Skip to main content

Full text of "Jahresbericht über die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft"

See other formats


Google 


This  is  a  digital  copy  of  a  book  that  was  prcscrvod  for  gcncrations  on  library  shclvcs  bcforc  it  was  carcfully  scannod  by  Google  as  pari  of  a  projcct 

to  make  the  world's  books  discoverablc  online. 

It  has  survived  long  enough  for  the  Copyright  to  expire  and  the  book  to  enter  the  public  domain.  A  public  domain  book  is  one  that  was  never  subject 

to  Copyright  or  whose  legal  Copyright  term  has  expired.  Whether  a  book  is  in  the  public  domain  may  vary  country  to  country.  Public  domain  books 

are  our  gateways  to  the  past,  representing  a  wealth  of  history,  cultuie  and  knowledge  that's  often  difficult  to  discover. 

Marks,  notations  and  other  maiginalia  present  in  the  original  volume  will  appear  in  this  flle  -  a  reminder  of  this  book's  long  journcy  from  the 

publisher  to  a  library  and  finally  to  you. 

Usage  guidelines 

Google  is  proud  to  partner  with  libraries  to  digitize  public  domain  materials  and  make  them  widely  accessible.  Public  domain  books  belong  to  the 
public  and  we  are  merely  their  custodians.  Nevertheless,  this  work  is  expensive,  so  in  order  to  keep  providing  this  resource,  we  have  taken  Steps  to 
prcvcnt  abuse  by  commcrcial  parties,  including  placing  technical  restrictions  on  automatcd  qucrying. 
We  also  ask  that  you: 

+  Make  non-commercial  use  ofthefiles  We  designed  Google  Book  Search  for  use  by  individuals,  and  we  request  that  you  use  these  files  for 
personal,  non-commercial  purposes. 

+  Refrain  from  automated  querying  Do  not  send  aulomated  queries  of  any  sort  to  Google's  System:  If  you  are  conducting  research  on  machinc 
translation,  optical  character  recognition  or  other  areas  where  access  to  a  laige  amount  of  text  is  helpful,  please  contact  us.  We  encouragc  the 
use  of  public  domain  materials  for  these  purposes  and  may  be  able  to  help. 

+  Maintain  attributionTht  GoogX'S  "watermark" you  see  on  each  flle  is essential  for  informingpcoplcabout  this  projcct  andhclping  them  lind 
additional  materials  through  Google  Book  Search.  Please  do  not  remove  it. 

+  Keep  it  legal  Whatever  your  use,  remember  that  you  are  lesponsible  for  ensuring  that  what  you  are  doing  is  legal.  Do  not  assume  that  just 
because  we  believe  a  book  is  in  the  public  domain  for  users  in  the  United  States,  that  the  work  is  also  in  the  public  domain  for  users  in  other 
countries.  Whether  a  book  is  still  in  Copyright  varies  from  country  to  country,  and  we  can'l  offer  guidance  on  whether  any  speciflc  use  of 
any  speciflc  book  is  allowed.  Please  do  not  assume  that  a  book's  appearance  in  Google  Book  Search  mcans  it  can  bc  used  in  any  manner 
anywhere  in  the  world.  Copyright  infringement  liabili^  can  be  quite  severe. 

Äbout  Google  Book  Search 

Google's  mission  is  to  organizc  the  world's  Information  and  to  make  it  univcrsally  accessible  and  uscful.   Google  Book  Search  hclps  rcadcrs 
discover  the  world's  books  while  hclping  authors  and  publishers  reach  new  audiences.  You  can  search  through  the  füll  icxi  of  ihis  book  on  the  web 

at|http  :  //books  .  google  .  com/| 


Google 


IJber  dieses  Buch 

Dies  ist  ein  digitales  Exemplar  eines  Buches,  das  seit  Generationen  in  den  Realen  der  Bibliotheken  aufbewahrt  wurde,  bevor  es  von  Google  im 
Rahmen  eines  Projekts,  mit  dem  die  Bücher  dieser  Welt  online  verfugbar  gemacht  werden  sollen,  sorgfältig  gescannt  wurde. 
Das  Buch  hat  das  Urheberrecht  überdauert  und  kann  nun  öffentlich  zugänglich  gemacht  werden.  Ein  öffentlich  zugängliches  Buch  ist  ein  Buch, 
das  niemals  Urheberrechten  unterlag  oder  bei  dem  die  Schutzfrist  des  Urheberrechts  abgelaufen  ist.  Ob  ein  Buch  öffentlich  zugänglich  ist,  kann 
von  Land  zu  Land  unterschiedlich  sein.  Öffentlich  zugängliche  Bücher  sind  unser  Tor  zur  Vergangenheit  und  stellen  ein  geschichtliches,  kulturelles 
und  wissenschaftliches  Vermögen  dar,  das  häufig  nur  schwierig  zu  entdecken  ist. 

Gebrauchsspuren,  Anmerkungen  und  andere  Randbemerkungen,  die  im  Originalband  enthalten  sind,  finden  sich  auch  in  dieser  Datei  -  eine  Erin- 
nerung an  die  lange  Reise,  die  das  Buch  vom  Verleger  zu  einer  Bibliothek  und  weiter  zu  Ihnen  hinter  sich  gebracht  hat. 

Nu  tzungsrichtlinien 

Google  ist  stolz,  mit  Bibliotheken  in  partnerschaftlicher  Zusammenarbeit  öffentlich  zugängliches  Material  zu  digitalisieren  und  einer  breiten  Masse 
zugänglich  zu  machen.     Öffentlich  zugängliche  Bücher  gehören  der  Öffentlichkeit,  und  wir  sind  nur  ihre  Hüter.     Nie htsdesto trotz  ist  diese 
Arbeit  kostspielig.  Um  diese  Ressource  weiterhin  zur  Verfügung  stellen  zu  können,  haben  wir  Schritte  unternommen,  um  den  Missbrauch  durch 
kommerzielle  Parteien  zu  veihindem.  Dazu  gehören  technische  Einschränkungen  für  automatisierte  Abfragen. 
Wir  bitten  Sie  um  Einhaltung  folgender  Richtlinien: 

+  Nutzung  der  Dateien  zu  nichtkommerziellen  Zwecken  Wir  haben  Google  Buchsuche  für  Endanwender  konzipiert  und  möchten,  dass  Sie  diese 
Dateien  nur  für  persönliche,  nichtkommerzielle  Zwecke  verwenden. 

+  Keine  automatisierten  Abfragen  Senden  Sie  keine  automatisierten  Abfragen  irgendwelcher  Art  an  das  Google-System.  Wenn  Sie  Recherchen 
über  maschinelle  Übersetzung,  optische  Zeichenerkennung  oder  andere  Bereiche  durchführen,  in  denen  der  Zugang  zu  Text  in  großen  Mengen 
nützlich  ist,  wenden  Sie  sich  bitte  an  uns.  Wir  fördern  die  Nutzung  des  öffentlich  zugänglichen  Materials  für  diese  Zwecke  und  können  Ihnen 
unter  Umständen  helfen. 

+  Beibehaltung  von  Google-MarkenelementenDas  "Wasserzeichen"  von  Google,  das  Sie  in  jeder  Datei  finden,  ist  wichtig  zur  Information  über 
dieses  Projekt  und  hilft  den  Anwendern  weiteres  Material  über  Google  Buchsuche  zu  finden.  Bitte  entfernen  Sie  das  Wasserzeichen  nicht. 

+  Bewegen  Sie  sich  innerhalb  der  Legalität  Unabhängig  von  Ihrem  Verwendungszweck  müssen  Sie  sich  Ihrer  Verantwortung  bewusst  sein, 
sicherzustellen,  dass  Ihre  Nutzung  legal  ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  ein  Buch,  das  nach  unserem  Dafürhalten  für  Nutzer  in  den  USA 
öffentlich  zugänglich  ist,  auch  fiir  Nutzer  in  anderen  Ländern  öffentlich  zugänglich  ist.  Ob  ein  Buch  noch  dem  Urheberrecht  unterliegt,  ist 
von  Land  zu  Land  verschieden.  Wir  können  keine  Beratung  leisten,  ob  eine  bestimmte  Nutzung  eines  bestimmten  Buches  gesetzlich  zulässig 
ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  das  Erscheinen  eines  Buchs  in  Google  Buchsuche  bedeutet,  dass  es  in  jeder  Form  und  überall  auf  der 
Welt  verwendet  werden  kann.  Eine  Urheberrechtsverletzung  kann  schwerwiegende  Folgen  haben. 

Über  Google  Buchsuche 

Das  Ziel  von  Google  besteht  darin,  die  weltweiten  Informationen  zu  organisieren  und  allgemein  nutzbar  und  zugänglich  zu  machen.  Google 
Buchsuche  hilft  Lesern  dabei,  die  Bücher  dieser  Welt  zu  entdecken,  und  unterstützt  Autoren  und  Verleger  dabei,  neue  Zielgruppcn  zu  erreichen. 
Den  gesamten  Buchtext  können  Sie  im  Internet  unter|http:  //books  .  google  .corül  durchsuchen. 


d.^^ 


^ 


^-<'.^ 


.  ♦ 


JAHRESBERICHT 

über 

die  Fortscliiitte  der  classisclieii 

Alterthumswissenscliaft 

b^rUndet 

Conrad  Bursian, 

herau^cgeben 


I'wan  V.  Müller, 

onL  fiSenÜ.  Prof.  der  clutiichea  Philologie  bd  der  UDivenitllt  EilaagcD. 


Secbsandsechzigster  Band. 

Jahresbertcht  Ober  die  griechischen  Inschriften  von  W.  Larfeld. 

—  Jahresbericht  über  die  griechische  Mythologie  aus  den  Jahren 

1886  —  1890.    Von  Friedrich  Back. 


BERLIN    1892. 
VERLAG  VON  S.  CALVARY  &  CO- 

W,  Unter  den  Lindvo  31. 


Jahresbericht 
über  die  griechische  Epigraphik  für  1883 — ^1887. 


Von 

Dr.  Wilhelm  Larfeld, 

Oberlehrer  in  Remscheid. 


Zw  eiter  TeiL 

Fortsetzung  1). 

Xn.   Insulae  Aegaei  maris  cum  Bhodo,  Greta,  Gypro. 

Rhodus. 

Schumacher,  Rhein.  Mas.  41  1886  S.  233 — 288  emendiert  das 
Dekret  der  Lindier  inbetreff  der  Feier  der  Sminthien  Rofs,  Hellenica  II 
p.  113  n.  47.  Za  Z.  14.  16  und  20.  21  vgl.  aufserdem  Ditten  berger, 
De  sacris  Rhodiorum  commentatio,  Index  Schol.  Hai.  Sommer  1886  p.  XI, 
welch  letzterer  in  fast  allen  Punkten  mit  Schumacher  Obereinstimmt,  je- 
doch die  Ergänzung  (lfd^]£efffxa  (Dittenb.:  i^a^]ti^(dv)a)  ftlr  verfehlt  hält; 
vgl.  Ind.  Schol.  Hai.  Sommer  1887  p.  III. 

Dittenberger,  1.  c.  p.  Xn  giebt  eine  Restitution  des  Dekretes 
der  Lindier  Rofs,  Archäol.  Aufsätze  II  S.  610  n.  21. 

Derselbe,  De  sacris  Rhodiorum  commentatio  altera.  Index  Schol. 
Hai.  Sommer  1887  p.  X— XVI  erweist  das  auf  Rhodos  gefundene  Dekret 
mit  einer  Liste  von  Beisteuernden  Newton,  Greek  inscr.  U  S.  107  n.  343 
als  nach  Eos  gehörig  (s.  Bd.  LX  S.  498).  —  Eben  dahin  gehören  die  Ver^ 
zeichnisse 

Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1885  S.249f.  n.  1  und  S.  263 
n.  4,  sowie  die  Fragmente  a.  a.  0.  S.  262  n.  3  a.  b  (s.  Bd.  LX  S.  496). 

Holleaux  und  Diehl,  BCH  IX  1886  S.  86—89  n.  1.  Lindos.  Ge- 
nauere Abschrift  einer  von  Löwy,  Archäol.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich 


1)  Teil  I  8.  Bd   LH  (1887.  III)  8.379-564;  Teil  II,  Anfang:  Bd.  LX 

(1889.  III)  S.  442-499. 

JahrMbcrieht  ffir  AlUrtoouiriMe&sebaft.  LXVI.  Bd.  1 


147754 


2  Griechische  Epigraphik. 

VII  1883  S.  137  ff.  n.  11  (ROhl  II,  46)  herausgegebenen  Liste  von  Bei- 
steuernden mit  dem  Präskript:  T]o{8€  i[ne8o]aav  J[ev]S/otc  ig  räv  dno- 
xardffraffev  rou  xdajwu  (2)  T]äi  'A&dvae  xcd  rdtfi  fton^pemv.  Z.  3—127  in 
zwei  Kolumnen  Verzeichnis  der  Beisteuernden,  unter  denen  auch  Frauen 
und  Mindeijährige  mit  ihren  Vormttndern  begegnen :  I.  Z.  3  -  64  JevSo- 
noXerau  (bis  zum  Bruch  des  Steines).  II.  Beisteuernde  aus  den  Demen: 
Z.  65-72  BpoLaiwVy  Z.  73—81  flayiiov,  Z.  82—99  KofiuySewv,  Z.  100-127 
(bis  zum  Bruch)  Kkaa(a»v,  —  Die  Liste  ist  gleichzeitig  —  da  mehr- 
fach dieselben  Personen  begegnen  —  mit  der  Inschrift  von  Liodos  Fou- 
cart,  Inscr.  inöd.  de  Rhodes  n.  60  =  Newton,  Greek  inscr.  n.  357.  Beide 
wohl  aus  dem  3.  Jahrh.  v.  Chr. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  106f.  n.  10.  Lindos.  Vollständigere  Kopie 
der  Inschrift  Foucart,  a.  a.  0.  n.  64.  Zwei  Kolumnen,  deren  eine  ein 
änfserst  verstümmeltes  Verzeichnis  von  Priestern  der  Hauptgottheiten  von 
Lindos  enthält  (Z.  11:  ^ApTdiuT\oi  Kexotag;  Z.  16  ein  d)'aß]voBeTaQ),  wäh- 
rend die  andere  ein  Namenverzeichnis  bietet,  an  dessen  Schlufs  drei 
äyBiioves  (militärische  Würdenträger)  figurieren.  Darunter  die  Künstler- 
inschrift eines  Archidamos  aus  Milet. 

Foucart,  BCH  X  1886  S.  199-202.  Rhodos.  Auf  der  Vorder- 
seite (Kol.  A.  B)  und  der  rechten  Seite  (Kol.  C)  beschriebener  Stein. 
A  und  B  Siegerliste  bei  Spielen,  deren  Name  nicht  erwähnt  wird.  Jede 
Kolumne  umfafst  mindestens  vier  Jahre.  Verzeichnet  sind  der  Agonothet, 
die  siegende  Phyle  (Nexaaewwjeg ^  WkuiiwfjlQ^  Baath}tg\  ihr  Phylarch  und 
Gymnasiarch.  Da  die  Namen  der  Phylen  wie  die  sieben  Agonotheten 
und  Phylarchen  sonst  nicht  begegnen,  so  mufs  es  sich  um  Spiele  han- 
deln, welche  nicht  die  Stadt,  sondern  eine  überwiegend  aus  Fremden  be- 
stehende religiöse  Genossenschaft  veranstaltete.  C  enthält  unter  der 
Überschrift:  Euepye]Te8£g  roü  [xotvou  eine  Namenliste.  Da  sich  in  der- 
selben auch  zahlreiche  Männer  finden,  so  ist  vielleicht  zu  ergänzen: 
Ebepyirat  xal  Elk — .  An  der  Spitze  dieser  Liste  figuriert  der  Stifter  der 
Genossenschaft,  Nikasion  aus  Kyzikos,  mit  seiner  Familie.  Nach  seinem 
und  seines  Sohnes  Namen,  sowie  nach  den  Namen  seiner  Frau  und 
Tochter  (Olympias)  und  seiner  Schwiegertochter  (Basilis)  sind  die  drei 
Phylen  benannt.  Von  den  Verzeichneten  begegnen  der  Antiochier  Theon, 
Oft  ä  imSajxea  dedorae  (C,  11/12)  und  der  Rhodier  Demetrios,  S.  des  D. 
(C,  9),  auch  in  einer  Künstlerinschrift  aus  Alexandria  (Löwy,  Künstler- 
inschriften n.  187).  Ersterer  wird  auch  erwähnt  in  der  wahrscheinlich 
aus  der  ersten  Hälfte  des  2.  Jahrh,  v.  Chr.  stammenden  Inschrift  Fou- 
cart, a.  a.  0.  S.  15.   Hiemach  bestinmit  sich  das  Alter  unserer  Inschrift. 

Durrbach  und  Radet,  a.  a.  0.  S.  265  n.  3.  Lindos.  Von  einer 
Liste  von  Eigennamen  mit  Vatersnamen  sind  nur  letztere,  zum  teil  sehr 
verstümmelt,  erhalten. 


XIL  InsnUe  Aegad  märte  etc.:  Bhodiu.  8 

Holleaax  and  Dtehl,  BGH  IX  1886  S.  115f.  n.  14.  Ealathos 
(80. -Koste  von  Rhodos).  Namenliste  in  zwei  Kolumnen.  O  ^  ^' 
4.  Jahrh.? 

Dittenberger,  Ind.  Schol.  Hai.  Sommer  1887  (s.  o.)  p.  IXsq. 
liest  in  der  Priesterliste  bei  Rofs,  Inscr.  ined.  Ol  p.  28  n.  277  nicht  mit 
Bergk  AtTnonxfua^  sondern  dtnavofud  and  bezieht  diesen  Aasdrnck  auf  das 
rhodiscbe  Schaltjahr  mit  doppeltem  Monat  Panamos. 

Smith,  Joamal  of  hellenic  stadies  lY  1883  S.  361  n.  10.  Kameiros. 
Auf  das  Präskript:  'AnoXXwvo^  —  (2)  Kap\vtiou  xcä  MuXavr[os  —  folgt 
ein  verstttmmeltes  Verzeichnis  vielleicht  von  lepet^^  Uponoeol  oder  lepo- 
^uTcu.  —  Der  Apollon  Mylas  war  bisher  unbekannt 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  362  n.  11.  Opfervorschrift:  'Ayptav^ou  hfärat 
(2)  i?  Ixddoc  AeovU'{S)ffaße  Ipt^og, 

Beaadouin,  BGH  Vin  1884  S.  363 ff.  Auf  der  Stätte  des  alten 
Bryküs  auf  dem  benachbarten  Karpathos  gefundenes  Ehrendekret  der 
xToiva  ä  nortdatiiüv  auf  Pamphilidas,  S.  des  Hieron,  KapnaBtoTtoXtra^ 
in  dorischem  Dialekt  Den  nur  auf  rhodischen  Inschriften  (vergl.  Röhl 
II,  46  o.  und  46  o.)  begegnenden  Ausdruck  xrotva  erklärt  der  Herausg. 
als  >une  sorte  de  colonie  religieuse  ayant  le  m^me  culte,  que  la  cito, 
culte  transmis  par  las  ancdtresc  Für  die  Mutterstadt  dieser  rhodischen 
xTotva  mochte  derselbe  Lindos  halten,  da  Z.  26/26  ein  lephv  räc  'A&aväc 
rac  Jtvdea^  in  Potidaion  erwähnt  wird.  KapnaßconoXerae  wohl  rhodiscbe 
Bezeichnung  eines  freien  Borgers  von  Karpathos.  Der  auf  mehreren  rho- 
dischen Inschriften  vorkommende  Ausdruck  Xeßo^  Xdprtoc^  auf  welchem 
das  Dekret  niedergeschrieben  werden  soll,  wäre  nach  dem  Herausgeber 
auf  die  Herkunft  des  Steines  zu  beziehen.  Nach  Schumacher,  Rhein. 
Mus.  41  1886  S.  628  f.  wäre  Adprog  wahrscheinlich  identisch  mit  dem  in 
der  Nähe  von  Lindos  gelegenen  Vorgebirge  und  Dorf  Lardos  (bisweilen 
auch  Lartos  geschrieben).  Die  geologischen  Verhältnisse  jener  Gegend 
würden  vortrefflich  zu  den  Mitteilungen  der  Herausgeber  über  die  Natur 
der  betreffenden  Inschriftsteine  (blauer  Kalkstein)  stimmen.  —  Von 
sprachlichen  Eigenheiten  seien  erwähnt:  napBtax^fiovovi  Z.  13,  dva^por 
fijaet  Z.  22,  alpiByji  (=  ^pi^^)  Z.  31.  —  Wahrscheinlich  aus  dem  Ende 
des  3.  oder  Anfang  des  2.  Jahrh.  v.  Chr. 

Löwy,  Archäol.- epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  IX  1886  S.  217  n.  1. 
Rhodos.  Der  Damos  d«r  Rhodier  ehrt  den  Pratagoras,  S.  des  Charida- 
mos.  —  n.  2.  Ebd.  Fragmentierte  Ehreninschrift  auf  — r^/xov  'AXb^i- 
fieveuCt  (2)  xa^^  boBemav  8k  AMwyog,  (3)  x\kap(i}räv  ^ev[o];iew[o]v  (4) 
Toiv  [S\txaaTäv  u.  s.  w.  —  'S.  219  n.  23.  Lardos.  Th  xoevbv  tö  Mijveaaräv 
(noch  nicht  belegt)  ehrt  den  Hephaistion  aus  Antiochia;  daneben  Grab- 


4  Griechische  Epigraphik. 

Bchrift  des  Sohnes  desselben.  —  S.  221  f.  n.  33.  Akropolis  von  Massari ; 
jetzt  in  Malona.  Fragmentierte  Ehreninschrift  der  Lindier  auf  Alexan- 
dres, S.  des  Kleastratos,  mit  dem  Demotikon  AaSapfiio^  (so  mehrmals!). 

Holleaux  und  Diehl,  BOH  IX  1886  S.  96  f.  n.  2.  Lindos.  Frag- 
ment einer  Ehreninschrift  in  Form  einer  Weihung  an  Athana  Lindia  aod 
Zeus  Pollens  mit  der  Kttnstlerinschrift  eines  Leochares.  —  S.  100  n.  3. 
Zwischen  Hag.  Isidoros  und  Artamiti.  Basis.  Den  JafidTpi{o)v  ^Aptaro- 
yiveoQ^  Priester  der  Artamis  Kekoia,  ehren  zwei  seiner  Kollegen.  Erste- 
rer  ist  ans  dem  Demos  Argos,  letztere  aus  Eattabia.  ~  S.  102  n.  4. 
Lindos.  YerstOmmelte  Basisinschrift  eines  Priesters  der  Athana  Lindia 
und  des  Zeus  Polieus  mit  der  Künstlerinschrift  eines  Samiers.  ~  n.  5. 
Ebd.  Verstümmelte  Basisinschrifb  auf  einen  gleichen  Priester  —  tidas, 
S.  des  Charidamos.  —  S.  103  n.  6.  Ebd.  Basisinschrift  eines  gleichen 
Priesters  Nika]sidamos,  S.  des  [Agorjanax.  Unvollständig  Rofs,  Archäol. 
Aufsätze  II  S.  603  n.  14.  —  S.  104  n.  8.  Ebd.  Fragmentierte  Basisin- 
Schrift  auf  einen  Priester  der  Athanaia  Lindia  und  des  Zeus  Polieus,  er- 
richtet von  seinen  Amtsgenossen,  deren  Namenreste  in  einer  zweiten 
Kolumne  erhalten  sind;  Reste  der  Künstlerinschrift  eines  Rhodiers.  — 
8.  109  f.  n.  11.  Ebd.  Ehreninschrift  auf  [Aeljius  Agetos,  Priester  räc 
Aiv8eae  'A&avä^.  Vgl.  Dittenberger,  Ind.  schol.  Hai.  Sommer  1887  p.  V. 
Aus  Hadrianischer  Zeit?  —  S.  114  n.  13.  Siana.  Verstümmelte  Ebren- 
inschrift  einer  xroeva  (Kultgenossenschaft)  auf  ihren  Genossen  D— -.  — 
S.  122  n.  28.  Makri-Steno.  Sehr  defekte  Ehreninschrift  (weniger  genau 
Löwy,  Archäol.- epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  VII  S.  111  n.  4  =  Röhl 
n,  46):  — Ttjia^ivTOQ  [unb  (4)  tw\v  no<TBtda\y]taa\T\äv  (5)  x]a}  *A(TxXa- 
m[aaT]äv  -  -.  Das  Ethnikon  der  Frau  des  Geehrten,  Uupa,  Kol.  II,  3, 
läfst  vermuten,  dafs  auf  Rhodos,  wie  auf  Delos  (vgl.  Reinach,  BGH  VII, 
467  ff.,  =  Bd.  LX  S.  477)  die  Genossenschaft  der  Poseidoniasten  sich  aus 
Syrien  rekrutierte. 

Foucart,  a.  a.  0.  S.  399  (mit  genaueren  Buchstabenformen  S.  525). 
Neochori;  Basis.  Kleustratos,  8.  des  Kleuchares,  ehrt  den  Kleiton,  S. 
des  Euphranor,  in  Form  einer  Weihung  an  die  Götter.  Darunter  die 
Künstlerinschrift:  Borpug  Aeuxavbg  i^aXxouppjtre,  bisher  das  einzige  Bei- 
spiel der  Künstlerinschrift  eines  Statuengiefsers.  Nicht  minder  merkwür- 
dig ist  die  Nationalität  des  Lukaniers.    Wahrscheinlich  2.  Jahrb.  v.  Chr. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  400.  Fragment  mit  vier  Zeilen  eines  cursus 
bonorum.     Z.  1:  x]al  äyep.övog  TtTprjpiaiv^  2:  ^uk(xxt8(ov  rerpi^pewv, 

Durrbach  und  Radet,  BGH  X  1886  S.  266  n.  4.  Von  der  Insel 
Rhodos,  jetzt  auf  Syme.  Fragment  der  Ehreninschrift  auf  einen  Prie- 
ster (?)  des  Dionysos  und  den  Kaiser  Titus.  Z.  4/5:  xal  T[eefjLa&ek  onh  < 
Twv  K]a/JL6tpdaßv — . 


XII.  Insnlae  Aegaei  maris  etc.:  Bhodiu.  5 

Dittenberger,  Ind.  schol.  Hai.  Sommer  1887  (s.  o.)  p.  IV  er- 
gänzt die  Ehreninschrift  Foncart,  Revue  arch.  XVI  1867  8.30  n.  71: 
—  xal  *Aßav[äg  'I]aku(T/-\ag  IloXtddoff  xal  deög  floXeetoQf  xa[l  Ka-\fietpd- 
Sog  xal  Atbg  [lIohiwQ. 

Smitb,  Journal  of  hellenic  stndies  IV  1883  S.  186  n.  1  =  LOwy, 
Archäol.-  epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  VII  S.  134  n.  66  (Röhl  II,  45). 
Fragment  eines  Ehrendekrets  der  Mastroi  und  der  Bewohner  von  Ka- 
meira  auf  einen  Aristokrates. 

Dittenberger,  De  sacris  Rhodiorum  commentatio  altera  p. VIII sq.; 
vgl.  Schumacher,  De  republica  Rhodiorum  p.  68.  Die  Weihinschrift  einer 
Kultgenossenschaft  von  Staatssklaven  zu  Gunsten  ihrer  Herren  Newton, 
Greek  inscr.  II  S.  121  n.  346  wird  ergänzt:  Jo^fiaze  tou  xoevou]  (2)  rou 
dioaaToßupe]'  {S)  affzäv  rmv  rag  n6'(4)X[c]og  SoukoßV  EuX/-{6)fi]evog  ypoLfi' 
fkLTSug  (6)  da]fi6fftog,  Upar[eu]ff'{*t)as]  äcbg  'Araßupiou^  (8)  Imkp']  täv 
xopmv  'Po'{9)8{wv  dv]ißijxe  Ael  ^A''(10)Taßop{<p]  rou  ßoua' {II) Ta^/wu 
rb  zee^^yov,     Rhodos. 

Derselbe,  1.  c.  p.  VII.  Die  Weihinschrift  der  Lindier  Rofs,  Ar- 
chäol.  Aufsätze  II  S.  617  u.  28  Z.  1  ist  zu  ergänzen:  AtvSiojt  unkp  | 
IC\cuff(xpog — . 

Derselbe,  1.  c.  p.  IX.  In  der  Weihinschrift  aus  Kameiros,  Fou- 
cart,  Revue  arch.  XIV  1866  S.  336  n.  59  ist  'Apunop^porlBag  statt  'Api- 
arofivorßaQ  zu  lesen. 

Derselbe,  Hermes  XIX  1884  S.  243f.  n.  2  liest  das  vierte  Disti- 
chon des  Felsenepigramms  auf  Athena  Lindia  Löwy,  Arch- epigr.  Mitteil, 
aus  Österreich  VII  1883  S.  126  n.  65  (Röhl  II,  47)  ==  Anthol.  Palat. 
XV,  11:  '%fBefxa  yäp  roSe  Xaphv  A&ijvaejfj  rtöpev  Ipeög  \  ^Ay^w^aprog^ 
idtv  veefiäpLsvog  xredvojv,  —  In  der  aus  zwei  Hexametern  bestehenden 
Felseninschrift,  a.  a.  0.  S.  129  n.  56,  ergänzt  derselbe  das  erste  Wort: 
[lp]on6[X}oc  und  fafst  das  letzte  auf  Grund  der  vorhergehenden  Inschrift 
als  Eigennamen:  'Ay^^aprog.    Lindos. 

Holleaux  und  Diehl,  BCH  IX  1885  S.  103  n.  7.  Lindos.  Wei- 
hung  der  [B]ula[r]ista,  T.  des  Kratidas,  an  Athana  Lindia.  Von  einer 
zweiten  Inschrift  dürftige  Namenreste.  —  S.  106  n.  9.  Ebd.  Weihung 
dreier  Fremden,  aus  Ephesos,  Milet  und  Soloi  (Kolonie  von  Lindos)  an 
Athana  Lindia.  —  S.  112  f.  u.  12.  Ebd.  Weniger  korrekt  Löwy,  a.  a.  0. 
S.  136  n.  71  (Röhl  II,  47).  Weihung  des  Timapolis,  S.  des  Euphragoras, 
Priesters  des  Apollon  Pjthios,  an  die  Götter.  —  S.  117  n.  15.  Orta- 
Marassi.  Weihung  des  Ljkophron,  S.  des  Glaukos ,  an  die  Götter  für 
seinen  Bruder. 

Durrbach  und  Radet,  BCH  X  1886  S.  264  n.  1.  Lindos.  Frag- 
ment Die  Lindier  weihen  der  Athana  Lindia  ein  j^apiov^ptov,  —  b.  2. 
Desgl  und  dem  Zeus  Polieus. 


6  GriedüBche  EpigrapUk. 

Löwy,  Archäol.- epigr.  Mitteil,  ans  Österreich  X  1886  8.  217  n.  3. 
Weihong:  noX[u]xhro[c  E]b»[dv]ou,  (2)  lepareuaiac]  "A[}/(p. 

Smith,  Journal  of  hellenic  stadies  IV  1883  S.  138  n.  2  =  Löwy, 
a.  a.  0.  Vn  S.  134  n.  67  (Röhl  II,  47).  Votivinschrift  des  ans  grofser 
Oefahr  geretteten  Hermias,  S.  des  Athanagoras,  aus  Soloi  an  Hekate 
und  Sarapis.  —  S.  140  n.  8.   Fragment  einer  Weihung:  \^AA{<ot\  (2)  0]c^' 

Zerlentes,  MD  AI  IX  1884  S.  385  ff.  Grabsteine  aus  Makri-Steno 
(Gebiet  der  alten  Stadt  Rhodos):  S.  385  n.  1  des  Charmosynos  'Arrayeos; 
n.  2  des  Samok]le8,  S.  des  8]amokles,  ans  Palaiopolis;  n.  3  des  Pytho- 
doros,  S.  des  Theuphanes  Physkios,  und  seines  Weibes  Eugeneia  Make- 
tis;  n.  4  der  Dynamis  aus  Ephesos;  S.  386  n.  6  der  Patrophila  aus  Tralles; 
n.  6  des  Philton,  8.  des  Ph.,  aus  Nisyros;  n.  7  des  Zolles  aus  Antiochia, 
8.  des  Aristobulos,  und  des  Philon,  8.  des  Aristobulos,  ans  Palai]opolis. 

HoUeaux  und  Diehl,  BGH  IX  1885  8.  117 f.  n.  16.  Lindos.  Ver- 
stümmelte metrische  Grabschrift  (in  Distichen)  des  Da6mon  und  der 
Kleine  auf  ihre  Tochter  Parmenis.  —  8.  118  n.  17.  Rhodos.  Grabschrift 
auf  Kallon,  8.  des  Artemidoros,  aus  Phaselos,  dem  die  int^yjijJa  erteilt 
worden  war.  —  Grabsteine  aus  Lindos:  8.  118  n.  18  des  Gharneios,  8. 
des  Pantakles,  ^Afiviarto^  (Demotikon ;  so  vielleicht  die  Abbreviatur  New- 
ton, Greek  inscr.  n  n.  344  Z.  26.  27.  34  eu  ergänzen);  8. 119  n.  19  des 
Charmosynos,  'ArraveÜQ^  n.  20  des  Euphanes,  8.  des  Pratopha(n)es,  Bo- 
ßda[ffio^  (aus  Bubassos  in  Karien);  n.  21  des  Hermon,  8.  des  Eirenaios, 
Eö^verac  (aus  Euthenai  in  Karien);  8.  120  n.  22  des  [PJeisikrates,  8. 
des  [A]ristophylo8,  Kcurapeug;  n.  23  des  Xenophon,  8.  des  Xenokles,  Ka^ 
aapeug\  8.  121  n.  25  besser  MD  AI  X  S.  73  n.  11  (s.  8.  7  o.).  —  Rhodos: 
8.  120  n.  24  Grabstein  des  Damatrios,  8.  des  Gharidamos,  Ndamog.  — 
Neo-M^rassi:  8.  121  n.  26.  Grabschrift  auf  Aristobulos  aus  Termessos 
(in  Lykien)  und  sein  Weib  Isigone  aus  Ephesos»  die  Wohlthäter  einer 
(nicht  genannten)  Genossenschaft;  vgl.  Foucart,  BGH  X,  209. 

Holleaux,  BGH  X  1886  8.  163f.  Grabsteine  aus  Lindos:  8.  163 
n.  1  des  Aristomenes,  8.  des  Aristippos,  BooXßag  (Demotikon);  n.  2  des 
Kallikrates,  8.  des  Theugenes,  Bpdatog  (Dem.);  S.  164  n.  3  und  4  des 
Polykles,  8.  des  Athanodoros,  und  des  Timodikos,  8.  des  Pythogenes, 
beides  JaSdpfuot  (Dem.).  —  8.  339  n.  5  des  Galaters  Phronimos,  der 
Artemisia  und  des  Euphronios  iyyevijg  (wahrscheinlich  Sklaven;  auf  einem 
Stein);  n.  6  des  Timon  MauoraQ  (Skythe  vom  Palus  Maeotis);  n.  7  der 
Lykierin  Artemidora;  n.  8  (Rhodos)  und  S.  340  n.  9  des  Aristainetos,  8. 
des  Mnazipolis,  und  des  Anaxikrates,  8.  des  Xenodamos,  beides  TXii}toi\ 
n.  10  der  Prazinoi[e]  aus  Halikarnafs;  n.  11  der  Hieronassa  ans  Soloi; 
n.  12  der  Demetria  aus  Kyrene. 


XII.  losnlae  Aegaei  maris  etc.:  Rhodns.  7 

Zerlentes,  MDAI  X  1885  S.  78 ff.  Ebd.  S.  73  d.  8  Grabstein  des 
Timakrates,  S.  des  Aristion,  Bou^'d[a^]  d.  9  des  Menandros»  Atv8c\noXt- 
raQ\  n.  10  =  BCH  X,  164  n.  4  (s.  S.  6  u.);  n.  11  (mangelhaft  BGH  IX, 
121  n.  25;  s.  o.)  der  Aiiothea,  T.  des  Euelthon,  '^TyaaiQ  (aus  Hygassos 
in  Karien),  Gattin  des  Philion;  S.  74  n.  12  des  Hagemon,  S.  des  Then- 
pompös,  'i^/Aw^öTwc;  n.  13  des  Herodotos,  S.  des  Ar(i)8tandridas,  Tyjkog\ 
D.  14  des  Aristokrates,  S.  des  Ariston,  KufieaakeoQ;  n.  18  (Sarkophag) 
der  Aelia  Menestheia,  r^  xal  KaXXtxXeiqi^  errichtet  von  ihrem  Gatten 
Flavins  Drakon;  8.  75  n.  19  (mangelhaft  Revue  arch.  XIII,  364  n.  41) 
des  Euphanes,  S.  des  Enpha(n)e8,  T6iivtoQ\  n.  21  des  Demylos  aus  Samos 
nnd  seines  Weibes  Athanokleia  aus  Phaselos;  S.  74  n.  15  des  Kappado- 
kers  Amyntas;  n.  17  der  Phrygierin  Artemis;  S.  75  n.  20  des  Lykiera 
Plution;  S.  76  n.  23  des  Alexandriers  Philetos;  n.  24  eines  Pisidiers; 
n.  26  des  Phrygiers  Nikolas;  S.  74  n.  16  der  Hellagora;  S.  75  n.  22  des 
ixyevi^  Xenon;  S.  76  n.  26  eines  Alki--. 

Löwy,  ArchäoL-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  X  1886  S.  217 ff. 
(nach  zum  teil  unvollkommenen  Kopieen  von  Georgiadis).  —  Grabsteine 
aus  Rhodos:  8.  217  n.  4  der  Pythion,  T.  des  Karimas,  Gattin  des  8phai- 
ros;  n.  6  des  Soteridas  und  des  Nikasion  aus  Telmessos;  n.  6:  'Apa^^itog 
xal  Nt}aa\iatg  \  Alyvnriwv  j  euffeßwv;  n.  7  (vgl.  Arch.-epigr.  Mitteil.  VII, 
120  n.  35  =  Röhl  II,  48  u.)  des  Persers  Herroon;  n.  8  des  Damokles, 
8.  des  Xenodamos;  n.  9  des  Age — ,  8.  des  Damokles;  8.  218  n.  10  eines 
Trallianers  und  seines  Weibes  Agathamoris;  n.  11  einer  —  ta,  T.  des 
Lysanias,  ^Tfaaig  (s.  o.)i  Gattin  des  KI[ei]tos;  n.  12  des  Kallikrates,  8. 
des  E.;  n.  13  des  Aristomenes,  8.  des  Aristippos;  n.  14  der  Nikasibula, 
T.  des  Nikophon,  AadoLpfiea]  n.  15  eines  'A/iv^areog  (Demotikon;  s.  o.); 
n.  16  des  Agesil[aos],  8.  des  Timoleon,  Adoptivsohnes  des  Timapolis;  n.  17 
des  Klenagoras,  8.  des  Kallikrates;  n.  18  der  Artemisia,  T.  des  Athe- 
naios;  8.  219  n.  19  des  Zosimos  und  der  Archipolis;  n.  20  des  Dionysos- 
priesters Apoljlodotos,  8.  des  Antigenes;  n.  21  des  8ohnes  eines  The- 
mistokles  und  eines  Kallisthenes;  n.  23  der  Erotis.  —  S.  219  n.  24. 
Lardos.  Grabstein  eines  Mannes,  dessen  Name  nicht  erhalten,  und  seines 
Weibes  Dionysia  aus  Pergamon.  -  8.  220  n.  25.  Ebd.  Grabschrift  des 
und  Twv  AoXXe/wv  naedeuTuv  rwv  auv  ZuXXqi  mit  einem  goldenen  Kranze 
geehrten  ApoUonios  aus  Pergamon.  —  n.  28-  Marino.  Grabstein  der 
EZ^payopa  nakttonoXirag  (vgl.  MDAI  IX,  385  f.  n.  2.  7)  [xa\rä  yivsaiv^ 
Adoptivtochter  des  Athenodoros.  —  n.  29.  Ebd.  Grabschrift  des  Apollo- 
doros  auf  seine  Eltern  Hagesandros  und  Kallista.  —  8.  221  n.  30.  Ebd. 
Grabstein  des  Kteson.  —  n.  31.  Massari.  Grabschrift  des  Dionyslos  auf 
seinen  Bruder  Gharida]mos,  8.  des  ApoUonios,  und  des  Gharidamos  auf 
seinen  erstgenannten  Yater  Dionysios.  —  n.  32.  Ebd.  Grabstein  des 
Rhodippos. 


8  Griechische  Epig^phik. 

Smith,  Journal  of  hellenic  stndies  lY  1883  S.  187 ff.  nach  Ab- 
schriften von  Biliotti.  Grabsteine  aus  Kameiros  und  Umgegend:  n.  3  der 
Megaleia,  T.  des  Philis— ,  Gattin  des  Peisistratos ,  S.  des  Timokritos» 
aus  Argos;  n.  4  des  Agathandros  und  seiner  Gattin  Makedonia;  n.  5  der 
Moscheina,  Gattin  des  Agathameros  (Z.  6 :  iyevi^Q) ;  n.  6  (nach  einem  Ab- 
klatsch wiederholt  a.  a.  0.  8.  358)  des  Galaters  Botrys  und  des  ivyev^c^ 
Dallas;  n.  9  des  Polyaratos,  S.  des  I^ausikos,  KarrdßioQ.  —  8.  353  n.  12 
des  Aristi[on,]  8.  des  Diokles,  BouAiöag  (vgl.  einen  Diokles,  S.  des  Ari- 
stion,  BouAßag  Rofs,  Hellenica  p.  102  n.  26^;  wahrscheinlich  Vater  un- 
seres Toten);  n.  18:  Tarhu. 

Benndorf  und  Niemann,  Reisen  in  Lykien  und  Karlen  I  1884 
8.25  n.  30.  Rhodos.  Grabstele  der  Onasiphaneia,  T.  des  Nikagoras; 
8.  26  n.  22.    Ebd.    Grabstein  des  Komos  aus  Laodikeia. 

Inschriftreste.  —  Holleaux  und  Diehl,  BGH  IX  1886  8.  122 
n.  27.  Zwischen  Rhodos  und  Aphandu:  Mefi^tr  —  \  toü  xotvo[ü — . 
Löwy,  ArchäoU  epigr.  Mitteil.  aus  Österreich  X  1886  8.  220  n.  26.  Lia- 
dos:  — Ttufios  I  BoxoTtlotg»    n.  27  ungewissen  Inhalts. 

iGA  t)ber  die  von  Foucart,  BGH  XI  1887  8.  289-296  als  8iegesin- 

'^     Schrift  des  Dorieus,  8.  des  Diagoras,  von  Rhodos  in  Anspruch  genom- 
menen Fragmente  IGA  880  s.  unter  Olympia  (Teil  I  8.  472). 

8orlin-Dorigny,  Revue  arch.  V  1885  8.  47 — 50.  Henkelinschrif- 
ten mit  19  verschiedenen  8tempeln  rhodischen  Ursprungs  aus  Kastro 
(Mytilene),  sowie  Papadopulos-Kerameus,  a.a.O.  s.  unter  Lesbus 
(8.  466). 

Garpathas. 

Beaudouin,  BGH  YIII  1884  S.  358f.  Arg  verstümmeltes  Frag- 
ment in  dorischem  Dialekt.  Z.  4:  noXefiov^  11:  rä  iv  aörae^  ^poopta^ 
12:  no]TetSäve  Uop^fi/wt,  —  Schumacher,  De  re  publica  Rhodiorum, 
Heidelberg  1886  8.  55f.  (Wiederabdruck  Rhein.  Mus.  42  1887  8.  636) 
sucht  mit  vielem  Geschick  das  Fragment  zu  ergänzen.  Nach  der  Her- 
stellung von  nuTu[a]T[äv]  Z.  9  »ergiebt  sich  sicher,  dafs  ein  rhodisch- 
karpathischer  Prätor  in  einer  Gampagne  auf  dem  gegenüber  liegenden 
Festlande  das  Gebiet  der  Pisyaten  und  Kyllandier  nebst  den  vielen  da- 
rin liegenden  befestigten  Felsennestern  den  Rhodiern  unterwarf.  Damit 
haben  wir  aber  ohne  allen  Zweifel  die  unter  den  rhodischen  Httlfstruppen 
bei  Livius  (83,  18)  genannten  Pisuetaec 

Derselbe,  a.  a.  0.  8.  361.  Grabstelen  aus  Bryküs:  n.  1  der  Nike- 
bula,  T.  des  A--anax;  n.  2  des  Enkrates  Td8eog\  n.  3  der  Ha[g]emo 
'PdStoCy  Gattin  des  Aidokritos. 


XII.  Insnlae  Äegaei  maris  etc.:  Carpathos.    Greta.  9 

Derselbe,  a.  a.  0.  o.  4.  Tristomo.  Fragment  der  metrischen 
Grabschrift  auf  einen  LJeonidas»  S.  des  Kallikrates.  Z.  2:  — ev  iycj  tzo/- 
dojv  —  y  4:  d{p]^ava^v^  5:  ej^ec  mv^röv* 

Greta. 

Azna.  —  Gomparetti  (Beschreibungen  und  Notizen  von  Halb-  ^^^j^ 
herr),  Museo  ital.  II  1  1886  Sp.  129  ff.  mit  Faks.  —  Archaische  In- 
schriftfragmente, n.  1—8  bustrophedon,  in  gleichartiger  Schrift,  auf  Kalk- 
steinblOcken  im  NW.  der  Akropolis,  ohne  Zweifel  zu  einem  und  demselben 
Gebäude  gehörig,  dessen  Trümmer  noch  erhalten  sind.  —  n.  6 — 9.  11 
wurden  schon  von  HaussouUier  gesehen,  welcher  einige  Notizen  über 
dieselben  gab  BGH  IX  1885  S.  Iff.  Fabricius,  MDAI  X  1885  S.  94 
hebt  hervor,  dafs  alle  von  HaussouUier  'sur  la  colline  qui  domine  le 
village  d'Axos'  gesehenen  Bruchstücke  keine  einzelnen  Denkmäler  sind, 
sondern  zu  der  grofsen  Wandinschrift  eines  Gebäudes  auf  der  alten  Akro- 
polis gehören.  —  Ober  das  Alphabet  s.  Kirchhoff,  Studien^  S.  I75f* 

Sp.  129ff.  n.  1.  2  (Roberts  n.  Ha  S.  44/5;   Kommentar  S.  332/8). 
Zusammengehörige   Fragmente;   n.  2   linke   Fortsetzung   von  n.  1.    Es 
scheint  die  Rede  zu  sein  von  (musischen)  Künstlern,  die  der  Stadt  an 
Öffentlichen  Festen  ihre  Dienste  widmeten.    Denselben  wird  u.  a.,  wahr- 
scheinlich  als  Teil  des  Lohnes,  Z  15  die  driketa  xal  rponä  iv  dvrpjjcoe 
(=  rpo^  iv  dvSpsewi)  zuerkannt.    —    Sp.  139  ff.  n.  3a.  b.    Zwei  Frag- 
mente eines  jetzt  cylinderförmigen  Steinblocks,  dessen  kreisrunde  Ober- 
fläche beschrieben  ist;  zweifellos  zu  n.  l.  2  gehörig.     Aus  Tmarav  Z.  8 
scheint  hervorzugehen,  dafs  die  erwähnten  re^vTrat  dem  Sklavenstande 
angehörten.  ~    Sp.  141  f.  n.  4.    Dürftiges  Fragment.    Der  Inhalt  scheint 
sich  an  den  von  n.  1.  2  anzuschliefsen.  —   Sp.  143  f.  n.  5.    Sehr  unleser- 
liches Fragment    Auch  dieser  Block  scheint  ein  Teil  der  Inschrift  zu 
sein,  zu  welcher  n.  1  —  4  gehören.    —    Sp.  144f.  n.  6  (HaussouUier, 
a.  a.  0.  S.  1  n.  1).    Fragment.    Z.  8  werden  Weihungen  (dfn^nlara)  in- 
folge eines  Krieges  erwähnt.    Das  von  HaussouUier  an  einigen  Stellen 
gelesene  Q  =  o,  w  existiert  weder  in  dieser  noch  in  anderen  Inschriften 
von  Axos  (Halbherr,  Sp.  146  Anm.  2).  —  Sp.  147f.  n.  7  (HaussouUier, 
a.  a.  0.  S.  2  n.  3).  Fragment;  wahrscheinlich  zu  n.  6  gehörig.   Z.  1:  llo- 
reiSäve,  —  Sp.  149f.  n.  8  (HaussouUier,  a.  a.  0.  S.  2  n.  2).  Fragment; 
vielleicht  Teil  derselben  Inschrift,  zu  der  n.  6.  7  gehören.    Z.  4:  x]a^okc;- 
/£flttve--(?)  ~   Sp.  151f.  n.  9  (HaussouUier,  a.  a.  0.  S.  3  n.  5).    Ein- 
zeiliges Fragment:  -a^ep/ion^',     —     Sp.  lölff.  n.  10  (Roberts  n.  IIb 
S.  46/6.    Kommentar  S.  333/4).    Zu  der  Bustrophedoninschrift  IGA  480, 
deren  Original  nach  Halbherr  bei  dem  Aufstande  1866  in  Stücke  ge- 
schlagen und  später  zum  Bau  einer  Volksschule  verwandt  wurde,  und 
deren  Inhalt  Gomparetti,  Rivista  di  filoJogia  XU  1884  S.  145— 165  zu 
erläutern  sachte,  teilt  letzterer  die  Abschriften  von  Barozzi  aus  dem  Jahre 


10  Oriechische  Epfi^phik. 

1577  (vgl.  Röhl  II,  61)  und  Spratt  in  Faks.  mit  und  versnobt  anf  grand 
derselben  den  Text  (wobl  Kultvorscbriften)  zu  restituieren.  —  Die  Inscbrift 
zeigt,  wie  n.  11,  ein  jüngeres  AIpbabet;  u.  a.  |  =  /n;  vgl.  Kircbboff,  a. 
a.  0.  —  S.  159ff.  n.  11  (Haussoullier,  a.  a.  0.  S.  3  n.  4).  Dürftiges  Bu- 
stropbedonfragment  einer  anf  der  Vorder-  und  Rückseite  beschriebenen 
Stele.    Vgl.  zu  n.  10. 

Haussoullier,  BGH  IX  1885  S.  16  Anm.  1.  Dürftiges  Fragment. 
Z.  1:  'Etü  twv  — ^Tidäv  xoafu6v[rü>y — .  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  27  n.  27. 
Ru&,  9j  xa\  2a;rf[/]/oa,  und  Rufus  Ventilius  Thamyrion  errichten  ihrer 
Mutter  Rufa  Ventilia  und  Schwester  ein  Grabmal. 

Ar-  Cnosana.  —  Gomparetti  (Beschreibung  und  Notizen  von  Halb- 

herr),  Museo  ital.  II  i  1886  Sp.  I75f.  mit  Faks.  Gleichzeitig  Novo- 
sadsky,  MD  AI  XI  1886  8.  180  n.  1.  Dreizeiliges  Fragment,  archaisch, 
bnstrophedon :  -  -  8a]pxfiäe  xaTtalrd  -  -  (2)  -  •  jJL]ijaTeeffo  -  -  (3)  Sap][x]/iäc 
xar^ora--.  |v  =  £,  Q  =  i^,  |  =  Trennungszeichen  (nach  Comp.).  Da 
Novosadsky  das  |  als  e  auffafst,  erhält  er  die  Lesungen:  Txart  (Z.  1.  8); 
anfserdem  Z.  2 :  ^aBXog, 

Derselbe  (und  Halbherr),  Museo  ital.  II  2  1887  Sp.  677-680. 
Block  aus  den  Fundamenten  eines  grofsen  Gebäudes  der  römischen  Zeit, 
mit  dem  Pinsel  auf  einer  Seitenfläche  beschrieben  (nicht  bustrophedon). 
Fragmente  zweier  Kolumnen  zu  je  10  Zeilen,  enthaltend  Straf  bestimm  nn- 
gen.  U.  a.  (Kol.  II) :  Wenn  jemand  einem  Rinde  (oder  Ochsen)  die  Hör- 
ner abbricht»  soll  er  5  Lebeten  dem  Herrn  {ndarae  Dat.)  desselben  er- 
legen. Wenn  jemand  ein  noch  nicht  zur  Feldarbeit  gebrauchtes  Tier 
(xapTa[e7toff  fiy^nw  8eSafivafievov)  kauft,  jedoch  seinem  Herrn  wieder  zu- 
führt (?  d7to8ew[xijt^  &t  lypÖLTzai)^  so  soll  er  nicht  die  drei  Obolen  fOr 
die  (versäumte)  Feldarbeit  zu  erlegen  brauchen  (/ci^'  mdi&dra}  rlbv  bip- 
ywv  rä  Tpt(v[8eXd;  Z.  5).  Kauft  jedoch  jemand  ein  (zur  Feldarbeit  be- 
nutztes) Tier  und  will  es  wieder  zurückgeben,  so  soll  ihm  dies  innerhalb 
fünf  Tagen  gestattet  sein,  doch  gegen  Entrichtung  von  drei  Obolen  pro 
Tag  für  die  versäumte  Feldarbeit.  -^  Die  in  dieser  Inschrift  (Kol.  H,  2), 
die  nicht  älter  als  das  4.  Jahrb.  ist,  wie  so  häufig  in  den  ältesten  In- 
schriften von  Vigle  (s.  unter  Gortyn  S.  14)  erwähnten  UßrjXB^  möchte 
Comparetti  für  geprägte  Münzen,  vielleicht  mit  dem  Bilde  eines  ^i/^c, 
halten.  Merkwürdig  ist,  dafs  in  diesem  selben  Texte  auch  Stateren 
(Kol.  I,  7.  8.  10)  und  rpcfoSeXä  (Kol.  II,  5.  8)  und  in  der  oben  mitge- 
teilten älteren  Inschrift  auch  Drachmen  begegnen.  In  der  grofsen  In- 
schrift von  Gortyn  sowie  in  den  anderen  Inschriften  der  zweiten  Gruppe 
begegnen  keine  Lebeten,  doch  häufig  Stateren,  Drachmen,  Triobolen  und 
Obolen.  (]lomparetti  hält  sowohl  die  Lebeten  wie  die  Tripoden  für  Me- 
tallwerte (wohl  aus  Bronze),  die  älter  seien,  als  die  Einführung  von 
Münzen  in  engerem  Sinne  in  Kreta.    Wahrscheinlich  erinnerten  dieselben, 


XII.  Insalae  Aegaei  maris  etc.:  Greta.'  11 

sei  es  durch  einen  aufgeprägten  Stempel,  sei  es  durch  ihre  Gestalt  an 
Leheten  (Kessel)  und  Tripoden  (Dreifüfse).  Diese  Periode,  die  bei  den 
ROmem  sog.  des  aes  rüde  oder  aes  signatum,  wäre  der  Adoption  der 
eigentlichen  Mtlnzen  unmittelbar  voranfgegangen.  Nach  Einführung  der 
Mtknzen  hätten  die  alten  Wertzeichen  noch  eine  Zeitlang  neben  jenen 
fortbestanden  (vgl.  das  Fortbestehen  des  aes  grave  bei  den  Römern  nach 
EinfBhrung  der  Sestertien).  Dafs  in  der  grofsen  Inschrift  und  den  gleich- 
altrigen Gesetzesurkunden  von  Gortyn  weder  Lebeten  noch  Tripoden  er- 
wähnt werden,  möchte  Comparetti  durch  die  Annahme  erklären,  dafs  jene 
alten  Bronzestücke  nach  der  neuen  Wertskala  weniger  als  einen  Obolos, 
die  niedrigste  Strafsumme  dieses  Gesetzes  (Eol.  II,  14),  galten  und  so- 
mit zu  ihrer  Erwähnung  keine  Gelegenheit  geboten  gewesen  sei.  Die  in 
obiger  Inschrift  erwähnte  Strafeumme  (fünf  Lebeten)  könne  nur  klein 
gewesen  sein.  Vielleicht  mochte  ein  Lebes  einem  halben  Obolos  an  Wert 
gleichkommen. 

Halbherr,  Museo  ital.  II  8  1888  Sp.  714  Anm.>).   Grabstele  des 
Sophon,  S.  des  Melanthios. 

Haussoullier,  BGH  IX  1885  S.  27  n.  26.   Aus  Knossos?    Grab- 
schrift des  P.  Sergius  Epaph[r]oditus  auf  sein  Weib  Augureina. 

Eleutherna  (Prin^s:  Halbherr,  Priniäs:  Fabilcias).    —    Gompa-     ax- 
retti  (und  Halbherr),  Museo  ital.  II  1  1886  Sp.  161  ff.  mitFaks.    Ar-  ^'^"'^ 
chaische  Inschriften.     Über  das  Alphabet  vergl.  Eirchhoff,  Studien^ 
8.  176.    n.  2—6  (bustrophedon)  von  Halbherr  gefunden  unterhalb  der 
Akropolis  von  Eleutherna  und  im  Dorfe  Prin^s. 

Sp.  161  f.  n.  la.  b.  Zwei  Fragmente,  zu  ThOrpfosten  behauen,  a 
einzeilig,  linksläufig:  •  -vtxdffac  y^Xt^tat--.  Das  7}  hier  wie  in  den  an- 
deren Inschriften  mit  Ausnahme  von  n.  2  =  Fl.  —  Sp.  161  f.  n.  2  (Ro- 
berts n.  12  a  S.  46/7;  Eommentar  S.  334).  Rings  verstümmeltes  Fragment 
Z.  3:  x'  Zpxoy  riBijieV'  -;  Z.  4:  van  8k  Zpx](üt  räv  dpäv  /v^;ie[v--;  Z.  6: 
--ujmv  ufiev,  [jJjTe  Bijpcw[v'-.  Die  Inschrift  unterscheidet  sich  von  allen 
andern  hier  mitgeteilten  durch  die  Form  ^  =  37.  —  Sp.  163  n.  3  (Ro- 
berts S.  47  n.  12b).  Rings  verstümmeltes,  dürftiges  Fragment  Inhalt 
ungewifs.  Z.  1:  fii^dk  ^5[/jt]o[c--;  Z.  6:  ix?]8afi^t.  Z.  5.  6  sind  rechts- 
läufig (vgl.  n.  6).  —  Sp.  164  n.  4.  Rings  verstümmeltes,  geringfügiges 
Fragment  Z.  4  u.  a.:  xapnov;  Z.  7:  rjäv  Sc7:[Xijeav  ",  —  Sp.  164  n.  6. 
Höchst  unleserliches  Fragment  Z.  8:  d\noStSo".  Die  Endzeile  und  die 
zerstörte  vorhergehende  sind  rechtsläufig  (vgl.  n.  3).  —  Sp.  165  n.  6. 
Fragment  von  wenigen  Wortresten.  —  Sp.  165  f.  n.  8;  der  Vollständig- 
keit halber  hier  wiederholt  nach  Fabricius,  MD  AI  X  1885  S.  92  ff.  n.  1 
(Taf.  1).  Zu  einem  Thorbogen  zurechtgehauenes,  ursprünglich  beträcht- 
lich gröfseres  und  wohl  rechteckiges  Fragment,  in  dem  je  eine  linksläu- 
fige Zeile  mit  zwei  rechtsläufigen  wechselt  (wie  in  der  marsischen  Bronze- 


12  Griechische  Epigraphik. 

inschrijft  vom  Faciner  See) ;  dem'  Schriftcbarakter  nach  kaum  jttnger,  als 
die  grofse  Inschrift  von  Gortyn.  Singular  |(  ==  e.  Z.  1:  Ätovomav  — 
(Fabr.);  Z.  2:  "xd]l  T^/iapxog  ix6(Tfit[ou]  -  •  (Comp.);  Z.  3:  -  -  Seauponoeot 
rptödtkov  ro--  (Fabr.);   Z.  4:    ii\\ji\tToixTo  xpeßa[i]-'  (Comp.);    Z.  6: 

—  -  d/jLCiTß[e][{-  -  (Ck>mp.).  —  Nach  C^mp.  gehörte  das  Fragment  zu  einem 
den  Kult,  die  heiligen  Feste  und  die  Festteilnehmer  betreffenden  Gesetze. 

—  Sp.  166  n.  7;  wiederholt  nach  Fabricius,  a.  a.  0.  S.  94  n.  2.  Fragment; 
bustrophedon.  Schrift  Qbereinstimmend  mit  der  des  obigen  Fragments; 
vielleicht  von  demselben  Denkmal.  Zwei  Zeilenreste:  --/A]arn//o --  und: 
--0  xa}  To--. 

Eremopolia  (iVs  St.  östlich  des  Klosters  von  Plu,  Eparchie  Sitia, 
OstkOste  der  Insel).  —  Haussoullier,  BGH  IX  1885  S.  20  n.  14.  Dem 
Apollon  nuT(so)uot  weihen  Pheidon,  S.  des  Fb.,  und  Hiaro--  ein  dv- 
8ptdyrtov  und  einen  goldnen  Kranz.  —  S.  28  n.  28.  Grabschrift  auf 
Damo,  T.  des  Dämon,  xaXaxdyabä  yeyovuea. 

Oortyna.  —  Im  Jahre  1884  unternahmen  £.  Fabricius  und  der 
Italiener  Federico  Halbherr  bei  dem  Dorfe  Hagiusd^ka  am  linken 
Ufer  des  Lethaios  auf  der  Stätte  des  alten  Gortyn  Ausgrabungen,  welche 
nach  Oberwindung  aufserordentlicher,  teils  durch  die  (^atur  des  von  einem 
Mühlengraben  durchzogenen  Terrains,  teils  durch  die  Unzugänglichkeit 
der  Eigentümer  des  «Grundstückes  veranlafster  Schwierigkeiten  zunächst 
zur  Biofslegung  einer  grofsen,  einen  Kreisbogen  von  8,70  m  Länge  bil- 
denden Mauerinschrift  in  zwölf  Kolumnen  mit  antiker  Bustrophedonschrift 
(8.  S.  18  ff.)  führten,  die  alsbald  als  Teil  der  kreisförmigen  (Umfassungs- 
mauer eines  weitläufigen  alten  Gebäudes  erkannt  wurde.*  Gleichzeitig 
konnten  von  einer  nördlich  angrenzenden  selbständigen  Mauer  mit  ähn- 
lichen Inschriften  (s.  S.  24  ff.)  vorläufig  zwei  Kolumnen  entziffert  werden. 

—  Im  Frübjahr  1885  wurden  die  Ausgrabungen  von  Halbherr  in  gröfse- 
rem  Mafsstabe  wieder  aufgenommen.  Vgl.  dessen  ausführlichen  Bericht: 
Relazione  sui  nuovi  scavi  eseguiti  a  Gortyna  presse  ii  Letheo,  Museo 
italiano  di  antichitä  cJassica  II  2  1887  Sp.  561-592,  welcher  den  Be- 
richt von  Fabricius,  MDAI  IX  1884  S.  363 ff.  in  erwünschtester  Weise 
ergänzt  und  weiter  führt.  Halbherr  hat  sich  das  grofse  Verdienst  er- 
worben, die  ganze  kreisbogenförmige,  mit  einer  grofsen  Zahl  antiker  In- 
schriftsteine durchsetzte  Umfassungsmauer  (Radius:  16  bis  16,60  m)  des 
alten  Gebäudes,  sowie  die  erwähnte  nördliche  Mauer,  die,  von  dem  linken 
Ufer  des  Lethaios  ausgehend  und  sich  unter  den  Dämmen  desselben  wie 
durch  den  Mühlengraben  in  gerader  Linie  hinziehend,  tangentenartig  sich 
bis  an  den  durch  die  zuerst  entdeckte  Inschriftmauer  bezeichneten  Teil 
des  Kreisabschnittes  erstreckt,  ihrer  ganzen  Ausdehnung  nach  (8,87  m) 
blofsgelegt  zu  haben.  Seine  Nachforschungen  innerhalb  des  durch  jene 
Umfassungsmauer  begrenzten  Raumes  lassen  keinen  Zweifel  daran  übrig, 
<iaf8  die  sämtlichen  blofsgelegten  Mauern  zu  einem  in  der  Kaiserzeit  er- 


XII.  InBolae  Aegaei  maris  etc:  Greta.  13 

bauten  Theater  oder  Odeion  gehören,  zu  dessen  Bau  o.a.  die  mit  In- 
schriften bedeckten  Steinquader  eines  antiken,  mit  grofser  Wahrschein- 
lichkeit auf  der  alten  Agora  von  Gortyn  aufgeführten  öffentlichen  6e- 
bäudes  verwandt  wurden.  Es  ist  wahrscheinlich,  dafs  das  antike  Gebäude, 
von  welchem  alle  diese  Blöcke  eutlehnt  wurden,  schon  zum  grofsen  Teil 
in  Ruinen  lag.  Vielleicht  war  von  den  vielen  Inschriften,  welche  auf  den 
Wänden  desselben  zu  jedermanns  Kenntnisnahme  und  Nachachtung  ver- 
zeichnet standen,  die  grofse  Mauerinschrift  die  einzige,  die  unversehrt  ge- 
blieben war,  und  die  man  aus  Liebe  und  Respekt  vor  der  alten  Zeit  zu 
erhalten  suchte,  indem  man  die  Steinblöcke  anderswohin  überführte  und 
zur  Errichtung  neuer  Manern  verwandte.  Ein  im  Mafsstabe  1 :  200  ent- 
worfener sorgfältiger  Plan  des  gesamten  Ausgrabungsgebietes  von  Rai- 
mondo  Ravä  (a.  a.  0.  Taf.  YIl)  läfst  die  einzelnen  Teile  des  späteren 
Gebäudes  klar  erkennen. 

Selten  sind  auf  dem  Boden  Griechenlands  Dokumente  von  so  fun- 
damentaler Wichtigkeit  für  unsere  Kenntnis  des  altgriechischen  Lebens 
mit  seinen  durch  gesetzgeberische  Thätigkeit  geregelten  Einrichtungen 
und  Gebräuchen  gefunden  worden.  Denn  was  die  grofsartigen  Entdeckun- 
gen von  Gortyn  so  überaus  wertvoll  macht,  ist  der  Umstand,  dafs  alle 
die  grofsen  Denkmäler  wie  die  kleinen  und  kleinsten  Fragmente  wohl 
ausnahmslos  nicht  Privatinschriften,  sondern  Staatsakten:  Gesetzen  oder 
Dekreten  angehörten,  die,  zum  teil  hinaufreichend  in  jene  entlegenen 
Zeiten,  wo  Sage  und  Geschichte  sich  scheiden,  uns  die  gesetzgeberische 
Thätigkeit  eines  Minos  näher  rücken  und  den  nachhaltigen  Einflufs  der 
altkretischen  Gesetzgebung  auf  die  Rechtsanschauungen  in  Sparta,  Athen 
und  Rom  deutlicher  erkennen  lassen.  —  Selbstverständlich  war  es  daher, 
dafs  die  grofse  Gesetzesinschrift  unmittelbar  nach  ihrem  Bekanntwerden 
eine  Hochflut  von  AbhandluDgen  sprachlichen  wie  sachlichen  Inhalts  her- 
vorrief, dals  die  Jünger  der  klassischen  Philologie  wie  der  vergleichen- 
den Sprachforschung  und  der  Jurisprudenz  mit  einander  wetteiferten,  die 
reichen  Schätze  der  Inschrift  zu  heben  und  die  aus  dem  Studium  der- 
selben zu  gewinnenden  Resultate  in  den  Dienst  ihrer  Wissenschaften  zu 
stellen. 

Durch  die  so  überaus  ergiebigen  Funde  Halbherrs  ist  auch  das 
Studium  der  grofsen  Inschrift  in  ein  neues  Stadium  gerückt.  Dieselbe 
erscheint  jetzt  nicht  mehr  so  isoliert,  wie  unmittelbar  nach  ihrem  Funde, 
sondern  als  hervorragendes,  wenngleich  nicht  ältestes  Glied  in  der  Kette 
mehrerer  Legislaturperioden,  und  zu  ihrer  Erklärung  mufs  jetzt  der  ganze 
Komplex  der  neuen  Texte  und  Fragmente  herangezogen  werden,  welche 
ein  Ausflufs  der  älteren,  gleichzeitigen  und  jüngeren  gesetzgeberischen 
Thätigkeit  von  Gortyn  sind. 

Auf  grund  ihres  Schriftcharakters  lassen  sich  die  sämtlichen  bisher 
entdeckten  Inschriften  von  Gortyn  in  drei  grofse,  zeitlich  verschiedene 
Klassen  teilen,  deren  jedesmalige  Ausläufer  unmerklich  zum  Alphabet 


16  Griechische  Epigraphik. 

52;  c)  mehrzellig:  d.  53—58.  2.  Bnstrophedonschrift.  a)  Zweizeilig: 
D.  59-68.  69?  70?  71-78.  74?  75?  (76—78?);  b)  mehrzeilig:  n.  79.  82 
(oberer  Teil  der  rechten  Inschrift  und  mittlere  Yertikalinschrift).  3.  Ge- 
mischte Schreibweise:  n.  80.  81.  —  Um  auch  weiteren  Kreisen  die 
Möglichkeit  einer  Erklärung  oder  Kombination  der  verschiedenen  Frag- 
mente zu  gewähren,  lasse  ich  das  gesamte  Material  in  Umschrift  folgen. 
Vgl.  auch  die  Znsammenstellung  von  Joh.  Baunack,  Gretica.  Berliner 
phil.  Wochenschr.  1887  n.  1  Sp.  25—28.  n.  2  Sp.  56—60.  n.  3  Sp.  90—92. 
n.  4  Sp.  123f.  n.  5  Sp.  154-156. 

Sp.  189  n.  1.  In  gröfserer  Schrift:  --?  lißrjra  t--;  in  kleinerer 
Schrift,  durch  die  gröfsere  hindurchlaufend:  [elpervog  xarar*.  n.  2. 
GrOfsere  Schrift:  -c  [d]a/u>v--;  kleiner,  durchlaufend:  •  Bpjiei  fju^oxa  [S]  -. 
n.  3.  Gröfsere  Schrift:  -xara]x£f/i£[vo--;  kleiner,  durchlaufend:  -  Bavd" 
Twt  £--.  n.  4:  •9^0jüio--.  Sp.  190  n.  5/6  (=  Roberts  n.  9a).  Zwei  zu- 
sammengehörige Fragmente:  -  X\eßyiTag  \  fkxg  to--.  n.  7 :  -  [v]a  -  -. 
n.  8/9.  Zwei  zusammengehörige  Eragmente:  -  xan][<T]ravroi|V  xal  [r]€i--- 
n.  10:  -5/o[e]--.  n.  11:  •  i][a]8dxaeTae  - -.  Sp.  191  n.  12/3.  Zwei  zu- 
sammengehörige Fragmente:  -xanöTavTa>][v?]  7r6VT\ri<fovTa  [X][€ß^T(K", 
n.  14/5.  Desgl.:  -/OW«^'  ^Jeyftyraf--.  n.  16:  -j^t^j^--;  wohl  verschrie- 
ben für  [jx]^'  j}?).  n.  17:  -v,  Sv  /ikv  %V]  [xa--.  n.  18:  -al x'  Ar--. 
Sp.  192  n.  19:  -^aya".  Vgl.  Xayd[aa(]  der  grofsen  Inschrift  und  Xa- 
yaeev  n.  82.  n.  20:  "xarealTa",  n.  21:  -/][e]xa<TTo[v?]  - -.  n.  22: 
-e  rb  r--.  n.  23:  -(ov  8'  ig  it6[Xiv?  Die  Vermutung:  t]ov  8e<mö[Tav 
ist  ausgeschlossen,  da  statt  dessen  in  Gortyn  nur:  ndtrrag.  n.  24:  '[v](oe 
xartardro}  ".  Sp.  193  u.  25:  'afio*-;  =  8]d^'?  n.  26:  •  xan<r][r]av- 
Tiüv  6".  n.  27/28.  Zwei  zusammengehörige  Fragmente:  ''lo?]ov  Ser^X^e 
7raj/To[c--.  n.  29:  -[g]  5g  x[a--.  n.  30:  '[e]v  [t]o  ".  Sp.  194.  n.  31: 
-ov  [r]«--.  n.  32:  -  [<i]/Ta[c]  - -.  n.  33:  -e/^[e]--.  n.  34:  -j7€[v?].-. 
n.  35/6.  Zwei  zusammengehörige  Fragmente:  -[v]  fiij  foe\Ci^a  ro  -.  Sp.  195 
n.  37/8  (=  Roberts  n.  9b).  Desgl.:  -[/i?]ec  /i^'sIvTa  iv--.  n.  39.  Wird 
ergänzt  durch  einen  neuerdings  von  Halbherr  gefundenen  Block  (Mus. 
ital.  II  2  1887  Sp.  682)  zu;  xaTt(n\diikv  zpinoSa  ha  8-.  Sp.  196  n.  40: 
'  6p]<fwfi6Tag  e--.  n.  41:  -^rjöyxar/c?  o--.  n.  42:  -I]xotäv  no[i][vdV", 
Sp.  197/8  n.  43/4  (=  Roberts  n.  9c  S.  40.  326).  Zwei  zusammengehörige 
Fragmente:  8e]xa^  Xeßijrwv^  inwl/iorov  ^p.[ev",  Sp.  197  n.  46:  -  ovov 
Ä  8'  [d]  -  ..  n.  46 :  -  8td^[ö]p.£v  nat[(T][{v  -  -.  Sp.  198/9  n.  47 :  -  oav  T^xaat 
ig  ixarbv  Xeßijzlag—,  Sp.  200  n.  48:  -8p<f(üe  ^  i-,  Sp.  199/200  n.  49: 
-  [k]  fi(üXo7  1j  Ttpb  no[X}  -  -.  n.  50:  -  e[&]fi  -  -  -  lp]7jTae  -  -.  Sp.  201/2  n.  61 : 
(s=  Roberts  n.  9d  S.  40.  326/7):  <fov  fot^ijaCe—  (2)  "To]effe  vaotat--, 
n.  52:  -  [v]c  knrä  rag  foi<fo8[o/jL{ag  -  -  (2)  -  -  exa  dv8aZdßae  5  re  io". 
dv8.  sicher  =  dvaSdaaaadat,  Sp.  203/4  n.  53/4  (=  Roberts  n.  9e  S.  40. 
327).  Zwei  zusammengehörige  Fragmente:  -i  dp.efu(TdaBat  B^olonep  ol  dXoi^ 
/lij  np{ad[Bai  (2)  --  rdropeg  xal  fapijv  |  tutüT  Ire  8k  <foTpo[g  -  -  (3)  -  -  Sea-- 
Tilopi^B^fuv  noxd,  \  [6]l  Sfioßfiörae  p.^  [<t]— .    Darunter  in  dünnerer  Schrift: 


XII.  Insolae  Aegaei  maris  ete. :  Greta.  17 

-  iu  dy{9]pvj/(ot  [n]e  -  -  -.    Z.  1  dfiefüfffiffBac  =?  dfuuadurßai.  —   Sp.  205/6 
n.  65 :  T]wv8e  5xa  ?r  -  -  (2)  -  -  af  B7j^e[/cu  -  -  (3)  -  -  o^  ic  *  -  -  (4)  -  -  onog  e  -  - 
(6)"p:^eov  t--.    Sp.  206  n.  66:  '8e  vtvi&^at -  -  {2)  —  ot  /x*  £cra[wsi/?-- 
(3)  -  -  £«.     a/  ftS[eae  -  -  (4)  -  -  ap^oQ  *a  -  -  (6)  -  -  vac  xa^  fo  -  -.     Sp.  207 
n.  67:  --^6/ivu  [liya.   (2)  /£3y^£    Xdß^To^"  (3)  --ra«    ;^Jv--.      Sp.  208 
n.  68:  i]xaTdv-  -  (2)  -•  [/jl]^  £<Tre£<T[ev?  -  -.    Vgl.  ii.  78.  82  und  das  Frag- 
ment von  Knossos  Sp.  176/6  (S.  10).    —    n.  69  (=  Roberts  n.  9  f.  S.  41. 
327/8):     -p.](uk7^e  wxa  -  -  (2)  -  -  [<r]«Tac  TeTufo[iT]".    Vgl.  n.  71  und  Axos 
n.  10:  TcrajofiffBio  Z.  5.  10/11.  —  Sp.  209/10  n.  60:  '8exd]Cai  8tfiw[^^e?'- 
(2)  '-dy]opäe?  xa)  ä  Scx[ä][Ziji? ".    n.  61:  'dvr\c/JLwXecu  a-{2)-'dna][e]' 
peB^t  rtoi  xaevo8o[^(oi'-,    n.  62:  -  idcxa^e,  ij  pij  e"{2)'Xd^oi  faaxiav 
Scxav".    Vgl.  n.  83/4.  —  Sp.  211  u.  63:  -Xev  jy/x— (2)  — o«  dfrog  dtnkrje^". 
n.  64:  '  epev?  ij  —  {2)  -  -  p\scov  xal  7:ap[S][6p£v?  - -,    n.  66:  •  dvTi]p(oXoc 
a^"(2)"p]i}?  Auijt.    —   Sp.  212  n.  66:     twi  8k  C(oo^[tYi"(2)"7t6Ae  nd)h 
aou  7Tpa[C?"-    n.  67:  -  j^  ivexd&f}  —  (2)  —  t]ffoi  9'  S^oe  inl  r--.    Zu  S^oe 
vgl.  n.  53/4.  —   n.  68:  -  i]vexa(re  ya  -  -  (2)  —  oetrt  8  rt  rci  x'  dydp^[c'-. 
Sp.  213/4  n.  69:  -xa}  ac  x'  a^o^r-- (2)  — ov  ^  ^(^800—,     n.  70:   -Xev  xcä 
ic  äXog "  (2) "  Boalot  xa\  xaavBäi:-,    Auf  der  anderen  Seite:  dXät  8*—, 
Sp.  214/5  n.  71 :  -  rtTofzüQ  [/x]  -  -  (2)  -  -  na\vrbg'^  zov  tt-  -.    Vgl.  n.  59  und 
Axos  n.  10.  ~  Sp.  215  n.  72:  'nk6\vex<nja^at"{2)"rivev  xa\  t--.    n.  73: 
-  d]rtTdXraQ  /le  -  -  (2)  -  -  kaaoaxa  -  .    Sp.  216  n.  74:  -/itov  roa—  (2)  --rac 
80  ",    n.  76:     -ei/  amep  ro)  dv8\p6g -"  {^2)  —  zov  ävrjßov  ro--.     n.  76: 
[aX\iTav  al  pi^"  (2)  -  -  xaT][a]öTd<ra/  /e  -  -.     Sp.  217/8  n.  77/8.    Zwei  zu- 
sammengehörige Fragmente:    -  xarjaffrdaat^  ^oapog   6   Imalräc    al  pij 
ii7Tee[(r "  (2)  "  V  dfrbv  pij  ^off\pkv  8ixa  pkv  Yvwp[w\y  ",    Zu  i(net[a' 
vgl.  zu  n.  58.  —  Sp.  218  n.  79:  'f\t<Tf6'{2)potp[ov  -  -  (3)  -  -  ^]j7^e-(4)/a^— . 
Sp.  219ff.  n.  80:  —g  fixa-(2)Ti\  ---  [d]fuTäv  (3)  —rä}  foixeog  (4)--v 
ig  ßoßXäv  Jjpev  (6)-'Saßae  [XaT]oTo[e?].g  (6)  —  AI  tw  fw  dno86pev -- 
(7)--[a]  /zjy  9'   bnoarot  p[7j^  (8)  — /b^][rü]wov.    -  Von  Z.  5  an  ab- 
wärts verbunden  mit  der  letzten  Zeile:    ^Og  8i  xa  [X^t  i]iffoexku  e--. 
Sp.  222ff.  n.  81;  wiederholt  mit  französischer  Übersetzung  von  Dareste, 
BGH  XI  1887  S.  243f.     Der  Stein  war  ursprünglich  ein  Teil  von  n.  82 
(s.u.)!:  -o]v //a;[A?] -- (2)  oareg  pä[Carog]  toi"(S)Ta}t  dynawan  p*  ij/££v 
dYxipo[XoV''(4)  dpondnjp  d  x'  ^e  xal  dpjopdrr^p  d--(6)  AI  8'  8  pkv  ^p\tv 
narpafta  ptoX^c  6  8^  dXäc  (6)  al  x'    dvnorepojff    toßvrt  oe  pahupeg  -  -  (7) 
•"Wt  xa  8exd]Ze[if]  dfTwg  inatp^e  ndure  X£ß'(8)^Tag  xaraardaou,  ad  8£ 
xa  pw  -  -.    Nach  Gomparetti  handelt  es  sich  um  Bestimmungen  hinsicht- 
lich der  Erbfolge  von  Adoptivkindern.  —   Sp.  224  ff.  n.  82.    Grofser  Stein« 
block.    Rechts  zwei  Inschriften;  die  eine,  der  oberen  Hälfte,  in  gröfseren 
Buchstaben,  fast  ganz  unleserlich;  die  andere,  der  unteren  Hälfte,   we- 
niger alt,  in  den  SchriftzQgen  der  grofsen  Inschrift  von  Gortyn,  achtzeilig 
(s.  S.  26  u.).    Links  ursprünglich  n.  81,  jetzt  bis  auf  Zeilenreste  von  1  bis 
2  Buchstaben  vom  Haupt  blocke  getrennt.     In  der  Mitte  zwischen  beiden 

Jahresbericht  filr  Altertumswissenschaft  LXVI.  Bd.  2 


18  Grieckiflche  Epigraphik. 

zweizeilige  Vertikalioschrift.  Letztere  ergänzt  der  Herausg.:  ":np6Beff£u 
fju^T*  d[va]\7acdCcu  fo^x*  dnoa\xiv.  Nach  Comparetti  Bestimmangen  Qber 
Beetat^ogen. 

An&nff  Zweite  Legislaturperiode.    —    An  erster  Stelle  und  als  Haopt- 

repräsentant  der  Epoche  ist  hier  das  grofse  »privatrechtliche  Zwölftafel- 
gesetzc  aas  Gortyns  BlQtezeit  zu  nennen,  ein  epigraphisches  Denkmal, 
welches  ebensowohl  durch  seine  gewaltige  Ausdehnung  Ober  mehr  als 
17000  Buchstaben  wie  durch  seine  unerschöpfliche  Ergiebigkeit  fflr  das 
Studium  der  Altertttmer  und  der  Sprache  alle  andern  Inschriften  bei 
weitem  übertrifft  und  welches  alsbald  nach  seiner  Entdeckung  eine  litte- 
rarische Sturzwelle  sprachlich-philologischen  wie  sachlich-archäologischen 
und  jpristischen  Inhalts  hervorrief.  »Die  grofse  Rechtsurkunde  lehrt  uns 
die  Griechen  in  ganz  neuer  Weise  von  Seiten  ihres  juristischen  Denkens 
kennen  und  läfst  uns  in  Volkszustände  blicken,  die  sich  in  ihrer  Ur- 
sprQnglichkeit  hier  viel  länger,  als  in  den  uns  bekannteren  Staaten  er- 
halten haben.c  Auf  eine  eingehende  Erörterung  der  Frage,  inwiefern 
unsere  Kenntnisse  des  altgriechischen  Lebens  durch  den  epochemachen- 
den Fund  eine  Bereicherung  erfahren  haben,  mufs  hier  des  beschränkten 
Raumes  halber  verzichtet  werden;  der  allgemeine  Inhalt  der  Inschrift 
wird  sich  aus  der  Besprechung  der  Litteratur  zu  derselben  ergeben.  —  Im 
Jahre  1857  entdeckten  die  Franzosen  Thönon  und  Per  rot  in  der  Mauer 
einer  Mühle  auf  dem  linken  Ufer  des  Lethaios  das  15  zeilige  Fragment 
einer  archaischen  Bustrophedoninschrift  (Anfang  von  Kol.  XI),  welches 
sich  seit  1858  im  Louvre  befindet  und  von  Th^non,  Rev.  arch  VIII  1863 
S.  441  ff.  mit  einem  Faksimile  (=  IGA  476,  Roberts  S.  42  n.  9g)  yer- 
öffentlicht  wurde.  Im  Jahre  1879  fand  Haussoullier  in  der  Nähe  des 
ersten  ein  weiteres  Fragment  (Anfang  von  Kol.  VIII.  IX);  vgl.  BCH  IV 
1880  S.  461  ff.  (=  IGA  475).  Beide  rührten  von  einer  antiken  Mauer 
im  Bett  des  Mühlgrabens  her.  Im  Juli  1884  gelang  es  dem  Italiener 
Federico  Halbherr,  während  einer  kurzen  Trockenlegung  des  Mühl- 
grabens vier  weitere  Kolumnen  (IX -XII)  zu  kopieren.  Da  ihm  jedoch 
Zeit  und  Mittel  zur  Fortsetzung  der  Arbeit  fehlten,  überliefs  er  die 
Weiterführung  derselben  dem  Sendling  des  Kais,  deutscheu  Archäol.  In- 
stituts in  Athen,  Ernst  Fabricius,  welchem  es  nach  weitläufigen  Unter- 
handlungen mit  dem  Mühlenbesitzer  vorbehalten  blieb,  den  Rest  der  In- 
schrift (Kol.  I-VllI)  freizulegen  und  eine  in  anbetracht  der  mifslichen 
Umstände  (bei  fortwährend  herniederrieselndem  Wasser)  vorzügliche  Kopie 
desselben  anzufertigen.  So  gelang  es  dem  edlen  Wettstreit  der  Nationen, 
das  wichtige  Dokument  fast  in  seinem  ursprünglichen  Umfange  dem  hei- 
mischen Boden  abzuringen.  'Da  Kol.  VIII,  IX  und  XI  durch  die  früher 
bekannt  gewordenen  Stücke  ergänzt  werden,  fehlen  nur  die  ersten  15 
Zeilen  von  X,  die  ersten  14  Zeilen  von  XIl'  (Fabr.).  Die  Inschrift,  die 
gleichwohl  ein  Riesenfragment  bildet,  ist  geschrieben  auf  der  Innenseite 


XII.  Insnlae  Aegaei  maris  etc.:  Greta.  19 

einer  kreisbogeDförmigen,  aas  rechtwinkligen  Steinquadern  gebildeten 
Umfassungsmauer  von  8,70  m  Länge  (vgl.  S.  12).  Jede  Kolumne  besteht 
aus  63  bis  55  Zeilen,  die  über  die  Steinfugen  laufen;  KoL  XII  schlofs 
mit  Z.  83. 

Die  Publikation  des  einzigartigen  Fundes  erfolgte  nahezu  gleich- 
zeitig in  Athen  und  Florenz.  Während  der  deutsche  Herausgeber  Fa- 
bricius,  MDAI  IX  1884  S.  363—384  (mit  Taf.  XX.  XXI)  sich  beeilte, 
den  Text  zu  allgemeiner  Kenntnis  zu  bringen,  begleitete  der  Italiener 
Comparetti,  Museo  italiano  di  antichitä  ctassica  I  2.  3  1885  S.  233 
— 287  (mit  Taf.  Villa)  seine  Ausgabe  mit  einem  ausftkhrlichen  Kommen- 
tar: Vorbemerkungen  Punt.  2,  233-236.  Iscrizione  del  muro  circolare 
237-252,  loterpretatione  238— 258,  Commento  259— 275;  [Iscrizione  del 
muro  settentrionale  Punt.  3,  277 f.  s.u.]  Etä  delle  iscrizioni  279—283, 
Indice  di  voci  e  nomi  285—287.  —  Separatabdruck:  Leggi  anticbe  della 
cittä  di  Gortyna  in  Creta  scoperte  dai  D''^  F.  Halbherr  ed  E.  Fabricius 
etc.  Firenze  1885.  4.  59  S.  mit  Taf.  10  Mk.  (Rez.  von  M.  Bröal,  Re- 
vue crit.  1885  n.  43  S.  294 — 298.)  Vgl.  Coroparetti  in  den  Rendiconti 
deU*Accad.  dei  Lincei  I  2  1884  S.  36—38.  —  Die  Publikationen  beider 
Herausgeber  ergänzen  sich  gegenseitig.  —  Im  Jahre  1885  nahm  Halb- 
berr  eine  neue  Revision  und  Zeichnung  der  Inschrift  vor,  deren  Resultate  in 
einer  von  (3omparetti  vorbereiteten,  neuen  Textausgabe  veröffentlicht  wer- 
den sollen.    —    Bis  Ende  1887  erschienen  folgende  Abhandlungen: 

Dareste,  [La  loi  de  Gortyne,  BGH  IX  1885  S.  301— 317  (Rez. 
von  Bröal,  a.  a.  0.)  lieferte  eine  Übersetzung  des  Textes  ins  Französische; 
erweitert:  Texte,  traduction  et  commentaire,  Annuaire  des  ^tudes  grec- 
qnes  XX  1887  S.  300 — 349.  Vgl.  einen  Aufsatz  desselben  Verfassers: 
La  loi  de  Gortyne,  Nouvelle  Revue  bist,  de  droit  1886  n.  3. 

Lewy,  Altes  Stadtrecht  von  Gortyn  auf  Kreta.  Berlin  1885.  32  S. 
2,50  Mk.  (Rez.:  Br^al,  a.  a.  0.  F.  R(tthl),  Litt.  Centralblatt  1885  n.  37 
Sp.  1258f.  KQbler,  Wochenschr.  fOr  klass.  Phil.  n.  45  Sp.  1418f.  Meister, 
Berl.  phil.  V^Tochenschr.  n.  46  Sp.  1445  f.  Hinrichs,  DLZ  n.  47  Sp.  1668  f. 
Rettig,  Nene  philol.  Rundschau  1886  n.  19  S.  295—297.  Niese,  Philol. 
Anzeiger  1887  n.  1  S.  63  f)  Text  in  Umschrift  (aus  der  sich  nicht  immer 
ein  deutliches  Bild  des  Originals  entnehmen  läfst)  mit  nebenstehender 
möglichst  wortgetreuer  Obersetzung,  kritischem  Apparat  nebst  exegeti- 
schen, meist  juristischen  Noten  und  Wörterverzeichnis. 

Bacheler  und  Zitelmann,  Das  Recht  von  Gortyn.  Rhein.  Mu- 
seum Bd.  40.  Ergänzungsheft.  Frankfurt  a.  M.  1885.  X,  180  S.  4  Mk. 
(Rez.:  Br^al,  a.a.O.  Lewy,  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  1885  n.  45 
Sp.  1420-1423.  Meister,  Berl.  phil.  Wochenschr.  n.  46  Sp.  1445—1450. 
Hinrichs,  DLZ  n.  47  Sp.  1669f.  Rettig,  Neue  philol.  Rundschau  1886 
n.  19  S-  292—295.    Thumser,  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  n.  11  S.  814 

2» 


20  Oriechische  Epigraphik. 

— 818.  Niese,  Philol.  Anzeiger  1887  d.  1  S.  62  f.  Parmentier,  Revue  de 
Pinstr.  publ.  en  Belgique  n.  2  S.  98 — 106.)  —  Philologische  und  juristi- 
sche GrüDdlichkeit  finden  sich  in  diesem  ausgezeichneten  Werke  ver- 
einigt »Was  eine  sich  eng  an  den  Text  anschliefsende,  möglichst  wort* 
getreue  Übersetzung  leisten  kann,  davon  wird  ein  wahres  Muster  ge- 
geben (Text  in  Minuskeln,  aber  überliefertem  Alphabet,  nur  der  Äsper 
tritt  h]nzu)c  (Hinrichs).  Die  Einleitung  bietet  höchst  wertvolle  uod  ge- 
lehrte kulturhistorische  und  dialektologische  Betrachtungen  über  das 
Äufsere  der  Urkunde,  über  Altersmerkmale,  Alphabet  und  Sprache,  nach 
denen  die  Inschrift  wegen  der  eleganten,  »durch  lange  Übung  wohlge- 
schulton,  künstlerisch  entwickelten  Graphik«  und  des  Stils  erst  um  400 
V.  Chr.  gesetzt  wird  (Bücheier,  S.  6;  doch  s.  Zitelmann  S.  48 ff.)  —  »Die 
Juristen  zu  plaumäfsiger  Beschäftigung  mit  diesem  und  anderen  griechi- 
schen Rechten  einzuladen«,  hat  £.  Zitelmann,  Prof.  des  römischen  Rechts, 
auf  Büchelers  Wunsch  den  Hauptteil:  »Juristische  Erläuterungen«  (S.  41 
--178)  bearbeitet.  »Der  vorherrschende  Eindruck  wird,  wie  ich  glaube, 
der  einer  verhältnismäfsig  hohen  rechtlichen  Entwicklung  sein«  (Zitelmann, 
S.  47).  »Der  Ursprung  der  einzelnen  Rechtssätze  ist  rein  indogermanisch 
(S.  53);  Parallelen  mit  dem  attischen  Recht  finden  sich  fast  überall«. 
Als  Nachträge  zu  dem  grofsen  gesetzgeberischen  Werk  werden  betrachtet 
die  Kapitel  der  'einzelnen  Lehren':  Sklavenprozefs  (S.  78  — 100),  ge- 
schlechtliche Vergehen  (100  —  108),  Familienrecht  (108—184),  Erbrecht 
(134—149),  Recht  der  Erbtöchter  (149—160),  Adoption  (160-165),  zum 
Vermögetisverkehrsrecht  (166—178).  »Die  Zitelmannschen  Darlegungen 
werden  jeder  späteren  Behandlung  der  kretischen  Rechtsaltertümer  zur 
Grundlage  dienen  müssen«  (Meister).  Zitelmann  erkennt  in  dem  Gor- 
tyuer  Gesetz  »eine  vielfach  reformatorische,  nicht  ganz  vollständige,  son- 
dern aus  dem  frühereu  Recht  zu  ergänzende  Kodifikation  des  Sklaven-, 
Familien-  und  Erbrechtes.  Bei  Gelegenheit  dieser  Kodifikation  sind  zu- 
gleich einzelne,  auf  andere  Rechtsmaterieu  bezügliche  Neuerungen  oder 
Feststellungen  mit  eingestreut«  (S.  46).  Nach  Zitelmann  ist  hinsichtlich 
der  Altersbestimmung  der  Urkunde  »in  dem  Spielraum,  den  sprachliche 
und  epigraphische  Gründe  lassen,  hoch  hinauf  zu  gehen«  (S.  48).  —  Vgl. 
auch  noch:  Buch el er,  Sprachformeln  in  italischem  und  griechischem 
Recht.  Rhein.  Museum  40  1885  S.  475 — 480;  sowie  deu  populären 
Aufsatz  vou  Zitelmann:  Eine  neu  entdeckte  aitgriechische  Gesetzge- 
bung. Deutsche  Rundschau  1886  u.  10  S.  63—78.  »In  gewissem  Sinne 
Bücheier  und  Zitelmann  ergänzend  und,  was  die  Akribie  der  Behandlung 
anlangt,  nicht  unwert  des  Platzes  neben  ihnen«  (Meister)  ist  hervorzuheben 
die  Schrift  der  Brüder 

Joh.  und  Th.  Baunack,  Die  Inschrift  von  Gortyn.  Mit  Tafel 
(Kol.  I,  nach  Ck>mparetti).  Leipzig  1885.  VIII,  167  S.  4  Mk.  (Rez.: 
Br^al,  a.  a.  0.  S.  208.  Lewy,  a.  a-  0   Meister,  a.  a.  0.  üiurichs,  DLZ  1885 


XII    Insolae  Aegaei  maris  eto  :  Greta.  21 

D.  47  Sp.  1670.  Liter.  Gentralblatt  1886  n.  8  Sp.  265.  Niese,  Phflol.  An- 
zeiger 1887  n.  1  S.  64 — 66.  ParmeDtier,  a.  a.  0.)  Die  Herausgeber  hatten 
den  Vorteil,  vor  dem  Abschlufs  ihrer  Schrift  die  froheren  Publikationen 
noch  eingehend  berücksichtigen  zu  können.  »Wie  bei  Bücheler-Zitelmann 
das  Recht,  so  bildet  hier  die  Sprache  des  alten  Gortyn  den  Schwerpunkt 
der  Arbeite  (Meister).  Nach  einer  Einleitung  (S.  1 — 6)  giebt  die  Schrift 
den  genauen  Minuskeltext  in  scriptura  continua  nebst  den  Varianten  von 
Fabricius  und  Comparetti  mit  erklärenden  Anmerkungen  (S.  7 — 16).  Eine 
ersohöpfende  Grammatik  (S.  17-89:  a)  Satzsandhi  S.  17,  b)  Konsonan- 
tismus S.  27,  c)  Vokalismus  S.  48,  d)  Flexionslehre  S.  69,  e)  Syntakti- 
sches S.  76),  eine  Transskription  nebst  Übersetzung  (S.  90 — 120),  Exege- 
tisch-Lexikalisches (S.  120—149)  und  ein  vollständiger  Wortindex  (S.  160 
— 166)  bilden  den  weiteren  Inhalt.  Fflr  Philologen  ist  das  mit  grofser 
Umsicht  und  Akribie  gearbeitete  Buch  sehr  zu  empfehlenc  (Hinrichs). 
»Diejenigen  Philologen,  die  sich  eingehender  mit  dem  Studium  der  wich- 
tigen Gesetzestafeln  von  Gortyn  beschäftigen  wollen,  werden  gut  thun, 
die  beiden  Ausgaben  von  Bttcheler-Zitelmann  und  Job.  und  Th.  Baunack 
neben  eiiTander  zu  benutzen.  —  In  der  Konjekturalkritik  ist  ihnen  man- 
cher Fund  geglückt,  der  den  tlbrigen  entgangen  war.  Ihre  Ergänzung 
der  Zeilen  X,  11  — 16  ist  ein  Kabinettstück  feiner  Kombination«  (Meister). 
—  Vgl.  auch:  Job.  Baunack,  Zur  Inschrift  von  Gortyn.  Studien  auf 
dem  Gebiete  des  Griechischen  u.  s.  w.  von  Joh.  und  Th.  Baunack.  Leipzig 
1886.     S.  1  —  7.  76.  173  f.    (Untersuchungen  sprachlichen  Inhalts.) 

Bernhöft,  Die  Inschrift  von  Gortyn,  übersetzt.  Stuttgart  1886. 
38  S.  1,60  Mk.  (Bez.:  Meister,  Berliner  phil.  Wochenschrift  1886  n.  6 
Sp.  I72f.  Lewy,  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  n.  22  Sp.  677  —  681.  B., 
Lit.  Gentralblatt  n.  31  Sp.  1067.  Zeitscbr.  für  vergl.  Rechtswissenschaft 
VI,  2.  3.)  Die  Jahreszahl  dieser  Publikation,  die  aus  einer  Nebenein- 
anderstellung des  griechischen  Textes  in  Transskription  und  deutscher 
Übersetzung  nebst  knappem  Apparat  besteht,  weist  derselben  eine  un- 
richtige Stelle  an;  sie  erschien  bereits  Ende  1886.  Hieraus  erklärt  es 
sich,  dafs  aufser  der  als  Grundlage  dienenden  Veröffentlichung  von  Fa- 
bricius nur  noch  für  den  letzten  Teil  (]lomparettis  Leggi  antiche  und  in 
der  Korrektur  die  Lewysche  Abhandlung  benutzt  worden  sind.  Für  die 
Konstituierung  des  Textes  verdankt  der  Verfasser,  Professor  der  Rechte 
in  Rostock,  manches  seinem  philologischen  Kollegen  Leo.  Die  in  der 
Vorrede  versprochene  Erklärung  des  Inhalts  ist  wohl  im  Hinblick  auf 
die  umfassendere  philologisch-Juristische  Arbeit  von  Bücheier  und  Zitel- 
mann  unterblieben. 

Simon,  Zur  Inschrift  von  Gortyn.  Wien  1886.  94  S.  2  Mk.  (Rez.: 
Meister,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1886  n.  19  Sp.  681-690;  dazu  Entgeg- 
nung von  Simon,  n.  27  Sp.  836  f.  Lewy,  Wochenschr.  f.  klass.  Phil.  n.  22 
Sp.  677—681.    PrellwiU,  DLZ  n.  38.    Liter.  Gentralblatt  n.  39  Sp.  1368. 


22  Griechische  Epigraphik. 

Thumser,  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  37  1886  S.  818 — 820.  Bauer,  Mit- 
ten, aus  d.  bist.  Lit.  S.  314.  Phil.  Anzeiger  17  1887  S.  64  69.  Rettig, 
Neue  pbil.  Ruodscbaa  o.  9  S.  138  —  140.)  Inhalt:  1.  Text  und  Über- 
setzung der  ersten  sechs  Kolumnen  (S.  5 — 19).  2.  Sachlicher  Komnaen- 
tar  (S.  20 — 94).  —  Der  Verf.  hatte  bereits  vor  Erscheinen  der  aasführ- 
licheren  Abhandlungen  die  Abfassung  eines  eingebenden  Kommentars 
unternommen,  glaubte  jedoch  nach  der  Veröffentlichung  der  Gebr!ider 
Bannack  auf  die  sprachliche  Seite  desselben  verzichten  zu  können  und 
bietet  nur  sachlich  juristische  Erörterungen  zu  den  ersten  sechs  EoUnn- 
nen,  unter  gewissenhafter  Benutzung  des  bisher  Geleisteten.  Obwohl  der 
Kommentar  einen  wesentlichen  Fortschritt  in  der  Behandlung  der  Inschrift 
nicht  repräsentiert,  findet  sich  im  Einzelnen  manches  Beachtenswerte. 
Die  Heranziehung  des  slavischen  und  nordischen  Rechtes  zur  Verglei- 
chnng  ist  dankbar  zu  begrttfsen;  doch  sind  wesentlich  neue  Resoltate 
auch  hierdurch  nicht  gewonnen  worden.  —  Derselbe,  Zur  zweiten 
Hälfte  der  Inschrift  von  Gortyn.  Separatabdrnck  aus  den  Wiener  Sta- 
dien 9  1887  Heft  1  S.  1—24.  80  Pfg.  (Rez.:  Lewy,  V^Tochenschr.  f. 
klass.  Philologie  n.  42  Sp.  1287  f.)  Die  sechs  letzten  Kolumnen  der  In- 
schrift werden,  gleichfalls  vom  juristischen  Standpunkt,  besprochen.  — 
Vgl.  auch  desselben  Verfassers  Aufsatz :  Einige  Bemerkungen  zur  jQngst 
gefundenen  Inschrift  von  Gortyn.  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  36  1885 
8.  489— 506. 

Schaube,  Objekt  und  Komposition  der  Rechtsaufzeichnung  von 
Gortyn.  Hermes  21  1886  S.  213 — 239.  Der  Verf.  sucht  mit  grofsem 
Scharfsinn  in  die  Entstehungsgeschichte  der  groCsen  Gesetzesinschrift  ein* 
zudringen  und  hat  die  Genugthuung,  durch  die  späteren  Funde  seine 
Auffassung  derselben  als  einer  neuen  Redaktion  älterer  Rechtssätze  be- 
stätigt zu  sehen.  —  Nach  demselben  sind  die  sieben  von  Bflcheler-Zitel- 
mann  angenommenen  Nachträge  (s.  S.  20)  nicht,  wie  jene  Herausgeber  an- 
nehmen, zeitlich  in  unmittelbarem  Anscblufs  an  das  Hauptgesetz  entstan- 
den, sondern  wirkliche  Nachträge.  Die  Rechtsurkunde  ist  eine  Novelle  zu 
einem  älteren  Gesetz,  dessen  Rahmen  im  wesentlichen  festgehalten  wer- 
den mufste,  sodafs  zuweilen  ein  Nebeneinander  von  Altertttmlichem  und 
Modernem  entsteht.  :»Das  Ganze  der  Rechtsaufzeichnung  ist  nichts  an- 
deres, als  Familienrecht  in  weiterem  Sinne,  ein  Hausstandsrecht  nach 
innen  wie  nach  aufsenc.  Dies  wird  im  Anscblufs  an  die  einzelnen  Ab- 
schnitte bis  IX  24  nachgewiesen.  »Wir  haben  mehrere,  zeitlich  von  ein- 
ander getrennte  Rechtsaufzeichnungen  anzunehmen.  Die  älteste  derselben, 
streng  in  sich  geordnet  und  zusammenhängend,  in  einem  Zuge  erfolgt» 
umfafst  nur  etwa  die  Hälfte  des  ganzen  uns  vorliegenden  Gesetzes,  bis 
Tafel  VI  46  reichend.  Dieser  ersten  Schicht  folgt  eine  zweite  Rechtsauf- 
zeichnung (bis  X  25),  die  einer  erneuten  Revision  unseres  Gesetzes  den 
Ursprung  verdankt  und  die  Reihenfolge  der  ersten  beobachtete.  Ihren 
Hauptteil  bildet  eine  umfassende  Neubearbeitung  des  Erbtöchterrechts 


XII.  IosqIm  Aegaei  maris  etc.:  Greta.  98 

(YII  15— IX  24),  an  die  die  erste  RechtsaafzeichnaDg,  das  alte  Gesetz 
in  Oiltigkeit  belassend,  sich  nicht  gewagt  hatte.  Dieser  folgen  »eine 
Reihe  von  Einzelbestimmongen  zur  weiteren  Regelung  der  Vermögens- 
rechtlichen  Beziehungen  der  Hausstandsgenossen  zu  einander,  die  s&ml* 
lieh  als  Ergänzungen  des  zweiten  Hauptteils  der  ersten  Rechtsaufzeich- 
nung angesehen  werden  können  c.  Die  folgenden  Abschnitte  sind  ids 
einzelne,  nicht  zu  ein  und  derselben  Zeit  gemachte  Nachträge  aufzufassen, 
wobei  die  Annahme  nicht  zu  gewagt  erscheint,  dafs  es  sich  bei  jedem 
Denen  Absatz  des  Steinmetzen  auch  um  einen  neuen  Nachtrag  handelt 

—  S.  285  —  288  wird  ein  Obersicbtliches  Schema  der  Komposition  des 
Gesetzes  entworfen,  dessen  HauptstQcke  sind:  Erste  Schicht  (das  Haupt- 
gesetz) bis  VI  46.  A)  Der  Hausstand  nach  aqfsen  (bis  lY  28).  B)  Det 
Hansstand  nach  innen  (bis  lY  46).  Zweite  Schicht  (die  ergänzende 
Revision)  bis  X  25.  Zu  A:  bis  YII  16;  zu  B:  bis  X  25.  Dritte 
Schicht  (sieben  einzelne  Nachträge)  bis  XII  83.  —  »Der  Hauptteil  des 
Gesetzes  ist  in  sich  durchaus  geschlossen  und  hält  sich  strenge  an  eine 
deutlich  erkennbare,  durchaus  logische  Disposition,  wobei  zu  berücksich- 
tigen bleibt,  dafs  die  Arbeit  des  Gesetzgebers  dadurch  beeinträchtigt  und 
erschwert  wurde,  dafs  er  ein  älteres  Gesetz  vor  sich  hatte,  das  in  meh- 
reren Partieen  in  Kraft  verblieb.  Der  zweite  Teil  unseres  Gesetzes,  eine 
ergänzende  Revision,  richtet  sich  ebenfalls  nach  dem  grofsen  Gange  d^s 
ersten  Teils;  da  bei  dieser  Arbeit  eine  YerknQpfung  der  einzelnen  l^ar- 
tieen  unter  einander  ausgeschlossen  war,  ist  die  Aneinanderreihung  der 
Bestimmungen  eine  losere;  auch  hier  indefs  zeigt  die  Darstellung  des 
komplizierten  Erbtöchterrechts  durchdachte  Disposition  und  eine  hoch 
entwickelte  gesetzgeberische  Technik.  Im  dritten  Teile  endlich,  der  aus 
lauter  einzelnen,  zu  verschiedenen  Zeiten  angefügten  Nachträgen  besteht, 
kann  seiner  Entstehung  gemäfs  von  innerer  Ordnung  keine  Rede  sein; 

—  die  Erklärung  der  Entstehung  dieses  Durcheinanders  genügt,  um  uns 
vor  einer  unbilligen  Beurteilung  dieses  Teiles  unseres  Gesetzes  zu  be- 
wahrenc. 

Merriam,  Law  code  of  the  Kretan  Gortyna  I.  Separatabdmck 
ans  dem  American  Journal  of  archaeology  I  4  1886  S.  824 — 860.  Balti- 
more 1886.  49  S.  (Rez.:  Meister,  Berliner  philol.  Wochenschrift  n.  41 
8p.  1275  f.)  IL  Separatabdruck  aus  derselben  Zeitschrift  II 1  1886  S.  24 
— 45.  424.  —  Der  Yerf.  giebt  den  Text  nach  Fabricius  und  Gomparetti 
mit  den  Yarianten  der  verschiedenen  Kommentatoren,  eine  Übersetzung 
und  einen  ausgiebigen  Kommentar,  welcher  Belege  aus  den  alten  Autoren 
und  namentlich  sachliche  Auseinandersetzungen  bietet.  Teil  I  behandelt 
Kol.  I-Y,  Teil  H  Kol.  VI -XII. 

Als  in  den  Rahmen  der  Behandlung  fallend  sind  femer  noch  zu 
erwähnen:  Blafs,  Zu  den  Gesetzestafeln  von  Gortyn.  Fleckeisens  Jahr- 
bücher Bd.  131  1885  S.  479-485.    Wachsmuth,  Einige  antiquarische 


24  Griechische  Epigraphik. 

Bemerkungen  zu  dem  Codex  des  Privatrechts  von  Gortyn.  Nachrichten 
der  Gott.  Gesellsch.  der  Wissenseh.  1885  n.  5  S.  199  —  207.  Ditteo- 
berger,  Zum  Gesetz  von  Gortyn.  Hermes  20  1885  S.  573  -578  (aber 
Kol.  XI  21/2:  >ij  dfXY^avTut  ^  nap'  d^fdvrm^).  v.  Wilam owitz- Mol- 
len dorff,  Lectiones  epigraphicae.  Gott.  1885.  Zu  Kol.  II 16.  Prell- 
witz, De  dialecto  Thessalica.  Gott.  1885.  S.  G2f.  Meister,  Zu  dem 
Gesetze  von  Gortyn.  Bezzenb.  Beitr.  X  1886  S.  189  —  1416.  Collitz, 
ebd.  S.  805-307.  Roby,  The  twelve  tables  of  Gortyn.  The  Law  Re- 
view, Apr.  1886.  Nani,  Gonsiderazioni  sopra  la  legge  dl  Gurtyna.  Atti 
deiraccad.  dl  Torino  XX  1886  n.  7.  Roberts,  Greek  epigraphy  S.  41 
—43.  326.  328-332.  S.  327—332  Umschrift  und  Kommentar  zu  Kol.  X 
83  — XI  23.  Keelhoff,  Les  form  es  du  verbe  dans  rinscriptioo  de 
Gortyne.  Mons  1887.  58  S.  1,50  Mk.  Derselbe,  Het  inschrift  van 
Gortyna.  Nederlandsch  Museum  1887  n.  7.  Typaldos,  Ol  vöfMoe  rarv 
lopTuviatv,     AiKf^yopixbi  öuXXoyoq  II  1886  S.  197 — 212.  229-246. 


Comparetti,  Iscrizioni  arcaiche  di  Gortyna  rinvenute  nei  nnovi 
scavi  al  Letheo,  Museo  ital.  II  2  1887  Sp.  593 — 668,  veröffentlicht  zu- 
nächst: Iscrizioni  del  muro  settentrionale  Sp.  593  —  644  (Faks.  Taf.  X) 
mit  Beschreibungen  und  Notizen  von  Halbherr.  —  Die  nördliche 
Mauer  (vergl.  S.  12)  besteht  nach  Halbherr,  a.a.O.  Sp.  585  ff.  aas 
grofsen,  rechtwinklig  behauenen  Steinblöcken,  ähnlich  denjenigen  der 
grofsen  Inschrift,  die  in  vier  horizontalen  Reihen  angeordnet  sind.  In 
der  8,87  m  langen  Mauer  finden  sich  fünf  Steinquader  mit  Bustrophedon- 
inschriften  in  zehn  Kolumnen,  die  durch  das  Behauen  der  Steine  oben 
und  unten  verstümmelt  sind,  sowie  zwei  dürftige  Kolumnenreste.  Die 
Blöcke  sind  zum  teil  in  derselben  Ordnung  eingemauert,  welche  sie  in 
dem  älteren  Gebäude  einnahmen,  dem  sie  entlehnt  sind.  Ihre  Entziffe- 
rung war  mit  aufserordentlichen  Schwierigkeiten  verbunden,  da  die  Hälfte 
der  Mauer  sich  in  dem  Bette  des  Mühlgrabens  hinzieht,  dessen  Gewässer 
sich  nicht  völlig  aufstauen  liefsen.  Das  Alphabet  der  Inschriften,  die 
einen  ähnlichen  Inhalt  darbieten,  wie  diejenigen  der  runden  Mauer,  unter- 
scheidet sich  von  dem  der  grofsen  Inschrift  nur  durch  die  Aufnahme  des 
Zeichens  H/  welches  jener  völlig  fremd  ist;  aufserdem  ist  das  Zeichen 

für  ^  in  B  (s.  8.  26)  ähnlich  dem  ^1  der  älteren  Inschriften  von  Vigle  (s. 

S.  14).  Drei  Ton  den  fünf  Inschriftblöcken  zeigen  Bruchstücke  eines  Textes 
in  einer  und  derselben  Schriftgattung  und  umfassen  sieben  Fragmente  von 
Kolumnen,  die  über  die  Steinfugen  hinüber  geschrieben  sind  (A).  Die 
Form  der  Buchstaben  ist  im  allgemeinen  weniger  sorgfältig,  als  in  der 
grofsen  Inschrift.  Trotzdem  scheint  nach  Comparetti  Text  A  nicht  nur 
gleichzeitig  mit  der  grofsen  Inschrift  zu  sein,  sondern  vielleicht  von  der- 
selben Hand  geschrieben.  Er  bildet  eine  selbständige  Gruppe  in  der 
gortynischen  Gesetzsammlung  und  war  vielleicht  gröfseren  oder  geringe- 
ren Inhalts  als  der  Text  der  grofsen  Inschrift,  auf  alle  Fälle  aber  sehr 


XII.  Insulae  Aegaei  maris  etc.:  Creta.  25 

ausgedehnt  —  Der  auf  der  änfsersten  Linken  eingemauerte  Block  ent- 
hält eine  einzige  Scbriftkolumne  und  zwei  Kolumnenfragmente  zur  Rech- 
ten (B).  Die  Schrift  rührt  von  zwei  Händen  her;  der  erste  Teil  hat 
A  A,  der  zweite  A  ^^^  ein  wenig  kleinere  Buchstaben.  Abweichenden 
Schriftcharakter  zeigen  die  in  zwei  Gruppen  angeordneten  Zeilenreste 
auf  dem  rechten  Rande  des  Blocks.  Eine  abweichende  Schriftgattung 
wird  ferner  repräsentiert  durch  einen  umgekehrt  eingemauerten  Quader« 
stein,  dessen  in  zwei  Kolumnen  mit  weit  kleineren  Schriftzeichen  als  A 
und  B  eingegrabener  Text  (C)  eine  eigene  Gruppe  für  sich  bildet  und 
dem  Fragment  S.  657  n.  18  (s.  S.  28)  am  nächsten  zu  stehen  scheint 
Beide  Bruchstücke  enthalten  Nachträge  zu  dem  grofsen  gesetzgeberischen 
Werk.  —  Die  neuen  Texte  enthalten  einen  Komplex  von  Bestimmungen 
über  das  Eigentum  uud  den  Schutz  desselben ;  ein  Stoff,  den  auch  ein  be- 
trächtlicher Teil  der  Gesetze  der  grofsen  Inschrift  zum  Gegenstande  hat 

Text  A.  —  Sieben  Kolumnenfragmente  zu  je  17  -19  Zeilen  (die 
Kolumnen  der  grofsen  Inschrift  zählen  je  63  —  67  Zeilen)  in  Miguskel 
und  Umschrift,  a.  a.  0.  Sp.  698-600  und  mit  ausführlichem  Kommentar 
Sp.  601 — 628.  —  Kol.  I.  II  wurden  von  Halbherr  schon  im  Jahre  1884 
gleichzeitig  mit  der  grofsen  Inschrift  entdeckt  (s.  S.  12)  und  von  Com- 
paretti  im  Anhang  zu  dem  Texte  der  letzteren  im  Museo  ital.  I  3  1886 
S.  277  ff.  =  Leggi  antiche  S.  49f.  publiziert  Es  wiederholten  und  be- 
handelten das  Fragment,  welches  «von  den  Civilrechtsfolgen  einer  Be- 
schädigung handelt,  die  ein  Eigentümer  von  Haustieren  an  seinen  eige- 
nen Haustieren  durch  fremde  Haustiere  erleidet«  (Büch.-Zit):  Lewy, 
Altes  Stadtrecht  von  Gortyn  (vergl.  S.  19),  S.  26 ff.:  Text,  Übersetzung 
und  Anmerkungen;  Job.  uud  Th.  Baunack,  Die  Inschrift  von  Gortjn 
(Vgl.  S.  20f.),  S.  166f.:  Text  und  Übersetzung;  Bücheier  und  Zitel- 
maun,  Bruchstücke  eines  zweiten  Gesetzes  von  Gortyn.  Rhein.  Mus.  41 
1886  S.  118 — 133,  die  beste  Bearbeitung:  Text  mit  kritischem  Apparat, 
sprachlichen  Anmerkungen,  Übersetzung  und  eingehenden  sachlichen  Er- 
örterungen. Eine  sprachliche  Nachlese  hielt  Blafs,  Rhein.  Mus.  41 
1886  S.  313f.  Endlich:  Dareste,  BGH  XI  1887  S.  240 f.:  Text  und 
französische  Übersetzung.  —  Die  neue  Kopie  von  Halbherr  verbessert 
und  ergänzt  an  einigen  Stellen  dessen  erste  Abschrift.  —  Kol.  III:  Wenn 
jemand  einem  andern  ein  Paar  Jagdhunde  geliehen  hat  und  letztere  dem 
Entleiher  sterben  oder  sonstwie  zu  Schaden  kommen,  so  soll  der  Eigen- 
tümer nicht  das  Recht  zur  Klage  haben,  falls  er  zum  Ersatz  ein  Paar 
andre  Jagdhunde,  wenngleich  minderwertiger  Rasse,  erhält  Lassen  sich 
jedoch  letztere  nicht  zur  Jagd  verwenden,  so  soll  der  Entleiher  den  Preis 
der  geliehenen  Hunde  zahlen.  —  Wer  ein  Haustier  von  einem  andern 
geliehen  oder  in  Verwahrung  genommen  hat  und  dasselbe  nicht  zurück- 
erstatten kann,  soll  den  Wert  desselben  ersetzen.  Weigert  er  sich,  so 
soll  er  den  doppelten  Betrag  zahlen,  dessen  Beitreibung  der  Staat  über- 


26  Griechische  Epigraphik. 

nimmt.  —  Eol.  IV:  Ein  entlaufener  Sklave  soll  nicht  verkauft  werden, 
wenn  er  sich  in  einen  Tempel  geflQcbtet  hat,  und  bevor  ein  Jahr  seit 
seiner  Flucht  verstrichen  ist.  Gehört  er  einem  Kosmos,  so  soll  dieser 
ihn  aufserdem  nicht  während  seiner  Amtsdauer  verkaufen  —  KoL  V.  VI. 
Hypothekenrechte :  Der  zahlungsunfähige  Schuldner  soll  der  Sklave  seines 
Gläubigers  werden;  doch  darf  er  an  seinem  Leibe  nicht  geschädigt  wer- 
den. —  Kol.  Vn  (sehr  unleserlich)  handelt  von  streitigem  Besitz,  welchen 
der  Schuldner,  während  der  Prozefs  noch  schwebt,  verkauft  Der  Kauf 
soll  ungültig  sein  und  der  Käufer  bestraft  werden;  auch  soll  der  letztere 
das  gekaufte  Gut  dem  Verkäufer  innerhalb  30  Tagen  wieder  zustellen. 

Text  B  (in  Majuskel  und  Umschrift  a.  a.  0.  Sp.  629 f.  Kommen- 
tar Sp.  631->634).  —  Bestimmungen  Ober  die  Richter  im  allgemeinen, 
sowie  Ober  das  Rechtsverfahren  in  verschiedenen  Fällen  und  die  ver- 
schiedenen Kompetenzen  der  Richter:  Der  Richter  soll  innerhalb  15  Tagen, 
nachdem  ein  Prozefs  anhängig  gemacht  worden  ist,  das  urteil  sprechen, 
widrigenfalls  er  eine  Strafsumme  an  den  äp^wv  roec  SixoQ  entrichten 
mufs.  —  In  einem  von  anderer  Hand  herrührenden  Zusatz  wird  es  dem 
kratpyjtäv  dixaaarat  und  dem  Richter  in  Pfandangelegenheiten  zur  Pflicht 
gemacht,  entweder  an  demselben  oder  am  nächstfolgenden  Tage  das  Ur- 
teil zu  fällen. 

Text  C  (in  Majuskel  und  Umschrift  a.  a.  0.  Sp.  635 f.  Kommen- 
tar Sp.  637—643).  —  Kol.  I:  Nachträge  zu  einem  Gesetz,  betreffend 
Pachte,  Darlehen  n.  s.  w.  Beschränkende  Vorschriften  für  Beschlagnahme 
von  beweglichem  und  unbeweglichem  Gut,  sowie  von  Personen  als  Unter- 
pfand. —  Kol.  II:  Gleichfalls  Nachtragsbestimmungen.  Es  handelt  sich 
um  Parzellen  des  Gemeindelandes,  welche  die  Stadt  verpachtet  hat;  die 
Pächter  haben  weder  das  Recht,  dieselben  zu  verkaufen  noch  Hypotheken 
auf  dieselben  zu  nehmen.  —  In  dem  zweiten  Zusätze  (von  Z.  11  an)  han- 
delt es  sich  um  Ländereien,  die  zu  beiden  Seiten  eines  Flusses  (natür- 
lich des  Lethaios)  liegen.  Bei  Verpachtung  der  einen  Hälfte  derselben 
soll  es  gestattet  sein,  als  Grenze  den  Flnfs  mit  einzubegreifen,  da  auch 
die  Stadt  das  Besitzrecht  des  Eigentümers  auf  den  letzteren  anerkennt. 
Doch  soll  für  das  Flufsbett  ein  Raum  verbleiben  (nicht  entwässert  oder 
sonst  urbar  gemacht  werden)  von  mindestens  einer  Breite,  die  der  Ent- 
fernung der  Brücke  von  der  Agora  entspricht. 


Comparetti,  Museo  ital.  II  1  1886  Sp.  227 ff.  n.  82  mit  Faks. 
(nach  Halbherr);  wiederholt  mit  französischer  Übersetzung  von  Da- 
reste, BGH  XI  1887  S.  242.  Vigle.  Eine  mit  zwei  älteren  Inschriften 
(s.  S.  17  u.)  auf  demselben  Steinblock  (rechts,  untere  Hälfte)  befindliche 
achtzeilige,  mit  der  grofsen  Gesetzesurkuncie  offenbar  gleichaltrige  In- 
schrift enthält  Bestimmungen  über  die  rechtliche  Stellung  der  Freigelas- 
senen. Denselben  soll  gestattet  sein,  sich  in  dem  Stadtviertel  Latosion 
anzusiedeln   und   völlige  Rechtsgleichheit  mit  den   übrigen  Bewohnern 


XII.  InsolM  Aegaei  maris  etc.:  Greta.  27 

dieses  Stadtteils  zu  geniefsen.  Niemand  soll  das  Recht  haben,  einen 
Freigelassenen  wieder  in  die  Sklaverei  zurückzuführen.  In  letzterem 
Falle  haben  die  Garanten  des  Freilassungsaktes  (r/rar  =  fießatarc^psc) 
die  Pflicht,  den  Freigelassenen  seinem  unrechtmäfsigen  Herrn  mit  Gewalt 
zu  entfuhren  (auXeTv),  Der  mit  der  Jurisdiktion  über  die  fswor  betraute 
^£woc  xöfffioc  soll  den  Entführten  nicht  aus  den  Händen  der  Garanten 
befreien  (jiij  Aaj'ai(8)v).  Kommen  die  Garanten  ihrer  Pflicht  nicht  nach, 
so  soll  jeder  von  ihnen  hundert  Stateren  und  die  doppelte  Freilassungs- 
somme  erlegen.  Zahlen  dieselben  nicht,  so  sollen  sie  die  doppelte  Straf- 
summe  dem  Denunzianten  und  der  Stadt  entrichten.  —  Der  Text  dieser 
Verordnung  ist,  wie  Dareste  richtig  anmerkt,  wichtig  zur  Erklärung  von 
Kol.  XI,  15 ff.  der  grofsen  Gesetzesurkunde,  da  aus  demselben  die  Exi- 
stenz eines  $ivtoc  xofffioQ  (Z.  4)  ersichtlich  ist,  entsprechend  dem  fevc- 
xhv  Bixafrnptov  zu  Ephesos  und  dem  praetor  inter  cives  et  peregrinos 
za  Rom.  Der  jnvä/Atov  rSä  $evea}  Kol.  XI,  16  ist  demnach  der  Geriehts- 
sehreiber  des  x6(t/io^.  —  Gleichaltrig  und  ähnlichen  Inhalts  scheint  ein 
von  Fabricius,  MD  AI  X  1886  S  94  f.  n.  3  (Taf.  n.  8)  mitgeteiltes  und 
acht  Minuten  unterhalb  der  Fundstätte  der  grofsen  Gesetzesinschrift  ent- 
decktes Fragment  zu  sein,  welches  gleichfalls  E  Qod  H  unterscheidet: 
'  ^  Seexaoyriaelji]  -(2)  l3]o<jav  räc  Ssxa  <r-(3)raT^^ac  rag -(4)  i]v  roiX 
AaToa{ot'{h)Q  xaradofii^v  x-(6)ava^     [A\l  8k  fiij  ee  X". 

Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  231  ff.  n  83/4  mit  Faks.  Yigle.  Sechszei- 
lige,  fragmentierte  Inschrift  zweier  zusammengehöriger  Steinblöcke.  Es 
handelt  sich  wahrscheinlich  um  Belohnungen  für  kriegerische  Verdienste, 
die  von  Gortyn  und  (dem  im  Kriege  verbündet  gewesenen)  Aulon  für 
einen  Diony[sios  mit  völliger  Einstimmigkeit  beschlossen  worden  waren. 
Dieselben  bestanden  nicht  nur  in  der  dreXeea  für  den  Geehrten  und  seine 
Nachkommen  und  in  anderen  gewöhnlichen  Privilegien,  sondern  auch  in 
dem  Geschenk  von  Grundstücken,  deren  umfang  in  den  Schlufszeilen 
Daher  angegeben  war.  —  Vgl.  Steph.  Byz.:  AbXwv  nSXig  Kpi^-n^c  xal 
Tonog. 

Derselbe,  Museo  ital.  II  2  1887  Sp.  645 — 668:  Frammenti  sparsi 
(mit  Faks.,  Beschreibungen  und  Notizen  von  Halbherr).  Alle  folgenden 
Fragmente,  die  entweder  in  den  antiken  Mauerresten  oder  im  Bett  des 
Mühlgrabens  oder  sonstwo  gefunden  wurden,  sind  von  Comparetti  ledig- 
lich angeordnet  nach  dem  Vorkommen  oder  Fehlen  des  H  nod  der  Ver- 
schiedenheit des  Alphabets,  n.  1  —  8  haben  E  =  ^i  7;  <lber  n.  9 — 16 
läfst  sich  nicht  urteilen;  n.  17  —  20  haben  H^  n.  21-26  gehören  wegen 
der  Anwendung  eines  neuen  Alphabets  (s.  S.  16)  zu  einer  späteren  Pe- 
riode, n.  1/2.  3.  17  zeigen  die  Schreibweise  in  Kolumnen.  Alle  diese 
gröfseren  und  kleineren  Fragmente  sind  archaisch  und  bustrophedon  und 
bieten  in  Sprachgebrauch  und  Formeln  mannigfache  Anklänge  an  die 
grofse  Inschrift.     Dieselben  gehören  zweifellos  zu  den  verschiedensten 


28  Griechisch«  Bpigraphik. 

Texten  vod  Gesetzen,  wie  dies  nameDtlich  ans  der  Anwendung  oder  dem 
Fehlen  des  H  hervorgeht.  Eine  Zusammengehörigkeit  der  einen  oder 
andern  Fragmente  läfst  sich  zwingend  nicht  erweisen.  Ich  lasse  diesel- 
ben in  kurzer  Beschreibung  und  der  Anordnung  des  Herausg.  folgen: 

Sp.  645  ff.  n.  1/2.     Zwei  zusammengehörige  Fragmente  (11  Zeilen) 
einer  Kolumne.     Wahrscheinlich  Bestimmungen  Ober  die  Obliegenheiten 
eines  von  zwei  streitenden  Parteien  erwählten  Schiedsmannes.    Derselbe 
soll  u.  a.  nach  Anhörung  beider  Teile  innerhalb  dreier  Tage  das  urteil 
finden.    Für  die  Nichtbefolgung  dieser  Verordnung  werden  Strafen  fest- 
gesetzt.   —    Sp.  648  f.  n.  3.    Reste  zweier  Kolumnen  (7  Zeilen).    Wahr- 
scheinlich Festsetzungen  der  an  die  Richter,  Zeugen  u.  s.  w.  zu  entrich- 
tenden Gebühren.  —  Sp.  649  f.  n.  4.  Sieben  Zeilenreste  mit  Bruchstficken 
Ton  Straf bestimmungeu.     Z.  6  ist   von  einem  dnercupo:  die  Rede,  der 
gleichfalls  in  der  grofsen  Inschrift  begegnet.     —    8p.  650  n.  5.    Zwölf 
Zeilenreste,  wohl  ähnlichen  Inhalts  wie  n.  1/2.    —     Sp.  651  n.  6.    Neon 
Zeilenreste.    Bestimmungen  Ober  Unterpfänder  (Z.  2/3:   ivexup\dx4raf)^t; 
Z.  6:  iuex]upax(Tav),  —  Sp.  651  f.  n.  7.   Sechs  dürftige  Zeilenreste.   Z.  5: 
np]oTeT[apTov?    Vgl.  die  grofse  Inschrift  Kol.  XI,  53.    —    Sp.  662  n.  8. 
Fünf  dürftige  Zeilenreste.    Inhalt  ungewifs.    Dieses  unscheinbare  Frag- 
ment wurde  von  Halbherr  noch  vor  der  grofsen  Inschrift  gefunden.    Ban- 
nack  hat  dasselbe  mit  dem  Anfang  von  Kol.  X  verbinden  wollen;  doch 
ohne  Berechtigung.     Z.  1  wahrscheinlich  -rißle]-  ;  somit  nicht  zu  ^]£- 
ßaXovTav^  zu  ergänzen.  —  Sp.  653  n.  9.   Zehn  Zeilenreste.   Inh.  ung.  — 
n.  10.    Drei  Zeilenreste  mit  wenigen  Buchstaben.    Inh.  ung.   —    Sp.  654 
n.  11.   Elf  Zeilenreste.   Inh.  ung.   -    n.  12.    Vier  Zeilenreste  mit  wenigen 
Buchstaben.  Inh.  ung.  —  Sp.  655  n.  13.  Drei  Zeilenreste  desgl.    Inh.  ung. 
—  n.  14.     Drei  Zeilenreste  mit  neun  Buchstaben.    Inh.  ung.      -     n.  15. 
Drei  Zeilenreste  mit  fünf  Buchstaben.   Inh.  ung.  —  Sp.  656  n.  16.   Zwei 
Zeilenreste.   Inh.  ung.  —  n.  l7.   Fragmente  zweier  Kolumnen  zu  je  sechs 
Zeilen.    Inh.  ung.     —     Sp.  657  n.  18     Dreizehn  Zeilenreste.    Inh.  ung. 
Z.  6/7'scheint  eine  Eidesformel  vorgeschrieben  zu  werden.    —    Sp.  668 
n.  19.   Acht  Zeilcnreste.   Inh.  ung.    -     n.  20.   Zehn  Zeilenreste.   Bruch- 
stücke von  Strafbestimmungen. 

Anfang  Dritte  Legislaturperiode.  —  Derselbe,  a.a.O.  Sp.  659ff.  mit 

ö.jhrh.^  Faks.  Über  das  Alphabet  dieser  nur  durch  wenige  unbedeutende  Frag- 
mente vertretenen  Periode  s.  S.  15.  Der  Gebrauch  des  H  in  ^'  21 — 26 
ist  ebenso  ungleich,  wie  in  n.  1—20  (s.  o):  n.  21  hat  E  =  ^%  ^\  über 
n.  22—25  läfst  sich  Gewisses  nicht  sagen;  n.  26  hat  H-  —  Sp.  659 f. 
n.  21.  Vierzehn  Zeilenreste.  Es  scheint  sich  um  Bestimmungen  für 
Richter  zu  handeln.  —  Sp.  660  f  n.  22.  Sechs  Zeilenreste.  Yielleicht 
Festsetzungen  hinsichtlich  eines  jährlich  zu  wiederholenden  Vertrages 
und  der  bei  demselben  zu  beobachtenden  Gebräuche.  —  Sp.  661  n.  23. 
Sieben  Zeilenreste.    Inh.  ung.  -  Sp.  662  n.  24.    Sieben  dürftige  Zeilen- 


XII.  Insalae  Aegaei  maris  etc.:  Greta.  29 

reste.   —    o.  25.    Vier  dOrftige  Zeileureste.    --    Sp.  663  f.  n.  26.    Fünf 
dürftige  Zeilenreste. 

Jüngere  Inschriften.  —  Halbherr,  a.  a.  0.  Sp.  690.  Zwei  In- 
schrifteo  von  äyopavoiwr,  1.  Eine  40  m  sO.  von  dem  kreisbogeDfOrmigen 
Gebäade  gefundene  Inschrift:  *En\  KuSavrog  rw  (2)  Kudavrog  xp7^[T\dp  - 
(S)^a  xal  d[p])[w  o[x]a  rol  (am  rechten  Rande  Nachtrag  des  Stein- 
metzen: rcD  n'\ovTt'\a]xuß)  (4)  Kudag  ^An[v?]aTw  (5)  dyopavofi^ffac  (6) 
euevqpta.  —  2.  Ein  in  der  Mauer  des  Uyposkeuiou  eingemauertes  Frag- 
ment. 

Fabricius,  MDAI  X  1886  S.  96f.  n.  4  (Taf.  n.  4).  Linksläufige 
archaische  Inschrift  aus  einem  zerstörten  Grabe:  [21'\6Tiiiog* 

UaussouUier,  BGH  IX  1886  S.  6ff.  n.  8.  Bündnis  zwischen  Oor- 
tyu  und  Lappa.  Bemerkenswert  die  Formen:  ^epi^vag  Z.  5  =  xlpijvoQ^ 
x^ipTjbBat  Z.  5  =  Inf.  Perf.  Pass.  von  Sliztw^  ^pp^^\  iipijppxu  =  i<pr^p,[i€u 
(schwerlich  richtig!)?  Der  Stein  ist  vollständig  erhalten,  die  Fortsetzung 
des  Textes  stand  auf  einem  andern.  Oberhalb  des  Bündnisses  findet  sich 
der  Schlnfs  einer  Verordnung  über  das  Holzfällen  in  einem  Tempelbezirk 
(S.  9  n.  8  bis). 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  17  f.  n.  12.  Dürftiges  Fragment  eines  Ver- 
trages zwischen  Oortyn  und  Knossos.  Die  Anfangszeichen  Z.  1  und  2 
&\uvaYaYat  und  auvayaYatev  will  der  Herausg.  =  auwayioyac  {(Tov^^xou) 
verstehen;  doch  sird  dieselben  nach  ßücheler,  Rhein.  Mus.  41  1886 
S.  310  aoristische  Verbalformen. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  18f.  n.  13.  Inschrift  über  einen  Kultusakt 
der  Kosmeu  und  des  »tepopyoc^  (Oberpriesters):  Ol  xoppoi  ol  auv  'Aparo^ 
yovw  ^AprepußvoQ  xai  lepopyltc  (2)  inefie^&ev  r<u  Taupiw  (?)  xal  tclq 
fprjaf  (?)  *Ex6pp.tov  otSe-  folgen  die  Namen  von  6  Kosmen,  darunter 
der  Oberpriester  an  zweiter  Stelle.  Dazu  ein  xoa/Kov  und  ein  Upopya} 
jxyd/xwv  (Schreiber).    Vgl.  Bücheier,  a.  a.  0. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  10  n.  9.     Reste  einer  Eidformel. 

AbXtcov  T^g  ^Eariag  1886  n.  479  (nach  der  Berl.  phil.  Wochenschr. 
1886  n.  16  Sp.  484).  Weibliche  Kolossalstatue  mit  der  Künstlerinschrift: 
EiaeSoTog  'A&rjvauog  knotet, 

Halbherr,  Musco  ital.  II  2  1887  Sp.  683  Anm.').  Fragment: 
-  -  Kata]apoG  \  •  •  2!eßaiT\ToTß. 

Hierapytna.  -  Novosadsky,  MDAI  XI  1886  S.  181  f.  n.  2.  Jetzt 
in  Candia.  Dem  Apollon  [Jejxara^opwt^  den  zwölf  Göttern  und  der 
'Mav[fi]tat  floXtdSt  haben  [ot  i]7t}  rcDv  Ju/id[v](oy  xoap.6vTiu[v  (folgen  zehn 
Mameu  mit  Vatersnamen)  einen  Tempel  ix  ^epj^Xi<a  d^pt  inl  r^[v  x]aTa-' 


30  Griechische  Epigraphik. 

koßs[a]  (anbekanntes  Wort)  d.  s.  w.  wiederhergestellt.  —  Der  obige  Bei- 
Dame des  Apollon  begegnet  io  der  argivischen  Inschrift  CIG  1142  und 
Paus.  1,  42,  5.    Mitte  oder  Ausgang  des  2.  Jahrb.  v.  Chr. 

Haussoullier,  BGH  IX  1885  S.  20  f.  n.  16.  EhreuiDschrift  auf 
T]i.  Claudius  Aristagoras,  des  T]i.  Claudius  Hyperanthes  xal  (3)  r]^c 
^ lepaTtuTveußV  noXetog  i}io[Q  (4)  xa\\  npoordrrjQ  xaJi  exScxog^  welcher  das 
zerstörte  Archiv  (ra  ypafi/jLazo^uXdxea)  auf  eigene  Kosten  wiederher- 
stellte. —  Vater  und  Sohn  begegnen  in  der  Inschrift  von  Hierapytna 
CIG  2562  Z.  23.  24;  zu  Beginn  von  Z.  24  ist  zu  ergänzen:  'ApttTTayopaQ, 
BOckh  setzt  die  Inschrift  in  die  Zeit  nach  Hadrian. 

Koutoleon,  BCH  XI  1887  S.  212f.  n.  1.  *'Ev  'hpaniTp(p€.  Den 
Dorion  Polymnis,  -capJav  Betf^ovia^  (3),  xazaXeyivra  elg  (4)  touq  8ijfiap' 
j^exouc^  (5)  ozpaTTjYhv  dno[d&t'{%)j[&ivTa  ehrt  sein  Vater  L.  Fl(avius) 
Snlpicianus.  —  Der  Vater  ist  bekannt  aus  mehreren  anderen  Inschriften 
von  Hierapytna  (CIG  2581.  2582);  Vater  und  Sohn  CIG  2590.  Die  neue 
Inschrift  berichtet  den  cursus  bonorum  des  Sohnes:  quaestor  Bithyniae, 
adlectus  inter  tribunicios,  praetor  designatus.  Sie  datiert  aus  der  Zeit 
des  Mark  Aurel  oder  des  Commodus. 

Ida  mons.  »Die   hellenistische   Gesellschaft   in    Herakleion. 

(Iraklio)  auf  Kreta  hat  Ausgrabungen  in  dem  Heiligtum  des  Zeus  ver- 
anstaltet und  eine  Inschrift  (s.  u.)  gefunden,  welche  zeigt,  dafs  hier  die 
Höhle  gewesen  ist,  in  welcher  Zeus  auf  erzogen  wurde«.  Berliner  philol. 
Wochenschr.  1885  n.  48  Umschlag  S.  1.  —  AusfOhrliche  Beschreibung: 
Halb  he  rr,  Scavi  e  trovamenti  neir  antro  di  Zeus  sul  monte  Ida  in 
Greta,  Museo  ital.  II  3  1888  Sp.  689  —  766  mit  Taf.  XI.  XII  und  zahl- 
reichen Abbildungen  der  gefundenen  Gegenstände  im  Text.  —  Vgl.  Orsi, 
Studi  illustrativi  sui  bronzi  arcaici  trovati  neir  antro  di  Zeus  Ideo»  a. 
a.  0.  Sp.  769-  904. 

Fabricius,  MDAI  X  1885  S.  280;  wiederholt  von  Halbherr,  a. 
a.  0.  Sp.  766.  Thoutäfelcben  aus  der  idäischen  Zeusgrotte,  in  Typen,  die 
an  die  Formen  der  Kursivschrift  erinnern:  Je  loat\iui  (2)  ^o^^yjv,  (3) 
^A<n7ip  'A'{4)Xe$dv'(b)Spou.  —  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  70;  wiederholt  von 
Halbhcrr,  a.  a.  0.  Inschrift  aus  der  idäischen  Zeusgrottc,  mit  schlecht 
eingehauenen  und  verwitterten  Buchstaben;  darunter:  YIOC.  —  Der- 
selbe, a.  a.  0.;  wiederholt  von  Halbherr,  a.  a.  0.  Sp.  761.  Ebendaher 
stammt  ein  Fragment  eines  grofsen  Thongefäfses,  auf  dem  die  vor  dem 
Brennen  eingekratzten  Buchstaben:  AEITTONI  (oder  AEITTONI) 
stehen. 

Halbherr,  Scoperte  nel  santuario  di  Hermes  Craneo,  a.  a.  0. 
Sp.  918-916.  -  Sp.  913.  Stele  mit  Weihinscbrift  aus  der  Kaiserzeit, 
gefunden  »nella  provincia  di  Am4ri  (Goveruo  di  Rettimo)  all*  ovest  del 


32  Griechische  Epigrapbik. 

Hadrian ;  aas  dem  Jahre  123/4  n.  Chr.  {Syjiiap^tx^^  i^wataQ  rh  17).  — 
S.  23  f.  D.  20.  Basis.  Die  Stadt  ehrt  den  Cäsar  Aarelias  Veras.  —  S.  24 
n.  21.  Basis.  Die  Stadt  ehrt  die  Publia  Aelia  Parthenis,  r^i^  adf^povcu 
—  S.  21  n.  16.  Unvollständige  Statae  eines  sitzenden  Mannes  (Kaisers?) 
mit  der  Kttnstlerinscbrift  auf  der  Basis:  Zrjvwv  )iXe$dv-(2)Spou  ^Aippo- 
d£r-(3)<T(0£^^  inoUt,  Ein  Zenon  aus  Aphrodisias,  S.  des  Attinas,  be- 
gegnet CIG  6151,  ein  gleicher  ohne  Vatersnamen  5374.  6233  (vgl.  Ar- 
chäol.  Ztg.  34  1876  S.  70).  Letzterer  lebte  im  2.  Jahrb.  v.  Chr.  Viel- 
leicht ist  er  identisch  mit  unserm  Künstler. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  25  n.  23.  Verwünschungsformel  gegen  die 
Frevler  an  den  himmlischen  nnd  unterirdischen  Göttern.  Unbekannt: 
dvopd^au^  dvopd^avrt. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  26.  Grabsteine:  n.  24  der  Claudia  Damo,  T. 
des  Boinobios.  Ein  Ti.  Claudias  Boinobios  figuriert  als  Protokosmos  von 
Lyttos  unter  Trajan  (114/5  oder  115/6  n.  Chr.)  CIG  2576  Z.  9.  10.  — 
n.  25  des  P.]  Claudius  Badas  und  der  Akeso,  T.  des  Badas. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  10 ff.  n.  10.  Ungewissen  Fundorts.  Frag- 
ment eines  Vertrags  zwischen  Lyttos  und  einer  bisher  unbekannten  kre- 
tischen Stadt  Malla.  —  Ergänzungen  und  sprachliche  Anmerkungen  Ton 
Bücbeler,  Rhein.  Mus.  41  1886  S.  310f.  -  A.  a.  0.  S.  13 ff.  n.  11. 
Ungewissen  Fundorts.  Die  Kosmoi  und  die  Stadt  (Dreros,  wie  sich 
aus  der  Datierung  ergiebt:  'Eni  rwv  AlBaXiiuv  xoap/ovrcjv;  Tgl.  Cauer, 
Del.'  n.  121 A)  ehren  die  Einwohner  von  Knossos  und  Lyttos  nebst  dessen 
am  Meere  gelegenen  Hafenstadt  {Auttcmv  rcDv  re  räv  ävw  noXev  uixiou' 
T(üv  xal  rwv  räv  inl  BaXdaaat  Z.  8 — 10)  wegen  Entsendung  von  Schieds- 
richtern. Das  unten  verstümmelte  Fragment  dürfte  den  letzten  Jahr- 
zehnten des  2.  Jahrb.  v.  Chr.  zuzuweisen  sein. 

Olns.  —  Comparetti  (und  Halbherr),  Museo  ital.  II  1  1886 
Sp.  177  f.  mit  Faks.  Gefunden  bei  Hagios  Nikolaos.  Vierzeiliges  Frag- 
ment, archaisch,  bustrophedon.  Reste  von  Personennamen  mit  folgenden 
Vatersnamen. 

PraesoB.  —  Derselbe  (und  Halbherr),  Museo  ital.  II  2  1887 
Sp.  673-676.  Gefunden  bei  den  Ruinen  der  alten  Stadt.  Fünfzeilige, 
archaische  Bustrophedoniuschrift  in  nichtgriechiscber  Sprache.  Dieselbe 
erinnert  an  die  beiden  Inschriften  von  Lemnos  BCH  X  1886  S.  Iff. 

Comparetti,  Memorie  delF  accademia  dei  Lincei  XI  1883  S.  180 
^193ff.;  Museo  ital.  I  2  1885  S.  141—150  mit  zwei  Tafeln  (Photographie 
Taf.  VIII,  und  Majuskeln).  Bei  einer  Restauration  der  Kirche  San  Marco 
zu  Venedig  im  August  1882  wurde  das  arg  verstümmelte,  in  mehrere 
Stücke  zerbrochene  Original  des  Vertrages  zwischen  Latus  und  Olunth 
CIG  2554  (höchst  ungenügend  nach  Chishull)  wieder  aufgefunden.  Durch 
diesen  Fund  kann  der  sehr  unleserliche  und  verdorbene  Text  der  In- 
schrift fast  ganz  wiederhergestellt  werden. 


XII.  Insulae  Aegaei  maris  eta:  Cypnu.  38 

Ditteoberger,  Index  Schol.  Hai.  Wiat6rl886/86  p.  XII  sqq.  nimmt 
die  TOD  Michaelis  wegen  der  Form  TxpyiY^areuaa^ro^  für  kretisch  gehal- 
tene Inschrift  Arch.  Zeitg.  XXXII  1874  S.  69  für  Eos  in  Ansprach  (s. 
Bencht  Teil  II  S.  497  u.). 

Joh.  Bannack,  In  Karlen  gefandene  Fragmente  von  Inschriften 
aas  Kreta,  Stadien  I  1886  S.  7— 15  wiederholt  and  behandelt  die  In- 
schriften Lebas-Wadd.  V  2  n.  881-884. 

Cyprus. 

Da  Deecke  in  diesen  Blättern  Bd.  XLIV  1886  S.  266— 274  im 
Jahresbericht  über  das  Kyprische,  Pamphylische  und  Messapische  die 
Litteratnr  der  Jahre  1882—1885  schon  eingehend  behandelt  hat,  so  wird 
hier  des  Zasammenhangs  halber  für  den  angegebenen  Zeitraam  eine  all- 
gemeine Übersicht  genügen. 

Deecke,  Die  griechisch* kyprischen  Inschriften  in  epichorischer 
Schrift.  S6DI I  Heft  1  1883.  Nach  einer  Einleitung:  Die  kyprische  Silben- 
schrift (S.  8-12)  folgen  150  Inschriftnummern  (S.  13—50)  in  lateinischer 
Umschrift  und  griechischer  Lesung  mit  Wortindez  (S.  78  -80)  und  einer 
Schrifttafel.  Vgl.  die  berichtigten  Lesungen  von  Deecke,  Bezzenb.  Beitr. 
XI  1886  S.  317  zu  n.  33.  41,  S.  319  zu  n.  31.  32.  62  (s.  S.  36  o.).  —  Bez.: 
Voigt,  Bezzenb.  Beitr.  IX  1884  S.  159-172. 

Alexander  Palma  di  Cesuola,  Salaminia.  The  history,  treasures 
and  antiquities  of  Salamis  in  the  Island  of  Cyprus.  With  an  introduction 
by  Samuel  Bireb.  London  1882.  XLYIH  und  330  S.  gr.  8^  mit  700  Ab* 
bildungen  und  einer  Karte  —  veröffentlicht  auf  grnnd  von  Ansgrabangen, 
hauptsächlich  in  der  Gegend  der  alten  Salamis,  eine  Reihe  kyprischer 
Inschriften,  jedoch  mit  zum  teil  unzureichenden  Lesungen.  £inige  der- 
selben waren  schon  früher  von  Beaudouin  und  Pottier  BCH  III  1879 
S.  347 — 352  herausgegeben.  Deecke,  Bezzenb.  Beitr.  VIII  1883  S.  143 
— 161  (mit  einer  Schrifttafel)  teilt  die  Inschriften  in  berichtigter  Lesung 
und  Deutung  mit  und  giebt  dazu  einen  ausführlichen  sprachlichen  Kom- 
mentar. Wiederholt  sind  die  Inschrifttexte  in  der  S6DI  a.  a.  0.  —  Da 
es  an  Einweisungen  der  einen  Publikation  auf  die  andere  fehlt,  so  folge 
hier  eine  Nebeneinanderstellung  der  gleichen  Nummern :  A.  a.  0.  S.  143  f. 
n.  14  =  SGDI  30,  S.  145-151  n.  15  =  SGDI  122  —  126,  S.  151—164 
D.  16  =r  SGDI  126,  S.  154-156  n.  17  =  SGDI  20,  S.  156  n.  18  =  SGDI 
24,  S.  156  f.  n.  19  =  SGDI  21,  S.  157  n.  20  =  SGDI  23,  S.  157  f.  n.  21 
=  SGDI  15,  S.  158  n.  22  =  SGDI  16,  S.  158f.  n.  28  =  SGDI  128, 
S.  159  n.  24  =  SGDI  58,  n.  25  =  SGDI  64,  S.  159  f.  n.  26  =  SGDI  135, 
S.  160  n.  27  =  SGDI  136,  S.  160  f.  n.  28.  29  =  SGDI  129.  130. 

Isaac  H.  Hall,  The  Gypriote  inscriptions  of  the  Cesnola  CoUection 
in  New- York.   Journal  of  the  American  Oriental  Society  XI  1885  S.  209 

Jahresbericht  (ur  Altertumswissenschaft-    LXVI.  Bd.  3 


34  Griechische  Epigraphik. 

—238.  Die  Publikation  ist  wichtig,  weil  die  Inschriften  nach  den  Ori- 
ginalen mitgeteilt  werden,  doch  nur  in  Transskription.  Auf  142  schon 
bekannte  Texte  folgen  31  noch  nicht  veröffentlichte;  doch  ist  keiner  der 
letzteren  von  gröfserer  Bedeutung.  —  Auf  grund  dieser  neuen  Revision 
liest  Meister,  Berl.  philol.  Wochenschrift  1885  n.  51  Sp.  1604  die  In- 
schrift SGDI  103:  ko  (oder  po).  i.  to.  ta.  ko  (oder  po)  =  ito}  roiroLxw 
ivon  dem  Ohrenkranken «.  Die  im  Kypriscben  bisher  unbelegte  Form 
no\  (statt  dessen  no-  vor  Vokalen,  no^  vor  Konsonanten)  führt  derselbe 
auf  älteres  *noai^  not  zurück.  —  Derselbe,  a.  a.  0.  liest  SGDI  104: 
to.  po.  to.  e.?  =  TwnwTui  ^[ju]  lieh  bin  (das  Votivgeschenk)  des  Taa- 
henc.  Zu  dem  neuen  Adjektiv  änwro^  »nicht  hörende  werden  verglichen 
dno^eog^  dnofia^og  n.  fthnl. 

Pierides,  The  Cyprus  Museum.  A  Short  account  of  Operations. 
Larnaka  1883.  5  S.  S^  mit  3  Taf.  —  Drei  linksläufige  Inschriften  in 
kypriscbem  Alphabet,  besprochen  und  verbessert  von  Voigt,  Studia  Nico- 
lai tana,  Leipzig  1884.  A.  1.  0.  S.  66  n.  I  (Taf.  I)  und  S.  67  n.  II  (Taf.  II) 
Dedikationen  in  je  drei  Zeilen  zu  Ehren  rag  &ew  rag  Ila^iag^  erstere 
von  einem  Charitimos,  letztere  von  einer  -themis.  Neu  ist  efefe  in  n.  II, 
welches  als  Aorist  von  *fix^  erklärt,  auf  Wurzel  vah  zurückgeführt  und 
gleichbedeutend  mit  dvii^rixe  aufgefafst  wird.  —  S.  68  n.  III  =  Ohne- 
falsch-Richter,  MDAI IX  1884  S.  138f.  n.  9.  Auf  einem  weiblichen  Torso: 
rd{,X)ixa  fJLS  (2)  xaretTraae  (3)  6  2'ca<nx'(^)p£rEog. 

Deecke,  Berl.  philol.  Wochenschrift  1886  n.  41  und  51.  Epicho- 
rische  Steiniuschriften  (sämtlich  linksläufig)  nach  Abklatschen  und  Abschrif- 
ten von  Obnefalsch  Richter  aus  drei  Nekropolen  in  der  Nähe  von  Polis- 
tis-Chrysükou,  dem  alten  Arsinoe,  im  Bezirk  von  Paphos.  —  A.  a.  0. 
n.  41  Sp.  1290  n.  1:  "Apiarog  {rät*^}  (2)  ^Äptaraxuizpo}  (3)  natBt.  —  n.  2 
auf  Basis  und  Hinterteil  eines  Sieinlöwen :  Tciioxunpog  6  Teiioxpireog 
inicraae  rd{,X)txfift  (2)  twi  xaaeyviJTioe,  Dasselbe  Verbum  begegnet  in 
einer  gemeingriechischen  Inschrift  derselben  Nekropole:  Ttiiayopat  (2) 
]^0]va(raY6pvu  (3)  Tu^^^  14)  iniary^ae,  —  n.  ^i^'Ovatog  ^fit.  —  Sp.  1291 
n.  4:  Iraaayöpau  (2)  ijpl  xw  2'(S)Taad{v)8pou.  —  n.  5:  TtjJLd{v)8pw 
^/il  (2)  ruf  Vvaaa-yöpao;  im  Anschlufs  an  diese  Inschrift  bessere  Lesung 
von  Sayce,  Proceediugs  of  the  Soc.  of  Bibl.  Archaeol.  VI  1884  S.  219 
n.  35:  Tt/ioBepeg  6  Ttpd(y)8pw  Io[X&ug  und  S.  217  n.  28:  üafoxXifi^g 
(=  HwxXr^g)  6  Nau^dpio  I!e[Xa/xeviog  (vgl.  u.).  —  n.  6:  ^ApeffzoxuTrpag  (2) 
i^jAc.  i(na(Te^Äpt<T-{Z)rog,  —  n.  7:  0doxpiTe6g  ^ßt,  —  n.  8:  Tefiayopau 
(2)  rw  Ttpoxpire'(Z)6g  ijfit.  —  Sp.  1292  n.  9:  dpa  (2)  J«.  —  n.  10 
Grabschlufsstein :  'OvaGayopao  rat — g  (2)  patfog  (Z.  2:  Xe[ßog  Bu]pa2pog?), 
—  n.  11  fast  unleserlich;  Z.  3:  'Ova[(Tt]&diiti  —  A.  a.  0.  n.  51  Sp.  1611 
n.  14;  derselbe,  Berl.  philol  Wochenschrift  1887  n.  12  Sp.  380  nach 
neuer  Abschrift  und  Photographie.  Grabschrift:  Ncxa  UpwTtfog  (2)  ^fu. 
*ti.  16  Grabschrift:    IlvuTtX(X)ag  ^pd  (2)  rag  flvurayopau  na<'{ß)S6g,    — 


XII.  losalae  Aegaei  maria  etc.:  Cypms.  '85 

Sp.  1612  n.  16  ;  nach  neuer  Kopie  Berl.  philol.  Wochenschr.  1887  a.  a.  0. 
Grabsclirift :  BefnoToximpa^.  —  n.  17  Grabschrift:  Tliiog  Te'(2)fjLaj'6pau 
(3)  ndig  i^'(4)fu.  [Durch  diese  Ausgrabungen  ist  die  Zahl  der  GefäCs- 
inschriften  auf  290  gestiegen.] 

Nach  der  kleinen  Broscbfire  The  Cyprus  Museum.  A  bilingnal 
Inscription  (Phoenician  and  Kjpriote).  Nicosia  1886.  8  S.  klein  8,  in 
welcher  Warren  mit  Hülfe  von  Pierides  eine  phönikisch- griechische 
Marmorinscbrift,  offenbar  Statuenbasis,  aus  Frangissa,  dem  alten  Ta- 
rn assos,  in  Übersetzung  und  Umschrift  publiziert  (vgl.  auch  Wright, 
Proceed.  of  the  Soc.  of  Bibl.  Arch.  YIII  1886  S.  47—61),  teilt  Deecke, 
Berliner  philol.  Wochenschrift  1886  n.  42  Sp.  1323  f.  dieselbe  mit.  Der 
phönikische  Teil  der  Weihinschrift  enthält  die  Datierung  nach  dem  30. 
Regierungsjahre  des  Königs  Melekiaton,  welchen  Euting  ungefähr  386 
—376,  Six  etwa  368—362  v.  Chr.  seUt  (vgl.  SGDI  69).  Den  griechisch- 
kypriscben  Text  liest  Deecke  unter  Verbesserung  einiger  Inkorrektheiten : 
Tdv  d(v)Sptd(u)Tav  rov(v)ü  iSoßxev  (2)  xäg  öviByjxev  Mavaa{ff)^Q  (3)  6 
Naifxi^veajv  rdu  Bern  (4)  rwc  ^AntiXwvt  ran  ^EXei'(h)'tat  i{y)  ruj^at,  Merk- 
wördig  ist  die  Form  ^AneiXaivt  statt  der  bisher  auf  Kypros  begegnenden 
^An6X{^X)aivt.  'EXecrag  ist  Ethnikon  der  lakonischen  Stadt  °£^oc,  doch  gab 
es  nach  SGDI  60  Z.  9  auch  auf  Kypros  in  der  Nähe  von  Idalion  eine 
Gegend,  die  r^  IXog  hiefs.  Ferner  ist  auffällig  das  bisher  in  epichori- 
scben  Texten  noch  nicht  gefundene  Ny  ephelkystikon  der  Verba.  -^ 
Euting,  Zwei  bilingue  Inschriften  aus  Taroassos;  Sitzungsber.  der  Akad. 
der  Wissensch.  zu  Berlin  1887  n.  9.  10  S.  116  -123  (mit  2  Taf.)  giebt 
von  dem  phönikischen  Text  der  obigen,  gröfseren  Inschrift  eine  Über- 
setzung und  Erklärung,  von  dem  kyprischen  einen  Auszug  aus  Deeckes 
Abhandlung  (s.  o.),  von  dem  sehr  beschädigten  phönikischen  Teil  der 
zweiten  Inschrift  (gleichfalls  aus  der  Regierung  des  Melekiaton)  eine  Er- 
klärung, für  den  kyprischen  Teil  die  Deutung  Deeckes,  Berl.  philol. 
Wochenschr.  1887  n  12  Sp.  380:  d(v)8p(äg  Uivurä)'  i3aß'(2)xev  'Aipdffu}' 
flog  6  I!a'(S)iiäfog  rm  *A7:6X{X)(ovt  Twt  (4)  *AXaacatTae'  i{v)  ruj^ae,  — 
Vgl.  die  abweichenden  Deutungen  von  Berger,  Deux  inscr.  bilingues  de 
Tamassus,  Revue  crit.  1887  n.  9  S.  172f.  und  Clermont-Ganneau,  a. 
a.  0.  6.  April  1887. 

Deecke,  Bezzenb.  Beitr.  XI  1886  S.  316-319.  Zwei  sehr  un- 
leserliche epichorische  Inschriften  aus  Aghia  Moni  unweit  Ktima  (=  Neu- 
Paphos)  mit  teilweise  neuen  Schriftzeichen.  Der  Herausg.  glaubt  die- 
selben folgend ermafsen  deuten  zu  können:  S.  316f.  A:  6  fld^w  ßa^at» 
XsüQ  Nc]xoxXef7jg^  (2)  6  Upeu[g]  rag  favd(T{&)ag,  (3)  6  ßaai[Xiog  Ttfid]p}[(ü 
Iveg,  (4)  rag  fjfu  —  ag  (6)  xaT€(T[Taae  Tä]e  Bewe  rä  .  .  pa  (vgl.  die  Weih- 
inschrift SGDI  40).  —  S.  316  B:  6  //a>w  ßaaiXeug  NtxoxX£-{2)fj^g,  6 
liepeug  rag  (3)  favda(ö)ag^  6  ßaatXiog  (4)  Tifxdp^w  htg  rag  —  (unvoll- 
ständig).  —    Da  sich  aus  beiden  Inschriften  die  richtigere  Deutung  der 

3* 


I 


36  Ghriechische  Epigraphik. 

paphiscben  Schriftzeichen  ko  and  ra  ergiebt,  so  ist  der  erste  Eigenname 
in  SGDI  33  Z.  2  als  der  des  Königs  Ti/iap}[og  zn  lesen;  der  SchloDs 
bleibt  undeatbar  (S.  817).  Ferner  ist  an  Stelle  des  Anfangs  der  »ganz 
falschen«  Lesung  von  n.  41  Z.  1.  2  za  setzen:  'Apetrraj'opae  (2)  w  ^(haat- 
foixoi  (a.  a.  0.)-  Endlich  ist  der  Anfang  yon  n.  31  und  32  zu  lesen: 
TdpßoLQ  (?)  I  8  dp^og  (S.  319).  Die  verschiedenen  Formen  des  ne  fahren 
ferner  zu  berichtigter  Lesung  der  Weihinscbrift  von  Idalion  n.  62:  Ta 
'Aßdva  rä  b  Wa'{2)Xt<oe  ßdxpa  Sixa  (a.  a.  0.)- 

Larfeld,  SIB  p.  XXX  Anm.  1.  Die  grofse  Bronzeplatte  von  Ida- 
lion SGDI  60,  die  schon  von  Bergk,  Jenaer  Litteraturztg.  1875  S.  466 
mit  gutem  Griff  in  das  6.  oder  den  Anfang  des  4.  Jahrh.  v.  Chr.  gesetzt 
wupde,  ist  auf  grund  von  Diodor  14,  98  und  15,  4  dem  Jahre  886  v.  Chr. 
zuzuweisen  und  berichtet  somit  von  dem  Kriege  des  Königs  Euagoras  von 
Salamis  mit  den  Persern  und  deren  kyprischen  Bundesgenossen. 

Dittenberger,  Deutsche  Litteraturztg.  1884  m  8  Sp.  270 f.  fafst 
die  Inschrift  SGDI  135  als:  7a,  'Ereoddiia,  m^t  unter  Hinweis  auf  Homer 
ß^  847:  KuxXa}<p^  r$,  mB  olvov. 

Ohnefalsch-Richter,  MDAI  IX  1884  S.  135 ff.  Gemeingriechi- 
sche Inschriften  von  der  Städte  eines  Apolloheiligtums  unweit  Voni  und 
Kythreai  (Chytroi).  —  S.  136  n.  1.  Basis.  Votivinschrift  des  Karys, 
S.  des  Onysagoras,  an  Apollo,  n.  2.  Desgl.  Votivinschrift  des  -  sidoros 
(Köhler  glaubt  Spuren  von  Pasidoros  zu  erkennen),  S.  des  Karys,  an 
Apollo.  Die  Dedikanten  von  n.  1  und  2  sind  wohl  Vater  und  Sohn. 
S.  136  n.  3.  Fragment  einer  Votivinschrift  der  Söhne  des  Karys,  von 
deren  Namen  nur  der  des  Nikodemos  erhalten  ist,  an  Apollo.  Der  bis- 
her unbekannte  Name  Karys  scheint  einem  berühmten  Priestergeschlecht 
anzugehören.  Er  findet  sich  auch  am  rechten  Knie  eines  in  Voni  ge- 
fundenen Torsos  eingekratzt:  KAPYC  Nach  Pierides  können  diese  In- 
schriften zur  Fixierung  eines  noch  zweifelhaften  Zeichens  des  kyprischen 
Syllabars  dienen;  er  liest  in  der  bilinguen  Inschrift  von  Pseudogolgoi 
SGDI  65  nicht  Karyx,  sondern  Karys.  —  n.  4.  Votivinschrift  des  Zoap- 
jfoc  (neu)  für  seinen  Sohn  Mrjvi^xpdn^  (neu)  an  Apollo.  —  S.  137  n.  5. 
Votivinschrift  des  Timokrates  für  seinen  Sohn  Onasioros  (oder  —  as)  an 
Apollo.  —  (n.  6.  Ein  Schalenfragment,  vielleicht  Wasserbecken,  trftgt 
aufsen  die  Inschrift:  ^AnoXkmvog  lspi[(üg).  —  n.  7.  Basis.  Votivinschrift 
der  Krateia,  T.  des  Agorias  (neu)  an  Artemis.  —  n.  8.  Auf  einem  drei- 
eckigen,  keilartigen  Steinblock  Opferinschrift:  LF  Fopmalot  ^iaaog  (2) 
TTJQ  dnoaxeu^g  (3)  iduaev  rö  lepdov,  (4)  LA  '^^  Upeov  6  ^/a-(5)<roc 
TÄy  fjSüXXlatv.  (6)  L€  ^  ^iatrog  Tw\y  (7)  Kiadiov  rb  iepeov.  —  Gor- 
piaios  =  kyprischer  Monatsname  >  Schmausemonat c,  August  und  Sep- 
tember. 


XIII.  Caria:  Ghenoneras  Rhodia.  37 

Dttmmler,  The  Cyprus  Herald,  Limattol,  21.  Sept.  1886  weist 
Dach,  dafs  der  Tempel  vod  Golgoi  voa  Louis  Palma  di  Cesncla,  Cyprus, 
LiODdon  1877  erfunden  ist.  Zweifel  an  der  Echtheit  desselben  waren 
schon  erhoben  worden  von  Neubauer,  Der  angebliche  Aphroditetempel 
zu  Golgoi  und  die  daselbst  gefundenen  Inschriften  in  kyprischer  Schrift, 
Berlin  1877. 

Sajce,  New  Gypriote  Inscriptions  from  Abydos  and  Thebes.  Pro- 
ceedings  of  the  Society  of  Biblical  Archaeology  VI  1884  S.  209—222. 
Aufser  den  schon  bekannten  beiden  kypriscben  luschriften  van  Abydos 
in  Ober-Ägypten  (SGDI  147.  148)  veröffentlicht  der  Herausg.  eine  grofse 
Anzahl  von  ihm  selbst  im  Tempel  Seti's  I.  zu  Abydos  gefundener  Inschrif- 
ten, leider  fast  nur  Eigennamen  enthaltend,  darunter  48  Nummern  in 
Originalschrift  und  lateinischer  und  griechischer  Transskription.  Es  folgen 
einige  verbesserte  Lesarten  und  Konjekturen  von  Six.  —  Die  neue 
Publikation  bietet  wenigstens  16  ganz  neue  Schriftzeichen,  von  denen  bis 
jetzt  zwei,  ros  und  nos,  mit  Sicherheit  als  Bezeichnung  geschlossener 
Silben  in  Anspruch  zu  nehmen  sind.  Hieraus  folgt,  dafs  das  bisher  allein 
bekannte  Syllabarsohema  zur  Bezeichnung  offener  Silben  der  letzten,  auf 
Auswahl  beruhenden  Entwicklungsstufe  der  kypriscben  Schrift  angehört, 
sowie  dafs  die  ältere  kyprische  Schrift  auf  die  hittitische  zurückzuführen 
ist.    Vgl.  Deecke,  Bezzenb.  Beitr.  IX  1884  S.  260  f. 

Sayce,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1884  n.  21  Sp.  671  berichtet  von 
44  kypriscben  Graffiti,  die  er  in  Abydos  kopiert  hat.  Mit  Ausnahme 
eines  einzigen,  welches  an  der  Mauer  des  Tempels  Ramses'  II.  eingekratzt 
war,  stammen  dieselben  von  dem  berühmten  Tempel  Seti*s  I.  Auch  in 
Theben  fand  sich  eine  kyprische  Inschrift  am  Eingange  eines  Grabes. 
—  Von  den  Eigennamen,  aus  welchen  die  Inschriften  meist  bestehen, 
sind  einige  neu;  auch  finden  sich  mehrere  bisher  nicht  bekannte  Wörter 
des  kypriscben  Dialekts.  Eine  der  Inschriften  lautet:  'ApijaToxXefy^g  6 
SeAofi/vcos  /i'  dvfi  — ;  letzteres  Wort  wohl  nicht  mit  dem  Herausg.  =s 
äve,  wozu  derselbe  auf  Homer  (z.  B.  y  496),  die  attischen  Tragiker  und 
Komiker,  Pindar  und  Herodot  verweist,  sondern  mit  Voigt,  Studia  Nico* 
laitana  S.  69  =  dvelBijxe,  Eine  andere  Inschrift  bietet:  Zo/^c  ^  TtfW' 
fdvaxTOQ  'A^oufdg.  Letzteres  Wort  mit  /  ist  auffällig.  Von  anderen 
neuen  Formen  sind  Kepayud^  und  ^g  (3.  sing,  imperf.,  wie  im  Arkadi- 
schen) zu  verzeichnen.  S.  die  Lesungen  von  n.  40  und  9  von  Deecke, 
Bezzenb.  Beitr.  a.  a.  0.  S.  250 f. 

Xm.   Carla. 

GhersoneBus  Rhodia. 

Dnrrbach  und  Radet,   BGH  X  1886  S.  253ff.  n.  2.    Phoenix  8.j«hrh. 
(Pheuikeh).     Auf  das  Präskript:    Toidt  toü  Sdfwu  </faftaafAdvcu  [iniddh' 


38  Griechische  Epigraphik. 

treev]  bnkp   rbv   vabv  rou   Aiov6'(2)(too iTcayyee^ld/ievot  £]So<j[ay   Tä\ 

XP^fiara  [r]o?[c]  a\p)[oum  (?)  folgt  in  zwei  Kolumnen  ein  Verzeichnis  der 
Beitragenden  mit  den  beigesteuerten  Summen.  3.  Jahrh.  v.  Chr.  Ein- 
heimischer Dialekt. 

s.  Jahrh.  Dieselben,  a.a.O.  S.  248  ff.  n.  l.    Ebd.    Weihung  des  Prytanen 

Timasitheos,  S.  des  Timasianax,  der  Priester  und  Hieropoioi  an  alle  Götter. 
Es  sind  aufgeführt:  ein  dp^tcuptardQ^  je  ein  Priester  der  Athana  und  des 
Zens  Pollens,  der  Aphrodita,  des  Asklapios,  des  Sarapis  und  21  Hiero- 
poioi. Ans  derselben  Zeit.  Einheimischer  Dialekt.  ~  S.  258  n.  4.  Ebd. 
Fragment:  ^AnoXXatvoQ  //e— .  —  S.  259  n.  5:  ^EXetHag  (=  EiXei&ueag). 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  247.  Ebd.  Grabstein  des  Helokrares,  S. 
des  Euanor.  —  S.  258  n.  3.  Ebd.  Grabstein  des  Bruderpaares  Apollo- 
nios  und  Charmylos,  SS.  des  Chairemon. 

Dieselben,  a  a.  0.  S.  261f.  n.  7.  Ebd.  Die  Genossenschaft  einer 
Ktoina  ehrt  durch  die  Verleihung  eines  Kranzes  den  Metöken  Philou- 
menos,  der  zweimal  ein  Amt  bekleidete  und  auf  seine  Kosten  ein  durch 
Erdbeben  zerstörtes  Gebäude  wiederherstellte  (tov  dvSpäjvav  [!]  xare- 
peefievov  [so!]  dnb  tou  aeefffiou).  Aus  später  Zeit;  zum  teil  barbarische 
Formen. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  259  n.  6.  iChabiaras,  Paruassos  1880 
S.  834c;  vergl.  Röhl  11,  55.)  Aus  Loryma,  jetzt  auf  der  Insel  Syme. 
Die  Genossenschaft  der  ipavtarai  für  den  Kult  des  Adonis  ehrt  den 
Tele]stas,  S.  des  Teleson,  aus  Caesarea  durch  Erteilung  des  Titels  euBp- 
yiraQ^  völliger  Freiheit  von  Abgaben  und  Beiträgen,  sowie  durch  Ver- 
leihung eines  an  jedem  Adonisfeste  zu  erneuernden  Kranzes  uud  durch 
alljährliche  Proklamation  der  zuerkannten  Ehren.    Einheimischer  Dialekt. 

Benndorf  und  Niemann,  Reisen  in  Lykien  und  Karien  I  1884 
S.  22  n.  18  (Chabiaras,  a.  a.  0.  d;  Benndorf,  Archäol.-epigr.  Mitteil, 
aus  Österreich  VI  1882  S.  157);  vgl.  Röhl  li,  56).  Aedicula  mit  der  Weih- 
inschrift: ÜS^ojv  UaiTsepat  und  der  KOnstleriuscbrifc  (2)  ^AdavodoipoQ 
(3)  inoh^ae.  Die  Künstlerinschrift  wiederholt  von  Löwy,  luschr.  gricch. 
Bildhauer,  Leipzig  1885  n.  302. 

Durrbach  und  Radet,  a.a.O.  S.  264  n.  8.  Ortadje,  Syme 
gegenüber.  Grabschrift  (?)  der  T]aTta 'AyT^oiddfiou,  (2)  xa&'  uo&emav  de 
{B)  ^Apjcdpj^oü  Boaaavouvriou  (Ethnikon  oder  Demotikon) ;  schon  bekannt 
ans  Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  VII  1883  S.  116  n.  13). 

GniduB. 

sGDi  Dubois,  BCH  VII  1888  S.  485  n.  1.     Aus  dem  Dorfe  Tatsa  bei 

*^^     Knidos,  jetzt  auf  der  Insel  Nisyros.     Fragment  eines  Ehrendekrets  in 


XIII.  Caria:  ChenoDesus  Rhodia.  Cnidas.  SIdus  Ceramicas.  39 

eiDheimischem  Dialekt.  Zor  Ergänzung  ist  wichtig  das  ähnliche  Dekret 
bei  Newton,  Halicarnassas,  Gnidus  and  Brancbidae  append.  n.  52  (S6DI 
3602). 

Scholl,  Rhein.  Museam  42  1887  S.  478  ergänzt  die  Weihinschrift 
Newton,  Halicarnassus,  Cnidas  and  Branchidae  I  pl.  XGII  n.  40.  II  766: 
)iBa\vdToeQ  (2)  Boytevra  (3)  8a]fJLioupydg  *Ap*{4)nd]xpä[g]  Idpuffaro  (5) 
ßaipov.  —  »Man  könnte  glaaben,  dafs  ein  hexametrisches  Muster,  bei- 
spielshalber ^ABavdrotQ  Buoavra  0{^aßv  Idpoaaro  ßwpov,  von  dem  Stifter 
verwertet  und  durch  Einsetzen  seines  Namens  und  Titels  aus  den  Fugen 
getrieben  sei.c 

'Villes  inconnues  du  golfe  G^ramiqae'. 

Diehl  und  Cousin,  BCH  X  1886  S.  423.  Am  Eingange  der  Bai 
von  Djowa  liegt  ein  kleines  Eiland,  Selroglu,  mit  beträchtlichen  Ruinen, 
die  nach  Ausweis  der  Inschriften  von  einer  antiken  Stadt  Kedreai  her- 
rühren, deren  Lage  bisher  unbekannt  war.  —  S.  426  n.  2.  Ehreninschrift 
der  Genossenschaft  der  Dioskuriasten  (nach  ihrem  Stifter  oder  Reformator 
Tbeodotos  benannt:  r^  xotvbv  rb  Aeoffxoopca^näv  0et}8oTsiw[)t).  Der 
KOnstler,  Simias,  S.  des  Pythokritos,  aus  Rhodos,  ist  unbekannt.  Sein 
inschriftlich  bekannter  Vater  lebte  um.  die  Mitte  des  2.  Jahrb.  v.  Chr. 
(Löwy,  Inschr.  griech.  Bildhauer  n.  174.  I74a.  176.  176).  Einheimischer 
Dialekt.  —  S.  426  n.  3.  Ebd.  Fragment.  Der  Damos  der  Kedreaten 
(Kedpearäv)  ehrt  -  -  ^tX/Sa, 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  424  n.  1.  Ebd.  Basis.  Nikon,  S.  des 
Kleippidas,  weiht  eine  Statue  im  Tempel  der  Athene.  Von  den  beiden 
Distichen  giebt  das  zweite  einen  sonderbar  verschlungenen  Sinn.  Die 
Inschrift  lautet:  %  fjtdXa  xa\  Taurav  6  KXsmmSa  Etaazo  Ncxwv  (2)  eixova 
reede  xXuzop.  pväpa  xa\  dil'tjovoiQ^  (3)  Baphv  oTtwg  buoevrt  Beuu  yipag  ä 
y^  iy\  vawt  (4)  ^piva  djjsAkoc  Swpa  BOa  lloXidg  Merriam,  American 
Journal  of  archaeology  U  1886  S.  426  liest  Z.  3:  £/,  Z.  4:  BuanoXiaQ, 
—  S.  428  n.  4.   Ebd.   Stelenfragment:  ''Ap/iiovt  (2)  arpan^yl^il  (3)  Aupv^k: 

Dieselben,  a.  a.  0.  Die  neueren  Geographen  haben  das  alte 
Bargasa  identifi/Jert  mit  dem  im  Innern  des  ceramischen  Meerbusens 
gelegenen  Flecken  Djowa.  Nach  einer  neuerdings  gefundenen  Inschrift 
ist  an  Stelle  des  alten  Bargasa  vielmehr  Idyma  zu  setzen.  —  S.  429 
n.  6.  Den  Kaiser  0üS(Tnaffea'(2)vbv  (ausgemeifselter  Name)  (3)  leßaatöv 
ehrt  rb  xotvbv  Idup/tov  rbv  (4)  ndvTwv  dv&pcjnwv  awrr^pa  xat  Eotpyilv^v 
in  Form  einer  Weihung  an  die  Götter.  —  S.  430  n.  6.  Ebd.  Arg  ver- 
Btämmeite  Basisinschrift  eines  -  -  c  MevBxpdrou  ne8te[uQ. 

Dieselben,  a.  a.  0.  n.  7.  Ebd.  Grabstele:  Ddima}  JSofxpdreue 
(2)  KedpeäTtc. 


40  Griechische  Epigraphik. 

Halicarnassus. 

iGAMo  Comparetti,  M^langes  Graax  1884  S.  175 — 186.    Museo  ital.  P 

1885  S.  151—157.  Die  mehrfach  herausgegebene  and  oft  besprochene 
archaische  Inschrift  IGA  500  (vgl.  n.  a.  Kirchhoff,  Stadien <  S.  4 ff),  die 
sich  jetzt  im  Britischen  Maseam  befindet  und  von  Comp,  neuverglichen 
worden  ist,  soll  nach  demselben  Gesetzesvorschriften  in  bezug  auf  Tem- 
pelgrondstttcke  enthalten  (vgl.  ve<o7toteTv  Z.  7/8;  Upi^  dyopä  Z.  8/4).  Ab- 
weichende Lesangen  und  Ergänzungen:  Z.  7—9:  I!ap[oaaw\XX{o  r]o  Bet- 
xoüio  ve[w'{S)7t]oc[hf  Td]g  fi[vT^]fwyag.  fj^  itap[a''(V)d(^o[aBai\  Z.  20/21: 
6pxmff[€u  Th\:  Btxaaräg  ^r-|av;  Z.  42:  ':[p6n\wi\  Z.  43/44:  xar'  o*\ftep 
rä  Spxta  ird{j[&i^. 

4.jahrh.  Beundorf  and  Niemann,  Reisen  in  Lykien  und  Karlen  I  1884 

S.  11  n.  2.  Weihinschrift:  da  narpoß/wt  (2)  ^ABrjvayopi^g  (3)  Il(xpo(so)C' 
a(oA8o(u)  (4)  'AxapfWfJLdkS[aßv  (5)  l]apau{so)c[a]wX8o{u),  Wohl  aus  dem 
4.  Jahrb.  v.  Chr.  Bemerkenswert  ist  die  ionische  Form  des  ersteren  Na- 
mens; neu  sind  die  beiden  folgenden  karischen  Namen. 

Dieselben,  a  a.  0.  n.  1.  Stein  mit  zwei  sehr  jangen  Inschriften: 
1.  Mxiß  KaXkia  xa\  Ma^{'{2)p]ou  xcü  JafiOip/'(S)wvog  ddeX^wv  (4)  xa- 
ra^ppovi^Täiv.  —  2.  Mxi^  (2)  BdXevrog  (3)  xal  AoißTttpxoo  (4)  xa^  Ttpx^ 
Xdou  (5)  dSeA^äJv. 

Suagela?    (Tschuktscheler  Kaie  bei  Budrun). 

Paton,  Journal  of  hellenic  studies  VIII  1887  S.  82.  Grabaltar 
mit  der  Inschrift:  ^EareoSo  .  s  \  ntypeo-'ye. 

Pedasa. 

Jadeich,  MD  AI  XII  1887  S.  384;  vgl.  S.  346.  Architravinschrift : 
'(?  8^p.oQ  ßa<rtX[€c ....  (2)  rijv  TraAaeffrplav  dve&i^xev. 

Caryanda  (Insel  im  SO.  des  Golfs  von  lasos). 

Haussoullier,  BGH  VIII  1884  S.  219f.  Dorf  Kudjak,  vielleicht 
aus  lasos.  Detaillierte  Vorschrift  Ober  die  Verteilung  des  Ekklesiasti- 
kon;  hergestellt  von  Hicks,  Journal  of  hell.  stud.  VIII  1887  S.  103 ff. 
and  nach  einem  nenen  Abklatsch  von  Paton  S.  116 ff. 

Bargylia. 
Papadopnlos-Kerameus, /T^^l'XV  1884  S.  61  n.  6.   Zu  Kyme 
gefundenes  Ehrendekret  des  S^fioQ  6  BapyoXei^rwv  auf  die  Kumäer,  wahr- 
scheinlich wegen  Entsendung  von  Schiedsrichtern.    Jetzt  im  Museum  zu 
Konstantinopei. 

Passala?  (Tschuluk). 
Die  Ruinen  bei  Tschuluk  gehören  vielleicht  zu  dem  alten  Passala, 
dem  Hafenorte  von  Mylasa.   Die  Zuteilung  der  folgenden  zehn  Inschriften 


XIII.  Carla:  Halicarnassas.  Pedasa.  Caryanda.  Bargylia.  Branchidae.     41 

an  lasos  seiteDS  des  Heransg.  stfitzt  sich  nach  Foocart,  BCH  XI,  2114 
Anm.  abgesehen  von  der  Nähe  dieser  alten  Stadt  nur  auf  die  zweifel- 
hafte Lesung  von  n.  8  Z.  1:  W  ßoi>X^  xal  6  8^/ioq  'laaswv  (2)  0euSä 
i^ßapj^^ffavra  u.  s.  w.  Allein  in  den  beiden  anderen  Weihnngen  von 
Slatnen  dnrch  Theodote  an  ihren  Gatten  (o.  2)  und  einen  anderen  Sohn 
(n.  4)  fehlt  der  Name  der  Stadt  Aufserdem  w&rde  bei  obiger  Lesnng ' 
der  Name  des  Sohnes  des  Theudas  fehlen.  Somit  dttrfte  vielleicht  'Idaova 
ZD  lesen  sein. 

Kontoleon,  BGH  XI  1887  S.  213  n.  2  in  Minuskeln.  Bule  nnd  t^ii? 
Demos  ehren  den  Theudas,  S.  des  Beboi(8o!)os,  leiblichen  Sohn  des  Me- 
nandros,  der  n.  a.  als  Gymnasiarcb  der  Neoi  mit  seinem  Sohne  Th.  sich 
verdient  gemacht  hatte.  Die  Kosten  der  Bildsäule  bestreitet  seine  Gattin, 
Theodote,  ^ExaTÖ/ivw  (Gen.),  leibliche  Tochter  des  Eros.  —  S.  214  n.  3 
in  Minuskeln.  Bule  und  Demos  laaimv  (?  s.  o.)  ehren  einen  Sohn  des 
Theudas»  der  sich  als  Ephebarch  und  durch  eine  unentgeltliche  Gesandt- 
schaft an  den  Kaiser  Hadrian  verdient  gemacht  hatte.  Die  Kosten  be« 
streitet  seine  Mutter  (wie  n.  2).  —  S.  214  f.  n.  4.  Bule  und  Demos  ehren 
den  Theudas,  S.  des  Th.,  der  mit  seinem  Vater  das  Amt  eines  Gymna- 
siarchen der  Neoi  bekleidete  (vergl.  n.  2).  Die  Kosten  bestreitet  seine 
Mutter  Theodote  ^ExarojjLvovog,  —  S.  215  n.  5.  Die,  ^tXoffißaaroi  yepou' 
ata  ehrt  den  Gymnasiarcben  G.  Vettius  Artemidoros.  —  S.  216  n.  8.  Die 
lulia  Augusta,  fir^ripa  arparoni^iüv^  ehrt  die  Stadt  unter  dem  Logisten 
und  Asiarchen  T.  Fl.  Demetrios  und  den  Epimeleten  M.  Mussios  Pankrates 
und  Dionysios-Dioskoros.  —  S.  216f.  n.  9.  Fragmentierter  Yolksbeschlufs, 
wonach  dem  gewesenen  Paidonomen  G.  lulius  Gapito  eine  elxdtv  ypanr^ 
iv  danßt  ini^puatp  mit  Ehreninschrift  errichtet  werden  soll.  —  S.  215  f. 
n.  7.  Den  A.  Mussios  Apros  ehren  M.  Mussios  Leon  und  M.  Mussios 
Helix  (s.  n.  6)  als  ihren  Patron  und  Wohlthäter.  —  S.  215  n.  6.  Im 
Jahre  pn'  (der  sullanischen  Ära?)  verwaltete  der  Paidonomos  M.  Mussios 
HcIix  (s.  n.  7)  sein  Amt  vofu'/icjg.  —  S.  217  n.  10.  Fragment:  Im  Jahre 
ft^'  unter  den  Gymnasiarchen  G.  Pompeius  und  lulius  Kominas,  S.  des 
Plson,  rd  ß'  o7Se  ^pia[T£uaav.  —  S.  218  n.  11.  Fragmentierte  Ehrenin-  t^ijf 
Schrift  auf  den  Kaiser  Antoninus  Pius. 

Branchidae  (Geronta). 

Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1885  S.  d50£f.;  ans  den 
wieder  aufgefundenen  »MS.  Inscriptions  collected  in  Greece  by  G.  R. 
Gockereli,  1810—14«. 

S.  351  f.  n.  102;  ungenauer  Lebas-Wadd.  V  222.  Fragment  eines 
Beschlusses  der  ffuvedpoe  (ll)  Y^väffij^  imtTTarwv  au[Y]xs/wp[^(T&a[e  (12) 
^Ernv/xo}  'Enivexou  roh  '^H[faL\ia[r{]wvo[Q  (13)  trc^ffae  arvjh^y  npbg  rtp  Ispw 
To[ü]  J[*-(14)^]c  TOM  Üwr^pog^  X^^^  ^^^  dvaYpd^B'(\b)a^at  rä  dv6- 
fjAXTa  Tiov  bnoftevovTwv  [7:'(l6)loXeT]wv  napä  de[a]  iv  rm  U[p]ä)e  rm  iv 


—161 


42  Griechische  Epigraphik. 

de'(l7)S6fjLoe^ — .  Der  Beschlafs  bezieht  sich  e/c  ri^v  d^ei7owTav  [i4ffo]A- 
^[wve  Jt8u  '  (7)  fxee]  Buatav  xa\  Upoupyeav  auvr[eX  -  (S)  e]urBat ,  xaBwg 
i[^]/[C]s7[o]  Twi  [^e]a;r,  8tä  t^"(9)  i]x  [n\XiovoQ  ^[p\üvoo  iJürj[ß]iya  [mo* 
lit[ji  -(10)  tv]ijxivat. 

S.  350  0.  98.  Bule  nod  Demos  ehren  den  Marcus  Aelins  Anrelias 
Doronas,  rbv  [i- {*l)[(ip\r\ß]ov  xat  dfi\(pt-{!S)[ß\aX^^  welcher  in  der  naßcav 
ndXij  an  den  grofsen  Didymeien  siegte.  —  S.  353  n.  106.  Fragmentierte 
Ehreninschrift,  u.  a.  u[nep  (5)  rau  ^[a]/£7Z)oa;c  xal  ^eXo^6[$to^  (5)  äyopa]- 
vofiTJaai  xai  not^aat  i'{fi)v\u}vt\a]iioug  ascToo  xat  iXaiou  (7)  xat]  rwv 
[X\ot(7:)(üv  imrrjStttDv  iv  (8)  8tio]^[spi]ai  xatpdtQ, 

S.  351  n.  100.  Fragment,  wonach  dem  ApoUon  eine  ^td\Xij  ge- 
weiht wird. 

Alabanda. 

Diehl  und  Goasin,  BGH  X  1886  S.  299 ff.  n.  1.  Fragment  eines 
umfangreichen  Ehrendekretes  emf  Iluppa  - ,  Derselbe  hatte  durch  reiche 
Geldunterstützungen  wiederholt  seiner  Vaterstadt  und  Privaten  aufge- 
holfen, mehrere  Mitbürger  aus  der  Sklaverei  losgekauft  und  dreimal  eine 
Gesandtschaft  (zweimal  an  den  römischen  Senat,  einmal  an  einen  König) 
übernommen.  Auf  der  letzten  Gesandtschaft  war  er  gestorben.  Die  Bür- 
gerschaft beschliefst,  eine  dem  Geehrten  nach  seiner  ersten  Gesandtschaft 
errichtete  Bildsäule  mit  einem  goldenen  Kranze  zu  schmücken.  —  Wahr- 
scheinlich aus  der  Zeit  des  Krieges  der  Römer  mit  Antiochus ;  in  diesem 
Falle  wäre  der  nicht  näher  bezeichnete  König  wohl  Eumenes  von  Per- 
gamon.  -  S.  307  n.  2.  Basis. .  Der  Demos  ehrt  den  M.  Antonius  Me- 
langros  von  königlicher  Herkunft,  dessen  Gharakter  und  Beredsamkeit 
gerühmt  wird,  und  der  als  Oberpriester  der  Roma  und  des  Gäsar  Auga- 
stus  sich  den  Dank  der  Stadt  erwarb.  -  S.  308  ff.  n.  4.  Fragmentierte 
Liste  von  Ehreninschriften  auf  Aristolaos,  S.  des  Gorgias:  1.  und  2.  von 
zwei  auYyivttat  (Abteilung  der  Bürgerschaft  zwischen  Phyle  und  Phra- 
trie;  der  Name  der  ersteren  nicht  erhalten,  der  der  zweiten  n]tvüTia}v)\ 
3.  seitens  des  Demos  von  Stratonikeia;  4.  seitens  eines  —itov  dr^fio^,  — 
S.  311  ff.  n.  5.  Fragmentierte  Liste  der  einem  Bürger  von  Alabanda  durch 
auswärtige  Städte  (Milet,  Jasos,  Parion,  Bargylia,  Herakleia  am  Latmos, 
Kos,  Hyllarima  [kleines  Städtchen  in  Karien])  sowie  durch  die  Genossen- 
schaften seiner  eigenen  Vaterstadt,  die  ihm  ein  Öffentliches  Begräbnis  zu 
teil  werden  liefsen,  zuerkannten  Ehren. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  308  n.  3.  Der  gewesene  Agoranom  Mo- 
schion, 8.  des  M.,  stiftet  'EpfteT  dyopatwt  ein  Weihgeschenk. 

lasas. 

Hicks  behandelt  in  der  CoUection  of  ancient  greek  inscriptions  in 
the  British  Museum  Part  lU  sect.  1  Oxford  1886  S.  64—66  n.  440-445 


XIII  Caria:  Alabanda.  lasas.  Lagina.  43 

die  Inschriften  von  lasos.  —  Vgl.  aoch  dessen  Artikel :  ilasosc  im  Journ; 
of  hellen,  stud.  VIII  1887  S.  83—118 

Haassonllier,  BGH  VIII  1884  S.  468.  Ehreninschriften  von  Bule  t  ist 
und  Demos:  1.  auf  den  Kaiser  [JSeßl^pov  *AvTw[ve]evov  [Eu]a6ß^  *Aue{[x]j^  ""' 
Tov\  2.  auf  Bedv  ^eß^pov  röv  naripa  roZ  xoplou  ijfimv  AvTcjveivoo,  — 
S.  454  f.  n.  1.  Rat  und  Volk  bekränzen  den  Ante]nor,  S.  des  Euandrides, 
aas  Milet  wegen  seiner  Verdienste  um  die  Stadt.  Der  Geehrte  ist  be- 
kannt aus  CIG  2859  Z.  2,  woselbst  herzustellen  ist:  'AvT7j[yopo<:.  Ergän- 
zung der  Inschrift  von  Hicks,  Journal  of  hell.  stud.  VIII  1887  S.  101. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  455  n.  2.  Fragment  eines  Verzeichnisses  von 
Geldbeiträgen  wohlhabender  Bürger  behufs  eines  Getreidekaufs;  herge- 
stellt von  Hicks,  Journ.  of  hell.  stud.  VIII  1887  S.  lOOf. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  456  n.  5.  Grabmal  des  Menippos  und  seiner 
Familie.  —  8.  467  n.  7.  Bilingue  (griech.  und  lat.)  Grabschrift  des  P. 
Ploticius,  L.  f. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  456.  Grenzsteine,  n.  3:  dtoQ,  n.  4:  ^tb^  (2) 
^r^e^TTOu.  —  Vgl.  Hicks,  Journal  of  hell.  stud.  VIII  1884  S.  115. 

Durrbach  und  Rad  et,  BCH  X  1886  S.  267  n.  5;  vorher  Mooaeiov 
xae  ßtßXtoByixTi  II  2/3  1878  S.  49  (Röhl  II,  59).  Jetzt  auf  der  Insel  Syme 
befindliche  Inschrift:  flouX^sp  (2)  xoevajvcjv  (3)  Atfxsvtov  '/l*(4)(r/a(  olxo^ 
(6)v6poc  iy  (6)  ^latTw.  -  xotvoßvo/  =  publicani,  societates  publicanorum. 
Zu  vergleichen  und  nach  unserem  Text  zu  ergänzen  ist  die  bilingue  In- 
schrift von  Milet  CIL  III  447,  in  welcher  olxovofioc  durch  vilicas  über- 
setzt wird.    —    S.  auch  Hicks,  Journ.  of  hell.  stud.  VIII  1887  S.  113. 

Pantelides,  BCH  XI  1887  S.  76£f.  n.  6.  Auf  Kos  gefundenes, 
unten  verstümmeltes  Ehrendekret  der  Bule  und  des  Demos  von  lasos 
auf  Teleutias,  8.  des  Theudoros,  von  Kos,  dem  unter  anderen  Privilegien 
mit  seinen  Nachkommen  die  Proxenie  und  das  Bürgerrecht  erteilt  wer- 
den. —  Nach  Hicks,  Journ.  of  hell.  stud.  VIU  1887  S.  112  ist  der  Ge- 
ehrte wahrscheinlich  identisch  mit  dem  Koer  Teleutias  Anth.  Pal.  II  n.  91. 

Vielleicht  gehört  nach  lasos  die  Inschrift  von  Caryanda  (s.  8.  40). 

Mooauov  xa\  ßtßkoBi^xfi  V  1884/6  S.  61  n,  ov'  in  Minuskeln.    Rju-    t^Mi 
luk  bei  Mylasa.     Tbv  ix  iptlo(To<piaQ  ßa- {B)  (rtXeuovra  xal  dexatoau»(4)vjj 
re  xal  ral^  äXXat^  dpe'(d)Tae^  Tiourav  deeth^^oTa  (4)  rijv  u^'  ^X((p,  den 
Kaiser  Fl.  Claud(ius)  lulianus,  ehrt  durch  eine  Widmung  Rat  und  Volk 
von  lasos. 

Lagina. 

Diehl  und  Cousin,  BCH  IX  1885  8.438-451.    Fragment  eines      «^ 
8eDatusconsuitam  vom  J.  81  v.  Chr.  als  Antwort  auf  eine  Gesandtschaft 


44  Griechische  Epigrapbik. 

der  Stadt  Stratonikeia  in  Karien,  gefanden  unter  den  Ruinen  des  Hekate- 
tempels  bei  Lagina,  auf  dessen  Mauern  mehrere  offizielle  Urkunden  der 
grofsen  Nachbarstadt  entdeckt  worden  sind.  Der  Senatsbeschlufs  war  in 
Kolumnen  auf  die  Mauer  des  Tempels  quer  über  die  einzelnen  Steine  ge- 
schrieben. Bisher  bekannte  zusammenhanglose  Fragmente  desselben: 
1.  Fragment  £:  Newton  1867  (Halicamassus,  Cnidus  and  Branchidae 
n,  75  =  Benndorf  und  Niemann,  Reisen  iu  Lykien  und  Karlen  I  1884 
S.  156  n.  132),  2.  G  und  H:  Benndorf  und  Niemann  1881/2  (a.  a.  0. 
n.  181.  133),  3.  ein  sehr  kurzes  Fragment  Lebas-|Waddington  (Inscr. 
d'Asie  min.  n.  533.  534).  Durch  die  Entdeckung  von  neun  weiteren 
Fragmenten  wird  eine  annähernde  Rekonstruktion  der  wichtigen  Urkunde 
ermöglicht.  —  Z.  1—13:  Dem  Senatsbeschlusse  geht  voraus  ein  fragmen- 
tarisch erhaltener  Brief  des  Diktators  Sulla  an  die  Einwohner  von  Stra- 
tonikeia, in  welchem  derselbe  die  Ergebenheit  der  Stadt  gegen  Rom 
rühmt  und  die  deswegen  während  des  mithridatischen  Krieges  über  die 
Stadt  verhängten  Leiden  hervorhebt.  Z.  13 — 17:  Kurzes  amtliches  Schrei- 
ben des  Sulla,  in  welchem  den  Stratonikeern  die  Aushändigung  einer  Ab- 
schrift des  Senatsbeschlusses  an  ihre  Abgesandten  mitgeteilt  wird.  Z.  18 
— 119:  Protokoll  über  die  Senats  Verhandlungen.  1.  Z.  22 — 59:  Nach  den 
üblichen  Einleitungsformeln  sowie  nach  einem  Appell  an  das  Wohlwollen 
Sullas  und  einer  Hervorhebung  der  Verdienste  ihrer  Stadt  um  Rom 
stellen  die  Gesandten  au  den  Senat  die  Bitte  a)  um  Aufrechterhaltung 
der  alten  Gesetze  der  Stadt,  b)  um  Bestätigung  der  während  des  mithri- 
datischen Krieges  gefafsten  Yolksbeschlüsse,  c)  um  Ratifikation  der  von 
Sulla  der  Stadt  bewilligten  Ländereien  und  Einkünfte,  d)  um  Anerken- 
nung des  Asylrechtes  im  Tempel  der  Hekate,  e)  um  Wiederherstellung 
der  im  Kriege  verlorenen  Güter,  f)  um  Befreiung  der  während  des  Krieges 
in  Knechtschaft  geratenen  Bürger,  g)  um  geneigtes  Gehör  in  jeder  die 
Stadt  betreffenden  Angelegenheit,  h)  um  das  Privilegium  für  die  Ge- 
sandten der  Stadt,  auch  aufser  der  Reihe  Audienz  bei  dem  Senate  zu 
erhalten.  2.  Z.  59 — 119:  Zuvorkommende  Einladung  des  Senates  an  die 
Gesandten,  in  dem  Sitzungslokale  den  Bescheid  zu  vernehmen;  Bestäti- 
gung des  Titels  der  Freundschaft  und  Bundesgenossenschaft  des  römi- 
schen Volkes  an  die  Stadt  und  Verleihung  der  gleichen  Titel  an  die  Ge- 
sandten; Bewilligung  der  einzelnen  Gesuche  der  Reihe  nach,  wahrschein- 
lich unter  thatkräftiger  Unterstützung  des  Diktators;  Beauftragung  des 
Diktators  und  des  Prokonsuls  von  Asien  mit  Überwachung  der  Ausfüh- 
rung der  Beschlüsse.  —  Eine  Fortsetzung  des  Senatsbeschlusses  bildet 
ein  Volksbeschlufs  der  Stratonikeer  hinsichtlich  des  Asylrechtes  im  Tem- 
pel der  Hekate,  der  von  Sulla  und  dem  Senate  anerkannt  wird.  Am 
Schlüsse  desselben  findet  sich  eine  nur  fragmentarisch  erhaltene  Liste 
der  Völker,  Städte  und  Fürsten,  welche  die  Anerkennung  der  Unverletz- 
lichkeit des  Heiligtums  zugesagt  haben.  ~  Der  inschriftlich  erhaltene 
Teil   des  Beschlusses   mag  etwa   ein  Zehntel   des  Ganzen   ausmachen. 


l 


^^'^^^^'^'mmmmm^pmmm^tm^mmmmmmm 


XIII.  Carla:  Lagina.  45 

Sprachliche  ond  sachliche  Anmerkangen  bietet  Bases,  'E^.  dp^.  1886 
8.  41—48. 

Beondorf  und  Niemann,  Reisen  in  Lykien  und  Karien  I  1884 
S.  156  n.  134.  EckstOck  einer  Basis  oder  Ära  mit  fragmentierter  Rechen- 
schaftsurkunde einer  Tempelbehörde.  —  A.  a.  0.  n.  135.  Stele  mit  frag- 
mentiertem VolksbeschluTs  (i8o$ev  KoapevSeümv)  betreffs  einer  von  Maus- 
sollos,  S.  des  Hekatomnus,  verliehenen  Abgabenfreiheit.  Datiert  nach 
dem  ersten  Jahre  des  Königs  Philippus  und  einem  Satrapen  Asandros. 

Diehl  und  Cousin,  BCH  XI  1887  S.  7-12  n.  1—6.  Listen  von 
Hekatepriestern  aus  den  Trümmern  des  Tempels:  S.  7f.  n.  l  6  Priester; 
S.  8f.  n.  2  9  Priester;  S.  9  f.  n.  3  (mitgeteilt  von  BenndorO  zwei  Kolum- 
nen mit  2  +  9  Priestern;  S.  10  n.  4  (Benndorf)  5  Priester  xarä  ^revra- 
(ß)eT]ijpe3a  rijv  d^&eTirav  /xerä  (4)  t]ou^  TtoXe/iooc  TipwTTjv,  Der  Tempel 
der  Hekate  war  wahrscheinlich  während  der  mithridatischen  Kriege  und 
des  Einfalls  der  Parther  unter  Labienus  (39  v.  Chr.)  verwüstet  und  die 
Pentaeteris  unterbrochen  worden.  —  S.  11  n.  5  (Benndorf)  6  Priester; 
8.  1 1  f.  n.  6  (Benndorf)  Liste  mit  dem  Namen  eines  Priesters  (?),  sowie 
eines  lepeug  inavyeddiuvog ^  einer  Idpeta^  einer  xXetSo^opog  inavyetXa- 
/iduij  und  eines  napanopLnog,  Die  letzten  vier  sind  Vater,  Mutter,  Tochter 
und  Sohn.  —  Die  Ausdrücke  htayydXXopae  und  inayyeXia  (s.  im  Folg.) 
beziehen  sich  höchst  wahrscheinlich  auf  das  den  priesterlichen  Personen 
vor  ihrer  Wahl  abgenommene  Versprechen,  die  mit  ihren  Ämtern  ver- 
bundenen grofsen  Auslagen  und  kostspieligen  Spenden  (vgl.  n.  42  S.  46) 
rite  bestreiten  zu  wollen. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  12f.  n.  7  (Beund.).  Fragmentierter  Bericht 
wahrscheinlich  von  Spenden,  welche  eine  Frau  als  xXetSo^öpog  i$  inaV' 
jreX/ac  (s.  0.;  diese  Würde  bekleidete  sie  gemeinschaftlich  mit  ihrer  Tech* 
ter  lulia  — )  und  darauf  als  Priesterin  mit  Unterstützung  ihres  Sohnes 
lolius  geleistet  hatte. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  13  n.  8  (Benndorf).  Name  eines  Priesters, 
einer  Priesterin  und  des  Sohnes  derselben.  --  S.  13  f.  n.  9  (Bennd.) 
5  Priester.  —  S.  14  n.  10  (Bennd.):  2  Kol.  mit  1  +  8  Priestern.  —  S.  15 
n.  11  (Bennd.)  2  Priester.  —  S.  15  f.  n.  12  2  Kol.  mit  2  Priesternamen 
und  10  verstümmelten  Namen.  —  S.  16  n.  13  (Bennd.)  2  Kol.  mit  dem 
Namen  eines  Priesters  und  4  weiteren  Namen.  —  S.  17  n.  14  (Bennd.) 
2  Kol.  mit  den  Namen  einer  Kleidophoros  Klaudia  Nymphidia  und  eines 
Priesters,  dessen  Frau  Mitpriesterin  war.  —  n.  15  3  Priester.  —  S.  l7f. 
n.  16  2  Kol.:  2  +  3  Priester.  —  S.  18  n.  17  1  Priester.  —  n.  18  1  Prie- 
ster. —  S.  18 f.  n.  19  2  UpeTg  if[av}'t(so)Xdpevoe,  —  S.  19  n.  20  2  Kol.: 
2+2  Priester,  1  Epimeletes.  —  n.  21  (Bennd.)  2  Priester.  —  S.  20  n.  22 
(Bennd.)  2  Priester.   —  n.  23  3  Priester;  Z.  6  wird  olo^eaiav  durch  ein 


46  Griechische  Epigraphik. 

Aber  das  0  ^^^  Präpositioo  xa&'  gesetztes  Y  bezeichnet  (vgl.  ROhl  II, 
eo).  —  n.  24  3  Priester.  —  S.  21  n.  25  3,  n.  26  6,  n.  27  4  Priester.  — 
8.  21  f.  n.  28  2  Kol.:  4  +  1  Priester.   —    S.  22  n.  29  4,  n.  30  3  Priester. 

—  S.  23  0.  31  (Bennd.)  3,  d.  32  (Bennd.)  4  Priester.  —  8.  24  n.  34 
2EoI.;  a  wahrscheinlich  Rest  eines  Ebrendekrets,  b  ein  Priestername. 
~  8.  24  f.  n.  35  (Bennd  )  2,  8.  25  n.  36  (Bennd.)  4  Priester.  —  8.  25  f. 
n.  37  (Bennd.)  Name  eines  hpehg  inavyseMfievog  Aristeides,  S.  des  Leoo, 
KoiXiopyeuQ)  ^  welcher  vorher  schon  Priester  des  Zeus  Panamaros  und 
Grofspriester  der  Kaiser  gewesen  war.  Es  folgen  die  Namen  eines  Prie- 
sters und  einer  Priesterin  sowie  ihrer  Tochter,  einer  Kleidophoros.  — 
8.  27  n.  38  (Bennd.)  Name  eines  Priesters.  —  n.  39  (Bennd.)  2  Kol.:  ein 
lepBüg  inav]r£i'(2) M/xevoQ  iv  7:sv-(S)TasT7)pede  und  ein  uejltg  t^q  noXeaßg. 

—  S.  27  f.  n.  40  Name  eines  Upstfjg  i$  (i)na^^eXta}v;  darunter  in  2  Kol. 
Name  eines  Priesters  und  einer  Priesterin,  die  ihr  Amt  treu  verwalteten, 
sowie  eines  lepeuQ  inavyii^o)  Xoliibvoq^  welch  letzterer  auch  BCH  V,  190 
begegnet.  —  S.  28  f.  n.  41  Name  eines  lepeug  i$  lepiojv  und  einer  iepeea, 
seines  Weibes,  welche  vorher  Priester  rou  fJavT^fiep^ou  dtdg  gewesen 
waren;  sowie  einer  xXc (so) So^opog  und  eines  im/ie^r^jg  riuv  fioaTTjptiuv. 

—  8.  29  f.  n.  42  zwei  zusammengehörige  Fragmente  mit  den  Namen  eines 
hpsug  in\a)fYttX[d}isvog^  iv  nevrasTi^pedc  tö  7ti[jin]7üv,  (2)  9£ü8u}pog\ 
Oeo^iXoü  [Kc'iv^efiog  (derselbe  auch  n.  43),  sowie  eines  (3)  kosug  inav- 
Y{ec\Xdp£vog  rö  dsurepov  (4)  8iaXt7rd>v  /liffa  irrj  duo  ßeo^eXug  ßeo^tXou 
^UlpoxcDpijTTjgy  (5)  hg  xa\  iTn^jvye  (so)  Xaro  rou  Kaiaapog  fOjvhg  rjj  npwTjj 
Zeßaaxljl  (6)  xa\  Ofia  r^  unoa^iat  ro  re  lepov  rjvuae  xal  rijv  Beov  ebaS" 
[ßfjffe  (7)  xal  rä  Ttpbg  zoug  dvbpwnoog  i(pc[X]p7tiiyj^ri,  Der  Monat  Kai- 
sarios  ist  der  erste  des  asiatischen  Kalenders  (24.  Sept.  —  24.  Okt.).  Das 
Epitheton  Zeßaar^  ftir  bestimmte  Tage  findet  sich  auch  im  ägyptischen 
Kalender.  —  8.  30  n.  43  2  Upelg  inavyeeXdfieyoe,  von  denen  der  erste 
auch  in  n.  42  genannt  wird.  —  8.  30  f.  n.  44  (Bennd.)  3  Priester.  — 
S»  31  f.  n.  45  (Bennd.)  Name  eines  Priesters  Charilaos,  der  sein  Amt 
rühmlich  verwaltete,  sowie  eines  Upeug  ig  inavysXiag  Thrason,  S.  des 
Hierokles,  Leon  'hipoxaj/i^'njg),  der  vorher  schon  folgende  Ämter  be- 
kleidet hatte:  das  Erzpriesteramt  10 jährig,  die  Gymnasiarchie  11  jährig, 
das  Priesteramt  rou  fieyiarou  Beou^  des  Zeus  Panamaros,  16 jährig,  des 
Propator  Zeus  Chrysaoreios  (vergl.  n.  60)  20 jährig,  sowie  seiner  Frau, 
einer  Priesterin,  deren  beider  Tochter  Kleidophoros  war.  Thrason  ist 
bekannt  aus  CIG  2720.  2721;  er  lebte  unter  den  Antoninen  und  gehörte 
zu  einer  der  grofsen  Priesterfamilien  der  Stadt.  —  S.  160  n.  69.  Frag- 
ment:  —  ou  Toü  0aveou  KoXiopy[e6g» 

Dieselben,  a.a.O.  8.  145  f.  n.  46.  Fragment  einer  Aufzählung 
der  Verdienste  des  kpeu]g  ig  inavyeXeag  Tib.  Fla[vius,  8.  des  Stratokies, 
Menandros  Ku[p€(va]^  6  xal  JeoxXrjg  Ko{Xeop]r£ug),  und  der  Upeea  rb  ß* 
FlLavia  Leontis.     Beider  Namen  lassen  sich  nach  Inschriften  von  Pana- 


ZIIL  Carla:  Lagina.  47 

mara  herstellen;  sie  bekleideten  das  Priestertoni  des  Zeus  Pana[maro8 
und  der  Hekate.  Namentlich  die  hervorragenden  einheimischen  Priester- 
familien besafsen  das  römische  Bürgerrecht.  Sie  fügten  ihrem  griechi- 
schen Namen  ein  römisches  Pränomen  und  Nomen  bei  und  waren  der 
Tribus  Quirina  zugeteilt;  nur  einmal  begegnet  auch  die  Tribus  Papiria 
(Wadd.  626).  Als  Feste  werden  erwähnt  die  ans  mehreren  Inschriften 
von  Panamara  bekannten  Komyria  und  Heraia. 

Dieselben,  a.a.O.  S.  146 f.  n.  47.  Zwei  Fragmente  (a  schon 
BCH  V,  191  n.  12  =  Röhl  II,  60)  einer  Aufzählung  der  Verdienste  eines 
Hekatepriesters,  der  u.  a.  bei  den  Geldspenden  auch  die  'Pcjfialot  {=  ne* 
gotiatores)  bedachte,  und  seiner  Tochter  Leontis  ^kipoxwfujrei),  einer 
Kleidophoros  und  Boyd-cT^p  t^q  [noktaiQ,  —  8.  163  n.  57.  Zwei  Frag- 
mente. Erwähnung  der  Verdienste  des  Hekatepriesters  if  iTiav^eXiOQ 
Tib.  Fl(avius)  Tib.  f.  Ku{peeva)  Aineias  The[oph]anes  f/Jf.  ^doeißaarolc, 
(3)  ^eA67:]arptc^  uedg  r^c  noXeajQ,  und  seiner  Gattin,  der  Priesterin 
FUavia),  T.  des  Jason,  sowie  seiner  Mutter  Fl(avia)  Tatia  um  den  Kult 
der  Göttin.  —  S.  164  n.  68  b.  Fragment;  erwähnt  wird  ein  Tib.  Flavius 
Quirina  Diom[ede3.  Mitglieder  dieser  Familie  werden  auf  einer  grofsen 
Zahl  von  Inschriften  aus  Panamara  genannt.  —  S.  154  f.  n.  60  (Bennd.). 
Erwähnt  wird  ein  UpebQ  xarä  7:evT<is[Tijp^a]  inavYst[Xdixevog  des  Zeus 
Propator  (vgl.  n.  46)  und  r^g  p£ycffff(8o)'n^g  Be[äg  'Exd-njc  aus  der  Tri- 
bus Quirina.   —    S.  155  n.  61.    Erwähnt  wird  ein  lepsug]  inavYtddfisvoQ 

lason,  8.  des  Hierok[les, sios  K(<opa)Z(toQ\  ein  ulbg  r[^c]  noXeoßQ 

und  dpxie\p]z[ug]  tüjv  Heßaffratv^  der  eine  Gesandtschaft  e[/c  r^v  ^ye/iO' 
vy8a  ^Fiopy^v  zum  Kaiser  unternommen  hatte. 

Dieselben,  a.  a.  0.  8.  147  n.  48.  Zwei  Fragmente  einer  Ehren- 
inschrift von  Bule  und  Demos  auf  Herakleitos],  S.  des  Apollooides,  Eude- 
mos  D[emetrios  7s'  und  seine  Gattin  Tatarion,  T.  des  Myonides,  Poly- 
nike  [Apphia,  Priesterin  der  Artemis  und  der  mit  ihr  verehrten  Gott- 
heiten, sowie  der  Hekate,  --  welche  sich  namentlich  durch  Geldspenden 
(die  auch  den  'Pujfidoig  Z.  7  (s.  o.)  erteilt  wurden)  verdient  gemacht 
hatten.  Die  beiden  Geehrten  sind  aus  mehreren  der  von  Cousin  und 
Deschamps  entdeckten  Inschriften  von  Panamara  bekannt.  —  S.  148 f. 
n.  51.  -Fragment  einer  ähnlichen  Inschrift,  in  der  bei  den  Geldspenden 
wiederum  auch  die  Römer  bedacht  sind.  Als  xXe(sQ)do^6poQ  wird  eine 
'H8ca  erwähnt.  —  8.  149  n.  52  (Bennd.).  Fragment.  Dem  Priester  stand 
als  (Tuveepeea  seine  Tochter  Leo[ntis  zur  8eite.  —  n.  53  (Bennd.).  Frag- 
ment. Erwähnt .  werden  Epniuetos,  8.  des  [Lejon,  und  Ada,  T.  des  Da- 
mas,  Küf.  —  8.  148  n.  49.  50,  S.  150  n.  54  (Bennd.).  65  (Bennd.)  Dürf- 
tige Fragmente  ähnlichen  Inhalts.  --  8.  154  n.  59.  Geringes  Fragment 
mit  Erwähnung  einer  Swpeäv  unternommenen  npeaßeia^  wahrscheinlich 
seitens  des  Fvlog  Ouaki[ptoQ  ^UpdxXet^roQ  Ko(keopyett^),  —  8.  156  n.  62. 
Geringes  Fragment,  in  welchem  von  nach  Rom  entsandten  Abgeordneten 
die  Rede  ist.  —  8.  159  n.  66.  66  (Bennd.).    Unbedeutende  Fragmente. 


48  Griechisehe  Epigraphik. 

ca.  89  Dieselben,  a.a.O.  S.  161  f.  n.  66  (mitget  von  Deschamps  und 

Cousin).  Auf  dem  Bogen  des  Thores,  welches  zum  Peribolos  ftthrte:  Der 
Kaiser  Augustus  —  r^c  ^säg  ^Exari^g  dasßjMinjc  (wahrscheinlich  war 
durch  den  Einfall  der  Parther  unter  Labienus  80  v.  Chr.  der  Hekate- 
tempel  verwttstet  worden;  vgl.  n.  4.  71)  npoevor^aev^  wart  xexofuffBai  (3) 
na]p^  adroiß  xal  a&r^v  rijv  ditb  r^c  dp][ij[g\  iv  r^  ßeoß  Ttspl  Btwv  iv 
dv&pamoec  dXi^Bevlijv  (4)  n]p6Xijiffev.  Vgl.  Tac.  Ann.  3,  62.  —  S.  16lf. 
n.  71  (Bennd.).  Fragment  eines  Dekretes,  wonach  nach  VerwOstung  des 
Heiligtums  die  alten  Tempelordnungen  wiederhergestellt  und  die  Weih- 
inschriften von  neuem  bei  den  Votivgegenständen  aufgestellt  werden 
sollen.  Der  Beschlufs  bezieht  sich  ohne  Zweifel  auf  den  Einfall  der 
Parther  unter  Labienus;  vgl.  n.  4.  66. 

D«a£i*  Cousin  und  Deschamps,  a.  a.  0.  S.  238   in   Minuskeln.     Die 

Weihinschrift  des  Demos  an  Hekate  Soteira  bei  Newton,  Cnidus  and 
Halicarnassus  U,  793  wird  auf  grnnd  der  seither  gefundenen  Texte  mit 
wahrscheinlicheren  Ergänzungen  mitgeteilt.  Da  der  Name  des  Prytanen 
Artemidoros,  S.  des  A.,  S.  des  Pamphilos,  'leipoxaifu^-nj^)^  Adoptivsohnes 
des  Aristeides,  Ko{hopytbQ)  identisch  ist  mit  dem  Stephanephoren  in  dem 
Senatusconsultum  von  Panamara  (s.  S.  49f.)  vom  Jahre  89  v.  Chr.,  so 
mufs  die  Weihung  mit  dem  erwähnten  Senatsbeschlufs  ungefähr  gleich- 
altrig sein. 

Diehl  und  Consin,  a.  a.  0.  S.  I67f.  n.  63.  Der  ttpeug  i$  inav- 
ysXfac  M.  Ul(pius),  8.  des  Ariston,  Quirina,  Herakleitos  Ko(Xtop^sus)  und 
die  Priesterin  Ul(pia),  T.  des  Dionysokles,  Ammion  Ko^Xiopylo)  haben 
sich  durch  eine  Anzahl  baulicher  Stiftungen  verdient  gemacht.  —  S.  168  f. 
n.  64.  Hierokl]es,  S.  des  H.,  Adoptivsohn  des  Myonides,  leipoxatp^rtj^) 
und  Tryphaina  —  Ktoipadc)  stiften  nach  Ablauf  ihres  Priesterjahres  ro 
TKurcTjOV.  —  S.  164  n.  68a.  Fragment:  Eine  Arria  weiht  napanelrdiT'' 
p]aTa,  —  S.  169  n.  67.  Dem  Zeus  Hypsistos  stiftet  S[te]phanion  ftlr 
sich  und  seine  Angehörigen  ein  Weihgeschenk.  —  S.  160  n.  68  (Bennd.). 
Der  'Exdtff  ZwreJpt  und  dem  Demos  weiht  der  gewesene  Agoranomos 
Eros,  S.  des  Menandros,  Kw(paeeuc)  eine  Hermesstatue.  —  8.  160 f. 
n.  70  (Bennd.).  Fragment  von  9  Distichen  (8  ziemlich  unversehrt).  Der 
Stifter  erinnert  die  Göttin,  dafs  er  ihr  seine  Gattin  Moschion  zur  Prie- 
Sterin  und  seine  Tochter  Klodiane  zur  xXi^  {so) douj^o^  gegeben  und  trotz 
seines  geringen  Besitzes  beim  Opferdienst  und  den  Festen  nichts  gespart 
habe.  —  8.  23  n.  33  (Bennd ).  Weihung  des  Maneilios,  S.  des  Kallias, 
—  an  die  psYcanj  Beä  *£[xd7ij — . 

Die  bis  jetzt  bekannten  Inschriften  aus  Lagina  erstrecken  sich  über 
einen  Zeitraum  von  mehr  als  zwei  Jahrhunderten.  Die  ältesten  gehören 
ohne  Zweifel  in  das  1.  Jahrb.  v.  Chr;  andere  fallen  in  die  Zeit  der  An* 
tonine  und  des  Septimius  Severus;  einige  gehören  in  noch  spätere  Zeit 
(n.  40b.  41)  und  zeigen,  dab  der  Kult  der  Hekate  noch  um  die  Mitte 


ZUI.  Carift:  Laglna.  Stratonioea.  Panamara.  4d 

oder  den  Aasgang  des  3.  Jafarh.  n.  Chr.  bl&hte.  Als  Demotika  sind  za 
verzeichDen:  lepoxw/ii^Q  (AbkQrz.  Ys),  KohopytOQ  (Ab),  KtupcuBoQ  (Kaf)^ 
KwpaZtoQ  (AO«  AoßoXSeu^  (^o)^  AwvSapYSoc^  IlapcifiapBOc ^  Tapfjuavöc^ 
TpcdX  -  -  (zu  uDterscheiden  von  Tralles  am  Mäander),  . . .  iavdpe(*g  (n.  16). 
Die  fonf  ersten  dieser  Demen  scheinen  die  hervorragendsten  von  Strato- 
nikeia  gewesen  za  sein ;  ihre  Namen  aliein  finden  sich  oft  in  Abkürzung 
geschrieben,  während  die  anderen  Demotika  stets  ausgeschrieben  sind. 
Ans  ihnen  stammen  die  meisten  Priester  der  Hekate;  die  anderen  Demen 
zählen  nur  je  einen  oder  zwei  Repräsentanten. 

Stratonicea  (Eskihissar). 

Ein  Senatosconsultum  s.  anter  Lagina  (S.  48  ff.). 

Benndorf  und  Niemann,  a.  a.  0.  S.  154  n.  129.  Vierzeiliges 
Fragment,  vielleicht  eines  Kaiserbriefes. 

Dieselben,  a.  a.  0.  n.  180:  ätoQ  na^apLd'lpoo. 

Panamara  bei  Stratonicea. 

Cousin  und  Deschamps,  BGH  XI  1887  S.  226f.  Tempel  des 
Zeus  Panamaros.  Senatsbeschlufs  aus  dem  Jahre  39  v.  Chr.;  von  Z.  15 
an  nur  geringe  Reste  erhalten.  —  Auf  das  Präskript  (Z.  1 — 3)  mit  der 
Bezeichnung:  Mypa  und  der  Datierung  nach  dem  Stephanephoren  Arte- 
midoros,  S.  des  A.,  Enkel  des  Pamphilos,  Adoptivsohn  des  Aristeides, 
(vgl.  S.  48),  sowie  nach  dem  Monatstage  folgt  das  Protokoll  aber  den 
SenatsbeschluDs.  Z.  3  — 5:  Die  Sitzung  fand  statt  unter  den  Konsuln  L. 
Marcius  Gensorinus  und  G.  Galvisius  (39  v.  Chr.)  am  15.  August  im  Tem- 
pel der  Goncordia  (OpLÖvoea).  Z.  5  —  11:  Aufzählung  von  zehn  Senatoren 
als  Zeugen:  G.  Garrinas  G.  f.,  Publius  (?)  Sestius  L.  f.  (wahrscheinlich  der 
von  Cicero  Verteidigte),  L.  Nonius  L.  f.  Asprenas,  P.  Attius  P.  f.,  Q. 
Cloelius  M.  f.  (unbekannt),  M.  Servilius  C.  f.,  —  Hedias  (?),  P.  Sestillins 
P.  f.,  P.  Atinius  T.  f.  Turanus,  —  Palicanus  (?).  —  Z.  11—16:  Reste 
des  Senatsbeschlusses;  unbestimmbaren  Inhalts.  —  Unmittelbar  nach 
dem  Abzüge  der  von  Ventidius  bekriegten  Parther  unter  Labienus  (39 
V.  Chr.),  unter  deren  Räubereien  Stratonikeia  viel  gelitten  hatte,  war  von 
der  Stadt  die  Gesandtschaft  nach  Rom  geschickt  worden,  wohl  mit  ähn- 
lichen Bitten,  wie  die  der  Väter  nach  den  mithridatischen  Kriegen  ge- 
wesen waren  (s.  das  Senatusconsultum  von  Lagina  S.  43  ff.).  Die  Aufstel- 
lung  des  Beschlusses  im  Zeustempel  läfst  darauf  schliefsen,  dafs  eine  der 
Bestimmungen  sich  auf  dieses  Heiligtum  und  das  Asylrecht  desselben  be- 
zog. Dafs  der  Tempel  des  Zeus  dieses  Recht  ebensowohl  besafs,  wie  der 
Hekatetempel  in  Lagina,  geht  aus  Tac.  Ann.  3,  62  und  der  Inschrift 
Lebas-Wadd.  519  hervor.  Die  Z.  12 — 16  aufgeführte  Gesandtschaft  war 
sehr  zahlreich;  ihr  Haupt,  Straten,  S.  des  Menippos,  ist  wahrscheinlich 

JahrMberidkt  Ar  Altcrtuouwissentchaft  LXVl.  Bd.  4 


r 


50  Griechische  Epigraphik. 

der  berühmte  Redner  von  Stratonikeia,  den  Cicero  in  seiner  Jagend 
hörte,  and  der  von  ihm  (Brat  91)  als  Hauptvertreter  der  asiatischen 
Beredsamkeit  erwähnt  wird.  —  Durch  den  Namen  des  Stephanephoren 
im  Präskript  lärst  sich  das  Alter  der  von  Newton,  Cnidus  and  Halicar- 
nassns  II,  798  herausgegebenen  Inschrift  von  Lagina  (s.  S.  48  f.)  näher 
bestimmen. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  875f.  n.  1.  Ebd.  Auf  zwei  Seiten  beschrie- 
bene Stele  des  iepeug  iw  'HpatoiQ  if  inav-{2)yeXeac  Tib.  Fl(avius),  S.  des 
Tib.  Fl.  Theophanes,  Quirina  Aineias  (4)  Theophanes  ^leipoxaifn^n^g)  und 
der  Priesterin  Fl(avia),  T.  des  Fl.  lasou,  Paulina  Koi^eopy/g).  —  Tib.  Fla- 
vius  Aeneas  war  Priester  der  Hekate  gewesen  (s.  S.  47  n.  57).  Er  und 
seine  Gemahlin  verwalteten  ihr  Priestertnm  mit  Frömmigkeit  gegen  Zeus 
und  Hera  und  mit  Freigiebigkeit  gegen  die  Menschen.  U.  a.  lieferten 
sie  bei  Antritt  ihres  Amtes  allen  Einwohnern  der  Stadt  öl  (f&r  die 
öffentlichen  Bäder  und  die  gymnastischen  Übungen)  und  zeichneten  sich 
namentlich  durch  ihre  Freigiebigkeit  bei  dem  zehntägigen  Fest  der  Pa- 
namareia  aus,  indem  sie  die  Festfeier  Tag  und  Nacht  leiteten  und  allen 
Weibern  öl  und  Myrrhen  lieferten,  sowie  alle  Freien  und  Sklavinnen  in 
das  Heraion  beriefen,  ihnen  Wein  zum  Schmause  gaben  und  sie  mit  je 
drei  Drachmen  beschenkten.  In  dieser  Freigiebigkeit  wurden  sie  unter- 
stützt durch  die  Schwester  des  Priesters,  Fl.  Mamaion,  den  Oheim  und 
vstüxopog^  Fl.  Leon,  ihren  Schwiegersohn  Fl.  Aeneas  und  ihre  Kinder  Fl. 
Tatius,  Theophanes  und  lason,  und  ihre  Enkel  FI.  Aeneas  und  Phaidros. 

ti64  Dieselben,  a.  a.  0.  S.  879ff.  n.  2.    Ebd.    Stele   des   ItpBog   i$ 

hpiwv  xal  Ttpoyovaiv  ävcjBev  (4)  i?  inavjreMag  iv  Kofiopea)  Tib.  Fl(avius) 
Tib.  Fl.  Aeneae  f.  (s.  n.  1)  Quirina  Theophanes  ^leipoxwfiyjvfjr),  datiert 
nach  dem  Kaiser  Mark  Aurel;  da  letzterer  den  Titel  Armeniacus  fahrt, 
nicht  vor  164  n.  Chr.  Gewöhnlich  begegnet  der  Name  des  Z.  4  erwähnten 
Festes  im  Plural  =  Komyria;  es  dauerte  nach  Z.  19  wahrscheinlich  zwei 
Tage.  Namentlich  bei  Gelegenheit  dieses  Festes  und  der  mit  demselben 
verbundenen  Mysterien  hatte  sich  Theophanes  als  Priester  des  Zeus  Pa- 
nemeros  und  der  Hera  durch  freigiebige  Spenden  an  das  Volk  ausge- 
zeichnet: er  hatte  Bürgern,  Fremden  und  Sklaven  während  der  Dauer 
des  Festes  Wein  gespendet  und  Zelte  fttr  die  Festteilnehmer  aufschlagen 
lassen;  auch  hatte  er  auf  dem  Wege  (den  die  Prozession  von  Stratonikeia 
nach  Panamara  zurücklegen  mufste)  unter  die  gesamte  Jugend  sOfsen 
Wein  und  unter  die  Bürger  10  000  Denare  verteilen  lassen.  Es  hatten 
ihn  hierbei  unterstützt  seine  Tante  Fl.  Mamaion,  seine  Mutter  Paulina 
und  sein  Bruder  Fl.  lason  (s.  n.  1). 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  383  ff.  n.  3.  Ebd.  Stele  des  lepebg  iS 
Upiwv  xdt  npo-foyatv  (2)  if  inavyekiajQ  iv  KopophtQ  Tib.  Fl(avius)  (3) 
Xib.  Fl.  Aeneae  f.  (s.  n  1)  Quirina  lason  '/s'  und  der  Priesterin  Ael  (4) 


•-180 


Zin.  Caria:  Panaoiara.   Moaghla.  51 

Statilia  Ael.  Papiae  f.  IIuBeav^  7e'.  Dieselben  fahrten  die  Neaening  ein, 
bei  der  ävoSog  rou  Beou  Z.  10  (dem  feierlichen  Hinauftragen  der  Bild- 
säule des  Gottes  in  Prozession  von  Stratonikeia  nach  Panamara)  der  ge- 
saroten Einwohnerschaft  der  Stadt  Öl  für  die  öffentlichen  Bäder  zn  spen- 
den. Während  der  zehntägigen  Panamareia  hatten  beide  öl  für  die 
Gymnasien  und  fOr  die  Frauenbäder  gespendet  und  an  den  Eomyria 
grofse  Weingelage,  getrennt  für  Männer  und  Frauen,  veranstaltet,  auch 
der  Jugend  den  Oblichen  sttfsen  Wein  und  den  Bürgern  10  000  Denare 
geschenkt.  —  S.  387  f.  n.  4.  Stele  mit  11  nicht  sehr  geschickten  Hexa- 
metern, die  das  Priestertum  des  lasen  (s.  n.  8)  verherrlichen.  Thatkrftf- 
tige  ünterstatzung  fand  derselbe  in  seiner  Liberalität  gegen  das  Volk 
bei  seiner  Mutter  Paulina,  seiner  Tante  Mamaion  und  seinem  Bruder, 
dem  früheren  ZdxopoQ  (wahrscheinlich  poetisch  =  iepeug)  Theophanes. 
-  Es  ist  unwahrscheinlich,  dafs  lasen  zu  sieben  verschiedenen  Malen 
Priester  war  (Z.  8);  er  bekleidete  wohl  in  sieben  Jahren  verschiedene 
religiöse  Ämter.'  —  S.  889  n.  5.  Stele.  Dero  Zeus  Panamaros  und  (2) 
der  Hera  Teleia  widmen  Tib.  Fla(vius)  (8)  lasen  und  Ael.  Stati(4)lia 
Fythiane,  tepareü'{6)ffavTee  iv  Ao/lu>/>/-(6)o«c  iS  i;ro/7«AA(7)ac--  ein 
Weihgeschenk.  —  S.  889  n.  6.  Weihinschrift  einer  Ädlcula:  Dem  Zeus 
Panamaros  und  der  Hera  widmen  lxaBespw<Ta[v)  der  Upeue  iv  Kofwp{<p 
Tib.  Fl(avius)  lasen  Aineias  und  die  Priesterin  Ail.  Statilia  Pythiane  den 
Sarapis  und  die  Eisis  und  den  Tempel  derselben  nebst  dem  Altare.  — 
Von  einem  Serapeum  zu  Stratonikeia  sind  noch  Ruinen  erhalten.  — 
S.  890  n.  7.  Stele.  Unter  dem  Priester  Tib.  Fla(vius)  Aineias  lasen 
weihen  ihr  Haupthaar  (leöfiae)  Chairemon,  Agathobulos,  Hierokles,  Diony- 
sios,  Herakleides,  Mantitheos. 

Mughla  (=  MdßwXXa?). 

Coasin  und  Descharops,  BCH  X  1886  S.  486  n.  1.  Löwy, 
MDAI  XI  1886  S.  826  f.  n.  1  (nach  einer  von  Georgiadis  mitgeteilten 
Abschrift).  Weihung  des  xotvbv  Tapfitavwv  an  die  Götter  zu  Ehren  des 
Rhodiers  Chrysippos,  S.  des  Apollonidas,  äyspövoc  dfda&ou  (5)  ine  re  'Ap- 
ToOßwv  xcä  üapaßXsiaq  (6)  xa\  arpareoffaifiivou  iv  ratg  xaTO/ppdxToec 
vauaev,  —  Eine  antike  Stadt  Tarmia  ist  unbekannt.  Möglicherweise  be- 
zeichnete der  Naroe  Tap/juavol  die  Bewohner  einer  gewissen  Zahl  von 
Ortschaften,  welche  den  Bund  bildeten.  Rofs,  Kleinasien  und  Deutsch- 
land, S.  108  roöchte  die  Tapfieavöl  identifizieren  mit  den  Taroiani  bei 
Liv.  88,  18,  wenn  dieselben  an  letzterer  Stelle  nicht  als  ein  afrikanischer 
Volksstamm  bezeichnet  wttrden.  Allein  der  Zusatz  >ex  Africac,  der  aber- 
baupt  verdächtig  erscheint,  kann  sich  nur  auf  die  letztgenannte  Völker- 
schaft der  Trabi  beziehen,  da  auch  die  vorher  erwähnten  Pisuetae  (in 
Karien)  und  Nisuetae  kleinasiatische  Völkerschaften  sind  (Hirschfeld, 
BCH  XI  1887  S.  212).  -^  Über  die  Pisuetae  vgl.  Schumacher,  Rhein. 

4* 


52  Griechische  Epigraphik. 

Museom  42  1887  S.  636  so  der  Inschrift  von  Karpathos  BGH  YIII,  858 
(S.  8).  —  S.  488 f.  D.  2.  Löwy,  a.  a.  0.  S.  203  (nach  einer  von  Geor- 
giadis  mitgeteilteh  Abschrift)  in  Migaskeln.  ^Eii  kpia^  Xpoadopoc  ehren 
die  drei  Archonten  nebst  ihrem  Schreiber  und  die  drei  Agoranomen  (des 
xotvbv  Tapiuavwv)  den  rhodischen  irntTränjc  (vgl.  zu  diesem  Titel  MDAI 
XI,  115)  Sosikrates,  S.  des  Sosinikos,  in  Form  einer  Weihung  an  di^ 
Götter.  Als  Ethnikon  zweier  Bnndesbeamten  figuriert  MoßwX^s6^  (wahr- 
scheinlich von  einem  alten  Stadtnamen  Moßa^kXa  =  Mnghla?).  —  S.  490  f. 
n.  8.  Löwy,  a.  a.  0.  S.  327  f.  n.  2  (nach  einer  von  Georgiadis  mitge- 
teilten Abschrift).  Weihung  eines  Gymnasiarchen  --^ji^c  [yld]ovToc  und 
eines  Ephebarchen  Antipatros,  S.  des  Hekataios  (jeder  mit  dem  Ethnikon 
KeveudwXaßsuff)^  an  Helios,  Hermes,  Herakles  und  den  tarmianischen 
Bund.  —  S.  491  n.  4;  vorher  Rofs,  Hellenika,  Halle  1846  S.  67.  Wei- 
hung des  Ephebarchen  und  Gymnasiarchen  Nikolaos,  S.  des  Leon,  aus 
Rhodos  an  Hermes,  Herakles  und  den  tarmianischen  Bund. 

Benndorf  und  Niemann,  Reisen  in  Lykien  und  Karien  I  1884 
S.  158  n.  126.  Mughla,  gefunden  zwischen  Achyrköi  und  Bess&k  (Kiepert: 
BoztUClh),  iVs  St.  s.o.  von  Stratonikeia.  Grabrelief  der  Demetria,  T.  des 
Demosthenes,  und  der  Demostrate,  T.  des  Drakon.  —  A.  a.  0.  n.  127. 
Ebd.,  gefunden  in  Andrakerköi (?) ,  ungefähr  2  St  nördl.  von  Mughla. 
Grabrelief  des  Abas,  S.  des  Aristeas,  der  Demostrate,  T.  des  ApoUopha- 
nes,  und  des  Menandros. 

Cys  (Beli-PuU). 

Die  litterarisch  nicht  bekannte  Stadt  Kys  wird  in  einem  Dekret 
der  Stadt  Stratonikeia  im  Anscblufs  an  das  Senatusconsultnm  von  La- 
gina aus  dem  Jahre  81  v.  Chr.  (s.  S.  48  £f.)  erwähnt  als  eine  der  Städte, 
die  das  Asylrecbt  des  Tempels  der  Hekate  anerkannten.  Die  folgenden 
Inschriften  sind  kopiert  in  dem  Dorfe  Beli-Puli  (verderbt  aus  Palaiapo- 
lis)  auf  dem  Gebirgsstock,  welcher  das  Thal  des  Tschinar-Tschai  (Mar- 
syas)  von  dem  des  Dschenidere- Tschai  (Harpasos)  trennt. 

t69  Cousin  und  Deschamps,  BCH  XI  1887  S.  306f.  n.  1.    Ehren- 

inschrift des  Eratophanes,  S.  des  Chareinos,  aus  Rhodos,  seiner  Gattin 
Ammias  (so),  T.  des  lason,  aus  Rhodos,  und  ihrer  Kinder  Phani[as],  Cha- 
reinos,  Artemo  und  Menias  auf  den  Kaiser  Claudius  aus  dem  Jahre  62 
n.  Chr.  Eratophanes  bekleidete  in  Kys  die  Ämter  eines  eponymen  Ste- 
phanephoren,  Priesters  des  Kaisers,  dp^i^yen^g  r^g  noXtatg  äibg  'EXeu' 
fieptou,  eines  Gymnasiarchen,  Agoranomen  und  war  wegen  seiner  elHTe» 
ßeia  gegen  den  Kaiser  sowohl  von  der  Bule  der  Rhodier  wie  von  dem 
Demos  rcDv  Kubitojv  (Z.  18)  mannigfach  ausgezeichnet  worden,  unter  der 
Ehreninschrift  die  Widmung:  0eo7c  xat  xfji  KourStv  Si^fup.  —  Es  ist  un- 
bekannt, ob  Kys  unter  dem  Kaiser  Claudius  zu  Rhodos  gehörte;  vielleicht 
hatte  E.  sich  das  Bfirgerrecht  der  Stadt  erworben.   Kys  existierte  schon 


XIII.  Caria:  Gys.   Sebästopolis.    ApoUonia  Salbace.  52 

im  Jahre  81  v.  Chr.  (s.  o.)  and  war  Doch  bewohnt  lo  byzantiDischer  Zeil 
(s.  DOter  XL:  Titali  cbristiaDi).  napd'npaatg  Z.  10  ist  eine  Neubildang 
nach  Analogie  von  SeaTtpatne.  —  S.  308  f.  n.  2.  Fragmentierte  Ehrenin- 
Bchrift  des  xotvbv  Aayvtoxewv  (einer  religiösen  Genossenschaft)  auf  sein 
Mitglied  Aristeas,  S.  des  Myonides,  wogen  dessen  Frömmigkeit  elg  rijv 
Beov  und  seiner  Verdienste  um  die  Genossenschaft.  Die  Vorsteher  der 
letzteren  sind  ein  ßpa[ßeuT^c  und  im/jLtjvioi,  —  S.  309  n.  3.  Fragmen- 
tierte Ehreninschrift  auf  einen  Rhodier. 

Dieselben,  a.  a.  0.  8.  310  n.  4.  Grabschrift.  Der  Demos  be- 
stattet den  Asklepiodoros,  8.  des  Aristodemos,  aus  der  Tribus  Heraklels. 

Dieselben,  a.  a.  0.  n.  5.  Auf  beiden  Seiten  einer  zweischneidi- 
gen Axt   (Wahrzeichen  des  Zeus   Labraundeus   oder   des  Handwerks): 

MST€ (TiXdou. 

Sebästopolis  (Vt  St.  östl.  von  Kisildje). 

Sterrett,  Preliminary  report  of  an  archaeological  journey  made  t  ii«/t 
through  Asia  Minor  during  the  summer  of  1884.  Boston  1885  S.  6  n.  3; 
Paris  and  Holleanx,  BCH  IX  1885  8.  346  f.  n.  30.  Den  Kaiser  Triyan 
und  den  Demos  der  Sebastopoliten  ehrt  P.  Statins  Hermas,  ein  äyopa- 
vofi^aag  und  napa^oXa^agy  der  seinerseits  unkp  r^c  crpdjoetuQ  r^f  i$- 
$  (so)  dSpag  im  Tetrastylon  des  Gymnasiums  reepauc  eipt^vap^exacc^  sowie 
wegen  der  Errichtung  eines  Standbildes  der  Nike  auf  eigene  Kosten 
Tttpaig  dtä  uuxrbg  arpam^yexaTc  ausgezeichnet  worden  war.  Die  Inschrift 
ist  datiert  aus  den  Jahren  116  oder  117  n.  Chr. 

Paris  und  HoUeauz,  a.  a.  0.  S.  348  n.  31.  Architrav  eines 
Heroons  mit  drei  Ehreninschriften:  l.  des  Demos  auf  seinen  Wohlthftter 
Marsyasy  S.  des  —  agathos;  2.  des  Sadalas,  S.  des  Aristodemos,  auf  sein 
Weib  Ammia,  T.  des  Marsyas;  3.  des  Sadalas  aof  seinen  Vater  Aristo- 
d[emo6. 

Apollonia  Salbace  (Dorf  Medet  zwischen  Sebästopolis 

and  Tabae). 

Paris  und  Holleaux,  BCH  IX  1885  S.  344  n.  27.  Den  [Nero]  t^i-^^ 
Claudius  Drusus  Caesar  Germanicus  ehrt  dessen  Priester  AJrtemidoros, 
S.  des  Arteroi[doros.  Der  erstere  (^ame  wurde  nach  dem  Tode  des 
Kaisers  weggemeifselt.  Da  der  Titel  Augustus  fehlt,  so  fallt  die  In- 
schrift zwischen  51  und  54  n.  Chr.  Ist  die  Ergänzung  der  letzten  Zeile 
richtig,  so  wurde  noch  zu  Lebzeiten  des  Claudius  ein  Kult  fOr  den 
Adoptivsohn  und  Thronerben  desselben  eingesetzt  (in  Apollonia?).  — 
8.  845  n.  28.  Dem  Kaiser  Gommodus  errichten  ein  npanoq  äp^wv  und  t^M 
drei  iroväp^^ovreg  eine  Ehreninschrift  ix  ^pi^fidnov  [2]r/oc;cra;vof  Neixo" 


54  Griechische  Epigraphik. 

[(j\TpdTou  —  St*  aimoQ  [a\TBfa)^^6potß.  Da  Gommodus  den  BeinameD 
BritaDoicos  ftabrt,  so  fftlit  die  iDschrift  nicht  vor  184  n.  Chr.  —  S.  344 
n.  26.  Einem  Apollopriester  errichten  die  Archonten  der  Stadt  eine 
Ehreninschrift  ix  ^p7)]pÄTwiy  [I!]Tpdt[mvoQ  rou]  Neexoarpdroo  [<rre^]a- 
vi^opou  dt'  ioi[vof.  —  8.  346'  n.  29.  Fragment  einer  Ehreninschrift  von 
BÖle  und  Demos  auf  Kalli[genes,  8.  des  Me]trodoros. 

• 

Heraclea  Salbace  (Makuf). 

Einige  der  folgenden  Inschriften  bestAtigen  die  Ansicht  Waddiug- 
tons,  EU  Inscr.  d'Asie  Min.  1695,  dafs  das  bisher  fttr  Trapezopolis  in  An- 
spruch genommene  Makuf  vielmehr  mit  dem  alten  Herakleia  identisch  ist. 

Paris  und  Holleaux,  BCH  IX  1886  S.  330f.  n.  16.  Fragment, 
in  welchem  es  sich  um  Beitreibung  von  Geldsummen,  die  von  der  Stadt 
zu  entrichten  sind,  zu  handeln  scheint.  Z.  12:  'Ev  rg  'HpaxXeoiTwiy  ini-. 
Aus  makedonischer  Zeit? 

Dieselben,  a.  a.  0.  8.  339  f.  n.  22.  Bule  und  Demos  ehren  den 
ApoUonios,  8.  des  Tydeus,  einen  geweseneu  Gymnasiarchen,  Prytanen, 
Stephanephoros  und  dyaivoMrrjg  dt'  alatvog^  durch  Errichtung  einer  Bild- 
säule aus  seinem  Nachlasse  und  nach  letztwilliger  Verfügaug.  —  S.  338 
n.  21.  Dieselben  ehren  die  Hieronis,  T.  des  Menestheus,  eine  Trpurtxvc^^ 
are^avrj^opo: f  yoiivaatap^og  und  dycjvoBertc^  durch  Errichtung  einer 
Bilds&ule  aus  dem  der  Stadt  vermachten  Nachlasse  und  nach  Anordnung 
ihres  Mannes  Apollonios,  8.  des  Tydeus.  —  8.  337  n.  19.  Fragmentierte 
Ehreninschrift  auf  den  Prytanen,  Stephanephoros  und  Archiatros  — os 
Gharmides,  8.  des  Men[an]dros.  -  A.  a.  0.  n.  20.  Ehreninschrift  auf 
den  Prytanen  und  Stephanephoros  Gharmides,  8.  des  Prytanen,  Stephane- 
phoros und  Archiatros  M.  Aur.  Gharmides.  Letzterer  ist  wahrscheinlich 
identisch  mit  dem  in  der  vorigen  Inschrift  Geehrten. 

Dieselben,  a.  a.  G.  8.  332  u.  17;  weniger  vollständig  Sterrett, 
Preliminary  report  (s.  o.)  8.  4  f.  n.  2.  Sarkophaginschrift  des  Titus  Sta- 
tilius  Metiochos  und  seines  Weibes  Aurelia  Melitine,  T.  des  Dionysios, 
mit  Strafandrohung:  Entrichtung  von  500  Denaren  an  den  xuptaxbg 
fpiaxoQ  und  einer  gleichen  Summe  an  <iie  Bule  von  Herakleia.  Sehr 
junge  Formen:  reBi^aeTe  neben  i^darae,  ivBdipe  neben  ivBdipae^  xi  neben 
fsss  xal.  "  S.  340  f.  n.  23  und  23  bis.  Sarkopbaginschrift  der  Aur.  Agrip- 
pina  und  des  M.  Aur.  Attalus,  8.  des  Tatas.  Letztere  mit  dem  Datum: 
Iroug  Bt\  pajivdc)  Awou  8'  (309  der  sullonischen  Ära  =  225  n.  Ghr.). 
—  tt.  23:  ivTOffricaiTe,  xi;  23  bis:  ivra^aeTe. 

Sulmas  (Strafse  von  Makuf  nach  Dawas  =  Tabae). 

fist  Dieselben,  a.  a.  G.  8.  341  n.  24.   Den  Kaiser  Hadrian  ehrt  Titus 

Statilins--    (der  in  n.  17   —    vgl.  o.    -  Genannte?),   Inaip^^log   keyeSh- 


XIII.  Caria:  Heraclea  Salbace.   Aphrodisias.  55 

voi:]  X'  OöX7t(a[^,  Die  io  der  losohrift  erwähote  13.  potestas  tribanicia 
fällt  zwischen  den  10.  Dez.  128  und  den  9.  Dez.  129  n.  Chr.  Im  Herbst 
letzteren  Jahres  trat  Hadrian  seine  Reise  nach  Eleinasien  an.  Die  in 
fast  gleicher  Entfernung  von  Heraclea  Salbace  und  Tabae  gefundene  In- 
schrift wird  einer  dieser  beiden  Städte  zuzuweisen  sein. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  342  n.  25.    Fragment:  —Xejreußvoe]  rerdp^ 

Aphrodisias. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  71  n.  2.  Basis  der  Ehreninschrift  auf  einen  .^.15^ 
Sieger  in  den  Phileroonischen  Spielen,  deren  Stifter  Philemon  Z.  17  er«  "'^ 
wftbnt  wird.  Als  Xoytar^  (cnrator  rei  publicae)  figuriert  ein  ülpius 
Earjkles  Z.  18/19,  vollständig  M.  Ulpins  Appuleius  Eurykles,  der  als 
Borger  von  Aezani  aus  GIG  2741.  3831 — 3834  bekannt  ist,  und  von  dem 
wir  in  der  Inschrift  Lebas -Waddington,  Inscr.  d'Asie  Min.  1620^  das 
Fragment  eines  Briefes  besitzen.  Er  war  Zeitgenosse  des  Antoninus  Pius 
(GIG  3834)  und  des  Commodus  (GIG  2741).  Unsere  Inschrift  fällt  dem- 
nach in  die  Mitte  oder  den  Ausgang  des  2.  Jahrb.  v.  Ghr.  ^  S.  68  f.  8.jahrii. 
n.  1.  Ehreninschrift  auf  den  Buleuten  Map.  A[bp'^  (2)  --ov  TetiioxkioolQ 
Too  (3)  ^Ayd]Bü7todog  rou  ApTe\jie-{4c)S<üpou  AippoBttaiia  xa\l  (6)  iV]e<xo- 
fir^Bia  xat  Avxop[a-(%)v\6v ^  dessen  Siege  in  den  Kampfspielen  von  An- 
kyra  in  Galatien,  von  Adptdvrja  r^c  BetB^ovia\(:  (die  hier  gefeierten  Spiele 
zu  Ehren  Hadrians  und  des  daselbst  geborenen  Antinous  =  'ASptdvetov 
AuTivoeeov  Z.  15  begegnen  zum  ersten  Male),  Herakleia  am  Poutos  (die 
Spiele  dieser  Stadt  zu  Ehren  Hadrians  und  des  Herakles  =  ^Adpc{d))njov 
'HpdxXeeov  Z.  17/18.  28/29  sind  gleichfalls  sonst  unbekannt),  Ghalkedon, 
Nikomedeia,  Neikea,  Philadelpheia  einzeln  aufgeführt  werden.  Der  Sieger 
war  von  I^ikomedeia  und  Aukyra  zum  Ehrenbürger  ernannt  worden. 
Schriftcharakter  des  3.  Jahrb.  n.  Ghr.  —  S.  73  n.  3.  Basis  mit  dem 
Schlufs  einer  ähnlichen  Ehreninschrift  wie  n.  2.  —  S.  74  n.  4.  Basis. 
Bule,  Demos,  Gerusia  und  die  vdoe  ehren  den  Sieger  (Jepoveixijv)  Adra- 
stos,  S.  des  Adrastos,  Mitglied  einer  Genossenschaft  {auvoSog)  dionysi- 
scher Künstler.  —  S.  76  n.  5.  Schlufs  der  Ehreninschrift  auf  einen 
Mann,  der  viele  Ämter  bekleidet  und  sich  mannigfach  um  die  Stadt  ver- 
dient gemacht  hatte.  U.  a.  war  er  als  Gesandter  Ttpdg  roug  ^youpivoiß^ 
tlg  Ttop[i]v  (Z.  6)  entsandt  worden;  wahrscheinlich  sind  die  Triumvirn 
gemeint.  Vielleicht  ist  der  Geehrte  identisch  mit  einem  gewissen  Solon, 
S.  des  Demetrios,  der  in  einem  Briefe  des  Marens  Antonius  (GIG  2737) 
ehrenvoll  als  Gesandter  von  Aphrodisias  erwähnt  wird.  —  S.  76  f.  n.  6. 
Basis.  Schlafs  der  Ehreninschrift  auf  einen  Beamten  (dessen  Sohn  M. 
Aur.  Polychronios  Z.  12/13),  welcher  der  Bnle  die  Summe  von  1670  De- 
naren zu  jährlicher  Verteilung  unter  200  Bürger  vermachte.  Bestimmun- 
gen über  die  Verwendung  eines  Restes  von  470  Denaren  waren  vielleicht 


56  Orieehischc  Epigraphik. 

in  dem  oberen  Teile  enthaltmi.    --   8.  77  f.  n.  7.    Ventttnimelte  Ehren- 
inschrift von  Bole  und  Demos  auf  M.  Quintilia  Pomentina — . 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  78  n.  2.  Artemidoros,  Adoptivsohn  des 
Dionysios,  leiblicher  Sohn  des  Artemidoros,  S.  des  Diogenes,  weiht  der 
Aphrodite  xa}  Beoeg  SeßaaroTg  und  dem  Demos  die  Bilds&uleo  eines 
Hermes,  der  Aphrodite  und  der  Eroten.  —  S.  79  n.  9.  Weihinschrift: 
*T\nkp  ri^c  ro/i'  (2)  xupiwv  abT0xpa*(^)r6piuv  xaü  Katöd'{^)paßv  aiwvlou 
(5)  SeafAO)f^ff.  —  S.  79  f.  n.  10.  Fragment  einer  Weihinschrift.  Dio[ny- 
sios],  S.  des  Pa[p]yios,  lepe&g  Atbg  NiveuS{ou^  weiht  die  Bildsäule  des 
letzteren  Gottes  einem  Divus  Augustus.  Das  Epitheton  des  Zeus  ist 
ohne  Zweifel  zurttckzuftthren  auf  den  Alteren  Namen  der  Stadt,  Ntvoi^ 
(wegen  ihrer  Orttndnng  durch  den  Leleger  Ninos);  vergl.  Steph.  Byz. 
s.  V.  Niv6ij. 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  80  n.  11.  Rest  einer  Inschrift  des  Lysi- 
machos,  ao^tarijQ^  dpj^tapeug.    Die  vollen  Titel  desselben  CI6  2785. 

Dieselben,  a.a.O.  S.  81  n.  12;  unvollständiger  Perrot,  Revue 
arcb.  XXXII  1876  8.  39  f.  Rest  der  Sarkophaginschrift  eines  Legionars 
der  Severiana  Antoniniana,  Ijne  Aeyt'(9)iov  iartv  iv  I!evyd'(4)potc  rr^ 
M€aonoTa'(b)fiidc  npbg  r^  T{-'{ß)yp8e  norafi^.  —  Die  Legion  gehört 
zu  den  von  Septimius  Severus  gestifteten  drei  parthischen,  deren  erste 
nach  Amm.  Marc.  20,  6  in  Singara  stationiert  war.  Die  weitere  Bezeich- 
nung Antoniniana  fahrte  sie  unter  Garacalla  (M.  Aur.  Antoninus)  oder 
Elagabal  (gleichfalls  M.  Aur.  Ant) 

Atta  da  (Assar;  Kiepert:  Hassar). 

tiso  Giere,   BGH  XI  1887  S.  348 f.  n.  5.     Bule  und  [Demos]  seiner 

Vaterstadt  ehren  den  Kar]minios den  Jüngeren,  einen  Stephane- 

phoren  und  Priester  0eäg  MijTpbQ  'ASpdunou^  S.  des  Garminius  Glaudia- 
nus,  lebenslänglichen  Stephanephoren,  Logisten  von  Kyzikos  und  Argyro- 
tamias  von  Asien,  Bruder  des  Garminius  Athenagoras,  Prokonsuls  von 
Lykien,  Pamphylien  und  Isaurien.  —  Der  Geehrte  ist  unbekannt;  doch 
gehört  er  zu  einer  grofsen,  durch  zwei  Inschriften  von  Aphrodisias  (GIG 
2782.  2783)  bekannten  Familie,  deren  Stammbaum  BOckh  aufgestellt  hat. 
Unsere  Inschrift  lehrt  einen  zweiten  Sohn  des  M.  Ulpius  Garminius  Clau- 
dianus  (GIG  2782)  kennen  und  erwähnt  das  Prokonsulat  seines  Bruders 
Athenagoras  über  die  vereinigten  Provinzen  Lykien,  Pamphylien  und  Isau- 
rien. Die  Inschrift  fällt  in  die  Zeit  des  Gommodus,  welcher  wahrschein- 
lich die  prokonsularische  Provinz  Lykien  Pamphylien  durch  Hinzuftlgung 
von  Isaurien  vergröfserte. 

A.  H.  Smith,  Journal  of  hellenic  studies  YDI  1887  8.  224  n.  1 
giebt  berichtigte  Lesungen  zu  CIO  3962. 


—IM 


—161 


XIII.  Caria:  Aphrodisias.    Attada.   Antiochia.  Nysa.  57 

Antiochia  (Ali  Aga  Tschiflik). 

A.B.  Smith,  Journal  of  helleoic  studies  YIII  1887  S.  233  n.  13. 
Dede,  ii.ö.  von  Ali  Aga  Tschiflik.  Aufschrift  des  Grabmals  des  Apollo- 
nios,  8.  des  A.    Darunter:  Cfj- 

Nysa. 

Clerc,  BCH  IX  1886  S.  124-128  in  Minuskeln.  Ehrendekrete  tiss 
anf  den  auch  sonst  inschriftlich  bekannten  T.  Aelius  AIcibiades  aus  Nysa; 
aus  der  Zeit  des  Antoninus.  A:  Wortreiches  Ehrendekret  der  ephesi- 
schen  Lokaigenossenschaft  der  im  2.  Jahrh.  n.  Chr.  zu  einer  einzigen 
grofsen  Korporation  nnter  dem  Patronate  des  Dionysos  und  des  jeweili- 
gen Kaisers  vereinigten  Genossenschaften  dionysischer  KQnstler  (Z.  35 ff.: 
9]€d6)[Bcu  xdtQ  dnb  r^c  olxooixivrjq  nep[\  rov  (36)  Atövoaov  xa\  Abroxpdr 
Topa  Ka/aapa  T.  [AfXeov  (37)  ASptavbv  ^Avriüvehov  üeßaarbv  Eö[aeß^ 
(38)  re^^uefrouCi  lepoue/xacg^  <rre^av£rra[rc  xal  (89)  toTq  vourafv  (ruvayoh' 
vtarauQ  roTc  dn[aTeX''{AO)oo<rev  iTti  röv  iv  rjj  fUYtarjj  xal  TtpiOTjj  /ü^[t/9o- 
(A\)n6kBt  ri^c  ^Aatag  xa\  SIq  vetoxopip  rdiv  2'e/9a[tf-(42)ra)v  *Efeai<ov 
^ht)f  in  welchem  der  Gefeierte  mit  Ehren  ttberschttttet  wird  (Z.  1—70); 
an  dasselbe  schlofs  sich  ein  gleiches  nur  dem  Präskripte  nach  erhaltenes 
Dekret  der  Lokaigenossenschaft  in  Rom.  —  B :  Gleich  überschwengliches 
Ehrendekret  der  Stadt  Nysa  auf  denselben  in  den  absurdesten  Lobeser- 
hebungen; vgl.:  Trpb^  8k  (30)  roTg  äXXoic  änamv  wv  ei  xaB'  i[v  (31) 
IxaoTQV  int^etpoh}  rtQ  ^fe^e[^-(32)|^£rw,  obx  &v  6  au/ma^  aöro}  ßtog  (33) 
dpxetrsisv  xrX,  Die  Genossenschaft  in  Rom  wird  Z.  36  als  xoXX^yiov  be- 
zeichnet. ~  Derselbe,  BGH  XI  1887  S.  347  n.  2.  Nazli-Gato.  Demos, 
Bule,  Gerusia  und  Neoi  ehren  den  Priester  luliauus  Philometor,  S.  des 
Ghiliarchen,  Stephanephoren  und  Grammateus  I]u[li]anus  und  der  Erz- 
priesterin  lulia  Heliodoris.  —  A.  a.  0.  n.  3.  Salabakli.  Fragment  einer 
Ehreninschrift  (ohne  Transskription  mitgeteilt). 

Kontoleon,  BCH  X  1886  8.  464 f.  n.  4.  Von  Nysa  verschleppt 
nach  'AxTcd^  6  St.  von  Aidin  (Tralles).  Bule  und  Demos  ehren  den  T(ib). 
G(laudius)  Caecilius  Herakleides  den  Jüngeren.  —  S.  620  n.  17.  Bule, 
Demos j  Gerusia  und  veoe  ehren  den  Neopatros,  S.  des  Diophantes.  — 
8.620  f.  n.  20.  Ehren  Inschrift  auf  Aurelianus  Apellas,  Ghiliarchen  der 
dritten  cyrenftischen  Legion. 

Derselbe,  a.  a.  0.  8.  620  n.  18.  Weihinschrift  des  S^fiog  HoXo- 
iwv  an  die  9eol  narpwot  Köre  und  Pluton.  —  n.  19.  M]oIossos,  S.  des 
Apollonios,  der  als  Kampfrichter  stets  eine  von  ihm  bereitete  Salbe  zur 
VerflQgung  stellte,  weiht  einen  Brunnen  und  eine  Bildsäule  des  Hermes 
dem  Demos,  dem  Hermes  und  den  viot. 

Derselbe,  a.  a.  0.  8.  621  n.  21.  Haus  des  Stationsinspektors  zu 
Booyra  an  der  Eisenbahn  von  Smyrna  nach  Aidin.   Fragmentierte  Grab- 


58  Oriechische  Epigrapbik. 

Schrift  eines  Beamten  r^c  ^afiTtpordn^^  Nuffaia^v  nöXewg  auf  seinen  Soho 
Aorelius  Tauras. 

Hiera  Korne  (Kiösk). 

Sterrett,  Preliminary  report  of  an  archaeological  journey  etc. 
Boston  1885.  S.  4  n.  1.  Fragment  des  Briefes  eines  der  späteren  Kö- 
nige in  zwei  Kolnmnen  an  die  Einwohner  von  Hiera  Kome,  enthaltend 
Anordnungen  7tpb]g  rag  rou  Beou  (Apollon)  &epane{[aQ^  —  —  «üf  dn 

dpj[^g  6?/ew  i^at  Sk [[t]7td  Twv  nph  ifioü  ßa(Tt[kia}v — .    Durch  die 

Inschrift  wird  die  Lage  des  Ortes  (Z.  2 :  toTj  iu  rg  ^Isp^  ^^Ip^ß]^  wel' 
eher  bisher  irrtümlich  westlich  von  Tralles  angesetzt  wurde,  annähernd 
bestimmt. 

Tralles  (Aidin  GUsel  Hissar). 

Kontoleon,  BGH  X  1886  S.  515f.  n.  8  (nach  Abschrift  von  Pap- 
pakonstantinos).  Fragment  des  Antwortschreibens  eines  syrischen  Königs 
an  die  Stadt  anläfslich  einer  Bitte  oder  Reklamation  derselben.  Die 
königliche  Entscheidung  wird  einem  arpan^ybg  Themistokles  mitgeteilt 

Pappakonstantinos,  a.  a.  0.  S.  826.  Fragment  eines  Ehrende- 
kretes aus  der  Zeit  der  Seleuciden.  Die  beiden  letzten  Zeilen:  —aa- 
a^cu  rij[y]  dna^e^eav  r^g  eIx6v[og]  |  —  tou  di^fwu  r<jS  ßaatkEc  dva. 
150—100  ypdipai—.  S.  826  f.  Fragmentierte  Basisinschrift  auf  einen  Sieger  in 
Festspielen,  dessen  Name,  nicht  erhalten  ist,  mit  der  Künstlerinscbrift 
des  Philotechnos,  S.  des  Herodes,  aus  Samos.  Vgl.  Löwy,  Inschr.  griech. 
Bildh.  n.  294.  296.    Zweite  Hälfte  des  2.  Jahrb.  v.  Chr. 

Kontoleon,  a.  a.  0.  S.  516  n.  5  (Abschrift  von  Pappakonstantiuos). 

Weihinschrift  der  Gerusia  auf  Caesar  Augustus,  den  Gründer  der  Stadt, 

1 14—87  und  sein  Glttck  (xal  rijt  ru^^^e  auTotß),  —   n.  6  (Pappakonstantiuos).    Ein 

Priester  des  Tiberius  Caesar  und  der  Hekate  Sebaste  weiht  Hermensäulen. 

Sterrett  und  Ramsay,  MDAI  VIII  1883  S.  16  n.  33b  =  Ster- 
rett,  Papers  of  the  American  school  of  classical  studies  at  Athens  I 
(1882/3).  Boston  1885.  S.  116  n.  16.  Äufserst  verstümmelte  Ehrenin- 
schrift, wahrscheinlich  auf  Germanicus:  Kai]aa[pa]  Apooa[ov  (2)  Fepfila- 
v[ex]öv  [^]e[ß]ouTT[6u  u.  s.  w. 

Kontoleon,  BCH  X  1886  S.  516 f.  n.  7  (Pappakonstantinos). 
Ehreninschrift  der  Gerusia  auf  den  Kaiser  Nero  Claudius  Caesar  Augu- 
stus Germanicus.  Für  Herstellung  des  Denkmals  haben  der  Schreiber 
(Tib.  Claudius  Minnus)  und  die  drei  Archouten  der  Stadt  Sorge  getragen. 

1 96-M  Sterrett  und  Ramsay,  MDAI  VIII  1888  S.  884f.  n.  15  ==  Ster- 

rett, Papers  S.  114f.  n.  15;   Mommsen,  Eph.  epigr.  1884  S.  61  nach 


XIII.  Caria:  Hiera  Korne.    Tralles.  59 

einer  Abschrift  Ybo  Ramsay;  vorher  in  der  smyrnäischen  Zeitschrift  ^Oii^i^ 
poQ  1873  S.  537.  Griechische  nnd  lateinische,  arg  verstümTnelte  Inschrift, 
deren  Zeilenreste  zu  wechselseitiger  Ergänzung  dienen.  Der  Freigelas- 
sene Onesimos,  ein  inirpon^oQ  XaTo/i[ecout  weiht  dem  Kaiser  Nerva  and 
der  Stadt  Tralles  rä  0ep/iä(7)  v]ou  yopvaltnoö  nnd  die  beiden  Bild- 
sänlen  in  demselben.  Z.  14—17,  jetzt  weggebrochen,  sind  nach  dem 
"O^pog  mitgeteilt.  —  Der  Freigelassene  M.  Anrelins  Onesimus  wird 
erw&hnt  in  der  Inschrift  von  Tralles  Lebas  612.  —  S.  324f.  n.  7  =  fi» 
Sterrett,  Papers  S.  104  n.  7;  ungenau  "Ofir^poQ  1878  S.  49  und  Mou- 
aeiov  xou  ßtßXto^xi^  1876  S.  48.  Ehreniuschrift  der  Stadt  auf  D]iony- 
sios,  S.  des  8o[tas]  aus  Seleukeia,  v€i[xfi](TavTa  naedwv  ndXr^v  ^OhfintdSa 
va'  (=  133  n.  Chr.;  vgl.  zur  Chronologie  im  folgenden).  S.  328 f. 

Q.  10  =  Sterrett,  Papers  S.  108  n.  10;  ungenau  Konstantinos,  Moo^ 
aeTov  xal  ßtßkoBi^xij  1875  S.  126.  Nicht  ganz  lesbare  Ehreninschrift 
auf  C.  Iuli]us  Claudianu^,  der  eine  Menge  von  Ehrenämtern  in  Tralles 
bekleidet,  u.  a.  die  Stadt  mit  Getreide  aus  (dem  ägyptischen)  Alezan- 
dreia  versehen,  für  den  Marktplatz  xiovojq  sTxocc  versprochen  und  die 
Exedra  mit  einem  Mosaikpflaster  geziert  hatte 

Vier  in  ihrer  Fassung  genau  übereinstimmende,  fragmentierte  Ehren«    t  lu 

insehriften  aus  demselben  Jahre: uttö  rou  ^etordrou  ctuToxpäropog 

^AvTwvetvou  ix  rtov  Kkauodiavoo  äap.ä  nöptov  [Name  des  Siegers  und  Be- 
zeichnung* des  Sieges]  ^OkojintdBa  v<:'  (s.  u.),  dp^tepar&uovroQ  xai  dytüva- 
BeroovroQ  rö  ß'  f.  lou{Xtou)  0cXi7mou  ü(t)oü  ßouk^g,  dpj^tepäios  'Aatag 
xal  dyoßvoBiTOü  Scä  ßiou^  dkurap^ouvroQ  Ti.  (s.  u.)  KX{auS{oo)  MeXirwvo^^ 
im/ie^^ivros  L  'Jou[^ou)  Xpüoipiuro^,  —  Sieger  und  Art  des  Sieges: 
1.  Ramsay,  Papers  of  the  American  school  of  classical  studies  at  Athens 
voL  I  (1882/3).  Boston  1885.  S.  102:  'Aaxhfjmaxbv  JtO'{7)Yevoui  Uep^ 
yofjo^vdv  vttxijaavTa  Snh)v\  2.  Kontoleon  und  Foucart,  BGH  XI  1887 
S.  298 ff.  n.  7:  {'S)*AaxXyimaxbv  /lco'jrd'(7)vou^  Uepyafja^vöu  (8)  vetxi^aavra  dv- 
Spw[v  (9)  (TTd8iov;  3.  Sterrett  und  Ramsay,  MDAI VIII 1883  S.  322  n.  6 
=  Ramsay,  Papers  a.  a.  0.  S.  100  n.  6:  (5)  K6(i\fTov)  'lou(Xtov)  'ApTSfit- 
8a}p((ova  (6)  TpaXXta\tb(v)  uetx^aav-{7)7a  dv8ptov  navxpaTcov;  4.  Ram- 
say, a.  a.  0.  S.  103  (Wiederherstellung  von  Lebas-Wadd.  1652c):  fdiov 
0i)AStX[<po)t  TOfj  8sTvog  Tpakkiavöu],  vsixijaavra  ^^^a;[y]  Ttoyprjv.  —  In 
allen  vier  Inschriften  ist  der  Anfang  nicht  erhalten.  Statt  der  vorge- 
schlagenen Wiederherstellungen  8oBevTay  dvare^evra  würde  Z.  1  des 
Fottcartschen  Textes  (s.  o.  n.  2):  .  r.  xal  intxupo—  (2)  Ta  vielmehr  hte- 
xup[a}Bev]Ta  bieten.  Hiernach  würde  der  Kaiser  Antoninus  einfach  die 
Stiftung  des  Clandianus  Damas  (wahrscheinlich  des  in  der  vorhergehen- 
den Inschrift  Geehrten)  ftlr  die  Festfeier  der  olympischen  Spiele  zu 
Tralles  genehmigt  haben.  —  Das  Datum  der  Olympiade  ist  nach  Ram- 
say in  n.  1  und  3  sicher  NC  (Sterrett  las  in  n.  3  C  ="  y')\  derselbe 
stellt  diese  Zahl  auch  in  n.  4  wieder  her;  Foucart  hält  in  n.  2  NP  fOr 
wahrscheinlicher,  als  NC,  da  der  hier  sichtbare  untere  Horizontalstrich 


60  Oriecbische  Epigraphik. 

wohl  nur  ein  Rifs  des  SteiDes  sei.  —  Die  Lesung  von  Sterrett  Uo(nX£ot}) 
KXauSloo^  welche  Ramsay   in   seine   Wiederherstellnngen  anfgenommen 
hat,  kaon  nach  Foncart,  a.  a.  0.  nicht  genau  sein.   Der  Vorname  Publius 
ist  niemals  verbunden  mit  Claudius.     Schon  Waddington  hatte  die  ihm 
Übersandte  ungenQgende  Abschrift  (s.  o.  n.  4)  verbessert  in:     r[<].  Kl 
MektTiü¥og.  —  C.  lulius  Philippus  war  nach  Ausweis  unserer  Inschriften 
in  der  66.  trallianischen  Olympiade  zum  zweiten  Male  Agonothet  und 
gleichzeitig  Oberpriester  von  A^ien.    Nun  hat  (nach  Ramsay)  Wadding- 
ton, Fastes  des  provinces  Asiat.  S.  221  erwiesen,  dafs  das  Martyrium  des 
Polykarp,  welches  bei  Gelegenheit  der  Spiele  in  Smyrna,  denen  Philip- 
pus als  Oberpriester  präsidierte,  stattfand,  in  das  Jahr  166  n.  Chr.  zu 
setzen  ist.    Ferner  geht  aus  einer  zu  Olympia  gefundenen  Ehreninschrift 
Dittenberger,  Arch.  Zeitg.  XXXVIII  1880  S.  62  n.  368  (ROhl  I,  82  u.): 
^H  VXufimxii  ßouXij  f.  louktov  0iXt7tnov  TpcMiavöv^  rdv  datdp^y^v^  i^ßwv 
luBxa,  mufAmddt  aXß'   (Ol.  232  -  149-162  n.  Chr.)  hervor,  dafs  Phi- 
lippus um  dieselbe  Zeit  Asiarch  war.    Wenn  nun  die  Gleichstellung  der 
Titel  datdp^i^g  und  dp^tepeug  ^Aaiag  trotz  Waddingtons  Einwendungen 
als  indisputabel  erscheinen  mufs,  so  lassen  sich  die  obigen  Daten  nur 
unter  der  Annahme  vereinigen,  dafs  das  Amt  eines  Oberpriesters   von 
Asien  wie  die  meisten  derartigen  Ämter  ein  penteterisches  war.    Philip- 
pus war  somit  Oberpriester   162—166  n.Chr.  (unter  Antoninus  Pius); 
im  Jahre  168  präsidierte  er  den   olympischen  Spielen  zu  Tralles    bei 
deren  66.  Wiederkehr.     Die  60.  trallianische  Olympiade  fand  demnach 
129  n.  Chr.  bei  Gelegenheit  des  Besuchs  Kaiser  Hadrians  statt    Wahr- 
scheinlich  ist,  dafs  diese  Spiele  zu  Ehren  der  Anwesenheit  des  Kaisers 
nicht  erneuert  (vgl.  die  MDAI  VIII,  326  n.  8  [s.  u.]  erwähnte  dyav£[w» 
ms\  sondern  erst  eingesetzt  wurden,  wenngleich  der  Lokalpatriotismus 
denselben  den  Glanz  höheren  Altertums  zu  verleihen  suchte.    —  Vergl. 
ttber  drei  Männer  des  Namens  C.  lulius  Philippus  auch  Foncart,  BCH 
X,  467  f. 

Sterrett  und  Ramsay,  MDAI  VIII  1888  S.  318f.  n.  2  »  Ster- 
rett, Papers  S.  96  n.  2;  ungenau  "OfiiipoQ  1874  S.  39.  —  Bule,  Demos 
und  Gerusia  ehren  den  Tib.  Claudius  Hephaestion  Epigonianus,  S.  des 
Tib.  Claudius  Hephaestion,  aus  der  Tribus  Quirina,  der  während  der 
ersten  vier  Monate  des  Jahres  (r^v  npatn^v  rsTpäfii^vov)  das  Amt  eines 
Gymnasiarchen  der  drei  Gymnasien  bekleidete  und  den  ganzen  Tag  Ober 
unentgeltlich  Ol  spendete.  Seine  Mutter  Claudia  Perigenis,  T.  des  vier- 
maligen Olympiensiegers  Epigonos,  ehrt  ihren  Sohn.  Letztere  gehörte 
zu  der  von  Cic.  pro  Fiacco  22  erwähnten  vornehmen  trallianischen  Fa- 
milie der  Epigoni  und  brachte  diesen  Namen  in  die  Familie  der  Hephae- 
ti57  stionen.  —  S.  326  n.  8  =  Sterrett,  Papers  S.  106  n.  8;  nach  Pocockes 
ausnehmend  schlechter  Abschrift  CIG  2934,  etwas  besser  Lebas  611. 
Ehreninschrift  auf  Dionysios aus  Laodikeia,  vstxr/laavTa  n}aßwv 


—iw 


XIII.  Caria:  Tralles.  61 

fftf^yc^v  *0Xuplmd8a\  irf  iura  r^v  dvmfi[metv.  —  Der  Z.  10 — 12  geoannte 
A^rtarch  Seztas  d'  Euarestos  ist  wahrscheiolich  identisch  mit  dem  Oram- 
mateas  von  Tralles,  der  aaf  Müozen  des  Mark  Aarel,  Lucios  Veras  und 
Commodus  (Mionoet«  Lydie  1079—1090)  hftafig  begegoet.  Die  8.  Olym- 
piade nach  der  Eroeoerung  der  Festspiele  (s.  S.  60)  ist  «  Ol.  57  « 
167—160  n.  Chr. 

Eontoleon,  BGH  X  1886  S.  456  n.  8;  Löwy,  MDAI  XI  1886  t  m 
S.  203  f.  n.  1  Dach  Abschrift  des  Ingenieurs  0.  Schnitz  mit  geringfügigen  ~~^^ 
Varianten.  Ehreuinschrift  auf  G.  lulias  Philippus,  Sohn  des  gleichnami- 
gen Oberpriesters  von  Asien  (s.  S.  60),  aus  der  Tribus  Velina,  dessen  Aus- 
zeichnungen und  Ämter  aufgezählt  werden.  U.  a.  war  er  imrpono^  rwv 
Jkßaaraßv  (=  procurator  Augustorum);  wahrscheinlich  des  Mark  Anrel 
und  L.  Verns  (vgl.  Ramsay,  MDAI  VIII,  323),  oder  des  Mark  Aurel  und 
Gommodus.  Auch  war  er  Vater  des  ffüyxkqriKbg  und  arparTjYoQ  ^PtüpxUü»^ 
lul.  Philippus  und  bekleidete  das  Amt  eines  lebenslänglichen  Priesters 
des  Zeus  Larasios.  —  Dieselbe  Persönlichkeit  auch  in  der  Inschrift  von 
Aphrodisias  GI6  III  2790  und  von  Tralles  GIG  III  2932.  2933.  BGH  V 
1881  8.  846  n.  8  (Röhl  II,  63);  vgl.  Waddington  zu  Lebas  III  605. 

Sterrett  und  Ramsay,  MDAI  VIH  1888  S.  821  n.  5  ===  Sterrett,  nach 
Papers  8.  98  f.  n.  5;  zuerst  von  Fellows  mit  einem  Glase  antersudit,  nach  ^  ^^ 
ihm  CI6  2930  b;  wenig  besser  Lebas  610.  Der  Stein  ist  gegen  65  Fnfs 
hoch  Aber  dem  Boden  eingemauert;  die  Buchstaben  sind  so  klein,  dafe 
sie  selbst  mit  dem  besten  Glase  nicht  genau  zu  lesen  sind.  —  Bule  und 
Demos  ehren  den  M.  Aur.  Euarestos,  einen  gewesenen  Bularchen,  Ago- 
ranomos,  Eirenarchen,  Strategos  u.  s.  w.,  der  t^  xpaxi^arjj)  KX{ao8ef) 
BouXg  an  seinem  Geburtstage,  dem  9.  Pereitios,  33d[3]  Denare  zur  Ver- 
teilung überwies.  Die  Fürsorge  für  Errichtung  der  Bildsäule  fibernahm 
sein  Sohn,  der  Grammateus  der  Buie,  des  Demos  und  der  Gerusia,  M. 
Aar.  8oteri[ch]o8.  —  Da  Euarestos  die  Namen  des  Mark  Aurel  trägt. 
so  kann  er  nicht  vor  161  n.  Ghr.  geboren  sein.  Wahrscheinlich  war  er 
der  Sohn  des  in  der  obigen  Inschrift  geehrten  Euarestos.  Er  wird  alle 
genannten  Ämter  nicht  vor  seinem  45.  Jahre  =  frfihstens  206  n.  Ghr.  be- 
kleidet haben.  —  S.  320  n.  4  =  Sterrett,  Papers  S.  98  n.  4.  GIG 
2028  nach  Pococke,  Wadd.  608.  Ehreninschrift  auf  den  Bularchen  M. 
Aar.  Soterichos  (s.  o.)-  Nur  einige  Buchstaben  haben  verbessert  werden 
können;  so  Z.  2  Anfang  Rest  eines  A  =  ireifi^tflav,  —  S.  316f.  n.  l  fj^^ 
SS  Sterrett,  Papers  S.  94  n.  1.  Den  erlauchten  Prokonsnl  (ro  y^  von 
Asien  Lollianus  ehrt  die  XafiTtpordTTj  Kataapdwv  TpaXXcavwv  noXtg  als 
ihren  Wohlthäter;  folgen  die  Namen  der  mit  Errichtung  des  Denkmals 
betrauten  Upstg  uni  ypopfiareTg  des  Demos.  —  Von  den  drei  Prokon- 
soln  von  Kleinasien,  die  den  Namen  Lollianus  führten,  kann  der  unsrige 
nur  Egnatius  L.  sein,  da  keiner  der  beiden  anderen  einfach  L.  genannt 
werden  konnte.    Das  dritte  Konstdat  desselben  wird  erwfthnt  in  der  In- 


—«17? 


62  Oriechiache  Epigrapbik. 

scbrift  von  Alexandreia  Troas  CIL  111468;  die  Zeit  desselben  ist  ange- 
wifs.  Ein  Tib.  Claudius  Glyptos,  welcher  in  der  Inscbrift  von  Tralles 
CIG  2926  begegnet,  war  ohne  Zweifel  ein  Verwandter  des  Z.  13/14  er- 
wähnten P.  Licinnius  Glyptos,  welch  letzterer  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  der  Grammateus  voq  Tralles  ist,  der  auf  MOnzen  des  Septimius 
und  Caracalla  (Mionnct,  Lydie  1095.  1099.  1100)  genannt  wird.  Der 
Z.  12/13  erwähnte  P.  Lucilius  Muoatius  war  vielleicht  ein  Sohn  des  be- 
kannten Gelehrten  von  Tralles,  eines  Freuudes  des  Herodes  Atticus 
t  m_  (Philostr.,  Vit  Soph.  p.  231).  -  S.  333  n.  13  =  Sterrett,  Papers 
S.  113  u.  13;  vorher  "Oiirjpo:  1873  S.  490.  Einen  Prokonsul  ehrt  als 
ihren  Woblthäter  ^  kaiL^(b)np]oTdT7j  fi7^Tp6noXt[g  (6)  r^Jf  ^Aaiag  xat  vetu- 
x[öp'(*l)og]  Twv  ZeßoLorluv  Ka[t'(%)aa\pia»v  TpaXkeaviov  (9)  noXtg.  — 
Tralles  wird  vewxöpog  genannt  auf  MQnzen  von  Caracalla,  doch  nicht 
mehr  unter  dessen  Nachfolger.  —  S.  330 f.  n.  11  =  Sterrett,  Papers 
S.  110  n.  11;  vorher  Pappadopulos-Kerameus  in  der  smyrnftischen  Zeit- 
schrift 'AfidXi^eea  1874  n.  2061  (31.  Juli).  Ehreninschrift  auf  M.  Aurelius 
Soter,  einen  Buleuten,  der  in  dem  heiligen  Wettkampfe  der  Spartiaten 
und  der  Herakleia  im  naßtuv  na^xpareov  siegte,  den  hayatybv  rwv  VAu/jl* 
tt/oiv,  unter  dem  lebenslänglichen  Priester  des  Zeus  Larasios  Flavius 
Kleitosthenes,  eines  zweimaligen  Asiarcben,  npdfzog  *Aa{ag^  Vaters  eines 
Konsulars  und  Grofsvaters  von  Senatoren,  in  dessen  neunter  Pentaeteris. 
—  Die  Herakleia  von  Tralles  sind  erwähnt  CIG  2936;  der  Agon  der 
Spartiaten  scheint  hier  und  in  der  folgenden  Inschrift  zum  ersten  Male 
zu  begegnen.  Der  Priester  des  Zeus  Larasios  bekleidete  die  höchsten 
Staats  worden;  vgl.  Lebas  604.  ehaywyös  statt  —  eug  auch  CIG  2932 
(gleichfalls  Tralles)  =  Agonothet  Da  Enkel  des  Kleitosthenes  den  sena- 
torischen Rang  bekleidet  hatten  (für  Griechen  vor  der  Zeit  Mark  Anrels 
ftufserst  selten),  so  wird  die  Inschrift  dem  Ende  des  zweiten  oder  Anfang 
des  dritten  Jahrhunderts  n.  Chr.  angehören.  Nach  Z.  20  bekleidete  Klei- 
tosthenes das  Priestertum  in  neun  aufeinanderfolgenden  Amtsperioden  von 
vier  Jahren.  —  S.  332  n.  12  =:  Sterrett,  Papers  S.  112  n.  12;  vorher 
""Olv/jpoQ  1874  S.  39  und  1877  S.  l76f.  von  Pappad.- Kerameus.  Frag* 
montierte  Ehreninschrift  auf  einen  Sieger  im  Ringen  der  naTdec  im 
heiligen  spartiatischen  Wettkampf  sowie  im  Agon  der  Haleia  unter  dem 
in  der  vorigen  Inschrift  erwähnten  Priester  des  Zeus  Larasios.  Die  Ha« 
leia  wurden  auch  gefeiert  in  Philadelphia  (CIG  3416.  3427.  3428)  und 
auf  Rhodos  (CIG  3208.  6913).  —  S.  326 f.  n.  9  ==  Sterrett,  Papers 
S.  106  f.  n.  9;  sehr  unvollkommen  Lebas  609.  Äufserst  fragmentarische 
Siegesinschrift  eines  -  as  aus  Smyrna,  der  auch  das  Bürgerrecht  vod 
Tralles  und  Argos  gehabt  zu  haben  scheint.  —  S.  319 f.  n.  3  =  Sterrett, 
Papers  S.  97  n.  3 ;  unvollkommen  Lebas  606.  Den  alleinigen  Agoranomos 
während  des  ganzen  Jahres  Eutyches  ehrt  die  Zonft  der  Leinweber.  — 
Der  Geehrte  ist  identisch  mit  M.  Nonins  Eutyches  in  der  JEShreninschrift 
der  Bürgerschaft  von  Tralles  CIG  2929.     Sterrett  vermutet,  dafs  die 


XIII.  Carla:  Tralles.  63 

öffentlicheD  Ämter  von  Tralles  nur  in  Tiermonatlicber  Amtsdauer  ver- 
waltet worden  (vgl.  MD  AI  YIII,  3 18  f.  n.  2;  S.  60  u,).  £.  bekleidete  sein 
Amt  während  dreier  dieser  Amtsperioden. 

Fontrier,  MD  AI  X  1886  S.  278;  in  Minuskeln  Mooaeebv  xdt 
ßtßho^xf|  y  1884/5  n.  ttq',  Siegesinschrift  auf  Adrastos,  S.  des  A., 
Damalon,  welcher  vetxq.  ri}v  rpixrjv  nepütSov  rtbv  Xotpfjudetwv  mxßwv 
unter  dem  Agonetheten  P.  Ael(ius)  Lucilianus  Dionysios,  errichtet  von 
seinem  Yater. 

Kontoleon,  BGH  X  1886  S.  516  n.  4.  (Pappak.)  Rest  eines 
Volksbescblosses,  der  sich  auf  Niederschrift  und  Aufstellung  desselben 
im  Tempel  des  Zeus  bezieht.  Scblufs:  ^EkL$e  ^uXij  IkptXrjig.  —  S.  519 
n.  11.  (Pappak.)  Bule  und  Demos  ehren  nach  testamentarischer  Be- 
stimmung den  Glykon,  S.  des  Sosthenes.  —  n.  12  desgl.  die  Gattin  des- 
selben Melitia.  —  S.  455  n.  5.  Fragmentierte  Ehreninschrift  des  Demos 
und  der  dionysischen  Künstler  auf  einen  Apollonios,  S.  des  Demetrios,  — . 
S.  456  n.  7.  Fragmentierte  Ehreninschrift  auf  einen  Menandros,  der  die 
Amter  eines  Asiarchen  und  (rcpavfjYüQ  r^c  nöAecjg  bekleidete.  —  Der- 
selbe, BGH  XI  1887  S.  218  n.  12.  Bule  und  Demos  und  das  heilige 
Systema  der  Gerusia  ehren  die  Oberpriesterin  Lucilia,  G.  Lucilii  f.,  Lau- 
dike.  P.  Aelius  Bassus  Ghryseros,  der  u.  a.  die  Würde  eines  Stcphane- 
pfaoros  und  Oberpriesters  bekleidet  hat,  ehrt  seine  Mutter.  -  Giere, 
a.  a.  0.  S.  346  n.  1.  Bule  und  Demos  ehren  den  C.  lulius ,  S.  des  G. 
Julius  Python,  eines  Oberpriesters  von  Asien. 

Kontoleon,  BGH  X  1886  S.  456  n.  6  (Pappak.).  Der  Priester 
Korylas,  8.  des  lason,  weiht  die  Bildsäule  des  Pleistarchos,  S.  des  Anti* 
patros.  —  S.  5l7f.  n.  9.  M.  Sitrios  Thyrsos  stiftet  seinen  Synergasten 
ein  Horologion.  —  S.  519  n.  16.  Die  Zunft  der  Färber  bekränzt  ein 
Heroon. 

Papadopulos-Kerameus,  KE0I  XY  1884  S.  58ff.  n.  5.  Pho- 
kaia,  jetzt  Konstantinopel,  Museum.  Ehreodekret  eines  auswärtigen  De- 
mos auf  die  Bürgerschaft  von  Phokaia  wegen  Entsendung  eines  StxaaTijC 
und  eines  ypafifiaTeug  zur  Schlichtung  von  Rechtsstreitigkeiten.  Die  Er- 
wähnung der  zu  Ehren  des  Königs  Eumenes  Soter  eingesetzten  musischen 
Spiele  und  eines  Tempels  des  Zeus  Larasios  Eumenes  macht  wahrschein- 
lich, dafs  die  Inschrift  auf  Tralles  zurückzuführen  ist.  —  8.  60  nach 
einer  Publikation  von  Pappakonstantinos  in  der  smyrnäischen  Zeitschrift 
'Afidk&eta  27/28.. April  1884.  MouaeTov  xal  ßißkeo^xf)  V  1884/5  S.  73 
n.  uoC  in  Minuskeln.  Der  Priester  Klaudios  Meliton  errichtet  dem  Zeus 
Larasios  Sebastos  Eumenes  ein  Weihgeschenk.  Derselbe  vielleicht  in  den 
vier  Inschriften  S.  59.  —  S.  53  n.  6.  Fragment  einer  Wegebauinschrift: 
—  ürparrjYbQ  hü  r^ff  ^wpaQ  (2)  auvrekiaag  röv  re  äfxa^txbv  (3)  rhv  ^e- 
povra  int  re  rä  Xe[w^opeca? 


64  GrieebiBche  Epigraphik. 

KontoleoD,  BGH  X  1886  S.  519  n.  16  (Pappak.).  Jemand  be- 
stimmt TÖv  clxov  npbs  Twe  dU{so)sxToplq)  (ebenso  in  der  Orabschriit 
von  Kibyra  CoUignon  BGH  II,  610  n.  29  =  ROhl  II,  114)  für  sich  und 
seine  mitverzeicbneten  Kinder  (zur  Grabstätte);  mit  den  Anfangsworten 
einer  Strafandrohung.  —  S.  618  n.  10  (Acharkiöi,  eine  Stunde  von  Trailes). 
Verstfimmelte  Aufschrift  der  Ruhestätte  des  M.  Aurelins  —  und  seiner 
Familie.  —  S.  519  n.  14.  Grabstein  des  Philaios,  S.  des  Fb.,  seiner 
Gattin  Nikonoe,  T.  des  Diogenes,  ihres  Sklaven  Epigonos  and  der  Sklavin 
Hekataia;  —  n.  18  des  Pamphilos,  S.  des  Aphrodisios.  —  S.  517  n.  8. 
Inschrift  des  Gerusiasten  Claudius  Bassus. 

Sterrett  und  Ramsay,  MDAI  VIII 1883  S.  d36f.  n.  17  =  Ster- 
rett,  Papers  S.  117  n.  17.  Aufschrift  der  Ruhestätte  des  lason,  S.  des 
Archeteimos,  und  seines  Sohnes  lason.  Bestattungsrecht  sollen  haben 
seine  Gattin  Trypherin  und  seine  Sklavin  Eikonin;  nachgetragen:  Zosin. 
—  Vielleicht  steht  unser  lason  zu  dem  tragischen  Schauspieler  gleichen 
Namens  von  Trailes  in  Beziehung.  Die  Nominative  der  Fraueonamen 
sind  singulärer  Bildung.  —  S.  337  n.  13  =  Sterrett,  Papers  S.  117 f. 
n.  18;  vorher  "O/it^pog  1873  S.  537.  Grabstein  der  Maiandria,  T.  des 
Hierophon,  Gattin  des  Epainetos,  und  des  Apollonios,  8.  des  Artemido* 
ros.  Letzterer  begegnet  auch  in  der  Proxeneniiste  Lebas  699  b,  24.  — 
n.  19  =  Sterrett,  Papers  8.  118  n.  19;  vorher  ''Ofii^pog  1883  S.  491. 
Grabschrift  auf  Arteroidoros,  S.  des  Metrodoros,  und  — .  S.  338  n.  20 
^  Papers  n.  20.  Grabstein  des  —  Valerius,  8.  des  Vitalins,  und  des 
Tettios,  S.  des  Skartos.  —  n.  21  =  Papers,  8.  119  n.  21.  Rest  der 
Sarkophaginschrift  eines  Weibes.  —  n.  22  =  Papers  n.  22.  Dürftige 
Reste;  am  SchluCs:  ^oljpog  ^^A[(/c? 

Sterrett,  Papers  8.  120;  Löwy,  MDAI  XI  1886  S.  204  n.  2 
(Abschrift  des  Ingenieurs  0.  Schultz).  Inschriftfragment  eines  El.  Mi- 
thridates. 

Sterrett  und  Ramsay,  MDAI  YIII  1883  S.  333  n.  14;  Sterrett, 
Papers  S.  113 f.  n.  14  nach  neuer  Abschrift;  die  beiden  letzten  Zeilen  Ram- 
say, Journal  of  helleoic  studies  1881  8.  47;  das  Ganze  Mommsen,  Eph. 
epigr.  1884  8.  65  nach  Ramsay.  Unter  einer  halb  erloschenen  lateini- 
schen Ehreninschrift  auf  den  Kaiser  Galba:  /jLe(Xea)  Xa'  =  31.  Meilenstein 
auf  der  Römerstrafse  von  Ephesos  nach  Trailes.  Der  30.  Meilenstein 
steht  noch  jetzt  bei  DedekiOi,  gegen  zwei  Meilen  westlich  von  Trailes, 
und  ist  nach  der  schlechten  Publikation  von  Lebas  1652  c  korrekt  mit- 
geteilt Mootntov  xa\  fiißXto^xj}  II  1876-1878  8.  48  (Röhl  II,  63  u.). 

Pappakonstantinos,  BGH  X  1886  S.  327.  Zwei  Ziegelsteine: 
Tupdifvou  und  'A]raB6noXcc. 


Xin.  Caria:  Tralles.  Magnesia.  Miletas.  Priene.  65 

Magnesia  ad  Maeandrum. 

Fontrier,  BGH  YII  1883  S.  504 ff.  n.  10  nach  einem  Abklatsch 
des  M.  Angelios  Batases  in  Aidin;  nach  einem  Abklatsch  von  demselben 
in  Minuskeln  wiederholt  im  Moütreeov  xal  ßeßXto^xij  T^g  ehayyekgx^Q 
aj^o^g  iv  I^fiifpvj^  V  1884/5  S.  72  n.  oo<^^  Schlufs  eines  Edikts  des 
römischen  Statthalters  an  die  Bewohner  von  Magnesia  aus  Anlafs  einer 
Arbeitseinstellung  der  Bäcker  {dproxonot).  Letzteren  wird  anbefohlen, 
ihrem  Gewerbe  obzuliegen  und  keinen  Auflauf  zu  verursachen;  Zuwider- 
handelnde werden  mit  Strafen  bedroht.  —  Auf  die  Inschrift  folgt  der 
Anfang  eines  Ratsbeschlusses  von  Magnesia  auläfslich  der  dnövota  r&v 
ipyaanjpidpj^ioy  \  datiert  nach  dem  Prytanen  Gl.  Modestus,  fii^vbc  *Kka- 
peänfog. 

Mouaeeov  xal  ßtßXto^ijxvj  r^c  ebayYehxijg  a^o^g  Sv  Zixupvj^  V 
1884/5  S.  70  n.  ooa  in  Minuskeln.  Inschrift  eines  Sarkophags,  den  der 
Direktor  der  Eisenbahn  Ephesus-Tralles  (Aidin),  Purser,  von  Teke  (Magn. 
ad  Maeandrum)  nach  Azizieh,  der  ersten  Station  der  genannten  Eisenbahn 
(s.  S.  67),  bringen  liefs.  Dieselbe  besagt,  dafs  der  Sarkophag  (aophg) 
und  dessen  Sockel  (ro  bnb  abr^v  xpi^netStoim)  dem  Hierokles,  S.  des  H., 
gehört  und  dafs  aufser  dem  Besitzer  nur  noch  dessen  Mutter  Heliodora 
das  Beisetzungsrecht  haben  soll.  Zuwiderhandelnde  sollen  rfj  Majrvi^Twv 
ßouAg  5000  Denare  entrichten.  Eine  Abschrift  dieser  Bestimmungen  wurde 
in  den  Archiven  hinterlegt.  Datiert  nach  dem  Stephanephoren  Gl.  Mar- 
cellus  (to)  ve\  ^uyCw^s*)  Ai^vae<bvog. 

Rontoleon,  MDAI  XII  1887  S.  257  n.  28.  BalaUikion  (zweite 
Station  der  Eisenbahn  Ephesus-Tralles);  nach  Winter,  in  der  Anmer- 
kung wahrscheinlich  aus  Magnesia.    Grenzstein:  Tonog  Tpo^tpJwvog, 

Miletas. 

Durrbach  und  Radet,  BGH  X  1886  S.  268.  Aufgrund  einer 
Inschrift  von  lasos  wird  die  billngue  Inschrift  GIL  III  477  ergänzt. 

Priene. 

Hicks,  Journal  of  hellenic  studies  IV  1883  S.  237f.  nach  Abschrift  8.jahrh. 
von  Murray  (1870);  abweichende  Lesarten  von  Haussoullier  (1879) 
mitgeteilt  von  Hicks,  Journal  of  hell.  stud.  Y  1884  S.  60f.  —  An  einem 
Hause  in  Kelibesch  kopierte  Murray  auf  einer  Reise  mit  Prof.  Newton 
1870  ein  Ehrendekret  von  Bule  und  Demos  von  Priene  auf  Nymphen» 
S.  des  Protarchos,  der  zweimal  zum  Kommandanten  der  Burg  gewählt 
worden  war  und  sich  beide  Male  um  die  Stadt  verdient  gemacht  hatte. 
Dasselbe  stammt  aus  dem  3.  Jahrh.  v.  Ghr.  und  beweist,  dafs  Priene  den 
Diadochen  gegenüber  seine  Autonomie  bewahrt  hatte.  Datum:  'En\  ^]€- 
i^Vf^opoii  jls<o/iidovv€yg, 

J«hrwl»«rielit  IBr  AltertonunrlaMiisebaft.  LXVI.  Bd.  5 


66  Oriecbiscbe  Epigraphik. 

Eamanades,  '£fp.  dpx-  1886  Sp.  219 ff.  (nach  von  Sakkelion  ttber- 
mitteltQD  Abschriften).  Zwei  PsepbismeDfragmeiite  (B  in  zwei  Kolnmneo), 
die  vielleicht  zu  einer  nnd  derselben  Inschrift  gehören,  in  der  Weise, 
daCsL  B  den  Schlufs  ?on  A  bildet.  A:  Fragment  eines  Ehrendekretea  aof 
einen  um  die  Stadt  (namentlich  durch  öffentliche  Bewirtungen,  Getreide- 
spenden  u.  s.  w.)  Verdienten.  Merkwürdig  ist  die  Erwfthnung  eines  Btdv- 
T[6ioy  Z.  7,  eines  Tempels  oder  dergl.  zu  Ehren  des  bekannten  Weisen 
Yon  Prione.  Z.  22  geschieht  des  lulius  Caesar  Erwähnung ;  unsere  In- 
schrift fftUt  daher  wahrscheinlich  in  die  2.  Hälfte  des  l.  Jahrh.  ▼.  Chr. 
In  die  gleiche  Zeit  gehOrt  ein  ähnliches  Fragment  ans  Priene  CIQ  2906. 

»  TZi]fa  xarä  rh  TCoufiaii^-xt6i€  (Lage?). 

Papadopnlos-Eerameus,  KE0I:  XV  1884  S.  53  n.  7.  Die 
fehlerhafte  Abschrift  von  Fellows  GIG  2903  wird  berichtigt:  'ATtöJJUuvoQ 
['EXauBepiou  Ueßcunoü.  An  letzterem  Orte  ist  die  Lokalität  unrichtig 
angegeben. 

Job.  Bann ack,  »In  Karten  gefundene  Fragmente  von  Inschriften 
aus  Kreta«,  Studien  auf  dem  Gebiete  des  Griechischen  und  der  arischen 
Sprachen  von  J.  und  Th.  Baunack  I  1886  S.  7—16  wiederholt  und  be- 
handelt die  Inschriften  Lebas-Wadd.,  Voy.  arch.,  Explie.  V  2  n.  881 -—384. 

XIT.  Lydia. 

Bechtel,  SGDI  Bd.  I  Heft  2  behandelt  unter  den  Ȋolischen  In- 
schriften« die  Dialektinschriften  der  kleinasiatischen  Küstenstädte:  A. 
Cebrene  S.  114  f.  n.  307,  B.  Thymbrae  S.  115  n.  308,  C.  Aegae  S.  115 
n.  309.  310,  D.  Cumae  S.  115-117  n.  311-313,  E.  Gryneum  S.  118 
n.  315,  G.  Adespota  S.  118f.  n.  317.  318.  —  Rez.  s.  Jahresbericht  Sb  391. 

Epheans. 

t79,/8o  Fontrier,  MDAI  X  1885  S.  401;  Foucart,  BCH  X  1886  S.  95. 

Bauinschrift.  'Tnkp  rrjg  —  byiif/ag  des  Kaisers  Titus  und  fttr  den  Be- 
stand der  römischen  Herrschaft  wurde  die  schadhaft  gewordene  Umfas- 
sungsmauer des  AbyotMTT^ov  erneuert  auf  Befehl  des  Prokonsuls  M.  Dl- 
pius  Traianus  (des  Vaters  des  Kaisers  Trigan),  httfiehj^dyroc  Uofimovioo 
Bdaaoo  roo  npeaßturou  u.  s.  w.  —  Die  Umfassungsmauer  des  Augo- 
steums  war  errichtet  worden  unter  dem  Prokonsulate  des  C.  Asinius 
Gallus  im  Jahre  6  v.  Chr.  (s.  die  lateiniseh-griechische  Inschrift  Wood, 
Ephesus,  Inscr.  8.  2;  RM  II,  67).  M.  Ulpius  Traianus  verwaltete  Asien 
79/80  n.  Chr.  An  den  (früheren)  Legaten  Pompoiius  Bassus  richtete 
Plinius  der  JOngere  einen  seiner  Briefe  (IV,  28). 

Gardner,  Journal  of  heüenic  studies  VI  1885  S.  349  n.  95;  aus 
den  wieder  aufgefundenen   »MS.  Inscriptions   collected  in  Oreece  bj 


Ziy.  Lydia:  Ephenu.  Golophon.  Notiam.  67 

C.  R.  Cockerell,  1810—14«.  Schlufs  einer  EhreoioBdirifty  welche  die  Ge- 
sdiwiBttr  des  Geehrten,  A[urel]ia  A[mm]i(an)e  Apoll[olnia,  H.  Aar.  Ne- 
ra[ti]o8  Thiod[o]ro8  Amroiaoos  und  M.  Aor.  Neratios  Philometor  Ammia- 
nos  errichtet  haben. 

MouaeTov  xau  ßtßXeo9^x7j  V  1884/6  S.  29  n.  254  in  Minuskeln. 
Chalka-Bunar,  östlich  von  Ephesos.  Fraginentierte  Grabschrift  der  G]ly< 
[kf]&a  Chrjsan ailf  ihren  Gatten. 

Azi^feh  (erste  Station  der  Eisenbahn  Epfhesos-l'rallds).  MooaeToif 
xal  ßißhoBijxyj  tTyc  ^YYtXtx^g  a^oX^^  iv  ^fiupvjj  V  18Ö4/Ä  S.  10  n.  oo' 
in  Mitinskeln,  nach  Abschrift  VoD  Font^ier.  ü.  a.  von  letzter^hi  bereits 
faeraasgegeben  BCH  IV  1880  S.  495  (ftöhl  II,  73).  Fclnft«'  Mdlellistöiä 
auf  äet  Strafse  voti  Ephedus  nach  Ti'älles  mH  deth  Natmen  des  Kdristils 
M'.  Aquillios  M*.  f.  in  lateinischer  und  griechischer  Sprache.  ^  S.  7l 
n.  uoy'  und  n.  ood'  in  Minuskeln.  Zwei  dürftige  Fragmente  von  Weih- 
inschriften auf  einen  Patron otod,  sowie  auf  Cnaeus  Babbius  Pam- 

phil .  —   n.  u4t6'  in  Minnekelo.    Orabscbrift  auf  Fuficia  Faiista,  T. 

deiB  Caius  Fufloius  Dama»  (Genetit:    J«^«).     Naoh  S.  87  steht  irrtttm- 

licfa  auf  dem  Steine:  0ou^ow^äex/a,  —  u.  uoß'  Grabscfarift  auf ilnd 

Glapbyra^  T.  des  Apollodoros«  erricbtet  zu  deren  Lebzeiten. 

Golophon. 

Schuchhardt,  MDAI  XI  1886  S.  408.  Deirmendere.  Fragmen- 
tierte Grabstele  der  KIau]dia  Akk[a  mit  dem  Schlüsse:  ^cUperz^  laipoSoi' 
X^ijpe  xal  au. 

Notittm. 

Schuchhardt,  a.  a.  0.  S.  425  n.  1.  GiaurkOi.  Grabstele  des  Her- 
raottmtos,  S.  des  Hestiaios  (Fontrier,  Mou08Tov  xa}  ßtßAeo^xij  Y 
1885/6  S.  90  n.  ^a  in  Minuskeln);  S.  426  n.  2  (ebd.)  der  Artemisia,  T. 
dee  Hegesandros,  Gattin  des  ßion;  n.  3  (ebd.)  der  Apollonia,  T.  des 
Mermogeaes,  Gattin  des  Menekrates,  und  des  Apollae,  S.  des  Menekrates; 
0.  4  (ebd.)  des  Athenagoras,  S.  des  Hepbaistion;  n.  5  (ebd.)  des  Pausa- 
nias,  S.  des  Kallidamas.  -  S.  426f.  n.  6.  Ebd.  Fragmentierte  Grab- 
schrift; ziemlich  gut  erhalten  nur  die  Strafandrohung.  —  n.  1—5  dem 
Schriftcharakter  nach  etwa  aus  deM  Anfang  des  2.  Jahrb.  v.  Chr.;  n.  6 
ans  römischer  Zeit.  —  S.  427  n.  7.  Nekropole.  Grabstein  der  Philinna, 
T.  des  Pytheas,  Gattin  des  Aristomachos.  —  S.  427  f^  n.  8;  in  Minuskeln 
Kontoieon,  BCH  X  1886  S.  514  n.  l  und  Fontrier,  jUouaseov  xal 
ßißX,  V  1885/6  S.  89  n.  fn' .  Grabschrift  in  drei  Üisticben  auf  den  Poly- 
histor, Dichter,  Philosophen  und  Priester  (r^v  KXapcou  rpenSdwv  Ai^rot-^ 
dew  ^ipana)  Gorgos,  welchen  Kexponlg  iv  xöknotQ  xponret  x6ve^. 

Nach  NotioQ,  nicht  nach  Klares,  gehören  nach  Fontrier  die  beiden 
von  ihm  JHouoeTov  xol  ßtßX.  111^878—1880  S  213  f.  (ftöhl  It,  73  u.)  mit- 

6» 


68  Oriechische  Epigraphik. 

geteilten  and  nach  Kiaros  verlegten  Inschriften  mit  der  Datierung:  int 
Ttpurdvew^  ^AnoXXatvos.  —  Kiaros  war  nicht  Stadt,  sondern  uar  Tempel- 
bezirk von  Notion;  folglich  gab  es  daselbst  keine  Prytanen. 

Metropolis. 

MotxreTov  xal  ßtßkoBijxvj  Y  1884/5  S.  74  n.  uo^'  nach  Abschrift 
von  Fontrier.  Der  Demos  ehrt  die  Herais,  T.  des  Glaukon,  wegen 
ihrer  vom  Vater  ererbten  ebepyeata  gegen  die  Vaterstadt.  —  n.  trn  in 
Minuskeln.  Widmung  des  Apollonios,  S.  des  Attalos,  mit  seinen  Söhnen 
(udt^)  ApoUonios  nnd  Attalos  an  die  ^boI  dtü(ixo{so)poe.  —  n.  una'^  in  Mi- 
nuskeln. Weihinschrift  einer  Basis:  V  d^fiog  (2)  aeßaar^i  npoopdtret 
xa^tipfüOBv» 

Tira. 

Fontrier,  MouaeTov  xal  ßeßJieo^xi^  V  1886/6  S.  87f.  n.  fw^'  in 
Minuskeln.  1  St.  n.6.  r^c  noXewg  9etpwv.  Marmorblock  mit  drei  In- 
schriften aus  verschiedenen  Zeitperioden:  S.  87  n.  1.  Schlufs  einer  Ehren- 
inschrift (der  Anfang  stand  auf  einem  anderen,  jetzt  verlorenen  Stein) 
auf  einen  Unbekannten,  der  seiner  Gattin,  der  Priesterin  {lep^  Z.  2) 
Stratoneike,  T.  des  Hegesippos,  und  seinem  Bruder  Marcus  Antonius 
Granicus  1000  Denare  [geschenkt],  auch  schon  vorher  viele  Kosten  auf- 
gewandt (Z.  4:  TtoXkä  Sk  xal  npo3anav:^aavTog)  nnd  keine  MQhe  und 
f  177  Sorge  nepl  (6)  rijv  xaraa-xeuij]^  rwu  epyoiv  gescheut  hatte.  —  Rechts 
davon  S.  88  n.  2.  Im  Jahre  a^a  unter  der  Regierung  des  Kaisers  M. 
Aur.  Antoneinos  gab  M.  Aur.  Menandros,  S.  des  Eleutherikos,  aus  Hy- 
paipa  uTtkp  xwpxip^taQ  k(W'{fi)rou  rjj  Idet^uzrjvwv  xarotxtqi  [^i^v.]  cv\ 
(6)  xaBwg  i^^taaro  i/  xaroexia.  Derselbe  schenkte  vor  kurzem  (zd^etov 
Z.  7)  zur  Wiederherstellung  roo  nahj'{fi)oo  ßaXaveeou  [8i^v,]  v'.  Die  er- 
wähnte xarotxfa  ist  unbekannt.  —  Unter  n.  2  a.  a.  0.  n.  8.  Aur.  Krei- 
ses aus  Hypaipa,  S.  des  Agoranomos  und  Ghreophylax  Dionysios  und  selbst 
Agoranomos,  gab  Ü7i[kp  (4)  xaßpoLp^tag  iaurou  [8i^vJ]  x^^^^^t  ^'^^^^  npoB" 
][afpij(Tav  €[&  (5)  imaxeu^  roü  xa[af6]ü  ßaXaveeou,  xa&wg  ii/m^eaaro  (6) 
^  xaTotx{[a. 

Erythrae. 

4.jaiirh.  Fontrier,    BGH  VIII  1884  S.  346  ff.  und  Mouaecov  xa\  ßcßX,   V 

1884/5  S.  20f.  n.  236  in  Minuskeln;  Bechtel,  HD  n.  201  (Taf.  IV). 
Jetzt  in  Smyrna,  Museum.  Beiderseits  stoichedon  geschriebenes,  arg 
verstümmeltes  Fragment  (27  +  22  Zeilenreste;  ionisch),  vielleicht  eines 
Vertrages,  um  das  Wasser  einer  Quelle  in  die  Stadt  zu  leiten  und  dort 
zu  verteilen.  Die  Inschrift  ist  wichtig  für  die  Geschichte  und  Topogra- 
phie der  Stadt,  da  sie  eine  Reihe  bisher  unbekannter  örtlichkeiten  ken- 
nen lehrt.    Die  Strafsen  tragen  keine  eigenen  Namen ;  sie  werden  unter- 


»  -■■I    -*i*— ^— -^^^^^^^^^?p*«flw" 


ZIV.  Lydia:  Metropolis.  Tira.  Erythrae.  Glasomenae.  Smyroa.         69 

schieden  nach  oSöq  8ijfioahj  und  SSbc  dvipoßaapiSQ  (Bfirgersteig).  — 
Über  den  hier  wie  mehrfach  in  ionischen  Inschriften  begegnenden  Gen. 
Sing,  anf  — eu  CAp]xT^}'6Teu  B,  6)  s.  Bechtel,  Bezzenb.  Beitr.  X  1886 
S.  280ff.  Vielleicht  ans  dem  Anfang  des  4.  Jahrh.  v.  Chr.?  —  Der-  a.jahrh. 
selbe,  MDAI  XII  1887  S.  262.  Metrische  Grabschrift  (vier  Distichen 
in  ionischem  Dialekt  mit  vereinzelten  Dorismen)  auf  den  mit  seiner 
Matter  bei  einer  Seefahrt  verunglückten  Zosimos,  S.  des  Neikomachos, 
aus  Kailiste  (Thera).  vuxrtfiau^Q  Z.  4,  ein  £pitheton  des  'ÄTtapxiag 
(Nordwind),  ist  neu.  -  Derselbe,  MouaeTov  xal  ßtßXto^xrj  Y  1886/6 
S.  90  n.  ^ß'  in  Minuskeln.  Aritza.  Grabschrift  in  drei  fragmentierten 
und  schwer  lesbaren  Distichen.  Z.  1:  --xal  ivauXea  /laxpä  KXdpoeo; 
Z.  2:  xal  iir^rpbi  pjpaXdn^g  (rcovaj^au\  Z.  3:  --t^<  ^^ovepi^t  ipkofl  xäTme- 
aaU"]    Z.  4:    wXero  xal  Tiptonju  ^v   dvirtva   yevuv;    Z.  6:    reg  X^^C  ^^C 

Glazooienae. 

Foucart,  BGH  IX  1886  S.  887 ff.  Zwei  Fragmente:  A  rechte  um  tso 
Hälfte  von  Z.  1—46,  B  linke  Hälfte  von  Z.  31—43.  Schlufs  eines  De- 
kretes der  Abgeordneten  (auveSpoi)  der  ionischen  Städte  {riov  noXewv 
räfv  Iddwy)^  wonach  der  Geburtstag  des  Königs  Antiochos  (I.)  entspre- 
chend demjenigen  Alexanders  des  Grofsen  (des  Befreiers  der  ionischen 
Städte)  al^ährlich  festlich  begangen  und  jenem  sowohl  wie  seinem  gleich- 
namigen Sohne  nnd  seiner  Gemahlin  Stratonike  göttliche  Ehren  erwiesen 
werden  sollen.  Von  jeder  Stadt  sollen  zwei  Synedroi  als  Abgesandte  zu 
dem  Könige  geschickt  werden,  um  ihm  den  Beschlufs  zu  unterbreiten 
und  ihn  bei  dieser  Gelegenheit  nm  Bestätigung  ihrer  Autonomie  und 
ihres  demokratischen  Regimentes  zu  bitten.  Anläfslich  des  Dekretes  soll 
ein  Opfer  an  alle  Götter  und  Göttinnen,  sowie  zu  Ehren  des  Antiochos, 
seines  Sohnes  und  seiner  Gemahlin  stattfinden.  Endlich  soll  das  Dekret 
io  dem  heiligen  Bezirk  neben  dem  Altar  der  Könige,  wie  auch  in  den 
einzelnen  Städten  aufgestellt  werden.  Von  der  sich  anschliefsenden  Ab- 
geordnetenliste sind  nur  Namenreste  der  Synedroi  von  Ephesos  nnd  Le- 
bedos erhalten.  —  Offenbar  identisch  mit  der  Inschrift  S.  73  n.  232. 

Smyrna  und  Umgegend. 

Reinach»  Revue  des  ^tudes  juives  VII  1883  S.  166.  Die  dp^t- 
aouayuß^ÖQ  Rufina  erbaut  ein  Grabmal  fflr  ihre  Freigelassenen  und  die 
in  ihrem  Hause  erzogenen  Sklaven;  mit  Strafandrohung:  Entrichtung  von 
1600  Denaren  an  den  heiligen  Schatz  (den  kaiserlichen  Fiskus)  und  von 
1000  Denaren  an  die  jüdische  Gemeinde.  Über  den  Titel  dp][tauvay(o}'b^ 
ygl.  zu  der  Inschrift  aus  Phocaea  S.  76  f. 

Ramsay,  American  Journal  of  archaeology  I  1885  S.  138  n.  l. 
Bauinschrift:     MdpxoQ  Hepratpeog  (2)   'A[p}i(n6Xuxo€  Tijv  <m-(3)^€r|^av 


70  Griechische  Epigraphik. 

i^prtoev  ra'(^)vofi\yfiehai^  ix  r&v  (6)  lii\ujv  in\  rofi^ov  (6)  /aÄ)]ü 
^An{ou  loüXiavoü,  Dem  Schriftcbarakter  nach  setzt  der  Heraosg.  die  In* 
Schrift  in  das  erste  Jahrb.  n.  Chr.  Doch  ist  der  Name  des  Qaftstors 
vielleicht  wahrscheinlicher  i/.  0]u[X]n/ou  zu  ergänzen;  dann  fiele  sie  zwi- 
schen 130  und  160  n.  Chr.  Über  die  religiöse  Genossenschaft  der  Gauy- 
medeiten  wissen  wir  nichts  Näheres.  —  S.  140  n.  2  (ohne  Zeilentrennang). 
Jetzt  in  Oxford.  Eine  von  Röbl,  Schedae  epigr.  Berlin  1876  S.  2  n.  3 
irrtQmlich  auf  Kanfleute  gedeutete  Inschrift  lautet:  *Apz^  ^^XV-  ^^ 
ftöafjdvijQ  r^c  xpar/arT^g  ßooX^c  xal  imxupwffavrog  rou  Xafinpordvou 
dv&tmdroo  JoXXe{ajf)ou  Aobeiroo  i86Bi}  iSöB^  (2  mal)  ^opnjyöiQ  *Aüxkij- 
ncaaratf  ix  toü  iu€[9]p{ou  ßdd{p]a  zä  k^  riaoapa'  rafiteuovrog  Ahpftj" 
(JUou)  A^poSetmoü.  —  Waddington,  BCH  VI  1882  S.  291  (vergl  Röhl 
II,  80)  weist  den  Prokonsnl  Lollianus  Avitus  dem  Ende  der  Regierung 
des  Septimius  Severns  zu.  Der  Stein  stammt  nach  dem  Herausg.  ans 
dem  Theater  von  Smyrna  und  erwähnt,  dafs  eine  Anzahl  von  Sitzplätzen 
der  unter  dem  Protektorate  des  Asklepios  stehenden  Gilde  der  Lastträger 
(^pprters  attaohed  to  tbe  Adslepieionc)  eiqgeräamt  worden  wäre.  —  Nach 
Ramsay,  i^.  c|.  0.  S,  ß86f.  ist  jedooh  nach  einer  Neuverglejchung  des 
Steines  ix  rou  auveSp/ou  zu  lesen.  Somit  tiiezieht  sich  die  Inschrift  viei- 
meftr  auf  (las  Ratbaus.  —  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  14^  n.  3,  ^ipe  im 
Mouasiov  xß}  ßißJieoBifxij  1676  n.  2  fehlerhaft  und  in  Minuskelp  publi?;iert6 
Grabschrift  eines  Uoinitag)  Ai(Xtog)  Nsixocrparolg  mit  Androhung  einer 
fiu  die  Gilde  zu  entrichteqdeo  Strafe  wird  ^l  Majuskelu  un4  Umschrift 
mitgeteilt  Erwähnt  werben  ^opvr^YiA  t^  tov  ßsTxov  (=  vicon\).  Die 
Organisation  der  Qilde  ist  noch  nicht  festzustelloQ.  Die  Inschrift  fällt 
wahrscheinlich  zwischen  150  und  180  n.  Chr.  P.  Aelius  Nicostratus  war 
wohl  unter  Hadrian  geboren  und  pach  diesem  Kaiser  benanpt. 

Szanto,  Archäol.- epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  IX  1885  S.  133 
Fragment  einer  in  der  Sammlung  Millosicz  befindlichen  Ehreninschrift 
der  dionysischen  Künstler  des  Dionysos  Bresens,  vermutlich  aus  Smyrna, 
wo  der  Kult  dieses  Gottes,  sowie  ein  Kollegium  der  Techniten  und  Mysten 
desselben  nachgewiesen  ist.  Wahrscheinlich  bezieht  sich  die  Inschrift  auf 
Mark  Aurel  und  Lucius  Verus. 

Bechtel,  Bezzenb.  Beitr.  X  1886  S.  284ff.  (wiederholt  HD  153) 
teilt  auf  gruad  eines  Abklatsches  4gs  D^.  fleyte,  Ko^serv^tor8  f^m  Rijks- 
^usei^n  z^  {joyden,  eine  nei^e,  in  manchen  Punkten  ab\K(eiohet^de  Kopie 
^er  Ins^hnft  GIG  314Q  mit. 

Latysckew,  MDAI  X  1881^  S.  124  a.  24.  Bemerkungen  zu  der 
jetzt  in  der  Petersburger  Eremitage  befindliehen  Inschrift  Lebas,  inscr. 
d*Asie  Min.  1532. 

Papadopulos-Kerameus,  KE€I!IY  1884  S.  53  n.  8.  Im  "^Ofir^- 
poc  1874  Bd.  II  S.  89  mangelhaft  herausgegebene,  von  Pap.-Ker.  1878/79 


XI y.  hjÜA:  Smyrna  and  Umgegend.  71 

an  der  Aufsenseite  der  Schule  der  dentscheo  (Kaiserswerther)  Diakonis- 
sen gesehene  Basisinschrift:  /7oc»;r^/-(2>a;«  Aa>l-(3)7roei/ov/-(4)ai<  Kovxop- 
(b)8mt  rwi  (6)  dya^wi. 

Benndorf  und  Nie  mann,  Reisen  in  Lykien  und  Karien.  Berlin 
1884  S.  126  Fig.  77  (behandelt  S.  153  n.  128).  Votivrelief  des  Artemon 
und  der  Trophime  an  Apollon. 

Kontoleon,    BCH  X  1886  S.  335.     Inschrift  des  Heroons  eines 

C.  Furnius  Capito.  —  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  453  n.  2.  Dttrftiger  Rest 
eiuer  metrischen  Grabschrift.     Ebd.  n.  1  wohl  christlich  (s.  unter  XL). 

—  Derselbe,  BCH  XI  1887  S.  297  n.  2.  Basis.  Grabschrift  des  Zeuxis 
auf  seinen  gleichnamigen  Sohn;  n.  3  des  Demetrios,  S.  des  Dionjsios; 
S.  297  f.  n.  4  des  Demos  auf  Menekrates,  S.  des  Dionysios,  und  auf  Dio- 
nysios  den  Jüngeren^  S.  des  Menekrates;  S.  298  n.  5  der  Serapia,  T.  des 
Dionysios,  aus  Thyateira;  n.  6  des  Pistos  auf  einen  Phaeinos.  -—  Der- 
selbe, MDAI  XII  1887  S.  249  n.  8.  VerstQmmelte  Weihinschrift  eines 
Asinnios  Dion.  —  S.  250  n.  12  (ApLal&eta  1887  n.  4073).  Weihinschrift: 
'A7T6A(X)wvt  ehj^ijv  (2)  llepiitvo'ifi)uv8iwv  [Reiter relief]  (4)  J(ixep.o^)  ^inou- 
XeioQ  Tan '  {6)  avos*  Vergl.  die  Weihinschriften  unter  J^/iog  HepfjuvouV' 
Sdwv,  XXIV:  Pisidia  et  Isauria.  —  S.  245  f.  n.  1  (AjxdX^eta  1887  u.  4075. 
4077).  4us  zwei  Bruchstücken  bestehende,  »offenbar  poetischen  Reiz 
affektierende!  Grabschrift  des  Demos  auf  Antiphila,  T.  des  Dionysios, 
Gattin  des  Apollodoros,  die  das  gemeinsame  Grab  der  verstorbenen  Ver- 
wandten birgt  (5):  Tö  xotvbv  twv  iyXeXocnorwv  (6)  au^y^viaiv  ijptov  axe- 
ndZei,  die  57 jährig  starb  (Z.  9:  &a)^euaav)^  dtaai^v  (11)  rix\f(o\f  anopiju 
dpadvoMv  iv^'(l2)Xexo}f  XsXocneTav.  Darauf  die  Mahnung  des  Steines:  ^Ög 
eopjpov  (13)  ouv  dpzeßotß,  ^ev«,  ri^vSe  /a/-(14)/o]£<v,  insl  xae  au  ra^rov 
i$  i'(lb)p£Ü  TtdXev  Xaßwv  t^c  7rerpvj[g'  (16)  3vue  ^aiptuv  npo^eaev,  ^ 
Tseverat  =  »Fremdling,  danke  ihr  durch  ein  ^cujpSt  da  du  dasselbe  von 
mir,  dem  Steine  erhältst,  nämlich  den  Grufs:  Vollende  glücklich  deinen 
Vorsätze.  P.  W[olters].  -  S.  246f.  n.  2.  Unterhalb  der  verstümmelten 
Reliefdarsteliung  einer  weiblichen  Figur  Grabschrift  in  drei  Distichen  auf 
Hermione,  T.  des  Petrotios,  die,  in  jugendlichem  Alter  verstorben,  ihren 
Eltern  bejammernswerten  Gram  hinterliefs.  S.  247 f.  n.  6.  Polak, 
Mnemosyne  XY  1887  S.  254  n.  16.  Jetzt  im  Leydener  Museum.  Te[r]- 
tyllianos  stiftet  einen  Sarkophag  {iv(Tüpe{o)iß)  für  sich,  sein  Weib  und 
seine  Kinder.  Eine  Kopie  der  Abschrift  wurde  im  Archiv  hinterlegt. 
Aus  sehr  junger  Zeit:  xartaxiatm^  ivtroptv,  roXp-i^öet  (=  o]^),  &>.  —  S.  248 

D.  7.  Fragment.  Jemand  errichtet  einen  Sarkophag  aus  Prokonnesischem 
Marmor;  mit  Strafandrohung.    Datierung  nach  dem  Monat  V^ewv  (neu). 

—  S.  249  n.  9.  Dürftiger  Rest  einer  Grabschrift.  Z.  2  wird  der  rpo^Bug 
erwähnt.  —  S.  247.  Grabsteine:  n.  3  der  Hedeia,  T.  des  Apollonios; 
D.  4  der  Lysimachis,  T.  des  Hermon;  n.  5  (Polak,  a.  |a.  0.  S.  253 
n.  13)  der  Tryphera,  T.  des  Demefrios.    —     S.  250  n.  11.    (ApdX^eea 


72  Griechische  Epigraphik. 

1887  D.  4074).  Stempel  aos  weifsem  Marmor.  Wohl:  ^(v)^.  a  (2)  Ha- 
Xai\y  (3)  /AJ7(v^ff)  C  - -•  —  S.  261  n.  13.  Polak,  Mnemosyne  XV  1887 
S.  258  0.  11.  Jetzt  im  Maseum  zu  Leyden.  Insel  Makronesi  bei  Smyrna. 
Grabschrift:  ^EtA  Myjvo^vroo  tou  I!6k[w]voc  (2)  /a^vbc  *A7ieXAa/ou  <:' 
dneövTog  (3)  16h^  MeveXdou.  —  n.  14.  Polak,  a.  a.  0.  n.  12.  Ebd. 
Grabschrift  auf  Nikeso,  T.  des  Straton,  Gattin  des  Hippias,  aus  Selenkeia. 

Fontrier,  MouoeTov  xal  ßißXtoBijxvj  V  1885/6  S.  92f.  veröffentlicht 
in  Minuskeln  folgende  Inschriften  vom  Berge  Pagos,  jetzt  im  Museum  zu 
Smyrna:  S.  93  n.  267.  Widmung  des  Priesters  E]uios  an  den  Herakles 
Kallineikos.  —  S.  92  n.  263.  Fragment  (einer  Weihinschrift?).  A]rte- 
midoros,  S.  des  Artemon,  [handelt]  für  {fmkp)  sein  Weib  Eukleia,  T.  des 
Amyntas  und  der  Artemo;  Ktesikles,  S.  des  Apollonios,  auch  für  seine 
Brflder;   Metrodoros,  S.  des  Apollonios,  —  —  -  .    n.  264.    Fragment 

le  und  Anthos  haben  dem  Dem]etrios  ein  Gräbmal  errichtet  itapa 

:^a(;-(4)ra;<w.  —  S.  93  n.  265.  Inlia  Onesime  hat  hergestellt  ro  (4) 
^pSfdv  fiou  T^c  (6)  dpe(/fd(nj^  ^loöktoQ  (6)  ^AX&^dvSpag  /lerä  (7)  xdi  roü 
üou  /lou  KeX  (B)(To(j.  —  n.  266.  Fragment. as  errichtet  zu  Leb- 
zeiten für  sich,  seine  Kinder  u.  s.  w.  ein  Grabmal.  —  S.  91  n.  y^' 
in  Minuskeln.  Sehr  unleserliche  Grabschrift  in  drei  Distichen  auf  eine 
Anno,  welche,  nachdem  sie  (3)  ijnrä  irwv  Sexddag  -  *  gelebt.  •  -  (4)  rst- 
pofjLSva  Y^pwQ  elg  döfiou  'Atdew  (5)  7]xero  xa}  fxaxdpwv  —  (6)  xexpe/ieva 
-  -  öuv&povoQ  eöaeßiaev, 

Polak,  Mnemosyne  XY  1887  S.  253  n.  14;  vorher  holländisch 
herausgegeben  von  Leemans.  Jetzt  im  Museum  zu  Leyden.  Grabcippus 
vom  Berge  Pagos  bei  Smyrna:  MeXtrivrj  rixvoi  Iditp  (2)  Mdpxw  und  unten: 
xdi  ^HpaxXac  6  naTijp  (3)  xareaxeuatrav  ao  -  (4)  yxarevevxdcnjQ  (5)  ^a/ui> 
kiag  A7tsXA/xO'(6)vrog  p.ovojxd)[o}v  xk  (7)  Xoodapetov  ufi^g  ivexev.  —  Das 
Wort  XooddpioQ  wird  hier  zum  ersten  Male  inschriftlich  bezeugt;  sonst 
ist  es  bekannt  aus  zwei  Stellen  des  Thesaurus  (Acta  SS.  Tarachi,  Probi 
et  Andronici),  wo  es  offenbar  »Gladiatorenc  bezeichnet.  Da  in  unserer 
Inschrift,  die  weit  älter  als  jene  Heiligenbiographieen  ist,  fiovo/xd^oc  (das 
übliche  Wort  für  Gladiatoren)  und  XooSdptot  verbunden  werden,  so  muf:! 
XoüSdptüi  eine  besondere  Spezies  von  Gladiatoren  bezeichnen.  -  Die 
Inschrift  findet  sich  schon  MDAI  VI,  266  n.  1  (Röhl  II,  82).  |—  S.  254 
n.  15.  Gippus  unbekannten  Ursprungs,  wahrscheinlich  aus  der  Umgegend 
von  Smyrna.  T(itns)  Fl(avius)  Dionysios  Flavianus  errichtet  den  Sarko- 
phag {xapjdpa)  zur  Rechten  für  seine  26 jährig  verstorbene  Gattin  Cl(au- 
dia)  Sokrateia,  T.  des  Cl(audins)  Lartidianus,  die  andere  für  seine  Eltern 
Fl(avius)  Aphthoros  und  Auphonia  Gaia.  Sokrateia  starb  iroog  poij\ 
P-Tf}(yf^g)  ^Tntpßtpxaioo  <:\  Vollendet  wurden  beide  Grabkammern  ixouz 
pn'  fii){vdg)  äe{ou.  —  Die  Namen  Aphthoros  und  Auphonia  begegnen 
hier  zuerst  auf  griechischen  Inschriften. 

Unter  der  Überschrift:  ^^ntypotpal  ivanoxei/ievac  iv  rtp  Mouaefw 
(cuXXeireTaat  xarä  ro  fiera^u  1881—1883  8cdirnjpa)%   wird  iu  dem  Moo- 


«fr 


XIV.  Lydia:  Smyraa  nnd  Umgegend.  73 

ixelov  xae  ßtßho(^v)xyj  tt^q  eöayyeXex^c  ^o^q^  nepioSog  TtdfiTmj^  1884— 
1885,  iv  Ifiopyj}  1885,  S.  l--d2.  81  86  eine  grofse  Anzahl  von  In- 
schriften in  Minuskeln  mitgeteilt,  deren  Zugehörigkeit  sich  nicht  immer 
erweisen  läfst. 

S.  16 ff.  n.  232.  Fragment  eines  Psephisroa  Tai/£  tioXbwv  rwv  IdBtov  umsso 
(Z.  12)  in  zwei  Kolumnen  (von  A  nur  die  unteren  14,  von  B  47  Zeilen 
erhalten).  Es  sollen  u.  a.  je  zwei  Männer  aus  jeder  Stadt  zum  Könige 
entsandt  werden,  um  ihm  das  Dekret  zu  unterbreiten.  In  demselben 
wird  die  Freiheit  und  Autonomie  der  ionischen  Stftdte  von  der  Väter 
Zeit  her  (Z.  16  ff)  betont  und  der  König  Antiochos  um  Bestätigung  die* 
ser  Freiheiten  angegangen  (Z.  20/21).  Zum  Dank  dafür  sollen  dann  die 
mtvsSpoe  der  ionischen  Städte  bei  der  Panegyris  allen  Göttern  und  Göt- 
tinnen xal  Tütg  ß[aa]tX6Üatv  'A[v]Te6x<oe  xal  ^Avrio^ofi  (die  beiden  letzteren 
Worte  sind  in  Z.  33  durch  Irrtum  des  Steinmetzen  ausgelassen;  sie 
stehen  Z.  38)  xai  z^i  ßaaiXiaarii  Zrparovixfii  ein  Opfer  darbringen.  Hie- 
ran soll  sich  eine  öffentliche  Stephanephorie  anschliefsen  und  in  den 
Tempeln  fOr  das  Gelingen  der  Pläne  des  Herrscherhauses  ißuveveYxtTv 
TÄ  8e8oy/jLiva  toIq  re  ßamXBOffi  ^A^vlrto^cji  xai  ^AvTio^mt  xai  r^t  ßaatUa- 
ar^t  Srparovixr^t  xa\  [iTäd]t  rote  fJLSTS^ouae  twv  rifxiov)  gebetet  werden. 
Dieses  Psephisma  soll  mit  den  Namen  und  Vatersnamen  der  erschiene- 
nen Synedroi  der  einzelnen  Städte  niedergeschrieben  und  im  Temenos 
neben  dem  Altar  der  Könige,  sowie  eine  Kopie  desselben  in  den  einzel- 
nen Städten  aufgestellt  werden.  —  Von  der  am  Schluss  folgenden  Liste 
der  Synedroi  sind  nur  die  Namen  der  Abgeordneten  für  Ephesos  und  Lebe- 
dos fragmentarisch  erhalten.        Offenbar  identisch  mit  S.  69:  Clazomenae. 

S.  8  n.  213.  Fragment  des  Rats-  und  Volksbeschlusses  einer  unbe- 
kannten Stadt,  wahrscheinlich  eine  Belobigung  der  Zfiopvaloe  wegen  Ent- 
sendung eines  Schiedsrichters  enthaltend.  —  S.  13  n.  224.  Halbverstttm- 
meltes  Edikt  aus  der  Kaiserzeit.  -  'OXo/mew  Z.  2,  nep}  röv  VAufjL[mov 
Z.  11  bezieht  sich  wahrscheinlich  auf  den  Kaiser;  vgl.  unten  n.  203.  Die 
Vorschriften  (u.  a.:  xdyw  trot  i7tnpe[nwZ.  18;  vgl.  imrpi[nai  Z.  14)  schei- 
nen sich  auf  Sakralangelegenheiteu  zu  bezieben  {veoxopou  Z.  4,  fepjoira- 
rjyc  ffuv[68oü  Z.  5,  •  -  r]oü  hpab  Soxtßdf^w  Z.  1 0,  xal  rä  8cxata  rou  ^e[oü 
Z.  12,  •  'na]pä  rai  Betp  Z.  13).  Ein  dvßonarog  war  erwähnt  Z.  8/9.  Be- 
merkenswert ist  die  Orthographie:  ian^X^o--  Z.  13,  (m^Xh^v  Z.  16.  — 
S.  14  n.  227.  Dürftiges  Fragment  einer  Namenliste  mit  folgenden  Bei- 
tragssummen. —  S.  15  n.  230.    Fragment: Caius  Vibius  L.  f.  — 

S.  26  n.  245.  Arg  verstümmeltes  Bruchstück  einer  Namenliste.  -  S.  25 
n.  244.  Dürftiges  Fragment  einer  Ehreniuschrift  auf  den  Kaiser  Hadrian. 
~  S.  4  n.  203.  Unbekannter  Herkunft.  Widmung  an  den  Kaiser  'ASpea- 
WC  VXufimo^  als  (twt^p  und  xriaryjg.  —  S.  88  n.  271.  Reliefdar Stellung 
von  Sonne,  Mond  nnd  Sternen  mit  fragmentierter  Widmung  des  Zosas, 
S.  des  Apollas  (Gen.  ^AiioXXä).  —  S.  86  n.  274.  Basisinschrift.  Der  (rrpa- 
rrjbe  inl  rwy  5rXwv  T.  Flavius  Pulchrianus  widmet  einen  ßedv  HpaxXia 


74  GrlfchiBche  Epigrapliik. 

oft^oj^OXaxa.  —  S.  28  d.  263.  Relief;  oben  swei  Augen,  antea  eine  Hand. 
Inschrift:  fffupa  («s  'Bfup^?).  —  S.  5  n.  206.  Fragment:  Toug  iv  [ran 
dv''{2)^68we  r[grd)[l^w  (8)  dnb  r[ou  rtupyou  (4)  rou  ^Hp[axUouQ  (5)  &uc 
r[oS  rwv  (6)  J£o<rx[o(i/octfV.  —  S.  28  n.  252.  Fragment:  --«(2).ac  xojl 
dnh  (3)  To5  mp^ou  (4)  ro5  t^c  *4o-(5)r[i/i]«5oc  f-(6)o»c  to5  t^c  (7) 
Jiypouff.  —  Vgl.  Mot/tnhv  xrX.  II  2/3  S.  51  n.  120  und  R6hl  II,  88  lo 
dieser  Inschrift.  Die  Buchstaben  von  n.  252  sind  angeblich  jünger,  als 
die  von  n.  120  und  206.  -  S.  81  n.  263.  Bauinsebrift,  nach  welcher  der 
Schatzmeister  der  Stadt,  M.  V[er]us  Herakleides,  iv  r<u[^]  aaXiat  ßdBpa 
Xy'  nebst  Zubehör  (u.  a.  2  Treppen)  errichtet.  —  Aus  dem  Pr&skript 
dieser  Inschrift:  Karä  rb  i/f^tofia  xal  r[3^  (3)  dearayi^y  t^v  0iXurTdo[u 
(4)  xal  ^ÄTtoUoSwpou  ist  der  Anfang  des  ganz  ähnlichen  Fragments  S.  15 
n.  229,  in  welchem  ein  Claudius  als  Schatzmeister  zu  figurieren  scheint, 
zu  ergänzen»  —  S.  31  n.  259.  Bauinschrift.  Den  --dv£/xj;roy  itu[lanßa 
Tou]  xtßptou  iff/mv  ad[roxpdTop]o^  Map,  Aip.  * AvTw[ve€vou\  hat  Aur.  Phi- 
Inmenos  [ix  xaranriwffiaßff  wiederaufgebaut.  —  Qrabschriften  nach  dem 
Schema:  0  S^fioc  t^v  3€e^  oder  röv  deeva  6  S^puoQi  S.  1  n.  195  auf 
Herakleides,  S.  des  Theomnestos;  S.  7  n.  211  auf  Artemidoros,  S.  des 
Kaikos;   S.  12  n.  222  auf  Hikesios,  S.  des  H.;   a  15  n.  231   1.  auf  Ni- 

k[a]ndros ,  2.  auf  Artem[idoros .    S.  19  n.  234  auf  Pytheos« 

S.  des  Hogetor;  S.  30  n.  256  auf  Metris,  T.  des  Hermogenes,  Gattin 
des  Athenodoros;  8.  82  n.  266  auf  Pytheos,  S.  des  Menas;  S.  59  n.  »(äs' 
«  BCH  VII  1883  8.  278f.  (BOhl  II,  81);  S.  60  n.  ufig'  auf  Nikandros, 
S.  des  Menios  (»  Parnasses  1883  S.  86;  Röhl  II,  82);  n.  upZ'  (6  Sr,poQ 
fehlt)  auf  Sosos,  S.  des  Herakleides  (ebd.).  —  S.  2  n.  196.  Grabschrift 
der  Apphion,  ihrer  Kinder  und  Brttder  auf  ihren  Vater  Lucius.  Datum: 
^Ereug  ofiy',  —  n.  197.  Dürftiges  Fragment,  dessen  Inschrift  nicht  mit- 
geteilt wird.  •*-  n.  198 -—200.  Die  im  Mouashv  xrX,  III  1/2  1878/79 
und  1879/80  n.  r^c',  rei^\  rX/  mitgeteilten  Inschriften  befinden  sich  jetzt 
im  Museum.  -  S.  3  n.  201  f.  s.  unter  XL:  Tituli  christiani.  —  n.  202. 
Unbekannter  Herkunft.  Grabschrift  der  Eltern  Skymnos  und  Moscharioa 
sowie  des  ndrpw^  Marion  auf  eine  Temis.  Datum:  '^Ejrou^  pfia  /^(j^v^c) 
Abdvaiou,  —  S.  4  n.  204.  Apellion,  S.  des  Pytbion,  und  Elpia,  T.  des 
Apellion,  errichten  fQr  sich  und  ihre  Familie  ein  Grabmal.  —  S.  5 
n.  206  s.  unter  Hierapolis  in  Phrygien.  —  S.  6  n.  207.  Grabschrift  auf 
Nikopolis,  S.  des  Sarapion.  -  n.  208.  Demetrios  Mupebc  IIafiä8o$oQ  er- 
richtet seinem  Vater  Demetrios  ein  Grabmal  (jiv^/i(}n^fxya).  -  n.  209. 
Grabschriftfragment:  'Apxeaea  A  —  \Bofiou»'.  —  S.  7  n.  210-  Grab« 
stein  der  dreijährigen  Zosime.  -  S.  9  n.  2l4f.  unter  Nea  Phocaea.  — 
n.  215.  Grabschrift  in  drei  Distichen  auf  den  zwegährig  verstorbenen 
Nikopolis.  —  n.  216.  Grabstein  des  --ippos,  S.  des  Apoljlonios.  — 
S.  10  n.  217.  L.  Scribonius  Menelaus  errichtet  auf  dem  von  ihm  ge- 
kauften Grundstücke  des  C.  Capito  ivaöptov  xol  xafidpw  xal  xX^ipoxa, 
xoi  copbv  pnjXiyn^v  xak  Batpaxetov  für  sich  und  seine  Familie.  —  n.  218. 


XIV.  Lydia:  Smyrna  and  Umgegend.  75 

Xestos  Egnatios  Strateglkos  errichtet  fttr  sich  and  seine  Kinder  ein  He* 
roon.  —  8.  11  n.  219.  Po(plios)  Phontelos  errichtet  eo  Lebzeiten  ein 
/iw)fi[etw  fftr  sich,  seine  Gattin  Ma]tidia  8ote[ira,  seine  Kinder  a.  s.  w. 

—  n.  220.  Neikias,  6.  des  Terteios  {=  Tertios),  und  Metrodoros,  S.  des 
Artemidoros,  errichten  ein  icwpeov  für  sich,  ihre  Gattinnen  and  Kinder 
xal  ^Enstxan^aßi  xa\  üxijvi^dt.  Ein  Grabfrevler  soll  100  Denare  eic  ^v 
nöJienf  entrichten.  Schlafs:  *An6xetre  8k  ro- ( 10 )6ro(/  xk  iv  r^  ^X^^^ 
<11)  rÄ  iv$eiynXdpst¥o)f.  —  8.  12  n  221.  Grabstein  des  Moaekles,  8. 
des  ApoUas  {'ATtoXMSog).  —  S.  13  n.  225  »  n.  afjaj\  8.  14  B.  226  ^ 
n.  <r/£c'-  Hier  nicht  wieder  abgedrnckt.  —  n.  228.  Dem  Zotion,  8.  des 
Artemidoros,  errichten  die  auvßuorat  xai  (Tuy/ioavou  ein  Grabmal.  — 
S.  19  n.  238.  lulia  Tyche  errichtet  ihrer  Matter  Tryphaina  ein  Grab- 
mal. —  S.  20  f.  n.  285.  Aus  Erythrae.  -  S.  22  n.  236.  Grabschrift  in 
drei  verstttmmelten  Distichen  aaf  einen  ixxperov  i$  (wve^ßaiv.  —  n.  237. 
8trat[oneikos?,  8.  des  Euphro[8yBos,  errichtet  seinem  Brader  <^  -**-  xaX\ 
xaroi^ofilevotQ  ein  Grabmal.  —  8.  28  n.  288.  Grabstein  des  rpaxeZir^ 
Philobles,  S.  des  Aromias,  und  des  Alexandros,  S.  des  Matreas.  —  n.  289. 
Satria  £pika[r]pia  errichtet  fttr  sich  und  ihre  Freigelassenen  ein  Grab* 
mal.  —  n.  240.  Grabschrift  des  Soldaten  Gains  lalias  Apollonius  auf 
seine  Gattin  lulia  Maior.  —  8.  24  n.  241.  Aur.  Asklepiades  aas  Smyrna 
hat  einen  Sarkophag  gekauft  und  mtv  rai  ivSopwfiart  hergerichtet  (i$^ 
Tt[aa)  ftkr  seine  Mutter  Aurelia  M--ite  und  sieh  selbst,  mit  Aussehlnfs 
seiner  Brüder,  Kinder  und  deren  Nachkommen.  Zuwiderhandelnde  sollen 
dem  leptoTarip  T[aiJLei(p  (kaiserlichen  Fiskus)  eine  Strafsomme  entrichten. 
Ein  Duplikat  dieser  Bestimmungen  xstrai  Ig  rb  dp^s[eou,  —  8.  25  n.  243. 
Glykon,  8.  des  Menandros,  aus  Ankyra  errichtet  seinem  legitimen  (vo- 
IJitxqi)  Sohne,  dem  Stephanephoros  Menandros,  eine  Grabschrift.  —  S.  26 
n.  246.  Dem  17jähng  verstorbenen  M.  Domitius  Sabinus,  ipdoX6y<p^  er- 
richtet sein  Pflegevater  (Bpi(jfaQ)  Domitius  Epaphroditus  ein  ftvi^/iTov.  — 
D.  247.  Grabschrift:  "Eppxuv^  /o^.  -  8.  27  n.  248.  Dioskurides  er- 
richtet seinem  verstorbenen  Neffen  Flavius  Antigonos„  einem  Makedonier 
inh  ^f>ßiipoOy  ein  Grabmal* .  —  n.  249.  Fragmentierte  Grabschrift  auf 
eine  Freigelassene^  -  n.  260.  Grabschrift  auf  Sexstus  lulius  Paralos, 
eioeu  i^etfipU^rfK.  Nominative  statt  der  Vokative.  —  8.  28  n.  25}. 
Grabschrift  der  Magna  auf  Diodoros;  fJLveac  ^a/ptv.  —  8.  29  n.  255.  Pa- 
pias,  8.  des  Molaseus,  errichtet  ein  Grabmal  für  sich,  seine  Tochter  Pau- 
leina, deren  Tochter  Ghrysion,  seine  Gattin  Cbrysion  und  alle  seine  Frei- 
gelassenen; mit  Strafandrohang:  u.  a.  Entrichtung  von  2500  Denaren  an 
die  fi^p  ^BW¥  StmXf^vf},  Vgl.  n.  262.  278.  --  S.  30  n.  257.  Fragment 
angewissen  Inhalts.  Dreimal  ist  von  Thyateira  die  Rede.  —  6.  81  n.  268. 
Fragmentierte  Grabsehrift.   Soklufb:  ^OTtaZsiro]  as  6  wxx^p  xol  ij  fiT^rr^p- 

—  8.  32  n.  260.  Grabstein  mit  zwei  Grabschriften:  n.  l  geringe  Buch- 
stabenreste; n.  2  aaf  Athenokleai  T.  des  Menodoros,  aas  Sardes.  — 
n.  261.    Rest  der  Strafandrohung  einer  Grabsehrift.  —  n.  262.  Amiantos, 


76  Griechische  Epigraphik. 

S.  des  Tropbiroos,  äyopdaag  rönov  iptXoVy  errichtet  ein  ivaopeov  für  sieb, 
sein  Weib  ('jruvexl)  und  seine  Kinder  xcu  t%  xarot^^ofievj^  mjvrpo^pw  Tpih 
^ivj}\  mit  Strafandrohung:  Entrichtung  von  1600  Denaren  an  die  p^mp 
^eatv  Itmuhjvi^.  Vgl.  n.  255.  273.  —  S.  81  n.  264.  Grabstein  des  De 
metrios  —  — ,  S.  des  Alexan[dros;  S.  62  n.  268  des  19jfihrigen  Onesi- 
phoros,  S.  des  Chrysippos;  S.  85  n.  276  des  Euemeros.  —  S.  82  n.  267. 
Grabschrift  auf  Ti.  Gl(audius)  Philetos;  S.  83  n.  269:  (Mpte  Ho^ 
Xo^ps'  I  Obapta  'EjrirXopj  \  ^aipe.  —  n.  265.  Grabschrift  des  ApollODios, 
S.  des  A.,  auf  seinen  Vater.  —  S.  83  n.  270.  lulia  Preima  errichtet  zu 
Lebzeiten  sich,  dem  Tiberius  Claudius  Spu[r]ii  f.  Quirina  [Cljaudianus 
und  £x7j-'  ein  Grabmal;  8.  85  n.  275  desgl.  Tryphaina,  T.  des  Melassos 
für  sich,  ihren  leiblichen  Sohn  Helenos  und  ihre  Familie.  -  S.  84  n.  272. 
Fragment,  "öpj^roc  'Ep--  errichtet  auf  einem  gekauften  Stacke  Landes 
ein  Grabmal,  u.  a.  fflr  seine  Gattin  Ka—;  mit  Strafandrohung.  —  n.  273. 
Fragment.  Desgl.  ein  Zosimo[s  fQr  sich  selbst,  seine  [Gattin  Al]exandra, 
seine  Kinder  und  Freigelassenen ;  mit  Strafandrohung:  Entrichtung  einer 

Summe  an  die  pi^njp  detuv (vgl.  n.  255.  262).    —    S.  86  n.  277- 

Grabschrift  (?)  des ,  S.  des  Hermokles.   —   S.  80  n.  uqa  \    Ae(lia) 

Laskeiba  (=  Lasciva)  errichtet  sich  selbst,  ihrem  Gatten  Ael(ius)  Eupbe- 
mos,  einem  Dekatarchen,  ihren  Kindern,  Freigelassenen  und  deren  Kin- 
dern ein  Grabmal ;  mit  fragmentierter  Strafandrohung.  Z.  7 :  k  rb  Upio- 
rarov  rapätov—,  —  S.  60  ü.  opa}\  Grabschrift  des  Maximianus  auf 
seine  (nicht  genannte)  Gattin.  Die  Inschrift  findet  sich  schon  Parnassos 
1883  S.  86  (Röhl  II,  82). 

Nymphaeum. 

MooaeTov  xat  ßtßXtoByjxrj  V  1884/5  S.  7  n.  212  in  Minuskeln  =  Pa- 
padopulos-Kerameus,  MDAI  VI,  267  n.  3  (Röhl  II,  83).  Jetzt  in 
Smyrna,  Museum. 

Menimen. 

Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1885  S.  348  n.  90;  aus 
den  wieder  aufgefundenen  »MS.  Inscriptions  coUected  in  Greece  hy  G.  B. 
Cockorell,  1810— 14c.  C]  An(n)ius  G.  f.  Fa[b]ia  Longus  errichtet  zo 
Lebzeiten  sich  und  seinen  Eltern  sowie  seiner  Gattin  A.  L.  f.  Tryph[aiDa? 
ein  Grabmal. 

Pbocaea. 

Rein  ach,  BGH  X  1886  S.  328  wiederholt  eine  von  Gennadios  im 
''Opijpog^  Mai  1875  S.  205  in  Minuskeln  und  ohne  Worttrennung  nicht 
ganz  korrekt  mitgeteilte  und  jetzt  verlorene  Inschrift  aus  Neu-PhocAa, 
die  für  die  Geschichte  der  Juden  in  Kleinasien  von  Wichtigkeit  ist:  Td- 
uov  Zrpdrafvoi  roo  *Ev'{2)n6S(üvog  rov  olxoy  xal  rdv  n^'(Z)plßokuv  ro'j 
unacfipou  xaTaax6U'{4)d(ra(Ta  ix  T(ü[v  i8]cwv  (5)  i^dtpeiraTO  T[oTg  lo]»- 
8cuotg,     (6)  *H  auvaywyij  ^Tecpij}ffev  rwv  'Ioudcu''(7)wu  Tdrtov  2[rpdr]üf' 


XIV.  Lydia:  Nymphaenm.   Menimen.  Phocaea.   Magnesia.  77 

voc  ToS  *Evni'(S)8(ovog  ^puffip  are^dvü}  (9)  xal  npoedpe^  —  Wie  die 
Gemeindeverfassong  der  Jaden  in  der  antiken  Welt  der  der  griechischen 
Stftdte  nachgebildet  war  (es  begegnen:  Gerusia,  Bule,  Archonten  und 
andere  Beamten),  so  sehen  wir  hier,  dafs  eine  jüdische  Gemeinde  eine 
Wohlth&terin  in  Aasdrttcken,  die  mit  denen  der  griechischen  Inschriften 
völlig  ttbereinstimmen,  durch  Verleihung  eines  goldenen  Kranzes  und  dem 
Vorrechte  der  Proedrie  ehrt  Bekanntlich  galt  deijenige  Raum  der  Syna- 
goge, welcher  die  heilige  Lade  und  die  Gesetzesrollen  enthielt,  als  Ehren- 
platz. Dort  befanden  sich  die  npwroxaBedpiat^  welche  die  Schriftgelehr- 
ten und  Pharisäer  zur  Zeit  Christi  suchten  (Matth.  23,  6;  Mark.  12,  39; 
Luk.  20,  46;  vgl  Jak.  2,  2.  3).  Unsere  Inschrift  zeigt,  dafs  die  Aus- 
zeichnung der  Ttpoedpta^  identisch  mit  der  der  npoiroxaBedpia^  nicht  ans- 
schliefslich  Reichen  und  Schriftgelehrten  zu  teil  wurde,  sondern  dafs  sie 
sogar  jüdischen  Frauen  zum  Dank  fUr  ihre  der  Gemeinde  geleisteten 
Dienste  zuerkannt  werden  konnte.  —  Sind  die  durch  den  Vorsitz  in  den 
Synagogen  geehrten  Personen,  wie  wahrscheinlich,  identisch  mit  den  dp- 
^eaüvayajyoe,  so  erhellt,  dafs  dieser  Titel  nicht  lediglich  religiöse  Funk- 
tionen und  mftnnliche  Träger  voraussetzt,  da  jene  Würde  sich  nach  Aus- 
weis der  Inschriften  von  Vater  auf  Sohn  vererbte  und  bisweilen  sogar 
von  Kindern  bekleidet  wurde  (Revue  des  ^tudes  juives  VII  1883  S.  165), 
ja  dafs  auch  Frauen  nicht  ausgeschlossen  waren  (vgl.  die  dpxtaovayaiYbg 
Rufina  in  einer  von  Reinach,  Rev.  d.  6t.  juives  a.  a.  0.  [s.  S.  69]  her- 
ausgeg.  smyrnäischen  Inschrift).  Demnach  wäre  der  Titel  dpxtouvayfoybQ 
Dur  den  Vornehmsten  der  Gemeinde  und  zwar  hauptsächlich  den  Er- 
bauern der  Synagogen  honoris  causa  verliehen  worden.  —  Auch  über 
den  Bau  der  Synagogen  verbreitet  unsere  Inschrift  einiges  Licht.  Aufser 
dem  eigentlichen  Tempel  (oIxoq)  wird  erwähnt  ein  neptßoAog  tou  Ima^' 
Bpou  =  eine  rings  um  den  vor  dem  eigentlichen  Heiligtum  liegenden 
unbedeckten  Vorbof  laufende  Säulenhalle.  Diese  Anhaltspunkte  lassen 
auf  eine  frappante  Ähnlichkeit  der  jüdischen  Synagoge  zu  Phpcäa  mit 
der  312  oder  313  n.  Chr.  von  dem  Bischof  Paulinus  erbauten  und  von 
Eusebius  X,  379  beschriebenen  altchristlicheu  Kirche  zu  Tyrus  schliefsen. 

Kontoleon,  BGH  X  1886  S.  516  n.  2.  Neu-Phocäa.  Grabschrift 
auf  Dionysios,  S.  des  Zeuzigenes.  —  JHooaeTov  xal  ßeßXtoBi^xii^  V  1884/5 
S.  9  D.  214.  Drei  Distichen  auf  den  19jährig  verstorbenen  Timokrates. 
Jetzt  in  Smyrna,  Museum. 

Ein  zu  Phocäa  gefundenes,  jetzt  im  Museum  zu  Konstantinopel  be- 
findliches und  von  Papadopulos-Kerameus,  KE0I!X\  1884  S.  58 ff. 
herausgegebenes,  wahrscheinlich  auf  Tralles  zurückzuführendes  Ehren- 
dekret s.  S.  63. 

Magnesia  ad  Sipylum. 

Fontrier,  MouaeTov  xa}  ßtßXtoB^xij  V  1884/5  S.  76  n.  tmS'  in  Mi- 
nuskeln.    Derselbe  (herausgeg.  von  Foucart),  BGH  IX  1885  S.  895. 


78  GHeohische  fipigrapbik. 

Aus  Kodja-KaragaUch^Tschifllk,  ca.  80  km  n.ö.  von  Magnesia.  Basis.  I>it 
^Op/jLoem^vMif  xarotx^a  (im  Bezirk  von  Magnesia)  ehrt  den  Logisten  (Ca* 
rator)  Ti.  Cl.  Glitianns.  Mooattoy  xal  ßeßXioß^xi^,  a.  a.  0.  S.  77  n.  tiits' 
in  Minuskeln  und  BGH,  a.  a.  0.  8.  996.  Ans  Müt^veli-Tschiflik  Mm  Hyl- 
los;  ca.  80  km  n.O.  von  Magnesia.  Basis.  Die  TuavwXJieevmw  katotxla 
(im  Besirk  von  Magnesia)  ehrt  einen  Theogencs,  der  (in  Magodeia)  das 
■j-  4t--M  Amt  eines  Prytanen  und  Stephanephoros  bekleidete.  -  8.  897.  Mootr^ov 
xal  BtßhoBi^xT^^  a.  a.  0.  8.  76  n.  uny'  in  Minaskeln.  Ans  Kodja-Kars- 
gatsch-Tscfaiflik.  Basis.  Dieselbe  xaxmxla  ehrt  den  Kaiser  Claudius.  — 
Da  die  Provinz  Lykien  48  n.  Chr.  eingerichtet  ward,  so  f&lit  die  losohrift 
zwischen  48  nnd  64  n.  Chr. 

Papadopulos-Eerameus,  KE0I  XV  1884  8.54  n.  9.  Ehreo- 
inscbrift  anf  L.  Septimius  Severus,  vielleicht  identisch  mit  CIG  3407. 
Bemerkenswert  Z.  3ff.:    i}  noXtg  xa^tipmaev  dnö  ^pi^fidrwu  O&ahfnaväfv, 

*«A  Fontrier,  Mooffslov  xau  ßtßXto&^xi^  V  1885/6  8.  27  n.  ^e'  in  Mi* 

um  T  *4v 

noskeln;  derselbe  (herausgeg.  von  Foucart),  BGH  XI  1887  8.  80  n.  1. 
Ehreninschrift  auf  einen  Athleten,  Ehrenbürger  von  Athen,  8m7rDa  und 
Tarsos,  welcher  zuerst  von  den  Magneten  {npwrolv  (5)  xal  ii6)^ov  (Akku- 
sative)  rcuv]  dat*  altovog  JHay)f^ü}v;  vgl.  die  Ehreninscbrift  von  Thyatira 
8. 87  n.  18)  in  den  '0Ji6/ima  rä  fieydAa  (4)  ra  iv  [Uctn^t  in  der  229.  Olym- 
piade im  Ringkampfe  der  M&nner  siegte,  nadidem  derselbe  schon  frflher 
an  den  Panathenften  sowie  an  den  vom  xotvbv  'Afffag  in  Pergamon,  Ephe- 
806  und  MoBi?]deia  veranstalteten  Spielen  gesiegt  hatte.  —  Derselbe, 
MotHTsIov  xal  ßtßhoBijXTj  V  1884/5  8.  75  n.  lynß'  in  Minuskeln;  wieder- 
holt BGH  IX  1885  8.  898.  Grabstele,  von  einem  Töpfer  Menophilos  und 
seinem  Weibe  Ammion  ihrem  8ohne  Menophilos  errichtet  —  Derselbe, 

Mouaecov  xal  ßtßXeodi^xii  Y  1885/6  8.26   u.  ^d'  in  Minuskeln. s, 

8.  des  Metrodoros,  errichtet  zu  Lebzeiten  ein  Grabmal  fttr  sich,  seine 
Eltern,  Nachkommen  u.  s.  w.  In  der  Strafandrohung  findet  sich  ein  Ver- 
sehen des  Steinmetzen:  iä¥  8d  tcq  fiij  Ttpoa^xovra  &i^'(5)vtoA^^  ^  «roiA^ 
aau  abro^  reeost  elg  rdv  ^(axov  difjlya^ (%) ptoo  .  .^  sIq  $k  ttj/v  yepeuaia¥ 
Tijiv  Mayvi^rafv  .  .     -<    Zu  Anfang  von  Z.  5  war  offenbar  zu  schreiben: 

KoOtoleon^  BGH  XI  1887  S.  800  n.  8  in  Minuskeln;  MDAI  XD 
1887  8.  271  in  Majuskeln.  1  St.  Ostl.  von  Magnesia.  Votivinschrift  der 
Metrodora,  T.  des  Apollas,  an  die  Meter  Plastene  —  Über  letztere  8. 
Pausan.  5,  13,  7;  Ober  das  wieder  aufgefundene  Heiligtum  derselben 
Kontoleou,  MDAI  XII,  272 ff.  —  Derselbe,  MDAI  XII  1887  S.  252 
n.  16  {^AfidkBeta  1887  n.  4092).  Ebd.  Bule  und  Demos  ehren  den  Apol- 
lonios,  S.  des  Alexandres,  Skytalas,  der  den  Tempel  anf  eigene  Kosten 
erbaute  und  der  Göttin  wethte.  —  8.  258  n.  17.  Ebd.  Widmung  des 
Kalbe isios  (=  Galvisios)  Grpheus  an  die  pLi^ri^p  ^ewv  nXaaxi^fvj,  — 
S.  274  n.  3.  4.    Beste  von  Weihinschriften. 


XIV.  Lydia:  Magnesia.  MoBtene.   Dareioa  Korne.  79 

Eine  Inschrift  der  dapeeouxw/ja^anf  xarotxfa  (Fontrier-Foncart,  BCH 
IX,  897  f.)  s.  unten  unter  Dareiou  Kome.  —  Zwei  Ehreninsehriften  auf 
den  Konsul  T.  Marathonius  Hannibalianns  (292  n.  Clir.)  aus  Magnesia  s. 
unter  Sardes  (S.  88). 

Mosten e  (Tscbobanissa). 

Fontrier,  Mmxretov  xod  ßißJUo9^xij  Y  1885/6  S.  24  n.  uq»';  wie- 
deriiolt  von  demselben  (berausgeg.  von  Foucart),  BGH  XI  1887  8.  89 
tt.  8,  beide  Male  in  Minuskeln.  Fragmentierte  Sarkopbaginscbrift  der 
Epicbaris  auf  ibren  Mann,  sich  selbst  und  ihre  Nachkommen.  Schlafs  der 
Stra£udn>hang:  TaOvoo  d[yr(jpa/^v  M'{lQ)d^j^\  elc  rö  iy  M[oavijvotg 
(11)  [dpj(etov].  —  S.  28  n.uqij';  wiederholt  von  demselben  BCH  XI  ^^^ 
S.  89f.  n.  9  in  Minuskeln.  Hadjüeri,  20  Min.  nördl.  von  Tscbobanissa. 
Sehr  verstQmmeite  Inschrift,  der  zufolge  Kaiser  Tiberius  während  seiner 
33.  tribuniEischen  Potestas,  a&To{xpdr\wp  (8)  17 ',  ßnaroc  [«%  (9)  xr/artjc 
hl  xai*(10)/9^  SwSexa  n6'(ll)Xewv  n^v  n6hy  (12)  ixTgc9v.  —  Aus  dem 
Jahre  31  d.  Chr.  Mostene  war  eine  der  zwölf  im  Jahre  17  n.  Chr.  durch 
Erdbeben  zerstörten  kleinasiatischen  Städte  (Tac  Ann.  2,  47).  —  S«  26 
n.  fy'  in  Minuskeln.  Keramidaijo,  '/i  St.  sttdl.  von  Tscbobanissa.  Frag- 
mentierte Ehreoinschrift  auf  einen  Freigelassenen  (KX]au8{o[u]  2![e]ßa' 
o[ra!i?  Z.  2).  —  8.  25  n.  ^'  in  Minuskeln.  Kjoselerides,  ca.  Vt  St 
sttdlieh  von  Karaogianlu.  Orabschrift  des  Demos  auf  Aristobulos  ßu^o* 
xX^ff{90}y  *ApT€fjuHJv  (Akk.),  T.  des  Sosigenes,  und  Pythokles,  8.  des 
Aristobulos.  —  n.  ^ß'  in  Minuskeln.  Ouzun«Tsinar,  ca.  1  St.  sädl.  von 
Karaogianlu.    Stein  mit  der  Inschrift:  Hii/ieM  \  bdw, 

Dareioa  Kome  (Dereköi),  V«  St.  n.ö.  von  Hadjileri. 

Fontrier,  MouaeTov  xal  ßeßXio9i^xij  V  1884/5  S.  78  n.  unC'  in  Mi- 
nuskeln; wiederholt  (berausgeg.  von  Foucart),  BCH  IX  1885  S.  397  f. 
Beoe^  2eßa<rcoec  xae  (2)  Upf  auvxXi^vwt  xal  (3)  d^ficje  *PwfjLaeußV  ^  da- 
[AypteouxQPfuirmß  xaroe*(5)x/a  rr^t  dtaaijii»Tdn^  9e^  (6)  Ji^rpt  Kapno- 
f6ptk  rhv  (7)  vah¥  xwnoxeuaaev  unter  Aufsicht  des  Lucius  Antonius 
Rnfus.  ~  Derselbe,  Mouaewv  xoi  ßeßXto^i^xf^  V  18&&/6  S.  22  n^oqc'; 
wiederholt  BCH  XI  1887  S.  90 f.  n.  10.  Bauinschrift:  Der  Adoptivsohn 
eines  —  xenos,  leiblicher  Sohn  des  Matre[a8,  ein  dfvf^tijg  (4)  npwriov 
npo(r6Sw[v  (5)  t^c  Beäg,  hat  röv  dup'{B)(o]va^  ßtofibu  xal  r^v  (7)  iv 
Se^toT^  rou  vao[ü  (8)  Xoorf^pa  xal  r^g  Beäc  —  auf  eigene  Kosten  erbaut 
(inoajaev).  —  Die  Göttin  ist  wahrscheinlich  die  in  der  vorstehenden  In- 
schrift genannte  Demeter  Karpophoros.  —  Derselbe^  MoutreToy  xai 
ßißXt»fixi^  y  1884/5  S.  77  n.  un^:'  in  Minuskeln.  BCH  II  1885  S.  096. 
Basis.  Fragmentierte  Ehreninschrift  auf  den  Kaiser  Hadrian.  —  Der- 
Belbe,  Mouaetov  xal  ßeßXioBi^xi^  T  1885/6  S.  23  Q.  uqC  in  Minuskeln. 
Fragmentierte  Orabschrift  auf  ein  13 Jähriges  Mädchen.    — *   S.  25  o.  f' 


80  Griechische  Epigraphik. 

in  MioQskelD.  Jetzt  in  Tschobanissa.  Tatias,  T.  des  Demetrios  Platy- 
pou8,  hat  sieb,  ihren  Kindern  und  sämtlichen  Angehörigen  ein  fivi^w 
errichtet. 

Hyreanis  (Macedones  Hyrcani)  =  Papasli. 

|2ift  Fontrier,  MouaeTov  xal  ßtßXeoBr/xTi)  V  1886/6  S.  19  n.  uqß'  in  Mi- 

nuskeln; wiederholt  ßCH  XI  1887  S.  91  n.  11.  Dorf  Papasli,  8  St.  östl. 
von  Magnesia,  am  Nordabhang  des  Tschal-Dagh.  Den  Kaiser  'AvT<ü]vet- 
vov  Euffeß^  (2)  leßatrcbv]  u.  s.  w.  ehrt  als  (3)  xr^aTi^g  und  <r[öi]r^jO  — 
(4)  ^  Maxe8ü'{6)va})^  Tlpx^avoßv  noktg.  Der  Vorschlag  wurde  eingebracbt 
durch  L.  Vettius  Faustinns,  G.  Vettius  Crispinus  und  Menekrates,  S.  des 
Menophilos,  welch  letzterer  zum  zweiten  Maie  das  Amt  eines  Strategen 
bekleidete  und  fttr  Aufstellung  der  Kolos^lstatue  (roe;  xoko<r<roü)  Sorge 
trug.  —  Von  den  beiden  Kaisern,  welche  den  Namen  Antoninus  Pias 
fahrten,  ist  hier  wahrscheinlich  Oaracaila  zu  verstehen.  Derselbe  hatte 
den  Winter  214/6  zu  Nicomedia  zugebracht,  hielt  sich  auch  zu  Thyatira 
auf  (s.  die  Inschriften  Giere,  BGH  X,  404  f.  n.  8  [S.  86]  und  S.  417 
n.  26  [S.  91])  und  passierte  auf  dieser  Reise  ohne  Zweifel  auch  Hyrka- 
nis,  welches  ihm  zum  Dank  fttr  erwiesene  Huldbezeugungen  die  Statue 
errichtete.  --  S.  21  n.  oqS"  in  Minuskeln;  wiederholt  BGH  XI  1887  S.  93 
n.  12.  Unweit  Tepe  Erien-Dere,  1  St.  von  Ali-Beili,  iVi  St.  von  Papasli. 
Fragment.  Der  Demos  ehrt  den  L.  Vibius  L.  f.  Romilia  Varus  —  fianus 
als  Wohlthäter  und  Patron  der  Stadt.  —  Die  Schreibweise  Je]uxio^  Z.  2 
kam  nicht  lange  vor  der  Regierung  des  Augustus  auf.  —  S.  20  n.  oqf 
in  Minuskeln.  Ali-Beili,  1  St.  östl.  von  Papasli.  Fragment  der  Inschrift 
eines  Grabdenkmals,  welches  Eiookäg  (=  lulias)  für  sich  und  die  Ihrigen 
errichtet.  —  S.  22  n.  oge  in  Minuskeln.  Kol-Dere,  iVs  St.  westl.  von 
Papasli.  Grabschrift:  Ioi\  (2)  7ö?*j^v/a,  (3)  arijXhjv  (4)  ri^vd'  i^^-(6)xa- 
fiev  ncU'{Q)d£g  Xpuaen-(y)nou  ol  7tpo(T'{S)^xovT£g  (9)  fijjrpo&ev  (10)  yi' 
voug  aou^  (11)  /ivi^/Jt^i^g  ai'{l2)۟Vcou  X^^^* 

Hierocaesarea  (2V>  St.  uördl.  von  Papasli  und  s.o.  von  Ak-His- 
sar,  auf  dem  linken  Ufer  des  Kum-Tschai;  die  Ruinen  als  Baumaterial 
verwandt  in  den  10  Min.  entfernten  Dörfern  Sassoba  und  Beyoba). 

Fontrier,  a.  a.  0.  S.  33  n.  ^^'  in  Minuskeln;  wiederholt  BGH  XI 
1887  S.  96  n.  16.  Sassoba.  Den  Stephanephoren  Aurelius  Diogenes  ehrt 
seine  Vaterstadt.  -  n.  ^i^'  in  Minuskeln;  wiederholt  BGH  XI  S.  94  n.  14. 
Ebd.  Weihung  des  Priesters  der  Roma  Athenodoros  MSpi^oog  an  Apollon 
Paian.  —  n.  ft'  in  Minuskeln;  wiederholt  BGH  XI  S.  96  n.  16.  Ebd. 
Votivinschrift  eines  Aooxtog^  an  den  Zeus  Hypsistos.  -  S.  32  n.  ^C  i^ 
Minuskeln;  wiederholt  BGH  XI  S.  94  n.  13.  Ebd.  Reste  der  Strafan- 
drohung einer  Sarkophaginschrift.  Der  Schuldige  soll  r^  'hpoxaiaa- 
pe-(ß)iov  noh  2000  Denare  entrichten.    Z.  4:  labto. 


XIV   Lydia:   Hyrcants.   Hiorocaesarea.  gl 

Derselbe,  a.a.O.  S.  36  n.  ^tB'  in  Minuskeln;  wiederholt  BCH 
XI  S.  96  D.  18.  Beyoba.  Inschrift  des  Siegers  im  Faustkampf  an  den 
liEydXa  I!eßa[(T'(2)7ä'ApTejJLei(Tea,  M.  Aur.  Menogen[es  aus  Hierocaesarea. 
Die  Bildsäule  errichtet  der  Agonothet  Aur.  Diopha[nes.  Aus  antonini- 
scher  Zeit.  —  n.  ^ly'  in  Minuskeln;  wiederholt  BCH  XI  S.  95  n.  17. 
Ebd.  Den  ßsoTi^  ZeßaurcoTQ^  der  ^Äpxifitdt  Ileptrix^t  xai  rm  dyjiuot  weihen 
Dionysios,  S.  des  Papias,  —  und  Asklapou  und  Dorotheos,  seine  Söhne, 
ein  von  ihnen  erbautes  Thor.  —  Über  den  Kult  der  Artemis  Persike  zu 
Hierocaesarea  s.  Tac.  Ann.  3,  72.  Pausan.  5,  27.  —  8.  34  n.  fta\  wie- 
derholt BGH  XI  S.  97  n.  19;  beide  Male  in  Minuskeln.  Ebd.  Votivin- 
schrift:  Fl.  Basilianus  weiht  für  seine  Söhne  (6a;v)  Fl.  Basilianus  und 
Fl.  Menogenianus  79)  Sem  einen  Altar.  —  S.  36  n.  ipte'  in  Minuskeln; 
wiederholt  BGH  XI  S.  97  f.  n.  20.  Ebd.  Aur(elia),  T.  des  Menippos,  er- 
richtet für  sich,  die  Tochter  des  Proenosemos  (wohl  aus  einer  früheren 
Ehe  ihres  Mannes),  Perperilla,  und  ihre  Söhne  Aur.  Moschianus  und 
lulianus  ein  Grabmal;  mit  Strafandrohung:  Entrichtung  von  2500  Dena- 
ren an  den  kaiserlichen  Fiskus  (eepatrarov  rafxsTov),  Der  Bedingungssatz 
ist  unvollständig:  To^/nf/tree  (13)  n]apä  tol  afpeafisva  ün  ifioÜ^  Suktsc —, 
Eine  Abschrift  der  Bestimmungen  wurde  hinterlegt  eig  rb  iv  ßuarecpoig 
(so)  dpj^e[Tov^  unter  dem  Prokonsulato  des  Asinius  Sabinianus,  im  Monat 
Apellaios.  —  Der  Name  des  Prokonsuls  ist  unbekannt;  der  Schriftcha- 
rakter scheint  ihn  dem  2.  Jahrh.  n.  Ghr.  zuzuweisen.  Möglicherweise  ge- 
hörte zu  jener  Zeit  Hierocaesarea  oder  ein  Teil  des  Gebietes  desselben 
zu  Thyatira.  Einfacher  noch  ist  die  Vermutung,  dafs  der  Stein  bei  einem 
Marroorarbeiter  zu  Ak-Hissar  gekauft  wurde,  welches  in  geringer  Ent- 
fernung von  Beyoba  liegt.  —  8.  34  n.  ^eß'  in  Minuskeln.  Ebd.  Frag- 
mentierte Siegesiuschrift  des  Hippokrates  —  Plution  aus  Nikomedeia, 
Ehrenbürgers  von  Pergamos  und  Tripolis  (wohl  in  Phrygien  am  Mäander), 
v]ecx^aag  tov  dywlya  -  -.  Die  Bildsäule  wurde  errichtet  von  dem  Ago- 
notheten  Atta[los?  —  S.  37  n.  fi<:'  in  Minuskeln.  Ebd.  Testamentsvoll- 
streckung durch  die  Erben:  IlrparoveiKT}  N[i-(2)ä\ropog  ajg  5«eT-(3)a- 
^£[v],  oi  xXrjpO'(A)vapoi  inotif^aa\y,  —  S.  38  n.  <piZ'  in  Minuskeln.  Ebd.  tso? 
Fragment  wahrscheinlich  eines  Meilensteines  auf  der  Strafse  von  Thya- 
tira nach  Magnesia  (die  Meilenzahl  ist  abgebrochen)  mit  Widmung  an 
den  Gäsar  Augustus  (u.  a.  dr^rri^Ttp  Z.  4)  M.  Aur.  Daza  (daxart)  und  P. 

Aur. (weggemeifselt).    In  der  Schlufszeile  die  Ghifferu:    9u(ar6epi^' 

vwv)  noi^Xewg),  —  Maximinus  Daza,  Neffe  des  Galerius,  war  seit  305 
Gäsar,  seit  307  Augustus  und  gab  sich  nach  seiner  Besiegung  i.  J.  318 
selbst  den  Tod.  —  S.  39—47  n.  ^ei^'—^xC  aus  Selendi  s.  unter  »Thya- 
tira« (S.  89  f.).  —  S.  47  n.  ^xij'  in  Minuskeln.  Kuyudjak,  1  St.  s.o.  von 
Bassoba,  1  St.  n.w.  von  Mermereh.  Hermaphilos,  S.  des  H.,  hat  rö  Ttpo' 
yovtxbv  pvTjpa  xdi  rä  ripb  aurou  restauriert  und  zur  Grabstätte  für  sich, 
sein  Weib  Lydia,  T.  des  Sokrates,  und  seinen  leiblichen  Sohn  Asklepia- 
Dus,  Adoptivsohn  des  Sokrates,  hergerichtet;   mit  fragmentierter  Straf- 

Jahmbericht  fUr  Altertumswissenschaft  LXVI.  Bd.  ^ 


82  Griechische  Epigraphik. 

androhnng.  —  S.  48  n.  tpK^'  in  Minaskeln.  Ebd.  Grabschrift  der  Elaudia 
KoitoDis  anf  ihren  Schwiegersohn  Zosimos. 

Marmara  (Mermereb;  balbwegs  zwischen  Sardes  und  Thyatira). 

Radet,  BGH  XI  1887  S.  I7lf.;  vorher  in  Minuskeln  Fontrier, 
MouasTov  xal  ßtßXio^xvj  V  1886/6  S.  51  n.  ^Xy\  Fragmentierte  Inscbrift 
eines  Heroon,  welches  die  BrUder  Aur.  Philomelos,  Aur.  Pa[p]i[a8  und 
Aur.  Menopha[nes  fQr  sich  und  ihre  Familien  errichten;  mit  Strafan- 
drohung. Darunter:  XaTpe,  napodeha,  —  Fontrier  kopierte  Z.  11: 
ATTA\CGJI  und  setzte  auf  grund  der  Ergänzung  Z.  10/11:  Bi^aee  efe 
rd  lepafTarov  (11)  rajieTov  \^Ä\TTa[X£\<jü\y]  —  das  alte  Attaleia  nach  Mer- 
mereb. Allein  die  Bezeichnung  iepiorarov  rafiBiov  bezieht  sich  auf  den 
kaiserlichen  Fiskas  und  wird  niemals  von  einer  Stadtkasse  gebraucht. 
Auch  entspricht  Mermereb  nicht  dem  Bericht  der  alten  Autoren  von  der 
Lage  Attaleias,  da  dasselbe  bald  als  äolische,  bald  als  mysische  oder 
lydische  Stadt  erwähnt  wird  und  somit  auf  der  Grenze  von  Äolien.  My- 
sien  und  Lydien  gesucht  werden  mnfs.  Auch  findet  sich  auf  den  Mün- 
zen unseres  Attaleia  nur  das  Ethnikon  ^ÄTTakednuv,  während  die  Bezeich- 
nung 'ArraXeofv  sich  ausschliefslich  auf  das  pamphylische  Attaleia  bezieht 
Über  die  wahrscheinliche  Lage  unseres  Attaleia  s.  S.  91  u..  —  Radet 
und  Lechat,  BGH  XI,  397  lesen  nach  einer  Revision  des  Steines:  dm' 
xäg  —  [xe]hac»  Vgl.  hierzu  die  Inschrift  aus  Qala-Dibi,  a.  a.  0.  S.  397  f. 
(S.  85  0.),  S.  481  n.  62  (S.  93)  und  von  Trakhala,  a.  a.  0.  S.  398  (s.  unter 
XV:  Mysia). 

Radet,  a.  a.  0.  S.  448  n.  6;  Fontrier,  a.  a.  0.  S.  50  n.  ^X'  in 
Minuskeln.  Grabschrift  einer  Gattin  auf  ihren  Mann,  der  Kinder  Glykon, 
Apollonis  und  Monogenes  auf  ihren  Vater.  —  Fontrier,  n.  ^Xa  in 
Minuskeln;  Radet,  S.  447  n.  4.  Dürftiges  Fragment  ungewissen  Inhalts. 
Anfang:  Ba(ieXeu]ovTo^  'ATTdXo[ü  (2)  Itouq  --J/ijyv^ff  na]^fio[u".  — 
Fontrier,  S.  51  n.  ^^Xß'  in  Minuskeln;  Radet,  S.  448  n.  5.  Fragmen- 
tierte Weihinschrift: xal  *ApTifju8e  fleptTixg  xal  rwt  Sr/fiip  widmen 

etwas  Glykon  und  Alexandres.  —  Über  den  Knlt  der  persischen  Artemis 
vgl.  Foucart,  BGH  XI,  S.  82ff.,  95ff.  -  Radet,  n.  7;  Fontrier,  S.  52 
n.  ^X8*  in  Minuskeln.  Unvollständiger  Katalog  von  Eigennamen  mit 
Vatersnamen.  Die  Verzeichneten,  13  an  der  Zahl,  fuhren  sämtlich  den 
Namen  Aurelius  zu  ihrem  einheimischen  Namen;  bisweilen  ist  der  Beruf 
angegeben:  Z.  5  Xarunog,  Z.  9  iarpoc.  —•  Radet,  S.  449  n.  8.  Im  Jahre 
vc'  errichtet  ein  Teefi7j^ei[c  if7t'(S)b  rou  xoeve{o[u  (4)  XP^^  aTefdv[<p 
einen  Altar.  —  n.  9.  Jemand  errichtet  ein  Grabmal  fttr  seine  Eltern 
Marcus  und  Euresia,  seine  Gattin  Philippe  und  deren  Eltern  Philippos 
und  Artemidora,  seine  verstorbene  Gattin  Landike,  sich  selbst  u.  s.  w. 
~  S.  450f.  n.  10.  Yeni-Köi,  3  St.  östl.  von  Mermereb.  "EroeiM  qrj\ 
p-{y)vh£)  TTteplfiBperacou  ehren  durch  eine  Grabschrift  den  23jährigen 
Anthos  seine  Eltern  A:  und  Stratoneike  nebst  Familie.  —  S.  451  f.  n.  11. 


XIV.  Lydia:  Marmara.  Lacos  Gygaeas.   Sardes.  83 

Ebd.  ^EroiK  fPi\  f^^iy^Q)  Adtou  ß'  errichtet  Aurelios  ApoUonides  seinem 
Oheim  Artemidoros  ein  Grabmal.  Z.  10 f.:  Kcd  mat  Uyna  x^P^  To(r)c 
imXBhatQ.  —  Fontrier,  S.  68  u.fXc:'  in  Minuskeln.  Tschamlektschi, 
1  St  D.O.  TOD  Mermereh.  Orabschrift  der  Artemidora  auf  ihrea  Mann 
and  des  Menekrates  auf  seinen  Schwiegersohn  Zosimos. 

Badet,  BGH  XI  1887  S.  445—484  teilt  die  epigraphischen  Fände 
einer  im  Frfllgahr  1886  unternommenen  und  1887  mit  Lechat  erweiterten 
Forsehnngsreise  mit. 

Balek-Iekelessi  (Siidafer  des  Mermereh-Oaeal 
=  Lacus  Oygaeas). 

Badet,  a.  a.  0.  8.  446  n.  1.  Schlafs  einer  Grabschrift  mit  der 
eigentflm liehen,  griechisch-lateinischen  Datierung  (Z.  2/3):  dvBumro[f^\ 
£t]ißdwp  =  M:  Plautins  Silvanus,  Prokonsul  von  Asia  4  — 6  n.  Chr.? 
Vgl.  Waddington,  Fastes  des  prov.  asiat.  n.  64.  —  S.  446f.  n.  2.  Orab- 
schrift des  Antiochos,  8.  des  A.i  und  seines  Oheims  Thrason  auf  des 
Ersteren  Kinder  Thrason  und  Antiochos.  —  S.  447  n.  8.  2  Stunden 
nördlich  von  B.-I,  an  der  Strafse  nach  Mermereh.  Kaiserlicher  Grenz- 
stein :  ^Opog  I  ßaaiXsixo[u  -  -. 

Sardes. 

Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1886  S.  348  n.  93;  aus  umfMs 
den  wieder  aufgefundenen  >MS.  Inscriptions  collected  in  Greece  by  C  B. 
Ck>ckerell,  1810—14«.  Aus  Magnesia;  Fragment.  Den  T.  M[arathoniu8] 
Hann[ibalianus,  [Prokonsul]  aus  konsularischem  Geschlecht,  Logisten 
u.  s.  w.  T^c  ^aimplordrij^  lAn^rpo- (10)  nöXscj^  t^C  ^Aaiag  u.  s.  w.  ehren 
[xa-(13)rd  rä  Sayfiara  [r^c  iepwrdTi^g  (14)  auvxA^ou  [xae  ^iXoasßdarou 
(15)  £ap]Scaifio[v  noXetos  die  [ji\Oirca[t  als  ihren  Wohlthäter.  —  Hanniba- 
lianus  war  Konsul  292  n.  Chr.  —  S.  349  n.  94;  aus  demselben  Manuskript,  des^i. 
Ebd.  Die  Tochter  des  Prokonsuls  T.  Marathonius  Hannibalianus,  Gl. 
Capitolina,  Gattin  des  J.  Phli— Metrophanes,  ehren  oi  xpänaroi  Il[oXu' 
{9)xXeiT0€  durch  Errichtung  einer  Bildsäule.  —  S.  346  f.  n.  76;  aus  der- 
selben Quelle.  Fragment  des  Fluches  gegen  einen  Grabfrevler.  U.  a. : 
-/uJt€  Bp€fifJLd[T-{ß)wv  pJ^xs  dppdxiüv  — ,  (7)  ^[f]<^>lj?[c]  ydvoero  (8)  röv 
[Ttdyra  xpövov. 

Moocsiov  xa\  ßeßXtoBijxij  r^c  eöayyeXtx^  a^o^^  iv  Hp^fpvjJ  V 
1884/6,  S.  68  n.  upS',  Basis,  von  dem  Unterdirektor  der  Eisenbahn 
Smyrna— Philadelphia  (Ala  Schehr),  Biliotes,  nach  Smyrna  gebracht,  mit 
Ehreninschrift  des  Gl.  Anto(nius)  Lepidus  auf  Fausteina,  Gemahlin  des 
M.  AntODinus  Pius. 

6* 


84  Griechische  Epigraphik. 

Aegae  (nach  Radet  und  Lechat  =  Sari-Tscbam,  5  St.  n.ö.  von 
Magnesia,  nicht  =:  Nimrnd-Kalessi,  wie  gewöhnlich  angenommen). 

Fontrier,  Mouaeeov  xal  ßtßXto^xrj  V  1885/6  S.  28  n.  ^'  in  Mi- 
nuskeln; derselbe  (heraasgeg.  von  Foucart),  BCfl  XI  1887  S.  81  f.  n.  2. 
Sari-Tscham ;  jetzt  in  Magnesia.  Fragment  des  Briefes  eines  Seleuciden- 
königs  an  eine  Stadt  in  der  Nähe  von  Magnesia  anläfslich  einer  Gesandt- 
schaft derselben  zum  Zwecke  der  Bestätigung  des  Asyirechtes  der  per- 
sischen Artemis  {dauktav  —  Ilepatxrjl^  Beä^  Z.  1).  Das  Asylrecht  wird 
in  der  durch  Dekrete  früherer  Könige  bestimmten  .Ausdehnung  bestätigt, 
f  48— 46  ~  S.  67  n.  fve'  in  Minuskeln;  derselbe,  BCU  XI  S.  84  n.  3.  Sari- 
Tscham.  Weihung  an  den  Kaiser  Claudius  aus  dessen  drittem  Konsulate 
von  G.  Lartidius  M.  f.  Palatina  Niger,  einem  ini[TponoQ  roD  üeßaunou 
(procarator  Augusti).  —  S.  68  n.  ^vC'  in  Minuskeln;  derselbe,  BCÜ 
XI,  a.  a.  0.  n.  4.  £bd.  Der  Labrantide  (Name  der  Gens  oder  der  Tri- 
bus)  Teimotheos,  S.  des  Diagoras,  und  sein  Weib  Moschion,  T.  des  Tei- 
motheos,  weihen  dem  Zeus  Hypsistos  einen  Altar.  —  Darunter  (von  an- 
derer Hand)  weihen  die  Labrantideu  Diagoras,  Teimotheos,  Pytheos,  SS. 
des  Ti(so)motheos,  S.  des  Diagoras,  dem  Zeus  Hypsistos  rä^  ^o/i^a^/a^. 
—  S.  68  n.  ^vc'  in  Minuskeln.  Pylades,  S.  des  F.,  errichtet  Ar  seine 
Kinder  Artemeisia  und  Pylades,  sowie  fOr  sich  selbst  und  sein  Weib 
Apphia  ein  Grabmal;  mit  Strafandrohung:  Entrichtung  von  2500  Denaren 
sIq  töv  (7)  t]ou  xupeou  Katffopo^  ^taxov.  Die  Inschrift  (d.  h.  ein  Dupli- 
kat derselben)  wurde  im  Archiv  hinterlegt.  —  S.  66  f.  n.  fv8'  in  Minus- 
keln. Mussa-Bey,  ca.  20  Min.  s.o.  von  Sari-Tscham.  Fragmentierte 
Ehreninschrift  in  äolischem  Dialekt,  demnach  aus  einer  Stadt  der  inne- 
ren Äolis: AlXtavov (2) OMIKONA  ^e«'»'  oe[fi' 

vo-(3)raT]c  xexoafiofxevov  dt  xal  X[d''(4)yo]vTa  xal  nparrovra  rä  äpt" 
ö'-(5)T]a  T^  ndrpr  lp\or£\o(TavTa  T<b  (6)  xupeoj  Kaiffopog  xal  napaipih- 
^[a-(7)$aJ'ra  xai  dYopavo[iijoavT\a  (8)  xal  SexaTTpwTeuffavra  xal  xo[t>- 
{9)paTopsuaavTa  xal  Tavuv  diTu»  {10)  See ^ßdvra  arpoTayov  inl  (11)  Ta>k 
n6po{so)v  <ptXoTtpAag  7ra/-(12)<ra;'  xai  dperäf  Ivvexev.    *Emp,s-{lB)hjB]eV'' 

r[oc]  r[d]c  xa(Ta)axeuä^ — .    Das  nach  dem  Lateinischen  gebildete 

xoupaTopeuaavra  Z.  8/9  ist  neu.  —  S.  69  n.  ^vtj'  in  Minuskeln.  Passa- 
Köi,  ca.  '/4  St.  s.w.  von  Palamut  (Apollonis).  Fragment,  wonach  die  xX}/^ 
povojjLoe  des  Verstorbenen  xajrd  StaBi^xf^v  das  fiv[7jfjLeeov  errichteten. 

Radet  und  Lechat,  BCH  XI  1887  S.  394.  Sari-Tscham.  Dftrftiges 
Fragment  einer  Weihinschrift  auf  Septimi US  Severus.  —  S.395.  Ebd.  Pacu- 
via  Rufa  errichtet  ein  Grabmal  nebst  Einfriedigung  fOr  sich,  ihren  verstor- 
benen Sohn  Marcus  Pacuvius  Rufus  und  ihren  Gatten  Artemas,  mit  Straf- 
androhung: der  Frevler  soll  dem  kaiserlichen  Fiskus  und  der  Bule  von 
Aegae  Strafsummen  entrichten.  Eine  Abschrift  der  Bestimmung  wurde 
in  dem  Archiv  zu  Aegae  und  zu  Pergamon  hinterlegt.  —  Aus  letzterer 


XIV.  Lydia:  Aegae.    Apollonis.   Thyatira.  85 

Notiz  ergicbt  sich,  dafs  Aegae  wie  die  Nacbbarstädte  Apollonis  und  Atta- 
leia,  za  dem  conventas  iuridicus  von  Pergamon  gehörte  (vgl.  Plinius,  nat. 
hist  5,  82,  4).  —  S.  397  f..  QaKa-Dibi,  halbwegs  zwischen  Sari-Tscham 
and  Palamut  (Apollonis).  Fragment  wahrscheinlich  einer  Grabschrift,  mit 
Strafandrohung:  (4)  —  dT(8o)ixä<:  -  (6)  —  }(eeX{ag  —  (6)  —  tlg  dp^tT' 
(7)ov.  —  Eine  Strafbestimmung  nach  attischen  Drachmen  ist  äufserst 
selten;  Beispiele  s.  unter  Marmara  S.  82.  Übrigens  hatte  die  attische 
Drachme  das  gleiche  Gewicht,  wie  der  römische  Denar. 

Apollonis,  Apollonidea  (weniger  richtig  ApoUonia  =  Palamut; 

gleich  weit  von  Pergamon  und  Sardes). 

Fontrier,  MoutreTov  xa\  ßißXioBrjxrj  V  1885/6  S.  64  u.  <pvß'  in  Mi-  m 
nuskeln;  derselbe,  (herausgeg.  von  Foucart),  BGH  XI  1887  S.  86  n.  5. 
Ol  ix  dotdurj^  MfxxeSoveg  stiften  etwas  im  Monat  Peritios  im  37.  Jahre 
des  Königs  £umenes  (IL,  =  161  v.  Chr.).  -  Eine  Lokalität  Doidye  ist 
unbekannt.  Dieser  Ort  hatte  nach  der  Inschrift  unter  den  Nachfolgern 
Alexanders  eine  macedonische  Kolonie  erhalten,  welche  vielleicht  mit  der 
von  Attalos  1.  zu  Ehren  seiner  Gemahlin  Apollonis  gegründeten  gleich- 
namigen Stadt  vereinigt  worden  war.  —  S.  65  n.  ^vy'  in  Minuskeln; 
derselbe,  BGH  XI  S.  86f.  n.  6.  Unvollständige  Ephebenliste,  datiert 
nach  dem  Stephanephoren  und  Gymnasiarcheu  Apollonios,  S.  des  Apollo- 
nides,  und  dem  Ephebarchen  Apollonides,  S.  des  Apollonios.  Erhalten 
sind  die  Namen  von  drei  otersTg  und  vierzehn  itpiTtwt,  —  S.  63  n.  ^[iB' 
in  Minuskeln  =  MDAI  XII  1887  S.  273.  Kontoleon,  BGH  X  1886 
S.  521  n.  22.  Yotivinschrift  der  Klaudia  Indo  für  ihren  Manu  an  Aphro- 
dite.  —  n.  $pv'  in  Minuskeln.  Dürftiges  Fragment.  Z.  2:  -' ddeXtpov 
Jvneou  Jo/jtm[oM--.  —  S.  64  n^va'  in  Minuskeln.  Sjoterichos  und 
Laudike  errichten  ihrem  Kinie  n]aai(p  (4)  y]evofJi£va)  (5)  aaXTapem  (6) 
^bffg  dXt'(*l)'jfov  eine  Grabscbrift. 

Thyatira  (Ak-Hissar  =:  Axarion)  und  Umgegend. 

Giere,   BGH  X  1886  S.  398  n.  1      Basisinschrift:     MevsSr^fioQ  (2) 
SeoTtroXifiou  (3)  Maxtoiby.  —  Nach  Strab.  13,  4,  4  hatte  Thyatira  eine 
macedonische  Kolonie.    Dem  Scbriftcharakter  nach  wahrscheinlich  aus  der 
Zeit  der  ersten  Diadochen.  —  S.  399  n.  2.    Fragmentierte  Ehreninschrift   ss— so 
auf  den  dvrf[ra///ac  (?)  L.  Licinius  Lucullus.    —    Derselbe  war  Quästor 
und  Proqnästor  in  Asien  88 — 80  v.  Gbr.    -     S.  401  n.  5.    Eine  Inschrift     83? 
meldet,  dafs  ein  Denkmal  oder  Gebäude  durch  Fürsorge  des  Schreibers 
Polykleitos,  Freigelassenen  des  L.  Sempronius  Att(so)ratinus,  errichtet 
worden  sei.  —  Letzterer  war  Konsul  34  v.  Ghr.  und  übernahm  dann  viel- 
leicht die  Verwaltung  von  Asien.   -  S.  400  n.  3.    Frapjment  eines  Briefes     is 
des  (Prokonsuls)  P.  Gornelius  Scipio  an  die  Stadt  Thyatira,  in  welchem 


86  Griechische  Epigraphik. 

auf  das^Erkenntiiis  der  Richter  in  Sachen  der  Tempelgttter  hingewiesen 
und  als  recht  und  hillig  bezeichnet  wird,  gegenteiligen  Aasfttbrungen  kein 
Gehör  mehr  zu  schenken.  —  Scipio  war  Konsul  i.  J.  16  v.  Chr.;  durch 
unsere  Inschrift  wird  die  Vermutung  Waddingtons,  ihm  sei  die  Verwal- 
tung Ton  Asien  übertragen  worden,  bestätigt.  Am  Schlufs  der  Inschrift 
figuriert  als  solcher,  der  die  Sache  vor  den  Prokonsul  gebracht  hatte, 
ein  Aulus  Ravius.  Vielleicht  ist  derselbe  identisch  mit  dem  aus  der  per« 
gamenischen  Weihinschrift  CIO  3643  bekannten  Aulus  Ravius  lulianus. 
tM-98  —  8.  402  n.  6.  '0  ßuaretpijvwv  8^fiog  weiht  dem  Kaiser  Nerva,  dem 
Senat  und  der  römischen  Herrschaft  ein  auf  eigene  Kosten  errichtetes 

desffi.  Denkmal  oder  Gebäude.  —  8.  403  n.  7.  Lateinische  und  griechische  In- 
schrift eines  Meilensteines  zu  Ehren  des  Kaisers  Nerva;  eine  Meile  von 
Thyatira  auf  einer  von  Nerva  wiederhergestellten  Strafse.     Die  griechi- 

t  Sil    sehe  Inschrift  allein  =  CIG  848^.  —  S.  404  f.  n.  8.    Die  SUdt  ehrt  den 

"'^^  Menelaos,  der  unter  andern  Ämtern  das  eines  lebenslänglichen  Archie- 
reus  seiner  Vaterstadt  bekleidete,  und  dem  es  zum  Ruhme  angerechnet 
wird,  dafs  er  einen  Kaiser  Marcus  Aurelius  Antoninus  (Caracalla)  beher- 
bergt und  dreimal  freiwillig  als  Gesandter  eine  Reise  zu  den  Kaisern 
nach  Rom  unternommen  hatte.  Sein  Vater  Fl.  Dionysios  war  u.  a.  datdp' 
j(7jg  UepYafiijvwv  gewesen,  wahrscheinlich  =  äp^tepebg  'Aafac  vautv  raiv 

t  sss    iv  IlepydfUf),    Seine  Mutter  PauUa  war  npuTavtg  'E^eaewv.    —    S.  409  f. 

""*  n.  13.  (2)  Tbv  Y^Q  xal  ^aXdiTa[i^c  xal  nav-(S)TÖc  dvBpatnwv  iBvouc 
[Se<m6'(4t)'njv,  den  Kaiser  S]everus  AUexander]  Pius  Augustus  ehrt  nach 
Ratsbeschlufs  ij  X(Xfin[poTd'(1)T:^]  xal  fieparij    ßaarecpi^yliov  (8)  n6]ktc. 

desgl.  —  S.  407 f.  n.  11.  Wortreiche  Ehreninschrift:  (2)  'H  ^eXotreßaaros  ßouJi^ 
(3)  xal  6  kp6(so)Taro€  S^fiog  (4)  r^c  Xtxpaipordrr^i  xal  8ta'(h)<n^iioTd'n^ 
xal  p£YiCTijQ  (6)  xarä.  rag  Upäc  dvrtypa^äg  (7)  xal  xarä  rä  So^avra 
xal  </fi^-(S)^iaBevra  und  rou  Xafi7tpoTd'(9)Tou  t^c  *AataQ  iBvou^s]  Boa- 
\rei-{\0)pT^yaiV  noXeotg  A,  [Mdpxtov*^^  (11)  IlajXXeavöv  rov  inwvu/wy  (12) 
S\pxovxa  u.  8.  w.  —  Der  Name  des  Pollianus  figuriert  auf  Mauzen  von 
Thyatira  unter  Alexander  Severus ;  das  Nomen  gentile  ist  unsicher.  Der 
Titel  fiBYiani  war  der  Stadt  durch  ein  kaiserliches  Reskript  (Z.  6)  und 
durch  Beschlufs  der  Repräsentanten  der  Provinz  Asien  (Z.  7—9)  zuer- 
kannt worden.  Er  wurde  wahrscheinlich  nur  denjenigen  Städten  beige- 
legt, welche  einen  conventus  iuridicus  (vgl.  S.  91  n.  26)  hatten.  —  S.  410  f. 
n.  14.  Eule  und  Demos  ehren  die  I(ulia)  luliana,  T.  des  Strategen  u.  s.  w. 
C.  lulius  Celsianus,  die  u.  a.  lebenslängliche  Priesterin  der  Göttermutter 
war.  —  S.  412  n.  16.  Ehreninschrift  der  Thyatirener  auf  den  [Asiajrchen 
u.  s.  w.  C.  I[uli]us  Iulia[nu8]  Tatianus.  Derselbe  begegnet  auch  in  der 
Ehreninschrift  von  Thyatira  GIG  3496.  ~  Fontrier,  Mouateov  xal 
ßißkoB^xTj  V  1885/6  S.  55  n.  fpLa'  in  Minuskeln;  derselbe  (herausgeg. 
von  Foucart),  BCH  XI  1887  S.  98  f.  n.  21.  Bule  und  Demos  ehren  dea 
IJulianus,  S.  des  lulianus  Selon  Germanus,  eines  Eirenarchen,  Dekapro- 
tos  U.S.W.  —   Giere,  BGH  X  1886  S.  406  n.  9.   Gippusfragment   Bule 


Xiy.   Lydia:  Thyatira.  87 

und  Demos  ehreo  darch  Errichtung  von  Büsten  und  Statuen  den  L.  An- 
tonius— .  —  S.  407  n.  10.  Den  M.  Antonius  M.  f.  Sergia  Galates  ehren 
die  ][d]kx6Tg  ^a^oTUTtoe  durch  Errichtung  einer  Bildsäule.  —  S.  409 
n.  12.  Die  ^tkoaeßaarog  xal  ndvra  dpcarr^  ßouX^  ehrt  den  P.  Aelius 
Aelianus,  welcher  auch  in  einer  Inschrift  von  Taia-Köi  (Lebas- Wadding- 
ton, Inscr.  d'Asie  Mineure  1666)  begegnet.  —  S.  411  f.  n.  15.  Ehren- 
inschrift auf  Aristonüs,  S.  des  Plutiades.  —  Eontoleon,  MD  AI  Xn 
1887  S.  253  f.  n.  18.  (Ap/wvca  1887  n.  1565;  "AiidXBeia  1887  n.  4085). 
Den  G(alos)  Perelios  Aurelios  Alexandros,  C^)  iiovov  xal  npwrov  (5)  rwv 
dsz^  alofvog  d&Xi^'{^)T<bv  d^BdpTcjv  olxou'{7)fxevtx(ov  dyofvcjv  AÖ'{8)you' 
ffveewv  Ilü&iwu  (9)  rhu  äXemrov  Tipe- {10)  ffßeuTijv  ehren  (11)  ol  Xavdpcot. 
—  Letztere  =  ^  dovre^vca  rwv  iptoupywv.  Ein  Ga'los  Perelios  Alexan- 
dres begegnet  in  der  vielleicht  aus  Tbyateira  stammenden  Inschrift  Mou- 
auov  xal  ßeßXeo^xi^  I  S.  127  n.  39.  Vgl.  auch  BGH  XI,  463.  ~  Giere, 
BGH  X  1886  S.  412  ff.  Grabschriften.  -  S.  412  n.  17.  Grabschrift  des 
Demos  auf  Demonikos,  S.  des  Artemidoros.  — -  S.  413  n.  18.  Inschrift 
der  Grabstätte  des  Alexandres,  8.  des  Theo — ,  und  seiner  Familie;  mit 
Strafandrohung.  —  S.  414  n.  19.  Grabschrift  des  Hermes  auf  seinen 
Herrn  (^/oe^ovrO  Philetos.  —  n.  20.  P.  Aelius  Achilleus  errichtet  für 
sich  and  seine  Kinder  eine  mit  einem  Altar  versehene  Grabstätte.  — 
n.  21.  Artemidoros,  S.  des  Apollonios,  errichtet  fOr  sich  und  seine  Fa- 
milie eine  Grabstätte.  —  S.  415  n.  22.  Quinta  errichtet  ihrem  Gatten 
Onesimos  einen  Altar.  —  S.  401  n.  4.  Unter  der  Darstellung  eines  Blitz- 
strahls: Jeög  I  Kopaovioo  \  Suvofieg.  —  Wahrscheinlich  bezeichnete  das 
Denkmal  eine  durch  den  Blitz  getroffene  Stelle.  -  Badet,  BCH  X  1887 
8.  458  n.  21.  Fragment,  wahrscheinlich  eines  Schiedsspruches  inbezug 
auf  die  Verteilung  von  heiligen  Ländereien.  Vgl.  tou  lepoo  Z.  2;  dnh 
dimdAwv^  wv  ive^uTeua[e  Z.  6.  —  S.  457  n.  19.  Der  Demos  ehrt  den 
Lucius  Co[rnelius  . .  .]  Leotulus.  Die  Orthographie  Jeuxcov  weist  auf  die 
erste  Kaiserzeit.  —  S.  457  n.  20.  Der  Demos  ehrt  den  Artejmidoros 
MijBu  ...  als  Prytanen,  Strategen,  [Gra]mmateus,  Dekapro[to]s  und  rpe- 
TeuT^Q,  der  die  jährlichen  Einkünfte  seiner  Gärten  den  Buleuten  ver- 
machte. —  S.  459  f.  n.  22.  Fragment  der  Ehreninschrift  auf  einen  na- 
mentlich um  die  Panegyris  des  Tjrimnaios  (Tupcfivrjou  Z.  4)  verdienten 
Borger.  —  S.  464  n.  29.  Bule  und  Demos  ehren  durch  Errichtung  von 
Bildsäulen  den  Metrodoros,  8.  des  M.,  dY(üvo9£r[i^]ffavTa  roü  Ttpb  noXetaQ 
^AnoXXoßvog  Tupip,vou  XavTtptog  xal  iv86^<u\<:  (Z.  5  ff.)  u.  s.  w.  ~  S.  465 
n.  31.  Fragment  einer  ähnlichen  Ehreninschrift.  Z.  5:  unkp  tou  ßaac 
Xiwg ...  —  n.  30.  Ehreninschrift  auf  die  Kaiser  Gratia[n]  und  Val[en- 
tinian  II;  nach  375  n.  Chr.  —  8.  460  n.  23.  Stratoneikos,  S.  des  Euno- 
mos,  errichtet  zu  Lebzeiten  ein  Grabmal  fOr  sich  und  seine  Familie,  mit 
Strafandrohung.  —  S.  462  n.  25.  Eine  Frau  errichtet  zu  Lebzeiten  ein 
Grabmal  für  sich,  den  Apollonios,  S.  des  Papias,  dessen  Sohn  Potamon 
und  die  Tyche.  -    S.  463  n.  26.  Poplios  Stateilios  errichtet  seiner  Gattin 


88  Griechische  Epigraphik. 

Paull[a  6]a[m]eidia  (?)  ein  Grabmal.  -  S.  466  n.  33.  ...  Markia,  lap- 
Siavi}  xal  BuaTttprjvij^  hat  ein  Grabmal  gekauft  und  errichtet.  —  S.  461 
u.  24.  Grabschrift  in  vier  iambischen  Seoaren  auf  einen  Arteroon  mit 
stoischen  Anklängen:  B]dnpev  8'  d8eX^bg  'Ap^ikaog  <ra)/ji'  i/i6v,  [</f]'J^ä  Si 
fieu  Ttpbc  äoTpa  xa}  Beoug  i<Tt[e  (Z.  7  ff.).  Das  Ethnikon  des  Vaters  des 
Verstorbenen,  JuxiSew^  (Z.  3),  weist  auf  eine,  nur  aus  Plinius,  hist.  nat. 
5,  33,  3  bekannte  Stadt  Lykide,  die  Radet  auf  dem  Grenzgebiet  von 
Mysien  und  Lydien  suchen  möchte.  —  S.  463  n.  27.  Votivinschrift  der 
Soteria  unkp  X[uTp]ou  (?)  ihrer  Tochter  an  Helios.  —  n.  28.  Desgl.  des 
Perelios  npours^raTog  an  den  Asklepios  Soter  und  die  Hygeia.  —  S.  455 f 
n.  18;  teilweise  schon  von  HomoIIe,  BCH  J,  101  in  Minuskeln  publiziert. 
Wegebauinschrift  der  Thyatirener  unter  dem  Prokonsulate  des  Aufidius 
Marcellus.  Darüber  lateinische  Widmung  an  Caracalla,  durch  dessen 
drittes  Konsulat  =  208  n.  Chr.  das  Datum  der  Inschrift  bestimmt  wird. 
—  S.  466  n.  32.  Fragment:  .  .  .  epi  9uaTe[ip  .  .  .  |  Ma]xe86vec  -  -  -  Vgl. 
die  Inschrift  Giere,  BGH  X,  398  n.  1.  Der  Schriftcharakter  weist  die 
Inschrift  in  die  Zeit  der  Diadochen. 

Inschriften  von  Thyatira  sind  (nach  Foucart)  nicht  nur  zu  Ak-Hissar, 
sondern  auch  zu  Meder  und  Selen  di  und  in  einem  ziemlich  weit  gedehnten 
Bezirk  um  Ak-Hissar  gefunden  worden.  —  Vgl.  auch:  iZwischen  Thya- 
tira und  Stratonicea-Hadrianopolisff  S.  92  f. 

wafivf  Fontrier,   Mooaetov   xcä  ßißXio^xrj  V   1885/6  S.  54  n.  fXB'  in 

Minuskeln;  derselbe  (horausgeg.  von  Foucart),  BGH  XI  1887  S.  99 
n.  22.  Okius-ini,  '/«St.  n.ö.  von  Ak-Hissar.  Sarkophaginschrift  des 
A]lexandros,  S.  des  Menophilos,  aus  Thyatira;  mit  Strafandrohung:  Der 
Grabschänder  soll  der  Stadt  Thyatira  2500  Denare  entrichten.  Eine  Ab- 
schrift wurde  hinterlegt  Big  rö  dp^e[e]ov^  unter  dem  Prokonsulate  des 
Aemilius  luncus,  am  18.  Tage  des  Xand(so)ikos.  —  Aus  dem  Militär- 
diplom CIL  III  p.  874  (vgl.  X  n.  7864)  ist  ein  Cousul  suffectus  L.  Aemi- 
lius luncus  aus  dem  Jahre  127  n.  Chr.  bekannt.  Wahrscheinlich  erhielt 
derselbe  die  Provinz  Asien.  Vgl.  über  die  von  demselben  vor  dem  Kon- 
sulate bekleideten  Würden  CIA  III  622,  GIG  1346.  ~  S.  56  n.  ^pf  in 
Minuskeln;  wiederholt  BGH  XI  S.  100  n.  23.  Meder,  1  St.  n.w.  von  Ak- 
Hissar.  Die  Färber  (ßa<petg)  ehren  den  M]arcus,  S.  des  Mcnandros,  der 
in  seinem  und  seiner  Kinder  Namen  der  Zunft  zahlreiche  Dienste  er- 
wiesen und  fast  alle  Ehrenämter  der  Stadt  bekleidet  (a-zparriyog'^  dyopavo^ 
poQ  u  s.  w.),  u.  a.  auch  die  Anfertigung  von  25  Eroten  in  einer  100 säu- 
ligen Halle  oder  Tempel  (lpYBm<nd-{\Z)r7j]y  'Epwrcjv  twv  iv  rtji  ixa- 
(lA)To]vza(nuX(f}  xe'),  des  Rathauses  {oIxoß[a'{l5)(T]eXtxou  rou  rr^g  ysporj- 
aiag)  sowie  eines  Kanals  zum  Lykos  (Gurduk-Tschai)  {naparst^eapaTog 
tfSpa-(l*l)j']<oYeou  iv  zip  jlux<p  noraptp)  geleitet  hatte.  —  S.  57  n.  ^p8'  in 
Minuskeln;  BCH  XI  S.  101  ff.  n.  24.  Ebd.  (2)  77  xpautTTTj  xae  (pdoaißanrog 
T^C   Xap'(Z)7ipü'üd'njg    xal    oeaffrjpoTaTr^Q    xal   lepäg   (4)   rorj  npoTzdropog 


XIV   Lydia:  Thyatira  and  Umgegend.  89 

^€oü  ^HXeoü  IIüBtou  (5)  Tuptfivaeou  *An6XXa}Vog  BuartipTjvwv  (6)  noXewQ 
ßoüXii  ehrt  den  Tib.  G).  Menogenes  Gaecilianas,  voo  der  Väter  Zeiten 
her  lebenslänglichen  Priester  des  Dionysos,  Erzpriester  des  Kultes  der 
Kaiser  in  Asien  and  in  seiner  Vaterstadt  und  Agonotheten,  Adoptivsohn 
des  Gl.  Socrates  Sacerdotianus,  eines  Agonotheten,  Stephanephoren,  zwei- 
noaligen  Prytanen,  Erzpriesters  und  Priesters  des  Dionysos,  und  der 
lulcia)  Menogenis,  welche  der  Stadt  touq  ^uarobg  errichtet  hatte,  einer 
Agonothetis,  Stephanephoros  und  Prytanin,  BuyaTpog  r^c  rrSXetoc  (Ehren- 
titel), leiblichen  Sohn  des  Menogenes,  eines  Agonotheten,  Stephanephoren 
und  Prjtanen,  Enkel  des  Gl.  Socrates  und  der  Antonia  Gaecilia,  die  beide 
die  Würde  von  dp^tepetg  -rrjg  ^Aatag^  Agonotheten,  Stephanephoren  und 
Prytanen  bekleidet  hatten,  wegen  mannigfacher  Verdienste  um  die  Stadt. 
—  Der  Nationalgott  von  Thyatira,  Thyrimnas,  war  nach  dem  Heransg. 
wohl  ein  lydischer  Sonnengott,  der  mit  dem  griechischen  ApoUon  Pythios 
identifiziert  wurde  (vgl.  GIG  3493.  8497.  3500.  Giere,  BGH  X,  421).  — 
Giere,  BGH  X  1886  S.  420f.  n.  29.  Ebd.  Fragment  der  Ehreninschrift 
auf  einen  Unbekannten,  der  sich  durch  Verschönerung  der  Stadt  verdient 
gemacht  hatte.  Aufserdem  hatte  er  der  Bule  eine  Summe  vermacht, 
deren  Einkünfte  jährlich  unter  diejenigen  Buleuten,  welche  dem  Geburts- 
tagsfeste eines  gewissen  Aelianus  beiwohnen  würden,  verteilt  werden  soll- 
ten. —  S.  422  n.  31.  Frenklickre,  20  Min.  von  Meder.  Die  axurorofioe 
ehren  den  T.  Flavius  Metrophanis  f.  Quirina  Alexander  - ,  u.  a.  xoupa^ 
TopBuaavra  \  rou  raiv  Twjiaiwv  xovßsvTou  (Z.  6/7)  =  curatorem  Romano- 
rum conventus,  der  dreimal  als  Gesandter  zum  Kaiser  nach  Rom  gereist 
war  und  dort  Gewährung  seiner  Bitte  erlangt  hatte.  -  S.  421  n.  30« 
Ebd.  Eubulides  errichtet  seinem  Vater  und  Bruder  einen  Altar;  mit 
Strafandrohung.  —  Fontrier,  Mooaelov  xa\  ßtßXto^xTj  V  1885/6  S.  39  3.jhrh.? 
n.  ^oj'  in  Majuskeln;  wiederholt  (herausgeg  von  Foucart)  BGH  XI  1887 
S.  104  n.  25.  Selendi,  3  St.  südl  von  Ak-Hissar,  1  St.  östl.  von  Sassoba, 
1  St.  nördl.  von  Mermereh.  Ehreninschrift:  Ba]mXea  0cXennov  (2)  ij 
ßoo]X^  xk  6  d^fiog.  —  Nicht  vor  dem  2.  Jahrb.  v.  Ghr.  Es  würde  sich 
demnach  handeln  um  Philipp  V.  von  Macedonien.  —  S.  45  n.  ^xc'  in 
Minuskeln;  wiederholt  BGH  XI  S.  105 f.  n.  26.  Va  St.  nördl.  von  Selendi; 
türkischer  Friedhof.  Bule  und  Demos  ehren  den  G.  Sallustius  (3)  Ap?]- 
pianus,  dptari^avov  (i)  narp\i8oQ^  dp^^cxov^  Sexanp<0'(b)Teu&]avTa^  d/<0' 
voßeT7iffaV'(Q)Ta  tcjv]  ixeydXwv  Heßaarafv  (7)  Tupc]fivr^ü}V  dywywv  u.  s.  w., 
der  sich  um  die  scenischen  und  gymnischen  Spiele  zu  Ehren  des  Thy- 
rimnas (s.  0.  zu  n.  24)  verdient  gemacht  hatte.  —  Giere,  BGH  X  1886 
S.  419  n.  27.  Fontrier,  a.  a.  0.  S.  41  n.  ^xa  in  Minuskeln.  Selendi; 
Brnnnenstein.  Artemidoros,  S.  des  Dionysios,  und  Antigenes,  S.  des  Apol- 
lonios,  haben  dizh  ribv  (6)  neptaawv  rr^g  ie'(ß)povofjLtag  rag  8uo  (7)  xprjvag 
herrichten  lassen.  —  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  419f.  n.  28;  besser  Fontrier 
a.  a.  0.  n.  fx'  in  Minuskeln.  Ebd.  Artemidoros,  S.  des  Philippos,  er- 
richtet für  sich,  seine  Nachkommen  und  seine  Gattin  Tation  eine  Grab- 


90  Griechische  Epigraphik. 

statte;  mit  Strafandrohung.  Z.  7:  Ba^S^vae.  —  Zur  letzten  Zeile  giebt 
t^ontrier,  a.  a.  0.  and  BGH  XI  1887  S.  104  Anm.  die  genauere  Lesart: 
dijvdpta  xseXta.  -  Oardner,  Journal  of  hellenic  studies  ¥1  1885  S.  347 
n.  81;  aus  den  wieder  aufgefundenen  >MS.  Inscriptions  collected  in  Greece 
by  C.  R.  Cockerell,  1810 — 14c.  Alkimos,  S.  des  A.,  errichtet  zu  Lebzeiten 
sieh  und  seiner  Gattin  Apphion  ein  Grabmal.  —  Fontrier,  a.a.O. 
S.  40  n.  ^c&'  in  Minuskeln.  Selendi.  Fragment  eines  Namenkatalogs 
(ohne  Vatersnamen).  Erhalten  sind  17  Zeilen  mit  39  Namen,  darunter 
mehrere  doppelt.  Römisch  sind:  Flavianus  Z.  1,  Galliens  16,  lulianus 
2.  8.  16,  Julius  2,  Lucius  17,  Marcus  3;  bisher  nicht  belegt:  Talaris  Z.  7, 
Eannabas  13.  —  S.  42  n.  ^xß'  in  Majuskeln.  Ebd.  Fragment  ungewissen 
Inhalts.  —  S.  44  n.  ^xb'  in  Minuskeln.    Ebd.    DOrftiges  Fragment  einer 

Weihinschrift  des  Athenaios,  S.  des  Athen .    —    S.  46  f.  n.  ^xC  in 

Minuskeln.  Gleichen  Fundorts  mit  n.  ^x<:\  Ober-  und  unterhalb  der 
Darstellung  einer  Doppelaxt  befindet  sich  die  Weihinschrift,  nach  welcher 
unter  dem  Prytanen  und  [Archierjeus  der  Rome  And[ronei]ko8,  S.  des 
Metrodoros,  im  Monat  Panemos  Alexa[nd]ros,  8.  des  Apollonios,  lepa" 
reucaQ  der  Göttin  Rome,  dem  Cäsar  Augustus  und  dem  Volke  einen 
Altar  widmete.  Zum  Dank  dafOr  soll  derselbe  alljährlich  mit  einem  gol- 
denen Kranze  bekränzt  werden.  —  S.  64  n.  fhj'  in  Minuskeln.  Eenesch, 
2  St.  s.o.  von  Ak-Hissar.   Fragment:  Fttr  die  Aufzeichnng  trugen  Sorge 

[MJithreas .     -     Radet,  BCH  XI  1887  S.  453  n.  14.    Kenescb. 

Weihinschrift  des  Glykon,  S.  des  Eurymedon,  an  den  Apollon  Tyrimnos 
(die  Lokalgottheit  von  Thyatira)  und  seine  Vaterstadt.  —  S.  454  n.  16. 
Ebd.  Den  unterirdischen  Göttern  und  der  Claudia,  Gemahlin  des  Tibe> 
rius,  sowie  seiner  Tochter  Paula  und  seiner  Gattin  Pölla  errichtet  L. 
Licinnius  L.  f.  Aemilia  Secundus  einen  Altar  und  drei  auvipiXta  =  sub- 
sellia.  —  S.  452  f.  n.  13.  Ebd.  Die  Brüder  Diogenes  und  Herakleides, 
SS.  des  D.,  errichten  ein  Familiengrabmal.  Z.  8/9:  fjojdevhQ  S^ovrog 
irdpou. . .  8.  453  f.  n.  15.  Ebd.  Eine  Stele  errichten  die  Söhne  und  die 
Phratores.  Z.  3ff.:  rauTjjv  Sc  ^v  xa^ikqt  ^  dStxi^m^ty  fii^re  oi  Beo\  tXeto^ 
auTOft  ysvot[v]To,  fii^re  rixvwv  \noaj\fftg^  fii^re  y^  xapno[^6pog,  —  S.  452 
n.  12.  Ebd.  Fragment  eines  bilinguen  Meilensteines:  ...ro]rc  [de]a[7ro- 
Tai]g  ^fiwv.  Der  lateinische  Text  nennt  einen  Gonstantius  und  [Conjstans. 
—  Fontrier,  a.  a.  0.  n.  ^fi'  in  Minuskeln.  Axarion.  Dürftiges  Frag- 
ment.   Z.  2:  xod  d^ifog  roo  na--.  —  S.  55  n.  ffiß'  in  Minuskeln.    Ebd. 

Fragment. nios,  8.  des  Menogenes,  errichtet  ein  Grabmal  [für  sich], 

den  Attinas,  S.  des  Diodoros,  -  -  n\tv^gpi8eT^  seinen  Schwiegervater  Dio- 
doros  —  —  und  seine  Schwiegermutter  —  — .  —  S.  59  n.  f>/4c'  in  Mi- 
nuskeln. Yaya-Köi,  ca.  3  St.  n.w.  von  Thyatira,  2  St.  nördl.  von  Apol« 
lonis.  Grabschrift  (?):  NetlxoiujSijg  (2)  N^etxofiißoug  (3)  euvouQ  J<o-(4) 
Y\iyti  rtp  rixvip,  —  S.  60  n.  ipfiZ'  in  Minuskeln.  Ebd.  Bule  und  Demos 
ehren  die  Glykinna,  T.  des  Apollonios,  Mutter  des  Heros  Aelianusi  wegen 
der  Verdienste  ihres  Gatten  Publius  Aelius  Aelianus  um  die  Vaterstadt 


XIV.  Lydia:  Tbyatira  und  Umgegend.    Attaleia.  9] 

—  0.  ^fiT^'  io  Minoskeln.  Ebd.  Meilenstein  mit  den  Namen  der  Kaiser 
Probas,  Diokletian,  Maximian  und  Fl.  Val.  Constans.  Darunter:  ff  kifi- 
(itpord'oj)  x(ai)  Seaaiijfwrd'n^)  |  Bu{art(pijVü}v)  7t6(Xeg)  |  /i(üta)  c«  — 
Clerc,  BCd  X  1886  S.  415  n.  23.  Ebd.  Fragmentierte  Ehreninschrift  auf 
einen  Pnester(?)  —ou  üatTijpoQ  ^A(T[xXipu]oü*'-'  n.  24.  Fontrier,  Moo^ 
asw¥  xal  ßtßXtoBijiCQ  V  1885/6  S.  59  n.  fiu'  in  Minuskeln.  Ebd.  Bule  und 
Demos  ehren  den  Lenaios,  S.  des  Menandros,  aus  Tbyatira,  (5)  ivS6(<uc 
naXcuaavTa  (nach  Fontrier,  a.  a.  0.  und  BGH  XI,  98  Anm.  von  Giere 
ausgelassen)  (6)  xa}  dv^tdaX&Gaavra  (7)  rd  fuydXa  'Acx^nsta  (8)  bith 
httardnjy  J(c/f>av-(9)r6v  Euvö/wu.  ~  Die  luydXa  ^AaxXfjTcsia  werden 
gleichfalls  in  der  Inschrift  von  Tbyatira  Mouaecov  xal  ßißXto&^xi^  I  n.  X&' 
erw&bnt.  —  S.  416  n.  25.  Ebd.  Bule  und  Demos  ehren  den  Aur.  Auzanon, 
*£pßAod  —  navfiYoptap^ijaavTa  vawv  rwv  iv  r^  XtxfiTtpordrjij  ilepyaijafvatv 
[fa^Tp]on6XeL  —  S.  417  n.  26.  Brunnen  von  Yakhu4ji  Tschiflik,  halbwegs  t  m 
zwischen  Ak-Hissar  und  Taya-Köi.  Fragmentierte  Ehreninschrift  auf  einen 
Unbekannten.  Zwischen  Z.  8  und  4  ist  der  Name  eines  Kaisers,  S.  des 
Kaisers  Antoninus  (Garacalla),  dessen  Aufenthalt  in  der  Stadt  erwähnt 
wird,  weggemeifselt.  Der  getilgte  Name  kann  nur  der  des  Elagabal  (218 
— 222  n.  Ghr.)  oder  des  Alexander  Severus  (222 — 235)  sein,  die  sich 
beide  Söhne  des  Garacalla  nannten.  Es  wird  die  Rolle  erwähnt,  die  der 
Geehrte  beim  Aufenthalte  des  Garacalla  spielte,  welcher  der  Stadt  einen 
conventus  iuridicus  verlieh  (onors  ida}'{1)p]^iTaTo  r^e  naTpidc  fj/uav  (8) 
r]i^  dyopäv  t<uv  dtxm).  —  Die  Anwesenheit  des  Kaisers  fand  statt  im 
Anfang  von  215  n.  Ghr.,  als  Garacalla  auf  seiner  grofsen  Reise  in  den 
Orient  auch  die  kleinasiatischen  Provinzen  besuchte  (Herodian  4,  7-10) 
und  n.  a.  Nikomedia  und  Antiochia  in  Syrien  berOhrte,  und  zwar  nach 
unserer  Inschrift  unter  dem  Prokonsulate  des  Marius  Maximus.  Hier- 
nach bestimmt  sich  in  erwünschter  Weise  die  Zeit,  in  welcher  der  letz- 
tere während  zweier  Jahre  als  Prokousul  Asien  verwaltete.  Da  in  der 
Inschrift  das  Prokonsulat  des  Marius  nicht  als  zweites  bezeichnet  wird, 
so  wird  es  als  erstes  gelten  dürfen;  er  war  demnach  Prokonsul  214 — 216 
n.  Chr.,  durch  welche  chronologische  Fixierung  eine  Vermutung  Wad- 
dingtons schlagende  Bestätigung  erhält 

Attaleia  (Gurduk-Kaleh). 

