres giebt eine kritische Übersicht der vorhan-
denen Litteratur, wobei insbesondere das handschriftliche ViTerk Benzas
und die englische Originalaufnahme (s. o. S. 252) eingehend besprochen
werden. Den weitaus gröfseren Teil der »Naturbeschreibung« nimmt die
ausführliche Schilderung des Gebirgsbaues nach den drei natürlichen
Abteilungen, dem nördlichen Bergland, der Inselraitte und dem südlichen
Hügellande ein ; das geologische Moment tritt dabei stark in den Vorder-
grund und würde, so wertvoll das beigebrachte Material ist, durch die
sehr ins Einzelne gehende Darstellung den Leser wohl ermüden, wenn
dieselbe nicht durch treffende kleine Landschaftsbilder unterbrochen
würde. Zu den anziehendsten Schilderungen letzterer Art gehört die-
jenige der Lage des Klosters Arkodila auf der äufsersten Südspitze der
Insel. Von sprachlichem Interesse ist die lokale Bezeichnung poufiaTpa
für unterirdische Wasserabzüge, welche sonst in Griechenland gewöhnlich
xazaßo^pat (in Epirus )(^wveuTpat)^) heifsen (S. 18 f. u. ö.)- Im Anhang
zu dem orographisch-geologischen Abschnitt giebt P. ein Verzeichnis der
von Korfu bekannten Erdbeben, unter denen sich auffallender ViTeise,
wie auch bei den übrigen ionischen Inseln, keines aus dem Altertum
befindet.
In der Behandlung des Klimas (S. 44—55) bewährt P. aufs Neue
seine schon in der »Physikalischen Geographie von Griechenland« so
glänzend bekundete Meisterschaft, das trockene Zahlenmaterial zu einem
lebensvollen Gesamtbilde zu verarbeiten, in welchem Temperatur, Nieder-
schläge, Bewässerung« Luftbeweguug und Malaria ihre entsprechende Be-
rücksichtigung finden.
Im zweiten Hauptteil, der uns hier am meisten interessierenden
» An thropogeographie« wird zuerst die Lage der Insel nach ihren
Beziehungen zu Epirus und Unteritalien, sowie nach ihrer Bedeutung
für den Mittelmeerverkehr erörtert. Die Küste nbeschreibuug be-
1) Vgl. über diese Terminologie Bursian Geogr. I 21 u. 196 und Neu-
maon-Partsch Phya. Geogr. 8 243 A l.
254 Geographie *od GriecbenluHl,
ginnt mit einer anziehenden Schilderuag der Hauptstadt, deren mo-
derner Name zuerst bei Lintpraud (leg. Const. 968 p- C-) in der Form
Coriphu$ nachweisbar isL Hieran schlierst sieb die Hitteilung dessen,
was wir TOD der antiken Stadt wissen, die der Verf. in Obereinstimmnng
mit allen neueren Forschern anf die Halbinsel von Analipsis verlegt-
BezOglicb des brliaisclieu nnd des AlkioooB-Hafeos (Lagune von
Kalicbiopolo und Bncht von Kastrades) scblierst sich P. ebenfalls der
allgemeinen und «oh IbegrQ ödeten Ansicht an, kommt jedoch blnsichtlicb
der Lage des Heraions zu einer neuen. In geschickter, durchaus an-
sprechender BegrOndung weifs P. die Lage des Heraions auf dem für
das Landschaftsbild von Korfn so charakteristischen Doppelfelsen der
Citadelle wahrscheinlich zn machen, nnd nicht ohne Bedauern siebt der
Leser die ihm schoa zur Überzengnng gewordene Hypothese durch die
eindringenden Untersuchungen von B. Schmidt (s. u.) wieder erschüttert.
Natörlich ist nun auch fQr P. die Thuc III 7& extr. erwähnte Insel mit
der IV 76 genanuten Ptychia identisch und uichts anderes als das
nördlich von der jetzigen Stadt gelegene luselchen Vido. Die Vermu-
tung, dafs die au erster Stelle erwähnte Insel seit dem Altertum land-
fest geworden sein könne, weist P. ebenso wie die Beziehung auf den
Bnrgfelseu selbst oder auf das viel zu kleine Pontikonisi am Eingang
des hyllälscheo Hafens mit Recht zurQck. Die Einwohnerzahl der alten
Stadt schlagt P. nicht ganz doppelt so hoch an als die des heutigen
Korfn mit seinen Vorstädten (etwa 50 MO-
Es folgt nun die Beschreibung der Qbrigen Kflste und ihrer (durch-
weg unbedeutenden) Ausiedlungen nnd Ländeplätze. Besonders hervor-
zuheben sind hier die Mitteilungen Ober das alte Kassiope an der
Nordknste, an dessen Stelle jeUi nur mehr mittelalterliche Ruiuen stehen,
sowie aber die Aufserst selten besuchten othooischen Inseln im Nord-
westen von Kerkyra, auf denen ebenfalls keiue Spuren aus dem Altertum
vorhanden sind. Die immer wiederkehrenden Versuche, die homerische
Schilderung von Scberia in Korfu zu lokalisieren, weist P., wie die
meisten Forscher seit Welcker, von kurzer Hand und nicht ohne Ironie
znrflck, bestätigt im Übrigen die täuschende Ähnlichkeit der Klippe
Karavi (Kravia) bei Kap Kepbali mit einem segelnden Schiff (S. 72f.).
Das bei Ptol. 111 13, 9 (14, 11) genannte Vorgebirge 'Afufinupptz — so,
nicht 'Afifnaij-Sos oder 'Aft^inaj-os, sei nach E. Maller zu lesen — erkennt
P. nicht mit Borsian u. A. im Asprokavo (Capo Biauco) der SOdspitze,
sondern sucht es im nCrdlicheu Teil der Westküste, etwa bei Angelo-
kastro.
Der III. Abschnitt des aolbropugeograpbischeo Teiles ist der Be-
schreibung des Strafseouetzes uud der AnsJedlungen im lonern der
luäel gewidmet, aus deren Namen interessante Schlosse auf die Ge-
sctiichie der Bevölkerung gezogen werden. Unter der Überschrift > Die
ertung des Bodeus« wird sodann die Bewaldung uud dereu
\
Kerkyra. 255
ROckgaDg seit dem Altertum, die Fauna, der Ackerbau, die Weinkultur,
die Ölbaumzucht u. dgl. besprochen. Im letzten Abschnitt endlich, welcher
»Bevölkerungs-Statistik« Überschrieben ist, wird zunächst eine Be-
rechnung der Bevölkerung von Kerkyra im Altertum versucht, wobei P.
zu einem etwas höheren Ergebnis (tlber 100 000) gelangt als Beloch
(70 000). Hierauf folgen Mitteilungen über die Bevölkerungsverhältnisse
im 15. und 16. Jahrhundert und eine nach Gemeinden geordnete Über-
sicht der Ortschaften mit den Bevölkerungszahlen von 1766 (veneziani-
scher Gensus), 1803 (Vlassopulo) und 1879, sowie eine Charakteristik
der Bevölkerungsbewegung. Ungern vermifst man die Beigabe eines
Ortsregisters.
Die Karte ist in dem grofsen Mafsstabe von 1 : 100000 ausgeführt
und läfst selbstverständlich alle früher veröffentlichten Karten weit hinter
sich, so dafä bis zu der nunmehr zu erhoffenden Neu- Aufnahme vou
Griechenland jede Darstellung der Insel von P. auszugehen hat. Neben-
karten bilden ein elegant gezeichneter Plan der Hauptstadt und ihrer
Umgebung (alte Topographie in Rot) in 1 : 35 000, sowie eine geologische
und eine bevölkerungs- statistische Skizze der Insel, letztere beiden in
1 : 300 000.
Ausschliefslich die physikalische Geographie betreffen folgende Ar-
beiten, bei denen wir uns so mehr mit blofser Anführung des Titels be-
gnügen können, als die Ergebnisse derselben inzwischen bereits in der
eben besprochenen Monographie von Partsch Berücksichtigung gefunden
haben:
Th. Fuchs, Die Pliocänbildungen von Zante und Korfu. Sitzungs-
bericht der k. k. Ak. d. Wiss. zu Wien, Math.-naturw. Kl. Bd. 75 (1877)
S. 309 320.
F. Bö SS er. Das Klima von Korfu, bei A. Mommseu, Griechische
Jahreszeiten H. IV (1876) S. 331—89. Vgl. Bd. 64 S. 383.
J. Partsch, Das Klima von Korfu, Ztschr. d. österr. Ges. f. Meteor.
Bd. XIX (1884) S. 223—26. Vgl. ebd.
G. Zaviziano, L*ile de Gorfou au point de vue hygi^nique.
Bruxelles. 1876. 34 S.^)
Die botanischen Arbeiten, welche meist mehrere der ionischen
Inseln zugleich betreffen, habe ich bereits Bd. 64 S. 384f. angeführt;
denselben wären noch hinzuzufügen die Mitteilungen, welche P. Ascher-
son in den Verhandl. d. botan. Ver. d. Provinz Brandenburg Bd. XXII
(1880) S. 50-56 über Attika und Korfu giebt.
Unzugänglich ist mir
1) Mir nur äem Titel nach bekannt.
256 Geographie tod Griechenland.
Wiet, DescriptioD topographique et statistique de Ttle de Corfoa.
Bull, coosulaire frangais 1879^).
Zahlreich sind die Schilderungen von Korfu, welche, ohne wissen-
schaftliche Zwecke zu verfolgen, lediglich die Eindrücke wiedergeben,
welche ihr Verfasser beim Besuche der herrlichen Insel empfunden hat,
und je nach dem Umfange des Gesehenen und dem Geschick der Dar-
stellung, mehr oder weniger geeignet sind, dem Leser ein anschauliches
Bild von Land und Leuten zu gewähren. In der Litteratnr dieser Art
gebohrt die vornehmste Stelle dem niedlichen Büchlein
Korfu. Eine ionische Idylle von Ferdinand Gregorovius. Leipzig,
F. A. Brockhaus. 1882. (IV) 104 S. 12. 2. Aufl. 1884. M. 1.80.
Diese Skizze des berühmten Geschichtschreibers erschien zuerst in
der Zeitschrift »Unsere Zeitc*) und ging aus ihr in Übersetzung von
Spir. Papageorgios in die Zeitschriften KXeew (Triest) und 'Kavea (Athen)
über; auf Veranlassung mehrerer Freunde veranstaltete der Verf. diese
Sonderausgabe, welche dem Inhalt wie der Ausstattung nach ein Gegen-
stück zu seiner Schilderung der Insel Capri bildet. Wissenschaftliche
Untersuchungen waren nach der Absicht des Verf. von vornherein aus-
geschlossen; dagegen erfreut sich der Leser an den mit Meisterhand
entworfenen Schilderungen der Stadt Korfu und ihrer Umgebung, sowie
der besuchtesten Ausflüge, wie Beuizze, Peleka, Paläokastritsa u. s. w.
In zahlreichen historischeu Rückblicken und Perspektiven kommt der
Standpunkt des Geschichtschreibers zum Durchbruch, der sich auch in
der kritischen Übersicht der wichtigsten älteren Werke über Korfu
(S. 33 — 4G) geltend macht. Man findet in letzterem Abschnitt auch per-
sönliche Mitteilungen über einzelne Verfasser, so besonders über den
verdienten Lokaiforscher Andrea Mustoxidi (S. 36 ff.).
Durch die anziehende, farbenreiche Schilderung der korfiotischen
Landschaft zeichnet sich ferner aus der Aufsatz des bekannten Zoologen
Ernst Haeckel, Korfu. Deutsche Rundschau Bd. XII (1877)
S. 477—508.
Besonders hervorzuheben sind aus demselben die Bemerkungen
über den Ölbaum Korfus, die Beschreibung der Prozession des hl. Spyri-
don und, zum Schlufs, des Ausfluges nach dem einsamen, selten besuchten
See von Butrinto au der epiro tischen Küste.
1) In Anschlufs hieran würden auch die wertvollen Konsulatsberichte zu
erwähnen sein, welche von Zeit zu Zeit im «Deutschen Handelsarchiv« erschei-
nen, deren Aufz&hlung aber allzuweit aufserhalb des Rahmens dieses Jahres-
berichts liegen würde; ich habe auf dieselben im allgemeinen bereits Bd. 64
S. 444 hingewiesen.
9) 1880 n S 481—99, 697—720.
Eerkyra. 257
Weit unbedeutender und wenlgef selbständig, auch in den Einzel-
heiten nicht immer richtig ist der Anfisatz von
Hermann Reimer, Korfn. Im Nenen Reich 1880. I. S. 845—58.
In seiner unterhaltenden, freilich auch etwas breitspurigen Weise
mit manchen zutreffendeu Bemerkungen tlber politische und soziale Ver-
haltnisse plaudert über Korfu der bekannte Politiker
Karl Braun-Wiesbaden in tReiseeindrttcke aus dem Südostenc
Bd. II (Stuttgart 1878) S. 43— -128.
Dieses Buch hätte eigentlich schon im ersten Bericht unter den
Reisewerken erwähnt werden sollen, mag aber hier um so eher nach-
getragen werden, als darin von Griechenland nur die drei Inseln Korfu,
Kephallenia und Ithaka behandelt werden. Selbstverständlich gehören
hierher auch die in Bd. 64 S. 41 2 ff. besprochenen allgemeinen Reisewerke,
in denen Korfu als Station der meisten Orientreisenden mehr oder minder
oberflächlich geschildert wird; unter den ausführlicheren Darstellungen
erinnere ich, neben dem Buche von R. v. Gerold (S. 420), besonders an
die bekannten Odysseischen Landschaften A. v. Warsbergs, deren
erster Teil der Landschaft, der zweite der Geschichte von Korfu gewid-
met ist (S. 416 f.). ^)
Eine willkommene Ergänzung endlich zu den genannten touristi-
schen Werken bilden die leider nicht über den ersten Artikel hinaus-
gelangten Schilderungen von
J. Partsch, Die Berge der Ionischen Inseln. I. Korfu. Ztschr.
d. Deutsch, u. österr. Alpenver. 1887 S. 372—87.
«
Neben rein landlschaftlicher Zeichnung und praktischen Winken für
den Tonristen giebt diese Skizze dem Leser zugleich einen Einblick in
den geographischen Bau der Insel, wie ihn nur ihr grttndh'cher Durch-
forscher in so engem Rahmen zu bieten vermochte.
Wenden wir uns den Schriften zu, welche sich vorzugsweise oder
ausschliefslicb mit der historischen Topographie von Korfu be-
schäftigen, so habe ich zunächst einer in die homerische Geographie
einschlagenden Abhandlung zu gedenken. Hierher gehört (über den
Vortrag von Zimmerer s.u. S. 284f.)
Gugl. Braun, La bella Scheria ossia la terra de' Feaci. Progr.
del ginn, comun. super, di Trieste. 1875. 30 S.
Der Verf. sucht in dieser Schrift, die ich nur aus einer Anzeige
1) Obwohl belletristische Erzeugnisse an sich nicht in den Rahmen dieses
Jahresberichts gehören, kann ich doch nicht umhin bei dieser Gelegenheit
aueb auf die anziehenden, dnrch vortreffliches Lokalkolorit ausgezeichneten
Novellen von Hans Hoffmann, Im Lande der Phaeaken. Berlin, Paetel.
1884, und Neue Korfu-Geschichten. Ebd. 1887, hmzuweisen.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXIX. Bd. (1891. III.) 17
258 Geographie von Griechenland.
von 0. Keller in der Ztschr. f. 'd. öster. Gymn. 1876 S. 212f. kenne,
Scheria zur Abwechslang nicht in Korfu, sondern bei Tarent, und hält
ersteres für das C 4 genannte ^Tnepeta. Im übrigen ergeht sich der
Verf. in den gewagtesten etymologischen Kunststücken. Nicht mehr za
bedeuten haben die ganz laienhaften Ausführungen Stillraans, der in
seinem Bd. 64 S. 445 genannten Buche die Stadt des Alkiooos auf die
Westseite der Insel verlegt (S. 7 ff.). Zur Charakteristik der Auffassung
des Verf. mag es genügen, auf S. 2 zu verweisen, wonach wir die Odyssee
tmay consider not only the ürst history of travel, but the first geography,
as it is doubtless a compendinm of the knowledge of the earth's surface
at the day when it was composed, as the Iliad was the census of the
known mankind of that epoch.c Schade, dafs der Verfasser nicht zur
Zeit Strabo's gelebt hat!
Eine durchaus solide Arbeit sind die bereits o. S. 252 angeführten
Monographien von Riemann, deren erste Korfu behandelt. Nachdem
der Verf. ein kurzes Litteraturverzeichnis sowie eine geographische Skizze
der Insel vorausgeschickt und die Scheria-Frage mit einem vernünftigen
Hinweis auf die durchaus märchenhafte Schilderung Homers erledigt hat,
werden in § 5 die auf die Topographie von Kerkyra bezüglichen Stellen
der Alten zusammen gestellt. In der Bestimmung der Einzelheiten
stimmt R. fast durchweg mit Bursian überein, verlegt jedoch den Hera-
tempel nach dem Norden der Stadt und erkennt das Thuc. QI 75, 4
genannte Inselchen in dem Felshügel der alten Festung, welcher durch
einen Kanal von der jetzigen Stadt getrennt ist (vgl. o. S. 254 und n.
S. 260). Hierauf folgen in § 6 und 7 Auszüge aus neueren Berichten
über die Altertümer von Korfu und insbesondere über den Tempel von
Kardaki, sowie über die Nekropole der alten Stadt ^). § 8 giebt eine
Beschreibung der jetzt noch sichtbaren Überreste der alten Kerkyra, mit
Facsimile der Menekratesinschrift (I.G.A. n. 342) und Planskizze des er-
wähnten Tempels; in § 9 ist das Wenige gesammelt, was R. über die
Altertümer der Insel aufserhalb der Hauptstadt in Erfahrung brachte,
worunter eigentlich nur die Mitteilung über die kurz vor R.'s Anwesen-
heit aufgedeckten römischen Bäder von Benizze (mit dürftiger Plan-
skizze) von Originalwert ist. § 10 — 15 endlich enthält eine übersicht-
liche Beschreibung der Altertümer und Inschriften, welche sich teils in
der Sammlung des Gymnasiums, teils im Besitz von Privatleuten der
Stadt Korfu befinden; die Inschriften sind mit geringen Ausnahmen be-
reits anderweitig bekannt. Das beigegebene Kärtchen dient nur zur
allgemeinen Orientierung des Lesers und ist ohne jeden selbständi-
gen Wert.
1) Über die Ausgrabung der Nekropolis hauptsächlich nach den schwer
zugänglichen Originalberichten von Orioli in der Gazetta degli Stati Uniii deUe
uole Jonie 1843 und 1846.
Eerkyra 259
um die monographische Litterator möglichst vollständig za geben,
f&hre ich auch die beiden folgenden Abhandlungen an, welche im Übri-
gen rein historische Untersuchungen sind:
A. Hock, Die Beziehungen Kerkyras zum zweiten athenischen
Seebunde. Beilage zum Jahresber. d. k. Gymnasiums zu Husum.
1881. 4. 16 S.
H. Mflller-Strttbing, Die korkyräischen Händel bei Thukydides.
Ein Beitrag zur Charakteristik des Geschichtscbreibers. Neue Jahr-
bQcher f. Philol. u. Pädag. Bd. 133 (1886) S. 585—648.
Hierher gehört auch
Macan, The political Constitution of Gorcyra. Transact. of the
Oxford Phil. Soc. 1886/87 8. 25—32.
Der Titel dieses mir unzugänglichen Aufsatzes ist aus Bibl. philol.
class. 1887 S. 290 entlehnt.
Die weitaus wichtigsten Untersuchungen zur Topographie von Ker-
kyra seit Riemanu und Partsch lieferte
Bernhardt Schmidt, Korkyräische Studien. Beiträge zur Topo-
graphie Korkyras und zur Erklärung des Thukydides, Xenophon und
Diodoros. Mit zwei Karten. Leipzig, Druck und Verlag von B. 6.
Teubner. 1890. 8. (IV) 102 S. 2 T. M. 2,40.
Verf. analysiert zunächst die Nachrichten des Thukydides über K,
wobei er zur Erklärung des Geschichtschreibers mancherlei wertvolle
Winke giebt und besonders auch gegen die oben angefahrte Abhandlung
von Müller -Strttbing Stellung nimmt. Die eigentlich topographischen
Untersuchungen beginnen in Kap. II mit einem kurzen Überblick der
Insel; gegen Partsch wird bemerkt, dafs der sOdliche Teil nicht Levkimo,
sondern 'AAeuxi^ der nordwestliche nicht Agbiru, sondern rä lupou heifst,
und letztere Benennung schärfer begrenzt. Kap. IH beschäftigt sich mit
der Topographie der alten Stadt, besonders was die Lage der Häfen
und der Akropolis betrifft; letztere ist wahrscheinlich südlich von der
Analipsiskirche anzusetzen (S. 27). Arsenal und Werfte befanden sich
bereits zur Zeit des peloponnesischen Krieges am Alkinooshafen^). Kap. IV
bespricht die Überreste der alten Stadt. Bezüglich des Tempels von
Kardaki sucht S. nachzuweisen, dafs derselbe einem Heilgotte geweiht
war; ein anderer Tempel wird an der Stelle der Panagia von Palaeopolis
vermutet (S. 31f.). In Kap. V werden die von Thukydides erwähnten
Heiligtümer behandelt, von denen diejenigen des Zeus, des Alkinoos, des
Dionysos und der Dioskuren nicht mehr näher zu bestimmen sind. Ein*
1} Vgl. S. 23, 26 und 87 A. 79, gegen Bursian H 360.