Radet,  BGH  XI  1887  S.  178.  Yenidje-Köi,  2V»— 3  St.  n.n.ö.  von 
Ak-Hissar.  'ff  ßouX^  xaX  6  Sijpoc  'ArTaXtdraßv  ehren  den  Artemidoros, 
S.  des  A.  Es  errichtet  ihm  ein  pin^pecov  sein  Vater  Artemidoros,  8.  des 
Diogenes,  gleichzeitig  auch  für  sich  selbst,  sein  Weib  Apphia  und  seinen 
Sohn  Diogenes  zu  deren  Lebzeiten,  wie  auch  f&r  die  Nachkommen.  — 
Der  Herausg.  identifiziert  das  1  St.  westl.  von  Yenidje-Köi  gelegene  Gur- 
duk-Kaleh mit  dem  alten  Attaleia.  —  Radet  und  Lechat,  a.a.O. 
S.  399  ff.    Halbwegs  zwischen  Gueuktsche-Ahmed  (unweit  Gurduk-Kaleh) 


92  Griechische  Epigrapbik. 

und  Seldjikli.  Basis.  I.  Rechte  Seite:  Euarestos,  S.  des  Eapiton,  Enkel 
des  [Pb]o[k]as,  bestimmt  laut  Testament,  welches  auf  Veranlassung  seiner 
Gattin  Ammion  Tullia  niedergeschrieben  wurde,  dafs  seine  Erjien  alljähr- 
lich an  einem  Tage  (11)  rjjf  yXuxuTdzj^  (12)  jjlou  narpiSt  'Arrahc^  eine 
[iX]aeo^siTea  zu  teil  werden  lassen  sollen.  Datum:  M{ijvbg)  [S]av8(so)txofj 
8'  drttövTog^  unter  dem  Strategen  Arteraon,  S.  des  Apollonios.  —  IL  Linke 
Seite:  Von  der  ersten  bis  zur  fünften  Stunde  soll  das  öl  aus  den  Ein- 
künften des  TTsp/ßokoQ^  der  von  Eubulos,  S.  des  Antiphanes,  an  Bassos, 
S.  des  Euarestos,  Enkel  des  Phokas,  verkauft  wurde,  verteilt  werden  mit 
der  Bestimmung  des  d^toXoywTarog  (10)  datdp^Tjq  xa\  XoYto-{\\)TijQ  (= 
curator)  rb  ß'  üolbßioQ^  dafs  ein  Zuwiderhandelnder  2500  Denare  an  den 
kaiserlichen  Fiskus  entrichten  soll.  —  111:  Vorderseite:  Bule  und  Demos 
'i^rra- (2)  A]£aräiy  ehren  den  Bassos,  S.  des  Euarestos,  Enkel  des  Phokas, 
gemeinschaftlich  mit  seinem  Vater  wegen  seiner  Frömmigkeit  gegen  den 
einheimischen  Zeus,  sowie  wegen  der  Liberalität  seines  Vaters.  Datum 
nach  den  Strategen  Artemidoros,  S.  des  Apollonios,  Menophilos,  S.  des 
Menophantes,  und  Menodoros.  Auf  den  Namen  des  letzten  Archonten 
folgt  statt  des  zu  erwartenden  Vaternaraens:  £y^[jy-(17);i/a;'.  —  Die- 
selben, a.  a.  0.  S.  492 f.  Gueuktsche- Ahmed,  doch  aus  Gurduk-Kaleh. 
Marmorblock;  auf  zwei  Seiten  Inschriftfragmente.  In  denen  der  einen 
Seite  handelt  es  sich  wahrscheinlich  um  eine  Bestimmung  iubetreff  einer 
Schenkung  an  einen  Tempel  zu  Tbyatira;  doch  läfst  sich  ein  zusammen- 
hängender Sinn  nicht  gewinnen. 

Acrasus. 

Rad  et,  BGH  XI  1887  S.  176.  Yenidje-Köi  (s.  unter  Attaleia,  S.  91). 
Aur.  Eutyches  aus  Akrasos  und  Aur.  Arteroidora  errichten  ihrem  Sohne 
Tychikos,  (4)  r^  xaraboiUfp  re-(5)xv^  kvl  xat  fio{){^Q)vip^  und  sich  selbst 
einen  Grabaltar.  —  Akrasos  ist  im  oberen  Kalkosthale,  auf  der  Grenze 
von  Lydien  und  Mysien,  in  der  Umgegend  von  Attaleia  anzusetzen. 

Zwischen  Tbyatira  und  StratoDicea-Hadrianopolis. 

Radet,  BGH  XI  1887  S.  476  n.  49.  Meder.  Dürftige  Reste  einer 
Ehreninschrift.  Z.  6 — 8:  .  .  .  Tupijiva  .  .  .  IlauXov  Uaü[koo  .  . .]  Boartt- 
pTjvibv  ...  —  n.  50.  Seldjikli.  Kission  und  Marcia  errichten  ihrem 
Sohnchen  Marcianus  eine  Grabschrift,  fivtag  ^dpev.  —  n.  51.  Ebd.  Frag- 
mentierte Votivinschrift  an  Asklepios.  —  n.  62.  Gu^lembeh.  Grabschrift 
der  Asklepiake  auf  ihren  Vater  Asklepides.  —  S.  477  n.  53.  Desgl.  des 
Priesters  Asklas  auf  seine  Gattin  Tatiane.  —  n.  54;  nur  in  Majuskeln. 
Khoumetli.  Sehr  unleserliche  metrische  Grabschrift.  Z.  4 f.:  Eifd  8e  reg 
Max[tS]ajv  ndvToiv  f(Xog^  ob^B^]}  i;^]^/ooc-  —  n.  55;  nur  in  Majuskeln. 
Elezler.  Rätselhafte  einzeilige  Inschrift.  —  S.  478  n.  56.  Bakir.  Grab- 
Schrift  des  Demos  auf  den  Heros  Attalos,  S.  des  Theodotos.  —  Gard- 


XIV.  Lydia:  Attaleia.  Aerasos.  Zwischen  Tbyatira  aod  Stratonicea.      93 

ner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1886  S.  347  n.  87;  aus  den  wieder 
aufgefundenen  >MS.  Inscriptions  coUected  in  Greece  by  C.  R.  Cockerell, 
1810—  14«.  Ebd.  Phi[l]etairo8  und  Elpis  errichten  ihrem  Kinde  £ipide- 
phoros  eine  Grabscbrift.  —  Radet,  a.  a.  0.  n.  67.  Kirk-Agatsch.  Bule  und 
Demos  ehren  den  F.]  Aelius  Paullus  [Dam]ianus  wegen  trefflicher  Amts- 
führung als  Agonothet  und  Erbauung  eines  npon\uXonov  zou  T[eiijiv6\u^ 
Tou  Tuptfivoü.  '  Der  letztere  Nationalgott  wie  namentlich  auch  die  Z.  10 
genannte  Mutter  des  Geehrten,  Ulpia  Marcella,  welche,  in  Übereinstim- 
mung mit  GIG  3507.  3508,  die  Ämter  einer  Priesterin  der  Artemis,  Ago- 
nothetis  und  Gberpriesterin  von  Asien  bekleidete  (ihr  Gemahl,  P.  Aelius 
Paullus,  war  u.  a.  nach  Z.  8/9  Oberpriester)  und  einer  vornehmen  thya- 
tirenischen  Familie  entstammte,  weisen  die  Inschrift  nach  Tbyatira.  — 
S.  479  n.  68.  Ebd.;  aus  Seledik  (Stratonicea- Hadrianopolis).  Anfang 
einer  Inschrift:  'AaxAäs  ß'  vioc.  ^Eiü  aTpa[T\7j[Y0ü  ...  —  S.  480  n.  60. 
Ebd.  Ehreninschrift  auf  den  Kaiser  Hadnan,  errichtet  von  der  Ober- 
priesterin  lulia  MevükXeiva.  Vergl.  Moutreeov  xal  ßtßXtoBijxrj  I,  112.  — 
S.  479 f.  n.  69.  Bilingue  Widmung  an  Septimius  Severus;  wegen  der 
Titel  Plus  und  Arabiens  nicht  vor  Ende  196  n.  Chr.  -  S  480  n  61.  t  sst 
Widmung  an  die  Söhne  Konstantins  des  Grofsen:  Konstantin  II.,  Kon-  ^ 
staotius  und  Konstaus.  Da  der  erstere  bereits  340  ermordet  wurde,  so 
fällt  die  Inschrift  zwischen  387  und  340  n.  Chr.  Das  Pränomen  Kon- 
stantins IL,  Valerius,  ist  neu;. das  tkbliche  ist  Claudius.  —  8.  481  n.  62. 
Fragment.  Errichtung  eines  ßw[iüQ,  mit  Strafandrohung  (Z.  2 ff.):  EU  Ss 
TCQ  erepoi  ße^aet  äXk[ov]  xaraBiff^at,  8<üffec  Iq  rb  h(f})wz(a)To[v\  za- 
fisTou  dzTtxäQ  ß^\  Attische  Drachmen  begegnen  auch  anderwärts  in 
Strafbestimmungen;  vgl.  unter  Marmara  S.  82.  -  n.  63.  Moschianus  und 
Askla  errichten  ihrem  Vater,  Moschion  ihrem  Gatten  u.  s.  w.  eine  Grab- 
schrift. Schlufs:  X]a^ey  napodlTa,  —  S.  481f.  n.  64.  Grabscbrift  des 
Symphoros  auf  seine  (}atlin  Trophyme.  —  S.  482  n.  65.  Desgl.  des  Te- 
le[s]phoros  auf  seine  Gattin  Marc[e]lla.  —  n.  66.  Desgl.  des  Onesimos, 
Antiochos  und  £piktet[a  auf  ihre  Bpi^avxtQ.  —  n.  67.  Desgl.  des  Stra- 
toneikos  auf  seinen  gleichnamigen  Sohn.  —  u.  68.  Desgl.  der  aufißewrae 
auf  Artemon,  S.  des  Aristodemos.  -  S.  483  n.  69.  Tchifl^-Keul.  Grab- 
schrift des  Akrikolos  auf  die  ^tXavSpoQ  Eutychia  und  seinen  Vater  Nei- 
kephoros.  —  n.  70.  Balat.  Grabschrift  eines  Thiasos  auf  seinen  Archi- 
mystes  Alexandres.  Erste  sichere  Erwähnung  eines  solchen  Amtes;  da- 
her die  Herstellung  dpfu^oalTi^i]  CIG  2062  berechtigt.  —  S.  483  f.  n.  71. 
Karidlj-Agatsch.  Jemand  errichtet  seinen  Eltern  Kleandros  und  Paula  • 
eine  Grabschrift.  —  S.  484  u.  72.  Ebd.  Desgl.  Metrodora  ihrem  Gatten 
Moschianus.  —  S.  484  n.  73.  Boghaz,  halbwegs  zwischen  Seledik  und 
Somah,  am  Bakir- Tschai  (Kaikos).  Pompeius  Apollinarius  8exoup{wv 
ßerpavos  (=  oöerepavoQ)  und  seine  Gattin  Claudia  Sabina  nebst  der 
Schwester  Claudia  Pompeia  errichten  dem  Pompeius  Paulus  eine  Grab- 
schrift, incfuh^divTo^*  Aoüxiou  Jopenou  'Acxaveou. 


94  Griechische  Epigraphik. 

Stratonicea-Hadrianopolis  (Djeneviz-Kaleh). 

tit7  Rad  et,  BCH  XI  1887  S.  109  ff.     Dorf  Yamiirli.     Eingemauerter 

Brunnentrog  mit  stellenweise  darch  den  Cementbewarf  anleserlich  gewor- 
denen drei  Briefen  des  Kaisers  Hadrian  an  die  Archonten,  die  Bule  und 
den  Demos  von  Hadrianopolis-Stratonikeia  aus  der  11.  tribunizischen  Po- 
testas  und  dem  dritten  Konsulate  des  Kaisers  =  127  n.  Chr.  Alle  drei 
Briefe  datiert:  'Aitd  T<ufii^Q]  I:  Kai.  Mart.,  II.  III:  y'  I8wv  0eßpouapeaßif 
=  11.  Febr.  —  Der  Überbringer  der  beiden  ersten  kaiserlichen  Schrei« 
ben  ist  der  Gesandte  Gl.  Candidas  (I,  17)  oder  Ga]ndidus  Inlianus  (II,  13), 
der  mit  seinem  vollen  Namen,  Claudius  Gandidus  lulianus,  III,  7.  8  ge- 
nannt wird;  der  Überbringer  des  dritten  Schreibens  Apollonios,  S.  des 
Philippos  (III,  10).  Beide  Gesandte  händigten  die  drei  Schreiben  an 
einem  und  demselben  Tage  {rg  Ttpö  a  Idtov  Matatv  =  14.  Mai  127)  dem 
Archonten  Lollius  Rusticus  in  der  Volksversammlung  ein.  —  Das  wich- 
tigste der  drei  kaiserlichen  Schreiben  ist  n.  I;  es  ist  daher,  wenngleich 
zeitlich  später,  an  die  Spitze  gestellt.  Der  Kaiser  bewilligt  auf  Bitten 
der  Gesandten  der  at/o-(9)n  yeevofiivj^  itö^ec  rä  —  reXi^  rä  i[x  (10)  r^c 
XotpoQ  =  die  bisher  in  den  kaiserlichen  Fiskus  und  die  Staatskasse  (das 
Aerariuro)  geflossenen  Einkünfte,  und  schenkt  der  Stadt  (als  Munizipal- 
gebäude) das  Haus  des  Tib.  Claudius  Sokrates,  welches  in  Stand  gesetzt 
werden  soll,  ä^  jiii  )[p6v<oe  ^[e-(14)/Ae^/af  (=  funditus)  xazaptfpBeäj.  — 
Wahrscheinlich  war  die  Stadt  von  Hadrian  i.  J.  128  auf  seiner  ersten 
Orientreise  (123/4)  gegründet  worden.  Sokrates  mochte  den  Kaiser  bei 
dieser  Gelegenheit  (auf  dessen  Route  von  Pergamon  nach  Sardes)  beher- 
bergt und  demselben  sein  Haus  geschenkt  haben.  Somit  gab  es  schon 
zur  Zeit  der  Durchreise  Hadrians  daselbst  eine  xw/a^  oder  xarotxta^ 
welche  der  Kaiser  zur  Stadt  erhob.  —  Das  Schreiben  ist  in  Abschrift 
nicht  nur  dem  Prpkonsul  der  Provinz,  sondern,  da  es  den  kaiserlichen 
Fiskus  betrifft,  auch  dem  kaiserlichen  Prokurator  (rwt  imrponan  fiou 
Z.  16)  mitgeteilt  worden.  Ersterer,  Stertinius  Quar[tinus  oder  Quar[tus, 
ist  sonst  unbekannt.  Da  er  sein  Amt  noch  am  1.  März  127  bekleidete, 
so  fällt  sein  Amtsjahr  zwischen  den  15.  April  126 — 127.  Letzterer,  Pom- 
peius  Sev[crus,  ist  gleichfalls  unbekannt.  —  In  n.  II  erklärt  der  Kaiser, 
den  mündlichen  Bericht  der  Gesandten  über  die  Verdienste  des  Prokon- 
suls Avidius  Quietus  (Aouedtq}  [K]ou[ei^-{9)T](ü[t)  um  die  Stadt  entgegen 
genommen  zu  haben.  Da  der  Geehrte  in  dem  vom  11.  Febr.  127  datier- 
ten Briefe  wegen  seiner  Verwaltung  belobigt  wird,  so  mufs  er  der  un- 
mittelbare Vorgänger  des  Stertinius  Quartinus  gewesen  sein;  sein  Amts- 
jahr reicht  daher  vom  15.  April  125 — 126.  —  Hiermit  übereinstimmend 
setzt  Waddington,  Fastes  des  prov.  asiat.  S.  191  den  Avidius  Quietus  in 
die  Jahre  125/6  n.  Chr.  —  In  n.  IH  teilt  der  Kaiser  mit,  er  habe  in  der 
dem  Gesandten  erteilten  Audienz  vernommen,  dafs  die  Adressaten  dem 
Claudius  Gandidus  lulianus  (ihrem  froheren  Abgesandten)  ihre  Dankbar- 


XIV.  Lydia:  Stratonicea.   Zwischen  Tbyatira  and  lalia  Gordot.        95 

keit  für  die  der  Stadt  geleisteten  Dienste  hätten  ausdrflcken  lassen.  — 
S.  126  n.  1.  Ebd.  Fragment  einer  Ehren inschrift  des  Demos  auf  Anto-  t  i*s 
ninns  Pius.  —  S.  127  n.  2.  Ebd.  Widmung  des  Andronikos  an  seinen  " 
Brüder  Aelianus  und  an  seine  Eltern  Diodoros  und  Olykonis.  —  n.  3. 
Seledik.  Orabschrift  des  Alexandros  auf  sein  Weib  und  seine  Tochter 
Ammion.  —  S.  128  n.  5.  Ebd.  Orabschrift  des  Diogenes  auf  seine 
Schwester  Ammion  und  seinen  Vater  Pamphilos.  —  n.  4.  Ebd.  Piede- 
stal:  ^AyaBfj  r6\x\iii- 

Ramsay,  American  Journal  of  archaeology  II  1886  S«  20.  Die  zu 
Eirkagatsch  gefundene  Ehreninschrift  der  ßou^  und  des  B^fioQ  'ASpecafo- 
noXeerwv  ^rparovtxdwv  Lebas-Wadd.  1043  ist  auf  die  lydische,  nicht  auf 
die  karische  Stadt  dieses  Namens  zu  beziehen. 

Zwischen  Tbyatira  und  Julia  Gordus. 

Rad  et,  BGH  XI  1887  S.  470  n.  36.  Taguerd&  Votivinschrift  eines 
Teimotheos  an  den  Zeus  Keraunios  onkp  rou  rpif/favro^.  —  S.  468  f. 
n.  34.  Ebd.  Fragment.  Eine  ganze  Verwandtschaft  ehrt  einen  Verstor- 
benen, mit  AnfOhrung  der  Verwandtschaftsgrade.  Am  Schiufs  Z.  19  f.: 
"  •  aü])rjrsvetQ  xoi  ueSeeg  xal  [. . .  mvjre^  ireelfujoaif . . .  Darunter:  Xoujpe 
x}ot}  tfu,  [napoSTra.  —  S.  469  n.  36.  Ebd.  Paula,  Phruktos  und  Euxenos 
mit  den  aovrpofot  ehren  ihre  verstorbene  Schwester  Tatia.  —  S.  470 
n.  87.  Kaledjik.  ^Eroo^  rC,  /^(voc)  Auarpoo  t'  errichten  Menekrates 
und  Aphphion  ein  fivvjplov.  —  n.  38.  Yenoba.  Apollonios  und  Aphphias 
ehren  ihren  ^p&nrbQ  Stratoneikos  u.  s.  w.  —  S,  471  n.  39.  D^r^KeuI. 
^Kroug  ajr\  AP7(^^^)  SavSexou  vjt'  ehrt  eine  ganze  Verwandtschaft,  nach 
Z.  12  ff.  ol  nd7:(n)ot^  oi  narpw^  ol  auvrpofot^  oi  covy^vlg  einen  Herakli(so)- 
des.  Z.  4:  betov  =  biSoo¥^  Enkel.  —  S.  472  n.  40.  Ebd.  Unterhalb  der 
vorigen  Inschrift.  ^Etoo<:  atd\  fi^/jvoa)  fJeptrtou  ly'  errichtet  Ammias 
ihrem  Sohne  Menodoros  eine  Grabschrift.  —  S.  472  n.  41.  Tchitak. 
Fragmentierte  Bauinschrift.  Z.  2/3:  r[o]^;>  nu'ktii>\yo\<:.  —  n.  42.  Hemit. 
^£ro{/c  r\  fn^ivöQ)  detou  Sa  errichtet  T.  Aur.  Limneos  ein  Grabmal  für 
sich  und  seine  Familie,  mit  Strafandrohung.  Schiufs:  Xaujpe  xal  au.  — 
S.  472f.  n.  43,  Gueudjek.  Votivinschrift  des  E]ustrant[os]  Neikian[o]s 
Imkp  r^Q  (ramjp{[a]c  roü  bou.  —  I]ulia  errichtet  [tovs;]  ini^x6[otg]  ^eoTs 
einen  Altar.  —  S.  473  n.  44.  Unterhalb  eines  Kranzes  mit  der  Inschrift: 
V  S^tog  are^voe  Grabscbrift  auf  Tatei[a],  T.  des  Menippos,  Gattin  des 
Menodotos.  —  S.  473  f.  n.  46.  Earsoumia.  Fragment  einer  wortreichen 
Ehreninscbrift.  Z.  3/4:  ipßoXoü  r^c  xp[a]T^<rn^^  ßouX^Q  mufs  sich  auf 
die  nach  römischem  Vorbilde  mit  Emblemen  geschmückte  RednerbOhne 
des  Rates  von  Tbyatira  beziehen.  Z.  14/16:  xal  el^  röv  intixüvtaphv  rou 
iXatoo  xrX,  Das  erstere  Substantiv  (von  ineuwv/Zw  gebildet)  ist  neu.  — 
S.  4741  n.  46.  Ebd.  Aure(lia)  Onesim[e]  errichtet  mit  ihren  Kindern 
ihrem  Gatten  Au.  Modestus  ein  Grabmal,  mit  Rest  einer  Strafandrohung. 


96  Griechische  Epigraphik. 

—  S.  476  0.  48.  Monsadja.  Grabschrift  der  Mutter  Aar.  Tatias  und 
ihrer  Familie  auf  den  25jfthrigeD  Tatianus. 

Philadelphia  (Ala-Schehr). 

Fontrier.  BGH  VII  1883  S.  601—504  veröffentlicht  neun  Inschrif- 
ten aus  sehr  junger  Zeit  nach  Abklatschen  des  Lehrers  Gregorios  Era- 
loglous  in  Ala-Schehr;  wiederholt  in  Minuskeln  nach  Abschriften  und  Ab- 
klatschen von  demselben  im  Mouaeeov  xa}  ßtßXtob^xrj  t^q  suayyekcxrj^ 
tM  (TZ^^^  iv  ^fiop^Ji  V  1884/6  S.  62  ff.  —  S.  601  f.  n.  1;  MooaeTov  xa\ 
ßißko&Tjxv^  V  S.  62  n.wa.  —  Polak,  Mnemosyne  XV  1887  S.  264 
n.  16.  Jetzt  im  Museum  zu  Leyden.  Fl.  Dionysius  Flavianus  errichtet 
seiner  im  Hyperbertaios  des  Jahres  pov^'  verstorbenen  Gattin  GUaudia) 
Sokrateia,  T.  des  Gl(audius)  Lartidianus,  sowie  seinen  Eltern  FI.  Aph- 
thoros  und  Auphonia  (Euphonia?)  Gaia  Grabstätten  {xafidpcu  =  came- 
rae).  Beide  wurden  vollendet  im  Monat  Deios  des  Jahres  pn'  (über  die 
sullanische  Ära  s.  Franz,  GIG  III  S.  1103 f.,  Waddington  zu  Lebas  667). 

—  [S.  602  n.  2  christlich,]  —  S.  603  n.  3.  Moooetov  xa\  ßtßkto^rjxr^, 
a.  a.  0.  S.  63  n.  üvd\  Grabstein  (flpofjDnfi/jLa)  des  Eutycbides  (?)  Lenas 
und  seines  Weibes  Aphthonia.  —  n.  4.  MooffeToy  xa\  ßtßXio&ijxrj^  a  a.  0. 
S.  64  n.  uye\  Grabschrift  in  Distichen  auf  einen  18jährig  verstorbenen 
Kttnstler  (daxroXoxoiXoyXo^og)  Doros  aus  Sardes,  S  des  Lydiers  Marion 
und  einer  Lacedftmonierin.  —  S.  603  f.  n.  6.  Mo^jaseov  xae  ßtßXeo&^xrj^ 
a.  a.  0.  S.  62  n.  uvß'.  Fragmentierte  Grabschrift  auf  die  Witwe  (?)  eines 
Prokonsuls  [GJeminus  u.  s.  w.  —  S.  604  n.  6.  MooasTov  xae  ßtßXio^ijxrj, 
a.  a.  0.  S.  66  n.  ovri',    Grabschrift  des  Trophi[mos],  S.  des  AIex[andros], 

f  179  auf  sein  Weib.  —  n.  7.  Mouffseov  xal  ßtßXtoBijxrj^  a.  a.  0.  8.  64  n.  wvc'- 
der  RoopxXa  (Pulchra?)  auf  ihren  Bruder  Severianus;  datiert:  btouq  ff$/, 
~  n.  8  Papadopulos-Keramens,  KE02:  X7  1884  8  64.  Mooaetoy 
xae  ßtßXioBijXTj^  a.  a.  G.  S.  66  n.  ovB\    bnoaopeov  des  Gärtners  Alexandres. 

—  n.  9.  Mouffeeov  xa\  ßeßXeoBijxr}^  a.  a  0.  S.  65  n  wf.  Polak,  Mne- 
mosyne XV  1887  8.  253  n.  9.  Jetzt  im  Museum  zu  Leyden.  Aurelius 
Trophimos,  8.  des  Artemisios,  errichtet,  ip(on^(Ta{g)  zuv  Bsöv^  der  Götter- 
mutter eine  Bildsäule,  e(h)XoYS)v  aoo  räc  Suvä/ieg, 

Paris,  BGU  VIII  1884  8.  376.  Weihung  eines  [7(>J^aiv(?),  8.  des 
Kallistratos,  gemäfs  seinem  der  Mi^rp}  'Avaeeudc  dargebrachten  GelQbde. 
Nach  Kontoleon,  MDAI  XII  1887  S.  266  Anm.  1)  ist  zu  lesen:  Spxo- 
Ixvr^lKüv.    Aus  sehr  junger  Zeit. 

Kontoleon,  MDAI  XII  1887  8.  266  n.  21  (ApxiXBeea  1887  u.  4057). 
Ehreninschrift:  '0  Xafi7ip6ra'{2)TOi  *E^£(Te'(2)wv  8^p,os  (3)  rbv  XofiTTpo^ 
Ta-(4)Top  0eXadeX-(ö)^da}v  dr^fiov.  -  S:  266  n.  22.  Relief  einer  Göttiu 
mit  Widmung  (an  Kybele?):  ße^  MaruT^v^  im^avee  (2)  Köevrog  *£psvveo^ 
L'ijxtvoQ,  —  u.  23.    Sarkophaginschrift  des  Theogenes,  S   des  Taos  (neu). 


XIV.  Lydia:  PhUadelphia.    Maeonia.  97 

--  B.  M  C^idXBeta  1887  d.  4050).  Grabstein  des  Menekles,  S.  des  Meoe- 
krates.  —  n.  25  CAfiäXBeca  a.  a.  0.)-  Grabstein  des  Primeipilos  Herpido- 
pboros-Eatoneios.  —  S.  257  n.  26  (AiidX&eia  (a.  a.  0.):  '^v  tout^  r^ 
(2)  T^  ^pipa  (3)  d'. 

Polak,  Mnemosyne  XV  1887  S.  264  n.  18.  Cippus  aus  Kala;  jetzt 
im  Mnseam  zu  Leyden,  von  Magna  ihrem  8.  Polemon  im  Monat  Apel- 
laios  des  Jahres  axß'  errichtet.  Die  Inschrift  findet  sich  schon  im  Mou- 
auov  xa}  ßißXto^xifj  III  1/2  1878—1880  S.  168  n.  rxtj'  (Röhl  II,  86). 

Im  MooaB£0¥  xcd  ßißhoB^xijj  Y  1884/5  S.  64  ff.  werden  anfser  den 
oben  aagef&brten  Inschriften  noch  folgende  Grabschriften,  meist  gleich« 
laDs  nach  Abschriften  nnd  Abklatschen  von  Kraloglons,  in  Minoskeln 
mitgeteilt:  S.  64  n.  uvC-  Sarkophag  (ünoaöptov)  des  Eugenios  und  der 
Stratonike.  —  S.  67  n.  tß$e\  Sarkophag  (bnoaoptov)  des  Epiktetos  und 
des  Euagribs.  —  S.  68  n.  elf^^  Grabinschrift  (xiBamre)  för  Doxa,  T. 
des  Buleuten  Eubuios  aus  Gordos  (Fopdi^vou^  vgl.  unten  n.  i),  und  ihren 
nodi  lebenden  Gatten  Ammianus,  ir^  ravoy  A^r  |  hßpaplip.  Datum: 
Monat  Deios  des  Jahres  roy\  —  S.  69  n.  (/f^^  Im  Audnaios  des  Jahres 
inai'  errichtet  Apphiane  ihrem  Bruder  Metras  und  dessen  Gattin  Am- 
miane  nebst  deren  Kindern  ein  Grabmal.  —  A.  a.  0.  n.  n^',  Grabstein 
{juii6pto¥)  der  luliane,  T.  des  Ammianus,  und  (x^)  ihres  Gatten  Patri- 
keios  (=  Patricins).  —  S.  68  n.  ü^C'*  Aufschrift  eines  Grabmals,  nach 
wekher  Anr.  Geiasius,  S.  des  G.  Bopaiioi^  drei  bnoadpta  besitzt  {fx^), 
von  denen  sich  eines  zur  Rechten,  das  andere  zur  Linken  befindet.  (Offen- 
bar trug  das  mittlere  Grabmal  die  Inschrift.)  —  S.  66  n.  t>^a.  Frag- 
ment der  Grabmalinschrift  einer  --phonis,  T.  des  Gaius,  fOr  sich  und 
ihre  Kinder.  —  S.  67  n.  u^y\  Fragment  Eine  aopß({f}atQ  errichtete 
das  Grabmal  '-nap^  icurribv  rfj  y^xoTa-n^  narpedu  —  A.  a.  0.  n.  u^B\ 
Fragment.  Grabinschrift,  u.  a.  für  eine  Gattin  Tatia.  —  S.  66  n.  o^ß\ 
Fragment  eines  »letzten  Willensc:  "•  ebaißst'{Z)av  ^uM$ae  [lou  r^v  (4) 
ikatcqi^¥  xaim^  xaX  (5)  pi^  isapaxolßatu  re^e<-(6)xJroc  pou  xcü  dpäv  (7) 
eic  Sna^ta  röv  i$^€  (8)  ;|f/>^v[oy]  ek  [S]k  rb  /x-*. 

Maeonia  (Gatacecaamene). 

Paris,  BCH  VIII  1884  S.  378.  Kula.  Bessere  Kopie  der  Heil-  ^m 
inschrift  Mowrecov  xal  ßtßXco&^xi^  III  S.  165  n.  834  (Röhl  II,  85  o.)  ans 
dem  Jahre  (ti\  —  Das  hier  begegnende  Epitheton  der  Magna  mater 
0iXets  ist  bisher  unbekannt  -  S.  379  f.  J^nidscheh  (Tripolis).  Ehren- 
inscbrift  in  vier  Hexametern  auf  einen  Bürger  der  Mcuovaj  TpikoXeg  Her- 
molaosy  der  römischer  Senator  wurde  (PdtpijQ  d'  ivcxdß^ero  ßoukfj).  — 
i^d^at  Z.  8  s=  ^fiiijfrs;  ivcxd^&ero  Z.  7/8  =  iyxari^eTo.  -  S.  881  n.  1. 
Gördis  (Inlia  Gordus).  Der  Demos  louXtdatv  ropSi^vwv  und  der  Demos 
[A\op[i^]vwv  ehrt  Tata,  T.  des  Marcus,  u.  s.  w.   Ihre  gesamte  Verwandt- 

Jabresbericht  Hir  Altertumswissenschaft.     LXVI.  Bd.  7 


98  Griechische  Epigraphik. 

Schaft  ehrt  dieselbe,  wahrscbeiDlich  durch  ErrichtuDg  einer  Bildsäule. 
Es  findet  sich  a.  a. :  J]arrc  (der  Bruder  ihres  Mannes)  ri/v  yoov  =  Schwä- 

1 31  gerin.  ungewöhnlich.  —  S.  382  n  2.  Ebd.  Im  (6.)  Monat  ä6a[poz  des 
Jahres  pe'  wird  Didas  von  seiner  Verwandtschaft  geehrt.  —  nevBspßi^g 
bedeutet  hier  Schwager  statt  des  gewöhnlichen  Schwiegervater ;   Tatas 

t  M  begegnet  als  weiblicher  Name.  —  S.  386  n.  5.  Ebd.  Im  Panemos  des 
Jahres  pfjß'  ehrt  der  Demos  üacrn^vwv  und  Publius  Nonnius  nebst  Ver- 
wandtschaft den  Servilius;   desgleichen  derselbe  Publius  seinerseits  die 

t  IM  gesamte  Verwandtschaft.  —  S.  383  f.  n.  3.  Ebd.  Im  (3.)  Monat  Audnaios 
(Äbdvioo)  des  Jahres  ah}'  ehren  Tbeogenes  und  (xk)  Ammias  nebst  Ver- 
wandtschaft den  Theogenes  u.  s.  w.  -  Bemerkenswert:  Tb\y\  SvSpav.  — 
S.  384  f.  n.  4.  Ebd.  Lateinische  und  griechische  Grabschrift  auf  den 
Aug(ustorum)  verna  dispCensator)  Clemens,   errichtet  von  seinem  Weibe 

t  »6  Episteme  und  Kindern.  —  S.  387  f.  n.  6.  Ebd.  Im  Dystros  (s.  n.  2) 
des  Jahres  r'  werden  Marcellus  und  Metrodora  von  ihrer  Familie  ge- 

1 219  ehrt.  —  8.  388 f.  n.  7.   Ebd.    Im  Audnaios  (s.  n.  3)  des  Jahres  ry'  wird 

1 169  Apphia  von  ihrer  Familie  geehrt.    —    S.  389  n.  8.    Ebd.    Den  einheimt* 

—180 

sehen  Göttern,  sowie  den  Cäsaren  M.  Aur.  Antoninus  und  L.  Aur.  Com- 
modus  und  rjj  xupe^  TtaTpedt  errichtet  Menekrates,  S.  des  Seztianus,  ünkp 
dyopavopxaQ  nach  Volksbescblufs  auf  eigene  Kosten  die  ersten  zehn  Säulen 
mit  Kapitalen  und  Basen.  —  S.  390  n.  9.  Ebd.  Fttnf  Fragmente;  wahr- 
scheinlich einer  Architravinschrift  zu  Ehren  von  Cäsaren.    Z.  1/2:    Kai* 

t  98  aapt  M.  'A — roßveoMp—.    -  n.  10.   Ebd.    Ehreninschrift  des  Demos  7oei- 

""      [Xe£]wv  [r]o[p87jv(üv  auf  Trajan. 

Im  MouaeTov  xal  ßtßhoBrjxy}  tjjq  euayyeXex^g  ir^oX^c^  nepioBo^ 
nipTvoj  1884/6,  iv  2!pupvjj  1885,  S.  49 — 58  werden  nach  Abschriften  des 
Arztes  Michael  Tsakyroglu  in  Kula  eine  Anzahl  von  Inschriften  *zmy 
KouXojv  xai  rcuv  nepc^  roürou  pepwv  als  unediert  in  Minuskeln  mitgeteilt, 
von  denen  mehrere  schon  durch  anderweitige  Publikationen  bekannt  sind. 

A.a.O.  S.  49  n,  üx/  =s  Papadopulos  Kerameus,  MDAI  VI 
1881  S.  272  n.  21  (Röhl  II,  84).  —  S.  50  n.  uxe'  =  Fontrier,  BGH 
V  1881  S.  325  (Röhl  II,  86).  —  n.  üxc'  =  Fontrier,  a.  a.  0.  (Röhl 
II,  84).  —  S.  51  n.  uxB'  =  Fontrier,  a.  a.  0.  8.  326  (Röhl,  a.  a.  0.). 
—  A.  a.  0.  S.  49  n.  uxS\  KjoXvre  (=  Gördis).  Fragment.  Den  Apol- 
IJonios,  S.  des  A.,  einen  Agonothetes,  ehrt  eine  Anzahl  von  Personen  als 
ävSpa  dyaBby  dperijg  iv[&x&v.  Datiert  nach  dem  Monat  Apellaios  des 
Jahres  pxB\  —  S.  56  n.  ü^j^'.  Ebd.  Im  Pereitios  des  Jahres  ^nry'  ehren 
die  Peia  (=  Pia),  T.  des  Tryphon,  ihr  Gatte  Asklepiades,  ihre  Kinder 
-Glykon,  Tryphon  und  Zenodote,  ihr  Vater  Tryphon,  ihre  Schwäger  {Sipec) 
Glykon  und  Apolloni(u)s,  ihre  reBpaypiyrj  Elpis,  sowie  ihr  Schwieger- 
sohn (?  yapßpÖQ)  luliauus.  —  S.  53  n.  ukß'.  Bebekle,  Städtchen,  3  St 
von  Kula  und  ca.  6  St.  von  Philadelphia.  Volksbescblufs,  Fragment:  %v 
A'aaTwX^ü)  xibpjj  0iXadeX^dwv  yevo-(2)p£vij^  ixxXrjatag  und  r^c  jspou' 


XIV.  Lydia:   Maeonia.  99 

<Rac  (3)  xat  rcuy  Xotnatv  xmfii^raiv  ndvroßv  xal  ßou'(4k)leuaaifLeua}V  adroiv 
SeeXdtrBcu  t&v  U7ui[p''(d)^]ovTa  auroTs  dypbv  iv  ToTg  IScoic  8poeg  (6)  76\n(p 
rtp  Xe-jrofidvtff  ^AyMiuvoQ  Ma .  pata,  (7)  o]vra  dp(e)tvüv^  iip    ip  ndivreg  ol 

xiop[r^Tcu .    Die  von  Steph.  Byz.  and  XeDophon  (Aoab.  1,  1,  2.  Heil. 

1,4,3)  erwähnte  Stadt  Kastollos  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in 
der  Ebene  des  Sigut-Tschai  zu  suchen,  in  der  Bebekle  liegt  and  in  der 
allerwärts  bedeutende  Trttmmer  aus  alter  Zeit  begegnen.  —  S.  62  n.  uXä\ 
Basibngjak,  2Vs  St.  s.o.  von  Kala.  Ihren  Sohn  Aur.  Antoneinos  ehrt 
Amjmia  Kestia.  —  S.  57  n.  op/i'.  3*Ev  B6pk<p€.  Im  HyperbertSos  (= 
Hyperberetaios)  des  Jahres  pn'  ehrt  den  Tryphon,  S.  des  Höros,  eine 
aovßiioaiQ  (16  Personen?),  sowie  sein  Vater  Horos,  seine  Gattin  Ammias, 
seine  Schwiegermatter  Apphias,  sein  Bruder  Andronikos  u.  s.  w.  —  S.  58 
n.  upß\  Ebd.;  jetzt  in  Kula.  Im  Audn^os  des  Jahres  rcß'  ehren  den 
Hntterbrnder  (ohne  Namen),  sowie  die  Eltern  Eutaktos  und  Stratonike 
den  im  Alter  von  11  Monaten  verstorbenen  Eutyches.  —  S.  56  n.  uXB\ 
Dorf  Chatzi-Retzep,  3  St.  von  Kula.  Im  Audnaios  des  Jahres  apC  ehren 
Teimotheos  und  Ammias  ihre  verstorbene  Tochter  lulia.  —  S.  62.  n.  uX\ 
Keyxepe,  4  St.  von  Kula.  Grabstein  des  Hermippos,  S.  des  Hermogenes, 
aus  dem  Jahre  p$9j\  —  S.  56  n.  ufi\  Gentiz.  Votivinschrift  der  Amias 
an  die  9eä  Mi^ttjp;  gleichzeitig  fOr  ihren  Gatten  Apellas. 

Polak,  Mnemosyne  XV  1887  S.  251—270  wiederholt  mit  Verbesse- 
rungen unter  22  jetzt  im  Museum  zu  Leyden  befindlichen  und  von  Lee- 
mans  io  holländischer  Sprache  herausgegebenen  Inschriften  aus  Klein- 
asien 7  aus  Maeonia,  von  denen  6  aus  K}6Xvre  (=  GOrdis)  bereits  im 
Mooaewif  (s.  o.)  in  Minuskeln  mitgeteilt  sind.  —  S.  252  n.  1 ;  Moutrecow 
xau  ßtjßXeoBi^xTj,  V  1884/85  S.  56  n.  uXe:'.  Votivinschrift:  'ApriptSi  Mva£p]r< 
Xapmj  (2)  'AnoXXiüvtou  mpimtopa  (3)  a^ouaa  xa\  i^^a&slaa  (4)  lm6  r^c 
iepeloQ  ß^zV^'  —  n.  2;  Mouaeeov  xal  ßcßXeoB^xi^^  a.  a.  0.  n.  uXe'.  Votiv- 
inschrift, von  Zrparoyelxi^  Me[X\Tt^Q  der  'Aprep^dc  'AvosTti  bnkp  uyeiaQ 
xm  d^BaXpMV  errichtet.  —  n.  3.  Kontoleon,  MD  AI  XII  1887  S.  254  f. 
D.  19.  Der  9eqi  ^AvcneTre  xal  MtjvI  Tedpou  danken  Meltine  und  Glykon. 
Datum:  ''Eroug  r'  pi^{vÖQ)  Savdtxou.  Zu  dem  Namen  des  Gottes  vergl. 
CIG  8439.  Beide  Teile  desselben  wurden  flektiert;  vgl.  auch  SIG  379: 
Mi^vöc  Tupdvyou^  Mr^yt  Tupdvvuti  (Z.  16),  Mv^vt  Tupdvvtot  (Z.  22).  »Itaque 
elegantiores  has  voces  Graeco  more  divisisse,  Idtiozag  couiunctim  extu- 
lisse  statuendum  eritc  P.  —  S.  253  n.  4.  Mouaelov  xal  ßißXtoB^xr^^  a. 
a.  0.  S.  64  n.  u\f'.  Der  9b^  Avaelrt  xai  Mrjvt  Tedpou  errichten  Tyche, 
Sokrates,  Ammianos  und  Trophimos,  Kinder  des  Ammias  (Appeou\  sowie 
Philete  und  Sokrat(e)ia,  TT.  der  Ammias  (Appcd8o^)^  no[e]i^aavT6c  rb  U'(6) 
pono[t]jjpa,  eiXaadpevoe  p7^Tip'{6)a\f(so)  'AvaeTrev  bnkp  rdxvaiv  xal  (7) 
^peppdroßv  ein  ivypa^ov.  ^Etouq  zxa  pyjiybg)  SavSexoü.  —  n.  6.  Kon- 
toleon, a.  a.  0.  S.  256  n.  20.  Widmung:  Afr^rpl  Avaem  Abp{iiXtog) 
Mu\}-(%)atuoQ   difade^dpevü^   Tijv   (2)    d8eX^v   'Af^iav   (rn}X'(Z)Xrjv  (^o) 

7* 


100  Griechische  Epigraphik. 

dnaem^ßsls  d7[iS(0'(i)xa.  ^Eroog  rx^'  fii^{voQ)  ilepeeTioo  ß'.  —  n.  6. 
Moutrecov  xau  ßißhoBv^xvj^  a.  a.  0.  8.  56  n.  u^'.  Na^h  der  Lesung  Polaks: 
MeydXjj  *AvaEiT^{2)t^  iitel  ^/idpT7j'iS)(Te9  0oeßog^  (8)  hteC^njffev  ?^90-(4) 
^]o[t]i^jjLaf  d7mSec'(6)Soe]  (oder  dno8ei'\See])  vuw  £Uaad/JLB'{ß)voQ  xat 
eh^apt<T-(*l)rwv,  '^Eroug  aitd'  (8)  /iJy(PÄff)  'Aprsfiecffiou  ß\  —  Die  Form 
dnoSiSoT  ist  ans  Homer  bekannt;  vielleicht  aber  ist  ea  ergänzen:  dno- 
deeSee  =  dnodeSee.  —  n.  7.  Kontoleon,  a.  a.  0.  8.  254  Anm.  2;  un- 
genauer Mouaeeov  xa}  ßtßkto^yjxTj^  a  a.  0.  S.  54  n.  tßXS\  Votivinschrift: 
'^Eroüff  avS'  fir^iyb^)  Aojoif  Jlfe^r/-(2)viy  JkxoüvSou  Buydnp  (3)  «i/i^v 
Mijrpl  'Avant  A-  (4)  f^eomjv^. 

Fontrier,  Mouaetov  xa\  ßtßXtoBijXTj  V  1865/6  8.  73 ff.  TerOffentlicbt 
als  ^Entypa<fai  AuSe(K€y  von  denen  er  Abklatsche  erhielt,  noch  folgende 
Inschriften,  deren  Fundorte  mir  mit  Gewifsheit  nicht  nachweislich  sind: 
t  970  A.  a.  0.  S.  73  n.  ^^  in  Minuskeln.    Santzayak  (=  Santzak  Kalessi, 

2V<  St.  westl.  von  Smyrna?).  Im  Artemeisios  des  Jahres  rvd'  errichtet 
Aur.  Epiktetos,  S.  des  £.,  aus  Sardes  ein  Heroen  fBr  seinen  8ohn  Alexan- 
dres, sich  selbst,  die  Amme  (re^&t  =s  ti^%)  PöUe,  deren  Gatten  Yetti- 
nianus  (^em^wfajvci?),  8chwiegermutter  £utychia[n]e  und  (stets:  xi)  Sohn 
Eutycbianus;  mit  Strafandrohung:  (9)  Ei  de  rec  fierä,  raora  iitav6$i  ^ 
i'{\0)Tep6v  Teva  inBUftvivxt  x7j8eü'{\\)o}]v^  dijoet  lg  rlt  espäfzarov  ra- 
fUi-(\2)o]v  dpyvpioo  Brjvdpta  8i(X^iXia  (13)  n\evraxuata^  xk  rfj  ^looidyjvwv 
xa'{\i)TotxtqL  Svjvdpia  Stff^ßea,  —  Das  Fehlen  des  Namens  der  Gattin 
des  Epiktetos  ist  wohl  dnrch  den  frühzeitigen  Tod  derselben  zu  erklären, 
nach  welchem  ihre  Stelle  eine  Amme  einnahm.  —  Eine  'louSSr^vwv  xar- 
oixia  ist  sonst  unbekannt.  Die  Bezeichnung  xarotxia  (=  xdjpaj^  Fou- 
cart,  BGH  IX  1886  S.  395)  begegnet  häufig  in  lydiscben  Inschriften.  Der 
Herausg.  verzeichnet  folgende:  A.  Im  Eaystrosgebiet:  l)  Ttipijvoiv  xav- 
otx{a^  deren  Bewohner  xw/i^rat  genannt  werden  {ModceTov  xa\  ßtßho- 
Bvjxrj  II  2/3  n.  aX—aXß'\  2)  XovSpcavuJv  xw/jltj  (a.  a.  0.  n.  (rgO>  3)  ISst- 
'^üTeevwv  xarotxia  (s.  u.  Tira  n.  ^oB\  8.  68).  B.  Im  Hermosgebiet: 
l)  KoXor^vmv  x,  (a.  a.  0.  n.  ffvZ'  =  Röhl  II,  84  u.),  2)  Tatj^vv^v  x,  (auch 
=  xmpyi ;  MouffeTov  xal  ßtßhoBTjxyj  III  1/2  n.  Tt<:'  =  Röbl  H,  85),  3)  iv 
KoffTtoXXai  xmpjj  0tXadtX<piwv  {MouffeTov  xal  ßtßXtofi^xi^  Y  n.  uXß^\  s. 
8.  98  u.),  4)  TuavoßXXetraJv  x.  (a.  a.  0.  n.  tmjr\  oTte';  s.  S.  78),  ö)  ^Opftoe- 
Ti^vwv  X.  (a.  a.  0.  n.  07:8' \  s.  8.  77  u.),  6)  AapeeouxcjfujTwv  x.  (a.  a.  0. 
n.  u7rC\  8.  S.  79),  7)  ol  iv  Atpotg  xdrotxot  (Mouaeeov  V  n.  ^f>y';  s.  8.  101). 
Hierzu  noch  8)  oe  iv  Tapaaet  xdrotxot  (BGH  Y  326;  Röhl  II,  84).  -* 
Aus  diesen  Inschriften  geht  hervor,  dafs  die  xarotxtat  eigene  Ortsvor- 
steher {äp^ovre^)  und  Einkttnfte  besafsen,  sowie  das  Recht  hatten,  Yolks- 
beschlQsse  —  wenigstens  Ehrendekrete  ^  zu  erlassen.  Im  Qbrigen  unter- 
standen sie  der  Gerichtsbarkeit  ihrer  Muttergemeinden,  denen  sie  auch 
Steuern  zahlten.  —  Das  Datum  der  obigen  Inschrift  entspricht  dem 
Jahre  270  n.  Ghr. 


Xiy.  Lydia:    Maeonia.    ünbestimmbareD  Fundorts.  101 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  76  n.  ^Sa    iu  Minuskeln.   Kemcbaii.   Frag- 
ment.   Im  Gorpiaios  des  Jabres  pxC  ehrt  Menas  seine  {iarot/)  Gattin 

Amroia,  sowie  ~   —  und  Ammion  und  Metropo ihre  Mutter  durch 

eine  Grabscbrift.  —  n.  ^(ß'  in  Minuskeln.  Toma  (Tamasis).  Frag* 
meot  des  Grabmals  des  Theodoros,  S.  des  Demetrios,  seiner  Mutter  Kar* 
pime,  seiner  Gattin  Am]mia  und  seiner  Schwester  lulia.  Das  Folgende 
rätselhaft:     'Eneedi)    dp^[ev?{5)ra}v  fiou    onXapifülif  U'(6)no   'AvSpoveUou 

6]ifnj? (7)yaip^ou  xtu (8)  va/Jidvwv  ftpoQ —  (9) atpo^* 

zoQ  fio .   —   S.  76  n.  ^^y'  iu  Minuskeln.    Ebd.    Fragment  der  roh 

gemeifselten  Votiviuschrift  zweier  eepoc  an  den  &ebg  (oder  die  Beä)  'Etc^ 
KooQ*  —  Vgl.  u.  a.  die  unten  folgende  Weibinschrift  n.  ^o'  von  Agjaz- 
biren.  —  n.  f^S'  in  Minuskeln.  Ebd.  Bauinschrift:  Im  Jahre  <7vC'  im 
Monat  Artemeisios  wurde  der  Altar  aufgestellt  ;r/9(ivo[]^<ivzv- (3)  roc  roS 
Soußunß  ix  Tofv  idmv  (4)  r^c  vauxopoo.  -  Waddington i  zu  Lebas-Wadd. 
668  hält  Sou/wc  (nicht  ^  Sofio^^  Leake)  für  eiu  altlydiscbes  Wort,  voci- 
xopo^  s=  veatxopog  ist  neu.    —    S.  77  n.  ^^e'  in  Minuskeln.    Bucblutza. 

Fragment.     Im  Löos  des  Jahres  —  —  ehren  Aur.  Eu und  R]e- 

geina  den  28 jährig  verstorbenen  Dijonysios,  S.  des  Au.  Eutyches.  In 
ider  Strafandrohung:  (6)  -  ?f ««  röv  d^euv  -•  -(7)-  •  x]al  'ArdpxvaTeliu  • ". 
—  Aiarknatis  =  Atargatis  ist  wahrscheinlich,  wie  Aua'itis,  ein  Beiname 
der  Artemis.  —  n.  ^$<:'  in  Minuskeln.  Indschikler.  Im  Löos  des  Jahres 
ra  errichtet  Bassianus,  S.  des  B.,  dem  96^  Ba^eXt  --(2)-  iS  l^^^^ 
npoepi4n(p)Q  eine  Votiviuschrift.    —    S.  78  n.  ^^C'  in  Minuskeln.     Ebd. 

Im  Hyperbertaios  des  Jahres ehren  ol  i]v  — ]  xaroixoüVTz[^  den 

Demo[pbil]06,  Adoptivsohn  des  D.,  leiblichen  Sohn  des  Menandros,  wegen 
seiner  Verdienste  um  die  Bürgerschaft.  -  Der  Name  der  xarotxea  Z.  2 
ist  leider  zu  gründe  gegangen.  -  n.  ^$9^'  in  Minuskeln.  Agjaz-biren, 
2Va  St.  n.w.  von  Kula.  Im  Xandikos  des  Jahres  px'  errichten  ol  (3)  i]v 
Jtfioec  (ausgekratzte  [4]  Buchstaben)  xdroexot  der  Meter  Leto  eine  Bild- 
säule (7)  xar  httrayiiv  (8)  rou  'AnöXXojvog.  —  Die  erwähnte  xaxotxia 
ist  unbekannt.  —  S.  80  n.  ^o'  in  Minuskeln.  Ebd.  Im  Panemos  des 
Jahres  rs'  errichtet  Aur.  Trophime,  T.  des  Sokylos,  dankbaren  Herzens 
{ßbxf^^f^ouaa)  wegen  Gewährung  ihrer  Bitte  mit  den  Ihrigen  dem  ^eoc 
'En^xoog  den  gelobten  Altar.  ~  Die  bereits  Mouaecov  xal  ßißXco^xy^ 
III  1/2  S.  170  n.  rpe'  (Röhl  II,  85  o.)  publizierte  Inschrift  wird  hier 
wegen  irrtflmlicher  Angabe  des  Datums  wiederholt.  —  Nach  dem  Her- 
aoag.  ist  mit  Ramsay  die  Widmung  Mouaetov  xal  ßtßhoBijxyj  III  1/2 
8.  162  n.  rxZ'  (Röhl  II,  85)  aus  Kula  zu  lesen:  *Anok(^)i»tvwg  äpdX'{2)ag 
Bwarfj  Be^  söx'Wapeario  Ay}r«p.  Vgl.  die  Inschrift  aus  OrtakOi:  Ebxa- 
piarw  Myjzpi  ATjrtf^  Zn  if  dBovdraiV  Buvarä  n(ot)eT,  —  S.  81  n.  foa  in 
Minuskeln.  Ebd.  Fragmentierte  Warnungstafel  aus  byzantinischer  Zeit. 
Z.  5ff.:  tX  riQ  Sk  ebpe^l^"  (6)  bIc  rag  dvniXooQ  ?  ...(7)ow  Ttodjat, 
C^ov  iiiat  •  -  (8)  rm  naHvrr  xk  ndhv  bT  [rtg  (9)  eupe^fj  xUnriuv  ^re 
«ae?-(lO);f?3y  nouv,  iwai  —^C^fjUlav  (11)  voyJtTixaTog  ^p-too  xk  Xdßt  (12) 


102  Griechische  Epigraphilt. 

ßouveopa  (neu;  =  Prügel)  Hxa,  —  d.  ipoß'  in  Minuskeln.  Ebd.  Wid- 
mung: EbXoyoufiev  (2)  unkp  'EpfjLo^/Xoo.  —  S.  82  n.  ^oy'  in  Minuskeln. 
Ebd.  Fragment  -  -  likoinoos  Ka  -  -  errichtet  (?)  mit  seinem  Sohne  (udf) 
Oaius  -  "(3)  rijv  (tt^Xijv  &  röv  ^ebv  ---(4)  8(xtüc  /i^  d/ivetv  rtva^  fi^re 
6px/Z[6ev^  (6)  ßii^re  SpxwfiSrf^v  'fiveaf^€u,  —  n.  ^oS'  in  Minuskeln.  Ebd. 
Der  My^rpl  'Are/urt  (2)  xal  Mrjvt  Tedfi'{S)ou  weihen  Glykon,  S.  des  Try* 
phon,  und  Trophimos,  S.  des  Theogenes,  xar'  imrayijv  einen  Altar  auf 
eigene  Kosten.  —  Die  genannten  Gottheiten  waren  sonach  ^Beol  <r6/i- 
ßwfioe€.  Vgl.  u.  n.^oC*  —  S.  88  n>  foe'  in  Majuskeln.  Ebd.  DQrftige 
Fragmente  der  Ebreninschrift  auf  einen  lebenslänglichen  Priester  und 
seine  Gattin,  eine  Priesterin.  —  8.  84  n.  ^(k'  in  Minuskeln.  Ebd.  Votiv- 
Inschrift  des  Athenion  an  den  Men  Ax(so)iottenos  unkp  *0vi^(rtn7i'{Z)s 
T^g  B(B0)£Bvafiev9)c.  —  S.  79  n.  ^$B'  in  Minuskeln.  Hamitfjeh.  Frag- 
mentierte Weihinschrift  einer  reuigen  Sftnderin :  ^ErotK 'B'  fJi^i^^C)  nelpee- 
rhu  (2)  0to86rrj  rkuxw[yo(:  ---(8)  Bpenrip'  incdi)  dpaplivij  (4)  räc  /?• 
pOLg  aövili  ixa[xa;<ra*(6)ro,   xä  dnoBayoö(nj[g  ahr^Q  (6)  xk  roti  rXöxwvoc^ 

6  [&eög  (7)  iTreC^njaev  napä (8)  toü  ixydvoo  aJt^c,  -  -  -  |i:  -  (9)  Utoxt 

1 119  xcä  dnb  vuv  t\lXdaaro,  —  8.  84  f.  n.  ^oZ'  in  Minuskeln.  KjJAv^re.  Im 
oberen  Teile  zerstörte  Inschrift,  nach  welcher  ein  gewisser  Skollos  eid- 
lich die  angeblich  erfolgte  RQckgabe  eines  entliehenen  Kapitals  (10  000 
Denare?  Z.  4)  mit  Zins  und  Zinseszins  au  den  Apollonios  beschworen 
hatte.  Letzterer  hatte  darauf  die  Summe  sn  die  Göttin  abgetreten,  und 
der  Meineidige  war  von  den  Göttern  mit  dem  Tode  bestraft  worden 
(xoX[d\o&iv*{l2)roQ  ouw  rou  üxuXXou  Imb  rwv  ^6-(13)aiv  Iq  Bavdroo 
Xöyov)^  worauf  die  Forderung  von  den  Göttern  erneuert  wurde.  Deshalb 
iXoeffe  (=  iköoe)  die  Tochter  desselben,  Tatias,  robg  Spxoug  xal  vüv 
elXa-{l*!)aapev9^  euXoyee  Mi^Tpl  'ArejAtri  (18)  xa}  Mrjvl  Tedpou,  -  Datum: 
Xann(so)diko8  des  Jahres  (Ty\  —  S.  86  n.  ^oi^'  in  Minnskeln.  Meute- 
choija.  24 zeiliges  Fragment  eines  Ediktes  aus  byzantinischer  Zeit.  Z.  6 
wohl  Angabe  der  Veranlassung:  - '  iretofjLevwv  rd^swv  k  Securetofibv  r^c 
xittpy^  -  -.  Z.  17  werden  ^poufievrdptoe  erwähnt.  Der  um  seine  Ver- 
mittelung  angerufene  Beamte  {»'(Ta  St'  ifiou'  r^^  yLtydkr^Q  bfioäv  xal  ob- 
pavcou  xa  -  -  (8)  -  -  i^c  ßa<reXeiac  Ic  rouro  fie  7Tpo)[etpt(fafidvij  -  -)  weist  hin 

auf  die Betdrarot  raiv  ndmort  abroxparöpaiv  npbg  re  Tob[s  --(11)- 

U']pob^  vofiooQ  T<üv  T«  npoyovwy  bfiwv  xai  npbg  r^v  tlpfjvtx^ly  --(12)--v 
TtBp\  ndvra^  Stxauoobvfjv  und  empfiehlt  Bestrafung  nur  dann,  wenn  ein 
vSptßioc  xaryjYopoi  vorhanden  sei.  Im  flbrigen  ist  der  Inhalt  der  Ver- 
ordnung äufserst  unklar. 

XT.  Hysia. 

Cumae. 


i-ai9  Meister,  Berl.  philol.  Wochenschrift  1886  n.  16  Sp.  483/4  nach 

'^   einem  Abklatsch  von  Reinach  (vgl.  Rev.  arch.  1885).   Inschriftfragment 


—40« 


XV.  Mysia:   Comae.    Aegae  (?).  |03 

in  ftolischem  Dialekt.  Nach  Meisters  Lesung:  ""ESofe  rw  ddinp'  ineedij 
ro  dcxaan^pioVf  napyev6fis[vov  (2)  iy  Mayvfjaiag  xarä  rb  dtdypa/xfia  rb 
'AvTeyövw  (3)  inl  ral^  dixatg  raig  tdtatg^  i^8eS{xaxe  naeffat[g  (4)  auotre- 
Xeag  dvtY\ß\tuTa}g  [xal  ^<xa/]a>c,  ina{ve[aat  - .  auotzeXeag  Z.  4  fafst  M. 
als  Acc.  plur.  von  auoezi^i^g  »frflhzeitig  (=  schnell)  vollendete  (auoc  = 
Lokativ  von  auwg  »Morgenrötec);  dve}'[8]eu7(oc  als  Adverb  von  dv'iy 
SsuTog  »ohne  Mangel,  fehlerlos t  (zusammengesetzt  mit  ij^SeuTog  =  att. 
ix3ei^g;  äol.  Seüw  =  att.  Seat),  —  »Da  der  Antigenes,  der  den  Ey- 
mäern  vorgeschrieben  hatte,  Richter  von  Magnesia  kommen  zu  lassen, 
kein  andrer  sein  kann,  als  A.  Monophthalmos,  imd  dieser  noch  nicht 
König  genannt  wird,  so  kann  die  Inschrift  nicht  jQnger  sein,  als  306 
V.  Chr.;  und  da  sich  A.  erst  319  v.  Chr.  nach  Verdrängung  des  Kleitos 
in  den  Besitz  der  Satrapie  Lydien  und  der  Meeresküste  setzte  (vergl. 
Droysen,  Gesch.  des  Hellenismus  II,  208 f.),  so  ist  die  Inschrift  in  den 
Zeitraum  von  319 — 306  v.  Chr.  zu  setzent. 

Papadopulos-Kerameus,  KE02:  XV  1884  S.  56  n.  l.  Grab- 
stele des  Dionysios,  S.  des  Artemon,  dessen  Gerechtigkeit  in  einem  Di- 
stichon gerühmt  wird.  Jetzt  im  Museum  zu  Koustantinopel.  —  S.  66  f. 
0.2.  Grabstele  des  Chiers  Mentor,  S.  des  Poseidonios,  der  nach  Aus- 
sage des  aus  vier  Distichen  bestehenden  Epigramms  die  Mutter  im  zar- 
ten Alter  von  acht  Jahren  verlor.  Mutter  und  Sohn  starben  25jährig 
(Y.  6  hat  die  Abschrift:  eixoaanevraerecg);  die  Erstere  war  demnach  bei 
Gebart  ihres  Sohnes  17  Jahre  alt.  —  Jetzt  im  Museum  zu  Koustantino- 
pel. —  8.  61  n.  6.  Ein  zu  Kyme  gefundenes  Ehreudekret  des  Demos 
von  Bargylia  in  Karien  auf  die  Kumäer  s.  unter  Bargylia  (S.  40). 

Nimrad  Kalessi  (=  Aegae?  s.  8.84). 

Fabricius,  MDAI  X  1885  S.  273.  Clerc,  BCH  X  1886  8.  292f. 
Weihinschrift  auf  zwei  Epistylen  eines  in  Trümmern  liegenden  Tempels 
des  ApoUon  Cfaresterios,  wonach  der  Tempel  unter  dem  Prokonsul  P. 
Servilius  Isauricus,  Mitkonsul  Cäsars  48  und  Verwalter  von  Asia  46  v.  Chr., 
geweiht  wurde:  a:  '0  Säfiog  'An[6XAwvi  Xp]  b:  i^tm^peaic  ^^apcffrrjptov 
(r<üB{€{4n^g  r^g  liarpeSog]  a:  unb  IlonXtat  ZB[potXi(D  flon]  b:  ^/a/  otaß  'hau- 
pexä}  TW  dvBundTQ}.  —  Vgl.  u.  a.  die  pergamenische  Ehreninschrift  auf 
denselben  in  den  »Ergebnissen  der  Ausgrabungen  von  Pergamonc  I,  76 
=  ROhl  II,  90). 

Clerc,  a.  a.  0.  8.  288.  Drei  Fragmente  eines  Architravs,  enthal- 
tend aufser  der  Weihinschrift:  Toig  I![s]ßaaToT[g  wahrscheinlich  Namen- 
reste  von  solchen,  die  zur  Errichtung  des  Monumentes  beitrugen.  ^- 
S.  290.  Widmung  des  Antiphanes,  S.  des  ApoUonidas,  an  den  Zeus.  — 
Basisioschriften  zweier  nach  testamentarischer  Bestimmung  errichteten 
Statuen  der  Aristonika  und  Lysagora.  —  8.  291.  Weihinschrift  aus  der 
Kaiserzeit:    9e<üv  |  dvoßjL^atwv.   —   Welche  Gottheiten  sind  gemeint? 


104  Griechische  Epigraphik. 

Myrina. 

Pottier  und  Reioach,  BGH  IX  1886  S.  172—174.  Bronzeplätt- 
cheo  aus  den  Gräbern  der  Nekropole  von  Myrina  io  punktierter  Schrift, 
mit  den  Namen  der  Verstorbenen.  Letztere  sind:  S.  172  n.  1  Diodoros, 
S.  des  Poseidippos,  n.  2  Apjollonios,  S.  des  Philoxenos,  n.  3  Sosibios, 
S.  des  Potamon,  n.  4  Matron,  S.  des  Chaireas,  n.  6  Eikadios,  S.  des 
ApoHonios,  n.  6  Bidax,  S.  des  —  utheos,  n.  7  —  or,  S.  des  Hephaistion, 
aus  Apamea,  n.  8  Leukaios,  S.  des  Derodotos;  S.  173  n.  9  Athanaio[s, 
8.  des  —  agore  — ,  n.  10  Tfaeodoros,  S.  des  Damantbos,  n.  U  Heropha- 
nes,  S.  des  ApoUodoros,  n.  18  A]pelles,  S.  des  Athanaios,  n.  14  Apollo- 
nios,  S.  des  Eleon,  n.  15  Diodoros,  8.  des  Poseidippos,  n.  16  Medon,  S. 
des  Pyrrhos,  n.  17  Kjritobulos,  S.  des  ApoUonides,  n.  18  AJpelles,  S.  des 
Herakleidas,  n.  19  Eudamos,  S.  des  Apollonios,  n.  20  — xenos,  8.  des 

—  Hos;  8.  174  n.  21  -- leas,  n.  22  Peisias,  8.  des  Dorotheos,  n.  23  Me- 
nipp[os,  8.  des  Mag—,  n.  24  Da  -an — ,  8.  des  Apollo[n — ,  n.  26  eine 
Seite:    — aos,  8.  des  —  notos,  andre  Seite:    Dionys  -,  8.  des  Heraios. 

—  Dieselben,  a.  a.  0.  8.  186  —  188.  33  Henkelinschrifteu  von  Ampho- 
ren, welche  innerhalb  oder  aufserhalb  der  Grabstätten  gefunden  wurden. 

—  Pottier,  BGH  X  1886  S.  92.  Nekropole.  Grabstele  der  Neikasis, 
T.  des  Theophilos,  Gattin  des  Ikesios. 

Elaea. 

Reinach,  BGH  X  1886  S.  329f.  GIG  9904  und  de  Rossi,  BoH. 
di  arch.  Christ.  V  1867  8.  16  wird  unter  den  jttdischen  Genossenschaften 
Roms  eine  awayonY^  ^EXaJaQ  erwähnt.  Schfirer,  Neutestamentl.  Zeitgesch. 
8.  636  und  die  Gemeindeverfassung  der  Juden  in  Rom  8.  17  bezog  den 
Namen  der  Stadt  auf  das  lukanische  Velia,  ohne  dafs  von  einer  jttdi- 
schen Kolonie  an  diesem  Orte  etwas  bekannt  wäre.  R.  bezieht  denselben 
mit  gröfserer  Wahrscheinlichkeit  auf  das  mysische  Elaia,  in  dessen  un- 
mittelbarer Umgebung  sich  eine  beträchtliche  Ruine  befindet,  welche  den 
tttrkischen  Namen  Tschifut-Kalessi  =  iJudenburgt,  griech.  Eßpeöxaarpo 
ffihrt.  Jüdische  Niederlassungen  in  Pergamon^  Smyrna  (s  8.  69),  Ephe- 
sus,  Phocäa  (s.  8.  76)  sind  bekannt. 

Pergamum. 

Gonze,  Sitznngsber.  der  Egl.  preufs.  Akad.  der  Wissensch.  1884, 
17.  Jan.  WürfelfOmige  Basis  mit  Inschrift  in  drei  Distichen  in  Gharak- 
teren  der  EOnigszeit;  in  der  Nähe  des  grofsen  Altars  gefunden,  fahrte 
der  zuerst  von  Eirchhoff  vollständig  gelesene  Text  (von  entscheidender 
Bedeutung  war  das  WOrtchen  äSe  Z.  6)  auf  die  erste  Spur  der  Lage  des 
grofsen  Marktplatzes.     Nach  dem  ersten,  verstttmmelten  Distichon ,   in 


XV.  Hysia:  Myrina.    Elaea.     Pergamam.  105 

welchem  der  Eigenname  Apelles  enthalten  und  eine  äyopavoii^a  erw&hnt 
ist,  lautet  die  weitere  Inschrift :  —  iie  Bidxropov  tTtraro  Nu/x^cu^  (4)  ^Epy 
luj/fß  eövofuoQ  diBtOfi  ^uXaxa'  (6)  rag  Ivsx'  AoXßoo  xipaxig  ß&oiQ  id* 
dcjfopaloiQ  (6)  fMyoaet  toxtoü  repßia  ^uBsitra  ^povou,  —  Die  Inschrift 
stand  ohne  Zweifel  auf  der  Basis  der  Statue  eines  hier  als  Marktgott 
erscheinenden  Hermes,  welcher  ein  Füllhorn  hielt,  aus  dem  zu  bestimm- 
ten Zeiten  Wasser  flofs.  In. Gesellschaft  der  Nymphen,  denen  anch  hier 
die  Weihung  gilt,  kennen  wir  ihn  aus  zwei  attischen  Reliefs.  iDie  Zeit- 
angaben hatten  den  Zweck,  den  Besuchern  des  Marktes  (äyopaToi)  die 
Einhaltung  gewisser  Bestimmungen  zu  ermöglichen  oder  zu  erleichtern« 
welche  den  Besuch  und  die  Benutzung  des  Marktes  regelten;  also  zur 
Aufrecbterbaltung  der  edvoiiea  beizutragen.  Aus  den  Torbergehenden, 
nicht  sicher  zu  ergänzenden  Versen  dürfte  immerhin  so  viel  gefolgert 
werden,  dafs  das  Denkmal  von  einem  Agoranomen  Apelles  in  oder  nach 
seinem  Amtsjahr  errichtet  worden  war.c  Berl.  philo!.  Wochenschr.  1884 
0.  9  Sp.  284/5.  —  iNoch  andre  Inschriften  aus  der  KOnigszeit  thun  des 
Marktes  Erwähnung  und  des  im^viaxarog  ronos  r^c  dyopäg  in\  xou 
ßoffiou  Tofj  ätbg  Too  laiT^poC'  Conze  führt  den  Nachweis,  dafs  wir 
mit  höchster  Wahrscheinlichkeit  damit  den  Namen  des  grofsen  Altars 
gewonnen  haben.«  A.  a.  0.  Sp.  285.  —  Zweite  Pronaossäule  vom  Athene- 
tempel mit  Inschrift.  -  Auf  den  Vorderseiten  der  Sitzreihen  des  Thea- 
ters sind  grofse  Buchstaben  aufgeschrieben;  nur  an  einer  Stelle  ist  ein 
zusammenhängendes  Wort  zu  entziffern:  dtaxaTS^^evat  =  iganz  besetzte 
—  Maskenverzierter  Deckbalken  vom  nördlichen  Eingang  in  die  Orche- 
stra  des  Theaters  mit  Inschrift,  wonach  ApoUodoros,  S.  des  Artemon, 
ypafipbaraus  di^ftou^  rbv  nukanfa  xat  ro  iv  aur^  ndraurpia  dem  Jeövuaog 
Ka&T^yefuSßv  und  dem  Demos  weiht.  —  Der  Erbauer  ist  durch  ander- 
weitige Inschriften  bekannt. 

Ramsay,  Sitzongsber.  der  Berl.  archäol.  Gesellsch.  5.  Febr.  1884 
(nach  der  Berl.  pbilol.  Wochenscbr.  1884  n.  9  Sp.  285);  derselbe,  Re- 
vue archäol.  IV  1884  S.  96  f.  und  Journal  of  helienic  studies  V  1884 
S.  261.  Aus  Pergamon  stammendes,  jetzt  in  Smyrna  befindliches  Grab- 
relief mit  Darstellung  eines  Reiters,  der  eine  Schlange  füttert,  rechts 
daneben  ein  Adorant.  Ober  demselben  Widmung  des  — ,  S.  des  Apol- 
IjornoB,  eiaee  v€wx6poe  der  Athe[na  Nikephorjos,  an  den  Heros  Perga- 
moe*  —  Wohl  3.  Jahrh.  v.  Chr. 


Sameh  bei  Pergamum. 

Gardner,  Journal  of  helienic  studies  VI  1886  S.  347  n.  86^;  aus 
den  wieder  aufgefandenen  »MS.  Inscriptions  collected  in  Greece  by  C.  R. 
Coekerell,  1810-  14 1.    Rest  einer  Weibinschrift. 


106  Griechische  Epigraphtk. 

Trakhala  (V»  St.  von  Somah) 

Radet  und  Lechat,  BCH  XI  1887  S.  398.  Aar.  Glykon,  8.  des 
MaiDon,  errichtet  seiner  Mutter  Moschion  einen  Grabaltar.  Ein  Frevler 
{dvo(acZ.  6)  Bi^aee  ic  rö  [Ta'{7)/JLeTov  dzTexäc  xl^e- (B) Xea^  nsvraxoaeltxc. 

—  Vgl.  zu  der  Inschrift  von  QaXa-Dibi  S.  85  o. 

Sandaina  (Tschavdir;  17»  St.  n.n.ö.  von  Kirk-Agatsch). 

Dieselben,  a.  a.  0.  S.  403.  Der  Demos  UaySniveiTwv  ehrt  den 
Me[no]philos ,  S  des  Kleomenes,  wegen  seiner  bei  der  Verwaltung  des 
Priesteramtes  des  Kaisers  bewiesenen  Frömmigkeit  und  seiner  ^tXodo^ia 
gegen  die  [x\aTot[xia,  —  Eine  alte  Stadt  Sandaina  ist  völlig  unbekannt. 

Adramyttinm. 

Willems,  Revue  de  Tinstmction  publique  en  Belgique  XXYII 
1884  8.  384  ff.  giebt  einen  neuen  Abdruck  und  Ergänzungen  zu  der  In- 
schrift BCH  II,  128 ff.  IV,  876.  Ephem.  epigr.  IV,  213 ff.  (vgl.  Röhl  II. 
93).  Das  Fragment  soll  nicht  ein  Senatsbeschlufs  sein,  sondern  ein  zu 
Rom  anläfslich  einer  Gesandtschaft  im  Auftrage  des  Senats  durch  einen 
von  einer  senatorischen  Kommission  unterstfltzten  Prätor  gegebenes  De- 
kret betreffs  eines  Grenzstreites  zwischen  Adramyttium  und  Pergamnm. 

—  Foucart,  BCH  IX  1885  S.  401ff.  giebt  ohne  Kenntnis  der  vorer- 
wähnten Abhandlung  selbständige  Ergänzungen  des  Fragments.  Abwei- 
chend von  Willems  hält  er  unter  Vergleichung  des  Senatsbeschlusses  von 
Oropos  "E^.  dpX'  1884  Sp.  97  ff.  (vgl.  6.  407)  das  Dekret  für  den  Schieds- 
spruch eines  durch  eine  senatorische  Kommission  unterstützten  römischen 
Konsuls  (Z.  1:^  TimQ  eidivai  ßouXofiae'  Name  -  ffTp]aT[f)Y]bv  [unarov) 
in  einem  Streite  der  Zollpächter  (Z.  6.  7:  ST^/ioaew-lvatg])  mit  den 
Pergamenern,  wie  ein  solcher  durch  die  Verpachtung  der  Gefälle  Asiens 
durch  die  lex  Sempronia  vom  Jahre  128  v.  Chr.  hervorgerufen  sein  konnte. 

Assus. 

Sterrett,  Papers  of  the  American  School  of  classical  studies  at 
Athens  vol.  I  1882  ~  83,  Boston  1885,  S.  1  —90  veröffentlicht  die  von 
der  Expedition  des  Archaeological  Institute  of  America  in  den  Jahren 
1881  und  1882  gesammelten  Inschriften.  Zusätze  und  Verbesserungen 
von  Ramsay,  American  Journal  of  Archaeology  I  1886  S.  149—151. 
Ar-  —  S.  3  n.  1.  Dorischer  Säulenstumpf  mit  Bustrophedon-Inschrift:  'Api- 
ffTdv8pet[a?  ^\xtoc.  Nach  Ramsay,  a.  a.  0.  S.  149  ist  Z.  1  zu  lesen: 
'Ap(ardvdp[ij]c  x--.  Clarke,  American  Journal  II  1886 .S.  267» 285  macht 
den  Sättlenschaft  zum  Gegenstande  einer  eigenen  archäologischen  Abhand- 
lung und  liest  S.  273  (wie  jetzt  auch  Ramsay)  Z.  1:  'Apiorc^vdpe  1x[Ttyoo? 


chaisch 


XV.  Mysia:  TrakhaU.    Sandaina    Adramyttium.    Assos.  107 

—  6.  Jahrh.?  -  n.  2.  Archaische  Felsenioscbrift:  Ipov.  —  S.  4.n.  3  (mit  Ar- 
Faksim.  S.  6).  Schon  von  Allen,  American  Jonrnal  of  Philology  III  1882 
S.  468  n.  12  in  Minnskeln  publiziertes  (Caaer,  Delectus*  n.  480)  Bruch- 
stück einer  Mafsinscbriift  —  wohl  dee  Inventars  eines  Athenetempels,  in 
dessen  Nähe  es  gefunden  wurde  —  in  ftoliscbem  Dialekt  (vgl.  Röhl  II« 
94).  Hier  znerst  begegnet  die  bis  dahin  nicht  belegte  ftolische  Form  der 
3.  Pers.  Flur,  von  ifip^  =  iaat.  —  S.  7f.  n  4.  Fragment  einer  Ehren- 
inschrift auf  die  Schiedsrichter  7*]7>IJ^/bux;^oc  Me)f[dyBp%toQ  und  TyiXiii\aL][og 
'A¥oS/Kei[og  ans  Kebrene  in  äolischem  Dialekt  Nach  Ramsay,  a.  a.  0. 
Schlufs  von  Z.  17:  e/c  räv  dy[opdv.  3.  Jahrb.?  —  S.  8f.  n.  5.  Fragment 
eines  Rats-  und  Volksbeschlusses  in  äolischem  Dialekt.  Z.  4:  ^AvöSixoc 
KUoxpdT[etog,  Den  ersteren  Namen  möchte  Gildersleeve,  American  Jour- 
nal of  Phil.,  a.  a.  0.  als  Kurzform  von  Ava^idtxog  fassen.  Z.  7  bietet  der 
Stein  die  einheimische  Form  ^[/]o'tf^  (Vergl.  Cauer,  Delectns*  n.  481. 
ROhl,  a.  a  0.)  —  S.  10  n.  6.  Arg  verstümmeltes  Fragment  unbestimm- 
baren Inhalts;  äolischer  Dialekt.  —  S.  llff.  n.  7.  Fragment  des  Ehren* 
dekrets  einer  auswärtigen  Stadt  auf  die  Assier  wegen  Entsendung  von 
Schiedsrichtern.  Vorher  herausgeg.  von  Clarke,  Report  on  the  invcsti- 
gations  of  Assos  etc.  S.  136  n  II  (Röhl  a.  a.  0.)-  Der  Stein  befindet  sich 
jetzt  im  Museum  der  schönen  Kttnste  zu  Boston,  bat  jedoch  durch  den 
Transport  viel  gelitten.  Z.  23  bestätigt  die  Konjektur  von  Sterrett:  in" 
eXd[6vT'\eQ\  Z.  31  hat  dentlich  ^pdßrjffav^  nicht  ^i^Bi^<rav.  —  S.  18ff.  n.  8. 
Fragment  eines  Ebrendekrets  der  Stadt  Stratonikeia  auf  die  Assier  wegen 
gleicher  Veranlassung.  Der  Name  des  Schiedsrichters  ist  '"Apuvdp.svoQ 
BpijiTtxXecouc.  Die  Inschrift  fällt  zwischen  die  Zeit  der  Gründung  von 
Stratonikeia  durch  Antiochos  Soter  (280  —  261  v.  Chr.)  zu  Ehren  seiner 
Gemahlin  Stratonike  und  dem  Jahre  84  v.  Chr.,  wo  die  östlichen  Pro« 
vinzen  als  beruhigt  gelten  konnten.  Vielleicht  gestattet  die  Erwähnung 
des  Kultes  der  Roma  Z.  22,  der  nach  Liv.  43,  6  in  dem  wenig  nördlicher 
gelegenen  Alabanda  i.  J.  170  v.  Chr.  eingeführt  worden  war,  die  Inschrift 
um  d«s  Jahr  150  v.  Ohr.  zu  setzen.  -  S.  26  n.  9.  Fragment  einer  glei- 
chen Insebrift:  Die  Einwohner  von  Mylasa  und  Alabanda  ehren  den 
Schiedsrichter  Lanthes,  S.  des  Prodikos.  —  S.  27  n.  10.  Fragment  einer 
ähnlichen  Ehreninschrift;  nur  erhalten  Ober  einem  von  einem  Kranz  um- 
gebenen Ziegenkopf  das  Wort:  Afyadwv.  —  Ähnliches  Fragment  S.  28 
n.  11.  Nach  Ramsay,  a.  a.  0.  ist  Z.  6  die  Ergänzung  "i^^r^rjo;  unsicher. 
Z.  10  ist  zu  ergänzen:  mt  äv  npoatpjaßvrai  ^povoßt.  —  S.  29  n.  12.  Arg 
verstfimmeltes  Fragment  zweifelhaften  Inhalts     Z.  3:    al  äfineXot  ai  iv 

rm  *FoSt (ohne  Zweifel  eine  Lokalität  im  Territorium  von  Assos; 

vgl.  Ramsay,  a.  a.  0.).    —    S.  30  n  13.    Fragment  einer  Ehreninschrift  1 1 
des  Demos  und  der  in  Assos  ansässigen  römischen  Kaufleute  auf  G.  Cae- 
sar, prioceps  iuventutis  (R ei  nach,  Amer.  journ.  of  arch.  I  1886  S.  386 
ergänzt  statt:  7tdTp<o]ya  r^c  ^eorriroQ  richtiger  i}Yeii6\¥a  r.  y.)  und  Kon- 
sul l  n.  Chr.    Vgl.  hinsichtlich  des  Datums  Ramsay,  a.  a.  0.  S.  149  f.  — 


108  Griechische  Epigraphik. 

S.  32ff.  loscbrifteD  der  Lollier.  S.  82f.  n.  14.  Sarkophag  mit  folgen- 
den Inschriften :  I :  Der  Demos  und  die  römischen  Kaafleute  ehren  den  Hei- 
lanikoe,  8.  des  Athenodotos.  II— III  desgl.  seine  Gemahlin  Lollia  [A]r- 
legilla  (?),  Priesterin  und  vewxopog  der  Athene  Polias.  Nach  Ramsay, 
a.  a.  0.  S.  160  gehören  I  und  II  der  vielen  orthographischen  Verstöfse 
wegen  in  das  2.  oder  3.  Jahrh.  n  Chr.  IV  Sarkophaginschrift  der  Hei* 
lopis  (?),  T.  des  flellanikos,  aaf  sich  und  ihre  Eltern  (yovioofft).  Nach 
Ramsay,  a.  a.  0.  ist  die  Ergänzung  *EX\Xw[mQ\  unzul&ssig,  da  nach  Q 
nnr  fttr  einen  Buchstaben  Raum  bleibt.  —  S.  86  f.  n.  16.  Zwei  Frag- 
mente der  Bauinscbrift  eines  Q.  LoUius  Philetairos,  Enkels  des  Hellani- 
kos  und  der  Lollia  Arlegilla,  erblichen  Königs  und  Priesters  des  Auga- 
stus  und  des  Zeus  Homonoos,  wonach  derselbe  dem  Augustus  und  dem 
Demos  eine  Stoa  errichtete  (weniger  genau  bei  Boeckh,  GIG  8669  und 
Waddington,  Voy.  arch.  1088).  -  S.  41  n.  18.  Arg  verstQmmeltes  Bruch- 
stock  einer  Ehreninschrift  des  Demos  auf  denselben.  —  S.  40  n.  16. 
Weihinschrift:  Lollia  Antiochis,  Gemahlin  des  Q.  LoUius  Philetairos, 
ßa4TtXstHTa[4Td\  Marä  tA  Ttarpea,  Ttpaivfi  yovatxwy^  widmet  rb  ßahiv^v  xal 
rä  tnofxeva  ribt  ßaXai^we  der  ^A^podeivf^i  louk(ai  xai  rate  di^fjuoe.  Der 
Herausg.  möchte  unter  der  letzteren  lieber  Livia,  die  in  die  gens  lulia 
adoptierte  Gemahlin  des  Augustus,  als  dessen  populäre  und  vielfach  in 
den  Provinzen  göttlich  verehrte  Tochter  lulia  verstehen,  da  die  Inschrift 
nachangusteiscb  ist,  lulia  aber  seit  dem  Regierungsantritt  des  Tiberius 
in  gröfserer  Ungnade  stand,  als  je  zuvor.  —  S.  40  n.  17.  BruchstOck 
einer  gleichen  Weihinschrift  der  liOUia  Antiochis. S.  45  f.  Drei  frag- 
mentierte Ehreninschriften  des  Demos  und  der  römischen  Kaufleute:  S.  46 
n.  19  auf  ßeäv  /l[e]eouiav  ^Hpai^  v[£ay,  üeßcum^v]^  t^v  rou  Zeßaarou 
9t[ou  yovatxa  (so  Ramsay,  a.  a.  0.);  ebd.  n.  20  auf  eine  euepyivtc  zou 
xoafjLou;  S.  46  n.  21  auf  einen  ApoUonios,  S.  des  Apollonios.  —  S.47f. 
Drei  Fragmente  gleichlautender  Bauinschriften  (S.  47  n.  22  wahrschein- 
lich =  Waddington  1088  a,  ebd.  n.  28  wahrsch.  =  GIG  8670,  S.  48  n.  24), 
wonach  die  betreffenden  Gebäude  aus  den  Einkauften  von  Ländereien 
restauriert  worden  waren,  welche  Kleostratos,  uioc  nokswQ^  ipdau  6k 
'AneXkxwvTtf^y  der  Stadt  zu  diesem  Zwecke  vermacht  hatte.  ~  S.  49 
n.  26.  Fragmentierte  Ehreninschrift  auf  einen  Wohlthäter  der  Stadt,  der 
sich  namentlich  durch  Getreidespenden  an  das  Volk  verdient  gemacht 
.hatte.  Wiederherstellungsversuch  von  Ramsay,  a.  a.  0.  S.  161.  —  S  60 f. 
(mit  Tafel)  n.  26;  jetzt  im  Museum  zu  Konstantinopel  n.  740.  Bronze- 
platte mit  dem  Rats-  und  Volksbeschlufs  der  Assier  und  der  römischen 
Kaufleute,  dem  Kaiser  C!aligula  durch  eine  Gesandtschaft  zn  seinem  Re- 
gierungsantritt Glück  wtknschen  zu  lassen  und  dem  Treueid  der  Assier. 
Den  Schlafs  bilden  die  Namen  der  Abgesandten,  eines  Römers  und  vier 
Griechen  (schon  bei  Glarke,  Report  on  the  investigations  of  Assos  S.  133 
n.  1;  vgl.  Röhl  11,94).  Einige  berichtigte  Lesarten  liefert  P apadop u- 
los-Kerameus,  h£01X\  1884  S.  64^  unten.  —  S.  64  n.  27.    Bruch- 


XV.  Hysia:  Asras.    Alexandra  Troas  and  Umwogend.  109 

sttteke  dreier  EhreniosctirifteQ  des  Demos:  a  und  b  auf  Kallisthenes,  S. 
des  Hephaistogenes,  c  auf  dessen  Sohn  Aristias.  —  S.  66  f.  n.  28.  Frag- 
ment eines  ^So^fia  nepl  rou  pij  xa^iozaaBm  vffdxTopac^,  Auf  Besehlnfs 
des  Rats  und  Volkes  sowie  der  römischen  Kaufleute  wird  TL  Claudias 
Neikasis,  der  sich  als  vo/io^eri^c  um  die  Stadt  verdient  gemacht  hat, 
geehrt  (schon  bei  Glarke,  Report  u.  s.  w.  S.  139  n.  3;  vgl  Röbl  II,  94). 
Der  Stein,  jetzt  im  Museum  der  schönen  EOnste  zu  Boston,  hat  Z.  11: 
xa}raif<n^vou  r^c;  Z.  17  a.  £.  olp[)[]ov.  —  S.  68  n.  29.  Basisinschrift:  1 1» 
Rat  und  Volk  von  Assos  ehren  die  lulia  Domna  (Gemahlin  des  Septi-  " 
mids  Severas,  193 — 211  n.  Chr.),  fujrdpa  xdarpiüv  =  mater  castrorum; 
so  öfter  aof  griechischen  Inschriften.  —  S.  69  f.  n.  30.  Basisinsehnft:  t  ss7 
Nach  Rats-  und  Volksbeschlufs  ehrt  der  Prokonsul  von  Asien  Caelios 
Montius  den  Kaiser  Fi.  lul.  Gonstantius  (IL,  337 — 361).  Cael.  Montias, 
ier  10  unseren  historischen  Quellen  nur  als  quaestor  palatii  figuriert, 
wurde  868  durch  GktUos  ermordet.  —  S.  67  n.  86.  Schwer  lesbares 
Oraffito  im  römischen  Bade;  vielleicht:  7<tf*  larnipta-  x^h^^  (Obotw^ 
T8[9]fly7arv  =  noxy^ta*  xuki$  u.  8.  w.  —  S.  68 — 71  n.  37—47.  ünver- 
stindliche  Inschriftreste.  —  S.  73 — 86.  Grabschriften,  o.  49  'Aaeww 
*AifoStxeia^  n.  61  ^Äkixrpa  Japej^eta.  —  n.  48.  62  Adpi^og  'Aexke/Sa^  n.  60 
^AxxXsßcbQ  Aapi][it}^  n.  68  'Apswapsvoc  Aape)[iiiß^  n.  61  ^4^v  'Apuyva/AB¥<o^ 
n.  64  A3ia  ^HpotSa^  n.  66  [n]oaeeSe7t7:oQ  Jeo^dvjj^  n.  66  ätoipdvriQ  Ato^Vfj^ 
n.  58  Ttpidv&a  "Eparoyivr^^  n.  69  Ntx{ü]3\ripoQ^  *r\nnofie3wv  Xopfatvoc^  0tXt' 
xia^  *Apur7(ov  Mtda^  n.  65  AoxopyjSrj^  Ava$dvBij^  n.  67  ^AptavlaQ  Aa^dou^ 
n.  62  K^eTop[dx]a^  n.  63  Apeanag^  n.  66  ^OvupLdfjc  ^yfieezeg^  n.  68  Mop- 
fiarrcog^  n.  67  — atn^og?  n.  64  ^EpTjr — .  S.  79  n.  70:  nonXiwi  Ohapltat 
üonkloo  uuüi  Avc^vffeg  Axuikaa  (schon  bei  Clarke,  a.  a.  0.  8.  140  n.  6;  vgl. 
Röhi  II,  94).  S.  80  n.  71  Fragment  einer  Grabschrift  mit  Strafandrohung; 
Z.  9:  TV  [x\aiidptov,  Z.  6/6  ergänzt  Ramsay,  American  Journal  of  Ar- 
chaeology  I  1886  S.  161:  n^v  r]^c  yvvatxog'-^  itaparilßepat  ro  p]v^pa 
lä]ijp[ijTpt^  K]6p7jt^  nXoorokVL  S.  82  n.  72  Neue  Abschrift  von  CIG  3673 
Sarkophag  {(Sarfoo)  Kkaju{diou  |  MaxtSovoQ  \  xat  Kk(aodiag)  Nmi^q,  S.  86 
n.  74  Sarkophag  des  Alp,  Vv^ifwc  Mdyvou  roZ  fdopSop  ^Airaeoc  und 
seiner  Familie. 

AlexaDdria  Troas  und  Umgegend. 

Koldewey,  MDAI IX  1884  S.  47.  In  der  Nähe  der  Stadt;  rechts 
und  Hnks  gebrochen:  ^Epwffro-.  —  Grabstele  aus  den  Gräbern  6  Min. 
westlich  vom  tttrkischen  Bade  Ludscha:  'Eppoxpiaiv  |  AwxeSaeog.  —  S.  48. 
Ebendort:  ASda  \  Ntxaai'lS/xo),  —  Feranli,  V>  Stunde  von  Ludscha:  K. 
Kopvi^XiOQ  FparczüQ  \  e&ijxa  r^v  aophy  iaurw,  —  Kiösel^r,  zwischen  Ale^ 
zandria  Troas  und  Assos :  7£/o^c.|  ^toyu-\(Tou, 

Lolling,  a.  a.  0.  S.  72.  Bei  Kulagli,  in  der  Nähe  des  Sminäiion, 
oach  Alexandria  Troas  zu  setzen.    Zehnzeilige  Inschrift:  Aur.  Hygianos 


110  Grieehische  Epigraphik. 

ehrt  seinen  gleichnamigen  Sohn  oder  Enkel  wegen  seiner  Siege  im  Ring- 
kampf und  Pankration.  —  S.  73.  Aus  Kalagli  am  Lekton- Vorgebirge, 
zu  Alexandria  Troas  gehOrig;  nach  den  Dardanellen  gebracht  und  von 
dort  wahrscheinlich  verkauft  Abschrift  von  Vasilios  Kandis.  15  zeiliges 
Proxeniedekret  auf  H^oSpiae  /latoßycou  Ktavog, 


Ilium  und  Umgegend. 

LoUing,  a.  a.  0.  S.  69  f.  Oenauere  Kopie  des  von  Lebas  Wad- 
dington, Asie  Mineure  1748!<^  nach  einer  Abschrift  Calverts  ohne  Angabe 
des  Fundortes  publizierten  l7zeiligen  Fragments  eines  Tempelinventars. 
Dasselbe  stammt  nach  Aussage  des  letzteren,  in  dessen  Hause  in  Tscha- 
uakkalessi  es  jetzt  aufbewahrt  wird,  aus  der  Moschee  des  von  seinen 
Einwohnern  wegen  der  Pest  verlassenen  Dorfes  Atschikiöi,  neben  dessen 
StAtte  sich  die  Galvertsche  Farm  Thymbra  befindet.  Vielleicht  zum  ili- 
sehen  Athenatempel  gehörig.  —  S.  71.  Aus  Hissarlik  (Novum  Ilium); 
bei  Galvert  in  den  Dardanellen:  1)  Genauere  Kopie  der  von  C.  Gurtias 
Hermes  VH,  131  n.  4  edierten  elfzeiligen  Inschrift.  2)  Fttnfzeiliges  Frag- 
ment eider  Marmorplatte.  3)  Äufserst  verstümmeltes  vierzeiliges  Fragment. 

Papadopulos-Kerameus,  KE02  XV  1884  S.  56f.  Aus  Hissar- 
lik; jetzt  im  Museum  zu  Konstantinopel.  —  S.  56  n.  3:  Aouxioq  üdveipoc 
weiht  eine  Stele  Nefidtn  eln^xtü.  —  S.  56f.  n.  4.  Gousin,  BGH  IX 
1886  S.  161  f.  Proxeniedekret  der  Hier  auf  vier  Tenedier:  Teisandros, 
Aischines,  Gharoppes,  Nikasidikos,  Söhne  des  Aristoxenos;  nach  dem 
Herausg.  aus  uachalexandrinischer  Zeit,  doch  wahrscheinlich  vor  der  Zeit 
Antiochos  I. 


Sigeum. 

IGA499  Köhler,  MDAI  IX  1884  S.  122 f.    Zu  lOA  492.    Diese  furehen- 

förmig  laufende  ionische  und  attischd  Aufschrift  des  Denkmals  des  Pha- 
nodikos  wird  um  536  v.  Gbr.  angesetzt;  doch  sind  die  Gründe  nicht  stich- 
haltig. Der  Nachricht  von  der  Eroberung  Sigeions  durch  Peisistratos 
steht  die  eben  so  verbürgte  von  einer  früheren  Besitzergreifung  durch 
die  Athener  gegenüber  (letztere  nach  Duncker,  Gesch.  des  Altert.  VI* 
S.  134ff.  u.  466  um  610  v.  Ghr.).  Wenn  nun  der  seinem  Schriftcharakter 
nach  erheblich  jüngere  athenische  Volksbeschlnfs  wegen  der  Kleruchie 
auf  Salamis  (S.  401)  zwischen  570  und  560  abgefafst  sein  mag,  so  wird 
die  Inschrift  von  Sigeion  nicht  viel  jünger  als  600  v.  Ghr.  sein.  — 
V.   Wilamowitz-Möllendorff,    Index    schol.    Gölt.    Winter    1885/86 

S.  3  f.  interpungiert  in  der  Inschrift  b:     0avod/xou  ei/xl  roü flpo- 

xov(v)ijaeou  xdyto*  xparr^a  xrX, 


XV.  Myria:   Ilioni.  Sigeom.  Perkote.  Lampsacus.   Parium.        1  ]  1 


Perkote  (Pergaa). 

Lolling,  a.  a.  0.  S.  68.  Marmorplatte  im  Besitz  des  BideNMu- 
stapba:  itfa]/9c/[woc  2'«-(2)xoc;vdoc  Map[et'{S)vefü  Ebskndfrat  (4)  xal  r^ 
ci^Cii^  (6)  abroü  r6fiiX-{fi)Xi)  9pifJiix[aatv  (7)  [aürou  inoeijaev],  —  S.  6d. 
Qangerlfi«  */4  Standen  westiich  von  Pergas  am  Wege  nach  Tschanak-Ka« 
lessi.  Acbtzeilige,  schwer  zu  entziffernde  Inschrift  (=  Lebas  1748  p) 
einer  Meilensäale  mit  dem  Anfange:  7a>  deanönj  ^^¥  0X.  KXaod, 

Lampsacus. 

Lolling,  a.a.O.  8.66.  (Bechtel,  HO  171.)  Marmorplatte  mit 
der  einzeiligen  Inschrift:  V  SeTva  *AimX]Xo^ve(o^  *HneepoxX^c  KXeofinopo 
'Epfi^t,  —  Fttnfzeiliger  Rest  eines  Ehrendekrets  aaf  den  Prokonnesier 
De(metrios).  —  S.  67.  Fragmente:  1)  atdeoo  \  -n^p»»-  2)  elfzeiliges 
Fragment.  Z.  6:  ^tupav,  10:  fiipo^.  —  Fttnfzeiliges  Fragment  der  Ehren- 
inscbrift  auf  einen  Kaiser.  Z.  2:  'Fdtfjaj.  —  Im  Fufsboden  der  Kapeile 
des  Hag.  Tryphon:    Myjrpoxa  \  ^ptutg.    —    S.  68.    Sarkophagfragmente: 

1) 'Ena^pä  rij/v  (roplt[v  \  ^Ovi^4T]ejjLa}   HexouvSa)",     2)  "Yv]uouxl  Aöp. 

2exou¥^  mit  Strafiindrohang.  —  Zweizeiliges  Fragment;  Z.  2:  •-Ssutipa 
fjfidpa^  Tpfnj'-.   Darunter  das  eingeritzte  Bild  eines  Kelches;  christlich? 

Parium  (Kamaräs)  und  Umgegend. 

Lolling,  a.  a.  0.  S.  61  f.  Tschanak-Kalessi^  im  Besitz  des  Metro* 
peilten  Nikodemos  von  Kyzikos;  aus  Kamaräs  stammender  Marmorbalken. 
Auf  dessen  Frontseite  drei  Hexameter:  EIji}  piv  ix  (2)  fluptou  ''OpTu\^ 
(3)  <ro[^]^C  ajüTO'(4t)8(SaxToQ^  \  (5)  FpaTou  ro[5  {^)  psydXou,  (7)  8ff  nduva 
(8)  XüyoiQ  u7so-(9)räaaee^  |  tou^  (10)  r«  no(ijrO'(ll)'}rpd^o[tK]  xa[l  (12) 
Too^  fra[Jla]/-(ld)ovrac  dyw''{14)yi  —  S.  62.  Kamar&s.  Grabschrift  auf 
Pompeios  Himeros.  —  S.  63.  Ebd.  Oriechische  und  lateinische  In- 
schriften, von  Kiepert  abgeschrieben  und  von  Boeckh  und  Mommsen 
publiziert.  CIG  3654^  lautet:  7e/7s?  (2)  A.  Axi^¥ttü  0{pp[(o  (8)  w]x^ 
aayrec  iv  ^pou  -  -  (4)  unter  zwei  Querstrichen :  2".  MdpxtoQ  Mdyvolg  (6) ' 
0pouxTOi  0ou<fxc{c  (6)  x€u/i]aCo)^r£tfv  0oucx(]\o  xrX,  »Vermutlich  war 
Licinius  Priester  des  Priapus.«  Dazu  Mordtmann,  KE02  XV  1884 
S.  64  n.  6  die  Varianten :  0aixijv/<o  und  77.  Mdpxtog.  Ergänzungen  von 
demselben  MDAl  X  1885  8.  207.  -  CIG  3664«  lautet  das  zweite  Wort, 
wie  Boeckh  vermutete,  üu^opdrou,  —  3654 f.:  Xpuaipw^  yXulxurdra} 
(2)  [ul]w  I8iw  [0\tXo[xpdTet  (3)  pvi^p^s  X^'^'  —  ^^^  nnediert  bezeich- 
net, Jedoch,  wie  Mordtmann  a.  a.  0.  Anm.  bemerkte,  mit  CIG  3167 
identisch  ist  die  Inschrift  eines  kleinen,  angeblich  aus  Gharaki  bei  Porto 
Palid  (Nordwestkttste  der  Kyzikenischen  Halbinsel)  stammenden  Posta* 
ments:  "A^sev  {=='^A^tav)  (2)  Z^kopvaia  (3)  6ea  (4)  ^a^ofopto  (h)  Sv^ 


i 


112  Griechisdie 

/90W.  —  Zwei  OrabschriftfragmeDte,  deren  gröfseres  auf  einen  Sempronios 
und  seine  Qemablin  Claudia.  S.  64  vierzeiliges  Fragment.  —  S.  62. 
Gallipoli;  wahrscheinlich  aus  Kamaräs.  Unter  dem  Brustbild  eines  bär- 
tigen Mannes  die  Grabsohrift  des  Tiburtis  Markos  und  Tiburtis  Bassion 
auf  ihren  Vater  Tiburtis  Lukios.  —  S.  66.  Ebd.;  aus  Kamarfts.  (Bech- 
tel,  HD  115.)  Grabschrift:  "Exaxairi  {^yHpaxhßou.  —  S.  64f.  Sarko- 
phag- und  Grabinschriften.  —  8.64.  Beim  Emir-Tschesm^,  VsSt. 
von  Kamaräs,  am  Wege  nach  ßiga:  des  Aul.  Plumatns  f^r  sich  selbst, 
sein  Weib  Onesime  und  seinen  Sohn  Hermodoros.  —  Ebd.;  derKorania 
PoUa  auf  ihren  Mann  Ael.  Menandrus.  —  S.  65.  Ebd. ;  -  -  xal  rixvoec 
xareffMeOaasv  Zaߥ.  —  Ebd.:  1)  ^toyiyßoo,  2)  der  Tyria  Phoibe  Lea  auf 
ihren  Ifann  T.  Montanus.  —  Ebd.  des  Opbellios  Polion  ffir  sich  selbst 
und 'sein  Weib  Caecilia  Dionysia.  —  S.  66.  Dirmendschik,  zwischen 
Aksäs  und  Kamaräs.    Grabschrift:  J[«J$?a]vr[of  (2)  ßeloxpcrou. 

Mord tmann,  KE0£ XV  1884  S.  64  n.  6.   Grabschrift:  *AX8$iau  *  -. 

Zelia. 

Lolling,  a.a.O.  S.  58--60  nach  Limnios*  Kopieea;  nach  einer 
Zeichnung  Mordtmanns  Bechtel,  HD  114:  1)  Vierzeiliger  Rest  eines 
Proxeniedekrets.  2)  Prozeniedekret  auf  einen  Ntxa0v  (fou[p]iog.  3)  desgl. 
auf  Demophon  aus  Eresos.  4)  auf  einen  Kyzikener?  5)  auf  Kieandros 
aus  Prokonnesos.  6)  vier  Zeilen:  Die  Käufer  der  Land ereien  der  Flncbt- 
linge  sollen  den  Kaufpreis  in  vier  jährlichen  Raten  zahlen;  folgt  ein 
fUnfzeiliger  Rest  des  Verzeichnisses  der  Käufer  und  des  Kaufpreises.  — 
S.  60 f.  Vermutlich  zu  Zelia  gehörig.  Ghavutzi  am  Aisepos,  iVs  Stunden 
vom  Meer.  Kopie  von  L  Alexandres.  15  zeiliges  Beamten- (Gymnasiar- 
chen?) Verzeichnis  »wohl  noch  aus  dem  letzten  Jahrb.  v.  Chr.«  —  S.  61. 
»Aus  SarikiOi,  also  wohl  ebenfalls  nach  Zelia  zu  setzen.«  Nach  Limnios* 
Kopie.  Achtzeiliges  Fragment  einer  Orakelinschrift;  Z.  1:  7io7(r)d  /uav- 
reeov  dvciduo  -  -. 


Poemanenua  (Manyas)  und  Umgegend. 

Mordtmann,  KE0£  XV  1884  S.  64f.  n.  7.  Die  Demen,  Völker- 
schaften und  Städte  Asiens  ehren  den  Herostratos,  S.  des  Dorkalion. 
Das  zu  Ehren  des  A.  Mucius  P.  f.  P.  n.  Scaevola  (Proprätor  von  Asien 
98  V.  Chr.)  gestiftete  Fest  der  Mouxteia  Z.  5  wird  erwähnt  von  Pseudo- 
Asconius  in  Verr.  II,  27.  Cic,  div.  §  67.  Verr.  II,  21  §  51. 

Lolling,  a.  a.  0.  S.  31  ff.  In  Panderma  (Panormos)»  aus  Eski- 
Manyas.  82  zeilige  Ehreninschrift  auf  Demetrios,  8.  des  Oiniadea.  Mach 
Z.  28  fehlt  eine  Zeile  entweder  auf  dem  Stein  oder  in  der  Kopie.  — 
S.  85.    SQdlich  vom  Dorfe  Jun6ni  beim  Aisepos.     Die  4rufM^u4rcat  [Not}- 


XV.  Mysia:  Zelia.    PoemaDenns.    Gyzicus.  113 

tilait]^vw[y  errichten  ihrem  Genossen  Menekrates,  S.  des  Androoeikos, 
ein  Grabmal. 

Benndorf  und  Niemann,  Reisen  in  Lykien  und  Karien.  Wien 
1884  S.  154  Fig.  89  n.  128.  Erworben  in  Konstantinopel;  aus  einer 
Roinenstatte  3  St.  von  Manyas  und  9  St.  von  Balikesser  (Caesarea  My- 
siae).  Votivrelief  des  Menopbilos,  S.  des  Auluselmes,  und  seiner  Brfider 
an  den  Apollon  Krateanos. 

Gyzicus  und  Umgegend. 

Kartis  and  Aristarchis,  KE0I:  XVI  1885  S.  4  n.  2.  Fragment 
eines  Volksbeschlasses,  wonach  wahrscheinlich  dem  fläv  äyptog  eine  Bild- 
sftnle  errichtet  werden  soll.  Die  Erwähnung  der  Phyle  der  "Ap^aSeeg  und 
die  auch  auf  Mttnzen  von  Kyzikos  begegnende,  oberhalb  der  Inschrift 
eingemeifselte  Ziege  machen  die  Herkunft  aus  letzterer  Stadt  wahrschein- 
lich. Der  Tenor  der  Inschrift  wie  die  Bezeichnung  der  Endung  des 
Gen.  Siog.  der  2.  Dekl.  durch  O  scheinen  dieselbe  dem  Ausgange  des 
5.  Jahrh.  v.  Ohr.  zuzuweisen. 

Lolling,  MD  AI  IX  1884  S.  22  f.  Sarkophaginschriften  aus  Kyzi- 
kos; Kopieen  von  Dr.  Limnios.  S.  22  f.  der  Kallisto  Markia  und  ihres 
Gatten  [C]  Korrtios  Dominos.  S.  23  der  Diokleia  und  des  Sympheron. 
—  S.  18.  Weihinschrift  aus  Kyzikos;  Limnios'  Kopie:  des  Asklepias  auf 
Apollon.  ~  S.  19.  In  Kyzikos,  Limnios'  Kopie.  Ehreoiuschrift  des 
npayfwlreuT^g:]  Metrodoros  auf  seinen  Herrn  Aul.  Claudius  Caecina  Pau- 
sanias.  —  Desgl.  äijiiapj^txrjg  i^ouc/Ag  i^dxeg.  \  ^AptoravSpoc  Eufievoog  | 
Toitg  iaoTOü  ^6¥toy.  —  S.  24.  Desgl.  D&rftiges  Fragment  einer  metrischen 
Inschrift.  —  S.  20.  Aus  Kyzikos,  in  Limnios'  Haus  in  Artaki.  Ehrensäule 
aof  den  Kaiser  Hadrian.  —  S.  18  f.  Desgl.»  in  Artaki,  Limnios' Kopie. 
Weihinschrift  des  Sextus  Fulvins  Atticus.  —  S.  25.  Desgl.,  in  Limnios* 
Haus  in  Artaki.  Grabschrift:  'HpaxWdy^g  i  fJoAuvcxoo»  —  S.  16f.  Desgl., 
in  Artaki.  Grofse,  zu  einem  Wasserbecken  verarbeitete  Marmorplatte 
mit  einer  an  den  Rändern  und  in  der  Mitte  verstümmelten  SOzeiligen 
Inschrift  aus  römischer  Zeit.  —  S.  24.  Desgl.,  in  Artaki.  Strafandrohung 
einer  Grabschrift.  —  S.  26.  Auf  der  Pagathosquelle,  vielleicht  der  alten 
Artakie  bei  Artaki.  Best  einer  vierzeiligen  Grabschrift.  —  S.  17.  Ans 
Kyzikos,  in  Panderma  (Panormos);  Limnios'  Kopie.  Weihinschrift:  *0 
^eiva  Axe]aTopeSoü  |  iepwfievog]  xoprjQ  r^g  Uwretpag  i  Hoaeiddivt  x]a^ 
Atmwfw.  —  Desgl.,  jetzt  in  Panderma.  —  S.  18.  Marmorpostament  einer 
Säule,  deren  Bildnis  Lucilius  Paulinus  ri^  vtmxopm  narpiSt  Imkp  Jitpevap* 
Xiag  weihte.  —  S.  20  f.  Grabstele  und  Marmorplatte  mit  zweizeiligen 
verstOramelten  Aufschriften.  —  S.  21  f.  Würfelförmiger  Block  mit  der 
Aufschrift:  Edpdvot^  roü  V^u/iTtou.  —  Ebd.;  Grabschriften  mit  Relief- 
darstellungen:   8.  25  f.  des  Menophaues,  S.  des  Poseidippos;   8.26  der 

Johrtsbericht  für  AltertuBswisMiucliaft  LXVI.  Bd.  8 


]  14  Griechische  Epigraphik. 

Soteris.  -  S.  25.  Ebd.  Neue  Kopie  der  Weihinschrfft  CI6  S699  nod 
KE02  1878/74  o.  6.  —  S.  26.  Ebd.  In  der  von  Perrot,  Galatie  n.  58 
publizierten  Sarkophaginschrift  in  Panderroa  bei  dem  Tsabu-Tschesm^  ist 
die  Lficke  in  der  Mitte  von  Z.  6  gröfser,  als  angegeben,  und  es  kann 
iarw  ahxwt  ergänzt  werden.  —  Aus  Kyzikos,  jetzt  in  Armenochori.  S.  15  f. 
27zeiliges  Inschriftfragment ;  es  »scheint  Angaben  Ober  Zölle  u.dgl.  ent- 
halten zu  haben,  vermutlich  ein  Vertrag  zwischen  Kyzikos  und  einer  an- 
deren Städte.  —  S.  20.  Rings  verstümmeltes  Inschriftfragment  zu  Ehren 
eines  Kaisers  und  der  Stadt  Rom.  —  Aus  Kyzikos,  jetzt  bei  Fr.  Galvert 
in  den  Dardanellen.  —  S.  18.  Lygd]amis  widmet  der  Isis  ein  Altärchen 
aus  weifsem  Marmor.  —  S.  22  Grabstele  der  Andromache.  -  S.  24  Sar- 
kophaginschrift des  Aur.  Theodulos  Aquilinias.  —  In  Aidintschik  bei 
Kyzikos.  S.  22:  Grabrelief  mit  der  Aufschrift:  ^Apt'^yu^oug  r^  /JoXe- 
fidp)[ou.  —  S.  23  Sarkophaginschrift  des  L.  lulius  Bassus,  seines  Weibes 
Herennia  und  ihres  Sohnes  G.  Vilius  Fronto.  -  S.  19  Marmorpostameut 
mit  fragmentierter  (metrischer?)  Aufschrift.  Schlufs:  akXatg  re  zequuQ 
xa\  fw(nap][ioLt^  7wkAcu(S>  —  In  Katatoko,  auf  der  Nordseite  der  Halbinsel 
von  Kyzikos,  ungefähr  vier  Stunden  von  den  Ruinen  der  Stadt  Kopieen 
von  Limnios.  —  S.  26  f.  Grabschrift  eines  Angehörigen  der  Phyle  Aigi- 
koris  (also  Kyzikeners)  mit  Strafandrohung.  Darunter  die  Reliefbilder 
dreier  Musen  mit  den  Beischriften:  Polymneia,  Gurania,  Kalliope;  daher 
das  Ganze  wahrscheinlich  Grabstein  eines  Dichters.  —  S.  27.  Zwei  offen- 
bar zusammengehörige  rätselhafte  Inschriften,  deren  einzelne  Buchstaben 
unter  einander  geschrieben  sind;  doch  stehen  AI  ^^^  Ol  in  einer  Zeile, 
a:  OII2I  ^^kkl  s\o\p\oi\  TlGJI  al,T\o\o?  -  b:  eiZI  %Hcl  ^\S\pM 
TICOITICOINI  aflr|o|t/?  Rechts  ne'ben  b  16.  17:  AIIT  stehen  wieder  die 
Buchstaben  OHM;  ▼ffl*  a  I*  2.  Die  Zeichen  in  a  und  b  Z.  12  erscheinen 
wie  eine  Ligatur  von  £  und  OJ.  —  S.  28.  Langada  im  nördlichen  Teile 
der  Halbinsel,  ungefähr  drei  Stunden  von  der  alten  Stadt.  Kopie  von 
Limnios.  Sarkophaginschriften:  1)  des  Hermogenes  Protektor  und  seines 
Weibes  Sminthia  (wiederholt  von  Mordtmann,  KE02:  XV  1884  S.  62 

n.  1),  2)  des  Sekundos  Gorgios  und ,  3)  des  lulianus,  seines  Weibes 

Antiope  und  ihrer  Kinder. 

Mordtmann,  MDAI  X  1885  S.  201  f.  n.  28.  Aus  Kyzikos,  jetzt 
in  Konstantinopel.  Über  der  Reliefdarstellung  eines  Kampfes  des  He- 
rakles (der,  hier  vielleicht  im  nächtlichen  Streite  aus  Versehen  den  be- 
freundeten König  Kyzikos,  den  Grttnder  der  gleichnamigen  Stadt,  er- 
schlägt) Widmung  der  Strategen  und  Phylarchen  unter  dem  Hipparchen 
Phoinix  an  Herakles.  Darunter  die  Namen  von  zwei  Strategen  und  neun 
Phylarchen.  —  S.  203  f.  n  29.  2  St.  nordw.  von  Panderma.  Der  Meter 
Tolypiane  errichten  unter  dem  Hipparchen  Aristagoras,  S.  des  Arignotos, 
ein  Weihgeschenk :  ein  StotxTjr^^^  ein  ypafifixireugy  fQnf  dtäxwoe^  ein  oivo^ 
^Ao^.    —    S.  205  f.  ü.  30.   Aus  Kyzikos  (s.  S.  402).   Unter  dem  Hippar- 


XV.  Mysia:  Cyiicos  und  Umgegend.   Kepsid.  115 

eben  Meoestheus,  S.  des  Polyjdes,  errichtet  dem  Poseidon  und  der  Aphro* 
deite  Pontia  ein  Weihgeschenk  »eine  Gesellschaft,  welche  irgend  ein  mit 
der  Fischerei  oder  Seefahrt  zusammenhängendes  Gewerbe  oder  den  Zoll 
von  einem  solchen  gepachtet  hatte.  An  der  Spitze  stehen  der  äpxw)^^^ 
bezw.  zwei  »Hauptpftchterc  and  zwei  Geschäftsführer  (in}  rou  j^pi^fiaveff- 
fiou);  anfserdem  werden  die  elf  Teilhaber  (jidroj^oi)  nnd  zum  Schlafs  zwei 
htaywyol  genannt«.  —  S.  207f.  n.  31.  ErmenikOi  bei  Takvor.  Unter 
einer  Opferdarstellnng  an  Artemis  Weihinschrift  des  Glykon,  S.  des  Apol- 
lonios,  seines  Weibes  Stratonike,  T.  des  Menandros,  and  ihrer  Söhne 
Hermogenes  and  Glykod  an  die  GOttin.  -  S.  208  n.  32.  Ebd.  Grofse 
Platte  mit  Paaren  von  Fufssohlen.  Auf  einem  derselben  Reste  einer 
Ebreninschrift  auf  den  Kaiser  Tiberins.  Die  Kopie  der  Inschrift  warde 
nicht  gestattet.  —  n.  33.  Kyzikos.  Über  der  Darstellnng  eines  beatel- 
tragenden  Hermes:  ^EpfJ^]^  aaxo[^6pog?  —  n.  34.  Ebd.,  jetzt  in  Kon- 
stantinopel. Weihinschrift  des  Aar.  Dome[tios  an  ApoUon.  —  S.  209 
n.  35.  Ebd.,  jetzt  im  Museam  za  Konstantinopel  (vgl.  S.  402).  Grofser 
Block;  Grabsteine?)  des  Diognios,  S.  des  Diogoetos,  aas  Athen.  — 
n.  36.  Ebd.  Zwei  vielleicht  zusammengehörige  metrische  Fragmente  einer 
Grabschrift  auf  einen  Stog  'A[X\el$a]v8polg.  —  S.  209  f.  n.  37.  Ebd.,  jetzt 
im  Museum  zu  Konstantinopel  (S.  402).  Unter  einer  Reliefdarstellung 
Grabschrift  zweier  Brflder,  Dionysios  und  Theokritos,  SS.  des  Bakchios, 
und  ihrer  beiden  Schwäger.  —  S.  210  n.  38.  Ebd.,  jetzt  im  Museum  zu 
Konstantinopel.  Sarkophaginschrift  des  L.  lulius  Onesiraus,  mit  Strafan- 
drohung. —  S.  211  n.  40.  Halbwegs  zwischen  Panderma  und  Knrschumlu. 
Fragmente  einer  Sarkophaginschrift.  —  n.  41.  Panderma,  jetzt  in  Kon- 
stantinopel. Grabstein:  ^E^w^  BoanoL  —  Vgl.  Böanwv  auf  der  kyzike- 
nischen  Inschrift  GIG  3668. 

Wolters,  Rhein.  Mus.  41  1886  S.  346f.  giebt  berichtigte  Lesun- 
gen zu  dem  Grabepigramm  aus  Kyzikos  Kaibel  245. 

Mordtmann,  MDAI  X  1885  S.  20  n.  7.  Basrelief,  angeblich  aus 
Samos,  wahrscheinlich  aus  Kyzikos;  jetzt  im  Tschinili  Kiösck  zu  Konstan- 
tinopel (Reinach,  catalogue  no.  169).  Über  dem  Basrelief  versttimmeltes 
Namenverzeichnis,  vermutlich  Katalog  der  vioe.    Aus  römischer  Zeit., 

Latyschew,  a.  a.  0.  S.  123  n.  23  weist  mit  Keil  und  Mordtmann 
die  im  Museum  zu  Odessa  befindliche  Grabschrift  GIG  6978  Kyzikos  zu 
and  giebt  eine  neae  Abschrift  derselben. 


Kepsid  (unweit  Mandrae). 

Mordtmann,  KE0I  XV  1884  S.  63  n.  3  (=  Hamilton  324,  Lebas 
T,  1768).  Nene  Kopie  der  Sarkophaginschrift  des  Asklepiades  nnd  der 
'Apripxtg  mit  Strafandrohung.     —    S.  64  n.  4  (=  Hamilton  323,  Lebas  t  '37 

8» 


116  Griechische  Epigraphik. 

y,  1769,  Eaibel,  epigr.  n.  341).  Metrische  Grabschrift  des  Leonidas  und 
seines  Weibes  Aphrodeisia.  tcou^  rxß'  (der  Sollauischen  Ära)  =  237  o.  Chr. 

Adrian!  (Adranas,  Begidscbe-Kalessi). 

t  88  Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  63  n.  1,  unter  den  »Inschriften  ans  Bithy- 

nienc  heransgeg.  in  den  Sitzungsber.  der  bayr.  Akad.  der  Wissensch.  1863 
I  S.  201  -241  n.  47).  Sarkophaginschrift  des  KUapxo^  [M£mvS]poo  und 
seines  Weibes  A[a\Xä  Mijvo{^cAou.  Datum:  iVjouc  po^r'  (der  Sullanischen 
Ära)  =  88  n.  Chr.  -  n.  2.  Grabschrift  der  Jolfiua  und  des  /'[evjvdSeg 
auf  ihren  Vater  Aneiketos. 

XTI.  Bitbynia. 

V.  Domaszewski,  der  Osterreichische  Begleiter  Humanns  auf  dessen 
im  Auftrage  der  kgl  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Beriin  unternom- 
menen Reise  nach  Angora,  hat  auf  dieser  Expedition  eine  grofse  Zahl 
von  griechischen  und  lateinischen  Inschriften  teils  neu  entdeckt,  teils  ver- 
glichen. Dieselben  finden  sich  zusammengestellt  unter  dem  Titel  »In- 
schriften aus  Kleinasien«  in  den  Archäol.- epigr.  Mitteilungen  aus  Öster- 
reich Vn  1883  S.  168—188. 

Prusa  ad  Olympum  (Brnssa). 

In  der  Privatsammlung  des  Herrn  Scholer,  Konsuls  des  deutschen 
Reichs,  finden  sich  alle  dem  Besitzer  erreichbaren  Inschriften  aus  Bnissa 
und  Umgegend  vereinigt. 

V.  Domaszewski,  a.  a.  0.  S.  169  n.  3.  Basis  mit  Schlangenge- 
winde: 'A^a&^  Tu)[ij  (2)  TW  ßeof  xarä  imTa'{9)pjv'^A7t^a.  —  8.  170  f. 
n.  4  (=  Rhein.  Mus.  XXYII  1872  S.  323.  Mordtmann,  uuedierte  griech. 
Inschriften  S.  318  ff.).  Drei  Bruchstücke  eines  Ehrendekrets  auf  einen 
"  fierä  Toijv  auvnpeeßeurwv  elff  Hjv  IraXtav  Spfu^l^e/^  (ä  9).  —  c  7: 
-  -  To]u  abToxpdropoQ  npoc^rw^  rob^  Tipög  ßaatXia  MtB[paddTi^¥  -  -. 
a  3  die  Form:  drJv,  6:  iarJv.  —  S.  I71f.  n.  6.  Ehreninschrift  auf  (2) 
rbv  olxeOTVjv  r^c  Tmrpedo^  (3)  A.  ^Eyvdreov  Ohtxropa  (4)  AoXkavhy  (5) 
Ttpeffßeorijv  ZeßaoToUy  dv'{ff)Tt<npaTf^Yhv  BeiBovia^  (7)  xad  flovroo.  Über 
den  Geehrten  vgl  Mommsen»  CIL  III  6068.  —  8.  172  n.  8.  Ebd.  Grab- 
altar: rdeio^  'ErtcSefK  (2)  Bdaao^  irwv  (3)  ^y'.  —  S.  172  n.  6.  Weih- 
inschrift des  Atoyiwit:  'EJißiou  für  sich  und  seine  Gattin  Metrodora.  — 
A.  a.  0.  n.  7.  Kopie  Mordtmanns.  Fragment  einer  Weihinschrift  des 
^lovoffoSwpoQ  latou.  —  S.  173  n.  9.  Fragment  einer  Grabschrift:  FdetK 
'louXta  flau-'.  —  u.  10.  Unter  einem  Totenmahle  Grabschrift  einer 
Maxima  auf  ihren  Sohn.  —  n.  U.  Ebenso;  auf  einen  auvxuin^yb^  Se- 
cuudus.  —  n.  12.  Kopie  Mordtmanns.  Grabschriftfragment;  Schluft 
einer  Strafandrohung. 


XV.  Mysia:  Adriani.    XVI.  Bithynia:  Prosa  a.  8.  w.   Mndania.      117 

MordtmEDD,  Arch.-epigr.  Mitt.  ans  österr.  VIII  1884  8.  197  n.  9. 
Ehreninscbrift:  ^0  [S\fjj[jwQ  (2)  ^ABijvcuov  TetiioBi[oo  el'{S)n6vTa  xal  npd- 
$avTa  rä  äptara.  Schon  oft  publiziert,  n.  a.  CIO  8717,  Rhein.  Mos.  VII 
268  ff.  n.  71;  doch  nirgends  richtig.  —  n.  10.  Rechts  oberhalb  der  vor- 
hergehenden Inschrift  eingemauert:  ^0  d^yuog  (2)  äi\ovüatov  BaatXßoo  (3) 
xd]l  lYrBav  ^Apx^l&oo  (4)  xa\\  Seoydw^v  ^eovuaeo[u.  »Sicherlich  Vater, 
Mutter  und  Sohn.t  —  S.  198  n.  11.  Ehreninschrift,  von  der  Z.  2 — 7, 
enthaltend  den  Eaisernamen,  absichtlich  mit  dem  Meifsel  zerstört  sind. 
(8)  ^  Xa[iinp'(9)oTdTij  npoo[<ra-{10)ewy  noXtQ.  —  Orabschriften : 
S.  198  n.  12.  Unter  einem  Basrelief:  Iwa&ivijg  (2)  Mijv^u,  ~  n.  18. 
Grabschrift  des  KaXSeaeog  ^HpaxX(^xya  auf  sein  Weib  Eta,  Der  letztere 
bitbyoische  Name  erscheint  u.  a.  GIG  3722^.  3762.  —  S.  199  n.  15. 
Grabschrift  eines  '-0ew8atpou  und  Ta{\)e^vou\  vergl.  GIG  3831.  — 
S.  199  o.  14.    Verstümmeltes,  einzeiliges  Fragment 

Kontoleon»  MDAI  XII  1887  S.  269ff.  n.  36.   Umfangreiches  Frag-  i.jahrh. 
ment  der  Ehreninschrift  auf  einen  Borger,  der  zur  Zeit  des  Königs  Mi-  ^' 
thr[adate8  einen  Überfall  der  belagerten  Stadt  abschlug,  derselben  viele 
Stiftungen  verlieh  und  gemeinsam  mit  anderen  Borgern  als  Gesandter 
nach  Italien  ging. 

Zwischen  Brussa  und  Eskischehr. 

V.  Domaszewski,  a.  a.  0.  S.  178  n.  18.  Ans  Ainegöl.  Grabschrift 
der  Polyneike  auf  ihre  Tochter.  —  S.  174  n.  14.  Kursdiumln.  Weih- 
inschrift  der  Brflder  (6  ddeX^o/)  Paulos  und  Phoibos  mit  ihrer  Mutter 
Rufioa  an  den  Zeug  ßpovrwv.  —  Über  die  nur  auf  phrygischeo  Inschriften 
begegnende  Schreibung  deT  =  Au  (auch  n.  33  aus  Alpiköi)  s.  Mordtmann, 
MDAI  X  1886  S.  13  n.  2.  —  n.  16.  Korkattschesme,  vor  Bazardschik.  t  ns 
Weihinschrift  des  Marcus,  S.  des  Galpurnius,  und  des  Hermes,  S.  des 
Demetrius,  an  Demeter  !mkp  xapTtwv.  Datum:  irooc  «'  M.  [Aö]pijXio[ü] 
'Avrwvevou  =  176  n.  Ghr.  —  n.  16.  Ermeni  Bazardschik.  Widmung  des 
Pasikrates  und  Aniketos  an  den  Zeög  ßpovr&v,  —  S.  176  n.  17.  Ebd. 
Widmung  der  aovyevig  -  -  lepr^wv  an  den  Z^bg  flarntwoc*  —  n.  18.  Ebd., 
aus  Toaular.  Widmung  des  L.  Atilius  lulianus  an  den  Zeug  ßpovrwv. 
—  n.  19.  Bozuguk.  Weihinschrift:  Mi^rpl  euj^ijv  M^eog  Mvj^(oo»  —  S.  176 
n.  21.  Inönfl.  Grabschrift  des  Sohnes  Zosimos  und  des  Gatten  Hermo- 
genes  auf  Alexandra  in  sechs  Hexametern,  deren  vorletzter  unvollstftndig: 
ve/fiojüev  x^  ^Eppjoyivfjg  nSmg  iaBXog  w  .  o-  Z.  6  liest  der  Herausg.  mit 
Unrecht  'nj{y\^e  statt  r$<i^e.  —  n.  22.  Ebd.  Grabstein  eines  Akin[etos 
und  seiner  Familie. 

Madania. 

Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  199  n.  17.  Jetzt  in  Konstantinopel.  Unter 
einem  Basrelief  die  Grabschrift  der  Kaligenia  auf  ihren  Mann  Rufus.  Nach 
M.  aus  Mudaoia;  vgl.  GIG  3807. 


118  Griecfaische  Epigraphik. 


Jali  Tschiftlik,  zwischen  Tiiglia  uod  Dascylium. 

MordtmaDD,  KE0S  XY  1884  S.  73  n.  62. bnleios  Polion 

errichtet  ein  Grabmal  fOr  sich,  sein  Weib  Aelia  Aqoilina  ond  seine  Kin- 
der; mit  Strafandrohung.  —  o.  58.  Jemand  errichtet  sidi  selbst  ein 
Grabmal. 


Nicomed  a. 

Mordtmann,  MDAI  XII  1887  S.  169-173  n.  1—3.  5  (nach  Mit- 
teilungen von  Papadopulos-KerameuSi  welcher  die  Inschriften  älteren  Jahr- 
gängen der  Zeitung  NsöXo^og  entnahm  ;  ursprünglich  abgeschrieben  von 
Ghrestos  Papadopulos).  —  S.  169  n.  1.  Aureiios  0^<r(rBoc  (Festus)  restau- 
riert einen  Familiensarkophag  (rijv  npo^ovexi^v  fioo  no&Xov)  fflr  sich  und 
seinen  Sohn,  mit  Strafandrohung,  und  setzt  der  xcu/i)^  [Y^ax^^icov  (Z.  6; 
^Pa[x\fjXa\foü\y\  Z  4)  ein  Legat  aus.  Z.  7  wird  eine  auYY]iiv€[ta\  äpoj^i" 
Cava>v  erwähnt.  ~  S.  170  n.  2.  Tuzla  bei  Izmid. Kytheria  restau- 
riert T^v  npo-jrovixijv  Xdpvaxa  für  sich  und  ihren  Mann,  den  Hekatontar- 
chen  ht  rai  tep<j}  naXariw  Yalerius  Pomponius,  der  nach  9jähriger  Ehe 
ihi*  ein  Kind  hinterliefs;  mit  Strafandrohung.  Z.  12  geschieht  einer  xwivq 
'ApßeXXavwv  (vgl.  'ApßtXavwv  n.  4,  'ApßetXavoiQ  GIG  3786)  Erwähnung.  — 
S.  170  f.  n.  8.  unweit  Tuzla.  Publia  Aemilia  Eudaemonia  -  Octavia  be- 
stimmt einen  ßo^dg  für  sich  und  ihren  Mann  Aurei.  Bathyllinos;  mit 
Strafandrohung.  Z.  9:  xwfjaj  Upi^avaüv,  —  S.  173  n.  5.  Skylax,  8.  des 
Asklepiades,  bestimmt  einen  ßwfAhg  für  seinen  60jährig  verstorbenen  Bm- 
der  Aristion.  —  Die  vorstehenden  Sarkophaginscbriften  zeigen  mancher- 
lei sprachlich-orthographische  Eigentümlichkeiten  aus  sehr  Junger  Zeit. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  171f.  n.  4  (nach  Abschriften  eines  Ungenann- 
ten und  Hanson*s).  Bei  Kile  Suyu  Izmid.  Aur.  Eugenios  restauriert  ri^w 
nueXov  für  sich ;  desgleichen  Aur.  Basilissa  n^v  TtoeaXov  für  sich  und  ihren 
nach  13jähriger  Ehe  verstorbenen  Mann  Aur.  Eugenios ;  mit  Strafandro- 
hung. Am  Schlufs:  xaffjoj  'ApßiXavwv  (vgl.  oben  n.  2).  Nach  Sprache  und 
Orthographie  den  vorhergehenden  Inschriften  gleichaltrig.  —  S.  173  n.  6 
(Abschrift  von  dem  Bruder  des  Herausgebers).  Basis.  Nach  Ratsbeschlurs 
{Kpi/iart  ßouX[^g)  ehrt  M.  Aelius  Ulpianus  Hieron,  Sohn  des  äp^aofzoc  a 
ronov  Ulpianus  Hieron,  seine  Tochter  Aelia  Paula -Matrona,  eine  Prie- 
sterin der  Athene.  —  Die  Lesung  {npwrov)  rdnov  Z.  10  wird  bestätigt 
durch  die  Inschrift  von  Thyathra  BCH  X,  416  n.  26  und  durch  eine  an- 
dere Inschrift  aus  Nikomedien  GIG  3773,  welche  von  dem  Herausgeber 
a.  a.  0.  S.  173  f.  in  berichtigter  Abschrift  mitgeteilt  wird.  Derselbe  er- 
gänzt Z.  4 :  -  -  oc  x{al)  dp^ip[u]a[T]ou. 


XVI.  Bitbynia:    Dascylium.   NicomediA    Chalcedon.  Pnisias.        119 


Ghalcedon. 

MordtmaDD,  Archäol.- epigraph.  Mitt.  aus  Österreich  YIII  1884 
S.  198  n.  21.  Angeblich  in  KadikOi  (Chalcedon)  gefanden.  KanerwXeTvog 
""A^ou  errichtet  zu  Lebzeiten  seiner  Mutter  lulia  und  seiner  Tochter  (?) 
Lyde  ein  gemeinschaftliches  Grabmal  (trovBeac^).   —   C7  =  f^wmj. 

Kurtis  und  Aristarchis,  KE0I!  XVI  1885  S.  6  n.  4.  Nach 
Rats-  und  Volksbeschlufs  ehrt  AbpvjhoQ  £aßttyta\ybQ\  Kutvrtavöc,  6  auv- 
TleyiQS]*  die  Aurelia  Euphemia,  T.  toü  d$eo^Y[<a]TdToü  ßa(nXd[aß]c  He- 
xoovdeevot/  J<o^v[]^roti  durch  Errichtung  einer  Bildsäule.  —  Wegen  der 
Erwfthonng  eines  ßaatlebs  (rex  sacrificulus)  ist  die  jetzt  im  Museum  zu 
KoDstaDtinopel  befindliehe  Inschrift  mit  Wahrscheinlichkeit  auf  Ghalcedon 
znrftckiofC^hren,  wo  ein  solches  Institut  bestand. 

Latyschew,  Epigrapbische  Studien.  Ghalcedonische  Inschriften. 
(Rassisch.)  Journal  des  kais.  russ.  Ministeriums  der  Volksauf  klärung 
1886,  Juni,  3.  Abt.,  S.  297—324  mit  Tafel.    Drei  Inschriftfragmente. 

Kontoleon,  BGH  XI  1887  S.  296  n.  1.  Weihinschrift:  Avxper^peg 
TOi  hä  ßamXscoc  (2)  Avre^/Xov  rou  Oeyeerou'  (8)  AtovoatoQ  A/iuvdSa^  (4) 
JSwatysi^C  I!iv<rtYiu€toc^  (5)  diortfiog  ätovocioo  (6)  ^Effveae.  -«-  Aus  Tor^ 
römischer  Zeit.  Die  Ähnlichkeit  des  Dialektes  von  Ghalcedon  mit  dem 
der  Mutterstadt  Megaris  zeigt  sich  in  der  Namensform  &€-  statt  &eo-. 
Ein  eponymer  Basileus  (ebenso  wie  in  Megara)  war  schon  bekannt  ans 
GIG  3794.  Das  hier  zuerst  begegnende  Kollegium  der  drei  dvxpir^pec 
hatte  die  Obliegenheit  der  dydxptatQ  oder  der  Instruktion  der  Prozesse. 

E.  A.  Oardner,  Journal  of  hellenic  studies  VII  1886  S.  164f.; 
jetzt  im  Besitze  von  Kurtis  in  Konstantinopel.  Auf  das  Präskript:  To(Bb 
l[X\a][ov  aletfi)f^v  ( 2)  p^va  IloTd/juov  (3)  xcd  iare^vwaaof  dyepjova  ßouXoQ 
(4)  ßj^apov  AvrtXöxou  UoXta[r^aQ'  folgt  Z.  5 — 14  ein  Verzeichnis  von 
zehn  Aisymneten  mit  Namen  des  Vaters  und  der  Phyle  im  Genetiv.  Die 
Namen  der  Phylen  sind:  /JoXta[Ti^a^  Z.  4.  8,  Apo--  Z.  5,  Ataa-*  Z.  6, 
napre—  Z.  7.  11,  Dorrwi"  Z.  9.  10,  "OXtSv--  Z.  12,  'HpalxXf^aQ'^  Z.  13. 
—  l^\^  Inschrift  scheint  Alter  zu  sein,  als  GIG  3794,  von  deren  Phylen- 
namen  hier  nur  ein  einziger  wieder  begegnet.  Es  müssen  daher  mehr 
als  zehn  oder  zwölf  Phylen  in  Ghalcedon  existiert  haben.  Der  im  bithy- 
nischen  Kalender  nicht  vorkommende  Monat  Potamios  scheint  speziell 
chalcedonisch  zu  sein. 

Prusias  ad  Hypium  (Üsküb). 

Mordtraann,  MDAI  XII  1887  S.  I76f.  n.  7.  Den  T.  Fl(avius) 
Pomponius  Domitianus  Timokrates,  dessen  Ämter  und  Würden  mit  er- 


120  Onechiscbe  Epigraphik. 

staunlicbem  Wortschwall  aafgezählt  werden,  ehren  die  Phylarchen,  deren 
Verzeichnis  sehr  lädiert  ist  Ähnlichen  Dekreten  gleichen  Fundorts  gegen- 
über weist  unsere  Inschrift  zwei  neue  Epitheta  auf:  VXu/imov  (Z.  3)  und 
S7^/jLoaüKmjv  (Z.  4).  Das  letztere  begegnet  auch  in  einer  andern  Inschrift 
▼on  Üskfib,  Ber.  d.  Mflnch.  Akad.  Pbilos.-pbiiol.  Kl.  1863  S.  220  n.  25, 
t  816  die  in  neuer  Abschrift  mitgeteilt  wird.  —  S.  177  f.  n.  8.  Wortreiche 
Ehreninschrift  der  Phylarchen  auf  M.  Aurelius  Philippianus  lasen,  u.  a«: 
napanifjupayra  row  xuf}to[v  (8)  fffJt^]y  abtoxpdropa  M,  Ahp^Xu\y  (9)  ^Avy 
r<ove\Jvo\v  [x]a2  Bsioy  A.  2enTiiAio\y  (10)  [2']eo(;$^[o]w  xal  [r]d^  \lt]pä 
aÖT&v  arfMireufiarla  (11)  [i]v  r^  t^[c]  ^X^^  xaipip  inl  rijv  dyaTok[i^v]^ 
(12)  7Tp€<rßeu[iravTa]  napä  Betov  A.  2eTtrifuo\y  (18)  I!€ou^[pov  u.  8.  w. 
Nach  den  Untersuchungen  Waddingtons,  BGH  X,  405  f.  yerbrachte  Gara- 
calla  den  Winter  214/5  in  Nikomedien.  Nach  Pmsias  kam  er,  wie  Z.  11 
lehrt,  auf  dem  Zuge  nach  dem  Orient.  Er  benutzte  also  die  ^on  Niko- 
medien ausgehende  nördlichere  Heerstrafse.  Sein  Vater,  Septimius  Se- 
verus,  kam  nach  Ansicht  des  Herausgebers  vermutlich  nach  Prusias  ge- 
legentlich des  Zuges  gegen  Pescennius  Niger  und  zwar  auch  von  Niko- 
medien aus  (vgl.  Herodian  3,  2,  9).  —  8.  179  f.  n.  9.  Nach  Ratsbeschlufs 
ehrt  den  Marcus  Valerius  lulianus  Agrippa,  rdv  xparunov  (7)  dnb  arpa- 
retfbv  htmxöv  (8)  xai  dmrpor^plVj  dessen  Tochter  Statilia  Valeria  Agrip- 
piana  Pha[d]illa. 

Glandiopolis  (Boli). 

Mordtmann,  MDAI  XU  1887  S.  180  n.  10.  Der  Dekaprotos  M. 
Dom(itius)  Philadelphos  C^^nxc  Iti^--  errichtet  der  Lucia,  L.  f.,  Neike- 
Eunomion  (?),  (6)  r^  xp(aTiarjj)  nap&evexfj  yüvatxe\  die  im  Alter  von  38 
Jahren  verstarb,  eine  Grabschrift.  Die  Angabe  des  Lebensalters  des  Stif- 
ters fehlt,  da  der  Grabstein  zu  dessen  Lebzeiten  seiner  Frau  gesetzt  wurde. 

Dfizdsche  (antiker  Name  unbekannt). 

Mordtmann,  MDAI  XU  1887  S.  181f.  n.  12.  Fragment.  Poro- 
peia  Antipatris  ehrt  ihren  Wohlthäter,  --ou  x^poQ  £[oo'(2)fieXoxev)n^ 
aiaQ  xaX  i\napX'  (3)  y£^(/Aav/ac]  Atpxxavr^Q  in{[rponov  (4)  rJoD  auTOti 
£e߀urrou  i7ra[/>-(5)/e/aff  laXartaQ  xa\  r[«i;k  (6)  ffövev^rue  IBvafV, 

Amastris  (Amassra). 

Mordtmann,  MDAI  XU  1887  S.  182  n.  18.  Für  den  ewigen 
Bestand  und  den  Sieg  der  Kaiser  weiht  die  ^eXloaeßaaro^  (8)  ^^  J9- 
fjajrptäg  einen  Altar  durch  Zolles,  Gorgias  und  Ghrysus. 

Akschar  Scbehir  (3  St.  von  Biledjik). 

Mordtmann,  MDAI  XII  1887  S.  182f.  n.  14.  Kopie  eines  un- 
genannten, mitgeteilt  von  dem  Bruder  des  Herausgebers.  —  Andropaxos, 


XV\,  Bitfaynia:  Claudiopolis.  AxnastriB  u.  s.  w.  XVII.  Phrygia:  Dorylaeam.  121 

(A)phpfaas  und  Apol(l)onios,  Kinder  des  Li[l]les  (?),  errichtea  ihren  BrQ- 
dero  Aristoteles  und  Memnou  and  deren  Frauen  einen  Grabstein  unter 
Beibfllfe  {<T[u]v[T6X]o(u)vToe?)  ihrer  Söhne  Aristainetos  und  Ghrestos.  »Der 
Stein  verdiente  wegen  der  einheimischen  Eigennamen  einer  Revision.« 

Antiooupolis  (Tscherkesch). 

Mordtmann,  KEiPI  X\  1884  S.  74  n.  56.  Map]xeav6^,  elxsTTjg 
Sewv  [xaTaj[Boveoj]v,  weiht  ein  für  sich  und  sein  Weib  errichtetes  Grab- 
mal dem  Aldoneus  und  der  Ge  Meter.    Spuren  von  Metrik:  xeteofmi  Sk 

I  ie/(^]avov  ^ffyaiOToeo  ^koyoi  -  -.    —    n.  57.     Domitiailus,  S.  des  He- 

ra[kleides,  und  seine  Schwester  errichten  ihrem  Vater  ein  Grabmal. 

■ 

Theo.dorupolis  (Zafranboli)  und  Umgegend. 

Mordtmann,  KE0UXY  1884  S.  75  n.  59.  Fragment  einer  wahr- 
scheinlich metrischen  Grabschrift.  —  8.  74  n.  68.  Ana  Flusse  Wiran 
Schehr.  Ssuju  unweit  Ghanköi.  Dürftige  Inschriftreste.  —  S.  75  n.  60. 
Eski  Vl^iran  Schehr.  Fragment  einer  metrischen  Grabschrift.  —  n.  61. 
Ebendaselbst.  Metrische  Grabschrift  (5  Hexameter)  einer  Kleopatra  und 
eines  Schwagers  auf  ihren  verstorbenen  Mann  Gapito. 

XTIL  Phrygia. 

Dorylaeam  (Eski-Schehr). 

V.  Domaszewski,  Archäol.- epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  VII  1883 
S.  176  n  23.  ViTidmung  des  ätofdvfjQ  Tetjx[i\ou  und  seiner  Familie  an 
die  Göttermutter.  [Mordtmaun.  MDAl  X  1885  S.  14  liest:  Mr^rfA  i^etov 
Kpa[v]oafUYdJiou  (Lokalname;  vgl.  CIG  4121)].  —  S.  177  n.  24.  Ära, 
von  M.  Aur.  Titianos  Nestor  für  sich  und  seine  Familie  Mp  u}^e]aQ  xk 
aamjpeac  geweiht  V4n<f}  xk  dexetp.^)  —  n.  25.  Ramsay,  Journ.  of  hell, 
stod.  YIII  1887  S.  504.  Zwei  Stelenfragmente :  ViTidmungen  an  Herakles 
und  die  Meter.  In  beiden  das  rätselhafte  Wort  MeZeavot.  —  S  178 
u.  29  (GIG  3810).  Widmung  au  Zeu^  ßpovrwv,  -  S.  177  n.  26.  Grah- 
stele,  yon  ^Appca  Teepcuou  j'uvii  für  sich  zu  Lebzeiten  errichtet.  —  S.  178 
n.  27.    Grabschrift  des  TeuBpoQ  0tXmntxou  auf  seinen  Sohn  TeoBpag. 

Thal  des  Pursak-Tsebai. 

v.  Domaszewski,  a.  a.  0.  S.  178  n.  80.  Beim  Dorfe  Abassa.  Stele: 

^Ere^aav  l\)  *A7t'(2)^ta  rbv  iaur^c  (3)  uibv  'AnoXl6'(e)S]oTOV  xal . 

S.  179  n.  31.     Beim  Dorfe  Earajflk.    Grabschrift.    Z.  2.  3:   TeuBpavro^. 
-   n.  32.    AlpikOi.    Grabstele.    Z.  1  die  Namen  JHoxa^  und  Taxe(g,  — 


I)  Vgl.  zu  dieser  Bezeichnung  Mordtmann,  MDAI  X  1885  S.  Uff.  n.  1. 


122  Griechische  Epign^ihik. 

D.  88.  Ebd.  Grabschrift  des  Alexandras  von  Seiten  seiner  Brftder  ond 
Kinder.  —  n.  84.  Ebd.  Grabschrift  der  Rinder  des  Hypsigonos  and  der 
Asklepia  auf  ihre  Eltern. 

Mordtmann,  MDAI  X  1885  S.  12f.  Die  ^on  Fellows  (S.  137) 
zwischen  In  Oenfi  und  Eiutabja  gefundene  Inschrift  CIG  3880  (später  in 
das  Museum  zu  Eonstantinopel  gebracht,  wo  D6thier,  Epigr.  von  Byzan- 
tion  90  und  Dumont  dieselbe  nicht  viel  besser  kopierten)  giebt  M.  in 
neuer  Abschrift  und  Beschreibung.  Auf  der  Vorderseite:  ^AyaB^  Tü/j^ 
Beo7^  baiotQ  xcu  S[t'(2)xaeoeg  *^Hp6^tk[oQ  (8)  flanä  eo^^v,  —  Auf  der  1. 
Schmalseite:  ^AaxkSjQ  xa\  ^AaxX7ptä[is  (2)  oi  AaxXijnä  Xarunoe  (3)  Koup' 
vaen^voe. 

Kaimas. 

V.  Domaszewski,  a.  a.  0.  S.  180  n.  35.  Grabschrift  der  Aur. 
Diaphaneia?  —  n.  36.  Grabschrift  dreier  Söhne  auf  ihren  Vater  L.  Cor- 
nelius Publius. 

Cotyaeum  (Kiutabja). 

Mordtmann,  KE0£  XV  1884  S.  66  n.  18.  Berichtigte  Abschrift 
der  CIG  III  3815  fälschlich  nach  Dorylaeum  gesetzten  Inschrift.  Auf  die 
Grabschrift  des  7Vz]rac  auf  seine  Eltern  Tatas  und  Babüs  folgen  zwei 
jambische  Senare  mit  Strafandrahung  (bemerkenswert  die  auch  anderwärts 
vorkommende  Form  noaoiaet  ohne  p)  und  eine  Grabschrift  des  Tatias  und 
der  Tation  auf  ihr  Kind  Tatas.  —  n.  19.  Grabschrift  eines  Alexandros  auf 
einen  Priester.  —  S.  67«  n.  20.  'ABr/veog  errichtet  fdr  sich  und  sein  Weib 
'A^ea  mit  den  beiderseitfgen  Kindern  Hanäc  und  ABi^veog  ein  Grabmal. 
—  S.  67f.  n.  21.  Grabschrift  des  Aöp.  6  Mapewv  auf  sein  Weib  ^Affla^ 
seinen  Sohn  Asklepiades  nnd  seine  Schwiegertochter  ^A^da  in  Gemein- 
schaft mit  seinem  Sohne  ^Emx\Tr^oq  nebst  Strafandrohung  in  zwei  nnvoU- 
ständigen  jambischen  Senaren,  wie  oben.  Aach  hier  noffoim  (==  7i^o<r* 
otaet),  —  S.  68  n.  22.  Grabschrift  der  üeui^p/va^  Sav&{e)a  und  Tyia 
auf  ihre  Eltern  AT[X]coc  iPpoupo^  und  Tyfa,  —  n.  23.  Grabschrift  eines 
Elternpaares  (der  Name  des  Vaters  A/jJag)  auf  ihren  Sohn  Hermes.  — 
n.  24.  Kup{(X)a  errichtet  ihrem  Manne  und  sich  selbst  mit  ihren  Söhnen 
Angeas  und  ApoUonios  ein  Grabmal.  —  n.  25.  M,  üf^arvXXco^  (=  Sesti- 
lius)  n/vSapog  und  sein  Weib  Symposion  errichten  ihrem  Sohne  Ateimetos 
und  sich  selbst  ein  Grabmal.  -  S.  69  n.  26.  ^EXntZwv  errichtet  sich  selbst, 
seinem  Weibe  Kyrilla  und  seinen  ftlnf  Kindern  ein  Grabmal.  Die  Inschrift 
enthält  u.  a.  fünf  schlecht  gelungene  Hexameter.  Der  Herausg.  giebt  Ver- 
besserangen zu  der  ähnlichen  Inschrift  CIG  8185™  =  Kaibel  367.  — 
n.  27.  Apollonios  errichtet  sich  selbst  und  seinem  Weibe  Nana  mit  sei- 
nen Söhnen  Aristokles  und  Papas  ein  Grabmal.  —  S.  70  n.  28.  Abp. 
'louXiavöc  x^Xxeög  und  sein  Weib  Aur.  Diogeneia  errichten  sich  ein  Grab- 


XYII.  Fhrygia:  Kaimas.  Cotyaeom   RetiHer.  Prymnessas.  Orcistas.     123 

mal.  Vgl  den  Orabsteio  der  Tochter  des  Anr.  lol.  CIG  8827  <i.  —  n.  29. 
Ab{p.  rde}o^  und  sehi  Weib  Aip.  Mfmi  errichten  einem  Kinde  ein  Grab- 
mal. —  n.  80.  Abp.  Atowaoc  Ure^dvou  errichtet  sich  and  seinem  Weibe 
Aöp.  'Ap)[e(r:[pdT]i^  ein  Grabmal.   -  n.  31.   Grabschrift  des  Heraklios  aof 

seinen  Sohn  Maximos.    —   n.  82  des  Gaios auf  sein  Weib  ^Atpipia^ 

mit  Strafandrohung.  —  n.  38.  Anr.  Artemidoros  errichtet  fflr  sich  und 
sein  Weib  Ammio(!)  nnd  seine  Kinder  ein  Grabmal.  —  S.  71  n.  84. 
Grabschrift  anf  MevavSpog  Aio^vrou.  —  n.  86.  Grabmal  des  Aur.  Ale- 
xandros  für  sich,  sein  Weib  Aar.  Archestrate  und  seinen  Sohn  Aar.  Ge- 
nadios.  —  n.  86.  'Apearoßv  naatxpdrou  errichtet  dem  Zeoc  ßpovrwif  eine 
Votivinschrift.  ""Eroug  qn:'  =  162  n.  Chr.  —  n.  87.  Eine  Witwe  er- 
richtet mit  ihren  Kindern  Tartav\ij\^  Nuv^68otoq^  ÜTpam^xöc^  Ebro^äg^ 
'Aßi/iea  und  'BlTt/^xTi^rtK  fflr  ihren  verstorbenen  Mann  Zotikos  and  sich 
selbst  ein  Grabmal.  —  n.  88.  AtoBorog^  BipokoQ^  Iletaäg  und  Auxroci?) 
errichten  ihrem  Yater  Anktos  ein  Grabmal.  —  8.  71  f.  n.  39.  Eine  Witwe 
errichtet  ihrem  Manne  Mennas  und  sich  selbst  mit  ihren  Kindern  Epi- 
tynchanos,  Alexandres  und  Epikarpia  ein  Grabmal.  -  S.  72  n.  40.  Grab- 
schrift eines  *EmT[üY^]avo^  auf  sein  Weib  K[u]peka,  ~  n.  41  der  Aina- 
rete  anf  ihre  Eltern  Eapolemos  und  Ape.  —  n.  42.  *E7Tdljra]Boc  errichtet 
fflr  sich,  seine  Mutter  Apollonia  und  seinen  Sohn  Theodoros  ein  Grab- 
mal. —  n.  48.  Ein  K€U]<rapoQ  SoüXoe  errichtet  mit  seinen  Kindern  fflr 
sein  Weib  \n]Xaßf{a  und  sich  selbst  ein  Grabmal.  Zar  Steinmetzinschrift 
AffxX]jj[7i]äg  T€(t)pLiou  xa\  *AM$avSpo^  ^ArTanev(£)Tc  Xarunot  vergl.  CIG 
3820,  4.  —  S  72  n.  44.  Alexandros  und  Trophimos  errichten  ihren 
Eltern  ein  Grabmal. 

-Zwischen  lanlisch  und  Tschert^. 

Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  65  n.  10.   Grabstein: 'Epfiä  fiy^ifiy^^ 

XdpiV  irwv  Sixa  Sxrm. 

Resilier,  zwischen  Balat  und  Kilisse-Köi. 

Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  72  n.  45.    Grabschrifl  der  'A7te<rete(?)  auf 
ihren  Mann  Tatianos. 

Prymnessus  (Seidilar). 

Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  51.    Bei  Ramsay,  MDAI  VII  S.  186  ist 
statt  XAIMOY  zn  lesen:  Xdpfiou. 

Orcistas  (Alekian). 

Mordtnraan,   a.  a»  0.  S.  73  n.  47.     Berichtigte  Lesung  des  An-  1 165 
Hanges  von  CIG  8822®:    Aln]oxpdiropa  Kaiöopa  [M^dpxov  Aupi^Xiov  *Av-    "^^ 


124  Grieehische  Epigrapbik. 

[vatitetifov  HeßcuTTov;  Z.  4:  \i(p)fievea»6v^  llap^txdv  u.  s.  w.  ->  0^49. 
Grabscbrift  des  Alexandros  und  Gaias  auf  ihre  Mutter  —  n.  50  des 
yl/]av^C  ond  seiner  Geschwister  auf  ihre  Eltern.  —  n.  51  Rest  einer 
Grabschrift.    Z.  4.  5 :  ddBX^a}t\  -  -  Kapix<ji, 

^  ^  Ramsay  (Mommsen),  Hermes  XXII  1887  S.  311.   Eine  98  Zeilen 

lange  Inschrift,  zur  Hälfte  mehr  oder  weniger  lesbar,  ist  datiert  nach 
den  Konsuln  des  Jahres  237  n.  Chr.  Marius  Perpetuus  und  Mummius 
Coruelianus. 

Metropolis  (Surueneh). 

Mordtmann,  a.a.O.  S.  50  n.  4.  Zu  der  Inschrift  Ramsay,  a. 
a.  0.  S.  142.  Die  von  Röhl  II,  102  vorgeschlagene  Lesung  des  Epi- 
gramms wird  durch  eine  neue  Abschrift  schlagend  bestätigt.  Doch  möchte 
M.  RENnrON  7j,  4  7^t^v[üT]ov  lesen.    Z.  6  hat  der  Stein  fuvna^a. 

Harab  Oeren. 

Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  72  n.  46.  Aurelios,  seine  Mutter  Appe 
und  sein  Weib  errichten  dem  Zeb^  ßpovrwv  für  ihre  Angehörigen  eine 
Votivinschrift.    Fehlerhaft  Annali  1861  S.  187  n.  34. 

Docimium  (Eski-Karahissar). 

Mordtmann,  a.a.O.  S.  51  n.  5.  Die  Inschrift  Ramsay  MDAI 
VII,  8.  134  (Röhl  II,  102)  lautet:  Xpuatffjv  narplr^y]  de/awfiev  Joxe/ietov  | 
^v  xzeae  fioi  Mx[i\^g,  Nach  M.  hält  Kaibel  n.  666  den  Dokimos  mit 
Unrecht  fQr  eine  mythische  Person;  vielmehr  war  derselbe  (so  schon 
Ramsay)  ein  Feldherr  der  Diadochenzeit. 

Ramsay,  American  Journal  of  Archaeology  1  1885  S.  I42f.  n.  3. 
Grabschrift  (ein  Hexameter  und  drei  Pentameter)  eines  na-np  MaxeSdßV 
auf  seine  Tochter,  napHsvov  ai8oojv\  mit  Strafandrohung:  (8)  El  8e  tcc 
el{c)  ar^Xi^v  ^  ruvßov  T^v8e  dkirrj-vat^  (9)  Ahi  ol  yevifj  re  xal  mxoc 
TT^/iar^  i^ono^  (10)  /Javrore  vfptid^ouQ  naudaff  d8upaLfjLevw, 

Syooada  (Kassaba). 

Kontoleon,  BCH  XI  1887  S.  219f.  n.  13  (=  Ramsay,  BGH  VII, 
300  n.  24;  vgl.  Röhl  II,  102  u.).  Jetzt  in  Smyrna.  Fragmentierter  Yolks- 
beschlufs  zu  Ehren  des  Philonides,  S.  des  Herodoros. 

Nacolea  (Seid!  Gbaai). 

Ramsay,  Journal  of  hellenic  studies  VIII  1887  S.  502;  ungenau 
Derselbe,  Journal  of  hell  stud.  III  1382  S.  125,  ergänzt  von  Gom- 


XVII.  Pbrygia:   Metropolis.  Docimium.  Syonada.  Naoolea  u.  8.  w.     125 

perz,  Arch.-epigr.  Mitteil,  aos  österr.  VI,  52  (Röbi  II,  101).  VotiviD- 
schrift:  Kopv^XtoQ  (2)  'Avrwvio^  (3)  dd  'Pufu^  (4)  eÄ/iJv.  —  Zeus  Rhy- 
mios  hat  seinen  Beinamen  wahrscheinlich  von  einer  Kultstätte. 

Derselbe,  a.  a.  0.  8.501.  Petara  (Baghlije).  Votivinscbrift  des 
Sokrates,  S.  des  Neikolaos,  Hermes  und  des  Caius,  8.  des  Menophilos,  aus 
Nakoleia  an  den  Zeus  Petaraios. 

Derselbe,  a.a.O.  Kakkabas  oder  Kakkabokome 
iChosrew- Pascha -Chan).  Votivinscbrift  des  Alexandres,  8.  des  Archilo- 
cbos,  Kaxxaßoxwfi^c  fOr  sein  und  der  Seinigen  Wohl  an  die  Göttin. 
(Etbnikon  angenau:  Baxxaßoxaf^-njg  Ramsay,  MDAI  VII  1882  S.  182 
[ROhl  11,  102];  Mordtmann,  KE02  XV  1884  S.  61  n.  5  emendiert: 
Baxxaßox€o[/i]^'nj€).  —  Eine  Stadt  Kakabas  wird  erwähnt  in  den  Akten 
des  Konzils  von  Epbesos  431  (Mansi  IV,  1361).  Ihre  Lage  ist  wahr- 
scbeiuHch  bei  Bassara,  1  engl.  Meile  östl.  von  Chosrew-Pascha-Oban,  zu 
soeben.    Sie  gehörte  zum  Gebiet  von  Nakoleia. 

Meroa  (Kumbet,  zwischen  Metropolis  und 'Nakoleia). 

Bamsay,  a.  a.  0.  S.  498 f.     Fragment.     Mit  der  Bitte  fftr  den  fiM 
ewigen  Bestand  der  Herrschaft  des  [Gallienus],  des  Demos  von  [Prymnes-  " 
808]  und  von  N[a]k[o]Ieia  errichtet  — ,  S.  des  Appas,  iiia[B]atnl[c  /a>« 
peoßv  t]ou  KcUffapoQ,  seinem  Weibe  Rhojdos  ein  Grabmal.    Zusatz:  'Eni' 

Faioü  KwfxT^  (wohl  christl.  Name;  =  Altyntasch?) 

Ramsay,  a.  a.  0.  S.  513.    Inschriftrest:    — ATOYKflMHC 
Vielleicht  liegt  der  ursprüngliche  Ortsname  zwischen  latoo  und  — ATOY* 

Appia  (Aba,  n.ö.  vom  Mons  Dindymus  =  Murad  Dagh). 

Ramsay,  a.a.O.  8.515  in  Minuskeln.  Haidarlar.  Meilenstein;  t  »s 
'Ano  '^n\niaQ  /i{ckia)  i[}''?];  errichtet  unter  den  Augusti  Di]okletian  und  "'^* 
Maximian,  sowie  unter  den  Cäsaren  C]onstantius  und  [Galerius]. 

Tottoia  (Besch  Karisch  Eyuk). 
Ramsay,  a.  a.  0.  S.  513.    Grenzstein:  '^Opot  To-\TTOj^-\vajv, 

Aezani  (Tschavdir). 

Mordtmann,  KE02  XV  1884  S.  06  n.  13.  Grabschrift  des  So- 
stbeoes  und  Rufus  auf  ihren  Vater  Tatas.  —  n.  14  des  Menophilos  und 
Neikomachos  auf  einen  Menophilos.  —  n.  15  des  Metrodoros  auf  den 
26jfthrigen  Artemidoros.  ~  n.  16  des  Monas  auf  seinen  Brader  TaUanos. 


126  Griechische  Epigraphik. 

t  80   —  n.  17.   VoHstftiidigere  Abschrift  von  GIG  3846:  ""Eroug  8^\   (2)  VÄ]fita 
Mapoua  fivijiJajQ  ^iptv.    80  n.  Chr. 

Tribanta  (unweit  westl.  von  Aezani). 

Ramsay,  a.  a.  0.  Zemme.  Der  alte  Stadtname  mag  herzasteilen 
sein  in  der  Votivinschrift:  '0  S^/wc  o  Tpeßa]v7l{]at¥  'O^riw  (2)  Jexaew 
'Efaj]x64ft  £^f(d^£-(8)voc  xaBeipw]aev. 

Abeicta  (Taliniz  Sarai). 

Ramsay,  a.  a.  0.  S.  514.  Menas,  S.  des  M.,  'Aßeexr^iwQ  errichtet 
uTtkp  r^c  Tpex{ofAt\'(4)oLC  ^rofnjpeae  xa-(5)}  riov  i8ewv  9rav-(6)rci>w  dem  dei 
Bsvvtw  eine  Votivinschrift.  -  Zu  der  Trikomia  mochten  gehören  Abeikta, 
(Tribajnta  and  ein  dritter  Ort  bei  Otsch  Eyuk. 

Tiberiopolis  (Amet,  Hassanlar  und  Egri  6öz  im  Quellgebiet 
des  Amed  Su,  Nebenflnsaes  des  Bhyndakos). 

Ramsay,  a.  a.  0.  S*  516.  Amet  Best  einer  Basisinschrift:  -rixva 
Ttarpl  I  xal  ^ew  rifiij¥,  —  Waddington  setzt  auf  grund  seiner  Ergänzung 
'Ä\)\xt}pa]vwv  in  der  Inschrift  Lebas-Wadd.  1011  Ankyra  an  diese  Stelle; 
allein  die  Inschrift  best&tigt  diese  Herstellung  nicht.  Die  ö/wß^paot 
^eoe\  welche  Wadd.  fttr  Augustas  and  Livia  erkl&rt,  sind  vielleicht  Tibe- 
rios  and  Livia.  Oder  es  mochte  Tiberius  der  Stadt  die  Adoption  seines 
Namens  und  die  Einrichtung  eines  Kultes  seiner  Eltern  gestattet  haben. 

Traianopolis  (Giaur  ören,  6  engl.  Meilen  östl.  von  Uschak 

bei  Orta-Köi). 

^  1X9  Ramsay,  a.  a.  0.  S.  518.  Tscharik-Köi.  Ehreninschrift  der  Tpoüa- 

wmoXeerwv  noktg  auf  Hadrian  als  Euergetes  und  Ktistes.    Datum:  Stouq 
ad%  lajiyüQ)  äeioo  ß'  =  Ende  Sept  119  n.  Chr. 

Laodicea. 

Clerc,  BGH  XI  1887  8.  351  n.  6.  Denigli.  Basis.  Den  Fl(avius) 
Any[t]os,  rbv  Xafi{iip6TaT0v)  [x]6p(7jTa\  diotxy^aavra  r^v  irtoLp^ov  i$ou» 
tf/av,  ehrt  Bule  und  Demos  r^c  ^apLiTipordn^e)  A€U)dtxewv  pa^rponoXstulC' 
—  S.  352  n.  7.  Ebd.  Die  —  Larcia  —  n^v  xparearTjVj  T.  des  Sta[tilius] 
Tritonianus,  ehrt  der  Buleut  [C]  Iuli[us]  Paterklos.  —  n.  8  (ohne  Um* 
Schrift).  Ebd.  Fragment  einer  Weihung  der  Stadt  Laodicea  auf  einen 
Prokonsul  in  zwei  Distichen.  —  S.  353  n.  9.  Eski-Hissar.  Fragmentierte 
Grabinschrift  des  Laodiceers  M.  Aur.  Demetrios  aus  der  Phyle  Albenais 
und  seiner  Eltern. 


1 


XVII.  Phrygia:  TiberiopoHs.  TraiaoopolU.  Laodicea.  ColoBsae  a.  8.  w.   127 


Colossae  (Chonas). 

Giere,  a.  a.  0.  S.  353  d.  10.  Fragmentierte  Weihiflschrift  des  G. 
Cl(aiidius)  Menandros  Flavianus  auf  seinen  Sohn.  —  8.  363  f.  o.  II. 
Fragmentierte  Ehreninscbrift  auf  einen  M[a]rcu8 on,  welcher  zwei- 
mal im  Stadium  in  den  Vküfima  ^Ano^Muva^  siegte.  —  S.  364  n.  12.  _t  ^ 
VsSt.  von  Ghonas.  Weihung  der  Apphia,  T.  des  Herakles,  Priesterin 
des  Zeus  Ko ,  auf  den  Kaiser  Trajan. 


Themisoninm?   (Karajuk-Bazar). 

A.H.Smith,  Journal  of  hellenic  studies  VIII  1887  S.  226  n.  2.  umtsoo 
Meilenstein,  gewidmet  den  Augusti  Diokletian  und  Maximian  sowie  den 
Kiaapatv  Eonstantius  und  Maximian.  —  8.233  f.  n.  14;  unvollständig 
CIG  3953  m.  AlfiouifavcQ  ^A7tok'(2)A<oSoc  flXsueou  (oder  [üeu[p]ou)  er- 
richtet ihren  Brfldern  Manes  und  Gbo[r]dades  sowie  dem  Kinde  des 
Manes,  Apollos  (?  Dat:  'ÄTtoXXwSsi)  und  ihrem  auwpofoc  Protion  eine 
Grabschrift. 

Ramsay,  The  cities  and  bishoprics  of  Phrygia,  Journal  of  hellenic 
stadies  IV  1883  8.370—436,  veröffentlicht  die  Resultate  einer  von  Juni 
bis  Oktober  1883  in  Verbindung  mit  dem  Amerikaner  Sterrett  im  Auf- 
trage des  Asia  Minor  Exploration  Fund  unternommenen  Reise  zur  Fest- 
stellung der  Topographie  Phrygiens.  Von  ttber  450  Inschriften,  welche 
kopiert  wurden,  werden  vorläufig  43  der  für  die  Antiquitäten  eines  jeden 
Distrikts  wichtigsten  mitgeteilt. 

Hierapolis. 

Ramsay,  a.  a.  0.  S.  376  n.  1.  Widmung:  fiXcißeavdg  (2)  6  xal 
MovoT'(Z)ovtg{?)  eu^^apearai  (4)  rfj  ^eaX.  —  Die  Göttin  ist  offenbar  Leto; 
in  Phrygien  auch  Meter  Leto  genannt;  s.  u. 

Gonze,  Arch.  Ztg.  XLI  1883  Sp.  94.  Jetzt  im  Berliner  Museum. 
Heliefdarstellung  dreier  nach  rechts  schreitender  junger  Männer,  die,  nur 
mit  einem  Schurz  bekleidet,  jeder  einen  grossen  Hammer  auf  der  Schulter 
tragen,  von  roher  Arbeit.  Am  oberen  Rande  der  Inschriftrest:  — g  ipiloi^ 
M«wff  und  im  Felde:  ATHAZ. 

Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1885  S.  346f.;  aus  den 
wieder  aufgefundenen  >MS.  Inscriptions  collected  in  Greece  by  G.  R. 
Oockerell,  1810-14«.  —  8.  346  n.  67.  Rest  wahrscheinlich  einer  Kauf- 
inschrift  des  Sohnes  eines  Asklepijades;  Z.  3:  dyopd]aac  rönov.  —  n.  69. 
Rest  der  Grabinschrift  eines  Eutyches,  8.  des  ApoUonios.  —  n.  70. 
Rest  einer  Inschrift,  von  der  eine  Kopie  im  Archiv  hinterlegt  wurde.  — 


128  Oriechischo  Epigraphik. 

S.  346  n.  75.    Fragment:    Jemand  errichtet  einen  ßotfihq  xai  r^v  xar' 
oDTou  aopoy. 

MauoBtov  xa}  ßtßhoBr^xyj  V  1884/6  S.  79  n.  im^'  in  Minaskeln.  Die 
Zunft  der  Wollwäscher  (H  ffe/ivordrij  [2]  ipyaur/a  ratv  [3]  Iptonhßrwv) 
ehrt  den  Tib.  GUaudius)  Zoticus  als  rtputrov  ip^'a-n^yolv  (neu;  =  Werk- 
fOhrer,  Protektor?),  sowie  als  Agonothet  und  jrpa/i{so)aTsa  (10)  yaaߥ 
Ttt/v  (11)  iv  ^Aatq.^  als  npeaßeuripf  (13)  iydo$ov^  Arcbiereus  und  Wohl- 
thftter  der  Vaterstadt  Die  Aufstellung  (der  Bildsäule)  erfolgte  seitens 
der  Kommission  raiv  mpl  Map.  Aup.  (20)  'AnoXltoutov  Se^  (21)  IluXwva 
xa}  Map.  Ahp,  (22)  ^ApLpuavhyß  '4^r-(23)avoD  St^  zw  [%'(2^)xwyoQ  Map, 
Aupy}h''(2h)'yoQ  'BpfunTtou  (26)'OuvTeavou,  —  S.  78  n.  otti^'  in  Minuskeln. 
Die  im  GIG  3906  unvollständig  mitgeteilte  Inschrift  lautet:  EitksioQ  ufisev 
6  I  Ap}[ijyinj^,  —  S.  6  n.  205  in  Minuakeln.  Jetzt  in  Smyma,  Museum. 
Stein  mit  Reiterdarstellung  (Men?)  und  der  Widmung:  Jtowjat--(2) 
Tijv  ivo/^-(3)v  dv(e)Bijxa, 

Kontoleon,  BGH  X  1886  S.  454  n.  8.  3  St  von  Hierapolis;  jetzt 
•iv  Tip  xarä  r^v  SeoSov  r^c  EoaYyehxij^  ^X^^^  (doch  wohl  in  Smyma) 
ypaxpttip  Tob  x.  /I<tx^i/c.  Weihinschrift  einer  mit  einem  Adler  gezierten 
Basis:  ät\  luyiaTip  rov  derdv  (2)  JtoStopos  ßeo^iXouQ  (so)  (3)  crpa- 
reuofuvoc, 

Mossyna. 

Ramsay,  Journal  of  hell.  stud.  IV  1883  S.  878  n.  2.  Etwa  sechs 
Meilen  von  Gozyne,  in  einer  von  einem  Nebenflufs  des  Mäander  gebil- 
deten Tbalschlucht  Reliefdarstellung  der  ephesischen  Artemis  zwischen 
zwei  Reitern  mit  dem  Inschriftfragment:  V  d^poQ  b  Molaauvewu  -(2)oc 
elg  t6  aujrjrlpapfia?  —  ^  ySt>o-?(3)^i}  xa\  öTe^av[or— ? 

Dionysopolis  (Orta-Köi)  und  nächste  Umgebung. 

Hogarth  (Ramsay),  Journal  of  hell,  studies  VIII 1887  S.  377 ff., 
ediert  eine  Reihe  von  Inschriften,  die  teils  auf  der  Trümmerstätte  des 
Tempels  des  Apollon  Lermenos  bei  Badinlar  (3  St  nOrdl.  von  Demir4ji- 
Köi,  V%  St  n.O.  von  Grta-Köi  [Dionysopolis],  1  St  n.O.  von  Develar,  auf 
dem  sfldl.  Ufer  des  Mäander)  gefunden  wurden,  teils  mit  Sicherheit  auf 
dieses  Ruinenfeld  zurflckzufQhren  sind. 
tM9  S.  370  f.  n.  1.    Basis.    Z.  1  —  6:  An6XXw}^a  (2)  Aatppojyov  Bt[bv  (3) 

hte^av^  xarä  i7r[f-(4)ra;^v  Xape$ei/o[c  (5)  MevexXioog  [J<o-(6)ve;<i'<mo- 
Xekiiljs.  —  Z.  6  -  16  (späterer  Zusatz) :  Dem  Apollon  Lairmenos  weiht 
(xaraYpd^w)  Marcus,  S.  des  Dionysodoros ,  aus  Motelia  seine  Sklavin 
Ammia  xarä  r^v  intTay^^v  Beou  (Form  der  Freilassung) ;  mit  Strafandro- 
hung: ei  8e  res  inevxalXet,  (14)  Bi^aee  lg  rhu  Bedv  Ttpooret'  (lb)pLOu  [^j^k] 
ß^'  xal  &  Tov  ^eaxov  (16)  aXXa  [Sijv.]  ßf',     Datum:  hoog  aqy'  =r  209 


XYII.  Phrygia:  Hierapolis.    Mossyna.    Dionysopolis.  129 

n.  Chr.    Motella,  byz.  Metellopolis,  jetzt  Modele  (s.  S.  132),  liegt  inner« 
balb  des  Gesichtskreises  jenseits  des  Mäander;  Dionysopolis  ist  in  oder 
bei  Orta-EOi,  Vs  St  sfldw.  zu  suchen.  ~    S.  378f.  n.  2 — 7.    Znsammen- 
banglose  Fragmente  von  Freilassungsurkunden  nach  dem  unter  n.  1  mit- 
geteilten Schema.  —  S.  379  n.  8 — 11.    DoHtige  Inscbriftreste.  —  S.  381 
—389  n.  12—17.   Inschriften  in  höchst  barbarischer  Sprache  und  Ortho- 
graphie. -   S.  381f.  n.  12.    Badinlar.  — ,  [7r]o[ö]«ff(?)  'Ara[B]fiiJLd'{2)p]oü, 
kpd^  ßtadTaa  (3)  bnb  abrou  xk  ^fid'(^)pT7^aa  iv^xaß  xoX'{6)afiiaa  inb 
70Ü   ^£-(6)o5,   in\  ü  xiaTrjXo\x'\-(l)pdf7^aev  7TaLpay'{8)d^(ov  fu^Ssva  jra- 
(9)ra^/oove?[v  röv  Beov.    Die  Schuld  des  Weibes  bestand  offenbar  im  Um- 
gang mit  ihrem  Manne  während  der  Periode  ihres  Tempeldienstes.    — 
S.  382 f.  n.  13.  Ebd.  Arg  verstümmelt;  ähnlichen  Inhalts:  'A7ti[UijQ  'AnoX- 
k}ajveoo  (2)   MoreXXyjvbQ  i$ofLoXo^oü'(^)^  xoXaaBelc  bnb  toü  ßeoü^  (4) 
ine]  T^BiXjjaa  /xaeve  furä  (6)  yuvexÖQ'  Seä  robro  oöu  7ta'{S)pcaf'jrtXuß  [ff]d^ 
otv  fi[ij]Se'(1)m  xa[r}a[^p]6[v]fj  rip  »e^  inl  (8)  l$et  6[/i\eX3i^u(?y  i$  [o5 
t]ov  (9)  aT]ijXdpeov  (?)  psrä  t^c   (10)   ip[^g]  jvvexdg  (11)   Ba{a]^X]ßoc. 
Wahrscheinlich  wollte  der  zärtliche  Motellener  seine  zum  Tempeldieost 
verpflichtete  Gattin  zurückbehalten.    —    S.  383f.  n.  14.    Ebd.    'ff  deewi 
Adpij\k/otß  ^AnoX(2)X<üveou]  8e(ä)  rb  ^a/9r)^x-(3)[e]/wer  inet  np  Z^p^l^] 
he'(i)T6;^ee  xal  Serj{X)ßa  rijv  (6)  x<üpaj[u]  ävayya  kij{&)pov  [r-(6)§c  dn^ 
aptfis)  >/£.3^  ek  Ti^v  xJjp7j{v€,     (7)  ßapayeXaß,  pißek  xaTa^'(S)peafT^(rei 
TW  *6Ä<y>,  iml  i[?]'(9)ee  tt^v  aeeXt^vO)  u.  s.  w.     —     Die  Betreffende 
hatte  sich  vergangen,  indem  sie  ungeweiht  und  uneingedenk  des  Verbotes 
(btapd)  io  den  heiligen  Bezirk  getreten  war.     ~     S.  386f.  n.  16.    Ebd. 
Nach  dem  Präskript:     Miyag  'AnoXXw  Aet/iijv6g'  :  (2)  üö^pov  Upb^  xo- 
k[Be\t)^  (3)   inö  ^AnoXXotvoQ  Aet'(Z)iirjvoo   S[tdL\    r[^]  ifmp'(b)r7jvxe)fe. 
tmoiarplpoecla  (==  bnearpe^ffa?)  (6)  ?(f)^[oc?  --(7)-  l(^i)8[o]c  *A7to[X- 
(^)XQßv(e)au   Maxtd6{yo)q    xai  (9)  "ApdZovoQ   xa{\\    elx6\y\-{\Q)a    XB[X\t' 
dia(t)^'  i^opjoX[oY'(\\)y}adfjL&vo^  ei(nrjXo'ji{pd'{\2)^(Ta  'napa[Y\iXiu{y) /i[iy- 
^e]f-(13)c   xara^opvijaet  in(fiyi   r-(14)9;   xll'^P^^l  ^A\Tt6XXatvoQ  (16)  Ati\ 
fuvob.    Das  Vergehen  scheint  in  dem  Umstürzen  eines  Sessels  des  Ma- 
kedoniers  Apollonios,  einer  Amazonengruppe  und  einer  Statue  der  Cheli- 
dia(?)  bestanden  zu  haben.    —    S.  387  n.  16.    Ebd.    [A\up^Xcog  (2)  Z<u- 
77^X0^  (3)  Aijpoavpdrou  MoTeX[X-{4:)ijvbc  xoXaB{e)e[^]  inb  to(ü)  #[£-(5)oe;, 
rtapayeXajv  fuy^[e?-(6)c  avo[/T'|ov   dvaß^Tlau]   inl  rb  X'{7)<opt6v  -  -  (8) - 
ipXiQ'  fy<oye  [8*  (9)  [f[xi^)^(rd^7j¥  (?)  inl  rb  ;|f-(10)ay>/[ö]v.     Der  Inhalt 
ist  ähnlich,  wie  in  n.  14.    Z.  7  ff.  sind  dunkel  und  obscOn.   Unter  der  In- 
schrift eine  rohe  Darstellung  zweier  Oberschenkel  mit  Genitalien.    — 
S.  388  n.  17.     Orta-Köi.    —  xaBap[ßi]oTg  xk  [B]u(r{aec  [i- (2)T/ßiij<ra?  tAv 
xl6/ocov(?),  Tita  pu  rb  ipbv  aa}'(S)pa  (rafQei(?)  xk  p'  Sna(ßyk  dnoxaB^ 
<n[ij](re  (4)  T(p  ipo^^  ffwpaw  8i^  3  TrapavyeXXaf  pij$'{6)iva  lepbv  äBurov 
oJyozopxov  i<fB(iye'((^)tv^   inel   nd&cre    rä^   ipäe   (ßpa^y   xoX'(7)daeiC* 
Opfer  und  Heilung  nebst  Warnung  vor  dem  Genüsse  eines  nicht  geopfer- 
ten heiligen  Ziegenstückes.    ndBm  Z.  6  vielleicht  =  Toi&eTrae  (Fut).  — 

JahTM^trleht  für  AltertnmtwlBMiiiebaft   LXVI.  Bd.  9 


130  Griechische  Epigraphik. 

Hierhin  gehört  auch  noch  folgende  Inschrift  aus  Badinlar  in  tadelloser 
Sprache  und  Schrift:  S.  389  n.  18:  'AaxXlj^mddi^g  'ATTd'{2)Xou  l]epdQ 
xoAaff'{3)^et^  u]nd  rou  irrr^-(4)ave<rr]aroü  &€ou  (6)  'An6X\kwvog  Aap- 
(Q)fiJjvoü\  3]Te  nev^Bel^  (V)  e/c  äno?]Xo[y]eav  f}pLd-(S)p'njxev]  xal  3ti  .  . . . 
Ist  der  dritte  Buchstabe  von  Z.  7  thatsächlich  ein  T,  so  wäre  ein  unbe- 
kannter Ortsname  zu  vermuten;  wahrscheinlicher  liegt  ein  Versehen  des 
Steinmetzen  oder  des  Abschreibers  vor.  —  S.  390  n.  19.  20.  Badinlar. 
Fragmente  von  Weihinschriften  des  LoUios  an  Apol(l)on  Helios,  bezw. 
des  Askl[a8?  — nios — ,  lepo^,  an  Apo[Ilon.  —  S.  398  n.  36.  Ebd.  Stele 
mit  Reliefdarstellung  und  Inschriftrest:  —  6p^t<og  xal  ^  Yovrj  pou  Zwaepaj 
inoeec.    —    n.  87.    Ebd.    Fragment:  MorskkqvoL 

Ramsay,  Journal  of  hell.  stud.  IV  1883  S.  383  n.  6.  Ebd.  Der 
Ml3t?r  Leto  and  dem  ^Hktog  'AnoXkaiv  Aueppj^ifbQ  errichtet  ApoUonios,  S. 
des  Menophilos,  'ATuoj(wpe{'njc  fOr  seine  Kinder  Laomedon  und  Eiphiä- 
nassa  (bemerkenswert  die  homerischen  Namen)  eine  Stoa.  Ein  Ort  Atyo- 
chorion  ist  unbekannt.  —  8.  38df.  n.  6;  vgl.  Journal  of  hell.  stud.  VIII 
S.  40(K  Zeive.  Dem  Apollonios,  S.  des  Menophilos,  T<p  8eä  yivooQ  UpeT 
roZ  Zoynjpog  'Aoxhjntoo^  errichten  seine  Tochter  £iph[ian]a[s]sa  und  seine 
Enkel  ApolQoJnios,  Pa[u]lein[o]s  und  Demetrios  ein  Heroon.  —  S.  385 
n.  7;  Verbesserungen  von  Hogarth,  Journal  of  hellenic  stud.  VIII,  390 
Anm.  1.  Orta-Köi,  Moschee.  Neios,  S.  des  Theodotos,*^  widmet  der  Mi^pi 
A^fT^iflO)  ein  Weihgeschenk,  Zrt  i$  dSovdrtüv  duvazä  mß(9o)eu  Nach 
einer  nieht  zu  deutenden  Zeile:  Mi^rpl  Atjt^  ^^XV^' 

Hogarth,  Journ.  of  hell.  stud.  VIII  1887  8.397.  Orte-Köi.  n.  29. 
Orabschrift  der  TaUa  und  ihrer  Kinder  auf  ihren  Mann  Alexandres,  S. 
des  Monas.  —  n.  30  des  Papias  (Fem.?)  perä  roiv  ueiatv  auf  Sopatros. 
—  Die  folgenden  Inschriften  kopierten  Ramsay  und  Sterrett  1883:  n.  31. 
Grabschrift  des  Tatianos  III.,  S.  des  Menodoros,  auf  seine  Mutter  Me[I- 
tjine,  sein  Weib  Ammia,  seine  gleichnamige  Tochter  und  sich  selbst  — 
n.  32.  Orabschrift  des  Apollonios  auf  seinen  Bruder  Papias.  —  n.  33 
des  Marcus  auf  seinen  Vater  Philippos.  —  n.  34.  Orabschrift  einer  FL 
Apphia.  —  S.  398  n.  35.  DUrftige  Schriftreste;  wahrscheinlich  einer 
Votivinschrift  an  den  Asklepios  So]ter.  —  S.  392  f.  n.  21.  Develar.  Altar- 
förmige  Stele  mit  fragmentierten  Verordnungen  in  betreff  der  Weinberge, 
offenbar  im  Interesse  der  Besitzer  derselben.  U.  a.  Z.  l :  h$  dvTdXwv  [^ 
jr]>läiv[a]  1}  ii\r6pBov  xoitTtv  1}  yS^?-(2)ajrT<w  abräi  — ;  Z.  6:  iv  T[a?]ff 
dpniXoiC  ßoax^para  1}  o[lac  ^  (7)  äyetp  ij  xari^tv  npbQ  t^v  ßXdßi^v  4k- 
[niXwv  — ;  Z.  13:  xä  ivej^upatr/av  nodale  napä  raJu  ^e<nrora;[v  xä 
Bp»(l4)eppdTaßV  xk  noepdvwv  rwv  iXeuBipwv»  —  S.  393  f.  n.  22.  Ebd. 
Altarförmige  Stele.  A[rte]mon,  S.  des  Diomedes,  bestimmt  ein  Heroon 
und  einen  ihm  vom  Demos  bewilligten  Begr&bnisplatz  für  sich  und  sein 
Weib  Cbrysop[oli]s;  mit  Strafandrohung. 


XVIL  Phrygia:  Dionysopolis  and  Umgegend.    Salada.  131 

Ramsay,  Joarnal  of  hellenic  studies  IV  1883  S.  380  d.  3.  Sazak.  t  sts 
Fragment  der  Freilassangsurkunde  eines  Sklaven  Didymos  durch  einen 
Priester  and  seine  Qattin  in  Form  einer  Weihang  an  "Hko^  {An6XXmyf\ 
AepfiTjvdc  mit  Strafandrohung;  aus  dem  Jahre  rrc'  ==  232  n.  Chr.  — 
S.  381  n.  4.  Ebd.  Rest  einer  Strafandrohung  und  Fragment  der  Frei« 
iassungsurkunde  eines  Hierapoliten  und  seiner  Frau  in  Form  einer  Wei- 
hang  an  den  —  ^AnoXXwv  Aapßfjvog  mit  Strafandrohung.  —  S.  386  f.  n.  8. 
Ebd.  7  Zeilen  lesbar,  enthaltend  Namen  (häufig  abgeleitet  von  Apollon, 
selten  römisch)  und  Beitragssummen.  Etwa  aus  dem  Ende  des  1.  Jahrh. 
~  S.  387  n.  10.  Bekirla.  Sandsteins&ule  mit  der  Ebreninschrift:  '0  Sij-  t«?? 
fio^  6  'lepoTto^stToßv  (2)  xai  6  B^puo^  6  Jtovuaonoi^trwy  (3)  xad]  6  S^ 
[iwg]  6  BXcußuSecju  (4)  xal  T[b]  xoevd[u  t]ou  "TpyaMa^y  (6)  T\t^too  (Spat.) 
ire^m^rav  (6)  K6t\vTov  ÜXaürwv  Ohe}>[Sfxa.  —  Die  Inschrift  best&tigt  die 
Emendation  Waddingtons,  durch  welche  derselbe  Plin.,  H.  N.  5,  29  die 
Hyrgaletici  Gampi  in  die  Topographie  einftlhrte.  Das  Wesen  des  Koinon 
ist  schwer  zu  bestimmen.  Die  gemeinsame  Widmung  verschiedener  Stftdte 
an  den  Prokonsul  (?  ein  Q.  Plautius  mit  unbekanntem  Ck)gnomen  war 
Konsol  36  n.  Chr.)  scheint  auf  die  Anlage  einer  Strafsenverbindung  zu 
deuten.  —  S-  388  n.  11.  Demirdji-Köi.  Im  Jahre  at'  (wahrscheinlich  »  t  im 
126  D.  Chr.)  errichtet  Apol(l)onios,  S.  des  Philomusos,  aus  Motella  (i/o- 
TsiA^jvoff)  xarä  imrajijv  r^c  BeoQ  (=  Leto)  ein  Weihgeschenk.  —  Der- 
selbe, American  Journal  of  archaeology  II  1886-  S.  23.  Khanchallar, 
l'/s  Meilen  nOrdl.  von  Demirdji-Köi.  Qrabschrift  der  Meltine,  des  Oly- 
i[oo  und  Eleutheros  auf  ihren  Vater  Menandros;  mit  Strafandrohung:  £^ 
^k  rec  T^v  ^nijhjv  (6)  xa^ekti  ^  /mveaet,  i$ee  (7)  rouc  BeouQ  havriooQ. 
—  /laveCetv  (neu,  von/iavoc  abgeleitet)  =  » beschädigen c.  Wohl  1.  Jahrh. 
n.  Chi. 

Hogarth,  Journ.  of  hell.  stud.  VIII  1887  S.  398  n.  38.  Seid,  zwi- 
schen Badinlar  und  Dimirdji-Köi.  Die  vdoi  bestatten  den  Grammatophy- 
lax  Dionysios;  mit  dem  Verbote,  einen  andern  beizusetzen. 


Salada. 

Ramsay,  Journ.  of  hell.  stud.  IV  1883  S.  386  n.  9.  Kabalar.  Der 
Meter  Sal^sal)udene  errichtet  Titus  Flavius  Epaphrodeitos  eine  Votivin- 
schrift.  —  Derselbe,  Journ.  of  hell.  stud.  VIII  1887  S.  399 f.  in  Mi- 
nuskeln. Ebd.  Mit  rohen  Portraits  und  zwischengeschriebenen  Namen 
bedeckter  Stein,  den  nach  Z.  1  —  MrjXoxwiv/jziov  fpdrpa  dveBijxev.  Z.  2 
sind  fiYefwvec  MrjXoxaffu/jrliov  erwähnt;  Z.  4/6  ein  Melokomet  (und  ein 
Salodener?)  als  inefuXijadfievoc,  Folgen  eine  Anzahl  von  Eigennamen  mit 
der  Bezeichnung  MeXoxmfifyaji  oder  £aXoudeuQ.  —  Melokome  und  Saluda 
müssen  Orte  im  Gebiet  von  Dionysopolis  oder  Mossyna  gewesen  sein. 

9* 


132  Griechische  Epigraphik. 

Anastasiopolis  (=  Situpolis?). 

Ranisay,  Journ.  of  hell.  stud.  IV  1883  S.  391  n.  12.  Otsch  Kuyu- 
lar.  Eid  —  os,  S.  des  Asklepiades,  ^[c'{2)ovu(ro]7[o[X]seT7^Q  und  sein  Weib 
Tata  errichten  ihrem  Sohne  Rhegeinos  eine  Grabschrift. 

Motella  (Modele). 

1 1S7  Hogarth,  Journal  of  hell.  stud.  VIII  1887  S.  394f.  n.  23  in  Mi- 

nuskeln. Attalos,  S.  des  A.,  errichtet  {dnoxaHaTfjtTsv)  eine  Exedra  und 
eine  axoud  am  10.  Hyperbertaios  des  Jahres  axa  (=  137  n.  Chr.).  — 
Der  Monatsname  ist  makedonischer  Herkunft;  vgl.  u.  a.  n.  27.  —  S.  895 
n.  24.  Fragment  einer  Grabschrift.  —  n.  25.  Fragmentierte  Grabschrift 
des  Dem[ostratos,  S.  des  MJenogenes,  auf  seinen  Sohn  ApoUonios.  — 
n.  26  (kopiert  von  Sterrett  1883).    Ammia,  T.  des  Bryon,  errichtet 

1 153  ihren  Kindern  Bryon  und  Papias  ein  Grabmal.  >-  n.  27  (kop.  von  dems). 
Desgl.  Ammia,  T.  des  Menophilos,  ihrer  und  des  Papias  Tochter  Ammia; 
datiert:  7.  [Djeios  des  Jahres  aX<:'  (=  152  n.  Chr.).  Der  Dios  ist  ein 
importierter  makedonischer  Monat;  s.  o.  n.  23. 

Bamsay,  Journ.  of  hell.  stud.  IV  1883  S.  393 f.  n.  14.    a:    Abp, 

EiBojievebq  (2)   Tevpdxeeg  MorekhjvbQ  (3)  (Tüv[e\(mouSaaev   r<j}    /^/-(4)^ 

1987  abrou  dSeX^tS[e\lO)'   Darunter  b:  Grabschrift  der  Aur.  Theophiliane  auf 

ihren  Mann,  aus  dem  Jahre  rxa    =  237  n.  Chr.  —  B.  möchte  die  erstere 

Inschrift  wegen  ddek^,  =  Mitglied  einer  Bruderschaft  für  christlich  halten. 

Lunda  (an  der  Strafse  von  Demirdji-Eöi  nach  Ischeklü). 
1 19S  Bamsay,   a.  a.  0.  S.  395  n.  15.    Isabey   (Dorf  in  Baklan-Ova). 

—811 

Ehreninschrift  auf  Septimius  Severus,  gewidmet  von  Bat  und  Volk  A\oißV' 
diüßv.  -  S.  396.  Die  Inschrift  Hamilton  n.  348  ist  in  den  drei  ersten 
Zeilen  zu  ergänzen :  W  ßolukij  (2)  x]a}  6  d^fio[Q  (3)  6  Aoi}v]Siwv  —  (CIG : 
1 1S8  TpaX\kiwv^  Wadd.  ^rpYa\Xea»v).  —  S.  396f.  n.  16.  Kavaklar.  Basis  einer 
Statue  des  Antoninus  Pius,  welche  Apol[l]odoto[s,  S.  des  D[io]doros, 
l&lrpa'njyafv  r^c  narpiSoQ  perä  roü  narpÖQ  errichtet  bnkp  shatßttoüc  tTq 
Iq  rbv  Kbptov  xcä  iptkorttfitag  riJQ  ei^  rij/y  narpßa.  —  Ob  die  Inschrift 
aus  Lunda  stammt,  ist  nicht  völlig  sicher. 

Eumenia  (Ischeklü)  und  Umgegend. 

Bamsay,  a.  a.  0.  S.  399 ff.  Von  den  vielen  Grabschriften,  die  sich 
hier  finden  (42  Inschriften  wurden  kopiert),  teilt  der  Verf.  eine  Anzahl 
aus  dem  3.  Jahrb.  n.  Chr.  mit,  welche  schon  einen  starken  Einflufs  des 
Christentums  zeigen.     Vgl.  uuter  XL:  »Titnli  christiani«. 


XYII.  Phrygia:  Anastasiopolis.    Motclla.    Lunda.     Eumenia.        133 

Paris,  BGH  VIII  1884  S.  283 ff.  Ischekltt.  A.  a.  0.  n.  1.  Grab- 
schrift des  AbpfjXto^  Fdeo^  ^A7t[eX]kä  für  sich,  sein  Weib,  seine  Mutter 
Qod  seinen  Freund  Onesimos  mit  dessen  Weib,  mit  Strafandrohung.  — 
S.  236  f.  n.  3.  4  verbesserte  Lesarten  zu  zwei  Grabschriften  von  Perrot, 
Revue  arch^ol.  1877  und  Inscriptions  d'Asie  Mineure:  des  Aur.  Diony- 
sios  und  einer  lulia  auf  ihren  Mann  Marcius  Eubulus.  —  S.  286  n.  6. 
Oberhalb  des  GIG  3902  publizierten  Fragments  sind  zehn  Zeilen  lesbar 
gemacht  worden,  welche  eine  Grabschrift  des  Aur.  Zotilcos  auf  sich  selbst, 
sein  Weib  Aurelia  und  einen  Bruder  enthalten.  —  S.  236  n.  6  Frag- 
ment einer  Ehreuinschrift  (auf  einen  Kaiser?).  -  S.  237  n.  7.  Einfachere 
Ergänzung  der  Ehreninschrift  auf  den  an  Ehren  und  Würden  reichen 
Monimos,  S.  des  Ariston  (Letronne,  Journal  des  Savants  1826  S.  830 ff* 
GIG  3886). 

Mordtmaun,  KEiPl"  XV  1884  S.  66  n.  11.  Ebd.  Grabschrift 
eines  Asklepiades.  —  u.  12.  'AxukaQ  ß'  [X\aTun[ö]g  weiht  Koptwt  'A(txXij' 
maß  ZiüXTjpi  xal  Tyeta  {^socg  iwfjxootQ  einen  Altar. 

Paris,  a.a.O.  S.  239f.  n.  l.  Emeldjik.  Interessante,  pessimi- 
stisch-epikureische Fragmeute  der  metrischen  Grahschrift  eines  Gelehrten 
in  der  Friedhofsmauer,  an  deren  sorgfältiger  Kopie  der  Herausg.,  nach- 
dem er  einige  hinderliche  Steine  zertrttmmert,  durch  die  von  dem  Iman 
aufgehetzten  Dorfbewohner  verhindert  wurde.  Gleichwohl  gelang  es  ihm 
noch,  einen  Abklatsch  zu  nehmen.  —  2V9  +  7  Distichen:  Zu  Lebzeiten 
hat  das  Grabmal  Mo(j{aatQ  d\axyi^s}g  [l^dtog  npayiiartxbQ  fOr  sich,  sein 
Weib  Tatia  und  seine  Kinder  errichtet.  An  irdischen  Schätzen  besafs 
er  nicht  viel;  ypdppatn  8*  rjaxijBrjv  ixn[6\vi(Tag  perpeocg,  mit  denen  er 
seine  Freunde  ergötzte.  Halte  niemand  Reichtum  für  beständig,  nätn 
yäp  eeg  ^ASi^g  xal  Te[k]üg  iartv  titrov.  \  ^Eartv  reg  fis^rotg  tov  iv  xr^ßiatriVf 
00  nXiov  6uTo[gy  \  raurb  /xerpov  yahjg  7:pb{g]  rd^ov  ix8e[)[\erat,  \  Zneu^ 
Sere,  t^v  4^^Z^^  eä[fp]/oaAer£  ndvTore  _  ^  |  w\g  ^Sug  ß{oTog^  xal  pirpov 
i^l  Co^c  xrX.  —  S.  241  n.  2.  Ebd.  Grabschrift  auf  die  BrOder  Theo- 
genes und  Meliton,  errichtet  von  des  letztern  Sohn  Gaios  Zotikos.  — 
S.  242  n.  3.  Dorf  Dede-Köi.  Grabschrift  des  Markellos,  S.  des  Mar- 
kos, auf  seinen  Bruder  Damas  und  seine  Mutter  Apphia.  —  S.  244  n.  6. 
Tschivril.  Grabschrift  des  Diodorus  auf  seinen  Sohn,  den  Soldaten  Fl. 
Diodorus.  —  n.  7.  Grabschrift  des  Sohnes  eines  Demetrius  mit  Straf- 
androhung. —  S.  246  n.  9.  Aldan.  Ehreninschrift  des  Demos  auf  Ger- 
manicus,  nach  dessen  Konsulat  (12  oder  18  n.  Chr.).  Hier  begegnen  zu- 
erst drei  Archonten  in  Eumenia;  der  Name  des  Einen  derselben,  Her- 
magenee,  fehlt  bei  Pape.  —  S.  246  n.  10.  Grabschrift  der  Ammia  auf 
sich  selbst,  ihren  Mann  Damas  und  ihre  Kinder  Euandros  und  Stratonike, 
njit  Strafandrohung.  —  S.  246 f.  n.  ll.  Grabschrift  der  louXea  Mr^rpo" 
^atpouj  Ebfuver/g^  auf  sich  selbst,  ihren  Mann  Faustus  und  ihre  Kinder 
Zotikqs  und  Alexandres  mit  deren  Weibern.  ~  S.  247  n.  12.   Grahschrift 


134  Griechische  Epigraphik. 

4as  EnxenoB  auf  seiDe  Eltern  Eax.  und  Apphia.  —  S.  248  n.  14.  Ge- 
seljesfl.  Grabschrift  des  üam^ac  'ArrdXoo  Vpyalebg  auf  sein  Weib  Tata. 
Mit  Recht  bezieht  Ramsay,  American  joorna]  of  archaeology  n  1886 
S.  23  das  Ethnikon  auf  den  selten  vorkommenden  Namen  Hyrgalea  (s. 
»Koinon  der  Hjrgalischen  Ebenec  S.  131).  ~  n.  16.  Grabschrift  eines 
Tryphon  auf  sich  nnd  sein  Weib.  ~  S.  252 f.  n.  21.  Jamanar.  Grab- 
t^se  cippus  einer  Familie  mit  folgenden  Inschriften:  l)  ^£rwc  rx'  (320  der 
Sullanischen  Ära  =  236  n.  Chr.)  und  Name  des  Familienhauptes,  des 
Veteranen  Aur.  Dionysios.  2)  Grabschrift  seines  Weibes  'louXia  IbBolot^ 
IlpBtZijVTj  nnd  seines  Sohnes  Straten  auf  ihren  Mann  und  Vater.  3)  Eigne 
Grabschrift  des  Dionysios  und  Straten. 


S  e  b  a  8 1  e  (Se vaatle-Sedjikler) . 

Fünf  Stunden  von  IscheklU  (Eumenia)  auf  dem  Wege  nach  üschak, 
am  FuTse  des  Bulgas  Dagh,  liegen  zwei  Dörfer,  Sedjikler  und  Se- 
vastle.  Letzteres  liegt  auf  der  Stätte  des  alten  Sebaste,  wfthrend  in 
Sedjikler  sich  die  Nekropole  der  alten  Stadt  befindet  (Paris).  —  Nach 
Ramsay  nehmen  die  drei  Dörfer  SeljOkler,  SivaslO  nnd  Bunarbaschi  die 
Steile  des  alten  Sebaste  ein. 

t905  Paris,  BCH  VII  1883  S.  449 f.    Sevastle.    Der  Memmia  Aristo 

Teuthrantis,  dp^^cdpeea  t^q  ^Aatag  (des  Augustus  und  der  Roma)  errichten, 
nachdem  ihr  diese  Ehre  durch  wiederholten  Rats-  und  Volksbeschlufs  zu- 
erkannt worden  war,  ihre  Sklaven  und  ihr  Pflegevater  Kl.  Memmios  Kyros 
eine  Statue.  Datum:  Stouq  <mB'  (so  nach  Ramsay,  Journal  of  hellenic 
studies  IV  1888  S.  411;  Paris:  nB')  =  206  n.  Chr.   —   S.  462ff.    Ebd. 

1 99  Verzeichnis  von  latkBovrBQ  [B\lg  x^y  yspouaiav  aus  d.  J.  pny'  ==  99  n«  Chr. 
Dasselbe  enthält  auch  die  Namen  dreier  Frauen  aus  jener  Erzpriester- 
familie: lulia  Teuthrantis,  Klaudia  Teuthrantis  und  ihrer  Tochter  lulia 
luliane.  —  Zu  diesem  Gerusiastenkatalog  geben  Ramsay,  a.a.O.  und 
Mordtmann,  KE0JS  XY  1884  S.  51  n.  7  einige  verbesserte  Lesarten: 
Z.  2/3  R.:     'AiTxhjmdSou  roü  'Epfioyevoug  statt  'AffxXijmddou  ^ Eppuoyiyoog^ 

Z.  6  R.:    ßeoyemjQ  IJanä  statt  BsoyivvjQ  [ Jt^a,   Z.  30  R.  und  M.: 

Hhjvö^eXo^  ß'  (=  Mfjy.  roü  MijvoiptXotj)  Aim8o<:  statt  M^iv.  BXentBoQ^  Z.  82 
R.  und  M.:  OUytuv  statt  lAEFAN,  Z.  40f.  col.  1  R.  und  M.:  Aki^av- 
Spog  JUeUzwvog  AovyeTvog  \  At6S(upoQ  SavficTtnou,  Z.  40  col.  2  R. :  ü^vo- 
xperou  rou  xal  Movravoo  {J^  deutlich  sichtbar)  statt  limoxptrou  rov  xa} 
Novrdvoo^  Z.  42  M.:  'Apj^ex[p]dTou  statt  Aii^txdrouy  M]ovTavou  statt 
NON— ,   Z.  46  M. :    rdX^oc  sUtt  TEMIOZ ;   doch  sind  nach  R.  die 

1 34»  beiden  AA  zu  M  verbunden.  —  S.  451.  Ebd.  Rat  und  Volk  ehren  den 
Q.  Memmins  Charidemus  Teuthras,  Aala^  dpxupewv  iyyovoy^  iponij  Spe- 
OToy  fii^opa.  Die  Statue  ist  errichtet  von  seiner  Mutter  Statilia  Kalli- 
gone  i.  J.  rxfi'  =  245  n.  Chr.    Z.  10  ist  nach  Ramsay,  a.  a.  0.  npoiHfi^ 


XVII.   Phrygia:    Sebaste.    Dios  Kome.    Acmonia.  135 

aofievi^Q  statt  noei^aafievf^c  zu  lesen.  Die  Inschrift,  die  40  Jahre  jlknger 
ist,  als  die  obige,  giebt  einen  neuen  Beweis  fQr  die  Erblichkeit  der  Erz-' 
Priesterwürde  in  einer  und  derselben  Familie. 

Ramsay,  a.  a.  0.  S.  410  n.  26.  Ebd.  Im  Jahre  uoß'  (»=  388  tsss 
a.  Chr.)  erwirbt  A]ur.  Pau[ll]os  Eageni — ,  S.  des  Hermago[ras,  ein  He- 
roen. —  Wegen  des  Ausdruckes  iHeroonc  in  einer  so  späten  Inschrift 
wohl  nicht  christlich;  auch  würde  ein  Christ  seinen  Namen  wohl  gleich 
dem  des  Apostels  geschrieben  haben.  Andrerseits  begegnet  jener  Aus- 
druck in  der  christlichen  Inschrift  Lebas  785  vom  Jahre  353.  —  A.  a.  0. 
Lebas  730  Z.  3   ist  zu  lesen:     KX[ouj]Seav  Nedp^oo^  Z.  5:    /^/av,  Z.  20: 

Paris,  a.  a.  0.  S.  466  f.  n.  2.  Sedjikler.  Aristion,  Theoxenes 
(Bamsay  vermutet  Theogenes),  Metrodoros,  Euagoras  errichten  ihrem 
Vater  bzw.  Sohn^)  Attalos  ein  Grabmal. 

Etwa  4 — 5  engl.  Meilen  nOrdl.  von  Sivaslü  liegt  ein  Qehöft  Paya- 
malan,  dessen  Wände  mit  Inschriften  bedeckt  waren,  die  aus  einem  Trüm- 
merhaufen etwa  eine  Meile  westlich  stammen.  Dort  finden  sich  Spuren 
einer  alten  Stadt  (Palaio-Sebaste),  wahrscheinlich  der  ersten  Anlage 
von  Sebaste. 

Ramsay,  a.  a.  0.  8.  413  n.  28.   Fragment  einer  Ehreninschrift  aus 
spftthelleaistischer  Zeit.    Ist  die  Ergänzung  nav[B]i}via(^  =:  navdotvtatc 
Z.  8  richtig,  so  würde  diese  Schreibung  ein  bemerkenswertes  Beispiel 
für  u  =  <;r  im  1.  Jahrh.  v.  Chr.  abgeben.   —   n.  27.    Arg  fragmentierte  t  m-st 
Ehreninschrift  auf  den  Kaiser  Tiberius. 

Dios  Kome  (unweit  n.w.  von  Seljükler). 

Ramsay,  a.  a.  0.  S.  415  n.  29.    Tabaklar;  Herkunft  des  Steines  1 346 
unbekannt.    Dem  [Kaiser  M.  lulius  Philippus  (der  Name  ist  ausgekratzt)] 
und  dem  gesamten  Hause  der  Ießa<n[ot  errichtet  ^  (6)  ätoaxwfi\yir\at¥ 
xaroexfa  (7)  r^Jc  kafinpordTTj^  2e/9a[<7-(8)r])^vttiw  TTokewg  ein  Denkmal; 
folgen  die  Namen  der  inc/ieAijaafjLevwv,   Datum:  £touc  tX'  ^  246  n.  Ohr. 

Acmonia  (=  Ceramon  Agora  des  Xenophon). 

Ramsay,  a.  a.  0.  8.  415f.  n.  30;   ausführlicher  derselbe,  Ame-  tc^^re 
rican  Journal  of  archaeology  I  1885  S.  146-149  n.  5;  wiederholt  Journ. 
of  hell.  stud.  VIU  1887  S.  465.   Shabban,  ungefähr  eine  Stunde  n.ö.  von 
Akmonia.   Ehreninschrift  auf  L.]  Servinius  L.  f.  [Aemi]lia  Cornutus,  einen 


1)  Nach  Ramsay,  a.a.O.,  der  diese  Inschrift  nicht  su  Gesieht  bekam, 
offenbar  irrtümliche  Auffassung.  >It  must  be  read  learpl  ^doriicv^  on  the 
supposition  that  the  engraver  bas  twice  engraved  TE.c 


136  Griechische  Epigraphik. 

der  drei  Legat!  Augusti  pro  praetore  unter  dem  Prokonsnl  M.  Aponius 
SaturninuB.  —  Zum  teil  durch  eine  Verbesserung  Waddingtons,  zum  teil 
auf  grund  einiger  von  Wadd.  publizierter  Fragmente  (Lebas  750.  751), 
die  sich  auf  denselben  Geehrten  beziehen  und  wahrscheinlich  zu  verschie- 
denen Ehreninschriften  des  Grabmais  gehören,  ist  eine  vollständige  Re 
staurierung  der  Inschrift  möglich.     Das  Fragment  Leb.  751  (ßrunnenin- 
scfarift  auf  der  Strafse  zwischen  Islam-Köi  und  Ahat-Köi)  ist-  auf  grund 
einer  neuen  Abschrift  R.'s  herzustellen :  MxmfBpov  in\  rwv  xX>jpo\fo]fjuxwv 
Sexatmjp/wv  {=  decemvir  stlitibus  indicandis;  die  Übertragung  ist  neu), 
ra/i/a[w]    8i^fio[u   'Pw/iaewv    inap^tiaq    KuTzpou   (2)  ot    /'ov]£?c   abrou    rb 
^<pov  xareaxeuaffav;  das  Fragment  Leb.  760:    —  Al\fid{qL  Ko[pvouTou 
—  (2)  —  C^4T]avTd  [re   xoofiiwQ  xal   —    und  ein  von  Sterrett  kopiertes 
Fragment  (Susuz-Köi,  Kirchhof) :   —  aT]paTrji[Y\6g^  rtpsffß^uTijc  xal  dv«- 
arpdrrjYo^ — .    Der  Text  unserer  Inschrift  ist  demnach  herzustellen:  —  ^ 
;ro^£C]   ilreifjjjaev    (2)    Ao(}xt]ov    ZEpouijvtov    Jo[uxcou    ulbv    (3)    Alßie]Xi^ 
KopvouTOVf   8e[xavdpov  (4)  in]}  rwv  xhjpovopcxwv  Sexa\(m^p{<oVf  (5)  ra- 
pJav  d^ßOü  'PcjßJLcUoßv  ina[pj(e{a^  (6)  Kurtpou^  dyopavdpoVy  (rrpanj^olv,  (7) 
np^aßtoz^y  xa\  dvretrrpd'njYolv  (8)  Mdpxm  ^Antüveo}  Uaroupveeva»  )i(Tt[av^Q 
(9)  inap^siaQy  rbv  kawnJQ  eöepYez[ijv,    —    M.  Aponius  Saturninus  war 
nach  Tac.  Hist.  ein  hervorragender  Parteigänger  Vespasians  im  Kriege 
mit  Vitellins.     Tac.  nennt  ihn   »consularis« ;  doch  ist  das  Jahr  seines 
Konsulates  unbekannt.    Wahrscheinlich  war  er  unter  Vespasian  Prokonsul 
von  Asien  und  ist  vielleicht  als  96.  oder  97.  in  die  Liste  Waddingtons 
(Fastes  des  provinces  d^Asie)  einzuschalten.   —   Der  Familienname  Ser- 
vinius  Cornutus  begegnet  sowohl  in  Akmonia,  wie  in  Ancyra  (Galatien). 
Ein  Inschriftfragment  von  Akmonia  (GIG  3858  add.),  neu  kopiert  von 
Ramsay,  lautet:  — r^  xotvbv  FaXarwv — .    Die  Beziehungen  einer  so  her- 
vorragenden Persönlichkeit,   wie  des  L.  Servinius  Cornutus,  zu  beiden 
Städten  mochte  das  Koinon  veranlafst  haben,    eine  Inschrift  auf  sein 
Ehrenmonument  zu  Akmonia,  wo  er  ohne  Zweifel  stationiert  war,  setzen 
zu  lassen.    —    Vielleicht  bezieht  sich  auf  denselben  auch  das  Fragment 
Leb.  766 :   —  rapJav  dr/pLOo  'Faßfia{a}]v  ina[p^ecag  Kunpou  —  (2)  —  I!]a' 
To[o]pv(iv)oo7  — 

Alia  (bei  Kirka,  zwischen  Susuz-Köi  und  Hadjimlar). 

1 170  Ramsay,  a.  a.  0.  S.  417  n.  31.    Kirka.    Marmorstele  mit  Relief- 

bild des  Gottes  Men  in  halber  Lebensgröfse,  leicht  nach  rechts  gewandt, 
mit  hoher  phrygischer  Mütze,  den  Halbmond  auf  der  Schulter  und  der 
Votivinschrift:  (2)  Mijvl  JI<Txa]y-(3)v^  (4)  ^pdrpa  ^HXt'(JS)ofmvrOQ  (6) 
'AvTiö^ou  (1)  xal  novne- {8) eou  Map- (9) xo- {10) u  (2^)  dve&ijxav.  Datum: 
Iroug  avd'  (=  170  n.  Chr.).  ~  Der  Kultus  des  AskaSnos  begegnet  in 
Eumenia,  Sardes,  Aphrodisias,  Apollonia  (s.  S.  140)  und  Antiochia  in  Pi- 
sidien.    Sein  Bild  findet  sich  auf  Münzen  von  Alia. 


XYII.  Phrygift:   Acmonia.    Alia.    Hierocharax, 


137 


Hierocharax  (lacharatax  bei  Hlerokles  offenbar  verderbt,  viel- 
leicht richtig:  Atyo-Charax,  [Ch.  =  »Einpfllhlangc];  Anklänge  in  dem 
Dorfnannen  Oturak,  TrOmmer  bei  Kilisseh;  sfldl.  vom  Dindymos  und  östl. 
von  Traianopolis  zu  suchen). 

*  Ramsay,  a.  a.  0.  S.  419ff.  n.  33.    Oturak,  Marmorstele.  fiu 


iA 


Seite  I. 

9*  ivroAdf    di9avar»i>, 
<i  fyuf  tfiM  6  XaX&v  nd- 
yra  %HißarftQ  '£««- 

'a6v  6-  (Zerstörtes  dSdua- 
*0ß'  Relief;  an      TOi  ^ 

a  IC  (=  iif  ?)  dessen  eoi  xk 
7ar[/9^(?  Stelle  ein  i]v  5- 
äXTj[^iea'7    rohge-  potf 

i,  9^v  i'  meifteltes  xk  dick^ 
TtftTfffau         Kreuz.)     p  opOO' 

C    iAoTpW' 

(faro  /dp  noXJiobq  ix  (x)a- 
toi¥  ßacä^wt^ '  *Ap]^ttpi' 
a  (E)xtTuv^atvov  ripyjSi' 
"ra  ötco  ^€&t»   d^avärtüv 

«5  xÄ  ('£)]rcr{;v;|favoc  xk  Tärto- 
V  {>)u>^  xk  Td  rixva  aör&v 
"Ov^ütßoc    xk    *AXi$audpof 
ü  ^AüxXäQ  xk  (E)ntruvxavoq. 

36 


1» 


Relief; 

Reiter 

nach 

rechts» 

eine 

Streitaxt 

auf  der 

Schulter 

tragend.) 


30 


[yjoc  n(ou 

ov  önd  Md 
'H]liodp6fw 
rou  0oißou 
XpyifffAO' 

[p]ov 
[o\v 

("1 

ir- 

dt 

\p]o. 

ortv 

[n]diftv  T' 
p]ov  i$ 
rwu  itd' 
'A^vd' 
ritf  dpj^i^ 
[X^Xnix" 
xk  parjftpl 
-PI  9  U' 
xaXd  rc- 
Xhv  8- 
npwro" 


Seite  II. 

TipTi^li  öxd  ^Exd' 

]foti  ädou 
(Relief:  «^  ^'<  ^P^' 

Six9h\tn''Apxyir^ro[u 

haupt.         dÖTOÜ  d- 
Zerstörtes        ^^   ^^. 


(Relief 
Brust- 
bild 
mit 
über 
der 
Brust 
gefal- 
teten 
Hän- 
den.) 


iXaß- 

XPV^' 

dort" 

dX-ri^ 

ajg  iv 

axpi" 

xk  {i)v  o- 

ts  XP' 
fiod- 


iv  opotg 
dfirtf 
.  ouro  ixw  i&' 
d&aud' 


vroiv  * 

roi  nptü- 

epl  x[a]- 

vat  üiw 

Tarcci 

<It>m« 

xvOy  xa- 

yopa, 

V  'A^d' 


varov    ^Entxuyx^^oy    dpx^P' 


Seite  III. 

A'\^dvaxot  npwroi 
(Relief:     (leerer  Raum) 

Vogel  nach    ^PX*»P*f    ^f^' 

rcchu  mit    deX^pot  Atoy' 

Ring  im      <J^  xi  CE)mT6' 

Schnabel.) 
i  uxau' 

xrjp^' 

pido" 
10  C,  vo- 

crc. 

Diese  merkwQrdige  In- 
Bcbrift  aus  dem  Jahre  314 
D  Chr.,  von  der  der  Herausg. 
Abklatsche  gern  zur  Ver- 
fügung stellt,  bietet  eine 
eigentümliche  Mischung 
von  christlichen  und  heidni- 
schen Formein.  Sie  scheint 
mehrere  Glieder  einer  Fa- 
milie zu  erw&hnen,  von 
denen  wenigstens  zwei  das 
Amt  eines  dpxttpsö^  in 
einem  heidnischen  Kult  be- 
kleideten. Kin  Ausdruck 
auf  Seite  i  Z  7  zeigt,  dass 
Atyocharax  noch  314  n  Chr. 
ein  heidnischer  Ort  war. 
Seite  I  Z  3  begegnet  das 
neugriechische  etpat  oder 
Tfu.  —  Der  Name  Manes 
Daes  (oder  Daos?),  Helio- 
dromos  Zeus  (8  II  Z.  4. 6.) 
ist  eine  merkwQrdige  Kom- 
bination. Manes  war  der 
Vater  des  Akmon,  des 
OrOnders  der  Nachbarstadt 
Akmonia,  und  deshalb  zwei- 
fellos der  Uauptgott  dieser 
Gegend ;  daher  bcine  Iden- 
tifizierung mit  dem  grie- 
chischen Zeus. 


1)  Vielleicht  r/{c]cv? 


138  Griechische  Epigraphik. 

Diokleia  (Dola  oder  Dogbla);  an  der  direkten  Strafse  von  Ak- 
monia  nach  Eukarpia  und  der  Pentapolis.  Letztere  Bezeichnung,  ge- 
rechtfertigt durch  Act  Syuod.  V.,  653  n.  Chr.  (Labbe,  8.  223),  umfafst 
fOnf  alte  Städte  im  Thale  von  SandüklU:  l)  Eukarpia  (zwischen  den 
Dörfern  Mentesch,  Maghajil  und  Ille  Me^id),  2)  Hieropolis  (Kotsch- 
Hissar),  3)  Otrüs  (Tschor-Hissar),  4)  Stektorion  (Eroir-Hissar),  6)  Brn- 
zos  (Kara-SandOklü).  —  Die  Strafse  ist  noch  wichtig  als  Araberstrafse 
von  üschak  nach  SandQklfl. 

1 197  Ramsay,  a.  a.  0.  S.  422  n.  34.    10  Min.  westl.  von  Dola  (Dogbla). 

Den  L.  Septimius  Severus,  vsov  HXtov^  ehrt  (6)  ^  7tpoxexpe/mn^  roU  Mo- 
f£-(7)avaiv  Si^fiou  ^toxXeta,  Datum:  (13)  Ypafift.are6'{\^)oyroi  tob  J17- 
lijoü  (15)  Mdpxoo  ß'  TOü  Oöa'{l6)Xepeou*  irooQ  tma  =  197  n.  Chr.  — 
Die  Stadt  wird  in  der  Inschrift  als  den  Moxeanen  gehörig  bezeichnet; 
ebenso  auf  einer  Mflnze  des  Britischen  Museums. 

Hieropolis  (Kotsch-Hissar). 

Ramsay,  a.  a.  0'  S.  431  n.  41.  Kirchhof  zwischen  zwei  kleinen 
Dörfern,  beide  Kuyujak  genannt,  Vs  St.  nördl.  von  Kotsch-Hissar.     — 

t  376  Kleine  Marmorsäule;  ursprünglich  Meilenstein  des  Kaisers  Probus  (276 

"  —282  n.  Chr.).  Nach  der  Thronbesteigung  Diokletians  (284  n.  Chr.) 
wurde  der  Name  des  Probus  ausgekratzt  (der  Horizontalstrich  des  TT 
Z.  4  ist  der  einzige  Überrest  des  ursprOnglichen  Namens)  und  statt  seiner 

t  S84  der  des  neuen  Kaisers  eingegraben :  ^Ayab^  "^^tü-  ^^)  ^^  aitavtip  []^]a;v 
(3)  abroxpdxopt  (4)  M.  Aup,  —  diox^fjrealvtp  2!]eßa<TT[af  (5)  ^  Xctfinpo- 
ränj  (6)  kponoXetratv  (7)  noXt^.  Die  Änderung  wurde  offenbar  unmittel- 
bar nach  der  Thronbesteigung  des  Diokletian,  bevor  dessen  Gentilname 
bekannt  war,  vorgenommen,  sodafs  die  Namen  M.  Aur(eliu8)  unverändert 
gelassen  wurden.  Wahrscheinlich  war  schon  eine  Änderung  auf  den  Kai- 
ser Garns  (282 — 283  n.  Chr.)  vorhergegangen,  der  jene  Namen  fQhrte. 

t  S86  Im  Jahre  286  wurde  eine  zweite  Inschrift  (lat.)  an  der  linken  Seite  der 
ersten  auf  die  Imperatoren  Diokletian   und  Maximian  hinzugefügt.     Im 

t  983  Jahre  292  wurde  eine  neue  Zugabe  vorgenommen,  beginnend  auf  der  lin- 
ken Seite  der  letzten  Zeile  der  zweiten  Inschrift:  Tob^  i;r[£-(2)^av£<rrflE- 
(Z)rooQ  Kat'(^)aapaQ  0Xa.  OuaX,  KoßuardvTiov  (6)  xal  /a[^.]  OöaX.  Ma- 
^tpxavbv  (7)  ij  ^hponoXsiTwv  (8)  nokiQ,  Endlich  wurde  in  späterer  Zeit, 
vielleicht  während  der  Kriege  zwischen  Licinius  und  Konstantin,  der  Name 
des  Constantius  getilgt,  und  hiermit  endete  die  wechseivolle  Geschichte 
des  Meilensteins. 

Naos  oder  Nae  (Ineb). 

1 88  Ramsay,  a.  a.  0.  S.  432 f.  n.  42.     Säule  im  Dorfe  Ineb  (der  alte 

Name  ist  noch  unter  dieser  Form  beibehalten):  Abroxpdxopt  [Jofurrav^ 


XVII.  Phrygia:  Hieropolis.  Naos.  Gidyessus.  Otrüs.  Troconda  u.  s.w.     ]39 

(2)  KoLtaapi  üßßourcip  repfi'(Z)avtx4f  rb  de\  Aooxiif»  Mt¥ouxt(ff  (4^)  Toih- 
ifip  {ßn(axotQ\  (4*)  irou^  poß\  f^i^^Q)  Rav^fwo^  (6)  ol  iv  Näet  xarot- 
xouvreQ  Twfimoi  re  xa\  — .  Datum  nach  den  Konsalo  von  88  d.  Chr. 
und  dem  Jahre  172  der  asianiscben  Ära.  Das  Präoomen  des  Rufus  war 
bisher  zweifelhaft  in  den  Fasti. 


Cidyessus  (Bulja,  im  östl.  Teile  von  Sitschanli  Ova). 

Ramsay,  Journal  of  hellenic  stodies  VIII  1887  S.  467.    Von  einer  f  ^ 
Ehreninschrift  ist  nur  lesbar  der  Name  des  Kaisers  Gratian  und:   ^  Kt- 

Otrus  (Tschor-Hissar). 

Ramsay,  Journal  of  hellenic  studies  YIII  1887  S.  478.  Basis  mit 
Ehreninschrift:  ^ÄXi^avSpov  MaxeSöva  \  xretm/jv  t^c  noXetoQ.  —  Alexander 
der  Gr.  würde  in  einer  der  Kaiserzeit  angehOrigen  Inschrift  nicht  ein- 
fach als  Makedoner  bezeichnet  worden  sein;  vielmehr  begegnet  der  Ge- 
ehrte auch  auf  Münzen  von  Otrüs  (um  200 — 216  n.  Chr.)  mit  der  Le- 
gende: 'AXe^avSpoc  datdp^ijQ  dviHj^xeu  ^Orpoijvwv.  Ihren  berühmten  Mit- 
bürger ehrte  die  Vaterstadt  durch  Znrückführung  seines  Geschlechtes  auf 
Alexander  den  Gr. 

Troconda  (=  Augustopolis?). 

Ramsay,  Journal  of  hellenic  studies  VIII  1887  S.  498.  Verstüm- 
melte Votivinschrift  des  Eire[na]ios,  S.  des  Menophilos,  an  den  Zeus 
(Je/),  Imkp  Si^po[u]  Tpoxov8ijvwv, 

Oenia  (unweit  Aresli). 

Ramsay,  a.  a.  0.  S.  496  n.  1.  Rest  eines  Namenverzeichnisses. 
—  n.  2.  Fragment:  —  (2)  SiwpBw[aaTo?  (3)  -  irdvsro  npb  [?f  KaXavdm^ 
(4)  -  raura  xupta  pLe[veev?  (5)  —  Soypat  auvxk^rou  (6)  —  r]daK  Ai- 
xivvtoQ  nouXiou  (7)  —  ntpt  toutou  npdyparoQ  —  (8)  —  iypa^ev  ^  iSoß' 
«V  Tcaiv  1}  d^ei  —  (9)  —  iSfop^traro  elg  iff^dnjv  fffiipav  (10)  —  Tzpeff- 
ßeora}  efc  ^A(r{av  Staßdvrec  — . 

Anabura  (Kara  Agatsch). 

Sterrett,  Preliminary  report  of  an  archaeological  journey  made 
in  Asia  Minor.  Boston  1885.  S.  13  f.  n.  11.  Nene  Kopie  der  Weihin- 
schrift  Ramsay,  MDAI  VIII  1883  S.  70  n.  1  (Röhl  II,  104  f.).  Z.  26: 
^yoifoi  statt  dTtuyovoi. 


140  Griechische  Epigraphik. 

Neapolis  (Tscharük  Serai)  unweit  Änabura. 

Sterrett,  a.  a.  0.  S.  11  n.  6.  Phrygische  Grabschrift:  /offveaejiou 
xvou/ia'{2)\fe  xaxltv  daxerae  vc  (3)  /lavxaTcercrrere  (4)  xvejJLoaeirou.  — 
D.  7.  Aiplar  (in  der  Nähe  des  vorigen,  1  St.  sQdl.  von  Kara  Agatsch). 
Gleichfalls  phrygisches  Fragment :    loaxeasfwv  rd  xaxov  od  -  . 

Antiochia  Pisidiae  (Jalobatsch). 

Sterrett,  a.a.O.  S.  9  n.  4.  Ehreninschrift:  Adp.  JcovOae  (2)ov 
Tay  d^co '  (S) ^oyatrarov  S'{^)xaTÖvTap^ov  (5)  pe'jretovdptttv  (6)  ^  Xofiitpä 
r«Dv  'Av'(7)Tio^€wv  /xi^Tp6'{8)7[oXiC  ineexca^  {?)  (9)  re  x[a]}  rr^[s]  e^jy- 
(10)vi7C  ivexa, 

Mordtmann,  Archäol.-epigr  Mitteil,  aus  Österreich  VIII  1884 
S.  193  n.  1  (nach  Abklatsch  des  Dr.  Schmidt,  Unterdirektors  der  ägyp- 
tischen Douaneo).  Siebenzeilige  Grabschrift  der  Aurelia  Valentilla  auf 
ihren  Gatten  Aureiius  Makedon. 

Sterrett,  a.  a.  0.  S.  11  n.  10;  Ramsay,  American  Journal  of 
archaeology  I  1885  S.  143  ff.  n.  4.  Hissar,  Vs  St.  Ostlich  von  Antiochia 
Pisidiae.  Widmung:  Tu^i^v  Eu'{2)fievrj  rf}  (3)  KoXwv£c{A)^  Teßepto^ib) 
noXeerwv  /7on[7r-(6)j^va;w  Vpou8i-{1)wv  ßauXr/^  ör^fjut^.  —  Nach  Sterrett 
Weihinschrift  der  drei  Städte  KoXtovtta  TißeotonoXetruJv  {^  Antiochia), 
Oronda  und  Pappa;  nach  Ramsay  vielmehr  Basisinschrift  einer  der  Tyche 
Enmenes  von  Golonia  (=  Antiochia)  von  Bule  und  Demos  der  Stadt  Ti- 
beriopolis  Pappa  errichteten  Statue.  Die  Legende  Ttßepeetjjp  /7a7nn^va>v 
findet  sich  auf  einer  Münze  im  Brit  Mus.  Nach  unserer  Inschrift  war 
der  richtige  Name  des  pisidischen  Volkes  Vpovdse^  (Ptolem.:  Vpov8txoe\ 
Polyb.:  VpoavSeic)'  Im  Gebiete  desselben  lagen  die  Städte  Misthia  und 
Pappa.  Der  Stadtname  Oroanda  verdankt  seine  Entstehung  einem  Mifs- 
Verständnis  von  Polyb.  22,  25.  26  durch  Livius  (38,  37.  39)  und  Plinins 
(5,  24).    Die  Inschrift  wirft  ein  wertvolles  Licht  auf  die  Lage  von  Pappa. 

ApolloDia. 

Ramsay,  Journal  of  hellenic  studies  IV  1883  S.  417  n.  32.  Grenz- 
stein: ''Opog  hphg  xat  äao'{2)XoQ  Bsou  int^avou  (3)  MvjvbQ  \ioxaajvoü, 
—  Über  den  Kult  des  Men  Askaänos  vergl.  zn  der  Inschrift  von  Alia 
(S.  136  u.). 

Hadrianopolia  Pbrygiae  (unweit  Kara  Agba,  S.O.  Phrygiens). 

Sterrett,  Prelimiuary  report  of  an  archaeological  jouruey  made 
in  Asia  Minor.  Boston  1885  S.  10  n.  5.  Grabschrift  eines  Abp^^to^ 
Zw'(2}Texbg  Hau^eevou  (3)  Ad\p(d]vonoXeeT7j^  auf  sein  Weib  Aure  -  -  da. 


XTII.  Phrygia:  Neapolis.  Antiochia  u.  s.  w.  XVIII.  Galati a:  Pessinas.    141 

Mord  t  mann;  MD  AI  X  1885  S.  16  d.  3.  Nach  Phrygien  gehört 
ein  irrtQmlich  nach  Salonichi  verwiesener  Grabstein  im  Tschinili  Kiösck 
sa  Eonstantinopei  (D^thier,  Archäol.  Aufsätze  S.  113;  Reinach,  Gatalogue 
Q.  244).  ^Ara/ftov  {=  ^An^tov)  weiht  {xarsetspwtrev)  ihren  Mann  laeeo^  der 
Ziiariprj  ^Exdnj.  AneXXä^  ujjd  laseo^  ehren  ihre  Eltern  (yoviQ).  Darunter 
die  Ettnsüerinscbrift:  Tetfiäac  MoupfiattavuQ.  —  Die  Inschrift  zeigt  auf- 
fallende Ähnlichkeit  mit  der  aus  Ck)tyaeum  stammenden  Grabschrift  CIG 
3827  9  =  Lebas  805,  welche  gleichfalls  die  Formen  ^oßve^pi^  und  xa* 
reeepwaev  bietet.  Letztere  barbarische  Form  scheint  speziell  phrygisch 
zu  sein,  wie  auch  die  Namen  ^An^iov  und  Teifuag  namentlich  h&ufig  in 
Phrygien  begegnen.  Auch  die  Hinzufügung  des  Namens  und  Ethnikons 
des  Steinmetzen  ist  der  phrygischen  Epigraphik  eigen. 


XYin.  Oalatla. 

P  es  sin  US  (Balahissar  und  Sivrihissar). 

V.  Domaszewski,  Archäol.- epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  VIII 
1884  S.  95 — 101  hat  unter  dem  Titel  iBriefe  der  Attaliden  an  den  Prie- 
ster von  Pessinnsc  mehrere  Inschriften  neu  herausgegeben,  die  sich  auf 
dem  armenischen  Friedhofe  in  Sivrihissar  befinden,  wo  sie  von  Mordt- 
mann  1859  aufgefunden  wurden.  Letzterer  hat  sie  veröffentlicht  in  den 
Sitzungsberichten  der  Kgl.  Bayrischen  Akademie  der  Wissenschaften  1860 
S.  180  —  189.  Ohne  Zweifel  stammen  dieselben,  wie  alle  antiken  Reste  in 
Sivrihissar,  aus  dem  nahe  gelegenen  Balahissar,  dem  alten  Pessinus.  Die 
Fragmente  A  und  B  sind  auf  einem  einzigen,  G  und  D  jedes  auf  einem 
besonderen  Marmorblocke  geschrieben.  Wahrscheinlich  stammen  diese 
Blöcke  von  einem  gröfsern  Denkmale,  vielleicht  von  einem  Tempel,  wel- 
chen die  Attaliden  in  Pessinus  erbauten  (vgl.  Strabo  p.  567).  —  In  der 
Anordnung  der  Fragmeute  ist  der  neue  Herausg.  Mordtmann  gefolgt. 
Das  Fragment  A  stammt  aus  der  Regierungszeit  Eumenes  IL,  seiner  er- 
steren  Hälfte  nach  aus  dem  Jahre  164/3  v.  Chr.  Die  Briefe  in  dem  i64/t  t 
Fragmente  B  sind  wohl  noch  unter  der  Regierung  desselben  Herrschers 
geschrieben,  da  sich  Attalos  nicht  König  nennt.  Aus  den  Worten  des 
Fragmentes  G  Z.  14 f.:  ^¥  xal  nepl  rou  dde^^u  ia^ocav  hat  Mommsen 
(s.  a.)  mit  Recht  eine  Beziehung  auf  Eumenes  IL  erkannt;  demnach  ist 
dieser  Brief  später  geschrieben,  als  die  Briefe  in  A  und  B.  Die  Stelle 
des  Fragmentes  D  bleibt  auch  jetzt  unbestimmbar.  Die  historische  Be- 
deutung der  Briefe  hat  Mommsen,  Rom.  Gesch.  11^  52  erörtert.  Er  hat 
auch  erkannt,  dafs  der  im  Fragmente  C,  3  als  Teilnehmer  am  Familien- 
rate genannte  Athenaios  der  bekannte  Bruder  Attalos  IL  ist.  Dies  ist 
um  so  wahrscheinlicher,  als  auch  Sosandros  C,  4  bei  Polybios  82,  27,  10 
als  ai0VTpofoQ  des  Königs  erwähnt  wird. 


1 43  Griechische  Epigraphik. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  184f.  Balahissar.  S.  184  n.  51.  Archi- 
trav.  Schlufs  einer  Strafandrohaog.  —  n.  62.  Grabstein  des  Aur.  Dio- 
genes, S.  des  Tyrannos,  und  seines  Weibes  Kyrilla.  —  n.  53  (Mordtmann, 
Sitzungsber.  der  bayr.  Akad.  1860  8.  193  n.  4).  Grabstein  der  Tertat .  rta 
'AvTOßvh  und  ihrer  Tochter.  —  n.  54  (Mordtmann,  a.  a.  0.  o.  3).  Grab- 
stein des  Alexandres,  mit  Strafandrohung.  Z.  9—11:  6  dv^yatv,  —  8.  185 
n.  55.  Wandinscbriften  einer  Grabkammer:  1)  rechter  Hand:  Grabschrift 
des  Polydoros,  S.  des  Libanos,  und  seines  Weibes  Ammia,  T.  des  Philo- 
zenos  (xazeaxedaaaav).  2)  linker  Hand:  a)  Grabschrift  des  ätoyelvfjc 
Sayophu  und  seines  Weibes  {p^vexl  0eeXinßt);  b)  der  Asklepia  auf  ihren 
Mann  Kepitdn)^,  3)  Dem  Eingang  gegenfiber  Grabschrift  des  ^Icxoftyog 
(vorgeschlagenes  Iota)  Irpdßfovog  auf  seine  Mutter  Tatia. 

Derselbe,  a.  a.  0.  S.  180ff.  Sivrihissar.  S.  180  n.  37.  Weih- 
inschrift: Mijrpl  Beanf  HazopetvoLtat  *Enijx6wt  Mdw^  Ran  -  -,  (2)  if/ev£- 
xXiooQ  8k  dnsXeu^epo^f  robg  fketoOg  (?).  —  S.  181  n.  38.  Grabschrift 
des  Aur.  Kyriios,  8.  des  Seleukos»  auf  seinen  Bruder  Seleukos  und  seine 
Braut  (vuv^)  Karpurnia  (so).  —  n.  39.  Grabstein  der  Tertia,  T.  des 
Dionysios,  und  ihrer  Tochter  Asklepia.  —  n.  40  des  Adp.  Uavijyopiog 
EuijS/oo,  —  n.  41.  Grabschrift  des  Marcus  Venustus  und  der  Hagia  auf 
ihre  Eltern.  —  n.  42.  GrabthQr  mit  der  Grabschrift  eines  Epaphrodeitos. 
—  S.  182  n.  43.  BruchstQck  vom  Architrav  einer  GrabthUr:  d\pxtepeuQ 
Ti^i/  o--.  —  n.  44.  Cippus  (=  Mordtmann,  a.  a.  0.  8.  195  n.  15).  Grab- 
schrift des  Abp.  floitBioi  laXXBtxoo  und  seines  Weibes  Ttxooaa  BaursiXou 
Ztßvxpaora,  -  n.  45.  Grabthflr  mit  der  Grabschrift  der  Euphrosyne  auf 
ihren  Mann  Sagarios.  —  n.  46.  Stele  mit  der  Grabschrift  der  Dada  auf 
ihren  Mann  Alexandres  und  ihren  Sohn  Dies.  —  8.  183  n.  47.  Grab- 
stele des  MdpxoQ  Mdvrou  auf  sein  Weib  El}[d\pdc.  ~  n.  48  des  Argeos 
Helios  auf  seine  Mutter  Kydilla  und  seine  Schwester  Lollia.  —  n.  49 
christlich.   —    n.  50.    Stele  mit  dem  Schlufs  einer  Strafandrohung. 


Germa  und  Umgegend. 

V.  Domaszewski,  Archäol.-epigr.  Mitteil,  ans  Österreich  VII  1888 
S.  186  n.  56.  Jolanta.  Stele  mit  Grabschrift  des  Antonius  auf  sein  Weib 
Nikostrate.  Darunter  Grabschrift  des  Antonius  und  seines  Bruders  Ni- 
kandros  mit  der  Schlufsformel:  ;(epu  (=  ^atpot)  Zartg  b  d^ayv^vataxtüv. 
—  S.  187  n.  69  (=  Ramsay,  BGH  VII,  24  n.  14;  vgl.  Röhl  II,  106). 
Ebd.  Grabschrift  auf  Mania,  T.  des  Damostratos.  —  n.  60.  Ebd.  (s: 
Ramsay,  a.  a.  0.  S.  23  n.  13;  vergl.  Röhl  II,  106).  Grabschrift  einer 
'*H^kQ  auf  ihren  Gatten  Domnos  und  ihre  Kinder  Domnos  und  Mesos.  — 
n.  61  (s=  Ramsay,  a.  a.  0.  8.  24.  Ebd.  Zwei  in  den  Felsen  gehauene, 
stark  verwitterte  und  schwer  leserliche  Fragmente,  wohl  einer  Grabsohrift; 
u.  a.  b  Z.  2:  laxwß,    —    iRamsay  giebt  a.  a.  0.  die  beiden  Fragmente 


1 


XVIII.  Galatia:   Pessinus.    Germa  nnd  Umgegend.    Ancyra.        f  43 

in  umgekehrter  Reihenfolge;  sicher  irrtttmlich,  da  ich  eine  genaue  Zeich- 
nang  des  Steines  genommen  habe.c  v.  D.  —  n.  62.  Gesek.  Grabschrift 
des  Ale]xandros,  Po[le]mon,  Dulion,  —an  und  [Ph]oteino9  auf  ihren  Vater. 
—  S.  188  n.  63.  Ebd.  Grabstein  des  Manes  nnd  der  Kyrilla.  —  n.  64 
(=  Ramsay,  a.  a.  0.  S.  23  n.  12;  vgl.  Höhl  a.  a.  0.).  Jerma, Dorf brnn- 
Den.     Fragment  der  Grabschrift  auf  einen  dvrtüTpdryjYOQ, 

Ramsay,  Journal  of  hellenic  studies  V  1884  S.  263  n.  4.  Eara 
Hodscba,  ca.  iVs  St.  s.o.  von  Myrikion.  Im  Jahre  — ,  im  Monat  X]a[n]- 
dikos  errichtet  — os,  8.  des  Ge[ll]iu8,  seinem  Weibe  Statilia  einen  ßw- 
fio^  und  eine  B6pa  als  Grabmal.  —  Statilia  hat  zu  Lebzeiten  einen  Sma* 
ragd  und  zwei  silberne  Armbänder  als  Pfänder  versetzt;  x[äu?]  fii)  dno* 
dt8g^  ^Ooiov  J/xeow,  TMre  K(}pts^  üfietQ  ix[S]ix^aaT9  txdTijy  VBxpäv  xal  rä 
Tix¥a  Ctt^vtfa.  —  Boffiöc  und  ^6pa  begegnen  nicht  selten  auf  phrygischen 
GrabmAlern.  Wurde  nur  ein  Altar  errichtet,  so  hielt  man  es  fttr  nötig, 
das  Wort  »ThQrc  noch  zuzuf&gen.  Letztere  wurde  als  Bindeglied  zwi- 
schen dem  Reiche  des  Lebens  und  des  Todes  betrachtet 


Ancyra. 

Th.  Mommsen,  Res  gestae  Divi  Augusti.  Ex  monumentis  Ancy- 
rano  et  Apolloniensi  iterum  edidit.  Accedunt  tabulae  XI  photolith. 
Berl.  1883.  LXXXXVII,  228  S.  gr.  8.  12  Mk.  —  Dasselbe,  in  usum 
scholamm.  Berl.  1884.  39  S.  gr.  8.  1,20  Mk.  —  Französ.  Ober- 
setzung: Mommsen,  R.  g.  D.  Aug.,  d'apr^  la  derniäre  recension,  avec 
Tanalyse  du  commentaire  de  M.  Th.  M.,  par  G.  Peltier,  sous  la  dir. 
de  R.  Gag  na  t.    Paris  1886.    VllI,  92  S.    8. 

Rez.:  LOB  1884  n.  19  8p.  664/6.  Kitsche,  Berl.  philol.  Wochen* 
sehr.  n.  40  Sp.  1260 — 1263.  B.,  Gultura  V,  13  S.  603--606.  Bormann, 
DLZ  o.  48  Sp.  1769—1761.  Seeck,  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  n.  47 
Sp.  1476— 1481.  P6hlmann,  Histor.  Zeitschr.  XIX  1886  S.  88/89.  Re- 
vue crit  B.  24  8.  468/4.  Joh.  Schmidt,  Phil.  Anzeiger  XV  S.  897-- 399. 
Thödenat,  Bulletin  crit  1886  n.  6  Sp.  106—113. 

Die  neue  Ausgabe  der  verdienstvollen  Abhandlung  hat  im  Vergleich 
zu  der  ersten  manche  ins  Auge  springende  Vorzüge.  Während  die  erste 
Ausgabe  (1866)  hauptsächlich  auf  den  Abschriften  oder  Zeichnungen  der 
Franzosen  Perrott  und  G.uillaume  (1861)  beruhte,  die  in  liberalster  Weise 
Mommsen  ihre  Aufnahmen  zur  Verfügung  stellten,  bevor  sie  selbst  die 
Ergebnisse  ihrer  im  Auftrage  Napoleons  III.  unternommenen  Reise  nach 
Oalatien  veröffentlichten ,  stützt  sich  die  gegenwärtige  Ausgabe  auf  Ab- 
güsse des  Originals  in  den  Berliner  Museen,  die,  von  Humann  unter  thä- 
tiger  Beihttlfe  v.  Domaszewskis  im  Juli  1882  entnommen  (vgl.  den  Reise- 
bericht des  letzteren  in  der  Sitzung  der  archäol.  Ges.  zu   Berlin  vom 


X46  Griechische  Epigraphik. 

noke,  6:  yeyovev,  —  n.  78.  CIG  4067  Z.  2:  Hepou^vta.  —  n.  79.  CIG 
4072  Z.  2:  r^  id/a  fitjrpl  dicmj.  — <  n.  80.  CIG  4075  nach  einer  Photo- 
graphie, auf  welcher  die  letzte  Zeile  fehlte.  —  S.  122  f.  n.  82  =  Mordt- 
mann,  Marmora  Ancyrana  p.  15  n.  4,  mit  einigen  berichtigten  Lesarten. 
Etwa  gleichzeitig  mit  der  Inschrift  BGH  YII,  16  n.  3  (=  Röhl  II.  105), 
die  in  einer  Anmerkung  nochmals  mitgeteilt  wird.  ~  S.  123  n.  83  = 
Mordtmann,  1.  c.  p.  20  =  BGH  YII,  20  n.  7  (=  RöBl,  a.  a.  0.).  — 
S.  124  u.  84  =  Mordtm.,  1.  c.  p.  21.  —  n.  85  =  BGH  VII,  17  n.  4  (= 
Röhl,  a.  a.  0.). 

Mordtmann,  KE0I  XV  1884  S.  50  n.  1.  Zu  Ramsay,  BGH  YII, 
19  n.  6  (=  Röhl,  a.  a.  0.)-  Z.  8/9  ist  zu  lesen:  iaur^g  narepa  xdt  npö- 
r[ep]ov.  —  n.  2.  Ramsay,  a.  a.  0.  S.  17  n.  3  (=  Röhl,  a.  a.  0.)  erklärt 
den  Ausdruck  röv  npiLrov  t^c  inap^etou  Z.  2  irrtümlich  =  r.  ftp,  r^c 
inapj^iac.  Wahrscheinlicher  ist  indp^etoQ  =  in.  noXig,  pj^rp^noXtQ  t^c 
inoip^iag.  Jene  Bezeichnung  wäre  demnach  gleichbedeutend  mit  izpmr, 
r^C  nohwg.  —  n.  3.  Ramsay,  a.  a.  0.  S.  18  n.  5  (=  Röhl  II,  106)  ist 
Ailia  Matrona  zu  lesen,  wie  schon  Röhl  vermutete.  —  Ramsay,  a.  a.  G. 
8.  21  n.  9  bringt  die  letzte  Zeile:  xa\  ab  in  Verbindung  mit  dem  über 
der  Inschrift  stehenden  Xaipe\  doch  s.  o.  n.  71. 

y.  Domaszewski,  Archäol.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  IX  1885 
S.  125  —  131  teilt  eine  Reihe  unedierter  Texte  ans  einem  sehr  fehler- 
haften, wahrscheinlich  von  dem  ancyranischen  Apotheker  Leonard!  ver- 
fafsten  türkischen  Manuskript  mit,  welches  138  griechische  und  lateini- 
sche Inschriften  enthält,  fast  alle  aus  Ancyra  selbst:  S.  125  n.  86.  Frag- 
ment einer  Ehreninschrift  der  <po^  2eßaa[rii  auf  einen  verdienten  Mit- 
bürger; zu  ergänzen  nach  den  gleichlautenden  Dekreten  anderer  Phylen: 
GIG  4025  a.  b.  c  und  o.  n.  72.  —  n.  87.  Fragmentierte  Ehreninschrift 
aus  Hadrianischer  Zeit;  zu  ergänzen  nach  GIG  4022.  —  S.  130 f.  n.  98. 
Fragment  eines  langatmigen  Psephisma  der  ökumenischen  Dionysischen 
Künstler  und  Genossen  zu  Ehren  des  Kaisers  Hadrian.  —  Die  Inschrift 
ist  schon  herausgeg.  von  Ramsay,  BGH  YII,  17  n.  4  (=  Röhl,  II,  105). 

—  S.  126  n.  89.  Fragmentierte  Ehreninschrift  des  Aeßtvijtog  Ilofincjveog 
xopvexouXdptog  auf  seinen  Patron.  —  n.  90.  Schwer  verständliches  Frag- 
ment einer  Ehreninschrift    —    n.  88.    Neuer  Abklatsch  von  GIG  4023. 

—  S.  127  n.  92.  Die  ^Xij  e'  dc[ardZ<ov?  ehrt  die  K[l.]  Balbeina  ans 
erlauchtem  Geschlecht.  —  n.  98.  Unverständliches  Fragment.  —  S.  1 29  f. 
n.  97  =3  Mordtmann,  Marm.  Ancyr.  p.  18  n.  6.  Die  ^oXi)  C  ehrt  die 
vielnamige  I![ep}owi)v&i  Ko[p)f]oüra  KopvijXid  u.  s.  w.  aus  vornehmer  Fa- 
milie. —  S.  128  n.  96.  Bauinschrift;  zu  ergänzen  nach  der  gleichlauten» 
den  Inschrift  GIG  4051.  —  n.  95.  Die  Ueooi^peauol  01ym[p]ios  und  Heli- 
kon errichten  den  a<oT^pai  eine  Weihinschrift.  — -  S.  127  n.  91.  Pbjilo- 
xenos,  S.  des  Aquila,  errichtet  zu  Lebzeiten  sich  und  den  Seinigen  ein 
Grabmal  unter  der  Form  der  Weihung  an  die  unterirdischen  Götter.  — 


XVIII.  Galatia:  Ancyra.    Garallia.    Iconiom  u.  s.  w.  147 

S.  128  D.  94.  Grabschrift  aut  Tpe[ß]eo^ /lijfi^[iy\rpaT4K.  —  S.  131  f.  Zwi- 
schen Ancjra  uod  Sarosum.  —  S.  181  n.  99.  Akardja,  in  der  Nähe  des 
Salzsees.  Fragmeotierte  Ehrenioschrift  von  Bule  und  Demos  auf  den 
Kaiser  Marcus  Antonius.  —  n.  101.  2  St  von  Merziwan.  Grabstein  des 
Veteranen  P.  Snipicius  Germanus.  —  8.  132  n.  102.  1  St.  von  Merziwan. 
Grabstein  des  isjfthrigen  Proklanos,  S.  des  Proklos.  —  n.  103.  Gabei- 
nios  Ereinianos  errichtet  seiner  Schwester  G]abeinia  ein  Grabmal.  Da- 
tum:   izoü^  p(e\  wahrscheinlich  =r  159  n.  Chr. 

Garallia  (Eerelü). 

Radet  und  Paris,  BGH  X  1886  8.  602  n.  4.  Sarkophaginschrift 
des  Theophilos,  Üeßaaroü  dneXeuBepog  imrponog  (=  procurator  August  i), 
auf  seinen  Sklaven  Kalligenes. 

Iconium. 

Radet  und  Paris,  a.  a.  0.  8.  605  n.  10.  Rest  einer  Votivinschrift 
auf  den  Zeus  Megistos.  —  S.  504  n.  7.  Grabschrift  des  Ou8Souc  und 
der  Duda  auf  ihren  Bruder  Proklos.  —  S.  503  n.  6.  Rest  einer  Grab- 
schrift mit  der  interessanten  Verwttnschungsformel:  xexoXw'(e)pevov 
i^otro  (7)  M^va  xara^d^6''(2)vtov, 

Alibei-Eöi. 

Radet  und  Paris,  a.  a.  0.  8.  506  n.  11.  VerstQmmelte  Grabschrift 
auf  äouSouv  r^  vufi^v, 

Elmasun. 

Radet  und  Paris,  a.  a.  0.  S.  508  n.  15.  Den  Veteranen  M.  Au(re- 
lius)  Papias  ehrt  seine  Tochter  .ppa.  —  n.  16.  Basis.  Antonius  und 
Pontius  ehren  ihren  verstorbenen  Vater  Valens  durch  eine  Bildsäule.  — 
n.  17.  Eine  Frau  ehrt  ihren  verstorbenen  Gatten  Nu[nn]os,  S.  des  Im- 
mulis,  durch  Errichtung  einer  Bildsftule. 


Zosta  (nach  den  Herausgg.,  a.  a.  0.  S.  511  zn  n.  27 

wohl  =  Lystra). 

Radet  und  Paris,  a.  a.  0.  S.  509  n.  19.  Der  Veteran  Julius  Rufus 
bekränzt  den  verstorbenen  Aelius  Flavius  Demetrius.  —  n.  20.  Grab- 
Schrift  des  Nonnos,  S.  des  N[o]sis,  auf  einen  Veteranen  der  4.  Legion, 
—  Aelius  (?)  T.  f.  Fabia.  —  Die  4.  makedonische  Legion,  welche  in 
Spanien  stand,  wurde  unter  Vespasian  aufgelöst    Es  kann  sich  daher 

10»' 


148  Griechische  Epigraphik. 

nur  handeln  um  die  4.  skythische  oder  flavische.  Unier  Seyeros  Alezan- 
der gamisonierte  erstere  in  Gölesyrien,  letztere  in  Mysia  superior.  — 
S.  510  n.  21.  Dfirftiges  Fragment,  in  welchem  mehrmals  das  Wort  derdv 
begegnet.  Z.  1 :  —  rbv  deröv  xal  'AßfJLouxev  Baßoou  — .  —  n.  22.  0[r]e- 
Btes,  Eoseis  und  Alexandros,  SS.  des  Upramusis,  ehren  ihren  Vater  U. — 
und  Mulis  durch  Errichtung  einer  Bildsäule.  >-  n.  2d.  Rest  einer  Grab- 
Schrift  in  zwei  ungelenken  Hexametern:  — ^Xexac  ia(;[^]37<rac  (=  i^e!^- 
ffag?)  ü'(2)7tepßoXtjj  Se  rox^ag-  (3)  Ouvo/ia  8'  'HpaxXe-(4:)a}V,  u{i)dg 
^EpiiepiOTog  (5)  larpou,  —  S.  511  n.  24.  Zwei  unbedeutende  Fragmente 
einer  Grabschrift.  —  n.  27.  Basis  mit  Kfinstlerinschrift:  T,  xou  Fatog 
(2)  d8eX^o\  (3)  AutnpeTg  (4)  inonjaav, 

BosBola. 

Radet  und  Paris,  a.  a.  0.  S.  512  n.  28.  Baboas,  S.  des  Vabbasis, 
errichtet  seine  und  seines  Weibes  Kamate,  T.  des  Marius,  Bildsäule  re<- 
fi^g  )[dpcv. 

Bin-Bir-Kilisseh. 

Radet  und  Paris,  a.  a.  0.  n.  29.  Dürftige  Inschriftreste  in  den 
Elosterruinen  südwestlich  vom  Dorfe.  —  8.  612  f.  n.  32.  Schwer  zu  ent- 
ziffernde Inschrift  eines  Sarkophags,  welchen  Yidius  seinem  Bruder  Gneiis 
errichtet. 


Aktscha. 

Radet  und  Paris,  a.  a.  0.  S.  513  n.  33.  Stein  eines  Pfeilers 
Je[x]/ioc,  OtjirXog  —  und  IlpeT/ia  ehren  die  J[JJ/Av[a]  eö^apeffreag  Ivb- 
x£v  .  .  .  .  —  n.  34.  Stein  einer  Treppe;  Fragment.  Ein  Ehepaar  ehrt  — 
und  ihren  Sohn  Zenon  ipiXotnopylag  xaX  ebvoeag  x^^^' 

Ambararas. 

Radet  und  Paris,  a.  a.  0.  S.  513f.  n.  35.  Ein  — k]leitos,  S.  des 
Zenion,  ehrt  seine  Verwandten. 


XIX.  Paphlagonia. 

Sinope. 

Mordtmann,  KEOI  XV  1884  8.44 ff.  nach  Abschriften  des  G. 
Lanaras,  korresp.  Mitgl.  der  hellenisch-philol.  Gesellsch.  zu  Konstantino- 
pel, in  Sinope.  —  8.  44  n.  1 ;  vgl.  Meletios,  r^fi///'.  8.  482.  Votivinschrift: 


T^ 


XYIII.  Oalatia:  Bo88olaa.8.w.  XIX.  Paphlagonia:  Sinope.  lonopolis.    149 

fefiu  (2)  Vkoüa'(Z)pdnBt  (3)  'A(o)oeiro[(:'\  (4)  <popdpt[Q\  (5)  ew[;fJ7V.    Wahr- 
scheinlich stammt  der  Stein  ans  einem  Tempel  des  Sarapis,  dessen  Kult 
io  Sinope  auch  durch  GIG  4159  und  durch  die  in  Tomi  gefundene,  von 
einem  Barger  aus  Sinope  herrührende  Inschrift  KE02  XIII,  65  bestätigt 
wird.    In  ägyptischen  und  kleinasiatischen  Inschriften  begegnet  der  Bei- 
name des  Sarapis:  HhoQ  Zeug  (vgl.  GIG  2717.  4042.  4262).    Dafs  Helio- 
sarapis  von  den  Schiffern  um  eine  gfinstige  Fahrt  angerufen  wurde,  be- 
zeugt die  Inschrift  eines   demselben   geweihten  Lämpehens  GIG  8184: 
EunXoea^  Xaßi  /xe  rbv  ^HXeoadpamv.  —  ^opdpe(o)c  Z.  5  (das  Wort  fehlt  in 
den  Lexicis)  =  Xa^avonwhjg;  vgl.  ^opoc  =  &  rönoc^  rb  TKoXijrijpiov  bei 
Suidas,  1529  (Bemh.).  —  S.  45  n.  2.    Votivinschrift:  Ophillios  Polykar- 
pos  weiht  dem  Asklepios  Soter  und  der  Hygeia  einen  Altar.    —    n.  8. 
Votivinschrift  der  Brttder  Ailios  ThrepUon  und  Pontianus  Severus  an  den 
Zeus  Hypsistos.   —   S.  46  n.  4.    Zwei  Fragmente  desselben  Steines  be- 
stimmen die  Rechte  und  Pflichten  eines  Käufers  des  Priestertums  des 
Poseidon  Heükonios,  insbesondere  dessen  Anteil  an  den  öffentlichen  und 
privaten  Opfern.  —  Die  gleiche  Simonie  war  gebräuchlich  zu  Halikarnafs 
(CI6  2656)  und  Erythrai  {Mouaelov  xal  ßißX.  I,  106  ff.).    Über  den  An- 
teil des  Priesters  an  den  Opfern  vgl.  die  Inschrift  Revue  arch.  N.  S. 
XXTUI,  106;  Aber  idie  Zunge  der  Opfertiere«  (Z.  7)  Spengel,  Fleckeis. 
Jahrb.  1879  S.  689 ff.;  Aber  den  Kult  des  helikonischen  Poseidon  bei  den 
loniem  Herod.  1,  148.  Paus.  7,  24,  5.  Strab.  8,  7,  2.  14,  1,  20.    Wie  in 
Sinope  findet  sich  der  Kult  desselben  auch  in  der  milesischen  Kolonie 
Tomi  (vgl.  KE0I  lY,  168).    —    Zum  Monatsnamen  Taureon  Z.  9,  der 
aoch  in  Kyzikos  begegnet  (CIG  3657.  3658.  MD  AI  VI,  50)  vgl.  Hesych. 
2, 1352  und  Athen.  10,  425  c  —  S.  47  n.  5.    Der  Demos  ehrt  die  Agrip- 
pina,  T.  des  Grermanicus  Gaesar.  — -  n.  6.  7.    Unbedeutende  Fragmente. 
—  n.  8.   Drei  Henkelinschriften  mit  den  verstümmelten  Namen  der  Asty« 
Domen;  u.  a.  Pythokles  (vgl.  die  Gefäfsinschrift  aus  Gotyora,  einer  Ko- 
lonie von  Sinope,  S.  150  u.).  —  S.  48.   Zu  GIG  4162:.  Die  Abschrift  des 
Lanaras  bestätigt  eine  in  den  Add.  des  CIG  mitgeteilte  zweite  Abschrift 
des  Xanthopulos  mit  K€l(jü  am  Schlub.  —  CIG  4164.  4165  finden  sich 
auf  Sarkophagen,  die  als  Brunnentröge  dienen.  --  Lanaras  hat  ein  zweites, 
io  der  Ostseite  der  Aufsenwand  der  Akropolis  eingemauertes  Fragment 
der  Inschrift  Lebas-Wadd.  1814  abgeschrieben:  OIZKOZMONAI  .  .; 
auf  dem  in  derselben  Wand  eingemauerten  bisher  bekannten  Fragment 
las  er:  Btä  rou  r]pof£<i}Q  abrou  Atxivvioo  Xpuaoyövou, 


lonopolis  (Ineboli). 

Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  74  n.  54.    Ol  nep\  üe^rov  Obeeßeov  deo-  t  m 
r^vjjv  a'  äp^ovra  ip^ovreg  riyff  noXemg  ehren  den  M.  Aurelius  Antoninus  " 
Pias;  da  derselbe  den  Beinamen  Germanicns  ftthrt,  nicht  vor  172  n.  Chr. 
—  Emendationen  zu  CIG  4152  ^  Z.  4.  5. 


150  Oriechische  Epigraphik. 


XX.  Pontos. 

Phazemon  (Eawsa). 

Mordtmann,  KE02  XV  1884  S.  48  n.  12  (nach  Abklatsch  von 
Balabanes).  ISzeiliges  Brachstück  einer  —  wohl  hexametrischen  (vergl. 
n^aaQ  rbv  ^p6\yov  Z.  6,  ävaxTOQ  \  ^Äaxhpt —  Z.  13,  x^  Zol^^^  ^<  — 
Z.  15,  nkriaoQ  yipalQ  Z.  16,  Xuxdßavra  Z.  17,  ^/fUtepec  Z.  18)  —  Grab- 
schrift auf  einen  Peison  (=  Piso),  der  allen,  die  ihm  zu  Lebzeiten  Gntes 
erwiesen,  zu  danken  scheint  In  Z.  12  wird  ein  Lepidns  erwähnt.  — 
n.  13  (nach  Abschrift  des  älteren  Mordtmann  aus  dem  Jahre  1850;  vgl. 
Kind,  Petermanns  Mitteil.  1859  S.  517).  Fragment:  ixifjoio^  \  AUtavöc 
d[v\ean^aev. 

Tschitlü. 

1 184/6  Mordtmann,  a.  a.  0.  n.  14  (nach  Abschrift  des  älteren  Mordt- 

mann). Fragmentierte  Sarkophaginschrift  des  'Axu[X]aQ  und  (xk)  seines 
Sohnes  (?)  auf  ihren  Vater  Aqnila.  Datnm:  irous  p'  (=  134/5  n.  Chr.). 
Vgl.  Aber  die  Chronologie  zu  der  folgenden  Inschrift. 

Comana  Pontica. 

1 186/7  Mordtmann,  a.  a.  0.  n.  15  (unbeachtete  Publikation  von  Belüno, 

Fundgruben  des  Orients  V,  45;  als  unbekannt  neu  herausgeg.  von  dem 
russischen  Reisenden  Tschichatscheff,  Zeitschrift  fttr  allgem.  Erdkunde 
1859  S.  330;  nochmals  als  unediert  nach  einer  Abschrift  des  älteren 
Mordtmann  mangelhaft  von  Eirchho£f,  Annali  1861  S.  179  n.  3;  zuletzt 
von  Ramsay,  Journal  of  philology  XI  S.  152  n.  21  aus  einem  armeni- 
schen Buche  [vgl.  Bohl  II,  107]).  Links  fehlen  jetzt  vier  Buchstaben, 
welche  Bellino  noch  las;  seine  Abschrift  lautet:  AT]^iov  Ka^aapa  (2)  ^ 
'lepoxataapdaiv  (3)  Koftavdaiv  noXec  py\  —  Aelius  Caesar  ist  der  136 
adoptierte,  jedoch  schon  Anfang  138  n.  Chr.  verstorbene  Adoptivsohn 
Hadrians.    Somit  fällt  der  Beginn  der  Gomanischen  Ära  in  das  Jahr  34 

1 164/8  oder  85  n.  Chr.  ~  A.  a.  0.  (Ramsay,  Journal  of  philol.  XI  S.  153  aas 
gleicher  Quelle  wie  o.  [Röhl  II,  107]).  Fflnf  Bruchstücke:  -x]a2  ädpji' 
Xiip  Obi}[p<p  2'\eßaü\T']<p  xa\i  t\jj  'l$[poxae\aapewv  Ko/iay\i<o¥  irdUe  Up]f 
xa)  dau[X]ip  --[c;vt]oc  air^ff  'A^i^-  KpiOTteivoo  i\rouQ]  pX'  AlXioo  Upd- 
x[Xoü  -  -  le\pä  xa\  äao[XoQ, 

Gotyora. 

Papadop ulos-Kerameus,  KE02X\  1884  S.  54  n.  10.  GefUs- 
Inschrift,  nach  dem  Herausg.  aus  dem  3.  Jahrh.  v.  Ohr.:  I1(a9oxX£oo€  (2) 


XX.  Pontas :  Phazemön  n.  8.  w.  XXI.  Cappadocia :  Caesarea  Cappadociae.    151 

daTuvSfiou*  (3)  Mivmvo^  roo  (4)  'Apeardwc  xepa\jii<üQ,  —  Derselbe  Asty- 
nomos  anf  einer  Henkelinschrift  aus  Sioope,  der  Mutterstadt  von  Cotyora 
(8.  S.  149). 

Dascusa  (Armenia  Minor). 

Wfinsch,  Archaol.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  YIII  1884  S.  240 
n.  2.  Gegenfiber  dem  am  linken  Ufer  des  westlichen  Enphratarmes  Ea- 
ra-su  gelegenen  Penga  (tflrk.  Pindjan)  auf  der  Stelle  des  alten  Dascusa 
fand  der  Herausg.  am  Eingange  eines  Gartens  auf  dem  rechten  Flufsufer 
aufser  einer  lateinischen  das  Fragment  einer  griechischen  Inschrift:  -vow 
(ft)ye/-(2)/AJ7f  eTve'(S)xe  ;|f/>j^<rTo-(4)Tar]yff.  Die  Steinestammen  von  dem 
anf  dem  rechten  Flufsufer  gelegenen  »Hügel  der  drei  heiligen  Kinder«, 
auf  welchem  einst  eine  Kirche  der  letzteren  stand.  Bei  einiger  Nach- 
forschung wttrde  sich  nach  W.  dort  noch  vieles  finden  lassen.  Auch 
sollen  sich  in  dem  2  St  von  Penga  und  1  St  von  Simara  entfernten  kur- 
dischen Dorfe  Sineker  noch  viele  Antiquitäten  finden. 


XXI.  Cappadocia. 

Caesarea  Cappadociae. 

Mordtmann,  MDAI  IX  1884  S.  204.  Eine  von  Döthier,  Epigra- 
phik  von  Byzantion  S.  91  n.  LXI  beschriebene,  angeblich  aus  Caesarea 
in  Eappadokien  stammende,  jetzt  in  Pera  befindliche  Marmorbüste  trägt 
die  a.  a.  0.  ungenau  wiedergegebene  Inschrift :  EußooXoQ  xa\  (2)  Jcxevveo^ 
Idffova  (3)  'laC^/ieo^  rbv  muxipa.  —  Die  Provenienzangabe  wird  durch 
eine  Inschrift  aus  Schär  =  Comana  Cappadociae  BCH  VII,  127  (Röhl  II, 
107)  bestätigt,  welche  in  der  Schlufszeile  bietet:  — /ii^v  laZrifi[toQ, 

Anisa  (Lage?). 

Mordtmann,  KE02  XV  1884  S.  62  n.  10.  Das  Bronzetäfelchen 
des  Berliner  Museums,  enthaltend  einen  von  E.  Curtius,  Monatsber.  der 
Berl.  Akad.  1880  S.  646  f.  veröffentlichten  Rats-  und  Volksbeschlufs  von 
Anisa  (Röhl  11,  109)  soll  in  Kul  Tepe  nahe  dem  Dorfe  Gomerek  (zwi- 
schen Caesarea  und  Sebastia)  gefunden  sein.  M.  hatte  Gelegenheit,  das- 
selbe, sobald  es  bei  einem  Antiquar  in  Konstantinopel  gefunden  wurde, 
abzuschreiben.  Seine  Abschrift  bietet  Z.  30  statt  der  wegen  des  masku- 
linen Gebrauchs  von  nXä^  befremdlichen  Curtius*schen  Lesung:  elg  nXdxa 
Xakxouv  vielmehr:  elg  nivaxa  x*  -^  Hieran  schliefst  sich  eine  Richtig- 
stellung der  dem  Herausg.  von  E.  Curtius,  a.  a.  0.  S.  647  beigemessenen 
Anschauungen  hinsichtlich  der  Provenienz  einiger  Mfinzen  mit  dem  Ethni- 
kon  ANI  (Blau,  Wiener  nnmismat.  Zeitschrift  Bd.  IX);  dieselben  sind 
zweifellos  Jydischen  Ursprungs. 


152  Griecbiscbe  Epigraphik. 


Gomana  Gappadociae  =  Hieropolis  (Schär), 

und  Umgegend. 

Mordtmann,  a.  a.  0.  o.  8.  Das  FragmcDt  Waddington,  BGH  VII, 
140  n.  26  ist  zu  lesen:  Ztaivou  Aa—»  Ebenso  dttrfte  in  n.  10  zu  schrei- 
ben sein:  CICINOY.  Der  Eigenname  Etahr^q  wird  von  Strab.  460,  24 
(Didot)  als  kappadokisch  bezeichnet.  Auch  io  dem  Gerosiastenkatalog 
aus  Sebaste  in  Phrygien  BGH  YII,  452  ff.  begegnet  Z.  35  ein  Itabn^q 
Mevearparou.  —  n.  9.  In  GIG  4184  ist  Mat^drou  der  Abschrift  willkür- 
lich zu  [ä]ai^drou  verunstaltet.  Vgl.  Maibuzanes  BGH  YH,  130  (Röhl 
II,  107  u.)  ond  Maidates  in  dem  Dekret  von  Anisa  (S.  151). 

Sterrett,  Preliminary  report  of  an  archaeological  journey  made 
in  Asia  Minor,  Boston  1885,  S.  25  n.  25.  Yalak,  2  St.  von  Gomana. 
144.  Meilenstein  mit  der  Inschrift:  —  'A]a{ag  SnaTo[c  —  (2)  oc  räq  SSouq 
—  (3)  —  Totoe  —  00  —  (4)  —  VTC0T  — .  Aus  einer  beträchtlichen  Anzahl 
römischer  Meilensteine  längs  der  StraCse  von  Gomana  nach  Gocussus  und 
Arabissus  geht  hervor,  dafs  die  Entfernungen  von  Melitene  im  östlichen 
Eappadokien  gemessen  wurden. 


Sobagena  (Ehurman  Ealessi),  n.ö.  von  Gomana  am  Antitaunis. 

Sterrett,  a.  a.  0.  S.  39f.  n.  57.  Felseninschrift.  Der  Überschrift: 
^AxeXkcoü  Xetpiao^ou  'AXe^dvSpou  rou  xal  0iXt7tnioü  folgen  8  Hexameter: 
Einstmals  entrann  nach  der  Unsterblichen  Ratschlufs  ein  Mädchen  unver- 
sehrt einem  Bären,  der  von  dieser  hohen  Felsklippe  herabstürzte  durch 
die  zwiefältige  Kraft  des  Philippios  und  des  Arsinoos.  Dies  ist  der  be- 
rühmte und  unerschütterliche  Berg  Preion.  Die  Heimat  des  Arsinoos 
war  Sarromaöna,  die  des  Philippios  Sobagena  an  dem  Ziisammenflufs 
zweier  Flüsse.  Sie  waren  treue  Gefährten;  möge  dieser  Fels  ihre  uner- 
schütterliche Freundschaft  künftigen  Zeitaltern  verkünden!  —  S.  40  n.  68. 
Zweite  Felseninschrift.  Unter  dem  Präskript:  Too  ahxou  Xeepuro^ou 
2  Hexameter:  Neun  Stadien  sind  es  von  diesem  Felsen  bis  zu  der  schön- 
fliefsenden  Quelle  von  Sobagena  an  dem  Ufer  des  Flusses  Korax  (= 
Rhurman  Su).  —  A.  a.  0.  n.  59.  Dritte  Felseninschrift.  Nach  derselben 
Überschrift  wie  n.  58  ein  Distichon:  Nahe  ist  Sobagena  mit  seinen  kry- 
stallenen  Bädern.  Wenn  Du  ein  wenig  eilst,  kannst  Du  nach  der  An- 
strengung baden. 


Gocussus  (Göksün). 

1 107  Sterrett,  a.  a.  0.  S.  19  n.  12.    Weihung  des  Eapiton  TMeuq  an 

den  Zeus  Epikarpios;  aus  dem  9.  Jahre  Trajans  =  107  n.  Gbr. 


T^3K 


XXI.  Gappadocia:  Gomana  q.8.w.   XXII.  Lyda:  Telmessas.  Gadyanda.     153 

XXn.  Lycia. 

Telmessas  (Makri). 

Benndorf  and  Niemann,  Reisen  in  Lykien  und  Karien  I  1884 
S.  42  n.  11.  Fragment  einer  Ehreninschrift  des  Demos  von  Telmessos 
auf  einen  T.  Aurelius.  —  S.  40  n.  9.  Tempelfa^ade  mit  der  Grabschrift: 
'AfiuvToo  Toü  'Epixamoo.  4.  Jahrh.  v.  Chr.?  —  S.  41  Fig.  80.  Grabrelief 
eines  Retiarius  mit  der  Inschrift:  'EpjieT  nanpaetTfjQ  (Beiname  des  Gottes 
Men)  /iierd  ra)v  auvxeXXctpewv  li-v^jJiyjQ  X^^^*  —  »Der  Name  und  die  Be- 
zeichnung der  Kollegen  als  concellarii  scheint  neu  und  das  Relief  das 
erste  Zeugnis  für  eine  Gladiatorenschnle  in  diesen  Gegenden  zu  sein.« 
—  S.  42  n.  10.  Grabrelief.  Krinolaos  ehrt  sein  Weib  {yuvauxa  aw^pova 
xal  [ip\iXavdpov,  ^eäv)  Antipatra.  —  n.  12.  Vollständigere  Kopie  von 
GIG  III  4208;  n.  13  desgl.  von  GIG  4218;  a.  a.  0.  Anm.  3  einige  bessere 
Lesungen  zu  GIG  4204.  4205 ;  S.  43  n.  14  ausführlichere  Abschrift  von 
GIG  4216^  Add.  8«  1117;  n.  16  neue  Abschrift  von  GIG  4203;  u.  16 
desgl.  von  GIG  4222. 

Gadyanda  (Üsämlü). 

Cousin  und  Diehl,  BGH  X  1886  S.  40-43  n.  l-4i).  Vier  Frag- 
mente einer  Subskriptionsliste,  in  denen  häufig  das  auch  sonst  vorkom- 
mende Zeichen  <  eine  Drachme  bedeutet.  Unerklärt  sind  die  in  n.  1 
und  2  begegnenden  Abbreviaturen  ^te  und  ^7}\  vielleicht  bezeichnen  sie 
Tribus  oder  Demos.  Die  auch  sonsther  bekannte  lykische  Eigentümlich- 
keit von  Namenbildungen  auf  — tQ  erhält  neue  Belege  durch  VpveTteT/ieQ 
und  'A]7tiX^pLic> 

Benndorf  und  Niemann,  Reisen  I  S.  143  n.  122.    Bauinschrift,  t «9-79 
Der  Kaiser  Vespasian  errichtet  der  Stadt  ein  Bad  ix  rwv  dva(T[aj]Be\h' 

Cousin  und  Diehl,  a.  a.  0.  S.  45  n.  5.  Architrav  mit  dem  Frag-  desgi. 
ment  einer  Bauinschrift  des  Kaisers  Vespasian  (?).  —  S.  46  n.  6.  Frag-  desgl. 
ment  einer  Basisinschrift  zu  Ehren  des  sonst  unbekannten  kaiserlichen 
Legaten  G.  Garistanius  Fronte,  wahrscheinlich  aus  der  Zeit  Vespasians, 
der  74  n.  Ghr.  Lykien  zur  Provinz  machte.  Derselbe  scheint  erwähnt  zu 
sein  Lebas-Wadd.,  Inscr.  d'Asie  Min.  1317,  10:  Seä  Fatou  ..pcff..,  (GIG 
4304^  Add.).  Die  fünf  in  der  Inschrift  aus  der  Regierung  des  Gom- 
modus  bei  Benndorf  und  Niemann,  Reisen  I  S.  74  n.  54  Z.  23  —  28  be- 
gegnenden Personen  des  Namens  Garistanius  sowie  ein  Garistanianus 
sind  wohl  Abkömmlinge  von  Klienten  oder  Freigelassenen  dieses  Pro- 


1)  n.  1—18  aus  den  Ruinen  ehies  dorischen  Tempels. 


154  Griechische  Epigraphik. 

konsuls.  —  S.  47  n.  7.  Fragmentierte  Basisinschrift  auf  Gaius  Carista- 
umfisonius  UauXT^TvoVy  bov  (so)  Kap[eaTav/ou — .  —  S.  48  f.  n.  8.  Zwei  Fragmente 
einer  Basisinschrift  zu  Ehren  des  Q.  Vilius  Velina  Titianus  aus  Patara; 
wohl  um  120  n.  Chr.  Die  Weihinschrift  seiner  Tochter  Vilia  Procia  (CIG 
4283)  datiert  aus  dem  Jahre  146  n.  Chr.  —  S.  61  n.  9.  Basis.  Auxewv 
rb  xoivüv  ehrt  den  Meleagros  aus  Eadyanda,  rbv  i$e6vra  unoypaiifiarea 
Aoxtmv  Tou  xotifou»  —  S.  64  n.  10.  Auf  zwei  über  einander  gestellten 
Steinen.  KaduavSswv  fi  ßouXij  xal  6  8rjfioe  ehren  den  Hyperenor,  S.  des 
Kleobulos,  aus  Eadyanda,  aus  der  Phyle  ApoUonias,  der  aufser  vielen 
andern  Ämtern  auch  das  eines  rafieag  y&pouaiaQ  und  eines  unofula^  tou 
jIüxccjv  ißvou^  bekleidete.  —  S.  69  n.  11.  Basis.  Dieselben  ehren  den 
Artemon,  S.  des  Pankrates,  aus  Eadyanda.  —  n.  12.  Auf  zwei  über  ein- 
ander gestellten  Steinen.  Dieselben  ehren  den  Caius  Julius,  S.  des  Nei- 
kias,  Fabia  Ealliphanes,  TwfiaTov  xal  Ka[8u]av8ea,  der  u.  a.  mit  seiner 
Frau  das  Priesteramt  rwv  Zeßaarwv  verwaltete.  —  S.  60  f.  n.  13.  Auf 
zwei  über  einander  gestellten  Steinen.  Dieselben  ehren  den  Arzt  Meno- 
philos,  S.  des  Dositheos,  aus  Eadyanda,  aus  der  Phyle  ApoUonias.  — 
S.  62  n.  14.  Fragment  eines  oberen  Steines.  Dieselben  ehren  den  Apol- 
lophanes  aus  Eadyanda,  aus  derselben  Phyle.  —  n.  16.  Fragment.  Ka- 
SuavSewv  6  Srj]ixo^  ehrt  den  —  aus  Eadyanda,  aus  derselben  Phyle.  — 
S.  62  f.  n.  16.  Basis.  Mar(cus)  Aur(elius)  Euphro[s]ynos  aus  Eadyanda 
ehrt  seinen  verstorbenen  Sohn  Mar.  Aur.  Hermokrates  nach  Rats-  und 
Yolksbeschlufs  durch  Errichtung  einer  Bildsäule  —  S.  63  n.  17.  Basis. 
Den  verstorbenen  Eu]elthon,  S.  des  A[r]temon,  ehrt  seine  minderjährige 
Schwester  Lalla  mit  Unterstfitzung  ihres  Vormundes.  —  S.  64  n.  18. 
Oberer  Teil  einer  Basisinschrift.  Dositheos,  S.  des  Euelthon,  und  Lalla, 
T.  des  Pankrates,  ehren  ihren  Sohn,  Euel|thon]  und  8evBiSdffa{?)  ihren 
Bruder  Dositheos,  S.  des  D.,  aus  Eadyanda. 

Benndorf  und  Niemann,  Reisen  I  S.  143  n.  118.  Basis  mit 
Ehreninschrift  auf  Eleobulos,  S.  des  Sarpedon,  aus  Eadyanda,  vetxijaag 
naßwv  ndXrjv^  errichtet  unter  dem  lebenslänglichen  Agonotheten,  dem 
Lykiarchen  Mettius  Aurelius  Philotas  aus  Eadyanda.  —  n.  119.  Basis 
mit  fragmentierter  Ehreninschrift  auf  einen  Sieger  in  der  dv[Sp\(üv  ndXrj, 
—  n.  120.  Basis  mit  verstümmelter  Siegerinschrift.  —  n.  121.  Basis 
mit  Siegerinschrift  eines  Hippias  aus  Eadyanda;  unter  dem  Agonotheten 
t  311  von  n.  118  (s.  o.).  —  S.  144  n.  124.    Fragment  einer  Ehreninschrift  auf 

•—217 

Garacalla.  —  n.  123.  Meilenstein  mit  Widmung  an  Septimius  Severus 
und  Garacalla  (die  Erbauer  der  Strafse,  die  von  Eaunos  quer  durch  Ly- 
kyen  geführt  haben  mag). 

Gousin  und  Diehl,  a.  a.  0.  S.  64  n.  19.  Inschriften  von  Theater- 
sitzen: 1)  xare/ere  (so)  mo  AaX{k)c/id)^ou  \  2)  xa]Te/eTar  uno — .  — 
S.  66  n.  20.  Grabschrift  (vier  Hexameter)  des  Leonteus  auf  einen  Zo- 
simos. 


XXII.  Lyda:  Gadyanda.    Oenoanda  und  Termessas.  155 

Benndorf  und  Niemann,  Reisen  I  S.  144  n.  126.  Indschirköi, 
dML  von  Kadyanda.  Fragment  einer  Sarkophaginschrift  —  S.  46 
Amn.  4.  Dorf  Dont,  2Vt  St  südl.  von  Kadyanda.  Zu  letzterem  Orte 
gehörige  Grabschrift  eines  Griechen  von  Kadyanda.  —  Einige  Eorrek- 
toren  zu  dieser  Inschrift  =  GIG  III  Add.  S.  1115  n.  4208  <>. 


Oenoanda  und  Termessus  (Urludscha). 

Holleanz  und  Paris,  BCH  X  1886  S.  216  n.  1.  D^m  Demos 
▼on  Oinoanda  errichtet  der  Arzt  Kanaveug  y'  aus  Oinoanda  auf  eigene 
Kosten  ein  Asklepieion.  —  S.  218  n.  2.  Basis.  Den  C.  Licinius  Mutia-  um  t  57 
nas,  Legaten  des  Kaisers  Nero  (vgl.  Plin.,  Hist.  nat.  12,  6.  13,  27),  ehrt 
ein  Hennaios.  ~  Durch  unsere  Inschrift  wird  die  Vermutung  Borghesi*s, 
der  berühmte  Feldherr  und  Freund  Yespasians  habe  unter  Nero  Lykien 
verwaltet,  bestätigt.  B.  setzt  die  Verwaltung  desselben  um  57  n.  Chr.  — 
S.  219ff.  Basisinschriften  von  Bnle,  Demos  und  Gerusia  Tepfijjaaimv  vm 
Ttpbq  OhodvSotg.  —  Dieselben  ehren:  S.  219£f.  n.  3  den  M.  Aurelius  Arte- 
mon,  welcher  u.  a.  das  Amt  eines  bno^uAa^  und  dp)[e^uka$  des  lykischen 
Bandes  (iv  r^  i&vec  fifiwv)  bekleidet  und  gemeinsam  mit  seiner  Gattin 
eine  Panegyris  aller  lykischen  Städte  gestiftet  hatte,  zu  der  auch  die 
Matterstadt  Termessos  in  Pisidien  und  das  benachbarte  Kibyra  geladen 
worden  waren;  —  S.  222  n.  4  den  Lykiarchen  und  Logisten  der  eigenen 
Stadt  Tiberins  Claudius  Eutyches.  —  S.  222  f.  n.  5  den  Marcus  Aurelius 
Onesiphoros,  der  u.  a.  im  lykischen  Bunde  das  Amt  eines  Priesters  der 
Göttin  Roma  und  eines  dp^c^oXa^  bekleidete ;  —  S.  224  n.  6  den  Marcus 
Aurelius  Dionysios;  —  S.  227 f.  n.  9  den  Valerius  Statilius  Castus  (wohl  1 2&3 
ein  einheimischer  Ffirst  mit  angenommenen  lateinischen  Namen),  vbv  xpd- 
Turrov  4yufifia)^ov  twv  ^eßaaröjv^  itpafnöatrov  ße^eXaTcwvwv  (=  praeposi- 
tos  vexillationum),  der  für  den  Frieden  zu  Wasser  und  zu  Laude  sorgte, 
in  Termessos  zwölf  Tage  verweilte,  a.  d.  V.  Id.  Nov.  d/'a^ov-(17)Ta  Sk 
xde  hmiptov  (=  agere  Imperium)  ^tXo-{\S)Tetp(i}<:  iv  tw  Xouaajpcwy  an 
welchem  Tage  die  Bildsäule  des  Kaisers  Valerian  (tou  xupeou  ^pwv  Oua- 
Xepiavou  veou  üeßaarou)  errichtet  wurde.  —  Unter  lusorium  (das  Wort 
ist  neu)  kann  nicht  mit  den  Herausgg.  eine  lusoria  uavis  =  Kreuzer- 
schiff verstanden  werden,  auf  welchem  der  Geehrte  das  Kommando  bei 
Wiederherstellung  der  Sicherheit  der  Meere  geführt  hätte,  denn  die  Er- 
wähnung desselben  (Z.  16  —  18)  wird  von  dem  Bericht  über  dieses  Fak- 
tum (Z.  10—13)  durch  die  Anwesenheit  des  Geehrten  in  der  heimischen 
Stadt  getrennt;  auch  würde  jenes  Kommando  nicht  auf  einen  einzigen 
Tag  beschränkt  geblieben  sein.  Vielmehr  dürfte  unter  dem  fraglichen 
Ausdruck  ein  Festspiel  zu  verstehen  sein,  bei  welchem  der  Gefeierte  den 
Vorsitz  führte.  Das  Epitheton  viog  Ueßaarbg  macht  wahrscheinlich,  dafs 
die  Inschrift  kurze  Zeit  nach  der  Thronbesteigung  Valeriaus  (Aug.  253 
D.  Chr.?)  fällt  —  S.  226 f.  n.  7.    Basis.    Der  lykische  Bund  (Auxtwv  tu 


156  Griechische  Epigraphik. 

xoevbv)  ehrt  den  Marcus  Aurelias  ApoUonius  aus  Oinoanda,  der  in  dem 
Bunde  das  Amt  eines  Priesters  des  Apollon  und  darauf  das  eines  dp^^t- 
nach  ^uXa$  bekleidet  hatte.  —  S.  229  ff.  n.  9 — 13.  Fünf  gleichzeitige  agoni- 
^^^  stische  Basisinschriften;  alle  datiert:  'Aycjvo^eroüvTos  Seä  ßioo  (n.  9.  10 
Zusatz:  iv  rfj  AapLTzpordrjj  OlvoavSeatu  nöXee)  looXtoo  Aouxiou  UeiXho 
EbapioTot}^  navvjyvpew^  Ttpwrrj^  (n.  11 — 13:  deurepa^)  Ueorjpeimv  f/lisfav- 
8peiaiv\  Ebapeazeiwy^  ^C  abzog  auvearfjaaTo  (n.  11 — 13  Zusatz:  if  ISiony 

//ojjj/tiara/v  dg  rcdvra  rbv  ](p6vov).    Der  Name  der  Spiele,  Ueu^peea 

Ebcupiareta^  ist  unvollständig  erhalten;  zwischen  beiden  Worten  ist  das 
mittlere  auf  allen  Inschriften  weggemeifselt.  Die  Herausgg.  ergänzen: 
'AXe^dvdpeea,  da  der  Name  des  Kaisers  Severus  Alexander  von  den  öffent- 
lichen Denkmälern  in  systematischer  Weise  getilgt  worden  ist.  Der  Schriftr 
Charakter  würde  dieser  Vermutung  nicht  widersprechen.  —  Sieger  sind: 
S.  229  f.  n.  9  der  Gymnasiarch  Aur.  Demetrios,  KoptßdaXeug  xdt  ^PodeaTtO' 
Xe/njg;  S.  231  n.  10  M.  Aur.  Aphrodeisios;  S.  23lf.  n.  11  As(iDius)  Fl(a- 
vius)  Flavillianus  aus  Oinoanda;  S.  232f.  n.  12  Demetrios  K[opuSaXeuc?\ 
S.  233  f.  n.  13  Aur.  Toalios.  —  S.  234  n.  14.  Katagraphos,  S.  des  Arte- 
mon,  iepeug  nph  noXeaig  (=  vor  der  Stadt)  Aijroug  8tä  ßioo  errichtet 
einen  Sarkophag  für  sich  und  seine  xh^povofxot. 


Tlos  (Duer). 

Benndorf  und  Niemann,  Reisen  1 S.  140.  Basisinschriften:  n.  108. 
Der  Demos  von  Tlos  ehrt  [Najuna,  T.  des  Agathokles.  —  n.  109.  Frag- 
mentierte Ebreninschrift  einer  Mutter  auf  ihre  Tochter,  die  Gattin  eines 
Ptolemaios.  —  n.  Hl.  Arg  verstümmelte  Ehreninschrift  auf  einen  Ly- 
kias;  am  Schlufs  wahrscheinlich  Reste  eines  Distichons.  —  n.  HO.  Dürf- 
tiges Fragment  ungewissen  Inhalts. 


Pinara. 

Benndorf  und  Niemann,  Reisen  I  S.  64  n.  19.  Oberhalb  einer 
schon  bekannten  Inschrift  in  lykischem  Alphabet  stehen  in  griechischer 
Schrift  die  Worte:  ^Emrovxdvovrog  roo  VpvepuBoo.  —  S.  ö5  n.  24.  Ära 
mit  Votivinscbrift  des  T.tillaudius  Diogenes  für  die  cwn^pia  seines  rpd- 
^tfiog  L.  Claudius  Apollinarius  an  die  Beol  mirpipoi  xcä  itpoBopcuot.  — 
n.  26.  Grabaufsatz:  Koppdyoi  (2)  AaxdXou^  (3)  KaAX{xap'{4)nog  —drou. 
-  n.  26.  Dürftige  Reste  einer  Ehreninschrift.  —  n.  27  —  GIG  III  4261; 
n.  28  =  GIG  in  4261  (!);  n.  29  berichtigte  Abschrift  von  GIG  m  4259; 
Anm.  4  berichtigte  Lesung  zu  GIG  4253;  Anm.  6  Berichtigungen  zu 
GIG  4256. 


XXII.  Lycia:  Oenoanda  und  Termessas.  Tlos.  Pinara.  Sidyma-Cragus.     157 

Sidyma-Cragus^). 

Benndorf  und  Niemann,  Reisen  I  S.  62  Fig.  43.  Epistyl  des  t48? 
Sebasteion.  Weihinscbrift:  ßeoTß  (rwr^pae  ^eßourcoTg  inl  Ko[tuTou  Oui^- 
pav\ioo  TipeaßeuTou  (2)  Ttßepeou  KX<xu8eou  Ka{4Tap[og  Zeßourrofi  dvTtarpa- 
T^you.  —  Q.  Yeranins,  Konsul  49  n.  Chr.,  war  wohl  erster  Statthalter 
der  im  Jahre  43  n.  Chr.  eingerichteten  Provinz  Lykien.  —  Vgl.  u.  n.  36. 
—  S.  63  Fig.  46  n.  30.  Epistyl  der  Stoa.  Bau-  and  Weihinschrift  zu  t  4i-m 
Ehren  des  Kaisers  Claudius  und  der  Artemis  von  einem  Arzt  Epagathos, 
einem  Freigelassenen  und  accensus  (dxx^dcog)  des  Kaisers  [und  wahr- 
scheinlich Tib.  Claudius  Livianus,  der  nach  n.  32  mit  Epagathos  dem 
Claudius  auch  eine  Kolossalstatue  errichtete].  —  S.  64  n.  32.  Basis  einer 
Statue  des  Kaisers  Claudius,  errichtet  von  dem  n.  80  erwähnten  Arzt  Epa- 
gathos und  Tib.  Claudius  Tib.  f.  Quirina  Livianus.  —  S.  64  n.  31.  Epi- 
stylblock:  ~  dYJwvo&erfiaac  r-.  —  n.  33.  Fragmentierte  Ehrenin-  1 98 
Schrift  der  I!c8u]fU<ov  auf  die  ^eä  D^Xcoreivv}^  Gemahlin  des  Kaisers  Tra-  "^^^ 
Jan.  —  n.  84.  Fragmentierte  Ehreninschrift  auf  Maria  Rufina  und  L. 
Marius  Sonikos,  die  Erbauer  des  ßaXaveToy,  —  n.  36.  Fragmentierte 
Ehreninschrift  auf  Q.  Yeranius,  Q.  f.,  —  dp^t^paTeuaavra  twv  Heßaarwv 
u.  s.  w.  Wohl  noch  aus  dem  1.  Jahrb.  oder  der  ersten  Hälfte  des  2.  Jahrb. 
n.  Chr.  —  Vgl.  o.  S.  62  Fig.  43.  —  n.  36.  Den  Tib.  Claudius  Caesianus 
Ägrippa  ehrt  ^EXiv\ri^  ^  xa\  ''Afpipio)^^  T.  des  lason,  aus  Telmessos.  — 
n.  37.  Basis  mit  Ehreninschriften  auf  den  in  n.  36  genannten  Caesianus: 
1)  der  in  n.  36  erwähnten  Helene-Aphphion;  2)  des  Tib.  Claudius  Cae- 
sianus Agrippa,  eines  dp^tep^o^  rwv  ^eßaarwv  und  ypafißareuc  des  ly- 
kiscben  Bundes.  Auch  der  Vater  war  Grammateus  und  wahrscheinlich 
Archiereus  des  Bundes.  —  S.  67  n.  38.  Bauinschrift:  Aus  den  Zinsen 
eines  Vermächtnisses  des  Tib.  Claudius  Caesianus  an  die  Stadt  Sidyma 
wurde  ^  ati]^  rou  rerpaaroou  erbaut.  Letzteres  wohl  eine  atriumartige 
Anlage;  vielieicht  das  sog.  Forum.  —  S.  67  n.  39.  Ehreninschrift  des 
Lyson,  S.  des  Diomedes,  auf  seinen  Vater  D.,  S.  des  Lysen,  aus  Sidyma, 
der  eine  Anzahl  kommunaler  Ämter  verwaltete.  ^  Vielleicht  noch  aus 
dem  1.  Jahrb.  v.  Chr.  —  n.  40.  Poplios  und  Nannis,  SS.  des  Marsyas, 
ehren  ihren  Verwandten  Imbiaimis,  S.  des  Pharmakes,  aus  Sydima.  Vgl. 
n.  54.  —  S.  67  £f.  Ehreninschriften  der  Bule  und  des  Demos  von  Sidyma. 
^  Die  Geehrten  sind:  S.  67  n.  41.  42  (oberer  und  unterer  Teil  einer  t  iso 
Basis)  1)  Tib.  Cl.  Arsasis,  Bürgerin  von  Xanthos  und  Pinara,  Gemahlin  "^^^ 
des  Konsulars  Tib.  Cl.  Telemachos;  2)  der  KonsularTib.  Clau[dius]  Te- 
lemachos,  Bürger  von  Xanthos  und  Sidyma,  Quästor'von  Achaia,  Legat 
von  Asia  (s.  Nachträge  S.  157),  Oikist  von  Hierapolis  und  Laodikeia  am 
Lykos  (vermutlich  nach  dem  grofsen  Erdbeben  unter  Antoninus  Pius).  — 


1)  Nach  Mommsen,  Nachträge,  a.  a.  0.  S.  157,  wahrscheinlich  die  Akro< 
poUs  s=  Kragos,  die  Unterstadt  =r  Sidyma. 


158  Griechische  Epigraphik. 

Der  Geehrte  war  Konsul  wahrscheiDlich  unter  Gommodus.  Sein  Name 
fehlt  in  den  Fasten.  Er  bekleidate  nach  n.  50  (s.  u.)  das  Amt  eines  Ly- 
kiarchen.  —  8.  68  n.  43.  44  (oberer  und  unterer  Teil  einer  Basis)  1)  M. 
Aurelia  Chrysion-Nemeso,  Bttrgerin  von  Patara  und  Sidyma,  Gemahlin 
des  Lykiarchen  M.  Aurelius  Enkarpos;  2)  der  Lykiarch  M.  Aurelius 
Eukarpos,  8.  des  Hierokles.  Beide  werden  zu  Lebzeiten  geehrt  —  S.  69 
ü.  45  (nach  ihrem  Tode)  1)  die  erwähnte  Marcia  Aurelia  Nemeso-Ghry- 
sion;  2)  ihren  Gatten  M.  Aurelius  Eukarpos  aus  8idyma,  Priester  der 
Artemis  und  des  Apollon,  Vater  eines  gleichnamigen  Sohnes,  eines  veo- 
{so)  xopoQ  der  Hekate.  —  Vater  und  Sohn  haben  Grundbesitz  testamen- 
tarisch vermacht  (s.  n.  46).  —  8.  70  n.  46.  Bnle  und  Demos  ehren  den 
Sohn  des  M.  Aurelius  Eukarpos,  auvyewj  dp^e^uXdxwv  xal  koKidp^oav^ 
\_  180  der  der  Stadt  seinen  ganzen  Grundbesitz  am  Kragos  vermachte.  —  S.  71 
u.  50.  Psephisma,  welches  die  EinfQhrung  einer  Gerusia  (cißtmutjaL  yepov- 
Tixov)  festsetzt,  deren  Bestätigung  mittelst  eines  im  Wortlaute  mitgeteil- 
ten Schreibens  des  Prokonsuls  C.  Pomponius  Bassus  erfolgt  (letzterer 
nach  Mommsen,  Nachträge  S.  157  nicht  identisch  mit  dem  von  Elagabal 
hingerichteten  Konsul  des  Jahres  211  n.  Chr.)«  Der  Name  des  Kaisers 
ist  ausgekratzt;  wahrscheinlich  war  es  (Jommodus  (vgl.  auch  Mommseo, 
a.  a.  0.).  In  Beziehung  zu  denselben  wird  der  Lykiarch  Tib.  Claudius 
Telemachos,  dessen  Beamtenlaufbahn  n.  42  (s.  o.)  giebt,  gestanden  haben, 
da  sein  Name  in  Z.  10  erst  nachträglich  wiederhergestellt  zu  sein  scheint. 
—  S.  78  f.  n.  61  und  S.  74  f.  n.  52.  Diese  beiden  zusammengehörigen  In- 
schriften bieten  das  Verzeichnis  der  ersten  Mitglieder  der  neuen  Gerusia 
(s.  n.  50).  iDie  Namen  lassen  sich  in  Gruppen  ordnen  nach  den  ver- 
schiedenen Perioden  der  lykischen  Geschichte;  man  unterscheidet  per- 
sische, karische,  attische,  ägyptisch -griechische,  rhodische  und  römische 
Namen  neben  sehr  wenig  einheimischen,  und  die  rein  heUenischeo  ftber- 
wiegen  in  einem  Mafse,  dafs  die  Gräzisierung  der  Provinz  sich  auch  in 
dieser  Hinsicht  als  eine  längst  vollzogene  Thatsache  aufdrängt.«  Die 
grofse  Mitgliederzahl  des  Kollegiums  (ca.  100)  überrascht  im  Gegensatze 
zu  der  heutigen  schwachen  Bevölkerung  des  Kragos.  —  S.  70  n.  47. 
Fragmentierte  Ehreninschrift  auf  die  vewxopo^  Marcia  Aurelia  Aristote- 
leia-Androbiane,  T.  des  Hypophylaz  der  Lykier  M.  Aur.  Antipatrianus, 
Bürger  von  Sidyma  und  Xanthos.  —  Der  Grofsvater  der  Geehrten  ist 
Grammateus  des  Rates  in  dem  Psephisma  n.  50,  2  und  Geront  nach 
n.  51,  24  (s.  0.).  —  n.  48.  49.  Fragmentierte  Ehreninschriften  auf  einen 
Archiphylax  bezw.  Hypophylax  der  Lykier.  ->  S.  76  n.  53  A-E.  >Frag- 
mente  einer  Rede;  welche  auf  die  Sagengeschichte  und  den  Kultus  von 
Sidyma  bezug  nimmt  und  wohl  an  einem  Feste  gehalten  wurde,  bei  wel- 
chem Pry tauen  von  Tlos,  Sidyma  und  Pinara  fungierten.  Sprecher  ist 
ein  Gesandter  von  Kalabatia,  dem  Hafenorte  von  Sidyma.  Durch  Weit- 
schweifigkeit und  Unklarheit  der  Periodenbildung,  poetischen  Phrasen- 
schwall, gelehrte  Reminiscenzen  und  eine  grofse  Zahl  neugebildeter  oder 


XXII.  Lycia:  Sidyma-Cragus.    Xanthus.  159 

nogewdhnlicher  Worte,  die  zum  teil  schon  dem  christlicheii  Sprachge- 
braache  angehören,  macht  sie  den  Eindruck  einer  epideiktischen  Prank- 
rede. Der  Schriftcharakter  ähnelt  dem  unter  Gommodus  gefafsten  Pse- 
pbisma  n.  50.  Sie  fällt  also  in  die  Blütezeit  der  zweiten  Sophistik.c  — 
Vgl.  als  SeitenstQck  aus  gleichfalls  nachhadrianischer  Zeit  den  Protrep- 
tikos  Logos  eines  attischen  Epheben  über  Theseas  und  itepl  ä^x^g,  wel- 
chen Dittenberger  CIA  III  62  aus  Bruchstücken  nachgewiesen  hat.  — 
S.  78  n.  54.  Grabtempel  mit  Grabschrift  des  Flavius  Pharnakes  auf  seine 
Tochter  Flavia  Nanne,  die  das  Oberpriesteramt  des  Bundes  bekleidete 
QDd  zu  der  in  n.  40  genannten  Familie  gehören  dürfte.  —  n.  55.  Sarko- 
phag des  Sidymers  M.  Aurelius  Ptolemaios  Aristodemos,  der  nach  kai- 
serlicher Verordnung  (des  Antoninus  Pins)  von  der  Stadt  als  Oberarzt 
angestellt  war  und  als  solcher  Freiheit  von  Steuern  und  öffentlichen 
Lasten  genofs,  hergerichtet  für  ihn  selbst,  seine  Gattin  M.  Aurelia  Lalla 
and  Kinder;  mit  Strafandrohung.  —  S.  79  n.  56.  Sarkophag  mit  metri- 
scher (6  Distichen)  Grabschrift,  die  in  einem  Akrostichon,  auf  welches 
Z.  12  aufaierksam  macht,  den  Namen  Aristodemos,  vermutlich  eines  Stein- 
metzen, enthält  —  n.  57-  Grabunterbau.  Über  dem  Eingang  Rest  einer 
Inschrift,  von  der  nur  die  Strafandrohung  erhalten  ist.  Der  Denunziant 
soll  ein  Drittel  der  Bufse  erhalten.  —  S.  80  n.  58.  Grabunterbau  mit 
fragmentierter  Inschrift,  welche  ein  Verbot  enthält.  Unberechtigte  beizu- 
setzen. —  n.  59.  Fragmentierte  Grabschrift  mit  Resten  von  sechs  Hexa- 
metern. —  Sarkophaginschriften:  S.  80  n.  60  des  Tiberius  Claudius  One- 
simos;  n.  62  des  M.  Aur.  Lysibios  für  sich  und  seine  Familie,  mit  Straf- 
androhung; n.  63  des  M.  Aur.  Zenodotos  desgl.;  S.  81  n.  64  eines  Demo- 
sthenes  desgl.  —  S  81  n.  67.  Grabschrift  des  Sidymers  Hermes,  S.  des 
lasen,  auf  sein  Weib  Numenis,  T.  des  lasen;  n.  68  des  Klaudios  Philta- 
tos  auf  sein  Weib  Elaudia  KalIid[orla.  —  Die  Namen  beider  Männer 
b^egnen  in  der  Demotenliste  n.  52,  9.  17  (s.  o.).  —  S.  82  n.  69.  Grab- 
schrift von  ^c^i  auf  ihren  Freund  Q.  Eu[phros]ynos.  —  n.  70.  Fragment 
einer  Grabschrift.  —  S.  80.  Berichtigte  Lesung  zu  GIG  4264.  —  S.  81 
Q.  65.  66.  Neue  Abschrift  der  metrischen  Ehreninschrift  des  Tatian,  Kon- 
suls des  Jahres  391  n.  Chr.  =  GIG  2266®,  Eaibel  919. 


Xanthus  (Einik). 

Benndorf  und  Niemann,  Reisen  I  S.  89  n.  71.  Faksimile  der  446/6 
drei  letzten  Zeilen  des  griechischen  Epigramms  der  Harpagidenstele  (u.  a.  ~^^^  ^ 
GIGIII  4269  und  Add.  S.  1122,  Lebas-Wadd.  n.  1249,  Kaibel  768).  Die 
bisherigen  Zeitansätze  im  4.  Jahrh.  v.  Chr.  sind  irrig;  die  Inschrift  ist 
dem  5.  Jahrh.  v.  Chr.  zuzuweisen.  »Es  liegt  kein  Grund  vor,  welcher 
verböte,  die  im  lykischen  Texte  der  Stele  gelesenen  Namen  »des  Dareios 
und  Artazerxesc  auf  Dareios  L  und  Artaxerzes  I.  zu  beziehen.  Der  Sohn 
des  Harpagos  scheint  als  königlicher  Satrap  eine  Unterwerfung  der  Pro- 


160  Griechische  Epigraphik. 

vinz  vollzogen  and  die  wiedergewonnene  Herrschaft  darch  Einsetzung  von 
Subregenten  befestigt  zn  haben.«  Wahrscheinlich  fällt  die  Inschrift  zwi- 
schen 446/5  und  430  v.  Chr.  —  S.  92  n  76.  Fragmentierte  Ehreninschrift 
auf  einen  Glaudianus,  u.  a.  7tpeaßB[oT^g  dvrtarpdrvjYog  (6)  ^]a/?/£/a/v 
^A][€uaQ  xdi  ^Aa{[ag  xa\  X£}'ewv-(*I)og  8euTepag  Tpdüxu^g  [I<r)ropdig  xac 
d-(8)v&u7TaTog  Maxe8[ovcag,  S.  auch  die  Bemerkung  von  Mommsen,  Nach- 
träge S.  157.  —  S.  93  n.  77.  Ära  mit  Ehreninschrift  des  lykischen  Bun- 
des auf  den  an  Ehrenämtern  reichen  M.  Aur.  Euelthon  aus  Xanthos.  — 
n.  78.  Ära  mit  fragmentierter  Ehren inschrift  auf  denselben  seitens  der 
SavB(wv  f)  Tou  Ju[x]e(ov  e^voug  pyjzpdnoXtg.  —  n.  79.  Ära  mit  Ehren- 
I  69—79  inschrift  des  Demos  von  Xanthos  auf  Aino,  T.  des  Stason.  —  S.  91  f. 
n.  73.  Epistyl  eines  kleinen  dorischen  Triumphbogens  mit  der  Bauin- 
schrift GIG  III  4271  und  Add.  S.  1124,  Lebas-Wadd.  1254;  errichtet 
unter  Sextus  Marcius  Priscus,  Legaten  des  Kaisers  Yespasian.  —  8.  92 
n.  74.  Neue  Abschrift  von  GIG  III  4276  Add.,  Lebas-Wadd.  1255.  — 
n.  75.  Dttrftige  Fragmente  einer  Ehreninschrift.  —  S.  93  n.  80.  Grab- 
schrift des  Yeranius  Nikomedes  auf  seinen  Sohn  und  des  Hermogenes- 
Nikomedes  auf  seinen  Bruder.  —  n.  81.  Ära  mit  Grabschrift  der  SeTpLa 
lldnou  auf  ihren  {iar^g)  Mann  Leonides,  S.  des  Hierokles.  —  n.  82 
desgl.  des  Tryphon,  S.  des  Demetrios,  und  der  Munatia,  T.  des  Lucius, 
auf  einen  Kindabyris.  —  n.  83  desgl.  des  Euelthon  auf  seinen  Vater 
Alexandros.  —  n.  84  desgl.  des  Hermarilos  auf  seinen  Vater  Trienda8i[s], 
S.  des  Hermatoöroris  (?).  —  8.94  n.  85.  Grabschrift:  'Avtiö^ou  y  lo- 
ßarioü,  —  n.  86.  Grabschrift  des  Äbp,  Upuravcxög  dtddaxaXog  =  GIG 
III  4278«;  vgl.  n.  4303^0.  —  n.  87.  Inschrift  eines  Grabes,  welches 
Aurelius  Hermakotas,  S.  des  Glaukos,  für  sich  und  seine  Gattin  Aur. 
Parthena,  T.  der  Zosime.  kaufte;  =  GIG  III  4278.  Das  in  grofsen  Zei- 
gen die  Inschrift  durchziehende  MOY  ist  sicher  kein  Rest  eines  froheren 
Namens  oder  Teil  einer  längeren  Inschrift,  für  welche  kein  Raum  wäre, 
sondern  vielleicht  eine  Zeichnung  des  Grabes  beim  Ankaufe.  —  8.  122 
t  96-117  n.  92.  Letoon  bei  Pydnai.  Trümmer  des  Kaisertempels  im  Letoon. 
Ehreninschrift  der  Stadt  Xanthos  auf  den  Kaiser  Trigan.  —  n.  98.  Ebd. 
Ehreninschrift  von  Bule  und  Demos  von  Xanthos  auf  den  Römer  Tiberius 
[Glau]dius,  S  des  Tiberius  Glaudius  lason,  Bürger  von  Patara  (s.  u.  n.  89), 
Xanthos  und  Myra,  Oberpriester  twv  Seßaarwy^  Grammateus  des  lyki- 
schen Bundes  u.  s.  w.,  der  auch  von  den  kleioasiatischen  Griechen  und 
den  pamphylischen  Städten  geehrt  worden  war,  Ttpoyovotv  b[7tdp^y}V'^a 
<rc\pax7^YS>v  xal  vaudp^^wv  (so  Mommsen,  Nachträge  S.  157)  u.  s.  w.  — 
t  117—188  S.  123  n.  94.  Ebd.  Geringe  Reste  einer  Ehreninschrift;  wahrscheinlich 
1 161-180  auf  Hadrian.  —  n.  95.  Ebd.  Reste  einer  Ehreninschrift  auf  [AJnnia 
[Faus]tina,  welche  Mark  Aurel  nach  Asien  begleitete  und  in  dem  kappa- 
dokischen  Orte  Halalai,  später  Faustinopolis,  starb.  —  n.  96.  Ebd.  Ehren- 
inschrift der  Bule  und  des  Demos  von  Xanthos,  der  Hauptstadt  des  lyki- 
schen Bundes,  auf  einen  Xanthier,  der  zweimal  vom  Bunde  zum  dpx^p^bg 


XXII.  Lycia:  Xanthos.  Patara.  Candyba.  Cyaneae.  161 

T&v  narpipwv  ^€wv  gewählt  worden  war  and  die  Herstellung  eines  eher- 
nen Altares  der  BnndesgOtter  geleitet  hatte.  —  n.  97.  Ebd.  Ehren« 
Inschrift  des  lykiscben  Bandes  aaf  Seztus  Gl.  Glementianas  Ktesikles.  — 

S.  124  n.  98.   Ebd.   3]avB/[w]v  ol  vioi  ehren  ihren  Qymnasiarchen , 

8.  des  Eaelthon.  —  n.  99.   Ebd.   Rest  einer  Ehreninscfarift  der  Xanthier. 


Patara. 

Benndorf  and  Niemann,  Reisen  I  S.  117  n.  89.  Ehreninschrift: 
Ztdy^iDV  [^1  ßouJiii  xal  6  S^og  ehren  den  T[ib]erias  GIa[a]di[us],  S.  des 
Claudias  lasen,  Qairina  A[gr]i[ppi]nus  als  dp^^tepdfg  Heßaarwv  u.  s.  w. 
—  Derselbe  Geehrte  n.  93  (s.  S.  160).  —  n.  90.  Ära  mit  Widmung  an  t  ito 
den  Kaiser  Hadrian.  —  Der  Gang  der  zweiten  Reise  Hadrians  im  Früh- 
jahr 130  n.  Ghr.  wird  durch  diese  Inschrift  näher  bestimmt  —  n.  91.  Ära 
mit  Grabschrift  der  Hellas,  T.  des  Soterichos,  aus  Patara  auf  ihre  gleich- 
namige Tochter.  —  n.  88.  Zweizeiliges  Fragment;  =  GIG  HI  4297.  — 
S.  129  n.  102,  Säret,  zwischen  Patara  und  Phellos.  Sehr  unleserliche 
Sarkophaginschrift.  Der  Frevler  soll  der  Stadt  Patara  eine  Bufse  ent- 
richten. 

Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1885  S.  364  n.  107  ^  112; 
aus  den  wieder  aufgefundenen  »MS.  Inscriptions  coUected  in  Greece  by 
G.  R.  Gockerell,  1810 — 14c.  Reste  zweier  Ehreninschriften,  wohl  des 
Aux/tov  rb  xotv6v\  112  auf  Mettius  Modestus.  -  n.  113;  aus  derselben 
Quelle.  Syne(g)demos,  S.  des  Menophilos,  errichtet  seiner  Herrin,  der 
Demeterpriesterin  Mamion,  T.  des  Mene[kra]tes  ein  Grabmal. 

Candyba  (Gendowa). 

Benndorf  und  Niemann,  Reisen  I  S.  133  n.  106.  Sarkophag- 
inschrift des  Ale[xa]ndros,  S.  des  Andreas,  aus  Kandyba  für  sich  und 
seine  Familie;  mit  Strafandrohung.  —  n.  106.  Grabinschrift:  — is,  T. 
des  Apollonios,  KavSußtaa  kauft  von  dem  Demos  von  Kandyba  für  sich 
und  ihre  Familie  ein  Grab;  =  GIG  III  Add.  S.  1143  n.  4308^^0,  wo 
Z.  4  fehlt  —  n.  107.  Ähnliche,  verstümmelte  Inschrift,  welche  gleich- 
falls einen  Grabkauf  erwähnt. 

Cyaneae. 

Benndorf  und  Niemann,  Reisen  I  S.  32.  Westlich  von  GjOl- 
baschi.  Sarkophaginschrift,  »die  eine  Strafzahlung  an  die  Gerusia  von 
Kyaneai  vorschreibtc  (Vorläufiger  Bericht  S.  32). 

Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1886  S.  369  n.  126;  aus 
den  wiederaufgefundenen  »MS.  Inscriptions  coUected  in  Greece  by  G.  R. 

JahxMUrioht  Ar  Alt«rtiiiBciriM«iu«h«lt  LXYI.  Bd.  H 


162  Qriechische  £pigraphik. 

Oockerell,  1810--14ct  £paphro4ito8,  S.  des  Mosaios,  erricbtet  tdr  sich» 
seine  Matter  Aikutatbe,  sein  Weib,  seine  Kinder  nnd  Nachkommen  ein 
Grabmal.  In  dem  Imoaöpeov  sollen  die  BpsTtrol  beigeseUt  werden.  Ein 
widerrechtlicher  Benutzer  soll  der  Kuav{e)ezwv  y^pouata  1000  Denare  ent- 
richten, von  denen  der  Dennnziant  die  Hälfte  erhält. 


Aperlae  (Eekoya). 

Hirscbfeld,  Archäol.-epigr  Mitteil,  aus  österr.  IX  1885  S.  192 
—201  »Das  Gebiet  von  Aperlai.  Ein  Beitrag  zur  historischen  Topogra- 
phie I^ykiensc  setzt  das  beutige  Eekova  =  Aperlai  und  bespricht  die 
far  die  Untersuchung  in  betracht  kommenden  Inschriften. 

Benndorf  und  Niemann,  Reisen  I  S.  28  n.  6.  Epistylfragment 
von  einer  Tempelhalle  mit  dem  Namen  des  Stifters:  KdXXamoc  i^iXox' 
[ — r]^v  (no[dv—.  —  Anm.  2.  Die  Restitution  der  Sarkophaginschrifit 
von  Franz  GIG  lU  Add.  8.  1134  n.  4300^  wird  bis  auf  einige  geringe 
Abweicbungen  bestätigt.  Vgl.  unten.  —  S.  29  Anm.  1.  In  der  Sarkophag- 
inscbrift  GIG  ni  Add.  S.  1134  n.  4300''  lautet  der  Name  lAArPOY. 
—  S*  1181  n,  4300^  (s.  0.)  steht  durchgängig  A  and  zu  Anfang  — a#v 
di^-.    S.  1141  n.  43031»  ist  richtig  kopiert. 

Gardner,  Jonrnal  of  hellenic  stndies  VI  1885  S.  355 ff.;  ans  den 
wieder  aufgefundenen  »MS.  Inscriptions  collected  in  Greece  by  C.  R. 
Cockerell,  1810 — 14c.  —  S.  355  n.  119.  Herpidise-Sarpedonis,  T.  des 
Lysandros,  aus  Aperiai  errichtet  eine  Grabstätte  für  ihre  Sklaven  Synal- 
lage, Musarutis  und  Niketes  (NixT^rt)  und  dessen  Töchter  Leone  und  As- 
klepias.  Der  widerrechtliche  Benutzer  ö^Xiat  rfj  *A7tep'{ll)Unrwv  noXi 
[dijv.]  ip' ,  —  S.  366  n.  120.  Inschrift  der  Grabstätte  des  Idagros-Severus, 
S.  des  Erat  eres,  aus  Aperlai,  errichtet  für  ihn  selbst,  sein  Weib  Nane, 
T.  des  Her[m]ago[r]as,  aus  Aperlai  und  ihre  Nachkommen.  Der  wider- 
rechtliche Benutzer  Ib^iptiUatt  r(p  *AmpXeeTcjv  S^fuo  [St^v.]  ßfp\  —  S.  357 
n.  121.  Aur.  The[o]teimos  IV.  aus  Aperlai  erbaut  eine  Grabstätte  f&r 
sich,  sein  Weib  Aur.  Arsasis,  seinen  Sohn  Demetrios  und  dessen  Weib 
Diokidiane  und  Kinder.  Das  Beisetzungsrecht  haben  auch  seine  Schwe- 
ster Arsasis,  sein  Bruder  Kallistratos  und  sein  pjvcuxacbc  v6[n]dc  [He]r- 
mapias.  In  dem  bno(Top{i)xdv  sollen  die  BpeTrrdpta  des  erstgenannten 
Ehepaares  und  seines  Sohnes  beigesetzt  werden.  Ein  Zusatz  macht  wahr- 
scheinlich, dafs  auch  noch  dem  Steinmetzen  dasselbe  Recht  bewilligt  wurde. 
Folgt  die  Strafandrohung.  —  S.  857  f.  n.  122.  Aur.  Dionysios  Dema[r]e- 
[t]es  aus  Aperlai  errichtet  für  sich,  sein  Weib  Stephane,  seine  Nachkom- 
men, seinen  Schwager  Aur.  Soterichos  und  dessen  Freund  Perigenes,  den 
Sklaven  ra;v  d^toXoj^afTdrwv  Lysandros  und  Diophantes  ein  Grabmal;  mit 
Rest  einer  Strafandrohung. 


XXn.  Lyda:   Aperlae.   Istlada.    Myra.   Olympus.   Pbaselus.        163 


Istlada  (litter.  onbezeugt;  Aidle  oder  Haldle)  and  Umgegend. 

Benndorf  und  Niemaon,  Reisen  I  S.  30  n.  7.  Sarkophaginschrift 
des  Hermandoas,  S.  des  Pl[a]ton,  für  sich»  sein  Weib  ZoUis  und  ihre 
Nachkommen;  mit  Strafandrohung:  der  Orabfrevler  soll  der  Oerusia  von 
Myra  600  Denare  entrichten.  »Der  Inhaber  dieses  Grabes  war  also  nach 
dem  Aber  drei  Stunden  entfernten  Myra  znstftndig.c  —  S.  31.  Sarko- 
phaginschrift mit:  larXaSiiüv  r^  ^7/^-  —  Ruinen  sfldl.  und  westl.  von 
dem  Dorfe  Hoiran.  Sarkophaginschrift  des  Tlepolemos,  S.  des  Tl.,  S.  des 
Tl.,  aas  Myra. 

Myra. 

Gardner,  Journal  of  bellenic  studies  VI  188S  S.  858  n.  124;  aus 
dem  Mannskript  Gockerells  (s.  S.  162).  Aurelios  —  aus  Myra  errichtet 
far  sicb^  sein  Weib  Thame  und  seine  Kinder  ein  Grabmal. 

Olympus. 

Gardner,  a.  a.  0.  S.  861  n.  138;  aus  demselben  Manuskript  Grab- 
stein des  Moles  IIL,  S.  des  Konon,  aus  Olympos;  datiert  nach  dem  dffo]- 
krfwraero^  Agonotheten  M.  Aur.  [M]oIes,  S.  des  Demetrios.  --  n.  139; 
ebendaher.  Demetrios  ~  Philokypris  Apphias  aus  Olympos  errichtet  f&r 
sich ,  sein  Weib  Eulogia,  seine  Kinder  und  Nachkommen  ein  Grabmal. 
Der  widerrechtliche  Benutzer  soll  dem  Demos  500  Denare  entrichten, 
wovon  der  Angeber  ein  Drittel  erhält  Nachträglich  wird  die  Bestattung 
des  Herakloon  und  seines  Weibes  Pausun  erlaubt 

Phaseins. 

Gardner,  a.  a.  0.  S.  361  n.  137b;  aus  demselben  Manuskript 
Wohl  Rest  der  Ehreninschrift  auf  einen  0cunjXe{['njv  vetx^aoan-a  ^-{2)6- 
fa;[c]    n[6Bea?  (3)  dlyaivog. 

Nach  Lykien  scheinen  auch  zu  gehören  die  von  Gardner  nach 
Gockerell  mitgeteilten  Inschriftreste  a.  a.  0.  S.  358  n.  125  a,  S.  359  n.  126  b, 
8.  360  n.  127.  183.  135.  136  (s.  unter  XXXIX:  Inscriptiones  incertorum 
loeomm). 


XXm.  Pamphylla. 

Bezzenberger,  Die  pamphylischen  Inschriften.  SGDIBd.  I  1884 
Heft  4  S.  868-370  n.  1259—1269.  Wortregister  von  Meister,  8GDI 
IV  Heft  1  8.  104  f.    —    Die  Bemerkungen  Deeckes  zu  der  grohen  In- 

11* 


164  Griechische  Epigraphik. 

Schrift  von  Sillyoo  n.  1267,  Jahresber.  Bd.  XXVIII  1881  Heft  3  S.  225 
—228,  sind  noch  nicht  verwertet.  Zweifelhaft  ist  n.  1268.  Wahrschein- 
lich aus  Phaseiis  stammt  die  von  Hirschfeld  in  Adalia  gefundene  Mau- 
solosinschrift  n.  1269. 

Attalia. 

nach  Radet  und  Paris»  BGH  IX  1885  S.  436.    Fragment.    Bule  und 

^  ^^^  Demos  ehren  den  sonst  unbekannten  P.  Aelius  Bruttius  Lucianns,  r^v 
[Xoi/i]7Tp6TaTov  dv3u7j[aTov  nafi^Xi\aQ^  Aux\iag  —  — .  Die  Herstellung: 
/la/A^Xcac  kann  als  gesichert  gelten.  Lykien  wurde  unter  Claudius  mit 
Pamphylien  vereinigt,  doch  erst  senatorische  (durch  einen  Prokonsul, 
dv&unaTog^  verwaltete)  Provinz  135  n.  Chr.  Unsere  Inschrift  ist  demnach 
nach  diesem  Jahre  zu  setzen.  —  BCH  X  1886  S.  148  f.  n.  1.  Basis. 
Den  M.  Gavius  L.  f.  Galliens  ehrt  in  einer  langatmigen  Inschrift,  in  der 
die  Ämter  und  Titel  des  Gefeierten  in  Asien,  sowie  seine  in  Rom  erhal- 
tenen Auszeichnungen  aufgezählt  werden,  sein  Klient  M.  Gavios  Eire- 
1 188  naios.  —  S.  155  n.  2.    Basis.    Bule  und  Demos  ehren  den  Kaiser  Anto- 

—161 

ninus.  —  S.  156  n.  3.  Basis.  Den  M.  Plancius  M.  f.  Plato  Memmianus 
Proclus  ehren  M.  Plancius  Plato  und  L.  Tib.  f.  Galpurniana.  —  S.  156  f. 
n.  4.  Grabschrift,  errichtet  von  Severa,  T.  des  Deiphilos,  und  ihrem 
Gatten  Galpurnius  Garpus  f&r  sich,  ihre  Kinder  und  die  Eltern  der  Se- 
Vera,  Deiphilos  und  Attalis.  —  S.  157  f.  n.  5.  Stein  mit  zwei  Grab- 
schriften: 1)  des  —  Modestns  (to^ktv^I^]^  ^^C  /^Bvä  rtov  hträ  ao^v; 
2)  (Fragment)  des  Gn.  Valerianus  und  des  Fl.  Modestns  (?),  mit  Straf- 
androhung. 

Papadopulos-Kerameus,  KEiPI  XV  1884  S.  53  n.  8.  Gefun- 
den in  Basileia,  zwischen  Kakabos  und  Attaleia;  jetzt  auf  der  Insel 
Syme.    Fragment  einer  architektonischen  Verzierung  mit  der  Aufschrift: 

NAYKAHP— . 

Perge  (Matzun). 

t4i-^  Radet  und  Paris,  BGH  V  1886  S.  158  n.  6.     Zwei  Architrav- 

fragmente.  Der  Demos  der  Pergaier  ehrt  den  Tiberius  Glaudius  Gaesar 
Augustus,  Vater  des  Vaterlandes.  —  S.  159  n.  7.  Vollständigere  Ab- 
schrift von  Lebas^Wadd.  1373:    Ehreninschrift  des  inap^oQ  htnimt  M. 

Gl(audius)  Rutilius  Varus  und  des  Ghiliarchen  L.  GI(audiu8)  Pop 

cianus  Agellinus  auf  ihre  Grofsmutter,  Priesterin  der  Artemis  Asylos  and 
der  Athene,  Gl(audia)  Paulina  Artemisia. 

Aspendus  (Balk). 

Badet  und  Paris,  a.  a.  0.  S.  160 f.  n.  8.  Ehreninschrift  auf  Tib. 
Gl(audiu8)  Quirina  Erymneus,  S.  des  Tib.  Gl(audius)  Italiens.  Am  Schlufs : 
TipoTxa. 


XXIII.  Pamphylia:  Attalia.  Perge.  Aspendos.  XXIV.  Pisidia:  Gibyra a. s.w.  165 

XXIY.  Plsldia  et  Isauirla '). 

A.  H.  Smith,  Notes  in  a  tour  in  Asia  Minor,  Journal  of  hellenic 
stadies  VIII  1887  S.  216—267,  veröffentlicht  die  Resultate  einer  mit  Prof. 
Ramsay  im  Sommer  1884  unternommenen  Reise,  hauptsächlich  im  Gebiete 
des  alten  Pisidiens. 

Gibyra  (Jusaftscha). 

Smith,  a.  a.  0.  S.  234  n.  15;  unvollständiger  nach  Falkener  Hen- 
zen,  Annali  dell' inst.  1852  und  Lebas-Wadd.  V  n.  1218.  Der  Demos 
and  die  7Tpayfiareo6fiev{o)e  ivrau^a  'Pwfi[dt]ot  ehren  den  Mithres,  S.  des 
Eu  — ,  mit  einem  goldenen  Kranze  und  einem  Standbild.  —  Vgl.  die 
Ehreninschrift  Collignon,  BGH  11,  598  n.  6  (R6hl  II,  113);  a.  a.  0.  S.  699 
n.  6  (R6hl  ebd.)  kann  auf  grund  unserer  Inschrift  hergestellt  werden. 

Durdurkar  (Dorf  zwischen  Earajuk-Bazar  und  Ghorzam). 

Paris  und  Holleaux,  BGH  IX  1885  S.  325 ff.  n.  15.   Sehr  defekte,  mi- 
aus  zwei  Teilen  bestehende  Inschrift:    A  (Z.  1— II):    Schreiben  eines 

(königl.  Epistolographen?  vgl.  Polyb.  31,  3,  16)  Am otos  an  einen 

Dionytas  mit  Hinweis  auf  ein  beifolgendes  königliches  Edikt,  in  welchem 
der  König  die  Berenike,  T.  des  Ptolemaios,  Enkelin  des  Lysimachos,  zur 
Elizpriesterin  im  Bereiche  der  Satrapie  ernennt,  deren  Statthalter  ohne 
Zweifel  Dionytas  war.  Letzterem  wird  die  pttnktliche  Ausführung  des 
Ediktes  sowie  die  AnfsteUung  von  Abschriften  desselben  in  den  hervor- 
ragendsten Orten  anbefohlen.  —  B  (Z.  12-38):  Edikt  eines  Königs 
An[tiocho]s  (so  ist  mit  Sicherheit  herzusteUen)  zu  Händen  des  oben  er- 
wähnten Am tos.   Unter  Lobpreis  der  Tugenden  t^c  ddeX^  ßaüt" 

Xiaar^g  AaoStx[ijg  ordnet  der  König  göttliche  Verehrung  derselben  an  und 
bestimmt  die  Einrichtung  des  neuen  Kultes  gemäfs  seiner  eigenen  gött- 
lichen Verehrung.  Entsprechend  den  Erzpriestern  des  Königs  sollen  Erz- 
priesterinnen  der  Königin  für  alle  Tempel  eingesetzt  werden,  in  denen 
dem  König  göttliche  Verehrung  zu  teil  wird.  Nach  Festsetzung  der  Amts- 
tracht der  Priesterinnen,  zu  der  ein  goldener  Kranz  gehört,  und  der  Pri* 
vilegien  derselben  folgt  die  Ernennung  der  Berenike,  seiner  Verwandten. 
Abschriften  des  Erlasses  sollen  in  den  hervorragendsten  Orten  der  Sa- 
trapie ausgestellt  werden.  —  Das  Edikt  ist  mit  Wahrscheinlichkeit  zu- 
rfidczuführen  auf  Antiochos  II.,  der  nach  Polyän  8,  50  seine  eigene  Schwe- 
ster Laodike  heiratete.  Da  derselbe  248  v.  Chr.  seine  erste  Gemahlin 
verstiefs,  um  sich  mit  Berenike,  T.  des  Königs  Ptolemaios  Philadelphos, 
zu  vermählen,  so  wttrde  die  Inschrift  zwischen  261,  dem  Jahre  seines 


1)   Die  lykaonischen  Inschriften  s.  unter  XVH.  Phrygia.     Dort 
auch  Antiochia  Pisidiae  und  Umgegend. 


IQQ  Griechiache  Epigraphik. 

Regierungsantrittes,  und  248  v.  Chr.  fallen.  Ansprechend  ist  die  Ver- 
mutung des  HerauBg.,  der  Stein  möchte  von  Laodicea  am  Lycus,  welches 
zu  Ehren  der  ersten  Gemahlin  Antiochos  II.  erbaut  war,  verschleppt  sein. 


Ormele  (Tefenfi)  und  Umgegend. 

Cousin,  BGH  Vm  1884  S.  497—604.  Tefenfi.  Umfangreiches, 
höchst  interessantes  und  fast  voUständig  erhaltenes  Fragment  (auf  drei 
Seiten  des  Steins  38  +  39  +  44  Zeilen)  von  23  Orakeln  der  WflrfelmanUk. 
Jedesmal  werden  aufgeführt:  Die  £iner  der  fünf  geworfenen  Wfirfeli  deren 
Summe,  der  Name  der  Gottheit,  unter  deren  Anrufung  das  Orakel  erteilt 
wurde,  die  Zahl  der  gleichen  und  ungleichen  £iner,  das  Orakel  in  drei 
(oder  vier)  nicht  immer  korrekten  Hexametern.  —  Besserungsvorschläge 
von  H.  van  Herwerden,  Mnemosyne  XIH  1885  S.  285 — 287.  Zu  U 
Z.  3:  n]pä$iv^  f^v  [n]pdff(ret^^  (»malim  [iSf]pda(Teec  i-  e.  dpäaetgt)  lüj  npaa-^ 
[airw  oh  y\^  äjietyov^  da  dieser  Poetaster  nach  der  gewöhnlichen  Regel 
p^  entweder  mit  dem  Imper.  Pr&s.  oder  dem  Eopjunkt.  Aor.  verbinde. 
Daher  auch  XIT,  2  zu  ergänzen:  [ji^  ftpdSj^  n]pä$ev.  —  Z.  4:  ^^aXerUtv 
[x]ai  dfü^x^vdv  iar[iu.  —  Zu  lY  Z.  5:  [alafnjpec  laovrat,  —  Zu  V  Z.  4: 
TÖv]  t'  iv  vodatp  iovra  Beol  xarfyc^oetv  £]t*  ainöv,  —  Zu  VII  Z.  6: 
äjrijiJüov[t  f,yj  sj  ii]o{pij.  —  Zu  YHI  Z.  8f.:  iv)^e/jpee»  Ebenso  zu  XIX  Z.  2: 
Bapamv  hx^iptt  xrL  Vgl.  Kaibel,  Epigr.  Gr.  1041,  6:  i^x^ipt  (^  pet\ 
fsv«,  Bapa^üog.  —  Zu  IX  Z.  8:  np[d$]Bes  d\  daa  ß[ouX]j.  Vgl.  Eaibel, 
1041,  4:  Seaa  MXsiq^  npd^eiQ,  Die  fibrige  Ergänzung  ist  unbestimmter; 
vielleicht:  näv  9[ixou^  8aüa  ^e^c]  Swaeif  np[d^eeQ  $\  8aa  ß[o6^.  — 
Zu  XI  Z.  4:  hp  (v)ouatp  Sd  r'  iövra.  Vgl.  V,  4.  ~  Zu  XH  Z.  3:  oSmu 
xai[p6c*  rl  an]e6S€(c  dk  au\  p^  x[e]vd  [^d^Q  xxi,  —  Vgl.  die  bisher 
bekannten  ähnlichen  Orakel  der  Wttrfelmantik  bei  Eaibel,  Epigr.  6r. 
S.  454—460. 

1 199?  Smith,  a.  a.  0.  S.  236  n.  16.  Ebd.   Felseninschrift  mit  Reiterrelief 

(des  9eb^  owCwv?),  Votivinschrift  des  Menelaos,  S.  des  Monis,  eines 
6/00- (oder  3/oo-?)^Aa^;  datiert:  lT[o]uff  [e]op'  (nadi  der  Ära  von  Sibyra 

t  m?  199  n.  Chr.).  —  S.  237  n.  17.  Ebd.  Felseninschrift:  ""Erlo]»^  ßop\  | 
7i^aiv  ß'  Koioo.  —  194  n.  Chr.  nach  der  Ära  von  Eibyra.  —  S.  238  f. 
n.  19.  Ebd.  Ea]duas,  S.  des  Monis,  und  seine  Söhne,  «richten  dem 
Monis,  S.  des  Posidonius,  ein  Grabmal.  —  S.  239  n.  20  desgl.  Demetrios, 
S.  des  D.,  sich  selbst  und  r^  tt/vau/Hso)  zu  Lebzeiten.  —  n.  21  (wiederholt 
auf  dem  unteren  Teile  der  Stele)  dem  Artemisios  sein  Weib  Enas,  seine 
Söhne  MnsaioB  und  Hieron  und  sein  dißwpto^  Musaios.  Enas  ist  vielleicht 
herzustellen  BGH  U,  603  n.  15  (Röhl  II,  113).  —  S.  240  n.  22;  ungenau 
Collignon,  BGH  II,  263  n.  15  (Röhl  II,  112)  — s  und  Meni[s  zu  Lebzeiten 
dem  lason  und  der  Eia.  Letzterer  Name  ist  vollständig.  —  S.  241—246 
n.  23.    Hedsche.    Auf  vier  Seiten  beschriebene  Basis ;  bisher  publiziert 


XXIV.  Pieidia  et  Innria:  Ormele.  Olbasa.  LagboD.  167 

GIG  4867:  Seite  A  Z.  Tff.  and  einige  Worte  von  B;  BGH  II,  256  n.  11 
(Röhl  II,  111):  A  Z.  12  ff.  Veneichnis  einer  Litte  von  Beisteaemden  für 
einen  öffentlichen  Zweck.  Anf  das  Präskript:  'Aya^fj  (rO^^jj)  folgen  die 
einzelnen  Spenden  nach  dem  Schema:  6  Ssiva  rou  Sslve^  trifjof^ae  rbv 
Sj^Xov  (auch  SxXov)  [Si^v-]  —.  Nach  A  Z.  6:  dve<rn)aev  scheint  es  sich 
um  Errichtung  einer  Bilds&nle  za  bandeln ;  nach  Hicks  vielleicht  um  die 
des  ^Oj^ioc*  Der  Beamtenname  der  itpodyovre^  (A  6.  8)  begegnet  anch 
BGH  II,  260  Z.  8  and  S.  253  Z.  9  (Röhl  II,  112  c).  —  S.  248  n.  26. 
Ebd.  Fragment  einer  (Orab)8tel6,  ?on  Monis,  S.  des  Dallas,  seinem  Bra- 
der  {ddeXTtqf)  Menis,  seiner  Mutter,  sich  selbst  und  seinem  Weibe  er- 
richtet —  S.  226f.  n.  4;  Z.  1-3  fehlen  bei  Gollignon,  BGH  II,  173 
D.  6  (Röhl  II,  112).  Sie  lauten:  'Anb  xo/t^c  M»  KaX-(2)not}pvtoi}  Adyyoo 
(3)  Todrpwvoc  ISeoü*  folgt  die  Widmung  des  M.  Oalpurnius  Epineikos  (der- 
selbe in  der  Inschrift  von  Karamanli  BGH  II,  263  n.  16  [Röhl  11»  112]), 
fädoBwril/C  tw¥  nepl  ^^^ro[v]  roiuuv^  an  den  Zeas  Megistos.  —  S.  248 
n.  24;  Gollignon,  BGH  II,  264  n.  17  (Röhl  II,  112).  Ebd.  Die  Zeilen: 
A^ioc  I  'EUvou  sind  vollständig.  —  S.  238  n.  18;  ungenau  Gollignon, 
BGH  II,  172  n.  4  (?ergl.  BGH  IV  Taf.  10  Fig.  3).  Karamanli.  YoUvin- 
Schrift  des  Osaeis,  S.  des  Attalos,  l(e)paLadfjLsy[oQ  an  den  I!]wCfov  [in]j^ 
x6og;  darunter  das  Reiterbild  des  Gottes  mit  Doppelaxt  auf  der  Schulter. 
—  S.  249  n.  26.  Kaldschik.  Unter  einem  Reiterrelief  Votivinschrift  des 
Kobeliis  H,  S.  des  Attes  (Gen.:  Vlrt^)  an  den  Poseidon  iTnjMÖo^,  Vgl. 
BGH  n,  173  n.  5  (ftöhl  II,  112).  —  n.  27.  Ebd.  Votivinschrift:  'A]7a)X' 
[X}(uvtO'(2)Q  M  nXo'(Z)u'cu)vt  'E\n\t'(4:)[<p\dvt  (?  Hicks)  rb  koi'{h)nbv 
«^x^v.  —  S.  250  n»  28.  Ebd.  Grabschrift  des  Emmenides,  S.  des  Archon, 
*AnBuxebc  auf  Em[meni]das? 


01b asa  (Belenli)  und  Umgegend. 

Smith,  a.  a.  0.  S.  250  n.  29^  Üz-Baghtsche.  Die  xhjlpy^ö/wi 
Kastor,  Ejnas  und  Atas  errichten  ein  Grabmal.  —  Derselbe,  a.a.O. 
S.  250f.  n.  30.  Ealowislar.  Publius  Gornelius,  S.  des  Abaskas,  und  Gor- 
nelia  Tyche  errichten  ihrem  Sohne  Marcus  (]lalpumius  Birrhias  Eutyches 
und  sich  selbst  (iarocQ)  ein  Grabmal.  —  S.  251f.  n.  31.  Belenli.  Nikan- 
dros  errichtet  seinem  Sohne  Marcus,  seinem  Weibe  — ,  seinem  Sohne  ~ 
und  seiner  Tochter  [E]io[u]li[a]  (?  =  lulia)  zu  Lebzeiten  ein  Grabmal. 


LagboD  (Abu  Faradin  Yaila). 

Smith,  a.  a.  0.  8.  263  n.  34.    Fragmentierte  Inschrift  eines  Sar-  t  wi. 
kophages,  den  Aur.  Ke —  für  sidi  und  sein  Weib  bestimmt;   mit  Straf* 
androhung.    Datum:  irou^  etg   =  237  nach  der  Ära  von  Eibyra. 


168  Griechische  Epigraphik. 

Isinda?    (Istanoz). 

Smith,  a.  a.  0.  S.  262  n.  82.  Unterhalb  der  rohen  Reliefdarstel- 
lung einer  weiblichen  Figur  Orabschrift  des  Hermai(o)s,  S.  des  Tro[k]on- 
das,  auf  seine  Tochter.  —  Ein  Trokondas,  S.  des  Hermaios,  begegnet  in 
der  Inschrift  ?ou  Kretopolis  Ramsay,  BGH  VII,  268  n.  10  (Röhl  II,  111); 
vgl.  auch  CIO  4367  g.  —  S.  252  f.  n.  33.  Zwei  Fragmente.  DnlikoSf 
Freigelassener  des  Attalos,  Kestros  und  Damo8[i]o8,  SS.  des  Piaton,  er- 
richtet ein  Grabmal  fflr  sich,  sein  Weib  Melitine  und  seine  Schwägerin 
Eoirilla;  mit  Strafandrohung. 

Andeda  (Andia)  und  Umgegend. 

Ramsay,  MD  AI  X  1886  S.  337  f.  Iuli]us  Epagathos  und  Inl]ia 
Secnnda  weihen  'AvSi^ewv  [rg  ß]oüXg  xat  t<jj  S^^fup  ein  ä]YaJifi[a  oder 
d]ydXfi[ara.  Der  Name  der  Gottheit  ist  nicht  erhalten.  —  S.  338  f. 
Bule  und  Demos  ehren  den  Marcus  Plan -(4)  eins  Comeli-(5)anus  Gaius, 
dp^t'{ß)e[p]cuTdfievo)f  tc5v  I!eßaa'(7)Twv  u.  s.  w.,  dp^tepa<rdfjLevov  (11) 
Sk  xal  iv  r^  Oöspßta- (12)  v(uv  Ttöht.  —  Unter  letzterer  Stadt  ist  Herbe 
zu  verstehen,  welches  demnach  in  nächster  Nähe  von  Andeda  anzusetzen 
ist.    Die  Legende  Oöepßtavwv  findet  sich  auch  auf  Mttnzen. 

Smith,  Journ.  of  heU.  stud.  VIII  1887  S.  254  n.  35.  Zivintkewi. 
Bule  und  Demos  ehren  den  Marcus  Plancius  Lelex  als  xr/irn^c  und  ^tX6- 
TtarptQ,  —  n.  36.  Ebd.  Dieselben  ehren  die  lulia  Ghlide,  Gattin  des 
Marcus  Plancius  Lelex,  als  aw^pwv  und  ivdperoc»  —  S.  255  n.  37.  Dio- 
nysios  errichtet  der  Dionysias,  T.  des  Aeimnestos,  einen  Grabstein. 

Pogla  (FuUa,  Fughla). 

Ramsay,  MDAI  X  1885  S.  335f.  Psephisma  zu  Ehren  des  Aure- 
lius  A[rteimas]  Dilitrianos,  dessen  Verdienste  um  die  Bürgerschaft  und 
Würden  aufgezählt  werden.    Z.  5:    dp^iatpiatg, 

Smith,  Journ.  of  hell.  stud.  VIII  1887  S.  256 f.  n.  41.  Bule  und 
Demos  ehren  die  Aurelia  Harm[a]sta  —  Te[r]tia,  T.  des  Medon,  "ApTB- 
fuoüc  yuvaTxa  aw^pova^  (8)  iepaffoßdvijv  ^f^ag  ßa'(9)ffiXi8oc^  dijfjuoupp^- 
(il) aaaav^  äpxiae{ßo)paaa/iiv7jv  u.  s.  w.  Die  Bildsäule  errichtet  ihr  Mann 
Aur.  Arteimianos  Dileitrianos  Arteimas.  —  S.  255  n.  39.  Fragment: 
ZuKTipos  xcd  Ha     .     S.  256  n.  40:    —c  p-srä  äv^pdmiov. 

Comama?  (Karibtsche). 

Smith,  a.  a.  0.  S.  257  n.  42.  Reliefdarstellnng  zweier  Figuren. 
Ja/*ac  7j7  -  -  ow  'Oadee  errichtet  KaXXtöw^  t[ou\  Vadec  rfj  yuva(e)x}  und 
sich  selber  ein  Grabmal.    Vgl.  GIG  4367  i. 


XXIY.  Piddia  et  Isaaria:  Isinda?  Andeda.  Pogla.  Gomama?  ils.  w.     169 

A^fioQ  n&pßivooydiiov  (Eisil-agatach,  ca.  3  engl.  Meilen 

südl.  Tom  Kestel-See). 

Smith,  a.  a.  0.  S.  228  f.    Weihinscbriften  auf  einem  Felsentempel. 

—  S.  229  n.  9;  Ramsay,  MDAI  X  1885  S.  341:  Tt.  KL  'Pouacjv  'AnöX- 
Ao/w  nepiAtvo[üV'(2)Se(ov  ed^^v.    —    S.  228  n.  5:  Mat —  [x]al  — (2)  oiol 

—  (3)  *AnöUwvt  nspiA[ivouv  -  (4)  Siwv  i7njx6<f)  (6)  «öj/^yv.  —  n.  6 :  'ElTtf]- 
Tpo'(2)7r\og  €b)[^  (8)  *An6XXw[vc.  —  n.  7:  —  £^XV^'  —  ^-  8»  Ranisay, 
a.a.O.  8.840:     Mdpxoc  Teßi'(2)ptog  ilvTcw-(3)v«oc  1acv8e'(A)u^  ed^rju. 

—  Die  richtige  Wortform:  IhpfiivouvSewv  ergiebt  sich  aus  der  Weihin« 
Schrift  Yon  Smyroa  MDAI  XII  1887  S.  260  n.  12  (s.  S.  71).  Die  Les- 
art bei  Hierokles  680,  3:  8^u  MBvdeyewlv]  ist  daher  in:  8^fiou  Uep- 
/uvouuSiMv  zu  emendieren. 

Eestel. 

Smith,  a.  a.  0.  S.  267  o.  43.  Bule  und  Demos  ehren  den  6.  Ya- 
lerins  lulianus  lunor  als  Heroen.  Die  Bildsäule  errichtet  seine  Mutter  Aur. 
Marcia,  T.  des  Metron[d]es  Demetrios,  ^eXoaropY^a^  xal  fivr/fiij^  X^^* 

Kdfxrj  A/oarpiwv  (Berreket,  ca.  8  engl.  Meilen  8.ö. 

vom  Buldur-Göl). 

Smith,  a.  a.  0.  8.  229  n.  10.  Rohe  Relief darstellung  des  *ffpaxX^g 
(2)  xwjjojQ  Moarpi'ifi)wVy  hergerichtet  8iä  imfjLe'(^)XijTwv  Mdvou  (5)  Tara, 
(6)  xai  'ArrdXou  (7)  'ATtoXXtuvcou  (8)  xcd  Tp[w]cJ(og  'Apve[o]g  (9)  tou  Tu- 
ddoßQ  (10)  ^p^durero.  —  Zu  letzterer  Form  vgl.  iinpartuaero  in  der  In- 
schrift von  Eayadibi  S.  17 1. 

Guide  Tschiflik  (ca.  10  engl.  Meilen  südl.  Tom  Buldur  Göl). 

Smith,  a.  a.  0.  S.  268  n.  43(1).  Zwei  Fragmente.  Votivinschrift 
des  Menandros,  8.  des  Trolles,  an  Pluton  und  Köre.  —  n.  44.  Rohe 
Reliefdarstellung  zweier  Figuren.  —  on  Eolainos  errichtet  seiner  Tochter 
Amma  ein  fivi^jieeov,  —  n.  46.  Zwei  Sarkophagfragmente  mit  verstüm- 
melter Inschrift.  Am  Schlufs:  Totg  x]Xrjpov6p.oeg  o[üx  d]xoXoo&rj(re(; 
Übersetzung  der  lateinischen  Formel:    Heredem  non  sequitur. 

Hadschilar  (ca.  3  engl.  Meilen  südl  vom  Buldur  Göl). 

Smith,  a.  a.  0.  S.  269  n.  46.  Grabrelief  mit  fragmentierter  Auf- 
schrift, wonach  Zo[sim]os  dasselbe  seiner  Tochter  —  errichtet. 

Yariköi  (Siidufer  des  Buldur  Göl). 

Smith,   a.  a.  0.  8.  269 f.  n.  48.    Fragmentierte  Ehreninschrift  auf  t  iss 
[Septimins  Severus,  M.  Aurelius  Antoninus  (=  Caracalla),  SepUmius  Geta]  " 


170  Qriechifsche  Epi^aphik. 

und  lalia  Domna  als  fi^p  xdinpwv.  Die  Inschrift  fällt  zwischen  den 
Regiernngsantritt  des  Guracalla  (198  n.  Chr.)  und  daä  Oeta  (208  n.  Chr.). 
Vgl.  CIG  4371. 

Dawar,  Dener  (ca.  5  engl.  MeiL  vom  Südende  des  Baidur  Göl). 

Smith,  a.  a.  0.  S.  280  n.  11.  Den  Mgnsti  C.  Aar.  Valerias  Dio- 
cletianns  und  M.  Aar.  yal(erias)  Maximianas,  sowie  den  Cäsaren  Flavias 
Valerias  Constantias  und  6al[er]ios  (]onstantias  errichtet  ^  Xavnpä  üaya.' 
Xa4Ta[e]wv  nöhg  eine  Weihinschrift 

f  54.68  Ramsay,  American  Journal  of  archaeology  n  1886  S.  I28f.;  TgL 

Athenaeum,  20.  Dez.  1884;  Eph.  epigr.  V  1355.  Orenzstein:  Infolge 
eines  Reskriptes  ('£f  lmaroX^\g)  des  Kaisers  Nero  setzten  der  i^edjfiev 
r^£  und  dvTc<TTpdnj]rog  Quintus  Petronius  ünib[er?]  and  der  ine]Tpo7to€ 
Lucius  Pupius  Praesens  die  Grenze  fest.    Z.  13 ff.:    a9po[Bi]nja[a]v  rä 

fitlv  (14)  iv]  Se[$]tqi  eh[cu  UaydjXa&irdcjv^  (16)  rd  8k  iv  d[pta]Tep§i . 

S.  129.  Dürftiges  Fragment,  dessen  erste  zehn  Zeilen  mit  Z.  1—11  der 
vorhergehenden  Inschrift  identisch  gewesen  zu  sein  scheinen.  Am  Schlufs 
ist  wahrscheinlich  herzustellen:  Ilaf]aJ(aa[ad<ov,  —  Da  eine  Verschlep- 
pung der  Steine  wenig  wahrscheinlich  ist,  so  erhellt,  dafs  das  Gebiet  von 
Sagalassos  (s.  S.  172)  sich  längs  dem  Sftdufer  des  Buldnr  Göl  erstreckte. 

Takina  (Yarischli). 

t208  Smith,   a.  a.  0.  S.  231f.  n.  12;   fluchtige  Kopie  von  Arundell 

(hiernach  u.  a.  CIG  3966  b  und  mit  einigen  Verbesserungen  nach  Baiiie 
CIG  Add.  p.  1106,  Lebas  V  ITOO);  neue,  selbständige,  doeh  sehr  fehler- 
hafte Abschrift  von  Davis,  Anatolica  p.  138.  —  Nach  einem  wortreichen 
Präskript  mit  obligaten  Glttckwflnsohen  für  die  Kaiser  [L.  Septimius]  Se- 
verus  und  M.  Aur.  Antoninus  (=  Caracalla),  sovrie  fttr  die  Nda  ^Vpa  7oi;- 
Xia  (=  lulia  Domna)  und  [P.  Septimius  Geta  (ausgekratzt)]  u.  s.  w.  unter 
dem  Prokonsulat  des  Tarias  Titianus  stiftet  der  durch  mancherlei  Ehren- 
ämter und  überseeische  Gesandtschaften  (wohl  nach  Rom)  zur  Zeit  des 
Commodus  um  seine  Vaterstadt  verdiente  Tryphon,  S.  des  Apoilonides, 
r^  Y^oxoTdvfi  narpßt  zip  Taxivetuv  Si^fup  ein  ans  dem  Heiratsgute  seiner 
verstorbenen  Schwester  las  hergerichtetes  Bad.  Er  macht  diese  Schen- 
kung mit  seiner  Gattin  Amma  auf  den  Namen  ihrer  beiderseitigen  Toch- 
ter Basilote  unter  der  Bedingung,  dafs  Eltern  und  Tochter  zeitlebens  den 
freien  Gebrauch  des  Bades  behalten  sollen.  —  S.  261  f.  n.  60.  Von  dem 
auf  vier  Seiten  beschriebenen  Stein  kopierte  Arundell  (CIG  3956  b) 
nur  Seite  A  und  D;  Seite  C  ist  sehr  abgerieben  und  schwer  leserlich. 
Die  Inschrift  besteht  aus  einem  didaktischen  Gedicht  in  Hexametern; 
vgl.  die  iambischen  ptwpat  pjov6(rctxot  CIG  4310  Add.  Als  Kern  des 
Gedichtes  durften  gelten  (B)  Z.  11/12:    Oi  cot  xp^ot^\p]o¥  iare   ^€wg 


^311 


XXIV.  Pisidia  et  Isanria:  Dowar.  Takina.   Kayadibi  a.  s.  w.        171 

ßidaamf{90)B€u  dxa^c;  (D)  Z.  25:  Vauj^a  ßook&uw  xcU  aoc  ^sög  ^9^ 
fwveosi.  —  S.  268  n.  61.  Grabschrift  des  Syros,  S.  des  Artemoo,  und  t  is^ 
der  Myrsine  auf  ihren  Soho  — ,  dTtoSetSofiivoo  Sth  x^q  vt&n^zaQ  r«* 
JU-(4)^ü  itpbg  ndvra  ijfiij  xai  jpuatVj  d^v]entXT^a[roü  — ;  datiert  nach 
dem  Monat  Artemisios  des  Jahres  ai&'  =  186  n.  Chr.  nach  der  sallani- 
sehen  Ära. 

Kayadibi  (ca.  20  engl.  Meilen  8.w.  vom  Buldnr  6öl, 

12  Meilen  8.w.  von  Takina). 

Smith,  a.  a.  0.  S.  268 f.  n.  52.  'EXnk  'AXu[S]oc  bestimmt  einen 
Sarkophag  für  sich  nnd  ihren  Mann  Monis,  S.  des  Trophimos.  —  S.  264 
n.  58.  Enas,  Gattin  des  Pablius,  und  ihre  Brttder  Publins  IL  und  Monis 
errichten  ihren  Eltern  (yovctuat)  ein  Grabmal.  —  S.  266  n.  56.  Tro-  t  sm 
phijmos  III.,  S.  des  Papias,  errichtet  sich  selber  und  seinem  Weibe  Aur. 
Ammia,  T.  des  Zosimos,  ein  dvyeTov.  Datum:  izot^^  tX&'  =  255  n.  Chr. 
—  n.  56  a.  Artemon,  S.  des  Pole[mo]n,  und  sein  Weib  Ammias  errichten 
ihrem  Kinde  Trokondas  ein  Grabmal,  welches  Philon,  S.  des  Andronikos, 
verfertigt  hat.  —  S.  266  n.  57.  Unter  der  Formel:  Xdpere^  napoS&nat 
Reliefdarstellung  eines  Reiters;  dann  der  Nekrolog:  [A\up,  EipijvdtüQ 
£hr'(S)TpaTewTjjc  (mit  vorgeschlagenem  et  =  t,  vgl.  Ismir  =  Smyrna  u.  a.) 
iaTpa'{4)reuüeTo  ivSö^wg'  (5)  noXXouQ  äXecev  (6)  <TTäg  Stä  ^tpwv  ire- 
{H)Xiüryiötv  iv  jiü'(&)xe^  Atpxtpotg  BU{^)Stip  ^avdzip.  Seine  d\deXno\ 
Papias  nnd  Teimias,  SS.  des  Apollonios,  errichten  das  Grabmal  —  Zu 
der  Aoristform  iarpareoaBto  Z.  3/4  vergl.  i^pydaero  in  der  Inschrift  von 
Ktupüfj  Moarpewv  (Berreket)  S.  169  Z.  10.  —  S.  264  n.  54.  Altarinschrift: 
ätel  KaUaape,   —   n.  56.    Fragment:  /a^/o. 

Ell  es  (westl.  Ufer  des  Boldur  6öl). 

Smith,  a.  a.  0.  S.  260  n.  49.  Ehreninschrift  auf  Antoneinos,  S. 
des  Menneas,  vsexri'(Z)ffavTa  dvdpw[v  (4)  ndXi^v  BiptSoQ  (5)  AovydktjaQ 
d»(ei)nb  )^pigfAdrafy  (7)  M,  AlpiXioo  A6v'(S)yvu  i^huti^q  (9)  dj^deün^g  roü 
(10)  xal  d]ra9VoBe'{ll)rowTos  Siä  (12)  ßiou. 

Buldur  (Mordtmann:  Burdur)  und  Umgegend. 

Kontoleon,  BCH  XI  1887  S.  220f.  n.  14.  Fragment  eines  Rats- 
und Yolksbeschlusses  (?)  unter  dem  Archontat  des  Kallikles  ß' ,  S.  des 
Dionysios,  des  Tamon,  S.  des  Konon,  und  des  Euklees  (Gen. :  EuxXeoüg), 
S.  des  Kallikles. 

Mordtmann,  ArchäoL-epigr.  Mittei].  aus  österr.  VIII  1884  S.  193 
n.  3;   nach  Abklatsch  des  Dr.  Schmidt,  Unterdirektors  der  ägyptischen 


172  Griechische  Epigraphik. 

Doaaoeo.  Unter  dem  Relief  des  Moodgottes  za  Pferde  VotivlDschrift  des 
MeDog8[8,  S.  des  Trophimos,  an  Meo.  —  Die  iDschrift  ist  schon  mitge« 
teilt  von  Collignon,  BGH  III,  334  n.  2  (R6hl  II,  112).  —  S.  194  n.  3(1); 
wie  0.  Über  and  za  beiden  Seiten  einer  Bfiste  des  ApoUon  mit  Strahlen- 
krone: —  weoQ  fierä.  (2)  r]a>w  [d]vei/feä}[v  (3)  xarä  xdAeüat[v  (4)  rcuv 
&ewv  ed'(S)x^v  (6)  d-(7)v^*jy-(8)xav.  —  Schon  bei  Collignon,  a.a.O. 
n.  1  (Röhl,  a.  a.  0.).  —  n.  6;  wie  o.  Weihinschrift  mit  Portraitbttste: 
Elepwv  Ne[wv'(2)oQ  —(3)—  dve^[ijxa,  —  S.  195  n.  7;  wie  o.  Vier- 
eckige Säule  mit  Portrait;  darOber:  Ndfov  *AT-{2)TdAou  SIq  (8)  Mäpwvoc. 
—  S.  194  n.  6;  wie  o.  Stele  am  Brannen  bei  der  Brücke  nach  Ketsch! 
Burlo.  Rhodon,  S.  des  Antiochos,  Hermogas  errichtet  f&r  sich,  sein 
Weib  Babeis  (?  Dat.:  BaßeT)  and  Kinder  za  Lebzeiten  ein  Grabmal.  — 
Schon  bei  Collignon,  a.  a.  0.  S.  838  n.  9  (Röhl,  a.  a.  0.). 

Kontoleon,  a.  a.  0.  S.  221  n.  16.  Kisli  anweit  Baldar.  Fragment 
Demetrios  und  Tiolamos  (Timolaos?),  SS.  des  Komon  (so),  errichten  (eine 
Bildsäule).  —  S.  222  n.  18.  Tsekin  unweit  Buldar.  Stiftungsarkunde 
(xarä  Sta^^xrjv  Z.  4/5)  des  Veteranen  Caius  lunius  lustus. 

Mord t mann,  a.  a.  0.  S.  195  n.  8.  Ohne  nähere  Ortsangabe:  AI 
Abp,  ^AaxXrjmddrjQ  x€d  Aup,  Aö$dvaiVo[g  (2)  adroeg  rd  ^pwov  xal  roTc  Sta- 
S6xo[tg  (3)  xcä  r^v  iaurafv  jAfjrdpa  Aup,  rar6/v(4)raiy  vofi^v  Aöp,  Elp^ 
vT^v  ^rijirjrpiot}  Hu — .  »Ein  Fragment  dieser  Inschrift  in  Minuskeln  GIG 
3978  aus  Arundell  I  326,  welcher  es  in  unmittelbarer  Nähe  von  Galandos 
kopierte.! 

Sparta  (Isbarta). 

Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  194  n.  4;  nach  Abklatsch  des  Dr.  Schmidt 
(s.  0.).  MouaeTov  xal  ßtßXtoBTjxij  V  1884/5  S.  24  n.  242  in  Minuskeln.  Im 
Dorfe  KpauyaZto}^  drei  Standen  von  Buldur,  gefunden;  jetzt  in  Smyrna, 
Museum.  Votivinschrift  ttber  einem  Relief:  'An-e^wo/v  9tip  ^AnoXhüvt 
sbx^v  T^  ISiqL  hparoauvfj, 

Kontoleon,  a.  a.  0.  S.  301  n.  10.  Basrelief  mit  Reiter  and  Weih- 
inschrift des  Marcus  Salvius  [A]viscus  an  Apoilon  Epekoos.  —  S.  228 
n.  18.  Rhodon,  S.  des  Seleukos,  S.  des  Trollos,  ispaadfievog  stiftet  {iSpth- 
traro)  rov  xaBijysfiova  'Eppüjv,  —  S.  301  n.  9.  Grabschrift  auf  den  vor- 
zeitig gestorbenen  Malius  Censorinus.   Am  Schlufs:  x^''{Jo)pat  {=  ^dtpt), 

Sagalassus. 

Kontoleon,  a.  a.  0.  S.  221  f.  n.  16  =  Lebas-Wadd.  1197.  Publias 
lulius  Diogenianus,  S.  des  Publius  lulius  Sanctus,  ein  dyopavo/Ai^aag^  weiht 
r^  Y^uxurarj}  narpßt  das  Bild  eines  Eros.    —    Wadd.  hat  Z.  7,  ohne 


XXIV.  Pisidia  et  Isaoria:  Sparta.  Sagalassas.   Kiesme  u.  8.  w.      173 

Zweifel  nach  einer  correctio  tacita  von  Bailie,  dessen  Abschrift  er  be- 
nutzte: EINKAHTIKOY,  <3och  kann  UuvxXi^Tcxd^  nicht  Eigenname 
sein;  die  Abschrift  von  Pell  bietet:  ZINKTOYMFOY;  hierzu  stimmt 
besser  die  Abschrift  des  Lehrers  za  Sparta  (s.  o.),  Earantones,  die  der 
Publikation  von  Eontoleon  zu  gründe  liegt:  ZANKTOYNEOY.  — 
S.  222  n.  17;  ungenauer  Ramsay,  BCH  YII,  268  n.  12  (=  Röhl  II,  113). 
Den  Terentius  Africanus  (Ramsay:  Marcianus),  r^v  Staffr^fiorarov  ^ye- 
fAova^  ehrt  seine  Vaterstadt. 

Die  zu  Sagalassos  gehörigen  Inschriften  von  Du  war  (Sttdufer  des 
Buldur  Göl)  s.  S.  170. 

Kiesme. 

Radet  und  Paris,  BGH  X  1886  S.  600  n.  1.  i  St.  8.w.  vom  Dorfe. 
Der  Sijfiog  ZdXüiwv  ehrt  Kleon,  S.  des  KL,  inacve^dvra  dp^trexTOffovvjQ 
ivexev,  der  dem  Volke  600  Denare  zum  Getreidekauf  spendete.  Sein 
Bruder  Memnon  errichtet  ihm  nach  testamentarischer  Bestimmung  eine 
Bildsäule.  —  S.  601  n.  2.  N.w.  vom  Dorfe,  bei  dem  Orte  Sarinch.  Der 
Demos  ehrt  den  KaI[Iip]pos,  S.  des  Arneios,  welchem  sein  Sohn  Mer[io]- 
nes  eine  Bildsäule  errichtet.  —  S.  602  n.  3.  Den  Kaiser  L.  Septu(so)- 
mius  [Sever]us  ehrt  lM]ouXcur(Tda}v  6  d^fwg, 

Apa. 

Radet  und  Paris,  BCH  XI  1887  S.  63  n.  37.  Bauiuschrift:  Eine 
Tochter  des  M.  A.  Pappas,  Jungfrau  und  Priesterin  r^g  (^eou  x(a})  rajv 
äytaiv^  hat  auf  eigene  Kosten  den  Tempel  wiederhergestellt  und  mit  Zie- 
geln decken  lassen.  —  S.  64  n.  39.  Ein  zerbrochener  Altar  trägt  1)  die 
prosaische  Weihinschrift  eines  Theophilos,  S.  des  Th.,  Priesters  des  Dio- 
nysos und  des  Pantheos;  2)  die  metrische  Widmung  (mit  Anspielung  auf 
den  Namen  des  Priesters):  B](üfibv  rovS*  hpebg  6  Beoeg  <p(\og  i^ere- 
keaae  —  —  ätov6a<p^  l^wv  na(z)pog  ouvofjia.  Beabsichtigt  ist  ein  Disti- 
chon. —  n.  88.  Stele  mit  Basrelief  und  Grabschrift  einer  Frau  auf  ihre 
Tochter  —  is,  T.  des  Fronte,  und  deren  Mann  Telephos,  ^xarä  8iaBi^xag€, 

Tachtali. 

Radet  und  Paris,  a.  a.  0.  S.  66  n.  44.  Kassia  errichtet  ihrem 
Gatten  Taras[is  und  ihrer  Schwester  Zoij  eine  Bildsäule.  —  S.  66  f.  n.  40. 
Stele  mit  Basrelief  eines  lanzenschwingenden  Kriegers:  fduög  noXi'(2) 
fiwvogy  0et(9o)fioBiou  (3)  ijjovog,  xal  (4)  9stfji6^eog  Ivvdoo.  Darunter: 
tlp&Toc  T[jj  I  xwfij^.  —  S.  66  n.  41.  Montanus,  S.  des  Marius,  errichtet 
seinem  Weibe  Tatta  eine  Grabstele.  —  n.  43  desgl.  Lucius,  S.  (?)  des 
Achilieus,  seinem  Bruder  Kleoneikos.  —  n.  42.  Auf  dem  Sockel  einer 
weiblichen  Statue:  'BpaxU^Sijg. 


174  Griechische  Epigraphik. 

Einik. 

Badet  und  Paris,  a.  a.  0.  S.  67  n.  45.  Basrelief.  Die  Söhne  des 
Doglasates  ehren  ihren  Vater  und  ihre  Matter  Eakkis  sowie  eine  Nan[n]a. 

Isaara  (Hadscbilar). 

Rad  et  und  Paris,  a.  a.  0.  S.  67  n.  46.  Die  Inschrift:  l&0L]up6wv 
^  ßouXij  xa}  6  S^fJLog  ot  re  ao^{2)/inoXe£Teu6fi£vot  'FiopLdiot  lehrt  eine  rö- 

1 117—188  mische  Kolonie  in  Isaara  kennen.   —   8.  68  n.  47.    Sehr  defekte  Ehren- 

1 188—161  inschrift  aaf  den  Kaiser  Hadrian.  —  Dieselben,  BGH  IX  1885  S.  4d3f. 
Zwei  bis  aaf  den  mit  Errichtang  der  Statue  beauftragten  Epimeleten  völlig 
gleichlautende  Ehreninschriften  der  Bule  und  des  Demos  der  Isaurer  auf 
den  sonst  unbekannten  C  Etrilius  Regulas  Laberius  Priscns,  Legaten  des 
Kaisers  Antoninus,  dvretnpdnjyov  (=  Proprätor)  litap^etafv  Kdtxiag^ 
laaupiag^  Juxaovtac,  unarov.  —  Bisher  war  die  genauere  Zeit  der  Ver- 
einigung von  Gilicien  mit  Isaurien  und  Lykaonien  zu  einer  einzigen,  unter 
Verwaltung  eines  kaiserlichen  Legaten  stehenden  Provinz  nicht  bekannt. 
Bei  dem  Regierungsantritt  des  Antoninus  188  v.  Chr.  war  dieselbe  noch 
nicht  erfolgt;  unter  Septimius  Severus  erscheint  sie  als  vollzogen.  Wad- 
dington, BGH  VII,  290  hielt  sie  f&r  das  Werk  dieses  Kaisers.  Dagegen 
zeigt  unsere  Inschrift  die  drei  Landschaften  schon  unter  Antoninus  durch 
einen  und  denselben  kaiserlichen  Proprätor  verwaltet  Die  Vereinigung 
derselben  zu  einer  einzigen  Provinz  mufs  demnach  in  die  Jahre  188—161 

1 176—180  u.  Ghr.  fallen.  —  Dieselben,  BGH  XI  1887  S.  68  n.  48.  Bule  und 
Demos  der  Isaurer  ehren  8e '  imiieXi^vou  Vpdarou  Ttß&p(oo  dpj^tepituQ  den 
Kaiser  Mark  Aurel.    Da  derselbe  u.  a.  den  gegen  Ende  175  n.  Ghr.  an- 

i  808-811  genommenen  Titel  Zappaztxbg  führt,  so  ist  die  Inschrift  jünger.  —  S.  69 
n.  49.  Ehreninschrift  auf  die  dveixv^rot  Seßaarol  Galerius  und  Maximi- 
nus, sowie  auf  die  2eßcuno\  Gonstantinns  und  Licinn(so)ius.  Die  Inschrift 
fällt  zwischen  308  und  311,  dem  Todesjahre  des  Oalerius.  —  S.  70  n.  50. 
Widmung:  ^Avetxijzot^  Zeßaarolg,  —  n  51:  'ApxtnpuTaveuaav-'lTOQ.  — 
Dem  Schriftcharakter  nach  älter,  als  die  vorhergehenden  Inschriften. 


XXV.  Cillcia. 

Gelenderis. 

Moüüseov  xat  ßtßkoB^xt)  V  1884/5  S.  61  n.  op^'  in  Minuskeln. 
Grabschrift  in  sechs  Hexametern  auf  Tertius,  einen  Arzt.  Z.  S/4:  Ehjrijp 
dya^ÖQ^  yvwpijQ  xaX^Q  bnofVjVfj^  \  dvdpdaev  ^Sk  p)vat$l  xal  ^SioiQ  dpa- 
retvoTg.  Neben  ihm  ruht  die  mvurij  ^Appäg  adappm^  xdk^  rodde  SxotriQ^ 
(6)  ra»v  ivBxev  j^a^pone  xal  ely  *Aßao  döpottrev,  ~  In  Prosa  folgt  die 
letztwillige  Verfügung  des  Tertius,  dafs  nach  Ihm  kein  andrer  mehr  bei- 


XXIV.  Pisidia  et  Isaoria:  Isaara.  ZXV.  Cilicia:  Celenderis  a.  s.  w.    ]  75 

gesetzt  werden  soll.    Ein  Zuwiderhandelnder  bneOBovog  iazcu  7tpoaTe/p,oiQ 
ToTc  (10)  Ttspl  axuXeuüBatg  rä^pou  xaB*  ä  xal  Sie9efujv. 

Gorycus. 
Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1885  S.  362f.  n.  181b:tn7 

—188 

ans  den  wieder  aufgefundenen  >MS.  Inscriptions  collected  in  Greece  by 
C.  R.  Gockerell,  1810~14c.  Fragmentierte  Ehreninschrift  auf  den  Kai- 
ser Hadrian,  —  [^''[ö]  intx[hjffev  *0Xu/i'{6)mov,  röv  ä[7[]d[vT<uv  (6)  xCh- 
peov  — .  S.  363  n.  188  a.  Rest  einer  Ehreninschrift  auf  einen  Kaiser.  — 
n.  189  a.    Späte  Inschriftreste. 

Pompeiopolis. 

Mordtmann,  Archflol.-epigr.  Mitteil,  aus  österr.  VIII  1884  S.  199  vor  t  s 
n.  22.  Kontoieon,  MDAI  XII  1887  S.  268  n.  30;  ungenau  Michell, 
Academy  1885  n.  673  S.  229.  Mersina,  1  St.  östlich  von  Pompeiopolis. 
Widmung:  Asoxtiot  Kaiaapij  leßaaroh  (2)  xal  narpbg  r^c  itarpßog  (3) 
ulwi^  Beou  uiapvwe,  viwv  ^£-(4)/£Jw,  Euep(Y)irjj  ix  Ttpoyoucjv  (5)  IIojjl- 
fn^eoTtoJUräßu  (6)  6  d^pLOQ.  —  L.  Caesar,  Sohn  Agrippas  und  Enkel  des 
Augustus,  starb  2  n.  Chr. 

Kontoleon,  MDAI  XII  1887  S.  258  n.  31.  Rest  einer  Ehrenin- 
schrift aus  der  Kaiserzeit:  rplg  abroxpaTopa  (2)  /lopTn^i'onoXerwv  (3)  ri^c 
Updc  xa}  dauXou  (4)  xal  adrovopou  (5)  6  d^pog  röv  xxiaryjv  (6)  xa\  Ttdr 
Tpwva  r^c  (7)  noXewg. 

Tarsus. 

Mordtmann,  KE02  XV  1884  S.  51  n.  6.  Zu  der  metrischen  In- 
schrift Ramsay,  BGH  YII,  325  n.  54  (Röhl  II,  115).  In  dTjpioupyhv 
TTATTEIN  Z.  9  hielt  R.  letzteres  Wort  für  einen  Fehler  des  Stein- 
metzen, statt  naristv\  M.  möchte  ein  Cognomen  des  Demiurgen  ver- 
muten. Die  ttber  der  Inschrift  stehenden  Worte:  EYTYXIHMEPI 
las  R.:  Etnvxis)!  "Hp£p\jj]\  M.  schlägt  vor:  Ebru^^ey,  'ffpept.  Ist  die 
Deutung  richtig,  so  wäre  dadurch  der  Name  des  Geehrten  gefunden. 
Die  ^pajrpog  Sepdnovreg  (Z.  12),  die  die  Statue  errichtet  haben,  waren 
nach  M.  (s.  Druckfehlerverzeichnis)  wohl  eine  Gilde,  die  ihre  Mitglieder 
auf  gemeioschaltliche  Kosten  begrub.  —  In  Minuskeln  wird  die  Inschrift 
wiederholt  Mooaeiov  xal  ßtßktoBijxr^  V  1884/5  S.  78  n.  e/oi;'.  Die  Übei^ 
Schrift  ist  hier  gedeutet:  £&r6/(e)r  {ßby/}p£p{e)t, 

Adana. 

Kontoleon,  MDAI  XII  1887  S.  257  n.  29.   Grabschrift  des 

lulius  Aelianus.    Am  Schlufs:  Koufoy  fye  r^v  ^v.    Datum:  "^Eroog  aC. 


176  Griechische  Epigraphik. 

XXVL  Syrla. 

A  r  a  d  u  8. 

kurz 

t^o  Mommsen,   Eine  loschrift  des  altern  Plioins,  Hermes  XIX  1884 

8.  644 — 648,  ergänzt  das  Fragment  GIG  4536  f. :  'Apa8i(o\i\  ^  ßouk[^  xal 
6  8^ flog  (2)  fa/ov  IJX\cvcov  I!exouv[8ov  (3)  inap])[ov  ane/pijQ  [ß]pa[x(üv 
(4)  7tp]wr7jC^  Snap^ov  N0  .  -  .  .  (5)  .  .  .  oiv,  dvT&mTpo\nov  Tiße'{ß)peo]o 
louXeou  ^A^[e]$[dv8pou  (7)  irtldp^ou  [t]oü  *Iou8ac[xoo  arparou,  (8)  ine- 
T]po7tov  Ztip[laQy  inap^ov  iv  (9)  Aly(p7rc\u}t  Xeyewvog  s[ixo(n^g  (10)  ^et#- 
repae].  —  Tib.  lulios  Alexander  Z.  6/6,  ein  vornehmer  alexandrinischer 
Jude,  ist  der  aus  Josephus  wohlbekannte  Generalstabschef  des  Titus  im 
jüdischen  Kriege  des  Jahres  70  n.  Chr.  Dadurch  scheint  die  Beziehung 
des  Fragments  auf  den  altern  Plinius  kaum  zweifelhaft  zu  sein.  Auf 
grund  unserer  Inschrift  und  der  litterarischen  Zeugnisse  unterzieht  der 
Herausg.  die  Ehrenämter  des  letzteren  nach  der  Zeitfolge  einer  kurzen 
Erörterung.  Der  Umstand,  dafs  Plinius  Untergeneralstabschef  (lat  wohl 
=r  vice  procuratoris)  im  Jahre  70  war,  erläutert  uns  seine  Worte  in  der 
Dedikation  seiner  Naturgeschichte  an  den  Titus:  nobis  qualis  in  castrensi 
contuberniol  Offenbar  gab  die  Prokuration  von  Syrien  den  Aradiern  Ver- 
anlassung, den  Plinius  in  der  ttblichen  Weise  zu  ehren.  Die  Präfektur 
der  Flotte  von  Misenum,  welche  derselbe  in  seinem  Tode&jahre  79  be- 
kleidete und  die  sich  richtig  in  seine  Beamtenlaufbahn  einfttgt,  hat  in 
der  irtther  abgefafsten  Inschrift  keine  Stelle  mehr  gefunden.  —  »Dafs 
ein  Manu  wie  Gaius  Plinius,  der  in  Spanien,  Germanien,  Palästina,  Sy- 
rien, Ägypten  als  Offizier  oder  Beamter  ihätig  gewesen  ist,  der  ttber 
Eavalleriemanöver  geschrieben  und  im  Generalstab  des  Kronprinzen  eine 
hohe  Stellung  eingenommen  hat  und  der  ein  Opfer  seiner  wissenschaft- 
lichen Neugier  ward,  ein  Studierlampenbuch  wie  die  Naturgeschichte  hat 
schreiben  können  und  mögen,  das  wird  allerdings  durch  diese  Aufklä- 
rung seiner  Laufbahn  noch  etwas  rätselhafter,  als  es  bisher  war.f 

Harn  (am  Antilibanon;  '/«St.  nö.  von  Marab&n). 

Glermont-Ganneau,  Revue  arch.  IV  1884  S.  279  n.  44  (vergl. 
Rev.  arch.  V,  63).   Thürschwelle :  Mepxoop{(p  daß/uy<p  xfo/ir^g  Xafiaiv(oc?) 

iroog  8110' lepoTOLfuotij&o)  Bda[a\og  ücuiptTa  xicd)  Obß[e'\ux'^ 

^  xwiLrj  ino[t\f^aev^  x{at)  ri^v  8andvi^v  r^g  xwpojg  BijJiüxßog  Za^pdpa  ij'pa- 
jfsv '  0[X]dxxog  6  rexv^-n^g.  —  Der  Franenname  Uefp^äpa  begegnet  auch 
bei  Blanc,  Inscr.  grecques  de  Salda  n.  10  (Röhl  II,  118). 

Berytus  und  Umgegend. 

Mordtmann,  MDAI  X  1885  S.  165—171  veröffentlicht  folgende, 
ihm  von  Dr.  Schröder,  Konsul  des  deutschen  Reichs  in  Beirut,  tibersandte 
Inschriften  aus  Beirut  und  Umgegend:  S.  165  n.  1.   Beirut   Steinplatte 


XXVI.  Syria:  Aradas.    Harn«  Berytus.    Heliopolis  o.  8.  w.  177 

mit  ReliefdarstelluQg  eines  mächtigen  Fascinnm,  welches  an  einem  Bande 
eine  Glocke  trägt,  etwa  wie  ein  Kameel  oder  anderes  Tier.  Mit  diesem 
Fascinnm  sind  noch  zwei  andere  von  kleineren  Dimensionen  verbunden. 
Dazu  die  Inschrift:  Ilaxd^i  ßdaxavog  —  xa\  ao,  —  n.  2;  vorher  Beaa- 
donin  und  Pottier,  BGH  III  S.  260  n.  4  (Röhl  D,  117).  Grabsäule  im 
Serail  zu  Beirut;  angeblich  aus  Tartus  (Antaradus  bezw.  Marathus)  mit 
der  Aufschrift:  Mdyva  XP^^  (2)  ^^  dUor(so)n8,  z^P^'  (^)  C^^nxoa  i-nj 
jaB'  xrX.  —  S.  167.  D^r-el-qal'a ;  aus  den  Ruinen  des  grofsen  Tempels 
des  Ba'al  Marqod.  Auf  dem  in  zwei  Stücke  zerbrochenen  Piedestal  einer 
bronzenen  Ammonstatue  steht  die  bereits  herausgegebene  Weihinschrift: 
M.  Vardoueoc  VXapo^  eb^dfievo^  dvi^rjxa  unkp  CfwnjpiaQ  K . , ..  Eöru^ooc 
xal  Hxvwv.  Darunter  eine  metrische  Inschrift  in  nicht  immer  vollstän- 
digen Hexametern  und  Pentametern,  deren  Anfang:  ElXa^i  fiot^  BuX/iap» 
xctfc,  xo/pave  xcj/jlwv,  \  xcd  xXue  <rou^  Bianora^  vuv  ^IXdpou  — .  Der  Her- 
ausg.  schliefst  sich  der  Ansicht  von  Renan  u.  a.  an,  daCs  Baimarkos  nicht 
als  Nebenform  von  Baal  Melqart,  sondern  als  Obersetzung  des  daneben- 
stehenden xoipaye  x<ofiMv  aufenfassen  sei  (raqad  hebr.  und  syr.  =  sprin- 
gen, tanzen).  —  S.  169  n.  7  (Abklatsch  des  dänischen  Vizekonsuls  Loyt- 
ved);  Glermont-Ganneau,  Revue  crit  1885  S.  495—497.  D6r>ei- 
qal'a,  jetzt  in  Beirut  Weihinschrift:  K]upe{p  [r]e[V'(2)vcU<p  BaA'(^)fAap' 
xwdt  (4)  T^  x(ü  Mij'{5)Yp}v  xarä  (6)  xdXeuffev  (7)  ^eoü  'i|.(8)^€/i%- 
(9)w»5  Md'{\(ü)^ifioQ  (11)  ebxaptor'{l2)<ov  ay6-(13)^xa.  Die  Bezeich- 
nung des  Baimarkos  als  Megrin  (Z.  4/5)  steht  nicht  vereinzelt  da.  Zwei- 
felhaft ist,  ob  unter  dem  ^Bbg  'Ape/idi^M^  (Z.  7  ff.)  derselbe  zu  verstehen 
sei.  Dieser  Name  ist  offenbar  das  Ethnikon  eines  einheimischen  Ortsnamens 
'ApiiidTj  oder  ähnlich  (vgl.  u.  a.  auch  das  'Apt/ia^a/d  Matth.  27,  67). 

Heliopolis  (Baalbek). 

Clermont-Ganneau,  Revue  arch.  lY  1884  S.  278  n.  41.    Frag- 
ment: "El/ilneaeaiv p[e]cpdxeov eb^paofrbQ  (oder:  dveu^pavrog) 

ä  xa^^  ^fidpaQ,  —  n.  43.   Stele  mit  Basrelief  und  fragmentierter 

Grabschrift  auf  einen  lulius  Di—.  —  n.  42.  Auf  einer  BOste:  ^Epp^ 
xaJi  ^Apnhäro^  inoa^trav. 

Barin  (Lage?). 

Clermont-Ganneau,  a.a.O.  S.  280  n.  46.    Fragment:    ir[o]u^  au 
ex^\   —   Das  Jahr  725  der  Seleuciden  beginnt  am  1.  Okt.  des  Jahres 
418  n.  Chr. 

Ohne  nähere  Ortsangabe. 

Clermont-Ganneau,  Revue  crit  1886  S.  232  liest  auf  grund  fM 
einer  nicht  ganz  fehlerlosen  Abschrift:  Ynkp  aain^peac  adroxpdropoQ  ^^^^ 
Tpaeavoü^  Nepoua  Zeßaarou  ulou^  Zeßauxrou  reppxxytxou^  Jaxixoü  Mevvda^ 

Jahresbexkht  für  AltertuaswiiMaschaft.    LXVL  Bd.  12 


178  Oriechische  Eplgrapblk. 

Bs^Xcdßou  Tou  B^ahißou^  navpb^  Nereipoo  rod  dTw^ea^dwoc  iv  r^ 
[A}£ß^t  de*  oH  cä  (i)opral  ä^ovrae^  in(axono^  Ttdvrwv  twv  ivddde  yeyo' 
vÖTiuv  IpyoßV,  xar'  thaeßeiojs  dviBnjxev  Beqi  AeoxoMf,  dveyetpmy,  — 
Nach  dem  Herausg.  durfte  sich  der  Ausdruck:  dno^.  —  äyovrae  auf 
Menschenopfer  beziehen. 

Balanae  (Banias). 

Mordtmaun,  MDAI  X  1885  S.  170f.  n.  9  (s.  S.  176  u.).  Frag- 
mentierte Ehreninschrift.  Einem  —  8<op<p  ^AvTe6[)[ou  tou]  dTj/v^rptou  wird 
nach  Ratsbeschlufs  eine  Bildsäule  errichtet.  —  Wohl  identisch  mit  Re- 
nan, Mission  en  Ph^nicie  S.  108. 

Westjordanland. 

Enting,  Epigr.  Miscellen,  in  den  Sitzungsber.  der  Berliner  Aka- 
demie 1886  S.  681  ff.  teilt  eine  Anzahl  griechischer,  griechisch- jadischer 
und  hebräischer  Orabschriften  aus  Palästina  mit.  —  Caesarea:  A.  a.  0. 
S.  684  n.  78.  79.  -—  Heapolis  (Nabulus)  in  Samaria:  Schreiber,  Zeit- 
schrift des  deutschen  Palästinavereins  VII  1884  Heft  2  mit  Lichtdruck- 
tafel. Eine  Dreifufsbasis  mit  Reliefdarstellungen  von  iBXa  der  Gölter 
und  Heroen,  insbesondere  des  Herakles  und  des  Theseus,  trägt  an  ihrem 
oberen  Rande  eine  Widmung  in  drei  Distichen  (der  erste  Hexameter  ist 
verloren  gegangen),  in  welchen  die  Schönheit  des  in  Attika  erworbenen 
Weihgeschenkes  gepriesen  wird:  — 6veo^  B^xev  'ArBeSoQ  ixxofieaa^,  (2) 
oS]v9xev  iv  vpenödeaaeu  dptareOaaxev  änaotv^  (3)  xdXAei  xal  fiayi^t  xa\ 
^dpeatv  npo^ipoiv»  (4)  Fopyvbt  xa\  äiovnaog  dydXXsrcu  xac  re  yejri^ew 
(5)  rbv  rpino8^  ehopöatv^  ou  narpbg  ivjreveTT^^,  —  Joppe  (Jaffa):  Cler- 
mont-Oanneau,  Revue  crit.  1885  n.  27  S.  14f  Abklatsch  einer  jüdi- 
schen Grabaufschrift:  ^Hydpaaa  kj\oj\  2!aobX  iv  r^  lÖTtTCfj  napä  Bapoo^eou 
/iv^fia'  dveB[i^]x(xp.ev  npußTiog  üaouX  xal  ZovxXijTtxrjv»  —  Euting,  a. 
a.  0.  S.  681  n.  62'66.  S.  682  n.  56.  57.  60.  S.  684  n.  72—75.  80.  S.  686 
n.  87.  S.  688  n.  88—97.  —  Emmaus  (Amwäs):  Euting,  a.  a.  0.  S.  679 
n.  46.  —  Jerusalem  und  Umgegend:  Revue  crit.  1885  n.  6  (9.  Febr.) 
S.  120.  Sitzungsberichte  der  Acad.  des  inscr.  et  des  helles  lettres  vom 
30.  Jan.  1885.  Vorgelegt  wurde  von  Clermont-Ganneau  der  Abklatsch 
einer  Stele  mit  griechische^  Inschriften,  welche  derselbe  vor  etwa  15 
Jahren  in  der  Nähe  von  Jerusalem  entdeckte.  Es  ist  eine  der  von  Jo- 
sepbus  erwähnten  Stelen,  auf  welchen  griechisch  oder  lateinisch  das  Ge- 
setz eingraviert  war,  welches  den  Heiden  den  Zutritt  zu  dem  Tempel 
Herodes  des  Grofsen  untersagte.  Die  Stele  trägt  den  Text  dieses  Ge- 
setzes (derselbe  wird  nicht  näher  mitgeteilt)  in  griechischer  Sprache. 
Nach  der  Entdeckung  Cl.-G.*s  verschwand  das  Denkmal;  jetzt  wird  es 
im  Museum  Tschinili-Kiösk  zu  Konstantinopel  aufbewahrt.  Durch  Ver- 
mittlung von  Sorbin-Dorigny  hat  GL-  G.  einen  vollständigen  Abklatsch  an- 


XXVI.  Syria:  Balanae.  Wesfjordanland.  Anranitis  o.  Ostjordanland.    179 

fertigen  lassen  können.  —  Entiog,  a.  a.  0.  S.  684  n.  70.  7l.  —  Cler- 
mont-Gannean,  £pigraphes  höbraXques  et  grecqnes  sar  des  ossnaires 
jaifs  in^dits,  Revue  arch.  I  1883  S.  269—277,  veröffentlicht  eine  Anzahl 
von  hebräischen,  hebräisch-griechischen  und  griechischen  Aufschriften  von 
Graburnen,  die  der  Heransg.  bei  seinen  Nachforschungen  i.  J.  1874  ge- 
funden hatte.  —  n.  1— 30  stammen  aus  einem  einzigen  Grabgewölbe 
vom  Berg  des  Ärgernisses.  Davon  sind  griechisch :  S.  265  n.  22 :  +  (?) 
l€COYC  I6C0YC  (christlich?),  n.23:  NATANIAOY(?)  =  Na- 
thanael(?).  n.  24:  Möa^^a^.  S.  266  n.  26.  26:  Mapt6do<:\  der  Name  ist 
zweimal  wiederholt,  n.  27:  KopBaQ.  n.  28:  */f^^a.  S.  267  n.  29:  HB—, 
S.  269  n.  34  Fragment  einer  Graburne  vom  ölberge;  unter  der  griechi- 
schen Zeile:  .  n  Aa^dpou  oder  lata^dpou  {Be . .  ai^^a  . . .?)  folgt  eine  he- 
bräische.   —    S.  271  n.  37  Fragment  einer  Graburne  aus  der  Nähe  von 

Cho'fät,  einem  Dorfe  nördl.  von  Jerusalem:  Z.  2  —  Map/a .    S.  272 

n.  40  Oraburne  aus  der  Nekropole  des  Wadi  Yasul  und  des  benachbarten 
Wadi  Beit  Sahur:  SaXiofiij  (zweimal).  —  S.  273  n.  41  ebendaher.  Dop- 
pelsprachige Inschrift;  griechischer  Teil :  MavdtjfioQ,  —  S.  274  n.  45  aus 
der  n.n.w.  Umgegend  Jerusalems:  'AvrtySua.  n.  46  ebendaher:  £]dr/oa- 
niXou.  —  Askalon:  Euting,  a.  a.  0.  S.  686  n.  81.  *-  Oaxa:  Der- 
selbe, a.  a.  0.  S.  684  n.  76. 


Anranitis  und  Ostjordanland. 

Mordtmann,  Archäol.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  VIII  1884 
S.  180 — 189  publiziert  aus  einer  grofsen  Anzahl  griechischer,  lateinischer 
und  semitischer  Inschriften»  welche  von  dem  deutschen  Konsul  in  Beirut, 
Dr.  Schröder,  in  Gemeinschaft  mit  dem  dortigen  dänischen  Vizekonsul 
Loytved  auf  einer  Reise  im  Hauran  gesammelt  wurden,  26  griechische 
Inedita.  —  Glermont-Ganneau,  Revue  arch.  IV  1884  S.  260—284 
(Ergänzungen  V  1885  S.  62  f.)  ediert  nach  Abschriften  des  Vizekonsuls 
Loytved  (s.  o.)  46  Inschriftnummern,  die  gröfstentheils  mit  den  von  Mordt- 
mann  (s.  o.)  herausgegebenen  identisch  sind.  —  Frederic  D.  Allen, 
Greek  and  latin  inscriptions  from  Palestine.  27  S.  Separatabdruck  aus 
dem  American  jonmal  of  philology  VI  1885  S.  190  —  216,  veröffentlicht 
66  Inschriften,  welche  von  Rev.  Dr.  Selah  Merrill  auf  einer  im  Auftrage 
der  American  Palestine  Exploration  Society  unternommenen  Reise  wäh- 
rend der  Jahre  1875—1877  kopiert  wurden. 

Aöre  (Sanamein):  Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  189  n.  27  nach  Ab-  t^a 
Schrift  des  Dr.  Makridibey;  vergl.  GIG  4554—4559.  Seetzen,  Reisen  I, 
87ff.  beschreibt  die  Ruinen  der  Tempel,  welche  nach  dem  Inhalt  der  In- 
schriften dem  Kult  der  beiden  syrischen  Glttcksgottheiten  Sa'd  =  Zeug 
Köpiog  und  Gad  =  Tü^i^  geweiht  waren.  —  Bau-  und  Weihinschrift: 
^Btoüc  K'   tou  xal   Xß'  (2)  ßacd6<üQ  ^AypiTtna   xu'(S)pcou    \^Ä\ßßoYaToQ 

12* 


-106 


180  Griechische  Epigraphik. 

0t8a> ...  (4)  xaj[\  viol  oIxoS6/JL/^amf  [r^v  (5)  M]pav  (Av  vetxaS^occ  x<Jil 
k6oU''{ß)rafieoec  xcd  rä  ^upwfia[Ta  (7)  d{}f)iaTi^dw  del  Küpiip  ix  ratv  (8) 
l]8[f]w}f  ebffsßeeac  X^^'  ^  Ergänznngen  nach  CIG  4558.  Die  Doppel- 
ära anter  Agrippa  IL  ist  nach  Mommsen  auf  das  Jahr  56  bzw.  61  n.  Chr. 
znrtkckznführen  (Wiener  nnmismat.  Zeitschr.  III,  451  ff.).  Unsere  Inschrift 
r  SM  wtlrde  dann  in  das  Jahr  92  n.  Chr.  zn  setzen  sein.  —  Hnmr  (l  St.  s.O. 
von  Hftra;  letzteres  4  St.  östlich  von  Rundtra):  Mordtmann,  a.a.O. 
S.  180  n.  1.    Clermont-Oannean,  a.  a.  0.  S.  262 f.  n.  1.     Fragment 

eines  Grenzsteines  zwischen  zwei  benachbarten  Dörfern: I!e[ßa(no\ 

xa2  (2)  K<ov[ordvTtog  (3)  xal  Ma[^efiiavbg  (4)  im^aveffrarot)  Kaiaa[p]e[c\ 
(5)  ktBov  BtopZovra  (6)  SpooQ  xat/jo^g  Fa  ,  t .  {*!)  fidatQ  xal  \a/ia'(S)petuv 
[(T]njpi)['{9)B^V€u  ixe^uff''{\0)av  ^povrcde  (11)  M»  'Appeoo  0pd'{l2)t' 
[d]oc(?)  7r(petfAe)7t{ecXap{oü)  xij[v]'{lB)ffseropo^,  —  Nach  M.  fehlen  zn 
Anfang  mehrere  Zeilen  mit  den  Namen  der  Angnsti  Diokletian  und  Ma- 
ximian; in  Z.  2.  3  haben  sich  Reste  der  Namen  Gonstantius  und  Galerius 
Mazimianns  erhalten.  Die  Inschrift  fällt  demnach  zwischen  292  und  305 
n.  Chr.  In  NoLpjdpta  vermutet  M.  den  antiken  Namen  des  heutigen  Numr, 
in  dem  verstümmelten  Dorfnamen  Z.  6/7  mit  Rücksicht  auf  die  Inschriften 
n.  3  (s.  unter  LX:  »Tituli  christianic)  und  4  den  antiken  Namen  von 
Djftsim  (s.  u.).  —  S.  181  n.  2.  Clermont-Ganneau,  a.  a.  0.  8.  264 
n.  2.  Altarinschrift:  Zijvatv  K'{2)d8fwu  dvd-{S)di^xev.  —  El  Mu^jeidil 
(bei  Teil  el  H&ra):  Clermont-Ganneau,  a.  a.  0.  S.  267  n.  6  (vergl. 
Rev.  arch.  V,  62).  Es  handelt  sich  um  die  Erbauung  eines  Turmes  durch 
Rufus  Magnus.  —  Dj&Bim:  Mordtmann,  a.a.O.  S.  181  n.  4.  Cler- 
mont-Ganneau, S.  264  n.  4  (vgl.  Rev.  arch.  V,  62).  Ehreninschrift: 
V  xOpeSc  fiou  BövoQ  6  XaLfmpifiTaTOQ)  npioroo  (2)  rdyi/iaro^)  xöjAiijc)  xcd 
8001$]  äp$aQ  ^M'[<^}^  ^^  ^k^^  (3)  ^^^  '^^^C  8eo8euovT(xc  xat  rb  i^voQ 
8eä  (4)  navTÖc  e^veuetr&cu  ija^aXlaaro,  —  M.  möchte  die  Inschrift  der 
Zeit  Justinians  zuweisen ,  da  Bonus  vielleicht  identisch  sei  mit  dem  von 
Menander  mehrfach  erwähnten  Heerführer,  und  vergleicht  zn  der  mit 
der  Comitiva  primi  ordinis  verbundenen  Würde  eines  Dnx  Not  Dign. 
ed.  Böcking  1,  165.  2,  277.  —  Lebka'a  (an  der  Pilgerstrafse  zwischen 
Ezra  und  Djftsim;  Bädeker:  Bkaya):  Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  182  n.  5. 
Clermont-Ganneau,  a.a.O.  S.  265f.  n.  5  (vergl.  Rev.  arch.  V,  62). 
Metrische  Grabinschrift  in  drei  Distichen,  über  der  Pforte  eines  antiken 
Quaderbaues:  Fa/tj^  iy  Kavdrwv  dvijp  dya^^  (2)  re  mxof/o[ai]v  |  ree/f' 
[ifi\k  Zoße8d¥i^c  (3)  fiv^pa  vv^ip  TxsXov  [T]uz^  8'  8Xßea  (4)  ndvra  n&poi 
r^xit[a<ri]  xat  abr^  \  (5)  xai  xe8vg  dkö^q»  oTxtp  i[^6]Co/i£i^*  |  (6)  y^p^ 
8*  h  [A<]9ra^[^  ßt6(To\o  8p6fwv  (7)  iyrsXeaayTag  |  8B$a(/)fjajv  (8)  iv  ipol 
Tobg  nporipoo^  Ttpori' (10) poug.  —  2iaptdpp^8og  oix[o86/JLog  i8sfßiaro? 
—  Kdmra  Z.  1  (ältere  Schreibung  für  KdvaBa  gegen  Waddington)  ist 
das  heutige  Eanawftt.  ZoßeBdvv^g  Z.  2  ist  neu,  Za/iäppjBo^  Z.  10  arabi- 
sierte  Form  von  ZfidpayBo^.  Über  die  syrische  Tyche  Z.  3  vgl.  Zeitschr. 
(ler  deutsch,  morgenländ.  Gesellsch.  XXXI,  99  ff.  —  Zorava  (Zora  oder 


XXVI.  Syria:  Aaranitis  und  Os^ordanland.  Igl 

Ezra):  Allen,  a.  a.  0.  S.  25  n.  61.  Vollstftndigere  Abschrift  von  CI6 
4573  c.  —  n.  62.    Fragmentierte  Baninschrift  eines  fJarpextQ  'ApLfxptXtou. 

—  S.  26  n.  63.  Rest  einer  Bauinscbrift:  i7t[Xd]xa}asv.  —  n.  64.  Zwei 
Fragmente  der  Bauinscbrift  eines  Kae[o]o[fwc\  =  CIO  4565,  Wadd.  2491. 

—  Bnkleh:  Allen,  a.  a.  0.  S.  26  n.  65.  Fragment  einer  Bauinscbrift 
nacb  den  Kopieeu  Merrills  und  Warren's  (Quarterly  Statement  of  tbe 
Palestine  Explor.  Fund  1869  S.  329).  —  8.  27  u.  66.  Fragmentierte  Bau- 
inscbrift; am  Scblufs:  Siä  9(e)u8ä  lepsog.  —  Schdch  Miskln:  Mordt- 
mann,  a.  a.  0.  S.  190  nacb  Abscbriften  des  Dr.  Makridibey.  —  n.  28. 
Zwei  Fragmente  der  Grabscbrift  eines  Asiamos.  —  n.  29.  Orabscbrift 
auf  einen  BOjäbrigen  Ob^satbos.  —  Busr  Harlrl:  Mordtmann,  a.a.O. 
S.  183f.  n.  6.  Clermont-Oanneau,  a.  a.  0.  S.  269  n.  7.  Versttlmmelte 
Grabinscbrift  eines  —  drpeoQ  'Avouvou^  der  das  iiyvjplov  i^  ldi[ag  erricbtet. 
— -  *Ahire:  Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  184  n.  7.  Clermont-Oanneau, 
a.  a.  0.  S.  269  n.  8   Unvollendete  (?)  scböne  Inscbrift:  lExoug  e   *A8ptavou, 

—  Dekir:  Clermont-Oanneau,  a.  a.  0.  S.  276  n.  30.  Fragment:  — 
iroolc?]  intfjLskijTi^[g.  —  n.  32.  novTta(?)  AßaßaBij(?).  —  n.  38.  Säulen- 
scbaft:  rouroc  Tavvi^Xou  [i]x  räßv  ISeoßv  [dv\emxBv]  {?),  —  Suwaret  es- 
Seghire:  Clermont-Oanneau,  a.  a.  0.  S.  277  n.  34.  Rest  einer  Yotiv- 

inscbrlft:   —  erpaT[eü]ad[/JLevog  ?]  x{a})  nauadfievo[g] nä\TpdKp  Be^ 

ed[$dfjLevog] [dSeX\^ou(?)   adrou   x(a])  M .    —    El-Heyat: 

Clermont-Oanneau,  a.  a.  0.  8.  277  n.  35.  Weibinscbrift:  llpSxXoc 
Aufwu  i[(]  Id^atv  ü7tk[p]  'Aypt7t7teavlo]ü  olou  Tbv  'Epfi^v,  —  Eitha  (El- 
Hit):  Clermont-Oanneau,  a.  a.  0.  8.  277f.  n.  36  (vgl.  Rev.  arcb.  Y, 
63).  Hexameter:  V^nrea  xOdeirrov  äioiufiea  8epxeOf  ^shfsl  —  Bhimea 
(Reima):  Allen,  a.  a.  0.  S.  24  n.  58.  Rest  einer  Bauinscbrift  aus  dem  t  soi 
Konsulat  des  T.  Postumius  [Titianus]  und  des  Virgilins  oder  Virginius 
Nepotianus;  =  301  n.  Cbr.  —  Heapolis  oder  Selaema  (Suleim):  Allen, 

a.  a.  O.  S.  24  n.  57.  Auf  dem  Stein  eines  Tempelgiebels:  'lfy(ü[d^ijg.  — 
Athila  ('Atil):  Alle  n,  a.  a.  0.  S.  23  n.  56.  56.    Rest  einer  Ebreninscbrift  t  ni 

—817 

auf  den  Kaiser  Caracalla.  —  Canatha  (Kanaw&t):  Mordtmann,  a.a.O. 
8. 184  n.  8.  Clermont-Oanneau,  a.  a.  0.  S.  269  n.  9  (vgl.  Rev.  arcb.  V, 
62);  fragmentarisch  Allen,  a.  a.  0.  S.  22  n.  51.  —  Bau-  und  Weibinschrift: 
0eqi  naTp[w'(2)<p  Md$tfi[og  (»)  6  xal  'Avo[üvo'(i)e]  Moxs^'(b)ou  Soßa^ 
%v6c(?)  (6)  irmhi<rt[v  i-(7)x  rSfv  I8(w{v,  —  M.  macht  aus  angeführten 
Beispielen  wahrscheinlich,  dafs  unter  dem  B^bg  mirpS>og  der  Theandrios  zu 
verstehen  sei.  —  n.  9.  Clermont-Oanneau,  a.  a.  0.  S.  270  n.  10.  Ein- 
gemauertes Fragment  ungewissen  Inhalts.  —  S.  191  n.  31,  nacb  Abschrift 
des  Dr.  Makridibey.  Bauinscbrift:  —  x[(i\B<xp6'zi^rog  (2)  Xafx(npoTdr 00)19" 
poxkioog  {3)  v^pog  oiKoSopJ/^fj.  —  Allen,  a.  a.  0.  8.  22  n.  52.  Rest  einer 
vielleicht  metrischen  Inscbrift.  —  S.  23  n.  53.  Fragmentierte  Weihinschrift 
an  die  Kupia  ABijvä  roQiaA),  Zu  Wadd.  2345  gehörig?  —  n.  54.  Rest  einer 
Orabscbrift:  nan]a7,  rixvov.  Vgl.  unter  Safut  8.  184.  —  Sfa:  tfordt- 
mann,  a.  a.  0.  S.  185  n.  10.   Clermont-Oann  eau,  a.  a.  0.  S.  270  n.  11. 


Ig2  Oriechische  Epigraphik. 

PfeUeriuBchrift  eines  TempelporUls,  stark  verwittert  Nach  der  Zeitbe- 
sUmmoog:  (6)  i]xr/<T^J7-(6)<Ta]»'  ai  Su'(7)pau\  xat  rb  (8)  7r€]/o<)9o-(9)[A]ov. 
—  Ads  christlicher  Zeit  —  Sueida:  Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  185  n.  11. 
Clermont-Ganneau,  a.  a.  0.  S*  271  n.  12  (vergl.  Rev.  arch.  V,  62). 
Allen,  a.  a.  0.  S.  21  n.  50.  M.  Cocceius  Oermanns-Avidus,  Soldat  der 
d.  cyrenäischen  Legion,  hat  auf  eigene  Kosten  räc  r/orc  ^aXiSaQ  abv 
xoyuaxiip  (Schwibbogen  mit  Hohlleiste)  errichten  lassen.  —  Die  3.  cyro- 
näische  Legion  stand  in  Bostra,  wo  sie  mehrere  epigraphische  Spuren 
hinterlassen  hat.  —  n.  12.  Clermont-Oanneau,  a.  a.  0.  n.  13.  Drei- 
zeiliges  Inschriftfragment  -—  n.  13.  Glermont-Ganneau,  a.  a.  0. 
S.  271  f.  n.  14.  —  Zwei  Fragmente,  davon  a  ==  Wadd.  2325  (Kaibel  437). 

M.  ergänzt  dieselben  zu  zwei  Distichen:  ^£jt<  xal (»auch  der  Tod 

hat  sein  Outesc),  |  di?  dniB[et^sv  dlv^p  [r\o[oT\o  aofb^  Mövifio^,  \\  ifr^/uta 
yäp  d[vaTi^a]aQ  noXor^parov  ivBa  rox^atQ  \  ^/a[/']£v  [ei^  Y]Xux[epä]v  ai^ig 
6pjo^po<r[tji\vyjv.  —  Kröje:  Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  186  n.  14. 15.  Cler- 
mont-Oanneau» a.  a.  0.  S.  272  n.  15.  16.  Unbedeutende  Inschriftfrag- 
1 397  mente.  —  El  Ayin  bei  Salchat:  Allen,  a.  a.  0.  8.  21  n.  49.  Yollstftn- 
'^  digere  Abschrift  von  Wadd.  1968  a  aus  der  Zeit  des  Kaisers  Gordian. 

—  Salchat:  Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  186  n.  16.  Clermont*€annean, 
a.  a.  0.  8.  273  n.  17.  Zweizeiliges  Inschriftfragment  von  dem  ösU.  Turme 
der  Borg,  wo  auch  Wadd.  1997.  —  n.  17.  Glermont-Ganneau,  a. 
a«  0.  n.  18.  Schwer  lesbare  Inschrift  ans  dem  Jahre  aqfj'  =  298  der 
mit  dem  22.  März  403  beginnenden  bostrenischen  Ära.  —  S.  187  n.  18. 
Glermont-Ganneau,  a.  a.  0.  n.  19.  Grabschrift:  9dpat  (2)  Nspooa 
(8)<r/  iT{wy)  (4)  x\  (5)  OMlc  (6)  <iMw-(7)aroc.  —  Burd  (verlassenes 
Dorf  1  St  östl.  von  Bostra):  Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  187  n.  19.  Gler- 
mont-Ganneau, a.  a.  0.  S.  273  n.  20  (vgl.  Rev.  arch.  V,  63).  Deck- 
balken mit  Inschrift;  nur  der  SchluDs  lesbar:  (2)  'IdXßoL'{S)c  6  x[a}  (4) 
/bA.  d-(5)i^c  *A'(iß)ßdäXyou.  —  Die  beiden  ersten  Namen  sind  unsicher; 
Aber  den  letzteren  =  »Diener  des  [Gottes]  Gft  vgl.  Gildemeister,  Zeit- 
schr.  der  morgenländ.  Geselisch.  XXIII,  152.  —  Boatra  (Bosra):  Mordt- 
mann, a.  a.  0«  S.  187  n.  20.  Glermont-Ganneau,  a.  a.  0.  8.  273  f* 
n.  21.     Altarinschrift  mit  den  Z.  2   erkennbaren  Resten:  ['d\pxeX[aog] 

fiel  'lüoXioo,  —  S.  188  n.  21.     Glermont-Ganneau,  a.  a.  G.  S.  274  n.  22. 

—ISO 

Den  Kaiser  Mark  Aurel  —  ehrt  ij  Boinpfjvm  nöXtc^  npo€[S]p[e]öovT{oc) 
looMJou)  MapxuK,v{ou^  —  Über  letzteren  vgl.  Mommsen  zu  CIL  III  96  und 
Renier,  Mölanges  S.  97ff.  —  Glermont-Ganneau,  a.  a.  0.  n.  28.  Ban- 
inschrift:  VXta[Q]  Kakan6Sto[g\  (oder  Kakono8io[üY})  pk  eipeXtadeu  [flx- 
ri[<7i]  iv  i[rc]  rok' {?).  —  Allen,  a.  a.  0.  S.  18  n.  40.  Grabschrift  (An- 
fänge von  neun  Hexametern)  auf  eine  KupiXka»  —  S.  19  n.  41.  Grab- 
schrift auf  eine  40 jährige  Aöpy^kid  'Aax^vr)  KavwjBTjvii  (=  aus  Kd¥ix^)» 

—  S.  20  n.  43—46.  Grabsteine  einer  Obaeld^  ""Aßßotj,  Map&sAn^  'E^idvt^, 
BapApf^^  Apmvöi}.  —  Adraha  (Edrel,  Dra*a):  Allen,  a.  a.  0.  S.  15  n.  29. 
Grabstein  der  d2jähr.  fauiij  NourpdUou;  S.  16  n.  30  der  28 jähr.  Zaßow 


^ 


XXVI.  Syria:   Auraoitis  und  Ottjordanland.  188 

MBt^  NaapdAXou;  n.  31  des  80  jähr.  Mapduac  0t)[tn]notß\  n.  S2  ddr  SeydBi^ 
Mapwva;  n.  33  der  24 jähr.  "^O^pi^  Meyvdoo;  n.  34  des  fkpfiavbc  Mauedoc\ 
S.  17  n.  35  der  —  Bi)  'Ano[XX]ivap/[ou ;  n.  36  des  25 jähr.  0ö{ae]k[d]d7jc 
'Aaj[6voü\  n.  37  des  24  jähr.  Mapx[e]oafö^  [l]äffov[o]c\  n.  38  des  51  jähr. 
Jo/icTTtov  rdjjLeUov  (Akknsative).  —  n.  39  Fragment  von  drei  Bnehstaben. 

—  Cbasphon  (Mz^rib):  Mordtmann,  a.  a.  0.  S.  191  n.  30.  Grabstein: 
Ao<MZ^/oa- (2)  rray^C  J-(3)^o7'evot;-(4)ff  ffavrö;-{5)v  ^{Xoq  i-(6)Ta>v  fi\  — 
Arbela  (Irbid):  Mordtmann,  a.  a.  0.  8.  188  n.  22.  Clerraont-Gan- 
neau,  a.  a.  0.  S.  276  n.  26.  Allen,  a.  a.  0.  S.  15  q*  27.  Deckbalken 
einer  Grabthür;  innerhalb  eines  Kranzes:  JUarä  (2)  ndyra  (3)  rei^c.  -* 
n.  23.  Glermont-Gannean,  a.  a.  0.  n.  27.  Seohszeiliges  Fragment  mit 
dem  Anfong:  'AyaBfj  T[6xfj*  (2)  ^Tnkp  ffwn^peag,  —■  n.  24.  Clermont- 
Ganneau,  a.  a.  0.  S.  275 f.  n.  28.  Allen,  a.  a.  0.  S.  14  n.  26.  Deck- 
balken: ^ErooQ  qe'  xarä  xTt{2)(rev  r^c  n6Xeo[^  (3)  AoOxtoQ  äopri'{^)rtoQ 
Ma[t}iußp  (5)  Ti^v  tni^kriv  abrp  (6)  ou)f  7q>  iv  aörfl  fiv-(*t)7^ip  inocT^troof» 

—  Über  die  Ära  der  syrischen  Städte  Tgl.  Wetzstein,  Ausgewählte  In- 
schr.  8.  256.  —  Capitolias  (Beit  er  Ras):  Allen,  a.  a.  0.  8.  14  n.  25. 
Verzierte  Thürschwelle.    Ältere  Inschrift:  iroug  xarä  xr/atv  r^ff  nöAeaßs 

—  (die  Fortsetzung  ist  weggemeifselt).  Jüngere  Inschrift:  xk  Aouxtoc 
OiaXepioc  OödXfjQ  iaurtp  inoh^aev.  —  Oadara  (Ummkeis):  Mordtmann* 
a.  a.  O.  8.  189  n.  25.  Glermont-Ganneau,  S.  278  n.  25.  Allen,  a.a.O. 
S.  13  n.  23.  Bessere  Kopie  der  Grabschrift  des  Gaius  Annius  (GIG  4660); 
darunter  Mordtmann,  a.  a.  0.  Glermont-Ganneau,  a.  a.  0.  n.  39. 
Allen,  a.  a.  0.  n.  24:  ßiScupog  (2)   xk  fldvfdoQ  (3)  uiou^  il7roA-(4)^«iC* 

—  Mordtmann,  a.  a.  0.  n.  26  (Kopie  von  Loytved).  Glermont- 
Ganneau,  a.  a.  0.  n.  38.  Fragmentierte  Grabschrift  auf  einen  Nei- 
kolaos.  ^  Glermont-Ganneau,  a.  a.  0.  n.  40.  Allen,  a.  a.  0.  n.  22. 
Grabschrift  auf  einen  zwölQährigen  Titus,  S.  des  Malchus.  —  Fella 
(Tubakat  Fahl):  Allen,  a.  a.  0.  S.  12  n.  21.  Über  einer  Grabthür: 
0aMr^öpou,  ~  Oerasa  (Dsoherasch):  Allen,  a.  a.  0.  S.  3  n.  4.  Be- 
richtigter Text  der  mit  Faksimile  im  American  Journal  of  philology  III 
1862  S.  206  ff.  (Röhl  II,  118)  herausgegebenen  metyschen  Grabschrift  der 
Antiochierin   luüane.     Z.  10  ist  i[T]ep[a]c  zu  lesen  statt  [r]ep[d]a[ij^ 

—  n.  5.  Fragmentierte  Bauinschrift.  Datum  Z.  1:  l]rou€  i/^Xp'  b[nk\p  \n9ii9fi 
T^ff  Ta»v  2[eßaaT<üy  AdroxpaTÖpwv  ffwrrjptaQ,  —  Z.  4 :  ^AvT}^wve(^voo  Ko- 
fi[6S]ou  np[oxp{rou  r^c  veön^To^.  —  Das  Datum  dieser  Inschrift,  kombi- 
niert mit  dem  der  christlichen  n.  17  gleichen  Fundorts  (s.  unter  LX: 
»Titnli  Christian!«),  ermöglicht  die  Bestimmung  der  Ära  von  Gerasa. 
Letztere  ist  datiert  nach  dem  Mai  einer  5.  Indiktion  des  Jahres  559, 
erstere  nach  dem  Jahre  138  mit  Erwähnung  des  Gommodus.  Um  letz- 
teres Datum  mit  dem  Leben  des  Commodus  in  Einklang  zu  bringen,  ist 
anzunehmen,  dafs  jene  5.  Indiktion  diejenige  war,  welche  im  8ept  601 

n.  Ghr.  begann.  Das  Datum  von  n.  17  wäre  alsdann  Mai  602  n.  Chr. 
Der  Anfang  des  Jahres  559  von  Gerasa  mufs  demnach  liegen  zwischen 


184  Grieohiflche  EpigraphW. 

dem  2.  Mai  601  und  dem  31.  Mai  602  n.  Chr.,  und  das  Jahr  1  würde 
fallen  zwischen  den  2.  Mai  43  und  den  31.  Mai  44  n.  Chr.  Wahrscheinlich 
nahm  die  Ära  von  Oerasa  ihren  Anfang   mit  dem  Tode  des  Herodes 
Agrippa  (Frühjahr  44  n.  Chr.;  die  Änderung  Clintons,  Fasti  Romani  unter 
dem  Jahre  44  auf  den  Sommer  dieses  Jahres  beruht  lediglich  auf  Ver- 
mutung), durch  welches  Ereignis  die  Tetrarchenherrschaft  ihr  Ende  er- 
reichte und  die  Provinzialverwaltung  wiederhergestellt  wurde,  unter  der 
die  griechischen  Städte  der  Dekapolis  einen  hohen  Grad  von  Selbstän- 
digkeit erreichten.  —  Das  Jahr  138  unserer  Inschrift  würde  demnach 
dem  Jahre  181/2  der  christlichen  Ära,  dem  zweiten  Jahre  der  Regierung 
des  Commodus,  entsprechen.    Allein  der  Plural  rwv  Z.  1  erfordert  eine 
Zeit,  in  der  zwei  Augusti  regierten.    Commodus  wurde  princeps  iuven- 
tutis  175,  Augttstus  177  n.  Chr.    Somit  mufs  die  Inschrift  zwischen  177 
und  180  n.  Chr.  (Regierungsantritt  des  Commodus)  fallen.    Wahrschein- 
lich ist  daher  das  Datum  H AP  der  Abschrift  in  RAP  =  136  der  gerasi- 
schen  Ära  (Frühjahr  179  —  Frühjahr  180  n.  Chr.)  zu  korrigieren.  —  S.  5 
n.  6.  Reste  einer  Bauinschrift  aus  dem  Jahre  gp'  oder  cp  =  190  oder  106 
der  gerasischen  Ära  =  233  oder  149  n.  Chr.  (s.  zu  n.  5).  •—  n.  7.  Bauin- 
schrift, der  zufolge  ^  Niyueatg  xaH  rä  7ro^ax[e]//££v[a]  xal  6  ßa}[fibc  nach 
testamentarischer  Verfügung  errichtet  wurden.  —  n.  8.  Bauinschrift  einer 
xaräffTpataeg  r^c  (rxd^g,   —   S.  6  n.  9.     Auf  drei  Säulen  des  grofsen 
Säulenganges,  welcher  den  Marktplatz  umgab:  a)  Ji^fu^rpeavöc  in^poMTsv; 
b)  UctßMfOQ  ZrpanjYioo  inXi}po}üEV\  c)  ^EpjxdXaio^  Ai^fjo^rphu  inA'^piuaev, 
—  inXf/pwaev  =  >paid  for.c  —  S.  11  n.  18.    Bessere  Kopie  der  Bauin- 
schrift CIG  4662^  (vgl.  Addenda  vol.  III  p.  1183).  -  S.  6  n.  lo.    Grab- 
stein eines  Eallistos.  —  n.  11.    Reste  einer  metrischen  Grabschrift  — 
S.  6 f.  n.  13—15.  S.  11  n.  19.  Geringe  Buchstabenreste.  --  Safut:  Allen, 
a.  a.  0.  S.  2  n.  8.  Rest  einer  Grabschrift:  7nx9ia[r,  (2)  rdxva.  Vgl.  S.  181  u. 
n.  64  unter  Canatha.  —  Philadelphia  (Ammon):  Allen,  a.  a.  0.  S.  1 
n.  1.    Drei  Inschriftfragmente  aus  den  Tempelruinen  der  Akropolis,  von 
denen  zwei  die  arg  verstümmelten  Reste  einer  Ehreninschrift  auf  Mark 
Aurel  und  Lucius  \^rus  zu  sein  scheinen.  —   S.  2  n.  2.    Zwei  Quer- 
schnitte einer  umgestürzten  Säule  desselben  Tempels  tragen  die  Inschrif- 
ten: ^(OC€OC,  <lie  bei  Errichtung  der  Säule  verschwinden  mufsten. 
Wohl  Marken  des  Baumeisters. 


Falmyra. 

ti87  Im  Jahre  1881  entdeckte  der  armenische  Fürst  Simon  Abame- 

lek-Lasarew  eine  durch  Umfang  und  Bedeutung  hervorragende  In- 
schrift mit  griechischem  und  aramäischem  Text,  die  er  in  Abschrift  und 
Abklatsch  nach  Europa  brachte.  Dieselbe  besteht  aus  vier  grofsen,  fast 
quadratischen  Feldern,  die  mit  Ausnahme  des  ersten  in  mehrere  Kolum- 
nen zu  ungefähr  60  Zeilen  geteilt  sind.    Sie  enthält  den  Wortlaut  eines 


XXYI.  Syria:    Auranitis  und  Oatjordanland.   Palmyra.  ]g5 

Ratsbeschlasses  von  Palmyra  aus  dem  Jahre  137  n.  Chr.  nnd  eine  lange 
Reihe  in  AusfÜhrang  dieses  Dekretes  getroffener  Bestimmungen,  die  sich 
sämtlich  auf  die  Verwaltung  der  Finanzen  von  Palmyra,  insbesondere  auf 
die  Erhebung  von  Zöllen  beziehen.  —  Die  erste  Fundnotiz  gab  Fon- 
cart,  BCH  VI  1882  S.  439ff.,  der  einige  Stellen  nach  Lasarews  Abklatsch 
publizierte  (vgl.  Röhl  II,  117).  Eine  vollständige  Transkription  des  grie- 
chischen nnd  aramäischen  Textes  lieferte  der  Marquis  de  Vogtt^  im 
Journal  asiatique  VIII  tome  I  1883  S.  231  -245  und  tome  0  S.  149  —  183; 
beide  Aufsätze  mit  einigen  Nachträgen  sind  vereinigt  in  der  Broschüre: 
Inscriptions  palmyr^niennes  in^dites;  un  tarif  sous  l'empire  romain.  Ex- 
trait  du  Journal  asiatique,  Paris  1883.  8.  47  S.  3  Taf.  Vogü6  benutzte 
aufser.dem  von  Lasarew  mitgebrachten  und  einem  zweiten,  von  demsel- 
ben beschafften  Abklatsch  auch  eine  Photographie,  die  der  deutsche  Vize- 
konsul in  Damaskus,  La t ticke,  hatte  anfertigen  lassen  und  zunächst  an 
Prof.  S  ach  au  in  Berlin  ttbersandt  hatte.  Letzterer  formulierte  in  der 
Zeitschr.  der  morgenländ.  Gesellsch.  1883  S.  662—571  die  aus  dem  Funde 
fttr  die  Grammatik  des  Aramäischen  sich  ergebenden  Resultate;  vgl.  auch 
den  Sitzungsber.  der  archäol.  Gesellsch.  zu  Berlin  vom  l.  Mai  1883  (Ber- 
liner philol.  Wochenschr.  n.  22  Sp.  695,  n.  17  Sp.  526).  Dr.  Schröder, 
deutscher  Konsul  in  Beirut,  veröffentlichte  dann  nach  einem  vorzüglichen 
Abklatsch  von  Prof.  Euting  den  aramäischen  Text  vollständig  und  den 
griechischen  teilweise  in  den  Sitzungsberichten  der  Berl.  Akad.  der  Wis- 
sensch.  1884  S.  417—436  mit  Taf.  II.  Eine  von  dem  Entdecker  selbst 
in  dem  russisch  geschriebenen  Prachtwerke:  »Palmyra.  Eine  archäolo- 
gische Untersuchung  u.  s.  w.  Petersburg  1884«  mit  Faksimile  (vgl.  Haupt, 
Berl.  phil.  Wochenschr.  1885  n.  15  8p.  460—462,  Hinrichs,  Griech.  Epigr. 
S.  358),  S.  44 — 64  gegebene  Rezension  des  griechischen  Teiles  der  In- 
schrift, der  Hauptsache  nach  wohl  von  dem  S.  43  erwähnten  russischen 
Gelehrten  La ty sehe w  herrührend,  ist  in  vielen  Stücken  von  Vogü6  ab- 
hängig, bietet  jedoch  auch  manche  selbständige  Lesungen;  für  das  Ara- 
mäische beschränkte  sich  Lasarew  auf  den  Abdruck  der  Vogü^schen  Bro- 
schüre. Auf  grund  der  Lüttickeschen  Photographie,  des  Euüngschen  Ab- 
klatsches und  einer  von  Dr.  Schröder  übersandten  vollständigen  Abschrift 
des  griechischen  Textes  publizierte  und  kommentierte  ausführlich  den 
letzteren  Dessau,  Der  Steuertarif  von  Palmyra,  Hermes  19  1884  S.  486 
—583.  —  Vgl.  auch  Gagnat,  Remarques  snr  nn  tarif  r^cemment  d6- 
couvert  ä  Palmyre,  Revue  de  philologie  VIII  1884  S.  135^145. 

Feld  I  enthält  ein  Dekret  des  Rates  von  Palmyra  i^  griechischer 
und  aramäischer  Sprache;  beide  Versionen  sind  fast  unversehrt  erhalten. 
Das  Dekret  ist  datiert  von  dem  18.  Xanthikos  des.  mit  dem  1.  Okt.  136 
n.  Chr.  beginnenden  448.  Jahres  der  Seleucidenära  (=  18.  April  137  n.  Chr.). 
—  »Als  man  vor  alter  Zeit  ein  Statut  für  die  Verpachtung  (und  damit 
auch  fttr  die  Erhebung)  der  der  Stadt  Palmyra  zustehenden  Gefälle  er- 
liefs,  hatte  man  einen  kleinen  Teil  der  abgabenpflichtigen  Gegenstände 


186  Griechische  Epigraphik. 

in  dasselbe  aafgenommeD,  die  Mehrzahl  unerwähnt  gelassen.  Von  diesen 
Gegenständen  wurde  die  Abgabe,  der  sie  unterlagen,  nach  einem  her- 
kömmlichen Satze  erhoben.  In  jede  fieaBcjaeg  —  den  Kontrakt,  nach 
welchem  die  Gemeinde  die  Benutzung  der  ihr  zustehenden  Gefälle  einem 
Kapitalisten  Uberliefs  —  setzte  man  die  Klausel,  der  Pächter  solle  sich 
bei  Erhebung  der  Gefälle  an  das  Statut  und  an  das  Herkommen  halten: 
an  das  Statut  hinsichtlich  der  in  demselben  verzeichneten,  an  das  Her- 
kommen inbetreflf  der  Übrigen  Artikel.  Nun  war  es  infolge  dessen  sehr 
oft  zu  Streitigkeiten  zwischen  den  Steuereinnehmern  und  den  zollpflich- 
tigen Kanfleuten  gekommen ;  ohne  Zweifel  hatte  man  sich  aber  die  Höhe 
der  »herkdmmiichenc  Abgabe  nicht  einigen  können.  Deshalb  beschliefst 
der  Rat,  letztere  genau  festzustellen ;  er  erteilt  den  gerade  im  Amte  be- 
findlichen Archonten  und  Dekaproten  den  Auftrag,  die  in  dem  alten  Sta- 
tut übergangenen  Gegenstände  zu  prüfen  und  sie  mit  Angabe  der  her- 
kömmlichen Taxe  in  den  nächsten  Pachtkontrakt  aufzunehmen.  Femer 
sollen,  wenn  dieser  neue  Pachtkontrakt  von  einem  Pachtlustigen  akzep- 
tiert sein  wird,  und  dadurch  die  neuen  Bestimmungen  in  kraft  treten, 
letztere  an  derselben  Stelle,  an  der  sich  der  alte  Tarif  befand,  zu  jeder- 
manns Kenntnis  öffentlich  aufgestellt  werden.  Endlich  schärft  der  Rat 
den  Archonten,  Dekaproten  und  Syndiken  ein,  in  Zukunft  dafür  Sorge 
zu  tragen,  dafs  die  Abgabenpächter  die  Tarifsätze  nicht  überschreiten.« 
»Feld  II,  III  und  IV  enthalten  die  in  dem  Dekret  angekündigteo 
Sätze  der  Ein-  und  Ausfuhrzölle,  vermischt  mit  Bestimmungen  über  an- 
dere Einnahmequellen  der  Stadt,  und  zwar  Feld  II  in  aramäischer,  Feld 
III  und  lY  in  griechischer  Sprache.  Beide  Versionen  sind  sehr  unvoll- 
ständig erhalten.  Von  der  griechischen  ist  etwa  ein  Drittel  verloren  ge- 
gangen, fast  ein  zweites  Drittel  unleserlich  entstellt;  der  aramäische  Text 
hat  zwar  von  jeder  Zeile  einige  Buchstabenreste  bewahrt,  allein  verständ- 
lich ist  auch  von  diesem  nicht  die  Hälfte.  Die  unversehrt  oder  fast  un- 
versehrt erhaltenen  Partieen  decken  sich  in  beiden  Versionen  der  Haupt- 
sache nach.  —  Der  Text  enthält  in  bunter  Folge  verschiedenartige  Be- 
stimmungen über  die  in  Palmyra  auf  Rechnung  der  Stadtgemeinde  er- 
hobenen Abgaben,  an  erster  Stelle  Sätze  für  die  von  verschiedenen,  in 
dem  alten  vö/ios  rehuvtxb^  übergangenen  Handelsartikeln  zn  entrichten- 
den Ein-  und  Ausfuhrzölle.  Den  Anfang  unter  den  mit  einem  festen  Satz 
belegten  Handelsartikeln  machen  die  Sklaven  (für  die  Einfuhr  von  »pueri« 
22  Denare).  Der  Name  des  zweiten  Artikels  ist  im  Griechischen  verloren, 
im  Aramäischen  unverständlich ;  bei  Besteuerung  desselben  wird  zwischen 
Karneols-  und  Eselslast  unterschieden.  V^eiterhin  folgen  Zölle  für  Pur- 
purstoffe (der  Ausfuhrzoll  vielleicht  8  As  für  das  Sepfia),  Wollstoffe  (?), 
Salbe,  öl  und  die  nur  im  aramäischen  Text  erhaltenen  Artikel  von  Fett, 
Gesalzenem  u.  s.  w.  —  Auch  sonstige  Bestimmungen  über  die  Zollerhe- 
bungen werden  getroffen,  bzw.  wieder  eingeschärft;  so  für  Viktualien  und 
Früchte,  für  leere  und  beladene  Kameele.     Hieran  schliefsen  sich  Ab- 


XXYI.  Syria:   Palmyra.    Haleb.     XXIX.  Aegyptos:    Alezandria.    187 

gabeeätze  für  Kleinhandel  und  Gewerbe:  1  Denar  monatlich  flir  jede 
Schusterwerkstatt  und  jeden  Laden,  2  As  für  ein  zubereitetes  Fell.  Es 
folgt  eine  Art  Gewerbesteuer  für  Hetären,  Salzverkauf,  eine  Scblacht- 
steuer  mit  bezng  auf  Verordnungen  des  Germanicus  Caesar  (Oberstatt^ 
halter  der  östlichen  Provinzen  17 — 19  n.  Chr.)»  Bestimmungen  aber  die 
fiskalische  Ausbeute  des  Wasserreichtums  der  palmyrenischen  Oase,  auch 
wohl  Ober  die  von  der  Nutzniefsung  der  öffentlichen  Weiden  zu  erhebende 
Steuer.  Ausserdem  werden  Bestimmungen  über  die  Steuerverwaltung  im 
allgemeinen  festgesetzt:  Verbot  der  Eintreibung  von  Abgaben  durch  un- 
befugte, Fixierung  des  Rechtes  der  Stenerpächter,  von  renitenten  Abgabe- 
pflichtigen Pfilnder  zu  nehmen.  Etwaige  Streitigkeiten  sollen  vor  einem 
—  natOrlich  römischen  —  in  Palmyra  residierenden  Beamten  oder  Mili- 
tär zum  Austrag  kommen,  c 

tWie  somit  auf  griechischen  Handelsplätzen,  wie  Rhodus,  Athen, 
Hafenzölle  erhoben  wurden,  besteuerte  man  in  Palmyra  die  Waaren  beim 
Betreten  und  Verlassen  des  Stadtgebietes.  Zölle  dieser  Art  waren  dem 
freien  Griechenland  fast  ganz  unbekannt.  Landgrenzzölle  in  gröfserem 
Mafsstabe  scheinen  erst  die  Römer  eingeftthrt  zu  haben.«  —  Parallelen 
zu  der  zollpolitischen  Selbständigkeit  Palmyras  unter  den  Römern  s.  bei 
Dessau,  a.  a.  0.  S.  530 ff.,  der  überhaupt  für  die  oben  gegebenen  Aus- 
führungen zu  vergleichen  ist. 

Heuzey,  Revue  crit.  1887  S.  19.  Grabstein  eines  Bargers  der 
römischen  Kolonie  zu  Beirut  mit  palmyrenischer  und  griechischer  In- 
schrift. Letztere  lautet:  MdpxoQ  (2)  louXtog  (3)  Md^ifioc  (4)  'Apearetdi^g, 
(6)  xöJiwv  (=  colo)  (6)  BrjporioQ,  (7)  naxip  Jou^{S)xüXjjc^  ^ü'(9)wiixds 
Dtp  •  ( 10)  rivoLxoQ. 

Haleb  (lu  XaXemqj)  in  Syrien. 

Moumeov  xau  ßtßXtoBrjxvi  V  1884/5  S.  86  n.  278  in  Minuskeln.  Grab- 
Schrift  auf  Maren  und  lulis  als  äkonot. 


XXIX.   Aegyptus. 

Alexandria. 

Merriam,  The  greek  and  latin  inscriptions  on  the  Obelisk  -  crab  is/ia  t 
in  the  Metropolitan-Museum  New- York.  New- York  1883  49  S.  und  1  Taf. 
2,50  Mk.  Vgl.  Academy  n.  593  1883.  Athenaeum  n.  2911  1888.  —  Er- 
neute Lesung  der  bilinguen  Inschrift  auf  der  Scheere  eines  der  vier 
Seekrebse,  welche  paarweise  die  »Nadeln  der  Kleopatrat  trugen.  Z.  1 : 
LIH  KAIZAPOZ  bzw.  ANNO  XVIII  stott  des  bisherigen:  LH 
KAIZAPOZ  and  ANNO  VIII.    Dadurch  wird  die  Inschrift  in  das 


723  t 


188  GrieduBche  Epigraphik. 

18.  Jahr  der  von  der  Erobemog  AiexaDdrias  30  v.  Chr.  datierenden  ä^rp- 
tischen  Ära  (=  13/12  v.  Chr.)  verlegt  und  stimmt  genaa  za  der  von 
Mariette  und  Wescher  in  Philä  gefundenen  Inschrift  (Bnllettino  1866 
S.  49 f.;  vgl.  Röhl  II,  119),  die  gleichfalls  den  Praef.  Aegypti  P.  Rubrius 
BarbaruB  in  das  18.  Jahr  der  einheimischen  Ära  setzt  Letzteren  identi- 
fiziert der  Herausg.  wohl  mit  Recht  mit  dem  CIL  X  6169  Erwähnten, 
dessen  Cognomen  dann  Barba[ms,  nicht  Barba[tns  zu  ergänzen  wäre.  — 
Über  die  aus  der  Inschrift  zu  entnehmenden  geschichtlichen  Folgerungen 
vgl.  die  Rezension  von  Schiller,  Berliner  phiiol.  Wochenschr.  1884  n.  1 
Sp.  13f.  Bauer,  Phiiol.  Anzeiger  XIV  1884  S.  6— 8.  —  [Derselbe, 
American  Journal  of  archaeology  I  1886  Heft  1 :  Inscribed  sepulcral  vases 
from  Alexandria  (aus  der  Sammlung  von  Feuardent  in  New- York)]. 

347-;-  Miller,  BCH  IX  1886  S.  146.   Sammlung  von  Pugioli  in  Alexan- 

dria, n.  8.  Weihinschrift  des  Königs  Ptolemaios,  S.  des  Königs  Ptole- 
maios  und  der  Königin  Berenike,  ßeJjv  EZepysraßv^  an  Euodia.  —  Pto- 
lem.  III.  regierte  247—222  v.  Chr.  —  n.  7.  Der  ^AprifitSt  Storttpat  weiht 
etwas  unkp  ßafftkew^  nToXe/meou  der  Athener  Epikrates.  —  n.  6.  Grab- 
stein der  Pronoia  aus  Mylasa. 

Jullian,  Revue  arch.  VII  1886  S.  266 ff.  n.  1.  Jetzt  im  archäol 
Museum  zu  Marseille.  Marmorplatte  mit  Schriftcharakteren  des  2.  oder 
3.  Jahrb.  v.  Chr. :  IloXuxpdTy^Q  IloXoxpdTou  (2)  rou  IloXuxpdToo  ^Apyeeo^ 
(3)  6  dpxtawfiaro^Xa^.  —  S.  271  f.  n.  2  mit  Faks.  Ebd.  Rätselhafte 
Inschrift  in  Kursivcharakteren:  'AXe^a^ie  (2)  ^eatanü  (3)  ICtC  7^^  (^) 
abroo  in6'ifi)y}<Te'  siHffux(^)^'  —  S.  272  n.  3.  Ebd.  Widmung:  *Apat)ß6i^t^ 
(2)  i^eAadeA^we.  —  n.  4.  Ebd.  Grabschrift :  "HXtodwpe,  (2)  eu^(//(£)^  >-* 
S.  273  n.  6  (=  CIG  6362  b.  Rhein.  Museum  I  S.  209.  Kaibel,  Epigr. 
n.  260).  Ebd.  Z.  1  ist  zu  lesen :  BspevtxoQ.  Z.  3  ist  das  2*  von  pjokooca 
etwas  beschädigt,  sonst  klar.  Z.  4  ist  zu  lesen:  iarepo/wv,  Z.  6  fehlt 
nur  O»  Also:   rtarpe  y6[o]ü^  npoXmouaa  xrk, 

Nerutsos-Bey,  Revue  arch.  IX  1887  S.  198-209.  291-298  teilt 
eine  Anzahl  von  Inschriften  (meist  Grabsteine)  aus  Alexandria  und  Um- 
gegend mit,  von  denen  einige  schon  ediert  sind.  —  Von  Interesse  ist 
nur  eine  Votivinschrift  (S.  208  n.  11)  des  Königs  Ptolemaios  (IV.  Philo- 
pator); nach  dem  Herausg.  aus  dem  Jahre  217  v.  Chr. 

Naucratis. 

Naukratis.  Part.  I.  1884—86.  By  W.  M.  Flinders  Petrie. 
With  chapters  by  Cecil  Smith;  Ernest  Gardner,  B.  A.;  and  Bar- 
clay V.  Head.  Third  memoir  of  the  Egypt  Exploration  Fund.  London 
1886.  VUI,  100  S.  4.  Mit  44  Taf.  —  Naukratis.  Part.  II.  1886—86. 
By  Ernest  A.  Gardner,  M.  A.,  fellow  of  Gonville  and  Caing  College 
etc.,  Director  of  the  British  School  of  Archaeology  at  Athens.    With  an 


XXIX.  Aegyptns:    Alexandria.    Naocratis.   Abydns.   Ptolemate.      189 

appendlx  by  F.  LI.  Oriffith,  6.  A.,  of  the  British  Museum  etc.  Sixth 
memoir  of  the  Egypt  Exploration  Fund.  London  1888.  VI,  92  S.  4. 
Mit  24  Taf.  —  Die  auf  der  Stätte  des  alten  Naukratis  entdeckten  zahl- 
reichen Inschriften  (19  Stein-  und  881  Vaseninschriften,  fast  ausschliefs- 
lich  kurze  stereotype  Widmungen  an  Apollon,  Aphrodite  u.  s.  w.,  führten, 
nachdem  schon  Kirchhoff,  Studien^  S.  44ff.  die  chronologischen  Folge- 
rungen der  Entdecker  bestritten,  zu  eitier  lebhaften  Kontroverse  zwischen 
den  Herausg.  und  Prof.  6.  Hirschfeld  in  Königsberg.  Vgl.  Hirschfeld, 
Die  Gründung  von  N.;  mit  Anhang:  Die  griechischen  Söldnerinschriften 
von  Abu-Simbel,  im  Rhein.  Mus.  42  (1887)  S.  209—224.  Derselbe,  Aca- 
demie  9.  Juli  1887  S.  29.  Gardner  und  Flinders  Petrie,  Acad.  16.  Juli 
1887  S.  48ff.  Hirschfeld,  Acad.  30.  Aug.  1887  S.  122  ff.  Gardner,  Acad. 
27.  Aug.  1887  S.  189.  Hirschfeld,  Zu  den  Inschriften  von  N.  Zur  Ur- 
geschichte des  ionischen  Alphabets.  Gründungszeit  von  N.,  im  Rhein. 
Mus.  44  (1889)  S.  461-467.  Derselbe,  zusammenfassend:  Berl.  philol.  Wo- 
chenschr.  1890  n.  29/30  Sp.  909  ff.  und  Les  inscrr.  de  N.  et  Thistoire  de 
Talphabet  ionien,  in  der  Revue  des  ^tudes  grecques  1890.  —  Als  gesicher- 
tes Resultat  dieser  vielseitig  verzweigten  Untersuchungen  wird  man  einer- 
seits für  eine  geringe  Zahl  der  ältesten  Yaseninschriften  ein  bis  um  die 
Mitte  des  7.  Jahrb.  v.  C!hr.  hinaufreichendes  Alter  annehmen  dürfen,  wäh- 
rend die  überwiegende  Masse  der  Inschriften  zweifellos  dem  6.  Jahrb. 
angehört;  andererseits  lieferten  die  epochemachenden  Funde  das  für  die 
griechische  Alphabetologie  unvergleichlich  wichtige  Ergebnis,  dafs  das 
Alphabet  von  Milet-Naukratis  bereits  um  650  v.  Chr.  seine  letzte  Erwei- 
terung erfahren  hatte  und  die  Zeichen  C  und  XI  verwandte,  während  die 
ungefähr  gleichzeitigen  Inschriften  von  Abu-^Simbel  (IGA  482)  für  das 
nord-  und  südionische  Alphabet  die  Zeichen  ^  und  O  belegen.  —  Von 
nicht-ionischen  Inschriften  sind  als  bisher  einzige  archaische  Schriftdenk- 
mäler der  äolischen  Westküste  Kleinasiens  eine  Anzahl  lesbisch -mytile- 
näischer  VasenaufiBchriften  (II  n.  786 — 793)  von  Interesse,  die  gleichwohl 
bei  dem  Mangel  an  charakteristischen  Zeichen  den  lange  ersehnten  ur- 
kundlichen Beweis  für  die  Abstammung  dieses  Alphabetes  nicht  erbringen. 

Dir  Rife  (unweit  Grocodilopolis). 
Sayce,  Academy  611  1884  Sp.  61.   Felsengrab  mit  der  Inschrift: 

Abydus. 

Über  eine  Anzahl  von  Sayce  an  den  Tempelwänden  kopierter  In- 
schriften in  epichorisch-kyprischer  Schrift  s.  unter  XU.  Clyprus  (S.  37). 

Ptolemais  (Menshieh)  in  der  Thebais  und  Umgegend. 

Milier,  BGH  IX  1886  S.  132 ff.  n.  1.     Die  TS^vcrac  nep\  rbv  ätd-    nach 
Vüoov  xdl  (2)  Ssobc  USe^oÖQ  ehren  den  AoaiimxoQ  IlToke/m/ou  latarpdr   ^^  ^ 


190  Griechische  Epig^phik. 

Tsoc  wegen  seiner  Yerdienste  nm  d^  Kult  des  Königs  Ptolemaios  (Phi- 
ladelphos),  des  Dionysos  und  der  anderen  Götter,  sowie  um  die  Zunft 
der  dionysischen  Kfinstler.  Unter  dem  Dekret  folgt  in  drei  Kolumnen 
ein  Verzeichnis  der  letzteren.  —  Vgl.  Revue  crit.  1886  S.  20  (Acad.  des 
inscr.  et  des  helles  lettres,  Sitznngsher.  vom  26.  Dez.  1884).  —  S.  140f. 
n.  2.  Die  dionysischen  Künstler  nepl  rbv  dtowjoov  xal  ßeobg  ^ASeX^i»c 
ehren  den  Dionysios,  S.  des  Musaios.  —  S.  141  n.  3.  Baatkei  IJroXefiaewi 
Bsqj  (2)  0eXofi^Tope  errichtet  einen  Weihaltar  der  auch  sonst  bekannte 
Zeuspriester  Nikomachos.  —  S.  144f.  n.  4.  El-Hagayah»  sttdl.  von  Edfn. 
Rest  einer  arg  verstümmelten  metrischen  Grabschrift,  von  der  2Vs  Di- 
stichen erhalten  sind,  in  barbarischer  Sprache.  Der  Verstorbene  preist 
sich  glücklich  wegen  der  Bestattung  durch  seine  Kinder  (Imb  TTf/Saiv  Z.  4), 
die  ihm  den  Weg  in  die  Behausung  des  Hades  versüfse  (xariwu  statt 
xareävae;  vgl«  xarifiev). 

ZvTischen  Küs  und  Koft. 

ti9s  Sayce,  Academy  n.  662  1885  Sp.  28.    Eine  von  Lausing  gefun- 

dene  arg  verstümmelte  Inschrift  verherrlicht  den  Septimius  Severus,  dessen 
Sohn  Antoninus  (Garacalla)  und  die  lulia  Domna. 

Thebae. 

Collitz,  SGDI  I  S.  120—124  n.  320—823  wiederholt  unter  den 
»äollschen  Inschriften«  die  bekannten,  den  äolischen  Dialekt  nachahmen- 
den Epigramme  des  Memnonkolosses. 

[Bficheler,  Rhein.  Museum  89  1884  S.  161-166  veröffentlicht 
und  ergänzt  das  Epigramm  (3  Distichen)  einer  Scherbe  aus  dem  TrQm- 
m^felde  des  grofsen  Tempels  zu  Karnak.| 

Syene  (Assuan). 

Miller,  BGH  IX  1886  S.  145  n.  6.  Fragment:  "Eni  ßamkia^g  UtIo' 
ke/meou  rou  (2)  ßeou  0tXoijJjropoQ  — . 

Sayce,  Academy  n.  724  1886  Sp.  201  f.  Eine  griechische  Inschrift 
von  65  Zeilen  scheint  Bestimmungen  der  Könige  Ptolemaios  Philometor, 
Ptolemaios  Eupator  und  der  Kleopatra  zu  gunsten  eines  Priesterkolle- 
giums von  Elephantine  zu  enthalten.  Die  Stele,  welche  die  Inschrift  ent- 
hält, ist  als  Thürpfosten  benutzt  und  in  drei  Teile  zerlegt  worden;  bis- 
her ist  nur  der  mittlere  Teil  gefunden. 

Philae. 
126-  Wilcken,  Die  Gbeliskeninschrift  von  Philä,  Hermes  22  1887  S.  1 

117  + 

— 16,  zeigt,  dafs  die  von  Letronne  aus  der  jetzt  in  England  befindlichen 
Inschrift  GIG  4896  gezogenen  Folgerungen  sämtlich  auf  unzutreffenden 


XXIX.  Aegyptus:    Thebae.   Syene.   Philae  u.  a.  w.  191 

Ergänzungen  beruhen.  Ein  Vergleich  der  Papyruslitteratur  ergiebt,  dars 
das  Sehreiben  unter  A,  in  welchem  den  Priestern  die  Errichtung  einer 
Stele  gestattet  wird,  nicht  —  wie  L.  auf  grund  einer  irrtflmlichen  Inter- 
pretation von  G  meint  —  von  dem  königlichen  Epistolographen  Numenios, 
sondern  you  dem  Könige  selbst  und  den  beiden  Kleopatren  (IL  und  III.) 
herrfihrt.  Femer  erhellt  aus  der  auf  demselben  Obelisken  befindlichen 
Hieroglypheninschrift,  dafs  der  Kult  der  Isis  von  Philä  und  Abaton  mit 
dem  der  Ptolemäer  verbunden  war  (wie  denn  wahrscheinlich  an  allen  Kult- 
stätten  des  Landes  die  Ptolemäer  seit  dem  8.  Jahrh.  neben  den  ägypti- 
schen Lokalgottheiten  als  «rawao;  Beol  verehrt  worden  zu  sein  scheinen), 
sowie,  dafs  die  durch  Ergänzung  zu  gewinnende  Reihe  der  Ptolemäer 
mit  den  beiden  Adolphen  anfing,  und  dafs  nicht  die  Priesterschaft,  son- 
dern Euergetes  ü.  den  Obelisken  und  ein  Seitenstttck  zu  demselben  auf- 
stellte. Da  in  der  Hieroglypheninschrift  Euergetes  II.  nur  mit  einer  Kleo- 
patra,  seiner  Gemahlin,  erscheint,  so  sind  beide  Inschriften  zu  verschie- 
denen Zeiten  abge&fst  und  zwar  die  hieroglyphische  zwischen  146  und 
141  V.  Chr.,  die  griechische  zwischen  141  und  132,  oder  wahrscheinlicher 
126  und  117  V.  Chr.  Die  Bewilligung  ihres  Gesuches  wurde  demnach 
von  den  Priestern  auf  dem  schon  mehrere  Jahre  vorhandenen  und  von 
demselben  Euergetes  ihrer  Göttin  Isis  gestifteten  Obelisken  verewigt. 

Krall,  Wiener  Studien  Y  1883  S.  3l2ff.  setzt  das  Datum  der  von  si  t 
Letronne,  Recueil  des  inscr.  grecques  et  latines  de  r£gyptell,  125  ff. 
herausgegebenen  doppeltdatierten  Inschrift:  L  ^'  ^^^  ^«^  ^'  ^fx(evafB) 
X'  nicht  mit  jenem  auf  den  26.  März  25,  sondern  auf  den  28.  März  32 
V.  Chr.  ~  Nach  Porphyrius  (bei  Eusebius  ed.  Schöne  I,  170)  gab  Antonius 
nach  dem  Tode  des  Lysimachus  dessen  Gebiet  der  Kleopatra  in  deren 
16.  Regierung^ahre;  die  folgenden  Regierungsjahre  derselben  wurden  auch 
von  diesem  Zeitpunkte  an  gezählt,  so  dafs  ihr  letztes  (22.)  zugleich  auch 
das  siebente  war.  Diese  Doppeldatierung  wird  durch  eine  Münze  des 
Antonius  und  der  Kleopatra  mit  der  Legende:  irou^  xa  rou  xa\  c  B^ol^  -  ' 
bestätigt. 

Titali  locoram  in  Aegypto  incertoram. 

Merriam,  American  Journal  of  archaeology  II  1886  S.  149ff.    In 
der  Sammlung  von  J.  W.  Drexel  in  New-York  finden  sich  zwei  kleine,  in 
Theben  erworbene  Marmortafeln  mit  Weihinschriften  aus  der  Zeit  der 
Ptolemäer.   Der  Fundort  ist  unbekannt.    Die  erste  (S.  149)  lautet:  Tnhp  sss— 
ßoffiXiwQ  nzokejialou  (2)  rou  nrokeixaioo  xal  ßatrtXtaffrjQ  (3)  ^ApatvorjQ^  Sem         ' 
0tXoTtar6p(üVy  (4)  Titog  ^Üpou^  fuXaxirTj^  (6)  xonou  *A/ifiaßVte{oü,    —    Die 
zweite  (S.  151)  ist  eine  Widmung  des  Komon,  S.  des  Asklepiades,  oixo-  ^9- 
v6fw^  ra>v  xarä  Naüxparev^  zu  gunsten  des  Ptolemaios  Philopator  und 
seines  Sohnes  Ptolemaios  an  Isis,  Sarapis  und  Apollon.  Sie  fällt  zwischen 
209  (Gebart  des  Epiphanes,  S.  des  Ptolemaios)  und  204  v.  Chr.  (Tod 
des  Täters  Ptol.). 


192  Griechische  Epigraphik. 

Revue  crit.  1883  S.  339.  Sitzungsber.  der  Acad.  des  inscr.  et  des 
helles  lettres  vom  13.  Apr.  —  Miller  teilt  einige  von  Maspero  in  Ägypten 
gefundene  Inschriften  mit  (eine  nähere  Fundangabe  fehlt),  u.  a.  eine  Wid- 
mung an  Isis  und  zwei  andere  ägyptische  Gottheiten,  eine  Inschrift  im 
Namen  des  Kaisers  Trajan,  eine  von  einem  hohen  Militärbeamten,  Apol- 
lonios,  S.  des  Sosibios,  aus  Thera  nach  einer  Schiffahrt  im  Roten  Meere 
den  Gottheiten  von  Samothrake  geweihte  Votivinschrift:  ßeotc  iieyakotg 
Zafxö^pa^c  'AnoAXcjveog  Unaatßioo  Sy^paioQ^  ^^SfioßV  tcjv  i^<o  rd^ewv^  <rwBelQ 
iy  fisydiXiov  xcvSuvuiv,  ixTiXeuaaQ  ix  riyc  'Epu&päc  BaMaaijg^  ei/jyv.  — 
Am  interessantesten  ist  eine  leider  unvollständige  Inschrift  mit  einem  Tarif 
des  Eintrittsgeldes  in  einen  Tempel  fQr  Personen  beiderlei  Geschlechts, 
für  den  Mann,  welcher  mit  einer  Frau  Umgang  gehabt  hat  und  umge- 
kehrt, für  die  Schwangere,  die  unlängst  Entbundene  u.  s.  w. 

Jullian,  Revue  arch.  VII  1886  S.  274—276  n.  6—10.  Aus  einem 
grofsen  Heiligtum  im  Nilthal.  Genauer  Fundort  unbekannt.  Jetzt  in 
Ghäteau-Boröly.  Reste  von  Weihinschriften,  in  sehr  kleinen  Buchstaben, 
von  denen  nur  die  Namen  der  Dedikanten  erhalten  sind.    Kaiserzeit. 

[Wessely,  Neue  griechische  Ostraka,  Wiener  Studien  VIII  1886 
S.  116—124,  veröffentlicht  14  durchweg  auf  Weinkrugscherben  geschrie- 
bene Aufschriften  aus  Ägypten;  wahrscheinlich  alle  aus  dem  2.  und  3.  Jahr- 
hundert n.  Chr.] 

XXXI.  Cyrenaica  et  quae  in  occidentem  yergnnt« 

Caesarea  (Mauretania). 

Kaibel,  Hermes  19  1884  S.  324  veröffentlicht  eine  ihm  von  Joh. 
Schmidt  mitgeteilte  Grabschrift  in  vier  Distichen.  Interessant,  doch 
nicht  unbelegbar  ist  in  V.  2  die  Verbalform:  6  mxpbg  vauxnoXop^a* 
*Aj^dpcjv, 

XXXII — XXXVII.  —  Da  in  dem  grofsen  Inschriftenwerk  der  Ber- 
liner Akademie:  Inscriptiones  Graecae  Siciliae  et  Italiae.  Additis  Grae* 
ds  Galliae,  Hispaniae,  Britanniae,  Germaniae  inscriptionibus.  Edidit  G. 
Kaibel.  Berlin  1890  —  die  in  den  Bereich  unserer  Behandlung  entfal» 
lenden  griechischen  Inschriften  des  Westens  übersichtlich  vereinigt  sind, 
80  kann  hier  von  einer  Registrierung  derselben  um  so  eher  abgesehen 
werden,  als  die  fQr  den  vorliegenden  Bericht  in  Aussicht  genommenen 
räumlichen  Grenzen  ohnehin  stark  überschritten  worden  sind. 

XXXTm.  Pannonia  et  Dada. 

To6ilescu,  Archäol.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  XI  188*7  S.  66ff. 
n.  141;  schlecht  publiziert  in  der  griechischen  Zeitung  Hesperos,  15/27. 


XXXVni.  PanooDia  et  Dada.  —  XXXIX.  InficriptioDes  incertor.  looor.     193 

Mftn  1886.  Marmortafel  in  der  Kirche  des  Klosters  Dragomirna  an- 
weit Saceava  in  der  Bukowina.  -  Ehrendekret  (48  Z.)  von  Bole 
und  Demos  auf  den  aus  Byzanz  herbeigerufenen  Architekten  Epikrates, 
S.  des  Nikobulos.  »Das  Dekret  stammt  sicher  aus  einer  griechischen 
Stadt  am  Ufer  des  schwarzen  Meeres,  vielleicht  aus  Kallatis.  Der  Z.  18. 
14  erw&hnte  rröXefKK  VXarcxS^^  der  während  der  Anwesenheit  des  Epi- 
krates gemeldet  wurde,  scheint  unbekannt  zu  sein,  und  selbst  der  Name 
ist  fttr  uns  unverständlich.! 


XXXIX.  Inscriptiones  incertornm  locorum. 

Szäntö,  Wiener  Studien  V  1883  S.  171  ff.  Auf  beiden  Seiten 
beschriebenes  Inschriftfragment  im  österreichischen  Museum;  angeblich 
aus  Korinth,  wahrscheinlich  attischen  Ursprungs.  Der  neunzeilige, 
äufserst  verstammelte  Text  der  einen  Seite  ist  nach  Ansicht  des  Her- 
aasgebers  das  Fragment  einer  Seeurkunde  und  enthält  das  Inventarver- 
zeichnis von  vier  Schiffen.  Der  elfzeilige,  gleichfalls  arg  verstümmelte 
Text  der  andern  Seite  dürfte  einem  Schatzverzeichnis  angehören,  ähnlich 
den  zahlreichen  Übergabsurkunden  der  Schatzmeister  des  Parthenon. 

Latyschew,  MDAI  X  1885  S.  126 ff.  Inschriften  in  der  Eremi- 
tage zu  St.  Petersburg,  »wahrscheinlich  Überreste  der  Altertümer,  die 
auf  den  Inseln  des  Archipels  während  des  Aufenthalts  der  russischen 
Flotte  daselbst  im  Jahre  1770  u.  f.  erworben  wurdenc  ~  8.  126  n.  26. 
Archaisches  Fragment  in  ionischer  Schrift,  von  einer  der  Inseln  des  Ar- 
chipels oder  aus  Kleinasien;  wegen  der  Form  des  0  ans  der  ersten 
Hälfte  des  5.  Jahrhunderts  v.  Chr.  (doch  auch  jüngere  Buchs tabenformeu: 
/VEH).  Bepad\ydp(i}i  ....  (2)  riot  Tua[  . , .  diSozai  (3)  dreUv}  \ahr<m 
xal  iY'('i)}'6vot[^.    —    n.  26.    Vierzeiliges  Bruchstück  (eines  Rats-  und 

Volksbeschlusses?).    Z,  1:    rpiaxddt  ol  äf}^o[vTe^ ,   Z.  3:    —  ftpoQ 

rä  xotvä  — .  3.  Jahrb.  v.  Chr.  —  n.  27.  (Grabplatte  aus  römischer  Zeit: 
JtoxJi^  a^u-(2)9r£,  x^P^'  '~  3-  l^*^  °'  ^3'  Grabstein  des  Heliodoros  und 
des  Athenodoros,  SS.  des  [A]theno[dor]os.  —  n.  29.  Dorischer  Grab- 
stein der  [Arjistobola.  Aus  Melos  oder  Thera?  —  n.  30.  Sehr  späte 
Sarkophaginschrift  des  M.  Aur.  Olympios  und  des  Hermogenes,  fyj'ovwv 
Toü  xrioToo  VXüfimou,  —  S.  128  n.  81.  Sarkophaginschrift  eines  [A]ga- 
thon ;  aus  christlicher  Zeit.  —  n.  32.  Arg  verstümmeltes  Bruchstück 
aus  sehr  später  Zeit  mit  geringen  Buchstabenresten.  —  Derselbe, 
a.  a.  0.  S.  128  n.  38.  Petersburg,  Akademie  der  Künste,  unter  der 
Darstellung  eines  Totenmahles  die  Grabschrift:  'Ena^pSc  räv  Bu^a  (2) 
ripa  SwTf^pav  (3)  dpjp<oe$6.  Ans  römischer  Zeit.  Ähnliche  Formeln 
begegnen  in  den  theräischen  Grabschriften.  —  S.  129  n.  34.  Petersburg, 
numismatisches  Kabinett  der  Akad-  der  Wissensch.  Geringe  Reste  des 
Proxeniedekretes  auf  einen  Rhodier.    Etwa  aus  dem  3.  Jahrb.  v.  Chr.  -«• 

Jahiesbericht  für  Altertumswissenschaft.    LXVI.  Bd.  13 


194  Chnecliiache  Epigrapluk. 

11.86.  Odesaa»  ttoaeiai.  A5io^  BeT'(Z)Tidpto^  Kpianoq  xal  ifö-(4)>loc 
BßTctdpioQ  'j&ia-(5)fy7aJB<roc  ftßX^Q  (6)  SvjotißoQ  erriditeD  f&r  sich,  ihre 
Nachkommen  nod  Freigelaasenen  ein  Grabmal.  —  Die  Pbyle  Theseis 
(die  in  Attika  nie  existierte)  begegnet  hier  zaerst.  Am  wahrsoheinlich- 
sien  stammt  das  Denkmal  ans  einer  der  thrakischen  oder  kleinasiatischen 
StAdte. 

Oardner,  Jonmal  of  hellenic  stndies  YI 1885  S.  251  ff.  teilt  nach 
Abklatschen,  welche  Pierides  Yon  der  Insel  Syme  erhielt,  eine  Anzahl 
Inschriften  mit,  die  entweder  yon  den  Inseln  im  Südosten  des  ägfti- 
sehen  Meeres  (Kos?)  oder  von  der  benachbarten  kleinasiati- 
schen Küste  stammen.  —  S.  251  n.  2.  Schlufs  eines  Ehrendekretes 
in  Yi^Igftrdialekt  Dasselbe  soll  nach  MaTsgabe  der  fttr  die  Proxenie- 
dekrete  bestehenden  BesUmmongen  aufgezeichnet  werden.  Als  Gastge* 
scb^  sollen  dem  Geehrten  zwei  Krflge  Honig  (lUhroQ  d[fi^}op£axouQ 
iüo)  Qbersandt  nnd  n.  a.  drei  Gesandte  an  denselben  abgeordnet  werden, 
wrelche  das  Dekret  aberbringen  nnd  den  Geehrten  bitten  sollen,  sein 
Wohlwollen  der  Stadt  bewahren  va  wollen.  Folgen  die  Namen  der  drei 
Gesandten.  Nach  dem  Heransgeber  dürfte  die  Übersendung  dw  beiden 
Honigtöpfe  in  Beziehong  stehen  zu  der  Verehrnng  der  Biene,  die  mit 
dem  Kult  der  Artemis  von  Ephesos  und  anderswo  verbunden  war.  — 
S.  266  n.  12.  Fragment  der  Ehreoinschrift  (wahrscheinlich  dorischer  Dia- 
lekt) auf  eine  verstorbene,  hochgestellte  Persönlichkeit  Ähnliche  Aus- 
drücke begegnen  bisweilen  auf  Ehreninschriften  der  Diadochen;  vgl.  inl 
tbv  rcu]v  Buüv  olxov  [/i]sTaßdßi^xeu  Z.  4,  —  j^aXx^v  phf  eixöva  fy^Ttnov 
Z.  6,  —  BojJLeXtxoöc  dylüvaQ  Z.  8,  —  yviilytxobg]  rm  vituv  Z.  9.  — 
8.  257  f.  n.  18.  Fragment  eines  Ehrendekrets  in  Vulgärdialekt  auf  je- 
mand, der  u.  a.  —  i^p}6vTUTev^  7va  yrpofurpi^Bfj  dtvog  Z.  5,  —  nopiaat 
xb  fyöStov  —  [roec  dno4n]eXXofidvotc  Ttpöc  röv  ßaat[Aia  Z.  9/10.  — 
S.  258  n.  14.  Arg  verstümmeltes  und  unleserliches  Fragment  des  Ehren- 
dekretes auf  einen  Athleten  (Vulgärdialekt?).  Z.  1:  'A^avdpov  — ,  Z.  2: 
rbv  TtBptoSove/xoo  ?  —  S.  255  f.  n.  11.  Fragment  einer  Grenzinschrift: 
—  rb  H}  frfi;/oo-(2)v]  *ABi^vat8o'{^)Q]  rä^  i7teTU'(^)y]j[dvovToc  (so)  (5) 
*AXe$avdp{'{^)9ogy  ig  x6pi'(*i)oQ  6  ulbg  AiO'{fi)vuatog  Edfp'(9)poauvou 
K' (10) oko^yto[g'  (II)  TtMtog  n6d(12)ag  P,  rb  [^-(13)^  fiäxog  pli- 
(14);jf/9e  Toc  j[a'(l6)pdSp€tg.  —  S.  258  n.  5.  Grabschrift:  EbxXsiaQ  tZq  (2) 
NcxoxXbuq  YU'{Z)vatx6g^  NtxdyBeuQ  ßiarpög.  —  S.  254  n.  7.  Grabschrift: 
*Okßp[m]äe  (2)  ä  Nexofi^Seug  (3)  xa}  KJieüfidxou,  —  S.  259  n.  15.  Ver- 
stümmeltes Grabepigramm  in  zwei  Distichen  auf  eine  Athenais,  errichtet 
von  ihren  Söhnen,  den  oüc  ^Aptöxeidot}. 

Papadopulos-Kerameus,  KE02  XV  1884  S.  58  n.  2.  Von 
der  kleinasiatisohen  Küste,  jetzt  bei  Alexandres  Meliorates  anf  der 
Insel  Syme.    Best  eines  Dekretes:    Z.  4  npeafieur-'^   5:   ifoBiov^   9: 


X:UIX.  InscriptioDes  ine.  loa    >    XU  Tituli  christiani:  Atüca.    185 

MordtmaiiD,  Archftol.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  VIII  l6Si 
8.  196.  KoDstantinopei,  PrivatsammluQg.  »Die  genauere  Proveniemc  war 
nicht  in  Erfahrung  au  bringen;  doch  stammen  die  Steine  von  der  klein* 
asiatischen  Küste.«.  —  n.  18.  Miniaturbasis:  'Ara^f,  Tu^r  (2)  Büß 
u^hvfp  (3)  ^Aaxhjnt6io(4t)roQ  2iu<Tt!nd''(h)tpou  xarä  0'{fi))M»p.   —    n.  19* 

Basrelief  mit  der  Widmung:    Mr^rpl  'A^dlarsi  Mi^poBoipo^ .    Die 

Inschrift  eines  ähnlichen  Beliefe  im  Tschinili  KiOsck  laqtet:  ^AY4Wt^}t 
^oyuatoo  äionxopoiQ  xar*  «ö/^m.  —  n.  20.  Grabstein:  ^A^c  TfC  ^M^ 
Tptoo.  —  MD  AI  X  1886  S.  19  n.  5.  Konstantinopel,  Tschinili  Kiöqck. 
Orahstele:  'Epp/tie  'Afxaroxloo.  —  n.  6.  Ton  den  Baumaterialien  des 
Swaskerats,  jetzt  im  Tschinili  KiOsck.  Zwei  Fragmente  eines  Grabsteins 
des  Se6^cko^  äwYiv[d\oQ  Ma^^opcndog^  sowie  seines  Grofsvaters  mütter- 
licherseits und  seines  Weibes;  mit  Strafandrohung.  —  Vielleicht  aps 
Ghalkedon  verschleppt,  da  unter  den  dortigen  Phylen  eine  /faJUf^a- 
/dtar— •  inschriftlich  überliefert  ist  (GIG  3794). 

Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1886  S.  368  ff. ;  aus  den 
wiederaufgefundenen  »M.  S.  Inscriptions  coUected  in  Greece  by  C.  R. 
Gockerell,  1810— 14c.  Wahrscheinlich  aus  Lykien.  —  S.  368  n.  126a. 
Rest  eines  Namenverzeichnisses  (Grabschrift?);  der  Name  MoXi^q  Z.  6  be* 
gegnet  u.  a.  GIG  4321  f.,  Add.  4326  h.  —  S.  369  n.  126  b:  —  inpd&i^ 
/ai/>2c  Tou  I  b7:oa[o]peou.  —  8.  360  n.  127.  Rest  einer  Grabmalinschrift, 
in  welcher  einem  Glyptos  und  dessen  Bpenlrä]  das  Bestattnngsrecfat  ge- 
währt EU  sein  scheint.  —  n.  138.  136.  Dürftige  Reste  von  Grabschrifteo. 
—  n.  136.  Rest  der  Ehreninschrift  auf  einen  T]ipj^^ivTa  b[n]^  rob  ^poy 
Q.  a.,  errichtet  xarä  n^v  dtaBijxi^v. 

Sz&nt6,  ArchäoL-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  IX  1886  S.  134. 
Fragment  einer  in  der  Sammlung  Millosicz  befindlichen  fihreninschrift 
auf  einen  Kaiser;  interessant  wegen  der  Datierung:  (6)  lepiuf^]  rdu  nph 
\n[6X\t\tuq  [Jtovuaou?  (6)  Terou  ^Aaov/ot;  u.  s.  w.  Vgl.  GIG  zn  n.  2963  b 
und  Lebas  III  (explications)  n.  1601  p.  373  samt  den  dort  zitierte^  Stel- 
len des  GIG. 


XL.  Tituli  ebristiaui. 

Attica. 

Äthan.  —  Sakkelion,  *Ef.  äpx^  1886  Sp.  286— 2da  Eine  in 
den  Rainen  dar  christlichen  Kirche  der  Megale  Panagia  gefonde^A  Siele 
enthiUt  folgende  drei  Grabschriften  (n.  1.  2  aaf  der  Vorder-,  a.  3  auf  der 
Rückseite)  ans  byzantinischer  Zeit:  1)  Sp.  236  f.  n.  1.  Grabschrift  der 
am  20.  April  des  Jahres  6364  (nach  Erschaffung  der  Welt  »  856  n.  Ghr.) 
BVolloBdetenf  \^x^hwB\rj)  pfi'{Z)x^a  x(aj)  h  i,iwiQ  r7^fA((»fU^  (^) 
Mtjt^  Jpouvyapda.    Der  erstere  Eigenname  ist  nach  dem  Heraosg.  ent» 

18* 


196  Griechische  Epigraphik. 

weder  verderbt  aus  Mixxa  oder  Mtxxj^^  oder  das  Femininum  za  M^poc 
(=  Afj/xi^Tpeoc),  hypokoristisch  3l^raoQ]  also  =  äi^rpia.  Der  zweite 
Name  (statt  äpouyyaplo)  bezeichnet  M.  als  die  Oattin  eines  Mannes,  der 
mit  der  militärischen  Wflrde  eines  ^pooyydptoQ  bekleidet  war;  vielleidit 

t  »91  wurde  er  dann  auch  zum  Eigennamen.  —  2)  Sp.  237  n.  2.  Orabschrift 
der  am  28.  Septe(m)ber  des  Jahres  6430  (=  921  n.  Chr.)  vollendeten 
i^ErtllEtMij)  h  K(op()ip  dou}((7J)  (2)  roii  e{eo)o  9<i}pia)i)Q  (=  Qwpatg). 

t  867  —  8)  Sp.  237  f.  n.  3.  Grabschrift  der  am  19.  Okt  des  Jahres  6376  (= 
867  n.  Chr.)  vollendeten  {irBXtöBi^)  (8)  SouXfj  Xipc(no)ü  (4)  rou  ß(eo)u 
tu. Jh.  Ebn'(b)pa$^  (=  ElynpaJ^ia).  —  Derselbe,  a.  a.  0.  Sp.  288ff.  teilt  aus 
einem  wahrscheinlich  aus  dem  16.  Jahrhundert  stammenden  Sammelbande 
der  Nationalbibliothek  zu  Athen  zwei  christliche  Grabepigramme  mit: 
1)  Sp.  238  f.  n.  4.  20  iambische  Senare,  bezeichnet  als  ^Irtj^oe  elc  {rov) 
rdfov  Toü  Kupou  dv^pj^pioo  too  Aeovrdpij  iv  rg  fiovf^  r^c  flerpaQ^  (so- 
mit aus  Konstantinopel).  Der  Verstorbene  spielte  eine  einflursreiche  Rolle 
als  Staatsmann  am  Hofe  des  Kaisers  Manuel  II.  Palaeologus  (1391 — 1426) 
und  starb  1431  n.  Chr.  —  2)  Sp.  241  n.  6.  39  iambische  Senare,  be- 
zeichnet: 9EIq  töv  rdfov  toü  ^AadvT^  xupou  'laaaxhu  xcu  rij^  aörou 
tyydvTiQ  h  rg  povg  rou  0davBpdynou€,  Der  Geehrte  war  2ieitgenosse 
des  Vorigen. 

MilchhOfer,  MDAI  XII  1887  S.  284  n.  186.  Kalyvia  Dfirftiges 
Fragment  einer  Grabstele  mit  eingemeifseltem  christlichem  Kreuz:  --oc  | 
t  .  o  I  --  woc.  Vgl.  a.  a.  0.  S.  311  n.  367.  —  S.  291  n.  226.  Keratea. 
Fragmentierte  Strafandrohung  einer  Grabschrift:  -ov  ciopjoL  doi-l-j;  köyo^ 
T<p  *(e)^  t- 

Megaris. 

tt64  Aegoithenae.  —  Dragumes,  *E^.  äpX'  ^^^^  ^P*  ^^^*  Fragment: 

"^**  -[o]v  t  ^  rtdXi^Q  (2)  a<oT^pa]  r^g  olxoüfi[d)n^ff  " (S)  imfuX\ijMvToc  to[5 

arpanjj'oü  (4)  r^s  nSXetuc  --u  Zaia^fwu.     Ergänzungen  nach  CIG  1079. 

Ein  Zosimos  wird  als  praefectus  Epiri  unter  Valentinian  und  Valens  (364 

—378  n.  Chr.)  erwähnt  cod.  Theodos.  6,  31.  12,  10. 

Boeotia. 

Plataaae.  —  Oardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1885  S.  149 
n.  26.  Aus  den  wiederaufgefundenen  »M.S.  Inscriptions  collected  in  Greece 
by  0.  R.  Cockerell,  1810^  14.c  Grabschrift  in  drei  Hexametern  und 
einem  Pentameter  auf  Skeptiane,  T.  des  Protes:  TVc  nXdratav  auX^aev^ 
t{]c  at]Xeasv  Sp/wv  dndvrwv  I  HxeTtrtdvf^v  Olp]<o[T]eüQ  ^cXo^Mßov  [xoi] 
fpiXö^pearov^  \  oSvBxev  iv  Ilapa8t(T<p  au[v]  dBavdrotg  ^[a]/£  x^^v,  |  alre^ 
xcd  noatt  ao\  \y\6vd^  ^Bipzlro  tdpov,  -  -  -  ät\ovuc6diopOQ  fptXöfTrcoXtQ,  — 
Die  Wiederherstellung:  idifiiro  V.  4  wäre  kaum  härter  als  flXäräXav  V.  1, 
^tXii^safoy  V.  2;  inoveero  u.  a.  wflrde  sich  zu  sehr  von  dem  Manuskript 
entfernen. 


XL.  ntnli  Christian!:   Megaris.    Boeotia.   Thessalia    Illyrieam.       197 


Phocis. 

Eine  zu  Blatea  gefandene,  wahrscheinlich  äusKana  in  Oalilaea 
stammende  Inschrift  s.  unter  iSyriac  (S.  222). 

Thessalia. 

Larisa.  —  Mordtmann,  KE^ÜXY  1884  S.  7.  Auf  dem  tttrki- 
schen  Friedhofe  findet  sich  eine  grofse  Anzahl  christlicher  Grabschriften, 
alle  nach  Tilgung  der  früheren  Schriftzfige  auf  alten  heidnischen  Grab- 
steinen eingemeifselt.  [Ober  das  Eindringen  des  Christentums  in  Thes- 
salien (aus  Macedonien)  vgl.  Feaipj'tdSij^^  SeaaaXta  S.  114.]  —  n.  1  (un- 
genau Lebas  1288.  Miller,  Rev.  arch.  1874  n.  10.  11).  Lolling,  MDAIXI 
1886  S.  124  n.  66.  Grabschriften:  1)  KaXXt  -  -  |  Mevdvdpou,  2)  der  Theo- 
phila,  Gattin  des  Seleukos,  3)  des  Menandros,  S.  des  M.  Zu  der  Schlufs- 
formel  von  2)  und  3):  r^  Xa^  j^aupeiv  vergleicht  der  Herausgeber  im 
Druckfehlerverzeichnis  diejenige  der  italischen  Grabschrift  GIG  9867: 
XaipBtv  Tocg  ävo).  —  n.  2  (ungenau  Miller,  a.  a.  0.  n.  15).  Neue  Kopie 
der  Grabschrift  des  NeexoXao^  \  HeXeuxou.  Auch  hier  ist  der  SchluCB  her- 
zustellen: r^]  Xa[^  x^p]eev. --  n.  3.  Lolling,  MD  AI  XII  1887  S.  349 
n.  108.  Grabschrift  des  Secundus,  S.  des  S.,  gleichfalls  mit  der  Schlufs- 
formel:  r]^  Xa^  j^au-lpecv.  —  n.  4  (ungenau  Lebas  1287  [danach 
CIG  9423]  =  Bayet  u.  Duchesne,  Mission  au  mont  Athos  n.  172.  Lol- 
ling, MD  AI  XI  1886  S.  128  n.  79.  Wahrscheinlich  ist  zu  lesen:  Jeuxeo^ 
Kotmoo,  ''EXboq^  (2)  tlpipn^  navrl  {xp)toTtay\q>,  Darunter  jQngere  Grab- 
schrift eines  AuatQ  Netxa/ou  (s.  Bd.  LH  S.  517  u.). 

Lolling,  MD  AI  VII  1882  S.  235.  Vom  Friedhofe  sadlich  von  der 
Stadt.  Auf  der  Rückseite  der  Marmorplatte  steht  die  Freilassungsurkunde 
MDAI  Vn,  226  (s.  Bd.  LD  S.  512  u.).  -  XP  (in  Ligatur).  (2)  T)^X6»ev  ix 
yaa^Q  (8)  ZaXatvßoQ  ixyeyuuea  j  (4)  oSvofia  PpT^yopia  (5)  del^  dexaTtewe 
irwv  I  (6)  dvSpdc  d^apna^&eTaa  (7)  ^^Xou  cbv  nauSa  ^spouaa  \  (8)  KXaw 
dtou  ^yefJLÖvoc  (9)  iv&dSe  xeTjfi  äXo^oQ,  »Die  Illyrierin  scheint  als  Wöch- 
nerin gestorben  zu  seine  —  Derselbe,  MDAI  XI  1886  S.  127  n.  75. 
WeiCser  Marmorblock:  f]  jiyilpa  Kupiaxo[Uf  (2)  dvan{au6fuvo^)  IvBa  xTre* 
(8)  2Ve[f>]aw/t  f- 

Illyrieam. 

Vragniua  (Dalmatien).  —  Hirschfeld,  Archäol.-epigr.  Mitteil, 
aus  Österreich  IX  1885  S.  19  n.  30.  Sarkophaginschrift:  ''Eu&a  xazdxtre 
(2)  *IouotTvoc  Tpe'(B)ßouvoc  BaXeV'(^)Ttvta¥i^v<ri6ufi  (6)  veo^tortaroc.  »Vgl. 
Notit.  Occ.  VII  47  u.  61 :  Valentinianenses  (intra  Ülyricum  cum  viro  specta^ 
bili  oomite  lUyrid).  —  Z.  5  v^o^drtarog  =  ein  neu  zum  Christentum  Be- 
kehrter; vgl.  Steph.  Byz.  s.  v.c 


J98  Oriechiscfa^  Epigraphik. 

Macedonia.    Thracia. 

Heraolea  Lyaoastii:    Mordtmaon,  KEOS  XV  1884  S.  62  o.  3. 
Grabschrift  des  dvayiymarri^)  K(d)\  ^aprooXdp(toi)  Ba(TeX[ec](K,  -  -  dvafU- 
v(<ov)  abv  nayr\  zip  x6ö[pLif}  rijv]  napouff{e)a[v.  —  Heraolea  -  Perinthns 
(Eregli):  Mordtmann,  Archäol.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  VIII  1884 
S.  224  f.    Grabstein  aus  dem  Vs  Stunde  südlich  von  der  Stadt  gelegenen 
Felde,  in  der  Nähe  der  kleinen  Bncht  Kanli-Liman,  wo  demnach  die  Be- 
gräbnisstätte der  christlichen  Bevölkernng  von  Herakleia  gewesen  zu  sein 
scheint  (eine  andre  antike  Nekropole  befindet  sich  östl.  von  der  Halb- 
insel am  Wege  nach  Tschorlu  bzw.  Silivri).  —  S.  224  n.  68.  Grabschrift 
des  Tiberius  Claudios  Maxi(m)us  und  seiner  Gattin  Sozomene,  mit  gött- 
licher Strafandrohung  ffir  den  Grabfrevler.  —  n.  59.   Grabstele  mit  dem 
wunderlichen  poetisch-prosaischen  Gemisch:  ^E^  MdSe  xslvrat  ndtSs^*  (2) 
j^MOTÖroxoc  JoüxiQ'   dtaa^  (3)   xkT^ptp   SeoSozog'    napBev6'{i)i^  do/iva 
xJ^pov  rplrov  i$e'(6)TiJi€(Fff6¥'  reTpddc  Aouxeä'{ß)vij'  nip.7tnj  Zwig  auv- 
oJ«6-(7)6r  IxT^  Seodouhj  /i£r£7r[e«-(8)ra  rdBetrae  mv^'  (so)  Mmf  oiaa 
xc\\  (9)  Bixa  TtpÖQ  xoTq  nap^ivoQ-  ißdo- (10) p^inj  8k  rexouaa  OTS&MTev 
Ideiv  (11)  ntuSae^  ouq  abr^  TtpoeTtep/^eVt  (12)  o<V  nämv  noa^v  kaxofuv 
ivM-(lS)^£  AouxiQ  rdxuoe^  Idiotat  xal  a&-(14)r^  aitv  'Aaxki^eadörj^  dX6)[<p. 
(16)  Xpeeariayol  8k  ndvTSQ  |y£-(l6)d/i£V.  —  8.  226  n.  60.     Grabachrift 
der  AbpTjXia  [loXofivia  und   ihres  Gatten  'Ovijaipoc  mit  Strafandrohung 
(eine  andere  chrisü.  Grabschrift  dreier  Aurelier  ans  Herakleia  bei  Du- 
mont  72^,  nach  Kyriacus).  —  In  allen  drei  Inschriften  begegnet  der  in 
Thracien  nicht  ungewöhnliche  Ausdruck  Xar6fu{o)v,  —  An  der  genannten 
Stelle  fand  der  Herausg.  noch  in  situ  den  grofsen  Sarkophag  mit  der 
Inschrift  Dumont  70;  vgl.  das  ganz  korrekte  Faksimile  von  Aristarches. 
—  S.  226  n.  61.  Im  Vorhof  der  Kirche  des  h.  Georg  eingemauert.    Unter 
einem  christlichen  Monogramm   die  Grabschrift:    0X(doütoQ)  KaXca^idov 
(2)  ^HpaxXecjnijc,  noXfn^^  ^(Z)uX^g  rerdpru^Q  Ixn^aa  (=  Ixrtaa)  (4)  (&)fia 
rfj  aupßiü)  fioü  xal  zoT- (6)  q  ^eXTdrotc  jxoi)  zdxV'{6)otc*  el  8e  ztQ  zoXpä^at 
(7)  izepöv  ztva  xazaBdff9'(S)ae^  8aKTi  Xdyov  zaj  &e^  iv  ^(9)fJLdpqL  xpiffew^ 
zou  xpiv[oyzoc  xzX,  —  S.  226  f.  n.  62.    Marmorner  Reliquienschrein  in 
dier  zu  Anfang  des  vorigen  Jahrb.  (1729?)  gebauten  Kirche  des  h.  Georg, 
welcher  aus  einem  antiken  Sarkophag  hergestellt  ist  und  bei  der  Palaia 
Metropolis,  einer  jetzt  in  Ruinen  liegenden  alten  byzantinischen  Kirche, 
ausgegraben  sein  soll.    Unter  zwei  Kreuzen  acht  iambische  Senare:  V 
xBpTcvbQ  6bz{og)  &c  aop{bQ)   xp6'(2)7rrsi  Xc&o[c  |  (3)  z^g  Bnufiazoupyou 
paipvüpioc)  (4)  rXuxtpiaQ  \  (6)  Bsiav  xdpav  ßpüooM.v  Sftßp{ov)  (6)  Bauj* 
pdzotv,  I  (7)  i(  wv  ßwaee  xdfivouaew  7:oX'(6)Xi}  Ttt^yaZet.  \  (9)  IJtazwg  rtpoa- 
dpj(öu  mg  ztg  (10)  dpff/  xap8i^  |  (H)  ^<^  0äzzov  eupotg  zoü  noBot^  (12) 
pivw^  Xbaitß'  I  (18)  <vc  yäp  xp^vij  ztg  ßXbZouaa  (14)  Cgo^C  /k^eBpa,  \  (16) 
o8m#c  TtpdxBtzae  näatv  abz^c  (16)  i^  X^^'    ~  ^^^  Martyrium  der  heil. 
Glyceria  wird  von  den  Acta  Sauctor.  auf  den  13.  Mai  gesetzt.   Sie  lebte 


XL.  Titoli  ebristiaai:   Macedonia.   Thracia.  199 

nach  dem  Menölogiam  BasüJi  (Migne,  Patrologie  11t,  452)  zä  den  Zehen 
des  Antoninas  nnd  des  (dnrch  Mfinzen  —  Eckhel,  N.D.  11  p.  83. 43  —  besU- 
tigten)  Legaten  voü  Thracien  M.  Pootios  Sabinus.  —  ^eTa  xdpa  Z.  5  » 
Scbftdel  der  Heiligen.  GIG  8811  ist  atßaapJa  xdpa  seltsamerweise  als 
eapnt  statoae  erklArt.  -  Belymbria  (Silivri):  Mordtmann,  a.  a.  0.  tsg 
8.  209  n.  26 ;  ungenau  GIG  8688  und  KE02  VI,  245.  Einzeilige  InschHft 
auf  einem  Marmorstreifen  Qber  dem  Hauptthore  Kir  Kal^  Kapassi:  f '/li^- 
yuoBij  t  ^toaoüTog  imXt^  räuri^  iirij  ^X^V^  BeoSopac  xaä  SixX^g^  oSc 
iStxa/oßiFsv  /f(o/wo)c,  ßaadeopjv  Its^  tcq  y^.  —  Die  Zeit  ist  im  GIG  fichtig 
anf  842—867,  wo  die  Kaiserin  Tbeodora  mit  ihren  Kindern  Michael  und 
TheUa  regierte,  festgesetzt.  ZU  ßaatXeOppß  =  ßaatAeüsiu  bietet  das  mo- 
derne Vulgftrgrieohisch  Analogieeo.  —  Ähnlich  die  Inschrift  ans  dem  81- 
livrithore  zu  Konstantinopel:  'Avexaeviff^  ^  Beoawaroc  nuhj  aSnj  xvL 
(KE02 II,  204  n.  29).  —  S.  210  n.  27.  Einzeilige  Inschrift  auf  zerstreuten  desvi- 
Teilen  eines  Marmorstreifens  von  einem  der  Seitentftrme  des  Thores  Ort* 
Kal6  Kapussi  (die  jetzt  verlorenen  beiden  Anfangsworte  nach  einer  Kopie 
von  Slamulis):  a)  f  KdXhjaroy  ovra]  xal  xartyXcaijirfUVov  ftpwvdpäp  xkijüt 
re  xal  Bewp^qi  Idee  at^  Ttupye^  ri^ .  .  .  b)  .  .  ofjo^irev  övxwq  itpoakaßth  xar» 
a$i(w  ^vnsp  0e[ofük}'  c)  dxrou  rou  itph  eixXeouQ  narptxiou^  d . . .  d)  . . . 
ea/C  6^oC  tt^  eöxXhjff  a^v  onaBapoxayBiBäroQ  Xäpnouaav  itnä  kaü  peo[ü]/?- 
yti  r^  7t6hjl[y\  sIq  So^av,  6l\Q  xau}['e)ijpa  rwv  o/xj^ro/Muv,  ek  einpinetav 
xal  xXioQ  riji  nopfupa^  .  .  f )  oüxa\y]  g)  epoeoce  -  - .  Die  Inschrift  ist 
ist  nach  Mordtmann  gleichzeitig  mit  der  vorhergehenden.  —  S.  211  n.  28.  t  itsi 
Monogramme  auf  den  KapitAlen  von  acht  byzantinischen  Säulen  aus  den  ' 
Ruinen  einer  später  in  eine  Moschee  (Fethi  Djamissi)  umgewanddten 
byzantinischen  Kirche  (a  nach  einer  Kopie  Mordtmanns,  b — f  nbch  Ko- 
pieen  Ton  Stamnlis).  Nach  den  scharfsinnigen  Deutungen  von  Stamulis: 
a)  'AA(i)${e)o(c)  b)  'A7t(6)x(aü)z(oc)  C)  n(a)p(a)x(oi)p((a)p(sMog)  d)  xv^ 
Twp ;  —  zweifelhaft  ist  die  Deutung  von  e)  1(ü{d)¥v(ij€)  und  f)  €]{b)öX{6)' 
l7(oc),  —  Alexios  Apokauchos,  1821  —  1845,  führt  bei  Johannes  Gantacu- 
zenus  den  Titel  eines  napaxotfuafuvocy  d.  i.  eines  kaiserlichen  Kämme- 
rers. —  8.  212  n.  29.  80.  Grabsteine  in  der  hellenischen  Schule:  1)  f  'E^ 
Bdie  xarax<-(2)r<  üioCov  7ipscßu'{S)Tepo^  )[puntavoc  (4)  j^opeoo  Nijroü 
fU'{6)ydhjC  onb  Naxo'{B)hav  /ii^Cw^c)  nevnroiu)  ii^(7)(£t}^  iv8.  es'  fye 
npitg  (8)  \ybv  9e6v  xrX.  Über  die  phrygische  Stadt  Naxokia  (NaxöXsta 
Strabo)  s.  Steph.  Byz.  —  2)  Schwer  lesbare  12  zeilige  Grabsehrift  auf 
einen  —  ug  b7iodidxo¥[o€  t]ou  äyiou  xk  M\6^oo\  EJieo^Bpioo»  Der  Pa- 
last des  letzteren  in  Konstantinopel  wird  nach  M.  in  der  byzantinischen 
Geschichte  häufig  erwähnt.  Z.  7:  K]oaaTa'nvo7toX  —  ?  8:  Te][X]su{T)iaat 
rbv  ß(\p¥  —  9:  --  xaXöc.  Der  Rest  unverständlich.  Oberhalb  und  links 
von  der  Inschrift  sind  einzelne  Buchstaben  einer  andern  (älteren,  aus- 
gekk'atzten?)  Inschrifr  erhalten;  lesbar:  B{*x&'Oq.  —  n.  81.  32.  Grab* 
•ehriften  im  Hofpflaster  der  Panagiakirche:  1)  ACÜ.  (2)  'EvBd'{f)Bs 
xard-{i)xtx€  0d6p'{h)oocog  dexa  (6)yoff.  -    ^yi^»d\8[&  xh(%)z\6  6  tIq 


200  Griechische  Epigraphik. 

(rtcy  r/AV]7-(3)/i]7C  Kofieatr  •  •  •  (4)  xk  Elwa^[o'(5)Q  ulb^  UofjL^wv  (6)  rou 
/mxap{[ou  (7)  dno^exäpeoliS'  ir£^-(8)e6ra  /tu^(v^e)  Noe[fißpeou  (9)  xe' 
^fidpg)  a  M.  ~  D.  83.  Bei  Herrn  Stamalis:  ^£^9]a  x^re  ]^  (2)  r$c] 
fiv^fJo^Q  £tet  (3)  .  .  /9a  ^uydrTjp  (4)  .  .  .  u  xcu  ßau^u.  —  n.  34.  Im  Pflaster 
der  armenischen  Kirche  des  heil.  Georg  Grabschrift  auf  einen  Edydvtc  (?) 
[ir}afv  Ttiyre  — .  —  8.  214  n.  35.  Saale  im  Garten  der  Metropolis: 
t  K(oyara[¥r\ivou  (2)  f  '^ou  MaYxou'{S)ptwTOü  f,  —  Byiantinm-Constan* 
umtsso  tinopolis.  Curtis  and  Aristarches,  KE0I1LSI  1886  S.  8  n.  9— 20. 
Zwölf  Inschriften  auf  ebenso  vielen  Säulenkapit&len  der  Philoxenoszisteme : 
9)  Eky[ev(ou^  10)  Eoxp[<mtou,  11)  Eb'c(p)o[nioo,  12)  Eln[p(mioo,  13)  Ää<r[«- 
ßioti^  14)  'Axax[totß^  15)  'A\xa[x{oo^  16)  na[xtou^  17) '/'a«[xro(;;  wahrschein- 
lich des  am  330  n.  Chr.  von  Konstantin  aus  Rom  nach  Byzanz  berafenen 
Ratsherrn  and  Erbauers  der  Zisterne  Eugenios  und  seiner  Genossen.  — 
Die  Inschriften  18)  Kuvli^y^ou^  19)  K[u]v[ijireoü,  20)  K[o]>[7^y/6ü  beziehen 
sich  auf  den  Praefectus  praetorio  vom  Jahre  384,  Konsul  888  n.  Ohr.,  der 

t  891  vielleicht  die  Zisterne  restaurierte.  ~  S.  9  n.  21.  Drei  Fragmente,  jetzt 

in  der  philologischen  Gesellschaft  und  im  Museum:  ^Etouq  ntvrai\xtaxtko' 

[arou  iweaLxomoarou  \  ijajvl  AIJYuitrewv  |  Tpfrtp  f  (=  Sept  391  n.  Chr.). 

8.  10  n.  23.  Meilenstein:  Äiptarö^)  if.   Xiptarö^).   (2)  V^<r(o(>c)  X(pt<rT6)c 

(8)  vex^t.     In  der  Mitte  ein  Kreuz.    —    Vielleicht  stand  der  Stein  im 

achten  (if)  Stadtbezirk.  —   S.  11  n.  25.    Ziegelinschrift:  n{a)va}'{a[c.  — 

-n.  26:  'I<o[dvvou  X\a6p[a],  —  Aaupa  =  Kloster.  —  Mordtmann,  Hermes  20 

fft.jb.?  1885  6.  312f.    Grabschrift  von  einem  sQdlichen  Seitenturme  des  Silivri- 

thores:  f  ^ovvouc  (2)  fl  t^c  paLxa-(Z)p(ac  M»^/^C  (4)  ivBdSe  xeTre,  (6) 

piijvÖQ)  leTTTspßpHou)  6)  x8'  lv[8  . . .  ],  ru(v^)  fffi-(7)  vdropog.    Wohl  aus 

dem  6.  Jahrb.  —  Unterhalb  der  Inschrift  ist  noch  ein  zweiter  frQhbyzan» 

tinischer  Grabstein  eingemauert.  Rings  um  ein  Kreuz:  'EvB]dS€  (2)  xers 

'lofdvinjc  (3)  [>u]  Asxevßp.  (4)  e'  Iv.  8'  AHC  (=  ^p<^W  ¥^9'^)-  "  Curtia 

im  und  Aristarches,  a.  a.  0.  S.  28  n.  99;  Taf.  III,  10.  Monogramm  auf 
einem  Säulenkapitäl:  üofiauQ.  Aus  einem  von  Justin  II.  511  n.  Chr.  zu 
Ehren  seiner  Gemahlin  Sophia  errichteten  Frauenkloster.  —  S.  22  n.  95. 

t  u4  Grabschrift  der  Gattin  eines  Nonnos;  aus  dem  Jahre  514  n.  Chr.  —  S.  12 

t5M  n.  28:  ^0]  S,Yt[oi\  navro'(2)Xiwv,  —  Auf  der  FundstAtte  stand  der  von 
der  Kaiserin  Theodora,  Gemahlin  Justinians,  wahrscheinlich  528  n.  Chr. 
erbaute  Tempel  des  Heiligen.  —  A.  a.  0.  Auf  68  Säulenkapitfilen  der 
Kirche  der  heil.  Sophia  finden  sich  christliche  Monogramme:  S.  10  n.  24; 

1 40»  Taf.  II,  1 :  9eo8wpou  (Praefectus  praetorio  und  Wiedererbauer  der  Stoa 

t  SM  unter  Theodosius,  409  n.  Chr.).  —  8.  13  n.  29-49;  Taf.  II,  2  -  22:  f  lou- 
artviavoü.  Die  Säulen  wurden  534  n.  Chr.  errichtet.  —  S.  14  n.  50—68; 
Taf.  n,  23 — 41 :  ßaadeo)^.  Mit  geringen  Ausnahmen  gleichfalls  aus  dem 
Jahre  534.  -  n.  69—74;  Taf.  II,  42 — 45:  9eo8dfpaQ,  Aus  demselben 
Jahre.  —  8.  15  n.  76—79;  Taf.  III,  3—7:  AÖYodarac»  Aus  demselben 
Jahre.  —  n.  80;  Taf.  III,  8:  CAV^  {Mtxnmvo^)  iß  =s  634  n.  Ohr.  -   S.  16 

t_^  n.  81.    Marmorinschrift  an  der  Aufsenseite  der  Kirche  der  heil.  Sophia: 


XL.  Titnli  cbrlstiani:  Macedonia.  Thrada.  201 

t  fÖ]  S{rio)c  9(eb)c  ivBdSe  xaroext'  iJojSe^c  ßißfjktx:  tlcho}.  Wahrschein- 
lich  aus  der  Zeit  der  WiedererbauuDg  der  i.  J.  532  darch  Fener  zer- 
störten Kirche  durch  Jnstinian  582—587  n.  Chr.  —  S.  16  n.  82.    Mono-  t  w 
gramm  wahrscheinlich  eines  beim  Wiederanfban  der  Kirche  beschftftigten 
bysantinischen  Künstlers:  £t8^vou.  —  587  n.  Chr.  —  n.  88.  Orabschrift 
eines  arpariXälr^g  Bp4^C  (2)  dnb  j[wpa/e  liuyah^  (8)  AwpoaT<iX[oo.  ^ 
Die  arpanjXärai  =  magistri  militum   anter  Konstantin  II.  wurden  unter 
Theodosius  auf  fQnf  vermehrt.  —   S.  17  n.  84.    Ehemalige  Kirchenthfir- 
inschrift:  Aktive  xa}  doB^aercu  bptv  Cf^Tetre  xal  (2)  6]bp^<rsTe'  xpouere 
xa}  dvoiYr^aevat  bpJv.   Et.  Luc.  11, 9.  —  A.  a.  0.   Jetzt  im  Museum.  Orab- 
schriften  gothischer  Leibwftchter  unter  den  byzantinischen  Kaisern ;  vielfach 
gothisches  ^  =  d  (vgl.  n.  189  S.  208).  —  8.  17  n.  86:  f  'EvdäSe  [xaraxite  6  fM 
(2)  T^Q  fMLX€npc[ae  pynjpTfji  mtnÖQ  (8)  Oü]aAlhp^}(,  ^([Sepärog'  iTeXE-{A)6Ta 
p:fi(vbg)  Maplrtoü  ta\  (5)  ^jfUptjL  T€rdpTfj\^  hfd(exTta}V0Q)  [c  ]  f.  Aus  dem  Jahre 
648  n.  Chr.  —  S.  18  n.  86.     Fragment  einer  ähnlichen  Orabschrift.  — 
8.  19  n.  87  desgl.  eines  2r(£/(wxc.  --  n.  88  eines  ßsuda}]poc -"  olbc  Ko]uß' 
vt[oü*  —  n.  89  {jetzt  im  Museum)  eines  ^d^vac,  Seaitortxbc  nunb^  fpotdepä»  t  55S 
Tog\  ans  dem  Jahre  668  n.  Chr.  —  8.  20  n.  91  einer  Ispyea^  ma'(2)rili  de-  t  ms 
üTtoTtxij^  BüY&njp  Kav'(Z)8\x  ^edepdröo  deanorexoüy  errichtet  von  ihrer 
Mutter  *Eßyoydfv[da\  aus  dem  Jahre  568  n.  Chr.  —  8.  21  n.  92  eines  UwXo- 
fiov.  —  n.  98  eines 'EnwxTwlp^x^  8.  eines  ndrploui]  BepriXa\  aus  dem  Jahre  detgi. 
568  n.  Chr.  —  n.  94  Fragment  einer  ähnlichen  Inschrift.  —  8.  22  n.  96  eines 
*t]wdvy9jg.  —  n.  97  ähnliches  Fragment. —  S.28  n.98.  Grabschrift  eines  Leib- 
wächters HaßßdriC'  —  8.20  n.  90.  Fragment:  f  'Ivd(txTeaßVoc)  ta  f.  Aus  dem  t  »63 
Jahre  562  u  Ohr.  -  8.  28  n.  100:  Jcl^  'P[wpatwy.  —  n.  101.  KirchthQrin- 
schrift:  f  ^Avü^atai  pot  nuXac  Stxai{oauviQg^^[a  eheX]B<bv  iv  oötouq  i$opoXo^ 
y^pae  nfi  Ko\pi<p  f.  —  Psalm  118, 19.  —  S.  24  n.  102.   Wahrscheinlich  umtsio 
aus  einer  um  610  vollendeten  Kapelle;  jetzt  im  Museum.  Inschrift  eines 
Säulenkapitäls :    f  ^0  0{ib)i  tujv  (2)  ä^oßv,  ßo^Bi  {S)'HpaxXüp  (4)  r^ 
deoTcÖT]).  —  n.  108:  SeJoSiopou  [o]ex[o]g.  —  Theodorus  war  iitapxoQ  wo-umt«t« 
Xmo^q  612  n.  Chr.  —  n.  104.   8arkophagiuschrift  eines  Kp[t4moQ\  arg  ver- 
stQmmelt,  ähnlich  der  unter  n.  27 ;  wahrscheinlich  Anfang  des  7.  Jahrh. 

—  S.  25  n.  105.    8arkophaginschrift  eines  f  TijpoBiou  4Txsü[o^uXaxog.  ~ 

—  n.  106.   Marmorplatte  eines  8arkophags  mit  der  Jahreszahl  SP^^  =  t  ead 
628  n.  Ohr.  —  8.  26  n.  107.  108.    Zwei  Bauinschriften  des  Kaisers  Leo  1 74i 
des  Isauriers  und  seines  als  Mitregenten  angenommenen  8ohnes  Gonstan- 
tinns  an  zwei  Türmen  der  alten  8tadtmauer,  beide  aus  dem  Jahre  741 

n.  Chr.    Über  der  ersten  Inschrift  noch:    'I{ijaoü)g  X(ptarb)Q  vixf.   — 
8.  27  n.  109.    Eine  Anzahl  mehr  oder  minder  erloschener  Monogramme  t  sii 
aus  dem  von  der  Kaiserin  Theophano  811  n.  Chr.  errichteten  Frauen- 
kloeter  des  Prodromos:    f  Movi)]  äljrtou]  1aßdv(yoo)  np{o)^TOü)  [7r]/o[o- 
8p6p4Hj.    —    n.  HO.    Bauinschrift:  ^cr]^'  aus  den  827  n.  Chr.  von  Mi-  fssr 
chael  II.  neu  aufgebauten  8tadtmauem.   —   n.  lll.  112.    Weitere  Bau-  desgl. 
inschriften  an  TQrmen  der  alten  Stadtmauer:  t  Uopyog  Mc^ai^X  xal  ßeo- 


202  Griecfaisohe  Epigraphik. 

^iTöo  /ieyd^v  ßaatUwv  xal  altrcoxparopwv  f.  Midiad  11.  Bahm  seinen 
Sohn  Tfaeophilus  822  oder  824  zoin  Mitregeotett  an.  Von  den  beiden 
Tarmen  mit  obiger  loscfarift  wurde  der  eine  sicher,  der  andre  wahr- 

•t  881  scheinlich  827  gebaat.  —  S.  28— dO  n.  113—126.  Baoinschrift  an  elf 
TQrmen  des  goldenen  Horns,  sweien  am  MarmararMeer  und  einem  auf 
dem  Festland,  erbaut  831  n.  Chr.   f  JlOpyo^  Oeo^cXoo  iv  X(pt<n)^  aino» 

1841  xpdzopoQ  f.  —  S.  30  n.  127;  Taf.  III,  13.  Am  nordwestl.  Thore  der 
Hagia  Sophia.  Unter  der  gemeinsamen  Überschrift:  SeofiXou  xa2]  Mt- 
)[aijX  vetcijT<bv  die  Monogramme:  la)  Kupee^  ßo^&ee  b)  ßeo^eAtp*  2a)  9eo^ 
T6xe^  ßoi^ßet  b)  ßeodwp^  Aöyouar^'  3  a)  Xptare^  ßoi^e  b)  Mc^€^X  ^e- 
andrjj,  4  a)  '^Eroog  dnd  xrtffewQ  b)  xoopjou  ,<rcfi^'  lvS(exTiaiv(K)  S',  Das 
Datum  der  Inschrift  fällt  in  den  Sommer  841  n.  Chr.,  nachdem  Michael, 
der  erstgeborne  Sohn  (889)  des  Kaisers  Theophilus  i.  J.  840  gekrönt 
worden  war.  An  Stelle  von  3  b)  stand  früher  das  noch  lesbare  Mono- 
gramm: 'Iai[dv]y[};i]  rtarptdp;^  (Taf.  III,  14);  statt  4  b):  ,cr/i[r]  MiiX" 
Tiä0uog)  ß'  (Taf.  III,  16);  =  Sept.  bis  Dez.  838  n.  Chr.  Der  Patriarch 
Johannes  VII.,  am  21.  April  837  gew&hlt,  stand  bei  Theophilus  in  hohem 

dtagi  Ansehen.  —  S.  30 — 32.  Tarminschriften ;  n.  128  an  den  Meermauem, 
n.  129—132  am  goldenen  Hörn,  n.  133.  134  (sowie  CI6  8678)  am  Mar- 
mara-Meer,  n.  136  an  den  Landmauern.  Aus  der  Regierung  des  Kaisers 
Theophilus  während  der  Mitregentschaft  seines  Sohnes  Michael  (seit  840 
n.  Chr.).  Da  letzterer  seinem  Vater  am  21.  Jan.  842  folgte,  datieren  die 
Inschriften  aus  dem  Sommer  841  n.  Chr.  Die  Inschriften  am  goldenen 
Hörn  sind  ohne  das  Epitheton  maribv^  die  am  Marmara-Meer  und  an 
den  Landmauern  haben  dasselbe.  Von  der  ursprünglichen  Inschrift: 
t  HupyoQ  ßeo^eXoü  (ßew^lXou^  9ea^i^Xo(j)  xk  iMt/co^A  (Mij}[aijX)  iv  Xipt^ 
<n)<p  a&Toxparöpwv  (- xparwpov  u.  s.  w.)  ist  erhalten:  S.  30  n.  128  (Taf. 
I,  10):  Oew^eXou  x&  Mi^X^ijX  iv  X(piar)^  ahroxparop -,  —  8.  31  tt.  129 
(Taf.  I,  11):  t  ili^pyoQ  Btio^yjXou  x-.  —  n.  130:  ^pyog  --  adroxparö^ 
pov  f.  —  n.  181:  -  ßeo^C'-  -a^X  iv  — .  —  n.  182:  'Twpov  f.  —  n.  183: 
Ilupyog  BtofiXoü'  -;^a^^  matS^v  •-  ;  darunter:  l{7iaou)Q  X(pe(n6)Q  \  vtx^. 
—  n.  184:  -aijX  mcrrcDv-.  —  n.  136  (Taf.  I,  12):  -  xparwpiay,   —    S.  82 

t  SMA  n.  136.  Verstümmelte  Mauerinschrift  in  sechs  iambischen  Senaren  zu 
Ehren  des  Erbauers,  Mi^a^X  6  dsanön^g,  Ist  die  —  übrigens  sehr  zwei- 
felhafte —  Ergänzung  von  V.  6:  dtä  B[dp8a  pjatarpovi]  aj^oXS^y  Sofisatt-^ 
xwv  richtig,  so  wäre  Michael  III.  gemeint,  der  den  Bardas  zum  fakfi- 
ötpog  xaX  dopeartxbc  twv  a^oXStv^  der  kaiserlichen  Garde,  emanntOf 
welches  Amt  derselbe  bis  zum  Februar  868  inne  hatte.  Es  wären  dann 
die  Mauern  im  Sommer  866  oder  867  erbaut  worden    —  Derselben  Zeit 

fMi?  gehört  die  Inschrift  CIO  8692  an.  —  n.  137;  Taf.  I,  13.  Zwei  Türme 
trügen  zu  beiden  Seiten  eines  Kreuzes  das  Monogramm :  0(w)g  X(piim)tß 
f  (o/veO  7i(a)<r(<).  —  Diese  der  griechischen  Liturgie  entnommenen  Worte 
glauben  die  Heransgg.  auf  einen  Sieg  der  Oriechen  über  die  rutoische 
Flotte  am  11.  Juni  941  beziehen  zu  dürfen,  der  in  der  Nähe  des  Leucht- 


XL.  Tituli  dirlstiani:   MacedoniA.   Thracia.  208 

tnnnaB  Pfaaros  mittelst  gregorianischen  Feuers  und  —  dem  Glauben  der 
Griechen  sufolge  —  durch  die  Erscheinung  der  Gottesmutter  errungen 
wurde.  —  S.  88  n.  188;  Tai  III,  16.  S&ulenkapit&l  mit  dem  Mono- 
gramm: ^EXanj^.  —  Gemeint  ist  wahrscheinlich  die  Gemahlin  Gonstan- 
tins  YI.  Porphyrogennetai  vermählt  919,  gestorben  96 1,  die  um  966  ein 
nach  ihr  benanntes  Logierhans  und  ein  Spital  grQndete,  ans  welchem  der 
Stein  herrührt.  —  S.  84  n.  189.  Über  dem  Ostlichen  Mittelportal  des  t  su 
Schifies  der  Hagia  Sophia.  Unter  einer  den  heil.  Geist  versinnbildlichen- 
den Taube  eine  Bibel,  auf  deren  beiden  aufgeschlagenen  Blättern  der 
aus  Et.  Joh.  10,  7  und  9  zusammengesetzte  Spruch:  a)  ESnev  6  K(6pto)c' 

(2)  'Erw  ei/xe  (3)  ^  Bupa  rwv  (4)  npaßdroßV  (6)  Se'  k/wti  b)  idv  rec  (2) 
düikdjj^  (8)  acjbijatrai  x(ai)  (4)  eheXeoasrae  (5)  x(a})  i$e^6öerau  (6) 
x(at)  vofi^v  (7)  tbpijaet.  —  Die  Inschrift  rührt  wahrscheinlich  aus  dem 
Jahre  981,  wie  die  Schriftzeichen  -  namentlich  der  Gebrauch  des  ^  s  ^ 
(vgl.  n.  84  S.  201)  —  bestätigen.  Die  i.  J.  975  durch  Erdbeben  zerstörte 
Kirche  wurde  in  den  nächsten  sechs  Jahren  wieder  aufgebaut.  —  n.  140.  1 1035 
Turminschrift :  Xp\iaxk  w  ^eöc,  drdpaj^ov  xa}  dn6Xe[fi}ou  ^[Xarre  (2)  r]^v 
noJiiv  aoo  *  vtx[a  rb  ii\i^[o]g  [rm  9r]oi[e/i/aiw.  —  Der  Turm  ist  vielleicht 
erbaut  von  Konstantin  VIII.  als  Alleinherrscher  1025-1028.    —    S.  35 

n.  141;  Täf.  I,  14.    Granitstele:    Aourpibv)  'APT(wvivou),    —     Das  Bad 
wurde  im  elften  Jahrb.  erneuert.  —   n.  142;  Taf.  I,  15.    Marmorinschrift  1 1034 
an  den  Meermauem  am  goldenen  Hörn:  ^Ap]yup{jf  T<o[fjLavtp.  —  Der  ge- 
nannte Kaiser  stellte  viele  öffentliche  Gebäude,  die  infolge  eines  Erd- 
bebens 1082  zerstört  worden  waren,  wieder  her.     Dieselben  waren  im 
Februar  1034  vollendet    Vielleicht  erneuerte  er  auch  die  Befestigungs- 
mauern,  die  gleichfalls  stark  gelitten  haben  mochten.    —    S.  86  n.  144;  t  i^ss 
Taf.  III,  17.    Säulenkapitäl  mit  dem  Monogramm:    8eo8wp4ov\  vielleicht 
ans  dem  Kloster  dieser  Heiligen.    Dieselben  standen  i.  J.  1268  bei  dem 
späteren  Kaiser  Michael  Palaeologus  iu  grofsen  Ehren,  sodafs  er  ihr  Bild- 
nis sogar  in  seinen  Siegelring  einschneiden  liefs.    —    n.  145;  Taf.  1,  16.  1 1204 
Hagia  Sophia;   Monogramm  auf  einer  Säule:    Kk  toüto  Te6d<oro^  8p§t, 
—  Wie  die  Vermischung  mit  lateinischen  Buchstaben  zeigt,  aus  der  Zeit 
der  Frankenherrschaft  1204—1261  n.  Chr.     —     n.  146.    Plinthe  in  der  t  um 

1190 

Krypta  einer  wahrscheinlich  durch  einen  vornehmen  Engländer,  der  sich 
nadi  dem  Einfall  Wilhelms  des  Eroberers  1066  nach  Konstantinopel 
flüchtete,  erbauten  Kirche  des  heil.  Nikolaos  und  des  heil.  Augustin  von 
Canterbury :  ^IvjiXevou)  Bap[dyyou,  ~-  Nach  den  Herausgebern  wäre  unter 
dtoi  Engländer  und  Franken  Richard  Löwenherz  zu  verstehen.  —  S.  87 
n.  147;  Taf.  III,  18.  Monogramme  an  einem  Turme  der  Meermauern  t  isi? 
unterhalb  eines  Löwen  mit  Schwert  und  Wappen:  K(ofi)vtiv(ou)  (2)  [äouxa] 

(3)  il(776)^[o  (4)  Il(a)X{ae)oA(6^oü.  —  Dieselben  beziehen  sich  auf  An- 
dronicus  11.,  der  die  Mauern  von  Konstantinopel  im  Jahre  1817  wieder 
aufbaute  und  der  auch  in  einer  Inschrift  von  Apollonia  in  Epirus  {KE0Z 
XUI,  92  =»   Röhl  II,  149  u.)  genannt  wird,   —    n.  148.    Turminschrift 


204  Griechische  Epfgraphik. 

WD  Aber  einem  aufrecht  stehenden  Löwen:  MawuijX  Oaxpaaij  (2)  rou  Kara' 
xouaijvoü  (so).  —  Manuel  Phakrases,  der  siegreiche  Feldherr  des  Johan- 
nes Kantakuzenos,  mochte  den  Namen  seines  hohen  Gönners  wegen  seiner 
nahen  Beziehungen  zu  demselben  seinem  eigenen  Namen  zugefttgt  haben. 
Als  sein  Herr  1366  den  Purpur  mit  der  Mönchskutte  vertauschte,  ging 
auch  er  ins  Kloster  und  wurde  1871  Metropolit  von  Thessalonich.    — 

tiM7  8.  38  n.  149;  Taf.  I,  17.  Mauerinschrift:  Mijvl  Ie7n6fi(ß)piou  [Ito-(2)(ic 
^C<wWc'  ixotfjJjByj  [b  ^oc;-(3)>ioc  t'oS  9(eo)d  diowato^  6  '/'i>(/-(4)ooc 
^^o^  IxT^.  —  Dionysius  war  i^ap^o^  xaJt  xaXoyrjpoQ  des  Alezios,  Me- 
tropoliten von  Kiew  und  ganz  Rufsland,  1363—1378,  und  folgte  nach  des 
letzteren  Tode  demselben  1884  in  seiner  Wttrde.     Die  Inschrift  datiert 

ti4^  aus  dem  Jahre  1387.  —  n.  160.  Turminschrift:  ilvfxjev/cr^]^  j)  xolpreva 
und  reuipyiou  SeanSrou  2epß(aQ  iv  Irse  ^cvc';  ergänzt  nach  einer  ähn- 
lichen, von  Mordtmann  publizierten  Inschrift,  xopriua  =  courtine.  Som- 
mer 1448.  -  Leval,  Revue  arch.  VIII  1886  S.  46  (=  GIO  8672  B. 
Hamer,  Konstantinopel  und  der  Bosporus,  Pesth  1882,  I  S.  IX).  Nach 
Entfernung  des  Kalkes  lautet  der  Anfang  nunmehr:  2*6,  Xpeari,  reTj^oc 
dppaykg  xtX,  —  Hadrianopolis :  Mordtmann,  Archäol.-epigr.  Mitteil, 
aus  Österreich  YIII  1884  S.  200  n.  4.  13zeilige  byzantinische  Orabschrift 
im  Hofe  der  Kirche  des  heil.  Stephan:  'EvBd[S]e  xaraxe£-(2)r]6u  Kofiev- 
rtoXoi  b  Ti^c  ifi)  pa\xapia<^  /^i^^/^^C  ;^eva-(4);i£]voc  ti^c  fieydh^c  ix{so)h^ 
(6)c^]aQ  ulö^  KocpJoL  [it\peaß{pripoü)  (G)  xa]2  nanuX[ii^  M^apho  /vi^{vbg) 

(7)  No]spLßp{[ou ^fup^  Tpc]Tjii  (8)  ß]aaeA[t]a^ (9)  l]own(¥oo 

xtX.  —  Aus  den  Resten  Z.  8  ff.  ist  zu  schliefsen,  dafs  die  Inschrift  nach 
den  Regierung^'ahren  lustinus  II.  und  seiner  Gemahlin  Sophia  datiert 
war.  Über  einen  aus  Thracien  stammenden  Mag.  mil.  Gomenciolus  unter 
Mauricius  vgl.  CIL  II  8420.  —  S.  201  n.  6.  Turmiuschrift,  durch  ein- 
gelassene Ziegelstttcke  gebildet  =  GIG  8780:  f  K(opt)e^  ßoijBtt  rtp  e&^e- 
ßtardr^  x{a\)  ftXo^pianp  ßaciXec  ^pwv  liodvvjj.  —  »Dieser  Johannes 
kann  natürlich  nicht,  wie  die  Herausgeber  wollen,  Johannes  VI.  Palaeo- 
logus  sein  (1426—1448),  da  Adrianopel  bereits  1860  von  den  Tarken  er- 
obert wurde;  vermutlich  ist  es  der  Komnene  dieses  Namens,  welcher 
1118— 1148  regierte.«  Mordtm.  —  n.  6.  Marmorplatte  in  der  Mauer  der 
Metropolitankirche  ==  GIG  8718,  BGH  IV,  109;  doch  beide  mit  unrich- 
tiger Lesung.  Vier  iambische  Senare  in  fast  kursiven  Buchstaben  mit 
vielen  Ligaturen:  '^Avai^  Mej^a^X,  Aua6v<ov  Svtwq  xXiog^  (2)  Xtnp<oatv  eupe 
8i*  dv  ^  Kaßvaraifrcvoo  t  (8)  mpywpa  reu)[et  xareuavri  ßapßdpwy  (4) 
pd)^ac  Ttpbg  abrwv  dnröi^Tov  xaMna$.  —  Michael  Palaeologus  befreite 
1261  »die  Stadt  des  Konstantine  durch  Vertreibung  der  Lateiner  und 
stellte  das  byzantinische  Kaiserreich  wieder  her.  Abaovfov  Z.  1  =  »der 
Oströmer  f.  •—  S.  202.  Auf  den  Mauern  findet  sich  ein  Monogramm  mit 
dem  Namen  Bpuev{veoc),  wohl  =  Nicephorus  Bryennios,  welcher  sich 
1077  gegen  Michael  III.  auflehnte.  —  S.  208  n.  7.  Grabplatte  im  Hofe 
der  Jüderim-Moschee:  (Xpurri^)  ^bXaxt  riß  aö  douXo  ndp8{ip)  anaB(aptqf). 


XL.  Titali  christiani:  Macedonia.  Thrada.  205 

—  0.  8.  ZiegelmoDogramm,  vermutlich  tod  einem  byzantinischen  Grabe; 
im  Tatar-Ghan:  Kwvaravriyoü.  —  Serdica  oder  Sardica  (Sophia  in  Bal- 
garien): Jire^ek,  Archftol.-epigr.  Mitteil,  aas  Österreich  X  1886  S.  46. 
Im  Innern  der  mittelalterlichen  Kirche  Gtkldzami  (türkisch  =  »Rosen- 
moscheec),  jedenfalls  dem  ältesten  christlichen  Bauwerke  Bulgariens, 
sieht  man  unterhalb  der  Fenster  die  Spur  einer  einzeiligen,  in  GQrtel- 
form  rings  herumgeftkhrten  Inschrift,  von  der  die  Worte:  Cfttypo^oyTo^^ 

gegenttber  Ttpoaxuw^eexov  (vgl.  a.  a.  0.  S.  204;  =  npocxuwjr^ptov) 

aweypa^ dp^avy lesbar  sind.  —  Pautalia,  ülpia  Pautalia 

oder  Pautalia  Anrelii  (Kttstendil):  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  66  n.  4. 
Grabschrift:  ' Epfw^ivoug  (2)  xd  'Upatdog  (6)  xtd  fatou  (4)  /A»r[cr]r[c]a- 
[va;v].  —  Meiembria:  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  176  Anm.  36;  in  Minuskeln  1 1441 
ohne  Zeilentrennung.  Marmorplatte  vor  dem  Altar  der  Kirche  'Avdhj^ec: 
t  *Exotp:^dii  ij  doula  rou  &eoü  MarBataa  KaraxooZt^^  nakaiokoyiva  iroug 
<:'ou  \ou  v'oo  pa^vl  Noefi(ßpt<p)  [^vJ](<xr<ci>vo^)  e'  f*  J^hr  6960  ind.  V. 
=  1.  Sept  1441  —  31.  Aug.  1442.  —  Odeisus  (Varna):  Derselbe, 
a.  a.  0.  S.  179  n.  1.  »Grabschrift  eines  apamenischen  Kaufmannes  vom  t  w? 
Jahre  667  n.  Chr.;  bemerkenswert  f&r  die  Geschichte  des  syrischen  Han- 
dels in  der  spätrOmischen  Zeitt:  f  Xaups^  mark  napo'{2)StTa.  davcijA 
6  (3)  r^  pLaxapeoQ  fiy^'ii)/^^^  oib^  ^HXtodwpou,  (6)  dnd  xwfuj^  Tapou' 
r/-(8)ac  i/inöpüfv  r^Q  *Amifi^-(7)a}v  i^fopioQ  Z^aoQ  iv  <r'(S)<o^poaovji 
inj  fy'  iv  Xipcar)^  (9)  ireXiMv}  fi{ij)v{dQ)  *OxTa}ßp/ou  (10)  x'  iy8{cxTiaß- 
voq)  c'  äj  C\  ßaac}e6oyT''(ll)oc  lootnevtavoo  rou  Xa'  Iro - (12) (ic  ttt- 
»Es  ist  wohl  der  Oktober  des  Jahres  667  n.  Chr.  zu  verstehen,  der  in 
das  81.  Jahr  Jastinians  (1.  April  667  — 31.  März  668)  und  das  6.  Indik- 
tionsjahr  (1.  Sept  667  —  31.  Aug.  668)  fällt  Sonderbar,  aber  wohl  sicher 
ist  der  AusdrucJc  des  Zweifels,  ob  derzeit  das  sechste  (<:')  oder  das  sie- 
bente (CO  Indiktion&jahr  läuft.c  —  S.  182.  Eine  aus  dem  nördlich  von 
Varna  gelegenen  Dorfe  Dispudak  nach  Varna  verschleppte  Inschrift,  die 
sich  jedoch  hier  nicht  finden  liefs,  bietet  nach  einem  Abklatsch:  X^pt- 
özbt)  [Monogramm]  (2)  rcDv  S6a'(Z)[n\oTS»y  i^-(4);uDi/  *Ap{x\a-(b)[dioo 
x]a[2  '0\v[ai\p[{oo\  (6)  Ab[Y\o(j\aTm.  -~  Callatia  (Mangalia):  Toci- 
lesen,  ArchäoL-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  XI  1887  S.  32f.  n.  11. 
Jetzt  im  Museum  zu  Bukarest  Grabstele  des  Syrers  ZuvnXJxtog^  S.  des 
Gaesianus,  vo/wcbg  t^v  (6)  tneav^/ujv^  und  seiner  Gattin  Meknk^  T.  des 
Aid^ios,  ix  npoY6'(\0viü¥  eöyeveig^  (11)  ^pdvotQ  noX-{\2)kitQ  xaklog 
(13)  awßmaavreg  (14)  xal  h  yi^pq.  TtpJtp  (16)  TtpoßeßijxÖTee  (16)  /ufi- 
ra^u  8exa/(ov  (17)  i^*  (!)  iXnßc  dv€ur^ {16)  zdffswc  ivSdSe  (19)  Ijxafisv 
Ciu-(20)9c  ala^veou  dnoXau'{2l)a€wff,  Das  letzte  Wort  ist  nach  dem 
Herausg.  augenscheinlich  späterer  Zusatz.  —  Tomi  (Kttstendsche):  Der- 
selbe»  Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  VIII  1884  S.  6  n.  16.  Samm- 
lang Gogalnitscheano  zu  Ktkstendsche.  Ober  dem  Reliefkrenz  einer  spät- 
lateinischen Grabschrift:  Tdu  äyhu  ^[eou.  —  Derselbe,  Arch.-epigr. 
Mitteil,  aus  Österreich  VI  1882  S.  86  n.  76.    Jetzt  im  Museum  zu  Bu- 


206  Griechische  Epigraphik. 

karest  'Hi^aou)  x6pte  6  ^-{2)e6ct  ßoi^Be  (3)  itoXiv  d¥a'(i)veoüfiiv{i^V' 
(6)  dfii^v.  —  Th.  6(omperz)  merkt  an,  dafs  ßoj^Betv  in  diesen  Formeln 
gelegentlich  mit  dem  Akkusativ  (auch  GIG  9075,  2)  und  dem  Genetiv 
(9047^.  9067)  verbunden  wird.  —  Derselbe,  Arch.-epigr.  Mitteil,  aqb 
Österreich  VIII  1884  S.  16  n.  41.   Bukarest,  Museum.   Fragment:  Unter 

dem  Monogramm  ]£--  ^e/^--  Xpijaruoy  xe;--.  —  8.19  n.  68.  Buka- 
rest, Museum.  Fragment  einer  Grabschrift:  VitaivmiiX  ir  (Hälfte  eines 
Kreuzes).  —  Derselbe,  Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Osterreich  XI  1887 
S.  60  n.  116.  Bukarest,  Museum.  Grabstein  der  zweijährigen  Mdpoiß, 
T.  des  Johannes,  T^payfiareoTou  &y{ou  */w{dvvou),  —  S.  61  n.  121.  Buka- 
rest, Museum.  Oberhalb  und  zu  beiden  Seiten  einer  Rosette  (wohl  kttnst- 
lerische  Umbildung  des  christlichen  Monogramms):  Tofmdka  inc^vlQ  (=? 
inefavijCy  Rangbezeichnung)  {irwv)  xe\ 


Insulae  Aegaei  maris  cum  Rhode,  Greta,  Cypro. 

ThaiUi!  Hicks,  Journal  of  hellenic  studies  VIII  1887  S.  432,  nach 
Abklatsch  von  Bent.  Inschriftrest,  durch  vorgesetztes  Kreuz  als  christ- 
lich bezeichnet.  Z.  6  ist  vielleicht  zu  ergänzen:  iv  roTc  x]6X7m[eQ  'Aßpaäfi 
xa2  laaäx  xal  7axwß  —  Z.  8  wohl  Schriftzitat:  ''A]YeoQ  iydf  — .  Lesbus: 
Papadopulos-Kerameus,  KE0UXV  1884  S.  42.  Eresos.  Ein  wahr^ 
scheinlich  ehemals  oberhalb  der  Thflr  einer  jetzt  in  Trümmern  liegenden 
altchristlichen  Kirche  des  4.  oder  6.  Jahrb.  eingemauerter  Stein  trägt 
die  Inschrift:  f'O  xaroixwv  iv  ßoi^^i^  rotf  (2)  ^Tiptaroü  iv  axifvß  roo 
9(e)oti  roS  ob'{'^)pavou  odkiffB^erae.  *£pi  vw  (4)  K(up{)<p'  ävTeX^nroßp 
fwu  el  X  — .  Vgl.  Ps.  90,  1.  2.  —  S.  43.  Die  Inschrift  OIG  8729  ist 
neuesten  Datums»  wenn  das  in  derselben  erwähnte  Taxiarchenkloster 
identisch  ist  mit  der  1627  erbauten  Aetfiwvog  fiovij.  Der  Vorsteher  Daniel 
lebte  im  17.  Jahrb.  Daher  ist  das  Jahr  1146  in  fipiie'  =  1637  zu  emen- 
dieren.  ~-  GIG  8739  gehört  nicht  in  das  Jahr  1174,  sondern  1666,  wie 
der  Text  beweist:  f  ZevdptH(2)iiiij  xepou  Maxa'{^)p(oo  ßk^tiivcg  (4)  iroQ 
JCpoB'  (6)  iv  fuvl  ^Aßyoüaroö.  Der  Name  eines  MaxiptoQ  MeMfivi^  be- 
gegnet auch  auf  andern  gleichzeitigen,  noch  unedierten  Inschriften,  z.  B. 
auf  einer  Marmorplatte  aus  dem  Jahre  1089.  —  Lolling,  MDAI  XI  1886 
S.  293  n.  61.  Umgebung  von  Piumari.  Dürftige  Inschriftreste:  Bo^Bt^ 
KlüjptSt  I  rai  "  ßoi^t'.  —  Bamus.  Gardner,  Journal  of  hellenic  stu- 
dies Vn  1886  S.  163,  nach  Abschrift  von  Bent.  Tigani.  Auf  der  Rftck- 
seite  eines  Steines  mit  Siegerverzeichnis,  wahrscheinlich  von  den  Heräen  (s. 
Bd.  60  S.  469)  befindet  sich  die  christliche  Inschrift:  'I(ijooo)c  X{pt<n6)Q  (2) 
t  (3)  K17  —  xqi,  (4)  K{jjpt)s^  ßfoiBt  r'{h)ou  SouXou  aou  (6)  Seaßdatvoo  (7) 
dvajywff'{8)T]ou.  —  Vazni:  Zerlentes,  MDAI  VIII  1888  S.  386.  Tisch- 
basis in  einer  Kapelle  des  heil.  Johannes.  Dflrftige  Reste,  darunter:  rod 
KaAaßpoü  und  K{öpe)ef  iXeijatw.  —  Rhodnt:    Holleaux  und  Diehl, 


XL.  Titali  chiistiftni:   Insalae  Aegaei  maris.   Carla.   Lydia.        307 

BCH  DL  1885  S.  128  n.  29.  Trianda.  VotiYinschrift:  Tnip  s]^/^  ^aß- 
ßarüw  iXa)[ünou  itpsaßtnipoo  xal  fiova^o[u,  (A  anotßdg  (2)  xal  [m9^pe]afy 
irekuhd^  8eä  rou  B€(ou)  rb  itäv  Ipyov  r^g  dyfcu(T<l)tT7C  ixx}[i^4rfag,  — 
5.  Jabrh.?  —  S.  124  n.  80.  Vatby,  Ruinen  einer  Kirche  der  Panagia. 
VotiYinschrift:  f  Yitkp  ei^^c  0t^nnou  (2)  vauxX^pou  ^Aaxouydioo  f.  7.  oder 
8.  Jahrb.? 

Carla. 

Xara-maka;  jetzt  bei  Alexandros  Meliorates  auf  der  Insel  Syme: 
Papadopnlos-Eeramens,  KE0I!  XY  1884  S.  53  n.  4.    Fragment; 
vielleicbt  zn  ergänzen:  f  ßt^^li/  2!]Te^[dvou]  vaulxX^^polu.  —  Nach  dem 
Herausgeber  wahrscheinlich  aus  dem  3.  Jabrh.  —  Cys  (s.  S.  52):  Cousin 
und  Deschamps,  BGH  XI  1887  S.  311  n.  6.    Fragment  einer  byzanti- 
nischen Grabschrift  {bitkp  dvanaiKrewg)  auf  Theodora,  r^?  einreßieard'njg) 
Ijfiwv  Setmo^vijc^  sowie  auf  den  Presbyter  Nonnos  und  dessen  Gattin  Aga- 
thopolia  und  — .   —  Kara-Hisaar,  2  röm.  Meilen  von  Makuf  (=  Hera- 
clea  Salbace):   Paris  und  Holleaux,   BCH  IX  1885  S.  332f.  n.  18. 
Meilenstein  auf  dem  Friedhof  mit  drei  in  einander  verschriebenen  In- 
schriften: 1)  Lateinische  Widmung  an  die  Augusti  Constantinus,   Con- 
stantias  und  Constans  (337 — 340  n.  Chr.) ;  2)  Griechische  Inschrift  in  fast  t  sss 
kursiven,  sehr  unregelmäfsigen  und  durch  Ligaturen  verbundenen  Schrift-  "'^ 
zflgen:  9X(aß(oo)  9eo8o[trf\ou  xal  0X(aßcou)  (2)  BaXXevreveavou  rSiV  —  (3)a/w 
ala}yiiov  Aöy(ou<TTa}v).     Darunter:   '£?  'HpaxX/ag  p/(Xta)  ß,   —   Die  In- 
schrift kann  sich  nur  auf  Theodosius  den  Grofsen  und  Valentinian  H.  be- 
ziehen.   Da  Gratian  nicht  erwähnt  wird,  so  fällt  sie  zwischen  383  (Tod 
Gratians)  und  392  (Tod  Valentinians  IL)  n.  Chr.    unter  Z.  3  findet  sich 
noch  die  Formel:  fitx{yj)  ß^  entsprechend  der  auf  römischen  Münzen  des 
4.  und  5.  Jahrb.  n.  Chr.  häufig  begegnenden  und  noch  nicht  hinlänglich 
erklärten  chronologischen  Bezeichnung:  Victoria  Augustorum  mit  folgen- 
der Zahl.  —  3)  Griechische  Inschrift:  £?c  ioiwa^v)  ^Apxdhov  Auyiouarov).    nach 
(2)  Eig  iwva  ^Ovoptov  Äoy(poaTov).   Wahrscheinlich  jünger  als  395  n.  Chr.  ^  *^ 
(Tod  des  Theodosius.)  —  Aphrodisiai:  Dieselben,  a.  a.  0.  S.  83  n.  13. 
Manerinschrift :  f  "^0  plivcoiv  ^^tupLara  iv  r^  '^^X^^  ^Z^'  '^^  dvdBepa  dnb    nach 
TÄv  Toy'  nardpwv  wq  ixBpbg  rou  6(eo)u  f.   Als  Rächer  des  Frevels  wer-   ' 
den  angerufen  die  318  (auf  dem  Konzil  zu  Nicäa  versammelt  gewesenen) 
Väter.  —  S.  84  n.  14.     In  der  Stadtmauer:  E^g  Bebg  (2)  b  p.6vog^  (3)  t  w« 
(tIoZ^  KioaTavTetv[ov. 

Lydia. 

BphetUi:  G.  Weber,  Mooaeto^  xa\  ßeßXtoB^xij  r^c  eöajjeXix^g 
aUfo^c,  mp/odoc  rerdprij^  1880—1884,  iv  2pLupvji  1884,  S.  43  in  Minus- 
keln; vorher  Wood,  Discoveries  at  Ephesus,  London  1877,  Inscriptions 
irom  tombe  o(c  S.  20.    Sarkophaginschrift:  ^   (2)  Afirij  ^  oop6q  iart¥ 


208  Griechische  Epigraphik. 

Eöyevloü  (3)  Ttpeaßürdpoo  xk  xhjpovöfuov  (4)  airoü  ZS^Ofv,  —  Smyrna: 
KoDtoleoD,  BGH  X  1886  8.  458  o.  1.  8ehr  junge  Grabschrift:  Jofimi- 
dtXs  [lap^ivou  UaxrwJi/oü  8tax6vou  (2)  /e/oe*  }[ips  xa}  a6,  —  Mouastov 
xal  ßtßkoB^xii  y  1884/5  S.  58  0.  e;/x/  in  Minaskein ;  nach  Abschrift  von 

ts95  Fontrier.  Bei  Niederlegnng  eines  Thores  von  Smyrna,  der  alten  Ma- 
pnjrede^  IluXat^  fand  sich  die  metrische  Bauinschrift:  HpxaSil^  ßaat^t 
inwvofjLa  Tti^Tj  freu^sv  |  xhevb^  Sä*  dvB'  bmzfov  ndvaofoc  'AvröXioc»  — 
Der  Heransgeber  schreibt  in  dem  Schlnfsverse:  ^AvBtmdrwv,  —  Unbe- 
kannter Herkunft;  jetzt  Smyrna,  Musenm.  —  A.  a.  0.  8.  3  n.  201  in  Mi- 
nuskeln. Marmorfragment  mit  Darstellung  eines  Kreuzes  und  der  Inschrift : 
bnoepya,  —  Marmara:  Fontrier,  MouaeTov  xal ßißkoBijxvj  Y  1885/6  S.  52 
n.  ^Xi'  in  Minuskeln.  Stein  mit  Darstellung  eines  Kreuzes  und  der  In- 
schrift: *ETOüff  va'  0iX"{2)og  T€tfiijBe}[c  tm-(S)b  rou  xocveio[u  (4) 
XP^^4^  (TTefpdv[<p  (5)  TÖv  ßwfjubv  i'no\(-(fi)v}ff[e\v  (Fontrier:  —i^aoof).  — 
Äpollonia;  Passa^Köi,  ca.  V«  Stunden  südw.  von  Palamut  =  Apollonis 
(Apollonia):  Fontrier,  a.  a.  0.  S.  69  n.  ^¥B'\  derselbe  (heraus- 
gegeben von  Foucart),  BCH  XI  1887  S.  88,  beide  Male  in  Minuskeln; 
wiederholt  in  Miguskeln  und  Umschrift  mit  ausführlichem  Kommentar 
um    von  Duchesne,  BCH  XI,  312ff.    Marmorner  Sarkophagdeckel  mit  frag- 

^'^  montierter  Grabschrift:  ^  ^I^veaev  dnoarohov  tntßäs  ävi^p  wSs  (=  5Se) 
h  aapxti  re  fiij  xarä  adpxa  lepar€U'(2)ad/JLevoCy  xal  raürj^  fiaxdpwv 
drpanouQ  iXBwv^  ivBd8e  ffx^vo^  h^ioo  ^t/jf^C  dnoXikimty^  (3)  noXbg  fjuky 
Xd^i/fac  daxTjotty  noXbg  8k  dyatv^^  yevd/ievo^  Iniffxonog  BeTog'  de  ^ij/  xal 
xarä  7r<£-  (4)  aijg  aipiaeiog  bnXtadpzvo^  r^v  dh^ß^  roiv  Ttavipwv  r^c  xaBo* 
Xua^Q  ixh^aiag  dteawaaro  [n/drcv.  (5)  Maxe$6veoQ  oLrog  kapatpbv  ivrä- 
j^eo¥  intreXec  xal  rö  xard  rou  dvopLoioo  da/"  (6)  iv  TtoXXoec  '^oTs  unkp 
Xptaroü  dtwy'fjLotc  ditevevxdpLSvoQ  xXiog,  —  Fontrier  möchte  den  Bischof 
«  Macedonius,  dem  die  Grabschrift  errichtet  wurde,  identifizieren  mit  Ma- 
cedonius  H.,  Patriarchen  von  Konstantinopel  495—511  n.  Chr.  unter  dem 
Kaiser  Anastasius,  der  ihn  in  letztgenanntem  Jahre  nach  Glaudiopolis  in 
Bithynien  verbannte.  Allein  die  Erwähnung  der  Anomöer  Z.  5,  sowie  der 
Umstand,  dafs  sich  nach  Theod.  Lect  2,  36  das  Grabmal  dieses  Mace- 
donius zu  Gangra  befand,  scbliefsen  jene  Vermutung  aus.  Da  die  Streitig- 
keiten zwischen  den  AnomOern  und  Orthodoxen  von  358—378  n.  Chr. 
währten,  so  mufs  unser  Macedonius  Zeitgenosse  des  heil.  Basilius  und 
des  Kaisers  Valens  sein;  wahrscheinlich  war  er  Bischof  von  Apollonia 
und  identisch  mit  einem  der  64  Adressaten  des  Erwiderungsschreibens 
des  Papstes  Liberius  aus  dem  Jahre  366  n.  Chr.  (Jaff6  228).  In  Z.  6 
sind  die  Verfolgungen  der  Bekenner  des  nicänischen  Glaubens  unter 
Valens  (f  378)  erwähnt.  —  Thyatira:  Fontrier,  a.  a.  0.  S.  42  n.  j^x^' 
in  Minuskeln.  Selendi.   Bauinschrift:  'Avuxo8op,^&[ij  6  vabg  fkwp" {2)^/00 

rou  'Aertj (3)  irog  cfx'  (nach  dem  Herausg.  s=  994  n.  Chr.). 

^  8.43  n.  fx^'  in  Minuskeln.  Ebd.  Rechts  neben  der  Darstellung 
eines  Kreuzes  (der  Schlafs  von  ^?xdc  an  wegen  Raummangels  links  yon 


XL.  Titali  chrisüani:    Lydi».    Mysia.  209 

demselben)  befindet  sich  die  Inschrift  ans  byzantinischer  Zeit :  'Ej'b  Aiov 
b  [&ii'(2)apToXb^  j}^[<'a-(3);i37V  zou  nu^ae  [rou  (4)  äyiioo  Feappjou  (6) 
{rnydoxrfv[*eA-(6)Aa-  kunbv  B[i'(1)Xovro<:  ro\p  (8)  B(bo)ü  xk  t^c  äyTjOQ 
9(eorS)x(ou)  (9)  xk  dijä  npMßvjov  (10)  rou  äj^ou  Feopj^u  (11)  ^kp 
a^ioEog  rw  &- (12) fiapnjdv  fwu  xk  t^c  (13)  aovßi^ou  /lou^  &/ia  $k  (14) 
xk  Tov  rixvov  /lou  (16)  xk  eu^eare  bnk'(\Q)p  :J/z5w,  dijX[aSii  (11^)  8noc 
(12t>)  Ißpo  (13^)  l'Asof  (14^)  iv  (15^)  T^  (16^)  d^xj^.  -  Ist  die  Er- 
gänzung Z.  6/6  richtig,  so  wurde  dem  Büfsenden  auferlegt,  die  das  Lang- 
haus der  Basilika  von  der  Apsis  trennenden  gitterartigen  Schranken  (can- 
celli),  in  unserem  Falle  in  Brusthöhe  ((mjBo  ),  zu  stiften.  Die  in  spä- 
tester Orthographie  verfafste  Inschrift  (vgl.  z.  B.  ißpo  =  eüpca  Z.  12^) 
ist  nach  dem  Herausg.  wahrscheinlich  mit  der  vorstehenden  gleichaltrig. 

—  S.  63  n.  ^kC  in  Minuskeln.  Kenesch;  2  St.  s.O.  von  Thyatira.  Rings 
verstümmelter  Marmor  mit  fragmentierter  Bauinschrift,  nach  welcher  ein 
Entroppos]  Beou  T^povo/^  das  Gebäude  erbaute.    Aus  byzantinischer  Zeit. 

—  Rad  et,  BGH  XI  1887  S.  464  f.  n.  17.    Ebd.    Fragment  ungewissen  t  neo 
Inhalts;  datiert  nach  dem  9.  Nov.  6969  (der  Welt  =  1460  n.  Ghr.).  — 

S.  476  n.  47.  Karsoumia,  zwischen  Thyatira  und  lulia  Gordus.  Unver- 
ständliches Fragment.  Z.  6:  xk  7tp(eoßuTepou)  rou  ^povrijvoo.  —  Phila- 
delphia: Fontrier,  BGH  YII  1883  S.  602f.  n.  2  giebt  eine  genauere 
Abschrift  der  ursprtknglich  in  Tadegan-Köi,  nördlich  von  Aezani,  befind- 
lichen Inschrift  GIG  8624  und  Lebas  980  (wiederholt  in  Minuskeln  nach 
Abklatsch  und  Abschrift  des  Lehrers  Eraloglous  in  Philadelphia  im  Mou- 
aetov  xae  ßtßXtoBi^xi^  r^f  ebayyshx^^  ff^ok^g  iv  ^fwpvjj  V  1884/5  S.  63 
n.  ovy')'"  ^Frikp  /ivi^jjlt^c  [xk]  (2)  dvaita6oewg  [t-(3)5c  p.axapcoTdT7^[s  (4) 
'Em^vftK  8taxo-(b)vtffinjg.  'Eyivexo  (6)  rb  Spyoy  vooro  (7)  auvunoup'pj' 
odv'{S)Twv  ndvrwv  (9)  i{s)v8(txTe(üUog)  ql  Ivoug  ipvrf  (10)  hnkp  th-^r^Q 
Mapxi'{\\)Xkoo  xk  toü  ulou  a^'{\2)zou  ülxodofAutv,  —  Eontoleon, 
MDAI  XII  1887  S.  257  n.  27  (AfiäXBeta  1887  n.  4050).  Grabstein  (mit 
vier  Kreuzen) :  '^E]rouc  ^$'  pjjvbg  (2)  A]woü  xC  ixotprjlBrj  (3)  llpaoXXiog. 


Mysia. 

Aasus:  Sterrett,  Papers  of  the  American  school  of  classical  stu- 
dies  at  Athens  I.  Boston  1885.  S.  62  n.  32.  Mosaikfufsboden  in  der 
byzantinischen  Kirche  mit  der  Inschrift:  SaropvTXog  a^^ohxartxbg  hnkp 
eb^^g  iauTou  inon^ffsv,  —  Unser  Saturnilus  (vgl.  Notitia  dignitatum  I, 
14—16)  ist  nach  Ramsay,  American  Journal  of  archaeology  I  1885 
S.  151  —  im  Gegensatze  zu  Sterrett  —  nicht  identisch  mit  dem  comes 
domesticorum  unter  Theodosius  II.,  der  von  des  letzteren  Gemahlin  £u- 
dokia  444  n.  Ghr.  aus  dem  Wege  geräumt  wurde,  weswegen  sie  von 
Theodosius  verstofsen  wurde.  —  S.  63  n.  33.  Mosaikfufsboden  der  by- 
zantinischen Kirche:    *AX6moQ  xar    eb}[ij)*  rqj  äytip  r6n<p,   —    Alypios  ist 

JftlurMb«rieht  fttr  Altortnmiwist^osebftft  LXVI.  Bd.  14 


210  Griechische  ßpigraphik. 

ein  gewöhnlicher  Bischofisname.  —  S.  64  n.  34.  Über  der  Thttr  der 
Moschee  (CIG  8804,  Faks.  Taf.  XIV  am  Schlafs  von  Band  IV).  Neues 
Faksimile  und  Abschrift  dieser  Bauinschrift  des  ""Avdefiog,  np6eSpoQ  2xa- 
fjuzvdpou^  der  znr  Lösung  von  seinen  Sünden  die  Kapelle  des  heil.  Cor- 
nelius restaurierte.  —  S.  85  n.  73;  ungenau  Lebas  1034  <^.  Vgl.  Ram- 
say,  a.  a.  0.  Bauinschrift:  f  inefjLe[Xeyac  (2)' EXXoiSeou  (3)  npeoß(uTepou) 
x(k)  no'(^)XiTSuofi(evoü)  (5)  xk  rou  byetou   (=  olou)  aörou  Aouxecavou, 

—  S.  66  n.  35.  Auf  dem  Thttrpfosten  eines  Zimmers  im  griechischen  Bade : 
6^e(oc),  ßoijBet  'AXe^v8p^  (npaTrjyai  HpoxXou.  —  8.  79  n.  69.  Byzanti- 
nische Sarkophaginschrift:  liodwoü  xal  'Poü^af-(2)axcoü.  —  S.  82f. 
n.  72.  Sarkophaginschrift:  f  Aouxeavou  7:pe(rß(uTipou).  Auf  demselben 
Sarhophag  die  ältere  Grabschrift  des  Cl.  Macedo  und  seiner  Gattin  Claudia 
Nike  (CIG  3573;  vgl.  S.  109).  —  Lampiacns:  Vielleicht  christlich  ist 
die  Inschrift  Lolling,  MD  AI  IX  1884  S.  68  (s.  S.  111).  —  Cysions: 
Lolling,  a.  a.  0.  S.  26.  Säuieninschrift  auf  dem  türkischen  Friedhof 
südlich  von  Panderma  (Panormos):  f  ^Opoe  deopeZovreg  rä  8txä  fieza^u 
JHo  {so)  -  (2)  xeSoWou  rou  iv8o${oTdvou)  x{al)  'Avdpiou  rou  eu'(S)X€nß{ouQy 

—  Mordtmann,  MDAI  X  1885  S.  210f.  n.  39.  Grabschrift  eines  im 
November  der  30.  Indiktion  verstorbenen  Alexan[dros. 

Bithynia. 

Sivrihissar  (bei  Brussa):  v.  Domaszewski,  Archilol.-epigr.  Mit- 
teil, aus  Österreich  VII  1883  S.  183  n.  49.  Armenischer  Friedhof;  Bau- 
inschrift: ßeou  npovotff.  (2)  in\  rou  eüXa-(S)ßeffTdTou  np(OTo^{^)7tp£aßv' 
ripoo  xk  (5)  irepeoSeuTou  [6]so  -  {ß)  xreffrou  kxria&vj  (7)  rh  ipYo\y\  rouro 
f  (8)  xk  int  To[fß]  £üXa'(9)ßsffTdT0u  8cax6'(l0)voü  xk  oixovü[/i\ou  (11) 
Kupcaxou  f.  —  Bozujnk  (zwischen  Brussa  und  Eski-Schehr):  Der- 
selbe, a.  a.  0.  S.  175  n.  20.  Thürstufe  des  Moscheehofes:  f  'Ex  rä»v 
napo^wv  aou^  dp^dvyeh^  UiodvvijQ  x{k)  Kwvaravuva  inoa^a[av  (2)  unkp 
ew/^C  x(k)  (TfoTTjpiaQ  ajbT[w{v  x{k)  ryjg  ativyeyiag  a6r[ai]y  x{k)  pv^p-ij^  x{k) 
dvanaiKTslwQ.  —  Chalcedon  (Kadiköi):  Leval,  BCH  VII  1883  S.  517. 
Metrische  Sarkophaginschrift  (3  Distichen)  aus  dem  Garten  der  Kirche 
des  heil.  Johannes  Chrysostomus  bei  Kadiköi:  f  ^''^poniou  xd/^g  elfii 
neptfppovog'  ^  yäp  dhj&kg  (2)  ouvopa  r^g  dper^g  el^ev  dii86fJL8¥oif»  (3) 
^Arpone  Moipdaiv,  ri  rov  surponov  l^pnaaag  dv8pa^  (4)  ^g  ^epev  fif  povd- 
8ag^  Tpeeg  8*  krdcjv  8exd8ag\  (5)  llirpog  8k  yviorhg  ara^ep^y  Ti^v8e 
nXdxa  j^apd^ag  (6)  <rr^dsv,  dno^Beefievoit  rouro  yepag  Tmpdxoßv  f.  — 
Curtis  und  Aristarches,  KE0I:  XV  1885  S.  12  n.  27.  Sarkophag- 
inschrift aus  der  Kirche  der  heiligen  Euphemia,  jetzt  in  Kootantinopel: 
f  Maipäg,  unoßohug  r^g  Ä-(2)^/ac  too  B(eo)ü  ixXija^ag^  d-(3)v£veiU47a- 
fiijv  rijv  xapto-(^)&(<rdv  poc  TtoeeXov  f.  —  bnoßoXeög  =  xavovdp^i^g\ 
TtoceXog  {==  nueXog)  auf  bithynischen  Inschriften  =  (fopxoipdyog,  —  Nach 
den  Herausgebern  aus  dem  5.  Jahrh.   —    Clandiopolis  (Boli):  Mardt- 


XL.  TituH  chmüani:   Mysi«.    Bithynia.    Fhrygia.  211 

mann,  MDAl  XII  188*7  S.  181  n.  11.  Grabschrift  in  zwei  am  Schlafs 
verstQmmelteu  Distichen  aaf  einen  Chrjysogonos,  [n]p<oTov  iv  [n\dTpji  (2) 
xat  IBuec  BetBuytdoQ  dp}^^c^  (3)  npwrov  iv  ^EXlr^tv  u.  S.  w. 

Phrygia. 

Dorylaenm  (Eski-Schehr):  v.  Domaszewski,  Archftol.-epigr.  Mit- 
teil, ans  Österreich  YII  1888  S.  178  n.  28.  Byzantinische  Grabschrift  im 
Pflaster  einer  Hansflnr,  in  der  Nähe  der  Pnrsakbrficke:  ''Ev^a  x-(2)ard- 
x]^r-(3)e  2re^vo-(4)c  oevaropoo  (b)oetb^'AvBp-(Q)ioi},  —  Nach  Mordt- 
mann,  Hermes  XX  1886  S.  318  ist  aevardpou  nicht  als  Eigenname  zu 
fassen,  sondern  ==  Senator.  —  Emed  oder  Amed,  westl.  von  Tsehavdir 
(=  Aesani):  Mordtmann,  KE0£  XV  1884  S.  65  n.  8.  Ein  Grabstein 
mit  Brustbild,  unter  welchem  ein  Kreuz,  Kamm,  Spiegel,  Spinnrocken 
and  anderes  weibliches  Gerät,  enthält  die  schwer  zu  enträtselnde  In- 
schrift: Mav^[c  fUT]ä  [Tdi]v  rixvmv  M7^yo[iptX\fi  [p.7}T]p\  [/Av]3y/x[i7ff]  ;^d- 
[/>fv]?  —  n.  9:  Tixva  ndxp<p  xai  9sip  rt/iigv,  —  lolanta  (Ostabhang 
des  Ganestt-Dagh  =  Dindymus):  v.  Domaszewski,  Archäol.-epigr.  Mit« 
teil,  aus  Österreich  YII  1883  S.  186  n.  57.  58.  Grabsteine:  'Enupd-(2)v7}(: 
hu[a-('^)x67toi}  (4)  £Z»;'e-(5)w/o(;  und:  Mvrjp''(2)iov  8c'(3)a^epo'{4)v  Ed- 
y€¥[c'(5)oü  8tax[o\-(e)voü,  —  Orcistus  (Alekian):  Mordtmann, /f£<2>2 
XV  1884  S.  73  n.  48.  Die  Erben  (xXrjpoyopot)  des  Aur.  Antiochos  Papas 
und  ihre  fpdropeQ  ehren  ihren  Herrn.  Darunter:  9s(p  eö^^i^v.  —  Hie* 
rapolia:  Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1885  S.  346.  Aus 
den  wieder  aufgefundenen  »MS.  Inscriptions  collected  in  Greece  by  C.  R. 
Gockerell,  1810 — 14«.  —  n.  71:  Ebyivtoz  6  iM^earoQ  dp^tSedx(ovog) 
x{dt)  i^e(Tr{a^)  rou  äyeou  (2)  x(€u)  ivS6$oü  dnoaroXou  x(al)  ^eoXöyou 
0iXtnnou,  Augenscheinlich  war  Eugenios  Vorsteher  einer  dem  Apostel 
Philippas  geweihten  Kirche.  —  n.  73:  'Eni  roü  dytoo  f  re  xai  Beoaie- 
ßooQ)  (2)  dp^t&ntax(6n)o(o)  ijpMV  x(a«)  n(ar)ptdp^o{ü)  (3)  reuvaeou,  — 
Dorf  Keuaeli,  ungefähr  1  Stunde  n.ö.  von  Modele  (=  Motella):  Ho- 
garth,  Journal  of  hellenic  studies  VIII  1887  S.  396  n.  28.  Über  der  t  ee? 
Thfir  der  Moschee  eingemauert;  in  halbkreisförmiger  Anordnung:  f  7w- 
8(ixreä9VOQ)  dx'  fv^(vds)  a'*  eC'  «'•  dviarvj  xb  Boataar^ptov  im  Kupeaxoü 
70U  Beo^tXe(TT{dTou)  imox(67tou),  —  Buataarijpioy  ist  wahrscheinlich  das 
Sakrarium,  in  welchem  der  Altar  stand,  nicht  letzterer  selbst  Die  An- 
ordnung der  Zahlen  in  dem  Datum  ist  ungewöhnlich,  insofern  das  Jahr 
der  Indiktion  erst  nach  der  Zahl  des  Monats  und  des  Tages  folgt  = 
17.  Tag  des  l.  Monats  des  10.  Jahres  der  24.  Indiktion  =  (nach  der  Ära 
von  Konstantinopel  312  n.  Chr.)  667  n.  Chr.  —  Destemir  (nördl.  Ufer 
des  Mäander,  gegenüber  Dionysopolis):  Ramsay,  Journal  of  hellenic 
studies  IV  1888  S.  393  n.  13.  Auf  dem  Fragment  eines  byzantinischen  t  s&r 
Architravs  über  einer  Thür  im  Hofraum  einer  Moschee:  ""Eriet)  X'  r^c 
ßaatX(6taff?)  ^lownmavou  rotj  ebasß(püQ)  8e<m6(rou),  (2)  ''Epyov  Mt^a^k 
'^(^c)  8(totxijcs(üQ)  imaxonoüvroQ.     Zur  rechten  Seite  der  Inschrift  ein 

14* 


212  Griechische  Epigraphik. 

um  Erenz.  Datum  =  567  n.  Chr.  —  Suretlü:  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  407f. 
^  n.  24.  Eine  Fran  errichtet  fOr  [sich],  ihren  Mann  Diodotos,  ihre  Kinder 
<l^p]o[u]yeoQ  und  Tatia,  sowie  ihre  Sklavin  Rhodope  ein  Grabmal  mit  der 
Bestimmung:  fid^^P)'  ^^  ^^^  ^^  (3)  ^^  Bel^aat  ^7jal[iu'  (9)  [lerä  dk  zijv 
hfjJj[v  (10)  rekeurijv  oödevl  i-(ll)fov  kriptp  red^ve,  (12)  fidvov  r^  ßuya» 
rpe  fwü  7a-(18)r^.  El  rtg  dk  irepov  imiTsve[v-(l4)xe(y  iart  inixardpa" 
TOQ  napä  (15)  9ew  Iq  zbv  iwva.  Der  Steinmetz  hat  irrttkmiich  Z.  14 
vor  Z.  13  eingegraben.  —  S.  408  n.  25.  Grabmal,  neben  nnd  ähnlich 
dem  obigen,  sicher  aus  derselben  Periode,  wahrscheinlich  zn  derselben 
Familie  gehörig,  von  einer  Fran  errichtet  fOr  [sich,  ihre  Tochter]  Mel- 
tine,  ihren  Mann  Phrugios,  sowie  den  Phragios,  S.  der  Lnciana,  und 
eine  Sklavin;  hv  ^  xij8eü'(*!)B^{reT€  xal  ^  vu'{S)/jl}^  tou  ^pooyioo  (9) 
TariavT^^  sonst  niemand.  —  Auf  Mttnzen  von  Alia  wird  eine  Magistrats- 
person Phrugios  unter  Gordian  erwähnt.  —  Bria  (in  der  Nähe  von  Su- 
retltk  und  Garbasan):  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  407  n.  23.  Grabmalinschrift 
Aur.  Alexandros,  S.  des  Orellios,  errichtet  das  xuiujn^pwv  sich  und  sei- 
nem Weibe  Alypia.  —  Kaum  jttnger  als  4.  Jahrb.  —  Eumenia  (Ischeklü) 
und  Umgegend:  Paris,  BGH  YIII  1884  S.  234  n.  2.  Grabschrift  des 
Aöp.  £&To/]^c  'Epiw[u]^  inex^v  "EXe^,  EbpieveoQ^  Buleut  der  Tribus  "Adpia- 
vJc  und  eepeug^  auf  sich  selbst,  sein  Weib  Marcella  und  seine  Kinder, 
mit  Strafandrohung.  1)  —  Ramsay,  Journal  of  hellenic  studies  IV  1883 
S.  399  f.  n.  17.  Aur.  Prokla  errichtet  ein  Heroon  ffkr  sich,  ihren  Mann 
und  ihre  Kinder  Philippus  und  Paulina  /iv^ip:^^]  X^'P^-  ^  ^^  (^)  ^^^ 
ine^ip^ffee  (9)  &er\v€u  irepov^  (10)  £o]rae  abvfj}  Ttpbc  (11)  röv  Bebv  rbv 
(12)  C^i/Ttt.  —  S.  433  f.  Addenda  II.  Die  Inschrift  CIG  3902  <>  ist  von 
Hamilton  mit  vollendeter  Sorgfalt  kopiert  bis  auf  das  letzte  Symbol,  wel- 
ches er  durch  ^  wiedergiebt.  In  Wirklichkeit  ist  es  ein  X  mit  langem 
Yertikalstrich  und  soll  das  christliche  Monogramm  bezeichnen.  Die  ün- 
geschicktheit  des  Steinmetzen  zeigt  sich  auch  in  dem  Auslassen  einer 
ganzen  Zeile  am  Schlufs:     sl  [de  reg  intj^etpi^aee  BeTvcu]  Irepov ,   itnae 


1)  Die  Schiafsformeln :  i^rat  ain^  npbg  rdv  C&vra  0s6v  (Paris,  a.  a.  0. 
n.  2.  16.  18,  Ramsay,  n.  17.  18)  und:  itnai  abr^  npöq  rdv  9t6v  (Paris,  n.  [4.] 
17.  19.  20.  Ramsay,  n.  19)  werden  als  christlich  gelten  müssen.  Vgl.  Ramsay, 
a.  a.  0.  S.  401  (nach  Aufzählnng  verschiedener  christlicher  Strafiandrohnngen) : 
»These  ezamples  have  decided  my  opinion  ou  a  poiot  aboat  whicfa  I  long 
hesitated  —  many  inscriptions  In  central  Anatolia,  which  end  with  the  carse 
i^rai  abrifi  npbq  rbv  ^6v,  mast  be  reckoned  as  Christiane.  Anmerk. :  I  see 
that  M.  l'Abb^  Dnchesne  holds  the  same  opinion,  Rov.  d.  Qnest.  Hist.  Jnly 
1883  p.  31.  Bat  it  wonid  not  be  safe  to  assume  the  point  whitout  proof :  b 
^edg  and  i)  f^edg  are  common  in  pagao  Phrygian  inscriptions.  —  S.  434:  A 
fragmentary  inscription,  copied  by  a  Greek  latros  near  Phiiomelium,  confirms 
the  beiief  that  i^rai  abxtf»  npbg  röy  i9eov  is  a  Variation  of  the  pagan  carse 
introdaced  by  Christian  scruple.t  —  S.  435:  »Probabiy  the  formula  iarat  etc. 
came  into  nse  soon  after  200  A.  D.« 


-»  -  ^.^ — *-)"■. 


XL.  Tituli  christiani:  Phrygia.  213 

adr^p  TTphs  rbv  Xp(tffT6v),  Die  Inschrift,  die  sehr  wahrscheinlich  aus 
dem  3.  Jahrh.  stammt,  beweist,  dafs  ein  Christ  zu  jener  Zeit  Mitglied 
des  Rates  von  Eumenia  war.  —  S.  401  f.  n.  20.  Dorf  Dede-Köi.  Aur. 
Neikerös  ß'  errichtet  ein  Heroon  fOr  sich,  sein  Weib  und  seine  Kinder. 
Weiterhin:  'Ev&d8e  (6)  xexTjdeoze  Ahp.  (7)  Mdvvog  arpauatri^g  (8)  inneuc 
ffayeTTdp((o)^  (9)  8paxwväpi(o)g  i$  d^ex[e  -  {10)  ou  [=  ex  officio)  rou  kap.- 
npordroo  (11)  ijyepLovoQ  KaaTpio[o  (12)  KoivaravTog,  (13)  "öc  Äv  S^  im- 
-njSeo'iX^^aei  Irepo^^  iore  ay-(l6)[Tfi5  Ttpb^  rov  ßeöv].  Das  dem  Statt- 
halter der  Pacatiana  erteilte  Prädikat  Xaimpozarog  zeigt,  dafs  die  In- 
schrift jünger  ist,  als  die  Not.  Dign.  Hier  ist  der  Statthalter  ein  ^ys- 
fuov^  bei  Hierokles  (530  n.  Chr.)  ein  bnaxtxog.  Doch  ist  die  Inschrift 
nach  Ramsay  schwerlich  älter,  als  das  5.  Jahrh.  n.  Chr.  Statt  Mdwog 
Z.  7  ist  vielleicht  Mdxvog  zu  lesen.  --  A.  a.  0.  S.  400  n.  18.  Ebd.  Da- 
mas,  S.  des  Dioteimos,  errichtet  ein  Heroon  t^  pi^rpwvt  (Onkel  mütter- 
licherseits) Mvj'(A)rpod(üp(p  i7uax6n'(b)(p^  seinem  Vater  Dioteimos  und 
sich  selbst.  R  reg  Sk  im^^eepT/aee  (8)  BeTve  irepov  rtva,  ^'(d)aee  ig  rb 
rapecov  TtpoO' {10) reepou  ^  (=  di^vdpta)  ip\  El  xaxaippO'{\\)viiaei  toih 
rou,  iore  (12)  abz^  npbg  rbv  Zatvra  ßsov.  —  Paris,  BCH  VIII  1884 
S.  243  n.  4.  Ebd  Fragmentierte  Grabschrift  zweier  Brüder  mit  Straf- 
androhung, xupy^rripeov  =  Ruhestätte.  —  A.  a.  0.  n.  6.  Ebd.  Inschrift- 
fragment eines  Grabdenkmals  mit  der  merkwürdigen  Bestimmung:  "^Ere- 
p]ov  iSbv  l[aT'(4)ae  reBrjvat  [)ip-(5)pi^  xai  Tarcf,  (6)  npbg  To[ug  (7) 
ävSpag,  iäv  'n^[pa)'{B)ae  rbv  Seov,  ifo[w  -  (9)  <T«av  i^övraiv  [xal  (10)  t6x- 
vwv  aurafv  i- (11) nepßaXecv,  Waren  die  Frauen  noch  Heidinnen,  und 
sollten  sie  das  Beisetzungsrecht  nur  erhalten,  wenn  sie  Christinnen  würden? 
-  Bamsay,  a.  a.  0.  S.  401  n.  19.  Tschi vril;  vielleicht  zu  Attanassos  oder 
Eumenia  gehörig.  "Exoug  rlf  (=  249  n.  Chr.)  errichtet  Moschas,  S.  des  t  m* 
Ale8(80)an[dr]os,  ein  Grabmal  dem  Aur.  Ale-(5)sandros,  S.  des  Menekra- 
(6)te8,  xadtbg  iveT-{*l)etkaTo  iv  r^  Sea'(S)&i^xjj,  Et  rtg  8k  lTe'(9)pov 
ipßaXecy  Itnac  (10)  ctörtS  npbg  rbv  ßeov,  (11)  Tourou  dvHypa^ov 
d'{,12)neriSf^  lg  rä  dp^Ta.  —  Die  Inschrift  gehört  zu  den  wenigen  da- 
tierten christlichen  Inschriften  des  3.  Jahrh.  —  Paris,  BCH  VIII  1884 
S.  245  n.  8.  Ebd.  Fragment:  'Eni  rou  dp^t8tax6votj  'AXe^dv8pou,  d  = 
8.  -  S.  247  n.  13:  5^Jwv  ßrjpa  Xpiffroü.  Afl.  -  Paris,  BCH  VIII 
1884  S.  249  n.  16  Jakosoma.  Grabinschrift  eines  Mannes  auf  sich 
selbst,  seinen  Sohn  Alexandres  und  sein  Weib  Attalis,  mit  Strafandro- 
hung. Z.  16:  ouarau  ==  larae,  —  A.  a.  0.  n.  17.  Ebd.  Grabinschrift 
eines  Aur.  Tatianos  auf  seinen  Vater,  sein  Weib  und  seine  Mutter,  mit 
Strafandrohung.  Auch  hier:  xotp:f^[Ti^pt6]v.  —  S.  250  n.  18.  Ebd.  Grab- 
schrift eines  Mannes  auf  sich  selbst,  sein  Weib  Kod]x(oviavri  (?),  seine 
Kinder,  Eltern,  seinen  Bruder,  dessen  Weib  und  Kinder,  mit  Strafan- 
drohung. —  S.  251  n.  19.  Ulujaka.  Grabschrift  eines  Zenodotos  auf 
sich,  Weib  und  Tochter,  mit  Strafandrohung.  —  S.  252  n.  20.  Ebd. 
Desgl.  eines  Zenodotos  auf  seinen  Vater  Zenon  und  seine  Braut  Tatia, 


214  Griechische  Epigraphik. 

mit  Strafandrohung.     —    Sebaste   (Sevastle-Sedjikler;    vergl.  8.  134): 
Derselbe,   BGH  YII  1883  S.  456  f.     Grabinschriften  aus  Sedjikler: 

1 256  1)  des  T.  [nach  Ramsay,  Joorn.  of  hell.  stad.  IV,  411  ist  |T  durch  Li- 
gatur verbunden  =  NT;  Abbreviatur  von  'A]vT((uveo^)?]  Pollion,  navTo- 
ntüXrjtg  (Ramsay:  —itwXr^g)  auf  sich,  sein  Weib  und  seine  Kinder,  mit 
Strafandrohung:  iare  abrqi  npbQ  rbv  0e6v.  Datum:  iroug  zfi'  =  256 
n.  Chr.  2)  des  Kl.  Trophimos.  Strafandrohung  mit  gleichem  Schlufs  wie 
1),  nach  Ramsay,  a.  a.  0.  S.  412  deutlich:  itnat  und  S&6v,  —  Ramsay, 
Journal  of  hellenic  stndies  IV  1883  S.  402.  Die  Inschrift  GIG  3884  ist 
fälschlich  Eumenia  zugeteilt;  sie  gehört  nach  Sebaste  und  wurde  entwe- 
der nach  Ischeklo  verschleppt,  oder  es  ist  Pococke  ein  Irrtum  in  der 
Ortsangabe  untergelaufen.  Die  Konjektur  von  Franz  zu  dieser  Inschrift 
beruht  gleichfalls  auf  Irrtum.   —   Fepnza  (Yannik  Euren):  Derselbe, 

1 260  a.  a.  0.  S.  405  n.  21.  Dorf  Kilter,  ungefähr  1  Stunde  östl.  von  Y.  £u. 
^Erou<:  Tfie{  (=  260  n.  Ghr.).  Aur.  Asklepiodora  errichtet  ein  Heroon  für 
sich,  ihren  Mann  Aur.  Gaius  Eutyches  und  ihren  Sohn  Aur.  Quartus. 
£2  8*  izepöv  zig  in-{\^)taevivxet  €?[c]  r-(15)^  fivTjfieeov,  iare  [odjro) 
nphg  \Thv  BeSv,  —  S.  405 f.  n.  22.  Ebd.  Grabinschrift:  Tb  xoc/jjjT:^peov 
'Avaazaa^you  xk  r^g  (a)uvß7}oi}  aurou  xk  [r]5v  [r]ex-(2)vöv  cdtrou  f. 
'Exufu'Be  üß  8ouXog  rou  [Beou  ixet  -  -.  Weit  jünger,  als  die  vorige  In- 
schrift. ^  =  flr,  Y  und  V.  —  Ho^jalar  (an  Stelle  des  alten  Ty- 
mion,  eines  frühen  Sitzes  des  Montanismus?),  Dorf  der  Moxeani,  an  der 
Strafse  von  Pepuza  nach  Diokleia:  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  428  n.  38. 
umt2so  Grabinschrift:  Aöpr/Xeoi  (2)  laeog  xai  MTjVo^doQ  dnb  atTzparetatv^  (3)  not- 
8eg  Ahp,  AffxXä  0ao<noo  xa\  Adp.  (4)  Mpvrig  Elp7jva[to\i}  zbv  ß[(üf\iibv 
xa\  ttJv  (5)  xar'  abrou  aopbv  auv  rw  nepißShp  xot'{fi)v(bQ  xareaaxeua- 
aav  iauToTg  xac  (7)  raig  ywat^h  aöratv  MeaaaXE{vji  (8)  flanä  xal  Btuitha 
Eb^ivoo,  ^Qg  jAt^Sev}  (9)  iripip  i$e7vae  ineffsvsvxeTv  Jj  Bscvac  (10)  ^evov 
vexpbv  5  aopov^  /lövocg  yvi^alotg  (11)  :^/£a>v  rdxvotg'  ei  8i  rtg  birevavrtov 
iTotij[(Tet  (12)  ...  itrcat  aörtp  npbg  rbv  ßebv  (13)  xal  SoKTse]  zw  rofuiq) 
— .  Die  Formel  in  Z.  12  (vergl.  S.  212  Anm.)  zeigt,  dafs  wir  hier  die 
Inschrift  eines  Familiengrabes  zweier  christlichen  Soldaten  haben.  Wahr- 
scheinlich nicht  jünger,  als  250  n.  Ghr.;  auch  der  allgemeine  Gebrauch 
des  Pränomens  Aurelius  deutet  auf  diese  Zeit.  —  Hierocharaz:  Eine 
eigentümliche  heidnisch -christliche  Inschrift  s.  S.  137.  —  Hieropolis: 
Derselbe,   a.a.O.  S.  424fif.  n.  36.     Im  Innern  des  Durchganges  zum 

1 314/6  Männerbade  an  den  heifsen  Quellen  bei  H.  Kleines  Fragment  eines 
marmornen  Bomos,  vollständig  oben  und  links,  gebrochen  rechts  und 
unten.  Nach  der  Ergänzung  von  Ramsay  (S.  427):  Eig  *^Pwji7j[v  Sc  inep.- 
(pev  (2)  ifikv  ßaa[e]k^[av  d&p^aai  (3)  Kai  ßaatXtiT[aav  i8eTv  xpü(r6(r*(4)zo' 
Xov  ^p[üffoni8iXov'  (5)  jiäov  8^  et8ov  i[xeT  Xapnpäv  (6)  a^paY'St8av  e[/ovTo 
(7)  Kai  lupiT^g  ne[8ov  el8a  (8)  xal  äazea  nd[vza^  Niatßtv  (9)  Eu^pdzTjv 
8ea[ßdg'  7tdV'(10)zj^  8'  l^r^ov  <nfVo[7:a8oug'  (11)  ilduXov  lfy]wv  inölpyjv^ 
(12)  ny(Tzcg  [ndvzjj  8k  Tipo^ye  (13)  Kai  napißj^xe  [zpo^ijv  (14)  ndvzj^y  //Wv 


XL  Tituli  cbristiani:  Pbrygia.  215 

dn[6  TnjY^g  (15)  ilav/ieyeSTj,  xaB\ap6vy  8v  (16)  iBpd^aro  nap&d[voQ  äyvi^, 
(17)  Kae  rouTov  ine[Swxe  ^i'{l8)Xot[g  i]a[d^][etv  deä  Travrdc.  —  Bruch* 
stQck  der  metrischen  Grabinschrift  des  heil.  Abercius,  welche  der  Le- 
gende zufolge  nach  Anordnung  des  Heiligen  auf  einen  Altar  geschrieben 
werden  sollte»  den  der  Teufel,  welchen  der  Heilige  von  der  Tochter  Mark 
Aureis  ausgetrieben,  vom  Hippodrom  zu  Rom  hergetragen  hatte.    Der 
Stein  war  ursprünglich  ein  nahezu  viereckiger  Marmorblock.    Die  eine 
Seite  zeigte  nur  in  der  Mitte  einen  kreisförmigen  Kranz  und  ein  dem 
Rande  entlang  laufendes,  breites  Doppelband.    Die  anderen  drei  Seiten 
enthielten  die  Inschrift  in  einem  vertieften,  von  einem  breiten  Rande  um- 
rahmten Felde.    Leider  ist  nur  eine  Seite  erhalten ;  doch  bestätigt  unser 
Fragment  den  überlieferten  Text  in  den  wichtigsten  Punkten.    Die  Er- 
gänzung von  Z.  9  —  12  ist  zweifelhaft;  Z.  11.  12  sind  ausgekratzt;  von 
Z.  11  und  der  Schlufszeile  (18)  sind  nur  die  oberen,  von  Z.  12  nur  die 
unteren  Buchstabenreste  erhalten.    Die  getilgten  Zeilen  (Z.  11  läfst  sich 
der  Name  lldukov  herstellen)  mochten  eine  häretische  Anschauung  zu 
enthalten  scheinen.     Hier  hat  auch  der  überlieferte  Text  der  Legende, 
welcher  dem  5.  Jahrb.  angehören  dürfte  (vgl.  Ramsay,  Journal  of  hell, 
stud.  VIII,  473)  eine  Lücke.     Wahrscheinlich  entstand  die  Legende  im 
Thale  von  Sandüklü  und  wurde  von  einem  der  Gegend  kundigen  Schrei- 
ber verfafst.    In  Z.  12  ist  das  überlieferte  marig  8e  unhaltbar,  da  auf 
ersteres  Wort  ein  Vertikalstrich  folgt.    Akkusativendungen  der  3.  Dekl. 
auf  u  begegnen  häufiger  im  Spätgriechischen  (demnach  ßaaeX^av  Z.  2  = 
Akk.  von  ßaotXsug),    Einen  Abklatsch  stellt  der  Herausg.  gern  zur  Ver- 
fügung.   —    Kelendres,  in  der  Nähe  von  Hieropolis:    Derselbe,  a. 
a.  O.  S.  428  n.  37.     Die  metrische  Grabschrift  des  Alexandres  BGH  VI,  t  sie 
518  n.  5.  YII,  327  (Röhl  II,  152)  hat  am  Schlufs  von  Z.  4  den  Rest  eines 
r  oder  P,  der  Zusammenhang  erfordert  P.    Von  den  beiden  möglichen 
Ergänzungen:  ipavs[päv  und  ^velpiog  verdient  letztere  den  Vorzug,  da 
sie  sich  näher  an  das  kopierte  xaiptp  des  überlieferten  Textes  anschliefst. 
Das  erste  Distichon  ist  zu  lesen;  ^E\xXexx^g  7ro[^e]a;c  ^  noXei[Tyig  t\out 
ino{[rjaa^  Z<ov'  r[v*  i](aß  ^ave[pibg]  autfJLarog  iv&a  ^satv,  —  Strafse  von 
Sandtlklü  (vgl.  S.  138  o.)  nach  Ballük;   Steinplatte  an  einem  Brunnen, 
3  —  4  engl.  Meilen  von  Eucarpia  und  6  —  7  Meilen  von  Hieropolis: 
Derselbe,   a.  a.  0.  S.  424  n.  85.    M.  Ulpius  Nectareos  und  M.  Ulpius  1 121? 
Sabinus  ehren  ihren  Vater.   Die  beiden  Brüder  M.  Ulpius  müssen  unter 
Tngan  geboren  sein.   Der  christliche  Charakter  der  Inschrift  wird  ledig- 
lich durch  ein  Kreuz  unter  derselben   angedeutet.     Wenn   die   beiden 
Schlufsbuchstaben:  ea'  das  Datum  angeben,  so  stammt  die  Inschrift  aus 
dem  Jahre  121  n.Chr.    —    Encarpia:  Derselbe,  a.a.O.  S.  402.  Die 
CIG  3888  irrtümlich  Eumenia  zugeteilte  Inschrift  gehört  nach  Eucarpia. 
Ramsay  und  Sterrett  kopierten  den  Stein  nahe  bei  letzterer  Stadt,  32 
engl.  Meilen  von  Ischeklü  (Eumenia).  —  S.  429  n.  39.    Dorf  Maghajil 
(vgl.  S.  138  0.).   Grabinschrift:  Aöp.  deovoc'{2)aeos  7Tpeaß[u'(S)Tepog  C(ov  t4.jh.? 


216  Griechische  Epigraphik. 

xa-{4)Te4Txeuaü€v  (5)  rd  xoefjj^Ti^pC'(e)ov.  Elpi^vij  mUrt  (7)  toTq  dSeX' 
^o-(S)Tg.  Wegen  der  Bachstabeoformen  und  des  Aasdrackes  xoe/ij^T^ 
peov  wahrscheinlich  nicht  älter,  als  das  4.  Jahrh.  Die  Inschrift  gehört 
nach  Encarpia.  —  S.  429 f.  n.  40.  Ebd.  Grabinschrift:  Aöff^Xeog  (2) 
^AaxhpitdSTjj^is  (3)  inotr^aev  To[5-(4)ro  rb  *of/iuy[riy-(ö)/>fov.  Elpi}v{7j  ndajj 
rfj  d8el'(*J)f6T7jr\t'  xal  d[g  äv  (8)  [dvopu$ji^  xrX.].  Aus  derselben  Pe- 
riode, wie  die  vorhergehende  Inschrift,  gleichfalls  ans  Encarpia.  Der 
Friedensgrnfs,  welcher  sonst  allen  Vorübergehenden  geboten  wurde,  ist 
auf  die  Bruderschaft  (Ramsay:  xotvdv  rm  ddeXfotv)  beschränkt.  — 
Antiochia  Fisidiae  (Jalobatsch):  Mo|rJdtmann,  Archäol.-epigr.  Mittei- 
lungen aus  Österreich  YIII  1884  S.  198  n.  2,  nach  Abklatsch  des  Dr.  A. 
Schmidt,  ünterdirektors  der  ägyptischen  Douanen.  Reste  christlicher 
Distichen:  -- Wc  Ipyov  hjt  (2)--  Xoßouhat  (3)--  PO  ^porepiüv  ijvuae 
(4)  -  -  ^]eafio7T6Xwv  (5)  -  -  pdeBpov  dvdvrag  otas  (6)  -  -  pwv  f  ic  ^afpoug 
dya^recv  (7)  —  ipaXioug  npdrepov  f.  —  Korase;  »copy  given  me  in  Ak 
Scheherc  (Philomelium):  Ramsay,  Journal  of  hell.  stud.  lY  1883 
S.  434  f.  n.  43:  8c  dy  toütjj  T[g  (2)  aop<fi  xaxoepyia  (3)  X^^P^  (^)  ^^^' 
oeaec^  8(üa-(S)ee  r^  Sedi  Xoyoy  (6)  t^  /leXXovrt  x/>ä/-(7)v6/v  Ca;[y]raff 
xk  (8)  vexpoOg. 

Lycaonia. 

Yonuilar:  Rad  et  und  Paris,  BGH  X  1886  S.  503  n.  5.  Grabschrift 
in  barbarischem  Stil  und  Orthographie:  f  ^Avdnauffov^  (rip(te\  r^v  (2)  Soo- 
Xrjv  aou  Iwdvouv^  (3)  ndpopov  rä  nh/ieXi^-{i)pLaTa  rä  iv  yvoai  xk  iv  <i-(5) 
ptoc^  ab-n^g  ^y^Xd^ara.  —  CIP  =  *t^/o«€,  nXep^Xi^fiaTa  =  n^i^fi/ie^fiara^ 
yyöoe  =  yvwast^  ^Mpaza  =  ^kw/iara,  »Seigneur,  aie  piti6  de  ton 
esclave  Jeanne;  pardonne-lui  les  fautes  dont  eile  a  conscience  et  celles 
dont  eile  ne  se  doute  past.  —  Iconium:  Dieselben,  a.  a.  0.  S.  505 
n.  9.  Yerstümmelte  Sarkophaginschrift:  f  0Xdßtog  K6vw[v  (2)  drib  8o' 
fie(ntx(ü[v  (der  Rest  giebt  keinen  zusammenhängenden  Sinn).  —  Alibey- 
Köi:  Dieselben,  a.  a.  0.  S.  506  n.  12.  Abpi^XtoQ  Zooeou  errichtet  sei- 
nem Weibe  (rt«]vj^*0  '^ouro  xotfu^7jpi{o)v.  —  S.  507  n.  13.  Friedhof. 
Rechtwinklige  Stele  aus  sehr  junger  Zeit,  mit  byzantinischem  Kreuz: 
Abp.  Eiff(wpe'(2)xbg  ix[6&]/iiij'{B)asv  rayv  la-(4)wro5  i]rY6'(5)yijv  Äbw^r- 
(Q)[n]drev  fiV'{7)i^p.i^g  ^dpiv,  (8)  ^Bv&a  xaTd-(9)xiTe  Koimn- {10) drts 
&uj'dr'(ll)i^p  Mapxiavou.  —  n.  14.  Brücke  von  Ipischin,  auf  dem  Wege 
von  Alibey-Köi  nach  Apa.  Grabstein:  T<p  Ihi-i^ip  rmtpl  (3)  Mevd[^ 
(4)  *'/l&oc  7tp-{5)saßeTe'(6)poc  fiV'(7)i^fiijg  ;j^a-(8)/o^v.  —  Zwischen  Bl- 
masun  und  Zosta:  Dieselben,  a.  a.  0.  S.  509  n.  18.  Grabstele:  No[6]v' 
vog  (2)  xal  0baX6'{S)ptoc  ix6a'(i)p.i^aau  Ilatj'{d)kov  rbv  fm-(Q)pTüpa^ 
(7)  piyyjprjg)  /(c^rv).  ~  Zosta  (wahrscheinlich  =  Lystra):  Dieselben, 
a.  a.  0.  S.  511  n.  25.  Moschee.  Grabscbrift:  Obpfid^^iv  ix6ff'(2)fiij<fBv  6 
7ra-(3)r^/o  abrou  E'{A)bypd^tog  8i8d'{6)ffxaXog  fivifiii^'{6)g  X^^^  t«  ~ 


XL.  Titnli  Christian!:  Phrygia.   Lycaonia.  Galatia.   Paphlagonia.    217 

Bin-Bir-Kilisseh:  Dieselben,  a.  a.  0.  S.  512  n.  30.  Grabschrift  in  den 
Klosterruinen  s.w.  vom  Dorfe.  Ich  lese:  Aunj  ^  xaTuxü'(2)(ni[c]  /low 
jjc  iov-(3)a  icvog  ode  (4)  xaruxuffo  aön^[v  =  ASn^  ^  xarotxfjatQ  fAou* 
e/c  aiaßva  aiwvog  ^8s  xaroixijaw  a^n^v.  —  Obwohl  die  Inschrift  in 
handgreiflicher  Weise  dem  christlichen  Fondamentaldogma  von  der  Auf- 
erstehung der  Toten  widerspricht,  glaube  ich  sie  doch  wegen  des  Aus- 
druckes: ih  aiwva  aiwvo^  (vgl.  e/c  aloßwx  alwvo^  Rom.  16,  26,  eh  '^obg 
alwvag  raiv  alwvwv  Phil.  4,  20.  Hehr.  13,  21  u.  a.)  als  christlich  in  An- 
spruch nehmen  zu  müssen.  —  n.  81.  Grabschrift  in  denselben  Kloster- 
ruinen: t  ^EuSdde  xa- {2)  taxiere  (=  xardxeerai)  ^  I!T-(S)e^dvoü  M^jyoc^ 

(4)  ^apouad  nore  (5)  fVfjv [0\eßpoü  — ?  —  Xapoooa  =  Part.  Fut. 

von  x^P^-  ~~  Ambararas:  Dieselben,  a.  a.  0.  S.  614  n.  36.  Grab- 
schrift: K{upi)e^  ßo-^Bt  '/(udvvou  (2)  xal  /lerpou  (npdropog  (3)  xa\ 
Tatpaotou.  Vpr/fv^v  (=  ElpijVTiy)  aÖTocg.  —  Zrpdrwp  Z.  2  =  equorum 
curator. 

Galatia. 

Dorf  Holanta,  4  Kilom.  von  Germa,  auf  dem  Wege  nach  Pessinus: 
Ramsay,  BCH  VII  1883  S.  24  n.  15.  Felstrttmmer  in  der  Nähe  des 
Dorfes  mit  der  (jüdischen?)  Inschrift:  Mv^fia  ehp[bv  --J^oc  'Id[x\to[ß]oQ{J) 
Elaxwß  —  voe/  d^va  —  xe  'EffBijpag.  —  Brunnenstein  auf  dem  Wege 
von  Angora  nach  Pessinus  und  Dorylaeum,  ungefähr  3  Stunden  westl. 
vom  Dorfe  BalkoKmdschi:  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  22  n.  II.  Bauinschrift:  t  &79 
^ E\rskita>B7j  zh  Spyov]  in\  roh  SaewrdTw  ineffxönou  UauXou,  Jö^a  <toi^ 
Xp(un)i.  Der  einzige  Bischof  dieses  Namens  von  Ancyra  fungierte  im 
zweiten  Jahre  der  Herrschaft  Tiberius  IL,  579  n.  Chr.  —  Ancyra  (An- 
gora): Derselbe,  a.  a.  0.  n.  10.  Stein  im  Fufsboden  eines  provisorisch 
von  dem  britischen  Konsul ,  M.  Tatheral,  bewohnten  Hauses  mit  Grab- 
schrift auf  den  am  13.  Januar  der  12.  Indiktion  verstorbenen  Soukog  roü 
Se(ou)  jivvaardffeg.  —  Vefes-Kiöi,  zwischen  Ancyra  und  Samsun: 
V.  Domaszewski,  Arch.-epigr.  Mitteil,  aus  Österreich  IX  1885  S.  131 
n.  100.  Grabstein:  f  (2)  *Kv^a  *o - (3) rdx^re  ^  (4)  8ouXrj  (5)  rou  8(eo)ü 
S'WeoScjpa.  —  Tavium:  Ramsay,  BCH  VH  1883  S.  27  n.  19.  Brun- 
nenstein aufserhalb  der  Stadt:  ^Ev]Ba  xaTdxer[e]  6  8ouXog  rou  0{eo)u 
davti^X,    Der  Eigenname  Daniel  war  bei  den  Christen  gebräuchlich. 

Paphlagonia. 

Sinope:  Mordtmann,  KE0I:  XV  1884  S.  48.  Zu  CIG  4158  und 
Add.  1114  =iLebas-Wadd.  1812.  Eine  Abschrift  des  G.  Lanaras  in  Si- 
nope zeigt  Ober  der  Inschrift  drei  Kreuze;  Z.  5:  6YAAAIOIO  und  in 
der  Schlufszeile  CO0IHC.  Die  von  Xanthopulos  oberhalb  der  Inschrift 
gelesenen  Schriftzttge  gehören  nicht  zu  derselben,  wie  schon  Kaibel  be- 


218  Griechische  Epigraphik. 

merkte,  und  fehlen  bei  Lanaras.  Die  Inschrift  scheint  aus  dem  5.  Jahrh. 
n.  Chr.  zu  sein.  —  lonopolis  (Ineboli):  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  74  n.  55. 
Dürftige  Inschriftreste:    --a  SLytt. 

Pontus. 

Trapezus:  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  75  n.  1.  Zuverlässigere  Abschrift 
der  Annali  1861  S.  178  n.  l  mitgeteilten  fihreninschrift  auf  den  König 
Komnenos  Alexios,  der  als  marh^  'Ewas  ^«z^  lieparcag  ävat^^  (2)  Ko/ivi^ 
vhg  'AU^tog  iv  X(ptüT)oj  /leyaQ  iu  sechs  iambischen  Senaren  gefeiert  wird. 
—  S.  76  n.  2.  Berichtigte  Lesung  einer  a.  a.  0.  S.  170  n.  2  veröffent- 
lichten metrischen  Grabschrift:  Kwuaravrivou  nd^uxa  Aooxtrou  rd^oc» 

Cappadocia. 

Comana  Cappadociae  =  Hieropolis  (Char).  —  Wad  ding  ton, 
BGH  VII  1883  S.  140  n.  25.  Gesims,  vielleicht  ThUrbogen,  mit  der  sehr 
fragmentierten  Inschrift:  Aurrj  fj  nuhj  vou  Kupeow  Sixatoc  eIaeX]e6oovTe 
iv  adT[^.  —  Ps.  118,  20.    Vgl.  S.  220  unter  Kasr  Verdau  n.  1  und  3. 

Lycia. 

Sidyma.  *  Benndorf  und  Niemann,  Reisen  in  Lykien  und 
Karien.  Wien  1884.  S.  80  n.  61.  Sarkophagfragment:  f  Touro  [tu  fivij^ 
fxecov  xaTsaxeudffaro  (2)  (feayev[i^g . 

Pisidia  et  Isauria 

[Antiochia  Pisidiae  s.  unter  Phrygia  8.216.] 

Andeda  (Andia).  —  A.  H.  Smith,  Journal  of  hellenic  studies 
VIII  1887  S.  255  n.  38.  Altarinschrift:  f  '^^u  äyiou  Koaravrevou  -f  (2) 
xk  reg  äyiag  'EXiveg.  (3)  E^x^  0tUno(u)  f  [Ä']o/Afiv(/)o«.  (4)  ^'[w.  — 
Vgl.  GIG  8742. 

Cilicia. 

Seleucia:  Gardner,  Journal  of  hellenic  studies  VI  1885  8.362. 
Aus  den  wieder  aufgefundenen  >MS.  Inscriptions  collected  in  Greece  by 

C.  R.  Cockerell,  1810— 14t.  —  n.  177;  a:  t  'cono[g .    b:  Grabstein 

des  Kopiates,  S.  des  Ari[sa]menes;  Z.  4  wohl:  dvldaraaig.  —  n.  I79a: 
Grabmal  (^x7j)  eines  Thom[as.  —  n.  I80b  drei  Monogramme;  wohl: 
feajpyeou^  AvSpeofj^  Iwdvvou.  ~  Corycus:  Duchesne,  BGH  VII  1883 
S.  234—246  veröffentlicht  eine  beträchtliche  Zahl  Grabschriften  aus  der 
Nekropole  von  Korykos,  von  welchen  hier  nur  die  unzweifelhaft  christ- 
lichen Ursprungs  angeführt  werden  sollen  (vgl.  die  kurze  Fundnotiz  Röhl 


XL.  Titali  christiani:    Pontus.    Cappadocla  etc.    Gilicia.  219 

II,  153).  —  I.  S.  238  f.  n.  24:  f  'Eaur^  rdv  rdupov  Ttotfjtra^^  dra^tav  (2) 
ToÜTov  ev ,  .(üv  xa}  nph  fMfffjQ  sbatßmv,  (3)  ^0  yhp  Su(r{a)8ß<ov  xal 
CÄv  ^Sjj  riBoTTZS'  (4)  äyviög  ßtmaov  xal  rov  rd^ov  fcareZ^g^  (5)  ocxov 
yhp  Seou  aiaurbv  iriXeaag'  (6)  divaou  ipu}Q  [tcü  ba'^M*}^  iJxTi^tfa/ißv. 
Daraoter  das  Monogramm  des  Verstorbenen)  —  S.  239  n.  26:  Jf^  ^QSe 
xüfie  (=  xetfiae)  Kwffrdvrcog  npbg  iirjrpbq  nXeophv  (2)  ^loüMav^g*  olxov 
Sk  TOUTOV  idojpyjaarö  fiot  (3)  narijp  Jeovuatog^  ßdaxavog  8e  reg  dipijp» 
ncurev  (4)  iy  ßporibv  ....  8b  .  novoug  navpl  ola  xX7jpov6-{h)iJuoQ  ijjLÖg,  ~ 
IL  Sarkophaginschriften  mit  dem  Präskript:  f  d6$a  aot  (n.  41:  m)\  6 
ßeöCt  ^  (Q-  41:  ^)  pLOVOQ  dddvarog:  l)  S.  242  n.  37  eines  la}(dv)voü  dp- 
/jLsvopd^ou  und  seines  Bruders  Stephanos;  2)  S  343  n.  38  zweier  [dp]p.£' 
vopd^[o]e^  deren  einer  ein  ni]TpoQ\  3)  n.  41:  Ilo/iaro&exi^  Sea^epoutra 
ilerpoü  xahyaptou  xk  reg  abrou  ya/jisrlg  9eo86pag\  4)  S.  244  n.  46  eines 
Sspytou  ktvoizd)(Xo(j)  xpiVT^g  (?)  xal  ^Iwdvvou  voraptou;  6)  S.  246  n.  48 
eines  ^Iwdvyou  Btxia  xai  Koap.ä  Xa^avonwXou  xal  rwv  ahra^v  xkf^povö- 
pLiüv\  6)  S.  246 f.  n.  61  eines  Mapä  olve/in6pou\  7)  S.  246  n.  63:  Zoipa" 
ToBcxt  Ebara^eou  ikeon6[Xou.  —  III.   Grabschriften  von  Kircfaenbeamten: 

1)  S.  235  n.  12   eines   Presbyters   TtopoOpou  (?  vielleicht:    Zw7toupou)\ 

2)  S.  286  n.  13  eines  Presbyters  Mi^vä  0wtivoo\  3)  n.  14  eines  Presby- 
ters lofdvvou  und  eines  Diakonen  üspytau;  4)  n.  15  eines  Diakonen  Jeu- 
xfou;  6)  S.  237  n.  16  eines  Diakonen  Jwpo&eou;  6)  n.  17  eines  Diakonen 
Nemvog  und  seines  Weibes  (yap.ijr7jg)  Kofifjrriai^g;  7)  n.  18  eines  Diako- 
nen ÜTS^dvoü^  uloü  ^Eopraatoo  Kav8ßou\  8)  S.  238  n.  20  eines  Eüzuj^too 
9ipoü{pou)  [=  Bupwpou]  r^g  dytaig  r)o5  Stou  ixltaiag,  —  IV.  Grab- 
schriften von  Kirchenbeamten,  die  zugleich  ein  Handwerk  ausübten:  l) 
8.  285  n.  10  eines  Presbyters  und  /puffo^oog  mit  verstümmeltem  Namen ; 

2)  0.  11  eines  Presbyters  und  xepaßdog  IlauXou  K6vovog\  3)  S.  237  n.  19 
eines  *I<udvvou  lmo8tax(6voü) ,  Xevo^ou  (=  ^vo$6oü)  mit  dem  Präskript: 
f  X(pear)ey  6  debg  f)p[<o]v^  6  ß(eor6)xou  6<og  {=  ulog)^  xaraax[eü]a. 
NO  .  .  HAC  ^voLTov  ^eaewv  (=  ßof^&dcjv?)  tcjv  rou  8ouXo[u]  ffou.  — 
V.  Grabschriften  von  Handwerkern  und  Gewerbtreibenden,  als  christlich 
kenntlich  durch  vorgesetztes  Kreuz:  1)  S.  238  n.  21  eines  'Poufiavou  xo- 
mdroü  xan/Xou;  2)  S.  240  n.  26  eines  Uaßßar/q)  ipYo86Tjj  xepapi  (Dat.); 

3)  n.  27  eines  (l)(odyvou  Saxxä  xepapeog,  ueiou  EbBufjJou  2axä\  4)  n.  28 
eines  Sepyiou  ^laidvvou  'HpaxXkoi}  xep(a)pda}g;  6)  S.  241  n.  29  eines 
rewpyeoü  oloo  'Pdvvou^  rijv  r^x^v  xepctpeog;  6)  n.  30  eines  Eu^/iiip 
dnwpondtXji  (Dat.);  7)  n.  31  eines  neptyevtm  ^aXxdog;  8)  n.  32  eines 
*Ekm8eou  ^aXxiog;  9)  n.  33  eines  Iwdvvou  xoLX[xd<og];  10)  S.  242  n.  34 
eines  'loßdvvoo  ^aXxorunou  olou  K6)fiüVog  xai  Ebro^rj  xal  Kuptaxoü;  11) 
n.  35  eines  "/icvä  xal  leaipyho  [ab^pap(iüv\  12)  n.  36  eines  'Ama\foü 
abpaphx}  und  seiner  Kinder;  13)  S.  243  n.  39  eines  Tapaffiou  tvtopd^ou 
(=  ^10 ')\  14)  n.  40  eines  NtxoXld'loi}  xakrapioo  ^Axoka}vä\  16)  8.244 
n.  42  eines  'Iwdwou  dBwveaxou^  ulou  2rB^dvoo\  16)  n.  43  eines  Eb8a('' 
fiwvog  ulcj  0<ifT{vo}  'EyuTrre'w  xal  oBoivcaxw;    17)  n.  44  eines  'HXca  df^o- 


220  GriechiBche  Epigraphik. 

veaxou;  18)  n.  46  eines  AeovTtou  üerpou  .  ..TT6PAATINOY  (=  ip/a- 
nvou?)  Tcjv  Bd^^oü  kvon((ljXoü)\  19)  S.  245  n.  47  eines  reiopytoü  ipe- 
oupyoo  x€u  letupyiag  ;'a;*[«T^ff]  oöroD;  20)  n.  49:  9^xi  ScoL^epovra  feop' 
yiou  KOproü  xaneXou;  21)  n.  50:  ZofiaToBixrj  ^Aßpimpdou  oivefinopou;  22) 
S.  246  n.  62  eines  *Au8pea  Ilerpou  iXeomuXou;  23)  n.  54:  Hoß/iaroBtxi 
Sea^epoutra  ßewdouXou  ^puffo^6(o)u;  n.  55:  2Vü(=  0eü)^eXou  ^püffo^^6oü\ 
25)  S. 238  n.  22  (Lesung  unsicher):  K6v(ov)oc  AYTTiriMONAZONTOC 
xa\}  Mapiag.  —  Aufserdem  S.  234  n.  7:  ämaSiou  tou  ßouXeuTou;  S.  238 
u.  23:  T^g  [i]xxXi^<reag,  ->  Fompeiopolit:  Mich  eil,  Academy  1885 
n.  673  S.  229.  Kreisförmiger  Stein  mit  Bauinschrift,  gefunden  in  Mer- 
sina,  1  Stunde  östl.  von  Pompeiopolis :  'Eni  0X{aootou)  'Iwdvvou  (2)  too 
pLeyaXo7:pe{ns(rcdTou)  xal  (3)  neptßXißnrordrou)  x6fi(7^rog)  xal  äp)[0V'{A) 
roQ  ^ptcjv  x(a})  Zi^vwvog  (5)  roü  Xap.7tp{oTdTou)  x6p.(i^Tog)  x{a})  ndrpijjtH 
v)og  (6)  ro  näv  ipyov  yeyo'(1)vev  iv  Xp(iar<p)  p'  IvS(exTta}Vog), 

Syria. 

Katr  Verdan  =  »Riesenschlofsc,  Ruine  von  Eisa  in  der  Richtung 
nach  Thadmor,  ungefähr  3  Stunden  von  Hama  entfernt:  Mordtmann, 
Archftol.- epigr.  Mitteil.  aus  Österreich  YIII  1884  S.  191  f.  n.  32  (»nord- 
syrische Inschriften,  von  einem  deutschen  Offizier  in  türkischen  Diensten 
vor  langen  Jahren  kopiert«).  Von  drei  grofsartigen  Gebäuden  sind  zwei 
noch  ziemlich  wohl,  von  dem  dritten  nur  noch  Mauerreste  erhalten. 
1)  Ober  der  Thür  des  ersten  Gebäudes  zu  beiden  Seiten  einer  Rosette: 
f  Au[t]ij  ^  nuXij^  §v  —  inoty^aty  b  K(6pto)i'  (2)  \S]ix€uo[i\  Bla[B\k  —  e6- 
001/r'  iv  ab{r^.  Ungenaue  Wiedergabe  von  Ps.  118,  20.  2)  Über  der 
t  &«4  Thttr  des  schlofsähn liehen  zweiten  Gebäudes  zu  beiden  Seiten  eines  Qua- 
drates und  eines  darunter  befindlichen  Kreises  mit  Kreuz:  f  '£V  iiij^yl) 
NoEfißp(t(p)  lv[S].  —  ty'  TOU  ^üw'  irc\pg  und:  +  /Idvra  ei — c  So^av 
ß(eo)u.  Das  Schlofs  ist  demnach  in  dem  mit  dem  1.  Sept.  564  beginnen- 
den Jahre  erbaut  3)  Über  der  Thttr  eines  Hauses:  j  iu  aörg*  dfup^. 
t&96  Zu  ergänzen  nach  1).  —  Hama:  Derselbe,  a.a.O.  S.  192.  Nach 
Makridy  Bey  ist  das  Datum  der  von  Tyrrwhit-Drake,  Unexplored  Syria 
mitgeteilten  Inschrift  von  der  griechischen  Muttergotteskirche:  6T0YC 
2rh  =  907  Sei.  =  596  n.  Chr.;  welches  in  der  That  der  14.  Indiktion, 
1 599/40  die  daneben  genannt  ist,  entspricht.    —    Mikiater  el  chwar:    Der- 


selbe, a.  a.  0.  n.  33:  XMF  [A(^/>O^J  ßo'(2)^Bt  TOU  8[oU'(B)kou  aou 
0W'(^)8eav(?).  (1  to)  f  ""Etouq  (2^)  avaß'  lud,  j  (=  1.  Sept.  589—640 
n.  Chr.).  (3^)  7(jy(yo5;)c  X{pt<no)Q.  Über  >Q5^  vgl.  MDAI  VI,  126.  — 
nach  100  Palmyra:  Abamelek-Lasarew,  Palmyra.  Eine  archäol.  Untersuchung 
u.  s.  w.  (Russisch).  Petersburg  1884  S.  40*  Grabschrift:  Mo\tTio\>  tou 
ZaßlßaJou  dpxtepiwg  (2) 'nd'\vrvi}V  ^p(urrcava9v)  iv  Naßa[Ta/qL,  (8)*£]toüc 
y.  u\  'ApTefieffeou.  —  Die  Inschrift  ist  jünger,  als  90  n.  Chr.,  dem  Jahre 
400  der  seleucidischen  Ära.    —    Dtch&tim  (Hauran):    Mordtmann, 


XL.  litttli  christiani:    Cilicia.    Syria.  221 

Archäol.^epigr.  Mitteil,  aas  Österreich  VIII  1884  S.  181  n.  3.  Clermont- 
Oannean,  Revue  arch.  IV  1884  S.  264  n.  3.  Oberschwelle  einer  an- 
tiken ThOr:    f  K(Opt)e  1(i^<ro)u  X(pe<n)e,  iUrjaov  näaav  r^v  (2)  yeytäv 

re5(v)  [Kreaz]  repovrhw  (3)  dfii^v,     K{upt)e^  ^u^a$ov .    —    Barin: 

Glermont-Oanneau,  a.  a.  0.  S.  280  n.  45:  f  rewpytog  b  &h\Xoxi^\xh(: 
(oder:  eh\atßiina\Toq)  dvayvtüffl'njg,  —  Dekir:  Derselbe,  a.a.O. 
S.  276n.  31.  Fragment:  9£<S  äym  Md^tfwg,  —  Reima  (Rimea):  Allen, 
Greek  and  latin  inscriptions  from  Palestine  (Separatabdruck  aus  dem 
American  Journal  of  philology  VI  1885  n.  2),  S.  24  n.  59.  Grabstein 
eines  MapTsTvog.   —   8.  25  n.  60:  l^fßug.    —   Krdje  (vgl.  Wadd.  1962 

—  1968):  Mordtmann,  Archäol.-epigr.  Mitteil.  VIII  1884  S.  186  n.  14. 
Bei  dem  Grabheiligtum  Nebi  Juscha's  in  einer  Mauer:  f  ^Tnkp  aoTS'(2) 

p(e)ag    oAtou    x(al)    dv{a)'{S)7:a6a{£iOQ)    yoviov    (4)   x{a\) .     — 

Bottra  (Bosra):  Glermont-Ganneau,  Revue  arch.  IV  1884  S.  274 
n.  24.  Stein  mit  Bauinschrift:  'Eni  rou  iieyahrnp^enoug)  xofiiTQrog)  'Hao' 
X^oUf  ^y[e/H6vog  xa\l]  aj^o^Xaortxov)  ixT^oBij  dnb  fiepe^ecjv  rb  ^yet^xtve- 
xbv  npanwpiov,  x6fJi{7^Tog)  na[v]Xafi7Tp(oTdTou)  x[a\l  no[ke]TetJO/JLevou  int' 
fieXou/iivou^  iv  MexT(ta}ve)  ty'  iroug  T7ts\  —  Allen,  Greek  and  latin 
Inscr.  (s.  0.)  S.  19  n.  42.  Grabscbrift  auf  die  18jäbrige  *0(TeS[d\B[ij]  mit 
dem  halb  erloschenen  Monogramm  X-  —  Umm  el  Dtohemal:  Der- 
selbe, S.  21  n.  48.   Grabschrift:  Kaioufiog.   (2)  KXaudtavbg  (3)  dd£^}(<p6g, 

—  Gerata:  Derselbe,  a.a.O.  S.  8  n.  16;  zuerst  nach  Dieterici's 
Kopie  (1850)  heransgeg.  von  Boeckh,  Monatsber.  der  Berl.  Akad.  1853 
S.  23,  dann  von  Eirchhoff,  CIG  IV  8654.  Seitdem  drei  weitere  Ab- 
schriften in  dem  Quaterly  Statement  of  the  English  Palestine  Explora- 
tion Fund:  1)  Girdlestone  (1860),  Statement  1883  S.  198,  2)  Nor- 
they  (1871),  in  Minuskeln  Statement  1872  S.  70,  3)  Conder  (1882), 
Statement  1882  S.  219.  Dem  neuesten  Herausg.  stand  als  fünfte  eine 
Abschrift  von  Merrill  (1876)  zur  Verfügung,  die  von  allen  die  beste 
ist  and  auf  grund  deren  die  Inschrift  mit  kritischem  Apparat  wiederholt 
wird.  Der  Anfang  lautet:  t  Kupeaxbg]  Söfiog  ei/il  dsBXo^dpou  ßeodw- 
poü  f  I  fidprupoQ  dßavdr[ou  — .  Das  Datum  der  dann  folgenden  Bau- 
inschrift ist  der  5.  Mai;  die  Indiktion  ist  schwer  lesbar.  Der  Rest  wird 
von  dem  Herausg.  American  Journal  of  philology  VI,  525  gedeutet :  x{ae) 
dv^Xfiev  rd  bTt^vepBev.  —  S.  10  n.  17.  Zwei  Fragmente  der  metrischen  f  602 
Inschrift  (vier  Hexameter)  einer  Kirche  des  —  00  ßeoeeSeog,  von  der 
bisher  zwei  Abschriften  vorlagen:  Beide  Fragmente  Conder  (1882), 
Quaterly  Statement  1882  S.  218 f.;  sehr  unvollkommene  Kopie  des  zwei- 
ten Girdlestone  (1860),  Statement  1883  S.  108.  Allen  giebt  beide 
Fragmente  nach  einer  neuen  Abschrift  von  Merrill  mit  den  Varianten. 
Nach  der  metrischen  Inschrift  folgt  die  Bauinschrift:  Xdpere  t[o]ü  ß(£o)ü 
iBejjLsXuoBfj  [---  xat  ij\  Bbpa  iv  M[a]up  r^g  e'  [ivd.]  rou  &v^'  irloug. 

Das  559.  Jahr  der  Ära  von  Gerasa  entspricht  nach  der  Kombination  des 
Herausg.  dem  Jahre  602  n.  Chr.  (vgl.  S.  188  u.)'  —  S.  ll£f.  n.  20.    NeuQ 


222  Griechiflche  Epigraphik. 

Kopie  der  langen  metrischen  Inschrift  CI6  8655.  —  Batta»  zwischen 
Tyrus  und  Akka:  Mordtmann,  MDAI  X  1885  S.  I7l  n.  10,  nach  Ab- 
klatsch des  dänischen  Vizekonsuls  Loytved  in  Beirut  Oben  zwei  sich 
gegenüberstehende  Widder,  zwischen  denselben  ein  Kreuz;  darunter: 
t  ^Enl  Tou  iv8o$(oTdTou)  (2)  Zwüou  [(T]Tpar7^X{dTou)  (3)  xal  roü  Bioae' 
ß(e(ndroo)  (4)  Taßax.  Maxapeou  (5)  x(au)  Xomwv  d8eX^{oiv)  (6)  x{a}) 
'dxukevou  np(e<rßüTepou)  ix[TeffBy^  (7)  r^  r^ptßärov.  —  »Das  abgekürzte 
Tabak—  scheint  irgend  ein  Amt  zu  bezeichnen.!  —  Kana  in  Oalilaea: 
Diehl,  BCH  IX  1885  S.  33 ff.  Vgl.  /leXziov  n.  428.  Unter  den  Ruinen 
der  Kirche  der  Panagia  auf  der  Stelle  des  alten  Elateia  in  Phokis 
fand  Paris  eine  grofse  Platte  von  grauem,  weifsadrigem  Marmor,  2,33  m 
laug,  0,64  m  breit,  0,33  m  hoch.  Eine  der  Schmalseiten  trägt  in  jungen 
SchriftzOgen  die  Inschrift:  f  Outoq  ianv  (2)  b  XiBog  dnb  (3)  Kam  r^c 
/a- (4)  A^^iaff,  3nou  (6)  zo  uS<op  otvov  (6)  inoev^aev  6  A\upto)g  (7)  ijpcjv 
l{Trjaou)g  X(pt<rc6)g  f*  —  ^^r  Herausgeber  möchte  den  Stein  für  iden- 
tisch halten  mit  dem  »lit  sur  lequel  le  Christ  se  coucha  au  repas  des 
noces,  et  qu'au  VI°i»  si^le  encore  on  montrait  ä  Canac,  wie  aus  einer 
Stelle  des  Antoninns  von  Piacenza,  Itinera  latina  I,  93  hervorgeht: 
»Deinde  venimus  miliario  3  in  Canan,  ubi  Dominus  fuit  ad  nuptias,  et 
accubuimus  in  ipso  accubitu,  ubi  ego  indignus  parentum  meorum  nomina 
scripsic.  Von  der  letzterwähnten  Inschrift  des  Antoninus,  der  im  7.  Jahr- 
hundert Palästina  bereiste,  finden  sich  noch  Reste  auf  der  Oberfläche 
des  Steines  (a.  a.  0.  S.  36),  welche  der  Herausg.  ergänzt:  f  JUvT/ff&jjn^ 
Kupee^  TOU  narpög]  xal  i^c  p^rpoQ  fiou  *Avt<ovivou  f.  An  der  Herkunft 
des  Steines  aus  Kana  kann  somit  schwerlich  gezweifelt  werden.  Vor  der 
persischen  oder  arabischen  Invasion  mag  irgend  ein  frommer  Christ,  viel- 
leicht gar  ein  byzantinischer  Kaiser,  diese  kostbare  Reliquie  gerettet 
haben.  Die  Schriftcharaktere  gehören  dem  6.  oder  7.  Jahrb.  an.  Der 
Stein  wird  daher  ohne  Zweifel  zu  Anfang  des  7.  Jahrb.  von  seiner  ur- 
sprünglichen Stelle  weggeschafft  worden  sein.  Die  Kirche  der  heiligen 
Jungfrau  in  Elateia  scheint  eigens  zu  dem  Zwecke  der  Aufnahme  der 
Reliquie  erbaut  worden  zu  sein.  Dorthin  gelangte  der  Stein  .sicherlich 
über  Byzanz.  Vielleicht  wurde  er  von  hier  nebst  einer  grofsen  Zahl 
anderer  Reliquien  von  einem  der  kleinen  griechischen  Territorialfürsten 
gefluchtet,  als  die  Kreuzfahrer  1204  die  Stadt  eroberten.  Jetzt  befindet 
sich  der  Reliquienstein  in  Athen,  wo  er  bei  den  Vermählungsfeierlich- 
keiten des  griechischen  Kronprinzen  mit  der  Prinzessin  Sophie  von 
Preufsen  am  27.  Sept.  1889  eine  Rolle  spielte.  —  Emmant-Nicopolit: 
Clermont-Ganneau,  Revue  crit.  1883  n.  37  S.  192f.  Bei  den  Aus- 
grabungen in  den  Ruinen  der  Basilika  von  Amwas  (Emmaus)  wurde  u.  a. 
ein  Mosaikpflaster  zu  Tage  gefördert  mit  der  sehr  verstümmelten  In- 
schrift: t  *^^^  ^ [i7tca'{2)x67:oü  et [ifnij'(B)^afffeoQ  fy — .    Zwei 

Fragmente  von  weifsem  Marmor  tragen  die  Inschriftreste:    —dpog  xa} 
(2)  -  -  papx  "  •  (3)  -  -  Ttäffa  -  -  (4)  -  -  evn  -  -  und :    t  'Ev[Bdds  xetrac?  -  -  (2) 


XL.  Titali  christiani:   Syria.    Aegyptus.  223 

jf(a2)  ütb[Q  --(3)--a--.  Ein  Vasenfragment:  K(Ope)e,  plvT^trBijTt —.  — 
ölberg.  —  Derselbe,  a.  a.  0.  S.  194 f.  Ein  Kelcbdeckel  trägt  in  der 
Mitte  die  Zeichen  04>NH,  n&ch  dem  Heraasg.  wobl  vielmebr  C4>ZH 

=  ZAH   (=   f^^i   Ca»7)'     Rings  herum  läuft  die  Inschrift:    f  'A[y/a 

c 

Moped  (xal)  MdpBa^  TTpoaSe^e  rijv  HaLp\n\o<pop(ay  -  -  cuv  (6)  K(Jipto)Q  yt' 
voaxt.  —  [Qaloniä  bei  Jernialem:  Scbick,  Quaterly  Statement  of 
tbe  Palestine  Exploration  Fund  1885  n.  1  S.  51;  wiederholt  von  Clermont- 
Ganneau,  Revue  crit  1887  n.  20  8.  390.  Felsengrab  mit  Freskomalereien, 
u.  a.  geflügelte  Engel  und  Darstellungen  von  Cherubim  oder  Vogelleibern 
mit  menschlichen  Köpfen  und  Kränzen  in  den  Händen.  Innerhalb  der 
letzteren  die  gemalten  Inschriften:  Elg  ^ehg  (2)  xa\  h  Xpia{y)h^  (3) 
ahrcou  und:  -cjaC^  (2)  iivr^aev  (3)  Bap(u^tg\  nach  Cl.-G.  wohl  =  ^Jäs", 
C(ai)]^'  (2)  /AVjy<T[^^]  (3)  BoLpeü^tQ  (fem.)  oder  Bap(o^t(o)g  =  Baruch.] 

Aegyptus. 

Antino^  (Antsina),  unweit  des  Dorfes  Mellawt:  Sayce,  Academy 
1885  n.  668  Sp.  134.  Umschrift:  n.  694  Sp.  125.  140 f.  Einige  Erklä- 
rungen Nicholson,  a.  a.  0.  n.  701  Sp.  246.  Ein  mit  zwei  Kreuzen  und 
Palmzweigen  verzierter  Stein,  offenbar  ein  frQberer  römischer  Altar,  trägt 
eine  schwer  leserliche  Grabschrift  in  drei  Distichen:  '0  xKorbg  h  ^pu- 
aetoQ  ^Ep[xouXiog^  (2)  b  Tipafiog  ohrog  f  ^Ev  XP^^^Ji  öTe[fP«>7y  (3)  itoiilib 
Tt  nap^avowv.  f  Toü[to  (4)  yäp  ix  ßaaeArjog  e^et  yepag  ä$eo[v  (5)  ip- 
yoiv^  t  *^0g  f^ßjj  pht  i\x\äQ  aör[off  (6)  e7Tep(pe  rpö/iov,  f  Töv  S'  ixu' 
pb[v  (7)  0t68wpov  dptZrjhjQ  in*  dni^v7j[g  t  (8)  'Pu^p^C  SnXorspijg  Hr/xaro 
xr^depova,  —  Alezandria  und  Umgegend:  Nerutsos-Bey,  Revue 
arch.  IX  1887,  S.  200  n.  3,  202  n.  6.  7,  298  n.  31.  Christliche  Grabschrif- 
ten. —  S.  203  n.  8.   Christliche  Votivinscbrift  in  Form  eines  Proskynems. 


Jahresbericht  über  die  Mythologie  aas  den 

Jahren  1886—1890. 


Von 

Friedrich  Baek. 


Die  Aoordnung  dieses  Berichtes  ist  folgende: 

I.  Allgemeine  nnd  indogermanische  Mythologie.  IL  Griechisch- 
römische  Mythologie.  III.  Griechische  Mythologie.  IV.  Römische  My- 
thologie. 

Der  dritte  sowie  der  vierte  Abschnitt  ist  gegliedert: 

1.  Allgemeines  nnd  Methodologisches.  2.  Quellen.  3.  Gmppen  gött- 
licher Wesen.   4.  Einzelne  göttliche  Wesen,  in  alphabetischer  Reihenfolge. 

Die  allgemeine  und  die  indogermanische  Mythologie  sind  deshalb 
hier  berücksichtigt  worden,  weil  das  Gebiet  der  griechischen  und  römi- 
schen Mythologie  beachtenswerte  Winke  und  Anregungen  von  dorther 
empfängt.  Dafs  die  Vertrautheit  mit  den  gesamten  Lebensbedingungen 
und  -Äufserungen  des  einzelnen  Volkes,  dessen  Mythologie  erforscht  wer- 
den soll,  ungleich  wichtiger  ist,  als  die  Kenntnis  fremder  Religionen,  be- 
darf heute,  wo  man  wieder  anfängt  bei  Otfried  Mttller  in  die  Schule  zu 
gehen,  kaum  der  Begründung.  In  diesem  Bericht  indessen  galt  es  sich 
möglichst  zu  beschränken  auf  die  mythologische  Litteratur:  auch  f&r  das 
Gebiet  der  sogenannten  'gottesdienstlicheu  Altertümer',  das  sehr  zum 
Schaden  der  Mythologie  von  dieser  getrennt  ist,  sowie  für  die  Archäo- 
logie, aus  welcher  unserem  Gebiet  beständig  neue  Nahrung  zufliefst,  ver- 
weist Ref.  auf  die  betreffenden,  kundigen  Händen  anvertrauten  Berichte. 
Die  sogenannte  'Kunstmythologie'  ist  allerdings  in  diesen  Bericht  her- 
eingezogen, aber  nicht  als  ein  besonderes  Gebiet,  worauf  sie  thatsächlich 
keinen  Anspruch  hat,  sondern  nach  sachlichen  Gesichtspunkten  auf  die 
verschiedenen  Abschnitte  verteilt. 

Die  populär  gehaltene  Litteratur  hat  Ref.  eingesehen,  aber  nur  in 
wenigen  Fällen  darüber  Bericht  erstattet ;  eine  so  erfreuliche  Leistung,  wie 
sie  für  die  deutsche  Mythologie  kürzlich  Friedrich  Kaufmann  dargeboten 
hat,  ist  nicht  darunter. 


Mythologie.  225 

L  Allgemeine  und  indogermanische  Mythologie. 

Voo  zosammenfassenden  DarstellangeD  ist  an  erster  Stelle  za  be- 
sprechen: 

P.  D.  Chantepie  de  la  Saassaye,  Lehrbach  der  Religionsge- 
schichte. 2  Bände.  Freiburg  i.  B.,  Mohr.  1887  und  1889.  8.  465  n. 
406  S.  (Aus  der  '  Sammlung  theologischer  Lehrbttcher'.) 

Das  Werk  gliedert  sich  in  vier  Teile:  den  allgemeinen  I  p.  l — 47, 
den  phänomenologischen,  p.  48 — 170,  den  ethnographischen  p.  171—231, 
und  den  historischen,  welcher  den  Rest  des  ersten  Bandes  und  den  gan- 
zen zweiten  Band  einnimmt.  Wir  können  an  dieser  Stelle  nur  die  beiden 
ersten  Teile  und  vom  letzten  nur  die  auf  Griechen  und  Römer  bezüg- 
lichen Abschnitte  ins  Auge  fassen. 

Der  allgemeine  Teil  behandelt  in  knapp  zusammenfassender  Dar- 
stellung die  Hauptfragen,  welche  die  Religionswissenschaft  beschäftigen: 
Bedeutung  der  Evolutionslehre  fOr  die  Religionsgeschichte,  Urgeschichte, 
Ursprung  der  Religion,  Einteilung  der  Religionen  und  Hanptformen  der 
Religion.  Mit  ungewöhnlicher  Besonnenheit  und  Objektivität  beleuchtet 
Verf.  die  verschiedenen  bisherigen  Richtungen,  sondert  das  Problemati- 
sche oder  Haltlose  vom  Annehmbaren.  Den  Wert  der  Evolutionslehre 
f&r  die  Religionswissenschaft  weifs  er  vollauf  zu  wtlrdigen,  ohne  jedoch 
in  ihr  eine  ausreichende  Grundlage  zur  Beurteilung  des  religiösen  Lebens 
zu  sehen,  er  betont  gegenober  den  zweifellosen  Erfolgen  der  prähistori- 
schen Archäologie  die  grofse  Dehnbarkeit  des  Begriffs  'prähistorisch' 
und  unsere  völlige  Ignoranz  hinsichtlich  des  geistigen  Lebens  der 
'prähistorischen*  Menschen.  Verf.  wendet  sich  gegen  die  Ansiebt  Tyior's 
und  Anderer,  welche  im  Wilden  das  getreue  Abbild  des  Naturmenschen 
sehen ;  Schwächen  und  Vorzüge  der  animistischen  und  der  mythologischen 
Schule  treten  gleichmäfsig  scharf  hervor:  'die  Erklärungen  beider,  ob- 
gleich auf  das  Ganze  nicht  passend,  geben  doch  Rechenschaft  von  ge- 
wissen Reihen  und  Gruppen  von  Erscheinungen,  sind  also  nicht  verfehlt, 
aber  nur  in  ihrer  gegenseitigen  Beschränkung  richtig'  (p.  34). 

Der  zweite,  phänomenologische  Teil  giebt  eine  äufserst  dankens- 
werte, systematische  Behandlung  der  Erscheinungen  des  religiösen  Lebens 
(Handeln  und  Vorstellen,  bezw.  Fohlen),  unter  denen  Verf.  die  Handlun- 
gen, also  den  Kultus,  wegen  seiner  Stabilität  (im  Gegensatz  zu  den  in 
beständigem  Flufs  befindlichen  Vorstellungen)  als  die  wichtigste,  zuver- 
lässigste Grundlage  der  Religionsforsch ung  hinstellt.  Solcher  treffenden 
Beobachtungen  bietet  gerade  dieser  Abschnitt  des  Werkes  eine  grofse 
Zahl.  So  z.  B.  p.  74:  *  Nicht  überall,  wo  ein  Natnrgebiet  oder  eine  Natur- 
erscheinung in  der  Religion  vorkommen,  liegen  wirkliche  Spuren  ächten 
Naturdienstes  vor.    Wenn  irgend  ein  Gott  der  Mythologie  sich  in  einer 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    LXVI.  Bd.  15 


226  Mythologie. 

Naturerscheinung  offenbart  oder  über  ein  Naturgebiet  herrscht,   wenn 
irgend  einem  Element  hohe  Bedeutung  oder  magische  Kraft  beigemessen 
wird,  so  dürfen  wir  daraus  noch  nicht  ohne  Weiteres  auf  eine  göttliche 
Verehrung  desselben  schliefsen.'    Wind-  und  Gewittergötter,  soweit  sie 
als  einseitige  Personifikationen  des  Elementes  bezw.  der  Naturerschei- 
nung aufgefafst  werden,  erkennt  Verf.  mit  vollem  Recht  nicht  an.    'Es 
ist  der  Gott  der  donnert,  oder  der  Himmel  der  donnert;  das  Gewitter 
kann  aber  nicht,  wie  es  beim  Himmel  oder  bei  der  Erde  der  Fall  ist, 
selbst  als  Gott  betrachtet  werden'  (p.  77).     So  energisch  also  Verf.  der 
immer  noch  verbreiteten  Sucht  nach  einseitigen  Naturpersonifikationen 
gegenübertritt,  so  giebt  er  doch  für  die  meisten  Göttergestalten  der  My- 
thologie einen  ursprünglichen  Zusammenhang  mit  dem  Naturleben  zu,  in- 
dem er  freilich  zugleich  nachdrücklich  die  Existenz  von  Göttern  hervor- 
hebt, welche  entweder  gar  nicht  oder  nur  sehr  nebensächlich  mit  der 
Natur  zusammenhängen  und  keineswegs  etwa  blos  Personifikationen  ab- 
stracter  Begriffe  sind  (z.  B.  Stamm-,  Volks-  und  Lokalgötter).    Treffend 
bespricht  Verf.  die  Verhältnisse  der  Götter  untereinander.    'Die  Götter 
werden  zu  gröfseren  oder  kleineren   Gruppen  vereinigt,   welche  durch 
Verwandtschaft  mit  einander  verbunden  sind;  sie  bilden  Familien  oder 
ein  Gemeinwesen,  sind  einem  Haupte  untergeordnet,  das  als  Herr  über 
alle  gebietet  — .    Man  ist  auf  einer  falschen  Fährte,  wenn  man 
diese  Götterverhältnisse  in  letzter  Instanz   auf  Naturver- 
hältnisse  zurückführt:  Apollon,  der  Sohn  des  Zeus»  bedeutet  durch- 
aus nicht  die  Sonne,  den  Sohn  des  Himmels,  und  Horus,  der  Sohn  des 
Osiris,  wenigstens  nicht  zuerst  die  wiederkehrende  Sonne,  den  Sohn  der 
untergegangenen.     Gruppen  und  Kreise  von  Göttern,  wie  in  Ägjrpten, 
eine  Hierarchie  der  göttlichen  Wesen,  wie  in  Persien,  eine  Götterfamilie 
und  ein  Götterstaat,  wie  bei  Griechen  und  Germanen,  sind  teils  aus  der 
Verschmelzung  verschiedener  Culte,  teils  aus  dem  Bedürfnis,  die 
Ordnung  der  menschlichen  Gesellschaft  auch  in  der  Götterwelt  wiederzu- 
finden, entstanden'  (p.  90)  und  ebenso  ist  (p.  92)  der  Streit  in  der 
Götterwelt  nicht  ausschliefslich  als  ein  Streit  von  Naturkräften 
zu  fassen;  'denn  nicht  blos  die  Natur  bringt  dem  Menschen  den  Gegen- 
satz zwischen  förderlich  und  schädlich,  den  er  ethisch  zu  dem  zwischen 
gut  und  bös  vertieft,  zum  Bewufstsein'.   Was  die  Mythologie  im  engeren 
Sinn  anlangt  so  ist  es  erfreulich  hier  wieder  einmal  den  0.  MfiUer^schen 
Grundsatz,  dafs  die  Erklärung  eines  Mythus  nichts  Anderes  sein  dürfe 
als  die  Darlegung  seiner  Genesis,  mit  vollem  Nachdruck  ausgesprochen 
zu  finden  (p.  149.  167).     Denn  dafs  er  der  ganzen  mythologischen  For- 
schung seither  zum  Leitstern  gedient  habe   —  wie  Verf.  sich  ausdrückt 
—  ist  leider  nicht  richtig.     Auch   hier  verlangt  Verf.  eine  gegenseitige 
Ergänzung  und  Beschränkung  der  vergleichenden  Methode  (deren  Resul- 
taten gegenüber  er  eine  sehr  genaue  Prüfung  empfiehlt)  und  der  beson- 
ders durch  Tylor  vertretenen  anthropologischen. 


I.  Allgem.  u.  indogenn.:   Chaotepie  de  Ja  Saassaye.  227 

Aber  anch  die  fibrigen  AbschDitte  des  zweiten  Teiles  —  besonders 
die  Ober  Idolatrie,  heilige  Steine,  Bäume  and  Tiere,  Opfer  und  Gebet, 
Verehrung  von  Menschen  —  verraten  eine  Besonnenheit  und  eine  Be- 
iesenheit,  welche  dieser 'Phänomenologie'  der  Religion  einen  entschiede- 
nen Wert  verleihen. 

Fttr  die  Darstellung  der  griechischen  und  der  römischen  Religions- 
geschichte, welche  der  historische  Teil  des  Werkes  enthält  (II  p.  57—305), 
hat  Verf.  meistens  die  besten  Autoritäten  zu  Grunde  gelegt  und  sich  be- 
müht alles  Unsichere,  Hypothetische  möglichst  fern  zu  halten.  Nicht 
selten  bemerkt  man  selbständige  Prüfung  der  letzten  Quellen  und  glück- 
liches Urteil  in  Einzelfragen;  die  Anordnung  ist  klar  und  die  Darstel- 
lung, wie  überhaupt  in  dem  ganzen  Buche,  fesselnd.  Für  die  homerischen 
Gedichte,  deren  relativ  geringe  Bedeutung  als  religionsgeschichtliche 
Quelle  Verf.  p.  86  richtig  erkennt,  hätte  sich  vielleicht  eine  ausgedehn- 
tere Berücksichtigung  der  neueren  philologischen  Kritik  empfohlen.  Die 
homerische  Vorstellungswelt  scheint  er  sich  doch  zu  sehr  als  ein  einheit- 
liches Ganze  zu  denken,  auch  durfte  er  viel  stärker  hervorheben,  dafs 
sie  keineswegs  die  allgemein  griechische  ist  (vgl.  p.  86).  Die  Beurteilung 
des  Herodot  p.  179 f.  ist  zu  optimistisch;  in  dem  Bestreben,  Reste  alter 
Tierkalte  zu  erkennen,  geht  Verf.  p.  178  f.  etwas  zu  weit.  Dafs  von  der 
Totenfeier  der  Anthesterien  als  von  einem  allgemein  griechischen  Fest 
gesprochen  wird  p.  79,  ist  wohl  nur  ein  Versehen.  Mit  richtigem  Takt 
ist  Verf.  bei  den  meisten  Göttern  auf  die  sogenannte  Naturbedeutung 
derselben  nicht  eingegangen  (auch  die  'Himmelsgöttin'  Hera  p.  167 
wäre  besser  unterdrückt  worden),  er  erteilt  p.  151  den  Mythologen  den 
sehr  verständigen  Rat,  statt  dessen  mehr  den  Kultus  zum  Mittelpunkt 
der  Betrachtung  zu  machen.  Was  seine  eigene,  nur  gelegentlich  und 
vermutungsweise  hervortretende  Ansicht  betrifft,  so  scheint  er  freilich 
dazu  zu  neigen,  die  meisten  griechischen  Götter  als  blofse  Naturwesen 
anzosehen  und  nur  diejenigen  ihrer  Beziehungen  zum  menschlichen  Leben 
für  primär  zu  halten,  welche  sich  unmittelbar  aus  dem  betreffenden  Na- 
turgebiet  ergeben.  Er  findet  es  merkwürdig,  dafs  Zeus  auch  als  Orakel- 
und  Sühngott  erscheint  (p.  156),  er  wundert  sich  über  die  Gombination 
Demeter-Erinnys  und  vermifst  in  den  vielen  Funktionen  des  Hermes  eine 
gemeinschaftliche  Grundidee  (p.  159.  161).  Die  in  den  vielen  Epithetis 
zu  Tag  tretende  Vielseitigkeit  der  einzelnen  Gestalten  glaubt  er  denn 
nicht  durch  Zerlegung  oder  Entwickelung  einer  ursprünglichen  Einheit 
entstanden,  sondern  nur  durch  Zusammenfügung  vieler  Elemente  ver- 
schiedener Herkunft  (p.  81).  Verf.  steht  hier  noch  zu  sehr  im  Bann  der 
Schalmythologie.  Wir  vermuten,  dafs  die  Forschung  allen  mythologi- 
schen Handbüchern  zum  Trotz  immer  deutlicher  zeigen  wird,  dafs  das 
ursprüngliche  Wesen,  weit  entfernt  durch  ein  Schlagwort  wie  Himmel, 
Sonne,  Gewitter  u.  s.  w.  umfafst  werden  zu  können,  im  Gegenteil  sehr 
vielseitig  war,  dafs  in  historischer  Zeit  bei  den  meisten  Gottheiten  der 

16* 


228  Mythologie. 

UmfaDg  ihrer  Funktionen  sich  eher  verengert  als  erweitert,  und  dafs  nur 
der  Kultus  bis  zu  einem  gewissen  Grade  dieser  Beschränkung  Wider« 
stand  leistet. 

Ein  knapp  gehaltenes,  abef  gedankenreiches  Programm  der  Reli- 
gionswissenschaft entwirft 

Edmund  Hardy,  Die  allgemeine  vergleichende  Religionswissen- 
schaft im  akademischen  Studium  unserer  Zeit  Eine  akademische  An- 
trittsrede.   Freiburg  i.  B.,  Herder.     1887.    8.    39  S. 

Besonders  erfreulich  ist  uns  der  Nachdruck,  mit  welchem  der  Verf. 
auf  eine  von  Hypothesen  irgend  welcher  Art  nicht  getrttbte,  streng  em- 
pirische Forschung  dringt,  und  die  besonnene  Kritik,  welche  er  an  der 
vergleichenden  Methode  übt. 

Hermann  Preifs,  Religionsgeschichte.  Geschichte  der  Entwicke- 
lung  des  religiösen  Bewufstseins  in  seinen  einzelnen  Erscheinungsfor- 
men, eine  Geschichte  des  Menschen geistes.    Leipzig  1888.    8.    548  S. 

behandelt  in  halb  historischer,  halb  philosophischer  Darstellung  die  Na- 
turreligionen, die  Religionen  '  der  geistigen  Individualitäten'  und  die  des 
Monotheismus.  Er  erklärt  in  der  Einleitung  fttr  den  gereiften  Mann  und 
für  die  Gebildeten  der  Nation  zu  schreiben,  damit  sie  durch  die  Kennt- 
nis fremder  Religionen  ihre  eigene  verstehen  und  schätzenlernen.  Aber 
der  hiermit  ausgesprochene  populäre  Charakter  des  Werkes  durfte  kaum 
die  Lückenhaftigkeit  und  Unklarheit  entschuldigen,  welche  der  Verf.  in 
Bezug  auf  einzelne  Gebiete  der  Religionsgeschichte  zeigt.  So  ist  gleich 
der  Abschnitt,  welcher  über  'die  Religion  des  Geisterglaubens  und  der 
Zauberei'  handelt,  weder  durch  Vollständigkeit  noch  durch  Schärfe 
ausgezeichnet.  Für  die  afrikanischen  Religionen  jener  Art  scheinen  dem 
Verf.  kaum  andere  Quellen  vorgelegen  zu  haben,  als  Burton's  'Central- 
Afrika'  und  EUis'  'Madagascar',  während  doch  die  neuere  Reiselitteratur 
so  vieles  kostbare  Material  aufweist;  beim  christlichen  Heiligenkult  über- 
sieht Verf.  das  überaus  wichtige  Moment  der  Anknüpfung  an  die  ver- 
drängten einheimischen  Gottheiten. 

Was  den  Abschnitt  über  die  griechische  Religion  betrifft,  so  ist 
Verf.  hier  völlig  unberührt  vom  Stande  der  neueren  Forschung:  der  Satz 
von  der  göttlichen  Verehrung  von  Sonne  und  Mond  und  die  landläufige 
Reduction  der  Olympier  auf  bestimmte  Natursubstrate  sind  ohne  Skrupel 
vertreten,  nicht  blos  Apollon  sondern  auch  Dionysos  entwickelt  sich  aus 
dem  Helios,  ebenso  die  Athene  und  Artemis  ans  der  Selene.  *  Natur- 
kreis' des  Poseidon  ist  bald  (p.  305)  'die  Macht  des  Meeres',  bald  sind 
es  (p.  311)  'die  Wolkenwesen'. 

Es  ist  gewifs  nicht  leicht  auf  einem  so  sehr  in  der  Gährung  be- 
griffenen Gebiet,  wie  es  augenblicklich  die  griechische  Mythologie  und 
Religionsgeschichte  ist,  dem  Stande  der  neuesten  Forschung  gerecht  zu 


I.  Allgem.  D.  indogerm.:  Hardj,  Preifs,  Pesch.  229 

werden :  aber  etwas  gründlichere  Kenntnis  und  etwas  mehr  Kritik  gegen- 
ober den  hergebrachten  Lehrsätzen,  als  der  Verf.  anwendet,  mufs  doch 
aach  Yon  einem  'populären'  Buch  verlangt  werden.  Weit  unbefriedigen- 
der ist  allerdings  die  Schrift  von 

Christian  Pesch,  S.  J.,  Der  Gottesbegriff  in  den  heidnischen 
Religionen  des  Altertums.  Eine  Studie  zur  vergleichenden  Religions- 
wissenschaft   Freibnrg  i.  B.  1886.    8.     144  S. 

Der  Verf.  will  ein  *  möglichst  getreues  Bild  der  Vorstellungen  geben, 
welche  die  heidnischen  Völker  von  der  Gottheit  hatten'  und  zwar  ist  ^  das 
was  hier  geboten  wird,  das  Ergebnis  der  Forschungen  anderer,  nicht  auf 
neue  Entdeckungen  ausgehende  Fachstudien'.  —  Für  das  Mafs  nun,  in 
welchem  der  Verf.  die  wissenschaftliche  Litteratur  für  seinen  Zweck  ver- 
wertet hat,  ist  bezeichnend,  dafs  für  die  griechische  und  die  römische 
Religion  blos  die  Werke  Nägelsbachs,  Prellers  und  Zellers,  z.  t.  in  den 
ältesten  Auflagen,  zu  Grunde  gelegt  sind.  Man  bekommt  u.  a.  zu  hören, 
dafs  der  Grieche  Himmel,  Sonne  u.  s.  w.  Götter  genannt  habe  (p.  37), 
dafs  sich  in  den  nacbhomeriscben  Zeiten  Dämonen  und  Heroen  als  Mittel- 
wesen unter  die  Götter  eingeschoben  haben  (p.  44),  dafs  ^die  römische 
Theologie  (nicht  Mythologie)  mit  der  griechischen  vollkommen  identisch 
ist'  (p.  68).  Das  mit  ganz  unzureichenden  Kenntnissen  geschriebene 
Büchlein  kann  keineswegs  dem  Laien  zur  Orieotirung  empfohlen  werden. 

Nicht  zugänglich  war  dem  Ref.  das  anscheinend  gleichfalls  popu- 
läre Werk  von 

Reichenbach,  Die  Religionen  der  Völker  nach  den  besten  For- 
schungsergebnissen bearbeitet.    1—6.  Buch.    München,  Ernst.  8.  1887. 

Die  übrigen  in  dieses  Kapitel  fallenden  Schriften  glaubt  Ref.  am 
besten  in  der  Weise  anzuordnen,  dafs  die  Vertreter  der  beiden  augen- 
blicklich bedeutendsten  Richtungen,  der  vergleichenden  und  der  anthro- 
pologisch-historischen (folkloristischen)  gesondert  besprochen  werden,  und 
sodann  ein  kurzer  Einblick  in  die  polemische  Litteratur  gethan  wird, 
welche  der  Gegensatz  dieser  beiden  Richtungen  hervorgerufen  hat.  Den 
Beschlufs  sollen  die  wenigen  Schriften  machen,  welche  einen  besonderen 
Standpunkt  einnehmen. 

Die  wichtigste  Erscheinung  aus  der  vergleichenden  Schule  ist  das 
Buch  von 

Max  Müller,  Natural  religion.  The  Gifford  lectures  delivered 
before  the  university  of  Glasgow  in  1888.  London,  Longmans,  Green, 
and  Co.     1889.    8.     608  S. 

(Dasselbe,  übersetzt  von  EngelbertSchneider.  Leipzig,  Engel- 
mann.   1890.    8.    687  S.) 

Unter  natural  religion'  versteht  der  Verf.  diejenige  Religion,  wel- 
che —  im  Gegensatz  zur  Buchreligion  —  *is  in  the  head  and  in  the  heart 
and  in  the  sky,  the  rocks,  the  rivers  and  the  mountains'  (p.  666). 


230  Mythologie. 

Das  vorliegende  Buch  zerfällt  in  drei  grofse  Abschnitte.  Im  ersten 
(—  p.  191)  behandelt  Verf.  mit  grofser  Ansftthrlichkeit  die  bisherigen 
Definitionen  der  Religion,  er  giebt  eine  eingehende  BegrOndang  seiner 
eigenen  Definition  und  seiner  Auffassung  vom  Ursprung  der  Religion. 
Das  'Unendliche',  in  dessen  Wahrnehmung  der  Verf.  bekanntlidi  den 
Anfang  aller  Religion  erblickt,  erhält  eine  weit  schärfere  Bestimmung, 
als  sie  noch  in  den  'Hibbert  lectures  on  the  origin  and  growth  of  reit- 
gion'  gegeben  war:  'religion  consists  in  the  perception  of  the  infinite 
under  such  manifestations  as  are  able  to  influence  the  moral  character 
of  man'  (p.  188).  Die  Manifestation  des  Unendlichen  im  Menschen,  ob- 
jektiv und  subjektiv,  setzt  Verf.  neben  diejenige  in  der  Natur.  'Nature, 
Man,  and  Seif  are  the  three  great  manifestations  in  which  the  infinite 
in  some  shape  on  other  has  been  perceived,  and  every  one  of  these  per- 
ceptions  has  in  its  historical  development  contributed  to  what  may  be 
called  religion'  (p.  164). 

Der  zweite  Abschnitt  (p.  192—279)  bringt  eine  kritische  Darlegung 
der  beiden  Methoden  der  Religionsforschung,  der  theoretischen  (Religions- 
philosophie) und  der  vom  Verf.  vertretenen,  historischen  Methode. 

Der  dritte  Abschnitt  endlich  (p.  280  — 577)  betrifft  die  Quellen  für 
das  Studium  der '  natural  religion ':  Sprache,  Mythen,  Sitten  und  Gebräuche, 
heilige  Schriften.  Der  linguistische  Teil  ist  besonders  reichhaltig:  Verf. 
jführt  die  Sprachen  in  ihren  Hauptgruppen  vor,  entwickelt  seine  bekann- 
ten Ansichten  Ober  das  Verhältnis  der  Sprache  zum  Denken  und  Aber  ihre 
Bedeutung  für  die  Genesis  religiöser  Vorstellungen.  Die  vergleichende 
Mythologie  —  eine  andere  kennt  Verf.  nicht  —  wird  geschieden  in  die 
etymologische,  die  analogistische  und  die  psychologische  Schule,  jede 
dieser  Richtungen  wird  eingehend  gewürdigt  und  an  Beispielen  veran- 
schaulicht, die  erste  besondei^  an  skr.  Ahanä  (Dämmerung)  —  ÄXANA 
—  Mava  —  M^)fi^,  wobei  Benfey's  Etymologie  von  Athene  widerlegt 
wird,  die  zweite,  zu  deren  Vertretern  Verf.  u.  a.  Welcker  und  Preller 
rechnet,  an  Rudra,  Apollon,  Wuotan,  die  dritte  an  Manito.  Recht  ärm- 
lich und  keineswegs  der  Wichtigkeit  dieser  Quelle  entsprechend  ist  das 
Kapitel  über  'Customs  and  laws'  ausgefallen:  Verf.  unterscheidet  Ge- 
bräuche, die  auf  religiösen  Ideen  basirt  sind,  und  solche,  welche  reli- 
giöse Ideen  hervorgerufen  haben»  wie  z.  B.  die  Sitte  der  tessera  hospitalis, 
welche  Verf.  mit  Ihering  (Gastfreundschaft  im  Altertum  1887)  von  den 
Phoinikiern  nach  Griechenland  bringen  läfst,  die  Vorstellung  des  Zeus 
Xenios  gezeitigt  haben  soll.  Das  letzte  Kapitel  Csacred  books')  bringt 
nach  einer  Übersicht  über  die  heiligen  Schriften  geistvolle  Ausführungen 
über  den  Unterschied  der  Buchreligionen  von  der  buchlosen,  über  den 
Einflufs  der  Schrift  auf  die  Religion  und  über  die  schriftstellerische 
Unthätigkeit  der  Religionsgründer. 

Das  ganze  Buch  erweckt  dadurch  besonderes  Interesse,  dafs  der 
berühmte  Verf.  überall  Stellung  nimmt  zu  den  jüngsten  Kritiken  seiner 


I.  Allgem.  Q.  indogerm.:  M.  Malier,  Ranze,  E.  H.  Meyer.  281 

Theorie,  insbesondere  7.u  derjenigen  Gruppe^s,  'an  antagonist  who  is 
learned,  serious,  honest,  and  houourable'  (p.  23).  Ans  den  das  Wesen 
und  den  Ursprung  der  Religion  betreffenden  Lectures  V— VII  wird  auch 
derjenige  vielfältige  Anregung  schöpfen,  der  durch  Gruppe's  Kritik  der 
vergleichenden  Mythologie  (s.  u.)  in  der  Hauptsache  überzeugt  worden  ist. 

Max  Müller  gewidmet  ist  das  anregende  Buch  von 

Georg  Runze,  Studien  zur  vergleichenden  Religionswissenschaft. 
Heft  1:  Sprache  und  Religion.     Berlin,  R.  Gärtner  1889.  8.  236  S. 

Verf.  untersucht  den  genetischen  Einflufs  der  Sprache  auf  die  Ent- 
stehung religiöser  Vorstellungen.  Er  überschätzt  diesen  Einflufs  ebenso 
sehr  wie  Max  Müller,  dem  gegenüber  er  überhaupt  nicht  die  genügende 
Kritik  anwendet.  Hier  und  da  fehlt  es  an  der  nötigen  Klarheit.  VITenn 
es  zum  Wesen  des  Mythus  gehört,  dafs  er  religiösen  Charakter  hat,  d.  h. 
den  Glauben  an  wirkende,  transscendente  Mächte  voraussetzt  (p.  13  f.), 
so  hat  er  eben  doch  mehr  zur  Voraussetzung  als  'unbefangene  Naturan- 
schauung'  und  'das  Vermögen  und  Bedürfnis  der  Sprache'  (p.  16).  Der 
Verf.  urteilt  übrigens,  dafs  das  Aufkeimen  eines  reinen  religiösen  Em- 
pfindens schon  mit  den  ersten  Gestaltungen  der  Sprache  Hand  in  Hand 
gehen  konnte,  und  dafs  der  linguistischen  Ableitung  gerade  bei  der  Ent- 
wickelang des  Gottesbewufstseins  eine  verhältnismäfsig  beschränkte  Be- 
deutung zuzusprechen  sei  (p.  42  ff.).  Die  epochemachende  Kritik  der  ver- 
gleichenden Mythologie,  welche  Otto  Gruppe  verdankt  wird,  scheint  dem 
Verf.  entgangen  zu  sein. 

Unter  den  Schriften,  welche  die  vergleichende  Methode  an  einem 
bestimmten  Gegenstand  durchführen,  ist  an  erster  Stelle  zu  besprechen 

Elard   Hugo   Meyer,    Indogermanische  Mythen.    II.    Achilleis. 
Berlin,  Dümmler  1887.   8.  710  S. 

Es  ist  ein  neuer  Gesichtspunkt,  nach  welchem  der  Verf.  die  Ana- 
lyse der  Ilias  unternimmt:  die  Prüfung  und  Vergleichung  des  Stiles  der 
verschiedenen  Schlachtbeschreibungen.  Indem  Verf.  unter  Stil  'die  ge- 
samte künstlerische  Verarbeitung  des  Rohstoffes  zu  einem  Kunstgebilde' 
versteht,  behandelt  er  in  erster  Linie  die  Composition  der  Schlachten- 
bilder, d.  h.  ihr  inneres  Verhältnis  zum  Ganzen  (ob  organische  Glieder 
oder  Zusatz?),  ihre  Tendenz  und  die  Art,  wie  selbige  verkörpert  ist,  und 
das  vom  Dichter  verwandte  Material  nach  Brauchbarkeit  und  Herkunft, 
in  zweiter  Linie  aber  die  Art  der  Rede,  die  Verwendung  der  Gleich- 
nisse, sowie  den  Gebrauch  gewisser  Begriffe,  Sprachformen  und  der  poe* 
tischen  Figuren.  Diese  Untersuchung  führt  zur  Annahme  verschiedener 
Stilarten,  deren  ältester  die  Achilleis  Homers  (um  850  v.  Chr.)  mit 
ihren  3  Gesängen  angehört:  1=1,  1  —  138.  148.  162—193.  247-430. 
490—610;  II  =  11  (1-83).  84.  295a.  401— 497a.  621—674.  595.  (15, 
692-676.  730-  746.   16,  102—123.  18,  166-242);  III  ganz  überarbeitet, 


232  Mythologie. 

etwa:    (19.  866-391.    20,  76— 78.  379—494.    21,  1—16.  34—119.   186. 
283—283.  324—382.    22,  21— 398)  M. 

Ihr  Verfasser,  Homer,  ist  im  Gebiet  des  Hermosunterlaofis  geboren, 
Mn  dessen  Städten  Magnesia,  Kyme  und  Sroyrna  verschiedenartige  äoli- 
sche  Stammelemente,  nord-  und  sttdacbäische,  boeotische  und  lokrische, 
mit  jonischen  sich  mischten'.  Das  Thema  der  Dichtung,  welche  Übrigens 
Yorwiegend  nordachaeischen  Charakter  trägt,  ist  der  Zorn  Achills:  im 
ersten  Gesang  entstanden,  im  zweiten  an  Agamemnon  und  den  Seinigen 
(Menelaos,  Odyssens,  Aias  und  Nestor),  im  dritten  an  Hektor  und  den 
Seinigen  furchtbar  bewährt.  Neben  Zeus,  der  allein  das  Schicksal  ent- 
scheidet (seine  Botin  nur  Iris),  wirken  auf  die  irdischen  Dinge  nur  ApoUon 
ein,  aber  noch  nicht  als  Schutzgott  der  Troer,  sondern  nur  als  Rächer 
seines  Priesters,  Thetis  als  Mutter  des  Hauptbelden,  Xanthos  als  von 
diesem  beleidigter  Flufsgott,  Hephaistos  als  Retter  desselben  ans  der 
Not  (p.  386f.). 

Nachdem  so  die  älteste  homerische  Form  der  Achilleussage  ge- 
wonnen ist,  versucht  Verf.  im  zweiten  Teil  des  Buches  (die  Achilleis 
vor  der  Ilias)  zunächst  (Cap.  VIII)  die  Umbildung  klar  zu  stellen,  wel- 
che schon  Homer  und  z.  t.  schon  vor  ihm  die  Volksliederpoeten  auf  asia- 
tischem Boden  an  dem  alten  mutterländischen  Stoff  vorgenommen  haben: 
seine  Historisirung,  Episirung  und  Idealisirung.     Nur   andeutungsweise 
und  mit  starken  Modifikationen  oder  Auslassungen  ist  in  der  Achilleis 
der  in  Thessalien  sich  abspielende  Teil  der  Sage  berührt:   die  Verwan- 
delungen  der  Thetis  bei  Peleus  Werbung,  und  die  Wasser-  (oder  Feuer-) 
taufe  des  Neugeborenen  werden  nicht  erwähnt,  die  Erziehung  durch  Gheiron 
ist  weggefallen  und  die  hervorragende  Rolle  Cheirons  bei  der  Hochzeit 
ist  abgeschwächt  —   alles  ZOge,  welche  Verf.  auf  Grund  anderweitiger 
Überlieferung  zum  ältesten  Bestand  der  thessalischen  Peleus- Achilleus- 
sage  rechnet.     Das  ursprüngliche  Personal  derselben  bilden  Nereiden 
(bes.  Thetis),  Kentauren  (bes.  Gheiron),  Iris  und  Hephaistos,  der  Flufsgott 
Xanthos  und  Hektor;  sie  wurde  eröffnet  durch  das  Jagdabenteuer  des 
Peleus,  wo  er  von  den  Kentauren  überwältigt  wurde,  und  schlofs  mit 
dem  Tod  Achills,  der  vorher  den  Xanthos  und  dessen  Bundesgenossen 
Hektor  bezwungen  hat  (Gap.  IX).     Nachdem  Verf.  dann  die  Windnatur 
der  Kentauren  gegen  die  von  Röscher  vertretene  Auffassung  derselben 
als  Wildbäche   mit  entschiedenem  Glück  verteidigt  hat   (Gap.  X),   er- 


1)  Die  mittleren  Stile  vertreten:  dieDiomedie  des  ältesten  Home- 
riden  (um  800  v.Chr.),  die  Diomedie-  und  Achilleisbearbeitung  des 
ältesten  lliaBbearbeiters  (um  775  v.  Chr.),  die  Patrokiie  (um  776, 
gleichz.  mit  Odyssee  und  Hesiods  T.  u.  W.)  die  Epinausimache,  Apate 
und  Teichomachie  (um  760).  Den  jüngeren  Stilen  gehören  einesteils  an 
die  HektoreiB  (um  700,  gleichz.  mit  Kallinos),  anderenteils  die  Gesänge  7 -10 
und  zahlreiche  Episoden  der  übrigen  Gesänge  (zwischen  700  und  600  v.  Chr.). 


I.  Allgem.  tt.  indogemi.:  E.  H.  Meyer.  233 

halten  wir  eine  darcb  Parallelen  aus  Mythus,  Glaube  und  Kultus  der 
Griechen  und  anderer  indogermanischen  Völker  unterstützte  Deutung 
des  Peleus-  und  Achilleusmythus  in  seinen  verschiedenen  (8)  Scenen, 
deren  jede  eine  besondere  Gewittererscheinung  veranschaulichen  soll. 
Alle  zusammen  stellen  die  Geschichte  des  Blitzes  (Achilleus)  von  den 
Vorboten  des  ersten  FrOhlingsgewitters  an  bis  zum  letzten  Blitze  im 
Herbste  dar  (Cap.  XI).  Da  sich  nun  bei  den  Obrigen  indogermanischen 
Völkern  Seitenstflcke  zum  Peleus -Achilleusmythus  nachweisen  lassen 
(Gap.  XII),  die  sowohl  in  der  Form  und  Reihenfolge  der  acht  Scenen,  als 
auch  in  der  Zahl  und  dem  Charakter  der  sieben  Träger  ihrer  Handlung 
durchweg  mit  dem  griechischen  Mythus  übereinstimmen,  so  mufs  der 
ganze  *  Blitzroman'  bereits  Eigentum  der  ungetrennten  Indogermanen  ge- 
wesen sein.  Die  Darstellung  der  indogermanischen  Urform  des  Achilleus- 
mythus und  eine  allgemeine  Betrachtung,  die  übrigens  nur  z.  t.  als  Er- 
gebnis der  voraufgegangenen  Untersuchungen  betrachtet  werden  kann, 
beschliefsen  das  Werk  (Cap.  XIII.).  — 

Dafs  der  Nachweis  der  vom  Verf.  angenommenen  indogermanischen 
Urform  der  Achilleussage,  auf  welchen  das  Ganze  hinausläuft,  auch  nur 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  der  Wahrscheinlichkeit  gelungen  sei,  kann 
man  nicht  behaupten.  Trotz  des  riesigen  Materiales,  welches  der  Verf. 
mit  erstaunlichem  Geschick  ins  Feld  führt,  ist^  die  Beweisführung  des 
zweiten  Teiles  weit  davon  entfernt  geschlossen  und  stichhaltig  zu  sein: 
man  vergleiche  dafür  Mos  die  im  letzten  Capitel  gegebene  Zusammen- 
stellung der  von  den  einzelnen  Völkern  ausgebildeten  Formen  der  Sage. 
Und  diese  'indogermanische  Urform',  in  welcher  der  Blitz  zuerst  durch 
ein  dem  Donnerdämon  gehöriges  Messer  veranschaulicht  ist,  dann 
durch  eine  Lanze,  die  ihm  erst  geschenkt  wird,  dann  durch  eine  Per- 
son, die  er  erst  erzeugt  —  einen  'Roman'  mag  man  das  nennen,  aber 
einen  *  wohlangelegten'  nicht  und  bei  Leibe  nicht  einen  alten  Mythus. 
Von  einem  solchen  müssen  wir  wirklich  etwas  mehr  Einheitlichkeit  der 
Anschauung  verlangen.  Wenn  gelegentlich  vom  Verf.  statt  des  Aus- 
drucks 'Achilleusmythus'  der  genauere  'Peleus-  und  Achilleusmythus' 
gebraucht  wird,  so  verrät  sich  darin  ein  unbewufster  Zweifel  an  der 
ursprünglichen  Einheit  des  als  altgriechisch  und  sogar  als  indogerma- 
nisch ausgegebenen  Mythus:  und  der  unbefangene  Leser  wird  sich,  wenn 
er  auch  die  richtige  Deutung  der  einzelnen  Scenen  (Cap.  XI)  zugiebt, 
des  Gedankens  nicht  erwehren,  dafs  hier  eine,  nicht  einmal  altgriechi- 
sche, Vereinigung  von  allerwenigstens  zwei  ursprünglich  selbständigen 
Gewittermythen  vorliegt. 

Das  grofse  Verdienst  des  Verf.  ist  die  vergleichende  Zusammen- 
stellung aller  der  vielfachen  Beziehungen  auf  Gewitter  und  Blitz,  welche 
Mythus,  Kultus  und  Hausbrauch  der  Indogermanen  enthalten.  Wir  sind 
anch  einverstanden  mit  der  Auffassung  von  Peleus  und  Achilleus  als  ur- 
sprünglich göttlicher,  bezw.  dämonischer  Wesen,  in  deren  Mythen  z.  t. 


234  Mythologie. 

die  genaoDte  NaturbeziehuDg  steckt.  Aber  damit  sind  sie  nicht  als  ein- 
seitige Gewitter-  oder  Blitzgötter  erwiesen,  so  wenig  dieser  Nachweis 
einer  umsichtigen  und  vorurteilsfreien  Forschung  bei  Zeus,  Dionysos  und 
Athene  möglich  sein  wird. 

Die  Ilias-Analyse  des  ersten  Teiles  können  wir  um  so  eher  der 
Kritik  des  Philologen  überlassen,  als  ihr  grundlegender  Wert  für  die 
mythologischen  Untersuchungen  des  zweiten  Teiles  sehr  abgeschwächt 
wird  durch  den  ausgedehnten  Umfang,  in  welchem  der  Verf.  hernach 
(Cap.  YIII  — IX)  die  nichthomeriscbe  Überlieferung  zur  Reconstruction 
der  thessalischen  Form  des  Mythus  heranzieht.  Dafs  der  Verf.  sich  auf 
strenge  Methode  versteht,  merkt  man  im  ersten  wie  im  zweiten  Teil: 
aber  beengend  und  beirrend  lastet  auf  ihr  das  einseitige  Prinzip,  welches 
Verf.  hinsichtlich  des  Ursprungs  der  Mythologie  vertritt.  Immerhin  nimmt 
das  Buch,  was  wissenschaftlichen  Ernst,  Beherrschung  des  Stoffes  und 
Lebendigkeit  der  Schilderung  angeht,  einen  hervorragenden  Platz  unter 
den  Erzeugnissen  derselben  Richtung  ein. 

J.  Ehni,  Der  vedische  Mythus  des  Yama  verglichen  mit  den  ana- 
logen Typen  der  persischen,  griechischen  und  germanischen  Mythologie. 
Strafsburg,  Trübner.     1890.   8.   216  S. 

Yama  bedeutet  n^h  der  Darlegung  des  Verf.  'bald  den  Sonnengott 
oder  das  irdische  Opferfeuer,  bald  den  Fürsten  der  Seligen  im  Jenseits 
oder  den  gefürchteten  Todesgott,  bald  den  Erstling  und  Stammvater  der 
Menschen  im  Diesseits,  bald  endlich  den  AJlgott,  der  das  weite  Univer- 
sum umfafst'.  Die  hellenische  Sage  soll  den  Yama  in  zwei  verschiedenen 
Gruppen  widerspiegeln:  Tyndariden-  und  Letoidensage,  Dionysos  und 
Rhadamanthys.  Das  Beweisverfahren,  welches  der  Verf.  hierfür  anwendet, 
ist  so  schwach,  dafs  von  einer  Förderung  der  griechischen  Mythologie 
nicht  die  Rede  sein  kann.  Während  dieses  Buch  sich  immerhin  als 
selbständige,  auf  die  Quellen  zurückgehende  Forschung  darstellt,  giebt 

J.  Mähly,  Die  Sonnenhelden  der  Mythologie.  (Einladungsschrift 
zur  Feier  des  dreibundertjäbrigen  Bestandes  des  Gymnasiums  Basel. 
Basel  1889.  4.   p.  1  -  21.) 

mehr  eine  kritische  Zusammenfassung  der  Ansichten  anderer  'verglei- 
chenden Mythologen*.  Die  Kritik  fällt  allerdings  bescheiden  genug  aus, 
da  der  Verf.  selber  bis  über  die  Ohren  in  derselben  Richtung  steckt. 
Unzweifelhafte  Sonnenhelden  sind  nach  seiner  Ansicht  in  der  griechischen 
Mythologie:  Belleropbon,  Perseus,  Herakles,  Achilleus,  Odysseus;  wahr- 
scheinlich sind  es  auch:  Sisiphos  und  Theseus;  vielleicht:  Jason  und  Paris. 

Das  Buch  'Aryan  Sun-Myths  the  Origin  of  Religions'  with  an 
introduction  by  Charles  Morris  (London.  1889.  8.  192  S.),  die 
Aufsätze  von  W.  Schwartz,  'Die  melkenden  Götter  bei  den  Indoger- 
manen'  (Zeitschrift  für  Völkerpsychologie  XIX  [1889]  p.  66—77)  und 


I.  Allgem.  a.  indogerm.:  Ehni,  M&hly,  A.  Lang  n.  a.  285 

'Noch  einmal  der  himmlische  Licht-  (oder  Sonnen-)Baum,  eine  prähisto- 
rische Weltanschauung'  (ebd.  XX  p.  89 — 118),  sowie  die  Schrift  von 
Schröter,  'Das  Totenreich  der  Indogermanen'.  8.  47  S.  (Wissenschaft- 
liche Beilage  zum  Progr.  des  Kgl.  Gymn.  zu  Wongrowitz  1888)  sind  nach 
dem  Ermessen  des  Ref.  für  das  Gebiet  der  griechisch-römischen  Mytho- 
logie von  keiner  Bedeutung.  Nicht  zugänglich  war  dem  Ref.  die  von 
L.  von  Schröder  recensirte  (Deutsche  Literaturzeitung  1889  p.  804  f.) 
Arbeit  von  W.  Caland,  'Ober  Totenverehrung  bei  einigen  der  indoger- 
manischen Völker'.  Veröffentlicht  durch  die  Kgl.  Ak.  d.  W.  zu  Amster- 
dam (Amsterdam,  Joh.  Mtiller.     1888.  4.  80  S.). 

Aus  der  historisch-anthropologischen  (folkloristiscben)  Schule 
sei  zuerst  ein  Werk  ihres  bedeutendsten  zeitgenössischen  Vertreters  be- 
sprochen. 

Andrew  Lang,    Myth,  ritual,  and  religion.    London,  Longmans. 
1887.     8.     2  Bde.     340  und  373  S. 

Nach  einer  kurzen  Übersicht  über  die  alten  und  die  neuen  Mytho- 
logenschnlen,  wobei  u.  a.  des  Eusebius  vernichtende  Kritik  der  physika- 
lischen Mythendeuter  ins  Licht  gerflckt  wird,  entwickelt  der  Verf.  seine 
eigene  Theorie.  In  jeder  Mythologie  ist  zu  scheiden  zwischen  ratio- 
nalen und  irrationalen  Elementen.  Erstere  sind  sofort  verständlich, 
sie  zeigen  die  Götter  als  vortreffliche,  weise  Wesen,  letztere,  —  der 
eigentliche  Gegenstand  der  mythologischen  Forschung  —  umfassen  nicht 
blos  das,  was  jener  Vorstellung  von  den  Göttern  widerspricht,  wie  z.  B. 
Schandthaten  der  Götter,  sondern  überhaupt  alles  Sinnlose,  Ungeheuer- 
liche, Wunderbare,  wie  besonders  das  ganze  Gebiet  der  Verwandlangen. 
Eine  wissenschaftliche  Erklärung  dieses  Irrationalen  ist  nur  auf  histori- 
schem Wege  möglich,  indem  man  die  Entwickelung  des  menschlichen 
Geistes  von  Stufe  zu  Stufe  verfolgt  und  einen  Zustand  des  Denkens 
nachzuweisen  sucht,  wo  alle  die  Vorstellungen,  welche  uns  irrational  er- 
scheinen, für  den  Menschen  natürlich  und  vernunftgemäfs,  der  unvermeid- 
liche Ausflufs  seiner  geistigen  Gesamtverfassung  waren.  Diesen  Zustand 
des  Denkens  beobachten  wir  bei  den  Wilden,  er  äufsert  sich  besonders 
in  unterschiedsloser  Gleichsetzung  aller  Dinge  der  Aufsenwelt  in  Hinsicht 
auf  Beseelung  und  Verstand,  im  Glauben  an  Zauberei  und  an  Geister,  in 
Neugier,  Leichtgläubigkeit  und  geistiger  Trägheit.  In  drei  überaus  be- 
achtenswerten Kapiteln  legt  Verf.  diese  Eigentümlichkeiten  der  Wilden 
an  ihren  Sitten  und  Gebräuchen  (Gap.  III — IV)  und  an  denjenigen  ihrer 
Mythen  dar,  welche  die  Thatsachen  der  sichtbaren  Welt  erklären  sollen 
(Cap.  V):  Sonnen-,  Mond-,  Gewitter-,  Tier-,  Pflanzen-,  Stein-Mythen.  In 
der  zweiten  Hälfte  des  ersten  Bandes  verfolgt  Verf.  einen  bestimmten 
mythischen  Gegenstand,  nämlich  die  Entstehung  der  Welt  und  des  Men- 
schen, durch  die  Mythologien  der  Naturvölker  (Gap.  VI),  der  Indo- Arier 
(Cap.  VU— VIII)  und  der  Griechen  (Gap.  IX— X).     Was  die  Griechen 


236  Mythologie. 

anlangt,  so  weist  Verf.  zunächst  in  mannigfachen  Einrichtungen  und  Ge- 
bräuchen, besonders  im  religiösen  Ritual  deutliche  Spuren  einer  dem 
Zustand  des  modernen  Wilden  analogen  Vorzeit  nach,  und  macht  somit 
indirekt  die  Annahme  wahrscheinlich,  dafs  auch  die  griechische  Mytho- 
logie ^survivals'  aus  derselben  niedrigen  Culturstufe  enthalten  müsse. 
Den  direkten  Beweis  hierfür  bringt  er  sodann  durch  Aufdeckung  zahl- 
reicher Parallelen  zwischen  den  kosmo-  und  anthropologischen  Mythen  der 
Griechen  mit  denen  der  verschiedensten  Naturvölker. 

Der  zweite  Band  des  Werkes  hat  mehr  systematischen  Charakter 
Verf.  skizzirt  die  Mythologien  der  niedrigsten  Völker,  z.B.  Australier, 
Buschmänner,  Hottentotten  (Cap.  XII),  der  Amerikaner,  bes.  der  Mexi- 
kaner (Gap.  XIII -XIV),  der  Ägypter  (XV),  der  Inder  (XVI)  und  der 
Griechen  (XVII);  das  letzte  Capitel  (XVIII)  handelt  vom  Märchen  (heroic 
and  romantic  tales).  In  dem  Abschnitt  über  die  griechische  Mythologie, 
auf  welchen  wir  hier  etwas  näher  einzugehen  haben,  führt  Verf.  die  her- 
vorragendsten Gestalten  des  Olymp  vor:  Zeus,  Apollon,  Artemis,  Diony- 
sos, Athene,  Aphrodite,  Hermes,  Demeter.  Obwohl  es  ihm  gelingt,  durch 
Vergleichung  mit  niedrigeren  Religionen  eine  beträchtliche  Anzahl  von 
'survivals'  aus  grauer  Vorzeit  festzustellen,  liegt  der  Wert  dieses  Ab- 
schnittes doch  mehr  in  der  meist  glücklichen  Kritik,  welche  Verfasser 
an  einer  ganzen  Reihe  der  traditionellen  physikalischen  Deutungen  tibt, 
und  in  guten  allgemeinen  Gesichtspunkten.  *It  is  most  perilous  to  gaess 
at  an  origin  of  any  god  in  natural  phenomeua,  and  then  to  explain  the 
details  of  the  god*s  legend  with  exclusive  reference  to  that  fancied  ele- 
meutai  origin'  (p.  241  f).  Nur  bei  Zeus,  Demeter  und  Apollon  giebt  er 
die  übliche  physikalische  Deutung  zu,  betont  aber  auch  für  diese  Gott- 
heiten nachdrücklich  die  wesentlichen  und  mannigfachen  Veränderungen, 
welche  ihre  Gestalt  im  Lauf  der  Zeit  erfahren  hat,  und  verwirft  durch- 
aus das  beliebte,  unwissenschaftliche  Bemühen,  aus  jedem  Sagenzug  eine 
Anspielung  auf  das  Naturobjekt,  dessen  Personifikation  der  Gott  ur- 
sprünglich gewesen  sein  mag,  herauszulesen  (vgl.  p.  194.  I,  336  f.)* 

Nicht  selten  fordert  Verf.  zum  Widerspruch  heraus,  in  Einzelheiten 
sowohl  wie  in  einigen  Fundamentalsätzen  seiner  Theorie,  welche  er  in 
Cap.  XI,  dem  letzten  des  1.  Bandes,  kurz  zusammenfafst,  und  bisweilen  hat 
man  den  Eindruck,  als  ob  Verf.  sich  in  wesentlichen  Punkten  noch  nicht 
ganz  zu  genügender  Klarheit  durchgearbeitet  habe:  im  ganzen  jedoch 
verrät  das  Werk  so  feinen  Takt,  so  ernsten  historischen  Sinn  und  so 
wenig  Einseitigkeit,  dafs  man  sich  von  ihm  einen  sehr  wofalthätigen  Ein- 
flufs  auf  die  mythologische  Wissenschaft  versprechen  darf. 

Ein  neueres  Werk  von  Andrew  Lang,  welches  u.  a.  die  Märchen 
bei  Homer  behandeln  soll,  war  dem  Ref.  bislang  nicht  zugänglich.  Es 
führt  den  Titel: 


I.  Ällgem.  tu  indogenn.:  A.  Lang,  Staiu-Wake  u.  a.  237 

£tQ<ies  traditJonalistes  (Collection  internationale  de  la  Tradition  VI.) 
Paris  1890. 

Die  ttbrigen  hier  zu  besprechenden  Leistungen  von  Seiten  der 
Folkloristen  stehen  an  Bedeutung  tief  anter  dem  Werke  von  Andrew  Lang. 

G.  Staniland  Wake,  Serpent-Worship  and  other  essays  with  a 
chapter  on  totemism.    London,  6.  Redway.    1888.  8.  299  S. 

Erschien  dem  Verf.  das  Wort  ^phallism'  nicht  sauber  genug,  um 
es  in  den  Titel  aufzunehmen?  Der  Inhalt  der  ersten  drei  Abschnitte« 
auf  welche  es  uns  hier  ankommt  —  die  ttbrigen  gehören  der  allgemeinen 
Kulturgeschichte  an  —  hätte  es  so  verlangt.  Anknüpfend  an  ForIong*s 
'rivers  of  life'  versucht  Verf.  die  dort  angesetzten  primitiveu  Religions- 
formen, nämlich  Baum-,  Schlangen-,  Feuer-,  Sonnen-,  Ahnenkult,  teils 
direkt  teils  mittelbar  auf  den  Respekt  zurückzufahren ,  welchen  der  ge- 
heimnisvolle und  wichtige  Vorgang  der  Zeugung  den  Menschen  einge- 
flOfst  habe:  das  Zeugungsorgan  und  der  Erzeuger  sind  die  ältesten  Ob- 
jekte der  Verehrung  (^there  is  nothing  more  mysterious  than  the  pheno- 
mena  of  generation,  and  nothing  more  important  than  te  final  result  of 
the  generative  act'  p.  10),  welche  sich  dann  auf  das  Zeugungskräftige 
Oberhaupt  ausdehnt.  Während  Cap.  II  den  Spuren  des  ^phallism*  in  den 
Religionen  des  Altertums  und  der  Naturvölker  nachgeht  —  phallische 
Riten  (Beschneidung),  Mythen  (Sttndenfall) ,  Symbole  (Feigen-  und  Pal- 
menbaum, Schlange,  Stier,  Sonne,  Steinhaufen  und  Pfeiler)  —  behandelt 
Cap.  III  Hhe  origin  of  serpent-worship'. 

Haltbare  neue  Gedanken  werden  kaum  geboten,  Verf.  rührt  sich 
aus  kritiklos  hingenommenen  neueren  Systemen  und  seinem  'phallischen' 
Prinzip  einen  Brei  zurecht,  der  höchst  ungeniefsbar  ist.  Von  einer  För- 
derung der  behandelten  Fragen  kann  in  keiner  Weise  die  Rede  sein. 

Ungefähr  dasselbe  Gebiet  behandeln  zwei  ebenfalls  compilatorische 
und  den  Anforderungen  strenger  Wissenschaft  ebenso  wenig  genügende 
Werke,  von  denen  wir  hier  nur  die  sehr  ausführlichen  Titel  mitteilen: 

Robert  Allen  Campbell,  Phallic  Worship,  an  outline  of  the 
worship  of  the  generative  organs,  as  being,  or  as  representing,  the 
Divine  Creator,  with  suggestions  as  to  the  influence  of  the  phallic 
idea  on  religions  creeds,  ceremonies,  customs  and  symbolism  —  past 
and  present.   lUustrated  with  200  engrav.    St.  Louis  (1887).  4.  204  S. 

Ophiolatreia:  an  acconnt  of  the  rites  and  mysteriös  connected 
with  the  origin,  rise  and  development  of  Serpent  Worship  in  various 
parts  of  the  world,  enriched  with  interesting  trac^tions,  and  a  füll 
description  of  the  celebrated  serpent  mounds  and  temples,  the  whole 
forming  an  exposition  of  one  of  the  phases  of  phallic,  or  sex  wor- 
ship.   Privately  priuted.     1889.  8.   103  S* 


288  Mythologie. 

Einen  anderen  Gegenstand  nntersucfat 

Friedrich  Franz,  Mythologische  Studien.  II.  Buch.  Der  Weihe- 
frtihling  und  das  Eönigsopfer  (Progr.  des  Staatsgymn.  im  IV.  Bezirke 
Wiens  1888).  8.  66  S. 

Der  Verf.  sieht  im  griechischen  Mythus  einen  ^mehr  oder  minder 
verhüllten  Ausdruck'  des  Kultus,  besonders  der  ältesten  Formen  dessel- 
ben, und  hält  es  fflr  die  Aufgabe  der  Mythologie,  'durch  schlichte  Er- 
klärung der  Sage  ohne  jede  Unterlegung  eines  verborgenen  Sinnes  die 
ältesten  Einrichtungen  der  Völker  ausfindig  zu  machen'  (p.  6).  In  der 
vorliegenden  Arbeit  stellt  er  Belege  für  den  Weihefrühling  und  das  Eö- 
nigsopfer zusammen,  erstens  bei  den  Bewohnern  des  skandinavischen  Nor- 
dens und  zweitens  bei  den  Griechen  (zu  welchen  ohne  Umstände  auch 
Lyder,  Skythen  und  Ägypter  gerechnet  werden).  Um  den  Neid  der  Götter 
(d.  h.  der  abgeschiedenen  Stammhäupter)  zu  versöhnen  und  die  von  ihnen 
gesandte  Unfruchtbarkeit  oder  Seuche  abzuwenden,  werden  entweder  die 
während  eines  Jahres  geborenen^  Kinder  ihnen  geweiht,  d.  h.  aus  der 
Heimat  verstofsen,  oder  ein  Mitglied  der  Königsfamüie  wird  geopfert. 
Als  Belege  f&r  jenes  Verfahren  fQhrt  der  Verf.  u.  a.  die  Pelasger  und 
Tyrrhener  auf,  für  dieses  die  Sagen  von  Lykurgos,  Penthens,  Kypselos 
und  Oidipus. 

Das  Buch  ist  eine  Geschichtensammlung,  aber  keine  wissenschaft- 
liche Untersuchung.  Der  Verf.  hat  sich  weder  sonderlich  bemüht,  wirk- 
lich brauchbares  Material  aufzubringen  und  zu  ordnen,  noch  nimmt  er 
irgendwo  einen  Anlauf  zu  strenger  Beweisführung  (vgl.  die  Behandlung 
des  Hephaistosmythus  p.  40f. !),  sodafs  von  einer  Förderung  des  interes- 
santen Gegenstandes  kaum  die  Rede  sein  kann. 

Von  der  Polemik  zwischen  vergleichenden  Mythologen  und  Folklo- 
risten können  wir  hier  nur  einige  Proben  bringen. 

Stein thal,  Mythos,  Sage,  Märchen,  Legende,  Erzählung,  Fabel 
(Zeitschrift  für  Völkerpsychologie  und  Sprachwissenschaft  XVII  [1887] 
p.  113  ff). 

verteidigt  die  vergleichenden  Mythologen,  besonders  Kuhn,  gegen  Mann- 
hardt  u.  a.;  die  Polemik  gegen  letzteren  ist  arm  an  begründeten  sach- 
lichen Einwänden,  aber  von  abstofsend  gehässigem  Ton. 

Ch.  Ploix,  Mythologie  et  Folklorisme  (Revue  de  Thistoire  des  reli- 
gions  XIII  [1886]  p.  1—46) 

vergleicht  die  comparative  Mythologie  und  die  Folklore  hinsichtlich  ihrer 
Methode,  ihrer  Ziele  und  ihres  Wertes;  sodann  macht  er  den  Versuch, 
durch  eine  Kritik  zweier  Untersuchungen  Andrew  Langes  —  über  Kronos, 
Amor  und  Psyche  —  die  Unfähigkeit  der  Folkloristen  für  die  Erklärung 
eines  Mythus  darzulegen.     Verf.  selbst  führt  das  Wort  Kpovog  auf  die 


I.  Allgem.  n.  indogerm. :  Franz,  Reville,  Vernes,  de  B.  Mills  u.  a.    239 

Wurzel  kri,  kar  zurttck,  'qui  slgDifie  couper,  s^parer'.  —  Ainsi  K.  est 
celui  qui  coupe,  celui  qni  söpare:  il  est  la  premi^re  lueur  du  matin  qni 
söpare  le  ciel  de  la  terre;  on  peut  dire  aussi  quMl  s6pare  le  jour  de  la 
Duit'y  d.  fa.  'le  cr^puscule'.  Eine  so  sichere  und  befriedigende  Erklä- 
rung (!)  wie  diese  es  sei,  erklärt  Verf.  von  der  Amor- Psychesage  nicht 
geben  zu  können:    er  beschränkt  sich  daher  hier  auf  die  Kritik  Lang's. 

A.  Lang,  Folklore  et  mythologie  (ebd.  p.  197  —  205) 

giebt  hierauf  eine  knapp  gehaltene  Antwort,  in  welcher  folgende  Bemer- 
kung besonders  treffend  erscheint:  Mes  philologues  ne  s'accordent  pas 
entre  eux  une  fois  sur  trente.  Ils  ne  s*entendent  mdme  pas  sur  la  langne 
dans  la  quelle  il  faut  chercher  la  racine  d*nn  oom  tel  qu*Art6mis.' 

In  dem  ganzen  Streit  nimmt  eine  vermittelnde  Stellung  ein 

Jean  Reville,  De  la  complexit6  des  mythes  et  des  legendes  (ebd. 
p.  169 — 196).  An  einem  Beispiel  aus  der  Heiligenlegende  (Saiut-Denys) 
weist  er  recht  glttcklich  nach,  aus  wie  verschiedenen  Elementen  oft  ein  und 
dieselbe  Sage  zusammen  gesetzt  ist,  wie  sehr  daher  ein  Zusammenwirken 
der  verschiedenen  bislang  ausgebildeten  Methoden,  der  vergleichenden, 
der  folkloristischen,  der  analogistischen  u.  s.  w.  am  Platze  sei. 

Endlich  —  last  not  least  —  sei  erwähnt: 

Maurice  Vernes,  Les  abus  de  la  m^thode  comparative  dans 
lliistoire  des  religions  en  g6n6ral  et  particuli^rement  dans  T^tude  des 
religions  s^mitiques  (Revue  internationale  de  Fenseignement  T.  XI  [1886] 
p.  428—468).  Diese  *LeQon  d'ouverture  du  cours  d'histoire  des  religions 
sömitiques  faite  ä  la  Sorbonne'  können  wir  deshalb  jedem  Mythologen 
aufs  dringendste  empfehlen,  weil  der  Verf.  mit  strenger  Objektivität,  aber 
mit  rücksichtsloser  Offenheit  und  Schärfe  das  Unheil  aufdeckt,  welches 
die  vergleichende  Methode  in  der  Religionsgeschichte  angerichtet  hat. 
Es  sind  vier  *abus',  welche  er  nachweist:  La  recherche  des  origines  — 
le  classement  des  religions  —  la  m^thode  comparative  proprement  dite 
—  les  cl^s  de  l'histoire  religieuse. 

Von  den  Werken,  welche  aus  dem  Rahmen  der  einen  wie  der  an- 
deren Schule  herausfallen,  nimmt  einen  eklektischen  Standpunkt  ein 

Charles  de  B.  Mills,  The  Tree  of  Mythology,  ite  Growth  and 
fruitage:  Genesis  of  the  nursery  tale,  saws  of  folk-lore,  etc.  Syracuse, 
C.  W.  Bardeen.     1889.  8.   288  S. 

Das  Bestreben,  das  Leblose  zu  personifiziren,*  verbunden  mit  der 
ebenfalls  angeborenen  Neigung  zum  Übertreiben  und  Überschätzen,  und 
der  Drang  sich  die  Erscheinungen  der  Aufsenwelt  zu  erklären:  das  be- 
zeichnet Verf.  (im  1.  Kapitel)  als  die  Quellen  der  Mythologie.  In  den 
verschiedenartigsten  Mustern,  bald  aus  der  indischen  und  der  indiani- 


240  Mythologie. 

sehen,  bald  aus  der  germanischen  und  der  klassischen  Mythologie,  werden 
uns  dann  die  'myths  of  explanation',  welche  Erscheinungen  der  Natur 
und  des  Menschenlebens  erklären,  vorgefahrt,  ferner  diejenigen  Mythen, 
deren  Ursprung  in  irgend  welchen  bildlichen  Vorstellungen  und  Aus- 
drucken zu  suchen  ist,  und  drittens,  mit  zahlreichen  Belegen  auch  ans 
der  Heiligensage  und  anderen  Sagenkreisen  des  Mittelalters,  die  Heroen- 
sagen, die  ^faded  nature  myths'  (II— IV).  Der  Verf.  zeigt  dann  den 
Niederschlag  von  Mythen  und  Sagen,  den  Märchen  und  Sprichwort  Owhen 
you  dance,  you  must  remember  to  pay  the  piper'  —  Rattenfänger  von 
Hameln  —  Odin!  p.  110),  Aberglaube  und  Volksbrauch  darbieten  (V — VII), 
er  behandelt  das  Bildliche,  Didaktische,  Ethische  in  der  Mythologie  und 
die  Symbolik  (VIII — XI).  Den  Beschlufs  macht  eine  Art  religiöser  Zu- 
kunftsmusik (XII). 

Im  Übrigen  ein  anziehend  und  flott  geschriebenes  Buch,  das  zwar 
den  Anspruch  einer  wissenschaftlichen  Leistung  nicht  erheben  darf,  aber 
wohl  geeignet  ist,  fttr  den  Gegenstand  Verständnis  und  Interesse  zu  er- 
wecken. 

Ein  völlig  neues  Erklärnngsprinzip  der  Mythologie  bietet  das  Werk  von 

Ludwig  Laistner,  Das  Rätsel  der  Sphinx.    Grundzflge  einer  My- 
thengeschichte.   Berlin,  Hertz  1889.  8.  2  Bände.    343  und  471  S. 

Nach  einer  Kritik  der  physikalischen  Mythendeutung  entwickelt 
der  Verf.  sein  Programm  für  das  vorliegende  Werk.  *£s  ist  längst  be- 
kannt, dafs  die  deutsche  Volkssage  die  Gleichung  aufstellt:  Alb  ist  Alp, 
d.  h.  das  zahllose,  vielnamige  Heer  der  Elbe,  der  in  der  Luft,  im  Wasser, 
im  Haus  und  auf  dem  Felde,  in  Berg  und  Wald,  Haide  und  Ackerland, 
auf  und  unter  der  Erde  hansenden  Dämonen,  wird  unter  der  nämlichen 
Bezeichnung  znsammengefafst,  von  welcher  das  Alpdrücken  seinen  Namen 
hat.  Dafs  in  dieser  Gleichung  zugleich  das  Rätsel  des  Mythus  beschlos- 
sen sei,  mufste  verborgen  bleiben,  so  lange  man  bei  dem  Versuch  der 
Auflösung  falsche  Werte  einsetzte  und  sich  mit  dem  Ergebnis  begnügte, 
das  Volk  schreibe  den  Gewitterwesen  oder  Windgeistern  oder  Baumgenien 
unter  anderen  Wirkungen  auch  diese  zu,  den  bekannten  quälenden  Traum 
zu  erregen,  mit  andern  Worten,  der  Alp  sei  ein  Alb.    Die  rechte  Lösung 

ist  aber  nur  zu  finden  bei  der  Wortfolge:  Alb  ist  Alp Bei  der 

unabsehbaren  Menge  des  Stoffes  kam  es  vor  Allem  darauf  an,  erstens 
die  Richtigkeit  des  neuen  Prinzips  darzulegen,  zweitens  seine  Tragweite 
ahnen  zu  lassen.  Am  Beispiel  der  altgriechischen  Sphinxsage  zeigt  das 
erste  Kapitel,  dafs  Altertum  und  Neuzeit  eine  bestimmte  Form  der  Alp- 
sage kennen.  Das  zweite  und  dritte  Kapitel  behandeln  Überlieferungen, 
welche  in  nächstem  Bezüge  zur  Sphinxsage  stehen  und  die  zwei  Haopt- 
seiten  der  Grundvorstellung  entfalten  als  Sagen  vom  minnenden  und  vom 
quälenden  Alp.  Das  vierte  endlich  ist  dem  Nachweis  gewidmet,  dafs  eine 
Reihe  deutscher  und  griechischer  Gottheiten,  teils  niederen,  teils  hohen 


I.  Allgem.  u.  indogerm.:   Laistner,  Wendorff.  241 

Ranges,  dem  Kern  ihres  Wesens  nach  nichts  anderes  seien  als  Alpe  und 
Mährten'  (p.  X.XVf.). 

Die  angeblichen  Resultate  dieses  Buches  für  die  griechische  My- 
thologie sind  durchaus  illusorisch.  Dafs  das  Traumleben  mit  seinen  wun- 
derbaren Erscheinungen  den  Naturmenschen  aufs  lebhafteste  beschäftigt 
haben  mufs,  dafs  der  überlieferte  Mythenschatz  in  weit  höherem  Grade, 
als  man  bisher  annahm,  Niederschläge  dieses  Gebietes  enthält:  das  wird 
man  dem  Verf.  gern  zugestehen,  und  für  diese  Beobachtung  ihm  Dank 
wissen.  Aber  auch  nur  mit  ungefährer  Wahrscheinlichkeit  solche  Sagen 
auszuscheiden,  ist  dem  Verf.  wenigstens  für  die  griechische  Mythologie 
nicht  gelungen.  Sphinx,  Empusa,  Thetis,  Danaiden,  Ixion,  Polyphem, 
Pan,  Hermes,  Persephone,  Demeter,  Eileithyien,  Hera,  Dione,  Dionysos, 
Aphrodite,  Hephaistos,  Artemis,  Apollon  und  andere  Gestalten  der  grie- 
chischen Mythologie  sollen  im  letzten  Grunde  nichts  anderes  sein  als  Alp- 
geister, Lure  und  Lurinnen.  Hat  irgend  ein  Zug,  eine  Sage  des  Gottes 
mit  einem  angeblichen  Alpmythus  einer  anderen  Mythologie  gewisse 
Ähnlichkeit,  so  genügt  dies  für  den  Verf.  um  den  Gott  als  Lur  zu  pro- 
klamiren:  wir  erinnern  uns  nicht,  dafs  von  einem  Vertreter  der  physi- 
kalischen Mythendeutung  jemals  mit  so  bodenloser  Willkür  und  Ober- 
flächlichkeit gearbeitet  worden  wäre.  Auch  in  etymologischer  Hinsicht 
giebt  es  für  den  Verf.  kaum  ein  Rätsel:  mit  gröfster  Freigebigkeit  streut 
er  die  halsbrecherischsten  Etymologien  aus. 

Dafs  der  Schlüssel  zur  Mythologie  ganz  wo  anders  zu  suchen  ist 
als  im  Traumleben,  lernen  wir  von 

Franz  Wendorff,  Erklärung  aller  Mythologie  aus  der  Annahme 
der  Erringuug  des  Sprachvermögens  (mit  vorzüglicher  Berücksichtigung 
des  griechischen  und  sanskritischen  Idioms).  Berlin,  G.  Nauck.  1889. 
8.    199  S. 

In  dem  System  Max  Mülier's  spielt  bekanntlich  die  mythenbildende 
Kraft  der  Sprache  eine  gewisse  Rolle.  Fast  wie  ein  Zerrbild  dieses  Ge- 
dankens nimmt  sich  das  vorliegende  Buch  aus.  Die  Götter  ^repräsen- 
tiren'  nach  der  Ansicht  des  Verf.  'im  Grunde  nichts  anderes  als  den 
entstandenen  Sprachlaut'  (p.  104  f.),  die  Mythen  spiegeln  teils  die  (kör- 
perlichen und  psychischen)  Vorgänge  bei  Erringung  des  Sprechvermögens 
wieder,  teils  sind  sie  daher  entstanden,  dafs  mehrere  Begriffe  in  Erinne- 
rung an  ihre  ursprüngliche  Spracheinheit  nebeneinander  festgehalten  wur- 
den (p.  1  u.  ö.).  Besonders  auf  letzteres  scheint  es  dem  Verf.  anzukom- 
men, er  behandelt  Kap.  I  die  '  ursprüngliche  Spracheinheit  der  Lichtbe- 
griffe', II  die  'ursprüngliche  Spracheinheit  der  Lichtbegriffe  mit  dem  Be* 
griff  menschlicher  Lautausstofsung  und  seinen  Differenzirungen  sowie 
mit  dem  Begriff  geistiger  Erkenntnis',  III  die  'ursprüngliche  Sprachein- 
heit der  bereits  bekannten  Begriffe  mit  den  Begriffsnüancen  des  sich 
vollziehenden  Schöpfungsaktes'  und  so  fort. 

Jahresbericht  für  Alteitumswissenschaft.    LXVI.  Bd.  1^ 


242  Mythologie. 

Eine  präcise  Wiedergabe  der  wanderlichen  Theorie,  zu  deren  Be- 
gründung ein  ungeheures  linguistisches  Material  zusammengetragen  ist, 
übersteigt  unsere  Kräfte:  wir  begnügen  uns  damit  einzelne,  besonders 
kennzeichnende  Aufstellungen  herauszugreifen,  p.  112  Anm.  1:  'höchst 
charakteristisch  ist  diese  Verwandlungsffthigkeit  mythischer  Personen, 
z.  B.  des  Proteus,  des  Nereus,  der  Thetis,  der  Erinnyen  u.  s.  w.,  denn 
mythische  Personen  sind  ja  nichts  anderes  als  die  erstandenen  Sprach- 
laute, insofern  sie  zwar  viele  Begrifibrichtungen  entwickeln,  aber  keine 
derselben  die  Alleinherrschaft  über  sich  gewinnen  lassen,  sodafs  sie  von 
der  lebendigen  Sprache  nicht  gebraucht  werden  können.  Sie  sind  des- 
halb listig  und  fähig  sich  zu  verwandeln  und  schwer  zu  bewältigen', 
p.  132  Anm.  2:  *es  ist  —  der  Flufsgott  selbst  der  junge  schöne  Sprach- 
laut', p.  162  Anm.  1:  'Ekkelados  heifst  auch  der  von  Athene  überwun- 
dene Gigant  —  d.  h.  der  bei  der  Aussprache  des  Wortes  'A^w^  anfangs 
hervorgetretene  Widerstand',  p.  177  Anm.  2:  Adrastos  bei  Pindar  *  her- 
aufgesandt als  ein  Tnneo^  aus  dem  starken  Eampfgeschrei'  —  'eine  recht 
anschauliche  mythische  Schilderung  der  Erringung  des  Sprechvermögens', 
p.  164  Anm.  1:  'die  Vorstellung  der  mühseligen,  ziellosen  Wanderung 
der  Jo  und  ihrer  endlichen  glücklichen  Erlösung  (vergl.  den  Herakles 
dvamwöiievof)  dürfte  uns  gewifs  verständlich  sein  bei  unserer  Theorie 
der  Spracherringung'.  Auch  in  Kulthandlungen  erkennt  Verf.  die  sym- 
bolische Darstellung  der  'Spracherringung'.  p.  189  Anm.  1:  'das  Salben 
(der  IpfLoxeg)  mit  öl  ist  eine  besonders  treffliche  Symbolik  jenes  Vor- 
ganges, den  wir  nach  unserer  Theorie  überall  in  der  Mythologie  geschil- 
dert wähnen  — .  Geschmeidigkeit  und  leichtes  Gleiten  wird  bekanntlich 
durch  das  Salben  mit  öl  hervorgerufen'  u.  s.  w.  Sogar  das  Opfer  findet 
so  seine  Erklärung,  p.  186  Anm.  2:  'Die  entstandene  Sprache  ist  näm- 
lich u.  a.  ein  erfreuendes  Geschenk,  welches  den  thronenden  lichten  Göt- 
tern dargebracht  wird,  sie  ist  aber  bekanntlich  auch  etwas  Vernichtetes 
und  Ertötetes,  indem  der  bei  der  Aussprache  anfangs  hervorgetretene 
Widerstand  schliefslich  gebrochen  und  vernichtet  wird'. 

Einer  Kritik  bedürfen  diese  Phantasien  nicht.  Im  Hinblick  auf  den 
ameisenartigen  Fleifs  des  Verf.  mag  man  bedauern,  dafs  es  ihm  an  der 
üblichen  Routine  gebricht:  andernfalls  hätte  das  Buch  vielleicht  ähnlichen 
Erfolg  erzielt,  wie  die  solare,  die  nubilare  und  die  animistische  Theorie. 
So  wie  es  ist,  wird  es  nur  als  abschreckendes  Beispiel  einseitiger  und 
willkürlicher  Forschung  von  Wert  sein. 

Anhangsweise  sei  hier  noch  kurz  auf  zwei  Schriften  hingewiesen, 
deren  Inhalt  das  hier  zu  behandelnde  Gebiet  nur  streift,  zunächst  auf 
das  Buch  von 

Ludwig  Hopf,  Tierorakel  und  Orakeltiere  in  alter  und  neuer  Zeit. 
Eine  ethnoL-zoolog.  Studie.    Stuttgart,  Kohlhammer.   1888.  8.  271  S. 

Verf.  giebt  einen  Überblick  über  die  Geschichte  der  Tierorakel 
and  ein  systematisches  Verzeichnis  der  Orakeltiere,  er  versucht  drittens 


L  Allgem«  n.  indogerm. :  Wendorff  o.  a.    II.  Griech.-röm. :  Lexikon.    243 

eine  psychologische  Erklärung  der  Tierorakel,  welche  manches  für  den 
Mythologen  Beachtenswerte  enthalt. 

Anton  Nagele,  Der  Schlangen-Kultus  (Zeitschrift  für  Völkerpsy- 
chologie XYII  [1887]  p.  264—289) 

macht  ziemlich  aphoristische  Mitteilungen  und  Vermutungen  über  den 
Schlangenkult  der  verschiedensten  Völker.  Hinsichtlich  der  Griechen  ver- 
missen wir  die  Bemerkung,  dafs  es  besonders  chthonische  Gottheiten  sind, 
mit  denen  die  Schlange  verbunden  wird.  Dafs  ferner  die  Schlange  nach 
griechischer  Vorstellung  bisweilen  an  Stelle  der  Gottheit  tritt  (p.  272), 
zeichnet  sie  vor  anderen  attributiven  Tieren  keineswegs  aus  und  beweist 
noch  lange  nicht  ihre  göttliche  Verehrung. 


n.  Grieehiseh-römische  Mythologie. 

Ausführliches  Lexikon  der  griechischen  und  römischen  Mytho- 
logie im  Verein  mit  Th.  Birt,  0.  Grnsius,  W.  Deecke,  F.  Dene- 
ken,  W.  Drexler,  R.  Engelmann,  A.  Furtwängler,  J.  Ilberg, 
0.  Immisch,  A.  Klügmann  (f),  Max.  Mayer,  0.  Meltzer,  Ed. 
Meyer,  R.  Peter,  A.  Preuner,  K.  Purgold,  A.  Rapp,  Th.  Schrei- 
ber, K.  Seeliger,  H.  Steuding,  H.  W.  Stell,  L.  v.  Sybel,  E.  Thrä- 
mer,  P.Weizsäcker,  L.  Weniger,  G.  Wissowa,  E.  Wörner  u.a. 
herausgegeben  von  W.  H.  Röscher.  Erster  Band.  Mit  über  500  Abbil- 
dungen und  einer  genealogischen  Tafel.  Leipzig,  Teubner.  1884—1890. 
8.  3024  Sp.  (Erschienen  in  17  Lieferungen;  letzter  Name:  iHysirisc) 
Vom  zweiten  Bande  ist  uns  bis  jetzt  zugegangen:  18-20.  Lieferung 
(Sp.  1—320;  »Jachet  —  ilrist)  ebd.  1890—1891. 

Dieses  mit  grofser  Sorgfalt  und  erstaunlichem  Geschick  geleitete 
Werk,  welches  in  erster  Linie  'eine  möglichst  objektive,  knappe  und 
doch  vollständige,  stets  auf  die  Quellen  gegründete  Darstellung  der  lit- 
terarisch überlieferten  Mythen  unter  gehöriger  Benutzung  der  Monumente 
der  bildenden  Kunst,  sowie  der  betreffenden  Kulte'  bezweckt,  darf  als 
ein  unentbehrliches  Hilfsmittel  für  jede  mythologische  Forschung 
hingestellt  werden.  Die  Besprechung  der  umfangreicheren,  bezw.  irgend- 
wie bedeutsamen  Artikel  werden  wir,  der  Anordnung  unseres  Berichtes 
folgend,  gehörigen  Ortes  bringen,  doch  müssen  schon  hier  zwei  Aus- 
setzangen allgemeiner  Art  gemacht  werden. 

Die  Deutung  eines  Mythus  oder  eines  Gottes  durfte  unter  keinen 
Umständen  der  Darstellung  zu  Grunde  gelegt  werden.  Das  ist  zwar  nur 
in  solchen  Fällen  geschehen,  wo  sie  der  Verf.  für  sicher  oder  doch  sehr 
wahrscheinlich  hielt,  aber  immer  zum  Schaden  der  weiteren  Untersu- 
chung. Denn  auch  im  günstigsten  Fall  hat  eine  Deutung  nicht  diejenige 
Sicherheit,  welche  sie  zum  Ausgangspunkte  geeignet  machte.     Zweitens 

16* 


244  Mythologie. 

hätten  wir  das  archäologisclie  Material,  dessen  Fülle  ein  ganz  besonderer 
Vorzug  des  Werkes  ist,  lieber  nicht  in  scharfer  Sonderung  vom  übrigen 
gesehen  (was  bei  den  meisten  gröfseren  Artikeln  der  Fall  ist)  oder  gar 
von  anderer  Hand  bearbeitet.  Ein  abgeschlossenes  zusammenhängendes 
Bild,  wie  man  es  hier  verlangt,  ist  nur  dann  möglich,  wenn  in  jedem 
einzelnen  Punkt  gleichzeitig  die  bildliche  und  die  litterarische  Überliefe- 
rung herangezogen  und  verwertet  wird :  wer  nicht  beide  gleich  gründlich 
beherrscht,  ist  wenigstens  für  die  vorliegende  Aufgabe  nicht  geschickt. 
Aber  dies  sind  doch  nur  verschwindend  kleine  Mängel  gegenüber  dem 
hohen  Verdienst,  welches  der  Herausgeber  mit  diesem  mühevollen  Unter- 
nehmen sich  um  die  mythologische  Wissenschaft  erworben  hat. 

Charles  Ploix,   La  nature  des  dieux.     £tudes  de  mythologie 
gr^co-latine.    Paris,  F.  Vieweg.    1888.   8.   469  S. 

^Je  crois  donner,  dans  ce  livre,  l'explication  definitive  de  Torigine 
des  dieux  et  du  polythöisme  chez  les  peuples  gr6co-italiques,  et,  par 
cons6quent,  aussi  chez  toutes  les  nations  qui  parlent  une  langue  aryenne, 
puisque  les  Grecs  et  les  Latins  ont  emprunt^  leurs  langues  et  leurs  id^es 
aux  Aryens.'  Dies  der  verlockende  Eingang  des  Vorworts,  in  dessen 
weiterem  Verlauf  besonders  die  Beantwortung  der  folgenden  Fragen  in 
Aussicht  gestellt  wird:  1)  Quelle  est  la  nature  pr^cise  du  phönom^ne 
(sc  physique)  personnifiö  par  chaque  dieu?  2)  domment  Thomme  a-t-il 
pu  attribuer  k  ces  ph^nom^nes  physiques  toutes  les  facultas  qui  en  ont 
fait  un  dieu?  In  Cap.  I  (Les  ant^cödents  du  polyth^isme)  nimmt  Verf. 
den  Fetischismus  (*le  culte  des  objets  au  milieu  desquels  nous  vivons'), 
in  Schutz  gegen  den  Vorwurf,  dafs  er  eine  Verirrung  des  Menschengeistes 
sei;  sodann  folgt  in  z.  t.  glänzender  und  eigenartiger  Darstellung  die 
hergebrachte  psychologische  Erklärung  des  Fetischismus  und  eine  nach 
den  Eultobjekten  geordnete  Übersicht  der  angeblichen  Spuren  desselben, 
besonders  auf  griechisch-römischem  Gebiet  (Steine,  Gewässer,  Bäume, 
Tiere,  Tote,  Himmelsphänomene). 

Cap.  II  (Les  dieux  et  le  polyth6isme)  giebt,  wiederum  unter  vor- 
wiegend psychologischer  Begründung,  folgenden  Entwicklungsweg  vom 
Fetischismus  zum  Polytheismus :  mit  der  zunehmenden  Naturerkenntnis 
und  dem  stetig  wachsenden  Bewufstsein  der  eigenen  Kraft  verlieren  für 
den  Menschen  die  Erdfetische  allmählich  ihre  Bedeutung,  während  die 
Himmelsfetische  mit  ihrer  nicht  blos  vermeintlichen  Macht  über  das  ganze 
Leben  das  Feld  behaupten.  Aber  von  den  zwei  Arten  von  Himmelsfeti- 
schen, die  Verf.  scharf  geschieden  haben  will,  den  Himmelskörpern,  be- 
sonders Sonne  und  Mond,  einerseits  und  andrerseits  den  Lichterscheinun- 
gen (ph6nom^nes  mötöorologiques,  apparences  Celestes,  d.  i.  der  heitere, 
der  bewölkte,  der  finstere  Himmel,  Morgenröte,  Dämmerung,  der  'grand 
jour'  in  seinen  verschiedenen  Erscheinungen  und  die  beiden  *petit8  jours' 
[cr^puscules]  mit  ihren  vielen  Nuancen)  sind  es  nicht  die  ersteren,  woraus 


ni     j*  ,a-Ä_ Ä." ■-■..." jii_  "^ 


II.  6riech.-r6iD.:    Lexikon,  Ploix.  245 

sich  die  Götter  bildeteD  —  denn  weder  faabeo  letztere  gleichen  Namen 
mit  den  Gestirnen  noch  finden  wir  bei  Griechen  und  Römern  die  Astro- 
latrie  in  entsprechendem  Mafse  ausgebildet,  noch  auch  läfst  sich  die  Un- 
zahl von  Göttern  und  Heroen  aus  einer  Personifikation  der  wenigen  in 
Frage  kommenden  Gestirne  erklären  —  sondern  jene  vielen  und  mannich- 
faltigen  apparences  Celestes,  fttr  deren  jede  es  einen  besonderen  Namen 
gab,  bei  jedem  Volk  einen  anderen,  sind  die  Fetische,  welche  der  Men» 
schengeist  allmählich  zu  Göttern  ausgestaltet  hat;  so  entsteht  mit  dem 
Zusammentreten  der  einzelnen  Völker  zu  gröfseren  Massen  der  reiche 
Olymp  des  griechischen  und  des  römischen  Altertums.  Die  einzelnen 
Gottheiten  erhalten  mit  der  Zeit  —  häufig  auf  Grund  falscher  Deutung 
ihrer  nicht  mehr  verständlichen  Namen  —  bestimmte  Gebiete  des  mensch- 
lichen Lebens  zugeteilt,  sie  werden  in  die  verschiedensten  verwandtschaft- 
lichen Beziehungen  zu  einander  gesetzt,  von  welcher  nur  die  'filiation', 
als  Ausdruck  'de  succession  des  ph^nom^nes  personnifiös'  bereits  der 
Fetischzeit  angehört.  Sie  erhalten  endlich  auch  das  Prädikat  der  Un- 
sterblichkeit: von  dem  Phänomen  und  dem  Fetisch  war  der  Ausdruck 
'dBdvaroe*  nur  im  Sinn  von  'nicht  gestorben'  angewandt  worden. 

Cap.  IlL  Zeus-Jupiter  (Diespiter)  =  Me  grand  jour,  le  jour  serein, 
le  cieul  bleu  ou  brillant',  absorbirt  allmählich  die  Bedeutung  des  Posei- 
don (d.  i.  der  bewölkte,  weniger  helle  Himmel)  und  des  Hades  (d.  i.  der 
finstere  Himmel)  und  wird  zur  ^force  toute  puissante  qui  dirige  les  mouve- 
ments  ot  les  phönomönes  du  ciel'. 

Cap.  IV.  Janus  dagegen  (Me  p^re  petit  jour,  le  p^re  cr^puscule') 
ist  —  wie  alle  Gottheiten  nach  Ausscheidung  von  Zeus-PoseidonHades 
—  eine  Personifikation  der  Dämmerung,  deren  zwiefaches  Eintreten,  das 
morgendliche  und  das  abendliche,  in  der  biformen  Gestalt  des  Gottes 
veranschaulicht  ist.  Gegenstand  des  Kultes  ist  er  indessen  lediglich  als 
Gott  der  Tag  und  Wärme  ankündigenden  Morgendämmerung.  In  der 
Folge  wird  er  auch  zum  Gott  des  Monats-  und  Jahresanfangs,  ja  zum 
Gott  des  Anfangs  ttberhaupt  (Erfindungen,  Zeugung,  Quellen  u.  s.  w.). 
Dem  janitor  coeli  werden  alle  Thore  und  Thüren  unterstellt  (janua  Me 
petit  jour'). 

Gap.  y.  Juno  und  Diana,  weibliche  Personifikationen  der  Dämme- 
rung (vgl.  Lucina  =  la  petite  lumi^re). 

Noch  ktthner  wird  die  Phantasie  des  Verf.  in  den  Kapiteln  VI  und 
Vn.  Wohl  oder  Qbel  müssen  wir  ihm  glauben,  dafs  Saturnus  (Diminutiv 
von  adrupog)  und  Faunus  (von  der  Wz.  bha,  ^clairer,  wie  favere,  favilla) 
gleich  Janus  männliche,  ups  und  Bona  Dea  weibliche  Personifikationen 
des  Dämmerlichtes  sind.  Verf.  stützt  sich  dabei  vornehmlich  auf  Über- 
einstimmungen dieser  Götter  mit  Janus,  bezw.  Juno,  in  gewissen  ganz  se- 
cundären,  für  die  angebliche  Grundbedeutung  also  gar  nichts  beweisen- 
den Zügen,  auch  wenn  diese  wirklich  bei  Janus  und  Juno  feststände. 

Ref  glaubt  hier  in  der  Wiedergabe  des  Buches  abbrechen  zu  müssen: 


246  Mythologie. 

die  folgeDden,  hauptsftchlich  griechischen  Gottheiten  gewidmeten  Kapitel 
bringen  —  das  neue  Erklärnngsprinzip  abgerechnet  —  kaum  irgend  etwas, 
das  wir  nicht  aus  den  gangbarsten  mythologischen  HandbQchem  schon 
wflfsten.  Ob  die  Gottheit  Hermes  oder  Athena,  Hephaistos  oder  Aphro- 
dite heirst  —  ursprflnglich  ist  sie  eine  'divinit^  cröpuscnlaire'. 

Dafs  Verf.  die  ganze  antike  Götterwelt  anf  ein  enges  Gebiet  von 
Naturerscheinungen  zurflckzuführen  wagt  und  in  den  Schlagwörtern  ^grand 
jour'  und  'petit  jour'  die  Springwurz  fOr  all  die  tausend  verschlossenen 
Thttren  gefänden  zu  haben  glaubt,  vor  welchen  andere  bescheiden  inne- 
halten —  das  kann  man  ihm  kaum  verübeln:  es  ist  ja  die  herrschende 
Strömung,  in  der  er  fährt.  Aber  auch  das  unglflcklichste,  einseitigste 
System  dieser  Art  kann,  mit  wissenschaftlichem  Ernst  und  möglichst  me- 
thodisch durchgeführt,  fördernd  in  den  Gang  der  mythologischen  Wissen- 
schaft eingreifen.  Von  P.'s  Arbeit  gilt  dies  nicht.  Die  Überlieferung 
ist  flberall  nur  insoweit  herangezogen,  als  sie  der  Hypothese  des  Verf. 
günstig  zu  sein  scheint,  und  zwar  ist  es  nur  der  landläufigste  Stoff,  der 
uns  hier  unter  neuer  Etikette  vorgeführt  wird.  Wo  man  Quellenangaben 
erwartet,  steht  häufig  genug  nur  ein  Verweis  auf  Preller  oder  auf  ein 
anderes  Handbuch,  beinahe  zur  Hälfte  sind  sie  völlig  unterlassen;  von 
Quellenkritik  natürlich  keine  Spur.  Für  den  Grad,  in  welchem  sich  Verf. 
mit  den  Hythologen  neuerer  Zeit  bekannt  gemacht  hat,  ist  höchst  cha- 
rakteristisch die  folgende  Bemerkung  p.  37:  'Tous  leurs  ouvrages  nous 
pr^sentent  notamment  les  dieux  et  les  h^ros  de  la  Gr^e  comme  des 
personnifications  du  soleil,  dans  les  diffi6rentes  positions  qu'il  peut  occa- 
per  sur  la  voüte  Celeste'.  Von  seinen  Gewitter-  und  Wasserkollegen 
hat  er  offenbar  keine  Ahnung,  der  Eklektiker  ganz  zu  geschweigen. 

Der  Verf.  ist  von  einer  ausgesuchten  Höflichkeit,  wenn  er  sich  mit 
anderen  auseinandersetzt,  dafür  nimmt  er  im  übrigen  den  Mund  desto 
voller.  Nirgends  ein  Geständnis,  dafs  dies  oder  jenes  nur  auf  Wahr- 
scheinlichkeit Anspruch  machen  könne:  nein,  es  ist  alles  ganz  klar  und 
sicher.  —  Nicht  die  ^explication  definitive  de  l'origine  des  dieux'  hat 
P.  gegeben,  wie  er  uns  im  Vorwort  versprach,  sondern  die  Zahl  deije- 
nigen  Werke  um  eins  vermehrt,  welchen  die  mythologische  Wissenschaft 
ihren  Übeln  Ruf  verdankt.  Nur  als  Abschreckungsmittel  vor  ähnlichen 
Versuchen  kann  Ref.  die  Lektüre  des  Buches  empfehlen. 

Das  Buch  von  Tal  bot,  Mythologie  grecque  et  latine  d'apr^s  les 
travaux  de  la  critique  moderne.  8.  523  S.  ist  dem  Ref.  leider  nicht 
zugänglich  gewesen. 

Ernestus  Maafs,   Commentatio  mythographa  (Index  scholarum 
Gryphiswald.  Sem.  Hib.  1886—87)  4.   22  S. 

giebt  eine  Reihe  interessanter  Beiträge  zur  griechischen  und  römischen 
Mythographie.  I.  Die  Version  der  Telephossage  bei  Alkidamas  ist  kei- 
neswegs eine  Erfindung  des  Rhetors,  sondern  die  mysische  und  im  perga- 


II.  Griecb.-rOm.:   Ploix,  Maafs,  Keller.  247 

menischen  TelephosMes  vertreteue  Tradition.  11.  sucht  Verf.  aas  Herodot 
I  107—130  die  alte  Form  der  Kyrossage  zu  gewinnen.  Dieselbe  enthielt 
nichts  von  Harpagos,  sie  —  aber  nicht  die  Herodoteische  Darstellung  — 
ist  der  Sophokleischen  Alexandersage  analog.  III.  Des  Apulejus  Erzählung 
von  Tlepolemos  und  Gharite  ist  in  der  Hauptsache  aus  einer  Verbindung 
von  Euripides'  Geschichte  des  Protesilaos  und  der  Laodameia  mit  der  He- 
rodoteisdien  von  Atys  und  Adrast  entstanden.  IV.  Die  Sibylle  Deiphobe, 
Tochter  des  Glaucus,  ist  eine  Erfindung  Vergils,  welcher  für  sie  das  Zeit- 
alter der  trojanischen  Sibylle,  die  Heimat  der  cumanischen  und  den  Na- 
men der  chalkidischen  Seherin  Deiphobe  wählte.  V.  Was  Vergil,  und  ihn 
ergänzend,  Ovid  von  der  carthagischen  Anna  erzählen,  geht  auf  Naevius 
zurflck,  der  die  latinische  Göttin  Anna  zu  poetischen  Zwecken  nach  Gar- 
thago  versetzte,  um  sie  dann  wieder  nach  Latium  zurückzuführen.  VI. 
Ovid  liefs  der  Daphne  Metam.  543  ff.  ursprünglich  von  Tellus  Hilfe  kom- 
men, setzte  aber  in  einem  zweiten  Exemplar  des  Gedichtes  den  Peneios 
an  die  Stelle:  beides  ist  contaminirt  im  Laurentianus  und  im  Amplo- 
nianus. 

Otto  Keller,  Tiere  des  klassischen  Altertums  in  kulturgeschicht- 
licher Beziehung.  Mit  56  Abbildungen.  Innsbruck,  Wagnerische  Uni- 
versitätsbuchhandlung 1887.    8.    488  S. 

Das  vorliegende  Buch  wird  von  niemandem  mit  grOfserer  Freude 
begrttfst  werden  als  von  den  Mythologen:  für  die  Deutung  einer  Sage, 
für  die  Bestimmung  einer  Gottheit  nach  ihrem  Wesen,  ihrer  Herkunft 
und  Verbreitung  ist  ja  eine  der  wichtigsten  Voraussetzungen  das  Ver- 
ständnis des  attributiven  oder  in  der  Sage  auftretenden  Tieres,  die 
Kenntnis  der  Vorstellungen,  die  sich  mit  ihm  verbanden,  seiner  Heimat 
und  Verbreitung.  Das  Buch  will  nur  ein  Anfang  sein,  etwa  ein  Drittel 
der  kulturgeschichtlich  wichtigen  Tiere  wird  vorgeführt.  Von  den  beson- 
ders *  mythologischen'  Tieren  behandelt  Verf.:  Steinbock  (Ghimaira), 
Damhirsch,  Edelhirsch,  Bär,  Panther,  Wolf,  Delphin,  Adler,  Specht, 
Gans,  Nachtigall.  Den  Anforderungen,  die  von  mythologischer  Seite  an 
ein  derartiges  Werk  zu  stellen  waren,  hat  Verf.  durchaus  genügt:  ein 
Blick  auf  die  zahlreichen  Anmerkungen,  welche  dem  Texte  angehängt 
sind,  zeigt,  welch  riesiges  und  weit  zerstreutes  Material  der  Verf.  be- 
herrscht. Wir  sind  nicht  überall  seiner  Ansicht:  der  Satz,  dafs  *die 
religiöse  Entwickelung  der  Griechen  ihren  Weg  der  Hauptsache  nach 
über  Vorderasien  nach  Europa  genommen  hat'  (p.  93),  femer  die  ein- 
seitig verkehrte  Deutung  der  Artemis  als  Göttin  des  Mondes  und  der 
Nacht  (daher  'der  Damhirsch  mit  seinem  gefleckten  Fell  als  einfachstes 
Symbol  des  sternbesäten  Himmels'  p.  76),  die  zum  mindesten  zweifel- 
hafte Erklärung  des  Herakles  als  phoinikischer  Sonnengott  (p.  220,  294) 
nnd  anderes  der  Art  unterschreiben  wir  nicht.  Aber  der  Verf.  arbeitet 
doch  viel  zu  besonnen,  als  dafs  der  eigentliche  Gegenstand  seiner  Untersu- 


248  Mythologie. 

chuDg  unter  diesen  Hypothesen  Schaden  litte:  mag  man  sie  also  ruhig 
in  den  Kauf  nehmen.  Eine  Inhaltsflbersicht  am  Anfang  und  ein  Register 
am  Schlufs  erleichtern  die  Benutzung.  Auf  die  Fortsetzung  der  verdienst^ 
vollen  Arbeit  darf  man  um  so  eher  gespannt  sein,  als  einige  mythologisch 
besonders  wichtigen  Tiere,  wie  z.  B.  die  Schlange,  noch  nicht  behandelt 
sind.    Eine  vorzügliche  Illustration  zu  diesem  Buch  bietet: 

Imhoof-Blumer  und  Otto  Keller,  Tier-  und  Pflanzenbilder 
auf  Münzen  und  Gemmen  des  klassischen  Altertums.  XXYI  phototyp. 
Taff.  mit  1862  Abb.    Leipzig,  Teubner.     1889.    4.    168  S. 

Für  eine  Reihe  der  von  Keller  in  ersterem  Werk  nicht  behandelten 
Tiere  giebt  der  Aufsatz  von 

Paul  Schwarz,  Mensch  und  Tier  im  Aberglauben  der  Griechen 
und  Römer.    Progr.    Gelle  1888.    4.   60  S. 

brauchbares  Material,  so  besonders  für  Eule,  Rabe,  Hahn,  Biene,  Hase, 
Schlange,  Wolf  und  Hund.  Der  Verf.  hat  übrigens  lediglich  den  Ge- 
sichtspunkt der  Vorbedeutung  im  Auge  und  fördert  hierfür  manches  in- 
teressante Ergebnis  zu  Tage,  wenn  er  auch  nicht  überall  den  Gegenstand 
erschöpft  hat.  Dafs  die  Schwalbe  nur  unglückverheifsend  sein  soll,  er- 
scheint im  Hinblick  auf  ihre  Bedeutung  als  Frühlingsbotin  —  man  denke 
an  das  anakreontische  Gedicht  und  an  das  bekannte  Vasenbiid  —  nicht 
richtig.  Neu  ist  dem  Ref.  was  Verf.  über  die  Eule  mitteilt:  dieselbe 
war  bald  glück-  bald  unglückverheifsend;  letzteres  durchaus  bei  den  Rö- 
mern und  den  übrigen  Indogermanen,  ersteres  in  Athen.  Ob  sie  hier  der 
Verbindung  mit  Athena  diesen  Vorzug  verdankt?  Bei  Menander  hat  sie 
noch  schlimme  Vorbedeutung,  und  fast  durchweg  ist  es  in  Beziehung  auf 
Sieg,  wenn  sie  glückverheifsend  auftritt.  —  Was  den  'Angang  von  Men- 
schen' betrifft,  so  setzt  der  Verf.  hoffentlich  seine  Stoffsammlung  fort: 
das  hier  Gegebene  ist  nur  ein  schwacher  Anfang. 

Die  religiöse  Bedeutung  des  Hahnes  unterzieht  einer  besonderen 
Betrachtung: 

Ernestus  Baethgen,  Deviac  significatione  galli  in  religionibus 
et  artibus  Graecorum  et  Romanorum.    Diss.  Gotting.  1887.    8.    41  S. 

Ausgehend  von  einem  im  Göttinger  archäologischen  Museum  auf- 
bewahrten Thonrelief,  das  eine  weibliche  Figur  mit  Hahn  und  Kalathos 
zeigt,  bespricht  Verf.  kurz  die  ältesten  Spuren  des  'Spytg  IlepmxoQ'  in 
Griechenland  und  weist  ihn  dann  in  Verbindung  mit  den  einzelnen  grie- 
chisch-römischen Gottheiten  nach,  u.  a.  mit  Proserpina,  auf  welche  er 
(unter  Heranziehung  dreier  Reliefs  des  British  Museum,  die  wie  das  Göt- 
tinger grofsgriechischer  Herkunft  sind)  jene  weibliche  Figur  bezieht.  Ein- 
gelegte Exkurse  behandeln  die  averruncirende  Kraft  des  Hahnes  seine 
Beziehung  zum  Totenkult,  seine  Bedeutung  als  Symbol  des  Kampfes  und 


II.  6riech.-rOiD.:  Keller,  P.  Schwarz,  B&thgen,  Loreoiz.  249 

der  Geschlechtsliebe.    Eine  derartige  sachliche  Anordnung  hätte  sich  für 
die  ganze,  im  übrigen  recht  brauchbare  Arbeit  empfohlen. 

B.  Lorentz,  Die  Taabe  im  Altertum  (Wissensch.  Beilage  zum 
Oster-Programm  des  Kgl.  Gymnasiums  zu  Würzen  und  Gratulations- 
schrift zum  300  jährigen  Jubiläum  des  Gymn.  zu  Zittau.   1886)  4.  43  S. 

Für  die  religiöse  Bedeutung  der  Taube  bietet  der  Verf.  kaum  etwas 
Neues,  wie  er  sich  denn  auch  meistens  mit  Verweisen  auf  die  mytholo- 
gischen Handbücher  begnügt.  Hinsichtlich  des  Aphroditekultus  durften 
die  kyprischen  Denkmäler  mehr  herangezogen  werden.  Die  dem  Zeus 
Ambrosia  bringenden  neXetdSee  erklärt  Verf.  mit  Röscher  als  nXijüide^ 
'die  Regnenden',  die  dodonäischen  führt  er  auf  neXetot^  neXetae  *  Greise 
Greisinnen'  zurück. 


m.  Oriechisclie  Mythologie. 

1.  Allgemeines  und  Methodologisches. 

L.  Preller,  Griechische  Mythologie.    Vierte  Auflage  von  Carl 
Robert.  Erster  Band.  Erste  Hälfte.  Berlin,  Weidmann.  1887.  8.  428  S. 

Man  konnte  zweifelhaft  sein,  ob  die  neue  Bearbeitung  eines  Werkes 
zweckmäfsig  war,  dessen  Grundtendenz,  die  ZurflckfÜhrung  der  einzelnen 
Gottheiten  auf  bestimmte  Naturobjekte,  so  sehr  anfechtbar  ist,  dessen 
Methode  nicht  selten  hinter  den  Anforderungen  strenger  Wissenschaft 
weit  zurückbleibt,  eines  Werkes  also,  das  nur  mit  grofser  Vorsicht  wis- 
senschaftlichen Studien  zu  Grunde  gelegt  werden  konnte.  Auf  der  an- 
deren Seite  standen  sowohl  die  unleugbaren  Vorzüge  des  Werkes,  seine 
Handlichkeit,  seine  klare  und  z.  t  klassisch  schöne  Darstellung,  wie  das 
entschiedene  Bedürfnis,  den  seit  1872  neu  hinzugekommenen  Stoff  im 
Zusammenhang  weiteren  Kreisen  zugänglich  zu  machen.  Nachdem  die 
letztere  Rücksicht  zu  Gunsten  einer  neuen  Auflage  entschieden  hatte, 
konnte  mit  dieser  Arbeit  allerdings  keine  geeignetere  Hand  betraut  wer- 
den als  die  des  jetzigen  Heransgebers.  Den  beiden  Aufgaben,  die  an 
ihn  herantraten,  erstens  die  Quellenangaben  zu  vervollständigen,  bezw. 
zu  berichtigen,  und  bedeutsame,  in  den  früheren  Auflagen  vermifste  Mo- 
mente zu  ergänzen,  zweitens  aber  —  was  ungleich  schwieriger  war  — 
den  Resultaten  neuerer  Forschungen  entsprechend  zu  ändern  und  zu 
streichen,  ohne  doch  den  Charakter  des  Buches  im  Wesentlichen  zu  ver- 
letzen, ist  R.  in  höchst  dankenswerter  Weise  gerecht  geworden.  Aus- 
drücklich verdient  hierbei  hervorgehoben  zu  werden,  dafs  R.  in  seinen 
Zusätzen  und  Änderungen  alles  Unsichere  und  Hypothetische  in  erfreu- 
lichem Maafse  ferngehalten  und  von  eigener  wie  von  fremder  Forschung 


250  Griechische  Mythologie. 

nur  das  Gesichertste  gebracht  hat  Dafs  einzelne  Anmerkangen,  wie  z.  6. 
198  ff.  (Erichthonios  and  Kekropstöchter)  ttberreich  bedacht  und  za  wah- 
ren Fundgruben  mythologischen  Stoffes  geworden  sind,  bringt  zwar  ein 
Mifsverfaftltnis  in  das  Buch,  wird  aber  aus  praktischen  Rücksichten  eben- 
falls dankbar  begrttfst  werden. 

Unter  den  Ergänzungen  erwähne  ich  besonders :  p.  10 ff.  wo  die  eigen- 
tttmliche  und  für  die  Entwickelung  der  griechischen  Mythologie  bedeutungs- 
volle Stellung  der  kleinasiatischen  Griechen  mit  Recht  hervorgehoben  wird 
und  die  bei  der  Ausbildung  der  Nationalreligion  wirksamen  Momente  scharf 
prftcisirt  werden,  13  f.  Heimat  und  Ausbreitung  des  Heldenliedes,  18  Bedeu- 
tung der  Alexandriner,  19  mythologische  Handbücher  der  Alten  und  ihre 
Ausflüsse,  92  Anm.  3  Herkunft  des  Prometheus,  besonders  die  Version  bei 
Euphorien,  94  Anm.  4  Hygins  Bericht  von  Prometheus'  Opferbetrug,  96  f. 
der  Opferbetrug  ein  junger  aetiologischer  Mythus,  die  Pandorasage  alter- 
tümlicher und  ursprünglich  unabhängig  vom  Prometheusmythus,  98  die 
Fafsöffnung  ein  ursprünglich  ebenfalls  selbständiges  paraenetisches  Mär- 
chen, 120  f.  und  191  Anm.  8  bildliche  Darstellungen  der  Aegis  und  ihr 
Vorkommen  bei  Athena,  121  f.  und  Anm.  3  Herkunft  des  attischen  wie 
des  elisch  arkadischen  Zeus  Olympios  aus  Thessalien,  180  Anm.  4  Zeus 
Meilichios  in  Athen,  137  Anm.  3  Übertragung  der  kretischen  Zeussage 
nach  dem  Festlande,  151  Anm.  8  Zeus  Soter  und  Eleutherios,  162  Be- 
deutungslosigkeit des  Herakultus  in  Athen,  197  Anm.  1  ^Parthenon', 
198  ff.  Erichthonios  u.  s.  w.,  203  Anm.  7  historische  Entwickelung  der 
Sage  vom  Kampf  zwischen  Athena  und  Poseidon,  205  Anm.  1-2  Athena 
Skiras,  230  Anm.  3  Apollon  als  Sonnengott  dem  Kultus  und  der  volks- 
tümlichen Poesie  fremd,  239  Anm.  1  die  verschiedenen  Versionen  des 
Apollon  Python-Kampfes,  240  Anm.  1  der  Pythondrache  Orts-  und  Orakel- 
hüter, 248  ff.  reiche  Erweiterung  der  die  Apollonkulte  und  Mythen  be- 
treffenden Quellen  und  der  bezüglichen  Litteratur,  282  Anm.  1  Sibyllen, 
304  Kallisto,  313  Anm.  1  Artemis  Tauropolos,  346  ff.  Aphroditekulte  (348 
Anm.  5  die  attischen,  unter  denen  der  Urania  die  Priorität  zukommt), 
889  Hermeskult  im  Peloponnes  und  in  Boiotien. 

Änderungen  und  Streichungen  hat  der  Herausgeber  vorzugsweise 
da  vorgenommen,  wo  haltlose  Deutungen  vorgetragen  waren.  So  sind 
gestrichen  160  die  Deutung  des  Namens  ^Hera'  auf  den  Glanz  des 
Himmels,  190  die  physische  Bedeutung  der  Metis,  835  f.  die  Beziehung 
des  Ares  auf  Sturm  und  Gewitter,  356  die  Deutung  der  bewaffneten 
Aphrodite  als  Göttin  des  Gewitters  und  Blitzes,  385  die  des  Hermes  als 
einer  Macht  der  Licht-  und  Luftveränderung  und  der  daran  angeschlos- 
sene Vergleich  mit  angeblich  verwandten  Gottheiten,  414  der  natursym- 
bolische  Sinn  des  Beutels  bei  Hermes.  Aus  anderen  Gründen,  aber  mit 
demselben  richtigen  Takt  sind  weggelassen  115  die  Aufzählung  der  ve]> 
schiedenen  Gruppen  im  olympischen  GOtterverein  und  116  ff.  die  Er- 
klärung der  mythologischen  Beziehungen  des  Zeus  zu  bestimmten  anderen 


1.  AUgemeioea  a.  Methodologisches:    Preller-Robert.  251 

Gottheiten  aus  seiner  Natnrbedeutung  als  höchster  Himmelsgott.  Von 
Andernngen  ftthre  ich  als  besonders  verdienstlich  folgende  an.  17 
finden  wir  die  Bedeutung  des  Euripides  fOr  die  Folgezeit  stärker  betont, 
52  ff.  die  äufseren  und  inneren  Gründe  fttr  nicht  griechischen  Ursprung 
des  Kronosdienstes  entwickelt.  Eine  eingreifende  Umgestaltung  hat  der 
Abschnitt  '  Gigantomachie'  erfahren  66  ff.  Unter  besonderer  Verwertung 
der  bildlichen  Quellen  entwirft  R.  ein  anschauliches  und  in  allem  We- 
sentlichen gesichertes  Bild  von  der  Entwickelungsgeschichte  des  Mythus. 
Der  Abschnitt  darf  in  seiner  jetzigen  Gestalt  als  ein  Muster  mythologisch- 
religionsgeschichtlicher  Darstellung  gelten.  283  ff.  ist  die  Deutung  der 
Leto  auf  die  Nacht,  aus  der  das  Licht  geboren  wird,  aus  dem  Text  ver- 
bannt, dagegen  wird  ihre  hervorragende  Stellung  in  Boiotien  betont  und 
andrerseits  das  junge  Alter  des  Geburtsmythus  wahrscheinlich  gemacht. 
247  ff.  bleibt  die  Frage  nach  der  (von  P.  in  Kleinasien  angesetzten)  Hei- 
mat der  apollinischen  Religion  offen,  die  ursprüngliche  Gestalt  derselben 
findet  R.  am  reinsten  im  Peloponnes  bewahrt,  dessen  Kulte  daher  an  die 
Spitze  gestellt  sind.  296  ist  die  Deutung  des  Namens  Artemis  aus  dem 
Text  in  die  Anmerkungen  verwiesen,  aber  mit  Vervollstftndigung  des  Ma- 
terials; R.  neigt  unter  Verweis  auf  die  im  A.  Kult  hftufigen  blutigen  Opfer- 
gebräuche und  auf  ihre  Funktion  als  Todesgöttin  zur  Zusammenstellung 
mit  dpTOLfuoQ^  dprafieev^  also  die  'Schlächterin*.  Im  übrigen  zeichnet 
sich  der  Abschnitt  ttber  Artemis  darin  vor  der  früheren  Auflage  aus, 
dafs  A.  Diktynna,  Britomartis,  Tauropolos  im  Zusammenhang  mit  den 
übrigen  griechischen  Formen  behandelt  und  nur  Hekate  Bendis  und  die 
kleinasiatischen  Formen  abgesondert  sind;  die  enge  Verwandtschaft  zwi- 
schen Hekate  und  Artemis  wird  nachdrücklich  hervorgehoben,  hinsichtlich 
der  bildlichen  Darstellung  für  Artemis  die  Priorität  des  geflügelten  und 
tierhaltenden  Typus,  für  Hekate  die  des  eingestaltigen  bemerkt  840 
rückt  R.  billigermafsen  den  mehrfachen  Kultzusammenhang  zwischen  Ares 
und  Aphrodite  in  den  Vordergrund. 

Dieser  Fülle  von  Verbesserungen  gegenüber  hat  Ref.  nur  wenige 
Stellen  anzuführen,  wo  mögliche  und  erwünschte  Eingriffe  unterlassen 
sind.  Zu  streichen  oder  zu  belegen  war  224  Athena  als  Erfinderin  der 
kriegerischen  Trompete,  126  Kylieneberg  als  uralte  Stätte  des  Zeuskultes, 
168  Hera  als  Stamm göttin.  Berichtigende  Einschränkungen  waren  nötig: 
107  wo  Todesgedanken  und  -Gebräuche  lediglich  den  sogenannten  chtho- 
nischen  Gottheiten  vindizirt  werden,  290  bei  der  keineswegs  einwands- 
freien  Gleichung  ^Pfeile  des  ApoUon  =  Sonnenstrahlen'  (besonders  im 
Hinblick  auf  R.'s  zutreffende  Bemerkung  280  Anm.  8),  106  Dreiteilung 
der  Natur  die  leitende  Anschauung  bei  den  Alten,  wogegen  auch  H.  D. 
Müller  Mythologie  der  griech.  Stämme  II  53  ff.  citirt  werden  durfte, 
160  Hera  Gemahlin  des  Zeus  nach  altgriechischer  Vorstellung,  was  so 
allgemein  ausgesprochen  schon  der  weiterhin  ausgeführten  Begrenzung 
ihres  Kultus  in  ältester  Zeit  widerspricht.    Überhaupt  hätte  das  Kapitel 


252  Griechische  Mythologie. 

(Hera'  etwas  kräftigere  ÄnderuDgen  verdient.  Bei  Zeus  vermifst  Ref. 
eine  stärkere  Betonung  des  unvereinbaren  Gegensatzes  zwischen  kreü* 
schem  und  hellenischem  Kult:  der  aus  der  früheren  Auflage  beibehaltene 
unglückliche  Versuch,  die  Einheit  bis  zu  einem  gewissen  Grade  herzu- 
stellen (135  das  Sterben  dos  kretischen  Z.  'ein  starker  Ausdruck  der 
Affektionen  des  Himmelsgottes')  durfte  wegfallen. 

Es  ist  zu  hoffen,  dafs  die  Fortsetzung  der  Ausgabe  nicht  zu  lange  auf 
sich  warten  läfst.    Eine  zusammenfassende  Behandlung  der  Heroen  giebt 

F.  Deneken,  Heros  (Ausführliches  Lexikon  der  griechischen  und 
römischen  Mythologie  herausg.  von  W.  H.  Röscher.     Sp.  2441—2590). 

An  der  Hand  eines  reichen  Materiales  und  mit  offenem  Auge  für 
die  vielen  Probleme  dieses  schwierigen  Gebietes  behandelt  Verf.  Etymo- 
logie und  Gebrauch  des  Wortes  ^pwc,  die  Entstehungsgeschichte  des 
Heroenglaubens,  Wesen  und  Wirken  der  Heroen,  den  Heroenkultus,  die 
Heroisirung  verstorbener  Menschen  und  endlich  die  Heroendarstellungen 
der  Kunst. 

Hinsichtlich  der  Bedeutung  des  Wortes  ^pwc  zeigt  Verf.,  dafs  die 
Ilias  dasselbe  nur  von  Kriegern  gebraucht,  während  es  in  der  Odyssee 
meistens  als  ein  allgemeiner  Ehrentitel  angewandt  wird  und  in  der  Folge- 
zeit immer  mehr  die  Bedeutung  'halbgöttliches  Kultwesen'  erhält  ~ 
eine  Wandlung,  der  auch  Wörter  wie  dva$j  deoTtotva  und  vu/i^t^  unterlie- 
gen. Nachdem  er  dann  die  beiden  Wege,  auf  welchen  sich  die  Heroen- 
gestalten entwickelt  haben,  beleuchtet  hat  —  der  eine,  bereits  durch  die 
Entwickelung  der  Wortbedeutung  bezeichnete,  hat  den  Menschen,  der 
andere  den  Gott  zum  Ausgangspunkt  —  gewinnt  Verf.  durch  eine  Prü- 
fung der  homerischen  Vorstellungen  das  Ergebnis,  dafs  den  Joniem  der 
Heroenkult  ebenso  fremd  war,  wie  chthonischer  Götterkult  und  Totenver- 
ehrung, die  beide  mit  ihm  aufs  engste  zusammengehören;  zugleich  aber 
ergiebt  sich  dabei  ein  Anhalt  für  die  weiterhin  ausführlich  begründete 
Annahme,  dafs  es  aiolische  und  von  diesen  beeinflufste  dorische  Völker- 
schaften waren,  bei  denen  —  vermutlich  im  9.  oder  8.  Jahrhundert  — 
aus  einem  Zusammentreffen  gesunkenen  Götterkultes  mit  gesteigertem 
Totenkult  der  Heroenkult  entstand.  Wir  erhalten  sodann  (Kap.  H)  eine 
eingehende  Darstellung  des  Wesens  und  Wirkens  der  Heroen.  Richtig 
erkennt  Verf.  ihre  dauernde  und  eingreifende  Bedeutung  in  der  gött- 
lichen Seite  ihres  Wesens  und  stellt  im  Hinblick  auf  die  sehr  verein- 
zelten und  dazu  zweifelhaften  Fälle,  wo  Heroen  als  Vermittler  zwischen 
Gott  und  Mensch  angerufen  werden,  selbständige  Wirksamkeit  als  die 
durchgängige  Regel  fest.  Wie  die  chthonischen  Gottheiten  und  die  Toten 
sind  sie  bald  als  böswillige  Mächte  der  Erdtiefe  gedacht,  bald  als  gute 
freundliche  Geister,  hilfreich  im  Krieg  und  bei  allen  Plagen,  besonders 
in  Krankheitsfällen ;  gleich  den  chthonischen  Gottheiten  finden  wir  sie  in 
engster  Verbindung  mit  der  Schlange,  in  der  sie  nicht  selten  verkörpert 


1.  Allgemeines  n.  Methodologisches:  Preller-Robert,  Deneken.       253 

gedacht  sind.    Yorzugsweise  ist  ihre  Wirksamkeit  eine  defensive,  d.  h. 
jede   feindliche  Gewalt  abwehrend  {dXxv^).     Besonderen  Dank  hat   sich 
Verfasser  in  diesem  Abschnitt  noch  verdient  durch  seine  AusfQbrungen 
über   Gentil-  nnd  Bernfsheroen,  über  die  körperliche  Erscheinung  der 
Heroen  in  Menschen-  und  Tiergestalt  und  Ober  die  angeblichen  greifbaren 
Erinnerungen  ans  der  Heroenzeit.    Der  Abschnitt  ttber  den  Heroen kul- 
tns  (Kap.  IV),  den  wir  in  diesem  Zusammenhang  nur  kurz  berühren  kön- 
nen, bietet  für  weitere  Forschungen  eine  reiche  Sammlung  von  Material 
dar.     Derselbe  behandelt  Stiftung  von  Heroenkulten,  Lage  und  Einrieb« 
tang  von  Heroenheiligtümern ,  Heroenaltftre  und  Opfergruben,   Kultge- 
bränche  (Opfer,  Spenden,  Lectisternien,  Weihgeschenke)  und  endlich  He* 
roenfeste.  Am  meisten  Interesse  beansprucht  das  V.  Kapitel:  Heroisirung 
yerstorbener  Menschen.     Wichtig  ist  zunächst  das  Ergebnis,  dafs  die 
öffentliche  Heroisirung  zuerst   —    und  zwar  schon  im  T.Jahrhundert 
—  in  nordgriechischen  Kttstenlandschaften  und  etwa  gleichzeitig  in  Sizi- 
lien auftrat,  während  im  eigentlichen  Hellas  bis  zum  Ende  des  5.  Jahr- 
hunderts nur  vereinzelte  Fälle  von  Heroisirung  nachweisbar  sind:    die 
Boioter  mit  ihrer  Verehrung  der  Gefallenen  bei  Plataiai  bilden  die  allei- 
nige Ausnahme.    Erst  seit  dem  4.  Jahrhundert  werden  in  Hellas  die  Fälle 
hfiufiger.      Einen  halb  öffentlichen  Charakter  haben  die  durch   —   z.  t. 
eigens  zum  Zweck  der  Heroisirung  gegründete  (vgl.  das  Testament  der 
Epikteta)   —   religiöse   Genossenschaften  dekretirten  Heroisirun- 
gen.    Besonders  ausführlich  behandelt  Verf.  die  heroische  Verehrung  des 
Sophokles  and  macht  wahrscheinlich,  dafs  dieselbe  gleich  nach  seinem 
Tode  und  dnrch  den  von  dem  Dichter  selbst  gestifteten  ^taaog  der  Mu- 
senverehrer begründet  ist.    Der  Abschnitt  schliefst  mit  einer  Zusammen- 
stellung der  Heroisirungen  nach  Alexander.    Was  die  öffentlichen  Heroi- 
sirungen  dieser  Zeit  betrifft,  so  wird  nunmehr  häufig  der  betreffende  Ver- 
storbene auch  aufserhalb  des  Bestattungsortes  verehrt,  und  die  Heroisi- 
rung erhält  somit,  entsprechend  dem  Wesen  dieser  ganzen  Geschichts- 
epoche, eine  universellere  Bedeutung  —  analog  der  Apotheose.    In  Privat- 
kreisen greift  die  Sitte,   einen  Verstorbenen   mit  dem  Ehrenbeinamen 
*  Heros'  zu  bezeichnen  (ohne  dafs  damit  stets  ein  höherer  Kult  verbun- 
den wäre)  so  sehr  um  sich,  dafs  selbst  Freigelassene  und  Sklaven  diesen 
Ehrentitel  erhalten.     Was   die  Heroendarstellungen  in  der  Kunst  be- 
trifft, so  beschränkt  sich  Verfasser  hier  auf  die  Behandlung  der  Votiv- 
reliefs,  die  heroisirten  Toten  gestiftet  sind,  und  bespricht  die  Typen  des 
Reiterheros y  des  thronenden  und  des  gelagerten  Heros   (auf  den  sog. 
Totenmahlreliefs).     Zur  Gharakterisirung  des  heroischen  Wesens  dieser 
Verstorbenen  dienen  teils  Zeichen  des  ritterlischen  Standes,  Pferd  und 
Bewafbung,  teils  Attribute,  welche  auf  ihre  Bedeutung  als  Kultwesen 
Bezug  haben,  wie  Schlange,  Kantharos  und  Rhyton.   Wie  diese  Attribute 
ans  dem  Oötterkult  entlehnt  sind,  so  werden  auch  überhaupt  gewisse 
Heroifiirte  im  Habitus  bestimmter  Götter  dargestellt,  und  Verf.  siebt  es 


254  Griechische  Mythologie. 

mit  Recht  Dicht  als  Zufall  an,  dafs  hierfflr  gerade  die  Typen  chthonischer 
Götter  (Hermes,  Dionysos,  Asklepios,  Hades,  Sarapis)  gew&hlt  worden 
sind,  unter  den  beigegebenen  Abbildungen  sind  hier  zum  ersten  Mal 
publizirt  das  Berliner  Reiterrelief  aus  Camae,  ein  ebensolches  aus  Ta- 
nagra,  das  schöne  Reiterrelief  des  Museo  Torlonia  und  das  Relief  eines 
thronenden  Heros  aus  Patras. 

Zur  Kritik  fordert  hauptsächlich  die  vom  Verf.  gezeichnete  Ent- 
stehungsgeschichte des  Heroenglaubens  heraus.  Verf.  überschätzt  die 
Zahl  deijenigen  Fälle,  wo  ein  Sagenheros  zum  Kultwesen  wird:  eine 
Untersuchung  der  einzelnen,  in  Frage  kommenden  Gestalten  dürfte  sehr 
häufig  den  Götterkultus  als  das  Primäre  ergeben.  Ein  solcher  brauchte 
nicht  zu  sinken,  sondern  nur  abseits  von  den  Gentren  zu  liegen,  damit 
der  Gott  vom  Fernerstehenden  zum  Heros  degradirt  werden  konnte:  für 
seine  Gläubigen  blieb  er  natürlich  Gott.  Als  vollends  das  olympische 
System  zu  einiger  Geltung  gelangt  war,  da  fehlte  es  für  die  zahlreichen 
unbekannteren  Göttergestalten,  von  denen  z.  B.  der  Peloponnes  wimmelte, 
im  Olymp  an  Platz:  sie  mufsten  also  wohl  Heroen  sein.  Auch  das  war 
ein  Weg  vom  Gott  zum  Heros. 

J.  Overbeck,  Griechische  Kunstmythologie.  Besonderer  Teil  Drit- 
ter Band.  Fünftes  Buch:  ApoUon.  Leipzig  1887—1889.  8.  624  S.  mit 
7  Tafeln  und  25  Figuren  im  Text.  Dazu:  Atlas,  6.  Liefg.  (Taf.  19 
—26.)     1887.    Gr.  fol. 

Die  erste  Abteilung  giebt  eine  historische  Übersicht  über  die 
künstlerische  Entwickelung  der  Gestalt  des  Apolion  (p.  1 — 103).  Aus  dem 
ersten  Kapitel,  welches  die  altertümliche  Kunst  betrifft,  heben  wir  als 
besonders  bemerkenswert  folgendes  hervor.  Hinsichtlich  des  auch  auf 
Athena  und  Aphrodite  bezogenen  bewaffneten  Idoles  lakedaimonischer 
Münzen  neigt  0.  zur  Deutung  auf  Apolion,  ohne  die  Schwierigkeit,  wel- 
che der  Hahn  und  die  Weise  des  Aegistragens  macht,  zu  verkennen.  — 
Die  von  Furtwängler  versuchte  Ableitung  der  bekannten  nackten  ^Apol- 
lonbilder'  von  Dipoinos  und  Skyllis,  den  kretischen  Daidaliden,  wird  unter 
Hinweis  auf  die  weite  Verbreitung  des  Typus  bestritten.  Für  völlig  ge- 
sichert hält  0.  die  Deutung  auf  Apolion  nur  bei  dreien  solcher  Monu- 
mente: bei  dem  Kopf  aus  Perdikovrysi,  welcher  die  auf  Brust  und  Schultern 
herabfallenden  liockenstrippen  aufweist,  bei  dem  überlebensgrofsen  mega- 
rischen  Torso  im  Kentrikon  Museion  und  bei  der  hocharchaischen  Statue 
eines  pompejanischen  Wandbildes  (zum  ersten  Mal  publizirt  p.  16  Fig.  2). 
Von  einer  späteren,  nur  ungefähr  durch  Kanachos,  bezw.  Tekteios  und 
Angelion,  zu  bezeichnenden  Gruppe  tragen  der  ^Apolion  von  Piombino' 
und  der  'A.  Strangford'  ihren  Namen  mit  zweifelhaftem  Recht,  ersterer 
wegen  einer  in  der  älteren  Kunst  analogielosen  Jugendlichkeit,  und  letz- 
terer wegen  jeglichen  Mangels  an  typisch  Göttlichem.  Sicher  dagegen 
ist  die  Benennung  Apolion  bei  der  dem  Kanachos  nahe  stehenden  Statue 


1.  Allgemeines  cu  Methodologisches:  Deneken,  Overbeck.  255 

aus  Naxos.  Was  nan  die  s.  f.  Yasenbilder  betrifft,  so  ergiebt  die  Za- 
sammenstelloDg  derselben  p.  38  ff.,  dafs  der  bärtige  Apollon  in  13  Fällen 
vorliegt,  und  dafs  die  Haartracht  mit  den  auf  Schultern  und  Brust  her- 
abfallenden Locken  keineswegs  die  ausschliefslicbe  ist.  Die  Darstellun- 
gen des  A.  als  stehenden  oder  schreitenden  Kitharspielers,  welche  unter 
den  s.  f.  Vasenbildern  bei  weitem  Überwiegen,  zeigen  in  der  Hauptsache 
dieselbe  Bekleidung:  einen  bis  auf  die  FOfse  reichenden  Chiton  mit  Ober- 
gewand darflber;  nur  in  einigen  Fällen  ist  sie  beschränkt  auf  das  Ober- 
gewand. Von  Attributen  am  häufigsten  Reh  oder  Hinde.  Dagegen  ist 
in  den  Darstellungen  des  Dreifufsraubes  der  lange  Chiton  die  Ausnahme 
(nur  ein  Fall  nachweisbar)  und  die  Bekleidung  im  ttbrigen  schwankend. 
Das  gilt  auch  von  den  strengeren  r.  f.  Vasenbildern,  wo  allerdings  beim 
Kitharspieler  A.  ein  um  die  Arme  gelegtes  Tuch  (^ Chlamydien*)  und  die 
Schale  unter  der  Kithara  neu  hinzukommen.  —  Von  älteren  Mfinztypen 
erfahren  besondere  Besprechung  die  als  A.  Hyakinthios  gedeutete  knieende 
Gestalt  und  der  Typus  von  Kanlonia,  wobei  0.  für  die  auf  dem  Arm  des 
Gottes  schreitende  kleine  Figur  der  doch  recht  vagen  Deutung  auf  einen 
Muftreinigenden  Winddämon'  beipflichtet. 

Das  zweite  Kapitel  behandelt  die  A.  Darstellungen  namhafter  Eflnst- 
1er.  Verf.  widerlegt  hier  u.  a.  die  Annahme,  als  ob  uns  auf  einigen  Mün- 
zen der  Kaiserzeit  eine  Kopie  des  A.  Palatinus  von  Skopas  erhalten  sei, 
und  versucht  den  Nachweis,  dafs  die  fraglichen  Mttnzbilder,  soweit  sie 
nicht  den  als  Kitharöden  kostttmirten  Nero  darstellen,  das  auch  auf  akar- 
nanischen  MQnzen  auftretende  Kultbild  des  aktischen  A.  wiedergeben, 
den  Augustus  im  Original  oder  in  einer  Kopie  nach  Rom  weihte.  Da- 
gegen werden  auf  den  A.  Smintheus  desselben  Meisters  die  Münzen  von 
Alexandria  Troas  zurückgeführt  —  Hef.  vermifst  hier  die  Erklärung  der 
zwischen  den  einzelnen  Münzbildern  obwaltenden  Differenzen  —  und  für 
des  Praxiteles  Gruppe  (Leto  mit  Artemis  und  Apollon)  zu  Megara  die  im 
Numism.  Comment.  on  Pausan.  pl.  A  10  publizirte  Erzmünze  herangezogen. 

Zweite  Abteilung:  Die  erhaltenen  Monumente  (p.  104 — 367).  Die 
archaischen  und  archaistischen  Köpfe  scheidet  0.  in  vier  Gruppen,  für 
deren  erste  (Omphalos-A.  und  Verwandtes)  die  von  Schreiber  als  altatti- 
scher Krobylos  angesehene  Haartracht,  die  länglich  geschlitzten  Augen 
und  das  lange  Oval  des  Gesichtes  besonders  charakteristisch  sind,  für 
die  zweite  ('Bonus  Eventns'  in  Kassel  u.  Verw.)  die  reiche  und  künstlich 
geordnete  Haartracht  und  ein  entschiedener  Ernst  der  Züge,  für  die 
dritte  (die  von  Kekul6  auf  Pasiteles  zurückgeführten  archaisirenden  Bild- 
werke) der  Kopireif,  für  die  vierte  die  weichen  runden  Formen  und 
der  milde  Gesichtsansdruck.  Dazu  kommen  vereinzelte  Typen,  wie  der 
archaische,  aber  nicht  auf  Kanachos  zurückzuführende  Londoner  Kopf 
(Fried.- Wolters,  Bausteine  No.  228).  Für  die  Blütezeit  der  Kunst  unter- 
scheidet Verf.  folgende  Gruppen  von  Kopftypen:  die  mit  der  'Onkos- 
flechte'  und  der  dadurch  bedingten  dreieckigen  Stirnform  —  die  (statua- 


256  Griechische  Mythologie. 

risch  selteneo,  auf  Mttnzen  seit  dem  4.  Jahrh.  ?.  Chr.  fast  allgemeinen) 
bekr&Dzten  Köpfe,  denen  aafserdem  eine  sehr  einfache  Haartracht  eignet 
—  die  scbmacklosen  (A.  Egremont  an  der  Spitze)  —  die  mit  der  Haar- 
schleife (Korymbos),  welche  auf  Münzen  nie  vorkommt  und  statuarisch 
nicht  älter  ist  als  die  hellenistische  Zeit  (Apollino,  A.  vom  Belvedere 
und  A.  Ponrtalds)  —  die  mit  aufgebundenem  Vorderhaar  —  die  des  um 
Hyakinthos  trauernden  A.  —  und  endlich  vereinzelte  Typen. 

Die  Gruppirung  der  archaischen  und  archaistischen  Statuen  deckt 
sich  ungefähr  mit  der  für  die  Köpfe  gegebenen.  Wie  die  Köpfe  der 
zweiten  Gruppe  (s.  o.)  im  Gegensatz  zu  denjenigen  der  ersten  den  Gott 
zum  Ausdruck  bringen,  so  weisen  die  Körper  durch  imposante  Mäch- 
tigkeit auf  den  göttlichen  Charakter.  Die  eigentümliche  Armhaltung 
des  der  dritten  Gruppe  angehörigen  A.  im  Palazzo  Pitti  weist  0.  auch 
für  eine  bisher  nicht  veröffentlichte  (Fig.  10)  Neapeler  Bronzestatuette 
nach.  Die  Blundeirsche  Statue  wird  im  Anschlufs  an  Michaelis  einer 
archaisirenden  eklektischen  Schule  zugesprochen.  Bei  den  Statuen  der 
vollendeten  und  späteren  Kunst  unterscheidet  Verf.  die  Darstellungen 
des  musikalischen  A.,  die  des  mit  dem  Bogen  ausgestatteten  (beide  Ab- 
teilungen werden  wiederum  nach  äufseren  Momenten  in  Gruppen  zerlegt) 
die  mit  dem  Dreifufs  und  die  durch  besondere  Situationen  bedingten 
Gestaltungen  (z.  B.  als  Sauroktonos).  Für  die  der  ersten  Abteilung  an- 
gehörigen Darstellungen  des  langgewandeten,  ruhig  dastehenden  Kitha- 
röden  ('Barberini'sche  Muse',  <Erato'  des  Vatikan,  Neapeler  ^Terpsichore' 
u.  a.)  erkennt  Verf.  die  Möglichkeit  einer  gewissen  Abhängigkeit  von 
dem  daphneischen  A.  des  Bryaxis  an.  Den  Typus  einer  Statue  der  zwei- 
ten Abteilung,  Berlin  No.  469,  weist  Verf.  auf  einer  unter  Lucius  Verus 
im  phrygischen  Synaos  geprägten  Münze  nach  (Taf.  IV  3):  der  Ergänzer 
der  Statue,  welche  bislang  als  ein  ^unrichtig  zum  Bogenschützen  ergänz- 
ter Torso  eines  Faustkämpfers'  galt,  hätte  also  das  Richtige  getroffen; 
das  (bei  Bogenschützen  ungewöhnliche)  Vorstellen  des  rechten  Fufses  hat 
eine  Analogie  im  Odysseus  der  Berliner  Vase  mit  dem  Freiermord.  Die 
Erzstatue  der  Sammlung  Saburoff  (Furtwängler  T.  8 --11)  wird  überein- 
stimmend mit  Furtwängler  auf  A.  gedeutet,  aber  unter  Hinweis  auf  meh- 
rere Mfinzbilder  so  ergänzt,  dafs  die  rechte  Hand  den  Lorbeer,  die  linke 
den  Bogen  erhält.  Aus  der  vierten  Abteilung  sei  erwähnt,  dafs  0.  das 
Motiv  der  Gruppe  'A.  mit  Wasser vogel '  in  einer  Liebesschwärmerei  des 
A.  (aphrodisischer  Charakter  von  Gans  und  Schwan)  erkennt  und  gele- 
gentlich des  ägistragenden  A.  die  Echtheit  der  Statuette  Pulszky  gegen 
Wolters  zu  verteidigen  sucht  (Fig.  18  vergröfserte  Sonderabbildung  der 
linken  Hand  mit  dem  Aegisrest):  er  hält  sie  für  eine  freie,  wenn  auch 
nicht  glückliche,  Variation  der  im  A.  Stroganoff  und  im  A.  vom  Belvedere 
gegebenen  Darstellung  des  A.  mit  der  Aegis. 

Für  die  Darstellung  des  spendenden  Kitharöden  A.  auf  Reliefs 
leugnet  0.  mit  Stephani  die  Abhängigkeit  von  einem  echt  archaischen 


1.  AUgemeioea  n.  Methodologisches:   0?erbeck.  257 

Vorbild,  findet  aber  in  dem  Omphalos  das  delphische  Lokal  angedeutet 
und  nimmt  daher  einen  hellenistischen,  nicht  einen  römischen,  Urheber  an. 
Die  Yasenbilder  freien  nnd  späten  Stiles  werden  in  acht  Grup- 
pen vorgefahrt.  Gruppe  A  hftlt  das  ältere  Kitharödenkostüm  fest,  wäh- 
rend B  wesentlich  das  bei  den  Statuen  und  Reliefs  beobachtete,  neuere 
KitharOdenkostttm  aufweist.  Zwei  fernere  Gruppen  zeigen  den  Gott  unter- . 
wärts  mit  Himation  bekleidet,  oberwärts  nackt,  die  erstere  G  mit  Musik- 
instrument, die  zweite  D  mit  dem  den  mantischen  Gott  bezeichnenden 
Lorbeerstämmchen.  Von  beiden  unterscheidet  sich  die  im  flbrigen  nahe 
stehende  Gruppe  E  durch  weitergehende  Nacktheit  Dazu  kommen  drei 
Gruppen,  wo  die  Bekleidung  variirt,  doch  von  den  flbrigen  Vasenbildern 
verschieden  und  z.  t.  in  der  ganzen  Kunst  ohne  Analogie  ist,  während 
als  Attribut  das  Lorbeerstämmchen  vorwiegt. 

Die  Graffiti,  welche  in  der  Darstellung  des  A.  bis  auf  gewisse,  aus 
der  spezifisch  etruskischen  Auffassung  zu  erklärende  Besonderheiten  mit 
den  flbrigen  Kunstgattungen  flbereinstimmen,  und  die  Wandgemälde  er- 
geben geringen  Gewinn. 

Zuletzt  fflhrt  Verf.  den  Gott  in  besonderer  Erscheinung  und  Attri- 
bntausstattung  vor:  auf  dem  Schwane  (so  besonders  bei  der  Darstellung 
von  A.'b  Ankunft  in  Delphi  und  seiner  Begrflfsung  durch  Vertreter  des 
dionysischen  Kreises)  und  auf  dem  Greifen  reitend  (als  der  hyperborei- 
sche  Gott;  die  betreffenden  Monumente  höchstens  ins  3.  Jahrhundert  hin- 
auf datirt),  auf  dem  geflflgelten  Dreifufs  schwebend,  zu  Wagen,  beritten, 
mit  Schwert,  Lanze,  Fackel  kämpfend  u.  s.  w. 

Dritte  Abteilung:  Mythen  des  Apollon  (p.  368 — 521).  Die  erhal- 
tenen Darstellungen  des  Pythonkampfes  fahrt  Verf.  zum  gröfseren  Teil 
auf  die  Gruppe  Euphranors  zurflck,  deren  weite  Verbreitung  auf  klein- 
asiatischen Mflnzen  den  Gedanken  nahe  lege,  dafs  das  Original  ursprflng- 
lich  in  Kleinasien  (Ephesos)  aufgestellt  gewesen  und  von  hier  nach  Rom 
gekommen  sei.  Eine  Reminiscenz  (aber  keine  Kopie)  an  das  Werk  des 
Pythagoras  giebt  Verf.  fflr  das  bekannte  krotoniatische  MOnzbild  zu. 
Pythagoras  folgte  der  älteren,  wenigstens  älter  bezeugten  Sagenwendung, 
wonach  der  Kampf  mit  Python  in  das  reife  Knabenalter  des  Gottes  fiel. 
Was  das  Borghesi'sche  Relief  betrifft,  so  erklärt  sich  Verf.  von  Roberts 
Interpretation  zwar  für  die  Mittelscene  befriedigt,  aber  nicht  fflr  die 
Seitenscenen. 

Der  Kampf  mit  Tityos  wird  in  acht  Vasenbildem  nachgewiesen  ; 
in  einem  Berliner  Carneolskarabäus  ist  Verf.  geneigt  mit  Furtwängier 
den  von  A.'8  Pfeilen  getroffenen  Tityos  zu  erkennen. 

Die  Zusammenstellung  der  auf  den  Dreifufs  raub  bezflglichen,  vor- 
wiegend archaischen,  zahlreichen  Bilder  (die  s.  f.  Vasen  nach  äufseren, 
die  r.  f.  ungefähr  nach  kunstgeschichtlichen  Gesichtspunkten  geordnet) 
ergiebt  das  interessante  Resultat,  dafs  dasjenige  Gompositionsschema  ent- 
schieden im  Übergewicht  ist,  wo  sowohl  der  davongehende  Herakles  wie 

Jahresbericht  (iir  Altertumswissenschaft«    LXVX.  Bd.  X7 


258  Griechische  Mythologie. 

der  nacheileade  A.  den  Dreifufs  mit  einer  Hand  gefafst  halten,  Herakles 
mit  der  anderen  die  Eeole  schwingend.  Ebenfalls  hauptsächlich  in  s.  f. 
Vasenbildern  weist  0.  dann  den  Kampf  um  den  Hirsch  nach,  den  Leier- 
streit mit  Hermes  hingegen,  welcher  dem  Paasanias  zufolge  auch  auf 
dem  Helikon  dargestellt  war,  auf  zwei  r.  f.  Vasen. 

Die  den  musikalischen  Wettstreit  mit  Marsyas  wiedergebenden 
Vasenbilder  stellt  Verf.  in  den  von  Stephani  unterschiedenen  vier  Szenen 
zusammen.  Fttr  die  erste  derselben  fügt  er  zu  dem  von  Michaelis  und 
Stephani  gesammelten  Material  einen  Berliner  Krater,  No.  2688,  hinzu, 
für  die  zweite  eine  Vase  der  zweiten  Hamilton'schen  Sammlung  und  einen 
etruskischen  Krater  in  Berlin,  No.  2950  (A.  Z.  1884  T.  5),  welcher  die 
Leier  in  Marsyas*  Händen  zeigt  und  darin  übereinstimmt  mit  der  ru- 
veser  Amphora  der  Sammlung  Jatta.  Die  beiden  letzteren,  von  einan- 
der unabhängigen  Monumente  führt  0.  auf  eine  uns  sonst  unbekannte 
Sagenwendung  zurück,  wonach  A.  von  Marsyas  eine  Probe  im  Leierspiel 
verlangt  hat.  Die  etruskischen  Spiegel  und,  wenige  Fälle  ausgenommen, 
auch  die  Wandgemälde  beschränken  sich  auf  die  Darstellung  der  vierten 
Szene,  der  Verurteilung  des  Marsyas.  Den  von  Michaelis  gesammelten 
Reliefs  fügt  Verf.  mehrere  hinzu,  u.  a.  die  Reliefs  von  Mantinea  (Bull, 
de  corresp.  hell.  XII  pl.  1  —  3),  welchen  er  auf  Grund  eigener  Besichti- 
gung späten  (wenn  auch  vielleicht  nicht  römischen)  Ursprung  zuschreibt, 
so  dafs  keine  der  erhaltenen  Darstellungen  der  Sage  über  die  zweite 
Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  v.  Chr.  hinausginge.  Zuletzt  werden  die  Mün- 
zen, Gemmen  und  die  einzelnen  auf  die  Sage  bezüglichen  Statuen  vor- 
geführt. Hinsichtlich  des  Stiles  des  ^ Messerschleifers*  und  seines  Ver- 
hältnisses zum  Marsyas  schliefst  sich  Verf.  den  Ausführungen  von  Wol- 
ters (Bausteine  zu  No.  1415)  au. 

Das  letzte  Kapitel  behandelt  die  Liebesabenteuer  des  Gottes  und 
Verwandtes.  Von  den  die  Daphnesage  betreffenden  Wandgemälden  weist 
0.  nach,  dafs  sie  ohne  Ausnahme  es  an  scharfer  Charakteristik  fehlen 
lassen  und  dafs  kein  Grund  vorliegt,  für  einzelne  derselben  mit  Heibig 
eine  von  der  uns  geläufigen  Sagenform  abweichende  poetische  Vorlage 
anzunehmen.  Aus  den  Darstellungen  der  Hyakinthosgeschichte  scheidet 
er  als  höchst  wahrscheinlich  modern  die  in  Zeichnungen  (Fig.  25)  wieder- 
gegebene Rospigliosische  Gruppe  aus,  besonders  wegen  des  völlig  unan- 
tiken Haares.  — 

Dafs  der  gelehrte  Verf.  sich  auch  mit  diesem  Bande  seiner  Kunst- 
mythologie in  ganz  hervorragendem  Mafse  um  die  mythologische  For- 
schung verdient  gemacht  hat,  bedarf  keines  Wortes  für  deigenigen,  der 
die  mit  der  Sammlung  und  Sichtung  bildlichen  Materiales  verknüpften 
Mühen  selber  einmal  gekostet  hat.  Um  so  weniger  braucht  die  Kritik 
einige  allgemeinere  Ausstellungen  zu  unterdrücken.  Die  Anordnung  eines 
so  riesigen  Stoffes  ist  gewifs  keine  leichte  Sache,  aber  etwas  klarer  und 
übersichtlicher  durfte  sie  doch  wohl  ausfallen.   Warum  die  ältesten  Denk- 


1.  AUgemeines  a.  MethodologiBches:  0?erbeck,  Friedl&nder,  Curtios.    259 

mftler  nicht  in  der  zweiten  Abteilang  nntergebracht  sind,  welche  doch 
*die  erhaltenen  Monumente'  zum  Thema  hat  and  warum  in  dieser  wie- 
derom  die  Köpfe  von  den  Statuen  losgerissen  sind,  läfst  sich  ja  am  Ende 
begreifen,  aber  notwendig  war  dieses,  die  Handlichkeit  des  Baches  sehr 
beeinträchtigende  Verfahren  kaum.  Wir  hätten  ferner  gewünscht,  dafs 
0.  die  Skepsis,  welche  er  gegenttber  den  ältesten  Stataen  hinsichtlich 
ihrer  Benennung  anwendet,  ftlr  das  ganze  statuarische  Material  durchge* 
führt  hätte :  unter  den  Köpfen  und  Statuen  treibt  sich  doch  manches  Mo- 
nument herum,  dessen  Beziehung  auf  A.  zum  mindesten  nicht  zweifellos 
ist,  mag  sie  auch  althergebracht  sein.  Nicht  den  geringsten  Vorzug  des 
V^erkes  bildet  die  umfassende  Verwertung  des  numismatischen  Materiales. 
Man  vermifst  nur  eine  Angabe  der  Kriterien,  nach  denen  die  Verteilung 
der  Münzbilder  in  Originaltypen,  d.  h.  solche,  welche  für  die  Münzen 
selbst  erfunden  sind  (Taf.  III)  und  in  nicht  originale,  d.  h.  solche,  wo 
Darstellungen  anderer  Kunstgattungen  auf  die  Münzen  übertragen  sind 
(Taf.  IV— V),  stattgefunden  hat  (vgl.  p.  299).  So  lange  dieser  Nachweis 
fehlt,  bildet  die  Gruppirung  nur  ein  sehr  schwaches  Fundament  für  die 
daran  geknttpften  Betrachtungen  p.  806  ff. 

Zur  allgemeinen  Orientirung  auf  dem  Gebiet  der  griechischen  My- 
thologie eignet  sich  der  Aufsatz  von 

L.  Friedländer,  Griechische  Mythologie  (Deutsche  Bundschau 
1887  p.  88—100). 

Verf.  giebt  in  grofsen  Strichen  eine  anziehende  Gharakteristik  des 
griechischen  Götterglaubens  und  eine  im  Ganzen  treffende  Kritik  der 
mythologischen  Forschung  von  der  Stoa  bis  auf  Mannhardt:  der  sehr 
problematische  Werth  der  physikalischen  Theorie  (Forchhammer,  Preller, 
Gerhard»  Welcker)  und  der  comparativen  (die  Richtung  Mannhardts  aus- 
genommen), ihre  Vagheit  und  Willkür  in  methodischer  Hinsicht  wird  mit 
unerbittlicher  Schärfe  blofsgelegt.  Nur  das  Urteil  über  Otfried  Müller, 
an  welchem  Verf.  eine  Überschätzung  der  historischen  und  lokalen  Ele- 
mente in  der  Mythenbildung  rügt,  können  wir  uns  nicht  aneignen:  Verf. 
neigt,  wie  besonders  der  erste,  darstellende  Teil  des  Aufsatzes  merken 
läfst,  zu  der  unhaltbaren  Auffassung  des  homerischen  Göttersystems  als 
eines  alten,  gemeingriechischen  Canons.  Einen  Versuch,  die  Genesis  dieses 
Systems  zu  zeichnen,  bietet  die  Abhandlung  von 

Ernst  Gurt  ins,  Studien  zur  Geschichte  des  griechischen  Olymps 
(Sitzungsberichte  der  kgl.  preuss.  Äkad.  der  Wiss.  zu  Berlin,  philos.- 
histor.  Classe  1890.  XLIII)   8.   16  S. 

Hinsichtlich  der  physikalischen  Theorie  urteilt  C.  wie  Friedländer, 
aber  mit  tieferer  Begründung:  'der  wahre,  allgemein  menschliche  Keim 
aller  Religion  ist  dabei  nicht  ius  Auge  gefafst,  und  niemand  hat  im 
Olymp  die  Vertretung  elementarer  Kräfte  nachweisen,  niemand  erklären 


260  Griechisehe  Mythologie. 

können,  wie  ein  vernunftbegabtes  Volk  daza  kommen  konnte,  aus  der 
Salzflut  oder  der  Erdnftsse  oder  dem  Winde  die  Idee  einer  Gottheit  za 
gewinnen,  dem  es  sich  in  Glfkck  und  Not,  im  Leben  wie  im  Tode  anver- 
trauen mW  (p.  14). 

Die  Skizze,  welche  G.  von  der  Entstehung  des  Olymps  entwirft, 
wird  nicht  in  jedem  einzelnen  Punkte  Zustimmung  finden,  wie  denn  auch 
G.  gar  nicht  den  Anspruch  erhebt,  irgend  etwas  Fertiges  geben  zu  wollen 
(p.  7):  und  doch  ist  seit  Otfried  Mttller  ttber  die  Geschichte  der  griechi- 
schen Religion  nichts  geschrieben  worden,  was  an  Tiefe  und  Klarheit  die- 
ser auf  umfassendem  Wissen,  geschichtlichem  Sinn  und  einem  ungewöhnlich 
feinen  Gefühl  für  das  Wesen  der  Religion  begründeten  und  an  neuen« 
trefflichen  Gesichtspunkten  reichen  Abhandlung  sich  vergleichen  liefse. 

Das  Älteste  ist  der  Zeusdienst  und  eine  Naturreligion,  *  welche  an 
den  natürlichen  Segensorten  des  heimatlichen  Bodens,  an  Quellen,  Bftcben 
und  Flüssen  ihre  heiligen  Stfttten  hatte,  welche  auch  die  See  mit  men- 
schenähnlichen Wesen  bevölkerte  und  den  Himmelsgestirnen  mit  Opfern 
und  Gebeten  nahte  . .  .  Gharakteristisch  für  diesen  ältesten  Zustand  reli- 
giösen Lebens  der  Griechen,  von  dem  wir  uns  eine  Vorstellung  machen 
können,  ist  die  Richtung  der  Andacht  auf  das  natürlich  Gegebene  und 
die  ausschliefsliche  Verwertung  dessen,  was  die  eigene 
Landschaft  darbot,  zur  Verehrung  der  Gottheiten  .  .  .  Die 
Götter  lebten  nicht  anders  und  besser  als  die  Menschen' 
(p.  2  f.  16).  C.  stellt  hiermit  ein  hochbedeutsames  Kriterium  für  die 
zeitliche  und  örtliche  Bestimmung  der  einzelnen  Gottheiten  auf,  das  in 
umfassender,  auch  auf  Tracht  und  Attribute  sich  ausdehnender  Unter- 
suchung durchgeführt  zu  werden  verdient. 

Der  olympische  Götterkreis  aber  ist  das  Resultat  eines  langen, 
regen  Völkerverkehrs.  Die  Phönizier  bringen  die  (unter  verschiedenen 
Namen  und  Formen  auftretende)  grofse  weibliche  Gottheit,  durch  deren 
Verbindung  mit  Zeus  der  Grundstein  zur  Götterfamilie  gelegt  wird,  sie 
bringen  später  den  Herakles,  welcher  bereits  auf  ein  entwickeltes  Na- 
tionalgefühl stöfst  und  denn  auch  nie  einer  der  Zwölf  geworden  ist.  Die 
Stämme  tauschen  unter  einander  nach  einer  langen  Zeit  der  Gährung 
und  des  Unfriedens,  von  welchem  die  Mythologie  noch  deutliche  Spuren 
aufweist,  allmählich  ihre  Gottesdienste  aus,  und  es  waren  die  Hauptgötter 
der  verschiedenen  Völkerschaften,  welche  man  im  Kreise  der  Olympier 
vereinigte.  Aus  Sage  und  Kultbrauch  gewinnt  C.  eine  Reihe  von 
Kriterien  für  die  ältere  oder  jüngere  Aufnahme,  sowie  für 
den  Weg,  auf  dem  sie  gekommen,  zu  Lande  oder  zur  See.  Aber 
die  Aufnahme  in  den  nationalen  Götterkreis  mufste  das  Wesen  der  auf- 
genommenen Gottheit  mannigfach  modifiziren.  ^Jeder  Olympier  ist 
ursprünglich  ein  ganzer  Gott,  ein  voller  Gott,  so  wie  ihn  das  Ge- 
müt des  Menschen  verlangt,  der  im  Gefühl  der  Unzulänglichkeit  seiner 
Kräfte  eines  überweltlichen  Wesens  bedarf,  das  ihm  in  allen  Lebens- 


1 .  AUgemeines  o.  Methodoloipsches:  CurtiuB,  Forchhammer,  Partsch.    261 

lagen  helfen  kann,  ohne  dass  er  sich  zu  besinnen  braucht,  an  welcher  Tem- 
pelpforte er  anklopfen  soll,  an  welchen  unter  den  vielen  er  sieb  zu  wenden 
habe,  als  den  Spezialisten  in  dem  besonderen  Fache'  (p.  11).  Dieser  uni- 
verselle Charakter,  den  G.  für  die  einzelnen  Olympier  mit  wenigen,  leicht 
zu  vermehrenden  Zeugnissen  nachweist,  bleibt  nach  dem  Eintritt  in  den 
Götterkreis  nur  bei  ihren  ursprQnglichen  Verehrern  in  gewissem  Grade  be- 
stehen: als  Mitglieder  des  nationalen  Götterkreises  aber  wer- 
den sie  immer  mehr  auf  gewisse  Gebiete  eingeschränkt,  ihre  ur- 
sprüngliche Ebenbürtigkeit  tritt  immer  mehr  zurück,  und  das  Maafs  von 
Ehrerbietung,  das  ^ ihnen  gezollt  wird,  hftngt  damit  zusammen,  wie  weit 
die  Stämme  und  Geschlechter,  denen  sie  ursprünglich  angehören,  an  der 
vollen  EntWickelung  hellenischer  Geistesbildung  Anteil  haben  oder  zurück- 
geblieben sind'  (p.  11).  Hand  in  Hand  hiermit  geht  die  umgestaltende 
und  ausschmückende  Thätigkeit  der  Poesie.  Auf  einer  richtigen  Schei- 
dung des  religiösen  Volksglaubens  von  den  willkürlichen  Zuthaten  der 
Poeten  beruht  das  Verständnis  der  griechischen  Religion. 

P.  W.  Forchhammer,  Mythologie  eine  Wissenschaft  (Philolo- 
gus  46  [1888]  p.  193—200) 

entwickelt  seine  eigenartige,  aber  völlig  überlebte  Auffassung  vom  My- 
thus. *Der  Mythos  ist  die  auf  dem  Doppelsinn  des  Wortes  beruhende 
Darstellung  der  Bewegungen  der  Natur  als  vom  innewohnenden  Geist 
gewollter  Handlungen.*  Diese  Definition  glaubt  Verf.  aus  den  4oci- 
classici'  über  den  Mythus,  wie  sie  sich  bei  Piaton,  Aristoteles  u.  a.  finden, 
folgern  zu  müssen:  eine  sorgfältige  Prtlfung  dieser  4oci'  auf  ihren  Zu- 
sammenhang  und  ev.  auf  ihre  Quellen  unternimmt  er  nicht,  am  wenigsten 
Ihr  Piaton.  Die  Mythenforschung  hat  nach  seiner  Ansicht  die  Aufgabe, 
in  den  rätselhaften  Erzählungen  die  Wirklichkeit  zu  erkennen ;  er  veran- 
schaulicht seine  Methode  hierfür  am  Beispiel  des  Achilleusmythus :  ^Achill 
ist  der  mythische  Vertreter  des  an  seiner  Mündung  ausgetretenen  über- 
schwemmenden Flusses'. 

Recht  überzeugend  dagegen  wird  der  Niederschlag  tellurischer,  be- 
sonders vulkanischer  Verhältnisse  in  der  griechischen  Mythologie  dar- 
gelegt von 

JosephPartsch,  Geologie  und  Mythologie  in  Eleinasien  (Philo- 
logische Abhandlungen.  Martin  Hertz  dargebracht.  Berlin,  Hertz.  1888. 
8.   p.  105-122). 

Die  ungezwungene  und  einleuchtende  Erklärung  des  Typhoeusmy- 
thus,  mit  welcher  Verf.  die  Arbeit  eröfi&iet,  mögen  die  Vertreter  der 
physikalischen  Mythendeutung  beachten:  hier  liegt  vnrküch  einmal  eine 
Personifikation  von  Naturgewalten  vor,  zu  allen  Zeiten  als  solche 
verstanden.  Als  das  ursprüngliche  Lokal  der  Sage  erweist  Verfasser 
in  Übereinstimmung  mit  der  besten  antiken  Üeberlieferung,  wel- 
che  Kilikien  nennt,   den  ursprünglich  zu  Kilikien  gehörigen   Argaios- 


262  Griechische  Mythologie. 

borg  im  spätem  Eappadokien,  das  höchste  vulkanische  Gebilde  des  gan» 
zen  Mittelmeergebietes  (Arimer  =  Aramäer;  die  Griechen  hielten  irrttlm- 
lieh  die  Eappadoker  für  Stammverwandte  der  Syrer).  Von  solchen  vul- 
kanischen Erscheinungen,  welche  in  Typhoens  und,  an  der  Westküste 
Eleinasiens,  in  den  Giganten  Mimas  und  Polybotes  (Mimasgebirge  und 
Nisyros)  ihren  Niederschlag  fanden,  unterscheidet  Verf.  streng  'das  stille 
stetige  Lodern  unschädlicher  Erdfeuer'  wie  wir  es  auf  Lemnos  und  bei 
Olympos  an  Lykiens  Ostkttste  im  Zusammenhang  mit  Verehrung  des 
Hephaistos  finden,  der  erst  von  den  Kolonien  des  Westens  in  vulka- 
nischen Bergen  lokalisirt  wird.  Zuletzt  behandelt  Verf.  die  mit  vul- 
kanischen Erscheinungen  genetisch  zusammenhängenden  Erdbeben,  die 
heifsen  Quellen  und  die  vielfach  dem  Erdboden  entsteigenden  irrespirabe- 
len  Lüfte  (Kohlensäure)  Kleinasiens  in  ihrem  Einflnss  auf  den  religiösen 
Vorstellungskreis.  Der  Dienst  des  Poseidon,  der  Heilgötter  und  des 
Pluton  erfährt  dabei  eine  sehr  interessante  Beleuchtung. 

Otto  Gruppe,  Die  griechischen  Kulte  und  Mythen  in  ihren  Be- 
ziehungen zu  den  orientalischen  Religionen.  Erster  Band.  Einleitung. 
Leipzig,  Teubner.    1887.   8.    706  S. 

Es  ist  nur  eine  Einleitung,  die  hier  vorliegt,  aber  sie  beruht  auf 
einer  so  ausgedehnten  Forschung  und  bietet,  bei  manchen  schwachen 
und  unhaltbaren  Sätzen,  doch  eine  solche  Fülle  tüchtiger  Kritik,  dafs 
wir  sowohl  dem  Verfasser  wie  den  Fachgenossen  eine  ausführliche  In- 
haltsangabe schuldig  zu  sein  glauben. 

Der  Verf.  holt  weit  aus:  das  L  Kapitel  (p.  1  -278)  giebt  eine  Über- 
sicht über  die  wichtigsten  Versuche,  die  Entstehung  des 
Kultus  und  des  Mythos  zu  erklären. 

(§  1.  Die  antiken  Hypothesen.)  Das  Charakteristikum  der  antiken 
Religionsbetrachtung  liegt  dem  Verf.  zufolge  darin,  dafs  die  Entstehung 
der  Religion  von  den  Bedürfnissen  und  den  Überzeugungen  des  Indivi- 
duums hergeleitet  wird,  und  was  den  Mythus  betrifft,  so  führte  der  phan- 
tastische und  den  Begriffen  von  göttlicher  Würde  wenig  entsprechende 
Charakter  der  Götter-  und  Heroensage  auf  die  aUegorische  Erklärung: 
entweder  die  psychologische,  welche  in  den  Gestalten  der  Mythenwelt 
die  körperlichen  Personifikationen  ideeller  Eigenschaften  und  Empfindun- 
gen sieht,  oder  die  historisch-politische  oder  die  physikalische.  Unter 
dem  Einflufs  der  griechischen  Philosophie  gewinnt  die  allegorische  Deu- 
tungsweise auch  im  Orient  grofse  Verbreitung.  (§  2.  Die  Kirchenväter  — 
Voltaire.)  Weder  die  Kirchenväter,  die  im  Heidentum  eine  Abart  der 
göttlichen  Offenbarung  an  die  Juden  zu  sehen  lieben,  noch  die  Huma- 
nisten, welche  über  die  antiken  Hypothesen  nicht  hinauskommen,  noch 
das  an  die  Kirchenväter  anknüpfende  17.  Jahrhundert  leisten  wesentlich 
Neues,  bis  David  Hume  die  historische  Betrachtungsweise  vorbereitet 
und  Voltaire  sie  wenigstens  andeutend  durchführt    Dagegen  hat  Greuzer 


1.  Allgem.  Q.  Methodol.:  Partseb.    Grnppe  (Kritik  der  bish.  Tbeorien.)    263 

<§  8.  Die  Symboliker)  zwar  das  Verdienst,  zaerst  eine  Vermittelung 
zwischen  Form  und  Inhalt  des  Mythas  erstrebt  and  durch  den  Begriff 
des  Symbols  erreicht  zu  haben,  aber  seine  Annahme  einer  theokratischen 
und  dogmatischen  Religionsbildung  am  Anfang  der  griechischen  Ent- 
wickelang ist  ebensowenig  haltbar  wie  die  Grundlage  seines  ganzen 
Systems,  dafs  eine  neue  Wahrheit  zunächst  symbolisch  mitgeteilt  werden 
werden  müsse.  Nachdem  diese  Symbolik  von  J.  H.  Voss  mit  Erfolg  be- 
kämpft und  von  Lobeck  endgiltig  widerlegt  worden  war,  gaben  (§  4.  Die 
Rationalisten)  Lehrs  und  Renan  die  Grundlinien  fttr  eine  von  aller  Sym- 
bolik absehende  Erklärung  der  griechischen  Götterlehre.  Von  ihren 
Sätzen  billigt  Verf.  den  einen,  dass  der  Sinn  eines  Mythus  gewöhnlich 
nicht  hinter,  sondern  in  demselben  gesucht  werden  mnfs,  dagegen  ist  zu 
verwerfen  die  von  ihnen  versuchte  Loslösung  der  griechischen  Religion 
von  der  orientalischen  und  ihre  Anschauung  vom  Epos,  als  ob  dies  mit 
seiner  menschlich-ethischen  Zeichnung  der  Götter  den  ursprünglichen 
Charakter  derselben  wiedergebe.  Der  lokalistischen  Mythendeutung  Forch- 
hammers (§  5)  hält  Verfasser  den  kosmopolitischen  Charakter  des  My- 
thus entgegen  und  ferner  einen  Einwand,  der  diese  Deutungsweise  mehr 
als  irgend  ein  anderes  symbolisches  Verfahren  trifft:  dafs  keine  Nötigung 
ersichtlich  ist,  Mythen  zu  erfinden  zum  Ausdruck  von  Naturerscheinun- 
gen, für  welche  die  Sprache  längst  Worte  besafs.  Nachhaltigeren  Ein- 
flufs  schreibt  Verf.  der  deutschen  Philologie  zu,  besonders  den  Gebrü- 
dern Grimm  (§  6)  mit  ihrer  Erklärung  des  Mythus  als  Volkspoesie,  ob- 
wohl durch  Einführung  dieses  Begriffs  die  Frage  nach  der  Entstehung 
des  Mythus  mehr  modifizirt  als  beantwortet  sei. 

Eine  neue,  von  Jacob  Grimm  allerdings  schon  vorbereitete  Epoche 
der  Religionsbetrachtung  begründet  die  Veröffentlichung  des  Veda  (§  7 
— 25.  A.  Kuhn  und  M.  Müller).  Das  damals  fast  allgemein  verbreitete 
Vorurteil,  als  ob  die  Mythen  überhaupt  Gleichnisse  für  Naturerschei- 
nungen wären  (einer  unbewussten  Phantasiethätigkeit  entsprungen),  ver- 
führte dazu,  die  für  griechische  und  germanische  Mythen  angenommene  Na- 
turbedeutung nun  auch  in  die  vedischen  hineinzulegen,  und  indem  man 
fUschlich  alle  Elemente  der  vedischen  Mythologie  in  die  indogermanische 
Vorzeit  hinaufrückte,  den  Kern  der  proethnischen  Mythologie  für  natura- 
listisch zu  halten.  Da  nun  in  dem  relativ  geringen  Bestand  unzweifel- 
haft naturalistischer  Vedamythen  nicht  selten  ein  und  dieselbe  mythische 
Apperception  ganz  verschiedene  Naturerscheinungen  zum  Substrate  hat, 
bald  Licht  und  Sonne,  bald  Sturm  und  Gewitter,  so  entstanden  zwei 
Richtungen  der  vergleichenden  Mythologie:  die  solare  und  die  nubilare. 

Die  Kritik  der  vergleichenden  Mythologie  eröffnet  Verf.  mit  einer 
Prüfling  der  angeblich  indogermanischen  Götternamen  (§  8 — 14) 
hinsichtlich  ihrer  Beweiskraft  i^r  den  proethnischen  Ursprung  der  Religion. 
Vorweg  streicht  er  unter  den  hieriür  aufgestellten  Gleichungen  als  ganz 
beweis nnkräftig:  1.  solche,    bei  denen  nur   die  Bedeutung,  nicht  aber 


264  Griechische  Mythologie. 

die  Form  ios  Auge  gefafst  ist  (z.  B.  Pandora-ViQvavärä) ;  2.  solche,  wo 
die  Götternamen  übliche  Apellativa  für  Naturerscheinoogen  waren  (z.  B. 
Zeus-Dyaus),  also  lediglich  den  proethnischen  Ursprang  der  Ausdrtlcke 
für  Himmel,  Sonne  u.  s.  w.  beweisen,  keineswegs  aber  die  Yerebrong  dieser 
Naturerscheinungen  in  proethnischer  Zeit;  3.  solche  Gleichungen,  welche 
sich  auf  zwei  in  anhaltendem  gegenseitigen  Gonuez  befindliche  YOlker 
beschränken.    Yerf.  unterzieht  sodann  die  einzelnen,  entweder  den  Indo- 
germanen  überhaupt  oder  bestimmten  Gruppen  derselben  zugeschriebenen 
Götternamen  einer  eingehenden  Kritik,  welche  zunächst  für  die  angeb- 
lichen indo-eranischen  und  gräko-italischen  Götternamen   das  Ergebnis 
hat,  'dafs  erstens  von  den  behaupteten  Obereinstimmungeu  einzelne  nur 
scheinbar  sind,  das  femer  andere  lediglich  der  Linguistik  angehören  und 
mythologische  Schlufsfolgerungen  nicht  ziehen  lassen,  dafs  drittens  eine 
Reihe  formaler  und  sachlicher  Übereinstimmungen  nur   durch   die  An- 
nahme der  Übertragung  erklärt  werden  kann,  dafs  endlich  keine  Ana- 
logie nachgewiesen  ist,  bei  welcher  die  Hypothese  des  Importes  nicht  zu- 
lässig wäre^  (p.  97).    Und  was  den  indogermanischen  Gemeinbesitz  an- 
langt, so  finden  sich  die  angeblich  überstimmenden  Namen  immer  nur 
in  ganz  wenigen,  gewöhnlich  nur  in  zweien  von  der  grofsen  Zahl  der  indo- 
germanischen Sprachen;  sie  treten  ferner  häufig  nicht  in  den  ältesten 
Perioden  der  Sprache,  sondern  erst  in  jüngeren,  manchmal  den  jüngsten 
Texten  auf;  entweder  fehlt  die  Übereinstimmung  des  Mythus  oder  die 
Namensform  zeigt  nur  einen  ganz  ungefähren  Anklang,  der  nicht  ohne 
Vernachlässigung  anerkannter  Lautgesetze  zu  etymologischen  Schlüssen 
benutzt  werden  kann.    So  kommt  es  denn,  dafs  ein  und  dieselben  Namen 
von  den  einzelnen  Forschem  auf  die  verschiedenste  Weise  erklärt  werden, 
und  die  Möglichkeit  der  Kombinationen  wird  desto  gröfser ,  je  geringer 
unsere  Kenntnis  von  der  Ableitung  des  Namens  und  von  der  Funktion 
seines  Trägers  ist;  man  stellt  sogar  Paare  von  Namen  zusammen,  deren 
einer  lediglich  erfunden  ist  um  den  andern  zu  erklären.    Verf.  kommt 
zu  dem  Endergebnis,  dafs  es  keinen  gemeinschaftlichen  Götternamen  in 
den  indogermanischen  Sprachen  giebt. 

Hinsichtlich  der  Kultusbezeicbnungen  (§  16  —  16)  legt  Verf. 
dar,  dafs  graeco -italische  nicht  nachweisbar  sind  (libare  Lehnwort  von 
Xeißetv,  spondere  von  amvdeev),  und  dafs  die  Übereinstimmungen,  welche 
zwischen  Yeda  und  Avesta  vorliegen,  doch  noch  keineswegs  beweisen, 
dafs  bereits  vor  der  Trennung  beider  Yölker  die  spezifisch  religiöse  Be- 
deutung, die  immer  erst  secundär  ist,  ausgebildet  war  —  ganz  abge- 
sehen von  der  auch  hier  in  Betracht  zu  ziehenden  Möglichkeit  einer 
Übertragung.  Von  den  angeblichen  indogermanischen  Kultusbezeichnun- 
gen streicht  Yerf.  alle  diejenigen,  wo  die  Gleichung  formal  unstatthaft 
ist,  oder  wo  die  religiöse  Bedeutung  des  Wortes  auf  ganz  verschiedenem 
Weg  entstand,  oder  wo  die  religiöse  Bedeutung  nur  dem  einen  Glied  der 
Gleichung  eignet,  während  bei  dem  andern  noch  eine  profane»  bezw.  keine 


].  AUg.  n.  Method.:  Qroppe  (Kritik  d.  vcrgl.  Methode,  Stammbaamtheorie).  265 

fixirt  religiöse  Bedeutung  vorliegt.  Die  Gleichung  pontifex  =  skr.  pathi- 
krit  ferner  ist  weder  sachlich  noch  sprachlich  gesichert;  Prometheus  = 
skr.  pramantha  (ein  Teil  des  Feuerzeuges)  würde,  auch  wenn  die  Gleich- 
setzung sprachlich  einwandsfrei  wäre,  den  spezifisch  religiösen  Charakter 
der  Feuerreibung  fflr  die  Urzeit  noch  nicht  beweisen. 

Die  Sprache  bietet  also  keine  Beweise  daftlr,  dafs  in  der  indoger 
manischen  oder  auch  nur  in  der  indo^eranischen  und  in  der  gräco- itali- 
schen Periode  göttliche  Wesen  durch  religiösen  Kultus  verehrt  wurden 
oder  selbst  nur  in  der  Vorstellung  existirten  (p.  132).  Dem  Kuhn-Mül- 
ler'schen  System  liegt  (§  17)  die  falsche  Prämisse  zu  Grund,  dafs  die 
Verbreitungsgebiete  von  Religion  und  Mythus  sich  mit  den  linguistischen 
decken  und  dafs  der  Begriff  der  indogermanischen  Völker  nicht  blofs  ein 
linguistischer,  sondern  auch  ein  ethnologischer  sei:  ^eine  Nation  aber  ist 
keine  konstant  fortdauernde  Einheit,  sie  nimmt  immerwährend  fremde 
Bestandteile  in  sich  auf  und  setzt  sich  demnach  in  jedem  Augenblick 
ihrer  Entwickelung  ans  Momenten  zusammen,  deren  einzelne  sie  den  ver- 
schiedensten anderen  Nationen  als  verwandt  erscheinen  lassen'  (p.  134). 
Will  man  aber  (§  18)  die  zahlreichen  sachlichen  Analogien,  welche 
unleugbar  zwischen  den  Religionen  der  einzelnen  indogermanischen  Völ- 
ker statthaben,  aus  einer  gemeinsamen  Urquelle  erklären,  so  setzt  man 
sich  nicht  allein  in  Widerspruch  mit  gesicherten  Ergebnissen  der  Paläon- 
tologie, wonach  der  Kulturzustand  der  ungetrennt  bei  einander  wohnen- 
den arischen  Völker  viel  primitiver  ist,  als  die  angenommene  Urreligion 
verlangen  wflrde,  sondern  ignorirt  auch  die  Thatsache,  dafs  fast  alle 
Mythen,  deren  Übereinstimmung  besonders  evident  ist,  ein  relativ  sehr 
junges  Alter  haben  (z.  B.  Paradiesmythen,  vier  Weltalter,  Sintflut). 

Verf.  sucht  dann  die  Vererbungs-  oder  Stammbaumtheorie  der  grie- 
chischen Religion  zu  widerlegen  (§  19).  Religionen  der  einzelnen  griechi- 
schen Stämme,  welche  man  der  Stammbaumtheorie  zufolge  erwarten 
müfste,  sind  keineswegs  nachweisbar.  Die  Verbreitung  auch  nicht  eines 
einzigen  Kultus  deckt  sich  mit  einem  Dialektgebiet,  die  antike  Überlie- 
ferung, welche  jene  Theorie  unterstützte,  erweist  sich  als  irrig.  Die  als 
Stammbezeichnungen  überlieferten  Namen  bezeichnen  ursprünglich  reli- 
giöse Festgenossenschaften,  welche  sich  nach  den  von  ihnen  gefeierten 
Gottheiten  benannten.  'Als  nun  das  Bewufstsein  der  verschiedenen  Mund- 
arten erwachte  —  was  deutlich  nicht  geschehen  konnte,  bevor  diese  Mund- 
arten eine  litterarische  Fixirung  erfuhren  — ,  da  war  es  das  Gegebene, 
dieselben  a  potiori  nach  den  grofsen  Festversamnilungen  zu  benennen. 
Daraus  aber  ergab  sich  sofort  die  weitere  Schlufsfolgerung,  dafs  die  Fest- 
genossenschaft auf  gemeinsamer  Abstammung  beruhe'  (p.  143).  Löste 
sich  —  was  häufig  eintrat  —  die  Festgenossenschaft  auf,  so  diente 
ihr  Name  nunmehr  ausschliefslich  zur  Stammesbezeichnung;  die  naturge- 
mäfs  fortdauernden  religiösen  Beziehungen  wurden  in  die  Zeit  zurückda- 
tirt,  wo  der  Stamm  sich  noch  nicht  in  seine  einzelnen  Zweige  gesondert 


266  Griechische  Mythologie. 

hatte.  Nach  diesen  Gesichtspunkten  glaubt  Verf.  die  antike  Überliefe- 
rung über  Stammwanderangen  konstruirt,  vor  allem  die  von  der  dorischen 
Wanderung.  Der  Name  'Dorier'  ist  (wie  Verf.  in  einem  späteren  Ab- 
schnitt Ober  die  Bildung  der  griechischen  Eigennamen  nachzuweisen  ver- 
spricht) hypokoristisch  aus  ^Epiodoros'  gebildet,  einem  alten  Kultnamen 
des  Asklepios  (vgl.  Epione,  Apis,  Apia),  und  bezeichnete  eigentlich  eine 
nordpeloponnesische  Asklepiosamphiktyonie.  Da  es  nun  auch  aufserhalb 
des  Peloponnes  und  der  von  hier  ausgeschickten  Kolonien  Epiodoroskult- 
stätten  gab,  in  Thessalien  und  am  Parnafs,  so  setzte  man  unter  Nicht- 
beachtung des  Dialektes  in  diesen  Gegenden  die  ursprünglichen  Nieder- 
lassungen des  dorischen  Stammes  an.  Mit  den  Stammwanderungssagen 
aber  fällt  die  Hypothese  der  Stammreligionon,  wie  denn  auch  'in  allen 
Zeiten,  in  welche  mit  Holfe  der  historischen  Wissenschaften  vorgedrun- 
gen werden  kann,  die  griechischen  Kulte  ohne  Rttcksicht  auf  die  Stamm- 
nnterschiede  gemischt'  erscheinen  (p.  150). 

Der  Verf.  zieht  sodann  die  Frage  in  Erwägung,  ob  jene  sachlichen 
Übereinstimmungen  zwischen  den  Religionen  der  indogermanischen  Völker 
vielleicht  aus  einer  gemeinschaftlichen  aufs  er  indogermanischen  Quelle 
hergeleitet  werden  könnten.  Den  Griechen  (§  20—22.  Möglichkeit  der 
Übertragung  orientalischer  Vorstellungen  nach  Griechenland)  ist  strenge 
Absonderung  gegen  fremde  Gottesdienste  ebenso  fremd  wie  den  Römern, 
der  nachweisbar  barbarische  Bestand  des  griechischen  Kultus  ist  in  fort- 
währendem Wachsen.  Andrerseits  konnten  orientalische  Gottesdienste 
deshalb  sehr  leicht  eindringen,  weil  die  Strömungen  im  mittelländischen 
Meer  den  kanaanitischen  Händler  fttr  seine  Reise  nach  Spanien  auf  die 
Fahrt  durch  die  griechische  Welt  anwiesen,  und  weil  Griechenland  selber 
nicht  nur  vorzügliche  Häfen,  sondern  auch  verlockende  Handelsprodukte 
darbot,  deren  Art  überdies  ein  längeres  Verweilen  nötig  machte.  Und 
wenn  auch  direkte  Zeugnisse  für  phoinikische  Niederlassungen  in  Grie- 
chenland fehlen,  so  offenbart  sich  doch  auf  den  verschiedensten  Gebieten 
griechischer  Kultur  ein  so  weitgehender  Einflufs  des  Morgenlandes,  dafs 
wir  ihn  unmöglich  bei  der  Religion  leugnen  oder  nur  auf  gewisse  äufser- 
liche  Momente  beschränken  dürfen.  Eine  ganze  Reihe  mythischer  Eigen- 
namen im  Griechischen  ist  zweifellos  phoiuikischen  Ursprungs,  eine  Fülle 
ferner  von  allgemein  religiösen  und  von  rituellen  Bezeichnungen  ist  den 
entsprechenden  semitischen  dem  Sinne  nach  so  ähnlich,  dafs  die  Annahme 
einer  Übersetzung  aus  der  einen  in  die  andere  Sprache  unabweisbar  er- 
scheint. 

Auch  eine  Übertragung  westasiatischer  Kulte  und  Mjrthen  nach  der 
angeblich  abgeschlossenen  indischen  Welt  (§  23—24)  ist  nicht  nur  sehr 
wohl  möglich  nach  den  allgemeinen  Bedingungen  und  bei  dem  nachweis« 
baren  Austausch  auf  anderen  Kulturgebieten,  sondern  sie  mufs  aus  be- 
stimmten Zeugnissen  geradezu  gefolgert  werden.     Ebenso  erscheint  für 


1.  Allg.  u.  Method.:  Gruppe  (Kritik  der  Tergl  a.  der  anthropol.  Methode).  267 

Central-  und  Nordenropa  die  Annahme  einer  Übertragung  orientalischer 
und  sOdenropäischer  Religion  unabweisbar  sowohl  im  Hinblick  anf  die 
verschwindend  dOrftigen  Religionsanfänge,  welche  Cäsar  von  den  Ger- 
manen bezeugt,  wie  auf  den  Umstand,  ^dafs  gerade  die  mit  den  klassi- 
schen Kulten  und  Mythen  flbereinstimmenden  germanischen  Religions- 
forroen  meistens  einen  Knlturzustend  voraussetzen  lassen,  der  sicher  in 
dem  ursprünglichen  Germanien  nicht  bestand'  (p.  181). 

Eine  jfingere  Schule  der  vergleichenden  Mythologie  (§  26.  Die  Dä- 
monologisten)  bezeichnet  als  das  urindogermanische  Erbgut  nicht  die  spä- 
teren grofsen  Himmelsgötter,  sondern  einen  Dämonenglanben ,  welcher, 
ffir  die  höheren  Yolksklassen  allmählich  zum  Kunstmythus  entwickelt,  in 
den  Volkssagen  noch  heutzutage  lebendig  ist.  —  Gegen  diese  Hypothese 
ist  vor  allem  einzuwenden,  dafs  sie  die  Constanz  der  mQndlichen  Über- 
lieferungweit flberschätzt,  und  dafs  von  dem  nichtreligiösen  Volksmärchen, 
diesem  reinen  Spiel  der  Phantasie,  keine  organische  Entwicklung  denk- 
bar ist  zu  dem  Mythus,  welcher  der  eine  Teil  der  Religion  ist.  Eben 
die  Verleugnung  des  religiösen  Bestandteils,  den  die  meisten  Mythen  be- 
sitzen, ist  ein  Hauptfehler  der  Dämonologisten.  Sie  erklären  endlich 
nicht  die  Übereinstimmung  der  Mythen  verschiedener  Völker:  denn  diese 
wächst  nachweislich  mit  der  kunstmäfsigen  Bearbeitung,  während  man 
vom  dämonologistischen  Standpunkt  das  Gegenteil  erwarten  sollte. 

Bereits  bei  Mannhardt,  dem  Hauptvertreter  dieser  Richtung,  kam 
die  Annahme  eines  gemeinsamen  Ursprunges  der  mythologischen  Vor- 
stellungen zuletzt  immer  mehr  ins  Wanken  zu  Gunsten  des  von  der  deut- 
schen spekulativen  Philosophie  zu  absoluter  Gültigkeit  erhobenen  Grund- 
satzes von  der  psychischen  Gleichartigkeit  der  menschlichen  Veranlagung 
(§  27.  Anthropologische  Erklärung  der  Entstehung  des  Mythos).  Anf  die- 
sem basirend  suchten  die  BegrOnder  der  *  Völkerpsychologie'  (Lazarus, 
Steinthal),  den  Menschen  im  Volke  zu  betrachten  und  die  psychischen 
Übereinstimmungen  der  Einzelwesen  auf  die  gemeinsame  Einwirkung  der 
vorhandenen  Gesamtheit  zurflckzufflhren.  während  die  jüngeren  Vertreter 
derselben  Wissenschaft  die  am  Individuum  studirten  Gesetze  der  Psycho- 
logie anf  die  Entwickelung  der  Menschheit  Obertragen  (Wilder  =  Kind, 
während  doch  die  geistige  Thätigkeit  beider  eine  grundverschiedene  ist,  dort 
produktiv,  hier  receptiv).  M.  Müller  zufolge  besteht  die  allgemein  mensch- 
liche Anlage,  welche  die  Entstehung  des  Mythus  bewirkt,  in  der  Sprache. 
Durch  gleichnisartige  Verwendung  bereits  vorhandener  Ausdrücke  für  neu 
wahrgenommene  Naturerscheinungen  werden  diese  letzteren  anthropomor- 
phisirt  und  mit  der  Zeit  deifizirt;  nachdem  der  Ausdruck  unverständlich 
geworden,  wurde  aus  dem  Gleichnis  ein  Mythus.  Einen  wie  grofsen  Fort- 
schritt nun  auch  diese  Herleitung  des  Mythus  bezeichnet,  die  weitgehen- 
den Übereinstimmungen  im  weiteren  Verlauf  der  Mythenbildung  sind  da- 
mit nicht  erklärt.  Mit  einer  Eigentümlichkeit  der  Sprache  kann  doch 
nicht  begründet  werden,  dafs  diese  Gleichnis-Mythen  bei  allen  Völkern 


268  Griechische  Mythologie. 

gleichmäfsig  gerade  die  Himmelserscheinungen  betreffen,  dafs  ferner  viel- 
fach von  verschiedenen  Völkern  ganz  die  gleichen  Bilder  fQr  dieselben 
Naturerscheinungen  gewählt  werden.  Diese  Gleichförmigkeit  zu  erklären 
ist  ebensowenig  A.  Lang  gelungen,  der  das  Grandprinzip  aller  Mytho- 
logie in  der  Sitte  sucht  (die  meisten  Mythen  ^survivals'  einer  Periode, 
in  welcher  die  geschilderten  Vorgänge  teils  wirklich  vorkamen,  teils  aber 
der  Phantasie  nahelagen):  denn  die  Sittengleichheit  der  Naturvölker  ist 
wesentlich  eine  negative,  d.  h.  im  gemeinsamen  Mangel  der  Kultur  be- 
stehend —  in  allem  Positiven  zeigen  schon  die  primitiven  Völker  die 
gröfste  Verschiedenheit.  Verf.  sieht  in  der  Sitte  einen  sehr  veränder- 
lichen und  keineswegs  wesentlichen  Bestandteil  der  Mythen  und  schreibt 
ihr  nur  einen  vorübergehenden,  formalen  Einflufs  auf  ihre  Gestaltung  zu. 
Was  aber  die  Religion  selber  anlangt  (§  28—29.  Versuche,  die  Re- 
ligion aus  einer  allgemeinen  Veranlagung  des  menschlichen  Geistes  zu 
erklären),  so  liegt  der  zuerst  von  Lessing  klar  ausgesprochene  Satz  von 
der  Entstehung  der  Religion  in  der  Geschichte  sowohl  der  Anthropologie 
wie  der  modernen  Religionsphilosophie  zu  Grunde.  Unter  den  Vertre- 
tern der  letzteren  (Evolutionismus)  leitet  M.  Mflller  die  Religion  von 
dem  Gefühl  des  ^Unendlichen'  ab:  dagegen  ist  einzuwenden,  dafs  erstens 
den  ältesten  Religionsquellen  zufolge  diese  Empfindung  ursprünglich  nur 
dunkel  war,  dafs  zweitens  der  von  ihr  ausgeübte  Druck,  als  ein  lediglich 
intellektueller,  nicht  die  Religion  hervorgerufen  haben  kann,  deren  End- 
zweck ein  wesentlich  praktischer  ist  Ebensowenig  ist  die  Pfleiderersche 
Herleitung  von  dem  Schönheitstriebe  befriedigend:  *der  Satz  »Das  Schöne 
ist  göttlicht,  vom  Schönen  an  sich  verstanden,  erklärt  nicht  den  ge- 
schichtlich gegebenen  Begriff  des  Göttlichen,  sondern  er  modelt  diesen 
nur  für  das  Bedürfnis  sinnlich  reich  begabter  Menschen  um'  (p.  231). 
Der  von  einigen  Anthropologen  vertretene  Transformationismus  (letzte  Ur- 
sache der  Religion  im  Menschen  selbst,  Transformation  der  ersten  reli- 
giösen Begriffe  durch  die  Einwirkung  der  Aufsenwelt)  hat  einerseits  (ka- 
kodämonistische  Richtung)  eine  besondere  Ausbildung  in  der  Ahnenkult- 
theorie gefunden,  welche  die  Religion  von  der  Verehrung  der  abgeschie- 
denen Seelen  herleitet.  Aber  abgesehen  von  der  sehr  unwahrscheinlichen 
Voraussetzung,  dafs  die  Todesfurcht  bei  den  Urmenschen  ein  so  mächti- 
ger Instinkt  gewesen  wäre  —  der  Totenkult  erscheint  sowohl  in  den 
Veden  wie  in  den  griechischen  Quellen  von  verhältnismäfsig  so  jungem 
Datum,  dafs  aus  ihm  das  uralte  Götteropfer  nicht  entstanden  sein  kann ; 
überdies  ist  schwer  ersichtlich,  wie  der  Glaube  an  die  Fortexistenz  der 
Seele  zu  ihrer  Lokalisirung  in  irgend  einem  Objekt  geführt  haben  soll, 
und  noch  weniger  begreiflich  ist  der  Übergang  vom  Fetischdienst  zum 
Gestirndienst.  Hingegen  hat  der  von  L.  Feuerbach  und  W.  Bender 
durchgeführte  Transformationismus  (eudämonistisch) ,  wonach  der  dem 
Menschen  innewohnende  Drang  nach  einer  illusionären  Befriedigung  sei- 
ner Wünsche  zur  Religion  geführt  hat,  bei  mehrfachen  Schwächen  ein 


1.  Allg.iLMethod. :  Qrnppe  (Kritik  d.ETolation!8miun.Traii8fonnationi8ma8).269 

weseotliches  Verdienst  darch  die  Aufstellnng  zweier  koDstitutiven  Elemente 
der  Religion:  das  der  lUnsion  and  das  des  Selbsterhaltungstriebes. 

Nun  sind  aber  alle  anthropologischen  nnd  religionsphilosophischen 
Hypothesen  schon  insofern  verfehlt,  als  sie  aus  einer  allgemein  mensch- 
lichen Veranlagung  die  Gleichförmigkeit  der  Religion  zu  erklären  ver- 
suchen (§  30.  Gesamtkritik  der  religionsphilosophischen  und  anthropolo- 
gischen Hypothesen).  Die  Erfahrung  am  Individuum  lehrt,  ^dafs  im 
Gegensatz  gegen  die  sich  von  selbst  einstellenden  Bedarfoisse  und  Triebe, 
wie  das  Ernährungs-  und  Ruhebedttrfnis  und  den  Fortpflanzungstrieb, 
das  religiöse  Gefühl  nicht  angeerbt,  sondern  anerzogen  und  von  aufsen 
mitgeteilt  wird'  (p.  259);  'allgemein  menschlich  ist  nicht  eine  bestimmte 
Religion  ...  auch  nicht  ein  bestimmter  aktiver  Trieb  zur  Religion,  son- 
dern eine  passive  Potenz,  eine  Empfänglichkeit'  (p.  259);  das  ungeteilte 
Menschengeschlecht  besafs  demnach  keine  Religion,  auch  keinen  religiö- 
sen Trieb.  Bei  richtiger  Begrenzung  des  Begriffes 'Religion*,  iQr  welchen 
das  Bewufstsein  einer  Obernatarlichen  Macht  charakteristisch  ist,  läfst 
sich  eine  ganze  Reihe  religionsloser  Völker  nachweisen.  Die  Gleichför- 
migkeit der  Religion  findet  ihre  beste  Erklärung  vielmehr  in  der  An- 
nahme äufserer  Übertragung. 

Die  religiöse  Anlage  (§  81.  Schlufsbetrachtungen.  Der  reine  Adap- 
tationismus) gehört  zu  den  Gesellschaftsinstinkten,  welche  im  Gegensatz  zu 
den  Individual-  und  Gattungsinstinkten  nicht  angeboren  und  vererbbar, 
sondern  passiv  sind.  Nur  in  den  Bedarfnissen  der  Gesellschaft  und  durch 
die  Bedürfnisse  der  Gesellschaft  gedeiht  die  Religion.  Sie  wurde  viel 
weniger  allgemein,  als  die  flbrigen  Gesellschaftsinstinkte,  die  moralische 
nnd  die  politische  Anlage,  weil  sie  nicht  unentbehrlich  für  die  Gesell- 
schaft ist,  sondern  diese  nur  verbessert,  weil  sie  ferner  die  Denkgesetze 
verletzt  und  weil  ihre  Nutzeffekte  nicht  so  einleuchtend  sind. 

Als  aktive  Antriebe  aber  zur  Entstehung  und  Verbreitung  der  Re- 
ligion lassen  sich  in  den  historischen  Religionen  nachweisen:  der  unbe- 
wufste  Egoismus  der  Religionsstifter  und,  in  viel  höherem  Grade,  die  illusio- 
näre Befriedigung  der  WOnsche  der  Gläubigen  durch  die  Religion.  Während 
nun  alle  historischen  Religionsstifter  eigentlich  nur  Reformatoren  sind,  indem 
sie  bereits  andere  Religionen  vorfanden, '  kann  der  Mann,  der  da  zuerst  for- 
dert, dafs  die  Opferflamme  des  Morgens  zur  ünterstfltzung  der  Sonne  im 
Kampf  gegen  ihre  Feinde  entzflndet  werde, . . .  sich  auf  keine  liebgewordene 
Gewohnheit  berufen,  er  lehrt  Geremonien,  deren  Ntttzlichkeit  durch  keine 
unmittelbar  sichtbaren  Folgen  erwiesen  wird.  Und  er  lehrt  nicht  nur, 
sondern  er  fordert  auch  die,  wenn  auch  anfangs  beschränkte,  so  doch 
immerhin  beschwerliche  Ausflbung  des  Gottesdienstes.  Da  bedarf  es  un- 
gewöhnlicher Energie,  eines  grofsen  persönlichen  Einflusses,  um  eine  der 
natftrlichen  Vernunft  so  widerstrebende  Lehre  zum  Siege  zu  fahren.  Diese 
Schwierigkeit  erklärt  es  wohl,  warum  trotz  der  far  die  Verbreitung  des 
Kultus  so  günstigen  allgemeinen  Bedingungen  die  selbständige  Entstehung 


270  Griechische  Mythologie. 

desselben  doch  nur  an  ganz  wenigen,  vielleicht  nur  an  einer  Stelle  statt* 
gefunden  hat.  Der  fast  unbeschränkten  Verbreitungsffthigkeit  der  Reli- 
gion steht  eine  auffallende  Schwierigkeit  fQr  die  Entstehung  der  Religion 
gegenüber'  (p.  276f.). 

Von  Kapitel  II  (Übersicht  Ober  die  wichtigsten  Denkm&ler, 
welche  von  der  Geschichte  des  Kultus  und  des  Mythos  be- 
richten) bietet  der  vorliegende  Band  nur  den  ersten  Abschnitt,  in  wel* 
chem  Verf.  die  Gedichte  an  und  über  die  Götter  behandelt.  Von 
den  vier  Sammlungen,  in  denen  uns  der  Veda  (§  82 — 38)  vorliegt  — 
Rig-,  Säma-,  Yajur-  und  Atharvaveda  —  ist  die  letztere  besonders  we- 
gen ihrer  nachweislich  jungen  und  sehr  beschränkten  kanonischen  Gel- 
tung als  die  späteste  anzusehen.  Älter  sind  Sama-  und  Yajurvedai  welche 
ihrerseits  beide  durch  ihre  Abhängigkeit  vom  Rigveda  (aus  dessen  Lie- 
dern die  meisten  ihrer  Verse  zusammengestellt  sind)  verraten,  dafs  sie 
erheblich  jünger  als  diese  sind.  Den  ältesten  Bestand  des  ganzen  Veda 
bilden  die  Bücher  II—  VII  des  Rigveda  mit  Ausnahme  der  den  einzelnen 
Liedercyclen  derselben  angehäugten  SchluCslieder,  die  sich  durch  eigen- 
tümliche metrische  Form  (Gesangsmetren)  und  mythologische  Anschauung 
(Yama)  sowie  durch  ihren  nicht  immer  rituellen  Charakter  scharf  vom  Übri- 
gen abheben.  Später  hinzugefügt  wurden  Buch  VIII — IX  und  noch  später 
I  und  X.  Letzteres  zeigt  grofse  Verwandtschaft  mit  dem  Atharvaveda, 
dessen  Religion  eine  aus  der  des  ältesten  Rigveda  hervorgegangene  Pa- 
rallelbildung zum  Brahmanismus  ist  (vgl.  jetzt:  Oldenberg^s  Rigveda  I). 

Hinsichtlich  der  Göttermythen  des  Veda  schlieft  Verf.  sich  der 
von  Bergaigne  vertretenen  Ansicht  an,  dafs  dieselben  nicht  direkt  aus 
der  Naturanschauung,  sondern  aus  dem  Ritual  entstanden  sind,  indem  die 
einzelnen  Geremouien  desselben  erst  mit  den  Naturvorgängen  verglichen 
wurden;  in  den  mythischen  Menschen  aber  erkennt  er  keineswegs  abge- 
blafste  Götter:  denn  aus  dem  sehr  beschränkten  Anthropomorphismus 
des  vedischen  Olymps  konnten  unmöglich  jene  rein  menschlich  gedach- 
ten Sänger  der  Vorzeit  hervorgehen ;  und  die  Beziehungen  zwischen  den 
mythischen  Menschen  und  den  Göttern,  die  Bergaigne  für  diese  Ansicht 
geltend  macht,  sind  keineswegs  beweiskräftig,  so  wenig  derselbe  Gelehrte 
andererseits  entscheidende  sachliche  Übereinstimmungen  zwischen  der 
Götter-  und  der  Menschensage  des  Veda  nachweisen  kann.  Vielmehr 
sind  jene  Menschen  teils  Stammrepräsentanten  -  ursprünglich  ganz  ab- 
strakte, erst  allmählich  iudividualisirte  Gestalten  — ,  teils  gehören  sie 
den  novellistischen  Bestandteilen  des  Veda  an,  die  aus  einer  selbständig 
neben  den  Hymnen  bestehenden  profanen  Litteratur  stammen,  und  sind 
von  Anfang  an  als  fromme  gute  Menschen  gedacht. 

Für  die  assyrischen  Hymnen  und  Theogonien  (§  84—86)  sind  während 
des  Altertums  die  wichtigsten  Quellen  Ktesias,  der  vorzugsweise  die  alier- 
jüngsten,  tendenziös  gefärbten  Urkunden  benutzt  zu  haben  scheint,  und  Be- 
rossos.   Verf.  sucht  nachzuweisen,  dafs  die  Berossosfragmente  bei  Apollodor 


1.  AUgem.  n.  Methodol.:  Orappo  (Gedichte  im  a.  aber  die  GOtter).    271 

keineswegs  eioe  christliche  Fälschung  seien:  sie  verraten  eine  geradezu  heid- 
nische Tendenz  und  sind  nicht  erst  von  christlichen  Schriftstellern  benatzt, 
sondern  schon  von  Alexander  Polyhistor,  welcher  aufserdem  auch  direkt  aus 
Berossos  schöpft,  von  dem  auch  Juba  und  Josephus  direkt  abhängig  sind. 
Sowohl  gegenober  Alexander,  unserer  Hauptquelle  fttr  Berossos,  ist  bei 
seiner  Tendenz,  die  Ähnlichkeit  zwischen  barbarischer  und  griechischer 
Philosophie  hervorzuheben,  grofse  Vorsicht  geboten ,  wie  gegenaber  Be- 
rossos selber,  dessen  Absicht,  die  griechische  Litteraturform  in  die  bar- 
barische Litteratur  einzufahren,  auf  die  Wiedergabe  der  nationalen  Über- 
lieferung schädlich  eingewirkt  haben  mufs. 

Ferner  ist  far  unsere  Kenntnis  der  chaldäischen  Religion  von  ge- 
wisser Bedeutung  die  griechische  Mystik,  da  dieselbe  stark  unter  dem 
Einflufs  einer  geistesverwandten  babylonischen  Litteratur  steht,  welche 
trotz  ihrer  unleugbaren  hellenischen  Elemente  als  Fortsetzung  der  natio- 
nalen Litteratur  und  als  Bewahrerin  altorientalischer  Religionsideen  an- 
gesehen werden  darf  (chaldäische  Orakelsammlung  —  Porphyrius). 

Nicht  viel  mehr  als  durch  die  griechische  Überlieferung  gewinnen 
wir  (§  35)  durch  die  in  den  Keilinschriften  erhaltenen  assyrischen  Lit- 
teraturdenkmäler  (Kosmogouien  mit  mehrfachen  Anklängen  an  die  he- 
bräische und  griechische,  theogoniache  Schriften,  Gebete  und  Hymnen, 
die  sich  inhaltlich  mit  den  Vedeu,  formal  mit  den  Psalmen  berahren),  da 
ihre  Exegese  und  chronologische  Klassifizirung  höchst  unsicher  ist. 

Far  die  phoinikische  Litteratur  über  die  Entstehung  der  Welt  und 
der  Götter  (§  36—38)  sind  die  dürftigen,  aus  Eudemos  und  Mochos  fliefsen- 
den  kosmogonischen  Notizen  bei  Damaskios  unwesentlich  im  Vergleich 
zu  Eusebios'  Bericht  über  die  phoinikische  Theogonie  (Praep.  ev.  I  9  u. 
10;  IV  16.  6—8),  einem  von  E.  selber  hergestellten  Excerpt  aus  dem 
1.  Buch  von  Philo's  des  Bybliers  angeblicher  griechischer  Übersetzung 
der  ^omxix^  Uruopia  Sanchuniathon*s.  Dasselbe  ist  mit  der  dem  E.  eige- 
nen üngleichmäfsigkeit  im  Excerpiren  und  ohne  Rücksicht  auf  Zu- 
sammenhang und  Verbtändlichkeit  verfafst,  in  einseitiger  Verfolgung  der 
antiheidnischen  Tendenz  seines  Werkes.  Wenn  nun  auch  eine  genaue 
Analyse  des  Philonischen  Berichtes,  welche  Verf.  p.  354 — 373  unter- 
nimmt, den  sicheren  Scblufs  ziehen  läfst,  'dafs  es  einen  phoinikischen 
Sanchuniathon,  d.  h.  ein  phoinikisches  Werk  von  dem  Umfang,  wie  Philo 
es  gelesen  haben  will,  überhaupt  nicht  gab',  so  hat  doch  Philo  zweifel- 
los wenigstens  indirekt  phoinikische  Urkunden  benutzt  und  giebt  diesel- 
ben so  treu  wieder,  als  es  seine  euemeristische  Tendenz  und  seine  litte- 
rarischen Grundvorstellungen  gestatten;  sowohl  auf  den  phoinikischen  Mün- 
zen wie  in  litterarischen  Denkmälern  finden  wir  überraschende  Bestäti- 
gungen seiner  Darstellung.  Der  ganze  Charakter  seines  Berichtes  über 
das  Uranidengeschlecht  weist  auf  ein  phoinikisches  Gedicht  als  Urquelle 
hin,  dasselbe  lag  in  mehreren  griechischen  Übersetzungen  vor  und  ist 
wahrscheinlich  im  8. — 7.  Jahrh.  v.  Chr.  entstanden.     Philo  hat  es  eueme- 


272  Griechische  Mythologie. 

ristisch  bearbeitet  und  den  ursprünglich  theogonischen  Charakter  des- 
selben bis  auf  wenige,  allerdings  dentliche  Zflge  verwischt.  Er  stellt 
dieser  eoemeristisch  zugestutzten  Theogonie  (Enseb.  §  12—22  H.  [14 — 
86  6])  eine  von  ihm  selber  ätiologisch  konstruirte  Anthropogonie  vor- 
an, welche  die  Entstehung  des  Menschen  und  der  menschlichen  Kultur 
beschreibt  (§  4 — 12  H.  [7-- 14  G.])  Dazu  kommt  die  aus  Hekataios  ent- 
lehnte Eosmogonie  (auffallende  Berührungspunkte  mit  den  aus  H.  stam- 
menden Abschnitten  Diodors  und  Plutarchs)  am  Anfang  und  die  aus 
einem  allegorisirenden  griechischen  Philosophen  (dem  *Tabioniden')  ent- 
nommene zweite  phoinikische  Theogonie  am  Schlnfs  (von  §  23  [36]  an). 
Aufser  diesen  Quellen  hat  Philo  ein  Compendium  der  griechischen  My- 
thologie und  eine  zweite  phoinikische  Quelle,  welche  geschichtlicher  Art 
gewesen  sein  mnfs,  benOtzt.  Eine  Verwertung  chaldäischer  und  jfldi- 
scher  Quellen  (Hexateuch)  ist  zwar  in  den  erhaltenen  Fragmenten  nicht 
nachweisbar,  aber  fOr  das  ganze  Werk  mit  Bestimmtheit  anzunehmen. 

Verf.  bespricht  sodann  die  ägyptische  Litteratur  (§  39  —  40.  Die 
Angaben  der  Griechen).  Diodors  Hauptquelle  fOr  die  ägyptische  Reli- 
gion ist  der  allerdings  nur  nebensächlich  von  ihm  citirte  Hekataios, 
welcher  seinerseits  auf  dem  theologischen  Werk  des  wahrscheinlich  et- 
was älteren  Manetho  fufst.  Letzteres  fQhrte  vermutlich  den  Titel  lepä 
ß(ßXoQ  und  war  in  der  Hauptsache  eine  verkürzte  Übersetzung  (ohne 
wesentliche  Zuthaten  und  ohne  Veränderung  der  Disposition)  des  von 
Clemens  (III  p.  156  Dind.)  beschriebenen  heiligen  Corpus,  dessen  Anlage 
sich  auf  Grund  von  Hekataios  (bei  Diodor)  und  Clemens  rekonstruiren  läfst 
(p.  432f.).  Eine  ähnliche  Bedeutung,  wie  Manetho  fQr  die  griechische 
Zeit,  hatte  fOr  die  römische  der  von  späteren  Philosophen  und  Kirchen- 
vätern vielbenfltzte ,  aber  keineswegs  sehr  zuverlässige  Stoiker  Chaire- 
mon  mit  seinen  lepä  ypdfißara.  Ohne  genOgende  Kenntnis  von  der 
ägyptischen  Priesterlehre  unternahm  er  es,  diese  nach  griechischen  Quel- 
len im  stoischen  Sinn  darzustellen.  Während  er  noch  die  frohere  phy- 
sikalisch-allegorische Mythendeutung  vertritt,  zeigt  die  aus  Hekataios 
(Übereinstimmungen  mit  Diodor)  und  daneben  aus  Eudoxos  schöpfende 
Schrift  Plutarchs  ^de  Iside  et  Osiride'  (Cap.  45)  bereits  einen  Ansatz  zu 
der  metaphysischen  Deutung,  wie  sie  der  späteren  Mystik  eignet  und  fär 
die  ägyptische  Religion  —  trotz  gelegentlichen  ZurQckgehens  auf  physi- 
kalische Auslegungen  —  durchgeführt  ist  von  den  Neuplatonikern  Pseudo- 
Jamblichos,  Heraiskos,  Asklepiades  und  in  den  hermetischen  Bflchern. 
Letztere  bilden  trotz  ihres  späten  Ursprungs  und  trotz  ihrer  Vermischung 
griechischer,  ägyptischer  und  syrischer  Vorstellungen  eine  nicht  ganz  wert- 
lose Ergänzung  der  hieroglyphischen  Litteratur. 

Bei  dieser  (§  41—43.  Die  hieroglyphische  Litteratur)  tritt  der  fflr  die 
indische  Mythologie  deutlich  nachweisbare  Zusammenhang  der  mythischen 
Vorstellungen  mit  dem  Ritual  fast  gänzlich  zurOck.  Dafs  dieser  Zusam- 
menhang ursprünglich  auch  in  Ägypten  bestand,  zeigt  Verf.  aufser  ande* 


1.  Allgem.  n.  Methodol.:  Gruppe  (GMichte  an  und  aber  die  Götter).    278 

rem  durch  eine  eingebende  Prttfung  der  einzelnen,  anorganisch  znsam- 
mengeftgten  Bestandteile  des  Totenbachs  (p.  462 — 477).  Sowohl  von  den 
Göttergesprächen  desselben  wie  von  vielen  der  mit  dem  Verstorbenen 
sich  beschäftigenden  Stücke  (Bittgesänge  der  Toten,  Triamphgesänge) 
ist  wahrscheinlich,  dafs  sie  eigentlich  znm  Vortrag  bei  der  Fnneralcere- 
monie  bezw.  beim  Ahnenopfer  bestimmt  waren.  —  Die  transscendentalen 
Religionsvorstellungen  der  philosophischen  Hymnen  (§  43)  sind  weder  für 
den  Eni  tos  noch  für  den  Mythus  von  wesentlicher  Bedeutung  gewesen. 

Was  die  phrygische  Litteratur  anlangt,  so  bietet  zwar  die  phrygi- 
sirende,  *  durch  einen  wüsten  Synkretismus  ausgezeichnete  Litteratur  der 
späteren  Zeit  von  echt  phrygischen  Mythen  fast  nichts»  aber  für  die 
ältere  Zeit  ist  ein  gröfseres  kosmogonisches  Gedicht  nachweisbar,  das  die 
Attissage  behandelte  und  die  Übersetzung  einer  phoinikischen  Theogonie 
war.  Seine  Rekonstruktion  wird  ermöglicht  durch  zwei  Auszüge  einer 
griechischen  Bearbeitung  und  durch  die  phoinikischen  Parallelversionen  bei 
Philo  (Beschneidung  des  *£pigeios')  und  Damaskios  (Astronöe  und  Esmun). 
Endlich  kommt  Verf.  zu  den  griechischen  und  römischen  Ge- 
dichten an  und  über  die  Götter  und  bespricht  hier  zunächst  die  Hym- 
nen und  Gebete  (§  45).  Das  während  der  Opferhandlung  gesungene  Lied 
ist  in  Griechenland,  wenn  es  überhaupt  jemals  im  Gebrauch  war,  bereits 
früh  untergegangen,  der  religiöse  Gesang  erscheint  gesondert  vom  Opfer. 
—  Die  Korruption  der  gröfseren  homerischen  Hymnen  wurde  vor  ihrer 
(etwa  für  das  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  anzusetzenden)  Sammlung  und  Auf- 
zeichnung durch  willkürliche  Entstellung  in  der  mündlichen  Tradition  ver- 
ursacht Aus  dem  Kern  des  Hymnus  auf  den  delischen  ApoUon  (v.  30 
— 139)  rekonstruirt  Verf.  unter  Heranziehung  von  Hygin  Fab.  140  und 
V.  129—177  des  Hymnus  auf  den  pythischen  Apollon  ein  die  ApoUon- 
geburt  behandelndes  Gedicht,  in  welchem  Apollon  ohne  Artemis  geboren 
wurde  und  Typhaon,  des  Apollon  Gegner,  vor  des  letzteren  Geburt  den 
Zeus  besiegt  hatte.  Dasselbe  erweist  sich  als  Bearbeitung  eines  orien- 
talischen Mythus,  dessen  phoinikische  Form  der  zweite  Teil  des  von  Philo 
verwerteten  Gedichtes  (s.  o.  S.  272)  bietet,  während  seine  ägyptische  Form 
durch  Herodot  II  166  f.  überliefert  ist. 

Der  nicht  erzählende  (melische)  Hymnus  trat  in  späterer  Zeit  äufser- 
lich  wieder  in  Verbindung  mit  der  Geremonie,  ohne  jedoch,  wie  der  ve- 
dische  Hymnus,  auf  das  Opfer  selbst  besondere  Rücksicht  zu  nehmen. 
Dieser  religiösen  Lyrik  schreibt  Verf.  fir  die  Ausbildung  der  griechischen 
Gottesvorstellnngen  die  gröfste  Bedeutung  zu.  Was  die  orphischen  Hym- 
nen betrifift,  so  hält  er  eine  Scheidung  zwischen  der  pseudoorphischen 
Litteratur  von  den  echten,  in  den  Sekten  vorgetragenen  Hymnen  nicht 
für  möglich,  in  der  uns  erhaltenen  Sammlung  sieht  er  nicht  eine  litte- 
rarische Mystifikation,  sondern  einen  Ausflufs  der  durch  Julian  bezeich- 
neten theosophischen  Richtung. 

Jahresberleht  für  AltertamawlsMnsebaft.   LZYI.  Bd.  lg 


274  Griechische  Mythologie. 

Neben  dem  Hymnus  blieb  in  fortwährendem  Gebranch  das  Gebet. 
Während  die  Wirkung  desselben  in  Griechenland  nicht  an  eine  bestimmte 
Formel  gebunden  war,  ist  es  bei  den  Römern  —  analog  der  indischen 
Auffassung  von  der  gotterzwingenden  Macht  des  Opferspruchs  —  zu 
einer  Zauberformel  erstarrt,  welche  mit  peinlichster  Genauigkeit  herge- 
sagt sein  will.  Doch  waren  die  Formeln  weder  ein  Geheimnis  der  pon- 
tifices  noch  trugen  die  Gebetssammlungen  (indigitamenta)  einen  amtlich 
pontificalen  Charakter. 

Zweitens  untersucht  Verf.  die  griechische  theogonische  Litteratur 
(§  46--47).    Den  flberlieferten  Zustand  der  Hesiodeischen  Theogonie  er- 
klärt er  nicht  aus  nachträglichen  Interpolationen,  sondern  ans  der  Ent- 
stehung und  dem  Zweck  des  Gedichtes,  das  ein  einheitliches^  zusammen- 
fassendes Corpus  vieler  zum  teil  einander  widersprechenden  theogoni- 
schen  und  genealogischen  Gedichte  sein  will.    Als  solche  erweisen  sich 
die  in  zwei  Versionen  vertretene  sogenannte  Titanomachie  (besser  Heka- 
toncfaeiris),  das  Typhoeuslied,  das  Prometheuslied  in  zwei,  das  üranoslied 
in  drei  Versionen,  und  mit  letzteren  eng  verbunden  die  Erzählung  von 
der  Zeusgeburt.     Dazu  kommen  Reste  von  Liedern  an  Hekate  und  an 
die  Musen.    Die  drei  Prooemien  bieten  die  Inhaltsangaben  von  drei  theo- 
gonischen  Quellen  dar.    Eine  Prüfung  des  ganzen  in  der  Theogonie  nie- 
dergelegten Sagenmaterials  weist  deutlich  auf  den  Kreis  Theben,  Korinth, 
Argos  als  Abfassungsort,  und  der  Umfang  des  argivisch- korinthischen 
Eolonialbestandes,  welchen  die  Theogonie  voraussetzt,  läfst  auf  die  Pe- 
riode des  Periandros  als  Abfassungszeit  schliefsen.   Eine  viel  ältere  Theo- 
gonie war  es,  die  in  der  Jr^c  dnärv^  der  Ilias  travestirt  ist.   Sie  berOhrte 
sich  nahe  mit  der  von  Piaton  citirten  orphischen  Theogonie    —    beiden 
gemeinsam  ist  vor  allem  die  bevorzugte  Stellung  des  Okeanos  und  der 
Tethys    —    und  hatte  zum  Mittelpunkt  den  weltverändernden  Ehebund 
von  Zeus  und  Hera.     Sie  erweist  sich   als  eine  Übersetzung  der  von 
Philo  (s.  o.  S.  271  f.)  überlieferten  phoinikischen  Theogonie,  von  der  sie 
wesentlich  nur  darin  abweicht,  dafs  Zeus  statt  des  Okeanos  den  Kronos 
zum  Vater  erhält 

Von  der  jüngeren  orphisirenden  Litteratur  spricht  Verf.  die  unter 
dem  Namen  des  Lines  und  des  Musaios  gehenden  theogonischen  Gedichte 
frühestens  dem  sechsten  Jahrhundert  zu.  Unter  den  ausdrücklich  dem  Or^ 
pheus  zugeschriebenen  jüngeren  Theogonien  ^nd  die  bedeutendsten  die  von 
Athenagoras  citirte  (identisch  mit  der  von  Damaskios  de  princ.  p.  380  ff. 
[Kopp]  an  zweiter  Stelle  genannten)  und  die  von  den  jüngeren  Neuplatoni- 
kem  benützte  'Theogonie*  (identisch  mit  der  dritten  des  Damaskios,  für  die 
Neuplatoniker  die  Quelle  des  Zagreus-  und  Eoremythus).  Die  Verfasser 
dieser  jüngeren  orphisirenden  Gedichte  in  den  Kreisen  der  Stoiker  zu  suchen 
verbietet  die  Beobachtung,  dafs  die  Mehrzahl  der  dort  niedergelegten 
Ideen  der  Stoa  nicht  allein  fremd  war^  sondern  ihr  geradezu  widersprach. 


1.  AUg.  u.  Method.:  Qrappe  (Qriechiscfae  Hymnen,  Gebete  n.  Theogo  nien).    275 

Vielmehr  lag  diese  Litteratur  bereits  den  um  die  Wende  des  sechsten 
and  des  fünften  Jahrhunderts  v.  Chr.  arbeitenden  Philosophen  zu  gründe, 
besonders  dem  Heraklit,  welcher  in  einer  Reihe  wesentlicher  Punlcte  mit 
ihr  Qbereinstimmt.  Den  entscheidenden  Beweis  fflr  ihr  höheres  Alter 
sieht  Verf.  darin,  dafs  die  einzelnen  in  ihnen  enthaltenen  Vorstellungen 
sich  schon  im  siebenten  und  sechsten  vorchristlichen  Jahrhundert  in  den 
verschiedenen  orientalischen  Religionen  vorfinden  und  eine  nachträgliche, 
in  hellenistischer  Zeit  erfolgte  Entlehnung  aus  diesen  fttr  die  Mehrzahl 
jener  Ideen  nicht  angenommen  werden  kann.  Zuletzt  behandelt  Verf. 
die  sibyllinischen  Weissagungen  (Anhang  §  48).  Er  deckt  im  dritten 
Buch  der  uns  erhaltenen  Sammlung  deutliche  Spuren  der  Abhängig- 
keit von  hellenischen  und  chaldäischen  Vorbildern  auf:  diese,  und  nicht 
unser  drittes  Buch,  haben  die  Alten  im  Auge,  wenn  sie  die  Sibylle  aliein 
oder  mit  einem  der  bekannten  Sibyllennamen  citiren.  — 

Eine  abschliefsende  Kritik  auch  dieses  ersten  Bandes  erscheint 
dem  Ref.  vor  der  Hand  nicht  wohl  möglich:  des  Verf.  eigene  Ansicht 
über  Ursprung  und  Geschichte  des  griechischen  Mythus  und  Kultus  tritt 
im  ersten  Kapitel  doch  nur  andeutungsweise  und  ohne  eingehende  Be- 
gründung zu  Tage,  und  auch  auf  viele  Aufstellungen  des  quellenkriti- 
schen,  zweiten  Kapitels  dürfte  erst  dnrch  die  Fortsetzung  klärendes  und 
bekräftigendes  Licht  fallen.  Ref.  beschränkt  sich  daher  auf  einige  we- 
nigen Punkte.  Die  eigentümliche  Auffassung  vom  Ursprung  der  Stamm- 
namen, welche  Verf.  am  Beispiel  der  Dorier  entwickelt,  ist  einer  Be- 
gründung —  auch  für  die  Dorier  —  allerdings  im  höchsten  Maafse  be- 
dürftig: Verf.  hätte  besser  gethan,  sich  hier  nicht  vorzugreifen,  um  so 
mehr,  als  eine  Nötigung  dazu  kaum  vorlag.  Dasselbe  gilt  vom  'Adap- 
tationismus', zu  dessen  Begründung  doch  nur  ein  Anlauf  genommen  wird: 
warum  dies  hier  und  nicht  lieber  nachher,  wenn  an  der  Geschichte  der 
griechischen  Religion  der  empirische  Nachweis  geführt  ist?  Dagegen 
hätten  einige  für  die  Kritik  der  bisherigen  Theorien  bedeutsamen  Sätze 
eine  viel  sorgfältigere  Argnmentirung  verlangt,  als  Verf.  sie  darbietet: 
so  vor  allem  der,  dafs  das  religiöse  Gefühl  nicht  angeerbt  sei  (p.  268), 
und  ferner  die  Hypothese  von  den  religionslosen  Völkern.  Bis  auf  wei- 
teres glauben  wir  weder  das  eine  noch  das  andere.  Gründlicher  und 
ausführlicher  hätte  Ref.  den  Abschnitt  über  die  antike  Religionsbetrach- 
tung gewünscht:  besonders  hinsichtlich  der  Stoa,  deren  Bedeutung  für 
die  Mythengeschichte  der  Verf.  hoffentlich  nicht  unterschätzt.  Des  Euse- 
bius  treffliche  Polemik  gegen  die  physikalische  Mythendeutung  hätte 
wohl  berücksichtigt  werden  dürfen. 

Bei  alledem  ist  das  Buch  eine  hochbedeutsame  Erscheinung,  nicht 
am  wenigsten  durch  seine  umfassende  und  ruhige  Kritik  der  vergleichen- 
den Mythologie  und  durch  den  ungewöhnlich  weiten  wissenschaftlichen 
Horizont  des  offenbar  mit  eiserner  Energie  arbeitenden  Verfassers.  Der 
Fortsetzung  darf  man  mit  Spannung  entgegensehen. 

18* 


276  Griechische  Mythologie. 

0.  Oörres,  Stadien  zur  griechischen  Mythologie.  1.  Folge.  Ber- 
lin, Galvary.  1889.  (Berliner  Stadien  für  klassische  Philologie  and  Ar- 
chftologie  X,  2.)  8.  246  S. 

Der  Verf.  geht  aas  von  der  Lykaonsage,  als  deren  Grandthema  er 
die  Selbstopfernng  der  Gottheit  in  ihrem  Sohne  fafst.  Lykaon  ist  die 
Erscheinnngsform  des  Zens  als  des  sommerlichen  Himmelsgottes,  der  mit 
Kallisto,  der  Erscheinnngsform  der  Erdgöttin  als  Göttin  der  vegetativen 
Feuchte,  den  Arkas  erzeugt,  den  Repräsentanten  der  Vegetation,  und 
wie  dieser  durch  seinen  Opfertod  aufser-  oder  unterweltlich  wird  (Nyk- 
timos),  so  auch  die  Mutter  Kallisto,  indem  sie  von  Hera  oder  Artemis, 
welche  Erscheinungsformen  der  Erdgöttin  als  sommerlicher,  lichter  Göttin 
sind,  vertrieben  oder  getötet,  d.  h.  abgelöst  wird.  Sie  wird  zur  Hekate 
oder  Persephone.  Ebenso  bedeutet  der  spätere  Tod  des  Lykaon,  wo- 
durch er  zum  Nykteus  oder  Hades  wird,  die  Ablösung  des  sommerlichen 
Himmelsgottes  durch  den  Herrscher  der  Feuchte. 

Indem  Verf.  dann  eine  Reihe  anderer  Mythen  (Athamas,  Prome- 
theus, Odysseus)  auf  dasselbe  Schema  zurückführt,  versucht  er  wahr- 
scheinlich zu  machen,  der  Gegensatz  der  beiden  Jahreshälften,  der  vege- 
tativen Feuchte  und  der  trockenen,  abreifenden  Zeit  sei  ^das  Thema  aller 
griechischen  Mythen  ohne  Ausnahme,  die,  obwohl  sie  es  in  der  wunder- 
lichsten Weise  ausschmücken  und  variiren  und  es  mit  einem  sinnver- 
wirrenden Schwall  von  Namen  und  Beziehungen  umgeben,  doch  alle  auf 
diesem  Natursubstrat  wie  auf  einer  unverrückbaren  Grundfeste  ruhen', 
(p.  120).  Die  einzelnen  Götter  sind  eigentlich  blos  Erscheinungsformen 
ein  und  desselben  Himmelsgottes,  wie  er  in  den  verschiedenen  Jahres- 
zeiten gedacht  wird,  und  ebenso  hat  sich  die  eine  Erdgöttin,  indem  man 
ihre  verschiedenen  Zustände  im  Jahreskreislauf  zu  besondern  Personen 
ausbildete,  in  eine  Vielheit  von  Göttinnen  gespalten,  die  entweder  die 
sommerliche,  trockene,  oder  die  winterliche,  feuchte  Jahreszeit  repräsen- 
tiren.  Meist  allerdings  bewahren  diese  Sonderformen  teils  in  Beinamen 
teils  in  Mythus  und  Kultus  noch  deutliche  Spuren  der  Einheit,  aus  der 
sie  hervorgegangen  sind:  der  Name  Athene  z.  B.  kommt  eigentlich  zwar 
nur  der  Göttin  der  sommerlichen  Jahreszeit  zu,  wird  aber  doch  auch  von 
der  aufser-  oder  unterweltlichen,  Mm  ehernen  Hause'  wohnenden  Erd- 
göttin gebraucht,  wie  denn  auch  die  Beinamen  'Gorgo',  *Gorgopis*  auf 
den  winterlichen  Zustand  der  Erdgöttin  gehen.  Aus  der  Verbindung  des 
Himmelsgottes  mit  der  Erdgöttin  aber  entsteht  der  Repräsentant  der  Ve- 
getation, der  Heros,  gleich  seinen  Eltern  in  verschiedenen  Erscheinungs- 
formen auftretend,  nach  Maafsgabe  der  Erscheinungen  des  Jahreskreislaufs : 
bald  als  der  herrliche,  starke,  die  Menschen  mit  seinen  Gaben  erfreuende, 
bald  als  der  leidende,  getötete  und  verklärte  Gottessohn. 

Obwohl,  dem  Vorworte  zufolge,  das  vorliegende  Buch  nur  die 
Skizze  zu  einem  Teile  eines  umfangreichen  mythologischen  Werkes  sein 
soll,  mufs  man  sich  doch  höchlichst  darüber  verwundern,  dab  der  Verf. 


J        m^9 


1.  Allgemeines  n.  Methodologisches:  Görres,  L.  von  Schroeder.      277 

sich  weder  mit  QaelleDoachweiseo  —  geschweige  denn  Quellenkritik  — 
sonderlich  Mühe  giebt  noch  auch  sich  mit  der  neueren  Forschung  aus- 
eiuandersetzt.  Der  Stofif  wird  in  wenig  tibersichtlicher,  häufig  verworrener 
Weise  vorgeführt,  die  Beweisführung  ist  von  KOnstlichkeit  und  Einseitig- 
keit keineswegs  frei.  Der  Gegensatz  von  Leben  und  Tod  mag  eine 
wichtigere  Rolle  in  der  griechischen  Mythologie  spielen,  als  man  ge- 
meinhin angenommen  hat,  aber  der  Schlttssel  zu  allen  Geheimnissen  ist 
er  sowenig  wie  irgend  ein  anderes  Schlagwort.  Möchte  der  Verf.  in  dem 
ausführlicheren  Werk,  anstatt  eine  so  einseitige  Durchführung  des  Jah- 
reszeitenprinzips zu  bringen,  auch  den  vielen  anderen,  für  die  Entwicke- 
lang der  griechischen  Götterwelt  bedeutsamen  Faktoren  gründlich  Rech- 
nung tragen. 

Leopold    von    Schroeder,    Griechische   Götter   und  Heroen. 
I:  Aphrodite,  Erosund  Hephästos.  1887.  8.  Berlin,  Weidmann.  118  S. 

Verf.  erklärt  den  Namen  der  Aphrodite  aus  d^po^  skr.  abhra 
*  Wolke,  Nebel'  und  der  Wz.  dl  ^sich  bewegen,  fliegen  (Seov,  ötea^ae  u.s.w.), 
also  Mm  Gewölk  sich  bewegend,  fliegend*.  Ihr  Urbild  sind  die  indischen 
Apsaras,  die  liebreizenden,  verliebten,  Schmuck  und  Blumen  liebenden 
Wolkengöttinnen.  Der  Charakter  der  germanischen  Schwaigungfrauen, 
welche  Verf.  auf  Grund  der  Urva^lsage  mit  den  Apsaras  zusammenstellt, 
verrät  sich  bei  Aphrodite  noch  in  ihrer  häufigen  Verbindung  mit  dem 
Schwan  und  in  der  Schwanmetamorphose  der  ihr  nahverwandten  Neme- 
sis, während  Eros  (skr.  rati  *  Behagen,  Liebe  \  zugleich  Name  einer  Ap- 
saras) gleich  dem  Schwanenritter  Lohengrin  eine  ins  Männliche  umge- 
setzte Schwanjungfrau  ist.  Wie  die  Schwaigungfrau  als  Walküre  Schlacht 
und  Schicksal  lenkt,  so  erscheint  Aphrodite  gelegentlich  bewaffnet  und 
steht  in  Beziehung  zu  Schicksal  und  Tod.  Dem  engen  Zusammenhang 
der  Apsaras  mit  den  Gaudharven,  den  stark  geschlechtlich  beanlagten 
indischen  Winddämonen,  entspricht  der  lebhafte  Verkehr,  den  Aphrodite 
sowohl  wie  die  ebenfalls  von  den  Apsaras  abzuleitenden  Nereiden  und 
Nymphen  mit  gandharvenartigem,  priapischen  Wesen  unterhalten.  Zu  die-^ 
sen  gehören  nicht  blos  Kentauren,  Satyrn,  Silene,  Pan,  Hermes  und  Dio- 
nysos, sondern  auch  Hephaistos,  Aphroditens  Gemahl.  Sein  ^fututionis 
valde  cupidus*  bedeutender  Name  (skr.  Wz.  yabh  'futuere*  im  Superlativ), 
sein  Auftreten  in  der  bildenden  Kunst  (wofür  eine  Ausführung  Löschkes 
mitgeteilt  wird)  und  einige  Züge  aus  der  litterarischen  Überlieferung 
verraten  die  weinliebende  Silen-Gandharven-Natur  des  Hephaistos,  von 
welchem  Daidalos  und  Prometheus  sowie  der  germanische  Völundr- Wielant 
mehr  oder  weniger  variirende  Parallelgestalten  sind.  — 

Die  klar  und  fesselnd  geschriebene  Arbeit  ist  mehr  ein  Beitrag 
zur  vergleichenden  Mythologie  als  zur  griechischen.  Denn  anstatt  den 
griechischen  Vorrat,  zeitlich  und  örtlich  so  weit  als  möglich  fixirt,  in 
seiner  Gesamtheit  zur  Grundlage  zu  nehmen,  werden  aus  ihm  diejenigen 


278  Griechische  Mythologie. 

ZQge  herausgegriffen,  welche  den  indischen  bezw.  germanischen  Vorstellun- 
gen zn  entsprechen  scheinen :  ein  grofser  Best  bleibt  hinter  dem  Vorhang. 
Das  gilt  am  meisten  von  der  Behandlung  des  Eros,  am  wenigsten  von 
der  des  Hephaistos. 

Erwin  Rohde,   Psyche.    Seelenkult  und  Unsterblichkeitsglaube 
der  Griechen.    Erste  H&lfte.    Freiburg  i.  B.,  Mohr.    1890.   8.    294  8. 

Der  erste  Abschnitt  behandelt  Seelenglauben  und  Seelenkult  in 
den  homerischen  Gedichten.  Verf.  bestimmt  die  homerische  Psyche  als 
das  unsichtbare  Abbild  des  sichtbaren  Menschen,  welches  im  lebendigen 
Körper,  ohne  irgendwie  zu  iunktioniren  (also  von  unserem  'Geist*  durch- 
aus verschieden),  als  ein  schwächerer  Doppelgänger  haust  und  erst  im 
Tode  frei  wird,  um  dann  bewufstlos  im  Hades  ihr  Schattendasein  weiter- 
zufahren, fern  von  den  Lebenden  und  ohne  Einwirkung  auf  das  Reich 
des  Sichtbaren.  —  Dieser  Bestimmung  gegenüber  mufs  bemerkt  werden, 
was  Verf.  selbst  p.  4  sagt,  dafs  die  Psyche  überhaupt  erst  genannt  wird, 
wenn  ihre  Scheidung  vom  lebendigen  Menschen  bevorsteht  oder  gesche- 
hen ist:  ihre  Existenz  im  lebendigen  Menschen  ist  zwar  die  logische 
Voraussetzung  ihres  Entweichens  beim  Tod  und  bei  todesähnlichen 
Zuständen,  aber  ob  der  homerische  Grieche  sich  bereits  für  das  diessei- 
tige Leben  die  Psyche  in  der  Form  des  etSai^ov  vorgestellt  hat,  mufs 
dahingestellt  bleiben.  Athene  sendet  nicht  einfach  das  eTSwXov  der 
Iphthime  zur  Peoelope,  sondern  sie  bildet  ein  solches  zuerst.  Od.  IV 
796,  und  nicht  das  efSojXov  der  Penelope  unterhält  sich  mit  der  Schwe- 
ster —  wie  man  nach  dem  von  R.  herangezogenen  Pindarfragment  (131) 
erwarten  dürfte  —  sondern  die  träumende  Penelope  selbst. 