17'
260 Geographie von Griechenland.
gehend wird die von Partsch nea angeregte Frage des Heratempels
and der vor demselben gelegenen Insel (vgl. o. S. 254) erörtert (S. 84
bis 46). Im Gegensatz za Partsch setzt S. voiaas, dafs die namenlose
Insel Thnc. III 75 von Ptychia ib. IV 76 verschieden ist; doch scheint
mir seine Beweisffihrnng zum Mindesten nicht zwingend. Da nun S., wie
alle neueren Forscher, Ptychia für Vido hält, roufs die Insel vor dem
Heraion anderwärts gesucht werden und S. erkennt dieselbe, wie auch
die G.I.G. II 1840 genannte Insel, mitLeake und Riemann in der Fels-
höhe der alten Festung; dem sie von der heutigen Stadt trennenden
Kanal (o. S. 258) schreibt er, wieder im Gegensatz zu Partsch, antiken
Ursprung zu und begründet diese Ansicht in nicht unwahrscheinlicher
Weise. Selbstverständlich mufs hiernach S. auch der so flberzeugend
vorgetragenen Hypothese von Partsch entgegentreten, welche den Hera-
tempel an die Stelle der Citadelle versetzt, und sucht denselben nun
(mit Philit&s und Romanos) auf dem Hflgel des Klosters H. Euphemia
im Norden der Palaeopolis, indem gleichzeitig auf Grund von Thnc
ni 79, 1 angenommen wird, dafs der Tempel innerhalb der Stadtmauer
gelegen war. Eine wichtige Stütze erhält S.*s Ansicht hauptsächlich
durch I.G.A. 346, in welcher Inschrift ^Axp(a wohl nur von Hera ver-
standen werden kann. Alles in Allem glaube ich kaum, dafs mit S.'s
Untersuchungen die schwierige Frage der Topographie von K. für jeder-
mann abgeschlossen ist; aber die Berichte des Thukydides und die Er-
gebnisse der Lokalforschung sind nunmehr so gründlich durchgeprüft,
dafs jeder Einzelne auf Grund der Schriften von Partsch und Schmidt
sich jetzt sein Urteil selbständig bilden kann und höchstens das Be-
dürfnis fühlen wird, durch Anschauung an Ort und Stelle sich die Ent-
scheidung zu erleichtern.
Kap. VI »Ausdehnung der alten Städte enthält beachtenswerte
Mitteilungen über die Nekropole und die dort gefundenen Altertümer,
Kap. VII erläutert in trefflicher Weise den Bericht Xenophons (Hell. VI 2)
von dem Unternehmen der Spartaner unter Mnasippos gegen K. (873 v.
Chr.). Wichtig ist endlich das Schlufskapitel wegen der Bestimmung
des Berges Istone (Thuc. IH 85, 4; IV 46, 1), dessen Name S. in über-
zeugender Weise in dem heutigen Vis ton as nachweist Beigegeben
sind ein übersichtliches Kärtchen der Insel in 1 : 300 000 und ein ele-
ganter Plan der Hauptstadt und Umgebung (in etwas gröfserem Mafs-
stab als bei Partsch). Der Eindruck der ganzen Schrift, welche kein
Leser des Thukydides unbeachtet lassen sollte, ist ein sehr vorteilhafter
durch die Knappheit der Form bei reichem Gehalt, die eindringende
Forschung und Reife des Urteils. Eine äufsere Unbequemlichkeit ist die
Trennung der zahlreichen Anmerkungen vom Text, welche den Leser
zum fortwährenden Vor- und Rückwärtsschlagen nötigt, dankenswert die
Beigabe eines Registers.
Schmidt erwähnt 8. 90 A. 107 die Aufdeckung eines antiken 6e-
Kerkyra. 261
bändes auf einem Herrn Eonst. Earapanos, dem bekannten Politiker
and Entdecker Dodona*s, gehörigen Gmndstflck. Über diese Ausgra-
bungen, welche von einem Mitglied der französischen Schule in Athen,
Hrn. L^chat, geleitet wurden, findet man kurze Mitteilungen im AeXreov
dpj^auoX. 1889 S. 124 (Romanos), Athenaeum 1889 II S. 137a (Sp. Lam-
bros), Gomptes R. Ac. Inscr. 1889 8. 246 f. (Earapanos) und Rev. arch.
1890 XV 8. 280 (8. Reinach). Die Terrakottafiguren werden als archai-
sche Artemisstatuetten bezeichnet.
Für die Geschichte Eorfus im Mittelalter von Wichtigkeit , aber
ohne direkte Bedeutung für die Geographie der Insel ist
Kepxupai'xä dvexSora ix j^eepoypd^wv 'Ayeou ^Opoo^^ Kayraßpiy{ag^
MovoL^ou xal Kepxupac vuv rd npwTov di^fiomeuofidva und 2nup. IL
jidfinpou, *Ev 'A&^vaic ix rou runoYpa^eiou Ilapvaffaoü 1882. 84 S.
Vieles auch geographisch Bemerkenswerte enthalten dagegen die
von Sathas^) herausgegebenen Capüula Corcyrae^ welche ebenso wie
anderes Quellenmaterial aus der venezianischen Periode, so insbesondere
die Diarii des Marino Sanudo, bereits von Partsch mehrfach herangezogen
worden sind.
Eine der wichtigsten Quellen für antike Topographie bilden be-
kanntlich die Inschriften. Obwohl nun hier nicht der Ort ist, über
dieselben eingehend zu berichten, glaube ich doch vielen Lesern einen
Gefallen zu erweisen, wenn ich in diesen Berichten, welche einen Über-
blick der gesamten neueren Litteratur über die griechischen Inseln zu
geben bestrebt sind, wenigstens in aller EOrze die Fundstätten des so
weit zerstreuten Inschriftenmateriales verzeichne und dabei, so weit es
meine Aufzeichnungen erlauben, über den Zeitraum dieses Jahresberichtes
zurückgreifend unmittelbar an das Corp, Inscr. Graec, anknüpfe. 8elbst-
verst&ndlich werde ich in solchen Fällen, wo bereits an einem anderen
Orte eine derartige Litteraturzusammenstellung vorliegt, einfach auf diese
verweisen und dabei dieselbe lediglich ergänzen. Fundorte korkyräi-
scher Inschriften sind also:
Corp. Inscr. Graec. II p. 13—38, 986 s. (1843); Archäol. Zeit. 1846
8. 377—86; Transact. R. Soc. Lit N. 8. II 1—3 (1847); A. Mustoxidi,
Delle cose Gorciresi. Vol. I (1848); Rhein. Mus. N. F. XVIII 537-83
(1863); Rev. arch. N. 8. XII 311 — 313 (1866), III. 8. IV 87 (1884);
Hermes II 136—39 (1867); Mitteil. d. arch. Inst. 11 289—91 (1877);
Riemann a. a. 0.; Inscr. Gr. ant. p. 78—81 (1882); G. T. Newton, Collec-
tion n 29 — 32 (1883). Weitere Nachweise in diesem Jahresbericht
Bd. 15 S. 70, Bd. 32 8. 134, Bd. 52 8. 535.
1) Documents inödits relatife k l'histoire de la Gr^ce au moyen äge.
T. V (Paris 1884) S. 219-328.
262 Oeographie ▼od Oiiechenland.
Die beiden Inselo Paxos and Antipaxos (im späteren Altertam
Propaxos), welche in der alten Litteratur in den wenigen Fällen, wo
sie Überhaupt erwähnt werden, anter dem Namen
Faxoi
znsammengefafst zu sein pflegen, werden trotz der Nähe von Eorfu
äufserst selten besncht. Mit ihnen beschäftigt sich nur ein einziges
neueres Buch (s. jedoch auch u. S. 278)i dieses dafür allerdings in um
so eingehenderer Weise, nämlich
Paxos und Antipaxos. Wflrzburg und Wien, Verlag von Leo Woerl.
1887. 4. (XVIII) 480 S. 100 T. M. 80, kart. M. 35, geb. M. 40. —
II. Auflage (Volksausgabe). 1889. Kart. M. 20.
Verf. des Werkes ist Erzherzog Ludwig Salvator^) von Toscana,
von dessen zahlreichen, meist Mittelmeerlandschaften behandelnden Wer-
ken eines bereits im ersten Bericht (Bd. 64 S. 414, 445) besprochen
wurde. Das vorliegende, in Bezug auf Papier und Druck mit vornehmem
Luxus ausgestattete Werk zerfällt in zwei Hauptteile, von denen der
erste die Verhältnisse der Inseln und ihrer Bewohner im allgemeinen
behandelt, der zweite eine eingehende topographische und landschaftliche
Schilderung der beiden Inseln enthält. Der erste Hauptteil beginnt mit
einem geschichtlichen Überblick, für welchen Prof. Romanos in Korfu
wertvolles Material aus dem Mittelalter und der neueren Zeit beibrachte;
von Resten aus dem Altertum ist nach S. 6 f. aufser gelegentlichen MOnz-
fnnden (namentlich in Antipaxos) nur eine angeblich von Paxos stam-
mende Grabschrift ans römischer Zeit bekannt^). Die physikalische Be-
schreibung der Inseln ist im Ganzen ziemlich kurz gehalten; hervorzu-
heben sind die meteorologischen Beobachtungen vom 21. Dez. 1884 bis
31. März 1885, welche Ober Temperatur und Luftdruck zur Mittagszeit,
sowie Ober die Witterungsverhältnisse und Windrichtung Aufschlufs geben.
Die folgenden Kapitel (4—15) des ersten Hauptteiles sind ethnographisch-
statistischer Natur. Das umfänglichste derselben führt die Aufschrift
»Bevölkerungc und belehrt über Zahl, Altersstufen und Beschäftigung
der Bewohner, ihre Sprichwörter und Redeweise, wobei allerdings auch
viele allgemein gebräuchliche Ausdrücke als lokale Eigentümlichkeiten
angeführt werden, ferner über Sitten, Gebräuche, Spiele, Tracht, Haus-
bau, woran sich ein Verzeichnis aller Häusergruppen nach Gemeinden
1) Am AuTsentitel (Umschlag) ist der Verf. genannt. Die beiden Aas-
gaben unterscheiden sich nur durch Titel und Einband.
>) Vgl. Mustoxidi , Delle cose Gore. S. 323 N. 162. Der vom Verf. von
»Paxosc S. 7 erwähnte Anonymus von Korfu ist, wie wir jetst durch Partsch
(Korfu h). 3) wissen, Dr. Benza.
Paxoi. 263
uod üntergemeinden schliefst. In besonderen Abschnitten wird sodann
Ton Ackerbau (mit Charakteristik der sonstigen Kulturpflanzen), Vieh-
zucht, Jagd, Fischfang, Schiffahrt (Schiffsbau!), Bergbau (meist Stein-
brucharbeit) und Industrie gehandelt; von allgemeinerem ethnographi-
schen Interesse ist in diesen Kapiteln die genaue Beschreibung und
Abbildung der zum Ackerbau und Fischfang dienenden Geräte, sowie
einiger Industrieerzeugnisse. Kurze Mitteilungen über den Handel, Ver-
kehrsmittel und die Verwaltung der Inseln beschliefsen den allgemeinen
Teil. Der zweite Hauptteil enthält, wie erwähnt, die spezielle topogra-
phisch-landschaftliche Beschreibung, deren Hauptinteresse für den Leser
in den zahlreichen, nach Originalzeichnungen des Verf. hergestellten
Illustrationen liegt. Die Verfolgung des Textes wird hier leider durch
den Mangel einer Karte sehr erschwert, welche mit Benützung und Ver-
grOfserung der allerdings sehr ungenügenden englischen Seekarte wohl
ohne zu grofse Mühe hätte hergestellt werden können. Die Pläne von
Porto Gayo und einigen andern Landeplätze können über den Mangel
einer solchen, die wichtigsten örtlichkeiten verzeichnenden Übersichts-
karte nicht hinweghelfen. Eine besondere Zierde des Werkes sind die
anhangsweise beigefügten »Staffagen« (S. 449—76), prächtige, mit tiefem
Gemflt und feiner künstlerischer Empfindung gezeichnete Typen aus der
Bevölkerung von Paxos. Bei diesen Vorzügen des Werkes ist es nur
zu bedauern, dafs auf die äufsere Form des Textes bei der Drucklegung
nicht immer die nötige Sorgfalt verwendet wurde und in Bezug auf Inter-
punktion und Satzfügung sowie auf die Schreibung der griechischen Worte
sich ziemlich viele Flüchtigkeiten und Ungenauigkeiten eingeschlichen
haben, welche besonders beim Lesen der historischen und statistischen
Abschnitte störend wirken.
L e u k a s.
Die ältere Litteratur verzeichnet Referent in seinem »Akarnanien«
8. Vn--IX, vgl. S. 226 A. 1, und Miliarakis S. 86. Wegen Karten siehe
»Akarnanienc S. 7 A. 2 und S. 279, auch das Verzeichnis in Bd. 64
S. 486 f. und Partsch a. a. 0. S. 1. Letzterer konnte die von Riemann
a. a. 0. III 68 erwähnte Karte von Semitekolos aus dem vorigen Jahr-
hundert nicht mehr auffinden (s. jedoch u. S. 286).
Die einzige geographische Beschreibung der Insel giebt
Joseph Partsch, Die Insel Leukas. Eine geographische Mono-
graphie. Mit einer Karte der Insel Leukas. Ergänzungsheft N. 96
zu »Petermanns Mitteilungen«. Gotha, Justus Perthes. 1889. 4. 30 S.
1 T. M. 2,60.
Die Monographie steht derjenigen über Korfu an Umfang erheblich
nach, was sich sowohl' aus dem kleineren Areal (287 gegen 693 qkm)
264 Geographie von ChriedieiiUuid.
ab auch ans der Dfirftigkeit des QaelleDmaterials bei Lenkas and der
kflrzereo Zeit, welche der Verf. der letzteren Insel widmen konnte, er-
klftrt. Die Eigentflmlichkeit von Leukas, welches nicht wie die flbrigen
Inseln dorch einen offenen Meeresann vom Festland getrennt ist, sondern
durch ein amphibisches Lagnnengebiet lose mit demselben rasamraen-
hängti bedingte die Yoranstellnng eines besonderen Kapitels Aber »die
Lagnnec, in dem die Frage der ehemaligen Festlandsverbindnng von
Leukas nnd dessen Lostrennung durch die korinthischen Ansiedler ein-
gehend erörtert wird. Verf. kommt hierbei teilweise zu anderen Ergeb-
nissen als Ref. in seiner unten angeffihrten Untersuchung, worfiber meine
Besprechung in der Wochenschr. f. klass. Philol. 1891 Sp. 1329 --34 zu
vergleichen ist. Ich verweise auf dieselbe auch bezflglich des Inhalts
der beiden folgenden Kapitel »das Berglandc und »Natur und Koltnrc,
welche sich im wesentlichen an die Behandlung von »Korfu« anschliefsen.
Ebenso stimmt auch die Karte in Mafsstab und Ausführung mit der-
jenigen von Korfu flberein; beigegeben ist ein Plan der Hauptstadt und
ihrer Umgebung im doppelten Mafsstab der Hauptkarte ^).
Einen Auszug nach Partsch nebst einer Abbildung des Kap Du-
kato giebt
H. Seidel, Die Insel Leukas. Globus Bd. 57 (1890) 8. 146-47.
Zur physikalischen Geographie von Leukas wäre noch zu
erwähnen eine vom griechischen Marineministerium veranlafste Spezial-
aufnahme des Vorgebirges Dukato (Leukatas) und einer vorgelegenen
Untiefe, welche Miliarakis N. 987 unter folgendem Titel anftlhrt:
Emplacement du basfond döterminö par le Gapitaine de oorrette
Andr6 Ant. Miaoulis 1882. *E$e86^ij bnb zou ^Tnoupy* rtov yaxßvtxmv
iv ^XXip fierä dtaYpdjxiiaroQ rou äxpam/jp. Aouxdrou ^ Aeuxdra r^c
AeuxdSoQ^ hip xarcuSeixvöerai ^ dveups^eura u^Xoi eIq IlXdroQ B» 38^
88' 26", M^xoQ *A. 20° 88' 22" Metr^ßp. Fpsvoui^cfou,
Ich habe diese Publikation ebenso wenig zu Gesicht bekommen
wie einen gleichfalls von Miliarakis N. 988 angeführten Aufsatz
Tb ixpwTTjptov r^^ AeuxdSoc und 11. ^EoTKpoQ 1884 S. 160.
1) Nachzutragen wäre ans Partsch, Kephallenia S. 2 a A. 2 der Hinweis
auf das Blatt Santa Maura bei P. Coronelli, Isolario delP Atlante Yeneto I
(Yen. 1696), welches wegen des damals aktuellen Interesses — die Insel wurde
1684 venezianisch — in aufsergewöhnlich groXsem Mafsstab mit zahlreichen
Einzelheiten ausgeführt ist. Da weder Ref. noch Partsch bei Abfassung ihrer
Monographien über Leukas von diesem Blatte Kenntnis hatten, ist dasselbe
bei künftigen Studien über die Topographie der Insel der Beachtuug zu em-
pfehlen. Y^. auch u. S. 286.
Lenkas. 265
Über die Naturprodukte der Insel berichtet ein (bei Miliarakis
fehlender) Ä, A, gezeichneter Artikel
77 napäyet ^ jieuxäc xal r/ duvarat vä ixBifffj. IHj^aLaoQ 1888
N. 191. 4 S. in 4.
Die alte Geschichte und Geographie, der Insel behandelt zum
ersten Mal in erschöpfender Weise
Eugen Oberhummer, Akarnanien, Ambrakia, Amphilochien,
Leukas im Altertum. Mit 2 Karten. München, Theodor Ackermann.
1887. (XVIII) 330 S. M. 10.
Der Anlage des Buches entsprechend, welches das im Titel be-
zeichnete Gebiet als ein Ganzes behandelt, sind die geschichtlichen Nach-
richten über Leukas im Text nicht als solche ausgeschieden, aber mit
Hilfe des Registers, bei dem Ref. möglichste Vollständigkeit angestrebt
hat, leicht aufzufinden. Das Gleiche gilt für die Antiquitäten, für welche
auch die Münzen so viel als möglich herangezogen wurden. Dagegen
sind in dem einleitenden geographischen Teil nicht nur, -wie natürlich,
die leukadischen Ortschaften im Zusammenhang aufgeführt (S. 30—32),
sondern es ist auch der schwierigen Frage der Lostrennung Leukadiens
vom Festland ein besonderes Kapitel unter dem T. t Leukadien als Fest-
land und Insel« (8. 7—14) gewidmet. Zur Erläuterung desselben, sowie
der bei Leukas spielenden geschichtlichen Vorkommnisse dient das Kärt-
chen f Leukas und Umgebung« in 1:100 000, während die Hauptkarte
f Akarnanien und das angrenzende Gebiete in 1 : 300 000 eine Übersichts-
karte der ganzen Insel enthält, welche allerdings in der Darstellung des
Inneren, das Ref. leider nicht mehr selbst bereisen konnte, jetzt durch
die Karte von Partsch völlig überholt ist. Dafs letzterer auch bezüglich
der Festlandsverbindung von Leukas im Altertum teilweise zu anderen
Ergebnissen gelangt ist, als Ref., wurde bereits oben hervorgehoben.
Auf ein Versehen des Ref. in der Umrechnung der Mafse des Isthmus
bei Livius hat Partsch in Verhandl. d. Ges. f. Erdk. 1887 S. 440f. hinge-
wiesen; es wurde nämlich bei der Umrechnung in Meter irrtümlich der
einfache Schritt {gradus der Feldmesser) zu 2Vs' röm. (V« m) statt des
Wegeschrittes (pasnu) zu 5' = lV>m (genauer 1.479 m) zu gründe ge-
legt; hiernach ist 8. 9 und 12 statt 375 und 90 m zu setzen 750 und
180 m oder genauer 739.3 und 177.42 m.
Über den heutigen Dialekt der Insel handelt
/. N, ZrajxariXog^ AeoxaSia dtdXexrog, (Zafvra fjnfi^jieta iv rfj
yXotatTj} Tou Xaou. A\) luy^pafifia neptod, roo iv K* noXet ^EXX.
0iXoX. HuXXSyou. H' (1873/74) 8. 363—428, 455, 462f.; 0' (1874/75)
8. 280-320.
N. //er/9^c« Utpl ro/y xupuode^ndpwv iv Aeuxddi fwvwv, IJapvaa'
aog 1884 8. 310—15 und 1885 8. 520 -23
266 Geographie ▼on GriechenUnd.
giebt daukenswerte geschichtliche and statistische Mitteiloogen Aber
die Klöster H. loannis, H. Georgios, Phaneniomeoi und Asomaton
(Michael Archangelos) sowie die /i£rj/;<i des letzteren H. loaonis sto
Rodaki und H. Kerykos (zu Athani)').
Touristische SchilderuDgen von L. giebt, abgesehen von Bik^las
(Bd. 64 S. 420)t dessen Mitteilungen sich übrigens auf die Hauptstadt
beschränken, meines Wissens nur AI. v. Warsberg, der in seinen be-
reits wiederholt angeftkhrten') »Odysseischen Landschaften« auch Leuka-
dien einige Kapitel gewidmet hat (III 365 — 420). Vgl. n. S. 285.
Inschriften von Leukas findet man C.I.G. II S. 58 f., 988: I.G.A.
S. 78; Bull, de Tficole frang. d'Ath^nes 1868 S. 91-93; Mvrjioirjvr^ I
1852 S. 180—82; '£in;/x. nov ^cAofiaBcjv XVI 1868 S. 1649-71 (die
zwei letzten Citate nach Miliarakis).
In dem Meeresteil zwischen Akamanien, Leukas und Ithaka befin-
den sich noch eine Anzahl kleinerer Inseln, welche hauptsächlich in die
Grnppen der taphischen und in die der Echinaden zerfallen. Die-
selben sind, soweit sie für die alte Geographie und Geschichte in Frage
kommen, in meinem »Akarnanienc (s. besonders S. 20ff.) berficksichtigt
und. abgesehen von Meganisi, auch von Miliarakis in seinem Buche Qber
Kephallenia (s. u.) mit einbezogen worden. Letzterer führt aufserdem
unter N. 991 — 94 seiner Bibliographie einige ältere Aufsätze über Me-
ganisi (Taphos), Maduri und Kalaroos (Kamos) an. Ferner ist Me-
ganisi sowohl auf der Karte als im Text (S. 21f.) von »Partsch, Leukase
mit inbegriffen worden (keine Spuren einer antiken Ortschaft, nur Grä-
ber!), während über Kalamos Bikelas a. a. 0. S. 29ff. einige kurze Mit-
teilungen giebt.