Verf.  weist  dann  bei  Homer,  besonders  in  der  Leichenfeier  des 
Patroklos  die  'survivals'  eines  alten  Seelenkultes  nach,  deren  ursprüng- 
licher, vom  homerischen  Griechen  kaum  noch  verstandener  Sinn  war,  die 
Psyche  eines  jüngst  Verstorbenen  zu  erquicken  (Ausgiefsung  fliefsenden 
Blutes^  Weinspenden  und  holokauste  Opfer)  und  zu  erfreuen  (Leichen- 
spiele); die  Vermutung,  dafs  in  diesen  Bräuchen  blos  die  Erweisung  von 
Pietätspflichten  vorliege,  oder  dafs  wir  es  hier  mit  Ansätzen  zu  neuen 
Vorstellungen  vom  Leben  der  abgeschiedenen  Seelen  zu  thun  hätten,  wird 
treffend  widerlegt.  Und  als  ursprünglichen  Grund  der  Verbrennung  des 
Toten  und  seiner  Habe,  besonders  der  Waffen,  stellt  Verf.  die  Absicht 
fest,  möglichst  schnell  und  endgiltig  die  Seele  aus  der  Oberwelt  in  ein 
Reich  zu  bannen,  wo  sie  selber  Ruhe  findet  —  deshalb  fleht  Patroklos* 
Seele  um  schnelle  Bestattung  U.  XXUI  71  ff.  —  und  den  Lebenden  nicht 
mehr  schädlich  werden  kann.  Der  apotropaeische  Zweck  der  Ver- 
brennung tritt  zwar  nirgends  bei  Homer  hervor,  aber  Verf.  schliefst  ihn 
aus  der  namentlich  II.  XXUI  75  f..  Od.  XI  218  ff.  ausgesprochenen  Vor- 
stellung, dafs  die  Folge  der  Verbrennung  die  gänzliche  Abtrennung  der 
Seele  vom  Lande  der  Lebenden  sei.    'Homers  Griechen,  seit  Langem 


I.  Allgem.  n.  Methodol. :  Rohde  (homer.  Psyche,  Torhomer.  Seelenkalt).    279 

an  die  Leichenverbrenniuig  gewöhnt,  sind  aller  Furoht  vor  »nmgehen- 
denc  Geistern  ledig.  Aber  als  man  sich  zuerst  der  Feaerbestattong  zo- 
wandte,  da  mafs  man  das,  was  die  Vernichtung  des  Leibes  in  Zukunft 
verhttten  sollte,  doch  wohl  geftlrchtet  haben.  Die  man  so  eifrig 
nach  dem  unsichtbaren  Jenseits  abdrängte,  die  Seelen,  mnüs  man  als  un- 
heimliche Mitbewohner  der  Oberwelt  gefllrchtet  haben.  Und  somit  ent- 
hält auch  die  Sitte  des  Leichenbrandes  (woher  auch  immer  sie  zu  den 
Griechen  gekommen  sein  mag)  eine  Bestätigung  der  Meinung,  dars  einst 
ein  Glaube  an  Macht  und  Einwirkung  der  Seelen  auf  die  Lebenden  — 
mehr  Furcht  als  Verehrung  —  unter  Griechen  lebendig  gewesen  sein 
mufs,  von  dem  in  den  homerischen  Gedichten  nur  wenige  Rudimente  noch 
Zeugnis  geben'  (p.  30).  Die  direkte  Bestätigung  solchen  Glaubens  findet 
Yerf.  in  den  vielen,  besonders  in  Mykenai  erhaltenen,  in  der  Zeit  vor 
der  dorischen  Wanderung  gebauten  Grabanlagen;  sie  zeigen,  dafs  dem 
homerischen  Brennaltar  auch  bei  den  Griechen  eine  Zeit  vorausgegangen 
war,  wo  der  Tote  nicht  verbrannt,  sondern  mit  der  Ausrttstung  eines 
Lebendigen  bestattet  wurde,  wo  das  Totenopfer  bei  der  Bestattung 
herrschende  Sitte  war  und  dauernd  wiederholt  worden  zu  sein  scheint 

Verf.  läfst  dahingestellt,  welches  die  stärksten  und  innersten  Gründe 
dafür  waren,  dafs  dieser  Glaube  an  inhaltvolles  und  machtvolles  Leben 
der  abgeschiedenen  Seelen,  an  ihre  Verbindung  mit  den  Vorgängen  der 
diesseitigen  Welt  bei  Homer  oder  —  da  Homer  in  der  Hauptsache 
jonische  Vorstellungen  wiederspiegelt  —  bei  den  Joniern  so  geschwächt 
erscheint;  doch  trugen  dazu  bei  nach  der  Ansicht  des  Verf.  die  Trennung 
von  dem  Lande  der  Vorfahren  und  den  Gräbern  der  Ahnen,  die  Ge- 
wöhnung an  die  Sitte  des  Leichenbrandes,  die  allem  Irrationellen,  Un- 
erklärlichen abholde  Bichtung  der  religiösen  Vorstellungen  und  die  Nei- 
gung, die  einst  körperlich  vorgestellten  Prinzipien  des  inneren  Lebens 
(9P^^%  i$ro/o,  x^^)'des  Menschen  in  Abstracta  zu  verwandeln  (vgl.  beson- 
ders p.  44). 

Rudimente  des  vorhomerischen  Seelenkultes  erkennt  Verf.  auch  in  der 
später  eingeschobenen  Nekyia:  er  rechnet  dahin  das  durch  den  Bluttrunk 
vorttbergehend  wiedergewonnene  Bewufstsein  der  Seelen,  ein  Zug,  den  der 
Dichter  zur  Erreichung  seines  dichterischen  Zweckes  nötig  hatte,  und  das 
den  homerischen  Vorstellungen  —  welche  der  Nekyiadichter  im  ganzen 
noch  teilt  —  widersprechende  Gelöbnis  des  Odysseus,  nach  seiner  Heimkehr 
den  Toten  ein  Opfer  darzubringen.  Wenn  die  nachträglich  hinzugefflgten 
Gestalten  der  drei  grofsen  Büfser  von  der  gewöhnlichen  BewufsÜosigkeit 
der  Seelen  eine  Ausnahme  machen,  so  soll  hierdurch,  dem  Verf.  zufolge, 
die  göttliche  Allmacht  gezeichnet  werden,  welche  einzelnen  Seelenbildern 
zu  besonderer  Strafe  das  volle  Bewu&tsein  erhalten  kann.  Als  fernere 
Rudimente  alten  Seelenkultus  bei  Homer  erwähnt  Verf.  Odysseus'  An- 
rufung der  im  Kikonenkampf  erschlagenen  Gefährten  (vgl.  Eustath.  zu 


280  Griechische  Mythologie. 

Od.  IX  65  p.  1614/5)  und  die  Sitte,  den  in  der  Fremde  Gestorbenen  ein 
Kenotaph  zu  errichten. 

Der  zweite  Abschnitt  des  Baches  handelt  ttber  Entrttckung  und 
über  die  Inseln  der  Seeligen.  Das  tröstliche  Gegenbild  des  Schatten- 
reiches, das  elysische  Gefilde,  wohin  Menelaos  entrückt  werden  soll,  hält 
Verf.  fQr  noch  jünger  als  die  Nekyia,  weist  jedoch  sowohl  für  die  Ent- 
rflcknng  Lebendiger  wie  für  die  Verleihung  der  dem  Menelaos  zugesag- 
ten Göttlichkeit  (=  Unsterblichkeit,  d.  h.  die  Psyche  trennt  sich  niemals 
vom  sichtbaren  Ich)  eine  Reihe  von  Analogien  bei  Homer  nach :  immer  sind 
ee  nur  besondere  Günstlinge  der  Götter,  die  damit  begnadet  werden;  aber 
sie  erhalten  mit  der  Unsterblichkeit  keineswegs  zugleich  göttliche  Macht. 
Freie  Dichterthätigkeit  schuf  das  elysische  Gefilde  so  gut  wie  die  glück- 
liche Insel  Syrie  und  das  Phaiakenland,  welche  Verf.  daneben  stellt»  in- 
dem er  mit  feinem  Gefbhl  den  ruheseligen  Geist  der  Odyssee  hervor- 
hebt, der  sich  inmitten  der  bewegten  Handlung  überall  seine  Erholungs- 
stätten geschaffen  hat  (p.  76). 

Nachdem  Verf.  dann  ausgeführt  hat,  wie  das  nachhomerische  Epos 
den  Kreis  solcher  Entrücknngssagen  immer  mehr  erweitert,  untersucht 
er  die  Erzählung  von  den  fünf  Menschengeschlechtern  in  Hesiods  Wer- 
ken und  Tagen.    Während  Hesiod  die  Vorstellung  von  den  Inseln  der 
Seeligen,  wo  die  entrückten  Heroen  ewig  und  in  völligerAbgeschie- 
denheit  von  der  Menschenwelt  ein  müheloses  Leben  führen,  aus  der 
Odyssee  und  noch  mehr  aus  dem  nachhomerischen  Epos  gewonnen  hatte, 
fand  er  im  Kultus  der  boiotischen  Heimat  den  Glauben  an  die  Seelen 
abgeschiedener  Menschen  vor,  die  entweder  zu  Dämonen  geworden  sind, 
welche,  die  Menschen  bewachend.  Recht  und  Unrecht  beobachtend, 
ttber  die  Erde  schweben  oder,  ebenfalls  von  den  Menschen  verehrt,  im 
Innern  der  Erde  hausen  —  das  sind  die  Seelen  der^dem  goldenen  und 
dem  silbernen  Zeitalter  angehörigen  Menschen.    Aber  die  Schaaren  die- 
ser Geister  gewinnen  keinen  *  Zuwachs  mehr  aus  der  Gegenwart    Seit 
Langem  verfallen  die  Seelen  der  Toten  dem  Hades  und  seinem  nich- 
tigen Schattenreiche.    Der  Seelenkult  stockt,  er  bezieht  sich  nur  noch 
auf  die  vor  langer  Zeit  Verstorbenen,  er  vermehrt  die  Gegenstände  sei- 
ner Verehrung  nicht.    Das  macht,  der  Glaube  hat  sich  verändert:  es 
herrscht  die  in  den  homerischen  Gedichten  ausgeprägte,  durch  sie 
bestätigte  und  gleichsam  sanktionirte  Vorstellung,  dafs  der  einmal  vom 
Leibe  getrennten  Psyche  Kraft  und  Bewufstsein  entschwände,  ein  fernes 
Höhlenreich  die  machtlosen  Schatten  aufnehme,  denen  keine  Wirksam- 
keit, kein  Hinüberwirken  in  das  Reich  der  Lebenden  möglich  ist,  und  da- 
rum auch  kein  Kultus  gewidmet  werden  kann'  (p.  102). 

Eine  ganz  andere  Art  von  Entrückung  bildet  den  Inhalt  des  fol- 
genden Abschnittes:  'Höhlengötter,  Bergentrückung'.  Uralte,  in  der 
Erde  hausend  gedachte  Lokalgottheiten  werden,  da  im  panhellenischen 
Göttersystem  für  sie  kein  Platz  mehr  ist,  vom  Epos  zu  sterblichen  Men- 


I.  Allg.  a.  Methodol. :  Rohde  (boiotiscber  Seelenkult,  Heroen,  Ahne nkult).  281 

sehen  gemacht,  die  in  Höhlen  entrückt  und  ansterblich  geworden  seien 
(in  dem  vorhin  angegebenen  Sinne).  Fttr  die  ortsangesessenen  Verehrer 
behält  die  Gestalt  natürlich  ihren  göttlichen  Charakter,  wenn  nicht  be- 
sondere Umstände  hinzutreten.  So  vor  allem  Amphiaraos  (dessen  Ent- 
rflckong  die  Thebaüs  behandelt  hat,  wie  Verf.,  Welckers  Annahme  begrün- 
dend, p.  117.  Anm.  1  ausfahrt),  Trophonios  and  Asklepios;  doch  aach  den 
kretischen  Zeas  sacht  Verf.  als  hierher  gehörig  za  erweisen.  Ferner 
sind  einige  Heroen  (wie  besonders  Erechtheus  and  Hyakinthos),  die  in 
Göttertempeln  begraben  sein  sollten  and  z.  t.  mit  dem  betreffenden  Gott 
in  Kultasgemeinschaft  gesetzt  waren,  verdrängte  Lokalgottheiten  der  be- 
zeichneten Art. 

Hierauf  zieht  Verfasser  die  eigentlichen  'Heroen'  in  die  Untersu- 
chung. Das  Opferritual  derselben  stimmt  mit  denjenigen  ttberein,  womit 
man  die  chthonischen  Gottheiten  und  die  Seelen  verstorbener  Menschen 
verehrte;  wie  bei  Homer  zum  Begräbnis  vornehmer  Toten  Wettkämpfe 
gehören,  so  waren  die  grofsen  Agone  ursprünglich  als  Leichenspiele  für 
Heroen  eingesetzt.  Gleich  jenen  Hesiodeischen  Dämonen  aus  den  beiden 
ersten  Geschlechtern  bezeichnet  dieser,  den  homerischen  Vorstellungen 
widerstrebende  Heroenglaube  Beste  eines  alten  Ahnenkultus.  Der 
von  den  Joniern  verlorene  Glaube  an  das  Haften  der  Seele  im  Diesseits 
hatte  sich  überall  da  lebendig  gehalten,  wo  ein  Gräberkult  sich  erhielt, 
der  zwar  nicht  auf  Verstorbene  neuerer  Zeit  ausgedehnt  wurde,  aber  die 
uralte  Verehrung  grofser  Toten  der  Vergangenheit  nicht  völlig  erlöschen 
liefs.  Besonders  in  Königsfamilien  und  Adelsgeschlechtern  erhielt  sich 
ein  Ahnenkult,  aber  auch  diejenigen  'Geschlechter',  wo  ein  nachweis- 
licher verwandtschaftlicher  Zusammenhang  nicht  vorlag,  verehren  einen 
Heros,  der  als  Ahn  des  Geschlechtes  gilt.  ^Man  setzte  einen  grofsen 
bedeutsamen  Namen  ein,  wo  man  den  richtigen  nicht  mehr  kannte,  und 
widmete  seine  Verehrung  dem  Scheinbild,  oft  nur  dem  Symbol  eines 
Ahnen.  Immer  hielt  man  an  der  Nachbildung  eines  wirklichen  Ahnen- 
kultes fest,  die  Überreste  eines  wirklichen  Ahnendienstes  gaben  das 
Vorbild,  sie  sind  die  wahre  Wurzel,  aus  welcher  der  Heroenglaube  und 
Heroenkult  hervorsprossen'  (p.  159  f.)>  Verf.  behandelt  dann  die  Er- 
weiterung des  Heroenkreises  durch  Heroisirung  von  Stadtgründern  und 
durch  Sprüche  des  den  Heroenglauben  sehr  begünstigenden  delphischen 
Orakels ,  das  heilkräftige  und  das  nautische  Wesen  der  Heroen,  ihr  kör- 
perliches Eingreifen  in  die  Schlacht  und  in  das  Leben  des  Einzelnen 
und  die  Heroenlegenden. 

Der  folgende  Abschnitt  betrifft  den  Seelenkult  der  historischen  Zeit. 
Nach  einer  Übersicht  über  den  Kult  der  chthonischen  Gottheiten,  welche  mit 
der  Zeit  eine  ganz  andere  Bedeutung  gewannen,  als  sie  für  die  Griechen  des 
homerischen  Zeitalters  hatten,  erfährt  die  Pflege  und  Verehrung  der  Toten, 
wie  sie  uns  besonders  deutlich  für  Athen  überliefert  ist,  eine  eingehende, 
feinsinnige  Darstellung.    'Dieser  ganze  Kult,  sinnlich  wie  er  war,  beruht 


282  Griechische  Mythologie. 

auf  der  Vcraüssetzong,  die  auch  bisweilen  laut  wird»  dafs  die  Seele  des 
Toten  sinnlichen  Genusses  der  dargebrachten  Gaben  fähig  und  bedflrftig 
sei  (p.  222 f.)'.  Sie  ist  auch  sinnlicher  Wahrnehmung  fähig,  sie  kann 
schaden  und  helfen  in  aller  Not  Ihre  Verehrung  aber  ist  weniger  durdi 
egoistische  Motive  eingegeben  als  durch  ein  GefQhl  der  Pietät,  das  nicht 
mehr  auf  eigenen  Vorteil,  sondern  auf  Ehre  . . .  und  Nutzen  des  verehr- 
ten Toten  bedacht  ist  .  . .  jede  Seele  hat  Anspruch  auf  die  sorgende 
Pflege  der  Ihrigen,  einer  jeden  wird  ihr  Loos  bestimmt  nicht  nach  ihrem 
besonderen  Wesen  und  ihrem  Thun  bei  Leibesleben,  sondern  je  nach 
dem  Verhalten  der  Überlebenden  zu  ihr'  (p.  228).  Wenn  aber  Verf. 
im  Hinblick  hierauf  geneigt  ist,  ^als  einer  richtigen  Ahnung  der  Meinung 
derjenigen  Raum  zu  geben,  die  in  diesem  ältesten  Familienseelenkult 
den  Vorläufer  alles  Kultus  weiterer  Kultgenossenschaften ,  der  Vereh- 
rung der  Götter  des  Staates  und  der  Volksgemeinde  erkennen'  (p.  231), 
so  ist  zu  bemerken,  dafs  fOr  so  weitgehende  Folgerungen  weder  die  vor- 
aufgeschickte Darlegung  noch  überhaupt  das  ganze  Buch  irgendwie  ge- 
nügende Prämissen  bietet. 

Auch  in  der  Blutrache  und  Mordstthne  findet  Verf.  Elemente  des 
Seelenkultes  wieder.  Er  stellt  der  homerischen  Anschauung,  wonach  im 
Grundsatze  zwar  die  Forderung  der  Blutrache  besteht,  doch  der  ver- 
geltende Mord  des  Mörders  abgekauft  werden  kann,  das  attische  Recht 
gegenüber,  nach  welchem  die  nächsten  Verwandten  des  Ermordeten  zur 
gerichtlichen  Verfolgung  des  Mörders  nicht  nur  das  ausschliefsliche  Recht, 
sondern  auch  |die  unerläüsliche  Verpflichtung  haben.  Verf.  erkennt  hierin 
einen  Teil  des  jenen  Verwandtenkreisen  obliegenden  Seelenkultes.  Die 
mordrächende  Erinnys  möchte  er  (wofür  auf  den  noch  nicht  erschienenen 
Anhang  16  verwiesen  wird)  im  letzten  Grunde  als  die  zürnende,  sich 
selbst  Rache  holende  Seele  des  Ermordeten  verstehen,  'die  erst  in  spä- 
terer Umbildung  zu  einem  den  Zorn  der  Seele  vertretenden  Höllengeist 
geworden  ist'  (p.  247).  Auch  die  in  homerischer  Zeit  verdunkelten, 
ganz  besonders  durch  das  delphische  Orakel  geheiligten  Gebräuche  der 
Sühne  sollen  dazu  dienen«  durch  feierliche  Opfer  die  zürnende  Seele 
und  die  Götter,  die  über  ihr  walten,  zu  versöhnen. 

Die  zwei  letzten  Abschnitte,  in  welchen  Verf.  die  eleusinischen 
Mysterien  und  die  Vorstellungen  vom  Leben  im  Jenseits  behandelt, 
gehören  nicht  zum  Besten  des  Buches :  sie  enthalten  manches  nicht  oder  un- 
zureichend Begründete.  Was  die  Geschichte  der  eleusinischen  Mysterien 
betrifft,  so  schreibt  Verf.  einen  bereichernden  und  umgestaltenden  Ein- 
flufs  auf  dieselben  wohl  der  Einfügung  des  Jakchos,  aber  nicht  den  Pri- 
vatmysterien der  orphischen  Conventikel  zu.  Das  tröstliche  Erträgnis, 
welches  der  Gläubige  von  der  Feier  mitnahm,  sieht  Verf.  nicht  durch 
die  mimetischen  Darstellungen  von  Raub  und  Wiederkehr  der  Köre  ver- 
ursacht, sondern  ganz  unumwunden  und  handgreiflich  mufs  die  Aussicht 
auf  jenseitiges  Glück  den  Teilnehmern  dargeboten  worden  sein,  vielleicht 


1.  Allg.  n.  Methodol. :  Rohde  (Seelenkolt  in  historischer  Zeit).        288 

in   einem  Schlofseffekt  des  mystischen  Dramas.    Der  Glaube  an  eine  jen- 
seitige Vergeltung  guter  und  böser  Tbaten  ist  den  Griechen,  nach  der 
Ansicht  des  Verf.,  keinesfalls  durch  die  eleusinischen  Mysterien,  welche 
eben  nur  zwischen  Eingeweihten  und  Nichteingeweihten  unterscheiden, 
zugeflossen,  wie  es  denn  Überhaupt  unbewiesen  sei,  dafs  die  Vorstellung 
von  Richtern  und  Gericht  über  die  diesseits  begangenen  Thaten  in  der 
Bltttezeit  griechischer  Bildung  im  Volke  Wurzeln  geschlagen  habe  (p.  286). 
Wir  haben  eine  ausfohrliche  Inhaltsangabe  dieser  ersten  Hälfte 
von  Rohdes  Buch   fUr  angebracht   gehalten,   weil  hier  ein  weites  und 
wichtiges  Gebiet  der  griechischen  Religion   im   ganzen  recht  glflcklich 
behandelt  ist.    Ahnen  -  und  Seelenkult,  mit  denen  vielfach  ein  unerlaub- 
ter Spuk  getrieben  wird,  sind  hier  in  ihre,  durch  eine  keineswegs  i&rm- 
licho  Überlieferung  bestimmten  Grenzen  verwiesen,  und  meist  mit  feinem 
Gefühl  sind  die  ganz  oder  halbwegs  sicheren  Erscheinungen  dieses  Glau- 
bens dnrch  eine  vielverzweigte  Entwickelung  hindurch  verfolgt.    Dabei 
befremdet  allerdings,  dafs  Yerf  von  den  homerischen  Vorstellungen  häufig 
als  wie  von  einer  Stufe  des  gesamthellenischen  Geisteslebens  und  in  die- 
sem Sinn  von  homerischen,  vor-  und  nachhomerischen  Griechen  spricht 
(vgl.  p.  154,  189,  196  f.,  200).    Die  starke  antihomerische  Strömung  hatte 
doch  nur  das  Unglück,  dafs  sie  poetisch  nicht  in  dem  Maafse  fixirt  wurde 
wie  die  jonische  durch  Homer.    Vieles  Einzelne,  was  Verf.  vorträgt,  ist 
nicht  neu,  wenn  es  auch  z.  t.  in  neuem  Zusammenhang  und  neu  be- 
leuchtet auftritt:  um  so  verwunderlicher  ist  es,  dafs  Verf.  auf  seine  Vor- 
gänger  fast   nirgends   ausdrücklich   Bezug   nimmt.     Eine   konsequente 
Durchführung  des  Prinzips,  die  neuere  Litteratur  nicht  zu  citiren,  liefse 
man  sich  am  Ende  gefallen:  aber  es  wird  gelegentlich  auf  recht  neben- 
sächliche neuere  Arbeiten  verwiesen,  während  z.  B.  die  klassische  und 
vom  Verf.  keineswegs  übertroffene  Behandlung,  welche  v.  Wilamowitz  im 
Isyllos  dem  Asklepios  und  anderen  chthonischen  Gottheiten  zu  teil  wer- 
den läfst,  unerwähnt  bleibt.     An  Gelegenheit  dazu  fehlte  es  wahrlich 
nicht.    Auch  der  reichhaltige,  in  manchen  wesentlichen  Punkten  mit  R. 
übereinstimmende  Artikel  *  Heros',  welchen  Deneken  für  Roschers  Lexi- 
kon geliefert  hat,  durfte,  falls  er  dem  Verf.  bereits  bekannt  war,  nicht 
stillschweigend  übergangen  werden. 

Otto  Crusius,  Beiträge  zur  griechischen  Mythologie  und  Reli- 
gionsgeschichte (Abhandlung  zu  dem  Jahresbericht  der  Thomasschule 
in  Leipzig  für  das  Schuljahr  Ostern  1885  bis  0.  1886).    4.    28  S. 

Der  Verf.,  Welcher  sich  zur  historischen  Methode  Otfried  Müllers 
und  H.  D.  Müllers  bekennt,  erOflfhet  diese  Beiträge  mit  einer  erfreu- 
lichen Untersuchung  über  die  'Pelasger  und  ihre  Kulte'. 

An  der  Hand  des  Herodot  stellt  Verf.  fest,  dafs  die  Pelasger  in 
der  Zeit  Herodots  und  der  Perserkriege  durchweg  an  der  See  und  auf 
Inseln  hausten,  während  sie  vorher  noch  Küstenstrecken  inne  hatten,  wie 


284  Griechische  Mythologie. 

die  Hymettosgegend,  und  in  der  ältesten  Zeit  wohl  auch  ausgedehnte 
Ebenen  in  Boiotien  und  Thessalien  (die  jedoch  gleichfalls  in  Berührung 
mit  dem  Meere  waren,  p.  8),  dafs  ferner  ihre  Sprache  eine  selbständige, 
unhellenische  war,  dafs  sie  mit  Seefahrt,  Ackerbau  und  mit  der  Bau- 
und  Befestigungskunst  gründlich  vertraut  waren,  und  dafs  sie  bereits  in 
ihren  festländischen  Sitzen  die  Kabiren  (»Kabirimc  =  »die  Grofsen, 
Mächtigenc)  als  Stammesgötter  verehrten  und  diese  bei  ihrer  Auswande- 
rung erst  nach  Athen,  dann  auf  die  nordischen  Inseln  und  Kttstenstrecken 
übertrugen  (p.  11).  Sodann  bestimmt  Verf.  auf  Grund  des  Herodot  und 
anderweitiger  Überlieferung  die  Glieder  dieses  GOtterkreises  (sehr  gut 
veranschaulicht  in  einer  Tabelle,  welche  neben  einander  die  Hauptsitze  der 
Pelasger  und  andererseits  die  Kulte  und  Mythen  angibt,  deren  Zugehö- 
rigkeit zum  Kabirenkreise  nachweisbar  oder  wahrscheinlich  ist):  der 
ithyphallische  Hermes  und  neben  ihm  ständig  Demeter  ('Venus  und  Po- 
thos '  des  Skopas  eine  Metamorphose  des  alten  Kultpaares) ;  daneben  meist 
Harmonia  (für  das  nationale  Göttersystem  umgedeutet  und  umgeformt 
aus  'Epjitdvvi^  der  Genossin  des  Hauptgottes  Hermes),  häufig  Aphro- 
dite (zum  ältesten  Religionsbesitz  des  Stammes  gehörig,  vgl.  die  KaXid, 
Ku^a  am  Hymettos,  die  Kwhdc  auf  dem  gleichnamigen  Vorgebirge  und 
die  KaXidg  auf  Samothrake),  die  Dioskuren  und  Kadmos,  der  Eponymos 
der  Kadmeia  (wie  Hermes  Kadmilos  der  Hermes  von  Theben). 

Im  zweiten  Abschnitt  der  Untersuchung  legt  der  Verf.  —  indem 
er  einen  der  wichtigsten,  aber  nur  zu  häufig  mifsachteten  Grundsätze 
mythologischer  Forschung  zur  Geltung  bringt  —  dar,  wie  im  Charakter 
dieser  Gottheiten  das  von  Herodot  überlieferte  Wesen  der  Pelasger  sich 
deutlich  wiederspiegelt:  1)  das  agrarische  vor  allem  in  Hermes  (dessen 
im  griechischen  Kultus  vorwiegend  chthonischer  Charakter  mit  vollem 
Recht  betont  wird)  und  Demeter,  in  dem  samothrakischen  Festbrauch, 
wo  die  verschwundene  Harmonia-Kore  gesucht  wird,  in  der  Kadmos-  und 
Jason -Sage,  welche  deutliche  Reflexe  beliebter  ländlicher  Festgebräuche 
darbieten  (Umzug  des  heiligen  Pfluges,  Scheinkampf  mit  Waffen,  Stein- 
werfen), 2)  das  maritime  in  der  Bedeutung,  welche  sowohl  die  Kabiren 
überhaupt  als  auch  besonders  die  Dioskuren  und  Aphrodite  (Hypostase 
Leukothea)  auf  dem  Meere,  in  Handel  und  Schifffahrt  haben.  Auch  den 
durch  Theogonie  969  ff.  überlieferten  maritimen  Zug  im  Wesen  der  De- 
meter verwertet  Verf.  mit  gutem  Recht,  indem  er  auf  den  bedeutenden 
Einflufs  hinweist,  den  der  Wohnort  und  Charakter  der  Kultgemeinde 
auf  die  Gestaltung  und  Umgestaltung  der  Göttertypen  ausüben  kann 
(p.  24).  Aus  demselben  Grunde  steht  auch  bei  Hermes  a  priori  nichts 
im  Wege,  ihm  maritime  Beziehungen  zuzusprechen:  aber  was  der  Verf. 
p.  23  an  Belegen  bringt,  ist  doch  kaum  beweiskräftig. 

Über  die  ursprüngliche  Herkunft  des  Volkes  äufsert  sich  Verf.  nur 
kurz  und  vermutungsweise:  jedenfalls  erkennt  er  in  ihm  'ein  orientalisti- 
sches Volk,  wenn  nicht  von  semitischer  Herkunft,  so  doch  mit  semitischer 


1.  AUgem.  n.  Methodol.:  Grosias,  W.  Maller,  Robert  285 

Kultur'  (p.  26)  und  ftthrt  gewisse  Momente  an,  welche  nach  Phrygien 
and  Lydien  zu  weisen  scheinen. 

Das  Oebiet  der  Heldensage  betreffen  anfser  dem  oben  (S.  252  ff.) 
besprochenen  Artikel  Deneken's  zwei  Schriften. 

Wilhelm  Müller,  Zur  Mythologie  der  griechischen  and  deut- 
schen Heldensage.    Heilbronn,  Henninger.  1889.   8.   177  S. 

bringt  in  der  Einleitung  eine  etwas  gereizte,  aber  doch  sehr  beachtens- 
werte Kritik  der  Methode  MOllenhoff*s  und  E.  H.  Meyer's.  Die  zwei 
ersten  Abschnitte,  welche  allein  hier  zu  besprechen  sind,  behandeln  die 
Kentauren-  und  die  Achilleussage  unter  eingehender  Berücksichtigung 
ihrer  Deutung  durch  den  letztgenannten  Forscher.  Auch  hier  ist  die 
Kritik  treffend,  aber  die  Deutung,  welche  Verf.  selbst  von  den  Kentauren 
aufstellt  —  für  die  Achilleussage  vertritt  er  die  bekannte,  rein  histo- 
rische Auffassung,  wonach  sie  lediglich  der  Niederschlag  geschichtlicher 
Wanderungen  und  Kämpfe  ist  —  entbehrt  doch  ebenfalls  einer  sicheren, 
einwandsfreien  Grundlage.  In  den  Kentauren  (xevreai  stechen  und  aupoQ 
Renner,  Pferd)  vermutet  er  das  Reitervolk  der  Thessaler,  die  im  My- 
thus zu  den  aus  Rofs  und  Mensch  zusammengewachsenen  Ungetümen 
wurden ;  die  Lapithen  sucht  er,  besonders  auf  die  Person  des  Peirithoos 
gestützt,  als  ein  früher  in  Thessalien  ansässiges,  aus  achäischen  und 
äolischen  Elementen  gemischtes  Volk  zu  erweisen,  und  die  Kämpfe 
zwischen  diesen  Völkern  soll  die  Sage  widerspiegeln.  —  Die  Sage  in 
Bild  und  Lied  bis  auf  die  letzten  Quellen  zu  verfolgen,  dieser  unerläfs- 
lichen  Arbeit,  welche  alier  Deutung  voranzugehen  hat,  hat  sich  Verf. 
überhaupt  nicht  unterzogen. 

Die  Veröffentlichung  und  Erläuterung  wertvollen  bildlichen  Mate- 
rials für  die  Heroensage  verdanken  wir  der  Schrift  von 

Carl  Robert,  Homerische  Becher  (Fünfzigstes  Programm  zum 
Winkelmannsfeste  der  Archäologischen  Gesellschaft  zu  Berlin.  Berlin, 
Reimer.  1890.  4.  p.  1—96  mit  22  Textabbildungen). 

Es  handelt  sich  um  die  thönernen  Nachbildungen  goldener  oder 
silberner  Prachtstücke,  welche  meistens  Illustrationen  zu  erhaltenen  oder 
verlorenen  Dichtwerken  darbieten.  R.  setzt  als  Entstehungszeit  der 
Originale  auf  grund  technischer,  epigraphischer  und  anderer  Merkmale 
ungefähr  das  3.,  bezw.  die  erste  Hälfte  des  2.  Jahrhunderts  v.  Chr. 
an;  die  Nachbildungen  scheidet  er  nach  der  Art,  wie  die  Modellform 
hergestellt  war,  in  zwei  Klassen:  bei  der  einen  waren  die  Formen  Ab- 
drücke vollständig  ausgeführter  Modelle  (wahrscheinlich  der  metallenen 
Originalarbeiten  selbst),  bei  der  andern  waren  die  Figuren  und  Or- 
namente mit  besonderen  Stempeln  der  Form  oder  auch  dem  fertigen 
Gefässe  aufgedrückt,  'ein  Verfahren,  das  dem  Arbeiter  bei  der  Auswahl 
und  Anordnung  der  Figuren  grosse  Willkür  gestattete'  (p.  6). 


286  Griechische  Mythologie. 

Die  behandelten  Oegenst&nde  sind,  nach  Sagenkreisen  besw.  Dich- 
tungen geordnet,  folgende:  I.  Klasse.  1.  Homerische  Becher.  Odyssee: 
Freiermord.  A)  Melanthios,  B)  Leiodes,  Medon,  Phemios.  —  Uias  and 
Aithiopis :  C)  Flacht  nach  den  Schiffen,  D)  Priamos  and  Achill.  Penthe- 
sileia.  —  Lesches:  E)  Kampfscenen,  F)  Wahnsinn  des  Aias,  6)  Kampf- 
scenen,  H)  Fragment  einer  Kampfscene,  J)  Tod  des  Priamos.  —  Ante- 
homerica:  E)  Raab  der  Helena  darch  Theseos  nach  einem  kyklischen 
Epiker  (?),  L)  Opfer  der  Iphigeneia,  nach  Enripides  (Iph.  Aal.)  2.  The- 
banischer  Kreis:  M)  Enripides  Phoinissen.  —  II.  Klasse.  1.  Troischer 
Kreis:  a)  Jinpersis,  b)  Opfer  der  Poiyxena.  2.  Thebanischer  Kreis: 
c)  Kindheit  des  Öidipns,  d)  Sieben  gegen  Theben.  8.  Herakles:  e)  Sechs 
Thaten.  4.  Sisyphos:  f)  Erzeagung  des  Odyssens. 

Aas  der  trefflichen  Interpretation  R.'8  heben  wir,  als  fttr  die  Sagen- 
geschichte interessant,  das  Folgende  hervor.  K  ist  dadnrch  wertvoll, 
dafs  hier  KOrinth  in  enger  Verknüpfung  mit  der  Theseassage  erscheint, 
a  and  d  beruhen  auf  dem  mythologischen  Gemeingut,  b  und  c  illastriren 
berühmte  Dichtungen,  ersteres  nämlich  Enripides  Hekabe,  letzteres,  in 
welchem  R.  mit  Pottier  die  Hygin  66  vorliegende,  von  der  Sopho- 
kleischen  abweichende  Version  erkennt,  den  Oidipus  des  Enripides. 
e)  endlich  ist  das  älteste  Monument,  dessen  Verfertiger  sowohl  durch  die 
Beischrift  wie  durch  die  Reihenfolge  der  M)ioe  Bekanntschaft  mit  dem 
(nach  R.'s  sehr  einleuchtender  Vermutung  durch  Matris  in  die  mytho- 
graphische  Litteratnr  eingeführten)  Cyklus  der  zwölf  äB^e  verrät. 

Anhangsweise  sei  hier  noch  kurz  besprochen 

August  Marx,   Griechische  Märchen  von  dankbaren  Tieren  und 
Verwandtes.    Stuttgart,  Kohlhammer.   1889.  8.  149  S. 

M.  giebt  im  ersten,  analytischen  Teil  eine  nach  den  Tieren  geord- 
nete Zusammenstellung  derjenigen  Tiermärchen,  denen  das  Dankbarkeits- 
motiv oder  verwandte  Motive  zu  Grunde  liegen  (Delphin,  Adler,  Storch, 
Löwe,  Hund,  Pferd,  Elephant,  Schlange,  kleine  Tiere).  Indem  er  auch 
das  vorsäsopische  Material  in  die  Betrachtung  zieht,  gelingt  es  ihm  für 
eine  Reihe  dieser  Märchen  die  Priorität  vor  den  entsprechenden  indischen 
Darstellungen  wahrscheinlich  zu  machen,  im  Gegensatz  zu  Benfey,  der  in 
den  letzteren  die  Quelle  für  die  griechischen  gesehen  hatte.  Für  den 
Mythologen  ist  von  besonderem  Interesse  der  Abschnitt  von  den  Schlan. 
genmärchen  (p.  96 ff.),  welche  abweichend  von  den  übrigen  Tiermär- 
chen den  mythologischen  Charakter  des  Tieres  deutlich  erkennen  lassen 
und  somit  einen  wertvollen  Beitrag  zur  mythologischen  Bedeutung  der 
Schlange  liefern.  Bei  den  Delphinmärchen  vermissen  wir  eine  einge- 
hendere Vergleichnng  der  mythologischen  Seitenstücke  (Apollon  Del- 
phinios,  Taras)  umsomehr,  als  Verf.  selber  für  einen  Teil  jener  Märchen 
eine  mythische  Grundlage  anerkennt  (p.  20.  Anm.). 


1.  AUgem.  n.  Methodol.:  Robert,  Marx.    2.  Quellen:  Hild,  Duray.    287 

Der  zweite,  litterarhistorische  Teil  giebt  eine  in  grofsen  Strichen 
gehaltene  Darstellang  der  Quellen  des  Tierm&rchens. 


2.  Quellen. 

Es  sollen  in  diesem  Kapitel  diejenigen  Schriften  besprochen  wer- 
den,  welche   unsere  litterarischen  Quellen  in  mythologischer  bezw. 
religionsgesehichtlicher  Hinsicht  behandeln,  sei  es  in  einfach  statistischer 
Darstellung,   worin  wir  eine  sehr  nOtzliche  Thätigkeit  erkennen,  sei  es 
unter  historisch-kritischen  Gesichtspunkten,  indem  die  eigentttmliche  Stel- 
lung des  einzelnen  Autors  und  sein  Einflufs  auf  die  Folgezeit  untersucht 
oder  sein  mythologischer  Apparat  hinsichtlich  der  Herkunft  analysirt  wird. 
Die  Abhandlungen  ttbrigens,  welche  die  litterarische  Behandlung  einer 
einzelnen  Gottheit  oder  eines  Mythus  betreffen,  findet  der  Leser  im  vier- 
ten, der  Litteratur  aber  einzelne  göttliche  Wesen  gewidmeten  Kapitel. 
An  Untersuchungen,   welche   einzelne   antike  Künstler   oder  bestimmte 
Gruppen  monumentaler  Quellen,  wie  z.  B.  der  Vasen-  und  MOnzbilder, 
in  vorwiegend   sagen-  bezw.  religionsgeschichtlicher  Hinsicht   ins  Auge 
fafsten,  fehlt  es  leider  gänzlich:   Roberts  oben  besprochene  Arbeit  Ober 
die  homerischen  Becher  bildet  die  einzige  und  hoffentlich  zur  Nachfolge 
anregende  Ausnahme. 

J.  A.  Hild,  Le  pessimisme  moral  et  religieux  chez  Homere  et 
H^siode  (Revue  de  Thistoire  des  religions  XIY  p.  168-— 188,  XV  22— 
46,  XVII  129—168). 

Angeregt  vermutlich  durch  gewisse  Beobachtungen  Schopenhauers, 
unternimmt  Verf.  den  Nachweis,  dafs  Homer  so  gut  wie  Hesiod  recht* 
schaffene  Pessimisten  sind,  ja  dafs  4a  religion  primitive  des  Grecs  paie 
un  large  tribut  aux  opinions  pessimistes'.  In  der  Gesamtanffassung  des 
menschlichen  Lebens,  im  Prometheus-Pandoramythus,  in  den  Vorstellun- 
gen von  Weib  und  Liebe,  von  Ruhm,  Tod  und  Schicksal,  von  Schuld 
und  Strafe,  von  Hafs  und  Neid  der  Götter  >-  überall  wittert  der  Verf. 
Pessimismus.  Der  tief  begründete  Gegensatz  zwischen  Homer  und  Hesiod 
wird  von  ihm  völlig  verflüchtigt:  von  verschiedenen  Strömungen  inner- 
halb des  griechischen  Volkes  scheint  er  nichts  zu  wissen.  Aber  anzie- 
hend zu  schreiben  versteht  der  Verf.  —  E^ine  ganz  andere  Auffassung 
von  griechischem,  besonders  homerischem  Wesen  hat 

Duruy,  £tude  d'histoire  religieuse  (Revue  de  deux  mondes  74 
[1886]  p.  691—624): 

'Homere  est  heureux  au  milieu  des  combats  et  le  Grec  au  milien 
de  la  vie*  (p.  593).  Abgerechnet  wenige  Irrtümer  und  schlecht  begrün- 
dete Hypothesen,  kann  dieser  die  Schicksalsidee,  den  Neid  der  Götter, 


288  Griechische  Mythologie. 

Heroen-  nnd  Totenkalt,  Tempel-  and  Priestertam  behandelnde  Aafisatz 
zar  Orientirung  fttr  weitere  Kreise  wohl  empfohlen  werden.^) 

See  liger,  Die  Überlieferang  der  griechischen  Heldensage  bei 
Stesichoros.  I.  (Abhandlang  znm  Jahresbericht  der  Fttrsten-  and  Lan- 
desschale St  Afra  in  Meissen  1886.   4.  p.  1—41). 

Die  tttchUge,  von  Besonnenheit  and  Scharfsinn  zengende  üntersn- 
chang  hält  die  Mitte  zwischen  der  Überschätzang  der  Originalität  des  Stesi- 
choros and  dem  Bestreben,  überall  möglichst  alterttlmliche  Sagenmotive 
bei  St.  wiederznfinden.  Nachdem  Verf.  die  Unznverl&ssigkeit  des  ^npwroc 
Ij^l'  der  alten  Grammatiker  an  drei  Fällen  nachgewiesen  hat,  versucht  er 
zunächst  (1)  die  Helena-  and  die  Iphigeneiasage  des  Dichters  zu  rekon- 
strairen.  Das  Gedicht  "/i^^evi;'  hatte  zum  Inhalt:  Erscheinen  der  Helena- 
freier —  ihre  Vereidigung  durch  den  Vater  —  Hochzeit  —  Ankunft 
des  Paris  —  Flucht;  dann  (Palinodie):  Helena  von  göttlichen  Armen 
nach  Ägypten  getragen  (während  ein  von  Zeus  geschaffenes  Scheinbild 
nach  Troja  kam),  von  dem  nach  Ägypten  verschlagenen  Menelaos 
wiedergefunden  und  ihm  neuvermählt.  Die  Sage  vom  Scheinbild  and 
von  der  Entrflckung  an  den  Nil  ist  keineswegs  Erfindung  des  St.,  sondern 
bereits  fttr  Hesiod  bezeugt:  Schol.  Lykophr.  822,  wo  Verf.  mit  vollem 
Recht  gegen  eine  Änderung  Einsprach  erhebt:  vermutlich  ist  die  Sage 
der  sakralen  Tradition  der  Dorier  entnommen. 

Für  die  Iphigeneiasage  macht  Verf.  unter  treffender  Kritik  der 
abweichenden  Ansichten  wahrscheinlich,  dafs  sie  ursprünglich  nach  Argos 
gehört,  von  hier  Ober  Megara  in  den  Pontes  (Tauri,  Byzantion)  gebracht 
und  von  derselben  Tradition,  welche  die  Atriden  nach  Lakedaimon  ver- 
legte, auch  hier  angesetzt  wurde. 

Für  die  Oresteia  (2)  gewinnt  Verf.  die  folgende  Hypothesis. 
Die  durch  die  Opferung  der  Iphigeneia  ihrem  Gemahl,  dem  Pleistheniden 
Agamemnon,  entfremdete  Klytaimnestra  wird  von  Aigisthos  verführt  und 
erschlägt  den  heimkehrenden  Gatten,  indem  sie  ihm  eine  tötliche  Wunde 
am  Kopf  beibringt.  Orestes  wird  durch  die  Amme  Laodameia  gerettet. 
Elektra  bleibt  unvermählt  im  Hause  zurück.  Klytaimnestra  wird  durch 
den  Traum  vom  Drachen,  der  mit  ihr  den  Rächer  erzeugt,  beunruhigt. 
Den  Auftrag  zur  Rache  hat  Orestes  von  Apollon  erhalten,  von  ihm  auch 
die  Waffe,  durch  welche  er  sich  nach  vollbrachter  That  vor  den  Verfol- 
gungen der  Erinnyen  zu  schützen  sucht.  Schauplatz  der  Handlung  ist 
Lakedaimon.  Sicherlich  fremd  war  dem  Gedicht  die  Fahrt  nach  Tauri 
und   die   Freisprechung   durch   den  Areopag,   aller   Wahrscheinlichkeit 


1)  Die  Abhandlungen  von  J.  Schachter,  Die  gegenseitige  Abhängigkeit 
der  religiösen  und  ethischen  Vorstellungen  in  den  Epen  Homers  (Progr.  Brixen. 
1889)  nnd  Fr.  Krejöi,  Der  theologische  Mythus  und  Hesiodos  (Listy  filologicke 
XVII.  1,  2)  hat  Ref.  nicht  eingesehen. 


2.  Quellen:  Seeliger,  Kausche,  Klein  (Lyrik,  Drama).  289 

Lakedaimon.  Zuletzt  läfst  der  Dichter,  auch  hier  der  peloponnesischen 
Überlieferung  folgend,  den  Orestes  sich  nach  Arkadien  wenden  (vgl.  Eurip. 
Elektr.  1250  fr.)    In  dem  Peloponnes  ist  die  Heimat  der  Orestessage. 

Hinsichtlich  der  Iliupersis  (3)  kommt  Verf.  jedenfalls  zu  dem  Er- 
gebnis, dafs,  wie  schon  Preller  und  andere  meinten,  die  Darstellung  der 
ilischen  Tafel  für  die  Wiederherstellung  der  Dichtung  nur  geringen  Wert 
hat;  möglicherweise  aber  ist  Polygnot  in  seinem  Gemälde  von  St.  abh&ngig, 
da  dasselbe  nirgends  von  diesem  abweicht. 

A.  Ried  er,  Zur  Pindarischen  Theologie  (Jahrbb.  für  class.  Philo- 
logie.   Hgb.  von  Fleckeisen.    Bd.  141  [1890]  p.  657—665) 

zeichnet  ein  verständnisvolles  und  anziehendes  Bild  der  religiösen  Vor- 
stellungen Pindars,  hat  aber  leider  das  Material  keineswegs  erschöpft. 

Wolfram  Kausche,  Mythologumena  Aeschylea  (Dissertationes 
philol.  Halenses  vol.  IX  1888  p.  129—312). 

Während  Klausen  in  seinen  Theologumena  Aeschylea  sich  auf  die 
Götter  beschränkte,  stellt  Verf.  auch  das  Material  für  die  ^fabulae  cos- 
mogonicae'  (Kap.  II)  und  *heroicae'  (III)  zusammen,  im  einzelnen  unge- 
fähr nach  Preller  disponirend.  Wir  hätten  im  Interesse  der  Handlich- 
keit eine  durchgehends  alphabetische  Anordnung  lieber  gesehen:  sonst 
ist  das  Buch  -  dessen  Benutzung  übrigens  durch  einen  Index  erleich- 
tert ist  —  von  musterhafter  Übersichtlichkeit,  Klarheit  und  Knappheit  im 
Ausdruck;  Litteraturangaben  und  eigene  Bemerkungen  des  Verf.  sind  in 
Anmerkungen  untergebracht,  der  gröfser  gedruckte  Text  gibt  lediglich 
eine  Darstellung  der  Aeschylea. 

Johannes  Klein,  Die  Mythopöie  des  Sophokles  in  seinen  The- 
banischen  Tragödien.  I.  König  Oedipus.  (Progr.  des  WilhelmsGym- 
nasiums  zu  Eberswalde  Ostern  1890.    4.    p.  1—35). 

Der  Hauptgesichtspunkt  der  hier  vorliegenden  Arbeit  ist  der  ästhe- 
tisch-litterarische: Verf.  sucht,  ausgehend  von  dem  aristotelischen  Satz, 
dafs  die  wichtigste  Aufgabe  des  tragischen  Dichters  in  der  auaraaiQ 
Twv  npaYfkdraiv  bestehe,  des  Sophokles  dichterische  Arbeit  an  der  Oidi- 
pussage  und  seine  Stellung  zu  Vorgängern  und  Zeitgenosseu  darzulegen. 
Hinsichtlich  der  Urschuld  des  Laios  (Chrysippos)  kommt  Verf.  zu  dem 
Ergebnis,  dafs  die  Frage  offen  bleiben  mufs,  ob  Sophokles  diese  Sage 
gekannt  hat.  Als  volles  Eigentum  des  Dichters  erweist  er  u.  a.  die 
Befragung  des  delphischen  Orakels  durch  Oidipus  und  die  von  jenem 
erteilte  Antwort,  ebenso  die  Mehrzahl  der  Begleiter  des  Laios  bei  der 
Tötung  und  die  Identität  des  entronnenen  Dieners  mit  den  Hirten,  wel- 
cher den  Säugling  Oidipus  gerettet  hatte. 

Des  Euripides  Stellung  zur  Volksreligion  behandelt 

Jahresbericht  für  Altert umswUscnachaft.    LXVI.  Bd.  19 


290  Griechische  Mythelogie. 

Jacob  Oeri,  Götter  und  Menschen  bei  Enripides  (Einladnags- 
schrift  zur  Feier  des  dreihandertjährigen  Bestandes  des  Gymnasiums 
Basel  .  .  .  Basel  1889.    4.  p.  85—146). 

Der  Verf.  hat  sich  von  der  haltlosen  Auffassung  der  griechischen 
Götter  als  Personifikationen  der  Elemente  noch  nicht  befreit  Die  grie- 
chische Religion  scheint  ihm  bei  Euripides  einen  rückläufigen  Gang  ein- 
zuschlagen: 'Aus  den  Elementen  sind  ihr  die  persönlichen  Götter  er- 
wachsen, und  dann  kommt  der  philosophische  Dichter  und  setzt  an  die 
Stelle  des  Gottes  wieder  das  Element*  (p.  99).  Den  Dichter  indessen 
kennt  der  geistvolle  Verf.  grttndJich  und  entwirft  ein  treffendes,  anschau- 
liches Bild  von  seiner  Kritik  und  von  seinem  Glauben:  wie  er  'meist 
aus  moralischen,  selten  aus  ästhetischen  Gründen  —  nicht  aber  aus  sol- 
chen des  blofsen  Verstandes'  —  das  überlieferte  Thun  der  Götter  hin 
und  wieder  leugnet  und  ihre  jetzige  Weltregierung  tadelt,  wie  er  ande- 
rerseits zur  Rechtfertigung  der  Götter  das  als  Zufall  oder  Notwendig- 
keit in  die  irdischen  Dinge  eingreifende  Schicksal  verwendet,  wie  er  den 
vorwitzigen  Zweifel  nud  den  groben  Materialismus  geifselt.  Richtig  be- 
tont der  Verf.,  wie  viel  bei  Euripides  von  der  jeweiligen  Stimmung  ab- 
hängt, und  ebenso  dankenswert  ist  die  Warnung,  den  Dichter  wegen 
gewisser  Anklänge  an  Anaxagoras  'an  ein  philosophisches  Dogma  zu  bin- 
den'. 'Freilich  soll  ihm  die  Naturphilosophie  dazu  verhelfen,  einen  neuen 
Begriff  vom  Wesen  seiner  Götter  zu  finden,  bei  dem  die  Widersprüche 
gehoben  sein  werden,  woran  seines  Volkes  Glaube  leidet,  und  so  klopft 
er  denn  bald  bei  diesem,  bald  bei  jenem  Philosophen  an  und  fühlt  sich 
durch  die  Möglichkeit,  für  die  Überlieferung  auf  diesem  Wege  einen 
neuen  Gehalt  zu  finden,  gehoben.  Aber  es  gelingt  ihm  dies  doch  auf 
die  Dauer  nicht,  schon  deshalb,  weil  seine  eigene  Vorstellung  mit  viel 
zu  viel  Liebe  an  dem  Mythus  haftet,  von  dem  sein  Denken  sich  losringen 
möchte'  (p.  101). 

Nicht  zugänglich  war  dem  Ref.  die  Arbeit  von 

J.  0.  Nielsson,  Den  homeriska  bjeltesagans  omgestaltning  hos  de 
grekiska  tragediförfatterne.  8^^.  117  S.  Stockholm,  Norstedt  &  Löner. 
1890. 

Die  Schrift  von  Vi  eil  es,  £tude  sur  les  id^es  religieuses  des  tra- 
giques  grecs  (Extrait).  Montauban,  imp.  Foresti^.  8.  US  kann  hier 
nur  angeführt  werden.  Für  die  sagengeschichtliche  Bedeutung  des  Ly- 
kophron  ist  lehrreich  der  Aufsatz  von  Georg  Knaack,  Enphorionea 
(Jahrbb  für  Philologie.  Hgb.  von  Fleckeisen  Bd.  137  [1887]  p.  145-163), 
woselbst  eine  weitgehende  Benützung  von  Lykophrons  Alexandra  durch 
Euphorien  festgestellt  wird,  und  die  dem  Ref.  leider  nur  aus  Enaack's 
Besprechung  (Deutsche  Litt.  Ztg.  1888.  No.  88)  bekannte  Dissertation 
von  Georg  Schnitze,  Enphorionea.  Strafsb.  Inaug.Diss.  1888.  8.  68  S. 


2.  Qaelleo:  Oeri,  Enaack,  Kern,  Grappeu.  a.  (Drama  Orphika.)      291 

Der  Verf.  vervollständigt  (nach  dem  Berichte  Knaack^s)  die  Aofeählung 
der  Elntlehnaugen  des  Euphorien  aus  der  Alexandra  and  sacht  weiterhin 
die  Benfltzang  des  Enphorion  darch  Ovid,  Nikander  and  Nonnos  wahr- 
84Aeinlich  za  machen. 

.  Fttr  die  orphische  Theologie  liegt  in  der  Schrift  von 

Otto  Kern,  De  Orphei  Epimenidis  Pherecydis  theogoniis  qaae- 
stiones  criticae.  Berlin,  Nicolai  1888.  8.  110  S.  (Die  erste  Hälfte 
als  Berliner  Diss.  erschienen). 

eine  sehr  beachtenswerte  Leistung  vor.  Verf.  rekonstrnirt  im  ersten  Kapitel 
die  rhapsodisdie  Theogonie  der  Orphiker«  soweit  es  fQr  die  Bestimmung 
des  Charakters  und  der  Entstehangszeit  der  Dichtung  nOtig  ist  (Eingang 
und  Nu^)^  und  sucht  im  Anschlufs  daran  in  scharfsinniger,  umsichtiger  Be- 
weisführung den  von  Schuster  aufgestellten  Satz  zu  widerlegen,  dafs  diese 
Theogonie  erst  der  christlichen  Zeit  angehöre:  vielmehr  sei  für  sie  der  Ansatz 
Liobeck's  (6.  Jahrh.  v.  Chr.)  beizubehalten,  in  der  Theogonie  des  Hierony- 
mos  dagegen  ein  spätes,  auf  der  orphischen  fufsendes  Machwerk  zu  er* 
kennen.   Nachdem  Verf.  sodann  die  Bekanntschaft  Platon*s,  Aristophanes*, 
Piodar*s,  der  Pythagoräer,  des  Xenophanes  u.  a.  Philosophen  mit  der 
orphischen  Theogonie  nachgewiesen  hat,  behandelt  er  die  Endemische 
Theogonie,  welche  er  von  der  orphischen  nicht  unterschieden  wissen  will, 
und  die  des  Apollonios,  in  welcher  er  mit  guten  GrOnden  ein  besonders 
aus  Empedokles  schöpfendes,  der  orphischen  Theogonie  fernstehendes  Ge- 
dicht erkennt  —  Die  Kapitel  2  und  3  sind  der  Theogonie  des  Epime- 
Dides  und  dem  Pentemychos  des  Pherekydes  gewidmet,  unter  Voranstel- 
lung der  erhaltenen  Fragmente.  —  Den  Umfang,  in  welchem  die  orphi- 
schen Hymnen  auf  die  Theogonie  Bezug  nehmen,  sucht  Verf.  im  Hermes 
Bd.  XXIV,  p.  498—508  zu  bestimmen. 

Hinsichtlich  der  Theogonie  gelangt  unter  eingehender  Kritik  Kerns 
zu  wesentlich  anderem  Ergebnis  die  gelehrte  Untersuchung  von 

Otto  Gruppe  in  Fleckeisens  Jahrbb.  f.  class.  Philol.   Suppl.-Bd. 
XVII,  p.  689—747 : 

daCs  nämlich  die  Theogonie  Mie  gesamte  vor  ihr  liegende  orphische 
Überlieferung,  soweit  sie  sich  äufserlich  vereinigen  läfst,  zusammentrage 
—  eine  Samlung  von  Mythen  aller  Schichten  der  altorpbischen  Dichtung' 
(p.  742).  In  den  Hauptpunkten  mit  ihm  Obereinstimmend  urteilt  Franz 
Susemi  hl  in  seinem  gleichzeitig  (1890)  erschienenen  Greifswalder  Univer- 
sitätsprogramm (4.  12  S.). 

Eduardus  Luebbert,   Commentatio  de  Pindaro  theologiae  Or- 
phicae  censore  (Index  schol.  Bonn.  W.  S.  1888/89).   4.   22  S. 

Das  orphische  Dogma  von  Dionysos  Tod  und  Auferstehung  bildet 
das  Thema  dieser  Abhandlung.     Ausgehend  von  Pindar,  welcher,  sonst 

19» 


292  Griechische  Mythologie. 

ein  Freaod  der  orphischen  Richtnng,  doch  hinsichtlich  des  Todes  des 
Dionysos  sich  dem  schlichten  delphischen  Glauben  anschliefst,  führt  uns 
L.  die  einzelnen  Momente  jenes  gleichsam  die  Menschwerdung  des  Gött- 
lichen darstellenden  Dogmas  vor:  des  Zeus  unaussprechliche  Liebe  f&r 
das  göttliche,  von  ihm  mit  der  höchsten  Macht  ausgestattete  Kind,  und 
die  ruchlose,  aber  doch  Segen  zeitigende  That  der  Titanen.  Denn  aus 
der  Asche  der  vom  Blitz  getroffenen  entstehen  die  ersten  Menschen,  und 
in  jeden  Menschen  ist  somit  ein  Teilchen  des  von  jenen  verzehrten  Gottes 
übergegangen.  Was  die  Wiedergeburt  des  Dionysos  betrifft,  so  unter- 
scheidet L.  drei  verschiedene  orphische  Yersioneu:  die  eine,  wonach  er 
nach  neunmonatlichem  Schlaf  im  Hades  als  Likuites  erweckt  wird,  die 
andere,  dafs  er  nur  wenige  Tage  im  Grabe  ruht  und  dann  zum  Himmel 
aufsteigt,  und  die  dritte,  dem  orphischen  Gedicht  Jeovuaou  d^tjoftaptoc  zu 
Grund  gelegte,  welche  mit  der  Volksreligion  zu  vermitteln  sucht,  indem 
sie  den  Sohn  der  Proserpina  im  Semelesohn  wieder  aufleben  läfst,  als 
den  Erretter  der  Menschenseelen  und  ihren  Führer  zum  Himmel.  — 
Innerhalb  des  Orphischen  historisch  zu  sondern  unternimmt  L.  nicht,  und 
auch  das  Verhältnis  zwischen  der  orphischen  und  der  volkstümlichen 
Dionysosreligion  bleibt,  einzelne  Bemerkungen  abgerechnet,  unbestimmt: 
aber  die  lebendige  und  z.  t.  begeisterte  Darstellung  ist  geeignet  zu  wei- 
teren Untersuchungen  des  interessanten  Gegenstandes  anzuregen. 

Auch  einzelne  Prosaiker  sind  hinsichtlich  ihrer  religiösen  Vorstel- 
lungen behandelt  worden').  Besonders  erfreulich  sind  die  beiden  Arbei- 
ten von: 

Heinrich  Menss,  Der  sogenannte  Neid  der  Götter  bei  Herodot 
(Beilage  zum  Programm  der  Ritter -Akademie  zu  Liegnitz  1888).  4. 
21  S.  und 

— ,  Die  Vorstellungen  von  Gottheit  und  Schicksal  bei  den  atti- 
schen Rednern.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  griechischen  Volks- 
religion (Fleckeisen's  Jahrbücher  Bd.  189  [1889],  p.  446 — 176). 

Von  'Neid'  im  strengsten  Sinn  kann  nach  der  einleuchtenden  Dar- 
legung des  Verf.  bei  der  Herodoteischen  Gottheit  keine  Rede  sein.  Denn 
wenn  auch  das  Mifs vergnügen  Ober  fremdes  Glück  vorhanden  ist,  so 
fehlt  doch  das  andere  wesentliche  Merkmal  eigentlichen  Neides,  ni&mlich 
der  Wunsch,  selbst  im  Genufs  solchen  Glückes  zu  sein.  Vielmehr  ist 
der  ^f^üvoi  der  Herodoteischen  Gottheit  ^die  besondere  Form  göttlicher 
Strafgerechtigkeit  dem  frevelhaften  Verkennen  menschlicher  GlQcksbe- 
schränktheit  gegenüber'  und  ist  genau  entsprechend  zu  übersetzen  mit 


1)  Die  Schrift  von  L   Herme njat,  Les   dieux  et  l'homme  chez  Thu- 
cydide  (Laufianne  1888,  Corbaz)  hat  Ref    nicht  einsehen  können;  sie  ist  be 
sprocben  von  G    Behrendt  in  der  Berliner  philol.   Wochenschrift  X,  40,  p. 
1361-1263. 


2.  Qaellen:  Lflbbert,  Meufs,  Krämer  (Orphika.  Herodot.  Rpdoer.  Appian«.  *>93 

«Unganst'  d.  h.  ^Nicht-Gönnen'.  —  Eingeleitet  ist  diese  Schrift  durch 
eiDO  Darstellung  des  Wesens  und  Waltens  der  Herodoteischen  Götter, 
besonders  ihres  sittlichen  Charakters  (wobei  die  häufig  Qbersehenen  Spu- 
ren von  Wohlwollen  und  Gate  hervorgehoben  werden)  und  ihres  Verhält- 
nisses zum  Schicksal,  dem  gegenüber  die  Gottheit  keineswegs  als  nur 
willenlos  ausführende  Gewalt  gedacht  ist^). 

Bezüglich  der  zweiten  Abhandlung  sehen  wir  von  einer  Inhaltsan- 
gabe, welche  zuviel  Raum  erfordern  würde,  ab,  setzen  aber  die  sachlich 
nicht  ganz  unwichtige  Motivirnng  des  Themas,  welche  Verf.  vorausschickt, 
hierher:   ^ Jeden  anderen  Schriftsteller  sind  wir  zunächst  nur  berechtigt 
als   individuell  zu  betrachten;  erst  die  Vergleichung  mit  anderen  kann 
die  bei  ihm  auftretenden  religiösen  Anschauungen  als  allgemein  gültig 
erweisen  — .    Anders  bei  den  Rednern.    Der  rein  praktische  Zweck 
ihrer  Worte  vor  Gericht  und  in  der  Volksversammlung,  die  Absicht  eine 
Abstimmung  in  ihrem  Sinne  zu  bewirken,  zwingt  sie   nur  solche  An- 
schauungen auszusprechen,  die  dem  religiösen  Denken  des  athenischen 
Darchschnittsmenschen,  bei  dem  die  Entscheidung  lag,  entsprechen.  — 
Das  Bestehen  individueller  Unterschiede  darf  uns  hierin  nicht  irre  machen; 
sie  sind  nur  Abspiegelungen  von  Widersprüchen,  die  eben  auch  im  Volks- 
glauben selbst  Yorhanden  waren.* 

M.  fa&t  die  Redner  als  Zeugen  des  attischen  Volksglaubens  für 
die  Zeit  von  426—826  v.  Chr.  und  verwertet  sie  als  solche  gleich- 
mftfsig,  ohne  Rücksicht  auf  den  überlieferten  Autornamen,  wofern  sie 
nur  der  bezeichneten  Zeit  angehören  und  einem  praktischen  Zweck  die- 
nen. Des  Isokrates  epideiktische  Reden  z.  B.  sind  daher  mit  gutem 
Recht  von  dem  Material  ausgeschieden. 

Die  Tabelle  von  Götteranrufungen,  welche  Verf.  am  Schlufs  giebt, 
ist  übersichtlich  und  anscheinend  vollständig. 

Die  Arbeit  von 

Georgius  Kram  er,  Theologumena  Appiani  (Diss.  inaug.  Vratisl. 
1889).    8.  73  S. 

hat  für  die  Mythologie  keinen  Ertrag.  Appian  erscheint  als  frommer, 
sagen-  und  zeichengläubiger  Mann,  der  die  Mythen  nicht  mit  philoso- 
phischer Brille  anschaut  und  nur  einmal  eine  rationalistische  Deutung 
wiedergiebt. 

Ehe  wir  nun  zu  den  antiken  Mythographen  selber  übergehen,  sind 
noch  drei  Untersuchungen  über  Diodoros  zu  besprechen,  weicher  für  un- 
sere Kenntnis  dieser  Litteratur  bekanntlich  von  der  gröfsten  Bedeutung  ist 


1)  Völlig  bedeutungslos  ist  der  Auüsats  von 

D.  Halperty  Der  Neid  der  griechischen  Götter.  Eine  psychologische 
Studie.    Breslau  1888.  8.  16  S. 

Von  der  griechischen  Religion  hat  Verf.  höchstens  da^enige  Wissesi 
welches  sich  etwa  aus  Schillers  Gedichten  gewinnen  liesse. 


294  Griechische  Mythologie. 

6.  Bosolt,  Diodor  and  der  Stoicismns  (Fleckeisen^s  Jahrbb.  Ar 
class.  Philologie  1S5  [1889]  p.  298-816). 

kommt  za  dem  Ergebnis,  dafs  Diodor  *  sichtlich  unter  dem  Einflafs  der 
stoischen  Philosophie,  insbesondere  des  Poseidonios'  steht,  obwohl  sein 
lebhaftes  Interesse  nar  der  Ethik  nnd  Religon  zugewandt  ist  Verf. 
fuhrt  eine  Reihe  von  Diodorstellen  auf,  welche  den  stoischen  Anschauun- 
gen von  Göttern  und  Mythen  entsprechen.  Dafs  Diodor  die  physiolo- 
gisch-etymologischen Mythendeutungen  der  Stoa  nur  hier  und  da,  und 
meist  nicht  als  seine  eigene  Überzeugung  vortrfigt,  vielmehr  fttr  seine 
Person  mehr  dem  Euhemerismus  zugetban  ist,  erklärt  Verf.  aus  dem 
Mifskredit,  in  welchen  die  allegorische  Mythendeutung  seit  Chrysipp  bei 
den  Stoikern  gekommen  war.  —  Wir  sind  B.  dankbar  fttr  diesen  Ver- 
such, halten  den  Gegenstand  aber  einer  erneuten,  umfassenden  Prttfung 
fttr  wert,  wie  denn  Oberhaupt  die  Feststellung  des  Einflusses,  den  die 
Stoa  auf  die  antike  Mythographie  ausgeübt  hat,  zu  den  dringendsten 
Aufgaben  gehOrt 

E.  Bethe,  Quaestiones  Diodoreae  Mythogn^hae.  (Diss.  inang.  Gott 
1887)  8.  106  S. 

Zunächst  (p.  1—24)  zerstört  Verf.  endgiltig  den  Nimbus  des  von 
Diodor  weitgehend  bentttzten  Dionysios  Skytobrachion:  Dionysios  ist,  wie 
sich  aus  einer  Prttfung  der  angeblich  libyschen  Dionysossagen  nnd  der 
Argonautica  bei  Diodor  ergiebt,  keineswegs  der  gelehrte,  die  einzelnen 
Sagenversionen  sorgfElltig  sammelnde  Grammatiker,  als  welchen  ihn  noch 
E.  Schwartz  nimmt,  sondern  ein  Romanschreiber,  der  die  ttberlieferten 
Sagen  nach  Belieben  verändert  und  neue  frei  erfindet  Fttr  die  Argo^ 
nautica  Diodors  weist  Verf.  die  gleichzeitige  Benutzung  einer  wirklich 
mythographischen  Quelle  nach,  deren  Spuren  auch  bei  Apolbdor  und 
sonst  vorliegen,  für  die  Dionysossagen  dagegen  wird  wenigstens  soviel 
wahrscheinlich  (p.  25—32),  dass  Diodor  nur  die  libyschen  Sagen  aus 
Dionysios'  —  nebenher  auch  Atlantica  und  Amazonen  behandelnder  — 
Schrift  ttber  den  Gott  schöpft  (ausgenommen  III.  c.  67,  §  2-4,  c.  73, 
§  2),  während  er  das  ttbrige  aus  sehr  verschiedenen  Quellen  compilirt, 
an  deren  Sonderung  Verf.  wohl  mit  Recht  verzweifelt. 

Der  folgende  Abschnitt  (p.  83—44)  betrifft  zwei  weitere  Quellen 
Diodors,  Timaios  und  Matris.  Hinsichtlich  des  ersteren  erfährt  Sieroka*s 
Arbeit  weicher  IV*  21—24,  29,  30,  83—86  auf  Timaios  zurttckftthrt,  ge- 
ringe Modifikationen  und  bemerkenswerte  Bestätigungen;  von  Matris 
leitet  Verf.  im  Anschlufs  an  Holzer  die  Erzählung  von  Herakles  ab 
(IV.  8.  ff.),  f&gt  jedoch  glttckliche  Vermutungen  ttber  die  Zeit  dieses 
Rhetors  sowie  ttber  die  Gelegenheit,  fttr  welche  sein  Enkomion  auf  He- 
rakles verfafst  war,  hinzu  und  deckt  eine  Reihe  von  Gongruenzen  dieser 
Diodorqnelle  mit  Apollodor  auf. 

Anknttpfend  an  den  von   Sieroka  erbrachten  Nachweis,  dafe  IV 


29b 


c  67 — 85  aaff  ene  gmeüopuk  aBgelegte  Qadle  nr«ckg«h«B,  mtf  i  ■i—l 

Yerf.  aodami  (p.  45 — 79)  eine  sorgfthige  Verfiekbaiig  dieses  AbsdnitteB 

imd   der  aaderai,  sack  der  obigen  Analyse  noch  ibrig  bleibeDdeo  Sagen 

des  Tieiten  Bncbes  ni  ApoUodor,  Hjgin  und  den  von  ScboUaslea  tber- 

lieferten  ■jrthographifiriifn  FragnMaten.     Dabei   erweist  sieb  ibm  eine 

soldie  Yenraadtscbaft  misiben  diesen  Mjftbograpben  nnd  Diodor,  dab 

^e   Annab^e  einer  gemeinsainen  Qndle  imabw«sbar  ersebeint.   Die  nt* 

here  Bestimmung  derselben  Tersncbt  Yert  im  totsten  K^itel  (p.  80 — 99), 

nadidem  er  snvor  die  Annabme  einer  Bennixnng  des  HeUanikos  nnd  Eon- 

pides  dnreb  Diodor  (Wdlmann,  Scbvartz)  wideriegt  und  aafserdem  wabr> 

sdieinliGb  gemaebt  bat,  dafs  andi  jene  mit  den  Mytbograpben  ttbereio- 

stiinmenden  Znsiixe,  welcbe  Diodor  sa  den  Argonaatica  des  Diouysios 

nuMht,  aas  demselben  mytbographiscben   Oompendinm   stammen.     Der 

Verfissser  des  letzteren  gebort  rermntliGb  der  ersten  Hilfte  des  letstea 

vorcbristlicben  Jabrbnnderts  an,  er  bat  nicht  Hypotbeseis  abgescbrieben, 

sondern  die  Dicbter  sdber  enerpirt  nnd  die  ganse  griediiscbe  Sagen- 

gescbicbte  in  genealogiscber  AnordnoDg  bebandelt,  wobei  er  jedesmal 

die  bekannteste  Sagenform  zn  Gründe  legte,  aber  die  Abweicbnngeo  bin- 

safbgte. 

Für  die  Arbeitsweise  Diodors  gewinnt  Yert  das  zweifellos  richtige 
Gesamtresoltat,  dafe  er  seine  Quellen  weder  sorgfältig  abschreibt  noch 
blos  ezzerpirt,  sondern  wo  es  ihm  von  seinem  euhemeristischen  Stand- 
punkt passend  erscheint ,  die  eine  Quelle  aus  einer  andern  ioterpolirt 
und  widersprechende  Sagen  verschmilzt»  um  eine  einheitliche,  sasammeo* 
hingende  Geschichte  heranszobringen.  Doch  geht  Verf.  darin  etwas  zu 
weit,  dafe  er  ttberall  da,  wo  Diodor  mit  einem  Sagenzng  ganz  vereinzelt 
dasteht,  auf  freie  Erfindung  oder  auf  einen  Irrtum  des  Mannes  schliefst 
(s.  B.  p.  21,  61,  53).  Auch  liegt  bei  einigen  der  im  Kapitel  lY  be- 
handelten Sagen  die  Sache  keineswegs  so,  dafs  die  Übereinstimmung 
zwischen  Diodor  und  den  Mythographen  nur  durch  die  Annahme  einer 
gemeinsamen  mythographischen  Quelle  erklärt  werden  könnte.  Wir  ver^ 
gössen  zu  leicht,  wie  engbegrenzt  unser  Gesichtskreis  gerade  fttr  derer* 
tige  Fragen  ist  Im  ganzen  zeigt  diese  Dissertation  eine  so  ungewöhn- 
liehe  Yerbindung  von  Scharfsinn  und  besonnener  Methode,  dafs  man  auf 
die  vom  Verf.  in  Aussicht  gestellte  Analyse  des  Ovidischen  Sagenbe* 
Standes  sehr  gespannt  sein  darf.    Derselbe  Verf.  versucht  in  seinen 

Untersuchungen  zu  Diodors  Inselbuch  (Hermes  XXIV  [1889J 
p.  402-  446) 

eine  eingehende  Analyse  von  Diod.  Y,  47 — 88.  Die  kretische  Theogonie 
hat  zur  Quelle  eine  auf  Epimenides*  Namen  gefälschte  Theogonie,  welche 
sich  aufs  engste  an  Hesiod  anschlofs.  Dagegen  gehen  die  Abschnitte 
Qber  Daktylen  und  Eureten,  ttber  Minos,  Bhadamanthys,  Sarpedon  und 
aber  die  Völkerschaften  Kretas  auf  ApoUodors  Oommentar  zu  B  646^662 


296  GriechiBche  Mythologie. 

zurück  (Strab.  X,  476  ff.)-  Dosiades,  Sosikrates  uDd  Aglaosthenes,  wel- 
che Diodor  als  seioe  Quellen  aofQhrt,  waren  bei  Apollodor  citirt  nud 
nur  durch  diesen  dem  Diodor  bekannt.  Eingehend  prüft  Verf.  sodann 
die  Abschnitte  über  die  anderen  Inseln  und  sucht  durch  eine  Yerglei- 
chung  mit  den  Berichten  anderer  Autoren  ihre  Quelle  zu  bestimmen. 
Dafs  dieselbe  ebenfalls  Apollodor  ist,  vermag  Verl  für  Lesbos  und 
Tenedos  am  meisten,  für  Naxos  dagegen  am  wenigsten  wahrscheinlich 
zu  machen:  er  begnügt  sich  (p.  443)  daher  zu  betonen,  dass  nach  Ab- 
sonderung des  Pseudo-Epimenides  die  ganzen  auf  die  Inseln  bezüglichen 
Abschnitte  sowohl  denselben  Charakter  zeigen  —  'sie  geben  locale 
Überlieferungen,  wertvolle  Notizen  neben  leichtfertigen  Erfindungen,  bei 
keiner  fehlt  ein  oder  der  andere  Hinweis  auf  Homer,  bei  vielen  ist  der 
Anschluss  an  den  Schiffskatalog  deutlich'  -  als  auch  Verwandtschaft  mit 
denselben  Schriftstellern,  hauptsflchlich  mit  Strabon. 

Unter  dem  Titel  Ramenta  Mythographa  (Oenethliacon  Gottin- 
gense  1888.  p.  32—68) 

giebt  derselbe  Verf.  eine  Reihe  nicht  besonders  schwerwiegender,  aber 
interessanter  Beobachtungen.  I  giebt  die  Reconstruction  eines  bis  auf 
drei  Verse  verlorenen  isthmischen  Liedes,  in  welchem  Pindar  die  Meli- 
kertessage  behandelt  hatte;  in  II  wird  die  Stelle  Lykophr.  Alex.  430  ff.  be- 
sprochen und  ^nopYot  Ilafi^uXou  xopujQ^  (v.  442)  auf  die  Stadt  Mallos 
(anstatt  auf  Magarsos)  bezogen;  III  bietet  Notizen  zu  Hygin*s  Medea- 
sage,  Lykos-Lykurgos,  Namen  der  Niobe-Töchter,  Diomedes.  Eine  Spur 
des  Aischylos  wird  für  fab.  181  nachgewiesen:  die  fftr  A.*s  To^örtSec 
bezeugten  (Poll.  V  47)  Namen  der  Hunde  des  Aktaion  kommen  hier  ver- 
derbt zum  Vorschein.  IV  bringt  eine  Anzahl  Belege  für  den  schon  in 
der  Dissertation  des  Verf.  aufgestellten  Satz,  dafs  Pausanias  ein  dem 
Apollodor  nahestehendes  mythologisches  Handbuch  benutzt  hat 

Richard  Wagner,  Ein  Excerpt  aus  Apollodors  Bibliothek  (Rhein. 
Mus.  41  [1886]  p.   134—160) 

macht  Mitteilung  über  die  von  ihm  in  der  vaticanischen  Bibliothek  ent- 
deckten Auszüge  aus  ApoUodoros.  Er  versucht  zu  erweisen,  dafs  dieses 
anonyme  Exzerpt  auf  erheblich  besseren  Quellen  beruhe  als  den  in  den 
erhaltenen  Handschriften  vorliegenden,  dafs  es  nicht  blofs  den  Inhalt, 
sondern  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch  den  Wortlaut  der  Bibliothek 
getreu  bewahrt  habe,  dafs  drittens  auf  14  Blättern  des  Exzerptes  ein 
Auszug  aus  dem  verlorenen  Teil  der  Bibliothek  vorliege. 
Derselbe  Gelehrte  weist  in  einem  zweiten  Auüsatz 

— ,  De  ApoHodori  bibliothecae  interpolationibus  ((Tommentationes 

philologae  quibus  Ottoni  Ribbeckio  .  .  .  congratulantur  discipuli  Lip- 
sienses.    Lips.  Teubner.    1888.  8.  p.  133-161). 


2.  Quellen:  Betbe,  Wagner,  Tscbiassny  u.  a.  (Diodor.  Apollodor.  Hygin).  297 

für  eine  beträchtliche  Anzahl  von  Stellen,  wo  besonders  von  Hercher 
Interpolationen  angenommen  waren,  mit  guter  Begründung  diesen  Ver- 
dacht zurück.  Dem  Verfasser  der  Bibliothek  kommt  es,  W.  zufolge, 
bei  dem  Zweck  des  Buches  weit  weniger  auf  gefeilten  Stil  als  auf  deut- 
liche und  einfache  Darstellung  an;  das  Bestreben  deutlich  zu  sein  ver- 
anlass ihn  z.  B.  zu  häufiger,  scheinbar  unnötiger  Wiederholung  der 
Abstammung  eines  Gottes  oder  Heros.  Grössere  Zusätze  sind  als  solche 
meist  aus  dem  sprachlichen  oder  sachlichen  Znsammenhang  sofort  zu 
erkennen.  Von  den  Stellen,  die  ausführlicher  besprochen  werden,  seien 
hier  mitgeteilt:  III  4,  1  (nöXtg)  I  6.  3,  9  (iS  oi^pavoo)  I  9.  8,  5  (xtu  — 
dydp^TOi)  II,  5.  12,  8  (xparwy  —  Inettrs).  Die  Schwierigkeit  von  II,  5,  4 
hebt  Verf.  recht  glücklich  durch  Annahme  einer  Interpolation  der  Worte 
ßierä  xcd  äXXunß  noXXluy. 

Was  Hygins  Fabeln  anlangt,  so  unternimmt 

M.  Tschiassny,  Studia  Hyginiana  I.   (Progr.  von  Wien-Hernals 
1888)  8.  38  S. 

den  Versuch,  auf  Grund  sprachlicher  Indizien  Ursprung  und  Abfassungs- 
zeit des  Buches  zu  bestimmen.  Die  lexikalische  wie  die  grammatika- 
lische Beschaffenheit  (nur  für  diese  beiden  Gesichtspunkte  ist  im  vor- 
liegenden, ersten  Teil  der  Arbeit  das  Material  zusammengestellt)  ist  nach 
dem  Drteil  des  Verf.  derart,  dafs  die  Abfassung  in  einer  beträchtlich 
späteren  Zeit  anzusetzen  ist  als  der  augusteischen. 

Erst  während  des  Druckes  wurde  dem  Verf.  zugänglich  die  Disser- 
tation von 

J.  Dietze,  Quaestiones  Hyginianae   (Diss.  inaug.   Kil.   1890).  8. 
55  S. 

Ref.  muss  sich  daher  begnügen,  von  dieser  anscheinend  sorgfältigen  und 
methodischen  Arbeit  nur  die  vom  Verf.  gegebene  Inhaltsübersicht  hier- 
herzusetzen. Verf.  handelt  I.  De  recensione  fabularum  quae  est  in  codice 
Frisingensi.  1)  De  diversis  fabularum  recensionibus,  2)  De  elocutione 
quae  est  in  fabulis,  8)  De  aetate  et  origine  recensionis  nostrae;  II.  De 
vestigiis  poesis  Latinae  quae  sunt  in  fabulis.  1)  De  fabulis  quas  poetae 
et  mythographus  communibus  fontibus  debent,  2)  De  elocutionis  poeticae 
vestigiis,  8)  De  maioribus  mutuationibus.  —  Der  Aufsatz  von 

A.  Otto,  Zu  Hygins  Fabeln  (Fleckeisens  Jahrbb.  ftkr  class.  Philo- 
logie.   Bd.  188,  p.  281—288) 

bringt  eine  grofse  Anzahl  von  Ergänzungs-  und  Verbesserungsvorschlägen, 
doch  sind  dieselben  in  mythologischer  Hinsicht  ohne  Belang. 

Eine  für  Hygins  Astronomia  ergebnisreiche  Veröffentlichung  bildet 
die  folgende,  Wilhelm  Studemund  geweihte  Schrift: 


298  GriecbiBche  Mythologie. 

Georgias  EaaffmanD,  De  HygiDi  memoria  Scholiis  in  GiceroDis 
Aratum  Harleianis  servata  scripsit,  Scholia  apparata  critico  et  notis 
iostructa  et  Catalogum  stellarum  adhuc  ineditum  a^jecit.  Vratislaviae 
1888.  8.  91  S.  u.  LXXXIIII  p.  (Breslauer  philologische  AbhaDdlaogen 
III.  Bd.  4.  Heft). 

Der  Editio  der  Harleiana,  welche  K.  darbietet,  liegt  eine  sorg- 
fältige CollatioD  Alfred  Hilgard's  zu  Grunde,  sie  ist  begleitet  von  einem 
Tollstftndigen  kritischen  Apparat  und  von  zahlreichen  Noten.  In  der 
vorausgeschickten  Abhandlung  untersucht  K.  unter  Zuhilfenahme  des 
Cottonianus,  ffir  welchen  ihm  eine  fOr  August  Rei£ferscheid  hergestellte 
Abschrift  zu  Gebote  stand,  und  des  von  Cyriacus  exzerpirten  Vercellensis 
die  Scholia  Harleiana  auf  ihre  Entstehung  und  auf  ihren  Wert  fOr  die 
Herstellung  des  ursprünglichen  Astronomialtextes.  Dieselben  sind  der 
Hauptsache  nach  ans  der  Astronomia  geflossen  und  zwar  aas  einem 
Exemplar  derselben,  das  in  vielen  Punkten  den  Archetypus  unserer  Hygin- 
handschriften  an  Gfite  ttbertri£ft,  ohne  ihn  jedoeh  entbehrlich  zu  machen. 
Auch  auf  andere  Schollen,  besonders  die  Sangermanensia ,  fällt  durch 
die  scbarfisinnige  Untersuchung  des  Verf.  neues  Licht. 

Einer  bislang  wenig  beachteten  Gattung  der  Mythographie  galt 
eine  der  letzten  Arbeiten  Wilhelm  Studemund's,  des  unvergefslichen 
Mannes,  dessen  durchdringender  und  selbst  in  der  Gewifsheit  des  nahen 
Todes  rastlos  schaffender  Geist  auch  fOr  das  Gebiet  der  antiken  Religions- 
geschichte ein  erstaunliches  Wissen  barg. 

Anonymi  Laurentiani  XII  Deorum  Epitheta  edid.  G.  Studemund 
(Anecdota  varia  Graeca  et  Latina  Vol.  I.  Berlin,  Weidmann.  1886. 
S.  267—283). 

St.  giebt  die  bisher  unbekannte  Urquelle  der  von  Westermann 
(Mythographi  p.  355  ff.,  vgl.  ebd.  p.  XVIII)  äufserst  unglücklich  heraus- 
gegebenen Schrift  des  Nicetas,  Bischofs  von  Serrae  (im  1 1.  Jahrhundert) 
enthaltend  die  Aufzählung  von  Epitheta  von  Zeus,  Ares,  Hephaistos, 
Dionysos,  Athena,  Demeter,  Aphrodite,  Artemis,  Hera,  ApoUon,  Poseidon » 
Hermes.  Durch  Benutzung  von  nicht  weniger  als  10  Godd.,  in  welchen 
diese  Schrift  des  Nicetas  erhalten  ist,  ist  es  nämlich  St.  gelungen,  das 
bei  Westermann  als  Prosaschrift  erscheinende  Werk  des  Nicetas  als  viel- 
mehr in  dem  Schema  von  bekannten  und  nach  dem  grammatischen  Accent 
gemessenen  Kirchenhymnen  abgefasste  Poesie  zu  erweisen.  Der  Heraus- 
geber vermutet,  dafs  für  die  Epitheta  der  zwölf  heidnischen  Götter 
die  streng  kirchliche  Form  deswegen  von  Nicetas  gewählt  worden  ist, 
damit  im  Gedächtnis  seiner  Schüler  der  Text  um  so  sicherer  haften 
bliebe.  Diese  Vermutung  wird  fast  zur  Gewifsheit  durch  die  anmerkungs- 
weise mitgeteilten  Proben  weiterer,  in  ähnlichen  Hymnenmetren  abgefassten 
poetischen  Stücke  des  Nicetas,  in  welchen  grammatische  Regeln  and  ähn- 
liches Triviale  vorgetragen  werden.    (Vgl.  auch  die  in  Fleckeis.  Jahrbb. 


2.  Qaellen:  O.  KanffniaoD,  W.  StodcmiiDd  (HygiD.  Gfttter-EpitheU).    299 

1887  durch  Leop.  Oohn  im  Anschlors  ftn  die  Aoeodota  varift  pablliirteo 
geographisohen  Hymoen  des  Nicetas).  Die  streoge  ROcksichtnahme  aof 
den  grammatischen  Aocent,  die  io  allen  diesen  Hymnen  herrscht,  hat  es 
ermöglicht,  die  Texte  des  Nicetas  mit  fast  mathematischer  Sicherheit 
bersnstellen.  Aus  der  metrischen  Form  erklären  sich  auch  die  sahi- 
reichen und  ftor  den  Gedankenzusammenhang  völlig  aberflOssigen  Parti- 
keln und  sonstigen  Flickwörter,  mit  deren  Hilfe  Nicetas  das  Metrum 
seiner  kirchlichen  Hymnen?orlagen  susammenstoppelt 

Durch  einen  unbekannten  Humanisten  ist  im  15.  Jahrh.  eine  neue 
Recension  der  Götterepitheta  des  Nicetas  in  der  Weise  hergestellt  wor« 
den,  dafs  alle  jene  blos  dem  metrischen  Bedarf  dienenden  Flickwörter 
fortgelassen  wurden,  die  gemäfs  den  kttnstlicheren  Satskonstruktionen  des 
Nicetas  wiederholt  fortkommenden  Casus  oliqui  der  Epitheta  fast  durch» 
gehends  in  den  Nominativ  umgesetzt  wurden  und  endlich  eine  kleine 
Anzahl  von  bei  Nicetas  nicht  yorkommenden  Epitheta  seitens  des  Huma- 
nisten anderswoher  hinsugeftogt  wurde.  Fttr  diese  humanistische  Ver- 
ballhomisinmg  hat  St.  fUnf  Godd.  benutzt.  Dadurch ,  dafs  Westermann 
Godd.  des  echten  Nicetas  neben  Godd.  des  verballhomisirenden  Huma- 
nisten benutste  und  die  grundverschiedenen  Lesarten  beider  oontaminirte, 
ist  jene  heillose  Textesverunstaltung  entstanden,  welche  durch  Wester- 
manns  Mythographi  zur  herrschenden  Yulgata  geworden  war. 

Viel  wichtiger  ist  die  Entdeckung  St's  von  einer  in  zwei  verhält- 
nismäbig  alten  Handschriften  Qberlieferten,  sehr  ausftihrlichen  prosai- 
schen Fassung  von  Epitheta  der  zwölf  Götter,  aus  welcher  Nicetas  nur 
einen  sehr  dirftigen  Schulauszug  in  metrischer  Form  gemacht  hat.  In 
dem  berflfamten  und  an  Anekdota  so  ausgiebigen  Cod.  C  222  ord.  inf. 
der  Ambrosian.  Bibliothek  zu  Mailand  fand  nämlich  St.  den  Anfang  jener 
reichen  ursprtkngliohen  Fassung  der  Epitheta.  Als  Blatthüilung  von  flOch- 
tiger  Hand  hingeschrieben;  der  Schreiber  erlahmt  aber  in  seiner  Arbeit, 
nachdem  er  die  alphabetisch  nach  dem  ersten  Anfangsbuchstaben  geordne- 
ten Epitheta  der  ersten  der  zwölf  zu  behandelnden  Gottheiten  (des  Zeus) 
bis  zum  Buchstaben  r  einschl.  hingeschrieben  hatte;  weder  den  Schlnfs 
der  Epitheta  des  Zeus  noch  die  Epitheta  der  flbrigen  elf  Götter  hinzuzu- 
fttgen  reichte  seine  Kraft  und  Lust  aus.  Dieses  Manco  des  Cod.  Ambros. 
ist  sehr  zu  bedauern.  Denn  der  Text  des  Cod.  Ambrosianus  ist  in  dem 
zur  Tergleichung  vorliegenden  Teile  an  mehreren  Stellen  vollständiger 
und  besser  als  der  Text  des  zweiten  Cod.,  in  welchem  St  die  Epitheta 
aller  zwölf  Gottheiten  fand,  nämlich  des  Cod.  Laurentianus  LIX  16  in 
Florenz  aus  dem  12.  Jahrh.  Schon  der  Umstand,  dafs  im  Laurentianus 
die  Epitheta  der  einzelnen  Götter  nicht,  wie  es  im  Ambrosianus  nach 
ältester  Sitte  geschehen  ist,  blos  mit  Rttcksichtnahme  auf  den  ersten 
Anfangsbuchstaben,  sondern  schon  mit  ROcksichtnahme  auf  die  beiden 
ersten  Anfangsbuchstaben  alphabetisch  geordnet  sind,  erweist  die  Fassung 
des  Ambrosianus  als  dem  einstigen  Original  näherstehend,  die  des  Lau- 


300  Griechische  Mythologie. 

roDtianus  als  ferner  stehend.  Übrigens  enthält  der  Ambros.  manche  Epi« 
theta  des  Zeus,  die  im  Laurent,  fehlen,  und  der  Laurent,  andere,  die 
der  Schreiber  des  Ambros.  ausgelassen  hat.  Die  Götter  sind  in  folgen- 
der (von  Nicetas  schmfthlich  verwirrter)  Ordnung  im  Laurentianns  ent- 
halten: Zeus,  Apollon,  Poseidon,  Ares,  Dionysos,  Hephaistos,  Hermes, 
woran  sich  die  Epitheta  der  fünf  Göttinnen  schliefsen:  Athene,  Hera, 
Aphrodite,  Demeter,  Artemis,  d.  h.  wir  baben  das  Kollegium  der  zwölf 
attischen  Götter,  nur  mit  der  Ersetzung  der  Hestia  durch  Dionysos. 

Unter  den  Epitheta,  die  mehr  oder  weniger  stark  verderbt  über- 
liefert sind,  finden  sich  neben  den  bekanntesten  und  durch  seltnere  Zeug- 
nisse sicher  gestellten  Namen  auch  ganz  neue  in  nicht  geringer  Menge 
vor.  Der  lockenden  Aufgabe,  die  verlorene  antike  Schrift  zu  ermitteln, 
auf  welche  sowohl  der  Cod.  Ambros.  als  der  Laurentian.  als  auch  der 
von  Nicetas  auszugsweise  benutzte  (um  einige  Epitheta  reichere),  jetzt 
verlorne  Cod.  zurückgehen,  ist  St.  nahe  getreten.  Er  stellt  (p.  268  fg.) 
alle  kürzeren  Zusammenstellungen  von  Epitheta  der  Götter,  die  sich 
gelegentlich  in  der  profanen  und  sakralen  griechischen  Litteratnr  finden, 
zusammen ;  eine  so  enge  Verwandtschaft  aber  mit  dem  Anonymus  Lauren- 
tian., dafs  mit  Hilfe  der  beiden  Verwandten  ein  Rückschlufs  auf  die  ge- 
meinsame Quellenschrift  gemacht  werden  könnte,  l&fst  sich  nicht  nach- 
weisen. Auch  den  zweiten  Weg  führt  St.  seine  Leser  (p.  261  fg.),  näm- 
lich so,  dafs  versucht  wird  die  verschiedenen  Epitheta  auf  ihr  Vorkommen 
bei  erhaltenen  Prosaikern  einschliefslich  der  griechischen  Lexikographen 
zurückzuführen;  es  bleiben  aber  nicht  wenige  Epitheta  des  Anonym. 
Laurentian.  übrig,  welche  sich  bei  keinem  der  erhaltenen  griechischen 
Autoren  vorfinden.  Interessant  ist  der  Hinweis  auf  die  dem  gewöhnlichen 
philologischen  Studienkreis  fernliegende  Litteratur,  wie  z.  B.  auf  die 
pseudo-dositheanischen  'Interpretamenta',  welche  nach  St.*8  Ermittelung 
wenigstens  eine  entfernte  Verwandtschaft  mit  dem  Anonym.  Laurentian. 
zeigen.  Die  jüngsten  Autoren,  die  vom  Anonym.  Laurent,  citirt  werden, 
sind  Plutarch  und  Oppians  Halieutica;  die  zahlreichen  dem  Epiker  Nonnus 
eigentümlichen  Epitheta  finden  sich  dagegen  im  Anonym.  Laur.  nicht.  St 
urteilt  aber  vorsichtig  (p.  261),  dafs  damit  zwar  bewiesen  sei,  der  Autor 
habe  nach  dem  2.  Jahrb.  nach  Chr.  gelebt,  aber  nicht  völlig  sicher  fest- 
stehe, dafs  er  vor  Nonnus  geschrieben  habe.  Die  Prüfung  der  Ver- 
wandtschaft des  Anonymus  mit  anderen  Schriften,  welche  die  Epitheta 
der  Götter  betreffen,  ist  von  St.,  entsprechend  seinem  Zwecke  nur  eine 
kritische  Recensio  des  Textes  des  Anonym.  Laurent,  zu  geben,  nur  so- 
weit versucht,  als  für  diesen  Text  erforderlich  war. 

Dasselbe  Gebiet  behandelt 

Georgius  Wentzel,  'EmxXr/irst^  ^etov  sive  de  deorum  cogno- 
minibus  per  grammaticorum  Graecomm  scripta  dispersis.  (Diss.  inaug. 
Gotting.  1889).  8.  148  S. 


2.  Quellen :  W.  Stodemnod,  G.  Wentzel  (Götter-Epitheta.  ^EjttxXi^irBti).    301 

Eine  Reihe  erfrealicher  und  ergebnisreicher  üntersachungen.  W. 
unterscheidet  im  Vorwort  zwischen  den  von  Dichtern  erfundenen  Epitheta 
und  den  inex^ceeg^  d.  h.  den  im  Kultus  üblichen  Beinamen.  Um  die 
letzteren  ist  es  ihm  zu  thnn:  er  untersucht  ihr  Vorkommen  bei  Hesych, 
Athenaeus,  Clemens  Alexandrinus,  dem  Lykophronscholiasten  und  Pau- 
sanias,  und  sucht  die  gemeinsame  Quelle  dieser  Autoren  zu  bestimmen. 

In  loser  Verbindung  mit  diesem  Thema  steht  die  erste,  den  Suidas 
betreffende  Untersuchung  —  I.  De  Suida  prolusio  — ,  da  Suidas  sich 
scharf  von  jener  Gruppe  absondert  Derselbe  hat,  wie  W.  nachweist, 
den  von  Studemund  (s.  o.)  veröffentlichten  Katalog  ausgeschrieben. 
Kap.  II  handelt  De  Diogeniano.  W.  kommt  durch  eine  Prüfung  der  auf 
Diogenian  zurOckfEkhrbaren  Beinamen  bei  üesych  und  anderen  Gramma- 
tikern zu  dem  Resultat,  dafs  Diogenian  eine  umfassende  und  sorgfältige 
Sammlung  von  imx^aes  benutzt  haben  mufs.  Ähnlich  verhält  sich  die 
Sache  bei  den  übrigen  Autoren.  Was  Athenaeus  —  III.  De  Atheuaeo  — 
in  Bezug  auf  Götterbeinamen  mitteilt,  verdankt  er  dem  Pamphilus,  wel- 
chem eine  selbständige  Samlung  des  so  sehr  zerstreuten  Materials  kaum 
zuzutrauen  ist.  Clemens  —  IV.  De  demente  Alexaudriuo  —  giebt  zwar 
genauer  als  Hesych  und  andere  die  letzten  Quellen  an,  mufs  aber  doch 
aus  irgend  einer  Samlung  geschöpft  haben.  Besonders  ausführlich  und 
scharfsinnig  behandelt  W.  die  Lykophronscholien  —  V.  De  Lycophronis 
scholiis  —  und  den  Pausanias  —  VI.  De  Pausania  periegeta.  Die 
bezüglichen  Ausführungen  in  ersteren  müssen  vor  allem  deshalb  auf  eine 
speziell  die  intxX^aeeg  umfassende  Samlung  zurückgeführt  werden,  weil 
sie  sich  einerseits  vom  übrigen  recht  deutlich  abheben,  andererseits  meist 
auf  Lykophron  selbst  keinen  oder  nur  sehr  schwachen  Bezug  haben,  also 
unmöglich  zum  Zweck  der  Lykophronerklärung  abgefafst  sein  können.  In 
Betreff  des  Pausanies  löst  W.  glücklich  zunächst  solches  inexAr/ffees-NLa" 
terial  ab,  welches  zur  Periegese  im  engsten  Sinne  gehört,  also  entweder 
aus  eigener  Anschauung  oder  aus  periegetischen  Quellen  stammt  (auf  die 
sogen.  Pausaniasfrage  läfst  sich  Verf.  garnicht  ein).  Die  meisten  be- 
züglichen Stellen  aber  stimmen  so  wenig  mit  der  periegetischen  und 
anderen  Quellen  des  Pausanias  überein  und  sind  so  sehr  auf  die  Erklä- 
rung der  imxkyjaeti  zugespitzt,  dafs  in  Anbetracht  der  Unmöglichkeit, 
dafs  Pausanias  selber  die  z.  t.  sehr  entlegenen  primären  Quellen  gelesen 
haben  könnte,  auch  hier  die  Benutzung  einer  eigenen  imx^j^crerc- Quelle 
angenommen  werden  mufs.  Die  letzte  Untersuchung,  VII,  handelt  'de 
intxA^aeiuv  Sylloge,  Diogeniaui,  Athenaei,  Clementis,  scholiorum  Lyco-' 
phronis,  Pausaniae  fönte  communi.' 

Die  von  W.  durch  eine  Vergleichung  der  einzelnen  Autoren  er- 
wiesene Thatsache,  dafs  dieselben  sachlich  und  in  der  Benutzung  einer 
grofsen  Zahl  von  Schriftstellern,  die  unmöglich  jeder  einzelne  selbst 
nachgelesen  haben  kann,  in  weitgehendem  Maafse  übereinstimmen,  macht 
die  Annahme  einer  imxk^aet^Sekmlung  als  gemeinsamer  Quelle  im  hoch- 


{ 


302  Grieobisehe  Mythologie. 

Bten  Grade  wahrscheinlich.  In  derselben  waren  die  GOtter,  ihre  Bei- 
namen und  Kaltlokale  in  irgend  einer  Anordnung  aafgesAhlt,  sowie  Be- 
dentung  nnd  Ursprung  der  Beinamen  erörtert.  Aus  vielen  und  sehr 
verschiedenartigen  Quellen  schöpfend,  gab  sie  bisweilen  von  ein  und 
derselben  imxXji^aie  mehrere,  von  einander  abweichende  Erklftrungen. 
Diese  Mannigfaltigkeit  des  Werkes  und  die  verschiedenen  Zwecke  der 
ausschreibenden  Autoren  enklärt  zur  GenOge  die  Abweichungen  dieser 
letzteren  untereinander.  Als  Entstehungszeit  des  Werkes  setzt  W.  das 
1.  vorchristliche  Jahrhundert  an,  den  Namen  des  Verfassers  Iftfst  er  da- 
hingestellt 

Endlich  sei  hier  noch  kurz  besprochen 

Leopold  Reinhardt,  Die  Quellen  von  Gicero's  Schrift  De  deo- 
rum  natura.  Breslau,  Köbner  1888.  8.  68  S.  (Breslauer  philologische 
Abhandlungen  III,  2). 

Die  grOndbch  und  umsichtig  gefbhrte  Untersuchung  ergiebt  fol- 
gende, von  den  Ergebnissen  Hirzels  und  Schwenkes  ziemlich  abweichende 
Analyse:  Buch  I.  1,  i — 10,  m  Cicero.  10,  st— 15,  4i  Phik>demus.  16, 
4S— 20,  M  Zeno.  21,  5T — 87,  loi  Klitomachus  (§  68  —  64  von  Cicero 
eingeschoben).  37,  loi — 44,  im  Posidonius  (§  106—108,  117  —  120  von 
Cicero  eingeschoben).  Buch  IL  1,  i— 4,  i»  Cicero.  6,  ii — 16,  u  Chry- 
sippus.  17,  u— 23,  so  Chrysippus.  28,  so -28,  7t  Cicero  mit  Benutzung 
der  philosophischen  Gedanken  des  Chrysippus.  29, 7S— 40,io4  Panaetius. 
41,  104—- 44,  10»  Cicero.  45,  U5-61,  lu  Panätius  (aufser  §  188)  58, 
tat  Cicero.  61,  im— 66,  i67  Posidonius.  Buch  III.  1,  i— 5,  is  Cicero. 
6,  14  -  6,  15  Cicero  mit  Benutzung  eines  Gedankens  des  Garneadea-Cli- 
tomachus.  7,  is— 15,  ts  Clitomachus.  15,  ts— 89,  m  Cicero  mit  Benut- 
zung der  philosophischen  Gedanken  des  Carneades- Clitomachus  aus  Ter 
16,  41  und  21,  M— 28,  so  (aus  einem  alexandrinischen  Sammelwerk). 

3.   Gruppen  göttlicher  und  heroischer  Wesen 

(bezw.  von  Mythen). 

Dies  Kapitel  zerfällt  in  zwei  Teile. 

Erstens  (a)  werden  diejenigen  Schriften  besprochen,  welche  von 
der  Mythologie  bestimmter  Lokale  der  griechischen  Welt  handeln, 

zweitens  (b)  diejenigen,  welche  unter  bestimmten  sachlichen 
(d.  h.  auf  das  Wesen  der  einzelnen  Gestalten  gerichteten)  Gesichts- 
punkten zwei  oder  mehrere  göttliche  bezw.  heroische  Wesen  zusam- 
menfassen. 

Die  Anordnung  ist  in  beiden  Teilen  die  alphabetische,  im  ersten 
nach  den  Orts-,  im  zweiten  nach  den  Götternamen;  wo  der  Titel  meh- 
rere Namen  darbot,  bestimmte  der  erste  derselben  den  Platz. 

Die  Litteratur  ttber  geschlossene  Gruppeu,  wie  Musen,  Hören,  Ar- 


3  Orappen  göttlicher  and  heroiseher  Wesen:  Harrison  (Athen).       303 

gonanten  a.  a.,  findet  der  Leser  im  folgenden,  vierten  Kapitel.  Im  ttbri- 
gen  war  für  die  Frage,  ob  eine  Schrift  in  diesem,  im  ersten,  oder  im 
vierten  Kapitel  onterzabringen  sei,  meistens  der  Titel  entscheidend, 
doch  wird  das  vierte  Kapitel  durch  zahlreiche  Verweise  auf  die  voran- 
gehenden die  Auffindung  bestimmter  Gegenstände  erleichtem. 

a.  Mythology  and  Monuments  of  ancient  Athens  beiug  a  translation 
of  a  portion  of  the  'Attica'  of  Pausanias  by  Margaret  de  6.  Ter r all 
with  introductory  essay  and  archaeological  commeutary  by  Jane 
£.  Harrison  .  .  .  Illustrated.  London,  Macmillan  1890.  8.  GLVI 
and  685  S. 

Den  Zweck  des  eigentOmlichen  Buches,  welches  uns  hier  vorliegt, 
bezeichnet  die  Verfasserin,  Jane  E.  Harrison,  im  Vorwort  kurz  dahin: 
^Its  object  is,  first  and  foremost,  to  elucidate  the  Mythology  of  Athens, 
and  with  this  intent  I  have  examined  its  Monuments,  taking  Pausanias 
as  a  guido'. 

Den  ersteil  Teil  des  Buches  bildet  *The  Mythology  of  Athenian 
local  cults".  Als  solche  Mythen  erkennt  die  Verf.  an:  Erichthonios,  Ika- 
rios,  Triptolemos,  Kephalos  and  Prokris,  Boreas  und  Oreithyia,  Kreusa, 
Prokne  und  Philomela,  Theseus.  Das  dünkt  uns  eine  ungemein  willkttr- 
liehe  Beschränkung,  der  Versuch  sie  zu  rechtfertigen,  welchen  die  Verf. 
im  Vorwort  p.  III  f*  macht,  ist  ganz  ungentkgend.  —  Die  Behandlung  des 
Theseuskreises,  welche  ttber  ein  Drittel  des  Ganzen  einnimmt,  zeichnet 
sich  aus  durch  weitgehende  Verwertung  der  Vasenbilder;  die  Sichtung 
und  Ausnutzung  der  litterarischen  Quellen  hat  sich  die  Verf.  weniger 
angelegen  sein  lassen.  Was  die  Genesis  und  Geschichte  der  einzelnen 
Tbeseussagen  anlangt,  so  bietet  die  Verf.  hierin  nur  wenig  und  kaum 
Neues.  Den  Eiuflufs  pantomimischer  Darstellungen  auf  die  Vasenmaler 
dürfte  sie  entschieden  überschätzen  (p.  GXVI  ff.).  Während  nun  hier 
und  bei  Besprechung  der  Prokne-  und  der  Boreassage,  welche  beide  — 
die  erstere  wenigstens  in  ihrer  Grundlage  —  als  ^nature  myths'  aner- 
kannt werden,  der  mythologische  Standpunkt  der  Verf.  kaum  zur  Geltung 
kommt,  zeigt  sie  sich  in  den  übrigen  Sagen  als  entschiedene  Anhängerin 
von  Andrew  Lang. 

Alte  Gebräuche,  deren  Sinn  vergessen  war,  und  andere  That^ 
Sachen  des  Kultus  sollen  das  Substrat  dieser  Sagen  bilden.  Von  einer 
eingehenden  Besprechung  der  Deutungen,  welche  die  Verf.  aufstellt,  darf 
um  so  eher  abgesehen  werden,  als  die  Verf.  selbst  eine  sorgfältige,  gründ» 
liehe  Beweisführung  kaum  angestrebt  hat.  Manches  besticht  auf  den 
ersten  Anblick,  und  nirgends  zeigt  sich  die  Bodeulosigkeit  der  herkömm- 
lichen physikalischen  Mythendeutung;  aber  überzeugt  wird  der  kritische 
Leser  doch  nicht,  weil  die  Verf.  es  unterläfst,  au  der  Hand  der  Quellen 
die  nachweisbare  Eutwickelung  der  Sage  und  die  Kultusverhältnisse,  ans 
denen  letztere  erklärt  werden  soll,  in  allen  Punkten  genau  festzustellen. 


304  Griechische  Mythologie. 

Besonders  was  die  Geschichte  des  attischen  Kultus  betrifft,  arbeitet  sie 
viel  mit  zwar  nicht  unwahrscheinlichen,  aber  doch  unerwiesenen  Prä- 
missen. Als  ein  weiterer  Übelstand  ist  hervorzuheben,  dafs  die  Verf. 
die  einschlägige  neuere  Litteratur  in  einem  Maafse  ignorirt,  dafs  es 
auch  dem  Belesenen  grofse  Mtthe  und  ?iel  Zeit  koston  möchte.  Altes 
und  Neues  zu  unterscheiden,  wodurch  die  Brauchbarkeit  des  Buches  ent- 
schieden beeinträchtigt  wird. 

Die  zweite  Hälfte  des  Buches  ist  ein  Gommentar  zu  den  Athen 
betreffenden  Partien  des  Pausanias,  dessen  Text  in  Übersetzung  mitgeteilt 
wird.  Sie  nimmt  sich  wunderlich  genug  aus.  Während  die  Behandlung 
?on  Apollon,  Ares,  Hephaistos,  Artemis  höchst  dttrfUg  ist,  werden  die 
Dioskuren  (p.  152 — 168)  und  Asklepios,  dieser  im  engsten  Anschluß  an 
y,  Wilamowitz-Möllendorfs  Isyllos  (p.  805—328),  in  ganz  unverhältuis- 
mäfsiger  Breite  besprochen.  Der  Abschnitt  Ober  Hermes  (p.  127—182)  ist 
ausführlich,  aber  keineswegs  erschöpfend.  Was  über  Dionysos  mitgeteilt 
wird,  ist  ziemlich  befriedigend,  aber  nicht  ganz  neu:  oder  kannte  die 
Verf.  die  Aufsätze  von  Maafs  und  Grusius  nicht?  Der  Parthenonfries, 
dieses  wichtige  Zeugnis  attischen  Götterwesens,  ist  kaum  berührt.  Der 
attische  Gottesdienst  tritt  —  was  besonders  bei  der  oben  bezeichneten 
mythologischen  Richtung  der  Verf.  befremden  mufs  —  sehr  in  den  Hin- 
tergrund, während  man  andererseits  auf  vieles  recht  entbehrliche  anti- 
quarische und  topographische  Material  stöfst. 

Es  ist  schwer  ersichtlich,  zu  wessen  Förderung  dieser  Pausauias- 
commentar  dienen  soll:  für  Laien  zu  gelehrt,  für  Studenten  zu  ungenau 
und  unmethodisch ,  für  Gelehrte  zu  wenig  neue,  selbständige  Forschung 
bietend  —  ausgenommen  vielleicht  die  Strecken,  wo  die  Vasenmalerei 
herangezogen  wird.  Einen  gewissen  Wert  erhält  er  erst  durch  die  zahl- 
reichen, gut  ausgewählten  und  ausgeführten  Illustrationen. 

Ernestus  Maafs,  Parerga  Attica  (Index  Scholarum  Gryphiswald. 
1889).  4.  15  S. 

kämpft  gegen  die  allgemein  angenommene  Coojectur  Bergk*s,  welcher  in 
der  Aufschrift  des  Kypseloskastens  (Paus.  V  19,  2  ff.)  statt  'AHdvaBsv 
setzte:  'A^eSvaBev.  Das  überlieferte  ' ABdvaBev  sei  richtig:  dafs  die 
Dioskuren  Helena  aus  Athen  zurückführen,  sei  die  auch  durch  Paus.  I 
41,  4  für  Alkman  und  Pindar  bezeugte  und  für  ein  so  altes  pelopounesi- 
sches  Monument  a  priori  vorauszusetzende  peloponnesische  Tradition. 
(Vgl.  dazu  jetzt:  Job.  Töpffer,  Aus  der  Anomia  p.  86  ff.,  welcher  mit 
guten  Gründen  für  die  (Konjektur  Bergk's  eintritt).  —  Des  weiteren  deckt 
Verf.  u.  a.  sagenhafte  Beziehungen  auf,  welche  Attika  mit  Orohomenos 
(Athamas),  Euboia  (Phaleros,  Munichos)  und  dem  thessalischen  Pagasai 
verbinden.  Von  letzterem  Ort  aus  ist  der  'Seediouysos',  welchen  Verf. 
im  Hermes  1888,  p.  78  ff.  nachgewiesen  hat  (s.  unten  Kap.  4)  über  Boio- 
tlen  nach  Attika  gekommen:  der  Eleuthereer  Pegasos  aber  ist  es,  der 


3.  Groppen  göttl.  n.  heroischer  Wesen :  Maass,  Immisch  (Attika,  KlaroB).  305 

den  Gott  nach  Athen  gebracht  haben  soll  (Schol.  Arist  Ach.  243; 
Paus.  I  2,  5).  Der  Vorschlag  des  Verf.,  an  diesen  Stellen  statt  Pega- 
SOS  'Pagasos'  zu  schreiben,  also  den  Namen  des  durch  Paus.  X, 7  be- 
nannten Apollondieners  und  Eponymen  von  Pagasai,  erscheint  durchaus 
annehmbar. 

Eine  Reihe  klarisch- kolophonischer  und  mit  diesen  zusammenhän- 
gender Sagen  betrifft  die  gelehrte  Abhandlung  ?on 

Otto  Immisch,  Klares.  Forschungen  Ober  griechische  Stiftungs- 
sagen (Fleckeisen's  Jahrbb.  für  class.  Philologie  Suppl.-Bd.  XVII. 
126—210.  Als  Leipziger  Habilitationsschrift  von  1889  erschien  p.  126 
—181). 

§  1  legt  die  historische  Grundlage,  indem  Verf.  den  nicht  un- 
bedeutenden Anteil,  welchen  die  Boioter  an  der  Kolonisirung  Joniens 
hatten,  und  die  daherrfihrende  Vertrautheit  der  lonier  mit  boiotischer 
Sage  bespricht.  §2—3  unterzieht  Verf.  die  Überlieferung  der  klarischen 
Stiftungssage  einer  kritischen  Prüfung  und  gewinnt  dabei  das  Ergebnis, 
dafs  drei  Manto-Sagen  zu  unterscheiden  sind:  eine  älteste,  der  zufolge 
Manto  die  Geliebte  Apollon's  ist  (um  Ol.  16  in  Klaros  heimisch),  eine 
zweite  (nach  Mimnermos  anzusetzende),  wo  der  Kreter  Rhakios  oder 
Lakios  (alte  kretische  Kolonie  bei  den  im  kolophonischen  Lande  an- 
sässigen Kariern),  und  nicht  Apollon,  der  Gatte  Manto's  war,  und  eine 
dritte  Version,  die  Manto  dem  Bakchiaden  Zograios  zum  Gemahl  giebt 
und  vom  Verf.  an  einer  späteren  Stelle  bereits  für  die  Alkmaionis  nach- 
gewiesen wird  (um  600  in  Korinth  gedichtet;  alte  Beziehungen  zwischen 
lonien  und  Korinth).  Nach  einem  interessanten  Beitrag  zur  Mythopoiie 
des  Euphorien,  welchem  eine  tendenziös-satirische  Behandlung  der  Sage 
von  Mopsos  und  Kalchas  zugeschrieben  wird,  unternimmt  Verf.  in 
§  4  eine  scharfe  Sonderung  von  Epigonen  und  Alkmaionis,  welche  Welcher 
identifizirt  hatte,  und  sucht  die  für  ein  junges  Alter  der  letzteren  gel- 
tend gemachten  Gründe  zu  entkräften.  Die  folgende  Untersuchung  be- 
trifft den  Schluss  der  Epigonen  unter  besonderer  Rücksicht  auf  die  mit 
der  klarischen  Tempellegende  zusammenhängenden  Personen  des  Alk- 
maion  und  Amphilochos.  Ausgehend  vom  Seherwettstreit  des  Kalchas 
und  Mopsos  (Gegensatz  zwischen  der  einheimischen  und  der  griechischen 
Mantik)  trennt  Verf.  (§  6—9)  von  den  Epigonen,  welche  nach  seiner  An- 
sicht mit  der  Aussendung  Manto's  abschlössen,  zwei  Dichtungen  los,  die 
vielmehr  zur  Melampodie  gehörige  xrici^  KoKo^wvoq  und  die  i^iXaatQ 
'AfA^tapdoo,  Die  letzten  Abschnitte  der  Arbeit,  §  10 — 16,  suchen  das 
Verhältnis  von  Epigonen  und  Alkmaionis  zur  Tragödie  zu  bestimmen, 
welche  dem  Verf.  gleichmässig  von  beiden,  aufserdem  vielleicht  auch 
noch  von  Stesichoros  Eriphyle  abhängig  erscheint. 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.     LXVI.  Bd.  20 


306    Griechische  Mythologie.    3.  Gruppen  göttl.  n   heroischer  Wesen. 

E.  Tflmpel,  Tyrseisches  von  KyUeoe  ( Fleckeiseo's  Jahrbb.  Bd. 
187  (1888)  p.  68-60) 

weist  mit  guten  Gründen  am  Eyileneberg  eine  neue  Station  anf  dem 
weiten  Wandergebiet  der  vereinigten  Kadmeionen  und  Tyrsener  nach 
—  erkennbar  an  combinirtem  Aphrodite-  und  Hermeskalt  —  und  macht 
aafserdem  beachtenswerte  Bemerkungen  Aber  die  Geschichte  des  itby- 
phallischen  Hermes. 

Franz  Studnicska,  Kyrene,  eine  altgriechische  Göttin.  Ar- 
chäologische und  mythologische  Untersochungen.  Leipzig,  F.  A. 
Brockhaus  1890.    8.  224  8.;  38  Abbildungen. 

Verf.  vervollständigt  zunächst  den  von  Puchstein  (A.  Z.  1880. 
p.  185 f.,  1881  p.  216f.)  unternommenen  Nachweis,  dafs  die  Vasen  von 
der  Gattung  der  Arkesilasschale  in  Kyrene  verfertigt  worden  sind.  Die 
von  MilchhOfer  (Anfänge  p.  I7l  f.)  erhobenen  Einwürfe  werden  mit 
guten  Gründen  widerlegt:  Verf.  findet  u.  a.  die  afrikanisch -ägyptischen 
Elemente  der  Arkesilasschale,  welcbe  MilchhOfer  wunderlicher  Weise 
gegen  den  kyrenäischen  Ursprung  geltend  gemacht  hat,  ganz  im  Gegen- 
teil nur  an  einem  Orte  begreiflich,  dessen  Kultur  so  viel  sichere 
afrikanische,  besonders  ägyptische  Elemente  aufweist  wie  gerade  Kyrene. 
Als  neue  Argumente  fügt  Verf.  hinzu,  dafs  auf  einer  der  fraglichen 
Vasen  der  aufser  für  Arkadien  nur  für  Kyrene  bezeugte  Zeus  Lykaios 
erscheint  (A.  Z.  1881  Taf.  12,  3)  und  dafs  eine  andere,  in  Naukratis 
gefundene  (Petrie  I  T.  8  -  9),  unzweideutige  Zeichen  kyrenäischen  Ur- 
sprungs aufweist:  das  (allerdings  schlank  und  schematisch  wiedergegebene) 
Silphion  und  ein  Zweig  vom  Hesperidenbaum  in  der  Hand  einer  (zur 
Hälfte  zerstörten)  weiblichen  Gestalt,  welche  im  Hinblick  auf  ander- 
weitige Darstellungen  als  die  Göttin  Kyrene  verstanden  werden  muCs. 
In  den  sie  umflatternden  Flügelfigürchen  erkennt  Verf.  Harpyien  (links) 
und  Boreaden  (rechts),  also  die  das  Gedeihen  des  Hesperidenbanmes 
fördernden  Winddämonen  (vgl.  Akusilaos  bei  Philod.  mp\  ebaeß.  p.  43 
Gomperz). 

Eine  alte  plastische  Darstellung  derselben  Göttin  weist  Verf.  im 
zweiten  Abschnitt  (p.  28  —  39),  gestützt  auf  Pindar  Pyth.  IX  sowie  auf 
zwei  sicher  kyrenäische  Bildwerke  des  British  Museum,  in  der  einen 
Löwen  gepackt  haltenden  Frauengestalt  eines  olympischen,  offenbar  vom 
Giebel  des  Kyrenäer  Schatzhauses  herrührenden  Kalksteinreliefs  nach. 
Der  gröfsere,  verlorene  Teil  des  Giebels  stellte  nach  des  Verf.  sehr  ent- 
sprechender Ergänzung  Apollon,  den  xrean^^  von  Kyrene,  dar,  wie  er 
mit  seinem  Viergespann  auf  das  Ende  des  Kampfes  wartet,  um  die 
heldenhafte  Jungfrau  dann  nach  Libyen  zu  entführen  (Pind.  a.  a.  0.). 
Nachdem  Verf.  dann  die  (wesentlich  durch  Pindar  und  Hesiod  bezeichnete) 
litterarische  Überlieferung  der  Sage  von  der  Kyrene  festgestellt  hat 
(Abschnitt  lü,  p.  39—46),  sucht  er  durch  eine  eingehende  Prüfung  der 


Tümpel,  Stodoicxka  (Eyllene,  Eyrene).  307 

GrttnduQgssage  der  lose]  Thera  and  ihrer  Pflanzstadt  Eyrene  die  auf- 
fällige Erscheinung  zu  erklären,  dafs  die  Tochter  des  thessalischen  La- 
pithenkönigs  zur  Eponyme  einer  Stadt  wurde,  deren  Bewohner  als  über 
Thera  aus  Sparta  kommende,  Dorer  galten.  Die  den  Spartanern  und 
den  Theräern  gemeinsame  Gründungssage  von  Thera,  welche  Herodot 
lY  145—149  überliefert,  setzt  erstens  die  lakonische  Besiedelnng  der 
Insel  zweifellos  ?iel  zu  früh  an.  Zweitens  sind  die  Ansiedler,  welche 
diese  Eolonisten  dort  vorfanden,  keine  Phöniker  —  von  phOnikischer 
Besiedelung  der  Insel  ist  keine  sichere  Spur  erweislich  —  sondern  der 
thessalisch-boiotische  Hellenenstamm  der  Eadmeier,  welcher  aber  hier 
wie  anderswo  fälschlich  mit  den  Phönikern  identifizirt  wurde  (indem  an 
irgend  einer  Stelle  der  kadmeischen  Ansiedelungen  im  Osten  die  Be- 
rührung mit  einem  der  von  den  Griechen  Phöniker  genannten  Völker 
die  Gleichung  des  nach  hellenischer  Weise  vorauszusetzenden  Eponymen 
dieses  Stammes  mit  dem  griechischen  Heros  Phoinix  ergab,  welcher 
frühzeitig  mit  Eadmos  und  Europa  in  genealogischer  Verbindung  er- 
scheint p.  67)  und  die  aus  denselben  griechischen  Landschaften  stam- 
menden, vielleicht  mit  den  Kadmeiern  identischen  Minyer.  Da  nun 
dieses  minysche  Element  nicht  wegzuleugnen  war,  läfst  die  spartanisch- 
theräische  Gründungssage  mittels  einer  gewaltsam  erfundenen  Wan- 
derung die  Minyer  zugleich  mit  den  von  Theras  geführten  lakonischen 
Epoiken  nach  Thera  kommen.  Theras  selbst,  der  aus  dem  Namen  der 
Insel  gewonnene  Heros  Eponymos,  wird,  um  den  Epoiken  einen  mythischen 
Rechtstitel  auf  das  besetzte  Land  zu  geben,  zum  Nachkommen  des  Ead- 
mos gemacht,  'und  an  das  mit  diesem  bereits  in  Verbindung  gebrachte 
Labdakidenhaus  angegliedert  \  Was  aber  die  Gründung  von  Eyrene  an- 
langt, so  gewinnt  Verf.  durch  scharfsinnige  Untersuchung  der  ver- 
schiedenen darauf  bezüglichen  Sagen  das  Resultat,  dafs  die  ersten  Be- 
gründer von  Eyrene  im  Wesentlichen  nicht  der  dorischen  Nachkolonie 
auf  Thera  entstammten,  sondern  (durch  Zwistigkeiten  mit  den  zur  Herr- 
schaft gelangten  Epoiken  verdrängte)  Glieder  der  älteren  kadmeisch- 
minyschen  Bevölkerung  der  Insel  waren  (Abschnitt  IV  — V,  p.  45—131). 
Der  letzte  Abschnitt  (VI,  p.  132—174)  behandelt  die  Göttin  Ey- 
rene selbst.  Dafs  sie  nicht  eine  leere  Personifikation  der  neuen  Stadt, 
sondern  eine  aus  der  thessalisch-boiotischen  Urheimat  der  Gründer 
überkommene  Gottheit  ist,  erhellt  aus  ihrer  engen  Verbindung  mit 
Apollon  und  mit  dem  zu  den  Hauptgöttern  des  alten  Hellas  gehörigen 
und  in  derselben  Gegend  wie  Eyrene  lokalisirten  Aristaios.  Sie  ist 
nicht  zu  trennen  von  der  gleichnamigen  Mutter  des  thrakischen  Diomedes, 
welcher,  von  Hause  ans  eine  echt  griechische  und  mit  dem  Tydiden 
Diomedes  identische  Gestalt  (beide  in  besonderer  Verbindung  mit  Pfer- 
den), erst  nachträglich  zum  Repräsentanten  eines  Barbarenstammes  ge- 
macht wurde.    Die  Gründer  von  Abdera  hatten  ihn  sowie  Eyrene  aus 

lonien  mitgebracht:    Teos  aber,  von  wo  540  v.  Chr.  die  Neugründung 

20» 


308    Griechische  Mythologie.     3.  Gruppen  gOttl.  u.  heroischer  Wesen. 

Abderas  erfolgte,  hatten  Minyer  unter  Athamas  colonisirt.  Vermatlich 
also  war  Eyrene  —  die  übrigens  mich  in  Eilikien  auftritt,  und  zwar  als 
Kultgottheit:  Hesych  und  Photios  s.  v.  Ku/^ßdvv^  —  mit  diesen  Minyem 
nach  lonien  gekommen.  Im  Hinblick  auf  diese  überaus  glückliche  Oombi- 
nation  erscheint  denn  allerdings  der  Satz  des  Verf.  vollberechtigt:  das 
libysche  Kyrene  hat  seinen  Namen  ?on  der  alten  Göttin,  als  deren  Be- 
sitztum —  einer  häufigen  Vorstellung  zufolge  ~  der  Ort  gefafst  wurde 
(der  Bachname  Kyre  vom  Verf.  als  Kurzform  des  Stadt-  und  Personen- 
namens verstanden). 

Verf.  sucht  dann  die  Identität  der  Kyrene  mit  Artemis  oder  ge- 
nau gesprochen  mit  der  grofsen  Naturgöttin,  welche  unter  dem  Namen 
Artemis  am  bekanntesten  ist,  zu  erweisen.  Wie  K.  bei  Pindar  als 
dyporipa  erscheint  und  in  den  späteren  Darstellungen  die  typische  Ge- 
stalt der  JagdgOttin  zeigt,  so  bedeutet  der  Name  von  STjpa^  der  Insel 
ihrer  Verehrer,  das  Jagdrevier,  und  die  spartanisch-theräische  Grün- 
dungssage, welche  diesen  geschichtlichen  Namen  erst  von  dem  Archegeten 
der  lakonischen  £poiken  herleitet,  setzt  bezeichnender  Weise  als  älteren 
Namen  der  Insel  ^Kalliste'  an,  d.  h.  den  arkadischen  Beinamen  der  Ar- 
temis. Wie  diese  Kallisto-Artemis  mit  dem  lichten  Höhengott  fest  ver- 
bunden ist,  so  ist  Kyrenes  Vater  Hypseus  kein  anderer  als  der  Zeus^Traro^ 
oder  ^r^tarog.  Der  Name  Kup^vfj  aber  und  die  Kurzform  Kupa  ist  zu- 
sammenzustellen mit  KitptoQ^  xupoof:  er  bedeutet  die  Herrin,  'nicht  allein 
ihrer  Gemeinde,  sondern  der  ganzen  Natur'.  Gleichwie  Artemis,  Medusa  und 
Nemesis  {are^avoQ  iXd^oug  i^ojv  xdi  Nexi^g  äydAfiara  ob  peydXa  Paus.  I 
33,  3  versteht  St.  mit  Dümmler  als  Darstellungen  eines  älteren  Knlt- 
bildes  der  rhamnusischen  N.)  tierhaltend  auftreten,  als  norvtat  Bi^pafu, 
so  auch  Kyrene  auf  einem  alten,  von  Thera  oder  Melos  stammenden 
Vasenbild,  welches  sie  geflügelt  und  einen  (neben  ihr  schreitenden) 
Löwen  an  Ohr  und  Schwanz  haltend  zeigt  (A.  Z.  1854  T.  61):  aus 
dieser  typischen,  symbolischen  Handlung  der  Kultgestalt  wurde,  wie  Verf. 
mit  grofser  Wahrscheinlichkeit  annimmt,  die  Sage  von  ihrem  Löwen- 
kampf herausgesponnen.  Hinsichtlich  der  sogenannten  tierhaltenden 
'Artemis'  sucht  Verf.  zu  erweisen,  dafs  weder  die  symmetrische  Anord- 
nung noch  die  Beflügelung  auf  kleinasiatischen  Ursprung  weisen,  umso- 
weniger  als  gerade  in  den  ältesten  Darstellungen  diese  Momente  noch 
nicht  unbedingte  Geltung  haben.  Auch  einen  anderen  Zug  der  Sage 
von  Kyrene,  wonach  sie  inl  xuxvwv  d^Tj^BTffa  nach  Libyen  kommt, 
möchte  Verf.  auf  einen  alten  bildlichen  Typus  zurückführen  und  zieht 
dafür  einen  Inselstein  heran  (Milchhöfer  Anfilnge  S.  86,  56*),  der  eine, 
zwei  grofse  Wasservögel  haltende  Frau  zeigt.  £ndlich  sucht  Verf.  die 
Lage  ihres  Tempels  in  Kyrene  festzustellen,  wo  sie  auch  nach  ihrer 
Heroisirung  durch  das  Epos  eine  angesehene  Kultgottheit  blieb  und  wohl 
erst  damals  hinter  ihre  Doppelgängerin,  die  panhellenische  Artemis,  zu- 
rücktrat, '  als  die  nach  Vertreibung  der  Könige  zur  Herrschaft  gelangte 


Studnicska  (Eyrene).  309 

nWellirende  Demokratie  za  Gunsteo   einer  vereinfachten  Staatsreligion 
mit  den  Qeschlechtskulten  aufränmte*  (p.  173). 

Wir  begrüfsen  diese  Untersuchung  als  eine  hocherfreuliche  Leistung 
um  deswillen,  weil  hier  wieder  einmal  gleichmäfsig  das  bildliche  (dieses 
durch  gute  Abbildungen  veranschaulicht)  und  das  litterarische  Material 
mit  besonnener  Methode  zur  Lösung  eines  religionsgeschichtlichen  Prob- 
lems herangezogen  ist.  Wer  es  noch  nicht  wissen  sollte,  der  mag  aus 
dieser  Arbeit  ersehen,  dafs  in  den  engen  Grenzen  der  griechischen  Welt 
noch  flbergenug  Schätze  zu  heben  sind  und  gehoben  werden  können, 
auch  ohne  dafs  man  nötig  hätte  die  indogermanische  Tonleiter  anzu« 
schlagen  oder  nach  ^  Analogiebeweisen'  aus  den  Naturreligionen  zu  suchen. 
Im  Einzelnen  wird  das  Buch  noch  manche  Berichtigung  und  Ergänzung 
erfahren,  wie  sie  besonders  far  die  geschichtlichen  Abschnitte  IV  und 
V  E.  Maafs  in  einer  sehr  eingehenden  und  wertvollen  Besprechung  ge- 
geben hat  (Göttingische  Gelehrte  Anzeigen  1890  Nr.  9  p.  337  —  384). 
FOr  den  eigentlich  mythologischen  Teil  hätten  wir  gewünscht,  dafs  Verf. 
das  einzige  und  konstante  Attribut  der  Kyreue,  den  Löwen,  mehr  in  den 
Mittelpunkt  der  Untersuchung  gerückt  hätte:  unter  den  altgriechischen 
Göttinnen  ist  K.  die  einzige,  für  welche  der  Löwe  charakteristisch  ist, 
und  das  erscheint  uns  bedeutsam.  Die  Möglichkeit  kleinasiatischer  Ein- 
flüsse auf  die  Entstehung  des  Typus  durfte  wenigstens  erwogen  werden. 
Auch  ist  es  keineswegs  so  selbstverständlich,  wie  Verf.  p.  143  annimmt, 
dafs  die  von  den  Lexikographen  erwähnte  Kopf^dvri  gerade  den  grie- 
chischen Bewohnern  Kilikiens  angehörte.  Was  ferner  den  Aristaios 
betrifft,  so  mufs  keineswegs  Wesensverwandtschaft  der  Grund  zur 
genealogischen  Verknüpfung  mit  Eyrene  gewesen  sein  (p.  134).  Im 
übrigen  aber  hält  sich  Verf.  von  den  traditionellen  Vorurteilen  der 
Schulmythologie  rühmlichst  frei. 

Im  Anhang  I  (Phalanthos.  p.  176-194)  untersucht  Verf.  die  der 
kyrenäischen  analoge  Gründungssage  von  Tarent  und  gelangt  zu  dem 
gut  gestützten  Ergebnis,  dafs  Phalanthos,  eine  bei  den  vordorischen 
Peloponnesiern,  in  Achaia  und  Arkadien,  heimische  Gestaltung  des  Po- 
seidon, bei  der  achäischen  Besiedeiung  Unteritaliens  auch  nach  Tarent 
gebracht,  bei  der  nochmaligen  Lakonisirung  der  Stadt  von  den  la- 
konischen Epöken  annektirt  und  in  der  Kultgestalt  des  Delphinreiters 
als  Wappenbild  auf  die  Münzen  gesetzt  wurde;  nachdem  er  aber  im 
Verlauf  der  Zeit  zu  Gunsten  des  kanonischen  Poseidon  seinen  göttlichen 
Charakter  eingebüfst  hatte  und  zu  einer  historischen  Person  herab- 
gedrückt war,  wurde  das  unverständlich  gewordene  Münzbild  durch  die 
Geschichte  von  der  wunderbaren  Rettung  erklärt,  bis  man  zuletzt,  ver- 
mutlich nicht  lange  vor  Aristoteles,  auch  diesen  wunderbaren  Zug  aus 
der  Geschichte  des  Stadtgründers  entfernte  und  das  Münzbild,  angeleitet 
durch  den  im  Nominativ  danebenstehenden  Stadtnamen,  auf  den  als  Heros 
und  Poseidonsohn  verehrten  epouymen  Flufsgott  Taras  bezog. 


310    Griechische  Mythologie.    3.  Orappen  gOttl.  o.  heroischer  Wesen. 

Anhang  11:  Hektor  von  Ferd.  Dümmler  (p.  194—206).  Aas- 
gehend von  dem  Satz,  ^dafs  die  dem  troischen  Kriege  zu  Grande  lie- 
genden Sagen  älter  sind,  als  ihre  Fixirang  aaf  troischem  Boden  in  Folge 
der  äolischen  Besiedelang  jener  Küsten'  and  dafs  die  Gegner  der  Pan- 
achaier  zum  gröfsten  Teil  *  bereits  im  Matterlande  Nachbarn  and  teil- 
weise nahe  Verwandte  der  in  der  Ilias  siegreichen  Stämme  gewesen 
sind'  macht  D.  den  interessanten  Versach,  Hektor  als  ursprünglich  the- 
banischen  Heros  za  erweisen.  Die  Argumente  sind  hauptsächlich  fol- 
gende: 1)  Hektorgrab  in  Theben  2)  H.  in  der  Ilias  das  Verhängnis  der 
Boioter,  er  erschlägt  ihren  Haoptherrscher  Oresbios  3)  H.*s  boiotische 
Herkunft  in  der  Gründungssage  von  Ohios,  welches  von  Boiotien  und 
Euboia  aus  kolonisirt  wurde. 

Georg  Knaack,  De  fabulis  nonnullis  Cyzicenis.  (Gommentationes 
philologae  in  honorem  sodalitii  philologorum  Gryphiswaldensis  .  .  . 
Berolini,  Weidmann.    1887.   8.  p.  33—41). 

Verf.  erweist  als  Quelle  von  Gonon  41  (Westermann,  Mythographi 
gr.  p.  143),  wo  die  Sagengeschichte  von  Antandros  und  Kyzikos  (Argo- 
nauten) behandelt  wird,  den  Ephoros.  Die  abweichende  Darstellung, 
welche  Apollonios  von  dem  Aufenthalt  der  Argonauten  in  Kyzikos  giebt 
(Arg.  I  936  ff.)  geht  zurück  auf  den  vom  Scholiasten  des  Apollonios  ge- 
lesenen und  häufig  citirten  Kyzikener  Deilochos  (vor  dem  pelop.  Krieg). 
Die  Beschreibung  des  Kampfes  mit  den  Eingeborenen  verdankt  Apollo- 
nios dem  Herodoros. 

Auf  die  Abhandlung  von 

H.  E.  Stein,  Topographie  des  alten  Sparta,  nebst  Bemerkungen 
über  einige  lakedämonische  Gottheiten  (Progr.  Glatz  1890.  4.  30  S. 
m.  1.  Karte), 

welche  Ref.  noch  nicht  eingesehen  hat,  sei  hier  nur  verwiesen. 

Vorwiegend  Lesbos  betreffen  zwei  Abhandlungen  von  Karl  Tüm- 
pel. 1)  Bemerkungen  zu  einigen  Fragen  der  griechischen  Religions- 
geschichte (Progr.  des  Kgl.  Fürstl.  Hedwigschen  Gymn.  zu  Neustettin 
1887).  4.  23  S. 

2)  Lesbiaka.  1.  "Enrä  Xeaß{Sec  (Philologus  Bd.  XLVIII.  1889. 
p.  99—130.) 

In  jenem  Programm  geht  T.  zunächst  der  Enalossage  auf  den 
Grund.  Nicht  ohne  Willkür  sucht  er  als  letzte  Quelle  der  ganzen 
Überlieferung  den  Lesbier  Myrsilos  zu  bestimmen  und  löst  sodann  von 
dem  Mythus  eine  blos  explikative  (durch  das  Vorhandensein  eines 
Bechers  und  eines  'Enalos'  genannten  Steins  im  Poseidontempel  ver- 
anlafste)  Legende  los.  Als  religiösen  Kern  des  somit  übrig  bleibenden 
Hauptmythus  erweist  er  unter  Heranziehung  mehrerer  Analogien,  besoq- 


Knaack,  Tflmpel  (Kysikos,  Lesbos,  Rhodos).  311 

ders  aas  dem  Atargatiskalt,  die  Kulthandlung  des  Meukadischen  Sprungs  \ 
Der  mit  dem  geopferten  Mädchen  ins  Meer  springende  Enalos  ist  in 
der  ursprünglichen  Fassung  des  Mythus  der  sich  sein  Opfer  holende, 
delphingestaltig  gedachte  Todesgott  eines  Wasserbegräbnis  anwendenden 
Seevolks  (xaranovreirfiog).  Soweit  können  wir  dem  Verf.  folgen:  da- 
gegen erscheinen  uns  die  daran  geknüpften  Vermutungen  über  ^Fisch- 
ahnenkult'  ebenso  haltlos  wie  der  bei  aller  Gelehrsamkeit  künstliche  und 
unklare  Versuch,  die  einzelnen  Bestandteile  der  Sage  nach  ihrer  Her- 
kunft zu  bestimmen  und  zwei  verschiedene  Religionskreise  nachzuweisen 
(Lakonien  und  Rhodos),  die  in  Lesbos  zusammengeflossen  seien.  Eher 
wird  man  der  diese  Untersuchung  beschliefsenden  Vermutung  beipflich- 
ten, dafs  Arion,  der  Methymnäer,  die  Sage  des  heimatlichen  Gründungs- 
heros Enalos  besungen  habe,  und  durch  ein  Mifsverständnis  das  Schick- 
sal des  letzteren  auf  den  Sänger  übertragen  worden  sei. 

Die  weiteren,  kleineren  Mitteilungen,  welche  Tümpel  in  diesem 
Programm  macht,  betreffen  die  Spar  toi,  die  Eriunioi  (und  die 
KopwveSeg  des  orcbomenischen  Gultus)  und  die  Encheleis. 

Einen  wertvolleren  Beitrag  zur  Sagengeschichte  von  Lesbos  giebt 
Tümpel  in  dem  zweiten  oben  augeführten  Aufsatz  ^Lesbiaca*.  Es  gab 
7  verstirnte  Lesbierinnen,  7  lesbische  Jungfrauen  in  der  Achilleussage, 
7  Archegeten  von  Lesbos  mit  ebensoviel  Töchtern  (wie  Verf.  wohl  richtig 
aus  Ps.Plut.  Symp.  VII.  Sap.  20.  p.  163  folgert)  und  7  lesbische  Musen. 
Als  den  Untergrund  dieser  Erscheinung  vermutet  der  Verf.  eine  Siebenzahl 
lesbischer  Orte,  wie  denn  bereits  durch  v.  Wilamowitz  die  eine  der 
7  Lesbierinnen,  Briseis,  als  Eponyme  des  lesbischen  Ortes  Brisa  nach- 
gewiesen ist.  Überhaupt  erkennt  Verf.  hinter  der  lesbischen  Lokalsage, 
welche  er  aus  den  verschiedenen  Mythenfragmenten  zu  rekonstruiren 
sucht  (teils  kriegerischer  teils  rivalisirender  Gegensatz  zwischen  drei 
Heroen:  Makar,  Agamemnon  und  Achill;  Streitobjekt:  die  durch  Kauf 
in  den  Besitz  Makar's  gekommenen,  von  Achill  ihm  mit  dem  Schwert 
entrissenen  und  schliefslich  von  Agamemnon  beanspruchten  7  Lesbierin- 
nen) historische  Verhältnisse,  nämlich  den  Gegensatz  zwischen  Aiolern 
(Repräsentant  Makar,  Sohn  des  Helios,  des  Stammgottes  der  Aioler), 
und  den  eindringenden  Achäern,  welche  Agamemnon  repräsentirt,  der 
directe  Urahn  der  später  Lesbos  und  die  Troas  besetzenden  Penthiliden. 

Hauptsächlich  Rhodos  (für  welches  wir  nachdrücklich  auch  auf  die 
im  letzterschienenen  Bericht  über  gottesdienstliche  Altertümer  be- 
sprochenen hallischen  Universitätsprogramme  Dittenbergers  verweisen) 
betrifft  die  folgende  Arbeit: 

Karl  Tümpel,  die  Aithiopenlttnder  des  Andromedamythos.  Stu- 
dien zur  rhodischen  Kolonisation  (Fleckeisens  Jahrbb.  f.  class.  Philo- 
logie.   Suppl.-Bd.  XVI  [1887])  Leipzig,  Teubner.    1887.    8.  91  S. 

Verf.  sucht  in  erster  Linie  das  ursprüngliche  Lokal  der  Andro- 
medasage  ausfindig  zu  machen.     Eine  Sichtung  der  Zeugnisse  ergiebt 


312    Griechische  Mythologie.   3.  Grnppen  göttl   n.  heroischer  Wesen. 

drei  verschiedeDe  Traditionen:  a)  eine  ältere,  sicher  bis  aaf  Earipides, 
und  wahrscheinlich  bis  auf  Pherekydes  (ApoUod.  Bibl.  II  4.  3.  6)  zu- 
rttckgehende,  welche  als  Schauplatz  Aithiopia  nennt  und  die  Kepheus- 
gattin  Eassiepeia,  die  Nereiden  (als  Veranlasserinnen  des  Mädchenopfers) 
und  die  Yerstirnung  sämtlicher  Personen  aufweist;  b)  eine  mittlere, 
durch  Herodot  und  Hellanikos  vertretene,  wonach  das  Zweistromland 
der  Schauplatz  ist ;  als  ihren  Urheber  vermutet  Verf.  Skylaz  aus  der  ka* 
rischen  Earyanda,  also  aus  der  Nachbarschaft  der  dorischen  Hexapolis; 
c)  eine  jüngere  (Ps.  Skylaz  und  Strabon)  welche  Joppe  als  Schauplatz 
nennt  und  vom  Verf.  mit  grofser  Wahrscheinlichkeit  auf  Theopompos 
zurückgeführt  wird.  Sie  kennt  weder  die  Kepheusgattin  Eassiepeia  noch 
die  Yerstirnung;  Aphrodite  (nicht  die  Nereiden)  heischt  das  Mädchen- 
opfer; es  fehlen  alte  Spuren  der  Eepheus-  und  Eephenensage.  Diese 
joppensische  Tradition  verrät  ihren  jüngeren  Ursprung  schon  dadurch, 
dafs  sie  entschieden  bestrebt  ist  Aithiopia  in  irgend  einer  Weise  mit 
nach  Joppe  hinüberzunehmen.  Ihren  Ursprung  verdankt  sie  —  wie  Verf. 
unter  Modifizirung  einer  bereits  von  H.  D.  Müller  ausgesprochenen  An- 
sicht nachzuweisen  sucht  —  jenen  argivischen  Söldnern  aus  der  dorischen 
Hexapolis,  welche  (Mitte  des  7.  Jahrb.  v.  Chr.)  im  Heer  Psammetich^s 
dienten  und  auf  den  einheimischen,  orientalischen  Eult  der  Fischgöttin 
Atargatis  (^Aphrodite')  die  griechische  Sage  von  Andromeda  übertrugen. 

Die  Tradition  also  (a),  welche  Aithiopia  als  Schauplatz  und 
Eassiepeia  als  eine  Hauptperson  der  Sage  kennt,  ist  nicht  joppeusisch 
(Movers,  Stark,  E.  Moyer)  sondern  griechisch.  Aber  wo  ist  ihre  Hei- 
mat zu  suchen?  Auf  Rhodos.  Hier,  bezw.  in  seiner  nächsten  Nach«> 
barschaft  sitzen  die  Figuren  der  Perseus-  und  Andromedasage  fest: 
Eepheus,  Andromeda  und  Eassiepeia  (die  Lokalherolne  von  Easos), 
Phoinix,  Chrysaor»  Gorgonen,  Nereiden,  Aithiopen  des  Helios  und  des 
Poseidon.  Über  Rhodos  geht  die  Wanderung  der  Argeier  des  Eepheus 
und  Danaos,  und  Seriphos,  die  mythische  Zwischenstation  des  Perseus 
auf  ^dem  Hin-  und  Rückweg  von  Argos  nach  Aithiopia  und  Rhodos  liegt 
in  beider  Zielstationen  Richtlinie*.  In  den  rhodischen  Aithiopen  sieht 
Verf.  die  vorargivische  Bevölkerung  (ebenso  auf  Eypros,  Eos,  Lesbos, 
Samothrake,  Lemnos);  ein  rot  farbig  es  Fischervolk  von  der  Art  der 
afrikanischoarabischen  und  der  mesopotamisch-erythräischen  ^Aithiopen*, 
auf  welche  Namen  und  Sagen  der  rhodischen  Aithiopen  bereits  frühzei- 
tig übertragen  worden  sind.  Der  Eult  der  Fischgöttin  Atargatis  hat, 
wie  in  Joppe  und  Rhodos,  so  auf  Lesbos  und  Samothrake,  welche  auch 
den  Namen  Aithiopia  führen,  argivischen  Mythus  und  Euitus  beeinflufst. 

Wir  müssen  uns  hier  mit  der  Wiedergabe  der  wichtigsten  Punkte 
begnügen  und  können  auf  verschiedene  wertvolle  Exkurse,  welche  die 
leider  wenig  übersichtliche  Schrift  enthält,  nur  hinweisen  (so  bes.  über 
das  Thrakertum  des  Perseus  p.  210  f.,  Ober  Aphrodite  -  Sphinx  -  LaXs 
p.  218  f.).     Das  Hauptergebnis  der  Untersuchung,  dafs  Rhodos  in  der 


Tümpel,  Gruppe,  Hiller  de  G&rtriogen  (Rhodos,  Thrakien).         313 

ältesten  Form  des  Mythus  das  Lokal  war,  erscheint  dem  Ref.  gat  ge- 
stützt. Der  Verf.  wird  durch  sein  reiches  Wissen  etwas  leicht  zu  Com- 
binationen  verführt,  ist  aber  in  ihrer  Verwertung  vorsichtig  und  strebt 
überall  nach  möglichst  vielseitiger  Beweisführung.  Durch  das  Ganze 
weht  der  gesunde  historische  Sinn  eines  Otfried  und  H.  D.  Müller: 
dafs  Verf.  auf  die  Bedeutung  des  letzteren  mit  grofsem  Nachdruck  (p.  222) 
hinweist,  hat  den  Ref.  besonders  sympathisch  berührt. 

Wir  erwähnen  hier  gleich  eine  an  Tümpefs  Aufstellungen  an- 
knüpfende Arbeit  von 

Otto  Gruppe,  Aithiopenmythen  (Philologus  XLVII.  1889.  p.  92 
-  107;  p.  328—348;  vgl.  Socin  ebd.  p.  575). 

G.  macht  eine  Reihe  von  Momenten  dafür  geltend,  dafs  die  Andro- 
medasage  ursprünglich  orientalisch  und  nicht  erst  durch  die  Griechen  in 
Joppe  lokalisirt  sei.  Derketo-,  Andromeda  ,  Jona-  und  Seroiramis-Le- 
gende  bilden  nach  seiner  Ansicht  ursprünglich  eine  phoinikische  Le- 
gende, deren  Gestalt  er  wiederherzustellen  versucht.  Zur  Bestätigung 
dieser  Ansicht  deckt  er  sodann  eine  Überlieferung  auf,  in  welcher  die 
wichtigsten  Bestandteile  dieser  Legenden  direct  mit  einander  verbunden 
sind:  den  besonders  durch  Hygin  Fab.  152  bezeugten  Synchronismus 
der  Sintflut  und  des  Phaetontischen  Weltbrandes.  Ihn  an  jener  Stelle 
durch  Annahme  einer  Interpolation  zu  beseitigen,  wie  man,  den  Stroz- 
zianus  überschätzend,  gethau  hat,  hält  Verf.  für  durchaus  unerlaubt; 
die  Oberlieferte  Reihenfolge,  welche  Fab.  153  hinter  152,  Phaeton-  und 
Sintflutsage  also  in  enger  Verbindung  giebt,  erscheint  ihm  als  die  ur- 
sprüngiiche  und  in  jeder  Hinsicht  empfehlenswerteste.  Verf.  ist  der 
Ansicht,  dafs  'der  wunderliche  Text  des  Frisingensis  das  Original  Ittr 
den  scheinbar  reineren  Text  des  Strozzianus  ist*. 

Fridericus  Hiller  de  Gaertringen,   De  Graecorum  Fabulis 
ad  Thraces  pertiuentibus.    (Diss.  inaug.  Berol.  1886.)    8.    36  S. 

Nach  einer  kritischen  Übersicht  über  die  verschiedenen  Theorien, 
welche  hinsichtlich  der  Thraker  aufgestellt  worden  sind,  handelt  Verf. 
zunächst  von  der  Boreas-  und  Oreithyiasage.  Dafs  die  Sage  im  5.  Jahr- 
hundert zu  grofser  Beliebtheit  gelangt,  während  sie  vorher  nicht  hervor- 
tritt, bringt  er  nicht  unglücklich  mit  der  Schlacht  am  Artemision  zu- 
sammen, nach  welcher  die  Athener  auf  Orakelgeheifs  dem  Boreas  einen 
Tempel  weihten.  Und  im  selben  5.  Jahrhundert  erst  werden  Eumolpos 
und  PhineuB,  um  ihre  thrakische  Herkunft  zu  kennzeichnen,  mit  Boreas 
(der  von  alters  als  Thraker  galt)  und  Oreithyia,  der  attischen  Königs- 
tochter, in  verwandtschaftliche  Verbindung  gesetzt.  In  der  zweiten 
Hälfte  seiner  Arbeit  sucht  Verf.  der  Person  des  £umolpos  beiznkommen. 
Er  verfolgt  ihn  durch  die  Liiteratur  und  gewinnt  das  Resultat,  dafs 
Eumolpos  ursprünglich  der  Eponymos  der  Eumolpiden  ist,   deren  Thä- 


314    Griechische  Mythologie.    3.  Gruppen  göttl.  n.   heroischer  Wesen. 

tigkeit  er  wiederspiegelt,  ond  in  Elensis  zu  Hause,  nicht  in  Thrakien. 
Als  priesterlicher  Sänger  kommt  er  anter  die  orphischen  Dichter  und 
konnte  nun  auch  von  Thrakien,  der  Heimat  der  Orphica,  hergeleitet  wer- 
den. Diesen  Ursprung  findet  Verf.  zuerst  und  in  entschiedener,  die 
Folgezeit  bestimmender  Weise  bei  Euripides  vertreten.  —  Der  Verf. 
zeigt  Geschick  und  Verständnis  fftr  religionsgeschichtliche  Fragen,  geht 
aber  dem  Gegenstand  nicht  so  gründlich  zu  Leibe,  dafs  von  einer  er- 
schöpfenden Behandlung  die  Rede  sein  könnte.  Die  in  Aussicht  gestellte 
Fortsetzung,  in  der  Pbineus  und  Tereus  behandelt  werden  sollen,  ist 
dem  Ref.  noch  nicht  zu  Gesicht  gekommen. 

Sam.  Wide,   De   sacris  Troezeniorum,  Hermionensium,  Epidau- 
riorum  commentatio  academica.    Upsalae  1888.  8.  93  S. 

Die  mythologische  Wissenschaft  mufs  vom  Himmel  herabsteigen 
und,  bevor  sie  den  letzten  Ursprung  und  die  letzte  Bedeutung  der 
Götter  zu  ergründen  sucht,  erforschen  'quae  cuique  civitati  vel  regioni 
fuerint  religiones,  quam  similitudinem  inter  se  habeant,  quomodo  ex 
alia  regione  ad  aliam  translatae  sint'.  Von  diesem  sehr  löblichen 
Grundsatz  ausgehend  behandelt  Verf.  die  Kulte  der  genannten  Orte  in 
der  Weise,  dafs  er  für  jeden  einzelnen  die  litterarischen  und  inschrift- 
lichen Zeugnisse  zusammenstellt  und  dann  zu  ermitteln  sucht,  an  wel- 
chen anderen  Lokalen  Griechenlands  derselbe  Beiname,  dieselbe  Verbin- 
dung mit  anderen  Gottheiten,  derselbe  Kultbrauch  und  Mythus  wieder- 
kehrt. Leider  bleibt  diese  Untersuchung,  deren  Resultate  eine  Tabelle 
am  Schlufs  veranschaulicht,  viel  zu  sehr  an  der  Oberfläche:  festzustellen 
wie  alt  der  Kult,  bezw.  die  Sage  am  einen  und  am  anderen  Ort  ist,  ob 
und  wie  eine  Übertragung  stattgefunden  hat,  dazu  nimmt  der  Verf.  nur 
selten  einen  ernsthaften  Anlauf,  wie  er  denn  auch  die  verschiedenen 
Zeugnisse  gleichmäfsig,  ohne  Rücksicht  auf  ihre  Entstehungszeit,  ver- 
wertet. Monumente  sind,  eine  recht  oberflächliche  Heranziehung  der 
MOnztypen  abgerechnet,  kaum  befragt,  von  der  Bedeutsamkeit  der 
Attribute  für  eine  derartige  Untersuchung  scheint  Verf.  nichts  zu 
wissen. 

Das  interessanteste  Ergebnis  der  Arbeit  ist  die  weitgehende 
Übereinstimmung,  welche  Verf.  zwischen  Troizen  und  Athen,  zwischen 
Troizen,  Hermione  einerseits  und  Lakonien  andererseits  aufdeckt  Es 
läfst  sich  aber  mit  dieser  blofsen  Statistik  nicht  viel  anfangen,  so  lange 
der  Verf.  nicht  die  zu  Grunde  liegende  geschichtliche  Entwickelung  weit 
gründlicher  verfolgt  hat,  als  er  es  in  einem  Falle  (p.  6  f.)  versucht. 
Dafs  es  ihm  an  Geschick  und  Methode  nicht  fehlt,  beweist  die  glückliche 
Anlage  der  Untersuchung:  möchte  er  nur  bei  ferneren  Arbeiten  sich 
engere  Grenzen  stecken  als  diesmal  und  dafür  mehr  in  die  Tiefe  gehen. 

b.  Wir  wenden  uns  jetzt  zu  denjenigen  Schriften,  welche  zwei  oder 


Wide,  Rofsbach,  Boehlan  (Thrakien,  Troizen  a.  a.).  315 

mehrere  mythologische  Wesen  unter  bestimmten  sachlichen  Gesichts- 
punkten zusammenfassen. 

Otto  Rossbach,  Auge  und  Pelopeia  (Philologische  Abhandlun- 
gen, Martin  Hertz  dargebracht.  Berlin,  Hertz  1888.  8.  p.  144 
—  156) 

verwertet  drei  pompejanische  Gemälde  (Regione  VHI  isola  3  No.  4; 
Reg.  IX  isola  6  *  No.  6  und  2)  für  die  Sage  vom  Liebesabenteuer  des 
Herakles  und  der  Auge.  Verf.  gewinnt  unter  Heranziehung  der  eigen- 
tümlichen Version  der  Sage  von  Thyestes  und  Pelopeia  bei  Hygin  88, 
welche  er  als  Parallelmythus  auffafst,  folgende  Umrisse  der  Herakles- 
Auge-Sage:  *H.  wird  bei  dem  Gastmahl  des  Aleos  trunken  und  irrt  in 
der  Nähe  des  Heiligtums  der  Athena  umher.  Unterdessen  hat  die 
schöne  Tochter  des  Aleos,  A.,  als  Priesterin  der  Athena,  an  den  dieser 
zu  Ehren  aufgeführten  Chortänzen  teilgenommen,  verläfst  dieselben  aber 
mit  einer  Gefährtin,  um  ein  mit  Blut  der  Opfertiere  beflecktes  Gewand- 
stück zu  reinigen.  Hierbei  erblickt  sie  H.  und  gewinnt  ihre  Liebe', 
(p.  152).  —  Die  Variante  der  Peiopeia-Sage  bei  Hygin  88  führt  Verf. 
vermutungsweise  auf  einen  griechischen  Tragiker  zurück,  der  teilweise 
vielleicht  den  Auge-Mythus  benutzte. 

Zwei    bisher   wenig   beachtete   Gestalten   der   Mythologie   werden 
durch  den  inhaltreichen  Aufsatz  von 

Johannes  Boehlau,  Butes  und  Eoronis  (Bonner  Studien  Rein- 
hard Kekul6  gewidmet.    Berlin,  Spemann  1890.    8.    p.  126 — 138) 

ins  Licht  gerückt,  indem  B.  die  verschiedenen  Vertreter  der  beiden 
Namen  auf  je  ein  und  dieselbe  Gestalt  zurückführt.  Butes,  der 
Stammvater  der  Eteobutaden,  der  mythische  Oikistes  vom  Eryx  und  von 
Naxos  ist  eine  alte,  u.  a.  in  Thessalien  (nazische  Gründungssage: 
Diodor  V  51)  verehrte  Gottheit,  dem  Poseidon  verwandt.  Wenn  B.  ihn 
*  Meergott'  nennt,  so  hat  dies  ebensoviel  und  ebensowenig  Berechtigung, 
wie  bei  Poseidon  selber,  über  dessen  ursprünglich  viel  umfassenderes 
Wesen  doch  kaum  ein  Zweifel  bestehen  kann.  Die*  verschiedenen  ^Ko- 
ronis'  hingegen  sucht  B.,  wie  dem  Ref.  scheint  z.  t.  mit  guten 
Gründen  als  Ausfluss  einer  alten  thessalischen,  vorzugsweise  chthonischen 
Göttin  AtYhj'Kopüivrj  (A«klepiosmutter  Aigle-Koronis,  Aigle  und  Korone 
in  Phokis,  des  Theseus  Geliebte  Aigle  oder  Koronis  u.  a.)  zu  erweisen, 
wobei  er  den  Namen  Kopwwij  als  Erweiterungsbildung  von  xopi^  =  *die 
Jungfrau'  und  das  Attribut  der  Krähe  als  alte  Volksetymologie  fafst. 
V.  Wilamowitz'  Untersuchung  im  'Isyllos'  wird  dadurch  in  einzelnen 
Punkten,  besonders  hinsichtlich  der  hesiodischeu  Eoe,  bestätigt  und  be- 
richtigt. Gelegentlich  des  chthonischen  Charakters  der  K.  durfte  B. 
an  die  entsprechende  Seite  Aphroditens  erinnern,  der  Gemahlin  des 
erycinischen  ßutes. 


316     Griechische  Mythologie.   3.  Gnippen  göttl.  u.  heroischer  Wesen. 

Maximilian  Mayer,  Die  Giganten  und  Titanen  in  der  antiken 
Sage  und  Kunst.    Berlin,  Weidmann.     1887.   8.   413  S.  2  Tafeln. 

Das  eigentliche  Wesen  der  Gigniiten  findet  Verf.  in  der  Vorstel- 
lung von  ihrer  Erdgeburt  ausgesprochen,  indem  er  mit  richtigem  Takt 
die  in  der  Tbeogonie  vertretene  Vaterschaft  des  Uranos  als  völlig 
fremdartiges  Element  vom  Mythus  loslöst,  dagegen  in  der  Abstammung 
ix  fuXtäv,  welche  die  ^  Werke  u.  Tage'  dem  ehernen  Geschlecht,  d.  h. 
den  Giganten,  zuschreiben,  den  volkstOmlichen  Ausdruck  fftr  die  Erd- 
geburt erkennt.  Im  Unterschied  von  Lapithen  sowie  andern  Baum-  und 
Steingeschlechtem  nicht  an  ein  bestimmtes  Local  gebunden,  sind  die 
Giganten  ursprünglich  ganz  allgemein  die  mythisch  gestalteten  Autoch- 
thonen  und  Urgeschlechter,  in  deren  Schilderung  bald  die  kriegerische 
Gewalt  —  bald  (Aloaden)  die  auf  einer  hohen  agrarischen  Kultur  be- 
ruhende Übermacht  stArker  hervortritt. 

Die  Titanen  dagegen  erweist  Verf.  unter  sorgfältiger  PrQfung  der 
einzelnen  Gestalten  als  vordorische  Kultwesen  des  Peloponnes.  Sie  sind 
Erscheinungsformen  des  Sonnengottes,  des  eigentlichen  T/raw,  dessen 
Name  einem  bekannten  Prozefs  gemäfs  vervielfacht  wurde.  Von  dem 
Urgott  Tay,  welcher  Sonnen-  und  Gewittergott  zugleich  war  (am  deut- 
lichsten erhalten  in:  Janus,  amykl.  Apoll,  Vejovis,  Zeus  Triops),  ist  bei 
ihnen  nur  die  Sonnenseite  ausgeprägt,  während  seine  Beziehung  zu 
Donner  und  Blitz  sich  auf  die  Kyklopen  vererbt.  Diese  sind  Gewitter- 
götter, Hypostasen  des  Zeus,  dessen  dreiäugiges  Bild  zu  Argos  Verf. 
mit  Fug  und  Recht  hierherzieht.  Und  wie  die  Kyklopen  Hypostasen 
des  Zeus,  so  sind  die  Hekatoncheiren  Hypostasen  des  von  Zeus  als  Z. 
Enalios  losgetrennten  Poseidon,  Dämonen  des  vielarmigen  Meeres. 

Nach  diesen  grundlegenden  Untersuchungen  behandelt  Verf.  die 
Gigantomachie.  Die  Wieseler -Schömann  sehe  Annahme  von  der  Betei» 
ligung  der  Giganten  an  der  Hesiodischen  Titanomachie  wird  widerlegt 
(der  Übergang  von  Titanen  in  Giganten  war  vorher  an  verschiedenen 
Beispielen  dargelegt),  doch  der  Vermutung  Raum  gegeben,  dafs  bereits 
bei  Eumelos  sich  die  Gigantomachie  an  die  Titanomachie  anschlofs. 
Einer  ausführlichen  Analyse  unterzieht  Verf.  dann  ApoUodors  Darstel- 
lung der  Gigantomachie,  für  welche  er  ein  entschieden  attisches  Kolorit, 
aber  nicht  attischen  Ursprung  zugiebt.  Der  Kampf  mit  Alkyoneus  wird 
als  nur  äufserlich  angeknüpft  ausgeschieden;  ebenso  gehört  die  Hinein- 
ziehung des  Westens  —  Sizilien  von  Athena  auf  den  Enkelados  gewor- 
fen —  nicht  zum  Kern  der  Apollodorischen  Erzählung,  wenn  auch  der 
Mythus  selbst  bereits  früh  auf  die  vulkanischen  Stätten  des  Westens 
übertragen  war.  Endlich  bespricht  Verf.  die  hellenistischen  Giganten- 
kämpfe und  die  Weiterbildungen  der  Sage. 

Der  zweite  Teil  des  Buches  behandelt  die  Bildwerke.  Aus  sei- 
nem ersten  Abschnitt,  der  den  untergegangenen  Darstellungen  gilt, 
heben  wir  hervor,  dafs  Verf.  an  der  Parthenosstatue   dei/  ganzen  In* 


Mazimilian  Mayer  (Giganten  und  Titanen).  317 

Denraum  des  Schildes  mit  Figuren  ausgefüllt  haben  will,  and  dafs  er 
den  Panathenäenpeplos  der  Part  bonos  und  nicht  der  Polias  zuspricht, 
fttr  die  er  allerdings  vor  Erbauung  des  Parthenons  bestimmt  war. 
Dann  werden  mit  dankenswerter  Genauigkeit  die  erhaltenen  Darstellun- 
gen aus  den  verschiedenen  Gebieten  der  Kunst  vorgeführt.  Bezüglich 
der  schlangenfOfsigen  Bildung  und  des  Typhoeus,  welchen  Verf.  ein  be- 
sonderes Kapitel  widmet,  hat  seine  Untersuchung  die  folgendeu  Sätze 
zum  Ergebnis:  M)  dafs  die  Begriffe  Erdgeborne  und  Giganten  sich 
nicht  decken,  2)  dafs  die  Giganten  in  dem  landestlblichen,  aufserhalb 
jedes  Wortstreits  liegenden  Sinne  auch  in  der  Kunst  nur  als  eine  Mehr- 
heit menschlich  gestalteter  Wesen  eintreten,  in  einer  Reihe  von  Einzel- 
kämpfen mit  den  Göttern,  3)  dafs  als  wirklicher  Einzelkampf  des  Zeus 
nur  der  gegen  Typhon  bekannt  ist,  so  lange  er  nämlich  nicht  mit  den 
Giganten  vermengt  wird;  4)  dafs  diese  Vermengung  mit  der  Mischgestalt 
der  Giganten  im  inneren  Connex  stehen  mufs.'  (p.  282).  In  dem  Ab- 
schnitt 'attische  Vasen'  wird  gegen  Jahn  —  Koepp — Kuhnert  auch  die 
Bttckseite  der  grofsen  Neapeler  Gigantomachie  auf  diesen  Mythus  bezo- 
gen. Die  Schlangentopfwerferin  des  pergamenischen  Frieses  (N)  nennt 
Verf.  Hygieia,  (wie  denn  schon  Trendelenburg  eine  Genossin  des  Askle- 
pios  erkannt  hatte),  indem  er  den  begrenzten  Umfang  des  dargestellten 
Götterkreises  gegen  die  Heranziehung  entlegener  Personen  wie  Styx  und 
Isis  geltend  macht.  Eine  stichhaltigere  Begründung  des  vom  Verf.  vor- 
geschlagenen Namens  dürfte  aus  einer  Geschichte  des  Hygieiatypus  und 
-Kultus,  welche  bislang  nicht  geschrieben  ist,  gewonnen  werden. 

Das  Gesamturteil  über  das  Buch  wird  etwas  herabgedrückt  durch 
die  vielfachen,  bereits  von  anderer  Seite  hervorgehobenen  Spuren  von 
Unfertigkeit.  Die  Einzelresultate  der  ersten  Abschnitte  werden  in  den 
späteren  häufig  nicht  in  dem  Mafs  herangezogen,  wie  man  erwarten 
sollte:  der  Verf.  steht  noch  zu  sehr  mitten  unter  den  Bausteinen,  welche 
er  zurecht  gehauen  hat,  er  übersiebt  sie  noch  nicht  hinreichend.  Auch 
das  einzelne  wird  z.  t.  noch  sehr  im  Zustand  der  Gährung  dargeboten, 
statt  geklärt  und  verarbeitet,  und  manches  wäre  besser  unterdrückt 
worden,  wie  z.  B.  die  haltlose  und  für  das  Ganze  völlig  unwesentliche 
Vermutung,  dafs  auch  den  Kykiopen  ursprünglich  der  Name  *  Titan'  zu- 
gekommen sei.  Demungeachtet  gehört  die  Arbeit  zu  den  erfreulichsten 
Erscheinungen,  welche  die  griechische  Mythologie  der  letzten  Jahre 
aufzuweisen  hat.  Der  Verf.  zeigt  Methode  und  Besonnenheit,  sowie  eine 
richtige  Auffassung  von  den  Aufgaben  der  mythologischen  Wissenschaft; 
er  hat  sich  —  was  besondere  Anerkennung  verdient  —  von  den  Erb- 
fehlern der  Schulmythologie  ziemlich  emanzipirt.  Spuren  davon  ver- 
raten sich  allerdings  mehrmals,  besonders  in  der  Zaghaftigkeit,  mit 
welcher  er  eines  der  interessantesten  Resultate  seiner  Untersuchung  ans 
Licht  rückt:  dafs  die  älteste  Zeit  den  Sonnen-  und  den  Gewittergott 
wahrscheinlich  in  einer  Person  gefafst  hat.    Wir  glauben,  auch  die  spä- 


318    Griechische  Mythologie.   3.  Gruppen  göttl.  n.  heroischer  Wesen. 

tere  Zeit  hat  einseitig  solare  und  andrerseits  blos  donnernde  Gottheiten 
nicht  gekannt,  sondern  nur  von  einem  stärkeren  Hervortreten  der  einen 
oder  der  anderen  Seite  kann  die  Bede  sein.  Dieser  Satz  erhält  durch 
die  Arbeit  des  Verf.  eine  Reihe  interessanter  Belege  (Eyklopen!),  wird 
aber  nicht  geutlgend  hervorgehoben,  sondern  eher  getrabt  durch  die 
Bezeichnung  der  Titanen  als  'Hypostasen  des  Sonnengottes'  und  der 
Eyklopen  als  ^Hypostasen  des  Zeus*. 

Einen  seit  Langbehn's  Monographie  ttber  die  Flttgelgestalten 
wohl  nicht  behandelten  wichtigen  Gegenstand  ans  der  ältesten  Eunst- 
und  Religionsgeschichte  hat  mit  £rfolg  wieder  aufgenommen 

Ernst  Enoll,  Untersuchungen  ttber  das  Attribut  der  Beflttglnng 
in  der  ältesten  griechischen  Eunst.  Teil  einer  MOnchner  Inaugural- 
dissertation.   Mit  einer  Tafel.    München  1888.  8.  40  8. 

Entgegengesetzt  der  herrschenden  Neigung,  das  Attribut  der  Be- 
flOgelnng  aus  der  assyrisch-babylonischen  Welt  herzuleiten,  kommt  der 
Verf.  durch  eine  sorgfältige  Prüfung  der  formalen  Behandlungsweise  der 
Beflttgelung  zu  dem  ttberraschenden  Ergebnis,  dafs  als  letzte  Quelle  fttr 
die  griechische  Eunst  Ägypten  anzusehen  ist:  die  altgriechischen  und 
etruskiscben  Flttgelgestalten  weisen  nämlich  dieselben,  von  dem  im  Eu- 
phratland  ttblichen  Typus  abweichenden,  Formen  auf,  welche  Verf.  als 
eine  in  der  phoinikischen  Eunstindustrie  vollzogene  Umbildung  des 
ägyptischen  Schemas  erweist. 

Die  Flufsgötter,  besonders  hinsichtlich  ihrer  Gestalt  in  Eultus, 
Poesie  und  Eunst,  behandelt  der  kurze,  aber  tüchtige  Artikel  von  Leh- 
ner dt  in  Roschers  Lexikon  Sp.  1487—  1496.  Das  archäologische  Ma- 
terial ist  in  vollem  Umfang  verwertet. 

Die  Abhandlung  von 

Walz,  Über  die  Erklärung  der  Eckfiguren  am  Ostgiebel  des 
olympischen  Zeustempels  und  am  Westgiebel  des  Parthenon  (Pro- 
gramm des  Egl.  Württemb.  Ev.  Theol.  -  Seminars,  Maulbronn  1887) 
4.    39  8. 

erwähnen  wir  nicht  wegen  der  neuen  Erklärung  der  olympischen  Eck- 
figuren, welche  Verf.  aufstellt  —  er  erkennt  in  ihnen  ^  Leute  aus  dem 
Gefolge  des  Pelops  und  Oinomaos,  die  ebensowenig  zu  benennen  sind 
wie  vier  andere  Statuen  des  Giebels*  —  als  wegen  der  beachtens- 
werten Untersuchung,  welche  Verf.  den  Flufsgottheiten  im  allgemeinen 
widmet  Er  kommt  zu  dem  Resultate,  ^dafs  die  Flttsse  in  der  Sagen- 
bildung zwar  als  mythologische  Persönlichkeiten  auftreten,  aber  selbst 
als  solche  starke  Beziehungen  zu  ihrem  Element  aufweisen,  sich  gleich- 
sam nicht  auf  die  Höhe  freiwaltender  Gottheiten  erhoben  haben  und 
stets  geneigt  sind  in  ihr  Element  ttberzugehen.  Dagegen  zeigt  die 
Poesie  der  klassischen  Periode  kein  Beispiel,  in  welchem  ein  Flufs  reine 


Knol],  Lehnerdt,  Wals,  Posnansky  (FIflgelgestalten,  FluTsgötter,  Nemesis.)    319 

Localpersonifikation  wäre',  und  ebensowenig  hält  Verf.  fOr  das  5.  Jahr- 
bandert  ein  Monument  nacbweisbar,  wo  ein  Flufsgott  lediglich  zur  Be- 
zeichnung des  Lokales  gesetzt  wäre.  Erst  spät  kommt  der  Typus  der 
FlufsgOtter  als  gelagerter  Männer  auf,  dessen  frObester  Repräsentant 
die  Figur  des  Nil.  Während  die  alte  Zeit  die  zeugende  Kraft  des 
Flusses  durch  das  Symbol  des  Stieres  ausdrückte,  werden  jetzt  seine 
Wirkungen ,  .üppiges  Wachstum  und  Gedeihen,  auf  den  Flufsgott  selbst 
übertragen  und  in  äufserlicher  Weise  durch  Attribute  wie  Füllhorn  und 
Ährenbüschel  bezeichnet. 

Hermann  Posnansky,  Nemesis  und  Adrasteia.  Eine  mytholo- 
gisch-archäologische Abhandlung.  (Bresiauer  philologische  Abhand- 
lungen. Fünfter  Band.  Zweites  Heft.)  Breslau,  Köbner  1890.  8. 
184  S.   Mit  einer  Doppeitafel. 

Homer  bezeichnet  mit  vifuatq  (Tadel')  ein  Gefühl  des  Unwillens 
gegen  die  Verletzung  alles  dessen,  was  der  Grieche  voiioq  nennt,  also 
der  geschriebenen  und  moralischen  Gesetze  (Wurzel  NEM  *  zurechnen' 
and  in  malam  partem  'verübeln'),  und  die  Nemesis  Hesiods  ist  lediglich 
eine  Personifikation  dieses  sittlichen  Begriffes.  Dagegen  ist  seit  Sopho- 
kles die  wesentliche  Modifikation  bemerkbar,  dafs  sich  die  vifisaig  jetzt 
vorwiegend  gegen  alles  richtet,  was  den  Göttern  unliebsam  sein  könnte, 
gegen  jede  Sßpc^. 

Nach  dieser  begriffsgeschichtlichen  Darlegung  untersucht  Verf.  die 
Beziehungen  der  N.  zu  Aphrodite  und  zu  Artemis.  Wenn  Agorakritos 
für  seine  rhamnusische  N.  den  Aphroditetypus  wählte,  so  fufst  er  dabei 
auf  den  Kyprien,  welche  die  Aphrodite  im  trojanischen  Krieg  die  Rolle 
der  N.  spielen  liefsen,  indem  der  zur  Strafe  für  die  Sündhaftigkeit  der 
Menschheit  veranstaltete  Krieg  (das  ist  die  Tendenz  des  Dichters)  in 
erster  Linie  als  ihr  Werk  dargestellt  wurde.  Nicht  der  Leda,  sondern 
der  N.  Tochter  war  Helena  in  den  Kyprien:  der  alte  naturalistische 
Mythus  von  Zeus'  Verbindung  mit  Leda  (Himmelsgott  und  himmlische 
Lichtjnngfrau)  wird  der  Grundtendenz  des  Gedichtes  zuliebe  auf  N. 
übertragen.  Während  also  die  Beziehung  zu  Aphrodite  keineswegs  eine 
ursprüngliche  war,  bot  das  Wesen  der  Artemis  so  bedeutsame  An- 
knüpfungspunkte (ihr  strenger  Charakter,  ihr  Beiname  Oumg  als  Auf- 
seherin und  Rächerin  der  ußpt^)  dafs  eine  Anlehnung  der  N.  an  diese 
Göttin  durchaus  nahe  lag. 

Vom  Wirkungskreis  der  N.  bespricht  Verf.  a)  ihre  vermutlich  auf 
Attika  beschränkte  Bedeutung  als  Toteugöttin.  Sie  rächt  die  im  Leben 
nicht  gesühnten  Vergehen  der  Verstorbenen  und  wird  deshalb  an  den 
Nemesia  durch  Opfer  versöhnt,  sie  rächt  aber  auch  die  Toten  gegen  die 
von  Lebenden  zugefügten  Beleidigungen,  b)  als  Rächerin  der  5ßpts 
überhaupt  straft  sie  Frevel  gegen  die  Götter,  Mangel  an  Ehrerbietung 
gegen  Höherstehende  und  an  Schonung  gegen  Gleichstehende  oder  Un- 


320    Oriechische  Mythologie.    3.  GrappeD  gftttl.  u.  heroischer  Wesen. 

tergeordnete,  Übermut  und  Prahlerei.  Daraus  entwickelt  sich  c)  ihr 
Amt  als  WahreriD  des  rechten  Mafses  (Ellenmafs  ihr  Attribut).  Eine 
psychologisch  leicht  begreifliche  Entstellung  war  es,  wenn  sie  d)  zum 
neidischen,  launenhaften  Dämon  wurde.  Darnach  behandelt  Verf.  ihre 
Annäherung  an  Fortuna,  ihren  Synkretismus  mit  anderen  Grottheiten  und 
ihre  Kultstätten.  Hinsichtlich  des  smyrnäischen  Kultes  polemisirt  er 
gegen  Gerhard  u.  A.,  ohne  selbst  eine  Erklärung  der  Zweigestalt, 
welche  er  fOr  durchaus  bedeutungslos  hält  (!),  an  die  Stelle  zu  setzen. 

Ffir  Adrasteia  macht  Verf.  wahrscheinlich,  dafs  sie  eine  Erschei- 
nungsform der  Kybele  ist,  wie  sie  in  der  Stadt  des  Adrastos,  in 
Adrasteia  und  in  der  Umgegend  Verehrung  fand  und  mit  dieser  lokalen 
Färbung  nicht  nur  Berühmtheit  erlangte,  sondern  sich  auch  zu  einer 
eigentümlichen  Gottheit  ausbildete,  die  schliefslich  durch  ihr  Wesen 
kaum  noch  an  ihren  Ursprung  erinnerte  (p.  84).  Ihre  weitere  Entwick- 
lung in  der  orphischen  und  philosophischen  Litteratur  wird  ausführlich 
dargelegt;  ihre  Gleichsetzung  mit  Nemesis  schreibt  Verf.  ohne  aus- 
reichende Begründung  den  Pergamenern  zu. 

Die  bildlichen  Darstellungen  der  Nemesis  scheidet  Verf.  in  solche 
ohne  Allegorie  und  in  allegorische.  Zur  ersteren  Klasse  rechnet  er  das 
rhamnusische  Bild  —  welches  eine  ausführliche,  doch  nichts  wesentlich 
Neues  bietende  Behandlung  erfährt  —  nicht  aber  die  von  Furtwängler 
(Samml.  Sab.)  hierhergezogenen  Gemmenbilder,  da  der  Hirsch  als  Attri- 
but der  N.  sonst  nicht  nachweisbar  sei  und  das  Charakteristikum  des 
N.typuB,  die  Gewandlüpfung,  bei  einigen  dieser  Figuren  fehle.  Die  sehr 
reichhaltige,  nach  Kunstgattungen  geordnete  Aufzählung  der  allegorischen 
Bildwerke  leitet  Verf.  mit  einer  Prüfung  der  Merkmale  des  N.  typus 
hinsichtlich  ihrer  Zuverlässigkeit  ein:  eine  Reihe  angeblicher  N. bilder 
fallen  demnach  als  Aphrodite,  Psyche,  Fortuna,  Pax  u.  s.  w.  aus  diesem 
Kreise  heraus. 

Der  Verf.  hat  das  Material  sorgfältig  zusammengetragen  und  ge- 
sichtet, aber  das  religionsgeschichtliche  Problem,  welches  sich  an  den 
Namen  der  N.  knüpft,  hat  er  eher  verwirrt  als  gelöst.  Wenn  er  die 
das  rhamnusische  Bild  betreffende,  auf  Antigonos  zurückgehende  Pli- 
niusnotiz  für  glaubhaft  hält  (vgl.  p.  95)  so  galt  es  einfach  die  Thatsache 
anzuerkennen:  das  Werk  des  Agorakritos  war  ein  Aphrodite-  und  kein 
Nemesisbild,  aber  die  Typen  der  beiden  Gottheiten  waren  derartig  über- 
einstimmend, dafs  die  Rhamnusier  das  Bild  ohne  weiteres  für  ihren 
Tempel  der  N.  gebrauchen  konnten.  Verf.  stellt  die  Sache  auf  den 
Kopf,  wenn  er  die  Motive  des  Künstlers  für  seine  aphroditeartige  Dar- 
stellung der  N.  aufzuspüren  sucht:  wir  wollen  die  von  Agorakritos  vor- 
gefundene Übereinstimmung  zwischen  dem  Aphrodite-  und  dem  N.- 
typus  erklärt  haben.  Dafs  nun  die  rhamnusische  Gemeinde  unter  dem 
Einflufs  der  Kyprien,  wo  Aphrodite  —  nach  des  Verf.  kaum  hinreichend 
begründeter  Ansicht   -     die  Rolle  der  N.  spielte,  ihre  Vorstellung  von 


Posnaoaky,  Schnlts  (Nemesis  a.  Adrasteia,  Ortsgottheiten).         321 

letzterer  modifizirt  haben  sollte,  wer  will  das  glauben  ?  Der  Verf.  unter- 
schätzt die  Festigkeit  des  Kultus  in  befremdlichem  Grade.  Die  Ent- 
stehungsgeschichte jenes  Bildes  ist  gerade  ein  deutlicher  Beweis  für  die 
ursprOngliche  Verwandtschaft  von  N^.  und  Aphrodite,  und  wie  steht  es 
mit  dem  anderen  vom  Verf.  verfochtenen  Satz,  dafs  N.  von  Hause  aus 
eine  blofse  Personifikation  des  abstrakten  Begriffes  sein  soll?  Er  hat 
ein  kaum  ttberwindliches  Bedenken  gegen  sich,  nämlich  die  intime  Ver- 
bindung der  N.  mit  dem  Totenkult.  Wenn  irgend  ein  Gebiet  des  Kul- 
tus dem  Einschub  leerer  Personifikationen  Widerstand  leisten  mufete, 
dann  war  es  dieses.  Dafs  Homer  die  Göttin  nicht  gekannt  hat,  beweist 
natttrlidi  garnichts  fftr  des  Verf.  Annahme. 

Otto  Schultz^  Die  Ortsgottheiten  in  der  griechischen  und 
römischen  Kunst.  (Berliner  Studien  für  classische  Philologie  und  Ar- 
chäologie. Bd.  VIII,  Heft  3.).    Berlin,  Calvary.    1889.   8.   84  S. 

Verf.  unterscheidet  Ortsgottheiten  im  engeren  Sinn,  *d.  h.  die  mit 
der  Erdoberfläche  in  enger  Beziehung  stehenden  Gottheiten,  wie  die  der 
Flttsse  und  Quellen,  der  Länder,  Städte  und  Berge'  und  'Lokalgott- 
heiten*, d.h.  solche  Ortsgottheiten,  deren  besonderer  Zweck  i^t, 'den 
Ort,  an  welchem  die  Handlung  vor  sich  geht,  zu  erkennen  zu  geben*. 
Das  erste  Kapitel  untersucht  die  Darstellungen  der  Torhellenistischen 
Kunst:  Ortsgottheiten  sind  hier  nur  spärlich,  Lokalgottheiten  garnicht 
vertreten,  sogar  beim  Alpheios  und  Kladeos  des  Ostgiebels  von  Olympia 
soll  die  lokale  Seite  vollständig  hinter  der  göttlichen  zurtlcktreten,  und 
ebenso  ist  im  Westgiebel  des  Parthenon,  wie  Verf.  unter  ausführlicher 
Kritik  der  Aufstellungen  Brunn' s  zu  erweisen  versucht,  an  Lokalgott- 
beiten  überhaupt  nicht  zu  denken.  Das  Vorhandensein  einzelner  Orts- 
gottheiten in  diesem  Giebel  wird  zugegeben,  aber  Verf.  unterläfst  es  sie 
zu  bestimmen,  'da  dieses  den  Rahmen  der  Arbeit  weit  überschreiten 
würde  \  Dagegen  soll  in  der  hellenistischen  und  römischen  Kunst,  deren 
Darstellungen  das  zweite  Kapitel  behandelt,  das  Übergewicht  entschie- 
den auf  Seite  der  Lokalgottheiten  sein.  Verf.  bespricht  hier  gesondert 
Flufs-,  Quell-  und  Berggottheiten,  sowie  solche  von  Ländern  und  Städten. 
Von  ersteren  unterscheidet  er  zwei  Hauptklassen:  die  eine  von  der 
echtgriechischen  Idee  ausgehend,  dafs  Gott  und  Flufs  identisch  sei, 
stellt  den  Flufs  als  auf  der  Erde  sitzende  oder  gelagerte  (meist  ig 
dyxwva)  menschliche  Gestalt  dar,  die  andere,  mehr  dem  römischen 
Glauben  entsprechende,  läfst  den  Gott  in  halber  Figur  aus  seinem  Ele- 
ment hervortauchen.  Das  Vorkommen  von  Berggottheiten  schon  in  der 
griechischen  Kunst  nimmt  Verf.  gegen  Gerber  an,  aber  nicht  in  der  von 
Wieseler  behaupteten  Ausdehnung  und  auch  nicht  für  die  voralexandri- 
nische  Zeit.  Für  die  Flufsgötter  giebt  Verf.  eine  zusammenfassende 
Darstellung  des  Typischen  in  Hinsicht  auf  Haltung,  Attribute  u.  s.  w. : 
im  allgemeinen  verliert  er  sich  zu  sehr  in  der  Erklärung  einzelner  Mo- 

JahrMberlttbt  für  AltortamflirlsB«nBcbaft.  IiXYI.  Bd.  21 


322    Oriechisehe  Mythologie.    3.  Gruppen  göttl  n.  heroischer  Wesen. 

namente  und  ist  weit  davon  entfernt,  den  Gegenstand  erschöpft  za 
haben.  Das  wichtige  Gebiet  der  stierförmigen  FlnfsgGtter  wird  —  eine 
wunderliche  Entschnldignng  —  deshalb  abergangen ,  weil  '  diese  Bildun- 
gen dem  Kultus  zugewiesen  werden*  (p.  31.  Anm.  59).  Betreffs  der 
Frage:  ob  Orts-  oder  Lokalgottheiten,  ist  die  Argumentirung,  soweit  sie 
nicht  TÖllig  fehlt,  wie  bei  den  Berggöttem,  selten  ganz  Überzeugend. 
Es  mufste  vor  allem  untersucht  werden,  ob  die  fragliche  Figur  in  Kul- 
tus und  Mythus  als  göttliche  Person  festsitzt  oder  nicht:  der  Yerf. 
ninunt  dazu  kaum  irgendwo  einen  Anlauf. 

Lediglich  archäologisches  Interesse  hat  die  Arbeit  von 

Leo  Bloch,  Die  zuschauenden  Götter  in  den  rotfigurigen  Yasenge- 
mälden  des  malerischen  Stiles.   (Diss.  inaug.  Mttnchen.)  1888.  8.  72  S. 

Verf.  unterscheidet  zuschauende  Gottheiten  1)  durch  den  jeweilig 
dargestellten  Mythus  gegeben,  2)  als  freien,  aber  wohlbedachten  Zusatz 
des  Künstlers,  3)  als  FQllfiguren. 

Paul  Kretschmer,  Semele  und  Dionysos  (Aus  der  Anomia. 
Archftol.  Beitrftge,  Carl  Robert  dargebracht  Berlin,  Weidmann.  8. 
1890.    p.  17-29). 

Diese  methodisch  und  scharfsinnig  geführte  Untersuchung  bietet 
einen  sehr  beachtenswerten  Beitrag  zur  Geschichte  der  Dionysosreligion. 
Den  Namen  üsfiehj  fuhrt  Verf.  zurOck  auf  einen  durch  phrygische  Yer- 
fluchungsformeln  (Ramsay,  Zeitschr.  f.  vgl.  Sprachf.  Bd.  28.  p.  381  ff.) 
und  durch  die  hesychische  Glosse  bezeugten  thrakisch-phrygischen  Stamm 
Ce/ieX'  'Erde';  Semele  ist  eine  phrygisch-thrakische,  in  jenen  Formeln 
als  Csfu^  auftretende  Erdgottheit.  Was  den  Namen  ätdvoaoQ  betrifft, 
so  erkennt  Yerf.  in  ^  JfJir-'  den  von  den  Thrakern  unter  demselben  Na- 
men wie  von  den  Hellenen  verehrten  Himmelsgott  ißtw^  oder  deoQ  in 
jenen  Formeln),  und  erweist  '-waoc*  an  der  Hand  eines  reichen  lin- 
guistischen Materials  als  das  männliche  Gorrelat  des  thrakischen,  dem 
griechischen  vO/i^^  xöpr^  synonymen  vioäx  der  ganze  Name  stammt  aus 
Thrakien  und  bedeutet  soviel  wie  Jtöaxoupog  oder  Jcoc  ^wg  *der  Mann 
des  Zeus'  *Zeu8held\  wie  auf  einer  schwarzfigurigen  Yase  (Jahn,  Ya- 
sens.  in  Mttnchen  S.  LXI,  A.  402.)  dem  Dionysoskinde  beigeschrieben  ist 


4.  Einzelne  Gottheiten  und  Heroen. 

Was  Achilleus  betrifft,  so  giebt  Fleischer  in  Roscher's  Lexi- 
kon Sp.  11—66  eine  in  löblicher  Objektivität  gehaltene  Zusammenstel- 
lung  der  Sagen,  wobei  auch  die  bildlichen  Darstellungen  erledigt  werden, 
des  Kultus  und  der  Deutungen.    Die  persönliche  Bemerkung  am  Schlufs, 


4.  Eini.  Ootth.  n.  Heroen:  Fleischer,  Löhr  u.  a.  (Acbilleas  —  Agamemnon).  323 

dafs  Verf.  die  Forcbhammer*8che  Deutung  des  A.  für  die  richtige  h&lt, 
konnte  um  so  eher  unterdrückt  werden,  als  man  in  dem  Artikel  selber 
irgend  ein  stichhaltiges  Argument  fQr  jene  Deutung  vergebens  sucht: 
der  Abschnitt  aber  den  A.-Kultus,  dessen  Reichhaltigkeit  besondere  An- 
erkennung verdient,  beweist  doch  blos  soviel,  dafs  die  A.- Verehrer  vor- 
wiegend am  Meer  hausten  und  denn  wohl  auch  A.  in  Beziehungen  zum 
Meere  gedacht  wurde,  aber  damit  wird  A.  doch  nicht  Flufsgott 

Einen  wertvollen  Beitrag  zur  Achilleussage  liefert 

Friedrich  Löhr,  Achilles  Auszug  aus  Skyros  (archftolog.-epigra- 
phische  Mitteilungen  aus  Österreich-Ungarn  XIII  [1890]  p.  161 — 176). 

Verf.  unterscheidet  von  der  epischen  Darstellung  dieses  Vorganges 
scharf  die  ursprüngliche,  in  Skyros  heimische  Sage  von  A.'8  dortigem 
Aufenthalt,  zu  welcher  eine  weit  zurttckreichende  Tradition  ttber  die 
durch  den  Wechsel  der  Bevölkerung  auf  der  Insel  hervorgerufenen  Ver- 
änderungen die  Anregung  gab:  'die  Begründung  der  Doloperherrschaft 
auf  Skyros  hat  unsere  Sage  hervorgerufen,  die  Vernichtung  derselben 
(469/68)  ihr  aber  erst  zu  eigentlichem  Leben  verholfen*.  Sodann  weist 
Verf.  diese  skyrische  Version  der  Sage  auf  der  Mon.  in.  d.  Jnst.  XI 
tav.  33  abgebildeten  Schale  aus  Orvieto  nach,  die  er  kurz  nach  469/68 
verfertigt  glaubt,  vielleicht  von  Brygos,  und  macht  endlich  einige  Bemer- 
kungen aber  die  Modifikation  der  Sage  in  der  späteren  bildenden  Kunst 

Karl  Tttmpel,  Achilleus  und.  die  lesbische  Hierapolis  (Fleck- 
eisen's  Jahrbücher  Bd.  137  [1888]  p.  829—832), 

untersucht  eine  meist  Obersebene,  durch  Dictys  überlieferte  Sage,  welche 
A.'s  Einnahme  von  Lesbos  (als  Stadt  verstanden)  betrifft   Vgl.  o.  S.  311. 

Joannes  Graeven,  Tres  picturae  Pompeianae  (Oenethliacon 
Gk)ttingense  p.  112—144  und  Taf.  I— ID) 

veröffentlicht  und  erläutert  einen  1877  in  Pompeji  entdeckten  Qyklus 
von  drei  Szenen  der  Achilleussage:  die  Ergreifung  des  Achilleus  bei 
den  Lykomedestöchtem,  Thetis  in  Hephaistos'  Werkstatt  und  auf  dem 
Rücken  eines  Meerkentauren,  um  Achilleus  die  Waffen  zu  bringen.  Verf. 
unterzieht  die  stofflich  kaum  etwas  Neues  darbietenden  Bilder  einem 
ausfBhrlichen  Vergleich  mit  den  bereits  früher  bekannten  pompejanischen 
Darstellungen  desselben  Gegenstandes. 

Für  Agamemnon  (vgl.  den  Artikel  Furtwängler^s  in  Röscheres 
Lexikon  p.  90-97)  bietet  die  Abhandlung  von 

Franz  Lauczizky,  Die  Sage  von  Agamemnons  Ermordung  und 
dem  Rächer  Orestes  in  der  griechischen  Poesie  (XV.  Programm  des 
Staatsgymnasiums  in  Nikolsburg  1887/88.)   8.    18  S. 

kaum  etwas  Neues.  Verf.  legt  dar,  wie  sich  unter  dem  Einflufo  des 
Volksgeistes,  seinen  Wandlungen  in  religiöser  und  sittlicher  Hinsicht  die 

21« 


224       Griechische  Mythologie.    4.  Einzelne  Gottheiten  and  Heroen. 

Sage  umgestaltet  hat.  Aaf  die  einschlftgige  neuere  Litteratur  wird  gar- 
nicht,  auf  die  alten  Quellen  nur  spärlich  Bezug  genommen,  wie  denn 
Verf.  seine  Arbeit  überhaupt  nicht  fQr  fachwissenschaftliche  Ejreise  be- 
stimmt zu  haben  scheint. 

Was  die  beiden  Aias  betrifft,  so  verdient  der  Artikel  von 

Fleischer  in  Boscher's  Lexikon  Sp.  115—139 

wegen  der  darin  gegebenen  (wohl  vollständigen)  Zusammenstellung  der 
Kulte  Aufmerksamkeit.  Von  bildlichem  Material  wäre  nachzutragen  die 
Publikation  von 

A.  Cartault,  Ajax  et  Cassandre  (Gazette  arch6ologique  XI  [1886] 
p.  296—298). 

Die  Schrift  von  Bassi  ^La  leggenda  di  Ajace  Telamonio  neiran* 
tichitä'  ist  dem  Bef.  leider  nicht  zugänglich  gewesen. 

Ein  die  Ermordung  des  Aigistheus  darstellendes  Belief  ver- 
öffentlicht und  bespricht 

Sorlin-Dorigny,  La  mort  d*£gi8the,  Basrelief  en   marbre  du 
mus^e  de  Oonstantinople  (Gaz.  arch.  ebd.  p.  1 — 1). 

Der  auf  A.  bezügliche  Aufsatz  in  der  'Owl'  (weekly  newspaper  ed. 
by  Clarac)  XII  No.  1—2  war  dem  Bef.  nicht  zugänglich. 

Der  Artikel  'Aineias'  von  Wörner  in  Boscher's  Lexikon 
Sp.  167 — 191  liefert  durch  klare  Disposition  und  geschickte  Behandlung 
des  weitschichtigen  und  besonders  fQr  den  römischen  Teil  sehr  verwor- 
renen Materials  ein  dankenswert  übersichtliches  Bild  der  ganzen  Sage 
mit  ihren  mannigfachen  Versionen.  Ebensosehr  mufs  anerkannt  werden, 
dafs  Verf.  sich  hierbei  blofser  Vermutungen  möglichst  enthalten  und  erst 
die  Schlufsparagraphen  der  Etymologie  des  Namens  A.  und  der  Erklä- 
rung der  Sage  gewidmet  hat.  Er  entscheidet  sich  für  die  Ableitung 
des  Namens  von  ATvijy  dem  Namen  einer  zu  Ekbataoa  verehrten  Göttin, 
deren  Kultus  mit  dem  der  'AvaTzt^f  der  'Avaea^  der  Aphr.  Urania  über- 
einstimmte. Ahe/aQ  bedeutet:  Sohn  der  Aine,  vgl.  'Epfu^ae^  Boped^  (?). 
Die  Aphrodite  des  troischen  Ida  ist  dann  eine  heUenisirte  ATvii^  oder 
'Avouu^,  Man  darf  dieser  Annahme  sowohl  im  Hinblick  auf  das  mehr- 
fach auftretende  Epitheton  der  Aphrodite  ^Aivetd^*  zuneigen  —  das 
doch  ganz  gewif^nicht  vom  Namen  des  A.  abzuleiten  ist  —  wie  auf  die 
durchgängige  Verbindung  der  A.sage  mit  dem  Aphroditekult,  mythisch 
bezeichnet  durch  die  von  A.  der  Mutter  an  den  verschiedensten  Sta- 
tionen seiner  Wanderung  gegründeten  Heiligtümer. 

Zur  Geschichte  der  Sage  bemerkt  der  Verf.  §  24:  Eine  einhei- 
misch troische  Sage  von  A.  (welchen  Inhaltes?)  erhält  von  den  helle- 
nischen Ansiedlern  hellenische  Färbung,  wird  in  den  troischen  Sagen- 
kreis aufgenommen  und  wandert  c.  650  —  500  v.  Chr.  im  Gefolge  der 
homerischen  Gesänge  nach  dem  Westen,  wobei  sie  sich  an  Orten  mit 
altem,  z.  t.  ursprünglich  phönikischen  Aphroditedienst  festsetzt 


Fleischer,  WOrner,  A.  Th.  Christ,  Ziehen,  Holland  a.  a.  (Aias  —  Alpheios).    825 

Ref.  denkt  sich  den  Hergang  doch  wesentlich  anders: 

A.  als  Stifter  von  Aphroditekalten  an  so  vielen  und  weitzerstreuten 
Orten  ist  kaum  dorch  die  Wanderung  der  homerischen  Gesänge  erklär- 
bar; als  solcher  wird  er  doch  wohl  nur  dann  verständlich,  wenn  wir  an- 
nehmen, dafs  schon  zugleich  mit  dem  Kulte  der  Aine- Aphrodite  die  Ge- 
stalt des  anfangs  göttlich  gedachten,  der  grofsen  weiblichen  Gottheit  eng 
verbundenen  A.  (vgl.  Adonis,  Kinyras,  Attis)  in  die  Welt  hinausgewan- 
dert ist. 

Anf  die  der  römischen  A.Sage  gewidmeten  Abschnitte  wird  im  Be- 
richt Ober  die  römische  Mythologie  gelegentlich  der  Cauer*8chen  Schrift 
zurflckznkommen  sein. 

Eine  gute  kurze  Behandlung  des  Aiolos  giebt  Röscher  im  Lexi- 
kon 8p.  192—196. 

A.  Th.  Christ,  Das  Aiolosabenteuer  in  der  Odyssee  (XVI.  Jahres- 
bericht des  E.  k.  Staats-Obergymnasiums  zu  Landskron  in  Böhmen. 
1888.    8.    p.  1—22) 

kommt  zu  dem  Ergebnis,  'dafs  es  eine  verschiedene  Version  der 
Sage  gewesen  sein  müsse,  welche  den  Untergang  der  Gefährten  des  irren- 
den Helden  einmal  durch  ihr  Vergehen  an  dem  Windschlanche  des  A., 
das  anderemal  durch  das  Schlachten  der  Heliosrinder  motivirte':  beides 
sind  ursprünglich  selbständige  Einzellieder  und  Märchen.  A.  ist  ein  in 
seinem  hilfreichen  Wirken  dem  Volke  längst  vertrauter  Märchendämon. 

Julius  Ziehen,  Zur  Aktaionsage  (Bonner  Studien  Reinhard 
Kekul^  gewidmet.    Berlin,  Spemann  1890.    p.  179-— 187) 

sucht  die  Ansicht  zu  begründen,  dafs  in  denjenigen  Darstellungen  der 
Verwandlung  des  Aktaion,  wo  demselben  eine  Hirschhaut  umgeworfen 
ist,  nicht  der  Einflufs  der  rationalistischen  Version  des  Stesichoros  vor- 
liege (so  Bolte*De  monumentis  ad  Odysseam  pertinentibus*)  sontfern  le- 
diglich 'das  Bestreben,  die  Verwandlung  durch  ein  einfaches  Eunstmittel 
in  anspruchsloser  Weise  anzudeuten'.  In  der  Schilderung  des  Hygin,  wo 
Artemis  dem  A.  blos  Hörner  wachsen  läfst,  erkennt  Verf.  nicht  eine  be- 
sondere Sagenversion,  sondern  nur  ein  'pars  pro  toto'.  Sodann  glaubt 
Verf.  in  einem  pompejanischen  Wandbild  (Heibig  Nr.  249)  die  Übergangs- 
stufe von  den  älteren  bildlichen  Darstellungen,  wo  Artemis  bekleidet  ist, 
zu  der  jüngeren  Version,  wo  die  Göttin  nackt  erscheint,  nachweisen  zu 
können. 

Ricardns  Holland,  De  Alpheo  et  Arethusa  (Commentationes 
philol.  quibus  Ottoni  Ribbeck  congratulantur  discipuli  Lipsienses.  Leip- 
zig, Tenbner  1888.   8.   p.  381— 414). 

Ausgehend  von  dem  anonymen  Gedicht  AnthoL  Pal.  IX  362,  dessen 
ganze  Manier  als  Nachahmung  Nonnianischer  Dichtweise  deutlich  erwiesen 


326       Oriechisehe  Mythologie.    4.  Eimelne  Gottheiten  ond  Heroen. 

wird,  entwirft  Verf.  in  gelehrter  üntersnchnng  die  Geschichte  der  Sage 
von  Alpheios'  und  Arethusa's  Liebesverhältnis. 

Fflr  die  Amazonen  giebt 

Röscher  im  Lexikon  Sp.  267—279 

eine  branchbare  Znsammenstellnng  des  Materiales,  wir  vermissen  nur 
einen  Hinweis  auf  die  guten  Bemerkungen,  welche  Rapp  in  seinem  Pro- 
gramm (über  die  Beziehungen  des  Dionysoskultes  zu  Thrakien  und  Klein- 
asien) gemacht  hat.  Für  die  Entwicklung  des  Amazonentypus  in  der 
Plastik  ist  bedeutsam  der  Aufsatz  von 

Adolf  Michaelis,  Amazonenstatuen   (Jahrbuch  des   Kaiserlich 
deutschen  archäologischen  Institutes  I  [1886]  p.  14 — 47). 

M.  unternimmt  nach  einer  Übersicht  aber  die  betreffenden  Monu- 
mente und  die  darauf  bezOgliche  Litteratur  in  strengmethodischer,  fein- 
sinniger Weise  zunächst  die  Analyse  der  drei  Kopftypen  (I  Landsdowne- 
scher,  II  Gapitolinischer,  III  Matteischer  Typus)  und  dann  die  Rekon- 
struktion der  entsprechenden  Statuentypen.  FOr  I  ist  charakteristisch 
schmerzliche  Ermüdung,  ffir  II  äufserer  Schmerz  in  Verbindung  mit  see- 
lischer Trauer,  für  III  angepannte  Kraftäufserung.  Bei  I  rechnet  M.  die 
Wunde  mit  Wolters  zur  ursprünglichen  Kompositioni  aber  auch  den  Pfei- 
ler, da  eine  Streitaxt  nicht  die  geeignete  Stütze  für  einen  so  kräftigen, 
durch  schwere  Verwundung  zu  schlaffer  Ermattung  gebrachten  Körper 
bilden  könne ;  überdies  weist  M.  an  den  meisten  Exemplaren  dieses  Tjrpns 
eine  Spur  der  viereckigen  Marmorstütze  nach,  welche  den  Pfeiler  mit  der 
Figur  verband.  III  ergänzt  er  auf  Grund  der  Natter*schen  Gemme,  deren 
Zuverlässigkeit  zur  Evidenz  erwiesen  wird,  so,  dafs  ein  langer,  auf  dem 
Boden  aufgesetzter  Stab  durch  die  linke  Hand  gleitet  und  am  oberen 
Ende  fbst  gepackt  wird:  die  Darstellung  des  bevorstehenden  Sprunges. 
Die  Urheberschaft  von  I  schreibt  M.  mit  Klügmann  und  Wolters  dem 
Polyklet  zu,  für  II  neigt  er  zu  Pheidias,  indem  er  wenigstens  die  gegen 
diesen  Namen  vorgebrachten  Bedenken  widerlegt;  für  III  stellt  er  die 
Unabhängigkeit  von  I  fest,  setzt  ihn  aber  nicht  viel  später  als  die  beiden 
ersteren  l^pen  an:  spätestens  Anfang  des  4.  Jahrhunderts.  Es  *  besteht 
aulserhalb  der  Polykletischen  Schule  kein  so  fester  Kanon,  dafs  wir  um 
etwas  schlankerer  Verhältnisse  willen  eine  Statue  um  ein  Jahrhundert 
jünger  ansetzen  müfsten'  (p.  46),  und  hier  war  zudem  durch  das  Motiv 
eine  bedeutende  Streckung  des  Körpers  geboten. 

Der  Aufsatz  von 

Löschke,  Bildliche  Tradition  (Bonner  Studien  R.  Kekul^  gewidmet. 
Berlin,  Spemann.    1890.   p.  289—260) 

liefert  p.  266  ff.  den  sehr  interessanten  Nachweis,  dafs  die  Vorstellung  von 
den  berittenen  Amazonen  eine  spezifisch  jonische  gewesen  ist  — 


Röscher,  Michaelis,  LÖschke,  Enmann  a.  a.  (Amasoneo  —  Aphrodite).    327 

Zwei  kleinere  Beiträge  xnr  bildlichen  Darstellung  der  Amazonen 
können  hier  blofs  erw&hnt  werden:  M.  Majer  veröffentlicht  und  erläutert 
eine  Amazonengruppe  aus  Villa  Borghese  (Jahrbuch  des  Kais,  deutsch, 
arch.  Inst.  II  [1887]  p.  77->85),  F.  Dfimmler  eine  attische  Lekythos  mit 
einer  ihr  Schuhwerk  ordnenden  Amazone  (ebd.  p.  168  ff.  Taf.  11). 

Ffir  die  Andromeda-Sage  verweisen  wir  auf  die  oben  (S.  Sllff.) 
besprochene  Arbeit  von  Tflmpel  und  auf  den  kurzen  Artikel  Röscher  s 
in  seinem  Lexikon  Sp.  845 — 347.  In  der  Academy  Nr.  797  p.  105  ver- 
sucht 1 8.  Taylor  die  Perseus- Andromeda-Sage  als  einen  durch  Phoinikier 
nach  Griechenland  verpflanzten  babylonischen  Mondmythus  zu  erklären 
(eine  Eklipse  des  Mondes  sei  das  Substrat;  Perseus  identisch  mit  dem 
babylonischen  Bel-Merodach),  während  Andrew  Lang  ebd.  Nr.  798  p.  121 
diese  Deutung  vor  allem  deswegen  zurflckweist,  weil  der  fragliche  Mythus 
keineswegs  eine  deutliche  Darstellung  des  von  Taylor  untergeschobenen 
Phänomens  sei:  Naturmytben  aber  geben  'a  superficially  correct  account 
of  the  phenomena  for  which  they  supply  an  unscientiflc  explanation'. 

Über  Antiope  und  Dirke  handelt 

Gumpf  e  in  der  Zeitschrift  'Listy  filolog.'  1887  p.  14—19. 

Da  der  Aufsatz  in  böhmischer  Sprache  geschrieben  ist,  so  hat  Ref. 
auf  eine  Lesung  verzichten  müssen. 

Eingehende  Behandlung  hat  Aphrodite  durch  mehrere  Forscher 
gefunden.  Wir  verweisen  auf  das  oben  (S.  277  f.)  besprochene  Buch 
V.  Schröder's  und  verzeichnen  hier  an  erster  Stelle: 

Alezander  Enmann,  Kritische  Versuche  zur  ältesten  griechi- 
schen Geschichte.  I.  Eypros  und  der  Ursprung  des  Aphroditekultes. 
(M^moires  de  Tacademie  de  St  P^tersbourg.  VII.  S^rie.  Tome  XXXIV, 
No.  13  et  dernier.)    St.  P^tersbourg  1886.   4.    85  S. 

Es  sind  zunächst  (p.  1  —  17)  Erwägungen  allgemeiner  Art;  welche 
Verf.  gegen  die  übliche  Annahme  des  phoinikischen  Ursprungs  der  Aphro- 
dite vorbringt.  Blofser  Hausirhandel,  nicht  aber  Kolonisation  war  es,  was 
die  Phoiniker  in  Griechenland  trieben.  Die  Annahme  fester  Handels- 
niederlassungen, aus  welchen  mit  der  Zeit  Städte  erwachsen  seien,  stütze 
sich  einerseits  auf  den  angeblich  semitischen  Ursprung  einer  Reihe  von 
griechischen  Ortsnamen,  andererseits  setze  sie  die  Nomadenhaftigkeit  der 
damaligen  Westhellenen  voraus.  Aber  an  einer  vollständig  sefshaften 
Ansiedelung  der  Hellenen  viele  Jahrhunderte  vor  Homer  dürfe  nicht  ge« 
zweifelt  werden,  und  was  die  Ortsnamen  betrifft,  so  lasse  sich  —  abge- 
sehen von  den  Einwänden,  welche  gegen  Olshausen's  Etymologien  im  Ein- 
zelnen zu  erheben  seien  —  überhaupt  nicht  unterscheiden,  was  griechisch 
und  was  ungriechisch  ist,  da  die  althellenischen  Ortsnamen  weder  ihrer 
Wurzelbedeutung  noch  ihren  Bildungsgesetzen  nach  irgendwie  klar  er- 
forscht seien.   Ebenso  sei  unsere  Kenntnis  der  griechischen  und  noch  mehr 


328       Griechische  Mythologie.    4.  Einselne  Gottheiten  und  Heroen. 

der  phoinikischen  Beligioo  eine  derartig  unsichere,  dafs  anch  aof  diesem 
Gebiete  eine  Scheidung  zwischen  Hellenischem  und  Phoinikischen  kaum 
möglich  erscheine.  Die  Hypothese  von  der  phoinikischen  Herkunft  der 
Aphrodite  habe  nicht  allein  die  'älteste  und  ursprüngliche  Überlieferung', 
den  Homer  gegen  sich,  welcher  davon  nichts  weifs,  sondern  sie  setze 
auch  eine  Empfänglichkeit  der  vorhistorischen  Hellenen  für  fremdländi- 
sches Religionswesen  voraus,  welche  mit  den  in  historischer  Zeit  der 
Aufnahme  fremder  Gottheiten  gemachten  Schwierigkeiten  in  seltsamem 
Widerspruch  stehe.  —  Dies  die  allgemeinen  Erwägungen,  welche  Verf. 
gegen  die  phoinikische  Herkunft  der  Göttin  vorbringt. 

Die  eigentliche  Untersuchung  nun  zerfällt  in  zwei  Hauptteile,  deren 
erster  (p.  17—62)  die  auf  Herodot  (I  105,  wonach  der  kyprische  und 
der  kytherische  Aphrodite-Tempel  von  Syrien  aus  gegründet  sein  sollen) 
gestützte  These  vom  phoinikischen  Ursprung  der  kyprischen  und  der 
kytheriscben  Aphrodite  eingehend  zu  widerlegen  versucht.  Jene  von  He- 
rodot überlieferte  Vorstellung  hat  keine  andere  Grundlage  als  die  home- 
rischen Beinamen  der  Göttin '  Kypris'  und  *Kythereia',  welche  man  fälsch- 
lich als  Etbnika  auffasste.  Die  Kultur  der  kyprischen  Hellenen  hat  sich 
nachweisbar  im  Übrigen  dermafsen  selbständig  gegenüber  phoinikischen 
Einflüssen  gehalten,  dafs  in  religiöser  Hinsicht  unmöglich  das  Entgegen« 
gesetzte  stattgefunden  haben  kann.  Ferner  verrät  weder  Paphos  ur- 
sprüngliches Phoinikerthum  noch  ist  Kinyras,  der  Gründer  des  paphi- 
schen  Tempels  und  Kultgenosse  der  Aphrodite,  in  der  älteren  Litteratur 
etwas  anderes  als  ein  griechischer  Heros:  erst  die  hellenistische  Zeit 
machte  ihn  zum  Herrscher  von  Syrien. 

Um  die  Natur  und  Bedeutung  des  Kinyras  näher  zu  bestimmen, 
geht  Verf.  von  Apollons  Liebe  zu  ihm  aus.  Kinyras  berührt  sich  darin 
mit  Hyakinthos,  und  wie  dieser  unter  dem  amykläischen  Apolionbild  sein 
Grab  hat,  so  jener  in  der  Nähe  des  paphischen  Tempels.  Gleich  dem 
Hyakinthos  (Grdf.  *  2efaxivB}oQ  =  Sonnenbeweger),  dem  delphischen  Dio- 
nysos und  dem  ebendaselbst  verehrten,  mit  dem  gleichnamigen  Dichter 
ursprünglich  nicht  identischen  Heros  Pindaros  (Grdf.  *  ün^vSpapog)  ist 
der  paphische  Kinyras  ein  chthoniscber  HalbapoUon  (Gdf.  *  2Jxdv8fapog)^ 
und  zwar  genauer,  wie  aus  der  Glosse  Hesychs^r^  xtvaopou  fpü^oc'  ^ 
Sfia  ^fidp^'  zu  schliefsen  ist,  ein  'nächtliches  Wesen,  dessen  Thätigkeit 
mit  dem  Sonnenaufgang  zusammenhängt'  (p.  54)  oder  (p.  56)  'ein  Licht- 
wesen, welches  dem  Apollon  zur  Seite  steht  und  die  besondere  Aufgabe 
gehabt  hätte,  die  Sonne  in  Bewegung  zu  setzen,  sie  aus  der  dunkeln 
Erde  emporzuheben'.  Einen  symbolischen  Ausdruck  des  (ursprünglichen) 
Dualismus  zwischen  Apollon  einerseits  und  HyakinthoSi  Dionysos  andrer- 
seits erkennt  Verf.  in  der  Anlage  der  beiden  Kultstätten:  das  Grab  der 
letzteren  bedeutete  (wie  der  römische 'Mundus')  die  unsichtbare,  unter- 
irdische Halbkugel  des  Himmels,  der  Ompbalos  dagegen  und  der  ßmfioQi 


Enmann  (Aphrodite).  S29 

auf  welchem  der  amykläische  Apolloo  throote,  waren  ein  Bild  der  obe- 
ren Himmelshalbkugel. 

Da  nun  der  Kult  des  amykläischen  Apollon  in  Idalion  und  anderes 
auf  lakonische  Besiedelung  von  Eypros  schliefsen  läfst  (die  arkadische 
Kolonie  sucht  Verf.  als  Erfindung  zu  erweisen),  da  ferner  neben  Apollon 
keine  Gottheit  in  Lakonien  bedeutendere  Verehrung  genoss  als  Aphro- 
dite (?),  ihr  paphischer  Kultname  ^Aepta  aber  im  Grunde  identisch  ist  mit 
dem  Beinamen  Tlpa^  welchen  sie  in  Sparta  führt  C^^pa,  ''Hpfa,  'Aaepfa^ 
'Aa-fip'ta  [^« 'Hauch'  'Geist'  und  Wz.  ver  var  'umfassen,  hflten']  'die 
Hüterin  der  Geister,  Seelen,  eine  prägnante  Bezeichnung  der  Erde,  viel- 
leicht  auch  des  Mondes*),  so  mufs  in  der  paphischen  Aphrodite  einealt- 
peloponnesische  Göttin  gesehen  werden. 

Nachdem  Verf.  sodann  die  Genesis  der  falschen  Tradition  Herodots 
darzulegen  versucht  hat,  behandelt  er  (p.  62 ff.)  die  Namen  und  das  ur- 
sprüngliche Wesen  der  kyprischen  Göttin.  KunptQy  Grdf.  *  Kunapg  {xdnog 
^^^ZV\  ^^'  v<>f 'umschliefsen,  wahren')  bedeutete  etwas,  was  die  Seelen 
der  Abgeschiedenen  einschlofs,  also  vorzüglich  die  Erde  {Kttnpog  =  Land, 
das  einzige  Land  in  dem  östlichsten  Becken  des  Mittelmeeres',  vgl. 
Kunaptaata  als  früherer  Name  der  Insel  Samos;  analog:  die  umbrische 
Gupra  Mater  eine  die  Toten  in  ihrem  Schofse  hütende  Erdgöttin,  cupra 
=  die  Erde).  Ebenso  kommt  der  Name  KuBipeta  nicht  vom  Namen  der 
Insel  rä  Kü&rjpa^  was  lautlich  unstatthaft  ist,  sondern  beide  gehen  auf 
die  Grundform  Ku^apa'  oder  KuBepa-  zurück,  deren  Bedeutung  dahin- 
gestellt bleiben  mufs.  'A^po8fnj  aber  bedeutete  'die  Feneranzünderin' 
(skr.  cfi^»  ' Schein ,  Glanz',  TtTav' der  Sonnengott';  analog  die  römische 
Frutis,  was  nicht  aus  'A^poSfn)  verderbt  ist  sondern  auf  die  Grdf.  *  For- 
titis  zurückgeht).  Während  die  Namen  Kypris  sowie  Aöria  Aphroditens 
ursprüngliche  Beziehung  zu  der  abgeschiedenen  Seele  verraten  —  ein  bei 
der  Venus  Libitina  wiederkehrender  Zug  —  erklärt  sich  der  Hauptname 
aus  ihrer  bereits  von  den  Alten  und  neuerdings  von  Röscher  betonten 
Bedeutung  als  Mondgottheit.  'Wir  gewinnen  bei  tieferem  Eindringen 
das  Bild  eines  teils  im  Himmel,  teils  auf  Erden,  teils  und  namentlich 
unter  der  Erde  mächtigen  weiblichen  Geistes,  welcher  die  Feuer  des 
Himmels,  namentlich  des  Mondes,  anzündet  und  auslöscht,  die  Seelen- 
wandlung behütet  und  die  Fortexistenz  der  Natur  bewirkt.  Dieser  Geist 
ist  also  die  am  bunten  Nachthimmel  thronende  {noexeXö&povog)^  die  >gol- 
denet  oder  in  einem  goldenen  Hause  wohnende  Aphrodite'  (p.  77).  — 

Die  Annahme  eines  ursprünglich  so  universellen  Charakters,  wie 
er  hierdurch  für  Aphrodite  angesetzt  wird,  bildet  einen  der  wenigen 
Punkte,  in  denen  wir  mit  dem  Verf.  übereinstimmen,  allerdings  mehr 
a  priori  als  genötigt  durch  das  Gewicht  der  vom  Verf.  aufgestellten  Ety- 
mologien, deren  Prüfung  Berufeneren  anheimgestellt  sei.  Die  griechische 
Religionsgeschichte  verdankt  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft  so 
geringe  positive  Förderung  und  soviel  Irrtümer,  dafs  man  etymologischen 


330       Griechische  Mythologie.    4.  Einselne  Gottheiten  nnd  Heroen. 

Argumenten,  wenn  sie  nicht  durch  anderes  sehr  entschieden  anterstfltzt 
werden,  nnr  mit  Mifstrauen  gegenüber  treten  kann. 

Was  nun  die  Frage  nach  dem  Ursprung  des  Aphroditeskultes  an- 
geht, so  verkennen  wir  den  anregenden  Wert  der  vorliegenden  Unter- 
suchung nicht:  es  ist  gut,  dafs  die  seit  Engel  eingeschlafene  Angelegen- 
heit wieder  in  Flurs  gebracht  ist.  Aber  weqn  Verf.  am  Schlüsse  meint, 
dafs  er  das  Problem  gelöst  und  der  ältesten  Geschichte  von  Hellas  und 
seiner  Religion  ein  entfremdetes  Eigentum  wieder  zugewandt  habe,  so 
flberschätzt  er  den  Wert  seiner  Leistung  bei  weitem.  Wir  sehen  höch- 
stens recht  bescheidene  Ansätze  zu  einer  Lösung.  Den  allgemeinen  Ein- 
wänden, mit  welchen  Verf.  das  Gefecht  eröffnet,  lassen  sich  ebenso  plau- 
sible Erwägungen  zu  Gunsten  der  Phoinikerhypothese  entgegenhalten, 
geradezu  unglücklich  ist  der  Einwurf,  dafs  Homer,  'die  älteste  und  ur- 
sprüngliche Überlieferung'  (p.  14,  während  p.  71  f.  die  Unzuverlässigkeit 
Homers  für  die  Religionsgeschichte  dargelegt  wird)  von  der  orientalischen 
Herkunft  der  Aphrodite  nichts  wisse.  Herodot  gegenüber  ist  gewifs  Vor- 
sicht geboten,  —  aber  die  Kritik,  welche  Verf.  an  der  Stelle  I  105  übt, 
läfst  sich  mühelos  Punkt  für  Punkt  widerlegen.  Und  wer  möchte  den 
abenteuerlichen  Kombinationen,  durch  welche  Verf.  'den  Kinyras  als  chtho- 
nischen  Halbapollon  zu  erweisen  sucht',  Geschmack  abgewinnen?  oder 
der  phantastischen  Symbolik,  welche  den  Kulten  von  Amyklai  und  Delphoi 
untergeschoben  wird  ?  Aber  giebt  man  auch  dies  alles  zu :  bewiese  denn 
der  griechische  Ursprung  des  Kinyras,  und  beweist  der  Amyklaioscult  zu 
Idalion  etwas  für  die  hellenische  Abkunft  der  Aphrodite?  Genau  besehen 
schrumpfen  also  die  Argumente  für  letztere  Hypothese  zusammen  auf  die 
zweifelhafte  Identität  des  paphischen  Beinamens  Aeria  mit  dem  sparta- 
nischen ''Hpa  und  die,  allerdings  bedeutsame,  allgemeine  Beobachtung, 
dafs  die  Kultur  der  kyprischen  Hellenen  sich  im  Übrigen  von  orientali- 
schen Einflüssen  ziemlich  rein  gehalten  zu  haben  scheint. 

Die  Untersuchung  des  Verf.'s  ist  nicht  einmal  vollständig.  Die 
älteren  bildlichen  Darstellungen,  in  denen  wir  eine  der  zuverlässigsten 
Quellen  der  Religionsgeschichte  erkennen,  deren  Bedeutsamkeit  für  die 
vorliegende  Frage  aufser  allem  Zweifel  steht,  sind  überhaupt  nicht  be- 
rücksichtigt. Zweitens  —  und  das  ist  ebenso  schlimm  —  nimmt  Verf. 
nicht  einmal  einen  Anlauf  dazu,  den  Aphroditekult  des  griechischen  Fest- 
landes nach  seiner  örtlichen  Verbreitung  und  nach  seiner  Bedeutung  im 
religiösen  Leben  der  Griechen  des  Näheren  zu  untersuchen.  Dafs  Aphro- 
dite'in  den  entlegensten  Landschaften  von  Hellas  verehrt  wurde'  (p.  13), 
dafs  sie  in  Lakonien  nächst  Apollon  die  bedeutendste  Verehrung  genofs 
(p.  42),  sind  völlig  unerwiesene  Behauptungen.  Wie  sporadisch  vielmehr 
ihr  Kultus  auftritt,  wie  er  sich  auf  ganz  bestimmte  Landschaften  be- 
schränkt,  lehrt  schon  ein  Blick  in  den  Pausauias. 

Bei  so  grofsen  Mängeln  in  Beweisführung  und  Gründlichkeit  nimmt 
sich  der  anspruchsvolle  Ton,  welchen  Verf.  gegen  die  Vertreter  der  ent- 


EnmanD,  Röscher,  Ealkmann  u.  a.  (Aphrodite).  331 

gegengesetzteo  Hypothese  anschlägt,  etwas  sonderbar  ans.  Auch  die 
*H.  D.  Mttller*8che  Richtung'  erhält  gelegentlich  (p.  79)  einen  Seitenhieb: 
sie  wird  ihn  za  verschmerzen  wissen. 

Röscher  im  Lexikon  Sp.  390 — 406 

behandelt  a)  die  orientalische  Aphrodite  (Astarte,  Istar,  Aschera,  Mylitta 
n.  8.  w.)9  b)  die  orientalische  Aphrodite  bei  den  Griechen  —  wobei  er 
einlenchtend  darlegt,  wie  die  bereits  frOh  hellenisirte  Göttin  doch  in 
allen  ihren  Beziehungen  zur  Natur  und  zum  menschlichen  Leben  den 
Charakter  der  orientalischen  wiederspiegelt  — ,  c)  Spuren  einer  echt 
griechischen  Göttin,  welche  schon  sehr  frühzeitig  mit  der  orientalischen 
Aphrodite  verschmolzen  wurde.  —  Wir  haben  nur  eins  auszusetzen.  R. 
fafst  die  Grundbedeutung  der  Göttin  ohne  Not  so  einseitig  lunar,  dafs 
er  hernach  einzelne  Funktionen  und  Beinamen  nur  auf  sehr  künstliche 
Weise  ableiten  kann.  So  ist  es  z.  B.  künstlich,  ihre  Eigenschaft  als 
Meeresgöttin  daher  zu  erklären,  dafs  der  Mond  vielfach  als  Tauspender 
galt  (Sp.  894  Z.  12 ff.;  402  Z.  3 ff.),  oder  die  Beinamen  naatfdeaaa^  'Aare 
p(a^  Ohpavia  gerade  auf  den  Mond  zu  beziehen  (Sp.  396  Z.  31  ff.,  68 ff.). 
Und  beweisen  denn  wirklich  die  zwei  —  übrigens  nur  auf  Astarte  bezüg- 
lichen —  Notizen  bei  einem  Herodian  und  Lukian,  dafs  die  orientalischen 
Urbilder  der  Aphrodite  Mondgöttinnen  waren?  —  Eduard  Meyer*s  hoch- 
interessanter Artikel  'Astarte'  (Lexikon  Sp.  645 — 655),  auf  welchen  wir 
hier  nur  verweisen  können,  legt  ein  so  engbegrenztes  Substrat  keines* 
wegs  nahe. 

J.  Yahlen,  Über  Arsinoö  Zephyritis  (Sitzungsberichte  der  Berliner 
Akademie  d.  W.  1889  p.  47— -49) 

bespricht  zwei  auf  Aphrodite  Zephyritis  bezügliche  Epigramme  des  Posi- 
dipp,  welche  vermutlich  als  Aufschriften  für  verschiedene  Steilen  ihres 
Heiligtums  gedacht  waren. 

Von  den  archäologischen  Arbeiten,  welche  Aphrodite  behandeln, 
sind  aufser  dem  trefflichen  Artikel  Furtwängler's  in  Roscher's  Lexikon 
Sp.  406-  419  noch  zwei  von  besonderem  Interesse  für  die  Mythologie. 

A.  Kalkmann,  Aphrodite  auf  dem  Schwan  (Jahrbuch  des  Kaiserl. 
deutschen  archäolog.  Instituts  I  [1886]  p.  231—260  und  Taf.  11). 

Dafs  der  Schwan  als  Attribut  der  Aphrodite  in  der  Litteratur  so 
völlig  zurücktritt,  während  die  bildende  Kunst  seit  alters  diese  Verbin- 
dung darstellt,  erklärt  Verf.  daher,  dafs  der  Schwan  nicht  auf  Grund 
einer  so  durchsichtigen  Symbolik  der  Göttin  zugeeignet  war,  wie  z.  B. 
die  Taube.  Verf.  interpretirt  sodann  eine  Reihe  hierher  gehöriger  Mo- 
numente. Die  Kertscher  Kalksteinplatte  mit  der  schwangetragenen  Aphro- 
dite Urania  erläutert  er  sehr  glücklich  durch  Catull  66  v.  51  ff.,  woselbst 
unter  ales  equus  eben  der  Schwan  zu  verstehen  ist.    Die  bei  Benndorf 


382       Griechische  Mythologie.    4.  Einzelne  Gottheiten  and  Heroen. 

Griech.  n.  sicil.  Vasenbilder  T.  37,  3  unzareicbend  yeröffentlicbte  attische 
Lekythos  des  Berliner  Museums  (T.  11,  1)  stellt  nicht  eine  Apodemie  der 
Göttin  dar;  die  richtige  Deutung  der  Szene  ist  nach  der  Ansicht  des 
Verf.  durch  die  vielen  goldenen  Sternchen  nahegelegt,  die  den  Himmel 
sowie  das  Gewand  der  Aphrodite  schmücken:  'wenn  Aphrodite  unterm 
gestirnten  Himmel  mit  einem  von  Sternen  bedeckten  Gewände  fibers 
Meer  fährt,  so  tritt  sie  damit  nach  antiker  Anschauung  selbst  als  Gestirn 
in  die  Erscheinung,  oder  vielmehr  unter  dem  Bilde  der  Göttin  erscheint 
ihr  Stern,  der  gröfste,  schönste  und  glänzendste  von  allen,  die  am  Him- 
mel stehen/  Wir  können  hier  nicht  ganz  folgen.  Einleuchtend  ist  die 
Erklärung  der  Taf.  11,  2  zum  ersten  Mal  veröffentlichten  Berliner  Vase*' 
Aphrodite  mit  dem  Schwan  als  Anadyomene,  als  jährlich  erscheinende 
Frühlingsgöttin,  daher  von  Dionysos  und  Nymphen  empfangen.  Zuletzt 
behandelt  Verf.  die  beiden  A.  Z.  1864  T.  189  abgebildeten  Reliefs,  auf 
welchen  er  die  Virgo  Caelestis  oder  Venus  Gaelestis  von  Karthago  er- 
kennt (wo  auch  das  eine  Relief  gefunden  wurde)  und  das  bekannte  Bild 
eines  Wiener  Kraters  (Benndorf  a.  a.  0.  p.  78),  dessen  Mitte  Apollon  auf 
dem  Omphalos  einnimmt.  In  der  auf  einem  Schwan  davor  stehenden, 
szepterhaltenden  Frau  ist  Verf.  geneigt  statt  Kyrene  Aphrodite  zu  er- 
kennen. 

Eine  andere  Beziehung  der  Aphrodite  behandelt 

Max  Boehm,  Aphrodite  auf  dem  Bock  (ebendort  IV  [1889]  p. 
408-217). 

Anknüpfend  an  ein  hier  zum  ersten  Mal  veröffentlichtes  attisches 
Vasenbild  (Berlin,  Furtwängler  No.  2635),  welches  Aphrodite  auf  dem 
Bock  reitend  zeigt,  stellt  Verf.  die  (zwölf)  erhaltenen  Monumente  mit 
dem  gleichen  Typus  zusammen:  Dieselben  verteilen  sich  auf  den  Pelo- 
ponnes  (Elis,  Sparta)  Attika,  Kleinasien  und  Sttdrussland.  Der  Knltbei« 
name  dieser  bockreitenden  Aphrodite  ist  nicht  hrcrpay/a^  d.  h.  *die  Geile', 
sondern  der  für  das  Bild  des  Skopas  in  Olympia  überlieferte  Name 
TtdvSfjiioQ.  Dafs  dieses  Wort  wirklich  im  Kultus  üblich  war,  folgert  Verf. 
richtig  aus  seiner  Anwendung  in  Tempelurkunden  (Erythrai)  und  Weihun- 
gen (Naukratis). 

Vorwiegend  archäologisches  Interesse  haben  die  Aufsätze  von 

Michaelis  (Journal  of  Hellenic  Studios  VllI  [1887]  p.  324 — 366: 
über  die  knidische  Aphrodite  des  Praxiteles,  mit  vollständiger  und  kri- 
tisch gesichteter  Zusammenstellung  der  Repliken), 

Kock  (Hermes  XXI  [1886]:  die  sog.  Aphrodite -Kallipygos  Dar- 
stellung einer  Hetäre), 

Waldstein  (Amer.  Journal  of  Archeol.  HI  p.  1 — 13:  über  die 
Venus  Genetrix  und  die  vom  Esquilin), 


Ealkmano,  Boehni)  Röscher,  Reinach  o.  a.  (Aphrodite  —  Apollon).    333 

Y.  Daho  (Ball,  della  Gomm.  arch.  d.  R.  XYIII  p.  48 ff.:   über  die 
Venus  vom  Esquilin)  a.  a. 

An  Roscher's  reichhaltigem  and  fibersichtlichem  Artikel  *Apollon' 
im  Lexikon  Sp.  422 — 449  hat  Ref.  wiederum  die  einseitige  Deutang  aas- 
zosetzen.  Wenn  auch  zugegeben  werden  darf,  dafs  hier  deutlichere  Be- 
ziehungen zu  dem  vorausgesetzten  Natursubstrat  vorliegen  als  bei  einer 
anderen  Gottheit  des  Zwölf kreises,  Poseidon  ausgenommen,  so  ist  doch 
die  enge  Beschränkung  des  ursprünglichen  Wesens  auf  Licht  und  Sonne 
noch  lange  nicht 'eine  der  sichersten  Thatsachen  der  Mythologie'.  Denn 
unter  allen  Zügen  Apollons,  welche  R.  dafür  anführt,  ist  keiner,  der  nicht 
bei  einer  weiteren  Fassung  des  ursprünglichen  Wesens  ebenso  verständ- 
lich wäre,  während  andererseits  eine  ganze  Reihe  nicht  unwichtiger  Funk- 
tionen von  R.  nur  recht  mühsam  aus  dem  so  einseitig  gefafsten  Substrat 
erklärt  wird.  So  Apollon  als  Delphinios,  als  Oikistes  und  als  Ideal 
der  männlichen  Jugend.  Die  letztere  Funktion  leitet  R.  daher  ab,  dafs 
Apollon  'seit  ältester  Zeit  als  ein  schöner,  stattlicher  und  kräftiger 
Heldenjüngling  gedacht  wurde'  (Sp.  442  unter  Verweis  auf  den  homeri- 
schen Hymnus,  Kallimachos  und  ApolloniosI):  das  ist  Sioe  sehr  äufser- 
liche  Erklärung  religiöser  Verhältnisse,  welche  überdies  mit  der  Hypo- 
these von  der  ürsprünglichkeit  des  jugendlichen  Typus  steht  und  fällt. 
Solange  R.  nicht  die  alten  bildlichen  Belege  des  bärtigen  Typus,  welche 
Furtwängler  in  seiner  archäologischen  Ergänzung  des  Artikels  von 
R.  mitteilt  (Sp.  464),  aus  dem  Wege  räumt,  ist  jene  Hypothese  haltlos. 

Salomon  Reinach  gelangt  in  einer  inhaltreichen  Untersuchung 
in  der  Revue  des  6tudes  grecques  U  p.  225—238  zu  dem  Resultat,  dafs 
der  kyprische  ApoUon-Opaon  (man  vergl.  hierzu  oben  S.  328)  aus  Ar- 
kadien stammt  und  sein  Beiname 'Meladtbios'  den  mit  ihm  identifizirten 
Heros  Eponymos  des  arkadischen  Melainai  bezeichnet. 

Inschriften,  welche  den  kleinasiatischen  Apollon  Lairmenos  be- 
treffen, hat  D.  G.  Hogarth  im  Journal  of  Hell.  Studios  VHI  376 ff.  ver- 
öffentlicht-, über  ein  ApoUon-Heiligtum  in  derMilyas  handelt  Bruno  Keil 
im  Hermes  XXV  p.  313  ff. 

Von  dem  schlimmen  Verdacht,  im  Kreise  trunkener  Sklaven  ein 
unmelodisch  Lied  angestimmt  zu  haben,  wird  Apollon  gereinigt  durch 
Th.  Kock  im  Hermes  XXH  r887.  p.  145  —  161.  In  dem  bei  Plut.  Mor. 
1098  ^  erhaltenen  Komikerfragment,  das  eine  Szene  eines  ländlichen  Kro- 
nos-  oder  Dionysosfestes  schildert,  liest  nämlich  K.  statt '6  0oTßog\  der 
allerdings  hier  kaum  etwas  zu  suchen  hat:  'ü^opß6Q\  der  Sauhirt. 

Was  die  bildlichen  Darstellungen  des  Apollon  anbelangt,  so  ist 
zunächst  zu  verweisen  aufOverbeck's  oben  (S.  254 ff.)  besprochenes  Werk 
und  auf  die  treffliche  Behandlung  von  A.  Furtwängler  in  Roscher*s 
Lexikon  Sp.  449—468.    Die  Diskussion  über  das  Attribut  des  Apollon 


334       Griechische  Mythologie.    4.  Einzelne  Gottheiten  und  Heroen. 

vom  Belvedere^)  darf  als  geschlossen  betrachtet  werden,  nachdem  unab- 
hängig von  einander  und  fast  gleichzeitig  zwei  Gelehrte 

1)  Otto  Adalbert  Hoffmann,  Aegis  oder  Bogen?  Beitrag  zur 
Erklärung  des  Apollo  von  Belvedere.  Metz  1887.  (Wissenschaftliche 
Beilage  zum  Jahresbericht  des  Ljceums  1887.)  4.  24  S.  m.  einer  Taf. 

2)  Alfred  Gercke,  Apollon  der  Galliersieger  (Jahrb.  des  Kaiserl. 
deutschen  archäologischen  Instituts  II  [1887]  p.  260 — 264) 

den  schlagenden  Nachweis  geführt  haben,  dafs  die  Gestalt  des  Gallier- 
siegers Apollon  den  Bogen,  und  nicht  die  Aegis,  geführt  haben  mufs. 
Das  gewichtigste  Argument  bildet  bei  beiden  Gelehrten  der  Schlacht- 
bericht Justin's.  H.  sucht  anfserdem  wahrscheinlich  zu  machen,  dafs 
Properz  bei  seiner  Schilderung  eines  bogenschiefsenden  Apollon  (V  6) 
die  vatikanische  Statue  im  Auge  gehabt  hat.  Den  von  G.  ausgesproche- 
nen Satz,  da(s  das  Aegisattribut  bei  Apollon  Überhaupt  unerhört  sei, 
möchten  wir  ohne  weiteres  nicht  unterschreiben :  die  bekannte  Uiasszene 
kann  immerhin  durch  das  aegishaltende  Bild  eines  verschollenen  Lokal- 
kultes veranlagt  sein. 

Eine  zweite  Arbeit  von 

0.  A.  Hoffmann,  Repliken  des  Apollo  von  Belvedere  aus  der 
Kaiserzeit  (Commentationes  in  honorem  Guilelmi  Studemund.  Argen- 
torati  1889.    p.  129—144,  mit  einer  Tafel) 

legt  den  bedeutenden  Einflufs  derselben  Statue,  welche  nach  H.*8  Urteil 
ein  von  Octavian  bei  Actium  aufgestelltes  griechisches  Original  ist,  auf 
die  bildende  Kunst  der  Kaiserzeit  dar.  Während  er  die  Bronze  Pulszky 
als  Genrebild  aus  der  Zahl  der  Repliken  ausscheidet,  weist  er  als  solche 
nach  die  Statuen  Clarac  pl.  488,  983;  269,  908  a  und  909;  476,  904; 
640  B ,  966  B  und  aufserdem  eine  stattliche  Reihe  von  Kaiserportraits, 
Clarac  pl.  913,  2329  und  2331;  919,  2324;  914,  2335;  919,  2326  u.a. 
Das  Endresultat  ist,  dafs  sowohl  der  ürtypus  wie  die  nächsten  Repliken 
(Vaticanus,  Landsdowne,  Strogano£f,  Giustiniani)  nur  den  Bogen  in  der 
Linken  führten. 

In  einer  dritten  Arbeit  desselben  Verf. 

0.  A.  Hoff  mann,  Apollo  Kitharödos  (Philologus  Bd.  47  [1889] 
p.  678—702) 

wird  der  vatikanische  Apollon  Kitharödos  und  der  Kitharödos  der  nero- 
nischen  Münzen  auf  das  durch  Augustus  nach  Rom  verpflanzte  Werk 


1)  Zur  Orientimng  Ober  die  verschiedenen  bisherigen  Ansichten  vergl. 
0.  A.  Hofimann  in  der  Allg.  Kons.  Monatschr.  1888,  Januar  und  G.  Gherardini» 
L'  Apollo  dl  Belvedere  e  la  critica  moderna  im  Bnllettino  della  Commissione 
arch.  com.  di  Roma  XVIIl.  1889.  p.  407—466. 


0.  A.  HofimaDD,  Oercke,  Robert,  Seeliger  (Apollon  —  Argonaaten).     335 

des  Skopas  znrflckgefQbrt  Die  Untersachang  ist  anregend,  hat  aber  den 
Ref.  nicht  flberzengt,  weder  mit  ihrer  direkten  Beweisf abrang  noch  mit 
ihrer  Kritik  der  entgegenstehenden  Ansicht,  welche  den  libirenden  Apollon 
der  Angastns-Mttnzen  anf  das  Bild  des  Skopas  zurückführt.  Nun  glaubt 
Verf.  allerdings  in  einigen  Stellen  augusteischer  Dichter  eine  seine  An- 
nahme best&tigende  litterarische  Überlieferung  entdeckt  zu  haben.  Wir 
geben  zu,  dafs  einige  dieser  Zeugnisse  auf  ein  Werk  von  der  Art  des 
vatikanischen  Eitharöden  passen  (Ovid  Metam.  XI  165£f.;  Tibull  III  4 
V.  23 ff.,  II  5;  Properz  III  31  v.  15 f.):  aber  warum  mufs  es  gerade  der 
Palatinus  des  Skopas  sein,  der  den  Dichtem  vorschwebt?  Beweiskräftig 
wäre  das  Gedicht  des  Properz,  wenn  nur  die  Umstellung,  welche  der 
Verf.  vornimmt  (v.  5—6  hinter  16)  überhaupt  statthaft  wäre.  Die  lange 
Haartracht  ferner  ist  bei  Apollon  doch  nicht  so  selten,  dafs  die  blofse 
Erwähnung  des  'intonsus  crinis'  bei  Ovid  und  Tibull  ohne  Umstände  auf 
das  Werk  des  Skopas  bezogen  werden  dürfte.  Und  ob  die  Worte '  Phoebo 
pulchrior  ipso'  im  Munde  eines  augusteischen  Dichters  wirklich  auf  den 
langgewandeten  KitharOden  bezogen  werden  dürfen,  ist  mehr  als  zweifel- 
haft. Wir  meinen,  wenn  überhaupt  hier  an  ein  bestimmtes  Kunstwerk 
gedacht  ist,  so  war  es  sicherlich  eine  nackte  Figur.  —  Eine  vierte  Schrift 
desselben  Verf.,  betitelt 'Herm-ApoUo-Stroganoff'  (Marburg,  Elwert  1889> 
war  dem  Ref.  nicht  zugänglich.  —  Für  den  Typus  des  Kitharöden  Apollon 
sind  anfser  dem  Aufsatz  Hoffmanns  einzusehen  Visconti's  YerOffentlichun- 
gen  im  Bullettino  della  Comm.  arch.  com.  di  Roma  XV  (1887)  p.  336ff., 
XYI  p.  44—46,  XVII  p.  218  -225.  Für  den  in  Daphne  bei  Antiochia 
aufgestellten  Apollon  des  Bryaxis  verwertet  Max  Egger  in  der  Revue 
des  6tudes  grecques  II  p.  102  —  106  eine  bisher  übersehene  Stelle  des 
Philostorgos  (Mai,  Spicil.  Rom.  IV  p.  380). 

Eine  Darstellung  der  Apollongeburt ,  die  mit  genauester  Kenntnis 
der  spezifisch  delischen  Form  der  Oeburtslegende  entworfen  ist,  erkennt 
Carl  Robert  (Hermes  XXII.  1887.  p.  446ff.)  in  dem  von  Heydemann 
auf  Eros  und  Psyche  bezogenen,  Arch.  Zeitg.  1869  T.  16  abgebildeten 
borghesischen  Sarkophagdeckel ;  die  Version  bei  Hygin  140  weist  er  (ebd. 
XXIII  p.  818  f.)  in  einem  zu  Oran  aufbewahrten  Mosaik  nach. 

Hinsichtlich  des  Ares  verweist  Ref.  auf  den  Artikel  von  StoU,  in 
Röscheres  Lexikon  Sp.  477  —  487.  Seit  dieser  auf  sorgfältigen  Studien 
beruhenden  und  durch  streng  historische  Betrachtungsweise  ausgezeich- 
neten Arbeit  ist  dem  Ref.  keine  den  Ares  behandelnde  Schrift  bekannt 
geworden. 

Was  die  Argonauten  anlangt,  so  findet  man  in  dem  in  Roschers 
Lexikon  Sp.  503 — 637  erschienenen  Artikel  Seeliger*s  aufser  der  litte- 
rarischen und  monumentalen  Tradition  auch  die  lokale  ausführlich  dar- 
gestellt, was  gerade  bei  dieser  Sage  besonders  wichtig  ist.  Den  Beschlufs 
macht  ein  zwar  den  Umfang  des  physikalischen  Substrates  überschätzen- 


336       Griediisclie  Mythologie.    4.  Einzelne  Gottheiten  und  Heroen. 

der,  flbrigens  aber  beachtenswerter  Versacli,  die  Entwickelang  der  Sage 
zu  zeichnen. 

Die  Dissertation  von 

D.Eennerknecht,  De  Argonaotarnm  fabula  quae  yetemm  scrip- 
tores  tradiderint    Pars  I— II.    (Diss.  inang.  Monach.  1886.)    8.    61  S. 

soll  in  ihrem  ersten  Teil  (p.  5 — 15) 'de  oniversa  Argonaataram  fabola' 
handeln.  Thatsftchlich  beschränkt  sich  Verf.  darauf,  die  euhemeristischen 
Erklärungen  einiger  Alten  wiederzugeben,  an  Weichert*s  und  Otfried 
MflUer's  Anflfassung  auf  anderthalb  Seiten  etwas  Kritik  zu  üben  —  Mann- 
hardt  und  Seeliger  werden  Oberhaupt  nicht  erwähnt  —  und  endlich  seine 
eigene  Weisheit  vorzutragen,  deren  flüchtiger,  von  strenger  Beweisführung 
weit  entfernter  Charakter  den  Ref.  eines  näheren  Eingehens  enthebt:  nur 
soviel  sei  erwähnt,  dafs  Verf.  die  Sage  vom  Argonautenzug  lediglich 
auf  die  geschichtlichen  Fahrten  der  Minder  zurückführt  und  sie  scharf 
von  den  rein  physikalischen  Sagen  von  Phrixos  und  Jason  geschieden 
wissen  will. 

Der  zweite  Teil  (p.  16— 61,  wovon  beinahe  die  Hälfte  auf  wört- 
lich ausgeschriebene  Citate  kommt)  stellt  die  Behandlung  der  Phrixos- 
sage  in  der  griechischen  und  römischen  Litteratur  dar.  Bemerkenswertes 
Neue  ist  dem  Ref.  auch  hier  nicht  entgegengetreten. 

In  den  *  Blättern  für  das  Bayerische  Gymnasialschulwesen'  XXII 
(1886)  p.  109—119  versucht  derselbe  Verf.  zu  erweisen,  dafs  Kallimachos 
'den  Wettlauf  des  Erginos  und  in  Verbindung  damit  die  ganze  lemnische 
Sage  anläfslich  der  Leichenspiele  des  Königs  Thoas  in  der  von  Pindar 
vorgezeichneten  Weise  ausführlich  erzählt  habe';  aufserdem  berichtigt 
Verf.  eine  Bemerkung  Welckers  über  die  ovidische  Darstellung  der  Me- 
deasage. 

In  einer  dritten  Arbeit 

— ,  Zur  Argonautensage  (Progr.  der  Kgl.  Studienanstalt  Bamberg 
1888.)    8.    70  S. 

stellt  derselbe  Verf.  für  die  einzelnen  Szenen  der  Argonautenfahrt  die 
litterariscbe  Überlieferung  zusammen,  indem  er  zumeist  sehr  ausführlich 
wiedererzählt.  Kaum  irgendwo  aber  bemerkt  man  einen  ernsthaften 
Versuch,  der  dringlichsten  Aufgabe  jeder  sagen-geschichtlichen  Forschung 
gerecht  zu  werden:  d.  h.  diejenige  scharfe  und  eingehende  Behandlung 
der  Quellen  vorzunehmen,  durch  welche  die  Feststellung  der  ursprüng- 
lichen Heimat  der  Sage  bezw.  ihrer  einzelnen  Gestalten  und  Züge  ermög- 
licht werden  kann.  Wie  wenig  sich  Verf.  dieser  Pflicht  bewnfst  ist,  geht 
am  deutlichsten  daraus  hervor,  dafs  er  das  Violarium  der  Eudokia  mehr- 
fach als  antike  Quelle  behandelt  (z.  B.  p.  7,  15),  nachdem  dasselbe  bereits 
1880  als  moderne  Fälschung  erwiesen  worden  ist. 


Groeger,  Jessen,  Schreiber  (Argooaoten- Artemis).  337 

Die  Schrift  von 

Maximilianas  Groeger,  De  Argonaaticamm  fabolaram  historia 
qaaestiones  selectae  (Diss.  inaug.  Vratisl.  1889).    8.   65  S. 

hat  Ref.  nicht  eingesehen.  Was  E.  Maafs,  auf  dessen  Besprechung  in 
der  Deutschen  Litteratur-Zeitung  von  1890  Nr.  16  p.  589 — 90  verwiesen 
werden  mufs,  von  den  durch  den  Verf.  aufgestellten  Etymologien  und 
Deutungen  wiedergiebt,  macht  einen  wenig  gflnstigen  Eindruck.  Recht 
erfreulich  dagegen  ist  eine  im  selben  Jahr  erschienene  Berliner  Dissertation : 

Otto   Jessen,   Prolegomena  in  catalogum  Argonautarum  (Diss. 
inaug.  Berol.  1889).    8.   48  S. 

Kap.  1  bringt  eine  sorgCEÜtige  Untersuchung  der  litterarischen  und 
monumentalen  Quellen  der  uns  überlieferten  Argonauten-Namen.  Verf. 
tritt  Stender's  Uuterschätzung  des  Apollodorischen  Kataloges  mit  guten 
Gründen  entgegen.  Die  von  Apollonios  Rh.  abhängigen  Quellen  scheidet 
er  in  solche,  welche  jenen  einfach  ausschrieben  (Scholiast  zum  Apollonios 
Rh.,  Tzetzes,  Palaeocappa),  und  in  solche,  die,  wie  Hygin,  den  Katalog 
des  Apollonios  erweitem.  Beachtenswert  erscheint  ferner  die  p.  29  f.  aus- 
geführte Ansicht,  dafs  die  Leichenspiele  des  Pelias,  welche  eine  Anzahl 
sonst  nicht  bekannter  Argonauten-Namen  liefern,  in  altem  und  sehr  engem 
Zusammenhang  mit  der  Argonautensage  stehen. 

In  Kap.  2  fafst  J.  speziell  die  Jasonsage  ins  Auge.  Er  gelaugt  in 
methodischer  Untersuchung  und  unter  aufmerksamer  Beachtung  der  lo- 
kalen Kulte  zu  dem  Ergebnis:  dafs  die  Hochzeit  von  Jason  und  Medea 
der  wichtigste  und  allein  in  altem  Kultus  begründete  Teil  der  Argonau- 
tensage, und  dafs  Argos  als  die  Heimat  dieser  Hochzeitssage  anzusehen 
ist.  Der  Raub  des  Vliefses  kam  später  aus  der  minyischen  Sage  hinzu, 
und  ebenso  aus  der  boiotischen  die  von  Kadmos  auf  Jason  übertrageneu 
Athla.  —  Auf  die  Fortsetzung  der  iu  Otfried  Müller*s  Geist  geführten 
Untersuchung  darf  man  gespannt  sein. 

Hinsichtlich  der  Artemis  verweisen  wir  zunächst  auf  das  oben 
8.  806 ff.  besprochene,  für  diese  Göttin  sehr  bedeutsame  Werk  'Kyrene' 
von  Studniczka.    Durch 

Schreiber  in  Roscher's  Lexikon  Sp.  558 — 608 

hat  Artemis  eine  zusammenfassende  Darstellung  erfahren,  welche  an  Reich- 
haltigkeit und  übersichtlicher  Anordnung  nichts  zu  wünschen  übrig  läfst 
und  vor  vielen  anderen  Artikeln  des  Lexikons  einen  besonderen  Vorzug 
darin  hat,  dafs  der  archäologische  Teil  aus  derselben  Feder  geflossen 
ist.  Auch  guter  neuer  Gedanken  bringt  der  Artikel  eine  ganze  Anzahl, 
und  das  Gebiet  der  Deutung  wird  vom  Verf.  durchaus  mit  der  hier  so 
nötigen  Vorsicht  betreten.  Anstofs  nimmt  Ref.  hauptsächlich  daran,  dafs 
der  Verf.  das  ursprüngliche  Wesen  der  Göttin  immer  noch  viel  zu  eng 
fafst,  wenn  er  es  auch   nicht  auf  ein  bestimmtes  Element  beschränkt. 

JahrwlMridu  für  AltertumswisMnaduift.    LXVZ.  Bd.  22 


338       Griechische  Mythologie.    4.   Einzelne  Gottheiten  and  Heroen. 

Warum  z.  B.  die  Pflege  der  Jagd  ein  ursprünglich  im  Kult  zurückste- 
hender Zug  gewesen  und  erst  durch  die  Dichtung  volkstttmlich  geworden 
sein  soll  (vgl.  Sp.  564.  681),  ist  nicht  verständlich:  ein  Jägervolk  stellt 
sich  seine  Göttin  naturgemäfs  als  Jägerin  vor.  Der  Verf.  ist  denn  auch 
genötigt,  der  apollinischen  Religion  einen  unglaublich  starken  Einflufs 
auf  die  Eutwickelung  der  Artemis  zuzuschreiben  und  die  Ausbildung  einer 
ganzen  Reihe  von  Zügen  (z.  B.  Kurotrophie  und  Beziehung  zu  Familien- 
und  Gemeindeleben,  Heilkraft,  Mantik,  s.  bes.  Sp.  576 £f.),  die  keineswegs 
blofs  apollinisch  sind,  sondern  zu  den  Vorstellungen  gehören,  mit  denen 
eine  jede  Gottheit  von  ihren  Verehrern  ausgestattet  wird,  auf  Apolloo 
zurückzuführen.  —  Während  der  Verf.  dazu  neigt  im  arkadischen  Binnen- 
land den  eigentlichen  Ausgangspunkt  des  Artemisdienstes  zu  suchen  (wes- 
halb ihm  die  Beziehung  der  Artemis  zu  Meer  und  SchifiFfahrt  Sp.  5dl 
Z.  88  £f.  als  sekundär  erscheint,  wozu  an  sich  gar  kein  Grund  vorliegt),  legt 

£.  Curtius,  Studien  zur  Geschichte  der  Artemis  (Sitzungsberichte 
der  Egl.  Preufsischen  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin  1887. 
LUX.  Sitzung  der  philos.-histor.  Classe  vom  22.  Dec.)  4.  17  S. 
in  seiner  geistvollen  Weise  dar,  wie  Artemis  seit  ältester  Zeit  ein  Ge- 
meingut aller  Griechen  gewesen,  eine  Volksgöttin  im  weitesten  Umfang: 
'in  den  Landschaften,  wo  sich  die  älteste  Volkskultur  am  treuesten  be- 
wahrt hat,  neben  Zeus  und  den  Nymphen  ohne  Konkurrenz  als  herr- 
schende Gottheit',  besitzt  sie  sogar  in  Attika  bedeutend  mehr  Eultplätze 
als  Athena,  die  meisten  nächst  Zeus  (p.  3  f.  8).  C.  erweist  nach  den  in 
seiner  oben  (S.  269  ff.)  besprochenen  Schrift  aufgestellten  Kriterien  die 
Göttin  als  zu  den  Grundschichten  griechischen  Religionswesens  gehörig 
(Mangel  an  Adventsagen,  hochaltertümliche  Beinamen,  primitive  Opfer 
u.  a.),  sieht  sich  aber  andererseits  durch  eine  Reihe  jedenfalls  sehr  beach- 
tenswerter Gründe  —  p.  12  ff. :  die  ih  der  Lage  der  wichtigsten  Stationen 
des  Artemisdienstes  bemerkbare  Bewegung  von  Osten  nach  Westen,  das 
Attribut  des  Löwen,  die  enge  Verknüpfung  mit  dem  Tantalidengeschlecht 
n.  a.  —  zu  der  Annahme  genötigt,  dafs  dieser  Kultus  sich  vom  phrjgi- 
schen  Hochlande  aus,  wie  nach  Osten  bis  tief  ins  Innere  von  Vord er- 
Asien hinein,  so  (in  der  unter  phrygischen  und  lydischen  Einflüssen  ste- 
henden, pelasgischen  Vorzeit)  nach  Hellas  ausgebreitet  hat  (p.  14f.).  Und 
während  Artemis  im  Osten  die  grofse  Naturgottheit  blieb, '  an  deren  Festen 
bei  dem  gygäischen  See  die  ganze  Schöpfung  sich  beteiligt',  folgt  sie  in 
Griechenland  'dem  Menschen  vom  Hirtenzelte  in  die  Stadt,  und  mit 
seiner  geistigen  Entwickelung  entfaltet  sie  sich  selbst  in  ethischer  wie 
politischer  Beziehung  immer  reicher  und  voller'  (p.  12.  15). 
Eine  sehr  anziehende  Untersuchung  von 

Ernst  Maafs,  im  Hermes  XXV  (1890)  p.  403 ff. 
betrifft  einen  Artemiskult  von  Kyrene.    M.  macht  wahrscheinlich,  dafo  der 
Artemis -Hymnus  des  Kallimachos  für  Kyrene  bestimmt  war,   dafs  die 


Cnrtios,  Maafs,  Robert,  Studniczka  (Artemis).  339 

Göttin  die  'nesiotische'  der  dritten  Phyle  in  Kyreoe  ist,  and  dafs  der 
Hymnus  die  Traditionen  der  zu  jener  Phyle  gehörigen  Geschlechter  oder 
einzelner  Zuwanderer,  welche  ihren  Ursprung  *anf  den  Inseln'  haben, 
wiedergiebt. 

Was  die  bildlichen  DarsteUungen  der  Artemis  anlangt,  so  hat 

Carl  Robert,  Ajchäologische  Märchen  ans  alter  und  neuer  Zeit 
(Philologische  Untersuchungen  hgb.  von  A.  Eiefsling  und  U.  y.  Wila- 
mowitz-Moellendorff  Heft  X  [1886])  p.  144—159 

die  Überlieferung  über  die  Kultbilder  der  brauronischen  Artemis  einer 
eingehenden  Prüfung  unterzogen.  Hinsichtlich  des  alten  Holzbildes  von 
Brauron  gelangt  R.  zu  dem  Ergebnis,  dafs  dasselbe  niemals  von  dort 
entfahrt  worden  ist,  und  dafs  die  durch  Pausanias  überlieferte  Geschichte 
von  der  Entführung  desselben  durch  die  Perser  ein  Märchen  ist,  'erfun- 
den frühestens  in  der  Zeit  des  Seleukos  in  der  Absicht,  dem  von  ihm 
nach  Laodikeia  geschenkten  alten  Artemisidol  durch  Gleichsetzung  mit 
dem  durch  Euripides  weltberühmt  gewordenen  brauronischen  Bilde  eine 
besondere  Heiligkeit  zu  verleihen'  (p.  147  f.)-  Die  Sage  von  der  tauri- 
schen  Herkunft  des  Bildes  führt  Verf.  auf  Euripides  taurische  Iphigeneia 
zurück,  indem  er  nachweist,  wie  auch  anderwärts,  in  Kleinasien  wie  im 
Peloponnes,  die  Euripideische  Sagenform  die  lokalen  Kultlegenden  im 
stärksten  Grade  beeinflufst  hat.  —  Bezüglich  der  beiden  im  Brauronion 
der  Akropolis  befindlichen  Kultbilder  stellt  der  Verf.,  auch  hier  den  von 
Studniczka,  'Vermutungen  zur  griechischen  Kunstgeschichte'  p.  18 ff., 
geäufserten  Ansichten  entgegentretend,  nach  einer  Untersuchung  des 
Sprachgebrauches  von  ayaX^  und  idoQ  (für  welchen  jetzt  übrigens  noch 
die  weiteren  Bemerkungen  Studniczka*s  im  Hermes  XXII  [1887]  p.  494 
—  496  einzusehen  sind)  fest,  dafs  das  alte  Kultbild  (idoQ)  ein  steinernes 
Sitzbild  war,  das  des  Praxiteles  dagegen  {äya^iw)  stehend  gebildet  aus 
Holz  oder  Goldelfenbein.  Dafs  der  berühmte  Praxiteles  der  Verfertiger 
des  letzteren  war,  hält  Verf.  für  höchst  unwahrscheinlich  und  ist  vielmehr 
geneigt,  das  von  Kekul6,  Mitteil,  des  ath.  Inst.  V  Taf.  X,  veröffentlichte 
archaische  Artemisbild  einer  attischen  Thonschale,  dessen  eigentümlichen 
und  entschieden  sakralen  Charakter  Verf.  mit  vollem  Recht  gegen  Kekul6 
betont,  auf  dieses  Kultbild  zurückzuführen. 

Franz  Studniczka,  Mitteilungen  des  Kais.  Deutsch.  Archäol.' In- 
stitutes.   Römische  Abt.  III  (1888)  p.  277-802 

prüft  die  archaische  Artemis-Statuette  aus  Pompeji  hinsichtlich  der  Form 
und  der  technischen  Behandlung  des  Gewandes,  der  Haartracht  und  der 
Grössenverhältnisse;  diese  Prüfung  ergiebt  den  Schlufs,  dafs  die  Statuette 
Mn  Komposition  und  Stil  die  getreue  Nachbildung  eines  um  die  Zeit  der 
Perserkriege  entstandenen  Werkes  ist,  welche  nur  in  geringen  Mängeln 
der  Ausführung  die  Hand  eines  der  ersten  Kaiserzeit  angehörenden  Ko- 

22* 


340      Griechische  Mythologie.    4.   Einzelne  Gottheiten  und  Heroen. 

pisten  verrät'.  Aafserdem  bespricht  Verf.  die  Repliken  and  stellt  die 
Yermatang  aaf,  dafs  das  Urbild  dieses  Typus  das  vorQbergebend  einmal 
in  Rom  befindliche  Enltbild  der  Kalydonier  gewesen  sei. 

Merkbare  Fortschritte  hat  die  Forschung  hinsichtlich  des  Askle- 
pios  gemacht.    Der  zusammenfassende  Artikel 

Thraemer's  in  Roscher*s  Lexikon  (Sp.  615—641) 

zeichnet  sich  durch  Übersichtlichkeit  und  besonnene  Kritik  der  Ober- 
iieferung  aus,  auch  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  dafs  Verf.  das 
archäologische  Material  selber  bearbeitet  hat.  In  dem  Abschnitt '  Familie 
des  Asklepios*  vermisse  ich  Aristodama  und  Aratos  (Paus.  II  10,  3); 
Apollon  als  auwaog  des  sikyonischen  Asklepios  hinzustellen,  erscheint 
nach  den  Angaben  des  Tansanias  kaum  berechtigt.  Die  ßestimmuug  des 
ursprünglichen  Wesens  des  Asklepios  als  *  alter  thessalischer  Orakel- 
gottheit', welche  Verf.  übrigens  mit  allem  Vorbehalt  ausspricht,  dürfte 
nicht  ganz  glücklich  sein:  sie  ist  zu  allgemein,  insofern  für  die  älteste 
Zeit  das  Mantische  an  sich  doch  nicht  als  Charakteristikum  gelten  kann, 
und  andererseits  zu  eng,  indem  mit  dem  Begriffe  des  Mantischen  das 
ursprüngliche  Wesen  des  Gottes  sicherlich  nicht  erschöpft  ist. 

Einen  üblen  Gegensatz  zu  dieser  im  ganzen  recht  erfreulichen 
Leistung  bildet  die  völlig  unmethodische,  im  Deuten  Ungeheuerliches 
leistende  Abhandlung  von 

Alexander  Eschweiler,  Über  das  Wesen  und  den  Namen  des 
griechischen  Heilgottes.    Leipzig,  G.  Fock,  1886.   4.    13  8. 

Im  ersten  Teil  (p.  1 — 8)  versucht  Verf.  für  den  Asklepios  den 
Charakter  einer  Lichtgottheit  zu  erweisen,  besonders  unter  Berufung  auf 
die  epidaurische  Geburtslegende  (die  Ziege  als  Sinnbild  der  Sturm  und 
Blitz  bergenden  Wolke,  der  Hund  als  Hundsgestirn,  der  Hirt  Aresthanas 
als 'der  allerkräftigst e',  d.i.  Lichtgott,  gefafst)  sowie  auf  den  Blitztod 
des  Gottes,  auf  seine  angeblich  nur  aus  Lichtgestalten  bestehende  Fa- 
milie u.  s.  w.  Schwer  ist  zu  ersehen,  wie  der  aus  der  Geburtssage 
vom  Verf.  konstruirte  Naturmjthus  diese  Lichtnatur  veranschaulicbeu 
soll:  die  hochgelegene  Berggegend  (Koronis)  wird  vom  Lichte  (Apollon) 
geschwängert,  heimlich  aber  auch  vom  Wachstumsgeist  (Ischys)  beschlicheo 
und  stirbt  deshalb  durch  das  Licht  oder  die  Wärme  (Artemis).  Die 
Frucht  (Asklepios)  würde  verdorren,  *käme  nicht  rettend  der  Regen  (Her- 
mes, Gott  der  Verdunkelung)  dazwischen,  um  einen  gesunden  Zustand 
der  Atmosphäre  hervorzurufen. 

Im  zweiten  Teil  (p.  9~13)  werden  für  den  Namen  des  Gottes  eine 
Urform  datYaXafoQ  und  die  Übergangsformen  day^afoi^  daxkafog  aufge- 
stellt. Der  davon  abgeleitete  Name  ^AaxXamdi,  d.  i.  der  den  Glanz  Lie- 
bende, komme  ursprünglich  dem  Apollon  zu  (unter  Berufun   g  auf  die* 


Thraemer,  Eschweiler,  ▼.  Wilamowits-Moellendorf  (Asklepios).       34  ] 

sehrift  Annali  VI  222.  tav.  E  und  auf  die  übrigens  nicht  beweiskräftige 
Mttnzaufscbrift  Mionn.  lY  314.  S.  61)  and  sei  aaf  den  Sohn  erst  fiber- 
tragen. 

U.  von  Wilamowitz-Moellendorff,  Isyllos  von  Epidauros. 
Berlin,  Weidmann  1886.  8.  196  S.  (Philologische  Untersnchnngen, 
herausg.  von  A.  Eiessling  und  U.  v.  Wilamowitz-Moellendorff  IX.  Heft). 

Es  ist  der  dritte  Abschnitt  des  Baches,  welcher  uns  hier  interessirt 
(p.  44 — 103):  'Folgerungen  ffir  die  Religion',  welche  v.  W.  aus  den  dem 
Anfang  des  3.  Jahrhanderts  v.  Chr.  angehörigen,  dem  Apollon  Maleatas 
und  dem  Asklepios  gewidmeten  Gedichten  des  Epidauriers  Isyllos  zieht 
(die  im  epidaurischeu  Hieron  gefundene  Inschrift  zuerst  veröffentlicht 
von  Eabbadias  '£f>.  dp^,  1885,  66).  Der  Abschnitt  in  seiner  ganzen 
Anlage  erscheint  dem  Ref.  als  ein  Muster  religionsgeschichtlicher  Unter- 
suchung und  getragen  von  wirklichem  Verständnis  ffir  das  Wesen  der 
Religion:  das  sind,  bei  dem  heutigen  Stande  der  Religionsforschung, 
schwerwiegende  Vorzfige  gegenfiber  manchen  zu  kfihnen  und  genauerer 
Prüfung  nicht  stichhaltigen  Einzelbehauptungen,  deren  Berichtigung  nicht 
ausbleiben  wird  und  z.  t.  mittlerweile  vom  Verf.  selber  gegeben  worden 
ist    Der  Gedankengang  des  Verf.  ist  folgender. 

Der  Gott  Asklepios  ist  Aeolern  und  Joniern  fremd;  die  Asklepia- 
den  kommen  ins  jonische  Epos  als  Vertreter  von  Kos,  wo  der  Asklepios- 
kult  mit  der  (der  dorischen  Eolonisirung  voraufgehenden)  Einwanderung 
der  von  den  Thessalern  verdrängten  Achaeer  festen  Fuss  gefasst  und 
sich  vermutlich  den  ursprünglich  wohl  karischen  Heros  Podaleirios  an- 
gegliedert hatte.  Sowohl  die  koische  Genealogie  des  Asklepios  (Eusta- 
thius  zu  B  732)  wie  das  Epos  und  andere  Zeugnisse  weisen  auf  Thessa- 
lien und  die  im  Sfiden  angrenzenden  Landschaften  als  nachweislich  älte- 
sten Sitz  des  Asklepiosdienstes.  Der  ganze  peloponnesische  Kultus  ist 
erst  sekundär;  besonders  ffir  Messenien,  welches  sich  der  Geburt  des 
Asklepios  rfihmte,  ergiebt  sich  die  Abhängigkeit  von  Thessalien  auch 
ans  einer  Prfifung  der  hesiodischen  Gedichte,  in  welchen  die  Asklepios- 
Sage  vorkam. 

Verf.  versucht  die  Rekonstruktion  der  hesiodischen  Eöe  (erhalten 
Fragment  147  und  148  Rzach),  welche  Apollons  Liebe  zur  Koronis  und 
die  ihm  zur  Strafe  ffir  die  Tötung  der  Kykiopen  auferlegte  Dienstbarkeit 
bei  Admet  zum  Gegenstand  hatte.  Asklepios  kam  darin  vor:  seine  Ge- 
burt, 'seine  Thätigkeit  als  Arzt  und  sein  Tod  durch  Zeus  Donnerkeil. 
Aber  er  ist  nur  Nebenperson  und  zam  Heroen  herabgesunken;  es  ist  im 
Grunde  derselbe  Prozefs,  durch  welchen  die  xriorcu  von  Kos  und  ihr 
göttlicher  Vater  im  jonischen  Epos  Heerkönige  vor  Ilios  geworden  sind, 
der  auch  in  Delphi  aus  dem  thessalischen  Asklepios  einen  Sohn  des 
Apollon,  einen  von  Zeus  wegen  seiner  üebergriffe  gestraften  Zauberarzt 
gemacht  hat.    Hesiod  führt  uns  wohl  näher  heran  zu  Asklepios,  aber  er 


342      Griechische  Mythelogie.    4.    Einzelne  Gottheiten  and  Heroen. 

lATst  uns  denselben  so  wenig  in  seiner  wahren  Gestalt  erscheinen  als 
Homer'  (p.  11).  'Das  hesiodische  Gedicht  war  nicht  nur  kein  hieratisches 
Gedicht,  sondern  es  schlug  der  Göttlichkeit  des  Asklepios  geradezu  ins 
Gesicht  und  stammte  durchaus  nicht  aus  Kreisen,  welche  diesen  Gott 
irgend  welcher  Verehrung  würdigten'  (p.  84). 

Aber  es  beherrscht  doch  die  ganze  Folgezeit:  nicht  allein  die  Dar- 
stellung der  messenischen  Asklepiossage  im  Leukippidenkatalog  (Arsinoe) 
und  Pindar,  trotz  wesentlicher  Abweichungen,  sind  von  ihm  abhängig, 
sondern  auch  die  iepol  Xoyot  der  Epidaurier  bei  Pausanias  zeigen  neben 
echten  Sagenelementen,  welche  Verf.  auszusondern  sucht,  deutlich  den 
Einflufs  der  Eöe. 

Während  nun  diese  epidaurische  Tradition,  wie  Pausanias  sie  dar- 
bietet, weiter  nichts  ist  als  'eine  thessaliscbe  Genealogie  neben  einem 
peloponnesischen  Märchen'  und  durch  die  Heranziehung  von  Phlegyas  und 
Eoronis  die  Abhängigkeit  des  epidaurischen  Kultes  von  Thessalien  offen 
eingesteht,  ist  in  dem  Gedicht  des  Isyllos,  welches 'die  offizielle  Tempel- 
Legende  der  theophrastischen  Zeit'  giebt,  eine  enge  Verknüpfung  des 
Asklepios  mit  Epidauros  durchgeführt.  Asklepios  und  Phlegyas  sind  bei 
Isyllos  in  Epidauros  zu  Hause,  Koronis  erscheint  hier  nur  als  ein  Bei- 
name der  Aigla,  welche  nach  Isyllos  des  Asklepios  Mutter  ist,  und  nach 
welcher  er  seinen  Namen  erhalten  haben  soll.  Thatsächlich  liegt  die 
Sache  umgekehrt:  Aigla  — "^AeykL  (Hesych  s.  v.  AiyMi^g :  6  'Aaxk^tog)  ist 
eine  von  der  Anfangssilbe  des  Gottesnamens  abgeleitete  Heroine. 

Obwohl  nun  Verf.  im  ersten  Bestandteil  des  Namens  Asklepios 
unter  Verweis  auf  Alyhxijp  und  auf  den  ApoUon  Alyk^Tn^g  von  Anaphe 
den  Begriff  des  Glanzes  erkennen  zu  müssen  glaubt,  läfst  er  sich  doch 
nicht  dazu  verführen,  aus  dieser  Entdeckung  für  das  ursprüngliche  Wesen 
des  Gottes  Kapital  zu  schlagen:  'von  welcher  Seite  her  die  gläubigen 
Gemüter  einen  Namen  für  das  Göttliche  suchten  und  fanden,  ist  nicht 
von  grofsem  Belange:  blieben  sie  sich  doch  selbst  sehr  wohl  bewufst, 
dafs  kein  irdisches  Wort  das  Wesen  eines  Gottes  recht  benennt  Auch 
wir  vermögen  mit  Abstraktionen  sehr  unvollkommen  einer 
Gottheit  Wesen  zu  erfassen,  können  sehr  oft  nur  die  Richtung  an- 
geben, in  welcher  die  Empfindung  und  die  Phantasie  des  glaubenden 
Volkes  sich  bewegte'  (p.  96).  Verf.  versucht  dies  p.  94  ff.  in  meisterhafter 
Darlegung,  welcher  wir  ganz  besondere  Beacfatung  wünschen:  sie  eröff- 
net zugleich  eine  weite  Perspektive  in  die  griechische  Religionsgeschichte 
(überhaupt.  Mit  guten  Gründen  werden  als  wesentliche  Züge  des  Gottes 
sein  chthonischer  Charakter  und  die  Weissagung  im  Traume  hingestellt: 
er  ist  innerlich  verwandt  dem  Trophonios  und  dem  Amphiaraos. 

Zum  Scblufs  zeichnet  Verf.  kurz  die  Geschichte  des  Asklepios,  wie 
sie  sich  in  der  Hauptsache  aus  der  voraufgehenden  Untersuchung  ergiebt. 
Die  ältesten  nachweisbaren  Träger  des  Dienstes  sind  Bewohner  Thessa- 
liens oder  seiner  Nachbarkantone  gewesen,  ein  Teil  von  ihnen,  durch  die 


T.  Wilamowitz-Moelleodorflf,  Baillet,  Loewe  (Asklepios).  343 

eindriDgenden  Thessaler  verdrängt,  briDgt  den  Asklepios  nach  Kos,  ein 
anderer  Teil,  der  bedeutend  später  von  den  Dorem  südwärts  gedrängt 
wird,  bringt  ihn  in  den  Peloponnes.  Jene  Thessaler  bequemen  sich  dem 
Kultus  der  im  Lande  gebliebenen  Asklepios -Verehrer  an;  die  Dorer 
annektiren  ihn  im  Peloponnes  als  Sohn  ihres  Apollon,  wobei  doch,  wie 
in  Epidauros,  Asklepios  das  Übergewicht  behalten  konnte,  oder  sie  iden- 
tifiziren  die  beiden  Götter  geradezu.  Aber  bereits  vor  der  dorischen 
Einwanderung  hat  der  Asklepioskult  im  Peloponnes  seine  Geschichte. 
Seine  ursprünglichen  Träger  hatten  hier  an  vielen  Orten  Kulte  vorge- 
funden, 'die  sie  ihrem  Asklepios  verwandt  glaubten  und  auf  die  sie 
seinen  Namen  und  seine  Sagen  übertrugen'. 

Ref.  ist  nicht  in  allem  überzeugt  worden:  so  dürfte  die  Verknüpfung 
von  Koronis-  und  Alkestis-Sage,  welche  Verf.  p.  67  f.  für  die  hesiodische 
Eöe  annimmt,  kaum  ausreichend  bewiesen  sein,  und,  um  einen  wesent- 
licheren Punkt  zu  nennen,  die  Gestalt  des  Machaon,  der  doch  (wenn  wir 
den  Verf.  recht  verstehen,  vgl.  p.  64 f.)  erst  im  Peloponnes  dem  Askle- 
pios angegliedert  sein  soll,  ist  mit  der  Annahme  der  direkten  Verpflan- 
zung des  Kultus  von  Thessalien  nach  Kos  nicht  wohl  vereinbar:  oder  soll 
er  erst  von  den  Dorem  aus  der  Argolis  hierhergebracht  sein?  —  Aber 
was  das  Wesen,  den  Ursitz  und  die  Bewegung  des  Asklepioskultes  an- 
geht, sowie  besonders  das  Verhältnis,  in  welches  Asklepios  zu  verwandten 
altpeloponnesischen  Gottheiten  und  später  zu  Apollon  trat,  dürfte  in  der 
Hauptsache  das  Richtige  getroffen  sein.  Die  p.  83  und  im  Nachtrag 
p.  188  ausgesprochene  Ansicht,  dafs  der  epidaurische  Asklepioskult  be« 
reits  vor  dem  peloponnesischen  Kriege  nach  Athen  verpflanzt  worden  sei, 
nimmt  Verf.  selbst  im  Gommentariol.  gramm.  IV  (Göttinger  Ind.  lect. 
1889/90)  p.  25  Anm.  1  auf  Grund  neuerer  Inschriftenfunde  zurück. 

J.  Baillet  veröffentlicht  in  der  Revue  archöol.  S^r.  III  (1889) 
p.  70-83  eine  an  der  Stelle  des  alten  Ptolemais  gefundene,  um  100  n. 
Chr.  verfertigte  metrische  Votivioschrift  an  Asklepios,  in  welcher  der 
ganze  Stammbaum  des  Gottes  abgesungen  wird. 

Eine  zusammenfassende  Darstellung  des  bildlichen  Materiales  bringt 
die  fleissige  Untersuchung  von 

Aemilius  Loewe,   De  Aesculapi  figura    (Diss.   inaug.  Argent. 
1887).    Argentorati,  £.  H.  Ed.  Heitz.    8.   86  S. 

Kap.  I  (p.  7—11)  betrifft  die  ältesten  Asklepiosbilder,  ohne  etwas 
Neues  zu  bieten.  Die^Vermutung  Panof  ka's,  dafs  Asklepios  ursprünglich 
in  Gestalt  einer  Schlange  verehrt  worden  sei,  brauchte  nicht  wiederholt 
zu  werden:  sie  ist  in  dieser  allgemeinen  Form  jedenfalls  nicht  haltbar. 
Kap.  II  (p.  11—26)  handelt  vom  attischen  Asklepios,  und  zwar  (nach 
einem  vom  ^IsjUos'  abhängigen,  vom  Verf.  selbst  jetzt  wohl  nicht  mehr 
aufrecht  erhaltenen  Versuch,  die  Zeit  der  Überführung  nach  Athen  zq 
bestimmen)  zunächst  von  den  gemutmafsten  Darstellungen  des  Gottes  am 


344       Griechische  Mythologie.    4.   EiDzelDe  Gottheiten  und  Heroen. 

Parthenon,  die  mit  Recht  geleugnet  werden  (für  die  beiden  Giebelfiguren 
nicht  trotz,  sondern  wegen  der  Schlange,  da  dieselbe  auf  den  ältesten 
attischen  Votivreliefs  an  Asklepios  fehle  p.  15),  und  dann  von  den  Votiy- 
reliefs,  erstens  denen,  die  den  Gott  stehend  zeigen,  (1)  den  Stab  unter 
der  linken  oder  (2)  unter  der  rechten  Schulter,  (3)  die  Schlange  neben 
ihm,  nach  dem  Vorgang  von  Pheidias'  Parthenos,  aber  nur  3  Fälle,  (4) 
Stab  mit  Schlange  umwunden,  vom  Verf.  bereits  für  das  4.  Jahrb.  v.  Gh. 
angenommen.  Die  Darstellungen  des  sitzenden  Asklepios  scheidet  Verf. 
nicht  unglücklich  in  solche  mit  mehr  sakraler  Haltung  (Stab)  und  in 
solche,  wo  der  Gott  in  olympischer  Bequemlichkeit  dasitzt 

Kap.  III  (p.  26—46)  betrifft  die  durch  den  attischen  Typus  beein- 
flufsten  Asklepios- Darstellungen  anderer  Lokale,  besonders  von  Epi- 
dauros.  Beachtung  verdient  hier  sowohl  der  vom  Verf.  unternommene 
Nachweis,  dafs  der  kurze  Stab,  die  gewundene  Kopf  binde  und  der 
Omphalos  (der  übrigens  keineswegs  eine  Entlehnung  von  Apollon  zu  sein 
braucht,  wie  Thraemer  a.  a.  0.  Sp.  628  ganz  richtig  bemerkt)  in  Epi- 
dauros  zu  Hause  sind,  als  auch  die  Rekonstruktion  des  Tempelbildes 
des  Thrasymedes  (nach  der  Ansicht  des  Verf.  eines  Nachahmers,  aber 
nicht  Schülers  des  Pheidias),  welche  Verf.  auf  Grund  der  Münzbilder  und 
des  Pausanias  versucht,  während  er  die  Abhängigkeit  des  epidaurischen 
Reliefs  'E^-  äpx-  1885  T.  II  6  von  Thrasymedes  mit  guten  Gründen  gegen 
Eabbadias  bestreitet. 

Kap.  lY  (p.  45  —  52)  —  vom  jugendlichen  Asklepios  —  wird  an 
Vollständigkeit  des  Materiales  von  der  unten  zu  besprechenden  Zusam- 
menstellung Wieseler's  beträchtlich  übertroffen.  Was  den  Ursprung  des 
jugendlichen  Typus  anbetrifft,  so  ist  Verf.  zwar  einsichtig  genug  weder 
die  Jugend  des  Vaters  Apollon  noch  die  zu  jugendlichen  Götterdarstellun- 
gen neigende  Richtung  des  4.  Jahrhunderts  als  ausreichende  Erklärung 
gelten  zu  lassen  und  vielmehr  in  der  Überlieferung  einzelner  Lokalkulte 
den  Grund  zu  suchen:  aber  näher  läfet  er  sich  auf  dies,  nach  den  im 
'Isyllos'  gegebenen  kultgeschichtlichen  Vorarbeiten  doppelt  verlockende 
Thema  nicht  ein.  —  Ob  jenes  zakynthische  Münzbild,  welches  Verf.  als 
ältesten  Repräsentanten  des  jugendlichen  Typus  aufführt  (p.  48  f.)  wirk- 
lich den  Asklepios  darstellt,  ist  unsicher  und  hätte  der  Begründung  be- 
durft. Hinsichtlich  des  angeblich  aus  Gortyn  in  Kreta  stammenden  Re- 
liefs Ä.  Z.  1852  T.  38  schliefst  sich  Verf.  der  einleuchtenden  Erklärung 
von  Adolf  Michaelis  an,  welcher  in  der  sitzenden  Gottheit  den  Asklepios, 
in  den  dabeistehenden  Gestalten  Hygieia  und  einen  Asklepiaden  erkennt. 

Kap.  V  betrifft  die  Darstellungen  des  AsklBpios  als  mitleidigen 
Arztes,  VI  behandelt  einige  zweifelhafte  Asklepios-Köp{e ,  u.a.  den  von 
Melos,  für  welchen  Verf.  mit  guten  Gründen  gegen  Overbeck  den  Namen 
Asklepios  zurückfordert  (p.  57  f.),  und  endlich  VII  (p.  60-76)  die  Askle« 
piosdarstellungen  seit  der  Zeit  Alexanders  d.  Gr.  bis  zum  Ausgang  der 
römischen  Kunst.    Ein  näheres  Eingehen  auf  dies  reichhaltige,  aber  doch 


Loewe,  Wieseler,  Robert  u.  a.  (Asklepios-Atalante).  345 

mehr  ins  Gebiet  der  EoDstgeschicbte  gehörige  Kapitel  mafs  Ref.  sich 
versagen.  Ein  sieben  Seiten  umfassender  Index  monumentorum  beschliefst 
das  Büchlein.  —  Der  Abhandlung  von 

Friedrich  Wieseler,  Die  bildlichen  Darstellungen  des  jugend- 
lichen und  unbärtigen  Äscnlap  (Nachrichten  von  der  Kgl.  Gesellsch.  d. 
W.  und  der  Georgs-Augusts-Üniv.  zu  Göttingen.  1888.  Nr.  6.  p.  143 — 
162  und  Nachtrag  p.  413ff.) 

verdanken  wir  eine  sorgfältige  und  kritisch  gesichtete  Zusammenstellung 
aller  Spuren  des  jugendlichen  Typus,  der  litterarischen  wie  der  monu- 
mentalen. Doch  kommt  der  Verf.  über  die  Besprechung  der  einzelnen 
Fälle  nicht  eben  weit  hinaus:  er  vermutet,  dafs  den  lokalen  Traditionen, 
in  welchen  auch  nach  seiner  Ansicht  der  jugendliche  Typus  wurzelt,  eine 
bestimmte  'Natursymbolik'  zu  Grunde  liege  (p.  144). 

Mit  dem  Tempelbild  des  Thrasymedes  in  Epidauros,  seiner  Ent- 
stehungszeit und  seiner  Form  beschäftigen  sich  die  Aufsätze  von  H.  L. 
Urlichs  im  Rheinischen  Museum  Bd.  44.  Nr.  3.  p.  474 ff.  und  von  Ha- 
rold  F.  Fowler  im  American  Journal  of  Arch.  III  p.  32 ff.,  welch  letz- 
terer gegen  Brunn  zu  erweisen  sucht,  dafs  die  Terakottareliefs  von  Melos 
(Bellerophon  und  Perseus)  nicht  Kopien  der  Darstellungen  am  Thron  des 
epidaurischen  Asklepios  sind. 

Über  eine  zweite,  inhaltreiche  Abhandlung  von 

Friedrich  Wieseler,  Über  eine  Anzahl  von  Bronzen  mit  der 
Darstellung  von  Heilgottheiten  (Archäol.  Beiträge  II,  in  den  Abhand- 
lungen der  Göttinger  Ges.  d.  W.  Bd.  35.  [1888]  60  S.) 

wird,  da  sie  fast  ausschliesslich  römische  Monumente  und  Vorstellungen 
betrifft,  in  dem  Bericht  tiber  die  römische  Mythologie  Mitteilung  zu 
machen  sein. 

Inwiefern  Atalante 

von  Schirmer  in  Roscher's  Lexikon  Sp.  604—668  als 'eine  symbolische 
Gestalt'  bezeichnet  wird  (Sp.  664  Z.  9)  ist  nicht  verständlich,  ebensowenig 
ferner,  warum  erst  durch  die  Fiktion  eines  gemeinsamen  Eponymos  für 
das  arkadische  und  das  boiotische  Schoinos  doppelte  Lokalisirung  und 
verschiedene  Ausgestaltung  der  Atalante-Sage  veranlafst  sein  soll  (Sp.  664 
Z.  66  ff.).  Warum  kann  sie  nicht  in  beiden  Landschaften  gleich  ursprüng- 
lich sein? 

C.  Robert  erweist  im  Hermes  XXII  (1887)  p.  446 ff.,  ausgehend 
von  einem  der  Mitte  des  6.  Jahrb.  angehörigen  attischen  Vasenbild, 
welches  die  boiotische  Version  der  Atalante-Sage  giebt  und  in  der  Haupt- 
sache der  bei  Ovid  erhaltenen  Darstellung  entspricht,  dafs  diese  Version 
von  Hesiods  Eöe  an  bis  auf  Ovid  eine  wesentliche  Umgestaltung  nicht 
erfahren  hat.    Auf  die  argivische,  in  alexandrinischer  Zeit  umgestaltete 


346       Griechische  Mythologie.    4.  Einzelue  Gottheiten  and  Heroen. 

Version  ist  R.  geneigt,   eine   Gruppe   pompejanischer   Bilder  (Heibig 
Nr.  253—257)  zurückführen. 

Was  den  Athamas  betrifft,  so  hätte  sich 

Seeliger  in  Röscher' s  Lexikon  (Sp.  669 — 676)  besser  damit  be- 
gnügt die  früheren  Deutungen  zu  registriren  und  das  eigene  Urteil,  so 
lange  er  es  nicht  ernsthafter  begründen  will,  als  es  Sp.  674  Z.  28  ff.  ge- 
schieht, zurückzuhalten.  Zeus  Laphystios,  den  er  ohne  Umst&nde  als 
Vertreter  der '  verzehrenden  Glut  der  Hundstage'  hinstellt,  wird  bekann^ 
lieh  von  andern  auf  die  Winterstürme  bezogen,  und  auch  über  die  Be- 
deutung von  Phrixos  und  Widder  herrscht  doch  wahrhaftig  nicht  diejenige 
Klarheit  und  Einstimmigkeit,  dafs  man  sie  einfach  als  Beweismaterial 
verwenden  dürfte. 

Athenawird  in  dem  inhaltreichen  Artikel  von  Röscher,  Lexikon 
Sp.  676—687,  als  Göttin  der  Wetterwolke  und  des  Blitzes  gedeutet  Ref. 
erkennt  gern  an,  dafs  es  R.  gelungen  ist  eine  Reihe  deutlicher  und  alter 
Beziehungen  Athenas  zu  diesem  Gebiet  von  Naturerscheinungen  nachzu- 
weisen (vgl.  bes.  Sp.  677  Z.  38  ff.),  vermag  aber  nicht  zuzugeben,  dafs 
das  ursprüngliche  Wesen  der  Atheua  mit  den  Worten '  Göttin  der  Wetter- 
wolke und  des  daraus  hervorspringenden  Blitzes'  (Sp.  676  Z.  63  ff.)  zu- 
treffend bezeichnet  sei.  Der  von  R.  unternommene  Beweis  (Sp.  676—678) 
ist  von  Stichhaltigkeit  weit  entfernt.  Für  den  bekannten  Geburtsmythus, 
welcher  als  erstes  Argument  herangezogen  wird,  ist  weder  'hohes  Alter' 
noch  'weite  Verbreitung'  (Sp.  676  Z.  53)  erweisbar;  seine  häufige  Dar- 
stellung in  der  attischen  Kunst  beweist  lediglich  die  Popularität  des 
Mythus  in  Athen,  und  auch  dies  nur  für  eine  verhältnismässig  nicht  frühe 
Zeit.  Warum  Verf.  die  anderen,  abweichenden  Geburtsmythen  fUr 'später 
und  schlecbtbeglanbigt'  erklärt  (Z.  57  ff.),  ist  nicht  ersichtlich,  im  Gegen- 
teil, der  Verf.  selber  mufs  zugeben,  dafs  sie  möglicherweise  'lokalen  An- 
schauungen entsprungen'  sind  (Z.  59 f.).  Die  Sage  vom  Gigantenkampf 
aber  (Sp.  677)  wäre  nur  dann  als  Argument  für  jene  Deutung  verwert- 
bar, wenn  für  alle  andern  gegen  die  Giganten  kämpfenden  Götter  die 
Gewitternatur  erwiesen  wäre,  und  bei  dem  Kampf,  mit  der  Gorgo,  welche 
Verf.  als  Gewitterwolke  versteht,  erhebt  sich  denn  doch  die  Frage,  ob 
ein  Mythus  überhaupt  denkbar  ist,  in  welchem  die  Wetterwolke  (Athene) 
mit  der  Gewitterwolke  (Gorgo)  kämpft?  Eine  noch  wunderlichere  Ge- 
schichte würde  übrigens  entstehen,  wenn  man  in  jenem  Geburtsmythos 
einmal  an  Stelle  der  Götternamen  und  der  Attribute  die  vom  Verf.  hinter 
denselben  vermuteten  physikalischen  Substrate  einsetzen  wollte:  'aus  der 
Gewitterwolke  (Haupt  des  Zeus),  die  durch  den  Blitz  (Beil  des  Hephai- 
stos)  gespalten  wird,  springt  die  Wetterwolke  (Athena)  mit  der  gewitter- 
schwangeren Wolke  (Aegis)  und  dem  Blitz  (blitzende  Lanze)'.  —  Man 
möchte  jedenfalls  glauben,  dafs  die  Zeit,  welche  den  Geburtsmythua  her- 


I 


Seeliger,  Bescher,  Bildebraodt  n.  a.  (Athamas-Athena).  347 

vorgebracht  hat,  sich  der  physikalischen  Substrate  nicht  mehr  bewafst 
gewesen  ist 

Nun  hat  aber  eine  so  enge  Fassung  des  ursprünglichen  Wesens, 
wie  sie  R.  vornimmtt  auch  den  Übelstand  im  Gefolge,  dafs  von  den  zahl- 
reichen und  mannigfaltigen  Beziehungen,  in  welchen  Athena  zu  den  ver- 
schiedensten Gebieten  menschlichen  Lebens  steht,  im  besten  Fall  nur 
drei  aus  jener  Naturbedeutuug  ableitbar  sind,  nämlich  die  Beziehungen 
zum  Krieg,  zur  weiblichen  Arbeit  (die  Wolke  als  Gespinnst)  und  zur 
Bodenkultur,  während  alle  übrigen  in  tertiären  Rang  zurückgedrängt  wer- 
den, indem  Verf.  sie,  z.  t.  in  recht  gewaltsamer  Weise,  erst  aus  jenen 
drei,  als  sekundär  gesetzten  Beziehungen  ableiten  mufs.  Es  ist  dem  Ref. 
s.  B.  undenkbar,  dafs  die  kriegerische  Bedeutung  der  Athena  den  Anlafs 
gegeben  haben  soll,  die  Göttin  zur  Erfinderin  des  Wagens  oder  gar  des 
Pfluges  zu  machen,  und  sie  zu  Meer  und  Schifffahrt  in  Beziehung  zu  setzen. 

Furtwängler,  welcher  das  bildliche  Material  behandelt  hat, 
Sp.  687—704,  denkt  sich  das  ursprüngliche  Wesen  der  Athena  richtiger, 
wenn  er  von  ihr  als  von  einer  *  der  weit  und  unbestimmt  gefafsten  weib- 
lichen Hauptgottheiten' spricht  (Sp.  689).  An  Vollständigkeit  läfst  dieser 
archäologische  Teil  viel  zu  wünschen  übrig;  hinsichtlich  der  Mythen  ver- 
tagt er  fast  gänzlich. 

Richard  Hildebrandt,  /l^^  rkaux&mg  (Philologus  Bd.  46 
[1888]  p.  201—209) 

▼ersteht  ykauKÖg  nicht  als  'strahlend,  leuchtend',  sondern  als  gleichbedeu- 
tend mit  noXiög  'hell,  weifslich,  weifsgrau',  und  sucht  diese  Bedeutung 
in  einer  gröfseren  Anzahl  von  Fällen  nachzuweisen.  Den  zweiten  Bestand- 
teil von  yXauxamiQ  führt  er  auf  die  von  Baunack  nachgewiesene  Wz.  inn 
(=' Wasser')  zurück.  A,  rXauxumtQ  wäre  demnach  die  Göttin  der  lichten 
Flot,  wie  ropywmg  die  Beherrscherin  der  wilderregten  Flut.  Unter  den 
Besiehungen  Athenas  zum  Meer,  welche  Verf.  zu  Anfang  seiner  Unter- 
suchung zusammenstellt,  vermifst  man  den  Hinweis  auf  das  Prozessions- 
schiff der  Panathenäen,  während  einige  wenig  beweisenden  Momente,  wie 
s.  B.  die  Verbindung  Athenas  mit  Poseidon,  aufgeführt  sind.  —  Den 
Namen  'A&f^vata  sucht  G.  Angermann  in  seinen  Beiträgen  zur  Deutung 
antiker  Namen  (Fleckeisen's  Jahrbücher  Bd.  137  [1888]  p.  Ifif.)  als 'Göttin 
der  Höhe'  zu  deuten  ('Af^^vae  ='^die  Höhen'). 

Von  rein  philologischem  Interesse  ist  der  Aufsatz  A.  Scotland's 
•  Athene-Mentes  in  Ithake'  (Fleckeisen's  Jahrbücher  ebd.  p.  233 — 241). 
Der  Aofeat2  von 

A' Neumann,  Der  Mythus  von  der  Geburt  der  Athene  und  seine 
bildliche  Darstellung  (Festschrift  zur  fünfzigjährigen  Jubiläumsfeier  des 
Realgymnasiums  am  Zwinger  in  Breslau.     1886.    p  74—87) 

ist  ftr  die  wissenschaftliche  Forschung  ohne  Wert.  In  Athena  erkennt 
Verf.  eine  Lichtgottheit,  in  Zeus  den  Äther;  die  antiken  Quellen  werden 


348       Griechische  Mythologie.    4.   Einzeloe  GottheiteD  und  Heroen. 

nicht  oder  höchst  ungenau  angeführt,  ebenso  die  neueren  Forscher,  auf 
welchen  Verf.  fufst.  Der  *  berühmte  Archäologe',  den  Verf.  p.  81  erwähnt, 
heifst  ^Gerhard'  und  nicht  'Gerhardt'. 

Von  archäologischen  Arbeiten,  welche  sich  auf  Athena  beziehen, 
sind  beachtenswert  zunächst  die  Veröffentlichungen  von  E.  Petersen 
(Mitteilungen  des  K.  deutschen  archäol.  Instit.  in  Athen  XI  p.  309—321)) 
welcher  über  drei  Athena- Statuen  aus  Epidauros  Mitteilung  macht  und 
zwei  davon  (Athena  lebhaft  vorscbreitend)  in  Beziehung  zu  den  Athena- 
Darstellungen  der  Parthenon giebel  setzt,  von  Fr.  Studniczka  CEfjjfieplc 
dipX'  1886  p.  117-  183  und  1887  p.  134—164)»  welcher  eine  Reihe  alter, 
besonders  durch  eine  altertümliche  Form  der  Aegis  interessanter  Atbena- 
Darstellungen  veröffentlicht  und  eingehend  bespricht,  und  von  A.S. Murray 
(Glassical  Review  III 11889]  p.  283  f.),  welcher  die  die  Aegis  betreffenden 
Angaben  Herodots  durch  einen  auf  Kypros  gefundenen  Skarabäus  zu 
illustriren  sucht.  —  Dafs  das  im  Bull,  deir  Inst.  1873  S.  169  auf  Athena 
und  Marsyas  bezogene  Bild  einer  New-Yorker  Vase  vielmehr  eine  diony- 
sische Szene  darstellt,  erhellt  aus  einer  Mitteilung  von  Morgenthan 
(veröffentlicht  durch  Conze  im  Jahrbuch  des  K.  deutschen  archäol.  Instit 
II  [1887]  p.  193ff.)*  —  Einen  archaischen  Athena-Kopf  behandelt  Fr. 
Studniczka  in  den  Mitt  des  atheu.  Instit.  XI  p.  185ff.;  einen  Neapler 
Athena-Kopf  (Gerhard  und  Panofka,  'Neapels  antike  Bildwerke'  Nr.  84) 
veröffentlicht  Botho  Graef  (Aus  der  Anomia.  Archäol.  Beiträge ,  Carl 
Robert  gewidmet  1890.  p.  61 — 70  und  Taf.  I — II)  und  versucht  ihn  als 
eine  Nachbildung  des  Kopfes  der  Parthenos  zu  erweisen,  indem  er  ihn 
mit  andern  Nachbildungen  dieses  Werkes  hinsichtlich  der  Anordnung  der 
Haare  und  der  Proportionen  vergleicht,  besonders  mit  dem  polychromen 
Berliner  Kopf  Antik.  Denkm.  I  3. 

Die  Annahme  Löschke's,  dafs  zu  Athen  eine  mit  Kybele  identische 
Göttin  *Basileia'  verehrt  worden  sei,  bemüht  sich 

P.  Decharme,  La  d^esse  Basileia  (Revue  de  Thistoire  des  reli- 
gions  XVI  [1887]  p.  1—6) 

zu  widerlegen,  indem  er  die  Inschrift  von  Santorin  nicht  auf  ein  Heroon, 
sondern  auf  ein  Votivmonument  bezieht  und  die  Basileia  bei  Diodor  für 
eine  reine  Erfindung  des  Euhemeros  erklärt.  In  der  Basileia  in  Aristo* 
phanes  Vögeln  erkennt  er  eine  blofse  Personifikation  der  ^royaut^  de  Zeus*. 

Bellerophon  wird  in  dem  Artikel  von  Rapp  in  Roscher's  Lexi- 
kon  Sp.  757-774  als  der  auf  dem  Gewitterrofs,  unter  Sturm  und  Donner 
einherfahrende  himmlische  Reiter  gedeutet,  der  das  Gewitterungetüm, 
die  Chimaira,  erlegt.  —  Der  Verf.  geht  im  Ganzen  umsichtig  und  sorg- 
fältig zu  Werk  und  bringt  wenigstens  seine  Deutung  des  Pegasos  als 
Donnerrofs  zu  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit,  Sp.  768  ff.  Die  beliebte 
Auffassung  des  Rosses  als  Symbol  des  Meeres  wäre  allerdings  besser  aus 


FeterseD,  Rapp,  ▼.  Prittwitz,  Loeschke  u.  a.  (Athena-Boreas).       349 

der  Beweisführung  weggeblieben.  Wenig  überzeugend  ist  dagegen  der 
Abschnitt  über  den  Ghimaira-Mythus:  die  alte  und  einstimmige  Lo- 
kalisirung  der  Ghimaira  auf  dem  nicht  mythischen,  sondern  genau  be- 
stimmten Boden  Lykiens  legt  die  Erklärung  der  Ghimaira  aus  vulkani- 
schen Erscheinungen  womöglich  noch  näher  als  es  bei  Typhoeus  der  Fall 
ist  (vgl.  oben  S.  261  f.). 

H.  W.  V.  Prittwitz  und  Gaffron,  Bellerophon  in  der  antiken 
Kunst.    (Diss.  inaug.  Monac.  1888.)    8.     72  S. 

Verf.  gebt  auf  die  Bedeutung  des  Bellerophonmythus  nicht  näher 
ein,  sondern  beschränkt  sich  auf  eine  Zusammenstellung  und  Erklärung 
der  auf  Bellerophon  bezüglichen  Kunstwerke,  unter  dieser  Anordnung: 
1)  Bändigung  des  Pegasos.  2)  Bellerophon  mit  dem  gezähmten  Pegasos 
in  friedlichem  Verein.  3)  Bellerophon  und  Stheneboia.  Sendung  nach 
Lykien.  4)  Bellerophons  Ankunft  bei  lobates.  5)  Bellerophons  Aus- 
sendung zum  Kampf  gegen  die  Ghimaira.  6)  Kampf  mit  der  Ghimaira. 
7)  Rückkehr  nach  bestandenen  Abenteuern:  Vermählung.  8)  Bellerophoos 
Rache  an  Stheneboia.    9)  Bellerophous  Sturz.  — 

Hinsichtlich  ihrer  Entstehnngsart  scheidet  Verf.  die  gesamte 
Masse  der  Denkmäler  in  zwei  Gruppen,  deren  eine  in  Korinth  und  dem 
dort  herrschenden  Lokalmythus  ihren  Ausgangspunkt  hat  (ungefähr  1—2), 
während  die  andere  unter  dem  mehr  oder  weniger  deutlichen  Einflufs 
der  Tragödie,  besonders  des  Euripides  steht. 

Auf  die  tüchtigen  Artikel  Rapp's  über  'Boreaden'  und  'Boreas' 
in  Roschers  Lexikon  Sp.  797  —  814  kann  hier  nur  hingewiesen  werden. 
Für  die  Boreas-Oreithyia-Sage  nimmt 

G.  Loeschke,    Boreas   und  Oreithyia  am  Kypseloskasten  (Univ. 
Progr.  von  Dorpat  1886.)    4.    12  S. 

jonischen,  und  nicht  attischen,  Ursprung  an,  indem  er  die  Bezeichnung 
der  Oreithyia  als  Nereide  (2*  39  ff.)  und  als  Tochter  des  meerbeherrschen- 
den Erechtheus  betont,  dessen  ursprünglich  allgemein  jonischer  Gharakter 
seit  v.  Duhn's  'Bemerkungen  zur  Würzburger  Pbineusschale'  p.  104ff. 
feststeht.  Oreithyia  ist  ursprünglich  Seegottheit,  und  ihr  Raub  durch 
Boreas  analog  anderen  Nereidensagen;  Verf.  erkennt  in  7*219 ff.,  wo 
Boreas  sich  mit  den  Stuten  des  Erichthonios  gattet,  und  in  dem  auf  dem 
delischen  Akroterion  wegeilenden  Pferd,  welches  er  als  Andeutung  der 
Verwandlungen  der  Nereide  Oreithyia  fafst,  Spuren  einer  älteren  Form  der 
Boreas-Oreithyia-Sage,  oder  vielmehr  'eine  ältere  Anschauungs-  und  Aus- 
drucksweise für  dasselbe  die  Phantasie  beschäftigende  Schauspiel:  das 
Spiel  des  Windes  mit  den  Wellen'  (p.  4). 

Der  zweite  Teil  der  geistvollen  Untersuchung  beschäftigt  sich  mit 
der  Frage,  aus  welcherlei  Quelle  die  korinthischen  Handwerker  ihre 
Kenntnis    dieser  jonischen  Sage  geschöpft  haben.    Sowohl  aus  der  für 


350      Oriechische  Mythologie.    4.   EiDselne  Gottheiten  und  Heroen. 

die  Ejrpseloslade  anzunehmenden  Art  der  Gmppirnng,  welche  in  der 
korinthischen  Eanst  sonst  nicht  vorkomme,  häufig  dagegen  in  der  joni- 
schen (dafs  eine  Gestalt  die  andere  mit  den  Armen  amfafst  and  wegtrftgt) 
als  auch  aus  der  Schlangenfflssigkeit  des  Boreas  sei  auf  eine  Jonische, 
über  Cbalkis  nach  Eorinth  gewanderte  Vorlage  zn  schliefsen.  Zur  Be- 
gründung bringt  Verf.  eine  Reihe  wertvoller  Beobachtungen  Ober  die  be- 
deutende Stellung,  welche  die  jonisch-chalkidische  Kunst  in  der  Tjrpen- 
geschichte  einnimmt,  u.  a.  in  der  Ausbildung  des  vom  Verf.  aus  Ägypten 
(thebanisches  Wandgemälde  bei  Wilkinson  Anc.  Egyptians  3.  Aufl.  S.  129) 
hergeleiteten  Geryoneus-Typus. 

Für  Gharon  stellt  der  kurze  Artikel  von  Sybel's  in  Roscher's 
Lexikon  Sp.  884  —  886  die  wichtigsten  litterarischen  und  monumentalen 
Zeugnisse  zusammen;  zwei  sehr  interessante  Gharonlekythen  des  Poly- 
techneion  in  Athen  hat  F.  v.  D  u  h  n  im  Jahrbuch  des  E.  deutschen  archäol. 
Instituts  II  [1887]  p.  240  —  243  (mit  A.  D.  I  Taf.  28)  veröffentlicht  und 
besprochen. 

Über  Daimones  vergleiche  man  den  Artikel  v.  Sybel's  in 
Roscher's  Lexikon  Sp.  938f.  und  die  einschlägigen  Untersuchungen  in 
Erwin  Rohde's  schon  besprochenen  Buch  (oben  S.  280).  Ferner  ist 
zu  beachten  der  Aufsatz  von 

Franz  Krejci,  Über  die  ursprüngliche  Bedeutung  der  griechischen 
Daimones  (Zeitschrift  für  Völkerpsychologie  XVII.  [1887]  p.  161—176), 

welcher  in  der  Hauptsache  die  von  E.  H.  Meyer  entwickelten  religions- 
geschichtlichen Ansichten  (Indogerm.  Mythen  I)  vertritt.  Er  versucht 
nachzuweisen,  dafs  das  Wort  Sou/ioveg  ursprünglich  jene  Geisterschaaren 
bedeutete,  welche,  aus  den  vergötterten  Ahnen  entstanden,  in  der  Periode 
des  Geisterglaubens  (d.  i.  nach  Meyer's  schwach  fundirter  Konstruktion 
die  zweite  Periode  der  Religionsgeschichte,  die  erste  bildet  der  Ahnen- 
kult) das  ganze  Weltall  beherrschten  und  durch  deren  Individualisirung 
erst  die  grofseu  Naturgottheiten  entstanden.  Verf.  stützt  sich  hierbei 
auf  die  ursprüngliche  Namenlosigkeit  der  Götter  (Herodot  II  52),  auf 
Hesiods  Schilderung  der  Daimones  (Erga  109  ff.)  und  drittens  darauf, 
dafs,  wie  er  zu  zeigen  unternimmt,  unter  den  verschiedenen  Bedeutungen 
des  Wortes  Sai/ioveg  sich  keine  einzige  findet,  welche  sich  aus  der  an- 
genommenen Grundbedeutung  nicht  erklären  liefse  oder  gar  mit  derselben 
kollidirte.  Diese  ganze  Untersuchung  ist  recht  besonnen  geführt  und 
verdient  trotz  der  einseitigen  Gesammtaoschauung  des  Verf.  Beachtung. 

Eine  schlechterdings  wertlose  Arbeit,  bei  der  man  sich  höchstens 
über  den  vielversprechenden  Titel  wundern  kann,  ist  die  von 

Paul   Begnand,   Le  äaJfiwv^  Histoire   d'un   mot  et  d*une  id6e 
(Revue  de  Fhistoire  des  religions  XV  [1887]  p.  156—158). 


▼.  Sybel,  ▼.  DuhD,  Ereöji,  Lodwich  n.  a.  (Gharon- Dionysos).  351 

Das  Erlebnis  der  Demeter  bei  Baubo  (Orph.  Frgm.  215;  dem. 
Alex.  Protr.  p.  17;  Arnob.  Adv.  Nat.  V  25  f.)  betrifft  der  Aufsatz  von 

A.  Lad  wich,  Baubo  und  Demeter  (Fleckeisens  Jahrbücher  f&r 
class.  Philologie.    Bd.  141  [1890]  p.  51—58). 

Der  Verf.,  welchem  der  Bericht  des  Clemens  psychologisch  unglaub- 
würdig und  das  orphische  Gitat,  wie  Glemens  es  giebt,  verderbt  erscheint, 
emendirt  den  Glemens  aus  Arnobius,  welcher  nach  der  Ansicht  des  Verf. 
nicht  aus  Clemens  geschöpft,  sondern  eine  andere  und  bessere  Quelle 
benützt  hat.  7ax;^of ,  der  dem  Verf.  besonders  anstöfsig  ist,  wird  aus 
dem  orphischen  Gitat  entfernt;  statt  ^ndc^  S'  ^ev'^laxj^og'  verlangt  Verf. 
^naec  d' ^£v  taXkoc\  Der  *  Trar^ '  soll  nur  ein  Teil  des  Baubo  sein,  künst- 
lich von  ihr  'aus  ihrem  eigenen  Leibe  geformt,  keine  selbständig  für 
sich  bestehende  Persönlichkeit'  (p.  55).  Durch  eine '  tändelnd  schaukelnde 
Bewegung',  in  welche  Baubo  diese  Puppe  versetzt  habe,  sei  Demeter 
zum  Lachen  gereizt  worden.  —  Der  Verf.  hat  ohne  Not  aus  einem, 
gerade  an  seiner  naiv-kräftigen  Obszönität  deutlich  erkennbaren  Survival 
uralten  Brauches  eine  abgeschmackte  Puppenkomödie  gemacht. 

Die  Diomedes- Kulte  Grofsgriechenlands  betrifft  die  Abhand- 
lung von 

Eduardus  Luebbert,  Commentatio  de  Diomede  heroe  per  Ita- 
liam  inferiorem  divinis  honoribus  culto  (Index  schol.  Bonn.  V7.  S.  1889 
—1890).     4.    16  S. 

L.  erkennt  die  ersten  Diomedes-Verehrer  Grofsgriechenlands  in  den 
bei  der  Gründung  von  Sybaris  beteiligten  Troizenieru.  Von  Sybaris  kam 
der  Kult  nach  Metapont,  woselbst  Verf.  aufser  diesem  sybariUsch-troize- 
niscben  Diomedes  noch  zwei  andere  Formen  des  Heros  nachweisen  zu 
können  glaubt,  nämlich  eine  durch  aitolische  Familien  (deren  Teilnahme 
an  der  Gründung  Metaponts  hauptsächlich  aus  der  den  Namen  des  Ache- 
loos  darbietenden  metapontischen  Münze  geschlossen  wird)  mitgebrachte 
und  eine  andere,  welche  der  Verf.  mit  Klausen  hinter  der  Figur  des 
Leukippos,  des  Führers  der  bei  der  Gründung  Metaponts  beteiligten 
Achaier,  sucht.  Die  letzten  Abschnitte  der  Untersuchung  behandeln  kurz 
die  zwiefache  Überlieferung  von  Diomedes  Fahrt  nach  Italien  und  die 
den  Thaten  des  Diomedes  gewidmeten  epischen  Gedichte.  —  Es  wäre  zu 
wünschen,  dafs  die  für  unsere  Kenntnis  der  griechischen  Religions- 
geschichte so  hochbedeutsamen  Kulte  Grofsgriechenlands  immermehr  der 
Gegenstand  nachdrücklicher  Einzelforschungen  würden:  kaum  für  ein 
anderes  Gebiet  liegt  überdies  eine  so  vollständige  Sammlung  der  antiken 
Zeugnisse  ^  wenigstens  der  litterarischen  und  numismatischen  —  vor 
wie  hier  in  Klausens  *Aeneas'. 

Der  Artikel  ^Dionysos'  in  R.  M.  L.  vereinigt  zwei  tüchtige  Ar- 
beiten: F.  A.  Voigt  hat  den  im  engeren  Sinn  mythologischen  Teil  be- 
handelt und  E.  Thraemer  den  archäologischen  (Sp.  1029-1153). 


352       Griechische  Mythologie.    4.  Einzelne  Gottheiten  und  Heroen. 

Voigt  widerlegt  zunächst  die  Deutung  des  Dionysos  als  *•  Geist  des 
Opfertrankes '  mit  dem  Hinweis  darauf,  dafs  bei  Homer,  wo  die  Spende 
eine  so  bedeutende  Rolle  spielt,  Dionysos  fast  ganz  im  Hintergrunde 
bleibt.  Auch  die  vom  Verf.  —  nach  dem  Vorgange  Prellers  und  Rapps 
—  zwischen  dem  ursprünglich  thrakisch-phrygischen  Dionysos  und  dem 
alteinheimischen  Deudrites  vollzogene  Scheidung  ist  zweifellos  richtig: 
nur  fragt  sich  sehr,  ob  der  orgiastische  und  mantiscbe  Charakter  des 
ersteren  Gottes  eine  ausreichende  Prämisse  zu  der  Sp.  1032  aufgestellten 
Deutung  bildet,  dafs  dieser  Dionysos  ursprünglich  als  'die  Einheit  der 
abgeschiedenen  Geister'  aufgefafst  worden  sei.  Diese  Deutung,  welche 
den  Einflufs  der  vom  Verf.  entschieden  fiberschätzten  Theorie  Lippert's 
verrät,  hat  nun  zwar  die  Behandlung  des  delphischen  Dionysos-Zagreus 
(§  4)  und  einzelne  Partien  der  folgenden  Abschnitte  etwas  getrübt,  doch 
ist  Verf.  besonnen  genug,  um  sie  nicht  in  der  anderwärts  beliebten 
Manier  breitzuschlagen  und  darauf  zu  bauen. 

Die  Anordnung  seines  Artikels  ist  folgende:  die  orgiastischen  Ele- 
mente des  Dionysoskultes,  ihre  Herkunft  und  Bedeutung,  des  Gottes 
Geburt  und  Eindheitspflege,  die  Mythen  von  der  Einführung  seines  Kultes, 
Opfer,  Tier-  und  Vegetationssymbole,  der  Kult  in  Attika,  auf  den  Inseln 
und  in  Kleinasien.  Verf.  verfügt  über  ein  reiches  Material  und  versteht 
sich  auf  besonnene  Methode.  Die  Vaterschaft  des  Zeus  und  die  Mutter- 
schaft der  Semele  sind  richtig  verstanden,  jene  als  Mittel,  den  zugewan. 
derten  Gott  dem  hellenischen  Göttersystem  einzureihen,  diese  als  Nieder- 
schlag des  orgiastischen  Frauendienstes.  Besonderes  Interesse  verdient 
§  19,  wo  Verf.  die  musische  Kunst  im  Dionysoskult  und  die  Entstehung 
des  Dramas  bespricht:  nicht  die  Mythen  von  den  Leiden  und  Gefahren 
des  Gottes  bilden  den  Urkeim  der  Tragödie,  sondern  der  die  Vegetations- 
dämouen  vorstellende,  ursprünglich  Naturzauber  ausübende  Satyrchor. 
Anderenorts  dagegen  hat  Verf.  das  Gewicht  jener  Mythen  im  Kultus  mit 
Unrecht  abgeschwächt  (Sp.  1039 ff.).  Der  im  Anschlufs  an  Mannhardt  — 
dessen  Forschungen  eingehend  für  den  Dionysoskult  verwertet  zu  haben 
ein  Hauptverdieust  der  vorliegenden  Arbeit  ist  —  versuchte  Nachweis, 
dafs  die  orgiastische  Handlung  nicht  allegorisch -mimetische  Darstellung 
oder  Gefühlsausbruch  sei,  sondern  rein  aktive  Ausübung  eines  Natur- 
zaubers, verdient  Zustimmung  nur  insofern,  als  er  den  mutmafslichen 
Ursprung  des  Orgiasmus  angiebt  Denn  dafs  allmählich  der  Gedanke  an 
die  Schicksale  des  Gottes  hinzukam ,  der  ja  bereits  früh  —  schon  vor 
seiner  Hellenisirung  —  zum  Repräsentanten  der  Vegetation  in  ihrem 
Werden  und  Vergehen  herabgesunken  war,  und  dafs  diese  mimetische 
Auffassung  mit  der  Zeit  sogar  das  Übergewicht  erhielt,  das  läfst  sich, 
besonders  im  Hinblick  auf  den  delphischen  Kult,  doch  wohl  kaum  be- 
streiten. 

Während  es  diesem  mythologischen  Teil  des  Artikels  an  Obersichtr 
lichkeit,  die  allerdings  durch  den  Gegenstand  recht  erschwert  war,  und 


Voigt,  Thraemer,  Back  (Dionysos).  853 

an  Scbftrfe  etwas  gebricht,  entspricht  die  archäologische  Darstellung 
Thraenier*s  in  beiden  Beziehongen  den  an  ein  Lexikon  za  stellenden 
Anforderungen ,  ohne  an  YollstAndigkeit  hinter  dem  mythologischen  Teil 
zurflckzustehen.  Verf.  behandelt  erstens  die  Darstellungen  des  in  reifer 
Männlichkeit  gcfafsten  Dionysos,  nach  den  Kunstgattungen  geordnet, 
zweitens  den  jugendlichen  Dionysos,  als  Kind  und  als  Jüngling.  Daran 
schliefst  sich  eine  Übersicht  Ober  die  erhaltenen  Typen  des  jugendlichen 
Dionysos  (1.  Bekleidung,  2.  Stellung),  eine  Übersicht  der  Darstellungen 
bestimmter  Mythen  und  endlich  eine  Aufführung  der  Sonderbildnngen. 
Die  Auswahl  der  beigegebenen  Abbildungen  ist  besonders  glücklich;  Verf. 
geht  mit  grofser  Sorgfalt  der  Entwicklung  des  Typus  in  Hinsicht  auf 
Bekleidung,  Attribute  u.  s.  w.  nach;  abenteuerliche  Konstruktionen  frü- 
herer Kunstmythologen,  wie  der  androgyne  bärtige  Dionysos  und  Saba* 
zios,  werden  gestrichen,  fälschlich  oder  mit  zweifelhaftem  Recht  heran- 
gezogene Bildungen,  z.  B.  die  mit  Widderhörnern  und  der  ^  Löwendiony- 
sos', erfahren  eine  nüchterne  Besprechung.  In  sachlicher  Hinsicht  wird 
man  den  Abschnitt  über  den  bärtigen  Gott  fast  anstandslos  hinnehmen 
dürfen,  besonders  die  Entwicklung  der  primitiven  Agalmata  erscheint 
hier  wohl  gelungen.  Im  zweiten  Abschnitt  ist  nachzutragen  der  älteste 
bildliche  Beleg  des  jugendlichen  Typus  auf  Münzen  des  sicilischen  Galaria 
(eat.  Brit.  mus.  Sicil.  s.  64,  1;  Imhoof- Blumer  mon.  gr.  s.  18.  12).  Die 
Jugendlichkeit  des  Kalamis'schen  Dionysos  ist  zweifelhaft,  da  der  Rück- 
führung des  bekannten  tanagraeischen  Münzbildes  auf  Kaiamis  Bedenken 
izn  Wege  stehen,  u.  a.  die  von  Wolters  (A.  Z.  1886  p.  283)  vorgebrachten 
stilistischen.  —  Ein  Grundfehler  des  zweiten  Abschnittes  aber  ist  aller- 
dings das  traditionelle  Vorurteil  von  der  Pn'orität  des  bärtigen  Typus. 
Verf.  geht  zwar  insofern  über  die  bisherige  Annahme  schon  hinaus,  als 
er  die  Möglichkeit  der  jugendlichen  Bildung  bereits  für  frühe  Zeit  zugiebt, 
immerhin  aber  erkennt  er  im  bärtigen  Typus  den  ursprünglichen  und 
sucht  die  Veranlassung  zur  Umbildung  an  denjenigen  Kultstätten,  welche 
eine  Geburtslegende  des  Gottes  besassen  (Sp.  1089 f.)  oder  in  jenen 
Lokallegenden,  die  von  den  Thaten  des  zu  jugendlicher  Kraft  heran- 
gewachsenen Gottes  erzählten  (Sp.  1130).  Im  Zusammenhang  damit  steht 
es,  dal^  Verf.  die  Einmischung  weichlich-weiblicher  Elemente  viel  zu  spät 
ansetzt:  er  bestreitet  sie  sogar  noch  für  den  Praxitelischen  Dionysos  (für 
welchen  nachzutragen  ist  v.  Sallet's  Numismatische  Zeitschrift  XIII  [1885], 
woselbst  Rudolf  Weil  auf  einer  eliscben  Bronzemünze  das  Prazitelische 
Bild  nachweist),  trotz  des  ''äßpon^rog  yifiwv*  (Kallistr.  descr.  8),  und  giebt 
sie  erst  für  die  spätere,  hellenistische  Zeit  zu  (Sp.  1135). 

Dem  gegenüber  hat  Ref.  in  seinen  ^Studien  zur  Geschichte  grie- 
chischer Göttertypen*  I  (Fleckeisen^s  Jahrbücher  1887  p.  433-456)  den 
Nachweis  eines  ursprünglichen  Dualismus  des  bärtigen  und  des 
jugendlichen  Typus  versucht,  und  jenen  für  den  alteinheimischen  Dendri- 
tes,  diesen  dagegen  für  den  thrakischphrygisehen,  durch  tbrakische  An- 

JataxMbtrielit  für  AltertnmawiMttiuiobaft  LXYI.  Bd.  23 


354       Griechische  Mythologie.    4.   Einzelne  Gottheiten  and  Heroen. 

Siedler  und  nicht  weniger  durch  unmittelbare  Berflhrang  in  Eleinasien 
za  den  Griechen  verpflanzten  Dionysos  (Jakchos,  Zagreus)  in  Anspruch 
genommen.  Die  ältesten  Sparen  des  jugendlichen  Tjpas  treten  n&mlich 
gerade  in  solchen  Sagen  und  Kulten  entgegen,  wo  ein  Einflufs  der  thra- 
kisch-phrygischen  Dionysosreligion  entweder  zweifellos  oder  doch  sehr 
wahrscheinlich  ist  (Lykurgossage;  Delphoi,  Boiotien,  Eleusis,  Nazos). 
Ein  entschieden  weichlich-weibischer  Zug  ist  dem  jugendlichen  Typus 
von  Hause  aus  eigen,  während  es  aber  ursprünglich  besonders  die  lange 
Gewandung  und  die  Haartracht  waren,  die  in  Verbindung  mit  dem  jugend- 
lichen Antlitz  jenen  Eindruck  hervorriefen,  ist  bereits  bei  dem  Dionysos 
des  Parthenonfrieses  der  Anfang  gemacht,  die  Weichlichkeit  von  der 
Tracht  auf  die  Körperbildung  zu  übertragen.  Dafs  im  Parthenonfries 
die  Gestalt  neben  Hermes  Dionysos  ist,  und  nicht  die  neben  Poseidon, 
(wie  Flasch  im  Widerspruch  mit  der  Körperbildung  und  -haltung  der 
beiden  Figuren  gewollt  hat),  glaubt  Ref.  im  Eingang  seiner  Untersuchung 
klar  gestellt  zu  haben. 

Bezüglich  des  thrakisch-phrygischen  Ursprungs  des  Namens  des 
Dionysos  sei  auf  Kretschmer^s  Aufsatz  in  der  Carl  Robert  darge- 
brachten Sammlung  (oben  S.  322),  bezüglich  des  orphischen  Dionysos 
Zagreus  auf  die  gleichfalls  oben  besprochene  (S.  291  f.)  Abhandlung  von 
Luebbert  verwiesen.  Eine  bisher  kaum  beachtete  Seite  des  Dionysos 
ans  Licht  gerückt  zu  haben  ist  das  Verdienst  von 

E.  Maafs,  älONTSOS  aEAAriOH  (Hermes  Bd.  28  [1888] 
p.  78—80). 

Ausgehend  vom  Dionysos -Kult  von  Pagasai,  für  welchen  er  den 
Beinamen  neXdyeog  sicherstellt  (aus  dem  (3od.  Towuleyanus  statt  neXexug^ 
Schol.  Vict.  der  Ilias  XXIV  248),  giebt  M.  eine  Zusammenstellung  der 
Sagen,  welche  die  Beziehung  des  Dionysos  zum  Meere  bestätigen  und  — 
was  für  die  Geschichte  des  Dionysos-Dienstes  sehr  bedeutsam  ist  —  der 
Mehrzahl  nach  an  der  thrakisch-thessalisch-boiotischen  Küste  zu  Hause 
sind.  Hinzuzufügen  wäre  die  methymnäische  Kultlegende  bei  Paus.  IX 
19,  8,  deren  Illustration  Ref.  a.  a.  0.  p.  442  Anm.  17  auf  einer  Münze 
von  Methymna  nachgewiesen  zu  haben  glaubt  —  Aber  es  liegen  noch 
zwei  weitere  Beiträge  zu  diesem  Gegenstand  vor. 

0.  Grusius,  Der  homerische  Dionysoshymnus  und  die  Legende 
von  der  Verwandlung  der  Tyrsener  (Philologus  Bd.  48  [1889]  p.  193 
—  228) 

widerlegt  zunächst  schlagend  die  Vermutung  Ludwich*s,  dafs  der  home- 
rische Hymnus  ein  orphisches  Machwerk  sei,  und  entkräftet  nicht  weniger 
gut  die  von  Ludwich,  Gerooll  u.  a.  für  eine  späte  Datirung  des  Hymnus 
vorgebrachten  Gründe  (sprachliche  Einzelheiten,  Armuth  in  Gedanken 
und  Ausdruck,  Mangel  an  Logik  u.  s.  w.).    Sodann  sucht  Verf.  die  Ent- 


Maafe,  Crosias,  Tümpel,  Graef  (Dionysos).  855 

stehungszeit  des  Hymnus  durch  eine  Analyse  der  Legende  zu  ermitteln. 
Mit  einem  alten  Mythus  vom  siegreichen  Kampf  des  Dionysos  mit  fisch- 
gestaltigen,  räuberischen  Seewesen  verbanden  sich  in  Brauron  historische 
und  ätiologische  Elemente.  So  erkennt  Verf.  sehr  glücklich  in  dem  ver- 
zauberten Schiff  der  Legende  eine  märchenhafte  Wiederspiegelung  des 
mit  Rebzweigen  und  Eppich,  mit  Trauben  und  Kränzen  geschmflckten, 
weinbeladenen  Schiffskarrens  der  dionysischen  nofiitj).  Dem  Gotte,  der 
(wie  in  Keos?)  als  Löwe  erscheint,  tritt  das  geweihte  Tier  der  Göttin 
von  Brauron,  die  Bärin,  hilfreich  zur  Seite.  —  Hinsichtlich  des  home- 
rischen Hymnus  gelangt  Verf.  somit  zu  dem  Ergebnis,  dafs  derselbe  in 
guter  Zeit  auf  attischem  Boden  entstanden  und  für  ein  attisches  Rhapso- 
denfest bestimmt  gewesen  sei,  und  sucht  zum  Schlufs  diesen  Ansatz  durch 
eine  Prüfung  der  übrigen  litterarischen  Darstellungen  des  Mythus  zu 
bekräftigen. 

K  Tümpel,  Mvuao^  'AXceu^  (Philologus  Bd.  48  [1889]  p.  681—696) 

giebt  einen  weiteren  Beitrag  zum  *  Meer-Dionysos*,  indem  er  den  von 
Philochoros  (Schol.  Gr.  in  Hom.  Iliad.  Townleyana  rec.  Maafs  p.  210)  über- 
lieferten Orakelspruch,  einen  Gedanken  von  Lobeck  weiterführend,  so 
wiederherstellt:  ^Ev  ftövrip  dcövuaov  *Ahiß  ßaitTZoiTe.  Dazu  giebt  Verf. 
die  treffende  Erklärung:  ^In  der  See  mufs  er  gebadet  werden,  weil  er 
ein  Seemann  ist;  ein  Seemann  aber  ist  der  Dionysos,  weil  er  jener  Be- 
YÖlkernng  von  »Seeleutem  angehört,  die  sich  den  Bescheid  vom  Orakel 
erbeten  hatten:  den  ^AXteiQ  von  Argolis.*.  —  Es  handelt  sich,  wie  Verf. 
sodann  darthut,  um  einen  von  Pagasai  auf  dem  Seeweg  über  Euboia  nach 
Tiryns  und  von  da  nach  Hauke  gewanderten  Dionysosdienst.  Man  ver- 
gleiche dazu  die  oben  S.  804 f.  besprochene  Untersuchung  von  Maafs, 
welcher  gerade  Pagasai  als  eine  Hauptstation  des 'See-Dionysos*  erweist 

Das  den  Dionysos  betreffende  Strafsburger  Programm  von  Ghud- 
zinski  (1886.  9  S.)  hat  Ref.  nicht  einsehen  können.  Von  archäologischen 
Untersuchungen  liegt  uns  vor  die  Berliner  Dissertation  von 

Botho  Graef,  De  Bacchi  expeditione  Indica  monumentis  expressa. 
Berlin,  Weidmann  1886.    8.    66  S.  und  eine  Tafel. 

In  der  Einleitung  (p.  1  — 11)  entwickelt  Verf.  seine  Ansicht  über 
die  Sage  von  Dionysos  Zug  nach  Indien.  Es  sind  zwei  grundverschie- 
dene Formen  der  Sage  zu  unterscheiden:  die  eine  verdankt  ihren  Ur- 
sprung dem  indischen  Feldzug  Alexanders  des  Grofsen,  zu  dessen  Prototyp 
Dionysos  gemacht  wurde,  ihre  Verbreitung  alexandrinischen  Dichtem  und 
Euhemeristen,  für  welche  letzteren  sie  darum  ein  besonderes  Interesse 
hatte,  weil  der  Gott  in  ihr  ganz  als  menschlicher  Eroberer  auftrat.  Die 
andere  Gestalt  der  Sage,  welcher  Nonnus  folgt,  zeigt  den  Dionysos  durch- 
aus als  Gott:  Verf.  vermutet  sie  entstanden  aus  einer  Gigantomachie  des 

Gottes. 

23» 


356        Griechische  Mythplogi?.    4.  Eioselne  QoUbeiteQ  j^d  Heroen. 

Per  ski99enbafte  Charakter,  iq  welchem  Verf.  cli^se  EiQleitung  ab- 
sichtlich gehalten  hat,  macht  eiq  ab$chlierseDde3  Urteil  vor  ier  Hand 
nomögUch.  Die  Genesis  der  Sage  vom  indischen  Feldzag  des  Dionysos 
ist  wohl  richtig  gezeichnet,  doch  durfte  der  wesentliche  Anhalt,  welchen 
diese  Neubildung  in  älteren  Sagen  hatte,  nicht  unerwähnt  bleiben :  schon 
der  Guripideische  Dionysos  ist  ein  weitgereister,  Länder  erobernder  Gott 
(Bakch.  13ff.).  Das  Neue  besteht  wesentlich  darin,  dafs  nun  auch  Indien 
in  die  Reihe  dieser  Länder  tritt.  Ob  nun  der  Zweck  der  Erfindung,  ein 
Prototyp  für  Alexander  zu  schaffen,  eine  streng  euhemeristische  Auf- 
fassung des  Gottes  nOtig  machte,  welche  ja  allerdings  fQr  Megasthenes 
und  andere  t^berliefert  ist,  darüber  läfst  sich  streiten.  Keinenfalls  ist 
diese  Auffassung  charakteristisch  genug,  um  jene  scharfe  Unterscheidung 
einer  *  makedonischen'  Sagenform  von  der  durch  Nonnns  vertretenen  zu 
rechtfertigen.  Die  letztere  dflrfte  man  eher  als  eine  von  euhemeristi- 
schen  Tendenzen  freie,  dagegen  durch  eine  Gigantomachie  beeinflufste 
WeHerbtldung  bezeichnen. 

Der  den  bildlichen  Darstellnngen  der  Sage  gewidmete  Hauptteil 
der  Schrift  verdient  entschiedenes  Lob.  Verf.  unterscheidet  nach  dem 
Inhalt  der  Darstellungen  drei  Gruppen:  Kampf,  Vorführung  der  Gefan- 
genen  und  Triumph.  Die  den  Triumph  darstellenden  —  es  sind  lauter 
römische  Sarkophagreliefs  —  Reliefs  sind  weitaus  die  zahlreichsten,  sie 
zerfallen  in  zwei  Klassen :  I  (ältester  Typus)  geht  auf  ein  Vorbild  (Relief) 
zurück,  das  eigens  zur  Darstellung  des  indischen  Triumphes  des  Dionysos 
erfunden  war,  von  II  zeigt  Abteilung  A  zwar  ebenfalls  noch  den  Triumph, 
bringt  aber  immermehr  dem  Thiasos  angehOrige  Figuren  hinzu,  B  läfst 
den  Triumph  vOllig  zum  Thiasos  werden  und  weicht  auch  darin  von  I 
und  II  A  ab,  dafs  der  Gott  nicht  steht,  sondern  sitzt  oder  fast  ausge- 
streckt im  V^agen  liegt.  Verf.  macht  wahrscheinlich,  dafs  die  einzelnen 
Elemente  der  Reliefs  der  Klasse  II  meistens  in  statuarischen  Darstellun- 
gen ihre  Vorbilder  haben. 

Für  die  Di oskuren  verweisen  wir  auf  A.  Furtwängler's  Artikel 
in  Roscher's  Lexikon  Sp.  1164—1178,  welcher,  abgesehen  von  dem  nn- 
glflcklichen  Versuch,  den  in  Mythus  und  Kultus  offenbar  vorwiegenden 
chthonischen  Charakter  der  Dioskuren  mit  der  traditionellen,  einseitig- 
falschen Deutung  auf  das  Licht  in  Einklang  zu  bringen  (^daa  Licht  nicht 
in  seiner  Ruhe,  sondern  in  seinem  Obergange  vom  und  zum  Dunkel' 
Sp.  1154),  dem  Ref.  als  die  beste  bisher  veröffentlichte  Behandlung  des 
Gegenstandes  erscheint,  nicht  am  wenigstens  deshalb,  weil  der  Verf.  eben 
auch  das  archäologische  Material  beherrscht.  Nachzutragen  wäre  der 
wohl  erst  nach  Abfassung  des  Artikels  erschienene,  aber  nicht  mehr  in 
den  Bereich  dieses  Berichtes  fallende,  bedeutsame  Aufsatz  von  Friedrich 
Marx,  Mitteilungen  des  deutschen  archäol.  Inst,  in  Athen  1885  p.  189 ff. 


Graef,  Kurtvftogler,  Maaf^  (DionytM>8— Epaphnt^).  357 

Hi^rtmant)  Schmidt,  J.  S.  C.  Schweigger  und  die  Mysterien  von 
Samothrace  (Festschrift  zur  fünfzigjährigen  Jubiläumsfeier  des  Real- 
gymnasiums am  Zwinger  zu  Breslau  am  15.  Oktober  1886.  p.  117—188) 

giebt  eine  zusammenfassende  Darstellung  der  mythologischen  Ansichten, 
welche  der  Physiker  Scbweigger  in  verschiedenen  Schriften  niedergelegt 
hat,  besonders  hinsichtlich  der  Dloskuren.  S.  erklärt  sie  als  positive 
nnd  negative  Elektrizität  Für  die  mythologische  Forschung  hat  dieser 
Tersuch  ebensowenig  Wert  wie  die  Mehrzahl  der  physikalischen  Deu- 
tungen überhaupt:  aber  es  ist  interessant  zu  sehen,  mit  welcher  Ent- 
schiedenheit ein  Vertreter  der  exaktesten  Wissenschaft  auf  mythologi- 
schem Gebiet  gerade  das  am  wenigsten  exakte  Verfahren  einschlägt. 

Für  die  Ena  lossage  ist  die  oben  S.  810f.  besprochene  Abhand- 
lung Tümpel* 8  einzusehen. 

Eine  der  dunkelsten  Gestalten  der  griechischen  Mythologie,  den 
Epaphos,  beleuchtet  die  Untersuchung  von 

Ernestns  Maafs,  De  Aeschyli  Supplicihns  commentatio  (Index 
Schol.  Gryphisw.  W.  S.  1890-91).    4.   XXXVIII  8. 

Da  der  Titel  dieser  Arbeit  die  Fülle  des  in  ihr  dargebotenen 
mythologischen  Stoffes  nicht  ahnen  liefs,  so  hat  Ref.  sie  erst  spät  zur 
Band  genommen  und  kann  hier  nicht  mit  der  wünschenswerten  Ausführ- 
lichkeit darüber  berichten.  Um  also  nur  kurz  die  Ergebnisse  zusammen- 
zufassen: Ephaphos  ist  ursprünglich  nicht  der  aus  einer  Berührung, 
fya^ig^  entstandene,  sondern  der  Berührer  ^i^aTn-o;^',  d.h.  der  eiuem 
weitverbreiteten  Volksglauben  zufolge  durch  Auflegung  der  Hand  auf 
den  Leib  der  Gebärenden  die  Geburt  erleichternde  Gott.  Die  auf  einem 
umfangreichen  Beweismaterial  fufsende  und  methodisch  geführte  Dar- 
legung des  Verf.  p.  Xff.,  dafs  nicht  blofs  dem  Zeus,  sondern  einer  ganzen 
Reihe  sonst  nicht  unter  ^die  Beilgottheitcn*  gerechneter  Götter  seit  alter 
Zeit  jene  Funktion  beigelegt  war,  bedeutet  wieder  einen  kräftigen  Stofs 
gegen  den  Trugbau  der  Schulmythologie,  wo  jeder  Gott  sein  bestimmt 
abgegrenztes  Ressort  hat  und  der  Olymp  zu  einer  Versammlung  von  ^Spe- 
zialisten* wird,  um  den  treffenden  Ausdruck  von  Ernst  Curtius  (s.  oben 
S.  261)  zu  wiederholen.  In  der  ältesten  Gestalt  der  Jo-Sage  ist  es  Zeus 
^E^TtTwp^  unter  dessen  Beistand  —  wie  Aigla  und  Ereusa  unter  Hilfe 
Apollons  —  Jo  den  Sohn  gebiert;  Atyvnroc  aber,  wo  die  Geburt  stattfindet, 
ist  ursprünglich  nicht  das  Land  am  Nil,  sondern,  wie  der  Verf.,  in  erster 
LMt  gestützt  auf  das  älteste,  im  Hesiodischen  'Aigimios*  vorliegende 
Zeugnis,  durch  eine  eindringende  Untersuchung  der  verschiedenen  Quellen 
wahrscheinlich  zu  machen  weifs,  eine  mit  diesem  Namen  bezeichnete  Land« 
Schaft  Euboias,  das '  AfyuitToc  fuxpd^  des  Stephanus,  welches  Tümpel  von 
der  thrakischen  Küste  öder  von  Earpathos  verstanden  hatte.  -^  Auf  eine 
Anzahl  von  anderen  mythologischen  bezw.  kültgeschichtliehdti  Beobach« 


858        Oriediisclie  Mythologie.    4.  Einselae  Gottheiten  und  Heroen. 

tnngen,  za  denen  der  Verf.  durch  die  Suppiices  geftthrt  worden  ist, 
p.  XXXIIff.,  kann  Ref.  hier  nur  hinweisen.  Es  ist  wahr  was  Verf. 
p.  XXXII  von  dem  StQcke  sagt:  'nuUam  novimas  tragoediam,  qoae  res 
sacras  tarn  pio  amore  prosequatur'. 

Die  Artikel  Eos  und  Erinys  von  Rapp  in  Roscher*s  Lexikon 
Sp.  1262 — 1278  und  1310—1336  sind  tflchtige  Leistungen  des  auch  mit 
den  bildlichen  Quellen  vertrauten  Verf.;  mifslungen  scheint  dem  Ref.  nur 
der  Versuch,  die  Erinys  auf  das  Bild  ^der  ungestüm  daherfahrendeo 
Wetterwolke*  zurflckzufQhren,  denn  unter  den  Sp.  iSlOff.  aufgefQhrten 
Zogen  ist  keiner,  der  diese  Deutung  verlangte;  Schlange  und  Fackel 
aber  weisen  zweifellos  mehr  auf  das  Gebiet,  welches  in  Mythus  und 
Kultus  konstant  als  die  Heimat  der  Erinyen  gilt:  auf  die  Unterwelt. 

Was  den  Eros  anlangt  (vgl.  von  Schroeder*s  oben,  S.  277,  be- 
sprochenes Buch),  so  giebt  Furtwängler  in  Roscher*s  Lexikon  Sp.  1340 
—  1372  nicht  blofs  eine  erschöpfende  Behandlung  der  Monumente  sowie 
der  bei  den  älteren  Dichtern  und  Philosophen  auftretenden  Vorstellungen, 
sondern  er  sucht  auch  für  die  Geschichte  des  Kultes  aus  der  dürftigen 
Überlieferung  wenigstens  einige  feste  Punkte  zu  gewinnen.  Er  unter- 
scheidet die  älteren  Kulte  von  Thespiai,  Parion  und  Leuktra,  für  deren 
thrakisch-pelasgischen  Ursprung  er  eine  Anzahl  von  Argumenten  bei- 
bringt, von  den  jüngeren,  reinhellenischen,  wo  Eros  lediglich  das  Prinzip 
der  Männerliebe  vertritt,  giebt  jedoch  für  einige  der  letzteren  ^Kreta, 
Sparta)  die  Möglichkeit  zu,  dafs  ältere  Elemente  zu  Grunde  liegen 
(Sp.  1343).  Dafs  der  Kultus  sich  mit  dem  Symbol  des  dpyoQ  Xi^oQ  be- 
gnügt hat,  wissen  wir  nur  von  Thespiai,  darf  also  nicht  so  allgemein 
ausgesprochen  werden,  wie  Verf.  Sp.  1350  thut:  die  menschliche  Gestalt 
mufs  nicht  erst  durch  die  Poesie  ausgebildet  worden  sein,  eben  so  wenig 
wie  es  ausgemacht  ist,  dafs  das  Attribut  des  Bogens  blofs  auf  ein  poöti- 
Bches  Bild  zurückgeht  (Sp.  1348)  und  das  der  Leier  auf  die  bildende 
Kunst  (Sp.  1350). 

Gegen  die  Ansicht  Beundorfs,  welcher  im  Bullettino  della  Oomm. 
archeol.  d.  R.  1886  p.  54ff.  den  *Thanatos'  der  ephesischen  Säulentrommel 
als  eine  Nachbildung  des  Praxitelischen  Eros  von  Thespiai  hingestellt 
hat,  erhebt  Robert  in  den  'archäologischen  Märchen'  p.  160 ff.  zu  Gunsten 
des  Namens  'Thanatos*  vollbegründeten  Widerspruch;  Ref.  nimmt  nur 
an  der  auch  von  R.  p.  166  f.  behaupteten  Entwicklung  des  Bogenattributes 
aus  einem  rein  poetischen  Bilde  Anstofs. 

Gaia  behandelt  Kuhnert  in  Roscher's  Lexikon  (Sp.  1666—1686). 
Nach  einer  Wiedergabe  der  nur  sehr  teilweise  übereinstimmenden  Vor- 
stellungen, welche  die  verschiedenen  Theogonien  enthalten,  führt  er  die 
Göttin  als  Allmutter,  Todesgöttin ,  Rächerin  und  Wahrsagerin  vor  und 
bespricht  dann  ihre  Kultstätten  —  für  die  Akropolis  wird  aus  C.  I.  Att 
II  481  Z.  59  und  Suidas  xooporpo^oQ  die  Existenz  eines  Temenos  der 


Rapp,  Fortwftngler,  Enhnert  o.  a.  (Eos^Oiganten).  359 

Oaia-Earotropbos  gefolgert  —  und  ihre  Opfer.  Ans  dem  archäologischen 
Abschnitt,  welchem  Drexler  einige  numismatische  Mitteilungen  hinzufügt, 
sei  hervorgehoben,  dafs  E.  statuarische  Darstellungen  der  attischen  Gaia 
Eurotrophos  sowohl  in  den  beiden,  von  Michaelis  auf  Prokne  und  Itys 
bezogenen  Gruppen  A.  Z.  1859  Taf.  123  als  auch  in  der  kinderhaltenden 
Göttin  des  Westgiebels  des  Parthenon  erkennt. 

Weizsäckers  knapp  gehaltenem  und  im  kunstmythologischen  Teil 
sich  an  Overbecks  Zeus  anschliefsenden  Artikel  Ganymedes  in  Roscher*s 
Lexikon  Sp.  1595 — 1600  fügt  Drex^ler  einen  Excurs  bei,  in  welchem  er 
eine  dankenswerte  Ergänzung  des  von  Overbeck  angefahrten  bildlichen 
Materiales  giebt.  Aufser  einigen  Werken  der  Eleinkunst  (Mosaik,  Me- 
tallmedaillon, Terrakotta  und  Vasen)  kommen  besonders  MQnzen  von 
Hadrianopolis ,  Dardanos  und  Ilion  hinzu.  Die  interessante  Thatsache, 
dafs  je  eine  Mttnze  der  beiden  letzteren  Städte  den  Ganymedes  befltt* 
gelt  zeigt,  verwertet  D.  dazu,  um  den  von  Stephani  auf  Eros  bezogenen, 
durch  einen  Adler  getragenen  Flttgelknaben  eines  Goldschmuckes  von 
der  Insel  Taman  (Gompte  rendu  1880  Taf.  I)  als  Ganymedes  zu  erweisen. 
Auch  ein  MQnzbild  von  Pessinus,  wo  ein  geflügelter,  bärtiger  Mann 
(Windgottheit?)  auf  dem  vorgestreckten  linken  Arm  einen  geflügelten 
Enaben  hält,  bezieht  D.  auf  die  Entführung  des  Ganymedes  und  zwar  auf 
diejenige  Version,  wonach  ihn  Tantalos  geraubt  hat. 

Fflr  die  Giganten  (vgl.  oben  S.  816fi'.)  giebt  J.  Ilberg  in  Roscher*s 
Lexikon  8p.  1689—1653  eine  abersichtliche  Zusammenstellung  des  mytho- 
logischen Materials,  der  Verf.  des  archäologischen  Abschnittes  Sp.  1653 
— 1673,  E.  Euhnert,  beschränkt  sich  'auf  die  figurenreichen  Eunstwerke, 
in  denen  die  höchsten  Götter  des  Olympos  thätig  erscheinen*.  Wenn 
nun  auch  diese  Behandlung  jetzt  durch  Max.  Mayer's  oben  besprochenes 
Werk  weit  aberholt  ist,  so  gebtlhrt  E.  doch  das  Verdienst,  die  Schwie- 
rigkeiten scharf  betont  zu  haben  (Sp.  1670 ff.),  welchen  die  Annahme  eines 
erst  hellenistischen  Ursprungs  der  schlangenfflfsigen  Bildung  unterliegt. 
Die  Analogie  des  schlangenfafsigen  Boreas  und  die  vom  Verf.  einfach 
angenommene  Deutung  der  Giganten  als  Mm  Gewitter  rasender  Dämonen' 
können  natOrlich  fttr  das  Alter  jener  Bildung  gar  nichts  beweisen  —  die 
menschliche  Bildung  führt  E.  auf  das  Epos  zurück  —  aber  dafs  der 
hellenistischen  Zeit  eine  so  gründliche  Neuerung  kaum  zuzutrauen  ist, 
und  dafs  die  Deutung  der  namenlosen  Schlangenfüfsler  der  älteren  Eunst 
auf  Typhoeus  keineswegs  sicher  steht,  das  werden  viele  dem  Verf.  zu- 
geben. Dafs  er  aber  an  dem  Schlangenfüfsler  der  chalkidischen  Hydna, 
Gerhard  A.  V.  B.  III  237,  den  furchtbaren  Charakter  vermifst  und  gerade 
deshalb  die  Deutung  auf  Typhoeus  verwirft,  zeugt  von  geringem  Ver- 
ständnis fttr  den  Charakter  der  altertümlichen  Eunst  und  ist  treffend 
widerlegt  von  M.  Mayer,  Gig.  n.  Tit  p.  276. 


360       Griechische  Mythologie.    4.  Einselne  Gottheiten  nnd  Heroen. 

Wenig  braachbar  Ist  die  bereits  1886  ver&fiste,  aber  erst  8  Jahre 
später  erschienene  Abbandlang  von 

Karl  Heinrich  Spindler,  Der  Gigantenmythus  in  seiner  ältesten 
Oberlieferung  (Jahresbericht  des  Gymnasiums  zu  Zwickau  1888.  4. 
p.  1—26). 

Dem  Verf.  kommt  es  zu  sehr  aufs  Deuten  an.  Zuerst  bespricht 
er  die  bisherigen  Deutungen,  und  nachdem  er  dann  auf  10  Seiten  die 
Geschichte  des  Mythus  bis  zum  Ende  des  4.  Jahrhunderts  verfolgt  hat, 
unter  ganz  dflrftiger  Verwertung  der  bildlichen  Monumente,  begltlckt  er 
uns  gleich  mit  einem  eigenen  Deutungsversuch.  Die  Rücksicht  auf  die 
weitere  Geschichte  sei  nicht  nötig,  'weil  der  Mythus  schon  jetzt  ein 
festes  und  bestimmtes  Gepräge  trägt  und  in  der  folgenden  Zeit  der 
Alexandriner  und  späterer  Autoren  nur  eine  weitere  Ausbildung  erfährt' 
(p.  16).  Die  Deutung  selber,  welche  nach  einer  so  unzureichenden  Unter- 
lage versucht  wird,  ist  eine  weitere  Ausführung  der  bereits  von  Röscher 
ausgesprochenen:  die  Giganten  sind  ursprünglich  Gewitterdämonen  oder 
-riesen.  Die  vom  Verf.  hierbei  angewandte  Methode  zeichnet  sich  keines- 
wegs durch  Sicherheit  vor  anderen,  dieser  Richtung  angehOrigen  Deu- 
tungen aus. 

Auf  die  trefflichen  Abhandlungen  0.  Puchstein's  (kber  die  perga« 
menische  Gigantomachie  (Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1888 
Nr.  47  p.  1231- 1249  m.  1  Taf.  und  1889  Nr.  21  p.  323—346)  kann  wegen 
ihres  vorwiegend  archäologischen  Inhaltes  hier  nur  hingewiesen  werden. 
Während  Puchstein  eine  gemeinsame  Quelle  fttr  die  Darstellung  der 
Apollodorischen  Bibliothek  und  den  pergamenischen  Fries  annimmt  und 
diesen  aus  ApoUodor  ergänzt,  äufsert 

Friedrich  Eoepp,  Nonniana  zur  Gigantomachie  (Bonner  Studien 
Reinhard  Eekulö  gewidmet.    Berlin,  Spemann  1890.  p.  102-114) 

einen  Zweifel  daran,  dafs  die  Apollodorische  Erzählung  auf  ein  und  die- 
selbe Quelle  zurQckgeftthrt  werden  dürfe.  Er  weist  nach,  wie  die  Diony- 
siaka  des  Nonnos  in  der  Schilderung  des  analogen  Kampfes  zwischen 
Dionysos  und  Indern  sich  auf  Schritt  und  Tritt  an  verlorene  Giganten- 
dichtungen anlehnen.  —  Der  mit  feinem  Humor  gewtlrzte  Aufsatz  wirft 
auf  die  Geschichte  der  Sage  neues  Licht. 

Weitere,  archäologische  Beiträge  zur  Gigantomachie  haben  gelle« 
fert:  Wolters  im  Jahrbuch  des  Kais,  deutschen  archäol.  Instit.  I  (1886) 
p.  66 — 64  (Gigantomachie  von  Prione,  fQr  welche  Verf.  leugnet,  dafs  mit 
ihr  Amazonen-  und  Kentaurenschlacbt  verbunden  gewesen),  Stads  in  der 
'£^.  dpxatoL  III  (1886)  p.  83  —  94  u.  Taf.  8  (Vasenfragmente  mit  Dar- 
stellungen der  Gigantomachie,  von  GOttern  dargestellt:  Zeus,  Hermes, 
Herakles  und  Dionysos),  Visconti  im  Bull,  della  Comm.  arch.  com.  d.B. 
1887  p.  241  —  260  (Marmorreliefs  mit  Gigantomachie),  Malenberg  in 


Spindler,  Koepp,  Fnrtwftngler,  Hildebrandt  a.  a.  (Giganten— Gorgooeo).     361 

den  Mem.  der  Kais.  rnss.  arch.  Gesellsch.  N.  F.  III  [188*7]  p.  274  (Giganto- 
machie  des  megarischen  Schatzbauses  von  Olympia),  Bie  in  der  Berliner 
philol.  Wochenschrift  1887  Nr.  I6ff.  und  Petersen  im  Bull,  della  Gomm, 
arch.  com.  d.R.  1890  p.  17— -26  und  Taf.  I— II  (fragm.  erhaltene  Gruppe, 
Satyrn  im  Gigantenkampf  darstellend). 

Hinsichtlich  der  Gorgonen  hält  Röscher,  im  Lexikon  Sp.  1695 
—  1701,  in  vollem  Umfang  an  der  in  seiner  Monographie  gegebenen  Deu- 
tung der  Gorgonen  als  Gewitterwolken  fest,  während  A.  Furtwängler, 
welcher  ebd.  6p.  1701—1727  die  Gorgonen  in  der  Kunst  bespricht,  we« 
nigstens  fflr  das  Gorgoneion  einen  z,  t.  solaren  Charakter  betont  (beson- 
ders als  Mitte  des  Triquetrums  Sp.  1704.  1726)  und  dem  Gorgoneion 
die  Priorität  vor  dem  Typus  der  Gorgonen  in  ganzer  Gestalt  zuschreibt. 
Er  erkennt  im  Gorgoneion  die  bei  den  Naturvölkern  weitverbreitete 
apotropaeische  Fratzenmaske;  dieselbe  ist  nicht  lange  vor  dem  7.  Jahr«* 
hundert  --  vorher  ist  das  Gorgoneion  in  den  Denkmälern  und  in  der 
latteratnr  unbekannt,  J  36f  E  741  sucht  F.  als  Einschiebsel  zu  erwei* 
sen  — '  in  Kleinasien  den  Griechen  aus  der  nordsyrischen  Kunst  (auf 
hittitischen  Inschriften,  s.  Transact.  of  Soc.  of  Bibl.  Arch.  VII  Taf.  8)  ttber- 
liefert  und  in  Griechenland  anfangs  nicht  nur  auf  die  mythisch  bereits 
entwickelten  Gorgonen,  sondern  auch  anf  andere  Dämonen  übertragen 
worden.  Nachdem  F.  dann  die  ältesten  griechischen  Gorgoneion  vorgo- 
ftthrt  hat  —  die  Zeichnung  auf  dem  Schilde  der  melischen  Vase  (Cüonze 
Mel.  Thongef.  III)  wird  als  zweifelloser  Tierkopf  ausgeschieden  —  behan- 
delt er  zunächst  den  archaischen  Typus  der  ganzen  bezw.  halben  Gor- 
gonengestalt  und  des  Gorgoneions,  und  unterscheidet  fflr  letzteres  zwei 
Reihen  von  Denkmälern,  deren  eine  breite  und  fleischige  Formen  bevor- 
zugt und  fast  keinen  Gebrauch  von  den  Schlangen  macht,  während  in 
der  anderen  die  Schlangen  ein  Hauptmotiv  bilden.  Für  den  mittleren, 
milderen  Typus  konstatirt  F.  eine  entschiedene  Abnahme  in  der  dekora- 
tiven Verwendung  und  die  durch  die  Herrschaft  der  attischen  Kunst  ver- 
ursachte ausschliefslichere  Beziehung  zu  Athena.  Den  beiden  Reihen 
des  schönen  Typus,  der  ruhig  schOnen  und  der  pathetischen,  wird  die 
phantasievolle  Umbildung  des  Gorgoueions  zu  einem  Meerwesen  ange- 
schlossen. —  V^arum  F.  die  attische  Sage  von  Gorgos  Tötung  durch 
Athena  erst  dem  5.  Jahrh.  zuweist,  ist  nicht  ersichtlich. 

Richard  Hildebrandt,  Ein  Beitrag  zur  Deutung  der  Gorgonen 
(Gommentt.  philol.  quibus  Ottoni  Ribbeckio  congratulantur  discipuli 
Lips.     Leipzig,  Teubner  1888.    8.    p.  235—249) 

erhebt  eine  Anzahl  treffender  Einwände  gegen  Röschens  einseitig  nubi- 
lare  Deutung  der  Gorgonen  und  versucht  (vgl.  oben  S.  347)  Fopyw^  Kose- 
form zu  ropywTUQ^  als  Beinamen  der  Athena  zu  erweisen,  den  sie  als 
Beherrscherin  der  wilderregten  Flut  und  Schfltzerin  der  jonischen  Schiffs- 
fahrt fohre.  Dasselbe  unternimmt  Verf.  aber  auch  fflr  die  Namen  MdSowra 


862       Griechische  Mythologie.    4.   Einzelne  Gottheiten  and  Heroen. 

(Kurzform  von  ßa^traofiedoütra) ,  IBevw  (die  GOttin  des  'starken  und 
mächtigeD*  Meeres)  EZpodhj  (des  ^weitausgedehoten'  Meeres),  welche  er 
B&mtlich  als  das  Wesen  der  Meerfiat  wiederspiegelnde  Beinamen  der 
Athena  fafst,  die  erst  später,  als  man  den  wirklichen  Zusammenhang 
nicht  mehr  verstand,  zu  selbständigen  Personen  verdichtet  wurden.  — 
Das  Gorgoneion  hält  der  Verf.  mit  Furtwängler  fflr  älter  als  den  Typus 
der  Gorgonen  in  ganzer  Gestalt 

Die  Geschichte  des  Greifentypus  verfolgt  A.  Furtwängler,  in 
Röscheres  Lexikon  Sp.  1742  —  1777,  auf  ein  reiches  Material  gesttltzt, 
durch  die  verschiedensten  Volker.  Er  unterscheidet  hauptsächlich  zwei 
Formen  des  Gryps,  welche  den  Griechen  vom  Orient  fertig  überliefert 
wurden,  aber  nur  als  äufsere  Gestalt,  ohne  innere  Bedeutung,  ohne 
Mythus.  Die  eine  ist  die  der  mykenischen  Kunst,  wo  der  Greif  als 
wunderbar  schnelles,  deshalb  zumeist  laufend  dargestelltes  Raubtier  er- 
scheint. Dieser  Typus  stimmt  in  allem  Wesentlichen  der  Form  und  der 
Verwendung  flbereiu  mit  demjenigen,  welchen  in  Ägypten  die  Kunst  des 
neuen  Reiches  aufweist.  Der  zweite  Typus,  wo  der  Greif  als  ruhiger 
Wächter  erscheint,  ging  vermutlich  aus  von  Kleinasien  und  den  nächst 
benachbarten  Inseln,  er  war  übernommen  von  der  nordsyrischen,  hitti- 
tischen  Kunst.  Dieser  Typus  wird  mit  nur  unbedeutenden  Modifikationen 
von  der  archaisch -hellenischen  Kunst  festgehalten.  Dagegen  erscheint 
in  der  Kunst  des  freien  Stiles,  welche  die  Stachelmähne  am  Nacken  hin- 
zufügt und  den  knopfartigen  Ansatz  auf  der  Stirne  verschwinden  läfst, 
der  Greif  wieder  als  das  schnelle  Raubtier  der  mykenischen  und  ägypti- 
schen Kunst.  Obwohl  er  seine  Bedeutung  als  allgemeiner  Wächter  gött- 
licher Macht  nicht  aufgegeben  hat  und  deshalb  in  Beziehung  zu  sehr 
verschiedenen  Gottheiten  gesetzt  wird,  geht  er  doch  jetzt  ein  viel  be- 
stimmteres Verhältnis  zu  einzelnen  Gottheiten  ein,  besonders  zu  Apollou, 
dann  zu  Dionysos,  Artemis  und  Nemesis.  —  Den  eigenartigen  Typus 
des  LOwengreifen  (LOwe  mit  aufgebogenen  Flügeln,  mit  gekrümmten 
Hörnern,  mit  den  Hinterbeinen  und  dem  Schwänze  eines  Adlers)  (über- 
nahm die  griechische  Kunst  von  der  persischen,  welche  letztere  ihn  aus 
dem  chaldäischen  ^Tiamattypus'  übernommen  hatte.  —  Das  Auftreten 
des  Greifen  im  griechischen  Mythus  und  besonders  seine  Verbindung  mit 
einzelnen  Gottheiten  verlangt  noch  eine  eingehendere  Untersuchung,  als 
Verf.  sie  gegeben  hat.  Eine  solche  würde  doch  vielleicht  einen  alten 
Zusammenhang  des  Greifen  mit  bestimmten  Gottheiten  wahrscheinlich 
machen. 

Für  Hades  giebt 

Chr.  Scherer  in  Roscher*8  Lexikon  Sp.  1778^1811  eine  reich- 
haltige Zusammenstellung  des  Materiales:  Etymologie,  Person  und  Wesen, 
Beinamen,  Kulte,  bildliche  Darstellungen.  Leider  beeinträchtigt  Verf. 
den  Wert  des  Artikels  dadurch,  dafs  er  nach  der  grundfalschen  Voraus- 


Hildebrandt,  Fnrtw&ngler,  Scherer,  Kern,  Winkler  (Hades).        363 

setzQDg  arbeitet,  als  ob  Homer  eine  laotere  QoeUe  der  ältesten  nnd 
allgemeio  griechischen  Vorstellungen  sei.  Weil  Hades  bei  Homer  nnr 
der  furchtbare  Todesgott  ist,  der  alles  Lebende  mit  unerbittlicher  Strenge 
verfolgt,  deshalb  gilt  dem  Verf.  jede  Abweichung  von  diesem  schreck- 
haften Bilde,  mag  sie  nun  im  Kultus  oder  sonst  auftreten,  fOr  spätere, 
mildernde  Modifikation.  Vielleicht  hat  sich  Verf.  mittlerweile  durch  die 
trefflichen  Bemerkungen,  welche  v.  Wilamowitz  in  seinem  Isyllos  den 
chthonischen  Gottheiten  widmet,  eines  Besseren  belehren  lassen.  — 

Wir  reihen  hier,  unter  Hinweis  auf  Rohde^s  oben  S.  278 ff.  be- 
sprochenes Buch,  einige  die  Vorstellungen  von  Unterwelt  und  abgeschie- 
denen Seelen  betreffenden  Arbeiten  an.    Der  anziehende  Aufsatz  von 

Otto  Kern,  Orphischer  Totenkult  (Aus  der  Anomia.  Archaeolo- 
gische  Beiträge,  G.  Robert  dargebracht  Berlin,  Weidmann  1890. 
p.  86-96) 

untersucht  die  Frage,  ob  nicht  auch  der  attische  Totenkult  unter  orphi- 
schen  Einflttssen  stehe,  welche  fttr  Sybaris  durch  die  dort  gemachten 
Gräberfunde  festgestellt  sind,  un  d  gelangt  zu  dem  Ergebnis,  dafs  sowohl 
eschatologische  Vorstellungen  bei  Plato  (besonders  Phaidon  p.  81  A)  als 
auch  die  von  Hirsch  (siehe  unten  S.  364)  behandelten  Flttgel gestalten 
attischer  Lekythen  dieselbe  Abhängigkeit  von  orphischen  Vorstellun* 
gen  verraten  wie  die  Inschriften  jener  sy baritischen  Goldplättchen.  Ref. 
stimmt  in  der  Hauptsache  zu,  was  Plato  betrifft,  welcher  Übrigens  noch 
viel  eindringlicher  in  dieser  Hinsicht  untersucht  zu  werden  verdient:  vor 
allem  die  drei  grofsen  eschatologischen  Mythen.  Ob  die  Darstellung 
jener  Lekythen  wirklich  den  von  Piaton  Phaidon  p.  81  Überlieferten 
Volksglauben  illustrirt,  erscheint  fraglich:  es  ist  das  eigene  Grab  des 
Verstorbenen,  um  welches  die  unreine  Seele  herumflattert,  weil  ihr  der 
Abschied  von  dem  KOrper,  mit  welchem  sie  im  Leben  nur  zu  eng  ver- 
bunden war,  so  schwer  fällt;  auf  eine  allgemeine  Vorliebe  der  schlechten 
Seelen  fttr  Grabstätten  und  Totenmale  dagegen  darf  man  aus  der  Plato- 
stelle  ihrem  ganzen  Zusammenhang  nach  kaum  schliefsen. 

August  Winkler,  Die  Darstellungen  der  Unterwelt  auf  unter- 
italischen Vasen  (Breslauer  philologische  Abhandlungen  Bd.  III  Heft  6. 
1888;  erweitert  aus  der  Breslauer  Inaug.-Diss.  'De  inferorum  in  vasis 
Italiae  inferioris  repraesentationibus ' ).  8.  92  S.  mit  einer  Tafel.  (Zu 
vergleichen  ist  desselben  Verf.  Aufsatz  in  den  archäol.  Beiträgen  *  Aus 
der  Anomia'  p.  149-167:  Zu  den  Karlsruher  Fragmenten  einer  Unter- 
weltsvase.) 

Der  Verf.,  welcher  in  erfreulichem  Grade  den  Stoff  beherrscht  und 
methodisch  zu  behandeln  versteht,  ftthrt  die  Unterweltsvasen  in  zwei 
Gruppen  vor,  erstens  die,  welche  mehrere  Szenen  auf  einem  Bild  ver- 
einigt zeigen,  und  zweitens  diejenigen,  wo  nur  ein  mythischer  Gegenstand 


364       GriedliBche  Mythelogie.    4.   Elbselne  GottheiUn  und  fieroAn 

dargestellt  ist.  Ref.  mofs,  nm  bicht  zu  weit  in  das  Gebiet  der  AnMo* 
logie  ObertuspriDgen,  sich  eine  Besprechung  einzelner,  zum  Widerspruch 
herausfordernder  Deutungen  (wie  z.  B.  des  auf  der  Ganosa-Vase  hinter 
Grpheus  dargestellten  Paares  auf  Dionysos  und  Ariadne)  versagen  und 
verweist  auf  die  ausführliche  Anzeige,  welche  Heydemann  in  der  Netten 
philologischen  Rundschau  1889  p.  84  ff.  der  8chrift  gewidmet  hat. 

Ricardus  Hirsch,  De  animarum  apud  antiquos  imaginibus.   Diss. 
inaug.   Jenens.    1889.    8.    64  S. 

giebt  zunächst  eine  Zusammenstellung  der  griechischen  Vasenbilder  mit 
i^arstellungen   der   ^u^^  Abgeschiedenen      Er   unterscheidet  zunächst 


zwei  wesentlich  verschiedene  Gruppen:  die  eine,  wo  die  ^.  entsprechend 
den  homerischen  Anschauungen  ein  Abbild  des  lebendigen  Menschen  ist 
und  die  FlQgel  nicht  ein  integrirender  Bestandteil  des  Typus  sind  (Sze- 
nen: Zweikampf  um  einen  Gefallenen,  Grablegung,  Toten  aus  der  Schlacht 
getragen);  die  andere,  vorwiegend  durch  attische  Lekythen  gebildete 
Gruppe,  wo  die  Darstellung  der  ^.  sich  sehr  weit  vom  mensohlichen 
Körper  entfernt  und  auf  die  Beflttgelung  ein  entschiedener  Nachdruck 
gelegt  ist.  Verf.  sucht  diesen  zweiten  Typus  nach  einer  z.  t.  recht 
schwachen  Polemik  gegen  Benndorf  (Vasenbilder  p.  88ff.)  durch  den  Dia* 
weis  auf  den  mit  den  Anthesterien  verbundenen  Volksglauben  zu  lUustH*' 
ren.  Die  Untersuchung  ist  nicht  oberflächlich,  der  Verf.  sieht  die  Pro* 
bleme,  welche  hier  vorliegen,  aber  er  arbeitet  sie  doch  nicht  befriedigend 
heraus;  bei  manchen  treffenden  Beobachtungen  findet  sich  viel  Unklares 
und  Falsches,  besonders  was  die  bei  Plato  überlieferten  Vorstellungen 
anlangt.  —  Der  zweite  Teil  der  Arbeit  (p.  84  ff.)  beschäftigt  sich  vor- 
wiegend mit  dem  Grade  der  Verhüllung  der  ^.  auf  griechischen  (Kap.  II) 
und  (III)  auf  römischen  Bildern.  Verf.  sucht  festzustellen,  dafs  bei  erste« 
ren  entweder  blofs  der  hintere  Teil  des  Kopfes  verhüllt  ist  oder  der 
übrige  Körper  bei  unverhfilltem  Haupt,  während  die  römischen  Dar- 
stellungen fast  immer  das  ganze  Haupt  so  verhüllt  zeigen,  dafs  nur  das 
Antlitz  zum  Vorschein  kommt  (p.  49).  Was  Verf.  dabei  über  griechische 
Tracht  im  allgemeinen  fallen  läfst  (p.  86  f.)  ist  höchst  oberflächlich  und 
ungenau:  woher  weifs  er  z.  B.,  dafs  die  Verhüllung  des  Hauptes  zur 
griechischen  Priestertracht  gehört?  —  Ein  Excurs  (p.  52 ff.)  enthält  den 
z.  t.  auf  verkehrter  Interpretation  Platon's  aufgebauten  Versuch,  die 
unterweltliche  Strafe  der  Danaiden  als  eine  ursprünglich  nicht  zur  Da- 
naidensage  gehörige  und  vielmehr  die  dfun^zot  betreffende  Sage  zu  er- 
weisen. 

G.  Loeschke,   Aus  der  Unterwelt  (Festschrift  der  Univ.  Dorpat 
1888.    4.    12  S.): 

Auf  einem  klazomenischen  Thonsarkophag  erhaltene  Darstellung  eineft 
nackten  Jünglings,  der  in  jeder  Hand  einen  Hahn  hält  und  rechts  and 


WinkUr,  Hirsch,  Loeichke,  Paalus,  Steadiag  (Hades— Hekate).      365 

lloks  TOP  einer  mftcbtigeD  (?)  HQndin  angefallen  wird,  die  nach  dem 
Yogel  empor  za  springen  scheint.  Verf.  erkennt  in  dem  JOngling  das 
Abbild  des  Verstorbenen,  wie  er  mit  den  (mehrfach  in  der  Hand  von 
Toten  erscheinenden)  HAhnen  die  beiden  Hunde,  welche  den  Eingang 
zur  Unterwelt  httten,  besfinftigt.  Die  Zweizahl  von  Unterweltshnnden 
erklärt  Verf.  unter  Hinweis  auf  die  beiden  Hunde  des  Tama  im  Rigveda, 
welche  vom  Toten  durch  Gaben  beschwichtigt  werden  müssen,  und  auf 
die  zwei  Hunde  der  lakonischen  Statuette  Mitth.  d.  ath.  Inst*  H  298  (in 
welcher  Verf.  nicht  den  Verstorbenen,  sondern  den  chthonischen  Zeus 
erkennt),  als  die  filtere,  der  Einzahl  des  auf  den  schwarzfigurigen  atti- 
schen Vasen  zweiköpfig  gebildeten  Kerberos  voraufgehende  Vorstellung. 
Den  Glauben,  dafs  der  Höllenhund  die  Toten  beim  Eintritt  in  die  Unter^ 
weit  bedrohe  und  durch  Opfergaben  beschwichtigt  werden  könne,  meint 
Verf.  aus  ^phokles'  Oed.  Kol.  1556  ff.  für  Athen  folgern  zu  dürfen. 

Paulus  hat  im  Eorrespondenzblatt  für  die  württembergischen 
Schulen  Bd.  34  p.  533  ff.  einen  Beitrag  zur  Geschichte  des  Mythus  vom 
Lethestrom  geliefert;  er  verweist  auf  Paus.  9,  39,  8  (Trophonios-heiligtum 
von  Lebadeia)  als  ältestes  litterarisches  Zeugnis.  Ein  die  Unterwelt  bei 
Homer  behandelndes  Meraner  Programm  von  Lechthaler  ist  dem  Ref. 
nicht  zugänglich  gewesen.  —  Über  die  Quellen  von  Polygnots  Nekyia 
handelt  Dum  ml  er  im  Rhein.  Museum  Bd.  45  (1890). 

Was  Hekate  betrifft,  so  unterscheidet 

Stending  in  Roschers  Lexikon  Sp.  1885 — 1900  l)  eine  ältere 
Aaffassung,  welche  die  Göttin  einerseits  als  Moudgottheit  kennzeichne 
(durch  Beinamen  wie  ipoiotpopoQ  n.  s.  w.,  durch  die  Opferzeiten,  durch 
ihre  Dreigestalt,  ihre  Verehrung  als  Trivia  und  als  Geburtsgöttin)  andrer- 
seits ihr  die  Fähigkeit  zuschreibe,  Macht  und  Ehre  zu  verleihen,  sowie 
Sieg  im  Wettkampf,  in  der  Schlacht  und  vor  Gericht,  2)  eine  jüngere, 
wonach  sie  Gottheit  des  Gespensterglaubens  und  der  Zauberei,  sowie 
Unterweltsgöttin  sei.  Darnach  zählt  er  die  Gottheiten  auf,  mit  denen 
sie  vermischt  (besonders  lunare  und  chthonische)  oder  genealogisch  ver- 
knüpft wird. 

Einen  Grund  dafür  anzugeben,  dafs  er  die  chthonischen  Beziehun« 
gen  der  späteren  Auffassung  zuteilt,  würde  dem  Verf.  wohl  schwer  fallen. 
Dieselben  sind  mindestens  so  alt  und  so  stark  wie  die  lunaren:  das  be- 
weisen Hund  und  Schlange,  nächst  der  Fackel  die  wichtigsten  Attribute 
der  Hekate,  und  eng  cbthonisch  ist  der  Kreis,  in  welchem  die  bildende 
Kunst  sie  vorführt  Dafs  die  Fackel  sich  nur  aus  luuarem  Charakter 
erklären  lasse,  wird  Verf.  im  Hinblick  auf  Demeter  selber  nicht  glauben 
wollen:  und  ob  jene  Beinamen  wie  ipiuoipop^Q  u.  s.  w.  die  Mondgöttio 
bezeichnen  oder  ob  sie  erst  das  fackeltragende  Bild  zur  Voraussetzung 
haben,  bleibt  sehr  die  Frag?. 

Die  bildlichen  Darstellungen  der  Hekate  hat  Röscher  Sp.  1900 


366       Griechische  Mythologie.    4.   Einzelne  Gottheiten  and  Heroen. 

—  1910  behandelt  Wir  heben  daraus  hervor  die  Besprechung  der  H. 
des  pergamenischen  Frieses.  R.  hält  es  im  Hinblick  auf  mehrere,  spä- 
terer Zeit  angehOrige  Monumente  der  Kleinkunst  f&r  wahrscheinlich,  *dafs 
der  Kttnstler  eine  einleibige,  aber  mit  drei  Köpfen  und  sechs  Armen  ver- 
sehene Hekate  darstellen  wollte'  (Sp.  1908). 

Ftlr  Hektor  sehe  man  Lehnerdt's  Artikel  in  Roscher's  Lexikon 
Sp.  1910  —  1927  und  den  Anhang  Dfimmler's  zu  Studniczka*s  Kyrene 
(oben  8.  810)  ein.  —  Helena  behandelt  der  tüchtige,  die  litterarischen 
wie  die  bildlichen  Quellen  erschöpfende  Artikel  von  R.  Engelmann  in 
Roscher's  Lexikon  Sp.  1928  —  1978;  aufserdem  verweist  Ref.  auf  oben 
S.  288  und  319,  sowie  auf  die  weiter  unten  zu  besprechende  Abhandlung 
ttber  das  Parisurteil.  Der  Aufsatz  von  R.  MQnsterberg,  Zur  Helena  der 
Gjölbaschireliefs  (Arch.  epigr.  Mitt.  aus  Österreich-Ungarn  Bd.  XIII  [1899] 
p.  84 — 87)  hat  lediglich  archäologisches  Interesse.  ^ 

Im  Artikel  Helios  in  Roscher's  Lexikon  Sp.  1993—2026  bespricht 
Rapp  nach  einer  Übersicht  Ober  die  Entwicklung  des  griechischen 
Sonnenkultus  in  sorgfältiger  Weise  die  Vorstellungen  vom  Sonnenkörper 
als  Ausgangspunkte  fttr  die  Personifikation,  die  äufsere  Erscheinung  des 
Helios  in  Litteratnr  und  Kunst,  die  Himmelsbahn  in  der  Vorstellung  und 
im  Mythus,  Helios  als  Herrscher  und  in  menschähnlichen  Verhältnissea 
gedacht,  Helios  als  ethische  Persönlichkeit  und  endlich  den  Kultus  des 
Helios,  ^  Warum  Verf.  (Sp.  1994f.)  eine  zeitliche  Aufeinanderfolge 
von  Zeus,  Apollon,  Helios  als  Trägern  der  solaren  Vorstellungen  annimmt, 
so  dafs  Helios  das  letzte  Glied  bildete,  und  nicht  vielmehr  einen  durch 
die  Gliederung  des  griechischen  Volkes,  vielleicht  auch  durch  auswärtige 
Einflüsse  bedingten  Parallelismus,  ist  nicht  abzusehen.  Die  Hypothese 
Rapp's  setzt  eine  einheitliche  Entwicklung  der  griechischen  Religion  und 
ein  allgemeines  Bedürfnis  nach  einer  vorzüglich  solaren  Gottheit  voraus : 
zwei  Prämissen,  welche  Ref.  nicht  anerkennen  kann. 

P.  Hartwig,   Testa   di   Helios  (Mitth.    des  Kais,  deutsch,  arch. 
Instit.   Rom.  Abth.  II  p.  169-166  mit  Taf.  VII  u.  VII  a.) 

veröffentlicht   einen   1857   auf  Rhodos   gefundenen  schönen  Helioskopf, 
dessen  Typus  er  auf  Lysipp  (Plin.  34,  63)  zurückzuführen  unternimmt. 
Aus  der  Feder  Rapp's  stammt  der  Artikel 

Hephaistos  in  Roscher's  Lexikon  Sp.  2036—2074. 

Die  antike  Überlieferung  ist,  soweit  Ref.  urteilen  kann,  vollständig 
zusammengetragen,  unter  sorgfältiger  Verwertung  der  neueren  Litteratnr, 
auch  der  archäologischen.  Die  Untersuchung  ist  besonnen  und  umsichtig 
geführt ,  abgerechnet  die  Deutung  auf  den  Blitz  Sp.  2047  f.  und  die  bei 
einem  Vertreter  der  vergleichenden  Mythologie  allerdings  kaum  befremd- 
liche Kurzsichtigkeit  für  die  Bedeutung  kultlicber  und  lokaler  Momente, 
wie  sie  sich  doch  ganz  zweifellos  z.  B.  in  den  verschiedenen  Geburtssagen 


Röscher,  Engelmaoii,  Rapp,  Hartwig,  Petersen  a.  a.  (Hekate^Hera).    367 

geltend  machen.  Wie  gefährlich  es  ist,  genealogische  Verhältnisse  natur- 
symbolisch  zu  erklären,  macht  der  Zusatz  anschaulich,  welchen  der 
Heransgeber  hinter  die  vom  Verf.  vertretene  Deutung  der  Hera  als  Luft 
(die  den  Blitz,  Hepbaistos,  gebiert)  einschiebt:  die  Göttin  bedeute  ur- 
sprflnglich  den  Mond,  der  nach  der  Anschauung  der  Alten  Wettererschei- 
nnngen  anzeige,  d.  h.  nach  mythischer  Auffassung  erzeuge  (Sp.  2049). 
Nicht  einmal  das  erscheint  dem  Ref.  ausgemacht,  dafs  aus  der  Gleich- 
setzung des  Hepbaistos  mit  dem  Element  des  Feuers,  welche  in  den  vom 
Verf.  Sp.  2086 f.  angeführten  Redewendungen  vorliegt,  auch  die  ursprüng- 
liche Beschränkung  des  Gottes  auf  jenes  Element  gefolgert  werden 
dürfe.  -   Für  Hephaistos  ist  zu  vergleichen  oben  S.  277  f. 

Hera  sucht  W.  H.  Röscher  im  Lexikon  Sp.  2076  — 2134  nach 
einer  dankenswerten  Aufzählung  ihrer  Kultstätten  als  Mondgöttin  zu  er- 
weisen, eine  bereits  in  seinen  *  Studien'  vertretene  Deutung.  So  bereit- 
willig man  nun  dem  Verf.  zugestehen  wird,  dafs  Heras  Funktion  als 
GrOttin  des  weiblichen  Geschlechtslebens  —  wofür  ein  umfassendes  Beweis- 
material dargeboten  wird  —  die  dem  Mondlicht  zugeschriebenen  Kräfte 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  widerspiegelt,  so  entschieden  ist  dagegen 
Terwahrung  einzulegen,  dafs  Verf.  auch  die  Analogien,  welche  Hera  zu 
anderen  *  evidenten  Mondgöttinnen  der  Griechen'  aufweise,  zur  Beweis- 
führung verwendet.  Solche  Analogiebeweise  sind  völlig  kraftlos,  und  für 
die  Gleichung  Hera-Juno  bleibt  die  undeutliche  Gestalt  der  Dione  ein 
Argument  von  recht  zweifelhaftem  Wert. 

Aus  welcher  Quelle  Verf.  die  Angabe  schöpft,  dafs  Heras  Tempel- 
dienst nur  von  verheirateten  Frauen  versehen  wurde  (Sp.  2089)  ist  dem 
Ref.  unerfindlich.  —  In  den  weiteren  Abschnitten  behandelt  Verf.  Hera 
als  Göttin  der  Ehe,  ihre  sonstigen  Funktionen  und  Mythen,  Attribute 
und  Opfer. 

Im  Gegensatz  zu  dem  einseitigen  Charakter  des  mythologischen 
Teiles  ist  der  archäologische,  welcher  ebenfalls  von  R.  herrührt,  durch- 
aus sachgemäfs  gehalten.  Dafs  Hera  im  Attribut  des  Kalathos  sich  mit 
Göttinnen  berührt,  die  nicht 'Mondgöttinnen'  sind,  dafs  der  Löwe  und 
die  gelegentlich  ihr  gegebene  Mauerkrone  nach  dem  Orient  weisen,  hebt 
Verf.  nicht  hervor,  wie  er  denn  auch  die  Annahme  der  semitischen  Her- 
kunft der  Göttin  nur  bestreitet,  aber  nicht  widerlegt.  Gerade  die  (in 
der  vom  Verf.  gegebenen  Übersicht  fett  gedruckten)  Hauptlokale  des 
Herakultus  waren  semitischen  Einflüssen  ausgesetzt. 

Was  die  bildlichen  Darstellungen  der  Hera  anlangt,  so  ist  jetzt 
hinzuweisen  auf  den  vorzüglichen  kleinen  Aufisatz  von 

E.  Petersen,  Hera  von  Alkamenes  (Mitth.  des  Kais,  deutsch,  arch. 
Instit    Rom.  Abth.  IV  p.  66—74) 

welcher  den  Hera-Typus  zweier  attischen  Reliefs  (Schoene  T.  X  54  und 
Peltion  arch.  1888  p.  124)  auf  Alkamenes  zurückführt.   Religionsgeschicht- 


308       Grieehische  Mythologie.    4.   Eiofelne  Gottheiten  nnd  Heroen. 

lieb  sehr  beachtenswert  ist  die  ganz  geringe  Anzahl  von  attischen  Knlt- 
stätten  der  Hera,  welche  bei  der  vom  Terf.  p.  69  f.  gegebenen  Zasammen- 
Btellung  herauskommt. 

Die  Geschichte  der  Herakles-Sage  skizzirt  in  grofsen  Stridien 
Y.  Wilamowitz-Möllendorff  im  6.  Kapitel  seiner  Einleitung  in  die 
attische  Tragödie  (Berlin,  Weidmann  1889)  p.  258 — 840.  'Die  griechische 
Geschichte  und  die  griechische  Religion  und  Sage  gehören  zusammen, 
weil  der  Inhalt  teils  identisch  ist  teils  eines  das  andere  bcidingt.'  'Die 
Wurzel  des  ganzen  dorischen  Wesens  ist  der  Glaube  an  die  Göttlichkeit 
des  rechten  dorischen  Mannes,  ^elog  dv^p  nennen  die  Spartiaten  einen 
der  ihren,  wenn  er  das  leistet,  was  sie  von  dem  Manne  fordern.  Dieser 
Glaube  durchdringt  das  ganze  Leben.  Frauen  und  Kinder,  Hörige  und 
Knechte  haben  gar  keine  andere  Existenzberechtigung  als  in  Beziehung 
zu  dem  Manne,  fQr  den  sie  da  sind.  Die  ganze  Sittlichkeit  ist  darauf 
begründet,  daCs  er  seine  Existenz  erfollt  und  geniefst.  Der  ganze  Zu- 
schnitt des  Lebens  ist  darauf  berechnet.'  Den  religiösen  Ausdruck  dieser 
alles  durchdringenden  Empfindung,  die  Verkörperung  des  dorischen 
Mannesideals  erkennt  Verf.  in  Herakles,  dem  d^ij/p  ^eoc,  und  versucht 
den  Nachweis,  dafs  Herakles  den  Hellenen,  d.  h.  der  autochthonen  Be- 
völkerung fremd,  dagegen  das  gemeinsame  Besitztum  der  eingewanderten 
Thessaler,  Böoter  und  Dorer  war. 

Die  Herakles -Sagen  scheidet  Verf.  in  geschichtliche  und  in  reli- 
giöse. Erstere,  die  aberwiegende  Mehrzahl,  sind  Niederschläge  der  do- 
rischen Geschichte:  Herakles  erscheint  als  Repräsentant  der  Dorer  und 
wird  als  solcher  auch  in  ältere  Sagen  eingeschoben,  an  Stelle  einheimi- 
scher Heroen.  Aber  solche  Sagen  wurden  stets  als  napipya  gefühlt:  die 
Grundbedeutung  des  Herakles  liegt  tiefer.  'Mensch  gewesen,  Gott  ge- 
worden; Mühen  erduldet,  Himmel  erworben'  —  das  ist  der  Kern  der 
ältesten,  der  religiösen  Sage  und  das  Evangelium,  das  sie  zum  dorischen 
Manne  sprach.  Der  Kampf  mit  dem  Löwen,  die  Überwindung  der  yyjjev&TQ^ 
die  Höllenfahrt  und  die  Fahrt  zum  Göttergarten,  wo  Herakles  die  Un- 
sterblichkeit gewinnt,  gehören  zum  ältesten,  aus  den  makedonischen 
Bergen  mitgebrachten  Bestand. 

Verf.  zeichnet  sodann  die  Entwickelung  der  Sage  auf  hellenischem 
Boden,  und  zwar  zunächst  die  entscheidende  Ausbildung,  welche  Herakles 
in  Argos  erfuhr.  Von  Hera,  der  Herrin  der  Argolis,  erhielt  er  seinen 
neuen  Namen  'der  Beraberühmte '  (ein  älterer  ^AkxaToQ^  ygV'Ahefß^y^\ 
während  der  anfängliche  Gegensatz  der  einheimischen  Heraverehrer  gegen 
die  eindringenden  Heraklesdiener  in  Heraus  Hals  seinen  Ausdruck  fand. 
Die  genealogische  Anknüpfung  an  Perseus  nnd  die  Dienstbarkeit  sollen 
die  dorische  Herrschaft  legitimiren.  In  Argos  entstand  denn  auch,  ver- 
mutlich im  8.  Jahrhundert,  der  Dodekathlos,  eine  planvolle  Dichtung, 
die  das  Leben  des  Herakles  von  der  ersten  Tbat,  dem  Löwenkampf,  bis 
zu  seiner  Himmelfahrt  darstellt,  mannigfaltig  im  Einzelnen,  einheitlich 


T.  Wilamowiti-Moellendorff,  Wernieke  (Henkle^.  369 

In  der  AnffassiiDg  des  Helden  nnd  seiner  Lebensanfgabe,  welche  ist: 
i^^poiaai  jrußv,  —  Der  verbreiteten  Neigung,  im  Dodekatblos  ein 
mythographisches  Gonglomerat  späterer  Zeit  zu  erkennen,  hält  Verf.  den 
einheitlichen  Charakter  nnd  die  frQhe  kanonische  Geltung  dieses  Cyklos 
entgegen  (Zeustempel  von  Olympia)»  Was  die  Mythographen  vorn  und 
hinten  hinzufügten,  Kindbeitsgeschichte  und  Tod,  sondert  sich  mühelos 
ab  als  Ausflufs  zweier  nicht-argolischer  Sagenkreise,  des  oitäischen  und 
des  boiotischen. 

Hinsichtlich  des  oitäischen  läfst  Verf.  die  Frage  nach  der  Person 
des  Dichters,  der  diese  Sagen  zuerst  zusammenfassend  behandelt  hat, 
offen,  sucht  aber  in  feinsinniger  Analyse  die  ursprünglichen  Züge  der 
Heraklesreligion  zu  lOsen  von  alledem,  was  eine  der  menschlich  helden- 
haften aber  liebenswürdig  Mäfslicben  Weise  Homers'  verwandte  Epik 
hinzugefügt  hat.  Zu  diesen  Neuerungen  gehört  auch  das  lydische  Lokal 
der  Omphalesage,  da  eine  Reihe  der  darin  auftretenden  Orts-  und  Per- 
sonennamen in  der  Umgegend  des  Oita  nachweisbar  ist  Im  thebischen 
Kindermord  erkennt  Verf.  lediglich  ein  Erzeugnis  der  kombinirenden 
Reflexion,  dazu  bestimmt  den  boiotischen  Sagenkreis  mit  dem  argivischen, 
dessen  Übergewicht  der  Thebaner  schmerzlich  empfand,  zu  verknüpfen. 

Der  letzte  Teil  der  Untersuchung  betrifft  die  Heraklesreligion  seit 
der  archaischen  Zeit.  Die  Folgezeit  steht  unter  dem  Übergewicht  der 
attischen  Kultur,  das  volle  Verständnis  für  den  dorischen  Gottmenschen 
geht  Dichtern  und  Bildnern  verloren,  man  fafst  ihn  einseitig  auf,  in 
dieser  oder  in  jener  Richtung,  Entstellung  und  Verzerrung  bleibt  nicht 
aus.  Sophisten  und  Kyniker  kommen  mit  ihrem  Heraklesbild  dem  alten 
Glauben  noch  am  nächsten,  dessen  letzter  Verkünder  Pindaros  gewesen 
war.  *Als  Heros  der  Kyniker,  als  Streiter  für  die  Civilisation,  als  All- 
sieger in  den  Kämpfen  der  Faust  und  der  Keule,  aber  nur  zu  leicht  dem 
Weine  und  der  Liebe  erliegend  hat  Herakles  durch  die  Jahrhunderte 
fortgelebt,  während  zu  dem  Gotte  die  Menschen  in  Leid  und  Freud  sich 
hielten,  denen  er  als  solcher  von  den  Vätern  her  vertraut  war,  unbe- 
kümmert um  das,  was  die  Philosophen  in  ihm  suchten  oder  die  Dichter 
von  ihm  fabelten:  da  war  er  eben  Gott;  das  genügte  der  Frömmigkeit, 
die  glücklicherweise  trotz  jeder  Theologie  bestehen  bleibt'  (p.  837). 

Den  Ergebnissen  dieser  schönen  Darlegung,  welche  wiederum  von 
des  Verf.  tiefem  Verständnis  für  religionsgeschichtliche  Probleme  zeugt, 
pflichtet 

Konrad  Wernieke,  Zur  Geschichte  der  Heraklessage  (Aus  dar 
Anomia.  Archäologische  Beiträge,  Carl  Robert  dargebracht  Berlin, 
Weidmann  1890.   p.  71-86) 

insofern  bei,  als  er  zwar  den  Grundstock  der  Herakles-Sage  für  griechisch 
und  hauptsächlich  dorisch  hält,  doch  bei  einzelnen  Zügen,  denen  die 
Geltung  sekundärer  Bestandteile  zukomme,  den  durch  von  Wilamowitz 

Jahrsibericht  fir  AlteitamswiiMBScbaft.    LXVL  Bd.  24 


370        GriecliiEclie  Mythologie.    4.  Einzelne  Gottheiten  und  Heroen. 

fast  gänzlich  geleugneten  orientalischen  Ursprung  vermutet,  und  er 
▼ersucht  denselben  wenigstens  für  das  Motiv  der  Selbstverbrennung  des 
Helden  zu  erweisen.  Ausgehend  von  der  thessalischen,  später  nach 
Lydien  übertragenen  Omphale,  in  der  Verf.  die  itonische  Pallas  wieder- 
erkennen möchte,  sucht  er  die  Voraussetzungen,  die  eine  Übertragung 
der  Herakles- Omphale- Sage  nach  Lydien  ermöglichten,  näher  zu  be- 
stimmen. Die  Gestalt  des  mit  Herakles  identifizirten  Gottes  Sandon 
oder  Sandan,  auf  welche  alles  ankommt,  stellt  er  nicht  blofs  in  Kilikien 
(Apoll.  Bibl.  III  14,  3,  1)  sondern  auch  in  Kappadokien  und  Lydien  fest 
und  sucht  die  litterarisch  bezeugte,  syrisch-phoinikische  Herkunft  desselben 
archäologisch  zu  bestätigen.  Die  fOr  den  tarsischen  Kultus  des  Sandon 
gesicherte  Vorstellung,  dafs  dieser  Gott  anf  einem  Scheiterhaufen  ver- 
brannt wird,  glaubt  nun  Verf.  auf  den  griechischen  Herakles  übertragen, 
dessen  Erdenlaufbahn  nach  alt  griechischer  Sage  in  anderer  Weise 
abschlofs. 

Knaack  sucht  im  Hermes  Bd.  XXIII  (1888)  p.  181  —  141  (vgL 
p.  819f.)  die  Umrisse  des  Kallimach eischen  Gedichtes,  welches  des  H. 
Abenteuer  im  Dryoperland  behandelte,  zu  rekonstruiren.  In  demselben 
wurde  die  Hylassage  wahrscheinlich  nur  gestreift.  Für  Philostr.  iroag.  11 
24,  der  einen  Namen  für  den  lindischen  Bauer  der  Heraklessage  hat, 
wird  die  Benützung  eines  mythologischen  Handbuchs  vermutet  (nicht, 
wie  der  Verf.  früher,  Callim.  12,  angenommen  hatte,  des  Kallimachos). 

Die  Kunstmythologie  des  Herakles,  welche  A.  Furtwängler  in 
RoBcher's  Lexikon  Sp.  2136 — 2262  geliefert  hat,  zeichnet  sich  durch 
Reichhaltigkeit,  Methode  und  aufmerksame  Beachtung  der  von  'Kunst- 
mythologen'  häufig  übersehenen  religionsgeschichtlichen  Momente  aus. 
Verf.  behandelt  zuerst  die  Entstehung  der  ältesten  Typen,  dann  die  wei- 
tere Entwickelung  der  Typen  in  den  verschiedenen  Kunstepochen  und 
endlich  Herakles  Thaten  in  der  Kunst.  Besonderes  Interesse  verdienen 
die  beiden  ersten  Abschnitte.  Verf.  sucht  zu  erweisen,  dafs  Herakles  in 
der  ältesten  Zeit  immer  ohne  das  Löwenfell  auftritt,  dafs  er  zumeist 
ganz  nackt  erscheint  und  als  Waffen  sowohl  den  Bogen  —  was  das  Hän- 
figere  ist  —  als  auch  die  Keule  trägt;  das  Löwenfell  führt  Verf.  in  an- 
sprechender Darlegung  auf  einen  im  Beginn  des  6.  Jahrhunderts  erfolgten, 
durch  die  griechischen  Sagen  von  den  Tierkämpfen  des  Gottes  erleich- 
terten Einflufs  eines  verwandten  phoinikischen  Göttertypus  zurück  (vgl. 
Perrot,  bist.  III  p.  421).  Als  sich  dieses  Attribut  nun  vom  Südosten  der 
griechischen  Welt  (bes.  Kypros)  nach  den  Gegenden  verbreitete,  wo  der 
nrsprfinglich  nackte  Herakles  Chiton  and  häufig  auch  Panzer  erhalten 
hatte,  da  entsteht  die  aus  den  älteren  attischen  Vasenbildem  bekannte 
Tracht:  Chiton  und  darüber  Fell.  Die  nnbärtige  Bildung  des  (Lottes 
sieht  Verf.  mit  Recht  als  gleichberechtigt  neben  der  bärtigen  an  und 
weist  sie  für  die  archaische  Zeit  besonders  in  jonischen  und  von  der 
jonischen  Knnat  beeinfluTsten  Ennstkreisen  nach.    Zu  erwähnen  war  hier 


Knaaek  ,  FurtwftDgler,  Jul.  Scbneider  (HeiaUes).  871 

jedoch  auch  die  ErscheiDnng,  dafs  thebanische  Mttnzen  des  6.  Jahrhun- 
derts nebeneiDaDder  den  anb&rtigeD  and  den  bärtigen  Typus  aufweisen. 
Fflr  den  Übergangsstil  und  den  ftlteren  freien  Stil  konstatirt  Verf.  eine 
allmählich  fortschreitende  Neigung  zu  leichterer  Ausrüstung  des  Helden 
und  zu  grOfserer  Nacktheit:  ein  im  Stil  des  4.  Jahrhunderts  abgeschlosse- 
ner Prozefs,  indem  hier  von  der  Waffenrüstung  nicht  nur  das  (in  der 
archaischen  Kunst  häufig  zusammen  mit  dem  Bogen  auftretende)  Schwert 
verschwindet,  sondern  auch  der  Bogen  seltener  wird;  die  äufsere  Cha- 
rakterisirung  des  Gottes  besteht  jetzt  lediglich  in  der  Keule  und  dem 
um  den  Arm  geschlagenen  LOwenfell  (Sp.  2198). 

Hinsichtlich  des  Hydra -Kampfes  yermifst  man  einen  Hinwels  auf 
die  Abhandlung  Konitzers,  Breslauer  üniversitätsjubiläum  von  1861. 
Aus  dem  Abschnitt,  welcher  besondere  Bildungen  des  Herakles  behan- 
delt, hebe  ich  als  bemerkenswert  hervor,  dafs  F.  auf  Grund  mehrerer 
attischer  und  boiotischer  Denkmäler  (u.  a.  des  hier  zum  ersten  Mal 
edirten  thebanischen  Yotivreliefe  Friedrichs -Wolters  1163)  eine  in  der 
Litteratur  nicht  überlieferte  Sage  zu  rekonstruiren  sucht,  wonach  H. 
den  Pluton  durch  den  Acheron  oder  den  Okeanos  in  die  Oberwelt  trägt 
und  als  Gegenleistung  dafür  von  Pluton  das  Füllhorn  erhält 

Die  Ableitung  des  Heraklestypus  von  Sandon  und  Melkart  weist 
Yerf.  am  Anfang  des  Artikels  zurück,  ebenso  die  Abhängigkeit  des  eiy- 
thräischen  und  des  thasischen  Bildes  von  PhOnikien ;  ob  aber  der  orien- 
talische Einflufs  überhaupt  auf  die  Übernahme  des  LOwenfelles  zu  be- 
schränken ist,  wird  fraglich  bleiben.  Auch  in  dieser  Hinsicht  hätte 
Herakles  Abenteuer  mit  Omphale  eine  ausführlichere  Behandlung  ver- 
dient, als  Verf.  sie  giebt  Sp.  2234  und  2247 :  auf  dasselbe  fällt  durch 
die  aus  Plutarch  Qu.  Gr.  68  zu  folgernde  weibische  Tracht  des  koisoben 
Kultbildes,  welche  Verf.  übersehen  hat,  ein  interessantes  Licht 

Julius  Schneider,  Die  zwölf  Kämpfe  des  Herakles  in  der  älte- 
ren griechischen  Kunst  (Inaug.-Diss.  von  Leipzig  1888)  8.    78  S. 

sucht  das  Verhältnis  zu  bestimmen,  in  welchem  die  beiden  Künstler  der 
Olympia-  und  der  Theseionmotopen  zueinander  und  zu  den  überlieferten 
Typen  stehen ;  zu  diesem  Zweck  geht  er  auf  die  ältere  Entwicklung  der 
einzelnen  Typen  ein.  Soweit  die  Untersuchung  die  Mythologie  berührt, 
hat  sie  das  Unglück  von  der  kurz  nachher  erschienenen  Arbeit  Fnrt- 
wängler's  beträchtlich  überholt  worden  zu  sein.  Der  V«*f.  hat  sich  aller- 
dings seine  Aufgabe  nicht  allzuschwer  gemacht,  er  hat  sich  bei  den 
Athla,  wo  bereits  das  Material  zusammengestellt  war,  wie  beim  LOwen- 
kampf  durch  Adolf  Michaelis  Aufsatz  von  1869,  kaum  bemüht  die  seit- 
dem hinzugekommenen  Monumente  zu  verwerten.  Unbekanntscbaft  mit 
einigen  der  ältesten  Darstellungen  des  Herakles  und  des  LOwenkampfes 
labt  ihn  zu  dem  Ergebnis  gelangen,  dafs  der  Löwenkampftypus  von  der 
griechischen  Kunst  aus  dem  Orient  übernommen  sei»  während  er  4a8 

a4» 


8?2       GriechlficlM  Mythologie.    4.  Eioselne  Gottheiton  und  Heroen. 

Ll)wenfell  als  Attribot  für  altgrieehiscfa  zu  halten  geneigt  ist  (p.  16.  19) 
Da  der  Verf.  übrigens  Geschick  und  Verständnis  fftr  die  Behandlung 
typengeschichtlicher  Fragen  zeigt,  so  ist  der  unzureichende  Umfang  seiner 
Vorarbeiten  recht  zu  bedauern. 

J.  P.  Six  macht  in  der  Zeitschrift  ftkr  Numismatik  Bd.  XIV  (1886) 
p.  142—147  auf  einen  Stater  von  Mallos  aufmerksam  (kurz  nach  887  ?. 
Chr.),  auf  welchem  er,  die  von  Rudolf  VIT  eil  zur  Erkennung  eines  be- 
rtthmten  Kunstwerkes  auf  Münzen  aufgestellten  Kriterien  verwertend, 
den  lOwenwürgenden  Herakles  des  Myron  wiederfinden  möchte. 

Weizsäcker  führt  in  einem  feinsionigen  Aufsatz  im  Korrespon- 
denzblatt für  wflrttembergische  Schalen  Bd.  36.  p.  427 ff.  aas,  dafs  die 
AÜasmetope  von  Olympia  nicht  den  von  Paus.  V  10  (Herakles  im  Begriff 
die  Last  des  Atlas  abzonehmen)  genannten  Moment  darstelle,  sondern 
dafs  hier  eine  neuere,  humoristische  Wendang  der  Sage  vorliege,  welche 
sich  auch  bei  Apollodor  U  6,  13  findet 

Studniczka,  Jahrbuch  des  Kais,  deutsch,  arch.  Instit  I  (1886) 
p.  87—94 

erkennt  auf  der  Hjdravase  Gerhard  A.  V.  II  95  f.  eine  treue  Wieder« 
Mang  des  alten  Typus  und  sucht  die  Annahme  der  chalkidischen  Pro- 
venienz der  Vase  durch  eine  genaue  Vergleichung  derselben  mit  den 
Gruppen  der  sicher  chalkidischen  Vasen  zu  widerlegen.  Der  Verf.  hält 
vielmehr  den  attischen  Ursprung  der  Vase  für  wahrscheinlich. 

Wolters,  ebd.  p.  6,  bezieht  den  Kopf  Anc  Marbl.  II  66  wegen 
des  Weifepappelkranzes  auf  Herakles  und  weist  ihn  der  Prazitelischen 
Konst  za.  —  Dagegen  gelangt  Botho  Graef  in  den  Mittheilungen  des 
arch.  Instit.  Rom.  Abth.  IV  (1889)  durch  eine  stilistische  Vergleichung 
dieses  Kopfes  (dessen  Repliken  er  zusammenstellt)  mit  dem  Praxitelischen 
Hermes  und  andrerseits  mit  den  tegeatischen  Skulpturen  zu  dem  Ergeb- 
nis, dals  der  Typus  dem  Skopas,  und  nicht  dem  Praxiteles,  zuzusprechen 
sei.  Für  Herakles  Epitrapezios  verweist  Ref.  auf  Heydemanns  XII. 
Hallisches  Winckelmanns- Programm  1887  p.  28ff.  und  auf  P.  Weis- 
8äcker*8  Veröffentlichung  im  Jahrbach  des  arch.  Instit.  1889  p.  106 — 112. 
--•  Die  LeipBiger  Dissertation  Escher*s  über  Triton  und  Herakles  (1890) 
ist  dem  Ref.  leider  noch  nicht  zugänglich  gewesen. 

Karl  Pilling;  Zur  Heraklidensage  (Jahresbericht  des  Domgymna- 
Slams  zu  Naumburg  a.  S.  1890.  4.   20  S.) 

giebt  eine  ttbersidüliche  Darstellung  der  Qesdiichte  der  Heraklidensage 
te  der  Litteratur  von  Homer  bis  Euripides.  Verf.  verweist  häufig,  und 
ttberall  zustimmend,  anf  die  durch  v.  Wilamowitz  und  Thraemer  (Per^ 
gamos)  geäufserten  Ansichten :  Neues  von  Bedeutnng  ist  dem  Ref.  nicht 
entgegen  getreten. 


Six, 'WeUsftcker, Stodnicska, Wolters, PilliDg, Röscher (HevakleaH^rmea).    378 

Was  den  Hermes  betrifft,  so  giebt 

Röscher,  im  Lexikon  Sp.  2842—2890,  zunächst  eine  Übersicht 
über  die  Kultst&tten  und  Lokalsagen  des  Hermes »  welche  mit  grofser 
Sorgfalt  angelegt  ist  und  von  jedem  Forscher  wegen  ihrer  Handlichkeit 
dankbar  begrüfst  werden  wird.  Nachdem  dann  die  bisherigen  Deutnngs« 
versuche  besprochen  und  die  Argumente  für  des  Verf.  eigene  Deutung 
—  Hermes  'der  älteste  Wind-  und  Luftgott  der  Griechen'  —  kurz  zu- 
sammengefafst  worden  sind,  erfahren  die  einzelnen  Seiten  in  Hermes 
Wesen  (Diener  der  Götter,  Räuber,  Musiker,  Seelenfohrer  u.  s.  w«)  eine 
ausführliche  Besprechung,  deren  Mittelpunkt  jedesmal  das  vom  Verf. 
angenommene  Natursubstrat  bildet.  Ob  dieses,  auch  in  anderen  Artikeln 
wiederholte  Verfahren  gerade  für  ein  'Lexikon'  der  Mythologie  ange- 
messen ist,  sei  dem  verdienstvollen  Leiter  des  Unternehmens  zur  Beur- 
teilung anheimgestellt.  Jedenfalls  ist  die  Deutung  selbst  dabei  nicht 
probabler  geworden:  nach  wie  vor  leidet  sie  bei  mancher  ansprechenden 
Einzelheit  an  bösen  methodischen  Fehlern.  Einerseits  wird  der  Wert 
des  Epos,  dieser  doch  keineswegs  reinlichen  und  im  allgemeinen  weder 
die  ältesten  noch  gemeingriechische  Religionsvorstellungen  wiedergeben- 
den Quelle  weit  überschätzt.  Glaubt  denn  Yerf.  allen  Ernstes,  dafs  der 
Gott  auch  von  seinen  Gläubigen  'seit  ältester  Zeit  als  ein  Diener  des 
Zeus'  gedacht  wurde  (Sp.  2862  Z.  87)?  etwa  von  Orest,  wenn  er  bei 
Aischylos  also  betet:  '  ^Epiaj  ^Böva  narp^*  i7to7tvi6(uv  xpdvif7  Ist  fiber^ 
haupt  eine  Kultgottheit  denkbar,  die  von  Hause  ans  Sohn  and  Diener 
eines  anderen  Gottes  wäre  (Sp.  2862  Z.  40 ff.)?  Aber  Verf.  nimmt  kaum 
irgendwo  einen  Anlauf  zur  Scheidung  kultlicher  Vorsteilungen  von  solchen, 
welche  den  poetischen  Zwecken  und  der  systematisirenden  Tendenz  des 
Epos  entsprangen.  Im  Kultus  sind  die  hervorstechendsten  Zftge  des 
Hermes  zweifelk>s  seine  Eigenschaft  als  Förderer  jeglicher  Ftuefatbarkeit, 
oder  besser  seine  Zeagungskralt,  und  seine  Beziehung  zu  den  Toten. 
Nun  wird  ja  die  Wichtigkeit  des  Windes  für  das  Gedeihen  der  Yegetar 
tion  vom  Verf.  durch  eine  Reihe  von  Ci taten  dargelegt,  aber  da&  die 
Sonne  and  der  Erdboden  aach  in  der  Anschaaang  der  Alten  aiadestens 
ebenso  bedeutsame  Faktoren  für  die  Fruchtbarkeit  waren,  wird  Verf. 
doch  nicht  leugnen  wollen.  Dann  ist  es  aber,  den  gesunden  Mansefaei- 
verstand  der  ältesten  Hermesverehrer  vorausgesetat,  einfach  undenkbar, 
dafs  sie  gerade  den  Windgott  so  Mar*  i^oxr/v  als  Gott  der  Fruchtberkeft 
and  Zeugungskraft  schlechthin  verehrt  haben  sollten  wie  es  ai8  dem 
phallischen  Bilde  mit  Sicherheit  geschlossen  werden  darf»  Korz,  das  von 
R.  angenommene  Natursubstrat  pafst  zu  dem  ältesten  und  weitverbrei- 
teten Kultbild  des  Gottes  wie  die  Faust  aufis  Auge.  Ni<^t  viel  besser 
kommt  denn  auch  jene  andere  Seite  des  Hermesknltes  weg,  die  Besiehiivg 
zu  den  Toten.  Weil  'die  Seelen  von  jeher  Inftartig  gedacht  wurden  und 
demnach  bei  der  Trennung  vom  Leibe  in  das  Reich  des  Windes  oder 


374       OrieGblBche  Mythologie.    4.   Einzelne  Gottheiten  und  Heroen. 

der  Luft,  dem  sie  entstammen,  znrflckkehren  müssen',  wnrde  der  Wind- 
gott zum  Psychopompos  —  sagt  R.  Es  genflgt  dieser  Kombination  gegen- 
über auf  die  bekannte  Tbatsache  hinzuweisen,  dafs  der  Totengott  Hermes 
in  Athen  der  ^BSvtoe  heifst,  also  von  einem  ganz  anderen  Element  den 
Namen  hat  als  von  Luft  und  Wind.  Wie  Oberhaupt  dem  ursprünglichen 
*  Windgott'  dieses  Beiwort  jemals  zufallen  konnte,  darüber  verrät  B. 
nichts:  seine  Theorie  versagt  gegenüber  zwei  so  hochbedeutsamen  und 
unzweideutigen  Zeugnissen  des  Hermeskultes,  wie  es  der  Beiname  ^[BSveag 
und  das  phallische  Bild  sind. 

Von  Einzelheiten  ist  uns  aufgefallen,  dafs  das  Ausseheu  des  Hermes 
in  der  älteren  Poesie  nach  Sp.  2366  Z.  69 f.  das  "eines  tüchtigen  kräfti- 
gen Mannes  mit  starkem  spitzen  Barte'  gewesen  sein  soll,  nach  Sp.  2388 
Z.  64  f.  dagegen  das  eines  edlen  Jünglings  '  dem  der  Bart  erst  keimt,  im 
holdesten  Beize  der  Jugend'.  Der  offenbare  Widerspruch  zwischen  der 
Darstellung  älterer  Vasenbilder  und  der  homerischen  scheint  für  den 
Verf.  gar  nichts  Befremdliches  zu  haben.  Hinsichtlich  der  Etymologie 
des  Namens  hätte  die  zwar  aphoristisch  vorgetragene  aber  interessante 
Vermutung  0.  Kellers  (Fleckeis.  Jahrb.  1886.  p.  101  f.)  wohl  eine  Er- 
wähnung verdient 

Die  bildlichen  Darstellungen  des  Herakles  haben  durch  Chr. 
Scherer,  Lexikon  Sp.  2890—2432,  eine  ausgiebige  und  in  der  Haupt- 
sache treffliche  Behandlung  erfahren;  besonderen  Dank  verdient  es,  daCs 
Seh.  das  schwer  zugängliche  Material  der  geschnittenen  Steine  gründlich 
verwertet  hat  (Sp.  2406  f.).  Die  Beziehung  der  Sp.  2396  abgebildeten 
tanagraeischen  Terrakotte  auf  Hermes  ist  recht  zweifelhaft  (vgl.  Milch- 
hüfer,  AnfiLnge  p.  214 f.):  es  kann  ebenso  gut  eine  menschliche  Weihfigar 
sein.  Der  bärtige  Kopf  auf  Bronzen  von  Methymna  (Sp.  2899  Z.  12  f.) 
stellt,  wie  Ref.  in  Fleckeis.  Jahrb.  1887  p.  442.  Anm.  17  nachgewiesen 
bat,  wahrscheinlich  nicht  den  Hermes  sondern  Dionysos  dar.  Daik  der 
jugendliche  Typus  allen  auf  jonischen  Ursprung  zurückgehenden  Monu- 
menten eigentümlich  sein  soll,  wie  Verf.  Sp.  2397  Z.  6  f.  behauptet,  wäre 
eine  religionsgeschichtlich  überaus  interessante  Thatsache:  umso  mehr 
ist  zu  bedauern,  dafs  Verf.  als  Beleg  blofs  eine  s.  f.  Vase  etruskischer 
Technik  beibringt 

Dafs  in  den  homerischen  Oedichten  allerdings  der  jugendliche 
Typus  vorkommt,  hofft  Ref.  in  Fleckeisens  Jahrbüchern  a.  a.  0.  p.  489  ff. 
endgiltig  festgestellt  zu  haben.  Ref.  versucht  daselbst  im  Anschlufs  an 
V.  Duhn  (Annali  1879  p.  148  ff.)  den  Nachweis,  dafs  weder  die  litterarische 
noch  die  monumentale  Überlieferung  die  beliebte  Annahme  der  Priorität 
des  bärtigen  Hermes-Typus  bestätigt,  sondern  ein  ursprünglicher  Dualis- 
mus des  bärtigen  und  des  jugendlichen  Typus  anzunehmen  sein  wird. 

Eine  völlig  neue  Deutung  des  Hermes  empfiehlt 


Roseher,  Scherer,  0.  A.  HoffmaoD,  Conse  a.  a.  (Hermes).  375 

Otto  Adalbert  Hoffmann,  Hermes  nnd  Eerykeion.  Stodie  zur 
Urbedeatang  des  Hermes.  Mit  einer  Tafel.  Marburg,  Elwert.  1890. 
8.   62  S. 

Nach  einer  Kritik  der  bekannteren  bisherigen  Dentongsversnche 
bemüht  sich  Verf.  darzulegen: 

1)  Dafs  die  älteste  Form  des  Eerykeion  Oeine  oben  geOühete  ara- 
bische Acht,  welche  senkrecht  auf  einem  Stiele  aufsitzt')  nicht  griechi- 
schen, sondern  phOnikischen  Ursprungs  ist  und  zwar  'als  zust&ndiges 
charakteristisches  Symbol'  mit  Sicherheit  nur  an  der  MondgOttin  Astarte 
nachweisbar  ist,  als  ein  Sinnbild  des  Mondes. 

2)  Dafs  Hermes  ursprünglich  eine  (indogermanische)  Mondgott- 
heit ist,  auf  welche  bereits  in  frühester  Zeit  das  phOnikische  Mond- 
symbol des  Kerykeions  übertragen  wurde. 

Der  zweite  Abschnitt  trägt  das  Gepräge  der  bekannten  mytholo- 
gischen Mache:  ein  paar  anscheinend  Innare  Züge  genügen,  um  eine  ur- 
sprüngliche Mondgottheit  zu  konstruiren,  mag  der  kultliche  Charakter 
des  (jottes  (Phallos  und  x^6vtog)  dazu  stimmen  oder  nicht  Die  Beweis- 
führung ist  weit  schwächer  als  sie  Röscher  für  seine  Deutung  bietet,  sie 
besteht  nicht  selten  in  Gitaten  ans  neueren  Gelehrten,  während  doch  ein 
Zurückgehen  auf  die  letzten  Quellen  kaum  irgendwo  so  nötig  ist  wie  in 
mythologischen  Fragen.  Der  Verf.  hätte  im  Interesse  seines,  durch  die 
Abhandlung  über  den  belvederischen  Apoll  so  schön  begründeten  wissen- 
schaftlichen Ansehens  besser  gethan  von  einer  Deutung  des  Hermes  über- 
haupt abzusehen  und  dafür  eine  wirklich  gründliche  Untersuchung  über 
das  Kerykeion  zu  geben.  Wo,  wann  und  wie  es  zuerst  bei  Hermes  auf- 
tritt, seine  Weiterbildung,  ob  der  f>dßdoQ  im  Homer  wirklich  schon  als 
das  Kerykeion  zu  verstehen  ist  —  diese  und  andere  Fragen  mufete  der 
Verf.  einer  genauen  und  selbständigen  Prüfung  unterziehen,  wenn  die 
Mitteilungen  des  ersten  Abschnittes  für  die  griechische  Religions- 
geschichte rechten  Wert  gewinnen  sollten. 

Eine  spätgriechische  Bronzestatuette  des  jugendlichen  Hermes  ver- 
öffentlicht Conze  in  den  Jahrbb.  des  Kaiserl.  deutschen  archäol.  Insti- 
tutes II  1887  p.  133  — 136  Tai  9.  Dieselbe  ist  dadurch  besonders  inter- 
essant, dass  die  rechte  Hand  ein  Widderborn  umfafst, '  in  dessen  Krüm- 
mung, wie  von  einem  frisch  geschlachteten  Thiere,  das  Ohr  noch  ge- 
blieben ist'. 

Das  für  die  Ergänzung  des  Praxitelischen  Hermes  bedeutsame 
pompejanische  Wandbild,  welches  einen  den  Dionysosknaben  haltenden 
Satyr  darstellt,  wird  besprochen  und  erläutert  durch  H.  v.  Roh  den, 
Jahrbb.  ebd.  p.  66—68. 

Auf  die  anscheinend  fleifsige  Untersuchung  von       ^ 


376       Grieehiflche  Mythologie.    4.  Einzelne  Gottheiten  and  Heroen. 

J.  Klemm,  t)e  fabulae  quae  est  de  Heras  et  Leandri  amoribns 
foDte  et  auctoritate  (Inaug.  Diss.    Leipzig  1889.)   8.   61  S. 

kann,  da  dem  Ref.  nnr  eine  flflchtige  Darcbsicht  möglich  war,  hier  nur 
hingewiesen  werden. 

Betreffs  der  Heroen  verweist  Bef.  anf  oben  S.  262ff. 

Hestia  behandelt  in  Roschers  Lexikon  Sp.  2605—2668  anter  sorg- 
ftltiger  Benützung  des  seit  1864  hinzagekommenen  Materiales  der  ge- 
lehrte Verf.  des  Baches 'Hestia-Yesta',  A.  Preaner.  Zanädist  werden 
Etymologie  and  fiedeatang  des  Wortes  and  die  Mythen  besprochen,  so- 
dann :  I.  Hestia  als  OOttin  des  heiligen  Feaers.  1)  Die  Jangfräalichkeit 
der  Hestia.  2)  H.'s  erste  Stelle  bei  Spenden,  Opfern  a.  s.  w.  8)  Andere 
Enltgebräache.  H.  Hestia  als  GOttin  des  Heerdfeuers  and  Hansheerds. 
ni.  Hestia  als  GOttin  der  heiligen  Feaer  and  Feaerheerde  der  St&dte 
and  Staaten.  Hestia  in  der  Speknlation.  IV.  Hestia  in  der  bildenden 
Knnst  — 

Da  der  Inhalt  des  besonders  darch  geschichtliche  Betrachtangs- 
weise  and  exakte  Methode  aasgezeichneten  Artikels  mehr  ins  Gebiet 
der  Sakralaltertümer  gehOrt  and  überdies  in  allen  wesentlichen  Pankten 
mit  den  Darlegangen  der  bekannten  grOfseren  Monographie  des  Terf. 
übereinstimmt,  so  mnfs  Ref.  aaf  einen  aasführliohen  Bericht  verziditen. 

Die  Hören  betrifft  ein  übersichtlicher  und  reichhaltiger  Artikel  von 

Rapp  in  Röscheres  Lexikon  Sp.  2712  —  2741.  Verf.  deutet  die 
Hören  unter  eingehender  Begründung  als  'Gottheiten  der  himmlischen 
Gewftsser,  die  durch  Thau  und  Regen  Wachstum  spenden'  (Sp.  2714). 
Wir  eikennen  diese  Deutung  ohne  Umst&nde  an,  weil  sie  (im  Unterschied 
von  den  physikalischen  Deutungen  der  meisten  Gottheiten)  nicht  bloDs 
aaf  bestimmte  alte  Zeugnisse  sondern  auch  auf  Kultgebräuche  gestützt 
ist:  dafs  aber  auch  durch  die  Genealogie  der  Hören  ihre  Naturbedeutung 
bestätigt  sein  soll,  wie  Verf.  Sp.  2716  f.  meint,  ist  uns  keineswegs  ein- 
leuchtend. —  Verf.  bespricht  1)  die  Naturseite  der  Hören,  2)  die  H. 
als  Göttinnen  der  Jahreszeiten,  wozu  sie  erst  in  griechisch-römischer  Zeit 
gemacht  werden,  d)  die  H.  als  Schicksalsgöttinnen  und  ethische  Mächte 
und  4)  den  Kultus  der  H.,  wofür  das  Meiste  allerdings  sdion  im  Vorher- 
gehenden gegeben  ist  Das  archäologische  Material  ist  verständigerweise 
nicht  hinten  als  selbständiger  Abschnitt  angehängt,  sondern  gehörigen 
Ortes  verwertet  Mit  besonderer  Rücksicht  anf  die  bildlichen  Darstellun- 
gen behandelt  denselben  Gegenstand: 

Paulus  Herrmann,  De  Horarum  apud  veteres  figuris.    (Dissert 
inang.  Berol.  1887.)   8.   48  S. 

In  der  Praefatio  bespricht  Verf.  die  Einteilung  des  Jahres  bei 
den  Griechen.    Die  älteste  Zeit  unterscheidet  zwei,  die  Blüthezeit  drei, 


Klemm,  PrenDer,  Rapp,  P.  Herrmann,  R.  Schmidt,  Winnefeld  ( Hero-Hypnos).    377 

die  heUenistische  Zeit  vier  Jabreszeiten.  Pars  I :  De  Horis  quae  non  ad 
quatuor  anni  tempora  pertinent.  Gap.  I:  Qaibas  maneribas  Horae  fan- 
gantnr,  antequam  anni  temporibus  praeesse  coepernnt.  Die  Erklärung 
des  Übergangs  ?om  älteren,  aktiven  Charakter  zar  bloüsen  Personifikation 
hat  sich  Verf.  entschieden  zu  leicht  gemacht  (p.  16).  Die  Dreizahl  er- 
klärt er  als  älteste  Vorstellung  (p.  25),  während  unter  den  zwölf  ältesten 
Monumenten,  welche  er  aufführt,  bestenfalls  vier  diese  Zahl  aufweisen: 
bei  einigen  vom  Pausanias  erwähnten  Bildern  behauptet  Verf.  zwar,  die 
Dreizahl  könne  'certissime  concludi',  bleibt  aber  den  Beweis  schuldig. 
Cap.  n :  De  monumentis,  in  quibus  tres  anni  Horae  expressae  sunt  Hier 
sowie  in  Pars  ü:  De  quatuor  Horarum  typis,  quomodo  in  artis  monu- 
mentis expressi  sint.  Gap.  I:  De  parietum  picturis  (die  übrigen  Monu- 
mente sollen  in  einer  demnächst  zu  veröffentlichenden  Fortsetzung  der 
Dissertation  behandelt  werden)  ist  das  archäologische  Material  sorgfältig 
zusammengetragen  und  im  Einzeben  gut  interpretirt,  aber  zu  einem 
klaren  Bild  von  der  Entwickelung  des  Typus  kommt  der  Leser  nicht. 

Hauptsächlich  den  Hymenaios  betrifft  eine  tüchtige  Arbeit,  die 
eigentlich  schon  früher  zu  besprechen  gewesen  wäre: 

Richardus  Schmidt,  De  Hymenaeo  etXalasio  dis  veterum  nup- 
tialibus.    (Diss.  inaug.   Kiel  1886.)    &    95  S. 

Der  Verf.  stellt  zunächst  die  Hymenaios-Sagen  zusammen  (Abstam- 
mung von  einer  Muse,  frühzeitiger  Tod,  Befreier  der  Jungfrauen  aus 
R&uberhand,  Abstammung  von  Dionysos  und  Aphrodite)  und  versucht 
darzulegen,  dafs  die  besonders  in  Thessalien  (Magnesia)  heimische  Gestalt 
aus  einem  Beinamen  des  Dionysos  als  eines  die  Fruchtbarkeit  fördernden 
Gottes  hervorgegangen  ist  Sowohl  in  Hinsicht  auf  Körperbeschaffenheit, 
Tracht  und  Attribute  wie  auf  Sagen  und  Gebräuche  weist  der  Verf., 
indem  er  die  litterarische  und  die  monumentale  Überlieferung  mit  grofser 
Sorgfalt  verwertet,  eine  weitgehende  Übereinstimmung  zwischen  den  bei- 
den Gestalten  nach.  Weniger  geglückt  erscheint  dem  Ref.  der  im  zwei- 
ten Teil  der  Abhandlung  (p.  81  ff.)  unternommene  Versuch,  den  römischen 
Hochzeitsgott  Talasius,  in  dessen  Namen  Verf.  die  Wurzel  ^A-  (florere, 
germinare)  erkennt,  auf  Mars  zurückzuführen.  —  Die  ausführliche  B^ 
handlung  der  bildlichen  Darstellungen  des  Hymenaios,  welche  wir  p.  57 
— 80  erhalten,  hat  Verf.  nachträglich  (Jahrbuch  des  arch.  Instit  II  [1887] 
p.  126)  in  einem  Punkt  dahin  berichtigt,  dafs  der  phrygisch  gekleidete 
Jüngling  des  Reliefe  bei  Müller -Wieseler  Denkm.  11  75  n.  961  nicht 
Hymenaios  sondern,  im  Hinblick  auf  Iph.  Aul.  1040 ff.,  Ganymedes  zu 
nennen  sei. 