Wir kommen nunmehr zu der Inselgruppe
Ithaka und Kephallenia.
welche wegen ihrer geographischen Zusammengehörigkeit mehrfach
auch als ein Ganzes behandelt worden ist: wir stellen deshalb die zu-
sammenfassenden Arbeiten voraus, um dann die spezielle Litteratnr über
jede der beiden Inseln folgen zu lassen. Der Vorrang gebührt natnr-
gemäfs wieder der Arbeit von
Joseph Partsch, Kephallenia und Ithaka. Eine geographische
Monographie. Mit einer Karte, zwei Plänen und fünf Skizzen im Text.
Ergäuzungsheft Nr. 98 zu »Petermanns Mitteilungenc Gotha« Justus
Perthes. 1890. 4. (IV) 108 S. 2 T. M. 6.
Wie bei Korfu zerfällt auch hier die Darstellung in zwei Hanpt-
1) über die Mo^r; rwv \i. Ilaripw> erschien nach Miliarakis N. 984 ein
ÄufsAtz von Stamatelos in "E^ß. ?»> ftAo/cta^»> 1868 S. 1686.
*) S. Bd. 64 S. 415 f. and o. S. 257.
Ithaka and Eephallenia. 267
teile , »Naturbeschreibung« und »Kulturgeographiec (dort > Anthropo-
geograpbie«); im einzelnen weicht die Verteilung des Stoffes, besonders
im II. Teil, mehrfach von dem früheren Schema ab. Durch umfassendere
Ausnützung des historischen Quellenmateriales, besonders aus veneziani-
scher Zeit, ist es dem Verfasser auch gelungen, das Bild der Inselgruppe
im Vergleich zu Korfu noch um wesentliche Züge zu bereichern, wie er
dieselbe auch von allen ionischen Inseln am eingehendsten durch eigene
(viermalige!) Bereisung kennen gelernt zu haben scheint. So darf die
Beschreibung Kephallenias und Ithakas wohl als die inhaltreichste
und am meisten durchgearbeite von den vier trefflichen Monographien
bezeichnet werden, wie sie schon an äufserem Umfang die andern
übertrifft.
Vorausgeschickt ist wie bei Eorfu eine kritische Einleitung über
die Vorarbeiten, welche sich jedoch hier vorzugsweise auf die Anführung
der neuesten Litteratur beschränken konnte, da die älteren Arbeiten
bereits bei Wiebel (siehe unten) vollständig verzeichnet sind. Der erste
Hauptteil sondert sich, wie bei »Eorfu«, in einen Abschnitt über den
Gebirgsbau und einen solchen über das Eiima. Bei ersterem, in
welchem dem geologischen Moment wiederum ein grofser Spielraum
gegeben ist, mufste natürlich jede der beiden Inseln für sich behandelt
werden. Auf die Einzelheiten der sehr gründlichen Beschreibung ein«
zugehen, ist hier selbstverständlich nicht möglich, nur folgende Punkte
von allgemeinerem Interesse möchte ich hervorheben. Der (^ame H.
Stephanos für das Südgebirge von Ithaka beruht nach S. 6 auf einem
Irrtum. Der fruchtbarste und meist besiedelte Teil dieser Insel ist der
äufserste Norden (S. 8). Der Name Bata (Steph. Byz.) kann weder dem
H. Dynati noch einem andern Berge Eephallenias mit einiger Wahr-
scheinlichkeit zugeschrieben werden (S. 14). i) S. 22f. giebt P. eine ge-
drängte Erörterung des Problems der Meermühlen von Argostoli,
welches ja bereits von Wiebol (s. u.) in erschöpfender Weise behandelt
wurde. Doch ist letzterem die wichtige Untersuchung von Fouqu6 (1867)
entgangen, welche zur Lösung des Problemes einen beachtenswerten Bei-
trag lieferte'). Den Schiufs des orographischen Abschnittes bildet wieder
eine Übersicht der bekannten Erdbeben, über welche erst seit dem
17. Jahrhundert ausführlichere Berichte vorliegen; besonders eingehend
wird das grofse Erdbeben von 1867 behandelt. Für das Klima von
Kephallenia war das vorliegende Material ungleich geringwertiger als bei
Eorfu und mufsten deshalb auch Einzelbeobachtungen und Erkundigungen
bei den Eingebornen in gröfserem Umfang herangezogen werden, um
1) Auch Bursian II 872 A. 3 ftufserte sich schon in diesem Sinne.
^ Auch S. Günther, Lehrbuch der Geophysik II 590 592 hat nach
Wiebels Monographie noch eine kurze, aber eindringliche Darstellong der
Frage gegeben (1885),
268 Oeographie Ton Griechenland.
ein annäherndes Bild der hier herrschenden besonderen Verhältnisse tu
gewinnen.
Der kalturgeographische Teil zerfällt wieder in drei Ab-
schnitte, deren erster einen allgemeinen geschichtlichen Überblick giebt.
Soweit derselbe das Altertum betrifft, ist aus demselben hervorzuheben,
dafs P. das homerische Dulichion fttr die Halbinsel Paliki, Same Ar
das hochaufragende Hauptgebirge der Insel hält. Gegen die Annahme
▼on Spuren phOnizischen Einflusses, wie sie vom Ref. und A. befftrwortet
worden ist, verhält sich F. durchaus ablehnend und geht sogar soweit,
Namen wie Same, Samos u. s. w. den semitischen Ursprung abzusprechen.
Die Bevölkerungszahl von Kephallenia im Altertum ist von Beloch unter-
schätzt worden; sie kann kaum geringer gewesen sein als zu Anfang
unseres Jahrhunderts (S. 41). Die Form KefaXw)fia findet sich zuerst
im 4. Jahrhundert (S. 37 b A. 8). Durchaus neues Material bringt P.
ttber das Mittelalter und die venezianische Zeit bei, letzteres auf Grund
der Originalberich^e venezianischer Provveditori, welche P. in Venedig
einzusehen Gelegenheit hatte, ohne, wie er selbst sagt, diese Quelle er-
schöpfen zu können. Eine Kartenskizze in 1 : 800 000 (S. 43) veranschan-
licht die Siedelungs Verhältnisse im Jahre 1262. Auch die Zeit der eng-
lischen Herrschaft und besonders die treffliche Verwaltung von Charles
Napier wird eingehend behandelt und zum Schlufs eine interessante
Parallele zwischen Eorfu und Kephallenia gezogen, welche durchaus zu
gunsten der letzteren Insel ausfällt. Der zweite und umfänglichste Ab-
schnitt ist der Ortskunde gewidmet. Wie beim Gebirgsbau stellt P.
das kleinere Ithaka voran und bespricht zunächst die frflheren Ver-
suche zur Aufklärung der homerischen Topographie, unter denen der-
jenige von Dodwell durch sorgfältige Beschreibung, der von Leake
durch besonnenes und scharfes Urteil ausgezeichnet ist. Herchers
bekannter Aufsatz geht entschieden zu weit, wenn er der homerischen
Schilderung jede Realität abspricht. Die Verse e2l8s, welche vorzugs-
weise ffir die Unkenntnis des Dichters von der wahren Lage Ithakas
geltend gemacht werden, erklären sich ans einer falschen Vorstellung
ttber die geographische Orientierung der ionischen Inseln, welche sich
vom Altertum bis zur Gegenwart herab verfolgen läfst. Die Ruinen auf
dem Aätos gehören nicht der Stadt Ithaka, sondern Alalkomenai
an; erstere ist mit Leake u. A. an der Bucht von Polis zu suchen.
Der Hafen Rheithron (a 186) ist die Bucht von Aphales, das Nelon
(a 186, y 81) die Höhe Kavellares zwischen letzterer und der Bucht von
Polis. Schwieriger ist das Gebirge N er i ton zu bestimmen. »Die Odyssee
nennt zweimal ganz unzweideutig das waldige Neritongebirge Ithakas
(«22, V 351). Niemand wQrde dahinter eine Verwechselung mit der
w 877 erwähnten leukadischen Stadt Nerikos vermuten, wenn nicht der
Schiflfokatalog (^362) neben Ithaka als ein von Odysseus beherrschtes
Gebiet auch N^ptxoy ehoüi^ißkkov anftthrte. Die Erklärung, dafs der
Ithaka ond KephaUeiiia. 269
Dichter hier idas waldige Lenkadienc meint, ist kaum abzoweiseD. Sie
wird unterstützt durch die später bei Plin. n. h. IV, 1,6 und einem Gram-
matiker Lupercus (Stepb. Byz. s. v.) vorkommenden Namensformen Neritis
ffir Leukadien, Neritos für seine alte Hauptstadt. Um die Verwirrung
voll zu machen, wird andrerseits bei Dion. Per. IX 495 die Namensform
Nerikos auf den Berg von Ithaka tkbertragen. Bei dieser Sachlage ist
die Berechtigung der Unterscheidung von Nerikos (Leukas) und Neritos
(auf Ithaka) durchaus zweifelhaft. Die Möglichkeit mufs zugegeben wer-
den, dafs aus der waldigeu Landschaft Neritos, die der Schiffskatalog
kennt, das Missverständnis eines Odysseedichters einen Berg auf Ithaka
machte, den spätere Geschlechter dort dann natttrlich herausfanden. —
Die Entscheidung liegt rein in der Quellenanalyse, namentlich in der
Frage, ob der Schiffskatalog, wie v. Wilamowitz-MöUendorf annimmt,
wirklich älter ist, als die in Frage kommenden Teile der Odyssee f
(S. 60b A. 8). Die Triften des Eumaios sucht F. nach der Schilderung
des Dichters (^6ss., 399, o 38, w 160) auf der Hochfläche Marathi& im
äufsersten Sttden, dort auch den Felsen Koraz und die Quelle Arethusa
(v 408), während der Hafen des Phorkys (v 96, 345) in der Bucht von
Vathy wiederzuerkennen ist. Letztere kam übrigens erst in neuerer Zeit
zur Geltung, da im Altertum der Schwerpunkt Ithakas im Norden lag.
Im Mittelalter wird die Insel unter dem Namen V<ü di Compare^ auch
»Klein-Kephallenia«, erwähnt.
Die Ortskunde von Kephallenia gliedert sich nach folgenden
durch Natur und Geschichte abgegrenzten Gebieten: l. Die nördliche
Halbinsel Erisos mit dem Thal Pylaros; geringe Reste aus dem Alter-
tum; venezianische Festung Assos. 2. Der Osten mit den höchst impo-
santen Ruinen der Stadt Same, die zwar schon öfters beschrieben
worden sind, aber erst dnrch P. eine topographische Aufnahme erfahren
haben, welche in einem besonderen Plane (1:10 000) niedergelegt ist.
3. Der Südosten (Pyrgi, Arakli, Koronus) mit den minder bedeutenden
Ruinen von Pronnoi und einem interessanten und ausgedehnten, aber
noch nicht genau untersuchten Paläokastro bei Asprogeraka^). 4. Der
Soden (Valta, Skala, Katelios, Elios, Ikosimia, Livatho). 5. Der Westen
mit den Ruinen von Krane, welche diejenigen von Same an Grofsartig-
keit noch ttbertreffen und von P. gleichfalls in 1 : 10 000 aufgenommen
wurden*), der venezianischen Festung H. Georgios und der modernen
Hauptstadt Argostoli. 6. Das Bergland der Inselmitte (Talamiaes, Ho-
mala, Potamiana, Thinea), wo die menschlichen Ansiedelungen am spär-
lichsten vertreten sind; die Frage nach dem Heiligtum des Zeus Aint-
sios hält P. trotz der auf dem Gipfel des Ainos nachgewiesenen Opfer-
1) Von Miliarakis fOr Pronnoi gehalten, s. u. S. 272.
S) Beide Pläne sind auf T. 11 vereinigt. Bei Krane sind besonders auch
die Einwendungen von P. gegen Biedermann (s. u.) zu beachten.
270 Geographie ?on Griechenland.
Stätte noch nicht für erledigt. 7. Die f^estliche Halbinsel, das Gebiet
der alten Stadt Pale, welche unter den vier St&dten der Insel die ge-
ringsten Ruinen hinterlassen hat; ihre Erbin ist das moderne Lixori,
die Rivalin von Argostoli.
Der III. Abschnitt des zweiten Teiles handelt von der »Verwertung
des Bodens« und giebt wertvolle Mitteilungen Ober die Geschichte des
Waldes sowie Ober Fauna, Ackerbau, Obst- und Ölbaumzucht u. s. w.,
und besonders ttber die Kultur der Korinthe, deren Geschichte ein
eingehender Exkurs gewidmet ist. Die Berichte der venezianischen
Provveditori ergaben für diesen wirtschaftlichen Abschnitt besonders
reiches Material.
Die Karte von Kephallenia und Ithaka stimmt in Mafsstab
(1 : 100 000) und Technik mit denjenigen von Korfn und Leukas fiberein
und gilt für dieselbe das Gleiche, was fiber die grundlegende Bedeutung
jener bereits gesagt wurde. Wünschenswert wäre es gewesen, wenn
neben der Darstellung des Landes auch das Relief des Meeresbodens
durch Tiefenzablen und einige Isobathen veranschaulicht worden wäre;
auf Grund der englischen Seekarte hätte dies leicht geschehen können.
Wie bei »Korfu«, macht sich auch hier der Mangel eines Registers
fühlbar.
Die zweite Hauptschrift, welche sich mit Kephallenia und Ithaka
als einer zusammengehörigen Gruppe beschäftigt, verdanken wir dem
rührigsten unter den geographischen Schriftstellern Griechenlands. Der
Titel lautet
r&iDypa/fpia noXertxij via xai dp)[aia rou vofiou Ke^aXXi^veac* Ae-
^a^Ai^v/a, Ibdxrj^ ''Aroxogy 'Apxoüdi, KdXafioQ, Kaarb^ xal 'E^evdie^ fierä
yewjpajfpixou nivaxoq und AvTwveoü Mr^kiapdxri. ^A^fjvyjCtv ix rou
Tonoypa^eioü zwv 'ASeA^äiv Ihpp^. 1890. 8. 272 S. 1 T. M. 4,60.
Nach der Lektüre der ganz auf dem Boden moderner geographi-
scher Forschung stehenden Monographie von Partsch ist es schwer einer
Arbeit wie der vorliegenden gerecht zu werden. Indessen wird man
wohl schon nach dem Wortlaut des Titels, der ja nur eine »politische
Geographiec verspricht, nicht zu viel von der Behandlung physikalischer
Verhältnisse erwarten, und wird es dem Verf. auch nicht zu hoch an-
rechnen, wenn seine Darstellung mehr an die Schablone unserer älteren
Kompendien als an den Geist moderner Länderkunde erinnert, von
welchem allerdings zu seinen Landsleuten noch kaum ein Hauch gedrun-
^n ist. Abgesehen hiervon und abgesehen von den zahlreichen stören-
den Druckfehlern in den deutschen und italienischen Gitaten mufs das
Buch als eine anerkennenswerte Leistung bezeichnet werden, welche von
fleifsiger Benützung der Litteratur ~ freilich mit Ausnahme der eng-
lischen, welche gerade hier am wichtigsten gewesen wäre — und eifriger
Autopsie zeugt. Am meisten zu bedauern ist jedenfalls, dafs für die
Ithaka UDd Eephallenia. 271
VeröfTeotlichuDg nicht das Erscheinen der Monographie von Partsch
abgewartet wurde, deren schöne Resultate so wahrscheinlich nur einem
ganz verschwindend kleinen Teil der litterarischen Kreise Griechenlands
bekannt werden; anderseits hätte gewifs auch Partsch manche brauch-
bare Notiz aus dem Buche entnehmen können, wenn dieses seinerseits
frtther erschienen wäre. Dafs der Verf. gleichzeitig mit der Arbeit von
Partsch an die Öffentlichkeit trat, deren bevorstehendes Erscheinen ihm
nicht unbekannt sein konnte, hat seinen Grund übrigens in äufseren
Verhältnissen, ttber welche man in dem die Stelle eines Vorwortes ver-
tretenden 'EmioiroQ Auskunft findet.
Das Buch beginnt mit einer Übersicht der zum Nomos E. gehö-
renden Bezirke und Inseln und wendet sich dann zur Beschreibung von
Eephallenia, ttber dessen Areal S. 168 A. 2 verschiedene, sehr von
einander abweichende Ziffern angeführt werden. Ich erwähne dies be-
sonders, weil sich Partsch in seinen Monographien ttber die so aufser-
ordentlich variierenden Arealbestimmungen der ionischen Inseln^) beharr-
lich ausschweigt; wir erfahren zwar aus den am Schiufs jeder Mono-
graphie gegebenen Zusammenstellungen, dafs Korfu 693, Leukas (ohne
die Nebeninseln) 287 und Eephallenia 757 (Ithaka 94) qkm haben soll,
aber nirgends wird gesagt, wie der Verf. zu diesen Ziffern gekom-
men ist.*)
Nach einem Abrifs der physikalischen Geographie {Awx^ Uepe-
ypojfpif)^ welcher jedoch durchweg ein tieferes Eingehen auf die Landes-
nator vermissen läfst, folgt die spezielle Beschreibung (Eidex^ Uepiypa^i^)
der Inseln, bei welcher der Verf. löblicher Weise nicht die Einteilung
nach Demen, sondern nach den natürlichen, im Volke überall bekannten
Gauen zu gründe gelegt hat, deren Grenzen auch auf der Earte ange-
deutet wurden^). Hieran schliefst sich als Zrariartxij ein Verzeichnis
1) Vgl. hierzu auch Petermanns Mitteilungen, Erg&nzungsheft 62 S. 16 f.
und 101 S 34.
>) Einigen Aufschlufs hierüber giebt Biedermann, Die Insel Eephallenia
S. 2 A. 2, wo die Ergebnisse zweier planimetrischer Messungon von Partsch
iflr Eephallenia mitgeteilt sind, die übrigens mit der obigen Ziffer nicht stim-
men. Man darf wohl annehmen, dafs die endgültigen Ziffern für Eephallenia
sowohl als für die andern Inseln dnrch Messung mit dem Planimeter auf den
von Partsch neu gezeichneten Earten gewonnen wurden. Auffallend bleibt,
dafs in der neuesten Ausgabe der »Bevölkerung der Erde« (Pet. Mitt. a. a. 0.)
hierauf nicht Rücksicht genommen wurde; dort ist noch nach der frühereu
Gothaer Messung Eorfu mit 712, Eephallenia mit 664 qkm angeführt.
S) Von Einzelheiten will ich nur die sonderbare Notiz von dem Felsen
flirpa Uoü Kouviirai (S. 78) beim Vorgebirge Akrotiri (Südspitze der Halb-
insel Paliki) hervorheben, welcher seit dem Erdbeben von 1867 in beständiger
Bewegung von Osten nach Westen sein soll (?); ich erinnere mich nicht
anderswo davon gelesen zu haben.
272 Geographie Ton Griechenland.
aller Ortschaften nach Deinen und der Volkszählung von 1889, unter
Kotvwvix^ KardtnaütQ sodann Mitteilungen demographischer Natur, dar-
unter heachtensvverte Bemerkungen fiher kephallenische Orts- und Fa-
miliennamen (S. 98 ff.) 9 sowie statistische Angaben aus dem 16. und
18. Jahrhundert. Das Kapitel J' üpoiovra handelt von den Erzeugnissen
der Insel, E' üuyxoevwv^a von den Fahrstrafsen und sonstigen Verkehrs-
einrichtungen, c' giebt ein alphabetisches Verzeichnis der auf Kephallenia
vorkommenden Familiennamen. Die Beschreibung von Ithaka (S. 127
bis 167) ist nach dem gleichen Schema gegliedert. Entsprechend kurz
sind natürlich die kleinen Inseln behandelt, welche noch zum Nomos
Kephallenia gehören und kaum je von europäischen Reisenden besucht
wurden, nämlich Atoko, Arkudi, Kalamos, Kastos und die Echi-
naden.i)
Auf die Anmerkungen zu diesem ganzen ersten Teil, welche on-
zweckmäfsiger Weise mitten in das Buch gedruckt sind, folgt nun der
zweite Teil, 'Ap^a/a Fewirpa^ea, welcher wieder in zwei Abschnitte, IJpo't-
aropexi) UepcodoQ (d. i. homerische Topographie) und 'laroptx^ Iltpiodos
zerfällt. Ausgangspunkt des erstereu ist natttrlich Ithaka, bezQglicb
dessen der Verf. im wesentlichen den ablehnenden Staudpunkt Horchers
teilt. Eingehend beschäftigt den Verf. Dulichion (S. 199 ff.), das er,
ebenso wie Aigilips und Krokyleia (^633) auf Kephallenia sucht;
ffir die Taphier nimmt derselbe sowohl Meganisi als das Kloster Taphio
auf Kephallenia in Anspruch, Asteris (^846) hält er fOr eine Erfin-
dung des Dichters und die Beziehung auf die Klippe Daskalio fttr unzu-
lässig. Im zweiten Abschnitt wird zusammengestellt, was wir Ober die
Topographie der Inselgruppe in historischer Zeit wissen; hierbei ist zu
bemerken, dafs der Verf. die Stelle von Pronnoi im Gegensatz zu
anderen Forschern nicht an der Küste bei Porös sondern in dem Kastell
Kdarpo t^q Huptäg bei Asprogeraka (Partsch S. 76) sucht (S. 222 f.).
Ein bibliographisches Verzeichnis, welches besonders aus der neuesten
griechischen Litteratur dankenswerte Nachweise enthält, und ein drei-
geteiltes Register (Kephallenia, Ithaka u. s. w.. Alte Geographie) be-
schliefsen nebst dem Nachwort das Buch.
Die beigegebene Karte, welche übrigens gefällig ausgeftlhrt ist,
beruht im wesentlichen ganz auf der englischen Seekarte, deren Mafsstab
sie wiederholt; im einzelnen findet man zwar eine Anzahl dort fehlender
Ortschaften eingetragen oder in ihrer Lage berichtigt, doch konnte die
weit durchgreifendere Umgestaltung der Karte von Kephallenia und
Ithaka durch Partsch hier leider noch nicht verwertet werden.
1) Hierzu die Kärtchen S. 162 und 167. Über Meganisi (Tapbos)
s. 0. S. 266. Eine Übersicht des ganzen Archipels zwischen Ithaka, Leukas
und dem Festland giebt die Karte zu meinem »Akarnanieof.
Ithaka. 273
Einen antiehenden Bericht ttber seine Reise auf beiden In-
seln giebt
Georg BiedermaoD, Kephalonia und Ithaka. Jahresber. der
Geogr. Ges. in Mttnchen für 1886 S. 21 — 53.
Hiermit schliefse ich die Betrachtung der Arbeiten, welche Eephalle-
nia und Ithaka als eine zusammengehörige Gruppe behandeln und be-
ginne nunmehr mit der besonderen Litteratur Ober
Ithaka.
Ältere Litteratur findet man bei Bursian II 866 f. A. 4; Partsch,
Kephallenia S. 54 f.; Miliarakis S. 81 f.
Die ansehnlichste Monographie aus neuerer Zeit, welche sich dem
Titel nach nur mit der kleinen Insel beschäftigt, ist -
Ithaka. Von Alexander Freiherr von Warsberg. Mit ffinf
Aquarellfarbendrucken, einer Karte und 40 Phototypien nach Origi-
nalen von Ludwig Hans Fischer. Wien. Verlag von Karl Gerold's
Sohn. 1887. 4. (VI) 144 S. Geb. fl. 10.
Auch dieses Buch beschränkt sich gleichwohl nicht auf Ithaka,
indem der erste, allerdings kürzere Teil, von einer Reise des Verf. durch
Kephallenia handelt. Das ganze ist nämlich nur ein luxuriöser Neudruck
von Buch 6 und 7 der »Odysseischen Landschaftenc^), mit Ausnahme
der beiden letzten Kapitel (»Idylle auf Ithakac und »Stillleben auf
Ithakat), von denen das erstere bedeutend gekürzt, das letztere ganz
weggelassen wurde, wohl nicht zum Schaden des Buches. Neu sind
lediglich die beigegebenen Aquarellfarbeudrucke, von denen vier (Akro-
polis von Same, Quelle Arethusa, Ithaka vom Wege zum Koraxfelsen und
Schule des Homer) nach den Originalen von L. H. Fischer, das Titelblatt
»Wie die Menschen noch immer auf Ithaka ausseheuf nach einer Oel-
Studie des Schweizer Malers Frank Buchser hergestellt sind. Diese
Tafeln gereichen dem Buch in der That zu hoher Zierde, weniger die
ziemlich dürftigen Vignetten im Text und die am Schlufs beigegebene
Karte, bei welcher offenbar mehr eine typographisch stilvolle Zeich-
nung als ein naturgetreues Bild der Insel beabsichtigt war. Auch
der Text kommt nur als eine Reihe von landschaftlichen Stimmungs-
bildern in Betracht; wissenschaftlich ist derselbe ohne Belang.
Kürzlich erschien
1) S. Bd. 64 S. 416 f. und o S 257 n. 266.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LXIX. Bd. (1891. IIL) 18
274 Geographie von Oriechenland.
Ithaka nach eigener Aoschaoung geschildert von Rudolf Menge.
Mit drei HolzschnitteD und einer Karte. Gttterdoh. Druck u. Verlag
von K. Bertelsmann. 1891. 8. (YIII) 86 8. 1 T. M. 0,80 (Gynina-
sialbibliothek herausg. v. £. Pohlmey u. H. Hofimann 11. Heft).
Auch hier kam es dem Verf., wie schon aus dem Zweck der ganzen
Sammlung hervorgeht, nicht sowohl auf Darlegung wissenschaftlicher
Forschungen als auf eine Wiedergabe des Eindruckes an, den der
Verf. auf seiner Reise von der Insel sowohl im allgemeinen wie insbe-
sondere mit Rttcksicht auf die homerische Dichtung empfangen hat In
diesem Sinne mag die kleine Schrift ihrem Zwecke wohl dienen; doch
wird nicht jeder Leser die Zuversicht des Verf. in der Bestimmung
homerischer örtlichkeiten teilen, zumal wenn es sich um so willkttrliche
Bezeichnungen handelt, wie »Rheitronc fttr den Busen von Molo. Be-
sonders am Herzen gelegen ist dem Verf. die »Nymphengrottec (v 103 ff.),
welcher im Text und im Anhang je ein besonderes Kapitel gewidmet
ist. Verf. schliefst sich im wesentlichen der Deutung von Forchhammer
an (s. u.) und polemisiert eifrig gegen Hercher, dessen Ausführungen er
bereits vor Erscheinen dieser Schrift in einem besonderen Aufsatze be-
kämpft hat.i) Die drei beigegebenen Holzschnitte sind nach photogra-
phischen Aufnahmen gefertigt, die Karte ist diejenige von Partsch.
Die eben erwähnte Darlegung von P. W. Forchhammer aber
die Nymphengrotte findet sich in dessen Schrift
Die Kyanen und die Argonauten. Nebst drei Anlagen: 1. Die
Grotte auf Ithaka. 2. Dardania. 8. Nuxtöq dfwXytp. Kiel u. Leipzig.
1891. 8. 32 S. 1 T.
Auf S. 18—21 schildert der Verf. den Eindruck, welchen er bei
seinem Besuch der Grotte im Jahre 1882 empfangen hat und welcher
ihm die Identität derselben mit der homerischen Nymphengrotte aufser
Zweifel setzte.
Von R. Hercher^s bekanntem Aufsatz^ ist ein neuer Abdruck in
den nach seinem Tode erschienenen iHomerischen Aufeätzenc*) (S. 1
bis 25), sowie eine griechische Übersetzung von Papageorgios^) er-
schienen.
>) Zeitschr. f. d. Gymnasialwesen (Berlin) 1891 S. 52—82. Der Anftats,
von dem ich erst unmittelbar vor Drucklegung dieses Berichtes Einsicht er-
hielt, knüpft an die Überschrift ?on Horchers Abhandlung (s. u.) an und ist
als Ergäoiung der obigen Schrift zu berücksichtigen.
>) Homer und das Itaka der Wirklichkeit Hermes I (1866) S. 263—80.
*) Berlin, Weidmann. 1881. 96 S. M. 4.
«) V Vfoipoq xal 4 äXy^iii 'I^nj bnb R Hercher. 'ESsXXijvlff^ önö
Unop, U, naitartwpyiou. 'Eu Ktpxupa 1883. 80 S. (Nach MUiarakis N. 941 b.)
Ithaka. 275
Nor aus Miliarakis N. 941 f. kenne ich die Titel
*IBdxtj xa\ ZXeifmv und 2nop. IL AdfJLnpou, üaßßariaia ^EmB^d»'
pfjctg I 682 (1878), und
^H 'IMxTj (bnb "htnoxpdroüe Kapaßia). "EanepoQ III 1883 N. 60
S. 178.
Derselbe verweist auch auf eine statistische Übersicht des Naurtxbv
IBdxijg in "Eima 1887 N. 618.
Die Aufsätze von
J. Partsch, Ithaka. Allg. Zeit. 1888. Beil. N. 237/89
enthalten die vorläufigen Ergebnisse seiner Reise auf der Insel, welche
inzwischen in der oben besprochenen Hauptarbeit endgültig niedergelegt
worden sind.
Karl Braun- Wiesbaden schildert in seinen bereits bei Korfu
erwähnten »Reiseeindrttcken aus dem Südosten« auch seine Erlebnisse
auf Ithaka (II 157 — 246), untermischt mit dilettantischen Erörterungen
ttber die homerische Frage u. s. w.
In dem schön wiederholt erwähnten Buche von Stillman^) wird
Ithaka auf 8. 23 — 48 behandelt. Neues ergiebt sich daraus, soviel ich
sehe, nicht. Die auf S. 89 ff. besprochene Inschrift steht jetzt I. G.A. 336.
Kaum ernst zu nehmen ist ein Aufeatz des berOhmten englischen
Staatsmannes
W. E. Gladstone, Phoenician Affinities of Ithaca. Nineteenth
Century XXVI (1^89) 280-98.
Als Probe möge folgende Beweisführung der phönizischen Abstam-
mung des Odysseus dienen (S. 282). Eupeithes, der Vater des Antinoos,
deutet in seiner Ansprache an das Volk (nach dem Freiermord) die
Möglichkeit an, dafs Odysseus nach Pylos oder Elis entweichen könne
(Ol 430 f.). Beide Gegenden werden aber von Geschlechtern beherrscht,
welche die Zeichen phönizischer Herkunft tragen. Denn Nestor stammte
durch Neleus von Poseidon ab, »a sure Phoenician marke Elis wurde
einst von Augeias beherrscht, von dem ein Nachkomme das elische oder
epeische Kontingent vor Troia befehligte {B 623 f.)* Augeias gehört aber
zu denjenigen, welche speziell die Bezeichnung ivaS dvdpwv führen, die
nach dem Verf. wiederum ein sicheres Zeichen phönizischer Beziehungen
ist. Weitere Beispiele sind hiernach wohl überflüssig.
Schliefslich möchte ich noch daran erinnern, dafs in der 2. Auflage
von Baedeker's Griechenland (s. Bd. 64 S. 408f.) Kephallenia (8. 15
1) S. Bd. 64 S. 446 und o. S. 268.
18»
276 Geographie von Griechenland.
— 21) and Ithaka (S. 21 — 26) eine besondere Bearbeitang durch
E. Reisch erfahren haben.
Eephallenia.
Ältere Litteratur fast vollständig bei Wiebel (s. u.) S. I— IX, dazu
Riemann S. If., Partsch 8. 1—3, 36, 48 f., 94, Miliarakis S. 79—81.
Vor der bereits o. S. 270 ff. besprochenen Monographie von Miliarakis
erschien die
liaxptioypaipia xr^Q vi)Cotj Ke^aXhjvia^ iiphQ //t>^<nv rcvv iiaBif^rwv
T^C ß' xal y' rd^ewg rou dfjfiortxou a^oXeioi) bnb fewpy, N. KaXktvixou
8rjiio8idaaxdXoo, '£v Ke^aXXvjviqi 1887. 81 S.
Wie schon aus dem Titel hervorgeht, beansprucht die Schrift, die
ich selbst nicht gesehen habe, keinen wissenschaftlichen Wert; Partsch
(S. 3) nennt sie »ein recht brauchbares Büchlein fttr die Volksschulen c
Unter denjenigen Arbeiten, welche ausschliefslich der physischen
Geographie der Insel gewidmet sind, ist weitaus die bedeutendste
Die Insel Kephalonia und die Meermtthlen von Argostoli. Versuch
einer Lösung dieses geophysikalischen Rfttsels von K. W. M. Wiebel.
Mit 1 Karte, 3 Skizzen und 5 Holzschnitten. Hamburg. L. Fried-
richsen u. Co. 1874 1). 4. (X) 160 S. 1 T. M. 6.
Da die Veröffentlichung dieser Monographie schon weit zurttckliegt
und dieselbe jetzt teilweise durch die Arbeiten von Partsch ersetzt ist,
beschränke ich mich hier auf eine kürzere Anzeige, ftis dem wissenschaft-
lichen Werte derselben eigentlich entsprechen wfirde. Die Schrift zerfällt
in zwei Teile, von denen der erste sich mit der physikalischen Geographie
von K. im allgemeinen, der zweite speziell mit dem Problem der Meer-
mühlen beschäftigt. Vorausgeschickt ist eine sehr dankenswerte Zu-
sammenstellung der Litteratur (auch Karten), aus welcher die ausführ-
liche Inhaltsangabe einer sehr seltenen Denkschrift von Napier (S. III
bis V) hervorzuheben ist. Der allgemeine Teil behandelt in lesbarer
Darstellung unter sorgfältigster Ausnutzung aller dem Verf. zugänglichen
Quellen die orographischen und geognostischen, sowie die meteorologi-
schen und hydrographischen Verhältnisse der Insel unter steter ROck-
sichtnahme auf analoge Erscheinungen in anderen Gebieten, insbesondere
Griechenland, ffir dessen physikalische Geographie im allgemeinen (nicht
blos von K.) mannigfache Anregungen ans der Schrift zu gewinnen sind.
1) Die in den Buchhandel gelangten Exemplare tragen diese Jahres-
zahl ; thats&chlich erschien die Schrift schon 1873 als »Wissenschaftl. Abhandl.
2um Osterprogr. des Akad. und Realgymnasiums«.
Kephallenia. 277
Die Erörterung über die MeermOhlen von Argostoli (S. 107 — 56)^)
ist die ansffihrlichste, welche wir über dieses merkwürdige Problem be-
sitzen, und wenn der Verf. auch mit seiner Theorie vielleicht nicht ganz
das Richtige getroffen bat (s. o. S. 267), so wird doch jeder, der sich in
Zukunft wieder mit der Lösung des Rätsels beschäftigt, von WiebePs
Darlegung auszugehen haben. Die beigegebene Karte in 1: 166000 ist
auf Grund der englischen Seekarte und einer Aufnahme des Innern von
Eanelopulos durch G. Eramm gezeichnet und bildete die beste Dar-
stellung der Insel, bis sie neuerdings durch diejenige von Partsch (s. o.
8. 270) ersetzt wurde. Noch immer von Wert sind die beigefügten
Spezialpläne der Bucht von Argostoli in 1 : 89 000 und der Meermtthlen
in 1 : 1000. Die Karte erschien auch als Beigabe zum 1. Jahresber. d.
Geogr. Ges. in Hamburg (1878/74), woselbst der Sohn des Verf., Fr.
Wiebel, auf S. 42—50 Ober die Forschungen seines Vaters Bericht er-
stattet hat. Der Sohn setzte die Forschungen des Vaters später noch
fort und stellte die Ergebnisse derselben für den einschlägigen Abschnitt
in S. Günther 's Lehrbuch der Geophysik (II 690 — 92) zur Verfügung,
welcher hier wegen der übersichtlichen und klaren Darstellung der
Theorie WiebePs nochmals erwähnt zu werden verdient.')
Ferner gehören hierher die Veröffentlichung eines auch in topo-
graphischer Hinsicht wichtigen zeitgenössischen Berichtes über das grofse
Erdbeben vom 30. September 1687 durch £. Legrand*), und die kurzen
Nachrichten, welche ^HXtojQ TütraiXyjQ über die Erdbeben vom Januar
bis April 1878 auf Kephallenia giebt.^)
Die ^AvaXurtxal Speuvac inl roo hf Ke^aXXipfi^ udaroQ ri^ '^^ciff
^Ehouar^g und Nix, üiviaröpou^) erschienen, wie ich aus Miliarakis
N. 982 entnehme, in Sonderausgabe zu Kephallenia 1886 (8 S.).
1) Die ungenügenden Nachrichten in der früheren Litteratur über die
merkwürdige Erscheinung wurden durch briefliche Mitteilungen von D. Miglia-
ressi, dem damaligen Besitzer der Mühlen, an den Verf. ergänzt.
*) Günther schreibt den Namen des Verf Wihel; da er sich in dieser
Form auch in der Überschrift des oben angefahrten Aufsatzes von F. Wiebel»
neben Wiebel im Text [S. 42] findet, mufs ich dahingestellt sein lassen, ob die
Schreibweise auf dem Titel der Hauptschrift (sonst kommt der Name des Verf.
darin nirgends vor) nicht auf einem Druckfehler beruht. Bekanntlich wird
auch der Name des Botanikers Grisebach, selbst in wissenschaftlichen Werken,
gewöhnlich falsch mit ie geschrieben. Anderseits erinnere ich daran, dafs der
Name des Begründers dieses « Jahresberichtsc vor zweien seiner Werke (»Über
d. Vorgeb. Taenaronc und Indiees zu den »Schrift, d. röm. Feldmesser«) mit
falschem Vornamen figuriert.
*) 'Jepo&tog ^Aßfiärtog^ Uepl roo ßs^dXoo astafiou roö iy rj Ks^aXXifvl^
yO0ip, in Biblioth. grecqne vulg. I (Paris 1880) 8. 331 -88, vgl. ib. S. XXXI ff.
und zur Sache Partsch, Keph. S. 27.
4) Uapyaüffög II 1878 S. 319 f.
5) Zuerst Uäydwpa IX 236 (1858).
278 Geographie Ton OriechenUuid.
Die wertvolle Arbeit von
Th. Heidreich, Flore de Tlle de G^phalooie. Lausanne 1883
wurde bereits von 0. Keller in Bd. 40 S. 408 dieses Jahresberichts be-
sprochen.
Unzugänglich ist mir eine kleine Monographie Ober die Landwirt-
schaft der Insel von Leo Anderlind ^), welche Partsch S 3 anffthrt.
Besonders eingehend hat sich mit Kephallenia auch Karl Braun -
Wiesbaden beschäftigt, welcher in seinen bereits bei Korfn (S. 267)
und Ithaka (8. 276) angeführten »Reise- Eindrflcken aus dem Sfidostenc
der Insel zwei ausfttbrliche Abschnitte gewidmet hat.*) Der erste der-
selben handelt von Kephallenia im allgemeinen und der Hauptstadt Ar-
gostoli mit ihrer Umgebung im besondern, untermischt mit dilettantischen
Abschweifungen in die Altertumskunde. Der zweite Abschnitt, welcher
unter dem Titel »Kephalonia. £in Stflck italienisch-griechischer Kultur-
geschichte« schon vorher erschienen war,*) giebt eine Obersicht Ober die
Geschichte der Insel, welche durch die Betonung des volkswirtschaftlichen
Momentes von Interesse ist Nachträglich bemerke ich, dafs der Verf.
in den » Reise-Eindrücken c auch der so selten beachteten Insel Pazos
einige Seiten gewidmet hat^)
A. V. Warsberg in seinen »Odysseeischen Landschaftenc (oben
8. 278) handelt von Kephallenia Bd. III S. 69 - 128, welcher Abschnitt
auch in seinem o. 8. 278 besprochenen Buche über Ithaka wieder zum
Abdruck gekommen ist
Der bereits o. 8.277 erwähnte Lokalforscher E. Tsitselis hat
auch mehrere wertvolle Beiträge zur Topographie und Volkskunde der
Insel geliefert. Ein rXfoacdpiov Ke^Xkfjveac (Athen 1876) ist mir nur
dem Titel nach bekannt geworden. Sehr dankenswert ist sein alphabe-
tisches Verzeichnis kepballenischer Ortsnamen, mit topographischen und
etymologischen Erläuterungen, welches unter dem Titel
Vvößiara Bictatv iv Ke^akhjyiqi furä ronoYpa^ixioVj iaropexwv xau
dpxoLtoXoytxm ai^futwffewv im Uapvojaffdg A' 1877 8. 674—81, 713 — 17,
844—68, 902—11,
nach Partsch 8. 8 auch als 8.-A. unter dem Titel
1) Journal für Landwirtschaft XXXI 1888 8. 279—86.
9) Bd. III 8. 1-132; vgl. auch Bd. II S. 143ir., 166 f.
>) Vierte^ahrsschrift für Volkswirtschaft 1877 Bd. 66 S. 144-77 und
Bd. 66 S. 126—68.
^) Bd. II S. 149—66. Irriger Weise hält er jedoch Paxos für das von
PHd. IV 53 geonnnte Erieuta^ während sich doch ib. 52 Paxoe duae findet
Kephallenla. 279
^uXXoyili dvo/iarofiefftwv r^c v^^rou KB^aXhjv/ag. Athen 1877« 86 S.
erschieneD ist. Ein erster Artikel desselben Verf.
''EBefm iv K&palhivlq.. ^Etnla 1888 S. 789 f.
handelt von der Miaoanophiaaa^ unter welchem Namen die Havayia auf
Kephallenia als Nachfolgerin der Demeter verehrt wird. Endlich gehört
hierher sein Aufsatz
^ApxoLtot roKpoi iv ndkfi ri^c. Ke^XXijviac, IlapvoLaaoQ H' 1884
S. 184—89,
in welchem der Verf. Ober die Aufdeckung von antiken Gräbern in der
Nähe der alten Stadt Pale berichtet.
Die Monographie von Riemann (o. S. 262, 258) ist ganz analog
derjenigen von Kerkyra durchgeführt, nur dafs hier die Beschreibung
der Reste aus dem Altertum, die sich dort auf die Hauptstadt konzen-
triert, nach den vier Gemeinwesen der Insel im Altertum, Krane, Pale,
Samos und Pronnoi gegliedert ist. Vorausgeschickt ist wie dort eine
Bibliographie, die sich in diesem Falle auf eine Ergänzung des von
Wiebel gegebenen Verzeichnisses beschränken konnte, sowie eine Über-
sicht der physikalischen Geographie und der einschlägigen Belegstellen
aus der antiken Litteratur. Das Schlufskapitel (*Gollections particuli^res')
behandelt die AltertOmersammlungen der Herren A. Migliaressi und
Tsimaratos. Das beigegebene Kärtchen dient lediglich der Orientierung.
Riemann's Monographie bleibt auch nach Erscheinen der Arbeiten von
Biedermann und Partsch ein unentbehrliches Hilfsmittel fttr jeden, der
sich mit der antiken Topographie von Kephallenia beschäftigt.
Die griechisch geschriebene, aber unter deutschem Titel erschie-
nene Dissertation eines Eingebomen
Altertümer von der Insel Kephalenia. Inaugural- Dissertation ~
von Eustathios Libieratos. Erlangen 1880. 88 S.
ist im wesentlichen eine nach den bekanntesten Quellen zusammengestellte
Anfängerarbeit in usum delphini. Nach einer dürftigen geographisch-
statistischen Einleitung, in welcher der Verf. gleich zu Anfang die Schrei-
bung Ke^aXu^vta zu verteidigen sucht, folgt ein Kapitel über die alten
Namen der Insel (Same, ferner Taphos, Dulichion, wobei Verf. das alte
Märchen von einer im Süden von Kephallenia versunkenen Insel wieder
aufwärmt). Auch was L. über die einzelnen Stadtgebiete vorbringt, ist
meist nur aus Bursian, Beeskow, Ansted, Goodisson u. s. w. entnommen;
die Ansetzung der von G. Antonius gegründeten Stadt (Str. X 466) auf
der Halbinsel Paliki und einer angeblichen späteren Stadt Ks^kk^via
bei H. Georgios (S. 15 f.) ist offenbar ganz willkürlich. Der Abschnitt
über die alte Geschichte endlich sowie der numismatische und epigra-
280 Geographie ?on GrieeheDland.
phische Anhang, in welchem nur Bekanntes ZQsammengestellt wird, ist
jetzt durch Biedermann's Arbeit (s. u.) vollständig tlberholt.