Auf  die  vorwiegend  archäologische  Untersuchung  von  H.  Winne- 
feld, Hypnos.  Ein  archäologischer  Versuch.  Stuttgart,  Spemann  1886. 
8.  88  S.  mit  Fig.  u.  S  Tal,  sowie  die  tüchtigen,  erst  1891  erschienenen 
Artikel,  welche  Rosoher's  Lexikon  tdt  die  Hyperboreer  (von  Maxim. 


378       Oriechiscbe  Mythologie.    4.  Einzeloe  Gottheiten  und  Heroen.    ^ 

Mayer,  8p.  2806«^2841)  und  fQr  Jakchos  (von  Höfer,  II  Sp.  1—11) 
gebracht  hat,  kann  Bef.  hier  nnr  hinweisen. 

Franz  Winter,  Jakchos  (Bonner  Stadien  Beinhard  Keknl6  ge- 
widmet.   Berlin,  Spemann  1890.    p.  143—168  mit  Taf.  VIII  a.  IX) 

veröffentlicht  einen  jugendlichen  Marmorkopf  der  vatikanischen  Samm- 
lungen, dessen  Original  er  auf  Grund  stilistischer  Merkmale,  besonders 
der  Proportionsverhältnisse  der  Mitte  des  6.  Jahrhunderts  zuweist  Die 
Verwandtschaft  mit  dem  sogenannten  Eubuleus  ist,  soweit  man  nach  einem 
Vergleich  der  Abbildungen  urteilen  kann,  zweifellos;  dafs  die  runden 
Ansätze  über  den  Schläfen  kaum  von  etwas  anderem  als  kurzen,  aufwärts 
gerichteten  Stierhörnern  herrühren  können,  wird  dem  Verf.  ebenfalls 
zuzugeben  sein.  Bedenken  haben  wir  nur  gegeu  den  Namen  Jakchos. 
Ein  sicheres  Zeugnis  fttr  die  Gehörntheit  des  eleusinischen  Jakchos  fehlt; 
das  Sophoklesfragment  871  N.  ist  nicht  entscheidend,  da  es,  wie  ViT. 
selber  bemerkt,  durch  die  Beziehung  auf  Nysa  die  Möglichkeit  nahe  legt, 
dafs  hier  wie  öfters  der  Name  Jakchos  statt  Dionysos  gebraucht  ist. 

Den  Namen  des  Ikaros  versucht 

G.  Angermann,  Beiträge  zur  Deutung  antiker  Namen  (Fleck- 
eisen's  Jahrbb.  Bd.  137  [1888]  p.  1—11) 

auf  die  Wurzel  sik-  'benetzen,  befeuchten'  zurflckzufflhren. 

ViTas  Jo  betrifft,  so  verweist  Bef.  auf  die  oben  (S.  367  f)  besprochene, 
ergebnisreiche  Abhandlung  von  E.  Maafs  und  auf  den  (1891  erschiene- 
nen) Artikel  Engelmann's  in  Boscher*8  Lexikon  II  Sp.  266— 280,  wo- 
selbst auch  die  bildlichen  Darstellungen  zusammengestellt 'und  eingehend 
besprochen  sind. 

Max.  Jacobson,  De  fabulis  ad  Iphigeniam  pertinentibns.   (Diss. 
inaug.  Begiom.    1888.)    8.   54  8. 

Verf.  erkennt  in  Iphigeneia  einen  allmählich  zur  selbständigen  Figur 
ausgebildeten  Beinamen  der  als  Geburts-  und  Ehegöttin  verehrten  Artemis 
und  vermutet  in  dem  ursprQnglichen  Menschenopfer  des  brauronischen 
Kultus,  welcher  im  Anschlufs  an  Suchier's  treffliche  Arbeit  behandelt 
wird,  das  letzte  Substrat  der  Sage.  —  Iphigeneia,  deren  ursprüngliche 
Bedeutung  bereits  entschwunden  war,  wurde  zunächst  vom  Volk  als  ein- 
stige Priesterin  der  Artemis  erklärt  Das  malte  man  später,  im  Hinblick 
auf  die  Eultgebräuche,  dahin  aus,  sie  sei,  von  ihrem  eigenen  Vater  der 
Göttin  geweiht,  durch  diese  (*cui  talis  crudelitas  jam  displiceret')  am 
Leben  erhalten  und  zur  ersten  Priesterin  eines  milderen  Dienstes  gemacht 
worden.  Nachdem  Verf.  diese  Hypothese  aufgestellt,  aber  keineswegs 
ausreichend  begründet  hat,  fahrt  er  die  Spuren  des  Iphigeneia-Kultus  im 
fibrigen  Griechenland  vor,  bespricht  die  Übertragung  des  Namens  auf 
die  verwandte  taurische  Göttin  sowie  auf  andere  nicht  griechische  Kulte 


■  Al.iU 


Winter,  Jaeobeon,  Arnold,  Kern  o.a.  (JakchoB-— Kabiren).         379 

und  die  RQckwirkong  der  in  Tanrien  lokalisirten  Sage  auf  OriechenlaDd. 
Der  zweite  Teil  verfolgt  die  Sage  darch  die  Litteratnr:  eine  nQtzIiche 
Leistong,  wenn  auch  kaum  Neues  geboten  und  der  Gegenstand  keines- 
wegs erschöpft  wird  Aber  warum  Verf.  hier  eine  unvoUstAndige  Über- 
sicht der  bezfiglichen  Denkmäler  eingeschoben  hat,  die  er.  doch  in  keiner 
Weise  für  seine  Untersuchung  verwertet,  ist  schwer  verst&ndlich. 

An  einem  Obermafs  von  Gründlichkeit  und  Sch&rfe  leidet  die  Ar- 
beit nicht 

Für  Iris  bietet  die  Abhandlung  von 

Bruno  Arnold,  De  Iride  dea  specimen.  Pars  I  (Progr.  des 
Gymn.  zu  Nordhausen  1886).   4.   20  8. 

in  welcher  die  wörtlich  mitgeteilten  antiken  Zeugnisse  nahezu  zehn  Seiten 
bedecken,  nichts  von  Belang.  Die  Monumente  und  die  Etymologie  des 
Namens  sollen  in  einem  zweiten  Teil  behandelt  werden,  der  dem  Ref. 
bislang  nicht  zu  Gesicht  gekommen  ist. —  Waldstein  veröffentlicht  im 
Amer.  Joum.  of  Arch.  V,  1  ein  Marmorfragment  von  der  Akropolis,  in 
welchem  er  den  Iriskopf  des  Parthenon-Frieses  erkennt  A.  S.  Murray 
(Class.  Review  II  [1888]  p.  827)  macht  darauf  aufmerksam ,  wie  treffend 
die  Darstellung  der  Iris  im  Parthenonfries  das  homerische  *  ^x^  ^  Ima- 
ylvT^^  illustrire.  —  Nicht  zugänglich  war  dem  Ref.  die  Schrift  von  B u eb- 
ner, De  Iridis  apud  Homerum  et  Vergilium  discrimine.  Programm  von 
Braunau  1888  (?). 

Hinsichtlich  der  Kabiren  (über  welche  man  auch  die  Bemerkungen 
von  0.  Crusius  vergleiche,  oben  S.  284)  ist  die  Forschung  in  ein  neues 
Stadium  getreten  durch  die  Ausgrabung  des  thebanischen  Kabirions.  Den 
ersten  Versuch,  die  dabei  gemachten  Funde  für  die  Religionsgeschichte  zu 
verwerten,  unternahm 

Otto  Kern,  Die  boiotischen  Kabiren  (Hermes  Bd.  XXV  [1890] 
p.  1 — 16,  vgl.  Sitzungsberichte  der  Archäol.  Gesellschaft  zu  Berlin  1889, 
Nr.  7  p.  1—6). 

Verf.  erklärt  die  im  Kabirion  gefundenen  Vasen  (vgl.  die  Berichte 
von  Judeich,  Dörpfeld  und  Winnefeld  in  den  Mitt  des  arch.  Inst  Ath. 
Abt  Xni  p.  81  ff.,  41 2  ff.)  unter  Heranziehung  der  orphischen  Theogonie 
und  erweist  einen  innigen  Zusammenhang  zwischen  Kabirenmjrsterien  und 
orphischen  Weihen:  der  (nach  der  Angabe  des  Verf.  in  Theben  immer 
in  der  Einzahl  auftretende)  Kabir  erscheint,  mit  Attributen  des  Dionysos 
ausgestattet  und  mit  dem  /7a?c>  d.  h.  dem  orphischen  Zagreus,  zu  einem 
Paar  vereinigt  Hingegen  werden  die  vom  Verf.  daran  geknüpften  Auf- 
stellungen —  attische  Herkunft  und  relativ  geringes  Alter  des  theba- 
nischen Kabirenkultes  —  doch  noch  einer  sorgfältigeren  Begründung  be- 
dftFfen.  —  Die  in  rumänischer  Sprache  verfalste  Abhandlung  Antonescn's 


380       GrieehlNihe  Mythologie.    4.  EioBohie  Gottheiten  nnd  Heroen. 

fiber  dett  KabiroDkalt  in  Daden  (Bukarest  1889)  hat  der  Ref.  nicht  ein- 
gesehen. 

Ein  ürQher  auf  die  ROckkehr  der  Eore  bezogenes  attisches  Yasen- 
bild  (Stephan!,  VasensammloDg  1792;  Gerhard  Ges.  Abh.  Taf.  76)  sacht 

Carl  Robert  im  XL  Abschnitt  der  *  Archäologischen  Mftrchen' 
(p.  179  —  202)  als  eine  Darstellung  des  Angenblicks  za  erklaren,  wo 
Hermes  das  in  der  Dirkeqnelle  gebadete  Dionysoskind  ans  den  Hftnden 
der  emportanchenden  Quellnymphe  in  Empfang  nimmt,  damit  es  dann  in 
Zeus  Schenkel  geborgen  werde  (Enrip.  Bakch.  619ff.).  Dafs  Athena 
schirmend  dabei  steht,  erscheint  durch  den  attischen  Ursprung  der  Vase 
hinreichend  erklärt:  die  Anwesenheit  der  Hera  dagegen,  welche  R.  in 
der  Frau  neben  Zeus  erkennt,  befremdet  bei  diesem  Vorgang,  und  wird 
auch  durch  die  an  sich  einleuchtende  Erklärung  der  Fackelträgerin  als 
Andeutung  der  Nachtzeit  kaum  annehmbarer.  Dafs  femer  das  rechts 
sitzende  Mädchen  mit  seinem  Tympanon  das  Schreien  des  Kindes  flber^ 
tönen  und  Heras  Aufmerksamkeit  ablenken  soll,  ist  ^in  etwas  kflnstlicher 
Gedanke. 

Während  Ref.  weder  in  diesem  Bild  noch  auf  der  Wien.  Vorlegebl.  A 
Tafel  9  abgebildeten  Vase  Darstellungen  jener  Dioz^sossage  erkennen 
kann,  läfst  sich  bei  zwei  anderen,  bisher  meist  auf  die  Erichtfaoniosgeburt 
bezogenen  Denkmälern,  der  Vase  Gerbard  A.  V.  161  und  dem  bekannten 
Relief,  in  welchen  R.  ebenfalls,  die  Deutung  Braun's  und  Jahn's  wieder- 
aufnehmend und  neubegrUndend ,  die  Übergabe  des  Dionjsoskindes  dar- 
gestellt findet,  kein  stichhaltiger  Einwand  gegen  diese  Erklärung  erheben. 
Dasselbe  dürfte  von  dem  feinsinnigen  letzten  Teil  des  Torliegenden  Ka- 
pitels gelten,  woselbst  R.  die  aus  der  Erde  emportauchenden  und  von 
dionysischen  Gesellen  empfangenen  Frauengestalten  einiger  Vasenbilder 
als  Quellnymphen  erweist. 

Zur  EntWickelung  des  Kybele- Typus  liefert  einige  guten  Bemer- 
kungen S.  Reinach,  Bull,  de  corresp.  hell.  XIII  642ff.,  im  Anschlufs  an 
ein  von  ihm  ebd.  veröffentlichtes  archaisches  Bild  der  Göttin,  welches 
aus  dem  aiolischen  Kyme  stammt  und  stark  an  die  bekannten  Figuren 
von  der  Branchiden-Strafse  erinnert.  Votivreliefs  mit  Kybele  aus  Magnesia 
am  Sipylos  veröffentlicht  Gonze  in  den  Mitteilungen  des  arch.  Instit. 
Ath.  Abt.  xni  (1888)  p.  202—206;  in  dem  neben  Kybele  stehenden  jogend- 
lichen  Gott  vermutet  Verf.  nicht  ohne  Grund  den  Hermes-Kadmilos  als 
Götterdiener. 

Thomas  Hartmann,  Meleager  in  der  griechisch-römischen 
Kunst,  mit  einer  Einleitung  Über  die  Verwertung  antiker  Denkmäler 
bei  der  Lektion  von  Schulautoren.  (Progr.  des  Gymn.  zu  Wohlau  1889.) 
4.    16  S. 

Far  uns  kommt  höchstens  p.  9  ff.  in  Betracht,  wo  Verf.  an  der  Hand 
der  dichterischen  und  einiger  plastischen  Darstellungen  der  Meleageqagd 


Kl  M 


Robert,  Betoacb,  Gons«,  Bie  (Köre— Masen).  381 

diese  nach  ihren  eincelnen  Szenen  beschreibt  Das  Yeneichnis  von  Sar- 
kophagbildem  mit  diesem  Thema  (p.  10)  ist  weder  yollst&ndig  noch  genan, 
und  der  Gegenstand  ist  in  keiner  Weise  gefördert 

Für  die  bildliche  Darstellung  der  Musen  bietet  eine  grundlegende 
Untersuchung 

0  scar  Bie,  Die  Musen  in  der  antiken  Kunst  (Mit  19  Figuren.) 
Berlin,  Weidmann  1887.  8.  106  S.  (Erweitert  aus  der  Berlin.  Diss. 
des  Yerf«). 

Der  Inhalt  des  Buches  ist  folgender:  I.  Die  vier  ältesten  Musen- 
darstellungen. IL  Die  Musenvasen.  III.  Die  überlieferten  Musendar- 
stellungen des  6.  bis  4.  Jahrhunderts.  IV.  Die  Musen  der  Pomponios- 
münzen  (und  anderer  gleichzeitigen  Monumente).  V.  Hellenistische  Re- 
liefs. VI.  Katalog  der  Musentypen.  YII.  Die  Frage  nach  der  Benen- 
nung der  Musentypen. 

Der  Schwerpunkt  der  Schrift  liegt  auf  archäologischem  Gebiet;  nur 
soweit  es  dieser  Gesichtspunkt  verlangt,  berührt  Verf.  die  mythologische, 
bezw.  religionsgeschichtliche  Seite  des  Gegenstandes,  ftkr  welche  im  alige- 
meinen auf  Deiters'  treffliches  Programm  (Bonn  1868)  verwiesen  wird. 
Bei  der  Besprechung  der  ältesten  Darstellungen  hätte  ein  schärferes  Ein- 
gehen darauf  wohl  im  Interesse  der  Sache  gelegen.  Dafs  die  helikoni- 
sche Kultdreiheit 'rein  dichterischer  Phantasie  ihren  Ursprung  verdankt' 
und  dann  erst  *im  helikonischen  Kult  officiell  eingeführt  wurde'  (p.  6), 
dürfte  kaum  zu  beweisen  sein  und  steht  wohl  auch  im  Widerspruch  mit 
einer  anderen  Bemerkung  des  Verf.  (p.  104):  dafs  aus  einer  'nebelhaften 
Urmuse  zuerst  im  Kulte  drei,  dann  durch  den  Einflufs  der  theogonischen 
Poesie  neun  Gestalten  herauswachsen,  deren  Gestalten  sich  immer  mehr 
zu  unterscheiden  anfangen',  und  warum  eine  ürmuse  annehmen?  Solche 
göttlichen  Vereine,  deren  Mitglieder  erst  allmählich  individualisirt  werden, 
sind  uralt  (vgl.  von  Wilamowitz,  Isyllos  p.  15). 

uneingeschränktes  Lob  verdient  dagegen  die  Kritik  und  Sorgfalt, 
mit  welcher  Verf.  das  weitschicbtige  archäologische  Material  gesichtet 
und  für  die  Feststellung  des  Entwickelungsprozesses  der  Musentypen  ver- 
wertet hat  Wir  heben  hier  besonders  das  bedeutsame  Ergebnis  des 
letzten  Kapitels  hervor:  alle  Musendarstellungen  der  griechischen  oder 
früheren  römischen  Kunst  sind  nur  nach  den  jedesmal  durch  die  Attri- 
bute angedeuteten  Funktionen,  nicht  mit  bestimmten  Namen  zu  benennen. 
Dagegen  sind  die  Typen  der  späteren  Kaiserzeit  nach  folgendem  Regle- 
ment zu  bezeichnen:  Glio- Geschichte -Rolle.  Kalliope- heroischer  Ge- 
sang-Diptychon oder  Rolle.  Polyhymnia-pantomimus.  Euterpe-FlOten. 
Terpsichore- kleinere  Lyrik-Lyra.  Erato-grOfsere  Lyrik  -  Kithar. 
Melpomene-TragOdie- tragische  Maske.  Thalia-KomOdie-komiscfae 
}f aske.    Urania-  Astronomie-Globus* 


382        Grifcbische  Mythologie.    4.  Eioieloe  Gottheiten  «md  Heroen. 

Für  Nemesis  verweisen  wir  auf  PosDanskj's  oben  (S.  819if.) 
besprochene  Schrift;  über  das  Nemesis- Bild  des  Agorakritos  handelt 
0.  Bofsbach  in  den  Mitteilungen  des  arch.  InsUt.  Ath.  Abt.  XV  (1890) 
p.  64 — 71. 

Betreffis  des  Typus  der  stiertOtenden  Nike  gelangt 

Cecil  Smith,  Nikd  sacrificing  a  bull  (Journal  of  Hellenic  Studios 
VlI  [1886]  p.  276^-286  mit  2  Taff.) 

nach  eingehender  Untersuchung  zu  dem  Ergebnis,  dafs  in  den  ältesten 
Darstellungen  Nike  mit  dem  einen  Bein  auf  dem  Stier  kniet,  voilgewan- 
det  und  entschieden  weiblich  gebildet  ist,  während  der  späteste  Typus 
sie  neben  dem  Stier  knieend  zeigt,  unbekleidet  und  mit  mehr  männlich 
gebildetem  Körper.  —  Ebenfalls  mehr  archäologisch  als  mythologisch 
von  Interesse  ist  der  Aufsatz  von  E.  Petersen  in  den  Mitteilungen  des 
arch.  Inst.  Athen.  Abt.  XI  p.  372—897.  Derselbe  behandelt  archaische 
Nikebilder,  unter  besonderer  Rücksicht  auf  die  fflr  dieselben  charakte- 
ristische und  auf  lange  Zeit  wenigstens  andeutungsweise  beibehaltene 
laufende  Bewegung. 

Hinsichtlich  der  Niobe  vergleiche  man  unten  S.  396  f.  (Nachtrag  A). 

Nymphen,  und  zwar  Waldnymphen,  Kentaurenmfltter,  erkennt 

6.  Loeschke,    Die  westliche   Giebelgruppe   am  Zeustempel  zu 
Olympia  (Dorpater  Univ.  Progr.  1887)   4.   8  S. 

in  den  alten  Frauen  beim  Eentaurenkampf  des  Westgiebels  unter  Hin- 
weis auf  die  alte  Ortsnymphe  der  Londoner  Schale  (Journ.  of  Hell.  Stud. 
II  pl.  10)  und  auf  die  zweifellos  als  Alte  dargestellte  arkadische  Nymphe 
Nomia  in  Polygnot's  ünterweltsbild  (Paus.  X  31,  10).  —  Beachtenswerte 
Vorschläge  zur  Ergänzung  des  thasischen  Nympheureliefs  macht  Adolf 
Michaelis  im  Amer.  Journal  of  Archeol.  Y  (1889)  p.  417 — 422.  —  Hin- 
sichtlich der  bildlichen  Darstellung  von  Quellnymphen  ist  zu  vergleichen 
C.  Robert' s  oben  (S.  380)  besprochene  Untersuchung. 

Für  die  Odysseus-Sage  sucht 

Otto  Seeck  in  seinen  Quellen  der  Odyssee  (Berlin  1887)  den 
solaren  Charakter  zu  erweisen  und  fafst  seine  Gedanken  darüber  in  einem 
besondern  Abschnitt  (p.  265  —  276)  zusammen.  Die  ursprüngliche  Gött- 
lichkeit des  Odysseus  schliefst  er  aus  dem  fär  drei  Lokale  bezeugten 
O.-Kultns  und  aus  der  Sage,  wonach  Penelope  Mutter  des  Pan  war.  Da 
als  Vater  neben  Hermes  und  Apollon  auch  Odysseus  erscheint,  vermutet 
Verf.,  dafs  der  Gott  0.  die  Eigenschaften  beider  in  sich  vereinigt  haben 
möchte,  obwohl  beim  Heroen  0.  die  solaren  Zflge  im  Übergewicht  seien. 
Als  solche  bezeichnet  Verf.  u.a.:  die  Heimkehr  beim  Schein  des  Morgen- 
sternes N  93  (nach  p.  68  Anm.  allerdings  ein  nur  in  der  jfingsten  Form 
der  Odyssee  nachweisbarer  Zug),  das  Verschwinden  im  fernen  Westen 


Cecil  Smith,  Loeschke,  Seeck,  Hergt  (Nemesis— OdysseoB).        883 

und  die  Rflckkehr  im  Osten,  die  Dienstbarkeit  nnter  dem  Knecht  Eamaios, 
die  DurchwanderoDg  der  Unterwelt,  um  von  Westen  nach  Osten  zurfick- 
znkehren,  die  Tötung  der  Frechen,  welche  seine  Heerden  verzehrt  haben 
(vgl.  Helios),  die  Gestalten  der  Phaiaken  ('die  Dunkelen'),  der  Kalypso 
(^Verbergerin'),  des  Telemach  (=  'Exdepyog  'Ferntreffer'),  und  des  Meer- 
gottes Laertes  ('Steinheber*),  dessen  Vaterschaft  der  symbolische  Aus- 
druck für  das  Aufsteigen  der  Sonne  aus  dem  Meere  sein  soll.  Verf. 
betont,  dafs  das  Ganze  nicht  ein  Mythus  ist,  sondern  ein  BQndel  sich 
z.  t.  widersprechender  Mythen.  Der  Jahreslauf  des  Sonnengottes  ist  mit 
seinem  Tageslauf  und  seinem  monatlich  wechselnden  Verhältnis  zur  Mond- 
gOttin  (Penelope,  Kalypso,  Kirke)  wirr  durcheinander  geworfen,  die  Heim- 
kehr des  Odysseus  symbolisirt  bald  den  Aufgang,  bald  den  Untergang, 
bald  die  Eoi^unktion,  bald  die  Wintersonnenwende;  das  Problem,  wie  er 
vom  Westen  zum  Osten  gelange,  finden  wir  auf  zwei  verschiedene  Weisen 
gelöst;  was  er  nach  seinem  Verschwinden  auf  der  Insel  des  Oceans  treibt, 
wird  dreifach  berichtet;  neben  dem  Freiermorde  steht  die  Rache  des 
Helios.  Verf.  schliefst  aus  dieser  verwickelten  Gestalt  des  Mythus,  dafs 
mehrere  Städte  gleichzeitig  und  unabhängig  von  einander  an  seiner  Ans- 
spinnnng  arbeiteten.  Die  Lokalisirung  des  Odysseus  auf  Ithaka  schreibt 
er  den  Aitolem  zu  (für  welche  ein  Odysseus-Kult  bezeugt  ist),  weil  diese 
den  Sonnengott  täglich  hinter  Ithaka's  Bergen  zur  Ruhe  gehen  sahen: 
ans  demselben  Grund  wurde  Tenedos  bei  den  Aiolern  zum  Königreich 
des  ApoUon. 

Dieser  Versuch  des  Verf.  teilt  bei  manchen  bestechenden  Einzel- 
heiten im  Ganzen  doch  das  Loos  der  meisten  physikalischen  Deutungen: 
er  fällt  aus  dem  Rahmen  strenger  Wissenschaft  heraus.  Unter  den  an- 
geblichen solaren  ZQgen  ist  keiner,  bei  dem  die  Annahme  des  mythischen 
Substrates  unabweisbar  erschiene:  sie  lassen  sich  alle,  die  vom  Verf. 
p.  57  besonders  hervorgehobene  Dienstbarkeit  bei  Eumaios  nicht  ausge- 
genommen,  recht  gut  rein  poetisch  verstehen. 

Verf.  flberschätzt  die  Zuverlässigkeit  der  Mythendeutung  ebenso 
sehr  wie  er,  in  seiner  Analyse  der  Odyssee,  unsere  Kenntnis  der  griechi- 
schen Religionsgeschichte  zu  hoch  anschlägt.  Dafs  der  p.  277  f.  aufge- 
stellte Götterkreis  der  ^Odyssee  des  Bogenkampfes '  entschieden  uojonisch 
sei,  dafs  der  Götterkreis  des  Nostengedichtes,  p.  320  f.,  uns  an  das  Becken 
des  aigäischen  Meeres  weise  —  das  sind  bei  dem  bisherigen  Stand  der 
Forschung  ziemlich  bodenlose  Voraussetzungen,  die  unter  keinen  Um- 
ständen zur  Beweisführung  verwandt  werden  durften. 

Mazimilianus  Hergt,  Quam  vere  de  Ulizis  erroribus  Eratosthe- 
nes  judicaverit  (Diss.  inaug.  Erl.  1887)   8.   46  S. 

versucht  an  der  Hand  des  Eratosthenes  die  verschiedenen  Lokale  der 
Odyssee  zu  bestimmen;  für  die  Mythologie  ohne  Belang. 


384       Griechisefae  Mythologie.    4.  Einzelne  Gottheiten  and  Heroen. 

Friedrich  Soltan,  Die  Mythen-  and  Sagen-Kreise  im  Homeri- 
schen Schiffer-Epos  genannt  Odyssee,  desgleichen  der  Ilias,  wie  anch 
der  Argonauten-Sage,  zeitgeschichtlich,  naturwissenschaftlich  und  sprach- 
lich beurteilt  und  erläutert.    Berlin,  Stargardt    1887.   8.    136  S. 

Eine  Dilettantenarbeit  fibelster  Sorte,  vor  deren  Ankauf  nur  ge- 
warnt werden  kann.  Der  biedere  Verf.  entdeckt  eine  akythische  Ur- 
sprache, die  den  homerischen  Dichtungen  zu  gründe  liegen  soll,  und 
l&£Bt  den  Odysseus  durch  den  sfidindischeu  Ozean  zum  SQdpolarlande 
u.  s.  w.  reisen;  die  Kyklopen  sind  die  afrikanischen  Somalis,  die  Aiolos- 
insel  =  Seyschellen. 

Auf  die  Untersuchung  yon  Johannes  Oswaldus  Schmidt,  De 
Ulixis  in  fabulis  satyricis  persona  (Gommentt.  philol.  fttr  Ribbeck  1888 
p.  99 — 114)  kann,  da  sie  mehr  von  litterarhistorischem  als  von  mytholo- 
gischem Interesse  ist,  hier  nur  hingewiesen  werden.  —  Die  lUnstratioo 
des  Freiermordes  am  Heroon  von  Gjölbaschi  bespricht  C.  Robert  im 
Hermes  Bd.  XXV  (1890)  p.  422  ff. 

Ein  schönes  attisches  Yasenbild  des  Berliner  Antiquariums,  welches 
den  Orpheus  inmitten  einiger  Thraker  musicireud  zeigt,  veröffentlicht 
und  interpretirt 

A.  Furtwängler,  Orpheus.  Attische  Vase  aus  Gela  (Fünfzigstes 
Programm  zum  Winckelmannsfeste  der  Archäologischen  Gesellschaft  zu 
Berlin.    Berlin,  Reimer.    1890.   4.   p.  154—164  mit  Taf.  II). 

Verf.  fohrt  die  ganze  Gruppe  von  Yasenbildern,  welche  dies  Thema 
behandeln,  auf  die  Anregung  der  Bassarides  des  Aischylos  zurflck  and 
macht  dankenswerte  Bemerkungen  zur  Entwicklung  des  Orpheus-Typus 
und  zur  thrakischen  Tracht,  welche  bekanntlich  in  mehrfacher  Hinsicht 
das  Interesse  des  Mythologen  beansprucht. 

Die  Gestalt  des  Pan  erfährt  in  einem  unten  S.  899 f.  (Nachtrag  B) 
zu  besprechenden  Buche  Röscheres  eine  treffliche  Beleuchtung. 

0.  Bie,  Ringkampf  des  Pan  und  Eros  (Jahrb.  des  arch.  Instit  IV 
[1889]  p.  129-137) 

veröffentlicht  das  Relief  einer  Thonschale  aus  dem  opuntischen  Lokris 
(Berlin,  Furtwängler  Nr.  2900):  Pan  mit  Eros  unter  Aphroditens  Augen 
ringend.  Die  daran  angeschlossene  Untersuchung  über  die  Geschichte 
dieses  Sagenmotivs  in  der  bildenden  Kunst  führt  zu  dem  Resultat,  daOs 
vorliegendes  Relief  und  das  Epigramm  bei  Kaibel  Nr.  1103  die  erste 
Periode  der  Darstellungen  repräsentiren  (hellenistische  Zeit),  ^ deren  Gha- 
rakteristica  darin  bestehen,  dafs  erstens  in  dem  Kampf  —  die  Naturkraft 
des  Pan  der  siegenden  genialen  Klugheit  des  geflügelten  Eros  gegenüber 
gestellt  wird,  und  dafs  zweitens  der  Kampf  in  dem  Kreis  und  vor  den 
Augen  der  Aphrodite  vor  sich  geht,  die  um  das  Leben  ihres  Sohnes 
bangt'.   Das  Wandgemälde  Monum.  d.  I.  X  36 f.  und  die  calenische  Schale 


J.  0.  Schmidt,  Furtw&ngler,  Bie,  Heydemaiui»  HarriBon  (Odyneöt-PaiiB).    8g5 

Bnil.  1874  p.  88  bilden  den  Übergang  zn  der  populären  römisclieii  Tep> 
sion,  'in  welcher  als  charakteristische  Merkmale  die  Einflkhning  drä 
palflstrischen  Elements  und  die  Aufnahme  der  Kämpfergrnppe  in  den 
dionysischen  Kreis  her?ortreten'.  —  Den  streitbaren  £ro6  betri£fl;  ein 
oben,  am  gehOrigeo  Ort,  nicht  erwähnter  Aufsatz  von 

H.  Heydemann,   Le  frecce  amorose  di  Eros  (Mitteilungen  des 
arch.  Instit  Rom.  Abt.  11  p.  44—62) 

auf  welchen  Ref.  nachträglich  hinweisen  möchte.  Das  Motiv  des  nach 
den  Herzen  von  Göttern  oder  Menschen  Pfeile  schieCsenden  Eros  wird 
durch  die  bildende  Kunst  und  durch  die  Litteratur  verfolgt.  Der  älteste 
bildliche  Beleg  (Vases  Hamilton  HI  39)  gehört  bereits  der  hellenistischen 
Zeit  an. 

Zwei  Motive  der  Paris -Sage,  das  urteil  und  die  erste  Begegnung 
mit  Helena,  sind  in  typengeschichtlicher  Hinsicht  unteraucht  worden, 
jenes  durch 

Jane  E.  Harrison,  The  judgment  of  Paris  (Journ.  of  Hellenic 
Studies  Vn  [1886]  p.  196-219). 

Die  Verf.  veröffentlicht  zuerst  zwei  auf  das  Parisurteil  bezflgliche 
8.  f.  Darstellungen  des  Museums  von  Florenz  und  vervollständigt  A.  Schnei- 
der's  (Der  troische  Sagenkreis)  Zusammenstellung  der  hierhergehörigen 
Vasenbilder.  Sodann  unterscheidet  sie  die  versdiiedenen  Typen:  A)  Pro- 
zessionsform ohne  Paris,  allein  Athena  charakterisirt,  B)  Prozessionsform 
mit  Paris,  welcher  dem  Hermes  gegenüber  steht,  C)  Prozessionsform, 
Paris  sitzend,  die  Reihenfolge  der  Göttinnen  variirt,  D)  Prozessionsform 
aufgegeben.  —  Ausgehend  von  den  Thatsachen,  dafs  Paris,  die  Haupt- 
person, beim  ältesten  und  lange  Zeit  dominirenden  Typus  fehlt,  und  dafs 
die  Vasenmalerei  vom  7.  bis  zum  6.  Jahrhundert  nicht  das  eigentliche 
Urteil,  sondern  die  von  Hermes  geleitete  Prozession  der  drei  Göttinnen 
zum  Ida  darstellt,  sucht  die  Verf.  unter  grofsenteils  treffender  Kritik  der 
bisherigen  Ansicht  zu  erweisen,  dafs  diese  eigentflmliche  Darstellung  der 
fitesten  Kunst  nicht  durch  den  Einflnfs  einer  poetischen  Sehildemng 
(Kyprien),  sondern  nur  so  zu  erklären  sei,  dafs  man  den  alten,  beson- 
ders durch  das  Nymphenrelief  von  Gallipoli  veranschaulichten  Typus  der 
drei  Chariten,  welche  Hermes  fahrt,  fQr  die  Parissage  übernommen  habe. 
Die  weitere  Vermutung  der  Verf.,  dafs  die  Chariten,  die  Göttinnen  der 
Fruchtbarkeit  und  des  Wachstums,  ursprünglich  als  'rival  gift-gtvere' 
gedacht  waren,  ist  etwas  kühn:  wenn  sie  aber  im  Schönbeitsstreit  ein 
relativ  junges  Motiv  erkennt,  so  kann  Ref.  ihr  hierin  nur  beiflichten. 

W.  Koch,  Paris  vor  Helena  in  der  antiken  Kunst    Ein  typen- 
geschichtlicher Versuch.   (Dissert.  inaug.  Marburg.    1889.)   8.   72  S. 

Verf.  glaubt,  dafs  die  Darstellungen  der  ersten  Begegnung  von 
Paris  und  Helena,  diese  sitzend,  jener  vor  ihr  stehend,  abhängig  sind 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    LXVX.  Bd.  25 


386      Orieehisehe  Mythologie.    4.    Einzelne  Gottheiten  und  Heroen. 

von  dem  ähnlichen  Typos  der  Grabdenkmäler  und  der  frOhrotfigarigen 
Vasenbilder  mit  erotischen  Szenen.  Er  bespricht  daher  zunächst ,  ohne 
wesentlich  Nenes  zu  bieten,  die  Adorationsbilder  (ägyptisch,  kleinasiatisch, 
griechisch),  die  Umbildung  des  Adorationstypus  (Totenmahl,  Spendeszene, 
Se^ecuaee)  und  die  erotischen  Genrebilder.  Bei  den  Paris -Helena -Dar- 
stellungen unterscheidet  er  vier  Sondertypen.  Der  erste,  bei  dem  die 
Anlehnung  an  jene  Vorbilder  besonders  deutlich  sein  soll,  zeigt  die  Tro- 
janer in  griechischer  Tracht,  Eros  ist  noch  nicht  so  in  die  Handlung  ver- 
flochten wie  später.  Der  zweite  hat  die  griechische  Tracht  des  Paris 
gemein  mit  I,  führt  aber  Aphrodite  in  die  Handlung  ein  und  läfst  alle 
nicht  direkt  beteiligten  Personen  verschwinden.  Der  dritte  und  der 
vierte  Typus  stellen  beide  den  Paris  in  phrygischer  Tracht  dar,  unter- 
scheiden sich  aber  hauptsächlich  dadurch,  dafs  III  nur  die  beiden  Haupt- 
personen und  Eros  aufweist,  während  IV  Figurenreichtum  anstrebt.  So 
treten  auf  mehreren  Exemplaren  dieses  Typus  die  Dioskuren  auf.  — 
Zum  Schlufs  versucht  Verf.  den  Nachweis,  dafs  Aetions,  von  Lukian  be- 
schriebenes Gemälde  'Alexander  und  Rhoxane'  die  besprochenen  Paris- 
Helena-Bilder  teils  beeinflufst  hat  teils  von  ihnen  beeinflufst  worden  ist. 
Aber  dieser  Nachweis  ist  ihm  ebensowenig  gelungen,  wie  er  es  verstan- 
den hat  die  Abhängigkeit  der  mythologischen  Szene  von  jenen  Adorations- 
ond  Genrebildern  wirklich  plausibel  zu  machen. 

Einen  Beitrag  zur  Peleus-Sage  (vgl.  oben  S.  231  ff.)  liefert 

B.  Graef,  Polens  und  Thetis.    (Jahrbuch  des  archäol.  Instituts  I 
[1886]  p.  192-204.) 

Verf.  führt  eine  Reihe  von  Vasenbildern  vor  (darunter  die  von 
Bolte  ^  De  monumentis  ad  Odyss.  pert.'  irrtümlich  auf  Odysseus  bezogene 
s.  f.  Amphora  aus  der  Sammlung  Campana  [A  Nr.  6],  jetzt  im  Louvre), 
welche  den  der  Thetis  auflauernden  Polens  darstellen,  und  untersucht 
dann  die  Frage,  ob  dies  Motiv  des  Auflauerns  vor  dem  Ringkampf  und 
letzterer  selbst  bereits  in  den  Eyprien  vorgebildet  war.  Nein:  das  Epos 
weifs  nichts  vom  Liebeskampf  und  von  den  Verwandlungen  der  Thetis, 
es  läCst  die  Ehe  einfach  durch  Zeus,  bezw.  die  Götter  gestiftet  werden. 
Die  auf  den  Liebeskampf  bezüglichen  Denkmäler  hingegen  verraten  durch 
die  gänzliche  Abwesenheit  des  Zeus,  dafs  sie  einer  ganz  anderen  Sagen- 
form  folgen  als  der  epischen:  nämlich  der  älteren  und  entschieden  lokalen 
Charakter  tragenden  Form,  wonach  Polens  durch  eigene  Kraft  und  nur 
durch  Cheiron  unterstützt  die  Thetis  gewinnt.  —  Als  Anhang  giebt  Verf. 
eine  (grOfstenteils  C.  Robert  verdankte)  sorgfältige  Liste  der  Peleus-  und 
Thetisdarstellungen. 

Für  Pelops  ist  nachzusehen  unten  S.  396  (Nachtrag  A). 

Eine  attische  Pyxis  mit  Darstellung  des  Perseus-Graien-Mjrthos 
veröffentlicht  und  bespricht 


Koch,  Graef,  Boehlaa,  Enaaek  (Paria -Phafiton).  387 

J.  Boehlan  in  den  Mitteil,  des  arch.  Instit.  Ath.  Abt.  XI  p.  866 
—871;  mit  Taf.  X. 

Verf.  vergleicht  sie  mit  deijeoigen  eines  etroskischen  Spiegels: 
beide  gehen  auf  eine  der  aischylischen  Fassung  der  Sage  ähnliche  Vor» 
sion  zurück. 

Die  Geschichte  der  Phaö ton- Sage  behandelt 

G.  Knaack,  Quaestiones  Phaetonteae.  (Philologische  Untersuchun- 
gen herausgegeben  von  A.  Kiefsling  und  U.  v.  Wilamowitz-MöUendorff. 
VIIL  Heft  1886.)   8.   81  S. 

Fttr  die  Rekonstruktion  des  Hesiodischen  Phaöton  ist  nicht  von 
Hygins  Fab.  162^  und  164  auszugehen,  sondern  von  der  Astronomie 
desselben  II  42  unter  Zuziehung  der  Scholia  Strozziana  zu  Germanicus. 
Die  Hesiodische  Dichtung  enthielt  die  Verwandelung  der  Heliaden  in 
Pappeln,  ihrer  Thranen  in  Elektron  (Lact.  Plac.  ad  Ovid.  met.  II  fab.  II) ; 
der  von  Zeus  Blitz  getötete  und  in  den  Eridanos  gefallene  Phaöton  (als 
dessen  Parallelfigur  Verf.  den  Absyrtos  oder  ^^A^uprog  der  Medeasage 
erweist)  kommt  als  Lucifer  Hesperus,  d.  i.  der  der  Sonne  voranlaufende» 
bei  ihrem  Erscheinen  verlöschende  Stern,  an  den  Himmel  (v.  Wilamowitz, 
Hermes  XVIII  p.  432  ff.).  Der  durch  sein  Ungeschick  verursachte  Brand 
war  mehr  ronixq  ixnupwaiQ  als  Weltbrand,  die  Anknüpfung  der  deuka- 
lionischen  Fluth  aber  ist  als  späte  mythographische  Mache  dem  Hesiod 
völlig  abzusprechen.  Während  Aischylos  sich  in  der  Hauptsache  an 
Hesiod  anschlofs,  vollzog  Euripides  die  durch  v.  Wilamowitz  (Hermes 
a.  a.  0.  p.  396  ff.)  festgestellte  grandliche  Umgestaltung  der  Sage. 

Anknöpfend  an  eine  Beobachtung  desselben  Gelehrten  sucht  Verf. 
sodann  in  scharfsinniger,  im  ganzen  glücklicher  Weise  ein  die  Phaöton- 
sage  behandelndes  Epyllion  eines  Alexandriners  aus  Ovid,  Nonnus, 
Lukian  und  anderen  späteren  Autoren  zu  rekonstruiren.  Ohne  das  Stück 
des  Euripides  irgend  zu  ignoriren  schliefst  dieser  Dichter  sich  doch  im 
allgemeinen  der  Hesiodischen  Darstellung  an.  Seine  eigenste  Leistung 
ist  die  Häufung  von  Katasterismen  am  Schlufs:  eine  ganze  Reihe  von 
Sternbildern  fuhrt  er  (nach  echt  alezandrinischer  Manier)  auf  Apollons 
Trauer  um  den  Sohn  zurück.  Ovid,  welcher  das  Euripideische  Stück 
offenbar  nicht  gelesen  hat,  hatte  diesen  Alexandriner  vor  Augen,  benützte 
aufserdem  aber  ein  mythographisches  Handbuch. 

Zuletzt  zieht  Verf.  die  ihm  von  Robert  überlassenen  Sarkophag- 
darstellungen der  Phaötonsage  in  den  Kreis  der  Betrachtung.  Er  ver- 
mutet, dafs  die  dem  zweiten  nachchristlichen  Jahrhundert  angehörigen 
Reliefs,  von  denen  die  des  dritten  Jahrhunderts  durchaus  abhängig  sind, 
auf  ein  ähnliches  Kompendium  zurückgehen  wie  es  von  Ovid  benützt 
wurde:  denn  die  Darstellung  weicht  sowohl  von  der  des  Alexandriners 
wie  von  der  Euripideischen  in  wesentlichen  Punkten  ab. 

aß» 


3S8       Griechische  Mythologie.    4.  Einzeine  Gottheiten  und  Heroen. 

Von  den  2wei  Nachträgen  2u  diesem  Bnch,  welche  der  Verf.  im 
Hermes  1887  p.  637—40  and  in  Fleckeisen's  Jahrbfichern  Bd.  135  (1887) 
•p.  818—319  veröffentlicht  hat,  bringt  der  erstere  u.  a.  eine  Vervolbtän- 
dignng  der  über  die  Zeit  jenes  Alexandriners  gemachten  Angaben  nnd 
der  andere  weitere  Mitteilungen  Ober  Ghamabon  (so  statt  Carnabon  zu 
lesen  nach  Soph.  frgm.  643  N)  und  Eridanos. 

Das  Pindarscbolion  Pyth.  IV  246,  welches  zur  Erklärung  des  Po- 
seidon IlsrpcuoQ  die  Sage  vom  Durchbruch  des  Tempethales  und  die 
?on  der  Erschaffung  des  Rosses  zusammenstellt,  hat 

Georg  Wentzel,   Ein   Pindarscbolion   und   ein   Philostratisches 
Gemälde  (Aus  der  Anomia  p.  134—148) 

in  scharfsinniger,  die  Arbeitsweise  des  älteren  Philostratos  beleuchtender 
Untersuchung  als  die  Quelle  des  Phiiostratischen  Gemäldes  Berrakia  er- 
wiesen. Die  Verbindung  jener  beiden  weder  mythologisch  noch  geogra- 
phisch zusammengehörigen  Sagen  findet  sich  aufser  bei  Philostratos  eben 
nur  bei  jenem  Scholiasten,  der  sie  entweder  selbst  aus  den  Primärquellen 
2asammengetragen  oder  aus  einer  Epikleseissammlung  geschöpft  hat 

Rhea  betrifft  eine  ansprechende  kleine  Arbeit  von 

Walter  Immerwahr,   Rhea-Sage  und  Rhea-Eult  in  Arkadien 
(Bonn.  Stnd.  Reinhard  Keknl^  gewidmet.  Berlin,  Spemann,  p.  1 88-- 193). 

Verf.  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dafs  zwei  Arten  des  Rheakultes  in 
Arkadien  zu  unterscheiden  sind : '  Erstens  die  Kulte  des  Lykaiongebietes, 
welche  in  Verbindung  mit  der  Zeusgeburt  Rhea  als  Göttin  des  fliefsen- 
den  Wassers  betrachten,  und  die  jedenfalls  erst  jungen  Ursprungs  sind. 
Zweitens  die  Kulte  im  Gebiet  von  Mantineia  und  Methydrion,  welche 
sich  mit  der  dTtdrij  und  äh^  beschäftigen,  boiotischen  Ursprungs  sind, 
aber  in  bedeutend  ältere  Zeit  hinaufreichen  und  eigentlich  nur  eine 
Metastase  der  Demeter  darstellen.  Kretische  Einflasse  wurden  nirgends 
ermittelt.' 

Eine  Zusammenstellung  der  Vasenbilder,  welche  die  Vorführung 
des  gefangenen  Seilenos  vor  Midas  darstellen,  hat  Heydemann  im 
Jahrbuch  des  arch.  Instit.  II  p.  111—114  gegeben. 

FOr  die  Seirenen- Sage  bringt 

Rob.  Unger  im  Philologns  von  1888  p.  770—775 

litterarisches  Material,  besonders  was  das  Umherirren  der  Seirenen  nnd 
ihren  knltlichen  Wohnsitz  anlangt.    Über  die  Bedeutung  der  S.  handelt 

Giovanni  Patroni,  Intorno  al  mito  delle  Sirene. —  Notacritica. 
(Societä  Reale  di  Napoli.    Rendiconto  IV  [1890]  p.  88-90.) 

Verf.  bekämpft  die  von  Hermann  Schrader  aufgestellte  Deutnng 
der  S.  auf  den  Sirocco  und  versucht  darzulegen,  wie  die  atmosphärisch- 


WenUel,  Immerwahr,  Patro&i,  Vasconi,  Prellwits  a  «.(Poseidon-Telephot).    389 

meteorische  Grondvorstellang,  welche  er  selber  hinter  den  Setrenen  sucht» 
sich  bei  den  verschiedenen  indogermanischen  Völkern,  entsprechend  den 
jeweiligen  topographischen  und  klimatischen  Verhältnissen  entwickelt  hat. 

Über  Selene  sehe  man  den  Nachtrag  B  zu  diesem  Berichte  ein 
(unten  S.  398  ff.)- 

Die  Sage  von  Skylla  und  Charybdis  betrifft  die  Schrift  von 

Domenico  Vasconi,  II  mito  di  Scilla  e  Cariddi  nelP  Odissea. 
Studi  critici.    Milano,  Dom.  Briola.    1890.   8.   86  S. 

Es  ist  in  der  Hauptsache  eine  ästhetische  Betrachtung  und  Para- 
phrase der  homerischen  Vorstellungen,  was  der  Verf.  bietet,  unter  Ver- 
gleichnng  der  fibrigen  Litteratur.  Wer  sich  fflr  die  Etymologie  der 
beiden  Namen  interessirt,  findet  p.  42f.  und  61  f.  Material  zusammen«- 
gestellt,  dessen  Brauchbarkeit  zweifelhaft  ist;  p.  22 ff.  erhält  man  eine 
Erklärung  der  Zahlen,  welche  bei  der  homerischen  Schilderung  der  Skylla 
gebraucht  sind,  und  einen  Exkurs  ttber  Zahlensymbolik  im  allgemeinen. 
Das  letzte  Kapitel  bringt  den  Nachweis,  dafs  den  antiken  Autcnren  von 
Hesiod  bis  auf  Silius  Italiens  die  Meerenge  von  Messina  als  Lokal 
vorschwebt. 

Die  Teichinen  sucht 

W.  Prell  Witz,  Teichinen  (Beiträge  zur  Kunde  indogerm.  Sprachen 
hgb.  von  Bezzenberger  XV  [1889]  p.  148 — 164) 

vom  linguistischen  Standpunkt  als  'Kupferschmiede'  zu  erklären,  ^üAoc, 
AoxoQ  und  KdpoBoQ  als  die  Vertreter  dreier  wichtiger  Zweige  des  älte- 
sten Schmiedehandwerks:  des  Mtthlenbaus,  der  Hausgeräteverfertigung 
und  der  Waffenschmiedekunst 

Mehrfache  Behandlung  hat  die  Telephos-Sage  erfahren. 

Carolus  Pilling,  Quomodo  Telephi  fabulam  et  scriptores  et  arti- 
fices  veteres  tractaverint.    (Diss.  inaug.  Hai.)   1886.   8r  104  S. 

Der  Verf.  dieser  tflchtigen  Arbeit  geht  weniger  auf  neue  Ent- 
deckungen aus  als  auf  eine  vollständige  und  Obersichtliche  Zusammen- 
stellung der  antiken  Quellen,  wobei  die  bisher  versuchten  Rekonstruk- 
tionen der  verlorenen  Dramen  eine  besonnen  abwägende  Kritik  erfahren. 
Besonders  eingehend  (p.  24—60)  werden  die  einschlägigen  Tragödien  des 
Euripides  behandelt  Den  zweiten  Teil  der  Untersuchung  (p.  77  ff.)  bildet 
eine  nach  sachlichen  Gesichtspunkten  geordnete  Besprechung  der  auf  die 
Sage  bezflglichen  Monumente.  Von  Robert' s  Erklärung  der  drei  pompe- 
janischen  Wandgemälde  weicht  Verf.  in  mehreren  Punkten  ab:  mit  ent- 
schiedenem Recht  erkennt  er  in  der  Frau  neben  Herakles  eine  zu- 
schauende, vielleicht  dem  letzteren  freundliche  Göttin,  und  nicht  eine 
Gefährtin  der  Auge. 


390       GrieduBcbe  Mythologie.    4.  Eiozelne  Gottheiten  nad  Heroen. 

G.  Robert,  Beiträge  zur  Erklärung  des  pergamenischen  Telephos- 
Iriesee  (Jahrbflcher  des  K.  deutschen  archäol.  Institutes  11  1867  p.  244 
—269;  III  1888  p.  46-65,  p.  87-106). 

Die  Berliner  Fragmente  des  pergamenischen  Frieses  sind  hier 
grofsenteils  zum  ersten  Mal  veröffentlicht  und  geistvoll  interpretirt.  Die 
vom  Verf.  bereits  in 'Bild  und  Lied'  p.  47f.  aasgesprochene  Annahme, 
dafs  die  Friesdarstellung  zu  einem  beträchtlichen  Teil  auf  die  Auge  und 
den  Telephos  des  Euripides  sowie  auf  die  Myser  des  Sophokles  als  letzte 
Quellen  zurflckgehe,  erfilhrt  eine  weitere  Ausführung:  die  Darstellung 
der  Geburt  und  der  ersten  Lebensschicksale  des  Telephos  sucht  Yerf. 
als  eine  Kombination  aus  der  Euripideischen  Version  und  der  von  So- 
phokles in  den  Aloaden  vertretenen  zu  erweisen.  Er  läfst  die  Frage 
offen,  ob  die  Künstler  des  Frieses  hier  direkt  aus  dem  attischen  Drama 
schöpfen  oder  durch  Vermittelung  der  von  Pausanias  bezeugten,  teilweise 
vom  Drama  abhängigen  pergamenischen  Telephoshymnen.  Letztere  stellen 
die  lokale  Überlieferung  dar,  sie  liegen,  wie  Verf.  sehr  wahrscheinlich 
macht,  sowohl  der  Philostratischen  Schilderung  der  Kaikosschlacht  als 
auch  zweien  mit  dieser  übereinstimmenden  Kampfszenen  des  Frieses  zu 
Grunde  (G  H). 

Eine  dritte,  von  Bobert*8  Ausführungen  in  mehreren  Punkten  ab- 
weichende Untersuchung  der  Sage  und  des  Frieses  findet  man  in  Thrae- 
mer's  im  Nachtrag  A  (unten  S.  897)  zu  besprechendem  Buche  'Perga- 
mos'.  Aufserdem  vergleiche  man  oben  S.  246  f.  —  Die  Lesung  des  in 
böhmischer  Sprache  verfafsten  Aufsatzes  von  Vysoky,  Die  Telephos- 
Sage  bei  Aischylos  und  Sophokles  (Listy  filologicke  XII  6.  6)  mufste 
sich  Bei  versagen. 

Für  Telesphoros  liefert 

Ludovicus  Schenck,  De  Telesphöro  deo  (Diss.  inaug.  Gotting. 
1888.)   8.   66  S. 

eine  sorgfältige  Zusammenstellung  und  Besprechung  der  litterarischen 
und  inschriftlichen  Zeugnisse  (I)  und  der  bildlichen  Darstellungen  (II), 
wo  Telesphoros  entweder  allein  oder  mit  Asklepios  und  Hygieia  oder 
mit  anderen  Gestalten  verbunden  erscheint  (Demeter,  Aphrodite,  Harpo- 
krates).  Fälschlich  hierhergezogene  Monumente  werden  ausgeschieden, 
und  in  vielen  Punkten  werden  frühere  Untersuchungen,  besonders  die 
von  Panofka,  berichtigt  Den  Beschlufs  machen  eine  dankenswerte  Über- 
sicht über  die  Kultstätten  des  T.  (III)  und  ein  kurzes,  nichts  Neues 
bietendes  Kapitel  über  das  V^esen  des  T.  (IV). 

Für  die  bildliche  Darstellung  des  Telesphoros  sehe  man  auch  den 
Aufsatz  von  Fougöres  im  Bull,  de  corr.  hell.  XIY  p.  6 12  ff*  ein. 

Hinsichtlich  der  Tereus-Sage  ist  von  Interesse  der  Aufsatz  von 


Bobert,  Schenck»  Oder,  Toepffer,  Talfoard  Ely  (Telephos-Theseas).        391 

Eugen  Oder,  Der  Wiedehopf  in  der  griechischen  Sage  (Rhein. 
Mofieum  Bd.  43  p.  641—566). 

Der  Verf.  weist  nach,  dafs  der  Wiedehopf  den  Griechen  der  älte- 
ren Zeit  ein  recht  unbekanntes  Tier  war,  kaum  vor  dem  6.  Jahrhundert 
zu  Megara  in  die  Nachtigallensage  aufgenommen  wurde  und  erst,  durch 
Sophokles  seine  feste  Stelle  im  Mythus  erhielt  Einen  Vorgänger  des 
Wiedehopfs  in  der  Sage  erkennt  Verf.  auf  grund  von  Aisch.  Hiket.  66£f. 
im  xepxo^^  mit  welchem  er  vom  Volk  häufig  verwechselt  wurde.  Auch 
eine  Vertanschung  des  Wiedehopfs  mit  dem  Eukuk  hält  Verf.  fQr  mög- 
lich und  bringt  Aber  die  Bedeutung  des  letzteren  im  Volksglauben  eini- 
ges interessante  Material  bei. 

Die  Verwandlungssage  erklärt  Verf.  aus  einer  an  Tereus*  Namen 
anknüpfenden  etymologischen  Spielerei.  In  der  kleinasiatischen  Märchen- 
dichtung (Eolophon  und  Ephesos)  weist  Verf.  als  Gatten  der  Nachtigall 
den  holzhackenden  Specht  iKhxdv  nach. 

Auf  die  Geschichte  der  Theseus-Sage  fällt  neues  Licht  durch 
den  Aufsatz  von 

Johannes  Toepffer,  Theseus  und  Peirithoos  (Aus  der  Anomia. 
Archäol.  Beiträge  Carl  Robert  dargebracht.  Berlin,  Weidmann  1890. 
8.   p.  30—46). 

Ausgehend  von  der  Thatsache»  dafs  das  älteste,  von  einigen  ganz 
willkflrlich  als  Interpolation  beanstandete  Zeugnis,  welches  wir  aber  The- 
seus besitzen  (II.  I  266) ,  ihn  in  Thessalien,  als  Genossen  der  Lapithen- 
fürsten  im  Eentaurenkampf  zeigt,  erweist  T.  als  die  ältesten  und  eigent- 
lichen Lokale  der  Theseus-  und  Peirithoossage  Thessalien,  Ostattika 
(nicht  Athen)  und  die  Koste  der  Argolis,  und  sieht  es  mit  zweifellosem 
Recht  nicht  als  Zufall  an,  dafs  die  Wanderung  der  thessalischen  Dryoper 
ihre  Stationen  in  denselben  Gegenden  hat:  in  den  westeuboiischen  EOsten- 
städten  Styra  und  Earystos,  in  Nordostattika  (der  Eponymos  der  Antiochis 
ein  Enkel  des  Dryoperkönigs  Phylas  —  Peirithoossage  —  für  Attika  i.  a. 
Aristeid.  Panath.  I  177)  und  am  argivischen  Busen  in  Hermione,  Eion 
und  Asine.  —  Wir  hoffen  dem  Verf.  dieser  musterhaft  geführten,  inhalt- 
reichen Untersuchung  noch  öfters  auf  religionsgeschichtlichem  Gebiet  zu 
begegnen. 

Talfourd  Ely  stellt  im  Journal  of  Hellenic  Studios  D[  (1888) 
p.  272 — 281  die  litterarische  und  bildliche  Überlieferung  von  Theseus 
Abenteuer  mit  Skiron  zusammen.  Die  älteste  Form  der  Sage,  deren 
erstes  Auftreten  in  der  Litteratur  wie  in  der  bildenden  Eunst  der  Verf. 
ungefähr  in  den  Anfang  des  6.  Jahrhunderts  setzt,  hatte  den^turz  vom 
Felsen.  Hinsichtlich  der  einschlägigen  Vasenbilder  schliefst  sich  Verf. 
der  Anordnung  von  Benndorf  an;  die  litterarischen  Zeugnisse  führt  er 
nach  der  Lebenszeit  der  Autoren  und  ohne  Rücksicht  auf  die  zu  Grunde 
liegenden  Quellen  auf. 


392       Grieehiscbe  Mythologie.    4.  Einzelne  Gottheiten  und  Heroen. 

Archftologisohes  Material  ttber  die  Tbesens-Sage  findet  man  bei 
Ohirardini  im  Museo  Italiano  di  antichitä  clase.  III  1,  bei  LcMilani 
ebd.  und  besonders  bei  Jane  £.  Harri son  im  Joarnal  of  Hell.  StndiesX 
(1889)  p.  231—242. 

Über  die  Titanen  vergleiche  man  oben  8.  816ff. 

Otto  Kern,  De  Triptolemo  aratore  (Genethliacon  Gottingense. 

1888.     p.  102-105) 

vervollständigt  die  Zahl  der  bildlichen  Darstellangen,  welche  den  Tripto- 
lemos  als  Pflflger  zeigen,  durch  zwei  von  Overbeck  in  seiner  Kanst- 
mythologie  Obersehene  Monumente  und  entscheidet  die  Frage  nach  dem 
Ursprung  dieser,  der  alt-attischen  Kunst  fremden,  erst  in  alezandrini- 
scher  Zeit  auftretenden  Auffassung  dahin,  dafs  sie  nach  der  Übertragung 
des  eleusinischen  Kultus  nach  Alezandria  aufkam,  unter  dem  EinfluDs 
der  Sage  von  Osiris,  welcher  in  Ägypten  als  der  erste  Pflttger  galt.  K. 
erkennt  in  diesem  späten  Ursprung  des  Pflogertypus  eiuen  entscheiden- 
den Grund  gegen  die  hergebrachte  Erklärung  des  Namens  des  Tripto 
lemos  als  'PflOger'  und  schliefst  sich  der  von  Lehrs  und  v.  Wilamowitz 
empfohlenen  Etymologie  an. 

Den  Triton  tanagräischer  Mttnzbilder  sowie  den  Doppeltriton 
eines  alterttlmlichen  Terrakottaidoles  will 

Konrad  Wernicke,  Der  Triton  von  Tanagra  (Jahrb.  des  deutschen 
ardi.  Inst.  II  [1887]  p.  114—118) 

streng  gesondert  wissen  von  der  bei  Pausanias  erwähnten  kopflosen  Mu- 
mie, deren  Ausstellung  in  der  Kaiserzeit  die  ebenfalls  von  Pausanias 
überlieferte  rationalistische  Umbildung  der  Sage  veranlafste.  Verf.  er- 
kennt mit  gutem  Grund  in  jenen  Darstellungen  den  nach  der  alttana- 
gräischen  Sage  durch  Dionysos  getöteten,  d.  h.  durch  den  eindringenden 
Dionysoskult  verdrängten,  Meergott  Triton. 

Arthur   Schneider,   Der  troische  Sagenkreis  in  der  ältesten 
griechischen  Kunst.    Leipzig,  Engelmann  1886.   8.   191  S. 

Gegen  die  extreme  Ansicht,  welche  fQr  die  Zeit  vor  dem  5.  Jahr- 
hundert eine  Beeinflussung  der  Bildner  durch  Dichtwerke  nur  in  ganz 
geringem  Grade  anerkennt,  bildet  das  vorliegende  Buch  die  Reaktion, 
ohne  dafs  der  Verf.  den  Einflufs  technischer  Momente  und  des  allge- 
meinen Sagenbewufstseins  unterschätzte.  Er  sucht  in  der  Einleitung 
(p.  1—10)  allgemeine  Kriterien  für  die  Entscheidung  der  Frage  zu  ge- 
winnen, ob  einem  Kunstwerk  allgemeines  oder  dichterisch  gestaltetes 
Sagenbewufstsein  zu  Grunde  liege:  das  Letztere  nimmt  er  für  die  Fälle 
an,  wo  solche  Personen,  Szenen,  Anschauungen  auftreten,  welche,  für  den 
Sagenstoff  an  sich  gleichgiltig,  vom  Dichter  frei  erfunden  und  nur  zur 
Ausgestaltung  der  Sage  verwandt  sind. 


Ghirardifii,  Miiaoi,  Harrison,  Kern,  Werni^e,  A.  Schneider  (TheseaB-Troja).    393 

Verf.  unterschätzt  die  Schwierigkeit  der  Unterscheidung  zwischen 
dichterischer  Erfindung  und  Sagenbestand.  Wir  können  ein  allgemein 
nes  Kriterium  zur  Entscheidung  jener  Frage  Überhaupt  nicht  anerkennen: 
dieselbe  wird  sich  Oberall  nur  durch  sorgfältige  Prüfung  des  einzelnen 
Falles  beantworten  lassen. 

Die  eigentliche  Untersuchung  (p.  11  ff.)  hat  unter  dieser  Aufteilung 
allerdings  nicht  gelitten,  der  wohl  unterrichtete  Verf.  untersucht  von  Fall 
zu  Fall.  Fflr  die  einzelnen  Darstellungen  sowohl  wie  für  das  allgemeine 
Verhältnis  zwischen  Bild  und  Lied  bietet  das  Buch  eine  Fülle  bemer- 
kenswerter Gesichtspunkte:  nur  hätte  man  im  Interesse  der  mythologi- 
schen Forschung  eine  grOfsere  Rücksicht  auf  die  Provenienz  der  Bilder 
und  auf  lokale  Sagen  und  Sagenversionen  gewünscht  Die  Masse  des 
behandelten  archäologischen  Stoffes  macht  dem  Ref.  eine  Nachprüfung 
der  Argumentirung  im  einzelnen  und  ein  abschliefsendes  Urteil  über 
die  p.  70 ff.  und  p.  186 ff.  mitgeteilten  Ergebnisse  unmöglich,  es  genüge 
daher  die  Aufführung  derjenigen  Darstellungen,  deren  Abhängigkeit  vom 
Epos  der  Verf.  für  sicher  oder  sehr  wahrscheinlich  hält: 

I.  Ilias  und  Odyssee.  Menelaos  und  Hektor  über  Euphorbos 
Leiche.  —  Koon  und  Agamemnon  über  Iphidamas  Leiche.  —  Zweikampf 
des  Aias  und  Hektor.  —  Gesandtschaft  an  Achillens.  —  Hektors  Flucht 
vor  Aias.  —  Nausikaa.  —   Blendung  des  Kyklopen.  ~  Onatas  Gruppe. 

—  W^affentausch  zwischen  Glaukos  und  Diomedes.  —  Kampf  um  Patroklos 
Leiche.  —  Flucht  vor  Polyphemos.  —  Aeginetengiebel.  ^ —  Hektors 
Schleifung  —  Lösung.  —  Achilleus  mit  seinen  Rossen.  —  Die  Feolische 
Hydria.  —  Flucht  vor  den  Kyklopen.  —  Hektors  Bestattung.  —  Mene- 
laos Proteus.  —  Reihentanz  der  Phäaken.  —  Kebriones  als  V^agenlenker. 

—  Talthybios  und  Epeios. 

II.  Die  nur  in  Bruchstücken  erhaltenen  Epen.  Die  brett- 
spielenden Helden.  ~  Rettung  der  Leiche  Memnons.  —  Der  Waffen- 
streit. —  Rettung  der  Leiche  Penthesileia's.  —  Amazonenrüstung.  — 
Achilleus  und  Memnons  Zweikampf.  —  Rettung  der  Leiche  Achilleus 
durch  Aias.  —  Aias  Leichnam  gefunden  von  Odysseus.  —  Troiloserzäh- 
lung.  —  Zweikampf  Achilleus  mit  Penthesileia.  —  Kampf  um  Achilleus 
Leiche.  —  Psycho  stasia.  —  Peleus  und  Thetis  Ringkampf.  —  Hochzeits- 
feier. —  Parisurteil.  —  Priamos  Tod. 

Bei  allen  andern  Darstellungen  hält  Verf.  die  Frage  der  Abhängig- 
keit für  nicht  entscheidbar  oder  fflr  verneinbar. 

Von  vorwiegend  archäologischem  Interesse  und  deshalb  nicht  hier- 
her gehörig  sind  desselben  Verfassers  'Prolegomena  zu  einer  neuen 
Galerie  heroischer  Bildwerke' (Leipziger  Habil.-Schrift  1890),  Heinrich 
V.  Brunn's  'Troische  Miscellen  IV'  (Sitzungsberichte  der  Kgl.  Bayer. 
Akademie  d.W.  1887),  und  Ferdinand  Noack's  Aufsatz 'über  die 
Diupersis  des  Euphronios'  (Aus  der  Anomia  p.  168 — 177).  Die  Disser- 
tation des  letztgenannten  Verf.  'Uiupersis.     De  Euripidis  et  Polygnoti 


394       GriedÜBche  Mythologie.    4.  Einzeloe  Oottheiten  ond  Heroeo. 

quae  ad  Troiae  excidinm  spectaot  fabulis'  (Diss.  inaog.  Giss.  1890)  ist 
dem  Ref.  leider  noch  Dicht  zugänglich  gewesen. 

0.  Grnpp  e,  Typhon-Zephon  (Philologus  Bd. 48  [1889]  p. 487— 497) 

verteidigt  diese  in  seinem  oben  besprochenen  Werk  aufgestellte  Gleichung 
gegen  Wellhausen  mit  der  BegrOndung,  dafs  weder  der  Name  Typ  hon 
ans  der  griechischen  Sprache  zu  erklären  noch  der  Mythus  von  ihm  an 
einer  alten  Eultusst&tte  Griechenlands  lokalisirt  sei,  dafs  hingegen  bei 
jener  Gleichung  sich  Wort  und  Begriff  decken,  überdies  ein  phoinikischer 
Gott  Baal-Zephon  als  so  gut  wie  Oberliefert  gelten  könne  und  die  nach 
ihm  genannte  Stadt  sich  in  nächster  Nähe  mehrerer  späteren  Typhon- 
kultstätten  befunden  habe. 

Eine  interessante,  auf  der  Akropolis  gefundene  Darstellung  des 
Typhonkampfes  veröffentlicht  und  erläutert  Alfred  Brückner  in  den 
Mitteilungen  des  deutschen  arch.  Inst  Ath.  Abt.  Bd.  XIV  (1889)  p.  67-87. 

Darstellungen  der  Tyro-Sage  bespricht  R.  Engel  mann  im  Jahr- 
buch des  deutschen  arch.  Institutes  Bd.  V  (1890)  p.  171  ff.  und  giebt  im 
Anschlufs  daran  einen  schätzbaren  Beitrag  zur  Behandlung  der  Sage 
durch  Sophokles. 

Über  Zeus  handelt 

Wilhelm  Hahn,  Zeus  in  der  Ilias.   I  n.  IL    (Progr.  des  Gymn. 
zu  Stralsund  1888  p.  2-26  und  1889  p.  1—28.)    4. 

Verf.  bespricht  das  in  der  Ilias  gegebene  Material  Ober  Zeus  in 
folgender  Anordnung:  A.  Zeus  und  die  Natur.  B.  Zeus  in  seinem  Ver- 
hältnis zur  Menschheit:  a)  im  allgemeinen,  b)  in  seiner  Beteiligung  an 
der  Handlung  der  Dias.  C.  Zeus  und  die  Götter:  a)  Genealogisches, 
b)  Götterkämpfe,  c)  Zeus  und  Poseidon,  d)  Zeus  und  Hera. 

Eine  so  sorgfältige  Sammlung  und  Sichtung  des  Stoffes,  wie  Verf. 
sie  ausgeführt  hat,  ist  schon  ein  nicht  zu  unterschätzendes  Verdienst,  sie 
wäre  es  auch  ohne  die  vom  Verf.  gemachten  Ansätze,  den  schwankenden, 
flOssigen  und  keineswegs  einheitlichen  Charakter,  welchen  das  Bild  des 
Zeus  in  der  Ilias  zeigt,  wenigstens  andeutungsweise  zu  erklären.  Der 
Verf.  trifft  hierbei  nicht  immer  das  Richtige,  er  arbeitet  z.  t.  mit  Vor- 
aussetzungen, die  nichts  weniger  als  sicher  sind,  wie  z.  B.  mit  der  ein- 
seitigen Fassung  des  ursprOnglichen  Zeus  als  Lichtgott  C  Personifikation 
des  lichten  Himmels'),  mit  der  'ursprOnglichen,  rein  atmosphärischen 
Bedeutung  der  Aegis'  und  mit  der  Annahme,  dafs  die  Aegis  ursprOng- 
lieh  auf  Zeus  begrenzt  gewesen  sei  (p.  l  f.).  Eine  gewisse  Neigung  des 
Verf.  zur  Oberlieferten  physikalischen  Mythenerklärung  verrät  sich  auch 
da,  wo  er  von  den  Götterkämpfen  spricht,  p.  18,  und  ganz  Obersieht,  dafs 
auch  die  Geschichte  der  griechischen  Stämme  mit  ihren  Wanderungen 
und  Gonflikten  wahrscheinlich  ein  nicht  unbedeutendes  Gontingent  zu 
dieser  Art  von  Mythen  gestellt  haben  wird. 


Gruppe,  Brttckner,  Engelmann,  W.  Hahn,  0.  Rofsbach  a.  a  (Typbon-Zeas)      395 

ümsomehr  war  Ref.  erfreat  in  anderen  Teilen  der  Untersuchung 
den  Yerf.  auf  dem  richtigen  Wege  zu  finden:  so  sind  die  Bemerkongen 
Ober  Zeus  Verhältnis  zu  Eronos  und  zur  Hera  überaus  beachtenswert, 
wenn  wir  auch  hinsichtlich  des  Eronos  nicht  ganz  mit  dem  Verf.  gehen 
können.  Das  Verhältnis  zu  Hera  erscheint  dem  Ref.  für  die  Religions- 
geschichte  treilich  verwertet.  Der  Fortsetzung  der  im  grofsen  und 
ganzen  dankenswerten  Arbeit  darf  man  mit  Interesse  entgegen  sehen. 

Otto  Rofsbach,  Eretische  Sagen  (Rheinisches  Museum  Bd.  44 
p.  431-439) 

bespricht  die  Münzbilder  Ton  Gortyn,  welche  ein  auf  einem  Baum  sitzen- 
des Mädchen  (Europa)  zeigen,  und  die  von  Pbaistos  mit  dem  von  einem 
Hahn  begleiteten  Enaben,  der  bisher  als  Zeus  fik^avog  gedeutet  wurde. 
Der  Yerf.  schliefst  aus  ersterem  Typus  auf  eine  anderweitig  nicht  be- 
zeugte Sagenversion,  wonach  Zeus  in  Adlergestalt  die  Europa  entführt 
und  auf  einem  Baume  niedersetzt.  Für  den  Enaben  des  zweiten  Typus 
bestreitet  Verf.  die  Deutung  auf  Zeus  und  nennt  ihn  Ganymedes.  Die 
Gründe,  welche  Verf.  gegen  die  bisherige  Benennung  vorbringt,  dürften  z.  t. 
auf  einer  Verkennung  der  zwischen  kretischem  und  griechischem  Zeus 
obwaltenden  Unterschiede  beruhen;  der  Hahn  ist  bei  einem  chthonischen 
Zeus  ebensogut  denkbar  wie  er  dem  Asklepios  beigegeben  wird. 

Hinsichtlich  des  Zeus  Auxatog  sei  auf  den  Aufsatz  von  Ernst 
Maafs,  im  Hermes  Bd.  26  (1890)  p.  400 ff.,  hinsichtlich  eines  Zeus  Met- 
Xi^tog  auf  die  von  W.  Dittenberger  im  Index  schol.  Halens.  1887  p.  I — X 
behandelte  Inschrift  verwiesen. 


Nachtrag  A. 

Eduard  Thraemer,  Pergamos.  Untersuchungen  über  die  Früh- 
geschichte Eleinasiens  und  Griechenlands.  Leipzig,  Teubner.  1868. 
8.   422  S.  mit  1  Earte. 

Ref.  kann  sich  nicht  versagen,  von  denjenigen  Abschnitten  dieses 
Buches,  welche  vorwiegend  sagengeschichtlicher  Natur  sind,  Mitteilung 
zu  machen.  Zunächst  vom  1.  Eapitel  des  I.  Buches  (p.  1  —  99):  'das 
Dogma  von  der  Tantalidenherrschaft  am  Sipylos'. 

Die  Gestalten  der  Niobe,  des  Pelops  und  des  Tantalos  er- 
fahren hier  eine  durch  Methode  und  Umsicht  ausgezeichnete  Behandlung. 

In  der  homerischen  Darstellung  der  Niobe-Sage  ist  eine  griechi- 
sche örtlichkeit  als  Schauplatz  gedacht  und  wir  erhalten  keine  Hindeu- 
tung auf  Maionien  oder  auf  Tantalos.  Homers  Niobe  ist  eine  aus  Argolis 
nach  dem  nordboiotischen  Alalkomenai  (wo  Verf.  an  der  Hand  des  Phe- 
rekydes  eine  noch  ältere  Stätte  der  Sage  nachweist,  als  es  Theben  ist) 
vermählte  Achaierin.     Sie  muls  identisch   sein  mit  der  altargivischen 


396  GriecbiBehe  Mythologie.    Nacfatnf  A. 

Niobe,  der  Tochter  des  Phorooeos.  Mit  der  griechisehen  Niobe  werden 
spftter  Zfige  einer  lydischen  Niobe,  welche  mit  jener  eigentlich  nichts 
gemein  hatte  als  den  Charakter  der  mater  dobrosa,  verschmolzen,  und 
die  griechisch- lydische  Niobe,  das  Produkt  dieser  Verschmelzong,  er- 
scheint stets  als  Tochter  des  Tantalos  and  Schwester  des  Pelops.  Was 
den  Namen  Niobe  betrifft,  so  erkennt  Verf.  darin  mit  Geldner  ein  ans 
dem  boiotischen  oder  einem  verwandten  Dialekt  stammendes  Kompositum 
aus  vio  =  veo  und  ßä^yä^  y^:  ^die  junge  Erde'.  Alalkomenens,  der 
Gemahl  der  Niobe,  ist  der  Himmelsgott  Zeus,  der  von  der  uralten  boio- 
tischen Eultstfttte  Alalkomenai  seinen  Namen  hat.  Die  Kinderschaar 
bedeutet  die  Frühlingsvegetation.  Wahrend  der  Tod  der  Niobiden  ur- 
sprünglich natursymbolischen  Sinn  hat,  wird  er  in  der  ttberlieferten  Form 
der  Sage  durch  das  Verhältnis  der  Niobe  zu  Leto  motivirt:  Verf.  erkennt 
hier  den  Einflufs  von  Delphi,  welches  die  Göttin  Niobe  zu  Gunsten  der 
Letoiden  in  heroische  Sphäre  hinabgedrückt  habe. 

Hinsichtlich  des  Pelops  gelangt  der  Verf.  in  sorgfältiger,  auch 
die  'Achaierfrage*  eingehend  berücksichtigender  Untersuchung  zu  dem 
Ergebnis,  dafs  er  'der  Arcbeget  des  aus  Thessalien  südwärts  wandernden 
Teiles  der  Archäer  gewesen  ist  und  dieselben  über  Boiolien  nach  dem 
Peloponnes  begleitet  hat*  (p.  84).  In  Boiotien,  wo  Ghaironeia  (Szepter 
Paus.  IX  40,  11)  eine  Station  bildete,  ist  die  Verknüpfung  des  Pelops 
mit  der  Niobe  erfolgt;  das  ursprüngliche  Lokal  der  Wettfahrtsage  war 
in  Phlius  (Araithyrea),  wo  der  Wagen  des  Pelops  aufbewahrt  wurde,  als 
des  Pelops  Herrschersitz  aber  war  vor  Aischylos  und  Euripides  Mykenai, 
und  nicht  Argos,  gedacht :  seine  Lokalisirung  in  Eleinasien  (Sipylos  und 
Lesbos)  hat  ihren  Grund  in  einer  Beteiligung  peloponnesischer  Achaier 
an  der  aiolischen  Kolonisation,  sein  pisatisches  Königtum  in  der  Anzie- 
hungskraft des  centralen  Festplatzes  Olympia. 

In  Tantalos  endlich  (Name  vom  Stamm  rak\  ravraMfa  ^schwin- 
gen, schlendern')  erkennt  Verf.  eine  relativ  junge  Gestalt,  deren  prim&- 
res  Substrat  vulkanische  Erschütterungen  im  Gebiet  des  Sipylos  bilden. 
Tantalos  ist  der  unter  dem  Zusammensturz  des  Sipylos  begrabene  oder 
durch  sein  Wanken  geängstigte  Anwohner  dieses  Gebirges, '  das  mythische 
Bild  des  UtojKoq  dvarpanecg'.  Die  Herrlichkeit  und  Göttergemeinschaft 
des  Tantalos  sowie  alle  ethischen  Momente  der  Sage  hält  der  Verf.  für 
spätere,  nicht  zum  primären  Inhalt  gehörige  Vorstellungen.  Dem  Tantalos 
wird  Niobe  genealogisch  angegliedert,  nachdem  sie  am  Nordabbang  des 
Sipylos  (Steinbild,  an  welchem  die  Sage  von  jener  einheimischen  mater 
dolorosa  haftete)  lokalisirt  worden  war;  zugleich  aber  wird  Tantalos  Vater 
des  mit  Niobe  schon  in  Boiotien  verknüpften  Pelops. 

Das  2.  Kapitel  behandelt  nach  einer  Widerlegung  des  Niese'schen 
Satzes,  dafs  eine  vor  und  neben  Homer  lebendige  und  die  homerischen 
Gedichte  tragende  Volkssage  gar  nicht  existirt  habe  (p.  100—108),  zu- 
nächst die  in  den  Homer  interpolirten  Sagen  (p.  109—141),  welchen 


Thraemer  (Niobe,  Pelops,  Tantalos,  Kabiren,  Ange,  Telephos).  397 

der  Verf.  einen  sehr  beträchtlichen  Umfang  zaspricht:  die  attische  The- 
senssage,  die  dorischen  Zndichtungen  (im  ganzen  c.  214  Verse)  —  alle 
Hinweise  auf  die  Heraklessage  hat  Verf.  im  Verdacht  dorischer  Mache 
—  den  Schiffiskatalog,  in  welchem  Verf.  mit  Früheren  eine  InterpolatiOQ 
boiotischen  Ursprungs  erkennt  (während  er  die  Boioter  im  Gefolge  Aga- 
memnons  als  'harmlose  Erweiterungen  des  älteren  Bestandes  der  Ilias' 
ansieht,  welche  dem  in  lonien  vertretenen  boiotischen  Element  Rechnung 
tragen,  p.  126)  und  endlich  den  Frauenkatalog  der  Odyssee,  für  welchen 
Verf.  durch  eine  eingehende  Analyse  gleichfalls  eine  spezifisch  boiotische 
Tendenz  zu  erweisen  sucht.  Mit  einem  Wort:  es  waren  'die  homerischen 
Gedichte  einem  successiven  Zudichtungsprocess  vom  Stammesgesichts- 
punkt aus  unterworfen'  (p.  141). 

Die  folgenden  Abschnitte  desselben  Kapitels  (p.  142^164)  betreffen 
den  Sagenbestand  der  kyklischen  Epen.  Auf  die  lebendige  Volks- 
sage, welche  inzwischen  den  trojanischen  Krieg  immer  weiter  ausgestaltet 
hatte,  nicht  aber  auf  subjektive  Erfindung  bezw.  Weiterbildung  homeri- 
scher Anspielungen,  führt  der  Verf.  hier  sowohl  diejenigen  kyklischen 
Sagen  zurück,  auf  welche  bei  Homer  nur  angespielt  wird,  als  auch  die 
neuen  Stoffe  der  Kykliker,  wie  vor  allem  den  teuthrantischen  Krieg  der 
Eyprien  und  den  Telephiden  Eurypylos  mit  seinen  Keteiern  in  der  kleinen 
Ilias.  Gegen  v.  Wilamowitz  sucht  Verf.,  z.  t.  mit  treffender  Begründung, 
die  zeitliche  Priorität  der  Odyssee  vor  den  kyklischen  Epen  zu  erweisen. 

Aus  dem  II.  Buch  verdient  zunächst  der  erste  Abschnitt  des  2.  Ka- 
pitels die  Beachtung  des  Mythologen.  Verf.  entwickelt  hier  (p.  263—270) 
die  Ansicht,  dafs  die  im  2.  nachchristlichen  Jahrhundert  auftretenden 
pergamenischen  'Kabiren'  eine  Mischung  aus  Dioskuren,  Kureten  und 
Kabiren  darstellen  und  letztere  vielleicht  aus  (dem  vorübergehend  von 
Tyrsenern  besetzten)  Pitane  über  Teuthrania  nach  Pergamos  gekom- 
men seien. 

Das  letzte  Kapitel  (p.  369—406)  handelt  von  Auge  und  Tele- 
phos, bezw.  von  der  überlieferten  Besiedelung  Tenthraniens  durch  die 
Arkader.  Es  ist  zu  unterscheiden  zwischen  der  tegeatischen  Sage  und 
der  teuthrantischen.  Für  erstere,  welche  in  zwei  Versionen  überliefert 
ist  (Abweichung  blofs  hinsichtlich  der  Umstände  und  des  Ortes  der  Ge- 
burt), ist  charakteristisch,  dafs  zunächst  nur  Auge  übers  Meer  geht  Qod 
Telephos  ihr  erwachsen  nachfolgt;  die  teuthrantische  Sage  hingegen, 
welche  durch  Hekataios  überliefert  ist,  läfst  Auge  zugleich  mit  ihrem 
Knaben  in  einer  Larnax  übers  Meer  nach  Teuthranien  gelangen.  In 
Sophokles  Mysern  wäre  nach  der  Darlegung  des  Verf.  für  die  Geschichte, 
soweit  sie  sich  in  Griechenland  abspielt,  die  tegeatische  Sage  befolgt 
nvorden,  für  die  Schicksale  der  beiden  in  Teuthranien  aber  die  teuthran- 
tische: auf  keinen  Fall  will  Verf.  in  der  Hyginischen  fab.  100,  die  ihm 
für  Sophokles  zu  monströs  erscheint,  mit  Robert  (s.  o.  S.  390)  das  Argu- 
ment jener  Tragödie  erkennen.    Auch  hinsichtlich  des  pergamenischen 


398  GriecbiBche  Mythologie.    Nachtrag  A  imd  B. 

Telephosfrieses  weicht  der  Verf.  in  mehreren  Punkten  von  Robertos  Er- 
klärung ab;  er  stellt  neben  den  Fries  und  Philostratos  den  Tzetzes  als 
dritte  Quelle  fflr  die  attalische  Version  des  teuthrantischen  Krieges.  — 
Sowohl  in  der  tegeatischen  wie  in  der  teuthrantischen  Version  erkennt 
Verf.  mit  Recht  alte  Wandersagen,  den  mythischen  Ausdruck  einer 
'Stammbewegung  von  Arkadern,  welche  Auge  und  Telephos  als  Stamm- 
heroen verehrten'  (p.  400),  er  sieht  die  Abweichung  zwischen  beiden  Ver- 
sionen ebenso  tre£fend  in  dem  naturgemäfs  verschiedenen  Standpunkt 
begründet,  welchen  die  Ausgewanderten  und  die  Zurflckgebliebenen  in 
der  Sache  einnahmen.  Auch  die  Annahme  des  ursprünglich  göttlichen 
Charakters  des  Telephos  und  der  Auge  hat  viel  für  sich:  aber  die  Deu- 
tung auf  Sonne  (T.)  und  Morgenröthe  (A.),  welche  Verf.  p.  401  ff.  ver- 
sucht, erscheint  dem  Ref.  allerdings  etwas  zu  ktthn. 


Nachtrag  B. 

Wilhelm  Heinrich  Röscher,  Über  Selene  und  Verwandtes. 
Mit  einem  Anhange  von  N.  G.  Po  litis  Ober  die  bei  den  Neugriechen 
vorhandenen  Vorstellungen  vom  Monde  und  fünf  Abbildungen  (Viertes 
Heft  der  ^Studien  zur  griechischen  Mythologie  und  Kulturgeschichte 
vom  vergleichenden  Standpunkte').    Leipzig,  Teubner  1890.  8.   202  8. 

Die  von  R.  hier  dargebotene,  umfassende  Sammlung  aller  an  den 
Mond  anknüpfenden  Vorstellungen  des  griechischen  Volksgeistes  bezeich- 
net nach  dem  Urteil  des  Ref.  einen  bedeutsamen  Fortschritt  in  der  Er- 
forschung der  griechischen  Religion,  wenn  auch  die  Schlüsse,  welche  der 
Verf.  aus  diesem  Material  für  die  ursprüngliche  Bedeutung  einiger 
Gottheiten  zieht,  vor  einer  strengen  Prüfung  nicht  bestehen  können. 

Kapitel  I  stellt  die  'Kultstätten  und  Lokalsagen'  zusammen. 
Es  ist  hierbei  zu  bemerken,  dafs  diejenigen  Quellen,  welche  blofs  von 
einer  Sage  oder  bildlichen  Darstellung  der  Selene  berichten,  damit  noch 
keineswegs  die  Existenz  eines  Selenekultes  für  den  betreffenden  Ort  sicher 
stellen,  und  dafs  noch  weniger  die  mit  Mi^vt^  zusammenhängenden  Eigen- 
namen in  dieser  Hinsicht  irgend  etwas  beweisen.  II  betrifft  die  Namen 
der  griechischen  MondgOttin:  Selene,  Mene,  Phoibe,  Maira,  Aigle,  von 
welchen  die  drei  letzten  doch  etwas  zweifelhaft  sein  dürften. 

Der  Schwerpunkt  des  Buches  liegt  in  den  Kapiteln  III  — V:  die- 
selben werden  ergänzt  durch  die  treffliche  Behandlung,  welche  N.  G. 
Politis  in  einem  Anhang,  p.  173 — 189,  den  lunaren  Elementen  des  nen- 
griechischen  Volksglaubens  zu  teil  werden  läfst  (Personifikation,  Herab- 
zauberung,  der  Mond  als  Kuh,  Mondflecken,  Vorbedeutungen,  Einflufs  auf 
die  Erde,  Mondfinsternis  u.a.).  Kapitel  III:  Äufsere  Gestalt  des 
Mondes  und  der  MondgOttin,  IV:  Bewegung,  Bahn,  Auf-  und  Unter- 
gang der  SelenCi  V:  Das  Wirken  des  Mondes  und  der  Selene  (p. 


fioscher  nod  Politis  (YolksvorstellaDgen  vom  Mond,  Selene,  Pan  o.  a.).    399 

94),  A :  als  ThanspeDder,  B:  Selene  als  Götdn  der  Meostruation  und  Ent- 
bindung» G:  Einflafs  des  Mondes  und  der  Mondgöttin  auf  das  Wachsen 
und  Gedeihen  der  Pflanzen  und  Tiere,  D:  auf  Gesundheit  und  Krankheit, 
£:  Beziehungen  des  Mondes  zu  Liebe  und  Liebeszauber,  F:  Einflufs  des 
Mondes  auf  Zauberei,  G :  Beziehungen  des  Mondes  und  der  Mondgöttinnen 
zur  Jagd. 

Es  ist  eine  erstaunliche  Masse  von  Zeugnissen,  litterarischen  und 
monumentalen,  welche  der  gelehrte  Verf.  hier  verarbeitet  hat,  eine  wahre 
Fundgrube  fttr  weitere  Untersuchungen.  Nur  hätte  man  eine  schärfere 
Scheidung  gewünscht  zwischen  solchen  Vorstellungen,  welche  für  den 
Mond  besonders  charakteristisch  sind,  und  solchen,  d^  auch  an  andere 
Naturgebiete  angeknüpft  werden :  keinenfalls  können  Momente  der  letzte- 
ren Art  für  den  lunaren  Charakter  einer  Gestalt  etwas  beweisen.  Die 
Fackel  z.  B.  ist  bei  Demeter,  in  welcher  der  Verf.  gewifs  keine  Mond- 
göttin erkennen  wird ,  mindestens  ebenso  häufig  wie  bei  einer  der  p.  25 
genannten  Göttinnen;  die  Vorstellung  des  Stiergestaltigen  (p.  31)  ist  mit 
keinem  Gott  so  häufig  verbunden  worden  wie  mit  Dionysos,  ohne  dafs 
eine  Beziehung  dieses  Gottes  zum  Mond  nachweisbar  wäre;  der  Einflufs 
auf  Wachsen  und  Gedeihen  von  Pflanzen  und  Tieren  (p.  61  ff.)  ist  doch 
wohl  ein  ziemlich  allgemein  göttlicher  Zug,  besonders  kräftig  im  Wesen 
des  vom  Verf.  als  'Windgott*  gedeuteten  Hermes  entwickelt.  Das  sind 
nur  wenige  Beispiele,  die  sich  mühelos  beträchtlich  vermehren  liefsen; 
aber  sie  zeigen  zur  Genüge,  dafs  bei  weitem  nicht  jede  mit  dem  Mond 
oder  mit  Selene  verknüpfte  Vorstellung  notwendig  immer  lunaren  Untere 
grund  hat. 

Kapitel  VI  behandelt:  Eltern,  Ehegatten  und  Kinder  der 
Selene,  VII:  Attribute  und  Symbole,  VIII:  Kult,  IX:  die  mit  Selene 
vermischten  oder  identifizirten  Göttinnen  Hekate,  Artemis,  Britomartis, 
Diktynna,  Bendis,  Eileithyia,  Persephone,  Athena,  Demeter,  Isis  und 
Kybele,  X:  die  Mondheroinen  (oder  Hypostasen  der  Mondgöttin), 
welche  Verf.  in  einen  Selenetypus  (Europa,  Pasiphaö,  Antiope,  Prokris) 
einen  Hekate-  (Medeia)  und  einen  Artemistypus  (Kallisto,  Atalante,  Iphi« 
geneia)  scheidet. 

Das  letzte  Kapitel,  XI,  bringt,  anknüpfend  an  den  Mythus  von 
Selene  und  Pan,  eine  neue  und  in  der  Hauptsache  glückliche  Behandlung 
des  Pan.  Der  Verf.  zeigt,  wie  in  der  Gestalt  des  Pan  sich  das  Leben 
und  Treiben  der  griechischen  Hirten,  besonders  der  Schaf-  und  Ziegen- 
hirten, widerspiegelt:  <Pan  ist  ursprünglich  weiter  nichts  als  der  göttliche 
oder  dämonische  Typus  eines  altgriechischen  Schaf-  und  Ziegenhirten, 
gewissermafsen  die  Verkörperung  des  gesammten  antiken  Hirtenlebens 
mit  allen  seinen  Erfahrungen,  Eigentümlichkeiten,  Freuden  und  Sorgen, 
daher  alle  ursprünglichen  Funktionen  des  Gottes  ganz  einfach  aus  dem 
zwar  etwas  beschränkten,  aber  für  uns  durchaus  poetischen  Vorstellungs- 
kreise des  antiken  Schaf-  und  Ziegenhirten  zu  erklären  sind'  (p.  149f.).  -- 


400  Griechisohe  Mythologie.    Nachtrag  B. 

Der  Verf.  will  mit  diesem  Kapitel  den  Oegenstand  Dicht  erschöpft  haben, 
sonderD  behftlt  eine  ausführliche  BehaDdlung  des  Pan  dem  nächsten  Hefte 
seiner  mythologischen  Stadien  vor. 

Freilicii  hat  der  Verf.  auch  hier  die  Grenzen  wissenschaftlicher 
Beweisffthrnog  insofern  flberschritten,  als  er  das  für  die  nns  zagftogliche 
Epoche  gewornene  Bild  an  den  Anfang  der  Entwicklang  setzt.  Aber  er 
hat  den  Gegenstand  so  angefafst,  wie  wir  es  bei  allen  Gestalten  der 
Mythologie  darchgefQhrt  wflnschten:  dafs  nämlich  bei  den  Verehrern  des 
Gottes,  hioaaf  bis  zu  den  ältesten  geschichtlich  nachweisbaren,  «der  Hebel 
angesetzt  und  untersucbt  wird,  inwieweit  der  Mythus  Niederschläge  ihres 
Lebens  enthält,  ^^^er  Ziele,  auf  welche  es  gerichtet  ist,  and  der  natflrlicben 
Bedingungen,  unter  denen  es  sich  abspielt  Der  Weg  solcher  Unter- 
suchung ist  meisVins  weit  und  beschwerlich,  aber  er  läuft  auf  festem 
Boden;  er  heischt  Entsagung  in  Bezug  auf  die  letzten  Anfänge  der  reli- 
giösen  Vorstellung  Und  läfst  nur  ein  Stflck  der  Entwicklung  schauen, 
welche  der  Glaube  durchläuft.  Aber  schon  dieses  Stflck  birgt  ein  oner- 
schöpflich  reiches  und  mannigfaltiges  Leben.  Der  Gott  ist  ein  Spiegel- 
bild des  Volkes,  das  ihm  mit  Opfern  und  Gebeten  naht:  was  es  schafft 
und  wagt,  worauf  es  stolz  ist,  seine  Furcht  und  seine  Hoffiinng  find«i 
in  der  Gestalt  des  Gottes  einen  Ausdruck,  und  jeder  wesentliche  Fort- 
schritt der  Verehrer  hat  irgendwie  das  Bild  verändert 


Druck  Ton  Martin  Oldcnbours  ia  B«rUii*  AdlerttrasM  1. 


JAHRESBERICHT 

Aber 

die  Fortschiitte  der  classischen 

Alterthumswissenscliaft 


Conrad  Bursian, 

herausgegeben 

Iwan  V.  Müller, 

ord.  öflentl.  Prof,  der  clasiiichen  Philologie  an  dei  UDivenilil  BrUogen. 


Sfebenondsechzigster  Band. 
Neunzehnter  Jahrgang.    1891. 

Erste  Abüiellniig. 

GRIECHISCHE  KLASSIKER. 


BERLIN    1892. 

VERLAG  VON  S.  CALVARY  Ä  CO- 

W.  Unter  den  Lindea  31. 


I 


Inhalts-Verzeichiiiss 

des  siebenoDdiecbsigsteD  Bandes. 


Die  Jahresberichte  über  Homer  Yon  Dr.  Weck  in  Metz  und 
Rektor  Dr.  A.  Gern  oll  in  Striegau,  sowie  die  Berichte 
über  Hesiod  und  die  Homeriden  von  Prof.  Dr.  A.  Rzach 
in  Prag,  und  über  griechische  Lyriker  einschliesslich  He- 
rondas  von  Prof.  Dr.  J.  Sitzler  in  Baden-Baden  werden 
demnächst  erscheinen. 

Jahresbericht  über  Pin  dar  1888 — 1890.  Von  Dr.  L.  Borne- 
mann in  Hamburg 1 — 28 

Die  Berichte  über  griechische  Tragiker  von  Studienrektor 
Prof.  Dr.  Wecklein  in  München;  griechische  Komiker  von 
Prof.  Dr.  K.  Zacher  in  Breslau;  Herodot  von  Prof.  Dr. 
J.  Sitzler  in  Baden-Baden;  Thukydides  von  Oberlehrer  Dr. 
Georg  Meyer  in  Ilfeld  und  Oberlehrer  Dr.  Franz  Müller 
in  Quedlinburg;  griechische  Historiker  von  Prof.  Dr.  Fr. 
Krebs  in  Eichstäit;  Redner  von  Dr.  W.  Grasshoff  in 
Stendal  und  Rhetoren  von  Prof.  C.  Hammer  in  München; 
älteste  Philosophen  von  Prof.  Dr.  F.  Lortzing  in  Berlin, 
und  über  Xenophon  von  Oberlehrer  Dr.  Weissenborn 
in  Mühlhausen  i.  Tb.  folgen  später. 

Bericht  über  die  in  den  Jahren  1886  und  1887  über  Piaton 
erschienenen  Arbeiten.  Von  Prof.  Dr.  Gustav  Schneider 
in  Gera 29  —  77 

I.  Allgemeines.  Gesammt-Aosgaben  23.  —  Platonische  Philo- 
sophie so.  —  Reihenfolge  der  Dialoge  47.  —  II.  Die  einzelnen 
Dialoge.  Alkibiades.  Apologie  63.  ~  Eothydemus.  Euthyhpron 
57.  —  Oorgias  61.  —  Hippias  ma.  et  mi.  52  —  loo  63.  —  Kra- 
tylus  64.  —  Kriton.  Menexenos  66.  —  Parmenides  66.  —  Phae- 
doD  69.  —  Phaednu  72.  —  Protagoras.  Sophistes  76.  —  Theae- 
tet  77. 


IV  Inhalts-Verzeichniss. 

Bericht  über  Aristoteles  und  die  ältesten  Akademiker  und 

Peripatetiker  für  1887—1890.    Von  Professor  Dr.  Franz 

Susemibl  in  Greifswald 78 — 184 

Allgemeines  78.  —  Protreptikos  86.  —  Politik  der  Athener  88.  — 
OrganoD  88.  —  Metaphysik  89.  —  Physica  89.  —  Psychologie 
102.  —  De  sensu;  de  memoria;  de  insomniis  111.  —  Parva  natu- 
ralia.  De  generatione  acimalium  112.  —  Pbysiognomica  114.  ~ 
De  plantis,  de  Melisso  etc.  115  —  Ethica  Nicoroacbea  117.  — 
De  re  publica  137.  —  Oeconomica  149.  —  Rhetorica  151.  — 
Foetica  154   —  Katharsis  171. 

Ein  Spezialbericht  über  Aristoteles'  'Al^rjuaiojp  noXizeia  von 
Prof.  Dr.  Valerian  von  Schöffer  in  Moskau  folgt  im 
nächsten  Jahrgang. 

Die  Berichte  über  spätere  griechische  Philosophen  von  Prof. 
Dr.  L.  Haas  in  Passau;  Plutarch  von  Dir.  Dr.  H.  Treu 
in  Breslau;  griechische  Grammatiker  von  Professor  Dr. 
P.  Egenolff  in  Mannheim;  Erotiker  von  Oberschulrath 
Prof.  Dr.  A.  Eberhard  in  Braunschweig  und  über  die 
Byzantiner  von  Prof.  Dr.  Krumbacher  in  München  er- 
scheinen im  folgenden  Jahrgang. 


Jahresbericht  über  Pindar  1888—1890. 

Von 

Dr.  L.  Bdmemanii. 


Seit  dem  letzten  Berichte  über  Pindarlitteratur  (1888.  I.  21  ff.)  ist 
der  rtthrigste  Mitforscher,  der  liebenswürdige  Eduard  Lübbert  ans  dem 
Kreise  der  Lebenden  geschieden.  Über  seine  letzten  üniversitätsschriften 
mag  auf  Seeliger  Phil.  Adz.  XVII  252 — 254,  Rannow  Wochenschrift  f. 
klass.  Philol.  V  675 ff.  VI  1280ff.,  Abel  Pfailolog.  Wochenschr.  IX  365 ff. 
und  den  Referenten  ebenda  717  f.  yerwiesen  werden. 

Auch  der  junge  ungarische  Gelehrte  Eugen  Abel  ist  gestorben. 
Seine  Scholienausgabe  (Jahresberichte  1885.  I.  75 f.)  wird  im  Auftrage 
der  k.  Ungarischen  Akademie  der  Wissenschaften  durch  N.  Geyza  vollen«* 
det,  im  Wesentlichen  auf  Grund  des  Aberschen  Nachlasses.  Davon  liegt 
die  erste  Hälfte  des  dritten  Bandes  vor,  nämlich 

Scholia  recentia  in  Pindari  epinicia.    Vol.  I  scholia  in  Olympia  et 
Pythia.    Budapestini  et  Berolini  1891.    VII  u.  480  p.    8^ 

auch  die  biographischen  Abschnitte  aus  Suidas,  Eustathios  und  Thomas 
Magister  enthaltend. 

Zu  meinem  aufrichtigen  Bedauern  sind  seit  1885  die  von  0.  Schroe- 
der  verfafsten  Berichte  über  Pindar,  die  als  Beigabe  der  Zeitschrift  fQr 
Oytnnasialwesen  erschienen,  (vgl.  diese  Jahresbb.  1885  I.  122)  sistiert  und 
auch  von  keinem  anderen  Gelehrten  fortgesetzt.  Dagegen  knüpft  sich 
eine  sehr  dankenswerte  Gabe  an  den  Namen  Ed.  Boehmer,  den  Bergk 
bereits  in  der  Vorrede  zur  dritten  Ausgabe,  freilich  mit  irrigem  Yomamen, 
erwähnt.  Boehmer  hat  seit  seiner  Schülerzeit  und  während  eines  langen 
Lebens  die  Pindarlitteratur  mit  dem  sorgsamsten  Interesse  gesammelt 
und  eine  einzigartige  Pindarsammlung  aus  den  Jahren  1518  bis  zur 
Gegenwart  allmählich  geschaffen,  deren  Verzeichnis,  über  600  Nummern 
umfassend,  kürzlich  als  Manuscript  gedruckt  ist.  Es  wäre  zu  wünschen, 
daCs  dieser  Druck  —  etwa  als  Beilage  zu  den  von  demselben  Verfasser 
veröffentlichten  »Sicilischen  Odenc  —  allgemein  zugänglich  getoiacht  wird. 
Referent  hat  bereits  diesmal  das  Verzeichnis  mit  bestem  Dank  benutzt 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.   LXVU.  Bd.  (1801.  I.)  1 


2  Pindar. 

Endlich  erwähne  ich  im  Yoraus  meine  inzwischen  veröffentlichten 
Aufsätze,  die  ich  als  Referent  nicht  weiter  analysieren  will,  aber  znm 
Verständnis  vieler  nachfolgender  Urteile  zu  vergleichen  bitte: 

a)  Bornemann,  Pindars  siebente  nemeische  Ode,  ein  Siegertotenlied. 
Philol.  46,  696—613. 

b)  Bomemann,  Pindars  sechste  olympische  Ode.  Philol.  N.  F.  I 
689  —  698. 

c)  Bomemann,  Pindars  achte  pythische  Ode  nebst  einem  Anhang 
über  die  Pythiadenära.    Philol.  N.  F.  IV  230  ff. 

d)  Bornemann,  Pindars  elfte  pythische  Ode.  ein  Sieger-  und  Toten- 
lied.   Philol.  N.  F.  IV,  Heft  3. 

Weder  in  diesen  Aufsätzen  noch  im  vorliegenden  Berichte  bin  ich 
aller  Schwierigkeiten  Herr  geworden,  die  im  Wege  liegen;  es  soll  mir 
genügen,  wenn  ich  einigermafsen  den  rechten  Weg  zum  wissenschaft- 
lichen Genüsse  des  Dichters  eingehalten  habe.  Auch  in  anderer  Hinsicht 
bleibt  dieser  Bericht  fragmentarisch,  nämlich  weil  ich  die  Litteratur  nicht 
rechtzeitig  vollzählig  mir  verschaffen  konnte;  so  werden  im  nächsten 
Jahresbericht  Ergänzungen  folgen  müssen. 

Schliefslich  sei  die  freundliche  Bitte  aus  den  Jahresberichten  von 
1886  I.  S.  63  wiederholt,  dafs  man  doch  die  Verszahlen  aus  billiger  Rück- 
sicht gegen  die  grundlegenden  Verdienste  Tycho  Mommsens  allgemein 
nach  dessen  Ausgabe  cltieren  möchte,  natürlich  ausschliefslich  der  Scho- 
llen und  Fragmente! 

1)  Alfred   (und  Maurice)  Groiset,  Histoire  de  la  littöratore 
grecque.    Tome  II,  Paris  1890. 

S.  1  —  468  handeln  vom  »lyrisme«;  speciell  auf  Pindar  bezieht  sich 
Cap.  Vn  (S.  863  -  426). 

Es  ist  wieder  ein  grofser  Genufs,  die  AusfEQirungen  des  feinsinnigen 
französischen  Gelehrten  zu  lesen,  dessen  Werk  »La  poösie  de  Pindarec 
im  Jahresbericht  von  1886  S.  64 ff.  als  eine  bedeutende  Leistung  gewür- 
digt ist.  In  der  diesmal  vorliegenden  kürzeren  Fassung  kehren  bekannte 
Gedankenreihen  jenes  früheren  Buches  öfters  wieder;  dennoch  liegt  Grand 
genug  vor,  dies  treffliche  Buch  nicht  blos  im  Vorübergehen  zu  empfehlen, 
sondern  auch  mehrere  Einzelheiten  daraus  anzumerken,  deren  viele  zu- 
gleich als  Anknüpfungspunkte  eingehender  neuer  Untersuchungen  dienen 
können.  Überall  aber  tritt  uns  der  vielseitig  angeregte  Gelehrte  mit  dem 
mafsvollen  Urteil  entgegen,  und  dabei  ist  seine  Darstellung  dieser  viel- 
fach recht  schwierigen  Probleme  durch  eine  beneidenswerte  »nettet^c 
ausgezeichnet. 

Wie  die  Differenzen  der  modernen  und  antiken  Lyrik  im  allge- 
meinen S.  266 f.  feinsinnig  gezeichnet  sind,  so  trifft  der  Verfasser  den 
Kern  der  ethischen  Lebensanschauung  Pindars  ganz  vortrefflich  S.  880  ff. 
Ich  führe  folgende  Bemerkungen  an:  »ä  lire  isol^ment  certains  de  see 


PiDdar.  8 

vers,  on  pouirait  le  prendre  ponr  an  mölanquolique  et  an  dösespöi^c 
[der  Dichter  hat  in  der  That  fUr  die  Wechselftlle  and  Widerwärtigkeiten 
des  Lebens  ein  offenes  and  tief  eindringendes  Aage]  ....  »qa^on  ne  8*7 
trompe  pas  cependant:  Pindare  est,  malgr^  tont,  le  chantre  de  la  vie 
heurease»,  . . .  »sa  qnalit^  dominante  c'est  an  ferme  öqaüibre  dans  one 
religiease  s6r6nit6«.  Die  Einwirkung  der  Gottheit  auf  den  Begnadigten 
stellt  sich  dar  in  dem  pindarischen  Begriff  der  ^od:  »race  et  naissance 
ne  sont  an  fond  qne  des  mots  par  lesqaels  nous  exprimons  la  maniäre 
dont  s'exerce  sor  Tbamanit^  la  paissance  divinec.  Oder  wie  der  Dichter 
der  schönen  Sinnenwelt  gegenübersteht  and  sie  vergeistigt:  »c*est  Tftme, 
la  vertu  agissante  qaMl  voit  dans  la  beaat6  sensible,  et  sans  rien  6ter 
k  cette  beaat^  de  son  6clat,  il  Tanime  d'ane  vie  snpörieuret. 

Vortrefflich  ist,  was  Groiset  S.  23  f.  Aber  die  armselige  xiBtiptQ^ 
kurz  and  klar,  was  er  S.  29  über  die  verschiedenen  Tonweisen  sagt 
Als  Metriker  steht  er  nach  wie  vor  auf  dem  meines  Erachtens  sehr  ver- 
ständigen Standpunkt,  den  er  S.  403  in  die  Worte  zusammenfafst:  »On 
pent  contester  quelquel-unes  des  figures  rythmiqaes  de  M.  J.  H.  [H.] 
Schmidt,  mais  le  principe  m^me  de  sa  theorie  paratt  trds  solide«. 

Zu  wenig  greifbar  fafst  Croiset  wohl  noch  immer  die  logisch-poeti- 
sche Einheit  der  einzelnen  Ode,  deren  Auffindung  sicherlich  die  schwie« 
rigste  und  höchste  Aufgabe  der  Pindarerklärung  bleibt.  Er  meint,  oft 
sei  diese  Einheit  in  einem  lehrhaften  moralischen  Grundgedanken  zu  fin- 
den, oft  aber  sei  es  ähnlich  wie  in  der  Musik  >une  Impression  diffidle 
ä  formulert  (S.  412).  Die  Nomostheorie  nennt  er  mit  Recht  »une  tent»* 
tive  absolument  vaine  et  chim^riquec  (S.  404),  vielmehr  »il  £aut  tenir  le 
plus  grand  compte  des  triades  et  de  la  manidre  dont  les  id^es  s'y  distri- 
buent«  (S.  417).  Der  Mythus  in  der  Ghorlyrik,  welcher  »ne  pouvait 
manquer  d^§tre  partout  präsent  aux  esprits«  (S.  6  f.),  ist  das  Spiegelbild 
oder  viehnehr  die  Verklärung  der  Wirklichkeit:  »il  offre  ä  Timagination 
des  types  divins  et  h^rolques  oü  Thumanit^  sans  doute  se  reconnatt, 
mais  agrandie  et  embellie,  d^gag^e  de  tonte  particularit6  mesquine,  id^a- 
lis6e  sans  chimdre  et  vivante  sans  vulgarit^c  (S.  411). 

Den  Patrioten  nimmt  Croiset  S.  370  in  Schutz.  Auf  eine  Honorar- 
zahlung  bezieht  er  P  11,  64  und  J  2,  10:  »le  poäte  peut  se  £üre  payer, 
mais  ne  doit  pas  6tre  cupidec  (S.  387);  vergleiche  dagegen  Philol.  N.  F.  lY 
Heft  3  und  in  diesem  Berichte  unter  No.  21.  Gegenüber  den  betreffs  der  Ri- 
valen des  Dichters  ttberlieferten  Thesen  verhält  Croiset  sich  S.  889  skep- 
tisch, vielleicht  hätte  er  sich  noch  energischer  dagegen  aussprechen  sollen. 

Die  PythiadeurechDung  läfst  Groiset  Ol.  48 ,  3  beginnen  (S.  869), 
während  Ref  im  Philol.  N.  F.  IV  242  ff.  Ol.  49, 3  festhält  Für  einen  Aegiden 
erklärt  Verf.  S.  367  den  Dichter,  wie  meist  geschieht;  ifuol  narepec  P  6, 
71  könne  nicht  auf  die  Abstammung  der  Thebaner  Oberhaupt  gehen  (wie 
Referent  im  Philol.  43,  79 ff.  versucht  hat),  da  die  dorischen  Aegiden 
durchaus  nicht  Ahnen  aller  Thebaner  waren.    Als  Belege  dafür,  dafs 


4  HMtfe. 

der  IHehter  sieht  immer  penOiilich  die  Anfflllintiig  seiner  Lieder  geleL 
tet  habe,  werden  drei  Stellen  angeflElhrt  (S.  371):  xarä  0o(vuraav  ifinolm 
F  2,  67  nnd  die  beiden  vertretenden  Ghorffthrer  Nikasippos  in  J  II  und 
Aineas  in  0  VI ;  SitÜ  (No.  2)  S.  54  fügt  0  7,  8.  N  3,  77  und  fr.  124  (89), 
2  hinzu,  und  auch  für  Christ  (No.  5)  S.  63  ist  N  8,  77  beweiskräftig.  In- 
dessen vergliche  über  lUfinto  in  den  letztgenannten  Stellen  Graf  anter 
No.  6  und  82;  über  J  II  siehe  No.  21;  fiber  P  II  No.  80;  endlich  doi 
GhorfUhrer  Aineias  hoffe  ich  Philol.  45,  618  beseitigt  zu  haben. 

Druckfehler  bei  Groiset:  S.  870  lies  »Schmidt  p.  164«  und  8.  416 
lies  »Pythiquec  statt  Olympique. 

2)  Sittl,  Geschichte  der  griechischen  Litterator  bis  auf  Alexander 
den  Grofsen.    ni.    München  1887. 

8)  Ghrist,  Geschichte  der  griechischen  Litteratur  bis  auf  die  Zeit 
Justinians.    Nördlingen  1889. 

Es  kommen  in  Betracht  bei  Sittl:  S.  64—68  fiber  chorische  Lyrik 
und  S.  68—110  fiber  Pindar;  bei  Ghrist  S.  125-187. 

Was  ich  bei  der  Auffassung  der  rorliegenden  Werke  —  und  sehr 
Tieler  anderer  Gelehrten  —  durchweg  vermisse,  ist  kurzgesagt  Innerlich- 
keit und  lyrische  Wahrheit.  Vieles  wird  ohne  triftigen  Grund  ganz  for- 
mell, äufserlich,  oberflächlich,  darum  ohne  ethische  Tiefe  oder  ohne  poe- 
tische Wahrheit  gefafst;  der  Dichtergenius  wird  zum  poetischen  Hand- 
werker herabgewfirdigt.  Nicht  als  wenn  principiell  diese  Herabwürdigung 
gepredigt  wfirde,  aber  eine  Menge  Einzelheiten  bewegen  sich  doch  in 
solcher  Trivialität. 

Dahin  gehört  zuerst  die  traditionelle  Meinung,  der  Dichter  sei 
etwa  wie  später  die  Meistersinger  durch  ihre  Tabulaturen,  so  durch  die 
fiberlieferten  Typen  des  Siegesliedes  nahezu  gebunden  und  gefesselt  ge- 
wesen: ein  Sklave  der  Tradition.  So  bemerkt  Ghrist  S.  125:  »Einem 
antiken  Dichter  war  der  Typus  seiner  Kunst  zu  fest  von  vornherein  vor- 
gezeichnet und  der  Freiheit  individueller  Empfindung  ein  zu  kleiner 
Spielraum  gestattete.  Sittl  S.  54  findet  im  letzten  System  der  sechsten 
nemeischen  Ode  die  Klage,  wie  schwer  es  sei,  eine  neue  Seite  poetischer 
Darstellung  zu  finden;  aber  wie  innig  ist,  was  der  Dichter  dort  sa^: 
»eine  Heerstrafse  von  Siegesruhmliedem  ist  hier  längst  gebaut,  auf  der 
nun  auch  ich  walle  -  und  doch  wie  wohl  thut  immer  wieder  jedes  neae 
Glficklc  Femer  pflegten,  sagt  Sittl  ebenda,  die  Dichter  ausdrücklich 
deshalb  ihre  Selbständigkeit  zu  rfihmen;  aber  was  liegt  anderes  in 
Stellen  wie  0  3,  4  oder  J  4,  57  als  die  herzliche  Freude  am  scb5neB 
Augenblick?  Ähnlich  0  9,  48  »alten  Wein,  aber  junge  Lieder!«  —  wo- 
rfiber  freilich  Sittl  sagt:  »Weil  es  um  so  schwerer  fiel,  gegen  eine  ältere 
ähnliche  Dichtung  aufkommen,  läfst  sich  Pindar  einmal  zu  der  Bitte 
herab,  man  möge  zwar  den  alten  Wein,  aber  die  Bifite  neuer  Lie4er 


Pindar.  5 

▼orzieheB,  weil  die  Leute  gegen  alles  Neue  Yornrteil  hegen.c    Anob  in 
der  Ode  auf  den  Adonis-Aias  (N  VIII)  ist  Vs.  20  nicht  an  dichterische 
Nenemngen,  sondern  an  die  recens  victoria  zu  denken;   ttbrigens  wie- 
der ein  Lied,  das  einer  gründlichen  zusammenhängenden  Durcharbeitung 
bedarf.    Ans  Handwerk  erinnert  der  Sittische  Ausdruck  S.  65,  der  Dich- 
ter müsse  neuartige  Gombinationen  von  Versmafsen  für  jedes  neue  Ge- 
dicht aussinnen.    Ferner  gehört  hierher  eine  Annahme,  wie  sie  für  P  II 
bereits  von  Mommsen,  Urlichs  und  Bergk  in  verschiedenen  Formen  vor- 
getragen ist,  und  die  nun  bei  Christ  S.  131  Anm.  6  wiederkehrt,  dafs 
einzelne,  besonders  persönlich  gehaltene  Strophen  wie  P  1,  84  -  100.  J 
2,  48—48  nur  dem  Sieger  vom  Dichter  überreicht,  nicht  vom  Chor  ge- 
sungen seien;  oder  S.  188,  dafs  J  IV  eine  Ergänzung  sei,  die  Pindar  an 
J  III  angefügt  habe,  als  der  Sieger  inzwischen  in  Nemea  siegte.    Mehrere 
Oden  also  sind  -  man  verzeihe  mir  den  Ausdruck  —  Flickwerk;  fakr- 
wohl,  poetische  Einheit  der  Dichtung!    Ganz  äufserlich  fafst  Sittl  S.  92 
die  Stellung  des  Mythus  in  der  Ode  (verwunderlich  speciell  den  von  P 
XI):  der  Mythus  ist  für  ihn  lediglich  eine  »selbstverständliche  Zugabe«. 
Der  Schlufs  von  N  VII ,  dessen  tiefernsten  Sinn  Referent  im  Philol.  46, 
61 2  f.  nachgewiesen  zu  haben  glaubt,  ist  für  Sittl  S.  94  ein  Spott  gegen 
phantasiearme  Wiederholer.    Freilich  zustimmen  mufs  ich  dem,  was  SitU 
S.  96  über  die  meisten  Versuche,  die  poetische  Einheit  nachzuweisen, 
sagt,  es  komme  dabei  nicht  die  Poesie  oder  auch  nur  die  Forderung  des 
Festes  zu  ihrem  Recht;  indessen  es  sind  ebendieselben  Forderungen  der 
Poesie  und  die  Ansprüche  der  festlichen  Gelegenheit,  denen  gerade  Sittl 
und  Christ  mit  ihrer  nüchtern -äufserlichen  Auffassung  der  pindarischen 
Kunst  vielfach  widerstreiten.    Soll  man  sich  wirklich  mit  Sittl  bei  Boüeaus 
Wendung  »un  beau  d^sordre«  beruhigen?    Findet  Christ  S.  135  die  Zu- 
sammenstellung des  Proömiums  mit  dem  Säulenportal  des  Saales  in  0  VI 
(so  die  gewöhnliche  Deutung  und  auch  Sittl  S-  96)  »wahrlich  grofsartig«, 
so  wird  es  dagegen  dem  Referenten  erlaubt  sein,  auf  seine  Ausführungen 
im  Philol.  N.  F.  I  593  ff.  zu  verweisen.     Der   Einheit   des   Kunstwerks 
widerstreitet  ferner  die  Annahme  Sittls  S.  57  Anm.  5  (nach  Thiersch), 
manches  Lied  sei  zugleich  ein  Wettgesang;  so  prosaisch  vernichtet  man 
den  Glanz  der  Bilder  P  1,  45.  N  4,  37  f.  9,  64  f.     Ebendahin  gehört  so- 
dann die  von  Sittl  S.  88  bejahte  Frage,  ob  einzelne  Lieder  zu  späteren 
Wiederholungsfesten  und  ähnlichen  post-festum- Gelegenheiten  gedichtet 
seien;  SitÜ  meint  P  III,  N  IX,  J  II,  P  XI,  0  IX  und  P  V  ins  Feld  füh- 
ren zu  dürfen,  und  Christ  No.  S.  884  nennt  0  III  eine  Ode  zur  »Erinne- 
rungsfeierc ,  während  er  sie  doch  in  dasselbe  Jahr  des  Sieges  setzt  wie 
O  II.     Weiterhin   das   persönliche  Gekläff  Pindars   gegen   die  Rivalen 
(Sittl  S.  66,  Christ  S.  122  und  124),  vor  allem  die  »verschleierten  An^ 
griffe  auf  den  intriganten  Bakchylides« ;  Anspielungen,  welche  Bury  No.  12 
um  zwei  neue  Belege  aus  K  VII  und  III  hat  vermehren  wollen,  nämlich 
IMu/fuXdxae  =  Bakchylides  und  xpaydrat  =  rivals  associated  with  the  city 


6  Pindar. 

of  Agrigentnm,  beides  als  Wortspiele!  Schon  F.  A.  Wolf  hat  seine  Be- 
denken gegen  solche  Polemik  geänfsert,  und  bei  sorgsamer  Erwägung 
hält  nicht  eine  Stelle  Stich;  vgl.  z.  B.  ttber  die  »neidische  Cliqne  in 
Aeginac  (Christ  No.  5  S.  41)  meinen  Anfsatz  im  Philol.  45,  696  ff.  End- 
lich die  angebliche  Erwähnung  des  Dichterhonorars  in  den  Liedern,  Sittl 
8.  84  und  Christ  S.  123  und  131  Anm.  5:  »Pindar  appellierte  ohne  Zie- 
rerei bezflglich  der  Höhe  desselben  an  die  Freigebigkeit  des  Bestellers 
P  1,  90.  J  1,  1  — 13t.  Sind  das  zutreffende  Belege?  oder  kann  der  Ver- 
gleich mit  Bildsäulen  N  6,  1.  4,  81  dafür  einen  Beweis  abgeben?  Über 
P  11,  41  habe  ich  im  Philol.  N.  F.  lY  Heft  3  gehandelt. 

Bisher  sind  Beispiele  erwähnt,  die  mehr  oder  minder  zur  poeti- 
schen Technik  gehören.  Aber  auch  auf  das  ethische  Gebiet  erstreckt 
sich  die  beregte  äuTserlich-nflchteme  Auffassung.  Wenn  Sittl  S.  74  sagt, 
Pindar  achte  den  selfinade-Mann  nicht,  so  verweise  ich  auf  Croiset's 
(No.  1)  viel  tiefere  Fassung  der  ^ud.  Wenn  er  S.  75  bei  Pindar  öfters 
z.  B.  P  8,  1.  11,  55.  0  4,  14  die  Parole  »Ruhe  ist  die  erste  Bürgerpflicht« 
vorfindet,  so  vergleiche  man  meine  Abhandlungen  über  P.  8  und  11  im 
Philol.  N.  F.  lY.  N  1,  31  lehrt  (gegen  Sittl  S.  70)  nichts  über  Pindars  Ver- 
mögenslage ,  und  das  äginetische  Konsulat  N  7,  65  steht  auf  unsicheren 
Fttfsen  (Philol.  45,  608). 

Endlich  betreffs  politischer  Anspielungen  verweise  ich  auf  Christa 
Geständnis  unter  Nr.  5  S.  32f.:  »Mag  auch  die  echte  Poesie  sich  an  das 
ewig  Geltende,  den  Schranken  der  Zeit  Entrückte  wenden,  ein  Dichter 
von  Siegesliedern  wie  Pindar  mufste  auf  den  bestimmten 
Anlafs  Rücksicht  nehmen  und  dem  Ehrgeiz  des  Siegers  zulieb  man- 
ches ausschmücken,  was  uns  jetzt  frostig  und  langweilig  erscheintc,  — 
und  setze  Goethe's  Äufserung  daneben  (D.  u.  W.  X):  »Das  Gelegen- 
heitsgedicht, die  erste  und  echteste  aller  Dichtarten,  ward 
[in  meiner  Jugend]  verächtlich  auf  einen  Grad,  dafs  die  Nation  noch 
jetzt  nicht  zu  einem  Begriff  des  hohen  Wertes  derselben  gelangen  kann, 
nnd  ein  Poet  . . .  erschien  in  der  Welt  auf  die  traurigste  Weise  sub- 
ordiniert, als  Spafsmacher  und  Schmarutzer  u.  s.  w.c 

Über  Sittls  Chronologie  der  sicilischen  Oden  (S.  7lf.)  siehe  unten 
bei  Christ  No.  4  t  Von  Interesse  endlich  ist  Sittls  Urteil  S.  98  Anm.  6, 
die  Nomostheorie  habe  alles  gegen  sich,  und  Christs  Bemerkung  über 
Eurythmie  S.  186,  das  Rechte  sei  noch  nicht  gefunden. 

4)  W.  V.  Christ,  Der  Ätna  in  der  griechischen  Poesie.    Sitzungs- 
berichte der  bayerischen  Akademie  d.W.    1888.    S.  349-398.   8. 

5)  Derselbe,  Zur  Chronologie  pindarischer  Siegesgesänge.   Ebenda 
1889.    S.  1—64.   8. 

Ob  der  in  P  1  besungene  Ätna- Ausbruch  auf  Ol.  75,  2  (Marmor 
Parium)  oder  Frttlyahr  475  (Thukydides)  zu  setzen  ist,  sowie  ob  Pindar 


Piodar.  7 

den  Prometheos  des  Aeschylns  vor  Angen  gehabt  hat  oder  umgekehrt^ 
wagt  Christ  nicht  zn  entscheiden.  Die  ersten  drei  olympischen  Oden 
gehören  nach  Christ  in  Ol.  77,  1 ;  die  Pythiadenära  Ol.  48,  3  wird  fest- 
gehalten, eingehend  über  P  8  und  1 1  gehandelt.  Hinsichtlich  politischer 
Anspielungen  in  den  Oden  ist  Christ  ziemlich  znrttckhaltend,  weniger 
dagegen  mit  dem  Versuch,  die  Übereinstimmung  einzelner  Wendungen 
fttr  Gleichzeitigkeit  der  Oden  zu  verwerten. 

Was  ich  ttber  diese  verschiedenen  Punkte  in  meiner  Recension 
(Berl.  philol.  Wochenschrift  1890  S.  365 — 367)  vorgebracht  habe,  will  ich 
hier  nicht  wiederholen.  Inzwischen  habe  ich  über  die  Pythiadenära  (Ol. 
49,  3)  und  ttber  P  8  und  1 1  eingehend  im  Philologus  N.  F.  lY  gehandelt, 
nnd  es  erscheint  mir  in  diesen  Jahresberichten  behufs  Anbahnung  eines  ge- 
meinsamen Verständnisses  bezw.  behufs  Förderung  fortschreitender  neuer 
Untersuchungen  nunmehr  von  Wichtigkeit  zu  sein,  die  beiderseits  einge- 
nommenen Positionen  zu  kennzeichnen,  die  freilich  recht  weit  von  ein- 
ander liegen. 

Gewifs  hat  Christ  S.  9  Recht,  wenn  er  sagt,  dafs  Pindar  an  plasti- 
scher Anschaulichkeit  alle  anderen  Dichter  des  Altertums  übertrifft  (wenn 
nur  seine  Ausleger  stets  dieser  Plastik  gerecht  würden!).  Vergleiche 
die  andere  Stelle  bei  Christ  S.  366:  »Darüber  läfst  sich  leicht  Überein- 
stimmung erzielen,  dafs  in  der  Kunst  der  Schilderung  dem  Pindar  die 
Palme  (vor  Aischylos)  gebühre;  Pindar  schildert  ungleich  anschaulicher 
mit  lebhafteren  Farben  und  in  grofsartigeren  Bildern  die  gewaltige  Natur- 
erscheinung selbst,  die  imposante  Landschaft  des  schneebedeckten,  mit 
schwarzen  Kieferwäldem  bewachsenen  Berges  Ätna,  die  aus  dem  Krater 
aufsteigenden  Rauchwolken,  die  in  dunkler  Nacht  unter  gewaltigem 
Prasseln  in  das  Meer  geworfenen  Felsblöcke.  ■  Aber  nun  ist  sofort  be- 
treffs P  8  die  Vermutung  entwickelt,  die  Zeitverhältnisse  hätten  zur  Er- 
richtung eines  Tempels  oder  Altars  der  Hesychia  geführt  und  ihre  Statue 
hielt  einen  Schlüssel  in  der  Hand.  (Folgerecht  könnte  diese  Vermutung, 
um  eine  andere  Schwierigkeit  zu  beseitigen,  dahin  ergänzt  werden,  dafs 
sie  den  SchlQssel  hoch  [uTtepTdra^]  getragen  habe.)  Sie  sei  es,  die  »zu- 
nächst innere  Kämpfet  in  Ägina  zur  Ruhe  gebracht  habe.  Dagegen  für 
den  Referenten  a.  a.  0.  ist  fyTuj^ta  (ätxa^  ^uyaT^p  bntprdrao)  lediglich  ein 
ethischer  Begriff,  und  ich  hoffe  ebenfalls  gewifs  Recht  zuhaben,  wenn 
ich  sage,  dafs  Pindar  an  ethischer  Tiefe  alle  anderen  Dichter  des  Alter- 
tums übertrifft  (wenn  nur  nicht  manche  Ausleger  soviel  Plattheiten  hin- 
eindeuteten —  von  denen  Christ  einmal  recht  hart  folgende  Worte  ge- 
braucht (S.  883):  »das  können  nur  diejenigen  glauben,  welche  sich  in 
der  Verkleinerung  der  Grörsen  des  Altertums  gefallen  und  den  erhabenen 
Sänger  der  sittlichen  Weltordnung  nicht  blos  für  einen  servilen  und 
achselträgerischen,  sondern  auch  taktlosen  und  unklugen  Menschen  aus- 
geben wollen«).  Pindars  ^uj^ta  ist  seelische  Gefafstheit,  die  wunderbare 
Ruhe  eines  kraftvoll  harmonischen  Charakters,  in  den  Höhen  und  in  den 


S  Plndar. 

Tiefen  des  Lebens  erprobt  Wohl  prägt  skli  darin  zugleich  der  Sehmers 
um  den  Jammer  der  geknechteten  Insel,  aber  keineswegs  eine  politische 
(antidemokratische)  Parteitendenz  aus.  Findet  Christ  im  Schlnsse  des 
ersten  Systems  noiqi  re  Ikxpvaa/St  J<uptec  re  xatfiqt  die  Sympathie  mit 
der  Sache  der  Dorier  ausgedrückt,  so  liegt  ftr  mich  darin  eine  Hindea- 
tung  auf  apollinische  Lebensharmonie  und  dorisches  Kraftbewufstsein. 
Im  Mythus  selbst  sucht  Christ  keine  politische  Anspielung,  ein  Beweis 
für  die  mabYoUe  Nüchternheit  dieses  Gelehrten  im  Gegensatz  zu  vielen 
anderen.  Dagegen  kann  ich  nicht  beistimmen,  wenn  Christ  meint,  aus 
der  letzten  Epode  trete  uns  Pindar  als  schwermütiger  und  ruhebedürfti- 
ger Greis  vor  die  Augen;  vielmehr  ich  denke,  er  hat  sich  bis  ins  höchste 
Alter  und  unter  allem  Lebensernst  dennoch  die  volle  frische  Freude  am 
schönen  Augenblick  des  Glücks  bewahrt  Endlich  ist  zu  erwähnen,  dab 
Christ  schwerlich  Beistimmung  finden  wird  mit  der  Aufstellung,  der 
Dichter  habe  auch  nach  der  Unterwerfung  von  466  Ägina  »freiv  nennen 
können;  aber  was  braucht  denn  in  den  betreffenden  Schlufsworten  der 
Ode  anderes  zu  liegen  als  die  Bitte  um  Freiheit  und  das  Verlangen  nach 
Freiheit,  zumal  unter  den  günstigeren  Constellationen  10  Jahre  nach  der 
Unterwerfung  446,  wohin  das  Lied  auf  Grund  der  Pythiaden-Aera  Ol.  49,  3 
meines  Erachtens  gehört? 

Für  P  11  versucht  Christ  den  Nachweis,  dafs  dies  Lied  nicht  mit 
der  Überlieferung  in  das  Jahr  478  bezw.  richtiger  474,  sondern  468  ge- 
höre. Erster  Grund:  nur  so  lassen  sich  die  drei  Siege  (vs.  14)  aus  den 
vss.  46  ff.  gewinnen.  Demgegenüber  glaubt  Referent  a.  0.  den  erforder- 
lichen Nachweis  geführt  zu  haben,  speciell  aber  habe  ich  darauf  hinge- 
wiesen, dafs  man  bisher  die  handschriftliche  Überlieferung  von  vs.  47 
^OAufATtif  T  willkürlich  verlassen  hat  Überdies  kommt  Christ,  um  seine 
Ansicht  zu  halten,  nicht  um  die  weitere  Vermutung  weg,  dafs  zu  Pin- 
dars  Zeit  der  dtdo^s  ohne  Waffen  gekämpft  sei.  Zweiter  Grund:  für 
einen  jugendlichen  Sieger  passe  der  ernste  Ton  nicht,  nämlich  »die  Auf- 
forderung zur  bürgerfreundlichen,  der  Förderung  des  Gemeinwesens  zu- 
gewandten Tugend  vs.  54,  die  Warnung  vor  oligarchischen  tyrannischen 
Gelüsten  vs.  53,  der  Hinweis  auf  den  guten  Namen  als  schönsten  Besitz« 
den  der  Mann  am  Ziele  des  schwarzen  Todes  den  Seinen  hinterlassen 
könne  vs.  56  fc  Dagegen  versteht  Referent  unter  (wo}  dperai  Siege  in 
Kampfspielen  und  findet  in  ^iiikipopL  ataav  rupawiSwv  eine  Wertschätzung 
des  Bürgerlebens  im  Gegensatz  zu  der  Herrscherkrone  (z.  B.  eines  Aga- 
memnon); die  Worte  vom  Tode  und  der  Hinterlassenschaft  beziehe  ich 
auf  den  Vater  des  Siegers.  Dritter  Grund:  Nur  aus  der  Waffenbrüder- 
schaft zwischen  Theben  und  Sparta  von  458  erkläre  sich  der  »fast  mit 
den  Haaren  herbeigezogene  Hinweis  auf  Lakonienc  vs.  16,  die  ganze 
»weitläufige  Digressionc  vs.  15 — 87,  der  »in  gesuchter,  schwerflieÜBender 
Sprache«  vorgebrachte,  »nicht  aus  voller  Empfindung  herausgequollene«, 
bei  einem  Laufsiege  »hinkende«  Preis  des  Jolaos,  Kastor  und  Polydenkea 


Plodar.  8 

¥8.  69  £  (Auf  dieselbe  Waffenbrüderschaft  deutet  Christ  S.  55  anch  N 
11,  88 ff.,  wie  er  denn  trotz  seiner  sonstigen  ZnrAckhaltung  gegen  poli- 
tische Anspielungen  den  Dichter  8.  362  >znm  Dolmetsch  der  politischen 
Anschauungen  des  Hieron  sich  hergebenc  läfst.)  Ich  habe  dies  alles 
durch  Parallelisierung  des  Agamemnonmythus  mit  den  Geschicken  des 
Siegers  und  seines  Vaters  aufzuhellen  mich  bemttht;  freilich  Spuren  der 
»gesuchten,  schwerfliefsenden  Sprächet  kann  ich  nicht  entdecken,  und 
AaMQtwg  andererseits  dürfte,  wenn  Oberhaupt  ein  besonderer  Nachdruck 
darauf  liegt,  den  Orestes -Thrasydaios  von  vorn  herein  als  einen  jung 
in  die  Fremde  verstofsenen  bezeichnen.  Vierter  Grund:  die  Priorität 
der  Oresteia  des  Aeschylus,  —  welche  nachzuweisen  Christ  nicht  gelun- 
gen ist.  Dabei  kommen  unter  anderem  zwei  Sätze  vor,  die  ich  nicht 
unterschreiben  kann:  1)  »Pindar  wird  sich  als  erzählender  Lyriker  we- 
niger als  der  Dramatiker  Aischylos  an  der  Unwahrscheinlichkeit  ge- 
stofsen  haben,  dafs  ein  zwölQähriger  Knabe  durch  seine  Amme  der 
Metzelei  im  Königspalast  entzogen  wirdc ;  2)  »der  Dichter  gestattete  sich, 
die  Amme  zur  ^Apaofoa ,  »Frommsinnigenc  umzutaufen  und  hielt  sich  so 
halbwegs  in  den  Wegen  seines  attischen  Bivalent  (ich  habe  a.  a.  0.  das 
A4jektiv  dprivoa  verteidigt). 

Ich  komme  endlich  auf  die  Chronologie  der  sicilischen  Oden.  Fttr 
Sittl  No.  2  8.  71  f.  verläuft  das  Verhältnis  zu  Hieron  so:  (OL  76,  3 
Gelon  t),  Ol.  75,  4  Anknüpfung  mit  Hieron  durch  P  11  gelegentlich  eines 
thebanischen  Herakleensieges,  Ol.  75,  1  persönlich  0  I  in  Sicilien,  aber 
schwerlich  lange  Zeit  im  Königlichen  Palast.  Zweite  Reise  (NB!)  nach 
Sicilien  474/8:  P  III  und  bald  (Ol.  76,  8)  P  I.  Fraglich  sind  N  I  und 
IX;  0  VI  ist  vielleicht  Ol.  77,  1  aus  Theben  nach  Stymphalos  gesandt; 
seitdem  Schweigen,  Ol.  78,  1  Erkaltung  [?]  (Ol.  78,  2  Hieron  f).  -  Aus 
Christ 8  angehängten  Zeittafeln  notiere  ich  kurz:  Ol.  76,  8  Gelon  f, 
OL  75,  4  P  II  auf  einen  thebanischen  Sieg,  Ol.  76,  2  P  III  überschickt, 
Ol.  76,  8  P  I  und  N  IX,  Ol.  76,  4  N  I,  Ol.  77.  1  0  1.  0.  III.  XII,  nach 
Ol.  77,  1  J  II,  also  Aufenthalt  in  Sicilien  Ol.  76,  8  bis  etwa  Ol.  77,  3; 
erst  nach  der  Rückkehr  0  VI  Ol.  78,  1  für  den  Syrakusier  Agesias.  — 
Referent:  Ol.  75,  8  Gelon  f,  (Ol.  76,  1  in  Orchomenos  0  XIV,  OL  76,  8 
in  Theben,  Athen,  Kyrene  P  XI.  VII.  IX),  OL  76,  8  Spätsommer  Schlacht 
bei  Kyme,  Ol.  77,  1  Ol.  IIL  II.  N  IX.  Theron  f  und  Untergang  des 
Thrasydaios,  OL  77,  2  P  II.  J  H.  N  I,  OL  77,  8  P  I  und  III.  0  XII,  also 
Aufenthalt  in  SicOien  OL  77,  1  bis  77,  3,  dann  OL  78,  l  Sieges-  und  Ab- 
schiedsfest des  Agesias  in  Stymphalos  0  VI,  OL  78,  2  Hieron  f  (OL  78, 
2  ?  N  VII  auf  Aegina,  OL  79,  1  in  Corinth  0  XIII  und  Rhodus  0  VII). 
Dazu  die  Frage :  zu  welchen  Festfeiern  hat  Pindar  von  Sicilien  aus  die 
Reise  unternommen?  Meine  Datierung  von  P  II  und  ill  mufs  ich  ander- 
wärts ausführlicher  begründen. 


10  Plndar. 

6)  Gerrato,  La  tecnica  composizione  delle  Odi  Pindariche.    Oe- 
nova  1888.     142  S.    8. 

Der  erste  Teil  (S.  1  —  95)  giebt  eine  Übersicht  über  die  Aasgaben 
and  Auslegungen  vom  Altertum  bis  auf  die  Gegenwart,  einschliefslich 
der  Nomostheorie.  Der  zweite  Teil  beschränkt  sich  auf  S.  96 — 136. 
Davon  enthalten  S.  102 — 109  eine  Aufzählung  der  in  den  Oden  vor- 
kommenden Mythen,  S.  116—134  eine  Zusammenstellung  ttber  den  Inhalt 
der  olympischen  Oden.  8.  96 — 102  wird  festgestellt,  dafs  in  den  Oden 
ein  Lob  des  Siegers,  die  Erwähnung  des  Kampfes  u.  s.  w.,  Erinnerung 
an  Götter  oder  Heroen,  viertens  allgemeine  Sätze  u.  s.  w.  Platz  haben; 
8.  109 — 114  Einiges  Aber  Lokalmythen,  Familienmythen,  agonistische 
Mythen,  exemplificierende  Mythen;  8.  135,  dafs  jede  Ode  mit  Mythus 
dreiteilig  ist. 

Recensionen:  Rivista  XYII,  409 — 412;  Rev.  critique  1889  S.  97 
von  Groiset;  Wochenschr.  f.  kl.  Philol.  VI,  1107— 11 10  v.  Gr[usius]. 

7)  Grusius,  Über  die  Nomosfrage.    In:  Verhandlungen  der  39. 
PhOologen- Versammlung  S.  258—275. 

Knüpft  an  die  Recensionen  Lflbbertscher  Schriften  in  der  Wochen- 
schrift f.  kl.  Phil.  II  1293  ff.  IV  1887;  sucht  Lübberts  »farchtlos-stand- 
haftesc  Eintreten  ftr  die  Nomostheorie  wenigstens  stttckweis  zu  vertei- 
digen. Hauptsächlich  wird  über  Kallimachos  gehandelt;  betreffs  Ste- 
sichorus,  Terpander  fr.  1  und  Pindar  P  7,  2  siehe  Graf  und  Immisch  (in 
diesem  Bericht  No.  8  und  9).  Über  Pindar  ist  der  Verfasser  —  offen- 
bar wegen  der  Ktlrze  der  für  den  Vortrag  angesetzten  Zeit  —  rasch 
hinweg  gegangen;  nur  8.  271  f.  gehört  unmittelbar  hierher.  Grusius  sta- 
tuiert in  den  Oden  »verhältnismäfsig  oftc  ein  3  teiliges  Schema —  wozu 
es  der  Nomostheorie  nicht  bedarf;  »ziemliche  vollständig  findet  er  den 
Nomos  in  »etwa  sechst  Epinikien;  vor  allem  aber  glaubt  er  zwei  wich- 
tige Verwandtschaftsglieder  zwischen  Nomos  und  Ode  nachweisen  za 
können:  1)  »ein  der  afppayiQ  völlig  entsprechendes  Stück«,  in  welchem 
»Pindar  sich  über  seine  Kunst  äufsert  oder  mit  seinen  Widersachern 
abrechnet«;  2)  »die  Thatsache,  dafs  der  einleitende  Teil  oft  in  zwei,  mit 
einem  Anruf  beginnende,  glänzende  Bilder  zerfällt«.  Belege  giebt  Gru- 
sius zu  1);  betreffs  der  »Widersacher«  siehe  meine  Bemerkungen  zu  No. 
2  und  3  dieses  Berichtes,  dagegen  finde  ich  eine  Wendung  persönlicher 
Art  wie  sie  bisweilen  nach  dem  mythischen  Teil  als  Überleitung  zur 
Wirklichkeit  auftritt,  sehr  natürlich  und  auch  ohne  Nomostheorie  nahe- 
liegend. 

8)  Graf,  Die  <i^;^a  Terpanders.    Rhein.  Mus.  Band  44  S.  469—471. 

Handelt  teils  über  Tipootiitov  bei  Stesichorus  fr.  46  und  Pindar  P 
7,  2;  teils  über  dp^d  bei  Terpander  fr.  1  Bgk. 

Wenn  Grusius  Wochenschr.  f  kl.  Phil.  1887  8.  1385  die  Worte  des 


PlDdar.  1 1 

Stesichorus  auf  den  ersten  Doppelten  eines  nomenartigen  Gedichts  be- 
zieht, fragt  Graf  mit  Recht:  •Sollte  Stesichorus  *  wirklich  eine  solche 
trockene  technische  Dispositionsangabe  im  Gedicht  gemacht  haben?c 
Yiehnehr  gemeint  ist  gar  nicht  der  technische  Ausdruck,  sondern  »An- 
fang«, wie  auch  Terpanders  Fragment  lediglich  eine  Umschreibung  von 
>ix  dtb^  dp^wfutrßa*  ist.  nifinw  bei  Terpander  ist  =  darbringen,  opfern, 
cf.  Theogn.  777,  Aesch.  Pers.  918  K.,  Bergk  PLGr.  III*  679f.,  Eur.  Iph. 
T.  171.  Auch  kann  vom  vö/ioc  SpBto^  bei  fr.  1  nicht  die  Rede  sein,  weil 
dieser  metrisch  sich  nicht  vom  Epos  unterschied. 

9)  Immisch,  Zur  Geschichte  der  griechischen  Lyrik.  Ebenda 
S.  653-567 

behandelt  1)  die  dpäfiara  rpaytxd^  indem  er  im  Anschlufs  an  Hiller  (vo- 
riger Jahresbericht  No.  1)  den  Zweck  und  das  Wesen  dieser  Interpola- 
tion klarzulegen  versucht;  2)  den  Namen  axoXtd  und  specicll  Terpander 
fr.  1.    Doch  fällt  dieser  Aufsatz  dem  Referenten  Aber  griechische  Lyrik  zu. 

10)  Czerner,  De  difficultatibus  quibusdam  in  Pindari  carminibus 
explicandis.    Programm  Gleiwitz  1889.     12  S.   8^ 

Zuerst  versucht  sich  der  Verfasser  an  der  Frage,  warum  Pindar 
bisweilen  die  (angeblich  ältere)  monostrophische  Form  gewählt  habe. 
Dies  Warum?  kann  er  nicht  angeben,  macht  aber  über  N  2.  N  9.  J  7 
(8)  einige  Anmerkungen :  es  hätten  sich  wohl  die  Strophen  untereinander 
(antistrophisch)  entsprochen,  indem  in  N  2  und  N  9  die  erste  Strophe 
wohl  vor  Beginn  des  Tanzes  gesungen,  in  J  7  aber  die  letzte  als  impBixoy 
behandelt  sei.  Betreffs  N  9  wird  eine  längere  Polemik  gegen  L.  Schmidt 
und  Dissen  geführt  und  die  Meinung  vorgetragen,  das  Lied  sei  nach  dem 
Opfer  am  ApoUon-Altar  gesungen,  vor  dem  Marsch  zum  Gastmahl. 

Betreffs  der  Mythen  (S.  8— 12)  stellt  sich  Czerner  auf  Dissens 
Seite  und  sieht  darin  allgemeine  Wahrheiten  gelehrt  und  verdeutlicht, 
was  er  wiederum  an  N  9  zu  exemplificieren  versucht. 

11)  IlivSdpou  rä  awZofitva  fierä  fierat/^päaewv,  (n^futanreußv  xae 
mvoLxoff  rwv  Xd^eiov  e/c  röfioü^  e\  und  K.  KXedvBouc.  Triest  1886 
—  1887.     Xa    466;  B\  617;  ly',  371;  $\  317;  340  S.    8. 

Vergleiche  Jahresberichte  1888.  I.  S.  29  und  Berliner  Philol. 
Wochenschr.  1890  S.  367. 

12)  The  Nemean  Ödes  of  Pindar,  ed.  by  Bury.  London  1890. 
LXI  und  272  S.   d^. 

Belege  aus  dieser  irischen  Auslegung  der  räthselbaften  »Wortspiel- 
Echo-Poesiec  Pindars  sowie  Einiges  über  die  Künsteleien,  welche  der 
Herausgeber  dem  Pindar  zutraut,  findet  man  in  meiner  Recension  Berl. 


12  Piadar. 

Philol.  Wochensclir.  1891.   Wer  die  Theorie  des  Herausgebers  ei 
der  verstehen  will,  lese 

13)  Bnry,  Paronomasia  in  Pindar.    In:  Hermath.  XIII  185—208. 

14)  E.  Bohde,  Psyche.  Seelencnlt  und  Unsterblichkeitsglanbe 
der  Griechen.    Erste  Hälfte.    Freibnrg  1890. 

Auf  dieses  interessante  Werk  sei  ans  mehreren  Grttnden  hier  hin- 
gewiesen. Speciell  sei  aufmerksam  gemacht  auf  die  Bemerkungen  über 
Ämphiaraos  S.  106  f.  und  Kaineus  S.  108,  sodann  Ober  den  Heroenglan- 
ben  der  Griechen  S.  138ff.,  Aber  das  lyrische  Zeitalter  mit  seinem  Indi- 
vidualismus und  seiner  Religiosität  S.  188,  auf  die  Benennung  der  Ab- 
geschiedenen als  ^pioe^  speciell  in  Böotien  S.  234  und  die  Förderung 
der  Totenverehrung  durch  das  delphische  Orakel  S.  236 ,  endlich  Ober 
die  Vorstellungen  vom  Leben  im  Jenseits  S.  284  f. 

Ob  Rohde  angesichts  meines  Aufsatzes  über  P  8  (Philol.  N,  F.  IV) 
seine  Auffassung  der  Stelle  über  das  (angebliche)  Heroenorakel  des  Al- 
kmäon  S.  177  und  185,  sowie  angesichts  meiner  Behandlung  von  P  11 
(Philol.  N.  F.  IV )  die  Notiz  über  die  »Marterscenen  auf  etrurischen 
Unterweltsbilderuf  S.  293  u.  Anm.  3)  aufrecht  erhalten  wird?  Und  was 
er  über  meine  einschlägige  Deutung  von  N  7  (Philol.  46,  596  ff.)  denkt? 

15)  Perathoner,  Die  Melodie  der  Sprache  in  den  Gesingen  Pin- 
dars.  Programm  des  zweiten  deutschen  Obergymnasiums  zu  Brttan 
1888.     23  S.    8^. 

Onomatopoetisches.  •—  Einleitend  über  die  Musik  in  der  Sprache 
Homers :  >es  erklingen  in  Dur-  und  Moll- Akkorden  sowohl  die  Töne  der 
Natur  als  auch  die  Schwingungen  selbst  der  zartesten  Saiten  des  Her- 
zens, bald  hell  und  rein,  bald  dumpf  und  düster,  bald  mächtig  ergreifend 
wie  Orgelton  und  Glockenklang,  bald  sanft  anwehend  wie  Harfenspiel 
und  Flötenschallc.  In  dem  vorliegenden  Programm  will  Verf.  sich  auf 
die  iphysischen  Affektec  beschränken,  die  dann  auch  bis  ins  Kleinste 
analysiert  werden. 

Um  vor  solchen  Versuchen  zu  warnen,  sei  das  letzte  Stück  aus- 
zugsweis  vorgeführt.  »Tonmalerei  der  Ätna-Eruption  Pl,  21fr. 
rac  ipiuyovrat  bis  vs.  28  xevret:  tosende  Lavaströme  und  kollernde  Fels- 
stttcke,  gemalt  durch  n  ;r  tt  in  vs.  21f.  und  24;  die  Luftströmung  an  der 
Kratermündung,  gemalt  durch  den  dreimal  alliterierenden  Blase-  und 
Schlürf  laut  ^;  Lava  und  Felsstücke  stürzen  emporgeschlendert  in  die 
Tiefe,  daher  r  und  ^\  sie  brechen  stofsweis  hervor,  daher  der  RoU-Laat; 
die  Eruption  wiederholt  sich,  denn  die  bezeichnenden  Lautverbindungen 
kehren  wieder;  das  dumpfe  Getöse  hallt  weithin,  daher  a  o  w  oi  und 
besonders  drei  oo\  das  ip€uyea$ai^  gemalt  durch  die  sechs  Kehllaute  ys. 
21  und  die  x  in  vs.  27,  wo  überdies  ;if(^tftfoi0a  effektvoU  ist;  aber  am 


berrliehsten  ist  die  Lautgrnppe  nXdxa  aöv  naTä/fp  mit  n^  nXa^  dem  Kehl- 
laate,  mit  a  a  a  und  dem  volltönenden  Aasklang  ^.c  —  Der  angekün- 
digte Schlufs  (Programm  1889)  ist  mir  noch  nicht  zugekommen. 

16)  Rieder,  Zur  pindarischen  Theologie.    Fleckeisens  Jahrbücher 
1890,  S.  667-666 

onbedeatend. 

Über 

17)  Fraccaroli,  Alconi  luogfai 

berichtet  ausftüirlich  F[riedr.]  M[eeger]  im  Literarischen  Centralblatt 
1889,  S.  1776.  Ich  darf  mich  auf  diejenigen  Stellen  beschrftnken,  wo 
Fraccaroli  nach  Mezgers  Urteil  etwas  Richtiges  oder  Ansprechendes  vor- 
gebracht hat:  0  8y  8  dverae  medial  (cf.  P  2,  49).  P  7,  22  di  xal  rd  « 
tintpaytav  xaUt  ^6vov, 

18)  Aus  der  Anomia.    Archaeologische  Beiträge,  0.  Robert  darge- 
bracht   Berlin  1890. 

Darin:  Wentzel,  Ein  Pindarscholion  und  ein  philostratisches  Oe^ 
mftlde  [näraHch  schol.  P.  4,  246  und  Philostr.  2,  14]  und  Hiller  von 
Oaertringen,  Das  Königtum  bei  den  Thessalem  im  6.  und  5.  Jahrhundert 
[vgl.  P  X]. 

19)  Zielinski,  Apoll  bei  den  Hyperboreern.    Rh.  Mus.  38,  626. 

Betrifft  den  Mythus  von  P  X.  Verfasser  parallelisiert  richtig  die 
Hyperboreer  mit  den  Thessalern;  dagegen  ist  sein  Versuch,  den  vs.  86 
neu  zu  erklären,  verfehlt.  Während  sonst  an  die  Geilheit  der  Esel  ge- 
dacht wird,  hat  Mezger  richtig  »des  Getiers  sich  laut  gebahrenden  Über- 
mutc  übersetzt,  der  die  feierliche  Stille  stört  Was  können  nicht  Esel 
schreien!  Gildersleeve,  den  diese  Deutung  ansprach,  hat  eingewandt,  es 
stehe  Spwv  dabei.  Geschrei  sieht  man  freilich  nicht,  wohl  aber  sieht 
man  die  Unbändigkeit.  Jedenfalls  ist  die  Deutung  der  xvw8a^t  als  ivot 
durch  den  Zusammenhang  gesichert,  nach  Zielinski  aber  sollen  es  die 
Hyperboreer  als  schwerfällige  Tänzer  des  Hyporchems  sein.  Den  Begriff 
Hyporchem  gewinnt  er  aus  üßptv  dp^tav  durch  die  (blofse)  Annahme, 
dafs  der  terminus  ißp9eog  damals  wohl  überhaupt  =  creticus  (Hyporchem- 
takt)  gewesen  sei;  so  sei  ßßpt^  dpBfa  »ein  im  Vs-Takt  aufzuführender 
ausgelassener  Tanze 

20)  Hill  er.  Zu  Pindaros.    In  Fleckeisens  Jahrbüchern  Bd.  137, 
1888,  S.  446  f. 

P  6,  87  ff  wird  behandelt  Wohl  richtig  sieht  Hiller  bereits  den 
9e?oc  d¥^p  als  Subjekt  zu  drtdpupey  an  und  zieht  abrou  zu  inoc:  »nicht 
verachtete  Antilochus  den  Hilferuf  seines  Vaters,   so  dafs  derselbe  ein 


14  PfDdar. 

j^afiaenerkff  litoq  gewesen  wftre«.  —  Leider  sehe  ich  beüiiilg«  dats 
Hiller  die  YerlADgemog  kurzer  Endsilben  (Ol.  10,  99)  dnrch  den  metri- 
scben  Ictns  (Bergk  zu  P  8,  6)  billigt 

21)  Fraccaroli,  Le  dne  odi  di  Pindaro  per  Trasibolo.    Rivista 
di  filologia  XY  296—342 

ist  mir  nicht  zu  Gesicht  gekommen.  Da  indessen  J  II  in  mehreren 
Fragen  eine  wichtige  Rolle  zu  spielen  pflegt,  benutze  ich  die  Gelegen- 
heit, meine  Stellung  zu  dieser  Ode  zu  skizzieren. 

Fast  zwei  Jahrzehnte  sind  verflossen  seit  P  VI.  Theron  ist  Ol.  77, 1 
gestorben,  Thrasydäus  hat  seinen  Untergang  gefunden,  in  Akragas  ist 
die  Demokratie  zur  Herrschaft  gekommen.  Nun  stirbt  auch  Xenokrates; 
was  soll  aus  Thrasybulos  werden?  Nicht  zu  einer  sogenannten  i Wieder- 
holungsfeier«, sondern  als  Threnos  dichtet  Pindar  das  Lied;  diese  be- 
reits von  Diodorus  vertretene  Auffassung,  von  der  im  Scholion  berichtet 
wird,  hAtte  man  nicht  fallen  lassen  sollen.  -  »Lang  ist  es  her,  da  san- 
gen ot  ndhju  ^üne<:  ihre  Lieder,  c  Das  ist  der  Dichter  selbst  und  die 
Zeit  von  P  Yl.  Da  spielten  sie  im  Musenwagen  auf  der  Phorminx,  von 
Gold  i^^ptßaa^Totxiüv)  und  Ruhm  {xXuT§i)  umgeben.  (Ich  halte  die  Über- 
lieferung iv  de^ptff  fest  und  lese  inatCov  mit  Komma  nach  ^opiuy^i.) 
Wenn  sie  auf  einen  schönen  Jüngling  trafen  (auvayroiuvot)  —  natOrUch 
ist  Thrasybul  gemeint  — ,  dann  schössen  sie  leichthin  ihre  klangsfifsen 
Lieder  auf  den  Geliebten,  den  Aphrodites  Werberin,  die  lieblichste  Ju- 
gendreife  zierte,  {jivdcrr^p  und  fivdaretpa  werden,  wie  mir  scheint,  von 
Pindar  nur  plastisch  =  procus  gebraucht;  'A^poShac  ist  gen.  subjectivns 
und  wegen  eltBpovou  persönlich  zu  fassen,  nicht  abstract  als  amor.)  So 
klingt  aus  vergangener  Zeit  die  Erinnerung  und  erz&hlt  von  Gold  und 
Spiel,  von  Ruhm  und  leichtem  Leben,  von  frohem  Klang,  Schönheit, 
Liebe  und  Lieblichkeit.  Jetzt  (antistr.  a)  ist  es  anders:  jetzt  sind  die 
Freunde  und  der  Besitz  dahin,  und  das  böse  Geschick  macht  —  nahezu 
wenigstens  —  des  Argivers  Wort  »Geld  ist  der  Manne  zur  Wahrheit 
(Ich  erg&nze  die  Lücke  in  vs.  10  dnrch  )[pewv).  »Nahezuc  —  weil  Pin- 
dar jedenfalls  das  Wort  nicht  wahr  sein  läfst.  Wie  war  es  doch  schon 
in  jener  Zeit  des  Glücks  mit  seiner  Muse?  Sie  war  noch  nie  gewinn- 
süchtig oder  Lohnarbeiterin,  nicht  käuflich  waren  süfse  Lieder  bei 
Terpsichore  als  silberbelohnten  Hökerin.  (Liest  man  dpyüpwBBiaaQ 
npontoXa^  so  erhält  man  zugleich  die  metrisch  erforderliche  Länge).  Wie 
schrill  klingen  die  Töne  des  jetzigen  Daseins  ins  Ohr :  ^cXoxspdi^c^  ipT^- 
TIC  9  nipvvjpt^  dpyvpwBetaa^  nponwh^^^  ^peiov,  ^pi^para^  xredvwv  &a^ 
Aet^Belc  xal  ^iXwv,  Aber  ein  Freund  hat  den  Thrasybul  nicht  verlassen, 
der  Dichter;  Thrasybul  selbst  ist  ihm  geistesverwandt,  weil  er  auch  ein 
ao^o^  ist,  und  Pindar  ist  ihm  wohlbekannt.  (Lies  c^x  dyvwQ  dslBm  u.  s.  w.) 
So  versteht  denn  auch  Thrasybul,  warum  der  Dichter  gerade  jetzt  noch 
einmal  alle  die  herrlichen  Siege  preist,  den  isthmischen,  den  pythischen, 


Pindar.  15 

den  panatheiiiiscben:  die  Freadensonnenstrahlen  fallen  aafs  Leid.  (Ys. 
15  hat  Bergk  richtig  das  ttberflüssige  alnw  durch  aio)^  ersetzt;  ys.  16 
mflfste  doch  wohl  ni/nf/fev  stehn ;  vs.  22  lese  ich  r^  und  äitdaa^  ävea^.) 
Aber  wozu  jetzt  die  ebenso  lang  ausgesponnene  Geschichte  von  dem 
Wagenlenker  und  dessen  Wiedererkennung  und  Bewillkommnung  in  Elis, 
dem  »Heiligen  Lande  des  Olympischen  Zeuse  ?  Ich  denke,  das  alles  hat 
einen  tiefen  Sinn :  wenn  dies  dem  Wagenlenker  widerfuhr,  wie  wird  dann 
der  dahingeschiedene  sieggekrönte  und  gastliche  Xenokrates  selbst  von 
den  Herolden  des  Olympiers  jetzt  bewillkommnet  werden?  Zu  diesen  un- 
sterblichen Ehren  hat  aber  auch  Pindar  seinen  Teil  beigesteuert  (?8.  30 
bis  32),  und  das  ist  gut.  Gerade  jetzt  ist  es  gut;  denn  der  Lebensweg 
wird  dadurch  leichter,  wenn  man  (d.  i.  Thrasybulus)  darauf  mitnehmen 
kann  den  Musenpreis  ruhmreicher  Helden.  (Vs.  33  f.  werden  gewöhnlich 
ganz  anders  verstanden ;  vs.  37  doch  wohl  el^ev.)  Und  gerade  der  Heim- 
gegangene verdient  in  besonderem  Mafse  diesen  Preis  des  Liedes ;  wegen 
seiner  Stellung  zu  der  Stadtgemeinde,  zu  der  panhellenischen  Gemein- 
schaft, zu  den  Göttern,  zu  den  Gastfreunden.  Und  gerade  dies  Letztere, 
bereits  vs.  24  Erw&hnte  klingt  mit  Absicht  besonders  nachdrücklich 
wieder  durch:  »stets  die  Segel  gespannt  fhr  die  Freunde;  ob's  gute  Fahrt 
war  (v.  WiUamowitz  wohl  richtig  Hpeto^)  oder  Wintersturm,  er  that  fttr 
sie  das  Änfserstec  (=  0aat^  und  Netko^\  wohl  aus  Versehen  steht  bei 
Mommsen  vs.  42  der  Plural  dxrdg  im  Text).  Diese  Worte  giebt  einer- 
seits die  Dankbarkeit  Pindars  ein,  aber  zugleich  enthalten  sie,  wie  es 
scheint,  einen  bewillkommnenden  Grufs  an  Thrasybulus  von  Pindars 
^etvo^  ^dauoc  d.  i.  Hieron  (auf  Thrasybuls  Lage  pafst  der  Begriff  ^&äcoQ 
schwerlich,  da  er  an  Besitz  und  Alter  Pindar  nachsteht).  Jetzt,  wo  das 
Herz  der  Sterblichen,  d.  i.  Thrasybuls,  ängstliche  Befürchtungen  umschwe- 
ben, die  ihm  all  sein  Glück  nicht  gönnen  wollen,  gerade  jetzt  soll  er 
weder  seines  Vaters  herrliche  Gestalt  verschweigen  und  vergessen,  eben« 
sowenig  aber  Pindars  tröstendes  und  ehrendes  Lied,  sondern  soll  an 
beiden  sich  herzlich  freuen  und  von  beiden  fröhlich  mitteilend  reden, 
jedesmal  wenn  er  zu  Pindars  verehrtem  Gastfreunde  kommt.  (Ich  ändere 
vs.  44  mya  Täv  narptpav^  vs.  47  dXXä  statt  raura ,  und  verstehe  unter 
vtxdetrtnoQ  niemand  anders  als  den  Thrasybul  selbst,  den  Sieger  von 
P  VI,  woran  der  Eingang  des  Liedes  erinnerte,  wohin  das  Ende  zurück- 
kehrt) 

22)  Unger,  Frühlings  Anfang.    In  Fleckeisens  Jahrbb.  1890 
behandelt  S.  169  auch  Pindar  J  3  (4),  36;  ib.  vs.  7;  fr.  76. 

23)  Thoma,  Note  sur  un  passage  de  la  IV ^  Pythique  de  Pindare. 
In  Revue  de  Tinstruction  publique  en  Belgique  1888,  S.  177  f. 

P  4,  283  sei  zu  deuten:  il  refnse  ä  la  calomnie  le  concours  de  sa 
voix  brillante. 


16  Ffiidar. 

24)  E.  Bethe,  De  Pindari  cannine  quodam  bthiiiio  deperdito. 
In:  Oenethliacon  Gottingeiise  (1888),  p.  82 — 37. 

Yerf.  versncht  den  Inhalt  und  Zusammenhang  de^'enigen  isthmi- 
schen  Liedes  zn  ergänzen,  von  welchem  nns  das  fr.  5  Bg.  =  h.  l  Boeckh 
geblieben  ist.  Er  meint,  die  ganze  Sage  von  der  Ino  nnd  Melikertes 
sei  erzählt.  Aber  wo  ist  flberhanpt  ein  Anzeichen,  daCs  die  Ode  mit 
epischer  Ausführlichkeit  den  Mythus  vorgetragen  habe?  Wie  oft  nimmt 
Pindar  mit  einer  kurzen  Skizze  auf  Bekanntes  Bezug! 

26)  Hof  mann.  Die  in  einem  Fragmente  des  Dichters  Pindar  er- 
wähnte Sonnenfinsternis.  In:  Jahresbericht  über  das  Gymnasium  in 
Triest  1889,  S.  43-49. 

Während  Boeckh  expl.  S.  602  nach  Ideler  auf  Grund  der  Pingr^ 
sehen  Neubearbeitung  von  de  Liacaille,  L'Art  de  v^rifier  les  dates  die 
im  fr.  107  (74)  besungene  Sonnenfinsternis  auf  den  30.  April  463  (Ol.  79, 1) 
nachmittags  2  Uhr  ansetzt,  hat  Hofinann  nach  v.  Oppolzers  iGanon  der 
Finstemissec  sowie  nach  Oorrectionen  von  Ginzel  <üe  Rechnung  wieder- 
holt Er  findet  zwischen  600  und  460  n.  Chr.  zwei  fhr  Theben  nahezu 
totale  Sonnenfinsternisse:  1)  am  17.  Februar  478  (Ol.  76,  2)  gröfiste  Phase 
lOi'lO'  vormittags  11,8  Zoll;  2)  am  80.  April  463  (01.79,  1),  gröfste 
Phase  2^24' vormittags  11,1  Zoll.  Hofriann  entscheidet  sich  wegen  der 
in  vs.  11  ausgesprochenen  Befürchtung  von  Schneefall  und  Frost  fär  das 
Februardatum  und  somit  für  die  erste  Finsternis,  während  Boeckh  diese 
mit  Hinweis  auf  vs.  10  abgelehnt  hatte,  da  zur  Zeit  der  von  Herodot 
9,  10  erwähnten  Finsternis  (»circa  Ol.  76,  U)  der  Krieg  noch  im  Gaoge 
gewesen  sei.  Augenscheinlich  hat  Boeckh  hier  eine  ungenaue  Berechnung 
vor  Augen  und  ist  infolgedessen  im  Irrtum;  auch  dürfte  gegen  die  zweite 
Finsternis  anzuführen  sein,  dafs  doch  vermutlich  ihr  Eindruck,  ein  halbes 
Menschenaiter  nach  der  ersten,  nicht  so  gewaltig  gewesen  sein  mag, 
auch  dafs  der  Dichter  nicht  unterlassen  haben  würde  auf  die  statthabende 
Wiederholung  des  vor  16  Jahren  erlebten  Phänomens  ausdrücklich  hin- 
zuweisen. So  dürfen  wir  wohl  ziemlich  sicher  das  Fragment  auf  den 
17.  Februar  478  datieren.  Doch  ist  beiläufig  Hofmann  irrtümlich  der 
Meinung,  nach  den  Herausgebern  der  Epinikien  stamme  das  Fragment 
ans  einer  dem  Hiero  gewidmeten  Hymne. 

26)Hümmerich,  Die  Pindar-Handschriften  B  und  D  in  Nem  und 
Isthm. —  In:  commentationes  philologicae,  obtulerunt  sodales  seminarii 
philologici  Monacensis.    Monachii  1891,  S.  116—128. 

Diese  auf  die  Nemeen  und  Isthmien  beschränkte  Nebeneinander- 
stellung der  in  6  und  D  überlieferten  Lesarten  ändert  nichts  an  der 
bisherigen  Wertschätzung;  »die  letztere  Handschrift  ist  zwar  weniger 
genau  in  der  Copierung  alter  Varianten,  auch  weit  mehr  dureh  Schrei- 


Pindar.  17 

ber- Irrtümer  und  Nachlässigkeiten  entstellt,  aber  entbehren  kann  man 
sie  nichtf. 

Über  N  3,  75  spricht  der  Verfasser  eingehender.  Ihm  scheint 
jiüLxpog  •  angem essen « ,  aber  auch  ^varog  »gut  erklärbar»;  Aristarchs 
Autorität  ist  ihm  entscheidend  für  ^varog  bezw.  B.  Nun  ist  zunächst 
zu  erinnern,  dafs  Aristarch  für  Pindar  nahezu  wertlos  ist,  sodann  aber, 
dafs  die  ganze  Basis,  auf  welcher  Hümmerich  operiert,  sehr  angreifbar 
ist  Sollte  wirklich  in  das  Relativ  cDv  vs.  71  der  Begriff  »Tugendf  mit 
Recht  hineingelegt  sein?  und  welch  seltsame  Lehre  von  drei  Lebens- 
altem und  vier  Tugenden,  die  auch  Hümmerich  mit  »Anklängen  an 
pythagoreische  Lehren«  nicht  klärt!  endlich  wie  auffallend  der  Gebrauch 
von  iXS.\  Ich  glaube  vielmehr,  dperdg  ist  (echtpindarisch)  s=  victorias, 
und  in  iX^  steckt  einfach  iXoe:  in  jedem  Lebensalter  (als  naug,  dvrjp  und 
naXatrepog)  hat  Timodemos  einen  Sieg  errungen;  nun  »möge  ein  län- 
geres Leben  auch  vier  Siege  erringen,  aber  die  Gegenwart  mahnt  an  die 
zu  gedenken,  deren  er  teilhaftig  istc.  Wenn  diese  Auffassung  richtig 
ist,  so  fällt  Bvarog  als  unzulässig  weg,  aber  es  ist  für  mich  ein  Finger- 
zeig, dafs  auch  fmxpog  falsch  ist,  zumal  da  immer  eine  Silbe  fehlt;  der 
Text  dürfte  ursprünglich  hg  äxpog  aiwv  =  aetas  ejus  extrema  gelautet 
haben  und  jenes  0£  teils  als  ßN  gelesen,  teils  durch  M  ersetzt  sein. 

27)  Herbig,  Zur  Chronologie  der  pindarischen  Siegesgesänge 
Isthm.  III/IV  und  Isthm.  YII.  —  In:  Commentationes  philologicae  (vgl. 
No.  26),  S.  129—145. 

Verf.,  welcher  Bulle's  Auslegung  billigt,  will  die  von  seinem  Lehrer 
Christ  gegebenen  chronologischen  Erörterungen  (No.  6  S.  30  f.)  weiter- 
führen. Es  erscheint  ihm  nach  Dissen,  Mezger  und  Christ  als  gesichert, 
dafs  vs.  34ff.  die  Schlacht  von  Platää  gemeint  sei;  und  mit  Rücksicht 
auf  die  sicilische  Reise  (über  welche  übrigens  oben  zu  No.  4  f.  gegen 
Schlufs  zu  vergleichen  ist)  könne  man  nur  an  die  Isthmien  von  478  oder 
476  und  an  die  (16  Monate  später)  folgenden  Nemeen  denken.  Nunmehr 
wird,  nach  dem»  Muster  von  Christ  S.  52ff.,  der  Versuch  unternommen, 
aus  »bis  ins  einzelne  gehenden  Analogieen«  zwischen  P  IX  und  J  III  zu 
erweisen,  dafs  diese  beiden  Epinikien  kurz  nacheinander  gedichtet  seien; 
da  aber  P  9,  89  —  9 1  kaum  ohne  Zuhilfenahme  der  analogen  Verse  aus 
J  III  verstanden  werden  könne  ( !),  so  müsse  man  der  dritten  isthmischen 
Ode  die  Priorität  zu  erkennen  und  sie  478  setzen.  —  Gesetzt,  der  Aus- 
gangspunkt (Platää)  und  die  Beweisart  (Analogieen)  sei  irgendwie  sicher, 
60  wäre  selbst  dann  die  Scblufsfolgerung  noch  fraglich,  weil  die  Pythia- 
denära  fraglich  ist.  Aber  sogar  auf  dem  eigenen  Standpunkt  des  Ver- 
fassers bleibt,  wenn  ich  ihn  recht  verstehe,  ein  unlösbarer  Widerspruch; 
denn  er  setzt  ja  den  in  J  III  erwähnten  nemeischen  Sieg  16  Monate 
nach  dem  isthmischen,  folglich  etwa  ein  Jahr  nach  P  IX I 

Jahratb«richt  fUr  Alt«rthuin»wiMeiiiichaft.  LXVU-  Bd.  (18M.  I.)  2 


18  PindAT. 

Aber  Herbig  macht  niminehr  selbst  den  Einwarf^  dafs  J  YIII  (YII) 
auf  einen  isthmischen  Pankraüonsieg  von  478  gedichtet  erscheine.  Das 
sei  indessen  ein  Knabensieg  gewesen:  vs.  1  äXixiq.  nnd  viot  (!),  vs.  2 
narpog^  vs.  72  äXixmv  (!),  TS.  76  veoroQ^  Ts.  77  fjßay.  Nener  Einwarf: 
die  Gmndstimmnng  beider  Gedichte  ist  ungleich.  Antwort:  es  kann 
recht  wohl  ein  Monat  zwischen  J  VII  and  III  liegen  und  die  Stimmung 
des  Dichters  sich  inzwischen  gebessert  haben ;  dort  der  wiewohl  »schftch- 
temec  und  »versteckte«  Versach,  Ägina  »politisch  fftr  Theben  zu  inter- 
essieren! —  also  wieder  die  diplomatische  Gelegenheitsdichtung!  — ,  hier 
»gottergebene  Resignation  und  unerschQtterliche  Hoffnung  auf  einen  glQck- 
verkttndenden  Schicksalswechsel«. 

Wo  hat  Herbig  einigermafsen  sicheren  Boden  unter  den  FtÜsen? 

28)  Rehro,  Pindar  und  die  Aigiden.    In:  Gommentationes  philo- 
logicae  (s.  No.  26),  S.  146  —  159. 

Durch  Studniczkas  Buch  über  Kyrene  und  die  Übungen  des  Christ- 
sehen  philologischen  Seminars  veranlafst,  erörtert  Rehm  dieselbe  Frage 
und  dieselbe  Stelle,  welche  Referent  im  Philologus  43,  79 — 85  behandelt 
hatte,  und  vertritt  im  wesentlichen  denselben  Standpunkt  der  Skepsis 
constmctionslustigen  Theorien  gegenflber,  ausgenommen  betreffs  der  per- 
sönlichen Abstammung  des  Dichters.  Mit  Recht  verwirft  er  Studniczkas 
Meinung,  dafs  die  erste  Person  bei  Pindar  nicht  immer  den  Dichter, 
sondern  oft  nur  den  Chor  bezeichne;  denn  0  14,  4  ist  als  Beweis  unzu- 
reichend, und  betreffs  P  8,  98  bedarf  es  nicht  einmal  der  von  Sittl  ver- 
suchten  mythologischen  Motivierung  (dafs  Agina  die  Schwester  von  Thebe 
gewesen  sei,  J  7,  17  —  also  ein  Tanten  Verhältnis  zu  Pindar),  es  ist  ja 
in  ^iXa  jxärep  garnicht  die  erste  Person  zum  Ausdruck  gebracht  Statt 
der  von  Studniczka  statuierten  Verlegung  des  Karneenfestes  denkt  Rehm 
sich  das  Verhältnis  von  P  IV  und  V  so,  dafs  zuerst  P  IV  von  Theben 
aus  geschieht,  sodann  aber  Pindar  selbst  nach  Kyrene  gefahren  sei  und 
den  in  P  IV  nicht  erwähnten  Wagenlenker  bei  dessen  Ankunftsfeier  in 
P  V  zugleich  mit  seinem  Herrscher  begrttfst  habe.  Das  ist  eine  künst- 
liche Construction,  und  aus  P  4,  298  f.  geht  keineswegs  hervor,  dafs  dies 
Lied  von  Theben  aus  geschickt  ist.  Wie  bei  0  II  und  III,  so  hat  auch 
hier  eine  zwiefache  Feier  des  Sieges  ~  auch  nicht  etwa  eine  zweite 
Feier  als  »Erinnerungsfeierc  —  stattgefunden;  das  Karneenfest  aber 
kann  doch  wohl  fUr  dies  Mal  von  dem  auf  einen  apollinischen  (pythi- 
schen)  Sieg  hoffenden  König  verlegt  sein.  Betreffs  der  Ägiden  und  des 
Kameenfestes  stellt  sich  Rehm  folgendermafsen :  in  den  Kameen  sei  ein 
agrarisches  vordorisches  peloponnesisches  Fest  mit  einem  kriegerischen 
aus  der  Zeit  des  Heraklidenzuges  zusammengeflossen,  ein  ägidischer 
Familienkult  sei  es  nicht  gewesen,  die  lakonischen  Könige  seien  nicht 
Ägiden.  Über  die  in  den  Schollen  überlieferten  Berichte  des  Ephoros 
und  des  Aristoteles  denkt  Rehm  —  abweichend  vom  Referenten    -  so: 


Pindar.  19 

am  das  Alter  der  theräischen  Golonie  hinaafzurückeii,  sei  eine  »sparta- 
nische Yersionc  (Herodot,  Pausanias,  Ephorus)  erdacht,  nach  welcher 
die  Ägiden  von  Theben  mit  den  Heraküden  nach  dem  Peloponnes  ge- 
kommen seien;  in  Wirklichkeit  (Aristoteles  und  Pindar)  seien  sie  zur 
Eroberung  von  Amyklä  im  8.  Jahrhundert  gerufen  und  nachher  zu  Trä- 
gem des  Kameenfestes  gemacht.  Es  gab  nach  dem  Verfasser  Aegiden 
in  Theben,  und  Pindar  nannte  »mit  einer  kleinen,  leicht  verzeihlichen 
Freiheitf  auch  jenen  Zweig  der  Aegiden  seine  Väter,  der  »in  alter  Zeit 
aus  Theben  nach  Lakonlen  eingewandert  war  und  von  dort  den  Gült 
des  kameischen  Apoll  nach  Thera  und  Kyrene  getragen  hattet. 

Referent  giebt  zu,  dafs  er  die  »Yorsichtc  wohl  zu  weit  getrieben, 
wenn  er  Pindar's  Abstammung  von  den  Ägiden  in  Frage  zog  und  ifwl 
nuTspec  als  Thebanoram  proavi  verstand;  aber  zu  sagen,  dafs  Pindar  ein 
Ägide  war,  bleibt  solange  eine  ziemlich  inhaltlose  Rede,  als  die  Meinungen 
über  jene  und  ihre  Wanderungen  so  verworren  sind ,  wie  dies  Referent 
a.  0.  S.  80  zusammengestellt  hat,  und  Rehms  kurzer  Aufsatz  berührt 
zuviel  Fragen  sprangweis,  um  überzeugend  wirken  zu  können. 

29)  Sauppe,    Variae    lectiones.     In:    Index  scholarum    Gotting. 
1890,  S.  5 

liest  fr.  76  (54)  vs.  6 — 9  mit  der  Änderung  Seür    statt  deurepov  und 
früheren  Coigecturen  anderer  Qelehrten  folgendermaisen: 

io8eT(ov  Xdj^eve  are^vwv 
Tay  r*  iapedpSTtraßv  Xoißäv^ 
/leoßsv  re  fie  ^v  dyXat^ 
tSere  nopeuß/vr*  doe8äv 
8euT*  in}  rdv  xtaaodirav  ßeov. 

Drackfehler  statt  nopsußevT\ 

30)  Meinel,    Beiträge   zur   Erklärung  Pindars.     Programm   der 
Studienanstalt  zu  Kempten  1890.    32  S.   S^. 

Meinel  beschäftigt  sich  mit  Mezgers  Gommentar  und  behandelt  in 
fünf  Abschnitten  folgende  Fragen: 

a)  Zu  Pyth.  II.  Wer  ist  der  eöepydajg?  wer  die  Undankbaren? 
wer  die  iptßupot?  wer  ihr  Opfer?  —  Von  Intrigaen  des  Bakchylides 
kOnne  nicht  die  Rede  sein,  denn  nach  vs.  67  0ohtaffav  i/xnoXdy  sei  das 
Lied  ja  von  Hieron  »bestellt  und  bezahlte,  Beweis,  dafs  »Pindar  keinen 
Grand  gehabt  hätte  sich  zu  ereiferac;  ferner  finde  sich  im  Ixionmythus 
kein  Hinweis  auf  Bakchylides ;  drittens  sei  es  unglaublich,  dafs  in  einem 
Siegeslied  persönliche  Verhältnis^  des  Dichters  einen  so  breiten  Raum 
einnehmen  dürfen;  viertens  würde  doch  Pindars  Verteidigung  recht 
schwach  zu  nennen  sein;  endlich  fänden  die  politischen  Anspielungen 
vs.  82.  86  ff.  98  u.  a.  so   keine  Erklärung.     Referent  ist  einverstanden, 


20  Pindar. 

freilich  Dicht  mit  der  Erklärung  der  Ootvteaa  ifmo^d,  und  verweist  be- 
treffs der  beiläufig  erwähnten  Ode  N  VII  auf  PhiloL  45,  596  ff.  Nach 
Meinel  ist  nun  der  Undankbare  Polyzelos,  dessen  Berechtigung  Hieron 
gegenüber  nicht  anzuerkennen  sei,  also  umgekehrt  als  bei  Boeckh; 
Polyzelos  werde  vor  Verwandtenraord  (an  Hieron)  und  edvat  napdrpoTmc 
(mit  der  Bruderswittwe)  gewarnt;  auch  vs.  49  — 56  richteten  sich  gegen 
die  Gegner  der  »von  Gott  geschaffenen  Tyrannisf ,  ohne  dafs  der  Dichter 
wie  Archilochos  persönlich  würde.  Auch  die  ip^&upoe  seien  politisch  zu 
erklären:  eine  Eoterie  politischer  Zuträger,  die  nach  beiden  Seiten  — 
gegen  den  Fürsten  wie  gegen  das  Volk  —  heuchelten  und  ihre  selbst- 
süchtigen Pläne  betrieben,  denen  Hieron  freilich  als  dv^  dya^Sg  »nicht 
immerc  glaubte.  Mit  den  ^Bovepoe  vs.  89  kehre  der  Dichter  zu  den  vor- 
erwähnten Ixion-artigen  Leuten  zurück  als  zum  eigentlichen  Thema  des 
Liedes,  indem  er  den  Übergang  dazu  von  der  »geraden  Zungec  aus  ge- 
winne, die  nämlich  nach  vs.  88  nicht  gegen  die  von  Gott  gesetzte  Gewalt 
sich  richten  dürfe,  ein  Grundsatz,  gegen  den  die  <p^ovepot  verfehlten.  — 
Ähnlich,  nur  in  gewissem  Sinne  einheitlicher,  fafst  Böhmer,  Sicilische 
Oden  S.  39 ff.  das  Lied;  er  sagt:  »Pindar  ergreift  die  Gelegenheit,  um 
vor  Yerläumdem  zu  warnen.  Er  «elbst  war  als  Parteigänger  des  Polyzel 
hingestellt  worden,  auf  welchen  letzteren  durch  den  Mythus  in  N  ES^ 
das  günstigste  Licht  fiel,  wenn  man  den  Gesichtspunkt  des  Dichters  ver- 
liefs.  Pindar  hebt  nun  durch  einen  anderen  Mythus  hervor,  was  er  an 
Polyzel  tadelte,  nämlich  »dafs  Polyzel  zu  blutiger  Fehde  zwischen  Ver- 
wandten antrieb,  und  dars  er  keine  Scheu  davor  empfand,  seines  Schwie- 
gersohnes Tochter  zur  Frau  zu  nehmen,  die  noch  dazu  die  Frau  seines 
Bruders  gewesen  war,  und  zwar  des  Königs  ....  Übrigens  sucht  der 
Dichter  den  Hieron  hinsichtlich  etwaiger  Nachkommenschaft  Polyzels  ans 
solcher  Verbindung  zu  beruhigen  durch  den  Hinweis  auf  die  Kentauren, 
die  keine  vollen  Männer  waren  und  darum  keine  Männerbeherrscher .  .  . 
Der  vs.  81  f.  Gebrandmarkte  ist  jedenfalls  nicht  Simonides  .  .  .,  auch  nicht 
des  Simonides  Neffe  Bakchylides,  sondern  ein  darog  von  Syrakus  [also 
hier  nicht  Polyzel?]t.  —  Referent  glaubt  nicht  oft  genug  davor  warnen 
zu  können,  in  der  pindarischen  Poesie  Verhandlungen  über  allerlei  poli- 
tische, diplomatische,  persönliche  Affären  behufs  Herbeiführung  eines 
gewünschten  Endzwecks  zu  erblicken.  Und  speciell  in  dem  vorliegenden 
Falle  —  wie  wenig  Takt  und  Geschick  würde  der  Dichter  besessen 
haben,  wenn  er  sich  wirklich  in  der  angenommenen  Weise  vor  der  Öffent- 
lichkeit mit  dem  Zwist  der  Verwandten  beschäftigt  hätte!  Ganz  zu 
schweigen  von  jenen  groben  ünschönheiten,  dafs  er  bei  einer  Feier 
Hierons  in  die  Welt  ruft:  »Polyzel,  morde  mir  diesen  nichtlc  oder  dem 
Könige  beruhigend  einige  Verse  des  Inhalts  widmet:  »Nur  nicht  bange, 
aus  dem  Ehebund  kommen  höchstens  Kentauren  !c  Wieviel  höher  stände 
dann  Simonides,  der  mit  thatkräftiger  Vermittlung  bewies,  dafs  der  lUfs 
keineswegs  unheilbar  war.    Endlich  eine  Einzelheit.    Wenn  beide  Ans- 


Pindtf.  21 

leger  von  iblntiger  Fehdec  oder  »Mordf  sprechen,  so  stehen  sie  damit 
auf  dem  Boden  der  hergebrachten  Deutung  von  vs.  31  f.  ijpiog  Zri  iiupi}- 
ho^  alfia  npmrtaro^  oux  äzep  ri^va^  inifju$e  bvarot^.  Aber  ist  diese 
Deutung  richtig?  »Parricidium  intulit  mortalibusc,  übersetzt  Boeckh; 
oder,  um  einen  der  neuesten  Herausgeber  anzuführen:  iBrought  the 
stain  of  kindred  blood  upon  mortalsc,  liest  man  bei  Gildersleeve.  Dabei 
ist  nicht  blos  das  inifu^e  Bvarotg  zur  Floskel  verblafst,  sondern  auch 
das  Wort  atfia  selbst;  denn  Blut  flofs  schwerlich,  als  Deioneus  in  die 
mit  glühenden  Kohlen  gefüllte  Grube  fiel.  Nun  bedeutet  alpxi  auch  stirps 
(N  6,  35.  3,  65);  wie  hier  ind/u^e^  so  steht  N  11,  34  xexpdfuvov  bei 
otfLa  mit  Bezug  auf  Heirat,  eine  Bedeutung,  die  auch  sonst  bei  intp^fyvufu 
statthat  und  an  dieser  Stelle  zutrifft,  weil  Ixion  eine  Heirat  einging. 
Mithin  wäre  zu  übersetzen:  »heros  suam  stirpem  primus  non  sine  doio 
commiscuit  cum  mortalibusc  —  wobei  auf  dem  ersten  Wort  (^po^c)  und 
auf  dem  letzten  (Bvarot^)  der  Nachdruck  liegt;  derselbe  Gegensatz 
17  10,  81.  Auf  diese  Weise  wird  auch  in  vs.  34  das  »Kenn",  o  kenne 
deine  Sphäre«  doppelt  verständlich,  ebensowie  die  allgemeine  Sentenz 
vs.  80  f.  von  den  8uo  dfinXaxeau,  jenes  »Dünk*  dich  nicht  allzugrofs  und 
nicht  zu  tief  versinkec.  —  Betreffis  des  ganzen  Liedes  müTste  eine  aus- 
führliche Behandlung  den  Nachweis  unternehmen,  dafs  1)  der  flüchtig 
erwähnte  Sieg  an  den  Isthmien  in  Syrakus  errungen  war;  2)  dafs  der 
Ixionmythus  auf  den  Untergang  des  Thrasydäns  geht;  3)  dafs  das  Kor 
aropetov  iv  AloXß&aat  ^opddi^  ein  in  naher  Aussicht  stehendes  grofses 
Siegeslied  ist,  ähnlich  wie  das  bereits  irme^^  vöiap  Alohjßi  poXnqi  dem 
Hieron  gelieferte  Olymp.  I,  vermutlich  aber  kein  anderes  als  das  mit  der 
kTtrdxrurms  ^Spfity^  beginnende  Fyth.  I;  4)  dafs  unser  Lied  also  in  die 
Zeit  zwischen  0  77,  1  und  0  77,  8  gehört;  5)  dafs  Hieron  für  Pindar 
thatsächlich  ein  Forstenideal  war,  nicht  aber  als  Schulbube  betrachtet 
werden  darf,  und  was  dergleichen  Fragen  mehr  sind.  Bei  dieser  Ge- 
legenheit müfsten  dann  auch  Textänderungen  wie  vs.  86  norixoXXov  ix6vT\ 
vs.  39  &  r9,  vs.  54  Sxarov  Svra  oder  neue  Erklärungen  wie  vs.  68  jnven- 
tute  defendit  (defendis?)  audaciam  bellorum  begründet,  vor  allem  aber 
eine  einheitliche  Anordnung  nachgewiesen  werden.  Da  liegt  wieder  eine 
überaus  dankbare  Aufgabe  vor  unsl 

b)  S.  17—24  behandelt  Meinel  Nem.  YIII,  doch  läuft  dieser  Ab- 
schnitt darauf  hinaus,  Yauvilliers*  Hypothese  zu  erneuern  und  Ghrists 
Datierung  461  mit  unzureichenden  Argumenten  zu  stützen,  während 
Meinel  selbst  sich  darauf  beschränkt,  die  Vermutung  beizusteuern,  dafs 
Megas  und  sein  Sohn  an  den  nämlichen  Nemeen  gesiegt  hätten,  der 
Vater  aber  vor  Abfassung  der  Ode  gestorben  sei.  Meinel  meint  »kurz 
zuvor  gestorbeuf  —  indessen  war  nach  dem  Wortlaut  der  Ode  doch 
nicht  des  Vaters  Tod  Anlafs  zu  diesem  Gedicht,  das  Gedicht  ist  kein 
Threnos,  vielmehr  mnfs  seit  dem  Siege  und  dem  Tode  eine  geraume  Zeit 
verflossen  sein,  und  folglich  muls  Meinel  seine  Vermutung  durch  die 


22  FindMT. 

andere  unwahrscheinliche  Annahme  stützen,  dafs  es  Gelegenheitsgedichte 
post  festuni  gebe.  Anch  anf  diese  Ode  mnfs  ich  ansffahrlich  anderswo 
znrttckkommen. 

c)  8.24 — 29  betreffen  Olymp.  X  (Mommsen),  die  gröfsere  der 
Agesidamosoden.  Zanfichst  erfahre  ich  beiläufig,  dafs  v.  Willamowitz  in 
dem  Göttinger  Lektionskatalog  1890  8.8 — 10  einen  Vorschlag  betreffs 
0  11,  4  vorgetragen  hat,  den  Referent  bereits  in  diesen  Jahresberichten 
Bd.  42  8.  99  machte;  sodann  dafs  derselbe  hinter  riXXeTai  vs.  6  inter- 
pnngiert  und  nnter  fuXeyapu^  ^X^  ^^^^  vorläufige  Abschlagszahlung  ver- 
stehen will.  Auch  Meinel  hält  0  XI  für  »eine  8kizze  eines  Siegesliedesc, 
0  X  dagegen  Air  »die  vollständige  AusfOhrungf .  Das  sind  schöne  Worte« 
aber  ohne  greifbaren  8inn.  Der  Mythus  hat  für  den  Verfasser  als  xocv^c 
UyoQ  vs.  1 1  (mit  Croiset  =  6loge  g^n^ral  de  la  race  ou  de  la  patrie  da 
vainqueur)  die  Lokrer,  nicht  den  Sieger  im  Auge;  er  rfthme  am  Idealbild 
des  Herakles  die  ^Arpixtta  als  die  den  Wortbmch  des  Augeas  bestra- 
fende Gottheit,  ferner  den  ^Apifjg  und  die  bei  der  ersten  Festfeier  betei- 
ligte KakXtona,  Eine  Analyse  teils  des  Begriffs  ^Arpexeta^  teils  aber  und 
vor  allem  des  von  Meinel  völlig  aufser  Betracht  gelassenen  Gedanken- 
gangs in  £p.  d  könnte  die  Unzulässigkeit  dieser  an  und  Air  sich  auf- 
fälligen Deutung  des  Mythus  erweisen.  Wie,  wenn  0  XI  auf  den  Kna- 
bensieg von  Ol.  74  geht,  der  unbesungene  Sieg  in  OL  76  fiel,  0  X  aber 
einem  Siege  aus  Ol.  82  gilt  und  zwar  als  xocvbg  X6yoQ  für  den  nnbesnn- 
genen  und  den  letzten  Sieg?  Aber  das  läfst  sich  nicht  mit  wenigen 
Worten  abthun,  sondern  verlangt  wieder  eine  besondere  Verhandlung. 

d)  8.  29  31  über  N  2,  10.  —  Nach  Meinel  hat  der  Scholiast 
Becht,  wenn  er  in  IleXetddec  zugleich  eine  Anspielung  auf  die  Wildtauben 
findet;  nun  sei  Salamis  nach  Aesch.  Fers.  809  Sitz  von  Wildtauben  ge- 
wesen, so  müsse  auch  ein  Orion  da  sein,  nämlich  »der  moderne  Orion, 
der  stämmige  Pankratiast  Timodemosc  —  Das  wäre  höchst  künstlich. 
Freilich  auch  die  bisherigen  Erklärungen  sprechen  nicht  an.  Das  Lied 
selbst  giebt  uns  die  Lösung  an  die  Hand  vs.  23  inrä  S*  iv  Ne/idf:  da 
haben  wir  das  Siebengestirn  am  Himmel  der  siegreichen  Familie;  nun 
mufs  der  prächtige  Orion  kommen!  Das  Beiwort  dpetäv^  welches  man 
zu  Wortspielen  mit  Vapewva  verwertet  hat,  kann  ich  nicht  festhalten; 
das  schon  im  Schoüon  von  Krates  vorgeschlagene  ^epeiäv  ist  meines 
Erachtens  richtig  und  Bury's  neuester  Einwand,  dafs  die  Plejaden  auch 
im  Winter  scheinen,  nicht  stichhaltig:  mit  dem  Aufgang  des  Gestirnes 
beginnt  die  Schifffahrt,  mit  seinem  Untergang  die  Zeit  der  Stürme. 

e)  S.  31f.  über  0  6,  13.  —  reXeTv  nach  Meinel  von  den  letzten 
Ehren,  cf.  Schneidewin  zu  Soph.  0.  G.  1436  und  den  vexpbg  naXureX:^ 
bei  Menander. 


Pindar.  28 

81)  Anders  Björn  Drachniann,  Über  Datierung  und  .Veran- 
lassang  von  Pindars  zweiter  pythischer  Ode.  In:  Fleckeisens  Jahr- 
bücher 1890  S.  441—449. 

An  die  »obscurenc  Jolaeen  sei  ebensowenig  zn  denken  als  an 
einen  Sieg  mit  Fohlen;  vielmehr  handele  es  sich  um  einen  grofsen 
Erfolg.  Pindar  sei  mit  Hiero  schon  sehr  familiär  (Bergk),  auch  passten 
die  Verse  58 ff.  und  63 ff.  nicht  auf  einen  jungen  Herrscher.  Das  Ge- 
dicht sei  auf  den  olympischen  Sieg  von  OL  78  gemacht,  doch  nicht  be- 
stellt. Bestellt  sei  das  vorher  abgeschickte  Hyporchema  =  Kastoreion. 
In  der  »Nachschriftt  dieser  »poetischen  Episteif  gebe  der  Dichter  vs. 
67  ff.  eine  offene  Auseinandersetzung  über  das  offenbar  gespannte  Ver- 
hältnis zwischen  Hiero  und  ihm.  Die  Affäre  mit  den  Lokrem  liege  viele 
Jahre  zurück,  könne  aber  mit  Fug  erwähnt  werden,  weil  sie  vielleicht 
zum  Andenken  etwa  ein  Fest  mit  Chorgesängen  gestiftet  hätten.  Siehe 
unter  No.  30. 

32)  Graf,  De  Graecorum  veterum  re  musica  quaestionnm  capita 
duo.  I.  de  polyphonia  et  dialecto  crumatica,  II.  de  Pindari  re  musica. 
(Habilitationsschrift.)    Marburg  1889.    91  S.   8. 

In  der  ersten  Hälfte  dieser  Arbeit,  deren  Erörterungen  über  Fra- 
gen aus  der  antiken  Musik  die  Anerkennung  von  Jan's  gefunden  haben 
(freilich  nicht  ohne  Einwürfe:  Philol.  Wochenschr.  1889  S.  993—1001), 
werden  bereits  einige  Stellen  aus  Pindar  berührt.  S.  5— 7:  Die  Wörter 
TtoXd^iüvoQj  itdpLfwvog^  noXüxi^Xog  gehen  auf  den  Tonreichtum  der  Flöte 
im  Gegensatz  zu  den  alten  Saiteninstrumenten.  S.  12:  Das  in  0  3,  8 
angedeutete  musikalische  Verhältnis  fafst  Graf  so,  dafs  die  Singstimme 
mit  der  tieferen  der  beiden  Flöten  übereinstimmt,  während  die  ^pfity^ 
»vel  huic  vel  acntiori  tibiae  poterat  addic  (was  nicht  völlig  klar  ist). 
S.  26 ff.:  In  fragm.  125  Bergk  ist  von  dem  •widertönigen  Anschlagen  der 
tiefen  th^xt/c«  die  Rede,  was  wohl  von  dem  gleichzeitigen  Hervorbringen 
eines  tiefen  und  eines  höheren  Tones  auf  der  fidyade^  zu  verstehen  ist 
(siehe  indes  v.  Jan). 

Der  zweite  Teil  der  Schrift  (S.  37 — 83)  handelt  a)  von  den  musi- 
kalischen Instrumenten  bei  Pindar,  b)  vom  Chor  und  Chorführer,  c)  von 
einer  gewissen  Freiheit  der  pindarischen  Redeweise,  d)  von  der  Aus- 
füllung der  Pausen  durch  Musik,  e)  von  den  Tonarten  Pindars.  Der 
Verfasser  ist  sehr  wenig  angethan  von  der  traditionellen  Bemühung,  in 
gewissen  dichterischen  Wendungen  die  aktenmäfsige  Registrierung  äufser- 
licher  Verhältnisse  zu  entdecken.  So  richtet  Graf  sich  zunächst  gegen 
den  Versuch  Gevaerts  (II,  471),  Oden  mit  Flötenbegleitung  von  Oden 
mit  ^opfity^-Begleitaug  sowie  von  solchen  Oden  zu  unterscheiden,  wo 
beide  Instrumente  thätig  gewesen  seien,  und  meint,  es  lasse  sich  ebenso 
gut  behaupten,  dafs  letzteres  durchweg  der  Fall  gewesen.    Man  müsse 


24  Pindar. 

alle  solche  Wendmigen  nicht  so  genau  nehmen:  es  sei  z.  B.  nur  eine 
poetische  Wendung  ans  alter  Zeit,  wenn  Pindar  sich  zugleich  als  Dichter 
und  Sänger  und  Musiker  vorstelle;  auch  sei  aus  solchen  Äufsernngen 
keineswegs  auf  Pindars  Anwesenheit  zu  schliefsen  u.  ä.  m.  Solche  Skeptik 
erscheint  mir  begründet,  wenn  sie  logischen  oder  ästhetischen  Forderun- 
gen gerecht  wird;  wo  dies,  wie  bei  Graf  vielfach,  nicht  der  Fall  ist, 
kann  sie  doch  immerhin  anregend  sein,  und  es  erscheint  mir  in  der  Thai 
der  Mühe  wert,  die  einzelnen  Aufstellungen  eingehend  zu  beleuchten. 
1)  Graf  will  aus  P  2,  68  das  Recht  herleiten,  P  2,  4  bildlich  zu  nehmen; 
indessen  ist  einerseits  die  ganze  Situation  dieses  Gelegenheitsgedichtes 
bisher  nicht  aufgeklärt,  und  andererseits  giebt  der  Verf.  selbst  von  nifjoieat 
eine  andere  Deutung  »darbringenc  S.  40  und  Rh.  Mus.  44,  470.  2)  Wenn 
Pindar  0  9,  109  sich  als  Herold  denkt,  so  folgt  daraus  doch  nicht,  dafs 
er  nicht  der  Chorführer  gewesen  sein  könne.  3)  Warum  soll  er  ib.  vs.  13 
nicht  selbst  die  ^6pfjuy$  geschlagen  haben?  4)  N  4,  44  stelle  sich  Pin- 
dar als  Stegreifdichter  vor,  also  sei  das  Ganze  nur  eine  Redewendung 
und  nicht  wörtlich  zu  nehmen.  Mufs  denn  etwa  rSSe  auf  das  Folgende 
gehen?  5)  PI,  if.  soll  Pindar  an  epische  Zeiten  anknüpfen,  indem  er 
nur  die  ^opiuy^^  nicht  die  Flöte  erwähnt  Warum?  6)  Für  die  Ver- 
bindung der  verschiedenen  Instrumente  soll  Plato  leg«  III  700  D  sprechen ; 
diese  Stelle  kann  aber  meines  Erachtens  höchstens  als  Anspielung  auf 
P  XI  und  N  VII  (nach  meiner  Erklärung  im  Philol.  N.  F.  Bd.  IV  und  45, 
696)  sowie  ähnliche  Lieder  gelten.  7)  Aus  der  Erwähnung  der  reBfioiy 
infolge  deren  andere  (oben  No.  2  f.)  Pindar  zum  Sklaven  der  Tradition 
gemacht  haben,  folgert  Graf  gerade  im  Gegenteil,  dafs  Pindar  sehr  frei 
verfahren  sei.  —  Resultat:  Wir  vermissen  stichhaltige  Gründe  gegen 
Gevaert. 

Dasselbe  gilt  von  der  Polemik  gegen  Westphals  Ansicht  II'  85.  42, 
Pindar  habe  nur  das  Heptachord  gebraucht.  Graf  wendet  ein:  >N.  5,  24 
braucht  es  Apoll;  und  P  2,  71  ist  freilich  von  Pindars  Gesang  die  Rede, 
aber  der  Dichter  braucht  lediglich  eine  rhapsodische  FloskeU. 

S.  43—47  führen  zu  dem  überraschenden  Resultat,  unter  ^pfuf^a 
xal  aökou^  sei  non  citharam  cum  tibiis,  sed  citharas  cum  tibia  zu  ver- 
stehen. Richtig  betreffs  der  Doppelflöte;  aber  zwingende  Gründe  fUr 
eine  Mehrzahl  von  citharae  liegen  nicht  vor. 

Soviel  von  den  Instrumenten.  Es  folgt  b)  der  Abschnitt  vom  Chor 
und  Chorführer  S.  47  —  60.  Dafs  der  ChorfQhrer  stellenweis  Solo  ge- 
sungen, darf,  wie  Verf.  richtig  bemerkt,  aus  den  Mitteilungen  des  Atha- 
nasius  Kircher  über  die  Melodie  von  P  1  nicht  gefolgert  werden,  weil 
diese  fragwürdig  sind.  Auch  aus  N  3,  10  und  0  1,  17  habe  Dissen  mit 
Unrecht  auf  einen  Sologesang  geschlossen;  richtig  bemerkt,  nur  hätte 
Graf  nicht  von  Pindar  den  Ausdruck  inanes  phrases  brauchen  sollen, 
und  die  aus  Anlafs  des  Futurums  xoivdaopjai  zwischengestreuten  Bemer- 


Pindar.  25 

knngen  über  angebliche  poetische  Episteln  Pindars  erheben  zweifelsohne 
nicht  den  Anspruch,  dies  weitschichtige  Thema  za  erledigen. 

c)  S.  60—67:  Von  einer  gewissen  Freiheit  der  pindarischen  Rede- 
weise. Es  sei  lediglich  eine  Redewendung,  wenn  Pindar,  um  sich  mit 
den  reBfxoe  abzufinden,  so  thue,  als  widme  er  sein  Lied  sowohl  dem 
Sieger  als  der  Gottheit;  er  kündige  J  l  ein  Lied  auf  Kastor  und  Jolaos, 
N  9  ein  Lied  auf  Leto  und  ihre  Kinder.  0  1  und  10  sowie  N  7  ein  Lied 
auf  ZeuSi  0  6  auf  Hera  an,  erfülle  aber  sein  Versprechen  nicht.  Würde 
Graf  über  den  modernen  Prediger  oder  religiösen  Lyriker  ebenso  urtei- 
len, wenn  dieser  mit  seiner  Predigt  oder  seinem  Liede  völlig  in  die  vor- 
liegende »Gelegenheitf  ein-  und  in  derselben  aufgeht,  aber  nur  flüchtig 
Gottes  Namen  erwähnt,  vorausgesetzt  dafs  die  gesamte  Stimmung  und 
Gesinnung  des  Liedes  oder  der  Rede  religiös  ist?  verfällt  nicht  vielmehr 
dem  Urteil  der  Floskelhaftigkeit  und  des  äufserlichen  Gebrauchs  alther- 
gebrachter Wendungen  deijenige  Poet  oder  Redner,  welcher  recht  lang 
und  breit  und  handgreiflich  dick  von  Gott  erzählt?  —  Mit  J  1  berührt 
sich  P  2,  welches  letztere  nach  Graf  das  darin  erwähnte  Kaaropstov  sein 
soll,  nämlich  als  Lied  auf  einen  Wagensieg.    Siehe  zu  No.  30. 

Mit  der  bisher  gezeichneten  Auffassung,  dafs  es  überaus  schwer 
sei,  aus  Pindars  archaistischer  Diction  poetische  oder  musikalische  That- 
Sachen  zu  eruieren,  tritt  Graf  —  nachdem  er  S.  67  -  78  einen  bedenk- 
lichen Abschnitt  über  Instrumentalmusik  zwischen  den  Strophen  abge- 
handelt hat  ~  auch  an  e)  S.  78 — 83,  die  in  den  Gedichten  erwähnten 
Tonweisen  heran.  Hier  nun  soll  aus  ätoptav  ^6p/ic)ja  0  1,  17  folgen, 
dafs  modus  Dorius  und  Aeolius  unter  den  Gesamtnamen  Aeolius  fallen; 
aufserdem  sollen  Harmonie  und  Taktenmafs  sich  nicht  gedeckt  haben 
(wie  z.  B.  Boeckh  de  metr.  Pind.  S.  278 f.  und  J.  H.  H.  Schmidt  Metrik 
S.  563  sagen);  auch  wirft  der  Verf.  auffaUend  den  terminus  iMelodiec 
dazwischen.  Die  sichere  Logik  und  das  sorgsame  Erwägen,  wodurch 
der  Anfang  der  Grafschen  Schrift  sich  so  vorteilhaft  einführt,  ist  kaum 
mehr  zu  spüren. 

Beiläufig  sei  erwähnt,  dafs  Graf  entschiedener  Gegner  der  Nomos- 
theorie  ist  (p.  39)  und  rücksichtlich  der  eurythmischen  Wertung  der 
Pausen  zu  J.  H.  H.  Schmidt  hält  (S.  70),  was  Referent  mit  Befriedigung 
berichtet. 

33)  Aug.  Mommsen,  Über  die  Zeit  der  Olympien.    Leipzig  1891. 
102  S.   8^. 

Ich  bin  den  Untersuchungen  des  bewährten  Forschers  mit  dem 
gröfsten  Interesse  gefolgt  und  nehme  alles  Wesentliche  daraas'  unbedenk- 
lich an.  Einige  nachfolgende  Zusätze  und  Änderungsvorschläge  mögen 
zugleich  2ur  Stütze  und  Klärung  der  Mommsenschen  Ansicht  beitragen. 

Zunächst  sei  es  erlaubt  zu  bemerken,  dafs  mir  neben  dem  luter- 


26  Pindmr. 

esse  der  Gesamtfrage  zwei  beiläufig  bertthrte  Punkte  als  wichtig  für  den 
Pindarforscher  erscheinen.  Erstens  tritt  der  Verfasser  aas  kalendari- 
schen Rücksichten  für  die  Pythiadenära  Ol.  49,  3  ein,  welche  Referent 
stets  vertreten  und  speciell  Pbilol.  N.  F.  Bd.  IV  verteidigt  hat;  Ol.  49,  3 
wttrde  nämlich  mit  dem  Hundsternnenmond  582  zusammenfallen  und 
somit  für  den  Beginn  einer  neuen  Epoche  sehr  geeignet  sein.  Jeder 
Fortschritt  zu  sichererer  Beantwortung  dieser  Frage  ist  ja  für  die  Chro- 
nologie der  pythischen  Oden  und  Pindars  Leben  überhaupt  von  Bedeu- 
tung. Indessen  hätte  Mommsen  von  seinem  Standpunkt  aus  nicht  sagen 
sollen,  die  für  die  pythische  Zeitrechnung  überlieferten  Epochenjahre 
Ol.  48,  3  und  49,  3  differierten  •  ebenso«  (S.  31)  wie  die  beiden  von  ihm 
supponierten  Olympiadenepochen  780  und  776;  denn  den  Hundsternnen- 
mond trifft  man  dort  bei  Ansatz  b  (Ol.  49,  3),  hier  bei  Ansatz  a  (780 
bezw.  780  —  2X160—460).  Also  würde,  wenn  überhaupt  Mommsens 
»technische  Epochenc  zuzulassen  wären,  der  wirkliche  Pythiadenanfang 
auf  Ol.  50,  3  zu  setzen  sein,  was  nirgend  überliefert  ist  Aber  jene 
»technische  Olympiadenepoche«,  sozusagen  OL  0,  ist  vom  Verfiasser  (wie* 
wohl  sie  unsern  mathematischen  Begriffen  entspricht)  nicht  mit  vollem 
Recht  postuliert.  Dafür  hat  nämlich  Mommsen  zwei  Gründe  nebst  der 
seltsamen  Datierung  einer  Inschrift.  Erstens  einen  siderischen  Grund: 
man  erreiche  mit  der  »technischen  Epoche«  einen  Hundstemneumond, 
~  wogegen  mir  die  »historische«  Epoche  776  bezw.  466  mit  ihrem  Hund- 
stemvollmond  völlig  auszureichen  scheint  Zweitens  hat  Verf.  den  kalen- 
darischen Grund  S.  29 ,  dafs  bei  der  »historischen«  Zählung  das  erste 
Quadriennium  einer  olympischen  Periode  sofort  zu  lang  angesetzt  werden 
müsse,  da  es  z.  B.  in  Periode  7^'  =  456  ff  bis  zum  Neumond  des  28.  Juli 
452,  nicht  etwa  bis  zum  vorhergehenden  Junineumond  reiche.  Dieser 
Grund  wird  beseitigt  durch  den  Text  des  trefflichen  Pindarscholions  zu 
0  3,  33  (Mommsen  S.  8),  nach  welchem  die  Periode  nicht  im  Sommer, 
sondern  mit  dem  Monat  der  Wintersonnenwende  beginnt  Auf  eben- 
derselben Grundlage  fufsend,  kann  man  sich  durch  Probe  überzeugen, 
dafs  Mommsen  (S.  29)  die  im  Scholion  zu  0  3,  35  überlieferte  Reihen- 
folge von  49  +  50  Monaten  irrig  in  50  +  49  umgekehrt  hat 

Wird  hiermit  meines  Erachtens  hinfällig,  was  der  Verfasser  in 
Abschnitt  6  (S.  29  32)  sagt,  so  wird  der  Wert  des  Scholions  nur  erhöht 
Dies  ist  aber  das  Zweite,  was  der  Betonung  wert  scheint:  die  chrono- 
logischen Notizen  in  den  Pindar-Scholien  erweisen  sich  durchweg  als  auf 
treffliche  Grundlage  gegründet,  während  die  exegetischen  Aufetellungen 
den  Schwierigkeiten  der  Oden  ganz  und  gar  nicht  gewachsen  sind. 

Auch  hier  steckt  in  dem  kurzen,  leider  verderbten  Text  des  Scho- 
lions in  nuce  fast  die  ganze  von  Mommsen  mühsam  erarbeitete  Con- 
struction.  Dies  würde  noch  deutlicher  ans  Licht  getreten  sein,  wenn 
der  Verfasser  die  Worte  hb^  Se  ovrog  dia^tpovnüv  r^  &pf  energischer 


J 


PiBdar.  27 

aufs  Korn  genommen  hätte.  Nach  Mommsen  S.  9  soll  der  Sinn  dieser 
Stelle  sein,  dafs  es  sich  hier  um  nicht  mehr  als  Ein  Fest  handle  und 
dafs  dies  Eine  Fest  dennoch  sehr  in  der  Jahreszeit  schwanke.  Welch 
weitläufige  Wendung  mitten  unter  knappen  und  inhaltsreichen  Notizen! 
Vielmehr  ist  mit  iv6^  offenbar  ein  Monat  gemeint,  nichts  anderes  als 
die  MonatslSnge  der  im  Lauf  einer  160  Jahrzeit  angesammelten  Verspä- 
tungen der  Numenie  (S.  18);  auch  wird  wpa  nicht  wohl  Jahreszeit  be- 
deuten (denn  die  Jahreszeit  der  Olympien  ist  stets  die  dnatpa)^  sondern 
Periode,  Zeitabschnitt:  weshalb  ich  in  den  verderbten  Worten  den  Sinn 
suche,  »da  die  Differenz  (Verspätung)  im  Laufe  einer  160  Jalir-Periode 
einen  Monat  beträgtt,  also  etwa  iuöc  Sk  {sc*  fir^vog)  ^v  rb  Statpipov  irwv 
pC  Sip^  oder  kvoQ  dk  Lv  rh  8tuipipov  irwv  7)'  mpaig  x\ 

Berichten  wir  indessen  über  die  Mommsenschen  Ergebnisse,  und 
zwar  dem  Gedankengange  des  trefflichen  Scholions  folgend!  Innerhalb 
des  Olympiadencyclus  sind  zwei  Perioden  zu  unterscheiden:  eine  8jährige 
und  eine  160 jährige.  Zuvörderst  {npatrov  pjkv  nayroQ)  handelt  es  sich 
um  die  dxTasTy^pig  als  einfachste  und  empirisch  naheliegende  nep:o8og: 
8  Jahre  bezw.  99  (49  +  50)  Monate  (daher  meine  Vermutung  bei  Momm- 
sen S.  9  inj  jy'  pr^vag  qb'),  beginnend  mit  dem  Neumond  des  Winter- 
sonnwendenmonats. Diese  Periode  dient  dazu,  den  entsprechenden  Voll- 
mond richtig  einzuhalten,  der  nach  dem  einfachen  Quadriennium  um 
14-16  Tage  abweicht.  Indessen  die  Oktaeteris  ist  iV»  Tage  zu  lang, 
und  die  Regelung  dieses  Fehlers  geschieht  durch  die  zweite,  die  160 
Jahr  -  Periode.  Denn  die  Differenz  bezw.  Verspätung  beträgt  in  dieser 
1 60  Jahr-Zeit  einen  Monat,  den  man  dann  ausschaltet.  Daher  wird  das 
erste  Fest  in  jeder  Periode  (i^pStra  VXupma  ayerai^  —  nicht  praes. 
histor.  mit  dem  Verf.  S.  39)  im  achten  Monat  (am  achten  Vollmond) 
gefeiert,  insgesamt  aber  resultiert  eine  Schwankung  von  45  Tagen  (das 
Fest  kann  also  bisweilen  auch  in  den  9.  Monat  fallen):  jenes  (nämlich 
das  erste  Fest  der  Periode)  wird  gefeiert  die  dnuipa  beginnend  d.  i.  bei 
Hundsternvollmond  (Mommsens  Änderung  des  dp^opeva  in  das  geläufige 
dpxopdvi^Q  billige  ich  nicht),  dagegen  die  Lage  des  Festes  am  Ende  der 
1 60  Jahr-Periode  (r^  8i)  ist  unmittelbar  vor  dem  Arktur.  Die  letztere 
Lage  hat  Mommsen  in  seinen«  fleifsigen  und  dankeswerten  Entwürfen 
8.  48 f.  meines  Erachtens  nicht  richtig  bestimmt,  infolge  seiner  oben 
widerlegten  Annahme  einer  technischen  Epoche;  er  mufste  Ol.  80,  120 
und  160  vier  Wochen  später  setzen  und  dann  erst  den  Monat  aus- 
schalten. Übrigens  ist  auch  der  Ausdruck  6n'  (wrov  rbv  dpxrohpoy  für 
die  ältere  Zeit  genau  zu  nehmen :  dpxzoupog  im  Jahre  43 1  nach  Hartwig 
bei  Mommsen  S.  12  ist  =  Sept.  15,  also  im  achten  Jahrhundert  ==  Sept. 
13;  dagegen  das  olympische  Vollmondsfest  am  Ende  der  160jährigen 
Periode  /  =  Sept  10,  letzter  Festtag  =  Sept.  11  bezw.  12. 

Solange  jedoch  nicht  sicher  nachzuweisen  ist,   ob  als  Festdatum 


28  Pindar. 

Lona  XV  anzusehen  ist,  und  solange  die  Zahl  der  Fesir  bezw.  Spieltage 
(Mommsen  S.  1  7  nach  Holwerda,  Archäol.  Ztg.  1880  und  Mie,  quaestio- 
nes  agonisticae  Rostock  1888)  nicht  feststeht,  kann  der  interessante  Ver- 
such, aus  den  kalendarischen  Abweichungen  zu  eruieren,  wann  die  ganze 
Theorie  rechnungsmäfsig  fixiert  und  durch  Rttckwärtsconstruction  ergänzt 
sei,  nicht  zu  durchschlagenden  Resultaten  führen.  —  Die  interessanten 
historischen  Einzelfälle  S.  54  — 100,  welche  die  Mommsenschen  Berech- 
nungen bestätigen,   gehören  nicht  mehr  in  den  Rahmen  dieses  Berichts. 


Bericht  über  die  in  den  Jahren  1886  und  1887 
über  Piaton  erschienenen  Arbeiten. 


Von 

Prof.  Dr.  Gfustay  Schneider 

in  Gen. 


L  Abteilung. 

Bei  der  Abfassung  dieses  Jahresberichtes  war  ich  vor  allem  bestrebt 
von  den  einzelnen  Schriften  ein  möglichst  genaues  Bild  zu  geben,  und 
ich  habe  gerade  hierauf  viel  Mühe  verwandt,  indem  ich  von  dem  Gedan- 
ken ausging,  dafs  dem  Leser  jedesmal  vorzugsweise  daran  gelegen  sei, 
eine  Vorstellung  von  der  betreffenden  Schrift  selbst  zu  gewinnen.  Na- 
mentlich habe  ich  dies  bei  den  philosophischen  Arbeiten  gethan;  und 
wiederum  habe  ich  es  bei  diesen  besonders  fUr  angemessen  gehalten 
meine  Auffassung  der  Sache  darzulegen.  Bei  der  Weise,  wie  ich  gear- 
beitet habe,  glaube  ich  annehmen  zu  dürfen,  dafs  ein  jeder  den  Eindruck 
gewinnt,  dafs  das  urteil  überall  auf  eingehender  und  zugleich  ruhiger 
und  sachgemäfser  Erwägung  beruht.  Leider  kann  ich  zunflchst  nur  die 
eine  Hälfte  des  Berichtes  liefern,  doch  hoffe  ich  es  zu  ermöglichen,  dafs 
der  zweite  und  letzte  Teil  in  gar  nicht  langer  Zeit  erscheint.  Über  rein 
kritische  Ausgaben  und  über  das  Handschriftliche  wird  Herr  Professor 
Dr.  Schanz  berichten.  Wenn  ich  in  diese  Gebiete  gehörige  Arbeiten  mit 
aufzähle,  geschieht  es  der  Übersicht  wegen. 

I.   Allgemeines. 

a)   Gesamt-Ausgaben. 

1 )  Piatonis  opera  quae  feruntur  omnia.  Ad  Codices  denuo  coUatos 
edidit  Martinus  Schanz.  Vol.  IIL  Particnlus  prior.  Sophista. 
Lipsiae  1887.    92  S. 

2)  Piatonis  dialogi  secundum  Thrasylli  tetralogias  dispositi.  Post 
Garolum  Fridericum  Hermannum  recognovit  Martinus  Wohlrab. 
Vol.  L     Lipsiae  1887.     16.  XLII  und  656  S. 

Enthalten  sind  in  diesem  Bande  acht  platonische  Schriften:  Euthy- 
phroii,  Apologia,  Kriton,  Phaidon,  Kratylos,  Theaitetos,  Sophistes  und 
PolitikoB. 


30  Plato. 


b)  Platonische   Philosophie. 

1)  Bonitz,  H.,  Platonische  Studien.    Dritte  Auflage.    Berlin  1886. 
Grofs  8.    X  und  823  S. 

Diese  dritte  Auflage  des  mit  vollstem  Rechte  so  hoch  geschätzten 
Werkes  unterscheidet  sieb  von  der  zweiten  nicht  sehr.  Die  Pflichten 
des  Amtes  haben  es  dem  Verfasser  unmöglich  gemacht  die  bereits  vor- 
bereitete Erklärung  einiger  von  den  ttbrigen  platonischen  Dialogen  zum 
Abschlüsse  zu  bringen  und  den  bisher  veröffentlichten  Abhandlungen 
hinzuzufttgen.  Selbst  die  Verwertung  der  auf  die  behandelten  Fragen 
bezttglichen  inzwischen  erschienenen  Litteratur  würde  ihm  kaum  aus- 
führbar geworden  sein,  »hätte  nicht  Herr  Dr.  Heller,  Professor  am 
Joachimsthalschen  Gymnasium,  es  gefälligst  übernommen,  ihm  das  Mate- 
rial zur  Benützung  sorgsam  zusammenzustellen.! 

Auch  wir  haben  Ursache  dem  genannten  Gelehrten  für  den  dem 
Verstorbenen  und  seinem  Werke  geleisteten  'Dienst  dankbar  zu  sein. 
Zu  einer  sachlichen  Änderung  im  Texte  der  Abhandlungen  hat  sich  der 
Verfasser,  abgesehen  von  der  Weglassung  mancher  entbehrlich  gewor- 
denen Polemik,  nur  an  wenigen  Stellen  bestimmt  gefunden.  Neu  hinzu- 
gekommen ist  auf  S.  313—323  aus  einem  in  der  Berliner  Akademie  der 
Wissenschaften  am  6.  März  1878  gehaltenen  Vortrage  eine  Abhandlung: 
»Zur  Erklärung  von  Piatons  Phädon  p.  62  A.c 

Das  Werk  ist  bereits  von  den  früheren  Auflagen  her  allgemein 
bekannt  und  von  allen  Seiten  hochgeschätzt.  Es  wäre  also  vollkommen 
überflüssig  etwas  zu  seiner  Empfehlung  zu  sagen.  Abgesehen  von  der 
neu  hinzugekommenen  Abhandlung  ist  es  auch  nicht  nötig  über  seinen 
Inhalt  zu  berichten.  Ehe  ich  zu  dieser  übergehe,  will  ich  daher  nur 
einen  Abschnitt  der  letzten  Abhandlung  des  Werkes  »Die  im  Phädon 
enthaltenen  Beweise  für  die  Unsterblichkeit  der  menschlichen  Seelec  in 
aller  Kürze  besprechen,  da  es  mir  aus  mannigfachen  Gründen  ganz  be- 
sonders v^nscheuswert  erscheint,  dafs  die  Erklärung  gerade  dieses  Dialogs 
allmählich  ihren  vollen  Abscblufs  erreicht.  Die  meisten  Schwierigkeiten 
hat  der  sachlichen  Erklärung  des  Phädon  der  sogenannte  SchluTsbeweis 
gemacht.  Bonitz  fast  diesen  S.  299  kurz  und  bestimmt  so  zusammen: 
»Die  Seele  ist  notwendig  verbunden  mit  der  Idee  des  Lebens:  sie  schliefst 
also  die  dieser  entgegengesetzte,  den  Tod,  aus,  d.  h  sie  ist  unsterblich, 
und  da  es  eine  andere  Vernichtung  des  Lebens  nicht  giebt,  als  durch 
den  Tod,  so  ist  die  Seele  der  Möglichkeit  des  Unterganges  enthoben 
(c.  49 — 66). c  Gegen  diesen  Gedankengang  erheben  sich  die  gewichtigsten 
Bedenken.  Daraus  dafs  die  Seele  als  notwendig  mit  der  Idee  des  Lebens 
verbunden  den  Tod  ausschlierst,  folgt  noch  nicht,  dafs  die  Seele  unsterb- 
lich ist.  Jenes  »das  heifst«,  das  doch  offenbar  eine  Gleichsetzung  von 
»die  Seele  schliefst  den  Tod  aus«   und  »die  Seele  ist  unsterbliche  be- 


Plato.  31 

deutet,  ist  vollkommen  ungerechtfertigt.  Der  Ausdruck  »ausschliefsenc 
verdeckt  nur  die  Verschiedenheit.  Daraus  dafs  die  Seele  notwendig  mit 
der  Idee  des  Lehens  verbunden  ist,  folgt  nur,  dafs  sie  nicht  tot  sein 
kann,  so  lange  sie  Seele  ist,  aher  nicht,  dafs  sie  nicht  tot  werden,  d.  h. 
vernichtet  werden  kann,  also  auch  nicht,  dafs  sie  unsterblich  ist.  Das 
d&dvaroQ  mufs  also  zunächst  nur  mit  Buntotc  übersetzt  werden  oder  ge- 
nauer mit  »untodc,  wie  dem  d^dvaxog  und  dem  Gange  der  Beweisfüh- 
rung entsprechend  hier  geschrieben  werden  müfste.  Vergl.  H.  Schmidt 
Beiträge,  namentlich  S.  149f.  Die  Seele  ist  untot,  ebenso  wie  im  vor- 
hergehenden der  Schnee  unwarm  und  das  Feuer  unkalt  ist.  Diese 
Eigenschaft  »untot«  schützt  die  Seele  vor  der  Vernichtung  durch  den  Tod 
aber  ebenso  wenig  als  die  Eigenschaft  »unwarm  c  den  Schnee  vor  der 
Vernichtung  durch  die  Wärme,  oder  die  Eigenschaft  »unkalt«  das  Feuer 
vor  der  Vernichtung  durch  die  Kälte  schützt.  Das  hat  Plato  auch  sehr 
wohl  gewufst,  und  darum  geht  nach  der  Gewinnung  des  Prädikats  d^d- 
varög  für  die  Seele  die  Beweisführung  noch  ein  gut  Stück  weiter.  Meine 
eigene  Auffassung  von  dieser  Beweisführung  habe  ich  dargelegt  in  Bei- 
träge zur  Erklärung  des  Philebus  S.  16  f.  und  in  derselben  Weise  in  Die 
Platonische  Metaphysik  S.  62 f. 

Gehen  wir  nun  zu  einer  kurzen  Betrachtung  der  neu  hinzugekom- 
menen Abhandlung  über.  Es  handelt  sich  um  die  Erklärung  von  p.  62  A: 
Yaa}Q  fisvTot  ßau/iatrcov  aot  tpavsTzat^  ei  ToTt'o  fiovov  rwv  dXXtov  dndvzmv 
äitAouv  ioTiu  xae  ouSsnoze  Twjr^dvee  rw  dv^pwntpf  Sftmep  xal  r^A^a  Sariv 
OTB  xal  otc^  ßekreov  re&vdvae  §  C?v  oe^  Se  ßeXrtov  reBvduae,  ßau/iaarov 
uTü)^  aot  ipacvexat^  el  roorotQ  rotg  dvdpwTiotq  fiij  oatov  icrrtv  aurou^ 
eaurous  £u  notecif^  dAX"  äXXov  det  neptjiivetv  ehepyiryjv. 

Von  dieser  Gestalt  des  Textes  mit  der  angewandten  Interpunktion 
geht  Bonitz  bei  seiner  Erklärung  aus.  Zunächst  stellt  er  den  Zusammen- 
hang fest,  in  welchem  dieser  Satz  steht.  Sehr  richtig  bemerkt  er  sodann, 
dafs  in  diesem  Satze  ein  Einwand  dargelegt  ist,  der  sich  gegen  die 
AUgemeingiltigkeit  des  Verbotes  des  Selbstmordes  erhebt.  Das 
rooTo  gleich  in  der  ersten  Zeile  des  fraglichen  Textes  fafst  er  richtig 
gleich  abrbv  iauröv  dnoxrcvvuvat  und  dnXoüv  in  der  Bedeutung  »unter- 
schiedslos«. Was  er  damit  meint,  wird  noch  ersichtlicher,  wenn  er 
S.  316f.  sagt:  »Dafs  ein  Einwand  vorgebracht  ist,  bestätigen  auch  die 
unmittelbar  folgenden  Worte  xal  yäp  otv  So^tisv  out<o  y^  Etvat  dXoyoVy 
,von  diesem  Gesichtspunkte  aus  betrachtet  dürfte  es  widersinnig  schei- 
nen', nämlich  schlechthin  und  allgemein  den  Selbstmord  zu  verwer- 
fen.« Nach  eingehender,  umsichtiger  Erörterung  kommt  er  auf  Seite  322 
zu  folgendem  Resultate:  »Man  wird  hiernach  in  möglichst  engem  An- 
schlüsse an  die  griechischen  Worte  den  Satz  ungefähr  in  folgender  Weise 
übertragen  können :  , Vielleicht  wird  es  dir  jedoch  wunderbar  erscheinen, 
wenn  dieser  Fall  allein  unter  allen  übrigen  unterschiedslos  und  nicht, 
wie  alles  übrige  unter  Umständen  und  für  manche  Personen,  so  auch 


32  Plato. 

der  Tod  zuweilen  dem  Menschen  besser  sein  sollte,  als  das  Leben;  wenn 
aber  für  manche  besser  ist  tot  zu  sein,  da  scheint  es  dir  wohl  wunder- 
bar, dafs  diesen  Menschen  nicht  erlaubt  sein  soll,  sich  selbst  diese 
Wohlthat  zu  erweisen,  sondern  sie  dieselbe  von  einem  andern  Wohl- 
thäter  erwarten  sollen '.c  Ein  grofses  Bedenken  gegen  diese  Erklftmng 
liegt  meines  Erachtens  darin,  dafs  da  wo  man  dem  ganzen  Znsammen- 
hange nach  mit  Notwendigkeit  »der  Selbstmorde  erwartet,  dafür  »der 
Tode  eintritt  Dieser  Anstofs  ist  nicht  beseitigt  durch  das  was  Bonitz 
zu  seiner  Hebung  vorher  (S.  821  f.)  vorbringt.  »Wir  haben  uns  nur  zu 
vergegenwärtigen,  dafs  das  Wesentliche  des  in  dem  ganzen  Satze  vor- 
gebrachten Einwaüdes  in  der  Bestreitung  der  Allgemeingiltigkeit  des  Ver- 
botes des  Selbstmordes  liegt;  der  Satz,  dafs  der  Tod  nicht  unter  allen 
Umständen  ein  Übel  ist,  nimmt  dazu,  obgleich  er  nach  bekannter  griechi- 
scher Sprechweise  grammatisch  coordiniert  ist,  nach  seinem  Inhalte  nar 
die  subordinierte  Stellung  einer  Voraussetzung  ein.  Unter  Berücksichti- 
gung der  bezeichneten  griechischen  Weise  der  Satzbildung  kann  es  nicht 
auffallend  erscheinen,  wenn  zu  touto  fiovov  änXouv  der  Gegensatz  in  den- 
jenigen Worten  zu  suchen  ist,  welche  grammatisch  das  zweite,  inhaltlich 
das  Hauptglied  bilden  otg  8k  ßsAzcov  xr^.,  als  wenn  in  knapper  Fassang 
gesagt  wäre:  »Es  kann  dir  wunderbar  scheinen,  wenn  der  Selbstmord 
(rouTo)  etwas  Unterschiedsloses  sein  und  nicht  für  manche  Menschen^ 
für  welche  nämlich  der  Tod  eine  Wohlthat  ist,  erlaubt  sein  sollte \c 
Wäre  die  von  Bonitz  gegebene  Erklärung  der  Stelle  die  durchaus  rich- 
tige, so  könnte  man  Plato  hier  von  dem  Vorwurfe  einer  recht  inkorrek- 
ten Ausdrucksweise  nicht  ireisprechen.  Meiner  Ansicht  nach  kommt 
ein  durchaus  befriedigender  Sinn  heraus,  wenn  man  unter  Festhaltang 
des  überlieferten  Textes  nach  den  Worten  Sxmsfj  xa\  räXXa  ein  Kolon 
setzt.  Dann  ist  die  Stelle  folgendermafsen  zu  übersetzen:  »Vielleicht 
wird  es  dir  jedoch  wunderbar  erscheinen,  wenn  dieser  Fall  unterschieds- 
los ist  und  sich  niemals  in  der  Weise  für  den  Menschen  verhält,  wie 
alles  andere«  (nämlich  so,  daPs  je  nach  der  Verschiedenheit  der  Um- 
stände und  der  Personen  auch  seine  Beurteilung  eine  verschiedene  ist). 
Nun  wird  im  folgenden  der  anscheinende  Widerspruch,  der  schon  ange- 
deutet, mit  aller  Bestimmtheit  hingestellt;  darum  wird  asyndetisch  fort- 
gefahren: »unter  Umständen  und  für  manche  ist  es  besser  tot  zu  sein 
als  zu  leben;  es  erscheint  dir  nun  wohl  wunderbar,  wenn  diejenigen 
Menschen,  für  die  es  besser  ist  tot  zu  sein,  nach  den  Geboten  der  Re- 
ligion sich  nicht  selbst  diese  Wohlthat  erweisen  dürfen,  sondern  auf 
einen  andern  Wohlthäter  warten  sollen.« 

Joäl,  Karl,  Zur  Erkenntnis  der  geistigen  Entwicklung  und  der 
schriftstellerischen  Motive  Piatos.    Eine  Studie.    Berlin  1887.    8.  90  S. 

»Der  platonische  Typus  gliedert  seine  Bestimmtheit  nach  vier  Sei- 
ten hin,  nach  der  Beantwortung  der  Fragen  1)  nach  Kern  und  Onmd- 


Plato.  33 

richtung  des  Gedankeninhalts  der  platonischen  Schriften,  2)  nach  der 
Thatsächlichkeit  einer  Selbstentwicklung  im  platonischen  Geist  resp.  im 
Gegensatz  dazu  einer  methodischen  Absicht  in  der  Anordnung  der 
Schriften,  3)  nach  der  Bedeutung  der  Form,  namentlich  der  dialogischen 
Dramatik,  4)  nach  den  schriftstellerischen  Motiven  Piatos.  Die  erste 
Frage  kann  niemals  spät  genug  gethan  werden;  sie  ist  am  besten  das 
krönende  Endresultat  aller  Einzelforschung.  Die  andern  dagegen  sind 
dringende  Vorfragen,  die  in  die  Einleitung  gehören.«  ilm  folgenden 
sollen  weniger  diese  Fragen  selbst  beantwortet,  als  fUr  ihre  Beantwortung 
einige  vielleicht  brauchbare  Momente  beigebracht  werden.«  »Jedem,  der 
Antwort  auf  unsere  Fragen  sucht,  bieten  sich  als  mögliche  Erkenntnis- 
quellen aus  Piatos  eigenen  Worten,  als  die  sichtbarsten,  bedeutungs- 
vollsten und  im  wesentlichen  auch  als  die  einzigen  zwei  Stellen,  Phaedr. 
96  A  -  100  B  für  die  Erkenntnis  einer  Entwicklung  und  Phaedr.  274  B 
—  278  B  ffOLT  die  Erkenntnis  der  schriftstellerischen  Motive  Piatos.  Die 
Behandlung  dieser  Fragen  wird  sich  deshalb  wesentlich  um  die  Inter- 
pretation jener  Stellen  bewegen.« 

Es  wird  nun  im  ersten  Abschnitte  (S.  8  ~  33)  die  Stelle  Phaedr. 
96  A — 100  B  eingehend  und  umsichtig  erörtert  unter  Berücksichtigung 
der  betreffenden  Litteratur,  und  dargethan,  »dafs  jener  Phädoniscbe  Be- 
richt sich  auf  Plato  und  nicht  auf  Sokrates  beziehe.«  Mit  diesem  Nach- 
weis ist  »nun  die  Existenz  einer  genetischen  Entwicklung  Piatos  und 
einer  langen,  tiefgreifenden,  vielfach  abgestuften  Entwicklung  bewiesen 
und  für  die  Erkenntnis  des  genaueren  platonischen  Entwicklungsganges, 
namentlich  inwieweit  er  sich  in  den  Schriften  ausspricht,  ein  vielleicht 
brauchbares  Moment  geliefert.«  Das  gewonnene  Resultat  wird  gestützt 
durch  Heranziehung  direkter  Zeugnisse  platonischer  Schriftstellen,  durch 
den  Hinweis  darauf,  »dafs  Plato  örtlich  und  zeitlich  vom  Schicksal  an 
einen  Punkt  gestellt  war,  wo  die  buntesten  philosophischen,  künstleri- 
schen und  politisch-sozialen  Eindrücke  mit  überwältigender  Sturmgewalt 
auf  ihn  eindrangen,«  und  schliefslich  durch  den  Hinweis  auf  analoge 
philosophische  Erscheinungen.«  Der  erste  Abschnitt  der  Abhandlung 
schliefst  mit  den  Worten:  »dafs  nach  geschichtlichem  Gesetz  kein  Denker 
zu  längerer  Denkentwicklung  bestimmt  war  als  Plato.«  Trotz  der  an- 
sprechenden Erörterungen  ist  es  meines  Erachtens  dem  Verfasser  nicht 
(gelungen,  das  gewollte  »geschichtliche  Gesetz«  unumstöfslich  darzuthun. 
Sodann  mufs  berücksichtigt  werden,  dafs  Plato  einen  recht  bedeutenden 
Bestand  an  philosophischen  Anschauungen  von  Sokrates  überkommen 
und  dauernd  festgehalten  hat,  dafs  seine  Abhängigkeit  von  seinem  Lehrer 
eine  recht  grofse  ist.  Durch  diese  von  Plato  selbst  voll  und  ganz  aner- 
kannte Thatsache  erfährt  die  ganze  Anschauung  des  Verfassers  eine 
merkliche  Einschränkung. 

Der  zweite  Abschnitt  (S.  34—46)  bespricht  die  formale  Behandlung 
des  Stoffes  bei  Plato  und  sucht  nachzuweisen,  dafs  dieselbe  gleichfalls 

Jahresbericht  für  Alterthunswisseitschaft.  LXVU.  Bd.  (1891. 1.)  3 


34  Plftto. 

zu  Gunsten  einer  reichen  Denkentwicklung  Piatos  spreche.     Diese  for- 
male Behandlung  des  Stoffes  von  selten  Piatos  besteht  in  jener  Methode 
der  Wissensgewinnung,  die,  statt  sich  geradeswegs  auf  das  Endresultat 
hinzubewegen,   die  Wahrheit  erst  als  oberste  Staffel  einer  Stufenleiter 
von  vorgefahrten  Anschauungen  erscheinen  läfst,  und  in  der  dialogiscbei 
Dramatik.    Die  dialogische  Natur  der  platonischen  Schriften  erscheint 
dem  Verfasser  als  eine  blofse  Wiedergabe  des  psychischen  Gescheheu 
des  eigenen  platonischen  Denkprozesses.     »Das  platonische  Denken  wir 
schon   von  Hause   aus   mehr   dialogisch   als  monologisch.     Es  war  dB 
ununterbrochenes  Paktieren  zwischen  einem  Geist  produktiver  Phantasie 
und  einem  Geist  kritischer  Realität. t    Doch  wir  müssen  Perioden  aDte^ 
scheiden.    Diese  entsprechen  in  ihrer  Aufeinanderfolge  einem  allgemeinn 
Gesetz  psychischer  Entwicklung,  und  dies  »macht  es  zur  vollen  Gewib- 
heit,  dafs  die  Form  der  Schriften  keine  erkünstelte,  sondern  die  Fortt 
des  eigenen  platonischen  Seelenlebens  ist.c     »Die  platonische  Dramatik^ 
ist  ein  Kind  der  platonischen  Entwicklungsfähigkeit    Sie  ging  wesea^ 
lieh  hervor  aus  dem  Drang  nach  innerer  Klärung,  aus  der  Unsicherheit 
des  Gedankens,  aus  dem  Stachel  des  Intellekts,  den  Streit  der  imm^^ 
neuen,  innen  und  aufsen  aufsteigenden  Gegensätze  im  Lichte  der  Objekt^ 
vität  zum  Austrag  zu  bringen,  aus  der  Fähigkeit  und  dem  Trieb  in  si^ 
selbst  Gegensätze  zu  erzeugen  und  sie   zu  vollster,  kühner  Macht  xxm^ 
Plastik  heranzuziehen.«  —  —  »So  ist  es  also  sowohl  die  MöglichkeS 
wie  die  erreichte  Höhe,  wie  die  Verschiedenheit  der  platonischen  Drtfi 
matik,  die  dringend  auf  eine  lange,  reiche  Entwicklung  des  platonisch»^ 
Denkens  hinweisen.«    Ob  hier  nicht  doch  zu  weit  gegangen  wird?    Mach^ 
die  Dialoge,  selbst  die  früheren  wirklich  den  Eindruck,  dafs  ihre  dramM 
tische  Form  der  »Unsicherheit  des  Gedankens«  ihre  Entstehung  verdank» 

Der   dritte  Abschnitt  (S.  47  -  90)  beginnt   mit  der  Frage:  »W»ä 
nützt  uns  zur  Erkenntnis  des  Autors  Plato  der  Nachweis  einer  geistf 
gen  Entwicklung  des  Menschen  Plato,  wenn  wir  nicht  wissen,  ob  bä<li^ 
sich  frei  ineinander  gaben,   oder   ob  etwa  ein  festbewufster  objektive^ 
Zweck,  den  jener  zu  verwirklichen  trachtete,  trennend  dazwischen  tnA 
es  verbot ,  dafs  der  innen  arbeitende  Gedankenfortschritt  auch  anbcB 
in  den  Schriften  zum  reinen  Ausdruck  kam?«    Die  Entscheidung  wiri 
abhängig  gemacht  von  einer  Erörterung  der  schriftstellerischen  Motif^ 
Piatos,  speziell  der  hierüber  Aufschlufs  bietenden  Phädrusstelle  274  B -- 
278  B.    Die  Erklärung  dieser  Stelle  ist  eingehend,  umfassend  und  scharf* 
sinnig.     Wir  wollen  die  wichtigsten  Sätze  herausheben.     »Da,  was  jadi 
Schrift  leisten  soll,  die  beste  Schrift  leistet,  die  platonische  Schrift  fdl^ 
lieh  am  meisten,   stärksten  und  besten  leistet,  Wiedererinnemng  ist  ai 
das,  wovon  die  Schrift  handelt  uno/ivr^ffae  nepl  wv  äv  ^  zä  Y^P^ 
fidua  für  den  Wissenden  oder  den  Autor  selbst  für  die  Zeit  des  Ver- 
gesse ns,  also  ausdrücklich  die  Identität  zwischen  Wissen  and  Schrift* 
inhalt  betont  wird,  so  mufs  das  platonische  Schriftentum  die  platonisdM 


Plato.  S5 

Lehre  enthalten  haben  (wenn  auch  ohne  ea^veta  und  ßeßcudn^Q  für  alle 
Unkundigen). <c  »Die  bis  jetzt  TorgefQhrten  Stellen  gestatten  nicht  den 
leisesten  Zweifel ,  dafs  Plato  Belehrung  durch  die  Schrift  für  unmöglich 
erklärte  und  ftlr  seine  Schriften  als  Zweck  gänzlich  ausschlofs.c  Motiv 
der  platonischen  Scbriftstellerei  ist  die  nouded^  die  Wiedererinnerung  nur 
die  gleichzeitige  Wirkung.  »Die  platonische  Scbriftstellerei  findet  somit 
den  Grund  ihres  Geschehens  wohl  in  einem  subjektiven  Motiv,  aber  nicht 
in  einem  objektiven  Zweck. c  In  Parallele  wird  Goethe  gestellt,  »und 
er  (Plato)  sagt  es  ja  selbst:  er  schreibt,  weil  das  Schreiben  ihm  Freude 
macht  (276  D).c  »Aber  wie  ist  es  möglich,  dafs  das  Schreiben  Herzens- 
sache sein  und  doch  so  tief  herabgesetzt  werden  kann?c  »Plato  sah 
um  sich  eine  vielgeschäftige  litterarische  Thätigkeit  sich  entfalten.  In 
dieses  Chaos  subjektiver  Meinungsergiefsungen,  die,  ungreifbar  fär  den 
Kritiker,  mit  aller  Selbstverständlichkeit  des  Rechtbabens  glatt  dahin- 
flössen, rief  er  donnernd  hinein,  dafs  all  das  leer  und  nichtig  sei,  dafs 
es  auf  das  Denken  des  Subjekts  ankomme,  auf  seine  Fähigkeit  seine 
Sache  dialektisch  zu  vertreten,  auf  ein  Gegenübertreten  der  Persönlich- 
keiten Auge  in  Auge,  auf  ein  lebendiges  Überzeugen.« 

Der  Verfasser  weifs,  dafs  so  eine  Kluft  bleibt  zwischen  unserm 
Gefühl  und  der  schweren  Mifsachtung  der  Schrift  in  der  Phädrusstelle. 
Diese  sucht  er  im  folgenden  zu  überbrücken.  Das  Resultat  der  Unter- 
suchung sind  folgende  drei  Sätze  1.  »Das  platonische  Geistesleben  unter- 
liegt einer  reichen,  langen  Entwicklung«.  Es  ist  dies  meines  Erachtens 
zuzugeben,  aber  nur  mit  jener  Einschränkung,  die  sich  aus  der  bedeu- 
tenden Abhängigkeit  Piatos  von  seinem  Lehrer  ergiebt.  2.  »Die  Form 
der  platonischen  Schriften  ist  auch  die  des  platonischen  Geisteslebens, 
das  sich  darin  zugleich  auch  in  seiner  Entwicklung  kund  giebt «  Dieser 
Satz  ist  zu  unterschreiben.  3.  »In  den  platonischen  Schriften  kommt 
das  platonische  Geistesleben  ohne  Rücksicht  auf  objektive  Zwecke  in 
freier  Selbstergiefsung  zum  Ausdruck.«  Dieser  Satz  ist  gewonnen  durch 
die  Interpretation  der  Phädrusstelle,  welche  sicherlich  das  richtige  trifft. 
Es  bleibt  aber  die  Frage,  ob  Plato  die  dort  vorgetragene  Anschauung 
dauernd  festgehalten  hat.  Der  Verfasser  sagt  S.  82  selbst:  »Ein  gewisses 
Mafs  an  der  hier  geschehenden  Herabsetzung  der  Schrift  fällt  dem  da- 
mals des  Plato  zur  Last.  Aus  der  Phädrusstelle  spricht  deutlich  noch 
ein  sehr  lebendiger  Sokraticismus«.  Und  andere  äufsere  Verhältnisse 
werden  vorgef&hrt,  durch  die  jene  Herabsetzung  der  Schrift  veranlafst 
worden  sei.  Sodann  müfste  doch  auch  wohl  die  Tragweite  der  Worte 
278  B :  Ouxouv  ij8ij  nenoUaBoß  fierptw^  ^ficv  rä  nept  Xoywv  festgestellt  wer- 
den. Und  so  scheint  es  mir  doch  recht  fraglich,  ob  diese  drei  Sätze  für 
die  Bestimmung  der  Echtheit  und  Ordnung  der  platonischen  Schriften 
so  grofse  Bedeutung  haben  als  ihnen  der  Verfasser  in  dem  Schlafspassus 
zuschreibt. 


36  Plato. 

3)   Sartorius,  M.,   Die  Realität  der   Materie  bei   Plato. 
Philosophische  Monatsheae  XXII  (1886)  S.  129-167. 

Der  Verfasser  der  vorliegenden  Abhandlung  ist  mit  Ernst,  Umsicht 
and  Scharfsinn  an  seine  Aufgabe  gegangen  und  hat  sich  redlich  bemüht 
der  Schwierigkeit  derselben  die  Spitze  zu  bieten. 

Die  Überschrift  ist  ungenau.  Die  Abhandlung  bietet  im  wesent- 
lichen doch  nur  eine  Untersuchung  des  Begriffs  der  Materie  im  Timäus, 
oder  der  Materie,  die  Plato  als  Substrat  der  Sinnenwelt  betrachtet. 
Plato  kennt  entschieden  auch  eine  intellegible  Materie,  wenn  man  den 
Ausdruck  Materie  bei  ihm  überhaupt  brauchen  darf,  und  es  darf  dem- 
nach nicht  von  der  Realität  der  Materie  bei  Plato  überhaupt  gesprochen 
werden.  Der  Verfasser  meint,  dafs  Plato  der  Sinnenwelt  eine  Materie 
im  realistischen  Sinne  des  Wortes,  ein  eigentliches  Substrat  zu  gründe 
gelegt  habe.  Seinen  Standpunkt  präcisiert  er  von  vornherein  dahin,  daCs 
er  sich  zu  den  Gegnern  Zellers  schlagen  müsse  und  über  Teichmüller 
noch  hinausgehe,  insofern  er  dessen  Verflüchtigung  der  platonischen  Ma- 
terie zu  einem  »Moment  am  Werdenden  und  Wirklichen«  nicht  billige. 

Der  erste  Teil  der  Abhandlung  führt  die  Überschrift  »Erörte- 
rungen über  die  Materie  in  Piatos  eigenen  Schriftenc  Be 
gönnen  wird  hier  mit  Pbaedo  c.  46 ff.  mit  den  Worten:  »Bekanntlich  ist 
es  Anaxagoras,  dessen  Naturerklärung  in  Plato  einen  begeisterten  An- 
hänger und  Lobredner  fand«.  Bekanntlich  wird  im  Phaedon  über  diese 
Natur erklärung  der  Stab  gebrochen,  die  Begeisterung  bezieht  sich 
auf  die  Aufstellung  der  Vernunft  als  des  Grundes  der  Dinge.  Das  meint 
offenbar  der  Verfasser.  »Der  letzte  Grund,  warum  Anaxagoras  schei- 
terte, ist  gerade  in  seiner  Fassung  des  stofflichen  Princips  gegeben.« 
Das  kann  man  zugeben,  ebenso,  wenn  dann  gesagt  wird:  »Diesen 
schwachen  Punkt  bemerkte  offenbar  schon  Plato«,  aber  hierf^  durfte 
sich  der  Verfasser  nicht  auf  Phaed.  c.  47  berufen.  Denn  hier  wird 
Anaxagoras  lediglich  der  Vorwurf  gemacht,  dals  er  nicht  zwischen  Ur- 
sache und  Mitursache,  zwischen  Zweck  und  realisierendem  Mittel  unter- 
scheide. 

Im  Timäus  leitet  Plato  seine  Auseinandersetzungen  über  die  Ma- 
terie durch  eine  Kritik  fiilherer  Theorieen  im  18.  Kapitel  ein  und  zwar 
mit  einer  Kritik  »der  ionischen  Physiologen,  weil  ihm  deren  Lehren 
diskutierbar  erscheinen.«  »In  Übereinstimmung  mit  sämtlichen  alten 
Physiologen  lieh  Plato  der  Materie  die  Fähigkeit  in  den  verschiedensten 
Formen  zu  erscheinen.  Während  jene  aber  unter  einander  darüber 
uneinig  waren,  welche  dieser  Erscheinungsformen  die  primäre  sei,  ist 
Plato  consequent  und  behauptet,  dafis  keine  der  streitigen  Gestalten  vor 
den  übrigen  etwas  voraus  habe,  sondern  dafs  die  Materie  als  solche 
gestaltlos  sei.«  Der  Verfasser  glaubt,  durch  die  Konstatierung  dieses 
Verhältnisses  Piatos  zu  den  alten  Joniem  viel  gewonnen  zu  haben.    »Lehnt 


Plato.  87 

sich  nämlich  Plato  gerade  an  diese  Früheren,  welche  in  der  Materie  die 
höchste  Qualität  erblicken,  so  eng  an,  dafs  er  nur  die  erwähnte  Inkon- 
sequenz derselben  nicht  billigt,  so  wird  es  äufserst  wahrscheinlich,  dafs 
er  die  von  ihnen  gelehrte  Realität  der  Materie  nicht  habe  antasten 
wollen.!  Diese  auf  dem  »nur«  aufgebaute  Schlufsfolgerung  hat  wenig 
Sicherheit.  Es  ist  nicht  richtig,  dafs  er  nur  die  erwähnte  Inkonsequenz 
derselben  nicht  billigte,  noch  entschiedener  ist  er  abgeneigt,  mit  ihnen 
in  der  Materie  »die  höchste  Realitätc  zu  erblicken. 

Dann  setzt  sich  der  Verfasser  mit  der  entgegenstehenden  Ansicht 
Zellers  auseinander,  namentlich  mit  Zellers  Berufung  auf  die  mathema- 
tische Konstruktion  der  Elemente  aus  Flächen.  Die  sich  hieraus  fllr 
den  Verfasser  ergebende  Schwierigkeit  sucht  er  durch  den  Nachweis  zu 
beseitigen,  »dafs  die  ganze  Theorie  Piatos  von  der  mathematischen  Ge- 
stalt der  Elementarteilchen  an  sieb  und  im  aUgemeinen  betrachtet  sicht- 
lich aufserhalb  seiner  Physik  steht.  Sie  kam  als  ein  Fremdling  hinein.« 
Das  ist  kein  glückliches  Verfahren;  hiermit  kann  er  Zeller  gegenttber 
unmöglich  etwas  gewinnen.  Der  meines  Erachtens  einfachen  Lösung  der 
vermeintlichen  Schwierigkeit  nähert  sich  der  Verfasser  auf  S.  147:  »Viel- 
mehr bleibt  die  Möglichkeit  durchaus  offen,  dafs  zu  dem  mathematischen 
Moment  der  Form  das  eigentlich  materielle  Moment  erst  noch  hinzu- 
kommt; können  doch  an  einer  solchen  Materie  die  mathematischen  For- 
men von  Dreiecken  und  Körpern  ebenso  gut  zur  Geltung  kommen  als 
im  blofsen  leeren  Raum.«  Vergl.  meine  Platonische  Metaphysik  S.  26. 
Dafs  die  Bezeichnung  der  Materie  als  röno^  oder  zcjpa  nicht  für  die 
Zeller'sche  Auffassung  spricht,  wird  mit  Recht  behauptet,  doch  nicht 
ganz  genügend  dargethan.  Es  beruht  lediglich  auf  mangelhafter  Er- 
kenntnis, wenn  S.  166  gesagt  wird:  »Eine  blofse  etymologische  Spielerei 
ist  es  also,  dafs  Plato  für  die  SX;^  auch  die  Bezeichnung  r^o^  anwandte, 
ausgehend  Ton  dem  Umstände,  dafs  xcjpa  und  ^^fopeev  dieselbe  Wurzel 
haben.« 

Sehr  eingehend  mrä  sodann  die  Schlufsfolgerung  Zellers  unter- 
sucht: »Die  sinnlichen  Dinge  sind  ein  Mittleres  zwischen  Sein  und  Nichtr 
sein;  das  Moment  des  Seins  kommt  ihnen  von  den  Ideen,  mithin  ent- 
stammt das  Nichtsein  dem  anderen  Prinzip,  der  Materie;  diese  ist  also 
das  Nichtsein.«  In  der  Bekämpfung  dieser  sicherlich  angreifbaren  Folge- 
rang geht  der  Verfasser  zu  weit,  wenn  er  schliefslich  sagt:  »Nach  Zeller 
mufste  Plato  durchaus  den  Stoff  ebenso  tief  unter  die  Gegenstände  der 
sinnlichen  Wahrnehmung  setzen,  als  er  diese  unter  die  Ideen  stellte.  In 
Wirklichkeit  aber  erhebt  er  ihn  weit  über  die  sinnlichen 
Dinge  empor.«  Auf  jeden  Fall  liegt  dies  nicht  in  der  Tendenz  Piatos. 
Bei  dieser  Anschauung  ist  es  nur  konsequent,  wenn  ihm  Teichmüller  mit 
der  Erklärung,  die  Materie  könne  nur  als  ein  Moment  an  dem  Werden- 
den und  Wirklichen  unterschieden  werden,  nicht  genug  thut.  Der  Ver- 
fasser »hält  an  der  vollen  und  ganzen  Realität  der  Materie  fest«.   »Ver- 


88  Plato. 

gebens  suchen  wir  allerdings  eine  Anfklftrang  ttber  die  Stellung  der 
beiden  Realitäten  zu  einander,  und  wir  müssen  also  eine  ünfertigkeit 
der  platonischen  Doctrin  in  einem  Hauptpunkte  einräumen.c 

In  dem  zweiten  Teile  seiner  Arbeit  »Die  aristotelischen  Be- 
richte« weist  der  Verfasser  nach,  dafs  die  betreffenden  aristotelischen 
Stellen  nicht  gegen,  sondern  für  die  Realität  der  Materie  bei  Plato 
sprechen.  Ich  habe  diesen  Nachweis  bereits  selbst  mehrere  Jahre  vor 
meinem  lateinischen  Namensvetter  in  dem  ersten  Teile  meiner  Platoni- 
schen Metaphysik  geführt,  und  brauche  daher  auf  diesen  Teil  nicht  näher 
einzugehen  mit  Ausnahme  weniger  Punkte.  Es  ist  der  Arbeit  des  Ver- 
fassers nachteilig  geworden,  dafs  er  übersehen  hat,  dafs  die  Bezeichnung 
der  Materie  als  rd  fidya  xal  fuxpdu  bereits  im  Philebus  vorkommt,  wie 
es  überhaupt  für  die  ganze  Untersuchung  von  Nachteil  gewesen  ist,  dafs 
dieser  Dialog  gänzlich  unberücksichtigt  geblieben  ist  Wenn  dieses 
Gro£5e  und  Kleine  als  Sud^  bezeichnet  wird,  so  fällt  es  deswegen  noch 
nicht  in  das  Gebiet  der  Zahlen,  wie  S.  158  behauptet  wird.  Wie  das 
Grofse  und  Kleine,  so  findet  sich  die  Bezeichnung  der  Materie  als  r^ 
imtpov  (Arist  phys.  III  4  p.  203  a)  im  Philebus.  Mit  Arist  phys.  I  9 
p.  192  a  6  weifs  der  Verfasser  nicht  recht  fertig  zu  werden.  Ich  habe 
diese  Stelle  behandelt  in  meiner  Plat.  Metaphysik  S.  84.  Es  ist  falsch« 
wenn  auf  8.  163  behauptet  wird:  »die  Zahlen  spielen  also  auch  für  den 
Timäns  eine  Rolle,  aber  doch  mehr  eine  untergeordnete.«  Die  Propor- 
tion, also  die  Zahl,  spielt  in  demselben  wie  überhaupt  in  der  ganzen 
platonischen  Weltanschauung  eine  eminente  Rolle. 

In  dem  dritten  Absclmitte  beruft  sich  Sartorius  für  die  Realität 
der  platonischen  Materie  auf  Simplicius,  Alexander  und  Theophrast  und 
zieht  aus  diesen  für  die  Entscheidung  der  Frage  zu  gunsten  seiner  Auf- 
fassung wichtige  Stellen  heran. 

4)  Bafsfreund,  Jacob,  Ober  das  zweite  Princip  des  Sinnlichen 
oder  die  Materie  bei  Plato.    Leipzig  1886.   8.   74  S. 

Die  mit  Scharfsinn  und  Umsicht  gearbeitete  und  mit  erfreulicher 
Klarheit  geschriebene  Abhandlung  zerfällt  in  sieben  Teile.  I.  Die  pla- 
tonische Darstellung  des  zweiten  Prinzips  im  Timäus.  U.  Die  z^'P^ 
ist  nicht  der  leere  Raum.  m.  Die  x^P^  ^^^  nichi  Stoff,  oder  das  woraus 
das  »Werdendec  wird.  IV.  Was  versteht  Plato  unter  dem  xeyvöfißvov? 
V.  Die  Materie  des  Plato  als  Imoxe^/uvov  schlechthin;  ihr  Unterschied 
von  der  uhj  des  Aristoteles.  VI.  Die  Materie  und  die  Konstruktion  der 
Elemente  im  Timäus.  VII.  Das  Snetpov  und  die  übrigen  Prinzipien  des 
Philebus;  das  Chaos  und  die  Bildung  des  Kosmos  im  Timäus. 

Mit  vielen  in  den  ersten  sechs  Teilen  gegebenen  Ausführungen  und 
Resultaten  kann  ich  mich  im  wesentlichen  vollkommen  einverstanden 
erklären;  es  sind  ja  auch  zum  guten  Teile  dieselben  Auffassungen,  die 
ich  selbst  bereits  früher  gewonnen  und  veröffentlicht  habe.   Um  die  An- 


Plato.  39 

sßhaunngen  des  Verfassers  etwas  genauer  vorzuführen,  wollen  wir  einiges 
aus  der  Schrift  herausheben.  Was  den  dritten  Teil  anlangt,  so  macht 
derselbe  sehr  richtig  darauf  aufmerksam,  dafs  Plato  im  Timäus  jenes 
Prinzip  ganz  unzweideutig  als  Materie  beschreibt,  aber  immer  nur  im 
Sinne  eines  unoxe/fievov  ^  als  Substrat  der  Formen  und  Erscheinungen. 
Jenes  Prinzip  ist  nach  dem  Timäus  nicht  wie  die  Ski^  bei  Aristoteles  zu- 
gleich dasjenige,  woraus  etwas  wird,  und,  setzt  der  Verfasser  noch  hinzu, 
was  in  diesem  als  Bestandteil  mit  enthalten  ist  (S.  28  f.)-  Wir  wollen 
die  Sache  an  einem  einfachen  Beispiele  deutlich  machen.  Wenn  der 
Mechanikus  einen  metallenen  Cylinder  bereitet,  so  geschieht  dies  in  der 
Weise,  dafs  er  nach  der  ihm  im  Geiste  vorschwebenden  mathematischen 
Form  des  Cylinders  eine  solche  Bewegung  anwendet,  dafs  das  Metall 
eine  dieser  Form  entsprechende  Gestalt  annimmt.  Der  Cylinder  wird 
also  nicht  aus  dem  Metalle,  sondern  an  dem  Metalle,  insofern  als  die 
sinnlich  wahrnehmbare  Form  des  Cylinders  nicht  aus  dem  Metalle  wird, 
sondern  an  das  Metall  herangebracht  wird.  Nach  der  Analogie  des 
menschlichen  Schaffens  aber  denkt  sich  Plato  das  Werden  in  der  Welt. 
Bei  dieser  Anschauung  ist  das  »Werdendec  die  Form.  Wenn  der  Mecha- 
nikus einen  metaUenen  Cylinder  bereitet,  so  wird  nicht  das  Metall,  son- 
dern die  Form  des  Cylinders  an  demselben.  Es  ist  also  ganz  richtig, 
wenn  der  Verfasser  S.  87  sagt:  idafs  die  yeveacs  für  Plato  sich  lediglich 
auf  den  Wechsel  der  Formenbestimmtheit  beschränkt,!  und  S.  47: 
»Das  ytyvöfievov  umfafst  bei  Plato  nicht,  wie  bei  Aristoteles,  das  auvoXov, 
das  Ganze  der  materiellen  Dinge,  sondern  lediglich  ihre  formale  Seite, 
oder  genauer  die  Summe  aller  Bestimmtheiten,  sowohl  des  notSv  wie 
des  noadv^  welche  zusammen  die  Erscheinung  der  Dinge  ausmachen,  c 
Ob  freilich  der  Unterschied  zwischen  dem  Substrat  im  Timäus  und  der 
Zhj  des  Aristoteles  im  gründe  genommen  so  wesentlich  ist,  wie  ihn  der 
Verfasser  im  fünften  Abschnitte  darstellt,  ist  mir  recht  zweifelhaft;  im 
Gegenteil  glaube  ich,  dafs  die  Auffassung  der  npmT^  oh^  bei  Plato  und 
bei  Aristoteles  im  wesentlichen  dieselbe  ist.  Plato  denkt  im  Timäus  an 
die  Form,  die  an  die  Materie  heran  kommt  resp.  in  dieselbe  eintritt, 
Aristoteles  denkt  an  das  konkrete  Ding.  Daraus  erklärt  sich  die  Ver- 
schiedenheit der  Anschauung  und  Ausdrucksweise.  Denke  ich  an  das 
konkrete  Ding,  so  ist  natürlich  auch  bei  Plato  die  Materie  das,  »was  in 
diesem  als  Bestandteil  mit  enthalten  ist,c  während  dagegen  auch  bei 
Aristoteles  die  Form  in  und  an  dem  Stoffe  zur  Erscheinung  kommt  und 
der  Stoff  auch  bei  ihm  von  einem  Werden,  wie  es  der  Verfasser  auf 
grund  des  Timäus  schildert,  ausgeschlossen  ist.  Doch  kann  ich  dies 
hier  nicht  weiter  verfolgen. 

Hervorheben  müssen  wir  noch  eine  andere  Auffassung,  die  in  dem- 
selben Abschnitte  entwickelt  wird  und  auf  S.  62  kurz  in  die  Worte  zu- 
sammengefafst  ist:  »Substanz  der  Dinge  ist  die  Materie  oder  ihr 
Substrat,  und  nichts  anderes.    Die  Materie  ist  das  allein  Reale  an 


40  Plato. 

den  Dingen ,  weil  sie  beharrlich  nnd  stets  sich  gleich  ist.  Die  Form 
dagegen,  dasjenige  gerade,  was  für  Aristoteles  das  ursprünglich  Reale 
und  eigentliche  >Wasc  der  Dinge  bildet,  ist  nach  Plato  kein  roüvo^  hat 
auf  Realität  keinen  Anspruch.!  Und  auf  8.  53  heifst  es  von  demselben 
Prinzipe:  »es  bildet  eine  eigene  dritte  Gattung  des  Existenten,  die  den 
Ideen  sowohl  an  Realität  wie  an  Erkennbarkeit  sehr  nahe  steht,  insofern 
sie  einerseits  mit  ihnen  die  Eigenschaft  der  Beharrlichkeit  und  Sich- 
Selbst-Gleichheit  teilt,  andererseits  aber  gleichfalls  intellegibel  ist,  wenn 
auch  nicht  genau  so  wie  die  Ideen,  direkt  durch  den  Begriff,  so  doch 
jedenfalls  durch  Gedankenthätigkeit,  mittels  jenes  bereits  erwähnten  »in- 
direkten Schlusses,  c  Entschieden  falsch  ist,  dafs  jenes  Dritte  den  Ideen 
an  Erkennbarkeit  »sehr  nahe  stehe. c  Dagegen  sprechen  aufser  der 
ganzen  Weise  seiner  DarsteUung  im  Timäus  ganz  ausdrückliche  Erklä- 
rungen ebendaselbst.  Yergl.  49  A  f.  und  namentlich  51 A:  fiera^cyiySizvov 
Sk  dnopdnard  nfj  roo  vor^oo  xal  duaakwTaTov  airb  XiyovreQ  ob  ^ewn» 
fieBa^  und  52  B.:  aörö  8i  fter*  dvcuaBvjataQ  dTtröv  Xoyea/JL^  reve  voBqify /idytQ 
marov.  Mit  diesen  Worten  einschliefslich  des  Attributes  v6Bq}^  welches 
der  Verfasser  schwerlich  richtig  deutet,  wird  der  Grad  der  Erkennbar- 
keit dieses  Dritten  doch  von  der  Erkennbarkeit  der  Ideen  weit  abgerückt, 
damit  wird  aber  nach  platonischer  Anschauung  zugleich  seine  Realität 
tief  unter  die  Realität  der  Idee  gestellt.  Aber  etwas  Reales  bleibt  es, 
das  ist  nach  den  bestimmten  Erklärungen  des  Timäus  gewifs.  Gar  nicht 
besser  als  mit  der  Erkennbarkeit  steht  es  mit  der  Sich-Selbst-Gleichheit 
dieses  Dritten.  Freilich  bleibt  jenes  gestalt-  und  formlose  X  in  allem 
Wechsel,  und  es  heifst  von  ihm  50  B:  raörbv  aor^v  del  Ttpog/n^rdoif'  ix 
yäp  r^c  ioLUT^g  rb  napdnav  obx  i^cararae  8uvdp.ea}Q\  aber  der  Wechsel 
gehört  doch  zu  seiner  Natur,  und  so  wird  es  48  A  als  nktvw/idwij  ahea 
bezeichnet  und  52Dff.  wird  sein  Zustand,  so  lange  es  seiner  eigenen 
Natur  überlassen  ist,  als  ein  ganz  unruhiger,  wechselnder  und  verworrener 
geschildert.  So  ist  seine  »Sichselbstgleichheitc  doch  eine  ganz  andere 
als  die  der  Idee.  Der  Verfasser  betont  eben  hier  einseitig  einzelne 
Stellen,  und  erhebt  so  dieses  materielle  Prinzip  zu  einer  Höhe,  die  zu 
der  Grundanschauung  der  platonischen  Philosophie  und  auch  zu  anderen 
ausdrücklichen  Erklärungen  unseres  Philosophen  nicht  stimmt.  Dem 
entsprechend  drückt  er  nun  auch  die  Formen  der  Sinnenwelt,  die  doch 
ihren  Grund  in  den  Ideen  haben,  zu  sehr  herab.  Der  Verfasser  hat  sich 
hier  in  seinem  Widerspruche  gegen  Zeller  zu  weit  führen  lassen. 

Es  ist  sehr  zu  billigen,  dafs  der  Verfasser  im  siebenten  Abschnitte 
auf  das  änetpov  und  die  übrigen  Prinzipien  des  Philebus  eingeht  Doch 
kann  ich  ihm  hier  mehrfach  nicht  beistimmen.  Ich  will  hier  nur  kurz 
einige  Punkte  erwähnen.  Es  ist  keine  »irrtümliche  Voraussetzungc,  dafs 
es  sich  bei  den  im  Pbilebus  aufgestellten  Prinzipien  um  die  allgemeinen 
Prinzipien  des  platonischen  Systems  überhaupt  handle;  das  zeigen  schon 
die  Worte  23  C:    ndvra  rä  vuv  Svra  iv  r^  navrl  St^j  dtaXdfioM/jLSv 


Plato.  41 

fiäUov  8\  slßouXee^  '^P^xH'  ^^^^  nicht  die  vier  Gattangen  des  Philebas 
sind  Prinzipien,  wie  auf  S.  69  steht,  sondern  nur  drei.  Das  nenepaafUvov 
oder  fjuxtop  kann  nicht  Prinzip  sein.  Das  dnetpov  des  Philebus  ist  aller- 
dings nicht  identisch  mit  der  Se^a/iev^  des  Timaus;  aber  diese  ist  ein 
Teil,  eine  Species  des  äneipov,  Aristoteles  sagt  bekanntlich  oft  genug, 
Plato  habe  r^  ^uya  xal  rb  fuxpov  zum  Substrate  gemacht;  dasselbe  er- 
scheint auch  Phil.  25  C  unter  den  Arten  des  äiutpov^  allerdings  in  der 
Form  des  Komparativs  fueCov  xal  aficxporepov.  —  >Nocl|  viel  wichtiger 
und  bedeutsamer  aber  ist,  dafs  von  qualitativer  Bestimmtheit  oder 
deren  Mangel,  von  einer  Unterscheidung  zwischen  Form,  Formlosem 
und  Geformtem  im  ganzen  Philebus  auch  nicht  mit  einem  Worte  die 
Rede  istc  (S.  65).  —  Die  Form  ist  doch  mit  dem  nipag^  das  Formlose 
mit  dem  änetpov  und  das  Geformte  mit  dem  nenepaa/iivov  gegeben.  Ver- 
kannt ist  ferner,  dafs  Zahlen-  und  Maafeverhältnisse  bei  Plato  auch 
eine  qualitative  Bedeutung  haben.  So  ruht  die  sittliche  Bescha£fenheit 
der  Seele  im  wesentlichen  auf  Maafs  und  Ebenmaafs,  die  gute  Beschaffen- 
heit der  Welt  auf  der  Proportion.  Dagegen  stimme  ich  dem  Verfasser 
vollkommen  bei,  wenn  er  mit  Zeller  das  nipaQ  auf  die  Gesamtheit  der 
Zahlen-  und  Maafsverhftltnisse  bezieht  und  das  »Gemischtet  alles  um- 
fassen lafst,  worin  Ordnung,  Regel-  und  Gesetzmäfsigkeit,  Proportionalität 
und  Ebenmaafs  sich  offenbart.  Ich  habe  mich  selbst  vor  ihm  in  diesem 
Sinne  ausgesprochen. 

Recht  bedenklich  erscheint  es  mir  dagegen,  wenn  auf  S.  72  gesagt 
wird,  dafs  ohne  das  Eingreifen  der  weltordnenden  Intelligenz  die  sinn- 
lichen Formen  als  Abbilder  oder  Abdrücke  der  ewigen  Ideen  in  die  Ma- 
terie eingehen,  oder  in  dieselbe  abgedrückt  werden  und  dadurch  zur 
Erscheinung  gelangen.  Wie  soll  es  dann  dem  Weltbildner  möglich  sein 
Verhältnis  und  Maafs,  Symmetrie  und  Proportionalität  in  das  Sinnliche 
hineinzubringen?  (S.  73)  Die  Proportionalität  der  vier  Elemente  z.  B. 
beruht  doch  offenbar  auf  der  den  einzelnen  Elementen  eigentümlichen 
Gestalt;  erhalten  sie  diese  ohne  die  göttliche  Vernunft,  so  erhalten  sie 
damit  zugleich  ohne  sie  ihre  Proportionalität,  und  wenn  die  göttliche 
Vernunft  den  Elementen  nicht  ihre  eigentümliche  Gestaltung  schafft,  so 
ist  sie  auch  aufser  Stande  ihnen  ihre  Proportionalität  zu  schaffen.  Somit 
wäre  Gott  für  die  Weltbereitung  machtlos  und  ziemlich  überflüssig.  Da- 
gegen steht  Tim.  53  B  ausdrücklich,  dafs  Gott  das  Dritte  in  jenem  ungeord- 
neten Zustande  Seea^^i^jjLaT^aaro  etdeai  re  xcu  dptdfioeg.  Doch  ich  kann 
dies  nicht  weiter  verfolgen,  denn  die  Frage  nach  der  sogenannten  sekun- 
dären Materie  hängt  innig  mit  einer  andern  zusammen,  nämlich  mit  der 
Frage,  ob  denn  die  zeitliche  Entstehung  der  Welt,  wie  sie  der  Timäus 
offenbar  lehrt,  nicht  etwa  nur  eine  Folge  der  anthropomorphistischen 
Darstellung  derselben  ist. 

Unberücksichtigt  gelassen  sind  die  Angaben  des  Aristoteles  über 
das  materiale  Prinzip  bei  Plato,  während  sich  doch  bekanntlich  die  Ver- 


42  Pli^to. 

treter  der  entgegengesetzten  Anschauung  gerade  auf  diese  als  auf  ein 
sehr  gewichtiges  Zeugnis  fQr  die  Richtigkeit  ihrer  Au£Eassung  berufen. 

6)  Baeumker,   Clemens,   Die   Ewigkeit   der  Welt  bei   Plato. 
Philos.  Monatsh.  XXIII  (1887)  S.  513-629. 

Die  tre£fliche  Abhandlung  zerfällt  in  zwei  Teile.  In  dem  ersten 
Teile  geht  der  Verfasser  der  Geschichte  dieser  Frage  in  der  Platointer- 
pretation  näher  nach,  indem  er  zugleich  frühere  Darstellungen  in  manchen 
Punkten  ergänzt  und  berichtigt.  In  dem  zweiten  Teile  wird  das  exege- 
tische Problem  selbst  in  Kürze  behandelt  Wir  schätzen  die  Gelehrsam- 
keit, die  sich  im  ersten  Teile  zeigt,  können  aber  nur  auf  den  zweiten 
Teil  etwas  eingehen,  und  wir  wollen  hier  namentlich  einige  wichtigere 
Sätze  herausheben,  um  einigermafsen  ein  Bild  von  der  Erörterung  zu 
geben.  »Dafs  der  platonische  Timäus  dem  Wortlaute  nach  ein  Geworden- 
sein der  Welt,  und  zwar  ein  zeitliches  Gewordensein  lehrt,  hätte  nicht 
in  Zweifel  gezogen  werden  sollen,  c  —  —  lEbenso  aber  mufs  von  der 
Gegenseite  anerkannt  werden,  dafs  dem  Plato  wesentlich  nur  daran  liegt, 
die  Yerursachtheit  der  Welt,  nicht  auch  deren  zeitliche  Entstehung  zu 
erweisen.c  Dargethan  wird  dies  durch  Betrachtung  von  Tim.  28  BC. 
Ȇber  die  Tendenz  der  Stelle  kann  kein  Zweifel  sein.  Alles  spitzt  sich 
auf  den  Schlufssatz  zu:  die  Welt  ist  geworden;  also  hat  sie,  wie  alles 
Werdende,  eine  ürsache.c  —  »Vorübergehend  zwar  wird  an  unserer 
Stelle  der  Begriff  des  Gewordenseins  mit  der  Vorstellung  identificiert, 
dafs  etwas  von  einem  Beginn  her  angefangen  habe.  Allein  da  im  Zu- 
sammenhange der  ganzen  Beweisführung  auf  einen  zeitlichen  Beginn  gar 
nichts,  auf  das  Hervorgebrachtsein  alles  ankommt,  so  werden  wir  bierin 
nur  eine  nicht  weiter  zu  betonende  Accommodation  an  die  gewöhnliche 
Vorstellung  erblicken,  nach  der  alles  Hervorgebrachte  einen  zeitlichen 
Anfang  gehabt  haben  mufs.  Eine  solche  Accommodation  pafst  in  den 
ganzen  Mythus  aufs  beste  hinein.  Dafs  aber  die  Darstellung  des  Timäus 
von  der  zeitlichen  Weltentstehung  den  Charakter  des  Mythus  trage, 
ergiebt  sich  aus  den  Widersprüchen,  in  welche  diese  Darstellung,  wenn 
wir  sie  als  dogmatische  Lehrbestimmung  fassen,  sich  mit  unbezweifelt 
platonischen  Lehren  verwickelt.!  Solcher  Widersprüche  werden  drei  nach- 
gewiesen, die  bereits  Proklus  im  wesentlichen  richtig  hervorgehoben  hat. 

1)  »Ausdrücklich  lehrt  der  Timäus,  dafs  die  Zeit,  und  mit  ihr  die 
Unterschiede  der  Vergangenheit,  Gegenwart  und  Zukunft,  erst  mit  dem 

Weltgebäude  entstanden  seien.c »Gleichwohl  läfst  er  nicht  nur  die 

zeitlosen  Ideen,  sondern  auch  den  Raum  und  sogar  das  Werden  dasein, 
ehe  das  Weltall  wurde.  Er  läfst  den  Gott  die  ungeordnete  Materie,  die 
damals  so  beschaffen  war,  nach  Formen  und  Zahlen  gestalten  und  be- 
schreibt die  ordnende  Thätigkeit  des  Weltbildners  so,  dafs  man  sieht, 
er  denkt  den  Zustand  der  Unordnung  als  den  zeitlich  früheren.»  »Wir 
haben  also  den  Widersinn  von  Zeitbestimmungen  vor  Entstehung   der 


Plato.  43 

Zeit.  Die  Voraussetzung  dieses  Widersinns,  die  Annahme  einer  zeitlichen 
Bildung  der  Welt  aus  einer  ewigen  Materie,  kann  nicht  einen  dogmati- 
schen Bestandteil  der  platonischen  Lehre  ausmachen,  c 

2)  tEs  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dafs  Plato  die  menschlichen 
Seelen  als  unentstanden  betrachtet.  Selbstverständlich  mufs  demnach 
auch  die  Weltseele  ohne  zeitliche  Entstehung  sein.  Ist  aber  die  Seele 
der  Welt  ewig,  so  kann  der  Welt  selbst  nicht  füglich  ein  zeitlicher 
Anfang  zugeschrieben  werden,  c 

8)  »Nicht  so  zwingend,  aber  doch  immerhin  als  unterstützende 
Momente  nicht  zu  übersehen  sind  gewisse  Ausführungen  in  Piatos  letztem 
Werke,  den  Gesetzen.!  Herangezogen  wird  hier  namentlich  die  Stelle 
Legg.  VI  781  E-  782  A,  eine  Stelle,  auf  welche  sich  wiederum  schon  die 
Neuplatoniker  berufen  haben. 

Ich  habe  mich  selbst  bereits  früher  zu  der  Auffassung  bekannt, 
die  hier  mit  Gelehrsamkeit,  Scharfsinn  und  Besonnenheit  begründet  wird. 

6)  Zeller,  E.,  Über  die  Unterscheidung  einer  doppelten  Gestalt 
der  Ideenlebre  in  den  platonischen  Schriften.  Sitzungsberichte  der 
K.  preufs.  Akad.  der  Wissensch.  zu  Berlin,  Sitzung  der  philosophisch- 
historischen Klasse  vom  3.  März  1887.    S.  197—220. 

H.  Jackson  hat  bekanntlich  in  einer  Reihe  von  im  Journal  of  Phi- 
lology  erschienenen  Abbandlungen  nachzuweisen  gesucht,  »dafs  sich  schon 
in  den  platonischen  Schriften  selbst  zwei  von  einander  erheblich  ab- 
weichende Fassungen  der  Ideenlehre  finden,  eine  ältere  und  eine  jüngere, 
der  aristotelischen  Darstellung  derselben  näher  stehende,  jene  in  der 
Republik  und  im  Phädo  vorgetragen,  diese  im  Theätet,  Sophisten,  Par- 
menides,  Timäus  und  Philebus.  Zwischen  diesen  beiden  Gruppen  von 
Gesprächen  finde  nämlich  der  Unterschied  statt,  dafs  nach  der  Republik 
und  dem  Phädo  allen  allgemeinen  Begriffen  für  sich  seiende  Ideen  ent- 
sprechen, und  diese  den  Einzeldingen  immanent  seien,  die  Einzeldinge 
an  ihnen  Teil  haben;  wogegen  in  den  fünf  späteren  Gesprächen,  ebenso 
wie  bei  Aristoteles,  nur  von  den  Naturdingen  Ideen  im  Sinne  für  sich 
seiender  Begriffe  angenommen  werden,  und  das  Verhältnis  dieser  Ideen 
zu  den  Einzeldingen  lediglich  das  des  Urbilds  zum  Abbilde  sei,  von  einer 
Teilnahme  der  Dinge  an  den  Ideen  nur  in  Beziehung  auf  die  nicht  für 
sich  bestehenden  efSij,  die  Eigenschafts-  und  Verhältnisbegriffe,  ge- 
sprochen werde,  c 

Zeller  weist  nun  eingehend  nach,  dafs  diese  Anschauungen  in  den 
platonischen  Schriften  keinen  Anhalt  finden,  dafs  vielmehr  das  Gegenteil 
derselben  in  diesen  enthalten  ist.  »Von  dem,  was  Jackson  in  diesen 
Stellen  sucht,  ist  nichts  in  ihnen  zu  finden.  Noch  viel  weiter  geht  er 
aber  freilich  über  alles,  was  nicht  allein  Plato,  sondern  was  irgend  ein 
griechischer  Philosoph  gesagt  hat  oder  gesagt  haben  könnte,  durch  die 
Entdeckung  hinaus,  dafs  die  sinnlich  wahrnehmbaren  Dinge  nach  Plato 


44  PlAto. 

nichts  anderes  seien  als  Sensationen  in  unserem  Geiste,  denen  wir  fUsch- 
lich  ein  äufseres  Dasein  zuschreiben,  weil  sie  gleichroäfsig  in  mehreren 
Seelen  vorkommen;  und  die  Ideen  nichts  anderes  als  die,  uns  freilich 
unerkennbaren  und  nur  hypothetisch  angenommenen,  ewigen  Modi  oder 
Potentialitätcn  des  Denkens,  durch  deren  Aktualisation  in  einer  be- 
stimmten Stelle  des  Raumes  und  der  Zeit  die  Erscheinung  der  Einzel- 
dinge entstehe.« 

»Eine  eigentümliche  Schwierigkeit  erwächst  für  Jackson's  Ansicht 
ttber  Piatos  Lehre  vom  Verhältnis  der  Dinge  zu  den  Ideen  aus  den  An- 
gaben des  Aristoteles.  Er  glaubt,  seit  der  Zeit,  welcher  der  Parmenides 
angehört,  habe  Plato  die  Teilnahme  der  Dinge  an  den  Ideen,  die  fid&e^e^^ 
aufgegeben,  und  die  Abbildung  der  Ideen  in  den  Dingen,  die  pujfo^tg^ 
an  ihre  Stelle  gesetzt.«  Dieser  Ansicht  gegenüber  behauptet  Zeller  mit 
vollem  Rechte :  »Ans  Aristoteles'  ganzer  Darstellung  geht  unwidersprech- 
lich  hervor,  dafs  Plato,  als  er  ihn  hörte,  die  Teilnahme  der  Dinge  an 
den  Ideen  nach  wie  vor  lehrte,  und  dafs  sich  diese  seiner  Meinung  nach 
mit  dem  vorbildlichen  Charakter  der  Ideen  vollkommen  vertrug.« 

Auch  die  Stützen,  welche  Jackson  im  Theätet  166 Äff.  und  im 
Sophisten  246  A.  248 ff.  fAr  seine  Hypothese  sucht,  weifs  ZeUer  ihm  zu 
entziehen.  Sehr  lehrreich  ist  hier,  was  Zeller  über  die  Darstellung  der 
Ideenlehre  im  Sophisten  sagt,  wenn  es  auch  im  wesentlichen  eine  Zu- 
sammenfassung bereits  früher  von  ihm  ausgesprochener  Ansichten  ist 
Ich  möchte  mir  hierbei  nur  in  Beziehung  auf  einen  Punkt  eine  Bemer- 
kung erlauben.  Zeller  vertritt  auch  hier  die  Auffassung,  das  TWLvreAoß^ 
Sv  sei  die  Idee,  und  da  nach  Sophist  249  von  diesem  gesagt  werde,  man 
könne  es  sich  nicht  ohne  Bewegung  und  Leben,  Seele  und  Einsicht  den- 
ken, so  werde  den  Ideen  Leben,  Seele,  Vernunft  und  Bewegung  beigelegt 
Ich  meine,  dafs  die  Bezeichnung  rh  navreXw^  ^v,  das  Absolute,  auch  auf 
den  voug^  der  im  Philebus  und  auch  sonst  als  die  höchste  ah/a  gefafst 
wird,  vollkommen  pafst.  Sagt  doch  Zeller  selbst  auf  S.  214  der 
vorliegenden  Abhandlung,  dafs  im  Philebus  die  ahta  als  wirkendes,  be- 
seeltes und  vernünftiges  Prinzip,  also  mit  den  gleichen  Prädikaten 
wie  im  Sophisten  das  naweXwg  Sv  bezeichnet  wird.  Dann 
haben  wir  aber  im  Sophisten  keine  von  den  übrigen  Dialogen  abweichende 
Darstellung  der  platonischen  Lehre.  Hält  man  diese  Auffassung  für 
richtig,  dann  fällt  eine  Folgerung,  die  Zeller  bei  seiner  Auffassang  jener 
Stelle  für  die  Zeit  der  Entstehung  des  Sophisten  zieht:  »Die  Aussagen 
des  Sophisten  über  die  Ideen  liegen  daher  von  denen  des  Aristoteles 
weiter  ab,  als  die  aller  anderen  Gespräche.  Dieser  Sachverhalt  steht 
der  Annahme  entschieden  entgegen,  dafs  der  Sophist  einer  Zeit  angehöre, 
in  der  sich  bei  seinem  Verfasser  der  Übergang  zu  der  späteren,  uns 
nur  aus  Aristoteles  bekannten  Fassung  der  Ideenlehre  vorbereitete;  er 
läfst  uns  vielmehr  in  der  Darstellung  dieses  Gesprächs  einen  später  auf- 
gegebenen Versuch  erkennen,   die  Ursächlichkeit  der  Ideen  mit   ihrer 


Plato.  45 

Thätigkeit  und  Beseeltheit  zu  begründen,  c  Sehr  bemerkenswert  ist  das 
sich  hieran  Anscbliefsende :  »Dieser  Versuch  war  dem  Philosophen  aller- 
dings durch  die  doppelte  Erwägung  nahe  gelegt,  dafs  das  höchste  Sein 
nicht  ohne  Vernunft,  die  letzte  Ursache  nicht  ohne  Wirksamkeit,  und 
daher  auch  nicht  ohne  Bewegung  gedacht  werden  könne.  Allein  es  war 
doch  so  schwer,  oder  vielmehr  so  unmöglich,  sich  die  Gattungen  der 
Dinge  zugleich  (nach  Soph.  249  A)  als  lebendige,  beseelte  und  vernttuftige 
Wesen  zu  denken,  und  die  Bewegung,  die  ihnen  als  solchen  zukam,  mit 
ihrer  Unveränderlichkeit  zu  vereinigen,  dafs  wir  es  vollkommen  begrei- 
fen, wenn  der  Philosoph  diesen  undurchführbaren  Versuch  nicht  weiter 
verfolgte :  wenn  er  im  Phaedo  bald  den  voDg,  bald  die  Idee  als  die  Ur* 
Sache  der  Dinge  darstellt,  aber  diese  beiden  Darstellungen  nicht  mit 
einander  verknüpft;  im  Philebus  die  alr/a  zwar  als  wirkendes,  beseeltes 
und  vernünftiges  Prinzip,  also  mit  den  gleichen  Prädikaten,  wie  im 
Sophisten  das  navreXatQ  Xvy  bezeichnet,  aber  der  Ideen  in  diesem  Zu- 
sammenhange nicht  erwähnt.!  Derselbe  Dualismus  der  Ursache  wird 
dann  noch  weiter  fnr  die  Republik  und  den  Timäus  nachgewiesen.  Ich 
glaube,  dafs  Plato  jenen  Gedanken,  »die  Gattungen  der  Dinge,  also  die 
Begri£fe  seien  zugleich  lebendige,  beseelte  und  vernünftige  Wesenc  nie- 
mals gehabt  hat,  dafs  er  einen  in  sich  so  widerspruchsvollen  und  unmög- 
lichen Gedanken  überhaupt  nicht  hat  haben  können,  dafs  er  vielmehr 
in  richtiger  Erkenntnis,  »dafs  das  höchste  Sein  nicht  ohne  Vernunft, 
die  letzte  Ursache  nicht  ohne  Wirksamkeit  und  daher  auch  nicht  ohne 
Bewegung  gedacht  werden  könnec ,  den  vou^  als  höchstes  Prinzip  auf- 
gestellt hat,  den  vou^,  der  die  Ideen  in  sich  hat,  weil  er  sie  in  sich 
haben  mufs;  denn  ohne  die  Ideen  ist  die  Vernunft  überhaupt  nicht  Ver- 
nunft. So  ist  der  voug  die  ahca;  aber  auch  die  Idee  kann  als  Grund 
der  Dinge  angegeben  werden,  doch  wirksam  ist  sie  nur,  weil  sie  der 
Gedanke  des  vouq  ist.  Die  Idee  der  Freiheit  ist  auch  nach  unserm 
Sprachgebrauche  eine  Macht,  aber  nicht  losgelöst  von  den  Geistern 
sondern  in  ihnen  und  mit  ihnen.  Damit  ist  auch  jener  Dualismus  in 
der  Aufstellung  des  Grundes  der  Dinge  beseitigt,  den  man  einem  grofsen 
Philosophen  nicht  zutrauen  kann.  Aufserdem  läfst  Zellers  eigene  Dar- 
stellung ihn  als  einen  so  handgreiflichen  erscheinen,  dafs  es  unbegreiflich 
wäre,  hätte  Plato  nicht  mit  aller  Macht  nach  seiner  Überwindung  gestrebt. 
Dabei  ist  seine  Beseitigung  so  leicht  und  so  nahe  liegend.  Zwei  höchste 
Ursachen  erscheinen  nach  Zeller  bei  Plato:  die  Vernunft,  d.  h.  die  gött- 
liche Vernunft,  und  die  Ideen.  Kann  denn  die  göttliche  Vernunft  ohne 
einen  Inhalt  gedacht  werden?  Und  was  soll  denn  dieser  Inhalt  sein, 
wenn  nicht  die  Ideen?  Und  können  die  Ideen,  die  doch  ihrem  innersten 
Wesen  nach  Begriffe  sind,  anderswo  gedacht  werden  als  in  der  Vernunft? 
Wir  sehen,  wie  sich  die  Zeller 'sehe  Untersuchung  schliefslich  der 
Frage  nach  der  Reihenfolge  der  platonischen  Schriften  zuwendet  Jack- 
son rechnet  den  Theätet  und  den  Sophisten  zu  den  späteren  Schriften 


46  Plc^to. 

und  stellt  ihn  mit  dem  Parmenides,  Timäus  and  Philebus  zusammen, 
Zeller  glaubt  aus  dem  Inhalt  des  Sophisten  darthun  zu  können,  dafs 
derselbe  zu  den  früheren  gehören  mttsse.  Zu  demselben  Resultat  filhrt 
seines  Erachtens  die  enge  Verbindung  des  Sophisten  mit  dem  Theätet, 
ider  zwischen  392  und  390,  am  wahrscheinlichsten  391  ans  Licht  ge- 
treten sein  mufs.c  Den  hierfür  in  einer  frtlheren  Abhandlung  Sitzungs- 
berichte der  K.  Akademie  1886  Nr.  37  vorgebrachten  Gründen  wird  hier 
noch  die  Beziehung  von  Theät.  166  D :  S  iXko^^wv  äv  TteXroffrixbg  dv^ip 
liia^oipopog  iv  Xoyotg  ipofievog  ....  ijkey^^ev  äv  ini^^tov  xtä  obx  dvieei 
auf  die  von  Iphikrates  und  seinen  Peltasten  392  und  391  v.  Chr.  voll- 
brachten Thaten  hinzugefügt.  »Unmittelbar  nach  diesen  Vorgängen,  als 
Iphikrates  und  seine  Peltasten  das  Tagesgespräch  in  Athen  waren,  mufs 
Plato  die  fraglichen  Worte  niedergeschrieben  haben.« 

Gegenüber  den  »sprachlichen  Thatsachen«,  in  denen  durchweg  der 
Theätet  mit  dem  Staat,  der  Sophist  und  Politikus  mit  den  Gesetzen 
übereinstimmen,  erklärt  Zeller,  dafs  er  diese  Übereinstimmung  nicht 
einmal  hinsichtlich  der  von  Dittenberger  beigebrachten  Thatsachen  ein- 
räumen könne.  »Diejenige  Reihenfolge,  in  welcher  diese  vier  Gespräche 
bei  Dittenberger  S.  326  aufgeführt  sind:  ^Republik,  Theätet,  Sophist, 
Gesetze",  ergiebt  sich  aus  keiner  von  den  Vergleichungen ,  durch  die 
sie  begründet  werden  soll;  die  Mehrzahl  derselben  würde  uns  vielmehr 
sogar  nötigen,  die  Gesetze,  von  denen  wir  doch  wissen,  dafs  sie  erheb- 
lich jünger  sind  als  die  Republik,  für  älter  als  diese  zu  erklären,  und 
alle  würden  uns  verbieten,  sie  für  Piatos  letztes  Werk  zu  halten.  Noch 
andere,  von  diesen  wesentlich  abweichende  Resultate  bekommt  man  für 
unsere  vier  Gespräche,  wie  für  die  platonischen  Schriften  überhaupt, 
wenn  man  die  sprachstatistische  Vergleichung  mit  andern  Partikeln,  z.  B. 
den  von  Hoefer  und  von  Frederking  gewählten  vornimmt. c 

Es  folgen  beachtenswerte  Bemerkungen  über  den  Wert  solcher 
Beobachtungen  für  die  Bestimmung  der  Ordnung  der  platonischen  Schrif- 
ten und  der  sehr  beherzigenswerte  Vorschlag  erst  die  Probe  an  neueren 
Schriften  zu  machen,  z.  B.  an  Schriften  von  Goethe,  deren  Abfassungs- 
zeit uns  genau  bekannt  ist.  In  dem  letzten  Abschnitte  tritt  Zeller  dafür 
ein,  dafs  der  Philebus  der  Republik  nicht  nachfolgte,  sondern  ihr  voran- 
ging. Ich  will  nur  noch  eins  hinzufügen.  Auf  S.  212  Anmerk.  I  wird 
jene  bekannte  Stelle  Phaedo  100 D  folgendermafsen  gegeben:  oux  äXXo 
Tc  adrb  noteT  xaXöv  1^  ^  ixe^vou  rou  xaXou  ehe  napouaia  ehe  xoevtovea 
ehe  [add.  fjLeTo)[i}]  ^jj  8ij  xal  Sttwq  npoayevofievT^.  Ich  bin  selbst  seit 
vielen  Jahren  der  Ansicht,  dafs  ein  Substantivum  ausgefallen  ist  und 
zwar  fierdoj^eatg,  und  habe  bereits  vor  Jahren  vorgeschlagen :  Jj  ^  ixeofou 
Tou  xaXoü  add.  peTacj^efftg  ehe  napooatqi  ehe  xoeuwyiijL  ehe  8nj^  Sij 
xal  5nwg  Ttpo^rjrevoixevT^.  Ich  glaube,  dafs  diese  Lesart  dem  Znsammen- 
hange des  Kapitels  vollkommen  entspricht,  ja   durch  diesen  geradezu 


Plato.  47 

gefordert  wird.     Ausführlicher  werde  ich  diesen  Vorschlag  an  anderem 
Orte  begründen. 

7)  Monrad,  M.  J.,  Nonnulla  de  Piatonis  philosophandi  via  et 
ratione.    Nord.  Tidskrift  VII  4  p.  282—288. 

c)    Reihenfolge  der  Dialoge. 

1)  Zell  er,  £.,  Über  die  zeitgeschichtlichen  Beziehungen  des  pla- 
tonischen Theätet.  Sitznngsberichte  der  Königl.  preussischen  Akademie 
der  Wissenschaften  zu  Berlin.    XXXVII  (1886)  S.  631—649. 

Während  früher  allgemein  angenommen  wurde,  das  Gespräch  des 
Enklides  mit  Terpsion  im  Anfange  des  Theätet  (142  A  — 148  C)  werde 
von  Plato  in  den  ersten  korinthischen  Krieg,  und  zwar  in  eines  seiner 
ersten  Jahre  verlegt,  und  der  Dialog  werde  wohl  auch  nicht  lange  nach- 
her, etwa  392  V.  Chr.,  verfafst  sein,  will  Munk,  dem  Überweg  und 
Bergk  beistimmen,  unter  dem  korinthischen  Kriege,  aus  dem  Theätet 
heimkehrt,  lieber  den  des  Jahres  368  verstanden  wissen,  so  dafs  die  Ab- 
fassung des  platonischen  Gesprächs  frühestens  in  eben  dieses  Jahr,  mög- 
licherweise auch  einige  Jahre  später  fallen  würde.  Zeller  begründet  in 
der  vorliegenden  Abhandlung  die  frühere  Annahme. 

Nach  umsichtiger  und  scharfsinniger  Erörterung  kommt  er  auf 
S.  636  zu  dem  Resultate,  »dals  die  Einleitung  unseres  Werkes,  die 
Unterredung  Euklids  mit  Terpsion  entschieden  dafür  spricht,  dafs  seine 
Abfassung  in  die  mittleren  Jahre  des  Bundesgenossenkriegs,  392  —  390 
V.  Chr  ,  also  noch  vor  Piatos  erste  Reise  nach  Sicilien  fäUtc  Dieses 
Resultat  wird  nicht  erschüttert  durch  die  grofse  Episode  172  C— 177  C, 
»von  der  man  vermutet  hat,  dafs  sie  gewisse  Erscheinungen  aus  der 
Zeit  berücksichtige,  in  der  sie  niedergeschrieben  wurde,  und  dafs  be- 
stimmte thatsächliche  Veranlassungen  Plato  bewogen  haben,  den  Gang 
seiner  Untersuchung  durch  diese,  an  sich  selbst  sehr  schönen  und  gehalt- 
vollen, aber  für  das  eigentliche  Thema  des  Gesprächs  entbehrlichen 
Erörterungen  zu  unterbrechen.c  Diese  Vermutung  hält  Zeller  für  durch- 
aus begründet.  Aus  dieser  Episode  ist  nun  für  die  Bestimmung  der 
Abfassungszeit  des  Dialogs  auch  die  Stelle  herangezogen  worden,  wo 
Sokrates  die  Reden  der  Philosophen  mit  denen  der  Rhetoren  vergleicht 
und  sich  mit  jenen  Gegnern  der  Philosophie,  die  sich  für  die  allein  prak- 
tischen Leute  halten,  und  ihrer  banausischen  Einbildung  eingehend  und 
nachdrücklich  auseinander  setzt.  Zu  dieser  Auseinandersetzung  mufs 
Plato  eine  bestimmte  Veranlassung  vorgelegen  haben.  Und  so  hat 
Munk  an  die  Erfahrungen  gedacht,  welche  Plato  am  syrakusanischen 
Hofe  gemacht  hatte,  Bergk  an  unangenehme  Erfahrungen,  die  Plato 
vor  Gericht  machte.  Munks  Annahme  wird  kurz  und  schlagend  von 
ZeUer  widerlegt,  und  ebenso  überzeugend  dargethan,  dafs  Bergks  ganze 


48  Plato. 

Kombination  in  jeder  Beziehung  anf  schwachen  Fttfsen  steht.  Treffend 
bemerkt  Zeller,  dafs  die  Veranlassung  zu  jener  Auseinandersetzung  nicht 
in  einer  Erfahrung  zu  bestehen  braucht,  die  Plato  selbst  bei  dem  Ver- 
suche einer  praktischen  Thätigkeit  machte,  sondern  ebensogut  darin  liegen 
kann,  dafs  sich  andere  mifsliebig  über  die  Philosophen  geäufsert  und 
diesen  die  Vorwürfe  gemacht  haben,  gegen  die  sie  Plato  in  der  Stelle 
des  Theätet  in  Schutz  nimmt.  Zeller  entscheidet  sich  für  diese  zweite 
Möglichkeit.  »In  welcher  Weise  aber  Plato  diese  Polemik  entgegen- 
getreten war,  läfst  sich  nicht  bestimmt  sagen.«  Hiemach  läfst  sich  aus 
jenem  Zuge  der  grofsen  Episode  des  Dialogs  ein  Schlufs  auf  die  Ab- 
fassungszeit desselben  überhaupt  nicht  ziehen. 

Viel  zutreffender  findet  Zeller  eine  von  Bergk  und  gleichzeitig 
von  E^  Roh  de  gemachte  Wahrnehmung,  dafs  sich  S.  175  A  f.  auf  einen 
spartanischen  König  beziehen  müsse,  der  sich  einer  Zahl  von  ftinfund- 
zwanzig  Ahnen,  von  Herakles  an  gerechnet,  rühmen  konnte.  Man  hat 
unter  diesem  Könige  Agesilaos  verstanden.  Zeller  thut  dar,  dafs  der 
Eurysthenide  Agesipolis  der  einzige  spartanische  König  aus  Piatos  Zeit 
ist,  der  sich  mit  fünfundzwanzig  Ahnen  aus  dem  Hause  der  Herakliden 
brüsten  konnte. 

»Hieraus  geht  nun  hervor,  dafs  der  korinthische  Krieg,  aus  dem 
Theätet  im  Eingang  unseres  Gesprächs  krank  heimkehrt,  nur  der  erste, 
von  394  —  387  v.  Chr.  geführte,  sein  kann,  denn  der  zweite,  von  368, 
fällt  zwölf  Jahre  nach  Agesipolis*  Tode.« 

Was  die  Zeit  der  Abfassung  oder  Veröffentlichung  des  Dialogs 
anlangt,  so  ist  es  Zeller  auf  Grund  mancher  von  ihm  vorgebrachten  Er- 
wägungen »das  wahrscheinlichste,  dafs  der  Thätet  unmittelbar  nach  Age- 
sipolis' Feldzug  gegen  Argos,  um  391  v.  Chr.,  verfafst,  oder  wenigstens 
in  diesem  Zeitpunkt  veröffentlicht  worden  ist;  wobei  immerhin  die  Mög- 
lichkeit offen  bliebe,  dafs  S.  143  D  -  172B  und  177  C  bis  zum  Schlüsse 
schon  etwas  früher  niedergeschrieben  waren,  und  nur  das  Einleitungs- 
gespräch und  die  Episode  172  G — 177G  jetzt  erst  beigefügt  worden.« 

2)  Schanz,   Martin,   Zur  Entwickelung  des  platonischen  Stils. 
Hermes  Bd.  XXI  (1886).    S.  439—469. 

Eine  Prüfung  der  von  Dittenberger  zuerst  angewandten  Methode, 
für  die  Chronologie  der  platonischen  Dialoge  sprachliche  Kriterien  zu 
verwerten,  ist  nach  der  Ansicht  des  Verfassers  um  so  mehr  geboten, 
4als  gar  keine  Aussicht  vorhanden  ist,  auf  dem  Wege,  der  bisher  be- 
schritten wurde,  in  der  platonischen  Frage  zu  einer  allgemeinen  Über- 
einstimmung zu  gelangen.«  »Die  platonische  Frage  kann  nur  durch  ein 
Mittel  gelöst  werden,  welches  alles  subjektive  Ermessen  des  Forschers 
ausschliefst.  Dies  ist  aber  fast  nur  der  Fall  bei  der  statistischen 
Beobachtung  des  Sprachgebrauchs.«  Untersucht  werden  hier 
einige  Redensaiten,  welche  sich  auf  den  Gegensatz  von  Sein  und  Schein 


Pkto.  40 

Bnrttckfthren  lassen,  nämlich  die  Redewendungen  r^  ifvxi  und  ifwott 
einerseits  und  wc  dhjBmg^  rfj  dM^Betf^  dh^MItg^  dh^Mq^  andererseits* 
Die  erste  Gruppe  hat  auch  Peipers  in  seiner  Ontologia  Platonica  behan- 
delt, ifaat  aber  unterlassen,  sein  Material  in  gehöriger  Weise  zu  verwerten 
und  die  Schlüsse  zu  ziehen,  die  aus  dem  Material  gezogen  werden 
müssen.! 

Wird  der  Betrachtung  der  Dialoge  der  Gebrauch  von  r<ji  ävri  und 
Jvrciic  zu  gründe  gelegt,  so  ergeben  sich  unter  Ausscheidung  der  Dialoge 
welche  weder  toj  6ytt  noch  Svro}^  haben  und  der  allseitig  als  unecht 
anerkannten,  drei  Klassen  von  Dialogen:  1)  solche,  in  denen  Svtiüs  gar 
nicht  vorkommt,  sondern  nur  rip  Svre  (Apologie,  Euthyphro,  Gorgias, 
Laches,  Lysis,  Protagoras,  Symposion,  Phaedo) ;  2)  solche,  in  denen  beide 
Ausdrucksweisen  neben  einander  vorkommen  (Phaedrus,  Cratyius,  Euthj- 
dem,  Theaetet,  Republik,  Sophistes) ;  und  3)  solche,  in  denen  nur  Xvrwg 
vorkommt  (Pbilebus,  Politicus,  Timaeus,  Leges). 

Zu  demselben  Zwecke  wird  sodann  die  Formel  o^  dh^BibQ  benutzt 
mit  ihren  Synonyma  r^  dXq^etqi^  dh^9wg,  dh^^etq^  Da  aic  der  Ablativ 
vom  Artikel  und  <W  dki^^m^  demnach  soviel  wie  rjjf  dhjBe^^  ist,  so  verhält 
sich  dXi^ws  :  &^  dhßwQ  =  dh^BBiqL :  r^  dAfj&e{^.  Die  hierfür  aufgestellte 
Tabelle  ergiebt  die  Thatsache,  dafs  in  allen  in  den  zwei  Verzeichnissen 
aufgeführten  Dialogen  Sg  dhjBiog  vorkommt,  vier  Dialoge  ausgenommen, 
nämlich  Philebus,  Politicus,  Timaeus,  Leges.  »Ziehen  wir  die  erste  Ta- 
belle zur  Yergleichung  heran,  so  sehen  wir,  dafs  dieselben  Dialoge,  in 
denen  r^  Svu  fehlt  (es  sind  die  eben  genannten  vier),  auch  wg  dkq^S}^ 
vermissen  lassen. c  Da  nun  ovnog  zu  r^  Svtt  sich  verhält  wie  dkr^BwQ 
zu  a>c  dkq^atq^  »so  bekommen  wir  zwei  parallele  Entwicklungsreihen, 
SycwQ  erdrückt  r^  ovxi  auf  der  einen,  dki^^wQ  hingegen  o^c  dXi^^lai  auf 
der  andern. c  ~  »Somit  hätten  wir  Philebus,  Politicus,  Timaeus,  Leges 
als  die  spätesten  Dialoge  unserer  Tabelle  zu  betrachten,  c  Es  fragt  sich 
nun,  ob  sich  nicht  in  der  ersten  Abteilung  Dialoge  finden,  welche  später 
sind  als  einer  der  in  der  mittleren  Abteilung  stehenden.  Schanz  meint, 
dafs  nur  bei  zwei  Dialogen  ein  Zweifel  möglich  sei,  beim  Phaedon  und 
beim  Symposion,  bleibt  aber  auch  hier  bei  dem  Resultate  seiner  Sta- 
tistik Stehen. 

Schanz  vergleicht  nun  seine  Ergebnisse  mit  den  von  Dittenberger 
gewonnenen.  Diese  Yergleichung  »ergiebt  1)  dafs  die  Dialoge  der  ersten 
Dittenbergerschen  Klasse  mit  unserer  ersten  Abteilung  übereinstimmen, 
zwei  Dialoge  ausgenommen,  den  Euthydemus  und  Cratylus;  2)  dafs  mit 
den  Dialogen  unserer  zweiten  und  dritten  Abteilung  zusammen  genommen 
identisch  sind  die  Dialoge  der  zweiten  Klasse  Dittenbergers,  das  Sympo- 
sion und  den  Lysis  ausgenommen.    Bei  näherem  Zusehen  reducieren  sich 

diese  zwei  Differenzen  auf  eine  einzige,  c »Durch  Vergleich  der 

beiden  Arbeiten  gelangen  wir  zu  der  erfreulichen  Hoffnung,   dafs  auf 

Jahz^ftbcrickt  för  Alterthuüuwiuensdiart  LXVU.  Bd.  (U91.  L)  4 


50  Pl«to. 

dem  Wege  der  statistischen  Beobachtnng  die  platonische  Frage  ihrer 
Lösung  entgegengeftüirt  werden  kann.c 

Angeknüpft  werden  noch  einige  Einzelbetrachtongen.  »Es  hat  sich 
folgendes  unzweifelhaft  herausgestellt:  a)  Der  Phaedo  gehört  in  die  erste 
Periode  der  schriftstellerischen  Thätigkeit  Piatos.  b)  Ebenso  ist  definitiv 
erledigt  die  Anschauung  von  der  frühen  Abfassungszeit  des  Theaetet 
c)  Der  Phaedrus  steht  nicht  am  Anfang  der  platonischen  Schriftstellerei, 
sondern  auf  dem  Höhepunkt  derselben.  Er  mufs  nach  der  Sophisten- 
rede des  Isokrates  abgefafst  sein.  Eine  Anwendung  der  Torliegenden 
Methode  auf  die  Bücher  der  Republik  ergiebt,  dafs  die  Bücher  der  Be- 
publik uns  in  zwei  Stilstufen  vorliegen.  Die  vier  ersten  Bücher  kennen 
kein  Jwra;c;  die  sechs  folgenden  Bücher  zeigen  neben  r^  owt  noch  ^vrcuc 
auf.  Die  vier  ersten  Bücher  gehören  also  in  die  erste  Stilperiode  Piatos 
und  sind  zeitlich  von  den  folgenden  getrennt«  —  »Dafs  das  zehnte  Buch 
der  Kepublik  später  ist  als  der  Phaedo,  wird  auch  durch  die  vorliegende 
statistische  Beobachtung  des  Sprachgebrauchs  erwiesen ;  denn  das  zehnte 
Buch  der  Republik  kennt  ovran:^  während  dem  Phaedo  dieses  Wort  fehlt« 
—  »Die  blendende  Hypothese  Spengels,  dafs  der  im  Eingang  des  Sophistes 
und  Politicus  angekündigte  Philosophus  deshalb  nicht  geschrieben  wurde, 
weil  der  Vorsatz  in  anderer  Weise  in  dem  fünften,  sechsten  und  siebenten 
Buche  der  Republik  ausgeführt  wurde,  ist  eine  Unmöglichkeit«  —  Was 
die  Abfassungszeit  der  drei  Dialoge  Theaetet,  Sophistes,  Politicus  anlangt, 
so  erweisen  die  gewonnenen  Tabellen  »aufs  unzweifelhafteste,  dafs  diese 
drei  Dialoge  durch  gröfsere  Zwischenräume  von  einander  getrennt  sind; 
denn  wenn  auch  der  Sophistes  mit  dem  Theaetet  noch  derselben  Stil- 
periode beizuzählen  ist,  so  sind  diese  Dialoge  doch  zeitlich  von  einander 
getrennt,  da  im  Sophistes  das  einundzwanzigmal  vorkommende  Svtok  das 
nur  einmal  erscheinende  np  5vxt  fast  erdrückt  hat,  im  Theaetet  dagegen 
neben  sechs  r^  Svtt  nur  ein  Svrmg  vorkommt;  bei  dem  Politicus  kann 
aber  die  Abfassung  in  einer  späteren  Zeit  gar  nicht  in  Frage  gestellt 
werden,  da  hier  sowohl  r^  Svrt  als  wq  dkr^Baßc  fehlt«  —  Wir  wollen  ans 
dem  Folgenden  nur  noch  zwei  Sätze  hervorheben:  »Aus  dem  Gesagten 
ergiebt  sich,  dafs,  wenn  zwei  Dialoge  mit  einander  verbunden  sind,  ^araus 
noch  nicht  gefolgert  werden  kann,  dafs  sie  auch  zeitlich  zusammen  ge- 
hören.« —  »Plato  sucht  in  der  späteren  Periode  seines  litterarischen 
Schaffens  seine  früheren  Werke  fortzuspinnen  und  zu  ergänzen.«  —  »Es 
ist  klar,  dafs  die  auf  diese  Weise  mit  einander  verknüpften  Werke  nicht 
eine  künstierische  Einheit  und"  Gliederung  repräsentieren.  Man  wird 
daher  nicht  mit  Christ  von  der  trilogischen  oder  tetralogischen  Kompo- 
sition als  beabsichtigter  Eunstform  der  platonischen  Schriftstellerei  in 
seiner  reifen  Schaffenszeit  sprechen  können.« 

Es  wird  dann  noch  gefragt,  ob  nicht  auch  für  die  unechten  Dialoge 
die  Ergebnisse  der  vorliegenden  Untersuchung  nutzbringend  gemacht 
werden  können.    Zu  diesem  Zwecke  wird  der  Clitopho  behandelt,  und 


Plato.  51 

im  Zasammenhange  damit  eine  genauere  üntersuchnng  über  den  Gebrauch 
des  Wortes  Svrws  bei  Xenophon  vorgelegt.  Aus  den  Ergebnissen  dieser 
Untersuchung  wird  gefolgert,  dafs  das  platonische  Gastmahl  früher  sein 
mnfs  als  das  Xenophons.  Wahrscheinlich  hat  Plato,  nicht  Xenophon 
ovTWQ  zuerst  in  die  Prosa  eingeführt. 

Es  kann  keine  Frage  sein,  dafs  die  von  Schanz  dieser  Untersuchung 
zu  gründe  gelegten  Ausdrucksweisen  glücklich  gewählt  sind  und  dafs  es 
ihm  gelungen  ist  darzuthun,  dafs  es  eine  wichtige  Aufgabe  der  platoni- 
schen Forschung  ist,  die  Entwicklung  des  platonischen  Stils  zu  verfolgen. 
Wie  reich  die  Abhandlung  an  bedeutsamen  Gedanken  und  Resultaten 
ist,  zeigt  schon  dieser  Auszug.  Die  methodische  Umsicht  und  Sicherheit 
des  Verfassers  braucht  nicht  erst  hervorgehoben  zu  werden.  Was  die 
Resultate  anlangt,  will  ich  zunächst  nur  einen  Punkt  hervorheben.  Ist 
es  richtig,  dafs  der  Phaedo  der  ersten  Periode  der  schriftstellerischen 
Thätigkeit  Piatos  angehört,  so  folgt  daraus,  dafs  Plato  schon  frühzeitig 
seine  Metaphysik  im  wesentlichen  ausgebaut  hat.  Das  wäre  nicht  wun- 
derbar, da  seine  Anschauungen  von  den  sokratischen  abhängiger  sind 
als  vielfach  geglaubt  wird.  Die  bei  jener  Datierung  mögliche  Annahme, 
dafs  im  Phaedon  die  philosophischen  Anschauungen  Piatos  noch  in 
unvollkommener  Form  vorliegen,  wäre  nicht  haltbar. 

3)  Jezienicki,  Michael,  Über  die  Abfassungszeit  der  platonischen 
Dialoge  Theaitet  und  Sophistes,  mit  einer  kurzen  Einleitung  über  die 
Versuche  der  Gelehrten  die  Zeitfolge  platonischer  Schriften  zu  be- 
stimmen. 8.  Lemberg  1887.  49  S.  Separatabdruck  aus  dem  Jahres- 
berichte des  k.  k.  II.  Obergymnasiums  in  Lemberg  für  das  Schul- 
jahr 1887. 

Am  Schlüsse  der  Einleitung  lOber  die  Versuche  der  Gelehrten 
die  Zeitfolge  platonischer  Schriften  zu  bestimmenc  spricht  der  Verfasser 
aus,  von  welchem  Verfahren  er  hierbei  sich  besonderen  Nutzen  verspricht. 
Es  sind  dies  specielle  Untersuchungen  über  die  Abfassungszeit  einzelner 
Dialoge.  »Hierbei  werden  natürlicherweise  diejenigen  Schlüsse  auf  die 
Abfassungszeit  der  Dialoge  den  gröfsten  Wert  haben,  welche  aus  den 
historischen  in  den  Schriften  Piatons  enthaltenen  Thatsachen  gezogen 
werden. c  Dahin  rechnet  er  namentlich  auch  »deutliche  Anspielungen 
auf  Antisthenes,  Isokrates  und  Aristoteles. c  »Das  gespannte  Verhältnis, 
welches  sich  zwischen  Plato  und  diesen  Männern  entwickelt  hatte,  gab 
oft  Anlafs  zu  verdeckten  Angri£fen  und  gegenseitigen  Befehdungen.  Von 
der  Beachtung  derartiger  Anspielungen  erhofft  der  Verf.  noch  weiteren 
Nutzen  für  die  Ermittelung  der  Chronologie  der  platonischen  Dialoge. 
Und  so  wendet  er  denn  auch  dieses  Verfahren  am  Schlüsse  des  zweiten 
Teiles  seiner  Schrift  für  die  Zeitbestimmung  des  Theaetet  und  des 
Sophisten  an. 

4» 


M  Plato. 

Znnftchfit  (auf  S.  14^4S)  stellt  er  die  Ansichten  anderer  Forscher 
üher  die  Abfassangszeit  der  genannten  Dialoge  fleifsig  zosammen  und 
mtersncht  eingehend  die  ihnen  zn  gmnde  gelegten  Argumente.  Dann 
wendet  er  das  oben  angegebene  Verfahren  an.  iDie  Polemik  des  Iso- 
krates,  welche  in  der  Einleitung  der  Lobschrift  auf  Helena  gegen  die 
philosophischen  Richtungen  seiner  Zeit  geführt  wird,  gibt  uns  ein  sicheres 
Mittel  an  die  Hand  nicht  nur  die  Zeit  ihrer  Entstehung  selbst  zu  be- 
stimmen, sondern  auch  die  Persönlichkeiten  und  Werke,  gegen  wekhe 
seine  Polemik  gerichtet  ist,  annfthemd  zu  ermitteln.c  Er  schlieÜBt  sich 
deigenigen  Gelehrten  an,  die  die  Helena  zu  den  späteren  Schriften  des 
Isokrates  rechnen,  und  zwar  setzt  er  ihre  Entstehung  um  das  Jahr  866. 
Warum  er  sich  gerade  ftür  dieses  Jalir  erklärt,  ist  aus  der  voranfgehen- 
den  Erörterung  leider  nicht  zu  ersehen.  Es  heilst  dann  weiter:  tDie 
darin  (in  der  Helena)  enthaltenen  einzelnen  Sätze  und  Ausdrttcke  f&hren 
uns  nämlich  auf  die  sichere  Spur,  dafs  dem  Isokrates  bei  der  Abfassung 
der  Helena  bereits  Piatons  Dialoge  Theaitetos  und  Sophistes  vorlagen. 
Dies  bestätigt  sowohl  die  Wahl  der  gleichen  Worte  von  beiden  Schriftr 
steilem  ftlr  die  Charakteristik  des  Antistfaenes  (hierfilr  werden  Plat 
Theaet  202  d  und  Plat  Soph.  261  b  und  c  auf  der  einen  Seite  und  auf  der 
andern  Isokr.  Hei.  §  l  und  §  2  zusammengestellt),  als  auch  der  Vorwurf, 
der  dem  Piaton  von  Isokrates  in  der  Helena  gemacht  wird,  der  aber 
erst  dann  recht  verständlich  und  begründet  ist,  wenn  die  Bekanntschaft 
des  Isokrates  mit  jenen  beiden  Dialogen  vorausgesetzt  wird.c  Die  von 
dem  Verf.  in  jenen  Stellen  gefundene  Übereinstimmung  kann  ich  meine^ 
seits  nicht  finden.  Mit  dem  Vorwurfe  ist  nach  S.  48  der  in  Hei.  §  2—4 
enthaltene  Tadel  gemeint,  der  »den  Antisthenes  und  Piaton  wegen  der 
Beschäftigung  mit  den  Fragen  trifft,  über  welche  sowohl  die  Sophisten 
Protagoras  und  Gorgias  als  auch  die  Eleaten  Zenon  und  Melissos  viele 
dunkle  Schriften  zurückgelassen  hatten.«  Der  Beweis,  warum  dieser 
Tadel  erst  dann  recht  verständlich  und  begründet  ist,  wenn  die  Bekannt* 
Schaft  des  Isokrates  mit  jenen  beiden  Dialogen  vorausgesetzt  wird,  ist 
meines  Erachtens  nicht  genügend  geführt 

Das  Endergebnis  der  Untersuchung  wird  auf  S.  49  folgendermafsen 
zttsammengefafst:  »Die  deutlichen  Beziehungen  und  Anspielungen  jener 
Schriften  (d.  h.  der  Dialoge  Theaetet  und  Sophistes  und  der  Helena)  aaf 
einander  machen  die  Annahme  sehr  wahrscheinlich,  dafs  Theaitet  und 
Sophistes  vor  dem  Jahre  366,  in  welchem  Isokrates  die  Lobrede  aof 
Helena  schrieb,  abgefafst  wurden.«  In  dem  mir  zu  geböte  stehenden 
Exemplar  ist  zu  »vor  dem  Jahre  366«  mit  Tinte  »kurz«  hinzugesetzt, 
wohl  von  der  Hand  des  Verfassers.  Aber  für  dieses  »kurz  vor  dem 
Jahre  866«  finde  ich  keine  Begründung  in  der  voraufgehenden  E^ 
Orterung. 


J 


Plato.  53 

4)  Kaasai,  6.,  Meletemata  Platonica.  L  Quid  yaleant  errores 
in  temponim  raUone  ad  natatia  librorum  Platonicoram  tempora  defi- 
nienda,  pancis  expouitur.  II.  Platonia  pfailosophia  temporis  progressu 
immntata  quid  proficiatur  ad  ordinem  librorum  eius  certias  constitaen* 
dum,  quaeritur.  —  Egyetemes  phii.  KözlOny  1886  N.  10  p.  857—870. 


n.   Die  einzelnen  Dialoge. 

a.   Alkibiades  I. 

Toepffer,  Johaunes,  in  Ebnarpidan  Hermes  XXII  (1887)  S.  482 
bemerkt  zu  Alk.  I  121,  aufweiche  Stelle  sieb  bekanntlich  die  herrschende 
Ansicht  ttber  die  Abkunft  des  Alkibiades  stützt:  »Die  Ableitung  vom 
himmlischen  Vater  Zeus  ist  es  also,  was  hier  bezweckt  wird.  Ist  es  nun 
notwendig,  frage  ich,  dafs  bei  einem  solchen  Manöver  durchaus  einzig 
und  allein  die  Descendenz  von  väterlicher  Seite  berücksichtigt  werden 
mufste?  Konnte  sich  Alkibiades  dieser  hohen  Abkunft  nicht  auch  rühmen, 
wenn  seine  Grofsmutter  eine  Eurysakidin  gewesen  war?c 

b.   Apologie. 

l)Wilamowitz-Möllendorf,  U.  v,  Die  Bühne  des  AischyloQ 
Hermes  XXI  S.  603  Anm.  1  sagt:  »Tanzplätze  werden  an  den  Heilig- 
tümern, wo  kykliscbe  Chöre  stehend  sind,  nicht  gefehlt  haben.  Erhalten 
hat  sich  nur  die  Erinnerung  an  die  dp^-^arpa  auf  dem  Markte,  nioht 
aber  wegen  ihrer  wirklichen  Bestimmung,  sondern  weil  Werkeltags  die 
Buchhändler  auf  ihr  ihre  Waaren  feil  hielten.  Das  hatte  Plato  in  der 
Apologie  26  £  erwähnt,  und  seine  Erklärer  notierten  deshalb,  dafs  es 
auch  auf  dem  Markte  eine  dpx^^rrpa  gäbe  (Tim.  s.  v.).  So  steht  es  um 
diese  ipx^pa  und  um  die  berufene  Platonstelle.t 

2)  §uman,  J.,  Bemerkungen  zu  einigen  Stellen  der  Platonischen 
Apologie  des  Sokrates.  Jahresber.  des  Obergymn.  zu  Laibach  1886. 
Gr.  8.     S.  20—26. 

Bei  der  Schullektüre  dieser  Schrift  hat  sich  der  Verfasser  folgende 
Stellen  bezeichnet,  »welche  bezüglich  der  Gestaltung  des  Textes  oder 
der  jetzt  üblichen  Interpretation  etwas  zu  wünschen  übrig  lassen«:  18  B 
soll  napaXofjLßdvovTSff  nicht  heifsen:  »zur  Erziehung  übernehmen«,  son- 
dern »bei  Seite  nehmen«.  18  D  wird  bfiäg  vor  dvintSoy  gestrichen  und 
aXAoiK  riväff  ergänzt.  Ich  sehe  keinen  Grund  zu  dieser  Änderung.  19  G 
werden  die  Worte  p.i^  nw^  i/o*  und  MeX^ou  raoaurac  dixag  ^yotfu  als 
Absichtssatz  gefaCst,  wie  es  bekanntlich  schon  Cron  thut.  Vor  /u^  will 
der  Verfasser  ein  aide  oder  ein  ij  einschieben.  »Ich  lehne  sie  (eine 
solche  mir  angedichtete  Beschäftigung  und  Kenntnis)  nicht  ab  aus  Mif»- 


54  Plato- 

achtang  vor  einer  solchen  Wissenschaft,  noch  ans  Furcht,  dafs  mich 
Meletos  auch  darü){er  noch  anklagen  könnte,  c  —  Ich  vermag  diesen 
Versuch,  der  mifslichen  Stelle  zu  helfen,  nicht  ffir  geglückt  zu  erachten. 
24  E  in  dXXä  tcq  du&pwnoQf  Stntff  Tzpwrov  xal  aSnh  rooro  olSe^  rouc 
vö/wug  wird  die  Tilgung  der  Worte  rou^  yöpLoug  empfohlen.  —  Ich 
glauhe,  dafs  der  von  dem  Verfasser  statuierte  Zusammenhang  nicht  der 
richtige  ist  und  die  Worte  roug  vojjloik  unantastbar  sind.  S.  26  D  E 
xal  8i)  xcä  oi  viot  roSra  naip^  i/iou  [lavBdvoüaiv ,  St  i^earty  iveors  .  .  . 
ix  r^g  dp^arpag  7:pea^vot>g  UwxpdrouQ  xazayeXäv,  In  diesen  Worten 
sieht  der  Verfasser  eine  Zurückweisung  des  in  Aristophanes*  Wolken 
dem  Sokrates  Angedichteten.  Eingehend  begründet  der  Verfasser  seine 
Auffassung  dieser  Stelle  in  seiner  »Entgegnung  auf  die  Recension  des 
Herrn  Baarc  in  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  1887  S.  970  f.  Diese  Auf- 
fassung beruht  auf  der  herkömmlichen  Deutung  von  ix  r^g  dpj^y^pag^ 
bei  der  meines  Erachtens  ein  befriedigender  Sinn  nicht  zu  gewinnen  ist 
Vergl.  Wilamowitz-MöIIendorf  in  Hermes  XXI  (1886)  S.  603  Anm.  1.  In 
Beziehung  auf  die  Worte  26  E :  dX}i  &  Ttpbg  J^oc,  obrwae  aot  Soxw  obBiva 
vofuZeof  9ibu  ehae  wird  Cron  gegenüber  (»diese  Worte  bilden  den  Über- 
gang zu  einer  andern  Widerlegung  der  Beschuldigung  des  Atheismusc) 
mit  Recht  betont,  dafs  nur  eine  einzige  Widerlegung  vorliegt,  die  p.  27  B 
bis  E  durchgeführt  wird.  27  D  erscheint  ae  vor  aiWrrea&ae  dem  Ver- 
fasser unhaltbar.  Ich  sehe  keinen  Grund  zum  Anstofs.  —  31  A  soll 
fifS/wg  nicht  mit  dnoxrs/vaire  ^  sondern  durch  Umstellung  mit  dem  fol- 
genden rbv  Xombv  ßtov  xaBeudovreg  zu  verbinden  sein.  »Vielleicht  lau- 
tete der  Text  bei  Piaton  so:  üiieTc  S^  Yatug  xdy^  äv  d^Bo/ievot^  unntep  ol 
voardZovxtQ  iyetpSfievot ^  dnoxreevatr*  &v  /le  Ttet&öfuyoe  'Avurtp^  ßtjfBta^ 
S^  &v  dTtoxnevavreg  eha  rbv  Xombv  ßhv  xaBeuSovrsg  SeareXoTz^  ay,  ei  fiij 
Ttva  äXXov  6  Bebe  bplv  intTdiiipett  xijS6/uvoq  ü/itov.  Damit  wäre  auch 
das  störende  zweite  tertium  comparationis  beseitigt,  welches  neben  d/9o- 
fuvot  mit  dem  Worte  xpoOaavreg^  resp.  dpouaavr&g  irrig  eingefügt  zu 
sein  scheintc  —  Ich  kann  diesen  Ausführungen  nicht  zustimmen.  — 
Dafs  es  35  B  oüre  i^/iac  ZP^  notetv  heifsen  mnfs,  ist  bereits  vielseitig 
anerkannt.  Zu  der  Periode  86  BC  wird  bemerkt:  »Diese  Periode  ge- 
winnt an  Deutlichkeit  und  Abrnndung,  wenn  man  dort,  wo  der  positive 
Teil  beginnt,  zwischen  Ixaarov  und  ebep^erehf,  das  Wort  iwv  verwan- 
delt  in  &/iaiv.c  —  Ein  guter  Gedanke.  Doch  bin  ich  mehr  dafür  iwv 
mit  Schanz  zu  streichen.  —  In  der  Periode  40  D  scheint  dem  Verfasser 
der  Schlufs  in  den  Worten  fiij  ort  IScwti^v  t^wz,  dXXä  rbv  piyav  ßounXea 
einerseits  und  aöröv  nach  eüpetv  anderseits  eine  doppelte  Redaktion  zu 
bieten.  —  Zu  einer  solchen  Annahme  liegt  meines  Erachtens  durchaus 
kein  ausreichender  Grund  vor.  —  »In  der  Periode  41  A  B  liest  sich  der 
Satz  xal  aÖT<p  Baufiaurrij  äv  eaj  fj  Seazptß^  abroBt  wie  eine  Randbemer- 
kung neben  der  letzten  in  den  Text  gehörigen  Aussage  obx  dv  di^ks 
en^.c  ^  Auf  mich  macht  jener  Satz  durchaus  nicht  den  Eindruck  einer 


Plato.  55 

Randbemerkung,  nnd  seine  Streichung  erscheint  mir  geradezu  unmöglich. 
Bei  der  Beurteilung  der  stilistischen  Fassung  dieser  Periode  mufs  man 
der  stilistischen  Eigentümlichkeit  der  Apologie  eingedenk  bleiben,  wie 
sie  im  ersten  Kapitel  derselben  gezeichnet  ist  —  BSchliefslich  könnte 
man  auch  die  27  £  vielfach  interpretierte  Conclusion  dadurch  lesbar 
machen,  dafs  man  roü  aArou  an  zweiter  Stelle  wegl&fst«  —  Das  zweite 
rdü  aÖTOü  ist  haltbar,  wenn  man  die  Stelle  nicht  einfach  vom  logischen, 
sondern  zugleich  vom  psychologischen  Standpunkt  aus  betrachtet.  Die 
logisch  genommen  unnötige,  ja  fast  störende  Wiederholung  von  roü  adroü 
erklärt  sich  psychologisch  aus  dem  grofsen  Nachdrucke,  der  auf  dem- 
selben liegt.  ~  »Der  Sinn  der  Stelle  ist  also  dieser:  Der  Glaube  an 
D&monisches  und  Göttliches  ohne  den  Glauben  an  Dämonen  und  Götter 
ist  an  einer  und  derselben  Person  unmöglich.!  —  Das  haben  schon 
andere  gesagt;  aber  wie  kommt  dieser  Sinn  heraus?  Dann  mttTste  es 
doch  heifsen:  (Meletos  wird  niemand  glauben  machen),  dafs  es  nicht 
Sache  einer  und  derselben  Person  ist  an  Dämonisches  und  Göttliches  zu 
glauben  und  andererseits  an  Dämonen  und  Götter.  Dann  mttfste  es  also 
xoi  Sa/fwvag  xat  i^eoug  heifsen,  während  /^f^re  dcufwvac  fi^s  BtouQ  dasteht. 

3)  Suman,  J.,  Weitere  Bemerkungen  zu  einzelnen  Stellen  der 
Platonischen  Apologie  des  Sokrates.  Jahresber.  des  Obergymnasiums 
zu  Laibach.     1887.     Gr.  8.    S.  6—19. 

22  A  möchte  der  Verfasser  »vorläufige  an  C.  F.  Hermanns  Con- 
jektur  x&v  iXe^xzog  festhalten.  Sehr  eingehend  behandelt  er  dann  die 
Stelle  24  A  B  raZr^  earev  bfiTv^  w  ävSpec  'ABi^vauoe^  rdh^B^  .  .  .  xcd  idv 
re  vüv  idv  re  au&is  f^ij-r^av^re^  ounoc  eüp^asze^  eine  Stelle,  die  ihm  »in 
mehrfacher  Beziehung  unverständlich  ist.«  Er  klammert  das  xcU  vor 
5Tt  aSvi^  iarlv  fj  diaßoXfj  ein  und  erklärt  dann  die  Stelle  so:  »Dieses  ist, 
o  Männer  von  Athen,  die  Wahrheit,  und  ich,  ich  sage  {iyat  Xiyw)  sie 
euch,  ohne  etwas  Wesentliches  oder  Unwesentliches  vor  euch  zu  ver- 
heimlichen oder  zu  verschweigen.  Und  fürwahr,  ich  weifs  es  fast  be- 
stimmt, dafs  ich  mich  eben  dadurch  (ix  rauorrfüi  ri^c  i^erdoeoßg  noXXal 
fikv  dndj[Beeae  fioiysYÖvaat  23  A)  verhafst  mache.  Was  auch  ein  Beweis 
ist,  dafs  ich  wahr  rede,  ist  der  Umstand,  dafs  das  (rä  xarä  ndvroßv  roiv 
^tXoüo^oovTwy  npo^etpa  roSha)  meine  Verleumdung  ist,  und  die  Ursachen 
sind  diese.  Und  möget  ihr  dieses  jetzt  oder  ein  anderes  mal  unter- 
suchen, ihr  werdet  es  so  finden.«  —  Dieser  Satz  schliefst  den  Abschnitt 
ab,  in  welchem  Sokrates  auf  die  20 G  gestellte  Frage  antwortet:  noBev 
al  StaßoXat  eoi  aurae  yt^ovaaty ;  Nachdem  Sokrates  erklärt  hat,  auf  welche 
Weise  und  durch  welche  Momente  ihm  die  ttble  Nachrede  entstanden 
ist,  giebt  er  abschliefsend  die  Versicherung:  »Dies  (d.  h.  die  von  mir 
angegebenen  Momente)  beruhen  auf  Wahrheit,  und  ich  habe  gar  nichts 
weder  etwas  Grofses  noch  etwas  Kleines  euch  verschwiegen  noch  damit 
hinter  dem  Berge  gehalten.    Und  doch  weifs  ich,  dafs  ich  gerade  dadurch 


56  Pli^- 

(gerade  dnrcli  das  was  ich  angegeben  habe,  durch  jene  Art  von  WenheH 
und  die  damit  zusammenhängende  PrQfnng  der  Menschen)  mich  Yerhafst 
mache;  was  auch  ein  Beweis  daf&r  ist,  dafs  ich  die  Wahrheit  sage  und 
dafs  dieses  mein  übler  Ruf  ist  (und  dafs  es  mit  meinem  üblen  Rufe, 
mit  der  ungünstigen  Meinung  von  mir,  diese  Bewandtnis  hat),  und  dafs 
die  Gründe  für  denselben  die  angegebenen  sind.c  Sokrates  weifs,  dafs  die 
von  ihm  für  die  Erklärung  seiner  dtaßok^  vorgebrachten  umstände  ihn 
bei  seinen  Mitbürgern,  also  auch  bei  seinen  Richtern  verhafst  machen, 
ihm  also  bei  diesen  schaden.  Das  ist  ein  Beweis  für  die  Wahrheit  des 
Angeführten.  Denn  wenn  ein  Angeklagter  vor  Gericht  unwahre  Angaben 
macht,  so  thut  er  es  doch  nur  in  der  Meinung  sich  damit  zu  nützen; 
er  wird  also  nichts  Unwahres  vorbringen,  wenn  er  weifs,  dafs  dieses  ihn 
schaden  mufs.  Giebt  er  also  Erklärungen,  die  ihm  schaden  müssen,  so 
liegt  darin  der  Beweis,  dab  sie  wahr  sind.  So  scheint  mir  die  Stelle 
in  guter  Ordnung  zu  sein. 

84  B  G:  rdxoL  8^  äv  rrc  b/iwv  dj'avaxT^eeeev  dvapany^elc  imnw^  ei 
6  fiiv  . . .  üetfiTj  .  . .  i^a»  Sk  odSky  Spa  rourmv  noe^am.  Der  Yerbsser 
bezieht  6  /liv  auf  eine  entferntere  dritte  Person,  so  dafs  Sokrates  sagt: 
lYielleicht  dürfte  mancher  von  euch,  indem  er  seiner  Macht  und  Würde 
gedenkt,  die  er  als  Richter  hat,  unwillig  sein,  wenn  er  sieht,  dafs  ich 
mich  in  meinem  Falle  nicht  demütige  und  aufs  Bitten  verlege,  während 
doch  sonst  manch  anderer  in  geringfügigeren  Processen  Mitleid  zu  er- 
wecken suchtec  u.  s.  w<  —   Ich  halte  diese  Beziehung  nicht  für  richtig. 

87  B  möchte  der  Ver&sser  lesen:  refi^üe^r^e  roeoOrou  rtvhc  ifumz^, 
1j  8ee4Tag  /Aiji  ndBof  (für  r/  detaag;  ^  fi^  ndBoß)  rouro^  oh  Mih^roQ  [ioi 
Ttfiärcu^  8  ^fii  ohx  elSd)Hu  oSr*  el  dya^v  oSr^  el  xaxov  iarw^  dyri 
xwTOu  S^  IXcjfiot  cDv  ei  oeS^  Ure  xaxwv  Svrwv^  toütou  Tifvi^df»£¥Oci  Der 
Verfasser  setzt  sehr  eingehend  auseinander,  inwiefern  bei  dieser  Verbin- 
dung die  Gedankenfolge  gewinnt,  und  warum  er  meint,  dafs  in  der 
gegenwärtigen  Form  des  Textes  eine  Störung  des  Sinnes  und  Zusammen- 
hanges vorliegt  Ich  kann  mich  nicht  davon  überzeugen,  dafs  die  über- 
lieferte Lesart  nicht  gesund  sei. 

In  40  C  D  E  findet  der  Verfasser  abgesehen  von  den  im  vorigen 
Programme  als  jüngerer  Zusatz  (dort  wird  von  einer  zweiten  Redaktion 
gesprochen)  bezeichneten  Worten  fi^  ort  Wew'njv  rtwi^  dXlä  r^v  pusfoy 
ßaatXia  noch  folgende  Einschaltungen  einer  spätem  Hand:  rtva  ixXs^- 
fuvau  ddot,  rauTJj  rg  yoxvi  und  axei/fdpsvoy.  Ich  vermag  f^r  diese  An- 
nahme keinen  hinreichenden  Grund  zu  erblicken. 

Die  Periode  in  41  BC  möchte  der  Verfasser  in  folgender  Weise 
interpungieren :  xai  Si)  Tb  /lejriaTov^  toüc  ixsic  i^erdCoyra  xal  ipeovmwa 
SfOitep  Tous  ivraüBa  Stdyeof^  zig  abrwv  awpoq  iare  xal  rig  oYevai  fi&^^ 
lart  S*  ou  —  inl  nomp  S'  avrcc,  <o  änfSpec  dixaaraej  Se$aeTo  i^erdaai 
rdv  in}  Tpoiav  dyaydvra  n^y  noUiiv  arpaztäv  J^  ^OBwrcia  1j  £iau^v  ^  — 
i^kooQ  fwpiooc  äyriQ  etnot  xat  dvdpae  xri.     »Und  vollends  die  Hauptr» 


Plato.  57 

sacbe,  dio  Zeit  zuzubringen,  indem  man  die  Bewohner  dort,  wie  die  hier, 
ausforscht  und  prüft,  wer  von  ihnen  weise  ist  und  wer  es  nur  glaubt, 
aber  nicht  ist,  —  wie  viel  gäbe  man  wohl  darum,  o  Richter,  den  Führer 
des  zahlreichen  Heeres  vor  Troja  auszuforschen  oder  Odysseus  oder 
Sisyphus  oder  —  tausend  andere  Männer  und  Frauen  könnte  man  nen- 
nen, mit  denen  Gespräche  zu  führen  und  in  Gesellschaft  zu  sein  und  sie 
auszuforschen  eine  unsägliche  Glückseligkeit  wäre.c 

c.  Euthydemus. 

Nikitin  zu  Piatos  Euthydem  2*14  und  Protagoras  313  in  Texlr 
kritische  Bemerkungen  zu  griechischen  Schriftstellern.  (Russisch).  Jovsal 
des  Kais.  russ.  Ministeriums  der  Volksaufklärung  1886,  Febr.  3.  Abt 

d.  Euthyphron. 

1)  Schftuz,  M.,  Sammlung  ausgewählter  Dialoge  Piatos  mit  deut- 
schem Kommentar.  Erstes  Bändeben.  Euthyphron.  Leipzig  1887. 
gr.  8.    69  S. 

Über  die  Beschaffenheit  des  Kommentars  macht  der  gelehrte  Her- 
ausgeber selbst  in  der  Torrede  folgende  Bemerkungen:  »Der  Kommentar 
macht  bezüglich  des  Lesers  keine  grofsen  Voraussetzungen;  er  zieht 
daher  auch  elementare  Dinge  in  seinen  Bereich.  Es  war  dies  schon 
deshalb  notwendig,  damit  der  Kommentar  auch  fQr  Unterrichtszwecke 
sich  brauchbar  erweise.  Allein  diese  Rücksicht  durfte  nicht  in  jenen 
jetzt  so  vielfach  üblichen  engherzigen  Standpunkt  übergehen,  nur  das 
zu  geben,  was  das  allernächste  Bedürfnis  der  Schule  erfordert  Selbst 
eine  Ausgabe,  die  sich  ausdrücklich  als  Schulausgabe  hinstellt,  soll,  wie 
Krüger  richtig  bemerkt,  keine  Schülerausgabe  sein.  Ich  steckte  mir  also 
ein  höheres  Ziel;  mein  Bestreben  war  dahin  gerichtet,  in  dem  Kom- 
mentar auch  Dinge  zu  geben,  welche  selbst  den  Gelehrten  interessieren 
können.  Ich  habe  daher  in  demselben  alle  wichtigen  kritischen  Schwie- 
rigkeiten behandelt,  Probleme  der  Grammatik  öfters  genauer  angedeutet, 
Eigentümlichkeiten  des  platonischen  Stils  ausftlhrlich  und  nicht  seltee 
abschliefsend  behandelt.  Auch  der  Komposition  und  dem  Gedankenzu- 
sammenhang  wurde  alle  erforderliche  Aufmerksamkeit  zugewendet.  Meine 
Quellen  habe  ich  —  hierin  von  der  jetzt  üblich  gewordenen  Manier  ab- 
weichend — ,  wo  es  irgendwie  erforderlich  war,  gewissenhaft  citiert.« 
Nach  eingehender  Prüfung  kann  ich  es  mit  gutem  Gewissen  anssprecheut 
dafs  das  hier  von  dem  Verfasser  Ausgesprochene  voll  und  ganz  geleistet 
worden  ist  Die  Einleitung  zerfällt  in  sieben  Paragraphen,  von  denen 
der  erste  nähere  Angaben  über  die  Person  des  Euthyphron  enthält,  der 
zweite  den  Gedankengang  des  Dialogs,  der  dritte  die  Gliederung,  der 
vierte  die  Komposition  und  der  fünfte    den  Zweck  desselben  angiebt 


58  Plftto. 

Der  Einflufs  der  Bonitzschen  Anffassnng  ist  in  den  Abschnitten  2-5 
nicht  zu  verkennen;  das  kann  nrid  darf  nicht  anders  sein,  doch  haben 
sie  trotzdem  alle  ihren  selbständigen  Wert  Alles  ist  scharf  gedacht 
und  klar  dargestellt  und  gewinnt  die  Oberzeugung  des  aufmerksamen 
Lesers.  Ich  will  nur  einiges  hervorheben.  Es  wird  überzeugend  nach- 
gewiesen, dafs  wir  nur  vier  Definitionen  anzunehmen  haben,  je  zwei  in 
einer  Gruppe,  eine  in  jeder  Gruppe  mit  sprachlicher  Modifikation.  Als 
die  von  Plato  als  genügend  erachtete  Definition  wird  die  dritte  be- 
zeichnet, die  aus  dem  Dialog  selbst  heraus  folgendermafsen  vervollstän- 
digt wird :  »Das  Fromme  ist  der  Teil  des  rechten  (sittlichen)  Verhaltens, 
der  sich  auf  den  Dienst  der  Götter  bezieht.  Der  Dienst,  den  wir  den 
Göttern  leisten,  besteht  darin,  dafs  wir  das  wollen  und  thun,  was  die 
Götter  wollen  —  das  vollkommene  Gute:  Fromm  ist  also  deijenige, 
der  seinen  Willen  dem  göttlichen  anpafst,  der  sich  zu  einem  Organ  des 
göttlichen  Willens  machte  Dem  Inhalte  nach  ist  dies  im  wesentlichen 
dieselbe  Definition,  die  Bonitz  Plat.  Studien  '  234  giebt  und  die  dem- 
nach auch  von  Schanz  in  einer  Fufsnote  angefllhrt  wird:  »Die  Frömmig- 
keit ist  nichts  anderes  als  die  vollendete  Sittlichkeit,  nur  unter  der 
Form,  dafs  sich  der  Mensch  bewufst  ist,  hierdurch  das  dienende  Organ 
fär  das  göttliche  Wirken  zu  sein.«  Vergl.  Susemihl  Genet  Entwick.  I  115. 
Als  eigentlicher  Zweck  des  Dialogs  wird  die  Untersuchung  über  das 
Wesen  der  Frömmigkeit  festgehalten,  aber  zugleich  richtig  bemerkt, 
dafs  ein  Kunstwerk  neben  seiner  eigentlichen  Bestimmung  noch  einen 
Nebenzweck  verfolgen  kann  und  stets  eine  Reihe  anderer  Anregungen 
darbietet  So  verband  hier  Plato  »mit  dem  wissenschaftlichen  Haupt- 
zweck noch  einen  ethischen  Nebenzweck,  er  wollte  durch  den  Fall  des 
fAdvreg  Euthyphro  zugleich  den  Prozefs  des  Sokrates  beleuchten.!  — 
Um  einer  falschen  Auffassung  dieses  letzten  Satzes  vorzubeugen,  will 
ich  darauf  aufmerksam  machen,  dafs  Wissenschaft  und  Ethik  bei  Plato, 
gerade  so  wie  bei  Sokrates,  in  dem  innigsten  Zusammenhange  stehen. 
Der  wissenschaftliche  Hauptzweck  des  Dialogs  ist  demnach  zugleich 
ein  ethischer.  Die  wissenschaftliche  Erkenntnis  vom  Wesen  der  Fröm- 
migkeit sollte  zugleich  zur  sittlichen  Überzeugung  und  damit  zum  he* 
stimmenden  Faktor  des  Handelns  werden. 

Der  sechste  Paragraph  der  Einleitung  sucht  die  Zeit  der  Abfas- 
sung des  Dialogs  zu  ermitteln.  Hier  sind  zwei  Sätze  herauszuheben: 
1.  »Die  Stimmung  Piatos  über  den  Prozefs  des  Sokrates  ist  im  Euthy- 
phro eine  so  resignierte  und  leicht  ironische,  dafs  sich  dieselbe  aus  der 
Zeit  unmittelbar  nach  dem  Tode  nicht  erklären  läfst  Es  tritt  dies  be- 
sonders zu  Tage,  wenn  wir  diesen  Ton  mit  der  Bitterkeit  des  Gorgias 
vergleichen,  dessen  Abfassung  kurz  nach  dem  Tode  des  Sokrates  nicht 
zweifelhaft  ist.  Ich  halte  es  für  unmöglich,  dafs  Gorgias  und  Euthyphro, 
die  sich  so  ganz  verschieden  zu  dem  tragischen  Ende  des  Sokrates 
stellen,  in  eine  Zeit  fallen.    Euthyphro  mufs  später  sein.«    Schanz  ope- 


Plato.  59 

riert  hier  mit  dem  Begriff  >Die  Zeit  unmittelbar  nach  dem  Tode  de» 
Sokrates.«  Wird  dieser  Begriff  streng  genommen,  ich  meine  noch  gar 
nicht  im  allerengsten  und  strengsten  Sinne,  so  hat  Schanz  unbedingt 
recht,  unmittelbar  nach  dem  Tode  des  Sokrates,  sowie  wir  dies  im  ge- 
wöhnlichen Leben  verstehen,  ist  der  Euthyphron  nicht  geschrieben,  daran 
ist  nicht  zu  denken.  Wird  aber  dieser  Begriff  gedehnt,  dann  verliert 
die  darauf  gebaute  Argumentation  ihre  Sicherheit.  Meines  Erachtens 
kann  nicht  mit  Bestimmtheit  behauptet  werden,  dafs  es  Plato  auch  nur 
ein  Jahr  nach  dem  Tode  seines  Lehrers  nicht  möglich  gewesen  sein 
sollte,  sich  zu  der  inneren  Freiheit  zu  erheben,  die  nötig  war,  den 
Euthyphron  zu  schreiben.  Wenn  hier  die  Möglichkeit  unerörtert  bleibt, 
dafs  der  Euthyphron  noch  vor  der  Gerichtsverhandlung  über  Sokrates 
geschrieben  worden  ist,  was  Zeller  für  wahrscheinlich  hftit,  so  erkl&rt  sich 
dies  daraus,  dafs  diese  Möglichkeit,  wie  das  Folgende  zeigt,  für  Schanz 
nicht  vorhanden  ist  2.  »Wir  finden  eine  Änderung  des  Standpunktes 
bei  Plato,  indem  in  manchen  Dialogen  fünf  Tugenden  angenommen  wer- 
den, die  Weisheit,  die  Besonnenheit,  die  Tapferkeit,  die  Frömmigkeit, 
die  Gerechtigkeit,  in  anderen  vier,  indem  die  Frömmigkeit  fehlt.  Da 
nun  unser  Dialog  an  einer  bedeutsamen  Stelle,  in  einer  Definition,  die 
Frömmigkeit  der  Btxatoauw^  subordiniert  und  sonach  nicht  als  eigene 
Tugend  gelten  läfst,  so  wird  man  jene  Dialoge,  welche  fünf  Tugenden 
annehmen,  für  zeitlich  früher  halten  müssen  als  jene,  die  deren  nur 
noch  vier  kennen.  Allein  auch  hier  darf  Vorsicht  nicht  aufser  Acht 
gelassen  werden;  gelegentliche  Erwähnungen  der  fünf  Tugenden  können 
keineswegs  als  völlig  beweiskräftig  gelten;  dagegen  mufs  ein  entschiede- 
nes Gewicht  jenen  Stellen  beigelegt  werden,  wo  in  wissenschaftlicher 
Untersuchung  die  Fünfzahl  der  Tugenden  angenommen  ist.  Eine  solche 
Stelle  ist  Protag.  349  B.  Nach  dieser  Stelle  wird  man  mit  Sicherheit 
den  Protagoras  für  älter  halten  müssen  als  den  Euthyphro.c  Diese 
Sicherheit  schwindet  meines  Erachtens,  wenn  man  berücksichtigt,  dafs  im 
Protagoras  nachgewiesen  werden  soll,  dafs  alle  Tugenden  in  Wirklichkeit 
nur  verschiedene  Namen  fttr  die  eine  Tugend  sind.  Es  kommt  also  hier 
an  sich  gar  nicht  darauf  an,  ob  vier  oder  fünf  Tugenden  angenommen 
werden;  das  mufs  sich  nach  dem  Zusammenbange  richten.  Plato  zählt 
an  jener  Stelle  fünf  Tugenden  auf,  weil  sich  die  Identität  von  Frömmig- 
keit und  Gerechtigkeit  am  leichtesten  darthnn  läfst,  und  so  wird  sie 
denn  auch  gleich  an  erster  Stelle  dargethan,  und  weil  er  auf  diese  Weise 
der  dv8peea  gegenüber  zwei  Paare  von  Tugenden  gewinnt,  was  für  den 
Gang  der  Erörterung  von  besonderem  Vorteile  ist- 

Noch  ein  drittes  mufs  kurz  besprochen  werden.  »Wenn  wir  den 
Dialogf,  sagt  Schanz  S.  16,  »nach  dieser  Hinsicht  (gemeint  ist  die  Ideen- 
lehre) durchgehen,  so  finden  wir  zwar  Ausdrücke,  welche  an  die  in  der 
Ideenlehre  vorkommenden  erinnern,  z.B.  6E;  allein  es  fehlt  die  wich- 
tigste Bestimmung  der  Ideenlehre,  die  Realität  der  Begriffe  aufserhalb 


60  PlAte. 

des  Denkens.  Es  dürfte  daher  nicht  angehen,  den  Enthyphro  in  eine 
Zeit  herabznr&cken,  in  der  die  Ideenlebre  bereits  ihre  bestimmte  nnd 
klare  Formnliemng  gefunden  hatte.«  —  Die  Sache  ist  richtig,  aber  der 
Beweis  dafQr  unsicher.  Soweit  die  Ideenlehre  fCkr  den  vorliegenden 
Zweck  gebraucht  wird,  erscheint  sie  in  einer  Form,  die  mit  den  Dialo- 
gen tkbereinstimmt,  in  denen  die  Ideenlehre  bereits  in  ihrer  Ausbildung 
erscheint  Man  vergleiche  6  D  ixetvo  abr^  t6  elSog^  ip  ndvra  rä  Sota 
Satd  ioTtv  mit  den  Ausführungen  des  Phaedon,  dals  das  Schöne  es  ist« 
was  die  schönen  Dinge  schön  macht  u.  s.  w.,  und  6  E :  Tai-ngv  to(wv  fu 
a&tijiv  S{ia$ov  rijv  töiaoß,  r(Q  nori  iart^^  &a  eis  ixeAmpf  dnoßXinwv  xd 
j[pwfieuog  airfj  napa^etYiiaTi  xrX.  stimmt  in  Anschauung  und  Ausdruck 
mit  dem  Timäus  Qberein.  Auf  den  Kommentar  kann  ich  nicht  nfther 
eingehen.  Ich  will  nur  eine  Bemerkung  mir  erlauben.  Wenn  es  S.  58 
in  Beziehung  auf  die  Feststellung  des  Verhältnisses  von  Gtous  und 
Species  fftr  die  Begriffe  Hoq  und  aü^cuc  heisst,  »die  ganze  spitzfindige 
Untersuchung  hat  nur  formalen  Wert«,  so  ist  dem  berechtigten  Stand- 
punkte Piatos  nicht  Rechnung  getragen.  Die  bekannte  Stelle  im  Phile- 
bus zeigt,  dafs  Plato  die  Statuiening  von  Genus,  Species  und  Individuum 
ftlr  eine  neue  großartige  Entdeckung  hielt,  die  f&r  die  wissenschaftliche 
Erkenntnis  von  der  allergröfsten  Bedeutung  sei,  und  so  hielt  er  es  mit 
Recht  auch  hier  für  geboten,  um  diesem  wichtigsten  Teile  des  Dialogs 
eine  feste  Grundlage  zu  geben,  dieses  Verhältnis  von  deioc  und  aldmi 
zu  klarer  Erkenntnis  zu  bringen,  um  auf  diese  Weise  das  Verständnis 
des  Verhältnisses  von  Sixaiov  und  Sctoif  anzubahnen. 

Im  Anschlüsse  an  diese  Anzeige  weisen  wir  hin  auf  die  gleichzeitig 
erschienene  Ausgabe 

2)  Piatonis  Enthyphro.  In  scbolarum  usum  denuo  ediditMar- 
tinus  Schanz,    gr.  8. 

»Das  Projekt  eine  Sammlung  der  gelesensten  platonischen  Dialoge 
mit  deutschem  Kommentar  zu  veranstalten,  wurde  dahin  erweitert,  dafs 
beschlossen  wurde,  zugleich  mit  jedem  kommentierten  Dialog  eine  kriti- 
sche Handausgabe  desselben  erscheinen  zu  lassen.  Man  wollte  dadurch 
zufi^eich  dem  oft  empfundenen  Mifsstand  begegegnen,  dafs  gerade  die 
am  häufigsten  gelesenen  Dialoge  fast  sämtlich  in  der  groCien  kritischen 
Ausgabe  mit  anderen  verbunden  und  nicht  einzeln  verkäuflich  sind,  so- 
nach deren  Benutzung  in  Schulen,  bei  Vorlesungen  und  Seminarflbungen 
erschwert  istc  —  »Es  ist  selbstverständlich,  dafs  diese  kritischen  Hand- 
ausgaben dem  neuesten  Standpunkt  der  Kritik  angepafst  werden;  was 
seit  dem  Erscheinen  der  Dialoge  in  der  grof^n  kritischen  Ausgabe  von 
mir  und  anderen  Neues  gefunden,  wird  seine  Verwertung  finden.c 

3)  Euthypbron  mit  Anmerkungen  von  M.  Wohlrab.    4.  Aufl. 
Ich  werde  diese  Ausj^abe  das  nächste  Mal  besprechen, 


Flato.  61 


e.   Oorgias. 

1)  Piatos  ausgewählte  Schriften.  Fttr  den  Schulgebrauch  erkl. 
von  Chr.  Cron  und  J.  Deuschle.  2.  Teil.  Gorgias.  Erläat  von  Deaschle. 
4.  Aufl.  bearbeitet  von  Gron.    Leipzig  1886.  8. 

Der  Wert  dieser  Ausgabe  ist  ausreichend  bekannt;  dieselbe  bedarf 
daher  wohl  keiner  Besprechung. 

2)  Cron,  Chr.,  Zur  Frage  nach  der  Gliederung  des  platonischen 
Dialogs  Gorgias  Jahrb.  f.  class.  Philol.    Bd.  153  (1886)  S.  563-582. 

Den  Gegenstand  und  die  Tendenz  dieser  Abhandlang  giebt  der 
Verfasser  selbst  S.  563  f.  in  folgenden  Worten  an:  »Abgesehen  von  — 
—  —  bildet  das  Yerhftltnis,  in  welchem  die  beiden  zuerst  in  das  Ge- 
spräch mit  Sokrates  eintretenden  Männer  zu  der  Gliederung  desselben 
stehen,  einen  Gegenstand  widersprechender  Ansichten,  zwischen  denen 
eine  Verständigung  noch  nicht  erreicht  ist.  An  dieser  Verschiedenheit 
der  Auffassung  gegenüber  der  von  Bonitz  dargelegten  und  verteidigten 
Gliederung  des  Gesprächs  nehme  auch  ich  teil,  indem  ich  mich  nicht 
davon  überzeugen  kann,  dafs  das  von  Sokrates  mit  Gorgias  und  Polos 
geftüirte  Gespräch  zwei  gesonderte  Hauptabschnitte  bildet,  so  dafs  jeder 
derselben  'eine  Frage  in  ununterbrochenem  Zusammenhange  behandelt 
und  zu  einem  vollständigen  oder  relativen  Abschlufs  bringt,  eine  Frage, 
die  von  der  im  vorausgehenden  behandelten  bestimmt  unterschieden  und 
mit  ihr  nicht  in  unmittelbaren  Gedankenzusammenhang  gebracht  ist* 
(Bonitz  Plat.  Studien  8.  26)  Meine  Ansicht  geht  vielmehr  dahin,  dafs 
die  Gespräche  mit  Gorgias  und  Polos  nicht  nur  durch  das  Vordrängen 
des  letzteren  äufserlich  in  einander  verschlungen  sind,  sondern  auch 
ihrem  Inhalte  nach  zusammengehörig  erscheinen,  '  insofern  sie  sich  beide 
an  der  Frage  nach  dem  Wesen  und  Wert  der  Rhetorik  versuchen,  beide 
aber  ebenso  sehr  durch  Unklarheit  der  Begriffe  wie  durch  Halbheit  des 
sittlichen  Gefühls  an  der  Beantwortung  derselben  scheitern'  (a.  o.  S.  18). c 
Ich  halte  Crons  Auffassung  für  die  richtige.  S.  580  iL  handelt  Gron  von 
der  Stellung  der  religiösen  Lehrdichtung  in  Cap.  79 — 82  (p.  523  A  bis 
527  A)  innerhalb  der  Disposition  des  Ganzen.  Er  bekämpft  die  bezüg- 
liche Ansicht  von  Bonitz  mit  guten  Gründen  und  bleibt  bei  der  in  sei- 
nen Beiträgen  zur  Erklärung  des  plat.  Gorg.  S.  71  f.  ausgesprochenen 
Ansicht  stehen.  Ich  stimme  darin  Cron  bei,  dafs  Bonitz  diesen  Abschnitt 
nicht  richtig  eingereiht  hat,  doch  kann  ich  es  nicht  billigen,  wenn  auf 
jenen  dritten  Teil  die  Bezeichnung  impixßaatQ  oder  egressio  angewandt 
wird  und  derselbe  nur  die  Geltung  eines  vermittelnden  Überganges  haben 
soll.  Der  Gang  der  Eröterung  innerhalb  des  Dialogs  ist  doch  folgender: 
Die    rhetorisch  -  sophistische   Richtung    ist   unwissenschaftlich;   sie 


62  Pl«to. 

weifs  nicht  einmal  den  Begriff  der  Rhetorik  zu  erfassen  nnd  anzugeben. 
Ebensowenig  erkennt  sie  das  eigentliche  Gnt  und  Lebensziel  des  Menschen. 
Damit  wird  sie  unsittlich  auf  dem  Gebiete  des  privaten  und  des 
öffentlichen  Lebens.  So  fügt  sie  dem  Menschen  den  gröfsten  Schaden 
zu,  der  ihm  zugefügt  werden  kann:  sie  schädigt  seine  Seele  und 
raubt  ihm  sein  Seelenheil.  In  allen  drei  Beziehungen  wird  dieser 
rhetorisch- sophistischen  Richtung  die  sokratische  gegenQbergestellt ;  sie 
ist  die  wahre  Lebensrichtung,  die  sich  in  allen  drei  Beziehungen  herr- 
lich bewährt.  So  weist  der  Dialog  schön  die  innere  Einheit  zwischen 
Wissenschaft,  Ethik  und  Religion  nach.  Demnach  gehört  jene  Lehr- 
dichtung ganz  wesentlich  zum  eigentlichen  Inhalte  und  Gegenstande  des 
Dialogs  und  von  einer  ixßaat^  oder  egressio  kann  nicht  die  Rede  sein. 
Verweisen  will  ich  hierbei  auf  die  eingehende  Besprechung  dieses  Ge- 
genstandes von  K.  Troost  bei  Gelegenheit  der  Anzeige  der  vierten  Ans- . 
gäbe  des  Gorgias  von  Deuschle-Gron  in  Jahrb.  f.  class.  Philol.  Bd.  153 
(1886)  8.  806  ff. 

f.    Hippias  maior. 

Herwerden,  H.  van,  giebt  in  Mnemosyne  N.  S. XVS.  172—174 
zu  diesem  Dialoge  folgende  Emendationen  und  Erklärungen: 

P.  283  D  möchte  er  lieber  schreiben :  el  yäp  elSeiijg  8aov  dp-yOptov 
etpyaafKu  iyd)^  (^ou)  &au/idaatg  äv,  doch  giebt  er  zu,  dafs  die  gewöhnliche 
Lesart  sich  verteidigen  läfst. 

P.  284  E:  Soor,  üorepov  —  ol  eiSoreg  ^  oi  fuj  eWorec;  Hipp.  Oi 
noJJiot,  Soor.  Eialv  S'  olrot  oi  eiSorec  [rb  dJ^Bd^]^  ol  mXXoi;  Hipp.  Oö 
8^a.  Das  »inutile  additamentum«  r^  dk^Big  ist  ihm  sehr  verdächtig. 
Notwendig  ist  meines  Erachtens  die  Streichung  nicht. 

P.  287  A:  ^Aräp  fifj  rt  xaßXuoß  jJLtfioOfievoc  fyoß  ixsTvov^  idv  aou 
drtoxptvofJLiyou  dvTtXdßwjjtm  rwv  Xöyoßv,  Stallbaum  erklärt  tnumquid  ego 
illum  imitans  tibi  impedimento  futurus  sum,  si  dum  tu  respondentis  partes 
agis  cettc  H.  möchte  übersetzen:  iNumquid  obstat  quominus.c  (Nescio 
an  potius  sit  structura  personalis  pro  impersonali  hac:  dräp  fiij  u  xan 
Xuetf  iäv  iyw  jju/iou/isvog  ixeevov  aou  diroxpivofiivou  (diroxpevoufidvot}) 
dvrtXdßwpae  rcDv  Xö'ywv), 

P.  288  B.  nimmt  er  die  Überlieferte  Lesart  BijXsta  S*  atnoQ  in 
Schutz  gegen  die  mögliche  Koi^ektur  JlXua  8*  irmo^  und  erklärt,  warum 
die  Erwähnung  der  Stute  hier  richtig  ist. 

P.  297  B  emendiert  er,  mit  Recht,  Ei  dpa  rb  xaXov  iartv  ahiov 
^«dD^  dyaBou,  yiyyof^  dv  Imb  roo  xaXou  rb  dyaBov. 


Plato.  6d 


g.    Hippias  minor. 

Zu  diesem  Dialoge  giebt  van  Herwerden  a*  a.  0.  S.  174f.  fol- 
gende Emendationen: 

P.  863  G:  Kai  yäp  div  Setvä  notoap^f  S>  EuSexe^  V^u/infa^B  fikv  elg 
rijy  ratv^EXXrjvmv  navT^y^piV  {Zray  rd  *OXüfima  jj]  del  inavewv  oTxoBsv 
[iS  ^HXtBoQ\  elQ  zb  ttpov  napd^cj  ipaurbv  xotl  Xdyoyra  xrX»  Hier  will 
van  Herwerden  nicht  nur  mit  Naber  Srav  rä  VXufima  fj  streichen,  son- 
dern auch  if  ^HXtSoQ,  ut  interpretamentum  adverbii  oTxo&ev.  Nam  »Eleen- 
sem  esse  Hippiam  quis  lila  aetate  ignorabat?fl  Aufserdem  möchte  er 
iTutvewv  in  dvecjy  korrigieren. 

P.  364  C:  di  Xiya}  xcä  nepl  Touratv  xai  dXXaw.  »Omnino  probanda 
videtur  Marciani  codicis  lectio  xal  nepl  äXXwv,€  Ebenso  glaubt  er,  dafs 
p.  370  E  zu  korrigieren  ist  entweder  SmTepo^  dfuevaiv  et/j  [xat\  nepl 
ipMouQ  xcä  dXrj^etoQ  xa\  r^c  oiXXrjQ  dpez^g  oder,  indem  das  erste  xai 
bleibt,  xal  (nepiy  z^g  äXXijc  dper^^.  >Nam  suapte  natura  duplex  xa/ 
postulat  duplicem  praepositionem.c 

P.  366  E :  1}  6  dpa^^^  ele  Xo^eapous  8uvaet'  äv  aou  päXXov  iptoBe* 
cBau,  ßouXopdvoü.    Für  ßouXo/idvou  wird  ßouXopsvetc  verlangt. 

P.  368  B  werden  nach  npcjrov  pkv  SaxruXtov  —  ivreuBev  yäp  ijp^ 
^ou  —  Sv  el)^eg  ffauzou  fyeev  Ipjvv  die  Worte  ok  intazdpsyoQ  dtxxzu^ 
XiooQ  yXu^stv  als  »inficetum  emblemac  gestrichen. 

P.  876  C:  iirto  itepl  zauza  &fM  xal  xdzw  nXawüpat.  »Malim 
difot  xdz€a,€ 

h.    Jon. 

H.  van  Herwerden  korrigiert  in  Mnemosyne  N.  S.  XY.  S.  175  f. 
an  folgenden  Stellen: 

P.  630  G:  xal  otpm  xdXXtaza  dvBpwnatv  Xdyetv  nepVOp:^pou  äßQ 
ouze  Mjjzpodwpoe  6  Aa^jfaxTjvhg  ouze  üzi^a^pßpazog  6  BdatoQ  ouze  FXaü'- 
xwv  ouze  äXXoQ  Me\g  xzX.  Zur  Beseitigung  des  Hiatus  (iNon  fero 
hiatumc)  wird  vorgeschlagen  xdXXtaz^  dv&pcjncjv  oder  xdXXioz^  diy  dvBpw" 
nwv,  sodann  wird  für  FXaOxwv  mit  Sydenham  FXauxoc  gesetzt  unter  Hin- 
zufügung  von  6  ^FijyTvoc. 

P.  636  B:  ol  dk  noXXol  i^  ^Opa^poo  xazexoyzai  ze  xal  l^ovzat^ 
wv  au,  w  ^/a>v,  e«V  «?  [xal  xazi^ei  i$  "^OpJjpou^  xzX,  Die  Worte  ze  xak 
fyovzai  erscheinen  verdächtig,  die  Worte  xal  xazi^^et  i^^Opi^pou  sind 
ein  »manifestum  emblema.c 

P.  537  E:  xal  ef  ae  iya}  ipoepijv^  ei  zjj  aözjj  rdj[\fjj  ^q^<o4rxope¥ 
[tjJ  dptBpa^zex^  zä  aözä  iyil}  ze  xaH  au  1}  äXXjj  xzX.  wird  rj  dpSpajztxf^ 
tta  ein  »insipidum  emblema«  erklärt. 


jM  FlAte* 


i.   Kratjlas. 

Cucnel,  C,  Quid  sibi  in  dialogo  cai  Cratylos  inscribitur  pro- 
posuerit  Plato.    Lutetiae  Parisiorum  1886  gr.  8.  64  S. 

Die  zur  Erlangung  des  Doktorgrades  bei  der  Pariser  Falkult&t 
geschriebene  Abhandlung  zerfällt  in  zwei  Teile.  I.  »Quid  sibi  in  dialogo, 
cot  Cratylus  inscribitur,  praecipue  proposuerit  Plato,  quaeritur.«  Den 
Inhalt  dieses  Teiles  fafst  der  Verfasser  selbst  auf  S.  34  f.  zusammen, 
indem  er  als  den  Zweck  des  Dialogs  die  Erhärtung  folgender  Sätze  hin- 
stellt: »Inest  quaedam  in  verbis,  quibus  utimur,  proprietas  (dpBö'n^)^ 
quae  ex  concordia  inter  verborum  significationem  syllabarumque  sonum 
constat  Ut  bona  et  recta  nomina  habeantur,  concordiam  illam  variis 
elementis,  quibus  formata  fuerunt,  capere  debent.  Non  vero,  cum  ab 
hominibus,  qui  perfectionem  assequi  non  possunt,  creata  sint,  illam  con- 
cordiam omnia  exhibent  Errant  igitur  illi  qui  ex  nominibus  intimam 
rerum  naturam  atque  essen tiam  cognosci  posse  putant;  res  enim,  nisi 
idearum  doctrina  duce  et  auspice,  nuUo  modo  scrutari  atque  perspicere 
pos8umus.c 

Der  Inhalt  reicht  über  diesen  Rahmen  hinaus.  So  wird  auch  die 
Frage  der  Echtheit  erörtert,  nameDtlich  mit  Rücksicht  auf  Schaarschmidts 
Athetese.  Der  Verf.  erklärt  den  Dialog  für  echt  und  rechnet  ibn  zu  den 
frtthsten  Werken  Piatos. 

Der  zweite  Hauptteil  der  Abhandlung  führt  die  Überschrift:  »Quid 
de  sermonis  humani  origine  in  Gratylo  senserit  Plato,  quaeritur. c  Die 
erste  Unterabteilung  »Quae  fuerit  philosophorum,  qui  Piatoni  aetate  an« 
teierunt,  sermonis  philosophia  quaeritur, c  hat  im  wesentlichen  ein  nega- 
tives 'Resultat:  es  läfst  sich  hierüber  nichts  mit  Sicherheit  feststellen. 
Aus  dem  zweiten  Abschnitte  »Quomodo  verba  constituta  sint,  Socrate 
auctore,  ostenditnr,c  will  ich  einige  Stellen  herausheben,  die  die  Stellung 
des  Verfassers  rücksichtlich  der  vorliegenden  platonischen  Theorie  be- 
sonders kennzeichnen.  »Non,  ut  etymologiae,  ita  reicienda  et  contem- 
nenda  est  ratio ,  qua  Plato  utitur  ad  discemendas  varias  nominum 
partes  et  evolvendam  harum  partium  significationem.  Non  aliam  enim 
viam  ingressi  tam  clara  et  tam  exacta  invenerunt  recentiores.«  Und  am 
Schlüsse  des  Abschnittes:  »Et  certe  difficile  sit  ad  explicandum,  quomodo 
verba  creata  fuerint,  doctrinam  invenire  quae  simplicior  et  dilncidior 
sit,  quaeque  cogitationi  simul  ac  rationi  melius  satisfaciatc  Der  dritte 
Abschnitt  führt  die  Überschrift:  »Quomodo  primigenia  verba  immutata 
et  adulterata  fuerint,  ex  sententia  Socratis  exponitur.t  Der  letzte  ist 
überschrieben:  »De  legis  latore  in  Gratylo  laudato.c  Aus  diesem  wollen 
wir  die  Erklärung  des  Verfassers  von  vofio&e-n^c  anführen.  Er  versteht 
darunter  die  Menschen,  die  an  mehreren  Stellen  des  Dialogs  ol  mXawit 
ol  TrpwToc  genannt  werden.    Der  Gedanke  Piatos  ist  also  »verba  primi- 


Plato.  <5 

genia  a  primis  hominibas  faisse  creata,  et  inter  eos  ad  verba  fiogenda 
praevaluisse  qui  primi  reram  nataram  disquisiverant  et  perspiciendis 
rebus  studuerunt.«  NofioBi-n^^  ist  bereits  Mher  (S.  28)  durch  »qui  m  o- 
rem  condiditc  erklärt. 

Auf  der  vorletzten  Seite  werden  die  Hauptgedanken  des  Dialogs, 
wie  sie  durch  die  vorhergehenden  Erörterungen  festgestellt  sind,  noch 
einmal  kurz  zusammengeüafst:  »Negat  Plato  a  diis  fictum  füisse  sermo- 
nem,  et  hominnm  opus  esse  contendit.  Sermone  enim  homines  intim  am 
rerum  naturam  imitari  et  exprimere  volnerunt,  illud  vero  ne  assequeren- 
tor  eo  ipso  quod  homines  erant  prohibiti  sunt.  Necessario  autem  ipsa 
lingoae  natura  factum  est  ut  speciem  paulaUm  mutaverit,  et  ex  simpli- 
dbus  verbis  composita  orta  sint  plurima,  quae,  nisi  ad  primigMiia  re- 
feras,  nunquam  explices.  Ipsa  etiam  primigenia  verba  sensim  adnlterata, 
et  nsu  attrita  attenuataque  sunt,  aut  contra  vires  eundo  acquisiverunt, 
adiunctis  syllabis  litterisque,  quae  imitationi  minime  necessariae  erant. 
Qoare  a  nativa  forma  sua  paulatim  discessit  hominum  sermo  et  saepe 
inane  sit  in  verbis,  quae  nunc  sunt  in  usu,  imitationem  effigiemque  re- 
mm  quaerere.c 

k.    KritoD. 
Mfiller,  0.  H.,  Jahrb.  f.  dass.  Philol.  Bd.  133  (1886)  S.  92, 

schlägt  sehr  ansprechend  p.  68 C  vor:  xa}  obx  oXet  äajpjfwv  8v  (statt dfv) 
^paaßBteBat  rh  rou  üwxpdrouQ  Ttpäyfxa. 

1.   Menexenns. 

Zu  diesem  Dialog  schlägt  H.  van  Herwerden  in  MnemosyneN. 
S.  XV.  S.  176 f.  folgende  Änderungen  vor: 

P.  236  B:  xoi  ota  8ij  vä  noXXä  [de2]  /urr'  i/toS  $iuot  nvic  inovrou 

P.  286  B:  St9  fwi  SoxeT  auvtr/Bet  rby  imrdftov  M^ov^  dy  Btpt" 
xJii^  elffitv.  »Corrigatur  doxstv — et  aliis  locis  bene  multis,  ubi  &q  non 
additur.c 

P.  239  A:  dXA^  ^  iaoyovia  i/fiäc  fj  xavä  ipbaiv  hovofiUay  duayxdCse 
f^rätv  ^ri^v)  xard  v6/wy. 

P.  241  D  tritt  V.  H.  ftkr  die  Koi^ektur  von  Oobet  ein:  o&rdc  Sk 
^YfiUteTO  ßamX^Q  deavoäurBai  &q  intj^eep^awv  ndXey  (^Uvaty  inl  robg 

P.  242  A:  ^XBtv  in'  aln^,  8  Si)  ^ik^  [ix]  rm  dvBpdmwv  rotg 
mS  Ttparrouat  npoanhtrtw^  itp&TO¥  fitkv  C^^c ,  dnb  C^Xou  ik  ^Bovoc*  »Bu- 
specta  mihi  praepositio,  quae,  licet  per  grammaticam  stare  possit,  du- 
rissime  additur.c 

P.  246  A:  alaxwfoiUvi^  rä  rpornua  rd  re  MopaBwvi  xai  JEaXofuvt 
jcat  nXaratat^.    »Immo  UXaraiain.t 

JalirMbwicht  für  AlMrOiumsvisMDachAft.  LXVH.  Bd.  (1881.  L)  6 


66  Plato. 


m.   Parmenides. 

1)  Ribbeck,  Walter,  Über  Plato^s  Parmenides.    Philosophische 
Monatshefte  XXIII  (1887)  S.  1—35. 

Der  erste  Teil  der  Abhandlung  giebt  eine  Darlegung  des  Inhaltes 
des  Dialogs.  Das  dadurch  gewonnene  Resultat  wird  auf  S.  13  f.  in  fol- 
genden Worten  zusammengefasst:  »Während  also  im  ersten  Teil  des  Ge- 
sprächs gezeigt  worden  war,  dafs  bei  der  Annahme  der  Sonderexistenz 
der  Ideen  sich  eine  Teilnahme  der  Einzeldinge  an  ihnen  in  keiner  Weise 
denken  lasse,  so  war  das  Ergebnis  der  Antinomien,  dafs  eben  diese  Teil- 
nahme eine  Thatsache  sei,  dafs  nämlich  die  Einzeldinge  nur  durch  ihre 
Durchdringung  mit  der  Idee  Existenz  hätten.  Was  sich  aber  schon 
allein  daraus  nach  dem  Satze  des  Widerspruchs  mit  Evidenz  ergab,  dafs 
nämlich  die  Sonderexistenz  der  Ideen  aufgegeben  werden  müsse,  das 
war  gleichfalls  noch  auf  andere  Weise  durch  eben  diese  Antinomien  ge- 
zeigt worden,  indem  dieselben  feststellten,  dafs  auch  die  Idee  ihrerseits 
nur  in  Gemeinschaft  mit  den  Einzeldingen  Existenz  be^Cze.  Weiter 
war  aber  durch  die  Antinomien  auch  das  Hauptproblem  des  ganzen  Ge- 
spräches, die  Frage,  ob  eine  Idee  in  Gemeinschaft  mit  der  ihr  entgegen- 
gesetzten stehen  könne,  an  ihr  Teil  haben  könne,  in  bejahendem  Sinne 
beantwortet  worden. c  Hieran  knüpft  sich  die  Frage:  »Wie  verhalten 
sich  nun  diese  durch  den  Parmenides  festgestellten  Resultate  zu  den 
sonstigen  uns  bekannten  platonischen  Anschauungen?!  Die  Antwort  auf 
die  Frage  nach  der  Teilnahme  der  Ideen  an  ihrem  Gegenteile  ist:  »Die 
Teilnahme  der  Ideen  an  ihrem  Gegenteil,  wie  wir  sie  im  Parmenides 
finden,  ist  mit  der  sonstigen  platonischen  Lehre  nicht  in  Einklang  zu 
bringen.! 

»Wie  steht  es  nun  mit  der  andern  Frage,  welche  der  Parmenides 
behandelt,  mit  der  in  Betreff  des  Verhältnisses  der  Erscheinungen  zur 
Idee?c  Das  ist  die  Sphäre,  aus  der  der  Verfasser  namentlich  seine  Ar- 
gumente gegen  die  Echtheit  des  Parmenides  entnimmt,  und  so  müssen 
wir  dabei  etwas  länger  verweilen.  Im  Anschlüsse  an  jene  Frage  sagt 
der  Verfasser:  »Nach  allem,  was  wir  aus  den  platonischen  Schriften 
darüber  erfahren,  wird  es  in  dieser  Beziehung  wohl  bei  dem  Ausspruche 
des  Aristoteles  sein  Bewenden  haben  müssen,  welcher  erklärt,  Plato 
habe  dieses  Verhältnis  bald  als  Teilnahme,  bald  als  Nachahmung  auf- 
gefafst,  sich  aber  über  die  Art  und  Weise  derselben  nicht  näher  ausge- 
sprochen, c  Dieser  Ausspruch  des  Aristoteles  beruht,  wie  fast  seine 
ganze  Polemik  gegen  die  Ideenlehre  darauf,  dafs  er  die  causa  efficiens 
aus  der  platonischen  Metaphysik  willkürlich  streicht.  Ich  habe  bereits 
vor  vielen  Jahren  in  meiner  Schrift  de  causa  fioali  Aristotelea  darauf 
aufinerksam  gemacht.  »Aus  einer  Stelle  ersehen  wir  allerdings,  dafs 
dem  Phil6|pphen  die  Schwierigkeiten,  welche  sich  der  Annahme  einer 


Plato.  67 

Teilnahme  der  Erscheinong  an  der  Idee  entgegenstellen,  nicht  entgangen 
sind.  Im  Philebas  nftmlich  erwähnt  er  dieselben  Bedenken,  die  auch  im 
Parmenides  aasgesprochen  sind,  ob  nämlich  die  Idee  sich  io  die  Einzel- 
dinge zersplittere  oder  ob  dieselbe  einmal  ganz  für  sich  gesondert  ezi* 
stiere  nnd  anch  ganz  in  jedem  Einzeldinge  enthalten  sei.  Aaf  eine  LOsnng 
dieser  Schwierigkeiten  lärst  sich  Plato  an  dieser  Stelle  nicht  ein,  viel- 
leicht weil  er  keine  zn  geben  wnfste.c  —  Die  Lösung  dieser  Schwierig- 
keiten giebt  der  Philebas  thatsächlich ,  wie  ich  in  meiner  platonischen 
Metaphysik  nachgewiesen  habe.  Durch  diese  Thatsache  werden  auch 
die  folgenden  Erörterungen  des  Verfiassers  von  vornherein  erschüttert. 
»Ist  der  Parmenides  von  Plato  verfafst,  so  hätte  er  in  diesem  eine  Lö- 
sung ftlr  die  im  Philebus  erhobenen  Bedenken  gefunden,  aber  allerdings 
eine  Lösung,  die  gerade  das  Eigentümlichste  seiner  Ideenlehre,  die 
TransBcendenz  derselben,  zugleich  mit  aufheben  würde.  Denn  diese 
Transscendenz  ist  es  ja  eben,  deren  Unmöglichkeit  im  Parmenides  auf 
jede  nur  denkbare  Weise  dargethan  wird.  Der  Ver&sser  desselben  fährt 
Bicht  nur  geradezu  den  Beweis,  dafs  das  Eins  ohne  die  Vielen,  die  Idee 
ohne  die  Einzeldinge  undenkbar  sei,  er  bemüht  sich  auch  auf  indirektem 
Wege  darzulegen,  wie  die  Annahme  einer  gesonderten  Existenz  der  Ideen 
zu  den  absurdesten  Conseqaenzen  führen  müsse.  Er  führt  zu  dem  Zwecke 
schon  beinahe  alle  die  Gründe  ins  Feld,  deren  sich  Aristoteles  später 
zur  Bekämpfung  der  platonischen  Ideenlehre  bediente.  Wie  dieser  weist 
er  darauf  hin,  wie  die  Ideen  unmöglich  zn  gleicher  Zeit  ein  Sonderleben 
führen  und  doch  in  den  Einzeldingen  als  ihr  Wesen  enthalten  sein  könn- 
ten. Wie  dieser  folgert  er,  wenn  es  für  alle  unter  einander  Ähnlichen 
eine  Idee  geben  sollte,  so  müsse  es  auch  für  die  Idee  und  die  ihr  ähn- 
lichen Einzeldinge  eine  geben  und  so  fort  ins  Unendliche,  was  Aristo- 
teles bekanntlich  als  rptrog  dvBpamo^  bezeichnet.  Wie  dieser  schliefst 
er,  wenn  man  einmal  selbständig  bestehende  Ideen  annehme,  müsse 
man  auch  Begriffe,  die  nur  vermöge  gegenseitiger  Beziehung  auf  einan- 
der Bestand  hätten,  zu  von  einander  gesonderten  Ideen  hypostasieren, 
was  zu  den  wunderlichsten  Annahmen  führen  müsse,  c  (S.  24).  »Aber 
selbst  angenommen,  was  die  Verteidiger  der  Echtheit  des  Parmenides 
behaupten,  sei  wahr,  die  Immanenz  der  Ideen  fände  sich  in  unserm  Ge- 
spräch nicht  ausgesprochen,  sondern  es  wären  dort  nur  die  Bedenken 
dargelegt,  die  dem  Philosophen  selbst  hinsichtlich  der  Transscendenz 
derselben  sich  ergeben  hatten,  was  wäre  damit  gewonnen?  Denn  diese 
Bedenken  waren  derartig  einschneidender  Natur,  dafs  der  Philosoph  eine 
Lösung  derselben  um  jeden  Preis  finden  oder  überhaupt  sein  ganzes 
System  an  den  Nagel  hängen  mufste.  Zu  einer  solchen  Lösung  ist  aber 
weder  im  Parmenides  selbst  —  wenn  man  die  Immanenz  der  Ideen,  die 
eine  solche  allerdings  darstellt,  dort  einmal  nicht  finden  will  —  noch 
irgend  wo  sonst  von  Plato  auch  nur  der  geringste  Versuch  gemacht 
worden.    Er  hätte  sich  also  damit  begnügt  die  tödlichen  Widersprüche 


68  Pli^to- 

seines  eigenen  Systems  mit  wahrhaft  rührender  Offenheit  seihst  anfni* 
zeigen,  um  dann,  ohne  dafs  er  die  Schlichtang  derselben  auch  nar  ver- 
sncht,  an  der  weiteren  Ansbildung  eben  dieses  von  ihm  selbst  in  seinen 
Onmdfesten  erschütterten  Systems  ruhig  weiter  zu  arbeiten,  c    (8.  26  f.) 
^  Der  ganze  Abschnitt,  innerhalb  dessen  die  angeführten  Stellen  stehen, 
beruht  auf  der  Annahme,  dafs  jene  Einwände  begründet  sind,  dafs  sie 
tödliche  Widersprüche  des  platonischen  Systems  aufweisen.     Ich  habe 
bereits  früher  gezeigt,  dafs  diese  Annahme  vollkommen  unbegründet  ist 
Ich  will  hier  diesen  Nachweis  nur  an  dem  von  dem  Verfasser  angeführ- 
ten Argumente  des  rphog  äv^pamoQ  darthun,  das  bekanntlich  Aristoteles 
immer  und  immer  wieder  gegen  die  Ideenlehre  vorbringt,  und  an  dessen 
Richtigkeit  seltsamer  Weise  auch  in  den  neuesten  Zeiten  noch  geglaubt 
wird,  obwohl  es  auf  dem  allergröfsten  logischen  Fehler  beruht,  nftmlich 
darauf,  dafs  das  Genus  und  die  darunter  fallenden  Individuen  auf  gleiche 
Linie  gestellt  werden  und  dazu  ein  neues  Genus  gesucht  wird.    Nicht 
besser  steht  es  um  die  meisten  Einwände  des  Aristoteles,  die  ja  Plato 
selbst  zum  Teil  anticipiert  hat.    Ich  habe  das  früher  nachgewiesen  und 
kann  es  hier  nicht  wiederholen,     Wiederholen  will  ich  nur,  dafs ,  wenn 
jene  Argumente  richtig  sind,  Plato  überhaupt  aus  der  Reihe  der  Philo- 
sophen gestrichen  werden  mufs,  und  zweitens  mit  Rücksicht  auf  das  auf 
S.  25  von  dem  Verfasser  im  Anschlufs  an  Susemihl  Gesagte,  dafs  die 
Übereinstimmung  der  aristotelischen   Metaphysik   mit  der  platonischen 
weit  grOfser  ist  als  man  gewöhnlich  annimmt.  Ich  habe  auch  das  bereits 
in  meiner  Abhandlung  de  causa  finali  Aristotelea  dargethan.    Ich  will  hier 
nur  ganz  kurz  die  Hauptsache  berühren.    Aristoteles  nimmt  in  den  ein- 
zelnen Dingen  wirkende  eWyj  an  und  einen  transcendenten  Gott    Jene 
€tBii  müssen  doch  auf  diesen  Gott  zurückgeführt  werden,  müssen  doch 
in  ihm  ihren  Grund  haben.     Aristoteles  unterläfst  es  uns  über  dieses 
Verhältnis  aufzuklären.  Hätte  er  es  gethan,  so  konnte  er  bei  dem  teleo- 
logischen Charakter  seiner  Weltanschauung  es  nur  so  thun,  dafs  er  jene 
Mij  auf  Gedanken  Gottes  zurückführte.    Damit  hätte  er  sich  mit  der 
Omndanschauung  Piatos  konform  erklärt.    Übrigens  entsprechen  jenen 
aristotelischen  eXBii^  den  Wirkformen  in  den  einzelnen  Dingen,  bei  Plato 
die  f^cjifff/,  die  die  Organismen  bilden  und  gestalten. 

Es  ist  bereits  klar,  dafs  Ribbeck  die  Unechtheit  des  Parmenides 
darthun  will.  Nachdem  er  dies  gethan  unter  der  Voraussetzung,  dafs 
dem  zweiten  Teile  des  Gesprächs  eine  positive  Bedeutung  inne  wohne, 
thut  er  dies  sodann  auch  unter  der  Annahme,  dafs  man  demselben  nur 
eine  negative  Bedeutung  zugestehe.  Über  den  mutmafslichen  Verfasser 
des  Didogs  und  seine  Tendenz  äufsert  sich  Ribbeck  am  Schlüsse  der 
Abhandlung  folgendermafsen:  »Wenn  wir  daher  nicht  an  Aristoteles 
selber  denken  wollen,  und  einer  solchen  Annahme  würde  sich  hauptsäch- 
lich der  Umstand  entgegenstellen,  dafs  der  Stil  des  Parmenides  von  dem 
seinigen,  auch  dem  seiner  Dialoge  so  verschieden  ist  —  wenngleich  ja 


Plata  60 

deijenige  des  Parmenides  offenbar  dem  platonischen  mit  Fleifs  nachge- 
bildet ist,  —  so  mufs  doch  der  Verfasser  jedenfalls  ein  Mann  gewesen 
sein,  der  durchaas  auf  dem  Boden  der  aristotelischen  Philosophie  stand. 
Im  ersten  Teil  würde  er  einige  Argumente  des  Aristoteles  in  der  Weise 
benutzt  haben,  dafs  er  dieselben,  welche  meist  als  knappe  Andeutungen 
sich  darstellen,  teils  näher  ausülhrte,  teils  durch  eigene  Bemerkungen, 
die  teilweis  an  Plato  selbst  anknüpfen,  ergänzte.  Der  zweite  Teil  da- 
gegen würde  als  ein  Versuch,  die  platonische  Ideenlehre  sich  auf  dialek- 
tischem Wege  in  die  aristotelische  auflösen  zu  lassen,  seinen  selbstän* 
digen  Wert  behalten.! 

2)  Eine  Darstellung  der  platonischen  AufiiEtssung  von  der  Einheit 
des  Parmenideischen  Seienden  giebt 

Gl.  Bäumker:  »Die  Einheit  des  Parmenideischen  Seiendem  Jahrb.  L 
class.  Philo].  Bd.  133  (1886)  S.  558  ff. 

n.   PhaedoD. 

1)  Seelisch,  Adolf,  Die  ethischen  Partien  im  platonischen  Phaedo. 
Philosophische  Monatshefte  XXII  (1886)  S.  321—352. 

Der  Verfasser  scheidet  drei  vorwiegend  ethische  Partien  im  Phaedo 
ans :  den  ersten  Hauptteil  von  der  Todesfreudigkeit  des  Philosophen  und 
die  beiden  Mythen,  nämlich  p.  80E-84C,  die  Schilderung  der  Schicksale 
der  Seelen  nach  dem  Tode,  namentlich  die  Schilderung  der  Seelenwanderung, 
und  zweitens  den  Abschnitt  p.  107  Bff.,  die  weitere  Ausmalung  des  Bildes 
des  Jenseits  p.  107  B — 108  C,  die  Entwerfung  eines  Weltbildes  p.  108  C 
bis  113  C  und  die  Verteilung  der  Menschen  auf  die  angenommenen  Welt- 
teile p.  lldD— 114D.  Die  ethischen  Partien  sollen  nach  des  Verfassers 
Überzeugung  die  Unsterblichkeit  gar  nicht  mehr  beweisen,  vielmehr  sollen 
sie  nur  aus  der  schon  bewiesenen  Lehre  die  moralischen  Konsequenzen 
ziehen.  Das  Verhältnis  der  Ergänzung,  in  dem  die  ethischen  Abschnitte 
za  den  dialektischen  stehen  sollten,  ist  also  zu  fassen  als  »das  der  prak- 
tischen Nutzanwendung  eines  theoretisch  erwiesenen  Satzes,  c  Das  ist 
ja  nicht  ein  ganz  neuer  Oedanke,  aber  vollkommen  richtig  und  wird 
von  dem  Verfasser  gut  nachgewiesen.  Doch  gehen  jene  von  dem  Ver« 
fasser  herausgehobenen  drei  Partien  in  diesem  Zwecke  nicht  auf;  so 
meint  es  auch  der  Verfasser  selbst  nicht,  im  Gegenteil  neben  dem  ethi- 
schen Gesichtspunkte  tritt  in  der  Auffassung  des  Verfassers  ein  ästheti- 
scher hervor  und  zwar  in  den  Vordergrund.  Ich  will  nur  auf  die  erste 
der  drei  Partien  aufmerksam  machen;  diese  hat  ja  offenbar  nach  der 
ganzen  Anlage  des  Dialogs  den  Zweck,  für  die  Untersuchung  eine  that- 
sächUche  Unterlage  zu  gewinnen.  Die  thatsächliche  Lebensauffassung 
des  Philosophen  und  seine  thatsächliche  Lebensftlhrung  ruht  auf  dem 
Glauben  an  die  Unsterblichkeit  der  Seele  und  hat  diese  zur  Voraus- 


f 


70  Plato. 

Setzung.    So  geht  die  ganze  Untersuchung  von  etwas  thatsächlich  gege- 
benem aus. 

Sehr  richtig  knüpft  Seelisch  an  die  obige  Erörterung  die  Frage, 
worin  denn  für  Plato  die  Nötigung  lag.  sein  Thema  einmal  streng  wissen- 
schaftlich zu  beweisen,  dann  aber  die  Unsterblichkeit  auch  als  ethisches 
Lebensprincip  zu  empfehlen.  Die  Antwort  ist:  »Weil  selbst  die  Ideen- 
lehre einer  ethischen  Spitze  nicht  entbehrt,  weil  dem  Plato  sogar  seine 
eigenste  metaphysische  Lehre  in  Ethik  umschl&gt:  deshalb  mufsten  auch 
die  dialektischen  Argumente  des  Phaedo  durch  ethische  Elemente  er- 
gänzt werden.  Es  entsprach  der  tiefen  sittlichen  Beanlagung  des  Plato, 
hier  wie  überall  in  seiner  Philosophie  die  Idee  des  Guten  auf  den  Thron 
zu  heben.c  Das  ist  zum  gröfsten  Teil  richtig,  doch  läuft  eine  irrtüm- 
liche Auffassung  mit  unter.  Indem  Plato  als  die  höchste  Idee  die  Idee 
des  Outen  bezeichnete,  soll  es  ihm  passiert  sein,  dafs  sich  ihm  unver- 
merkt das  Ethische  statt  des  Logischen  unterschob.  Hierbei  ist  der  Be- 
griff des  Guten  zu  einseitig  gefafst;  »das  Gutec  ist  hier  soviel  als  das 
Vollkommene,  das  Absolute. 

Der  Verfasser  selbst  fafst  am  Schlufs  das  Resultat  seiner  Erörte- 
rungen zu  folgender  These  zusammen:  »Plato  hat  im  Phaedo  mit  drei 
aus  der  Ideenlehre  geschöpften  Argumenten  die  Unsterblichkeit  philoso- 
phisch bewiesen.  Als  Dichter  und  als  Künstlernatur  fühlte  er  das  ästhe- 
tische Bedürfnis,  das  so  erschlossene  Leben  nach  dem  Tode  im  ein- 
zelnen plastisch  zu  gestalten.  Weil  er  es  aber  darüber  nicht  zu  festen 
Oberzeugungen  brachte  und  naturgemäfs  nicht  bringen  konnte,  wählte 
er  die  seiner  Phantasie  Spielraum  gewährende  Form  des  Mythus  und 
schlofs  sich  dabei  an  die  Vorstellungen  des  populären  Bewufstseins  und 
der  Mysterien  als  eine  äufserliche  Stütze  an.  Diese  Anlehnung  bot  zu- 
gleich den  Vorteil,  dafs  er  die  hohe  ethische  Bedeutung  der  Unsterb- 
lichkeitslehre nicht  von  der  Hand  zu  weisen  brauchte.  Im  Gegenteil 
bewirkten  es  weniger  die  Vorwürfe  der  Komödie  als  die  ethische  Wen- 
dung, die  seine  Ideenlehre  in  Folge  seiner  tief  sittlichen  Beanlagung 
nahm,  dafs  er  selbst  mit  besonderer  Liebe  die  praktische  Anwendung 
dieser  Lehre  auf  das  sittliche  Leben  machte,  c  —  Auch  hier  möchte  ich 
betonen,  dafs  nach  der  Grundanschauung  Piatos  Wissenschaft  und  Ethik 
im  innersten  Zusammenhange  stehen  und  eine  Einheit  bilden. 

2)  Robert,  C,  Beiträge  zum  griechischen  Festkalender 
in  Hermes  XXI  (1886)  S.  168  f., 

setzt  den  Tod  des  Sokrates  nicht  in  den  Thargelion  oder  Skirophorioo, 
sondern  in  das  Ende  des  Anthesterion  oder  in  den  Anfang  des  Elaphe- 
bolion.  »Es  liegt  jetzt  auch  kein  Grund  mehr  vor,  die  Worte  iv  roeaurn 
&pf,  in  der  vielbesprochenen  Phaedonstelle  (80  C)  auf  das  Leben^ahr 
des  Sokrates  und  nicht,  wie  schon  Dacier  wollte  und  es  der  Zusammen- 
hang nahe  legt,  auf  die  Jahreszeit  zu  beziehen,  f 


Pl»to.  71 

8)  Lieb  hold,  K.  J.,  Za  Piatons  Phaidon.    Jahrb.  f.  class.  Phil. 
Bd.  18S  (1886)  S.  683—691. 

62  A  wird  vorgeschlagen,  unter  Aasscheidung  des  zweiten  TsBvdvat  und 
der  Worte  Baufiatnbv  fffwc  <rot  ^atverau  zu  lesen:  Tawg  fiivroi  Bciuiiaardv  aot 
^ve?ra/,  el  roüro  fiovov  roiv  dX^aiv  änavTiov  änXouv  iarev  xa}  oiddnore  roy- 
Z<^vee  T&  ivBpiimtp^  manep  xaJt  riXXa^  ianv  Zre  xa}  olg  ßiXrtov  reBvdvat 
1j  C^v,  oXg  Sk  ßdXrioVy  el  roorotg  roTg  dvBpamoec  fxij  Zotov  ahrohg  iatnou^ 
eö  Ttocetv^  dXXd  aXXov  See  nepqjiiveev  edep'jrinjv .  —  Meine  Auffassung 
der  Stelle  habe  ich  bereits  oben  dargelegt.  Daz  zweite  reBvdvau  zu 
streichen  ist  kein  ausreichender  Grund,  obwohl  es  entbehrt  werden 
könnte.  Die  Einschiebung  des  Baußiaurcdv  Xatog  aot  ^nivexat  bringt  aller- 
dings ftlr  uns  eine  Schwierigkeit  in  die  Stelle,  die  aber  seine  Streichung 
keineswegs  notwendig  macht.  Wollte  man  es  streichen,  um  die  Stelle 
ganz  streng  logisch  zu  gestalten,  so  mOfste  man  auch  el  streichen  und 
obx  dotov  lesen.    Meiner  Ansicht  nach  ist  nichts  zu  ändern. 

66  B.  Gebilligt  wird  Schleiermachers  Umstellung  der  Worte  p,6Tä 
Toü  Xdyoü  iv  Tjj  axiipst  hinter  Iojq  2v  r^  aStiixi  ^oi/iev,  für  furd  rou 
Xoyou  aber  furä  rou  dXöyoo  vorgeschlagen:  »so  lange  wir  uns  mit  dem 
Körper  und  der  ihm  anhaftenden  Unvernunft  herumschlagen.!  ~  Ich 
glaube,  dafs  die  ttberlieferte  Lesart  richtig  und  zu  übersetzen  ist:  »Es 
scheint  fürwahr  uns  auf  Grund  der  vernünftigen  Erwägung  bei  unserer 
Betrachtung  gleichwie  ein  Pfad  die  Thatsache  zum  Ziele  zu  führen,  dafs, 
so  lange  wir  den  Körper  haben  und  unsere  Seele  mit  einem  solchen 
Übel  vermengt  ist,  wir  ganz  gewifs  nicht  das  uns  erwerben  werden,  wo- 
nach uns  verlangtt 

78 B.  Die  Vermutung  Heindorfs:  aörb  8k  rouro  ödofiat  na^eTv 
statt  pa^elv  wird  als  richtig  dargethan. 

74  D  wird  für  wahrscheinlich  erklärt:  1j  MsT  rt  ixshotq  rou 
(statt  ixefißoo  xif)  roeourov  elvau^  oby  rb  Taoy  ^  oö8s¥;  der  Sinn,  derauf 
diese  Weise  herauskommt,  ist  dem  Zusammenhange  angemessen.  Auf- 
fällig wäre  der  Singular  ro/oDrov,  wenn  man  ihn  auch  allenfalls  erklären 
könnte. 

81 E  wird  vorgeschlagen:  Mouvrau  Sd,  ZoTtep  dxÖQ^  ek  toidura 
ijfiij^  &no7*  (sc.  i^v)  £rr'  (anstatt  dfrr')  dv  xarafu/xeXenjxuTou  (statt  xal 
/ASfieX.)  T6)[(uaey  iv  rip  ß(ip\  »natürlich  werden  sie  an  Naturen  gebunden, 
die  so  beschaffen  sind  wie  die  Bestrebungen,  welche  sie  in  ihrem  Leben 
betrieben.!  —  Ich  glaube  nicht,  dafs  die  Überlieferung  einer  Ände- 
rung bedarf. 

82  D  wird  vermutet:  ixehoi^  als  rt  pdXet  ri^c  iaurwv  (Ifo^T^^  dikXä 
[ßil  ffakpau  rapaTTovreQ  (für  n^arrovrec) CcS^t  »unter  der  Voraussetzung, 
dafs  hinter  adtpan  ein  abrrjv  ausgefallen  oder  r^v  ^u^^v  aas  dem  Vor- 
hergehenden zu  ergänzen  sei.t 

88  B  soll  gelesen  werden :  obSkv  TOffouvov  xoixbv  InaBev  dn^  aöranf^ 


72  Plito. 

8^ov  (Ar  dßv)  äv  r<c  oh^eaj^  (oco¥)  ^  voa^aa/Q  ^  rt  ävahütaaQ.  -  Fttr 
Zaov  wttrde  ich  sein,  dagegen  nicht  für  die  Streichung  von  oh^^  das  in 
der  Bedeutung  »wie  zum  Beispielt  hier  ganz  an  seiner  Stelle  ist 

88  A :  tl  ydp  reg  xcd  nXiov  in  r^  Xiyovrt  ^  fi  ao{,kiYetg)  (foy^mpi^ 
aeceiß  »wenn  jemand  dem  Redenden  noch  mehr  als  das  ist,  was  du  ein- 
räumst, zugestände.!  ~  Derselbe  Sinn  kommt  heraus,  wenn  man  X^ee^ 
stehen  Iftfst  Die  Streichung  ist  also  unnötig.  Hu  wird  auf  Simmias  be- 
zogen. »Simmias  hatte  dem  Sokrates  die  Präexistenz  der  Seele  einge- 
räumt, dagegen  ihre  gröfsere  Stärke  und  längere  Dauer  bestritten,  wäh- 
rend Kebes  eine  gröfsere  Stärke  und  Dauer  einräumet  —  Diese  Bezie- 
hung ist  meines  Erachtens  die  richtige,  dann  ist  das  ^  notwendig. 

104  D  wird  vorgeschlagen:  äp'  oSv,  1^,  cu  Kißf^i^  rdSt  eS^  av, 
fi  &ct  dv  xarda^^Uf  fjjj  pLÖvov  dvayxdCst  ri^  aurou  IBiavalnb  i(r^ttv^  dJJük 
xa\  ivavrhu  dvr i}[  eaBat  (für  abrlp  dei)  r<vo;;  »Werden  es  nicht 
diejenigen  sein ,  lieber  Kebes ,  die  dasjenige ,  was  sie  inne  haben 
(besser:  was  sie  erfassen),  nicht  blofs  nötigen  ihren  eigenen  Begriff  zu 
haben  (besser:  anzunehmen),  sondern  auch  ein  gegensätzliches  festzu- 
halten?! —  »Festhaltene  entspricht  dem  Zusammenhange  nicht;  es 
müfste  heifsen:  »anzunehmenc.  Mir  erscheint  die  Überlieferung  tadellos; 
das  vielfach  angegriffene  aör^  bezieht  sich  auf  das  was  ein  anderer  Be- 
griff herankommend  erfafst. 

100  A  erste  Zeile  soll  dXX*  vor  8pa  8^  gestrichen  werden.  —  Ich 
halte  diese  Streichung  für  unnötig. 

106  A  wird  vorgeschlagen  rä,  mvre  rijv  toü  dprioo  (sc.  I8£aat)  od 
8i(erae ,  oh8k  rä  8ixa  t^v  roo  neptrroü^  rb  8tnkdato¥'  touto  fikv  oSv 
xtä  abrb  rcD  änX^  (für  äXX^)  obx  ivavriov,  8piüQ  Sk  r^v  roo  nepirrou 
od  8e$erat,  Der  Sinn  soll  sein:  »dafs  dieses  Zwiefache  selbst,  nämlich 
die  ZehUf  trotz  ihrer  l^ichtgegensätzlichkeit  gegen  ihr  Einfaches,  d.  h. 
gegen  die  Fttnf,  dennoch  die  (der  Fünf  inwohnende)  Idee  des  ungeraden 
nie  annehmen  wird.€ 

0.   Phaedraa. 

Zu  diesem  Dialoge  giebt  eine  reiche  Fülle  von  Yerbessemngsvor- 
schlagen  H.  van  Herwerden  in  Mnemosyne  N.  S.  XY  8. 178 — 186. 

P.  229  B:  *Exet  axtd  r'  iarh  xaJt  nveüpa  futptov^  xail  n6a  xa^A 
CseBae  9  8tiß  ßoultüfu^  xaraxktv^yai.  »MaUm  i^xa^^acBat  -^  iy^ 
xorojriUv^vai.c 

P.  284  D:  Ebv*  oSrm  8ij  naiZtDß.  »Schanzins  scripsit  ^6?,  vereor 
nt  recte.« 

P.  286  D:  bnb  8k  vwBtlac  aS  xail  oArb  vouro  imXdJitfOfiot^  8nt»g  re 
xal  wv  Twwv  ijxouaa.     »Fortasse  praestat  8noo,€ 

P.  286  £:  0tXraroQ  ü  xai  wq  dXr^Baßg  XpuaouQj  <b  0ax8pt^  Mrk 
»Ezpectes  fere:  rXuxArarog  «?.f 


PUto.  73 

P.  242  A:  dXUi  neptfui^vrec^  xal  Sfta  rxpl  twit  eifnjfiivmu  Sia^M^" 
BiitteQ^  rd^a  inetSäv  dno^u^fj  tßev.  iVeram  lectionem  ^nc/iev  servavit 
Bekk.  Anecd.  I,  26.  Cetemm  expectabam  abrfxa  imtSäv  vel  imtSdaß 
Td}[iaTa.€ 

P.  242  G:  oofwQ  cüv  ijlhj  ftavBdvw  t6  äfidpnjfJLa.  a>c  ^^  toc,  & 
iroupej  fAavrexöv  yi  rt  xal  ^  ^^ZV'  '^^*  >C)omeci  oleBa  Si  nou.t 

P.  246  E:  dBavdrou  8k  ns^aofiivöt}  rdu  hf^  iaurou  xivoufidvou^  ^u- 
/^  obc/av  TS  xal  Xoyov  toutov  aöröv  tiq  Xd^üfV  oöx  alff)[üveeTat. 
iTach  Tnsc.  disp.  I  28,  68  scheint  Cicero  gelesen  za  haben:  fpo^^Q 
obalav  r«  xa\  X6yov  toutov  oötöv  tIq  Xeywv  aiaj^uveiTai^  »quod  mihi 
qnidem  melius  dictnm  videtur.c 

P.  246  B:  näaa  [fß  ^uj^ij  mivTdff  im/uAeTrat  toü  dij/bxoo^  ndvTa  Sk 
obpavbv  nepenoUT^  äXXoT^  iv  dXXot^  eTSeat  yeyvo/jLevij,  iPrimum  articolns 
—  contra  sentenüam  additns  (ita  enim  significaretar  totas  animns)  ex- 
pungendns  estc  —  Gemeint  ist  ja  offenbar  die  ganze  Seele,  totas  ani- 
mu8,  d.h.  die  Weltseele,  denn  mzvr^c  intfuXetrai  toü  d^j[oo  kann  doch 
nur  von  der  ganzen  Seele  ausgesagt  werden ,  aber  nicht  von  jeder  (ein- 
zelnen) Seele;  der  Artikel  ist  also  ganz  richtig.  Dann  wird  für  ndvTa 
9k  ohpav6v  vorgeschlagen  Travra  8k  oSv,  indem  mit  Badham  angenommen 
wird,  dafs  coelum  nicht  hierher  passe.  Aber  warum  denn  nicht?  Es 
folgt  ja  gleich:  TBXia  phß  oSaa  xal  hmpwßuvf^  fieTeaiponopeT  r«  xal 
ndvTa  TÖv  xödfiov  SiotxeT. 

P.  247  AB:  hav  Bk  8ij  npbc  Satra  xal  in}  Boevijv  ToHitv  Sxpa 
bnb  T^v  Ifitoupaveov  äi/nSa  {nopeöovTae]  TtpoQ  ävavrec  ij8ij  xtX.  »Bene 
editor  (Schanz)  Astium  secutus  delevit  verbum  nopevovTat,  In  reliquis 
solus  Proclus  Theol.  Plat.  IV  16  p.  217  veram  Piatonis  manum  servasse 
mihi  ?idetur  scribens:  ^rav  8k  8ii  npb^  8a2Ta  xal  Bo^v  Ymatv  äxpav 
in]  Tijv  bnoupavtav  6i^t8a,t  Noch  wird  die  Vermutung  ausgesprochen, 
dafs  fitlr  bnoupdvtov  die  Lesart  obpdvtov  aufzunehmen  sei. 

P.  247 E:  dXXä  ri^v  iv  r^  5  iaTtv  dv  Svtwq  ixiOT^fo^v  o5ea». 
Hier  soll  Sv  gestrichen  werden,  gewifs  ohne  ausreichenden  Grund. 

P.  261  A:  BOoi  äv  WC  dydXfiaTt  xal  Bm^  toIq  mu8ixoTc*  »Herito 
xal  Bs^  suspectum  est  Schanzio,  sed  fortasse  eadem  litura  delenda  sunt 
verba  toTc  nai8txo7c,  —  Mox  sub  litera  C  Cs^  re  xal  dyavaxTSi  xal 
yapyaXlCBTai  [(pbooaa  Tä  nrepd]  verba  otiosa  deleverim.c 

P.  268  E:  Jttiv  8^  oSv  6  ^y/o^oc  I8dßv  tö  ipwTtxhv  Spftay  näaa» 
[ahrB^int]  8eaB€pfii^vac  r^v  ^^XV^t  yopiraXiafAOü  re  xal  noBoo  xevTpwif 
ünonXn^eBfj,  Hier  will  H.  das  bereits  von  Heindorf  angezweifelte  al- 
aBi^ee  streichen  und  statt  xevr/7a>v  lesen  9rre/9a;i/.  Imfolgenden  soll  ge- 
lesen werden  ndvTa  npdyfiaTa  napt^i^y  r^  auZoyt  re  xal  r^  ijwoj^tp, 

P.  266  C:  xal  ohv  ^rvse/fux  ^  r«c  ^Z^  ^^^  trxXijpwv  (st  Xiiwv)  tb 
xal  at€p%w¥  xrJL 

P.  266  £:  6  dxdXaoTOQ  hnoc  i^^i  8^  tv  Xi^tt  nph^  rhv  ^vh^ou 
statt  8^  Ti  XiyBt, 


74  Plato. 

P.  267  A:  ra  re  £Ua  xail  to7q  dvo/iaurtv  iiykatafiivii  (st  i^vaY' 
xaüfiivijD  noagrtxoTg  rtaw  dtä  0aSSpov  [tlp^a^at].  —  Für  xoXtyBoojU" 
wjv  im  Voraufgehenden  wird  xa^doufiivjjv  vorgeschlagen. 

F.  258  A:  Oö  fAav&dvsiQ  Srt  iv  dpj^g  dvBpbs  noXtrtxou  au]^ 
ypdppart  npioTog  6  inatviri^g  ^typootrax .  Hier  tritt  H.  fllr  die  Kollektor 
Bergks  ein:  iv  äpi^  noXtrtxou  ffwjrjrpdppjarog. 

P.  239  extr. :  narpbg  yhp  xoi  fu^rpöc  xal  $uyyeywv  xail  fiXmv  ari- 
peaBat  2v  airiv  eu^atro  statt  S6$atTo.  —  Meines  Erachtens  ohne  Not. 

P.  269  C:  i$  ofv  rö  rerrfywv  yditoc  /ist  hxetvo  ^uerat,  »Abundat 
et  nesdo  an  interpretis  sit  /isr'  ixetw.  An  delere  sufficit  praepositio- 
nem  /iera?t 

P.  260  D:  roSe  S'  ouv  fidya  Xfyto,  wq  ivtu  ifwu  rtp  rä,  Swa  eBort 
oiSiv  rt  fiäXXou  imat  Tte/Betv  Ts^yj^,  —  H.  hält  es  fllr  besser  entweder 
ob  statt  ouv  zu  lesen  oder  mit  Beibehaltung  der  überlieferten  Lesart 
statt  des  Punktes  ein  Fragezeichen  zu  setzen. 

P.  261B  extr.:  Sc  iv  *lXttp  a^oXaCovre  (fUr  axoXdZovr^o)  aov- 
eypaui/fdnijv,  —  Im  Folgenden:  Kcd  vcü  fiä  dia  fywyB  twv  Ndavopog  (^xal 
VSuetrdwcy,  el  pij  xrX. 

P.  264  £ :  xoLt'  rot  au^^d  yt  ^6/v  pjot  Soxet  TtapaSerypaTa  npb^  ä 
TtQ  ßXintüV  diftvatT*  äv,  /itfuttrBat  a&rä  im^etp&v  pij  ndvo  rt.  H.  ist  Ar 
Heindorfs  Vermutung,  der  /iiv  nach  ßXinmv  und  Si  (Herwerden  will  lieber 
^')  nach  ptfutaßat  einfügt. 

P.  267  C:  r^  rou  KaX^ij^ov^ou  (für  XaXxijdovioo)  cBdvog. 

P.  276  B:  norspa  artoudf^  dv  BipooQ  elg  'A8wvtSoc  xii^oc  trneipac 
(Dir  dpwv)  /flu^oi  xrX, 

P.  227  D:  lywy^  ouv  oSrtoc  imrMtfo^xa  dxoüaat^  anrc'  iäv  ßa- 
dtZofv  xrX,  iSuspiceris  iyoß  8k  xal  vov  oSrws^  vel  lyutyt  ftivrot 
ohwQ  aut  aliquid  simile.c 

P.  232  A:  &rre,  Jrav  dfBmat  StaXsyöpsvot  dXX^Xots ,  rooroüg  otoih 
reu  1j  ysyswt^pdvtjQ  ^  fieXXoutn^g  latoBat  (j^^  dnoTtXijptotrBtacy  r^c  ^^n- 
Bu/itdc  auvuvoLt.  —  Im  Folgenden:  elSozeg  8rt  d¥ayxcu6v  iartv  1j  8tä  ^ 
Xiav  rtp  8taXdyeaBat  1j  8t*  äXXjjv  rtvä  ^8ov:^y  erwartet  H.  9  ^^*  8üiJii^v 
rtvä  j[pe{av^  >sed  quod  volgatur  fern  fortasse  potestc 

P.  233  B:  nptorov  pkv  ob  r^v  napootrav  ^8ov^v  Bepambtt^v  truvd' 
aopxii  aot^  dXXä  xal  r^v  fuXXouaav  Jß^eXfav  6re(r&cu,  iRequiro  aut  fikv 
ob  (jiövovy  aut  ...  .  p.6vfiv  insertum  post  ^ßovijv.  Contra  puovov  inter- 
polatum  est  contra  mentem  oratoris  p.  283  E:  ob8k  rote  npocatrovet 
Ijiövov]^  dXXä  rote  roü  Ttpdypuaroe  äitotc,€ 

P.  234  C:  ourB  yäp  r^  Xofißdyovrt  X6yq}  j^dptrt^c  Ttn^  ä$to¥,  oSre 
aol  ßouXopdvtp  robc  äXXoue  XavBdvetv  Spo/toe  8o)ßQr6v.  »Mihi  pil  /uova» 
Lysias  scripsisse  videtur.c 

P.  236  C:  irtpa  bnoa^^eaet  thttty.  »OpUme  Schanzius  imx9ip&^ 
quod  ipsum  me  olim  coniecisse  ex  vetustis  meis  ad  hunc  dialogum  anno- 
tationibus  laetus  animadyerto.c 


Plato.  7i 

P.  248  D:  »Yerba  ix  roiv  Sfw/afv  alieno  loco  legi  snspicor  et  trane- 
ponendnm  suspicor  avfjLßouMof  8k  xa}  Auai^  ix  rcDv  Sfiocmv  dn  rd» 
^eara  Ypd(pat,  cuc  XP^  ipaarjj  fiäXXov  1j  fi^  ipafvn  ;|f<3^/Ci^<tt.c 

P.  242  B:  ütfjuav  [Si^ßauov]  i$atpa}  U-foo, 

P.  244  A:  Q»s  6  fikv  nporepoe  Ijv  kdyoQ  0aßpoo  xou  IhBoxkiooQ 
MopptwiMfioo  [dvSpöo], 

P.  244  C:  ob  yäp  äv  rfj  xaXX^arjj  ^ix^t  i  ^  pjiXXoy  x/9/l/erau,  abrb 
ToÜTo  Touvopa  ifinXäxovr es  pavixiiv  ixdXMoav.  »Participium  sannm 
esse  dnbito.c 

P.  244  E:  8Bev  xa^apfutßv  re  xal  rtfieroiv  rvxoüoa  i$dvnj  inoaj<n 
(seil.  ^  fiovia)  vbv  iaur^c  Ixovra  xrX.  »Scribendnm  puto  töv  iau" 
rijc  p.eTexovra,€ 

P.  246  C:  fiovov  8ij  rb  ^odr^^  abrb  xivoüv, 

P.  260  C:  xa^apol  XvT$g  xal  dn^fiavrot  (für  da^pavToc)  toutoo^ 
S  vuv  üwfia  mptfipovTtg  dvoyudZopsv^  »i.  e.  non  affecti  eo  malo,  qnod 
DQnc  circumferentes  corpns  vocamusc 

P.  251  G:  »Cum  manifesto  Plato  $ie/ooc  derivarit  a  tribus  voca^ 
bolis  l(iv€u)^  pjtp(oQ)  et  /^e(<fv),  nesdo  an  scripserit:  ixätBev  fiäpi^  arr' 
iövra  xa}  jUo¥Ta.€ 

P.  262  G:  dMvarot  8k  Dripiüra  8tä  nrepo^UTop*  dydyxijv,  iValde 
incerta  est  baec  quam  auctore  Heindorfio  ex  Stobaeo  Scbanzias  recepit 
lectio,  cum  in  optimis  libris  B  et  T  sit  nrepdfoxov  et  quod  olim  edi 
solebat  nvBpö^otvoy^  cui  lectioni  nisi  forte  acquiescendum  est,  cogitari 
potent  de  sabstitneDdo  mutatione  paene  nuUa  nrepo^trov  (a  stirpe  Yoca- 
buli  ^etü)  aut  si  opus  sit,  itrepo^iTuv  (a  ^trug  parente). 

P.  263  D:  a7r>b7xroc,  xeXMÖafjLan  fiövov  xai  Xoy^  ^viox^^Tat, 
H.  erklArt  die  Form  xeXBopaTt  fllr  die  einzig  gute  und  alte  and  ist 
nicht  einverstanden,  dafs  Schanz  die  Form  xeXgucpart  aufgenommen 
bat.  Dem  ^toxetrat  wflrde  er  der  Goncinnität  wegen  ^veoxoü/uvoc  weit 
vorziehen. 

p.   Protagoras. 

Protagoras.  Scholamm  in  usam  ed.  J.  Kral,  Leipzig  1886.  B* 
VII  und  70  S. 

Kral,  J.,  Entgegnung  auf  eine  Kritik  des  Herrn  Prof.  M.  Schanz. 
Prag.  8.  12  8. 

Nikitin,  Zu  Piatos  Euthydem  274  und  Protagoras  818.  S.  Enthy- 
demns. 

q.   Sophistes. 

Lukas,  F.,  Erklärung  der  Stelle  Piaton  Sophistes  p.  258  DE: 
Obxouif  8  fs  rouTo  8ovaTbQ  8paa/ ....  8eaxp{vetv  xarä  yivoQ  in^araur&at, 
Zeitschr.  1  d.  österr.  Gymn.  XXX Vni  (1887)  S.  820-388. 

Vpn  dieser  Stelle  sagt  Booit?  Plat  Studien  8.  Aufl.  S.  170»  An- 


79  PUtQ. 

merk.  16,  dafs  er  absichtlich  unterlassen  habe,  sie  in  einer  auszngsweisen 
Umschreibung  wiederzugeben,  weil  er  eine  Erklärung,  die  den  Worten 
Piatons  vollkommen  gerecht  würde  und  zugleich  den  Gedanken  zu  evi- 
denter Klarheit  brächte,  nicht  gefunden  habe.  Die  Stelle  lautet:  Oixouv 
8  ye  TouTO  dovarhg  8p  äv  fuav  iSdav  Stä  noXAoiv^  6vde  ixdarou  xetfidvou 
Z^P'^i  ndi/ra^  dtarexoLiuvTjV  Ixavlb^  StaeaBdveTOtf  xcd  noX^e  erdpac  dXX^^ 
Xiov  un6  jitaQ  i$wBev  nepeezo/uvag ^  xa}  p/av  au  St^  8X<ov  noXXwv  iv  M 
(uvjjppew^v f  xal  noXXäc  x^plc  ndimj  dtwptapIvoQ*  touto  8'  lartv^  ^,  « 
xoofwveTv  ixoLora  SuvaTcu  xa}  Stijj  p^^  8caxpfyeev  xarä  yivog  entaraad^at. 
Den  Sinn  der  Stelle  sucht  der  Verfasser  in  eingehender  und  umsichtiger 
Weise  festzustellen  namentlich  unter  Berücksichtigung  des  Zusammen- 
hanges mit  der  Stelle  p.  253  BC,  »welche  in  vier  durch  xal  verbun- 
denen Sätzen  vier  Forderungen  für  die  Untersuchung  über  die  Gemein- 
schaft der  Begriffe  aufstellt,  femer  mit  der  Stelle  p.  263  D:  Tb  xarä 
yivTj  8tatpe7ifBat  xrA.,  »welche  fQr  die  Erfüllung  dieser  Forderungen  zwei 
Regeln  giebt.«  Die  Erklärung  ist  mit  den  eigenen  Worten  des  Ver- 
fassers im  Auszuge  folgende:  »Der  Dialektiker  ist  im  stände  zu  erken- 
nen: 1.  dafs  ein  Begriff  auf  viele  andere,  von  welchen  jedoch  der  eine 
aufserhalb  der  anderen  liegt,  in  jeder  Beziehung  sich  erstreckt,  pJasß 
i8iav .  . .  8tat(T^dvexat^  d.  h.  jeder  Gattungsbegriff  ist  ein  Hauptmerkmal 
jedes  unter  ihn  fallenden  Artbegriffes.  2.  Der  Dialektiker  erkennt  auch 
viele  Begriffe,  welche  von  einander  verschieden  sind,  wenn  sie  auch  von 
einem  Begriffe  von  aufsen  her  umschlossen  werden. c  Das  Verhältnis 
dieser  beiden  Sätze  bestimmt  der  Verfasser  dahin,  dafs  im*ersten  Satze 
das  Verhältnis  des  Einteilungsganzen  zu  den  Einteilungsgliedern,  im 
zweiten  Satze  das  Verhältnis  der  Einteilungsglieder  zu  einander  berück- 
sichtigt werde.  Man  vergleiche  hiermit  Bonitz  a.a.O.:  »Dafs  durch 
die  ersten  beiden  Glieder  die  Unterordnung  der  Artbegriffe  unter  ihren 
Gattungsbegriff  bezeichnet  ist,  kann  keinem  Zweifel  unterliegen.  Ob  darin 
freilich  vollkommen  dasselbe,  nur  einmal  nach  der  Richtung  des  Ab- 
steigens ,  dann  nach  der  des  Aufsteigens ,  oder  ob  doch  noch  ein 
gewisser  Unterschied  gemeint  ist,  wird  sich  schwer  entscheiden  las- 
sen: die  Wahl  der  Ausdrücke  ndvrij  8tereTapi)n^v  und  l^wBav 
iiBpte^opivaQ  deutet  wohl  auf  einen  Unterschied.!  Die  eigentliche 
Schwierigkeit  enthält  der  dritte  Satz.  Nach  diesem  »mufs  der  Dia- 
lektiker erkennen  einen  durch  die  Gesamtheit  der  vielen  Begriffe  hin- 
durch mit  jedem  einzelnen  sich  verknüpfenden  Begriff.  Dieser  Satz 
bezieht  sich  auf  die  dritte  der  in  p.  263  BC  ausgesprochenen  Forderun- 
gen, nämlich  zu  untersuchen,  ob  sich  einige  Begriffe  mit  allen  anderen 
verbinden  lassen.c  Der  Verfasser  fordert  selbst  dazu  auf,  mit  dieser  Über- 
setzung und  Auffassung  der  Stelle  Bonitz  a  a.  0.  zu  vergleichen.  Es  heifst 
daselbst:  »Der  Begriff  der  Selbigkeit  erstreckt  sich  über  oder  durch  die 
Gesamtheit  der  Begriffe  in  ihrer  Vielheit  {8t*  8Xwv  TtoXXwv)^  bildet  aber 
nicht  eine  Umschliefsung  derselben  (i^wfiev  neptax^vag)  and  erstreckt 


Plato.  77 

sich  über  sie  nicht  in  jeder  Hinsicht  {nd)mj  dtartraiiivfjv)  ^  sondern  ist 
eben  nur  mit  jedem  einzelnen  verknüpft  (iv  h\  ^vfjfjLfuvf^v)  ^  jeder  ist 
sich  selbst  identisch.!  Von  dem  vierten  Gliede  sagt  Bonitz,  dafs  dnrch 
dasselbe  unzweifelhaft  der  vollkommen  trennende  Gegensatz  (x^P^^  ftdvn^ 
dtiüpiapdvas)  bezeichnet  sei,  z.  B.  avdaeg  xlvvjatQ^  rabrhv  9drepov,  In 
Übereinstimmung  damit  sagt  der  Verfasser:  »Nach  dem  vierten  Satze 
endlich  mufs  der  Dialektiker  erkennen  einige  Begriffe,  welche  als  nach 
allen  Seiten  hin  verschieden  bestimmt  sind.t 

Die  drei  letzten  Seiten  der  Abhandlung  dienen  dem  Nachweise, 
dafs  die  »auseinandergesetze  Auffassung  der  Stellen  p.  268  B*--E  auch 
in  der  nachfolgenden,  vom  Verfasser  des  Dialoges  geführten  Untersuchung 
aber  die  Gemeinschaft  der  Begriffe  ihre  Bestätigung  findet. c 

r.   Theaetet 
J.  V.  L.  Jr.  in  Mnemosyne  N.  S.  XV  S.  47  will  Theaetet  p.  161  D 

statt  dXXä  fWi  ipeo86g  r«  auY}[iop^aat  xal  dXtjBk^  d^viam  oMofjtMC 
BiiuQ  schreiben:  diia  iiot  fffeuSo^  re  cuyxofiiaai  xxX.^  indem  er  be- 
merkt: »Veram  iustamque  prolem  abicere,  d^av/aae^  olim  ut  hodie  nefas 
fuisse  obstetrici,  fiacile  credimus;  sed  foetum  monstruosum,  inanem,  dve- 
fiiatov  neqne  refutare  attinet,  opinor,  neque  concedere,  sed  unum  reci- 
piendi  verbum  hie  locum  habet,  quod  avj'xofjJZsev  graece  dicitur.f  Er  ver- 
weist auf  p.  149  E:  r^c  oöt^q  ^  ikhiQ  oXet  rij^yvjg  bIihu  ^spansüiv  re  xal 
a'uyxofAtd^v  rctfv  dx  y^c  xapnwv  .  .  .  .  e/c  yt^youxa  Sk  dXhpf  ftäv  oJkt 
Tou  roiolnoi}^  iXhiv  8k  ffuYxofitS^g, 

Sokrates  ist  bereits  aus  der  bildlichen  Ausdrucksweise  zu  der  eigent- 
lichen übergegangen,  wie  im  unmittelbar  Voraufgehenden  &(rve  dre^^^^ 
Sdxv£i¥  irotfiot  slvcu^  ineeddv  rtva  X^pov  abrwv  d^^paßficu  deutlich  genug 
zeigt    Damm  ist  die  Konjektur  van  Leeuwen's  nicht  zu  billigen. 