Das Material, welches Libieratos mit unzulänglichen Kräften zu
verarbeiten versuchte, findet man am besten zusammengefafst bei
Georg Biedermann, Die Insel Eephallenia im Altertum. Mit
einem Kärtchen, 22 Originalzeichnungen und zwei Planskizzen. Inaug.-
Dissertation (Würzburg). München 1887. 8. (IV) 84 S. 5 T. (Auch
als Programm des k. Maximiliansgymnasiums in München erschienen.)
Da ich von dieser Schrift bereits früher eine ausführliche Be-
sprechung geliefert habe ^), kann ich mich hier auf den Hinweis beschrän-
ken, dafs dieselbe eine sorgfältige, durch Beobachtung des Verf. an Ort
und Stelle gestützte Darstellung der alten Geschichte und Topographie
der Insel, sowie eine durch mehrfache neue Zugaben bereicherte Über-
sicht des numismatischen und epigraphischen Materials enthält In toi>o-
graphischer Hinsicht ist die Arbeit inzwischen allerdings mehrfach durch
die Untersuchungen von Partsch (s. o. S. 269) überholt worden. Das
Kärtchen in i : 300 000, welches auch Ithaka mit umfafst, und die vom
Verf. gezeichneten Skizzen bilden eine angenehme Erläuterung zum Text
Stillman (s. o. S. 258) behandelt Kephallenia auf S. 62--6d und
beschäftigt sich besonders mit den Ruinen von Same, aus welchen er
ein paar hübsche Proben des Mauerwerks abbildet (S. 58). Auch einige
andere landschaftliche Skizzen (Same, Krane, Pale) sind dem Text
eingefügt
Die beste Gesamtdarstellung der Geschichte von Kephallenia
enthält nach den Aufserungen kompetenter Beurteiler das mir nicht zu-
gängliche Werk
VtfTO/o/a ri^c vy/trou Ke^XXfjVtaQ» doxtfieov mjyypa^kv haktari üno
'Iwdvvou IL Aoßipdou Kwari^^ i^eXXijvurBkv und IlauAou Katvar,
rparatdroo. 'Ev Ke^aXXijviqL 1888. 254 S.
Das Werk wurde 1833 in italienischer Sprache geschrieben; ein
Teil desselben erschien anonym mit griechischer Übersetzung und inhalt-
reichen Anmerkungen (gleichfalls anonym) von Andr. Mustoxydis in
Jahrg. 1834 und 1835 der Idviog 'AvBoAoy^a, Bd. I H. 3 S. 483fif., H. 4
S. 747 ff., H. 5 (Bd. D) S. 50 ff. Erst 1888 wurde mit Unterstützung des
d^fxog Kpav^wv die Drucklegung des ganzen Werkes in der Übersetzung
von Gratsiatos ermöglicht').
Ebenfalls unzugänglich sind mir die
1) Wochenschr. f. klass. Philol. 1889 Sp. 621—24.
S) Ich entnehme diese Daten aus Riemann, G6ph S. 2; Miliarakis Fsw/'p,
0doL M. 928, und KtfuiU. S. 206 A. 35; Partsch, Keph. S. 36 A. 1.
Zakjnthos. 281
Memorie storiche e critiche dell' isola di Gefalonia dai tempi eroici
alla caduta della republica veneta, conopilata da Marino e Nicolö
Pignatore. 2 Bände. Eorfo 1887/89. 220, 852 S.
Nach Partseh a. a. 0. (vgl auch S. 27b A.) »umfangreich, aber
ganz unkritisch und nur wegen des Abdruckes einiger wichtiger Urkun-
den von Werte.
Wichtige Urkunden zur Geschichte von Eephallenia findet man
endlich bei Sathas, Documents Y 150 — 219 und VI 277—85 (vgl.
oben S. 261).
Wegen Inschriften und Mttn^en von Kephallenia genügt es auf
die Zusammenstellung von Biedermann zu verweisen, wo man auch die
frühere Litteratur angeführt findet; doch s. n. S. 285.
Zakynthos«
Ältere Litteratur bei Bursian II 378 A. 2; Riemann, Zante S. l;
Partsch S. 162 A. 1-4, 163 A. 1; Miliarakis S. 82, dazu Mystakidis^)
S. 33, 56 (N. 946), 68. ^
Während wir bei Kerkyra und Kephallenia beinahe eine Überpro-
duktion von Aufsätzen und monographischen Arbeiten zu verzeichnen
hatten, liegt Ober das anmutige Zakynthos, »die Blume des Osteusc
(Zante ^ fior di Levante)^ fast noch weniger Material vor als über das
vom Verkehr abgelegene Leukas. Die wichtigste Arbeit ist auch hier
wieder
J. Partsch, Die Insel Zante. Petermanns Mitteilungen 1891
S. 161-74, T. XL
Schon äufserlich unterscheidet sich diese Monographie von ihren
Vorgängerinnen dadurch, dafs sie nicht mehr als besonderes Ergänzungs-
heft, sondern als Aufsatz inmitten der Zeitschrift selbst erschienen ist.
Fast scheint es, als ob der Verf., zum Abschlufs seiner trefif liehen Mono-
graphien drängend, sich nicht mehr die Zeit genommen hätte, das Quellen-
1) Wegen Mystakidis vgl. Bd. 64 S. 437.
') Anfser der an den bezeichneten Stellen angeführten Litteratur habe
ich in meinen privaten Aufzeichnungen notiert:
Virlet, Sur les sources et mines d'asphalte de la Gröce. Bull, de la
soc. g6ol. de France IV (1835) 203-11 (Z. S. 204, 210).
H. Margot et F. G. Reuter, Essai d'une Acre de l'lle de Zante M6m.
de la soc. de phys. et d'hist. nat. de Genöve VIII (1839) S. 249-72 und IX
(1841/42) 8. 1—56, mit 6 Taf. u. einem Index der vulgär griechischen Pflanzen-
namen (S. 52ff.).
C. W. C. Fuchs im N. Jahrb. f. Mineral., Geol. u. Paläont 1866 S. 529
(Erdbeben).
282 Geographie tob OriechenUmd.
material, welches ohDehin erheblich spärlicher flofs, als bei den ndrd-
licheren HauptinselD, vollständig darchzaarbeiten,!) wie aoch die Bear-
beitung der Karte diesmal in andere Hände gelegt worde. Gleichwohl
mflssen wir dem Verf. auch in dieser abgekürzten Gestalt f&r seine Be*
Schreibung von Zakynthos Dank wissen, die uns zum ersten Mal ein
geographisches Gesamtbild der heiteren Insel vorfahrt.
Der Aufsatz beginnt mit einer Mitteilung ttber die Vorarbeiten zur
Karte, fOr welche eine von P. auf der Bibliothek der Hauptstadt vor-
gefundene Polizeikarte a. d. J. 1820 in 1 : 46 600, sowie eine im Privat-
besitz befindliche Strafsenkarte in 1 : 50 000 benOtzt werden konnte,
während fflr die Festlegung der Positionen im Innern — die Kfisten-
umrisse waren durch die englische Seekarte gegeben — P. eine Trian-
gulierung, ein ausgedehntes Rontennetz und zahlreiche HAhenmessungen
hinzufügte. In dieser Verbesserung der Karte liegt ohne Zweifel der
Hauptwert der ganzen Arbeit. In geologischer Beziehung konnte P.
verhältnismäTsig wenig Neues hinzufügen , da durch die Untersuchungen
von Strickland, Coqnand und Fuchs der Bau der Insel im wesentlichen
klar gelegt war. Das Areal von Zakynthos wird nach Peucker's neuer
Ausmessung zu 894 qkm angegeben.*)
Die Schilderung der Insel selbst ist nicht wie bei Korfu und Ke-
phallenia in Naturbeschreibung und Kulturgeographie mit ihren Unter-
abteilungen gegliedert, sondern schliefst sich wie bei Leukas an die von
Natur aus klar unterschiedenen Hauptteüe von Zakynthos, das Bergland
im Westen, die Ebene und das Httgelgebiet am Ostrand an. Verf. be-
ginnt mit der Beschreibung des bisher noch sehr wenig bekannten Berg-
landes, auf deren Einzelheiten wir hier natttrlich nicht eingehen kOnnen,
und geht nach einer kurzen Schilderung der bertthmten Pechbrunnen von
Ken zu der äufserst fruchtbaren Ebene ttber, auf welcher der Wohlstand
von Zakynthos hauptsächlich beruht. Die Bruchlinie, welche diese Ebene
vom Gebirge scheidet, giebt ihm Gelegenheit, ttber die Erdbeben der
Insel zu sprechen und ttber die verheerende Erschtttterung vom 18. (30.)
Oktober 1840 nach einer im Archiv aufbewahrten Handschrift der Brttder
Barbiani wertvolle Mitteilungen zu machen.
Das Httgelgebiet der Ostseite zerfällt in drei gesonderte Gruppen,
deren sttdlichste am höchsten und durch den auffallend geformten Berg
Skop6s (488 m) gekennzeichnet ist. Derselbe wird gewöhnlich fttr den
mons Elatus des Plin. n. h. IV 64 gehalten , während andere dafttr das
höhere Westgebirge (Vrachiönas 758 m) in Anspruch nehmen.') Hier-
gegen erhebt nun P. den ebenso neuen als anscheinend treffenden Ein-
1) Vgl. hierzu die eigenen Bemerkungen des Verf. auf S. 162 a.
>) Gegen 427 der Gothaer Messung und 434,3 nach Strelbitsky, s. Be-
völkerung d. Erde VIII 34 (Peterm. Mitteil. Erg. 101).
S) Vgl. Bursian II 378 A. 1 ; Riemann S. 4.
Zakynthoa. 283
wand, dafs die Tanne, nach welcher ja wohl der Elatus genannt sei,
in Griechenland der obersten Waldregion angehört and in der Regel
nicht anter 1000 m herabsteigt; anderseits macht es P. sehr wahrscheinlich,
dafs der C.I. AJ) II 17 (p. 12) genannte Berg N^XXog*) eben kein anderer
sei als der Skop6s. So bestechend diese Annahme erscheint, kann ich
doch nicht umhin, za erinnern, dafs ^EXaroi (S^aroSc?) nicht notwendig
von iXdT/j abgeleitet zu werden braucht, sondern wie dieses aaf iXatu
znrOckgehen, also »hochragende bedeuten kann, was gerade fttr den
Skopos sehr wohl passen wflrde. DerNellos könnte auch eine örtlich-
keit neben dem Elatus bezeichnen oder in einer der beiden nördlicheren
HOgelgruppen zu suchen sein. Ich hebe dies nur hervor, um zu zeigen,
dafs die Schlufsfolgerung von P. wohl nicht so zwingend ist, wie sie im
ersten Augenblick erscheint, wogegen ich nicht leugne, dafs ihr ein hoher
Grad von* Wahrscheinlichkeit zukommt.
Der Schlufs des Aufsatzes beschäftigt sich mit der Lage und Ent-
wicklung der Hauptstadt und giebt einige Mitteilungen Aber Anbau und
Bevölkerung.
Die beigefflgte Karte in 1:100 000 ist nach den von P. beige-
brachten Materialien von dessen Schfller Karl Peucker entworfen und
flbertriflft durch farbige Unterscheidung des Tieflandes sowie der Meeres-
tiefen, die von 100 zu 100 m abgegrenzt sind, an Übersichtlichkeit und
Gefälligkeit bei weitem die Karten der übrigen Inseln.
Von Arbeiten zur physikalischen Geographie der Insel ist aus
neuerer Zeit sonst nur die bereits oben S. 255 erwähnte Abhandlung von
Th. Fuchs und eine Mitteilung von Landerer Aber das Bergöl von
Zakynthos hervorzuheben.')
Von touristischen Schilderungen sind mir, aufser dem, was A.
V. Warsberg, gröfstenteils in Form einer Erzählung giebt^), nur die
flott geschriebenen
Spaziergänge auf der Insel Zante von Hans Hoff mann. Gegen-
wart XXII (1882) H. 57—60
bekannt. Stil Im an (oben S. 278) giebt eine kleine Ansicht der
Hauptstadt
In bezug auf das Altertum liefert Zakynthos weniger Ausbeute
als irgend eine der anderen ionischen Hauptinseln. Das wenige, was
uns davon erhalten ist, hat Riemann lU 1-18 (s. S. 252) mit seiner
1) Nicht CI.Gr., wie es bei P. irrtümlich heifst.
>) Vgl. Borsian 11 381 1. ; Riemann 8. 4 f.
S) Berg- u. Hattenmänn.- Zeitung 1876 S. 429, 1877 S. 194. Vgl. Bd. 64
8. 368 ff. dieses Jahresberichts.
*) Odyst. Landschaften 111 1 -68. Vgl. o. S 267, 266.
284 Geographie voo Oriechenlaiid.
bereits gerflhraten Sorgffiüt zofanimeiigestellt. Eine wichtige Ergininng
hierzo bildet
Percy Gardner, ZacTiithiis. Nnmismatic Chronicle m 5 (1885)
S. 81-107, T. m-v.
Diese Monographie verfolgt zwar rein nooiisiDatische Zwecke, ist
aber selbst verstAndlicb fDr jeden, der sich mit der Geschichte odar den
Altertllmem ?on Zafcyothos za beschäftigen hat, unentbehrlich.
Inschriften findet man aafser G.LGr. II p. 43 nnd p. 989 sowie
bei Riemann 8. 13 auch llapvauraoQ 1882 S. 858 — 61 (Ttfi. ^Afutt}ag\
Urkunden zur neueren Geschichte bei Sathas, Docoments V 75—150,
VI 265-76.
Nachtrag.
Unter den Arbeiten, welche von den ionischen Inseln im Allge-
meinen handeln, wäre anch folgendes für die neuere Geschichte wichtige
Werk zu nennen gewesen:
laropta rwv lovcmv vijctüv dpj^opdvj^ rw 1797.xa/ lajfjfooea rw 1815
furä npoturayatYr^g iv ^ ixri^evrat cd itpatjfjfooiuifau TVj^rcu mtcwv tßTw
Ftpiurlfwo 'E, Ma upoyedvvvj. £v A&^atg^ rtmoypa^sio¥ • üalcYYeviaia^ .
2 Bände. 1889. S' 474; 322 8.
Der touristischen Litteratur sind anzureihen die Schilderungen von
L. H. Fischer, Ans der Heimat des Odjrsseus. Mit Illustrationen.
Zeitschr. f. bild. Kunst XXI (1886) S. 157—63, 237—46,
welche sich hauptsächlich mit Kephallenia und Ithaka beschäftigen
und zunächst durch die beigegebenen Skizzen des uns bereits bekannten
Verfassers (s. o. 8. 273) von Interesse sind.
Zur Litteratur flber'Kerkyra ist mir durch Zufall nachträglidi
der Titel einer (mir nicht zugänglichen) Schrift von
/I A, Kovrog^ Ar^yuoxtxä dvexSora KtpxopoQ avXXe^rivTa. I. "Ev
Ktpxopq. 1877. 16 S.
bekannt geworden.
Die Theorie von der Identität des homerischen Scheria mit Korfu
hat neuerdings einen begeisterten Vertreter in Heinrich Zimmerer
gefunden, welcher in einem Vortrag vor der Mttochener Philologen- Ver-
sammlung diese von wissenschaftlicher Seite schon fast gänzlich fallen
gelassene Hypothese wieder aufoahm. Da Ref. trotzdem auf dem Stand-
punkt beharren mufs, dafs die wesentlichsten Züge der homerischen
Nachtrag. 285
Schilderaog weit eher auf eine Schöpfung des Dichters als auf die
EeDDtnis and Wiedergabe tbats&chlicher Verhältnisse schliefsen lassen,
so mag der Leser hier nur im allgemeinen auf die AasfOhrangen des
mit der Insel durch Selbstanschauung wohl vertrauten Verf. verwiesen
werden^), die ihm gewifs vielfache Anregung und Belehrung bieten wer-
den, auch wenn er in der Hauptsache nicht zu demselben Ergebnis
gelangt
Nur aus einer Anführung bei Zimmerer (Verb. S. 848) kenne ich
ferner einen Artikel von
^AXßaväg, Kepxupai'xd im ^Arvtxbv 'HfiepoXoytov 1880.
Bei der Wichtigkeit der antiken Numismatik fOr Topographie
und Ortsgeschichte dürfen auch die bedeutenderen Publikationen von
Lokalmflnzen hier nicht Obergangen werden, zumal ein Bericht Aber
Numismatik in diesen Blättern schon seit längerer Zeit nicht mehr er-
schienen ist. Fttr Zakynthos wurde bereits oben S. 284 eine wichtige
Arbeit angefahrt, ffirKerkyra sei nachträglich auf die Bearbeitung der
Münzen dieser Insel im Münzkatalog des Britischen Museums hinge-
wiesen. *) Das Gleiche gilt für Leukas, dessen Münzen sich teilweise
in dem gleichen Bande'), teils in Anschlufs an die Münzen von Korinth*)
behandelt finden. Kephallenia, Ithaka und Zakynthos sind in dem
gleichen Werke der Abteilung »Peloponnesusc zugewiesen >). Wegen
Kephallenia s. auch o. S. 280 f.®;
Bezüglich der Insel Leukas verweist Hirschfeld im Geogr. Jahrb.
XII 279 ferner auf einen Artikel in der Zeitschrift Le Tour du Monde
(1877 II 327), welche mir hier nicht zugänglich ist, und Mystakidis^)
nennt folgende, auch Miliarakis entgangene Arbeiten des bereits oben
S. 266 genannten Stamatelos über diese Insel:
1) S. Verhandl d. 41. Vers. d. Philol. S. 344—48 n Ztschr. f. d. Qymnasialw.
XLV (1891) 8. 770—73.
>) Catalogne of Greek Coins. Thessaly to Aetolia. By P. Gardner, edi-
ted by R. St. Poole. London 1883 S. XLVIl-L, 116-67 Vgl. auch den
Band »Gorinthc S. LVIIf., 112.
«) A. a. 0 S 174-87.
*) Gorinth, Golonies of Corinth etc. By B. V. üead, edited by R. St.
Poole. London 1889 S. LXIII— LXVII, 126—37.
S) By P. Gardner, edited by R. St. Poole. London 1887. S. XXXIX—
XLllI u. 77 - 109.
^ Als selbstverständlich ^etze ich den Gebranch von J. Friedlaender's
Repertorinm (Berlin 1886) und zusammenfassender Werke, wie B. V. Heads
Historia Nnmomm (Oxford 1887) n. dgl. voraus.
7) S. Bd. 64 S. 437.
^ 286 Geographie too Griechenland.
MoipolAyta jIbukoSoc iierä ykiaaütxwv TtpoXe^o/idumv. £^ Zax6vBip
1876. 28 S.
»Tb ypojfpTo Tou€. HapädomQ Aeuxctdea im ^Arrtxbv ^Hiupoldyiov
\ 1886 8. 470-72.
k nTb (noe][eeb ri^c A/fi\njg€. IlapddomQ AeuxaSea, in »Ku^£Xij€ fp. 11.
Zn 8. 271 A. 8 ist za bemerken, dafs sich die von Miliarakis beschrie-
bene Natorerscheinang bereits bei Riemann, C^ph. 9 besprochen findet.
Endlich habe ich noch der wertvollen alten Karten za gedenken,
welche Partsch nach den einleitenden Worten za seiner Beschreibang
von Zante^) gelegentlich des Wiener Geographentages im k. k. Kriegs-
archiv zu Wien entdeckte, darunter »die älteste Karte von Leukas (8eb.
Alberti 1688* 1 : 26 200) and die beste Einzelaufnahme seiner Ostkflste
(Santo Semitecolos*) 1729), Pläne der Festen Santa Maura, Assos und
H. Georgios auf Kephalleniaf , ferner einen Festangsplan von Zante von
1646 in 1 : 1480 und einen Stadtplan dgl. aus dem 18. Jahrhundert
in 1:4820.
1) Petermanns Mitteil 1891 S. 161.
9) 8. 0. S. 263
Begister.
I. Yerzeichniss der besprocheiien Schriften.
Abel, E., Bcholia recentia in Pindari
Epinicia I 1
Aota nationis Gtormanicae DniTersitatis
Bononiensis edd. E Friedl&nder et
G. Malagola III 14
Adam, Aristotelische Theorie vom Epos
1 182
Allen, Fr, on Greek versifieatioo III 211
Altenburg 0., hoc age! III 107
Amsel, Q., de vi rhythmoram III 203
AndrianI, V., patria di Eanio II 201
Annaratone, C , metrica diOraxio III 247
Annuarlo della R. UniTersitli di Bologna
III 17
Antona-TraversI, lettere di Leopardi
III 189
Aristoteles, Metaphysik, Qbers. Ton H.
Bonitz 1 90
— ethica Kicomachea rec. J. Bywater
I 116
— Politics, bv W. Newman I 138
— traitö de ia g6n6ration des animaax,
tradait par J. Barthölemy -Saint -m-
laire I 112
— de plantis, de mirabilibas anscnlta-
tionibos, de Melisso, etc., ed. 0. Apelt
I 116
— oecooomica, rec. F. Sasemihl I 149
— commentaria, toI. IV.. ed. A. Bosse 1 89
Tol. VI, ed. M. Haydück l 97
vol. XVI. XVII., ed. fl. Vitelli 1 101
vol. XIX, ed. G. Hejrlbat I 136
Arieth, E., Bioq riABtog in Aristoteles
Ethik I 118 ff.
ArK, A., servare b. Terenz a. Plaatos 1I| 181
Aaohbaoh, J. v., die Wiener Universit&t
III 23
Asolopii commentaria ed. M. Uaydack 1 97
Aspasll commentaria; Heliodori para-
phrasis, ed. G. Heylbnt I 136
Averrols paraphrasis ed. Fr. Heiden-
hain I 166
Baohmann, 0., zur Kritik der Komö-
dien des Aristophanes III 232
Baoohius, isagoge, ed. K. ▼. Jan lil 206
Baohront, E , analecta III 236
~ Ennius u. seine Vorgänger II 194
— ad Nisam artigraphom II 137
— Ober Konsonantengemination II 120
Bäumker, Cl., das Problem der Materie
I 90
— die Ewigkeit der Welt bei Plato I 42
— die Einheit des Parmenideischen Sei«
enden I 69
Bally, Ch., de Enripidis tragoediarum
partibos lyricis III 230
Barteis, de Terentii memoria apad No-
niam servata II 148. 176
Barwinski, B., qnaestiones ad Dracon-
tium pertinentes II 262
Baliner» 0.» de hello civili Caesariano
II 73
Bassfreund. J., aber das zweite Prinzip
des Sinnlichen bei Plato I 39
Baumann, H., zom 1. Bnch der Com-
mentarion Cäsars II 80
Baumgarten , H. , Geschichte Karls V.
III 166
Beoohettl, 8., nuovi elementi di metrica
comparata III 211
Becher, za Cftsar II 112
Beck, J. W., de differentiamm scripto-
ribos latinis II 169
~ die Synonyma Ciceronis II 126
— de Salpicio ApoUinari II 143
— zu Plinins II 170
Bönard, Ch., Pesth6tique d'Aristote I 164
Benesoh, J., de casanm apnd Jnnianam
Jnstinum usn II 271
Berger, 8., de glossariis exegeticis II 167
Bergson, H., quid Aristoteles de loco
senserit I 99
Bernhardt, W., das Gymnasium in Wit-
tenberg III 86
\
288
Register.
Bartu, Ph., die GutturmleD II 260
Berttoh, H., Cledonii an grammatica
II 164
Bethe, E., de Pindari carmiDe Isthiiiio 116
Betbge, R., de Septem advenas Thebas
£&bolae episodio III 228
Biaoli, A., Aristoteles Lehra tod der
sinnlichen Erkenntniss I 104
Biedermann, Q., die Insel Kephallenia
III 280
— Kephalonia n. Ithaka III 273
Biil, H., eine Infinitivstadie II 206
Birt, Th., Yerbalformen bei Claadian
U261
Blase, H., Gesctiichte des Irrealis II 268
Blaai, P. da, di an Terso di Terenzio
II 191
Blase, Fr, Beitr&ge sor griechiücben
Metrik III 199
Böhmer, A.. de correptione III 237
Bölte, F., de artium scriptoribas II 132.
146. 149
Bdttger, O., de dam pardcala II 179
Bonitz, H., platonische Stadien I 30
Bonnet, M., le latin de Gr^goire de
Toars II 280
Bouoherie, A., note sar les 'EpftsiytopuiTa
II 163
Bouroiaj^ E., de praepositione >adc ca-
saali in Uünitate aevi Meroviogiei
II 280
Bouvy, E.. po^tes et m61odes UI 212
Brandt, S., torroenta 11 278
Braumann, Q., die PrinctDes 11 73
Braun, Wilhelm, la bella Scberia III 267
Braune, Th., zu Terentias II 189
Brizi, A., annaJi tipografici di Peragia
III 183
Brunei, L., de tragoedia apud Romanos
II 204
Braun, K., ReibeeindrQcke III 267 278
Builingar, A , metakritische G&oge I 104
— zu Aristoteles I 104
Burkhard, K., de perfecti tertiae per-
sonis formis in -erunt ezeuntibas II 264
Bury, J., caesura III 228
Busse, A.. Aritttoteles de anima I 109
Butzar, H., der Jonicus a maiore 111 21 1
BQohaier, F., Prosodisches zu Plautas
III 237
— zu Adamantias II 168
Bywater, J., AristoUalia I 109
Caesarls commentarii rec E. Hoffmann
II 14
^ belli gallici libri rec. B. Dinter II 4*
di G. Fumagalli II 17
rec. E. Hoffmann II 14
rec. A. Holder II 2
fon Kraner-Dittenberger II 9
fon R. Menge II 7
Caeaar de belk) gallico ed. J. Prammer 11 6
Ton H. Rheinhard II 3
rec. H. Walther U 12
erkULrt von H. Walther II 10
— de hello ciTili, von I>oberens-Dinter
II 39
rec. £. Hoffmann II 36
von Kraner-Hofmann II 40
ed W. Th Paul U 18
— bellum Africanam, rec E. Hoffm&nn
II 66
recc. WölfiOin et Miodonski II 54
— bellum Alezandrinnm rec. K Hoff-
mann II 43
Ton R. Schneider II 42
— bellum Hispaniense, rec. E. Hoffmann
II 67
Carre, J., les pedagogaes de Port-Royal
UI 108
Casao, H. P., polemiqae d^Aristote I 98
Castaigne, E., trois fabalistes II 219
Castellani,C..lastjimpainVeneziaIII 183
Centenario delP UniversitA di Bologna
III 19
Cerrato, J., la tecnica composisione
delle odi pindariche I 10
Chaignet, E.« essais de m^triqne grec-
que III 211
Christ, W., Geschichte der duistlichen
Litteralor I 4
— der Aetna in der griechischen Poesie.
— Zar Chronologie pindarischer Sie-
gesges&oge I 6
Coochia, E., patria di Ennio II 201
Cohn, L, Heltodoros Ton Prusa 1 136
Conradt, C, zu Cäsar b. g II 113
Consbruch, M., de Tetenim xtpi iroc^-
fiaroi doctrina. — De UephaesUoneis
icepl icot/j/iaroq commentariis. — Zu
den Traktaten ntpl xwf^ßdiag III 203
Cook Wilson, emendations of the Ari-
stotelian tezt I 118ff
Cornallssen, J., adnotatinnculae ad Cae-
saris b. ctY. II 117
Corpus glossariorom latinorum ed. G.
Qötz II 168
Costa, L., lüTopia r^c yijüou As^cuUi^-
via^ 111 280
Cramer, F., C&sar u. seine Zeit II 86
Crioii carmina ed. C. Morawski 111 179
Croiset, A , histoire de la littörature
grecque I 2
Cron, Chr., zwölf Schulreden III 104
— zur Frage nach der Gliederung des
Dialogs Gorgias I 61
CrQger, J., zur Strassburger SchuYko-
mödie 111 76
Crusius, 0., Qber die l^omosfr^e. —
Stesichoros u. die epodische Kompo-
sition. - Ein Liederfragment III 220
Register.
289
Crusius, 0 , über die Nomosfrage III 220
~ Ellis' Avian II 210
— aufinrtxoi ä^dnatarot III 232
Cucuel, C.f quid sibi in dialogo cui Cra-
tylus inscribitur proposuerit PJato I 64
Curtius, E , die Altäre von Olympia III 1 1 8
Czerner, de ditficultatibus quibusdam in
Pindari carroioibus explicandis 1 1]
Deiter, zu Cäsar b. civ II 112
Delbrück, Manipulartaktik II 87. 89
Denifle, H , Studieobaus der Beuedik-
tiuer zu Paris 111 21
Denig, C. , quaestiones Uephaestiooeae
III 203
Deuerling, A. , Nachträge zu Placidas
II 161
Deutsohmann, K., de poesis Graecorum
rhythmicae origioe 111 212
Dexippi commentaria ed. A. Busse 1 89
Diele, H., sibyllini>«cbe Blätter III 217
— zu Aristoteles Protreptikos I 85
— über die arabische Uebersetzuog der
aristoteliscbeu Poetik I löd
Dippe , A. , über terpandrische Kompo-
sitiuu 111 223
— de catiticorum Aeschyleorum com-
positione III 228
Dittmar, A. , de Meleagri rc metrica
III 217
Dlttmeyer, L , die Uoechtbeit der ari-
stotelisclien Thiergeschichte 1 113
Döring, A , die aristotelischeD Defini-
tionen von tTuuSetifiog u. äpt9pow I 169
Döring, R., de Silii Iialici epitomes re
meirica 111 219
Domaozewaki, A. v., die Fahnen im rö-
D)i^chen Heere II 91
Drachmann, A-, über Datierung von Pin-
dars zweiter pytbischer Ode I 23
Draheim, H., de Pbaedri senario II 216
Draheim, J , de arseos vi Uomerica. —
De biatu debUi III 216
~ de Pbaedri senario III 249
Dühr , A. , über Metrik und Rhythmik
III 211
Duhr, A , Goethes Hermann u. Doro-
thea ins Altgriechische übersetzt I 193
Eberhard, E., metrische Beobachtungen
m 217
Eberlein, L., die dianoetischen Tugenden
der nikomachischen £thik I 133
Eckstein, Fr. A., lateinischer u. grie-
chischer Unterricht HI 57
— Gregoriusfest zu Zittau III 85
Egberts fecunda ratis, herausg. von E.
Voigt II 212
Egelhaaf, G., deutsche Geschichte III 157
Ehart, C, Iloratii hezametrum III 247
Eichler, 0., de responsione Euripidea
III 230
Elfes, A., Aristotelis doctrina de mente
humana 1 102
Ellinger, G., die antiken Quellen des
Macchiavelli 111 154
Ellis, R, adversaria I 156
Engelbreoht, A., Untersuchungen über
dfie Sprache des Claudianus Mamertas
II 236 264
Engländer, D., donec II 260
Ennii reliquiae ed. Luc. Müller II 194
Eriohson, A., Stimmen über das Strass-
burger Gymnasium III 76
Eskuohe, G., Elisionen des Hexameters
II 212
— die Elision III 245
Euoken, R., Lebensanschauangen der
grossen Denker. — Aristoteles über
die Menschen I 81
Everat, E., de Ausonii operibus II 261
Fabia, Ph., de orationibus Gaesaris II 82
— les prologues de Terence II 177
Fahland, B., gereimte Uebersetzungen
II 220
Favre, Madame, la morale d'Aristote
I 126
Feller, die tragische Katharsis in der
Auffassung Lessings I 171
Ferrari, S., Petica di Aristotile I 129
FestI de verborum significata, ed. £.
Tbewrek de Ponur II 126
Festschrift zum löOjäbr. Jubiläum der
Universität Göttingen III 37
Ficus, M., die Goliamben III 210
Fink, A , die Idee ded Gymnasiums III 55
Fitting, H., Rechtsschule zu Bologna
III 18
Fleischer , quaestiones de hello Hispa-
niensi II 69
Fleischmann, J. K., Bildungsideal des
Gymnasiums 111 54
Förster, R., de Aristotelis physiogno-
micorum indole I 114
Förster u. Kosohwitz, altfranzösisches
Uebungsbuch II 170
Forchhammer, P., die Kyanen 111 274
Fraccaroll, le due odi di Pindaro per
Trasibulo I 14
— alcuni luoghi I 13
Frati, C , spoglie II 283
Freudenthal, J., zu Aristoteles de me-
moria I 111
Friderich, die Schul Verhältnisse Reut-
lingens III 78
Frlediänder, E., Matrikel der Universi-
tät Frankfurt a. d 0 III 34
— Matrikel der Universität Rostock
IH 32
Frltsche, F. v., de numeris dochmiacis
III 230
Fröhde, 0 , de Nonio Marceilo II 148
Jahresbericht für AUerthumswissenschaft. LXIX. Bd. (lä9L III.)
19
290
Register.
Fröhlich, F., Kriegswesen Gäsars II 93
— Beiträge zur Kriegsfühning der Rö-
mer II 88
— Realistisches u. Stilistisches za G&sar
II 92
Funok, A., die Verha auf -illare; die
Verba auf issare II 252 f.
Gaspari, A., zur Chronologie des Streites
der Griechen über Plato n. Aristote-
les I 85
Gaul, K., romanische Elemente in der
Salica II 280
Gellius, ex rec. M. Hertz II 144
Qemoll, zu Cäsar b. civ. II 113
Geroke, A., alezandrinische Studien
III 217
Gerstenberg, H., de Eugraphio Terentii
interprete II 158. 192
Geyer, P., Beiträge zur Kenntniss des
gallischen Lateins II 266. 280
Glesing, Fr., der Ausgang des Königs
Oedipus I 173
Gilbert, H.» zu Terentius II 189
— zum b. gall. II 113
Gladstone, W. , Phoenician affinities of
Ithaca 111 275
Gleditsch, H , Metrik III 210
Glossarium mediae latinitatis ed. Du
Gange II 282
G5bel,K., zur Katharsis d. Aristoteles 1 178
— zu Cäsar b. g. II 19. 105
Goelzer, H., ^tude de la latinit^ de Saint
J^rome II 266
Görlitz, C, Gerundium u. Supinum bei
Cäsar II 107
Götz, G., glossarium Tcrentianum II 172
— de glossematorum scriptoribus II 120
— de Placidi glossis II 162
— quaestiones misccllae II 131
— commentatiunculaMacrobianall 154
Goldbacher, zu Terentius Phormio II 190
Gomperz, Th., zu Aristoteles Poetik
I 156 ff.
Gradenwitz, zum Wörterbuch der klas-
sischen Rechtswissenschaft II 275
Graf, E., Rhythmus u. Metrik III 205
— de Graecorum veterum re musica I 23
— nomos orthios. — Die dp;(d des Ter-
pander III 222
— die dp^a Terpanders I 10
— dtauktov III 227
Grammatici latini ex rec. H. Keil II 130
Gregorovius, F., Korfu III 256
Greifeid, A. , de Andriae Terentianae
gemino exitu II 172
Grober, G., Sprachquellen des lateini-
schen Wörterbuchs II 279
— vulgärlatcinische Substrate II 283
Gröppel, A.| de Euripidis versibus lo-
gaeedicis III 230
Grossmann, H., de doctrina metrica En-
sUthii III 203
Gruppe, 0., Festus u. Verrius II 128
Günther, de ca, quae inter Timaenm
et Lycophronem intercedit ratione
I 115
Gutjahr, E. A, Terenzische Betonuugs-
fragen II 182
Haas, L., zu den logischen Formal Prin-
zipien des Aristoteles I 88
Häberlin, C, Aristotelis Politica I 144
Haeokel, E., Korfu III 256
Habenioht, H., Allitteration bei Horaz
III 247
Hagen» H., gradus ad criticen II 168
— de Dosithei glossis II 164
— de Placidi glossis II 162
Hagiosophites, Apt<rxoriXoo^ dewpia itspi
Twv fißtxwv I 132
Hamann, K., Mittheilungen aus dem
Brevlloquus Benthemianus II 167
Hammelbeok, W , rhythmische Verhält-
nisse in den Dichtungen III 228
Hanssen, F., über die ky kuschen Vers-
füssc III 219
Harroy, E-, les £burons II 78
Hartel, W., Luciter von Cagliari 11 269
Hartfelder, K., eine deutsche Ueber-
setzuog von Ciceros Cato III 173
— die Berufung Melanchthons nach
Heidolberg 111 25
Hartman, J, de Phaedri fabulis II 213
Hartz, conit'ctanca Caesariana II 111
Hauser, Chr., Caesaris commontariomm
de b. g. toxlus cum praecoptia gram-
maticis in libris de analogia traditio
comparatio II 104
Havet, L. , cours de metrique grecqaf
et latiue 111 210
— snr les prologues de Terence II 176
— pelegrinage d^Ennius 11 200
— le 8 latin caduc 111 237
Heidenhain, Fr., Arten der Tragödie bei
Aristoteles 1 165
Heidtmann, G., zu Terentius Adelphi
II 187
Heimer, A., studia Pindarica III 223
Heine, Th. , Aristoteles über die Arten
der Tragödie I 161. 165 ff.
Helmreich, G., Beobachtungen auf dem
Gebiete des Medicinerlateins II 276
Heman. C. F. , des Aristoteles Lehre von
der Freiheit des Willens I 130
Henry, V., de sermonis humani origine
Terentius Varro quid senserit II 122
Herbig, zur Chronologie der pindarischen
Siegesgesänge I 17
Hertz, M., zu Nigidius Figulns II 123f.
Hertz, W., Aristoteles in den Alexan-
dersagen I 84
Register.
291
Herwerden, H. van, zu Hippias maior
u. minor I 62. 63
— zum Ion I 63
— zum Menexenos I 66
— zum Pbädrus I 72
Hess, G., Abriss der Geschichte des
Christiaueum zu Altena III 90
Hesseis, J. H., an Latin Anglosaxon
glossary II 166
Heydenreioh, E., bibliographisches Re-
pertorium über die Geschichte der
Stadt Freiberg III 84
Heylbut, G. , zur Ueberlieferung der
Politik des Aristoteles I 137
Heynaoher, M., was ergiebt sich aus
dem Sprachgebrauch Cäsars fdr die
Behandlung der Syntax II 108
Hioks, R., materials for the text of Ari-
stotle's Politicis I 137
— on the aYoindance of hiatus in Ari-
stotle's Politics I 144
Hilberg, J , Theodoros Prodromos. —
Georgios Pisides. — Ephraemios III
224
Hilberg, J., über die tektonischen Re-
geln der lateinischen Hexameterdich-
tung III 245
Hildebrandt, R , Studien auf dem Ge-
biete der römischen Metrik III 248
Hiller, zu Pindaros I 13
Hintzelmann, P., Almanach der Univer-
sität Heidelberg HI 26
HIrzel, R , über die Stellung der klassi-
schen Philologie III 145
Höfler, R. v., Erinnerungen an Fallme-
rayer III 188
Höpel, G , de notionibus voluntarii I 132
Hörling, W., Schulwesen in M.-Gladbach
III 91
Horsohelmann, W., exegesis in Hephae-
stionis cnchiridion. — Ein Lehrbuch
der Metrik. — Zur Geschichte der
Metrik III 202
HofTmann, E., Studii>n auf dem Gebiete
der lateinischen Syntax II 102
— zum bellum civile II 77
HofTmann, F., de Festi de yerborum
significatione libris II 128
HofTmann, H., Spaziergänge auf der
Insel Zante III 283
Hofmann, die in einem Fragmente Pin-
dars erwähnte Sonnenfinsterniss I 10
Hofmann, Konrad, acieris, etc. II 285
Holstein, H., Keucblins Komödien III 168
— ein Wimpfeling- Codex III 167
— Begrüssungsrede des Papstes Pins IL
III 153
Holwerda, A., olympische Studien III 112
HQmmerioh, Pindar-Handschriften I 10
Hug, A , die consccutio temporum II 102
JaoobsmOhlen, H. zur, üephaestion de
metris III 203
Jahns, M., Cäsars Eommentarien II 73
Jeep, L., Bemerkungen zu den lateini-
schen Grammatikern II 150
Jezienioki, M., Abfassungszeit der pla-
tonischen Dialoge Theaitet und So-
phistes I 51
ihm, M , Vulgärformen lateinischer Zahl-
wörter II 278
ihne, W., römische Geschichte II 77
llg, antequam u. priusquam II 107
immisoh, 0., über den Ursprung der
griechischen Elegie III 218
— zur Geschichte der griechischen Ly-
rik I 11 III 222
Joannia Philoponi commentaria cd. H.
Vitelli I 101
Joei, K., zur Erkenntniss der geistigen
Entwickelung Piatos I 33
Ipfelhofer, A., die Rhetorik des Anaxi-
menes I 153
Judeioh, Cäsar im Orient II 75
Judson, H., Caesar's army II 92
Kaibel, G., zu Aristoteles Oeconomica
I 151
Kalb, W. , das Juristenlatein. — Roms
Juristen nach ihrer Sprache II 274
Kampen, A. van^ Gallia, Wandkarte II 77
Kan, J , Erasmiana III 165
Kappea, M., die Aristotelische Lehre
über Begriff der xlvyjinq I 99
Karbaum, H., de origine excmplorum
quae ex Ciceronis scriptis a gram-
maticis allata sunt II 156
— de auctoritate grammaticorum II 155
Kassel, Q , mcletemata Platonica I 53
Kaufhiann, Q., Geschichte der deutschen
Universitäten III 3
Kawczynski, essai sur l'origine des ryth-
mes III 212
Keiler, der saturnische Vers III 235
— zu Plautus u. Terenz III 237
Keil, G., de Flayio Capro grammatico
II 139
Kiepert, H., Wandkarte Yon Alt-Gallien
II 77
Kirohner, H., Ober die Quellen des Ser-
vius II 152
KIrkpatriok, J., the festival of the Uni-
versity of Bologna III 20
Klebs, E., lautus II 272
Klette, Th., Beiträge zur italienischen
Gelehrtenrenaissance III 149
Klotz, R. , Grundzüge altrömischer Me-
trik III 237
Kluge, H., zur Entstehungsgeschichte
der Ilias III 214
Knauer, V., Grundlinien der aristotelisch-
thomistischen Psychologie I 107
19*
292
Register.
Knaut, K.j Lehrplan des altst&dtischen
Gymnasiums zu Magdeburg III 87
Knod, G., zur Bibliographie Wimphe-
lings ni 166
Köpke, R., Versmasse des Horaz III 247
Körting, G., lateinisch-romanisches Wör-
terbuch II 285
Köstlin, J., Baccalauri u. Magistri der
Wittenberger Universität IlT 30. 177
Kook, Th-, das Metrum von Horaz carm.