Bericht  über  Aristoteles  und  die  alteBten  Aka- 
demiker nnd  Peripatetiker  für  1887—1890. 

Erstes  Stftck. 
Von 

Prof.  Dr.  Frans  Snsemlhl 

in  GreifBwald. 


Die  den  Aristoteles  im  Allgemeinen  betreffende  Litteratur  ist  wäh- 
rend der  Jahre  1887—1890  zunächst  vermehrt  worden  durch 

1)  On  the  history  of  the  process  by  which  the  Aristotelian  wri« 
tings  arrived  at  their  present  form.  An  essay  by  Richard  Shute, 
M.  A.  late  Student  and  tutor  of  Christ  Church.  Oxford  at  the  Cla- 
rendon press  1888.  XX,  183  S.  8. 

Wir  haben  hier  das  unvollendete  Werk  eines  Verstorbenen  vor 
uns,  welches  schon  aus  diesem  Grunde  eine  milde  Beurtheilung  fordert, 
dies  aber  um  so  mehr,  da  ich  in  meinen  früheren  Berichten  schon  hie 
und  da  des  Lebenden  mit  Anerkenung  zu  gedenken  hatte.  Es  war,  wie 
die  Herausgeber  berichten,  durchaus  nicht  die  Absicht  desselben  diese 
Schrift  so  der  Oeffentlichkeit  zu  übergeben,  vielmehr  sie  zuvor  einer 
gründlichen  Umarbeitung  zu  unterziehen,  deren  sie  freilich  auch  sehr 
bedurft  hätte.  Die  Untersuchungen  von  Heitz  sind  jetzt  nur  gelegent- 
lich höchst  selten  und  flüchtig  erwähnt,  nicht  bloss  die  Zeller^s  über 
die  Entstehung  der  Metaphysik,  sondern  sogar  dessen  Philosophie  der 
Griechen  und  Diels'  Doxographi  völlig  unbenutzt  geblieben  (um  von 
meinen  Ausgaben  der  drei  Ethiken  gar  nicht  zu  reden),  und  so  giebt 
sich  denn  Shute  unter  Anderem  die  arge  Blosse,  dass  er  Areios  Di- 
dymos,  den  Freund  des  Augustus,  nicht  kennt,  sondern  ihn  mit  Claadias 
Didjrmus  unter  Nero  verwechselt.  Dennoch  haben  die  Herausgeber  recht 
gethan,  denn  immerhin  haben  seine  scharfsinnig  begründeten  neuen  Be- 
hauptungen Anspruch  darauf  geprüft  und  dadurch  freilich,  wie  ich  über- 
zeugt bin,  widerlegt  zu  werden.    Sein  Buch  zerfällt  in  acht  Capitel: 


Allgemeines.  79 

1)  The  Problem.    2)  From  Aristotle  to  the  time  of  Cicero.    8)  Cicero 
and  the  Latin  renaissance.    4)  From  Cicero  to  Alexander  Aphrodisiensis. 

6)  Of  titles  and  references.     6)  Of  repetitions  and  second  and  third 
texts,  illustrated  especially  from  the  Physics,  Metaphysics  and  de  aniouu 

7)  Of  the  Nicomachean  Ethics.  8)  The  Politics.  Der  QmNhcfaaden 
liegt  in  der  ausserordentlichen  Mangelhalkii^Drit  des  2.  Cap.  Hier  er- 
wartet man  z.  B.  doch  zu  lesen,  dass  die  Thiergeschichte  schon  von 
dem  Verfasser  der  unftcfaten  Ztuixd^  von  Eallimachos,  von  Antigenes  aus 
Earystos,  der  sie  in  ihren  ersten  neun  Büchern  als  Ganzes  und  daneben 
noch  das  9.  Buch  als  besondere  Abhandlang  benutzte,  und  Aristophanes 
▼on  Byzanz,  von  letzterem  auch  die  Poetik  und  von  Archedemos  die 
Rhetorik  ausgebeutet  ist,  und  dass  der  Urheber  der  grossen  Moral  am 
Ende  des  3.  oder  Anfang  des  2.  Jahrb.  v.  Chr.  die  beiden  anderen 
Ethiken  im  "Wesentlichen  schon  in  ihrer  jetzigen  Gestalt  und  der  der 
Schrift  von  der  Bewegung  der  Thiere  sogar  das  (auch  von  jenem  citirte) 
12.  Buch  (A)  der  Metaphysik  schon  als  Theil  der  letzteren  kannte  (s. 
Jahresber.  IX.  S.  846).  Aber  man  erwartet  es  vergebens.  Dazu  kommt 
aber  jetzt  noch,  dass  überdies  die  Darstellung  des  Verf.  in  einem  wesent- 
lichen Stücke  durch  die  neuesten  Fortschritte  der  Untersuchung  völlig 
ttberholt  ist:  Polybios  VI,  8 — 10  und  Cicero  in  seiner  Bepublik  haben 
aus  Panaetios  und  Panaetios  aus  der  Politik  des  Aristoteles  geschöpft. 
Erwägt  man  nun  ausserdem,  dass  nach  Zeller^s  richtiger  Bemerkung 
unsere  systematischen  und  naturbeschreibenden  aristotelischen  Schriften 
viel  zu  sehr  ins  Einzelne  eingehend  ftlr  blosse  Vorlesungen  sind,  so  ge- 
nügt schon  dies,  um  die  Vorstellung  von  Shute  zu  beseitigen,  als  wären 
sie  aus  blossen  Notizen  des  Aristoteles  und  v^chiedenen  Reprodu- 
ctionen  seiner  Vorlesungen  in  seiner  Schule  entstanden,  und  die  Ansicht 
von  Zell  er  zu  bestätigen,  dass  Aristoteles  selbst  sie  vielmehr  zur  Er- 
gänzung derselben  als  Lehrbücher  für  diese  seine  Schule  geschrieben 
hat.  Dass  zum  Theil  cHefte»  von  ihm,  Stücke  aus  Zuhöremachschriften 
und  Peripatetikerzusätze  eingeflickt  sind,  ändert  an  der  Hauptsache 
Nichts,  und  bei  dieser  Auffassung  fällt  ferner  jede  Hinderung  fort  einen 
Theil  der  doppelten  Recensionen  schon  auf  die  eignen  Concepte  des 
Aristoteles  zurückzuführen.  Auch  die  (wie  mehrere  andere  dieser 
Schriften)  unvoUendet  gebliebene  Thiergeschichte  (von  der  nicht  bloss 
das  10.,  sondern,  worauf  wir  unten  zurückkommen,  auch  das  7.  und 
9.  Buch  nicht  von  ihm  herrühren)  war  trotz  Shute 's  abweichenden 
Auffassungen  doch  wohl  fhr  denselben  engeren  Leserkreis  bestimmt, 
um  diesem  vor  der  Benutzung  der  systematischen  zoologischen  Schriften 
die  erforderliche  Beschreibung  in  die  Hände  zu  geben.  Damit  fällt  nun 
aber  auch  das  Ergebniss  von  Shute  im  6.  Cap.  zusammen,  dass,  wo 
nicht  alle,  so  doch  nahezu  alle  Selbstcitate  erst  von  späteren  Re- 
dactoren,    mindestens  zum  Theil   erst  nach  Andronikos  eingeschwärzt 


80  Axistoteles.  % 

seiend).  Freilich  wird  es  Ar  Denjenigen,  welcher  die  vonShute  anter- 
nommene  Ansähe  glücklicher  und  auf  Grund  umfiassenderer  Kenntnisse 
und  Betrachtungen  von  Neuem  zu  tösen  versuchen  will,  dabei  ein  Haupt- 
augenmerk sein  mttssen  die  wirklich  so  entstandenen  von  den  ursprüng- 
lichen zu  sondern.  Dass  in  der  nikom.  Ethik  die  beiden  Bücher  über 
die  Freundschaft  von  Aristoteles  als  eine  selbständige  Abhandlung  ge- 
schrieben seien,  folgt  zwar  noch  lange  nicht  aus  den  theilweise  spitz- 
findigen und  durchweg  [widerlegbaren  Gründen  Shute's,  ist  aber 
immerhin  möglich;  dass  dann  aber  ihre  Einfügung  in  dies  Werk  unge- 
mein früh  geschah,  erhellt  aus  der  Ethik  des  Eudemos,  und  nicht  min- 
der zeigt  auch  dessen  Anschlass  an  die  nikomachische,  dass  diese  in 
ihrem  Grundstamm  wirklich  von  Aristoteles  selbst  herrührte.  Ganz  ver- 
fehlt ist  m.  Erachtens  der  Versuch  von  Shute  das  7.  und  8.  Buch 
alter  Ordnung  der  Politik  oder  die  Darstellung  der  absolut  besten  Yer« 
fassung  als  eine  gesonderte  und  gleich  den  Dialogen  und  Politien')  zur 
Herausgabe  im  Buchhandel  bestimmte  Schrift  des  Aristoteles  darzustellen. 
Er  hat  dafür  keinen  anderen  Grund  als  die  Vermeidung  des  Hiatus  und 
etwa  noch  überhaupt  die  Flüssigkeit  der  Darstellung.  Dieser  Grund 
wird  aber  sofort  hinf&llig,  so  bald  man  z.  B.  auf  VI  (IV)  ii  und  auf 
die  Partien  über  die  Monarchie  im  8.  (6.)  Buch  hinblickt.  Man 
sieht  dann,  dass  er  zu  viel  und  folglich  Nichts  beweist:  eine  starke 
Vermeidung  schwerer  Hiate  ist  überhaupt  der  Politik,  Ethik,  Rhetorik, 
Topik  eigen  und  liegt  bei  diesen  populäreren  Gegenständen  wohl  in  der 
Gewöhnung  des  Aristoteles  von  jungen  Jahren  an.  Dass  er  überdies 
aber  gerade  jenen  Gegenstand  für  das  grosse  Publicum  geeignet  ge- 
halten hätte,  ist  ihm  doch  nach  seiner  ganzen  Art  schwerlich  auch  nur 
mit  der  geringsten  Wahrscheinlichkeit  zuzutrauen.  Der  richtige  Sach- 
verhalt wird  sich  uns  weiter  unten  klar  stellen.  Wenn  Aristoteles  diese 
beiden,  übrigens  wiederum  unvollendeten  Bücher  wirklich  zunächst  ge- 
sondert ausgearbeitet  haben  sollte,  so  geschah  es  wenigstens  mit  der 
Absicht  sie  nachträglich  in  das  Ganze  einzufügen,  in  welchem  nament- 
lich (um  nur  dies  hervorzuheben)  das  2.  Buch,  demnächst  aber  auch 
das  3.,  ohne  sie  keinen  Sinn  hat,  ja  sogar  erst  Sinn  bekommt,  wenn 
sie  unmittelbar  auf  das  8.  folgen-  Die  übrigens  im  Zusammenhange 
festsitzenden  und  völlig  unverdächtigen  Rückweisungen  im  4.  (6.)  Buch 
1289*  80  ff.   1298^  1  ff.   auf  das  7.  (4.)  haben  also   nur   eine   unter- 


1)  Wie  verfehlt  der  freilich  nicht  von  Shute  allein  gemachte  Versodi 
ist  das  der  theodekteischen  Rhetorik  im  jetzigen  8.  Bach  der  aristotelischen 
1410  y>2f,  auszamerzen,  hat  sich  inzwischen  gezeigt,  s.  Jahresber.  L.  S.  14. 

*)  Ich  glaube,  dass  zu  diesen  von  Aristoteles  selbst  fbr  einen  weiteren 
Leserkreis  herausgegebenen  oder  zu  einer  derartigen  Herausgabe  bestimmten 
Büchern  auch  solche  Sammlungen  wie  die  Didaskalien  und  solche  wie  die 
Hutfo^taf^  r9^¥&¥  gehörten. 


AOgemelnM.  81 

stützende  Bedeutang').  Ton  wirklidiem  positivem  Werth  sind  Shnte's 
ErOrteningen  im  sechsten  Cap.  über  das  doppelte  sogenannte  7.  Buch 
der  Physik  und  doppelte  2.  der  Psychologie:  hier  steht  er  auf  sei- 
nem specieUen  Studiengebiete.  Nor  hätte  er  die  zwiefache  Familien- 
Überlieferung  der  Politik  nicht  in  diesen  Zusammenhang  hineinbringen 
sollen,  die  keine  andere  ist  als  z.  B.  in  den  drei  Ethiken,  der  Oekono« 
mik,  den  zoologischen  Schriften^).  Recensirt  ist  sein  Buch  von  Benn 
Academy  1888.  No.  868.  S.  322  f.,  R.  D.  Hicks  Giassical  Rewiew  ü. 
1888.  8.306—307,  Herr  Rev. crit.  1889.  I.  S.  20,  6.  J.Schneider  Berl. 
ph.  W.XI.  1891.  Sp. 239— 243,  POhlmann  D.L.Z.  1891.  8p.  619f. 

Das  ebenso  schöne  wie  wahrheitsgetreue,  ebenso  lebendige  wie  das 
tiefiste  Wesen  vollständig  zur  Erscheinung  bringende  Gesammtbild,  welches 

2)  R.  Ettcken,   Die  Lebensanschauungen  der  grossen  Denker, 
Leipzig,  Veit.  1890.  8.  S.  66—120 

von  der  Philosophie  des  Aristoteles  entwirft,  bedarf  keiner  weiteren  Be- 
sprechung. Wer  sich  irgend  für  die  Sache  interessirt,  muss  sein  Buch 
eben  selber  lesen,  und  er  wird  die  reichste  Belehrung  und  den  edelsten 
Genuss  davon  empfangen.  Nur  zwei  Punkte  kann  ich  hervorzuheben 
nicht  unterlassen.  Eucken  fahrt  hier  zum  ersten  Male  die  Schätzung 
der  aristotelischen  Poetik  auf  ihr  richtiges  Mass  zurück  und  löst  zum 
ersten  Male  das  scheinbare  Räthsel,  wie  es  zuging,  dass  Aristoteles,  der 
Lehrer  des  Alexandres,  dennoch  in  der  Politik  einfach  beim  griechi- 
schen Stadtstaat  stehen  bleibt:  man  sieht  jetzt  deutlich,  warum  dies  gar 
nicht  anders  möglich  war,  und  wie  oberflächlich  und  verkehrt  die  sonst 
so  geistvollen  Männer  geurtheilt  haben,  welche  den  offenbarsten  That- 
sachen  zum  Trotz  tiefgehende  Sympathien  für  das  neue  makedonische 
Reich  in  ihn  hineindeuten  woUten  (vgl.  Ber.  XXX.  S.  16  ff.).  Ein  sehr 
wesentlicher  Theil  dieser  Gesammtskizze  erhält  eine  weitere  Ausführung 

in  der  Abhandlung 

• 

3)  Aristoteles'  ürtheil  über  die  Menschen.  Von  R.  Eucken.  Arch. 
f.  Gesch.  der  Philos.  III.  1890.  S.  541—668. 

Ueber  die  laxe  Weise,  in  welcher  Aristoteles  gelegentlich  Andere 
citirt,  handelt 


')  Die  dritte  1290*  1  steht  in  einem  meines  Erachtens  von  einem  alten 
Peripatetiker  eingeschobenen  Abschnitt,  beweist  aber,  wenn  dies  richtig  ist, 
wiederum  nur»  dass  die  neue  Ordnung  die  ursprüngliche,  die  uns  überlieferte 
eine  später,  aber  schon  vor  Areios  Didymos  eingerissene  war. 

^)  Es  ist  stark,  wenn  man  S.  118  liest:  »The  Latin  translation  ascribed 
to  William  de  Moerbeke  foUows  a  text  varying  cpnsiderably  from  that  of  any 
of  the  Greek  MSSc.   Gehören  denn  etwa  P^  und  Mb  nicht  zu  den  Greek  MSS? 

JabiMbateht  Ar  AltertomcwinMiiasliaft.  LZVU.  Bd.  (1891.  L)  6 


4)  E.  Zeller,  üeber  du  richtige  Avffiuseiig  eisiger  emtoteliMlieB 
Oute.    SitnuBgeberiehta  der  Bert.  Akad.  1888.  S.  1388^1840. 

So  heisst  es  Top.  IX,  88.  183^  22  f.  fieyearo^  yap  Sisvc  ^Jj^ 
TuarrS^^  wenep  kij^xat^  obgleich  das  Sprttchwort  lautete:  dp^^  l^yLtau 
iux¥r6i^  80  ferner  Met.  I,  2.  983*  17  f.  dät  Sk  eb  rouymniov  koI  rd 
ifjLeoßov  xarä  ri^v  napotfuav  dTtoreJieuTr^öat  ^  iiin  das  Sprttchwort  Seurepop 
Sfua^y  zu  bezeichnen.  So  hätte  es  Pol.  Till  (Y),  10.  1312^  4  f.  sUtt 
xaB*  'Uaiodov  S»q  xepafui  xepafieu^  genauer  a;^  xaV  ^BaeoSov  xspapsb: 
xepatuT^  Eth.  II,  2.^  1105*8  statt  ^  Bupwi,  xaäänep  ^ah* HpOKluzo^  ^ji- 
neuer  i^,  xa&dnep  fr^ah  VpdxXetro^^  ßu/iät  gelautet.  So  passt  das  CiUt 
des  Blas  Rhet  II,  13.  1389^ 22  f.  (wo  daher  Römer  napä  fftr  xarA^  aber 
sonach  mit  unrecht  vermuthete)  xard  n^w  Blavroc  ItTmB^xtjv  xaH  fdoZ- 
Qcu  WS  fjua^orrec  xol  piaouatv  <mc  ftk^ßoyre^  nur  auf  ^tkmßaw  we  fuff^ 
covreg.  So  wird  Met.  I,  3.  984*  Uff.  genau  so  gesprochen,  als  ob 
schon  Anaxagoras  den  Ausdruck  Sfioeo/iep^  gebraucht  hätte.  Nach  die- 
sen Analogien  erklärt  nun  auch  Zell  er  jetzt  (im  Anschluss  an  BOckb) 
mit  Recht  die  vielumstrittene  Stelle  de  coel.  II,  13.  293^  30  ff.  ivtot  Sk 
xul  xeepgyr^v  M  rou  xevrpoo  ipaah  alnr^v  (näml.  t^v  yr^v)  TkltaBat  xal 
xtvstaBat  nspl  rbv  dtä  rou  TtoanbQ  SeaTerapeuov  ttoJIov,  Stanep  iv  t^  Tt- 
fial^  yiypanrat  so,  dass  das  Citat  des  platonischen  Timaeos  (40  B)  nur 
auf  tkXeaBm  mpl  rdv-noXav  und  nicht  auch  auf  xal  xiveiaBou  geht,  und 
dass  unter  den  iytot  nicht  Piaton,  sondern  Herakleides  der  Pontiker  za 
verstehen  ist  Zeiler  leitet  diese  Ungenauigkeiten  daraus  her,  dass 
Aristoteles  aus  dem  Oedächtniss  zu  citiren  pflegt,  da  wer  dies  thnt 
leichter  geneigt  ist  das  Fremde  mit  dem  Eigenen  zu  rermischen. 

Zu  der  Untersuchung  einer  anderen  Frage,  nämlich  wie  weit  Aristo- 
teles eine  zuveriässige  (Quelle  f&r  die  ältere  Philosophie  sei,  giebt 

8>  P.  Natorp,  Aristoteles  und  die  Ekaten.    Philos.  MonatshefU 

XXVI.  1890.  S.  1-16.  147—169 

eioe9  Beitrag,  welcher  zugleich  einen  Commentar  zu  Phys.  I,  2 f.  184^ 
26—187*  10  bildet  und  als  solcher  besonders  für  die  recht  schwierige 
Partie  von  186*  22  ab  sehr  willkommen  ist  Aber  auch  die  Kritik  der 
Kritik  des  Aristoteles  ist  nicht  minder  verdienstlich.  Wie  weit  sie  ihrer- 
seits im  Besonderen  auch  noch  wieder  die  Kritik  herausfordern  möchte, 
kann  hier  nicht  geprüft  werden.  Im  Ganzen  hat  Natorp  gewiss  darin 
Recht,  dass  die  Beurtbeilung  der  Eleaten  durch  Aristoteles  unter  An- 
wendung seiner  Kategorienlehre  mit  felsenfester  Ueberzeugung  von  deren 
Anwendbarkeit  zu  diesem  Zwecke  noch  viel  angreifbarer  ist  als  die  elea- 
tische  Lehre  selbst,  und  dass  er  das  eigentUehe  Gedankenmotiv,  welches 
den  Parmenides  zu  dieser  Lehre  führte,  nicht  verstanden  hat  und  nicht 
verstehen  konnte,  weil  seine  eigne  Gedankenwelt  nicht  an  dasselbe  hinan« 
reichte.    Aber  ebenso  gewiss  scheint  es  mir  andererseits:  hat  Aristoteles 


▲llgeneines.  88 

so  weit  diese  Lehre  anbist oriseh  vergröbert,  so  hat  Natorp  sie  in  dem* 
selben  Masse  unhistorisch  verfeinert.  Auch  ich  gUabe,  dass  dem  Par^ 
menides  sein  Vergleich  des  Seienden  mit  einer  Kugel  wirklich  nur  Ver- 
gleich, nur  Bild  war,  aber  die  Deutung,  er  habe  es  vielmehr  in  der  That 
f&r  kugelgestaltig  gehalten,  liegt  keineswegs  so  weit  ab  vom  Wege,  wie 
Natorp  meint  Gewiss  hatte  jenem  Gedankenmotiv  nach  die  Bezeich- 
nung des  Seienden  als  begrenzt  gleich  den  anderen  Bezeichnungen  aov^ 
;if6C,  nkdov  iovTog  u.  s.  w.  nicht  die  räumliche  Bedeutung,  dass  aber  bei 
Urnen  allen  sofort  die  Anschauung  ins  Räumliche  umschlägt  und  das 
Seiende  keineswegs  rein  immateriell,  sondern  als  absolut  raumerftUend 
gedacht  wird,  das  hat  Zeller  nachgewiesen  und  Natorp  am  so  weniger 
widerlegt,  da  er  es  hinterdrein  doch  selbst  wieder  halb  und  halb  zu- 
gestehen muss.  Dass  die  Begrenztheit  des  Seienden  im  Uebergang  nach 
dieser  Seite  hin  den  Parmenides  in  argen  Widerspruch  mit  sich  selbst 
verwickelt,  sieht  Jeder,  aber  woher  weiss  Natorp,  dass  er  diesen  Wider- 
spruch nicht  begehen  konnte?  Kommen  etwa  Anaximandros,  Piaton,  Aristo- 
teles mit  ihrem  kugelförmigen  geocentrischen  Weltgebäude  nicht  genau 
in  denselben  Widerspruch  mit  sich  selbst?*)  und  was  sollte  denn  wohl 
den  Melissos  bewogen  haben  in  diesem  einen  Punkte  von  Parmenides 
abzuweichen,  wenn  nicht  ebendies,  dass  er  von  diesem  Widerspruch 
etwas  merkte?  Indem  er  nun  aber  das  Seiende  im  offenbaren  Anschluss 
an  Anaximandros  vielmehr  ftlr  unbegrenzt  erklärte,  ward  dasselbe  nur 
noch  mehr  ins  Materielle  hineingezogen,  folglich  aber  der  Widerspruch 
nur  um  so  grösser,  wenn  doch  wieder  andrerseits  Melissos  wirklich,  was 
freilich  Zell  er  Ph.  d.  Gr.  I.*  S.  611  A.  2  mit  triftigem  Grunde  be- 
zweifelt, gesagt  und  nachgewiesen  hat,  das  Seiende  sei  kein  Körper.  So 
ist  denn  schliesslich  die  historische  Zuverlässigkeit  des  Aristoteles  trotz 
Allem  keine  geringere  als  die  Natorp's,  vielmehr  Alles  in  Allem  ge- 
rechnet eine  grössere,  und  muss  man  ihm  völlig  so  weit  Recht  geben, 
als  er  in  der  angegebenen  Richtung  wirklich  schon  Dasselbe  that,  was 
Zeller  nach  ihm,  und  sich  doch  durch  dies  Alles  nicht  abhalten  Hess 
vollkommen  sachgemäss  zu  behaupten,  Parmenides  habe  das  Seiende 
mehr  begrifflich  (ideell),  Melissos  mehr  materiell  aufgefasst.  Wie  viel 
richtiger  hat  er  ferner  den  Xenophanes  und  den  Melissos  verstanden 
nnd  gewürdigt  als  noch  heutzutage  Kern  und  Heinzel     Wie  völlig 


^)  Hat  doch  noch  Piaton,  wie  seine  wunderliehe  Gonstrnction  der  vier 
Elemente  beweist,  sogar  den  geometrischen  Körper  nicht  voll  und  klar  vom 
physikalischen  anseiDanderzuhalten  vermocht!  Davon  hat  freilich  Dum  ml  er 
Berl.  pbiL  Woch.  XL  1891.  Sp.  370  ff.  bei  seiner  vermeintlichen  Widerlegung 
Baeumker's  Nichts  gemerkt  Uebrigens  war  Vorstehendes  schon  niederge- 
schrieben, bevor  ich  Zeller 's  neueste  Auflage  vom  1.  Bde.  seiner  Phil.  d.  Gr. 
erhielt,  und  ich  habe  absichtlich  Nichts  geändert  Mein  Znsammen  treffen  mit 
seinen  Gegenbemerkangen  I^  S.  564  f.  A.  2  ist  also  ein  völlig  ungesuchtes. 


84  Aristoteles. 

zutreffend  ist  es,  wenn  er  Beide  im  Vergleich  za  Parroenides  als  fuxpbv 
dYpoix6x€pöt  bezeichnet  und  den  Melissos  als  einen  etwas  plumpen  Den- 
ker behandelt!  Wie  sehr  er  in  letzterer  Hinsicht  Recht  hat,  ist  erst 
neuerdings  durch  die  ausgezeichnete  Dissertation  von  Pabst  De  Melissi 
Samii  fragmentis,  Bonn  1889  völlig  klar  und  zweifellos  geworden.  Na- 
torp  hat  dieselbe  offenbar  noch  nicht  gekannt;  sonst  würde  er,  glaube 
ich,  eingesehen  haben,  dass  der  Vorwurf,  welchen  Aristoteles  186*8 — 13 
dem  Melissos  macht,  ein  vollkommen  gerechtfertigter  ist').  AufNatorp*s 
vortreffliche  textkritische  Behandlung  einzelner  Stellen  kann  ich  erst 
weiter  unten  eingehen. 

Hier  ist  nun  wohl  auch  der  schickliche  Platz  die  beiden  Littera- 
turttbersichten  Zeller^s 

6)  Bericht  Aber  die  deutsche  Litteratur  der  sokratischen,  platoni- 
schen und  aristotelischen  Philosophie  1886,  1887.  Dritter  Artikel: 
Aristoteles.    Arch.  f.  Gesch.  der  Philos.  U.  1880.  S.  269—299, 

7)  Die  deutsche  Litteratur  über  die  aristotelische  Philosophie  1888. 
Ebendas.  III.  1890.  S.  302— 820 

vorläufig  zu  erwähnen,  von  denen  ich  im  Folgenden  vielfach  werde  Ge- 
brauch zu  machen  haben.    Desgleichen  ist  hier  auszuführen  der 

8)  Bericht  über  die  academische  Ausgabe  der  Aristotelescommen- 
tare  1886—1889.  Von  Ivo  Bruns.  Ebendas.  III.  1890.  S.  699 
bis  619. 

Lediglich  erwähnen  kann  ich  hier: 

9)  Aristoteles  in  den  Alexandersagen  des  Mittelalters.  Von  Wil- 
helm Hertz.  München  1889.  103  S.  4.  (Abhh.  der  Mttnchener  Akad. 
L  Gl.  Bd.  XIX). 

Denn  so  interessant  der  Gegenstand  ist,  so  liegt  doch  m.  E.  seine 
Besprechung  ausserhalb  der  Grenzen  meiner  Aufgabe.  Wer  sich  über 
ihn  unterrichten  will,  möge  die  gründliche  Abhandlung  selber  zur  Hand 
nehmen. 


<)  Bedenkt  man  nun  überdies  im  Vergleich  mit  der  DüHtigkeit  der 
eleatischen  WeltaDschaoung  den  Reichtham  der  aristotelischen,  welcher  deo 
Aristoteles  lu  so  fielen  bleibenden  Entdeckungen  auf  den  verschiedenstes 
Gebieten  geführt  hat,  so  kann  nach  diesem  Allen  die  Schlussbe merkung  Na- 
torp'sS.  169,  seit  Kant's  Unterscheidung  des  ^at)ß6ß9vo¥  und  yoouiuvov  seien 
uns  die  Eleaten  &st  näher  als  Aristoteles»  doch  wirklich  nur  als  eine  Pari- 
dozie  bezeichnet  werden. 


Allgemeines.  Protreptikos.  g5 

Etwas  anders  steht  es  immerhin  mit  dem  knrzen  Aaftatz 

10)  Zur  Chronologie  des  Streites  der  Griechen  über  Plato  und 
Aristoteles  im  16.  Jahrh.  Von  A.  Oaspari.  Arch.  f.  Gesch.  d.  Ph. 
111.  1890.  S.  50—58. 

Gaspari  sucht  zu  zeigen,  dass  die  Schrift  Gaza's  Sn  ^  ^4rtQ  ob 
ßoü^oeroi  um  1456  oder  wenig  später  erschien,  wenig  spftter  auch 
Bessarion^s  Streitschrift  gegen  dieselbe  de  natura  et  arte,  dass  dann  etwa 
1459  Bessarion*s  Schrift  über  die  Substanz  gegen  Plethon  npog  xä  n^^ 
Bw¥o^  nepl  obaloQ  und  wenig  spftter  die  Ton  Gaza  npog  lI^Btuva  uTtkp 
^ApiaroTiXouQ  hervortrat,  und  dass  gegen  diese  letztere  sich  des  Michael 
Apostolios  heftige  Vertheidigung  Plethon's  npb^  r^c  ^^  ^ApanordXouc  ^t^pl 
Quaias  xarä  D^Boßvoc  SeoSwpou  rou  FaC^  dyrik^Siag  (dvre^]^trc?)  etwa 
zwischen  1460  und  1461,  spfttestens  1462  richtete.  Gaspari  giebt  zu,  da^ 
femer  Georg  Ton  Trapezunt  1464  seine  comparatio  Piatonis  et  Aristotelis 
gegen  Bessarion  veröffentlichte,  obwohl  Bessarion's  Antwort  in  calumnia- 
torem  Piatonis  erst  1469  aus  dem  Druck  kam;  aber  er  legt  weiter  dar,  dass 
sich  Gaza^s  dmpfn^nxov  nicht  gegen  de  natura  et  arte  kehrt,  sondern 
vielmehr  auf  Bessarion*s  Anregung  (der  inzwischen  sich  mit  diesem  jün* 
geren,  1450  nach  Rom  gekommenen  Manne  befreundet  hatte)  gegen  eine 
uns  unbekannte  Schrift  von  Argyropylos  wider  eine  Aeusserung  fSessa- 
rion^s,  und  dass  in  dem  Briefe  Bessarion*s  an  Argyropylos,  in  welchem 
jener  diesem  Gaza^s  Arbeit  ankündigt,  unter  der  dno^^r^a  Imkp  nkdrwvoQ 
die  4  Bücher  in  calumniatorem  Piatonis  zu  verstehen  sind,  Gaza^s  dnop- 
pi/lttxov  folglich  erst  nach  1469  oder  frühestens  Ende  dieses  Jahres  ans 
Licht  getreten  ist. 

Unter  den  verlorenen  Schriften  des  Aristoteles  ist  der  Protre- 
ptikos  Gegenstand  folgender  ausgezeichneter  Abhandlung  geworden: 

11)  Zu  Aristoteles'   Proteptikos   und   Cicero's  Hortensius.     Von 
H.  Di  eis.    Arch.  f.  Gesch.  d.  Phil.  I.  1888.  S.  477— 497. 

In  dem  Bericht  ftlr  1874/6  III.  S.  850  habe  ich  mich  dahin  ge- 
ftussert,  dass  Ilirzel  Herm.  X.  S.  61  ff.  »nicht  ohne  Erfolgt  die  Ansicht, 
diese  Schrift  sei  kein  Dialog  gewesen,  vertheidigt  habe.  Jetzt  muss  ich 
zugeben,  dass  Hirzers  Gründe  von  Diels  widerlegt  sind,  und  dass  es 
ungleich  wahrscheinlicher  ist  anzunehmen,  Cicero's  Hortensius  habe  auch 
in  dieser  Hinsicht  an  ihr  sein  Vorbild  gehabt^).    Von  hier  aus  sucht 


7)  Die  Berufung  von  Diels  auf  die  Kataloge  der  aristotelischen  Schrif- 
ten bei  Laert.  Diog.  und  dem  Anon.  Menagianus  (Hesychios)  scheint  mir  aller- 
dings nicht  zwingend,  sondern  mich  dünkt:  die  ersten  Nummern  können 
lauter  Dialoge,  können  aber  auch  Dialoge  und  par&netische  Schriften 
sein.  Aber  freilieh  umgekehrt:  wenn  der  Protreptikos  ein  Dialog  war,  so 
spricht  kaum  viel  weniger  als  Alles  dafQr,  dass  die  erstere  Annahme  die  rieh« 


86  Aristoteles. 

DUO  Diels,  nachdem  er  ftr  den  Hortensius  aus  Aognstin.  SolUoqu.  1, 17 
ein  neues  und  die  grosse  Abhängigkeit  Tom  Protreptikos  aafs  Neue  schla- 
gend beweisendes  Bmchstttck  gewonnen  und  dem  bisherigen  Schwanken 
gegenüber  dargethan  hat,  dass  das  Fragment  des  Aristoteles  bei  Stob. 
Flor.  III,  64  wirklich  aus  dem  Protreptikos  ist^),  genauer  die  Anlage 
des  Hortensius  wiederzugewinnen  und  von  dem  Ergebniss  her  mit  Hftlfe 
eines  Bruchstücks  von  lamblichos*)  auch  auf  die  von  dem  Protreptikos 
des  Aristoteles  einen  theilweisen  Rückschluss  zu  machen.    Mit  vollstän- 
digem Erfolg  bekämpft  er  HirzeTs  Annahme,  dass  Aristoteles  sich  bei 
Abfassung  desselben  noch  nicht  vollständig  von  der  platonischen  Ideen- 
lehre losgesagt  habe.    So  viel  ich  zu  sehen  vermag,  hat  diese  vielmehr 
dem  Stageiriten  nie  eingeleuchtet,  wohl  aber  muss  ich  gegen  Diels  meine 
früher  (Jahresber.  XXX.  S.  92.  A.  101)  angedeutete  und  von  ihm  nicht 
widerlegte  Vermuthung  festhalten,  dass  in  Bezug  auf  die  Psychologie 
Aristoteles  vielleicht  noch  in  der,  abgesehen  von  den  Kategorien,  ohne 
Zweifel  frühesten  seiner  erhaltenen  Schriften,  der  Topik,  auch  im  Inhalt 
etwas  platonisirt^O).    Um  so  lebhafter  stimme  ich  Diels  in  Bezug  auf 
die  Frage  bei,  auf  die  ich  schon  früher  Ber.  III.  S.  861  ff.  L.  S.  2  f.  zu 
sprechen  kommen  musste  und  wiederum  oben  bei  dem  Referat  über 
Shute*8  Buch  einzugehen  so  eben  genOthigt  war.    Der  flüssigere  und 
blühendere  Stil,  welcher  überhaupt  in  Werken  wie  Topik  und  Rhetorik, 
Ethik  und  Politik  im  Ganzen  und  Grossen  in  Annäherung  an  den  der 
Dialoge  herrscht,  erklärt  sich,  wie  schon  oben  gesagt,  aus  der  popu- 
läreren Natur  der  Gegenstände,  aber  er  ist  auch  in  den  beiden  letzteren 


tige  ist  Geradezu  peinlich  berührt  aber  hat  mich%  um  ganz  offen  zu  reden, 
dass  Diels  jetzt  entgegen  seioer  früheren,  allein  wahrscheinlichen  Ansieht 
als  Quelle  dieser  beiden  Kataloge  nicht  Hermippos,  sondern  erst  Andronikos  be- 
trachtet. Mit  der  Ausflucht,  t die  erhaltenen  Auszüge  hätten  die  ursprüngliche 
Anordnung  nur  theilweise  bewahrte,  ist  hier  Nichts  gethan;  mag  man  das 
noch  so  sehr  zugeben,  es  müsste  doch  wenigstens  irgend  eine  Spur  von  der 
PragmatieueintheiluDg  des  Androulkos  geblieben  sein,  während  in  Wahrheit 
das  Ganze  nur  eine  einzige  grosse  Spur  des  Gegentheils  ist.  S.  ausserdem 
Babe  De  Theophrasti  libris  ntpl  Xiftan  S.  S2f.  Snsemihi  Qriech.  alez. 
Litt.  Gesch.  I.    S.  898.  A.  69.  II.  a  802  f.  A.  828.  3. 803  f.  A.  888.  S.  690  f. 

*)  In  diesen  hat  es  denn  auch  Rose  In  seiner  neuesten  Fragmenten- 
Sammlung  eingereiht  =  Fr.  67. 

9)  Bei  Stob.  Ekl.  IL  p.  19 f.  Wachsm.  Diels  macht  zu  demselben 
mehrere  Yerbessernngsvorschläge. 

^)  Zu  dem  dort  Hervorgehobenen  füge  ich  hinzu,  dass  VI,  8.  189b  8ff 
Platon's  Definition  der  Seele  benutzt  wird.  Allzu  Tiel  gebe  ich  freilich  selber 
auf  diese  Vermuthung  nkht.  Denn  V,  7.  187^  ff.  wird  sogar  auch  die  Ideen- 
lehre  benutzt,  gegen  die  doch  andere  Stellen  (VI,  6.  148^28  ff.  c.  8.  147»  6ff. 
c.  10.  148»  18  ff.  YII,  4.  164«  18  ff.  YIII,  11.  162»  26  ff.)  sich  richten. 


Protrept.    Politie  d«ir  Athener.    Organoo.  87 

Sehrifkeii  kehi  gleichmAssiger:  in  beiden  (Diele  eprieht  Aur  von  der 
Ethik)  wie  auch  in  anderen  sind  et  nur  gewisse  Partien,  welche  diesen 
Charakter  rorwiegend  an  sich  tragen,  während  derselbe  in  anderen  zum 
Theil  völlig  schwindet  Diels  verwirft  gleich  mir  die  beiden  dafür  Ter>- 
snchten  Erklämngen,  Herübemahme  ans  den  Dialogen  und  Ansarbeitnlig 
fQr  die  Veröffentlichung ^i).  Dass  gerade  in  der  Einleitung  anr  Meta^ 
physik  sich  dieser  Stil  zeigt,  erklärt  er  allerdings  im  Besonderen  darauf 
dass  der  Gegenstand  hier  mit  dem  in  der  Einleitung  des  Protreptikos 
zusammentrifft.  Im  Allgemeinen  aber  hält  er  den  Grund  dieser  Erschei- 
nung für  den  pädagogischen:  Aristoteles  gab  seinen  Zuhörern  zunächst 
ein  Skelett  seiner  Lehre  und  suchte  es  dann  durch  solche  populärere 
Ausführungen  mit  Fleisch  zu  umkleiden  und  ihrem  Verständniss  und 
Interesse  näher  zu  bringen.  Ich  füge  hinzu:  und  es  war  natürlich,  dass 
er  dann  ancb  in  seinen  an  diese  seine  Vorträge  sich  anschliessendeii 
Lehrbfichem  ebenso  verfuhr.  Diels  zeigt  aber  fbrner  auch  an  dem  Bei^ 
spiel  Ethik  1094»  22— 1096<^  11^'),  dass  da,  wo  Aristoteles  ^ich  diesetä 
Zuge  flberlässt,  sofort  auch  nicht  bloss  eine  Annäherung  an  platonische 
Form,  sondern  auch  ausdrückliche  platonische  Reminiscenzen  einantreten 
pflegen,  durch  welche  sich  auch  das  allerdings  auffallende,  aber  mit  un- 
recht angefochtene  iupoi  8k  ii  dvSpe^av  1094^  19  erklärt.  Ganz  dazu 
stimmen  nun  aber  auch  die  oben  S.  8  angefahrten  Beobachtungen,  däss 
zu  diesen  Partien  in  der  Politik  heben  anderen  gerade  die  Darstellung 
der  besten  Verfassung  und  der  Abschnitt  über  Untergang  düd  Erhaltnng 


11)  Gegen  letztere  Hypothese  verweist  er  S.  497.  A.  80  einfach  aof  meifae 
Bemerkungen  Her.  L.  S.  a. 

i>)  Dass  »hier  der  Zusammeuhaog  abbrecfaec,  kann  Kh  freilich  tr»ts 
der  ansdrOckliehen  Wiederaufnahme  2.  1095»  13  ff.  von  1094*  1-22  nicht  fin- 
den, denn  in  ihr  wird  doch  durch  r^y  noAtrai^y  (Z.  15)  zugleich  auf  1094*  22 
bis  b  10  zurückgegriffen,  und  nicht  minder  ist  doch  auch  das  Folgende  1094^  Ü 
bis  1095*  1 1  ?ielmehr  fQr  deh  Zusainmenhang  unentbehrlich,  dehn  erst  so  lerneä 
wir  das  Wesen  und  diö  Aufgabe  der  Ethik,  ihre  Methode,  ihre  Stellung  iiä 
Gesammtgebiet  der  Wissenschaften  in  ihi'em  nnt  annähernd  wissensöhafilidetf 
Charakter  nach  der  Auffassung  des  Aristoteles  Tollständig  kennen.  Aber  der 
Einsehob  2.  1095^  31— b  13,  in  welchem  ausdrücklich  auf  Plaiön  zuirackge- 
gangen  und  Verse  des  Hesiodos  citirt  werden,  und  welcher  Oberhaupt  erst 
recht  die  bezeichnete  Ausdrucks-  und  Darstellungsweise  zeigt»  uaterbrleht 
wirklieh  und  zwar  eingestaodenermassen  (1096b  14)  den  Zusammenhang  und 
ist  an  dieser  Stelle  völlig  ungehörig.  Er  ist,  wie  Bamsauer  richtig  empfand, 
eine  Art  von  anderer  Recension  von  1094»  22— b  io,  indem  er  sich  mit  einem 
Theil  des  dort  Gesagten  deckt,  dann  aber  freilich  eine  andere  Wendung  hiiliinf. 
Ich  zweifle  nicht  daran,  dass  beide  Partien  von  Aristoteles  selbst  sind ,  der  in 
seinen  Vorträgen  wahrscheinlich  früher  die  letztere,  später  die  erstere  Ver- 
Bion  gab  und  diese  endgQltig  in  sein  Lehrbuch  aufnahm,  worauf  denn  der 
erste  Redactor  (und  wir  müssen  es  ihm  danken)  aneb  die  letztere  nieht  nm- 
kommen  lassen  wollte  und  daher,  freilich  an  verkehrter  Stelle,  dinfttgte. 


88 

der  Tynimis  gehören,  also  GegensOnde,  bei  denen  sidi  Aristoldes  so 
redit  im  platonischen  Fahrwasser  befindet 

Die  Berliner  Fragmente  Ton  der  Politie  der  Athener  haben 
jetzt  ein  Interesse  nnr  noch  in  Verbindung  mit  dem  neuen,  die  ganse 
gebildete  Welt  bewegenden  Funde  Tom  grOssten  Theile  des  Ganzen, 
leh  flberlasse  daher  die  Besprechung  der  beiden  letzten  Abhandlungen 
aber  sie: 

12)  2kl  den  Berliner  Fragmenten  der  'A&ipßohfv  fmkreia  des  Aristo- 
teles.   Von  Ulrich  Wilcken.   Hermes  XXUL  1888.  8.  464-468. 

13)  E.  Ferrari,  I  frammenti  deUa  politica  di  Aiistotele  nel  p^iro 
GLXin  del  mnseo  di  Berolino,  Padova,  Bandi.  1888.  10  S.  8. 

denjenigen  Beferenten,  welcher  Aber  die  durch  ihn  hervorgerufene  Sint- 
flut von  Lltteratur  statt  meiner  in  diesen  Blättern  Bericht  erstatten  wird, 
während  ich  im  Uebrigen,  so  Gott  will,  die  Berichte  Aber  die  aristo- 
telische Lltteratur  auch  in  Zukunft  noch  fortsetzen  werde. 

Ich  wende  mich  also  zu  den  logischen  Schriften. 

14)  L.  Haas,  Zu  den  logischen  Formalprindpien  des  Aristoteles, 
Burgsteinfurt  1887.  88  S.  8. 

ist  mir  nicht  zugegangen,  so  dass  ich  ftlr  diese  auch  die  Meti^hysik 
angehende  Abhandlung  auf  den  Bericht  von  Zeller  Arch.  U.  S.  279  t 
verweisen  muss.  Sie  ist  nach  demselben  sorgfältig  gearbeitet  und  be- 
schäftigt sich  hauptsächlich  mit  dem  Satz  des  Widerspruchs  in  einer  nur 
zu  wenig  AussteUungen  Anlass  gebenden  Weise.  Dagegen  scheint  der 
sich  hieran  anknflpfende  Versuch  des  Verf.  dem  Aristoteles  noch  ein 
zweites  derartiges  Denkprincip  mit  gleicher  Geltung,  nämlich  den  Satz, 
dass  »Vorstellungen,  welche  als  Theilvorstellungen  des  Denkobjects  er- 
kannt sind,  mit  diesem  zu  verbinden  sindc  (ungefähr  =  nota  notae  est 
nota  rei),  beizulegen  nicht  gelungen  zu  sein,  wenn  auch  Aristoteles  that- 
säcblich  in  seinen  Beweisfährnngen  nach  dieser  Regel  verOhrt.   Auch 

16)  T.  Maguire  Aristotle*s  induction.    Hermathena  XV.    1889. 
8.  1—20 

steht  mir  leider  nicht  zu  Gebote. 

Einzelne  Steilen  der  ersten  und  zweiten  Analytik  sind  von 
Bywater  in  dem  unten  No.  61  aufgeführten  Aufsatz ,  einzelne  der 
Topik  von 

16)  J.  Zahlfleisch,  Zu  Aristoteles  Topik  187*  8—20.  133^  6. 
Zeitschr.  f.  d.  Osterr.  Gymn.  XLI.  1890.  S.  301—304 

besprochen.  Bywater  vermuthet  Anal.  pr.  I,  22.  88*32  ttdpoo  rnfdc^ 
Anal.  post.  H,  4.  91^3  nav  f.  Ijv  (anders  Bonitz)  und  Z.  10  Sn  iar}  (so 


Organon.  Metaphytik.  gg 

vielleicbt  schon  Bo6th.,  anders  wiederum  Bonitz).  Zahlfleisch  be- 
merkt in  Bezug  auf  Top.  Y,  4.  188^  5,  es  Hessen  sich  gegen  die  Bevor^ 
zugnng  des  Codex  B  vor  A  durch  Waitz  die  gewichtigsten  Bedenken 
geltend  machen  (es  wird  abzuwarten  sein,  dass  sie  geltend  gemacht 
werden:  die  Frage  ist  schwierig),  um  so  mehr  aber  verwirft  er  es,  dass 
Waitz  hier  gegen  beide  Codices  ixaripw  vertheidigt.  Man  muss  sich 
aber  billig  yerwundem,  dass  Zahlfleisoh  hier  nur  auf  Waitz  Rflck- 
sicht  nimmt  und  nicht  auf  die  eingehende  Auseinandersetzung  von  Bonitz 
Aristot.  Stud.  lY.  S.  866  f.,  der  es  überdies  für  nOthig  hält  so  zu  schreiben: 
i  C^v  (Z<ixi^  AB)  iartv  ixariptp  [r^]  (r^  AB)  aoiißeßrjxivai.  Femer  Y,  7. 
187*  8—20  bekämpft  Z  ahlfleisch  einerseits  Pacius,  welcher  die  ganze 
Beispielsreihe  12.  olov  —  18.  ^tov  streichen  wollte,  andererseits  wiederum 
Waitz  in  Bezug  auf  dessen  durch  diesen  veranlasstes  Yerfahren  mit  dieser 
Stelle,  indem  er  eine  andere  Erklärung  im  Anschluss  an  ZelTs  lieber- 
Setzung  vertheidigt.    Ich  kann  hier  nicht  auf  diese  Frage  eingehen. 

Dazu  kommen  die  Ausgaben  Bussels  von  der  Einleitung  und  dem 
Commentar  des  Porphyrios  und  dem  Commentar  des  Dexippos  zu  den 
Kategorien: 

17)  Commentaria  in  Aristotelem  Oraeca  edita  consilio  et  auctoritate 
academiae  litterarum  regiae  Borussicae.  Yol.  lY.  pars  I.  Porphyrii 
Isagogen  et  in  Aristotelis  Categorias  commentarium  ed.  A.  Busse. 
Berlin,  6.  Reimer.   1887.  LY,  182  S.  Lex.  8. 

18)  Commentaria  etc.  Yol.  lY.  pars  II.  Dexippi  in  Aristotelis  Cate- 
gorias Commentaria  ed.  Ad.  Busse.   Berlin  1888.   IX,  106  S.  Lex.  8. 

Da  indessen  dieser  Bericht  es  zunächst  nur  mit  Aristoteles  und 
nicht  mit  seinen  Commentatoren  zu  thuu  hat,  da  ferner  ein  auch  nur 
einigermassen  brauchbares  Referat  über  diese  ausgezeichneten  Arbeiten 
einen  beträchtlichen  Raum  einnehmen  und  doch  nur  das  von  ßruns 
(s.  No.  8)  in  dem  seinen  vortrefflich  Dargelegte  wiederholen  würde,  so 
darf  ich  mich  wohl  begnügen  auf  letzteres  zu  verweisen,  in  welchem 
Jedermann,  der  eine  vorläufige  Auskunft  sucht,  dieselbe  in  völlig  ge- 
nügendem Masse  finden  kann.  Mit  Recht  ist  nach  dem  griechischen 
Text  der  Einleitung  auch  die  Uebersetzung  des  BoSthius  in  neuer  Re- 
cension  beigefügt.  Nur  ganz  kurz  sei  auch  hingewiesen  auf  die  ita- 
liänische  Uebertragung  der  Isagoge: 

19)  Porfirio.  Isagoge  o  introduzione  alle  categorie  di  Aristotele 
tradotta  per  la  prima  volta  in  Italiano  e  annotata  da  Ernesto  Passa- 
monti,  Pisa  1889.  XYl,  90  S.  8. 

Sie  schliesst  sich  selbstverständlich  an  die  Ausgabe  von  Busse 
an,  deren  Einleitung  von  dem  Uebersetzer  in  der  seinen  sorgfältig  be- 
nutzt ist.    Dann  werden  zunächst  eine  Uebersetzung  von  Eunapios'  Leben 


90  Aristoteles. 

des  Porphyrios  (S.  8—6)  und  Bemerkungen  zu  demselben  (S.  9-25)  vor- 
aufgeschickt, und  hierauf  folgt  nach  einer  Inhaltsflbersicht  (S.  29 — 32) 
die  Uebersetzung  der  Isagoge  (S.  83—58)  und  der  recht  brauchbare 
Commentar  (S.  67 --90).  Um  über  die  Uebersetzung  urtheilen  zu  kOnnen, 
bin  ich  der  italiänischen  Sprache  zu  wenig  mftchtig. 

Da  die  aristotelische  Lehre  von  der  Materie  doch  zunächst  einen 
Theil  seiner  gesammten  Principienlehre  bildet,  wenn  auch  nur  auf  der 
Orenzscheide  gegen  die  Naturphilosophie,  so  wird  hier  im  Uebergange 
zur  Metaphysik  der  schicklichste  Platz  sein  der  neuesten,  im  höchsten 
Grade  anerkennenswerthen  Behandlung  jener  Lehre  bei 

20)  Clemens  Baeumker,  Das  Problem  der  Materie  in  der 
griechischen  Philosophie,  Münster,  Aschendorff.   1890.  8.  8.210-293 

zu  gedenken.  Einen  Auszug  geben  zu  wollen  ist  aber  wiederum  ebenso 
unmöglich  wie  unnöthig.  Hier  kann  eben  wieder  nur  die  eigene  Lectftre 
dringend  empfohlen  werden^'). 

Ebenso  überflüssig  scheint  mir  an  dieser  Stelle  jedes  nähere  Ein* 
gehen  auf 

21)  Aristoteles  Metaphysik  übersetzt  von  HermannBonitz.  Aus 
dem  Nachlass  herausgegeben  von  Ed.  Well  mann.  Berlin,  O.Reimer 
1890.  lY,  821  S.  8. 

Man  kann  nur  das  Eine  bedauern,  dass  es  nicht  möglich  gewesen 
ist,  eine  neue  Auflage  der  Ausgabe  mit  einigen  zeitgemftssen  Yerbesse- 
mngen  in  Text,  Varianten  und  Commentar  i^^)  zu  veranstalten  und  dieser 
die  Uebersetzung  Seite  für  Seite  beizugeben.  Dann  würde  sich  die 
letztere  erst  recht  bequem  nutzbar  gemacht  haben,  und  das  wäre  hoch 
anzuschlagen  gewesen  in  unserer  jetzigen  Zeit,  in  welcher  man  beinahe 
in  Verzweiflung  geräth  über  Alles,  was  man  lesen  soll  und  mnss.  Der 
Herausgeber  hat  mit  Umsicht  und  Geschick  die  Lücken  des  Manuscripts 
ergänzt,  die  Uebersetzung  nach  dem  Commentar  berichtigt  und  in  kurzen 
zweckmässigen  Anmerkungen  hierüber  und  über  die  erheblichsten  Ab- 
weichungen von  dem  überlieferten  Text  Auskunft  gegeben.  Uebrigens 
vergl.  die  Anzeigen  von  Wohlrab  Litt.  Centralbl.  1891.  Sp.  371  f., 
Döring  Woch.  f.  kl.  Ph.  XI.  1891.  Sp.  617  —  619,  Natorp  Philoö. 
Monatsh.  XXVII.  1891.  S.  620f. 


i<)  Auch  Dumm  1er  ertbeilt  in  seiner  schon  A.  5  angeführtes  Recen- 
sion  voD  Baeumker's  Buch  Berl.  ph.  Woch.  XL  1891.  Sp.  339—^42.  370-376 
diesem  Abschnitte  desselben  seinen  vollst&ndigeu  Beifall. 

18b)  Dass  es  auch  für  diesen  trotz  all  seiner  Vorzflglichkeit  nachgerade 
hie  und  da  derselben  bedarf,  wird  ja  wohl  hoffentlich  Niemand  mehr  leugnen. 
Auf  einzelne  Irrthümer  habe  ich  Woch.  f.  kl.  Ph   IV.  1887.  8p.  6  ff.  hinge- 
wiesen.    Im  Uebrigen  s.  die  folgende  Besprechung  von  Natorp's  Abh. 


Metaphysik.  91 

Die  sebarfsinnige  und  gründliche  Abhandlung 

22)  Thema  und  Disposition  der  aristotelischen  Metaphysik.    Von 
P.  Natorp.    Philos.  Monatsh.  XXIY.  1888.  S.  86—66.  540—674 

hat  das  grosse  Verdienst,  dass  Natorp  in  ihr  einer  Reihe  wichtiger 
Fragen  scharf  ins  Gesicht  blickt,  welche  bisher  theils  ttberhaupt  noch 
nicht,  theils  wenigstens  noch  nicht  mit  der  nöthigen  Bestimmtheit  und 
Entschiedenheit  aufgeworfen  waren.  Aber  über  seinen  Lösungsversuch 
hatte  Ich  mir  bereits  ungefähr  dasselbe  ürtheil  wie  Zeller  gebildet, 
bevor  ich  noch  dessen  Entgegnung  Archiv  für  Geschichte  der  Philo- 
sophie n.  S.  264  -  271  (vergl.  oben  No.  6)  las.  Die  Grundfrage 
besteht  in  dem  unleugbaren  Widerspruch,  dass  die  npayrr^  ipikoaoipta 
einerseits  die  Lehre  vom  Seienden  als  solchen  oder  von  der  Substanz 
und  doch  andrerseits  wieder  nur  die  von  der  höchsten  Substanz 
oder  von  Gott,  einerlei  also  mit  BeoXoyexi^^  sein  soll.  Natorp  glaubt, 
Aristoteles  könne  diesen  Widerspruch  nicht  begangen  haben,  und  ent- 
fernt daher  Tor  aUen  Dingen  das  betreffende  Sfttzchen  VI,  1.  1026*  18  f. 
uMns—BeoXopxi^  nebst  21  f.  xal—elvue^*).  Zeller  dagegen  zeigt,  dass  dieser 
Widerspruch  gerade  der  Grundwiderspruch  der  ganzen  aristotelischen 
Philosophie  ist,  dass  diese  Satzglieder  sich  ferner  gar  nicht  entbehren 
lassen,  dass  Natorp  die  ganze  Stelle  von  Z.  10  ab  falsch  erkl&rt,  und 
dass,  auch  wenn  man  (s.  u.)  das  ganze  6.  Buch  dem  Aristoteles  ab- 
sprechen wollte,  doch  der  Sache  nach  Dasselbe,  nur  ohne  den  Namen 
BeoXoyexi^^  auch  schon  A.  2,  982^  28  ff.  983*  6  ff.,  desgleichen  im  12.  Buch 
und  Psych.  I,  1.  403^  9  ff.  gelehrt  wird.   Eng  mit  dieser  Grundanschauung 

1«)  In  Z.  14  entscheidet  sich  Natorp  S.  48f.  A.  18  mit  Christ  fAr 
Schwegier's  Conjectur  x^ptarä,  obgleich  er  einsieht,  dass  mit  ihr  eine  neue 
Schwierigkeit  an  die  Stelle  der  alten  gesetzt  wird,  vielleicht  eine  grössere, 
wie  gerade  aus  dem  künstlichen  Versuche  Natorp' s  sie  zu  beseitigen  hervor- 
gehen könnte.  Der  natflrliche  Sinn  der  ganzen  Stelle  kann  meines  Erachtens 
nur  sein:  die  Gegenstände  der  Physik  sind  nngetrennt  uod  bewegt  (d.  h.  ab- 
gesehen von  den  Gestirnen  auch  veränderlich,  wandelbar),  die  der  (reinen) 
Mathematik  (rijg  dk  fia^fiaTu^i  iuta)  zwar  unbewegt,  aber  doch  nicht  eigent- 
lich getrennt  (od  x^P^^o.  d'  tawg)^  die  der  Metaphysik  sowohl  unbewegt  als 
getrennt  (denn  dies  bedeutet  hier  Z.  16  xal  —  xal  und  nicht  »auch  --  undc, 
wie  Natorp  S.  49  will,  s.  Zeller  8  269),  d.  h.  wenn  man  x^ptaröiß  mit 
Natorp  als  »getrennt  (oder  richtiger  trennbar)  vom  Stoff lichenc  auffassl. 
Allerdings  aber  hätte  es  dann  vielmehr  dxatptara  xal  dxit^ra  heissen  mOssen, 
ond  80  ist  denn  doch  wohl  Schwegier's  Vermuthung  richtig,  nur  aber  mit 
der  Erklärung  Zell  er 's  S.  267.  A.  1,  nach  welcher  x'^ptoröv  nur  das  FOr- 
sichseiende  oder  Substanzielle  bedeutet,  denn  so  sind  freilich  auch  die  körper- 
lichen Dinge,  wenn  auch  nur  in  zweiter  Linie,  als  ywptüxd  zu  bezeichnen. 
Mit  Recht  aber  nimmt  Natorp  Anstoss  an  älX  ätg  iv  dX^,  das  doch  wohl 
kaum  beieichnen  kann,  dass  nur  unsere  Abstraction  diese  Gegenstände  vom 
physikalischen  Körper  trennt.  Sollte  also  nicht  dieser  Zusatz  au  streichen  seinV 


92  Aristoteles. 

Natorp's  hängt  es  nun  aber  auch  zusammen,  wenn  er  sieh  die  eigent- 
liche Metaphysik  so  construirt,  dass  nach  den  einleitenden  Büchern 
A  B  r  die  wesentliche  Masse  durch  Z  H  0  und  M  N  A  gebildet  werde, 
dergestalt,  dass  sogar  wirklich  alle  Aporien  hiermit  erledigt  sein  sollen. 
Zu  einem  ähnlichen  Ergebniss  war  schon  Christ  gelangt,  nur  dass  dieser 
noch  E  stehen  Hess  und  Z  als  ursprünglich  für  sich  ausgearbeitet  be- 
zeichnete. Allein  wiederum  hat  Zell  er  wenigstens  für  mich  überzeugend 
dargethan,  dass  M  N^  wenn  überhaupt  anfänglich  für  den  Zusammenhang 
der  Metaphysik  geschrieben,  doch  später  von  Aristoteles,  indem  er  bloss 
A,  9  für  denselben  aus  ihnen  herausnahm,  aus  ihr  ausgeschieden  wurden 
und  als  eigene  Abhandlungen  nur  noch  eine  ergänzende  Bedeutung  für 
sie  behielten,  ähnlich  wie  für  die  Rhetorik  das  jetzige  8.  Buch  der 
letzteren,  also  ganz  richtig  ihre  Stelle  als  Anhang  am  Schlüsse  bekommen 
haben,  und  dass  allerdings  das  12.  Buch  (^i),  jedoch  nur  dem  Inhalt 
des  zweiten  Theils  und  nicht  der  Form  nach,  den  Schlussstein  der  Meta- 
physik bildet,  aber  doch  von  Aristoteles  noch  nicht  für  sie  geschrieben 
ist.  Auch  dies  Buch  steht  folglich,  wenn  es  einmal  zur  Ergänzung  für 
das  unvollendete  Werk  gebraucht  werden  sollte,  an  seinem  richtigen 
Platze,  und  mit  gleichem  Becht  ist  unter  derselben  Voraussetzung  ihm 
das  10.  (I)  voraufgeschickt.  Die  Einschiebung  nicht  bloss  der  beiden  un- 
ächten  Bücher  II.  XI,  (aK)y  sondern  auch  des  an  sich  ächten  Compen- 
diums  J  ist  natürlich,  wann  immer  sie  geschehen  sein  mag,  eine  grobe 
Verkehrtheit,  und  so  sind  wir  denn  zunächst  auf  die  Brandis-Bonitzsche 
Ansicht  zurückgeworfen,  dass  uns  die  eigentliche  Metaphysik,  so  weit 
Aristoteles  sie  ausgeführt  hatte,  in  A  B  F  E  Z  H  0  {!)  vorliege.  Allein 
nicht  blos  darin  stimme  ich  Natorp  bei,  dass  das  letzte  Capitel  von  B 
mit  Christ  als  Interpolation  anzusehen  ist,  und  dass  das  10.  Buch  (I) 
eine  selbständige  Abhandlung  war,  welche  Aristoteles  zu  einem  Theile 
der  Metaphysik  umzuarbeiten  durchaus  nicht  die  Absicht  hatte,  sondern 
ich  komme  ihm  auch  darin  nahe,  dass  ich  vom  6.  (£),  wenn  es  wirklich, 
wie  ich  glaube  und  vom  1.  Cap.  auch  Natorp  glaubt,  von  Aristoteles 
ist,  etwas  Aehnliches  annehme.  Indessen  zeigt  Zeller,  dass  immerhin 
schon  Theophrastos  es  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  an  seinem  jetzigen 
Orte  kannte,  und  auch  wenn  man  es  aus  demselben  entfernt,  fehlt  doch 
der  formale  Anschluss  von  Z  an  i^  ^  I\  Dass  die  RecapituUition  im 
Anfang  von  9  femer  eine  andere  Abfolge  der  Capitel  in  Z  voraussetzt, 
bemerkte  schon  Essen,  und  allem  Anschein  nach  hat  Natorp  die 
richtige  hergestellt:  1^6.  10—14  (nebst  Schlusssatz  von  16).  17.  7—9. 
16.  16,  aber  er  selbst  nennt  dies  doch  nur  (S.  566)  »eine  wenigstens  e^ 
trägliche  Gliederung«.     Mir  scheint  endlich  Schwegler^*)  annähernd 


1*)  Schwegler'8  Ausg.  der  Metaph.  hat  das  Unglück  gehabt  sehr  bald 
nach  ihrem  Erscbeioen  durch  die  von  Bonitz  übertroffen  und  in  den  Schatten 
gestellt  zu  werden,  und  darüber  ist  der  bleibende  Wertb,  welchen  sie  trotz 


Metaphysik.  98 

Recht  darin  zu  haben,  das  8.  Boch  (ß)  bezeichne  sich  zwar  als  Fort- 
setzung des  7.,  sei  aber  in  Wahrheit  mehr  eine  andere,  nnd  zwar  frag- 
mentarische Bearbeitung  derselben  Gegenstftnde,  wenn  es  sich  auch  da- 
durch unterscheide,  dass  es  gern  die  Begriffe  ßhj  und  slSo^  mit  Suuaiuc 
und  iydpyeea  vertausche,  und  insofern  allerdings  die  Brttcke  zum  9.  Buch 
bilde.  Wirklich  endgültig  ausgearbeitet  waren  also  von  Aristoteles  wahr- 
scheinlich nur  erst  die  drei  einleitenden  Btkcher  ABF.  Mit  diesen 
allerdings  erheblichen  Modificationen  wird  sonach  an  dem  Ergebniss  von 
Brandis  festzuhalten  sein.  Auch  mit  Hinzunahme  von  A  M  N  sind  nicht, 
wie  Natorp  nachzuweisen  sucht,  alle  in  B  aufgeworfenen  Probleme  ge- 
lost. Dass  es  gerade  in  Bezug  auf  die  wichtigste  dieser  Aporien:  »Gegen- 
stand der  Erkenntniss  ist  das  Allgemeine,  und  doch  ist  das  Wirkliche 
Einzelsttbstanzc  nicht  der  Fall  ist,  muss  im  Grunde  Natorp  selbst 
(S.  660)  zugeben.  Er  hat  ja  Recht:  gelöst  ist  sie  eigentlich  in  der 
aristotelischen  Philosophie  überhaupt  nicht;  allein  es  fehlt  ja  in  unserer 
Metaphysik  auch  deijenige  Lösungsversuch,  den  Aristoteles  von  seinen 
Voraussetzungen  aus  folgerichtig  geben  musste,  siehe  darüber  Ber.  L. 
S.4ffJ«) 

In  Bezug  auf  das  U.  Buch  {K)  gehöre  ich  zu  Dei^jenigen,  welche 
dasselbe  auch  seinem  ersten  Theile  nach  für  unächt  halten,  für  einen 
paraphrasirenden  Auszug  desselben  Peripatetikers  aus  B  F  E,  dessen 
Werk  auch  der  zweite  Theil,  das  Excerpt  aus  der  Physik,  ist,  und  nicht 
für  einen  Entwurf  des  Aristoteles  zu  jenen  drei  Büchern.  Um  so  er- 
freulicher ist  mir  die  eindringende  Beweisführung  Natorp^s  in  einer 
zweiten  Abhandlung: 

23)  Ueber  Aristoteles*  Metaphysik  Af,   1—8.   1066*  26.    Arch.  f. 
Gesch.  d.  Philos.  I.  1888.  S.  178-198, 

wenn  ich  auch  nicht  gerade  jedes  Wort  unterschreiben  möchte.    Durch 


ihrer  Mftogel  neben  der  letzteren  behält,  noch  heute  nicht  zu  seiner  wohlver- 
dienten  Anerkennung  gekommen.  Man  sieht  dies  wieder  einmal  recht  deut- 
lich daran,  dass  Natorp  die  allerdings  richtige,  jedoch  schon  von  Seh  wegler 
vorgeschlagene  Umstellung  von  IV,  2.  1004*  2  xaJ— 9  fioä^ftamp  ?or  1003^  19 
dKa¥TO£  als  etwas  ganz  Neues  vorträgt,  nachdem  Christ,  gleichfalls  ohne 
jenen  Fingerzeig  Schwegler's  zu  berücksichtigen,  zu  1008 1>  22  schrieb: 
»ab  Bld&¥  primum  scriptor  ad  lOOi*  2  transiisse  videtur  omissis  quae  inter- 
iecta  sunt  et  xal  rd  iy  1004«  6c . 

i<)  Gleich  der  Gottheit,  den  Gestimgeistem  und  den  ewigen  Theilen 
der  Menschenseelen  sind  auch  die  an  die  Stelle  der  platonischen  Ideen  tre- 
tenden ewigen  Formen  aller  Arten  von  EIrdendingen ,  also  alle  substanziellen 
Gegenstände  der  Erkenntniss  zugleich  allgemein  und  einzeln.  Die  letzteren 
sind  freilich  nur  A6r^  ;|fa»/>c<rr<£  (Met.  VllI,  1.  1042»  26  ff.),  aber  damit  hören 
sie  ebensowenig  auf  Substanzen  zu  sein  wie  die  an  ihre  ätherischen  Körper 
gebundenen  Gestimgeister:  x^P^^^  bedeutet  hier  »trennbare  im  engeren  Sinne. 


94  Aristoteles. 

die  Annahme,  dass  beide  Stflcke  von  demselben  Excerptor  herrOhren, 
scheint  es  sich  mir  am  Leichtesten  zu  erklären,  dass  in  so  ganz  an- 
passender Weise  auch  das  zweite  hierher  gerieth,  und  was  Natorp 
S.  193  gegen  dieselbe  bemerkt,  beweist  Nichts  weiter,  als  dass  freilich 
Christ  mit  Unrecht  an  einen  inneren  Zusammenhang  zwischen  beiden 
Theilen  glaubt.  Es  ergiebt  sich  nun  hieraus,  dass  allem  Yermnthen  nach 
dieser  Peripatetiker  B  F  E  in  ununterbrochener  Folge  vor  sich  hatte 
und  J  also  damals  noch  nicht  zwischen  /'  und  E  eingefllgt  war.  Wohl 
aber  fand  dieser  wahrscheinlich  ziemlich  alte  Peripatetiker,  wie  Natorp 
selbst  in  der  ersteren  Abb.  S.  66  hervorhebt,  sonach  nicht  bloss  wahr- 
scheinlich, sondern  sicher  £  schon  am  jetzigen  Platze  und  las  dort 
1.  1026*  18  f.  bereits  (7  1064^  1  ff.)  jene  von  Natorp,  wie  gesagt,  ver- 
geblich verdächtigten  Worte,  so  dass  auch  dies  einen  erheblichen  An- 
halt zu  ihrer  Yertheidigung  giebt,  wenn  es  eines  solchen  überhaupt  noch 
bedOrfte. 

Eine  Reihe  einzelner  Stellen  ist  in  den  Aufsätzen 

24)  Zu  Aristoteles'  Metaphysik.    Von  J.  Zahlfleisch.    Zeitschr. 
f.  d.  österr.  Gymn.  XXXVIII.  1887.  S.  249—252, 

25)  Zu  Aristoteles'  Metaphysik.    Von  J.  Zahlfleisch.    Ebendas. 
XL.  1890.  S.  973  -977, 

26)  Bemerkungen  zu  Aristoteles'  Metaphysik.  Von  Göbel.    Soest 
1889.  4.   (Gymnasialprogramm).  S.  8— 12 

abgehandelt.  In  dem  zweiten  derselben  beschränkt  sich  Zahlfleisch 
auf  Ay  in  dem  ersten  bewegt  er  sich  besonders  gegen  Schwegler  inner- 
halb Z.  Göbel  befasst  sich  voll  Sachkenntniss  und  gutem  Urtheil  mit 
A  B  r  ä  Z  I.  Zeller  in  seiner  Besprechung  von  Christ's  Ausgabe 
a.  a.  0.  S.  260 — 264  theilt  eine  Reihe  von  kritischen  Bemerkungen  za 
A  I  A  mit.    Ich  gebe  danach  folgende  Uebersicht. 

A,  1.  981^  5.  Zahlfleisch  müht  sich  aufs  Neue  ab  das  lieber 
lieferte  zu  vertheidigen,  m.  £.  vergeblich:  ich  halte  den  sehr  einfachen, 
von  mir  gemachten  Verbesserungsvorschlag  ao^wrepous  (^tooq  awp^ 
Tipoog\  durch  den  zugleich  jeder  Anlass  zu  weiteren  kritischen  Experi- 
menten schwindet ^^),  für  weit  sachgemässer  als  alle  solche  Künsteleien.-^ 
26.  tüpvjToi  —  29.  i^dvreQ  soll  nach  Zahlfleisch  für  den  Zusammen^ 
hang  (den  es  vielmehr  verdunkelt)  unentbehrlich  sein:  ich  habe  Ben 
XXX.  S.  25.  XLII.  S.  18.  A.  26  den  Grund  dargelegt,  der  aber  freilich 
wiederum  noch  nicht  bis  zu  Zahlfleisch  durchgedrungen  ist^^),  wess- 


17)  Ob  man  2  ro^;— 5  i&o^  als  ursprünglich  festhalten  oder  als  späteren 
Znsatz  des  Aristoteles  ansehen  soll,  lasse  ich  jetzt  dahingestellt. 

1®)  Leider  auch  nicht  bis  zu  £.  Well  mann.  Auch  meine  Vermuthang 
XU  Z.  b  ist  Ber.  XXX.  8.  25  und  an  einem  andern,  ebenso  wenig  entlegenea 


M«t*ph78lk.  95 

halb  dieser  Zusatz  eines  Redactors  saohlieh  falsch  ist  —  2.  082*  18. 
Zahlfleisch  vertheidigt  mit  nicht  mehr  Glück  (was  ich  hier  freilich 
nicht  beweisen  Icann)  das  von  Baumann,  Gomperz,  Christ  mit 
Recht  gestrichene  rwv  ahewu,  —  ^16.  Wenn  Aristoteles  wirklich  hier 
anch  die  andern  Gestirne  genannt  hat,  so  ist  freilich  mit  Zahlfleisch 
ans  £  xal  nsp}  äarpa  zn  schreiben,  aber  ich  bezweifle  sehr,  dass  ihm 
die  Rechtfertigang  dieses  Zusatzes  gelungen  ist  —  3.  984*  14.  [xaBdnsp 
odwp  xal  nup]?  Susemihl  Ausg.  der  Oekon.  S.  87.  Zeller  in  der 
unter  No.  4  besprochenen  Abb.  S.  1337  sucht  diese  Worte  durch  fol- 
gende Erklärung  zu  halten:  tAnaxagoras  behauptet  von  allen  gleich* 
theiligen  Körpern  das,  was  nach  Empedokles  nur  von  den  Elementen, 
wie  Feuer  oder  Wasser,  giltt,  ist  aber  selbst  in  Zweifel,  ob  diese  Er- 
kiärung  möglich  sei.  —  16.  änXa^c  (f.  dX^cjc)  Zell  er.  —  4.  985^  9.  xa- 
y^y  (i^TToy^  Zell  er  nach  Theophr.  b.  Simpl.  Phys.  p.  28,  11  ff.  —  6. 
987*26.  npwxtp  Göbel  (ist  das  nöthig,  und  wenn  ja,  dann  nicht  viel- 
mehr nputroi^?).  —  6.  987^22.  <xa<>  rouc  dpi^fiouc  Asklep.  (vielleicht 
anch  schon  Plotiu.  Y,  4,  2.  618  A),  zweifebd  gebilligt  von  Susemihl 
a.  a.  0.,  entschieden  empfohlen  von  Göbel,  s.  indessen  Zeller,  wel- 
cher bei  [vä  £%]  bleibt.  -  28.  [iv]  oder  weniger  wahrscheinlich  (fj)  iv 
Göbel  (wohl  mit  Recht).  -  34.  [£$w  xiuv  npwrwv]  Zeller  (wohl  mit 
Recht).  —  8.  990*  16  f.  Uyauat  nsp\  rtt/y  aloBi^rtuv^  Mkv  fiäXXov  ^  nepl  vw¥ 
pta&i)fjLarcxu)v  kiyooat  awp.dT<o¥  Göbel  (mindestens  sehr  beachtenswerth). — 
24  ff .  Zeller  bleibt  bei  seinen  früheren  Vorschlägen  (vgl.  auch  Su- 
semihl a.a.O.),  es  fragt  sich  aber  zum  Wenigsten  sehr,  ob  nicht  jetzt 
vielmehr  Göbel's  Umstellung  von  27  8tä  rb  —  ixdffrotg  vor  24  Sri  das 
Richtige  getroffen  hat.  ~  9.  992*  20  f  [ood^dpi^puds]  Zeller.  —  29. 
räQ  (aUa^y  Susemihl  (vgl.  £*,  996*38),  r^c  (jroiT^rtxägy  Zell  er  (vgl 
IX,  2.  1046^3):  ich  ziehe  auch  jetzt  noch  das  Erstere  vor.  —  10.993* 
19 f  Göbel  will  aus  £  aapxbc^  aus  A^  fii^Sevdg  behalten,  die  Genetive 
von  röit  koyoy  abhängig  und  Ixcunov  zum  Prädicat  machen  (mir  nicht 
aberzeugend,  ich  glaube  mit  Christ  an  eine  starke  Yerderbniss).  — 
B,  2.  996*33.  abvä  Göbel  (richtig).  -  4.  1004^  14  ff.  Ob  Göbel  die 
Yerse  des  Empedokles  richtig  erklärt,  kann  hier  nicht  untersucht  wer- 
dett.  —  /;  2.  1003^  21  ff.  Natorp  (Monatsh.  XXIV.  S  44  f.  A.  11)  prote- 
stirt  mit  vollstem  Recht  gegen  die  Aufnahme  von  21  ^  ov  aus  A^  hinter 
Sino^  und  (wie  schon  Schuppe,  Die  aristot.  Kateg.  S.  83  Anm.)  gegen 
die  von  vä  da  aus  Alex,  statt  rd  Te,  verlangt  1004*  6  die  Herstellung 
von  fyw  aus  A^  yp.  Alex,  und  vermuthet  dann  hier  r^  Sv  [xai  rö  iv] 


Ort,  D&mllcfa  hinter  meiner  Ausg.  der  Oekon.  su  finden.  Wer  Qber  diese  Dinge 
schreiben  will,  sollte  doch  zum  Allerwenigsten  erst  diese  Berichte  und  den 
Teubnerschen  Aristoteles,  so  weit  er  erschienen  ist,  sur  Hand  nehmen.  Ckrist's 
Ausg.  der  Metaph.  scheint  auch  Göbel  noch  unbekannt  su  sein,  während 
2ahlfleiseh  sie  beautst. 


96  Aristoteles. 

im  Anschlnss  an  Christ  (zn  1003^  22),  Alles  mit  gleichem  Recht.  Nicht 
minder  mit  gutem  Grunde  zweifelt  er  (S.  41.  A.  6)  daran,  ob  Alex,  selbst 
das  von  Bonitz  und  Christ  aus  ihm  eingeschobene  xou  rJiv  roorotc 
dvTixeifidifwif  1003^  86  gelesen  hat,  und  findet,  dass  die  auch  von  Suse - 
mihi  a.  a.  0.  verdächtigten  Worte  1003^  86  a^^döv  —  1004*2  ivav- 
TcMv  hier  nicht  recht  am  Platze  seien.  Endlich  (S.  46.  A.  18)  verlangt 
er  wiederum  gleich  Susemihl  die  Tilgung  von  1004*  32  Sn€p—iX£;[Bij 
nach  A^  und  ]rp,  rc.  E.  Ausserdem  beweist  er,  dass  1004*  2  xa2  —  9 
/iv^fAüfftv  (nach  Schwcgler^si*)  Vermuthung)  unmittelbar  vor  1003^  19 
SnaißTo^  umzustellen  sind.  —  4.  1006*  26 — 28.  Göbel  sucht  zu  zei- 
gen, dass  nur  die  letzten  Worte  Sjore  —  fyot  beseitigt  werden  müssen, 
die  ersten  aber  ÜElr  den  Zusammenhang  nicht  zu  entbehren  seien.  Dieser 
Versuch  hat  von  vornherein  alle  Wahrscheinlichkeit  gegen  sich,  denn 
da  der  Zusatz  ganz  in  A^  steht  und  ganz  in  £  fehlt,  verlangt  eine  ge- 
sunde Methode,  dass  er  entweder  ganz  erhalten  oder  ganz  gestrichen 
wird;  dieser  Versuch  scheitert  aber  auch  schon  daran,  jedoch  keines- 
wegs bloss  daran,  dass  so  Z.  29  nicht  ody,  sondern  umgekehrt  yäp  am 
Platze  wäre,  wogegen  o5v  nach  Tilgung  des  ganzen  Einschiebsels  richtig 
den  erst  hier  beginnenden  indirecten  Beweis  einleitet  —  J,  2.  1013^  25. 
Oöbel  vertheidigt  mit  Grund  die  Lesart  rä  S'  äXXa,  —  1014*  7. 
Göbel  will  mipä  vertheidigen,  schwerlich  mit  Erfolg.  —  15.  1021*5. 
Göbel  sucht  den  Anstoss,  den  Bonitz  an  6  yhp  dpSfihg  ai»yipjsx(>aQ 
nimmt,  zu  beseitigen.  --  £,  1.  1026*  15  [d^^^-S^jj^]?  Susemihl,  s.  oben 
A.  14.  —  Z,  1.  1028*  32.  Göbel  zeigt,  dass  xa\  ipbati  aus  H^  vor  xa2 
Uyifi  einzusetzen  ist*).  —  4.  1026*»  21  f.  [Söt— fv].  27  f.  [r/ ij''""^"^^^' 
äwu\  29.  1080*  3.  [^  r^— i^  o&]  Natorp  (8.  663.  A.  61)  mit  vollem 
Recht  —  8.  1083^  15.  21  ff.  Auf  die  (ttbrigens  richtigen)  Bemerkungen 
von  Zahlfleisch  gegen  Schwegler  kann  ich  hier  nicht  eingehen.  — 
1034*  17  f.  Vergeblich  sucht  Zahlfleisch  naX  rh  nop  an  diesem  Platse 
zu  vertheidigen.  —  21.  Richtig  vertheidigt  er  dagegen  Jj  ix  iidpooQ»  — 
10.  1036^33.  Zahlfleisch  irrt:  Bonitz  hat  richtig  xa\  r^c  S^c  ver- 
doppelt. —  1086*6.  Zahlfleisch  irrt  wiederum:  es  ist  jetzt  richtig 
xartXBovxeQ  aus  E  A^  hergestellt  —  12.  1037^  21.  Hier  hat  Zahl- 
fleisch gegen  Schwegler  Recht  —  13.  1038^23.  Hier  gilt  ein  Glei- 
ches, aber  mit  Recht  ist  elSei  von  Brand is  gestrichen.  Fttr  das  von 
Bonitz  getilgte  obaia  vermuthet  Innes,  wie  schon  Ber.  L.  S.  6  be- 
merkt ist,  oZaa.  —  16.  1040*  14—21.  Die  Auseinandersetzung  von 
Zahlfleisch  lässt  sich  nicht  in  der  Kürze  wiedergeben  und  besprechen.  — 
32.  Zahlfleisch  verwirft  die  Aufnahme  von  del  vor  ^avg  aus  H^: 


»)  8.  A.  16. 

SO)  Dies  ist  sicher  in  Hb  keine  blosse  alte  Coigectnr.  Also  ist  Hb  un- 
abhängig von  £  und  Ab  and  muss  folglich  neben  beiden  flEkr  die  Herstellung 
des  Textes  mit  herangeiogen  werden.    Ein  Gleiches  dOrfte  von  T  gelten. 


Metaphysik.  NatnrwineBSchaftl.  Schriften.  97 

ffrfj  soll  heissen,  dass  die  Sonne  sieh  über  den  Horizont  oinherbewegt, 
favJT,  dass  sie  aufgeht  Aber  ist  das  möglich?  —  9,  8.  1047*9.  Auch 
Zeil  er  hfllt  die  Lesart  Ton  T  ire  a»c  für  die  wahrscheinlich  richtige.  — 

4.  1047  b  3.    Zell  er  hält  an  seiner  Sitznngsber.  der  Berl.  Akad.  1882. 

5.  165  f.  entwickelten,  von  Christ  nicht  erwähnten  und  auch  von  mir 
ftbersehenen  Vermuthung  el  d'  iazl^  rb  elpr^fUvov^  Suvarbv  ^  (dSuvarov 
fi^y  dxoXoü&6(  mit  gutem  Grunde  fest  —  /,  1,  1053*  18.  [xal  ^  nXsi/pd] 
xax  ^yibvi  nvd,  oiov  xb  di^Xiov  Göbel  nach  den  Spuren  von  A^  und 
vielleicht  Pseudo  -  Alex,  (was  in  unseren  Texten  steht,  ist  jedenfalls  ver- 
kehrt). —  ii,  1.  1069»  soff.  Von  den  beiden  durch  Averroes  (s.  Ber. 
XLVI.  S.  248)  erhaltenen  Lesarten  bei  dem  ächten  Alex,  trifft  die  eine, 
welche  Z.  80  f.  ^  p.hv  ^Baprii  und  Z.  82  ^  8*  dßtog  giebt,  mit  der  Con- 
jectur  Christas  zusammen,  aber  mit  Alex,  ziehen  Freudenthal  und 
Zell  er  richtig  die  andere  vor,  welche  dort  ^  fiky  ^ßapr^  fj  S*  deSeoQ 
hat  und  hier  i^  6*  dcBtog  weglässt  —  6.  1070^  31.  dvbpwmp  avBpwnoQ 
(was  nicht,  wie  Christ  angiebt,  Bonitz,  sondern  Zeller  zuerst  ver- 
muthete)  ist  durch  den  ächten  Alex,  bestätigt  —  1074»  12.  uXij  <9)  ^^^ 
Zell  er.  —  20.  Zeller  empfiehlt  rä  mit  A^  wegzulassen.  —  6.  1071^ 
34.  odS'  <,e/  (odt.y  rijv  alr/av  Zeller,  ob8k  <to5  io8iy  Ti)v  ahtav 
Schwegler  schon  vor  Christ  —  10.  1075»  19ff.  Zeller  erklärt  sich 
dagegen,  dass  Christ  19  dW  ~  28  iarev  zwischen  Asterisken  ge- 
setzt hat,  vermuthet  aber,  dass  22  dp^i^  hinter  23  ^^uaiQ  umzustellen 
sein  möge. 

Noch  ist  kurz  die  Ausgabe  vom  Commentar  des  Asklepios  zu 
den  sieben  ersten  Büchern  zu  erwähnen: 

27)  Commentaria  in  Aristotelem  Graeca  edita  consilio  et  auctoritate 
acad.  litt.  reg.  Boruss.  Y.  VL  P.  IL  Asclepii  in  Aristotelis  Metaphysi- 
corum  libros  A — Z  commentaria.  Ed.  Michael  Hayduck.  Berlin, 
G.  Reimer.    1888.    VII,  605  S.  Lex.  8. 

Hayduck  hat  zur  Herstellung  des  Textes  neben  drei  jüngeren 
Handschriften  namentlich  eine  ältere  Pariser  1901  (A)  aus  dem  13.  Jahr- 
hundert benutzt,  übrigens  bei  dem  sehr  geringen  Werth,  welchen  dieser 
Commentar  wie  überhaupt  so  auch  für  den  Text  der  Metaphysik  hat, 
sich  mit  Fug  begnügt  die  von  Asklepios  wörtlich  aus  derselben  ange- 
fahrten Stellen  gesperrt  drucken  zu  lassen,  was  ihm  von  seinem  Receu» 
senten  Herr  Rev.  crit  1888.  II.  S  101  f-  einen  auch  durch  die  von 
diesem  zusammengestellten  Proben  einiger  Varianten  dieses  Commentators 
kaum  gerechtfertigten,  jedenfalls  unnöthig  hämischen  Tadel  zugezogen 
hat  Am  Meisten  von  Bedeutung  ist  Asklepios  noch  für  die  von  ihm 
angeführten  Stellen  aus  dem  Commentar  des  Alexandres;  leider  sind 
unter  ihnen  nur  sehr  wenige  aus  den  späteren,  uns  nicht  mehr  erhaltenen 
Büchern. 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft  LXVU.  Bd.  (1S91.  L)  7 


98  Aristoteles. 

Namentlich  auf  die  Metaphysik  und  die  Psychologie  be- 
ziehen sich: 

28)  Bernh.  Weber,  De  oMag  apud  Aristotelem  notione  einsqne 
cognoscendae  ratione,  Bonn  1887.  8.   Doctordiss.  32  S.  8.  und 

29)  Henry  Pierre  Cazac,  Pol^miqne  d'Aristote  contre  la 
th^orie  Platonidenne  des  id^es.  Essai  phflosophiqne  snivi  d'^claircisse- 
ments  sor  quelques  points  du  P^ripat^isme.   Tarbes,  Crohar^.  78  S.  8. 

Aber  die  erstere  dieser  beiden  Abhandlungen  ist  sehr  unbedeutend, 
und  auch  aus  der  letzteren  ist  für  Beigenigen,  welcher  namentlich  den 
deutschen  Arbeiten  gefolgt  ist,  wenigstens  kaum  noch  etwas  Neues  zu 
lernen,  und  ein  Solcher  wird  überdies  schwerlich  in  der  Lage  sein  allen 
Auseinandersetzungen  des  Verf.  beistimmen  zu  können. 

Und  so  kommen  wir  denn  zu  den  naturwissenschaftlichen 
Werken.  Ein  neuer  Codex  aus  dem  13.  oder  spätestens  14.  Jahrb.  von 
den  Schriften  nepl  obpavou^  nep\  yeveasw^  xal  ^Bopa^^  nspl  (jfo^^Q  hat 
sich  in  Philippopel  im  Besitz  eines  Privatmannes  gefunden.  Der  Ent- 
decker 

30)  Peter  N.  Papageorg,  Ein  neuer  Kodex  des  Aristoteles. 
Berl  phil.  Wochenschr.  YIL  1887.  Sp.  482 

hat  zunächst  kurz  darüber  Mittheüung  gemacht,  daon 

81)  Georgios  Konstantinides,  Ein  neuentdeckter  Codex  des 
Aristoteles.  Jahrb.  f.  Phil.  CXXXY.  1887.  S.  214-218 

eine  ausfahrliche  Beschreibung  gegeben.  Leider  war  ihm  in  Philippopel 
keine  andere  Ausgabe  als  die  Tauchnitzsche  zugänglich,  und  so  konnte 
es  nicht  anders  sein,  als  dass  er  den  Werth  dieser  Handschrift  stark 
überschätzt  hat  Aus  seinen  Angaben  erhellt,  dass  sie  in  der  Psycho- 
logie eine  Zwillingsscbwester  von  V  und  folglich  überflüssig  ist'^),  und 
im  Anfang  von  ntp\  oltpavoo  bietet  sie  Nichts  dar,  was  nicht  entweder 
auch  in  anderen  Codices  steht  oder  verkehrt  oder  ohne  Belang  ist  Denn 
schwerlich  wird  man  Konstantinides  zugeben,  dass  269^  15  nap*  besser 
sei  als  nepl^  und  268^  10  ist  nfj-  Ttjj  nicht  besser  und  nicht  schlechter 
als  rjj — rjjf.  So  bleibt  nur  in  der  (s.  Prantl  z.  d.  St)  sehr  verdäch- 
tigen Recapitulation  277^  24—26  xoapiot  (Z.  26)  für  tottoi  beachtenswerth. 


*t)  Die  meisten  Varianten  von  V  (402*  6.  12.  15.  17  iri  om.  18.  19 
gl—Bfij,  t>4)  finden  sich  402  «l~b  4  hier  wieder,  und  da  Konstantinides  nicht 
nach  Bekker's  Ausg.  verglichen  hat,  wird  das  Zasammentreffen  wohl  noch 
häufiger  sein.  Ferner  sind  Bekker's  Collationen  ja  nicht  so  genau,  dass  man 
darauf  ohne  Weiteres  schwören  könnte,  V  habe  nicht  ebenfalls  402 b  19  {rtig 
om ).  20  {3k  om.).  23  (StBl&^tv)  die  gleichen  Lesarten. 


PhyBik.'  :  99 

Terträgt  sich  aber  wohl  kaum  mit  5^  (Z.  26)  und  sieht  daher  stark 
wie  eine  Coi^ectar  aas.  Ueber  de  gen.  et  corr.  aber  hat  Konstanti- 
nides keine  Mittbeilungen  gemacht.  Immerhin  möchte  der  Ankanf  dorch 
eine  grössere  Bibliothek  wttnschenswerth  sein. 

82)  J.  0.  Milne  und  R.  6.  G.  Proctor,  The  Latin  Aristotle  of 
1482.  Academy  1889  (No.  876).  S.  114  f. 

machen  bekannt,  dass  sich  in  der  Oxforder  Ghrist-Ghnrch- Bibliothek, 
freilich  unvollständig,  ein  Exemplar  der  venetianischen  Ausg.  (per  Phi- 
lipum  Yenetum)  von  lateinischen  Uebersetzungen  der  naturwissenschaft- 
lichen Werke  des  Aristoteles  v.  J.  1482  mit  Averroes  de  substantia  orbifi 
gefunden  hat 

Vorwiegend  auf  die  Physik,  wenn  auch  keineswegs  auf  diese 
Schrift  allein,  beziehen  sich: 

83)  Mathias  Kappes,  Die  Aristotelische  Lehre  über  Begriff  und 
Ursache  der  xivT^at^^  Bonn  1877.    Doctordiss.  46  S.  8. 

84)  H.  Bergson,  Quid  Aristoteles  de  loco  senserit,  Paris  1889. 
Doctordiss.  79  S.  8. 

85)  Karl  Sperling,  Aristoteles*  Ansicht  von  der  psychologischen 
Bedeutung  der  Zeit  untersucht  an  seiner  Definition  derselben  als  »Zahl 
der  Bewegungc,  Marburg  1888.    Doctordiss.  78  S.  8. 

Die  erste  dieser  drei  Dissertationen  bringt  gerade  nichts  Neues, 
giebt  aber  doch  eine  gute  und  richtige  Uebersicht  über  den  betreffenden 
Stoff  und  in  ihrem  letzten,  nach  historischer  Gerechtigkeit  (namentlich 
in  Anknüpfung  an  Wundt  und  Zeller)  beurtheilenden  Abschnitt  eine 
hübsche  Yergleichung  zwischen  dem  aristotelischen  und  dem  modernen 
Standpunkt  in  diesen  Fragen,  die  denn  wahrheitsgemäss  darauf  hinaus- 
lauft,  dass  wir  keine  Ursache  haben  uns  zu  überheben,  sondern  trotz 
aller  kolossalen  Fortschritte  in  der  Methode  und  den  besonderen  Er- 
gebnissen doch  dem  Wissen  um  das  eigentliche  Wesen  der  Kraft  (um 
Dasjenige,  was  »die  Welt  im  Innersten  zusammenhalte)  noch  ungefähr 
ebenso  ferne  stehen  wie  Aristoteles  (und  um  das  der  Materie,  wie  ich 
mir  hinzuzusetzen  erlaube,  erst  recht). 

Ungleich  grösseren  wissenschaftlichen  Werth  hat  das  sauber  und 
gründlich  ausgeführte  Schriftchen  von  Bergson  mit  seiner  überaus  klaren, 
wenn  auch  nicht  gerade  durchweg  in  classischem  Latein  abgefassten 
Darstellung.  Man  kann  nicht  ausdrücklich  sagen,  dass  es  zugleich  ein 
Gommentar  zu  den  neun  ersten  Capiteln  des  4.  Buchs  der  Physik  sei, 
wohl  aber,  dass,  wenn  sich  endlich  einmal  ein  Commentator  und  ein 
wirklich  berufener  zu  dieser  Schrift  finden  wird,  er  für  jenen  Theil  der- 
selben hier  eine  treffliche  Vorarbeit  hat.  An  schwierigen  Stellen  sind 
die  Auslegungen  von  Alexandres,  Simplikios,  Philoponos  stets  sorgfältig 

7* 


100  Arifttoteles. 

toimtft  Und  wenn  def  Verf.  aveh  gelegentlieh  dem  Aristoteles  pfaysi- 
kalf Bellen  und  mathematischen  Irrthum  nachweist,  so  hat  er  sich  doch 
■Mit  Erfolg  bom&ht  die  Schwierigkeiten,  welche  für  denselben  von  seinem 
eignen  Standpunkte  ans  durch  seine  Auffassung  des  Ranmes  entstehen, 
zu  entfernen.  Um  so  gerechter  ist  sein  EIndurtheil,  dass  Aristoteles, 
Wenn  er  auch  von  diesem  seinem  Standpunkte  aus  nicht  anders  konnte, 
doch  in  Wahrheit  nur  die  Frage  des  Ortes  behandelt  hat  und  damit  dem 
figentlkhen  Problem  des  Raumes  lediglich  aus  dem  Wege  gegangen  ist 
Tetgl.  auch  meine  Anaeige  Beri.  phil.  Woch.  XH.  1892. 

Auf  die  Erörterung  des  Raumes  folgt  Phys.  IV,  10—14  die  der 
Stlt  Hier  greift  nun  die  nicht  minder  anerkennenswerthe  Arbeit  von 
Sperling  ein,  die  freilich  in  formaler  Hinsicht  sich  gleicher  Vortftge 
»ieht  rahmen  kann,  sondern  etwas  künstlich  und  schwerfUlSg  geschrieben 
ist  Der  Verf.  fand  bessere  monographische  Vorarbeiten  als  Bergson 
vor,  nämlich  die  von  Torstrik  (Philolog.  XXVI)  und  Gotschlich, 
S.  Bef.  tn.  S.  355  f.  Aber  er  hat  den  ganzen  Gegenstand  selbständig 
neu  durchforscht  und  von  einem  neuen  Gesichtspunkt  aus  beleuchtet,  von 
dem  aus  man  erst  erkennt,  wie  hocbbedeutend  die  betreffende  Erörterung 
des  Aristoteles  und  wie  einzigartig  im  ganzen  Altertham  nnd  bis  in  die 
Neuzeit  hinein  sein  vorschauender  Blick  ist,  den  er  neben  seinem  Aus- 
gang ton  der  Naturbetrachtuug  doch  auch  bereits  in  die  geistige  Seite 
der  Zeit  gethan  hat ,  freilich  nicht  ohne  dadurch  in  Widersprüche  mit 
sich  selbst  zu  gerathen.  Und  ich  kann  das  Urtheil  von  Zell  er  (Arch. 
t  G.  d.  Ph.  III.  S.  310  f.,  vgl.  oben  No.  7)  nur  unterschreiben,  welcher 
diese  Abhandlung  Sperling's  als  eine  sorgfiütige  und  in  die  aristote- 
lischen Gedankengänge  unverdrossen  eindringende  Untersuchung  be* 
zeichnet,  die  nur  vielleiclit  dieselben  hie  und  da  für  verwickelter  ansiebt, 
als  sie  wirklich  sind,  und  welcher  es  namentlich  auch  an  derselben  lobt, 
dass  der  Verf.  jenes  subjective  Element  des  aristotelischen  Zeitbegriffs 
keineswegs  ttber  das  richtige  Mass  ausgedehnt  und  der  kantischen  oder 
einer  sonstigen  modernen  Auffassung  nber  Gebühr  angenähert  hat  Auf 
das  Specielle  kann  ich  hier  nicht  eingehen. 

Einzelne  Stellen  der  Physik  sind,  wie  schon  oben  (&  7)  bemerkt 
wurde,  in  der  unter  No.  5  besprochenen  Abhandlung  Natorp^s  in  Be- 
tracht gezogen.    Dazu  kommt 

dB)  Gh.  Em.  Ruelle,  Correction  ä  un   passage  d^Aristote  (Phf- 
sique  n,  2.  194^  13).    Revue  de  philol.  K.  F.  XII.  1888.  S.  29. 

A  2.  185^  13  ei  (fnr  Jj)  mit  Brandis  Gr.-rOm.  Ph.  II,  2.  698. 
A.  15  und  U  h  filr  das  erste  nJisüü^  ferner  16  ^n^ve/i^c  ^  dStaqi>€TO¥^ 
wenn  nicht,  was  aber  weit  weniger  Wahrscheinlichkeit  habe,  [d^  äSeäJ/fS- 
rov]  Natorp  S.  10.  A.  1  mit  Recht.  -~  186»  11.  Natorp  S.  16.  A.  3 
will  entweder  xal  —  ihat  als  Interpolation  auswerfen  oder  Mohisp  ^f^ 
^ajTQvvTtc  schreiben,   aber  es  geafigt   xai\Toi}  heriustallen   und  ik 


Physik.   De  cO«U>.   iPiyehologie.  101 

Worte  als  Parenthese  zu  bezeichnen.  ^  $.  186^  2B.  [tb  JUcijc^?  Ma«> 
torp  S.  163.  A.  1  (ich  glaube,  dies  ist  richtig).  *--  29  f.  Wesshalb  ich 
nicht  die  ErkUrung  von  Na  torp,  sondern  die  von  Braadis  a.  a«  0. 
S.596.  A.  27  für  die  richtige  halte,  kann  ich  hier  nicbt  anstinandersetsen,  bei 
letzterer  aber  muss  entweder  mit  Brandis  (ßl}  xai  oder,  wie  ich  vor^ 
schlug,  xal  (J/y  oder  xae(7:epy  geschrieben  werden,  denn  xae(Toiy  wiU 
hier  nicht  recht  passen.  —  186^  12.  <*a«>  onsp*^  Natorp  S.  168.  A.  1.  — 
20  f.  [9  ivaufißißi^Mey]    Natorp   8    158.   A.  4,   wohl    mit  B«eht  — 

11,  2.  194^  13.  Ausserordentlich  verunglttckt  ist  die  Vermutbong  von 
Rnelle  ^poaog  (j^poaovy  für  9jXto^:  sie  vielmehr  ist  »dtea^e  de  aeas«, 
dagegen  ^Xto^  gesund  und  vollständig,  s.  Prantl  z.  d.  St.  und  die  vqq 
diesem  angeführte  erläuternde  Stelle  Met.  XII,  5.  1071»  13ff.,  vgl.  Zelier 
Ph.  d.  Gr.  II»,  2.  S.  469  f. 

Es  erübrigt  noch  die  Ausgabe  vom  Commentar  desPhilopooos: 

87)  38)  Gommentaria  in  Arist.  Graeca  edita  cons  et  auct  acade- 
miae  litt.  reg.  Boruss.  Vol  XVL  ZVI(.  loaonis  Pbilopooi  iu  physi- 
comm  tres  priores  nnd  quinque  posteriores  commentaria.  EdiditHierO" 
nymas  Vitelli.    Berlin,  0.  Beimer.  XX,  997  S.  I^es^- 9« 

Ich  befinde  mich  aber  hier  in  der  glücklichen  Lage  wiederum  anf 
den  unter  No.  8  verzeichneten  ausführlichen  Bericht  von  Bruns  ver» 
weisen  zu  können,  will  aber  diese  Gelegenheit  nicht  vorübergehen  laeeen, 
gleich  Bruns  »dem  verdienten  Florentiner  Gelehrten»,  dem  auch  ich  so 
manche  gütige  thatkräftige  Unterstützung  schulde,  für  diese  seine  »ent- 
sagungsvolle Arbeite  öffentlich  zu  danken. 

Namentlich  anf  die  Schrift   vom   Himmelsgebände   und   das 

12.  Buch  der  Metaphysik  bezieht  sich 

89)  Pluzanski,  Aristotelea  de  natura  astrorum  opiuio  eiasque 
vices  apud  phiiosophos  tum  antiquos  tum  medii  aevi  Paris,  Thorio« 
140  S.  3., 

d.  h.  so  weit  diese  Abhandlung  den  Aristoteles  angeht,  was  aber  nur 
fttr  8.40 — 67  gilt;  denn  das  Voraufgehende  betrifft  die  früheren,  das 
Kachfolgende  die  späteren  Philosophen.  Ich  lasse  hier  einen  franz^W 
Bischen  Kritiker  Picavet  Rev.  crit  1888.  II.  6.  428  f.  reden:  »Ex- 
poser  ...  et  apprMer  en  140  pages  ce  qu'ont  penft6  Thalfts,  AnaxI» 
mandre,  Anaximtoe,  Diog^ne  d*Apollonie,  H^raelite,  Emp^docle,  Anaxa^ 
göre,  Leucippe,  D^mocrite,  Pythagore,  Philolaue,  Parm^nide,  Platon, 
Aristote,  Epicnre,  les  Stoieiens,  Piotio,  les  P^es  de  TEgliee  et  les  seo» 
lastiques,  c*est  s*obliger  k  ^tre  souvent  snperficiel  et  k  port^r  des  Jage«* 
ments  qui  ne  sont  pas  suffisamment  motivös  aux  yeux  du  lecteur  etc.«, 
und  wenn  diese  Pille  auch  hernach  wieder  etwas  veriuckert  wird,  so 
hofife  ich  doch,  dass  Niemand  es  als  eine  üebereilung  ansehen  wird, 
wenn  ich  meinerseits  dies  Büchlein  wenigstens  Ar  die  griechischen  Philo* 


102  AiistoMas. 

sophen  ein&ch  als  werthlos  bezeichne  und  die  Geduld  bewundere,  mit 
welcher  Wendland  in  seiner  Recension  Berl  phü.  Wochenschr  VIII. 
1888.  8p.  1048-1052  so  viel  Worte,  deren  Sinn  doch  sdiliesslich  kanm 
ein  anderer  ist,  ftlr  dasselbe  übrig  gehabt  hat 

Wir  kommen  zur  Psychologie  nebst  den  ergänzenden  Abband^ 
hingen. 

40)  von  Weddingen,  L'esprit  de  la  Psychologie  d'Aristote.  Etnde 
critiqne  sur  le  trait^  de  Täme.  BnUeUn  de  TAcad.  des  sciences  de 
Belgiqne  1890.  No.  2 

ist  mir  nicht  zugänglich. 

41)  Ang.  Elf  es,  Aristotelis  doctrina  de  mente  hnmana  ex  com- 
mentariomm  Ghraecomm  sententiis  emta.  Pars  prior.  Bonn  1887. 
Doctordiss.  47  S.  8. 

Die  Dissertation  von  Elf  es  hat  ziemlich  zahlreiche  und  znm  Theil 
eingehende  Beurtheilun^en  von  Herr  Rev.  crit.  1888.  I.  S.  478  f.,  Wohl- 
rab  Litt.  Gentralbl.  1888.  Sp.  490,  Wallies  Berl.  ph.  W.  VIII.  1888. 
Sp.  1269—1271,  Brnns  Philos.  Monatsh.  XXV.  1889.  8.  604—618  ge- 
funden, und  man  darf  ihr  das  Lob  einer  fleissigen  Arbeit  nicht  verkttm- 
mem.  Im  Ganzen  aber  kann  ich,  ganz  abgesehen  von  den  8chnitzem 
und  Uebereilungen,  die  ihr  von  Wallies,  Bruns  und  Zeller  nach- 
gewiesen sind,  gleich  Zeller  (Arch.  lU.  8.  312  f.)  ihren  Werth  nicht  allzu 
hoch  anschlagen.  Das  ganze  Unternehmen  war  verfrüht,  da  erst  zu- 
verlässige Texte  aller  in  Betracht  kommenden  Gommentatoren  abge- 
wartet werden  mussten,  und  mtlsste  femer  nicht,  wie  es  hier  der  Fall 
ist,  bei  Alexandres  und  Philoponos  stehen  geblieben  sein :  erst  eine  voll- 
ständige Geschichte  aller  Erklärungsversuche  mindestens  bis  auf  die  An- 
fänge der  Neuzeit  hin  würde  wirklich  von  Bedeutung  sein,  d.  h.  auch 
nur  von  Bedeutung  für  die  Geschichte  der  Philosophie,  nicht  für  die  Er- 
klärung der  beiden  hier  allein  in  Betracht  kommenden  Capitel  des  Aristo- 
teles Psych.  11,  4  und  5  und  namentlich  des  letzteren.  Die  Frage  ist  falsch 
gestellt:  aus  den  Gommentatoren  des  Aristoteles  lässt  sich  zu  diesem 
Zwecke  gar  Nichts  »eruirenc,  ausser  so  weit  die  Textgestalt  in  Frage 
kommt;  im  Uebrigen  sind  wir  doch  lediglich  auf  uns  selbst  und  unsere 
eigene  Exegese  angewiesen.  Denn  so  weit  die  Ansichten  der  Erklärer 
auch  jetzt  noch  auseinandergehen  und  vielleicht  stets  auseinandergehen 
werden,  darüber  herrscht  doch  ein  allgemeines  Einverständniss ,  dass 
weder  die  alten  Gommentatoren  noch  die  Araber  und  die  Scholastiker 
das  Richtige  gefunden  haben.  Einen  neuen,  achtbaren  Versuch  dergestalt 
auf  eigenen  Füssen  sein  Glück  zu  erproben  bietet  uns 


Psychologie.  108 

42)  Michaelis,  Zur  aristotelischen  Lehre  vom  voDc.    Nenstrelitz 
1888.  4.  16  8.  (Ojrmnasialprcgramm) 

dar.    Allein  er  ist  in  diesem  Yersnch,  soweit  seine  unvollendet  gebliebene 
Abhandlung  reicht,  genau  an  dem  Punkte  stehen  geblieben,  wo  die  tiefer 
liegenden  Schwierigkeiten  anfangen.     Zell  er  a.  a.  0.  8.  Sil  hat  voll- 
kommen Recht  mit  seinem  Zweifel   daran,   dass   die  tleidendec    oder 
»potenzielle c  Vernunft,   wie  Michaelis   will,   »nur   die  eine  8eite  in 
der   Bethätigung  des  einigen  Nusc  und  doch   zugleich   die  Zusammen- 
fassung sämmtlicher  niederer  ErkenntnissvermOgen  sein  könne    Ich  halte 
an  meiner  schon  früher  (Philol.  Anz.  V.  1873.  8.  686  ff.)  entwickelten  An- 
sicht fest,  nur  dass  ich  jetzt  in  Bezug  auf  die  actuelle  Vernunft,  nach- 
dem ich  Ber.  XLVI.  8.  240.  Ausg.  der  Oekon.  S.  86  die  Verbesserung 
von  By water  III,  4.  429^  9  Sc'  aurou  fQr  8k  aüröv  gebilligt  habe,  nicht 
mehr  vom  »Lichte  des  Selbstbewusstseinsc   sprechen  kann.     Aber  die 
Hauptsache  bleibt  stehen:  da  nach  Aristoteles  nichts  Potenzielles  sich 
selbst  zur  Actualität  entwickeln  kann,  so  muss  ein  Gleiches  auch  hier 
gelten,   indem  der  Mensch  eben  zunächst   nur  die  Fähigkeit   zur  Er- 
kenntniss  besitzt,  also  nur  die  potenzielle  Vernunft  als  unbeschriebene 
Tafel,  die  gerade  desshalb  aber  auch  mit  den  »niederen  c  Erkenntniss- 
vermögen,  also  zunächst  der  Wahrnehmung,  ohne  Weiteres   noch  gar 
Nichts  zu  thun  hat.    Die  Beziehung  zu  diesen  wird  erst  durch  die  aus 
dem   angegebenen  Grunde  anzunehmende   actuelle  Vernunft   vermittelt 
Denn  diese  erst  ist  es,  welche  die  aus  den  Wahrnehmungen,  der  sinn- 
lichen Form  ohne  den  Stoff,  sich  entwickelnden,  aber  doch  immer  noch 
sensiblen  ^avrdafiara  in  rein  intelligible  Begriffe  verwandelt   und  mit 
ihnen  die  leere  Tafel  der  potenziellen  Vernunft  beschreibt.    Oder  nach 
dem  andern  Gleichniss:  sie  ist  wie  ein  Licht,  welches  dieselben  auf  diese 
Weise  beleuchtet,  so  dass  sie  der  potenziellen  Vernunft  hell  und  klar 
werden     Wie  es  dabei  mit  dem  Selbstbewusstsein  stehen  soll,  und  ob 
Aristoteles  flberall  hierüber  nachgedacht  hat,  weiss  ich  nicht,  aber  daran 
zweifle  ich  trotzdem  nicht  im  Mindesten,  dass  er  dem  allein  prä-  und 
postexistirenden  thätigen  voSc  in  diesem  Zustande  reiner  Prä-  und  Post- 
existenz so  gut  wie  der  Gottheit  Selbstbewusstsein  im  Sinne  von  Denken 
des  Denkens  zuschreiben  wollte^.    Klarer  und  widerspruchsfreier  lässt 
sich  seine  Auffassung,  welche  in  die  schwierige  Frage  nach  dem  a  priori 
und  dem  a  posteriori  im  menschlichen  Denken  gehört,  nicht  machen, 


M)  III,  5.  460»  22  f.  ;fitf/>c<r^^c  ^'  itnl  /idvov  rou^^  8x9p  itnL  Denüv- 
eher  würde  Aristoteles  das,  was  er  wollte,  so  ausgedrückt  haben:  dAA*  &Tk 
ßk¥  votc  ^k  d^  ob  votr  ^wpt^tlg  jräp  itnk  ft6vov  roö&*  Sntp  iari,  xat 
roöro  fit6vou  dMvarov  xae  dtdufv  vöv  dk  oöm  dtl  fiti^i^fioißtöoftMu  x.  r.  A.  So 
aber  ist  weDigstens  mit  anderer  Interponction  oö  fi¥i^$iov96ofU¥  y^P  unent- 
behrlich, 8.  Ber.  XXXIV.  S.  28  f. 


104  Aristotelet. 

weil  er  sie,  wie  ich  meine,  selber  nicht  klarer  nnd  widerspraclisfreier 
gemacht  hat  und  nach  seinem  ganzen  Standpunkte  nicht  machen  konnte. 

43)  Ad.  Biach,  Aristoteles' Lehre  von  der  sinnlichen  Erkenntnis« 
in  ihrer  Abhängigkeit  von  Plato.  Philos.  Monatsh.  XXVI.  1890.  Seite 
270—287. 

Wie  sehr  Aristoteles  auch  in  seiner  Lehre  von  der  sinnlichen  Wahr- 
nehmung und  Vorstellung  von  Piaton  abhängt,  war  bisher  noch  nicht 
genauer  entwickelt.  Dies  ist  nun  durch  Biach  in  durchaus  löblicher 
Weise  geschehen,  selbstverständlich  so,  dass  dabei  zugleich  die  unter- 
schiede hervorgehoben  werden.  Etwas  schärfer  hätte  einer  der  erheb- 
lichsten beleuchtet  werden  sollen,  dass  Piaton  das  Bewusstwerdcn  der 
Empfindung  nicht  durch  einen  Central-  oder  Gemeinsinn  vermittelt,  son- 
dern nach  Anaxagoras  unmittelbar  durch  die  Denkseele  selbst  zu  Stande 
kommen  lässt  Denn  ebenhierin  zeigt  sich  der  empirische  Zug  des 
Aristoteles:  bei  Piaton  ist  die  Denkseele  auch  das  eigentlich  wahr- 
nehmende und  empfindende  Subject,  und  nur  Affect  und  Begierde  sind 
als  zweiter  und  dritter  Seelentheil  von  ihr  unterschieden,  bei  Aristoteles 
vielmehr  auch  die  mit  diesen  beiden  zu  einem  einzigen  Theile  verbun- 
dene Empfindungsseele,  deren  unmittelbares  Organ  der  Gemeinsinn  ist, 
der  zu  seinen  Werkzeugen  wieder  die  Einzelsinne  hat.  Da  aber  auch 
Aristoteles  keineswegs  ein  reiner  Empiriker  ist,  so  begreift  sich  von  hier 
aus  die  Nothwenigkeit  für  ihn  jenes  unklare  Mittelglied  der  leidenden 
oder  potenziellen  Vernunft  einzuschiebeu,  die  mit  dem  menschlichen  In- 
dividuum entsteht  und  vergeht,  trotzdem  dass  auch  sie  zum  obersten 
Theile  der  menschlichen  Seele  zählt. 

Am  Angemessensten  in  diesem  Zusammenhange   dürfte   auch   die 
kleine  Schrift  von 

44)  Anton  Bullinger,  Metakritische  Gänge  betreffend  Aristoteles 
and  Hegel.    München,  Ackermann.  1887.  37  S.  8. 

zu  besprechen  sein,  so  weit  es  sich  um  ihre  ersten  gegen  mich  (Her. 
XLVI.  S.  239f.)  und  gegen  Wirth  und  Siebeck  gerichteten  Seiten  6 
bis  16  und  16—19  handelt,  und  ich  freue  mich,  dass  es  mir  um  so 
leichter  wird  mit  voller  objectiver  Ruhe  dabei  zu  verfahren,  da  in- 
zwischen alles  Persönliche  dieses  Streits  durch  brieflichen  Verkehr  völlig 
ausgeglichen  ist,  so  dass  ich  mich  Über  die  formale  Seite  dieser  Anti- 
kritik nicht  mehr  zu  äussern  brauche.  Zunächst  erläutert  Bullinger 
seine  Auffassung  von  Psych.  lü,  8.  431^  26  ff.  re/iverae  oov  f/  btcar^fuj 
xdl  ^  aia^Tjat^  elQ  rä  npayfiara^  ^  fih  Suväfiec  ek  Suvdfue^,  ij  S^  iv  re- 
As^etqt  elg  ivreke^etac  so:  es  sondert  sich  das  Wissen  (in  sich)  für  die 
Dinge,  das  mögliche  (vom  wirklichen)  für  die  Dinge  in  Möglichkeit,  das 
wirkliche  (vom  möglichen)  für  die  Dinge  in  Wirklichkeit'*).    Weiterhin 

^)  Bullinger  folgt  den  Lesarten  rd  dova/itt  nnd  rä  jyrtitjifcc^,  das 


Pgycbologie.  106 

sucht  er  zu  zeigen,  dass  Vahlen  Psych.  III,  6.  480*80  mit  seiner 
Setzung  eines  Kommas  zwischen  ftXe^  und  ourwc  »anf  dem  Holzweget 
sei;  ich  mnss  es  Jedem  fiherlassen  seihst  zu  prüfen,  oh  ihm  dies  wirklich 
gelungen  ist  Nach  seiner  Erläuterung  von  430^  14 ff.  verstehe  ich  jetzt 
allerdings,  was  er  will,  hezweifle  aher  sehr  die  Möglichkeit  dieser  Er- 
klärung aus  Gründen,  die  ich  hier  in  der  Kürze  nicht  entwickeln  kann. 
Ueherdies  s.  u.  das  unter  No.  61  in  Betreff  dieser  Stelle  zu  Berichtende. 
Aus  gleicher  Ursache  muss  ich  wiederum  einem  Jeden  anheimgeben 
selbst  zu  urtbeilen,  oh  sein  Versuch  meine  Begründung  daftr,  dass  de 
gen.  an.  V,  2.  781»  20 — ^4  oi—iirriv  wahrscheinlich  eine  Interpolation 
sei  (vgl.  Ber.  XLVI  S.  248.  246),  mich  wirklich  widerlegt,  gesetzt  auch, 
dass  die  eine  oder  andere  seiner  Gegenbemerkungen  richtig  sei.  Die- 
selben sind  übrigens  nur  der  grösste  Theil  einer  Auseinandersetzung 
über  die  die  Sinneneindrücke  zum  Herzen  leitenden  Ganäle  (nopot),  welche 
eigentlich  mehr  gegen  Zell  er  als  gegen  mich,  dessen  Ansicht  der  Bul- 
linger's  ungleich  näher  steht,  gerichtet  ist,  und  welche  Zell  er  (Arch.  IL 
S.  284  f.)  seinerseits  immerhin  mit  Recht  als  das  beste  Stück  dieser 
kleinen  Schrift  bezeichnet.  Ich  muss  hinzufügen,  dass  Zell  er  *s  Einwen- 
dungen mich  nur  theilweise  überzeugt  haben  **),  und  dass  ich  dabei  stehen 


ist  aber  Nebensache  Sino  hat  dud  so,  was  er  aus  der  Stelle  herausliest,  aller- 
dings Aber  ich  fflrchtp,  dass  er  deDselben  vielmehr  \u  sie  hineingelesen  hat. 
WQrde  Aristoteles  den  Q»  dank«*n  rtAivtrac  o5v  ^  intiniiftii  xai  ^  attr^Tjatq  xard 
rd  npd/fiara  tli  t^v  duvdßti  r&v  du^dßitwv  xat  ri^u  ivrtic/tcft  r&v  ivrtXi' 
^tuüv  wobl  so  ?erzwickt  aasgedrückt  haben?  Ist  ferner  derselbe  wirklich 
aristotelisch?  Und  was  soll  er  in  diesem  Zusammenhange?  Ich  bleibe  also 
bei  dem  non  liquet  stehen,  über  welches  man  leider  vielfach  in  der  Psycho- 
logie nicht  hinauskommt  Bullinger  führt  fftr  9lq=  ifürt  swei  Stellen  aus 
Xenophon  an,  aber  ich  habe  nie  bezweifelt,  dass  cic  »fürt  =  izum  Natsen 
vonc  bedeuten  kann,  sondern  nur  ob  ri/ifta^ai  tic  statt  »sich  spalten  (son- 
dern) ine  auch  heissen  könne  »sich  spalten  fürt,  und  dieser  Zweifel  ist  mir 
auch  durch  die  eiosige  wirklich  dafür  (von  Wilson)  beigebrachte  Stelle  noch 
nicht  gehoben,  a.  Ber.  XLVI.  S  888  Noch  sei  gegen  Bnllinger  S.  14L 
kurz  bemerkt:  dass  E  im  3.  Buch  der  Psychol.  viel  weniger  gut  ist  als  in  den 
beiden  ersten,  ist  mir  sehr  wohl  bekannt,  aber  der  beste  Codex  bleibt  er  auch 
hier  noch  immer. 

^)  Zell  er  schreibt,  jene  itSpot  seien  nach  Aristoteles  mit  Pneuma  an- 
gefüllt, das  sagt  aber  Aristoteles  ausdrücklich  gen.  an  744»  1  ff.  (vgl.  781  ^ 
24 ff.)  nur  von  denen  fftr  Grruch  und  Qeb(^r,  und  vom  Auge  heisst  es  sofort 
darauf  (was  auch  ich  Rh*  in  Mus.  XL  S.  586  f.  nicht  erwogen  habe)  viel- 
mehr: 6  d  *  d^Sa^ßidf  owßta  fi6voy  Xdu>y  f/cc  rütv  a\<r^'i^r7jpituv^  und  dies  steht 
in  Corrc spondenz  zu  743*  35  ff.  aXxwv  d*  iüri  ort  rd  rwu  d^aXftwv  altr^ij' 
r^ptoif  iüxl  ßipj  &0ictp  xal  rd  äXXa  tti^Tfri^pta,  int  nöpwu,  diAd  rd  fik»  x^g 
dif^  xai  ^Möütoßg .  ,  ,  if  d*  düfpi^^wg  xai  dxaii  x.  r.  A.   Und  daraus,  daas  nach 


106  Aristoteles. 

bleiben  mnss,  Aristoteles  nnterecheide  ansdrftcklicb  part  an.  n,  10. 
656^  17 f.  und  gen.  an.  II,  6.  744»  Iff.  diejenigen  nopoi^  auf  welcbe  es 
hier  ankommt,  von  Adern  {^Xißtg^  fXißia\  und  jene  nopot  seien  daher 
eine  Vorahnnng  der  Nerven^),  aber  freilich  anch  dabei,  dass  nach  der 
letzteren  Stelle  die  itopoi  ftr  Gemch  und  Gehör  und  ähnlich  nach  der 
ersteren  die  ftr  das  Auge  »nur  bis  zu  den  Adern  reichen,  welche  vom 
Herzen  zum  Gehirn  lanfenc>>),  und  nicht  bis  zum  Herzen  selbst,  während 
nach  781*  20 ff.  allerdings  bis  zu  letzterem*^),  was  fllr  mich  ein  unver- 
söhnlicher Widerspruch  ist,  man  möge  mir  dagegen  sagen,  was  man  Lust 
hat.  Hinsichtlich  der  Polemik  gegen  Wirth  und  Siebeck  muss  ich 
mich  zu  bemerken  begnttgen,  dass  sie  die  Lehre  vom  menschlichen  vouq 
betrifft 

So  vielfach  aber  auch  unser  heutiger  Standpunkt  der  psychologi- 
schen Betrachtung  von  dem  des  Aristoteles  abweicht,  so  sehr  spricht  es 
doch  ftlr  seine  Bedeutung  auf  diesem  Gebiet,  dass  sich  Her  hart  auf 
demselben  mehrfach  mit  ihm^'berfthrt,  sei  es  nun  (was  sich  vielleicht 
nicht  ausmachen  lässt)  angeregt  von  ihm,  sei  es  nicht.  Dies  hat  na- 
mentlich schon  Sie  heck  in  seiner  Doctordissertation  (Halle  1872)  nach- 
gewiesen. Vollständiger  ist  dies  jetzt  in  sorgfiUtiger  und  sachkundiger 
Weise  von 


part.  an.  II,  10.  656i>  10  ff.  III,  4.  666»  16  f.  weder  das  Blut  noch  die  blut- 
losen Theile  alü6ijTad  sind,  folgt  (wie  mir  Bo Hinge r  gans  richtig  brieflich 
bemerkte)  noch  keineswegs,  dass  die  blntfübrenden  Theile  dies  sein  mOsaten: 
es  k  ö  n  D  e  n  Tielmebr  ebenso  gut  andere,  aas  dem  Blut  entstandene  {dJLAd  x&¥ 
ix  Toörou  Ti  656b  20)  und  blutversehene  Theile  (Ivaipa  666b  25)  sein,  und  sie 
mQssen  gemeint  sein,  da  die  icöpot  hier  ansdrQcklich  von  den  Adern  (aus 
denen  sie  ihre  Speisung  erhalten)  unterschieden  werden. 

**)  DafOr  spricht  auch,  dass  Herophilos  wenigstens  die  vom  Gehirn 
nach  dem  Auge  gehenden  Nerven  gleichfalls  KÖpot  nannte,  s.  Suse  mihi 
Griech  -alex.  Litteraturgesch.  I.  S.  789.  A.  78. 

s<)  Denn  das  beisst  ifpaivtw  mit  c/(,  icp^Q  oder  M  verbunden:  »dort- 
hin endenc  (da  nipaq  »Grenze,  Ende,  Ziele  bedeutet)  und  nicht  »dorthin  sieh 
erstrecken,  um  dann  noch  weiter  darüber  hinanssugehenc.  Dass  sie 
in  diese  Blutgefässe  »ausmOndenc,  wie  Zell  er  schreibt,  so  dass  diese  nicht 
bloss  sie  speisen,  sondern  auch  von  ihnen  die  weitere  Vermittlung  der  Ein- 
drflcke  sum  Herzen  ttbemehmen,  ist  damit  wohl  noch  nicht  ausdracklich  ge- 
sagt, aber  ich  weiss  nicht,  wie  man  hiemach  die  Sache  sich  anders  denken 
könnte.  Unbestimmter  lautet  allerdings  der  Ausdruck  an  der  anderen  Stelle 
666b  16 ff.  ix  fiky  aZv  x&y  d^0aXß&v  61  Kopot  ^ipoofftv  tlg  rdg  ntpi  r^v 
iyxi^iiXov  ^Xißa^^  aber  auch  dies  kann  doch  kaum  heissen:  »sie  gehen  su  den 
Blutgefässen  um  das  Gehirn  und  dann  weitere. 

*7)  Denn  hier  vermag  ich  das  rtlvooüt  npdg  rifv  napdla^  wiederum  nicht 
umgekehrt  so  su  deuten:  »sie  reichen  sum  Herzen,  kommen  aber  nicht  bis 
dahin,  sondern  bleiben  nnterwegsc. 


Psychologie.  t07 

45)  Johann  Schmidt,  Aristotelis  et  Herbarti  praeeepta,  qnae  ad 
psychologiam  spectant,  inter  se  comparantur.  Wien  1887.  18  8.  8. 
(vor  dem  Jahresbericht  ttber  das  k.  k.  akademische  Gymnasium), 

im  Ganzen  auch  mit  gebtthrender  Hervorhebung  der  Unterschiede  ge- 
schehen. Mit  Recht  indessen  bemängelt  Zeller  a.  a.  0.  S.  290  nach 
dieser  Richtung  hin  Dreierlei.  »Die  Bewegungen  der  Sinneswerkzeuge, 
aus  denen  Aristoteles  die  Trftume  herleitet,  sind  etwas  Materielleres  als 
die  ,Yor8tellungen'  Herbartst  '(s.  Schmidt  S.  9).  Umgekehrt  war  8.  12f. 
der  Unterschied  der  »unbeschriebenen  TafeU  bei  Locke  und  Herbart 
und  bei  Aristoteles  viel  schärfer  zu  fassen:  bei  Aristoteles  geht  dieselbe, 
wie  gesagt,  nicht  aus  dem  sensualistisch-empirischen,  sondern  vielmehr 
gerade  aus  dem  rationalistischen  Element  seiner  Erkenntnisslehre  her- 
vor :  der  Gegensatz  ist  also  so  gross,  dass  darüber  trotz  der  Gleichheit 
des  Ausdrucks  die  Aehnlichkeit  verschwindet.  Endlich  ist  (wie  gegen 
S.  16  zu  bemerken  steht)  die  Lehre  des  Aristoteles  vom  Willen  weit  vom 
Determinismus  Herbart's  entfernt,  worauf  ich  hernach  zurttckkomme.  An- 
gezeigt ist  die  kleine  Schrift  von  Hergel  Woch.  f.  kl.  Ph.  V.  1888. 
8p.  1463  und  W.  Jerusalem  Z.  f.  d  öst.  G.  XXXIX.  1888.  8.  854f. 

Nachträglich  ist  noch 

46)  VincenzEnauer,  Grundlinien  der  aristotelisch-thomistischen 
Psychologie.    Wien,  Konegen.  1886.  283  S.  8. 

zu  erwähnen.  Doch  streift  dies  Buch  an  den  Kreis  meiner  Besprechungen 
ja  eben  nur  an,  und  ich  darf  mich  daher  begnttgen  auf  die  Recensionen 
von  Heitz  Deutsche  L.-Z.  1885.  Sp.  676f.,  Encken  Gott.  gel.  Anz. 
1885.  8.  .620-— 624  und  Thilo  Zeitschr.  f.  exakte  Philos.  XV.  1886. 
8.  87 — 96  zu  verweisen. 

47)  W.  Goodwin,  Plato^s  and  Aristotle's  doctrines  of  the  im- 
mortality  of  the  soul    The  Platouist  IIL  8.  606—610 

steht  mir  nicht  zu  Gebote. 

Ein  entschiedenes  Verdienst  um  den  Text  der  Psychologie  kommt 
dem  Schriftchen  von 

48)  Aurelius  Augustinus  Stapfer,  Studia  in  Aristotelis  de 
anima  libros.  Pars  prior.  Landshut  1888.   82  8.  8.  (Gymnasialprogr.) 

zu,  indem  der  Verf.  auf  G brist's  Veranlassung,  als  Letzterer  den  Codex  £ 
für  die  Metaphysik  verglich,  seinerseits  diese  Handschrift  für  nep\  ^(//$c 
aufs  Neue  durchmusterte  und  dabei  namentlich  aucii  darauf  Rücksicht 
nahm,  was  bisher  seltsamerweise  noch  ganz  unterblieben  war,  wie  weit 
die  Correctoren  in  derselben  schon  von  erster  oder  vielmehr  erst  von 


108  Arittotelw. 

einer  zweiten  und  einer  dritten  Hand  herrQhren*).  Im  Uebrigen  nimmt 
er  darauf  Bedacht  die  Angaben  Trendelenbnrg's  and  Bnsseraaker's, 
wo  sie  von  denen  Bekker's  oder  von  einander  abweichen,  zu  verificiren, 
beziehungsweise  zu  berichtigen  Und  so  wird  hoffentlich  endlich  einmal 
die  unberechtigte  Eigenthttmlichkeit  aufhören,  dass  man  in  den  Ausgaben 
dieses  Werkes  in  Abweichung  von  denen  aller  anderen  fortwährend  liest: 
sec.  Bekk.,  sec  Trend.,  sec.  Buss.  Wo  Trendelenburg  und  Busse* 
maker  flbereinstimmen,  hätte  man  billigerweise  längst  ihnen  einfach 
glauben  sollen,  und  nun  stellt  sich  auch^  heraus,  dass  Bussemaker 
zwar  ein  paar  IrrthQmer  begangen  hat,  aber  im  Ganzen  zuverlässig  ist 
Nicht  minder  verdienstlich  ist  es,  dass  Stapf  er  ferner  die  Lesarten  von 
Sophonias  noch  einmal  genau  durchgeprüft  hat  und  danach  Hayduck  und 
Biehl  mehrfach  berichtigt  Das  Ergebniss  ist  freilich,  dass  diese  Les- 
arten nicht  eben  besonders  viel  zur  Herstellung  des  Textes  beitragen.. 
Hie  und  da  sind  sie  freilich  doch  von  Werth,  s.  u.  In  einem  dritten 
Theil  bespricht  er  endlich  die  Disposition  von  403^  20  — 411*26  und 
verbessert  Trendelenburg  in  Bezug  auf  die  von  415^21 — 416*18 
und  Biehl  in  Bezug  auf  die  von  419*  22  -  ^3^).  Hoffentlich  wird  er 
diese  Untersuchungen  allmählich  über  die  ganze  Schrift  ausdehnen,  mit 
der  es  in  dieser  Hinsicht  trotz  Trendelenburg  und  Torstrik  noch 
sehr  im  Argen  liegt,  vgl.  Woch.  f.  kl.  Ph.  I.  1884.  Sp.  1409  ff.  Uebrigens 
ist  bereits  folgende  Fortsetzung: 


SS)  Stapfer  S.  4:  >eae  .  .  .  plonmae  iD^oiantar  in  primo  et  tertio 
libro,  aliqaot  in  secuDdo.  alterius  vero  manos  scriptura  proxime  accedit  ad 
prioris  maDQS  similitudinem  .  ■  .  tertiae  .  .  .  litterarum  ductus  idem  sunt  ac 
Hbrarii  aecondi  libric.  Als  ein  Kennzeichen  giebt  er  auch  an:  tut  seconda 
manas  aliqnoties  litteras  radendo,  prior  nonnisi  expaogeodo  deleatc. 

V)  Dass  wie  in  allen  anderen  aristotelischen  Schriften  so  auch  in  die- 
ser die  Gapiteleintheilang  vielfach  eine  verkehrte  ist,  unterliegt  keinem  Zweifel- 
Hoffentlich  meint  jedoch  Stapfer  nicht,  dass  man  sie  ändern  solle  Da  wUrde 
die  Verwirrung  erst  recht  gross  werden.  Es  genOgt  die  grösseren  Abacfanltte 
durch  Absätze,  die  kleineren  etwa,  wie  ich  gethan  habe,  durch  Punkt  mit 
Gedankenstrich  zu  bezeichnen  Wenn  Stapf  er  S.  26  schreibt:  »neque  Sase- 
nihliuB  cur  statuat  a  Biehlio  paragraphos  retinendas  fuisse  intellegi  omnino 
potestc,  60  hätte  es  statt  dessen  wenigstens  »iotellegere  omnino  possnm« 
beisseo  mUsseo,  und  wenn  er  wirklich  nicht  im  Stande  ist  sich  selbst  zu  sa- 
gen, aus  welchem  Grunde  ich  diesen  Wunach  fQr  alle  aristoteiischen  Werke 
hege,  so  möge  er  sich  darftber  gOtigst  aas  Woch.  f.  kl  Ph.  IV.  1887.  Sp.  llf. 
belehren,  nebeDbei  auch  einen  Blick  in  Bywater's  Aufsatz  tbon,  um  sich  su 
überzeugen,  wie  bequem  es  gelegentlich  auch  beute  noch  ^ist  die  alte  Para- 
graphontheilung  zu  gebrauchen,  und  wie  vorschnell  sein  neque- intellegi 
omnino  potes^t  war  Es  ist  doch  wirklich  recht  sonderbar,  dass  es  jetzt  bei 
Aristoteles  überflOssig  sein  soll,  was  man  sonst  bei  neuen  Ausgaben  zu  thoa 
"pflegt,  nämlich  die  Zahlen  deijenigen  älteren  beizuschreiben,  aach  denen  fro- 
her dtirt  wurde,  damit  man  diese  Citate  finden  kann. 


PsyelMlogle.  109 

4d)  A.  Stapfer,  Kritische  Studien  zu  Aristoteles  Schrift  von  der 
Seele,  Laodshnt  1890.   34  S.  8. 

erschienen,  mein  Exemplar  von  ihr  war  aber  leider  verlegt,  so  dass  ich 
die  Besprechung  derselben  auf  den  Bericht  ftlr  1891  verschieben  muss. 

Es  erübrigen  noch  die  Behandlungen  einzelner  Stellen  von  Busse 
«nd  besonders  von  Bywater: 

60)  Ad.  Busse,  Aristoteles  de  anima  III,  11.  434*  12  —  15.  Hermes 
XXIII.  1888.  S.  419f. 

61)  L  Bywater,  Aristotelia  III.  Joom.  of  Philology  XVII.  1888. 
S.  6S-74. 

I,  5.  410^  20  —  411»  7.  Bywater  stellt  mit  Becht  27  touro  — 
411»  2  unetXrj^oraQ  (§  15)  hinter  »7  euHog  (§  16)  um><^)  und  vermu- 
thet  schwerlich  richtig  ^T  Si^,  —  II,  1.  412^20.  Er  construirt  und  inter- 
pungirt  richtig:  ;io>ov  (6  S*  —  ü(pew^\  $c.  —  II,  3.  414»  6 ff.    Er  steicht 

7  ^  beseitigt  dagegen  BiehTs  Steichung  von  5  dk  (nach  Bonitz)  durch 
abermalige  Berichtigung  der  Interpunction :  w  intaToi/ießa  {XfyofjLSv  8s 
—  4^X^'  ^*ör£^^  —  infaroff^ae)^  ojJLoeoß^  x.  t.  >l.*').  -  HI,  2.  428  »2. 
xtvoü/idvw  nach  Aid.  f.  nocoofiivw^).  —  27.  ^  ^wv^  aufi^wvta  nc  (wie  zum 
Theil  schon  Trendelen  bürg  richtig  erkannte)  nach  Sophonias  und  Pri- 
scian.  Lyd.  —  *>  7.  Xuee  aus  denselben  beiden  Quellen.  —  26.  oo  —  28.  v5v 
in  Parenthese.  —  3.  428»  3.  (J^fjvcjfuv  fi^/i/a  oder  etwas  Aehnliches.  — 
15.  3i^  nach  den  Vulgärhandschriften  (mir  scheint,  mit  Unrecht).  — 
^24.     Er  rückt  die  von  Torstrik  und  Biehl  secludirten  Worte 

8  avfißißvjxt  Toec  ahHrjToT^  mit  Recht  unmittelbar  hinter  20  rarjra  hin- 
auf. —  6.  430^  14  f.  Er  versetzt  r^  0w;^?c  hinter  20  ^i^xet  und  schreibt 
16  S  mit  Vicomercato  statt  ^  natürlich  mit  der  Interpunction  f  ixeTua 
Stoufierd^  8  voei  (=  rd  yooufisvov  =  tb  fitjXoQ)  xcd  iv  ip  ^povtps  ^^^*  fj 
dSicupera^  Iftsst  femer  dann  noch  18  dXX*  Tato^  od  ^(optatov  eine  Paren- 
these bilden:  ich  glaube,  dass  er  Recht  hat,  und  damit  würden  denn 
die  Tilgung  von  dXX'  ^  dSta/psra  und  alle  sonstigen  früheren  Versuche 


^)  411»  11  ixtCijniüut  —  13.  Mavaxwripa  möchte  wohl  in  Parenthese 
in  setzen  sein.  Ueberhaupt  scheint  mir  die  AnwenduDg  der  Parenthese  auch 
abgesehen  von  so  dringendeD  Fällen  wie  den  von  Bywater  geltend  gemach- 
t(D  zu  grösserer  Verdeutlichung  und  leichterer  Uebersicht  (zu  diesem  Zwecke 
ist  ja  aber  die  Interpunction  da)  noch  öfter  wenigstens  rathsam.  So  427»  25 
rd  ^— ^etr^at.  Und4dd»22ff.  ist  entücbieden  richtiger  so  za  interpnngiren : 

^t£^Xojrtff/i6v  {if  yäp  ixt^fda^iariv).  voög  fikv  oltv  x   r.  X, 

si)  Hinter  8  SXtft  und  12  i^ipfMia  sind  nur  Kommata  zu  setzen,  damit 
man  sofort. sieht,  dass  der  Nachsatz  (anakointhisch)  erat  mit  IStS^rc  anf&ngt 

*)  Vorher  scheint  mir  ^'  die  richtige  Jjesart. 


110  AriBtoteleB. 

{8.  Ber.  XXXIV.  8.  29  f.  u.  Anh.  meiner  Ausg.  der  Oekon.)  feilen.  — 
24 f.  Er  billigt  Zeller 's  Streichung  von  25  raiv  a/nWv,  entnimmt  aber 
aus  diesem  Zusatz  eine  Stütze  fllr  seine  Coiyectur  24  iv^avrioyß}  th߀u 
<iv>  adrfiu,  6^5e  (oder  d'  A>  rt)ßt  und  stellt  25  ivdprsed  iare  (wie  Themistios 
gelesen  zu  haben  scheint)  her.  —  7.  431»  20  ff.  Er  versucht  die  Schwierig- 
keiten durch  Erklärung  zu  heben,  ich  zweifle,  ob  mit  genügendem  Er- 
folg. —  ^5.  [rg  xoevjjl  und  das  mag  wohl  das  Richtigste  sein.  —  12 ff. 
Er  schlägt  vor:  rä  8k  iv  dpoupsiree  hyöjxBva  voet  Zanep  äv^  et  (rec}  rb 
atiihv  l  fikv  trefiov  ou  [xe^^toptfffuvoßc]^  ^  8k  xotXov  [eT  reff]  hott  ivspyeif. 
(yoiovy  äveu  Tr^g  trapxbg  äv  ivoet  iv  f  rb  xotAoVy  oütw  rä  pa&f^pxiTtKä 
X.  T.  L  (indem  er  das  in  den  meisten  Handschriften  fehlerhaft  hinter  17 
npdypara  stehende  voäßv  hieher  hinaufnimmt):  dass  bei  dem  ttberlieferten 
Text  das  zweite  äv  unerträglich  wäre,  bemerkte  schon  Suse  mihi  Oekon. 
S.  86.  —  8.  482 »  2.  €i8(ov  (yoijziüv)  oder  etwas  Aehnliches.  —  9.  432  • 
21.  xa\  el  (aber  es  fragt  sich,  ob  Aristoteles  nicht  stets  xiStv  el  geschrieben 
hat  in  Folge  seiner,  wie  gesagt,  auch  in  seinen  strengen  Lehrschriften 
noch  oft  hervortretenden  Gewöhnung  an  Vermeidung  des  Hiatus).  — 
10.  438*  9.  raura  <tA>  und  10.  noUol  (gewiss  richtig).  —  15.  Xp^- 
f«C  <^'>.  ~  i>ll.  Bywater  lässt  mit  Recht  die  Parenthese  schon  mit 
TfpofTov  beginnen.  —  ^24  f.  Er  setzt  richtig  8eb  —  xcveTrcu  in  Paren- 
these und  hinter  d^^atpuna  ein  Punctum.  -  11.  484»  10  ff.  Gewiss  mit 
Grund  nimmt  er  an  11  aßri^  8k  ixetim^v  Anstoss,  aber  sein  Heilmittel 
räUa  Opa  (was  füglich  entbehrt  werden  kann)  an  die  Stelle  zu  setzen 
und  jene  Worte  hinabzurücken,  indem  er  (mit  richtiger  Setzung  eines 
Punkts  hinter  12  ^/oef/c)  12 ff.  so  herstellen  will:  vtx^  8*  iv/or«  (xtü 
xtysl  T^v  ßouhjOiy  wanep  aY^cupa)(6rk /ikv}  aunj  ixetui^v^  brk  8'  ixeivf)  raun^v 
^  ope$ec  rijv  8pe$c¥  x.  t.  X,  ist  nur  ein  neuer  vergeblicher  Versuch  der  zer- 
rütteten Stelle  aufzuhelfen W).  Vielleicht  war  atin^  8k  hxsTvo  eine  Va- 
riante zu  iveoTS'  nyv  ßauXi^aev.  Dagegen  scheint  jetzt  Busse  wirklich 
im  Ganzen  das  Wahre  getroffen  zu  haben  durch  Umstellung  von  18  f. 
ij  ope^iQ—yivr^Tiu  hinter  15  xtyet  und  Interpunctionsänderuug :  dp^ixtu' 
repa,  xal  xevet  ^  Spt^iQ  t^v  ope$c¥^  8rav  dxpacea  yivTfcat.  Aber  ich  be- 
zweifle, dass  dies  genügt:  man  müsste  wohl  überdies  brk  8k  vor  *d 
x/ver  einfügen.  Dann  aber  ist  es  viel  einfacher  diese  Einfügung  vor  ^ 
SpB^tQ  zugleich  mit  der  Umstellung  vorzunehmen.  Dass  es  nicht  gerade 
nöthig  ist  mit  Zell  er  wansp  (^  dvai}  oipalpa  <t^v  xarco)  zu  setzen, 
gebe  ich  zu,  aber  (^  dva»)  ist  doch  kaum  entbehrlich,  wenn  man  nicht 
lieber  mit  Torstrik  (^fftpatpav)  afptupa  will**).  Endlich  aber  ist  dxpor 
aia^  wenn  man  diesen  Herstellungsversuch  billigt,  nothwendig  in  dxoXa- 
ata  zu  verwandeln.    Denn  auch  wer  es  für  möglich  hält,  dass  der  Sieg 


tt)  Das  wären  ja  nor  86o  und  nicht  rptU, 

M)  Die  Paraothese  14  f.  ^u^i  dk  d^l  fi  äyw  äpxtxwripa  x.  x.  ist  aber 
doch  eigentlich  nur  TerBtandiieh,  wenn  <^  4fyi0>  üj^pa  bereits  voraufging. 


i 


De  8608.   De  mem.  De  iniomD.  GeD.  anim.  Thiergeschiehte.       Hl 

einer  Begierde  über  die  andere  »als  Nebenfall c  aacb  beim  dxpän^ 
eintreten  kann  (wozu  ich  keine  Möglichkeit  sehe),  und  sich  die  gezwun- 
gene Erklärung  von  Busse,  dass  mit  Srav  dxpaeea  ydtnjrcu  dies  eben 
nur  »als  ein  Nebenfallc  bezeichnet  werden  soll,  gefallen  lassen  will, 
wird  doch  zugestehen  mttssen,  dass  dies  beim  dxdkaarog^  dessen  prak- 
tische Vernunft  ganz  im  Dienst  der  Begierde  steht,  überhaupt  der  einzig 
mögliche  Fall  und  folglich  der  Znsatz  orav  dxpaaia  ymmjrat  der  Lehre  des 
Aristoteles  so  nicht  entsprechend  ist**).  Also:  vtxf  S*  ivtore  xal  xtvse 
T^v  ßooXrjaty,  &rk  d*  ix€cvij  ra^t^v,  auntep  ^^  ävcv^  a^alpa  {füoii  9k 
d€\  ^  ä¥w  dp^txwripa  xa\  xivee)^  (drk  Sy  ^  fy€$ec  r^v  Spe^ev^  Srav 
dxoXaaea  ^dvi^rar  wars  rpsTc  x.r.X.  —  12.  434^19,  äntöv  (^xal  Bpt^ 
nrcxov)  Bywater.  —  25.  rtvi  Bywater  (wohl  unnöthig). 

FOr  die  Abhandlung  de  sensu  kommt  in  Betracht: 

52)  Julian  Ziaja,  Aristoteles  de  sensu  c.  l,  2,  3  bis  p.  489^18 
ttbersetzt  und  mit  Anmerkungen  versehen.  Breslau  1887.  15  S.  4. 
(Vor  dem  Programm  des  König  Wilhelm-Gymnasiums). 

Es  ist  dies  eine  t&chtige  Arbeit,  deren  Fortsetzung  sehr  zu  wünschen 
ist  Die  Irrthümer,  welche  der  Verf.  allerdings  hie  und  da  begangen 
hat,  kann  ich  an  dieser  Stelle  nicht  beleuchten**). 

Ueber  die  bekannte,  die  sogenannte  Ideenassociation  betreffende 
Stelle  in  dem  Schriftchen  de  memoria  2.  452*  17 ff.  handelt 

54)  J.  Freudenthal,  Zu  Aristoteles  de  memoria  2.  452*  17f. 
Arch.  f.  Gesch.  der  Philos.  IL  1889.  S.  5-  12, 

indem  er  die  you  Siebeck  (vgl.  Ber.  XXX.  8.47.48)  scharfsinnig  ver- 


M)  Das  bat  offenbar  auch  Bywater  empfunden  und  sich  dadurch  m 
seinem  verkehrten  Herstellungsversuch  verleiten  lassen.  Im  weiteren  Sinne 
übrigens  gehört  ja  freilich,  wie  Aristoteles  aasführt,  zur  SptStg  auch  die 
ßooiTjetQ:  dass  er  das  Wort  hier  in  einem  engern  statt  i-xt^ußla  gebraucht, 
mag  darin  seinen  Grund  haben,  dass  letzterer  Ausdruck  doch  wieder  zu  eng 
sein  würde,  indem  neben  der  int6oßia  auch  der  (^ufi6i  in  Betracht  kommt. 

M)  Ein  arger  Schnitzer  ist  es,  dass  er  S.  3  aas  Psych.  111,  9.  432b  5  ff. 
herausliest ,  Aristoteles  habe  die  ßouXijatg  mit  zam  vernünftigen  Seelenthell 
gerechnet.  Aristoteles  polemisirt  vielmehr  hier  gegen  Piaton,  welcher  das 
dpMxraöiß  in  drei  Tbeile  auseinanderreisse ,  ßoöXijfftg,  {hfiog^  ixi&ofua,  indem 
nach  dieser  Constniction  die  ßoul^üti  zu  der  vernünftigen  Seele  gehören  mflsste. 
Aristoteles  vereinigt  alle  drei  in  seinem  zweiten,  der  Einwirkung  der  Ver- 
nunft zugänglichen  Seelentheile ,  der  fpox^  attf^i^rcxi^,  welcher  zugleich  das 
dptxxtxöv  igt,  der  Sitz  der  eben  von  der  ßouXtjtn^,  dem  von  der  praktischen 
Vernunft  geleiteten  Willen,  abh&ogigen  Charaktertagenden.  Wenn  die  ßoöXyietq 
selbst  zum  vernünftigen  Seelentbeil  gehörte  (also  etwa,  wie  TeichmOller 
grundver kehrt  behauptet  hat,  mit  der  praktischen  Vernunft  einerlei  wäre), 
Würden  die  Charaktertagenden  vielmehr  zu  Vemunfttngenden  werdea 


112  Ariitotelai. 

lachte  neoe  Erklirang  widerlegt  and  damit  die  bisherige  wieder  eiosetst» 
so  dase  Z.  17--19  gerade  so  wie  bei  Bekker  stehea  bleiben,  das  Fol* 
gende  aber  nach  FreadenthaTs  schon  früher  gemachtem  and  jetzt 
n&her  begründetem  Vorschlag  zu  verbessern  ist:  bI  yäp  fjJj  htl  rou  9 
ifiv^Bij^  im  Tou  £  fidfLvijTai^  ei  rb  H  ^  rb  Z  im(^ijTer  ivreüdev  yäp  in*  €^w 
xMij^^vai  ivBij[trat^  xaJ  in\  rb  J  xal  iiü  rb  Z.  el  6k  fi^  rourwv  rt  ifu- 
C^elt  ink  zb  f  iXBoßV  fivi^aB^eTai  -  si  dk  fjü^^  iiä  rb  A,  Goi^ectar  ist 
dabei  nar  die  Umkehrung  der  beiden  Sätzchen  Z.  20  in\  rou  E  fiifivt^ 
ratf  int  rou  E  B  iß^i^cBf}  (denn  anch  die  Tilgung  des  zweiten  Z  ist  hand- 
schriftlich and  sonst  bezengt)  und  die  Hinanfrückung  von  23  et  rb  H  ^ 
rb  Z  imCijrti  vor  20  i¥reuBev,  auch  22  Z  für  i7  ist  durch  F  (die  vet 
transL)  gestützt 

In  der  Abb.  de  insomniis  verbessert  Bywater  (a.  a.  O.  S.  67f.) 
2.  460^  28  xiuaufiivou  in  xfvoDvroc« 

Unter  den  zoologischen  Schriften  möge  zuerst  für  de  gene- 
ratione  animalium  genannt  sein: 

65)  Trait6  de  la  g^n^ration  des  animaux  d'Aristote  traduit  en 
firan^s  etc.  par  J.  Barthölemy-Saint  Hilaire.  Paris,  Hachette 
1887.  GGLXXXIII,  124.  649  S.  2  Bde.  Lex.  8. 

HeinUrtheil  über  Hilaire*s  Uebersetzungen  und  die  beigefügten 
Anmerkungen  brauche  ich  nicht  zu  wiederholen.  Dagegen  ist  auch  hier 
wieder  die  Einleitung  höchst  interessant  und  lehrreich.  Wenn  er  freilich 
zuerst  entdeckt  zu  haben  glaubt,  dass  das  6.  Buch  nicht  speziell  zu 
dieser  Schrift  gehört,  so  beruht  dieser  Glaube  nur  auf  Mangel  an 
Kenntniss  der  einschlagenden  deutschen  Litteratur  und  sogar  der  Philo- 
sophie der  Griechen  Zeller 's,  und  selbst  seine  Beobachtung,  dass  es 
mehr  ein  Anhang  zu  de  part.  anim.  ist,  hat  ihm  Susemihl  schon  vor- 
weggenommen, 8.  Ber.  XLYI.  S.  243.  Immerhin  bleibt  seine  Beweis^ 
Alhrang  von  Wertb  und  Interesse.  Im  Uebrigen  vgl.  die  ausführlichere 
Anzeige  von  Susemihl  Berl.  ph.  W.  XL  1891.  Sp  5f. 

Vorwiegend  auf  die  Thiergeschichte  bezieht  sich  die  vortreff- 
liche kleine  Schrift  von 

66)  Franz  Posch  enrieder,  Die  naturwissenschaftlichen  Schriften 
des  Aristoteles  in  ihrem  Verhältniss  zu  den  BQchem  der  hippokrati- 
schen  Sammlung.    Bamberg  1887.  67  S.  8.  (Gymnasialprogramm). 

deren  Werth  ausser  in  dem  Bericht  Zeller's  (Arch.  IL  S.  271  f.)  und 
eingehender  in  den  Recensionen  von  Kühlewein  Philol.  Anz.  XYII. 
1887.  S.  666-669  und  Ilberg  Beri.  ph  W.  VIII.  1888.  Sp.  1237-1239 
nach  Gebühr  gewürdigt  ist  Zugleich  aber  hat  dabei  Kühlewein  auch 
die  Grenzen  des  Sicheren  und  des  Zweifelhaften  in  Poschenrieder^s 
Ergebnissen  schftrfer  gezogen.     Immerhin    bleibt  so  viel  stehen,  dass 


Aristoteles.  1 1 3 

Aristoteles,  um  von  der  Schrift  de  aqua,  aere,  locis  hier  ahzusehen'^), 
ausser  der  über  die  Kopfwunden  höchst  wahrscheinlich  auch  nept  äpBpafv^ 
Ttepl  vouffwv  a'  und  die  kölschen  Prognosen  gekannt  und  benutzt  hat, 
vielleicht  auch  ntp\  <puatog  naidtou.  Dagegen  scheinen  die  Aehnlich- 
keiten  mit  nep\  zöntav  xar'  ävBptonov  mir  eher  auf  eine  gemeinsame 
Quelle  hinzuweisen'^),  und  in  Bezug  auf  nep\  (Topxlov  muss  es  völlig 
dahingestellt  bleiben,  ob  der  Verfasser  dieser  Schrift  den  Aristoteles, 
wie  Poscbenrieder  meint,  oder  umgekehrt  Aristoteles  (Hist.  an.  in,  3) 
ihn  benutzte,  was  Kühle  wein  eher  zu  glauben  geneigt  ist.  Die  von 
Kühleweiu  Philologus  XVII.  S.  127  ff.  aufgedeckten  Spuren  davon,  dass 
der  Urheber  des  unächten  7.  Buches  der  Thiergesch.  mit  den  gynäko- 
logischen Schriften  der  sogenannten  hippokratischen  Sammlung  vertraut 
war,  hat  Poscbenrieder  weiter  verfolgt  und  nachgewiesen,  dass  der- 
selbe namentlich  solche  Stellen  mit  Vorliebe  heranzog,  bei  welchen  ein 
Gleiches  schon  von  dem  ächten  Aristoteles  geschehen  war.  Auf  den 
zweiten,  die  Probleme  betreffenden  Theil  von  Poschenrieder's  Schrift 
kann  ich  erst  weiter  unten  zu  sprechen  kommen.  Die  Hartnäckigkeit 
aber,  mit  welcher  bisher  unsere  eigentlich  Ton  angebenden  Gelehrten 
(s.  Ber.  XLII.  S.  13)  noch  immer  an  der  Aechtheit  des  7.  und  9.  Buchs 
der  Thiergesch.  festhielten,  wird  nunmehr  wohl  ihr  Ende  erreicht  haben, 
da  auch  Zell  er  (Arch.  II.  S.  272)  anerkannt  hat,  dass  fUr  das  9.  durch 
die  ausgezeichnete  Abhandlung  von 

56)  L.  Dittmeyer,  Die  Unechtheit  des  IX.  Buches  der  Aristote- 
lischen Tiergeschichte,  München  1887.  47  S.  8.  (Bl  f.  d.  bayer.  Gym- 
nasialschulwesen XXIII.  S.  16—29.  66—78.   145  —  162) 

nach  allen  Richtungen  hin  das  Gegentheii  erhärtet  ist.  Als  so  wohl  aus- 
gearbeitet die  Thiergesch.  also   auch  bezeichnet  werden  muss,   so  weit 


>7)  Dass  Poscbenrieder  S.  8.  A.  12  auf  die  analogen  Aeosserungen  in 
dieser  Schrift  und  bei  Piaton  in  der  Politie  und  Aristoteles  in  der  Politik 
»kein  allzu  grosses  Gewicht  legen  möchtec,  darin  hat  er  ganz  Recht.  Trotz- 
dem kann  wohl  kaum  im  Zweifel  darüber  sein,  dass  Beide  diese  Schrift 
kannten  und  auch  bei  diesen  ihren  analogen,  jedoch  nicht  identischen  Aeusse- 
ruDgen  vor  Augen  hatten,  wenn  auch  nicht  gerade  erst  dadurch  auf  dieselben 
geführt  wurden,  vgl.  Ilberg  Sp.  1238. 

^)  Zu  diesem  Urtheil  bewegt  mich  die  von  Kflhlewein  S.  566 f.  mit 
Recht  betonte  Abweichung:  Psendo-Hippokr.  a.  a.  0.  §  5.  xal  xb  ßkv  awßa 
näv  ißitXtov  vtoptav  ntpl  dk  rd  npöüwnou  xal  rify  xB^ed-^v  oöx  iart  vtupa^ 
dkl'  fvcc  Aristot.  H.  A.  III,  6.  516^  12  ff.  xal  ittpi  ndvxa  i<nt  zd  daräTtX^' 
^g  vBoptoy  .  kv  dh  zj  xe^aXf/  oöx  icziv  oödiu,.  dXX^  al  fia^ai.  Denn  dass 
etwa  Tvcc  hier  die  Nerven  im  Gegensatz  zu  den  Sehnen  {v9upa)  bezeichnen 
könnte,  was  Kühlewein  für  möglich  hält,  scheint  mir  bis  auf  Weiteres  un- 
möglich: ich  denke,  es  sind  eben  auch  hier  die  Fleischfasern  oder  Muskeln 
gemeint 

JahrMb«richt  für  Alt«rthuiiuwiM«nMhaft  LXVn.  Bd.  (ISSl.  I.)  8 


114  Thiergesch.  u.  and.  zool.  u.  8.w.  Schriften    Physiognomik. 

Aristoteles  sie  vollendet  hat,  ist  sie  doch  ehen  bei  Weitem  unvollendet 
geblieben.  Recht  missverstftndlich  ist  übrigens  der  Ausdruck  Ditt* 
meyer's  S.  46  (161),  der  Katalog  des  Diog.  Laert.,  welcher  neun  Bttcher 
Ttspt  C^JMov  aufzählt,  verdiene  bekanntlich  keinen  Glauben.  Gemeint  ist 
offenbar  nur,  dass  aus  ihm  die  Aechtheit  des  9.  Buches  nicht  folgt,  son- 
dern nur,  dass  der  Urheber  dieses  Katalogs  schon  die  Verbindung  des 
7.  und  9.  Buches  mit  dem  ächten  Werk  vor  sich  hatte,  während  er  das 
10.  noch  als  besondere  Schrift  aufführt. 

Ich  schliesse  den  Bericht  über  diese  ganze  Gruppe  der  zoologischen, 
psychologischen  und  physiologischen  Werke  des  Aristoteles  mit  einer 
medicinischen  Doctordissertation  ab,  die  gewiss  eben  als  solche  ein 
sehr  erfreuliches  Symptom  genannt  werden  muss  und  von  de  partibus 
animalium  ausgehend,  dann  auch  die  übrigen  hierher  gehörigen  Schriften 
in  ihren  Bereich  zieht: 

57)  Friedrich  Landmann,  Die  physiologischen  Anschaaungen 
des  Aristoteles.    Greifswald  1890.   SO  S.  8. 

Der  Verf.  hat  es  allerdings  eben  nur  auf  einen  Gesammtüberblick 
abgesehen  und  von  neueren  Arbeiten  ausser  Lewes  nur  noch  J.  B. 
Meyer's  Thierkunde  des  Aristoteles  benutzt,  tiefer  liegende  schwierige 
Fragen  daher  nicht  berührt;  aber  als  ein  solcher  kurzer  und  brauch- 
barer Ueberblick  kann  diese  Darstellung  immerhin  empfohlen  werden. 

Die  Unächtheit  der  Physiognomik  erhärtet 

58)  Rieh.  Fo  er  st  er,  De  Aristotelis  quae  feruntur  Physiognomi- 
corum  indole  ac  condicione  Philol.  Abhh.  zum  7ojähr.  Geburtst  von 
M.  Hertz,  Berlin  1888.  S.  282—304 

genauer,  als  es  bisher  geschehen  ist,  und  zeigt  im  Anschluss  an  Rose 
Aristot.  pseudep.  S.  696  ff. ,  dass  C.  1 — 3  aus  einer  anderen  Schrift  als 
C.  4  -6  ausgezogen  sind,  diese  beiden  Schriften  aber  vor  Polemon  dem 
Physiognomen  und  Suetonius,  ja  vielleicht  schon  von  Hermippos  (da  im 
Katalog  des  Anon.  Menag  =  Hesych.  No.  97  ^aioptw/iexä  ß  steht,  in 
dem  des  Laert.  Diog.  No.  109  freilich  ^uato^yaßjjLtxä  5)*»)  verbunden  und 
von  Peripatetikern  unter  dem  Einfluss  eigner  Aeusserungen  des  Aristo- 
teles (Anal.  pr.  II,  27.  70^  7  ff .  H.  A.  I,  9.  15.  49l^ff.  494»  16)  ge- 
schrieben waren.  Den  Urheber  unserer  Auszüge  setzt  er  in  die  Zeit 
des  Hadrianos,  indem  er  die  Worte  3.  808»  16  oIoq  äv  ehj  ätovoinog  o 
aofurrfjQ  auf  den  damaligen  Sophisten  Dionysios  von  Miletos  bezieht 


S9)  Wenigstens  die  Entstehung  der  ersteren  Schrift  fällt  sonach  noch 
ins  3.  Jahrh  ,  wenn  anders  doch  wohl  wirklich,  wie  gesagt,  diese  Verseichnisse 
auf  das  des  Hermippos  zurückgehen.  Indessen  s.  Suse  mihi  Qriech.-alex  L  -G.  I. 
S.  162.  A  845. 


Aristoteles.   De  plant.  Mirab.  aase.  Mechan.  115 

Von  einer  Reihe  anderer  pseudo-aristotelischer  Schriften  erschien 
eine  werthvolle  neue  Ausgabe: 

69)  Aristotelis  quae  feruntur  de  plantis,  de  mirabilibus  auscultati- 
onibus,  mechanica,  de  lineis  insecabilibus,  ventorum  situs  et  nomina, 
de  Melisso  Xenophane  Gorgia.  Edidit  Otto  Apelt.  Leipzig,  Teubuer. 
1888.  XXXIV,  242  S.  8. 

Da  ich  mich  aber  über  dieselbe  ausführlicher  in  d.  Berl.  ph  Woch. 
X.  1890.  Sp.  1361 -1364^)  ausgesprochen  habe,  kann  ich  mich  hier 
kurz  fassen:  sie  ist  von  besonderem  Belang  für  die  mechanischen 
Probleme,  noch  mehr  aber  für  das  Schriftchen  über  die  untheil- 
baren  Linien,  dessen  Text  hier  zuerst  methodisch  gestaltet  und  ab- 
gesehen von  Hayduck's  Vorgang  auch  zuerst  emendirt  ist,  am  Meisten 
aber  für  die  Abhandlungen  über  Melissos,  Xenophanes  und  Gor- 
gia s,  für  welche  wir  hier  nicht  bloss  die  erste  wirkliche,  auf  eine  er- 
neute Vergleichung  des  von  Bekker  unbegreiflich  stiefväterlich  behan- 
delten Hauptcodex  (Lipsiensis),  aber  nicht  einseitig  auf  ihn  allein  be- 
gründete Textrecension ,  sondern  überhaupt  erst  einen  dieses  Namens 
würdigen,  neben  vielen  fremden  Conjecturen  auch  durch  zahlreiche  eigene 
verbesserten  Text  erbalten.  Ausser  von  mir  ist  diese  Ausgabe  von 
E.  Richter  Deutsche  L.-Z.  1889.  Sp.  1231  f.*>)  und  Wohlrab  Litt. 
Centralbl.  1889.  Sp.  1236  f.  recensirt  Dazukommt  der  Bericht  von 
Zeller  Arch.  f.  G.  d.  Ph.  IIL  S.  317 f. 

Dass  der  Verfasser  der  letztgenannten' Abhandlungen,  gleichwie  er 
trotz  Kern  und  Heinze  die  Lehre  des  Xenophanes  auf  das  Aeusserste 
verfälscht,  so  auch  nicht  einmal  für  die  des  Melissos  durchweg  zuver- 
lässig ist,  hat  einleuchtend  Pabst  a.  a.  0.  gezeigt,  und  für  die  Unter- 
suchung der  Quellen  von  Pseudo-Arist.  Mirab.  au  sc.  ist  noch  auf 
Günther,  De  ea,  quae  inter  Timaeum  et  Sycophronem  intercedit  ratione. 
Leipzig  1889.  8.  zu  verweisen,  vgl.  die  Reco,  von  Susemihl  Berl.  ph. 
Woch.  XL  1891.  Sp.  71—73  und  Knaack  Woch.  f.  kl.  Ph.  VIIL  1891, 
Sp.  399— 401  und  Susemihl  Gr.-alex.  L.-G.  I.  S.  889f.  Die  auf  diese 
Sammlung  bezügliche  Abhandlung  von 

60)  P.  Unger,  De  antiquissima  Aenianum  inscriptione.  (Aristot. 
mir.  ausc.  c.  145)    Altenburg  1888.  12  S.  4.  (Gymnasialprogr.) 

ist  mir  nicht  zugekommen.  Und  so  ist  denn  vor  dem  Uebergang  auf  die 
weiteren,  wirklich  von  Aristoteles  herrührenden  Schriften  nur  noch  hin- 


^)  Wie  die  falsche  Angabe  von  einer  Recension  B.  Kübler's  an  dieser 
Stelle  Sp.  1361^1368  in  diesen  Jahresber.  LXV.  S.  226  zu  verbessern  ist,  mnss 
ich  dem  Verf.  überlassen. 

41)  Vergl.  was  ich  in  meiner  eigenen  Recension  gegen  dessen  sehr  wenig 
verständigen  Tadel  erinnert  habe. 

8* 


116  liiQ-  insec.  De  Mefisso  etc.  Probl. 

sichtlich  der  Probleme  auf  Posch  enrieder's  anter  No.  65  besprochenes 
Schriftchen  zurückzukommen. 

Poschenrieder  führt  nämlich  im  zweiten  Theile  desselben  (S.  38 ff.) 
die  von  £.  Richter  (vgl.  ßer.  XLVI.  S.  247)  begonnene  Arbeit  in  den 
Problemen  Entlehnungen  aus  den  sogenannten  hippokratischen  Schriften 
nachzuweisen  beträchtlich  weiter  fort.  Namentlich  das  10.  Capitel  der 
wirklich  von  Hippokrates  herrührenden  de  a6re,  aqua,  locis  ist,  wie  er 
zeigt,  häufig  im  1.  Buch  verwerthet,  und  wo  ein  Zusammentreffen  mit 
dem  3.  Abschnitt  der  Aphorismen  stattfindet,  erklärt  sich  dasselbe  daraus, 
dass  auch  dieser  ein  Auszug  aus  jenem  Capitel  ist ;  nur  in  einigen  der 
Bussemakerschen  Probleme  findet  vielmehr  allerdings  Abhängigkeit  von 
ihm  Statt.  In  anderen  Büchern  weist  Poschenrieder  Ausbeutungen 
von  nepl  dtai-njQ  ß\  nepl  voutTwv  a  und  vom  6.  (weniger  sicher  auch  2.) 
Buch  der  Epidemien  nach.  Unsicher  sind  die  zum  Theil  schon  von 
Usener  vermutheten  Spuren  von  nepe  eXxwy  und  nepl  ^oacjv  in  Busse- 
makerschen Problemen. 


Bericht  über  Aristoteles  nnd  die  ältesten  Aka- 
demiker and  Peripatetiker  für  1887 — 1890. 

Zweites  Stttck. 
Von 

Prof.  Dr.  Franz  Sasemihl 

in  Qreifswald. 


Von   der    nikomachischen   Ethik    erhielten   wir   eine   gute   neue 
Aasgabe : 

61)  Aristotelis  Ethica  Nicomachea.  Recognovit  brevique  adnotatione 
critica  instrnxit  I.  Bywater,  Collegii  Exoniensis  socias,  Oxford  1800. 
VIII,  264  8.  8. 

Schon  meine  eigene  unterschied  sich  von  der  B  e  k  k  e  r  *  s  nicht 
zum  Wenigsten  dadurch,  dass  ich  weit  häufiger  die  Lesarten  des  besten 
Codex  E^  aufgenommen  habe.  Es  ist  aber  noch  lange  nicht  oft  genug 
dort  geschehen,  wie  dies  die  zahlreichen  Uebereinstimmungen  in  den 
inzwischen  (s.  No.  90)  erschienenen  Commentaren  des  Aspasios  mit  den- 
selben beweisen.  Von  diesem  neuen,  werthvollen  Qülfsmittel  hat  nun 
Bywater  Gebrauch  gemacht  und  überdies  auch  die  Interpunktion,  in 
meinen  Fusstapfen  fortgehend,  noch  mehrfach  verbessert.  Andererseits 
aber  glaube  ich  in  Anbetracht  der  vielen  und  zum  Theil  groben  Fehler 
in  E^,  welche  auch  Bywater  nicht  verkennt,  dass  er  mit  seinem  An- 
schluss  an  diesen  Codex,  wo  derselbe  allein  steht,  dass  richtige  Mass 
bei  Weitem  überschritten  hat,  und  dass  es  in  solchen  Fällen  (und  im 
1.  Buch  auch  da,  wo  E^  nur  durch  M^  unterstützt  wird)  gerathener 
erscheint  bei  der  Vulgata  zu  bleiben,  so  bald  sich  die  Lesart  von  E^ 
nicht  irgendwie  vor  ihr  empfiehlt,  sondern  die  eine  so  gut  richtig  sein 
kann  wie  die  andere.  Will  man  es  aber  anders  machen,  dann  ist  sogar 
Bywater  noch  nicht  weit  genug  gegangen,  wie  ihm  schon  sein  Recen- 
seot  E.  Wellmann,  Deutsche  L.-Z.  1801,  Sp.  1671  bemerkt  hat,  dass 
dann  kein  Grund  war  z.  B.  1096»  6  ixofjiivoeg,  lOOö^'SO  rä  vSv,  1097*»  6 
rijv  söSatfiov/av  8'  zu  verwerfen.  Ich  selbst  bin  hie  und  da  E^  allein 
gefolgt,  wo  Bywater  ihn  wieder  verlassen  hat.  Der  Apparat  ist  jeden- 


118  Aristoteles. 

üalls  zu  knapp  bemessen,  und  der  Coigecturalkritik  sind  nicht  die  ihr 
gebohrenden  Rechte  eingeräumt,  indem  vielfach  unzweifelhaft  richtige 
oder  doch  höchst  beachtenswerthe  Coiyecturen  nicht  einmal  erwfthnt 
werden.  Unter  den  eigenen  des  Herausgebers  befinden  sich  mehrere 
gute.  Die  höhere  Kritik  ist  absichtlich  nicht  berücksichtigt.  Vorzfiglich 
ist  der  Index.  Genauer  habe  ich  mich  in  meiner  Recension  Berl.  ph.  Woch. 
XII,  1892,  Sp.  74—  78  ausgesprochen.  Andere  Anzeigen  erschienen  noch 
von  Lugert  Woch.  f.  kl.  Ph.  VIII.  1891,  Sp.  705—707  und  Wohlrab 
L.  Gentrlbl.  1891.  Sp.  684. 

Es  wird  wohl  das  Zweckmässigste  sein  die  in  dieser  Zeit  hervor- 
getretenen Besprechungen  einzelner  Stellen  gleich  hier  anzuschliessen : 

62)  H.  Ras  so  w,  Zu  Aristoteles.  Rhein.  Mus.  XLIII.  1888.  S.  583 
bis  596. 

63)  J.  Cook  Wilson,  On  some  passages  in  Plato^s  Republic  and 
Aristotle's  Ethics.  Transactions  of  the  Oxford  philol.  Society  1886/7. 

64)  J.  Z  a  h  1  f  1  e  i  s  c  h ,  Zu  Aristoteles  1135^3    8  (Nikom.  Eth.  E 1 0). 
Zeitschr.  f.  d.  öst  G.  XXXYIII.  1887.  S.  249. 

65)  H.  Jackson,  Academy  XXXII.  1887.  No.  811.  S.  340. 

66)  Derselbe,  Cambridge  University  Reporter  29.  Nov.  1887. 

67)  J.  Cook  Wilson,  Recent  emendations  of  the  Aristotelian  text. 
Academy  1887.  No.  813.  S.  375  f. 

68)  Derselbe,  Some  recent  emendations  of  Aristotle   and   Plato. 
Ebendas.  XXXIO.  1888.  No.  824.  S.  119—121. 

69)  Derselbe,  Notes  on  Aristotle  Nie.  Eth.  Transactions  of  the 
Oxford  phil.  Soc.  1887/8. 

70)  J.  Solomon,  Notes  on  Aristotle's  Ethics.  Classical  Rewiew  III. 

1889.  8.  196—198. 

71)  J.  Burnet,  Ebendas.  S.  198f. 

72)  J.  A.  Stewart,  Notes  of  Aristotle's  Ethics.  Ebendas.  S.  293 f. 

73)  J.  Solomon,  Aristotle's  Ethics  VIII,  10.  Ebendas.  S.  294f. 

74)  J.  A.  Stewart,  Eth.  Nie.  V,  10.  1137»  81—1138»  3.  Ebendas. 

1890.  S.  299. 

75)  S.  E.  Winbolt,  Aristotle,  Ethics'  T,  1.  §  17.  Ebendas.  8.  481. 

Dabei  ist  im  Voraus  zu  bemerken,  dass  No.  67  und  68  gegen  No.  65 
und  66  gerichtet  sind.  —  Hierzu  kommen  aber  noch  Erörterungen  um- 
fänglicherer Partien: 

76)  E.  Arleth,  B/o^  riUioQ  in  der  aristotelischen  Ethik.  Arch.  f. 
Gesch.  der  Philos.  II.  1889.  8.  13—21. 


Ethik.  119 

11)  R.  Noetel,  Aristotelis  Ethicornm  Nicomacheorum  libri  tertii 
capita  XIII.  XIV.  XV.  enarrata.  Jahrb.  f.  Philol.  C.  XXXIX.  1889. 
S.  T21  -  744. 

In  dem  letzteren  dieser  beiden  Aufsätze  ftlhrt  Noetel  seine  ver- 
dienstlichen Untersachungen  über  die  Disposition  einiger  Abschnitte 
weiter.  In  dem  ersteren  sacht  Arleth  genauer  zu  bestimmen,  was  Ari- 
stoteles unter  dem  ß/o^  ziXstoQ  in  der  Definition  der  Glückseligkeit  I,  6. 
1098*  18  verstanden  habe.  Es  handelt  sich  also  dabei  um  die  Ausfüh- 
rungen I,  10.  11  von  1100*  1  ab,  und  er  wendet  sich  natürlich,  da  er 
eine  neue  Erklärung  geben  will,  vor  Allem  gegen  die  von  Rassow  ver- 
suchte als  die  einzige,  welche  bisher  wirklich  in  die  Sache  eingegangen 
ist,  bei  welcher  jedoch  Rassow  selbst  im  Zweifel  stecken  bleibt:  »eine 
Lebensspanne  von  zweckentsprechender  Dauere  Ich  habe  selber  bisher 
an  deren  Richtigkeit  geglaubt,  jedoch  auf  alle  Fälle  die  ünächtheit  des 
Zusatzes  llOl*  l^Jj—l^ndvratQ  behauptet,  auf  welchem  allein  auch  der 
Grund  von  Rassow 's  Schwanken  beruht  Hätte  Arleth  meine  Aus- 
gabe angesehen,  so  würde  er  dies  gefunden  und  nicht  diese  Ausschei- 
dung als  seine  neue  Entdeckung  vorgetragen  haben.  Die  Sache  freilich 
gewinnt  dabei,  dass  er  unabhängig  von  mir  zu  demselben  Ergebniss  ge- 
langt ist  und  es,  wozu  ich  noch  keine  Gelegenheit  hatte,  auch  begründet 
hat  Ohne  Bedenken  gegen  Rassow's  Erklärung  aber  bin  inzwischen 
auch  ich  nicht  geblieben:  kann  denn  ßioQ  wie  das  ganze  Leben  so  auch 
einen  blossen  Theil  desselben  bezeichnen?  warum  sagt  Aristoteles  so 
nicht  lieber  j^pövoc  riXetoQ  wie  1101»  12f.  (vgl.  X,  1.  l\11^  25  j^xoq 
ßioo  rd^iov)?  muss  nicht  die  Erklärung  vielmehr  daran  anknüpfen,  wo- 
von die  Erörterung  ausgeht,  dass  dem  unreifen  Kinde  der  ßeo^  riXeio^ 
abgesprochen  wird  (1101»  5)?^)  widerlegt  nicht  dies  Rassow 's  Deu- 
tung? Diese  Gründe  sind  entscheidender  für  mich  als  die  Arleth' s 
S.  18 f.,  aber  ich  stimme  ihm  sonach  bei,  dass  ßioQ  vielmehr  im  Sinne 
von  »Lebensweise,  Lebensform,  Lebensführungc  zu  fassen  ist  und  das 
mit  diesem  ßioQ  verbundene  riXEiog  etwa  »zweckentsprechend  voll  ent- 
wickelt, ausgereift  und  voUendett^)  bedeutet,  während  es  in  Verbindung 
mit  ;^/9ovoc  nach  der  Natur  des  letzteren  Begriffes  allerdings  »zweckent- 
sprechend langt  heisst  Und  damit  wird  denn  auch,  wie  Arleth  mit 
Recht  behauptet,  völlig  klar,  was  Aristoteles  will:  wer  so  lange  in  einer 
durch  äussere  Mängel  oder  Unfälle  gar  nicht  oder  doch  nicht  allzu  erheblich 


1)  Vgl.  Pol.  I,  13.  1260a  31  ff.  inti  dk  naX^  ärtX^^y  d^kov  ort  rourou 
/ikv  xal  ^  äptr^  oöx  aöroD  npdg  ain6v  iüxtv,  dXXd  npö^  rd  riXog  (rdv  riXetov 
P48.  L8  Ar.  Aid.)  xal  rdv  ^yoüßtvov.  V  (VIII),  5.  1339»  29ff.  ottdk  dmrwr^v 
ärtXiatv  (so  M.  Schmidt  f.  re  nataiy)  dp/iörret  xal  ra?(  ^Xtx(atg  änodtddvat 
ralq  Totauratg*  oödk  ^dp  drtXei  npo^xet  riXog. 

>)  Ich  gebrauche  einen  etwas  andern  Ausdrack  als  Arleth  selbst. 


120  ÄristoteleB. 

an  der  thätigen  Aasübung  tugendhafter  Lebensflüimng  gehindert  ist,  dass 
er  dieselbe  zu  vollkommener  Reife  bringt,  ist  glückselig  und  wird  es 
nach  etwaiger  Störung  durch  schwere  Schicksalsschläge  wiederum,  wenn 
ihm  hernach  abermals  ein  Gleiches  zu  Theil  wird. 

Ich  fasse  nun  das  Uebrige  möglichst  kurz  zusammen.  I,  1.  1094* 
14.  Rassow  hält  Stj  für  das  Richtige,  indem  er  yielleicht  mit  Recht 
behauptet,  Sä  könne  nur  dann  aus  dem  Relativsatz  im  Demonstrativsatz 
wiederholt  werden,  wenn  es  adversativ  und  nicht  bloss  anreihend  sei. 

—  1094^  19.  dp;^^v  f.  dv8pe(av  Burnet,  aber  s.  oben  Ber.  LXXI.  S.  10. 

—  I,  3.  1096*  6.  9.  Rassow  erklärt  mit  Grant  richtig  ßtatog  passi- 
visch und  widerlegt  den  Vertheidigungsversuch  von  xat  durch  Ber  na  js. 

—  10.  Solomon  stützt  Ramsauer's  Erklärung  von  xaraßdXXecv  »ver- 
öffentlichenc  noch  durch  Plat.  Soph.  232  D  und  leitet  diese  Bedeutung 
von  dem  gesetzlichen  Gebrauch  dieses  Wortes  im  Sinne  von  >file,  de- 
posit  among  the  public  recordsc  ab.    >-    I,  4.  1096*  16.  Jackson  hält 
äji^oiv — dXrj^etav  für  einen  Gemeinplatz  der  platonischen  Schule,  Wilson 
bemerkt  dagegen,  dass  von  allen  platonischen  Stellen,  welche  Jackson 
dafElr  beibringt,  nur  die  eine  Rep.  X.  696  C  wirklich  einen  starken  An- 
klang enthält,  und  hebt  bei  dieser  Gelegenheit  die  Anklänge  im  Ausdruck 
von  I,  6.  7.  1097*  24.  1098*  22  f.  bei  ganz  gleichgültigen  Dingen  an  Ges. 
639  D.  770  B  hervor.  —  1096*34—^6.    Gegen  Rassow  s.  Susemihl 
Quaest.  Aristot.  I,   Greifswald  1892.  S.  XVIII.'^.  66.     Auch  der  Vor- 
schlag von  Burnet  ^6  nSavaprepov  —  7  8oxee  \ot  *34  dnopr/aete  um- 
zustellen war  längst  im  Voraus  von  Noetel  (vgl.  Ber.  XVII.  S.  279) 
widerlegt.     -    I,  5.  1097*  27.  Soukoug  (f.  aöXobg)  By  water  (s.  No.  51) 
und  unabhängig  von  ihm  B u  r n e  t ,  wohl  richtig.    —    ^8 ff.  Wilson 
(No.  69)  macht  mit  Recht  auf  die  Schwierigkeit  der  Construction  auf- 
merksam.   Mit  ihm  nehme  ich  an,  dass  alle  Dative  hier  gleich  bezogen 
werden  müssen  und  xal  hinter  dXkä  »auchc  bedeutet,  so  dass  der  Sinn 
ist:  »nicht  für  den  Mann  allein  für  sich  genommen,  sondern  auch  für 
seine  Familie  und  für  alle  ihm  Nahestehenden  überhaupt,  seine  Freunde 
und  Mitbürgerc  =  »sondern  mit  seiner  Familie  u.  s.  w.c    Die  Lesart 
yvvat^l  in  K^  M^  ist  ohne  Zweifel  falsch  und  wird  nicht  einmal  von 
By  water  gebilligt.    Ob  Aristot.  hier  Plat.  Rep.  387  E  vor  Augen  hatte, 
lasse  auch  ich  dahingestellt,  zumal  da  nicht  viel  darauf  ankommt.  —  16. 
alpezfüTarov  Jackson,  was  Wilson  mit  Recht  verwirft  —  I,  6, 1098*  4  ff. 
Burnet  bestreitet  vergebens,  dass  rourou  —  deavoou/ievov  und  dann  xal 
mit  Recht  von  Rassow,  Susemihl  und  Grant  gestrichen  sind.   — 
1,  9.  1099*8.  (^xal  nepT}  rä  ipo^txä  Solomon.    Sollte  nicht  statt  dieser 
gar  zu  gewaltsamen  Aenderung  (^xa\  nepiy  twv  ipu^exwv  oder  bloss  ^xau^ 
T&v  ipüxtxa»y  möglich  sein?    —    ^5.  Burnet  vertheidigt  das  von  mir 
nach  minderwerthigen  Textquellen  gestrichene  ^  ^ikoi,  aber  er  sagt  nicht, 
wie  dies  zu  ndyxaxoc  passt.  —  8.  dp^ijv  (f.  dperijv)  Rassow.  —   I,  10. 
1099^  23.  <rd>  xarä?     Burnet.  —  26.   [xar    dperijv]  Burnet.    Aber 


r 


Ethik.  121 

notd  rtg  bedeutet  iv  ßiq}  reXetw  dvefinöSurroc  oder  xe^^opTjpjfievij»  — 
1100*  4.  [reXetag]  Burnet,  schwerlich  mit  Recht.  —  6.  edBevoüvra 
Buruet  (eua&evoüvra  K^,  was  Bywater  fibersehen  hat).  —  I,  11. 
1101*  14.  Da  hier  df/erij  reXeea  wieder  in  Verbindung  mit  ßiog  rehtog 
erscheint,  nimmt  Burnet  zu  £ucken'8  unrichtiger  Umstellung  von 
16/jii^  -  rdXecov  ßeov  hinter  1*1  ourw  seine  Zuflucht  Vielmehr  sind  nach 
dem  vorhin  Bemerkten  }Q^r-\9nduTiüg  zu  streichen,  indem  eben  jenem 
vorhin  Bemerkten  gemäss  auch  nach  dieser  Streichung  das  Futurum  in 
den  folgenden  Worten  19  f.  el  —  duBpwnoug  keineswegs  unverständlich 
noch  auch  diese  Worte  ein  massiger  Zusatz  sind ,  wie  R  a  s  s  o  w  unter 
Billigung  Zeller's  (der  Arleth's  Abb.  ja  noch  nicht  kannte)  glaubt 
Sie  sind  vielmehr  gerade  mit  der  Hinzuffigung  von  xal  undp^st  durchaus 
nicht  unwesentlich  fhr  das  richtige  Verständniss,  um  eben  den  Fall  einer 
erst  künftigen  Erlangung  oder  auch  Wiedererlangung  der  Glückseligkeit 
einzuschliessen.  Gewundert  aber  habe  ich  mich  über  Rassow^s  em- 
phatische Frage,  »wie  in  aller  Weltt  die  gestrichenen  Worte  in  den 
Text  gekommen  sein  sollten.  Denn  gerade  Rassow  hat  ja  eine  Reihe 
von  Peripatetikerznsätzen  in  der  nik.  Eth.  nachgewiesen,  und  gerade 
Rassow  hat  ja  hervorgehoben,  dass  die  falsche  Auffassung,  als  ob  ßiog 
xiketog  das  ganze  Leben  bezeichnen  sollte,  von  den  ältesten  Zeiten  her 
unter  den  Peripatetikern  bestand').  —  34.  Burnet  bevorzugt  aus  un- 
zureichendem Grunde  die  Lesart  '^ojdrjj^  doch  kann  er  Recht  haben.  — 
^1.  Dass  L^  Q0¥  statt  yäp  hat,  ist  nicht  im  Mindesten  ein  Grund  mit 
Burnet  youv  zu  schreiben.  —  II,  2.  Hier  spricht  nun  Rassow  sich 
selbst  (was  ich  nur  zweifelnd  that)^)  entschieden  für  die  Ansicht  von 
Eucken  aus,  dass  1103^  26-1104*27  nicht  hierher  gehöre,  und  be* 
weist  dies  genauer^).  —  11,  7.  1107*30.  Jackson  vertheidigt  die  aller- 
dings viel  besser  bezeugte  Lesart  xotvoTBpot  (die  auch  Bywater  auf- 


S)  Rassow  S  696.  A.  1  protestirt  auch  gegen  meine  Angabe,  dass  er 
I,  7.  1998«  26—  ^8  dem  Aristoteles  habe  absprechen  wollen.  Natürlich  ist 
mein  weither  Freund  der  beste  Ausleger  seiner  eigenen  Worte,  und  ich  nehme 
es  nun  getrost  auf  meine  eigene  Rechnung,  das  ganze  Gap.  mit  Ausnahme  der 
Anfangsworte  als  ein  den  Zusammenhaxig  zerreissendes  und  schwachsinniges 
Peripatetikerge wasch  za  bezeichnen,  wofür  ich  den  Beweis,  wenn  es  nöthig 
sein  sollte,  nicht  schuldig  bleiben  werde. 

4)  In  meiner  Ausg.  sind  in  der  Bemerkung  z.  d.  St.  die  Worte  1105« 
14— et  zu  streichen. 

s)  Ein  Bedenken  gegen  die  Ausscheidung  erregt  es,  dass  dann  in  die 
Definition  der  Charaktertugend  II,  5.  1106  b  36 ff.  der  dp^bi  kdYoq  yOllig  un- 
vorbereitet hineinfällt.  Man  müsste  also  schon,  um  dies  gut  zu  machen,  an- 
nehmen, dass  ursprOnglich  hinter  1107*7  etwa  Folgendes  (vgl.  1103^  32  ff.) 
gestanden  hätte:  ittpl  dk  roö  dp&oö  koyou  ptfiiia^iax  öarepov,  xal  r(  i^rt  xal 
ic&g  fytt  itpög  rag  ij^adg  äperdg,  was  ja  freilich  keineswegs  unmöglich  oder 
auch  nur  unwahrscheinlich  ist. 


122  Aristoteles. 

genommen  hat);  Wilson  entscheidet  sich  mit  Recht  für  xevofrepoi*). 
Weiter  unten  1108*  82  vertheidigt  er  nicht  minder  richtig  den  herge- 
brachten Text  und  die  hergebrachte  Interpunktion  gegen  Jackson. 
Rassow  will  nicht  zugeben,  dass  dies  ganze  Capitel  unächt  sei.  Er 
hätte  wenigstens  den  Versuch  machen  sollen  die  von  Monro  (s.  Ber.  Y. 
S.  277)  dafür  beigebrachten  GrOnde  zu  widerlegen;  ich  glaube  aber,  er 
wtU'de  bei  diesem  Versuch  selber  gefunden  4)aben,  dass  sie  vielmehr  un- 
widerleglich sind;  vgl.  wiederum  Susemihl  a.  a.  0.  ~  1107^25  schlftgt 
Rassow  ^r^)  nepl  fiexpä  ^elvaey  oder  nepl  iitxpä  (pturav^  vor:  auf  alle 
Fälle  genügt  wohl  Ramsauer*s  Vermuthung  (j^fy  nep\  fuxpä.  —  III, 
2.  1111*9.  Zur  Stütze  für  die  auffällige  Construction  (Aspas.  scheint 
freilich  Xi^ov  rag  gelesen  zu  haben)  vergleicht  Wilson  (No.  63)  Plat. 
Rep.  898  A.  —  14.  noriaag  Win  holt  {niaaQ  Bernays),  vielleicht 
richtig.  —  III,  5.  1112^  18  Bywater  meint,  Aristoteles  müsse  etwa 
geschrieben  haben:  (^rourou)  nwg  [Seä  rourou']  itrrae  xdxsew)  deä  ztvoQ. 
Ich  sehe  das  nicht  ein;  freilich  würde  ich  xa\  rouro  fbr  xdxetvo  erwarten; 
muss  geändert  werden,  so  würde  ich  vielmehr  xdxeTvo  <xar  rouroy  vor- 
schlagen. —  81.  [^  ^^a  Tivog]  als  andere  Lesart  zu  30  ^<*  öS?  Suse- 
mihl Berl.  ph.  Woch.  XII.  1892.  Sp.  78.  —  III.  II.  1117»  14.  (div^ 
dvrmaBeTv?  oder  nach  Aspas.  (so  Heyblut  und  Bywater  in  seiner 
Ausg.)  Av  TtaßeTv?  Stewart  —  20.  Ich  habe  ^  xdl  secludirt,  xat  fehlt 
in  der  besseren  Ueberlieferung.  Rassow  hält  vielleicht  mit  Recht  ^ 
und  xau  für  zwei  Lesarten,  die  er  für  gleich  passend  erklärt.  Mir  schei- 
nen beide  gleich  unmöglich,  und  ebenso  urtheilt  Bywater,  indem  er  in 
seiner  Augs.  ^y  schreibt.  —  III,  18.  1117*>  23.  Noetel  sucht  Ram- 
sau er 's  auch  von  mir  gebilligte  Ausscheidung  von  doxoütn  —  dperai  ge- 
nauer und  richtiger  zu  begründen.  —  1118»  2.  Noetel  vertheidigt  Sk.  — 
10.  popwv  f.  pijXiov  und  12.  pyjAotv  f.  pupwv  Noetel  mit  Recht.'—  13. 
Mit  Recht  entscheidet  sich  Noetel  für  imBufja^zKüv^  während  Bywater 
imBupü^pdzwv  aus  K^  Asp.  (?)  aufgenommen  hat.  13—16.  Noetel 

vertheidigt  gegen  Ramsauer  und  mich  Tdot  -  dapdtQy  tilgt  jedoch  das 
auch  von  mir  verdächtigte  r^  dk  —  rat;ra.  —  22.  Rassow  sieht  gleich 
mir  9  eopwv  für  eine  unrichtige  Variante  an  und  erklärt  deren  Ur- 
sprung. —  ^1  ff.  dxoXaaea^  xal-Cqia'  rb  8i>i  -  &7jpc(b8eQ'  xa}  Noetel  — 
12.  T7jg  f.  To  Noetel,  indem  er  twv  abrwv  als  Neutrum  fasst.  -  23. 
Noetel  vertheidigt  die  Interpunktion  päXXov^  ^.  —  24.  [?  p^  ^k  ^fi?] 
Noetel.  —  III.  14.  1119*  15 f.  Stewart  hat  Recht,  dass  ich  mit 
Bekker  ööBev  (oder  odSdv)'  3aa  hätte  schreiben  sollen.  —  m,  16. 
1119^  12 f.  Noetel  zeigt  richtig,  dass  so  zu  schreiben  und  interpungiren 
ist:  ivavrtoua&ac ,  rb  8k  —  xa}  xexoXaarpsuov  Zanep  yäp  x.  r.  X.  (als 
Begründung  des  Zusatzes  xax  xexoXaapdvov).  —  V,  7. 1131^  26  ff.  lieber 


<)  Denn  xotvörtpoi  wäre  eine  blosse  Tautologie  und  ist  schlechterdinga 
kein  Gegensatz  gegen  dXi^f^tvwTtpot,  wohl  aber  ist  xtvwTepoi  ein  solcher. 


Ethik.  123 

das  $€xatov  8topBwrtxbv  iv  rotg  kxouaioiQ  {ruvaXXdyfiaffev  geben  Solo- 
mon  (No.  70)  uud  Wilson  (No.  69)  längere  Auseinandersetzungen, 
deren  Inhalt  sich  nicht  so  in  der  KOrze  zusammenfassen  lässt;  ich  muss 
mir  daher  vorbehalten  sie  an  einem  anderen  Orte  zu  besprechen.  — 
V,  7.  1132^8—10  =  8.  1133»  U-16.  Muret  und  Lambin  haben 
die  wiederholten  Worte  an  ersterer  Stelle  gestrichen,  und  ihnen  sind 
die  Heransgeber  (jetzt  auch  By water)  gefolgt,  nur  Ramsauer  ver- 
dammt sie  an  beiden  Stellen,  und  ich  habe  dazu  bemerkt:  »nescio  an 
rectet  (an  der  zweiten  fehlen  sie  bei  Michael  und  dem  Paraphrasten). 
Wilson  (No.  63)  sucht  eingehend  zu  zeigen,  dass  wenigstens  die  letz- 
tere nicht  der  richtige  Platz  sei,  und  dass  die  Worte  eine  Interpolation 
an  der  ersteren  sein  mögen,  dass  ferner  die  Conjectur  von  Berg  (nicht 
Rassow,  wie  er  angiebt)  ^8)  ino{€e  (die  auch  Bywater  aufgenommen 
hat)  der  von  Jackson  vorzuziehen  sei,  aber  auch  Bedenken  errege  und 
so  doch  vielleicht  das  Ueberlieferte  richtig  überliefert  sei.  Mir  fehlt 
hier  wiederum  der  Raum  auf  diese  Frage  einzugehen.  —  V,  10.  1 136»  22. 
Wilson  vertheidigt  das  Ueberlieferte  gegen  Jackson.  —  11 35 ^4. 
Zahlfleisch  empfiehlt  das  dnoSw  der  Didotschen  Ausg.  mit  Weglassung 
des  Z.  5  nur  in  K^  Z<)  stehenden  ov:  mir  ist  die  Auctorität  von  K^ 
gross  genug,  um  ihm  nicht  beizustimmen,  und  die  von  M^  (dimSw  i^)  zu 
gering,  um  anders  zu  urtheilen.  —  19.  Stewart  vertheidigt  ahea^  ge- 
gen Jackson^s  von  Suse  mihi  aufgenommene  Goi\jectur  dpoia^,  — 
V,  14.  1137»  81- 1138»  3.  Stewart  spricht  sich  für  Ueberweg's  Um- 
stellung dieser  Partie  vor  C.  11  aus  und  sucht  die  Entstehung  dieser 
Versetzung  (in  möglichem  Zusammenhang  mit  der  grossen  Lücke  in  K^ 
1176»  11  -1177»  30)  zu  begründen:  ich  bleibe  bei  meiner  Meinung,  dass 
hier  gamichts  umzustellen  ist,  sondern  C.  11  —  13  ein  Einschub  aus  der 
eudem.  Eth.  sind.  Man  sollte  endlich  in  England  von  der  völlig  ver- 
kehrten Ansicht  zurückkommen,  dass  die  Bücher  5  —  7  ganz  aus  der 
letzteren  stammen:  sie  gehören  ihrer  Hauptmasse,  aber  auch  nur  ihrer 
Hauptmasse  nach  sicher  in  die  nikom.  —  V,  15.  1138»  18.  dSexeT  äv 
K^  ddtxel  (auTovy?  Stewart.  —  VI,  3.  1139^28,  Ob  wirklich,  wie 
Stewart  meint,  <i^/$c  (L^  Ar.  Aid.  rc.  Z^)  bloss  eine  verunglückte  Con- 
jectur und  nicht  vielmehr  die  richtige  Lesart  ist,  steht  durchaus  nicht 
fest,  und  vollends  mit  ihm  Z.  39  xal  zu  streichen,  weil  es  »vielleichtc 
in  r  fehlte,  ist  eine  ganz  unberechtigte  kritische  Operation.  —  VI.  5. 
1140^5.  21.  Da  an  ersterer  Stelle  nur  Alex,  in  Met  981^25  (allerdings 
eine  gewichtige  AuctoritAt)  und  an  letzterer  ausser  ihm  nur  noch  P*  M^ 
Paris.  1417  Eustr. '')  Aret.  und,  wie  es  scheint  8),  F  dkrj^oug  darbieten, 
habe  ich  dies  nicht  in  den  Text  zu  setzen  gewagt,  aber  doch  zweifelnd 


7)  Selbstverst&ndlich,  was  Wilson  h&tte  einsehen  sollen,  im  Text;  die 
willkürlichen  Lemmen  der  Aldina  kommen  dabei  nicht  in  Betracht. 

•)  S.  darüber  Wilson. 


124  Aristoteles. 

gebilligt,  und  dabei  muss  ich  trotz  Wilson' s  Widerrede  gegen  Jack- 
son bleiben:  ich  kann  mir  nicht  vorstellen,  wie  Aristoteles  den  passen- 
den Ausdruck,  den  er  im  4.  Cap.  gebraucht  hat,  hier  mit  einem  schwer- 
lich passenden  vertauscht  haben  sollte.  —  VI,  12.  1143^  6.  Wilson 
(No.  69)  äussert  seine  Bedenken  in  Bezug  auf  die  Auffälligkeit  der  hier 
ausgesprochenen  Behauptung  und  überhaupt  der  in  diesem  Capitel  ent- 
haltenen Ausführungen  und  verspricht  darzulegen,  dass  dasselbe  von 
einem  andern  Verf.  als  die  Hauptmasse  dieses  Buches  oder  wenigstens 
'  nicht  in  unverfälschter  Gestalt  erhalten  sei.  Wenn  er  dies  Yerspredien 
erfüllt  und  dabei  meine  bisher  von  aller  Welt  einfach  todtgeschwiegenen 
Studien  zur  nik.  Eth.,  Jabrb.  f.  Ph.  CXIX.  1879.  S.  753-759  benutzt, 
so  wird  er  vielleicht  mit  mir  finden,  dass  das  Letztere  das  Richtige,  ge- 
nauer dass  1143^  1  xal  6  fikv — 5  voSc  und  9  dcb  —  11.  roOrojv  ein  un- 
aristotelisches Einschiebsel  (vielleicht  aus  der  eud.  Eth.),  alles  Andere 
aber  unentbehrlich  und  acht  aristotelisch  ist  —  VII,  1.  1145<^  29.  äv^ 
Jackson,  was  Wilson  mit  Recht  bestreitet,  indem  er,  üalls  wirklich 
eine  Aenderung  nöthig  sein  sollte,  gleich  mir  die  von  Koraes  (oder 
auch  die  von  Giffen)  für  die  einzig  in  Frage  kommende  erklärt.  Ebenso 
spricht  er  sich  gleich  mir  gegen  Zwing  er 's  von  Jackson  empfohlene 
Ausscheidung  von  28  xaBdnep  —  29  foatv  aus.  —  VII,  3.  1145^24. 
Wilson  (No.  69)  meint,  es  sei  nicht  bedeutungslos,  dass  der  Paraphrast 
abx^v  (aurbv  Vulg.)  weglasse,  und  vermuthet  daher,  dass  es  wirklich  zu 
streichen  sei.  —  VII,  3.  1145^30.  i^^os?  oder  etwas  Aehnliches  tdUxat 
Jackson,  aber  Wilson  vertheidigt  mit  Erfolg  die  Ueberlieferung.  — 
1146»  9.  ioTiv  (f.  «ff)?  Stewart  —  VII,  5.  1147»>33.  [t^]  oder  [dxpa- 
reeff]  Jackson,  aber  Wilson  zeigt,  dass  dies  unnöthig  ist  —  VII, 
14.  1153^  11.  alptrwTarov  Jackson,  aber  s.  oben  zu  1097»  16.  — 
VIII,  11. 1160»  19  ff.  Obwohl  ich  sonst  Bywater'sin  seiner  Ausg.  vrieder- 
holte  Goi^ecturen  hier  übergehe,  muss  hier  doch  auf  seine  Begründung 
(Journ.  of  Phil.  XVil.  S.  69  ff.)  der  von  ihm  vorgenommenen  scharfsin- 
nigen und  wahrscheinlich  richtigen  Herstellung  dieser  zerrütteten  Partie 
hingewiesen  werden.  —  VIII,  12.  1160^  6  f.  Mit  Recht  führte  zur  Er- 
läuterung des  xhjpwroi  Tcg  ßaffdeuQ  Koraes  den  athenischen  zweiten 
Archen  als  Beispiel  an,  und  Raro sauer  verwies  auf  Plat.  Polit.  291  A 
rooQ  xkf^pwTouQ  ßaatXiaQ  äpa  xa\  kpiag.  Gewiss  richtig  hat  danach 
Solomon  auch  Plat  Ges.  III.  692  A  die  xktipmrij  Suvafit^  erklärt,  die 
man  fälschlich  bisher  auf  die  Ephoren  bezog,  während  der  Sinn  offenbar 
ist,  das  Eönigthum  in  Sparta  sei  durch  die  Ephoren  nahezu  zu  einer 
blossen  xki^pwcij  ßaadeia  geworden,  d.  h.  zu  einem  blossen  Titularkönig- 
thum  nach  Art  der  priesterlichen  Beamten,  welche  nach  Abschaffung  des 
Königthums  den  Titel  König  erhielten,  um  die  nur  den  Königen  zuste- 
henden heiligen  Handlungen  fortzusetzen.  Gewiss  hat  Aristoteles,  wie 
Solomon  annimmt,  diese  platonischen  Stellen  im  Auge  gehabt,  mag 
nun  Piaton  den  humoristischen  Ausdruck  erfunden  oder  schon  vorgc- 


£thik.  125 

fanden  haben.  —  IX,  3.  1166^  14.  ou8k  By water  ohne  Noth;  im 
üebrigen  s.  seine  Ausg.  —  IX,  4.  1166<^  19-24.  Ramsauer  hat  ixa- 
aroQ  —  22.  iör/v,  SasemihJ  ixaaro^  —  28.  ßidXttna  ausgeschieden. 
Solomon  sucht  nun  theils  im  Anscbluss  an  Grant,  tbeils  abweichend 
von  ihm  die  Stelle  exegetisch  zu  retten.  Wiederum  gebricht  mir  hier  der 
Raum  auf  diesen  Gegenstand  einzugehen.  —  IX,  10.  1170^  31.  Wil- 
son zeigt,  dass  Jackson  mit  Unrecht  die  Lesart  von  L^  dvdpwv  em- 
pfiehlt*). —  X,  2.  1172^  10  ff.  [iv]?  Zeller.  Z.  12.  Rassow  zweifelnd 
fidXiora  f.  itäfftv  und  mit  Spengel  aiperov  f.  äpcarov^  aber  Zeller  Arch. 
f.  G.  d.  Ph.  III.  S.  804  f.  zeigt,  dass  es  keiner  sonstigen  Aenderung  als 
der  (schon  von  mir  aufgenommenen)  Rieckher^s  und  SpengeTs  von 
11  d'  in  yäp  und  der  Ersetzung  des  nur  in  K ^  erscheinenden  Sr^  durch 
8k  (Z.  12)  bedarf.  Z.  17  empfiehlt  Rassow  die  Goi^ectur  von  Koraes 
{.oß^y  ourmg  i^ov,  —  1173*  11.  ro  fii^SsTepov  Rassow,  besser  [twv] 
und  [^]  Zeller.  —  13.  dvrtxeeuran  aus  M*>  Rassow.  —  X,  3. 
1174<^  21.  Stewart  will  mit  L^  M^  Aid.  das  zweite  9  weglassen,  sagt 
aber  nicht,  was  dann  das  erste  bedeuten  soll.  —  X,  7.  1177^  13.  ^^(^1^ 
Jackson,  leicht  und  ansprechend,  aber  doch,  wie  Wilson  richtig  ur- 
theilt,  nicht  durchaus  nöthig.  —  15.  Rassow  verwirft  mit  Recht  jede 
Aenderung.  —  X,  8.  1178»  30.  8k  Rassow  mit  Recht.  —  ^18.  Mit 
nicht  minderem  Recht  verlangt  Rassow  die  Aufnahme  der  auch  von 
mir  ttbersehenen  Verbesserung  Eucken's  ys,  —  X,  10.  1179^17.  ei^e« 
Jackson,  was  durch  die  Parallelstelle  Pol.  IV  (VII),  2.  1324^21  f.,  ob- 
gleich dieselbe  m.  E.  nicht  von  Aristoteles  selbst  herrührt,  genügend 
gestützt  wird;  die  Einwendungen  Wilson's  sind  von  sehr  hinfälliger 
Natur^ö).   —    1179^20— 1180»  6  wird  mit  Recht  von  Rassow  als  eine 


9)  Genau  ist  dieser  Ausdruck  ja  ebensowenig;  genau  wäre  allein  nokt- 
rwv  gewesen;  aber  Aristot.  ist  oft  »l&sslichc. 

10)  Dass  1j^  bei  andern  Schriftstellern  aus  der  Bedeutung  »Charakter- 
eigenthflmlichkeitenc  geradezu  in  die  von  »Sittenc  übergeht,  lehrt  jedes  Lexi- 
kon. Aber  bei  Aristoteles  erscheint  dies  ausgeschlossen,  da  er  sachlich  und 
sprachlich  umgekehrt  dasijlt^off  ans  dem  l^c  herleitet,  II,  1. 1103»  17 f.  Wil- 
son beruft  sich  sehr  übereilt  auf  Pol.  11,  5.  1263*23;  denn  hier  giebt  die 
Familie  /7i  vielmehr  li^ctfc.  Durch  dies  Alles  hat  sich  freilich  Newman 
(s.  No.  97)  nicht  abhalten  lassen  zu  dieser  Stelle  folgendes  zu  bemerken :  > We 
have  in  1263^39  rolg  i^tüt  xal  rj  ^iXoao^  %al  rotq  vöfiotg,  and  11^  read 
a^8ai  here,  but  Ij^tm  (//>)  is  in  all  probability  the  correct  reading  —  cp. 
Plato  Laws  751  C  . .  .  Rep.  667  G  u.  s.  w.c  Das  heisst  mit  anderen  Worten: 
man  gewinnt  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  den  richtigen  Text  des  Aristot., 
wenn  man  denselben  nicht  nach  seinem  eigenen  Sprachgebrauch  und  dem  mit 
diesem  übereinstimmenden  Theil  seiner  Abschreiber,  sondern  nach  dem  an- 
dern Tbeil  der  letsteren  und  Platon's  Sprachgebrauch  herstellt  Ebenso  steht 
VI  (IV),  6.  1292^  14  i^og  richtig  in  /7^  i^^c  verkehrt  in  ÜK    Davon  gar 


126  Aristoteles. 

andere  Recensiou  von  117\)^  4 — 20  bezeichnet,  und  zwar  als  die  end- 
gtdtig  von  Aristot  gewollte.  Ich  glaube  aber  weder,  dass  der  letztge- 
nannte Abschnitt,  »dem  sich  in  Bezug  auf  periodische  Abrundung  und 
gewählten  Ausdruck  wenige  Partien  aus  den  Büchern  der  nik.  Eth.  an 
die  Seite  stellen  könnenc,  früher  für  diese  Stelle  bestimmt,  noch  dass 
er  aus  einer  andern  Schrift  des  Aristot.,  sondern  dass  er  entweder  aas 
dem  Coucept  für  seine  Vorlesungen  oder  aus  einer  ZuhOremachschrift 
genommen  war.  —  Dazu  kommt  noch  Eth.  Eud.  YIl,  15.  1249 '^  xal  f. 
xarä  Rassow,  ohne  Zweifel  richtig. 

Erörterungen  des  Systems  der  aristotelischen  Ethik  oder  einzelner 
Theile  desselben  erschienen  ziemlich  zahlreich.  Ich  beginne  mit  denen, 
welche  Stücke  umfassenderer  Darstellungen  sind: 

78)  Theob.  Ziegler,  Die  Ethik  der  Griechen  und  Römer.  Neue 
Ausgabe.    Bonn  1886.  8.  Strauss.  S.  103  — 138.  291—298. 

79)  Ch.  E.  Luthardt,  Die  antike  Ethik  in  ihrer  geschichtlichen 
Entwicklang  als  Einleitung  in  die  Geschichte  der  christlichen  Moral, 
Leipzig  1887.  8.  DörfHing  und  Franke.    S.  55     97, 

und  schliesse  an  diese  sofort  an: 

80)  Mad.  Jules  Favre  (N^e  Veiten),  La  morale  d'Aristote. 
Paris  1889.    Alcan.  388  S.    16. 

Mein  Bericht  über  Ziegler  kommt  freilich  bedeutend  zu  spät,  da 
die  neue  Ausgabe  eben  nur  das  Titelblatt  seines  schon  1882  erschiene- 
nen und  von  mir  früher  übersehenen  Buches  erneuert  hat.  Um  so  er- 
.freulicher  ist  es,  dass  sein  Ueberblick  über  die  aristotelische  Ethik  in- 
zwischen noch  nicht  im  Mindesten  veraltet  ist,  sondern  noch  heute  durch- 
weg fast  ungetheilte  Billigung  und  Anerkennung  verdient.  Nur  weniges 
Erhebliche  wünscht  man  jetzt  anders.  Ueber  den  IiTthum,  dass  ßto^ 
riXeiog  das  ganze  Leben  bezeichne,  wird  er  wohl  inzwischen  bereits 
selber  hinausgekommen  sein  und  auch  über  den  Unterschied  der  aristo- 
telischen Dreitheilung  der  Menschenseele  von  der  platonischen  nicht 
mehr  so  im  Unklaren  stecken,  wie  es  hier  noch  der  Fall  ist.  Die  Be- 
zeichnung des  vou^  im  engeren  Sinne  als  Tugend  der  Induction  ist  sehr 
schief.  Die  Frage,  ob  Aristoteles  ihn  und  die  imtm^fu]  überhaupt  als 
Tugenden  der  theoretischen  Vernunft  oder  nur  die  W^eisheit  als  solche 
angesehen  hat,  ist  von  ihm  noch  gar  nicht  aufgeworfen;  beantworten 
lässt  sie  sich  freilich  auch  mit  Sicherheit  kaum.  Den  leitenden  Faden 
bei  der  Aufeinanderfolge    der  Charaktertugenden  bezeichnet  er  m.  E. 


nicht  EU  reden,  dass  bei  Plat.  Rep.  X.  557 C.  558  D  (angeführt  von  Wilson) 
doch  auch  die  Grundbedeutung  »Charaktereigenihümlicblieiteoc  noch  stark 
hindurch  scheint. 


\: 


Ethik.  127 

im  Ganzen  richtig.     Damit  mag  es  für  den  Zweck  dieser  Berichte  ge- 
nug sein. 

In  Bezug  auf  Luthardt*s  Darstellung  brauche  ich  im  Wesent- 
lichen nur  auf  einen  früheren  Bericht  Y.  S.  271 — 276  zurückzuweisen, 
da  die  frühere  frei  stehende  Arbeit  des  Verf  bei  der  umgestaltenden 
Einfügung  in  ein  grösseres  Ganze  sachlich  Nichts  verloren,  wohl  aber 
dadurch,  dass  derselbe,  wenn  auch  leider  nur  in  beschränktem  Masse, 
berechtigten  gegen  jene  erhobenen  Einwendungen  Gehör  schenkte,  ent- 
schieden gewonnen  hat  So  ist  mir  fast  Alles  wie  aus  der  Seele  ge- 
schrieben. Gegen  ein  paar  erhebliche  Punkte  muss  ich  aber  doch  Ein- 
spruch erheben.  Wenn  Luthardt  von  Egoismus  der  aristotelischen 
Moral  spricht,  so  ist  dies  im  Uebrigen  in  mehr  als  einer  Hinsicht 
richtig,,  aber  am  Wenigsten  in  Bezug  auf  die  »wahre  Selbstliebec ,  wel- 
che alle  mögliche  Selbstaufopferung  in  sich  schliesst :  im  Gegentheil  die 
Moral  des  orthodoxen  Christen,  welcher  seinen  Lohn  im  Jenseits  er- 
wartet, ist  viel  egoistischer.  Oder  könnte  Luthardt  von  seinem  Stand- 
punkte aus  wie  ich  von  dem  meinen  zugegeben,  es  sei  möglich,  dass 
Jemand,  der  nicht  an  persönliche  Unsterblichkeit  glaubt  i^) ,  dennoch 
nach  Menschenkraft  die  volle  christlich-sittliche  Gesinnung  besitze?  Ge- 
wiss nicht.  Und  dennoch  wäre  dies  der  Prüfstein.  So  wenig  ferner  die 
TipitaupeaiQ  des  Aristot.  an  diese  Art  von  Gesinnung  hinanreicht,  so  halte 
ich  doch  die  Behauptung,  es  sei  die  letztere  gleichwerthig ,  ob  sie  in 
Thaten  sich  anspricht  oder  nicht,  für  eine  falsche  Isolirung  des  Einzel- 
menschen und  für  eine  Ueberspannung  des  grossen  reformatorischen 
Princips  der  Rechtfertigung  allein  durch  den  Glauben,  für  einen  Aus- 
fluss  des  falschen  weltflüchtigcn  und  nicht  des  wahren  weltüberwinden- 
den Ghristenthums.  Denn  wo  bliebe  da  des  Christen  höchste  Aufgabe, 
die  Mitarbeit  am  Bau  des  Reiches  Gottes  auf  Erden?  Und  vollends  die 
hiemit  zusammenhängende  Annahme,  als  könnte  auch  unter  den  aller- 
ungünstigsten  äusseren  Verhältnissen  von  Jugend  auf  und  fort  und  fort 
dennoch  dieselbe  christlich-sittliche  Gesinnung  sich  entwickeln  wie  unter 
den  allergünstigsten,  ist  hinter  dem  Studirtisch  entstanden,  zeigt  nur  wie 
viel  besser  Aristot.  das  Leben  und  die  Menschen  kannte,  und  verunstaltet 
eine  Darstellung,  die  sonst  so  voll  von  Klarheit  und  Wahrheit,  Tiefe  und 


11)  Dass  falls  mit  dem  Tode  auch  das  Ich,  »der  dunkle  Despotc,  ster- 
ben sollte,  damit  die  Uusterblichkeitsfrage  noch  lange  nicht  abgethan  sein 
würde,  hat  u.  A.  Graf  Schack  treffend  bemerkt.  Und  viel  bedeutender  ist 
eine  andere,  ähnliche  Frage,  was  einst  ans  der  menschlichen  Culturentwioke- 
Jnng  wird,  wenn  die  Erde  in  das  Stadium  su  kommen  beginnt,  dass  Menschen 
nicht  mehr  auf  ihr  leben  können.  Das  weiss  nur  »der  grosse  Weltenmeisterc, 
der  aber  auch  sicher.  Denn  »Nichts  ist  verloren  und  verschwunden,  was 
die  geheimnissvoU  waltenden  Standen  in  den  dunkel  schaffenden  Schoss  auf- 
nahmen«. 


128  Aristoteles. 

Schönheit  ist^).  Dass  auch  Lutbardt  noch  immer  unter  ßtoQ  reXeeog 
das  ganze  Leben  versteht,  ist  bedauerlich,  aber  doch  Nebensache.  Aber 
ein  »starkes  Stücke  ist  S.  92  die  Versicherung,  dass  Aristoteles  »in  der 
Päderastie  nichts  Unrechtes  findet,  mit  Berufung  auf  nik.  Eth.  VII,  6. 
1148^  29,  wo  also  Lutbardt  wohl  das  voffj^fiarwSeeg  (Z.  27)  nicht  ge- 
lesen hat,  auf  Pol.  II,  10.  1272^  25  f.,  wo  Aristoteles  gar  nichts  entscheidet, 
sondern  auf  seine  spätere  Entscheidung  (in  der  Lehre  von  der  besten 
Verfassung)  verweist,  die  hernach  unausgeführt  geblieben  ist,  und  end- 
lich auf  Pol.  IV  (VII),  16.  1335^38  ff.,  wo  gar  nicht  von  Päderastie  die 
Rede  ist,  sondern  vom  Ehebruch,  der  tlberdies  hier  streng  verboten  und 
geahndet  wird^').  Ich  zweifle  nicht  daran,  dass  er  über  dieselbe  gerade 
so  wie  Piaton  und  Sokrates,  d.  h.  verwerfend,  dachte.  Und  wenn  end- 
lich dies  Cap.  IV  (VII),  16  die  volle  Kluft  zwischen  der  aristotelischen 
und  der  christlich-modernen  Anschauung  (trotz  Malthus)  offenbart,  so 
durfte  doch  Lutbardt  nicht  übersehen,  dass  bei  Alledem  die  des  Ari- 
stoteles von  der  (monogamischen)  Ehe  als  inniger  Lebensgemeinschaft, 
so  weit  sie  auch  noch  hinter  der  christlichen  zurücksteht,  doch,  wie 
Trendelenburg  in  seinen  Vorlesungen  sagte ,  > schon  eine  über- 
raschend sittliche«  und  innerlicher  als  die  irgend  eines  Menschen  vor 
ihm  ist!*). 

Frau  Favre  behandelt  ihren  Gegenstand  einerseits  sehr  ausführ- 
lich, andererseits  aber  doch  auch  wieder  mit  einer  gewissen  Beschrän- 
kung, indem  sie  nach  den  allgemeinen  Fragen  über  Glückseligkeit,  Tu- 
gend, Zurechnung  im  zweiten  Abschnitt  nur  die  grösseren  Gbaraktertugenden 
Tapferkeit,  Enthaltsamkeit,  Grossartigkeit,  Gerechtigkeit,  nebst  Billigkeit 
und  Liberalität  mit  ihren  entgegengesetzten  Extremen  und  dazwischen 
(vor  der  Gerechtigkeit)  auffälligerweise  die  praktische  Einsicht,  dann  im 


i>)  Das  schwere  Räthsel,  welches  dahinter  steckt,  k&on  wiederum  kein 
Mensch  lösen.  Es  gilt  auch  hier  wieder  es  voll  Gott  vertrauen  auf  sich  be- 
ruhen zu  lassen. 

IS)  nept  dk  r^ff  rtpdg  äXky^v  xai  npdq  äkXov  (näml.  xotvtoviai)  kann  ein- 
fach sprachlich  nichts  Anderes  bedeuten  als:  »was  aber  den  geschlechtlichen 
Umgang  eines  Ehegatten  mit  einer  andern  Frau  als  der  seinen  und  einer 
EhegattiD  mit  einem  andern  Mann  als  dem  ihren  anlangte  Hätte  Luthardt 
meine  erklärende  Ausg.  der  Pol.  benutzt,  wäre  er  vielleicht  von  diesem  argen 
Missverständniss  frei  geblieben. 

1^)  Auch  Xenophon's  hübsche  Auseinandersetzungen  im  Oekonomikos 
streifen  doch  erst  daran.  Hier  kommt  auch  des  Aristot.  Testament  in  Betracht 
in  Bezug  auf  seine  beiden  Fraaen,  erst  recht  wenn  die  zweite  wohl  nur  sein 
Kebsweib  war.  Das  Verhältniss  des  weiblichen  Geschlechts  zum  männlichen 
hat  Aristot.  im  Ganzen  ohne  Zweifel  richtig  bezeichnet,  und  wenn  er  auch  als 
Grieche  das  erstere  noch  stark  unterschätzt ,  hat  er  doch  nicht  unterlassen, 
dessen  eigentbümliche  Vorzüge  vor  dem  letzteren  wiederum  im  Ganzen  treffend 
zu  entwickehi,  s.  Zeller  Ph.  d.  Gr.  II 8,  2  S.  688 f. 


Ethik.  129 

dritten  Selbsthilfe,  Gatten-,  Eltern-,  Kinder-,  Geschwisterliebe  und  Freund- 
schaft und  im  vierten  Gott,  Seele  (in  ein  paar  herausgerissenen  Apho- 
rismen) und  Erziehung  bespricht.  Man  muss  Achtung  haben  vor  den 
Studien  dieser  Dame,  wenn  sie  auch  über  die  französische  Uebersetzung 
von  Barth^lemy  St.  Hilaire  nicht  hinausgehen,  aber  eine  wissen- 
schaftliche Leistung  kann  man  beim  besten  Willen  in  ihrem  ßuche  nicht 
erblicken.  Dass  sie  über  die  aristotelische  Gottesidee  im  Irrthum  schwebt, 
mag  man  ihr  an  sich  nicht  anrechnen,  da  sie  diesen  Irrthum  mit  ge- 
lehrten Männern  theilt,  aber  eine  Folge  desselben  ist,  dass  sie  den  Ari- 
stoteles die  menschliche  Moral  zu  Gott  in  Beziehung  setzen  lässt,  wäh- 
rend die  völlige  Ablösung  derselben  von  der  Religion  gerade  ein  wesent- 
licher und  nicht  eben  vortheilhafter  Grundzug  der  aristotelischen  Ethik 
im  Unterschied  von  der  platonischen  ist.  Und  Behauptungen,  wie  wir 
sie  S.  31  und  S.  20*7  lesen:  »La  possession  du  bien  supr^me  .  .  .  est 
ind^pendante  des  circonstances  ext^rieuresc  und  »Gependant  il  me  semble 
que  la  sagesse  et  la  prudence  peuvent  s^appliquer  aux  mßmes  choses, 
que  la  premi^re  envisage  dans  leurs  principes,  et  la  seconde  dans  leurs 
d^tails  et  leurs  cons^quencest  zeigen,  wie  wenig  die  Verfasserin  über- 
haupt in  das  innerste  Wesen  des  aristotelischen  Denkens  eingedrungen 
ist.  Dafür  Hessen  sich  unschwer  auch  noch  zahlreiche  andere  Beweise 
beibringen.  Die  grosse  Moral  gilt  ihr  noch  unbedenklich  für  eine  ächte 
Schrift  des  Aristoteles. 

81)  Sante  Ferrari,  L' etica  di  Aristotele  riassunta,  discussa 
ed  illustrata.  Turin,  Rom,  Mailand,  Florenz  1888.  Paravia.  VII, 
426  S.    16. 

ist  ein  im  Ganzen  recht  anerkennenswerthes  und  des  ihm  zu  Theil  ge- 
wordenen Preises  würdiges  Buch,  in  welchem  die  deutschen  Forschungen 
ziemlich  vollständig  benutzt  sind.  Es  zerfällt  in  fünf  Abschnitte.  Der 
erste  (S.  1—90)  handelt  von  den  Schicksalen  der  aristotelischen  Werke 
und  den  drei  unter  dem  Namen  des  Aristoteles  überlieferten  Ethiken, 
deren  von  mir  besorgte  Ausgaben  dem  Verfasser  freilich  unbekannt  ge- 
blieben sind.  Er  kommt  jedoch  zu  denselben  Ergebnissen,  welche  auch 
ich  in  denselben  vertreten  habe,  dass  nur  die  nikomachische  im  Ganzen 
zwar  von  Aristoteles  ist,  dass  aber  von  den  drei  ihr  mit  der  eudemi- 
schen  geroeinsamen  Büchern  dies  nur  von  dem  weitaus  grössten  Theile 
gilt  und  namentlich  auch  die  erste  Abhandlung  über  die  Lust  wahr- 
scheinlich aus  der  endemischen  stammt.  Wenn  er  dabei  Denen  zu- 
stimmt, welche  es  immerhin  nicht  für  unmöglich  halten,  dass  Aristoteles 
selbst  sie  von  einem  früheren  Standpunkte  aus  geschrieben  habe,  so 
kann  man  ja  zugeben,  dass  allerdings  ein  mathematisch  strenger  Beweis 
für  diese  Unmöglichkeit  sich  nicht  führen  lässt,  aber  in  philologisch- 
historischen Dingen  hat  man  sich  m.  E.  nicht  bei  allen  Möglichkeiten 
aufzuhalten,  sondern  wo  volle  Sicherheit  nicht  zu  erreichen  ist,  bei  der 

Jahreiberioht  Olt  AlterthumswisienBchaft.  LXVII.  Bd.   (1891.  I.)  9 


130  Aristoteles. 

Wahrscheinlichkeit  und  zumal  bei  einer  so  überwiegenden  Wahrschein- 
lichkeit zu  beruhigen.  Der  zweite  Abschnitt  (S.  91—185),  wie  mir  scheint, 
der  schwächste  von  allen,  enthält  eine  weit  über  Gebühr  verkürzte  Pa- 
raphrase der  nikom.  Ethik.  Der  dritte  (S.  186-242)  behandelt  an  der 
Hand  dieser  Schrift  das  ethische  System  des  Aristoteles  im  Verhältniss 
zu  dessen  Gesammtphilosophie  und  Politik.  Hier  hätten  namentlich  die 
psychologischen  Grundlagen  schärfer  gezeichnet  und  hervorgehoben  wer- 
den sollen,  dass  das  dpexrtxov^  dem  die  Charaktertugenden  angehören, 
mit  der  (/fu^i)  altT^rjrtxy)  zusammenfällt.  Aber  der  Verf.  ist  hierüber  so 
im  Unklaren,  dass  er  S.  196  den  groben  Schnitzer  begeht  von  einem 
Unterschiede  von  ope^tg  und  ßouhjmg  zu  sprechen,  wo  es  statt  ope$e^ 
vielmehr  hätte  im&ufita  heissen  müssen,  da  Spe^tg  vielmehr  der  weitere 
Begriff  ist,  unter  den  die  ßouXi^aec  ebenso  gut  fällt  wie  die  inc&ufjua 
und  der  ßopog.  Der  vierte  Theil  (S.  243  —  336)  entwickelt  eine  Ge- 
schichte der  griechischen  Ethik  und  sucht  schliesslich  die  Fortschritte 
des  Aristoteles  über  alle  seine  Vorgänger  hinaus  darzulegen.  Der  fünfte 
(S.  33*7  —  421)  betrachtet  die  Mängel  seines  Standpunkts,  die  weitere 
Geschichte  dieser  Disciplin  und  die  Frage,  wie  weit  uns  für  unsere  heu- 
tige Behandlung  das  Studium  seiner  Ethik  noch  immer  von  Nutzen  sein 
kann.  Ich  billige  im  Wesentlichen  das  vorsichtige  Urtheil  Ferrari's 
hierüber,  doch  musste  er  meines  Bedenkens  anerkennen  und  hervorhe- 
ben, dass  zwei  Stücke  zu  den  tiefsten  und  wahrsten  Gedanken  aller 
Zeiten  auf  diesem  Gebiete  gehören ,  die  Erörterung  über  die  wahre 
Selbstliebe  und  die  zweite,  ächte  über  die  Lust,  obwohl  es  dem  Aristo- 
teles nicht  gelungen  ist  eine  wirkliche  Begriffsbestimmung  von  dieser  zu 
erreichen  und  ihr  Verhältniss  zur  Thätigkeit  sich  und  Anderen  mehr  als 
durch  ein  Bild  klar  zu  machen:  X,  4.  1174^31  ff.:  reXecoT  Sk  rijv  ivep- 
yetav  ij  ^Sovij  ou^  ojg  i^tg  ivundp^outra ,  dX^  ußg  imytvopLevov  rc  rdXog^ 
oTov  Tocg  äxfiaeoig  i/  &pa  *•). 

Unter  den  Specialuntersuchungen  ragt  die  von 

82)  G.  F.  He  man.  Des  Aristoteles  Lehre  von  der  Freiheit  des 
menschlichen  Willens,  Leipzig  1887.  Fues  (Reisland).  XVIII,  74  S.  8 , 

die  von  Bruns  Deutsche  L.-Z.  1888.  Sp.  123  und  Wohlrab  L.  Cen- 
trbl.  1888.  Sp.  395  im  Ganzen  zustimmend  angezeigt  ist,  in  der  That 
durch  geistige  Kraft  und  eindringenden  Fleiss  hervor,  aber  ich  kann  nur 
um  so  lebhafter  bedauern,  dass  diese  vorzüglichen  Eigenschaften  m.  E. 


IS)  Dies  »Vervollst&ndigenc  der  Thätigkeit  kann  doch  wohl  kaum  etwas 
Anderes  bedeuten ,  als  dass  die  mit  jeder  gesunden  Thätigkeit  verbundene 
Lust  derselben  erst  ihre  volle  Spannkraft  giebt.  Ob  riXog  iKqrivöfjLMuoy  >Ne- 
benzielc  oder  »Nebenvollendungc  =  »Nebenvollkommenheitc  bedeutet^  darauf 
scheint  mir  nicht  viel  anzukommen. 


Ethik.  131 

hier  in  den  Dienst  einer  verkehrten  Methode  ^^)  gestellt  und  an  den 
hoffnungslosen  Versuch,  den  Aristoteles  mit  Gewalt  zum  Deterministen^^) 
zu  machen,  verschwendet  sind.  Zur  Begründung  dieses  meines  Urtheils 
darf  ich  mich  begnügen  auf  die  Gegenbemerkungen  Z  eueres  Arch.  II, 
S.  285—288,  die  ich  sonst  geradezu  wiederholen  müsste,  und  daneben  auf 
meine  eigenen  Ber.  XLVI.  S.  249  <- 252  wider  einen  früheren  ähnlichen, 
aber  minder  ausgeführten  und  erheblichen  Versuch  zu  verweisen.  Aus  den 
letzteren  geht  hervor,  dass  an  eine  einfache  indifferente  und  willkührliche 
Wahlfreiheit  auch  meiner  Ueberzeugung  nach  Aristoteles  allerdinccs  nicht 
im  Entferntesten  gedacht  hat.  Scheinbar  hält  er  sich  an  einer  Stelle  III, 
7.  1114^  2  ff.  sogar  den  Rückzug  zum  Determinismus  offen,  aber  hier 
hat  gerade  Heman  richtig  erkannt,  dass  dies  nur  eine  Polemik  gegen 
Sokrates  und  Piaton  ist  von  deren  eigenem  Standpunkte  aus.  Man  muss 
jedoch,  wie  ich  dort  schon  andeutete,  in  der  That  zugegeben,  dass  sich 
Ansätze  bei  ihm  finden,  welche,  folgerichtig  entwickelt,  wohl  hätten  zu 
der  ihm  von  Heman  zugeschriebenen  Denkweise  führen  können,  aber 
dass  er  schon  selbst  diese  Entwickelung  vorgenommen  hätte ,  worauf 
allein  es  doch  ankommt,  muss  entschieden  geleugnet  werden.  Mangel- 
haft ist  bei  Heman  auch  die  Kenntniss  und  Benutzung  der  vorhandenen 
Litteratur.  Denn  er  kennt  weder  die  Ausgaben  der  nikom.  Ethik  von  Ram- 
sauer  und  mir,  noch  meine  schon  erwähnte  Abb.  in  den  Jahrb.  f.  Philol. 
CXIX.  1879.  S.  737—765.  Und  doch  hätten  gerade  diese  Hülfsmittel 
ihn  möglicherweise  von  seinem  Grundirrthum  ^^)  zurückhalten  können, 
nämlich  dem  Glauben,  Aristoteles  habe  den  Willen  (ßoühjmg)  in  den 
vernünftigen  Seelentheil  verlegt  und  daher  im  Grunde  für  einerlei  mit 
der  praktischen  Vernunft  gehalten  *•).     Wenn  ich  nun  aber  auch  He- 


16)  Es  wird  aus  theils  berechtigteD  und  theils  unberechtigten  Voraus- 
setzungen ein  Qesammtbild  construirt  und  nach  diesem  alles  Einzelne  zurecbt- 
gedeutet,  beziehentlich  umgedeutet. 

17)  Ich  gebrancbe  der  Kürze  halber  diese  Bezeichnung,  obgleich  ich 
He  man 's  Einwendungen  gegen  diesen  Gebranch  als  berechtigt  anerkenne. 

18)  Vor  dem  ihn  treilich  schon  die  einfache  Erwägung  hatte  bewahren 
sollen,  dass  ja  auf  diese  Weise  auch  die  Charaktertugenden  aufhören  würden 
die  Tagenden  des  unvernünftigen  Seelentheiis  zu  sein.  Einen  Vorgänger  in 
derartigen  Verkehrtheiten  hat  Heman  an  Teichmüller,  der  freilich  in 
ihnen  noch  weiter  ging. 

19)  Die  einzige  einer  solchen  Deutung  günstige  Stelle  ist  nämlich  1139b  4f., 
wo  der  Vorsatz  {icpoaiptetq)  als  i)  dp^xrtxöq  vouq  ^  öpe^tg  diayor^rtxij  be- 
zeichnet wird  im  Gegensatz  zu  dem  unmittelbar  Vorhergehenden,  wo  von  sol- 
chem Dilemma  keine  Rede  ist,  sondern  derselbe  acht  aristotelisch  einfach 
Jips^tq  ßoükeuxtxt)  heisst  (1139^32).  Man  sollte  doch  meinen,  schon  dieser 
Widerspruch  gegen  alle  aristotelischen  Qrundanschauungen  genüge,  umRam- 
saner's  Verdacht,  dass  wir  in  dieser  Partie  eines  der  vielen  nnaristoteli- 
schen  Stüoke  dieser  Bücher  vor  uns  haben ,  zu  rechtfertigen ;   ich  habe  dies 

9* 


132  Aristoteles. 

man^s  Buch  im  Ganzen  als  yerfehlt  ansehen  muss,  so  bietet  es  doch  Im 
Einzelnen  fiftr  Denjenigen,  welcher  es  mit  Vorsicht  zu  benutzen  versteht, 
manches  Beachtenswerthe  dar. 

Von  den  beiden  Abhandinngen 

83)  Jörg  au,  La  doctrine  du  libre  arbitre  chez  Aristote,  Annales 
de  la  facnlt^  des  lettres  de  Bordeaux  1687.  No.  2.  S.  257—269,  und 

84)  Gust.  Hoepel,  De  notionibns  voluntarii  (ixouaeov)  et  consilii 
(Ttpoa/peat^)  secundum  Aristotelis  £thica  Nicomachea  (III,  1 — 7).  Halle 
1887.  33  S.  8.  (Doctordiss.). 

ist  die  erstere  mir  unzagänglich,  die  letztere  unbedeutend. 
Nachzutragen  ist  ans  dem  Jahre  1886: 

85)  Panag.  A.  Hagiosophites,  ^AptaToziXoog  Btaipta  nepl  rS>v 
r^Btxwv  xaH  roßv  dtavonjrexoßv  dea^opwu  rwv  dvBpiunafV,  Athen  1886.  I, 
96  S.  8.  (Jenaer  Doctordiss). 

Das  einzigeWerthyoUe  an  diesem  Schriftchen  sind  indessen,  wie  schon 
Zeller  Arch.  II.  S.  290  f.  bemerkt  hat,  die  in  demselben  enthaltenen, 
freilich  ohne  Unterschied  aus  aristotelischen  und  pseudo -aristotelischen 
Schriften  unter  den  verschiedenen  sittliche  Güte  oder  Schlechtigkeit  und 
Aehnliches  {ot  xupfwc  ebyeveig^  ol  äptarot,  oi  imecxsTg,  ol  iroAXoe,  o\  ^atj- 
Aoc)  und  die  Unterschiede  der  Lebensalter  und  der  Geschlechter  in  sich 
fassenden  Rubriken  zusammengespeicberten  Stellen. 

86)  J.  Lugert,  Der  Ehrbegriff  der  nikomachischen  Ethik,  Prag 
1889.  27  S.  8.  (Gymnasialprogr.,  Eleinseite), 

ist  mir  nur  aus  dem  kurzen  Bericht  von  Herzel  Woch.  f.  kl.  Ph.  YII. 


aber  noch  weiter  begründet.  Aristoteles  bekämpft  Psych.  III,  9  keineswegs, 
wie  Hern  an  meint,  Piaton  bloss  desshalb,  weil  dieser  die  Begierdenseele  (<«£- 
^ufiojrtzöv)  mit  der  vegetati?en  fflr  einerlei  h&lt,  sondern  weil  er  die  einheit- 
liche Strebeseele  {dpexraov)  in  alle  seine  drei  Seelentheile  zerschl&gt,  wäh- 
rend Aristoteles  sie  nach  allen  ihren  drei  Arten  ßouXijtngf  i^ufiog,  ixt&oßia, 
wie  oben  bemerkt  ist,  in  die  empfindende  Seele  aufnimmt.  Wenn  He  man 
S.  146.  A.  meint,  Aristoteles  spreche  sich  nicht  darüber  ans,  ob  er  den  >vo5$ 
dptxTtx6g€  zum  na^raog  oder  koojtixös  rechne,  so  hätte  er  doch  so  viel  ein- 
sehen sollen,  dass  der  prä-  und  postexistirende  und  erst  mit  dem  jca&tjrtxöi 
und  den  flbrigen  Seelentheilen  und  dem  Leibe  zu  einem  indiriduellen  mensch- 
lichen Ich  verwachsende  yous  Ttoo^Tixög  unmöglich  an  sich  praktisch  sein  kann, 
ebensowenig  wie  Gott  selbst.  Praktisch  wird  offenbar  die  Vernunft  nach  Ari- 
stoteles erst  durch  den  empirischen  Anstoss  von  der  Strebeseele  ans,  und  in- 
dem nun  wieder  die  praktische  Vernunft  auf  diese  einwirkt,  erzeugt  sie  in  ihr 
(aber  nicht  in  sich)  den  vernOnftigen  Willen  (die  ßoohjmq),  und  mit  ihm  die 
nothwendige  Voraussetzung  der  Cbaraktertugenden,  daher  denn  allerdings  Ari- 
stoteles auch  wohl  vooq  sagt,  wo  es  eigentlich  ßoöXr^fft^  hätte  heissen  müssen, 
ähnlich  wie  wir  es  auch  machen. 


Ethik.  133 

1890.  Sp.  229  f.  bekannt,  nach  welchem  Lug  er  t  zu  dem  negativen  Er- 
gebniss  gelangt,  dass  Aristoteles  trotz  vielfacher  Berührung  dieses  Gegen- 
standes und  des  Nachdrucks,  welchen  er  auf  ihn  legt,  sich  doch  auf 
keine  eigentliche  Erörterung  des  Wesens  der  Ehre  und  ihres  Verhält- 
nisses zur  Lust  und  zur  Glttckseligkeit  einlässt. 
Eine  recht  achtbare  Studie  ist 

87)  Lienhard  Eberlein,  Die  dianoetischen  Tugenden  der  niko- 
machischen  Ethik  nach  ihrem  Sinn  und  ihrer  Bedeutung,  Leipzig  1889 
(oder  1888?).  118  S.  8.  (Doctordiss.), 

über  welche  der  eingehende  Bericht  von  Zeller  Arch.  III.  S.  318 — 315 
zu  vergleichen  ist,  mit  dessen  Gegenbemerkungen  in  Bezug  auf  Eber- 
lein's  Meinung  (S.  25  ff.),  es  sei  Eth.  Nie.  VI,  12.  1143»  35  ff.  nicht 
vom  praktischen  voüc  die  Bede,  und  (S.  84.  95.  100),  es  werde  VI, 
5.  1140^  21  ff.  auf  die  ethische  Bedeutung  der  Kunst  hinweisen  (s.  da- 
gegen 7. 1141»  9  ff.),  ich  vollkommen  einverstanden  bin.  Und  auch  darin 
muss  ich  Zeller  beitreten,  dass  das  Hauptinteresse  im  6.  Buch  der  nik. 
Ethik  auf  diejenige  Verstandestugend  gerichtet  ist,  ohne  welche  die  Gha- 
raktertugenden  nicht  bestehen  können,  die  praktische  Einsicht  {fppdvrjatQ). 
Da  indessen  die  Ethik  auf  der  einen  Seite  Glückseligkeitslehre  sein  soll 
und  Aristoteles  den  höheren  Bestandtheil  der  Glückseligkeit  in  der  theo- 
retischen, der  wissenschaftlichen  Vollendung,  also  vor  Allem  im  meta- 
physischen Wissen  oder  der  Weisheit  (ffo^ia)  findet,  auf  der  anderen 
Seite  aber  dieser  Gegenstand  doch  wieder  hoch  über  dem  Gebiete  der 
ethischen  Betrachtung  liegt,  so  gewinnt  immerhin  einmal  auch  die  (rofpta 
einen  wesentlichen  Platz  in  der  Erörterung  der  dianoetischen  Tugenden, 
anderntheils  müsste  es  aber  sogar  der  wesentlichste  sein  und  kann  es  doch 
wieder  auch  nicht  sein.  Und  so  bekommt  auch  von  der  grossen  Lücke  im 
7.  Gapitel  abgesehen,  die  ganze  Darstellung  etwas  Schillerndes  und  Schie- 
lendes. Ueberdies  muss  ich  Eber  lein  darin  Becht  geben,  dass  Ari- 
stoteles das  ethische  Element  der  Wissenschaft  und  die  Wechselwirkung 
zwischen  ihr  und  der  Sittlichkeit  nicht  erkannt  hat.  Die  Schrift  besteht 
aus  drei  Abschnitten  von  sehr  ungleicher  Länge:  1.  Begriff  der  dianoe- 
tischen Tugenden  S.  4—14,  2.  die  dianoetischen  Tugenden  einzeln  be- 
trachtet S.  14—96,  3.  Stellung  der  dianoetischen  Tugenden  im  Moral- 
system des  Aristoteles  und  ihre  Bedeutung  für  die  Ethik  S.  96 — 118. 
Die  litterarischen  Hülfsmittel  sind  im  Ganzen  ausreichend  benutzt,  so 
auch  Ramsauer's  Ausgabe,  und  so  ist  Eberlein  auch  vonHeman's 
Irrthttmem  frei  geblieben.  Wenn  ihm  aber  der  eingeschränkte  Indeter- 
minismus des  Stageiriten  noch  zu  eingeschränkt  ist,  so  habe  ich  darüber 
nicht  mit  ihm  zu  rechten,  am  Wenigsten  an  dieser  Stelle:  mag  er,  ein 
protestantischer  Theolog,  sich  darüber  mit  Augustinus  und  den  Refor- 
matoren auseinandersetzen!  Eins  aber  vermisse  ich:  wie  dunkel  der  Be- 
griff der  ßoükfjmg  und  der  zu  ihrer  richtigen  Wirksamkeit  erforderlichen 


]  34  Aristoteles 

dperij  §  fuatx^  ^  i^earij  rou  dpBoSo^etv  nepl  rijv  dp^ijv  (VII,  9.  1151» 
18  f.)  bei  Aristoteles  ist.  lernt  man  aus  seiner  Darstellung  nicht:  hierüber 
hätte  ihm  meine  erwähnte  Abhandlung  die  nöthigen  Winke  geben  kön- 
nen, wenn  er  sie  gekannt  hätte. 

In  dem  unerträglich  breit  und  in  entsetzlichem  Latein  abgefassten 
Schriftchen  von 

88)  Sylyius  von  Monsterberg  -  Munckenau,  De  concentu 
trium  Aristotelis  de  voluptate  commentationum  priorisque  Nicomacheo- 
rum  fide,  Breslau  1889.  45  S.  8.  (Progr.  des  K.  Wilh.  Gymn.), 

wird  der  Versuch  gemacht  durch  allerlei  Künsteleien  zu  zeigen,  die  bei- 
den Abhandlungen  über  die  Lust  im  7.  und  im  10.  Buch  der  nik.  Eth. 
könnten  in  derselben  Schrift  formal  sehr  gut  neben  einander  bestehen 
und  vertrügen  sich  sachlich  vollständig  mit  einander*').  Nachdem  sich 
durch  die  neueren  Untersuchungen  immer  mehr  herausgestellt  hat,  dass 
das  acht  aristotelische  Gut  im  5.  bis  7.  Buch  stark  mit  fremdem,  wahr- 
scheinlich endemischem  versetzt  ist,  muss  man  doch  billig  nach  dem  Be- 
dürfniss  fragen,  die  diese  Bücher  schliessende  Abhandlung  so  lange  »mit 
Kalk  und  Gyps  zu  bestreichen c ,  bis  sie  mit  der  im  10.  glücklich  oder 
unglücklich  wie  Berg  und  Thal  oder  Thal  und  Berg  verglichen  ist,  zu- 
mal da  nachweislich  Eudemos  an  dieser  Stelle  von  der  Lust  gehandelt 
hat.  Wen  aber  die  Spizfindigkeiten  des  Verf.  überzeugen,  den  will  ich 
nicht  zu  bekehren  versuchen.  So  wird  z.  B.  demgemäss,  dass  Aristo- 
teles ungenau  Met.  XII,  7.  1072  ^^  16  xa\  f/dovi)  ^  ivipyeta  toutou  schreibt, 
um  zu  bezeichnen,  dass  die  Thätigkeit  Gottes  auch  mit  Lust  verbunden 
ist,  ein  Gleiches  auch  dem  Urheber  der  ersten  Abhandlung  13.  1153* 
12  ff.  in  die  Schuhe  geschoben,  während  nach  meinem  schlichten  Ver- 
stände doch  kein  vernünftiger  Mensch,  wenn  er  eine  fremde  Definition 
berichtigen  will,  sich  selber  dabei  eine  derartige  Nachlässigkeit  gestatten 
wird'M.  In  Bezug  auf  die  dritte  Darstellung  Rhet.  I.  11  gebe  ich  aller- 
dings dem  Verf  in  der  Negation  Recht.  Auch  ich  glaube,  dass  Aristo- 
teles hier  durchaus  seinen  eigenen  Standpunkt  nicht  hat  verleugnen 
wollen.  Aber  die  Sache  scheint  mir  doch  viel  einfacher  zu  liegen.  Wo- 
her kam  es  denn,  dass  Aristoteles,  wie  gesagt,  es  zu  einer  Definition 
der  Lust  im  10.  Buch  der  nikom.  Ethik  nicht  zu  bringen  vermochte? 


^)  Die  Hauptpunkte,  welche  hiegegen  sprechen,  sind  zuletEt  von  mir 
in  meiner  Ausg.  der  eudem.  Eth.  S.  X  f.  A.  7  zusammengestellt. 

si)  Was  die  S.  33  angezogene,  übrigens  sehr  dunkle  Stelle  Psychol.  III« 
7.  431 A  lOf.  (3.  Torstrik  zu  ders.),  in  welcher  der  Lust  und  Unlust  ein 
ivtpYtiv  zugeschrieben  wird,  eigentlich  beweisen  soll,  frage  ich  mich  ver- 
geblich. Denn  sei  es,  dass  iyep^^etv  hier  ivep^^ei^  eXuat,  oder  dass  es  »thätig 
seine  bedeutet,  jedenfalls  bedeutet  es  doch  nicht  »eine  Thätigkeit,  eine  iuip^ 
^tta  seine. 


Ethik.  135 

leb  denke,  weil  ihm  in  seiner  Sprache  ein  Wort  ftlr  den  Gattungsbegriff 
(Gefühle)  fehlte  und  er  hier  in  den  Schranken  seines  Denkens  nicht  zu 
dem  Versuch  gelangte  dieser  Anonymie  durch  eine  Neubildung  abzu- 
helfen. In  der  Rhetorik  musste  er  nach  ihrer  ganzen  Anlage  eine  De- 
finition der  Lust  geben :  hier  in  dieser  noch  weit  weniger  streng  wissen- 
schaftlichen und  möglichst  mit  populären  Begriffen  operirenden  Darstel- 
lung erlaubte  er  sich  also,  trotzdem  er  dort  bestritten  hatte,  dass  die 
Lust  eine  xivvjatg  sei,  doch  sie  diesem  Gattungsbegriff  als  dem  am 
Meisten  annähernd  richtigen  unterzuordnen.  Aus  der  breitspurigen  Un- 
tersuchung, mit  welcher  der  Verf.  anhebt,  über  jene  Erörterung  der 
Lust  im  10.  Buch  der  nik.  Ethik  habe  ich  endlich  schlechterdings  Nichts 
zu  lernen  vermocht;  vielleicht  ist  dies  indessen  meine  Schuld  und  an- 
dere Leser  glflcklicher. 

Es  mag  hier  verhältnissmässig  der  schicklichste  Platz  sein,  um 
ans  dem  Jahr  1886  nachzuholen: 

89)  V.  Wröbel,  Aristotelis  de  perturbationibus  animi  doctrina, 
Sanok  1886.  (Leipzig,  Fock).  68  S. 

Indessen  wüsste  ich  über  diese  Abhandlung  auch  nichts  Anderes 
zu  sagen,  als  was  schon  Zeller  Arch.  II.  S.  289f.  über  sie  gesagt  hat 
Der  Verf.  hat  eine  fleissige  und  für  Denjenigen,  welcher  sie  mit  nöthiger 
Einschränkung  zu  benutzen  versteht,  sehr  brauchbare  Sammlung  gelie- 
fert, hat  aber  den  Begriff  ndBog^  so  weit  er  wirklich  bei  Aristoteles  mit 
perturbatio  animi  zusammenfällt,  auf  eine  ungebührliche,  demselben  fremde 
Weise  ausgedehnt, 

90)  91)  Commentaria  in  Aristotelem  Graeca  edita  consilio  et  auc- 
toritate  academiae  litterarum  regiae  Borussicae.  Vol.  XIX.  Partes  I.  II. 
Aspasii  in  Ethica  Nicomachea  quae  supersunt  commentaria.  Heliodori 
in  Ethica  Nicomachea  paraphrasis.  Edidit  Gustavus  Heylbut. 
Berlin  1889.  XII,  246.  VIII,  246  S.  Lex.  8. 

Von  den  Commentaren  des  Aspasios  sind  nur  die  zum  1.  2.  3.  4. 8. 
und  unvollständig  der  zum  7.  Buch  erhalten.  Zur  Herstellung  derselben 
sind  von  Heylbut  der  sogenannte  Codex  Oceanus  =  Laurent  85,  1  (N) 
aus  dem  14.  und  der  Paris.  1902  (Z)  aus  dem  16.  Jahrb.  und  für  den 
in  N  fehlenden  Anfang  Laurent.  81,  14  benutzt,  für  das  8.,  auch  in  der 
gewöhnlichen  Commentarensammlung  von  Eustratios,  Michael  und  An- 
deren enthaltene  Buch  auch  die  Aldina  (a)^)  und  der  Coislin.  161 
(B)  aus  dem  14.  Jahrb.  Von  dem  nicht  geringen  kritischen  Werth  für 
den  Text  der  nik.  Ethik  war  schon  oben  (No.  61)  die  Rede.  Doch  fehlt 
es  auch  nicht  an  Stellen,  an  denen  sogar  die  übereinstimmende  Lesart 


»)  Vgl.  meine  Ausg.  der  nik.  Eth.  S.  V  f. 


]  36  Aristoteles. 

von  Aspas.  und  dem  besten  Codex  K^  dennoch  nicht  die  richtige  ist, 
und  Abweichungen  dieser  beiden  Textqucllen  von  einander  sind  auch 
nicht  selten.  Heylbut  giebt  nur  Proben,  und  auch  die  Mittbeilungen 
von  Bywater  sind  nicht  voUst&ndig,  die  sämmtlichen  Lesarten  des  Com- 
mentators  nach  Heylbut^ s  Ausgabe  zusammenzustellen  bleibt  also  ei- 
nem künftigen  Herausgeber  der  nik.  Ethik  überlassen. 

Für  die  bekanntlich  zuerst  von  Daniel  Heinsius,  dann  fälsch- 
lich unter  dem  Namen  des  Andronikos  wiederholt  herausgegebene  Para- 
phrase hat  Heylbut  neben  dem  Text'  von  Heinsius  (h)  zwei  Pariser 
Handschriften  BD  =  1870.  1872  aus  dem  16.  Jahrh.  zu  Grunde  gelegt. 
In  der  ersteren  wird  der  Urheber  Heliodoros  von  Prusa  genannt,  und 
gleich  Rose,  mir  und  Andern  hat  auch  noch  Heylbut  gleich  By- 
water an  der  Richtigkeit  dieser  Angabe  nicht  gezweifelt  Inzwischen 
aber  hat 

92)  Leop.  Cohn,  Heliodoros  von  Prusa,  eine  Erfindung  Palaeo- 
kappas,  Berl.  philol.  Wochenschr.  IX.  1889.  Sp.  1419  f., 

im  höchsten  Grade  wahrscheinlich  gemacht,  dass  dieser  Name  lediglich  von 
dem  Schreiber  dieses  Codex  Eonstantinos  Palaeokappa  erschwindelt  sei,  und 
da  nun  der  des  Olympiodoros  in  vier  andern  Handschriften  sicher  nicht  ver- 
trauenswürdiger ist,  so  wird  man  zu  der  unbestimmten  Bezeichnung  »der 
Paraphrastc  zurückzukehren  haben.  Cohn  widerlegt  auch  die  Meinung  von 
Rose  und  Heylbut,  nach  welcher  die  Unterschrift  am  Ende  des 
6.  Buches  im  Laurent.  80,  3  und  einigen  jüngeren  Codices  bedeuten  soll, 
dass  die  Paraphrase  1366  angefertigt  sei,  und  zeigt,  dass  sie  vielmehr 
besagt,  der  ältere  (aus  dem  14.  Jahrh.  in  der  That ^stammende)  Theil 
dieses  Codex  sei  damals  geschrieben.  Die  Entstehung  der  Paraphrase 
selbst  ist  folglich  vielmehr  älteren  Datums,  und  eben  desshalb  ist  sie 
für  die  nik.  Ethik  auch  nicht  ohne  allen  textkritischen  Werth,  wovon  man 
sich  aus  meiner  Ausg.  der  letzteren  überzeugen  kann.  Heylbut  meint, 
und  wohl  mit  Recht,  es  sei  VIII,  13.  1161  •  26  aus  ihr,  der  alten 
Uebers.  und  allen  Handschriften  ausser  E^  Sfio/xa&e?^  zu  schreiben  nach 
14.  1162»  9— 14  (SfiotonaBeos  Asp.  Aid.),  Bywater  freilich  behält  Sfio- 
naBet^  bei. 

Auf  die  grosse  Moral  und  die  endemische  Ethik  bezieht  sich: 

93)  F.  Susemi  hl,  Appendix  Aristotelica  hinter:  De  Platonis 
Phaedro  et  Isocratis  contra  sophistas  oratione,  Greifswald  1887.  4. 
S.  Xni— XVI. 

Hier  werden  zuerst  die  unrichtigen  und  desshalb  in  meiner  Ausg. 
nicht  mitgetheilten  Lesarten  vonP*  für  die  erstere  Schrift  von  1193*  an 
und  sodann  die  weniger  erheblichen  Randnoten  von  Vettori  zu  der 
letzteren  (mit  einigen  Berichtigungen  früherer  Angaben)  veröfiFentlicht. 


Ethijc.    Politik.  137 

Und  nunmehr  gelangen  wir  denn  zur  Politik.    Hier  ist  zunächst 
eines  von 

94)  G.  Heylhut,  Zur  Ueberlieferung  der  Politik  des  Aristoteles, 
Rhein.  Mus.  XLII.  1687.  S.  102—110 

gemachten  und  in  seinen  Ergebnissen  der  Oeffentlichkeit  ttberlieferten 
Fundes  zu  gedenken,  über  den  dann  sofort  auch 

95)  R.  D.  Hicks,  New  materials  for  the  text  of  Aristotle's  Poli- 
tics,  Class.  Rew.  I.  1887.  S.  20  f. 

gehandelt  hat.  Hinter  dem  zweiten  Theil  von  dem  Cod.  Vatic.  1298 
des  Aristeides  befinden  sich  nämlich  zwölf  Palimpsestblätter  aus  dem 
10.  Jahrh.  ^^),  also  400  Jahre  älter  als  unsere  ältste  vollständige  Hand- 
schrift, welche  Stücke  aus  dem  dritten  Buche  und  dem  vierten  alter 
Ordnung  enthalten.  Heylbut  hat  nun  aber  hieran  den  Versuch  ge- 
knüpft zu  zeigen,  ich  habe  Unrecht  gethan  zu  behaupten,  die  Hand- 
schriftenfamilie 11^  sei  etwas  besser  als  /7>,  und  in  allen  Fällen,  in  denen 
sonst  keine  Entscheidung  möglich  sei  (denn  nur  das  habe  ich  behauptet!), 
mOsse  man  daher  ihr  folgen.  Wie  wenig  ihm  jedoch  dieser  Versuch  ge- 
glückt ist,  dafür  liefert  die  Abhandlung 

96)  Franz  Susemihl,  Die  Textüberlieferung  der  aristotelischen 
Politik.  Jahrb.  f.  Philol.  CXXXV.  1887.  S.  801—805 

an  den  in  den  Fragmenten  enthaltenen  Stücken  den  statistischen  Nach- 
weis, freilich  mit  dem  Zugeständniss ,  dass  man  hinsichtlich  der  Wort- 
stellung allerdings  zweifelhaft  sein  kann.  Die  Fragmente  selbst  tragen 
zur  Entscheidung  dieser  Frage  gar  Nichts  und  zur  Herstellung  des  Textes 
Nichts  weiter  als  IH,  5.  1278^34  und  111,  16.  1287«' 34  die  Bestätigung 
der  beiden  Gonjecturen  von  Perizonius  d<n-<ov  und  von  Susemihl 
[xa2]  bei.  Dennoch  sind  sie  fär  die  Textgeschichte  von  Interesse.  Ich 
habe  früher  gezeigt,  dass  die  beiden  Familien  /7^  und  /7'  erst  zwischen 
dem  6.  und  8.  Jahrh.  scharf  auseinander  gingen.  Also  sind  diese  Pa- 
limpsestblätter aus  einem  vor  dieser  Zeit  entstandenen  Codex  abge- 
schrieben ,  und  letzterer  stand  in  demselben  Masse  der  nachherigen 
Familie  /7'  näher  wie  das  von  Julianos  benutzte  Manuscript  der  nach- 
herigen Familie  77^  Um  so  interessanter  ist  es,  dass  sich  trotzdem  in 
diesen  Fragmenten  noch  mehrfache,  der  letzteren  angehörige,  aber  gar 
nicht  in  allen  ihren  Gliedern  fortgepflanzte  Verderbnisse  finden.  Beson- 
ders merkwürdig  ist  in  dieser  Hinsicht  VI  (IV),  4.  1292*  3,  wo  M» 
richtig  mit  Fl^  rb  näai  fieretvat  hat  und  ebenso  auch  P^  wo  jedoch  t6 


^  b)  Kio  arger  Schnitzer  ist  mir  in  der  No  96  aufgeführten  Abh.  S.  804 
begegnet. 


138  Aristoteles. 

nätrt  auf  einer  Rasur  steht  und  fxkv  elvat  aus  eTvac  corrigirt  ist  Die 
alte  Uebers.  giebt  olia  quiihm  esse  eadem^  und  nun  sieht  man  erst  aus 
dem  Palimpsest,  dass  hier  wirklich  die  corrupte  Lesart  raXXa  /lev  etvae 
zu  Grunde  lag. 

Ferner  erschienen  die  beiden  ersten  Bände  einer  neuen,  sehr  aus- 
führlich angelegten  Ausgabe: 

97)  The  Politics  of  Aristotle  with  an  introduction,  two  prefatory 
essays  and  notes  critical  and  explanatory  by  W.  L.  Newman,  M.  A., 
fellow  of  ßalliol  College  and  formerly  reader  in  ancient  history  in 
the  university  of  Oxford.  Oxford  1887.  Clarendon  Press.  V.  I.  Intro- 
duction.  XX,  680  S.  V.  II.  Prefatory  essays.  6. 1.  U.  Text  and  notes. 
LXVn,  419  S.  8., 

deren  Vorzüge  von  allen  Kritikern,  dem  ungenannten  im  Litt.  Centralbl. 
1888.  8p.  7  f.,  Croiset  Rev.  crit.  1887.  IL  S.  448  f.,  Richards  Aca- 
demy  XXIII.  1888.  No.  827.  S.  172  f.,  R.  D.  Hicks  English  bist.  Re- 
wiew  1888.  No.  13.  S.  146—161  und 

98)  Roh.  Yelverton  Tyrrell,  Mr.  Newman's  'Politics*  of  Ari- 
stotle, Hermathena  XIV.  1887.  S.  329—846, 

nach  Gebühr  anerkannt  worden  sind,  während  nur  einige  die  Schatten- 
seiten richtig  hervorgehoben  haben.  Man  wird  es  natürlich  finden,  dass 
ich  statt  meiner  einen  der  letzteren,  einen  Engländer,  und  denjenigen 
sprechen  lasse,  welcher  der  Ansicht  ist,  mein  Text  in  der  erklärenden 
Ausgabe  sei  tthe  best  whe  shall  ever  havec.  Er  sagt:  »This  is  by  far 
the  most  elaborate  and  important  edition  of  the  Politics  as  yet  essayed 
in  England.  The  great  compass  and  minute  detail  of  the  IntroducUon, 
which  extends  to  nearly  600  pages,  show  on  what  a  scale  the  work  is 
planed,  and  accordingly  we  are  prepared  to  find,  and  gladly  welcome, 
more  than  400  pages  of  comment  on  the  first  two  books,  beyond  which 
the  edition  has  not  as  yet  advanced.  The  work  is  plainly  a  labour  of 
love,  and  the  result  of  many  years*  study  on  the  part  of  a  scholar  of 
high  attainments  and  very  wide  reading.  Ranging  from  Homer  through 
the  classics  to  Diogenes  Laertius  and  Chrysostom ,  and  from  thence 
through  the  Schoolmen  to  Bacon  Hobbes  and  Mill,  the  Introduction 
passes  over  no  source  of  instruction,  containing  even  many  references 
to  the  recent  daily  and  weekly  press;  while  the  critical  and  explanatory 
notes  embrace  not  only  all  the  editions,  but  many  scattered  comments 
and  notices  in  British  and  foreign  reviews.«  Dasselbe  Urtheil  fällt  in 
genauerer  Ausführung  Hicks,  der  überdies  namentlich  noch  an  ver- 
schiedenen Beispielen  die  Vorzüge  darlegt,  welche  dieser  Arbeit  durch 
die  überaus  genaue  Bekanntschaft  des  Herausgebers  mit  der  griechischen 
Geschichte  bis  in  alle  Einzelheiten  zu  Theil  geworden  sind,  und  es  ist 


Politik  1 39 

im  Ganzeu  auch  das  meine''),  nur  aber  glaube  ich,  dass  in  Deutschland 
die  Darstelllung  Newman^s,  so  anziehend  und  zugleich  unterrichtend 
sie  ist,  dennoch  viel  mehr  Leser  gefunden  hätte  und  finden  würde,  wenn 
sie  höchstens  die  Hälfte  des  Raumes  einnähme,  und  dies  hätte  sich  wohl 
erreichen  lassen,  wenn  nicht  die  bekanntesten  Dinge  mit  derselben  be- 
haglichen Breite  behandelt  wären  wie  Dasjenige,  was  nicht  auf  der  Hand 
liegt,  und  die  üble  Folge  dieser  Weitschweifigkeit  ist  nicht  ausgeblie- 
ben; über  vier,  fast  fQnf  Jahre  sind  vergangen,  und  das  Werk  ist  noch 
nicht  weiter  von  der  Stelle  gerückt.  Nach  203  Seiten  ist  die  Einleitung 
erst  bei  den  nicht  von  Piaton  handelnden  Theilen  des  zweiten  Buches 
angelangt,  über  die  sie  dann  rasch  hinweggeht,  um  nach  Gebühr  aus- 
führlich beim  dritten  und  über  alle  Gebühr  ausführlich  bei  der  besten 
Verfassung  im  vierten  und  fünften  der  neuen  Ordnung,  welcher  New- 
man  mit  richtiger  Darlegung  folgt,  stehen  zu  bleiben.  Dann  aber  wird 
auf  mehr  als  90  Seiten  (374 — 461)  die  Geschichte  der  politischen  Theo- 
rien in  Griechenland  (mit  Weglassung  des  Phaleas)  und  besonders  Pla- 
ton's  Republik  und  Gesetze  durchmustert  >*),  darauf  folgt  noch  erst  eine 
Biographie  des  Aristoteles,  die  meines  Bedünkens  schlechterdings  nicht 
hierher  gehört ''),  nebst  allerdings  interessanten  Bemerkungen  über  den 
Standpunkt  seiner  Politik  und  einer  Vergleichung  mit  Piaton,  und  nun 
endlich  kommen  von  S.  489  ab  auch  die  drei  übrigen  Bücher  an  die 
Reihe,  von  denen  das  sechste  alter  Ordnung  jedoch  mit  ein  paar  Worten 
abgethan  wird.  In  Bezug  auf  dieses  folgt  der  Herausgeber  der  neuen 
Ordnung  nicht,  ohne  sich  auf  eine  Wiederlegung  der  Gründe  fUr  die- 
selbe einzulassen:  dass  dies  Buch  unvollständig  ist,  nimmt  er  ja  freilich 
mit  Recht  an,  aber  schwerlich  ist  es  so  unvollständig,  dass  dadurch  ir- 
gend wie  seine  verkehrte  Stelle  gerechtfertigt  werden  könnte,  wenn  ja 
überhaupt  sich  absehen  liesse,  was  diese  damit  zu  thun  haben  sollte. 
Der  1.  Band  schliesst  mit  sieben  meistens  die  höhere  Kritik  oder  die 
Aufklärung  des  Zusammenhanges  angehenden  Excursen  (S.  565  577): 
in  dem  ersteren  findet  New  man  nicht  geringere  Anstössigkeiten  als  ich 
in  VI  (IV),  3f.,  aber  mein  Ergebniss,  dass  die  Partie  1289^27—1291^  13 
von  zwei  verschiedenen  Peripatetikern  hinzugefügt  sei,  ist  ihm  zu  glatt, 
er  sucht  tiefere  Geheimnisse  dahinter  Im  zweiten  handelt  er  gut  über 
III,  5. 1278»  40  ff.,  im  dritten  vertheidigt  er  gleich  mir  die  Unentbehrlich- 
keit  von  III,  12  f.  (die  Lückenhaftigkeit  dieses  Abschnitts  hat  er  freilich 
nicht  begriffen,   so  sehr  sie  auf  der  Hand  liegt),  im  vierten  bemtkht  er 


^)  Doch  sind,  wenn  ich  nicht  sehr  irre,  so  erhebliche  Arbeiten  wie  die 
VCD  Hildenbrand,  van  der  Rest,  Oncken  unbenutzt  geblieben. 

M)  Vgl.  Hie k  8  S.  147 :  »obviously  an  incomplete  essay,  or  eise  it  should 
have  included  the  substance  of  the  preceding  874  pagesc. 

^)  Vgl.  Hicks  8.  147:  »a  bizarre  arrangement  which  may  have  some 
hidden  purpose,  though  what  it  is  we  fail  to  seec. 


140  Aristoteles. 

sich  die  Aechtheit  von  III,  17.  1288*  6  7:pwTov —  16  dp}[de  gegen  mich 
aufrecht  zu  halten,  im  fünften  neigt  er  sich  stark  dazu  hin  die  Unecht- 
heit  von  IV  (VII),  10.  1329*  40  —  ^35  anzuerkennen,  kann  sich  aher  doch 
nicht  dazu  entschliessen ,  weil  ihm,  wie  sich  hald  näher  ergehen  wird, 
der  wissenschaftliche  Muth  fehlt,  welcher  ehenso  unenthehrlich  ist  wie 
die  wissenschaftliche  Besonnenheit.  Dies  zeigt  sich  nämlich  recht  deut- 
lich im  2.  Bande.  Der  erste  der  beiden  vorausgeschickten  Essays 
(S.  I — XL)  handelt  von  der  Fortpflanzung  und  Benutzung  der  aristote- 
lischen Politik  im  Alterthum,  wobei  er  aber  in  einem  wesentlichen  Stücke 
inzwischen  durch  das  Ergebniss  der  Forschungen  von  P.  Voigt, 
R.  v.  Scala  und  besonders  A.  Schmekel  überholt  ist,  dass  nicht  bloss 
die  Bekanntschaft  von  Polybios,  sondern  auch  von  Cicero  mit  ihr  ledig- 
lich durch  Panaetios  vermittelt  ist.  Er  handelt  dann  ferner  von  der 
Unvollendetheit  dieses  Werkes,  über  die  sich  freilich  nichts  Neues  mehr 
sagen  liess,  und  über  die  Einheitlichkeit  desselben  im  Ganzen  bei  man- 
gelhafter Durchführung  von  ihr  im  Besonderen,  über  welche  hier  Man- 
ches genauer  dargelegt  wird,  als  es  bis  jetzt  geschehen  war.  Der  zweite 
Essay  ist  eine  sehr  bemerkenswerthe  Erörterung  über  die  Handschriften 
und  die  alte  Uebersetzung.  Newman  hat  von  letzterer  drei  englische 
Codices  neu  verglichen,  die  er  o  y  z  nennt  und  von  denen  z  (Phillipps 
Biblioth.,  Cheltenham  No.  891)  von  besonderem  Werth  ist  als  Vertreter 
derselben  besseren  Classe,  von  welcher  bisher  und  so  auch  in  meiner 
Ausgabe  nur  a  bekannt  und  benutzt  war,  und  weil  er  sogar  gute  dort 
nicht  sich  findende,  sondern  ihm  eigenthümliche  Lesarten  darbietet.  Da- 
gegen hätte  sich  Newman  seine  Mittheilungen  aus  dem  werthlosen 
griechischen,  mit  P*  verwandten  Cod.  Oxon.  Coli.  Corp.  Chr.  112  er- 
sparen sollen,  da  das  Einzige,  was  der  Handschrift  P^  Interesse  verleiht, 
die  in  sie  eingedrungenen  Lesarten  aus  demjenigen  Zweige  der  Familie 
11  \  zu  welchem  P^  gehört,  sich  hier  nicht  finden.  Die  kritischen  Grund- 
sätze und  Ansichten  des  Herausgebers  kann  ich  meistens  nur  billigen**). 


^)  Trotz  Tyrrel'B  Widerspruch  muss  ich  daran  festhalten,  dass  ich 
erst  in  meiner  3.  Aasg.  die  Vorzüge  der  alten  Uebersetzung  (F)  auf  ihr  rich- 
tiges Mass  zurückgeführt  und  z.  B.  II,  11.  1273 ^  15  mich  mit  der  Bemerkung 
begnügt  habe:  rwv  atn&v  haud  integra  esse  monuit  Susem.,  rwv  ipymv  ci. 
Bemaysias  etc.,  statt  meine  Coigectur  <9  bitöy  x&v  aörwv  zu  wiederholen, 
da  es  doch  mindestens  zweifelhaft  ist,  ob  der  Uebersetzer  wirklich  önd  m 
seinem  Original  fand.  Aber  ebenso  entschieden  muss  ich  dabei  stehen  blei- 
ben, dass  innerhalb  dieser  Grenze  die  vet  transl.  »instar  optimi  codidac  und 
die  Schranken  für  die  Aufnahme  ihrer  Lesarten  in  den  Text  von  Ditten- 
berger  nnd  Newman  zu  eng  gezogen  sind.  Wollte  man  so  in  dem  analogen 
Falle  mit  Kb  io  der  nik.  Ethik  verfahren,  so  käme  man  zn  einem  kolossalen 
Rückschritt  Und  darin  wird  doch  dadurch  Nichts  geändert,  dass  K^  aller- 
dmgs  viel  besser,  als  F  ist.  Nicht  minder  muss  ich  gegen  Newman 's  Be- 
hauptung protestiren,  die  vatikanischen  Fragmente  zeigten  uns,  dass  wir  besser 


Politik.  141 

aber,  wie  abermals  schon  Tyrrell  bemerkt  und  dargelegt  hat,  bei  der 
Anwendung  hat  er  sie  leider  vollständig  vergessen  ^^) ,  und  die  Text- 
kritik ist  die  schwächste  Seite  seiner  Arbeit.  Er  bemerkt  (II.  S.  XLI, 
vgl.  I.  S.  Vni  f.),  dass  mit  meiner  kritischen  Ausgabe  eine  neue  Epoche 
für  die  Herstellung  des  Textes  eingetreten  sei,  und  so  hat  er  denn  wirk- 
lich nicht  ganz  selten  im  Gegensatz  zu  Bekk  er  die  von  mir  eingeführ- 
ten Lesarten  der  Familie  77^  gleichfalls  aufgenommen,  aber  auch  er 
glaubt  mich  im  Irrthum  mit  dem  beschränkten  Vorzug,  welchen  ich 
dieser  Familie  einräume  ^),  und  sucht  dies  zu  zeigen  durch  Begründun- 
gen, die  ich  abgesehen  von  einigen  wenigen  Fällen  als  gelungen  nicht 
anerkennen,  sondern  meistens  nur  als  gesucht  oder  verfehlt  bezeichnen 
kann^).  Ich  kann  den  Beweis  hier  nicht  führen,  hoffe  aber  ihn  an 
einem  anderen  Orte  nicht  schuldig  zu  bleiben.     Gelegentlich  schwankt 


daran  sein  würden,  wenn  wir  nur  ältere  Handschriften  hätten:  im  Qegentheil 
mit  ihren  nur  zwei  besseren  Lesarten  zeigen  sie  uns,  dass  die  groben  Fehler 
unserer  beiden  Handschriftenclassen  grösstentheils  älter  sind  als  die  scharfe 
Trennung  dieser  beiden  Classen  selbst,  s.  oben. 

>7)  Die  Sache  ist  richtig,  aber  das  einzige  von  Tyrrell  zum  Beweise 
beigebrachte  Beispiel  II,  5.  1264^  3  beruht  denn  doch  ant  einem  Irrthum  von 
dessen  Seite.  Tyrrell  und  wohl  auch  New  man  selbst  befinden  sich  aber 
auch  im  Irrthom,  wenn  sie  glauben,  ich  sei  in  meiner  3.  Ausgabe  gegenüber 
der  Gonjecturalkritik  conservativer  geworden  als  in  meiner  2.;  sie  haben  den 
verschiedenen  Zweck  meiner  3.  Ausgabe  nicht  bedacht:  in  der  ersten  als 
Textrecension  nach  der  üeberlieferung  habe  ich  mit  sehr  wenigen,  nothge- 
dmngenen  Ausnahmen  gar  keine  Conjectnren  in  den  Text  gesetzt,  in  der 
zweiten  erklärenden,  wo  es  galt  Text  und  Uebersetzung  möglichst  in  Einklang 
zu  halten,  umgekehrt  fast  alle,  die  ich  auch  nur  für  wahrscheinlich  hielt,  hier 
habe  ich  auch  die  Umstellungen  ausgeführt,  um  das  Ganze  möglichst  zu  der 
m.  £.  von  Aristoteles  gewollten  Gestalt  zurückznleiten,  in  der  dritten  end- 
lich, einer  Handausgabe  und  schonenden  Recognition  des  überlieferten  Textes, 
habe  ich  sachgemäss  einen  Mittelweg  eingeschlagen  und  nur  die  sichersten 
Verbesserungen  in  die  Worte  selbst  aufgenommen.  Niemand  ist  also  berech* 
tigt  daraus  zu  schliessen,  dass  ich  solche  Conjecturen,  die  jetzt  nur  im 
Apparat  stehen,  wie  z.  B.  die  obendrein  durch  gesperrten  Druck  hervorgeho- 
bene 1273»  TouTtov  xai  6  d^fwSj  jetzt  für  weniger  wahrscheinlich  hielte  als 
früher,  ich  halte  und  hielt  sie  nur  für  nicht  ganz  so  sicher  wie  gewisse  an- 
dere. Mein  wirklicher  Rückzug  beschränkt  sich  also  darauf,  dass  ich  selte- 
ner r  allein  oder  in  Verbindung  bloss  mit  Mb  und  etwas  häufiger  als  früher 
n^  gefolgt  bin,  zumal  wo  sich  nicht  entscheiden  lässt,  ob  die  Uebereinstim- 
mong  von  M  s  P  >  sich  auch  auf  F  ausdehnte ,  und  das  hätte  ich  auch  sogar 
noch  in  ein  paar  anderen  Fällen  thun  sollen. 

M)  Sein  Recensent  im  L.  Gentrabl.  giebt  ihm  Recht:  ich  weiss  nicht, 
ob  dieser  genügende  Sachkenntniss  besitzt,  um  sich  ein  competeotes  Urtheil 
hierüber  zuschreiben  zu  dürfen. 

39)  Eine  Probe  davon  s.  oben  A.  10. 


1 42  Aristoteles. 

er  selbst,  in  anderen  Fällen  würde  er  ohne  seine  Angst  vor  Gonjecturen 
die  Ueberlieferung  von  //^  dankbar  aufgenommen  haben,  wenn  dies  nur 
möglich  gewesen  wäre  ohne  eine  gleichzeitige  unbedeutende  Nachbesse- 
rung **).  Ueberlegt  man  nun  aber,  wie  viele  Fehler  in  77^  durch  //*  und 
in  11^  durch  /7^  verbessert  werden,  und  wie  alt  diese  Fehler  laut  dem 
vatikanischen  Palimpsest  und  den  Gitaten  bei  lulianos  bereits  sind'^), 
so  wäre  es  doch  seltsam,  wenn  nicht  recht  zahlreiche  auch  beiden  Classen 
gemeinsam  wären,  und  es  springt  daher  sofort  in  die  Augen,  wie  übel  an- 
gebracht hier  ein  solches  Vertrauen  zu  der  gemeinsamen  Ueberlieferung 
ist,  wie  dasjenige,  welches  Newman  dazu  treibt  lieber  zu  den  künst- 
lichsten und  unmöglichsten  Auslegungen  zu  greifen  als  die  einfachsten 
und  nothwendigsten  Emendationen  zu  billigen'^).     Dieser  Schade  ver- 


30)  So  sieht  er  recht  wohl  ein,  dass  II,  10. 1272  b  9  die  Stelle  der  Worte 
T&v  duvaoT&v  {dovar&v  /7S)  in  77^  die  richtige  ist,  da  dies  aber  die  Aende- 
rong  von  9  orav  in  oX  Hv  voraussetzt,  bringt  er  dieselben  lieber  mit  U^  an  die 
▼erkehrte.  80  kann  auch  er  sich  nicht  verhehlen,  dass  II,  11.  1272^39  nicht 
sowohl  xard  xb  aörb  (O^)  als  vielmehr  xa^'  aörd  dem  Sinne  entspricht,  da 
dies  aber  in  Pi  und  M^  leicht  in  xar'  aörd  (xarooro)  verderbt  ist,  hat  er 
nicht  den  Muth  es  aus  der  vet.  transl.  aufzunehmen,  weil  es  doch  in  keiner 
Handschrift  stehe,  was  nicht  einmal  wahr  ist,  denn  P 1  hat  es  am  Rande  mit  jrp- 

si)  Newman  I.  S.  VIII  schreibt:  »it  is  clear  that  the  fragments  lend 
the  Support  of  whatever  anthority  they  possess  rather  to  the  second  family 
than  to  the  firstf  Freilich  ist  das  klar,  aber  es  fragt  sich  eben,  »whatever 
authority  they  possessc ,  und  hier  haben  weder  Heylbut  noch  er  bedacht, 
dass  die  Sache  genau  in  demselben  Masse  durch  die  Citate  von  Alexandros 
und  lulianos  zu  Gunsten  von  /7i  wieder  aufgewogen  wird,  so  dass  tabula 
rasa  entsteht  und  wir  lediglich  nach  wie  vor  nach  inneren  Gründen  entschei- 
den müssen. 

^)  Eins  der  abschreckendsten  Beispiele  findet  sich  II,  11.  1272^  39  f., 
wo  die  völlig  sicheren  Emendationen  der  Neueren  nicht  einmal  erwähnt  wer- 
den im  vollen  Gegensatz  zu  Newman's  sonstiger  Breitspurigkeit,  sondern 
die  zerrüttete  Stelle  et  n  dta^ipov  ix  routtov  alper obq  fiäkXov  ^  xai9*  •fiktxia» 
einfach  durch  folgende  Paraphrase  gerettet  wird :  »and  that  if  the  family  from 
which  they  are  taken  is  of  marked  excellence,  they  are  appointed  from  it  by 
election  rather  than  by  seniorityc.  Und  was  er  sachlich  zur  Erklärung  des 
I,  2  1263  A  34  f.  üeberlieferten  beibringt,  war  zwar  alles  schon  im  Voraus  von 
mir  widerlegt,  darauf  aber  war  ich  freilich  nicht  gcfasst,  es  könnte  Jemand 
daraus,  dass  man  sagen  kann  ^pov-^eei  xai  dpar^  itntv  onla  ^  »Einsicht 
und  Tugend  besitzen  Waffenc  folgern,  auch  onJia  iz^tv  ^povi^cst  xat  äper^ 
im  Sinne  von  »Wa£fen  besitzen  für  den  Gebrauch  der  Einsicht  und  Tagende 
sei  ohne  Weiteres  erlaubt.  Man  fühlt  sich  versucht  mit  Speugel  zu  fragen: 
»wo  hat  dieser  Hellene  oder  Hellenist  sein  Griechisch  gelernt Vc  und  noch  hin- 
zuzusetzen: »und  wo  seine  Logik  ?f  Und  II,  2. 1261  b  2,  wo  er  nicht  umbin  kann 
der  Familie  /7i  zu  folgen  und  anzuerkennen,  dass  dann,  wenn  man  nur  mit 
mir  das  von  ihr  gebotene  cf '  ih^  öftoiooq  in  duoftotoog  verwandelt.  Alles  in  Ord- 


Politik  1 43 

anstaltet  nicht  wenig  seinen  sonst  so  lehrreichen  exegetischen  Commen- 
tar,  and  dazu  kommt  gelegentlich  ein  aas  derselben  Geistesdisposition 
fliessender  Mangel  an  Entschlossenheit  sich  zwischen  verschiedenen  £r- 
klärangen  zu  entscheiden,  wenn  auch  in  andern  Fällen  diese  Zurttck- 
haltung  vielmehr  eine  Tugend  ist.  Allzu  wortreich  ist  überdies  dieser 
Commentar  wiederum  gleich  dem  kritischen:  in  letzterem  hätte  nicht 
unbeträchtlicher  Raum  gespart  werden  können,  wenn  New  man  es  nicht 
für  nöthig  gehalten  hätte  jedesmal  breit  auseinander  zu  setzen,  wo  es 
unsicher  ist,  ob  F  dieselbe  Lesart  wie  M»  P^  hatte,  auch  da,  wo  Jeder 
sich  dies  selber  sagen  kann:  Aristoteles  bezeichnet  ein  solches  Verfah- 
ren bekanntlich  als  fpoprtxov^'^).  Noch  ist  zu  erwähnen,  dass  Newroan 
mit  unverächtlicher  Begründung,  wenn  auch  nicht  ohne  Bedenken,  die 
Vermuthung  ausspricht,  dass  I,  11  Zusatz  eines  alten  Peripatetikers  sei. 
Trotz  ihrer  Schattenseiten  bleibt  seine  Ausgabe  eine  bedeutende  Leistung, 
und  es  wäre  sehr  zu  bedauern,  wenn  ihre  Weiterführung  und  Vollendung 
ausbleiben  sollte. 

Tyrrell  fügt  schliesslich  seiner  Besprechung  einzelner  Stellen  aus 
Newman^s  Explanatory  notes  noch  seine  eigne  und  Maguire's  Er- 
klärung von  I,  6.  1255^  3  fiF.  bei  Ich  kann  nicht  finden,  dass  damit  ein 
Fortschritt  über  meine  Abhandlung  (s.  Ber.  XXXIV.  S.  42 ff.  XLII.  S.  35  f.) 
hinaus  gemacht  wäre,  bin  im  Gegentheil  kühn  genug  zu  glauben,  dass 
ich  mit  ihr  die  Sache  erledigt  habe. 

In  zweiter  Auflage  erschien 

99)  Aristotle.  The  Politics  translated  by  F.  C.  Welldon.  London 
1888.  8.  Macmillan. 

Mir  ist  dieselbe  aber  ebenso  wenig  zugänglich  wie  die  Recension 
von  W.  Heine,  N.  philol.  Rdsch.  1890.  Sp.  132  f. 

Besprechungen  einzelner  Stellen  gaben 


nung  ist,  schreibt  er:  »this  conjecture  may  be  right,  bat  of  course  it  is  only 
a  coDJectarec.  Ja  in  der  That  eine  Conjectur  ist  eben  nichts  Anderes  als 
eine  Goqjectar,  diese  Wahrheit  ist  unbestreitbar!  »With  bis  views  about  the 
character  of  the  msst,  so  bemerkt  Tyrrell,  »how  can  he  be  sare  that  the 
ms  reading  is  not  the  conjectare  of  a  scribe  with  not  the  hondredth  part  of 
SuBemihl'B  intelligencec  Und  mit  Recht  sagt  derselbe  Kritiker:  »What  we 
want,  is  an  editor  with  the  highest  judgment,  the  wideat  knowledge  of  Ari- 
atotle's  writings,  and  the  most  powerful  grasp  of  his  train  of  thoaght  and  in- 
sight  into  his  style.  In  a  word,  mss  failing,  we  want  skilled  emendationc, 
wenn  er  mir  auch  viel  zu  viel  Ehre  anthot,  indem  er  hinzufügt :  »Sus.  brought 
these  qaalities  to  bear  on  Arist  in  the  highest  degreec.  Ausserdem  vgl.  A.  33. 

3S)  Poet.  26.    1461  b  29  ff.    <&c   yäp   oöx  al<r&avoßiywv ,   äw   ßTj    aitrdg 


144  Aristoteles. 

100)  W.  Ridgeway,  Aristotle  Politics  III,  2,  2.  1275^  26  Journ. 
of  Philol.  XV.  1886.  S.  164. 

101)  C.  Haeberlin,  Aristotelis  Politica  B,  9.  Rhein.  Mus.  XLV. 
1890.  S.  311—313. 

Haeberlin  empfiehlt  II,  9.  1271*5  die  auch  von  mir  schon  als 
»vielleicht  richtige  bezeichnete  Conjectur  von  Sylbnrg  dyoneo&ovoog 
fbr  das  nur  hier  bei  Aristoteles  erscheinende  dpeu^uvou^^  will  Z.  7  ro 
streichen  oder  in  r^  verwandeln  (was  mir  nicht  unbedingt  nöthig  scheint) 
und  glaubt,  ich  habe  Z.  10*  f.  xcd  ro  aurbv  alrsia^at  röv  dgea^^jjaofievov 
T^C  ^XV^  ^^^  dpBwg  i^ec  falsch  flbersetzt:  »und  ebenso  ist  es  nicht 
richtig,  dass  Die,  welche  der  Ehre  in  dies  Amt  einzutreten  für  würdig 
erachtet  werden  sollen,  sich  um  dieselbe  bewerben  müsseuf.  Allein  ich 
habe  gar  nicht  daran  gedacht  rb  aördv  durch  »ebenso«  wiedergeben  zu 
wollen,  sondern  dies  »ebensoc  lediglich  als  Bindeglied  hinzugefügt  und 
das  r^  aörbv  —  dpx^Q  durch  »dass  Die  ~  bewerben  müssen  c  übersetzt, 
weil  im  Deutschen  meines  Eracbtens  die  Hinzusetzung  von  »selbstc  zu 
»sich  bewerben«  eine  unerträgliche  Tautologie  ist.  —  Ridgeway  ver- 
muthet  ansprechend,  die  Larisäer  hätten  nach  dem  Biutbade,  welches 
der  Tyrann  Lykophron  von  Pherae  404  unter  ihnen  anrichtete  (Xen. 
Hell.  II,  3,  4),  eine  grössere  Zahl  von  NeubQrgern  aufgenommen,  wobei 
ihre  »Bürgermeister«  (di^fieoupYoe)  das  Vorschlagsrecht  ausübten,  und  auf 
diesen  Anlass  sei  Gorgias  gefragt  worden,  worin  denn  das  Wesen  eines 
Bürgers  bestehe,  wenn  doch,  wie  das  Beispiel  dieser  Leute  zeige,  nicht 
in  der  bürgerlichen  Abkunft,  und  da  habe  er  sich  mit  jenem  von  Ari- 
stoteles III,  2.  1275^  26  ff.  berichteten  Wortspiel  geholfen.  —  lieber  V 
(VIII),  1342»  9  f.,  s.  unten  No.  127  f. 

102)  R.  D.  Hicks,  On  the  avoidance  of  hiatus  in  Aristotle's  Po- 
litics.    Proceedings  of  the  Cambridge  phil.  Soc.  XIII— XV.  S.  22  f. 

Eine  genaue  Sonderung  der  ganz  und  der  annähernd  hiatusfreien 
Partieen  in  der  Politik  und  Ethik  von  den  übrigen  würde  ein  sehr  ver- 
dienstliches Unternehmen  sein.  Wir  hätten  innerhalb  der  ersteren  nach 
Ausführung  dieser  Arbeit  einen  Massstab  dafür,  wo  wir  in  der  Wort- 
stellung der  einen  oder  der  andern  Handschriftenclasse  zu  folgen  haben, 
was  besonders  für  die  Politik  sehr  erwünscht  wäre.  Hoffen  wir,  dass 
Hicks  die  Ergebnisse  seiner  Untersuchung  für  diese  Schrift  bald  ver- 
öffentlichen wird!  In  dem  Bericht  über  seinen  Vortrag  finden  sich  die 
richtigen  Bemerkungen,  dass  zu  der  Annahme  eines  engeren  Zusammen- 
hangs derartiger  Theile  mit  Dialogen  keinerlei  zwingender  Grund  ist, 
und  dass  zu  ihnen  die  Capitel  III,  4  f  im  wesentlichen  Unterschiede  von 
der  Hauptmasse  des  nämlichen  dritten  Buchs  gehören 

Die  beiden  Abbandlungen 


i 


Aristoteles.  ]45 

103)  Thill,  La  doctriue  d^Aristote  sur  la  tyrannie,  La  Mus^on 
VIII.  1889.  S.  161—176. 

104)  H.  0  e  r  t  e  1 ,  Die  Lehre  des  Aristoteles  von  der  Tyrannis, 
Kaiserslautern  1890.  42  S.  8.  (Gymnasialprogr.) 

sind  mir  nicht  zugegangen,  wohl  aber: 

105)  W.  Lutoslawski,  Erhaltung  und  Untergang  der  Staatsver- 
fassungen nach  Plato,  Aristoteles  und  Macchiavelli,  Breslau  1888.  Köb- 
ner.  VIII,  140  S.  8.  (Dorpater  Doctordiss.) 

Ein  kurzer  und  ganz  geschickter  Bericht  über  diese  kleine  Schrift 
von  R.  Stammler  findet  sich  in  den  philos.  Monatsh.  XXVU.  1891. 
S.  374,  aber  man  erkennt  doch  aus  demselben  kaum,  in  wie  hohem 
Grade  lesenswerth  sie  nicht  allein  für  jeden  Gelehrten,  sondern  auch 
fnr  jeden  Gebildeten  ist.  Sie  besteht  aus  drei  Abtheilungen.  In  der 
ersten  wird  die  aristotelische  Theorie  der  Revolutionen  und  der  Er- 
haltungsmittel der  Verfassungen  behandelt  (S.  3 — 80).  Zun&chst  giebt 
der  Verf.  ein  übersichtliches  Bild  derselben,  welches  auch  fOr  die  Lee- 
türe des  achten  (früher  fünften)  Buches  ein  gutes  Hülfmittel  darbietet, 
indem  er  dabei  mit  Recht  der  von  Aristoteles  selbst  zu  Grunde  gelegten 
Disposition  nur  theil weise  folgt,  da  diese  zwar  im  Ganzen  wohldurch- 
dacht, aber  nicht  nur  von  gewissen  »Lässlichkeitenc,  die  freilich  an  ihrer 
Stelle  mehr  Tugenden  als  Fehler,  aber  doch  fQr  Lutoslawski^s  Zweck 
nicht  beibehaltenswertb  waren,  sondern  auch  von  wirklichen  Mängeln  nicht 
frei  ist,  obgleich  ich  dieselben  zum  Theil  für  geringer  halte  als  er^). 
Dann  wird  (S.  67—80)  die  Bedeutung  dieser  aristotelischen  Theorie  auch 
noch  für  die  Neuzeit  untersucht,  in  welcher  die  Voraussetzung  derselben, 
die  Sklaverei,  in  allen  civilisirten  Staaten  aufgehört  hat  und  mit  der 
Grossstaatenbildung  die  sämmtlichen  Verfassungen  der  Stadtstaaten,  auf 


M)  So  hat  er  denn  die  in  der  That  bei  Aristoteles  ungeordnet  aneinander- 
gereihten Erhaltuogsmassregeln  unter  allgemeine  Rubriken  gemacht  und  in 
Bezug  auf  die  Revolutionen  einen  Theil  des  von  Aristoteles  Beigebrachten  in 
andore,  neue  eingeordnet.  Unrichtig  ist  die  Behauptung  (S.  24  f.),  dass  der- 
selbe die  Politie  als  die  nächstbeste  Verfassung  nach  dem  Idealstaat  beseicfane : 
vielmehr  treten  die  »sogenannteuf ,  die  uneigentlichen  oder  gemischten  Ari* 
stokratien  noch  dazwischen.  Allzu  eilfertig  ist  die  Folgerung  (S.  136.  A.  1) 
aus  der  g&Dzlichen  Nichtberücksichtigaog  der  durch  den  grossen  Alexandres 
geschaffenen  Zustände:  »Man  möchte  daraus  schliessen,  dass  die  Politik  kurz 
nach  Philipps  Tode  und  vor  Alexanders  Eroberungen  heraasgegeben  worden 
istc.  Aehnliche  Gedanken  finden  sich  bei  New  man.  »Herausgegebene  ist 
sie  (was  nicht  gegen  diesen,  sondern  nur  gegen  Lutoslawski  zu  bemerken 
ist)  überhaupt  von  Aristoteles  nicht,  gearbeitet  mag  er  an  ihren  verschiede- 
nen Theilm  zu  verschiedenen  Zeiten  seines  Lebens  haben,  jedenfalls  aber 
auch  noch  in  den  letzten  Jahren  desselben,  s.  Susemihl  Arist.  Pol.  I.  8.  69f. 

Jahresbericht  ftir  Alterthumswissenschaft.   LXVII.  Bd.   (1891.  I.)  IQ 


]  46  Aristotelefli. 

welche  dieselbe  zugeschnitten  ist,  gleichfalls  dahingeschwunden  sind,  so 
dass  sie  unmittelbar  nicht  mehr  anwendbar  ist  Der  Verf.  macht  aber 
mit  Recht  geltend,  dass  die  modernen  Verfassungen  Mischformen  sind, 
in  denen  sich  die  antiken  als  Elemente  erhalten  haben,  und  dass  die 
aristotelischen  Bestimmungen  aus  reicher  und  tiefer  Beobachtung  der 
Menschennatur,  die  sich  mehr  oder  weniger  zu  allen  Zeiten  gleich  bleibt, 
geschöpft  sind,  und  findet  daher,  dass  ihre  mittelbare  Brauchbarkeit^ 
deren  Grenzen  er  näher  zu  bestimmen  sucht,  auch  jetzt  noch  eine  er- 
hebliche ist.  Nahe  hiemit  hängt  der  dritte  Abschnitt  (S.  107  —  134)  zu- 
sammen, welcher  den  Einfluss  von  Aristoteles  auf  den  Principe  von 
Macchiavelli  erörtert,  indem  der  Verf.,  wie  ich  glaube,  mit  Recht,  dies 
merkwürdige  Buch  als  Uebergangsglied  zwischen  der  antiken,  durch 
Aristoteles  vollendeten  Staatsphilosophie  der  Stadt-  und  der  modernen 
der  Grossstaaten  ansieht  und  es  zum  Beweise  nimmt,  dass  praktisch 
eben  die  Tyrannis,  die  Aristoteles  fhr  die  schlechteste  Verfassung  an. 
sieht  und  doch  in  jenem  Buche  seiner  Politik  so  eingehend  behandelt, 
als  das  Mittelglied  fQr  die  Bildung  der  modernen  absoluten  Monarchie 
und  damit  Oberhaupt  des  modernen  Staates  anzusehen  sei.  Lutos- 
lawski  zeigt  im  Anschluss  an  Trendelenburg  und  im  Gegensatz  za 
Ranke,  dass  Macchiavelli  kein  Menschenverächter  war  und  Aber  den 
sittlichen  Werth  der  Tyrannis  an  sieb  nicht  anders  als  Piaton  und  Ari- 
stoteles dachte.  Er  fhhrt  ferner  die  Behauptung  von  Ranke,  dass  der- 
selbe, was  merkwürdigerweise  Trendelenburg  trotz  Bankers  Vor- 
gang verkannt  hat,  in  jener  Schrift  von  dem  betreffenden  Buche  des 
Aristoteles  abhängig  war,  so  genau  mit  den  Belegen  aus,  dass  an  ihrer 
Richtigkeit  kein  Zweifel  bleiben  kann;  aber  er  macht  gegen  Ranke 
geltend,  dass  Macchiavelli  nicht  nur  in  seinen  staatsklugen  Discursen 
über  die  zehn  ersten  BOcher  des  Livius  keinerlei  Kenntniss  der  aristo« 
telischen  Politik  zeigt,  sondern  auch  im  Principe  unter  den  zahlreichen 
Beispielen  aus  dem  Alterthum  kein  einziges  von  Aristoteles  angezogenes 
giebt,  und  er  schliesst  daraus  mit  Wahrscheinlichkeit,  dass  Macchiavelli*s 
Benutzung  desselben  nur  eine  mittelbare  aus  einem  schon  vor  ihm  vor- 
handenen Auszug  gewesen  sei.  Alle  diese  Dinge  indessen,  so  wenig  ich 
sie  übergehen  konnte,  gehören  in  diese  philologischen  Jahresberichte 
auch  nur  sehr  mittelbar  hinein;  vollends  aber  das  Urtheil  muss  ich  je- 
dem Leser  selber  überlassen.  Anders  steht  es  mit  der  Behauptung 
(S.  58  ff.),  dass  die  Politik  des  Aristoteles  trotz  seiner  eigenen  entge- 
gengesetzten Erklärung  (Nik.  Eth.  I,  1.  2.  1094^  11  ff.  1095»  30  ff.)  einen 
wesentlich  deductiven  Charakter  habe.  Dies  wird  doch  dadurch,  dass 
sie  allerdings  aus  den  angeführten  historischen  Beispielen  allein  keines- 
wegs abstrahirt  ist,  vielmehr  diese  eher  nachtrfiglich  aufgesuchte  Belege 
sind,  und  dass  die  psychologische  und  logische  Beobachtung  in  der 
That  dabei  ebenso  sehr  mitgespielt  hat  als  die  historische,  noch  lange 
nicht  bewiesen.    Denn  dies  Alles  ist  doch  eben  empirische  Beobachtung, 


Aristoteles.  147 

and  wenn  Aristoteles  seine  sechs  Hauptstaatsformen  im  Wesentlichen 
bereits  aus  Piatons  Politikos  tthernahm,  so  machte  er  es  doch  damit 
nicht  anders  als  ein  heutiger  Denker,  der  die  jetzigen  Formen  als  be- 
reits festgestellt  gegeben  ansieht  und  nun  von  diesem  Gewinne  frttherer 
Indnctionen  aus  allerdings  vielfach  deductiv  verfiElhrt,  ohne  wieder  von 
vorn  anzufangen  und  die  Richtigkeit  dieser  Indnctionen  von  Neuem  zu 
prfifen,  desshalb  aber  doch  noch  keineswegs  nöthig  hat  sich  dadurch  zu 
Gonstmctionen  a  priori  verleiten  zu  lassen.  Dies  führt  uns  nun  endlich 
zum  zweiten  Abschnitt,  dem  Yerhältniss  des  Aristoteles  in  seiner  Staats- 
pbilosophie  zu  Piaton  (S.  81—104).  Wir  mfissen  es  dem  Verf.  danken, 
dass  er  uns  näher  eingehend,  als  es  bisher  geschehen  ist,  darlegt, 
wie  sehr  Ersterer  auch  hier,  und  sogar  in  der  Theorie  der  Revolutionen, 
von  Letzterem  abhängt,  zumal  da  er  uns  zugleich  entwickelt,  dass  da- 
mit dem  Verdienst  des  Aristoteles  kein  Abbruch  geschieht,  dass  viel- 
mehr erst  dieser  die  von  Piaton  eben  nur  gestellte  kolossale  Aufgabe 
einer  allseitigen  griechischen  Staatstheorie  gelöst  hat,  so  weit  sie  über- 
haupt gelöst  ist.  Aber  leider  hat  Lutoslawski,  ein  SchtQer  und  Ver- 
ehrer Teichmttller's,  dessen  Andenken  er  dies  Büchlein  gewidmet 
hat,  und  dessen  wirkliche,  ohne  Zweifel  unverächtliche  Leistungen  er 
weit  überschätzt,  sich  dieses  Verdienst  stark  verkümmert,  indem  er 
dessen  unerwiesene  und  unwahrscheinliche  Behauptung  sich  aneignet, 
dass  Aristoteles  in  seiner  vielfach  verkehrten  Kritik  Platon*s  denselben 
nicht  etwa,  und  zwar  nicht  zum  geringsten  Theile  durch  Schuld  von 
Flüchtigkeit,  miss verstanden ,  sondern  dessen  Lehren  böswillig  verdreht 
und  gewisse  von  diesem  mündlich  vorgetragene  Ansichten  betrügerisch 
sich  selbst  angeeignet  habe.  Schnell  fertig  ist  die  jetzige  Jugend  mit 
solchen  schmählichen  Anschuldigungen  und  das  ist  ein  trauriges  Zeichen 
unserer  Zeit.  Wo  ich  bei  Aristoteles  in  dieser  Hinsicht  eine  auffallende 
Unfähigkeit  gesehen  habe  sich  auf  den  Standpunkt  eines  Anderen  zu 
versetzen,  da  erwidert  der  Verf.  mir  mit  einem  seltsamen  psychologi- 
schen Fehlschlnss,  für  eine  solche  sei  Aristoteles  zu  gescheidt  gewesen. 
War  denn  etwa  Her  hart  nicht  auch  ein  gescheidter  Mann,  und  hat  er 
nicht  doch  namentlich  Hegel  gegenüber  mehrfach  eine  solche  gezeigt? 
Würde  man  nicht  mit  gleichem  Recht  oder  vielleicht  Unrecht  schliessen 
dürfen,  Aristoteles  sei  viel  zu  gescheidt  gewesen,  um  Piaton  Vorwürfe 
zu  machen,  die  unmittelbar  ihm  selbst  zurückgegeben  werden  konnten, 
wie  es  mehrfach  im  Schlusscapitel  des  in  Rede  stehenden  Buchs  auch 
nach  Lutoslawski  geschieht?  In  der  That  enthält  dies  Capitel  jedoch 
so  viel  Auffallendes,  dass  der  Zweifel,  ob  es  wirklich  von  Aristoteles 
selbst  herrührt,  durchaus  nicht  unberechtigt  erscheint,  zumal  da  der- 
selbe doch  sonst  die  Kritik  seiner  Vorgänger  vorauf  zu  schicken  und 
nicht  nachhinken  zu  lassen  pflegt.  Zeigen  sich  doch  femer  dieselben 
unrichtigen  Auffassungen  platonischer  Lehren  bei  Aristoteles  auch  auf 
anderen  Gebieten,  auf  denen  derselbe  seine  Kritik  genau   ebenso  auch 

lO» 


148  Aristotelei. 

gegen  die  richtig  aufgefassten  kehren  dürfte,  so  dass  hier  nicht  das 
mindeste  Interesse  zu  ahsichtlichem  Missverständniss  vorlag.  Höchstens 
mag  es  wahr  sein,  dass  das  nnhehagliche  Gefühl  überall  so  vielfach 
seine  eigensten  Gedanken  doch  schon  wenigstens  im  Keime  sich  vielfach 
von  seinem  Lehrer  vorweg  genommen  zu  sehen  dieser  Kritik  des  Ari- 
stoteles nicht  selten  einen  etwas  mürrischen  und  nörgelnden  Charakter 
gegeben  hat. 

Bei  aller  mir  gebotenen  Knappheit  musste  ich  bei  Arbeiten  wie  de- 
nen von  Newman  und  Lutoslawski  ausführlicher  sein.  Desto  kürzer 
kann  ich  mich  über 

106)  Julius  Schwarcz,  Kritik  der  Staatsformen  des  Aristoteles. 
Vermehrte  Ausgabe.    Eisenach,  1890.  Bacmeister.  V,  139  S.  8. 

fassen,  da  die  Vermehrungen,  namentlich  auch  die  Antikritik  gegen 
meine  Anzeige  Zeitschr.  f.  klass.  Phil.  II.  1886.  Sp.  257 — 260  (vgL 
Her.  XLII.  8.  85)  mich  nicht  bestimmen  können  jetzt  anders  zu  urthei- 
len,  als  ich  es  in  der  letzteren  gethan  habe,  so  sehr  auch  diese  Anti- 
kritik den  Beifall  eines  seiner  Meinung  nach  hochberufenen  Becensenten 
G.  J.  Schneider,  Berl.  ph.  Woch.  XI.  1891.  Sp.  239-242  gefunden 
hat.  Ich  verweise  daher  einfach  auf  meine  erneute  Besprechung  in  der- 
selben Zeitschr.  XII.  1892.  und  auf  die  Rec  von  Döring  Woch.  f.  kl. 
Ph.  VII.  1890.  Sp.  1334-1338  und  Pöhlmann,  Deutsche  L.-Z.  1891. 
8p.  619  f.  und  die  im  Litt.  Centralbl.  1891.  Sp.  265f. 
Endlich  gehört  hierher  noch 

107)  Ed.  Zeller,  üeber  den  Begriff  der  Tyrannis  bei  den  Griechen. 
Sitzungsber.  der  Berl.  Akad.  1887.  S.  1137    1146. 

Zell  er  legt  richtig  dar,  dass  der  ursprüngliche  staatsrechtliche 
Begriff  eines  Tyrannen  der  eines  gesetzwidrigen  Herrschers  in  einer  Re- 
publik war,  dergestalt  dass  die  Gesetzwidrigkeit  sich  sowohl  im  Ur- 
sprünge seiner  Herrschaft  durch  Usurpation  als  auch  darin  zeigt,  dass 
er  sich  nicht  unter  das  Gesetz  stellen  kann,  weil  er  damit  seine  Herr- 
schaft aufgeben  würde.  Dass  er  schlecht  und  eigennützig  regieren  müsste 
und  nicht  vielmehr  das  Wohl  seiner  Unterthanen  im  Auge  haben  könnte, 
war  damit  nicht  gesagt  und  entsprach  auch  den  geschichtlichen  That- 
sachen  nicht.  Die  Erlaubtheit  des  Tyrannenmordes  bedeutete  dabei  nur 
die  der  unter  diesen  Umständen  allein  möglichen  gewaltsamen  Herstellung 
des  gesetzlichen  Zustandes.  Erst  Piaton,  von  acht  griechischem  Tyran. 
nenhass  beseelt  und  doch  zugleich  dem  Grundsatz  huldigend,  dass  Nichts 
auf  den  Ursprung  der  Herrschaft,  sondern  Alles  auf  weisen  und  guten 
Gebrauch  derselben  oder  das  Gegentbeil  ankomme,  modelte  den  Begriff 
dahin  um,  dass  für  ihn  jeder  eigennützige,  grausame,  das  Volkswohl  und 
auch  die  besten  Gesetze  mit  Füssen  tretende  Herrscher  zum  Tyrannen 
ward.    Aristoteles  folgte,  indem  er  sich  die  Theorie  von  den  drei  rieh- 


Aristoteles.  HO 

tigen  oder  besseren  Yerfassangen  und  den  drei  ihnen  entsprechenden 
Abarten  {naptxßaam)  aus  Platon's  Politikos  aneignete,  den  Spuren  seines 
Meisters,  so  dass  er  die  ungesetzliche  Weise  der  Regierung  eines  Ty- 
rannen erst  als  Folge  des  Geistes  dieser  Regierungsform  darstellte,  dah^r 
bei  ihm  wie  bei  Piaton  auch  ein  König,  der  seine  legitim  ttberkommene 
Gewalt  in  solcher  Weise  missbraucht,  damit  ebenso  gut  zum  Tyrannen 
wird  wie  ein  Usurpator  ^).  Diese  neue  Auffassung  ward  allmählich  zur 
geltenden  M),  wodurch  denn  die  Erlaubtheit  des  Tyrannenmordes  einen 
ganz  anderen  und  viel  staatsgefährlicheren  Sinn  erhielt.  Das  Genauere 
darüber  gehört  aber  nicht  mehr  hierher. 

Von  den  pseudo- aristotelischen  Oeconomica  erschien  die  Text- 
recension 

108)  Aristotelis  quae  feruntur  Oeconomica.  Recensuit  Franciscus 
Suse  mihi.    Leipzig,  Teubner.  1887.  XXX,  94  S.  8., 

welche  von  Wohlrab  L.  Centralbl.  1888.  Sp.  480  f.,  Busse  Berl.  pb. 
Woch.  VUI.  1888.  Sp.  686—690,  Spiro  Deutsche  L.-Z.  1888.  Sp.  1679f. 
und  Ghiappelli  Riv.  di  Filol.  XVIIi.  1888.  Sp.  184-136  angezeigt 
und  beurtheilt  ist  Die  Anzeige  des  Letztgenannten  kenne  ich  nicht, 
Busse  und  Spiro  bin  ich  dankbar  für  ihr  allgemeines  Lob  und  würde 
es  noch  mehr  für  ihren  Tadel  im  Besonderen  sein,  wenn  ich  nur  beim 
allerbesten  Willen  viel  hätte  aus  demselben  lernen  können.  Zwar  darin 
mag  Busse  Recht  haben,  da  die  ältere  lateinische  Uebers.  von  Durand 
de  St.  Pour^in  nur  das  erste  und  dritte  Buch  umfasst,  während  der 
jüngere  Uebersetzer  keinen  griechischen  Codex  von  letzterem  mehr  ge- 
habt zu  haben  scheint,  dass  dieser  für  das  erste  und  zweite  griechischö 
Handschriften  benutzte,  in  denen  letzteres  an  die  Stelle  des  inzwischen 
verloren  gegangenen  früheren  zweiten,  jetzt  dritten  getreten  war.  Aber 
viel  leichter  ist  m.  E.  der  Gedanke,  dass  das  Vorhandensein  von  zwei 
älteren  Uebersetzungen  des  dritten  Buchs  den  jüngeren  Interpreten  be- 
stimmte aus  beiden  eine  dritte  zu  machen,  als  dass  er  in  Folge  des 
Vorhandenseins  von  nur  einer  einzigen  mit  Randcorrecturen  so  zu  Werke 
gegangen  sein  sollte.    Busse  hätte  mir  ferner  doch  die  Frage  S.XVin. 


SB)  In  welche  Widersprüche  sich  diese  neue  Theorie  verwickelt,  indem 
z.  B.  Aristoteles  nun  doch  das  EOnigthum  der  »Barbarent,  weil  es  ein  legi- 
times ist,  trotz  seines  despotischen  Charakters  zu  den  Königthümern  nnd  nicht 
zu  den  Tyrannenherrschaften,  wenn  auch  als  eine  üebergangsstnfe  zu  letzte- 
ren rechnet,  hatSchwarcz  grossentheils  richtig  dargelegt,  und  es  ist  dies  das 
beste  Stück  seiner  Kritik. 

s^  Ich  glaube,  dass  dieser  Erfolg  sich  namentlich  von  der  Tyrannis  des 
alteren  nnd  dann  des  jüngeren  Dionysios  und  später  des  Agathokles  herschreibt, 
und  dass  aoch  Platon's  Tyrannenhass  bereits  von  seiner  Berührung  mit  dem 
älteren  Dionysios  stammte. 


150  Aristoteles. 

A.  46  beantworten  sollen:  »Sdre  velim,  ande  lector  iUe  doctus  142, 16 ff. 
hauserit  secundum  Orpheum  pro  »eeundum  Herculem  et  Tocabolam  Graecum 
tnUhymosyna«^  si  non  ex  alio  codice  Graeco«.  Ebenso  kann  ich  durcbans 
nicbt  behaupten,  dass  meine  Zweifei,  ob  wirklich  gerade  Theophrastos 
das  erste  Bnch  geschrieben  hat.  gründlich  durch  Busse  beseitigt  wären. 
Was  mich  genöthigt  hat  mit  dem  Codex  P^  bis  ins  Ende  des  13.  Jahrb. 
hinaufzugeben,  hätte  Busse  aus  meiner  Ausg.  der  gr.  Mor.  S.  VI.  A.  l 
ersehen  und,  wenn  er  konnte,  widerlegen  sollen;  sein  blosser  unbegrün- 
deter Widerspruch  ist  bedeutungslos.  Femer  ist  es  zu  viel  von  mir 
verlangt,  ich  hätte  klarer  beschreiben  sollen,  wie  ich  zu  meinen  GoUa- 
tionen  gekommen  bin,  denn  wie  ich  es  anfangen  sollte  eine  etwas  ver- 
wickelte Sache  klarer  darzustellen,  als  sie  nun  einmal  war,  verstehe  ich 
nicht:  im  Grunde  kann  doch  Jeder  aus  meinen  Angaben  sofort  ersehen, 
dass  ihre  Abweichungen  von  denen  Bekker*s  überall  auf  genauen  und 
zuverlässigen  Nachprüfungen  beruhen,  und  welche  von  diesen  Hinz  und 
welche  Kunz  angestellt  hat,  wenn  eben  nur  Hinz  sowohl  wie  Kunz  zu- 
verlässige Leute  waren,  ist  wohl  eigentlich  ziemlich  gleichgültig.  Auch 
die  Mäkelei  daran,  dass  ich  die  drei  Species  der  Familie  77*  mit  /7^^<>* 
bezeichnet  habe,  scheint  mir  recht  überflüssig.  Für  die  Formen  abzotß 
und  abrou  u  s.  w.  haben  endlich  die  Aristoteleshandschriften  gar  keinen 
Werth.  Spiro  schulmeistert  daran  herum,  dass  ich  an  ganzen  drei 
Stellen  auch  W^  (eine  Abschrift  aus  der  Aldina)  erwähnt  habe,  und 
meint,  die  Benutzung  und  für  das  dritte  Buch  die  Veröffentlichung  der 
jüngeren  Uebersetzung  hätte  ich  mir  sparen  sollen.  Ich  bin  bei  einer 
Textrecension  völlig  anderer  Ansicht,  und  das  dritte  Buch  musste  auch 
in  dieser  Form  schon  desshalb  herausgegeben  werden,  damit  Jeder  prüfen 
kann,  ob  ihr  eine  griechische  Quelle  zu  Grunde  lag  oder  nicht.  So  lange 
ein  Mann  wie  Haur^au  so  ganz  anders  wie  ich  selbst  hierüber  urtheilt, 
kann  doch  wahrlich  diese  Frage  noch  nicht  ohne  Weiteres  für  abgethan 
gelten.  Busse  versucht  auch  einige  Coi^'ecturen,  und  eine  Reihe  treff- 
licher Berichtigungen  geben 

109)  E.  Sonne,  Ad  Aristotelis  quae  ferunter  Oeconomicorum  li- 
brum  IL    Genethliacon  Gottingense   Halle  1888.  8   S.  27  -  31  und 

110)  G.  Kaibel,  Hermes  XXV.  1890.  S.  lOOf. 

I,  2.  1348*23.  2v  ^>^ai)  vermuthet  Busse  und  erklärt  sich  Z.  24 
gegen  die  Coigectur  von  B.  Keil  entweder  für  die  von  Suse  mihi  rh 
oTav  oder  die  von  Schömann  onotav^  die  er  dann  aber  in  rd  bnotav 
verbessern  will.  —  I,  4.  1344»  30  verwirft  er  das  von  mir  nach  Schö- 
mann* s  Vorschlag  aufgenommene  dvtäv  und  vertheidigt  dvdvat  im  in- 
transitiven Sinne.  Z.  31  vermuthet  er  <xai)  i^&rjTog  für  das  verderbte 
ir^oc«  —  n,  2.  1846^27.  (^dn"} dfi^Tepwv  Sonne.  —  1347^34.  Ttpa- 
(dfuvot  Sonne.   -   1348»  26.  <^'>  opax/iwv  und  Z.  27  [xcu]  Sonne.  — 


AriBtoteles.  151 

36.  0mxatatv  Kaibel.  —  1348^11.  12.  ddtxdinoug  and  (jKardi)  )[p6vov 
<8v>  oder  <4^)  ^poeBijxe  Sonne  (ich  denke:  //oov^  8v  IBijxe^  wie  ich 
geschrieben  habe,  ist  viel  einfacher  und  das  Richtige).  —  15.  8i' irdpwv 
will  Sonne  nach  Z.  8  anmittelbar  hinter  Tzap'  dp.^oTep(av  nmstellen.  — 
1349*  31.  nd^v  (^Seo/xivou"^  Sonne,  s.  Snsemihl  z.  d.  St.  —  ^17. 
eInBv  ort  f.  eine  dtoTi  Sonne  (ich  glanbe  nicht,  dass  man  so  nach  der 
Mehrzahl  der  Fälle  corrigiren  darf).  —  26.  &  nore  Sonne.  —  1351*  10. 
TÖv—e^ovra  f.  ratv  —  i^ovratv  Sonne.  —  25.  [toü,"]  Sonne.  (Nicht 
diesen  Artikel,  wie  er  angiebt,  sondern  den  voraufgehenden  rb  lassen 
alle  Quellen  ausser  P^  Aid.  weg).  —  ^23.  Sonne  will  xai  unmittelbar 
hinter  i^oumv  umstellen  und  dann  eX  mit  der  schlechteren  Familie 
schreiben;  viel  sicherer  scheint  mir  mein  Verfahren  i^  mit  der  besseren 
stehen  zu  lassen  und  xat  mit  Scaliger  zu  streichen.  —  1363* 
17.  {dp^yupieyiüv  Kaibel  mit  Recht").  —  27.  nap  abrouQ  Sonne 
mit  Unrecht:  man  muss  nap'  aÜTou  schreiben  »auf  eigene  Rechnungc, 
was  keineswegs  überflüssig,  sondern  im  Gegen theil  für  den  Sinn  unent- 
behrlich ist.  —  ^24.  rä  iyj^puaa  Sonne. 

Eine  Reihe  von  Stellen  der  Rhetorik  hat 

111)  H.  Schütz,  Kritische  Bemerkungen  zu  Aristoteles  Rhetorik, 
Jahrb.  f.  Ph.  CXXXVII.  1888.  S.  681—695, 

einige  auch  By water  und  Rassow  (s.  No.  51  u.  62)  besprochen.  — 


^)  Die  Polemik  von  Kaibel  gegen  mich  ist  von  acht  moderner  Sorte: 
litaque  rä  Aaoptta  veteres  dixisse  ani  Hesychio  nemo  sane  credet  neqae  licet 
iam  dubitare   quin  falso  temptaverit  Sylburgius  Aristotelis  qui  dicitur  Oeco- 
nomicorum  verba  II,  36  ...  coniecit ...  ix  t&v  AaopUov^  verbornm  sensami 
nt  demonstravit  Boeckhius,  recte  adsecntus  . . .  Sylburgio  obtemperavit  no- 
vissimas  Oeconomicorum  editorc  (diese  Ausdrucksweise  ohne  Beisatz  des  Na- 
mens ist  ja  Mode  bei  unseren  jüngeren  »berühmten  Philologenc),  »multo  rec- 
tiuB  facturus,  si  einsdem  libri  capite  15  cum  eodem  Sylburgio  Phocaeensibus 
dvibus  proprium  et  verum  nomen  reddidisset .  .  .  non  ^wxaUov ,  quod  barba- 
mm  est.  sed  ^utxamy  ((Pmxatiutv  Sylb.)  etcc     Wer  vermag  wohl  aus  dieser 
geschminkten  Darstellung  zu  erkennen,  dass  Böckh's  Ueb.  die  laor.  Silber- 
bergwerke, Kl.  Schrr.  V.  8.  12 f.  jene  Conjectur  Sylbnrg's  Aaopimy  ans* 
drücklich  zu  der  seinen  gemacht  hat,  wobei  er  S.  12.  A.  36  noch 
obendrein  sagte:  »rod  Aaupiou  oAer  Aauptioo  ...  zu  schreiben  ist  überflüssig, 
da  die  Bergwerke  Aauptta  und  folglich  auch  Aaupta  hiessen.t 
Es  wird  wohl  eine  recht  verzeihliche  Sünde  sein,  wenn  ich  mich  hierauf  ver- 
liess.    Dass  ^wxauav  keine  richtige  Form  ist,  darüber  bedurfte  ich  nicht  erst 
der  Belehrung  KaibePs;  ich  Hess  es  stehen,  weil  ich  es  bei  diesem  Schrift- 
steller doch  (worüber  ich  jetzt  in  derXhat  durch  Kaibel  eines  Besseren  be- 
lehrt bin)  für  vielleicht  nicht  unbedingt  unmöglich  hielt  und  Überdies  zweifel- 
haft war,  welcher  von  beiden  Vorschlägen  Sylburg's  0wxeuiwif  undiPwxaeanf 
rathsamet  an  die  Stelle  h&tte  treten  sollen.    Und  nun  zeigt  sich,  dass  beide 
zu  verweri'en  und  gar  2<ichts  ausser  dem  Accent  zu  Andern  istl 


]  52  Aristoteles. 

I,  5.  1361^20.  [fUcCovi]  Schütz.  —  I,  6.  1362»  24-  26.  [xai 
dya&ov]  Schütz,  wenn  man  nicht  lieber  entweder  24  f.  xal  —  dnoSoaj 
oder  26  xal  —  kxdartp  erhalten  wolle.  —  I,  7.  1363  ^  8.  <tä)  tocoutov 
Schütz  (so  aber  schon  Römer  aus  corr.  ^  A^  Schol,  dessen  Ansg. 
Schütz  nicht  hätte  unbcnatzt  lassen  sollen).  —  18.  [re]  oder  xal  (rä 
fieeZf^y  Schütz.  —  1364»  10.  ^e  /aj^  alrcov  Schütz  (so  aber  längst 
Thurot,  überdies  s.  d  Gegenbemerkung  von  Zeller  Arch.  III  S.  306). 

—  1365»  11.  nXecov  By  water  (vgl.  Z.  17  f.).  —  36.  36.  ahr^  Schütz, 
falsch  (s.  Zell  er  a.  a.  0.),  wohl  aber  wird  mit  Bonitz  nach  corr.  ^A<^ 
ij  (f  xa})  änXätg  zu  schreiben  sein.  —    1,  9  1368»  15.  abroo  Bywater. 

—  1, 15. 1375»  29.  Rassow  weist  treffend  nach,  dass  das  von  Spengel 
und  Römer  aus  A^  aufgenommene  hziBtxearipotg  nur  ein  Schreibfehler 
dieses  Codex  ist;  ob  es  freilich  durchaus  nötbig  wäre  mit  allen  andern 
Quellen  auch  &c  zu  schreiben,  oder  ob  xal  richtig  ist,  scheint  keines- 
wegs ebenso  sicher,  vgl.  Vahlen  Beitrr.  z  Ar.  Poet.  II.  S  88.  Bonitz 
Ind.  Ar.  357*>  13ff. ••).    —    1376^20.  axenriov  <a;c  dlxatov)  Rassow. 

—  1877*»  10.  Mit  Recht  setzt  Schütz  Fragezeichen  hinter  ifj^vouaev,  — 
11,2.1378^25.  o  Tc  Schütz  (so  längst  Roth).  S.  aber  Zeller  a.  a.  0.  - 
1379^10.  (twv)  napä?  Schütz.  —  II,  3.  1380»  30  f.  ZXax:  -  npaivovra 
rückt  Schütz  vor  8  el  ouv  hinauf.  —  II,  8.  1385^ 28 f.  aurwv  f.  abrou 
re  Schütz,  s.  aber  Zeller  a.  a  0.  —  32.  dXX^  ot  juLsra^u  rouraiv 
stellt  Rassow  mit  Recht  hinter  34  nd&ee,  —  1386»  2.  (jivt)  raiv?  und 
3.  yevia&ac  <3v>?  Schütz.  —  II,  9.  1386^28.  roeg  naxpoXoiaiQ  xal  fiiat- 
^votg  Schütz.  —  II,  13.  1389^  17.  Rassow  empfiehlt  aufs  Nene 
Dübner^s  Goigectur  a/^ai^rae)  änavra,  Zeller  bemerkt,  dass  ayavTOLt 
ndvra  noch  näher  liegen  würde.  —  1390»  1.  aÜTw?  Schütz,  aber  s. 
wieder  Zeller  a.  a.  0.  —  II,  18.  1391^  28  f.  Da  A^  rb  hat,  so  ist  es 
verkehrt,  dass  Schütz,  statt  dies  (nach  Spengel  und  Römer)  aufzu- 
nehmen, dvayxata  rä  schreiben  will.  —  II,  19.  1392»  13.  dyojuLoto)*  (was 
fast  gar  nicht  bezeugt  ist)  hält  Schütz  »natürliche  für  das  Richtige! 
Nicht  einmal  Spengel 's  Ausg.  scheint  er  also  angesehen  zu  haben. 
Ausserdem  vgl.  Zellera.  a.  0.  —  11,20.  1393^31.  d^eXy^rs?  Bywater 
(d^dXj^  Ttg?  Susemihl).  —  II,  23.  1397»  24  f.  <xa/>  darepw  und  <to> 
xeXeu<rai?  Bywater.  —  1398»  10.  äXXog  f.  dXXä  (natürlich  mit  Tilgung 
des  voraufgehenden  Kommas)  Bywater.  —  1400»  6.  iSo^e)^  Schütz 
mit  Recht.  —  7-9.  ^— o5t<üc  will  Schütz  hinter  24.  1402»  2  ire  hin- 
abrücken. —  II,  25.  1402^29.  Schütz  sucht  den  Nachsatz  durch  Til- 
gung von  8^  zu  schaffen.  —  III,  1.  1404»  4.  fir^Siva  Schütz.  —  13. 
npoiX^jj  Schütz.    —    34 f.  Bywater  bekämpft  Römer's  Tilgung  von 


S8)  Wenn  Rassuw  bemerkt,  auch  1374b  27  sei  die  Schreibung  Bekker's 
im  Gegensatz  zu  der  Spengel's  die  richtige,  so  steckt  In  dieser  Zahl  wohl 
ein  Druck-  oder  Schreibfehler. 


( 


Aristoteles.  153 

S'  und  d^eexaacv.  —  III,  2  1404»»  21.  [xal]  Schütz.  —  III,  3.  1406^8. 
Schutz  nimmt  mit  Recht  einerseits  eine  Lücke  hinter  aS^adsg  an  und 
erklärt  andererseits  3 — 5  ^  fura^opä—  etpyjtat  für  eine  Interpolation.  — 
III,  7.  1408^  9f  idv  — /'//vfiTow  will  Schütz  unmittelbar  vor  2  äxog 
hinaufrücken.  —  III,  9.  1410»  30  f.  auTou-aurM  Schütz.  —  III,  10. 
1411*  8.  By water  empfiehlt  die  Conjectur  von  Abresch  äy^ovra.  — 
13.  napj^^ff&ae?  Bywater.  —  III,  12.  1413^  17.  Schütz  will  rä  uno- 
xptTtxä  entweder  vor  8t6  xal  oder  vor  äpfiorrse  stellen  (Ersteres  hat 
l&ngst  Thurot  vorgeschlagen).  —  III,  13.  1414^  5.  Irt  will  Schütz 
tilgen  (so  schon  Spengel).  —  III,  17.  1417^  25  ff.  In  dieser  Stelle, 
welche  den  Keim  der  Staseislehre  enthält,  berichtigt  Schütz  einleuch- 
tend die  Interpunktion,  indem v  er  vor  xa^  ei  ein  Punktum  setzt,  und 
streicht  dann  8^  vor  ore^  um  den  Nachsatz  zu  gewinnen,  und  in  der 
That  bleibt  nichts  Anderes  übrig,  obgleich  sonst,  wie  Zeller  hervorhebt, 
mit  derartigen  Formeln  wie  fi^  Xav^avirw  nicht  der  Nachsatz  beginnt. 
Vorher  vermuthet  er  zweifelnd  rotovde. 

Gegen  den  Versuch  von  Rabe  in  der  im  dritten  Stück  dieses  Be- 
richts zu  besprechenden  Diss.  S.  31 — 84  nachzuweisen,  dass  das  jetzige 
3.  Buch  der  Rhet  nicht  etwa  eine  einzige,  durch  11,26.  1403*34  ihrer 
ursprünglichen  Selbständigkeit  entkleidete  Abhandlung,  sondern  ursprüng- 
lich zwei  verschiedene  gewesen  und  durch  die  Bemerkungen  III,  l.  1403^ 
6-15  und  durch  die  Recapitulation  III,  12.  1414»  27  f.  erst  nachträg- 
lich angeleimt  seien,  s.  Suse  mihi  Quaest.  Aristot.  I.  Geifswald  1892. 
S.  XI  ff. 

Ueber  die  Rhetorik  an  Alexandres  empfingen  wir  folgende 
nützliche  Arbeit: 

112)  Ada  Ib.  ipfelkofer.  Die  Rhetorik  des  Anaximenes  unter 
den  Werken  des  Aristoteles.  Würzburg  1889.  55  S.  8.  (Gymnasial- 
progr.). 

Ipfelkopfer  giebt  eine  vortreffliche  Uebersicht  über  die  verschie- 
denen Ansichten  betreffs  der  Entstehungszeit  dieser  Schrift,  um  sich 
dann  für  die  SpengeTs,  die  ja  in  der  That  jetzt  die  fast  allgemein 
gangbare  geworden  ist,  auszusprechen,  dass  Anaximenes  von  Lampsakos 
der  Verfasser  sei,  unterscheidet  sich  aber,  nachdem  er  aufs  Neue  nach- 
gewiesen hat,  dass  der  voraufgeschickte  Brief  von  einem  späteren  Ur- 
heber als  das  Werk  selbst  ist,  dadurch  von  Spengel,  dass  er  nicht 
bloss  das  Schlusscapitel  schon  von  1445  ^  25  (85,  18  Sp.)  an  für  un- 
ächt*^),  sondern  auch  vier  andere  Stellen,  an  denen  er  mit  Recht  An- 


s^)  Da  die  Partie  14451)  25—  1446»  35  (85,  18—88,  2)  manche  Aehn- 
lichkeiten  mit  dem  Widmungsbriefe  hat,  mag  vielleicht  der  Verfasser  der- 
selbe sein. 


154  AriBtoteles. 

stoss  nimmt,  für  fremde  Zuthaten  erklärt:  C.  22  (21).  1484»  17  —  29 
(47,  3—16).  C.  36  (36).  1440»>  15  —  28  (68,  11—19).  1441^  11-13 
(71,  20—72,  1).  C.  37  (36)  1444^7-20  (81,16-82,  5).  Und  in  der 
That,  wenn  wirklich  schon  Anaximenes  der  Verfasser  des  ursprünglichen 
Werkes  war,  würde  wohl  kaum  etwas  Anderes  übrig  bleiben;  war  es 
jedoch  ein  Späterer,  so  fragt  sich  sehr,  ob  man  nicht  an  diesen  Stellen 
die  Spuren  von  dessen  Contamination  und  nicht  erst  von  späterer  Inter- 
polation zu  erkennen  hat.  Die  Sache  liegt  nun  freilich  wesentlich  an- 
ders, als  ich  sie  mir  früher  (Ber.  XLII.  S.  1  f.)  gedacht  habe.  Heitz 
hat  seine  Polemik  gegen  Spengel  gerade  an  einer  Stelle  angesetzt,  an 
welcher  der  Letztere  vollkommen  im  Recht  war:  erst  nach  Syrianos  ist 
der  ächte  Anfang  2.  1421^  7  f.  (l.  p.  5,  4  ff.)  8uo  yivyj  ratv  noXtTixaßv 
€t<r}  Xdyiov,  to  fikv  drjjxyjYoptxbv  rö  3k  dtxavixov  in  d  i  e  Gestalt  verftlscht 
worden,  welche  er  jetzt  in  den  Handschriften  hat^).  Es  kann  folglich 
auch  keinen  Zweifel  leiden,  dass  Quintil.  III,  4,  9  diese  Rhetorik  unter 
dem  Namen  des  Anaximenes  kannte.  Wie  vorschnell  aber  der  daraus 
von  Spengel  gezogene  Schluss  war,  erhellt  daraus,  dass  es  in  jenen 
Zeiten  auch  eine  unter  dem  des  Isokrates  gab,  deren  Unächtheit  un- 
zweifelhaft ist,  und  dass  es  wahrscheinlich  auch  mit  der  unter  dem  Na- 
men des  Antiphon  von  Rhamnus  nicht  besser  stand,  s.  Susemihl  6r.- 
alex.  L.-6.  U.  S.  451.  A.  4.  S.  453.  A.  7.  S.  480  ff.  Wesshalb  ich  nun 
aber  in  der  That  mit  £.  Havet  und  G.  Thiele  davon  überzeugt  bin, 
dass  dieses  Lehrbuch  ein  Mittel-  und  Uebergangsglied  zwischen  der  iso- 
kratischen  und  aristotelischen  Rhetorik  auf  der  einen  und  der  Casuistik 
des  Hermagoras  auf  der  anderen  Seite  darstellt,  also  nicht  vor  dem 
dritten  Jahrhundert  dem  Anaximenes  untergeschoben  war,  habe  ich 
a.  a.  0.  S.  451  — 457  f  bes.  S.  453  ff.  A.  7  dargelegt  Ob  überhaupt  je 
ein  achtes  Lehrbuch  des  Anaximenes  existirte,  ist  sehr  zweifelhaft,  ja 
geradezu  unwahrscheinlich.  Gegen  die  Angabe  vom  Verf.  des  Briefes, 
dass  zu  den  Vorlagen,  deren  sich  der  dieser  Rhetorik  bediente,  auch  die 
sogenannte  theodekteische  des  Aristoteles  gehörte,  hat  man  wohl  kaum 
die  geringste  Ursache  misstrauisch  zu  sein  Uebrigens  vgl.  noch  d.  Rec 
V.  Döring  Woch.  f.  kl.  Ph.  VII.  1890  Sp.  1003  u.  v.  Hammer  Berl. 
ph.  Woch.  X.  1890.  Sp.  1528  -  1530. 

Für  die  Poetik  hat  sich  uns  eine  Textquelle  eröffnet: 

113)  D.  Margoliouth,  Analecta  orientalia  ad  Poeticam  Aristo* 
teleam.  London  1887.  8.  Stuttgart.  VII,  246  S   8. 

Vgl.  die  Rec.  von  Duval  Rev.  crit.  1888.  II.  S.  261  f.  und  die  im 
Athenaeum  No.  3157.  S.  528,  namentlich  aber  die  von  Diels*  Deutsche 


M>  M.  £.  sind  auch  die  Worte  11—14  rä  ßk¥  oüv^öfuliai  ftUchende 
Zuthat  des  u&mlichen  Interpolatord. 


Aristoteles.  1 55 

L.-Z.  1888.  S.  157—169  und  von  Susemihl  Berl.  ph.  Woch.  XI.  1891. 
Sp.  1546—1549. 

Dazu  kommt  die  in  Folge  dieser  Veröffentlicbung  entstandene  Ab- 
handlang von 

114)  H.  Di  eis,  Ueber  die  arabische  Uebersetzang  der  Aristoteli- 
schen Poetik,  Sitzungsber   der  Berl    Akad.  1888.  S.  1—6. 

Anf  Grand  einer  griechischen  Handschrift,  die  sonach  weit  älter 
als  A^,  aber  schon  in  ganz  ähnlicher  Weise  verderbt  war,  und  die  wir 
£  nennen  wollen,  entstand  nämlich  einst  eine  syrische  Uebersetzang. 
Diese  ist  freilich  verloren  gegangen,  aber  die  arabische  Uebertragang 
von  ihr  aas  dem  10  Jahrb.  darch  den  nestorianischen  Christen  Ahn 
Bashar  bat  sich  noch  in  einem  freilich  schwer  lesbaren  Pariser  Codex 
(882  A)  erhalten,  ein  Exemplar  derselben  mit  Glossen  aas  dem  syri- 
schen Original  ward  von  Avicenna  in  seiner  eigenen  Poetik  benatzt,  ein 
anderes  neben  Avicenna  von  Averroes  in  der  seinen;  der  Syrer  Barhe- 
braeas  endlich  hängt  in  dem  betreffenden  Stück  seiner  »Butter  der 
Weisheit«  noch  mehr  von  Avicenna  ab  und  hat  freilich  die  syrische 
Uebersetzang  noch  gekannt,  aber  wenig  angewendet.  Den  Averroes  hat 
neuerdings  Lasinio  herausgegeben,  leider  ohne  lateinische  Uebersetzung; 
eine  ältere  lateinische  Wiedergabe  ist,  um  dies  schon  hier  anzuführen, 
neuerdings  wieder  abgedruckt: 

115)  A verreis  paraphrasis  in  librum  Poeticae  Aristotelis  lacob 
Mantino  Hispano  Hebraeo  interprete  Ex  libro,  qui  Yenetiis  apud 
luntas  a.  MDLXII  prodiit,  iterum  edidit  Fridericus  Heidenhain. 
Leipzig,  1890.  Teubner.  Jahrb.  f.  Ph.  Suppl.  N.  F.  XVII.  S.  361 
bis  382. 

Vgl.  die  Rec  von  Döring  Woch.  f.  kl  Ph.  VIII.  1891.  Sp.  746 
bis  748  und  Susemihl  Berl.  ph.  Woch.  XI.  1891.  Sp.  1550  f  -  Mar- 
ge li  out  h  seinerseits  hat  nun  Avicenna  (mit  lat.  Uebers  der  drei  ersten 
Capitel)  und  Barhebraeus  und  auch  Abu  Basbar  herausgegeben,  von 
welchem  bereits  Vahlen  (3.  Ausg.  S.  XI  f.)  eine  von  Sachau  für  ihn 
angefertigte  deutsche  Uebersetzung  in  Händen  hatte,  erklärt  aber  selbst 
diesen  ersten  Versuch  für  so  mangelhaft,  dass  er  nicht  vermocht  hat 
eine  lateinische  Uebersetzung  des  Ganzen  zu  liefern,  sondern  sich  be- 
gnügen musste  eine  solche  für  eine  Reihe  einzelner  Stellen  zu  geben, 
an  denen  ihm  in  2*  etwas  Anderes  gestanden  zu  haben  scheint  und 
meist  auch  wirklich  gestanden  hat  als  in  A<'.  Man  sollte  nach  diesem 
Allen  kaum  denken,  dass  die  Ausbeute  eine  so  erhebliche  sein  könnte, 
wie  sie  es  wirklich  ist.  In  der  That  ist  dieselbe  aber  völlig  entscheidend, 
um  zu  beweisen,  wie  sehr  A^'  von  Vahlen  überschätzt  ist,  und  der 
Conjecturalkritik  in  viel  grösserer  Ausdehnung,  als  er  sie  ihr  zugesteht, 
ihre  Rechte  zu  wahren.    Man  gewinnt  erst  jetzt  einen  vollen  Einblick 


156  Aristoteles. 

in  die  znm  Theil  farchtbare  Zerrüttong  des  ftberlieferten  Textes.  An 
nahezu  50  Stellen,  so  viel  ist  schon  jetzt  als  das  Mindeste  sicher,  stimmte 
2  gegen  A^^  theils  mit  neueren  Gonjecturen ,  theils  mit  anderen  Hand- 
schriften oder  der  Aldioa,  d.  h.  mit  solchen  aus  der  Renaissancezeit, 
überein,  und  nur  in  sehr  wenigen  Fällen  dieser  Art  ist  die  so  geschützte 
Schreibung  dennoch  nicht  die  richtige.  Und  dazu  kommen  denn  noch 
einige  Stellen ,  an  denen  eine  ganz  merkwürdige  Abweichung  von  A  ^ 
stattfindet,  die  entweder  an  die  Stelle  aller  bisherigen  Besserungsver- 
suche  zu  treten  nicht  geringen  Anspruch  hat,  oder  auf  Grund  derer 
nunmehr  ein  neuer  und  richtigerer  Besserungsversuch  zu  unternehmen 
ist  Es  mag  hier  auf  die  von  Di  eis*  und  Suse  mihi  gegebenen  Ver- 
zeichnisse verwiesen  werden,  und  nur  Einiges  ist  hier  zu  wiederholen, 
zumal  da 

116)  Th.  Gomperz,  Zu  Aristoteles*  Poetik  Ein  Beitrag  zur 
Kritik  und  Erklärung  der  Capitel  I—Vl.  Wien,  Tempsky,  1888. 
42  S.  8.  Sitzungsb.  der  philos. -bist  Gl.  der  Wiener  Akad.  GXVI. 
S.  543-582 

in  einer  höchst  anflf&lligen  und  völlig  unbegründeten  Weise  unter- 
schätzig mit  dieser  wichtigen  neuen  Textquelle  umgegangen  ist.  Ausser- 
dem sind  hier 

117)  Robinson  Ellis,  Adversaria,  Journ.  of  Phüol.  XYII.  1888. 
S.  134  f.  und 

118)  Valentin  Wröbel,  De  Aristotelis  de  poetica  libello  recog- 
noscendo,  Sanok  1888.  S.  36  f. 

und  die  Gopjecturen  von  Heine  in  der  unten  No.  121  zu  besprechen- 
den Schrift,  welche  er  seltsamerweise  Lesarten  nennt,  und  von  denen  ich 
freilich  keine  einzige  fQr  richtig  halte,  zu  berücksichtigen.  Von  Wrö* 
beTs  Schriftchen  steht  eine  Anzeige  von  Döring  in  d.  Woch.  f.  kl. 
Ph.  VI.  1889.  Sp.  400.  Seltsam  ist  es,  dass  Wröbel  S.  3  gegen  Vah- 
len,  welcher  allem  Anschein  nach  mit  Recht  den  älteren  lateinischen 
Uebersetzungen  der  Poetik  allen  kritischen  Werth  abspricht,  weil  auch 
die  von  ihnen  benutzten  griechischen  Handschriften  nicht  unabhängig  von 
k^  waren,  sich  auf  Ghrist,  Susemihl,  Dittmeyer  beruft.  Denn 
weder  hat  in  Bezug  auf  die  Poetik,  um  die  es  sich  ja  allein  dabei  hau* 
delt,  einer  von  diesen  anders  als  Vahlen  geurtheilt  noch  hat  Vahlen 
je  bestritten,  dass  es  für  andere  Schriften  mittelalterliche  lateinische 
Uebersetzungen  aus  nicht  mehr  erhaltenen  griechischen  Handschriften 
giebt,  die  eben  desshalb  sei  es  von  grösserem  sei  es  wenigstens  von  ge- 
ringerem Werth  für  die  Herstellung  des  Textes  sind. 

Gegen  den  Versuch   von  Gomperz   1.  1447*  17   y&ß^t  wider 
Forchhammer's  sonst  jetzt  allgemein  anerkannte  Herstellung  in  iy  zu 


Aristoteles.  157 

▼ertheidigen  hat  schon  Zell  er  Arch.  III.  S.  307  das  Nöthige  hemerkt; 
es  kommt  aher  noch  hinzu,  dass  yivee^  was  Gomperz  ohne  allen  Grund 
bestreitet,  in  U  nicht  stand,  sondern  entweder  ganz  fehlte  oder  durch 
iv  ersetzt  war.  Z.  20  vermuthet  Wröbel  nach  dem  Vorgange  von  Ric- 
coboni*s  lateinischer  Uebersetzung  ät'  ä/jL^w  f.  Seä  r^c  ^atu^c  (ich 
halte  nach  wie  vor  dt^  adr^g  ri^c  ^ua£wg  für  das  allein  Wahrschein- 
liche). An  der  Nothwendigkeit  von  25  (^TOiaurcuy  kann  trotz  aller 
Spitzfindigkeit  von  Gomperz  wohl  um  so  weniger  ein  Zweifel  sein,  da 
£  es  hatte.  Wenn  femer  Gomperz  auch  jetzt  noch  einen  erneuten 
Versuch  macht  Z.  26  f.  auf  dem  schon  von  Manchen  eingeschlagenen 
Wege  zu  helfen,  nämlich  durch  Annahme  des  Ausfalls  von  einem  Aci^ec- 
tivum  hinter  oi,  und  Zeller  ihm  darin  beistimmt  (Gomperz  will  ;^a- 
pedarepoc,  Zeller  lieber  ;|ffl^/eyrec  einfügen),  so  wäre  es  wohl  nachgerade 
endlich  einmal  an  der  Zeit,  die  von  Spengel  längst  hervorgehobene 
Thatsache  als  zweifellos  richtig  anzuerkennen,  dass  der  ganze  Satz  von 
Z.  23  ab  keine  Gonstruction  hat ,  wenn  man  nicht  fiefiouvrat  tilgt,  man 
mOsste  denn,  wie  ich  gethan  habe,  Z.  23  XP^^"^^  ^^^  ^^  Tuyj[dv(fity 
oiaa  schreiben.  Da  nun  aber  in  2  bereits  ixtfiouvzat  fehlte  und  allem 
Anschein  nach  ^  (wie  im  Paris.  2038)  statt  ol  stand,  so  ist  dies  unbe- 
denklich zu  billigen,  um  so  mehr  da  2*  gerade  hier  durch  Weglassung 
von  inonoua  (Z.  29)  und  Zufttgung  von  dvwwjuLo^  vor  Toy^dvotjaa  (^9) 
sich  von  seiner  glänzendsten  Seite  zeigt:  ol  dp^r^avat  sind  eben  die  Tän- 
zer von  Profession  und  brauchen  nicht  erst  durch  einen  Zusatz  wie 
dxpoi^  poüffexot\  ^pTjoroi^  noa^rtxo/^  ^ctpeeure^f  j^apkarepoe  (vielleicht  ist 
das  Lexikon  noch  nicht  erschöpft!)  hiezu  gestempelt  zu  werden.  Sehe 
ich  nun  aber,  wie  man  es  hier  mit  Spengel  gemacht  hat,  so  wundere 
ich  mich  nicht  darüber,  dass  man  in  Bezug  auf  ^  20 — 23  meine  wieder- 
holten Auseinandersetzungen  einfach  todt  schweigt.  Jetzt  sind  Rassow 
und  Gomperz  beide  unter  Billigung  Zell  er 's  darauf  verfallen  xae(Toe) 
zu  vermuthen.  Nun  ist  freilich  an  Vahlen^s  Darlegung,  auf  welche 
diese  Vermuthung  sich  stützt,  so  viel  richtig,  dass  die  Worte  bßoiatQ  Sk 
xäv  et  Ttc — perpaDv,  auch  wenn  man  sich  nicht  entschliessen  kann  sie 
mit  mir  vor  13  nkijv  hinaufzurücken,  dennoch  als  der  Schluss  des  Satzes 
9 — 18  oddkv  yäp — iiipTfatv  angeschen  werden  müssen,  so  dass  das  da- 
zwischen stehende  13  19  nX^v — notr^rijv  dann  eine  Parenthese  bildet. 
Aber  ebenso  gewiss  ist  auch,  dass  mit  xal  noefjrijv  npoaayopeuTeov  der 
Faden  abreisst.  Und  die  Wiederanknüpfung  desselben  durch  diese  Gon- 
jectur  scheint  mir  eine  recht  verunglückte.  »Wir  haben  keine  gemein- 
same Bezeichnungen  für  Dialoge  und  Mimen,  Elegien,  lamben  u  s.  w., 
endlich  für  ein  solches  Mischepos  aus  allen  möglichen  Versarten  wie 
den  Kentauren  des  Chaeremon;  gleichwohl  muss  man  einen  Verfasser 
einer  solchen  Mischnachahmung  als  Dichter  bezeichnen«:  diesen  Wider- 
sinn soll  Aristoteles  geschrieben  haben!  Oder  vielmehr  es  soll  dies  dess- 
halb  kein  Widersinn  sein,  weil  sich  dieses  »Gleichwohl«  auf  jene  Paren- 


1 58  AristoteleB. 

these  beziehe.  Aber  was  in  aller  Welt  hat  denn  die  Anwenduog  von 
einer  oder  von  mehreren  Versarten  in  der  nicht  ftlr  den  Gesang  be- 
stimmten Dichtung  mit  dem  Dichternamen  zu  thun?  Man  kann  ja  sa- 
gen, und  Aristoteles  hat  es  24.  1459^  31-1460^  4  mit  Anführung  des 
nämlichen  Beispiels  gesagt,  dass  die  ersteren  für  das  Epos  unpassender 
sei;  aber  auf  den  Einfall,  ein  Epiker  gefährde  durch  sie  sogar  seinen 
Anspruch  auf  den  Dichternamen,  konnte  doch  wirklich  niemals  ein  ?er- 
nfinftiger  Mensch  gerathen;  und  wenn  die  Griechen  von  inoTtotot  und 
iXeyetoTtotoi  sprachen,  so  lag  dabei  offenbar  nicht  dieser  Gedanke  (denn 
von  ihm  aus  hätten  sie  mit  gleichem  Recht  ihre  Meliker  und  Dramatiker 
minder  f&r  Dichter  halten  müssen  als  ihre  Epiker,  Elegiker,  lambiker), 
sondern  nach  der  eignen  ausdrücklichen  Angabe  des  Aristoteles  die  Vor- 
stellung zu  Grunde,  der  Vers  mache  den  Dichter.  Nicht  jene  wunder- 
liche Fragestellung  ist  also  dem  Stageiriten  zuzutrauen,  sondern  nur  um 
die  Bekämpfung  dieses  Irrthums,  um  den  Nachweis,  dass  es  Schriftsteller 
in  Prosa  giebt,  welche  Dichter  und  Schriftsteller  in  Versen  (gleichviel 
ob  in  einer  oder  mehreren  Versarten),  welche  keine  Dichter  sind,  kann 
es  sich  für  ihn  handeln.  Dass  dieser  natürliche  Abschluss  der  in  Rede 
stehenden  Betrachtung  vielmehr  als  Parenthese  eingeschoben  sein  und 
ein  letztes  Satzglied  so  uubehülflich  hinterher  hinken  sollte,  ist  wahrlich 
schon  au  sich  schwer  denkbar;  aber  die  Sache  wird  zur  Unmöglichkeit, 
da  sich  gezeigt  hat,  dass  mit  xa\  notrj-cijv  Tzpocayopeuriov  sich  schlechter- 
dings so  Nichts  anfangen  lässt.  Stellt  man  dagegen  S/ioeto^  Sk^iiirpatv 
nach  der  dann  freilich  nöthigen  Streichung  des  Z.  12  f.  bereits  stehen- 
den noeotTo  r^v  iiiiujatv  dorthin,  wohin  diese  Worte  inhaltlich  gehören, 
nämlich  unmittelbar  hinter  jenes  pi/xi^aevj  so  stossen  nunmehr  Z.  19  ^ 
nocT^T^v  und  Z.  23  xai  noiT^rijv  npoaayoptorioy  unmittelbar  an  einander, 
und  nun  ist  es  völlig  zweifellos,  was  man  zu  thun,  nämlich  dass  man 
xai  nocfjT^v  zu  tilgen  hat.  Wie  die  Verderbniss  entstand,  ist  unschwer 
zu  begreifen  ^0^),  und  das  angewandte  Heilmittel  ist  freilich  nicht  so 
glatt  und  einfach  wie  die  Verwandlung  von  xa\  in  xaeroe,  dafür  aber 
beseitigt  es  den  Schaden  gründlich,  statt  ihn  noch  zu  vermehren.  —  In 
G.  2.  1148*  15  will  Gomperz  für  wansp  yäg  Franz  Medici's  Con* 
jectur  wg  flspaag^^)  <xa}>  wieder  zu  Ehren  bringen,  d.  h.  zwei  Aende- 
rungen  zugleich  vornehmen,  was  doch  nur  im  Nothfalle  zulässig  ist; 
ausserdem  würde  die  Sache  doch  nur  recht  passen,  wenn  auch  Philo- 
xenos  Perser  gedichtet  hätte,  gleichwie  er  und  Timotheos  einen  Ky- 
klopen.  Da  nun  aber  2*  nicht  yäg,  sondern  ouTcjg  hatte,  so  hat  Mar- 
goliouth,  wie  auch  Diels  und  Zeller  urtheilen,  danach  m.  E.  richtig 


40  b)   Vgl.  S  a  8  e  m  i  h  ]  ,  Qu.  Aristot.  I.  S   XX.     Bar.  XVII.    S.  283. 
284  f.  A.  68. 

*>)  RichtigPf  doch  wohl  wenigstens:  &anep  (^flip^aag  '&4rnsp  yäq  A©). 


Arietoteies.  159 

oi  rouQ  hergestellt^*).  Die  anch  von  Gomperz  empfohlene  Streichung 
aber  von  16  fUfjL^ano  äv  rtQ  findet  eine  Bestätigung  darin,  dass  diese 
Worte  in  H  zwischen  Zanep  und  oSraßs  standen.  Die  neue  Yermuthnng 
iv  S*  oü  rjj3e  rjj  dagegen  hätte  Gomperz  sich  um  so  mehr  ersparen 
sollen,  da  die  alte  von  Vettori  iv  rg  aörfj  de  sich  inzwischen  durch 
£  bestätigt  hat.  3.  1448^13.  So  richtig  Gomperz  xcd  toüto  verwirft, 
so  bedenklich  ist  doch  auch  das  xal  roorou  jttngerer  Handschriften,  und 
ich  glaube  jetzt  gleich  Zeller,  dass  Spengel  mit  Recht  xai  oder  xa\ 
TouTo  zu  tilgen  vorschlug,  üeber  die  fernere  Vermuthung  von  Gom- 
perz 22  (jeWy  f^ä  xal  f.  xal  aörä  will  ich  mich  hier  nicht  auslassen. 
Bichtig  vertheidigt  er  30  f.  das  xal  der  Aid.  f.  xarä  und  Stahr's  Til- 
gung von  iofißeeov,  desgleichen  5.  1449^  9  f.  Tyrwhitt's  Oberdies  jetzt 
durch  2*  bestätigte  Conjectur  /ikv  rou  fJLSTpw^  lässt  sich  ferner  in  diesem 
Falle  mit  Recht  dadurch  nicht  irre  machen,  dass  schon  in  £  fAsrä  Xo^oo 
statt  fieydXou  geschrieben  war,  aber  gegen  seine  Billigung  der  Vermu- 
thung fieydhj  hat  schon  Zeller  a.  a.  0.  S.  309  das  NOthige  bemerkt, 
im  Uebrigen  vgl.  Ber.  XXX.  S.  85,  wo  ich  (^iv  p^^xecy  fiej^dXip  vorschlug. 
Wröbel's  Vermuthung  fikv  rou  ixerä  Xoyou  ififUrpou  scheitert  wohl 
schon  daran,  dass  durch  die  von  ihm  beigebrachten  Beispiele  schwerlich 
ein  solcher  Gebrauch  von  [lerä  statt  iv  oder  des  blossen  Dativs  gerecht- 
fertigt ist.  —  In  C.  6.  1449^  36  ff.  will  Gomperz  durch  Umstellung 
von  38 — 1450»  1  8tä  yäp  —  rtva<:  hinter  1450»  2  J^Boq  helfen.  Zeller 
lediglich  durch  Umwandlung  von  yäp  in  8i\  ich  bleibe  bei  meiner  Mei- 
nung, dass  einzig  und  allein  Vahlen  frtlher  das  Richtige  getroffen  hat 
Da  ferner  1450*  12  in  2*  die  Worte  ohx  oXfyoe  aurojv  fehlten,  so  glaubt 
Di  eis,  dass  damit  in  der  That  die  Stelle  geheilt  sei,  wenn  es  nicht 
etwa  Z.  13  noch  inmav  statt  näv  heissen  müsse.  Gomperz  dagegen 
vermuthet  unter  Billigung  von  Zeller,  dass  vielmehr  (^dXX'  iv  naat 
7r(fyr£C')  hinzuzufügen  sei*').  Aber  was  soll  abrutv  eigentlich  heissen?**) 
Und  wie  kann  ahrf^Q  entbehrt  werden?  Ich  glaube  also  jetzt  vielmehr, 
dass  an  Stelle  jener  in  2*  fehlenden  Worte  von  Aristoteles   iv   namv 


*>)  Freilich  mit  unrichtiger  Auffassung.  Eyklopen  sind  vielmehr  immer 
X9(poog  9  xad'  ^fiäg  (s.  Ber.  XXX.  8.  83  f.  A.  88).  Aristoteles  begntlgt  sich 
hier  also  mit  zwei  Beispielen  dieser  Art,  wahrscheinlich  weil  solche  im  Nomos 
und  Dithyrambos  selten  sein  mochten. 

*S)  Zeller  meint  freilich,  er  möchte  lieber  iäXXä  ndurtg  nä^tvy  ver- 
schlagen ohne  das  »lastiget  iv.  Allein  dies  iv  ist  ja  vielmehr  unentbehrlich, 
wie  Gomperz  ganz  richtig  betont,  damit  nicht  die  fiipij  als  etdij  bezeichnet 
werden,  was  anch  ein  Grund  dafür  ist,  obwohl  nicht  der  einzige,  wesshalb  man 
Diel 8  nicht  Recht  geben  kann. 

M)  Aristoteles  erlaubt  sich  viel,  aber  etwas  Aehnlichos,  dass  nun  so  die 
Tragödiendichter  einfach  durch  adro(  bezeichnet  sein  sollten,  möge  man  mir 
doch  erst  zeigen!  Und  hier  steht  üeberlieferung  gegen  Ueberlieferungl 


160  Aristoteles. 

alrc^c  geschrieben  sei.  Dass  solcheriei  Annahmen  nicht  zn  kflhn  sind, 
lehrt  nns  das,  wie  auch  Di  eis  nnd  Zeller,  ja  in  diesem  Falle  auch 
Gomperz  (der  nnr  lieber  xal  6  ßtoQ  S'  will)  nrtheilen,  doch  wahrschein- 
lich richtige  6  8k  ßio^  Z.  17  in  2*  an  Stelle  des  sinnlosen  xat  eitdaefio- 
v/ac  xal  ^  xaxoSaufwvea  in  A^.  Z.  29  f.  bestätigt  2  das  von  Vahlen  yer- 
mnthete  Xd^ee  xal  Seavot^  dennoch  greift  Gomperz  es  an.  Ob  er  selbst 
wohl  Xd^etc  xal  Siavo/ae  vermathet  haben  würde,  wenn  er  Jii^ei  xal  Sia» 
voiqi  im  Texte  gefunden  hätte?  Endlich  ^8 ff.  will  er  lesen:  onoTd  re^ 
npoazpttrau  (aiptizat^)  rj  fptbytc  Stonsp  oux  S4TTtv  J^Boq  zwv  Xoytüv  iv 
ols  oöx  £<ne  S^Xov  rj  iv  oIq  fjjjd^  5XtoQ  iarev  5  rt  TtpoatpBtrat  (aipBixat'^) 
^  ^eoyet  6  Xiyoßv^  was  Zell  er  mit  Recht  als  »eine  sinnreiche  und  be- 
stechende Verbesserungf  bezeichnet:  jedenfalls  ist  sie  der  Textgestaltung 
Vahlen* 8,  yielleicht  auch  der  meinen  vorzuziehen;  aber  vielleicht  ist 
sie  doch  eben  auch  nur  bestechend.  Denn  da  der  Zusatz  iv  ots  odx 
ioTt  d^Xov  ^  npoatpeirat  ^  ^eoyet  wieder  einmal  in  1  fehlte,  so  entsteht 
der  dringende  Verdacht,  dass  derselbe  wirklich  nur  eine  Variante  des 
folgenden  iv  oXq  pr^S'  ZXioQ  iaztv  o  n  7U}oaepecTat  ^  (ptbyti  ist,  so  dass 
wir  also  einfach  bnola  xt^'  dton^p  obx  i<rctv  ^Bo^  rtov  Xuywv  iv  oh  p^8* 
ZXtuQ  lariv  (=  obx  tazt  dtjXov)  o  rt  npoaupetTaLt  (aipetrae?)  ^  ^suyei  o 
Xdyofv  Obrig  behielten.  Auf  die  exegetischen  Bestandtheile  des  Gom- 
perzschen  Aufsatzes,  die  mir,  so  vielen  von  ihnen  ich  gleichfalls  wider- 
sprechen muss,  doch  im  Grossen  und  Ganzen  als  sehr  werthvoU  und 
ungleich  häufiger  als  die  kritischen  das  Richtige  treffend  und  in  die 
Tiefe  eindringend  erscheinen*^),  einzugehen  fehlt  mir  leider  hier  wiederum 


^)  Nur  da  mochte  ich  dies  freilich  nicht  so  ohne  Weiteres  behaupten, 
wo  sie  darauf  hinarbeiten  die  unumgänglich  nothwendigen  kritischen  Opera- 
tionen oder  die  Anerkennung  unheilbar  schwerer  Verderbniss  abzuweisen.  Vom 
6.  Capitel  will  ich  hier  nicht  reden:  jedenfalls  liegen  die  Dinge  dort  so  ein- 
fach nicht,  wie  Gomperz  sie  darzustellen  sucht.  Wenn  er  aber  in  Bezug 
auf  4.  1449*  19  ff  von  »Gewalt samkeitenc  redet,  so  vermag  ich  meinerseits 
mir  keine  grössere  »Oewaltsamkeitc  zu  denken,  oder,  wenn  man  lieber  will, 
keine  grössere  »Grossartigkeitc ,  als  wenn  fUyt^,  in  der  ganzen  Poetik  ein 
ähnlicher  stehender  Kunstausdruck  für  den  gehörigen  (nicht  zu  kurzen,  frei- 
lich auch  nicht  zu  langen)  Umfang  wie  ftO&o^  für  Fabel  des  Gedichts,  hier 
mit  einem  Male  »Grossartigkeitc  bedeuten  soll  und  dieser  Abschnitt  in  fol- 
gender Weise  übersetzt  wird:  »Was  ferner  ihre  Grossartigkeit  anlangt,  so  hat 
sich  die  Tragödie  im  Gegensatz  znr  ursprünglichen  Kleinheit  der  Fabeln  und 
dem  zum  Possenhaften  neigenden  Charakter  der  Diction  . . .  erst  spät  zu  hö- 
herer Würde  erhobene.  Sehr  richtig  bemerkt  Zeller  fQr  die  Erklärung  von 
ßUyt&oQ  als  »Umfange  auch  dies,  dass  es  sich  hier  um  die  einzelnen  bei  der 
Fortbildung  der  Tragödie  in  Betracht  kommenden  Punkte  handle.  Wenn  er 
aber  seinerseits  nun  fifyt^g  zum  Subject  des  Ganges  macht:  »Ihre  Grösse 
erreichte  erst  spät  die  ihrer  wUrdige  Vollendung«,  wo  bleibt  da  xal  Xi^^wg 
ytXolas  —  fiLeraßaXsiv?  Und  genau  dieselbe  Frage  gilt,  wenn  er  hinzalOgt,  der 


Poetik.  161 

9.  1462*  8.  xal  Se*  ahrä  f.  xal  ßdXtara  und  Z.  4  vielleicht  xarä 
f.  noipä  Heine.  —  IL  1462*23.  xa^' Sinsp  oder  xaB*  8nep  Heine,  s. 
dagegen  Zeller  Arch.  IL  S.  296,  der  ungleich  wahrscheinlicher  ver- 
mntfaet,  dass  xaßdnep  etjpijTat  als  Variante  zu  oftntep  Xeyofuv  zu  seclu- 
diren  sein  möge.  Indessen  glaube  ich  vielmehr,  dass  Essen 's  Coig'ectur 
<?>  xa»'  ä  npoi^pyjrat  (s.  Ber.  XVII.  S.  284)  das  Richtige  getroffen  hat 
—  38.  xa^  iXeov  f.  ^  iXeov  Heine,  der  dann  im  Zusammenhange  hiemit 
^2  das  aberlieferte  srt  8k  schwerlich  mit  Erfolg  vertheidigt**).  ~  ^9. 
toSt'  Heine  nach  Twining.  —  18.  1462*>  29.  kiXexrat  f.  xa\  und  ito- 
Bev  (ßky  Heine.  —  30 ff.  Heine  ist  der  Einzige  ausser  mir,  welcher 
einsieht,  dass  das  Ueberlieferte  unmöglich  richtig  sein  kann,  aber  seine 
Verbesserungs versuche  Z.  31  f.  xcu  f.  ehai^  dann  änX^g  und  nsnXeyiuwig 


gleiche  Sinn  ergäbe  sich  aber  auch  bei  der  Erklärung:  >in  Beziehung  auf  ihre 
Grösse  kam  sie  erst  sp&t  in  einen  würdigeren  Zustande.  Es  hilft  also  Alles 
Nichts:  es  ist  hier  ?on  zwei  verschiedenen  Dingen,  vom  fxiya  und  ßtxpov  und 
vom  Y9Xoto¥  und VcA^vov  die  Rede;  im  ersten  Satzglied  ist  r^  fiiy^oq  Snb- 
ject,  aber  nicht  dnetnfivöif^Tf  Pr&dikat,  im  zweiten  zu  diesem  Pr&dikat  die 
Tragödie  selbst  das  Subject;  die  Definition  der  Tragödie  passte,  das  hat  Ari- 
stoteles gesagt ,  noch  weder  in  Bezog  anf  ßipyjctq  npd^stog  fieyt^o^  ixoutnjg 
noch  aitoodaia^  auf  diese  ihre  altere  Gestalt;  diese  war  vielmehr  kurz  an 
Fabel,  was  ja  aber  an  sich  Ernst  und  Würde  doch  wahrlich  noch  nicht  noth- 
wendig  ausgeschlossen  hätte;  sie  war  indessen  ihrem  Ursprünge  aus  dem  Sa- 
tyrdithyrambos  entsprechend  in  der  That  auch  satyrhaft  (vgl.  auch  Z.  22)  und 
erging  sich  in  komischen  Reden.  So  ist  Alles  natürlich  und  klar  (wie  zuerst 
Tycho  Mommsen  einsah),  und  da  man  zu  diesem  Zweck  nur  fiu^anf  xdx 
(oder  xal  <ix»  zu  schreiben  braucht,  ist  es  doch  geradezu  wunderlich  hier 
von  »Gewaltsamkeitenc  zu  sprechen.  Sollten  freilich  stärkere  Mittel  nöthig 
sein«  so  braucht  man  vor  ihnen  wahrlich  anch  noch  nicht  zurückzuschrecken. 
Und  ferner  die  beiden  »natürlichen  Ursachenc,  welche  nach  dem  Anfang  die- 
ses Capitels  die  Poesie  erzeugt  haben,  sind  zwar  gewiss  nicht,  wie  Zeller 
wiederum  behauptet,  »Nachahmungstrieb  und  Freude  an  gelungenen  Nach- 
ahmongenc,  denn  diese  beiden  erklären  nur  die  Entstehung  nachahmender 
Kunst  überhaupt,  nicht  aber  auch  gerade  einer  poetisch -musischen  Kunst 
dieser  Art,  sondern  dies  ist  also  eben  nur  die  eine  Ursache;  aber  genau  aus 
gleichem  Grunde  ist  die  wegwerfende  Art  völlig  ausser  ihrem  Platze,  mit  wel- 
cher Gomperz  denen  entgegentritt,  welche  1448^  20f.  den  Aöj'Oi  vermissen. 
Denn  bloss  der  Sinn  für  Harmonie  und  Rhythmus  hätten  doch  nur  Tanzkunst 
und  Instrumentalmusik  erzeugen  können,  zur  Vocalmusik  und  Poesie  war  die 
Sprachf&higkeit  unentbehrlich. 

M)  Man  muss  Heine  zugeben,  dass  Aristoteles,  genau  genommen, 
ftäXXov  (oder  /läXurra)  Z.  38  hätte  hinzufügen  müssen,  aber  durch  die  Ver- 
wandlung von  9  ^^  *^^  ^i>^d  die  Sache  nur  noch  dabin  verschlimmert,  als 
könnte  eine  andere  Erkennung  als  die  von  Personen  gar  nicht  Furcht  oder 
Alitleid  oder  Beides  erregen,  und  wir  haben  kein  Becht  diese  Absurdität  durch 
eine  noch  so  leichte  Aenderung  in  den  Aristoteles  hineinzucorrigiren. 

Jahresbericht  für  Alterthum*wisMi»chaft.  LXVIl.  ikl.    (1891.  I.)  11 


162  Aristoteles. 

und  xar  abrijv  f.  xa}  raiurtjv  werden  wohl  kaum  Anklang  finden.  — 
15.  1454*  22 ff.  Die  Worte  rat  dMpstau  1j  Stev^u  slvai  fehlten  in  J,  an 
ihrer  Stelle  stand:  ne  ut  appareat  quidem  in  ea  omnimo^  d.h.  etwa  anne 
lif^Sk  ^cuveaBau  xaBoXou,  wie  Di  eis  glaaht,  oder  vielmehr  wohl,  wie  ich 
meine,  etwa  wäre  pr^Sk  ^oUveoBat  iv  airfj  &g  infnav  (oder  «bc  httnav 
siTteTv)^  hält  Diel 8  iür  das  Richtige,  tu  dvSpe{(xu  Jj  dtivijv  etyat  fQr  eine 
Glosse  dazn,  indem  er  Obersetzt:  »der  mannhafte  Charakter  kommt  ge- 
legentlich einmal  auch  wohl  bei  einem  Weibe  vor,  aber  er  ist  demselben 
nicht  angemessen,  so  dass  er  nie  als  allgemeiner  Charakter  des  weib- 
lichen Geschlechts  erscheinen  kann«.  Ich  stimme  ihm  bei,  zweifle  aber 
sehr,  dass  dieser  Gedanke  so  ausgedrückt  werden  konnte,  und  vermuthe 
daher,  dass  vorher  rb  entweder  zu  streichen  oder  mit  G.  Hermann  in 
Tt  ZU  verwandeln  ist:  »es  giebt  zwar  einen  mannhaft  -  tapferen  Cha- 
rakter, aber  derselbe  ist  nicht  angemessen  fftr  ein  Weib  und  kommt 
daher  in  der  Regel  bei  einem  solchen  auch  nicht  vorc  —  16.  1464^25. 
Hier  stand  jedenfalls  in  2*  nicht  das  richtige  axdpjg^  wahrscheinlich, 
wie  Ellis  vermuthet,  am^g  (»ensisc).  —  18.  1465^  24ff.  Heine  (S.  4) 
vertheidigt  den  Oberlieferten  Text,  ich  zweifle  sehr,  ob  mit  Erfolg^^).  — 
82 f.  xarä  rä  pdpfj  f.  xa\  rä  pdpTj  Heine,  s.  u.  —  83.  Zeller  a.  a.  O. 
S.  296.  A.  l  will  das  Fehlen  der  einfachen  Tragödie  im  Oberlieferten 
Text  dadurch  einbringen,  dass  er  hier  i^  p^v  änX^^  ^  8k  nenXej'pdvij  ver- 
muthet; mindestens  mOssten  aber  so  doch  wohl  auch  die  Beispiele  für 
die  än^  ausgefallen  sein^).  Weck  lein  Berl.  ph.  Woch.  YHI.  1888. 
Sp.  199  (s.  u.  No.  120),  vermuthet  vielmehr  84.  ^  8k  (än}^^  xal  fj  pkvy 
TnL&vjrex^  und  hernach  1466*  2.  ro  dk  reparatSec  (dXlorpiovy^  wo  denn 
allerdings  die  Beispiele  für  die  änX^  eher  fehlen  könnten;  ich  fürchte 
aber,  dass  durch  xal  ^  pkv  Aristoteles  selbst  corrigirt  wird.  —  8.  fihpf 
f.  äkhjv  und  obd"  iv  Tatp  rf>  Heine,  s.  dagegen  Zeller  a.  a.  0.  S.  294f. 


47)  So  fein  seine  Bemerkungen  Ober  den  Unterschied  im  Aufbau  der 
griechischen  und  der  modernen  Tragödie  aach  sind.  Aber  Heine  selbst  (8.7  &) 
übersetzt  24  iari  dk  icätrifQ  rpajr^icLs  rd  pkv  dimq  rö  dl  kumii :  »von  der  ge- 
sammten  Tragödie  giebt  es  zwei  Theile,  Schürzung  und  Lösungc.  Wenn 
darauf  nun  nach  Ueberweg's  Umstellung  von  icolUxt^  unmittelbar  hinter 
l^wt^tv  folgt:  »Oft  freilich  gehört  zur  Schürzung  auch  schon  der  Tragödie 
Vorangehendesc ,  so  ist  das  logisch;  wenn  aber  folgt:  »Stets  wird  die  SebOr- 
zung  durch  das  der  Tragödie  Vorangehende  gebildet,  oft  gehören  aber  auch 
noch  die  ersten  Stücke  der  Tragödie  mit  zu  ihre,  so  ist  das  ein  Wiedersinn, 
denn  das  Vorangehende  ist  doch  noch  kein  Theil  dessen,  dem  es  vorangeht. 
Und  was  will  Heine  mit  inö  rljfc  ^pz^^  (Z.  28)  anfangen? 

M)  Dazn  kommt  aber,  dass  sich  die  zerrüttete  Stelle  1466*  2  m.  E.  mit 
Wahrscheinlichkeit  nur  etwa  so  in  Ordnung  bringen  Iftsst;  rö  dl  xirapTw  (^^ 
äxl^y  oJoy  . , .  jcapixßaüti  Sk  ^  rt/oam^d^;,  otow  af  rc  ^pxid^i  x.  r.  X,  Vgl. 
meinen  No.  122  aufgeführten  AnfiMtz  S.  62  f. 


Poetik.  163 

A.  1,  der  keine  Aenderung  ausser  oMevl  wq  für  nöthig  hält;  ich  halte 
nach  wie  vor  gar  keine  für  nöthig,  s.  meine  2.  Ausg.*').  —  10.  auyxpo- 
reea&ae  f.  del  xporeeaBae  Heine,  eu  xexpäaBat  Zell  er  a.  a.  0.,  aber 
Yahlen's  einfache  und  leichte  Verbesserung  del  xparsTa&at  hat  inzwi- 
schen durch  H  wenigstens  annähernd  Bestätigung  gefunden,  s.  Margo- 
liouth:  »si  prensarunt  utrumque  pariter  (?).  Fort.  deaxpareTaBae.  Utique 
stabilitur  Vahleni  coniecturac  —  17.  Suse  mihi  Jahrb.  f.  Ph.  CXXXY. 
S.  68  A.  1  (s.  No.  122)  bemerkt  dass  nach  den  neueren  Untersuchungen 
seine  Coigectur  ^  lo^atv  (auf  die  auch  Spengel  verfiel)  wieder  ebenso 
gut  möglich  geworden  ist  als  die  Vahlen's  (Jjj}  Nioßvjv.  —  20.  1456^ 
36  f.  Der  Araber  übersetzt:  »F  et  P  sine  A  non  faciunt  syllabam^  quoniam 
tajUum  fluni  eyllaba  cum  J,  eed  fPA  eyUabat.  Danach  vermuthet  Mar- 
goliouth  als  Lesart  von  £\  rd  FP ohx  iart  aoXXaßij^  dXXä  fierä  rou  Ä^ 
olov  TÖ  FPA,  Ellis:  t^  FP  oöt*  äveu  rou  A  auXXaß^  xa\  perä  rou  A^ 
otov  rb  FPA^  schwerlich  mit  Recht,  ich  denke  vielmehr:  rb  FP  oux  äueu 
rou  A  auXXaß^,  xatrot  (oder  dXXä7)  fiträ  x.  r.  X,  -  21.  1467»  24f.  A« 
hat  eaj  d*  äv  x€u  rpmXouv  xat  rerpanXoüu  ovofia  xal  noXXanXouv^  olov 
rä  TToXXä  rwv  p^yaXtcjrwv  ippoxdexo^avBoQ,  Aus  fieyaXtcjrwv  machte 
Winstanley  fuyaXsiotv  wg^  was  mit  Modificationen  G.  Hermann  und 
Vahlen  aufnahmen,  und  dass  in  2  iiaaaaXtwrwy  oder  paaaXcaßrwv  stand, 
wttrde  an  sich  auch  wohl  noch  Nichts  hiegegen  beweisen.  Aber  der 
Araber  giebt:  tHermokaikon  Xanthus  qui  supplicabcUur  dominum  coelorumM^ 
und  in  2  befand  sich  folglich  ein  vollständiger  Vers,  nach  der  sehr  an- 
sprechenden Vermuthung  von  Diels  'Epp,oxacx6$av&os  ineu^dfievoQ  del 
Tttirpi^  wahrscheinlich  also,  wie  Diels  weiter  ausführt,  aus  einem  komi- 
schen Epos,  in  welchem  mit  Rücksicht  auf  das  zwischen  den  Ausflüssen 
des  Hermos  und  des  Kaikos  liegende  Phokaea  an  die  Stelle  des  ^avBb^ 
MevdXaoQ  eben  dieser  ' Eppjoxaexo^av^oQ  gesetzt  war  und  noch  andere 
Masalioten  mit  ähnlichen  langathmig  componirten  Namen  auftraten.  Je- 
denfalls ist  also  ßiaffaXmroiv  aufzunehmen^®).  Warum  Diels,  wenn 
dies  Alles  richtig  ist,  für  noXXä  nicht  einstehen  möchte,  sehe  ich  nicht 
ab.  —  22.  1458*^10.  Wegen  9  lap.ßonot7jaaQ  vermutl^et  Ellis,  indem  er 
xepd/ievog  f.  y'  ipdßevoc  und  etwa  ixeeuou  (jr'y  vorschlägt,  dass  dies 
zweite   Beispiel  nicht  ein  Hexameter,  sondern  ein  Trimeter  sein  solle. 


^)  Nur  aber  müssen  die  beiden  Stellen  über  Schürzung  nnd  Lösung 
unmittelbar  an  einander  gerückt  werden,  wovon  freilich  auch  Heine  S.  4 ff. 
Nichts  wissen  will,  was  aber  doch  von  vornherein  das  einsig  Natürliche  ist. 
Ungehörig  ist  es,  dass  Heine  meine  verkehrte  Goi^ectnr  ans  der  1.  Ausgabe 
mir  noch  jetzt  beigelegt.  Auch  hat  Christ  die  zweite  Stelle  nicht  »athetirtc, 
sondern  nur  als  einen  späteren  Zusatz  des  Aristoteles  bezeichnet. 

M)  Uneingedenk  dieser  Auseinandersetzungen  von  Diels  habe  ich  in 
der  Bec.  von  Margoliouth  fälschlich  ßaatraXiatriov  oder  ßa^aXtantov  zu  den 
Schreibfehlern  in  S  gerechnet. 

11* 

4 


164  Aristoteles. 

Und  das  erste?  was  sollen  wir  dann  mit  dem  anfangen?  —  22.  1469* 
18.  FVlt  das  in  A<^  fehlerhaft  wiederholte  zweite  oaot^  hatte  2*,  wie  Ell is 
anmerkt,  SSoTg,  —  23.  1459^  lOf.  Heine  (S.  28.  A.  2,  vgl.  S.  20.  A.  2) 
will  »dnrch  eine  neue  Erklärung c  nachweisen,  dass  die  Einschiebang 
von  xad  ^^<ov  unnöthig  und  verkehrt  sei;  schwerlich  ist  ihm  dies  ge- 
langen ^^).  —  24.  1460^  1.  Wröbel  erhebt  gegen  Yahlen's  sehr  an- 
sprechende Vermatung  xrvj^r/^xo),  xat  mit  Recht  das  Bedenken,  dass 
Aristoteles  solche  Theilungen  ohne  xcU  anzureihen  pflegt,  und  empfiehlt 
daher  bei  der  Verbesserung  der  Aldina  xivt^rixä  zu  bleiben.  —  25. 
1460  ^  16  ff.  el  /ikv  yäp  irposeXero  [dSuva/u'av]  [djjLtfit^ov  ^  ddwara  9xs- 
nohjrae]^  o&r^C  ^  äfjjjpria^  el  dk  rb  npoeXiuBat  fiij  dpBwc  ^xard  aufiße" 
ßrjxÖQi  oTov  Tb  Sixa}  [dXkä]'  rbv  'htnoy  .  .  .  äXh^v  Te)[Wjy  [^  dduvara  fre- 
TtofijTou]  bnocavoüv,  od  xaB"  kaor^  Wröbel  (nicht  Abel).  —  26.  1462*  8. 
Ich  glaube  nicht,  dass  Jemand  Vettori's  einfacher  und  leichter  Ver- 
besserung (pTy  obdkv  Sdovrai  WröbeTs  Vorschlag  oöSku  deov  rä  vor- 
ziehen wird,  und  noch  weniger  glaube  ich,  dass  das  völlig  unanstössige 
nepeepyd^ffBae  rotg  ai^fie^otg  Z.  6  mit  ihm  durch  xal  dtxaan^piwv  Spy^fi 
^p^ad^  (!)  zu  ersetzen  sei: 

Das  System  der  aristotelischen  Eunstlehre  bebandelt 

119)  Ch.  Bönard,  L*esth6tique  d^Aristote  et  de  ses  successeurs. 
Paris,  1889.  Picard  u.  Alcan.  887  S.  8. 

auf  den  ersten  167  Seiten;  es  folgt  dann  S.  166 — 184  die  der  Peripa- 
tetiker.  Dazu  kommt  S.  871—386  L*esth6tique  d'Aristote  et  la  critique 
contemporaine.  Es  ist  bezeichnend,  dass  man  auch  in  dem  letzteren 
Abschnitt  den  Namen  Bernays  vergebens  sucht  Um  die  neueren  Texte 
hat  sich  der  Verf.  nicht  bekümmert.  Die  Spiritus-  und  Accentsetzung 
in  den  griechisch  angeführten  Stellen  ist  geradezu  schauderhaft.  Ari- 
stoteles wird  zum  Vater  der  Lehre  gemacht,  dass  die  schöne  Kunst  die 
nachahmende  sei,  obwohl  wir  aus  Piaton  ersehen,  dass  diese  Auffassung 
schon  zu  dessen  Zeit  die  allgemein  geltende  war.  Trotzdem  ist  B6- 
nard's  Darstellung  im  Ganzen  gar  nicht  tlbel  und  ganz  lesenswerth, 
wenn  man  auch  viel  Neues  aus  ihr  gerade  nicht  lernt.  Eine  Anzeige  er- 
schien von  Richards  Classical  Review  IV.  1890.  S.  477f.  ^'). 


fti)  Die  »neue  Erkl&ruDgc  besteht  darin,  dass  auf  den  engen  Zusammen- 
hang der  ijfdi;  mit  dem  fiuiku  einerseits  und  der  dtäuota  andrerseits  hinge- 
wiesen wird.  Dadurch  werde  eine  besondere  Erwähnung  von  jenen  entbehr- 
lich gemacht.  Auf  diese  Weise  hätte  aber  Aristoteles  ebenso  gut  die  XiStQ 
weglassen  können  mit  ROcksicht  auf  deren  engen  Zusammenhang  mit  (den 
ij&ij  und)  der  ^idvota .  Solche  Ausflüchte  sind  Abel  angebracht  in  einem  Texte 
von  so  zerratteter  Art,  wie  Heine  selbst  ihn  ansieht.  Vgl.  A.  63. 

ft>)  Dieser  bemerkt  mit  Recht,  dass  B6nard  Eth.  VI,  4. 1140*  i^t£  ftMtd 
X^jroo  dATj&oo£  noajrtx^  grundfalsch  durch  l'habitnde  on  facult6  de  produire 


PoeHk.  165 

Die  ttberaus  schwierige  und  dunkle  Frage  über  die  Arteo  der  Tra- 
gödie haben  behandelt: 

120)  Friedr.  Heidenhain,  Die  Arten  der  Tragödie  bei  Aristo- 
teles, IL  III.  Strasburg  W.-Pr.  1887.  40  8.  4.  (Gymnasialprogr.); 

121)  Th.  Heine,  Aristoteles  Aber  die  Arten  der  Tragödie.  Kreuz- 
burg  O.-S.  1887.  29  S.  4.  (Gymnasialprogr.). 

Heidenhain,  dessen  neneste  Arbeit  oben  (No.  112)  erwähnt  ist, 
hat  sich  einst  durch  seine  vortreffliche  Doctordiss.  De  doctrinae  artinm 
Aristotelicae  principiis,  Halle  1876  (s.  Ber.  III.  S.  388)  vortheilhaft  be- 
kannt gemacht.  Um  so  lebhafter  bedaure  ich,  dass  ich  mit  seinen  Re- 
censenten  Wecklein  Berl.  ph.  Woch.  YlII.  1888.  Sp.  197  —  199  und 
Zeller  Arch.  f.  G.  d.  Ph.  II.  S.  296 f.  III.  S.  316 f.  diese  seine  Unter- 
suchung, gegen  deren  erstes,  im  Rhein.  Mus.  XXXI.  1876.  S.  349  369 
erschienenes  Stttck  ich  mich  Ber.  V.  S.  284.  287  noch  abwartend  ver- 
hielt, nunmehr  als  völlig  verfehlt  bezeichnen  muss.  Heidenhain  eignet 
sich  (wie  schon  dort  von  mir  angegeben  ist)  einen  höchst  verungltlckten 
Gedanken  von  D  tt  n  t  z  e  r  und  Y  a  h  1  e  n ,  welchen  der  Letztere  inzwischen 
längst  wieder  aufgegeben  hat,  an,  indem  er  seinerseits  die  verderbte 
Stelle  6.  1460*  12 ff.  (s.o.)  so  herstellen  will:  voüxotg  fikv  ouv  oöx  dXt'yoc 
a&Totv  <bi  einelv  xi^py^vrat  lHiotg^^)  eUSeaev  xal  yäp  öil>€tQ  l^etu^) 
nav  xat  ^Bo€  xal  fiüBov  xal  Xi^iv  xa\  fiiXog  xal  didvocav  waauTo^gf  wobei 
denn  ix^tv  näv  nicht  nach  Vahlen  »vermöge  Alles«  sondern  »enthalte 
das  Ganze«  oder  »schliesse  das  Ganze  in  sich«  bedeuten  soll.  Obwohl 
nun  aber  Aristoteles  18.  1466^32  doch  ausdrücklich  nicht  von  den  mehr 
oder  weniger  tadelnswerthen  Arten  von  Tragödie ,  sondern  überhaupt 
von  den  Arten  derselben  spricht,  nimmt  der  Verf.  trotzdem  hiernach  das 
Erstere  an,  verwandelt  Z.  32  ehl  Tiaaapa  in  elah  lif,  bestreitet,  dass 
man  innerhalb  1466*  1—3  qiBoü  eine  Lücke  anzunehmen  habe,  billigt  die 
Yermuthung,  dass  Z.  2  rb  8k  reparioSeg  für  rö  Sk  Teraprov  bijg  zu 
schreiben  sei,  hält  aber  diese  TBparwdijQ  rpaytpBia  für  die  wirkliche 
vierte  Art,  ohne  sich  im  Mindesten  an  der  Sonderbarkeit  zu  stossen, 
dass  nach  i^  ixkv  mnXeyfievij,  ^  Sk  na^rjrix^^  ^  8k  ^Bixi^  jetzt  mit  einem 
Male  das  Neutrum  statt  des  Femininums  ^  dk  reparofdijg  eintreten 
sollte^),  nimmt  nun  aber  endlich  hinter  ^dou  eine  Lücke  an,  in  wel- 


le vrai  avec  r6flezion  wiedergiebt,  und  fügt  hinzu:  »The  reader  may  perhaps 
be  Jed  by  some  of  M.  B^nard's  translations  and  comments  feel  a  Utile  doubt 
as  to  the  accnracy  of  bis  Greek  scholarship«. 

^)  Oder  vielmehr  mit  Umstellung:  xixpii¥rat  dt£  tlnstv  Idiotg. 

M)  So  nach  Yahlen's  früherer  Yermuthung. 

u)  S.  viehnehr  A.  48.  62. 


1 66  Aristoteles. 

eher  die  fQnfte  und  sechste  Art  ausgefallen  sei,  die  XexuKi^  und  ^uXtK^^. 
Die  TsparwdijQ  bezieht  er  nattlrlich  auf  die  o<ffeg^  die  TtsnXiyiwnj^  in  der 
Peripetie  und  Erkennung  »sich  zu  sehr  hervordrängenc,  auf  den  fiuBog^ 
die  Tta^ijrexi^,  indem  er  diese  Bezeichnung  auf  ndBoc  nicht  im  Sinne  von 
»Erleidnissc  oder  »drastisches  Erleidnisst,  sondern  von  »Affectc  zn- 
rttckführt,  mit  wunderbaren  Erklärungskttnsten  auf  die  dedvoea.  Nun 
passt  aber  zu  diesem  Allen  die  einzige  einigermassen  unversehrte  Stelle, 
die  einzige  also,  welche  einiges  Licht  in  dies  Dunkel  bringen  kann,  24. 
1459^  8ff.,  wie  die  Faust  aufs  Auge.  Heidenhain  löscht  also  dies  Licht 
flugs  aus,  indem  er  Z.  9  ^  yäp  —  naßv^nx^v  und  Z.  14 f.  dnXouv  xau 
streicht  und  es  fertig  bringt  einen  Tadel  des  Homeros  in  diese  Stelle 
hinein  zu  erklären.  Am  Sonderbarsten  ist  es,  dass  er  den  Widersprach 
nicht  merkt,  wenn  er,  der  lauter  Abarten  construirt,  dennoch  von  einer 
einfachen  Tragödie  und  Epopöe  Nichts  wissen  will,  weil  Aristoteles  13. 
1462^  31  sagt:  See  rijv  auv&emv  ehat  r^c  xa^Xiffri^c  rpayfpSiag  fiij 
änX^v,  Die  Becension  von  BuUinger  N.  philol.  Rdsch.  1889  Sp.  261 
bis  263  ist  mir  nicht  zugänglich. 

Ungleich  werth voller  ist  die  Abhandlung  von  Heine,  welcher  von 
dem  allein  richtigen  Gesichtspunkt  ausgeht,  dass  die  vier  Arten  der  Tra- 
gödie und  des  Epos  aus  den  vier  der  Fabel  hergeleitet  werden  sollen 
(roaauTa  yäp  xal  tA  pLuBou  [f.  /JLif»j/]  Tyrwhitt  und  zweifelnd  Twi- 
ning  mit  Ueberweg*s  Nachbesserung  1465^33,  wofttr  Heine  freilich, 
wie  oben  bereits  bemerkt,  eine  andere  recht  verunglückte  Coqjectur  an 
die  Stelle  setzt)  ^)  und  die  fehlende  Unterscheidung  des  TtaBijTcxbc  und 
des  ^Bexü€  /luBoc  folglich  hinter  C.  1 1  ausgefallen  ist.  So  sieht  er  denn 
richtig,  wie  es  von  Allen  ausser  Heidenhain  geschieht,  als  die  vier 
betreffenden  Arten  die  einfache,  verflochtene,  ethische  und  pathetische 
an  ^^).  Er  hat  auch  darin  ganz  Recht,  dass  durch  furdßafftQ  oder  fura- 
ßoXi^  die  gesammte,  einen  Schicksalswechsel  darstellende  Fabel  der  Tra- 
gödie bezeichnet  wird,  aber  er  tibersieht  doch,  dass  in  einem  engeren 
Sinne  18.  1466^26  ff.  deijenige  Theil  der  letzteren  diesen  Namen  erhält, 
von  welchem  ab  die  Lösung  einzusetzen  beginnt    Danach  kann  also  die 


M)  Das  soll  heissen:  nicht  nach  der  gleichen  Anzahl,  sondern  in  Oe- 
m&ssheit  deijenigen  Tbeile  der  Fabel,  auf  welchen  deren  Arten  bemhen  Aber 
da  nnmittelbar  voraufgeht :  rpay^diag  dk  tX&iq  tM  xiiroapa^  so  können  nach 
den  Orundsätsen  einer  gesunden  Hermeneutik  auch  rd  /lipyj  nor  die  fiifn^ 
TpaYipdiai^  d.  h.  also  Fabel,  Charaktere,  Reflexion,  Sprache,  musikalische 
Composition  und  das  Theatralische,  und  nicht  ßö^ou  sein,  and  weon  nun  £r- 
steres  falsch  ist,  muss  auch  At^/n;  falsch  sein.  Und  was  soll  bei  Heine'sGoD- 
jectnr  der  Aorist  iXix^'^  Es  mflsste  das  Präsens  Uro/iMv  sein. 

>7)  Wo  die  einfache  Tragödie  ausgefallen,  und  wie  1466*  2  henustellen 
sei,  darObev  schweigt  Heine.  Es  ist  das  ja  allerdings  auch  nur  ein  Neben- 
punkt.   Vgl.  aber  ihn  A.  48. 


Poetik.  167 

von  ihm  verworfene  Erklftmng  Vahlen's  von  C  10,  bei  welcher  diese 
letztere  Bedeatuog  angenommen  wird,  immerhin  richtig  sein,  doch  ist 
zuzugeben,  dass  die  Ausdrücke  1466^  88  f.  ^g  rb  8Xov  iffrl  nspminta  xai 
dofajfywptatg  und  24.  1469^  16,  dvapftupeatg  yäp  diohiu  vielmehr  für  die 
Heiners  sprechen,  welcher  auch  in  C.  10  die  erstere  zu  Grunde  legt*"). 
Seine  Auffassung  der  Peripetie  als  »gegentheiliger  Wendung  f  scheint 
mir  mit  den  Beispielen,  durch  welche  die  wenigstens  in  ihrer  fiberliefer- 
ten Gestalt  nicht  eben  sehr  klare  Definition  der  Peripetie  11. 1462^  22  £ 
erläutert  wird,  unverträglich,  so  viel  Mfihe  er  sich  auch  giebt  sie  mit 
denselben  in  Uebereinstimmung  zu  bringen.  Ich  kann  dies  hier  leider 
nicht  begründen.  Nach  wie  vor  fasse  ich  diese  Definition  vielmehr  so 
auf:  eine  Peripetie  tritt  da  ein,  wo  Jemand  etwas  thut,  durch  welches 
er  das  Gegentheil  von  der  dabei  von  ihm  verfolgten  Absicht 
erreicht,  und  ich  bin,  wie  gesagt,  sehr  geneigt  mit  Essen  anzunehmen, 
dass  Aristoteles  Z.  28  ^  xaB'  ä  npo^pi^rat  geschrieben  habe  *').  Trotz- 
dem weist  Heine  in  der  That  fiberzeugend  nach,  dass  Peripetie  und 
Erkennung  nicht  speciell  tragische,  sondern  nur  »dramatischec  Momente 
sind^),  ganz  anders  als  das  nd&og,  und  fiber  den  durch  sie  hervorge- 
brachten Unterschied  der  verflochtenen  Tragödie  und  Epopöe  von  der 
einfachen  kann  ja  fiberhaupt  der  Streit  so  gross  nicht  sein  wie  fiber 
das,  was  man  sich  unter  pathetischer  und  ethischer  denken  soll.  Und 
hier  halte  ich  die  Bestimmung  Heiners,  eine  Tragödie  sei  pathetisch, 
wenn  der  Held  der  angegriffene,  getriebene  und  leidende  Theil  sei  und 
unfreiwillig  und  gebunden  handle,  ethisch,  wenn  derselbe  der  angreifende, 
treibende  und  Wirkung  hervorrufende  sei  und  sich  in  voller  Freiwillig- 
keit befinde,  für  misslungen,  nicht  bloss,  weil,  wie  Zell  er  Arch.  II. 
S.  296  f.  bemerkt,  dazu  die  Beispiele  der  Ilias  und  der  Odyssee  24. 
1469^  18  ff.  kaum  passen,  sondern  auch  weil  diese  Bestimmung  von  einer 


»>)  Ich  selbst  habe  mich  bereits  genöthigt  gesehen  im  18.  Cap.  nach  die- 
ser Bichtnng  hin  von  Vahlen  abzuweichen 

M)  Freilich  muss  dann  angenommen  werden,  dass  Aristoteles  diesen  stren- 
gen Sinn  nicht  fiberall  festhält,  sondern  das  Wort  auch  in  dem  abgeschwächten 
gebraucht,  dass  das  Thnn  bloss  einen  dem  Thnenden  unerwarteten  Erfolg 
nach  sich  sieht.  Das  spricht  aber  nicht  dagegen,  wie  Heine  meint,  sondern 
mit  dem  icd^^  ist  es  ebenso,  s.  A.  61.  Aach  habe  ich  keineswegs  deshalb, 
wie  er  S.  10.  A.  4  glaubt,  icptnirua  durch  lunerwartete  Wendung c  fibersetzt, 
sondern  nur  weil  ich  keinen  andern  deutschen  Ausdruck  als  diesen  ungenü- 
genden zu  finden  weiss.  Es  steckt,  wie  schon  öfter  bemerkt  ist,  in  der  Peri- 
petie ein  gutes  Stock  von  der  »Ironie  des  Schicksalsc  oder  der  »tragischen 
Ironiec. 

•0)  In  dem  Sinne  nämlich,  in  welchem  Aristoteles  28.  146  9a  17 ff. 
auch  von  der  Fabel  des  Epos  verlangt,  dass  sie  »dramatische  sei.  Peripetie 
und  Erkennung  sind  hi  der  That  ebensogut  in  der  Komödie  möglich,  um  die- 
ser angemessene  Effecte  zu  erzielen. 


168  Aristoteles. 

nnhaltbaren  Grondannahme  ausgeht.  Heine  glaubt  nämlicb  mit  An- 
schluss  an  L  es  sing,  dass  das  ndBo^^  von  dessen  Anwesenheit  oder  Ab- 
wesenheit hier  der  Unterschied  abhängt,  »die  ganze  leidvolle  Handlange 
bezeichne,  während  es  doch  11.  1452^  9ff.  ansdrQcklich  als  ein  Theil  der 
Fabel  bezeichnet  und  deutlich  als  eine  bestimmte,  drastische,  bei  der 
scenischen  Darstellung  unmittelbar  auf  der  Bfthne  den  Augen  der  Zu- 
schauer vorgeführte  Art  von  Erleidniss,  als  eine  Schreckensscene  be- 
schrieben wird.  Dass  dazu  vollständig  die  Beispiele  der  »pathetischen«, 
d.  h.  also  »drastischem  Tragödie  1456^  34  f.,  Aias,  der  auf  offener  Scene 
sich  selbst  tödtet,  und  Ixion,  der  ebenso  vor  den  Augen  der  Zuschauer 
an  sein  Rad  geflochten  wird,  auch  das  der  llias  (mehr  wenigstens  als 
die  Odyssee  trotz  des  Freiermords)  vollkommen  passen,  ist  längst  be- 
merkt worden  **).  Auch  Z  eil  er' s  Unterscheidung,  dass  es  in  der  pathe- 
tischen Dichtung  die  tragischen  Schicksale  der  Helden  seien,  welche  den 
Mittelpunkt  der  Handlung  bilden  und  unsere  Theilnahroe  vorzugsweise 
erwecken ,  in  der  ethischen  die  im  Verlauf  der  Handlung  sich  äussern- 
den Charakterzfige ,  ist  daher  zwar  ungleich  richtiger,  aber  doch  noch 
immer  fdr  die  drastische  Tragödie  zu  fein.  Sicher  richtig  jedoch  ffigt 
er  hinzu :  »von  der  letzteren  Art  werden  aber  im  Allgemeinen  die  Stücke 
mit  glflcklichem  Ausgang  sein.«  Es  wird  nach  diesem  Allen  dabei  blei- 
ben müssen:  drastische  und  charaktermalende  Fabel  sind  nicht  so  scharfe 
und  jedes  Dritte  ausschliessende  Gegentheile  wie  einfache  und  ver- 
wickelte, das  kommt  aber  den  Arten  der  Tragödie  und  Epopöe  zu  Gute, 
indem  so  der  Fehler,  dass  aus  zweimal  zwei  deren  vier  gemacht  sind, 
einigermassen  wieder  ausgeglichen  wird,  so  bald  man  annimmt,  dass  eine 
rein  einfache  eine  solche  sein  soll,  welcher  nicht  bloss  die  unterschei- 
denden Eigenthümlichkeiten  der  verflochtenen,  sondern  auch  die  der 
drastischen  und  des  Charaktergemäldes  abgehen.  Daher  stand  sie  denn 
wahrscheinlich  auch  erst  am  Ende,  indem  1456^  2  zwischen  rb  8e  ri- 
Toprov  und  dem  verstümmelten  Sh^q  auch  ihre  Erwähnung  ausgefallen  sein 
dürfte**).  Freilich  ist  auch  so  eine  rein  drastische  oder  rein  »ethische« 
immer  noch  unmöglich,  sondern  sie  muss  zugleich  entweder  einfach  oder 
verflochten  sein,  wie  es  von  der  llias  und  Odyssee  24.  1459^  13  ff.  aus- 
drücklich gesagt  wird.  Immerhin  also  gehört  diese  ganze  Lehre  schwer- 
lich zu  den  am  Besten  in  sich  fibereinstimmenden  und  fehlerfreisten 
Theilen  der  aristotelischen  Aesthetik.    Heine  aber  hat  zwar  Greist  und 


<i)  Es  ist  folglich,  soweit  diese  gesteigerte  Bedeutung  von  nd^i  gilt, 
falsch,  wenn  Heine  sie  als  ein  inhaltliches  Moment  im  Gegensatx  xn  den  bloss 
formalen  der  Peripetie  ond  Erkennung  bezeichnet  Freilich  im  14.  Cap.  wird 
nä^  in  dem  abgeschwächten  Sinne  jeder  Art  von  tragischem  Leiden  ver- 
wandt. Dergleichen  Laxheiten  des  Aristoteles  machen  seine  Interpretation  so 
schwierig. 

«)  8.  A.  48. 


Poetik.  169 

fleissige  Benutzung  der  einschlagenden  Litteratur  gezeigt,  aber  auch  viel- 
fach Mangel  an  scharfer  Logik  und  an  peinlich  genauer  Exegese. 

122)  Fr.  Suse  mihi,  Zu  Aristoteles  Poetik,  Jahrb.  f.  Ph.  CXXXV. 
1887.  S.  61—64, 

behandelt  die  im  Vorstehenden  besprochenen  Stellen  18.  1456  ^32  ff.  und 
24.  1459  ^8  ff.,  freilich  nur  in  der  Kürze  und  weit  entfernt  von  der  Aus- 
führlichkeit Heidenhain's  und  Heiners,  erstere  in  dem  angegebenen 
Sinne,  letztere  mit  dem  Nachweis,  dass  Vahlen  sie  verkehrt  und 
Spengel  sie  richtig  aufgefasst  hat.  Dieser  Ansicht  ist  übrigens  auch 
Heine  S.  20-  A.  2,  so  sehr  er  sich  gegen  die,  wie  Susemihl  darlegt, 
nothwendig  daraus  hervorgehende  Folgerung,  wie  schon  gesagt,  sperrt, 
dass  in  Z.  11  rwv  rjdwv  ausgefallen  sei*'). 

123)  Paul  Weidenbach,  Aristoteles  und  die  Schicksalstragödie. 
Dresden  1887.  XV  S.  4.  (Qymnasialprogr.) 

will  nachweisen,  dass  Aristoteles  die  sogenannte  Schicksalstragödie  be- 
reits als  das  eigentliche  Muster  des  acht  Tmtgischen  angesehen  habe. 
Ich  darf  mich  benttgen  auf  die  Kritik  von  Zell  er  Arch.  II.  S.  293 f.  zu 
verweisen.  Es  kommt  eben  ganz  darauf  an,  was  man  unter  »Schicksals- 
tragödiec  versteht,  und  wenn  man  mit  Weidenbach  auch  solche  Stücke 
zu  ihr  rechnet,  in  denen  der  Held  über  Verschulden  leidet,  so  hat  er 
ohne  Zweifel  Recht,  aber  dazu  bedurfte  es  auch  nicht  erst  eines  Nach- 
weises» denn  das  hat  Aristoteles  so  deutlich  gesagt,  dass  es  von  keinem 
vernünftigen  Menschen  bestritten  werden  kann  noch  auch  jemals  meines 
Wissens  bestritten  ist.  Auf  der  anderen  Seite  leidet  nach  Aristoteles 
C.  13  der  tragische  Held  zwar,  wenn  man  diese  kurze  Formel  gebrauchen 
will,  durchaus  nicht  unschuldig,  da  er  sein  Leiden  durch  »einen  grossen 
Fehlere  selbst  verschuldet  haben  muss,  sondern  nur  »unverdiente  {dva- 
f/o/c),  d.  h.  er  hat  sein  Leiden  eher  weniger  denn  mehr  verdient  als 
tausend  Andere,  denen  es  bei  gleich  grossen  Fehlern  doch  ganz  glück- 
lich ergeht.  Ganz  unschuldiges  Leiden  erkiftrt  dagegen  der  Philosoph 
für  ein  fitapov, 

124)  A.  Döring,  Die  aristotelischen  Definitionen  von  auvSenfiog 
und  äpBpoVy  Poetik  c.  20.  Arch.  f.  Gesch.  der  Philos.  IIL  1890.  S.  363 
bis  369, 

kommt  durch  eine  höchst  scharfsinnige  Untersuchung  zu  dem  Ergebniss, 
dass  die  verzweifelte  Stelle  20.  1456^  38—1457*  10  folgendermassen  her- 
zustellen sei :  auvSeafiog  8e  ian  ^wvij  ätrrjfio^,  ^  ix  nXetoviov  fikv  ^wvajv^ 
fitäg  •*)   <nj/xavnxa»v  dk  noeeev  ne^uxev  /iiav  OT^fiavTcxijv  ^ujvi^v^  ^v  fijj  ap- 


M)  8.  A.  51. 

M)  Ob  diese  loterpunctionsftnderung  richtig  ist,  lasse  ich  hier  dahingestellt. 


170  Aristoteles. 

fiSrret  iv  dpj[fj  XSyoo  rSivat  xa^'  a&ti^w,  fj^ov  rh  dfn^i  xat  xh  ntpi  xa\ 
rdi  äXXa,  äpBpov  S*  iarl  ^vij  äai^fioCt  ^  ^^^  xtüXuci  oore  nout  ^pwvlj^ 
ßieav  OT^fiavTexi/v  hx  nXetöuatv  ^iovwv  [ne^uxijltwf]  ouvrtBeirBat  ^  ^^^^  ^  9 
Xo'you  dp^iju  1j  reXo^  ^  Siopcaiibv  dijXoc^  ne^xuea  TtBea&ae  xdt  iirt  rwv 
äxpwv  xal  ine  rou  fUaou^  olov  piv^  i^rot^  Si.  Es  ist  zu  bedanern,  dass 
er  das  neue,  von  Margoliouth  beigebrachte  Qaellenroaterial  anberfick- 
sichtigt  gelassen  hat,  welches  uns  einen  noch  schärferen  Einblick  in  die 
Zerrüttung  der  Ueberlieferung  verschafft,  zugleich  aber  auch  trotz 
grösserer  Verderbniss  im  Einzelnen  auf  richtigere  Wege  im  Ganzen  fahrt 
als  A^.  In  2*  stand  richtig,  wenn  anders  nicht  meine  unten  zweifelnd 
wiederholte  Vermuthnng  zutreffend  sein  sollte,  nur  eine  Definition  des 
auvdeapog^  welche  in  Bestätigung  der  Herstellung  von  Christ  einfiich, 
wenn  auch  in  theils  verstümmelter,  theils  intcrpolirter  Gestalt  so  lautete: 
auvSsffpoi  Si  iart  ^tavij  ffuvBerij  äaijpog^  ohv  pdv^  xau\  oöSiy  owB^rij  ix 
nXeeovwv  ^wväßv  ffj^pavrexwv  peav  aaijpov  ^iüv^v  ffuv&er^v^  überdies  mit 
einer  hinter  odSe  eingedrungenen  Glosse  (nam  quod  audUw  ex  iU  non  est 
indicaium)  ^),  was  denn  nach  A^'  so  zu  verbessern  ist:  auvdBopog  Si  iart 
^v^  cunjpoc^  ,oloy  /iev,  ^rof,  Si^  ^  ix  nXstovew  ^vmv  peäg^  m^iß- 
zexätv^)  Sk  noesev  ni^xev  puav  injpjayrix^  ^vi^v,  und  ich  sehe  nicht 
ein,  warum  nicht  dabei  stehen  zu  bleiben  wäre.  Nur  das  an  sich  Be- 
denklichste an  Döring' s  Gonstruction,  die  Beispiele  für  mfvSeajiog  und 
äpBpov  die  Plätze  tauschen  zu  lassen  wird  kaum  zu  umgehen  sein.  Die 
Worte  1457*  Z  9jv  p^  ipporrec  iv  dpj^fj  Xöyou  reBeuae  xaB*  abrov  fehlten 
in  2*  ganz,  und  wer  weiss,  ob  nicht  mit  Recht:  man  erwartet  doch  o&/ 
statt  p^.  Die  Worte  1456^88—1467^8  9  ^^^^  xatXutt  •—  pdaou  aber 
standen  dort  in  folgender  Form  (und  nicht  in  deijenigen,  in  welcher  sie 
in  A«'  in  der  zweiten  Definition  des  apBpov^  welche  wir  uns  mit  Unrecht 
gewöhnt  hatten  in  eckige  Parenthesen  zu  schliessen,  wiederholt  werden), 
an  eben  dieser  letzteren  Stelle  freilich  wieder  mit  der  Interpolation  auv- 
Beri}  und  mit  Verstümmelungen:  Z.  6  ff.  äpBpov  S'  iarl  ^pwviji  <n;w^rn^ 
äar^pog  ^  (1.  9j)  loyou  dpx^v  ^  riXo^  ^  ^^^«V^^v  SijXoT  ^  napä^)  ^  dXXd^ 
wo  dXXd  oder  r^  dXXä  richtig  sein  kann,  und  wo  diese  verstümmelten 
Beispiele  denn  doch  Bedenken  erregen,  ob  die  jetzt  beliebte  Herstellung 
ohv  rb  dpu^(  xal  rb  nepi  xa}  rä  aXXa  die  wahre  ist^),  und  dann  ^  fiuv^ 
auvBerij  aurr^poCy  ^  outb  xwXuet  oure  notel  ^oßvijv  piav  ar^pjavrtxijjv  ix 
nXeiovwv  ipiovwv  (TuvriBeaBai  xa}  ine  rStv  axpoßv  xa\  in\  rob  pÄaoo.  Es 
ist  nun  wohl  möglich,  dass  Döring  hier  das  Richtige  getroffen  hat, 
aber  auch  ebenso  gut,  dass  diese  zweite  Definition  ein  nacharistotelificher 
Zusatz  ist  und  daraus  sich  die  Wiederholung  in  A«'  erklärt    Denkbar 


tt)  non  indicaium  =:  ä^pov, 

«)  8.  A.  64. 

<Y)  propier,  jedenfalls  also  nicht  nept. 

M)  Ao  oJov  rd  ^.fLl  kqI  tö  n,  e.  p.  1  xai  rd  äXXa. 


/ 


Poetik.  171 

wäre  auch  Docb,  dass  man  hier  9  ^r  äpBpov  S'  iarl  and  üpBpov  8'  itnl 
für  das  ^  vor  ^wvij  dun^/juic,  ^  x,  r,  X,  zu  schreiben  hätte,  so  dass  die 
Verwirrung,  wie  ich  früher  vermuthet  habe,  durch  das  nacharistotelische 
Hineintragen  einer  Definition  des  apBpov  (natürlich  immer  noch  nicht 
im  Sinne  von  lArtikeU)  entstanden  wäre,  und  ich  halte  noch  immer  diese 
meine  Vermathnng  keineswegs  ÜOlt  abwegig,  aber  die  Stütze  derselben, 
dass  1456*  21  äpBpov  an  falscher  Stelle  in  A^'  steht,  ist  hinfällig  gewor- 
den, da  I  es  an  der  richtigen  hatte. 

126)  Max  Zerbst,  Ein   Vorläufer  Lessings  in  der  Aristoteles- 
interpretation. Jena  1887.  64  8.  8*  (Doctordiss.) 

weist  nach,  dass  Daniel  Heinsius  sowohl  in  Bezug  auf  die  Bestim- 
mungen des  Aristoteles  über  die  Allgemeinheit  der  dramatischen  Cha- 
raktere (Poet  9)  als  auch  auf  die  Katharsis  im  Wesentlichen  bereits 
dieselbe  Auffassung  wie  L  es  sing  gehabt  und  ausgesprochen  hat,  frei- 
lich weitaus  noch  nicht  mit  derselben  Klarheit  und  Schärfe,  durch  wel- 
che die  Erörterungen  des  Letzteren  trotz  all  ihrer  Irrthümer  so  bele- 
bend und  epochemachend  für  das  Studium  des  Aristoteles  gewirkt  ha- 
ben. Er  zeigt  gegen  Bernays  und  Döring,  dass  Heinsius  keines- 
wegs von  Lambin's  Deutung  der  xd&apmQ  als  religiöser  Lustration, 
sondern  gleich  Bobortelli  und  Maggi  und  hernach  Lessing  von  der 
«allgemeinen  Bedeutung  »Reinigungc  ausging  und  keineswegs  dieselbe  mit 
der  ersten  Stufe  der  neuplatonischen  Askese  zusammengeworfen  hat,  wie 
denn  seine  betreffende  Arbeit  überhaupt  keineswegs  die  herabsetzende 
Beurtheilung  von  Bernays  verdient. 

So  sehr  nun  ferner  die  endlose  Schriftstellerei  über  die  Katharsis 
den  stärksten  Ueberdruss  erregt,  so  verdient  doch  die  hübsche  Abhand- 
lung von 

126)  Feller,  Die  tragische  Katharsis  in  der  Auffassung  Lessings. 
Duisburg  1888.  XXIV  S.  4.  (Gymnasialprogr.) 

voUe  Anerkennung,  und  die  von  ihm  ergriffene  Seite  der  Betrachtung, 
die  unmittelbar  Lessing,  mittelbar  aber  auch  Aristoteles  angeht,  war 
durchaus  einer  besonderen  und  zumal  einer  so  wohl  gelungenen  Erörte- 
rung werth.  Feller  untersucht  nämlich  an  der  Hand  einer  umfassenden 
und  überall  von  gesundem  Urtheil  geleiteten  Benutzung  der  betreffenden 
Litteratur,  was  etwa  von  Lessing^s  Erklärungen  der  aristotelischen 
Poetik  sich  als  probehalUg  erwiesen  hat.  Das  unmittelbare  Ergebniss 
ist  freilich  ein  ziemlich  negatives^),  aber  er  legt  dar,  dass  Lessing 


^)  Auch  in  Beiug  auf  die  Anwendung  des  Wortes  nd^^  oder  nd6i^fia  bald 
im  Sinne  von  »Erleidnissc  überhaupt  bald  von  »drastischem  Erleidnissc  hält 
Fe  11  er  im  Gegensatz  zu  Lessing  und,  wie  wir  gesehen  haben,  dessen  Nach- 


172  Aristoteles. 

selbst  (wie  man  dies  nach  einer,  und  zwar  allgemein  bekannten  ans- 
drttcklichen  Erklärung  von  ihm  ja  wohl  auch  niemals  bestritten  hat  und 
bestreiten  konnte)  den  unmittelbaren  Zweck  aller  Kunst  als  einen 
hedonischen  und  nicht  ethischen  ansah,  und  dass  er  nur  bei  seinem  fiber- 
grossen  Respect  vor  Aristoteles  und  seiner  irrthOmlichen  moralischen 
Auffassung  von  dessen  Katharsis  sich  zu  der  Annahme  getrieben  sah, 
dass  derselbe  diese  mittelbare  Wirkung  mit  in  die  Definition  der  Tra- 
gödie aufgenommen  habe,  während  es  gentigt  hätte  zu  sagen,  dass  die 
Tragödie  Mitleid  errege,  und  dass  er  endlich  dies  durch  die  so  allein 
ttbrig  bleibende,  aber  gleichfalls  irrthtlmliche  Annahme  auszugleichen 
suchte,  der  Philosoph  habe  gar  keine  strenge  Definition  von  ihr  geben 
wollen.  Gegenüber  dem  Gewicht,  welches  Bernays  auf  die  eine  Aeusse- 
rung  des  alternden  Göthe  legt,  keine  Kunst  vermöge  auf  Moral  zu  wir- 
ken, weist  Feiler  auf  andere,  ganz  anders  lautende  aus  derselben  Zeit 
hin:  in  der  That  geht  es  wohl  jedem  Menschen,  auch  dem  bedeutend- 
sten so,  dass  er  in  derselben  Lebensperiode  bald  die  eine  und  bald  die 
andere  Seite  der  Sache  stärker  betont  und  sich  dadurch  in  Widerspruch 
mit  sich  selbst  setzt  Gleich  mir  urtheilt  übrigens  auch  Zeller  Arch. 
III.  S.  315  f.  höchst  anerkennend  über  Feller's  Schriftchen.  Feller 
schliesst  sich  im  Ganzen  an  die  Erklärung  von  Bernays  an,  jedoch  gleich 
Zell  er,  mir  und  Andern  nach  Ed.  Müller  nicht  ohne  erhebliche  Mo- 
dificationen.  So  ist  er  mit  uns  davon  überzeugt,  dass  auch  Aristoteles 
eine  mittelbare  ethische  Wirkung  von  Tragödie  und  Epos  angenommen 
hat.  So  hebt  er  hervor,  was  die  stricten  Anhänger  von  Bernays,  wie 
Ueberweg  und  Döring,  vergebens  bestritten  haben,  dass  diese  Er- 
klärung durch  den  Nachweis  der  wesentlichen  Einerleiheit  von  ndBo^ 
und  m^Tjfia  bei  Aristoteles  durch  Bonitz  einen  sehr  bedenklichen  Stoss 
erhalten  hat.  Und  dies  fährt  ihn  dazu,  dass  er  es  sogar  unentschieden 
lässt  (S.  XI  f.),  um  Zell  er*  s  Worte  mit  ein  paar  Modificationen  zu 
wiederholen,  lob  Aristoteles  bei  seiner  Katharsis  an  eine  Ausscheidung 
gewisser  Affecte  oder  an  eine  Läuterung  solcher  Affecte  denkt,  die  im 
Zuhörer  oder  Zuschauer  schon  vorhanden  sind ,  oder  endlich  nach 
Baumgart  7<))  solcher,  die  erst  durch  die  künstlerische  Darstellung  in  ihm 
erregt  werden,  ja  die  Vermuthung  äussert,  Aristoteles  habe  vielleicht 
absichtlich  einen   unbestimmten  Ausdruck  gewählt  und  damit  eine  ge- 


folger Heine  (s.  A.  61)  das  Richtige  fest.  Nicht  einmal  das  ofkm  9.  14611»  18 
hat  Lessing,  so  viel  er  sich  hier  ant  seine  Erklärung  xn  Gute  thut (worauf 
Fell  er  nicht  xn  sprechen  kommt),  richtig  verstanden,  wie  ich  noch  glaubte, 
8.  Vahlen  z.  d.  St.  Die  Sprachkenntniss  ist  eben  inzwischen  beträchtlich 
fortgeschritten. 

70)  Dessen  hier  namentlich  in  Betracht  kommendes,  von  Fell  er  vei^ 
werthetes,  1887  erschienenes  Handbuch  der  Poetik  mir  bisher  nicht  in  die 
Hände  gekommen  ist. 


Poetik.  1 73 

wisse  Weite  der  Deutung  zugelassen,  um  verschiedenen  Arten  der  mu- 
sischen, tragischen,  epischen  Darstellung  gerecht  zu  werdenc  In  die 
Besprechung  dieses  Punktes  ist  nun  aber  die  von  zwei  anderen  Abhand- 
lungen: 

127)  Theod.  Stisser,  Nochmals  die  Katharsis  in  Aristoteles' 
Poetik.  Norden  1889.  18  S.  4.  (Gymnasialprogr.)  und 

128)  Friedr.  Giesing,  Der  Ausgang  des  Königs  Oedipus  von 
Sophokles  und  die  aristotelische  Katharsis.  Commentationes  Fleck- 
eisenianae,  Leipzig  1890.  S.  9—36 

mit  hineinzuziehen,  von  denen  die  letztere  freilich  nur  in  Bezug  auf  S.  19 
bis  25  hierher  gehört,  die  auch  wohl  ohne  Schaden  ftlr  das  vom  Verf. 
behandelte  Thema  hätten  fortbleiben  können,  wenn  derselbe  nicht  den 
Beruf  gefühlt  hätte  bei  dieser  Gelegenheit  die  jetzt  geltenden  Auffassun- 
gen vom  Sinne  der  aristotelischen  Katharsis  zu  reformiren,  indem  er 
sich  vielmehr  deijenigen  Stisser's  anschliesst,  ttber  die  ich  früher 
XLII.  S.  40 f.  Bericht  erstattet  habe.  Diesen  Bericht  wiederholt  nun 
Stisser  und  sucht  ihn  Stock  für  Stück  zu  wiederlegen  ^')  und  seine 
Ansicht  in  genauerer  Ausführung  und  Begründung  namentlich  auch  mit 
einer   eingehenden   und,  wie  mir  scheint,  richtigen^')  Polemik   gegen 


71)  Ich  kann  ihm  das  natürlich  durchaus  nicht  verdenken,  stehe  aber 
diesem  Verfahren  ziemlich  waffenlos  gegenüber.  Denn  wenn  Stisser  von  mei- 
ner »BecensioDc  redet  und  mir  Ungründlichkeit  in  der  Beweisführung  und 
Un Vollständigkeit  und  Ungenauigkeit  in  den  Angaben  vorwirft,  so  muss  ich 
bemerken,  dass  ich  hier  überhaupt  keine  Recensionen  zn  schreiben  habe, 
sondern  nur  einen  Gesammtbericht  in  der  äusserst  möglichen  Kürze,  aber 
ȟber  die  Fortschrittec  auf  dem  von  mir  zu  behandelnden  Gebiete,  so  dass  ich 
eben  auch  meine  Meinung  aussprechen  muss,  dieselbe  aber  doch  eben  nur  an- 
deutend und  oft  kaum  andeutend  begründen  kann.  Wollte  nun  ein  Jeder,  von 
dem  ich  ein  Schriftstück  besprochen  habe,  so  wie  Stisser  oder  Bullinger 
verfahren  und  von  mir  verlangen,  dass  ich  seiner  Antikritik  entweder  bei- 
pflichten oder  sie  Stück  für  Stück  widerlegen  solle,  so  müsste  ich  diese  meine 
Thätigkeit  einfach  aufgeben,  und  Niemand  würde  Lust  haben  mein  Nachfolger 
in  derselben  au  werden.  Ob  das  in  Stisser*s  Wünschen  liegt,  weiss  ich 
nicht;  dass  es  nicht  in  denen  Bullinger' s  liegt,  weiss  ich  jetzt.  Jedenfalls 
antworte  ich  auf  Stisser 's  Antikritik  meines  Berichtes  grundsätzlich  nicht, 
wenn  ich  auch  grossentheils  um  eine  Antwort  nicht  verlegen  wäre.  Worin  ich 
aber  wirklich  geirrt  habe,  wird  ohnehin  im  Verlaufe  dieses  neuen  Berichts  ge- 
nOgend  hervortreten     Doch  s.  A  72. 

7*)  Hier  wird  sich  ja  Stisser  nicht  wieder  über  »Augurwortec  von  mir 
beklagen  können.  Aber  auch  wenn  ich  bei  der  mir  gebotenen  Kürze  einfach 
schrieb,  in  seiner  Polemik  gegen  Bernays,  Baum  gart,  Ueberweg  sei 
manches  Wahre,  halte  er  dazu  kein  Recht:  worin  ich  von  diesem  Gelehrten  ab- 


176  Aristoteles. 

znr  Verzückung  Hinneigenden  und  daher  auch  frelegentlich  wirklieben 
»korybantiastischen«  Anfällen  Ausgesetzten  zu  verstehen,  und  Aristoteles 
beruft  sich  auf  die  Allen  vor  Augen  liegende  Thatsache  (dpoffiev)^  dass 
solchen  Kranken  und  Halbkranken  durch  ein  uraltes  priesterlicheä,  ho- 
möopathisches Heilverfahren  77)  gerade  mittels  Yorspielens  gewisser  ek- 
statischer Tonstücke  (sonach  also  des  Olympos)  Linderung  verschafft 
wurde,  bei  ihnen  also  diese  Katharsis  so  gut  wie  eine  ärztliche  Cur 
war  78).  Durch  analogische  Erweiterung  gewinnt  er  dann  von  da  aus 
seinen  eigenen  ästhetischen  Begriff  der  Katharsis  für  die  mehr  oder  we- 
niger Geistesgesunden  Die  Analogie  würde  nun  aber  völlig  aufhören, 
wenn  nicht  dasjenige,  wovon  diese  zeitweilig  befreit  werden,  der  schon 
mitgebrachte  Affectstoss  wäre,  sondern  der  durch  die  Kunst  erregte 
wirkliche  Affect,  um  die  anderen  Gründe  für  diese  Auslegung  hier 
nicht  zu  wiederholen.  Wer  freilich,  den  Aristoteles  überschätzend,  ihm 
nicht  zuzutrauen  vermag,  dass  er  den  eigentlichen  faulen  Fleck  dieser 
Theorie  übersehen  hat,  indem  ja  analogisch  Derjenige,  welcher  mit  be- 
reits hocherregter  wirklicher  Furcht  und  hocherregtem  wirklichen  Mit- 
leid zum  Anhören  Furcht  und  Mitleid  ausdrückender  und  daher  auch 
sympathisch  erregender  Musik  und  ins  tragische  Theater  käme,  am 
Stärksten  die  entsprechende  Einwirkung  erfahren  mttsste,  wird  nicht 
umhin  können  die  Wege  von  Bernays  zu  verlassen  und  die  Stisser's 
einzuschlagen.  Aber  er  wird  dann  abgesehen  von  den  obigen  Absurdi- 
täten mit  Stisser  auf  der  anderen  Seite  dem  Aristoteles  zutrauen  müssen, 
dass  derselbe  in  der  Definition  der  Tragödie  bei  der  Bezeichnung  von 
deren  Wirkung  de^  iXioo  xai  ^oßou  nBpaivoutra  r^v  zoAf  rotouzwv  na&y^fid'- 
Twv  xd&apaev  mindestens  so  zweideutig  gesprochen,  dass  nicht  die  nächst- 
liegende instrumentale,  sondern  die  zeitlich-räumliche  Auffassung  »durch 
Mitleids-  und  Furchtempfindung  hindurch t  t»)  die  gemeinte  ist,  und  das 


77)  Der  sagenhafte  Erfinder  war  Melampua  mit  seiner  Heilaog  der  Töch- 
ter des  Proetos 

78)  Nach  Entfernung  der  Interpolation  wird  die  Verbesserung  rox^yroQ 
(.r^s^  [xai]  xa^ptrew^  erst  recht  nothwendig.  Stisser  scheint  nicht  zu  wissen, 
was  man  unter  den  xopußayrtwvTe^  verstanden,  da  er  S.  6  f.  mir  die  Frage  vor- 
legt, ob  die  Korybantiasten  schon  Verzückung  mitbringen  oder  nicht. 

79)  Das  kommt  denn  der  Sache  nach,  wenn  auch  nicht  in  der  sprach- 
lichen Anschauung  auf  Göthe's  Auffassung  »nach  einem  Verlaufe  von  Fnrcht 
nnd  Mitleide  hinaus.  Das  genügt  aber  Ol e sing  noch  nicht,  sondern  er  ta- 
delt (S.  21)  Stisser,  dass  dieser  Bernays  zugegeben  hat,  Göthe  habe  mit 
Unrecht  die  xd^apatq  von  dem  Zuschauer  hinweg  in  die  tragischen  Personen 
verlegt.  Beides,  meint  er,  lasse  sich  ja  gar  nicht  von  einander  trennen.  Ich 
weiss  in  der  That  nicht,  wohin  man  schliesslich  mit  einer  derartigen  Philologie 
gelangen  möchte.  Ob  Aristoteles  glaubte,  der  »versöhnende  Abschlüsse  sei 
auch  für  den  tragischen  Helden  da,  oder  nicht,  haben  wir  garnicht  zu  fragen 
sondern  nur  was  seine  Worie  r&v   roiourwv  na^i^fidrtov   xd^apctv  bedeuten, 


Poetik.  177 

unentbehrliche  Mittelglied,  wodurch  denn  nun  die  Katharsis  von  diesen 
durch  die  Tragödie  erregten  Affecten  hervorgebracht  wird,  weggelassen 
habe.  Dagegen  hilft  nicht  die  Ausflucht  Stisser's  und  Giesing's, 
dass  wir  ja  in  der  That  die  genauere  Erörterung  der  Katharsis,  welche 
Aristoteles  in  der  Poetik  gegeben  hatte,  nicht  mehr  besitzen^).  Oben- 
drein müssten  doch  erst  mindestens  ähnliche  Beispiele  beigebracht  sein, 
um  zu  beweisen,  dass  nepacvetv  8cä  überhaupt  in  diesem  Sinne  gebraucht 
werden  kann.  Nun  erhebt  zwar  Stisser  den  erheblichen  Einwurf,  dass 
Aristoteles  Nik.  Eth.  II,  4.  1106  ^  19  ff.  ja  ausdrücklich  die  Suvdp£tc  in 
der  Bedeutung  blosser  Dispositionen  zu  den  Affecten  von  diesen  m&y^ 
selbst  wie  von  den  i^eeg  unterscheide.  Aber  er  irrt  sehr,  wenn  er 
glaubt,  dass  Zell  er  und  ich  diesen  Einwurf  nicht  selber  uns  schon 
gemacht  haben;  ich  wenigstens  habe  nur  geglaubt,  dass  Jeder  ihn  leicht 
sich  selbst  beantworten  könne  *^).     Nur  an  dieser  einzigen  Stelle  steht 


nnd  dass  diese  nicht  eine  endliche  Befreiung  des  Helden  von  Furcht  und  Mit- 
leid (mit  wem  eigentlich?),  sondern  nur  des  Zuschauers  oder  Lesers  bezeich- 
nen können,  wird  doch  hoffentlich  auch  Giesing  nicht  bestreiten  wollen. 

^)  Ja  g&be  nns  ein  wunderbar  günstiges  Geschick  nur  wie  die  Poiitie 
der  Athener,  so  auch  das  verlorene  zweite  Buch  wieder,  in  welchem  sie  stand  I 
Dann  würde  endlich  der  unerquickliche  Streit  aufhören. 

81)  Hierans  mag  man  abnehmen,  welches  Recht  Stisser  (S.  10)  zu  sei- 
ner ungesalzenen  Bemerkung  hatte,  dass  er  zwar  nicht  ganz,  aber  doch  einiger- 
massen  die  Ansicht  Schopenhauer's  theile,  diejenigen,  welche  in  ihrer  Ju- 
gend mit  Hegelacher  Milch  getr&nkt  sind,  büssten  dadurch  den  gesunden  Men- 
schenverstand ein.  Ich  möchte  wohl  wissen,  wem  die  Geschichte  der  Philo- 
sophie und  gesunde  Auslegung  philosophischer  Schriften  mehr  verdankt  als 
Solchen,  welche  diese  Speise  genossen  und  sieh  dann  anderweitig  auch  mit  Fleisch 
und  Brod  gen&hrt  haben.  Gerade  bei  Stisser  geht  vielmehr,  wie  das  Obige 
lehrt»  »die  Logik  und  der  gesunde  Menschenverstände,  auf  die  er  so  stolz  ist, 
zuweilen  recht  bedenklich  in  die  Brüche.  Dies  zeigt  sich  auch  noch  in  der 
Schlussbemerkung  <S.  18),  wenn  i^op/iäUiv  vielmehr  (was  in  der  That  mög- 
lich ist),  wie  es  in  Passow's  Lexikon  erkl&rt  wird,  »zu  den  Orgien  vorbe- 
reiten, weihenc  bedeuten  sollte,  so  würde  dies  nur  mit  seiner  Auffassung  ver- 
einbar sein.  Wenigstens  mein  vor  der  »Hegeischen  Milche  geretteter  Rest 
gesunden  Verstandes  sagt  mir,  dass  sie  mit  ihr  und  jeder  andern  gleich  un- 
verträglich sein  würde,  wenn  nicht  dies  Weihen  eben  doch  ein  Versetzen  in 
Ekstase  w&re,  dass  es  aber  doch  in  der  That  auch  nichts  Anderes  sein  könnte 
und  folglich  mit  den  anderen  Auffassungen  genau  ebenso  vereinbar  w&re.  Im 
Uebrigen  bin  ich  nach  den  entsprechenden  Aeusserungen  Stisser 's  darauf 
gefasst,  dass  es  nun  wieder  heissen  wird,  ich  habe,  lediglich  um  eine  vorge- 
fasste  Meinung  zu  halten,  die  ihr  widerstrebenden  Worte  gestrichen,  aber  der- 
gleichen Ausfälle  lassen  mich  kalt.  Elin  Mann  wie  Freudenthal  hat  mir 
öffentlich  das  gerade  entgegengesetzte  ehrende  Zeugniss  ausgestellt,  unter  allen 
jetzigen  Philologen  verstände  ich  mich  am  leichtesten  dazu  früher  geäusserte 
Ansiebten  zurückzunehmen. 

Jahresbericht  für  AUerthumswissenschaft.    LXVII.  Bd.   (1891.  I.)  12 


1 78  Aristoteles. 

das  nackte  8uvd/ieec  in  diesem  bestimmten  Sinne,  and  wer  Aristoteles 
kennt,  der  weiss  auch,  dass  er  ihn  nicht  auf  eine  einmal  gemachte  Un- 
terscheidung und  Terminologie  festnageln  darf.  Dort  war  sie  nothwen- 
dig,  aber  daraus  folgt  noch  nicht  im  Mindesten,  dass  Aristoteles  sich 
hier  nicht  erlaubt  haben  könnte  schon  den  blossen  in  der  Seele  ange- 
häuften und  bereit  liegenden  Affectstoff  als  ndßo^  zu  bezeichnen.  Was 
hindert  denn  hier  denselben  Ausweg  wie  Stisser  zu  ergreifen  und  zu 
sagen:  in  der  verlorenen  genaueren  Erörterung  der  Sache  wird  er  sich 
genauer  geäussert  haben?  Recht  sophistisch  ist  aber  die  Art,  wie  6ie- 
sing  es  fertig  bringt  zu  behaupten,  Zell  er  selbst  habe  sich  ja  genö- 
thigt  gesehen  wenigstens  zuzugeben,  dass  die  Katharsis  von  Furcht  und 
Mitleid  auch  noch  durch  andere  Mittel  als  Furcht  und  Mitleid  zu  Stande 
komme.  Die  Sache  liegt  vielmehr  doch  so:  nach  Zell  er  und  mir  ent- 
hält im  Sinne  des  Aristoteles  die  tragische  u.  s.  w.  Furcht  und  das  tra- 
gische u.  s.  w.  Mitleid  selbst  im  Gegensatze  zur  gemeinen  Furcht  und 
zum  gemeinen  Mitleid  diejenigen  höheren  und  idealeren  Bestandtheile, 
welche  sie  befähigen  kathartisch  auf  die  letzteren  zu  wirken.  Die  tra- 
gische Furcht  ist  nicht  eigensüchtig  wie  die  gemeine;  es  ist  mehr  als 
sonderbar,  dass  Stisser,  dessen  Deutung  der  Katharsis  ihn  zum  Fest- 
halten daran  zwingt,  dass  auch  die  tragische  Furcht  Furcht  ftlr  uns 
selbst  sei,  sich  auf  Tumlirz  beruft,  der  doch  im  Gegentheil  überzeu- 
gend dargethan  hat,  dass  sie  vielmehr  Furcht  ist  für  die  tragischen 
Helden  (s.  Ber.  XLII.  S.  260  f.,  vgl.  auch  Zell  er  Arch.  II.  S.  292). 
Und  da  die  letzteren  (nach  G.  9)  Typen  des  allgemein  Menschlichen 
sind,  ist  ebendamit  auch  das  tragische  Mitleid  in  eine  universellere  Sphäre 
erhoben. 

Immerhin  ist  durch  Stisser 's  Arbeiten,  wie  man  sich  auch  zu 
ihnen  stellen  mag,  die  Untersuchung  wirklich  gefördert.  Dagegen  hätte 
der  kleine  Aufsatz  von 

129)  Karl  Goebel,  Zur  Katharsis  des  Aristoteles.  Jahrb.f.PhiloL 
CXXXVII.  1888.  S.  102-104 

ohne  Schaden  unveröffentlicht  bleiben  können,  so  wenig  ich  gegen  den 
Inhalt  einzuwenden  habe.  Denn  was  Goebel  selbst  über  die  Katharsis 
sagt,  wiederholt  nur  was  so  ungefähr  Zeller  und  ich  schon  gesagt  ha- 
ben, und  wenn  er  schreibt,  dass  Plat.  Ges.  VI.  790 E f.  seines  Wissens 
für  das  Verstäudniss  der  aristotelischen  Definition  der  Tragödie  noch 
nicht  ausgebeutet  sei ,  so  reicht  dies  Wissen  nicht  einmal  bis  zu 
B  e  r  n  a  y  s  Aristoteles  über  Wirkung  der  Trag.  S.  189  f.  =  Zwei 
Abhandlungen  S.  88  f. ,  welcher  bereits  richtig  bemerkt  hat ,  wesshalb 
uns  diese  Stelle  dennoch  fQr  die  Erklärung  des  Aristoteles  zu  Nichts 
helfen  kann:  »Hier  ist  einmal  dasselbe  psychologische  Problem  von 
Piaton  mechanisch  und  von  Aristoteles  dynamisch  behandelte  Und  so 
sagt  denn  auch   Zell  er  Arch.  IIl.  S.  316  nicht  minder  richtig:    ȟber 


Poetik.  1 79 

die  Mittel  and  den  psychologiscben  Hergang  dieser  Beschwichtigung  bei 
der  tragischen  Katharsis  gieht  die  Stelle  keinen  genaueren  Aufschlüsse 
Ungleich  erheblicher  ist  ein  anderer  kleiner  Aufsatz  von 

130)  C.  Meiser,  Ein  Beitrag  zur  Lösung  der  Katharsisfrage,  Bl. 
f.  bayer.  Gymnasialschulw.  XXIIL  1887.  S.  211— 214, 

indem  hier  zur  Erklärung  der  aristotelischen  xd^apmQ  t<ov  rotoortov 
naBijfidrijjv  die  in  der  That,  wie  auch  Zeller  Arch.  II.  S.  292  urtheilt, 
zutreffende  Parallele  bei  Plut.  de  inimic  util.  10.  91  F  ratv  na&wv  rou- 
Tüpv  noeoufievo^  ei^  roug  i^^Bpobg  dnoxa&dpaet^  »wenn  er  diese  Affecte 
(um  sich  von  ihnen  zu  reinigen)  an  seinen  Feinden  auslässtc  beibringt. 
»In  der  That  will  Aristoteles  gewissen  menschlichen  Affecten  durch  die 
Kunst  Befriedigung  verschaffen  und  sie  dadurch  aufheben,  bis  wieder 
neuer  Stoff  im  Gemttthe  sich  gesammelt  hatc  Dies  findet  denn  M  eis  er 
am  Besten  wiedergegeben  durch  die  Erläuterung  von  Ueberweg  Gesch. 
d.  Phil.  n.  S.  233  f.,  mit  der  indessen  bis  so  weit  ja  auch  Zell  er  und 
und  ich  übereinstimmen.  Aber  mit  Recht  bemerkt  Zell  er  a.  a.  0. : 
ȟber  die  Hauptfrage  freilich,  warum  gerade  die  Kunst  und  durch  wel- 
che ihr  eigenthümlichen  Mittel  sie  jene  Katharsis  bewirkt,  erhalten  wir 
durch  die  Plutarchstelle  keinen  Aufschluss.  Gegen  Meiser  streitet 
Bullinger  Metakrit.  Gänge  (s.  No.  44)  S.  24—26,  nachdem  er  S.  19 
bis  24  seine  Auffassung  der  Katharsis  von  Neuem  vertheidigt  hat.  Ge- 
gen seine  Deutung  der  angeblich  »absolut  klaren  Stellec  Aristot.  Pol. 
1342*  4 ff.  verweise  ich  auf  meine  obigen  Bemerkungen  über  dieselbe. 
Bei  Lukian.  de  saltat.  81  findet  er  mit  Rettig  in  dessen  Ausg.  von 
Xenoph.  Gastm.  S.  272  die  Katharsis  wieder.  Ich  begnüge  mich  dies 
zu  berichten  und  enthalte  mich  absichtlich  jeder  Polemik.  Sehe  Jeder 
selbst  zu,  ob  dies  richtig  sein  kann! 

131)  C.  Schönermarck,  Quos  affectus  comoedia  sollicitari  vo- 
luerit  Aristoteles,  quaeritur.    Leipzig  1889.  58  S.  8.  (Doctordiss.) 

leistet  mehr,  als  der  Titel  seiner  Dissertation  verspricht.  Sein  eigent- 
liches Thema  behandelt  er  S.  33-52,  indem  er  zunächst  die  Yermu- 
thungen  von  Döring  Kunstlehre  des  Arist.  S.  127  -  133  bekämpft  (S.  34 
bis  41)  und  sodann  nachzuweisen  sucht,  dass  ußptg  und  ^(£/7/e>oc  diejeni- 
gen Affecte  seien,  auf  welche  Aristoteles  die  Katharsis  durch  die  Ko- 
mödie bezogen  habe.  Ich  überlasse  Andern  das  Urtheil  und  vermeide 
es  meinerseits  nach  Möglichkeit  diesen  schlüpfrigen  Boden  zu  betreten, 
indem  ich  trotz  der  Zuversicht  des  Verf.  bei  der  Ueberzeugung  bleibe, 
dass  die  Anhaltpunkte  zu  schwach  für  eine  auch  nur  einigermassen 
wissenschaftliche  Entscheidung  sind;  haben  wir  doch  selbst  bei  den  viel 
stärkeren  für  die  tragische  Katharsis  das  Dunkel  nur  theilweise  zu 
lichten  vermocht  I  Im  ersten  Theil  und  wieder  zum  Schluss  beschäftigt 
sich  Schönermarck  mit  der  letzteren.   Er  vertheidigt  die  Lessingsche 

12* 


180  Aristoteles. 

Erklärung  von  <ptXdvBpa»nov  (S.  10—12)  mit  sehr  wegwerfender  Behand- 
lung ihrer  Gegner  und  bringt  (S.  29  f.)  voUends  das  Kunststack  fertig, 
dass  es  eigentlich  sogar  noch  mehr  abgeschwächte  Furcht  ftlr  den  Böse- 
wicht als  abgeschwächtes  Mitleid  mit  ihm  sein  soll  Ueber  die  dieser 
Deutung  schlechthin,  wie  er  einsieht,  widersprechende  Stelle  Rhet.  11,  9. 
1386^25 ff.  (vgl.  Ber.  XLII,  S.  236.  L.  S.  18)  hilft  er  sich  mit  der  im 
Allgemeinen  richtigen  und  auch  gar  nicht  neuen  Bemerkung  hinweg, 
dass  es  nicht  zulässig  sei  die  Bestimmungen  der  Rhetorik  ohne  Weiteres 
auf  die  Poetik  zu  übertragen  (S.  7 f.)*  Als  ob  es  denkbar  wäre,  dass 
Aristoteles  hier  das  gerade  Gegen th eil  von  seiner  eigenen  Meinung 
gesagt  hätte  ^)!  Am  Ausführlichsten  handelt  er  über  die  tragische 
Furcht  (S.  16 — 30),  indem  er  eine  Reihe  von  Argumenten  Derjenigen, 
welche  sie  für  die  Furcht  um  den  tragischen  Helden  erklären,  theils  mit 
Recht  und  theils  mit  Unrecht^)  bestreitet,  aber  schliesslich  sich  selbst 


>*)  Auch  sonst  ist  Schönermarck  in  dieser  Erörterung  über  Rhetorik 
und  Poetik  nicht  durchweg  glücklich.  Denn  wenn  es  in  der  Rhet  II,  8. 
1386^4  (nicht,  wie  er  angiebt,  1385^34)  heisst,  dass  wir  am  Meisten  die 
<moudaiot  bemitleiden,  während  in  der  Poet.  13.  1452  ^  84ff.  gesagt  wird,  der 
Sturz  der  im^tzu^  ins  Unglück  sei  nicht  <Ae«ivov,  sondern  /itapöv,  so  stimmt 
dies  zwar  zu  jener  seiner  Remerkang,  aber  der  Widerspruch  ist  doch  nur  ein 
scheinbarer,  da  der  tragische  Held  im  Folgenden  als  ein  solcher  beschrieben 
wird,  der  doch  trotz  seiner  ßsydh^  dfiapria  immer  noch  ein  üKOudalo^  bleibt 
(1453  a  16  fj  oXou  ttpijrat  1j  ß^lriovoq  ßäkXov  ^j  ^eipovog).  Für  die  Rhet  war 
der  knrze  Ausdruck  angebracht  und  die  feinere  Unterscheidung  unnöthig. 
Uebrigens  vgl.  hinsichtlich  ihrer  auch  das  oben  unter  No.  89  Bemerkte. 

M)  So  wiederholt  er  S.  21  f.  den  abgeschmackten  Einwurf  von  Wille, 
dass  ich  bei  der  Auslegung  der  Worte  Poet  11. 1453 •  4ff.  selbst  die  von  mir 
geltend  gemachte  hermenentische  Regel  verletze,  auf  den  ich  bereits  Ber. 
XVII.  S.  286.  A.  60  das  Nöthige  erwidert  habe.  Und  dabei  billigt  er  dieselbe 
Auslegung!  Nicht  viel  besser  ist  sein  Verfahren  S.  27f.  in  Bezug  auf  meinen 
Nachweis,  dass  Poet  14.  1253^27  — 1254*  9  die  überlieferte  Ordnung  der  Glie- 
der nicht  die  richtige  sein  kann.  Er  sagt  erst:  »Snsemihlius,  quem  Vahlenns 
magis  lacessivit  quam  refutavitc,  aber  dasselbe  passt  genau  auf  ihn.  Aristot. 
selbst  bezeichnet  deigenigen  Fall  als  den  schlechtesten,  an  welchem  zugleich 
das  fitapöv  und  das  dna^ig  klebt,  und  zwar  ausdrücklich  ans  diesem 
Grunde  (/dp)  ^  noch  an  einem  anderen  setzt  er  indirect  offenbar  bloss  das 
ßtapöu  aus.  Aber  Schönermarck  weiss  es  besser:  »Volnptate . . .  tragica 
sola  metitnr  Aristoteles  rd  nd^q,  Falso  igitur  Susemihlius  putat  ex  ßtapf 
et  d-Ka^Bt  normas  esse  depromptas  etcc.  Und  das  nennt  er  eine  »brevis  re- 
futatioc  I  Inzwischen  ist  längst  nachgewiesen  (s.  Ber.  IX.  S.  363f.  XXX.  S.  85  f.), 
dass  Aristot.  das  ausdrücklich  als  oö  rpaytxov  von  ihm  bezeichete  dnaMq  als 
einen  noch  grösseren  Fehler  als  das  /iiapöv  ansah  und  folglich  die  nach  der 
Ueberlieferuog  beste  Gestaltung  nicht,  wie  ich  wollte,  als  die  zweitbeste,  son- 
dern erst  als  die  dritte,  und  dass  also  die  Umstellung  der  Glieder  in  diesem 
Sinne  vorzunehmen  ist  Das  scheint  nicht  zur  Kunde  Schönermarck's  ge- 
langt zu  sein. 


Poetik.  181 

entschieden  zu  Gunsten  dieser  Auffassung  ausspricht,  wohei  er  richtig 
behauptet,  es  sei  nach  Aristoteles  dieselbe  Art  von  Furcht,  mit  der  man 
für  sich  selbst  und  mit  der  man  fQr  Andere  fQrchtet,  nur  müssen  diese 
Anderen  uns  möglichst  geistesverwandt  und  gleicbgeartet  (ofiotoi)  sein. 
Allein  damit  hört  doch  die  erstere  nicht  auf  viel  selbstischer  zu  sein 
als  die  letztere.  Das  tragische  Mitleid  bespricht  er  S.  13  —  16,  indem 
er  mit,  wie  mir  scheint,  recht  zweifelhaftem  Erfolge®^)  die  Erörterung 
von  Tumlirz  noch  dahin  zu  erweitern  sucht,  dass  er  dasselbe  in  Be- 
zug auf  Zukünftiges  nicht  auf  das  unabwendbare  nahe  bevorstehende 
Leid  des  Helden  beschränkt  sehen,  sondern  auf  alles  zukünftige  des- 
selben in  der  Tragödie  ausdehnen  will^).  Dass  dieselbe  Mitleid  und 
Furcht  errege,  bezeichnet  Plat.  Phaedr.  268  C  D  als  Etwas,  was  auch 
der  Stümper  weiss;  dadurch  lässt  Schönermarck  S.  29f.  sich  nicht  ab- 
halten, anknüpfend  an  einen  unvorsichtigen  Ausdruck  SpengeTs^), 
daraus,  dass  Plat.  Rep.  X.  606  B  allerdings  nur  von  Mitleid  spricht,  zu 
folgern,  dass  erst  Aristoteles  die  Furcht  hinzugefügt  habe.  Das  Wesen 
der  tragischen  Katharsis  und  eben  damit  ihren  Nutzen  (vgl.  Pol.  1341^  36ff.) 
beschreibt  der  Verf.  8.  66 f.  genau  so  wie  Ueberweg,  womit  ich  in  so 
weit  ganz  einverstanden  bin,  nur  dass  ich  eben  auch  hier  jene  obige 
Bemerkung  Zeller's  wiederholen  muss,  dass  damit  noch  die  Antwort 
gerade  auf  die  Hauptfrage  fehlt  "7).  Ob  Aristoteles  die  weitere  Frage, 
wie  aus  den  Unlustempfindungen  Furcht  und  Mitleid  Lust,  nämlich  die 
olxeia  ißovi}  der  Tragödie,  entstehen  kann,  so  beantwortet  hat,  wie  der 
Verf.  S.  30-32  sie  ihn  beantworten  lässt,  darüber  kann  ich  meinen 
Zweifel  hier  nicht  begründen.  Darin  freilich  hat  Schönermarck  (S.63 
bis  66)  Recht,  dass  diese  x^^  dßXaßijg  (vgl.  Pol.  1342^  16)  nicht  mit 
der  Katharsis  einerlei  ist,  aber  schwerlich  darin,  dass  sie  ihr  voran- 
gehe.   Denn  ausdrücklich  bezeichnet  Aristoteles  die  Katharsis  (zunächst 


M)  Das  ftiXkov  Poet.  14.  1463 1>  18  beweist  gar  Nichts,  denn  das  könnte 
sich  sogar  bloss  auf  die  Furcht  beziehen,  und  Alles  wäre  auch  dann  noch  in 
bester  Ordnung.  Ebensowenig  verstehe  ich  den  Einwurf,  nach  der  Auffassung 
von  Tumlirz  mflsste  es  Rhet  1386^2  yäp  statt  (des  ersten  nat)  heissen. 

M)  So  dass  dann  also  nur  noch  der  Hauptunterschied  bliebe :  wir  bemit- 
leiden die  tragischen  Personen,  insofern  sie  über  Verdienst  leiden,  wir  furchten 
für  sie,  insofern  sie  Unseresgleichen  sind. 

M)  Ueb.  d.  xd^.  Tttfv  na^ijn,  8  43 f.,  welcher  bei  der  Bemerkung,  die 
betreffende  Definition  sei  gegen  Plat  Rep.  X.  604—607  gerichtet,  hervorhebt, 
Aristoteles  setse  noch  die  Furcht  hinzu. 

S7)  Darüber  kommt  man  nicht  hinweg  durch  Schönermarck 's  an  sich 
vielleicht  ganz,  jedenfalls  theilweise  richtige  Bemerkung:  »lam  si  quis  dicat 
hanc  catbarsis  notionem  plane  abhorrere  a  nostrorum  temporum  elegantia, 
equidem  nihil  moror.  Tantum  enim  abest,  ut  catharsi  summam  tragoediae  et 
comoediae,  nedum  artis  legem  contineri  concedam,  ut  contra  ad  recentium  po- 
pulorum  artem  iniuria  referri  existimem.c 


1 82  Aristoteles. 

die  musikalische)  Pol.  1342»  14 f.  als  ein  xooftZtaBtu  ;ie&'  ^o)f^c.  Und 
ich  denke,  er  kann  das  Yerhältniss  dieser  ^oi^  zu  jenem  xoü^iZeaBai^ 
der  durch  das  Auslassen  von  Furcht  und  Mitleid  erfolgenden  Gemttths- 
erleichterung ,  nicht  anders  bestimmt  haben,  als  wie  er  überhaupt,  wo- 
von schon  oben  die  Rede  war,  das  Yerhältniss  der  Lust  zur  Thätigkeit 
im  10.  Buch  der  nikom.  Ethik  bestimmt:  jenes  Auslassen  ist  so,  wie  es 
durch  eine  gute  Tragödie  geschieht,  nach  ihm  ja  auch  offenbar  eine  ge- 
sunde Seelenthätigkeit.  Wie  er  die  genaueren  Modalitäten  dieses  Vor- 
gangs beschrieben  hat,  lässt  sich  nur  sehr  theilweise  vermuthen.  Scharf- 
sinnig meint  Schönermarck,  die  Unterscheidung  eines  doppelten 
Zweckes  ob  Svexa  und  %  die  nach  Themistios  in  der  Poetik  gestanden 
haben  soll,  habe  sich  auf  die  der  xadapatg  und  der  oixeea  ^ov^  bezo- 
gen, dergestalt,  dass  letztere  somit  als  eine  bloss  vorttbergehende,  er- 
stere  als  eine  länger  andauernde  Wirkung  bezeichnet  sei.  Wenn  nur 
nicht  bekanntlich  jenes  Citat  des  Themistios  so  vielen  Bedenken  ausge- 
setzt wäre!  Möchte  nun  aber  doch  Schönermarck's  Schrift  die  letzte 
über  die  Kartharsis  sein!  Denn  hier  heisst  es  nachgerade  wirklich:  piget 
pudet  poenitet  taedet  atque  miseret  Aber  das  ist  wohl  leider  nicht  zu 
hoffen,  das  Schicksal  wird  weiter  seinen  Gang  gehen. 
Das  etwas  wunderliche  Büchlein  von 

132)  Dr.  Adam,  Die  Aristotelische  Theorie  vom  Epos  nach  ihrer 
Entwickelung  bei  Griechen  und  Römern.  Wiesbaden,  Limbarth.  1889. 
116  S.  8. 

ist  von  Döring  Woch.  f.  kl.  Ph.  VII.  1890.  Sp.  878-376,  Knaack 
Deutsche  L.-Z.  1890.  Sp.  1020f.,  Sittl  N.  ph.  Rdsch.  1890.  Sp.  193 f. 
und  Cam.  Huemer  Zeitschr.  f.  d.  österr.  G.  XLI.  1890.  S.  503 — 505 
angezeigt  worden.  Der  Erstgenannte  bemerkt  u.  A.  richtig,  dass  der 
Titel  falsch  ist,  indem  es  »Fortwirkungf  statt  »Entwickelungc  hätte  heissen 
müssen.  Der  Letztgenannte  giebt  einen  sehr  klaren  und  vollständigen 
Bericht,  auf  den  ich  Jeden,  der  eine  vorläufige  Orientirung  wünscht,  ver- 
weise. Aber  auch  dieser  mildeste  Beurtheiler  vermisst  doch  mit  Recht 
Gedrungenheit  und  Uebersichtlichkeit  der  Darstellung  und  Schärfe  der 
Untersuchung,  und  er  hätte  noch  hinzufügen  sollen,  dass  namentlich  auch 
die  bestimmte  Unterscheidung  dessen  mangelt,  was  wir  wirklich  mit 
Sicherheit  oder  doch  hoher  Wahrscheinlichkeit  wissen,  und  dessen,  was 
wir  nur  in  mehr  oder  weniger  ansprechender  Weise  vermuthen  können. 
Dass  freilich  der  Verf.  für  die  in  der  That  »schlecht  geordnete  und  un- 
vollständigec  Darstellung  der  aristotelischen  Theorie  sich  bei  der  Be- 
nutzung meiner  Ausgabe  der  Poetik  beruhigte,  in  welcher  er  das  bis 
dahin  erschienene  exegetische  Material  am  Vollständigsten  gesammelt 
fand,  macht  ihm  Döring  m.  E.  mit  Unrecht  zum  Vorwurf:  für  seine 
Zwecke  durfte  er  sich  vielmehr  wohl  damit  begnügen,  und  besondere 
sachliche  Fehler  hat  er  bei  dieser  Darstellung  denn  auch  fast  gar  keioe 


Poetik.  j  83 

begangen  ^),  abgesehen  davon,  dass  er  seine  fixe  Idee,  die  meisten  spä- 
teren Kunstkritiker  nach  Aristarchos  hätten  Ilias  und  Odyssee  für  ein 
grösseres  Ganze,  einen  Cyklus,  angesehen,  auch  schon  in  zyiei  Stellen 
anderer  Schriften  des  Aristoteles  (Anal.  post.  I,  12,  77^  31  ff.  Soph.  el. 
10.  171»  lOff.)  hineinzuerklären  versucht,  in  denen  keine  Spur  davon  zu 
finden  ist^').     Wenn  abgesehen  hiervon  und  von  dieser  unglücklichen 
Idee  selbst  alles  Uebrige  nicht  an  grösseren  Fehlern  litte!     Wenn  nur 
aberall  der  Schein  einer  gewissen  Uebereinstimmung  mit  aristotelischer 
Theorie  von  der  Wirklichkeit  scharf  gesondert  und,  wo  die  Wirklichkeit 
Torliegt,  nicht  gleich  ohne  Weiteres  und  ohne  jeden  Beweis  die  unmittel- 
bare oder  mittelbare  Herkunft  aus  Aristoteles  angenommen  wäre!    Ich 
selbst  habe  (Gesch.  der  gr.-alex.  Litt.  I.  S.  406.  A.  179^)  die  Vermu- 
thung  aufgestellt,  dass  die  peri patetischen  und  die  kaliimacheischen  An- 
klänge in  der  Ars  poetica  des  Horatius  durch  einen  mittelbaren  gemein- 
samen Rückgang  auf  Kallimachos,  den  Schüler  des  Peripatetikers  Praxi- 
phanes,  zu  erklären  seien,  aber  das  ist  eine  Vermuthung,  von  der  erst 
abzuwarten  ist,  ob  die  weitere  Forschung  sie  wiederlegen  oder  sie  durch 
stärkere  Indicien  zu  bestätigen  vermögen  wird,  und  aus  der  ich  einst- 
weilen nicht  den  geringsten  weiteren  Schluss  ziehen  würde,  da  bei  dem 
fortwährenden  Bauen  von  Hypothesen  auf  Hypothesen  nichts  Gesundes 
herauskommt.  Aber  gesetzt  auch,  die  Sache  wäre  richtig,  gesetzt  femer, 
Kallimachos  habe  wirklich  seine  Hekale  nach  den  Regeln  des  Aristoteles 
über  die  Einheit  der  Fabel  und  ebenso  Rhianos,  wovon  wir  vollends  zum 
Wenigsten  nach  dem  jetzigen   Standpunkte  der  Forschung   gar  Nichts 
wissen  können,  ebenso  seine  MeaoTjvtaxd  aufgebaut,  so  wäre  doch  damit 
die  Behauptung,  es  sei  dies  der  tiefere  Grund   des  Streites   zwischen 
Kallimachos  und  Apollonios,  noch  nicht  im  Entferntesten  bewiesen.  Denn 
Ersterer  wollte  keine  fernere  Nachahmung  des  Homeros,  d.  h.  der  Ilias 
nnd  Odyssee,  während  Letzterer  sie,  freilich  verfehlt  genug,  anstrebte, 
Aristoteles  aber  erklärte  den  Dichter  der  Ilias  und  der  Odyssee  für  den 
weitaus  grössten  und  nachahmenswerthesten  Epiker,  folglich  stand  hierin 
Apollonios  ihm  thatsächlich   ungleich  näher  als  Kallimachos.    Und  wer 
wird  es  wohl  so  leicht  glauben,  dass  auch  von  der  Aeneide  ein  Gleiches 
gelten  soll  wie  nach  diesen  Behauptungen  von  der  Hekale?  Dass  Adam 
nichts  Neues  gebracht  habe,  behauptet  daher  Huemer  mit  Unrecht,  aber 
wie  viel  von  diesem  Neuen  ist  wahr?  Dazu  kommt  aber  noch  seine  von 
Knaack  gerügte  und  auf  diesem  seinen  eigentlichen  Untersuchungsge- 


M)  Döring  führt  (Sp.  374)  als  recht  schlagende  Beispiele  für  die  In- 
correctheit  derselben  drei  an,  von  denen  er  in  Bezug  auf  das  erste  Recht  hat, 
während  die  angeblichen  beiden  anderen  vielmehr  beweisen,  dass  Döring 
selbst  dem  seit  der  Herausgabe  seines  Buches  eingetretenen  Gange  und  Fort- 
schritte der  Forschung  nicht  gefolgt  ist. 

8»)  S.  hierüber  Döring  Sp.  375 f 


184  Ariitoteles. 

biet  mit  Recht  zu  rügende  ünkenntniss  der  neueren  Litteratur,  so  dass 
er  Aber  das  xuxXixdv  novrjfM  und  die  alexandrinische  Kritik  »frisch  and 
munter«  ohne  Rücksicht  auf  Dilthey  und  die  homer.  Untersuchungen 
von  Wilamowitz  handelt,  ja  nicht  einmal  0.  Schneid er's  Callimachea 
zu  kennen  scheint.  Ich  habe  sogar  keine  Spur  einer  Benutzung  von 
Kiessling's  Horatius  gefunden.  So  fehlen  denn  auch,  wie  Knaack 
femer  bemerkt,  in  der  Sammlung  der  ästhetischen  Urtheile  in  den  Homer- 
scholien  und  bei  Eustathios  (S.  30 — 48)  manche  Thatsachen  von  Belang) 
und  sie  ist  ohne  die  nöthige  Kritik  abgefasst 

Endlich  ist  noch  die  populäre  XJebersetzung  der  Poetik  im  Westen- 
taschenformat von 

188)   H.  Stich,  Die  Poetik  des  Aristoteles.    Leipzig,  Reclam. 
101  S.    16. 

ohne  Jahresangabe  hier  kurz  zu  erwähnen,  die  ihrem  Zwecke,  wenn  man 
ihn  gelten  lässt  (worüber  hier  nicht  zu  streiten  ist),  sehr  gut  entspricht- 
Denn  der  Uebersetzer  zeigt  sich  in  der  Einleitung,  der  deutschen  Wie- 
dergabe und  den  Anmerkungen  als  ein  Mann,  der  nicht  bloss  seinen  Ge- 
genstand, sondern  auch  die  Litteratur  über  denselben  wohl  kennt  und 
mit  gesundem  Urtheil  geprüft  und  aus  dieser  Prüfung  im  Grossen  und 
Ganzen  das  Beste  behalten  und  aus  diesem  Besten  seinem  Zweck  ge- 
mäss das  Allemöthigste  für  seinen  Leserkreis  ausgezogen  hat.  Ueber 
einzelne  allerdings  von  ihm  begangene  Fehler  mit  ihm  zu  rechten  ist 
nicht  meine  Aufgabe. 


JAHRESBERICHT 

über 

die  Eortsckritte  der  classischen 

Alterthumswissenscliaft 


Conrad   Bursian, 

herausgegeben 

Iwan  V.  Müller, 

ord.  öffeDÜ.  Ptof,  d«  clasiiicbcD  Philologe  aa  der  UniveraitlEt  ErkiigeD. 


Achtandsechzigster  Band. 

Neunzehnter  Jahrgang.    1891. 

Zweite  Abtbeilang. 

LATEINISCHE  KLASSIKER. 


BERLIN    1892. 

VERLAG  VON  S.  CALVARY  &  CO- 

W.  UdIct  den  Liodeo  31. 


Inhal  ts-Verzeichniss 

des  achtuodsechzigsten  Bandes. 


Litteraturbericht  über  Plantus  von  Prof.  Dr.  0.  Seyffert 
in  Berlin  folgt  später. 

Jahresbericht  über  Terentius  und  die  übrigen  scenischen 
Dichter  ausser  Plautns  für  1884  bis  1888.  Von  Gymna- 
sial-Rektor  A.  Spengel  in  Passau 171—209 

A.  Schriften  vertohiedenen  Inhaltt  171.  —  B.  Grammatitohea 
179  —  C.  Ausgaben  183.  -  D.  Einzelne  Stellen  187.  —  E.  Do- 
natua  und  Eugraphiua  191.  —  F.  Andere  aoeniaohe  Diohter. 
Ennius  192.  200.  —  Livias  Andronicus  and  Naevias  195.  —  Fa- 
bula  Atellaoa  203.  —  Tragoedia  206.  —  Seneca  Tragicus  205. 

Die  Berichte  über  die  römischen  Epiker  nach  Vergilius  von 
Prof.  Dr.  Jeep  in  Königsberg;  Lucretius  von  Oberlehrer 
Dr.  Brieger  in  Halle;  Lucilius  von  Professor  Dr.  J.  Sto- 
wasser  in  Wien;  Ovidius  und  lateinische  Anthologie  von 
Prof.  Dr.  R.  Ehwald  in  Gotha;  Vergilius  von  Dr.  Güth- 
ling  in  Liegnitz;  Horatius  von  Prof.  Dr.  L.  Häussner 
in  Karlsruhe;  römische  Satiriker  von  Prof.  Dr.  L.  Fried- 
1  ander  in  Königsberg  und  über  GatuU,  Tibull  und  Properz 
von  Oberlehrer  Dr.  0.  Magnus  in  Berlin  folgen  später. 

Bericht  über  die  Litteratur  zu  Phaedrus  und  Avianus 
seit  1889.  Von  Oberlehrer  Dr,  H.  Draheim  in  Berlin  210  —  2! 

Ellis'  Avian -Aasgabe  210.    —    Uebersicht  der  Bemerkungen  zu. 
Avian  211.  —  Phftdrus  213.  —  Uebersicht  der  Bemerkungen^ 
Ph&drns  222. 

^^Von 
Bericht  über  die  Litteratur  zu  Caesar   1883— IS^      1  —  118 

Professor  Dr.  H.  J.  Heller  in  Berlin    .     .    ^'     ' ., 

>C  18.  —  Bellum 
Einleitung  1.  —  Bellum  gallloum  2.  -  Bellun^y^  Hiapanienae 
Alexandrlnum  42.  -  Bellum  Afrioanum  47^,^^^^  85.  -  Heer- 
67.  -  Erifiuterungaaohriften  73.  -  Djj^_  Grammatisches  102. 
wesen  87.  —  Bilderatlas  97.  —  Le 
—  Einzelne  Stellen  108. 


/ 

/ 


IV  Inhalts -Verzeichniss. 

Die  Berichte  über  Sallustius  von  Professor  Dr.  H.  Wirz  in 
Zürich;  Livius  von  Conrektor  Prof.  Dr.  Fügner  io  Nien- 
burg; Curtius  von  Dir.  Prof.  Dr.  He  dicke  in  Sorau;  üor- 
nelius  Nepos  von  Prof.  Dr.  Bitscbofsky  in  Wien;  Velle- 
jus  Paterculus  von  Prof.  Dr.  Morawsky  in  Krakau;  zu 
den  Scriptores  bist.  Augustae  von  Dir.  Prof.  Dr.  H.  Peter 
in  Meissen ;  spätere  Geschichtsschreiber  seit  Suetonius  von 
Prof.  Dr.  Petschenig  in  Graz;  Tacitus  von  Professor  Dr. 
Helmreich  in  Augsburg;  Cicero  von  Studienrektor  Dr. 
Jacob  Simon  in  Kaiserslautern,  Dr.  G.  Landgraf  in 
München,  Dir.  Dr.  J.  H.  Schmalz  in  Tauberbischofsheim 
und  Bibliothekar  P.  Schwenke  in  Göttingen;  zu  römischen 
Rhetoren  von  Prof.  Dr.  Ströbel  in  Nürnberg;  Seneca 
Rbetor  von  Dir.  Prof.  Dr.  H.  J.  Müller  in  Berlin;  Quin- 
tilian  von  Dir.  Dr.  F.  Becher  in  Aurich;  Briefe  des  jün- 
geren Plinius  von  Prof.  Dr.  Ströbel  in  Nürnberg;  Plinius 
naturalis  historia  von  Dr.  Urlichs  in  Würzburg  werden 
später  erscheinen. 

Bericht  über  die  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  la- 
teinischen Grammatiker  für  die  Jahre  1877  —  1890. 
Von  Professor  Dr.  Georg  Goetz  in  Jena     .     .     .     119_170 

EiDipitendes  119.  ~  1.  Die  Grammatiker  der  Republik  und  der 
augusteieohen  Zeit.  Ennius.  Glossographen  Aelins  Stiio  120. 
—  M.  Terentius  Varro  121.  -  Nigidius  Figulus  123.  -  Cicero 
123.  —  Verrius  Flaccus  126.  —  II  Die  Grammatiker  der  tpfi- 
teren  Zelt.  Scriptores  de  orthographia  130.  —  Remmius  Palae- 
mon  132.  —  M.  Valerius  Probus  13ö  —  Asconius  Fedianus 
Nisus.  Plinius  137  —  Nachtrag  zu  Plinius  170.  —  Quintilianns 
138  —  Flavius  Caper  139.  -  Terentius  Scaurus  141.  —  Sulpicius 
Apollinaris  143.  —  Gelliua  144.  —  luliua  Romanus  145.  -  Aemi- 
lius  Asper.  Nonius  146.  Porphyrio.  Artigraphi  149.  -  Dio- 
medes.  Euanthius  Donatus  löl.  —  Serrius  152.  -  Arasianus 
Messius  163.  —  Macrobius.  Cledonius  164.  -  Gonsentius.  Pho- 
cas.  Priscianus  155.  —  Adamantius  and  Martyrius.  Eugraphias 
158.  -  Fulgentius.  Diflferentiarum  scriptores  159.  —  Glotaae 
160.  —  Placidus  161.  —  Pseudodositheus  163.  —  Einzelnes  zu 
01o88a»ieD  166   —  Corpus  glossariorum  168. 

Jahresbericht  üw  Vulgär-  und  Spätlatein  (spätere  latei- 
nische Schrii tstelUr)  1 884- 1 890.    Von  Professor  Dr.  K  a  r  1 

Sittl  in  Würzburg 226 286 

Einleitung  über  das  Vulgfirufeln  im  Allgemeinen  266.  —  Archais- 
mus.   Cicero  233.  -   Die  Epigonen.    Fronto.    Apulejus  235.  ~ 


Inhalts  •  Ve  rzeichniss. 

Dichter.  Claadianaa  Mamertos  236.  —  Die  Bibel  239.  —  Kirchen- 
▼ftter.  Gr&cismus  241.  —  Umgangstpraohe  243.  —  Lautlehre 
und  Orthographie  246  ~  WortbilduDg  251.  —  Lexiliographie 
2d5.  —  Synthese  und  Syntax  267  —  Partilceln  268  —  Poesie. 
Ausouius.  Glaadianus.  Juvencus  261.  —  Dracontins.  Corippua 
262.  —  Commodianas  263.  —  Rhetoren.  Fronto  263.  —  Pane- 
gyrici  264.  —  Apollinaris  Sidonios.  Ennodins.  Symmachas  265. 
—  Kirohensohriftsteller.  Hieronymas  266  —  Aogustinus.  Pris- 
cillianus  267.  —  Lucifer.  Optatus.  Cassianas  269.  —  Historiker. 
Ammianus  270.  —  Justinns  271.  —  Eatropius.  Orosius  272.  — 
Grammatiker.  Donatus  nnd  Servius.  Gellias.  Porphyrio  273.  — 
Juristen  274.  —  Mediziner  276.  —  Vitravius.  Silvia  277.  —  In- 
aohriften  278.  —  Appendix  Probi.  Petronias  279.  ~  (Mittellatein 
279.  —  Romanisten  283. 


Bericht  über  die  Litteratur  za  Caesar  1883 — 1890. 

Von 

Professor  H.  J.  Heller 

in  Berlin.    • 


Die  jüngste  Zeit  ist  ausserordentlich  reich  gewesen  an  Erscheinun- 
gen der  Caesarlitteratur.  Zwar  bat  sich  die  Hochfluth  der  Einzelfor- 
schnngen  in  Betreff  der  von  dem  römischen  Feldherrn  gelieferten  Schlach- 
ten nnd  ausgefahrten  Märsche  und  Unternehmungen»  welche  in  Frank- 
reich dem  Erscheinen  des  Werks  Napol^on's  IIL  vorangegangen  sind, 
verlaufen;  die  Gesammtausgabe  der  Gölerschen  Schriften,  die  Ab- 
handlung des  Majors  Jfthns,  die  Werke  Heuzey's,  Tissot  -  Reinach's, 
Tissot's,  Judeich's  und  namentlich  des  Obersten  Stoffel  haben  den  Ab- 
schluss  dieser  Untersuchungen  gebildet.  Die  bewährte  Tbätigkeit  Ditten- 
berger's,  Holder's,  Dinter's,  Menge's,  Prammer's,  Em.  Hoffmann's,  Eraf- 
fert's,  Fr.  Hofmann's  und  Anderer  ist  in  gewohnter  Weise  mit  frischen 
Leistungen  hervorgetreten;  ihnen  hat  sich  letzthin  H.  Walther  ange- 
schlossen ;  Rud.  Schneider  und  Mensel  haben  f&r  eine  neue  Richtung  in 
der  Kritik  der  echten  Schriften  Caesar's  eifrig  wirksam  zu  sein  begon- 
nen, und  ihren  Spuren  sind  H.  Walther  und  Richard  Richter  gefolgt; 
im  bellum  civile  haben  Paul  und  Em.  Hoffmann,  im  bellum  Alexandri- 
num  Rud.  Schneider  und  Landgraf,  im  bellum  Africanum  Landgraf  und 
Wölfflin,  im  bellum  Hispaniense  Fleischer  mit  kfthner  und  einschneiden- 
der Hand  neue  und  zum  Tbeil  bisher  unbetretene  Wege  eröffnet.  In 
lezikographischer  Hinsicht  haben  Holder,  Preuss,  Merguet,  Menge-Preuss, 
Mensel,  Prammer,  Wölfflin-Miodönski  das  denkbar  Erschöpfendste  ge- 
liefert. Die  Grammatik  ist,  wie  man  sehen  wird,  in  Einzelabhandlungen 
auch  nicht  leer  ausgegangen.  Ueber  das  Heerwesen  haben  Delbrück, 
Fröhlich,  Domaszewski  neues  Licht  verbreitet.  Ich  selbst  habe  einige 
Beiträge  beigesteuert  und  werde  auch  hier  einzelne  Bemerkungen  ein- 
fliessen  lassen,  auch  wo  ich  früher  gefehlt  habe,  es  ganz  offen  nach 
meiner  Gepflogenheit  eingestehen.  Wenn  ich  in  meinen  vorigen  Jahres- 
übersichten im  Philologus  manches  Beachtenswerthe  nicht  erwähnt  habe, 
ist  es  nicht  aus  Yerkennung  geschehen;  es  sind  mir  eben  die  Bücher 
nicht  zugeschickt  worden,  und  ich  habe  sie  doch  nicht  alle  auf  meino 

JaXiresberiobt  fUr  Alterthiunswiseenschaft.  LXVIII.  Bd.  (1891  II).  i 


2  Rfimuche  HistorOrn*. 

Kosten  erwerben  können.  Sollte  ich  auch  diesmal  in  denselben  Fall 
gerathen,  bitte  ich  diese  Aenssemng  als  Entschaldignng  daf&r  annehmen 
zü  wollen,  nnd  ich  darf  wohl  nm  so  eher  anf  diese  Nachsicht  rechnen, 
da  ich,  nach  Eossner's  Tode  ursprünglich  nnr  mit  dem  Bericht  Aber 
1889  nnd  1890  beauftragt,  die  Uebersicht  aber  die  Zwischenzeit  von 
1883  bis  1888  in  Ermangelung  eines  andern  Bearbeiters  schleunig  habe 
fibemehmen  müssen. 

Bellum  Gallicum. 

C.  Julii  Caesaris  Belli  Gallici  libri  VIT.  Accessit  A.  Hirtii  über 
octavns.  Recensuit  Alfred  Holder.  Freiberg  i.  B.  und  Tübingen  1882. 
Mohr.    Vin  und  396  S.    15  Mk. 

Holder  hat  seiner  Ausgabe  wenigstens  tbeilweise  eine  neue  Yer- 
gleichung  der  wichtigsten  Handschriften  zu  Grunde  gelegt:  den  Bongar- 
sianns  I  (A)  und  den  Vossianus  (G)  hat  er  selbst  verglichen;  aus  diesen, 
wie  aus  dem  Parisinus  I  (B),  dem  Moysaciensis  (M  oder  nach  Dinter  Q), 
dem  Parisinus  II  (a)  werden  viele  neue  Aufzeichnungen  beigebracht, 
desto  wenigere  aus  dem  Komanus  (oder  Vaticanus  3864,  bei  Dinter  M) 
und  Ursinianns  (oder  Vaticanus  3324,  von  mir  mit  g,  von  Dinter  mit  h 
bezeichnet),  so  dass  H.  Schiller  (Phil.  Anz.  XIII  Suppl.  Hft  2)  bezwei- 
felt, dass  der  Herausgeber  diese  letzteren  Handschriften  überhaupt  ver- 
glichen habe,  Mensel  (Philol  Wochenschrift,  Hirschfelder  1883  No.  2) 
ihm  vorhält,  den  Romanns  nicht  vollständig  genug,  Rud.  Schneider  (Jah- 
resbericht XI)  ihm  dagegen  vorwirft,  den  Thuaneus  (Parisinus  H  oder 
a)  nnr  mangelhaft  benutzt  zu  haben.  Ueberhaupt  hat  er  die  sogenann- 
ten interpolirten  Handschriften  nicht  nach  Gebühr  berücksichtigt.  Man 
verdankt  ihm  die  jetzt  fast  allgemein  üblich  gewordene  Bezeichnung  des 
Uebereinstimmens  der  bedeutendsten  integri  mit  dem  Zeichen  a,  des  Zu- 
sammengehens der  wichtigsten  interpolati  mit  dem  Zeichen  ß;  es  wird 
jedoch  vielfach  bedauert,  dass  er  fQr  die  einzelnen  Handschriften,  wie 
Mher  schon  Frigell  und  Dübner,  seine  eigenen  Zeichen  angewendet  und 
nicht  vielmehr  die  von  Nipperdey  aufgebrachten  und  von  mir  weiter  fort- 
geführten Bezeichnungen  hat  gebrauchen  wollen.  In  der  Orthographie 
hat  er,  lediglich  den  Handschriften  folgend,  durchaus  nicht  Consequenz 
angestrebt,  wenigstens  nicht  bewiesen;  man  findet  adtulit  neben  attulit, 
inpeditos  neben  compleant,  optinere  und  obtinere  etc.;  die  Schreibung 
au  taliis  (st  aut  taleis  unserer  Ausgaben  V,  12,  4)  und  pos  für  post, 
wenn  sie  sich  auch  in  einzelnen  Handschriften  vorfindet,  hätte  wohl  nicht 
in  den  Text  gebracht  werden  dürfen.  Einzelne  Formen,  wie  mensuum 
st  mensium  VI,  18,  2,  rediebat  U,  8,  10,  interiebant  VII,  82,  6,  wenn 
auch  durch  die  besten  Handschriften  beglaubigt,  sind  schon  seit  Jahr- 
hunderten wenigstens  aus  den  Drucken  verschwunden,  aber  von  ihm  wie- 
der eingesetzt    Mit  eigenen  Emendationen  ist  der  Herausgeber  sparsam 


Caesar.  3 

gewesen:  II,  3,  3  hat  er  drucken  lassen  Andecombogiam,  nach  Münzen 
mit  der  Aufschrift  Andecombo,  st  des  handschriftlichen  Andocnmboriam 
oder  Andebroginm;  V,  12,  7  Essuvios  st.  Essuos  oder  Esnvios;  VIII, 
praef.  4  conquadrantibns  st.  des  bandschriftlichen  comparentibas  und 
der  Gonjectur  Chr.  Schneider's  cohaerentibns ;  VIII,  4,  1,  der  Sache 
nach  richtig,  centurioni  bis  tantnm  nnmenim  st.  centurionibns  tot  milia 
nummnm.  Nach  den  Urtheilen  der  competentesten  Kritiker  ist  demnach 
die  Ausgabe  Holder's  auch  noch  nicht  als  eine  definitive  anzusehen,  ein- 
mal weil  sie,  wie  Mensel  bemerkt,  noch  nicht  alle  möglicher  Weise  be- 
deutsamen Handschriften  zu  Rathe  gezogen,  sodann,  wie  auch  H.  Schiller, 
Rud.  Schneider  und  Menge  (Philol.  Rundschau  1888  No.  29)  nachweisen, 
weil  sie  die  bisher  als  den  Ausschlag  gebend  angesehenen  Codices  nicht  in 
ausreichender  Weise  ausgezogen  nnd  zu  Grunde  gelegt  hat:  sie  behält 
gleichwohl  ihren  grossen  Werth  durch  die  Mittheilnngen  aus  den  Hand- 
schriften und  durch  den  ihr  angehängten  Index  aller  Wortformen,  von 
dem  später  die  Rede  sein  wird.  Man  vgl.  auch  Prammer's  Anzeige  in 
der  Ztschr.  f.  d.  Osten*.  Gymn.  1883. 

G.  Jnlii  Caesaris  commentarii  de  hello  Gallico.  Zum  Schulgebrauch 
mit  Anmerkungen  herausgegeben  von  H.  Rheinhard  Vierte  verbesserte 
und  vermehrte  Auflage.    Stuttgart,  Neff,  1883.    VI  und  246  S.  3,10  Mk. 

Der  Verfasser  hat  jetzt  den  Plan  der  Rheinbrttcke,  den  sein  Sohn, 
ein  Baumeister,  entworfen  hat,  und  über  den  ich  im  Phil.  Anzeig.  XIV 
berichtet  habe,  aufgenommen.  Wahrscheinlich  meinen  Erinnerungen  in 
einem  früheren  Heft  des  Phil.  Anzeig.  Folge  leistend,  hat  der  Herans- 
geber nunmehr  die  nicht  zum  unmittelbaren  Verstäudniss  einer  Stelle  der 
Commentarien  dienenden  Erklärungen,  welche  jedoch  sonst  flir  die  Kennt- 
niss  des  römischen  Kriegswesens  belangreich  sind,  in  den  »Addeudac  zu- 
sammengestellt. Nach  Rud.  Scbneider's  Aeusserung  (Jahresbericht  XI) 
»bat  die  Ausgabe  nach  dem  allgemeinen  Urtheil  wirklichen  Werth  nur 
als  Bilderbuchc. 

Unter  dem  Gesammttitel  Philol.  Streifzüge  hat  Gitlbaner,  neben 
andern  Untersuchungen,  auch  Textkritische  Forschungen  über  Gaesar*s 
bellum  Gallicum,  Freiburg,  Herder  1884.  1885  veröffentlicht  (s.  Philol. 
Suppl.  V  Heft  2).  Die  Verschiedenheit  der  Ueberlieferung  in  a  und  ß 
hat  den  Verfasser  zu  der  Meinung  gebracht,  dass  diese  Abweichungen 
von  Interpolationen  in  der  einen  oder  der  andern  Klasse  der  Hand- 
schriften herrühren.  Daraufhin  hält  er  es  für  nöthig,  den  Text  von  sol- 
chen angeblichen  Einschiebseln  zu  reinigen  Bei  seinen  handschriftlichen 
Forschungen  in  Rom  gerieth  er  auch  auf  einen  codex  Ottobonianns 
1736,  der  »ungeheuer  oft«  die  Stellen  nicht  enthielt,  die  er  selbst,  als 
der  Gefälschtheit  verdächtig,  bereits  ausgemerzt  hatte;  es  ist  dies,  wie 
ich  nachgewiesen  habe,  ein  dem  Andinus  und  Oxoniensis  (i,  k  nach  Din- 
ter's  Bezeichnung)  verwandter,    aber  stark   abgekürzter  Godex.     Nach 


4  Römisch^  ^ii^riker. 

dieser  seiaer  Weise  hat  er  denn  die  Coroment4irien  de  belle  Oallico  in 
demselben  Verlage  in  zwei  verschiedenen  Heften,  deren  jedes  mit  einem 
Wörterbuch  versehen  ist,  erscheinen  lassen;  bei  dem  zweiten  Hefte  IIb. 
TI—Yin  bat  er  nicht  die  Zeit  gehabt,  die  Streichungen  noch  in  dem- 
selben Hasse  wie  im  ersten  vorzunehmen.  Wie  ich,  hat  aach  Rad. 
Schneider  das  Verfahren  des  Herausgebers  in  der  Kritik  wenigstens  der 
Schrift  Gaesar's  gftnzlich  abgelehnt  Beide  geben  wir  Proben  von  den 
durch  den  Verfasser  willkürlich  vorgenommenen  Ktlrzungen,  Rud.  Schnei- 
der im  Jahresbericht  XI.  Der  Klasse  ß  räumt  ftbrigens  auch  Gitlbauer 
^inoA  unbestreitbaren  Werth  ein.  Man  hat  ferner  durch  ihn  den  Ver- 
dacht eingeflösst  bekommen,  dass  Holder  den  Ursinianus  oder  Vaticanus 
a324  (nicht  3314,  wie  im  Phil,  verdruckt  ist,  von  mir  mit  g,  von  Dinter 
mit  h  bezeichnet)  nur  mangelhaft  verglichen  habe«  S.  auch  Prammer  in 
der  Ztschr.  £.  d.  5sterr.  Gymn.  1884. 

G.  Julii  Caesaris  Belli  Gallici  libri  VH  cum  A.  Hirtü  libro  octavo. 
In  usnm  scholarum  iterum  recensuit  6.  Dinter.  Lipsiae  in  aedibus 
Teubneri  MDCCCLXXXIIII. 

In  dieser  zweiten  Auflage,  welche  ich  ausftlbrlich  Phil.  Suppl.  V,  2 
besprochen  habe,  hat  Dinter  von  den  Einleitungen  nur  die  Vita  Cae- 
saris beibehalten,  De  libris  a  Caesare  conscriptis,  die  Notitia  codicum 
und  die  Discrepantia  scripturae  weggelassen,  und  statt  der  letzteren  eine 
Scripturae  inter  hanc  et  priorem  editionem  discrepantia  vorangeschickt; 
unter  diesen  ziemlich  zahlreichen  Abweichungen,  es  sind  etwa  180,  be- 
ziehen sich  jedoch  viele  nur  auf  die  Orthographie,  wie  bracchio,  setius, 
raedis  etc.  Manche  Einklammerungen  in  den  Handschriften  befindlicher 
sinnloser  Wörter,  z.  B.  VII,  78,  2  tempore,  erschweren  dem  Schtüer  die 
Uebersicht,  fUr  den  Lehrer  würden  sie  auch  nur  durch  eine  kritische 
Anmerkung  verständlich  und  brauchbar  gemacht  werden  können.  Man 
hat  mit  Recht  die  vielen  Einschaltungen  der  interpolirten  Handschriften 
stillschweigend  bei  Seite  geschafft,  warum  nicht  auch  die  offenbaren 
Schreibfehler  der  lacunosi?  In  manchen  Fällen  ist  es  ja  auch  doch 
nicht  möglich,  bei  einer  aufgenommenen  Emendation  die  handschriftliche 
UeberKeferung  zu  bewahren,  z.  B.  in  der  von  mir  vorgeschlagenen  Um- 
ateUung  I,  17,  2  debeant;  praestare;  auch  VII,  36,  1  kann  die  jetzt  fast 
allgemein  aus  ß  aufgenommene  richtige  Lesart  nicht  zugleich  mit  Ein- 
klammerung der  in  a  befindlichen  Schreibfehler  zu  Gesicht  gebracht 
werden.  —  Den  Nachweis,  woher  Dinter  die  von  ihm  sufgenommenen 
Lesarten  entnommen  habe,  findet  man  nicht  überall  genau  angegeben: 
zu  IV,  20,  3  fuhrt  er  bei  septentriones  Holder  an,  man  liest  es  längst 
bei  Seyffert,  Kraner  etc.:  VI,  9,  7  rührt  vellet  nicht  erst  von  Holder 
her,  es  findet  sich  schon  bei  Kraner  (1863)  etc.  —  I,  2,  1  schreibt  Din- 
ter jetzt^  Oudendorp  und  Holder  folgend,  schwerlich  mit  Recht,  M.  Pu- 
pio  Pisone,   I,  44,  8  giebt  er^im  Accusativ  Pluralis  omnes  und  zwei 


Ghesar.  5 

Zeflen  darauf  ofnnis;  VII,  74,  3  nach  Holder  &t.  pares  der  ersten  Auf- 
lage paris,  ohne  es  in  der  Scriptnrae  discrepantia  anzugeben;  di^  Uü*- 
gldichheit  des  Genitivs  Pluralis  mensum  1,  5,  3  und  mensium  VI,  18«  2 
muss  in  einer  Schulausgabe  störend  wirken  und  brauchte  nicht  bewahrt 
zu  bleiben,  da  für  die  letztere  Form  auch  in  der  ersten  Stelle  ß  hin- 
reichende Gewähr  bietet.  Von  den  vielen  Streichungen  Paulis  (Zeit- 
schrift für  Gymnasialwesen),  welche  Holder  fast  ausnahmslos  annimmt, 
erkennt  Dinter  nur  I,  16,  4  pabulationibus,  und  dies,  wie  ich  gezeigt 
habe,  mit  Unrecht,  I,  39,  4  Vulgo  -  obsignabantur,  YH,  19,  2  in  ciyi- 
tates  und  VII,  40,  '6  deditionem  significare,  vielleicht  aucb  das  letztere 
ohne  Grund,  an  Demselben  Gelehrten  folgend,  giebt  er,  ohne  Noth,  wie 
ich  a.  a.  0.  gezeigt  habe,  VI,  39,  4  dispecta  st.  despecta  und  VII,  40,  6 
dispici  6t.  despici,  und  VII,  44,  3  hunc  locum  st.  des  handschriftlichen 
blossen  hunc,  das  von  Oudendorp  in  binc  verwandelt  worden  ist,  und 
das  die  interpolirten  auslassen,  welche  die  Neutra  silvestre  et  angustum 
darbieten,  denen  H.  Walther  1887  auch  gefolgt  ist.  Von  Em  Hoffinann 
ist  VII,  75,  3  sena  Andibus  st  des  zweiten  Senonibus,  von  Menge  VII, 
74,  3  equitatus  discessu,  wodurch  die  Stelle  keineswegs  geheilt  wird,  an- 
genommen. Von  eignen  Aenderungen  Dinter's  sind  zu  verzeichnen:  li, 
SO,  4*  coUocare  posse  st  des  blossen  collocare,  wohl  nicht  nöthig,  V, 
13,  7  gegen  die  Handschriften  viciens  centenum  milium  st.  vieles  cea» 
tum  milium;  VI,  13,  ^  wird  das  schon  früher  von  ihm  conjicirte  quibu6 
hinter  nobilibus,  das  Holder  aufgenommen  hat,  nach  dem  Vorgang  dieses 
Kritikers  nunmehr  in  den  Text  eingestellt ,  obwohl  der  Satz  auch  <^e 
diese  Zufügung  bestehen  kann,  abef  allerdings  mit  ihr  deutlicher  wird; 
auch  in  I,  24,  6  hat  Holder  die  von  Dinter  vorgeschlagene  Einfügung 
von  spatio  hinter  passuum  befolgt,  und  Dinter  hat  sie  daraufhin  erst  in 
seinen  Text  aufgenommen.  Wie  Holder  selbst,  hat  auch  der  Heraus- 
geber dieser  neuen  Auflage,  der  jenem  vielfach  folgt,  wo  es  irgend  an- 
geht, die  LfCsart  der  Klasse  a  bevorzugt;  so  beh&lt  er  Vil,  36,  4  per- 
spiceret  bei  gegen  periclitaretur  der  interpolirten,  für  das  sich  jetzt  auch 
Em.  Hoffoiann  (1890),  trotz  seiner  Vorliebe  für  die  integri,  entschie- 
den hat 

C.  Julii  Caesaris  commentarii  de  hello  Galileo.  Scholarum  in 
usum  edidit  Ignatius  Prammer.  Pragae,  Tempsky,  Lipsiae,  f^rey- 
Ug  1883. 

Obgleich  im  Allgemeinen  Dttbner  und  Holder  folgend,  hat  der 
Herausgeber,  durch  die  neuerdings  gefnhrten  Untersuchungen  veranlasst, 
sich  doch  in  verschiedenen  Stellen  der  Ueberlieferung  der  interpolirten 
Handschriften  angeschlossen,  und  mehr  noch  als  früher  in  der  1889  er- 
schienen Auflage,  welche  aliein  im  siebenten  Buche  19  weitere  Aende- 
rungen auf  Grund  von  ß  aufweist.  Die  Accusativendangen  auf  is,  das 
Gerundivum  auf  undus  und  den  Superlativ  auf  umus  hat  Prammdr  den 


6  Römische  Historiker. 

Schülern  vor  enthalten  oder  vielmehr  ersparen  zu  müssen  geglauht.  Eigen- 
thümlich  sind  dem  Verfasser  folgende  Lesarten:  I,  1,  5  ea  pars  (st.  eo- 
rom  una  pars);  I,  2,  4  qua  ex  re,  mit  cod.  Andin.  (i)  (st.  qua  ex  parte); 
15,  3  a  novissimo  agmine,  mit  ZufQgung  der  in  solchen  Fällen  üblichen 
Präposition;  16,  6  wird  frumentum  hinter  cum  eingeschaltet;  25,  5  mons 
aberat  (st  mons  snberat);  29,  2  quorum  omnium  (st.  quarum  omnium 
rerum);  30,  2  wird  populi  Romani  hinter  injuriis  ausgelassen;  31,  13 
non  posse  se  —  sustinere,  mit  Pluygers,  mit  Zufilgung  von  se  (st.  non 
posse  —  sustineri);  II,  10,  4  convenire,  nach  PoUe's  Vermuthung  (st. 
convenirent);  22,  1  diversae  legiones,  nach  Whitte^s  Coi\jectur,  welche 
auch  Walther  1887  aufgenommen  hat  (st.  diversis  legionibus);  25,  1  de- 
serto  loco,  mit  Einschiebung  von  loco,  nach  Elussmann's  Vorschlag; 
29,  3  dejectusque,  nach  Vielhaber,  was  auch  Walther  und  Em.  Hoffmann 
aufgenommen  haben  (st.  despectus);  32,  3  re  renuntiata,  mit  Paul,  weil 
das  Simplex  bei  Caesar  nicht  mit  ad  vorkomme,  und  so  auch  Walther 
(st.  re  nuntiata);  III,  15,  l  dejectis  (st.  disjectis),  Paul,  dem  jetzt  auch 
Dinter  und  Walther  gefolgt  sind;  V,  9,  1  ei  praesidio  navibusque,  und 
so  auch  Waltber,  nach  Eraffert  (st.  et  praesidio  navibus  oder  navibus- 
que); 12,  1  praedandi,  nach  Eraffert  (st.  praedae);  24,  4  wird  res  hin- 
ter plures  eingeschaltet,  Pluygers,  was  Walther  angenommen  hat;  25,  5 
wird  hibernis  auf  Vielhaber's  Vorschlag  einfach  ausgelassen,  was  Wal- 
ther befolgt  hat;  43,  ö  wird  eo  die,  wegen  des  kurz  vorhergegangenen 
hie  dies  einfach  weggelassen;  44,  3  spectas,  mit  a  (statt  des  sonst  all- 
gemein gesetzten  exspectas  in  ^);  44,  12  (11)  delatus,  Paul,  (st.  dejec- 
tus),  und  so  auch  Menge  und  Walther;  45,  2  summamque,  Paul,  dem 
auch  Walther  gefolgt  ist,  (st.  suamque);  VI,  29,  1  Suebos  omnes  und 
nachher  Germani,  ohne  omnes;  VII,  14,  5  vermuthet  Prammer  commu- 
nis salutis,  ohne  communis  dem  Text  einzuverleiben;  ebenda  ad  Bojos, 
Eraffert,  (st  a  Boja);  27,  2  inter  castra  vineasque,  nach  meinem  Vor- 
schlag, dem  auch  Holder  gefolgt  ist  (st  intra  castra  oder  vineas) ;  28,  5 
ejecerant,  mit  ß^  und  so  auch  Walther  und  Em.  Hoffmann,  ohne  es  an- 
zumerken; Menge  hat  ejecerunt  beibehalten,  wie  auch  Dinter;  35,  4  ita 
apertis,  Deiter,  (st  captis);  50,  2  insigne  pactum,  nach  meinem  Vor- 
schlag, den  auch  Menge  angenommen  hat,  (st  des  handschriftlichen  pa- 
catum,  das  sonst  in  pacatorum  verwandelt  worden  ist) ;  62,  2  quod  ipse, 
Vielhaber,  (st  quid  ipse),  und  so  auch  Dinter  1884  und  Walther,  aber 
nicht  Menge  und  Em.  Hofftnann;  62,  10  wird  mit  Whitte  die  tertio  hin- 
ter inde  zugefügt,  was  Dinter,  Walther  und  Menge  angenommen  haben, 
aber  nicht  Em.  Hoffmann;  64,  1  wird  von  Prammer  und  Menge  huc 
weggelassen,  das  Dinter  1884  wieder  zufügt,  während  Walther  vor  dem- 
selben noch  denique  der  Handschriften  beibehält,  vorher  dieraque  ei  rei 
constituit  gebend;  70,  3  wird  relictis  gestrichen,  ebenso  von  Walthcr, 
aber  nicht  von  Menge,  Dinter  und  Em.  Hoffniann;  74,  2  ne  autem,  nach 
Hand  (st.  ac  ne),  ebenso  jetzt  Dinter,  Walther,  Menge,  Em.  Hoffmann; 


Caesar.  7 

75,  1  cuiqae  civitati,  mit  ß^  ebenso  Waltber;  dagegen  behalten  Dinter, 
Menge  und  Em.  Hoffmann  die  Lesart  cuique  ex  civitate  aus  a  bei,  und 
Menge  erklärt  ex  civitate  >je  nach  der  Grösse  des  Landest,  während 
Eraner  ex  civitate  »partitiv  von  numerum  abhängige  sein  lässt,  das 
Alles,  um  nicht  die  Lesart  der  interpolirten  aufzunehmen;  VIII  praef. 
2  wird  Galliae  hinter  rerum  gestarum  weggelassen,  ebenso  von  Menge 
und  Walther,  aber  nicht  von  Pinter  und  Em.  Hoffmann;  VIII,  4,  1  wird 
se  vor  sestertios  eingefügt,  was  die  aufgenommene  Co^jectur  Vielhaber^s 
condonaturum  (st  condonanda)  nöthig  zu  machen  schien;  Menge  bebält 
das  handschriftliche  condonata  mit  Aenderung  der  Interpunction  bei; 
ebenda  III  (d.  i.  terna)  milia,  wofür  Menge  sachgemäss  bina  gesetzt  hat, 
welches  auch  Walther  giebt  (st.  tot  milia,  das  Holder  in  bis  tantum 
verwandelt  hat,  dem  Prammer  jedoch  alterum  tantum  vorziehen  würde); 
19,  7  wird  tamen  hinter  victi  ausgelassen,  als  aus  der  folgenden  Zeile 
dahin  verirrt;  24,  3  ist  illorum  hinter  impetu  fortgeblieben,  für  das 
Andere  eorum  aus  ß  gesetzt  haben;  27,  5  [in  itinere];  49,  2  sub  de- 
cessum  suum,  mit  ß^  so  auch  Walter  (st.  sub  decessu  suo);  52,  5  sena- 
tus  consultum  per  discessioncm ,  mit  Auslassung  von  se  hinter  per, 
Mommsen,  so  auch  jetzt  Dinter,  Walther,  Em.  Hoffmann,  aber  nicht 
Menge;  ebenda  evicerunt,  Madvig  (st  jusserunt);  so  auch  jetzt  Dinter 
und  Walther,  aber  nicht  Menge;  Em.  Hoffmann  nimmt  vor  jusserunt 
eine  Lücke  an;  Holder  schreibt,  nach  Pantagathns,  intercesserunt;  ebenda, 
mit  Jurinius,  morando,  und  so  auch  jetzt  Dinter,  Walther,  Em.  Hoff- 
mann (st.  moderando,  das  Menge  beibehält);  53,  1  M.  Marcellus;  55,  2 
wird  das  vereinzelt  stehende  Schlusswort  contendit  von  Prammer  und 
jetzt  auch  von  Dinter  fortgelassen. 

C.  Julii  Caesaris  commentarii  de  hello  Gallico.  Nach  Text  und 
Kommentar  getrennte  Ausgabe  für  den  Schulgebrauch  von  Rud.  Menge* 
Gotha,  Perthes.  Drei  Bändchen  1883—1885.  (S.  Rud.  Schneider, 
Jahresberichte  XI,  XII,  XVI). 

Der  Herausgeber  hält,  wie  bekannt,  grundsätzlich  an  der  in  a  vor- 
handenen Ueberlieferung  fest,  auch  an  einigen  Stellen,  wo  Nipperdey  die 
in  ß  gegebene  Lesart  aufgenommen  hat,  so  I,  43,  9  postulavit  eadem 
ohne  das  in  ß  vor  eadem  stehende  deinde;  I,  49,  3  terrerent  (st.  per- 
terrerent  in  ß)\  II,  34  deditionem  (st.  dicionem);  IV,  2,  2  prava  (st. 
parva);  VII,  38,  5,  wie  Frigell,  multos  equites  (st.  des  blossen  equites); 
ausserdem  bevorzugt  er  a:  VII,  4,  7  jussit  (st.  jubet);  VII,  80,  8  in 
castra  (st.  ad  castra);  VIII,  25,  2  exercita  (st.  exercitata).  Dagegen 
schliesst  er  sich  doch  auch  hier  und  da  an  ß  an,  so  II,  4,  6  durch  Bei- 
behaltung des  von  mir  vertheidigten  fines,  und  15,  4  durch  Zulassung 
des  gleichfalls  von  mir  in  Schutz  genommenen  ad  luxuriam  pertinentinm; 
II,  16,  2  giebt  er  mit  Frigell  Atrebatibus  (st.  Atrebatis);  UI,  8,  4, 
gleichfalls  mit  Frigell,  acceperint  (st.  acceperant);  IV,  1,  I  a  finibus 


8  ROmisdie  Historiker. 

(8t  ab  — ),  und  so  auch  Walther;  lY,  2*1,  1  facturos  sese,  wo  j^dodi 
Dach  Frigell  die  interpolirten  sese  facturos  bieten,  das  Walther  hat  (st. 
factnros  esse);  V,  24,  d  in  Belgio  (st.  in  Bclgis);  V,  42,  8  cogebantor 
(st  des  in  a  gegebenen  videbantnr  oder  dafür  eingesetzten  nitebantar); 
VI,  22,  2  quique  nna  (st  des  in  a  gebotenen  qui  cnm  nna,  für  das  ich 
qiii  tum  nna  yorgeschlagen  habe);  YII,  S5,  6  cum  —   caperet  (st.  cum 

—  ceperat);  YII,  54,  2  daret  (st.  dare);  YIII,  89,  4  se  snbseqneretur  (st. 
des  blossen  snbseqneretur),  so  auch  Walther;  YIII,  41,  5  adaeqnaret, 
wie  auch  Walther  (st.  aeqnaret).  Weniger  glücklich  giebt  er  YIII,  15,  6 
nt  consederant  (st  ubi  consederant  in  ß  und  ut  consneyerant  in  a).  — 
Aus  Rücksicht  auf  die  Handschriften  einige  Lesarten,  die  aus  nnsem 
Ausgaben  verschwunden  und  zum  Theil  schwerlich  annehmbar  sind,  so 
II,  22,  1  delectns  coUis  (st.  dejectus  collis);  lY,  26,  5  non  potuerunt 
(st  Lipsius'  Aenderung  non  potuerant);  Y,  16,  4  haec  als  Plnralis  des 
Femininums;  YII,  26,  8  haec  facere  (st  hoc  — ,  was  das  folgende  id  ver- 
langt); Vin  praef.  2  comparentibus;  VIII,  14,  2  in  suis  —  castris  (st 
des  allgemein  daftlr  gesetzten  pro  suis  —  castris) ;  YIII,  48,  8  quod  ubi 
malum  —  evitavit,  graviter  vulneratns  —  refertur  in  castra  (st  quod 
malum  oder  quod  ibi  malum  bei  Em.  Ho£Emann  —  evitavit  Graviter 
oder  At  graviter  oder  Äc  sie  proelio  secundo  graviter,  bei  Em.  Hoff- 
mann,  vulneratns  —  refertur  etc.). 

Ausser  den  schon  oben  bei  Prammer's  Ausgabe  angeführten  oder 
bereits  anderwärts  erwähnten  Lesarten  sind  in  Menge's  Text  noch  be- 
merkenswerth:  I,  26,  8  raedasqne,  mit  Meiser,  was  Walther  adoptirt 
hat  (st  rotasque);  I,  41,  4  ex  Gallis,  wie  schon  Giacconins  vorgeschla- 
gen hatte,  und  ebenso  Walther  (st  ex  aliis);  lY,  25,  6  ex  proximis  primi 
navibus,  mit  Madvig  (st.  ex  proximis  primis  navibus  der  Handschriften, 
von  welchen  Worten  man  primis  auszulassen  pflegt);  YI,  28,  4  et  vitae 

—  habeant,  nach  Kraffert,  (st  ut  vitae  —  habeant);  YII,  28,  5  pedum 
quadragenum,  nach  Hotomann,  und  so  auch  Walther  (st.  pedes  quadra- 
genos);  VU»  82,  5  divisum  populum  in  suas  cugusque  eorum  clientelas, 
mit  Zufttgung  von  in,  nach  Scaliger;  YIII,  20,  2,  mit  Umstellung,  nach 
Hotomann,  cognita  calamitate,  omnibus  adversis,  während  Walther  das 
erstere,  Em.  Hoffmann  das  letztere  weglassen;  YIII,  48,  2  in  mnrisque, 
mit  Forchhammer  (st.  des  blossen  murisque). 

Yon  eigenen  Yermuthungen  setzt  Menge  in  den  Text:  I,  41,  1  ala- 
critas  —  iojecta  est,  und  so  auch  Walther  (st.  innata  est);  II,  19,  6 
eadem  enim  (st  eadem  autem);  lY,  8,  3  quam  sunt  —  ceteri,  sunt  hu- 
maniores,  mit  Beibehaltung  des  ersten  sunt,  das  in  den  Handschriften 
steht,  aber  gewöhnlich  ausgelassen  wird;  Y,  18,  6  angulus  alter  (st.  an- 
golns  lateris);  Y,  42,  4  milium  —  trium  (st.  XY),  nach  Thomann;  VI 
80,  2  Nam  ut  magno  —  (st  Nam  sicut  magno  -  und  st  Frigeirs  Nam 
magno  nt  — );  YII,  65,  5  reliquisque  sedentibus  equitibus  Romanis,  mit 
Zufügung  von  sedentibus  (wegen  des  in  einigen  Handschriften  befind- 


GMsar.  9 

lieben  sedent),  welches  heisBen  soll  berittenen,  im  Besitz  von  Pferden 
befindlichen  römischen  Rittern;  VII,  69,  7  castra  —  VIII  castella- 
qae  (st  castra  ibique  castella);  VII,  73,  4  cirros  (st  cippos)  mit  der 
ErklAmng:  »wie  Köpfe  mit  nat&rlich  gelocktem  Haar  sehen  die  so  her- 
gerichteten Baumkronen  ausc;  dass  mit  der  Lesart  equitatus  discessu 
in  VII,  74,  i  der  Sinn  der  Stelle  nicht  hergestellt  ist,  habe  ich  Philol. 
Snppl.  V  S.  366  auseinandergesetzt;  VII,  77,  6  Atqni  ego  (st  Atqne 
ego);  VIII,  13,  2  e  resistentibns,  mit  Zufügung  von  e;  VIII,  9,  3  pro 
loco  ac  ratione  (st.  pro  hac  ratione  der  Handschriften  und  pro  portione 
Madvig's  und  Kraffert^s,  das  Walther  aufgenommen  hat).  —  K.  Wald. 
Meyer  greift  N.  Jahrb.  1883  II  S.  494-511  die  Bibliotheca  Gothana,  ztt 
welcher  Menge's  Ausgabe  gehört,  und  namentlich  diese  letztere  an,  weil 
sie  den  Tertianern  eine  zu  weitgehende  Unterstützung  biete  (ebenso 
Rud.  Schneider  Berl.  Phil.  Wchschr.  1884  8.  208);  Menge  vertheidigt 
sich  und  die  Bibl.  Goth.  N.  Jahrb.  1884  II  S.  177—188.  Ich  kann  nicht 
finden,  dass  Menge  in  der  Erleichterung  der  Schiller  zu  weit  gehe.  Da^ 
gegen  möchte  die  Anhäufung  gelehrter  Anmerkungen,  wie  sie  in  Schul- 
ausgaben jetzt  vorgenommen  wird,  für  sie  eher  belästigend  und  störend 
werden,  wenn  man  nicht  wüsste,  dass  sie  sich  das  Durchlesen  derselben 
zu  ersparen  pflegen. 

C.  Julii  Caesaris  oommentarii  de  hello  Gallico  erklärt  von  Fr.  Era- 
ner.    14.  Auflage  besorgt  von  W.  Dittenberger.    Weidmann  1886. 

In  dieser  neuen  Auflage  hat  der  Herausgeber  sich  noch  weiter  als 
in  der  vorhergehenden  an  die  Ucberlieferung  von  ß  angeschlossen:  im 
siebenten  Buche  sind  allein  27  Stellen,  darunter  36,  4  periclitaretur 
(st  perspiceret)  neuerdings  nach  diesen  Handschriften  geändert,  welche 
zusammen  mit  den  71  Lesarten,  welche  auch  Nipperdey  aus  ß  in  den 
Text  hatte  aufnehmen  müssen  und  den  sieben,  die  in  der  13.  Auflage 
schon  berücksichtigt  worden  waren,  zusammen  die  stattliche  Zahl  von 
107  ergeben.  Nach  diesem  Vorgang  der  in  gewissem  Sinne  leitenden 
Ausgabe  lässt  sich  erwarten,  dass  der  Werth  dieser  Handschriften  auch 
von  den  übrigen  Heransgebern,  die  ihn  noch  nicht  recht  gewürdigt  ha- 
ben, mehr  und  mehr  anerkannt  werden  wird.  Dem  Wunsch  Geyer's  ( Jah^ 
resbericht  XI  S.  145)  Folge  leistend,  hat  die  Verlagsbuchhandlung  eine 
neu  gezeichnete  Karte  beigefügt;  die  Unzulänglichkeit  der  vorigen  habe 
ich  bereits  viel  früher  an  Beispielen  nachgewiesen.  Die  1890  erschie- 
nene 16.  Auflage  ist  in  der  Berücksichtigung  der  Lesarten  der  Klasse 
ß  noch  weiter  gegangen  als  die  vorhergehende;  man  braucht,  um  sich 
davon  zu  überzeugen,  im  Kritischen  Anhang  nur  die  Namen  der  Ge- 
währsmänner zu  mustern:  Meusel,  R.  Schneider  und  R.  Richter  (im  sie- 
benten Buch),  die  jetzigen  Verfechter  dieser  Ueberlieferung ,  erscheinen 
da  so  häufig  wie  kaum  ein  anderer.  In  einigen  Fällen  hat  sich  der 
Herausgeber  ihr  noch  nicht  angeschlossen;  so  VII,  8,  4,  wo  er  ue  ab 


10  Römische  Historiker. 

bostibus  diripiantur  schreibt,  mit  Yerwandlung  des  in  a  stehenden  neve 
und  st.  des  in  ß  überlieferten  neu  se  ab  bostibus  diripi  patiatur.  Von 
neuen  eigenen  Aenderungen  habe  ich  zu  erwähnen:  I,  62,  6  werden  die 
Worte  et  desuper  vulnerarent,  als  von  einem  Leser  zugefügt,  eingeklam- 
mert; II,  35,  3  Turonos  (st.  Turones),  nach  Tac.  Ann.  III,  41,  46  und 
Mfinzcn  bei  Desjardins,  Geographie  de  la  Gaule  II,  482,  und,  hinter  Tu- 
ronos, quaeque  mit  Frigell  und  Dübner  (st.  Turonesque,  quae),  wofür 
jedoch  im  Anhang  f&lschlich  quaque  gedruckt  ist;  III,  1,  1  Varagros 
(st  Yeragros),  mit  Kiepert,  Inschriften  und  Plin.  N.  H.  III,  137;  8,  4 
acceperint  —  malint  (st.  acceperant  —  mallent),  wovon  übrigens  acce- 
perint  aus  ß  schon  bei  Frigell,  Walther  und  Em.  Hoffmann  zu  finden 
und  malint  gleichfalls  in  ß  vorhanden  ist;  11,  4  sint  (st.  sunt)  wegen 
der  indlrecten  Rede  hat  auch  schon  Walther;  33,  4  pronuntiari  (st.  pro- 
nuntiare),  nach  einigen  Hdschr.  von  ß^  und  so  auch  Walther;  44,  6  pro- 
grediendi,  mit  ß  (st.  regrediendi);  64,  4  Ac  tantum  (st.  des  blossen 
Tantum  und  des  von  Paul  vorgeschlagenen  At  tantum);  VI,  29,  3  Vol- 
cacium  (st.  Volcatium);  VII,  6,  4  qui  eo  tempore  (st  eo  tempore  qui); 
18,  1  insidiandi  causa,  mit  ß  (st.  insidiarum  causa);  24,  1  longum  pe- 
des  CCCXXX  (st.  des  hdschr.  latum  —  und  st.  Em  Hoffmann^s  [latum] 
pedes  CCCXXX  longum);  40,  7  perfugit,  mit  ß^  (st  profugit);  44,  6  ho- 
mines  (st.  omnes);  46,  5  nuda,  mit  ß^  (st.  nudata);  63,  1  quod  incom- 
modum,  mit  Zufügung  des  letzteren  Worts  (st.  des  blossen  quod) ;  53,  4 
ad  flumen  Elaver  pervenit,  pontem  reficit,  mit  Zufügung  von  pervenit 
(st  ad  flumen  Elaver  pontem  reficit);  62,  8  in  praesidio,  und  so  schon 
Walther  (st  des  blossen  praesidio);  71,  5  qua  erat  nostrum  opus  inter- 
missum,  nur  nach  Haun.  I  (e),  wofür  Walther  mit  Frigell  qua  nostrum  opus 
erat  intermissum  giebt  (st.  qua  opus  erat  intermissum) ;  90,  4  His  [litte- 
ris]  (st  Em.  Hoffmann's  His  ex  litteris);  VIII,  16,  1  auderent,  mit  ß 
(st  possent  in  a);  15,  6  wird  nicht  nur  namque  —  declaratum  est,  son- 
dern auch  ut  consueverant  weggelassen;  20,  2  [cognita  calamitate],  was 
nach  der  14.  Auflage  Waltber  ganz  fortgelassen  hat;  29,  2  perterrita 
acies,  mit  ß  (st.  perterritae  acies);  40,  1  ist  Caesar  am  Anfang  des  Ka- 
pitels gestrichen;  45,  10  nulli,  mit  ß  (st.  nullis);  60,  4  necessitudine, 
mit  ß  (st  consuetudine  aus  a)\  62,  3  potuit  adduci  (st.  adduci  potuit), 
nach  dem  Jadrensis,  und  auch  nach  /9,  wo  jedoch  fälschlich  abduci  steht 

C.  Julii  Caesaris  commentarii  de  hello  Galileo  für  den  Schulge- 
brauch erklärt  von  Dr.  H.  Walther.  Paderborn,  Schöningk.  1882 
—1888. 

Der  Verfasser  dieser  neuen  für  die  Fassungskraft  des  Tertianers 
berechneten  Schulausgabe  hat  neben  der  sprachlichen  Seite  der  Erklärung 
auch  die  sachliche,  welche  in  der  Rheinhard'schen  Ausgabe  zu  einseitig 
berücksichtigt  worden  sei,  in's  Auge  gefasst.  Die  Einleitung  beschränkt 
sich  auf  das  Leben  Caesar's  bis  zum  Ausbruch  des  Bürgerkrieges  und 


Caesv.  1 1 

auf  die  Abfassung  seiner  Denkwttrdigkeiten  zum  gallischen  Kriege. 
AUes,  was  die  technischen  Fragen  der  Militärverfassung  anbetrifft,  ist 
jedesmal  an  der  betreffenden  Stelle  in  den  Anmerkungen  kurz  behan- 
delt. Das  erste  und  zweite  Heft,  Buch  I — IV,  ist  noch  nach  Nipper- 
dey^s  Text  gedruckt;  HefL  drei  und  vier,  Buch  Y — VIII  geben  einen 
von  dem  Verfasser  selbstständig  veranstalteten  Textabdruck,  in  dem  er, 
wie  gleich  ersichtlich  sein  wird,  der  Handschriftenklasse  ß  mehr  als  bis- 
her folgt  Bei  dem  Bau  der  Rheinbrücke  IV,  17  schliesst  er  sich  an 
meine  Angaben  an;  nur  ab  extrema  parte  erklärt  er,  und  gewiss  nicht 
richtig,  »am  oberen  Endet;  dass  die  fibulae  hier  und  nicht  am  untern 
Ende,  d  h.  unter  dem  Wasser,  durchgeschlagen  wurden,  brauchte  nicht 
erst  gesagt  zu  werden  und  ging  ausserdem  aus  der  Lage  der  bipedales 
trabes  hervor;  somit  ist  ab  extrema  parte  entweder  vollständig  über- 
flüssig, oder  man  muss  es  wie  ich  erklären,  jedesmal  an  den  Kanten  der 
utraque  tigna  vorbei  und  nicht,  wie  sonst  in  derartigen  Fällen  üblich, 
durch  sie  hindurch.  —  Auf  mehrere  Versehen  des  Verfassers  in  seinen 
geschichtlichen  Erläuterungen  hat  Rud.  Schneider  im  Jahresbericht  XI 
aufmerksam  gemacht,  auch  nachgewiesen,  dass  einige  Satzerklärungen 
der  für  Schüler  nöthigen  Deutlichkeit  ermangeln,  theilweise  ganz  unver- 
ständlich sind.     S.  auch  Eussner,  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  1889. 

Dr  H.  Walt  her.  De  Caesaris  codicibus  interpolatis.    Programm, 
Grünberg  1887. 

Der  Verfasser  nimmt  eine  Durchsicht  der  besonders  seit  Nipper- 
dey  mit  dem  Namen  interpolati  bezeichneten  Codices  oder  der  Klasse  ß 
vor.  Das  Ergebniss  der  auf  die  beiden  ersten  Bücher  beschränkten 
Untersuchung  ist,  dass  wo  der  Paris.  II  (a)  von  dem- Ursinianus  (Vati- 
canus  3324,  von  mir  mit  g,  von  Dinter  mit  h  bezeichnet)  abweicht,  die- 
jenige Lesart  für  die  der  Klasse  ß  zu  halten  sei,  in  welcher  die  übrigen 
interpolati  mit  ihm  übereinstimmen,  und  dass  da,  wo  h  mit  den  integris 
übereinstimmt,  die  Lesart  des  Urcodex  vorliege.  Die  hier  und  da  in  den 
Handschriften  der  Klasse  ß  von  einander  abweichende  Ueberlieferung 
legt,  so  schliesst  er  weiter,  den  Herausgebern  die  Verpflichtung  auf,  an 
solchen  Stellen  die  einzelnen  Manuscripte  namhaft  zu  machen  und  sich 
nicht  mit  der  Klassenbezeichnung  ß  zu  begnügen.  Dasselbe  gilt  übri- 
gens auch  von  der  Klasse  a.  Sodann  führt  er/  ausser  den  von  mir 
Philol.  XVII  zusammengestellten  Lücken  der  jetzt  mit  a  bezeichneten 
integri  oder  lacunosi,  noch  eine  ganze  Zahl  von  Auslassungen  an,  welche 
aus  der  Klasse  ß  ergänzt  werden  müssen ;  und  zählt  schliesslich,  nament- 
lich aus  dem  VII.  und  VIII.  Buch,  die  Stellen  auf,  in  welchen  man  noch 
die  Lesart  der  interpolati  an  die  Stelle  deijenigen  der  Klasse  a  einzu- 
setzen habe. 


12  Romische  Hitlorikdr. 

G.  Jalii  Caesaris  de  bellö  Oallico  commentarii  Septem  cum  com-* 
mentario  octavo  A.  Hirtii.  Recensttit  H.  Walther.  Paderbornae  et 
Monasterii  in  aedibas  Schoeningbii  1887. 

Wie  man  aus  den  eben  kurz  ausgezogenen  Forschungen  des  Ver- 
fassers entnehmen  kann,  hat  die  Ausgabe  desselben  manche  bisher  xn- 
rttckgewiesene  Lesarten  der  Klasse  ß  aufgenommen  und  geht  von  allen 
Schulausgaben  am  meisten  von  dem  Texte  Nipperdey's  ab,  sich  dafbr 
um  ebenso  viel  demjenigen  Christ.  Schneider's  nähernd.  Viele  der  von 
ihm  gewählten  WortausdrOcke  und  Satzf&gungen,  die  er  mit  andern  theilt, 
sind  bereits  oben  angefahrt.  Durch  eine  Bemerkung  Rud.  Schneider^s 
in  der  BerL  Philol.  Wochenschr.  1884  8.  165  veranlasst,  hat  er  IV,  17,  10 
aus  ß  causa  hinter  deiciendi  operis  eingesetzt,  während  er  in  der  Aus- 
gabe mit  Anmerkungen  den  blossen  Genitiv  noch  als  Genetivus  qualita- 
tis  durch  Beispiele  zu  erläutern  versucht  hatte,  und  das  davor  stehende 
naves  nach  der  Gonjectur  desselben  Gelehrten,  wegen  des  von  Plutarch 
an  dieser  Stelle  gebrauchten  arsXd^^eae  xa}  $uXoe^^  in  trabes  verwandelt. 
Nach  meinen  wiederholten  Ausführungen  Philol.  XV  858,  XXX  588  hat 
er  in,  12,  1  das  handschriftliche  quod  bis  accidit  semper  horarum  XII 
spatio  drucken  lassen,  in  der  Adnot.  crit  mit  dem  Druckfehler  quos; 
auch  V,  28,  4  nach  meinem  Vorschlage  Philol.  Suppl.  V  384,  das,  trotz 
Menge's  Einwendung  (lieber  das  Relativum  in  der  Sprache  Cäsars  S.  13), 
von  mir  noch  immer  fttr  unrichtig  gehaltene  et  vor  prioris  commeatus 
gestrichen;  V,  26,  3  hat  er  von  Paul  angenommen  decumana  porta  (st 
una  ex  porta).  Von  eigenen  Aenderungen  des  Verfassers  finde  ich  an- 
zumerken: I,  10,  5  hat  er  oppido  vor  Ocelo  eingef&gt  (s.  Rud.  Schnei- 
der Berl.  Phil.  Wochenschr.  1885  S.  918);  I,  11,  4  hinter  Aedui,  st.  des 
von  Dinter  angenommenen  quo,  ein  atque  eingeschaltet  und  dadurch  die 
Streichung  des  Namens  Aedui  unnöthig  gemacht;  I,  29,  2  schreibt  er 
quorum  omnium  numerorum  (st.  quarnm  omnium  rerum,  das  auch  von 
Andern  als  unrichtig  erkannt  ist);  VII,  35,  4  dimidiaüs  quibusdam  co- 
hortibus  (st.  des  handschriftlichen  captis  — ,  für  das  Andere  detractis, 
distractis  etc.  eingesetzt  haben);  VII,  69,  1  Ipsum  erat  oppidum  posi- 
tum  [Alesia]  in  colle  summo,  mit  Zufttgung  von  positum  und  Weglassung 
des  von  ihm  eingeklammerten  Namens  Alesia,  der  hier  um  so  unnOthiger 
ist,  als  er  kurz  vorher  angegeben  worden  war;  VII,  82,  5  divisum  po- 
pulum,  divisas  cujusque  eorum  clientelas,  wegen  des  auf  clientelas  be- 
zogenen Ausdrucks  des  Metaphrasten  dej^pv^vtae  und  der  von  Hartz  Gon- 
Jectanea  Gaesariana  S.  XII  gegebenen  Auseinandersetzung  (st.  divisum 
populum,  suas  cujusque  eorum  clientelas,  fftr  das  Scaliger  die  Einschal- 
tung von  in  zwischen  populum  und  suas  empfohlen  hatte);  VII,  77,  15 
Neque  enim  umquam  alia  condicione,  nach  ß^  (st  Neque  enim  uUa  alia 
condicione);  VIII,  5,  1  calamitate  ceterorum  docti,  mit  Madvig  und 
Koch,  (st.  calamitate  ceterorum  ducti);  VIII,  19,  7  Victi  tandem  (st 
Victi  tarnen).     Mit  der  von  Walther  befolgten  Richtung  in  der  Kritik, 


OMsan  J8 

wie  mw  längst  wissen  wird,  einverstanden,  in  den  meisten  Fällen  weh 
die  von  ihm  getroffene  Wahl  der  Lesarten  billigend,  kann  ich  mit  bester 
Ueberzengung  die  Aasgaben  desselben  den  Amtsgenossen  empfehlen. 

Einen  ähnlichen  Zweck  wie  Walther  verfolgt  Richard  Richter  in 
folgendem  Programm: 

Dr.  Richard  Richter,  Kritische  Bemerkungen  zu  Caesars  Com- 
mentarius  VII.  de  hello  Galileo.  Programm,  Stargard  in  Pommern« 
1889. 

Der  Verfasser  liefert  zu  dem,  was  ich,  hauptsächlich  im  Anschlnss 
an  Ohr.  Schneider's  Ausgabe  der  Eommentarien  de  hello  Gallico,  unter- 
nommen, und  was  in  jOngster  Zeit  Rudolph  Schneider  und  Mensel  mit 
so  grosser  Beharrlichkeit  und  mit  so  vielem  Erfolge  fortgesetzt  haben, 
und  was  neuerdings  auch  von  Walther,  De  Caesaris  codicibns  interpo- 
latis,  Programm,  Grüneberg  1887  (s.  Philol.  1890)  weiter  ausgeführt  wor- 
den ist,  nämlich  zur  Vertheidigung  und  Empfehlung  der  von  Nipperdey 
angefochtenen  und  geringgeschätzten  Handschriitenklasse  )9,  einen  dankens* 
werthen  Beitrag.  Besonders  bei  der  Vergleichung  der  Lesarten  des  sie- 
benten Buches  hat  sich  ihm  die  Ueberzengung  von  der  Gleichbereohti-» 
gung  dieser  Handschriften  mit  der  von  Nipperdey  bevorzugten  Klasse  a 
aufgedrungen;  auch  hat  er  seine  Untersuchung  auf  dieses  Buch  be- 
schränkt Um  seine  Ansicht  zu  begründen,  zeigt  er  zuerst  an  acht 
Beispielen,  »dass  ß  an  gewissen  Stellen  bessere  Lesarten  als  a  bietet, 
die  nicht  durch  Korrektur  entstanden  sein  kOnnen,  dass  also  Nipperdey's 
Korrektor  ein  blosses  Phantasiegebilde  istt;  es  sind  dies:  86»  4  pericli- 
taretur  (statt  perspiceretur  oder  perspiceret);  70,  3  coartantur  (st  coa- 
cervantur,  erst  aus  coacervati  gemacht);  77,  10  Romanos  —  animine 
causa  (st  Romanorum  animos  —  sine  causa);  15,  2  se  prope  explorata 
Victoria  —  sperabant  Deliberatur  —  placeat  (st.  explorata  Victoria  — 
confidebant  Dicebatur  —  placeret);  63,  6  conveninnt  (st  eodem  con- 
veniunt);  81,  1  atque  earum  principes  donis  pollicitationibnsque  allicie- 
bat  (st  atque  eas  bonis  poUicitationibus  alliciebat);  71,  5  qua  (st 
quam);  44,  1  bene  gerendae  rei  (st  bene  rei  gerendae).  Im  zweiten 
Abschnitt  seiner  Abhandlung  bespricht  er  zum  Theil  ausfnhrlich  diejeni- 
gen Stellen,  welche  Dittenberger  nach  MeuseFs  und  Rud.  Schneider's 
Ausführungen  auf  Grund  von  ß  in  den  Text  genommen  hat;  es  sind  dies 
27,  die  er  anfahrt,  ausser  sieben  früheren;  endlich  empfiehlt  er  im 
dritten  Abschnitt  derselben  noch  eine  Anzahl  anderer  Lesarten  von  ß 
zur  Aufnahme,  nämlich,  und  zwar  diese  wegen  der  Uebereinstimmung 
von  ß  mit  der  Familie  AM  von  a:  32,  1  reficit  st  refecit;  71,  4  tele- 
rare  st  tolerari;  62,  6  etiam  nunc  st  nunc  etiam;  68,  2  secutus  hostes; 
36,  2  und  83,  4  civitatum  und  89,  1  necessitatum ;  59,  1  Ligere;  66,  l 
ex  ipsa  coacta  provineia;  90,  6  a  finitimis;  48,  4  defatigati;  und  aus  ß 
allein  die  folgenden:  46|  6  iUo  ad  muniüonem  st.  illo  munitionum^  47,  2 


lg  Römische  Historiker. 

Absicht  verfolgt,  »nach  und  nach  eine  Schulausgabe  herzustellen,  die 
auch  den  Bedurfnissen  der  Erwachsenen  einigermassen  gerecht  werdet. 
Für  SchtÜer,  welche  den  Caesar  lesen,  möchte  schon  jetzt , manches  un- 
brauchbar sein;  z.  B.  I,  2,  5  belli  atque  fortitudinis  =  bellicae  fortitu- 
dinis,  das  sogenannte  iv  deä  Suotv;  angustos  (prädikativ),  nach  pro  »zu 
enget,  der  Positiv,  um  zu  bezeichnen,  dass  eine  Eigenschaft  f&r  ein  be- 
sonderes Verhaltniss  ungeeignet,  unangemessen  sei;  vergl.  longum  est 
VI,  8,  1 ;  ebenso  im  Griech.  mit  Inf.,  z.  B.  Thuc  I,  50,  5  öXt^rae  dfjutvetv^ 
II,  61,  2  raTteevij . .  .  i^xoprepetu;  I,  3,  1.  His  rebus  adducü  et  auctori- 
täte  Orgetorigis  permoti,  zwei  verschiedene  (synonyme)  Participia,  um 
jeden  der  beiden  in  Kap.  2  ausführlich  erörterten  und  hier  cbiastisch 
wiederholten  Beweggründe  nachdrücklich  hervorzuheben.  Ich  fürchte 
doch  hiemach,  dass,  um  auch  Erwachsenen  gerecht  zu  werden,  solche 
Anmerkungen  für  den  Tertianer  aufhören  eine  Erleichterung  des  Ver- 
ständnisses abzugeben,  im  Gegentheil  ihn  von  dem  Durchlesen  derselben 
überhaupt  vielmehr  abwenden  könnten. 

Zum  bellum  civile. 

C.  Julii  Caesaris  commentarii  de  hello  civili.  Edidit  Guilelm. 
Theod.  Paul.  Editio  major.  Vindobonae  et  Pragae.  Sumptus  fecit 
F.  Tempsky.  Lipsiae  Sumptus  fecit  G.  Freitag.  MDCCCi.XXXIX. 
Bibliotheca  scriptorum  Graecorum  et  Romanorum  edita  curante  Garolo 
Schenkl.    LXI  et  136  p.    Pretium  1,50  M. 

Die  in  verschiedenen  Sammlungen  erscheinenden  Abdrücke  grie- 
chischer und  römischer  Schriftsteller  nehmen  eine  Mittelstellung  zwischen 
den  kritischen  Ausgaben  und  den  Schulbüchern  mit  erklärenden  An- 
merkungen ein;  für  denjenigen,  der  in  die  handschriftlichen  Grundlagen 
des  Textes  genaue  Einsicht  gewinnen  will,  genügen  die  in  den  Ein- 
leitungen gegebenen  Vorbemerkungen  nicht ;  sie  sollen  eben  nur  Rechen- 
schaft ablegen  über  die  an  einzelnen  Stellen  getroffene  Wahl  der  Lesart 
und  über  die  Aufnahme  der  für  nöthig  erachteten  Verbesserungen.  Etwas 
anders  verhält  es  sich  mit  dieser  Ausgabe  PauFs:  indem  er  die  wichtig- 
sten Varianten  der  massgebenden  Handschriften  vorzeichnet,  selbst  wenn 
sie  keine  Aenderung  der  üblichen  Lesart  herbeiführen,  auch  die  ortho- 
graphischen Besonderheiten,  sowie  die  vorzüglichsten  Besserungsvor- 
schläge, diejenigen  nicht  ausgeschlossen,  welche  er  weiter  nicht  berück- 
sichtigen zu  dürfen  glaubt,  und  darunter  eine  grosse  Anzahl  eigner  Ver- 
muthungen,  nimmt  er  eine  vollständige,  zum  Theil  sehr  durchgreifende 
Revision  des  Textes  vor,  soweit  eine  solche  wenigstens  ohne  erneute 
Vergleichung  der  Handschriften  sich  bewerkstelligen  lässt.  Da  er  jedoch 
andererseits,  nach  eigenem  Eingeständniss,  hauptsächlich  den  Zweck  ver- 
folgt, das  Buch  für  die  Schüler  recht  lesbar  zu  machen,  und  wohl  nur 
deshalb    eine  Menge   sonst   wenig   gerechtfertigter  Co^jectnren   in  den 


1 


Caesar.  19 

Text  einstellt,  kann  seine  Ausgabe  noch  weniger  als  diejenige  Dinter*s, 
mit  der  sie  am  besten  in  Vergleich  zu  stellen  ist,  als  eine  rein  kritische 
Arbeit  angesehen  werden.  Die  Bezeichnung  der  für  das  bellum  civile 
ausschlaggebenden  Handschriften  h  1  a  f  (Ursinianus,  Riccardianus,  Thua- 
neus  oder  Parisinus  II,  Vindobonensis  I)  wird,  neben  Mensel,  auch  auf 
Nipperdey  zurückgeführt,  wodurch  die  Vorstellung  erweckt  werden  kann, 
dass  h  1  (Ursinianus  und  Riccardianus)  von  diesem  Herausgeber  ver- 
wendet worden  seien;  nur  a  f  hat  Meusel,  von  dem  jene  Bezeichnung 
herrührt,  mit  ihm  gemeinschaftlich;  für  die  Uebereinstimmung  der  ge- 
nannten vier  Handschriften  ist  das  Zeichen  Z  gewählt.  Durch  die  Be- 
vorzugung von  hl  und  durch  die  Aufnahme  zahlreicher  Verbesserungen 
oder  doch  Aenderungen  ist  der  Text  gegen  frühere  Ausgaben  und  nicht 
bloss  Nipperdey's,  sondern  auch  Dübner's  und  Dinter's,  vielfach  abweichend 
geworden.  Ausser  Dübner's  Lesartenangaben  haben  von  neueren  Ar- 
beiten besonders  MeusePs  Lexicon  Caesarianum,  Elberling's  und  Forch- 
hammer^s  Untersuehungen  und  Madwig's  Textverbesseruugen  dem  Heraus- 
geber gedient;  auch  von  den  übrigen  neueren  Emendationen  sind  viele, 
namentlich  von  Koch,  Kindscher,  Kraffert,  Vielhaber,  Hartz,  Hug,  Dede- 
rich,  Dinter  von  ihm  berücksichtigt  oder  doch  erw&hnt  worden ;  manche 
andere  sind  ihm  entweder  nicht  zugänglich  gewesen  oder  haben  ihm 
nicht  erw&hnenswerth  geschienen;  an  Vollständigkeit  der  Besserungsvor- 
schläge darf  man,  bei  einer  Ausgabe  dieser  Art,  überhaupt  nicht  wohl 
Anspruch  erheben.  Und  so  ist  denn  auch  nicht  immer,  was  im  Text 
auf  blosser  Conjectur  beruht,  angegeben  worden,  z.  B.  I,  10,  2  deliberata 
re,  wo  re  in  den  Handschriften  Wegen  des  folgenden  respondent  aus- 
geblieben ist;  nach  der  von  ihm  sonst  befolgten  Gewohnheit  hätte  re 
schräg  gedruckt  werden  müssen;  ebenso  I,  U,  4  das  von  Nipperdey  ein- 
geschaltete spe,  in  I,  14,  5  das  für  das  handschriftliche  familiäres  ein- 
gesetzte familias,  I,  22,  5  injuria  für  in  ea  re,  U,  28,  2  cum  vor  contu- 
melia,  IT,  29,  1  animis  und  die  sämmtlichen  Aenderungen  in  diesem 
Kapitel,  II,  40,  2  usi  für  ut,  IH,  37,  1  in  vor  castris  etc.  Wenn  er  da- 
her auch  an  vielen  Stellen  angiebt,  durch  welche  Handschriften  die  auf- 
genommene Lesart  gestützt  ist,  so  wird  sich  der  Kritiker  doch  nicht  auf 
die  hier  nothwendiger  Weise  unvollständig  gebliebenen  Nachweisungen 
verlassen  dürfen.  Bei  der  bekannten  Neigung  des  Herausgebers  Ein- 
schiebsel aufzuspüren,  hat  er  auch  im  bellum  civile  in  einzelnen  Fällen 
handschriftlich  überlieferte  Worte  im  Texte  ganz  ausgelassen,  wie  HI) 
63,  6  exercitus  adventus  exstitit  hinter  Pompejani,  und  hier  mit  vollem 
Rechte,  und  H,  10,5  tutoque,  oder  doch  eingeklammert;  so:  I,  48,  7 
caetrati,  58,  3  neque  dum  —  cognitis,  60,  4  magna  celeriter  commutatio 
rerum,  64,  4  ad  vadum,  mit  Forchhammer,  II,  1,  2  ad  id  mare  quod 
adigit  (adjacet)  ad  ostium  Rhodani,  10,  7  machinatione  navali,  16,  1 
[diu]  longo  [que],  16,  2  inaedificato  [in]  muris  mit  Gemoll,  21,  5  civi- 
tatibusy  37,  4  castra  munire,  41,  2  dal  suis  Signum,  44,  3  paucis  diebus, 


20  Römische  Hntoriker. 

III,  9,  3  crebris  confecti  vulueribns,  9,  7  inde  tertia  et  qnarta,  mit  Hartz, 
24,  2  veterani,  27,  2  ita  vor  at,  41,  5  militibus  [que],  44,  4  perductas  -- 
castella,  mit  Koch,  47,  2  adorti,  mit  Meusel,  62,  2  et  hinter  imponit, 
66,  6  ac  sine  periculo,  wof&r  Andere,  mit  af,  a  periculo  abhängig  von 
liberius  beibehalten,  67,  3  minora,  mit  Hug,  83,  2  quod  gestum  in 
Hispania  diceret,  mit  Grater  und  Moros,  101,  5  circiter  XL,  mit  Forch- 
hammer, und  propter  eundem  timorem,  mit  £.  Hoffmann,  und  egerunt. 
Cassius,  mit  Nipperdey,  107,  2  officio  suo  convenire,  109,  6  (6)  occnpatus, 
mit  Madvig,  U2,  2  angusto  itinere  et  ponte,  mit  Schambach,  und  U 
nutricius  pueri  et  procurator  regni,  in  parte  Caesaris;  endlich  werden 
noch  verschiedene  andere  in  der  Einleitung  als  verdächtig  bezeichnet, 
darunter  einige,  ttber  deren  Annahme  man  bereits  zur  Tagesordnung 
tibergegangen  ist. 

Die  erst  in  jüngster  Zeit  gewonnene  genaue  Eenntniss  der  Ueber- 
lieferung  in  h  1  hat  einige  unzweifelhafte  Verbesserungen  und  verschiedene 
nicht  in  gleicher  Weise  einleuchtende  Aenderungen  der  Nipperdey^schen 
Lesart  und  des  Wortlauts  anderer  Ausgaben  herbeigeführt;  wo  hier 
keine  Angabe  gemacht  wird,  ist  die  Aenderung  aus  hl  entlehnt.  So 
1,21,4  observent  st.  asservent;  31,3  ist  in  terra  exponere  gedruckt, 
nach  Z)  wie  schon  sonst  III,  23,  2;  40,  4  legiones  IV  st.  III;  44,  1 
concurrerent  st.  procurrerent;  45, 7  augebantur  copiae  st.  augebatur  copia; 
wenn  47,  3  quod  vor  quinque  horis  gebracht  wird,  scheint  dies  eben 
keine  Verbesserung;  auch  ohne  die  handschriftliche  Unterstützung  von 
af  würde  man  versucht  sein,  durch  Coi^ectur  es  dahin  zu  bringen,  wo 
es  in  allen  anderen  Ausgaben  steht,  nämlich  vor  iniquo;  dagegen  wohl 
nothwendig  tempus  autem  erat  st.  tempus  erat  autem;  51,  1  iter  habeant 
st.  iter  habebant;  54,  4  pontem  institutum  —  perficit  st.  pontem  instituit 
—  perficit;  56,3  haec  statt  bae,  mit  Hinweis  auf  b.  Gall.  V,  15,  4,  wo 
jedoch,  wie  hier,  hae  zu  lesen  ist;  58,  1  excipiebant  ohne  non;  61,  4 
castra  muniuntur  st  castra  muninnt;  63,  1  castra  coi^ungunt  st.  castra 
jungunt;  64,  2  ferri  signa  st.  inferri  signa:  64,  3  centurionesque  st.  des 
blossen  centuriones;  67,  1  a  Petrejo,  nach  f,  st.  ab  Petrejo;  68,  2 
inermes,  nach  f,  st.  inermi;  70,  5  impetum  facit  st.  impetum  fecit;  71,  1 
idem  st.  id  »wiewohl  nicht  richtig  und  vielleicht  aus  id  ipsum  entstandene, 
und  Omnibus  partibus,  »aber  vielleicht  omnibus  precibusc,  st.  ex  omnibus 
partibus;  72,  2  optime  meritos  de  se  st.  optime  de  se  meritos,  was  ich 
dagegen  vorziehen  möchte;  74,  5  quos  illi  evocaverant,  nach  hlf,  st. 
quos  evocaverant;  76,  4  producat  st.  producatur;  77,  1  wird  qui  hinter 
adversariorum  gebracht,  das  sonst  hinter  Caesar  steht;  83,  3  producitur 
tamen,  nach  Z,  st  producitur  tum;  84,  5  necesse  habeat  st.  necesse 
habeant;  86,  8  tot  annos  st.  tot  ani^s,  und  9  in  se  aetatis  ohne  etiam, 
das  jedoch  nicht  gut  entbehrt  werden  kann,  nach  h  l  f ;  86,  2  de  loco  et 
de  tempore,  nach  la,  und  4  sacramento  dicere  st  sacramentum  dicere; 
II,  7,  3  wird  ad  cognoscendum  vor  effudit  hinzugefügt;  8,  1  wird  ibi 


Caesar  21 

hinter  si  ausgelassen;  9,  3,  tela  tormentis  missa  st.  immissa;  eben  da 
wird,  aus  hif,  trabes  hinter  has  zugefügt  und  effecerunt  st.  effecerant 
gegeben;  10,  1  sunt  coniisi  st.  confisi  sunt;  n,  2  ab  lateribus  st.  a 
lateribus,  und  4  ex  illa  quae  suberat  st.  ab  ea  quae  suberat;  14,  4 
mensium  st.  mensum;  15,  1  latitndine,  mit  Z  und  Stoffel,  st.  der  Con- 
jectnr  aititudine;  20,  3  sua  sponte  st.  sponte  sua,  und  8  ac  navium  st. 
et  navium;  21,  2  populis  st.  publicis;  22,  1  proelio  navali  st.  navali 
proelio  und  6  relinquit  st.  reliquit;  23,  1  quas  acceperat  a  Caesare  st. 
des  wohl  üblicheren  quas  a  Caesare  acceperat,  und  3  Hadrumetum  st. 
Adrumetum,  und  5  ad  C.  Curionem  st  ad  Curionem;  24,  3  derectum  st. 
directum;  31,  3  odia  concilient  st.  odia  coUigant;  32,  2  factum,  inquit, 
omnia  st.  factum  omnia,  inquit,  und  8  non  sibi  —  non  proditi  st-  noune 
sibi  —  nonne  proditi,  und  13  meura  restituite  nomen  st  meum  nomen 
restituite;  33,  1  etiam  dicentem,  nach  f,  sonst  fehlt  dicentem,  und  4  tum 
st.  tunc  und  6  jam  se  st.  se  jam  und  valloque  st.  et  vallo;  37,  2  ac 
litteris  st  et  litteris  und  quibus  omnibus  rebus  st.  quibus  rebus  omnibus 
und  nisurum  st.  ausurum;  38,  3  cum  omnibus  copiis,  jsonst  ohne  Prä- 
position; 39,  4  hoc  homini  (nämlich  Cnrioni)  st  hoc  omne;  40,  1  sub- 
mittit  st.  summisit  und  4  deducit  st  ducit;  43,  4  ob  timorem  st.  hoc 
timore;  III,  2.  3  atque  eae  st.  atqne  hae;  4,  4  Ptolomaeum  (und  so 
durchweg)  und  5  Domnilaus;  11,  4  pugnaturos  ohne  esse;  12,  1  ejus 
adventu  st.  cujus  adventu,  und  2  Byllidenses  st.  Bullidenses;  13,  4  wird 
hos  vor  tribuni  eingeschaltet;  14,  l  accepit,  mit  1,  st.  accipit  und  3  in 
cxiguo  tempore,  mit  f,  st.  des  blossen  exiguo  tempore;  15,  7  ab  bis  st. 
ab  iis ;  23,  2  in  terra  expositis ;  26,  2  increbruit  st.  increbuit  (und  eben 
so  79,  4);  29,1  recepit,  mit  f,  wegen  juvit  nöthig;  30,  6  ubi  eum  st. 
enm  ibi  und  castris  st.  in  castris;  35,  2  und  36,  1  civitatium;  43,  1 
commnniit  st  communit,  mit  f;  44,  1  faciendum  non  esse  statnerat  st. 
statuerat  non  esse  faciendum;  49,  4  adgesserat  st.  ao^ecerat  und  con- 
tinerent  st.  coutineret ;  5 1, 3  finiri  st.  finire  und  non  reprehendendum  videtur  st. 
reprehendendum  non  videtur;  53,  4  GXXX,  nach  Plutarcb,  st.  GXX; 
56  (55),  1  Q.  Calenum  st.  Calenum ;  57,  3  compellare,  mit  h  1  a,  st.  com- 
pellere;  58,  2  recepit  st.  recipit;  59,  1  ex  (st.  in)  equitum  numero  und 
Roucillus;  63,  5  contingeret,  wofür  durch  Conjectur  sonst  coiyungeret 
gesetzt  ist,  mit  Z;  66,  1  ab  specnlatoribus,  mit  h,  st  a  speculatoribns 
und '4,  mit  hl,  eadem  baecst.  des  blossen  eadem;  67,  1  confirmaverant 
mit  hlf,  st.  confirmavernnt;  69,  2  Pompejana  legio  st.  legio  Pompejana; 
70,  1  a  (St.  ab)  Caesaris  militibus,  mit  hlf;  72,  l  sibi  wird  vor  vide- 
rentur  zugefügt;  72,  4  communes  st.  des  Accusativs  communis:  73,  1  ab 
(st.  a)  superioribus ;  75,  1  ac  conqniescere  st.  haec  conquiescere ,  und  6 
ipsi,  mit  h,  st.  ipsique ;  76,  1  intra  vallum  castrorum,  mit  hlf,  st  intra 
castrorum  munitionem;  77,  3  wird  enim  hinter  Pompejus  eingeschaltet; 
79,  2  mit  ah,  derecto  st  directo;  80,  2  praeciicurrerat,  mit  If  und  der 
Verbesserung  in  h,   st  praecurrerat,   und  4  a  (st.  ab)  Dyrrachio  (st- 


V. 


22  Römische  Historiker. 

Dyrrhachio);  81,  1  primo,  nach  der  ersten  Schreibung  in  a,  gegen  Z, 
st.  primnm;  82,  4  ac  de  sacerdotiis,  Z,  mit  Wiederholung  der  Präposition; 
86,  4  tum,  mit  f,  st.  tunc ;  88,  1  animum  advertit,  mit  h  1  a,  und  ebenso 
93,  1,  94,  5  etc.,  dagegen  animadversa  61,  3,  animadversum  est  etc.; 
88,  4  wird  vor  milia  XLV  noch  numero  hinzugefügt;  89,  1  cohortes  in 
acie  LXXX  constitntas  habebat,  laf,  st.  LXX,  nach  h  oder  LXXY 
einiger  Ausgaben;  92,  1  neque  st.  neve,  trotz  des  Zeugnisses  von  hl 
und  »einiger  Stellen  Gicero'sc  schwerlich  zu  billigen  und  2  fecisse  vide- 
batur  st.  fecisse  dicebatur;  92,  3  occurrissent,  hlf,  st.  occucurrissent; 
93,  2  ordines  suos  st.  des  blossen  ordines,  und  5  illae  (nämlich  cohortes), 
Z,  st.  illi  (nämlich  die  Soldaten  dieser  Gehörten );  94,  3  oreretur  st. 
oriretur;  101,  2  quae  sunt  aptae,  nach  hl,  wo  jedoch  apta  geschrieben 
steht;  meist  wird  aptae  weggelassen;  102,  3  dilectibus  st.  delectibus,  und 
4  conrogata  st.  corrogata;  104,  l  in  procuratione,  hlf,  st.  in  ctiratione ; 
105,  4  Pergamique  st.  des  blossen  Pergami;  HO,  4  wird  quorum  vor 
si  quis  eingeschaltet. 

Goigecturen  älterer  und  neuerer  Kritiker,  welche  bisher  nicht  be- 
rücksichtigt worden  waren,  haben  an  folgenden  Stellen  Aufnahme  ge- 
funden: I,  7,  2  quae  superioribus  annis  sine  armis  essent  restituta,  nach 
Hotoman,  wo  Vielhaber  das  in  den  Handschriften  ohne  sine  enthaltene 
armis  fttr  eine  Dittographie  des  Worts  annis  hält;  10,  2,  gleichfalls  nach 
Hotoman,  mandata  per  eosdem  remittunt,  wo  die  Handschriften  eos 
geben;  11,  2  iturus  esset,  Mensel,  st.  iturus  sit;  12,  2  cohortes  ex  urbe 
educit,  Aldus  und  Pluygers,  st.  reducit;  13,  5  ist  at  vor  Gaesar,  nach 
Koch,  als  aus  der  vorangegangenen  Sylbe  entstanden,  weggelassen,  14,  4 
iis,  Mensel,  st.  his;  18,  6  circummunire.  Scaliger  und  Gobet,  st.  circum- 
venire;  22,  1  custodiisque ,  Mensel,  st.  custodibusque,  und  6  iiguria, 
Koch,  St.  des  handschriftlichen  in  ea  re,  und  6  conentur,  Gruter  und 
Madvig,  st.  cogantur;  23,  4  lYviris,  Mommsen,  st.  des  früheren  Ilviris 
und  des  handschriftlichen  ab  iis  oder  his  viris,  und  eben  da  eodem  die, 
Meusel,  st.  eo  die;  27,  6  wird,  nach  dem  Vorschlag  Koechly's,  cum  vor 
sagittariis  eingeschaltet;  29,  3  vetere  exercitu,  Elberling,  st.  veterem 
ezercitum;  30,  5  imparatissimus.  Scaliger,  st  imparatissimis;  35,  3  de- 
cemere,  Oronov,  st.  discernere;  36,  5  iis,  Meusel,  st.  his;  40,  1  Sicori, 
Kraner,  st.  Sicore;  45,  5  leni,  Hotoman,  st.  tenui,  und  passus,  Meusel, 
st.  passuum;  51,  6  jumentorum,  Eussner,  st.  impedimentorum;  59,  l  hoc 
proelium,  Giacconius,  st.  hoc  primum,  und  3  instituerant,  Meusel,  st. 
constituerant;  61,  2  locis  iis  st.  ipsi  locis,  nach  Giacconius»  der  iis  locis 
vorgeschlagen  hatte,  und  4  conquiri,  Hotoman,  st.  conquirere,  und  XXXX, 
Goeler,  st.  XX;  62,  1  deduxerat,  Achill.  Statins  und  Giacconius,  st.  re- 
duzerat;  64,  1  subsistere,  Vascosani,  st.  sustinere  und  iter  interrumpi, 
mit  Forchhammer,  st.  des  blossen  interrumpi,  und  7  ablati  flumine,  mit 
Dttbner,  st.  des  handschriftlichen  arma  in  flumine,  woraus  Andere  ab- 
repti  flumine  gemacht  haben;  65,  1  consistit,  Giacconius,  und  2  reficit, 


Caesar.  23 

Oadendorp,  st  des  handschriftlichen  constitit  and  refecit;  66,  1  aquandi, 
Kindscher,  st.  adaquandi;  6*7,  4  at  luce,  Giacconius,  st.  ad  Incem,  und 
posse,  Kindscher,  st.  per  se ;  69,  l  nostros  hinter  prosequebantnr,  Moms, 
St.  des  handschriftlichen  nee  oder  nos.nec,  das  sonst  weggelassen  wird, 
nnd  2  efferebaiit,  Pluygers,  st  ferebant;  71,  8  summi  timoris;  Pauly,  st 
sui  timoris,  und  4  aequo  loco,  Giacconius,  st  aliquo  loco ;  74,  2  dein  de 
imperatoris  fide  quaerunt,  Giacconius,  st  deinde  imperatoris  fidem 
quaerunt,  and  7  et  eorum  qui  sine  vnlnere,  Dinter,  st  eorum  qui  etc. 
ohne  et;  75,  l  Afranius,  Kindscher,  st  Afranio;  76,  6  terror  oblatus, 
Vossius,  st  terrore  oblato;  78,  1  diernm  VII,  Dinter,  st  dierum  XXII ; 
79,  1  equitesque  —  sustinebant,  das  erstere  nach  Elberling,  das  andere 
nach  alten  Ausgaben,  st  pinresque  —  snbsistebant,  und  3  laborantibus, 
Giacconius,  st  morantibus,  und  5  auxilio,  Madvig,  st.  auxiliis;  80,  4 
reliquis  iegionibus,  Herzog  (und  Heller),  st.  relictis  legionibus;  81,  3 
castra  castris  conectunt,  Pauly,  st  ^ —  convertunt,  und  medebantur, 
Madvig,  st  remedia  dabantur,  und  6  (7)  quo  essent  ad  iter,  Manutius 
nnd  Faerni,  st  quo  essent  ad  id ;  82,  3  isdem  causis,  Mensel,  st  eisdem 
causis,  und  4  spatii  brevitate  —  ad  summam  victoria,  Madvig,  st.  spa- 
tii  brevitas  -  ad  summam  victoriae;  84,  4  laborem,  Giacconius,  st.  do- 
lorem; 85,  9  nihil  valere  quin,  Madvig,  st  nihil  valere  quod;  II,  1,  4 
evocat,  Giacconius,  st  vocat;  4,  4  invisitatis,  Elberling,  st.  des  hand- 
schriftlichen invisis  latitatis;  6,  3  inferebat,  Mensel,  st  inferebant;  9,  3 
intra  eam  contignationem,  Menge,  st  inter  eam  contignationem  der  Aus- 
gaben und  des  handschriftlichen  interea  contignationem;  11,  1  de  muro, 
Mensel,  st.  des  blossen  muro;  14,  1  seposita,  Mensel,  st  reposita  und 
[se]  foras  rumpunt,  Apitz;  16,  1  qua  aut  telis,  Forchhammer,  st.  des 
handschriftlichen  qua  aut  eis,  fllr  das  sonst  qua  aut  vi  eingesetzt  ist, 
und  2  circummuniri,  Aicard,  st  circumiri,  und  3  spatii  propinquitate, 
Madvig,  st  spatio  propinquitatis,  und  virtutem,  Madvig,  st.  virtute;  17,  3 
elatius,  Giacconius,  st  latius;  18,4  medium,  Hotoman,  st.  modios;  23,  l 
biduoque  et  nocte  in  navigatione  consumpta,  Giacconius,  st.  biduoque  et 
noctibus  tribus  navigatione  consumptis,  und  2  a  Glupea,  Giacconius,  st 
a  Glupeis,  und  profugerat,  Oudeudorp,  st.  perfagerat;  24,  2  Gastra 
Gornelia,  Mensel,  st.  castra  Gorneliana;  25,  1  Bellica  oder  vielmehr  Be- 
lica,  Hartz,  st  bellica,  und  6  ad  Gastra  Gornelia  naves  traduxisset, 
Mensel,  nnd  traduxissent,  Paul  selbst,  st  ad  castra  Gornelia  vela  di- 
rexisset;  29,  3  cui  quod  liberet  liceret  facere.  Schnelle,  st  quod  Heere 
sibi  crederet  libere  facere,  und  offerretur,  Elberling,  st.  offerrentnr,  und 
aeque  enim,  Glarke,  st  neque  enim;  30,  1  quod  id,  Glarke,  st  quod  in; 
31,  3  at  vero,  Madvig,  st  aut  vero;  32,  10  (11)  [sij,  Giacconius;  33,  3  (2) 
consensu  suorum  omnium,  Mensel,  st  conscnsu  suo  der  Handschriften 
oder  Gonsensu  summo  der  Ausgaben;  34,  6  adigi,  Faerni,  st  abici; 
35,  2  respexit,  Mensel,  st  aspexit,  und  6  (4)  prohibebat,  Manutius,  st 
prohibebant;    39,  5  proferebantur,  Hotoman,  st  praeferebantur ;    44,  1 


24  Römische  Historiker. 

ad  naves,  Ciacconins,  st.  des  blossen  naves,  und  2  praemisit,  Hartz^ 
st.  remisit,  und  3  invectus,  Ciacconius,  st.  vectus ;  III,  6,  2  Ceraunioram, 
Yictorius,  st.  Germiniorum;  9,  2  vallo,  Oehler,  st.  colle,  und  5  quare 
missis,  Mich.  Brutus,  st.  qui  remissis  der  Handschriften,  woraus  in 
manchen  Ausgaben  cui  rei  missis  gemacht  worden  ist;  10,  5  Antonii, 
Kraner,  st.  tanto,  und  9  id  interesse,  Madvig,  st  interea  et;  11,  1  Vi- 
bullius  expositus  Gorcyrae,  Giacconius  und  Madvig,  st.  Yibullius,  bis 
expositis  Corcyrae,  und  quam,  Ciacconins,  st.  antequam;  13,  S  praecepto 
itinere,  Giacconius  und  Madvig,  st  praefecto  occupato  itinere  der 
Handschriften,  woraus  Aldus  schon  praeoccupato  itinere  gemacht 
hat;  15,  2  deligandi,  Pluygers,  st  religandi,  wohl  unnötbig,  man  vergL 
Hör.  I,  32,  7,  Yerg.  Aen.  Vü,  106  etc.;  16,  1  angusta  (nämlich  re  fru- 
mentaria),  Kindscher,  st.  anguste;  17,  4  neque  hanc  rem  illi  esse  impe- 
dimento.  Libo  etc.,  Madvig,  st  neque  hanc  rem  illis  esse  impedimenti 
loco.  nie  ^.;  19,  8  altero  die,  Mensel,  st.  altera  die,  und  atque  una 
visurum,  ElJ[>erling  und  Madvig,  st  atque  eundum  visurum;  21,  5  ab  eo 
itinere,  ü^sel,  st  des  blossen  eo  itinere;  24,  3  unam  ex  bis  quadri- 
remibusf  Mensel,  st  unam  ex  bis  quadriremem;  32,  4  apparitornm, 
Forchhammer,  st.  imperiorum,  wofür  Paul  selbst  interpretum  setzen 
möchte;  33,  1  ei  rei,  Achilles  Statins,  st  ejus  rei;  38,  4  wird,  mit 
Dinter  und  ohne  Schrägdruck,  quarum  perpauci  fnga  salutem  sibi  reppe- 
remnt  hinzugefQgt;  40,  4  mole  tenui  naturali  objecta,  Nipperdey  und 
Madvig,  st.  molem  tenuit  naturalem  objectam ;  42,  4  discripsit,  Bttcheler) 
st  descripsit;  44,  3  in  circuitu,  Davisius,  st  circuitu  ohne  Präposition; 
45,  6  legio  —  recepisset  —  esset,  und  46,  2  legionem,  Giacconius,  st 
legiones  —  recepissent  —  essent  und  legiones;  46,  3  confectis  (st.  des 
handschriftlichen  completis)  Markland;  46,  3  et  —  transcendenint, 
Giacconius,  st  ut  -  transcenderunt;  47,  6  [se],  Heller;  48,  1  convalue- 
rant  ex  vulneribus,  Dinter,  der  in  dieser  Weise  auf  meinen  Vorschlag 
fiierant  valetudinarii  ex  vulneribus  eingegangen  war,  jetzt  aber  vacabant 
ab  operibus  vorzuziehen  scheint,  st.  des  handschriftlichen  fuerant  valeri- 
bus;  50,  1  wird  aus  alten  Ausgaben  alio  excubarent  hinzugefügt;  53,  1 
ad  duo  miUa  numero,  Dinter,  st.  ad  duorum  milia  uumero  der  Hand- 
schriften, und  5  conlaudatumque,  Dinter,  st  atque,  und  6  veste,  cibariis, 
Giacconius,  st.  des  handschriftl.  vespetiariis  oder  vespeciariis;  nach  Nipper- 
dey wird  Kap.  56  vor  Kap.  55  gebracht;  55  i56),  1  tela  tormentave  — 
possent,  Giacconius,  st.  telo  tormentove  —  posset,  und  3  amicitiae  Gae- 
saris,  f  und  Giacconius,  st  amicitia  Gaesaris;  57,  2  nihil  adhuc  efifecisse; 
id  arbitrari,  Madvig,  st.  nihil  adbuc  arbitrari;  58,  5  frondes  —  deficiebant, 
Faerni,  st  fructus  —  deficiebant  der  Händschriften  oder  der  gewöhnlich 
befolgten  Gonjectur  des  Gellarius  frons  -  deficiebat;  59,  4  ab  iis, 
Mensel,  st  ab  bis;  62,  2  pertinebat  —  aberat,  Jurinius,  st.  pertinebant 
—  aberant;  63,  4  milia  pasuum  —  XVU  munitione  erat  complexus, 
Glarke,  st.  des  handschriftlichen  —  munitiones  -   ;    66,  7  wird  inania 


Caesar.  25 

vor  manserant  hinzugefügt,  Madvig;  67,  2  manientinm,  Mensel,  st.  mnni- 
tionum,  und  6  portae,  Goeier,  st.  portis;  68,  2  wird,  mit  Mensel,  enim 
zwischen  munitionem  und  quam  eingeschaltet;  69,  2  ascenderat,  Giacco- 
nius,  st  ascendebat;  71,  2  [inj  terrore,  Ondendorp,  und  8  passus  est, 
sed  neque  in  litteris,  Oudendorp,  st.  passus  neque  in  litteris;  72,  2  non 
praeoccupatis  castris  [et]  ancipitem  terrorem,  Giacconins  st.  praeoccupatis 
castris  et  ancipitem  terrorem;  75,  3  wird,  mit  Oudendorp,  et  vor  per- 
territos  eingeschaltet;  76,  3  quod  fore  providerat,  Caesar,  Mensel,  st. 
Caesar  quod  fore  providerat;  78,  6  Oriciaque,  Markland,  st.  Coriciaque 
der  Handschriften  und  Oricoque  der  Ausgaben;  79,  3  wird  Senticam 
hinter  Heracliam  ganz  weggelassen,  Cellarius,  und  4  de  proelio,  Scaliger, 
wie  auch  ich  empfohlen  habe,  st.  des  blossen  proelio,  und  elatius, 
Giacconins,  st  latius,  und  7  adjectum  appositumque,  Madvig,  st  objectum 
oppositumque,  woraus  Nipperdey  oppidum  oppositum  [que|  gemacht  hat; 
81,  2  pareret  —  faceret,  Dinter,  st  parerent  —  facerent,  und  4  quo 
prope  jaro  matura  erant  frumenta,  Dinter,  der  jedoch  1884  qua  hat 
drucken  lassen;  83,  5  neque  quibus,  Mensel,  st  ne  qnibus  der  Hand- 
schriften und  nee  quibus  der  Ausgaben;  84,  3  mutatis  ad  pernicitatem 
armis,  mit  Hinzufügung  von  mutatis,  Madvig,  und  4  cum  esset  nsns, 
Mensel,  st.  cum  adesset  usus;  85,  2  ille,  vor  nulla  ratione,  Mensel,  st. 
des  in  den  alten  Ausgaben  schon  zugefügten  Caesar,  welches  jedoch  eine 
lästige  Wiederholung  des  erst  eben  vorgekommenen  Namens  bildet;  88,  4 
dispertierat,  Meusel,  st  disperserat;  89,  1  a^junxerat,  Meusel,  st  ad- 
junzit,  und  2  mediae  aciei,  Meusel,  st  media  acie;  93,  6  adortae,  Meusel. 
wegen  des  vorangegangenen  cohortes;  96,  l  dari,  alte  Ausgaben,  st.  dare, 
und  eben  da  wird,  mit  GemoU,  hinter  re  impetrata  ^ine  Lücke  an- 
genommen; 103,  1  quos  [que]  ex  suis,  Madvig;  104,  l  iis  qui  erant, 
Meusel,  st  his  qui  erant;  106,  1  in  sumenda  pecunia,  Giacconins,  st  in 
summa  pecnniae,  und  2  numeratis,  Meusel,  st  ennmeratis;  106,  1  ne- 
cessitudines  regum,  Pluygers,  st  necessitndines  regni;  108,  2  incitatum 
a  suis,  Yielhaber,  wie  anch  schon  andere  Ausgaben  haben,  st.  suis  ohne 
Präposition  (nämlich  poUicitationibus) ;  109,  6  efifecit,  Ondendorp,  st. 
efficit;  110,  4  concursn  militum,  Aldus,  st  consensu  roilitum,  und  5  regno 
expellere  alios,  alios  arcessere,  Oudendorp,  st  regno  expellere,  alios 
arcessere,  und  6  magnum  usum,  Giacconins,  st  hnnc  usum;  112,  2  a 
superioribus  regibus,  Brodaeus,  st  a  superioribus  regionibus,  und  8  ad 
regiae  navalia,  Morns,  st  ad  reliqna  navalia. 

Zahlreicher  noch  sind  die  Stellen,  in  welchen  Paul  durch  eigne 
Conjecturen  den  bisherigen  Text  ändert  So  fOgt  er  I,  3,  l  audaces 
vor  landat  hinzu,  um  einen  Gegensatz  zu  dem  folgenden  segniores  zu 
bekommen;  es  war  auch  sonst  schon  promptes  zu  diesem  Zweck  für  er- 
forderlich erklärt  worden;  6,  3  schreibt  er,  die  Vorschläge  Koch's  und 
Kindscher's  verbindend,  soluta  sceleratomm  audacia,  ohne  diese  gewagte 
Coigectur  schräg  drucken  zu  lassen;  7,  2  in  rempubiicam,  ohne  ScLräg- 


26  Römische  Historiker. 

druck,  St.  in  republica,  und  ebenso  1 1,  2  ante  qnam  diem  st.  ante  quem 
diem,  und  wenig  zutreffend,  wie  ich  glaube,  parto  consulatu  Caesari  st. 
peracto  consulatu  Gaesaris,  für  das  Andere  verschiedene  Vermuthungen 
aufgestellt  haben;  18,  5  pnieficit,  wegen  des  folgenden  ponit  wohl  noth- 
wendig,  st  praefecit;  19,  4  oppidi  obsidione  atque  circummunitione  st. 
obsidione  atque  oppidi  circummunitione;  20,  1  primo  vesperi,  mit  Hin- 
weis auf  22,  1,  wie  auch  Dinter  schon  vorgeschlagen  hatte;  und  2 
emittitur  st  mittitur;  23,  3  locutus  queritur  quod  st.  loqnitur  quod! 
26,  3  certum  invcnire  poterat  st.  —  inveniri  — ,  und  mit  Hinzufügung 
der  in  den  Handschriften  fehlenden  Präposition  ab  extremis  Italiae  par- 
tibus,  und  9  ingressus  st.  incnrsus;  26,  1  turres  quatemis  tabulatis 
erigebat  st.  —  cum  quatemis  tabulatis  --;  27,  3  in  oppidum  irrum- 
punt  st.  oppidum  irrumpunt  und  ebenso  II,  13,  4;  33,  4  dimittat  st.  des 
von  Nipperdey  für  das  handschrifUiche  mittat  eingeführten  amittat;  34,  5 
atque  omnibus  castellis  st.  atque  ex  omnibus  castellis;  die  Angabe  PauFs, 
dass  die  Handschriften  atque  in  omnibus  castellis  enthalten,  scheint  auf 
einem  Druckfehler  zu  beruhen;  36,  4  alter  hello  victa  Gallia  alia  attri- 
buerit  st.  Glandorp's  —  hello  victos  Sallyas  attribuerit,  zum  Theil  nach 
Madvig,  der  st.  alia  nur  eadem  vorgeschlagen  hatte;  37,  1  occupare  st 
occupari;  39,  2  equitum  III  milia  omnibus  superioribus  bellis  habnerat 
(ohne  quae)  et  parem  ex  Gallia  numerum  [quam]  ipse  paraverat  st 
quam  —  pacaverat;  40,  3  at  st.  huc,  und  jumentaque  st.  impedimentaque, 
Beides  wohl  ohne  zwingenden  Grund;  41,  2  consistit  st  constitit,  wegen 
der  vorangehenden  und  folgenden  praesentia,  und  6  post  has  (nämlich 
acies)  st  post  hos  (nämlich  milites  utriusque  aciei);  43,  3  iocis  idoneis, 
ohne  vorhergehendes  in ;  44,  4  schaltet  Paul,  hinter  discedere,  consuerat 
ein;  46,  2  nonnullam  partem  st  nonnulla  parte,  mit  Berufung  auf  b. 
Gall.  IV,  1,  8;  aber  dort  wird  maximam  partem  in  einschränkendem 
Sinne,  an  dieser  Stelle  des  b.  civ.  nonnulla  parte  örtlich,  ähnlich  wie 
nonnullis  Iocis,  gesagt;  47,  2  ab  initio  st  des  blossen  initio,  und  so  jetzt 
Fr.  Hofmann,  mit  der  Erklärung  »bis  zu  Ende»,  und  6  et  civitates  st. 
ac  civitates;  49,  2  facultatem  st.  facultates  der  Handschriften;  62,  1  his 
tum  omnibus  rebus,  mit  Hinzufügung  von  rebus,  und  inopia  praesenti, 
st  inopia  praesentis  (nämlich  temporis),  auch  gegen  die  Handschriften, 
aber  doch  wohl  zu  billigen,  weil  das  folgende  futuri  temporis  nicht  auch 
von  inopia,  sondern  von  timore  abhängt,  und  3  ita  st.  et  tam  vor  paucis« 
und  4  sustentabat,  st.  tutabatur;  64,  6  frumentandi  causa  st.  frumenti 
causa;  68,  4  eo  die  naves  Massiliensium  Domitiique  sunt  captae  VI, 
intereunt  IX  st  eo  die  naves  Massiliensium  cum  iis  quae  sunt  captae 
intereunt;  69,  3  at  vor  aliquo  st  aut  und  omnino  (lediglich)  st.  omnium; 
60,  2  sequuntur  st.  insequuntur;  63,  3  morari  atque  impedire  iter  st 
morari  atque  iter  impedire,  mit  Hinweis  auf  6.  Gall.  VII,  40,  4;  64,  4 
tantae  magnitudinis  flumini  st  tantae  magnitudini  fluminis;  67,  4  sub 
oculis  st  des  blossen  oculis  und  metum  etiam  st.  multum  etiam;  und  so 


Caesar.  27 

Fr.  Hofmann;  69,  2  ab  Ilerda  profectos  st.  ad  iter  profectos,  und  so 
Fr.  üofmann;  73,  2  nnntiatnr  (unpersönlich  und  mit  dem  acc  c.  inf.) 
8t.  nuntiantur,  mit  Hinweis  auf  b.  Gall.  VI,  4,  1  und  andere  Stellen  des 
b.  Gall.  und  des  b.  civ.,  und  8  intra  mnnitionem  nt  sine  timore  —  possent 
st  ut  intra  munitionem  et  sine  timore  —  possent;  74,  4  armaque  quod 
cum  St.  armaque  cum;  78,  l  prohibebantur  st.  premebantur;  79,  4  item 
(d.  h.  incitati  cursu)  st.  ita  hinter  atque ;  80,  2  in  fronte  st  una  fronte ; 
81,  2  wird  et  vor  eo  die  weggelassen;  82,  1  Gaesari  st  Caesaris  und  4 
horum  st  hinc;  83,  2  triplex  et  st.  triplex  sed,  und  3  Caesar  nisi  co- 
actus  proelium  ne  committeret  st  des  in  unsere  Ausgaben  aufgenommenen 
Caesar  ne  nisi  coactus  proelium  committeret;  86,  3  hos  neque  st  eos 
neque,  und  6  neque  equitatus  peditatusque  tanta  auxilia  parata  st  neque 
tot  tantasque  classis  paratas,  und  10  revertatur  —  dimittat  st  rever- 
tantur  —  dimittant,  und  11  wird  se  vor  tulisse  eingeklammert;  87,  1 
quae  quisque  —  restituantur  st.  quod  (oder  des  handschriftlichen  quid) 
qnisque  —  restituat  und  eben  da  amiserint  st  amiserant,  mit  f  und 
Ondendorp,  und  4  praefecit  st  praeficit;  11,  2,  1  amplitudo  tormentoruro 
st  multitudo  tormentorum;  4,  3  fügt  Paul  qua  hinter  quam  zu;  5,  6 
honestissimi  st  honest! ;  6,  l  streicht  er  se  und  4  setzt  er  incitaverunt 
st  incitaverant;  9,  3  tabulatum  st.  tabulationem  und  4  in  eminentibus 
trabibus  statt  eminentibus  trabibus  unsrer  Ausgaben  und  imminentibus 
der  Handschriften;  10,  3  ligna  st  tigua;  13,  4  tum  st.  tunc,  und  quin 
in  oppidum  irrnmperent  st.  quin  oppidum  irrumperent;  15,  1  nam  illi 
st  nam  ubi;  16,  3  (2)  a  quibus  st  des  blossen  quibus;  17,  3  postea 
vero  quam  st  postea  vero  cum;  19,  2  ad  tempus  st  ad  id  tempus; 
23,  1  etiam  st  et  jam,  und  6  rediit  st.  redit;  24,  2  relinquit  st.  reliquit 
(s  Corrigenda),  und  4  longe  ut  lateqae  is  locus  restagnet  st  longius, 
lateque  is  locus  restagnat,  und  voluerint  st  voluerunt;  25,  1  theatro 
ohne  die  Präposition  st.  a  theatro;  27,  2  ea  credimus  st  et  credimus; 
29,  4  (3)  et  qui  st.  des  handschriftlichen  ut  qui,  woraus  mau  Uticam 
qni  gemacht  hat,  und  in  contuberniis  Curionis  milites  st  des  hand- 
schriftlichen in  contuberniis  commilitesque,  woraus  man  non  tuto  a  Vari 
in  Curionis  castra  commearent  gemacht  hat;  das  folgende  itaque  fehlt 
bei  Paul;  31,  4  fügt  er  suspicio  vor  studia  ein,  und  5  giebt  er  dissimu- 
lare,  occultare,  confirmare  st  dissimulari,  occultari,  confirroari,  und  8 
uti  spe  st  ut  ipse;  32,  2  (3)  Pompejus  autem  st.  Pompejus  enim,  pro- 
vincias  st.  provinciam,  3  (4)  ut  sunt  st.  adsunt,  und  4  gravins  [de]  vobis 
censere,  mit  Hinweis  auf  Cic.  ad  famil  IX,  2,  4  st  gravius  de  vobis 
sentire,  und  6  resistent  —  sequemini  st.  resistant  —  sequamini,  und  7 
desertos  etiam  st  desertos  enim,  und  9  (10)  fingitur  nova  religio  st 
relinquitur  nova  religio;  33,  2  (l)  neu  st  necubi;  35,  2  appetiit  st 
appetit,  und  3  at  vor  fugientium  st.  hac  oder  ac  und  in  fuga  st  fuga 
ohne  wiederholte  Präposition;  38,  3  scquebatur  st.  inseqnebatur,  und 
5  deducunt  statt  reducunt;   40,  3  e  praemissis  st  praemissis  ohne  Prä- 


38  Römische  Historiker. 

Position;  42, 1  signa  ferre  st.  signa  inferri;  III,  4,  3  III  milium  st.  III  mUia; 
8,  3  atqne  erroris  st.  ac  doloris  und  deterreri  st.  deterrere  oder  terrere, 
nnd  4  occupavit  custodiis  [que]  diligentius  dispositis;  ipse  etc.  st.  occu- 
pavit;  castodiisque  diligentius  dispositis  ipse  etc.,  und  neque  subsidium 
ezspectans,  si  [in]  Cacsaris  copiarum  exitum  iropedire  posset  st  neque 
subsidium  ezspectans,  si  in  Caesaris  complexum  venire  posset  der  Hand- 
schriften, woraus  man  —  Caesari  in  conspectum  —  verbessert  hat;  9,  1 
Libonis  st.  Liburnarumi  »weil  discessus  nur  vom  Fortgehen  von  Menschen 
gesagt  wirdc,  und  8  expugnatione  st.  oppugnatione ;  10,  6  proinde  civi. 
bu9  St.  proinde  sibi,  und  10  praesidia  deducturum  st.  des  handschrift- 
lichen copias  dimissurum;  11,  l  hospitiis  st.  copiis;  12,  2  hos  sequuntur 
Byllidenses  et  Amantini;  reliquae  finitimae  civitates  totaque  £piros  [et] 
legatis  ad  Caesarem  missis  —  pollicentur  st  hos  sequuntur  Bullidenses, 
Amantini  et  reliquae  finitimae  civitates  totaque  Epiros,  et  legatis  ad 
Caesarem  missis  —  pollicentur;  13,  5  [ut]  castellis  —  civitatis  ut  esset 
praesidio  st  des  handschriftlichen  ut  castellis  —  civitates  tutae  essent 
praesidio,  wovon  man  gewöhnlich  praesidio  streicht;  15,  l  ora  maritima 
st  omni  terra  und  6  oppidis  maritimis  st.  oppidi  muris,  und  ejus  rei 
facultas,  mit  Hinzufligung  des  in  den  Handschriften  fehlenden  rei,  sonst 
wird  in  der  Regel  ejus  weggelassen,  und  endlich  8  idem  st  id;  17,  1 
quibus  de  rebus  st.  quibus  rebus,  und  5  wird  unum  zu  reicere  gezogen 
und  das  Komma  hinter  unum  gebracht;  19,  2  ageret;  is  -  pronunüavit 
st  ageret  et  —  pronuntiaret,  und  4  (5)  quo  cum  isset  postero  die  Va- 
tinius  st  quo  cum  esset  postero  die  ventum,  und  6  sed  is  omissa  ora* 
tione  [loquij  de  pace  [atque]  altercari  etc.  st.  summissa  oratione  de 
pace  loqui  atque  altercari  etc.;  21,  4  caedis  nomine  st.  des  handschrift- 
lichen ejus  nomine,  woraus  Scaliger  eo  nomine  gemacht  hat;  22,  3  sed 
Goelius  st  et  Coelius,  und  4  imperiorum  st.  temporum;  23,  1  custodia 
classis  tueri  st.  des  handschriftlichen  custodia  clausos  tuen,  woraus  man 

—  teneri  gemacht  hat,  das  Paul  schon  deshalb  verwirft,  weil  praestat 
bei  Caesar  nicht  mit  dem  acc.  c.  inf.  verbunden  werde;  24,  4  prohibe- 
retur  st  prohiberentur;  25,  3  instigabantur  st.  castigabantur,  und 
(Kraffert  folgend)  at  (und  selbst  fortfahrend)  reliquos  ejus  exitus  impe- 
dirent  st.  ut  reliquos  ejus  exercitus  impedirent,  und  5  quae  hinter  vaca- 
bant  st.  qnod;  26,  3  impetum  st  et  vim,  und  4  schaltet  er  et  hinter 
remisisset  ein;  28,  2  suis  missis  st  summissis,  und  3  harum  altera  naviuro 
st.  harum  altera  navis;  30,  1  ipsi,  ut  iter  secundo  austro  derexerant  st. 
ipsi  iter  secundum  eas  terras  direxerant,  sodann  inde  st.  eae  und  venienti 

—  imprudeutem  st  venientibus  -  imprudentes,  und  4  quod  [expedito 
itinere]  st.  quia  expedito  itinere;  31,  1  setzt  er  isdem  temporibus  st  bis 
temporibus,  und  4  fdgt  er  Asia  hinter  provincia  zu;  32,  6  dictitabat  — 
fecerat  st  dictitabant  —  fecerant;  33,  1  venisset  st.  ventum  esset  und 
omniaque  reliqua  posthaberet  st  omniaque  post  [ea  quae]'haberet;  34,  2 
in  Thessaliam  ire  —  jussit,  weil  sich  ire  in  Z  befindet,  st.  in  Thessaliam 


Caesar.  29 

—  miait;    36,  1  nam  plerumque  rei  novitatem  fama  antecedit,  st.  des 
handschriftlichen  nam  plerumque  in  novitate  fama  antecedit,  wozu  man 
rei  hinter  novitate  hinzugefügt  hat,  und  2  contendit  st.  tendit  oder  te- 
tendit;    37,  4  transiit,  —  rediit,  und  6,  mit  Dinter,  rediit  st.  der  prae- 
sentia;  40,  1  ahduxit  st.  adduxit;  44,  3  complexus  st.  aroplexus  und  in- 
stituebant  st.  des  bandschriftlichen  videbant,  das  in  habebant  umgewandelt 
ist;    und  6  et  interiora  spatia  minorem  circuitum  habebant  quam  quae 
erant  (dies  mit  Kraffert)  st.  et  interiore  spatio  minorem  circuitum  habe- 
bant.   Quae  cum  erant;  47,  1  tanto  castellorum  numero  st.  tot  castello- 
rum  numero,  und  3  consuerat  st.  consuevit,  und  7  non  illi  (mit  Clarke) 
hordeum  quin  daretur  st.  non  illis  ordeum  cum  daretur;    49,  2  in  cir- 
culis  st.  in  vigiliis,  und  4  ut  erant  loca  montuosa  et  aspera,  angustias 
vallium  [has]  —  praesepserat  st  ut  erant  loca  montuosa  et  ad  specus 
angustiae  vallium,  has    -  praesepserat,   woraus   man   sonst   et  aditus 
perangusti  vallium   has  etc.  gemacht  hat,   und  6  ad  cotidianam  operam 
st.  ad  cotidiana  opera,  und  6  cumque  aquae  copia  tum  st.  summaque 
aquae   copia  tum  etc.,  und  cui  rei  cotidie  melius  occurrere  tempus  st 
cujus    rei    cotidie  melius   succedere  (handschriftlich  subterrere)  tempus 
etc.;  50,  1  noctu  st  nocte,  und  intra  mnnitionem  st.  intra  multitudinem ; 
61,  2  neque  enim  st  neque  vero  und  progrederentur  st.  prosequerentur, 
und  5  in  castris  st  des  blossen  castris,  vor  welchem  Andere  praesidio 
eingeschaltet  haben;    62,  2  munitiones  nostras  ingressi  st  extra  muni- 
tiones  nostras  egressi,  wo  extra  der  bandschriftlichen  Lesart  zugefügt 
ist;    63,  3  wird  illo  hinter  castello  hinzugefügt  und  ex  YIIl  cohorte  st. 
ex  una  cohorte  gegeben;  54,  1  pedum  XV  elatis  st.  pedum  XY  effectas 
der  Handschriften   und  eifectis  der  Ausgaben,   und  omnem  partem  st. 
eam  partem,  und  2  fügt  er  vectibus  hinter  objectis  hinzu;    56  (65),  1 
acUunxit  st  adjungit;    67,  5  defert  st.  refert;   59,  2  pecuariae  st  pecu- 
niariae;  60«  1  sustulit  st.  distulit,  und  6  facinus  difficilius  st  id  diffici- 
lius  und  proinde  ac  si  st.  proinde  ac;    63,  5  allatura  erat  st  attulerat, 
und  6  excubabant  st  excubuerant,  ferner  fossas  complebant  st.  fossae 
complebantnr,  endlich  wird  hinter  admotis  eine  Lücke  angenommen,  so- 
dann 8  Pompejani  navibus  expositi  st.  per  mare  navibus  expositi  (in  den 
Handschriften  expositis);    64,  2  subsidii  st  subsidio,  und  3  conspicatus 
perterritos  nostros  st  conspicatus  equites  nostros,  endlich  4  referte  st 
deferte;   65,  4  Pompejum  —  egressum  secundum  mare  manere,  mit  Eßn- 
zufflgung  dieses  Verbums  und  Fortlassung  von  castra  hinter  egressum, 
während  Andere  nicht  blos  castra,  sondern  auch  secundum  mare,  die 
sich   in  Z   befinden,   weglassen,   und  nachher  muniri  jussit  st  munire 
jussit;    66,  2  fügt  Paul  colles  vor  circummuniret  hinzu,  mit  Bezug  auf 
in,  46,  6,  und  4  setzt  er  transtulerat  st  transtulit,  wegen  der  übrigen 
plusquamperfecta;  67,  1  eo  signa  legionis  lata  (illata,  Giacconius)  st.  eo 
signo  legionis  illato,  und  6  wird  et  vor  quod  gestrichen  und  vor  non- 
nuUos  gebracht;    69,  i   wird  et  vor  re  nuntiata  weggelassen  und  4  (6) 


( 


30  Römische  Historiker. 

gegeben  aüi  signa  visi  sequi  eodem  rursum  conferti  ruerent,  aus  welclien 
Worten  ich  den  Vorgang,  den  sie  schildern  sollen,  mir  nicht  erklftren 
zu  können  gestehe,  st.  des  handschriftlichen  alii  dimissis  equis  eundem 
cursnm  confugerent,  wofür  ich  alii  demisse  (mnthlos)  secuti  eundem  cur- 
sum  confugerent  (d.  i.  confugium  sibi  quaererent)  vorgeschlagen  habe; 
71,  3  hoc  nomine  abstinuit,  mit  Hinweis  auf  Dio  Gassius  XLI,  52,  It 
st.  hoc  nomen  obtinuit,  und  neque  in  litteris  praescribere  est  solitus  st. 
neque  in  litteris  qnas  scribere  est  solitus ;  72,  3  non  excursu  aciei  facto 
St.  non  [ex]  concursu  acri  facto,  in  welcher  Lesart  die  Handschriften 
agri  bieten;  78,  2  praeponerent  st.  opponerent,  und  3  recepissent  st. 
cepissent,  und  6  quod  [si]  esset  factum,  detrimentum  ut  in  bonum  verteret 
st  quod  si  esset  factum,  detrimentum  in  bonum  verteret;  74,  3  et 
refectis  (d.  i.  restitutis)  munitionibus  st.  et  relictis  munitionibus;  76,  3 
sed  eodem  die,  exspectans,  si  in  itinere  st.  des  handschriftlichen 
sed  eadem  spectans,  si  itinere;  76,  8  ceperat  st.  ceperant;  78,  3  frumenti 
ac  commeatus  st.  frumento  ac  commeatu  und  5  praesidioque  —  cohor- 
tium  —  relicto  st.  praesidioque  —  cohortibus  —  relictis;  79,  3  Domitius 
cum  st.  Domitius  qui,  das  eine  wie  das  andere  fehlt  in  den  Hand- 
schriften; 80,  5  inferri  st  inferre;  81,  2  qui  minis  exerciti  Scipionis 
terrebantur  st  des  handschriftlichen  qui  magnis  exercitibus  Scipionis 
tenebantur;  83,  3  fern  st  ferrent,  4  und  5  qua  —  qua  —  qua  st.  qui 
—  qui  -  qui;  auf  die  Unrichtigkeit  der  letzteren  Lesart  habe  ich 
Philol.  Suppl.  y.,  Hft.  2,  S.  365  zuerst  aufmerksam  gemacht;  ich  gebe 
zu,  dass  ich  dort  irrthttmlicher  Weise  tabellas  durch  Listen  tibersetzt 
habe,  es  hätte  Abstimmungstäfelcheu  heissen  sollen;  mit  dieser  Modi- 
fication,  durch  welche  die  Art  der  Benutzung  dieser  tabellae  und  der 
Urtheilsabgabe  allerdings  eine  ganz  verschiedene  wird  von  deijenigen, 
die  ich  angegeben  hatte,  bleibt  gleichwohl  die  Berechtigung  der  von  mir 
vorgeschlagenen  Aenderung  quos  -  quos  —  quos,  vor  dem  man  sich 
selbstverständlich  eorum  hinzuzudenken  hat,  durchaus  bestehen,  durch 
deren  Vorschlag  Paul  doch  wohl  allein  auf  seine  Verbesserung  qua  — 
qua  —  qua,  welche  genau  dasselbe  aber  in  leichterer  Weise  besagt, 
hingeführt  sein  wird;  übrigens  bin  ich  Paul  für  die  Zurechtweisung,  die 
er  mir  zu  Theil  werden  lässt,  dankbar,  und  stets  habe  ich  befolgt,  was 
ich  am  Schluss  eines  meiner  Epigramme  sage: 

Nur  wer  Fehler  gesteht,  heisst  mir  ein  Priester  des  Rechts. 

85,  3  paulo  ante  iter,  mit  Hinzufügung  von  iter;  86,  1  in  consilio 
superioris  diei  st  in  consilio  superioribus  diebus,  und  3  esset  accessum 
st  Sit  accessum,  und  5  klammert  er  et  vor  quoniam  ein,  was  nur  bei 
der  von  ihm  angenommenen  Co^jectur  Elberling^s  neu  suam  neu  reli- 
quorum  opinionem  fallerent  nothwendig  ist,  aber  nicht  mit  der  hand- 
schriftlichen Lesart  ne  usu  manu  (que)  reliquorum  opinionem  fallerent 
noch  auch  mit  Marckland's  Besserung  ne  suam  omniumque  reliquorum 
opinionem  fallerent;  87,  2  pronuntiabo  st  pronuntio,  weil  hl  pronuntiatio 


Caesar.  31 

hat,  und  7  haec  ubi  facta  sant  st.  haec  cum  facta  sunt;    88,  8  nume- 
ruinque  cohortium  GX  expleverat  st.  numeroque  cohortes  CX  expleverat; 
89,  4  simol  tertiae  aciei  quartaeque  exercitns  imperavit  st.  simul  tertiae 
aciei   totique    exercitui   imperavit,   die  Verbindung  acies  exercitus  mit 
Cic.  Gatil.  II,  6  stützend,  und  concurrerent  st.  concurreret;  91,  1  quam 
instituistis    operam   navate   (oder  im  Text  date)  st.  quam  constituistis 
operam  date,  und  3  (4)  laeti  milites  st.  electi  milites,  und  LXX,  aber 
nicht  im  Text,  wo  CXX  stehen  geblieben  ist;  92,  3  (4)  studio  pugnandi 
st.  studio  pugnae;    93,  4  (6)  IIX  (d.  i.  VIII)  cohortium  numero  st.  ex 
cohortium   numero  der  Handschriften  und  sex  cohortium  (ohne  numero) 
der  Ausgaben»  und  6  (7)  destituti  [inermes]  suo  praesidio  interfecti  sunt 
st  destituti  inermes  sine  praesidio  interfecti  sunt;  96,  2  exercitui,  »der 
Gleichförmigkeit  wegen«  st   des  handschriftlichen  Dativs  exercitu,  und 
3  imperatoriis ,  wie  übrigens  schon  Dinter  hat,  st.  imperatoris;    97,  2 
locis  aequis  st  jugis  ejus,  was  erst  aus  dem  handschriftlichen  juris  ejus 
gemacht  worden  ist;    102,  1  ita  quantumcunque  st  et  quantumcumque, 
und  5  navibus  [que];  103,  3  Alexandriam  reciperetur  st.  Alexandria  re- 
ciperetur;    104,  1  tum  st  tunc;    105,  4  in  occultis  locis  ac  reconditis 
templi,  mit  Hinzufügung  von  locis,  und  fas  nuUi  est  st  fas  non  est; 
106,  1  in  Aegyptum,  mit  Hinzuf&gung  der  üblichen  Präposition,  und  6 
continentibus  diebus  st.  continuis  diebus;     107,   1   qui  —  flaut  adver- 
sissimi  venti  st.  qui  —  sunt  adversissimi  venti  der  Ausgaben,  wegen  der 
handschriftlichen  Ueberlieferung  fiunt;    109,  6  paucorum  seleratorum  st. 
paucorum  et  latronum;    110,  1  cum  Achilla  eae  copiae  st.  cum  Achilla 
copiae,  weil  h  f  Achillae  bietet;  111,  3  quadriremes  omnes  st.  illae  triremes 
omnes,  und  5  nostri  salutem  st  hi  salutem,  und  6  navalia  tueri  st  tarn 
late  tueri;   112,  1  cepit  st-  accepit,  weil  hlf  coepit  bietet,  und  3  quae- 
que  illis  naves  st   qnaeque  ubique  naves  der  Handschriften  und  der  Les- 
art Nipperdey's  quaeque  ibi  cumque  naves,  und  7  paucis  [quae]  st.  pau- 
cisque  und  praemuniit  st.  praemunit 

Ganz  beträchtlich  ist  ausserdem  die  Zahl  der  Conjecturen,  welche 
in  den  einleitenden  Anmerkungen  vorgebracht  werden,  und  von  denen 
einige,  wie  man  aus  dem  Ausdruck  schliessen  muss,  nur  durch  ein  Ver- 
sehen beim  Abdruck  aus  der  Dinter'schen  Ausgabe  von  1884,  wie  es 
scheint,  nicht  in  den  Text  aufgenommen  worden  sind:  I,  4,  2  vermuthet 
er,  sich  auf  I,  30,  2  berufend,  redire  debeat  st  redeat;  10,  1  Pompejum 
convenit  st  Pompejum  invenit;  26,  1  hält  er  opera  vor  disturbaret  für 
eine  Wiederholung  desselben  Worts  aus  dem  vorigen  Satze;  36,  5  ac 
portibus  st  aut  portibus ;  43,  5  aliis  summissis  subsidio  st  aliis  summissis 
subsidiis,  mit  Hinweis  auf  IH,  64,  1  und  b.  Gall.  V,  58,  5;  44,  3  qui- 
buscumque  in  locis  st  quibus  quisque  in  locis;  47,  2  resUtissent  st.  ste- 
tissent;  66,  2  illae  angustiae  tenerentur  st.  in  angustiis  tenerentur;  82,  2 
famamque  hominum  st  famamque  omnium;  II,  9,  4  ad  longitudinem  st 
in  longitudinem;    11,  2  elapsae  st  delapsae;    14,  3  Impetus  nostrorum 


82  BOmiflehe  Hiitoriker 

st  impetas  eontm;  15,  1  irrisai  fieri  st.  irrisai  fore,  ganz  nnnöthig; 
25,  2  conferebantur  st  conferantur,  wahrscheinlich  richtig;  27,  4  ona 
conyalle  st.  una  valle;  39,  4  licenter  st.  libenter;  III,  2,  1  convenire  st 
venire;  8,2  profectae  st  provectae;  11,  l  and  86,3  nöctem  ac  diem 
st.  nocte  et  die,  wohl  unnöthig;  16,  3  ex  praetura  et  consulatn  st  ex 
aedilitate  et  praetura,  kaum  glaublich  wegen  dieser  Lesart  in  den  Hand- 
schriften, wenn  auch  noch  so  sehr  begründet  in  der  Sache;  17,  5  acci- 
pere  st  recipere;  19;  2  ageretur  st.  id  agerent;  21,  5  jussa  fque]  — 
apparare  st  visa  quae  —  appararet  nach  der  Dinter^scben  Fassung; 
22,  2  Consentiam  st.  Cosam;  28,  1  cum  classe  quae  erat  navium  L.  st. 
cum  classe  cui  praeerat  navium  L;  25,  3  commodius  st.  durius;  28,  4 
cognoscere  licuit  st.  cognosci  licuit,  »weil  ausser  b.  Gall.  I,  42,  1  licet 
bei  Caesar  nicht  mit  einem  acc.  c.  inf.  vorkommet;  do,  6  eundem  diem 
st  unum  diem;  32,  3  räth  er  quid  zu  streichen,  und  4  schlägt  er  prae- 
conibus  st  praefectis  der  Ausgaben  und  praeceptis  der  Handschriften 
vor,  endlich  5  möchte  er  ob  eam  causam  neque  minus  haben  st  neque 
minus  ob  eam  causam;  38,  1  ex  fano  st  a  fano;  37,  3  objectus  st 
subjectus;  41,  3  oppido  st  ab  eo,  und  5  parvam  partem  st.  parva  parte, 
wenigstens  nicht  nöthig;  43,  4  uti  st  niti;  44,  6  tot  opera  st  totis  eo- 
piis;  45,  3  munientes  impediebat  st.  munitiones  impediebatr,  46,  1  fossas 
II  inteijectis  stipitibus  (oder  sudibus)  st  fossam  tectis  militibus,  und 
6  V  ex  omni  numero  st  V  omnino;  48,  1  admixto  lacte  st.  admixtum 
lacte;  53,  4  et  periculi  st  periculique,  mit  Eßnweis  auf  b.  Gall.  I,  44,  18; 
57,  4  illi  (oder  Sdpioni)  st  uni;  60,  2  domesticorum  st  domestico; 
63,  6  conversum  st  transversum,  und  6  tormentis  telisque  cigusque 
generis  st.  tormentis  cigusque  generis  telisque ;  65,  3  dedactis  quindecim  co- 
hortibus  quibusdam  st.  deductis  cohortibus  quibusdam;  66,  6  idem  st.  item; 
69, 4  sinistri  cornus  milites  st.  sinistro  cornu  milites,  und  4  (5)  exanimati  st. 
[ex]  metu;  70,  1  occurrebant  st  succurrebant;  71,  4  in  conspectu  omnium 
st.  in  omnium  conspectu,  »weil,  mit  alleiniger  Ausnahme  von  b.  Gall.  III,  28, 4 
in  dieser  Redensart  der  Genitiv  stets  folgte;  73,  3  litoribus  oronibus 
omnes  st  litoribus  omnes,  und  5  expulisse  se  ac  superasse  repugnantes 
st  expulisse  ac  superasse  pugnantes;  74,  2  möchte  er  cum  vor  superioris 
streichen;  80,  4  modo  st  nondum  einsetzen,  und  82,  4  de  imperiis  lesen 
st.  de  praemiis;  84,  1  quoad  st.  quo,  schwerlich  nöthig;  87,  6  item 
juravit  st.  idem  juravit,  und  7  de  re  tam  certa  a  tarn  perito  imperatore 
st  de  re  tanta  et  a  tam  perito  imperatore;  90,  1  suaque  in  rempublicam 

—  officia  st  suaque  in  eure  (nflmlich  exercitum)  —  officia;  93,  5  infestis 
signis  tantaque  vi  st  infestisque  signis  tanta  vi  der  Handschriften  und 
der  Ausgaben;  94,  2  illi  st  alii,  und  6  reliquae  (nämlich  parti)  st.  aliis; 
97,  5  noctu  st  nocte;  100,  2  Brundisii  st  Brundisio;  105,  1  Ephesi  st 
Epheso,  und  5  palmam  —  exstitisse  ostendebatur,  unpersönlich,  st.  palma 

—  exstitisse  ostendebatur;  106,  4  nee  minus  st.  in  hoc  omnis,  und  5 
ejus  Omnibus  partibus  st  hujus  urbis  omnibus  partibns;    112,  6  edixit 


i 


Oaesar.  88 

st   deanxit    der  Handschriften,    wof&r   man   seit  Scaliger   dimislt  ge- 
setzt hat. 

Um  eine  Yorstellang  zu  geben  von  der  Umwälzung,  .welche  von 
Paul  in  den  Gommentarien  de  b.  civ.  angerichtet  worden  ist  und  vießeicht 
noch  weiter  angerichtet  werden  wird,  habe  ich  die  Aenderungen,  welche 
Ton  ihm  im  Text  gegen  die  jetzt  Überwiegend  im  Oebrauch  befindlichen 
Ausgaben  vorgenommen  worden  sind,  vollständig  verzeichnen  müssen,  iK) 
wie  auch  die  noch  nicht  aufgenommenen  Yermuthnngen ;  bei  manchen 
habe  ich  gern  meine  Zustimmung  erklärt,  bei  einigen  andern  meine 
Missbilligung  nicht  zurttckgebalten;  bei  den  meisten  habe  ich  e9,  um 
nicht  ungerecht  zu  erscheinen,  fQr  rathsam  gehalten,  dem  Leser  da6  Uf- 
theil  zu  tkberlassen,  da  ohnebin  in  vielen  Fällen,  um  ihre  Richtigkeit 
oder  Unrichtigkeit  zu  begründen ,  weitläufige  Auseinandersetzungen  nOthig 
sein  würde».  Man  wird  sich  auch  so  schon  überzeugt  haben,  dass,  sieht 
man  von  Gitlbauer's  verfehlten  Veröffentlichungen  ab,  seit  langer  Zeit 
ein  alter  Schriftsteller  nicht  mit  so  grosser  Freiheit  —  man  kann  auch 
wohl  Willkür  sagen  —  behandelt  worden  ist,  wie  es  hier  mit  Gaesar's 
Denkwürdigkeiten  Ober  den  Bürgerkrieg  geschehen  ist  E%  scheint  mir 
angebracht,  diesem  Verfahren  in  massvoller  Weise  entgegenzutreten,  weil, 
wie  die  noch  nicht  in  den  Text  gestellten  Vorschläge  vermuthen  lassen, 
bei  einem  etwaigen  Neudruck  noch  viel  mehr  unnöthige  AendeniAgeo 
getroffen  werden  dürften.  Ein  alter  Schriftsteller  darf  aber  doch  nicht 
wie  ein  Priroaneranfsatz  corrigirt  werden.  Es  ist  zwar  anzuerkennen, 
dass  der  Herausgeber  überall  bemüht  gewesen  ist,  bei  der  Feststellung 
des  Textes  die  sachlichen  Verhältnisse  ebenso  sehr  zu  berücksichtigen 
wie  die  wörtliche  Ueberlieferung  der  Handschriften;  freilich  darf  man 
jedoch  nicht,  was  Caesar  den  Umständen  nach  auch  wohl  hätte  sagen 
können,  an  die  Stelle  dessen  setzen,  was  er  gerade  für  passend  erachtet 
bat  sagen  zu  wollen:  so  hätte  I,  85,  3  nicht  für  tot  tantasque  chissis 
paratas  ohne  irgend  wekhen  wesentlicken  Anhalt  in  den  ScbriftzOgen 
dieser  Lesart  equitatus  peditatusque  tanta  auxiüa  parata,  an  einer  an- 
dern Stelle  für  copias  dimissurum  doch  nkht  das  gänzlich  unähnliche 
praesidJa  deducturum,  und  dergleichen  mehr  gesetzt  werden  dürfen.  Ob 
durch  die  vielen  Aenderungen,  wie  ter  Heransgeber  es  bez weckte  das 
Werk  für  Schüler  lesbarer  geworden,  ihrem  Verständniss  näher  gerückt 
worden  ist,  das  ist  eine  andere  Frage,  welche  ich  nicht  unbedingt  b^ 
jähen  möchte;  an  einzelnen  Stellen  scheinen  mir  die  bisher  üblichen 
oder  vorgeschlagenen  Lesarten,  wenn  auch  auf  unsichrer  Coojectur  be^ 
ruhend,  leichter  verständlich  als  die  von  Paul  auf  eine  nodt  weniger 
sichere  Vermuthung  eingesetzten,  wie  III,  69,  4  (5)  alii  signa  visi  sequi 
eodem  rursum  confecti  ruerent  und  so  manches  Andere.  An  verschie- 
denen Stellen  sind  sonst  recht  annehmbar  erschienene  Besserungen  ua* 
berücksichtigt  geblieben«  So  wird  I,  1,  1  mein  Vorschlag  invitati  st.  in 
civitate  zu  lesen  gar  nicht  erwähnt,  obgleich  man  doch  aus  dem  ganze« 

JahTMberioht  fllr  AlterthumswisBenBoliaft  LXVIII.  Bd.  (1891  11).         3 


34  Eömisehe  Historiker. 

Eingang  sieht,  dass  die  Gonsnln  sich  zu  dieser  Darlegang  der  Lage  des 
Staats  absichtlich  drängen  Hessen;  I,  3,  3  entspricht  die  von  mir  em- 
pfohlene Lesart  urbs  armis  (completur)  der  in  solchen  Fallen  üblichen 
Ausdrucksweise,  und  die  Aenderung  der  handschriftlichen  Ueberliefening 
ist  bei  weitem  nicht  so  bedeutend  wie  bei  Dutzenden  der  von  Paul  zu 
leichterem  Yerständniss  in  den  Text  gebrachten  eigenen  Goigecturen. 
I,  5,  3  habe  ich  sola  eorum  st.  latorum  der  Handschriften  vorgeschlagen, 
Ar  welches  sceleratorum  schwerlich  politisch  zu  rechtfertigen  wäre,  da 
dieser  Ausdruck  den  ganzen  noch  Übrigen  Senat,  den  Caesar  doch  zu 
gewinnen  suchen  musste,  vor  den  Kopf  gestossen  haben  wflrde;  die  Be- 
ziehung eines  Pluralis,  hier  eorum,  auf  einen  Sammelnamen,  wie  senatus, 
ist  bei  den  lateinischen  Schriftstellern  nicht  selten;  bei  Caesar  selbst 
findet  sie  sich  b.  Gall.  II,  U,  3,  wo  bis  sich  auf  omnem  equitatnm,  und 
b.  civ.  II,  36,  2  und  3,  wo  omnes  und  eorum  sich  auf  oonventus  be- 
ziehen; ähnlich  auch  b.  Gall.  I,  2,  1  civitati  persuasit  ut  —  exirent. 
I,  6,  7  wird  ohne  einen  Zusatz  oder  doch  Andeutung  einer  Lücke  con- 
sules  ex  urbe  proficiscuntur  aus  Caesar's  Munde  als  etwas  Ungehöriges 
dargestellt,  obwohl  aus  der  Geschichte  schon  die  Tertianer  wissen,  dass 
Aemilius  Paulus  und  Terentius  Varro,  um  zur  Schlacht  bei  Cannae  ab- 
zugehen, beide  zusammen  in  ganz  ordnungsmässiger  Weise  die  Stadt 
verliessen,  Liv.  XXII,  40.  I,  16,  1  wird  recepto  Firmo  der  Hand- 
schriften nicht  aufgenommen,  wahrscheinlich  nur,  weil  ich  es  als  richtig 
nachgewiesen  hatte;  anders  Em.  Hoffmann,  der  nur  unnöthiger  Weise 
Asculoque  expulso  Lentulo  anfügt,  da  jeder  aus  dem  Vorhergehenden 
dies  Asculo  sich  hinzudenken  und  das  folgende  ibi  darauf  beziehen  kann. 
I,  44,  2  hat  man  jetzt  fast  allgemein  das  von  mir  empfohlene  Lusitanis 
reliquisque  barbaro  quodam  genere  oder  doch  barbaro  genere  quodam 
gebilligt;  Paul  setzt  nur  im  Nachtrag  Kraner's  Lesart  —  reliquisque 
barbaris  barbaro  —  ein.  I,  48,  5  ist  mit  gänzlicher  Verkennung  des 
Sachverhalts  in  herbis  st.  des  allerdings  unrichtigen  handschriftlichen  in 
hibernis  eingesetzt,  wofür  ich  in  cavernis  vorgeschlagen  habe,  eine  Con- 
jectur,  welche  nicht  nur  durch  Ch.  Tissot^s  (La  Campagne  de  C^sar  en 
Afrique)  Beschreibung  des  Verfahrens  in  Nordafirika  (im  Anschluss  an 
b.  Afr.  66),  sondern  auch  durch  die  im  Alterthum  beinahe  überall, 
z.  B.  in  Vorderasien  (unter  dem  Namen  ctpoi)  übliche  Siloswirthschaft 
gestützt  wird;  wer  in  herbis  setzt,  sollte  sich  doch  sagen  müssen,  dass 
frumenta  in  herbis  zur  Ernährung  der  Soldaten  Nichts  beitragen  können; 
als  Viehfntter  wären  die  frumenta  in  herbis  erst  recht  brauchbar  ge- 
wesen, wenn  sie  sich  nicht  mehr  in  herbis,  sondern  schon  in  Aehren  befanden; 
der  Unterschied,  den  Paul  anzunehmen  scheint,  zwischen  frumenta,  Ge- 
treide auf  dem  Halm,  und  frnmentnm,  geemtetes  Getreide,  ist  nicht  halt- 
bar; man  vergleiche  III,  47,  5,  wo  Paul  seiner  vorgefassten  Meinung 
zu  Liebe  corrigiren  möchte;  frumenta  sind  Getreidesorten,  Weizen,  Gerste, 
und  frumentum,  collectiv,  das  Getreide,  ohne  Unterscheidung  der  Sorten; 


Caeaur.  35 

die  Zeit  war  dadurch  so  höchst  schwierig,  weil  die  Yorräthe  vom  vorigen 
Jahre  in  den  biemalibus  cavernis,  den  Graben  oder  Silos,  welche  den 
Spaniern  als  Scheuern  dienten,  und  wie  dies  spanische  Wort  zeigt,  bis 
in  die  Neuzeit  gedient  haben,  aufgebraucht,  das  Getreide  des  Jahres 
noch  nicht  reif  war.  I,  85,  9  lässt  Paul  das  zweite  probati  ruhig  stehen, 
das  ihm  schon  dadurch  hätte  verdächtig  sein  müssen,  weil  dasselbe  Wort 
in  der  vorigen  Zeile  vorkommt,  mehr  aber  noch  in  sachlicher  Hinsicht: 
wie  kann  man  glauben,  dass  Caesar  den  Pompejanem  zum  Vorwurf 
mache,  dass  von  ihnen  superioribus  bellis  probati  zu  erneutem  Kriegs- 
dienst einberufen  werden?  tbat  nicht  gerade  Caesar  dasselbe?  man  ver- 
gleiche b.  GalL  III,  20,  2.,  b.  civ.  1,  39,  2  etc.;  es  muss  statt  dessen  ein 
Wort  wie  fracti,  debilitati  oder  confecti  eingesetzt  werden;  dann  wird 
es  zum  Vorwurf,  dass  Leute,  welche  durch  frtkhere  Kriege  geschwächt 
sind,  auch  dann  nicht  einmal  sich  der  Einberufung  haben  entziehen 
können,  wenn  sie  ihr  Über  die  gesetzmässige  Dienstzeit  hinausgehendes 
Alter  als  Entschuldigung  anführten,  sondern  ihr  Folge  leisten  mussten, 
aus  ßesorgniss,  sonst  als  Reichsfeinde  behandelt  zu  werden;  ich  sollte 
meinen,  etiam  aetatis  excusatio,  nicht  einmal  das  Alter,  weise  ganz  deut- 
lich auf  einen  noch  anderen  vorher  angebrachten  Entschuldigungsgrund, 
nämlich  quod  —  confecti  essent,  hin;  dies  merkend,  haben  denn  auch 
mehrere  Kritiker,  welche  an  probati  festhalten,  wie  Mensel  (Jahresber.  XII) 
und  Vielhaber,  dieses  etiam  streichen  zu  müssen  geglaubt  Nach  Madvig's 
Vorschlag  möchte  eben  da  noch  hinter  nihil  valere  statt  quod  zu  lesen 
sein  quin.  II,  6,  3  hätte  conjuncti  Albici  st  conjuncti  Albicis  gegeben 
werden  sollen,  dann  würde  der  Satz  bei  dem  Herausgeber  keinen  An- 
stoss  gefunden  haben. 

Aber  mögen  auch  viele  Aenderungen  Paul's  nicht  glücklich,  einige 
ganz  willkürlich,  andere  wenigstens  nicht  nöthig  erscheinen,  so  sind  doch 
manche  recht  empfehlenswerth ;  ausserdem  enthalten  seine  Bemerkungen 
ganz  wertbvolle  Beobachtungen  des  Sprachgebrauchs  Caesar's,  zu  welchen 
ihm  MeuseFs  Lexikon  die  Beispiele  geliefert  haben  wird.  Immerhin  wird 
der  ktlnftige  Herausgeber  der  Denkwürdigkeiten  zum  Bürgerkriege  nicht 
nur  für  die  Feststellung  der  Lesarten,  sondern  auch  für  die  Sacherklärung, 
sowie  endlich  für  die  Erforschung  der  Ausdrucksweise  des  Schriftstellers 
hier  reichliche  Anregung  finden. 

C.  Julii  Caesaris  commentarii  de  hello  civili  (commentariorum 
vol.  II).  Iterum  recognovit  et  adnotationem  criticam  praemisit  Ema- 
nuel  Hoffmann.     Vindobonae.    Gerold.    MDCCCXC. 

So  viele  Aenderungen  der  Verfasser  schon  in  der  1.  Auflage  ge- 
troffen hat,  und  so  viele  er  auch  in  der  zweiten  wieder  vornimmt,  ist  sein 
Verfahren  gegenüber  dem  Paul's,  den  er  übrigens  nicht  erwähnt,  noch 
immer  conservativ  zu  nennen.  Neben  den  neuen  Umgestaltungen  des 
Textes  halte  ich  es  für  nöthig,   auch  die  auffallendsten  der  I.  Ausgabe, 


i 


36  RAmifldtee  Ulitoriker. 

soweit  sie  beibehalten  snid,  anzugeben.  I,  2,  1  bewahrt  er  F0nip€9ns^[we 
aderat  gegen  das  Tfm  Fr.  Hofmann  eingeführte  auch  von  Paul  gnt- 
geheissene  Pompejnsqae  aberat;  I,  8,  3  vermuthet  er  completar  nrbs  at 
pCT  Justitium  tribuais  etc.,  im  Text  et  [jus]  stehen  lassend;  I,  5,  2  ultimo 
denique  mense  suamm  aetioaum  (st  des  tou  Mommsen  empfohlenen  toto 
deniqve  emenso  spatio  suaram  adionnm);  I,  6,  8  in  desperatione  salutis 
contra  peraidosae  legis  latoram  audaciam;  I,  6,  2  aut  sequantsr. 
Statin  de  rcliquis  rebus  (st  aut  se<|uantur  saitem.  Be  reliqnis  rebin); 
I,  6,  6  wird  privatis  ah  yerdftchtig  eingeklammert;  I,  6,  6  exeant,  nach 
h,  als  noch  von  ut  abhangig,  mit  Hinweis  auf  seine  »Studient  S.  80,  57 
(st.  exeunt);  I,  7,  7  [reiiquae  noadum  oonvenerant];  I,  10,  1  cum  L. 
Caesare  (st  a  Gaesare),  hauptsftchlich  nach  Vind.  I  (f);  I,  11,  8  si  pacto 
consulatu  Caesar  profectus  esset  (st  des  handschriftlichen  si  peracto 
consulatu  Gaesaris  profectus  esset,  zu  dem  man  non  vor  profectus  hinzu- 
zuseUen  genöthigt  gewesen  ist  und  in  welchem  man  peracto  auf  ver- 
schiedene Weise  zu  verbessern  versucht  hat);  I,  18,  I  in  postemm  civi- 
tatis, das  letztere  Wort  von  rationem  abhftngig  (st  des  handschriftlichen 
posteritatis);  21,  8  iis  operib«s,  ohne  das  durch  Goivectur  zugefügte  in; 
22,  3,  wie  schon  in  der  1.  Ausgabe,  cum  eum  de  salate  sua  orat  atque 
obsecrat  ut  sibi  parcat,  veterera  quoque  amicitiam  eemmemorat  (st  cum 
eo  —  agit:  orat  —  veteremque  amicitiam  etc.,  wo  agit  von  Th.  Bentlei 
zugefügt  ist);  28,  2  erant  quinquaginta;  ordinis  senatorii  L.  Domithis 
etc.;  25  wird  §  7  zu  §  9,  und  §  9  zu  §  7  gemacht  (s.  Rhein.  Mus. 
1888.  S.  150.  »Die  Hafensperre  von  Brundisiomc);  35,  4  [Gn.  Pom- 
pejum  et  G.  Gaesarem]  als  ttberflflssig  in  einer  an  Caesar  gerichteten 
Anrede;  39,  1  ad  illa  auxilia  peditum  Y  milia,  equitum  III  milia,  quae 

—  habaerat,  et  parem  —  numentm,  quem  ipse  paraverat  nominatim  — 
evocato,  et  hinc  —  addiderat,  wo  mit  binc  gemeint  sein  soll  ex  GaMia; 
hinter  addiderat  nimmt  er  keine  Lücke  an  und  erklftrt  optimi  generis 
hocninum  als  partitiven  Genitiv,  ähnlich  wie  III,  4,  6  reliquarum  gen- 
tium et  civitatum  (oder  civitatium,  wie  er  ungenau  ans  seiner  eigenen 
Ausgabe  citirt);    40,  8  congresaae  (st  Nipperdey's  Co^jectur  egressae) 

—  prope  priores  legiones  (st  Nipperdey's  Besserung  propiore  ponte); 
44,  4  behält  er  Nipperdey's  consuerant  q|K>rtere  (st  censuerant  oportere 
der  Handschriften)  bei;  gegen  meine  Erinnerung,  dass  eonsuevit  nun  und 
nimmermehr  den  accus,  cum  infin.  regieren  kann,  wendet  er  ein,  dass 
in  oportere  gar  nicht  ein  accus,  cum  infin.  vorliege;  ich  glaubte,  dass, 
weil  bei  dem  unpersönlichen  oportet  ein  Subject  nicht  möglich  ist,  das 
beim  Infinitiv  in  den  Accusativ  treten  könnte,  der  Infinitiv  allein  als 
accus,  cum  infin.  angesehen  werden  würde;  nur  Em.  Hoffmann^s  wegen 

—  Andere  werden  die  neue  Fassung  nicht  bedürfen  -  drücke  ich  mich 
jetzt  so  aus:  consaevi,  wie  übrigens  alle  Verba  mit  dem  blossen  Infinitiv 
(oder  nomin.  cum  inf.),  z.  B.  soleo,  possnm,  volo  etc.  kann  nur  einen 
Infinitiv  regiereu,    zu  dem   ein  persönlidies  Subject  hinzuzudenken  ist 


CMiar.  37 

uDd  zwar  dasselbe,  welches  den  Verben  consuevi,  soleo,  possum,  volo  etc. 
zu  Grunde  liegt;  man  kann  wohl  sagen  malo  debere  invitus  manere  in 
urbe  quam  hoc  tempore  abire  in  provinciam,  aber  man  darf  nicht  opor- 
tere  hinter  malo  gebrauchen;  46,  4  wird  ac  vor  directus  st.  hinter  das- 
selbe gebracht;  48,  5  ex  hibernis,  nämlich  Gallicis,  von  den  Caesarianern 
ans  Gallien  mitgebracht  (st.  in  hibernis,  oder  nach  meinem  Vorschlag 
in  cavemis)  und  novaque  (nftmlich  frumenta,  st.  neque),  das  letztere 
gan?  annehmbar;  52,  4  wird  das  handschriftliche  quo  (st.  Nipperdey's 
quod)  beibehalten;  64,  2  carinae  ac  primum  statnmen  alvei  materia 
fiebant,  s.  Jahrbücher  1874  S.  463  (st  des  handschriftlichen  carinae  ac 
prima  statumina  ex  levi  materia  fiebant);  64,  1  sustineri  extremum 
agmen  atqne  interrumpi  (st.  des  handschriftlichen  sustinere  etc);  72,  5 
montibtts,  ohne  das  aus  Goigectur  zugefügte  in,  wie  21,  3;  80,  4  refectis 
(st  des  handschriftlichen  relicUs,  woftr  Andere  reliquis  eingesetzt  haben, 
anch  Dinter  1888,  während  er  1884  (Doberenz)  relictis  munitionibus 
cum  Jegionibus  hatte  drucken  lassen);  II,  1,  2  [ad  partem])  wofür  De- 
derich  ad  portam  vorgeschlagen  hat;  II,  4,  4  novis  atque  improvisis 
(st  des  handschriftlichen  invisis  laütatis  atque  incognitis);  II,  5,  3  quae 
publicifi  custodüs  in  oppido  remanserat,  mit  Versetzung  der  Worte  pu- 
blicis  custodüs  quae  oder  que,  welche  in  den  Himdschriften  hinter 
uxoribus  stehen;  7,  1  Sedecim  vor  Nasidianae  (st.  sed);  19,  1  DO  cum 
eqnitibus  (st  cum  DG  equiUbus,  um  die  Auslassung  der  Präposition 
cum  in  den  Handschriften  erklärlicher  zu  machen);  31,  8  uti  spe,  wie 
Paul,  (st  ut  ipse);  32,  12  adduxerim  (mit  den  besten  Handschriften, 
st  abduxerim  der  anderen  Ausgaben);  82,  13  an  Hispaniarum  deditionem 
und  nachher  sequemini?  (st.  Hispaniarum  deditionem,  ohne  an,  und  sequi- 
mini);  36,5  cum  loci  natura  tum  munitiocastrorumadirituncprohibebat,  quod 
(st  derEmendation  cum  loci  natura  etmunitiocastrorumaditumprohibebant, 
tum  quod);  35,6  multo  pluribu8(8t.mille,vorvuIneratis);  44,3[paucisdiebus], 
wiePauUstpaucis  [diebus]);  III,2,2vix  VH  illarum  legionum(8tXVmüiale- 
gionariorum  militum);  111,4,4  ex  servis  suis  pastorumquesuorumnumero(wo 
numero  von  ihm  herrührt;  suisque  in  der  adnotatio  critica  beruht  auf  einem 
Druckfehler);  III,  6,  3  attigit  inter  Ceranniorum  saxa  etc.  (st.  attigit  Ger- 
miniorum.  Saxa  inter  etc.,  oder  attigit  Ceranniorum  saxa  inter  etc.  bei  Paul); 
7,  1  erat  (st  erant);  9,  6  maxime  (st  [maximi]);  10,  9  interea  erepu- 
blica  esse  et  (st.  interea  et  reipublicae  et  oder  st.  Madvig^s  Besserung 
id  Interesse  reipublicae  et);  10,  10  terrestres  ubique  copias  dimissurum 
(ubique  nach  Woelffers  Vorschlag,  st  terrestres  copias  urbiumque  prae- 
sidia  statim  se  dimissurum  bei  Dinter -Doberenz,  oder  terrestres  copias 
urbiumque  praesidia  deductnrum  bei  Paul);  U,  1  [Coryrae]  [omnibus 
copiis];  15,  6  si  facultas  detur  (ohne  sibi  und  ejus  der  Handschriften 
und  ejus  rei  Paul's);  16,  4  eis  summam  (st  des  handschriftlichen  Pompei 
summam  und  suam  summam  oder  summam  snam  der  Ausgaben);  19,  2 
[duo]  vor  '.legatos;  19,  8  atque  una  visurum  utrumque  (st  £lberling*s 
atque  eundeq^  visurom  oder  Madvig's  atque  una  visurum);    21,  5  anna 


38  Römische  Historiker. 

—  comprensa  familiae  Neapoli  missa,  qnae  —  appararet  (st.  arma  — 
compreDsa  et  familia  Neapoli  visa,  quae  —  appararet  oder  st.  anderer* 
Fassungen);  25,  4  sive  ad  Apsi  ostinm  sive  ad  litora  Apolloniatinm  (st. 
des  von  Fr.  Hofmann  gegebenen  sive  ad  litora  Apolloniatinm  sive  ad 
Labeatinm);  26,  8  etiaro  vim  (st.  [et]  vim);  26,  5  introitnm  est,  nach  f 
(8t.  intro  est  itnm);   27,  2  dimisit,  nach  f  (st.  remisit);   30,  1  [ipsi  iter 
secundnm  eas  terra  direxerant]  nach  Kraffert^s  Bemerkung;  36,  l  ejectis 
(st  des  bandschriftlichen  relictis,  aus  dem  Giacconius  dejectis  gemacht 
hat);  86,  1  in  nova  re  veritatem  fama  antecedit  (st.  des  handschriftlichen 
in  novitate  fama  antecedit,  das  auf  verschiedene  Weise  verbessert  ist); 
36,  2  abfiiisset,  nach  f  (st.  afnisset);    37,  3  at  tarnen,  nach  den  Hand- 
schriften (st.  ac  tarnen  Nipperdey's);    88,  4  wird  bostium  vor  insidiis 
und  excepemnt  hinter  nacti  turmas  weggelassen,  sowie  Dinter's  Lflcken- 
ausfhllung  quarum  perpauci  fuga  salutem  sibi  reppererunt,  endlich  auch 
reliquos  vor   omnes   und   earum   turmarnm   hinter  omnes;   eine  Lücke 
braucht  so  nicht  angenommen  zu  werden;   40,  4  molem  temptavit  natu- 
ralem (st.  molem  tenuit  naturalem  der  früheren  Ausgaben);  44,  4  atque 
ut  nostri  perpetua  munitione  providebant  [perducta  ex  castellis  in  pro- 
xima  castella]  ne  quo  loco  —  adorirentur  [timebant],  nach  Koch,  Rhein. 
Hub.    XI.    S.  639;    44,  6  cumque   (st   quae  cum);    46,  3  comparatis, 
wie  schon  in  der  1.  Ausgabe  (st.  Markland's  confectis  und  des  hand- 
schriftlichen completis);  46,  4  rejecti  (st  des  handschriftlichen  dejecti); 
46,  6  constipati,  mit  Faemi  (st  conspirati)  und  crates  dejectae  (st  crates 
derectae);   48,  1  werden,  st  des  Versuchs  einer  Besserung  nur  die  un- 
verständlichen Wortreste  der  Handschriften  gesetzt,  zu  Anfang  estautem, 
nach  abf,  (st  est  etiam);    49,  6  melius  subesse  tempus  (st  des  hand- 
schriftlichen melius  subterrere  oder  subterere  tempus);  51,  5  Sulla  [a 
Gaesare  castris  relictus];   53,  4  renumeraverunt,  mit  den  Handschriften 
(st  renuntiaverunt  der  Ausgaben);    58,  5  donavit  (st  donatum  und  mit 
Weglessung  des  von  Dinter  zugefügten  collaudatum)  und  nachher  atque 
—  pronuntiavit;  53,  6  virtute  spectatiores  militaribus  quemque  donis  — 
donavit   (st.  des   handschriftlichen   vespiciariis   militaribusque   donis   — 
donavit,  ftür  das  die  verschiedensten  Besserungsvorschläge  gemacht  sind) ; 
63,  4  [munitionis]  vor  XVH  erat  complexus  (st.  des  handschriftlichen 
munitiones;   dies   nach  Annahme  des  Yerfassers  ursprünglich  zugefügte 
munitionis  soll  der  Genitiv  sein);    65,  4  egressum,  secundnm  mare 
castra  juxta  Pompejum  munire  jussit,  mit  Versetzung  der  Wörter  secun- 
dnm mare;  67,  1  eo  signa  —  illata,  mit  Giacconius  und  Dübner;  67,  8 
eo  loco,  mit  f,  (st.  e  loco);    69,  4  admissis  equis  eundem  cursum  con- 
fugerent  (»quae  barbare  dicta  esse  Dinter  censuitc);    71,  1  et  f  notos 
equites  Romanos  [Fleginatem]  Tuticanum  Gallum;    71,  3   [hoc  nomen 
obtinuit]  —  neque  in  litteris  scribere  est  solitus,  mit   Auslassung  des 
handschriftlichen  quas  hinter  litteris;   73,  6  quod  si  esset  factum,  fore, 
uti  ad  Gergoviam  contigisset,  ut  detrimentum  in  bonnm  verteret  atque 
qui  etc.,  mit  Zufügung  von  fore  (woftlr  Mensel  futurum  hinter  factum 


Caesar.  39 

vorzieht),  Versetzung  des  Satzes  uti  —  contigisset  (st.  accidisset)  and 
Auslassung  von  ei  vor  qui,  grösstentheils  nach  f;  75.  8  ea  demum 
spectans  (st.  des  handschriftlichen  eadem  spectans);  76,  1  intra  vallnm 
ohne  castromm,  das  in  f  fehlt;  78,  6  ei  scripsit,  nach  f,  während  ei  in 
den  übrigen  Handschriften  fehlt;  79,  6  et  adventum,  nach  bf,  sonst 
ohne  et;  79,  7  objectum  [oppositumque]  Thessaliae  (st.  Nipperdey's 
oppidum  oppositum  Thessaliae);  81,  3  qnia  prope  jam  matura  frumenta 
erant,  mit  Hinzufftgung  von  frumenta  und  Verwandlung  des  handschrift- 
lichen quae  in  quia;  84,  2  primum,  mit  b  (st  primo);  84,  3  selectis, 
nftmlich  armis,  [milites]  (st.  electis  [milites]  oder  electos  milites),  wodurch 
Madvig^s  mutatis  entbehrlich  wird;  96,  3  acie  refugerant,  ohne  das  seit 
Stephanns  zugefügte  ex;  101,  4  [propter  eundem  timorem]  [egerat]  [cir- 
dter  XL];  106,  5  intacta  (st  in  tecto);  112,  2  angusto  itinere  ut  ponte, 
nach  Schiller  Philol.  XLII,  773;  112,  3  quo  ubi  quaecumque  naves,  wie 
in  der  1.  Ausgabe  (st.  des  handschriftlichen  quaeque  ubique  naves); 
112,  8  praemunit.  in  eo  tractu  (st.  praemunit  oder  praemuniit.  in  hoc 
tractu)  und  [quod]  vor  arcis;  112,  11  [in  parte  Gaesaris].  —  Man  wird 
ans  dieser  von  mir  gegebenen  Uebersicht  ersehen  haben,  dass  Em.  Hoff- 
roann  den  von  ihm  verglichenen  cod.  Vindobonensis  (f)  sehr  bevorzugt. 
Seine  allgemein  anerkannten  Verdienste  um  die  Gommentarien  werden 
natOrlich  auch  von  mir  gebührend  gewürdigt;  um  so  mehr  bedaure  ich, 
einigen  seiner  Anschauungen  über  die  Schreibweise  Gaesar's  nicht  zu- 
stimmen zu  können. 

Die  so  bedeutenden  Abweichungen  dieser  zwei  wichtigen  hier 
hinter  einander  besprochenen  Ausgaben  des  b.  civ.  eröffnen  den  Kriti- 
kern in  der  Behandlung  einzelner  Stellen  ein  weites  Feld  der  Thätigkeit 

G.  Julii  Gaesaris  Gommentarii  de  hello  civili.  Für  den  Schul- 
gebrauch erkl&rt  von  Dr.  A.  Doberenz.  Fünfte  Auflage  besorgt  von 
Dr.  G.  B.  Dinter.    Leipzig,  Teubner  1884. 

üeber  diese  Ausgabe  habe  ich  Philol.  Suppl.  V,  Heft  2  einen 
ausführlichen  Bericht  erstattet,  den  ich  einzusehen  bitte.  Die  Ab- 
weichungen von  der  vorigen  Auflage  werden  im  Anbange  verzeichnet; 
manchen  dieser  Aenderungen,  wenn  sie  auch  nicht  völlig  sicher  sind, 
kann  ich  meine  Zustimmung  geben;  so  I,  80,  4  relictis  munitionibus 
cum  legionibus  subsequitur,  praesidio  impedimentis  etc.,  nach  Eoechly, 
mit  Hinweis  auf  U,  37,  3  (st  des  handschriftlichen  relictis  legionibus, 
woraus  man  tbeils  reliquis  legionibus  oder  refectis  legionibus  oder  gar 
relictis  impedimentis  subsequitur,  praesidio  etc.  gemacht  hat);  auch 
wohl  I,  87,  3  flagitarctur  (st.  flagitarentur)  und  postularunt  (st  postu- 
latum  est);  III,  32,  3  singuli  singulis  (st  des  blossen  singulis);  III,  47,  6 
die  von  mir  als  nöthig  gezeigte  Weglassung  von  se  hinter  mazimarum. 
Anderes  wird  schwerlich  gebilligt  werden,  so  III,  69,  6  (4)  dimissis  locis 
aequis  ad  eundem  dorsnm  confngerent,  wodurch  Dinter  dies  MascuUnum 


40  lU^miscbe  Hi'Mtoriker. 

dorsus,  dus  er  in  demselbeii  Jahre  aus  b.  GaU.  VII,  44,  8  durch  Aaf- 
93bQie  von  PauFs  Copjectnr  hunc  locum  entfernt  hatte,  in  Caesar*6 
Sprache  wieder  hineinbringt;  and  III,  101,  6  (4)  deprensae  (st  depresfiae), 
wie  er  in  seiner  Textausgabe  1870  und  wie,  den  Handschriften  folgend, 
auch  Em.  Hofimann  gesetzt  hat:  offenbar  würden  die  triremes  deprensae^ 
wenn  damit  gemeint  wäre  captae,  viel  einfacher  den  vorher  erwähnten 
qainqneremes  captae  nebengeordoet  worden  sein;  so  aber  heisst  sonst  depre- 
hendere  b.  civ.  I,  26,  1.  36,  21  in  Beschlag  nehmen.  —  Die  filr  den  Schul- 
gebrauch  bestimmten  grammatischen  Anmerkungen  sind  vielfach  durch- 
gearbeitet, zom  Theil  ganz  neu  abgefasst  und  "stark  vermehrt  worden; 
die  von  Doberenz  herrührenden  sachlichen  EriHuternngen  bedürfen,  wie 
ich  am  angeführten  Ort  an  Beispielen  gezeigt  habe,  noch  einer  grftnd- 
lichep  Purchsicht. 

C.  Julii  Oaesaris  commentarii  de  hello  civili,  erklärt  von  Fr.  Kraner. 
Zehnte,  vielfach  umgearbeitete  Auflage  von  Fr.  Hofmann.  Berlin, 
Weidmann  1890. 

Na<:hdem  die  neunte  Auflage  gegen  die  früheren  wenig  verändert 
erschiene;»  w^  (Bud.  Schpßider,  Jahresber.  XIII,  der  »uch  darauf  auf- 
m^r^^am  gemapbt  hatte,  dass  manche  Verweisungen  auf  Eraner-Ditten- 
berger's  Bellum  GalL  wegen  der  dort  getroffenen  Veränderungen  mit 
dem  jetzigen  Teilte  desselben  nicht  mehr  stimmten),  haben  mehrere  seit- 
dem herausgekommene  Werke  eine  eingreifende  Durcharbeitung  von 
Fr.  Hotof^pn's  BßUum  civ.  veranlasst,  besonders  Uadvig's  Adversaria, 
Meu^rs  Lexikon,  PauFs  Ausgabe,  Stoffers  Histoire  de  Jules  C6sar; 
der  letztere  hat  dem  Verfasser  auch  erlaubt,  nach  seinen  grossen  Karten 
kleinere,  Ilerda,  Curio's  Feldzug  in  Afrika,  Dyrrhachium  und  Pharsalus, 
beigeben  zu  lasaen.  Die  topographischen  Erläuterungen  sind  gleichfalls 
paQh  des  Obersten  Ermittelungen  umgearbeitet  worden:  so  wird  der 
Rückzug  der  Pompejaner  von  Ilerda  auf  Mequineaza  angesetzt  und  über 
das  Schlachtfeld  von  Pharsalns  den  übrigen  Annahmen  auch  StoffeFs 
Entscheidung  zugefügt.  Im  Geographischen  Register  findet  man  wenig- 
stens die  berechtigten  von  Geyer,  Jahresber«  XI,  ausgesprochenen  Wünsche, 
z.  B.  unter  Ali^pmon,  Laoiniuro,  Partbini,  berücksichtigt  Wohl  auch 
anf  Anregung  desselben  sind  aus  den  Anmerkungen  die  kritischen  Aus- 
einandersetssungen  und  die  Widerlegung  Kraner'scher  Lesarten  und  Er- 
klärungen fortgelassen  und  abgekürzt  im  Anhange  untergebracht  worden: 
so  seine  Annahme  von  der  Bedeutung  des  extremum  jus  I,  6,  1,  nicht 
als  das  jus  intercedendi,  sondern  als  die  Unverletzlicbkeit  der  Tribunen, 
wodurch  allerdings  der  Ablativ  intercessione  gewissermassen  gewahrt 
werden  kann,  den  icii  im  andern  Falle  in  den  Genitiv  intercessionis  zu 
verwandeln  für  n()tbig  erklärt  habe;  so  die  Abweisung  der  Aenderung 
Njpperdey's  und  Eraner's  in  III,  26,  4  si  vel  ad  littora  ApoUinatium  etc. 
für  das  haAdscbriftliche  sive  ad  littora  Apollinatipm,  wozu  er  selbst  sive 


CaMar.  4} 

ad  Labeatium  hinzugefügt  hat,  welcher  Textfassung  Paul  beigetreten  ist 
Die  Abweichungen  von  den  früheren  Auflagen,  von  anderen  Ausgaben 
und  von  der  ^handschriftlichen  Ueberlieferung  giebt  der  Kritische  Anhang 
an.  Einzelne  Sätze  oder  Wörter,  die  ohne  Aenderung  Bedenken  erregen 
oder  nur  Zusätze  eines  Abschreibers  zu  sein  scheinen,  sind,  statt  wie 
früher  eingeklammert  zu  werden,  ausgelassen:  so  I,  7,  2  quae  superio- 
ribus  annis  annis  esset  restituta,  wo  man  durch  Einschaltung  von  sine 
vor  armis  der  Sache  gerecht  zu  werden  versucht  hat,  III,  79,  7  opposi- 
tomque  hinter  objectum;  Anderes  ist  eingeklammert  geblieben,  so  III, 
112,  11  nutricius  pueri  et  procurator  regni,  in  parte  Caesaris.  Ausser 
den  bekannten  älteren  habe  ich  neue  eigne  Verbesserungen  des  Verfassers 
nicht  angetroffen;  nur  schlägt  er  III,  48,  1  statt  id  ad  similitudinem  pa- 
nis  ef&ciebant  vor  et  similitudinem  panis  efficiebat,  ohne  es  in  den  Text 
zu  bringen,  und  III,  49,  4  et  asperae  angustiae  vallium,  has  —  st  et 
ad  specus  angustiae  vallium,  has  — ,  gleichfalls  ohne  es  aufzunehmen. 
in,  16,  3  ist  er  zu  der  handschriftlichen  Lesart  neque  excusat  für  das 
von  Nipperdey  eingeführte  atque  excusat  zurückgekehrt,  in  der  Erklä- 
rung sagend,  Libo  entschuldigt  den  Bibulus  nicht,  weil  das  doch  frucht* 
los  gewesen  wäre,  und  im  Anhang  äussernd,  wenn  Bibulns  die  Aussöh- 
nung aufrichtig  wünschte,  so  musste  er  seinen  Jähzorn  beherrschen  kön- 
nen: dagegen  lässt  sich  einwenden,  dass  die  Worte  ob  eam  causam  col- 
loquium  vitasse  etc.  die  durch  Libo  angebrachte  Entschuldigung  deutlich 
enthalten,  und  dass  man  deshalb  Nipperdey's  Aenderung  für  gerechtfer- 
tigt ansehen  müsse.  DI,  19,  2  klammert  er,  vielleicht  mit  Becht,  nicht 
nur  duo,  sondern  auch  das  davor  stehende  de  pace  ein,  während  neuer- 
dings das  gewiss  falsche  duo  durch  tnto  ersetzt  worden  ist  Was  von 
andern  Herausgebern  oder  Kritikern,  namentlich  auch  von  Paul,  vorge- 
schlagen worden  ist,  hat  Fr.  Hofmann  sorgfältig  benutzt,  und  wo  es  ihm 
genehm  schien,  aufgenommen,  ohne  sich  jedoch  auf  die  von  der  Ueber- 
lieferung ganz  abspringenden  und,  mildestens  gesagt,  zum  Theil  willkür- 
lichen Textverbesserungen  Paul's  einzulassen.  III,  83,  4  ist  das  von  mir 
als  unrichtig  nachgewiesene  tabellam  qui  —  qui  —  qui,  für  das  entweder 
quos  -  quos  —  quos  oder  mit  Paul  qua  —  qua  -  qua  gesetzt  wer- 
den muss,  stehen  geblieben.  —  So  ist  denn  diese  Ausgabe,  welche  frü- 
her, wegen  der  Nichtberücksichtigung  mancher  Vorschläge  und  einzelner 
handschriftlicher  Lesarten,  sich,  wie  Rud.  Schneider  urtheilt,  nicht  auf 
der  bisher  behaupteten  Höhe  erhalten  hatte,  wieder  auf  den  Standpunkt 
der  jetzigen  Forschung  erhoben  worden.  Bei  den  vielen  Abweichungen, 
welche  die  verschiedenen  Abdrücke  des  bell.  civ.  jetzt  von  einander  dar- 
bieten, muss  man  die  Bestimmung  mancher  Lehrer,  dass  in  der  Klasse  nur 
eine  und  dieselbe  Ausgabe  von  den  Schülern  benutzt  werden  dürfe,  für 
sehr  angemessen  halten.  Wenn  der  Preis  (2,25  Mk.)  nicht  ein  Hindemiss 
bietet,  würde  ich  diese  Hofmannsche  Ausgabe  zur  allgemeinen  Einfüh- 
rung empfehlen. 


42  Römische  Historiker. 

Was  ich  frtther  einmal  geäussert  habe,  darf  ich  jetzt  zum  Schloss 
mit  noch  grösserer  Berechtigung  wiederholen:  es  ist  augenblicklich  noch 
nicht  die  Zeit  gekommen,  eine  im  Wesentlichen  befriedigoode  Ausgabe 
der  echten  Schriften  Caesar*s  zu  veranstalten.  Einmal  gehen  die  An- 
sichten Aber  die  beiden  wichtigsten  Handschriftenklassen  noch  zo  weit 
auseinander  und  sind  auch  trotz  MeuseFs,  Rud.  Schneider's  und  Anderer 
fortgesetzter  Bemühungen  noch  immer  nicht  zu  einem  festen  Abschluss 
gelangt;  andererseits  ist  die  Fülle  zum  Theil  ganz  berechtigter  oder 
doch  wohlgemeinter  Besserungsvorschläge  und  Streichungsannahmen  so 
gross  geworden,  dass  eine  Entscheidung  darüber  einem  gewissenhaften 
Herausgeber  schwer,  eigentlich  wohl  noch  unausführbar  werden  möchte. 
Auch  jetzt  noch  halte  ich  das  gründliche  untersuchen  und  die  eingehende 
Besprechung  der  einzelnen  in  Frage  kommenden  Stellen  für  das  An- 
gemessenste, was  sich  unter  so  bewandten  Umständen  wird  leisten  lassen. 
Der  Kritik  bleibt  somit  mehr  als  je  ein  weites  und  fruchtbares  Feld  er- 
öffnet: dieser  Art  der  Kritik  soll  durch  meine  ausführliche  Angabe 
aller  neuerdings  vorgebrachten  Vermuthungen  eine  leicht  fassliche  Hand- 
habe dargeboten  worden  sein. 

Bellunoi  Alexandrinum. 

Bellum  Alexandrinum   erklärt   von  Dr.   Rud.  Schneider.     Berlin, 
Weidmann  1888. 

Der  als  Gaesarkritiker  rühmlich  bekannte  Verfasser  hat  sich  nicht 
damit  begnügt,  das  Buch  sprachlich  und  sachlich  zu  erklären:  durch 
eine  fortlaufende  Revision  des  Textes  liefert  er  zugleich  eine  neue 
kritische  Ausgabe;  er  führt  zwar  nicht  überall  genau  die  handschriftliehe 
üeberliefernng,  aber  doch  an  den  wichtigen  Stellen  an,  besonders  wo  er 
daraufhin  eine  Aenderung  der  Lesart  eintreten  lässt,  und  nimmt  zahl- 
reiche neuere  und  ältere  Emendationen ,  darunter  nicht  weniger  als  83 
eigne  auf.  Die  wichtigsten  derselben  sind:  13,  5  Sjrrias  .  .,  Gilicias  V 
(st.  des  handschriftlichen  Lycias  oder  Licias)  und  quinqneremes  VI, 
quadriremes  X  (st.  des  handschriftlichen  quinqueremes  et  quadriremes  X); 
81,  3  setzt  er  inrumperent  hinter  ex  omnibus  partibus  hinzu;  35,  5 
schreibt  er  pertinet  (st.  pertinens);  er  streicht  38,  8  medio  zwischen 
magno  und  intervallo  und  schaltet  47,  2  consumpto  (zu  postero  die  ge- 
hörig) vor  post  diem  tertium  ein;  49,  2  schreibt  er  simulationis  causa 
(st.  simultatium  causa);  52,  4  giebt  er  L.  Mercello  (st.  L.  Mergilio); 
56,  2  licentiam  imperiorum  (st.  licentiam  temporum);  57,  2  mane  per- 
venit  Naevam.  Ibi  (st.  mane  pervenit.  Noctu  ibi);  65,  4  privatim  (st. 
viritim);  78,  8  intermissa  (st.  intercisa);  74,  8  in  praeruptam  vallem 
(st.  des  handschriftlichen  praerupta  valle,  ohne  Präposition).  Einige 
andere  Aenderungen  sind  wenigstens  überflüssig.  Ich  selbst  habe,  im 
Philol.  1890,  wo  eine  ausführlichere  Besprechung  vorliegt,   1,  2  st.  des 


Caesar.  43 

sinnlosen  aptantar,  das  Rad.  Schneider,  in  Ermangelung  von  etwas 
Besserem,  beibehält,  artantur  oder  arctantar  eraendirt,  in  der  Bedeutang 
»werden  immer  mehr  eingeengte  und  habe  dort  diese  Bedeutang  an 
Beispielen  nachgewiesen.  —  Die  Druckfehler  berichtigt  Rud.  Schneider 
im  Jahresbericht  XIV  der  Zeitschr.  f.  d.  Gjmnasialwes.;  ebenda  setzt  er 
noch  discriberentur  in  51,  3  ein  (st.  describerentur). 

Bellum  Alexandrinum  (Commentariornm  vol.  II).  Iterum  recogno- 
vit  et  adnotationem  criticam  praemisit  Em.  Hoffmann.  Vindobonae, 
Gerold.     1890. 

I,  2  appetuntur  (st.  aptantur);  l,  5  urbis,  nach  f,  (st.  urbs);  5,  1 
a  Kilo,  mit  abf  und  Nipperdej  (st.  ad  Nilum);  8,  7  omnia  enim  litora, 
mit  fhl  (st.  omnia  litora);*  8,  4  ex  munitionibns  sustineri  (st.  Nipper- 
dey*s  munitionibus  sustinore);  10,  1  nudare,  mit  abf  (st.  nudari);  14,  1 
classi,  mit  den  Handschriften  (st.  classe);  15,  3  qui  ubi  cessare  Gaesarem 
animum  advertit  (st  des  handschriftlichen  qui  ubi  Caesaris  animum  ad- 
vertit,  wofür  Rud.  Schneider,  nach  Forchhammer*s  Vermuthung,  Caesaris 
dubitationero  eingesetzt  hat);  15,8  wird  der  gewöhnlich  für  eingeschoben 
gehaltene  Relativsatz  qui  —  haberent  beibehalten;  16,  1  [pulsis],  da^ 
gegen  bleibt  victis  hinter  dabatur  stehen;  16,^  (3)  cedendum,  wie  Rud. 
Schneider,  (st.  des  handschriftlichen  cavendum);  17,  2  ex  illa  (seil,  insula) 
urbem  (st.  des  handschriftlichen  et  illa  in  urbem,  wofür  Jurinius  et  in* 
sulam  et  urbem  vorgeschlagen  hat,-  was  von  Rud.  Schneider  aufgenommen 
worden  ist);  17,  4  ac  primum  (st.  ac  primo,  das  nur  ab  bieten);  17,  6 
bis  pulsis  custodia  portus  relicta  reliqui  etc  ,  mit  Einschaltung  dieses 
reliqui;  19,  2  citeriorem  illum,  mit  Madvig,  (st.  fortiorem  oder  certiorem 
der  Handschriften);  21,  6  libero  (seil,  mari,  st  libere);  22,  1  und  2 
[incensi  atque  incitati  magnas  accessiones  fecerint  in  operibus  hostium 
expugnandis]  und  [manum  .  .  .  comprehendi  multum  operibus  ...  et 
ardentibus  —  cupiditatem,  ut];  nach  Fortlassung  dieser  Sätze  nimmt 
der  Herausgeber  keine  Lücke  an,  wie  andere  Kritiker  hinter  manum 
und  hinter  operibus ;  24,  4  contra  flens  orare  Gaesarem  coepit,  mit  Ver- 
setzung des  Worts  contra,  das  in  dhn  Handschriften  vor  Gaesarem  steht; 
25,  3  [unam],  für  das  Nipperdej  suam  eingesetzt  hat;  26,  1  magnis 
copiis  —  Pelusium  adductis,  id  oppidum  (st  cum  magnis  copiis  —  Pe- 
lusium  advenit  idque  oppidum,  wo  die  Handschriften  fälschlich  adducit 
enthalten);  28,  3  (4)  variis  munitionum  generibus  (st.  des  handschrift- 
lichen variis  generum  munitionibus,  woraus  Gebier  varii  generis  muni- 
tionibus gemacht  hat);  33,  4  esse  tutos;  hos,  si  essent  ingrati;  der  Ver- 
fasser glaubt,  dass  durch  Beibehaltung  dieses  meist  weggelassenen  hos 
die  Fehler  der  Handschriften  esset  ut  hos,  esse  ut  hos,  esse  tutos  et 
hos  sich  erklären  lassen;  36,  5  sive  amicus  sive  inimicus,  mit  den  Hand- 
schriften, während  Nipperdey  die  Worte  sive  inimicus  vor  ut  in  hostium 
fines  veniret  gestellt  hat;  dafür  hat  Em.  Hoffmaiin  »in  vor  ut  —  veniret 


44  Rßmiscbe  Bistpriker. 

eiogeschaltet;  39,  l  aut  si  negatis  di&eederet  (st.  des  baodschriftlicboD. 
—  sine  cansis  — ,  wofflr  —  sine  causa  ~,  obgleich  fOr  verderbt  erklArt, 
gegeben  wird);  40,  2  fossam  autem  transire  et  circomire  aciem  sacon- 
dam,  oder  vielleicht  fossam  autem  circomire  ab  acie  secunda;  43,  1  ducto 
ansuque,  nach  hl  (st  Lipsius  Conjectur  dnctu  aospicibque);  45,  2  (3) 
distentis  suis  navibus  (st.  des  handschriftlichen  distersis,  woraus  Nipper- 
dey  dispersis  gemacht  hat);  45,  3  (4)  [quo  pugnaadi  dahat  Signum]; 
46,  1  fortuitae  tarnen  dimicationi  rem  committere  maluit,  mit  fhl,  und 
Em.  Hoifraann  folgend  auch  Rud.  Schneider;  49,  l  antea  (st.  in  ea); 
53,  5  ibi  erat,  mit  den  meisten  Handschriften  (st.  erat  ibi);  57,  1  de- 
ducebatur,  mit  af,  (st.  ducebatur);  57,  2  Leptim  (st.  Rud.  Schneider*8 
Naevam);  58,  3  erit  copjectura,  mit  Madvig  (st.  des  handschriftlidien 
erat,  wofCkr  Rud.  Schneider  est  gesetzt  hat);  60,  2  potestatis  esset  .  .  . 
legiones  (st  Yielhaber's  potestatis  esse,  legiones  ohne  Lücke);  60,  8 
cum  Cassium  —  iostruxisse  —  videret  (sonst  cum  Cassius  —  ia- 
struxisset  — );  61,  4  edoctus  (st  Nipperdey's  Conjectur  deductus);  66,  6 
aut  heres  regni  terreret  Ariobarsanen,  adtribuit  ohne  Lflcke,  und  nachher 
essent  (st.  aut  heres  regni  terreret ....  Ariobarzani  attribuit,  und  nachher 
esset);  67,1  exercitibusimperiisquecoactus,  mit  ZufOgung  des  letzten  Wortes; 
72,  2  oppidum  in  Ponte,  .positu  ipso  ut  in  piano  loco  satis  munitum, 
nach  Aldus;  eben  da  superioribus  temporibus  [locis  atque  itineribos 
paene  conjunctus  oppido]  (st.  superioribus  locis  atque  itineribus  paene 
conjunctns  oppido);  dabei  wird  die  Vermuthung  ausgesprochen,  dass  die 
Worte  itineribus  paene  corgunctus  oppido  ursprünglich  hinter  ab  Zela 
gestanden  haben  könnten;  73.  3  aggerere  (st.  des  handschrifUicheo  age- 
rentur  und  des  aus  einer  schlechten  Bandschrift  entnommenen  agerent, 
fflr  das  Dinter  agere  gesetzt  hat);  77,  l  das  vor  victoria  fälschlich 
wiederholte  quod  haben  nach  Em.  Hoflfmann*s  Vorgang  die  Herausgeber 
gestrichen;  78,  2  parvulum  secum  (st  secum  parvulum,  das  sich  nur  in 
ab  findet);  eben  da  quoad  sab  imperio,  nach  Oehler's  Vorschlag  (st  quod 
der  Handschriften,  zu  dem  Larsen  regnum  hinzuzusetzen  räth,  was  Rud. 
Schneider  befolgt  hat). 

Heinr.  Schiller,   Vom  Ursprung  des  b.  Alex.     Blatt  f.  d.  bayer. 
Oymn.-Schulwes.    XXVI.    242—251.     1890. 

Rud.  Schneider  hat  in  seiner  Ausgabe  des  b.  Alex,  sich  darauf 
beschränkt  anzugeben,  dass  »erneute  PrQfungen  des  Sprachgebrauchs, 
die  wir  E.  Fischer  (Progr.  Passau  1880)  und  F.  Fröhlich  (Festschrift. 
Zflrich  1887)  verdanken,  so  auffallende  Unterschiede  zwischen  dieser 
Schrift  und  dem  VIII.  Buch  des  b.  Gall.  ergeben,  dass  dadurch  Nipper- 
de/s  Annahme,  auch  das  b.  Alex,  sei  dem  Hirtius  zuzuschreiben,  wider- 
legt wirdc.  Dagegen  sucht  Schiller  zu  zeigen,  dass  die  statistischen 
Angaben  Vielhaber's  (Ztschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  1869),  Fischer's  und 
Fröhliches  ttber  das  Vorkommen  oder  Fehlen  einzelner  Wörter  und  Rede- 


Gaettir.  45 

weodiingeii,  so  wie  Aber  die  eigenthflmliche  Trennung  znsftmmengehöriger 
AusdrQcke  bei  richtiger  Aufzäblang  wenig  oder  gar  nicht  ins  Gewicht 
fallen  nnd  die  Annahme  Nipperdey*8  nicht  zu  entkräften  geeignet  seien. 
Nicht  erst  hier  von  Schiller,  sondern  anch  von  Ihm  ist  auf  die  Ver- 
schiedenheit des  Wortschatzes  in  den  verschiedenen  Büchern  des  b.  GalL, 
von  Menge,  von  Dinter  (Doberenz),  von  mir  (Philol.  Suppl.  V,  368)  anf 
das  Fehlen  vieler  Wörter  in  b.  civ.,  die  im  b.  Oall.  sich  vorfinden  und 
aof  das  Vorkommen  anderer  im  b.  civ.  allein  aufmerksam  gemacht 
worden;  man  ersieht  daraus,  wie  misslich  es  ist,  auf  solche  Umstände 
SehlQsse  zu  bauen. 

Dr.  Gustav  Landgraf,  Der  Bericht  des  C.  Asinius  PoUio  Über  die 
spanischen  Unruhen  des  Jahres  46  v.  Chr.  (Bellum  Alexandrinum  48 
bis  64)  auf  Grund  des  codex  Ashburnhamensis  neu  herausgegeben. 
Erlangen  und  Leipzig,  Deichert  1890.    Iwan  von  Moller  gewidmet. 

Im  Anschluss  an  seine  frühere  Abhandlung  über  \sinius  Pollio 
als  Verfasser  des  Bell.  Afric.  unternimmt  es  Landgraf  in  der  vorliegen- 
den Ausgabe,  die  schon  dort  ausgesprochene  Behauptung,  dass  auch  die 
den  spanischen  Aufstand  von  48  behandelnden  Kapitel  48 — 64  des  Bell. 
Alexand.  von  diesem  römischen  Schriftsteller  herrühren  und  von  Hirtius 
nur  überarbeitet  worden  seien,  weiter  zu  begründen.  Nachdem  er  in  der 
Einleitung  angeführt  hat,  dass  Pollio,  im  Sommer  44  Verwalter  der  Pro- 
vinz Spanien,  zu  einem  solchen  Bericht  die  geeignetste  Person  gewesen 
ist,  stellt  er  eine  Anzahl  der  in  dem  bezeichneten  Abschnitt  vorkommen- 
den Ausdrücke  zusammen,  welche  mit  den  in  seinen  Briefen  und  Frag- 
menten, sowie  im  Bell.  Afric.  gebrauchten  Uebereinstimmung  zeigen  oder 
doch  Aehnlichkeit  verrathen  und  sich  sonst  bei  Hirtius  nicht  vorfinden; 
es  sind  dies:  die  Klimax  magnus  —  migor;  postquam  mit  Gonj.  Plus- 
qvamperf.;  speciosus;  simultas;  concire;  adsignare;  omare  in  der  Be- 
deutung von  armare;  praeparare;  pro  contione;  sauciare;  signa  inferre; 
secundani  und  unetvicensimani;  profiteri;  amplus;  turbare;  castra  habere 
und  movere;  hie  temporal;  fidus;  nullum  periculum  deprecari;  qua  mente; 
das  allerdings  nur  durch  CoQJectur  eingesetzte  infatuare;  Caesariani; 
die  Form  Bogudem:  uterque  educunt;  expertus  passivisch;  ad  exeundum 
invitare.  Die  Veranlassung  za  der  erneuten  Untersuchung  hat  ihm  die 
Mittheilung  der  von  Wölfflin  und  Miodonski  beiderseits  vorgenommenen 
Vergleiehong  des  codex  Ashburnhamensis  gegeben.  Nach  seiner  Prüfung 
gehört  dieser  weder  der  römischen  (UF,  oder  nach  Mensel  hl),  noch 
der  Pariser  Klasse  (TV  oder  af)  an;  die  Lesarten  oder  Schreibfehler 
desselben  befinden  sich  zum  Theil  auch  im  Dresd.  D  (Dresd.  1),  Dresd.  d 
(Dresd.  II)  und  besonders  im  cod.  Lovaniensis,  welche  zu  den  deteriores 
(oder  mixti)  gerechnet  werden,  deren  Vernachlässigung  Landgraf  ebenso, 
wie  ich  es  mehrfach  gethan  habe,  rügt,  mit  der  von  Menge  herüber- 
genommenen Bemerkung,  dass  R.  Schneider  in  seiner  Ausgabe  des  Bell. 


46  Römische  Historiker. 

Alezandr.  aus  ihnen  etwa  40  Lesarten  habe  aufnehmen  müssen.  Er  führt 
in  48,  2,  mit  Dübuer,  aus  a  f  h  l  wieder  dissimulant  ein  (st  dissimulabant 
einiger  Hdschr.),  weil  hier  allgemein  von  dem  genus  hominum  gesprochen 
werde;  48,  3  postquam  (st.  des  wegen  des  Coojunctivs  eingesetzten  post, 
cum);  49, 1  lässt  er  in  ea  (nämlich  provincia)  stehen,  vermuthet  jedoch, 
wie  Menge,  interea;  49,  2  behält  er  simultatium  bei,  als  ein  Wort,  das 
in  einem  Fragment  des  PoUio  bei  Sen.  suas.  6,  24  angetroffen  wird; 
eben  da  schreibt  er  couciebantur  (st.  coiciebantur) ;  50,  2  acceptum  fer^ 
baut,  mit  Ashb.  (st  acceptum  referebant  der  übrigen  Handschr.);  62,  1 
tradit,  mit  Ashb.  und  hl  (st  tradidit  in  af);  55,  5  SH  (st  HS),  nach 
den  massgebenden  Hdschr.,  mit  Billigung  des  Prof.  Hultsch,  der  die  Vor- 
anstellung der  Hälfte  vor  das  Ganze  zwar  nicht  üblich,  aber  nicht  un- 
statthaft findet;  55,  5  behält  er  Qui  si  (st  des  von  R.  Schneider  ge- 
setzten Quod  si)  bei;  56,  2  iicentiam  superiorum  temporum,  mit  Fleischer 
(st.  Iicentiam  temporum  oder  R.  Schneider*s  Iicentiam  imperiorum);  57,  2 
nimmt  er  von  Schneider  Naevam.  Ibi  (st  noctu  ibi)  an;  57,  3  cum  iis, 
mit  Ashb.  (a  h  1  hat  is,  wofür  sonst  bis  gemacht  ist);  58,  2  die  Worte 
sed  id  qua  meute,  communis  erat  conjectura  werden  gleich  hinter  dicti- 
tabat  gebracht,  und  dann  ist  allerdings  weder  Madvig^s  erit,  noch  R. 
Schneiders  est  nöthig;  58,  3  infatuabantur ,  nach  Gornelissen,  Muemo- 
syne  1889  (st.  fatebantur);  58,  4  praetextatorum  filiorum,  mit  Zusatz  von 
fiiiorum,  eine  Yermuthung,  welche  Landgraf  aus  dem  Wort  fidelium,  das 
im  Ashb.  hinter  matrum  steht,  geschöpft  bat;  59,  l  deterserunt,  nach 
Menge's  Vorschlag,  Neue  Philol.  Rundschau  1889  (st  detraxerunt) ;  60,  1 
wird  orant  hinter  educerentur  aus  Ashb.,  Dresd.  I  (und  II)  hinzugefügt; 
60,  3  Gassium  —  instruxisse  —  videret,  aus  Ashb.,  Dresd.  I  (und  II) 
(st  Gassium  in  afl,  Gassius  in  h  und  instruxisse  in  allen  diesen  Hdschr., 
woraus  man  sonst  Gassius  —  instruxisset  —  gemacht  hat);  60,  5  uter- 
que  educunt,  mit  Ashb.  (st  uterque  educit);  61,  5  magno  usui,  aus 
Ashb.,  welcher  vor  usui  ein  m  hat  (st.  des  blossen  usui);  62.  2  fovebant, 
mit  Ashb.  und  af  (st.  favebant);  64,  3  nimmt  Landgraf  von  R.  Schneider 
navem  (st.  navis,  d.  i.  naves,  der  Hdschr.)  auf;  64,  5  in  derectum  (st 
des  blossen  derectam),  aus  Lovan. ,  der  in  directum,  und  Ashb.,  der  in 
directam  bietet.  Man  ersieht  hieraus,  dass  —  von  orthographischen 
Einzelheiten  wie  Mauretaniam  (st.  des  von  den  andern  Hdschr.  gegebenen 
Mauritaniam),  Torius  (st  Thorius)  abgesehen  — ,  trotz  einiger  annehm- 
barer Lesarten,  die  Ausbeute  des  Ashburnhamensis  kaum  gross  genug 
ist,  um  darum  allein  einen  besonderen  Abdruck  nöthig  erscheinen  zu 
lassen.  Der  Werth  der  Ausgabe  besteht  hauptsächlich  in  den  durch  die 
Anmerkungen  dargelegten  Eigeuthümlichkeiten  des  Stils  Pollio*s,  welche 
der  Verfasser  in  diesen  Kapiteln  ausgespürt  hat;  nach  meinem  Dafür- 
halten hat  er  seine  Sache  sieghaft  durchgeführt  Nicht  minder  werthvoll 
sind  manche  Erklärungen,  z.  B.  die  Auseinandersetzung  über  die  Vete- 
ran!:   dieser  Ausdruck   ist   für  Truppen   erst    von  Gaesar   aufgebracht 


Caesar.  47 

ivordeo,  l)ei  Cicero  erscheint  er  erst  in  den  Philippischen  Reden,  anter 
Augnstns  wurde  er  officielle  Bezeichnung  derjenigen  Legionssoldaten, 
welche  nach  Erfüllung  der  20jährigen  Dienstzeit  die  honesta  missio  und 
die  damit  verbundenen  praemia  an  Geld  oder  Landbesitz  erhielten.  £nt< 
lehnt  hat  Caesar  diesen  Ausdruck  der  landwirthschaftlichen  Sprache; 
bei  Varro  de  re  rust.  I,  26,  2  werden  veterani  boves  im  Gegensatz  zu 
novelli  juvenci  erwähnt,  wie  denn  auch  andere  Ausdrücke,  z.  B.  jugum, 
hibernare,  aus  der  Sprache  der  Landleute  in  die  Soldatensprache  über- 
gingen. 

Bellum  Africanum  (und  Alexandrinum). 

Dr.  Gustav  Landgraf,  Untersuch ungen  zu  Caesar  und  seineu  Fort- 
setzen!, insbesondere  über  Autorschaft  und  Composition  des  Bellum 
Alexandrinum  und  Africanum.  Erlangen,  A.  Deichert  1888.  Preis 
3  Mark. 

Der  Verfasser  sucht  nachzuweisen,  dass  die  Schrift  über  das  bellum 
Africanum  von  Asinius  PoUio  verfasst  worden  sei,  der  auch  für  das 
bellum  Alexandrinum  dem  Hirtius  zu  den  Kapiteln  48  —  64  (über  die 
Unruhen  in  Spanien)  auf  den  Wunsch  desselben  Berichte  geliefert  habe, 
die  von  ihm  seiner  Arbeit  einverleibt  worden  seien;  Asinius  PoUio  habe 
ferner  die  von  Hirtius  hinterlassenen  Ergänzungen  der  Schriften  Caesar *8 
das  VIII.  Buch  des  bellum  Gallicum  und  das  bellum  Alexandrinum,  einer 
theilweisen  Ueberarbeitung  unterworfen,  im  b.  Gall.  VIII,  23,  3,  47,  48, 
1—9  die  Erzählung  über  die  geplante  Ermordung  des  Atrebaten  Commius 
und  die  Schlusskapitel  53,  54,  55  hinzugefügt  und  im  b.  civ.  III  die 
überleitenden  Schlusskapitel  108  —  112  vervollständigt.  Zu  dieser  Mit- 
arbeiterschaft sei  Asinius  Pollio  ganz  natürlich  gekommen,  da  es  in 
seinem  Interesse  liegen  musste  nachzusehen,  was  aus  seinem  Bericht  über 
die  Vorgänge  in  Spanien,  denen  er,  seit  45,  selbst  in  diesem  Lande, 
nachgeforscht  hatte,  geworden  sei;  sie  habe  ihn  nicht  gehindert,  vielleicht 
sogar  veranlasst,  später  selbständig  sein  Werk  über  den  Bürgerkrieg  zu 
unternehmen.  Das  bellum  Hispaniense  dürfe  ihm  jedoch  nicht  zu- 
geschrieben werden.  Uebrigens  habe  auch  Hirtius  bei  der  Abfassung 
des  bellum  Alexandrinum  von  Caesar  niedergeschriebene  Notizen  benutzt 
80  die  Kapitel  1,  2,  3,  6,  7,  9,  11,  12,  16,  21,  32,  auch  die  Reden  in 
8  und  12;  die  Kapitel  10,  13,  14,  15,  17,  18,  19,  20  sollen  sogar  voll- 
ständig von  Caesar  selbst  herrühren:  diese  Abschnitte  heben  sich,  meint 
Landgraf,  sich  dabei  an  Nipperdey's  Urtheil  (Quaest.  Caes.  p.  14)  an- 
schliessend, durch  die  lebendigere  Darstellung  und  den  kurzen,  ge- 
drungenen Stil  vortheilhaft  von  den  langgezogenen,  matten,  eintönigen 
Perioden  des  Hirtius  ab;  geringe  Eingriffe  Pollio's  zeigen  dagegen,  wie 
er  fortfährt,  die  Kapitel  24,  26,  27;  ganz  oder  grösstentheils  sind  von 
ihm  die  Kapitel  4,  5,  6,  7,  30,  mehr  oder  minder  beträchtlich  seine  Ein- 


48  Römische  HiBtoriker. 

schaltangen  in  den  Kapitelo,  3,  11,  14,  18,  38.  Fflr  die  Annahme,  dass 
die  Schlasskapitel  des  III.  Bachs  de  b.  civ.,  wegen  der  Stilverschieden- 
heit,  nicht  wohl  von  Caesar  selbst  herrühren  möchten,  hat  Landgraf 
einen  Vorgänger  in  Dinter  (Programm  Grimma,  1876,  p.  32  —  86);  in 
der  Auffassung,  dass  Hirtius  sich  fOr  verschiedene  Theile  seines  Werkes 
Specialberichte  von  Augenzeugen  habe  liefern  lassen,  sind  ihm  Peters- 
dorff  (Zeitschr.  för  Gymn.-Wes.  XXXIV,  p.  215  ff.),  dessen  AusfQhmngen 
er  jedoch  selbst  wie  auch  Eussner  (Jahresber.  XXXV,  p.  136),  fttr  über- 
trieben erklärt,  und  in  durchaus  richtigem  Masse  Schiller  (Zur  Hirtras- 
frage),  der  zuerst  auf  die  Verschiedenheiten  der  fünf  Abschnitte  des  b. 
Alex,  aufmerksam  gemacht  hat,  vorangegangen;  aber  dass  Asinius  Pollio 
in  der  oben  angegebenen  Weise  in  das  Werk  des  Hirtius  eingegriffen 
habe,  diese  Behauptung  ist  Landgraf  allein  eigenthümlich. 

Da  eine  Ueberlieferung  oder  auch  nur  Andeutung  aus  dem  Alter- 
thum  für  diese  seine  Ansicht  nicht  vorhanden  war,  blieb  ihm,  um  den 
Beweis  fttr  sie  anzutreten,  nur  die  sprachliche  Besonderheit  heranzuziehen 
und  hervorzuheben  übrig,  so  wie  den  umstand,  dass  Pollio's  Name,  auch 
bei  Gelegenheiten,  wo  er  wohl  hätte  erwähnt  werden  sollen,  ausgeblieben 
und,  nach  Landgrafs  Annahme,  absichtlich  von  ihm  ausgestrichen  worden 
sei,  z.  B.  in  der  Darstellung  der  Schlacht  bei •  Pharsalus.  Die  Ver- 
gleichung  der  drei  Briefe  des  Af^inius  Pollio,  welche  sich  bei  Cicero  ad 
familiäres  X,  31,  32,  33  vorfinden,  sowie  der  Wenigen  von  ihm  herrühren- 
den Fragmente  (H.  Meyer,  Orat.  Rom.  fragm.  p.  329  ff  und  Thorbecke, 
Commentatio  de  C.  Asinii  Pollionis  vita  et  studiis  doctrinae,  Leyden  1820, 
p.  79  ff.)  hat  ihn  zu  der  Ueberzeugnng  gebracht,  gerade  diesem  Histori- 
ker, Poeten  und  Rhetor  die  vorhin  angeführte  Mitarbeit  an  den  jetzt 
allgemein  Hirtius  zugeschriebenen  Fortsetzungen  der  Commentarien ,  so 
wie  in  erster  Linie  die  alleinige  Abfassung  des  bellum  Africanum,  »eines 
nach  und  nach  entstandenen  Tagebuchs c  zuschreiben  zu  müssen.  Die 
genaue  Durchsicht  der  unzweifelhaft  von  Asinius  Pollio  herrührenden 
Schriftstücke  bat  in  ihm  die  schon  von  Schmalz,  Analyse  der  polüoni- 
schen  Briefe  (Karlsruher  Festschrift  76 — 101)  nach  dem  Dialog,  de  orator. 
cap.  21  aufgestellte  Ansicht  befestigt,  dass  dieser  Schriftsteller  sich  den 
archaisch- poetisirenden  und  Vulgarismen  nicht  verschmähenden  Stil  an- 
geeignet habe,  in  dem  Terentius  Varro  sein  Vorgänger  gewesen,  Sallust, 
Livius,  Vellejus  und  Andere  seine  Nachfolger  geworden  sind.  Mit  dieser 
sprachlichen  Untersuchung  beginnt  nun  der  zweite  Theil  der  Abhandlung, 
in  seinem  ersten  Abschnitt  in  Betreff  der  Latinität  des  bellum  Africanum, 
nach  den  eingehenden  Erörterungen,  welche  sie  in  Fröhliches  Züricher 
Dissertation  und  Festschrift  (Das  bellum  Africanum  sprachlich  und 
historisch  behandelt,  1872.  —  Realistisches  und  Stilistisches  zu  Caesar 
und  seinen  Fortsetzern,  1887)  und  in  Köhler*s  Analyse  (Act.  Erlang.  I, 
377  ff.)  erfahren  hat,  sich  auf  die  Uebereinstiramung  oder  Aehnlichkeit 
die   sie   mit   der  Ausdrucksweise    der  Briefe   und   der  Fragmente   des 


GMsar:  49 

Asinhis  PoIUo  zeigt,  sich  beschränkend.    Hier  sind  die  wichtigste  Fälle: 
pro  contione  dicere,  nuUam  yestigiam  discedere  (für  welches  Beispiel 
freilich  im  b.  Afr.   73,  3  st.  ideo  quod  bostinm  copiäs  ab  se  suoque 
vestigio   non   discessuras   existimabat   zu   schreiben  sein  mflsste  ab  se 
snisqae  vestigium  non  discessuras  etc.),  quonam  modo,  in  agris  et  in 
tillis,  nactas  (nicht  nanctus)  occasionem,  ntrobique,  in   potestate  sua 
teuere,   die  Nachstellung   des  Geschlechtsnamens  hinter  das  cognomen 
(z.  B.  87,  5  Sulla  Faustns,  wie  in  dem  Briefe  X,  32,  5  Gallns  Cornelius), 
der  Gebrauch  des  Singulars  legio  bei  der  durch  Ordinalzahlen  gemachten 
Angabe   mehrerer  Legionen,   der  Gebrauch  der  DistributiTa  statt  der 
Gardinalia  (z.  B.  81,  1  qninae  cohortes,  freilich  auf  jedem  Flügel,  wie 
in  dem  Briefe  X,  83,  3  (bin!  tabellarii,  allerdings  auch  bei  duas  navis), 
cnpidissime  st.  libentissime,  die  freilich  aueh  sonst  nicht  ungewöhnlichen 
Umschreibungen  facere  eruptionem,  impressionem ,  salntationem ,  wie  in 
einem  Fragment   bei  Sueton.  de  grammat  adjutorium  facere,   se  eab- 
ducere,  93,  1,  depugnare,  sonst  eine  voz  gladiatoria  (aber  auch  b.  Gall. 
VII,  28,  l),  pollicitatio  (das  jedoch,  wie  Landgraf  zu  erwähnen  unter- 
lassen hat,  zwar  nicht  bei  Hirtius,  aber  doch  bei  Caesar  selbst  vorkommt), 
et  hercules,  12,  2,  nullo  negotio,  trucidare,  portendere,  serritia,  quia, 
der  Genitiv  Bogudis.    Ausser  diesen  in  den  Briefen  des  Asinius  PoUio 
Mcb  eben  so  oder  ähnlich  vorfindenden  Redensarten,  Wörtern  und  Formen 
hat  das  bellum  Africanum  noch  eine  Anzahl  von  Ausdrücken,  die  nur 
in  der  älteren  Latinität  üblich  waren,  wie  suppetias  ire  oder  venire,  se- 
orsum,  48,  2,  condensare,  13,  1»  condensus,  14,  2,  60,  1  insectatus  und 
expertus  passivisch,  assentire,  non  possum  pati  quin,  oppidam  Paradae; 
oder  solche,  die,  wie  man  aus  der  Entlehnung  des  Vellejus  schliessen 
darf,  von  Asinius  PoUio  erst  aufgebracht  worden  sind,  wie  Juliani  st. 
Caesariani,  oder  ihm  geläufig  gewesen  zu  sein  scheinen,  wie  speciosissine, 
48,  6;    ferner  solche,  welche  der  poetischen  Sprache  vorbehalten  ge- 
blieben sind,  wie  86,  8  brachium  gladio  percussus,  78,  10  caput  ietus, 
incertus  locoruro,  34,  6  laetitia  ac  voluptate  auctus  (Wölfflin)  etc.,  und 
welche  wenigstens  in  so  weit  als  poUionisch  angesehen  werden  können, 
als   diesem  Schriftsteller  die  Neigung  zu  poetisirender  Ausdrucksweise 
zugeschrieben  wird;    die  Fremdwörter,  wie  hippotoxota,  trieris   navis, 
penteris,  epibata  für  classiarius,  pyra  fQr  rogus,  catascopns  werden  von 
Landgraf  besser  mit  GelUus  X,  26,  6  dem  archaisirenden  Streben  des 
Verfassers  als  mit  Froehlich  dem  Mangel  an  Bildung  eines  untergeord- 
neten Officiers,  der  durch  den  Gebrauch  derselben  sich  den  Anstrich 
eines  kenntnissreichen  Mannes  geben  wollte,  in  Anrechnung  gebracht; 
endlich  findet  sich  im  bellum  Africanum  öfter  der  Gebranch  des  Plus- 
qoamperfecturos  und  zwar  nur  in  den  Formen  habuerat  und  fuerat,  wo 
man  das  Imperfectum  erwartet,  23, 1,  31, 2,  34, 6,  43,  44, 1,  76,  2,  88, 8, 
89,  1,  2;    so  wie  das  Imperfectum  Conjunctivi  in  Relativsätzen  in  un- 
gewöhnlicher Weise  36, 1,  77, 1.    Der  Umstand,  dass  Asinius  PoUio  m 

JahroBbericht  für  AlfcorthumswisBenBohaft.    LXVni.  Bd.    (1891  II).        4 


50  Römische  Historiker. 

iahte  44,  wo  Hirtius  sich  mit  der  Abfassung  des  bellum  Alexandrinnm 
beschAftigt  haben  wird,  die  Provinz  Spanien  verwaltete  und  als  Partei- 
genosse am  besten  über  die  Wirren  dieses  Landes  während  der  Jahre 
48  und  47  berichten  konnte,  sowie  die  Wiederkehr  der  im  bellum  Afn- 
canum  bemerkbaren  Eigenthtlmlichkeiten  in  den  Kapiteln  48 — 64  des 
bellum  Alexandrinnm,  z.  B.  speciosus  48,3,  49, 1,  pro  contione  52,  l, 
in  potestate  retinere  57,  4,  der  Pleonasmus  semper  consuerat  53,  1, 
die  Plusquamperfecta  fuerat  und  habuerat  st.  der  Imperfecta  57,  1,  5, 
64,  2,  sowie  verschiedene  Abweichungen  von  der  sonstigen  Ausdrucks- 
weise des  Hirtius,  welche  von  Landgraf  im  zweiten  Abschnitt  des  zweiten 
speciellen  Theils  seiner  Abhandlung  ausführlich  zusammengestellt  worden 
sind,  haben  ihn  zu  der  Ansicht  gebracht,  dass  die  obengenannten  Kapitel 
des  bellum  Alexandrinnm  von  demselben  Verfasser  wie  das  bellum  Afri- 
canum,  also  nach  seiner  Ueberzeugung  von  Asinius  PoUio  herrühren 
müssen,  allerdings  unter  der  Voraussetzung  »einer  starken  Beeinflussung 
durch  die  redigirende  Hand  des  Hirtiusc  Gelegentlich  schlägt  Landgraf 
vor,  49,  2  zu  lesen  in  gregem  locupletium  simultatium  causa  tenues 
condebantur,  das  letztere  Verbum  statt  coniciebantur  einsetzend,  unter 
dessen  Beibehaltung  Rud.  Schneider  in  seiner  Ausgabe  des  bellum 
Alexandrinnm  (Weidmann  1888),  in  anderer  Weise  dem  sonst  unver- 
ständlichen Satz  zu  Hülfe  kommend,  simulationis  causa  tenues  coicier 
bantur  hat  drucken  lassen. 

So  weit  ist  die  Annahme  des  Verfassers  ganz  glaublich  und  er- 
mangelt durchaus  nicht  der  Unterstützung  der  sprachlichen  Besonder- 
heiten; musste  Hirtius  sich  über  die  Vorgänge  der  Jahre  48  und  47  in 
Spanien,  einem  Lande,  dem  er  selbst  damals  fern  war  und  aller  Er- 
wartung nach  auch  weiterhin  fern  bleiben  würde,  Bericht  erstatten  lassen, 
und  war  zu  diesem  Behuf  ein  späterer  Verwalter  der  Provinz  und  be- 
freundeter Parteigenosse  die  geeignetste  Person,  so  darf  man  mit  grosser 
Wahrscheinlichkeit  die  über  diese  Vorfälle  handelnde  Stelle  des  bellum 
Alexandrinnm  dem  Asinius  Pollio  zuschreiben,  und  wenn  ausserdem  die 
Ausdrucksweise  dieser  Partie  mit  deijenigen  des  bellum  Africanum  und 
der  Briefe  des  Pollio  vielfache  Uebereinstimmung  und  Aehnlichkeit  zeigt, 
so  muss  man  Landgraf  beipflichten,  wenn  er  diesen  Abschnitt  des  bellum 
Alexandrinnm,  ebenso  wie  das  ganze  bellum  Africanum,  für  diesen 
Schriftsteller  in  Anspruch  nimmt.  Es  ist  auch  nicht  bloss  natürlich, 
sondern  fast  nothwendig,  dass  Hirtius,  um  diesen  Beitrag  seinem  eigenen 
Werk  einzuverleiben«  am  Eingang  und  am  Ende  desselben  redactionelle 
Aenderungen  vorgenommen  hat.  Weniger  glaubhaft  ist  die  weitere  An- 
nahme Landgrafs,  dass  Asinius  Pollio  den  ganzen  litterarischen  Nach- 
lass  des  Hirtius  einer  Ueberarbeitung  unterworfen,  einzelne  Stellen  sogar 
seinen  schon  vollendeten  Arbeiten  eingeschaltet  habe.  Es  konnten  leicht 
die  sprachlichen  Eigenthümlichkeiten,  welche  allein  dafür  beizubringen 
gewesen  sind,  fllr  nicht  beweiskräftig  genug  angesehen   werden.    Daas 


^ 
d 


Caesar.  51 

Asinius  Pollio  in  bellum  Gall.  VIII,  2  seine  Hand  angelegt  haben  sollte, 
Iftsst  sich  nicht  durch  das  statt  des  erwarteten  Imperfects  gesetzte  Plus^ 
quamperfectum  fuerat  erweisen,  denn  Caesar  selbst  braucht  es  in  ganz 
ahnlicher  Fttgung  genau  ebenso  b.  G.  II,  6,  4,  noch  auch  durch  binis 
cohortibus,  das  hier  nicht,  wie  Landgraf  annimmt,  einfach  ftlr  duabus 
cohortibus,  sondern  im  eigentlichen  Sinne  (je  zwei  Gehörten  von  den 
beiden  Legionen)  gesagt  wird.  Die  den  Atrebaten  Gommins  betreffenden 
Kapitel  VIII,  23,  46,  47,  48  sollen  nach  der  Meinung  Landgrafs  von 
Asinius  Pollio  zugefügt  worden  sein,  dessen  Geradheit  der  Kritiker  die 
Ueberlieferung  einer  fttr  die  Römer  nicht  gerade  rflhmlichen  Thatsache 
in  den  zuletzt  genannten  Kapiteln  beimisst,  die  er  Hirtius  selbst  nicht 
zutraut;  und  welche  er  durch  Anmerkung  der  dabei  gebrauchten  Rede^ 
Wendungen  ihrem  wahren  Urheber  zurückzugeben  sich  bemüht;  aber  ich 
glaube  nicht,  dass  auch  für  diesen  Fall  die  Ausdrücke  hinreichenden 
Anhalt  darbieten;  wenn  in  23  Gallia  citerior  von  Hirtius  nicht  sollte 
herrühren  können,  weil  er  sonst  Gallia  togata  gebraucht,  so  würde  man 
auch  b.  Gall.  VI,  l  Caesar  absprechen  müssen,  weil  dort  Gallia  cisal- 
pina  steht  und  er  sonst  immer  Gallia  citerior  schreibt;  ebenso  wenig 
zwingend  scheint  mir  die  Beweiskraft  der  von  Landgraf  beigebrachten 
Beispiele  der  besonderen  Latinität  des  Asinius  Pollio;  man  müsste  denn 
47,  2  den  Pleonasmus  und  den  Coi^unctiv  in  dem  Relativsatze  qni  -t 
semper  ad  omnes  motus  paratus  suis  civibus  esse  consuesset  dafür  an- 
sehen wollen,  obgleich  so  ein  Coigunctiv  auch  sonst,  und  von  Cicero 
selbst  bei  Behauptung  einer  Sache,  welche  nicht  eigne  Anschauung  oder 
Erfahrung  gelehrt,  die  man  nur  durch  die  Aussage  Anderer  überkommen 
hat,  gebraucht  wird,  wie  Acad.  II,  26  mille  et  octoginta  stadia  quod 
abesset  videbat  d.  h.  quod  abesse  dicebat  oder  credebat,  oder  videre 
se  contendebat  quod  mille  et  octoginta  stadia  abesset;  ganz  wie  in  dem 
Satze  des  b.  GalL  VIII,  47  die  Umschreibung  hfttte  gebraucht  werden 
können  quem  semper  consuesse  paratum  esse  milites  Romani  perhibebant. 
—  Die  letzten  fünf  Kapitel  des  b.  civ.  III,  108 — 112,  welche,  wegen  des 
abweichenden  Stils  Dinter  dem  Hirtius  zuschreibend,  für  das  eigentliche 
bellum  Alexandrinum  dieses  Schriftstellers  h&lt,  wogegen  er  das  unter 
diesem  Titel  vorhandene  Werk  auf  einen  andern  Verfasser  zurückführen 
möchte,  sieht  Landgraf  als  die  von  Asinius  Pollio  für  nothwendig  er- 
achtete Ueberleitung  der  abgebrochenen  Erzählung  Caesar^s  zu  der  von 
Hirtius  unternommenen  Darstellung  der  folgenden  Kriegsereignisse  an« 
wenn  der  Schriftsteller  des  bellum  Alexandrinum  in  Kap.  4  mit  den 
Worten  dissensione  orta  —  ut  supra  demonstratum  est  auf  bellum  civ. 
III,  112,  11  verweist,  so  erblickt  Landgraf  darin  das  deutliche  Zeichen 
derselben  Urheberschaft  dieser  Stellen;  und  wenn  er  diesen  Schluss  des 
bellum  civile,  sowie  die  Ueberarbeitung  auch  der  vorhergehenden  Kapitel 
dem  Asinius  Pollio  zuschreiben  zu  müssen  überzeugt  ist  —  bestärkt 
haben  ihn  in  dieser  Annahme  die  Vorliebe  für.Deminutivformen  104,  <8 

4* 


U. 


5S  Römische  Higtoriker. 

naiAQulam'  panrulam,  womit  man  b.  Afric.  54,  1  fMurvulam  cansolam, 
27^  1  lapillus  minutus,  68,  1  navigiolum  parvalam  zu  vergleichen  habe, 
die  von  ihm  besonders  Poltio  beigelegte,  sonst  eben  nicht  ungewöhnliche 
Aneinanderreihung  der  Satzglieder  durch  primum  —  deinde,  108,  1,  so 
wie  eine  ganze  Anzahl  von  Redewendungen,  welche  sich  durch  ähnliche 
im  bellum  Africanum  belegen  lassen,  darunter  auch  106,  5  palma  exati- 
tisise  ostendebatur,  wofür  neuerdings  Paul  freilich  nur  zaghaft  palmam 
exstiiisse  ostendebatur  in  Vorschlag  gebracht  hat  ~ ,  so  würde  allerdings 
daraus  folgen,  dass  auch  der  l.  Theil  des  b.  Alex.  1  —  33,  der  die 
Vorg&nge  in  Alexandria  behandelt,  wenigstens  von  ihm  eine  Ueber- 
arbeitnng  erfahren  haben  muss,  eine  Ueberarbeitung,  die  Landgraf  auch 
an  den  seiner  Ansicht  nach  von  Caesar  selbst  dazu  gemachten  Auf- 
zeichnungen —  welche  nicht  nur  die  Leichtigkeit  des  Stils,  sondern  auch 
der  Ausdruck  a  nobis,  3,  1,  den  Nipperdey  f&lschlich  in  a  nostris  ver- 
wandelt habe,  deutlich  zeige  —  erkennen  zu  können  glaubt  In  der- 
selben Weise  sucht  er  in  den  drei  letzten  Theilen  seines  Buchs  für  die 
Kapitel  34-41,  42-47,  66 — 77  eine  Ueberarbeitung  durch  Pollio  nach- 
zuweisen, ftlr  den  letzten  Abschnitt  übrigens  nur  eine  »den  Ausdruck 
mitunter  modificirendec  Dass  derselbe  über  den  von  Curio  in  Afrika 
gelehrten  Krieg  Caesar  einen  Bericht  geliefert  habe,  ist  wenigstens  ganz 
glaublich. 

Yon  der  ziemlich  festen  Stellung,  welche  Landgraf  dadurch  ge- 
wonnen hat,  dass  er,  gestützt  auf  die  Ausdrucksweise  der  Briefe  und 
der  Fragmente  Pollio^s,  diesem  mit  einiger  Sicherheit  das  bellum  Afn- 
eaaum  hat  zuschieben  können,  hat  er,  hauptsächlich  dabei  das  bellum 
Africanum  zu  Grunde  legend,  in  eben  so  geschickter  Weise  wie  mit 
folgerichtiger  Methode  auf  Bruchstücke  der  anderen  unter  Caesar's 
Namen  gehenden  Schriften  seine  Untersuchung  ausgedehnt.  Die  Aus- 
führungen Landgrafs  sind  nicht  nur  in  iexikographischer  Hinsicht 
beachtenswerth,  sondern  hier  und  da  auch  in  kritischer  Beziehung  be- 
langreich: wenn  Paul  b.  civ.  11,  13,  4  st.  oppidum  irrumpere  durchaus 
in  oppidum  irrumpere  haben  will,  kann  man  ihm  b.  Afric.  29,  2  ent- 
gegen halten,  jedoch  ohne  den  Scbluss  zu  machen,  dass  auch  an  jener 
Stelle  sich  die  Hand  des  Ueberarbeiters  zeige;  b.  civ.  III,  70,  1  schlägt 
Landgraf  vor  zu  lesen  angiportis  atque  viis  st  angustiis  [portis]  atque 
bis  der  Ausgaben,  eine  den  Worten  omnibus  viis  atque  angiportis  in 
b.  Alex.  2,  4  entnommene  Aenderung,  welche  der  Verfasser  schon  im 
Archiv  f^r  lat.  Lexik.  V  (1888)  S.  139  begründet  hat;  b.  Alex.  7,  1  non 
morari,  mit  Einschaltung  des  Worts  non,  für  welches  aus  Bong.  lü 
längst  nihil  hinzugefügt  worden  ist;  16,  3  schlägt  er  st.  der  Forchhammer- 
,8ohen  Einschaltung  dubitationem  die  wenigstens  ebenso  annehmbare 
ooActationem  vor;  die  Umstellung  des  Adverbs  necessario  b  civ.  I,  68,  2 
cum  propius  erat  ventum,  necessario  ab  scientia  gubematorum  —  ad 
vixtttten- eonfagiebant  st.  cum  propius  erat  necessario  ventum,  ab  scientaa 


(M^r.  53, 

etc.  ist  nach  meiner  Ansicht  fast  nothwendig;  b.  Alex.  19,  2  ist  qmid 
his  obtentis  duobus  omnes  navigiorum  concursus  et  repentina  latrocidia 
subiatum  iri  videbantur  wenigstens  eben  so  leicht  herg^teilt  wie  der  Vor-^ 
schlag  Bentley's  omnem  concursum  —  subiatum  iri  videbat ;  40^  2  fossam 
autem  circumire  et  maceriem  transscendere  conata  esset  st  des  bandn 
schriftlichen  circumire  acies  secundo  conata  esset,  soll  Nipperdey^  Yer-^ 
besserung  fossam  autem  circumire  ac  transcendere  conata  etc.  ersetzeli; 
b.  GalL  VII,  36,  4  möchte  Landgraf  completis  qufbusdAm  cohortibiri 
lesen,  wohl  eine  anmögliche  Aenderung,  weil  durch  die  Verstärkung  einr< 
zelner  Gohorten  die  Anzahl  der  Legionen  nicht  vermehrt  wurde,  ubd  toiI 
der  Menge  der  Soldaten  hier  nicht  die  Rede  sein  kann ;  und  zu  gewalt^ 
sam  ist  wohl  die  Aenderung  b.  Alex.  22,  1  hoc  detrimento  miütes  Bostti 
animo  non  sunt  pertnrbati,  sed  —  accessiones  feoerunt  st.  hoc  detrimeütd 
m^ilites  nostri  tantnm  afuerunt  ut  perturbarentur,  ut  —  accessiones  feo^ 
rint,  das  allerdings  schwerlich  so  stehen  bleiben  kann. 

Wenn  demnach  auch  nicht  alle  Aufstellungen  Landgraf  s  bewiesen 
sind  —  und  streng  bewiesen  kann  etwas  dieser  Art  überhaupt  kaum 
werden  — ,  so  sind  sie  doch  hinwiederum  durchaus  nicht  haltlos,  dtlrften 
aber  bei  der  Betriebsamkeit,  mit  welcher  der  Verfasser  zu  Wetrk  ge- 
gangen ist,  durch  weitere  Nachforschung  eine  Erweiterung  sehwetlfch, 
eher  vielmehr  eine  Einschränkung  erfahren .  da  wo  auch  sonst  Hblitdhe 
oder  doch  nicht  ungewöhnliche  Redeweisen  entweder  als  unbdüngt  von 
Caesar  herrfthrend  oder  aber  als  die  Mitwirkung  Pollio's  verfatbebd  an- 
gemerkt werden.  Es  wird  die  Pflicht  späterer  Herausgeber  der  mit 
Caesar's  eignen  Werken  vereinigten  Schriften  sein,  die  von  Landgraf  gegeben 
nen  Anregungen  und  Winke  zu  benutzen,  und  wo  eine  sorgfältige  Nach- 
prüfung jeder  einzelnen  Stelle  es  erforderlich  macht,  sie  abzulehnen« 
Wo  die  Mitwirkung  Pollio's  sich  durch  Heranziehung  ganz  gleicher  oder 
ähnlicher  Redewendungen  im  bellum  Africanum  sich  als  zvTeifeltos  heraus^ 
stellen  soUte,  wie  z.  B.  b.  Alex.  11,  3,  wo  epibata  fär  das  sonst  von 
Hirtius  gebrauchte  dassiarius  dea  Urheber  verräth,  28,  2  sicuti  suf^ra 
demonstravimus  und  33,  2  docuimus,  wegen  des  Pluralis,  fär  diö  Hirtlafl 
b.  Gall.  VIII  immer  den  Singularis  setzt,  80,  1  protinus  —  perteadil 
und  2  lassos  itinere  etc.  wftrde  es  von  jetzt  an  die  Aufgabe  des  Er- 
klärers sein,  dessen  eigenem  Ermessen  ich  jedoch  in  keinem  FaUe  vof^ 
zugreifen  beabsichtige,  darauf  aufmerksam  zu  machen. 

Bei  der  oben  klar  gelegten  Sachlage  war  es  keinesweges  unerwartet^ 
ja  eigentlich  fast  unausbleiblich,  dass  die  sämmtlichen  Behauptungen 
Landgrafs  von  einem  oder  dem  anderen  Kritiker  Widerspruch  erfahren 
winden:  das  ist  denn  auch,  nicht  nur  für  das  bellum  Alexandrinum, 
sondern  auch  in  Beziehung  auf  das  bellum  Africanum  in  der  Berliner 
Philologischen  Wochenschrift,  1889,  No.  2  und  im  Jahresbericht  XVI 
von  Rud.  Schneider  geschehen,  der  die  bei  der  gleichzeiltigeii  Ausgub^ 
seines  bellum  Alexandrinum  einmal  eingenommene  Stellujig  zti  WahröA 


54  Römische  Historiker. 

hatte;  es  ist  ihm  nicht  schwer  geworden,  viele  der  von  Landgraf  fttr 
echt  poUionisch  angegebenen  Redensarten  bei  anderen  gleichzeitigen 
Schriftstellern  nachzuweisen;  auf  die  archaisch-poetische  Ausdrucksweise 
des  Asinius  hat  er  jedoch  keine  Rflcksicht  genommen.  Uebereinstimmend 
mit  ihm  schliesst  Albrecht  Köhler  in  den  Blättern  für  das  bajrer.  Gymn.- 
Schnlwes.  XXV  seine  ablehnende  Auseinandersetzung  mit  den  Worten: 
iDemnach  bietet  weder  das  tlberliefeite  beglaubigte  Sprachmaterial  des 
Pollio  noch  das  Urtheil  der  Alten  über  ihn  genfigenden  Anhaltspunkt 
dafür,  dass  man,  selbst  wenn  man  die  Sprache  des  b.  Afr.  nach  ihren 
Einzelbestandtheilen  als  archaisch-poetisch  gelten  lässt,  ein  Recht  hfttte, 
aus  diesem  Grunde  auf  pollionische  Autorschaft  zu  schliessen.«  Weniger 
abweisend,  und  eher  entgegenkommend,  urtheilt  Menge,  Neue  Philol. 
Rundschau,  1889,  S.  147 — 154.  Dagegen  hat  der  Verfasser  eine  höchst 
belangreiche  Zustimmung  erhalten  von  Wölfflin  und  MiodoAski,  welche 
ihre  neue  Ausgabe  des  bellum  Africanum  ohne  Umschweife  unter  Asinius 
Pollio's  Namen  veröffentlicht  und  Landgraf  gewidmet  haben. 

C  Asini  Polionis  de  hello  Africo  commentarius.  Recensuerunt, 
emendaverunt,  adnotatione  illnstraverunt  Eduardus  Wölfflin  et  Adamus 
Hiodonski.  A^jecta  est  tabula  photolithographica  codicis  Ashburn- 
hamensis.  Lipsiae  in  aedibus  B.  G.  Teubneri  MDCGGLXXXIX.  Pr. 
6,80  Mk. 

Die  Verfasser,  welche  die  Schreibung  Polio  durch  die  Inschriften 
für  besser  beglaubigt  halten  und  sich  dafür  auf  Lachmann  zu  Lncret 
S.  38  und  auf  Brambach  Orthographie  S.  260  berufen,  haben  sich  in 
ihrer  von  Wölfflin  verfassten  Vorrede  Landgrafs  Beweisen  für  die  Ab- 
'fassung  des  bellum  Africanum  durch  den  oben  genannten  Geschicht- 
schreiber, wie  auch  für  seine  Mitwirkung  am  bellum  civile  und  am 
bellum  Aiexandrinum  ohne  jeden  Vorbehalt  angeschlossen,  seine  dafür 
angeführten  Beispiele  abgedruckt  und  noch  vermehrt;  sie  machen  darauf 
aufinerksam,  dass  dieser  Schriftsteller  häufiger  als  andere  que  an  eine 
kurze  Vocalsilbe  anhftngt,  was  mit  der  Endung  te  in  Oaesar's  Gommen- 
tarien  nur  einmal  vorkommt  (dignitateque,  b.  Gall.  VI,  12,  6),  öfter  mit 
der  Endung  a  (wie  consiliaque,  b.  civ.  I,  26,  2) ;  um  das  in  den  Briefen 
des  Asinius  öfter  vorkommende  plane  auch  im  b.  Afric.  zu  haben,  machen 
sie  in  22,  2  Italiam  plane  oppressam  aus  Italiam  paene  oppressam;  sie 
glauben,  dass  73,  3  entweder  mit  Landgraf  suisque  geschrieben  oder 
snoque  weggelassen  werden  muss,  vestigio  jedoch  beibehalten  werden 
kann,  da  man  auch  non  pede  discedere  neben  non  pedem  discedere  sage. 
Für  die  Kriegführung  und  die  Topographie  des  Kriegsschauplatzes  haben 
sie  Histoire  de  Jules  G^sar.  Guerre  civile.    Par  le  Golonel  Stoffel  I,  II,  i 

Paris  1887,  und  Geographie  compar^e  de  la  province  Romaine  d^Afrique. 
Par  Charles  Tfssot  et  Sal.  Reinach  I,  II,  Paris  1887,  1888,  nicht  aber 
TiB80t*6  La  Campagne  de  Cösar  en  Afrique  benutzt  J 


i 


Caesar.  55 

Unter  den  Handschriften,  welche  die  froheren  Herausgeber  schon 
eingesehen  haben,  ist  der  cod.  Leidensis  von  jedem  der  beiden  Bearbeiter 
besonders  noch  einmal  verglichen  worden;  ganz  neu  ist  für  ihre  Ausgabe 
die  Benutzung  des  cod.  Ashburnhamensis  (jetzt  auch  Florentinus  oder 
Laurentianus  genannt),  tlber  welchen  Stangl  im  Philoiogus  XLV,  2? 
S.  213-220  Auskunft  gicbt.  Obgleich  als  die  älteste  der  Handschriften 
anerkannt  (aus  dem  11.  oder  gar  9  Jahrhundert),  hat  dieses  Manuscript 
dennoch  nur  geringe  Ausbeute  geliefert:  1,  2  ist  ihm  zufolge  sibi  hinter 
ne  quis  nicht  eingeklammert,  sondern  weggelassen  worden;  3,  1  hat  es 
III  milium  gegeben;  19,  3  die  Yermuthung  equoque  uti  frenato  bestätigt; 
20,  4  giebt  es  importaticio  (st.  importato),  nachher  dirui  ac  deseri  (st. 
dirui  ac  deleri);  26.  5  miseris  (st.  in  miseriis);  31,  9  victoriae  suae  (st. 
victoriae  suorum);  54,  6  tradidit  (st  tradit);  66,  1,  usque  eo  ut;  60,  4 
resistere  (st.  resisti);  61,  6  frumentandi  gratia  (st.  frumentandi  causa); 
67,  2  die  Stellung  cum  parte  profectus  exercitus  und  72,  3  militum 
animos;  76,  2  quarta  vigilia  (st.  die  quarto);  91,  1  conjuges,  liberos  (st 
coi^uges  liberosque);  94,  1  per  virtutem  (stcum  virtute);  die  zusammen- 
gezogene Form  passum  (st  passuum)  69,  5  und  mehrmals,  aber  nicht 
immer,  scheint  mir  bedenklich ;  fUr  manche  Lesarten  bietet  der  Ashburn* 
haroensis  einem  oder  dem  andern  Manuscript  eine  nicht  unwichtige 
Unterstützung.  Diese  Handschrift  fährt  allein  den  deshalb  von  den 
Herausgebern  gewählten  Titel  de  hello  Africo.  Sonst  haben  sie  sich 
vielfach  in  der  Orthographie  nach  derselben  gerichtet,  weil  sie  die  ältere 
Schreibweise  befolgt,  so  63,  4  promunturium,  und  namentlich  in  der 
Unterlassung  der  Assimilation  der  Präpositionen,  z.  B.  inponere,  inpli- 
care,  wofern  nicht  wie  in  imperare,  impetrare  eto.  die  ursprüngliche  Be- 
deutung des  Simplex  völlig  verdunkelt  ist,  unter  anderen  Fällen  auch 
ecflagitatum  22,  5,  ecflagitabant  66,  2.  Die  beiden  codd.  Dresdenses 
(von  ihnen  mit  D  und  8  bezeichnet,  von  andern  mit  0  und  e)  haben 
durch  ihre  häufige  Uebereinstimmung  mit  dem  Ashburnhamensis  eine 
grössere  Wichtigkeit  erlangt,  als  man  sie  ihnen,  da  sie  zu  den  späteren 
gehören,  bisher  hat  zuschreiben  wollen,  deshalb  ist  z.  B.  i,  3  tarnen 
hinter  nihilo  eingeklammert.  Der  Leidensis  (b),  obgleich  im  b.  Gall. 
und  im  b.  civ.  nach  Nipperdey's  und  auch  nach  Meusers  Urtheil  (Jahres- 
bericht des  philologischen  Vereins  in  Berlin  XI,  1886)  mit  dem  Thuaneus 
oder  Parisinus  II  (a)  übereinstimmend,  weicht  nach  Wölfflin's  und  Mio- 
doAski's  Feststellung  in  b.  Afric  sehr  von  ihm  ab;  dasselbe  findet,  wie 
schon  Duebner  bemerkt  hat,  in  Betreff  des  Ursinianus  (h)  statt,  der  für 
diesen  Commentar  wiederum  mit  dem  Riccardianus  oder  Florentinus  eine 
und  dieselbe  Quelle  gehabt  hat.  Aus  dem  Leidensis  ist  hier  und  da 
die  Stellung  der  Wörter  gegen  die  früheren  Ausgaben  geändert,  so  24,  1 
paucos  dies  ibi,  wie  66,  1;  ferner  76,  2  ab  ejus  impugnatione,  weil 
Asinius  den  Genitiv  dem  regierenden  Wort  voranzustellen  pflege,  16,  I 
novo  pugnae  genere,  30,  2  Caesaris  patientia;    61,  6  sunt  potiti;  die 


56  Bömisehe  Historiker. 

Stellung  des  Httlfsworts  vor  dem  Particip  sei,  so  meinen  die  Heransgeber» 
dem  Scbriftsteller  eigen  gewesen;    88,  6  accessisset  cum  copiis,  84«  2 
nactus  naviginm;    8,  6  Africae  terrae,  dies  nach  £nniu8'  Vorgang,  etc. 
Sonst  ist  aus  dem  Leidensis,  und  von  Kraner  und  Anderen  abweichend, 
entnommen:   2,  4  naves  hinter  ipse  (st.  navem);  7,  6  in  convaUibas  (st 
inter  convalles);  10,  3  nee  qnicqnam  (st.  neque  — );  17,  1  convertit  (st. 
vertit);   18,  6  jam  hoste  —  mittente  (st.  in  hostes  —  mittentes);  21,  4 
disponit  (st.  disposuit)  und  possit  (st.  posset);    25,  4  regno  pulsus  (st. 
—  ezpulsus);    26,  6  bis  se  (st.  iis  se);    29,  3  obstitisset  (st.  aetitisset); 
84«  2  Decumius;    86,  1   quique  cum  eo  erant  (st.  —  essent),  dagegen 
86,  1  qui  modo  —  arma  ferre  possent  (st.  —  poterant);  86,  6  profuge- 
mnt  (st.  perfugerunt);  88,  1  effecit  (st  efficit);  47,  1  per  idem  tempos 
(st  —  id  — );  48,  1  ad  terrorem  Gaesaris  (st  ac  —);  68,  1  adUzitam 
(st  circa  Uzittam);  66,  8  Caesarem  non  latebat  (st  —  fallebat);  58,  2 
ante  [se]  concursuros,   mit  Veränderung  des  handsohrifUichen  eum  in 
con  (st  ante  eas  secum  concursuras  der  Ausgaben);    69,  4  sinistrum 
autem  (st  —  enim);  61,  1  diei  (st  die);  68,  1  ac  (vor  trepidantem  st 
atqae);    67,  2  parvo  tritici  (jedoch  als  vermeintliche  Interpolation  ein- 
geklammert, st  pauco  tritici,  nftmlich  numero);    68,  1  ab  Scipione  (st. 
a  — );    72,  8  accedebat  enim  (st  —  etiam);    78,  7  inmitUt  (st  mittit); 
84,  2  eztollit  armatum.  qui  (wo  armatum  jedoch  als  vermeintliche  Inter- 
polation eingeklammert  ist,  st  extollit  Armatus);    86,   1  succurrerent 
(st  occurrerent)   und   6   viros   {quos   urbanos  auctores  appeilant]  (wo 
jedoch  auctores  im  Leid,  fehlt,  st  urbanos  quos  auctores  appellabant); 
88,  8  intulit  (st  tulit);  91,  8  primum  (st  primo);  98,  8  ipse  sibi  saisqae 
liberis   (mit  Hinsufbgung  des  Wortes   ipse).     Einiges  Andere   noch  im 
Folgenden. 

In  vielen  F&Uen  ist  n&miich  ausserdem  Wölfflin,  sei  es  allen  oder 
einseinen  oder  doch  mehreren  Handschriften  folgend,  von  dem,  was 
schon  herkömmlich  geworden  war,  wieder  abgewichen:  so  giebt  er  24,  3 
quoqno  versus  st.  des  von  Nipperdey  eingeführten  quoqueversus  und 
eben  da  nee  per  st.  neque  per.  Weitere  Aenderuugen  dieser  Art  sind: 
28,  1  anmum  advertisset  (st  —  adverteret)  und  eidem  (st  eisdero); 
28,  4  custodibus  traditi  —  sunt  interfecti,  mit  Versetsung  des  Wortes 
sunt;  29,  1  in  statione  (st  in  stationibus),  mit  dem  Vind.  I;  87,  4  milia 
passus  XII,  nach  dem  Ashhurnh.,  schwerlich  zu  billigen,  eben  da  ist 
ingens,  wofftr  seit  Nipperdey  cingens  gedruckt  wurde,  wiederhergestellt; 
40,  2  sentit  (st.  sensit);  41,  2  mit  dem  Ashb.,  Leid,  und  Par.  II  mille 
passus  (st  miile  passuum);  41, 8  dextrumque  (st  deltrum);  44,  1  fuerant  — 
equites  Romani  (st  fuerat  -  eques  Romanus),  es  bleibt  ungewiss,  auf 
weldie  Autorität  hin;  46,  2  forsitan  (st  forsan);  46,  6  tum  (st  tunc); 
47,  4  oppido  {per]  quam  pauci,  Leid.,  auch  schon  bei  Kraner;  48,  1 
elephantis  (st  elephantisque) ;  48,  6  recepit  (st  recipit);  62,  4  prospectui 
(st  prospectu,   dat)  mit  Vind.  I,  während  die  Übrigen  Handschriftpu 


Ctmar  57 

fttechlieii  prospectnm  haben;  53,  1  conspicati  (zu  legiones  gehörig, 
schwerlich  zu  billigeD,  noch  dazu  da  Vind.  1  und  Dresd.  I  conspicatae 
geben,  wenngleich  nachher  überall  veriti  folgt),  ebenda  naves  Gaesarianas 
mit  Umstellung;  64,  1  Avienus  ohne  den  von  Stephanus  aus  §  4  zuge<- 
fügten  Vornamen  G;  57,  4  Aquinium;  63,  1  milia  passus  VI  und  ähnlich 
an  anderen  Stellen,  wohl  nicht  gerechtfertigt  (obgleich  Hellmuth  im  Pro- 
gramm Würzburg  1888  diese  Gonstruction  billigt),  da  der  Leid,  nur 
pass\  der  Ashbumh.  pass.  bieten;  eben  da  ac  (st.  atque)  vor  trepidantem, 
nur  nach  dem  Leid.,  und  dagegen  auf  dieselbe  Autorität  hin  66,  3  atque 
(st.  ac)  vor  retardato,  weil  67,  2  die  Handschriften  atque  vor  recreato 
geben;  69,  2  inferri  (st.  inferre),  nach  Leid,  und  Par.  II;  69,  4  pariter 
nach  dem  Leid.  (st.  pariterque);  70,  4  cum  se  convertissent,  Leid,  (st  si  se 
convertissent) ;  71,  3  interficiebant  (trotz  des  Singularis  levis  armatura) 
nach  Leid,  und  den  beiden  Dresd.;  72,  4  elephans  (st  elephantus);  73,  3 
rapsaret  (st.  raptaret),  weil  Ashb.  Leid.  Par.  II  rapsare  haben);  74,  1 
petnnt  obsecrant  ohne  et;  76,  2  ejus  impugnatione  (st.  oppugnatione 
ejus)  nur  nach  dem  Leid.;  77,  S  transire  Africam  (st.  transire  in  AM* 
cam);  73,  7  occurrerent  (st.  der  Goi\jectur  succurrerent) ;  78,  8  ad  collem 
(st.  ad  colles  des  einzigen  cod.  Petav.);  78,  10  fortissimi  quique  mit 
Ashb.  und  auch  Leid.  (st.  fortissimus  quisque  der  übrigen  Handschriften); 
80,  5  post  tergum,  Leid.  (st.  post  terga  der  übrigen  Handschriften); 
82,  3  sibi  (st.  sibique)  mit  dem  einzigen  Leid.,  dagegen  83,  1  lapidum 
(gegen  lapidumque  des  einzigen  Leid):  86,  2  se  in  oppidum  receperunt 
(st  in  oppidum  se  receperunt,  das  nur  Par.  II  giebt);  85,  7  accurrisset 
(mit  dem  einzigen  Leid  st  accucurrisset) ;  85,  8  spe  wird  mit  den  Codd. 
Petav.  und  Norv.  hinter  impunitatis  gebracht;  86,  9  uti  eis  (st  iis  uti);  86,  1 
decem  (st  L,  mit  allen  Handschriften);  87,  2  praecurrisset  (mit  dem 
Leid,  und  den  beiden  Dresd.  gegen  praecucurrisset  der  übrigen  Hand- 
schriften) ;  87,  8  cum  bis  (st.  cum  eis  oder  iis,  mit  Ashb.  Vind.  I  Dresd. 
I)  und  contendit  (mit  Dresd.  II,  st.  iutendit);  88,  2  proficiscerentur 
(Ashb.  Dresd  I  und  II,  st  proficisceretur) ;  88,  5  turrisque  (st  turrosque, 
mit  dem  einzigen  Ashb.),  dagegen  93,  2  partes,  mit  allen  Handschriften; 
89,  1  ceterarum  (mit  dem  einzigen  Leid.,  st.  ceterarumque) ;  89,  4  proicit 
(wegen  des  folgenden  deprecatur  fast  nothwendig,  mit  der  Mehrzahl  der 
besseren  Handschriften,  st  projecit);  89,  5  circiter  ohne  que  mit  dem 
Leid.;  90,  1  contione  ohne  que  mit  dem  Leid.;  90,  2  cupidi  libentesqne 
(mit  Leid,  st  libentes  cupidique  aller  anderen  Handschriften);  91,  1 
oppidum  (mit  dem  Leid.,  st.  ad  oppidum  der  übrigen  Handschriften), 
eben  da  liberos  (mit  dem  einzigen  Ashb-,  st  liberosque;  91,  2  se  ipse 
(mit  den  meisten  Handschriften,  st  ipse  se  des  Par.  II  und  des  Leid.); 
91,  8  deinde  (mit  dem  Leid,  und  den  beiden  Dresd.,  st  dein);  92,  4 
dementia  lenitateque  (mit  Leid.,  st  lenitate  clementiaque  der  anderen 
Handschriften);  93,  3  wird  mit  dem  Leid,  ipse  vor  sibi  suisque 
liberis  eingeschaltet;    95,  1   manum  —  qui  Utioam  diripuerant  (wofür 


58  Bömiscbe  Historiker. 

seit  Monis  allgemein  gedruckt  wird  roanum  -  quae  Uticam  diri- 
puerat,  die  Handschriften  haben  qua  und  diripuerant);  95,  2  interfecit 
(mit  den  besseren  Handschriften,  st.  interficit,  und  in  Folge  dessen  gegen 
die  Handschriften  nachher  accepit);  97,  l  Salustio  (mit  Leid,  und  Vind 
I,  st.  Sallustio);  97,  3  arbitros  —  datos  (st.  des  durch  Conjectur  ein- 
geführten arbitris  —  datis,  wovon  Dresd.  li  das  erstere  Wort  hat); 
96,  1  ac  (mit  Leid   und  Vind.  I,  st.  et). 

An  vielen  Stellen  haben  die  Bearbeiter  eigne  Coi^ecturen  oder 
Emendationen  Anderer  eingeführt,  theils  um  den  Sinn  herzustellen  oder 
die  Ausdrucksweise  zu  bessern:  2,  2  wird  longe  milia  passuum  .  .  . 
hinter  quae  est  a  Lilybaeo  hinzugefligt,  wo  est  (st.  abest)  aus  dem  Ashb. 
genommen  ist;  2,  4  His  mandatis  oder  vielleicht  His  datis  mandatis  ^st- 
Datis  mandatis),  und  6  petierant  (st.  petierunt);  3,  4  quod  neque  quae 
circum  loca  peterent,  gubernatoribus  -  praeceperat,  mit  Hinzu- 
fügung von  quae  (st.  quod  neque  certum  locum  gubernatoribus  — 
praeceperat  quem  peterent,  nach  Aldus  Coi^ectur);  7,  1  wird  postero 
die  hinter  inde  auf  Noväk's  Vorschlag  hinzugefügt;  8,  1  exoneratis  (st  ex 
onerariis);  8,  4  uti  fieri  possent  (st.  non  posse  Nipperdey's) ,  nach 
Kraner's  Vorgang  und  ohne  den  nur  im  Anfang  angewendeten  Schr&g- 
druck;  8,  6  mirari,  mit  Noväk  (st.  miserari);  9,  i  se  sequantur,  mit 
Zufügung  des  Pronomens ;  9,  2  se  recepisse,  mit  Hinzufttgnng  des  Reflexi- 
vums,  nach  dem  Vorgang  GemolFs,  der  recepisse  se  vorgeschlagen  hatte; 
12,  3  equitnm  MCC,  sagittariorum  GL  (st  cum  equitibus  GGGG  et  sa- 
gittariis  GL,  wofUr  Dresd.  I  equitum  und  Dresd.  II  et  sagittariorum  ent- 
halten); 16,  1  mehercules  (st  mehercule);  19,  1  conplures  (st  plures), 
und  eben  da  nonuulli  (st  compiures);  19,  3  wird  zu  der  Gonjectur 
Oudendorp's  sine  illorum  fide  noch  vel  vorn  hinzugefügt;  19,  3  condoce- 
fecerat  (st.  des  handschriftlichen  condidicerat  und  condocuerat  der  Aus- 
gaben) nach  meinem  Vorschlag  Phil.  Suppl.  V,  S.  384,  den  die  Verfasser 
allerdings  nicht  erwähnen;  19,  4  fiducia  inflatus,  mit  Landgraf  (st.  auda- 
cia  inflammatus) ;  20,  1  wird  nuntii  vor  nitro  auf  Nov&k's  Vorschlag  ein- 
geschaltet, eben  da  frequentare  (st  frequentabat)  nach  Nov4k;  21,  1 
altemas  (st.  ad  ternas  der  Ausgaben  und  des  handschriftlichen  alteras 
oder  adterras);  22,  2  nefariis,  mit  Em.  Hoffmann  (st  des  handschrift- 
lichen arduis,  narduis,  uarduis  und  des  perditis  vieler  Ausgaben);  25,  i 
dare  (st.  dari);  26,  4  concepit  (st  consilium  cepit,  das  nicht  mit  dem 
accus,  cum  infin.  verbunden  werden  könne);  26,  3  wird  hieme  gerere 
vor  insUtuit  hinzugefügt,  wofür  Em.  Hoffmann  jam  nunc  gerere  vorge- 
schlagen hatte;  26,  4  wird  trucidari  hinter  diripi  weggelassen,  dagegen 
hinter  aut  anstatt  interiici  eingestellt;  26,  6  intermittit  (st.  intermittere) ; 
27,  1  sese  vor  converterent  (st.  eos  der  Handschriften,  aber  unter  Addenda 
et  corrigenda  zurückgenommen  und  eos  mit  Beziehung  auf  sua  acies 
durch  die  Gonstruction  ad  aovsatv  erklärt);  29,  1  Labienani  (st  Labie- 
niani) ;  29,  3  ad  ecum  adfixo  (st.  des  von  Daehne  aufgebrachten  ad  equum 


Caesar.  59 

defixo);  dl,  1  wird  aut  vor  pabnlandi  zugefügt,  dagegen  lignandique  nach 
dem  Ashb.  angeschlossen;  31,  4  atque  (st.  at  und  st.  des  handschrift- 
lichen ad);  31,  9  ab  reliquiis  (st  ab  reliquis  copiis,  mit  Berufung  auf 
22,  2.  und  nicht,  wie  ein  Druckfehler  angiebt,  19,  3,  undaufFlorus  iV, 
2,  64);  33,  1  quaecumque  [res]  eis  suppeterent  (st.  quaecumqne  res  eis 
suppeteret);  34,  1  paulo  ante  (st.  paucis  ante  dicbus,  weil  kurz  vorher 
paucis  post  diebüs  vorgekommen  war);  35,  4  intra  tua  praesidia  (st.  in 
tuaque  praesidia);  87,  1  exoneratas  ist  [sex]  oneratas);  38,  1  ad  jugum- 
pervenit,  ascendit  [atquej  in  unumquemque  coüem,  turres  speculasque 
[facerel  cepit,  Alles  nach  Vielhaber^s  Vorschlag  (st.  ad  jugum  -  ascen- 
dit atque  in  unumquemque  collem  *  turresque  casteiiaque  facere  coepit), 
und  eben  da  ea  omnia  (st.  ea  minus);  38,  2  degressus  (st  egrßssus); 
39,  3  inmissi  (st.  missi);  40,  5  praebenda  hinter  fide  (st.  der  Conjectur 
Nipperdey's  servanda  oder  Em  Hoffmann's  tuenda);  41,  1  concisis  (st 
occisis  der  Handschriften  und  Ausgaben);  45,  3  triciens  in  acie  (st. 
XXXYI  annis);  47,  2  quarto  quoque  (st  quartoque)  also  in  tertio,  quarto 
quoque  die;  47,  4  nihil  sibi  quicquam  (st.  sibi  quicqnam  non  der  meisten 
Handschriften);  50,  3  «dversarii  (st  abditi  Nipperdey's  und  abusi  der 
Handschriften);  51,  6  armatura  (st  armaturae);  52,  l  ac  (st  Scipio, 
zwischen  Juba  und  Labienus);  52,  3  deductis  (st  reductis);  56,  1  adigi 
(st.  des  handschriftlichen  abici,  woraus  sonst  adici  gemacht  worden  war); 
59,  2  conlocarat  (mit  Noväk,  st  coliocabat;  62,  1  legionis  X  et  Villi; 
62,  2  wird  ad  vor  Adrumetum  hinzugesetzt,  und  63,  1  et  hinter  conscen- 
dit,  und  66,  1  ex  vor  cotidiano  instituto;  66,  1  tritt  levis  armaturae  ein 
(st.  des  voii  Nipperdey  aus  den  Handschriften  mit  HinzufUgung  von  ex 
hergestellten  ex  levi  armatura;  69,  4  occurrere  (st  accurrere);  72,  1 
quotienscnmque  proelium  (st.  quodcumque  proelium  quotiens);  72,  2 
etiani  (st.  autem)  hinter  sollicitabatur ;  72,  4  ne  vor  reformidarent  hinter 
dem  vorangegangenen  ut  (st  des  sprachwidrigen  non),  nach  Noväk; 
73,  2  consuerant  (st  consuerunt);  74,  1  subministraturos  (mit  Kraner, 
St.  administraturos);  77,  l  cum  de  p.  R.  bene  meriti  essent  (st  populus 
Romanus),  quod  (oder  cum)  bene  meriti  essent);  80,  1  qua  Scipio  intrare 
—  conabatur  (st.  des  handschriftlichen  quas  Scipio  intrare  -  conabatur, 
wo  quas  sich  auf  das  vorhergehende  angustiae  regelrecht  bezieht) ;  80,  2 
III  cohortium  (nämlich  praesidio  relicto,  st.  des  blossen  III  der  Hand- 
schriften, ftkr  das  der  Leid,  cohortibus  tribus  giebt);  80,  3  confecta 
(nämlich  nocte,  die  Handschriften  haben  confecto  mit  dem  vor  nocte 
stehenden  die  construirt);  83,  1  contra  bestem  inter  principes  (st.  in 
bestem  contra  principes  der  Handschriften  und  der  Drucke);  85,  4  re- 
fecti  (nach  Daehno's  Vorgang,  st.  des  zu  castris  gezogenen  refectis); 
89,  1  uumerum  frumenti  (gegen  die  dem  Schriftsteller  von  den  Heraus- 
gebern zugeschriebene  Eigenthümlichkeit,  nach  NovAk's  Vorschlag,  st. 
frumenti  numerum);    90,  3  eo  demum  die  (st.  eo  die  demum);    94,   l 


60  RAmisch«  Higtoriker. 

Jabam  Petrejm  (st  Juba  PetrejamV,    96,  l  id  temporis  (st.  id  tenpvs 
oder  ad  id  tempus  der  Handschriften  und  per  id  tempus  der  Aasgaben. 

Manche  andere  Yermuthungen  sind  zwar  von  WAlfflin  und  seinem 
Mitarbeiter  erwähnt,  aber  nicht  in  den  Text  aafgenomraen  worden;  so 
84,  2  cum  grandi  familia  sua  praesidio  praeerat  (st  cnm  grandi  familiae 
suae  praesidio  praeerat);  42,  1  prope  ad  solis  occasnm  (nach  Nov&k's 
Vorschlag,  st  prope  solis  occasnm);  61,  2  ducere  (st  dnci);  56,  3  pro- 
fnginnt  (st  perfugiunt);  72,  5  atque  consaetndo  equos  in  patientiam 
bestiarum  adduxerat  (Noväk,  st.  atque  in  consuetudinem  equos  patientia 
'bestiarum  adduxerat);  79,  1  aquae  (st.  aquarum);  94,  1  laute  cenatus 
(Yielhaber,  st  jam  cenatns).  —  Einige  meiner  Goiyectaren  sind  den 
Herausgebern  nicht  zu  Gesicht  gekommen  oder  von  ihnen  nicht  ber&ck- 
sichtigt  worden.  Am  Ende  des  Kapitels  49  habe  ich  für  das  hinter  dem 
von  consilium  ceperat  abhängige  coUis  occupandi  fälschlich  stehende  und 
von  Wölfflin  eingeklammerte  gratia  vorgeschlagen  gratuito  in  der  Be- 
deutung lauf  eigne  Handc,  die  ich  Phil.  Suppl.  V,  S.  383  nachgewiesen 
habe.  Tissot's  geographischen  Nachweisungen  folgend,  nach  denen  der 
sonst  so  genaue  Verfasser  des  bellum  Africanum  versäumt  haben  muss, 
eine  der  Sachlage  nothwendige  Veränderung  des  Lagerplatzes  Seipio's 
anzugeben,  habe  ich  Phil.  Anz.  XV,  S.  427  gerathen,  77,  4  novis  hinter 
Scipionis  einzuschalten;  dann  würde  auch  das  von  Wölfflin  als  verdäch- 
tigt eingeklammerte  vero  sicher  keinen  Anstoss  geben;  23,  1  klammem 
die  Herausgeber  servorum,  liberorum  ein;  auch  das  würde  nicht  nöthig 
sein,  wenn  man  nach  meinem  Vorschlag  Phil.  Suppl.  V  lesen  wollte 
numero  servorum  qninque  milium,  liberorum  duum  milium;  Ütr  qoinque 
milium  könnte  der  mittelaltrige  Abschreiber  nämlich  wohl  VM  gesetzt 
haben,  das  alsdann  wegen  der  vorhergehenden  gleichen  Buchstaben  leicht 
ausfiel.  Endlich,  glaube  ich,  wird  man  86,  6  demissis  armis  (st  des  von 
Wölfflin  eingeklammerten  dimissis  armis)  lesen  können;  durch  das  Senken 
der  Waffen  wird  der  militärische  Gruss  gemacht  und  das  Zeichen  der 
Unterwerfung  gegeben;  ich  vermuthe,  dass  in  derselben  Weise  b.  Galt 
VII,  40  deditionem  significare  zu  verstehen  ist,  und  dass  Paul  deshalb 
diese  Worte  nicht  für  unecht  zu  halten  brauchte;  wenn  im  beUnm  Afri- 
canum vorher  erzählt  wird,  dass  die  geschlagenen  Soldaten  Scipio's  armis 
abjectis  in  das  Lager  Juba's  geflohen  seien,  so  hat  man  das,  wie  das 
Beispiel  des  Horaz  zeigt,  hauptsächlich  von  den  Schilden  zu  verstehen, 
und  nebenbei  von  dem,  was  sonst  ihren  Lauf  hemmte  oder  doch  be* 
Schwerte,  wozu  die  Schwerter  nicht  gehörten. 

Auffallend  ist  die  grosse  Zahl  der  Interpolationen,  welche  Wölfflin 
und  MiodoAski  annehmen,  und  durch  deren  Beseitigung  sie  den  Text 
des  Buchs  für  wesentlich  verbessert  halten  und  dem  Stil  des  Schrift- 
stellers die  ihm  von  manchen  Seiten  zu  Theii  gewordene  abfällige  Beur^ 
theilung  zu  ersparen  hoffen;  es  sind  gegen  dreihundert,  ausser  den  schon 


Caesar.  gl 

beseichneten  die  folgenden:  1,  4  copiae  (mit  NovÄk),  sodann  esse  (weil 
im  Leid,  und  Flor,  ausgelassen),  ferner  et  spe;  1,  6  tironum;  2,  5  naves 
hinter  reliquas,  longis,  onerariae  (dies  mit  Kraner),  praeter  paucas  (mit 
Vielhaber);  3,  1  cum  equitatu,  Adrumetum  (das  letztere  mit  Em.  Hoff- 
mann), und  eben  da  Caesar;  8,  4  praefectis  und  consuetudo  hinter  dem 
ans  dem  handschriftlichen  more  ipsius  gemachten  mos  ipsius;  4,  3  cum 
hinter  dem  von  Asinius  mit  dem  Conjunctiv  des  Plusquamperfectums 
gebrauchten  simulatque;  4,  4  statim,  mit  dem  Ashbum.,  6  ad  oppugnan- 
dnm  hinter  difficilis,  und  Caesar  vor  dem  von  Aldus  statt  est  eingesetzten 
esset;  6,  7  in  itinere;  7,  1  obviam,  mit  Leid.;  7,  2  oppidi  und  in  oppi« 
dum;  7,  3  versus;  7,  4  omnem;  7,  5  e  navibus;  8,  2  naves  onerarias, 
8,  6  Scipio  und  patria;  10,  8  in  suo  consilio;  10,  3  prae  se;  10,  4  homines, 
11-,  3  eis  hinter  navibus  und  oppidum  vor  Ruspinam,  mit  Leid.;  11,  4 
onerariis  und  hostibus,  dies  mit  Leid.,  und  suae  naves,  eben  da  noch 
sui  milites  und  metu;  12,  1  equites;  12,  2  non  magnam,  mit  Leid., 
quorum  parvus  numerus  und  signa;  12,  3  eam,  vor  pugnam,  mit  Ashb. 
und  Aldus;  13,  1  confertam,  mit  Nov4k;  13,  2  Interim;  14,  1  et  in  la^ 
titudinem  promovere  und  et  Caesaris  equitatum  extenuare;  14,  2  cum 
equitibus,  mit  Noväk;  16,  1  milites;  15,  2  equites  Juliani  mit  Forch- 
haramer,  eben  da  pauci;  16,  3  legionariis  und  Caesarisque  copiis,  mit 
Hinzufügung  von  et  hinter  diesen  Worten;  17,  1  et  vor  alternis;  18,  1 
eiectis,   mit  Leid.,   ejusdem  generis,   gleichfalls  im  Leid,  ausgelassen; 

18,  2  suis,  und  sodann  mit  Fortlassung  des  s  der  Endung  firmati,  also 
zu  hostes  gezogen,  recipientes;  18,  4  paucitate,  )am  und  que  hinter  equi- 
tibus; 19,  3  maxima  autem  auxilia  haberet.  Numidarum  equitum  levisque 
armaturae,  femer  Labienus  mit  Aldus  und  quos  mit  Duebner,  encUich 
praeterea  regia  auxilia,  elephantes  CXX,  equitatusque  innumerabilis, 
deinde  legiones  conscriptae  ex  ciyusquemodi  generis  amplius  XU  milibus; 

19,  4  compluribus  hinter  hippotoxotisque;  20,  1  ex  classe,  Syris  und  in 
castra,  compluribus;  20,  2  complura  hinter  iierent;  20,  3  congererent 
ad  arietes;  20,  4  milites,  mit  Fröhlich,  Africae,  frumento,  mit  Nov4k, 
pauca;  21,  2  deligatos,  ausgelassen  im  Ashbum.;  22,  1  non  desistebat; 
22,  5  et  dignitate  hinter  nobilitate;  23,  1  servorum,  liberorum,  mit  No- 
v&k;  23,  3  filius  hinter  Pompejus;  24,  4  que  hinter  equites  ganz  fort- 
gelassen; 25,  1  suis  hinter  subsidio,  mit  dem  Leid. ;  25,  2  et  rex  Bochus 
coigunctis  suis  copiis,  nach  Fröhliches  Vorschlag;  26,  1  cum  copiis,  das 
im  Leid,  hinter  venisse  steht;  26,  3  e  stativis  castris,  in  Siciliam  missis, 
provinciam  hinter  Africam,  weil  es  im  Ashbum.  fehlt,  que  hinter  fnn- 
ditus,  weil  es  im  Leid,  fehlt;  26,  4  nuntiumque  mit  Nov&k;  28,  l  de 
navibus;  28,  4  quam  fratrem  und  atque  ita  esse  interfectos;  29,  1  ab 
utrisque  dudbus,  mit  Nipperdey;  29,  2  ab  defensoribus;  29,  3  saepius 
und  ejus,  das  letztere,  weil  es  im  Ashburnh.  fehlt;  31,  1  que  hinter 
modeste;  31,  4  peritus  und  quae  fieri  volebat;  31,  6  rebus  hinter  quibn»; 


62  Römische  Historiker. 

81,  6  exercitas  hinter  eorum;  31,  7  atque  vor  valli,  im  Ashbum.  fehlend; 
31,  8  vi  et;  31,  9  quanquam  erant  paucae  tironumque;  31,  10  in  vor 
secundo  commeata;  32,  1  exercitus  vor  Caesaris;  32,  8  Nomidae  vor 
Gaetuli  ohne  angehängtes  que,  mit  Davisius,  und  non  intermittunt;  33, 1 
paratos  und  et  (st.  parato  —  et),  ab  eo  hinter  petere,  weil  es  im  Leid, 
fehlt;  34,  2  commeatni;  35,  3  verba;  35,  6  iegionarii;  36,  1  Afroram 
und  et  hinter  denique;  36,  4  montes,  wofür  sonst  der  Genitiv  montis 
aus  dem  Leid,  entnommen  ist;  37,  2  oppidum  vor  Ruspinam;  37,  5 
singulae  hinter  speculaeque;  38,  1  de  quo  docui;  38,  2  in  qua  docui 
.esse  praesidium  stationemque  Numidarum;  39,  1  equites;  89,  4 
suis  fugientibus;  40,5  cum,  das  wegen  des  auf  postquam  folgenden  Con- 
junctivs  von  einem  Grammatiker  an  die  Stelle  desselben  habe  gesetzt 
werden  sollen;  41,  2  armatisque;  41,  3  certo  animo  und  patenti,  das  im 
Ashburn.  fehlt,  hinter  conspectu;  42,  1  propius  se,  von  denen  das  letz- 
tere im  Leid,  weggeblieben  ist,  und  hostesque  mediam  aciem  suam  oppido 
texisse,  mit  NovÄk,  sodann  uno  tempore  und  in  cornu  dextro  ac  sinistro, 
endlich  defatigati  mit  Nipperdey;  42,  2  suis  vor  copiis;  43,  1  et  hinter 
Acyllam,  so  dass  keine  Ltlcke  angenommen  zu  werden  braucht,  es  findet 
sich  tlbrigens  auch  nicht  in  den  späteren  Handschriften,  ebenda  ubi  G. 
Messius  [qui]  cohortibus  praeerat ;  44,  1  ab  residua  classe  und  navicn- 
lisque  actuariis;  44,  2  trieris;  46,  4  custodiae  causa  und  onerariis  lon- 
gisque  navibus;  47,  1  auditu;  47,  2  procedendo  und  que  hinter  propius; 
47,  3  ita;  47,  4  aut  paraverant;  48,  2  regis,  nach  Nov&k;  48,  3  magis 
vor  suspensiore;  48,  3  antea;  49,  1  capiendo;  50,  2  coUemqae,  und 
Caesar!  subito  se  ostenderet  nach  Aldus;  50,  3  postquam,  wegen  des 
folgenden  cum  mit  dem  Goi^unctiv;  51,  3  opus  instruebat,  nach  Nov&k; 
51,  5  ante,  im  Leid,  fehlend;  52,  4  ad  internicionem;  52,  5  pervenire; 
54,  3  ipse  hinter  egomet,  weil  es  im  Leid,  fehlt,  und  54,  4  quod  vor 
mihi  st.  quodque  aus  demselben  Grunde,  nachher  et  und  proficisci; 
54,  6  separatim;  56,  2  notissimique;  57,  2  cum  hinter  pertinere,  zumal 
da  es  im  Leid,  fehlt,  und  eben  da  ad  se,  wofür  Davisius  eingeführt  hat 
ad  Scipionem;  57,  3  Jubae;  58,  1  omnibus  hinter  castris;  58,  4  oppido 
hinter  eidem  autem;  59,  2  et  Jubae  und  ea  hinter  post,  wofür 
Nipperdey  wohl  richtig  eas,  auf  legiones  bezogen,  gemacht  hatte,  ebenda 
et  in  longitudinem  directos  und  ab  legionariis  militibus  und  mit 
Nipperdey,  in  cornibus  autem  duplex  esse  existimabatur;  59,  3  ele- 
phantes  hinter  post  autem;  59,  5  fere  und  haec  fuit  ratio  Scipionis  eo 
die  proeliandi;  60,  1  ut  ab  sinistro  ejus  cornu  ordiar  et  ad  dextrum 
perveniam,  ebenda  3  legionum,  sowie  ex  vor  tironum,  das  für  ein  von 
Nipperdey  vor  secunda  acie  eingeschaltetes  e  dahin  versetzt  worden  ist; 
60,  3  et  ita  conlocaverat,  uti  sinistrum  cornu  triplex  esset;  60,  4  bis 
equitibus  und  [prae]  miserat;  60,  5  varie,  welches  im  Leid,  fehlt,  und 
aus  demselben  Grunde  in  cornibus;    61,  2  subito  und  coepit;    61,^ 


V 

i 

5", 

4l 


Caesar.  S3 

bellantibus,  für  das  Novdk  vorgeschlagen  hat  ei;  61,  7  contra,  das  im 
Leid,  fehlt;  62,  1  ab  Utica,  das  nur  der  Ashbum.  und  der  Leid,  ent- 
halten; 62,  2  longis  hinter  navibus;  62,  3  cum  classe;  62,  6  onerarias 
und  vacuas  a  defensoribus;  63,  1  postea;  64,  l  peijurium,  und  in  Folge 
dessen  ist  das  von  Aldus  hinter  perfidiam  zugefügte  que  fortgelassen; 
65,  1  clam,  das  im  Leid,  und  Yind.  I  fehlt,  und  praeparent;  66,  1  saepe 
und  nachher  subito;  66,  8  multitndinis  und  jam;  68.  l  longe,  im  Leid, 
ausgelassen;  69,  I  ex  insidiis  adorti;  69,  5  jejunns;  70,  1  ad  extremum 
agmen;  72,  l  eorum  hinter  levique  armaturae;  72,  2  bis  rebus  und  ab 
eornm  equitatn  levique  armatura,  quae  erant  mirifica;  72,  4  die  Con- 
jectur  noster  hinter  miles,  ejus  hinter  corporis  und  et  speciem  hinter 
stridoremque;  73,  2  minimeque  insidjosos  und  non  per  dolum;  74,  1 
cujus  Caesarem  potitam  esse  demonstravimus ;  74,  2  ejus  oppidi;  76,  8 
das  zweite  sub,  ausgelassen  in  Leid.;  76,  4  turmis  suorum;  77,  1  male 
vor  gestam,  wofUr  a  se  eingesetzt  ist;  77,  2  tribanum,  weil  im  Leid, 
und  Ashbum.  Par.  II  und  Yind.  I  ausgelassen;  77,  4  cum  bis,  sodann 
et,  ferner  legionibus,  sodass  copiis  omnibns  eductis  übrig  bleibt,  sodann 
V  [III],  vero  und  pass.  hinter  II  milibus;  78,  5  quae  ei  proelio  in  acie 
constiterat;  78,  8  sui  vor  sublati,  fehlt  im  Leid,  und  im  Dresd.,  und  in 
bestes;  79,  1  ad  se;  82,  3  Caesaris;  83,  l  contendunt;  84,  3  quo  (oder 
qua)  erat  circumdatus;  85,  1  et  vor  sive  mit  dem  Leid,  und  egrediuntur; 
85,  4  quem  respicerent  und  armis  objectis;  85,  6  dimissis;  85,  9  Sci- 
pionis  milites  und  Gaesare;  86,  1  LX  (lY),  nach  Nipperdey,  cum  turri- 
bns  ornamentisque  capit,  mit  Eraner;  86,  8  digressus,  mit  Nov&k;  87,  2 
ejus  oppidi;  87,  4  eis  interfectis;  87,  6  Uticam  und  Uticenses;  88,  8  sine 
suspicione  und  intro;  88,  4  ex  suspicione  und  vulnus  hinter  manibus; 
89,  5  ex  sua  consuetudine,  mit  Nov&k;  90,  1  incolas,  negotiatores,  das 
im  Leid,  fehlt,  et  eos,  inter  CCG,  eorum  hinter  quidem,  endlich  ita; 
91,  3  nee  minis  nee  precibus  suis  moveri,  quo  magis  se  reciperent;  91,  4 
der  Yorname  M.  vor  Petrejo;  92,  1  sibi  hinter  paratos  esse;  92,  4  Za- 
mam  hinter  eqnites  und  eben  da  [per]  veniunt;  93,  1  manu;  98,  2  sui 
comites;  94,  2  ferro  hinter  facile,  suo  hinter  servo,  und  idque  obtinuit, 
wie  schon  Oudendorp;  95,  1  per  Mauretaniam  und  iterque  in  Hispaniam 
intendebant;  96,  2  ab  amplioribus;  97,  1  cives  Romani  und  Zamensibus; 
97,  2  eorum  hinter  conventui.  -  In  den  Addendis  wird  noch  14,  4  casu 
gestrichen;  27,  1  ab  sua  acie;  32,  4  adversariisque;  33,  4  cum  cohorti- 
bus;  34,  6  frumento  auxiliisqne. 

Aus  dieser  genauen  und  vollständigen  Uebersicht  geht  unzweifelhaft 
zweierlei  hervor:  einmal,  dass  die  Herausgeber  dem  cod.  Leid.,  dem 
einzigen,  den  sie  selbst  verglichen  haben,  ein  grösseres  Gewicht  beilegen, 
als  es  bisher  geschehen  ist;  bei  der  Auswahl  ihrer  Lesarten  hat  nicht 
der  Nachweis  der  hervorragenden  Yorzüglichkeit  der  jedesmal  zu  Grunde 
gelegten  Handschriften,  sondern  ihr  Geschmack  und  ihre  Ansicht  von 
der  stilistischen  Eigenthttmlichkeit  des  Schriftstellers  den  Ausschlag  ge- 


64  Römiscke  Hittoriker. 

geben;  spätere  Bearbeiter  werden  vielleicht  —  es  ist  einmal  in  der 
Kritik  nicht  anders  —  wieder  eine  entgegengesetzte  Meinnng  beth&tigen 
nnd  von  dem,  was  diese  ihre  Yorgilnger  zusammengewebt  haben,  mit 
einem  dem  Penolope^s  vergleichbaren  Bemühen,  grosse  Sttlcke  wieder 
auftrennen.  Sodann  —  und  das  folgt  wiederum  aus  dem  Vorigen  — 
der  Umstand,  dass  in  der  oben  genannten  Handschrift  das  angehängte 
que  hinter  dem  mit  einem  vorangehenden  verbundenen  Wort  bänfig  fehlt, 
hat  die  Herausgeber  zu  der  Ueberzeugung  gebracht,  dass  Asinins,  wie 
die  älteren  Komödiendichter,  in  der  zweigliedrigen  Aufzählung  das  Asyn- 
deton gebraucht,  und  sie  haben  in  Folge  dieser  Ansicht  das  que  auch 
in  Fällen  gestrichen,  wo  es  der  Leid,  angiebt,  z.  B.  hinter  equitibus  in 
18,  4,  hinter  pollicitationibus  in  40,  5 ;  dass  dieser  cod.  jedoch  dies  que 
auch  auslässt,  wo  die  Herausgeber  es  für  nöthig  erachten,  sieht  man 
ans  91,  1,  wo  er  quod,  die  Mehrzahl  der  anderen  Handschriften  quodque, 
einige  quoque  geben.  Mancher  Andere  wftrde  demnach  den  Schlnss 
ziehen,  dass  diese  Handschrift  auch  in  den  oben  bezeichneten  Fällen 
das  que  fehlerhafter  Weise  unterdrückt  hat,  und  dass  die  Annahme  jener 
stilistischen  Eigenheit  des  Asinius  erst  besser  hätte  bewiesen  werden 
müssen,  ehe  man  daraufhin  ein  kritisches  Verfahren  begründete.  Dahin- 
gegen soll  Asinius  nach  Ennius*  Beispiel  zwei  Wörter  durch  das  doppelle 
que  verbunden  haben;  20,  3  sagittasque  telaque;  87,  6  lapidibusque 
fustibusque;  in  beiden  Fällen  findet  sich  das  erste  que  nur  im  Ashburn., 
auf  dessen  Autorität  hin  eine  in  Prosa,  ausser  wenn  das  erste  Wort  ein 
Fron,  reflexivum  ist,  (z.  B.  seque  remque  publicam)  nnübliche  Ansdrucks- 
weise  schwerlich  eingeftlhrt  werden  dürfte.  Wenn  in  manchen  anderen 
Fällen  für  die  gewählte  Lesart  ihnen  eine  einzige  Handschrift  massgebend 
gewesen  ist,  bleibt  es  schwer  einzusehen,  warum  sie  z.  B.  in  38,  3  mit 
dem  Dresd.  H  nicht  animadverterunt  (st.  animadverterant)  hinter  post- 
quam  aufgenommen  haben,  das,  da  nicht  von  einer  wiederholten  Hand- 
lung die  Rede  ist,  durch  Conjectur  hätte  hergestellt  werden  müssen. 
Die  Verfasser  erkennen  selbst  an,  dass  sie  in  einer  zweiten  Auflage  hier 
und  da  wohl  werden  Aenderungen  vornehmen  können;  die  zu  weit  ge- 
triebene Bevorzugung  der  Lesarten  des  Leid,  und  die  unnöthige  Strei- 
chung mancher  Wörter  oder  Sätze  wird,  wenn  ich  nicht  irre,  bei  der 
erneuten  Inbetrachtnahme  die  Hauptsache  ausmachen.  Auch  dürften  sie 
-dann  wohl  von  manchen  ihrer  willkürlichen  Verbesserungen  zurückkommen, 
die,  wie  z.  B  paulo  post  st.  paucis  post  diebus  in  84,  1,  der  Gorrectur 
eines  Exercitiums  oder  Abiturientenaufsatzes  doch  gar  zu  ähnlich  sehen. 
Ausser  den  kritischen  Anmerkungen  finden  sich  unter  dem  Text 
davon  gesonderte  sehr  reichhaltige  Erklärungen  und  lexikologische  Nach- 
weisungen, die  bei  Wölfflin's  anerkannter  Kenntniss  und  Belesenhett 
meiner  Empfehlung  nicht  bedürfen.  Die  sachlichen  Erläuterungen  sind 
dagegen  knapper  gehalten.  Wegen  des  Treffens  bei  Ruspina  citiren  die 
Verfasser  im  Appendix  ausser  Rüstow  und  Göler  auch  meine  Darstellung 


Caesar.  g5 

Phil  XIII  (1858),  weiche  nach  Wölfflin^s  eigener  Angabe  seiner  Ab- 
handlung in  den  Sitzungsberichten  der  Mftnchener  Akademie  1889, 
S.  343 — 360  zu  Grunde  liegt.  In  diesem  Appendix  führen  die  Heraus^ 
geber  ausserdem  aus,  dass  Appian  schwerlich  den  Commentar  über  das 
b.  Afric.  und  wohl  auch  nicht  die  von  Asinius  Pollio  verf^sste  Geschichte 
des  Bürgerkriegs  vor  sich  gehabt  haben  kann;  dass  Dio  Gassius  dagegen, 
wie  man  unter  andern  aus  b.  Afr.  32,  3;  72,  4  schliessen  darf,  und  eben 
so  Plutarch,  entweder  das  eine  oder  das  andere  Buch  benutzt  zu  haben 
scheint.  Es  wird  ferner  die  von  Le  Verrier  für  Napoleon  III.  gelieferte 
und  von  Stoffel  II,  S.  434  gebrachte  Ghronologie  der  Begebenheiten  des 
Krieges  mitgetheilt,  wonach  die  Schlacht  bei  Thapsus  auf  den  6.  Februar 
der  Julianischen  Zeitrechnung  gefallen  ist,  und  eine  Untersuchung  über 
die  Zahl  der  Truppen  Gaesars  (9  Legionen,  nicht,  wie  Tissot  meint,  12) 
und  seiner  Gegner  angestellt,  endlich  die  von  einander  abweichenden 
Nachrichten  über  den  Verlauf  der  Schlachten  und  das  Ende  der  feind«» 
liehen  Führer  Juba  und  Petrejus  beigebracht.  -  Den  Schluss  des  Buchs 
bilden  zwei  von  Miodon ski  angefertigte  Indices,  der  erstere  ein  voll- 
ständiges Yerzeichniss  aller  Wörter  und  sämmtlicher  Stellen,  in  denen 
sie  vorkommen,  enthaltend,  der  zweite  die  in  den  Anmerkungen  vor- 
kommenden grammatischen  und  lexikographischen  Erläuterungen  nach- 
weisend. Ein  Namensregister  wird  nicht  gegeben;  man  wird  vielleicht 
auch  eine  Karte  des  Kriegsschauplatzes  ungern  vermissen. 

Bellum  Africanum.  Iterum  recognovit  et  adnotationem  criticam 
praemisit  Em.  Hoffmann  (Commentariorum  vol.  II).  Yindobonae, 
Gerold,  1890. 

8,  2  wird  hinter  Interim  keine  Lücke  angenommen,  da  man  sich 
aus  dem  Vorigen  Rabirium  Postumum  hinzuzudenken  habe;  9,  2  rece- 
pisse  se,  mit  Gemoll,  Jahrb.  119,  S.  269  (st.  des  handschriftlichen  rece- 
pisse  und  Wölfflins  se  recepis.«e);  19,  3  qui  [in]  illo  rumore  [sibi]  con- 
fiderent,  angeblich  nach  den  Spuren  der  Handschriften,  welche  quippe 
quis  in  illorum  sibi  confiderent  ergeben;  alle  anderen  Lesarten  sind 
gleichfalls  Conjecturen;  19,  4  qui  uti  frenato  condidicerant  (st.  des  von 
Wölffiin  nach  meinem  Vorschlag  aufgenommenen  equoque  uti  frenato 
condoceferat) ;  19,  5,  wie  in  der  1.  Auflage,  praeterea  regia  auxilia  ele- 
phantis  CXX  equitatu  innumerabili,  wo  elephantis  der  Ablativ  sein 
soll,  wegen  dessen)  der  handschriftliche  Nominativ  equitatus  innume- 
rabilis  gleichfalls  in  den  Ablativ  verwandelt  worden  ist;  19,  7  quam 
Africam  Gaesar  attigit,  mit  Hinzufögung  von  Caesar,  nach  Dinter's  Vor- 
gang; 22,  2  nefariis,  was  Wölffiin  adoptirt  hat;  24,  3,  mit  den  Hand- 
schriften und  gegen  Nipperdey,  quoquo  versus;  25,  1  Dum  haec  ita 
fierent  (st.  der  Aenderung  Cum  etc.,  mit  Hinweis  auf:  Die  Construction 
der  lateimschen  Zeitpartikeln,  2.  Aufl.,  S.  169  ff.);  25,  2  P.  Sittius  et 
rex  Bocchus  —  copias  snas  admovere,  Cirtamque  —  rex  adortus  — 

Jahresberlolit  für  Alterthumswissenschaft  LXVIII.  Bd.  (1891  II).         5 


66  RGmische  Historiker. 

capit,  mit  Einschaltung  des  zweiten  rex;    26,  3  bellum  cum  suis  adver- 
sariis  facere,  jam  nunc  gerere  instituit,  so  die  LtLcke,  welche  Nipperdey 
hinter  accitis  annahm,  ausfüllend,  die  Wölfflin  in  anderer  Weise  ersetzt, 
ebenda  litteris  [que]  celeriter  in  Siciliam  —  [conscriptis]  per  catascopum 
missis   (st.  —  misit   und   der  Beibehaltung  von  que  und   conscriptis); 
36,  1  [sub  manum];    38,  1  Post  Caesar  ad  jugum  —  ascendit  atque  — 
inspecturus   turres  castellaque  —  iter  facere  coepit  idque  adeo  minus 
semihora  efficit,  mit  Einfügung  von  inspecturus,  iter  und  Verwandlung 
des  handschriftlichen  atque  ea  in  idque  adeo  (st.  postquam  —  pervenit, 
ascendit  turres  speculasque  fecit  atque  id  —  bei  Dttbner) ;  40,  1  instnicta, 
nach  f  (st.  exstructa);  40,  5  in  fide  pariter  tuenda  (st.  des  handschrift- 
lichen in  fide  partienda,  wofür  Nipperdey  servanda  eingesetzt  hat) ;  42,  2 
wird  defatigati  beibehalten,  und  44,  3  ejus  hinter  suggestum;  46,  3  tri- 
cies  armis  (st.  des  handschriftlichen  XXXVI  annis,  wofür  Wölfflin  tricies 
in  acie  gesetzt  hat);  46,  1  innuit,  nach  f  (st.  annuit);  48,  6  elephantis  LX 
productis,  ohne  vorhergehendes  cum,  nach  f,  (st.  cum  elephantis  LX  pro- 
ductas,  seil,  copias);  51,  6  fcomplures],  nach  f  (von  Anderen  wird  non- 
nulli  gestrichen);  64,  1  commeatus  (st  des  handschriftlichen  commeatu, 
für  das  Forchhammer  ex  commeatu  vorgeschlagen  hat);    54,  3  qaoniam 
illis  abusi  (st.  quoniam  ipsi) ;  54,  6  singulos  non  amplius  singulis  addiUs 
servis,  nach  Vielhaber's  Besserung,  welche  auch  Wölfflin  aufgenommen 
hat  (st   singulis  non  amplius  singulos  additos  servos);  57,  2  cum  [nihilo 
minus]  ejus  sermonem  nuntius  ad  Scipionem  referret:    se  restare  (st.  — 
ad  se  — ,  das  Wölfflin  einklammert,  und  sed  restare);  58,  2  ante,  secum 
concursuros,  nach  a  c  f  h  1  (st.  ante  eas  secum  concursuros  oder  ante  [se] 
concursuros);    60,  1  wird  nur,  mit  Dübner,  et  ad  dextrum  perveniam, 
nicht  auch  ut  —  ordiar  eingeklammert;    61,2  dum  —  coepisset,   mit 
den  Handschriften  (st.  cum  —  coepisset);    61,  7  behalt  Em.  Hoffmann 
iter  vor  officere  bei,  den  Accusativ  bei  diesem  Verbum  aus  Lucretius  V, 
716  rechtfertigen  zu  können  meinend;  63,  4  [cum  suis  omnibus  epibatis], 
nach  GemoU,   Jahrbücher  119,  S.  270;    69,  5  equosque  (vor  jaculis,  st. 
eosque);    70,  7  quos  (st  quas),  und  ebenso  Wölfflin;    74,  2  [ad]  mini- 
straturos  (st  Kraner's  subministraturos) ;  75,  3  iter  —  ire  contendit,  mit 
Beibehaltung  des  von  Anderen  gestrichenen  iter ;  80,  2  III  .  .  .  (st  III 
cohortium  Wölfflin's  und  III  legionum  Nipperdey's) ;  81,  1  cum  elephan- 
tis —  collocatis  (st  [contra]  elephantis  —  conlocatis);  83,  4  qui  —  cum 
elephantis  erant,  praesidio  deserti,   mit  Kraner  (st  Wölfflin's  qui  — 
elephantis  erant  praesidio,  deserti) ;    84,  2  Armatus,  qui  -   videret  (st. 
armatum.    Qui  —  videret,  und  ohne  das  vor  constanter  eingefügte  cum, 
das  der  Ashburn.  und  der  Dresd.  II  haben  sollen);    88,  4  qui  dum  — 
concidisset  et  —  coepissent,   mit  den  Handschriften  (st  qui  cum  etc.); 

90,  6  bis  milies,  mit  f  und  anderen  Handschriften  (st  des  blossen  milies); 

91,  5  se  cum  M.  Petrejo  —  confert,  mit  f  und  den  meisten  Handschriften 
(st  cum  M.  Petrejo  —  se  confert);  92,  1  paratos  esse,  sibi  quoad  vita 


Caesar.  67 

suppeteret  (st.  paratos  esse  sibi,  quoad  vita  suppeteret) ;  94,  2  dein  cum 
ipse  sibi  conaretor,  mit  bf  (st.  des  gewöhnlich  gegebenen  deinde  ipse 
sibi  cnm  conaretur). 


Bellum  Hispaniense. 

Bellum  Hispaniense.  Iterum  recognovit  et  adnotationem  criticam 
praemisit  Em.  Hoffmann  (Commentariorum ,  vol.  II).  Vindobonae, 
Gerold,  1890. 

1,  6  Ita  pacis  commodo  modo  hostis  furato  (st.  des  handschrift- 
lichen ita  pacis  commoda  hoste  hortato,  das  man  verschiedentlich  zu 
bessern  versucht  hat) ;  2,  I  multis  ante  iter  confectis  (st.  des  handschrift- 
lichen multis  iterante  diebus  coi^'ectis),  mit  Fleischer,  Jahrb.  119,  S.  891; 
3,  1  [Erat]  idem  temporis  Sex.  Pompejus  frater  [qui];  3,  3  Caesar  ad 
eam  civitatem  —  meritam  [esse]  —  jubet  proficisci,  mit  ZufUgung  von 
ad,  was  die  Auslassung  von  esse  nach  sich  zieht;  6,  1  wird  vor  ita  eine 
Ltlcke  angenommen;  6,  2  mulosque  onustos,  mit  Nipperdey  (st.  multos 
lanistas)  und  mit  Annahme  einer  LtLcke  hinter  angnstias;  7,  l  Caesar 
Interim  munitionibus  —  perfectis,  mit  Zufügung  von  Interim  wegen  des 
in  den  Handschriften  vor  munitionibus  stehenden  in  und  von  perfectis, 
und  mit  Adoptirung  des  blossen  von  Eraner  eingesetzten  ad  oppugnan- 
dum  (st  des  bandschriftlichen  ad  oppidum);  7,  5  wird  auxiliares,  mit 
Kraner  und  Dtlbner,  eingeklammert,  und  hinter  consistebant  eine  Lücke 
angenommen;  8,  1  Accedebat  huc  ut  (st.  des  Nipperdey^schen  Accidebat 
hoc  ut);  9,  1  [Quod]  Pompejus  —  remotum  erat  castellum  a  castris 
Caesaris,  wo  castellum  zugefügt  ist,  und  nachher,  hinter  animadvertebat, 
loci  difficultate  (st.  loci  difficultatem);  11,  2  miserunt  [omne  genus  (näm- 
lich telorum)  quibus  ignis  per  jactus  solitus  est  mitti],  als  von  einem 
Grammatiker  zur  Erklärung  des  vor  miserunt  stehenden  ignemque 
multum  hinzugeschrieben;  13,  1  brachium  ducere  coepit,  mit  Zufügung 
von  ducere,  nach  Koch,  Rhein.  Mus.  18,  S.  478;  15,  1  wird  dimisso 
equo  jetzt  beibehalten  und  hinter  id  quod  noch  contra  eingeschaltet; 
16,  3  ultra  stabat,  Koch,  Rhein.  Mus.  17,  S.  479  (st.  ultra  ibat);  17,  3 
exceptantes,  mit  Koch,  (st.  exspectantes) ;  17,  5  cum  Pompejus  (st.  des 
handschriftlichen  quae  Pompejus,  aus  dem  sonst  quam  Pompejus  gemacht 
ist);  18,  1  Cato  Lusitanus  (st.  C.  Antonius);  18,  8  ita  [fune|  crure  deli- 
gato,  das  letzte  Wort  nach  Godwin^s  Conjectur  (st.  des  bandschriftlichen 
ita  fune  crure  de  tigno);  19,  1  turris  nostra,  quae  lignea  fuisset  (st. 
des  handschriftlichen  turris  lignea,  quae  nostra  fuisset);  20,  1  wird 
etiam  vor  Caesar  zugefügt  und  vor  etiam  ein  Komma  gesetzt,  weil  sonst 
quod  am  Anfange  des  Satzes  unverständlich  ist;  23,  2  Hie  dum  —  essent, 
mit  den  Handschriften  und  mit  Hinweis  auf  »Zeitpartikeln«  S  172  (st. 
Hie  cum  —  essent),  sodann  desistentibus  (st.  detinentibus) ;  24,  1  devo- 
cabat  eum  ad  dimicandum  ut  descenderet,  mit  f,  (st.  devocabat  ut  ad 


68  Römische  Historiker. 

dimicandum  descenderet;  24,  5  saluti  fuit.  quo  sabsidio,  nisi  advespe* 
fasset,  a  paucioribus  nostris  [omni  sabsidio]  priyati  essent  (st  saluti  füit 
subsidio.  quod  nisi  etc.) ;  25,  1  nuUi  loco  aequo  se  committere  aadebant 
(st.  des  handschriftlichen  nullo  —);  28,  3  wird  jetzt  hinter  totos  eine 
Lücke  angenommen,  da  das  von  Nipperdey  dafür  gesetzte  tuto  se  den 
Fehler  nicht  gehoben  habe;  29,  2  [eorura]  vor  accessum;  29,  4  ut  locus 
illa  planicie  aequitatem  daret  et  ornaretur  etc.,  mit  Annahme  des  von 
Nipperdey  für  equitatum  der  Handschriften  vennutheten  aequitatem  und 
Verwandlung  des  handschriftlichen  omaret  in  daret  et  ornaretur;  32,  2 
wird  hinter  conversa  das  vermuthlich  aus  Dittographie  daraus  entstan- 
dene universa  weggelassen,  dagegen  ut  et  ad  (zu  hostium  timorem  ge- 
hörig) eingeschaltet;  nachher  itaque  (st.  ita)  vor  Galli;  34,  1  [fere  inter 
Caesarianos  et  inter  Pompejanos];  34,  2  discedere,  mit  Dübner  (st  des 
handschriftlichen  descendere  und  Nipperdey  s  discordare);  34,  3  etenim 
(st.  nam,  hinter  coepit)  und  depugnarent  (st.  repugnarent);  36,  2  wird 
im  Text,  mit  Dinter,  fore  vor  ut  eingefügt,  in  der  Adnotatio  critica  aber 
die  Yermuthung  ausgesprochen,  dass  timuit  ne  in  f  (st  fore  ut)  das 
Richtige  sein  möchte;  37,  2  ad  Gades  (st.  Gadibus),  und  nachher  partim 
peditum  et  equitatus  ad  persequendum  celeriter  terrestre  faciebant  iter 
navigationem  insequentes  (st.  partim  pedibus  [et  equitatus J  ad  persequen- 
dum celeriter  iter  faciebant  item  confestim  consequentes);  38,  1  [et  locum 
quendam  munitum  natura  occupat];  38,  8  ablatus  (mit  den  Handschriften 
st  des  dafür  eingesetzten  adlatus  oder  allatus) ;  sodann  [in  ea  ferebatur] 
(st  Nipperdey's  in  ea  tenebatur);  endlich  Lusitanus,  more  militari  ex 
ejus  praesidio  speculator  missus,  cum  fuisset  conspectus,  celeriter  equi- 
tatu  cohortibusque  Gaesaris  circumcluditur  (st.  des  handschriftlichen 
Lusitanus  more  militari,  cum  a  Gaesaris  praesidio  fuisset  conspectus, 
celeriter  equitatu  cohortibusque  circumcluditur) ;  38,  4  erat  accessus  loci 
difficillimus ;  nam  idcirco  [propter]  quod  ille  e  suo  praesidio  fuisset  con- 
spectus, celeriter  adeo  munitum  locum  natura  ceperat  Pompejus,  ut 
quamvis  magna  multitudine  adducta  pauci  homines  ex  superiore  loco 
defendere  possent;  subeuntes  [in  adventu]  nostros  depellunt  [qui]  telis; 
so  st  der  unverständlich  zurückgelassenen  Worte  der  Handschriften; 
40,  4  incensisque  qui  subsidium  ferrent  repellerent,  mit  HinzufQgung 
von  ferrent,  nämlich  repellerent  eos  qui  subsidium  ferrent;  eben  da  ut 
a  nullo  conspici  possent,  wie  Nipperdey  ergänzt  hat,  nachher  in  con- 
spectu,  ohne  das  noch  ausserdem  von  diesem  Kritiker  davor  eingefügte 
reliqui;  41,  1  ad  Mundae  praesidium  oppugnandum  (st  ad  Mundam 
[praesidium]  oppugnandam) ;  nachher  operibus  assiduis  diurnis  noctur- 
nisque  circumclusit  .  .  .  Interclusi  inter  se  decernere  armis  coeperunt 
et  facta  caede  bene  magna  eruptionem  faciunt,  zum  Theil  mit  Dinter 
und  Fleischer;  41,  2  ut  ipse  locus  —  sed  etiam  natura  datus  ad 
oppugnandum  hostem  appareret,  das  letzte  Wort  aus  f  (st.  der  Lesart 
der  übrigen  Handschriften  appeteret);    41,  4  wird  hinter  ac  Pompejus 


Caesar.  69 

(wofür  Andere  nam  Pompejus  haben)  ut  se  ad  oppidi  oppugnationem 
tatiorem  efficeret  gedruckt  (st.  des  von  Andern  gesetzten  at  oppidi 
oppugnationem  tutiorem  efficeret,  oder  ut  oppidum  ab  oppugnatione 
tutius  efficeret).  —  Wenn  auch  diese  Aenderungen  grösstentheiis  un- 
gewiss bleiben,  wird  durch  manche  derselben  doch  dem  Verstftndniss 
ganz  verdorbener  Stellen  aufgeholfen. 

Professor  Dr.  Fleischer,  Quaestionum  de  hello  Hispaniensi  critica- 
rnm  pars  altera.  Jahresbericht  der  Fürsten-  und  Landesschule 
St.  Afra  in  Meissen  1885. 

Fleischer  hatte  schon  im  Programm  von  1876  eine  grosse  Zahl 
kritischer  Bemerkungen  und  Textesbesserungen  zum  bellum  Hispaniense 
bekannt  gemacht,  von  welchen  verschiedene  in  der  Ausgabe  von  Em. 
Hoffmann  Aufoahme  gefunden  haben,  beispielsweise  der  Anfang  des 
2.  Kapitels  C.  Caesar  dictator  tertio,  consul  designatus  quarto  multis 
ante  iter  rebus  confectis  cum  celeri  festinatione  ad  bellum  conficiendum 
in  Hispaniam  cum  venisset,  nur  dass  Hoffinann  von  den  beiden  cum, 
die  Fleischer  beibehalten  wollte,  das  zweite  einzuklammern  für  gut  be- 
fand. Derselbe  Kritiker  hat  weitere  Textuntersuchungen  in  den  Neuen 
Jahrbftchem  far  klassische  Philologie,  117  und  119,  sowie  im  Programm 
von  1879  veröffentlicht  Neuerdings,  unterstützt,  wie  er  selbst  sagt, 
durch  Degenhart,  De  auctoris  belli  Hispan.  elocutione  et  fide  historica, 
durch  Albr.  Koehler,  De  anctornm  belli  Afric.  et  belli  Hispan.  latinitate, 
sowie  durch  Preuss,  Vollständiges  Lexikon  zu  den  pseudo-cäsarianischen 
Schriftwerken,  hat  er  in  der  unter  obigem  Titel  angeführten  Schrift  seine 
Bemühungen  zur  Verbesserung  des  noch  immer  im  Argen  liegenden 
Buches  fortgesetzt.  Er  schlägt  jetzt  vor:  1,  5  Ita  pravis  commodis 
hoste  hortato  (st.  des  handschriftlichen  Ita  pacis  oder  paucis  commoda 
hoste  hortato)  und  im  vorhergehenden  Paragraphen  hält  er  das  gewöhn- 
lich eingeklammerte  de  Cn.  Pompejo  mit  Degenhart  für  echti  2,  2  nimmt 
er  nach  facerent  keine  Lücke  an,  zu  tabellariis  aus  dem  Vorigen  potitus 
esset  hinzudenkend;  3,  5  vertheidigt  er,  wie  schon  im  Programm  von 
1879,  die  handschriftliche  Lesart  quem  —  obscurabat,  ut  —  posset  und 
6  möchte  er  st.  ad  eum  lesen  eodem  (nämlich  ad  praesidia) ;  3,  9  probe 
(St.  prope)  magna  pars,  mit  Eussner,  Mttnchener  Jahresbericht  1883, 
wegen  des  doppelten  prope,  und  profecto  (st.  des  zweiten  prope);  4,  1 
vertheidigt  er  das  handschriftliche  cum  vor  equis,  das  seit  Oudendorp 
gestrichen  wird,  ein  Komma  vor  die  Conjunction  cum  zu  setzen  em- 
pfehlend; 6,  1  und  2  Caesar  —  lapidibus  corbes  plenos  demisit;  insuper 
ponit  trabes:  ita  ponte  facto  copias  ad  castra  tripartito  transduxit. 
Tenebat  adversum  oppidum  e  regione  pontis,  ut  supra  scripsimus  [bi- 
pertito],  zu  tenebat  aus  dem  Vorhergehenden  castra  hinzuergänzend; 
5,  7  möchte  er  hinter  diebus  compluribus  einschalten  consumptis;  6,  1 
quos  quomodo  ab  ülia  retraxerat,  ita  in  aequum  deduceret,  (st.  der  Les- 


70  Römische  Historiker. 

art  Nipperdey's  quo  eos  quomodo  ab  Ulla  retraxerat,  in  aequum  dedaceret, 
in  welcher  das  handschriftliche  quos  in  quo  eos  verwandelt  und  das  hand- 
schriftliche ut  vor  in  aequum  ausgelassen  ist) ;  eben  da  ita  ad  firmissimum 
etc.,  mit  ZufUgung  dieses  ad  und  des  Wortes  provinciae  hinter  ejus;  6, 2  Id 
cum  Pompejus  ex  perfugis  rescisset,  sequi;  difficultates  et  angustias  loconim 
cum  explorasset,  milites  antemissos  retraxit,  in  welchem  Satz  sequi  der 
infin.  histor.  sein  soll;  6,  3  Quo  die  Pompejo  cum  nuntius  esset  allatus, 
eo  die  proficiscitur,  die  Häufung  der  Pronomina  mit  Koehler  für  eine 
Eigenthümlichkeit  des  Schriftstellers  haltend;  7,  1  Caesar  Interim  muni- 
tionibus  confectis  (st.  Caesar  in  munitionibus  ceterisque)  und  nachher 
ohne  das  durch  Conjectur  eingesetzte  oppngnandum  hinter  oppidum; 
7,  2  quae  planities  dirigitur,  dividitur  Salso  flumine  (st.  quae  planicie 
dividuntur,  Salso  flumine);  7,  6  reliqua  auxilia  ex  fugitivis  consistebant 
(st.  reliquae,  nämlich  legiones,  ex  fugitivis  auxiliares  consistebant,  wovon 
Em.  Hoffmann  auxiliares  einklammert);  8,  2  vermuthet  er  operosam  (st. 
des  handschriftlichen  inopem  und  st.  longam  Nipperdey^s  oder  impeditam 
Koch's);  8,  6  Nam  inter  Ateguam  —  Pompejus  ut  habuit,  mit  Weg- 
lassung von  cum  hinter  nam  und  Beibehaltung  des  von  den  neueren 
Herausgebern  eingeklammerten  ut;  9,  1  ad  snbsidium  mittendum  se  de- 
mitteret  (st.  —  se  coramitteret  der  Handschriften),  weil  Caesar's  Lager 
auf  einem  Berge  stand;  nachher  mit  Dinter  ita  hac  opinione  fretus  (st. 
ista  fretus  opinione  der  meisten  Ausgaben  seit  Aldus) ;  9,  4  cum  adver- 
sarios  appropinquasset  (st.  cum  ad  eos  appropinquasset) ,  wegen  des 
Accusativs  bei  appropinquare  auf  6,  4  verweisend;  12,  6  tandem  (st. 
tamen  vor  repulsi) ;  der  ganze  Satz  Hl  cum  eruptionem  -  se  contulerunt 
soll,  weil  er  nur  eine  Wiederholung  des  Vorigen  enthält,  hinter  per 
jactus  solitus  est  mitti  des  Kapitel  11,2  versetzt  werden;  14,  4  den 
Satz  Qui  cum  —  excepti  essent  proelium  facere,  den  er  selbst  früher, 
wie  Andere  vor  ihm,  angefochten  hatte,  hält  er  jetzt  f&r  richtig;  16,  2 
partem  noctis  (st.  partem  muri  der  Handschrift,  wofar  Nipperdey  partem 
temporis  eingesetzt  hat);  17,  2  et  cives  Romani  indigemus  (st.  ut  cives 
Romani  indigentes),  wodurch  die  von  Nipperdey  angenommene  Ltlcke 
ausgefüllt  wird,  ferner  obtinuimus  aciem.  Yix  tuarum,  nämlich  legionum, 
mit  Weglassung  des  vor  legionum  stehenden  qui  (st.  obtinuimus  victoriam. 
Qui  legionum);  endlich  exceptantes,  mit  Dinter  (st.  exspectantes  der 
Handschrift.)  und  relicti,  mit  Nipperdey  (st.  des  handschriftlichen  victi), 
a  tua  dementia  petimus,  mit  Weglassung  von  deposcimus,  und  sodann, 
st.  dieses  Wortes  der  Handschrift.  Responsum  est:  Qualem  alienis  gentibus 
etc  ,  mit  Zufögung  des  Adjectivs  alienis;  18,  6  revertisset,  mittere  — 
solebat,  mit  Weglassung  von  qui  vor  mittere,  aber  mit  vermuthlicher 
Annahme  einer  Lücke  hinter  litteris  acceptis;  18,  7  id  si  fecissent,  eis, 
mit  Leid.  (st.  id  si  fecisset,  ei);  nachher  Ita  fine  turre  delectus  nocte 
cum  propius  accessisset,  wo  fine,  nach  Koehler's  Behauptung,  die  Stelle 
einer  Präposition  der  Vulgärspraohe  vertreten  soll  (st.  des  handschrift- 


Caesar.  71 

liehen  Ita  fane  crnre  de  ligno  cum  — );  21,  3  (4)  rursus  in  oppidum 
(st.  versum  oppidum);  22,  4  ita  speculatores  ad  oppidum,  und  zwar 
Usavo,  missi  sunt  (st.  et  speculatores  ad  oppidum  Ateguam  miserunt), 
ohne  Lücke  hinter  detulerunt;  und  vorher,  §  2,  Cum  ad  oppidum  ve- 
nissent,  ohne  Qui,  wie  tthrigens  schon  Kraner  1861  hat;  22,  7  quod, 
ex  quo  die  oppidum  Ategua  captum,  esset  metus  conterritos  —  pro- 
fugere  etc.,  mit  dem  acc.  c  inf.  hinter  metus  est,  (st.  quod,  ex  quo 
die  oppidum  Ategua  esset  captum,  metu  conterritos  —  confngere  etc.); 

23,  3  a  nostris,  mit  animadversum  esset  zu  verbinden,  und  cedere  in 
der  Bedeutung  von  accidere.  Beides  nach  den  Handschriften;  23,  4 
in  regressu  (st.  des  handschriftlichen  ingressus  und  Lipsius'  Conjunctur 
regressus);  23,  6  Hujus  incidentis  temporis  ad  viri  fortis  insignia  cum 
concursum  —  facerent,  wo  hujus  incidentis  temporis  ein  Hellenismus  — 
eine  von  dem  Verfasser  dem  Schriftsteller  auch  in  andern  Ausdrucks- 
weisen beigelegte  Eigenthümlichkeit  —  statt  eines  abl.  abs.  in  der  Be- 
deutung qua  occasione  oblata  sein  soll  (st.  Nipperdey's  in  hujus  conci- 
dentis,  centurionis  ac  viri  fortis,  insignia  — ,  das  schon  wegen  des  dem 
Schriftsteller  ungewöhnlichen  ac  nicht  statthaft  zu  sein  scheine);  23,  7 
et  munitione  et  praesidiis  (st.  et  munitione  praesidii,  wo  et  für  etiam 
in  sonst  dem  Schriftsteller  nicht  üblicher  Weise  gebraucht  sein  würde); 

24,  6  Quibus  mons  subsidio,  non  virtus  saluti  fnit.  Quod  nisi  advespe- 
rasset,  mit  Versetzung  des  in  den  Handschriften  hinter  quod  stehenden 
subsidio;  25,  1  nullo  loco  aequo,  als  Dativ,  wie  schon  Kraner  1861  hat 
drucken  lassen;  25,  2  eum  locum  efflagitarunt  (st.  cum  locum  efllagita- 
rent)  und  nachher  ut  consuetudinis  insuetus  existimare  posses  (st.  ut 
consueti  insequi;  existimare  posses);  25,  5  Nam  —  pugna  wird  jetzt 
von  Fleischer  fClr  richtig  angesehen;  25,  6  Ita  avide  cupideque  suarum 
cuique  ex  partium  virorum  fautorumque  voluntate  favebatur  (st.  des  für 
lückenhaft  angesehenen  und  unverbessert  gebliebenen  Ita  avidi  cupidique 
t  suarum  quisque  ex  partium  virorum  fautorumque  voluntas  habebatur 
der  Handschriften);  25,  7  die  Worte  laudis  insignia  scutorumque  prae- 
fulgens  opus  caelatum  werden  mit  Chr.  Schneider  hinter  ferocitas  Antisti 
gebracht;  ferner  quare  virtute  alacri  cum  —  se  contulissent,  duorum 
pugna  esset  prope  profecto  perfecta,  nisi  propter  equitum  congressum  — 
esset  dirempta  (st.  quorum  virtute  —  —  quorum  pugna  esset  prope 
profecta  dirempta,  nisi  —  congressum);  sodann  Levem  armaturam  — 
prope   castra  Caesar   constituit  mit  ZufÜgung  von   prope  und  Caesar; 

25,  8  wird  nostri  der  Handschriften  beibehalten  und  hinter  das  vorher- 
gehende ut  ein  Komma  gesetzt;  26,  8  (5)  ohne  Lücke  Etsi  —  adver- 
sarios  adhuc  propulsavi,  si  aequo  loco  etc.  (st.  Etsi  —  adversarios  adhuc 
propulsos  t  Q'ii  8J  aequo  loco  etc.);  26,  4  (6)  freti,  mit  den  meisten 
Handschriften  (st.  fixi,  das  nur  Par.  II  und  Leid,  bieten);  28,  4  Namque 
ut  superius  demonstravimus  loca  —  contineri,  item  convalle  planitie 
(genit.)  dividi  etc.  (st.  Namque  superius  demonstravimus  loca  -   conti- 


72  Römische  Historiker. 

neri,   f  iDterim  nullam    planicie  dividit  etc.),  wo  item  adversative  Be- 
deutung haben  soll;    29,  4  ut  locus  illa  planitie  (genit.)  aeqnitate  orna- 
retur   et   diei   solisque   serenitate  (st.  ut  locus  illa  planicie  eqaitatam 
(wofür  Nipperdey  aequitatem  gesetzt  hat)  ornaret  et  diei  solisque  sereni- 
tatem);    29,  5  ut  quidquid  potior  jam  casus  tribuisset  (st.  ut  quidquid 
post  horam  casus  tribuisset);    29,  6  aciemque  sibi  etc.  (st  in  quo  sibi 
etc.);   31,  4  (6)  ita  usi  eximia  virtute  proelium  facere,  wofür  Andere  at 
illi  eximia  etc.  haben;    32,  1  nostri  qui  (st.  nostrique),  so  dass  mit  ex 
hostium  armis  der  Hauptsatz  beginnt;  32,  2  mit  anderer  Wortversetzung 
als  Nipperdey  eingeführt  hat  ex  armis  scuta  et  pila  pro  cespite,  pro 
vallo  cadavera  coUocabantur;    sodann  insuper  accidit,  ut  in  verata  et 
gladios  et  mucrones  capita  hominum  ordinata  ad  oppidum  conversa,  vii^ 
tutis  quae  insignia  proposita  viderent  et  vallo  circumcluderentur  adver- 
sarii,  hostium  timorem  augerent;   aus  quae,  das  für  que  eingetreten  ist, 
soll    man  sich  quibus  zu  circumcluderentur  herausnehmen;    82,   S   (2) 
Galli  wird  jetzt  für  richtig  erklärt,  gegen  die  im  Programm  von  1876 
vorgebrachte  Aenderung   illi,   das   sonst   immer   für   adversarii   gesetzt 
werde;    lieber  noch  wäre  dem  Verfasser  Gallis  tragulis  jaculisque;    und 
so,  mit  Beibehaltung  des  seit  Chr.  Schneider  eingeklammerten  sunt  and 
mit  Hinzufilgung  von  quo,  soll  es  heissen  Ita  Gallis  tragulis  jacalisque 
oppidum  ex  quo  hostium  cadaveribus  sunt  circumplexi,  oppugnare  coe- 
perunt;    32,  6  (5)  [parte  altera],  s.  N.  Jahrb.  117,  277;    33,  1  cum  eo 
conventum  esset  (st.  circumventum  oder  ventum) ;  33,  3  praesenti  familiae 
(st.  in  praesentia  familiae);  33,  4  eodem  tempore  (st.  de  tempore);  34,  3 
Legio  —  defendere  coepit  ne,  cum  jam  repugnarent,  (nämlich  illi  qui 
ad  Caesarem    defecerant)   turres  —  occuparent     Demum   legatos    etc., 
mit  ZufQgung  von  ne  und  Verwandlung  von  repugnarunt  in  repugnarent, 
endlich  mit  Aenderung  des  handschriftlichen  denuo  in  demum;    36,  3 
keine  Lücke;  38,4  Nam  idcirco  cum  propter  fuisset  conspectus,  celeriter 
ad  suum  praesidium  munitum  locum  natura  ceperat  sibi  Pompejus,  quem 
quamvis  magna  multitudine  deducta  homines  ex  superiore  loco  defendere 
possent:  subeunt  in  adventu  nostri  depellunturque  telis,  wo  propter  als 
Adverbium   in  der  Bedeutung  von  prope  gefasst  werden  und  homines 
seine  Leute  bedeuten  soll,  sodass  ein  von  den  Herausgebern  eingeschal- 
tetes pauci  nnnöthig  werde;  40,  6  wird  nonnulli  und  complures  beibehal- 
ten, und  das  letztere  zu  dem  durch  mehrere  Wörter  davon  getrennten 
naves  construirt;  41,  1,  zum  Theil  mit  Dinter,  Fabius  —  operibus  assi- 
duis   diurnis   nocturnisque   circumsedit   (nämlich  Mundam   praesidium)* 
Interclusi  inter  se  discordare:   facta  caede  bene  magna  eruptionem  fa- 
ciunt;  41,  4  in  campo  (st.  des  bandschriftlichen  nam  oder  una  hinter  in 
ipso  oppido);   41,  5  Huc  Pompejus  (st.  Ac  Pompejus);  die  weitere  Ver- 
besserung des  Satzes  giebt  er  auf,  sein  eignes  tardiorem  (st.  tutiorem 
der  Handschriften)  zurücknehmend;  42,  7  dementes  (Vooativ,  st.  des  zu 
legiones  zu  nehmenden  aber  sinnlosen  decem  der  Handschriften).  —  Die 


GMSftr.  73 

Abhandlung  weist  manche  Druckfehler,  namentlich  in  den  angegebenen 
Zififern  auf,  welche  ich  hier  verbessert  habe,  aber  auch  andere,  so  S.  3 
oppidis  qui,  S  12  vocabo  st.  vocabulo  und  verschiedene  ähnliche.  Den 
lateinischen  Ausdruck  des  Verfassers  möchte  ich  nicht  in  allen  seinen 
Sätzen  zu  vertreten  haben.  Von  seinen  Conjecturen  aber  sind  verschie- 
dene doch  mindestens  sehr  gewagt,  namentlich  fine  turre  im  18.  Kapitel, 
wenn  nicht  auch  hier  ein  Druckfehler  (statt  fine  turris)  vorliegen  sollte. 

Erläuterungsschriften. 

Cäsars  Kommentarien  und  ihre  literarische  und  kriegswissenschaft- 
liche Folgewirkung.    Von  Max  Jahns.    Berlin,  Mittler  1883. 

Der  Major  Jahns  vom  Grossen  Generalstabe  hat  im  Militärischen 
Wochenblatt  eine  Zusammenstellung  der  bis  1 883  erschienenen  wichtigsten 
Erläuterungs-  und  Forschungsschriften  zu  Caesars  Kommentarien  ver- 
öffentlicht, die  auch  als  besondere  Broschüre  ausgegeben  worden  ist 
Besonders  anziehend,  weil  neu  fQr  den  Philologen,  wird  der  Abschnitt 
sein,  der  die  Urtheile  älterer  und  neuerer  Strategen  über  die  Kriegfüh- 
rung und  das  militärische  Genie  Caesar's  enthält. 

Dr.  Gust.  Braumann,  Die  Principes  der  Gallier  und  Germanen  bei 
Cäsar  und  Tacitus.  Jahresbericht  über  das  Königl.  Friedrich- Wilhelms- 
Gymnasium.    Berlin  1883. 

lieber  den  durchaus  annehmbaren  Inhalt  dieser  Abhandlung  habe 
ich  im  Philol.  Anz.  XIII  und  hat  Rud.  Schneider  im  Jahresbericht  XII 
Bericht  erstattet.  Danach  bildeten  die  principes  der  Gallier  den  vor- 
nehmsten Theil  der  nobilitas  oder  der  »equites«;  ein  eigentliches  Amt 
hatten  sie  als  solche  nicht,  aber  natürlich  konnte  es  ihnen  übertragen 
werden,  wie  auch  die  Vertretung  ihres  Volksstammes  bei  Versammlun- 
gen; ihre  hervorragende  Stellung  und  ihr  Einfiuss  beruhten  lediglich  auf 
persönlichem  Ansehen,  auf  Reichthum,  auf  der  Menge  ihrer  clientes,  am- 
bacti,  soldurii,  obaerati,  servi.  Wie  aus  der  Namenaufschrift  vieler  galli- 
scher Münzen  hervorgeht,  war  das  Münzrecht  nicht  von  der  Ausübung 
einer  fürstlichen  Herrschergewalt  abhängig,  sondern  stand  jedem  prin- 
ceps  zu ;  es  finden  sich  Münzen  mit  der  Legende  Orcitirix,  Dubnorix  etc., 
trotzdem  dass  weder  Orgetorix  noch  Dumnorix  jemals  ein  Herrscherrecht 
oder  auch  nur  eine  Amtsgewalt  besass. 

De  hello  civili  Caesariano.  Quaestiones  Caesarianae.  Pars  I.  Scrip- 
sit  Oscar  Basiner.    Mosquae,  Deubner.    1883. 

Der  Verfasser  sucht  zu  zeigen,  dass  der  Hauptinhalt  der  zum  Theil 
Caesar's  Kommentarien  entgegentretenden  und  sie  berichtigenden  Histo- 
riae  des  Asinius  Pollio  wenigstens  gewissermassen  uns  in  Appian,  Ptu* 
tarch  und  Sueton  erhalten  sei;  er  behauptet  ferner,  Caesar  habe  bereits 


74  Römische  Historiker. 

am  7.  oder  8.  Januar,  noch  bevor  er  die  Flucht  der  Tribunen  erbhren 
hatte,  den  Rubicon  überschritten;  die  von  Nipperdey  nach  III,  8  ange- 
nommene Lücke,  in  welcher  die  Niederlage  des  Antonius  und  des  Dola- 
bella  erzählt  worden  sei,  setzt  Basiner  hinter  11,  21  an  und  lässt  den 
Anfang  von  II,  22  lisdem  temporibus  sieb  darauf  bezieben,  eine  Annahme, 
welche  sehr  einleuchtend  erscheint  (S.  auch  Rud.  Schneider,  Jahresbe- 
richt XII). 

W.  Tb.  Paul,  Die  Bestürmung  von  Gergovia.  Philol.  Wochen- 
schrift 1883  No.  19. 

Der  Verfasser  schildert  eingehend  die  Vorgänge  bei  dem  Kampfe 
um  Gergovia,  b.  Gall.  VII,  48;  er  schlägt,  dabei  vor,  in  den  Worten  le- 
gionis  decimae,  quacum  erat,  concionatus  zu  lesen :  quacum  erat  G.  Tre- 
bonius  legatus. 

Chr.  Tissot,  Recherches  sur  la  campagne  de  G^sar  en  AMque. 
Sonderabdruck  aus  den  M^moires  de  TAcad^mie  des  Inscriptions  et 
Belles-Lettres  XXXI,  2     1881. 

Dies  ist  eine  bis  auf  die  geringsten  Einzelheiten  erschöpfende  Dar- 
stellung des  Afrikanischen  Krieges,  über  welche  ich  im  Philol.  Anz.  XV 
Bericht  erstattet  habe.  Das  seit  dem  Tode  des  Verfassers  von  Sal.  Rei- 
nach vollendete  Werk  Geographie  compar^e  de  la  province  d'Afrique 
giebt  die  Lage  der  in  Gaesar^s  Feldzuge  vorkommenden  Ortscbaften  nach 
den  jetzigen  Benennungen  an. 

L6on  Heuzey  et  H.  Daumet,  Mission  arch6ologique  de  Mac^doine, 
texte  et  planches  in  —  fol.  Paris,  Firmin-Didot  1876;  und  L6on  Heuzey, 
Les  Operations  militaires  de  Jules  G^sar  ^tudi^es  par  la  Mission  de  Ma- 
c^doine.  Paris,  Hachette  1886.  Die  erste  Schrift  behandelt  die  Topo- 
graphie, z.  B.  von  Dyrrhachium,  und  bringt  eine  Anzahl  von  Inschriften 
bei;  in  der  zweiten  nimmt  Heuzey  an,  das  Schlachtfeld  von  Pharsalus 
habe  nicht  am  Enipeus,  sondern  an  einem  Bache  gelegen,  der  jetzt  aus- 
getrocknet sei,  auf  einem  Platze,  auf  dem  nach  Stoffers  Urtheil  nur  eine 
geringe  Truppenzahl  hätte  aufgestellt  werden  können,  wofür  er  denn  von 
dem  Obersten  eine  derbe  Zurechtweisung  erhält.  (S.  Rud.  Schneiders 
Jahresbericht  XIII  und  Philol.  1890). 

Der  Vollständigkeit  gebe  ich  noch  an,  was  Perrin  unter  der  Ueber- 
schrift  Pharsalia,  Pharsalus,  Palaepharsalus  in  The  American  Journal  of 
Philology  VI,  2  (No.  22)  1886  vorbringt:  er  glaubt,  gegen  Mommsen, 
gezeigt  zu  haben,  dass  Gaesar  sowohl  wie  Pompejus  ihr  Lager  nördlich 
vom  Enipeus  gehabt  haben,  und  dass  das  Lager  des  Letzteren  auf  den 
Httgeln  gestanden  haben  müsse,  welche  nach  dem  Flussthal  zu  abfallen ; 
über  die  genaue  Lage  des  Lagers  Gaesar^s  seien  v.  Goeler  und  Sir  Wil- 
liam Napier  (s.  Long's  Decline  of  the  Roman  Republic  V,  122)  verschie- 
dener Ansicht:   Goeler  setzt  es  bei  dem  Uebergang  der  Strasse  zwischen 


Gaeur.  75 

Pharsalus  und  Larissa  ftber  den  Enipeus  an,  Napier  mit  Scotussa  im 
Rücken,  also  gegen  Westen  gerichtet;  eine  Entscheidung,  meint  Perrin, 
lasse  sich  schwerlich  treffen.  —  Seidner,  Das  Schlachtfeld  von  Pharsa- 
lus, Programm  des  Realgymnasiums  in  Mannheim  1883  kommt  zu  einem 
ähnlichen  Ergebniss:  iMan  muss  mit  Goeler  das  Schlachtfeld  nördlich 
vom  Enipeus  (Tsamali  jetzt)  suchen,  dicht  unter  den  Höhen,  die  im  Nor- 
den die  Ebene  von  Pharsalus  abschliessen.  Caesar  hatte  am  rechten 
Ufer  des  Enipeus  Stellung  genommen,  etwa  an  dem  Punkte,  wo  jetzt  die 
siebenbogige  Brücke  über  den  Fluss  führt,  und  Pompejns  stand  vier  Ei- 
loro.  nördlich  bei  dem  Dorfe  Tatarli,  das  rechts  an  der  Strasse  nach  La- 
rissa liegt.  Westlich  mündet  ein  kleiner  Bach  in  den  Enipeus,  das 
könnte  derselbe  sein,  der  Caesars  linke  Flanke  deckte,  auf  Caesars  rech- 
tem Flügel  dehnt  sich  die  Ebene  weit  genug  aus,  so  dass  hier  der  Ver- 
stoss der  pompejanischen  Reiterei  stattfinden  konntet.  (S.  auch  Rud. 
Schneider's  Jahresbericht  XII). 

Judeich,    Caesar  im  Orient.    Leipzig,  Brockhaus  1885. 

Der  Verfasser  stellt,  auf  Grund  der  Commentarien  und  der  übri- 
gen Historiker,  in  einer  synchronistischen  Uebersicht  die  Vorgänge  in 
Aegypten,  Asien,  Afrika,  Italien  und  Spanien  zusammen  und  gicbt  in 
einer  Karte  die  Züge  des  Pompejns,  Caesar's,  Cato's,  des  Mithridates 
und  des  Pharnaces  an:  er  lässt  Pompejns  von  Attalia  in  Pamphylien 
sich  nicht  erst  nach  Sydra  in  Cilicien,  sondern  von  da  gleich  nach  Pa- 
phos  begeben.    Näheres  Philol.  1890. 

Histoire  de  Jules  C^sar.  Guerre  civile.  Par  le  colonel  Stoffel. 
2  vol.  in  —  4®.  24  planches  in  —  fol.  Paris.  Imprimerie  natio- 
nale 1887. 

Dies  umfangreiche  und  höchst  wichtige  Werk  hat  eine  eingehende 
Besprechung  von  Rud.  Schneider  in  den  Jahresberichten  XIV  und  XVI 
und  von  mir  im  Philol.  1890  erfahren,  wo  man  auch  einige  Einwendun- 
gen gegen  Einzelheiten  in  der  Darstellung  des  Obersten  und  Zusätze  zu 
derselben  findet.  Die  wichtigsten  Ergebnisse  seiner  Untersuchungen  sind 
die  folgenden:  Den  Rückzug  der  Pompejaner  lässt  Stoffel,  der  sonst 
Goeler^s  Angaben  im  Allgemeinen  nicht  widerspricht,  auf  Mequinenza  an 
der  Mündung  des  Segre  in  den  Ebro,  aber  rechts  von  jenem  Fluss  statt- 
finden ;  die  Belagerung  von  Corfinium  und  die  Einschliessung  von  Massi- 
lia  haben  eine  durch  genaue  Schilderung  der  Lage  dieser  alten  Städte 
anschaulich  gemachte  Darstellung  erhalten ;  der  Beschreibung  der  Kämpfe 
um  Dyrrhachium  legt  der  Verfasser  die  topographischen  Aufnahmen  zu 
Grunde,  die  Lücken  des  49.  und  50.  Kapitels  nach  den  dadurch  gewon- 
nenen Anschauungen  ausfüllend;  das  Schlachtfeld  von  Pharsalus  nimmt 
er  auf  dem  südlichen  Ufer  des  Enipeus  an;  nach  ihm  befand  sich  das 
Lager  des  Poropejus  am  Westabhang  des  Hügels  Karadja  Ahmet,   auf 


76  Römische  Historiker. 

den  sich  die  Pompejaner  nach  dem  Verlust  der  Schlacht  retteten;  Cae- 
sar hatte  sein  Lager  westlich  davon  und  etwas  östlich  von  der  jetzigen 
Ortschaft  Yasili.  Die  Karte  des  Delta  und  die  Pläne  der  alten  und 
neuen  Stadt  Alexandria  veranschaulichen  die  Kämpfe  um  diese  Stadt 
Munda  verlegt  der  Oberst  auf  die  Abhänge  sftdlich  von  Cordova  zwischen 
der  Stadt  Montilla  und  der  Ebene  von  Vanda.  In  einem  Nachtrag  führt 
er  ans,  dass  die  Helvetierschlacht  bei  Montmort  etwas  stldlich  von  dem 
mont  Beuvray  stattgefunden  haben  müsse. 

unter  dem  Titel  II er  da,  Beitrag  zur  römischen  Kriegsgeschichte, 
Weidmann  1886,  hat  Rud.  Schneider  den  Kampf  der  Pompejaner  gegen 
Caesar  und  seine  Truppen  im  Jahre  49  bebandelt.  Ich  habe  im  Philol. 
Anz.  XVI  darüber  Bericht  erstattet.  Alle  Anerkennung  verdient  die 
Darstellung  der  Vorgänge  um  llerda.  Nicht  zu  billigen  ist,  dass  der 
Verfasser  Fabius  nach  dem  Pyreuäenübergang  auf  einem  Umwege  über 
Barcelona  marschiren  lässt,  bei  welcher  Annahme  der  Uebergang  des- 
selben über  den  Segre  hätte  erwähnt  werden  müssen.  Den  Rückzug  der 
Pompejaner  nimmt  er,  von  Goeler  wie  von  Stoffel  abweichend,  auf  Flix 
an,  als  die  einzige  offene  Strasse,  die  ihnen  zu  Gebot  stand,  wie  er  aus 
den  Specialkarten  dieser  Gegend  schliessen  zu  müssen  glaubt.  Eine  auf 
seine  Anfrage  bei  Stoffel  ihm  bereitwillig  ertheilte  Antwort  hat  ihn,  we- 
gen der  auf  diesem  Wege  befindlichen  Engpässe,  von  dieser  Annahme 
abgebracht:  er  schliesst  sich  im  Jahresbericht  XVI  jetzt  der  Darstellung 
StoffeFs  in  allen  Punkten  an. 

Derselbe  Gelehrte  hat  im  Programm  des  Königstädtischen  Gymna- 
siums 1888  eine  Abhandlung  über  den  Portus  Itius  veröffentlicht,  über 
welche  ich  im  Philol.  1890  ausführlichen  Bericht  erstattet  habe.  Der 
Verfasser  tritt  für  Boulogne-sur-Mer  ein.  Die  sämmtlichen  Angaben  der 
alten  Schriftsteller  über  diesen  Hafen  Itius  sind  von  ihm  im  Auszuge 
mitgetheilt  und  erlauben  jedem  Leser  sich  sein  Urtheil  über  die  noch 
immer  ungewisse  Feststellung  desselben  zu  bilden.  Zum  Abschluss  scheint 
mir  die  Frage  noch  nicht  gebracht  zu  sein,  besonders  da  Rud  Schnei- 
der, um  seine  Ueberzeugung  zu  stützen,  Strabo  einer  groben  Nachlässig- 
keit in  der  Annahme  zweier  Häfen  im  Lande  der  Moriner  zeihen  mnss. 

In  der  Berl.  Philol.  Wochenschr.  VII,  19  tritt  ferner  Rud.  Schnei* 
der  mit  der  Abhandlung  Uxellodunum  für  den  Puy  d'Issolu  als  den  Ort 
der  ehemaligen  gallischen  Stadt  ein.  Da  die  Beschreibung  des  Hirtius 
mit  dieser  Oertlichkeit  nicht  stimmt,  schlägt  er  vor  VIII,  41,  1  quae  fere 
passuum  CC  intervallum  a  fluminis  circuitu  habebat  zu  lesen  anstatt 
quae  fere  pedum  trecentorum  intervallo  fluminis  circuitu  vacabat,  welche 
Worte  allerdings  auf  das  von  Goeler  vorgeschlagene  Luzech  besser 
passen.  Es  bleibt  freilich  die  Möglichkeit,  dass  Hirtius  einer  unrichti- 
gen Angabe  gefolgt  sei. 


Caesftr.  77 

Em.  Hoff  mann,  Za  b.  civ.  I,  25,  Rhein.  Mas.  1888  S.  166 — 169. 

Der  Verfasser  hält  die  Yertauschung  von  §  9  und  §  7  für  nöthig 
(S.  dessen  B.  civ.).  Rud.  Schneider,  Jahresbericht  XIV,  glaubt,  dass 
die  durch  Goeler  veranlassten  Bedenken  Hoffmann^s  durch  Stoffefs  Dar- 
stellung I,  260  beseitigt  sein  möchten. 

V.  Pfannschmidt,    Zur  Geschichte  des  Pompejanischen  Btlrger- 
krieges,  Programm,  Weissenfeis  1888. 

Der  Verfasser  sucht  zu  zeigen,  dass  Caesar  das  B.  civ.  vor  dem 
Ausbruch  des  Afrikanischen  Krieges,  also  im  Jahre  47,  veröffentlicht  habe. 

P.  Müllen  hoff,  Deutsche  Alterthumskunde  II.  Bd.    Berlin,  Weid- 
mann 1887. 

Der  Name  »Germanen«  ist  den  rechtsrheinischen  Völkern  von  den 
Galliern  beigelegt  und  bedeutet  in  der  celtischen  Sprache  entweder  Nach- 
barn oder  Rufer  im  Streit ;  erst  um  das  Jahr  80  lernten  ihn  die  Römer 
kennen.  Ob  Bourg-S^gne  oder  Bourseigne  nach  den  Segni  benannt  ist, 
bleibt  zweifelhaft;  dagegen  scheint  die  Benennung  der  Landschaft  Fa- 
menne  (um  Marche-en-Famine)  an  der  Ourte  und  Lesse  von  den  Pae- 
mani  (fälschlich  in  ß  Caemani  genannt)  herzurühren.  (S.  Rud.  Schnei- 
der, Jahresber.  XIV). 

A.  van  Kampen,    Gallia,  Wandkarte.     Neun  Blätter.     Gotha, 
Perthes  1887. 

Empfohlen  von  Rud.  Schneider  (Jahresbericht  XIV),  der  einige 
Auslassungen  und  unrichtige  Namen  angiebt. 

H.  Kiepert,    Wandkarte  von  Alt-Gallien  nebst  Theilen  von  Bri- 
tannien und  Germanien.    Neun  Blätter.     Berlin,  Reimer  1888. 

Durchweg  gerühmt  von  Rud.  Schneider,  Jahresbericht  XVI,  mit  An- 
merkung eines  Druckversehens  in  Vertauschung  der  Inselnaraen  Uliarus 
(Ol^ron)  und  Ratis  (R^)  und  der  Besserung  der  Orthographie  einiger 
Namen. 

W.  Ihne,    Römische  Geschichte.    Sechs  Bände.    Leipzig,  Engel- 
mann 1886. 

Der  Verfasser  setzt  grosse  Zweifel  in  die  Glaubwürdigkeit  der 
Commentarien,  welche  ihm  nicht  durchweg  unparteiisch  genug  erscheinen. 
In  der  Frage  um  die  Dauer  von  Caesar's  Proconsulat  und  seine  Bewer- 
bung um  das  Consulat  wendet  er  sich  gegen  Mommsen^s  Darstellung. 
Gaesar's  Proconsulat  ging  mit  dem  1.  März  49  zu  Ende.  Da  er  erst 
am  1.  Januar  48,  nach  Ablauf  von  zehn  Jahren  nach  der  ersten  Amts- 
führung,  sein  zweites  Consulat  antreten  konnte,  so  lag  zwischen  dem 
Ende  des  Proconsulats  und  dem  Antritt  des  neuen  Amts  ein  Raum  voQ 


78  RAmische  Historiker. 

zehn  Monaten,  den  seine  Gegner  benutzen  wollten,  am  ihn  anzuklagen. 
Dieser  Gefahr  entging  Caesar  durch  das  Gesetz  der  zehn  Tribunen  (52 
y.  Chr.),  welches  ihm  die  Erlanbniss  ertheilte,  sich  abwesend  um  das 
Consulat  zu  bewerben,  und  sein  Proconsulat  bis  zum  Ablauf  des  Jahres 
49  verlängerte.  Pompejus  machte  diesen  Bos^chluss  ungültig,  indem  er 
ein  Gesetz  durchbrachte,  welches  allen  Candidaten  die  persönliche  Be- 
werbung vorschrieb;  zwar  Hess  er  nachträglich  eine  Clausel  einfügen,  die 
für  Caesar  eine  Ausnahme  gestattete,  aber  dieser  Zusatz  hatte  keine  ge- 
setzliche Kraft,  da  er  nicht  in  dem  vom  Volke  genehmigten  Gesetze  stand. 
Demnach  betrachteten  Caesar^s  Gegner  sein  Vorrecht  als  erloschen  und 
beabsichtigten  ihn  nach  dem  Ablauf  seines  Proconsnlats ,  nach  dem 
7.  März  49,  vor  Gericht  zu  stellen.  Das  Meiste  hiervon  —  namentlich 
die  Darstellung  der  Handlungsweise  des  Pompejus  —  ist  nicht  neu:  es 
findet  sich  schon  bei  Mommsen,  Rom.  Gesch.  III  S.  362. 

Th.  Mommsen,  Die  keltischen  Pagi.    Hermes  XIX  S.  316 — 321. 

Das  helvetische  Volk  theilte  sich  nach  Caesar's  Angabe  in  vier 
pagi.  Diese  Gaueintheilung  ist  eine  allgemeine  celtische  und  findet  sich 
daher  auch  bei  den  kleinasiatiscben  Galatern  unter  dem  Namen  Tetrar- 
chie,  bei  denen  jedem  der  vier  Gaue  ein  besonderes  vor  Gericht  und  im 
Krieg  leitendes  Oberhaupt,  der  Tetrarch,  vorsteht,  während  die  vier 
Fürsten  zusammen  eine  gewisse  Oberaufsicht  führen. 

£.  Harroy  (directeur  de  T^cole  normale  de  r£tat  ä  Verviers), 
Les  £burons  ä  Limbourg,  le  v^ritable  Aduatuca  castellum  de  C6sar. 
Namur,  Lambert^de  Roisin  1889. 

Der  Verfasser  weist  nach,  dass  nicht,  wie  Napoleon  III.,  ohne 
Gründe  dafür  beizubringen,  in  Tongern,  auch  nicht  mit  v.  Cohausen  in 
Embourg,  oder  an  den  andern  Orten,  welche  der  Major  Jahns  zusam- 
menstellt, sondern  wie  Goeler  angenommen,  und  wie  der  Oberst,  jetzt 
General  v.  Veith  in  der  Zeitschr.  für  die  Geschichte  Westdeutschlands, 
Trier  1880,  und  in  einem  Briefe  an  den  Verfasser,  welcher  zugesteht, 
dass  dieser  Offizier  ihm  die  Wege  zu  seinen  Forschungen  eröffnet  und 
freigemacht  habe,  schon  nachgewiesen  hatte,  in  Limburg  das  Adua- 
tuca £buronum  gesucht  werden  müsse.  £r  fasst  seine  Untersuchungen 
so  zusammen:  Aduatuca  muss  zwischen  Rhein  und  Maas,  in  der  Mitte 
des  Eburonenlandes,  gelegen  haben;  das  passt  nicht  auf  Tongern;  Sa- 
binns  sagt,  dass  der  Rhein  »hinter  den  Römern  läge«  (subesse);  er  hätte 
Maas  gesagt,  wenn  Aduatuca  Tongern  gewesen  wäre;  (dies  Argument  ist 
wohl  verfehlt);  2000  Schritt  von  Aduatuca  entfernt,  stiegen  die  Römer 
in  ein  grosses  Thal,  weit  genug,  um  eine  kreisförmige  Aufstellung  zu 
nehmen,  mit  dem  Durchgang  nach  Westen,  der  aber  schwer  zu  erstei- 
gen war,  und  sonst  an  beiden  Seiten  durch  Engen  geschlossen;  dies 
Alles  treffe  bei  Tongern  nicht  zu,  von  welchem  das  D6fil6  von  Lowaige 


Caesar.  79 

5000  Schritt  entfernt  sei,  wohl  aber  bei  Limburg,  zu  dem  auch  die  übri- 
gen angegebenen  Entfernungen  stimmen;  endlich  erlaube  für  das  letztere 
die  Nähe  des  Rheins,  den  plötzlichen  Ueberfall  der  Sicambrer  im  Jahre 
63  zu  erklären.  Die  magna  convallis  der  Commentarien  ist,  nach  der 
Darstellung  des  Verfassers,  das  breite,  tiefe  und  fast  kreisförmige  Thal 
von  Dolhain.  Eine  Karte  erläutert  nicht  nur  die  Lage  der  Oertlichkei- 
ten,  sondern  auch  den  von  Harroy  angenommenen  Marsch  der  Römer, 
sowie  die  Stellung  der  Eburonen,  namentlich  an  dem  Engpass  Pav^  du 
Diable.  Zu  diesen  Untersuchungen  hat  den  Verfasser  der  Lokalpatrio- 
tismus angetrieben;  schon  früher,  1885,  hat  er  ein  Gedicht  Les  £burons 
veröffentlicht,  hier  als  Anhang  beigegeben  und  ausserdem  zu  einer  lyri- 
schen Tragödie  Freya  erweitert,  in  welchem  er  Ambiorix  feiert,  und 
jetzt  blickt  sein  Wunsch  durch,  dass  man  diesem  Vaterlandsvertheidiger 
in  Limburg  eine  Statue  errichte,  »wie  er  sie  unangebrachter  Weise  schon 
in  Tongern  habe«.  —  Der  Vollständigkeit  wegen  führe  ich  noch  an, 
dass  der  General  v.  Veith  das  Lager  des  Labienus  im  Jahre  54  in*8 
Dorf  Izel  an  der  Semois,  das  Lager  desselben  im  Jahre  53  nach  Arlon, 
seine  Schlacht  gegen  die  Treverer  an  die  Alzette  bei  Luxemburg;  das 
Lager  des  Cicero  im  Jahre  54  nach  Namur,  die  Schlacht  gegen  Ariovist 
in  die  Nähe  von  Beifort,  die  beiden  Rheinübergänge  zwischen  Köln  und 
Bonn,  das  oppidum  Aduatucorum,  wie  schon  Goeler,  auf  den  mont  Fal- 
hize  bei  Huy  verlegt  Dies  oppidum  Aduatucorum  mit  Aduatuca  ca- 
stellum  verwechselnd,  giebt  der  Major  Jahns  irrthümlich  an,  dass  v.  Veith 
dies  castellum  auf  den  Berg  Falhize  (ausserdem  noch  Folhize  verdruckt) 
bei  Huy  ansetze. 

B.  Schöttler,  Ueber  die  Lage  der  geschichtlichen  Orte  Adua- 
tuca Eboronum  (Caes.),  Ära  Ubiorum  (Tacit.)  und  Belgica  (Itin.  An- 
ton.)-   Programm  des  Progymnasiums  zu  Rheinbach  1889. 

Der  Verfasser  findet  die  drei  genannten  Ortschaften  in  Rheinbach 
selbst,  ohne  andere  Beweise  dafür  beizubringen,  als  Reste  eines  römi- 
schen Standlagers. 

P.  de  Lisle  du  Dr^neuc,  Des  Gaulois  Ven^tes.  Saint-Brieux  1886. 

Der  Verfasser  sucht  zu  zeigen,  dass  die  Seeschlacht  gegen  die  Ve- 
neter  in  dem  heutigen  ehemals  vom  Meere  eingenommenen  Torfmoor  la 
Grande  Briöre  rechts  von  der  Mündung  der  Loire  stattgefunden  habe. 
Dieser  Ansicht  hat  sich  auch  Desjardins  angeschlossen. 

H.  E.  Maiden,  Gaesar^s  Expeditions  in  Britain.  The  Journal  of 
Philology  XVII  No.  34. 

Der  Verfasser  sucht  zu  zeigen,  dass  Gaesar  in  Romney-Marsh  ge- 
landet sei.  Rud.  Schneider,  Jahresbericht  XVI,  verweist  auf  Napoleon 
III.  und  auf  meine  Abhandlung  in  der  Ztsch.  f.  allgem.  Erdkunde  1866« 


80  Römische  Hietoriker. 

6.  Ihm,  Das  VII.  Buch  des  hellom  Gallicam.  Berliner  Philol. 
Wochenschr.  1886  No.  83. 

Der^  Verfasser  merkt  einige  Ausdruckverschiedenheiten  im  siebenten 
Buch  von  den  vorhergehenden  sechs  Büchern  an. 

Petsch,  Die  historische  Glaubwürdigkeit  der  Commentarien  Cftr 
sars  vom  gallischen  Kriege  nach  gegenwärtigem  Stande  der  Kritik. 
Zwei  Programme.    Glttckstadt  1885  und  1886. 

Die  Versuche  Eyssenhardfs  und  Raucbenstein's,  Caesars  Glaub- 
würdigkeit zu  untergraben,  halten  einer  genauen  Prüfung  nicht  Stand, 
bemerkt  Rud.  Schneider  im  Jahresber.  XIII;  Beide  lassen  sich  durch 
die  mangelhaften  Mittheilungen  des  Dio  Cassius  in*eleiten,  wie  Petsch 
am  Schlüsse  der  zweiten  Abhandlung  ausführlich  nachweist.  Man  sehe 
auch  meinen  Aufsatz,  Philol.  Anz.  XIV  S    309. 

H.  Baumann,  Zum  ersten  Buch  der  Commentarien  Caesar's  über 
den  gallischen  Krieg.  Programm  des  K.  K.  Franz>Josephs*Gymnasioms 
zu  Wien  1885. 

Caesar's  Darstellung  der  politischen  Lage  der  Sequaner  vor  |der 
Besiegung  der  Helvetier  stimmt  mit  seiner  Darstellung  nach  der  Nieder- 
lage derselben  nicht  überein:  vorher  erscheinen  sie  politisch  selbststän* 
dig,  nachher  aber  geradezu  als  gänzlich  von  Ariovist  unterworfen;  die 
spätere  Schilderung  der  Macht  des  germanischen  Heerkönigs,  der  an- 
fangs gar  nicht  erwähnt  wird,  scheint  dem  Verfasser  übertrieben.  Viel- 
leicht erklärt  sich  dies  Alles  aus  dem  Wesen  der  gallischen  Gauver- 
fassung. Wenn  das  Land  der  Sequaner  nach  der  in  Gallien  üblichen 
Regel  in  Tetrarchien  getheilt  war,  so  konnte  das  an  den  südlichen  Jura 
angrenzende  Gebiet  durch  den  Tetrarchen  Casticus  und  später  durch 
Vermittelung  des  Dumnorix  mit  den  Helvetiern  in  Verbindung  getreten 
sein,  während  die  drei  andern  Tetrarchien  im  Norden  und  nach  dem 
Rhein  zu  allein  unter  dem  Druck  des  Ariovist  zu  leiden  hatten,  wegen 
dessen  Nähe  die  Helvetier  den  ihnen  zumal  bei  ihrer  Verbindung  mit 
den  Raurici,  Tulingi  und  Latovici  sonst  noch  offener  stehenden  und  be- 
quemeren Weg  südlich  von  der  Rheinecke  bei  Basel  nicht  einzuschlagen 
wagten. 

G.  Ehren  fr  ied.  Qua  ratione  Caesar  in  commentariis  legatorum 
relationes  adhibuerit,  Virceburgi,  Stakel  1888. 

Der  Verfasser  weist  an  der  stilistischen  Abfassung  im  Einzelnen 
nach,  dass  Caesar  die  Berichte  der  Legaten  keineswegs  einfach  und  un- 
verändert in  sein  Werk  einverleibt  habe. 


CaeiMr.  gl 

Charles  Seitz,  UOeavre  politique  de  G^sar  jQg6e  pitr  les  histo- 
riens  de  Rome  au  XIX«  si^cle.    Gen^ve  et  BUe,  H.  Georg  1889.   ISO  S. 

Der  Verfasser  dieser  Schrift  beginnt  die  Aufzählung  der  Geschicht- 
schreiber, welche  im  19.  Jahrhundert  die  politischen  Bestrebungen  Cae- 
sar^s  beurtheilt  haben,  mit  Niebuhr  und  schliesst  sie  mit  Ibne,  dessen 
rdmisohe  Geschichte  ihm  bis  zur  Ankunft  des  römischen  Feldherrn  in 
Brundisium  vorliegt;  vertreten  sind  Niebnhr,  Drumann,  Am6d^e  Thierry, 
Merivale,  Mommsen,  Napoleon  III.,  G.  Boissier,  Froude,  Duruy,  Ranke 
und  Ihne.  Mit  auffallender  Geringschätzung  geht  Seitz  Ober  die  politi- 
schen Auseinandersetzungen  Napolöon^s  III.  hinweg,  obgleich  er  seinen 
grossen  Verdiensten  in  der  Erforschung  der  Lokalitäten  der  Schlachten 
des  gallischen  Krieges  die  gebttbrende  Gerechtigkeit  widerfahren  lässt 
Den  grössten  Raum  nimmt  Mommsen  ein  mit  den  ihm  entgegengetretenen 
Kritikern  Nitsch,  Peter,  Freeman.  Der  Verfasser  zollt  der  Geniidität  de« 
berfihmten  Geschicbtsohreibers  und  Archäologen  alle  Anerkennung,  gleich- 
wohl richtet  sich  sein  Buch,  auch  wenn  er 'mit  seinem  eigenen  Urtheil 
zurfickhaltend  ist  und  sich  hauptsächlich  auf  den  Bericht  der  Ansichten 
Anderer  beschränkt,  gegen  die  Auffassung,  welche  Mommsen  von  dem 
Charakter  und  den  Bestrebungen  Caesar's  gewonnen  hat;  ja,  er  glaubt, 
dass  diese  Auffassung  seine  römische  Geschichte  von  Anfang  an  beein* 
flusst  und  beeinträchtigt  hat:  die  Leidenschaftlichkeit,  mit  welcher  er  den 
römischen  Imperator  preist  und  seine  Gegner  herabwürdigt,  wird  vielfach 
geflissentlich  hervorgehoben.  Ob  Caesar,  wie  Mommsen  meint,  der  rö- 
mischen Verfassung  eine  andere  Form  und  eine  andere  Richtung  hat  ge- 
ben wollen,  was  er  allerdings  nur  dadurch  erreichen  konnte,  dass  er 
selbst  an  die  Spitze  des  Staates  trat,  oder  ob  er  es  einzig  und  allein 
daraof  abgesehen  habe,  sich  zum  Alleinherrscher  zu  machen,  was  ohne 
die  Aenderung  der  Staatsverfassung  nicht  durchgeführt  werden  konnte, 
wird  wohl  allem  Anschein  nach  unentschieden  und  Parteimeinung  bleiben. 
Wir  haben  in  unserer  Zeit,  bei  aller  Verschiedenheit  der  Personen  und 
der  Umstände,  Aehnliches  erlebt.  Ein  hervorragender  Schriftsteller,  der 
vielfach  Zustimmung  erfahren  hat,  schreibt  Friedrich  III.  aus  Stolz  den 
heksen  ViTunsch  nach  der  Kaiserkrone  zu,  die  ohne  die  Einigung  Deutsch- 
lands allerdings  nicht  hätte  errungen  werden  können;  andere  Gelehrte 
und  Staatsmänner  legen  ihm  das  warme  Verlangen  nach  der  Einigung 
Deutschlands  bei,  mit  welcher  folgerecht  die  Erlangung  der  Kaiserkrone 
verbunden  gewesen  sei:  je  nach  der  Parteistellung  wird  man  sich  dafftr 
entscheiden,  welcher  Wunsch  der  erste  und  der  ursprüngliche  gewesen 
sei.  Die  Frage  nach  den  Veranlassungen  zum  Bürgerkriege  berührt  Seitz 
nur  obenhin. 


Jahresbericht  fQr  Alterthums Wissenschaft.    LXVIII.  Bd.    (1891  II).       6 


82  Römische  Historiker. 

Philippas  Fabia,  De  orationibus  quae  sunt  in  commentariis 
Caesaris  de  hello  Galileo.  Avenione  apud  J.  Roumanille,  Parisüs  apad 
£.  Thorin  1889.    95  S. 

Der  Verfasser  dieser  Doctordissertation  sacht  zu  zeigen,  dass  die 
Commentarien,  deren  Abfassang  er,  Chr.  Schneider's  Annahme  folgend, 
i|i  den  An&ng  des  Jahres  703  (51)  setzt,  von  Caesar  zn  dem  Zweck  ge- 
schrieben worden  sind,  sein  Verfahren  vor  dem  Senat,  in  dem  er  viel- 
fachen Angriffen  aasgesetzt  gewesen  war,  za  rechtfertigen,  und  vor  dem 
ihm  ergebenen  römischen  Volk  in  ein  glänzendes  Licht  zu  setzen;   es 
unterliegt  bei  ihm  keinem  Zweifel,  dass  Caesar  es  von  langer  Zeit  her 
darauf  abgesehen  hatte,  sich  zum  Alleinherrscher  des  Staats  zu  machen. 
Diesem  Zweck   diene  die  Erzählung,  dienen  aber  auch  ganz  besonders 
die  vielen  nach  Gewohnheit  der  alten  Geschichtschreiber  in  den  Vortrag 
eingeflochtenen  Reden.    Abweichend  von  der  sonst  üblichen  Gepflogen- 
heit seien  von  dem  römischen  Feldherm  diese  Reden,  sowohl  die  eige- 
nen als  auch  die  von  seinen  Legaten  oder  von  Barbaren  gehaltenen,  meist 
in  der  indirecten  Ausdrucksweise,  nur  in  wenigen  Ausnahmen  in  directer 
Vortragsart  wiedergegeben.    Auch  darin  weiche  Caesar  von  einigen  an- 
dern griechischen  und  römischen  Schriftstellern  ab,  dass  er  nicht  wie 
diese  rein  erfundene  und  der  Ausschmückung  und  lebendigen  Schilderung 
der  Zeitsitten  wegen  nur  erdichtete  Reden  eingefügt  habe,  sondern  nor 
solche,  welche  dem  oben  angegebenen  Zweck  dienten  und  von  welchen 
er  wenigstens   in  den  meisten  Fällen  Kenntniss   bekommen  zu   haben 
durchblicken  lassen  konnte;  die  indirecte  Rede  habe  er  vorgezogen,  um 
damit  zu  verstehen  zu  geben,  dass  er  nur  die  Richtigkeit  der  vorgetra- 
genen Thatsachen  dem  Sinne  nach,  nicht  auch  die  Richtigkeit  des  Wort- 
lauts verbürgen  wolle.  Aber  wie  er  nach  dem  Zeugnisse  des  Asinius  Pollio 
in  seinen  Berichten  der  Vorfälle  und  Umstände  es  mit  der  Wahrheit  nicht 
eben  genau  genommen  habe,  so  dürfe  man  das  noch  mehr  bei  den  ange* 
führten  Reden  voraussetzen,  welche  weit  weniger  als  jene  einer  Feststellung 
von  anderer  Seite  hätten  unterworfen  werden  können.    Die  meisten  und 
ausgedehntesten  Reden  fallen  auf  das  erste  und  auf  das  siebente  Buch, 
auf  jenes,  weil  Caesar  das  Bedürfoiss  fühlte  nachzuweisen ,  dass  er  den 
in  Gallien  entbrannten  Krieg,  den  er  ohne  Auftrag  des  Senats  oder  der 
Volksversammlung  führte,  nicht  aus  eigenem  Antrieb,  sondern  durch  den 
Einfall  der  Helvetier  und  durch  die  Gewaltthätigkeiten  des  Ariovist  gegen 
Bundesgenossen  der  Römer  dazu  gezwungen,  unternommen  habe,  auf  die- 
ses, weil  es  mehr  als  die  andern  von  der  Grösse  und  Bedeutsamkeit  seil 
ner  Kriegsthaten  Zeugniss  ablege.    Der  Verfasser  der  Schrift  macht  da- 
rauf aufmerksam,  dass  Caesar,  um  den  ihm  grösstentheils  feindlich  ge-' 
sinnten  Senat  zu  beschwichtigen,  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  angiebt, 
wie  er  bei  der  Verwaltung  seiner  Provinz  bedacht  gewesen  sei,  sich  nach 
den  früheren  Beschlüssen  desselben  zu  richten,  und  dass  er,  um  den  noch 
gläubigen  grossen  Haufen  zu  gewinnen,  sich  auf  die  Götter  berufe,  an 


GftMftr.  gS 

die  er  selbst  längst  nicht  mehr  glaubte;  besonders  aber  sollen  die  Reden 
die  Ueberzeugung  erwecken,  dass  er  überall  die  Würde  und  die  Grösse 
des  römischen  Staates  vertrete;  einige  sollen  auch  den  Beweis  liefern  von 
seiner  eigenen  Milde,  andere  im  Gegensatz  dazu  die  Treulosigkeit  und 
die  Rohheit  der  deshalb  mit  Recht  von  ihm  kekämpften  Barbaren  schil- 
dern. Die  Kunst  des  römischen  Imperators  sieht  Fabia  hauptsächlich  in 
der  Weise,  wie  er  den  von  ihm  in^s  Auge  gefassten  Zweck  stets  so  ver- 
folge, dass  man  nirgends  die  Absichtlichkeit  herausmerke,  und,  wie  auch 
sonst  an  andern  Stellen,  namentlich  bei  der  Rede  des  Gritognat,  in  der 
geschickten  Einleitung  und  Gruppierung  der  die  zu  machenden  Vorschläge 
begründenden  Umstände.  Die  Rede  des  eben  erwähnten  Galliers  ist  von 
allen  die  am  ausführlichsten  mitgetheilte  und  am  sorgfältigsten  ausgear- 
beitete; der  Verfasser  meint  wohl  nicht  mit  Unrecht,  dass  eine  so  treff- 
liche Rede  im  Munde  eines  Barbaren  nicht  recht  der  Wahrscheinlichkeit 
entspricht.  Das  Werkchen  Fabia's  leidet  an  Wiederholungen,  welche  eine 
andere  Anordnung  wohl  hätte  vermeiden  lassen  können;  das  Latein  ist 
—  abgesehen  von  einigen  Druckfehlern  wie  S.  24  nullam  (orationem) 
reperitur  für  nulla  —  leidlich,  hier  und  da  fliessend,  öfter  jedoch  der 
antiken  Färbung  entbehrend;  manche  Ausdrucksweisen,  wie  Videmus  Cae- 
sarem  cum  orationem  illam  tum  reliquas  ejusdem  generis  exponendo  ple- 
raque  ex  personarum  atque  temporum  convenientia  finxisse,  oder  wie  sunt 
qui  sentiunt  etc.  würden  bei  unsern  jungen  Gelehrten  schwerlich  vorkom- 
men, obgleich  auch  bei  ans  ein  Gymnasialdirector  geschrieben  hat  res  eo 
perventa  est  und  ein  späterer  Akademiker  in  seiner  Habilitationsschrift 
populi  migrati  sunt. 

Fr.  Wörmann,  C.  Julii  Caesans  de  hello  Galileo  commentarii 
breviter  comparati  cum  Xenophontis  anabasi.  Programm  des  Gymna- 
siums in  Recklinghausen  1883. 

Beide  Schriftsteller  führen  anziehende  Ereignisse  vor,  ihre  Schreib- 
weise ist  in  gleicher  Weise  einfach  und  anschaulich ;  Caesar  schreibe,  um 
sich  zu  rechtfertigen,  Xenophon,  um  Vaterlandsliebe  zu  erwecken;  in  Be<^ 
zug  auf  Glaubwürdigkeit  stehe  Xenophon  höher  als  Caesar. 

Dr.  Leop.  Wiegandt,  C.  Julius  Caesar  und  die  tribunizische  Ge- 
walt.   Leipzig,  Fock,  1890. 

Der  Verfasser  sucht,  entgegen  den  gewöhnlichen  Darstellungen,  zu 
zeigen,  dass  die  tribunizische  Unverletzlichkeit,  wie  Nicolaus  Damascei|us 
berichtet,  Caesar  auf  Betrieb  der  Verschworenen,  nämlich  um  ihn  zu  ver- 
anlassen ohne  seine  Leibwache  öffentlich  zu  erscheinen,  und  erst  im  Jahre 
44,  wie  auch  Dio  Cassius  XLIV,  5  angiebt,  zuertheilt  worden  sei.  £^ 
vermuthet,  der  vorangegangene  Senatsbeschluss,  der  im  Jahre  45  Caesar 
bei  den  Spielen  und  Festen  einen  Sitz  auf  den  tribunizischen.  Bänken 
einräumte,  sei  gefasst  worden,  um  die  Popularität  des  Dictators,  die  nach 

6* 


S4  Romische  Historiker. 

dem  Siege  bei  Munda  in  raschem  Sinken  begriffen  war,  wieder  ra  heben. 
Die  Angabe  des  Dio  Cassius  XLII,  20,  dass  ihm  die  lebenslänglichen 
Vorrechte  der  Tribunen  schon  48  nach  der  Nachricht  von  dem  Tode  des 
Pompejus  zuerkannt  worden  seien,  zieht  er  in  Zweifel,  sie  auf  einen  Irr- 
thum  des  Geschichtscbreibers  schiebend,  und  beruft  sich  auf  Suetonius, 
der  bei  der  Aufzählung  von  Gaesar's  Aemtern  und  Auszeichnungen  die 
potestas  tribunicia  nicht  erwähnt,  und  auf  den  Epitomator  des  Livius, 
der  nach  der  Schlacht  bei  Pharsalus  nur  die  Ernennung  desselben  zum 
Dictator  berichtet,  die  Zuerkennung  der  Unrerletzlichkeit  erst  in  die 
letzten  Monate  vor  seiner  Ermordung  verlegt.  Der  Verfasser  kommt  zu 
dem  Schlttss,  dass  Caesar  nie  im  Besitz  der  vollen  tribunizischen  Gewalt 
gewesen  sei,  auch  nie  daran  gedacht  habe,  sich  auf  diese  zu  stützen. 
Gegen  eine  derartige  Annahme  verwerthet  er  nicht  nur  die  Zeugnisse  der 
Schriftsteller,  ausser  der  bezweifelten  Stelle  Dio's,  sondern  führt  auch 
innere  Gründe,  nämlich  die  Schonung  der  verfassungsmässigen  Gebräuche 
von  Seiten  Oaesar's  in^s  Feld.  In  der  letzten  Beziehung  wird  man  wohl 
dem  Verfasser  Recht  geben  mtlssen.  Welches  auch  die  Absichten  Gae- 
8ar*s  zu  irgend  einer  Zeit  sein  mochten,  er  hat  gewiss  immer  vorsichtig 
und  politisch  gehandelt.  Aus  diesem  Grunde  glaube  ich  auch,  dass  b. 
Gall.  IV,  26,  8  mit  a  milites,  und  nicht  mit  ß  commilitones  gelesen  wer- 
den müsse.  Das  bell.  Gall.  ist  mit  beständiger  Rücksichtnahme  auf  das 
römische  Volk,  namentlich  aber  auch  auf  den  römischen  Senat,  wie  man* 
che  ehrende  Erwähnungen  desselben  zeigen,  abgefasst;  hätte  er,  selbst 
wenn  er  so  gesprochen  haben  sollte,  auch  commilitones  geschrieben,  so 
musste  er  voraussehen,  dass  man  ihn  im  Senat  Soldatenschmeichler  ge- 
nannt und  ihm  daraufhin  die  Absicht,  sich  mit  Hülfe  des  Heeres  zum 
Herrn  zu  machen,  untergeschoben  hätte.  Commilitones  ist  vielleicht  durch 
einen  Abschreiber  in  die  Handschriften  ß  gekommen,  der  bei  Suetonius, 
Julius  67,  gelesen  hatte,  dass  Caesar  seine  Soldaten  »pro  concionec  so 
zu  nennen  pflegte.  Herausgeber,  welche  in  ihrer  Einleitung  das  Leben 
Gaesar^s  bis  zu  seiner  Ermordung  fortführen,  werden  die  Schrift  Wie- 
gandt*B  zu  berücksichtigen  haben. 

Ed.  Wolfflin:  G.  Asinius  Polio  de  hello  Africo.  Sitzungsberichte 
der  k.  bayer.  Akad.  d.  Wiss.  1889  S.  319—343.  Im  Anhang  dazu:  Das 
Gefecht  bei  Ruspina  S.  343  -  350.  Der  Verfasser  schliesst  sich  der  Dar- 
stellung StoffePs,  Domaszewski^s  und,  der  Hauptsache  nach,  auch  Nipper^ 
dey's  S.  204  an;  durch  Zeichnungen  werden  die  verschiedenen  Stellan- 
gen der  Truppen  Gaesar's  erläutert  Von  meiner  eignen  Auseinander- 
setzung, Philol.  XIII,  die  er  wohl  billigen  muss,  weil  er  sie  in  dem  Ap- 
pendix zum  b.  Afr.  mit  den  Worten  erwähnt:  De  ipsa  pugna  fusius  ex- 
posnimus  in  Actis  academiae  Bavaricae;  ante  nos  doctissime  H.  J.  Heller 
in  Philol.  vol.  XIII,  scheint  er  erst  nach  Abfassung  seines  Vortrags  Eennt- 
nias  genommen  zu  haben ;  nachträglich  nimmt  er  in  den  Addenda  seiner 


Caesar.  g5 

Aasfabe  meine  Erklärung  von  intra  cancellos  und  intrinsecus  ohne  jeden 
Vorbehalt  an. 

Professor  Dr.  Franz  Nesemann,  Exegetische  Studien  zu  Cae- 
sar und  Tacitus  im  Anschluss  an  die  Frage  vom  Wesen  der  ältesten 
deutschen  Staatenbildung.    Programm  Lissa  i.  P.  1890. 

Der  Verfasser  giebt  an,  dass  Caesar,  bell.  Gall.  VI,  22,  2,  I,  51, 
2,  zwar  die  principes  vici  und  pagi,  aber  nicht  einen  princeps  civitatis 
kennt,  auch  nicht  die  saoerdotes;  wenn  beide,  der  erstere  meist  unter 
dem  Titel  rex,  bei  Tacitus  erscheinen,  so  sucht  er  den  Grund  davon 
nicht  etwa  in  einem  Irrthum  Caesar^s,  sondern  in  einer  von  Caesar  bis 
Tacitus  vor  sich  gegangenen  Wandlung  der  Verfassung  und  des  Götter- 
glaubens der  germanischen  Volksstämme.  Sonst  geht  die  Abhandlung 
hauptsächlich  Tacitus  an. 

Director  Dr.  Franz  Cramer,  Caesar  und  seine  Zeit  bis  zum  Be- 
ginn des  Gallischen  Krieges.  (Zur  Einführung  in  die  Comment.  de 
B.  G.).    Programm,  Mülheim  am  Rhein  1890. 

Der  Verfasser  sucht  an  der  Geschichte  Caesar*s  vor  dem  Galliscb90 
Kriege  nachzuweisen,  dass  tsein  Geist  nicht  nur  jede  grosse  Anlage  und 
ursprüngliche  Kraft,  sondern  auch  alle  verderbliche  Leidenschaft  und 
sittliche  Verirrung,  dazu  eine  bewundernswerthe  Fülle  der  ganzen  Bil- 
dung des  römischen  Volks  jener  sich  überstürzenden  Zeit  in  sich  ver« 
einigte«.  Was  die  Commentarien  anbetrifft,  so  sagt  er,  nachdem  er  mehr 
oder  weniger  abfällige  Urtheile  angeführt  hat:  »Für  uns  ist  Caesar  ein 
mustergültiger  Lateiner,  ein  unübertroffener  Erzähler  in  seiner  Art  — 
im  übrigen  sind  wir  verpflichtet,  seine  Mitteilungen  zu  prüfen  und  vor 
der  Grösse  des  Römers  der  grossen  Eigenschaften  unsrer  barbarischen 
Vorfahren  nicht  zu  vergessen«.  Die  jetzt  wohl  allgemein  angenommene 
Tendenz  des  Buchs  berührt  der  Verfasser  nicht.  Den  Schülern  gegen- 
über hat  er  auch  wohl  verschweigen  müssen,  dass,  trotz  des  guten 
Lateins,  das  Lesen  eines  technisch  -  militärischen  Schriftstellers  für  das 
Verständniss  von  Knaben  nicht  recht  geeignet  ist,  und  dass,  wenn  auch 
die  ausserordentliche  Willenskraft,  die  schnelle  Entschliessung,  der  un- 
gemeine Thatendrang  des  römischen  Feldherm  der  Jugend  als  Vorbild 
hingestellt  zu  werden  verdient,  die  kaltherzige  Unterdrückung  eines  gan- 
zen Volks  aus  politischen  Rücksichten  für  ihre  Erziehung  nicht  gerade 
für  sehr  wirksam  erachtet  werden  kann. 

Die    Rheinbrücke. 

Ueber  den  Bau  der  Rheinbrücke  haben  —  ausser  Maxa  in  der 
Zeitschr.  für  österr.  Gymn.  1880,  Wirth  in  den  Blättern  für  das  bayer. 
Gymnasialwes.  XVI,  1880,  Maurer  in  den  Cruces  philologicae,  Mainz  1882, 


86  I^e  Rhelobrücke. 

and  in  den  Abhandlungen  Die  Rheinbrttcke,  Noch  einmal  die  Rheinbrttcke, 
Mainz  —  der  Baumeister  Rheinbard,  Caesars  Rbeinbrücke,  1883,  dessen 
Entwurf  in  die  Caesarausgabe  seines  Vaters  aufgenommen  worden  ist, 
Scblenssinger  in  Studien  zu  Caesars  Rheinbrücke,  Mflnchen,  Lindaner  1884 
und  zur  Rheinbrücke  in  Bl&tt.  fftr  das  bayer.  Gymnasialwes.  XX,  8  und 
Menge,  Philol.  XLIV,  2  1886  ihre  weit  auseinandergehenden  Ansichten 
ausgesprochen.  Ich  habe  über  diese  Versuche,  den  Brückenbau  zu  er^ 
klären,  meine  Meinung  im  Philolog.  Anz.  XIV,  10  S.  631—548  und  im 
Pbilolog.  Suppl.  V  386—388  abgegeben  und  glaube,  die  Einwendungen, 
welche  gegen  meine  Auffassung  erhoben  worden  sind,  wie  die  neuen  seit- 
dem zum  Vorschein  gekommenen  Annahmen  erfolgreich  widerlegt  zu  ha- 
ben, begnüge  mich  daher  auf  diese  Aufsätze  zu  verweisen.  Rnd.  Schnei- 
der hat  die  oben  angeführten  Schriften  in  den  Jahresberichten  XII  und 
XIII  in  ähnlicher  Weise  wie  ich  besprochen,  auch  in  der  Berliner 
Philol.  Wochenschr.  1884  161 — 166  einen  eignen  Aufsatz  Ueber  Caesars 
Rheinbrücke  veröffentlicht,  sich  im  Wesentlichen  der  Darstellung  Napo- 
16on's  anschliessend  und  nur  gegen  die  fibulae  desselben,  die  ich  immer 
für  eine  Hauptsache  angesehen  habe,  Einwand  erhebend.  Ich  ziehe  fer- 
ner aus,  was  in  den  Jahrb.  der  Alterthumsfreunde  im  Rheinlande,  Heft 
LXXX  1886,  Prof.  Dr.  E.  Hübner  in  seiner  Abhandlung  Neue  Studien 
über  den  römischen  Grenzwall  schliesslich  darüber  bemerkt:  »Ueber 
Helleres  wohlbegrttndete  und  umsichtige  Interpretation  wird  schwerlich 
hinausgegangen  werden  können«.  —  Der  Ort,  wo  Caesar's  Brücken  ge- 
gchlagen  worden  sind,  hat  mit  Sicherheit  nicht  ermittelt  werden  können. 
Hübner  bemerkt  eben  da:  »Bei  dem  der  Hauptsache  nach  Jetzt  aufge- 
deckten grossen  Castell  von  Bonn,  wo  zwei  von  Osten  kommende  Strassen, 
eine  nördlichere  und  eine  südlichere,  münden,  sind  oder  waren  unzwei- 
deutige Reste  einer  Rheinbrücke  vorhanden.  Dass  Caesar  hier  eine  sei- 
ner Rheinbrücken,  wohl  die  zweite,  schlug,  und  dass  der  auf  dem  linken 
Ufer  stehen  gebliebene  Anfang  in  der  Zeit  der  Kriege  des  Tiberius  und 
des  Germanicus  wieder  ergänzt  worden  ist,  entbehrt  durchaus  nicht  der 
Wahrscheinlichkeit«.  Dagegen  sind  neuerdings  bei  der  Kapelle  zum  gu- 
ten Mann  zwei  parallele  Spitzgräben  und  an  dem  nicht  weit  davon  ge- 
legenen Thurmer  Werth  Holzreste  etc.  gefunden  worden;  der  Regierungs- 
baumeister Isphording,  der  sie  im  Centralblatt  der  Bau  Verwaltung  1886 
S.  241  beschreibt,  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  hier,  mit  Benutzung  des 
oberhalb  an  das  Weissenthurmer  Werth  sich  anschliessenden  Kiesfeldes 
die  zweite  Brücke  Caesar's  gestanden  habe.  Hiemach  ist  die  Frage  nach 
dem  Standort  der  Brücken  noch  immer  nicht  erledigt.  Was  ich  hier  als 
Schlussergebniss  vorbringe,  findet  man  in  ausgeführterer  und  begründe- 
terer Darstellung,  wie  auch  verschiedenes  Andere  über  denselben  Gegen- 
stand, im  Philol.  1890. 


Caesar.  g7 

Sonntag,  Bemerkungen  zn  Caesar  de  hello  Oallico  IV,  17.    Pro- 
gramm des  K.  Friedrichs-Gymnasiums  zu  Frankfurt  a.  d.  0.  1890. 

Der  Verfasser  sucht  meine  Erklärung  der  fibulae  ahzuweisen.  Er 
hat  jedoch  von  meinen  Abhandlungen  nur  den  Bericht  flher  Schleussin- 
ger^s  Studie  gelesen.  In  einem  andern  meiner  Aufsätze  würde  er  eine 
weitere  Auseinandersetzung  über  das,  was  man  im  Alterthum  unter  fibuia 
verstand,  gefdnden  haben.  Er  meint  femer,  meine  Darstellung  stehe  mit 
Caesar's  Worten  (4,  nicht  8  Fibeln)  nicht  im  Einklang.  Die  Richtigkeit 
meiner  Angabe  habe  ich  mehrmals  nachgewiesen;  eine  einfache  Multipli- 
kation lehrt  sie,  und  diese  will  ich  hier,  auch  zu  Nutzen  und  Frommen 
anderer  Zweifler,  wiederholen.  Haec  utraque  die  beiden  Pfahlpaare  fluss- 
aufwftrts  und  flussabwärts  —  macht  zwei  —  wurden  utrimque,  auf  de^ 
Innern  sowie  auf  der  äussern  Seite  jedes  dieser  Pfahlpaare  —  macht 
vier  —  binis  fibulis  durch  je  zwei  fibulae  —  macht  acht  —  festgehalten; 
allerdings  auf  jeder  Seite  der  Brücke  sind  es  nur  vier.  Er  selbst  muss, 
wie  auch  schon  Andere,  utraque  und  utrimque  in  gleicher  Beziehung  und 
als  eines  das  andere  nur  wiederholend  aufgefasst  haben ;  aber  so  spricht 
Caesar  nicht;  sollten  beide  dasselbe  bedeuten,  würde  er  entweder 
das  eine  oder  das  andere  für  überflüssig  gehalten  und  weggelassen 
haben.  Ueber  seine  eigenen  tfibulae«  sagt  Sonntag:  Die  zur  Befesti- 
gung der  Brücke  dienenden  fibulae  bestanden  aus  2  etwa  6'  langen 
Balken  von  l^i — 2'  Dicke,  welche  an  zwei  Seiten  behauen  und  den  Win- 
keln angepasst,  an  den  Enden  durch  eiserne  Bänder  zusammengehalten 
wurden  (in  contrariam  partem  revinctae);  angebracht  waren  sie  in  den 
Scheitelwinkeln  (disclusae).  Man  sieht,  er  bezieht  disclusis  und  revinc- 
tis  nicht  auf  haec  utraque,  sondern  auf  binis  fibulis.  Ich  habe  mehrfach 
darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  solche^Balken,  wie  sie  der  Verfasser 
annimmt,  asseres,  oder  bei  der  von  Sonntag  ihnen  gegebenen  Dicke  tigna 
oder  trabes  hätten  genannt  werden  müssen.  Vielleicht  selbst  zu  sehr 
Partei  in  dieser  Sache,  glaube  ich,  diesen  neuen  Versuch  einer  Recon- 
struction  der  Rheinbrücke  dem  eignen  Urtheil  der  Leser  überlassen  zu 
müssen. 

Heerwesen. 

H.  Delbrück,  Die  römische  Manipulartaktik.    Hist  Zeitschr.  N. 
F.  XV  8.  239-264. 

Das  manipelweise  Durchziehen  und  Ablösen  der  Treffen  ist,  trotz 
der  Behauptung  des  Livius,  unmöglich,  weil  beim  Kampf  die  dazu  nö- 
thigen  Lücken  nicht  eingehalten  werden  können,  in  die  der  Feind  sofort 
eingedrungen  sein  würde :  demnach  ist  die  Quincunxstellung  und  die  Ab- 
lösung der  Treffen,  wie  sie  gewöhnlich  angenommen  wird,  zu  beseitigen. 
Livius  spricht  VIII,  8  nur  von  einem  massigen  Zwischenraum.  Die  In- 
tervalle dienten  in  der  von  der  Phalanx  ausgegangenen  Aufstellung  der 


gg  HMrireMo. 

Sehlach tlinie  nur  dazu,  den  nöthigen  Spielraum  für  die  Bewegung  zu  ge- 
ben, ausserdem  als  Durchgangsimnkte  fftr  die  ausschwärmenden  Leicht- 
bewaffneten. Anfangs  marschierten  die  hastati,  principes  und  triarii  nur 
mit  wenigen  Schritten  Abstand,  so  lange  ist  der  Ausdruck  Treffen  f&r 
sie  unzulässig;  die  Treffen  entstanden  erst,  vielleicht  seit  der  Zeit  des 
älteren  Sdpio  bei  Zama,  als  die  Verbreiterung  des  Abstandes  zwischen 
hastati  und  principes,  principes  und  triarii  eintrat 

W.  Soltau,  Die  Manipulartaktik.    Hermes  XX  S.  262—267. 

Der  Verfasser  stellt  gegen  Delbrück  die  Behauptung  auf,  dass  die 
Intervalle,  die  ja  auch  dieser  annehme,  beim  Beginn  des  Gefechts  (Po- 
lyb.  XVIII,  12)  dadurch  geschlossen  wurden,  dass  die  Soldaten  innerhalb 
jedes  Manipels  auf  doppelten  Abstand  (6  statt  3  Fuss)  auseinandertraten 
und  dadurch  die  manipelbreite  Lücke  ausfüllten,  bei  der  Ablösung  sich 
wieder  auf  drei  Fuss  zusammenschlössen. 

A.  Kuthe,    Die  römische  Manipulartaktik.    Wismar  1886.    Fest- 
programm. 

Die  Triarier,  welche  nicht  das  pilum,  die  Waffe  für  den  Femkampf, 
sondern  den  Stossspeer  führten,  bildeten  die  Reserve  und  dienten  auch 
im  Nothfall  für  die  Defensive ;  die  Offensive  hatten  hauptsächlich  die  bei- 
den andern  Truppengattungen  zu  ergreifen.  Die  Pilumsalve  erfolgte  mit 
geschlossenen  Gliedern,  erst  nachher  zogen  sich  die  einzelnen  Manipel 
nach  rechts  und  linkshin  auseinander;  und  bei  einer  wieder  vorgenom- 
menen Zusammenziehung  erscheint  die  Ablösung  der  Treffen  nicht  un- 
denkbar. 

F.  Fröhlich,    Beiträge  zur  Kriegsführung  und  Kriegskunst  der 
Römer  zur  Zeit  der  Republik.    Berlin,  Mittler  &  Sohn  1886. 

£twa  seit  den  Samniterkriegen  entwickelte  sich  aus  der  alten 
etruskischen  Phalanx  die  Manipularlegion ;  anfangs  bildete  man  nur  kleine 
Intervalle  zwischen  den  Manipeln  der  hastati,  nur  so  gross,  dass  20  ve- 
lites  oder  Leichtbewaffnete  durch  sie  ausschwärmen  und  sich  wieder  zu- 
rückziehen konnten;  in  der  ausgebildeten  Manipularlegion  aber  war  die 
Breite  der  Intervalle  gleich  der  Frontbreite  eines  Manipels.  Bei  der 
Beschreibung  der  Schlacht  bei  Zama  sagt  Polyb.  XV,  9,  Scipio  habe  je 
einen  Manipel  (oTteepa)  der  velites  in  die  Intervalle  zwischen  zwei  Ma- 
nipel (hier  mit  dem  Ausdruck  trr^fKua  benannt)  der  hastati  gestellt.  Sonst 
findet  sich  von  Manipeln  der  velites  keine  Erwähnung.  Deshalb  und 
wegen  des  Wechsels  in  den  Ausdrücken  für  Manipel  {tmBTpa  oder  artsipa 
und  ay^fxa/a)  erhebt  Rud.  Schneider  in  der  Berl  Philol.  Wochenschr.  1886 
No.  19  gegen  Fröhlich's  Wiedergabe  der  Stelle  des  Polybius  Einspruch, 
wogegen  dieser  sich  in  No.  27  mit  Berufung  auf  Polyb.  VI,  24  verthei- 
digt.    In  ähnlicher  Weise  wie  Kuthe  beschreibt  Fröhlich  den  Anfang  des 


Gaenr.  89 

t 

Kampfes:  »Hatten  die  velites  nach  dem  Ausschwärmen  sich  durch  die 
Intenralle  zwichen  den  Legionsroanipeln  zurückgezogen,  so  schlössen  die 
Legionen  die  Lücken  durch  Abstandnehmen  seitwärts;  jeder  Soldat  er- 
hielt dadurch  sechs  Fuss  Frontraum,  da  drei  Fuss  zum  ausgiebigen  Ge- 
brauch von  Pilum  und  Schwert  nicht  genügten.  Mussten  die  principes 
zur  Ablösung  vorrücken,  so  zogen  sich  auf  ein  Commando,  das  in  dem 
Moment  gegeben  wurde,  wo  die  vorrückenden  principes  hinter  dem  letz- 
ten Gliede  der  hastati  angelangt  waren,  die  hastati  wieder  auf  drei  Fuss 
zusammen.  In  der  älteren  Legion  gab  es  noch  keine  triarii,  die  3000 
Mann  theilten  sich  in  zweimal  1500,  zweimal  16  Manipel  der  hastati  und 
principes,  Liv.  VIII,  8.  Später  wurden  aus  den  principes  600  triarii 
ausgeschieden  and  dafür  800  Mann  aus  den  hastati  eingefügt,  und  so 
entstand  die  neue  Theilung,  fbnfmal  120  triarii,  zehnmal  120  principes, 
zehnmal  120  hastati.  Die  erste  Nachricht  von  den  triarii  findet  sich  in 
der  Schilderung  des  Polybius  von  den  Rüstungen  vor  der  Schlacht  bei 
Eknomus  266  v.  Chr.;  ihre  Errichtung  scheint  in  die  Zeit  der  Pjrrrhus- 
kriege  zu  faUen,  jedenfalls  in  die  Zeit  vor  Einführung  des  pilum,  da  ge- 
wiss die  hasta  nach  ihrer  Abschaffung  für  die  beiden  ersten  Treffen  nicht 
bei  der  Bildung  des  dritten  zum  zweiten  Male  im  römischen  Heere  wird 
eingeführt  worden  sein;  es  muss  angenommen  werden,  dass  das  pilum 
nach  den  Kriegen  mit  Pyrrhus  oder  während  derselben  aufkam.  Der 
Uebergang  zur  Cohortentaktik  war  ein  sehr  allmählicher,  die  definitive 
Aufgebung  der  Aufstellung  nach  Manipeln  dürfte  erst  seit  dem  Eintritt 
der  Italiker  in  die  römische  Legion  erfolgt  sein ;  bei  ihren  Truppen  hatte 
die  Gehörte  schon  längst  nicht  nur  administrative,  sondern  auch  taktische 
Bedeutung  gehabte  In  der  Aufstellung  der  drei  zu^  einer  Cohorte  ge- 
hörigen Manipel  schliesst  sich  Fröhlich  an  Rüstow  an. 

H.  Delbrück,  Die  Manipularlegion  und  die  Schlacht  bei  Cannae. 
Hermes  XXI  S.  66—90. 

Gegen  Soltau  wiederholt  Delbrück,  dass  ein  Zusammenziehen  der 
Hastatenmanipel  während  des  Kampfes  schwer  ausführbar  gewesen  sein 
müsse,  indem  der  Feind  sofort  in  die  entstandene  Lücke  eingedrungen 
sein  würde.  In  der  Manipulartaktik  unterscheidet  er  zwei  Perioden:  in 
der  älteren  stehen  die  hastati,  principes  und  triarii  unmittelbar  hinter 
einander,  die  Manipel,  je  zehn  in  jeder  Abtheilung  mit  120  Schwerbe- 
waffneten (bei  den  triarii  nur  60)  und  40  Leichtbewaffneten  neben  ein- 
ander, durch  kleine  Intervalle  getrennt,  und  die  Manipel  der  beiden  hin- 
teren Abtheilungen  auf  diese  Intervalle  der  vor  ihnen  stehenden  hastati 
gerichtet.  Scipio  führte  die  zweite  Periode  herbei,  in  welcher  die  ha- 
stati, principes,  triarii  als  Treffen  so  weit  von  einander  aufgestellt  wur- 
den, um  sieh  selbstständig  bewegen  und  nahe  genug,  um  sich  einander 
unterstützen  zu  können.  —  Gegen  Delbrück  wendet  Mommsen,  Archäo- 
logisch-epigraphische  Mittheilungen  aus  Oesterreicb«Ungarn  X  S.  5  ein: 


90  Heerwesen. 

Seit  man  hastati,  principes  und  triarii  unterschied,  muss  das  Wehrsystem 
eingerichtet  gewesen  sein  auf  Ablösung  des  ersten  Treffens  durch  ein 
zweites  und  Bereitsteilung  einer  Reserve,  und  damit  ist  die  phalangitische 
Ordnung,  auf  welche  Delbrttck's  Ansicht  im  Wesentlichen  hinanslftuft, 
aufgegeben. 

Rud.  Schneider,  Der  Rotten- und  Glioderabstand  in  der  Legion. 
Berliner  Philol.  Wochenschr.  1886  No.  20. 

Der  Verfasser  sucht  den  Widerspruch,  der  zwischen  zwei  Sätzen 
bei  Polybius  XYIII,  12,  wo  der  Abstand  von  Vorder-  und  Hintermann 
auf  drei  Fuss  angegeben  wird,  so  wie  zwischen  ihm  und  Vegetius  III, 
14,  der  zwischen  Vorderreihe  und  Hinterreihe  sechs  Fuss  ansetzt,  da- 
durch zu  lösen,  dass  er  sagt:  Stellt  man  die  Glieder  in  der  Frontstellung 
so  hintereinander,  dass  jeder  Mann  des  zweiten  Gliedes  die  eine  Lftcke 
des  ersten  deckt,  jeder  Mann  des  dritten  Gliedes  die  eine  Lftcke  des 
zweiten  u.  s.  w.  (Quincunxstellung),  so  erhält  jeder  Legionär  genügenden 
Raum  zur  Handhabung  von  Schild  und  Schwert  (drei  Fuss)  und  auch 
zum  Werfen  des  Pilums,  da  vor  ihm  und  hinter  ihm  sechs  Fuss  frei  sind. 