I 10. III 247
Kolb, Chr., die städtischen Lateinschulen
111 80
Konstantinides, G., ein neu entdeckter
Codex des Aristoteles I 08
Kopp , über die pobitio debilis im iam-
bischen Trimeter. — Quantität der
ancipites III 224
Krafft, M., zur Wortstellung Vergils
III 248
Kranloh, E., die AUitteration bei Papi-
nius Statins III 249
Kroll, W , de Symmacbii studiis II 266
Krumbaoher, K., interpretamenta Pseu-
dodositheaua II 163
— Handschriftliches zu Dositheus II 131
Kubier, B., de Prolei Berytii commen-
tariis Vergilianis il I3ö
Kiihlewein, H , Mittheilungen über Mi-
chael Neandur III 88
Kummrow, H., symbola ad grammaticos
latioos II 140
Kunst, C , de Theocriti versu heroico
in 217
Kuthe, A, Manipulartakdk II 88
Lämmerhirt, G. , de priscorum scripto-
rum locis a Servio allatis II 147. 153
Laiin, E., de dum, dopec, qiioad usu li 180
Lambros, Sp., hepxopaüd ävixdara
m 261
Landgraf, G., der Bericht des Asinius
Pollio II 45
— Untersuchungen zu Cäsar II 47
Landmann, Fr., die physiologischen An-
schauungen des Aristoteles I 114
Lang, Musik zu Sophokles Antigene
111 207
Langen, P., zur Accentlehre III 237
Larsen, studia in libellum de hello Ale-
xandrino II 112
Laurer, BeitrSge zur Kritik von Cäsars
Büchern über den gallischen Krieg
II 108
Lauzun, Ph., notice sur le coUöge d'Agen
in 111
Lederer, 8., ist Vergil der Verfasser
von Culex III 248
Leeuwen, J. van, zum Theätet I 77
Lehrproben und Lehrgänge III 102
Leiohsenring, 0.,de metris graecis III 199
Leikfeld, P., Richtungen in der Logik
III 196
Lengniok, 8., Bildungswerth des Latei-
nischen III 98
Leo, F., metrische Systeme HI 199
Leppermann, H., de correptione III 237
LIberatos, E., Alterthümer von der In-
sel Kephaleina III 279
Liebhold, K. J., zu Piatons Phaidon I 71
Liebl, H , die Disticha cornuti III 53
Liessem. H., Verzeichniss der Schriften
Uermaoos van dem Busche III 172
LIsle du Dr^neuo, P. de, des üanlois
Veuätes II 179
Livi Andronlol et Naevi reliquiae ed.
Luc. Müller II 195
Löwe, aus lateinischen Glossaren II 282
LGok, R., zur Geschichte des Progym-
nasiums zu Steglitz III 95
Ludwip Salvator, Erzherzog, Paxos u.
Aniipaxos III 262
Ludwioh, A , zur JPeriegese des Diony-
sios. — Johannes von Gaza III 217
Lugert, J., der Ehrbegriff der nikoma-
chischen Ethik 1 132
Lukas, F., Erklärung einer Stelle in
Platoo Sophisies I 75
Luthardt, Chr, antike Ethik I 126
Lutoslawski, Erhaltung u. Untergung
der Staataverfaisungeu I 145
Mähly, J., versus Saturnius III 235
— zu Tereotius Phormio II 189
— zu Donatus II 192
MafTei, R., If favole atellaoe II 203
Maiden, H E.» Caesar's Ezpeditions in
BriUiu 11 79
Manitius, über Hexameterausgäoge III
250
Margoliouth.D.» analecta Orientalia 1 154
Marsohali, K , de Palaemonis libris gram-
maticis II 132
Marx, A., Hüllsbflchlein II 250
Masius, A , über Ambrogio Traversari
in l.>2
Matthias, Th., zu alten Grammatikern
II 157
Maurer, K., die Fabeln des Phaedrns
in der Quarta II 222
Meinel, Beiträge zur Erklärung Pindani
I 19
Meiser, K , über historische Dramen der
Römer II 205
— Beitrag zur Lösung der Katharsis-
frage I 179
Menge, R., Ithaka III 274
~ quaestiones Caesarianae II 108
-^ Uelativum bei Cäsar II 106
— reciprokes Verhältniss II 105
Menge u. Preuss, lexicon Caesarianum
II 99
Register.
293
Menrad, J., de contractionis osu Ho-
merico III 210
Mentz, F , de Aelio Stilone II 120
Merguet. H. , LezikoD zu C&sar II 100
Mörio, E., Ja Sorbonne III 22
Meusel, L, lezicon Caesarianum II 100
— a u. ab vor Konsonanten II 105
Meyer, Wilh., C&snr im Hendekasyllabus
III 245
— die lateiniscbe Sprache in den ro-
manischen Lftndem II 283
— Ursprnng der rhythmischen Dichtung
III 212
— cur Quantität n. Qnalit&t der latei-
nischen Vokale III 251
— das Suffix 0, onis II 254
Meyer P Ef quaestiones grammaticae
II 142 150. 155
Michaelis, zur Aristotelischen Lehre
vom voü^ 1 103
Mie, Fr,, quaestiones agonisticae III 180
Miliarakis, A., ytwypa^ia rou uofioö xt-
^XAijuiag III 270
Mllne and Prootor, the Latin Aristotle
I 99
Miodonski, A . bestia 11 255
Mohr, P., zu Apollinaris Sidonius II 265
Mommsen, A., über die Zeit der Olym-
pien I 25
Mommsen. Th , die keltischen Pagi II 78
— - zu Domaczewskis Abhandlung aber
die Fahnen II 91
Monrad, M. J. , nonnulla de Piatonis
philosophandi via 1 47
Monsterberg-Munkenau, 8. v., de con-
contu trium Aristotelis de voluptate
commentationum fide 1 134
Monumente Germaniae paedagogica, 2.
Bd. III 43 47
Morawski, C. v., Beiträge zur Gpschtchte
des Humanismus in Polen III 182
Mowat, G , Alphita, a glossary II 165
Miilienhof, P.» deutsche Alterthuroskunde
II 77
MQIIer, Georg, das kursächsische Schul-
wesen III 80
MGller, Q. H , zum Kriton des Plato 1 65
Müller, Karl Fr.« Ignatii Diaconi telra-
sticha III 224
Müller, Max, de Apollinaris Sidonii la-
tinitate U 265
MGlier, Luoian,adversariaMonianaII 147
— Quintus Ennius II 192
— über Naucks Phaedrusstudien II 217
MGller, 0, zu Festus u. Verrius II 127
Nägelsbaoh-MGIIer, lateinische Stilistik
11 243
Natorf, P., Aristoteles u die Eleaten 1 82
— Thema u. Disposition der aristoteli-
schen Metaphysik 1 91
Natorf, P., über Aristoteles Metaphysik
I 93
Neldhardt, E., quaestiones Aeschyleae
III 228
Nesemann, F., exegetische Studien zu
Cäsar u. Tacitus II 85
Nettleship, H , lectures and essays II
128. 147
•— the study of Latin grammar among
the Romans II 133
— recent theories of theSaturnian verse
111 235
Neumann, G., quid ex elocutione Cy-
clopis Euripideae rednndet III 230
Neumann, H. Fr, de Plinii dnbii ser-
moDis libris II 132. 145
NIooladoni, A. , Christian Thomasius
III 40
Nigidil Figuli reliquiae coli. A. Swobo-
da II 123
Nikitia, zu Piatos Euthydem 1 57
Nilen, N. Fr, Priscianea III 155
Nissen , H. , über Tempelorientierung
III 139
Nitzschner, A ,de locis Sallustianis II 159
Nodnagel, Geschichte des Realgymna-
siums zu Glossen LII 94
Nötel, R , Aristotelis Ethicorum Nico-
macheorum libri tertii capita 1 1 19 f.
Nolhao, P. de, Erasme en Italie III 161
Nonius, ed Lucian Müller II 146
Novak, R., ad b üispaniense II 116
Oberhummer, E., Akarnanien 111 265
Oehler, R.^ Hilderatlas zu Cäsar II 97
Oeri, J., die grosse Responsion im Rhe-
sos III 230
Oertner, J., Definition der Cäsur III 245
Opitz, R., de argumentornm metricorum
arte et origine II 145
Owsianniko*Keilkowski, Skizzen aus der
Geschichte des Gedankens III 196
Paohtier, G M., ratio studiorum III 43
Pacieoidos libri ed. B Pereiro III 184
Pais, A., quibus exemplaribus Seneca in
Troadas usus sit II 209
Paris, G., Pappendix Probi II 137
Palmar, A., observations on the frag-
ments of tiie Latin scenic poets II 203
— notes on Terence II 190
Papageorg, P, N.. ein neuer Codex des
Aristoteles I 98
Partsch, J , Kephallenia u Ithaka III 266
— die Insel Leukas III 263
— die Insel Zante III 281
— die Berge der ionischen Inseln III 257
— Reisebericht III 252
— die Insel Korfn III 253
Pauoker, C, kleinere Studien II 151
Pauoker, K., die Latinität des Cassia-
nus II 269
294
Register.
Pauoker, K., Latinit&t des Orosins II 272
~ de latinitate scriptorum quorundam
II 270
Paul, W., kritische Bemerkungen zu
C&sar de b. g. II 114
— die BestOrmung von Gergovia II 74
Pauli, C, altitalische Studien III 235
PauUon, J., studia Hesiodea III 217
P^litsler, Henry IV. et Bongars III 168
Perathoner, Melodie der Sprache in
den Gesflngen Pindars I 12
Pernwerth von Bärnsteln, in duplo
III 190
Persohinka, F., de mediae comoediae
atticae trimetro iambico III 232
Person, L, le Latin de la d^cadence
II 249
Petris, N., nepi r&v xuptmdearipwv iu
Aeuxädt ßovwv III 265
Petach, Glaubwürdigkeit der Commen-
tarien Cäsars II ISO
Petschenig, M., zur Latinit&t des Ju-
vencus II 261
— Romanistisches bei Cassian II 269
— Verba des Gorippus II 262
Pfannschmidt, V., zur Geschichte des
pompejanischen Bürgerkrieges II 77
Phaedri fabulae, di C. Fumagaili II 220
— Yon Siebelis.PoUe II 217
Philodemi epigrammata ed. G. Kaibel
III 217
Pindarus Nemean ödes, by J. Bury I 1 1
Piatonis opera omnia ed. M. Schanz,
vol. III 29
— ausgew. Dialoge, von M. Schanz I 57
— ausgewählte Schriften, von Cron u.
Deuschle I 61
— dialogi rec. M. Wohlrab I 29
— russische Uebersetzungen III 198
— Eutyphro, ed. M. Schanz I 60
von M. Wohlrab I 60
— Protagoras. ed. J. Kral I 75 ff.
Platt, A., on tne iambic trimeter III 224
Plessis, F., m6trique III 211
PiuzanskI, Aristotelea de natura astro-
rum opinio I 101
PorphyrIi isagogen ed. A. Busse I 89
— isagoge, annotata da £. Passamonti
I 89
Poschenrieder, F., die naturwissen-
schaftlichen Schriften des Aristoteles
I 112. 116
Prammer, J., Schulwörterbuch zu Cäsar
II 102
— zum b. gall. II 117
Preuss, S. , Lexicon zu den pseudocä-
sarianischen Schriften II 99
Priebe, K. , de Frontone imitationem
prisci sermonis latini adfectante II
263
Prinzhorn, W , de libris Terentianis II 7 1
Ramorino, S , del vt^rso saiumio III 235
Rassow, H, zu Aristoteles I 118 ff.
Rauscher, G., de scholiis Uomericis
III 203
Regnier, A., de la latinite de Saint Augu-
stin II 267
Rehm, Piodar u. die Aegiden I 18
ReifTerscheid, A, analecta critica II 127
Reimann, H., de prosodiorum natura
III 220
Reimer, H., Korfu III 257
Reiter, S., de syllabarum usu III 228
Reiohardt, Th , de metrorum lyricorum
Uoratianorum artificiosa elocutione
III 247
Reitzenstein, R., Verrianische Forschun-
gen II 128
Reusens, E. , documents de Tuoiversit^
de Louvain III 38
Reuss, R., Samuel Gloner III 77
Ribbeok, 0., zu des Aristophanes Achar-
nern 111 232
— Komposition der varrnnischen Bü-
cher de lingua latina II 122
Ribbeok, W., über Piatos Parmenides 166
Richter, G , das alte Gymnasium in Jena
111 81
Richter, R , kritische Bemerkungen zu
Cäsars comm. VII. de b. g. II 13
Ridgeway, W., Aristotle's politics 1 144
RIeder, zur pindarischen Theologie I 13
Riemann, 0 , recherches archeologiques
sur les lies ioniennes III 262. 258. 279
Robert, C. , Beiträge zum griechischen
Festkalender I 70
Röhricht, A , quaestiooes scaenica II 174
Röhrig, A, de Nigidio Figulo II 123
Rönsch, H , coUectauea philologa II 249
— Wortbedeutungen aus Optatus II 269
Rohde, D., adjectivum quo ordine apud
Caesarem et in Ciceronis orationibus
conniunctum sit cum substantivo
II 104
Rohde, E., Psyche I 12
Rosenstock, P., de Donato Terentii et
Servio Vergilii explicatore II 153. 191.
273
Rossbach u. Westphal, griechische Me-
trik III 206
Rossberg, C, zu Dracontius II 262
Ruelle, Ch. E., correction ä un passage
d'Aristote I 100
Ruske, L., de Gellii fontibus II 144
Sadow, Th., sittliche Begriffe im alten
Rom III 197
Santoro, B., Cicerone giudicato dal Pe-
trarca III 151
Sartorius, M., Realität der Materie bei
Plato I 36
Register.
295
Sathat, docnmeDU relatifs k l'histoire
de ia Gräce III 261
Sauppe, variae lectiones 1 19
Sohambaoh, 0., Bemerkungen über die
Geschatzverwendang bei den Römern
II 97
Schanz, M., zur Entwickelung des pla-
tonischen Stils 1 48
Soheidemantel, E., quaestiones Enan-
thianae 11 151
Sohenki, K., Ellis' Avian II 210
Schepsa, G., die Sprache Priscillians
II 267
Schiiior, Heinrich, vom Ursprung des
bellum Alexandrinum II 44
— zu C&8ar b. civ. II 112
Schlag, H., Cicero Verfasser einer gram-
matischen Schrift II 125
Schütte, Fr., de Plinii Secundi studiis
grammaticis II 137
Schmidt, B. , korkyräische Studien
III 259
Schmidt, C. (Strassburg), Michael Schütz,
Toxites III 175
Schmidt, Leopold, de parodi et stasimi
nominibus III 227
Schmidt, Johann, botanischer Glossar
von Siena II 165
Schmidt, Johann (Wien), Aristotelis et
Her bar ti praecepta I 107
Schneider, Heinrich (Nürnberg), Casus
u. Tempora bei Commodian II 263
Schneider, Rudolph, ilerda. — Portus
Itius — Uxellodunum II 76
— Rottenabstand in der Legion II 90
— zum b. gaJl. II 115 f.
Schnorr von Caroisfeld, Schulpro-
gramme u. Bibiiolheken III 97
— Nogaroliana III 182
Schöil, Fr , zu Terenz Adelphen II 187
Schöne. A., zu Cftsar b. civ. II 114
— die Uuiversität Göttingen im sieben-
jährigen Krieg III 35
Schönemann. J., de lexicographis II 164
Sohönermarok, C, quos anectus comoe-
dia sollicitari voluerit Aristotelis 1 179
Schönwerth, 0., über die Adjektiva auf
osus II 253
Schöttlor, B., über die Lage der Orte
Aduatuca, Ära Ubiorum und Belgica
II 79
Sehern, J., Sprachgebrauch des Eutro-
phius II 272
SchottmQller, Remmius Palaemon II 132
Schrader, H., hexametrische Ueber-
schritten III 218
Schütz, H., kritische Bemerkungen zu
Aristoteles Rhetorik I 151
Schulte, K. , Bemerkungen zur Seneca-
Tragödie II 205
Schultz, Gerhard , über das Kapitel de
versuum generibus bei Diomedes III 206
— Metrik des Philoxenus III 199
Schulze, E., de Symmachi vocabnlorum
formationibus II 266
Schumann, J., Bemerkungen zur Plato-
nischen Apologie I 53
— weitere Bemerkungen zur Apologie
I 55
Schvarcz, J., Kritik der Staatsformen
des Aristoteles I 148
Schwalbe, B., Dorotheenstädtisches ReaU
gymnasium III 94
Schwartz, E., de numerorum usu £n-
ripideo III 230
Schwarz, Th., über Verfasser n. Quellen
des Rudimentum novitiorum III 53
Scott, L, Tuscan studies III 156
Seelisch, A., die ethischen Parthien im
platonischen Phado I 69
Seelmann, E., die Aussprache des Latein
II 249
Seiler, Fr., Ruodlieb II 282
Selling, H., Ursprung des homerischen
Verses III 214
Seitz, Ch-, l'oeuvre politique de C^sar
II 81
Seliger, IM., de versibus creticis III 230
Senecaa Tragödien, ungarisch von J.
Kont II 209
Servil commentarii ed. Thilo II 152
Shute, R., on the history of the process
by which the Aristotelian writings
arrived at their present form I 78
Sicard, A., les etudes classiques avant
la rövolution III 1 10
Siebella, J., tirocinium poeticum II 218
Silviae peregrinatio II 277 f.
Sittl, K., Geschichte der griechischen
Litteratur I 4
— was ist Vulgärlatein? II 243
— rusticitas der theologischen Schrift-
steller II 245
— zur Beurtheilung des Mittellateins
II 279
~ de lingnae latinae incohativis II 251
Skobielski, J., der sapphische Vers
III 245
Slaugther, S., the substantios of Terence
II 182
Smith, R.^ de arte rhetorica Senecae
II 207
Solerti, manaale di metrica classica
III 211
Solomon, J., notes on Aristotle's Ethics
I 118ff.
Soltau, W., Manipulartaktik II 88
Sonne, E., ad Aristotelis Oeconomica 1 150
Sonntag, Bemerkungen zu Cäsar de b.
g. IV (Rheinbrücke) II 87
296
er.
Specht, F. A., Geschichte des Unter-
ricbtswpseDS in DeotscblaDd III 2
Sperling, K , Aristoteles Ansiebt von
der Zeit I 99
Spiegel, N., Vaganten nnd Bacchanten
III 42
Spiro, F,, der kykliscbe DaktyJos III 219
-^ Versabtbeiinnfren III 228
— trußnrtXTot duäicaiarot 111 232
Stamateloe, AtuxaSia III i;85
Stamm, P, zam b. gali. II 114
Stapfer. A., studia in Aristotelis de
anima libris I 107
Statuten der Juristen -Uni fer^i tat Bolog-
na ill 20
Steiger. K., de versunm paeonicornm
nun 230
Steinmeyer, E., lateini«ebe n. altengli-
sche Gloi^sen If 169
Steinmeyer o Sievera, altbocfadentFcbe
Glossen II 170
Stewart, J., notes on Aristotle I 118 ff.
Stich, H , die Poetik des Aristoteles 1 184
Stiiiman, Kepballenia III 2ö8 280
Stisser, Th , nochmals dip Katfaari^ig 1 173
Strfihler, G.. de cae^nris versus Homerici
III 203
Strauch, Ph , fliegend^ Blätter von Caspar
8cheit III 173
Straumer, Fr, eine deutsche Bearbei-
tung des Selbdtpeinigers II 175 III 173
Stoffel, histoire de Jules Cesar; guerre
civile II 75
Stowasser, J., coniectanea II 274
— hisperica famina. — Stolones latini
II 282
— zu Phocas de aspiratione II 155
Studemund, W., anecdota varia metrica
III 200
— tractatus Harleianus. — Commen-
tarii de comoedia. — Plutarcbus de
metro heroico III 201
— Ober den Arzt Darookrates III 224
Suohier, H., der Untergang der ge-
schlechtslosen Substantivform II 288
SuaemihI, F., appendix Aristotelica I 136
— Textüberlieterung der aristotnliscben
Politik I 137
— zu Aristoteles Poetik I 169
Suater, G., misceilanea critica II 217
Suter, H., die Mathematik auf den Uni-
versitäten des Mittelalters III 12
Sweet, H , the Epinal glossary II 166
Taohau, L, zu Senecas Tragödien II 209
Tamizey de Larroque, lettres de Pei-
resc III 187
Terentn comoedia ed. C. Dziatzko. —
Ausgewählte Komödien des Terenz
II 183
— Komödien, von A. Spengel II 184
Terentii commedie, volgarizzate da Ce-
sari e Rigutini li 184
— comedies, tradnrtinn par G Hinstin
II 187
— les Adf-lphes, par A. Boue II 185
par Fr Plessis II 184
by H Preble II 186
par J. Psichart II 184
by A. Sloman II 186
— Hecyra, par P. Thomas II 187
Ter Haar Romeny, de anctore tragoe-
diarum qnae sub Senecae nomine fe-
nintor II 207
Tertulltanus, eJ. F. Uonard II 270
Teutach, Fr, siebenbargisch-sächsische
Schulordnungen III 47
Thielmann, Ph , liexikographischea ans
dem Bibellatein II 278
— habere; facere II 256 f.
Thikötter, J., Halleluja III 192
Thoma, note sur la IV. Pythiqae I 15
Thommen , .R , Geschichte der Univer
sitftt Basel III 26
Thurneyaen, R , Keltoromanisches II 286
Tiadall, Fr, theory of the origin of the
beroic hexameter III 214
Tiaaot, Chr., recherches sur la campagne
de C^sar en Afrique II 74
Tönniea, P , die Fakult&tsstodien III 37
TöpfTer, J., zu Piatos Alkibiades 1 53
Trubetzkoi, Metaphysik III 195
— die politischen Ideale Piatos III 196
Trump, Fr., observationes ad genus di-
cendi Claudiani II 261
Taitaelia, E , dvoßara ^itretov iu /fe-
^aUr^via 111 278
Tyrrell, k. Y., Mr. Newman's Politicis
I UiS
Udolph, P., über die Tempora bei Cäsar
II 107
Unger G. F., Zeitrechnung der Griechen
u Römer III 143
— der Olympienmonat III 136
Urbat, R., romanische Elemente in der
Historia Francorum U 281
Uri, J., quatenus apud Sallustium ser-
monis plebeji vestigia appareant II 272
Uaener, H. , altgriecb. Versbau III 214
Vahlen, J , de f ragmento Alcmt^onis II 2G0
— de Vita Verrii II 127
Vallat, G., quomodo Mnnandrum quoad
praecipuarum peri;onarum mores Te-
rentius transtulerit il 176
Vanderhaeghen, bibliographie Lipsienne
III 185
Van der Mey, ad Caes. b. gall. II 117
Varronia de lingua latina libri ed L.
Spengel II 121
Veil, H., zum Gedächtniss Johannes
Sturms III 69
Register.
297
Veil, H. , das protestaDti^che Gymna-
sium za Strassburg III 72
Verdi. A. , gli Ultimi anni di Lorenzo
de' Modici III 156
Vernier, L, de secariis italicis. — Etüde
sur la versificatioD populaire des Ro-
mains lil 236
— la versificatioD populaire eu Afriqne
III 249
Verres, P , de Silii Italici Punicis III 249
Veuolin, V., les fondateurs d'ecoles au
XVII. si^cle. — Nouvelles glaoes hi-
storiques 111 112
Vogel, Fr.f Ennodiana II 265
Voltz, L, de Helia Monacho. — Die
Traktate nepi nar9(bu raO kpattxou
jierpou. — Zur Ueberlieferung grie-
rhischer Grammatiker HI 203
Votsoh, W., Marius als Reformator des
romischen Heerwesens 11 90
Vrba, C Fr , meletemata Porpbyrionea
II 149. 273
Walther» H., de Caesaris codicibus inter«
polatis II II
Wania, F., das praesens bist, bei Cäsar
II 102
Warren, M , on Latin glossaries II 165
Waraberg, A. v., Odysseische Land-
schaften HI 266
— Ithaka 111 273
Weber. B.. de odaiag apud Aristotelem
notione I 98
Weber, Ph., kirchengescbichtlicho Anek-
dota II 270
Weidenbaoh, P. . Ari>toteIes und die
Scbicksalstragödio I 169
Weineok, E , Realgymnasium zu Lübben
III 95
Weise, 0 , Beitrag zum Vulgärlatein
II 253
Weniger, L, über das Kollegium der
sechzehn Frauen III 125
— der Gottesdienst in Olympia HI 129
Weninger, A., de parataxi in Terenti
fabulis vestigiis II 179
Werkshagen, C , Luther u. Hütten HI 171
Werner, R, de Senecae Hercule qnae-
stiones II 208
Westphal. R , der Rhythmus des gesun-
genen Verses III 207
Wiohner, J., Bücherverzeichnisse von
Admont 111 183
Wiebel, K., die Insel Kephalenia u die
Meermüblen von Argostoli III 276
Wiegand, P., Heinrich Thierschs Leben
III 50
Wiegandt, L , Julius Cäsar u. die tribu-
nizische Gewalt II 83
Wliamowitz-Möllendorf, U. v., die Bühne
des Aischylos I 53
Wilamowltz-Möllendorf, U v, zu Flu-
tarchs Gastmahl HI 219
Wilma, A., zum lateinischen Unterricht
HI 101
Wintzell, C, studia Thfocritea III 217
Wialooki. W , libor diligentiarnm facul-
tatis artisticae universitatis Craco-
viensis III 39
Wölfflln, E., Asinius Pollio de hello
Africo II 84
— die ersten Spuren des afrikanischen
Lateins II 271
— der Reim im Lateinischen III 213
— über die Gemination ; Nachtrag II 260
— de Scipionum elogiis HI 235
— der substantivierte Infinitiv II 258
— die Verba desuperlativa; die Verba
frequentativa 252
— Substantiva mit in privativum II 254
— der Ablativus comparationis II 237
— zu den Kausalpartikeln II 260
Wdrmann, Fr., Caesaris commentarii
comparati cum Xenophontis Anabasi
11 83
Wohlwill, E., Joachim Jungius III 97
Wrobel. V., de Aristotelis de poetica
libello rccognoscendo I 156
— Aristotelis de perturbationibus doc-
triua I 135
Wutke.R.,quaestiooesCaesarianae II 108
Zahlflelsoh, J., zu Aristoteles I l]8ff.
— zur Metaphysik I 94
— zur Topik I 88
Zander, versus italici Hl 235
Zangemeister, C , zum Horazkommentar
des Scaurus II 142
Zannoni, G., i precursori di Cocai III 191
Zarnoke, E., der Einfluss der griechi-
schen Litteratur auf die römische
Prosa 11 242
Zeidler, J., Schauspielthätigkeit der Stu-
denten Wiens III 178
Zeller, E, Bericht über die deutsche
Litteratur der sok ratischen etc. Phi-
losophie I 84 ff.
— über die Entscheidung einer doppel-
ten Gestalt der Ideenlehre in den
platonischen Schriften I 43
— zeitgeschichtliche Beziehungen des
Theftiet I 47
— über die richtige Auffassung einiger
aristotelischen Citale I 82
~ über den Begriff der Tyrannis I 148
Zerbst, M., ein Vorläufer Lessings in
der Aristotelesiutürpretation I 171
Ziaja, J., Aristoteles de sensu I 111
Ziegler, Th . Ethik I 126
Zielinski, Th., quaestiones comicae. —
Gliederung der altattischen Komödie
HI 232
2öS
BepMter.
Zi^tMkh Tfi, Apoll bei d^^n BjperlH>-
Tt'ÜfU 1 13
ZI«lono9ortfcl, Idef^o o. IHal^krik, —
Tragiker ti. 8f>phi«.ten III lir7
ZiiWBwrer» R, das hoaeritehe
Dl 284
ZiiHIMie, A., necessp ent II 269
Zucker, ztun b. g. II 116
IL Terzeichni88 der behandelten Stellen.
a) GriechiBcbe Aatoreo.
rDie Dicbt Däber bozeicbDeten StWIen siod ans der ersten Abtbeilung).
Aetcfiylut III 226. — Agam 172 111229.
999 225. - Cboepb. 7M III 230. gos
III 229. - Kom. III 228 m III 229.
-' Per». Z09 22. 6i3 JII 229
Aloman III 20o
Anaximenet 153
Androniout Rhodiut 8<5
Antigonut Charittut 79
Antimaohut III 218
Antiphon 154
Antitthenea 62
Apoiloniut DItooiut, syntaxis II 157
Appianut II (\b
Aphthoniua III 20G
Arittophanet. Ach. III 232. loni III 233.
Aveg 221 III 128. — Equ. 20? III
225. — Lyhiatr. reo III 219. m III
233. 1148 III 208. " Nub. 869 III 225.
— Piut. 166 III 225. 838 111 233. 1019
III 225. — Kan. ism. I822. 1848 III 231.
• Thesm. ]i84 III 225. — Vcsp. ui
III 225
Arittophanet Byzantinua 79
Arittotelet 78. - Etbica Nie 80. 117.
1004 87. - Etbica Eudezn. vii ib, 1249
126. — Metapbys. 68. 90. i 3. 3 82.
XII 7 1072. 134. — Top. VI 8 86. ix 88
82. — Analyt. 88. — Pbysica 99. i 2
82. — PbysiogD. 1 14. — pari, animal.
II 10, de gen. animal 11 « US. 106. —
Poet. 154. XII III 227. xxvi i46i 143.
-' Hhetor. 151. 1 11 134. 11 18 82. uio
80. — Psych. 102 iii 7 218I 134 iii 9
132. — do memor. 11 a-i 111. — de
Boima in 11 109. — de sensu i 9, 3
111. - Polit. 137. III 196 I 18, 1280
119. II ß, 1268 125. IV 2, 1824 125. IV 16,
1886 128. VIII 10 82. " Athen, polit.
88. — OecoDom. 149. — de coelo
n 18 82. — de Melisso 115. — de
pertnrb. 135. — de inaomn. u 4eo 112.
— Protrept. 85. — commentaria 89
Arittoxenua III 199
Aaclepiut, comment. in Aristotelem 97
Atpaaiua, in Aristotelem 135
(Averroia, parapbrasis 155)
Callimaohua III 220 223. 229
Choeroboacut III 202. 204
Comici 232
Damooratet III 225
Dio Cattiua II 65. XLiii 20 II 84. xuv »
II 83. XLIII 14 III 143
Diogenet Laertiua 114
Dionyaiut Halicarnaaaenait, de compos.
vcrb III 221
Dionytiua Miletiut 114
Dionytiut Periegeta III 218. 225 ix 49»
III 269
Dionytiua Thrax III 201
Ephraemiut III 226
Euclidet scboliasta in Aristopb. 111 204
Euripidea 111 219. 225. — Baccbae 7S6.
1208. 1209 II 196. — - Eleetra 407. 447 III
231. — Hei. 681 III 200. - Ipb. Au).
764 794 III 231
Eutebiut II 202
Galenut 111 226
Qeorgiut Pitidet III 226
Georgiut Trapez. 85
Qeorgiut Choerobotout v. Choeroboscns
Gregoriut Nazianzenut III 213
Heliodorut 136. III 220
Hephaettion III 201 ff.
Hermipput 114
Herodotut iii 48 lU 128
Hippooratet 113. 116
Homerut 111 216. 218. — Ilias B 863
111 268. B 628 III 275. B 688 III 272.
-> OdySS. a 186. Y 81 HI 268. a M6 111
272. c 4 III 258. ^ 8 III 269. t n III
y
Register.
299
268. V 96 III 269. V los III 274. w ztj
III 268. tt» 430 III 275. — ilymous ad
Apoll. 111 220
Jambliohut 86
Ignatlut Diaoonut III 226
Intoriptionetgraecae Olympicaelll 115f.
111 131
Itoo ratet, Helena 52
Isyllus 111 218
Luoianut, Timon § m III 135 — Ocy-
pus 111 225
Lyoophron 111 225
Melittut 83 f.
Niootat 111 227
Pamphilus II 164
Panaeliut 79. 140
Parmenidet 83
Pautaniat m le, e 111 117. v 9, 3 III 114.
132. 133 136. V 9. 5 III 134. v 10
III 118. Vis, 3 III 114. 124. V14
III 118 f. V 14, 10 III 123. VI 6. 6
111 125—129. VI 19, 4 III 115. 116.
VI 32, 3 III 134. VI 33, 8 Hl 135. VI
36, 1 111 125. 126
Phereoratet III 234
Phlloponi commeat. in Aristotelein ini
Philostratua, de arte gymnastica IUI 17 f.
Philoxenut III 200
Phooat, de aspiraiione II 155
Pindarus, 1. — Istbm. 1 1 6. ii 14. iii.
IV. VII 17. IV 5. VII 11. fr. 5. fr. 107
16. — Nem I 31 6. ii. IX 11. Iii 5.
VI 4. VII 70 111 117. VIII 5 21. —
Ol. i-iii 7. II 111 208. III 5 III 21
111132. V 6 111 114. 132. VI 5. VIII 8
13 IX 48 4. X. XI 22. xm 6 III 208.
schol. in Ol. in 83 26. schol. in Ol.
III 8« 111 136 ff. — Pyth. l 31 12 I 84 5.
I 90 6. II. III 5 7 8. IV 388 15. VI 14.
VI 37 13. VIII 7 8. VIII 1 6. X 13. x 5.
VI 41 6. — Scholia 1
Plato 29. — Alcibiades 53. — Apolo-
gie .^3. — Cratylua 64. — Criton 65.
— £utyphron 67. — Gorgias 61. —
Hippias 62 — Ion 63. — Menezeuus
65. ~ Parmenides 66. — Phaedo 30.
36 46 69. - Phaedrus 72. II 1 136.
138 96 33. 374 34. - Philebu.s 38. 44.
60 67. — Protagoras 75. S49 69. —
Sopbistes 44. 46. 75. 5 52. ass 120. —
Tbeaetet 47. 51. 77 — Timaeas i8
36 ff. 40 82 — Leges in 693 124. —
— Polit. 147. 148. 391 124. — Rep.
111 196. X 567 126. X 695 120
Pletho 85
Piutarohua II 65. — Alexander 8 III
140. — araat. 16 HI 209. — convi-
vium HI 220. — de musica vm HI
223. - de mulier. virt. HI 125
Polybiut Ui 137. 140 vi z 79. xi 88
H 92. XV 9 II 88 xvm 12 II 88. 90
Porphyrius, isagogen 89
Proolua 42
Soymnus, periegesis HI 225
Simonidet HI 225
Stephanus Byz. III 267
Stesichorus, fr. 46 10
Strabo vi 33 1. 383 II 201
Terpander Hl 223. fr. 1. 10. 11
Thaoomestua 111 206
Theodorua Gaza 85. \\l 214. 218
Theodorua Prodromua \\l 226
Thucydides 111 g Hl 142. iii 15 Hl 139.
140. iii 60 HI 260. III 75, 4 HI 258.
260. III 76. 79. 85 HI 260. IV 46. 1 HI
260. IV 76 Hl 260. V 47 111 137. 139.
V 64 Hl 137
Xenophanet 83
Xenophon l\ 83. — Hellenica vii 4, 39
HI 114. 115. VII 4, 81 111 132. 134.
" Oeconomicus 128
b) Lateinische Autoren.
(Die nicht näher bezeichneten Stellen sind aus der zweiten Abtheiiung.)
Adamantiut 158
Aeliut Stiio 120
Agroeoiut 160
Alouin III 246
Ammianus Maroeliinus 270
Anthologia latina 481. 257
Apollinarit Sidonlut epist. 265
Apuleiut 235 ff. 264. — Met. vn 17 232
Arutlanut 156
Asooniut Pedfanut 137
Asper 146
Atiliut 4
Augustinus 241. 267. — de doctrina
cbristiana 14
Augustus imp, epistnlae 244
Ausonius 248. HI 246
Avianus 210
Avienus HI 246
300
Register.
Beda, ortbograpbia 131
Caesar L — Bellam gallicum 2. 80.
lOSff. 1 9, ] 34 I ft, 4 103 1 7, 8 106.
1 42. 1 32. I 44. 6 106. I 44, 18 32. I 61, 3
85. U 6, 4 öl. II 11, 8 34. II 19. 1. II 28, 1
91. 105. — II 96, 1 106 III 20, 2 35.
ni 28, 4 32 IV 17, 11 85ff. iv 28, ft 107.
IV 25, 8 84. V 58, 6 31 VI l 51. VI 4. I
26. VI 12, 6 54. VI 22, 2 85. VII 28, 1 49.
VII 85, 4 53. VII 40, 4 26 VII 44, 8 40.
VII 48 74. vn 64. 4 107 VII 78, 4 105.
VIII 2 51 . VIII 28, 3 47 VIII, 23, 46 51
VIII 41, 1 76. VIII 47 51. Bellum ci-
vile 18. 75 f. 108 I 26 77. i 26, 3 54.
I 58, 2 52. n 18, 4 52. II 22 74. III 8 74
III 14, 7 106. III 15, 2 lu7. m 48, 1 106
III 49, 4 100. III 68, 6 94 UI 60, 5 106.
m 70, 1 52 III 84. 8 107 111 ]08ff. 47. 106
111112,1151. — Bellum Africanum 47.
84. 118 17, 1 91. 19, 8 99. 78, 8 49. —
Bellum Alpxandr. 42. 105. — Bellum
UUp. 47 67. 116 272 - de analo-
gia 228
Capor 139
Caaaianua 269
Cassius Felix 276
Catuilua 62 111 246
Charisius 133. 145. 149
Cioero, de orat in 89. 46 231. — Brutus
136. 245. — Catil. ii 6 31. — pro
Cluentio 26 259. — Mil. i». 49 III 244
— pro Quiuctio so 105. — in Verr.
II 2, 76 125 — de offic. 2, 10 245. —
Uorteos. 1 85 — Rep. 1 79. — Epist.
ad Au. 1 9, 1 244 xvi 7. 6 140 lil 143
— Epist ad fam. ix 2, 4 27. ix 21, 1
243. X 81. 82. 88 -^8. — TuSCUl II 6, 18
105. ni 24, 67 111 227 — Acad ll 25 51
Claudianut Mamertus 264
Cledoniut, de dubiis nom 125. v 575, 9
228. — ars gramm. 154
Comtnianut 142. 150
Commodianut 263. 111213. -> Apol. 259
Contentiut 155
Corpus iuris civilis 275
Cyprianus, de aieatoribus 8 259. — to-
8iim. in 17 229
Diotys II 26 233
Diomodes, de versuum geu. 141. 142.
150. 151. 248. 111 206
Donatus 151. 153. 191. — iu Ter. Ad.
n 2, 16; in Ter. üec n 1, 41 273
Dosithous 131. 134. 150. 163
Dracontius de deo; Orestis trag. 262
Ennius 120. 192. 203
Euanthius 151
Eugrapliius 158. 192
Festus, de verborum siguificata 126 127.
195
Fiaoous, ValorluSy Argonautica 111 248
Florus 271. iv 3, 64 59
Frontinus 11 8, 23 95
Fronto 235. 263. — ad Gaes. in 162 38
Fulgentius 159. 236
Fusus Aseilius 237
Gaius 294
Gellius 136. 143. 144. u 30, 6 228. ni87
197. X 36, 5 49. xvn 1, 1 234. xvn 17
203
Grammatioi 130
Gregor! US Turonensis 280
Hieronymus 240. 246 266. — Epist. ad
Ea^iUch. 22 234
Hirtius 45. 47
Horatius 111 247. — ars poet. 50 231.
" Epist. u 1, 126 237
Hyginus, astronomica 259
Insoriptiones III 236
isidorus Hisp. 160 161. - differentiae
256
itala 249
Julius Africanus 111 130. 135
Julius Romanus 133. 134. 145
Jurisoonsulti 274
Justinus Junianus 271
Juvenous 261
Laotantius, instit. iv is, • 278
Livius vin s 87. 89. x 20 203 xxn 40 34.
XXIV 24. 80 178 XXX vn n 90
Livius Andronious 195. — Aegisth. 196.
— Equus troi. 199
Luoifer Calaritanus 269
Maorobius 154
Manilius 111 245
Martialis in 2, 13 185
Mela, Pomponius n 4 201 . 202
Naevius, Lycurg. 195. 197. 199 -
Oymn 200. — Alcm. 200 — Glanc.
200. ~ Coroll 200. - Fretiona 197
— Dementes 196. — Tarent. 196. 198.
199 - Ipbig. 198. — fragm. incerl.
206. 203
Nigidius Figulus 123
Nisus 137
Nonius Maroellus 124 146. 175
Orosius 272
Ovidius, Ibis 111 221
Pacatius, paneg. Theod. 1, 8 246
Palaemon 132 138
Papinianus 275
Paulinus Pellaeus 242
Paulus Diaoonus 127
Persius lil 245
Potronius 40. 66 260. — 96 240
Phaedrus 213. 111 249
Plaoidus 161
Plautus 111 238. — Amph. 407 111 238.
— Asin. 163 111 235. 706 111 240. —
Aulul. 716 III 235. — Bacch. 404. 480.
614. 1166 111 235. 1160 111 244. — Caa.
Register.
301
847. S68 III 244. 447. 756 094 III 240 f.
— Gare. M7 III 243 — Gist. eio III
242. - Epid 8 111 242 Merc. 780.
193. — Mil 721 III 242. ~ Most. 88S
111 243. 842 III 242. — Pers. 498 111
244 — Poeo. 812 111 242. — Pseud.
186 111 235. — Stich. 188 769 HI 242.
859 III 235. - TriD. 648 196. 1127 III
242. — Truc 263 Hl 242. 343. 196.
— Vidua V 8 111 242
Pllnius, nat. hist. praefat. § u 246. ni
II 202. m 18710. IV t, 5 111 269. vui
145 248
Plinlua, de dob. sermon. 137. 145
Pollio 54. — Bell. Alex. 45. 47
Porphyrio 149
Pritoianut 136 139 f. 152. 155. 156
Pritoillianut 267
Probut Borytius 135. — Appendix Probi
137. 279
Prudontius, perist. 2, 574 245
Quintiiianus 138 i 4, 11 1 154. i 6, 2 245.
I 6, 27 229. m 4, 9 1 154. X 10, 40 245
Sallustlut, Jog. 51 92
Soaurus 141
Seneoa, controv. vii s. praef. 8 245. x 85, 1
261. - Suasor vi 24 46 — Tragoe-
diae205f - Ociavia 207. — Herc,
Troad., Phoen. 207-209
Serviut 152 — in Aen. vii 80 146. -—
in Aen. vn 787 273. — in Aen. ix 4i6
146
Silius Italious, Ilias latina 111 249. —
Punica 111 250
Silviae peregrinatio 277
Statilius Maximus 156
Statiua, silvae iv 4 HI 140f. 143
Suotonius, vita Probi Valerii 135. —
vita gramm. 1 120. 127. — rhetor. 6
245
Sulpioius Apollinaris 143
Sulpioius Severus 266
Symmaohut 265. — Epist. vii 9 244
laoltus. ann. i 65 248. iii 41, 46 10. —
hist. III 22 94
Terentianus HI 206
Terentiua 171. — Adelphi 184. 117
188. 125 189. 201 187. 264}188. 886 193.
in 1, 8 209. — Andria 172. 225 197.
815 189. 760 IH 239. I 141 prol. 18 195.
— Eun. prol. 8 191. prol. 20 175. 848
III 241. 708 189. 741 181. IV 4, 21 190.
— HeautOn. prol. 176. prol. 45. 16. 80
189 846 189. 596 190 812 HI 239. IV
1» 82 190. — Hecyra prol. i. 49 175.
prol. 5 174. prol. 10 17'i . 527 IH 239.
668 190 741 IH 240 829 180. — Phor-
mio 183 proL 83 177. 175 190. 409.
561 1021 188
Tertullianus, resurrect. 51 229
Tibullut, encomium III 221
Tinoa rhetor 251
Trebeliius, Pollio claud 3 229
Varro 121. — de 1. I. III 200. vii 70 197
Vegetius in 14 90
Velius Longus 125. 137
Velleius Pateroulus 204
Vergilius, Aen. vn 154 178. — Buc. viii
80 HI 210. - Georg. 11 69. in 449 Hl
248. in 800. - Giris, Culex HI 248
Verriua Flaccus 122. 127. 148
Victohnus, Marius, 125 Hl 206. 248
Vitruvius 279
Walahfk*ied Strabo 111 245
Berlin.
Druck von Martin Oldenbourg*.
Adler - Strasse 5
1892.
JAHRESBERICHT
Ober
die EoTtschritte der classischen
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Conrad Bursian,
herausgegeben
Iwan V. Müller,
ord. öRenlL Pror. der classisdien Philologie an der UDiversitKl ErbuigeD.
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Neunzehnter Jahrgang. 1891.
Dritte Abtheilnng:.
ALTERTHÜMSWISSENSCHAFT.
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SEBLIN 1892.
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W. Um« den Liadea 21.
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