Wilh.  Votsch,  C.  Marius  als  Reformator  des  römischen  Heer- 
wesens (Sammlung  gemeinverständlicher  wissenschaftlicher  Vorträge, 
herausgegeben  von  R.  Virchow  und  F.  v.  Holtzendorff.  N.  F.  Erste 
Serie.    Heft  6). 

In  der  älteren  Zeit  hatten  nur  die  Manipel  Fahnen,  erst  Marius 
fährte  in  seinem  zweiten  Consulate  ein  gemeinsames  Feldzeichen,  den 
Adler,  für  die  ganze  Legion  ein;  die  Manipelfahnen  blieben,  und  Votsch 
will  auch  die  Einführung  von  Cobortenfahnen  dem  Marius  zuschreiben, 
wogegen  Domaszewski  die  Existenz  derselben  bestreitet.  Um  diese  An- 
nahme zu  begründen,  sucht  der  Verfasser  nachzuweisen,  dass  erst 
Marius  die  Cohorteneinrichtung  eingeführt  habe.  Ursprünglich  war  der 
Ausdruck  cohors  nur  die  technische  Bezeichnung  für  die  taktischen  Ab- 
theilungen, welche  die  einzelnen  Aushebungsbezirke  der  Bundesgenossen 
zu  stellen  hatten.  Da  nun  die  Gehörten  der  Bundesgenossen  wie  die  Le- 
gionen in  Manipel  zerfielen  (vgl.  Liv.  XXXVH,  89),  so  habe  man  sich 
allmählich  gewöhnt,  dem  einer  Coborte  der  Bundesgenossen  entsprechen- 
den Legionstheile  ebenfalls  den  Namen  cohors  zu  geben,  noch  ehe  die 
taktische  Vereinigung  der  drei  Manipel  zu  einer  Gehörte  erfolgt  war, 
ungefähr  um  die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Ghr.  Marius  ver- 
einigte nun  die  drei  hinter  einander  stehenden  Manipel  zur  taktisohen 
Einheit  der  Gehörte  und  brachte  die  Legion  auf  6200  Mann.  Da  im 
Jugurthinischen  Kriege  noch  die  Manipularstellung  erwähnt,  aber  im  B. 
Gatilin.  und  bei  Plutarch  im  Leben  Gaesar^s  die  Stärke  der  Heere  nur 
noch  nach  Geborten  angegeben  wird,  so  schreibt  Votsch  die  Umwandlung 
der  Manipularstellung  in  die  Gohortenstellung  dem  Marius  zu,  als  dem 


Caesar.  91 

einzigen  Heeresreformator  der  Zwischenzeit,  etwa  in  der  Zeit  des  Gim- 
bernkrieges,  wogegen  Rud.  Schneider  ß.  Jngnrth.  61,  8  cohortis  legio- 
narias  quattuor  anführt,  um  zn  zeigen,  dass  ^ie  Legionscohorte  keine 
Neuerung  der  Marianischen  Heeresreform  sei.    (S.  u.). 

A.  V.  Domaszewski,  Die  Fahnen  im  römischen  Heere.  Abhand- 
lungen des  archäologisch-epigraphischen  Seminars  der  Universität  Wien. 
Heft  V.  Mit  100  Abbildungen.  Wien,  Karl  Gerold's  Sohn  1885.  S. 
Rud.  Schneider,  B.  Philol.  Wochenschr.  1886  No.  8. 

Bei  dem  Nahkampf  mit  dem  Schwerte  löste  sich  die  Schlachtreihe 
in  Einzelkämpfe  auf,  alsdann  dienten  die  signa  den  zu  ihnen  gehörigen 
Soldaten  als  Richtpunkte.  So  hatten  denn  die  Feldzeichen  der  Römer 
nicht  nur  eine  symbolische,  sondern  vorwiegend  eine  taktische  Bedeu- 
tung. Demzufolge  standen  sie  im  ersten  Gliede,  b.  Afric.  16,  7.  Die 
älteste  Form  des  römischen  Feldzeichens  ist  die  Standarte  (vexillum), 
ein  quadratisches,  oben  an  dem  Querholz  einer  Fahnenstange  angebrach- 
tes und  am  unteren  Ende  mit'  Fransen  besetztes  Stück  Zeug,  welches 
zu  Caesar's  Zeit  gebräuchlich  war  als  Reiterfahne  bei  den  aus  Infanterie 
und  GavaUerie  zusammengesetzten  Truppenabtheilungen,  ebenso  als  Ab- 
theilungszeichen fOr  jedes  zeitweilig  aus  einem  Gorps  herausgenommene 
Detachement,  wahrscheinlich  auch  als  Reiterfabne  bei  einer  jeden  turma, 
ferner  als  Merkzeichen  bei  den  Transporten  der  Verwundeten  und  der 
Rekruten,  als  ständiges  Attribut  des  Feldherrn  in  der  Form  eines  grossen, 
rothen  Scblachtenbanners,  endlich  in  kleinerem  Massstabe  an  den  Feld- 
zeichen der  Manipel  angebracht.  Ausser  den  signa  hat  die  Legion  seit 
Marius  noch  eine  Fahne,  den  Adler,  er  ist  lediglich  der  Ausdruck  der 
Zusammengehörigkeit  der  Trappe.  Nach  b.  Gall.  II,  25,  1  quartae  co- 
hortis Omnibus  centurionibus  occisis,  signiferoque  interfecto,  signo  amisso 
die  Existenz  einer  Gohortenfahne  anzunehmen  hält  Domaszewski  nicht 
fär  nöthig,  weil  der  Zweck  eines  Gohortensignums  neben  den  drei  Mani- 
pelsigna  unerfindlich  ist,  und  die  Bildwerke  nur  eine  einzige  Form  des 
Legionssignum  darstellen.  •—  Mit  der  tuba  wurde  das  Zeichen  zum  An- 
griff gegeben,  b.  Gall.  II,  20,  l  und  zum  Rückzug  YII,  47,  l ;  in  diesen 
Fällen  ertönten  auch  die  Signale  der  cornicines,  b.  civ.  III,  92,  3  ut 
Signa  undique  concinerent:  das  Hauptsignal  wurde  mit  der  tuba  gegeben 
und  dies  von  den  cornicines  weiter  verbreitet.  Der  Verfasser  verbessert 
b.  Afric.  17,  1  contenderet  (st.  tenderet). 

Th.  Mommsen,  Zu  Domaszewski^s  Abhandlung  über  die  Fahnen 
im  römischen  Heere.  Archäologisch -epigraphische  Mittheilungen  aus 
Oesterreich-Ungarn. 

Der  Legionsadler  hatte  nicht  eine  bloss  »symbolischec  Bedeutung, 
er  gab  den  Standort  des  Befehlshabers  der  Legion  an.  Keinem  Abthei- 
Inngsfbhrer  fehlt  ein  entsprechendes  Feldzeichen,  und  umgekehrt  findet 


92  HeefWMtn. 

da,  wo  eine  taktische  Einheit  ohne  eigenen  Führer  ist,  dies  in  dem  Man- 
gel eines  Feldzeichens  seinen  Ausdruck.  Die  Legionscohorte  hatte  keinen 
eigenen  Commandanten  und  wie  y.  Domaszewski  nachgewiesen  hat,  daher 
auch  kein  Feldzeichen.  Die  republikanischen  Auxiliarcohorten  hatten 
Cohortenstandarten ,  aber  auch  eigene  Führer.  Bis  zur  Mitte  des  sie- 
benten Jahrhunderts  der  Stadt  führte  die  Legion  fünf  Feldzeichen:  den 
Adler,  den  Löwen,  den  menschenköpfigen  Stier,  das  Pferd  und  den  Eber; 
vielleicht  bezeichnete  der  Adler  von  jeher  die  ganze  Legion,  die  übrigen 
vier  Feldzeichen  die  drei  Treffen  und  die  velites;  die  Beseitigung  dieser 
Zeichen  und  die  alleinige  Beibehaltung  des  Adlers  fand  durch  Marius 
104  V.  Chr.  statt.  Das  Manipelsignum  brauchte  im  Gefecht  nicht  im 
ersten  Gliede  zu  stehen;  der  Ausdruck  antesignani  beweist,  dass  es  sei- 
nem Zweck  auch  in  einem  der  hinteren  Glieder  genügte.  Zwar  erwähnt 
Polyb.  schon  XI,  33,  1  Legionscohorten,  aber  diese  damalige  Zusammen- 
fassung  der  drei  hinter  einander  stehenden  Manipel  war  keine  stehende 
Einrichtung,  und  der  griechische  Schriftsteller  erwähnt  sie  daher  auch 
nicht  in  der  Schilderung  der  Zusammensetzung  der  Legion.  So  waren 
auch  die  cohortes  legionariae  im  Jugurthinischen  Kriege  (Sali.  Jug.  61) 
eine  ausserordentliche  Bildung;  die  ordentliche  Formation  der  Cohorte 
vollzog  erst  Marius. 

F.  Fröhlich,  Realistisches  und  Stilistisches  zu  Caesar  und  dessen 
Fortsetzern.  Festschrift  des  Philol.  Kränzchens  in  Zürich  1887.  Bei  der 
Cohortenlegion  befinden  sich  während  des  Kampfes  die  Leichtbewaffneten 
nicht  mehr  zwischen  den  einzelnen  Abtheilungen,  sondern  nur  als  grössere 
Massen  im  Centrum  (b.  Gall.  III,  24,  1  und  b.  civ.  I,  83,  2),  oder  der 
Reiterei  beigegeben.  Rüstow's  Ansicht  von  Intervallen  zwischen  den  Co- 
horten  ist  unbegründet,  dagegen  wird  es  Intervalle  zwischen  dem  Centrum 
(media  acies)  und  den  Flügeln  (cornua)  gegeben  haben.  Bei  der  Ablö- 
sung der  prima  acies  durch  die  secunda  ^ogen  sich  die  Soldaten  durch 
Anschliessen  nach  der  Mitte  des  Manipels  in  die  geschlossene  Stellung 
zurück.  —  Trotz  der  Genauigkeit  seiner  technischen  Terminologie  fehlt 
es  bei  Caesar  nicht  an  Mannigfaltigkeit  der  Phraseologie,  wofür  der  Ver- 
fasser eine  Menge  von  Beispielen  beibringt. 

Caesar's  Army:  a  study  of  the  military  art  of  the  Romans  in  the 
last  days  of  the  republic  by  Harry  Pratt  Judson.  Boston,  Cinn  & 
Comp.  1888. 

Hauptsächlich  folgt  der  Verfasser  in  seiner  Darstellung  dem  Buche 
Rüstow's.  47  in  den  Text  eingefügte  Illustrationen  stellen  den  Adler, 
das  Cohortenzeichen,  welches  nach  Domaszewski's  und  Mommsen's  Un- 
tersuchungen freilich  in  Wegfall  kommen  und  mit  dem  Manipelsignum 
vertauscht  werden  muss,  die  Fahne  (vexillum),  den  Adlerträger,  die  Ge- 
schütze etc.  dar;  angehängt  sind  14  Pläne,  die  Befestiguiügen  des  Rhone, 


GMSar.  9S 

die  HelTetierschlacht  etc.  und  sechs  Feldzngskarten,  Oallfen  sar  Zeit 
Caesar's,  der  Feldzag  von  68  etc.  Jndson  macht  keine  Ansprüche  da- 
rauf, neue  Forschungen  zu  liefern;  er  giebt  nur  eine  Zusammenstellang 
des  von  Andern  Geleisteten;  die  neuesten  Untersuchungen  deutscher  Ge- 
lehrter über  die  Manipulartaktik  übergeht  er,  einfach  bemerkend:  We 
assume  the  three  maniples  to  have  been  arrayed  side  by  side,  and  allow 
4  feet  for  the  interval  between  each  two  maniples,  in  which  intervals 
the  centurions  were  probably  placed;  in  andern  streitigen  Fällen,  z.  B. 
in  der  Frage  über  das  Aufrücken  der  Genturionen,  begnügt  er  sich  die 
verschiedenen  Ansichten,  in  diesem  Punkte  die  Annahmen  Rüstow's,  GK>e- 
ler's  und  Marqnardt's,  vorzutragen.  Die  Ausstattung  des  Buchs  ist  lo- 
benswerth;  es  ist  auch,  trotz  der  kleinen  eben  erwähnten  Mängel,  beson- 
ders wegen  der  guten  Abbildungen,  neben  den  deutschen  Werken  über 
diesen  Gegenstand,  dem  Studierenden  zu  empfehlen. 

Franz  Fröhlich,  Das  Kriegswesen  Caesars.   I.  Teil.   Schaffung 
and  Gestaltung  der  Kriegsmittel.    Zürich,  Schalthess  1889. 

Das  Buch  Rüstow*s  über  das  Heerwesen  und  die  Kriegführung  C. 
Julius  Caesars,  welches  Fröhlich  selbst  bahnbrechend  nennt,  enthält  nach 
seiner  Ansicht  hier  und  da  zu  viel,  hier  und  da  zu  wenig,  und  da  seit 
dem  Erscheinen  der  zweiten  Auflage  desselben  gerade  auf  diesem  Felde 
verschiedene  Einzelschriften  veröffentlicht  worden  sind,  hat  der  Ver- 
fasser des  vorliegenden  Werkes  sich  entschlossen,  eine  eigne  Darstellung 
des  Gegenstandes  zu  geben.  Vorarbeiten,  ausser  den  oben  angezeigten, 
Die  Gardetruppen  der  römischen  Republik  (1882),  Die  Bedeutung  des 
n.  panischen  Krieges  für  die  Entwicklung  des  römischen  Heerwesens 
(1884),  lassen  ihn  dazu  berufen  erscheinen.  Fröhlich  ist  durchweg  be- 
müht, ohne  Vergleichung  mit  den  jetzigen  Heereseinrichtungen,  das  rö- 
mische Kriegswesen  zar  Zeit  Caesar*s  nach  den  Ueberlieferungen  der 
Commentaricn  selbst,  oder  wo  diese  fehlen,  späterer  Schriftsteller  zu  be- 
schreiben, wobei  er  zugleich  stets  auf  die  Gelehrten,  welche  denselben 
Stoff  nebenbei  oder  ausschliesslich  behandelt  haben,  wie  Mommsen,  Na- 
poleon III.,  Stoffel,  Goeler,  Marquardt,  Lange,  Domaszewski,  Verehre 
(Les  armes  d^Alise,  Revue  arch^ol.  1864),  Lindenschmit  etc.  Bezug 
nimmt.  In  Betreff  des  vielfach  verschieden  ausgelegten  Avancements  der 
Centurionen  beruft  sich  der  Verfasser  auf  die  Abhandlung  von  Albert 
Müller,  Philol  XXXVIII  S.  126-149,  wo  es  heisst:  »der  jüngste  centu- 
rio  ist  der  decimus  hastatus  posterior,  er  hat  bei  vorkommendem  Avan* 
cement  die  andern  neun  Stellen  der  posteriores  dieser  Klasse  und  dann 
die  zehn  Stellen  der  hastati  priores  durchzumachen;  hierauf  tritt  er  zu 
den  principes  über,  bekleidet  in  derselben  Reihenfolge  die  zwanzig  Stellen 
dieser  Truppengattung  und  gelangt  dann  zu  den  triarii,  bei  denen  die 
Stellen  in  derselben  Weise  geordnet  sind.  In  der  Praxis  wurde  dies 
Princip   vielleicht  mitunter  durchbrochen,  da  ein  tüchtiger  centurio  je 


94  Heerwesen. 

nach  Umst&nden  wohl  dahin  gestellt  wurde,  wo  man  ihn  am  besten  ge- 
brauchen konntet.  Auf  dasselbe  etwa  kommt  heraus,  was  ich  lange  vor- 
her Philol.  XIII  8.  581  gegen  Ooeler's  Auffassung  geäussert  habe:  »Fflr 
wahrscheinlicher  ist  eine  andere  Ansicht  zu  halten,  nach  welcher  ein 
Centurio  nach  und  nach  die  Offizierstellen  der  zehnten  Gehörte  durch- 
macht und  dann  in  die  nennte  versetzt  wird;  die  Centnrionen  der  achten 
Gehörte  sind  octavi  ordines,  die  der  ersten  Gehörte  primi  ordines  oder 
centuriones  primorum  ordinnm;  ihrer  sind  demnach  sechs;  freilich  sagt 
Tac.  Hist.  ni,  22,  dass  von  der  siebenten  Legion  sechs  centuriones  pri- 
morum ordinum  getödtet  wurden,  ohne  omnes  hinzusetzen,  oder  es  allein, 
ohne  sex  zu  gebrauchen;  Ritter  erklärt  deshalb,  eine  Legion  habe  dreissig 
centuriones  primorum  ordinum  gehabt,  damit  meint  er  jedoch  die  cen- 
turiones priores«.  —  Eine  durchaus  verschiedene  Ansicht  stellt  H.  Bmocke, 
Die  Rangordnung  der  Genturionen,  Programm,  Wolfenbüttel  1884  auf: 
>Es  ist  ein  Unterschied  zu  statuiren  zwischen  den  primi  ordines  (6), 
d.  h.  den  Führern  der  ersten  Kompagnie  in  der  betreffenden  Altersklasse 
(der  nämlich  die  Genturionen  wie  ihre  Mannschaft  angehören),  und  den 
übrigen  neun  (insgesammt  64)  inferiores  ordines.  Ein  regelrechtes  Auf- 
rücken in  der  letztgenannten  Klasse  ist  nicht  nachweisbar;  es  lässt  sich 
aus  den  vorhandenen  Stellen  nur  schliessen,  dass  der  primus  beim  Ein- 
tritt in  eine  andere  Altersklasse  wieder  als  primus  dieser  Klasse  einge- 
stellt wurde,  dass  also  bereits  in  der  Manipularlegion  die  primi  ordines 
die  Elite  der  Genturionen  bildetenc.  —  »Von  welcher  Stelle  aus  die 
Genturionen  in  die  primi  ordines  kamen  (vgl.  b.  civ.  III,  68,  6  quem 
Gaesar  ...  ab  octavis  ordinibus  ad  primipilum  se  traducere  pronuntiavit), 
war  ganz  gleichgiltig,  ebenso  gleichgiltig  war,  wenn  sie  einmal  dieses 
Ziel  nicht  erreichten,  in  welcher  der  übrigen  neun  Geborten  sie  ihren 
Dienst  thatem.  Bruncke  beseitigt  übrigens  den  mehrfach  gehegten  Irr- 
thum,  dass  jeder  prior  der  Vorgesetzte  des  posterior  gewesen  sei,  und 
dass  jeder  primipilus  die  ganze  Geborte  befehligt  habe.  —  ViTas  die  Ru- 
derung der  Kriegsschiffe  anbelangt,  so  schliesst  sich  Fröhlich  der  An- 
sicht Breusing's  (Mitteilung  an  Bauer  in  Griech.  Kriegsalterthümer  S.  882) 
und  Jurien  de  la  Graviere's  (La  marine  des  anciens)  an,  denen  zufolge 
die  Annahme,  dass  gleichzeitig  sämmtliche,  natürlich  in  aufsteigender 
Reihe  an  Dimensionen  zunehmende  Ruder  in  Bewegung  gesetzt  wurden 
als  unmöglich  zurückgewiesen  und  nur  eine  gleichzeitig  in  Aktion  be- 
findliche Reihe  Ruderer  als  zulässig  erklärt  wird.  Die  Anbringung  von 
Ruderpforten  in  verschiedener  Höhe  sollte  nach  Breusing  dazu  dienen, 
den  Rudern  bei  schlichtem  Wasser  eine  niedrigere  und  bei  höherem 
Wellenschlag  eine  höhere  Lage  zu  geben.  Die  Abbildungen  von  Schiffen 
mit  drei  und  mehr  Ruderreihen  sollen  nur  andeuten,  dass  die  Trierea 
mit  einer  dreifachen  Garnitur  von  Remen  versehen  waren.  Ob  diese 
Entscheidung  mit  den  von  mir  Philol.  XIX  S.  664 — 672  gegebenen  Aus- 
einandersetzungen und  mit  gewissen  Stellen  des  Aristophanes,  z.  B,  Ra? 


Gaenr.  95 

nae  1074,  in  Uebereiostimmnng  gebracht  werden  kann,  erscheint  mir 
doch  sehr  fraglich;  am  meisten  aber  weicht  sie  von  den  frtther  so  viel 
gerühmten  Aufstellungen  Gräser*  s  (De  veterum  re  navali,  Thilol.  Suppl. 
in  Heft  2)  ab  —  In  dem  Kapitel  ttber  das  Geschützwesen  folgt  der 
Verfasser  im  Wesentlichen  Schambach.  —  In  dem  etwas  später  erschie- 
nenen II.  Theil  wird  die  Ausbildang  und  Erhaltung  der  Kriegsmittel  be* 
handelt,  in  den  Kapiteln  Ausbildung  der  Mannschaften,  der  Offiziere,  des 
kriegerischen  Geistes,  Leistungsfilhigkeit  des  Materials  (pilum,  Schwert, 
Bogen,  Schleuder,  tormenta),  Verpflegung  der  Truppen,  Sanitätswesen, 
Ergänzung  der  Truppen,  Erhaltung  und  Ergänzung  der  Thiere  und  des 
Materials.  —  Die  bisher  herausgekommenen  Kapitel  des  III.  Theils  be- 
handeln zuerst  die  Gefechtstaktik  der  Cohorte.  Der  Verfasser  lässt  die 
drei  Manipel  der  Cohorte  nebeneinander,  die  beiden  Genturien  jeden  Ma- 
nipels  hintereinander  stehen,  »da  ein  Nebeneinanderstellen  der  Genturien 
eine  viel  zu  ausgedehnte  Front  und  zu  geringe  Tiefe  ergeben  hätte  ;c  doch 
mögen,  fügt  er  hinzu,  bei  Vertheidigung  ausgedehnter  befestigter  Linien 
auch  die  Genturien  nebeneinander  aufgestellt  worden  sein,  so  vor  Alesia, 
wo  die  Distanz  von  80  Fuss  zwischen  den  Thürmen  der  Einschliessungs- 
linie  der  Front  eines  Manipels  (bei  einer  Tiefe  von  vier  Mann)  entsprach, 
dessen  beide  Genturien  nebeinander  standen.  Da  die  triarii  nur  halb  so 
stark  waren  wie  die  hastati  und  die  principes,  so  stellt  sich  die  Front- 
tiefe der  Gehörte  in  der  Regel  auf  10  Mann  heraus,  was  mit  der  An- 
gabe des  Frontinus  II,  3,  22  über  die  Aufstellung  der  Legionen  des  Pom- 
pejus  in  der  Schlacht  bei  Pharsalus  übereinstimmt.  Die  Annahme  StoffePs, 
dass  Caesar  seine  Gehörten  gewöhnlich  acht  Mann  tief  aufstellte,  lässt 
sich  nicht  direct  beweisen,  hat  aber  bei  der  geringen  Effectivstärke  sei- 
ner Legionen  viel  Wahrscheinlichkeit.  Bei  dem  nach  Rud.  Schneider 
angenommenen  Rottenabstand  von  drei  Fuss  bildete  die  Normalcohorte 
von  600  Mann  mit  60  Mann  in  der  Front  nnd  zehn  in  der  Tiefe  ein 
Rechteck  von  annähernd  180  Fuss  in  der  Front  und  30  Fuss  in  der 
Tiefe.  So  in  der  offenen  Gefechtsstellung,  in  der  geschlossenen,  welche 
durch  die  Ausdrücke  Signa  conferre  in  unum  locum,  conferti,  cuneum 
fiacere,  testndinem  facere  (die  beiden  letzteren  in  der  Offensive)  und  bei 
Livius  durch  comprimere  ordines,  densare  ordines  bezeichnet  werde, 
wurde  der  Rotten-  und  Gliederabstand  auf  das  Nothwendigste  beschränkt, 
der  Uebergang  aus  der  geschlossenen  in  die  offene  Gefechtsstellung  wird 
bei  Caesar  durch  laxare  manipulos  angegeben.  In  der  simplex  acies 
standen  sämmtliche  Gehörten  nebeneinander;  in  der  duplex  acies  in  bei- 
den Treffen  je  fünf  Gehörten;  in  der  triplex  acies  im  ersten  Treffen  vier, 
im  zweiten  und  dritten  je  drei  Gehörten  (b.  civ.  I,  83,  1);  den  Abstand 
der  drei  Treffen  von  einander  wie  des  letzten  vom  Lager  berechnet  der 
Verfasser  aus  derselben  Stelle  auf  60  Meter,  er  konnte  aber  unter  Um- 
ständen ein  bedeutenderer,  bis  auf  600  Meter  sein  (b.  Afric.  38).  Fröh- 
lich schliesst  sich  der  Ansicht  Delbrück*s  an,  nach  welcher  das  Kämpfen 


96  Heerwüen. 

mit  Beibehaltiing  der  Intervalle  (zwischen  den  Gohorten,  wie  Rflstow  sie  an- 
niaimt)  fOr  die  Zeit  der  Manipularlegion  (soll  wohl  heissen  Gohorteniegion) 
eine  Unmöglichkeit  war;  »der  Kampf  mit  Intervallen  mass  also  kanftig 
hin  aus  den  Handbüchern  gestrichen  werdenc.  Dagegen  wird  das  Vor- 
und  ZorOckgehen  der  velites  in  ftlterer  Zeit  dnrch  die  Intervalle  der 
Manipeln  hindurch  zur  Oentlge  bezengt  (Liv.  VIII,  8,  8);  jedem  Manipel 
der  hastati  waren  damals  aber  nnr  20  velites  beigegeben,  fnr  die  n«r 
^n  geringer  Manipelabstand  nOthig  war,  während  das  Gros  derselben 
hinter  den  triarii  stand;  in  der  Schlacht  bei  Zama  finden  sidi  jedoch 
bereits  Intervalle,  die  der  Front  eines  Manipels  entsprechen.  Die  Go- 
horteniegion dagegen  hat  keine  ihren  taktischen  Einheiten  ständig  bei- 
gegebene Leichtbewaffnete  (aoxilia),  sie  braucht  also  keine  Cohorten- 
intervalle;  wo  in  Gaesar's  Zeit  Leichtbewaffnete  (auxilia)  erwähnt  werden, 
finden  sie  sich  im  Gentrum  oder  anderwärts  zusammen  aufgestellt  (b. 
Oall.  III,  24,  1,  b.  civ.  I,  83,  2).  Legionsintervalle  lassen  sich  ffkr  die 
Zeit  Gaesar*s  nicht  mit  Sicherheit  nachweisen ,  sind  aber  auf  jeden  Fall 
nothwendiger  und  in  Folge  dessen  wahrscheinlicher  als  Gohorteninter- 
valle.  Wie  die  secunda  acies  die  prima  acies  unterstotzte  und  ablöste, 
ist  nach  Fröhliches  Aeusserung  schwer  zu  entscheiden;  er  schliesst  sich 
jetzt,  etwas  abweichend  von  seinen  froheren  Annahmen,  der  Auffassung 
Giesing^s  (N.  Jahrb.  f.  Philol.  137  S.  849 — 862)  an.  Dieser  nimmt,  ge- 
stützt auf  b.  civ.  I,  46,  7 — 8  und  III,  94,  1—2  eine  Einzelablösung  der 
Ermüdeten  durch  Frische  an,  wodurch  allerdings  die  taktischen  Einhei-. 
ten  nicht  mehr  gewahrt  werden  konnten,  nebenbei  glaubt  er  auch  an  die 
Möglichkeit  einer  gleichzeitigen  Massenablösung,  nämlich  so :  »Die  noch 
übrigen  Glieder  des  ersten  Treffens  mit  Ausnahme  des  zweiten  Gliedes 
nehmen,  sobald  die  Ablösung  heran  ist,  Vordermann  auf  das  erste  GUied; 
mittels  der  hierdurch  geöffneten  Wege  gehen  die  ablösenden  Abtheilun- 
gen, ebenfalls  Mann  auf  Mann  eingedeckt,  bis  unmittelbar  hinter  das 
zweite  Glied  vor;  ist  dies  geschehen,  so  springen  die  Leute  des  letz- 
teren ebenfalls  hinter  ihren  Vordermann  des  ersten  Gliedes  und  ziehen 
sich  nun  mit  dem  dritten,  vierten  u.  s.  w.  Gliede  rasch  hinter  die  Front 
zurück.  Die  vorderste  Reihe  dann  aus  dem  Kampf  zu  ziehen  ist  sehr 
einfach;  es  geschieht  dies  auf  das  schnellste,  indem  das  zweite  Glied 
(soll  heissen,  die  frischen  Leute,  welche  nun  das  zweite  Glied  geworden 
sind)  dnrch  die  Intervalle  des  ersten  sich  auf  den  Feind  wirft«.  —  Un- 
ter den  besonderen  Gefechtsformationen  der  Legionsinfanterie  werden  der 
orbis,  der  cuneus  und  die  testudo  kurz  erklärt.  Sodann  folgt  die  Ge« 
fechtsthätigkeit  der  Hülfsvölker  zu  Fuss,  Schleuderer,  Bogenschützen, 
Wurfspeerschützen,  deren  Stellung  bald  im  Centrum,  bald  vor  den  Le- 
gionen, bald  auf  einem  Flügel,  bald  auf  beiden  Flügeln,  bald  überall 
hin  vertheilt  angegeben  wird.  Die  in  der  Regel  auf  beide  Flügel  hin- 
gestellte Reiterei  konnte  nach  Schambach,  Die  Reiterei  bei  Gaesar,  keine 
besondere  Leistung  entwickeln,  weil  sie  weder  geschlossen  noch  in  schar- 


Caesar.  97 

fen  Gangarten  anzugreifen  verstand,  und  das  rfthrte  von  der  seit  dem 
zweiten  punischen  Kriege  aufgekommenen  Sitte  her,  leichtes  Fussvolk 
unter  die  Reiterei  zu  mischen.  Der  letzte  Abschnitt  Die  Gefechtsleitung 
liegt  erst  im  Anfang  vor. 

O.  Schambach,  Einige  Bemerkungen  über  die  Geschützverwen- 
dung bei  den  Römern,  besonders  zur  Zeit  Gaesar's.  Programm,  Alten- 
burg 1883. 

Geschütze  aller  Art  (mit  allgemein  zusammenfassendem  Ausdruck 
tormenta  genannt)  dienten  hauptsächlich  zur  Yertheidigung  einer  Stadt 
oder  eines  Lagers,  ausnahmsweise  auch  bei  der  Belagerung,  aber  nicht 
um  Bresche  zu  legen,  sondern  nur  um  die  Vert heidiger  von  den  Mauern 
zu  entfernen;  dabei  fiel  das  Abräumen  der  Zinnen  den  Ballisten,  die 
Entfernung  der  Vertheidiger  von  den  Mauern  den  Katapulten  und  den 
Scorpionen  zu.  Seit  dem  Jahre  57  führte  Caesar  bei  seinem  Heere  Feld- 
geschütze mit:  in  jenem  Jahre  wurden  solche  bei  der  Flügeldeckung  der 
Schlachtlinie  verwendet,  beim  ersten  Einfall  in  Britannien  wurde  die 
Landung  unter  dem  Schutz  des  auf  der  Flotte  befindlichen  Geschützes 
bewerkstelligt.  Die  offensive  Verwendung  der  Geschütze  und  ihr  Vor- 
schieben auf  freiem  Felde  durch  Pompejus  geht  aus  b.  civ.  III,  45,  3 
hervor.  Da  sich  in  den  meisten  Städten  tormenta  vorfanden,  so  konnte 
die  Beschaffung  derselben  Caesar  nicht  schwer  fallen :  sie  wurden  requi- 
rirt,  b.  Alex.  1,  1. 

Dr.  Raimund  Gehler,  Bilder-Atlas  zu  Caesar*s  Büchern  de  hello 
Gallico,  mit  über  100  lUustrationen  und  7  Karten,  Leipzig,  Schmidt 
und  Günther  1890. 

>In  diesem  Atlasc,  sagt  der  Verfasser  im  Vorwort,  »ist  zum  ersten 
Male  versucht  worden,  das  Denkmälermaterial  nicht  bloss  für  das  rö- 
mische Kriegswesen  bei  Caesar,  sondern  auch  für  gallische  Tracht  und 
Bewaffnung  möglichst  vollständig  zusammenzustellen;  auch  germanische 
Tracht  und  Bewaffnung  ist  berücksichtigt  worden«.  Für  die  vorange- 
schickten Auseinandersetzungen  über  das  römische  Kriegswesen  hat  er 
besonders  Marquardt,  Fröhlich,  Bd.  1,  Dittenberger's  Einleitung  zu  der 
Kranerschen  Ausgabe,  StoffeFs  Geschichte  und  R.  Schneider's  Jahres- 
berichte, nur  stellenweise  Rüstow's  und  Goeler's  Bücher  benutzt;  aber 
auch  die  neuesten  Abhandlungen  von  Domaszewski,  Bruncke,  Schambach, 
Zander  (Andeutungen  zur  Geschichte  des  römischen  Kriegswesens,  Ratze- 
burg 1859),  Assmann  (Seewesen  in  Baumeister^s  Denkmäler  des  klassi- 
schen Alterthums,  München  und  Leipzig  1885  —  1888),  Breusing  (Die  Nau- 
tik der  Alten,  Bremen  1886),  de  Saulcy  (Journal  des  Savants  1880), 
Droysen  (die  Alterthümer  von  Pergamon)  sind  berücksichtigt  worden.  Die 
Abbildungen  hat  der  Verfasser  hauptsächlich  aus  Baumeister  (Denkmäler), 
Duruy  (Histoire  des  Romains,  nach  Hertzberg*s  Uebersetzung),  v.  Göler, 

Jahresbericht  für  Alterthumswlssenschaft  LXVIII.  Bd.  (1891  II).         7 


98  Heerwesen. 

Iwan  von  Müller  (Handbuch  der  klassischen  Alterthumswissenschaft,  Nord- 
lingen  1886),  Lübke  (Grundriss  der  Kunstgeschichte)  entlehnt;  für  ein- 
zelne sind  ihm  die  Entwürfe  aus  dem  celtischen  Museum  von  Saint^Ger- 
main  zugänglich  gewesen,  z.  B.  die  Ansicht  von  dem  dort  aufgestellten 
Modell  der  Rheinbrücke,  an  dem,  wie  ich  schon  anderwärts  bemerkt 
habe,  die  fibulae  in  einer  Weise  angebracht  sind,  die  sich  schwerlich 
mit  den  Worten  Gaesar's  in  Uebereinstimmung  befindet.  »Nur  da,c  be- 
merkt Gehler  noch,  »wo  die  Denkmäler  im  Stiche  Hessen  . . . .,  ist  zu 
Wiederherstellungen  gegriffen  worden,  dieselben  sind  aber  stets  als  solche 
kenntlich  gemachte;  sie  entstammen  zum  Theil  alten  Handschriften.  In 
den  ausführlichen  Erläuterungen  der  Illustrationen  ist  der  Verfasser  vor- 
züglich Lindenschmit,  Froehner  (La  Golonne  Trajane)  und  A.  Müller  (in 
Baumeister's  Denkmälern)  gefolgt.  Die  Karten  sind  aus  Napol^on's 
Werke,  zum  Theil  aus  von  Kampen's  Descriptiones  etc.,  entnommen. 
Auf  dem  Titelblatt  ist  das  Bild  Gaesar's,  nach  der  Kolossalbüste  in  Nea- 
pel, beigegeben.  Macht  auch  der  Verfasser  keinen  Anspruch  auf  eigene 
Forschung,  so  hat  er  doch  die  besten  Quellen  mit  kritischer  Auswahl  zu 
Grunde  gelegt  und  in  knapper  Form  das  Wesentliche  vorgetragen.  Sol- 
che Darstellungen  finden  sich  auch  anderwärts,  z.  B.  in  der  Kranerschen 
Ausgabe,  auch  Abbildungen  kann  man  anderswo  antreffen.  Beides  zusam- 
men liegt  wohl  nur  hier,  und  was  die  letzteren  anbetrifft,  nirgends  in 
einer  solchen  Vollständigkeit  vor  wie  hier.  Nur  stellenweise  begründet 
Gehler  die  von  ihm  aufgenommene  Ansicht:  so  weist  er  R.  Schneider's 
Erklärung  der  Vegetiusstelle  über  den  Glieder-  und  Rottenabstand  mit 
dem  Einwand  zurück,  dass  bei  dem  römischen  Schriftsteller  ausdrück- 
lich stehe  inter  ordinem  et  ordinem,  sich  dabei  an  Marquardt's  Darstellung 
anschliessend,  nach  welcher  dort  eine  andere  als  die  gewöhnliche  Auf- 
stellung beschrieben  wird,  eine  Aufstellung  nämlich,  bei  welcher  die  Glie- 
der geschlossen,  die  Rotten  geöffnet  sind.  Für  die  Flotte  lässt  er,  ent- 
gegen der  von  Fröhlich  neuerdings  befürworteten  Behauptung,  dass  nur 
eine  Reihe  von  Ruderern  bei  allen  Kriegsschiffen  für  anwendbar  gehal- 
ten werden  könne,  die  frühere  Ansicht  bestehen,  nach  welcher  die  trirc- 
mis  drei,  die  quinqueremis  fünf  über  einander  angebrachte  Reihen  von 
Ruderern  gehabt  haben,  sich  darin  im  Wesentlichen  an  Assmann  anleh- 
nend, der  neben  Hochpolyeren,  in  denen  die  Ruderer  übereinander,  und 
Breitpolyeren,  in  denen  sie  nebeneinander  sassen,  und  ausserdem  noch 
eine  Verbindung  von  beiden  Systemen,  die  mehrgliedrige  Hochpolyere, 
annimmt.  —  Demnach  ist  das  Werk,  dessen  saubere  Ausstattung  dem 
Schriftsteller  wie  dem  Verleger  alle  Ehre  macht,  sehr  zu  empfehlen. 
Schwerlich  eignet  es  sich,  auch  schon  wegen  des  Preises,  zu  allgemeiner 
Anschaffung  für  Schüler;  der  die  Gommentarien  erklärende  Lehrer  wird 
es  gern  haben  wollen,  und  die  Schulbibliotheken  werden  es  sich  nicht 
entgehen  lassen.  Der  Verfasser  ist  Lehrer  beim  Königlichen  Gadetten- 
corps.    Wenn  auch  für  den  Gymnasialschüler  einzelnes  Ueberflüssige  er- 


•  I 


^■i 


^rm 


^T^"!^ 


•^••J9.J."     — »■ 


Caesar. 


99 


wähnt  ist,  was  in  den  Schriften  Gaesar's  gar  nicht  in  Betracht  kommt, 
z.  B.  der  thorax  stadios,  terebra  und  Anderes,  so  werden  doch  die  künf- 
tigen Officiere,  welche  sich  mit  der  Kriegsgeschichte  eingehend  zu  be- 
schäftigen wünschen,  wohl  auch  damit  ganz  zufirieden  sein. 


Lexika. 

Ausser  der  dritten  von  Draeger  besorgten  Ausgabe  des  Schulwör- 
terbuchs zu  den  Schriften  Caesar's  von  Ebeling  1885  und  der  sechsten 
Auflage  des  Schulwörterbuchs  zu  den  Gommentarien  vom  gallischen  Kriege 
von  Sichert  1885  (zusammen  mit  Textabdruck,  s.  Bud.  Schneider  Berl. 
Philol.  Wochenschr.  1886  No.  31.  32),  dem  der  Gitlbauerschen  Ausgabe 
angehängten  Wörterbuch  und  dem  von  Prammer  1884  in  Leipzig  bei 
Freytag  erschienenen  Schulwörterbuch  sind  in  dieser  Zeit  für  den  Ge- 
lehrten wie  für  den  Lehrer  gleich  wichtige  grosse  lexikographische  Ar- 
beiten erschienen  oder  doch  im  Erscheinen  begriffen.  Für  das  Nach- 
schlagen einzelner  Stellen,  die  man  aufzusuchen  veranlasst  ist,  empfiehlt 
sich  der  von  Holder  seiner  Ausgabe  angehängte  Index,  der  die  einzel- 
nen Formen,  in  denen  die  Wörter  vorkommen,  z.  B.  die  Accusative  in 
is  wenigstens  in  seiner  Ausgabe,  verzeichnet,  wobei  man  freilich  die  von 
Prammer  (Zur  Lexikographie  von  Caesar  de  hello  Gall.,  XXXIV.  Jahres- 
ber.  über  das  K.  K.  Staatsgymn.  im  III.  Bezirke  Wiens),  von  Mensel 
(Philol.  Wochenschr.  Hirschfelder  1883  No.  2),  von  Schiller  (zweites 
Supplementheft  zum  Philol.  Anz.  XIII)  und  von  mir  (Philol.  Anz.  XV 
Heft  4)  angegebenen  Versehen  zu  berücksichtigen  hat.  Den  Anfang  mit 
den  grösseren  lexikographischen  Arbeiten,  welche  fast  gleichzeitig  an^s 
Licht  getreten  sind  und  dem  Fleiss  und  der  Einsicht  der  deutschen  Ge- 
lehrsamkeit zur  Ehre  und  eingehenden  kritischen  Studien  zum  höchsten 
Nutzen  gereichen,  hat  Dr.  Siegmund  Preuss  gemacht,  der  ein  Vollstän- 
diges Lexikon  zu  den  pseudo - cäsarianischen  Schriften,  Erlangen,  Dei- 
chert  1884,  veröffentlicht  hat,  in  zwei  gesonderten  Theilen,  von  denen 
der  erste  das  B.  Gall.  VIII  und  das  B.  Alex.,  der  zweite  das  B.  Afric. 
und  das  B.  Hisp.  umfasst.  Er  hat  den  Dinterschen  Text  zu  Grunde  ge- 
legt, aber  jedesmal  auch  die  Lesarten  Dübner*s,  FrigelPs,  Holder's,  Em. 
Hoffmann's,  Kraner-Dittenberger's,  Nipperdey's,  Whitte's,  sowie  die  Con- 
jecturen  älterer  und  neuerer  Kritiker  angeführt.  Unter  condocefacio  fehlt 
noch  meine  von  Wölfflin  aufgenommene  Co^jectur  condocefecerat,  B.  Afr. 
19,  3,  st.  des  von  ihm  nur  unter  der  Coi^ectur  constituerat  erwähnten 
condidicerat  der  Hdschr.  und  des  von  Andern  dafür  eingesetzten  condo- 
cuerat.  Die  Eigennamen,  welche  man  ja  auch  im  Anhang  jeder  Aus- 
gabe mit  den  nöthigen  Nachweisen  vorfindet,  sind  unberüGksicktigt  ge- 
blieben. 

Mit  Preuss  zusammen  hat  Menge  ein  Lexicon  Caesarianum  zu  den 
echten  Schriften  Oaesar's  bei  Teubner  seit  1884  erscheinen  lassen.    Der 

7* 


lÖO  Lexika. 

• 

Dintersche  Text  bildet  auch  hier  die  erste  Grundlage,  auch  hier  sind 
die  Eigennamen  fortgeblieben.  l)ie  verschiedenen  Bedeutungen  eines 
Worts  werden  am  Eingang  des  Artikels  unter  Ziffern  zusammengestellt, 
dann  kommt  die  Eintheilung  nach  der  Verbindung,  in  der  das  Wort  mit 
andern  zusammen  vorkommt,  und  hier  wird  auf  die  Bedeutung  durch 
eine  rechts  etwas  höher  hinaufgerückte  Ziffer  aufmerksam  gemacht;  die 
Stellen,  welche  eine  von  den  gewöhnlichen  Bedeutungen  haben,  werden 
vom  in  der  Uebersicht  nur  der  Zahl  nach,  im  Text  nach  den  Büchern, 
Kapiteln  und  Paragraphen  angeführt,  ohne  abgedruckt  zu  werden,  wäh- 
rend Preuss  auch  für  diese  Fälle  die  etwas  zusammengezogenen  Sätze 
aushebt.  Erscheint  dies  Verfahren  auch  ziemlich  complicirt,  so  hat  es 
doch  eine  Kürzung  der  Artikel  gestattet;  das  Auffinden  einer  Stelle, 
welche  man  gerade  sucht,  wird  jedoch  dadurch  nicht  eben  erleichtert. 

In  bedeutend  ausführlicherer  Weise  ist  das  Lexikon  zu  den  Schrif- 
ten Caesars  und  seiner  Fortsetzer  von  H.  Merguet,  Jena  bei  Frommann 
1884—1886  angelegt  Einerseits  hat  der  Verfasser  die  echten  sowohl 
wie  die  unechten  Schriften,  auch  die  Fragmente  in  seinen  Bereich  ge- 
nommen, andererseits  die  sämmtlichen  Stellen,  in  denen  ein  Wort  sich 
vorfindet,  ausgehoben.  Einen  Vorzug  hat  dies  Lexikon  durch  den  über- 
sichtlichen Druck,  der  durch  die  bei  jeder  neuen  Wortverbindung  ge- 
machten Absätze  das  Nachschlagen  erleichtert,  ähnlich  wie  bei  dem  von 
Preuss  für  die  pseudo-cäsarianischen  Bücher  verfassten  Lexikon.  Zu 
Grunde  gelegt  ist  von  Merguet  der  Text  Nipperdey's;  Lesartefi  anderer 
Ausgaben  sind,  so  viel  ich  habe  ersehen  können,  nicht  angegeben,  auch 
nicht  die  zu  bedenklichen  Stellen  vorgeschlagenen  Emendationen,  er  be- 
gnügt sich  bei  diesen  mit  der  Setzung  eines  Kreuzes.  Fehlerhaft  citirt 
ist  B.  Alex.  45  adversum  st.  des  zu  navem  gehörigen  adversam;  unter 
voluntas  fehlt  contra  voluntatem  B.  Gall.  IV,  l,  9;  unter  pertinere  fehlt 
B.  civ.  III,  49,  4  rivos  qui  ad  mare  pertinebant,  wofür  ich  übrigens  per- 
fluebant  vorgeschlagen  habe;  ad  specus  angustiae,  wofür  Paul  aspera, 
angustias  vallium  eingesetzt  hat,  steht  nicht  B.  civ.  II,  41,  sondern  III, 
49.   Andere  Versehen  habe  ich  bei  häufigem  Nachschlagen  nicht  gefunden. 

In  weit  ausgedehnterer  Weise  noch  ist  das  Lexicon  Gaesarianum 
Heusers  Berlin,  Weber,  seit  1884,  abgefasst,  obgleich  es  sich  auf  die 
echten  Schriften  Caesar's  und  die  Fragmente  beschränkt  Der  zweite 
Band  ist  noch  nicht  fertig  und  reicht  in  seinem  achten  Heft  erst  bis  re- 
dpio.  Mit  eben  so  grosser  Genauigkeit  wie  Umsicht  sondert  Mensel 
nicht  nur  die  verschiedenen  Bedeutungen  und  Verbindungen,  in  denen  ein 
Wort  auftritt,  jedesmal  den  unverkürzten  Satz  beibringend,  sondern  er 
führt  auch  an  streitigen  Stelleu  überall  die  Lesarten  der  beiden  Hdschr.- 
klassen  a  und  /9,  hier  und  da  auch  die  Uebereinstimmung  eines  oder  des 
andern  Manuscripts  der  ersten  Klasse  mit  denen  dec  zweiten,  sowie  die 
verschiedenen  Besserungsvorschläge,  so  viel  ich  habe  abnehmen  können, 
vollständig  an.    Die  nomina  propria  sind,  und  nicht  bloss  wo  es  sich  um 


Cftesar.  101 

die  Formen  der  Wörter,  wie  Atrebatibus  oder  Atrebatis  etc.,  handelt, 
gleichfalls  vertreten.  Zu  Grunde  gelegt  ist  zwar  für  die  sieben  Bttcher 
des  B.  GalL  der  Text  Holder's,  für  das  B.  civ.  der  Dinter^s,  aber  die 
früheren  Recensionen  von  Oudendorp  au  sind  ausserdem  zu  Ratb  gezogen. 
Aus  dem  Jahresbericht  XI  des  Vereins  Berliner  Philologen  in  der  Ztscbr. 
für  Gymnasialwes.  geht  hervor,  welche  eingehende  Studien  Mensel  über 
die  verschiedene  Ueberlieferung  der  Codices  gemacht  hat ;  dieser  Aufsatz 
vervollständigt  die  früher  von  mehreren  Andern  über  diesen  Gegenstand 
geführten  Untersuchungen.  Er  kommt  dabei  zu  dem  Schluss,  dass,  wo 
im  B.  Gall.  einer  der  Codices  von  a,  etwa  A  oder  B  oder  auch  M,  mit 
den  Handschriften  der  Klasse  ß  übereinstimmt,  die  richtige  Lesart  vor- 
liegt; im  B.  civ.  folgert  er  dasselbe  aus  der  Uebereinstimmung  von  af 
mit  hl,  oder  wenigstens  von  ahl,  fhl,  afh,  und  zeigt,  dass  auf  dieser 
Grundlage  die  bisherigen  Texte  an  einzelnen  Stellen  zu  verbessern  sind ; 
er  knüpft  an  diese  Auseinandersetzung  noch  eine  Reihe  anderer  Besse- 
rnngsvorschläge  an.  Im  Jahresbericht  XII  setzt  er  diese  Bemühungen 
fort.  Eine  besondere  Untersuchung  über  die  Formen  a  und  al^  der  Prä- 
position, N.  Jahrb.  f.  kl.  Philol.  1885  Heft  5  und  6  und  Jahresber.  XI,  hat 
ihn  in  der  schon  früher  von  mir  übernommenen  Ueberzeugung  bestärkt, 
dass  die  Klasse  ß  bei  weitem  mehr  Berücksichtigung  verdient,  als  ihr 
durch  Nipperdey  und  seine  Nachfolger  zu  Theil  geworden  ist  Der  Un- 
terscheidung der  Formen  von  is  und  hie,  ob  z.  B.  ab  eis  oder  ab  bis 
gelesen  werden  müsse,  hat  Mensel  eine  besondere  Sorgfalt  zugewendet« 
So  liegt  denn  in  seinem  Lexikon  —  und  dadurch  zeichnet  es  sich  we- 
sentlich vor  den  andern  aus  —  nicht  bloss  der  Nachweis  der  Wörter, 
sondern  namentlich  auch  durch  die  Anführung  aller  Besserungsvorschläge, 
eine  durchgreifende  Revision  des  Textes  vor,  auf  welche  bin  eine  neue 
kritische  Ausgabe  veranstaltet  werden  könnte;  Paul  hat  im  B.  civ.  von 
seinen  Bemerkungen  ausgiebigen  Gebrauch  zu  machen  verstanden,  und 
ebenso  neuerdings  Fr.  Hofmann.  Der  Verfasser  hat  auch  die  Abhand- 
lungen, welche  sich  über  einzelne  Gegenstände  verbreiten,  nachgewiesen; 
vermisst  habe  ich  darunter  nur  Planer,  Caesar's  Antesignanen  in  den 
Symbolae  Joachimicae  1860,  s.  Philol.  Anz.  XIT  S.  149.  Wenngleich 
Mensel,  wo  eine  andere  Bedeutung  oder  eine  andere  Verbindung  eines 
Worts  anhebt,  es  durch  ein  Fähnchen  bezeichnet  hat,  so  ist  doch  die 
Uebersichtlichkeit  des  Drucks  wegen  dieser  ohne  Absätze  veranstalteten 
Zusammendrängung  der  Artikel  etwas  erschwert;  das  Lexikon  dient  un- 
gleich besser  als  das  Merguet's  dem  Studium,  zum  schnellen  Auffinden 
einer  Stelle,  die  man  sucht,  ist  das  letztere  bequemer.  (S.  auch  Philol. 
Anz.  XV  Heft  4). 

Zum  bell.  Afric.  hat  fQr  die  Wölfflin*sche  Ausgabe  ein  ausführli- 
ches Lexikon  aller  in  diesem  Buche  vorkommenden  Wörter  und  Wort- 
verbindungen der  Mitarbeiter  MiodoiSski  geliefert 

Das  Schulwörterbuch  zu  Gaesar's  Commentarien  de  hello  Gallico 


102  Grammatisches. 

von  J.  Prammer,  F.  Tempsky,  Prag  und  Leipzig  1884,  besprochen  von 
Zeiger  in  der  Zeitschr.  f.  österr.  Gymn.  1884,  legt  die  Ausgabe  des  Ver- 
fassers zu  Grunde  und  thut  der  von  derselben  abweichenden  Lesarten 
anderer  Abdrücke  keine  Erwähnung. 

Grammatisches. 

Em.  Hoff  mann,  Studien  auf  dem  Gebiet  der  lateinischen  Syntax. 
Wien,  Konegen  1884. 

Hauptsächlich  erörtert  der  Verfasser  die  Zeitfolge  nach  dem  prae- 
sens historicum.  Die  Fälle,  in  denen  er  den  Gebrauch  der  praesentia 
im  Nebensatze  oder  in  untergeordneten  Sätzen  für  zulässig  hält,  sind 
folgende:  1)  wenn  der  Nebensatz  nur  einen  begrifflichen  Bestandtheil 
des  Hauptsatzes  bildet ;  2)  wenn  er  entweder  Object  oder  Epexegese  des 
Hauptsatzes  ist;  3)  wenn  der  Inhalt  des  conjunctivischen  Relativ-,  Final-, 
oder  Fragesatzes  durch  präsentische  Fassung  von  den  historischen  Be- 
standtheilen  des  Zusammenhanges  geschieden  und  als  aus  dem  Sinne  des 
Berichterstatters  gesprochen  hingestellt  werden  soll.  Ueber  diese  Ab- 
handlung spricht  im  Philol.  Anz.  XIV.  5,  1884  ausfuhrlich  G.  Ihm:  er 
möchte  der  temporalen  Selbstständigkeit  der  Nebensätze  weniger  enge 
Schranken  auferlegen,  als  es  der  Verfasser  thut.  Ich  selbst  bin  über- 
zeugt, dass  er  für  einige  Sätze  in  seiner  letzten  Ausgabe  der  Commen- 
tarien,  in  Betreff  deren  er  sich  auf  diese  Abhandlung  bezieht,  keineswegs 
eine  endgültige  Entscheidung  gegeben  hat. 

Arn.  Hug,  Die  consecutio  temporum  nach  dem  praesens  histo- 
ricum, Rhein.  Museum  1885.  In  dieser  Abhandlung  stellt  Hug  fest,  in 
welchen  Fällen  er  in  seinem  1860  in  den  N.  Jahrb.  für  Philol.  LXXXI 
erschienenen  Aufsatz  gleichen  Titels  sich  mit  Em.  Hoffmann  übereinstim- 
mend geäussert  hat,  und  sucht  seine  andern  Aufstellungen  gegen  die  Ein- 
wendungen des  Letzteren  in  Schutz  zu  nehmen.  Sicherheit  über  die 
Conjunctivsätze  ist  auch  daraus  nicht  abzunehmen;  als  fest  bleibt  nur 
die  von  Beiden  aufgestellte  Regel:  Die  relativen  Sätze  mit  quam  und 
dem  Superlativ,  die  correlativen  mit  tantum  quantum,  quicunque  u.  s.  w. 
haben  bei  praesens  historicum  im  Hauptsatz  immer  praesens  (des  Indi- 
cativs  und  in  indirecter  Rede  des  Con^junctivs);  dasselbe  ist  der  Fall, 
wo  der  Schriftsteller  als  solcher  (nicht  als  handelnde  Person)  eine  er- 
läuternde Bemerkung  einfiicht 

Franz  Wania,    Das  praesens  historicum  in  Caesar's  Bell.  Gall. 
Wien,  Pichler's  Witwe  &  Sohn  1885. 

Ohne  auf  die  Auseinandersetzungen  Em.  Hoffmann's  einzugeben, 
kommt  der  Verfasser  dieser  Broschüre  in  der  Behandlung  desselben 
Gegenstandes  auf  ein  verschiedenes  E  rgebniss.     G.  Ihm  bemerkt  im  Phil 


Cftesar.  203 

Aoz.  XVI,  Heft  7.  8:  »Den  Grund  für  den  Wechsel  zwischen  präteri- 
taler  und  präsentischer  consecutio  findet  Wania  in  der  verschiedenen 
Beziehung  des  betreffenden  Nebensatzes  einerseits  auf  den  Standpunkt 
des  erzählenden  Schriftstellers,  andererseits  auf  den  Gedankengang  des 
im  übergeordneten  Satze  sprechend  beziehungsweise  erwägend  vorgeftlhr- 
ten  Snbjectesc.  Dieser  zwar  im  Eingang  aufgestellte  Gesichtspunkt  tritt 
jedoch  in  der  weiteren  Erörterung  gegen  andere  Unterscheidungen 
zurück:  es  handelt  sich  nämlich  in  dieser  Arbeit  hauptsächlich  um  die 
Folge  eines  Imperfects  oder  Präsens  des  Conjunctivs  nach  einem  histo- 
rischen Präsens;  nach  der  Annahme  des  Verfassers  folgt  das  erstere,  von 
ihm  als  conditionalis ,  als  bedingtes  futurum,  gleichsam  als  Coi^unctiv 
des  Futurums  aufgefasst,  dann  (z  B.  in  Final-  oder  finalen  Relativsätzen), 
wenn  das  Eintreten  der  im  abhängigen  Satze  beigebrachten  Handlung 
nach  der  im  Hauptsatze  enthaltenen  eine  ausdrücklich  angegebene 
oder  nothwendig  vorauszusetzende  Zeitdauer  beansprucht;  wo  dagegen, 
wie  nach  den  Verben  mandare,  imperare,  monere,  hortari,  rogare,  obse- 
crare  etc.,  besonders  nach  militärischer  Auffassung,  die  Ausführung  als 
dem  Befehl  unmittelbar  folgend  gedacht  werde,  stehe  das  Präsens  des 
Conjunctivs.  Viele  der  von  Wania  aus  den  Commentarien  fftr  diese  seine 
Regel  angeftlhrten  Beispiele  bestätigen  dieselbe  allerdings,  und  man  be- 
greift danach,  wie  der  Verfasser  auf  dieselbe  hat  geführt  werden  können; 
unter  den  drei  von  Rud.  Schneider  Jahresbericht  XIII  herausgegriffenen 
und  gegen  sie  geltend  gemachten  Beispielen  widerspricht  ihr  eigentlich 
nur  das  eine:  I,  5,  4  persuadent  Rauricis  —  uti  —  una  cum  iis  pro- 
ficiscantur,  da  hier  zwischen  üeberredung  und  Ausführung  eine  geraume 
Zeit  als  verstrichen  angenommen  werden  muss.  Nach  diesem  Princip 
sucht  Wania  da,  wo  die  Handschriften  von  einander  abweichende  Les- 
arten (z.  B.  possent  oder  possint)  bieten,  eine  Entscheidung  zu  treffen, 
die  freilich  nur  sicher  sein  kann,  wenn  die  Regel  fest  begründet  ist. 
Für  die  Gonsecutivsätze  stellt  er  die  Behauptung  auf:  »Die  Handlung 
des  Consecutivsatzes  hat  in  Folge  ihres  innigen  Zusammenhanges  mit 
der  Handlung  des  regierenden  Satzes  die  Geltung  einer  Coincidenz,  da- 
her folgt  auf  das  praesens  historicum  der  Conjunctiv  Präsentist,  und  er- 
örtert die  wenigen  Fälle,  in  denen  das  Imperfectum  des  Coi^unctivs  aus 
besonderen  Rücksichten  gesetzt  sein  soll.  Diese  seine  Anschauung  führt 
er*8odann  noch  an  den  Sätzen  der  indirecten  Frage,  an  den  Relativ- 
sätzen der  indirecten  Rede,  an  den  Causalsätzen,  den  Bedingungssätzen, 
den  Temporalsätzen  durch  und  schliesst:  »Das  praesens  historicum  ist 
vom  Standpunkte  der  in  der  Erzählung  handelnd  auftretenden  Personen 
stets  ein  reines  Präsens,  vom  Standpunkte  des  Schriftstellers  dagegen 
immer  ein  Präteritum,  und  die  in  Begleitung  des  praesens  historicum 
häufig  auftretende,  dem  Conj.  Impf,  gleiche  Form  ist  in  sehr  vielen 
Fällen  kein  Imperfectum,  also  keine  präterite  Form,  sondern  ein  Futu- 
rum der  bedingten  Aussaget.     Dazu  bemerkt  Ihm  a.  a.  0.:     »Gegen 


I 


104  Grammatisehea. 

die  Zarttckfahrong  der  Syntax  des  praes.  histor.  auf  feste  logisch  zwin- 
gende Gesetze,  auf  eine  bestimmte  zeitliche  Lage  der  einzelnen  Hand- 
lungen, möchte  ich  zum  Schluss  die  Frage  aufwerfen:  wie  wäre  unter 
diesen  Umständen  die  yerscbiedene  Behandlung  des  praes.  histor.  bei 
den  verschiedenen  SchrifbsteUern  zu  erklären?  wie  z.  B.  die  Thatsache, 
dass  im  B.  GalL  YIII,  B.  Alex.,  Afric,  Hisp.  das  Präsens  des  Neben- 
satzes fast  gänzlich  zurücktritt  gegen  die  präteritale  consecutio,  obwohl 
sich  diese  Schriften  auf  demselben  Gebiet  bewegen,  wie  die  Bttcher  Cae- 
sars ?ff  Wenn  auch  nicht  abgeschlossen,  ist  die  Untersuchung  durch  die 
drei  eben  besprochenen  Schriften  wieder  in  Anregung  gebracht  worden* 

Chr.  Hauser,  C.  Julii  Caesaris  commentariorum  de  b.  Gall.  et 
de  b.  civ.  textus,  qui  vocatnr,  cum  praeceptis  grammaticis  ab  eodem 
scriptore  in  libris  de  analogia  traditis  comparatio.  Programm  des  E. 
Staatsgymnasiums  Villach  1883. 

Der  Verfasser  will  den  Dativ  der  vierten  Declin.  auf  u  eingesetzt 
haben;  im  Genitiv  und  Dativ  der  fünften  Declin.  steht  die  Ueberlieferung 
der  Hdschr.  der  Form  auf  e  st  ei  entgegen,  er  hat  gefunden,  dass  sese 
stärker  sei  als  se  und  nur  von  Personen  gebraucht  werde,  und  dass  es 
niemals  sich  hinter  Präpositionen  finde,  ausser  zweimal  mit  inter. 

Dietericus  Rohde,  Adjectivum  quo  ordine  apud  Caesarem  et 
in  Ciceronis  orationibus  conjunctum  sit  cum  Substantive.  Programm 
des  Johanneums,  Hamburg  1884. 

Nach  der  Beobachtung  des  Verfassers  steht  das  Adjectivum  (er 
hätte  hinzufügen  sollen,  diejenigen  A4jectiva,  welche  Zahl,  Mass,  Grösse 
angeben,  wenn  sie  nicht  eine  nähere  Bestimmung  bei  sich  haben)  meist 
vor  dem  Substantivum,  das  Participium,  wenn  es  nicht  geradezu  Adjec- 
tivum geworden  ist,  wie  praesens,  rectus  etc.  hinter  demselben.  Sagt 
man  homo  improbus,  dagegen  improbus  civis,  so  wird,  hätte  der  Ver- 
fasser bemerken  können,  im  ersten  Falle  klassificirt,  im  andern  die  eigene 
Missbilligung  ausgesprochen,  daher  auch  pontifex  maximus  und  Aehnliches. 
Rohde  kommt  bei  seiner  Untersuchung  auf  das  Gesetz:  A<Uectiva,  die 
in  der  Regel  voranstehen,  erhalten  durch  ihre  Stellung  hinter  dem  Sub- 
stantivum den  Nachdruck,  diejenigen,  welche  regelmässig  hinter  demselben 
stehen,  erhalten  die  Hervorhebung  durch  Voranstellung:  auch  ich  glaube, 
dass  man  schlicht  und  amtlich  potestas  tribunicia,  nicht  ohne  einen  ge- 
wissen Affect  tribunicia  potestas  gesagt  hat  Natürlich  tritt,  so  fährt 
Rohde  fort,  bei  einem  folgenden  Relativsatz  das  Adjectivum,  selbst  das  Zahl- 
wort, hinter  das  Substantivum.  Auf  jeden  Fall  hat  Rohde  mit  dieser  Arbeit 
eine  Forschung  wieder  aufgenommen,  die  seit  Bröder,  der  noch  dazu  auf  ein 
ganz  anderes  Ergebnis  gekommen  war,  geruht  hatte.  —  In  einer  1887  er- 
schienenen Fortsetzung  Adjectivum  quo  ordine  apud  Sailusüum  conjunctum 
Sit  cum  Substantive  examinavit  D.  Rohde,  Festschrift  zum  Jubiläum  der 


Caesar.  105 

Göttinger  Universität,  begründet  er,  an  einer  Liste  der  sftmmtlichen  bei 
diesem  Schriftsteller  bald  vor  bald  hinter  dem  Snbstantivum  stehenden 
A4jectiva,  diese  seine  Ansicht  des  Weiteren  nnd  führt  anch  dabei  die 
Zahl  der  Fälle,  die  sich  in  derselben  Beziehung  bei  Caesar  vorfin- 
den, auf. 

Meusel,  A  und  ab  vor  Gonsonanten,  N.  Jahrb.  für  kL  Phiiol.  1885 
Heft  5  und  6. 

Die  gebildeten  Römer  haben  in  der  klassischen  Zeit  die  Form 
ab  als  selbstständige  Präposition  nur  vor  deigenigen  Gonsonanten  ge- 
braucht, die  auch  in  der  Zusammensetzung  ab  verlangten,  also  vor  d,  j, 
1,  n,  r,  s,  vor  allen  anderen  Gonsonanten  wurde  a  genommen.  (S.  auch 
Jahresber.  XI). 

Menge,  N.  Jahrb.  für  kl.  Phiiol.  1888  S.  67,  Das  reciproke  Ver- 
hältniss  bei  Gaesar  durch  s^,  ipsi  se  ausgedrückt.  Es  werden  die  Stellen 
der  Gommentarien  beigebracht,  in  denen,  statt  des  sonst  dafür  üblichen 
inter  se,  auch  se  ipsi,  oder  gar  das  blosse  se,  dem  Verfasser  reciproke 
Bedeutung  zu  haben  scheinen,  nämlich  b.  Gall.  II,  26,  1  milites  sibi  ipsos 
ad  pugnam  esse  impedimento  vidit,  YI,  37,  10.  YII,  28,  3.  70,  3  und  in 
der  Stellung  ipsi  se  b.  Oall.  II,  19,  6,  und  se  allein  b.  Gall. 
n,  26,  1  bei  coi^ungere,  bei  dem  sonst  inter  se  steht,  wie  b.  GalL 
YII,  73,  4,  b.  civ.  II,  2^  3.  10,  3.  Das  in  reflexivem  Sinne  üb- 
liche inter  se  kommt  bei  cohortari  dreimal  b.  Gall.  lY,  25,  6.  YI, 
8,  1.  40,  4,  bei  confirmare  YI,  2,  2,  bei  contingere  YII,  23,  3,  b.  civ. 
Ij  21,  3  vor.  —  In  demselben  Jahrgang  S.  271  spricht  K.  Goebel  dem 
Satz  b.  Gall.  II,  19,  6  ipsi  sese  confirmaverant  die  reciproke  Bedeutung 
ab,  ebenso  dem  Satze  se  ipsi  interficiunt,  wo  die  Reciprocität  nur  durch 
inter  se  hätte  ausgedrückt  werden  können,  das  überall  in  diesem  Sinne, 
und  wo  ein  Object  nöthig  ist,  mit  noch  einem  se  eintritt.  Er  schliesst, 
dass  durch  die  Regel:  »Das  eigentlich  reciproke  Yerbältniss  wird  bei 
Gaesar  entweder  durch  inter  se  oder  durch  se  ipsi  ausgedrückt«,  die 
Grammatik  nicht  werde  bereichert  werden  können.  —  Trotz  dieses  Wi- 
derspruchs bleibt  bei  den  andern  von  Menge  angeführten  Sätzen  die  re- 
ciproke Bedeutung  unleugbar.  -  Daraufhin  giebt  Menge  1889  S.  265 — 
274  eine  Zusammenstellung  der  Bezeichnungsweisen  des  reciproken  Yer- 
hältnisses,  »wo  eine  Gegenseitigkeit  zwischen  Theilen  entweder  des  Sub- 
jects  oder  des  Objects  vorliegt«:  von  zwei  Theilen:  alter  alterum,  uter 
utrum,  uterque  utrumque  (b.  Alex.  4,  1),  pars  cum  parte  (oder  allgemein 
ausgedrückt  civis  civem,  uterque  alterum  (Gic.  Tusc  II,  5,  13),  inter  se 
(und  unter  Umständen  inter  eös,  inter  ipsos),  ipsi  inter  se,  uterque  inter 
se  (Gic.  pro  Quiuctio  30);  von  mehreren  Theilen  alius  alium,  civis  ci- 
vem, inter  se,  ipsi  se  oder  se  ipsi.  Die  Abhandlung,  welche  den  Titel 
trägt:  Die  Bezeichnung  des  reciproken  Verhältnisses  bei  Gaesar,  aber 
auch  Beispiele  aus  andern  Schrifts^llern  beibringt,  soll  eine  Lücke  unsrer 


GnK]Ulik«a  laiftH«:  jwi-xk  fonfcrt  der  TerfKoer  «■  Sditus  to 
R«:*T  d«  dorn>ü<«WB  Spndknbranete  aaf  .aber  dwsea  bbber  nn- 
L^k  duk«l  gFbIi«l«D«»  Pnakt  >W  GraniBMik  ein  heOnvs  U±t  n  Ter- 
brriiM«. 

Menge,  Ceber  das  Bebäniin  in  der  Spnclie  Clsan.  Gnniu- 
Üscb>kritisGbe  Abluadlnng.  Ptoctm  der  Lateiniacbei  Hnptscliik. 
RaUe  a.  d.  Suüe  1B89. 

Der  Verfasser  giebt  ■■  Aa^fc-'nss  an  Driger's  Historisch  Stbüi. 

eine  fiyntematiscbe  l'ebei^icbt  d>r  G^brancfaawetsen  des  BelstiipniMBW 

in  iten  CommentArien,  da,  «o  I>riz«r  die  Beispiele  ans  dieses  fttiea 

lüRvl,  nie  ergänzend  nnd  in  einen  Anhang  die  ton  jenem  nicbt  bntti- 

•H'blltltcn  Kinzelheilen  beibringeni.    Di'^^  Beispielsammlnog  bsOe  an- 

■.l-miiirlich  fUr  die  Auearbeitong  sei=«  Leitkons  angelegt,  er  kat  sie  aber 

Ulli  iin'M  nir  wichtig  genug  gehahea.  ua  5>e.  da  se  wicht  gan  in  in 

K.«t»ii.'U  ili>^  Wnnerbncbs  pas&te.  ia  dieser  besoadern  Abhaarflaag  n 

\vu<m'iiili<<)ieri     Kr  hat  dabei  GelegenliTit  cenoiBBeB.  eine  nicbt  aabe- 

iluiUKilv  Anzahl  von  BesseningsionekliRtt  nsd  Lesartn  in  bespRcbn. 

V  liiil  IT   fiilüolileden  fOr  das  von  mir  la   b.  GalL  TU.  sa  3  Torge- 

mIiI.imi'ui'  iiitiijiii'  iiactiitn  (at  des  bandsdihnlicken  msigne  par alna  od 

tili  iiii'isi  tlMtHr  K'''i<'<a(ci<  insigne  pacaionm  eia:  L  44.  5  Best  eratqae 

■■i-  (.4»i  ii|>i>  (tili.  Mirli<ixle  Wort  mit  den  Haadicitr-.  st.  tdqoe  se  ea  spe. 

tllv  iln'  i'uiil   iiui|i(ti  i>i>  p«  spe.  Zacker  ideo>j3e  se  ean.  Andere,  i,  R 

iMMioitxrHir  iiml  ,Mfii«i'|,  abnr  nicht  Waitber.  nr  Veage  behnptet.  eo 

'IUI'  «"  i'lii.  Iiulinu  iiiOnhtcii);   b.  ci¥.  ni,  14.  7  qnasaM    —    &eahat«i 

haLrliHt  i.i    <|<iuiiiiim         ruoiiltatem  babebat  der  Bisdir.  aad  dn'  Aas- 

,""'":""  ''■  ""»■  '.  7.  fl  liriiiolpiim  Jocnra  (stprinripea  toeani.  «nl  man 

i'nNtiK  fln,i„  ,,rj,„,„,„  |„^mi„„,,  u„j  j„  Wortpriaeeps  skb  aar  ait  Per- 

"'"'•nNflmen  verbind«;  V.   i-j-n  hält  er,  wie  aneh  schon  Wei.  Or  on- 

,„77.2        '  y''  ^^'  '■'  ''"''1""  "■'■  des  hdschr.  qoi  «-.  aas  dea  icb 

J-l-ii,?  'Zu    '""■  ""  "^"«''-  ohne  zn  bemerken,  w«  «t  t«>  ge- 

AH<>tfM<»a  iiit.Hu'mTu'''^"'   '"   ^    "'"•  '"■  ^3'  '  "«^««fi«  "■  ««ne 

""    '"^  n..a (  .l,„vh  rkf""""*    nnricbtige  Ceber-et«^  Lfete 

■'   "■ lu.v^.M     ""j"*^^^""*;  P»'i«-  Sk*''- 

>-!'...M  «,vi,   ls^Z;.','  e^merknag  beBMa»d. 


^■■^■■-3i=.i~'Ves  et  TOT 


Caesar.  107 

faerant  valeribus);  III,  84,  3  behält  er  expeditos  ex  antesignanis  milites 
electis  ad  pernicitatem  annis  bei,  während  Em.  Hoffmann  milites  streicht 
und  selectis  drucken  lässt;  b.  Gall.  IV,  23,  5  [at]  quae  celerem  —  mo- 
tum  haberent,  ut  ad  nutnm  —  omnes  res  —  administrarentur,  mit  Ver- 
setzung des  ut.  S.  22  bemerkt  er:  »Einen  Grundsatz  der  Kritik  habe 
ich  von  den  Liebhabern  von  ß  noch  nicht  aufstellen  sehen;  es  wird  von 
Fall  zu  Fall  der  Text  festgestellt.  Darf  man  das  überhaupt  wissenschaftr 
liehe  Kritik  nenne  ?t  Der  Verfasser  vergisst  hierbei,  dass  auch  Nipper- 
dey,  der  entschiedenste  Anhänger  von  a,  der  allein  im  VII.  Buch  71  Les- 
arten ans  ß  hat  aufnehmen  müssen,  gleichfalls  nur  von  Fall  zu  Fall  sei- 
nen Text  hat  herstellen  können. 

C.  Goerlitz,  Das  Gerundium  und  Supinuro  bei  Caesar.  Pro- 
gramm des  K.  Gymnasiums  zu  Rogasen,  1887. 

Der  Verfasser  hat  aus  b.  Gall.  und  b.  civ.  die  sämmtlichen  Stellen, 
in  welchen  ein  Gerundium  oder  Gerundivum  vorkommt,  gesammelt,  da- 
bei auch  die  Sätze,  in  denen  das  Gerundium  mit  einem  davon  abhängi- 
gen Accusativ  auftritt,  was  hauptsächlich  da  der  Fall  ist,  wo  noch  ein 
anderes  Gerundium  (ohne  abhängigen  Casus  eines  Substantivs)  damit  ver- 
bunden ist,  z.  B.  b.  civ.  III,  15,  2  neque  lignandi  —  neque  naves  — 
religandi. 

Ilg,  üeber  den  Gebrauch  von  antequam  und  priusquam  bei  Cae- 
sar. Correspondenz- Blatt  für  die  Gelehrten-  und  Realschulen  1886. 
9.  10.  Heft. 

Zusammenstellung  der  Fälle,  in  denen  priusquam  und  das  nur 
zweimal  vorkommende  antequam  mit  dem  Conj.  Präs.,  mit  Indic.  Perf., 
mit  Conj.  Perf.,  mit  Coi^'.  Imperf.  und  Plusquamp.  verbunden  sind. 

P.  Uhdolph,  üeber  die  Tempora  in  koiyunktivischen  Nebensätzen 
der  Oratio  obliqua  bei  Cäsar.  Progr.  des  K.  kathol.  Gymn.  zu  Leob- 
schütz  1885. 

Im  Jahresber.  XIII  bringt  Rud.  Schneider  eine  kurze  Anzeige  dieser 
Arbeit,  gegen  den  Versuch  des  Verfassers,  das  plusquamperf.  conjunct. 
im  Folgesatz  b.  Gall.  VII,  54,  4  quam  in  fortunam  —  deduxisset,  ut 
non  solum  —  redissent,  sed  —  antecessisse  viderentur  durch  eine  ge- 
wisse Attraktion  der  Tempora  zu  erklären,  die  Conjectur  Kraffert*s  re- 
disse  empfehlend.  Mir  scheint  man  in  redissent  nur  eine  theoretische 
Schwierigkeit  herauszuklügeln.  Da  redissent  das  Antecedens  von  ante- 
cessisse ist,  kann  es  diesem  gegenüber  nur  in  der  Form  des  Plusquam- 
perf. auftreten:  postquam  redierunt,  antecesserunt,  und  indirect  ut,  post- 
quam  —  redissent,  etiam  —  antecessisse  viderentur.  Die  Abhandlung 
wird  von  Dreher,  Neue  Philologische  Rundschau  1889  S.  391  warm 
empfohlen. 


108  EiDsebe  Stellen. 

Max  Heynacher,  Was  ergiebt  sich  aus  dem  Sprachgebrauch 
Cäsars  im  b.  Gall.  für  die  Behandlang  der  lateinischen  Syntax  in  der 
Schale.    Zweite  Auflage.    Berlin,  Weidmann  1886. 

Unter  Anderm  findet  man  hier  die  Aufzählung  der  Wort-  und 
Satzverbindungen,  welche  bei  Caesar  nicht  vorkommnn.  S.  Wochenschrift 
f.  klass.  Philol.  1887  S.  370,  wo  einige  Versehen  angemerkt  werden. 

Einzelne   Stellen. 

Laurer,  Beiträge  zur  Kritik  und  Erklärung  von  Cäsars  Büchern 
über  den  gallischen  Krieg.    Programm  JSchwabach  1888  und  1884. 

Der  Verfasser  weist  manche  Aenderangsversuche  FauFs  (Ztschr.  f. 
d.  Gymnasialwes.  1881)  zarück.  Er  selbst  schlägt  vor:  II,  23,  4  quo  in 
dextro  comu  loco  legio  duodecima    —    constitisset ,  mit  ZufQgung  von 

loco  (st.  cum constitisset);  II,  30,  4  ex  aequo  collocare,  wo  ex 

aequo  in  gleicher  Weise  drohend  heissen  soll  (st.  sese  collocare);  Y, 
31,  5  quare  ne  (st.  quare  nee);  V,  34,  2  dispares  (st.  pares);  VII,  74, 
1  e  justo  discessu  (st.  des  hdschr.  ejus  discessu);  VIII,  praef.  2  ac  res 
gestas  Alexandriae  (st.  ab  rebus  gestis  — );  VIII,  13,  4  minimis  in  re- 
bus (st.  minimisque  rebus);  VIII,  15,  6  ut  consederant  (st.  ut  consue- 
verant)  und  nachher  in  acie  considere  (st.  in  acie  sedere);  19,  8  ita 
devictus  (st.  des  blossen  victus) ;  20,  2  insigni  calamitate  (st.  cognita  ca- 
lamitate);  23,  2  populi  Romani  usqaam  (st.  des  blossen  cujusquam);  38, 
6  ea  omuia  (st  ei  omnia) ;  42,  1  Quo  opere  proterriti  (st.  Quo  malo  per- 
territi).  —  Derselbe  Blatt,  f  d.  bayer.  Gymnasialschulwes.  XXI  19 — 23, 
V,  7,  8,  ille  a  nostris  revocatus  (st.  ille  enim  revocatus);  VII,  35,  4  in- 
terruptis  quibusdam  cohortibus  (st.  captis  — ). 

Rud.  Menge,  Quaestiones  Caesarianae.   Progr.  Eisenach  1883. 

Der  Verfasser  zeigt  an  Beispielen,  dass  b.  Gall.  I,  11,  4  quo  Aedui 
dem  von  Walther  vorgeschlagenen  atque  Aedui  vorzuziehen  sei;  I,  41,  4 
billigt  er  ex  Gallis  (st.  ex  aliis);  eben  da  verbessert  er  i^jecta  est  (st. 
innata  est);  II,  19,  8  Eadem  enim  celeritate  (st.  Eadem  autem  celeritate); 
II,  30,  4  vertheidigt  er  das  auch  von  mir  empfohlene  omnibus  Gallis  der 
Hdschr.  (st.  des  neuerdings  bevorzugten  hominibus  Gallis). 

Roh.  Wutke,  Quaestiones  Caesarianae,  Nissae  1885. 

In  diesem  in  zweiter  Auflage  erschienenen  Schriftchen  soll  der 
Nachweis  geführt  werden,  dass  Caesar  das  b.  civ.,  wenigstens  wie  es 
uns  vorliegt,  nicht  geschrieben  haben  könne;  Wutke  vermisst  darin  die 
Deutlichkeit,  welche  dem  b.  GqH.  eigen  ist;  z.  B.  I,  16,  I  Recepto  Firmo 
expulsoque  Lentulo,  ohne  die  Angabe,  dass  Lentulus  aus  Asculum  ver- 
trieben worden  war;  er  hält  III,  69,  4  dimissis  equis  eundem  cursum 
conficerent  für  richtig,  aber  für  unklar,  weil  der  Schriftsteller  versäumt 


i 


Caesar.  109 

hat  anzugeben,  dass  die  Pferde  den  Wall  und  den  tiefen  Graben  nicht 
überspringen  konnten,  (ohne  jedoch  zu  zeigen,  warum,  wenn  hier  Ober- 
haupt Reiter  hatten  zur  Vorwendung  kommen  können,  sie  da,  wo  sie 
hereingekommen  waren,  nicht  auch  wieder  herauszureiten  vermochten). 
Er  verbessert  1,  11,  2  peracto  conventu,  das  letztere  Wort  in  dem 
Sinne  von  pacto  (st.  peracto  consulatu  Caesaris).  In  Beziehung  auf  die 
zuerst  angeführten  Stellen  schliesst  er,  anstatt  Caesar's  sei  entweder  ein 
anderer  Verfasser  des  b.  civ.  anzunehmen,  oder  wenigstens  müsse  die 
wenig  deutliche  Sprache  irgend  einem  AbkOrzer  des  Werks  zugeschrie- 
ben werden.  Ich  glaube  nicht,  dass  irgend  ein  Kritiker  sich  von  den 
Auseinandersetzungen  Wutke^s  wird  überzeugen  lassen. 

Meusel,  Jahresber.  XL  XII  (s.  auch  PauFs  Bell,  civ.)  B.  Gall. 
I,  29,  2  milium  CCLXIII,  wie  II,  33,  7,  IV,  15,  3  in  ähnlichen  FftUen 
schon  steht  (st  milia) ;  b.  civ.  III,  63,  4  milium  passuum,  wo  Paul  besser 
mit  Beibehaltung  von  milia  das  folgende  munitiones  in  munitione  geän* 
dert  hat;  b.  civ.  I,  45,  5  passus,  was  Paul  aufgenommen  hat  (st.  passuum); 
III,  66,  6  passuum,  von  Paul  aufgenommen  (st.  passus);  b.  civ.  II,  18, 
4  modium  wie  schon  Hotomann,  ebenso  Paul  und  Fr.  Hofmann  (st.  mo* 
dios);  b.  civ.  II,  39,  5  proferebantur ,  wie  schon  Hotomann,  dem  Paul 
gefolgt  ist  (st.  praeferebantur) ;  b.  civ.  LH,  24,  3  quadriremibus,  und  so 
Paul  (st  quadriremem);  IH,  93,  6  adortae  (st  adorti),  so  Paul;  b.  civ. 
I,  59,  2  non  longo  —  progressi,  ut  celerem  receptuni  haberent,  spatio 
angustiore  pabulabantur  (st.  non  longo  —  progressi  spatio,  ut  celerem 
receptum  haberent,  angustius  pabulabantur;  III,  16,  7,  wie  schon  Kind- 
scher, qua  angusta  utebatur,  und  so  Paul  (st  qua  anguste  utebatur); 
III,  73,  6  quod  si  esset  factum,  futurum,  detrimentum  ut  in  bonum  ver- 
teret,  wie  schon  Vossius,  der  jedoch  fore  statt  futurum  einzuschalten  vor- 
geschlagen hatte;  I,  23,  5  eodem  die,  so  Paul,  (st  eo  die);  b.  GalL  I, 
25,  6  a  oder  ab  latere  aperto,  mit  Zufügnng  der  Präposition,  was  Wal- 
ther und  Dinter-Doberenz  befolgt  haben;  II,  21,  1  quam  partem  fors 
obtulit  (st.  quam  in  partem  — ),  was  die  neueren  Herausgeber  seitdem, 
nur  nicht  Em.  Hoffmann,  angenommen  haben ;  VII,  27,  2  will  er  die  ver- 
schiedenen Lesarten  der  Hdschr.  intra  vineas,  extra  vineas,  extra  castra  vi- 
neas  streichen,  durch  meine  Verbesserung  inter  castra  vineasque  nicht  zu- 
frieden gestellt;  b.  civ.  II,  82,  10  [sij  vor  Caesarem,  und  so  schon  Giacco- 
nius  und  mit  ihm  Paul;  III,  30,  l  [eae],  für  das  Paul  inde  gesetzt  hat;  b. 
Gall.  I,  48,  7  ut  jubis  suhle vati  equorum  cursum  adaequarent,  und  so 
Walther  und  Dinter-Doberenz,  aber  nicht  Em.  Hoffmann,  (st  ut  jubis 
equorum  sublevati  cursum  — );  b.  civ.  1,  19,  4  ist  oppidi  »entweder  hin- 
ter obsidione  oder  hinter  circummunitione  oder  gar  vor  obsidione  au 
setzenc;  Paul  hat  das  Letztere  gewählt;  III,  76,  3  (4)  quibus  —  impe- 
ditis,  quod  fore  providerat  Caesar  (st.  quibus  impeditis  Caesar,  quod 
fore  providerat),  so  dass  quod  Relativum,  nicht  Causalpartikel  ist;  so 


HO  Einselne  Stellen. 

auch  Paul,  das  Komma  jedoch  vor  Caesar  setzend ;  II,  25,  6  castra  Cor- 
nelia (st.  —  Corueliana)  und  naves  traduxisset,  danach  Paul  —  trans- 
duxissent  (st.  des  blossen  traduxisset  oder  vela  direxisset).  —  Im  Jah- 
resber.  XII  tritt  Mensel  für  die  Orthographie  Byllidenses,  Domnilaus 
(und  das  von  mir  empfohlene  Domnotaurus),  Haedui,  Diviciacus,  (aber 
b.  Gall.  II,  4,  7  wird  der  König  der  Suessionen  entweder  Deviciacns 
oder  Devitiacus  zu  nennen  sein),  Cotuatus  (nicht  Gutruatus,  VII,  3,  1), 
für  das  von  mir  empfohlene  Atrebatibus  (st.  Atrebatis),  Coriosolites 
(nicht  Curiosolites) .  Convictolitavem  (nicht  Convictolitavim) ,  Diablintes 
(nicht  Diablintres)  ein,  sowie  für  die  Aufnahme  verschiedener  Lesarten 
aus  ß.  An  Conjecturen  findet  sich  hier:  b.  civ.  III,  19,  3  (4)  altero 
die,  und  so  Paul  (st.  altera  die);  b.  Gall.  YII,  76,  2  moveretur,  näm- 
lich Commins  (st  moverentur,  nämlich  Galli,  das  man  aus  dem  vorher- 
gehenden Galliae  abnehmen  müsste);  b.  civ.  I,  69,  3  institnerant,  so 
Paul  (St.  constituerant) ;  II,  23,  3  profugerat,  wie  schon  Oudendorp, 
(nicht  perfugerat);  II,  35,  2  respexit,  und  so  Paul  (st.  aspexit);  b.  GaU. 
Y,  10,  2  sustinerent  (st.  subsisterent);  IV,  25,  2  [modo];  b.  civ.  III,  2, 
3  [magnnmj  vor  numerum,  Paul  vermuthet  hier  noch  einen  andern  Fehler 
und  lässt  daher  magnum  stehen. 

Heller,  Philol.  Anz.  XV  Heft  4  weist  die  ünnöthigkeit  der  Con- 
jecturen PauFs,  b.  Gall.  II,  32,  3  re  renuntiata  (st.  re  nuntiata)  und 
VII,  44,  2  miratus  (st.  admiratus)  nach;  er  vermuthet  I,  3,  3  ad  exteras 
res  constituendas  (nicht  wie  Kud.  Schneider  im  Jahresber.  XIII  gesetzt 
hat  conficiendas,  st.  des  zweiten  ad  eas  res  conficiendas) ;  VII,  56,  2  — 
ut  —  iter  in  provinciam  converteret,  id  ne  tum  quidem  necessario  fa- 
ciendum  existimabat,  mit  Zufügung  von  et  hinter  existimabat,  worauf 
dann  cum  infamia  —  tum  maxime  folgt.  —  Heft  7.  B.  Afric.  19,  3 
servorum  VM,  d.  i.  quinque  milium;  77,  4  ab  Scipionis  novis  (nämlich 
castris,  mit  Einschaltung  von  novis,  weil  nach  Tissot  eine  Verlegung  des 
Lagers  stattgefunden  haben  musste). 

Heller,  Philol.  Suppl  V  S.  349-396.  B.  Gall.  I,  2,  1  nicht  Pu- 
pio  hinter  M.;  zu  b.  Gall.  I,  12.  2  wird  gezeigt,  dass  mit  a  fere,  nicht 
vero  mit  ß  zu  lesen  sei,  und  der  Gebrauch  der  Adversativpartikeln  hinter 
Ordinalzahlen  festgestellt;  zu  I,  31,  4  wird  tantopere  gegen  Paul's  verkehr- 
tes temere  vertheidigt,  S  357;  I,  44,  11  (15)  sed  pro  hoste  mit  ß  (st  sed 
hoste  in  a);  II,  25,  2  wird  quod  ipse  eo  sine  scuto  venerat  gegen  PauPs 
Verdächtigung  geschützt;  II,  29,  3  coUocarant  (nicht  collocabant  mit  a);  III, 
2,  3  wird  absentibus,  das  a  auslässt,  vertheidigt;  lll,  9,  6  se  quam  pluri- 
mum  navibus  posse,  Komanos,  mit  Versetzung  des  in  den  Hdschr.  vor 
Romanos  stehenden  quam;  III,  24,  3  infirmiores  auimo  (st.  infirmiore 
animo)  und  ebenso  Kvicala;  IV,  23,  3  wird  angustis  bei  montibus  gegen 
PauFs  Coi^ectur  angustissime,  mit  Berufung  auf  Ov.  Met.  V,  410  ver- 
theidigt; V,  13,  8  objectae  mit  ß  (st.  subjectae);  V,  23,  4  et  vor  prioris 


i 


Caesar.  ]  1 1 

commeatus  muss  gestrichen  werden;  V,  25,  5  quaestoribus  wird  gerecht- 
fertigt; VII,  30,  4  patienda  et  perferenda  mit  ß  (st.  des  blossen  patieuda 
in  a);  YII,  31,  7  earum  principes  mit  ß  (st  eas  in  a)\  VI,  36,  4  und 
VII,  36,  2  despecta  und  despici  (nicht  dispecta  und  dispici);  Vü,  45,  1 
turmas  de  media  nocte;  eis  imperat,  und  so  Walther,  nur  dass  er  mit 
Spillmann  iis  setzt,  (st.  turmas:  eis  de  media  nocte  imperat);  VII,  74,  3 
si  ista  (magna  multitudo)  ad  eas  (nämlich  munitiones)  undique  accessisset; 
dies  soll  jedoch  keine  Textänderung,  sondern  nur  eine  Vermuthung  sein, 
was  etwa  an  jener  Stelle  wohl  gestanden  haben  müsse  (st.  des  durchweg 
unstatthaften  si  ita  accidat  ejus  dicessu).  —  B.  civ.  I,  1,  2  invitati  (auf- 
gefordert, St.  in  civitate);  I,  3,  2  completur  urbs  armis  (st.  completur 
urbs  et  jus  der  Hdschr.);  I,  5,  3  sola  eorum  audacia  (st.  des  hdschr. 
latorum  audacia);  I,  5,  1  intercessionis  (st.  intercessione) ;  zu  I,  6,  7 
wird  vermuthet,  dass  hinter  proficiscuntur  vieUeicht  ante  Latinas  indic- 
tas  in  Abkürzung  a.  1.  i.  oder  etwas  Aehnliches  ausgefallen  sein  müsse; 
I,  85,  9  fracti  oder  debilitati,  vielleicht  noch  besser  confecti  (st.  des 
zweiten  probati);  III,  49,  4  (3)  ad  mare  perfluebant  (st.  —  pertinebant) ; 
III,  49,  6  propius  succedere  tempus  (st.  des  hdschr.  melius  subterrere 
oder  subterere  tempus) ;  III,  69,  5  ut  —  demisse  (muthlos)  secuti  eundem 
cursum  confugerent  (st.  ut  —  dimissis  equis  eundem  cursum  confugerent 
der  Hdschr.  und  —  conficerent  der  Ausgaben);  III,  79,  4  de  proelio 
(st.  des  blossen  proelio) ;  III,  83,  4  tabellam,  quos  —  quos  -  quos  (st. 
tabellam  qui  —  qui  —  qui)  von  Menge  empfohlen,  während  Paul  viel- 
leicht noch  passender  tabellam  qua  —  qua  —  qua  aufgenommen  hat. 
—  ß.  Afric.  19,  3  (4)  condocefecerat  (st.  des  hdschr.  condidicerat,  wo- 
für man  theils  condocuerat,  theils  constituerat  aufgenommen  hat);  34, 
fin.  se  reficere  (st.  reficere);  49,  fin.  gratuito  »aus  eigner  Initiative c  (st. 
gratia  hinter  coUis  occupandi,  welches  von  consilium  abhängt). 

Hartz,  Gonjectanea  Caesariana.    Altonaviae,  Meyer  1886. 

Der  Verfasser  streicht  b.  Gall.  I,  30,  4  idque  und  facere,  sodass 
stehen  bleibt  uti  —  concilium  —  indicere  Caesaris  voluntate  liceret; 
n,  5,  l  nimmt  er,  weil  quae  omnia  sich  nur  auf  eine  Sache  beziehe, 
hinter  jussit  eine  Lücke  an;  II,  32,  1  vermuthet  er  mansuetudine  (st. 
consuetudine) ;  IV,  15,  2  glaubt  er  es  sei  hinter  reliqua  fuga -desperata 
etwas  ausgefallen,  sodass  etwa  nach  diesen  Worten  gelesen  werden  könnte 
rursus  constiterunt  proeliamque  redintegrare  coeperunt,  sed  magno  nu- 
mero  interfecto  etc.;  IV,  17,  9  [fluminisj  hinter  partem;  IV,  18,  3  In  iti- 
nere  (st.  Interim),  IV.  34,  3  in  castris  (st.  in  agris);  V,  2,  2  structas 
(st.  instructas);  V,  13,  6  sed  ejus  angulus  alter  maxime  (st.  sed  ejus  an- 
gulus  lateris  maxime);  V,  14,  3  [et  labrumj;  V,  16,  2  [equites  —  con- 
tenderent];  V,  26,  4  sine  mora  (st.  suo  more);  V,  31,  5  mane  eatur  (st. 
maneatur);  V,  42,  8  essent  (st.  esset);  VI,  5,  5  congrederetur  (st  congredi 
cogeretur);  VI,  8,  6  unum  modo  impetum  oder  primum  impetum  (st  des 


112  Einselne  Stellen. 

blossen  impetum)  oder  Versetzung  des  modo  ans  seiner  Stellung  hinter 
impetum,  zwischen  quos  und  fugere;  VI,  22,  3  regnandi  (st.  pecuniae); 
VI,  33,  5  vielleicht  a4jnmentum  hinter  aliud  (st.  initium) ;  VI,  40,  2  con- 
fidant  (st.  confidunt);  VI,  43,  4  dimisso  (st  diviso);  YII,  7,  2  irruptio- 
nem  (st.  emptionem);  VK,  19,  1  [ac  saltns];  VII,  82,  5  divisas  cujusque 
eorum  clientelas,  von  Walther  aufgenommen  (st.  suas  ccgusque  eorum 
clientelas);  YII,  37,  7  eo  ducenda  (st  ea  dncenda);  VIII,  3,  5  [in  ejus 
amicitiam];  VIII,  4,  3  his  cum  duabus  legionibus  (st  ita  cum  etc.)  VIll, 
51,1  illo  (dorthin)  ab  universae  Galliae  hello  (st  ab  illo  universae  etc.)* 
—  B.  civ.  II,  25,  1  Belica  (i.  e.  quae  a  Belo  nomen  traxerat,  st  bellica), 
von  Paul,  aber  mit  der  Schreibung  Bellica,  angenommen. 

Larsen,  Studia  in  libellum  incerti  auctoris  de  hello  Alexandrino, 
Hauniae  1886.  (S.  Rnd.  Schneider's  Ausgabe  des  b.  Alex).  Er  fögt 
2,  1  ab  vor  Alexandrinis  zu,  und  so  Schneider;  5,  3  streicht  er  tarnen 
hinter  Hoc;  13,  6  nam  de  decem  missis  una  in  cursu  sub  litore  Aegyp- 
tio  desederat,  mit  Zufügung  von  de  und  sub  und  Verwandlung  des  hdschr. 
defecerat  in  desederat;  15,  8  qui  non  aut,  mit  Zuftlgung  von  non,  und 
ebenda  ex  omni  prospectu  illorum  (nämlich  tectorum)  spectacula  cape- 
ret  (st.  ex  omni  prospectu  locum  spectaculo  caperet);  43,  2  conaretur 
(st.  cogeretur);  44,  3  magnitudo  nequaquam  (st  magnitudine  quanquam 
mit  zugefügtem  non),  und  so  Schneider;  66,  1  et  eorum  qui,  mit  Zufö- 
gung  von  eorum,  und  so  Schneider;  67,  1  excitus  precibus  imperüsque 
(st.  exercitibas  imperiisque);  72,  2  coi^unctis  (st  coigunctus);  73,  2  pro* 
fectus  prima  luce,  mit  Zufügung  von  profectus;  75,  4  in  quibus  nihil. 

Menge.    S.  Grammatisches,  Das  Relativum  etc. 

Einzeln  in  Zeitschriften. 

Philol.  XLII,  2.  Becher  erklärt  b.  Gall.  VIII  praef.  4  tam  operose 
als  gleichbedeutend  mit  quamvis  operose,  sodass  quod  non  superetur  zu 
nihil  esse  perfectum  zu  ziehen  sei. 

XLII,  4  S.  773.  H.  Schiller  coiyicirt  b.  civ.  III,  112,  2  Haec  in- 
sula  —  angusto  itinere  ut  ponte  —  coi^ungitur,  und  b.  Alex.  8,  2  vel 
a  sinistra  parte  a  promuntorio,  vel  a  dextra  ab  insula  (=  Delta),  Bei- 
des gegen  Schambach,  N.  Jahrb.  125,  3,  der  angusto  itinere  et  ponte 
der  einen  Stelle,  a  Paraetonio  und  ab  insula  der  andern  Stelle  streichen 
möchte.  Weder  Paul  noch  Rud.  Schneider  haben  diese  Goigectur 
Schiller's  bertkcksichtigt,  Em.  Hoffmann  die  erstere.  —  XLIII,  3  S.  522 
vertheidigt  derselbe  b.  Gall.  Vlll,  20,  1  plus  minus  VUI  milibus  and 
VIII,  54,  3  belligerandi.  Beides  ist  von  Em.  Hoffmann  in  die  neue  Auf- 
lage aufgenommen. 

XLIY,  2  Deiter,  b.  civ.  I,  48,  6  in  tabernis  (st.  des  hdsch.  in  hi- 
bemis,  tür  das  ich  in  cavemis  vorgeschlagen  habe);   I,  80,  4  refeetis 


i 


Caesar.  113 

(nämlich  legionibus,  st.  des  hdschr.  relictis);  III»  75,  3  eodem  spectans 
(st.  des  hdschr.  eadem  spectans,  wofür  Nipperdey  id  spectans,  ich  eo 
jam  spectans,  Fr.  Hofinann  eodem  spectans  vorgeschlagen  haben).  — 
XLIV,  3  will  derselbe  b.  Gall.  V,  31,  5  precibus  vor  permotus  einge- 
schaltet haben. 

Philologischer  Anzeiger  XIII  Suppl.  1  (1883).  Rud.  Menge  erör- 
tert eine  Anzahl  der  auf  Caesar  bezüglichen  Vorschläge  Eraffert's,  Bei- 
träge zur  Kritik  und  Erklärung  lateinischer  Schriftsteller,  Aurich  1861, 
theils  zustimmend,  theils  ablehnend,  ohne  eigene  Besserungen  anzuknüpfen. 

Neue  Jahrb.  1884.  Hans  Gilbert,  b.  Gall.  I,  18,  3  in  compluris 
annos  (st.  des  blossen  compluris  annos) ;  IV,  8,  1  ist  hinter  occupare  nur 
ein  Komma,  nicht  ein  Semikolon  zu  setzen,  damit  neqae  —  neque  einander 
entsprechen;  V,  7,  8  ille  ideutidem  revocatus  (st.  —  enim  — );  b.  civ. 
I«  32,  7  defugiant  illi,  se  oneri  non  defuturum  (st.  defugiant,  illis  se 
oneri  non  futurum);  übrigens  führt  Dübner  jene  Lesart  Gilbert's  schon 
ans  Dresd.  I  an ;  III,  16,  3  prodit  Libo  nave  et  (st  prodit  Libo  neque, 
aus  welchem  Nipperdey  atque  gemacht  hat). 

1885,  S.  224.  Carl  Conradt,  bezieht  b.  Gall.  VI,  21,  5  cigus  rei 
nulla  est  occultatio  nicht  auf  das  unmittelbar  Vorhergehende  intra  — 
feminae  notitiam  habuisse  in  turpissimis  habent  rebus,  sondern  auf  qui 
diutissime  impuberes  permanserunt  und  übersetzt  nicht,  wie  es  gewöhn- 
lich geschieht,  wofür  es  keine  Möglichkeit  der  Geheimhaltung,  sondern: 
auch  findet  in  dieser  Beziehung,  in  geschlechtlichen  Dingen,  kein  ängst- 
liches Verhüllen  statt  Dagegen  Walther  Gebhardi  1886  S.  362:  Früher 
Eintritt  der  Mannbarkeit  ist  unehrenhaft,  —  verborgen  konnte  das  nicht 
bleiben.     1886  S.  783  vertheidigt  Conradt  seine  Auffassung. 

1886  S.  267.  GemoU,  b.  ciy.  I,  44,  2  [cum  Lusitanis  reliquisque] 
barbaro  etc.;  derselbe  II,  16,  2  [in]  muris  (dies  von  inaedificata  abhän- 
gig); III,  40,  2  stellt  er  §  2  hinter  §  4;  III,  97,  2  nimmt  er  eine  Lücke 
hinter  Qua  re  impetrata  an;  im  b.  Alex.  I,  6  [ex  altera  oppidi  parte]; 
26,  2  [multiplici  praesidio];  27,  2  derivata  [inter  se];  b.  Afric.  9,  2  re- 
cepisse  se,  mit  Zufügung  von  se;  19,  3  servorum,  liberorum  numero,  mit 
Zufügung  des  letzten  Worts ;  63,  4  [cum  suis  omnibus  epibatis].  S.  360. 
Anton  Funck  erklärt,  im  Anschlass  an  Wölfflin's  Frustra  und  nequi- 
quam,  Arch.  f.  lat  Lexikographie  1886  S.  1—24,  b.  Gall.  II,  27,  8  non 
nequiquam  »nicht  in  einer  Selbsttäuschung,  nicht  in  einem  Irrthum  über 
ihre  Leistungsfähigkeitc  8.  781  conjicirt  Schliack,  ganz  wie  Hartz,  mane 
eatur  (st  maneatur),  und  VII,  9,  6  [Arvemis].  S.  783  Hans  Gilbert  b. 
Gall.  VII,  29,  1  [ne  pertubarentur  incommodo]  als  blosse  Worterklärung 
des  vorangegangenen  ne  se  —  animo  demitterent. 

1887  S.  72.  B.  civ.  I,  22,  6  will  Hans  Gilbert  lesen  consulere 
oonentur  (st.  cogantur,  wofür  Pluygers  cogitent  vorgeschlagen  hat),  mit 
Hinweis  auf  I,  20,  3. 

Jahresbericht  fUr  Alterthumswiasenschaft.    LXVIII.  Bd.     (1891  II).        8 


114  Einzelne  Stellen. 

1888  S.  189.  P.  Stamm,  b.  Gall.  IV,  25,  3  Itaqae  nostris  (st.  At- 
qiie  nostris).  —  S.  776.  Derselbe  b.  Gall.  V,  29,  2  ventaros.  Sese 
non  hostem  —  spectare  (st.  venturos  esse.  Non  hostem  —  spectare); 
zu  venturos  soll  das  vor  capturos  stehende  fuisse  hinzugedacht  werden« 

1889.  Alf.  Erdm.  Schöne,  b.  civ.  I,  3,  3  turbulentius  (st  et  jus). 
—  Jnl.  Lange;  Cäsars  zweiter  Zug  nach  Britannien;  der  Verfasser  will« 
dass  die  Kapitel  in  der  Ordnung  8.  12.  13.  14.  9.  10.  11.  18.  15.  16. 
17.  19.  auf  einander  folgen.  —  Rud.  Menge:  Die  Bezeichnung  des  re- 
ciproken  Verhältnisses  bei  Caesar,  S.  265 — 274,  darunter  auch  ipsi  se 
(s.  Grammatisches);  —  H.  Deiter,  b.  Gall.  V,  19,  3:  Die  Präposition 
in  soll  vor  agris  wegfallen,  dagegen  vor  labore  gesetzt  werden ;  und  VIT, 
64,  1  itemque  (st.  denique  oder  des  dafür  gesetzten  diemque)  ei  rei 
constituit  diem;  huc  omnes  etc.  —  Osw.  May,  b.  Gall.  V,  84,  2  saepe- 
numero  pugnando  (st.  des  hdschr.  numero  pugnandi  und  des  dafür  ein- 
gesetzten studio  pugnandi). 

Neue  Philol.  Rundschau  1887.  Menge,  b.  Gall.  VIT,  64,  1  diem- 
que ei  rei  constituit  diem  XVI.  Omnes  etc.  (st.  —  constituit  Denique 
huc  omnes  etc.).  —  1889.  Menge,  b.  Gall.  VII,  69,  7  VIII  (st  ibi- 
que);  VII,  71,  6  qua  nostrum  opus,  wie  auch  sonst  schon  gedruckt  wird 
(st  qua  opus);  b.  Alexandr.  (das  nach  der  Meinung  des  Verfassers  theil- 
weise  aus  einer  griechischien  Qnelle  übersetzt  zu  sein  scheint)  49,  1  in- 
terea  (st  in  ea),  wie  Landgraf,  der  jedoch  dies  interea  nur  auf  den  Satz- 
theil,  welcher  von  der  Geldaufnahme  handelt,  bezogen  haben  will,  wäh- 
rend es  nach  Menge's  Erklärung  zum  ganzen  Satz  gehören  soll;  59,  2 
deterserunt,  nach  Dio  Cassius  XLII,  15,  5  diajket(pe¥  (st.  detraxerunt); 
67,  1  quod  —  cum  exercitibus  imperiisque  —  fuisset,  mit  Hinzufägung 
von  cum. 

Berl.  Philol.  Wochenschr.  1884  No.  39.  40.  4i.  W.  Paul,  Kriti- 
sche Bemerkungen  zu  Caesar's  Commentarii  de  b.  Gall.  I,  35,  2  discen- 
dum  (st  dicendum)v  I,  38,  4  idemque  (st  idque);  1,  44,  10  quod  exer- 
cituum   —    habeat  (st.  quod  exercitum  habeat);  III,  l7,  4   et  quos 

spes  —  revocabat,  mit  Zufügung  von  et;  III,  28,  1  Morini  uni  Menapii- 
que,  mit  Zufügung  von  uni;  IV,  3,  3  ei  (nämlich  Ubii,  des  Nachdrucks 
wegen)  paulo  (statt  et  — );  IV,  lo,  3  ibidem  (st  ibi);  VI,  35,  7  non  hos 
paludes  —  (st  non  hos  palus  -);  VI,  43,  4  dimisso  eqoitatu  (st  di- 
viso  — );  VII,  28,  4  sed  et  Cenabensi  caede  (st  sie  et  — );  VII,  35,  1 
cum  uterque  utrimqae  perrexisset  exercitus,  in  conspectu  fereque  e  re- 
gione  Caesaris  castra  ponebat,  (es  ist  schwer  zu  begreifen,  wie  beide 
Heere  Caesar  gegenüber  lagern  konnten);  VII,  63,  5  ad  diem  (st.  eo- 
dem);  VII,  79,  2  abductas  (st.  abditas). 

Rud.  Schneider.  B.  Gall.  II,  5,  3  Eis  datis  mandatis  (st  His 
roandatis);  III,  26,  5  petere  contenderunt  (st  petere  intenderunt);  IV^ 


Caesar.  115 

31,  3  satis  commode  (st  des  blossen  commode);  YI,  36,  4  traditus  (st. 
tractus);  IV,  17,  10  trabes  deiciendi  operis  causa  (wovon  causa  in  ß 
steht,  wegen  Flut.  Caes.  22,  st.  naves  deiciendi  operis);  sonst  gelegent- 
lich 1,  11,  6  ex  fuga  (st.  des  blossen  fuga);  I,  13,  6  uterentur  (st.  nite- 
rentur);  I,  14,  4  injurias  intulisse  (st  iigurias  tulisse);  IV,  3,  1  Reipu- 
blicae  (st  Publice). 

1885  S.  918  Rud.  Schneider,  b.  Gall.  I,  10,  5  ab  Ocelo,  qnod  est 
oppidum  —  extremum;  da  ein  Substantiv  zu  extremum  nöthig  scheint, 
hat  aus  demselben  Grunde  Walther  oppido  vor  Ocelo  eingeschaltet;  I, 
40,  6  inermes  mit  ß  (st.  inermos);  II,  10,  1  equitatum  —  ponte  tradu- 
cit  (st.  —  —  pontem  traducit);  II,  32,  2  repente  (st.  repentino);  IV, 
28,  2  [quae  est  propius  solis  occasum]  »als  Glosse  zu  inferior  in  der 
Bedeutung  westlicht;  V,  24,  6  inopiae  rei  frumentariae ,  mit  ZufUguug 
des  in  solchen  Fällen  üblichen  rei;  V,  33,  6  et  fremitu  (st.  et  fletu); 

VI,  66  alia  noxia  (st  aliqua  — );  S.  982  VII,  63,  2  utuntur  (st  nitun- 
tur);  S.  918  VII,  69,  1  oppidum  Alesia  positum  in  colle  summo,  mit 
ZufÜgnng  von  positum,  welches  Walther,  aber  mit  Auslassung  von  Ale- 
sia, aufgenommen  hat;  S.  78  b.  civ.  I,  36,  3  (2)  si  ita  accidat  (st  si 
accidat);  aber  ita  accidit  kommt  bei  Caesar  nur  in  der  offenbar  unrich- 
gen  Lesart  b.  Gall.  VII,  74,  1  vor;  11,  23,  4  cognita  ejus  fuga,  mit  Zu- 
fügung  von  cognita,  »weil  als  solche  Ablative  der  Zeit  nur  Verbalsub- 
stantiva  der  IV.  Declination  vorkommen,  wie  occasu  6tc.;c  nocte,  die, 
meridie  sind  dabei  nicht  gerechnet;  III,  76,  3  impeditos  ac  perterritos, 
mit  Zuftlgung  von  ac;  78,  3  gehört  a  mari  zu  abductum,  dagegen  ab  iis 
copiis  zu  abstractum,  daher  ist  vor  atque  zu  interpungieren;  die  Abla- 
tive frumento  ac  commeatu  bilden  die  Apposition  zu  copiis  und  sind 
vielleicht  nur  ein  Glossem.  —  W.  Paul  No.  38  b.  Gall.  III,  26,  2  de- 
vcctis  iis  cohortibus  (st.  eductis  —). 

1886  S.  723  Rud.  Schneider  b.  Gall.  DI,  26,  5  eicere  (st  deicere); 

VII,  77,  L  concilio  convocato,  wie  sonst  immer,  (st.  —  coacto);  S.  982 
VII,  82,  1  accesserunt  (st  successerunt). 

1888  No.  23  Rud.  Schneider  b.  Gall.  IV,  22,  6  portum  tueri  (st 
-—  teuere). 

Ztschr.  f.  d.  Gymnalwes.  1886.  Rud.  Schneider  b.  Gall.  I,  3,  8 
totius  Galliae  imperio  -  potiri,  mit  ZufQgung  des  Worts  imperio.  — 
G.  V.  Kobilinski  I,  40,  6  quos  -  usus  ac  disciplina  —  sublevaret  (st 
sublevarent). 

Jahresbericht  XIV.  H.  J.  Müller  zum  b.  Alex,  l,  3  ab  incendio 
fere  tuta  (st.  des  blossen  incendio);  1,  4  id  maxime  stndebat,  mit  Zu- 
fügung  von  id;  12,  2  fügt  Müller  naves  hinter  amissae  hinzu;  13,  6 
will  er  gesetzt  haben  quinqueremes  V,  das  letzte  Zahlzeichen  st  et;  19, 
6  ex  ponte  et  ex  mole,  die  Wiederholung  der  Präposition  wegen   des 

8* 


116  Einielne  Stellea. 

folgenden  ex  area  —  et  ex  navibus  als  dem  Schriftsteller  flblich  an- 
Behend;  26,  2  streicht  er  das  hdschr.  commeatu  hinter  nostris,  während 
Nipperdey  und  Rad.  Schneider  dafür  commeatuque  (dat.)  und  Em.  HofiF- 
mann  commeatnique  schreiben;  26,  6  et  illico  triremem  (st.  des  hdschr. 
et  illi  triremem  and  des  gewöhnlich  dafür  gesetzten  et  iUic  triremem  und 
Dttbner's  et  quadriremem) ;  ebenda  itaque  qui  nnas  (st.  des  hdschr.  itaqne 
unus  und  ita  qui  unus  der  Ausgaben) ;  27,  2  streicht  Müller,  wie  Dübner 
und  GemoU,  das  erste  inter  se  und  fügt  majus  vor  paulatim  zu,  das  auf 
dies  letztere  Wort  folgende  medium,  dagegen  fortlassend ;  32,  2  wird  rege 
fQr  ein  Glossem  erklärt,  46,  7  plenis  velis  (st.  des  blossen  velis)  und 
66,  2  florentissimumque  (st.  fortissimumque)  vorgeschlagen;  77,  2  wird,  j 

wegen  ähnlicher  Stellen  bei  Liv.  XXII,  66,  4,  XLIV,  2,  12,  expeditis  | 

equitibus  geschützt,  für  welches  Rud.  Schneider  expeditis  equitibusque  i 

gesetzt  hatte;  76,  2  nach  den  Handschriften  Bosphori  (st.  Bospori).  — 
Rud.  Schneider  will  ebenda  in  einem  Nachtrag  61,  3  discriberentur  (sU 
describerentur)  "gelesen  haben. 

■ 

Blatt,  f.  d.  bayer.  Gymnasialschulwes.  XXIV  S.  94.  B.  Gall.  I, 
44,  6  schlägt  Zucker  vor  zu  lesen  ideoque  se  eam  petisse  st.  idque  se 
ea  spe  petisse).  —  XXYI  S.  308—317.  Zucker  zu  B.  GaU.  I,  64,  1  ubi 
ii,  qui  (st  ubi  qui  oder  Ubii,  qui);  III,  7,  1   entweder  perterritis  oder  j 

exterritis  oder  auch  perculsis  (st.  expulsis);  III,  8,  1   in  magno  impeta  ■ 

maris  vasti  atque  aperti  (st.  in  magno  impeto  maris  atque  aperto);  VQ,  | 

36,  6  non  infirmo  (st.  non  nimis  firmo);  VII,  38,  6  cunctos  (st  omnes 
oder  multos,  bei  dem  Worte  equites). 

Listy  filologick6  1888.  Rob.  Noväk,  Ad  b.  Hisp.  1,  6  ita  mnltis 
ad  commoda  de  hoste  hortatis  (st.  Nipperdey*s  ita  paucis  commoda  hoste 
hortato);  6,  2  Id  cum  —  Pompejus  rescisset,  ea  nocte  secutus,  viae  diffi- 
cultate  et  angustiis  tardata  hostis  carra  complura  frumento  onusta  re- 
traxit;  8,  2  regio  —  miniroe  inops  difficilemque  habet  oppugnationem  et 
non  minus  copiosa  aquatione  etc.,  mit  Zufügung  von  minime,  que  und 
et  und  Verwandlung  des  Accusativs  copiosam  aquationem  in  den  Abla- 
tiv; 11,  2  sie  ut  omne  genus  tormentorum  absumeretur,  quibus  ignis  etc., 
mit  Zufügung  der  Worte  tormentorum  absumeretur  quibus;  13,  7  wird 
ut  eam  turrem  sine  periculo  quis  incenderet  und  8  fune  crure  de  ligno 
einfach  zu  streichen  gerathen;  21,  4  wird  saluti  gestrichen  und  subsidio 
beibehalten;  26,  3  schlägt  Noväk  vor  clamitare  (st.  agitare);  32,  2  ita 
tragulis  [Galileis  jaculis]  oppidum  ex  hostium  cadaveribus  sumptis  cir^ 
cumplexi  etc.,  mit  Zufügung  von  sumptis,  das  aus  dem  hdschr.  sunt  ge- 
macht ist;  41,  2  aditus  —  hosü  impediret  (st  aditus  —  hostem  appe-> 
teret);  42,  7  alias  legiones  (st.  decem  legiones). 

Zeitschrift  für  die  österreichischen  Gymnasien  1883.  Prammer 
möchte  bell.  Gall.  I,  1,  6  lesen  ea  pars  st.  eorum  una  pars,  weil  wegen 
des  kurz  vorhergegangenen   cum  Germanis  und  der  darauf  bezüglicliea 


Caesar.  117 

Pronomina  eos  and  eomin  das  eoram  vor  ana  nicht  gut  auf  Gallos  be- 
zogen werden  könne;  I,  24,  2.  3  [ita  ati  supra  se]  und  [interea];  I,  43,  3 
[ut]  hinter  denos;  Y,  43,  5  [eo  die];  VI,  29,  1  soll  omnes  hinter  Sne- 
bos  gesetzt,  dagegen  vor  Germani  gestrichen  werden.  —  1886  Pramoier 
schlägt  vor  b.  Gall.  VII,  32,  3  nunc  hinter  duo  einzuschalten,  als  Gegen- 
satz zu  antiquitus;  VII,  70,  3  [relictis]  hinter  portis;  VIII,  4.  1  centu- 
rionibus  alterum  tantum  st.  centurionibus  tot  milia;  VIII,  24,  3  [interea] 
vor  sarcinas.  —  1889  Fleischmann  will  bell.  Gall.  III,  2,  6  das  bei  per* 
suasum  faabebant  ungehörige  sibi  zu  ac(jungere  construiren,  wonach  deun 
finitima  provinciae  st.  finitimae  provinciae  geschrieben  werden  soll. 

Mnemosyne  1884.  Van  der  Mey,  b.  Gall.  I,  46,  4  [usus];  VI,  82, 
2  reducerent  (st.  reducerentur) ;  wegen  der  alsdann  eintretenden  Aus- 
lassung des  Demonstrativpronomens  wird  VI,  23,  9  und  VII,  31,  3  an- 
gefahrt; VII,  36,  4  sie  apertis  quidem  cohortibus  (st.  captis  quibusdam 
cohortibus);  b.  civ.  I,  l,  3  ad  certam  (st.  ad  Gaesaris). 

1889.  J.  J.  Gornelissen  schlägt  vor  (neu):  B.  civ.  I,  7,  2  viola- 
retur  (st.  notaretur);  I.  33,  4  in  —  Galliam  pertendit  (st.  in  -  perve- 
nit);  I,  66,  3  tectas  (nämlich  naves,  st.  certas);  I,  82,  2  aciem  instruit 
contra;  opinione  —  famaque  (st.  aciem  instruit  contra  opinionem  — 
&maque);  I,  86,  3  imparatos  (st.  imperitos);  II,  1,  3  reliqua  quarta 
est,  qua  aditum  habet  (st.  reliqua  quarta  est,    quae   aditum   habeat); 

II,  2,  4  invisitatis  alias  (st.  des  hdschr.  invisis  latitatis);  II,  12,  3 
perversa  (nämlich  opera,  st.  perfecta);  II,  33,  1  mediam  interpella- 
bant  (st.  etiam  interpellabant,  oder  des  von  Em.  Hoffmann  einge- 
führten etiam  dicentem  interpellabant);  II,  41,  8  servare  voluisset  (st 
—  potuisset);  III,  2,  3  detinuerat;  (mit  Beibehaltung  von  magnum 
bei  numerum,  st.  deminuerat);  III,  a,  3  indiligentiae  suae  iracundiam 
ac  dolorem  erupit  (st.  indiligentiae  suae  ac  doloris  iracundiam  erupit); 

III,  9,  2  valle  munitum  (st.  coUe  — );  III,  16,  7  easque  (nämlich  indu- 
tias)  ab  iis  impetrant  (st  atque  ab  iis  — );  III,  44,  3  immatura  sata  (st 
manu  sata) ;  III,  48,  1  qui  tuebantur  se  holeribus  (st.  des  hdschr.  qui  fue- 
rant  valeribus);  III,  49,  2  in  vigiliis  custodiisque  (st.  in  vigiliis  coUoquiis- 
que) ;  III,  60,  1  incertas  (nämlich  sagittas,  st  des  hdschr.  universas,  wo- 
für gewöhnlich  universi  gelesen  wird);  III,  68,  6  consumptis  equis  (st 
corruptis  — );  III,  63,  8  in  apertos  nostros  (st  in  aversos  nostros,  das 
gewöhnlich  st  des  hdschr.  in  adversos  —  gesetzt  wird) ;  III.  76,  2  qaam 
lentissime  (st  quam  serissime  unsrer  Drucke  und  quam  suetissime  der 
Hdschr.);  III,  81,  2  necessitudinibus  (st  exercitibus) ;  III,  108,  3  ita  fie- 
rent  (st  des  blossen  fierent);  III,  109,  6  occubans  (st.  occupatus);  III, 
110,  1  Eae  erant  —  copiae  (st  Erant  —  copiae,  wo  Paul  das  eae  vor 
copiae  einschaltet);  III,  110,  2  morem  (st  nomen).  —  B.  Alex.  2,  6 
jumentis  subjunctis  (st  -  objectis);  16,  7  properam  fugam  (st  propin- 
quam  — );  17,4  habiliter  (st  mobiliter);  21,  6  libero  sunt  usi  ponte  ad 
emittenda  navigia  (st  libere  sunt  usi  postea  ad  mittenda  — );  24,  6  ut 


118  Einzelne  Stellen. 

eqnus  carceribus  —  emissus  (st.  ut  ex  carceribns  »  emissus);  26,  3 
dimicatio  roari  inita  (st.  dimicatio  maritima);  41,  2  wird  za  Victor  noch 
insolentiesimus  zugesetzt;  44,  4  numero  classiariomm  (st  numero  classis); 
49,  2  furtivi  (nämlich  quaestus,  st.  sordidi);  52,  2  submisse  (st  ut  mi- 
les);  55,  3  ultro  (st  vere);  58,  3  id  qua  mente  commiserit,  coi^ectara 
est  (st.  id  qua  mente,  communis  erat  coi^ectura);  und  infatuabantur  (st. 
fatebantur);  59,  2  eraserunt  (st  detraxemnt);  60,  1  feracissimaeque  (st 
carissimaeque);  62,  8  aeqne  (st  saepe);  66,  5  imminutionemque  generis 
(st  mutationemquc  generis);  ausserdem  soll  tamen  vor  propter  gestellt 
werden;  67,  1  quae  nuUa  praesidia  in  Gaesaris  habuisset  exercitibus  (st 
quae  nulla  praesidia  Gaesaris  habuisset,  excitus);  74,  2  quominus  — 
reliqua  pars  exercitus  opus  faceret  juberet  (st  des  blossen  faceret  ohne 
juberet);  76,  2  temere  (st  tamen).  —  B.  Air.  3,  5  [tutura  ab  hostium], 
so  dass  praesidio  zu  pro  certo  gehört;  7,  8  Uticam  versus  cursum  pe- 
tere,  mit  ZufÜgung  von  cursum,  (st.  des  blossen  Uticam  versus  petere); 
31,  2  modestissime  (st  honestissime) ;  52,  4  pulvisque  vento  elatus,  nach 
Liv.  IV,  33,  8  (st  pulvisque  vento  flatus);  ebenda  [funditus];  57,  6  inep- 
tissimoque  (st  inertissimoque);  81,  2  laudem  (st.  locum,  hinter  famam); 
67,  3  ante  portam  villulam  ....  muniverat  (st.  ante  portam  bellicam  .... 
muniverat,  ohne  ein  Object  dieses  Yerbums);  88.  4  vulnus  atque  (st  at- 
que  vulnus);  94,  1  compactus  (st  des  hdschr.  conatus,  wofür  nach  Flo- 
rus  II,  13,  69  coenatus  eingesetzt  worden  ist) 

Bei  der  zur  festgesetzten  Zeit  erfolgten  Einlieferung  meines  ^a- 
nuscripts  haben  von  einigen  Zeitschriften  die  letzten  Hefte  des  Jahrgangs 
1890  nicht  mehr  eingesehen  werden  können.  Sollten  darin  Aufsätze  über 
die  Commentarien  enthalten  sein,  werden  sie  bei  der  nächsten  Bericht- 
erstattung die  gebührende  Berücksichtigung  finden. 

Der  Befürchtung,  welche  ich  Philol.  Suppl.  V  S.  360  ausgespro- 
chen habe,  dass  die  Neuzeit  zu  einer  völligen  Umwälzung  des  ganzen 
Textes  der  Gommentarien  führen  werde,  schliesst  sich  Menge,  N.  Philol. 
Rundschau  1889  S.  180  an.  Die  grosse  Zahl  der  Aenderungsvorschläge, 
welche  ich  hier,  und  vielleicht  noch  nicht  einmal  vollständig,  aufgeführt 
habe,  wird  diese  früher  geäusserte  Ansicht  jetzt  wohl  noch  mehr  gerecht- 
fertigt erscheinen  lassen.  Die  so  viel  gerühmte  Deutlichkeit  des  uns 
überkommenen  echten  Werks  Gäsar's  kann  demnach  nicht  so  bedeutend 
sein,  wie  es  gewöhnlich  angenommen  wird,  wenn  auch  da  so  ausser- 
ordentlich viele  Aenderungen  vorgeschlagen  werden  müssen,  und  wenn 
so  weit  auseinandergehende  Erklärungsversuche  vorgebracht  werden. 


Bericht  über  die  Erscheinungen  auf  dem  Ge- 
biete  der  lateinischen    Grammatiker   für    die 

Jahre  1877—1890. 

Von 

Professor  Dr.  Georg  Goetz 

in  Jena. 


Zam  Bedauern  der  Redaction  sowie  der  Freunde  der  grammatischen 
Studien  der  Römer  hat  HermannHagenes  abgelehnt,  seine  Berichte  über 
die  lateinischen  Grammatiker  fortzusetzen.  Der  nachfolgenden  Uebersicht, 
welche  die  entstandene  Lücke  ausfallen  soll,  mögen  einige  orientierende 
Bemerkungen  vorausgehen.  Zunächst  ist  hervorzuheben,  dass  der  Aus- 
druck 'Grammatiker'  nicht  auf  die  zunftmässigen  Gelehrten  der  Gram- 
matik oder  gar  auf  die  in  der  Keuschen  Sammlung  vereinigten  Schrift- 
steller beschränkt  ist:  berücksichtigt  werden  alle  grammatischen 
Schriftsteller  von  der  ältesten  Zeit  an;  nur  die  Scholiasten  sind 
in  mehreren  Fällen  ausgeschlossen  worden,  weil  sie  schon  an  anderer 
Stelle  behandelt  waren,  ebenso  sind  die  Metrik  er  übergangen.  Ferner 
schien  es  unthunlich,  die  Beiträge  zur  Kritik  einzelner  Stellen  mitzu- 
theilen,  ausser  in  besonderen  für  die  grammatische  Tradition  wichtigen 
Fällen.  Eine  Mittheilung  sämmtlicher  Verbesserungsvorschläge  würde 
erstens  einen  gröfseren  Raum  erfordern,  als  er  diesem  Gebiete  zugestan- 
den werden  kann;  eine  Vollständigkeit  würde  aber  ohnehin  nicht  zu  er- 
reichen sein  bei  Texten,  die  sich  jeder  Benutzer  von  Neuem  zurechtlegt; 
schliesslich  ist  es  auch  nicht  die  Aufgabe  eines  solchen  Berichts,  das 
Studium  der  behandelten  Schriften  den  Betheiligten  zu  ersparen.  Man 
wird  also  gut  thun,  in  dem  Nachstehenden  nur  eine  kritische  Ueber- 
sicht über  die  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  grammatischen  Schrift- 
stellerei  zu  erblicken.  Dass  auch  in  dieser  Beschränkung  Einzelnes  über- 
sehen sein  kann,  sei  dabei  von  vornherein  zugegeben.  Wichtigere  Aus- 
lassungen sollen  ein  ander  Mal  nachgeholt  werden,  natürlich  mit  Aus- 
schluss von  Schriften  über  solche  Autoren,  die  absichtlich  übergangen 
worden  sind,  wie  z.  B.  der  späte  Grammatiker  Virgilius,  dessen  Bedeu- 
tung abseits  der  classischen  Stadien  liegt.  Abgeschlossen  wurde  der 
Bericht  im  October  1890. 


120  Lateinische  Orammatiker. 

I.  Die  Orammatiker  der  Republik  und  der  augugteisehen  Zeit. 

Ennius. 

Die  Ansicht,  dass  der  Dichter  Ennius  gegen  Cottas  Meinong 
identisch  sei  mit  dem  hei  Sueton  de  gramm.  1  erwähnten  Yer&sser  der 
heiden  Bücher  de  litteris  syllabisque,  vertritt  E.  Baehrens  in  seinem 
Aufsätze  über  die  Consonantengemination  im  Lateinischen  (Fleckeisen's 
Jahrbücher  127.  1883.  S.  788):  allein  Gründe,  durch  die  Cotta  widerlegt 
würde,  hat  er  nicht  beigebracht.  Es  ist  richtig,  dass  der  Grammatiker 
Ennius  von  einem  seltsamen  Dunkel  umflossen  ist:  doch  w&re  es  minde- 
stens ebenso  seltsam,  wenn  eine  Schrift  des  berühmten  Ennius  so  geringe 
Spuren  bei  den  Grammatikern  hinterlassen  hätte. 

Aeltere  Olossographen. 

Ueber  die  älteren  Glossographen  einfachster  Art  —  glosse- 
matorum  scriptores  —  handelt  Referent  im  Index  schol.  Jen.  a. 
1886  S.  Xf.  Die  Einrichtung  der  für  den  Schulgebrauch  bestimmten 
Sammlungen  war  demnach  folgende:  1)  das  Lemma  behielt  die  Form, 
die  in  der  Fundstätte  vorhanden  war:  ihr  entsprach  das  Interpretament; 
2)  es  fehlten  anderweitige  Belege;  8)  es  fehlten  etymologische  Zusätze. 
Verschieden  von  ihnen  waren  die  Werke  wissenschaftlichen  Charakters 
von  Männern  wie  Aelius  Stilo  und  Aurelius  Opilius,  obwohl  eine 
Beeinflussung  unter  einander  sehr  wohl  stattgefunden  haben  kann. 

L.   Aelius  Stilo. 

An  der  Spitze  der  eigentlichen  Grammatiker  der  Republik  steht 
der  Lelirer  Yarro^s  L.  Aelius  Stilo  Praeconinus.    üeber  ihn  handelt 

Ferd.  Mentz,  De  L.  Aelio  Stilone  (in  den  Gommentationes  philol. 
Jenens.  vol.  lY  S.  1—60).    Lips.  1890. 

Der  Yerfasser  hat  sich  die  Aufgabe  gestellt,  'quaecumque  post 
Heusdium  a  viris  doctis  de  illo  grammatico  dicta  essent  vel  scripta  in 
unum  corpus  congerere  *.  Diesen  Plan  hat  er  mit  redlicher  Mühe  durch- 
geführt, wenn  ihm  auch  hie  und  da  einiges  entgangen  ist  So  hat  er  in 
den  Addenda  (nicht  p.  406,  sondern  auf  der  Rückseite  des  Indexblattes) 
selber  bemerkt,  dass  im  ersten  Abschnitt,  der  über  das  Leben  Stiles 
handelt,  Marx  Quaest.  Lucil.  p.  96 ff.  übersehen  worden  ist  Der  zweite 
Abschnitt  handelt  de  Aelii  doctrina  et  studiis;  der  dritte  de  Aelii  scrip- 
tis  (den  lapsus  über  den  Index  des  Aelius  hat  der  Yerfasser  in  den  er- 
wähnten Addenda  berichtigt);  der  vierte  de  Aelii  fragmentis,  der  fünfte 
enthält  veterum  scriptorum  de  L.  Aelio  Stilone  testimonia;  der  sechste 
adnotationes  ad  fragmenta.    Dass  man  hier  und  da  durch  tieferes  Ein- 


Lateiniselie  Grammatiker.  121 

dringen  noch  weiter  vorw&rts  kommen  kann,  scheint  mir  ansser  allem 
Zweifel.  —  Als  grammatische  Schriften  des  Aelius  werden  ausser  dem 
commentarins  de  proloquiis  folgende  anerkannt:  l)  interpretaüo  carmi- 
num  Saliarium;  2)  ein  liber  etymologicus,  dessen  Titel  wir  nicht  mehr 
kennen,  dessen  Anlage  aber  eine  glossographische  gewesen  za  sein  scheint 
Dieses  Werk  haben  sowohl  Yarro  als  Verrins  benatzt:  bei  den  späteren 
finden  sich  nar  wenige,  zum  Theil  sogar  unsichere  Spuren  directer  Be- 
nutzung. Die  Fragmente  sind  in  vier  Gruppen  getheilt:  1)  fragmenta  in 
quibus  ipsa  Aelii  verba  explicantur;  2)  fragmenta  in  quibus  Aeüi  ex- 
plicatio  refertur;  3)  fragmenta  dubiae  auctoritatis;  4)  fragmenta  spuria. 
Eine  Besprechung  dieser  verdienstlichen  Schrift  gibt  R.  Hübbe 
in  der  Berliner  philol.  Wochenschr.  1890.  S.  848—850. 

M.  Terentius   Varro. 

M.  Terenti  Varronis  de  lingua  latina  libri.  Emendavit  appa- 
ratu  critico  instrnxit  praefatus  est  Leonardus  Spengel.  Leonardo 
patre  mortuo  edidit  et  recognovit  filius  AndreasSpengel.  Berolini 
apnd  Weidmannes.    1885.    XC  u.  286  S.    8. 

Dass  die  Ausgabe  0.  Mtlllers  nicht  mehr  genttgte,  war  längst 
kein  Geheimniss,  namentlich  seit  man  genauere  Mittheilungen  über  den 
Codex  Florentinus  erhalten  hatte.  Eine  Neuausgabe  hatte  L.  Spengel 
verheissen,  starb  aber  vor  Ausftlhrung  seines  Planes.  Unter  diesen  Um- 
ständen durfte  man  es  willkommen  heissen,  dass  A.  Groth  in  seiner 
Dissertation  (de  M.  Terenti  Varronis  de  lingua  latina  librorum  codicc 
Florentino  in  den  Dissert.  Argent.  IV  a.  1880  S.  79—146)  eine  vollstän- 
dige CoUation  der  Florentiner  Handschrift  publicierte.  Vorausgeschickt 
sind  einige  Bemerkungen  .Ober  die  Eigenthümlichkeit  des  codex  arche- 
typus,  beigefügt  kritische  und  einzelne  exegetische  Noten.  Indessen 
sollten  auch  die  Spengelschen  Vorarbeiten  nicht  verloren  gehen:  fünf 
Jahre  nach  dem  Erscheinen  der  Grothschen  Schrift  veröffentlichte 
Andreas  Spengel  unter  pietätvoller,  aber  selbstständiger  Benutzung 
dessen,  was  Leonhard  Spengel  hinterlassen  hatte,  eine  neue  Bear- 
beitung-  Dieselbe  hat  vielfache  Besprechungen  erfahren,  so  von  W.  Christ 
im  zweiten  Bande  des  Wölfflinschen  Archivs  S.  619ff.,  vom  Referenten 
in  der  Berliner  philol.  Wochenschrift  1886  S.  779ff.,  von  H.  Jordan  in 
der  deutschen  Litteraturzeitung  1886  S.  1602,  von  E.  S.  im  Centralblatt 
1887  8.  677,  von  J.  M.  Stowasser  in  der  Zeitschrift  für  österr.  Gym- 
nasien 1886  S.  629ff.,  von  Ettore  Stampini  in  der  Rivista  di  filol. 
Band  14  S.  532  ff.  So  viel  auch  im  Einzelnen  mit  Recht  getadelt  sein 
mag,  im  Ganzen  und  Grossen  hat  die  Ausgabe  eine  Lücke  in  befriedi- 
gender Weise  ausgeftdlt  Die  neue  Recension  des  Textes  bezeichnet  einen 
erheblichen  Fortschritt,  obschon  noch  zahlreiche  Räthsel  geblieben  sind. 


122  Latainisebe  Grammatiker. 

Auf  dem  geebneten  Boden  der  neuen  Ausgabe  befinden  sich  zwei 
kleinere  Arbeiten: 

0.  Ribbeck,  'Die  Composition  der  varronischen  Bücher  V— VII 
de  lingua  latina'  im  41.  Band  des  Rhein.  Museum  (1886)  S.  618ff.; 
G.  Goetz,  Quaestiones  Yarronianae  im  Index  Jen   a.  1886/87. 

Wie  der  Titel  der  ersten  Abhandlung  angibt,  soll  die  Anordnung 
im  Einzelnen  dargelegt  werden.  'Eine  Vorliebe  für  spielende  Ideenver- 
bindungen, auch  gelegentliche  Einflechtung  von  Excursen  und  beiläufigen 
Bemerkungen  kann  bei  der  Natur  Varros  am  wenigsten  Wunder  nehmen. 
Aber  die  Wortkargheit  in  den  Uebergängen  und  bei  der  Rückkehr  auf 
die  verlassene  Bahn  ist  dem  Verstftndniss  hinderlich.  Dazu  kommt  ein 
der  antiken  Compositionsweise  gemeinsames  Princip,  wie  im  einzelnen 
Satzbau,  so  in  der  Anordnung  von  Dingen  oder  Gedanken  das  Unter- 
und  Nebengeordnete  voranzuschicken  und  die  Hauptsache  durch  diesen 
Unterbau  vorzubereiten,  ohne  das  logische  Verhftltniss  der  Glieder  aus- 
drücklich anzugeben'.  Man  muss  zugeben,  dass  es  dem  Verfasser  vor- 
züglich gelungen  ist,  Ordnung  in  das  scheinbare  Gewirr  zu  bringen,  wenn 
man  auch  vielleicht  Bedenken  tragen  wird,  die  Annahmen  willkürlicher 
Störungen  des  Ursprünglichen  durch  Abschreiber  gut  zu  heissen.  —  Die 
zweite  Abhandlung  beschäftigt  sich  1)  mit  der  Herkunft  des  codex  Flo- 
rentinus;  2)  mit  dem  Verhältniss  des  Verrius  Flaccus  zu  Varros  sieben- 
tem Buche;  3)  mit  einigen  einzelnen  Stellen  des  varronischen  Werkes. 
Es  wird  im  zweiten  Theile  die  merkwürdige  Thatsache,  dass  Verrius  den 
Varro  nicht  benutzt  hat,  mit  der  gemeinschaftlichen  Quelle,  aus  der  beide 
geschöpft  haben,  erklärt;  als  diese  gemeinsame  Quelle  wird  ein  grösseres 
glossographisches  Werk  bezeichnet.  Ribbeck  nimmt  ft'eilicb  verschie- 
dene Werke  an,  bald  einen  Gommentar  oder  ein  Glossar  zu  Ennius,  bald 
die  Glossare  des  Opilius  und  Claudius,  bald  ein  naevianisches  Glossar. 
Mir  scheint  auch  jetzt  die  Annahme  einer  einzigen  Hauptquelle  noch  die 
meiste  Wahrscheinlichkeit  zu  haben. 

Vor  der  Spengelschen  Ausgabe  ist  erschienen 

Henry,  V.,  De  sermonis  humani  origine  et  natura  M.  Teren- 
tius  Varro  quid  senserit.    Insulis,  1888.     Diss. 

Diese  Arbeit  enthält  eine  Darlegung  der  Ansichten  Varros  über 
Wesen  und  Ursprang  der  Sprache  nebst  einer  Kritik  dieser  Ansichten 
Eine  wesentliche  Förderung  der  betreffenden  Fragen  bietet  die  wortreiche, 
in  fragwürdigem  Latein  verfasste  Schrift  auf  keinen  Fall. 

Einige  Bemerkungen  allgemeiner  Art  über  Varros  grammatische 
Schriften  macht  Nettleship  Journ.  of  Phil.  XV  S.  190 f. 


t 


Lateinische  Grammatiker.  123 

NigidiuB  Figulus. 

Ueber  den  Fragmenten  dieses  gelehrten  und  interessanten  Mannes, 
dem  das  Alterthum  eine  Stelle  zunächst  dem  Yarro  anwies,  hat  nach  der 
wichtigen  Arbeit  von  Rutgers  ein  eigener  Unstern  gewaltet.  In  der 
ersten  Hälfte  der  vierziger  Jahre  war  es  nahe  daran,  dass  Martin  Hertz 
eine  Sammlung  der  Ueberreste  ttbemommen  hätte:  auf  Bitten  J.  Men- 
zels stand  Hertz  von  seinem  Vorhaben  ab  und  die  bekannte  Abhandlung 
von  ihm  erschien  ohne  Fragmente.  Das  nämliche  gilt  von  den  späteren 
Arbeiten  von  J.  Klein  und  J.  Frey.  Die  neueste  Zeit  hat  endlich  das 
Versäumte  nachgeholt  und  zwei  Arbeiten  ttber  diesen  Gegenstand  her- 
vorgebracht, die  eine  zugleich  mit  der  lang  vermissten  neuen  Sammlung 
der  Fragmente.    Diese  Arbeiten  sind: 

Röhrig,  A.,  De  P.  Nigidio  Figulo  capita  duo.  Diss.  von  Leip- 
zig. Koburg  1887.  64  S.  —  Swoboda,  A.,  P.  Nigidii  Figuli  ope- 
rnm  reliquiae  collegit  emendavit  enarravit  quaestiones  Nigidianas  prae^ 
misit.  Yindob.  1889.  144  S.  (Diss.  Yindob.  II  S.  1—65  ohne  Frag- 
mente). 

Die  Schrift  von  Röhr  ig  zerfällt  in  zwei  Haupttheile  Der  erste 
bringt  eine  Besprechung  der  Autoren,  bei  denen  sich  Ueberreste  des 
Nigidius  Figulus  finden.  Mit  lobenswerther  Sorgfalt  werden  die  Spuren 
des  Nigidius  bei  Cicero,  Varro,  Verrius  Flaccus,  Plinius,  Quintilian, 
Gellius,  Sueton,  dem  Germaniscusscholiasten  und  anderen  besprochen. 
Die  einschlägige  Litteratur  ist  gewissenhaft  benutzt,  die  Resultate  frei- 
lich sind  unerheblich.  Der  zweite  Theil  mit  der,  wie  M.  Hertz  in  sei- 
ner Besprechung  mit  Recht  hervorhebt,  nicht  recht  geschickten  Ueber- 
schrift  »de  Nigidii  studiis  operumque  doctrina  et  singulis  rebust  behandelt 
auf  S.  40 — 46  die  studia  grammatica,  S.  46 — 48,  die  studia  philosophica, 
S.  48-- 52  die  studia  theologica,  6.  52  ff.  die  Studien  auf  dem  Gebiete  der 
Naturwissenschaft.  Es  folgt  eine  Zusammenfassung  der  Hauptresultate 
nebst  einer  Uebersicht  ttber  die  sprachlichen  Eigenthttrolichkeiten  des 
Nigidius.  Im  Ganzen  lehnt  sich  der  Verfasser  an  seine  Vorgänger  an, 
'manches  aus-  und  weiterführend,  einzelnes  in  stets  sachlich  gehaltener, 
wenn  auch  zuweilen  etwas  zu  bestimmt  auftretender  Weise  mit  mehr  oder 
minder  Erfolg  bestreitend'  (Hertz).  Die  Hertzsche  ^Besprechung,  die 
auch  manche  Einzelheiten  erörtert,  findet  sich  in  der  Berliner  philol. 
Wochenscbr.  1888  S.  296 ff.,  andere  Besprechungen  rühren  her  von  A. 
Breysig  in  derselben  Zeitschrift  S.  206ff.  und  M.  Luedecke  in  der 
philol.  Rundschau  1888  S.  802. 

Von  erheblich  grösserer  Bedeutung  ist  die  zweite  Schrift  Die  den 
Fragmenten  vorausgeschickten  quaestiones  behandeln  1)  die  grammatische 
Schrift  des  Nigidius;  2)  die  Schrift  de  diis  sowie  die  übrigen  theologischen 
Werke ;  8)  die  naturwissenschaftlichen  Schriften.  Dann  kommt  die  wohlge- 


124  Lateinische  Grammatiker. 

ordnete  Sammlung  der  Fragmente  nebst  Indices.  Ich  beschränke  mich 
anf  ein  paar  Bemerkungen  Ober  die  grammatische  Schrift. 

Die  Hauptcontroverse  des  ersten  Abschnittes  erstreckt  sich  auf  die 
Anlage  der  commentarii  grammatici.  Hatte  Hertz  die  Ansicht  zu  be- 
grtlnden  versucht,  (Nigidium)  certum  aliquod  systema  hand  secutum  esse 
videri,  sed  prout  aiiquid  notatu  dignum  ipsi  obvenerit  hoc  nullo  ordine 
per  argumentum  ipsum  praescripto  in  coromentarios  rettulisse,  so  glaubte 
Merckliu  aussprechen  zu  dürfen,  dass  das  Werk  zy/st  keine  ars  ge- 
wesen sei,  dass  aber  durch  den  zerrissenen  Bau  der  Commentare  eine 
Ordnung  und  Entwickelung  hindurchschimmere.  Swoboda  sucht  zu  be- 
weisen, Nigidium  per  singulos  vel  etiam  per  plures  commentarios  singolas 
quasdam  materias  sibi  tractandas  sumpsisse:  eine  Ansicht,  die  zwischen 
denen  von  Hertz  und  Mercklin  die  Mitte  hält.  Es  ist  wohl  möglich, 
dass  die  Sache  sich  so  verhält,  aber  durchschlagend  sind  die  Argumente 
Swobodas  sicherlich  nicht  Was  er  S.  6  über  irascere  sagt,  scheint  mir 
ganz  unglaublich;  die  Folgerungen  aber,  die  aus  der  S.  12  gegebenen 
Tabelle  gezogen  werden,  sind  durchaus  unsicher.  Wir  werden  wohl  da- 
rauf verzichten  müssen,  uns  eine  detaillirte  Vorstellung  von  dem  Werke 
zu  bilden.  Die  weiteren  Darlegungen  des  betreffenden  Abschnittes  be- 
ziehen sich  auf  controverse  Einzelheiten. 

Was  die  Fragmentsammlung  anlangt,  so  scheint  sie  mit  Energie 
und  Sorgfalt  gearbeitet  zu  sein.  Der  Verfasser  konnte  sich  auf  vortreff- 
liche Vorarbeiten  stützen:  für  Qellius  bot  ihm  die  adnotatio  critica  von 
Hertz  sehr  vieles,  für  Servius  die  von  Thilo,  für  Nonius  der  erste 
Theil  der  Müllerschen  Ausgabe.  Der  Hauptzuwachs  der  grammati- 
schen Fragmente  würde  aus  Nonius  zu  gewinnen  sein,  wenn  die  von 
dem  Verfasser  in  gelehrter  und  scharfsinniger  Weise  dargelegte  Ansicht 
richtig  wäre,  nach  der  eine  Anzahl  Stellen  über  Adverbia  auf  im  bei 
Nonius  durch  Vermittelung  eines  Glossars  aus  Nigidius  geflossen  ist 
Man  kann  die  Ansicht  von  P.  Schmidt  (de  Nonii  Marcelli  anctoribos 
grammaticis)  für  richtig  halten,  dass  aus  der  Quelle  des  elften  Buches 
manches  in  die  früheren  Bücher  übergegangen  sei.  Dass  diese  Quelle 
aber  ein  Glossar  war,  ist  nicht  zu  erweisen,  auch  durch  die  Plautns- 
reihen  nicht,  die  sich  S.  610  finden.  Man  kann  femer  dem  Verfasser 
zugeben,  dass  unter  den  Quellen,  aus  denen  die  Quelle  des  elften 
Buches  geschöpft  hat,  Nigidius  gewesen  ist.  Trotzdem  aber  wäre  der 
Faden,  mit  Hülfe  dessen  die  Autorschaft  jener  Partien  auf  Nigidins 
zurückgeführt  wird,  so  dünn,  dass  auf  ihn  kein  Verlass  sein  dürfte.  So 
wünschte  ich  denn,  dass  jene  Noniusstellen  in  der  Sammlung  der  Frag- 
mente weggelassen  wären.  Im  Uebrigen  aber  bin  ich  weit  entfernt^  den 
Werth  der  trefflichen  Arbeit  zu  verkennen,  die  zu  den  besten  auf  die- 
sem Gebiete  zu  rechnen  ist.  Vergl.  die  Besprechung  von  H.  Keil  in 
der  Deutschen  Litteraturz.  1889.  No.47  S.  1718—1719,  von  G.  Wiaftowä 
in  der  Zeitschr.  f.  österr.  Gymn.  XL  111  8.  994-997,  von  P.  L*  in  der 


Lateioisdie  Grammatiker.  125 

Reyae  critique  1889  No.  47  S.  867—869,  von  M.  Lttdecke,  Neue  phil. 
Randschau  ISOO  S.  137—180,  yon  A.  Breysig,  Berl.  philo!.  Wochen- 
schr.  1890  S.  242—249,  von  H.  H.  im  Litt.  Gentralbl.  1 890  S.  66.  67. 

Cicero. 

Hermann  Schlag,  Cicero,  Verfasser  einer  grammatischen  Schrift. 
Zugleich  ein  Beitrag  zur  Werthbestimmung  der  grammatici  latini.  Jah- 
resbericht des  Realgymnasiums  zu   Siegen.    1888.    16  S.    4. 

Dass  Cicero  mit  der  Grammatik  wohl  vertraut  war,  versteht  sich 
bei  seiner  sorgfältigen  Erziehung  von  selbst:  zum  Ueberfluss  wird  es  von 
Quint.  I  7,  84  und  Tacitus  dial  30  noch  ausdrücklich  bezeugt.  Der  Ver- 
fasser der  obigen  Schrift  sucht  den  Nachweis  zu  führen,  dass  Cicero  sich 
auch  schriftstellerisch  mit  der  Grammatik  beschäftigt  und  ein  gram- 
matisches Werk  herausgegeben  habe.  Den  einleitenden  Abschnitt,  der 
1)  über  Ciceros  grammatische  Kenntnisse  und  Studien  handelt,  2)  eine 
Sichtung  der  grammatici  nach  ihrer  Selbständigkeit  zu  geben  versucht, 
Obergehe  ich:  er  ist  theils  unerheblich  theils  geradezu  mangelhaft  Aber 
auch  der  Haupttheil  ist  verfehlt.  Die  sechs  Fragmente,  auf  die  Schlag 
sich  stützt,  sind:  1)  die  bekannten  Stellen  bei  Cledonius  p.  26,  31;  28, 
97  und  Pompeius  8.  110,  10;  2)  die  Stellen  bei  Quintil.  14,  11,  Velins 
Longus  S.  64,  16ff.  und  Marius  Victorinus  S.  18,  18.  Allein  die  drei 
letzteren  beweisen  für  die  Existenz  einer  grammatischen  Schrift  nicht 
das  Geringste:  die  berührten  orthographischen  Eigenthümlichkeiten  wur- 
den irgend  einmal  und  zwar  in  früherer  Zeit  aus  Cicero  belegt  (nach 
Nettleship  ist  Verrius  Flaccus  de  orthographia  die  Quelle  für  Velins 
Longus  und  Quintilian).  Die  drei  ersten  Stellen  beweisen  ebensowenig: 
vergl.  die  Schrift  von  Bertsch  (Cledonii  Ars  gramm.)  S.  IV,  wo  F.  Scholl 
das  Richtige  gesagt  hat  Die  Quelle  war  Cic.  in  Verr.  II  2,  76,  187: 
Erani  aceeptae  pecuniae  C^  Verrucio  C.  f,  sie  iamen,  ut  vsque  ad  aUerum 
R  l%Uer<M  conatareni  integrae^  reliquae  omnea  essent  in  litura, 

Dass  die  Spur,  die  Eduard  Zarncke  in  seinem  Aufsatze:  Aus 
Murbachs  Klosterbibliothek  anno  1464  (Commentationes  in  honorem  Gu- 
lielmi  Studeround  editae)  S.  196  ff.  gefunden  zu  haben  glaubte,  trügerisch 
sei,  hat  dieser  inzwischen  selbst  erkannt.  Damit  dürfte  wohl  die  gram- 
matische Schrift  Ciceros  beseitigt  sein.  Vergl.  die  Bemerkungen  des 
Ref.  in  der  Berliner  philol.  Wochenschr.  1890  S.  196.  196. 

Ueber  die  sogenannten  Synonyma  Ciceronis  handelt 

J.  W.  Beck,  Die  Synonyma  Ciceronis,  een  handboek  der  Sy- 
nonymiek  uit  den  tijd  van  Fronte,  i.  d.  Zeitschrift  *  Coniunctis  uiribus* 
1889  3  de  Reeks  No.  8. 

Diese  Schrift  kenne  ich  nur  aus  dem  Referat  Sittls  im  sechsten 
Bande  des  Archivs  S.  694ff.    Im  Anschluss  an  die  Sittische  Bespre- 


1 26  Lateinische  Grammatiker. 

drang  machte  ich  einige  Bemerkungen  über  den  Ursprung  der  Sammlung 
a.  0.  0.  Yergl.  dazu  die  Gegenbemerkungen  von  Sittl  und  die  Zusätze 
von  Beck,  ebenda  jene  S.  267,  diese  S.  297.  Referent  behält  sich  vor, 
auf  diese  Frage  nach  dem  Erscheinen  der  angekündigten  Ausgabe  der 
Synonyma  Giceronis  von  Beck  zurückzukommen. 

Verrius  Flaccus. 

S.  Pompei  Festi  de  verborum  significatu  quae  supersunt  cum 
Pauli  epitome  edidit  Aemilius  Thewrewk  dePonor.  Pars.!.  Bu- 
dapestini. Sumptibus  academiae  litterarum  Hungaricae.  MDCCGLXXIX. 
VIII  u.  631  S.    8. 

Eine  neue  Festus-Paulusausgabe  gehörte  schon  längst  zu  den  drin* 
gendsten  Bedürfnissen.  Denn  auch  die  Wiederholung  der  MüUerschen 
Ausgabe  von  Simmel  &  Cie  (Editio  nova.  ÄccedurU  D  fere  canieeiurae  w, 
dd.  po8t  Muellerum  factae.  Lipsiae  1880)  konnte  trotz  der  Beigabe  den 
Anforderungen  nicht  entsprechen.  Vor  allem  musste  der  Cod.  Farnes, 
neu  verglichen  werden.  Wie  nothwendig  dies  war,  ergab  sich  beispiels* 
weise  aus  den  Festusabschnitten  bei  Bruns  (fontes  iuris  Rom.  fIXnfte  Auf- 
lage), deren  Neubearbeitung  Mommsen  unter  Zubttlfenahme  der  Colla* 
tion  von  Christian  Hülsen  besorgt  hat,  ergab  sich  aus  anderen  ge- 
legentlichen Notizen  Hülsen s.  Beiträge  zur  Handschrifbenkunde  des 
Festus  resp.  Paulus  gaben  Reitzenstein  (Verrian.  Forschungen  S.  97 £f.), 
Nolhac  (le  Festus  d*Ange  Politien  in  Revue  de  phil.  X  p.  145 — 148,  la 
biblioth.  de  Fulvio  Orsini  p.  212sqq.),  Thewrewk  von  Ponor  (1.  Co- 
dex Festi  breviati  in  '  Nyelvtudom4nyi  Közlem^nyek  XIV;  2.  der  Festus- 
Pauli- Codex  der  Corvina,  eine  Abhandlung,  von  der  ich  nur  den  Sepa- 
ratabzug kenne;  3.  Festusstudien,  Separatabdruck  aus  der  Ungarischen 
Revue.  Budapest  1882:  cf.  Georges,  Philol.  Rundschau  II  S.  1106— 
1108;  4.  Codex  Festi  breviatus  Trecensis  in  jjdölanges  Graux  1884. 
p.  659 — 669).  Nunmehr  ist  von  der  lang  vorbereiteten  Ausgabe  des  Letz- 
teren der  erste  Band  erschienen.  In  einer  kurzen  Vorrede  spricht  ^er 
Herausgeber  über  seine  Hülfsmittel.  Der  codex  Farn,  sowie  die  Schedae 
sind  von  Abel  verglichen,  andere  Handschriften  hat  er  selber  in  Buda- 
pest vergleichen  können.  Einen  Nachweis  der  französischen  Paulushand- 
schriften verdankt  er  Henri  Omont.  Auf  die  Vorrede  folgt  der  Text 
des  Paulus  sowohl  wie  des  Festus,  aber  ohne  jeden  Apparat.  Man  wird 
deshalb  fürs  erste  das  Gebotene  mit  Dank  entgegennehmen,  eine  Bespre- 
chung aber  vorläufig  aussetzen:  wer  nicht  über  das  ganze  Material  ver- 
fügt, wird  ausser  Stande  sein,  sich  ein  richtiges  Urtheil  über  den  erschie- 
nenen Band  zu  bilden. 

Kleinere  Beiträge  zur  Kritik  und  Geschichte  des  Festustextes  fin- 
den sich  in  den  'Meletemata  Festina'  (Ind.  Jen.  a.  1885/86.  8  S.  4.)  und 
*Nova  meletemata  Festina*  (Ind.  Jen.  a.  1887.   8  S.  4.)  des  Referenten. 


Lateinische  Grannnatiker.  127 

Die  erstere  Abhandlung  beschftftigt  sich  in  der  Hauptsache  mit  dem  Ver- 
hftltniss  Osberns  zu  Festus»  die  zweite  bezieht  sich  auf  verschiedene 
Einzelglossen,  sowie  das  Verh&ltniss  des  Apuleius  zu  Verrius  Flaccus, 
die  Thätigkeit  des  Paulus  Diaconus,  die  Herkunft  des  codex  Far- 
nesinas und  einiges  andere. 

üeber  die  Lebensverhältnisse  des  Verrius  handelt  im  Anschluss 
an  die  Suetonische  Yita 

Johannes  Yahlen  im  Index  Berol.  hib.  1877/78.    8. 

Nach  einer  eingehenden  Besprechung  der  Worte  in  inferiore  fori 
parte  circa  hemicyclium^  die  sich  zum  Theil  gegen  Hirschfeld  (Hermes  IX) 
richtet,  kommt  Vahlen  auf  die  Anlage  des  Abschnittes  de  grammaticis 
zu  sprechen.  Nach  seiner  Ansicht  kam  es  Sueton  in  erster  Linie  darauf 
an,  die  sich  durch  ihre  Lehrthätigkeit  auszeichnenden  Grammatiker  vor- 
zuführen: daraus  erkläre  es  sich  z.  B.,  dass  Aemilius  Asper  überhaupt 
nicht  vorkomme,  sowie  auch,  dass  des  Verrius  Schriften  übergangen  wer- 
den. Auf  die  Viten  des  Palaemon  und  des  Probus  fällt  durch  diese  Be- 
merkung ebenfalls  neues  Licht. 

Auf  die  Vahlensche  Schrift  bezieht  sich  der  erste  Abschnitt  der 
Analecta  critica  et  grammatica  von  A.  Reifferscheid  (Ind.  schol.  Vra- 
tisL  a.  1877/78)  8.  3-9,  theils  zustimmender,  theils  polemischer  Art.  Da 
die  polemischen  Bemerkungen  sich  auf  Einzelheiten  erstrecken,  so  muss 
ich  darauf  verzichten,  näher  darauf  einzugehen. 

Die  sonstigen  Beiträge  erstrecken  sich  in  erster  Linie  auf  das  lexi- 
calische  Werk,  dass  uns  in  den  Auszügen  des  Festus  und  Paulus  er- 
halten ist.  Was  die  Person  des  letzteren  betrifft,  so  wird  an  der  Iden- 
tität mit  Paulus  Diaconus  kein  Zweifel  mehr  aufzukommen  vermögen. 
Einige  Bemerkungen  über  diese  Frage  unter  Bezugnahme  auf  die  frühere 
Litteratur  finden  sich  in  der  Schrift  des  Referenten  'Nova  Meletemata 
Pestina'  p.  Vif. 

Während  das  Verhältniss  von  Paulus  zu  Festus  im  Allgemeinen 
durchsichtig  ist  —  einige  Andeutungen  darüber  finden  sich  z.  B.  bei 
Leidolph,  de  Festi  et  Pauli  locis  Plautinis  in  den  Comment.  Jen.  vol. 
II  p.  200ff.  sowie  bei  Nettleship,  Lect.  and  Ess.  p.  202  —  so  ist  die 
Frage  nach  dem  Verhältniss  des  Festus  zu  Verrius  naturgemäss  weit 
schwerer  zu  beantworten.  In  der  Vorrede  seiner  Ausgabe  hat  0.  Müller 
auf  einen  auffallenden  Unterschied  in  der  Anordnung  des  Materials  in 
den  ersten  und  zweiten  Hälften  der  einzelnen  Buchstaben  hingewiesen: 
er  folgerte  daraus,  dass  nur  die  ersten  Theile  dem  Verrianischen  Haupt- 
werke entnommen  seien:  die  zweiten  Theile  spricht  er  dem  Festus  zu, 
der  das  Material  'ex  aliis  Verri  libris  de  obscuris  Catonis,  de  Plauti 
vocabulis,  de  iure  sacro  et  augurali,  etiam  de  grammaticis  rebus*  ent- 
lehnt habe.  Diese  Ansicht  Müllers  hat  0.  Gruppe  in  den  Comment. 
in  hon.  Theodori  Mommseni  p.  647  ff.  dahin  zu  modificieren  versucht,  dass 


128  Lftteiniache  Gmnmatiker. 

er  als  Quelle  des  Festas  nicht  sowohl  verschiedene  Werke  des  Yerrins 
als  verschiedene  Werke  verschiedener  Autoren  hinstellt  Fesios  habe 
das  Werk  des  Verrius  nicht  bloss  ezcerpiert,  sondern  aach  interpoliert ; 
die  gegenwärtigen  zweiten  Theile  h&tten  die  Bestimmung  gehabt,  den 
ersten  Theilen  eingefügt  zu  werden;  das  sei  ans  irgend  einem  Oninde 
unterblieben,  so  dass  das  Werk  unvollendet  Oberliefert  worden  sei.  Von 
Festus  rühre  wohl  auch  die  strengere  alphabetische  Anordnung  der  ersten 
Theile  her.  Einen  weiteren  Schritt  that  F.  Ho  ff  mann,  de  Festi  de 
verborum  significatione  libris  quaestiones  (Königsberg  1886):  er  löst  die 
zweiten  Theile  von  den  ersten  vollständig  ab  und  sieht  in  ihnen  das  un- 
verarbeitete Material  zu  dem  von  Festus  p.  218  versprochenen,  aber  nicht 
zu  Ende  geftXbrten  Werke  'Priscorum  verborum  cum  exemplis',  das 
durch  einen  Zufall  mit  der  Epitome  verbunden  wurde. 

Zu  andern  Resultaten  gelangten  H.  Nettleship  Lectnres  and  Ess. 
(Oxf.  1885),  die  an  achter  Stelle  zwei  Aufsätze  über  Verrius  Flaccus  ent- 
halten, p.  20Iff.  und  R.  Reitzenstein,  Verrianische  Forschungen  (Bres- 
lauer philol.  Abhandlungen  Bd.  1  Heft  4)  Breslau  1887,  die  in  manchen 
Dingen,  obwohl  unabhängig  von  einander,  ähnliche  Ansichten  vertreten. 
Yergl.  Nettleship  in  der  Classic.  Review  1887  S.  337.  Der  wichtigste 
Punkt  in  der  Nettleshipschen  Darlegung  ist  der,  dass  die  von  Müller 
für  die  zweiten  Theile  statuirten  Reihen  auch  in  den  ersten  Theilen  vor- 
handen seien,  dass  also  in  dieser  Hinsicht  das  ganze  Werk  einheitlich 
sei.  Indessen  will  es  mich  bedünken,  als  seien  die  Spuren,  die  Nett- 
leship auf  S.  2l6f.  aufführt,  zu  gering,  um  seine  Ansicht  erfolgreich  zu 
stützen.  Die  meisten  Beispiele  sind  dem  Zweifler  gegenüber  ohne  jede 
Widerstandsfähigkeit.  Im  Einzelnen  aber  bietet  die  Arbeit  Nettle- 
ships  manche  feine  Bemerkung,  auf  die  ich  die  Fachleute  angelegentlichst 
hinweise. 

Reitzenstein  sucht  in  dem  ersten  Theile  seiner  wichtigen  und 
inhaltsreichen  Schrift  den  Nachweis  zu  erbringen,  dass  die  Annahme, 
nach  der  die  zweiten  Theile  dem  Festus  gehörten,  unwahrscheinlich  sei. 
Gegen  Müllers  und  namentlich  gegen  Gruppes  Ansicht  spricht  der 
auf  p.  215  deutlich  dargelegte  Arbeitsplan  des  Festus.  Hoff  manne 
Ansicht  scheitert  an  der  Thatsache,  dass  die  zweiten  Theile  nicht  der 
Vorstellung  entsprechen,  die  wir  uns  nach  des  Festus  Worten  von  sei- 
nem projectierten  Werke  machen  müssen.  Gegen  alle  drei  sprechen  ver- 
schiedene Glossen  der  zweiten  Theile,  die  in  eigenthümlicher  Weise  auf 
die  ersten  Theile  Bezug  nehmen.  Die  natürlichste  Annahme  ist  die,  dass 
die  Verschiedenheit  der  Theile  auf  das  excerpierte  Werk  selber  zurück- 
geführt wird.  Es  fragt  sich  nur,  wie  wir  uns  die  Genesis  der  Verschie- 
denheit bei  Verrius  zu  erklären  haben.  Reitzenstein  denkt  sich  die 
Sache  folgendermassen  (im  vierten  Abschnitt  S.  73):  die  streng  alphabe- 
tische Anordnung  ist ...  in  die  ersten  Theile  des  Verrianischen  Werkes 
erst  nachträglich  durch  zahlreiche  Umstellungen  hereingebracht.    Verrius 


Lateinische  Grammatiker.  129 

entwarf  diese  Abschnitte  zunächst  unter  anderen  Gesichtspunkten  und 
trug  ...  an  vielen  Stellen  gleichzeitig  Bemerkungen,  welche  sich  unter 
einander  entsprachen,  in  verschiedenen  Buchstaben  ein.  Die  anfänglichen 
Aufzeichnungen  für  die  ersten  Theile  entsprachen  daher  den  gegenwärtig 
zweiten  und  letztere  sind  Stücke  der  ursprünglichen  Stoffsammlung  des 
Yerrius,  bestimmt,  in  derselben  Weise  wie  die  vorausgehenden  umgearbeitet 
und  mit  ihnen  vereinigt  zu  werden.  Da  sich  die  Anfänge  der  zweiten 
Theile  in  den  Buchstaben  P,  R  und  S  ungefähr  entsprechen  und  die  Um- 
ordnung  in  den  meisten  Buchstaben  noch  nicht  bis  zu  den  Gruppen  ca- 
tonischer  Glossen  fortgeschritten  ist,  müssen  wir  annehmen,  dass  Yerrius 
gleichzeitig  einerseits  seine  früheren  Aufzeichnungen  umzuarbeiten  begann, 
andrerseits  weiteren  Stoff  sammelte,  natürlich,  um  ihn  später  ebenfalls 
einzuordnen'.  Wir  hätten  also  ein  unvollendetes  Werk,  das  'von  andern 
ohne  grosse  Aenderungen  in  einer  Gestalt  veröffentlicht  wurde,  welche 
er  (d.  i.  Yerrius)  seinem  Werke  nicht  zu  geben  beabsichtigte'.  Ich  habe 
diesen  Lösungsversuch  in  einer  Besprechung  des  Buches  in  der  Berliner 
Phil.  Wochenschr.  1887  S.  1152  für  unbefriedigend  erklärt  und  keines- 
wegs zuversichtlich,  sondern  mit  allem  Yorbehalt  einen  andern  vorge- 
schlagen, der  natürlich  ebenfalls  problematisch  ist.  Ich  habe  den  letzten 
Schritt  gethan  und  die  Yerschiedenheit  der  Theile  des  Festus  dem  Yer- 
rius selber  beigelegt.  Es  wird  dort  die  Yerschiedenheit  der  alphabeti- 
schen Anordnung  mit  der  Yerschiedenheit  der  Quellen  in  Beziehung  ge- 
setzt derart,  dass  der  Grundstock  der  ersten  Theile  aus  alphabetischen 
Quellen,  der  der  zweiten  aus  nicht  alphabetischen  herzuleiten  sei.  Diesen 
Erklärungsversuch  hat  Reitzenstein  in  einer  These  zu  seiner  Habili- 
tationsschrift über  Arrian  als  falsch  bezeichnet.  Es  ist  möglich,  dass  er 
Recht  hat:  obwohl  vielleicht  der  Fall  vorliegt,  dass  er  gewisse  Yoraus- 
setzungen  als  erwiesen  annimmt,  die  ich  für  controvers  halte.  Je  mehr 
ich  mit  dem  schwierigen  Gebiete  der  Glossographie  vertraut  werde,  desto 
zurückhaltender  bin  ich  in  solchen  Fragen  geworden.  Ich  werde  übri- 
gens die  Frage  an  anderer  Stelle  ex  officio  zu  behandeln  haben.  Dass 
der  Reitzensteinsche  Lösungsversuch  problematisch  sei,  hat  auch 
Keil  in  seiner  Besprechung  in  der  Deutschen  Litteraturztg.  1887  S.  1582 
anerkannt.  —  Im  zweiten  Abschnitt  (S.  22 — 40)  sucht  Reitzenstein 
darzuthun,  dass  einige  inhaltlich  zusammengehörige  Glossengruppen,  die 
sich  als  Auszüge  abgeschlossener  Darstellungen  erweisen,  sich  über  das 
ganze  Werk  hin  erstrecken.  Solche  Gruppen  sind:  1)  die  Sprichwörter, 
die  nach  M.  Hertz  auf  Sinnius  Capito  zurückgehen;  2)  die  Tribnsnamen 
und  3)  die  Glossen  über  coronae  militares,  die  Mercklin  beide  dem 
Yarro  zuweist;  4)  die  Abschnitte  über  Yornamen,  nach  Reitzenstein 
ebenfalls  varronischen  Ursprungs;  5)  die  Notizen  über  verschiedene  Arten 
der  Blitze;  6)  die  Erklärungen  der  Yerwandtschaftsverhältnisse,  um  von 
kleineren  Gruppen  zu  schweigen.  Aus  dieser  Darlegung  folgert  der  Yer- 
fasser,  dass  Yerrius  seine  Aufzeichnungen  für  verschiedene  Buchstaben 

Jahresboricht  für  Alterthnmiwiiminchaft.  LXVm.  (1891.  IL)  9 


\ 


130  LAteinisdie  Grammatiker. 

gleichzeitig  machte.  —  Im  dritten  Abeclmitte  verfolgt  Reitzenstein 
die  zasammenhaagenden  Gruppen  der  zweiten  Theile  nebst  ihrer  Ent- 
sprechung. Ich  hebe  namentlich  herror  die  treffliche  Behandlnng  der 
Plantusreihen  nnd  der  Abschnitte  über  HochzeitsgebrAnche.  ^  Im  fünften 
Abschnitte  wird  die  Frage  erörtert,  welche  Quellen  Verrins  vmnittelbar 
benutzt  habe.  Genauer  gehandelt  wird  über  Aelius  GaUus  und  Aelius 
Stilo.  —  Die  Excurse  erstrecken  sich  theils  auf  Einzelfiragen,  theils  auf 
die  Anordnung  der  Citate  bei  umfangreicheren  Glossen  der  ersten  Theile, 
theils  auf  die  Quellenfrage,  theils  auch  auf  die  Ueberlieferungsfrage.  Im 
Ganzen  bezeichnet  die  Arbeit  einen  bedeutenden  Fortschritt  auf  dem 
schwierigen  Gebtete.  Vergl.  noch  die  Anzeige  im  Litt.  Central)!.  1888 
S.  769  Yon  A.  E.,  und  in  der  Wochenschr.  f.  klass.  Phil.  V  p.  167  ~  170 
von  H.  Wintber. 

Neben  dem  Hauptwerke  haben  auch  die  übrigen  nicht  mehr  eital- 
tenen  Schriften  gelegentliche  Berücksichtigung  gefunden,  so  z.  B.  das 
Budi  de  orthographia.  Einige  Bemerkungen  über  verriaiiische  Be- 
standtheile  bei  Velins  Longus  und  Scaurus  sowie  bei  Quintilian  gibt 
Nettleship  Joum.  of  Phil.  6.  15  (a.  1886)  S.  194.  Vergl.  unter  Quin- 
tilian. Ueber  Nonins  und  Verrius,  Gellius  und  Verrius,  Pli- 
nius  und  Verrius  und  anderes  wird  weiter  unten  zu  handeln  sein. 

n.  Die  Grammatiker  der  späteren  Zelt. 

Ehe  ich  zu  der  Reihe  der  folgenden  Grammatiker  übergehe,  er- 
wähne ich  den  letzten  Band  der  grossen  Keilschen  Sammlung,  deren 
Erscheinen  in  diesen  Zeitpunkt  fällt.    Derselbe  hat  den  Specialtitel : 

Scriptores  de  orthographia  Terentius  Scaurus  Velins  Longus 
Caper  Agroecius  Cassiodorius  Martyrius  Beda  Albinus.  Audacis  ex- 
erpta  Dosithei  ars  grammatica  Arusiani  Messii  exempla  elocntionum 
Cornelii  Frontonis  liber  de  di£ferentiis  Fragmenta  grammatica  ex  re- 
censione  Henrici  Keilii.  Index  scriptorum.  676  S.  Lipsiae  in  aedi- 
bus  B.  G.  Teubneri.  1880  =  Grammatici  latini  ex  recensione 
Henrici  Keilii  Vol.  VII. 

Recensionen:  Fase.  1  von  A.  E.  Centralblatt  1878  S  1644  (Refe- 
rat). Fase.  2  Ton  demselben  Centralblatt  1880  S.  1687  (einige  Vorschl&ge 
zu  verderbten  Stellen). 

Mit  diesem  siebenten  Bande  hat  die  Sammlung  der  lateiniBchen 
Grammatiker  von  H.  Keil  ihr  Ende  erreicht:  es  war  ein  langer  und 
mühseliger  Weg,  den  der  Herausgeber  sich  einst  vorgenommen  hatte: 
mit  Befriedigung  darf  er  vom  Ziele  auf  die  zurückgelegte  Strecke  blicken, 
und  mit  freudigem  Danke  beutet  die  gelehrte  Forschung  die  Quellen 
aus,  die  ihr  hier  erschlossen  wurden.  Der  Inhalt  des  siebenten  Ban- 
des  ergibt  sich   aus  dem  Titel:    eines  Lobredners   bedürfen  die  Vor- 


Latelflidehe  Grammatiker.  131 

zttge  des  Keuschen  Werkes  nicht.  Ich  will  mich  daher  auf  einige  band- 
sehriftliehe  Nachträge  heschränken,  die  theils  andern  verdankt  werden, 
theils  sich  mir  selber  bei  Gelegenbeit  anderer  Studien  ergeben  haben. 

Für  die  Orthographie  des  Beda  hat  Keil  vier  Handschriften 
benutzt:  den  Paris.  7530,  Montepess.  306,  Leid.  122,  Sangall.  249.  Er- 
wähnt werden  noch  der  Paris.  4841.  Harlei.  3826  und  3969,  sowie 
eine  Handschrift  Caspar  Barths.  Mir  sind  ausserdem  noch  folgende  be- 
kannt geworden:  1)  Cod.  Vatic.  1469  saec.  X  an  sechster  Stelle  (eine 
Contamination  aus  Beda,  Placidns  und  andern  Glossaren);  2)  Cod. 
Paris,  lat  13377  saec.  IX  von  Delisle  im  Catalog  nur  als  Glossarium 
angegeben;  3)  nach  dem  Catalog  enthält  auch  der  cod.  Paris.  18520 
saec.  IX  Beda  de  orthographia;  4)  cod.  Florent  S.  Mar.  Nov.  324,  olim 
623,  s.  X  f.  107  -  f.  111 V;  5)  cod.  Laur.  plut.  20,  54.  —  Das  Mate- 
rial zu  Dositheus  hat  inzwischen  eine  Bereicherung  erfahren  durch 

K.  Krumbacher  im  Rhein.  Mus.  B.  39  (1884)  S.  348 — 358. 

Die  neue  Handschrift  ist  der  Harleianus  6642  saec.  IX/X. 
Einen  Yorbericht  hatte  Krumbacher  bereits  in  den  Sitzungsberichten 
der  philos.  philol.  und  bist.  Cl.  der  k.  bayer.  Akad.  d.  Wiss.  1883  S.  193 
— 203  gegeben.  Was  den  kritischen  Werth  der  Handschrift  anlangt,  so 
bildet  er  inhaltlich  eine  Ergänzung  des  cod.  Monacensis  601.  Beide  zu- 
sammen geben  ein  Bild  der  Quellenhandschrifb,  die  ihrerseits  mit  dem 
cod.  Sangallensis  zusammen  auf  den  gemeinschaftlichen  Archetypus 
Alhrt. 

Auf  das  erste  der  kleineren  Stücke,  die  in  den  Handschriften  mit 
Dositheus  verbunden  werden,  bezieht  sich  eine  Gelegenheitsschrift  des 
Referenten:  der  erste  Abschnitt  der 

Quaestiones  misceUae  (Index  schol.  aestiv.    Jenens.  a.  1888). 

Es  wird  darin  gezeigt,  dass  der  Abschnitt  p.  426,  12 — 428,  2 
sich  deckt  mit  der  Redensartensammlung,  die  in  dem  Charisiuscodex 
fol.  25 'sq.  enthalten  sind.  Die  Beziehung  im  Allgemeinen  war  Keil 
nicht  unbemerkt  geblieben:  das  genaue  Verhältniss  hatte  er  jedoch  nicht 
erkannt  Ebenda  findet  sich  ein  Abdruck  der  Sammlung  in  der  Chari- 
siushandschrift,  wodurch  das  bei  Keil  mitgetheilte  Stück  erst  recht  ver* 
ständlich  wird. 

Zu  VII  33,  14 — 34,  4  vergl.  die  Bemerkungen  von  G.  Schepss  im 
WölfOinschen  Archiv  VI  S.  253 f.,  wo  über  ein  Würzburger  Fragment 
saec.  IX  gehandelt  wird. 

Andere  Ergänzungen  werden  an  rechter  Stelle  Berücksichtigung 
finden. 

Weiter  mögen  zunftchst  die  Titel  einiger  Schriften  folgen,  auf  die 
bei  den  folgenden  Erörterungen  an  mehreren  Stellen  Bezug  genommen 
wird. 


132  Lateinische  Grammatiker. 

Henry  Nettleship,  The  study  of  Latin  Grammar  among 
the  Romans  in  the  first  Century  im  Journ.  of  Philol.  1887  B.  XV 
S.  189—214. 

Felix  Boelte,  De  artium  scriptoribus  latinis  quaestiones. 
Bonn  1886.  54  S.  8.  Derselbe:  die  Quellen  von  Charisius  I  16  und 
17  in  Fleckeisens  Jahrbüchern  1889  B.  187  S.  401—440. 

Herm.  Fr.  Neumann,  De  Plinii  dubii  sermonis  libris  et  Pris- 
ciani  fontibus.    Kiel.    1881.   64  S.    8. 

Karl  Marschall,  De  Q.  Remmii  Palaemonis  libris  gram- 
maticis.    Lipsiae  1887.    88  S.    8. 

Remmius  Palaemon. 

An  der  Spitze  der  zunftmässigen  Grammatiker  der  Eaiserzeit  steht 
Q.  Remmius  Palaemon,  dessen  eigenartige  und  erfolgreiche  Thätig- 
keit  in  immer  hellere  Beleuchtung  gerückt  wird.  Die  Ansicht  Schott- 
müllers, dass  der  bei  Charisius  citierte  Palaemon  nicht  der  alt«  Q. 
Remmius,  sondern  ein  späterer  sei,  darf  heute  als  widerlegt  bezeichnet 
werden.  Schon  Christ  und  Morawsky  haben  dieselbe  modifidert: 
ebenfalls  hat  es  Neumann  S.  32  abgelehnt,  ganz  auf  Schottmüllers  Seite 
zu  treten.  Vergl.  ferner  Keil  V  p.  324  und  Birt  im  Rh.  Mus.  34 
(1879)  S.  26.  Dass  Schottmüllers  Ansicht  in  Sueton  keine  Stütze 
findet,  bemerkt  Vahlen  Ind.  BeroL  a.  1877/78  S.  9.  Neuerdings  hat 
Nettleship  a.  a.  0.  S.  207  die  Frage  abermals  untersucht  So  weist  er 
eines  der  Hauptargumente  Schottmüllers,  dass  der  alte  Remmius  nicht 
gut  des  Plinius  Schrift  de  dubio  sermone  benutzt  haben  könne,  was  doch 
der  Charisianische  Palaemon  gethan  habe,  als  nicht  stichhaltig  zurück. 
Wenn  ferner  Neumann  S.  33  Anstoss  daran  nimmt,  dass  bei  Palaemon 
schon  die  üblichen  Declinationen  unterschieden  werden,  so  verweise  ich 
auf  B ölte 8  dritte  These,  wo  es  heisst:  declinationem  nominum  quattuor 
ordinibus  comprehendere  primus  Remmius  Palaemon  docuit.  Ich  wüsste 
in  der  That  keinen  triftigen  Grund  dagegen  yorzubringen.  Zuletzt 
wurde  diese  Frage  von  Marschall  im  ersten  Gapitel  seiner  Disser- 
tation erörtert.  Marschall  stützt  sich  hauptsächlich  auf  Quintilian, 
zum  Theil  im  Anschluss  an  Claussens  Quaestiones  Quintilianeae:  'Et- 
enim  si  Charisius  eundem  cum  Quintiliano  usurpavit  Palaemonem,  de 
quo  alio  licet  cogitare  Palaemone  nisi  de  Q.  Remmio?'  (S.  9).  Auf 
S.  16—18  wird  dann  der  Schottmüllersche  Palaemon  des  vierten 
Jahrhunderts  nochmals  auf  seine  Existenzberechtigung  hin  untersucht  und 
verworfen.  Mir  scheint  es,  als  könnten  die  Acten  über  diesen  Theil  der 
Palaemonfrage  geschlossen  werden.  Vergl.  auch  Bölte  in  Fleckeisens 
Jahrbüchern  S.  426. 

Die  Frage  nach  den  vorhandenen  Ueberresten  der  ars  des  Palaemon 


Lateinische  Grammatiker.  133 

ist  wie  viele  ähnliche  Fragen  derart,  dafs  sie  sich  schwerlich  zu  völ- 
liger Zafriedeaheit  lösen  lassen  wird.  Je  nachdem  bei  den  einzelnen 
Forschern  die  Neigung  zur  kühn  vorschreitenden  Conjecturalkritik  oder 
zu  vorsichtiger  Skepsis  das  Uebergewicht  hat,  wird  die  Entscheidung  ver- 
schieden ausfallen.  Müssen  doch  in  den  meisten  Fällen  die  Mittelglieder, 
die  man  nicht  entbehren  kann  erst  construiert  werden;  aber  nur  selten 
liegt  der  Fall  so,  dass  nur  eine  einzige  Construction  möglich  ist:  daher 
die  grosse  Unsicherheit  der  Ergebnisse.  Referent  wird  sich  bemühen, 
beiden  Standpunkten  gebührend  gerecht  zu  werden. 

Die  wichtigste  der  auf  die  Feststellung  der  vorhandenen  üeberreste 
Palaemons  gerichteten  Untersuchungen  ist  immer  noch  die  Arbeit  von 
Schottmüller,  in  welcher  namentlich  die  feinsinnige  Beobachtung  über 
den  Gebrauch  von  velut  hervorragt.  Was  neuerdings  Nettleship  S.  208 
gegen  Schottmüller  vorbringt,  scheint  mir*wenig  begründet.  'I  sup- 
pose  then,'  sagt  er,  'tbat  the  use  of  uelut  is  a  sign,  not  of  Palaemon's 
band,  but  of  some  late  redactor  using  old  material  and  putting  bis  own 
mark  upon  it'  Die  Yergleichung  des  Diomedes  beweist  meines  Er- 
achtens  keineswegs,  was  sie  beweisen  soll. 

Die  Hauptquelle  für  die  Herstellung  der  Ars  des  Palaemon  ist  und 
bleibt  natürlich  Gharisius,  und  seit  Schottmüller  ist  die  Forschung 
emsig  bemüht,  die  Charisianischen  Conglomerate  auf  Spuren  des  Palae- 
mon  hin  zu  prüfen.  Eine  Zusammenfassung,  zum  Theil  eine  Erweiterung 
der  gewonnenen  Resultate  giebt  Marschall,  dessen  zweiter  und  um- 
fangreichster Abschnitt  (S.  20 — 76)  de  Q.  Remmii  Palaemonis  doctrlna 
apud  Charisium  extante  handelt. 

Die  Hauptschwierigkeiten  bietet  das  erste  Buch.  Während  Schott- 
müller das  ganze  12.  Capitel,  den  grössten  Theil  des  zehnten  und  einen 
Theil  der  Gapitel  11,  14,  15  und  16  dem  Palaemon  zugewiesen  hatte, 
erhob  sich  über  das  15.  Gapitel  ein  lebhafter  Streit,  an  dem  sich  ausser 
Ghrist  namentlich  Morawsky  und  Neumann  betheiligten.  Eine  Ueber- 
sicht  über  denselben  giebt  Marschall  S.  43f.  Marschalls  Ansicht 
geht  dahin,  dass  für  dieses  Gapitel  Palaemon  die  Hauptquelle  sei:  Julius 
Romanns  sei  nur  an  den  ausdrücklich  mit  seinem  Namen  bezeichneten 
Stellen  herangezogen  worden.  Die  Aehnlichkeit  der  Gapitel  XY  und  XVII 
rührt  daher,  dass  auch  Julius  Romanus  den  Palaemon  ausgeschrieben 
hat.  Die  übrigen  Spuren  im  ersten  Buche  werden  ebenfalls  eingehend 
behandelt.  Marschall  weist  dem  Palaemon  die  Gapitel  3,  4,  5  zu  (S.  29-32) 
(hauptsächlich  gestützt  auf  die  Yergleichung  des  Gharisius  mit  Dositheus), 
ebenso  die  Gapitel  6,  7,  8,  9  (S.  32)  theils  mit  Hülfe  des  Dositheus, 
iheils  unter  Hinweis  auf  andere  dem  Palaemon  zuzuweisende  Stücke, 
Betreffs  des  10.  Gapitels  schliesst  sich  Marschall  an  Schottmüller 
an  unter  Hinzufügung  eines  Excurses,  der  die  Bedeutung  der  Schott- 
müllerschen  Beobachtung  über  velut  einschränken  soll.  Gapitel  11 
wird  zum  Theil  gegen  Schottmüller  für  Palaemon  in  Anspruch  genommen 


134  Lateinische  Orammatiker. 

(S.  d6f.),  ebenso  das  12.  (S.  37)  und  18.  Gapitel  (S.  87fl),  das  ganze  14. 
(S.  88),  das  16.,  Theile  des  18.  und  das  ganze  19.  Gapitel.  Danach 
w&re  das  ganze  erste  Bach  des  Gharisins  in  der  Hauptsache  eine  wenn 
auch  zum  Tbeil  verstümmelte  Compilation  ans  Palaemon:  denn  anch 
Gapitel  17  gehört  schliesslich  ebenfalls  dem  Palaemon  an.  —  Aach  das 
zweite  Buch  ist  nach  Marschall  in  der  Hauptmasse  des  Materials 
auf  Palaemon  zurückzuführen.  Das  dritte  Buch  hatte  schon  Schott- 
müller  dem  Palaemon  zuertheilt.  Das  vierte  Buch  liefert  für  Palaemon 
keinen  Ertrag:  hingegen  wird  ihm  wiederum  das  fünfte  Buch  zuge- 
schrieben. Auf  S.  76  giebt  Marschall  eine  Zusammenstellung  der  ge- 
sammten  Ueberreste  des  Palaemon  bei  Charisius.  Gestützt  auf  diese 
Darlegung  versucht  Marschall  die  Eigenart  des  Palaemon  zu  schildern. 
Er  weist  auf  gewisse  Eigenthümlichkeiten  des  Ausdrucks  hin,  auf  die 
Gleichartigkeit  der  Quellenbenutzung  (vorzugsweise  Cicero,  Yirgil,  Terenz, 
Horaz),  auf  die  Declinations-  und  Gonjugationsreihen.  Häufig  wird  das 
Griechische  zur  Illustrierung  herangezogen.  Gibt  man  das  Letztere  zu, 
so  wird  er  zugleich  eine  wichtige  Quelle  für  die  bilinguen  Glossare,  wo- 
rüber hier  nicht  weiter  gehandelt  werden  kann.  —  Ausser  Gharisius  be- 
handelt Marschall  die  Spuren  des  Palaemon  bei  Dositheus,  dessen 
Hauptmasse  er  im  Wesentlichen  auf  jenen  zurückführt;  ebenso  verfUirt 
er  mit  dem  Anonymus  Bobiensis. 

Die  ganze  Darlegung  Marschalls  leidet  freilich  an  einem  grossen 
Fehler:  er  hat  es  nicht  verstanden,  die  verschiedenen  Grade  von  Wahr- 
scheinlichkeit gegen  einander  abzuwägen  und  hat  mehr  bewiesen  als  viel- 
leicht jemals  bewiesen  werden  kann.  So  kann  es  denn  nicht  Wunder 
nehmen,  dass  ein  wichtiger  Punkt  von  anderer  Seite  wesentlich  anders 
entschieden  wird,  die  Frage  nach  den  Quellen  des  16.  Gapitels  in  Buch  I, 
die  Bölte  in  dem  folgenden  Jahre  eingehend  und  sorgfältig  behandelt 
hat.  Die  Quintessenz  seiner  Darlegung  ist  folgende:  Das  15.  Gapitel 
zerfällt  in  der  Hauptsache  in  dreierlei  Bestandtheile;  der  erste  gehört 
einem  anonymus  de  latinitate,  der  zweite  dem  Remmius  Palaemon, 
der  dritte  (etwa  zwei  Drittel  des  Gapitels)  einem  anonymus  de  analogia. 
Die  Verwandtschaft  mit  Kapitel  17  erklärt  er  nach  Ghrists  Vorgange 
aus  der  Benutzung  einer  gemeinsamen  Quelle:  von  Romanus  sind  meh- 
rere Quellen  benutzt  worden,  von  denen  der  eine  der  anonymus  de  ana- 
logia ist.  Die  Einleitung  in  Gapitel  16  entstammt  dem  anonymus  de 
Winitate.  Die  Darlegungen  B  ölt  es  zeugen  von  grossem  Scharfsinn: 
aber  in  manchen  Punkten  ist  er  den  Beweis  schuldig  geblieben.  Er 
fühlt  diesen  Uebelstand  auch  selber  verspricht  auf  eine  Untersuchung, 
'welche  die  gesammte  Frage  nach  der  Reconstruction  der  Palaemo- 
nischen  Grammatik'  umfassen  soll.  Dass  eine  solche  Untersuchung  ge- 
rade nach  der  Marschallschen  Arbeit  sehr  willkommen  sein  wird,  steht 
ausser  allem  Zweifel.  Einstweilen  mache  ich  noch  auf  die  guten  Bemer- 
kungen allgemeiner  Art  aufmerksam,  die  sich  auf  S.  434 f.  finden. 


XiftteiDMcbe  Grammaläker.  185 

In  einem  knrzea  fünften  Gapitel  behandelt  Marschall  die  Frage 
nadi  der  Abfassungszeit  der  Ars  des  Palaeroon  sowie  nach  der  Bücher» 
zahl.  Ueber  die  letztere  lassen  sich  keine  bestimmten  Anfstellimgen 
machen.  Die  Abfassungszeit  fällt  nach  Marschall  zwischen  77  und  66 
oder  87,  hauptsächlich  wegen  der  thermae  Titianae  bei  Charisius  p.  98, 
31:  Nettleship  denkt  an  die  Jahre  zwischen  67  und  77,  indem  er 
hauptsächlich  auf  Plin.  Nat.  Hist.  praef.  §  28  Rücksicht  nimmt  Die 
Marse  hall  8  che  Annahme  fällt  sofort  zusammen,  wenn  man  die  Urhe- 
berschaft des  Palaemon  ftü*  den  fraglichen  Abschnitt  bezweifelt  Recen- 
sionen  der  Dissertation  von  Marschall  geben  H.  Winther  in  der 
Wochenschr.  für  klass.  Philol.  1890  S.  714-717  und  H.  Keil  in  der 
Deutschen  Litteraturz.  1888  8.  592.  698. 

Eine  wichtige  Stellung  in  der  Palaemonfrage  nimmt  das  Yerhält- 
niss  des  Quintilian  zu  diesem  Grammatiker  ein,  ein  Kapitel,  das  besser 
unter  Quintilian  behandelt  werden  wird.  Yergl.  ferner  unter  Julius  Ro- 
man us. 

M.  Valerius  Probus. 

Beruh.  Kubier,  De  Probi  Berytii  commentariis  Vergi- 
lianis.  Berl.  1881.  8.  —  J.  W.  Beck,  De  M.  Valerio  Probe 
Berytio  quaestiones  novae.    Groningen  1886.  8.   42  S. 

Der  zweite  unter  den  grossen  Grammatikern  des  ersten  Jahrhun- 
derts ist  Yalerius  Probus,  der  Berytier.  Ueber  die  Zeit  seines  Le- 
bens ist  seit  Steups  unglücklicher  Trennung  des  Probus  bei  Sueton  von 
dem  des  Martial  und  Gellius  mehrfach  gehandelt  worden;  man  vergleiche 
neben  Teuf  fei  Stnd.  und  Charakter,  p.  442  namentlich  Kühler  und 
Beck  in  den  noch  näher  zu  beeprechenden  Schriften.  Das  Resultat 
kann  nicht  anders  lauten,  als  dass  der  bei  Martial  erwähnte  Probus 
eben  der  Berytier  ist;  damit  ist  erwiesen,  dass  derselbe  im  Jahre  67 
oder  88  —  denn  in  diese  Zeit  fällt  Martial  III,  2,  12  ~  noch  am  Le- 
ben war.  Yergl.  auch  Friedländer  in  seiner  Martialausgabe  in  der 
Anmerkung  zu  der  genannten  Stelle. 

Aber  auch  die  übrigen  Probleme,  die  sich  an  Probus  anschliessen, 
sind  eingehend  behandelt  worden,  so  zunächst  die  Frage  nach  dem  An- 
theil  des  Probus  an  dem  Yirgilcommentar.  Nach  Kubier  gehört  der- 
selbe ins  vierte  Jahrhundert  Da  die  Frage  in  ein  anderes  Gebiet  ein- 
schlägt, so  will  ich  sie  hier  nicht  näher  erörtern:  dass  aber  die  Urhe- 
berschaft des  Probus  auf  schwachen  Füssen  steht,  kann  nicht  bezweifelt 
werden. 

Die  wichtigste  Streitfrage  knüpft  sich  an  die  Silva  observatio- 
num  sermonis  antiqui,  deren  Sueton  am  Schlüsse  seiner  Yita  ge- 
denkt   Hier  ist  es  in  erster  Linie  die  Dissertation  von  Beck,  mit  der 


136  Lateinische  Grammatiker. 

wir  uns  auseinanderzusetzen  haben.  Eine  Besprechung  derselben  gab 
Kubier  (Berl.  Philol.  Wochenschr.  1887  S.  I372ff.),  in  welcher  die  Re- 
sultate Becks  in  der  Hauptsache  abgelehnt  werden.  Beck  sucht  zu 
erweisen,  dass  die  silva  observationuro  sermonis  antiqui  Gollectaneen 
waren  und  stets  geblieben  sind,  d.  h.  niemals  ediert  wurden:  in  Folge 
davon  wird  er  genöthigt,  dem  Probus  fast  alles,  was  bei  spätem  Autoren 
unter  diesem  Namen  begegnet,  abzusprechen.  Interessant  ist  die  Art,  wie 
sich  Beck  mit  den  Probuscitaten  bei  Gellius  abfindet  (S.  9—20).  In  der 
Regel  werden  dieselben  mit  grösseren  Abschnitten  in  unlösbare  Verbin- 
dung gesetzt;  damit  wird  die  Basis  gewonnen,  sie  ganz  zu  verwerfen. 
Ich  muss  gestehen,  dass  mir  dies  Verfahren  nirgends  eingeleuchtet  hat. 
Dass  Gellius  sich  einmal  ohne  Grund  brtlstet,  'Probi  multos  admodnm 
commentationum  libros'  um  irgend  einer  Notiz  willen  durchgelesen  zu 
haben,  ist  richtig;  dass  aber  deshalb  auch  andere  Gitate,  gegen  die  an 
sich  nichts  einzuwenden  ist,  als  Schwindelcitate  hingestellt  werden,  ist 
nicht  zulässig.  Mag  Gellius  gleichwohl  aus  secundären  Quellen  geschöpft 
haben:  dass  damit  diese  Citate  beseitigt  werden,  glaube  ich  nicht. 

Mit  derselben  Befangenheit  hat  Beck  auch  die  Gitate  bei  den 
Obrigen  Grammatikern  geprüft.  Es  kann  immerhin  zugegeben  werden, 
dass,  wenn  uns  irgendwo  eine  an  sich  unverdächtige  Quelle  berichtete, 
der  Nachlass  des  Probus  sei  tlberhaupt  nicht  ediert  worden,  der  Beck- 
sche  Versuch,  den  Namen  des  Probus  aus  der  TJeberlieferung  zu  besei- 
tigen, Berechtigung  hätte.  Aber  so  liegt  eben  die  Sache  nicht  Es  ist 
vielmehr  durchaus  wahrscheinlich,  dass  der  Nachlass  des  Probus  nicht 
unbenutzt  liegen  blieb.  Unter  diesen  Umständen  werden  wir  uns  zwar 
bestreben  müssen.  Unverdächtiges  und  Verdächtiges  thunlichst  zu  schei- 
den, aber  ohne  jede  Voreingenommenheit  Dass  z.  B.  Priscian  bei  sei- 
nen Probuscitaten  gelegentlich  den  spätem  Probus  resp.  Sacerdos  von  dem 
älteren  nicht  unterscheidet,  ist  richtig;  dass  er  aber  mit  dem  Namen  Pro- 
bus auch  öfter  Diomedes  und  Charisins  meinen  oder  dass  er  an  andern 
Stellen  einen  volleren  Sacerdos  gehabt  haben  soll,  sind  Ausknnftsmittel 
bedenklicher  Art.  Zu  meiner  Freude  ersehe  ich,  dass  schon  Nettleship 
a.  a.  0.  211  f.  in  einer  Note  Becks  Ansicht  zurückweist.  Ebenda  gibt 
der  gelehrte  Verfasser  einige  Andeutungen  über  die  Art,  wie  er  sich 
das  Werk  des  Probus  vorstellt  Auch  L.  Müller  in  seiner  Vorrede  zu 
Nonius  S.  268  f.  urtheilt  über  die  silva  in  der  vorher  üblichen  Weise. 

Zu  den  von  Mommsen  herausgegebenen  notae  iuris  ist  inzwi- 
schen ausser  den  Nachträgen  von  Mommsen  selber  in  der  Appendix 
und  von  Hagen  im  Supplementbande  noch  ein  weiterer  hinzugekommen 
wiederum  von  Mommsen  im  Hermes  1890  S.  153£f.  aus  einem  cod.  Phil- 
lippsianus,  jetzt  in  Berlin. 

Durch  Gundermann  sind  noch  einige  weitere  bisher  unbekannte 
Handschriften  ans  Licht  gezogen  worden,  von  denen  ich  hier  eine  kurze 
Notiz  gebe:    I.  Godex  Paris,  lat.  10688  saec.  VIII  f.  138 sqq.  =  Keil  IV 


LatelDiwhe  Grammatiker.  137 

p.  277 sqq.;  2)  codex  Paris,  lat.  7231  saec.  XI  fol.  84^ sqq.  =  Keil  IV 
p.  277 sqq.;  3)  codex  Paris,  lat.  nouv.  acq.  162  saec.  XVI  fol.  31 ''sqq. 
=  Keil  lY  p.  271  sqq. ;  4)  codex  Paris,  lat.  4841  saec.  X  fol.  27^sqq.  = 
Keil  IV  p.  316  sqq.  Es  lässt  sich  aus  diesen  Handschriften  manche  gute 
Lesart  entnehmen:  doch  keine,  die  nicht  durch  Goigectur  leicht  gefunden 
werden  könnte  oder  von  Mommsen  bereits  gefunden  wäre.  Die  CoUa- 
tionen  mitzutheilen  will  ich  deshalb  unterlassen. 

Ich  erwähne  hier  einige  Abhandlungen  Aber  die  Heimath  der  pseudo- 
probianischen  Appendix  Probi. 

Gaston  Paris,    Uappendix   Probi   in   den  *M61anges   Renier'. 
Paris  1887.    S.  302-309. 

Gestützt  auf  eine  Anzahl  topographischer  Angaben,  die  auf  Africa 
hinweisen,  sucht  Gaston  Paris  darzuthun,  dass  dieser  interessante 
Tractat  afrikanischen  Ursprungs  ist  Entstanden  ist  er  nach  eben  dem- 
selben 'avant  la  fin  du  III®  si^cle*. 

C.  Sittl,  Wölfflins  Archiv  B.  VI  S.  557  f. 

Die  Resultate  Sittls  über  die  Heiroath  laufen  in  der  Hauptsache 
auf  dasselbe  hinaus.  lieber  die  Zeit  bemerkt  Sittl  nur  das  eine,  dass 
der  Tractat  für  Heiden  geschrieben  ist 

Asconius  Pedianus. 

Carl   Lichtenfeld,    De  Q.  Asconii   Pediani   fontibus   ac 
fide.    Breslau.  1888.   8.    88  S.  =  Bresl.  philol.  Abb.  11  4. 

Von  einer  Besprechung  dieser  Abhandlung  sehe  ich  ebenso  ab  wie 
von  andern  Beiträgen  zu  den  Scholiasten  Ciceros. 

Nisus. 

Nach  Baehrens  in  Fleckeisens  Jahrbüchern  B.  127  (1883)  S.  795 
hat  Nisus  in  seiner 'ars'  (artigraphus  heisst  er  bei  Cassiodorins  S.  155K.) 
die  ganze  Frage  der  Gonsonantengemination  behandelt  Velins  Longus 
S.  79,  20  lautet  nach  Baehrens:  Nufus  auctor  eai,  ui  ^comese  et  'con- 
suese*  per  unum  s  acribamus;  ei  adicit  rationem^  quia  iuxta  productam  uo- 
calem  consona  duplex  progredi  non  eoleaL  Auf  eine  principielle  Behand- 
lung der  Geminationsfrage  wird  man  freilich  hieraus  nicht  schliessen 
dürfen. 

PliniuB. 

Neben  der  bereits  erwähnten  Litteratur  ist  hier  zu  nennen 

Fried.  Schütte,    De  Plinii  Secundi  studiis  grammaticis. 
Nordhausen  1883.    Progr.  4.    16  S. 

Dieses  Programm  handelt  in  weitschweifender  und  ermüdender  Weise 
über  die  grammatischen  Schriften  vor  Plinius,  über  die  Quellen  des  Plinius, 


138  Lateimvdie  OrasmfttflBer. 

Aber  <üe  sprachpfailosophucbeii  Ansichteii  deflselben  und  andore  allge- 
meinere Fragen.  Dass  unsere  Einsicht  dnrcb  diese  Schrift  wesentfich 
erweitert  worden  sei,  iässt  sich  nicht  behaupten.  VeigL  jedoch  die  ein- 
gehende Besprechnng  von  J.  W.  Beck,  PhiloL  Rundschan  1885  S.  465 ff. 

Die  Vertheilnng  des  grammatischen  Stoffes  auf  die  acht  Bttcher 
dnbii  sermonis  war  nach  Nettleship  a.  a.  0  S.  205  folgende:  1)  Al- 
phabet and  words;  2)  Sabstantives  doabtfnl  in  form,  gendre,  and  mea- 
ning;  3)  Pronouns;  4)  Verbs:  doubtfiil  coiyngation,  doubtlnl  Yoice; 
5)  Gases  of  nouns;  6)  Question  of  analogy  in  donbtfnl  dedension;  7)  Ad- 
verbs; 8)  Prepositions  and  coojunctions.  Bei  der  Spärlichkeit  der  Ci- 
tate  aus  bestimmten  Büchern  kann  diese  Aufstellung  natürlich  nur  den 
Werth  einer  Yermuthung  haben,  wie  Nettleship  selber  hervorgeho- 
ben hat. 

Die  Ausscheidung  der  Fragmente  aus  den  noch  erhaltenen  gram- 
matischen Werken  ist  rüstig  gefördert  worden.  Der  ftlteste  Benutzer 
des  Plinius  ist  Remmius  Palaemon;  vergl.  S.  182.  Es  folgt  Quinti- 
lian.  Ueber  ihn  sowie  Flavius  Gaper  und  Julius  Romanus  wird 
im  Nachfolgenden  gehandelt  werden.  —  Eine  umfassende  Reconstruction 
des  plinianischen  Werkes  scheint  Beck  zu  planen,  wie  sich  ans  verschie- 
denen Bemerkungen  desselben  ergibt. 

Quintilian. 

Die  grammatischen  Abschnitte  Quintilians  sind  zu  wiederholten 
Malen  Gegenstand  der  Untersuchung  gewesen,  auch  nach  Glaussens  ein- 
dringender Arbeit:  bei  der  wichtigen  Stellung,  die  dieser  Rhetor  in  der 
grammatischen  Tradition  einnimmt,  konnte  es  gar  nicht  anders  erwartet 
werden.  Ich  verweise  auf  Marschall  S.  9ff.,  E.  Meyer  (s.  unter  Scau- 
rus)  S.  29ff.,  Nettleship  a.  a.  0.  S.  195ff.,  Bölte  These  4  n.  S.  436, 
Birt  Rh.  Mus.  34  (1879)  S.  25.  Während  man  nach  Glaussen  ge- 
neigt war,  Palaemon  als  die  einzige  Quelle  des  Quintilian  anzuerkennen, 
hat  sich  schon  Bölte  in  der  genannten  These  di^in  ausgesprochen,  dass 
neben  Palaemon  noch  andere  Autoren  in  Frage  kommen  müssten.  Dei^ 
selben  Ansicht  ist  Nettleship.  Nach  ihm  stammen  I  4  — 5,  54  aus 
Remmius  Palaemon,  I  5,  54-1  6,  27  aus  Plinius,  I  6,  28—88  theils 
ans  Yarro  theils  aus  andern  Etymologen,  I  7,  1-28  aus  Yerrius  Flac^ 
cus  de  orthographia.  Dass  es  aber  möglich  sei,  die  Herkunft  des  Einzel- 
nen Paragraph  für  Paragraph  nachzuweisen,  zumal  wir  weder  des  Yerrius 
Flaccus  Werk  noch  das  des  Yarro  oder  Plinius  oder  Remmius  Palaemon 
besitzen,  will  mir  zweifelhaft  erscheinen,  um  so  mehr,  als  diese  Schrift- 
steller sich  doch  auch  untereinander  beeinflusst  haben.  Dass  aber  die 
Theorie  von  der  einen  Quelle  nicht  aufrecht  erhalten  werden  kann,  er- 
scheint mir  ebenfalls  sicher.  .Oegen  Nettleship  vergl.  noch  Bölte 
S.  486. 


LateixüBche  Oramxnatiker.  139 

Flavius  Gaper. 

Ueber  diesen  Orammatiker  bandelt  im  Zusammenbange  Gottfried 
Keil  in  seiner  Dissertation: 

De  Flavio  Capro  grammatico  quaestionum  capita  dno  (Dissert 
Hai.  vol.  X  a.  1889.  S.  243—306). 

Den  Inbalt  dieser  Scbrift,  einer  Hallenser  Preisarbeit,  gebe  icb 
mit  des  Verfassers  Worten  an  (p.  246):  ^priore  (capite)  de  Gapri  no- 
mine, aetate,  libris  disserui  et  quae  scriptonim  eins  fragmenta  nomine, 
aetate,  libris  disserui  et  quae  scriptonim  eins  firagmenta  nomine  appo* 
sito  apud  inferiores  grammaticos  exstant  composni;  altero  quid  Pri« 
scianus  omisso  nomine  auctoris  ex  Gapri  libris  hauserit,  quaesivi.  Yt 
qnaestio  plane  absoluta  esset,  etiam  reliqui  grammatici  aeque  ac  Prisda- 
nuft  tractari  debebant;  quod  cum  longum  esset,  in  aliud  tempus  distuli. 
Prisoianum  vero  elegi,  quod  reliqnorum  nemo  magis  Gapri  doctrinam  se- 
ctttus  est'. 

Der  Zeitbestimmung  Osanns  wird  mit  Kecht  wenig  Gewicht  bei- 
gelegt: Gaper  mnss  nach  Probus,  den  er  benutzt,  und  vor  Julius  Roma- 
nus, der  ihn  citiert,  gelebt  haben;  näheres  lässt  sich  nicht  sagen.  — 
Die  unter  Gapers  Namen  gehenden  Schriften  de  ortbographia  und  de  ver- 
bis  dubiis  rühren  in  der  überlieferten  Form  nicht  von  Gaper  her,  obgleich 
manches  darin  als  dem  Gaper  gehörig  bezeugt  ist  und  der  Inhalt  viel- 
fach an  seine  Methode  erinnert.  Die  Gitate  aus  verlornen  Schriften  wer- 
den trotz  der  Mannigfaltigkeit  des  Titels  in  der  bekannten  Weise  auf 
zwei  Sdiriften  bezogen,  de  latinitate  und  de  dubiis  generibus  (so  will  sie 
Keil  nennen). 

Die  Sammlung  der  Fragmente  zerfUlt  in  drei  Abschnitte:  A.  aus 
de  latinitate.  B.  aus  de  dubiis  generibus.  G.  Fragmente  unsicherer 
Herkunft  Die  Fragmente  finden  sich  bei  Gharisius,  Priscian,  Pompeius, 
Sergius  in  Don.,  Bufinus  de  metris,  Hieronymus  contra  Rufin.,  Servius. 
In  den  darauf  folgenden  adnotationes  ad  fragmenta  werden  meist  Pa- 
rallelstellen zusammengetragen  und  die  Ansichten  anderer  Gelehrten  be- 
sprochen. Eine  Anzahl  Erwähnungen,  die  beim  Anonym.  Monac.  (Gramm, 
lat.  V)  und  in  dem  Hagenschen  Bande  sowie  den  Bemer  Schollen  ci- 
tiert werden,  gehören  dem  erhaltenen  Pseudocaper.  —  Das  zweite  Ga- 
pitel  handelt  über  die  Benützung  des  Gaper  durch  Priscian.  Die  Unter- 
suchung stützt  sich  auf  Neu  mann  in  der  noch  öfter  zu  erwähnenden 
Schrift  (s.  unter  Palaemon)  sowie  auf  Kar  bäum  (s.  unter  Priscian)  und 
schreitet  nach  Priscianbttchern  abgetheilt  vorwärts.  Bei  der  Bezugnahme 
Keils  auf  Neu  mann  wird  es  zweckmässig  sein,  zunächst  in  kürzerer 
Weise  das  hierher  gehörige  zweite  Gapitel  aus  Neumanns  Schrift  (de 
Prisciano)  zu  besprechen,  hierauf  ausftkhrlicher  das  zweite  Gapitel  Keils. 
Der  Gang  der  Neumannschen  Darlegungen  ist  folgender.    Im  An- 


140  Lateinische  Orammatiker. 

Bchluss  an  die  ofTenkundige  Thatsache,  dass  Caper  zu  den  wichtigsten 
lateinischen  Quellen  des  Priscian  gehört  (cf.  I  p.  17 1,  14,  woselbst  ein 
grosser  Theil  von  Buch  V  der  Instit.  dem  Caper  beigelegt  wird),  wird 
zunächst  das  Yerhältniss  des  Priscian  zu  Caper  im  Allgemeinen  erörtert 
und  festgestellt,   dass  Caper  vieles  aus  Plinius  geschöpft  hat    Hierauf 
wird  Buch  VI  im  Wesentlichen  auf  Caper  zurückgeführt,  alsdann  werden 
bei  Caper  die  plinianischen  Spuren  nachgewiesen.   Genau  so  wird  im 
VII.  Buche  verfahren,  das  ebenfalls  Caper  zur  Hauptquelle  hat   Es  fol- 
gen die  Bücher  VIII,  IX  und  X.    Bei  Caper  scheint  die  Anordnung  eine 
alphabetische  gewesen  zu  sein:    ein  Fingerzeig,  der  im  YIII.  Buche  zu 
benutzen  ist    FtLr  Buch  IX  und  X  wird  aus  der  Uebereinstimmung  mit 
Diomedes  auf  Caper  und  weiter  auf  Plinius  geschlossen.    Die  Pliniana 
des  ersten  Buches  leitet  Neumann  von  Papirianus  ab.  —  Die  Ausfiüi- 
rungen  Keils  gebe  ich  etwas  ausführlicher  wieder,  da  sie  zugleich  eine 
Kritik  der  Neumannschen  Aufstellungen  enthalten.    1)  Prise.  1. 1— IV. 
Buch  I  und  II  enthalten   nichts,   was   an  Caper   erinnert.    Im   ersten 
Theile  des  III.  Buches  (de  comparativo  ac  superlativo)  wird  Caper  drei 
Mal  genannt  85,  6  (alter  Gebrauch  von  euer,  cüimus)^  96,  2  (nuperrimus 
und  nuperrime\  97,  7  (alter  Gebrauch  von  ueUr  u.  s.  w.).    Gestützt  auf 
die  erste  Erwähnung  will  Keil  dem  Caper  auch  das  daran  anschliessende 
über  exter  zuschreiben,  vielleicht  auch  das  über  exUmus^  eüimus^  «tttmtii 
etc.  p.  98,  4  und  100, 15  folgende.    An  die  dritte  Erwähnung  erinnern  die 
p.  95,  11  behandelten  Superlative  maturrimus  und  maturrissimfiß  (vergL 
Karbaum  p.  5).    Femer  werden  die  drei  Reihen  p.  86,  26,  87,  15, 
91|  25  dem  Caper  zuzuweisen  sein.     Im  zweiten  Theil  dieses  Buches 
(de  diminutivo)  kann  allein   das   p.  115,  18   stehende  Probuscitat  mit 
Hertz,  Steup,  Neumann  dem  Caper  gegeben  werden.    Das  IV.  Buch 
Priscians,  im  Allgemeinen  durch  Dürftigkeit  ausgezeichnet,  weist  nur 
zweimal  Capers  Spuren  auf  (p.  128,  23  und  183,  24,  denominativa).  — 
Es  folgen  Priscian  V— VII.    Gegen  Neumanns  Ansicht,  V  1 — 45  stamme 
ganz  aus  Caper,  folglich  auch  das,  was  in  Buch  VI  und  VII  mit  jenem 
übereinstimme,  macht  Keil  geltend,  es  sei  nicht  glaublich,  dass  Priscian 
denselben  Stoff  aus  derselben  Quelle  zweimal  ausgeschrieben  habe:   es 
sei  vielmehr  nur  das  VI.  Buch  dem  Caper  direct  zuzusprechen.  Buch  V 
stamme  aus  einer  gekürzten  Quelle  derselben  Richtung;  nur  die  ausführ- 
licheren Stellen  im  V.  Buche  habe  Priscian  aus  Caper  seiner  Quelle  zu- 
gesetzt   Auf  diese  interpolierten  direct  aus  Caper  stammenden  exempla 
beziehen  sich   auch  die  Worte  supra  diciorum  u.  s.  w.,  allenfalls  auch 
bloss  auf  die  alphabetische  Reihe  p.  169,  6 sqq.,  deren  Ordnung  Keil 
gegen  Neumann  dem  Priscian  zuschreibt.    Hierauf  stellt  Keil  die  acht 
Stellen  zusammen,  an  denen  Caper  citiert  wird,  sowie  die,  welche  anders 
woher  als  dem  Caper  gehörig  bezeichnet  werden.    Es  folgen  diejenigen, 
deren  Ursprung  sich  durch  ihre  XJebereinstimmuQg  mit  Nonius  cap.  III,  de 
dub.  nom.,  Chans.  I  15,  Caper  de  verbis  dubiis  zu  verrathen  scheint. 


Lateinische  Grammatiker.  141 

Caper  ist  gemeinsame  Quelle  f&r  Priscian,  die  catholica  und  excerpta  de 
nomine  des  Probns.  Sparen  des  Plinius  verdankt  Priscian  dem  Caper; 
bei  ihm  fand  er  ferner  die  Gitate  aas  dem  Berytier  Probas,  vielleicht 
auch  aus  Caesellius  Vindex,  Sueton,  Caesar  de  analogia,  Arruntias  Cel- 
sus;  selber  hat  er  eingesehen  Gellins,  Donat,  Charisias,  Servias,  Nonius 
and  die  Catholica  des  Probus.  —  Prise.  Buch  VIII.  Ueber  die  Bücher 
VIII— X,  worin  die  Lehre  vom  Verbum  enthalten  ist,  hatte  Neumann 
nur  im  Allgemeinen  gesagt,  dass  sie  aus  Caper  de  latinitate  geflossen 
seien.  Keil  will  die  Frage  eingehender  behandeln.  Es  gehören  dem 
Caper  in  Buch  VIII:  1)  die  alphabetischen  Reihen  nebst  Zugehörigem; 
2)  alles,  worin  Priscian  und  Diomedes  übereinstimmen ;  in  Buch  IX  und 
X:  1)  die  Stellen  aus  Probus  dem  Berytier,  2)  alles,  worin  Priscian  und 
Diomedes  übereinstimmen.  —  Mit  Buch  X  schliesst  Neumanns  Unter- 
suchung, daher  Keil  auf  sich  angewiesen  ist.  Buch  XI  enthält  wenig 
von  Caper;  ausser  661,  10  vielleicht  das,  was  in  dieser  Umgebung  steht 
und  mit  andern  Spuren  zusammenstimmt.  Ob  Caper  in  Buch  XII  und 
XIII  berücksichtigt  worden  ist,  bleibt  zweifelhaft.  Auch  die  Bücher  XIV 
— XVI  zeigen  nur  schwache  Spuren  Capers.  Die  Bücher  XVII  und 
XVIII  entfernen  sich  ganz  von  Capers  Richtung,  sie  sind  nach  Apollo- 
nius  gearbeitet  mit  gelegentUichen  Interpolationen  aus  andern  Gramma- 
tikern, unter  denen  sich  allerdings  auch  Qaper  befindet;  doch  mag  Pri- 
scian dessen  Lehren  aus  seinen  eigenen  früheren  Büchern,  wo  sich  immer 
Entsprechendes  findet,  hier  wiederholt  haben.  —  In  den  kleineren 
Schriften  Priscians  finden  sich  keine  Spuren  Capers.  Caper  ist  also 
hauptsächlich  in  den  Abschnitten  de  nomine  und  de  verbo  von  Priscian 
benutzt  worden. 

Die  Schrift  Earbaums,  die  zum  Theile  ebenfalls  hierher  gehört, 
wird  unter  Priscian  besprochen  werden. 

TerentiuB  Scaurus. 

H.    Kummrow,     Symbola  critica  ad   grammaticos    latinos. 
Gryphiswaldiae  1880.    4.    58  S.    Rec.  Rev.  de  phil.  V  p.  143. 

Diese  Abhandlung  gibt  eine  Sammlung  der  Fragmente  des  Q.  Te- 
rentius  Scaurus.  Im  ersten  Kapitel  werden  alle  diejenigen  Stellen 
aufgeführt,  in  denen  der  Name  des  Scaurus  direct  überliefert  ist  (Com- 
roentarii  in  Plauti  fabulas,  Commentarii  in  Vergilium,  Commentarii  in 
Horatium,  de  Caesellii  erroribus,  de  rebus  per  epistulam  quaesitis,  Ar- 
tis  grammaticae  reliquiae).  Da  die  Bruchstücke  der  Ars  sich  vorzugs- 
weise bei  Sergius  und  Diomedes  finden,  so  vermuthet  der  Verfasser,  dass 
dort  noch  weitere  Bestandtheile  vorliegen  könnten,  auch  ohne  dass  sie 
ausdrücklich  dem  Scaurus  zugeschrieben  werden.  Er  untersucht  darauf- 
hin zunächst  die  Abschnitte  de  metaplasmis  schematibusque  bei  Dio- 
medes S.  440,  27  ff.    Aus  einer  Vergleichung  von  Diomedes  415,  12  ff. 


144  Lateiniacbe  Grammatiker. 

Sulpicios  citiert  wird,  doch  so,  dass  ihm  weit  mehr  zuzuweisen  ist,  als 
es  beim  ersten  Anblick  scheint ;  zweitens  aber  tragen  auch  andere  Stellen 
Merkzeichen  an  sich,  die  auf  Sulpicius  Apollinaris  mehr  oder  minder 
deutlich  hinweisen.  Zu  Gellius  XYIII  4  vergl.  Röhrig  S.  12.  13,  zu 
XIII  18,  3  Röhrig  S.  15.  Die  Darlegungen  Becks  sind  auch  hier 
nicht  überall  von  gleicher  Wahrscheinlichkeit.  Als  Quelle  des  Gellias 
betrachtet  er  eine  Art  epistolicae  quaesUones,  während  er  die  Annahme 
einer  Aeneisausgabe  bezweifelt.  —  Aus  der  Schrift  von  Opitz  gehören 
noch  hierher  einige  Bemerkungen  allgemeiner  Art  ttber  die  Studien  des 
Apollinaris,  vorzüglich  die  Studien  auf  dem  Gebiete  des  alten  Lateins. 

GelliuB. 

Bei  der  Wichtigkeit,  die  Gellius  für  die  grammatische  Tradition 
hat,  ist  es  von  grosser  Bedeutung,  dass  endlich  die  kritische  Ausgabe 
von  Hertz  erschienen  ist,  ein  zuverlässiges  vortreffliches  Fundament  fttr 
alle  Gelliusstudien  (Berlin  1883.  1885  in  zwei  Bänden).  Dieselbe  hat 
zahlreiche  Besprechungen  hervorgerufen,  so  von  A.  Eussner  in  der 
Wochenschrift  f.  kl.  Philol.  1886  S.  389 ff.,  im  Litter.  Centralbl.  1886 
S.  474ff.,  von  L.  Müller,  Philol.  Rundschau  1884  S.  276ff.,  1886 
S.  107ff.,  von  0.  Seyffert.  Berl.  Philol.  Wochenschr.  1884  S.  I73ff., 
1886  S.  1086,  von  Th.  Vogel  philol.  Anz.  XIV  1884  S.  442ff.,  Neue 
Jahrb.  f.  Philol.  B.  133  (1886)  S.  71  ff.  und  andere  mehr.  Mit  seltener 
Einstimmigkeit  wird  der  Werth  dieser  Leistung  anerkannt  Eine  klei- 
nere Ausgabe  des  Textes  erschien  in  Leipzig  bei  Teubner  1886.  Rec. 
u.  a.  von  0.  Seyffert,  Berl.  phil.  W.  1886  p.  1508. 

Mit  Freuden  ist  es  zu  begrüssen,  dass  Hertz  in  demselben  Jahre 
1886  auch  eine  Sammlung  seiner  Opuscula  Gelliana  herausgegeben 
hat.  Unter  den  hier  vereinigten  Aufsätzen  ist  für  die  Geschichte  der 
Grammatik  namentlich  wichtig  der  über  Gellius  und  Nonius  Mar- 
cel Ins,  auf  den  weiter  unten  noch  die  Rede  kommen  wird.  Ueber  das 
Verhältniss  des  Neudrucks  zu  der  ersten  Veröffentlichung  äussert  sieb 
Hertz  folgendermassen:  'das  Aufgenommene  ist  im  Wesentlichen  unver- 
ändert abgedruckt,  ohne  einzelne  Besserungen  und,  wo  es  angezeigt  er- 
schien, durch  eckige  Klammern  bezeichnete  Zusätze  auszuschliessen'. 
Rec.  Litt.  Centralbl.  1887  S.  718  von  A.  E.,  Deutsche  Litteraturz.  1886 
S.  559  von  H.  J.  Müller,  Berl.  Phil.  Wochenschr.  1886  S.  1087  von 
0.  Seyffert,  Rev.  crit.  1886  S.  360  von  L.  Duvau. 

L.  Ruske,  De  A.  Gellii  Noctium  Atticarum  fontibus  quae- 
stiones  selectae.    Glaciae  1883. 

Die  Schrift  gehört  weniger  hierher;  denn  sie  beschäftigt  sich 
1)  mit  den  historischen  und  antiquarischen  Quellen;  2)  mit  den  philo- 
sophischen;  8)  den  juristischen.  j 


Lateiniselie  Grammatiker.  145 


Julius  Romanus. 

Auch  dieses  Grammatikers  erhebliche  Leistungen  hat  die  Forschung 
der  jüngsten  Zeit  in  hellere  Beleuchtung  gerückt.  Naturgemäss  kntLpfen 
die  Untersuchungen  ttber  ihn  zunächst  an  Gharisius  I  17  an,  ein  Gapi- 
tel,  dass  nach  der  Ueberschrift  aus  Julius  Romanus  entnommen  ist,  wenn 
man  auch  mit  Neu  mann  a.  a.  0.  (S.  8  f.)  annehmen  muss,  dass  Ghari- 
sius seine  Quelle  mehrfach  verkürzt  hat  Was  die  Quellen  des  Roma- 
nus selber  anlangt,  so  hat  sich  bereits  Neu  mann  bemtlht,  die  pliniani- 
schen  Reste  zu  ermitteln.  Bölte  geht  in  seinem  Aufsatze  S.  418ff.  über 
ihn  hinaus,  indem  er  sich  erstens  nicht  auf  Plinius  beschränkt  und  in- 
dem er  zweitens  zu  den  inneren  Gründen  noch  eine  äussere  Grundlage 
feststellt  Hatte  bereits  Schottmüller  darauf  hingewiesen,  dass  die 
plinianischen  Gitate  unter  A  nach  einer  bestimmten  Gasusfolge  angeord- 
net seien,  so  erweitert  Bölte  diese  Beobachtung  auf  die  Buchstaben 
GFIMNRT;  diese  Anordnung  geht  ohne  Zweifel  auf  Plinius  selber  zurück, 
dessen  sechstes  Buch  nach  den  Gasus  disponiert  war.  Julius  Romanus 
behielt  dieselbe  beim  Excerpieren  bei.  Die  so  gewonnene  Reihenfolge 
wurde  nur  gelegentlich  durch  anderweitige  Notizen  unterbrochen,  nicht 
aber  absichtlich  aufgegeben.  Im  ersten  Artikel  einer  Pliniusreihe  ist  der 
Name  des  Plinius  in  der  Regel  genannt  Mit  Hülfe  dieser  Beobachtung 
lassen  sich  auch  eine  Anzahl  Lemmata  dem  Plinius  zuweisen,  die  na- 
menlos überliefert  sind.  Weiter  aber  finden  wir  bei  neun  Buchstaben 
vor  der  Reihe  der  sicheren  Pliniuscitate  einen  oder  mehrere  Titel  ttber 
den  Ablativ  der  dritten  Declination;  bei  GNR  stehen  daneben  die  den 
Ablativ  betreffenden  Pliniuscitate  an  ihrer  richtigen  Stelle,  unter  Zu- 
hülfenahme  von  S.  121,  14  ff.  nach  der  Merkeischen  Emendation  vermu- 
thet  Bölte,  auch  diese  'Ablativschicht'  stamme  aus  Plinius;  Romanus 
habe  sie  besonders  excerpiert  und  wahrscheinlich  nachträglich  eingefügt 
Anf  Grund  dieser  Darlegung  werden  136  Lemmata  als  plinianisch  eiw 
wiesen.  -  Die  zweite  Quelle  des  17.  Gapitels  ist  der  im  16.  Gapitel  be- 
nutzte anonymus  de  analogia,  dem  41  Lemmata  zugeschrieben  werden. 
Weitere  zehn  werden  dem  Palaemon  beigelegt,  anderen  Grammatikern 
zusammen  16 ;  unbestimmt  bleiben  46.  —  Was  nun  noch  die  Einleitung 
von  Gapitel  17  anlangt,  so  legt  sie  Bölte  nach  einer  gelehrten  Auseinan- 
dersetzung dem  anonymus  de  analogia  bei:  eben  daher  hat  auch  Dona- 
üanus  (Keil  VI  S.  276 ff.)  die  ausführlichere  Darlegung  derselben  Fragen. 
In  letzter  Linie  geht  sie  vermuthlich  auf  Remmius  Palaemon  zurück* 
Yergl.  Palaemon  [und  den  Nachtrag]. 

Neumann  (s.  vor  Palaemon)  untersucht  in  seiner  Schrift  die 
plinianischen  Ueberreste  bei  Gharisius  und  Priscian.  Zu  diesem  Zwecke 
behandelt  er  im  ersten  Gapitel  zunächst  das  Verhältniss  von  Gharisius 
I  17  (Romanus)  zu  Gharisius  I  16,  wovon  bereits  die  Rede  war.    Hier- 

fahrMbericht  (lir  Alterthumswitsexuchaft.  LXVm.  Bd.  (1891  U).  IQ 


146  Laleinisehe  OntaDmatiker. 

auf  werden  die  Sparen  des  Plinius  im  17.  Gapitel  aufgedeckt,  ebenso  die 
im  16.:  geschöpft  hat  Charisius  in  allen  diesen  FäUen  aus  Julias  Ro- 
manus. Im  folgenden  werden  dann  diejenigen  plinianischen  Fragmente 
mBammengestellt,  die  Charisius  aus  Remroius  PaJaemon  entnommen  hat 

AemiliuB  Asper. 

üeber  die  Zeit  des  Aemilius  Asper  handelt  Lämmerhirt  (s.  an- 
ter Servius)  in  einem  Epimetrum  auf  S.  401  ff.  Nach  einer  üebersicbt 
llber  die  seitherigen  Versuche,  diesen  Mann  chronologisch  zu  fixieren, 
hebt  der  Verfasser  hervor,  das  Ergebniss  sei  lediglich  das  eine,  dass  er 
nämlich  nach  Gornutus  thätig  gewesen  sei.  Lämmerhirt  selber  möchte 
ihn  ans  Ende  des  zweiten  oder  in  den  Anfang  des  dritten  Jahrhunderts 
sMzen,  freilich  mit  Gründen,  die  meines  Erachtens  ebenfalls  unzurei- 
chend sind.  Bei  Servius  in  Aen.  IX  416  steht  folgendes:  Asper  tarnen 
dicit:  'per  tempus  utrumque',  hoc  est  Mnter  tempus  utrumque',  ut  e 
contra  hunc  int  er  fluuio  Tiberinui  amoeno^  id  est  ^per  hune\ 
Vergl.  zu  VU  SO:  hunc  inter  per  hunc,  Terentius  .  .  .  .  uias.  m< 
autem  erebra  Frontonü  eloctUio.  Lämmerhirt  schliesst  nun  so:  an  der 
zweiten  Stelle  ist  die  Erklärung  von  hunc  inUr  von  Asper;  von  demsel- 
ben Asper  stammt  aber  die  Gitation  Frontos.  Damit  ist  die  Sache  ent^ 
schieden.  Allein  diese  Argumentation  ist  doch  sehr  bedenklich:  warum 
soll  die  Erwähnung  des  Fronto  von  Asper  herrtthren?  Wird  doch  der- 
selbe Fronte  noch  einige  Male  erwähnt,  ohne  dass  eine  Spur  auf  Asper 
hinweist. 

Zu  den  von  Ghatelain  in  der  Revue  de  phil.  n.  s.  X  p.  87 sq. 
pablicierten  Stücken  vergl.  Bölte  Dissert  These  VI:  Fragmmta  commei^ 
4a/rii  in  Vergüi  carmina  quae,  f^  ab  Aspro  oriunda  ^  Chateiain  nuper  edüM^ 
anU  saeaäum  p.  Chr,  II]  conscripta  non  sunt,  üeber  Spuren  des  Asper 
bei  Priscian  vergl.  Neumann  S.  15.  Gharis.  p.  139,  22ff.  gibt  Neu- 
maan  S.  19  dem  Asper,  nicht  dem  Plinius. 

Nonius. 

Wie  sehr  die  neue  Noniusausgabe  L.  Müllers  einem  Bedürfiuss 
entgegenkam',  weiss  jeder,  der  genöthigt  ist,  mit  Nonius  zu  arbeiten: 
dass  dieselbe  einen  bedeutenden  Fortschritt  bezeichnet,  ist  trotz  der  ent- 
schiedensten Vorbehalte  von  allen  Seiten  anerkannt  worden.  Referent 
kann  nur  wiederholen,  was  er  in  der  Berl.  philol.  Wochenschrift  1889 
S.  1834  ausgesprochen  hat,  dass  er  sich  nämlich  durch  alle  Vorbehalte, 
eigene  wie  fremde,  die  Freude  an  der  Fülle  des  Guten,  das  geboten 
wird,  nicht  schmälern  lassen  mag.  Im  üebrigen  verweist  derselbe  auf 
seine  und  die  sonstigen  Besprechungen. 

Die  Frage  nach  den  Quellen  des  Nonius  spielt  eine  wichtige 


Lateinische  Orammatiker.  147 

• 
Bolle«  Yor  alleisr  di«  Frage  nach  dem  Verhiltniss  des  Noai«8  bu  CtoUins. 
Grundlegend  ist  in  dieser  Hinsicht  immer  noch  die  Eoerst  in  Fleck- 
eisens Jahrbflchern  85  (1862)  S.  706  ff.,  779 ff.  erschienene  and  in  den 
Opuscnla  Gelliana  S.  85  ff.  mit  einigen  Znsätzen  wiederholte  Abhandlung 
Yon  Martin  Hertz.  Auf  ihr  basieren  die  Untersuchungen  von  Riese, 
Schottmfiller  und  Schmidt;  an  Schmidt  schliessen  sich  Bartels, 
Caesar,  Reblin  (siehe  unten)  an.  Die  Hauptresultate  sind  dann  über- 
gegangen in  die  Adversaria  Noniana  bei  L.  Müller,  der  seine  frühere 
Ansicht  wesentlich  modificiert  hat.  Auf  einer  principiell  abweichenden 
Auffassung  beruhen  die  Annahmen  Nettleships  (Lect  a.  Ess.  p.  228ff.), 
dem  sich  zum  Theil  anschliesst  Beck  de  M.  Yalerio  Probe  S.  15 f.  Doch 
muss  ich  bekennen,  dass  mir  die  Hertz  sehen  Darlegungen  in  keinem 
Hauptpunkte  widerlegt  zu  sein  scheinen.  Nettleship  hält  es  für  wahr- 
scheinlich, 'that  Nonius  did  not  borrow  from  Gellius  at  all;  nay,  that 
there  is  nothing  to  show,  that  he  had  ever  read  Gellius'.  Die  Gründe, 
die  er  vorbringt  sind  folgende:  1)  eine  Liste  der  dem  Gellius  und  No- 
nius gemeinschaftlichen  Glossen  ergibt,  dass  Nonius  mehrfach  Zuthaten 
hat,  die  bei  Gellius  fehlen;  dass  aber  Nonius  diese  aus  andern  Quellen 
zugefügt  habe,  ist  nicht  wahrscheinlich;  2)  es  lAsst  sich  darthun,  dass 
Nonius  nicht  selten  den  Gellius  ignoriert  und  zwar  in  einer  Weise,  die 
es  kaum  glaublich  macht,  dass  er  ihn  im  übrigen  benutzt  habe;  8)  nach 
Hertz  findet  sich  die  Benutzung  vorwiegend  in  den  beiden  ersten  Bü-^ 
ehern  des  Nonius,  was  auffallend  erscheinen  muss.  Das  Auffällige  ver- 
schwindet sofort  mit  der  Annahme,  dass  beide,  Nonius  und  Gellius,  von 
einer  gemeinsamen  Quelle  abhängig  sind;  4)  die  Beobachtung  von  Hertz, 
dass  ganze  Reihen  dieselbe  Folge  haben  wie  bei  Gellius,  hat  deshalb 
weniger  Gewicht,  weil  sich  auch  Ausnahmen  finden  und  weil  man  an- 
nehmen müsste,  dass  Nonius  öfter  ganze  Bücher  oder  auch  mehrere  zu- 
gleich übersprungen  habe.  —  Von  diesen  Gegengründen  scheint  mir  kei- 
ner geeignet,  die  Darlegungen  von  Hertz  zu  entkräften;  schon  die  eine 
Reihe  bei  Hertz  S.  96  ist  in  einem  Grade  durchschlagend,  dass  ich 
mich  ihrer  Beweiskraft  nicht  zu  entziehen  vermag. 

Eine  kurze  Uebersicht  Ober  die  von  Nonius  benutzten  Quellen 
gibt  L.  Müller  in  den  Adversaria  Noniana  S.  254 ff.  L.  Müller  stellt 
den  Satz  an  die  Spitze,  dass  Nonius  ausschliesslich  die  Grammatiker 
herangezogen  habe,  die  im  zweiten  Jahrhundert  von  Traian  an  schrieben 
und  wirkten.  Bewiesen  werde  dieser  Satz  durch  das  Urtbeil  über  die 
Schriftsteller,  deren  Fragmente  er  citiere.  Die  Hanptquellen  seien 
Gellius  (lib.  I  u.  II,  VI,  XII,  aber  auch  sonst;  z.  B.  in  UI,  IV,  Y),  Sue- 
tons  antiquarische  Schriften  (XIU — XIX);  Bach  III  stamme  aus  Gaper 
9nd  Caesellius  Vindex,  Buch  lY  und  V  hauptsächlich  aus  Lexicis,  die 
Bücher  YH—XI  seien  im  V^esentlichen  einer  Quelle  entnommen,  wenn 
auch  mit  vielen  Zusätzen;  ebenso  vielleicht  Buch  IV.  Buch  XX  gehe 
auf  ei^en  Zeitgenossen  des  Augustus  zurück.     Es  folgen  noch   einige 

10» 


148  ^teinisdie  Grammaiiktr. 

spedeflere  Bemerlningeii  Aber  das  VerfaSltnigs  zwischen  Konins  nnd 
Gellios,  Monins,  Diomedes  nnd  Priscian,  Nonias  und  Servins,  Nonius  nnd 
Donat,  Nonias  nnd  Arnsianns  Messias,  anf  die  ich  den  Leser  verweise. 
Ausser  den  Adyersaria  Noniana  kommen  noch  in  Betracht  die  be- 
reits berührten  Schriften  von  Bartels,  de  Terentii  memoria  apnd  No- 
ninm  serrata  (Dissert.  Argentorat  IX  8.  iff.),  Caesar,  de  Planti  memo- 
ria apnd  Noninm  serrata  (Argentorat!  1886),  nnd  Reblin,  de  Nonii 
Marcelli  lods  Plantinis  (Greifsw.  1886).  Bartels  nntersncht  die  He^ 
knnft  der  Nonianischen  Terenzcitate ;  genauer  zu  sprechen  kommt  er  da- 
bei auf  das  Yerhältniss  zu  Charisius  und  Priscianus,  zu  Servins  und  Bo- 
nat  Die  Frage,  ob  die  Plautusreihen  aus  Glossaren  oder  Gommentaren 
stammen  behandelt  Reblin  S.  61;  vergleiche  dazu  Index  Jen.  a.  1890/91 
p.  VIII.  Die  Annahme,  dass  Nonius  seine  Reihen  Gommentaren  ent- 
lehnt habe,  stellt  neuerdings  in  Frage 

0.  Froehde,    De  Nonio  Marcello  et  Verrio  Flaceo.    6e^ 
lin  1890.    52  S.    8. 

Der  Verfasser  knftpft  an  die  Ansicht  an,  dass  sowohl  die  No- 
manischen  Reihen  (nach  P.  Schmidt)  als  die  Verrinsreihen  (nach 
Reitzenstein)  ans  Gonunentaren  geschöpft  seien:  diese  Annahme  er- 
fordere, so  meint  er,  wenn  ich  ihn  recht  verstehe,  dass  in  beiden  Fällen 
die  gleichen  Gommentare  zu  Grunde  gelegen  haben  mttssten  (cf.  S  24, 
86).  Das  sei  aber  aus  verschiedenen  Gründen  unwahrscheinlich.  Mich 
wiU  es  bedünken ,  als  führe  er  damit  einen  Kampf  gegen  Windmflhlen: 
denn  niemand  hat  meines  Wissens  behauptet,  dass  Verrius  und  Nonius 
aus  denselben  Gommentaren  geschöpft  hätten;  constatiert  wurde  nor 
eine  Aehnlichkeit  der  Anordnung  und  ein  Zusammentreffen  einzeber 
Glossen  und  Belege.  Dieses  Zusammentreffen  erklärte  sich  in  einbchster 
Weise  durch  die  Annahme,  dass  die  von  Nonius  ausgeschriebenen  Gom- 
mentatoren,  sei  es  direct  sei  es  indirect,  entweder  Verrius  oder  dessen 
Quellen  benutzt  hätten.  Der  Verfasser  hat  also  die  Gommentarientheorie 
—  die  allerdings  nur  auf  Vermuthung  beruht  —  keineswegs  widerlegt;  er 
hat  nur  eine  abweichende  Erklärung  der  Thatsachen  vorgetragen,  nämlich 
folgende:  Nonius  habe  ebenso  wie  Verrius  Flaccus  seine  Lemmata  nnd 
Beispiele  aus  den  Autoren  selber  gesammelt,  die  Erklärungen  aber,  so- 
weit sie  nicht  von  ihm  herrührten,  aus  grammatischen  Werken  verschie- 
dener Art  entnommen.  Ich  gebe  gern  zu,  dass  es  möglich  ist,  sich 
die  Sache  in  dieser  Weise  zurecht  zu  legen;  nur  müssten  wir  tinsere 
Vorstellung  von  der  Thätigkeit  des  Nonius  erheblich  modificieren.  Die 
Darlegungen  des  dritten  Gapitels  bei  Fröhde  (de  M.  Terentio  Varrone) 
sind  freilich  nicht  geeignet,  die  Wahrscheinlichkeit  seiner  Ansicht  erheb- 
lich zu  fördern.  —  Manche  der  hierher  gehörigen  Fragen  wird  man  ver- 
muthlich  in  den  Jahresberichten  zu  Plautus  und  Terenz  behandelt  finden. 

Weitere  Bemerkungen  über  das  Verhältniss  von  Nonius  zu  Verrius 


i 


LateiDiflebe  Orammatiker.  149 

Flaccns  finden  sich  bei  Nettlesbip  Lect  a.  Ess.  8.  277 it.,  deren  sehn- 
ter  Abschnitt  *Nonias  Marcellns'  ttberschrieben  ist  Yergl.  die  Bemeiv 
knngen  unter  Gellins. 

Die  textkritischen  Schriften  von  Meylan,  Havet,  Onions  nnd 
andern  ftbergehe  ich,  da  sie  in  der  MttUerschen  Ausgabe  besprochen 
und  benutzt  sind.  Ebenso  die  Bemerkungen  Mommsens  über  Person 
und  Heimath:  auch  mit  ihnen  hat  sich  L.  Mttller  in  den  Advers.  Non. 
auseinander  gesetzt. 

Porphyrie. 

CarlFr.  ürba,  Meletemata  Porphyrionea.    Wien  1886.    72  S.    8. 

Rec  z.  B.  Ton  K.  Weyman,   Archiy  II  S.  491  f.,  von  K.  E. 
Georges,  Jahresber.  für  lat.  Lexic.  XL VIII  (1886)  S.  42 ff. 

Der  Zweck  dieser  tüchtigen  Arbeit  ist,  durch  genaue  Beobachtung 
des  Sprachgebrauchs  die  Frage  nach  der  Heimath  und  der  Lebenszeit 
des  Porphyrie  zu  fördern.  Das  Resultat  geht  dahin,  dass  der  Scholiast 
nicht  vor  dem  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  anzusetzen  sei.  Die  son- 
stigen Darlegungen  gehören  nicht  in  dieses  Gebiet  und  sind  an  anderer 
Stelle  gewürdigt. 

Artigraphen  des  4.  Jahrhunderts. 

Ich  beginne  mit  der  Schrift  von  Bölte  (de  arUum  scriptoribus  la- 
tinis;  s.  o.)*  Von  der  Ueberzeugung  erftillt,  dass  es  unzulänglich  sei,  zur 
Klarlegnng  der  allmählichen  Ausbildung  der  grammatischen  Doctrin  von 
den  dürftigen  Fragmenten  auszugehen,  die  den  älteren  Meistern  aus- 
drücklich zugeschrieben  werden,  insofern  es  ja  ans  zahlreichen  Spuren 
ersichtlich  ist,  dass  z.  B.  die  Lehre  eines  Remmius  Palaemon  zumeist 
namenlos  in  die  allgemeine  Tradition  übergegangen  ist,  wendet  der  Ver- 
üasser  die  umgekehrte  Methode  an  und  sucht  aus  der  Uebereinstimmung 
zahlreicher  Punkte  in  der  späteren  Tradition  den  Weg  zu  den  alten 
Meistern  zurückzubahnen.  Unter  den  Grammatikern  des  vierten  Jahr^ 
hunderte  sind  es  namentlich  fünf,  die  an  zahlreichen  Stellen  genau  zu- 
sammentreffen, nämlich  Charisius,  Diomedes,  der  Anonymus  Bobiensis, 
Donatus  und  Dositheus.  An  der  Hand  des  Abschnittes  de  nomine  macht 
BOlte  den  Versuch,  das  wechselseitige  Verhältniss  der  Genannten  unter 
einander  zu  bestimmen.  Das  Ergebniss  ist  folgendes:  trotz  der  grossen 
Uebereinstimmung  im  Ganzen  ergeben  sich  zwei  Gruppen,  die  sich  deut- 
lich von  einander  abheben.  Auf  der  einen  Seite  stehen  Charisius,  Do- 
sitheus und  der  Anonymus,  auf  der  andern  Donat  und  Diomedes.  Das 
Räthsel  findet  seine  Lösung  in  der  Annahme,  dass  zwar  allen  dieselbe 
gemeinsame  Quelle  im  Ganzen  und  Grossen,  den  beiden  Gruppen  jedoch 
eine  etwas  verschiedene  Recension  dieser  Quelle  zu  Grunde  liege.    Da- 


ISO  L«tehitMbe  GniiitDatIkMr. 

bei  sei  natürlkh  nicht  ausser  Aeht  m  lassen,  dass  aUe  jene  fftnf  Chnun-» 
maüker  gelegentlich  anch  Terändernngen  mit  ihrer  Quelle  vorgenonmen 
haben.  Auf  dieser  Grundlage  fassend  sucht  der  Verfasser  das  Gemein- 
same in  einer  Reihe  von  Abschnitten  zu  ermitteln,  indem  er  zuerst  Do- 
nat  und  Diomedes,  hierauf  die  abrigen  mit  einander  vergleicht;  dass  was 
sich  als  gemeinsam  ergibt,  wird  auf  einen  und  denselben  Anonymus  zu- 
rUckgeiahrt.  Dieser  Anonymus  ist  aber  nicht  etwa  mit  Oominian  iden- 
tisch: die  XJebereinstimmung  zwischen  ihm  und  Gomioian  eMSxt  sich 
durch  Benutzung  derselben  Quelle.  Neben  diesem  Hauptgedanken  wer- 
den eine  Beihe  speciellcr  Fragen  theOs  gestreift,  theils  eingehender  be- 
handelt. Recensionen  dieser  tüchtigen  Arbeit  veröffentlichten  Keil  in 
der  Deutschen  Litteraturzeitung  1886  S.  1490  sowie  GoUing  in  der 
Wochenschrift  f.  klass.  Phllol.  1887  S.  919. 

L.  Jeep,  Bemerkungen  zu  den  Lateinischen  Grammatikern  (Rhein. 
Mus.  B.  44.  1889  S.  26—61). 

Der  Gedankengang  des  interessanten  Aufsatzes  ist  folgender:  die 
excerpta  anonym!  bei  Keil  I  S.  634 ff.  haben  einige  Abschnitte,  die  €ast 
wörtlich  mit  Abschnitten  des  Dositheus  übereinstimmen.  Diese  Uebei^ 
einstimmung  erklärt  sich  am  besten  durch  die  Annahme,  die  betreffen- 
den Abschnitte  der  Excerpte  seien  der  nAmlichen  Grammatik  entnom- 
men, welche  Dositheus  übersetzte.  Die  Abweichungen  sind  auf  Lücken, 
Interpolationen  und  sonstige  Verderbnisse  zurückzuführen.  Ferner  aber 
sind  die  Excerpte  nicht  etwa,  wie  Keil  früher  annahm,  am  Charisins 
entlehnt,  sondern  wie  zuerst  Christ  aussprach  und  Keil  später  aner- 
kannte, mit  Obarisius  aus  gemeinsamer  Quelle  geschöpft.  Dabei  hat  der 
Excerptor  die  Quelle  treuer  wiedergegeben  als  Charisins,  der  ohnehin 
noch  andere  Quellen  hinzuzog.  Diese  gemeinsame  Quelle  selber  ist  zu- 
sammengearbeitet aus  Dositheus  und  einem  andern  grammatischen  Werke. 
Weiter  aber  stimmt  an  einigen  Stellen,  an  denen  Charisins  seiner  Quelle 
nicht  genau  oder  geradezu  ungenau  folgt,  Diomedes  mit  Charisins  über* 
ein,  trotzdem  er  manche  Unebenheit  vermieden  hat  Dieser  Umstand 
spricht  trotz  Keils  Widerspruch  dafür,  dass  Diomedes  den  Charisins 
benutzt  hat:  freilich  hat  er  daneben  die  Quelle  des  Charisins  herange- 
zogen. 

Man  sieht  aus  dieser  Inhaltsangabe,  dass  Jeeps  Darlegungen  er- 
heblich von  den  Ansichten  B  ölt  es  abweichen:  es  ist  zu  bedauern,  daas 
Jeep  dessen  Arbeit  nicht  berücksichtigt  hat  Yermutiiliöh  wird  diese 
Frage  in  dem  grösseren  Werice  Jeeps  über  die  Lehre  von  den  Rede- 
theilen,  das  er  bei  Teubner  angekündigt  bat,  abermals  behandelt  werden. 

Zum  Theil  gehört  hierher  die  Schrift  von  P.  E.  Meyer,  von  der  bei 
Scaurus  die  Rede  war.  Bei  der  Behandlung  des  Abschnittes  de  vitiis 
orationis  des  Diomedes  mnsste  natürlidi  auch  auf  Oharizius,  Donstns 
und  Saoerdos  Rücksicht  genommen  werden.     In  dem  Gharisianfschefi 


I 

\ 


k 


hU/MMk9  Oramiiiatik«r.  151 

Abschnitt  de  soloecismo  wird  ausser  Cominian  nur  noch  eine  einzige 
Quelle  angenommen,  w&hrendEeil  geschwankt  hatte,  ob  nicht  zwei  an- 
zusetzen s^ea.  Auch  der  b^reffende  Abschnitt  des  Donat  wird  genau 
geprüft.  Alle  diese  Fragen  hedttrfen  einer  abemiiligen,  zusammenftssM^ 
den  Behandlung* 

Diomedes. 

Earl  Ernrobacher,  Rh.  M.  39  (1864)  p.  478 

berichtet,  dass  der  von  Eeil  nicht  eingesehene  Harleianus  2778  zwar 
Bftmmtliehe  BQcher  des  Diomedes  enthalte,  aber  nichts  neues  ftkr  die 
Textkritik  biete,  da  er  auf  denselben  Archetypus  zurfickgehe  wie  die 
bekannten  Codices. 

C.  Pancker,  Eleinere  Studien.  Lexicalisohes  und  Syntaktisches. 
I.  Bemerkungen  über  die  Latinität  des  Grammatikers  Diome* 
de  s«  Berlin  1883.  23  S.  8.  Reo.  von  Funck,  Archiv  f.  Lexic.  I  S.  46(lf« 

Die  Quintessenz  dieser  Abhandlung,  die  entweder  Qbereilt  oder 
nicht  ftr  die  Veröffentlichuig  bestimmt  war,  ist  die  Behauptung,  Diome* 
des  sei  griechischer  Herkunft;  er  kenne  die  Sprache,  über  die  er  schreibf 
nur  höchst  mangelhaft;  er  verschweige  gefliss^itliksh  die  benutzten 
Quellen  u.  s.  w.  Mit  Recht  hat  Funck  dieses  Resultat  abgelehnt:  der 
Verfasser  ist  ohne  Zweifel  mit  der  grammatischen  Litteratur  der  Römer 
nicht  hinreichend  vertraut  gewesen. 

Was  die  Quellenfragen  anlangt,  so  verweise  ich  auf  das  an  andern 
Stellen  gesagte* 

Euantbius. 

Eduard  Scheidemantel,  Quaestiones  Euanthianae.  Lip«- 
Biael863.*  74  S.    8. 

Diese  ttlditige  Abhandlung,  deren  genauere  Besprechung  unter  Te« 
renz  zu  suchen  ist,  möge  wenigstens  kurz  hier  erwfthnt  werden.  Der 
erste  Theil  handelt  tkber  den  Verfasser  der  praefationes  des  Donatcom- 
mentars,  der  nach  Scheidemantels  Ansicht  kein  anderer  ist  als 
Euanthins.  Der  Beweis  wird  durch  die  Uebereinstimmung  des  Euanthia* 
nischen  Tractats  de  comoedia  mit  den  praefationes  geführt.  Im  zweiten 
Theile  werden  Spuren  des  Euanthins  im  Commentare  nachgewiesen. 
Eine  Appendix  critica  über  einzelne  Stellen  des  Donat  beschliesst  die 
SdirifL 

Donat. 

Carl  Dzi^tzko,  Zur  Kritik  des  nach  Aelius  Donatus  benanur 
ten  Tereucommentars,  Suppleaientband  le  der  Fleckeisens^hei  Jßtffr 
bttcher  jS.66lff. 

fiSne  fiflsprednng  dieser  wiohligen  Sohiift  gehört  unter  Tereai. 


152  LateiniBche  Grammatiker. 

Servias. 

An  erster  Stelle  nenne  ich  die  vortreffliche  Ausgabe  von  Thilo^ 
von  der  bis  jetzt  erschienen  sind:  die  Commentare,  sowohl  die  volleren 
als  die  kflrzeren  zur  Aeneis  (I.  1881.   II.  1884.),  zu  den  Georgica   nnd 
Bncolica  (II  1887).    Referent  hat  an  verschiedenen  Stellen  seine  Befriedi- 
gung tlber  diese  vorzügliche  Leistung  ausgesprochen,  so  dass  er  hier  von 
einer  neuen  Würdigung  absehen  kann.    Auch  zahlreiche  andere  Besprech- 
ungen von  Glaser,  A.  Riese,  R.  Sabbadini,  E.  Thomas,  P.  Re- 
gell, Häberlin  und  andern  stimmen,  trotz  einzelner  Vorbehalte,   im 
Wesentlichen  darin  überein,   dass  die  Wissenschaft   allen  Grund    hat, 
dieses  Werk  mit  Dank   entgegenzunehmen.     Die   Darlegungen  Thilos 
über  das  Yerhältniss  des  volleren  Servius  zu  dem  echten  Gommentar, 
die  sich  zum  Theil  mit  der  Schrift  von  Thomas,  Essu  sur  Servius  et 
son  commentaire  sur  Virgile  (Paris  1880)  berühren,  übergehe  ich  eben- 
falls, sowie  auch  die  Beiträge  zur  Kritik  des  Textes,  und  behandle  hier 
nur  einige  Schriften,  die  für  die  Würdigung  der  grammatischen  Tradi- 
tion von  besonderem  Interesse  sind.    Auch  die  Schrift  von  R.  Halfpap 
gen.  Klotz  (Quaest  Serv.  Greife wald  1882)  habe  ich  als  ihrem  Inhalte 
nach  weniger  hierhergehörig  übergangen. 

H.  Kirchner,  Ueber  die  grammatischen  Quellen  des  Ser- 
vius. Zweiter  Theil.  Servius  und  Priscian.  Gjmnasialprogr. 
von  Brieg  1883.    S.  19—87.   4. 

Die  Einleitung  enthält  allgemeine  Betrachtungen.  Das  VerhUtniss 
des  Servius  zu  den  früheren  Yirgilcommentaren  bleibt  der  Natur  der 
Sache  nach  unsicher;  aussichtsvoller  ist  die  Frage  nach  seinem  Yerhält- 
niss zu  den  grammatischen  Quellenschriftsteilem.  In  den  älteren  Yirgil- 
commentaren waren'^nur  sprachliche  Erörterungen  über  Yirgil  enthalten ; 
eigentliche  grammatische  Gelehrsamkeit  hatten  ihre  besondere  Stelle.  Da- 
her hat  Servius  die  speciell  grammatischen  Darlegungen  nicht  aus  seinen 
Yorgängem  geschöpft,  sondern  ans  den  Grammatikern  der  guten  Zeit, 
vornehmlich  Gaper.  Dass  diese  Benutzung  eine  directe  ist,  lässt  sich 
als  durchaus  wahrscheinlich  hinstellen.  Es  spricht  dafür  namentlich  der 
Umstand,  dass  nicht  selten  Lehren  des  Servius  mit  zahlreicheren  Bei- 
spielen ausgestattet  bei  andern  Grammatikern  wiederkehren.  Am  mei- 
sten trifft  dies  für  Priscian  zu.  Das  Yerhältniss  des  Servius  zu  Priscian 
bildet  den  Kern  der  Abhandlung.  Es  werden  zunächst  die  Stellen  ge- 
sammelt, die  in  der  Liehre  über  die  Declination  eine  gewisse  Aehnlich- 
keit  zeigen.  Die  an  das  gesammelte  Material  geknüpften  Betrachtungen 
laufen  darauf  hinaus,  dass  eine  gemeinsame  Quelle  zu  statuieren  sei, 
nämlich  Gaper.  Priscian  habe  dieselbe  getreulich  ausgenutzt,  Servius 
habe  sich  mehr  Selbständigkeit  bewahrt.  Jedenfalls  sei  es  ausgeschlossen, 
dass  Priscian  den  Servius  benutzt  habe,  auch  in  der  Form  nicht,  dass 


Lateinische  Grammatiker.  153 

er  etwa  den  Kern  aus  Servins  genommen,  dazn  aber  noch  Bemerkungen 
aus  andern  Quellen  hinzugefügt  habe.  Eine  ausf&hrlicbe  Begrttndnng 
behält  sich  der  Verfasser  Ar  später  vor. 

Gust  Lämmerhirt,  De  priscoruro  scriptornm  locis  a  8er- 
vio  allatis  in  Comment.  philol.  Jen.  vol.  IV  p.  811 — 406. 

Der  Inhalt  dieser  fleissigen  und  gewissenhaften  Arbeit  ist  ein  sehr 
mannigfaltiger,  insofern  die  Frage  nach  der  Herkunft  der  Citate  aus 
archaischen  Schriftstellern  zu  einer  Reihe  ganz  verschiedener  Unter- 
suchungen führen  musste.  Es  ist  deshalb  sehr  zu  begrOssen,  dass  am 
Schlüsse  ein  Summarium  hinzugef&gt  ist,  mit  Hülfe  dessen  man  sich  über 
den  Inhalt  leicht  orientieren  kann.  Der  Verfasser  untersucht  zunächst 
die  Beziehungen  des  Servius  zu  andern  Commentaren  und  sucht  eine 
eingehende  Benutzung  des  Donat  zu  erweisen;  anderes  wird  auf  Urba- 
nus  und  Carminius  zurückgeführt  Weiter  wird  das  Verhältniss  des  Ser- 
vius zu  Sneton  behandelt.  Ich  begnüge  mich,  dies  kurz  anzudeuten,  da 
es  streng  genommen  nicht  hierher  gehört.  Nur  der  16.  Paragraph 
(S.  893—400)  handelt  speciell  über  grammatische  Quellen.  Es  wer- 
den die  plinianischen  Spuren  zusammengestellt,  in  denen  aber  Ca- 
per  der  Vermittler  ist,  hierauf  die  des  Gaper  selber. 

Paul  Rosenstock,  De  Donato  Terentii  et  Servio  Ver- 
gilii  explicatore  syntaxeos  latinae  interpretibus.  Marggrabovae 
1886.    Diss.    88  S.    8. 

Diese  Schrift  bildet  einen  Abschnitt  einer  KOnigsberger  Preisauf- 
gabe, die  im  Jahre  1884  gestellt  wurde.  Sie  besteht  aus  zwei  Theilen. 
Im  ersten  werden  die  syntaktischen  Lehren  des  Donat  und  Servius 
ausgeschrieben  und  nach  folgenden  Rubriken  geordnet:  A.  1)  De  ora* 
tione  eiusque  partibus.  2)  De  ordinatione  verborum  inter  se.  3)  De 
coniunctione  partium  orationis  inter  se.  B.  1)  De  nominum  construc- 
tione.  2)  De  praepositionum  constructione.  3)  De  participiorum  construc- 
tione.  4)  De  verborum  constructione.  6)  De  coniunctionum  constructione. 
6)  De  adverbiorum  constructione.  7)  De  interiectionum  constructione. 
Der  zweite  Theil  handelt  de  Terentii  et  Vergilii  interpretum  fontibus 
syntacticis.  Die  Resultate  stimmen,  soweit  sie  richtig  sind,  mit  dei^eni- 
gen  zusammen,  die  bereits  von  andern  gewonnen  wurden  und  sind  jetzt 
weit  Oberholt.  Im  Allgemeinen  bemerke  ich,  dass  die  Untersuchung  sich 
völlig  auf  der  Oberfläche  hält  und  dass  die  Darstellung  eine  mangel- 
hafte ist 

ArusianuB  MessiuB. 
Vergl.  unter  Priscian  Kar  bäum. 


1S4  L&teinitehe  Oraramatiker. 

Macrobius. 

Georg  Goetz,  Commentatiuncula  Macrobiana.  Index  Jen. 
a.  1890. 

Der  erste  Theil  dieser  kleinen  Gelegenheitsschrift  bezieht  sich  anf 
die  handschriftliche  Grundlage  der  Saturnalien,  der  zweite  Theil  auf  die 
Schrift '  De  differentiis  et  societatibus  graeci  latinique  verbi '.  Eis  wird 
der  Nachweis  geführt,  dass  das  bei  Keil  p.  655  abgedruckte  Fragment 
aus  Glossen  zusammengestellt  ist. 

Die  quellenkritischen  Schriften  von  H.  Linke  und  6.  Wissowa 
habe  ich  von  diesem  Bericht  ausgeschlossen. 

Gledonius. 

H.  Bertsch,  Gledonii  ars  grammatica.  Diss.  von  Heidelbeif. 
Eeidelbergae  1884.    4.    64  u.  IV  S. 

Der  Verfasser  nimmt  seinen  Ausgang  von  der  Ansicht  Keils,  dass 
der  Gommentar  des  Gledonius  ursprünglich  mit  der  ars  Donati  yerbiui- 
den  gewesen  sei;  als  er  später  von  Donat  getrennt  wurde,  hätte  man 
die  entsprechenden  Lemmata  hinzugefügt;  dadurch  zum  Theil,  zum  Theil 
bei  dieser  Gelegenheit  seien  die  zahlreichen  Verderbnisse  entstanden, 
die  der  doch  so  hoch  hinaufreichenden  Ueberlieferung  ankleben.  'Has 
igitur  .  .  .  turbas  confusionesque  nova  hac  editione  discutere  stndui. 
Nam  Keilius  cum  grammaticos  Latinos  adlturis  locupletissimam  et  spe- 
ciosissimam  editiouem  pararet  singulis  grammaticis  quod  in  tanto  opere 
nemo  mirabitur  non  parem  semper  curam  impendebat.  Qnod  in  Gledo- 
nium  inprimis  cadit  cuius  commentarium  corruptissimum  et  pertarbatissi- 
mum  noluit  ille  emendare  et  in  ordinem  redigere,  nisi  quod  hie  illic  verba 
qnaedam  segregavit  turbasque  significavit  (et  vol.  V.  Addenda  p.  681) 
. .  .  Quare  hac  in  parte  pro  meis  viribus  Keilii  opus  perficere  volni*. 
Ausser  Keils  und  Hagens  Bemerkungen  hat  der  Verfasser  zahlreiche 
Vermuthungen  F.  Seh ö  11s  zur  Verfügung  gehabt  Nach  einigen  weite* 
ren  Andeutungen  über  die  Quellen  des  Gledonius  folgt  alsdann  der  be- 
richtigte Text  mit  der  adnotatio.  Die  Einrichtung  ist  die,  dass  an 
Bande  die  commentierten  Donatabschnitte  beigefügt  sind  unter  besoa* 
derer  Hervorhebung  derjenigen,  die  in  der  Handschrift  als  Lemmata  fön» 
giren;  dadurch  werden  natürlich  die  Lemmata  selber  entbehrlich.  Nor 
des  bequemeren  Verständnisses  wegen  sind  sie  an  einigen  Stellen  b^ 
lassen  worden.  Der  Text  hat  in  der  That  ein  erheblich  verschiedenes 
Ansehn  gewonnen;  auch  eine  Reihe  einzelner  Stellen  sind,  freilich  häu- 
figer von  Scholl  als  dem  Verfasser,  in  glücklichster  Weise  emendiert 
Wer  also  Gledonius  heranzieht,  dem  wird  die  vorliegende  Arbeit  will- 
kommene Dienste  thun. 


LatdDiaeh«  Orattmatiker.  1S5 

...  •  p 

Gonsentius. 

Einige  gute  Bemerkangen  über  die  Qaellen  des  Consentias  finden 
sieb  bei  Birt,  Rbein.  Mas.  34  (1879)  S.  22ff.  Mancbe  Vorsebriften  des 
Gonsentius  Ober  den  Accent  von  Atrei  Terei  u.  a.  stimmen  auffallend 
mit  Quintilian:  beide  gehen  vermuthlicb  auf  den  nftmlicben  Palaemon 
zurQck. 

Weiter  sei  erwähnt  das  Urtheil  P.  £.  Meyers  a.  a.  0.  S.  40:  'At- 
que  Consentii  artem  perlegentibus  nobis  perspicuum  fit,  enm  complurium 
grammaticomm  disputationes  in  manibus  habuisse,  suo  autem  ingenio  iu- 
dicioque  disposuisse,  auxisse,  mutasse '  und  weiter  unten :  '  Totius  autem 
artis  rationem  inspicientes,  eum  non  tam  commentarium  in  unam  vel 
aliam  artem  scripsisse  intellegimus,  sed  suo  Marte  novam  composuisse  e 
reliquomm  artigraphoruro,  suo  iudicio  vitia  eorum  emendaturum'. 

Phocas. 

J.  M.  Stowasser,  Zu  Phocas  de  aspiratione.  Wiener  Stu- 
dien VII  (1886)  S.  164—166. 

Stowasser  bespricht  zwei  Handschriften  des  Traktats  de  aspira- 
tione, die  beide  in  der  Marcusbibliothek  in  Venedig  aufbewahrt  werden» 
Die  erste  (App  cl.  XIII  cod.  XXX)  stammt  aus  dem  XV.,  die  andere 
(App.  class.  XIII  cod.  LXVI)  ebenfalls  aus  dem  XV.  Jahrhundert.  Die 
erste  deckt  sich  in  der  Hauptsache  mit  dem  von  Keil  benutzten  Gudianus; 
die  letztere  nimmt  eine  selbständige  Stellung  ein.  Einige  Lesarten  wer- 
den zur  Bestätigung  des  Gesagten  mitgetheilt  und  besprochen. 

Priscian. 

Nils  Fredrik  Nil^n,  Priscianea.  UpsaUae  1884.  66  S.  8. 
Bec  V.  f.  Gustafsson  'Nordisk  Revy'  1884  S.  462    463. 

Den  Inhalt  dieser  Schrift  —  einer  Dissertation  von  Upsala  — 
bildet  die  Besprechung  und  Mittheilung  der  Varianten  einer  in  Upsala 
befindlichen  Priscianhandschrift  aus  dem  12  Jahrhundert,  die  Hertz 
meht  benutzt  hat  Der  Ertrag  ^r  den  Text  wird  auf  S.  61  ff.  mitge- 
tboilt:  derselbe  ist  durchaus  unerheblich. 

Hermann  Karbaum,  De  auctoritate  ac  fide  grammaticomm  la- 
tinonun  in  constituenda  lectione  Giceronis  orationum  in  Verrem. 
Halle.   1883.  40  S.  8. 

Diese  Arbeit  ist  ein  Theil  einer  Preisaufgabe,  die  die  Hallenser 
pMosöi^dsche  Faciütät  gestellt  hat.    Das  Hanptergebniss  ist  der  Nach* 
daas  Priscian  viele  Stellen  selbständig  aus  guter  Ueberliefemng  ge- 


156  Lateiniscbe  Grammatiker. 

schöpft  hat,  dass  unter  den  sonstigen  Orammatikem  einiges  Gewicht 
anf  Charisins  nnd  Diomedes  zu  legen  ist,  während  dagegen  Sacerdos 
und  Probas,  Arusianus  Messias,  Nonias,  Gledonins  weniger  Bedentang 
haben.  Die  speciellen  Ergebnisse  für  die  Gicerokritik  gehören  nicht 
hierher. 

Wichtiger  ist  ftür  die  Geschichte  der  Grammatik  desselben  Ver- 
fassers Schrift: 

De  origine  exemplonim  qaae  ex  Ciceronis  scriptis  a  Charisio, 
Diomede,  Arnsiano  Messio,  Prisciano  Caesariensi,  aliis 
grammatids  latinis  allata  sant    Progr.  v.  Wernigerode  1889.  4.  18  S. 

Auch  diese  Schrift  ist  aus  der  erwähnten  Preisangabe  hervorge- 
gangen, deren  drittes  Gapitel  de  grammaticorum  fontibus  handelte.  Der 
Verfasser  hat  indessen  die  ursprüngliche  Untersuchung  erheblich  erwei- 
tert nnd  vertieft.  Die  Abhandlung  ist  folgenderroassen  disponiert: 
I.  Exempla  quae  grammatici  ex  antiquioribus  fontibus  repetita  esse  suis 
verbis  profitentur.  II.  Exempla  quae  coniectura  ad  veterum  grammati- 
corum studia  velut  Probi  Berytii,  Plinii  Secundi,  Julii  Romani,  Flavii 
Capri;  aliorum  minoris  pretii  referri  possunt:  §  1.  apud  Priscianum. 
§  2.  apud  Gharisium  et  Diomedem.  III.  De  ratione,  quae  inter  Priscia- 
num et  Arusianum  Messium  exstat  et  de  fontibus  utriusque  eorum.  Zu 
Gapitel  I  ist  nichts  weiter  zu  bemerken.  Die  Ansicht  Neumanns,  dass 
Julius  Romanus  die  Stellen  aus  den  Tusculanen  sowie  aus  de  senectute 
selber  excerpiert  habe,  wird  auf  S.  3  als  unbeweisbar  verworfen.  Auf 
S.  4  werden  die  Citate  aus  Statilius  Maximus  zusammengestellt,  von  dem 
der  Verfasser  mit  andern  annimmt,  dass  er  aus  den  Schriften  Giceros 
eine  Sammlung  der  Adverbia  in  lexicalischer  Form  excerpiert  habe.  Das 
zweite  Gapitel  behandelt  zunächst  das  Verhältniss  des  Priscian  zu  Ga- 
per. Dieser  Abschnitt  hat  manches  Neue:  die  Einzelheiten  will  ich  nicht 
anfahren,  weil  ich  diese  Frage  bereits  bei  der  Keuschen  Schrift  unter 
Gaper  ausführlich  besprochen  habe.  Keil  schliesst  sich  in  zahlreichen 
Fällen  an  Kar  bäum  an.  Das  dritte  Gapitel  behandelt  die  interessante 
Beziehung  zwischen  Priscian  und  Arusianus  Messius.  Zwischen  beiden 
findet  mehrfach  ein  auffallendes  Zusammentreffen  statt,  namentlich  im 
VIII.  und  XVni.  Buche  des  Priscian;  die  Belege  werden  auf  8.  18.  14 
zusammengestellt  Dass  Priscian  den  Arusianus  ausgeschrieben  habe,  hält 
Karbaum  für  unwahrscheinlich;  die  Art  der  gegenseitigen  Beziehung 
widerräth  eine  solche  Annahme.  Hat  doch  Priscian  manche  SteUe,  die 
bei  Arusianus  fehlt,  aber  bei  andern  Autoren  sich  findet  in  Verbindung 
mit  Beispielen,  die  sowohl  Priscian  als  Arusianus  haben.  Die  Belege 
gibt  Karbaum  auf  8.  15.  Wollte  man  annehmen,  Priscian  habe  so- 
wohl Arusianus  als  andere  Grammatiker  benutzt,  so  mttsste  man  sich 
oft  wundern,  warum  er  aus  andern  Grammatikern  Gitate  genommen  habe 
fbr  Dinge,  die  er  auch  bei  Arusianus  fand,  den  er  doch  in  erster  Idnie 


J    .     .LI  .^— V^^HB^V«Wni^^^i«l«^^B^V1^B^qV9ViH^^iBB^K^*'-=«^^W:^E9^^5^*^^ 


LateioiBche  Grammatiker.  157 

benutzt  haben  mflsste.  Durch  diese  Ergänzungen  kommt  Kar  bäum  zu 
der  Ansicht,  dass  beide,  Priscian  und  Arusianus,  aus  gemeinschaftlicher 
älterer  Quelle  geschöpft  haben.  —  Ich  halte  diese  Ansicht  für  sehr  wahr- 
scheinlich und  verweise  auf  die  Darlegungen,  die  ich  im  Ind.  Jen. 
1888/89  S.  5  gegeben  habe,  wo  ich  aus  ganz  andern  Giünden  wie  Kar- 
baum versucht  habe  zu  erweisen,  dass  noch  eine  andere  Sammlung  ähn- 
licher Art  wie  die  des  Arusianus  existiert  haben  mUsse,  die  zum  grossen 
Theile  das  gleiche  Material  enthielt.  Damit  würde  freilich  die  Ansicht 
Büchelers  über  die  Zeit  der  Abfassung  der  Exempla  des  Arusianus 
erschüttert.  Buch el er  hat  nämlich  im  Rhein.  Mus.  1888  Bd.  43  S.  298 ff. 
darzuthun  versucht,  dass  diese  Schrift  vor  387  verfiasst  sei:  denn  in  die« 
sem  Jahre  werde  sie  von  Ambrosius  3,  16  p.  424  Bened.  p.  587  Migne 
berücksichtigt  (reeta  eloctUio  .  .  .  kuiusmodi  inueniiur  dicerUe  aÜquo  'loeum 
edUiorem  quam  uidoribuß  decebat'  =»  Arus.  p.  465,  2,  trotz  Servius,  der 
dasselbe  Beispiel  bringt).  Mit  der  Annahme  zweier  ähnlichen  Sammlun- 
gen würde  dieses  Argument  an  Beweiskraft  verlieren.  —  Da  aber  nicht 
bloss  zwischen  Priscian  und  Arusianus  grosse  üebereinstimmung  herrscht, 
sondern  auch  Diomedes,  Servius,  Donatus,  Gbarisius  und  Nonius  hinzu- 
kommen, so  glaubt  Kar  bäum  auf  eine  uralte  QueUe  zurückgehen  zu 
dürfen  und  vermuthet,  der  Grundstock  stamme  aus  Palaemon  und  der 
silua  des  Probus.  Daraus  hätten  vielleicht  bloss  Donatus,  Gbarisius 
und  Diomedes  direct  geschöpft,  die  übrigen  durch  andere  Zwischenglie- 
der. Für  das  XYII.  und  XVIII.  Buch  des  Priscian  ergibt  sich  aus  dieser 
Darlegung,  dass  das  meiste  lateinische  Material  aus  älteren  Grammatikern 
entlehnt  ist,  nicht  aber,  wie  manche  annahmen,  von  Priscan  selber  ge- 
sammelt 

Theodor  Matthias,    Zu  alten  Grammatikern   (Jahrbücher  f&r 
klass.  Philologie  XV.  Supplementband  S.  593 — 640). 

Von  dem  mannigfaltigem  Inhalte  dieser  Schrift  gehören  die  beiden 
ersten  Kapitel  hierher.  Das  erste  Kapitel  handelt  über  ApoUonius  als 
HauptqueUe  Priscians;  das  zweite  über  des  ApoUonius  rd^^vi^  ypafifAa' 
rtxyj.  Vergl.  darüber  den  Jahresbericht  über  griechische  Grammatiker 
von  Egenolff  1889  S.  276ff.  Das  Hauptresultat  der  ersten  Abhandlung 
geht  dahin,  »dass  ausser  in  seltenen  Fällen,  wo  Priscian  selbständig  noch 
etwas  anführen  wollte,  was  er  bei  ApoUonius  nicht  fand  und  deshalb  wo 
anders  herholte,  ApoUonius  für  aUes,  was  der  griechischen  Grammatik 
entlehnt  werden  konnte,  die  ausschliessliche  QueUe  war,  der  er,  Blatt  für 
Blatt  weiterblättemd,  ganz  in  der  von  ApoUonius  gebotenen  Reibenfolge 
aUe  seine  aUgemeinen  Erörterungen  entlehntet.  Für  die  specifisch  latei- 
nischen Formen  hingegen  seien  lateinische  Quellen  ausgeschrieben  wor- 
den. Gegen  dieses  Resultat  erhebt  Egenolff  den  Einwand,  dass  es 
nicht  ganz  zutreffe,  insofern  sich  doch  bei  Priscian  auch  Dinge  finden, 
die  er  der  lateinischen  Sprache  aus  griechischen  QueUen  aufoktroyiert 


158  Lateiniiebe  OrammAtiker. 

bat  Weiter  aber  bezeichnet  Egenolff  die  QaeUennnterstcbung  als 
nicht  eingehend  genug  und  glaubt,  dass  die  ganze  Arbelt  noch  einmal 
gemacht  werden  müsse.  Der  zweite  Abschnitt  sucht  nachzuweisen,  »dass 
sowohl  Priscian  wie  die  Scholiasten  gemeint  haben,  Apollonius  .  . .  hStte 
eine  einheitliche  grosse  Grammatik  verfasst,  weil  sie  Exemplare  benatz- 
ten, in  die  der  grOsste  Theil  seiner  Schriften  von  einem  späteren  Gram- 
matiker zusammenredigiert,  Tielleicht  auch  nur  von  einem  Schreiber  zu- 
sammengeschrieben wäre.  Mit  Recht  hebt  Egenollf  hervor,  dass  diese 
Annahme,  falls  sie  glaublich  erscheinen  sollte,  mit  ganz  andern  Mitteln 
erwiesen  werden  mttsste  als  es  hier  geschieht.  Im  Uebrigen  begntkge  kh 
mich,  auf  Egenolff  zu  verweisen.  —  Auf  die  Bemerkungen  Egenolffs 
in  Fleckeisens  Jahrb.  117  (1878)  8.  837 f.,  die  sich  auf  das  Veth&ltaias 
Priscians  zu  Apollonius  beziehen,  hat  bereits  Matthias  B&cksicht  ge- 
nommen* 

Adamantius  und  Martyrius. 

Franz  Bttcheler,  Rhein.  Museum  B.  XXXY  S.  69ff.,  XXXYII 
S.  830  ff. 

lieber  das  Zeitalter  des  Adamantius  hatte  Bttcheler  an  erster 
Stelle  die  Yermuthung  geäussert,  dass  er  dem  vierten  oder  fünften  Jahr- 
hundert angehöre:  an  der  zweiten  Stelle  rückt  er  ihn  ins  sechste  Jahr- 
hundert und  macht  ihn  zu  einem  Zeitgenossen  des  Eutyches  und  Priscian, 
mit  denen  zusammen  er  von  Cassiodor  im  Jahre  572  benutzt  wird.  Ueber 
seine  Benutzung  bilinguer  Glossare  hat  Bttcheler  an  der  ersteren  Stelle 
eingehend  gehandelt:  vergl.  die  Vorrede  zu  den  Gloss.  Nom.  S.  XVI. 

Eugraphius. 

Heinrich  Gerstenberg,  De  Eugraphio  Terentii  interprete. 
Jena.  1886.  118  S.  8.  Recens.  von  Sohle e  in  der  V^ochenschr.  iür 
klass.  Philol.  1888  8.  244  ff. 

Diese  tttchtige  Erstlingsschrift  handelt  im  1.  Gap.  de  Eugraphii 
jcodiclbus;  im  2.:  de  Eugraphii  fontibus;  im  3.:  de  Eugraphii  redactio- 
nibns;  im  4.:  de  Eugraphii  aetate.  Die  genauere  Besprechung  dieser 
Abhandlung  wird  unter  Terenz  zu  suchen  zu  sein.  Hier  seien  nur  einige 
JSauptresultate  hervorgehoben.  Das  interessanteste  darunter  ist  der  Nach* 
weis,  dass  Eugraphius  wahrscheinlich  ein  jttngerer  Zeitgenosse  des  Cassio- 
dorius  gewesen  ist.  V^eiter  ist  die  Darlegung  von  Interesse,  dass  Eugrsr 
j)hius  in  vielem  mit  Servius  zusammenstimmt,  dennoch  aber  vielleicht  nicht 
aus  Servius  geschöpft  hat,  sondern  aus  Donat,  der  auch  des  Servius 
Quelle  war.  Vergl.  die  Tabelle  auf  S.  37  ff.  Das  nämliche  gilt  von  No- 
nins:  die  Aehnlichkeiten  zwischen  ihm  und  Eugraphius  weisen  ebenfalls 
auf  Donat  hin.    Ueber  dieses  Verhältniss  zu  Donat  wird  demnach  sehr 


Lateiaistikf  Grsmafttiker.  159 


eiageUod  gehandelt:  leider  ist  dem  Verfasser  def  Mangel  einer 
digenden  Donatausgabe  mehrfach  hinderlich  gewesen.  Ob  Gersten- 
bergs Annahme,  dass  umgekehrt  zahlreiche  rhetorische  Partien  aus 
Engraphius  in  das  corpus  Donatiannm  übergegangen  sind,  richtig  ist, 
wage  ich  vorläufig  nicht  zu  entscheiden,  halte  es  aber  nicht  flür  wahr- 
scheinlich. 

Fulgentias  Planciades. 

Ueber  die  Publication  von  Reifferscheid  (Anecdotum  Fulgen- 
Uanum  im  Index  schoL  Yratisl.  a.  1883/84)  vergl.  Sittl  Jahresber.  1888 
B.  LV  S.  241.  Ebenda  wird  die  Schrift  von  Armand  Gasquy  de  Fa- 
hio  Planciade  Fulgentio  Yergilii  interprete  (Paris  1887  »=  Berl.  Stud. 
fbr  class.  Philo!.' VI  1.  Heft)  besprochen.  Hinzuzufügen  sind  die  Recen- 
sionen  von  E.  Jung  mann,  in  der  Wochenschr.  fflkr  klass.  Philol.  1890 
8.  166ff,  sowie  Keil  in  der  D.  litteratorz.  1890  S.  1746»  von  L.  Du- 
Vau  in  der  Rev.  crit.  1888  p.  192,  von  R.  Bitschofskj  in  der  Berl. 
philol.  Wochenschr.  1888  S.  466 ff.,  von  M.  Zink  in  der  N.  philol.  Rund- 
schau 1888  S.  lS6f.,  schliesslich  eine  Notiz  des  Referenten  im  Ind.  Jen. 
a-  1890  S.  6,  in  der  ttber  einen  mittelalterlichen  Tractat  zur  Thebais,  an- 
geblich von  Fulgentius,  Mittheilung  gemacht  wird. 

Sallustcitate. 

Aug.  Nitzschner,  De  locis  Sallustianis  qui  apud  scriptores 
et  grammaticos  veteres  leguntur.    Hannover  1884.  8.   104  S. 

Der  Verfasser  sammelt  zwar  die  Gitate  bei  den  Grammatikern, 
unterlässt  es  aber  die  Fragen  der  Tradition  heranzuziehen.  Auch  Iftsst 
sich  im  Einzelnen  noch  manches  hinzufügen:  so  das  Citat  aus  dem  Keu- 
schen Anonymus  (B.  1)  p.  552,  82,  wo  das  von  Keil  eingeklammerte 
sal  eben  Sali ust ins  bedeutet    Vergl.  Index  Jen.  a.  1888  p.  IX. 

Differentiae. 

J.  W.  Beck,  De  differentiarum  scriptoribus  latinis.  Gro- 
ningen 1888.  Rec.  von  G.  Gundermann,  Philol.  Anz.  XVII  (1887) 
S.  606—608,  in  WOlffiin's  Archiv  I  S.  301.  302,  von  M.  Bonne t  in  Re- 
vue crit.  1883  S.  441,  von  P.  Hirt  in  der  Berl.  phil.  Wochenschr.  1884 
S.  77—79.  II.  Dazu  von  demselben  Verfasser  im  Gjmnasialprogr.  von 
Groningen  1884:  Appendix  de  differentiarum  scriptoribus  latinis. 
Besprochen  Archiv  I  S.  699  sowie  von  G.  Gundermann  an  der  ge- 
nannten Stelle.  III.  Derselbe  in  Fleckeisens  Jahrb.  B.  131  (1885) 
S.  639  ff. 

*  Alle  Autoren  bis  zum  Ausgange  des  Alterthums  herab,  von  denen 
9fßMnyma  oder  differentiae  angefOhrt  werden,  haben  der  Synonymik  nicht 


160  Lateinische  Grammatiker. 

besondere  Werke  gewidmet,  sondern  dieselbe  bei  Grelegenheit  mitbehan- 
delt, meist  in  Verbindung  mit  grammatischen  Disciplinen:  in  der  älteren 
Zeit  mit  der  Glossographie,  später  mit  der  Etymologie  wie  Verrins  Fiac- 
cns  und  mit  der  Orthographie  wie  Flavius  Gaper.  Die  Sammlungen  von 
tUffermtiae^  die  unter  dem  Namen  des  Probus,  Sueton,  Fronto  gehen,  ge- 
hören nicht  diesen  Männern,  sondern  einer  späteren  Zeit  an.  Isidor  ist 
der  erste,  welchen  wir  als  Verfasser  einer  besonderen  Sammlung  von 
differentiae  kennen;  er  hat  aber  offenbar  schon  vorhandene  Sammlungen 
benutzt  Aus  diesem  Umstände,  und  da  vor  Agroecius  sich  keine  sichere 
Spur  von  solchen  Sammlungen  findet,  ist  zu  schiiessen,  dass  zwischen 
Agroecius  und  Isidor,  also  im  fünften  oder  sechsten  Jahrhundert,  jemand 
alle  differentiae  von  der  älteren  Zeit  bis  zu  Servius  herab  gesammelt  und 
mehr  oder  weniger  verktlrzt  und  mit  eigenen  Zusätzen  versehen  in  einem 
thesaurus  synonymorum  vereinigt  habe.  Von  diesem  Werke  sind  die  vor- 
handenen Sammlungen,  alle  unter  einander  stark  verwandt,  lediglich 
Excerpte,  und  durch  gegenseitige  Vergleichung  des  ganzen  Materials 
wttrde  man  den  Archetypus  wiederherstellen  und  den  Werth  der  diffe- 
rmtiae  genauer  abwägen  können'.  Mit  diesen  Worten  legt  Gunderma  nn 
den  Inhalt  des  ersten  Theiles  der  obigen  Schrift  dar.  Dass  die  An- 
nahme von  einem  im  fünften  Jahrhundert  entstandenen  Corpus  differen- 
tiarum»  aus  dem  die  vorhandenen  Sammlungen  herrühren  sollen,  richtig 
ist,  bezweifle  ich  sehr,  muss  es  aber  bei  diesem  Zweifel  vorläufig  be- 
wenden lassen.  —  Der  zweite  Theil  der  Schrift  (S.  28—90)  bildet  die 
Veröffentlichung  einer  bisher  ungedruckten  Sammlung  von  differentiae 
aus  dem  Montepess.  H  306  saec.  IX.  Dass  diese  Ausgabe  erhebliche 
Mängel  hat,  hebt  Gundermann  mit  Recht  hervor.  -  In  der  Appendix 
wird  auf  S.  51 — 60  die  Collation  einer  Sammlung  von  differentiae  nach 
Hagen  Anecd.  Hev.  S.  275 — 290  und  der  bei  Roth  und  Reifferscheid 
gedruckten  mitgetheilt,  beide  aus  demselben  Montepessulanus,  die,  wie 
Gundermann  bezeugt,  an  ähnlichen  Mängeln  leidet. 

Beiträge  zur  Kritik  der  von  Beck  edierten  differentiae  gibt  K.  R&ck, 
Archiv  II  S.  129  ff. 

Becks  Aufsatz  bei  Fleckeisen  bezieht  sich  auf  eine  Mittheilung, 
welche  Simon  Widmann  ebenda  B.  127  (1883)  S.  649ff.  über  zwei  im 
Privatbesitz  befindliche  Pergamentblätter  veröffentlicht  hat 

GlosBOgraphische  Litteratur. 

Das  wichtige  Werk  des  Bahnbrechers  auf  dem  Gebiete  der  Glosso- 
graphie,  der  Prodromus  Loewes  ist  bereits  von  Hagen  besprochen 
worden.  Die  sonstigen  glossographischen  Schriften  Loewes  finden  sich 
im  Anhange  der  Glossae  Nominum,  welche  Referent  aus  dem  Loe- 
weschen  Nachlass  unter  Hinzufügung  der  noch  nicht  ausgearbeiteten 
Abschnitte  sowie  der  orientierenden  Vorrede  in  Leipzig  bei  Teubner  her^ 


Lateinische  Gnunmatiker.  161 

andgegeben  hat  Becensionen  erBchienen  im  Litt.  Gentralblatt  1884  S.  22  ff. 
von  Jpr  im  Archiv  f.  Lexic.  II  S.  144  f.,  in  der  Berl.  phil.  Wochenschrift 
1884  S.  1676  von  K.  E.  Georges,  in  der  Wochenschrift  für  Philologie 
von  1886  S.  432  von  0.  Keller,  im  phil.  Anz.  XV  1886  S.  619ff.  von  G. 
Gundermann.  In  mehreren  dieser  Besprechungen  finden  sich  selb- 
ständige Beiträge. 

Placidus. 

A.  Deuerling,  Nachträge  zu  Placidus  und  dem  über  glossa- 
rum  (Blätter  für  das  bayer.  Gymnasial-  und  Beaischulw.  1878  B.  14 
S.  286— 311). 

Der  erste  Abschnitt  enthält  'Handschriftliches',  d.  h.  einige  Noti- 
zen tkber  den  cod.  Vercellensis  des  über  glossarum,  über  den  cod. 
Bambergensis,  sowie  vier  Handschriften  des  gloss.  Salom.,  nämlich 
den  cod.  Ratisbonensis  (Monac.  13302),  Windbergensis  (Monac. 
22201),  Scheftlarnensis  (Monac.  17162),  Schirensis  (Monac.  17  403), 
welcher  letztere  als  pure  Copie  des  Ratisb.  bezeichnet  wird.  Der  zweite 
Abschnitt  erörtert  eine  Reihe  kritischer  Fragen  im  Gegensatze  zu  Her- 
mann Hagen.  Deuerling  hatte  die  Ansicht  ausgesprochen,  'dass 
inanche  der  im  üb.  gloss.  nicht  enthaltenen  Placidusglossen  wohl  deshalb 
keine  Aufnahme  fand,  weil  bereits  der  sehr  ähnliche  oder  gleiche  Artikel 
des  Isidor,  welcher  ja  bekanntlich  den  Placidus  häufig  ganz  wörtlich  aus- 
schrieb^ aufgenommen  war\  Darauf  hatte  Hagen  entgegnet,  dass  dieser 
Grund  nicht  stichhaltig  sei;  es  sei  vielmehr  anzunehmen,  dass  die  Yer^ 
fasser  des  über  gloss.  alles  willkommen  geheissen  haben,  was  sie  fanden. 
Deuerling  erhärtet  seine  Annahme  mit  guten  Argumenten.  Weiter 
sucht  Deuerling  zu  erweisen,  dass  im  über  glossarum  mehrere  Placi- 
dushandschriften  benutzt  seien:  das  erhelle  daraus,  dass  mehrmals  der 
gleiche  Artikel  des  Placidus  im  über  glossarum  sich  in  verschiedener 
Schreibung  der  lemmata  vorfinde,  von  denen  bald  die  eine,  bald  die  an- 
dere mit  unseren  noch  vorhandenen  Placidushandschriften  flbereinstimme, 
bald  auch  keine  von  beiden.  Diese  Doppelsetzungen  werden  auf  S.  293 
— 296  mitgetheilt.  Wenn  daselbst  gegen  Hagen  bemerkt  wird,  dass 
Placidusglossen  in  den  Glossaren  sehr  selten  seien,  so  trifft  dies  doch 
nicht  ganz  zu,  wie  an  anderer  Stelle  gezeigt  werden  wird.  Auch  einige 
weitere  Bemerkungen  auf  S.  299  bed&rfen  der  Berichtigung.  Alle  diese 
Fragen  werden  in  der  praef.  der  Placidusausgabe  im  Corpus  genau  be- 
handelt werden.  Im  weiteren  Verlauf  wendet  sich  Deuerling  zu  den 
Placidusglossen,  die  bloss  im  über  gloss.  stehen;  durch  die  Auffindung 
der  Pariser  Placidushandschrift  ist  auch  diese  Frage  in  ein  anderes  Sta- 
dium getreten.  Der  dritte  Abschnitt  bietet  eine  Anzahl  von  Emenda- 
üonen  zum  Texte  der  Glossen.  Im  Ganzen  ist  die  Placidusforschung 
durch  Deuerlings  Abhandlung  entschieden  gefördert  worden. 

Jahresbericht  fUr  Altertumswissenschaft.   LXVUI  Bd.   (1891  II).  l\ 


)62  Iittteiwebe  OramiDatilrar. 

H.  Hagen,  De  Placidi  glosBis  in  libri  glosaarum  eofiee  Ber^ 
nenai  obviis  disputatio«  Progr.  4.  16  S.  Ree.  von  £.  Chatelain, 
Revue  de  phil.  IV  p.  lU. 

Den  Hauptinhalt  dieser  Abhandlang  bildet  die  Auseinandersetzung 
mit  A.  Deuerling  in  Bezug  auf  den  eben  genannten  Aufsatz.  Es  wer- 
den einige  Angaben  Deuerlings  berichtigt,  die  früher  vertheidigte  An- 
sicht über  das  Yerhältniss  von  Placidus  zu  Isidor  wird  aufgegeben;  die 
weiteren  Bemerkungen  erstrecken  sieh  theils  auf  Irrthümer  in  der  QueUen- 
bezeichnung  des  über  glossarum,  theils  auf  das  gänzliche  Fehlen  der 
Quellennotiz;  weiter  folgt  die  Vervollständigung  der  CoUation  des  cod. 
Bemensis. 

G.  Ooetz,  De  Placidi  glossis  (Index  Jen.  a.  1886).  Yergl. 
die  Besprechungen  von  H.  Hagen,  Wochenschr.  Ar  kl.  Philol.  1887 
S.  656—659,  von  6.  Wissowa,  Deutsdie  Litteraturz.  1886  S.  1862,  von 
A.  Deuerling  Archiv  f.  Lexic.  IT  S.  6^—630,  von  K.  £.  Georges 
Berl.  philol.  Wochenschr.  1886  S.  427— i29. 

Während  die  Echtheit  mancher  PlaoidusgloBse,  die  bloss  im  lib. 
gloaa.  steht,  problematisch  war  und  bleiben  mussto,  ist  durch  die  Auf- 
fiadung  einer  neuen  Ueberlieferung  der  Forschung  eine  sichere  Basis  ge- 
geben. Der  cod.  Paris,  lat  nouv.  acquis.  1298  saec.  XI,  dessen  Aoffin- 
düng  Gundermann  verdankt  wird,  hat  •*-  von  andern  Bestandtheüen 
abgesetiien  —  Placidusreihen  in  strengerer  alphabetischer  Ordnung,  welche 
dadurch  erzielt  wurde,  dass  der  Zusammensteller  aus  einem  ähnlich  an- 
geordneten £xemplar  wie  unsere  Placidushandschriften  erst  —  um  ein 
Beispiel  zu  geben  -~  der  Reihe  nach  die  Glossen  mit  Ma  excerpierte, 
daim  Me,  Hi  u.  s.  w.  In  diesen  Reihen  finden  sich  zahlreiche  Glossen, 
die  lediglich  der  über  glossarum  als  placideisch  bezeichnet  Auf  diese 
Weise  wird  ein  volleres  Placidiisexemplar  erschlossen,  das  nicht  etwa 
durch  Interpolation  voller  geworden  ist,  sondern  in  der  That  als  die 
Quelle  sämmtUcher  mehr  oder  minder  verkürzten  Pladdasüberliefenu- 
gen  betrachtet  werden  muss.  Aber  nicht  nur  für  diese  Frage  ist  der 
Fund  wichtig:  auch  die  Einzelkritik  erhält  durch  denselben  bedeutende 
Förderung,  wie  an  dem  Buchstaben  G  gezeigt  wird.  Ich  will  hier  auf 
diese  Frage  sowie  auf  die  daran  geknüpften  Bemerkungen  Deuerlings 
u^  Wisse  was  nicht  weiter  eingehen,  da  das  Material  inzwischen  viel 
vollständiger  geworden  ist  und  an  anderer  Stelle  zu  behandeln  sein  wird. 
Den  Schluss  der  AUiandlung  bilden  einige  Bemerkungen  über  Glosso- 
gri^hen  (s.  S.  120)  sowie  über  das  Vorkommen  der  Wörter  ghua^  glona- 
riumy  glosiema^  welche  durch  Georges  in  der  angeführten  BeBjnecfaong 
weiter  vervollständigt  worden  sind. 

Beiträge  zur  Kritik  des  Placidus  gaben  Deuerling  in  Fleckeiseiis 
Jahrbüoheirn  121,  847f.;  131,  643£,  Heraeus,  Archiv  f.  Lexioogr.  VI 
S.  273 ff.,  Onions,  Journ.  of  Pfaüol.  XI  S.  76 ff.;  XII,  77ff..;  XV,  &  U67ft 


GranHMlikok-.  163 

olien.  lieber  die  aus  PlacidnsglosseB  zasaramengesetate  Yorrede  der 
lat.  Anthologie  vergl.  Bährens  P.  L.  M.  IV  S.  241  ff.  AUe  diese  so* 
wie  zahlreiche  Einzelbeiträge  werden  im  Corpus  Berücksichtigung  finden. 

Pseudodositheas. 

A.  Boucherie,  Note  additioneile  sur  les  'Epfjo^veußiara  et  la  xa- 
^luptv^  biuXia  de  Julius  Pollux  (Not.  et  Extr.  t.  XXVII.  2.  Paris  1879. 
2me  partie).    Rec.  in  Revue  critique  1880  No.  26. 

Die  hier  gegebenen  Zusätze  zu  der  Publication  im  23«  Bande  der 
Notices  et  Extraits  sind  dreifacher  Art  Der  erste  Theil  stammt  von 
Massebieau  und  fuhrt  den  Nachweis,  dass  ähnliche 'if^/xj^vei^/uara  be- 
reits von  B.  Rhenanusim  Jahre  1517  herausgegeben  wurden,  eine  Aus^ 
gäbe,  die  im  Jahre  1642  von  neuem  abgedruckt  wurde;  eine  dritte  Auf- 
gabe von  1547  fügt  Boucherie  S.  461  hinzu.  Der  zweite  von  Bouche- 
rie herrührende  Theil  erörtert  im  Anschluss  an  Massebieau  die  Autor- 
frage mit  Beziehung  auf  B.  Rhenanus  sowie  das  Verhältniss  der  Re- 
cension  des  B.  Rhenanus  zu  der  des  Montepessulanus,  sowie  auf  den 
vermeintlichen  Antheil,  den  Dositheus  an  der  Abfassung  der  'Ep/n^ved- 
ftara  hat;  der  dritte  Theil  enthält  Corrections  et  Errata,  die  von  Ars^ne 
Darmesteter  und  Charles  Revillout  herstammen. 

Karl  Erumbacher,  De  codicibus  quibus  Interpretamenta 
Pseudodositheana  nobis  tradita  sunt-  Monacfaü  1883.  8.  68  8.-- 
Rec.  u.  a.  von  G*  Gundermann  Philol.  Anz.  XY  (a.  1885)  8.  523ff. 

Die  Vorbemerkungen  dieser  gründlichen  und  wichtigen  Schrift  be- 
schäftigen sich  mit  den  verschiedenen  Bearbeitungen  der  Interpretamente 
und  dem  Verhältnisse  derselben  zu  einander  sowie  zb  dem  ursprünglichen 
Werke.  Der  Verfasser  dieses  Werkes  ist  aber  weder  Dositheus  noch  Pollux, 
eondem  ein  Anonymus  um  den  Anfang  des  dritten  Jahrhunderts.  Kruro* 
bacher  begnügt  sich  vorläufig,  dies  kurz  hervorzukeben  und  verspricht 
Ukr  später  ausführlii^e  Begründung.  In  den  folgenden  drei  Abschnitten 
werden  die  Handschriften  —  mit  Ansnahme  des  Montepess.  -^  nnd  ihr 
Verhältniss  besprochen;  im  ersten  vier  Münchener,  Gin.  13Q02,  22901, 
27317  sowie  328;  im  zweiten  der  Sang.  902,  Monac.  601,  Leid.  Voss. 
Gr.  Q.  7,  Leid.  Voss.  Lat  26 ;  der  dritte  Abschnitt  enthält  eine  Bespr»' 
chung  des  Paris.  8049,  sowie  der  Ausgaben  des  B.  Rhenanus,  Stepha- 
nus  und  Vulcanius.  ^ 

Das  Material  hat  sich  im  Laufe  de»  letzten  sieben  Jabro  theiis 
dmrch  Krumbachers,  tbeils  durch  Gundermanns  Bemühungen  er- 
heimlich  vermehrt;  auch  Loewes  Naeblass  hat  einiges  Neue  zu  Tage  ge« 
f&rdert  Zum  Bedauern  des  Referenten  hatKrumbacher  seine  Absiebt, 
die  ßearheitung  der  Pseudodositheana  für  das  Corp^  gless.  zu  ttberaeh- 
men,  aufgegeben;  in  Folge  dessen  rousste  Referent  selber  eintreten.   Det 


164  Latoiniflche  Grammatiker. 

erste  Theil  des  dritten  Bandes,  der  in  Vorbereitung  ist,  wird  sowohl  die  Aus- 
gabe als  eine  ausüEÜirliche  Besprechung  des  kritisdien  Materials  bringen. 

H.  Hagen,  De  Dosithei  magistri  quae  ferunter  glossis  quae- 
stiones  criticae.  Bern  1877.  Progr.  4.  14  S.  Anz.  von  W.  Schmitz, 
Jenaer  Litteraturz.  1877  S.  782. 

Der  Inhalt  dieser  Schrift  ist  ein  dreifacher.  Sie  enthält  1)  Fri- 
derlei  Dnebneri  olim  Hassi,  tum  Parisiensis,  descriptio  codicis  membr. 
bibL  Acad.  Medidn.  Montispessulan.  H.  nr.  306.  2)  Friderici  Dueb- 
neri  codicis  Montispess.  H.  nr.  306  henneneamaton  Dosithei  apogra- 
phon  cum  Boucherii  editione  a.  1872  conlatum.  3)  Coniectanea  in  Do- 
sithei glossas.  Aufgefallen  ist  mir,  dass  Hagen  sich  die  Bemerkungen 
D&bners  hat  entgehen  lassen,  die  im  Rhein.  Mus.  von  1834  S.  599  -  603 
mitgetheilt  sind.  D&bner  hatte  vor,  für  Lindemanns  Corpus  gram- 
mat  eine  Ausgabe  der  Interpretamente  zu  veranstalten. 

Julius  Schoenemann,  De  lexicographis  antiquis  qui  remm 
ordinem  secuti  sunt  quaestiones  praecursoriae.    Bonn  1886.    122  S.   8. 

Ausgehend  von  der  Pseudodositheanischen  Sammlung  der  Herme- 
neumata  hebt  der  Yeriasser  die  nat&rlich  bereits  beobachtete  Thatsache 
hervor,  dass  die  sachlich  geordneten  Abschnitte  in  den  verschiedensten 
Recensionen  trotz  aller  einzelnen  Abweichungen  in  der  Hauptsache  die- 
selbe Reihenfolge  der  Gapitel  und  Anordnung  aufweisen.  Die  beste  und 
am  wenigsten  gestörte  Anordnung  findet  der  Verfasser  in  den  Herme- 
neumata  I  des  Cod.  Neap.  Graec.  H  D  35  saec  XVI,  den  er  nach  üse- 
ners  Mittheilungen  eingehend  behandelt  Auch  diese  Handschrift  ist 
mir  inzwischen  nfiher  bekannt  geworden :  sie  wird  im  Corpus  gloss.  be- 
sprochen, aber  nicht  benutzt  werden.  Denn  wenn  die  hier  gebotene  An- 
ordnung am  nfichsten  herankommt  an  das  Exemplar,  'ad  coius  normam 
glossaria  secundum  res  in  capita  digesta  omnia  diversis  temporibus  alia  ipsa 
alia  aliis  intercedentibus  expressa  videntur',  so  ist  das  lediglich  das  Ver- 
dienst eines  sp&ten  Gelehrten,  wie  anderwärts  nachgewiesen  werden  wird. 

Die  tlbrigen  Ciqiitel  beziehen  sich  vorzugsweise  auf  die  griednsclie 
Ldtteratur;  die  Spuren  griechischer  Onomastica  werden  gewissenhaft  ver- 
folgt: hauptsfichlicb  aber  wird  ttber  Pamphilus  gehandelt,  der  nach 
des  Verfassers  Ansicht  sein  Material  ebenfalls  sachlich  gruppiert  hat. 
Zwischen  ihm  und  den  Hermeneumata  —  damit  schliesst  die  Abhand- 
lung —  ist  eine,  wenn  auch  vielfach  verwischte,  aber  doch  nicht  ganz 
unkenntlich  gemachte  Beziehung  vorhanden.  'Magistelli,  qui  Graecos 
latine  Rom&nos  graece  docere  voluerunt,  Graecis  Romana  Romanis  Graeca 
accommodabant;  deinde  onomasticon  illnd  Graecolatinum  vel  potius  ono- 
mastica illa  —  nam  plura  iam  drcnmferebantur  —  in  corpus  intolenint 
interpretamentorum'.  Die  Schrift  zeugt  von  Belesenheit  und  Scharfsinn. 
Vergl.  die  Besprechung  von  Maass  in  der  Deutschen  Litteraturz.  1887 
S.  594. 


4 


Lat0iiii8ehe  Grammatiker.  165 

Einzelnes. 

Die  Glossen,  welche  M.  Warren  nach  Mittheilangen  von  Robin- 
son El  11 8  im  amerikanischen  Journal  of  Philol.  vol.  VI  No.  4.  vol.  VII 
No.  3  veröffentlicht  hat,  habe  ich  kurz  besprochen  im  IV.  Bande  des  Ar- 
chivs S.  U9f.|;  ebenda  habe  ich  auch  einige  bereits  vorher  gemachte  Mit- 
theilnngen  registriert,  sowie  den  Werth  der  Glossen  und  die  Ueberliefe- 
rungsfrage  behandelt. 

Eine  Besprechung  des  von  dem  Referenten  im  Index  Jen.  a.  1883 
edierten  Terenzglossars  suche  man  unter  Terenz. 

Ich  erwähne  femer  Warrens  Ausgabe  der  Glossen  des  codex 
Sangallensis  912  (On  laün  glossaries.  With  especial  reference  to  the 
codex  Sangallensis  912.  edited  with  notes  by  Minton  Warren,  asso- 
ciate  Professor  in  Latin  in  the  John  Hopkins  University.  Reprinted 
from  the  Transactions  of  the  American  Philological  Association.  1884. 
Cambridge  1885),  nber  welche  ich  kurz  berichtet  habe  im  zweiten  Bande 
des  Wölfflinschen  Archivs  S.  494.  Dem  Texte  vorausgehen  auf  S.  124 
— 140  einleitende  Bemerkungen  über  die  Bedeutung  des  Glossars  flu* 
phonetische  und  grammatische  Studien;  angehängt  sind  auf  S.  188—228, 
knappe,  aber  gründliche  Noten  meist  kritischen  Inhalts.  Der  Abdruck 
des  Textes  ist  nberholt  durch  die  Mittheilungen  im  IV.  Bande  des  Cor- 
pus glossariorum:  die  Noten  werden  im  Generalglossar  des  Corpus  zu 
berücksichtigen  sein  Sie  sind  in  der  Regel  vortrefflich  und  zeugen  eben 
so  sehr  von  Scharfsinn  wie  von  gründlicher  Gelehrsamkeit  auf  diesem 
wenig  bekannten  Gebiete.  Yergl.  K.  E.  Georges  in  der  Berl.  philol. 
Wochenschr.  1886  S.  207—209,  F.  Haverfield  in  der  Academy  1886 
S.  134f. 

Sinonoma  Bartholomei,  A  glossary  from  a  14th  Century  Ms. 
in  the  library  of  Pembroke  College.  Oxford«  edited  by  J.  L.  G.  Mo- 
wat.    Oxford.    Clarendon  Press.   1882.    4.    48  S. 

Yergl.  die  ausführliche  Besprechung  von  G.  Loewe  in  den  Gloss. 
Nom.  S.  116  ff. 

Alphita.  A  medico-botanical  glossary  from  the  Bodleian  Ms. 
Seiden  B  35.  edited  by  J.  L.  G.  Mowat  Oxford,  Clarendon  Press  1887. 

Das  hier  veröffentlichte  Glossar  stammt  ans  einem  Codex,  der 
etwa  im  Jahre  1465  geschrieben  ist  Das  Material  ist  zum  Theil  ganz 
jungen  Datums:  anderes  lässt  sich  schon  in  weit  älteren  Quellen  nach- 
weisen. Yergl.  Wölfflin  Archiv  lY  S.  342,  Litt.  Centralblatt  1887  S.  678 
[E.  W.j.  Eine  genauere  Erforschung  der  medicinisch- botanischen  Glos- 
sare steht  noch  aus.    Einen  Anfang  dazu  machte 

Job.  Schmidt,  Das  medicinisch-botanische  Glossar  von 
Siena,  im  Hermes  Band  XYIII  (1883)  S.  521—545. 

Die  älteste  Handschrift  der  Sieneser  Stadtbibliothek  (vergl.  Her- 
mes XYII  S.  243)  aus  dem  elften  Jahrhundert  bietet  unter  anderem  ein 


IJge  LtldnMolM  GffttBtttllkef. 

medicinisch- botanisches  Glossar,  das  ao  obiger  Stelle  genau  nach  dem 
Original  abgedruckt  wird.  Die  orsprftnglichen  aus  Dioscorides,  Oriba- 
sius,  Paulus  Aegineticus  und  verwandten  Glossaren  belegten  Formen  wer- 
den in  den  Anmerkungen  mitgetheilt 

Henry  Sweet,  The  Epinal  glossary,  Latin  and  Old-Englisch 
of  the  eighth  Century.  Photolithographed  from  the  original  ms.  By 
W.  Griggs,  and  edited  with  transliteration,  introduction  and  notes  by 
H.  S.  Printed  for  subscribers  and  for  the  Philological  and  Early 
English  Text  Societies.  Trabner  and  Co.  London.  1883.  XIY  8.  n. 
80  Blätter  in  FoHo. 

Der  bereits  von  Mone  sowie  Quicherat  und  andern  benutzte  Co« 
dex  Epinalensis  (cf.  Loewe,  Prodr.  S.  usf.),  eine  Parallelhandschrift  zu 
dem  ersten  Erfurter  Glossar,  wird  hier  Seite  für  Seite  photolithographiert, 
transcribiert  und  mit  einer  Einleitung  versehen  herausgegeben.  Die  pho- 
tolithographische Reproduction  scheint  vorzüglich  zu  sein,  die  Transcrip- 
tion leidet  an  zahlreichen  Lesefehlem,  die  dem  Herausgeber  von  eng- 
lischer Seite  vielfach  vorgehalten  worden  sind  und  sich  aus  dem  Facsi- 
mile  leicht  verbessern  lassen.  Die  Einleitung  bezieht  sich  auf  das  Yer- 
haltniss  der  Epinaler  Glossen  zu  den  drei  Erfurter  Glossaren,  den  Lei- 
dener Glossen,  denen  des  Gorpus-Ghristi>Gollege,  auf  palaeographische, 
orthographische  und  sprachliche  Eigenthümlichkeiten.  Der  in  Vorberei- 
tung begriffene  fünfte  Band  des  Gorp.  gloss.  wird  in  seiner  ersten  Hftlfte 
dasselbe  Material  und  einen  Theil  der  angeregten  Fragen  behandeln. 
Der  Hauptwerth  liegt  ohne  Zweifel  in  der  photoiithographischea  Wieder- 
gabe der  Handschrift. 

J.  H.  Hesseis,  An  eigbth-century  Latin- Anglo-Saxon  glossary, 
preserved  in  the  library  of  Corpus  Ghristi  College.  Cambridge.  1890. 
XLYm  u.  226  S.    8. 

Der  cod.  144  des  Corpus  Christi  College  in  Cambridge  enthalt 
zwei  Glossare;  1)  eine  'interpraetatio  nominum  ebraicorum  etgrecorum', 
die  ausserordentlich  häufig  vertreten  ist,  2)  die  ^glosa  secundum  ordinem 
elimentorum  alphabeti'.  Dieses  letztere  Glossar  enthält  in  der  Haupt- 
sache denselben  Glossenbestand  wie  das  erste  Erfurter  Glossar,  mit 
Zusätzen,  die  meist  am  Ende  der  Reihen  ihren  Platz  haben.  Beide 
Glossare  sind  in  obiger  Pvblication,  wie  es  scheint,  mit  all  der  Sorgfalt 
herausgegeben  worden,  wie  sie  die  Wichtigkeit  der  Sache  erfordert 
Dem  Abdruck  voraus  geht  eine  ausführliche  Einleitung  ttber  die  Vorge- 
schichte der  Veröffentlichung,  ttber  Alter  und  Art  der  Hattdsehrilt,  Ober 
orthographische  und  sprachliche  Eigenthttmlichkeiten,  Ober  die  Schrei- 
bung einzelner  Glossen  und  anderes,  angefügt  ist  ein  willkommener  In- 
dex. Auch  diese  Publication  wird  im  Corpus  glossariorum  mit  Dank  und 
Gewissenhaftigkeit  benutzt  werden. 


\ 


LatMniBolie  Qr«imatik»r,  10^ 

Sari  Hamatin,  Mittheilangen  aus  dem  Brdviloqmil  Benthemia* 
nas,  einem  handsohriftlichen  lateimschen  Glossar  des  XV.  Jahrbanderts. 
Progr.  der  Realscbule  des  Johanneums  zu  Hambnrg.    1879.    32  S.    4. 

In  dem  ftrsUicben  Maseute  zu  Bnrgsteinfart  in  Westfalen  befindet 
sieb  ein  Breviloquus,  den  der  Verfasser  zu  Ebren  des  Fürsten  von  Bent- 
beim  nnd  Steinfart  als  breviloquns  Bentbemianus  bezeicbnet  In  der 
genannten  Pnblication  wird  zun&chst  eine  Bescbreibung  der  Handscbrift 
gegeben.  Es  folgt  eine  Darlegung  des  Inhalts,  eine  Uebersicbt  über  die 
Quellen,  die  der  Glossograpb  selber  nennt  (Isidor,  Papias,  Ugutio,  Gui- 
lelmus  Brito,  Breyiloquus  vocabularius :  ausserdem  Osbem,  Jobannes  de 
Janua,  Joannes  de  Garlandia,  Eberbardus  Betbuniensis ,  Alexander  de 
Villa  Dei,  Alexander  Neckara,  Petrus  de  Riga  u.  a.),  sowie  eine  Unter- 
sucbung  über  die  Heimath  und  Schreiber  des  Glossars.  Hierauf  folgen 
die  Excerpte  nach  folgenden  Rubriken:  h  Verwandte  Glossen  mit  denen 
in  Loewes  Prodromus.  II.  Glossen  zur  Ergänzung  von  Wattenbacbs 
Scbriftwesen  im  Mittelalter.  Für  die  ältere  Glossograpfaie  ergibt  sich 
wenig  von  Belang:  vielleicht  haben  die  deutschen  Glossen  grösseres  In- 
teresse. Eine  Rec  dieser  Schrift  gab  E.  Ludwig,  Jen.  Litteraturztg. 
1879  No.  20. 

Derselbe,  Weitere  Mittbeilungen  aus  dem  Breviloquus  Bentbe- 
mianus, enthaltend  Beiträge  zur  Textkritik  der  Vulgata,  nebst  einem 
Anbang:  Abschnitte  aus  dem  liber  derivationum  des  Vgutio  von  Pisa. 
Progr.  der  Realschule  des  Johanneums  zu  Hamburg.  Ostern  1882. 
32  und  XVI  S.   4. 

Der  erste  Theil,  die  Beiträge  zur  Textkritik  der  Vulgata,  wird  an 
anderer  Stelle  zu  besprechen  sein.  Der  zweite  Theil  enthält  Mittheilun- 
gen aus  den  Münchener  Hugutiohandschriften  No.  14056  und  12297. 
Abgedruckt  wird  die  Vorrede  des  liber  derivationum,  hierauf  einige  Ab- 
schnitte aus  den  Buchstaben  A,  Q,  X,  Z.  Diese  Publikationen  verfolgen 
den  Zweck,  Material  zur  Behandlung  der  Frage  nach  dem  Verbältniss 
zwischen  Hugutio  und  Osbems  Panormia  zu  bieten. 

Ueber  das  Turiner  Glossar,  das  Pflugk-Harttung  in  seinem 
Iter  Italicum  II  S.  343  ff.  veröffentlicht  hat,  vergl.  Corp.  gloss.  IV  praef. 

p.  xxxvn. 

S.  Berger,  De  glosariis  et  compendiis  exegetieis  quibus- 
dam  medii  aevi  siue  de  libris  Ansilenbi,  Papiae,  Hugutionis, 
Ouil.  Britonis,  de  catbolicon  Mammotrecto,  aliis.  Pdrisiis  1879. 
Bec.  u.  a.  Litt.  CentralbL  1880  S.  18. 

Nach  einer  kurzen  Einleitung  über  die  Bedeutung  mittelalterlicher 
glossograpbiscber  Sammlungen  füf  die  Erklärung  der  Bibel  bebandelt 
der  Verüftsser  im  ersten  Capitel  das  grosse  Glossar  des'Ansileubis'. 
Er  zählt  die  ihm  bekannten  Handschriften  auf;  bandelt  über  die  Quellen 


168  Lateiniflche  Orammatlker. 

und  zuletzt  über  den  Verfasser.  Es  werden  allerlei  Litterätumachweise 
beigebracht,  die  durchaas  willkommen,  aber  leider  nicht  im  Stande  sind, 
die  angeregten  Fragen  erheblich  zu  fördern.  Das  zweite  Gapitel  handelt 
über  Papias.  Nach  einer  Aufzählung  der  in  Frankreich  befindlichen 
Handschriften  wird  die  praefatio  mitgetheilt,  die  Quellen  werden  kurz 
behandelt,  schliesslich  die  Drucke  und  Schriften  über  Papias  registriert. 
In  ähnlicher  Weise  behandelt  Gapitel  3  den  Hugutio.  Der  Nachweis, 
dass  Osbem  der  Verfasser  des  Novus  Thesaurus  ist,  ist  nicht  von  Wil- 
manns,  sondern  von  W.  Meyer.  Etwas  ausführlicher  werden  im  lY. 
Capitel  Ouilielmus  Brito  und  im  V.  Johannes  de  Janua  besprochen.  Ga- 
pitel VI  behandelt  Johannis  Gomprehensorium,  den  Vocabularius  familiaris 
et  compendiosus,  Joannis  Bernardi  Sauonensis  Vocabularium  ecclesiasti- 
cum,  Henrici  Jerung  Elucidarius  Scripturarum,  Vocabularius  Breuiloquus. 
Damit  schliesst  der  erste  Theik  Im  2.  Theil  handelt  Berger  in  vier  Ga- 
piteln  über  den  Mammotrectus. 

Hermann  Hagen,  Gradus  ad  criticen.    Leipzig.  1879. 

Diese  Schrift  gehört  insofern  hierher,  als  Hagen  das  Material  ftkr 
seine  Beispiele  aus  Bemer  Glossenhandschriften  genommen  hat  Es 
kommen  namentlich  drei  Handschriften  in  Betracht:  1)  Der  cod.  Bern. 
236,  der  ein  Zwillingsbruder  des  im  IV.  Bande  des  Gorpus  praef. 
p.  XXXVI  besprochenen  codex  Leid.  24  ist,  wonach  die  Note  ebenda 
p.  XXIX  zu  berichtigen  resp.  zu  ergänzen  ist.  2)  Der  cod.  Bern.  16, 
ein  liber  glossarum,  aber  nur  die  Buchstaben  A~E  umfassend.  3)  Der 
cod.  Bern.  178,  worüber  zu  vergl.  Gorp.  gl.  IV  p.  XL.  Eine  Reihe  von 
Glossen  hat  Hagen  glücklich  verbessert:  andere  würde  er  richtiger  be- 
handelt haben,  wenn  ihm  der  Zusammenhang  der  Tradition,  namentlich 
bei  No.  1  und  No.  3  genauer  bekannt  gewesen  wären.  Vergl.  H.  Nett- 
leship,  Notes  on  the  glosses  quoted  in  Hagens  gradus  ad  criticen  (Jour- 
nal of  Phil.  XI  S.  116  ff.).     Auf  Einzelheiten  einzugehen  ist  unmöglich. 

Gorpus  glossariorum. 

Gorpus  glossariorum  latinorum  a  Gustave  Loewe  inco- 
hatum  auspiciis  Societatis  Litterarum  Regiae  Saxonicae  composuit  re- 
censuit  edidit  Georgius  Goetz.  Vol.  IL  Glossae  latinograe- 
cae  et  graecolatinae  ediderunt  Georgius  Goetz  et  Gottholdus 
Gundermann.  Accedunt  minora  utriusque*  linguae  glossaria.  Lip- 
siae.  1888.  -*  Vol.  IV.  Glossae  codicum  Vati c an i  8321  Sangallen- 
sis  912  Leidensis  67  F  edidit  Georgius  Goetz.    Lipsiae.  1889. 

Mit  Loewes  jähem  Tode  war  auch  der  Plan,  nach  dem  er  sein  Cor- 
pus glossariorum  edieren  wollte,  verloren:  Referent  hat  nie  eine  darauf 
bezügliche  Aeusserung  gehört,  vielleicht  weil  ein  ganz  bestimmter  Plan 
noch  gar  nicht  vorlag.  Es  ist  dies  auch  völlig  begreiflich :  denn  die  Mate- 
rialsanunlung  war  weit  entfernt  davon,  abgeschlossen  zu  sein,  so  dass  sich 


A 


Lateinische  Ckmmoiatiker.  169 

das  Gebiet  noch  gar  nicht  ttbersehen  liess.  In  den  meisten  FSllen  hatte 
sich  Loewe  mit  Excerpierung  der  interessanteren  Glossen  begnttgt;  nur 
in  wenig  Fällen  hat  er  Abschriften  oder  vollständige  CoUationen  hinter- 
lassen^ Wer  sich  die  Mtthe  nimmt,  die  Vorreden  der  beiden  Bände,  die 
bis  jetzt  erschienen  sind,  zu  lesen,  wird  stets  gewissenhafte  Angaben  über 
diesen  Punkt  finden.  Aber  auch  die  Loeweschen  Abschriften  sind  in 
allen  wichtigen  Fällen  theils  von  dem  Referenten,  öfter  von  Gunder- 
mann nachgeprüft  worden,  so  dass  nur  bei  ganz  unwichtigen  Codices 
Loewe  die  Verantwortung  zu  tragen  hat. 

Der  Plan,  nach  dem  das  Corpus  bearbeitet  wird,  ist  von  dem  Re- 
ferenten frtlher  bereits  in  den  Teubnerschen  Mittheilungen  dargelegt  wor- 
den ;  derselbe  wurde  abermals  erörtert  in  einem  Aufsatze  Aber  *Jos.  Sca- 
ligers  glossographische  Studien  und  Pläne'  in  den  Sitzungsberichten  der 
Königl.  S.  Gesellsch.  der  Wissensch.  1888  S.  232  ff.  Referent  ist  erfreut, 
dass  derselbe  die  Billigung  hervorragender  Kenner  dieses  Gebiets  gefun- 
den hat.  In  der  That  bat  der  weitere  Fortschritt  der  Arbeit  diesen  Plan 
immer  mehr  als  richtig  erwiesen.  Nur  durch  die  zweckmässige  Vereini- 
gung eines  Corpus  glossariorum  mit  einem  kürzeren  Corpus  glossarum  kön- 
nen die  Forderungen  der  zuverlässigen  Fundierung  sowie  der  Bequemlich- 
keit der  Benutzung  zugleich  befriedigt  werden.  Dass  die  bis  jetzt  erschie- 
nenen Stücke  —  eben  weil  es  nur  Stücke  sind  —  zunächst  schwer  zu 
benutzen  sind,  kann  nicht  als  Vorwurf  gegen  das  Ganze  gerichtet  werden. 

Reccnsionen  des  zweiten  Bandes  sind  erschienen  von  H.  Keil 
Deutsche  Litteraturz.  1889  S.  550—552,  von  A.  Deuerling  Zeitschr.  f. 
d.  bayer.  Gymnasialschulw.  B.  XXV  S.  459 ff.,  von  H.  Nettleship  Class. 
Rev.  1889  8.  128f.,  K.  Krumbacher  Litt  Centralblatt  1888  S.  1274ff., 
K.  £.  Georges  Berl.  philol.  Wochenschrift  1888  S.  690,  G.  Schepss 
in  der  Wochenschr.  f.  kl.  Philol  1889  S.  405,  sowie  von  Wölfflin  im 
Archiv  B.  V  S.  582.  -—  Der  vierte  Band  wurde  besprochen  von  H.  Keil 
in  der  Deutschen  Litteraturz.  1890  S.  961-— 952,  von  K.  Krumbacher 
im  Centralblatt  1889  S.  1777—1779,  von  A.  Funck  in  der  Berl.  philol. 
Wochenschrift  1890  S.  478 ff.,  von  G.  Schepss  in  der  Wochenschr.  für 
klasfi.  Philol.  1890  S.  523 f.,  von  Wölfflin  im  Archiv  VI  S.  572,  von  H. 
Nettleship  in  der  Class.  Rev.  1890  S.  255. 

Die  Nachträge  zum  Corpus  sollen  dem  fünften  Bande  einverleibt 
werden.   Bekannt  geworden  ist  bisher  nur  einer,  der  von  Wichtigkeit  ist: 

E.  Steinmeyer,    Lateinische  und  altenglische  Glossen  (Zeitschr. 
f.  d.  Alterth.  u.  L.  33.  1889  S.  242  ff.). 

Aus  einem  Doppelblatte  in  Münster,  das  neuerdings  mit  anderen 
von  Buchdeckeln  gelöst  wurde,  werden  Nachträge  zu  den  Glossae  No- 
minnm  aus  den  Buchstaben  I  und  P  veröffentlicht 

Die  zerstreuten  Beiträge  zur  Kritik  einzelner  Glossen,  unter  denen 
ich  namentlich  die  von  Nettleship  hervorhebe,  werden  im  General- 
glossar des  Corpus  berücksichtigt  werden. 


i 


170  LatelüiMh«  ChmniMtlklff. 

W.  Foerster  und  E.  Koschwits,  AltfranzösifiichM  Uebnngsbaoh 
zum  Gebrauch  bei  Vorlesungen  und  Seminarflbungen.   Heilbronn  1884. 

Von  diesem  Werke  interessiert  den  Forscher  auf  dem  Oebiete  der 
classischen  Glossographie  1)  der  Abdruck  eines  Theiles  der  R  eiche - 
naner  Glossen;  2)  Excerpte  ans  einem  unbekannten  Glossar.  Dieses 
letztere  ist  ohne  Zweifel  der  cod.  Bernensis  224,  über  den  ansser 
Hagens  Catalog  zn  vergleichen  ist  praef.  Corp.  gloss.  lY  p.  XXX. 

Elias  Steinmeyer  and  Eduard  Sievers,  Die  Althochdeut- 
schen Glossen,  fiand  I.  Glossen  zn  biblischen  Schriften.  Berlin  1879. 
Band  II.  Glossen  zu  nichtbiblischen  Schriften  bearbeitet  von  E.  Stein- 
meyer.    Berlin  1882. 

Auf  dieses  grosse  nnd  wichtige  Werk,  das  sich  natArlich  aneh  mehr- 
fach mit  der  classischen  Glossographie  bertthrt,  mOge  nnr  kurz  hingewie-- 
sen  werden.  Ein  specielles  Interesse  hat  der  —  wie  eine  Nachprüfting 
best&tigt  hat  —  durchaus  zuverlässige  Abdruck  der  sogenannten  Rha* 
banisch-Keronischen  Glossen,  welche  mit  in  die  grossere  Samm* 
hing  der  glossae  'Abavus*  geflossen  sind. 

Ebenso  ist  hervorzuheben  die  zweite  von  R.  P.  Wttlcker  besorgte 
Ausgabe  der  Anglosaxon  and  old  English  vocabularies  von 
Thomas  Wright.    London  1884. 


Nachtrag. 

Unter  Plinius  ist  nachzutragen  der  Aufsatz  von  J.  W.  Beck  im 
Philologus  N.  F.  II  (1889)  S.  256  ff.  Theils  im  Anschluss  an  die  Schrif- 
ten von  Marschall  und  Bölte  theils  in  Opposition  zu  denselben  stellt 
Beck  da^enige  zusammen,  'was  sich  aus  einer  Vergleichung  der  Wörter 
und  Ausdrucke,  die  unzweifelhaft  aus  den  Büchern  des  Plinius  hervor- 
gegangen sind ',  ergibt.  Die  Wichtigkeit  einer  Sammlung  der  pliniamschen 
Ueberfeste  wird  mit  Recht  betont.  —  Die  Arbeiten  über  Sueton^  so- 
weit sie  hierher  gehören,  werde  ich  im  nächsten  Bericht  besprechen. 


Jahresbericht  über  Terentius  nnd  die  dbrigen 
scenischen   Dichter   ausser   Plaatas   für   1884 

(zweite  Hälfte)  bis  1888. 

Von 

Gymnasial -Rektor  A.  Spen^^el 

in  Passau. 


Terentius. 

A.    Schriften  verschiedeDen  Inhalts. 

Gnilelmus  Prinzhorn,  De  libris  Terentianis  qaae  ad  recensio* 
nem  Calliopianam  redeont.   Dissert.  Ootting.  1885.  35  8. 

Mit  Ausnahme  des  codex  fiembinus  gehören  alle  nnsere  Hand- 
schriften der  Recension  des  Galliopius  an.  Die  Galliopische  Recension 
selbst  scheidet  sich  in  drei  Gattungen,  von  welchen  die  erstere  —  zur 
Bezeichnung  dieser  Originalhandschrift  ist  der  Buchstabe  d  gewfthk  — 
dem  Bembinus  nfther  steht,  die  zweite  —  mit  //  bezeichnet  —  entfern- 
ter, wahrend  die  dritte  eine  Mischung  von  beiden  enthäH.  Das  Verhält- 
nis dieser  ersteren  zwei  Arten  J  und  //  zu  untersuchen  hat  sich  der 
Verfasser  zur  Aufgabe  gemacht  Seine  Resultate  bringt  nachfolgendes 
Schema  zum  Ausdruck: 

X        ^^ 


J  // 


DG      PC(B)F 

X  bedeutet  das  Original  aller  unserer  Handschriften.   Von  diesem  stam- 
men der  Bembinus  (A),  eine  nicht  erhaltene,  dem  Bembinus  (parallele 


I 


172  Terentlns. 

Handschrift  (a)  and  eine  gleichfalls  nicht  erhaltene,  von  Galliopins  cor- 
rigierte  (A^).  Von  einer  Handschrift  dieser  Calliopischen  Recension 
(F)  kommen  die  Originale  za  unseren  Codices,  nämlich  erstens  J,  das 
Original  zu  dem  Yictorianns  (D)  und  dem  Decartatns  (G),  und  zwei- 
tens /7,  das  Original  zu  dem  Parisinas  (P),  Yaticanus  (C)  nehst  dessen 
Apographon,  dem  Basilicanus  (B)  und  der  Ambrosianus  (F).  Die  Hand* 
Schrift  J  ist  nicht  nach  dem  Kommentar  des  Donatus  corrigiert,  son- 
dern nach  einer  dem  Bembinns  parallelen  Handschrift  (a).  Was  davon 
in  J  übergegangen,  erscheint  zum  teil  in  DG.  Zur  Herstellung  der  ur- 
sprünglichen Form  der  Calliopischen  Recension  sind  die  Handschriften 
DG  von  um  so  gröfserer  Wichtigkeit,  weil  D  das  älteste  Exemplar  dieser 
Recension  darstellt. 

Georg  Goetz,    Glossarium  Terentianum.    Ind.  schol.  aest  Jen. 
1886.    Neuenhahn  18  8.    4.    50  Pf. 

[Recensiert:  Berl.  philol.  Wochenschr.  V,  21,  8.644 — 47  von 
0.  Seyffert]. 

Interessant  ist  die  Publikation  des  von  G.  Loewe  im  cod.  Yatican. 
1471  gefundenen  Glossars  aus  dem  IX.  Jahrhundert  mit  der  Commentie- 
mng  und  Textberichtigung  von  G.  Goetz.  Der  erste  Teil  desselben  be- 
zieht sich  auf  die  drei  Stücke  des  Terentius  Andria  Adelphoe  und  £a- 
nuchus  in  dieser  Reihenfolge  der  Komödien.  Der  Sammler  der  Glossen 
hatte  eine  Handschrift  des  Terentius  mit  Erklärungen  vor  sich,  welche 
am  Anfang  und  Ende  unvollständig  war,  da  weder  Glossen  aus  dem  An- 
fang der  Andria  noch  ans  dem  Schlafs  des  Eunuchus  vorkommen.  Irr* 
tümer  wie  pecte  für  recte,  zeigen,  dafs  sie  in  Majuskeln  geschrieben 
war.  Oft  stimmte  sie  mit  den  Lesarten  des  codex  Bembinns  überein,  an 
anderen  Stellen  mit  Donatus  u.  a.  Fleckeisens  Conjecturen  poste  Eun. 
493  und  grandicnla  Andr.  814  erhalten  dadurch  volle  Bestätigung. 
Dafs  die  Handschrift,  aus  welcher  das  Glossar  geflossen  ist,  einer  be- 
sonderen, zwischen  dem  Bembinns  und  der  Calliopischen  Recension  ste- 
henden Quelle  angehörte,  hat  0.  Seyffert  in  der  Recension  obigen  Schriftr 
chens  (Berl.  phil.  Wochenschr.  1886  No.  21  S.  644—47)  dargelegt  und 
auch  selbst  Beiträge  zur  Texteskritik  des  Glossars  geliefert. 

Adolfus  Greifeid,  De  Andriae  Terentianae  gemino  exitu.    Diss. 
Hai.  1886.    43  S. 

[Recensiert:  Wochenschr.  f.  kl.  Philologie  V,  10  S.  304—5  von 
Schlee.  Neue  phil.  Rundschau  No.  22  p.  342  von  E.  Redslob.  Berl. 
phil.  Wochenschr.  VII,  16  S.  498—500  von  Engelbrecht]. 

Zur  Andria  ist  in  Handschriften  untergeordneter  Gattung  eine  zweite 
Schlufsscene  von  etwa  20  Versen  erhalten,  in  welcher  die  Verlobung  des 
Charinus  mit  Philumena  auf  der  Bühne  abgemacht  wird,  während  nach 
der  anderen  Fassung  dieser  Vorgang  durch  die  Worte  intus  despon- 


{ 


Terentias.  178 

debitur  hinter  die  Scene  verlegt  wird.  Die  Terschiedensten  Ansichten 
wurden  darüber  ausgesprochen  und  zu  begründen  gesucht  Teils  schrieb  man 
die  Scene  dem  Terenüns  selbst  zu  und  betrachtete  entweder  diese  oder 
die  erstere  als  die  ursprüngliche  Fassung,  teils  einem  Dichter,  der  kurze 
Zeit  nach  Terentius  lebte,  teils  auch  einem  Gelehrten  des  2.  oder  4.  Jahr- 
hunderts nach  Christus.  Nachdem  man  vergebens  versucht  hatte  in  der 
Form  der  sehr  schlecht  überlieferten  Verse  einen  Anhaltspunkt  für  ihre 
Abfassungszeit  zu  gewinnen,  fafst  Oreifeld  die  Sache  von  einer  anderen 
Seite  an,  indem  er,  eine  Andeutung  Ritschis  weiter  ausführend,  nach* 
zuweisen  sucht,  dafs  die  Scene  mit  dem  Charakter  des  Charinus,  wie 
er  in  dem  Stücke  selbst  gezeichnet  sei,  wenig  harmoniere  und  sich 
verschiedene  Ungehörigkeiten  vorfinden,  so  dafs  jedenfalls  Terentius 
selbst  nicht  als  Verfasser  gelten  könne.  Mit  Hasper  de  dupl.  Poenuli 
exitu  wird  ferner  hervorgehoben,  dafs  alle  Stücke  des  Plautus  und  Teren- 
tius mit  Tetrametem  schliefsen,  nur  diese  Scene  auf  iambische  Senare 
ausgeht.  Oreifeld  nimmt  an,  sie  sei  von  einem  Schauspieler  verfafst, 
der  das  Stück  mit  zwei  Heiraten  schliefsen  lassen  wollte.  Als  wahr- 
scheinliche Abfassungszeit  bezeichnet  er  das  siebente  Jahrhundert  der 
Stadt,  dieselbe  Zeit,  in  welcher  auch  die  Plautinischen  Prologe  entstan- 
den und  verschiedene  Änderungen  an  den  Stücken  vorgenommen  worden 
seien.  An  L.  Atilius  Praenestinus  möge  man  jedoch  nicht  denken  noch 
an  einen  anderen  der  Schauspieldirektoren,  welche  in  den  Didaskalien 
erwähnt  werden,  da  deren  Bühnenexemplare  den  Grammatikern  bekannt 
waren  und  gewifs  von  diesen  der  Name  des  Verfassers  beigesetzt  wor- 
den wäre. 

Durch  eine  Bemerkung  bei  Schmidt  de  actorum  numero  in  &b. 
Plaut,  et  Ter.  1870  p.  39,  welche  auch  Greifeid  p.  11.  Anmerk.  er- 
wähnt, wufste  man,  dafs  sich  in  einer  Erlanger  Handschrift  noch  eine 
andere  Form  dieser  Schlufsscene  findet,  in  welcher  aufser  Pamphilns 
Charinus,  Davus,  Chremes  auch  noch  Simo  vorkommt;  doch  war  bisher 
Näheres  über  den  Inhalt  nicht  bekannt  geworden.  Durch  die  Güte  der 
Verwaltung  der  Erlanger  Universitätsbibliothek  erhielt  ich  die  Handschrift, 
cod.  Erlang.  No.  800  saec.  XII,  zugeschickt  und  kann  hierüber  nähere  Mit- 
teilung machen.  Der  Schlufsvers  der  Andria  lautet  in  dieser  Handschrift 
mit  den  übrigen  übereinstimmend  intus  Transigetur  si  quid  est  quod 
restat,  dann  folgt  mit  grofsen  Lettern  vos  valete  et  plaudite.  Cal- 
liopius  recensui,  worauf  der  Eunuchus  beginnt.  Die  in  einigen  Hand- 
schriften noch  folgende  Schlufsscene,  die  mit  den  Worten  Te  expecta- 
bam  beginnt,  ist  also  nicht  vorhanden.  Dagegen  stehen  auf  folium  2^  vor 
Einleitung  und  Text  der  Andria  16  Zeilen  mit  der  Überschrift  zur  Seite 
rechts  VLTIMA  SCENA  IN  ANDR-  und  dem  Scenentitel  Charinus 
Pamphilns  Dauus  Cremes  Symo  mit  grofsen  Lettern  und  Abktlrzung 
der  Namen.  (Simo  spricht  nur  in  den  letzten  6  Zeilen.)  Der  Text  beginnt 
mit  den  Worten  Te  expectabam  wie  in  jenen  anderen  Handschriften, 


174  Terentins. 

teilt  dies  aber  dem  Chremes  zu.  Der  Inhalt  der  Scene  ist  insofern  mit 
der  anderen  gleich,  als  auch  hier  die  zweite  Tochter  des  Chremes  dem 
Gharinns  verlobt  wird,  der  Wortlaut  aber  verschieden.  Es  ist  Prosa, 
nicht  Verse,  die  Latinität  schlecht,  teilweise  ganz  fehlerhaft.  Eline  Probe, 
von  Zeile  fünf  bis  zehn  der  Handschrift,  wird  genügen:  Pamph.  O  mi 
Chremes,  uellem.  .  Chrem.  Quid  uis?  Pamph.  Dicere  quod  rem  in  toao* 
Chrem.  Quid?  Pamph.  Alterae  tuae  gnatae  inueni.  .  Chrem.  Quid 
quod  enim  quasi  necligis  quod  instat.  Pamph.  Virum  te  et  illa  dig- 
num.  Dav.  Probus  quantiuis  hie  est  pretiL  Chrem.  Quis?  Dav.  Ille 
Charinus,  nulli  nostrae  uicinitatis  iuuenum  secundus.  Chrem.  Nee  a 
nostra  notitia  alienus.  Pamph.  Et  mecom  a  puero  complicuit  amici- 
tiam.  Chrem.  Ne  moram  ad  alia  faciamus.  Pamph.  Tua  affinitate  sua. 
uirtus  est  dignissima.    Chrem.  Assentier. 

Welche  Kenntnis  des  Lateinischen  der  Verfasser  dieser  Scene  be- 
safs,  zeigt  am  besten  der  vorletzte  Satz:  Tua  affinitate  sua  uirtus 
dignissima,  wo  das  Pronomen  sua  unlateinisch  ftlr  eins  gesetzt  ist,  sciL^ 
Charini.  Bemerkenswert  ist,  dafs  die  Worte  Alterae  tuae  gnatae  inuens^ 
nimm  te  et  illa  dignum  offenbare  Ähnlichkeit  haben  mit  Vers  zwei  de 
SchluljBscene  anderer  Handschriften:  operam  dedi  ne  me  esse  oblitn 
dicas  tuae  gnatae  alterae.  tibi  me  opinor  inuenisse  dignum  te  e 
illa  uirum  und  weiter  unten  nee  a  nostra  notitia  alienus  mit  Vers 
der  anderen  Fassung:  alienus  abs  te  tamen  qui  tu  esses  nouenua 
Aufser  diesen  und  den  zwei  Anfangsworten  Te  expectabam  ist  kein 
Ähnlichkeit  vorhanden. 

Wiewohl  somit  diese  Scene  der  Erlanger  Handschrift  für  Terentii 
keinen  Wert  hat,  bleibt  es  doch  interessant,  dafs  hier  eine  zweite  Fo 
jener  Schlufsscene  vorliegt,  wobei  jedoch   ein  Zusammenhang   mit   d^ 
Fassung  der  anderen  Handschriften  bei  der  Gleichheit  obiger  Stellen 
namentlich  der  beiden  Anfangsworte  nicht  abzuweisen  sein  wird. 

Augustus  Roehricht,  Quaestiones  scaenicae  ex  prologis  Terexa. 
tianis  petitae.  Diss.  Argen t.    1886,  Trübner.   53  S. 

Die  in  gutem  Latein  geschriebene  Abhandlung  stellt  aus  den  Pro* 
logen  des  Terentius  zusammen,  was  auf  die  Litteraturgeschichte  die»^/ 
Zeit  Bezug  hat  und  ordnet  den  Stoff  nach  den  drei  Gesichtspunkten: 
I.  Comici  latini  quid  in  exemplari  graeco  exprimendo  sectentur,  IL  Qnae 
ratio  Terentio  cum  poetis  et  prioribus  et  aequalibus  intercedat,  IH.  P^ 
re  scaenica.    Ich  hebe  einzelnes  daraus  hervor.    Die  Definition,  was  die 
Prologe  unter  nova  fabula  verstehen,  wird  richtig  gegeben,  nftmlieh  ein 
Stück,  das  noch  nicht  aus  dem  Griechischen  übersetzt  und  auf  die  Bühne 
gebracht  ist    R.  hätte  nicht  nötig  gehabt  für  Hec.  prol  I  v.  6:    nnoe 
haec  planest  pro  nova  eine  andere  Erklärung  anzunehmen  und  ih 
schliefsen,   dafs   die  Hecyra  nach  der  ersten  mifsglückten  DarsteUani 
vielfach  geändert  und  gebessert  auf  die  Bühne  gebracht  wiurde*     Dm 


Ter«ii4ii8.  175 

Stack  kointe  als  neu  gelten,  weil  nur  ein  Teil  gespielt  worden  war,  nt 
neqae  spectari  neque  cognosci  potuerit,  wie  es  zwei  Verse  vorher 
helfet.  —  Nicht  bewiesen  sei,  dafs  der  Prologsprecher  immer  in  einem 
besonderen  Kostfim  erschien,  omatus  prologi  (Hec.  prol.  1)  können  anch 
ein  Scepter,  ein  Stab  oder  ein  Ölzweig  gewesen  sein,  wodurch  er  sich 
ab  legatus  bezeichnete.  In  Bezug  auf  letzteres  hätte  Roehricht  auf  die 
Bilder  einiger  Terenzhandschriften  verweisen  können,  in  welchen  der 
Prologsprecher  des  Phormio  und  der  Adelphi  mit  einem  Zweig  in  der 
Hand  gezeichnet  ist.  —  Unsicher  ist,  wer  die  Theaterstücke  dem  Dichter 
aUcanfte.  Die  Stellen  Eun.  prol.  20:  postquam  aediles  emerunt  und 
Hec  prol.  II  v.  49  pretio  emptas  meo  sucht  R.  dadurch  zu  ver- 
einen, dafs  er  annimmt  pretio  emptas  meo  beziehe  sich  auf  die  Kosten 
4er  Anffllhrung,  die  der  Schauspieldirektor  zu  zahlen  hatte,  auf  die  Aus- 
stattang, Ernährung  und  Unterweisung  der  Schauspieler  u.  dergl.,  dafür 
habe  der  Direktor  eine  bestimmte  Summe  von  den  Ädilen  erhalten. 

Der  Verfasser  weifs  die  vorhandenen  Angaben  für  seine  Zwecke 
mszonntzen,  doch  entgeht  er  nicht  immer  der  bei  solchen  Fragen  nahe- 
liegenden Versuchung,  was  von  einer  einzelnen  Person  oder  einem  be- 
sonderem Fall  fiberliefert  ist,  zu  verallgemeinern  und  als  eigentfimliche 
Itttorarische  Erscheinung  aufzufassen. 

Enno  Bartels,  De  Terentii  memoria  apud  Nonium  servata.  Diss« 
Argent   1884.   60  S. 

Die  vorliegende  Dissertation  zeigt  anschaulich,  wie  die  Stellen  des 
Terentius  bei  Nonius  citiert  sind.  Ein  grofser  Teil  ist  durch  die  Schuld 
ier  Abschreiber  entstellt  und  verstümmelt,  gar  manche  hat  Nonius  in  seiner 
Sofl^^osigkeit  und  Oberflächlichkeit  selbst  entstellt,  nur  einige,  sagt 
Bartels,  lassen  sich  zur  Herstellung  des  Textes  des  Terentius  benutzen. 
Znweilea  sind  auch  zwei  Citate  durch  Textverderbnis  in  eins  zusammen- 
geflossen, und  es  ist  Bartheis  mehrmals  gelungen  solche  in  ihre  zwei 
Bestandteile  zu  zerlegen.  Die  grofse  Zahl  der  Abweichungen  von  un- 
serem Terentiustexte  erklärt  er  als  durch  Glosseme  entstanden,  indem 
Nonius  ein  Exemplar  des  Terentius  mit  Interlinearglossen  benutzt  habe, 
wie  sieh  ähnliche  in  unseren  Handschriften  vorfinden.  Die  Citate  des 
NoniuB  stimmen  am  häufigsten  mit  der  Recension  des  Bembinus,  nicht 
selten  auch  mit  den  Handschriften  DG,  am  wenigsten  mit  den  übrigen 
Codices. 

Fr.  Straumer,  Eine  deutsche  Bearbeitung  des  Selbstpeinigers 
des  Terentius  aus  dem  16.  Jahrhundert.  Programm  des  Gymnasiums 
sn  Chemnitz  1888.    36  S. 

Der  Verfasser,  welcher  einen  Teil  des  Inhalts  einer  Handschrift  der 
Zwickaner  Schulbibliothek  in  seinen  Beiträgen  zur  Geschichte  der  Schul- 
komödie in  Deutschland  (Freiberg  1868)  veröffentlichte,  läfst  hier  den  zwei- 


176  TerentitiB. 

ten  Teil  samt  dem  Kachweis  der  Hertenft  und  Bedeutung  der  Handschrift 
folgen.  Während  Gottsched  und  nach  ihm  andere  Litterarhistoriker  die 
Schrift  in  das  Ende  des  15.  Jahrhunderts  setzen,  wird  hier  flberzeugend 
nachgewiesen,  dafs  sie  vielmehr  der  zweiten  Hillfte  des  16.  angehört 
Denn  es  finden  sich  in  der  deutschen  Einleitung  zum  Eunuchus  und 
Heautontimorumeros  Zeitereignisse  tlber  die  erste  Hillfte  des  16.  Jahr- 
hunderts hinaus  erwähnt.  Als  Ort  der  Entstehung  und  ersten  Aufführung 
wird  Freiberg  in  Sachsen  bezeichnet,  was  mit  Beweisen  aus  der  Hand- 
schrift selbst  belegt  wird,  und  die  Dichtung  mit  gröfster  Wahrschein- 
lichkeit dem  Valentinus  Apelles  zugeschrieben,  welcher  in  den  Jahren 
1545—1681  Rektor  des  Freiberger  Gymnasiums  war. 

§ 

Gustavus  Yallat,   Quomodo   Menandrum   quoad   praecipuarum 
personarum  mores  Terentius  transtulerit.   Diss.   Paris.    1883.     132  S. 

[Recensiert:   Revue  critique  Nr.  24  S.  482  von  Fr.  Plessis.]. 

In  einem  äufserst  verschwenderisch  gedruckten  Schriftchen  —  die 
Zeile  enthält  durchschnittlich  6  bis  8  lateinische  Wörter  und  die  Seite 
16—18  Zeilen  —  sucht  der  Verfasser  durch  Yergleichung  der  haupt- 
sächlichsten Rollen  bei  Terentius  und  bei  Menander  zu  beweisen,  dafs 
Terentius  in  der  Charakterisierung  der  Personen  sich  nicht  genau  an 
Menander  hielt,  sondern  besondere  Züge  beimischte  und  ihre  Schärfe 
milderte.  Der  Beweis  wird  aus  den  Fragmenten  des  Menander  und 
den  Bemerkungen  des  Donatus  zu  Terentius  geführt  Da  diese  Quellen 
spärlich  fliefsen  und  die  Worte  des  Donatus  oft  derart  sind,  dafs  man 
zweifeln  kann,  ob  sie  sich  auf  Terentius  allein  im  Gegensatze  zu  Menan- 
der oder  auf  beide  Dichter  zugleich  beziehen,  sind  auch  die  Schlüsse 
häufig  unsicher.  Soviel  mufs  man  dem  Verfasser  zugestehen,  dafs  Teren- 
jtius  sich  nicht  scheute,  wo  er  es  nötig  fand,  Änderungen  des  Originals 
vorzunehmen  und  dafe  man  in  dem  Urteil  über  die  Unselbständigkeit 
des  lateinischen  Dichters  nicht  zu  weit  gehen  darf. 

Louis  Havet,  Sur  les  prologues  de  THeauton   timorumenos,  de 
THecyra  et  du  Phormio.    Revue  de  philologie  t.  X,  1  (1886)  p.  12 — 16. 

In  dem  Prolog  zum  Heautontimorumenos  wird  nach  Dziatzko^s 
Vorgang  Vers  7  und  9  ausgeschieden  und  das  übrige  durch  Versetzung 
in  nachfolgender  Weise  umgestaltet: 

Necui  Sit  vestrum  mirum  cur  partis  seni 
Poeta  dederit  quae  sunt  adulescentium, 
3  Id  primum  dicam,  deinde  quod  ueni  eloquar. 
[10  Nunc  quamobrem  has  partis  didicerim,  paucis  dabo:] 
11  Oratorem  esse  uoluit  me,  non  prologum. 
Vestrum  iudicium  fecit,  me  actorem  dedit, 
Sed  hie  actor  tantum  poterit  a  facundia 
Quantum  ille  potuit  cogitare  commode 


TerentioB.  177 

16  Qni  orationem  hanc  scripsit  quam  dicturus  sum. 
4  Ex  integra  graeca  integram  comoediam 

Hodie  sum  acturus  Heauton  timorumenon, 
6  Duplex  quae  ex  argumento  facta  est  simplici. 
16  Nam  quod  rumores  distulerunt  malivoli 
Multas  contaminasse  graecas,  dum  facit 
Paucas  latinas,  factum  hie  esse  id  non  negat, 
Neque  se  pigere  et  deinde  facturum  autumat 

Vers  10  scheine  aus  dem  verstümmelten  Prolog  zur  Hecyra  her- 
eingekommen zu  sein.  Diesen  Prolog  zur  Hec3rra  legt  sich  Havet  auf 
folgende  Art  zurecht: 

Hecyra  est  huic  nomen  fabulae:  haec  cum  [noua]  datast, 
Nouae  nouom  u.  s.  w.  bis  Y.  7,  dann  ohne  Lücke : 
8  Alias  cognostis  eins;  quaeso  hanc  noscite. 
(Heaut.  7)  Nouam  esse  ostendi  et  quae  esset:  nunc  qui  scripserit 
Et  cuia  graeca  sit,  ni  partem  maximam 
Existimarem  scire  uestrum,  id  dicerem: 
10  Nunc  quamobrem  has  partis  didicerim  paucis  dabo. 

Im  Prolog  zum  Phormio  wird  V.  83  vorgeschlagen  Quem  actoris 
uirtus  nobis  restituat  locum.  Doch  sei  V.  30 — 34  nicht  ein  Stück 
des  Prologs  zum  Phormio,  sondern  vielmehr  der  Schlufs  des  ersten  Pro- 
logs zur  Hecyra,  wie  schon  Schindler  observ.  crit.  et  histor.  in  Teren- 
tium  (Halle  1881)  erkannt  habe.  Nach  Havet's  Ansicht  gab  es  im  Alter- 
tum auch  Exemplare,  welche  die  Prologe  des  Ambivius  nicht  enthielten 
und  von  dem  Schicksal  der  Hecyra  nichts  meldeten.  Unser  Text  sei 
eine  Zusammensetzung  einerseits  aus  einem  Exemplar  für  die  Vorstellung 
des  Ambivius,  von  dem  Dichter  selbst  ausgehend,  anderseits  aus  einem 
Bühnenexemplar,  das  von  Ambivius  ausging  und  das  die  zwei  Prologe  zu 
Hecyra  enthielt.  Vielleicht  lasse  sich  aus  solcher  zweifachen  Überliefe- 
rung der  mehrfache  Widerspruch  in  den  Didaskalien,  die  verscliiedene 
Ordnung  der  Stücke  u.  a.  erklären. 

Philippe  Fabia,   Les  prologues  de  T^rence.   Paris,  Thorin  und 
Avignon,  Roumanille.    1888.   IV  und  322  S. 

[Recensiert:   Revue  critique  No.  27  S.  11 — 12  von  A.  Gartault 
Journal  des  savants  1890,  janvier,  p.  34 — 43  von  0.  Boissier.] 

Das  umfangreiche  Buch  hat  sich  zur  Aufgabe  gestellt  über  die 
Prologe  des  Terentius  den  Franzosen,  bei  welchen  Terentius  einer  der 
gelesensten,  auch  in  der  Schule  viel  behandelten  Schriftsteller  ist,  »eine 
gründliche  und  vollständige  Studie  zu  bieten,  würdig  des  Dichters  und 
der  modernen  Philologie«.  So  wird  gehandelt  über  Echtheit  der  Prologe, 
Text,  Chronologie  derselben,  Geschichte  des  Prologs  vor  Terentius,  Neu- 

Jahresbericht  für  Alterthumswisseoschaft.  LXVni.  Bd.  (1891  n.)  12 


178  TttentilUL 

gestaltuDg  durch  diesen  Dichter,  Person  und  Eostfim  des  Prologsprechers, 
Prolog  auf  der  römischen  Btthne  nach  Terentius,  Polemik  der  Prologe 
des  Terentius,  Stil  und  oratorische  Kunst  derselben. 

Die  Darstellung  ist  breit  und  redselig  —  die  Geschichte  des  Pro- 
loges vor  Terentius  auf  der  griechischen  und  römischen  Bfihne  umfafst 
allein  30  Seiten  —  und  das  meiste,  was  hier  zu  finden  ist,  ist  bereits 
in  den  deutschen  Arbeiten  gesagt,  die  übrigens  gewissenhaft  angeftüirt 
und  sorgfältig  benutzt  sind.  Doch  eröffnen  sich  auch  einige  neue  Ge- 
sichtspunkte, indem  die  Themen  nach  allen  Seiten  hin  durchgesprochen 
werden.  Unter  ornatus  prologi  versteht  Fabia  einen  Ölzweig  mit 
Bändern,  die  Abzeichen  der  Bittenden  und  vergleicht  Liv.  24,  30,  14: 
ramos  oleae  atque  velamenta  alia  supplicum  porrigentes, 
29,  16,  6,  Tac.  bist.  I,  66,  Yerg.  Aen.  VIF,  164:  Paciferaque  manu 
ramum  praetendit  olivae  u.  a.  Auch  der  Prologsprecher  trete  als 
Bittender  und  Gesandter  vor  das  Publikum.  Dabei  sind  Fabia  die  auf 
alte  Überlieferung  zurückgehenden  Handschriftenbilder  nicht  entgangen, 
im  cod.  Tat.  ist  der  Prologsprecher  zu  den  Adelphi  und  zum  Phormio 
mit  einem  Zweig  abgebildet.  Bezüglich  der  Abfassungszeit  der  einzelnen 
Komödien  und  der  dazu  gehörigen  Prologe  entscheidet  sich  der  Verfasser 
fhr  die  Reihenfolge: 

Andria       verfafst  im  Jahre  588  d.  St 

688 


Eunuchus 

Heautont. 

Phormio 

Adelphi 

Hecyra 


691 
693 
694 
594. 


In  der  Textkritik  befolgt  er  eine  conservative  Richtung  und  erklärt 
sich  mit  Recht  gegen  willkürliche  Änderungen,  Umstellungen,  Annahme 
von  Lücken  in  den  Prologen.  Nur  Yers  6  des  Prologs  zum  Heaut.  ver- 
wirft er  und  nimmt  Vers  3  die  Vertauschung  der  Worte  primum  nnd 
de  in  de  nach  Paulmier  und  Guyet  an,  die  auch  schon  in  den  Scholien 
des  Bembinus  erwähnt  wird:  Id  deinde  dicam,  primum  quod  veni 
eloquar. 

Nicht  zugekommen  sind  uns: 

F.  Nencini,  De  contaminazione  in  Terenti  Adelphis.  Annaii  della 
scuola  normale  de  Pisa,  vol.  V  (IX). 

H.  C.  Eimer,  The  copulative  coniunctions  que  et  atqu  e  in  the  in- 
scriptions  of  the  Republic,  in  Terence  and  in  Gato  (from  the  Am. 
Journal  of  Phil.  VIII)  Baltimore  1887.   39  S. 

E.  Abel,  Die  Terenzbiographien  des  Altertums  und  des  Mittel- 
alters.  Budapest  1887  Akademie.   (Ungarisch.) 

[Rec.  Wochenschr.  f.  Ph.  V  82/83  p.  1000—6.   Egyetemes  phil. 
Közlöny  1887  Nr.  9.  10  p.  769—72.] 


Terentius.  t79 

B.    Grammatisches. 

A.  Weninger,  De  parataxi  in  Terenti  fabulis  yestigiis.   Dissert. 
Erlang.  1888  Jacob.  114  S. 

(Recensiert:  Archiv  f.  lat.  Lexikographie  Y,  3,  4  S.  692.  Bl. 
f.  d.  bayer.  Gymn.  XXV,  8,  S.  387  f.  von  J.  Weissenhorn.] 

Auf  Grund  von  Holtze,  syntaxis  prisc.  Script  lat.  und  Dräger, 
historische  Syntax  der  lat.  Sprache  und  insbesondere  J.  B.  Weissenhorn, 
parataxis  Plautina  (Programm  der  Studienanstalt  Burghausen  1884)  wird 
die  parataktische  Satzstellung  bei  Terentius  genau  untersucht  und  kommt 
der  Verfasser  zu  dem  Ergebnis,  dafs  in  dieser  Beziehung  die  Sprache 
des  Terentius  von  der  des  Plautus  im  allgemeinen  keine  Verschieden- 
heit aufweist,  wofür  die  richtige  Erklärung  in  dem  Umstand  gefunden 
wird,  dafs  beide  Dichter  hierin  die  Eigentümlichkeit  der  Umgangssprache 
wiedergeben,  die  in  der  Zeit  des  Terentius  dieselbe  war  wie  zur  Zeit 
des  Plautus.  So  werden  besprochen  die  selbständig  beigesetzten  Aus- 
drücke scio,  credo,  opinor,  spero,  censeo,  quaeso,  cupio,  sci- 
licet  u.  a,  Wendungen  wie  ibo,  visam  si  domist  u.  ähnl.  Auch  der 
Indikativ  bei  indirekten  Fragesätzen  wird  nach  Becker  de  synt.  interrog. 
obliqu.  in  dieses  Bereich  gezogen  und  der  Conjunktiv  ohne  ut  und  ne 
nach  volo,  nolo,  sino,  cave  u.  a.  nach  JoUys  Vorgang  als  Parataxis  auf- 
gefafst,  welche  erst  von  späteren  lateinischen  Gramatikern,  die  den  Aus- 
druck nicht  mehr  verstanden,  als  Auslassung  der  Conjunktionen  ut  und 
ne  angesehen  worden  sei.  Allerdings  läfst  sich  facias  volo  in  dieser 
Weise  leicht  erklären  »du  sollst  es  thun,  ich  will  es«,  aber  für  cave 
facias  ist  eine  solche  Auffassung  weniger  einleuchtend. 

Im  Verlauf  der  Arbeit  ist  dem  Verfasser  reichlich  Gelegenheit  ge- 
boten zur  Erklärung  und  Textgestaltung  einzelner  Verse  bestimmte  Stel- 
lung zu  nehmen»  und  er  versteht  es  meistens  unter  den  vorhandenen 
Möglichkeiten  die  wahrscheinlichste  auszuwählen. 

Gelegentlich  sei  bemerkt,  dafs  das  Wort  sei  licet  nicht,  wie  von 
Weninger  und,  soviel  ich  weifs,  allgemein  angenommen  wird,  aus  scire 
licet  entstanden,  sondern  nichts  weiter  als  sei,  licet  ist,  was  aus  der 
parallelen  Wortbildung  vide licet  zu  ersehen  ist.  Ein  gleiches  gilt  von 
ilicet  (=  i,  licet). 

Otto  Boettger,  De  dum  particulae  usu  apud  Terentium  et  in 
reliquiis  tragicorum  et  comicorum.  Diss.  Hai.  1887  26  S. 

[Recensiert:  Archiv  f.  lat.  Lexik.  V,  l,  S.  149—50]. 

Anknüpfend  an  Elstius,  de  dum  particulae  usu  Plautino  und  des- 
sen Einteilung  des  Stoffes  folgend  bringt  Boettger  diesen  Nachtrag  über 
den  Gebrauch  bei  Terentius  und  den  übrigen  scenischen  Dichtern.  In 
der  Bedeutung  »während«  verbindet  Terentius  mit  dum  nur  das  Präsens, 

12* 


180  Terentios. 

Plaatus  anch  das  Perfekt  und  Futur.  In  der  Bedeutung  »so  lange  alsc 
stimmt  der  Gebrauch  bei  Plautus  und  Terentius  ttberein.  Das  Yerbum 
des  Nebensatzes  steht  in  demselben  Tempus  wie  das  des  Hauptsatzes, 
wenn  nicht  in  dem  Inhalt  der  Aussage  selbst  die  Wahl  eines  anderen 
Tempus  begründet  ist  In  der  Bedeutung  »bisc  verbindet  es  Terentius 
immer  mit  dem  Indikativ  des  Präsens,  Plautns  auch  mit  Futur  1.  und  2. 
und  Perfekt.  Die  Verwendung  der  Partikel  mit  dem  Conjunktiv  ist  bei 
Plautus  und  Terentius  gleich. 

Esaias  Laiin,  De  dum,  donec  quoad  particularum  usu  apad  Te- 
rentium.    Norcopiae,  consort.  actor.  diurn.  Norcop.  1888.  21  S. 

[Recensiert:  Neue  phil.  Rundschau  No.  11  S.  164  f.  von  H. 
Schnorr  v.  Carolsfeld.  Berl.  Wochenschr.  IX  46  S.  1483 — 36  von 
H.  Deiter.] 

Die  Abhandlung  beabsichtigt  eine  Ergänzung  zu  GrOhe,  quaest 
de  usu  Ter.  particularum  temporalium  pars  prior,  Uratislav.  1867  zu 
geben,  da  in  dieser  Schrift  alle  Temporalconjunktionen  mit^  Ausnahme 
von  dum,  donec  und  quoad  bebandelt  seien.  Der  Verfasser  hätte, 
wie  er  sagt,  seine  Abhandlung  vielleicht  nicht  geschrieben,  wenn  ihm 
Richardsons  Dissertation  de  dum  particulae  apud  priores  scriptores 
latinos  usu,  Lips.  1886  früher  bekannt  geworden  wäre.  Erst  vor  Voll- 
endung seiner  Untersuchung  erhielt  der  davon  Kenntnis,  entschlofs  sich 
aber  zur  Veröffentlichung  seiner  Arbeit,  weil  seine  Behandlung  des  Stoffes 
eine  andere  sei  und  auch  die  Goi^unktionen  donec  und  quoad  von  ihm 
berücksichtigt  sind. 

Dum  als  Adverbium.  Die  Erklärung  Richardsons  wird  ange- 
nommen, dafs  dum  aus  einer  Pronominalwurzel  entstanden  und  ursprüng- 
lich demonstrative  Bedeutung  hatte.  Diese  Demonstrativbedeutung  findet 
sich  bei  Terentias  nicht  mehr,  wohl  aber  bei  Plautus.  Den  Überg^g 
zur  unterordnenden  Temporalcoi\junktion  zeigen  Stellen  wie  Catull.  62, 
46:  virgo  dum  intacta  manet,  dum  cara  suis  est.  —  Enklitische  An- 
lehnung der  Partikel  dum  an  eine  andere  Partikel,  etiamdum,  qui- 
dum,  interdum,  dudum  (aus  dum  dum  entstanden),  nondum,  vix- 
dum,  nedum.  —  Mit  einem  Imperativ  verbunden,  ad  es  dum, 
ehodum. 

Dum  als  Gonjunktion,  in  der  Bedeutung  »währende. 

1.  mit  dem  Indicativ.  Mit  Recht  wird  als  beachtenswert  her- 
vorgehoben, dafs  der  Indikativ  auch  in  der  indirekten  Rede  zuweilen  bei- 
behalten ist,  so  Heaut.  16:  multas  contaminassc  graecas,  dum  facit 
paucas  latinas,  Hec  829:  dicitque  sese  illi  anulum  dum  lactat  detraxisse. 
2.  mit  dem  Conjunktiv.  So  fafst  L.  die  Stelle  Heaut  1068:  haec  dum 
incipias  gravia  sunt  duroque  ignores,  aber  schwerlich  richtig.  Er 
selbst  bemerkt,  dafs  hier  auch  die  Bedeutung  »so  lange  alsc  zulässig 


Terentins.  181 

sei.  Der  Coiganktiy  scheint  aber  yielmehr  durch  die  zweite  Person  Sing, 
des  Yerbums  veranlafst  zu  sein. 

Dum  in  der  Bedeutung  >so  lange  alsc  i.  mit  Indikativ. 
Auch  für  den  Indikativ  und  Imperfekt  sind  Stellen  beigebracht,  sowie  für 
Perfekt  und  Futur.  2.  mit  Gon|junktiv.  Nachdem  die  Stellen  vorge- 
führt sind,  an  denen  der  Coi^junktiv  nur  steht,  weil  der  betreffende  Satz- 
teil einem  conjunktivischen  Satze  untergeordnet  ist  oder  der  indirekten 
Rede  angehört,  wird  zum  Beweise,  dafs  dum  in  der  Bedeutung  »so  lange 
als«  auch  an  und  fttr  sich  mit  dem  Coi^junktiv  verbunden  werden  kann, 
Eun.  741  angeführt:  usque  adeo  illius  ferro  possum  ineptiam  et  magni- 
fica  verba,  verba  dum  sint.  Diese  Auffassung  halte  ich  nicht  für  rich- 
tig. Dum  ist  hier  mit  Gonjunktiv  verbunden,  weil  es  neben  »so  lange 
als«  zugleich  »vorausgesetzt  dafsc,  »wenn  nur«  bedeutet,  gleich  dum 
modo.  Wir  werden  daher  vielmehr  den  Satz  aufstellen  müssen,  dafs  bei 
dum  weder  in  der  Bedeutung  »währende  noch  in  der  Bedeutung  »so 
lange  als«  der  Gonjunktiv  steht,  aufser  wenn  ein  anderer  syntaktischer 
Grund  die  Wahl  dieses  Modus  veranlafst.  Bei  dum  in  der  Bedeutung 
»bis  dafs«  setzt  Terentius  sowohl  den  Indikativ  als  den  Gonjunktiv,  in 
der  Bedeutung  »wenn  nur,  nur  dafs«  immer  den  Gonjunktiv,  als  Nega- 
tion in  letzterem  Falle  ne. 

Donec  »bis  dafs«,  nur  mit  Indikativ.  Es  wird  nachgewiesen, 
welche  Zeiten  im  Haupt-  und  Nebensatze  stehen. 

Quoad  steht  in  direkter  und  indirekter  Frage  in  der  Bedeutung 
»bis  wie  lange«,  wie  Phorm.  147:  senem  quoad  expectatis  vestrum. 
Ähnlich  auch  Phorm.  523:  dies  quam  ad  dares  huic  praestituta. 

A.  Arlt,  Servare  bei  Terenz  (und  Plautus)  als  Nachtrag  zur  Er- 
klärung von  Horat.  Sat.  I,  ],  89.  Progr.  d.  Gymnas.  zu  Wohlau. 
1887.  10  S. 

Als  Nachtrag  zu  seiner  Erklärung  der  Stelle  des  Horat.  Sat.  I, 
1,  89,  welche  der  Verfasser  im  Programm  des  Jahres  1886  No.  195  dar- 
gelegt hat,  stellt  derselbe  hier  die  verschiedenen  Bedeutungen  des  Wor- 
tes servare  bei  Terentius  (und  Plautus)  zusammen  und  zwar  1.  ser- 
vare achtgeben,  um  zu  sehen,  was  sich  ereignen  wird,  2.  achtgeben,  um 
zu  verhindern,  dafs  jemand  etwas  thut,  was  er  nicht  soll,  3.  achtgeben, 
um  zu  verhindern,  dafs  jemand  etwas  widerfährt,  was  ihm  nicht  soll. 
—  An  die  letztere  Bedeutung  schliefst  sich,  wie  mit  Recht  bemerkt  wird, 
die  weitere:  verwahren,  erhalten,  retten  so  leicht  an,  dafs  man 
auf  die  Vermutung  kommen  könne,  die  Grundbedeutung  von  servare  sei 
achtgeben,  nicht  aber  erretten,  erhalten,  was  die  Lexika  an  erster  Stelle 
anführen. 


182  Terantlas. 

E.  A.  Outjar,  Terenzische  Betonungsfragen,  sprachwissenschaft- 
liche Studie.  Beigabe  zur  Pfründungs-Ordoung  der  Fortbildungs-  und 
Volksschulen  zu  Reudnitz-Leipzig,  unteren  Teiles.  Leipzig  1888,  Zan- 
genberg und  Himly.    17  8. 

Eine  Zusammenstellung  der  Fragesätze  aus  Terentius,  welche  durch 
den  blofsen  Satzton  ohne  Fragepartikel  ausgedrückt  sind.  Nachdem  an 
einigen  Beispielen  gezeigt  ist,  wie  schwer  oft  Betonungsfragesätze  von 
den  einfachen  Aussagesätzen  zu  unterscheiden  sind,  werden  die  Stellen 
selbst,  nach  folgenden  Gesichtspunkten  geordnet,  vorgeführt:  A.  im  ein- 
fachen Satz,  1.  bei  dubitativem  Sinn,  2.  bei  positivem  Sinn,  3.  bei  nega- 
tivem Sinn  der  Frage.  B.  im  Zusammengesetzen  Satz,  nach  derselben 
dreifachen  Einteilung.  Da  der  Wortlaut  der  Stelle  nicht  angegeben, 
sondern  nur  mit  Zahlen  operirt  wird,  vermifst  man  die  Anschaulichkeit, 
die  bei  Vorführung  solcher  Fragen  unerläfslich  ist.  Nur  so  wäre  zu  er- 
kennen gewesen,  ob  und  wie  bestimmte  Gedanken  gerade  in  diese  Frage- 
form  gekleidet  zu  werden  pflegen. 

S.  Slaugther,  On  the  Substantivs  of  Terence.  Johns  Hopkins 
University  Circulars  VI  No.  57,  S.  77—78.  Baltimore  April  1887. 
[Abstract  of  a  paper  read  at  a  meeting  of  the  University  Philological 
Association,  January  7.   1887.] 

Angeregt  durch  Rassow's  Abhandlung  de  Plauti  substantivis,  Leip- 
zig 1881  gibt  der  Verfasser  eine  kurze  Studie  ttber  die  Substantiva  bei 
Terentius.  1)  Eigennamen.  Bei  Plautus  ist  V«  der  Namen  lateinischen 
Ursprungs,  bei  Terentius  ^/s,  Plautus  hat  115  zusammengesetzte  Namen, 
Ter.  16,  Plautus  117  Namen,  die  man  bei  anderen  Schriftstellern  nicht 
findet,  Terentius  fünf.  2)  äna^  Xeyojxtva  bat  Ter.  mit  Ausschlufs  der 
Eigennamen  sechs,  nemlich  Babylo,  contortor,  curatura,  gerro, 
praemonstrator,  screatus.  3)  Griechische  Wörter  sind  meistens 
termini  technici  und  alle  finden  sich  auch  bei  anderen  Schriftstellern, 
84  von  den  42  bei  Terentius  vorkommenden  auch  bei  Plautus.  Sieben 
sind  zuerst  von  Terentius  gebraucht,  prologus,  obolus,  riscus,  san- 
dalium,  psaltria,  eunuchus,  citharistria.  4)  Zusammengesetzte 
Wörter  hat  Ter.  32,  alle  auch  sonst  im  Gebrauch;  Plautus  fünfmal  so 
viel,  darunter  manche  Neubildungen.  Zur  Zusammensetzung  benutzt 
Plautus  mit  Vorliebe  die  Präpositionen  sub,  per,  pro,  Terentius  cum. 
Hierauf  werden  die  Diminutivsubstantiva  besprochen,  zu  denen  die  un- 
regelmäfsigen  parasitaster,  homuncio  und  Syriscus  gehören,  die 
Wörter  auf  ium,  tas,  tudo.  Plautus  hat  z.B.  72  Wörter  auf  tas, 
23  auf  tudo  (3:1),  Terentius  50  auf  tas,  9  auf  tudo  (5:1).  Endlich  die 
Verbalsubstantiva  auf  ido,  men,  mentum,  tor,  trix,  arius,  us,  o, 
io,  ela,  tura,  tio,  tus  nach  ihrem  Zahlenverhältnis  bei  Terentius  und 
Plautus.  Die  Untersuchung  schliefst  mit  den  Worten,  auch  aus  dieser 
Wortbildung  könne  man  ersehen,  dafs  die  Sprache  des  Terentius,  wie 
schon  Engel  brecht  zeigte,  der  des  Cicero  näher  steht  als  der  des  Plautus. 


fm^ 


Terentios.  183 

C.   Ausgaben  des  Terentius. 

Carolus  Dziatzko,  P.  Terenti  Afri  comoediae.   Lipsiae,  Tauch- 
nitz,  editio  stereotypa  1884.   XL  und  296  S. 

[Recensiert:  Wochenschr.  f.  Phil.  II,  34  S.  1066 — 70  von  Fr. 
Schlee.  Phil.  Anzeiger  XV,  p,  6  p.  316—18.  Cultura  VI,  10  p.  364 
— B  von  B.  —  Berl.  phil.  Wochenschrift  V,  11  p.  326—33  von  A. 
6.  Engelbrecht.  Neue  phil.  Rundschau  Nr.  16  S.  248  f.  von  H. 
Schnorr.] 

In  der  Praefatio  dieser  Gesamtausgabe  wird  zu  den  Fragen  über 
Geburtsjahr,  Heimat  des  Dichters,  über  die  Art,  wie  er  nach  Rom  ge- 
kommen u.  a.  Stellung  genommen,  dann  werden  die  wichtigeren 
Handschriften  aufgezählt  und  nach  ihrer  Bedeutung  gewürdigt ;  den  codex 
Lipsiensis  hat  Dziatzko  selbst  verglichen,  ebenso  zu  dem  Commentar  des 
Donatus  den  Parisinus  und  andere  Handschriften.  Mit  Recht  wird  p.  X 
bemerkt,  dafs  Umpfenbacbs  Yergleichung  des  Bembinus  nicht  immer 
ganz  genau  sei,  doch  hat  Dziatzko  die  Addenda  et  Gorrigenda,  welche 
Umpfenbach  zwischen  Praefatio  und  Text  seiner  Ausgabe  beigab,  über- 
sehen und  so  die  darin  enthaltenen  Berichtigungen  von  Studemund  und 
Michaelis  zu  den  Lesarten  des  Bembinus  unbenutzt  gelassen.  Die  Ad- 
notatio  critica  gibt  über  die  kritische  Fassung  aller  wichtigeren  Stellen 
Aufschlufs  und  Rechenschaft  und  sind  die  Grundsätze  der  Textgestaltung, 
wie  nach  anderen  Arbeiten  des  Verfassers  zu  erwarten  war,  verständig 
und  besonnen.  Dziatzkos  Recension  ist  jedenfalls  geeignet  für  die  Zu- 
kunft die  Fleckeisensche  Ausgabe  zu  ersetzen,  welche,  wiewohl  in  ihrer 
Zeit  eine  bedeutende  und  willkommene  Leistung,  doch  den  heutigen  An- 
forderungen nicht  mehr  gentigen  kann. 

Karl  Dziatzko,  Ausgewählte  Komödien  des  P.  Terentius  Afer 
zur  EinfEkhrung  in  die  Lektüre  der  altlateinischen  Lustspiele.  1.  Bänd- 
chen Phormio,  zweite  veränderte  Aufl.  1885.  Leipzig.  Teubner.  141  S. 

[Recensiert:  Zeitschr.  f.  d.  Gymn.  XXXX,  5  8.  286-6  von  F. 
Schlee.  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  XXXVI,  12  S.  908-17  von 
£.  Hauler.  Phil.  Wochenschr.  V,  40  p.  1268—60  von  A.  Engel- 
brecht.] 

Diese  neue  Auflage  des  Phormio  ~  die  erste  stammt  aus  dem 
Jahre  1874  —  ist  vielfach  ergänzt  und  verbessert,  und  die  unterdessen 
erschienene  Litteratur  gewissenhaft  verwertet.  Mehr  noch  als  in  der 
ersten  Auflage  war  der  Verfasser  bestrebt,  das  Buch  für  den  Gebrauch 
von  angehenden  Philologen  einzurichten  und  hat  »von  dem  Charakter 
einer  eigentlichen  Schulausgabe  umsomehr  abgesehen,  als  auf  Gymnasien, 
wenigstens  den  preufsischeu,  Terenz  als  Schulschriftsteller  immer  noch 
nicht  heimisch  wird.« 


184  Terentios. 

Mit  Recht  beklagt  Dziatzko  die  Yernachlässigung  dieses  Dichters 
aaf  den  Gymnasien.  Wer  je  mit  der  Schale  eines  dieser  Lastspiele  ge- 
lesen hat,  der  weifs,  dafs  die  Schüler  dieser  aas  dem  Leben  entnommenen 
Lektttre  ungleich  gröfseres  Interesse  entgegenbringen  als  den  rhetorischen 
und  philosophischen  Schriften  des  Cicero. 

A.  Spengel,   Die  Komödien  des  P.  Terentius.    Erstes  Bändchen: 
Andria.    Zweite  Auflage.  Berlin.  Weidmann  1888.  XXXIV  und  168  S. 

[Becensicrt:  Neue  phil.  Rundschau  Nr.  16  S.  248—9  von  H. 
Schnorr.  Bl.  f.  bay.  Gymn.  XXV,  9  S.  455—59  von  Weniger.  Berl. 
Wochenschr.  IX,  24  S.  756—8  von  A.  Engelbrecht.  Zeitschr.  f. 
österr.  Gymn.  XL,  6  S.  505—8  von  J.  Stowasser.  Rivista  defil  XVII, 
7-9  S.  425—7  von  E.  Stampini.  Wochenschr.  f.  Phil.  VII,  32/33 
p.  889—890.] 

Über  den  Wert  des  Buches  steht  dem  Referenten  kein  Urteil  zu. 
Französische  und  englische  Ausgaben: 

Terentii  comoediae  ed.  by  E.  J.  Parry.   London,  Whittacker. 

Terenzio,  le  Commedie  volgarizzate  da  A.  Cesari  con  note  di  G. 
Rigutini.  Milano,  Trevisini. 

Terentius  Adelphoe,  publik  par  Fr.  Plessis,  Paris,  Elinck- 
sieck  1884. 

[Recensiert:  Neue  phil.  Rundschau  1 10  p.  149  -  52  von  A.  Teuber. 
Wochenschrift  f.  Ph.  II,  38  p.  1005—6  von  F.  Schlee.  Berl.  phil. 
Wochenschr.  V,  27  p.  846  —  9  von  Dziatzko.  Deutsche  Litteraturz. 
Nr.  6  p.  192  von  A.  Spengel.  Lit.  Centralbl.  Nr.  8  p.  246 — 7  von  Ap. 
Philol.  Anzeiger  XV  7.  8.  p.  417  von  Th.  Fritzsche.  Revue  critique 
Nr.  6  p.  108—  1 1  von  Psischari.  Revue  de  Tinstruction  publ.  XXVIII  3 
p.  193 — 8  von  P.  Thomas.  Bulletin  de  la  Facultö  de  Gaen  1885 
Nr.  2  p.  68—70  von  L.  Dorison.  Bulletin  de  la  facult6  des  lettres 
de  Poitiers  1885  Nr.  1  von  Hild.  Polybiblion  XXI  p.  41-3  von  P. 
de  Nolhac] 

Les  Adelphes,  expliqu^s  litteralement,  traduits  en  frangais  et  annot^s 
par  A.  Mater ne,  Paris,  Hachette  208  p. 

Les  Adelphes,  texte  latin,  publik  avec  une  introduction,  des  notes, 
les  fragments  des  Adelphes  de  Menandre,  les  imitationes  de  Moli^re, 
etc.  sous  la  direction  de  E.  Benoist  par  J.  Psischari.  Paris, 
Hachette.   96  p. 

Das  Büchlein  entspricht  bescheidenen  Anforderungen.    Die  Ein- 
leitung bespricht  Inhalt  und  Komposition  des  Stückes  und  stellt  die  pro- 


Terentias.  IgS 

sodiscben  und  metrischen  Eigentümlichkeiten  zusammen,  ohne  jedoch 
eine  Erklärung  oder  Begründung  beizufügen.  Zur  Textgestaltung  bat 
der  Verfasser,  wie  er  sagt,  die  Ausgaben  von  Bentley,  Klotz,  Wagner« 
Fleckeisen,  Umpfembacb,  Marriott  (London  1863)  und  Spengel  benutzt, 
sich  aber  gröfstenteils  an  letztere  angeschlossen,  nur  einigemal  dem 
Wagnerschen  Texte  den  Vorzug  gegeben.  Die  Erklärung  ist  sehr  knapp 
gehalten;  manches  erscheint  uns  trotzdem  überflüssig,  wie  zu  Vers  147 
die  Bemerkung:  etsi]  cepandant,  xa/nep^  oder  221  die  Erklärung  des 
Wortes  inescare. 

T6rence,  Les  Adelphes,  texte  latin  publik  avec  la  notation 
m^trique,  une  introdnction ,  des  notes  en  fran^ais  et  un  appendice 
critique,  par  M.  TAbb^  A.  Bouö,  licenci6  des  lettres,  ancien  ^l^ve 
de  r^cole  des  Carmes.   Paris,  Poussielgue  fr^res.    1887.   X  und  96  p. 

Wie  der  Herausgeber  in  der  Vorrede  bemerkt,  haben  seiner  Aus- 
gabe die  von  Psischari  und  Plessis,  besonders  die  letztere,  zur  Grund- 
lage gedient,  sind  ferner  die  deutschen  Arbeiten  von  Fleckeisen,  Spen- 
gel und  Dziatzko  beigezogen,  ältere  französische  Ausgaben  benützt,  gram- 
matische Bemerkungen  den  Grammatiken  von  Madvig,  Riemann  und 
Reinach  entnommen  und  metrische  Angaben  ans  Quicherat  und  Luc. 
Müller  entlehnt. 

Bouö  gibt  sich  Mühe  den  Anfänger  in  die  Lektüre  des  Terentius 
einzuführen  und  den  Inhalt  der  Dichtung  dem  Leser  nahe  zu  bringen. 
Vor  jede  Scene  setzt  er  nähere  Angaben  über  die  Situation  und  die  auf- 
tretenden Personen.  Zur  Erleichterung  der  Versmessung  bedient  er  sich 
der  Quantitätzeichen  4püd  forum,  äbi  prae  u.  dgl.  Die  Textgestal- 
tung hält  sich  gröfstenteils  an  Spengel  und  Dziatzko,  doch  ohne  dafs 
der  Herausgeber  ganz  auf  das  eigene  Urteil  Verzicht  leistet.  Befremd- 
lich sind  Äufserungen  wie  zu  Vers  133  bezüglich  der  Formel  quid  istic? 
Statt  eine  Erklärung  zu  suchen  heifstes:  *I1  serait  d^ailleurs  imprudent 
de  vouloir  trop  pr^ciser  le  sens  de  ces  formnies,  t  Zu  V.  79  krit.  An- 
hang wird  die  Frage,  ob  nescioquid  mit  zweisilbigem  nescio  oder 
nesciöquid  zu  messen  ist,  mit  den  Worten  abgemacht:  Inutile  de 
s*arr6ter  ä  ces  subtilit^s.c 

Mit  anderen  französischen  Ausgaben  teilt  auch  diese  die  seltsame 
Scheu  vor  Diphthongen.  Wo  es  in  Deutschland  niemand  einfallen  würde 
an  der  einsilbigen  Messung  zweier  Vokale  Anstofs  zu  nehmen  und  z.  B. 
V.  95  Rei  d&re  operam,  178  Quid  tibi  rTi  mecumst  zu  messen, 
wird  ret  vorgezogen;  ja  im  kritischen  Anhang  zu  V.  854  ist  die  Messung 
des  Verses  I  ergo  intro  et  quoi  reist,  ei  rei  hunc  sumamüs  diem  in  nach- 
folgender Weise  durch  Zeichen  vorgeschrieben:  iScandez:  I  ergo  f nitro 
et  quöi  I  rei'st  Äi  i  rei  hünc  s.  d.  Also  quoi  und  ei  als  Pyrrhichus  und 
doch  das  erste  rei,  wie  es  scheint,  einsilbig;  und  wie  der  Verfasser 
mit  r^i  hünc  für  die  Skansion  zurecht  kommen  will,  wo  doch  die  zwei 


186  Teraotins. 

Wörter  eine  Silbe  bilden  müssen  ^  ist  mir  ein  Rätsel  geblieben.  Eben- 
sowenig verstehe  ich,  warnm  das  dreisilbige  nnnciam  immer  nunc 
jam,  getrennt  und  mit  dem  konsonantischen  j  geschrieben  wird.  Nie- 
mand könnte  V.  156  nunc  jam  ilico,  170  nunc  jam  oculos  an- 
ders lesen  als  mit  einsilbigem  jam  und  Hiatus,  zumal  jede  Bemerkung 
dazu  fehlt. 

P.  TerentiAdelphi,  Witb  not  es  and  introductions  intended  for 
the  higher  forms  of  public  schools  by  the  Rev.  A.  Sloman,  M.  A., 
head  master  of  Birkenhead  school,  formerly  master  of  the  Queen^s 
scholars  of  Westminster.  Oxford,  Clarendon  press,  1886.  XXXI  und 
128  p. 

P.  Terenti  Phormio  von  demselben.   Oxford  1887.    176  p. 

Diese  Ausgaben  Slomans  erfüllen  ihren  Zweck.  Zwischen  den 
Originaltext  sind  die  nötigen  Regiebemerkungen  in  englischer  Sprache 
eingefügt,  die  Einleitungen  bringen  das  Wissenswerte  zur  Kenntnis  der 
römischen  Komödie  im  allgemeinen  und  des  Terentius  im  besonderen, 
schildern  Charaktere  und  Plan  des  Stückes,  besprechen  die  Eigentüm- 
lichkeiten der  Metrik  und  die  Handschriften.  Der  erklärende  Teil,  an 
manchen  Stellen  auch  kritisch  gehalten  und  nicht  unselbständig,  folgt 
nach  dem  lateinischen  Text  und  nimmt  nach  dem  Umfang  die  Hälfte  des 
Buches  ein. 

P.  Terenti  Afri  Adelphoe,  text  with  stage  directions  by  Henry 
Preble,  tutor  in  Latin  and  Greck,  Harvard  College.  Boston,  Ginn  & 
Comp.  1887.    67  p. 

Die  Ausgabe  enthält  nur  den  lateinischen  Text  nach  Dziatzko  mit 
einem  Verzeichnis  der  Yersarten  des  Stückes  als  Anhang  und  setzt  nach 
Art  der  modernen  Theaterexemplare  die  einschlägigen  Regiebemerkun- 
gen in  englischer  Sprache  zwischen  den  Text. 

Les  Adelphes,  Revue  sur  les  textes  les  plus  recents  avec  nne 
pr6face  et  des  notes  en  fran^ais  par  R.  A.  Pessonneaux.   Paris. 

The  Andria  and  the  Phormio,  with  examination  questions  by 
K.  Cot  es.   Oxford. 

Andria  and  Heautontimorumenos,  by  A.  West.  Newyork 
1888.    Harper. 

[Rec. :  Berl.  phil.  Wochenschr.  IX  25  S.  791  f.  von  A.  Engelbrecht. 
Class.  Review  III,  7  S.  297  f.  von  E.  M.  Pease.] 

Terentius,  Comedies,  construed  literally  and  word  for  word,  by 
Giles.  Vol.  I.  the  Andria  and  Eunuchus.  London,  Comish. 
166  p. 


TerentiaB.  187 

Terentius  H  e  cy  ra  avec  un  commentaire  par  P.  T  ho  mas.  Paris  1887. 

[Recensiert:  Lit.  Centralbl.  Nr.  2  p.  58  von  G.  R.  Deutsche 
Litteraturzeit.  Nr.  3  p.  89  von  F.  Leo.  Wochenschr.  f.  Phil.  V, 
42  p.  1289 — 91  von  F.  Schlee.  Revue  critique  Nr.  15  p.  286  f. 
von  Fr.  Plessis.    Neue  phil.  Randsch.  Nr.  17  p.  26  f.  von  A.  Teuber.] 

L'  Eunuco  e  gli  Adelphi,   Commentati  e  tradotti  in  versi  da 
L.  Pepe.   Torino. 

Übersetzungen: 

J.Herbst,   Terentius  Lustspiele  übersetzt.   2.  Aufl.   Berlin.   Lan- 
genscheit. 

6.  H instin,   Gom^dies  de  T^rence,  traduction  nouvelle  avec  le 
text  latin.   Paris,  Lemerre,  1887—89.   3  Bände. 

Die  Ausgabe  beansprucht  keinen  wissenschaftlichen  Wert  und  be- 
trachtet den  lateinischen  Text  als  Nebensache.  Den  gröfseren  oberen 
Teil  jeder  Seite  nimmt  die  französische  Übersetzung  ein,  unter  demselben, 
seltsamerweise  ohne  auch  nur  durch  einen  Querstrich  davon  getrennt  zu 
sein,  steht  das  Original,  letzteres  mit  so  minutiösen  Lettern  gedruckt, 
dafs  man  sich  an  seinen  Augen  versündigen  würde,  wenn  man  es  be- 
nützen wollte. 

Les  Com^dies  de  T6rence,    Traduction  nouvelle  par  V.  Betolaud. 
Paris.   707  S. 

Terencio  Comedias  traducidas  en  verso  por  A.  Lasso  de  laVega. 
Madrid  1884.   Tom.  1. 

Phormio   or  the  Parasite,  a  literal  translation  by  R.  Mongan. 
London. 

D.  Einzelne  Stellen  des  Terentius  sind  behandelt: 

G.  Heidtmann,   Terentius  Adelph.   191—249.   Rhein.  Museum, 
ö.  XLUI,  1  S.  153—156. 

Von  der  Annahme  ausgebend,  dafs  in  Adelph.  201  —  208  zwei  ver- 
schiedene Fassungen  vorliegen,  vermutet  Heidtmann,  die  Konfusion  im 
Texte  sei  dadurch  entstanden,  dafs  aus  Versehen  die  beiden  Versgruppen 
202—204  und  206 — 207  ihre  Plätze  vertauschten.  Als  infolgedessen  an 
zwei  Stellen  der  Zusammenhang  fehlte,  habe  man  zur  Herstellung  desselben 
zwei  Verse,  nämlich  201  und  205,  allerdings  ohne  ausreichenden  Erfolg, 
eingeschoben.  Diese  letzteren  seien  daher  zu  tilgen  und  die  übrigen  in 
der  angegebenen  Weise  umzustellen. 

Fritz  Schoell,  Zu  Terenz'Adelphen,  Rh.  Mus.  B.  44,  2.  S. 280— 286. 

Durch  Besprechung  einer  Anzahl  von  Stellen  aus  den  zwei  ersten  Ak- 
ten der  Adelphoe  will  Schoell  den  Beweis  liefern  von  einer  »tieferen  und  oft 


188  Tereatins. 

Tersteckten  Yerderbtheit  unserer  Terenzflberiieferangc ,  indem  er  Inter- 
polationen und  Lücken  nachzuweisen  sucht  Ich  kann  keinen  dieser 
Vorschläge  flberzengend  nennen,  mufs  vielmehr  die  Grflnde  anfechten, 
auf  welche  die  Beweisführung  gestützt  ist.  So  vor  allem  in  derjenigen 
Stelle,  welche  er  als  Grundlage  und  Vorbereitung  benutzt,  »wo  man 
selbst  älterer  und  besserer  Bezeugung  gegenüber  sich  an  die  Vulgate 
gehalten  hat«.  Vers  117  nämlich  steht  der  Lesart  unserer  Handschriften 
und  des  Donatus  sowie  anderer  Grammatiker  obsonat  potat  das  Gitat 
des  Varro  mit  scortatur  potat  gegenüber.  Letzteres  erklärt  Seh.  als 
richtig  und  tilgt  die  mit  solcher  Lesart  unverträglichen  zwei  folgenden 
Verse  als  Interpolation.  Ich  glaube  schon  in  den  Sitzungsberichten  der 
bay.  Akad.  d.  W.  1885  S.  268 ff.  gezeigt  zu  haben,  dafs  wir  nur  einen 
der  vielen  Gedächtnisfehler  Varros  vor  uns  haben,  indem  er  zwei  Verse 
(117  und  102)  mit  einander  vermengte.  Gegen  die  Sucht  unsere  hand- 
schriftlichen Texte  nach  zuCllligen  Citaten  anderer  lateinischer  Schrift- 
steller abzuändern,  giebt  es  eine  jedem  Critiker  anzuratende 'Radikal- 
kur. Man  stelle  z.  B.  aus  Cicero  hundert  Dichtercitate  zusammen  und 
vergleiche  diese  ganz  genau  mit  der  Überlieferung  unserer  Handschriften. 
Hat  man  dies  gethan,  so  hat  man  sich  selbst  ad  oculos  demonstriert, 
dafs  diese  Citate  gröfstenteils  dem  Gedächtnis  entnommen  sind  und  dafs 
Ungenauigkeiten  und  Gedächtnisfehler  jeder  Art  mit  unterlaufen.  Ab- 
weichenden Redewendungen  solcher  Citate  unseren  Handschriften  gegen- 
über den  Vorzug  zu  geben  hat  denselben  Wert  wie  wenn  wir  den  Text 
der  Werke  Schillers  und  Göthe's  nach  den  Citaten  unserer  Zeitungs- 
feuilletons und  anderer  Schriften  korrigieren  wollten. 

Unklar  ist,  welchen  Vorschlag  der  Verfasser  zu  Vers  264  geben 
will,  und  sind  vielleicht  einige  Worte  des  Manuskripts  im  Druck  aus- 
gefallen. Denn  wenn  er  von  den  Worten  Nil  potest  supra.  sed  quid- 
näm  foris  crepuit.  m4ne,  mane,  ipse  exit  foras,  welche  einen 
iarobischen  Oktonar  ergeben  müssen,  sagt,  es  sei  nicht,  wie  gewöhnlich 
nach  cod.  A  gelesen  werde,  sed  zu  tilgen,  sondern  vielmehr  potest  als 
interpoliert  zu  betrachten  und  sed  zu  halten,  so  müfste  ja,  wenn  keine 
weitere  Änderung  vorgenommen  wird,  mit  einem  Prosodiefehler  süpra 
gemessen  werden. 

J.  Mähly,   Zu  Terentius  Phormio  aus  Satura  I,  Blätter  f.  d.  bay. 
Gymnasialwesen  B.  24  S.  478  f. 

Von  dem  Dutzend  Conjekturen,  welche  Mähly  zum  Phormio  giebt, 
ist  der  Vorschlag  zu  Vers  561:  inpone  ei,  feret  (für  et  feret),  wenn 
auch  nicht  der  allein  mögliche,  so  doch  jedenfalls  sehr  beachtenswert. 
Andere  seiner  Änderungen  sind  unnötig.  Ob  z.B.  1021  aequo  animo 
feras.  N.  Quid  ego  aequo  animo?  steht  oder  Qui  ego  aequo 
animo?,  macht  keinen  Unterschied.  Unzulässig  ist  es  in  den  untadel- 
haften  Vers  409:  Dotis  dare,  abduce  haue,  minas  quinque  accipe 


Terentias.  Igg 

die  Wortbetonung  dar6  dabo  oder  522  die  altertttmliche  Form  dacra- 
mare  durch  Co^jektur  einzuführen.  Ganz  mifsglttckt  ist  die  Behand- 
lung des  iambischen  Oktonars  193:  Te  nominat.  Nescio  quod  mag- 
num  hoc  nuntio  expecto  malum,  wo  Mähly  Hau  scio  für  Nescio 
vorschlägt,  weil  die  prosodische  Licenz  nominal  nescio  bei  Terenz 
bedenklich  sei.  Sie  wäre  nicht  nur  bedenklich,  sondern  ganz  undenkbar 
und  würde  den  Vers  nach  drei  Seiten  fehlerhaft  machen,  erstens  durch 
die  von  keinem  lateinischen  Dichter  im  iambischen  Versmafs  zugelassene 
Kürzung  nominat  nescio,  zweitens  durch  das  daktylische  Wort  nominat 
und  drittens  durch  die  kretische  Messung  nescio  in  Verbindung  mit 
dem  Pronomen  quod.  Dafs  anders  zu  messen  und  jede  Änderung  von 
vorne  herein  abzuweisen  ist,  hätte  Mähly  schon  aus  der  Anmerkung, 
welche  Dziatzko  zu  dem  Verse  giebt,  leicht  ersehen  können.  —  Zwei 
Zahlen  der  besprochenen  Verse  sind  verdruckt  oder  verschrieben,  die 
ich,  um  anderen  Zeitverlust  zu  sparen,  korrigiere:  Seite  478  Zeile  10 
von  unten  ist  zu  lesen  V.  469  (statt  409)  und  Z.  6  v.  u.  V.  622  (st.  502). 

Hans  Gilbert,   Zu  Terentius  Jahrb.  f.  Phil.  B.  135  (1887)  S.  428 
(und  636). 

Andria  315  wird  vermutet  quid  nisi  illud  impetres.  .  ?  und 
Adelph.  125  pater  esse  disce  ab  illis  qui  uere  sient.  Aber  an 
der  ersteren  Stelle  ist  eine  Änderung  unnötig,  an  der  letzteren  wäre  der 
Conjunktiv  sient,  welcher  das  mit  Beziehung  auf  disce  so  passend  ge- 
setzte sciunt  verdrängen  soll,  grammatisch  unerklärbar. 

Hugo  Blümner,    Zu  Terentius  Heautontimorumenos.    Jahrb.  f. 
Phil.  131.  B.  (1885)  S.  805—7. 

Zwischen  Prolog  Vers  45  und  46  wird  der  Ausfall  von  mehreren 
Versen  angenommen,  in  welchen  im  Gegensatz  zu  der  pura  oratio  dieses 
Stückes  (V.  46)  von  der  impura  oratio  der  anderen  Dichter  gesprochen 
sein  soll,  so  dafs  die  Worte  in  utramque  partem  (47)  den  Sinn  erhal- 
ten:  et  in  stataria  agenda  et  in  pura  oratione. 

Ferner  wird  die  Personenverteilung  der  Verse  343-  348  im  An- 
schlufs  an  Conradt  (Metrische  Compos.  der  Comödien  des  Ter.  Berl.  1876) 
vorgenommen  und  346  perge  porro  dem  Clitipho  gegeben. 

Theodor  Braune,   Zu  Terentius.    Jahrbücher  far  klass.  Philol. 
131.  B.    1.  H.    1885.    S.  65—68. 

Unter  Anwendung  des  richtigen  Grundsatzes,  dafs  die  handschrift- 
liche Überlieferung  möglichst  festzuhalten  und  zu  erklären  ist  und  Con- 
jekturen  sich  möglichst  genau  an  dieselbe  anschliefsen  sollen,  behandelt 
Braune  einige  Stellen  (]es  Ter.  Unannehmbar  sind  davon  folgende  Vor- 
schläge: 1.  Enn.  706:  Cöncede  istuc  paülum:  audin?  etiäm  nunc 
paululüm:  sätest.    Ein  kretisches  Wort  darf  in  einem  trochäischen 


1 92  Terentins. 

J.  Maeh  ly,  Zu  Donatas.   Zeitschr.  f.  österr.  Gymnasien.  XXXYIII, 
8—9.    S.  589. 

Zu  der  Stelle  des  Donatus  ttber  Ganticum  und  Diverbium  wird  ut 
significant  qui  tres  numeros  in  comoediis  ponunt,  qui  tres  continent 
mutatos  modos  cantici^ geändert  in:  III  significat  quod  tres  numeros  in 
c.  pon.  quae.  .  und  Diomed.  p.  491  E.  für  diverbia  sunt  partes  comoe- 
diarum  in  quibus  diversorum  persona  versantur  vorgeschlagen:  diver- 
Borum  morum  personae  versantur  oder  con versantur.  Die  Coigekturen 
sind  wertlos. 

Henricus   Gerstenberg,    De    Eugraphio    Terentii    interprete, 
Diss.  Jen.  1886.   117  S. 

[Recens.:  Berl.  ph.  W.  VIII  34,  p.  1054—57  v.  R.  Swoboda. 
Wochenschr.  f.  kl.  Ph.  V,  8  p.  244—46  von  Schlee.] 

Gr.  beschreibt  zunächst  die  Handschriften,  in  welchen  der  Com- 
mentar  des  Eugraphius  erhalten  ist.  Die  wichtigen  Codices  Leidensi^  I 
und  Leidensis  II,  welche  er  selbst  einsehen  konnte,  vertreten  zwei  ver- 
schiedene Recensionen,  die  in  der  Yulgata  mit  einander  gemischt  er- 
scheinen. In  Bezug  auf  die  übrigen  Handschriften  war  er  auf  die  An- 
gaben Umpfenbachs,  Dziatzkos  u.  a.  angewiesen.  Die  Untersuchung  über 
die  Quellen  des  Eugraphius  geht  darauf  hinaus,  dafs  derselbe  aufser  einem 
Gommentar  des  Donatus  oder  Servius  zu  Yergilius  keine  anderen  Schrif- 
ten benutzte  und  die  übrigen  Citate  anderer  Schriftsteller  aus  diesen 
Commentaren  entnahm.  Der  Terenzkommentar  des  Donatus  lag  dem 
Eugraphius  nicht  in  der  Gestalt  vor  wie  wir  ihn  haben,  sondern  der- 
selbe entnahm  seine  Bemerkungen  aus  erster  Hand  den  nämlichen  Gram- 
matikern, von  welchen  sie  Donatus  entlehnte.  Durch  diese  Annahme 
wird  erklärt,  warum  der  Kommentar  zum  Heautontimorumenos ,  welcher 
Im  Donatus  fehlt,  doch  bei  Eugraphius  erhalten  ist.  Die  Lebenszeit  des 
Eugraphius  setzt  Gerstenberg  mit  Bahr  in  das  (fUnfte  oder)  sechste  Jahr- 
hundert nach  Christus  und  sieht  ihn  als  jüngeren  Zeitgenossen  Cassiodors 
an;  er  habe  wohl  sein  Werk  in  absichtlichem  Gegensatze  zu  Gassio- 
dorus  in  der  Mitte  oder  kurz  nach  der  Mitte  des  sechsten  Jahrhunderts 
verfafst. 

F.  Zn  anderen  scenischen  Dichtern. 

Lucian  Müller,   Quintus  Ennius,  eine  Einleitung  in  das  Studium 
der  römischen  Poesie.    Petersburg,  Ricker  1884.    IX  und  313  S. 

[Recensiert:  ßlätt.  f.  bay.  Gymn.  XX,  10  S.  495—99  von  Dom- 
bart, Götting.  gel.  Anz.  1884  No.  25  S.  988—89  v.  0.  Keller.  Kor- 
respondenzbl.  f.  württemb.  Schulen  XXXII,  3.  4  S.  195—98  von  Bender.] 

Dafs  Ennius  der  Vater  der  lateinischen  Poesie  sei,  galt  den 
Alten    und,    vereinzelte   Urteile   abgerechnet,    auch    den  Neueren   als 


Ennius.  193 

ausgemachte  Sache.  Eine  wenig  schmeichelhafte  Benrteilnng  aher  hatte 
der  Dichter  durch  Th.  Mommsen  in  seiner  Römischen  Geschichte 
erfahren.  Luc.  Mttller  unternimmt  es  nun  Ennius  nicht  nur  dagegen  in 
Schutz  zu  nehmen,  sondern  ihn  auch  als  den  gröfsten  Dichter  der  Römer 
hinzustellen.  iDafs  Rom  als  die  zwar  jüngere  und  geringere,  aber  nicht 
entartete  und  unwürdige  Schwester  der  griechischen  dasteht,  alles  was 
das  römische  Volk  und  die  gesamte  Menschheit  ihr  schuldet,  wird  dem 
Q.  Ennius  verdankt,  f  Der  Verfasser  hat  seinem  Buch  eine  gröfsere 
Ausdehnung  gegeben  und  es  zu  einer  Einleitung  in  das  Studium  der 
lateinischen  Poesie  gestaltet.  Der  Inhalt  ist  ein  reicher  und  nach  den 
verschiedensten  Beziehungen  hin  anregend,  die  Darstellung  frisch  und 
kräftig.  Vielfach  sind  die  modernen  Verhältnisse  zur  Vergleichung  mit 
den  antiken  beigezogen.  Neben  der  allgemeinen  Schilderung  hat  auch 
das  Grammatische,  sowie  Metrik  und  Prosodie  sowohl  des  Ennius  als 
der  Tragiker  überhaupt  Behandlung  gefunden.  Diese  letzteren  Ab- 
schnitte hätten  bedeutend  an  Wert  gewonnen,  wenn  namentlich  die 
metrischen  Gesetze  durch  Vorführung  der  Beispiele  und,  worauf  es  ganz 
besonders  ankommt,  durch  Besprechung  der  widersprechenden  Stellen 
bewiesen  worden  wären,  was  in  Anmerkungen  oder  besonderen  Exkursen 
hätte  geschehen  können,  zumal  man,  wenn  auch  die  Grundsätze  im  all- 
gemeinen die  richtigen  sind,  doch  keineswegs  jedes  einzelne  Urteil  unter- 
schreiben möchte.  So  heifst  es  z.  B.  S.  244:  lAucb  dürfen  nicht  Ende 
und  Anfang  zweier  mehrsilbigen  Worte  dazu  verwandt  werden,  um  eine 
Arsis  aufzulösen.  Verderbt,  wenn  auch  schon  zu  Ciceros  Zeit  sich  die- 
selbe Lesart  vorfand,  ist  ante  pedes  in  folgendem  Verse: 

Qu6d  est  ant^  pedes  n^mo  spectat,  ca61i  scrutantür  plagas.c 

Vielmehr  ist  der^Vers  richtig  überliefert,  weil  Präposition  und  Sub- 
stantiv als  ein  Wort  gelten,  wie  sie  sich  auch  im  codex  vetus  des  Plau- 
tus  und  in  anderen  alten  Handschriften  fast  regelmäfsig  zusammenge- 
schrieben finden.  Daher  sagt  Plautus  Merc  780:  Opsönium  istuc  ante 
pedes  illi  seni,  Terentius  Adelph.  386:  Istüc  est  sapere  n6n  quod  ante 
ped^s  modost  u.  ähnl.  wiewohl  sonst  im  iamb.  Senar  ein  zweisilbige 
Thesis  auf  strengste  verpönt  ist,  wenn  die  erste  Kürze  der  Schlufssilbe, 
die  zweite  der  Anfangssilbe  eines  mehrsilbigen  Wortes  angehört 

Übrigens  ist  die  Schrift  Parteischrift  und  schiefst  als  solche  viel- 
fach über  das  Ziel  hinaus.  Th.  Mommsen,  Vahlen,  Ribbeck  tauchen 
darin  von  Zeit  zu  Zeit  immer  wieder  auf  und  erhalten  dann  jedesmal 
einige  tüchtige  Prügel  auf  den  Kopf,  dafs  sie  wieder  unter  der  Wasser- 
fläche verschwinden.  Wer  an  solchem  Spiel  Gefallen  findet,  hat  reich- 
liche Gelegenheit  sich  zu  erheitern. 

Im  Zusammenhang  damit  steht: 

Jahresbericht  für  Alterthuiaswissenschart  LXVni.  Bd    (1891.  II)  13 


1 94  EimiaL 

Lneianns  Hflller,  Q.  Enni  canninam  reliqaiae.  aceedant  Gn. 
Naevi  belli  Poenici  quae  snpersunt  Petersburg,  Rttcker.  1884.  XLYII 
und  296  S. 

pKecensiert:  Lit.  Centralbl.  No.  27  S.  914—16.  Zeitscbr.  f.  Osterr. 
Gym.  XXXYI,  6  S.  340—63  v.  Stowasser.  Academy  No.  689  8.  46 
von  R.  Ellis.  Joam.  d.  niss.  Minist,  f.  mss.  Yolksaufkl.  August  246 
—66  V.  0.  Seh— r.  Deutsch.  Litteraturz.  No.  6  8.  161—52  v.  F.  Marx. 
Wochenschr.  f.  Phil.  III,  30  S.  932—34  von  a.  Phil.  Anzeiger  XYI 9, 10 
8.  623—80  von  Th.  Fritzsche.] 

Schon  in  ersterer  Schrift  hatte  Luc.  Müller  angekündigt,  dafs  er 
gleichzeitig  die  Fragmente  des  Ennius  herausgebe,  iweil  es  nach  den 
vorhandenen  Ausgaben  absolut  unmöglich  sei,  sich  ein  der  Wahrheit 
nahe  kommendes  Bild  von  dem  hohen  Geiste  und  der  in  der  Litteratur 
aller  Zeiten  beispiellosen  Formengewandtheit  dieses  Dichters  zu  macheuf . 
Das  Buch  enthält  Adversaria  Enniana  und  Quaestiones  Naevianae,  dann 
den  kritisch  bearbeiteten,  mit  dem  Handschriftenmaterial  versehenen 
Text  der  Annales,  Saturae  und  Fabalae  des  Ennius  und  der  Fragmente 
des  bellum  Punicum  des  Naevius,  sowie  den  Gommentar  zu  diesen  ein- 
zelnen Werken.  Da  nur  die  Fabulae  des  Ennius  in  den  Bereich  dieser 
Besprechung  fallen  und  ihre  Bearbeitung  mit  der  späteren  Schrift  Livi 
Andronici  et  Gn.  Naevi  fabularum  reliquiae  auf  gleicher  Linie  steht,  ver- 
weisen wir  auf  die  unten  folgende  ausführlichere  Recension  dieser  letz- 
teren. Die  Fragmente  des  bellum  Punicum  hat  der  Verfasser  wie  er 
sagt,  beigegeben  imagis  ut  demonstraretur  eorum  perversitas,  qui  Momm- 
senum  secuti  ducem  componunt  Ennio  illum  vel  adeo  praeponunt  quam 
quod  omnia  in  eis  ad  sanitatem  revocari  posse  existimarem.c  Unseres 
Erachtens  sind  die  Fragmente  dieses  Gedichtes  zu  wenig  zahlreich  und 
der  Umfang  der  Gitate  zu  gering,  als  dafs  man  über  seinen  litterarischen 
Wert  etwas  bestimmtes  sagen  könnte. 

Durch  L.  Müllers  Ennius  veranlafst  und  vielfach  dazu  in  Gegen- 
satz tretend  ist: 

E.  Baehrens,  Ennius  und  seine  Vorgänger.  Jahrb.  f.  Ph.  13S.  B. 
(1886)  S.  401—411. 

Der  Aufsatz  hat  den  Zweck  die  Vorgänger  des  Ennius  in  besseres 
licht  zu  stellen.  Selten  wohl  sei  in  der  Litteraturgeschichte  ein  unge- 
rechteres Urteil  gefällt  worden,  als  von  L.  Müller  über  Naevius,  von  dem 
er  als  von  einem  iStümperc  spreche.  B.  unternimmt  es  den  Naevius  zu- 
gleich als  den  eigenüichen  Stifter  der  römischen  Satire  als  Kunst- 
gattung hinzustellen.  Da  die  Antwort  der  Metelli  auf  die  Angriffe  des 
Naevius  in  satumischem  Versmafse  abgefafst  sei,  so  sei  wohl  auch  des 
Dichters  fat6  Met611i  Römae  |  c6nsul6s  fiunt  so  au&ufassen  und 
gehören  mitbin  einer  Satire  an.    Der  Zusammenhang  zwischen  den  satur- 


LitIos  Aodronieus.   Cn.  KmtIos.  1^95 

nischen,  scenischen  und  daktylischen  Dichtern  wird  nach  neuen  Oesichts* 
punkten  behandelt  und  auch  in  der  Frage  über  den  Hiatus  ein  neuer 
Standpunkt  eingenommen. 

Liyi  Andronici  etCn.  Naevi  fabularum  reliquiae,  emendavit  et 
adnotavit  Lucianus  Müller.  Berlin,  Calvary  1885.  (ex  actis  men- 
struis  Mails  h.  a.  ministerii  institutionis  publicae  Rossici). 

[Recensiert:  Wochenschr.  f.  Ph.  III,  30  S.  936  von  a.  Neue 
phil.  Rundschau  I,  22  S.  338-42  von  J.  Mähly.  Revue  critique  No.  40 
S.  233 — 37  Yon  L.  Duvau.] 

Auf  die  Herausgeber  der  epischen  Fragmente  des  Livius  Andronicus 
und  Naevius  läfst  Luc  Müller  die  scenischen  Fragmente  dieser  beiden 
Dichter  folgen.  Wie  er  bemerkt,  sah  er  sich  dazu  umsomehr  yeranlafst, 
als  0.  Ribbeck  gerade  diesen  Teil  seiner  Fragmentsammlung  nicht  mit 
der  gehörigen  Sorgfalt  bearbeitet  habe.  Seine  Sammlung  ist  schon  in- 
sofern vollständiger  als  die  Ribbeck'sche,  als  er  auch  diejenigen  Stellen 
beizieht  9  an  welchen  ohne  Erwähnung  eines  bestimmten  Fragments  der 
Name  dieser  Dichter  genannt  wird,  z.  B.  dafs  Donatus  zu  Ter.  Andria 
I,  1,  41  sagt,  das  Wort  obsequi  sei  bereits  von  Naevius  gebraucht 
worden,  oder  der  bekannte  Vers  Andr.  prol.  18:  Naevium  Plautum 
Ennium  accusant  u.  a.  Femer  bereicherte  er  die  Zahl  der  Frag- 
mente, von  anderen  zweifelhaften  abgesehen,  durch  seine  vortreffliche 
Coi^ektur  zu  Festus  174:  lenins  in  uirgo:  ornamento  incedunt 
nobili  ignobiles,  indem  er  erkannte,  dafs  darin  liegt  Naeuius  in 
Hcnrgo.  Was  übrigens  den  Wortlaut  dieses  Fragmentes  betrifft,  möchte 
ich  L.  Müller  nicht  beistimmen,  der  nach  Scaliger  schreibt  ornamento 
incedunt  gnobili  und  ignobiles  tilgt,  sondern  ornamento  incedunt 
gnöbiles  ignobiles  vermuten  und  orn  amen  tum  auf  die  Bacchanten- 
tracht beziehen,  vergl.  Frag.  X  derselben  Tragödie  (fr.  35  R>).  Für 
jedes  Fragment  sucht  L.  M.  die  Stelle  ausfindig  zu  machen,  in  der  es 
gestanden,  bezeichnet  die  Person,  die  es  seiner  Meinung  nach  gesprochen, 
den  Zusammenhang  und  die  Situation,  der  es  entnommen.  Dabei  ist 
mancher  gute  Treffer  zu  verzeichnen;  bei  anderen  sind  verschiedene 
Möglichkeiten  nicht  ausgeschlossen,  zuweilen  lassen  sich  auch  Bedenken 
nicht  unterdrücken.  So  bei  Naev.  Lycnr.  fr.  XIII  (XIX  R>),  wo  über- 
liefert ist:  sine  ferro  pecora  manibus  ut  ad  mortem  meant.  Hier 
schreibt  L.  M.  nach  Bergk:  sine  ferro,  manibus,  pecua  ut,  ad  mor- 
tem meant  und  weist  die  Worte  einem  Satelles  zu,  welcher  die  Geduld 
der  Bacchanten  bewundere,  die  sich  wie  Schlachtvieh  von  ihm  zum  Könige 
führen  lassen.  Diese  Annahme  wird  dadurch  hinfällig,  dafs  sie  sich  auf 
einen  durch  schlechte  Gonjektur  verderbten  Text  stützt.  Denn  in  der 
Sprache  der  scenischen  Dichter  dieser  Zeit  ist  die  Wortstellung  pecua 
ut  für  ut  pecua,  die  gegen  die  Handschriften  hergestellt  ist,  unmöglich. 
Das  überlieferte  sine  ferro  pecora  manibus  ut  ad  mortem  meanti 

13* 


196  Lmofl  AodronicoB.    Naeyiiis. 

wird  vielmehr  von  wirklichen  Tieren  zu  verstehen  sein  und  ad  mortem 
meant  poetischer  Ausdruck  für  occiduntnr.  Die  beste  Vergleichung 
bieten  die  Bacchen  des  Enripides,  in  denen  sich  Agaue  rUhmt  den  Pen- 
theus,  den  vermeintlichen  Löwen,  ohne  Schwert,  mit  blofsen  Händen  zer- 
rissen zu  haben  1206:  obx  d^xuXr^roe^  SeaaaXStv  ffToj^dtJfiatrev ,  ob  Stx- 
rOoeaev^  dXXä  XeuxoTn^^eai  ^etpa»v  dxjAoure  und  1209:  aörg  )[etp} . ,  j^wp/^ 
ri  Y*  dHpoQ  ap^pa  dee^opi^aa/iev^  und  der  Bote  erzählt,  dafs  die  Bach- 
chanten  ohne  Schwert,  mit  blofsen  Händen  eine  Rinderherde  anfielen 
und  die  Tiere  töteten  736:  pAa^otq  in^X&ov  j^etpdc  daiSi^pou  fidra.  Ein 
ähnlicher  Vorgang,  dafs  Bacchanten  eine  Herde  angriffen  und  die  Tiere 
mit  blofsen  Händen,  ohne  Schwert  töteten,  wird  in  der  Tragödie  des 
Naevius  vorgekommen  und  mit  obigen  Worten  erzählt  worden  sein.  Der 
Vers  ist  ein  iambischer  Senar:  Sine  f6rro  pecora  mänibus  ut  äd  mortem 
meant! 'c  Wie  wandern  da  die  Tiere  .  .  zum  Todelc  Die  Kürzung  üt 
äd  mortem  hat  vielfache  Analogie  bei  Plautus  und  Terentius,  weshalb 
uns  jede  Berechtigung  fehlt  sie  durch  Änderung  zu  beseitigen. 

Beztlglich  der  textkritischen  Gestaltung  der  Fragmente  stellt  sich 
L.  Müller  öfter  in  entschiedenen  Gegensatz  zu  seinem  Vorgänger  O. 
Ribbeck.  Wie  gewöhnlich  fehlt  es  nicht  an  einzelnen  scharfen  Ausfällen 
gegen  ihn,  z.B.  zu  Naev.  Lyc.  fr.  VÜI  (VI  R'):  imiro  autem  prorsus 
et  singulari  invento  Ribbeckius  quadrupedum  nomine  intellegit  Bacchas 
comites,  quos  manibus  pedibusque  vinctos  et  ob  id  quadrupedes  dictos 
iubeat  rex  ad  se  adduci!  idem  frg.  IX  bipedes  volucres  eosdem  voluit 
intellegi,  dictos  scilicet  propter  agilitatem  incessus  morumque  levitatem! 
talia  nisi  qui  ipse  legerit  haud  facile  crediderit  posse  excogitari«  vergl. 
auch  zu  Naev.  com.  XII  Dementes.  Gröfsere  Bescheidenheit  im  Urteil 
wäre  ratsamer  gewesen.  Bei  einem  so  umfassenden  Werke,  wie  Ribbeck's 
Fragmentensammlung  ist,  waren  einzelne  Versehen  kaum  zu  vermeiden 
und  wenn  das  Buch  auch  kein  Ideal  ist,  hat  es  doch  auch  viel  Gutes 
und  nimmt  Müller  selbst  eine  verhältnismäfsig  grofse  Anzahl  der  Con- 
jekturen  Ribbecks  in  den  Text.  Alle  Schwierigkeiten  zu  überwinden  ist 
ja  auch  L.  Müller  nicht  gelungen.  Neben  dem  Guten  steht  das  Mittel- 
mäfsige  und  auch  das  vollständig  Verfehlte  mangelt  nicht.  So  nenne  ich 
es  eine  entschiedene  Verschlechterung  des  Ribbeck'schen  Textes,  wenn 
er  Naev.  com.  Tarentilla  fr.  IX  schreibt:  ubi  ist!  duo  adulescentes  habent 
Qui  hie  arte  parta  patria  peregre  prodigunt.  Vielmehr  war  mit  dem 
richtig  überlieferten  ante  parta  zu  vergleichen  Plaut.  Truc.  348:  qui 
ante  partum  perdidi,  und  62  ante  parta  demus  postpartoribus  und 
Trin.  643:  eorum  anteperta  per  flagitium  perderes.  Luc  Müller  ist 
ein  feiner  Kenner  der  lateinischen  Dichtung,  aber  die  scenische  Poesie, 
Plautus  und  Terentius,  beherrscht  er  nicht  in  dem  vollen  Umfange,  wie 
es  zur  Bearbeitung  dieser  Fragmente  unbedingt  nötig  ist.  Liv.  Andr. 
trag.  Aegisth.  frg.  IV  hält  er  an  seiner  früheren  Vermutung  fest  und 
ändert  nemo  haec  voster  ruminetur  mulieri,  um  einen  Senar  messen  zu. 


LiviaB  AndronicQs.    Naevias.  197 

können,  in  nemo  haece  uostrum  rum.  roulieri,  wiewohl  längst  nachge- 
wiesen ist,  dafs  die  Formen  hice,  haece,  hoce  bei  Piautas  und  Teren- 
tius  nur  vor  vokalisch  anlautenden  Wörtern  zugelassen  sind.  Auch 
nemo  voster  durfte  nicht  beanstandet  werden;  nemo  voster  heifst 
keiner  aus  eurem  Hause,  keiner  eurer  Sklaven,  wie  oft  bei  Plautus  und 
Terentius  hie  voster,  illaec  nostra,  ego  noster  sum  u.  a.  Die 
Worte  sind  Teil  eines  längeren  Verses:  .  .  .  n6mo  haec  voster  rü- 
minetur  mülieri.  —  Naev.  com.  XVII  Fretum  (incert.  v.  129  R'):  haec 
quidem  hercle  opinor  pra^ficast,  nam  mörtuom  conlaüdat  ändert  L.  Mtlller 
den  Anfang  ab  in  equidem  hercle,  indem  er  dazu  bemerkt:  lillud 
equidem  de  coniectura  scripsi  ad  numeros  restituendos.  nimis  enim  in- 
condite  ferebatur  haec  qufdem  hercle,  quo  admisso  priorem  in 
hercle  correptam  a  Naevio  necesse  est;  quod  admitti  posse  iure  ne- 
gant  Ritschel.  proleg.  trin.  pag.  127  et  Bentleius  ad  eunuch.  Y,  8,  43.c 
Aber  in  dieser  Frage  auf  Bentley  und  Ritschis  Prolegomena  zu  verwei- 
sen, heifst  einen  längst  veralteten  Standpunkt  vertreten.  Es  scheint 
L.  Müller  unbekannt  gewesen  zu  sein,  dafs  Ritschi  selbst  in  seiner  zwei- 
ten Ausgabe  des  Trinummus  Y.  68  und  559  die  Yersanfänge  dum  qui- 
dem  hercle  und  mens  quldem  hercle  ungeändert  im  Text  liefs, 
dafs  dieser  Yersanfang  noch  öfter  bei  Plautus  vorkommt  und  Terent. 
Andria  225:  mihi  qufdem  hercle  non  fit  v^ri  simile  unbeanstandet  in 
den  Ausgaben  zu  finden  ist.  Das  betreffende  Fragment  ist  ein  Citat 
des  Yarro  de  lingua  lat.  YII,  70  und  des  Paulus  223  (der  gleichfalls 
den  Yersanfang  haec  quidem  hercle  bestätigt)  und  lautet  bei  ersterem: 
'quibus  testimonium  est  quod  fretum  est  Naevii:  haec  quidem  hercle  etc.' 
Während  fretum  bisher  allgemein  als  verderbt  angesehen  wurde,  fafst  L. 
MtlUer  Fretum  als  Titel  der  Komödie,  wie  Gellius  III,  3,  7  von  einer  Komö- 
die dieses  Namens  spricht,  welche  einige  dem  Plautus  zuschrieben.  Aber 
wenn  er  zugleich  behauptet  quod  Fretum  est  Naevii  sei  ganz  ex  more 
Yarronis  dictum,  so  hat  er  damit  unrecht.  Mit  quod  est  bezeichnet 
Yarro  immer  den  Wortlaut  selbst,  aber  nicht  das  Stück,  aus  dem  das 
Citat  entnommen  ist;  daher  so  häufig  quod  est  in  .  .  mit  dem  Namen 
der  Komödie  oder  Tragödie,  gleich  quod  scriptum  est  in,  iwie  es  heifst 
in  .  .c  oder  quod  est  allein,  in  der  Bedeutung  idie  folgende  Stelle,  in 
der  folgenden  Stelle,  wenn  es  heirstc,  u.  dgl.  Wenn  daher  Fretum  der 
Titel  des  Stücks  sein  soll,  so  würde  nur  in  Freto  dem  Sprachgebrauch 
des  Yarro  entsprechen. 

Was  L.  Mtüler  über  die  EinftÜirung  der  Nominativendung  is  im  Plural 
der  Nomina  der  zweiten  Deklination  und  über  das  d  paragogicum  denkt, 
spricht  er  zu  Naev.  Lycurg.  fr.  XII  folgendermafsen  aus :  »admittendum 
duxi  apnd  Naevium  et  is  in  nominativo  pluralis  numeri  secundae,  quae 
finalis  usque  ad  exitum  liberae  rei  publicae  invenitur  in  inscriptionibns, 
et  adeo  d  in  ablativo  singularis,  sicut  constat  eum  in  carmine  de  hello 
punico  dixisse  Troiad.     Plautus  quidem  quatenus  d  paragogica  quae 


198  Livius  Androniciu.    NaeTios. 

Yocatur  Sit  asos,  etiam  nunc  inter  doctos  dubitator  neque  res  est  facilis 
ad  discernendum.  quod  com  ita  sit,  ne  in  Naevio  qnidem  d  illa  utendum 
pntavi  nisi  raro  et  cunctanter.c    Um  mit  ein  paar  Worten  die  Geschichte 
des  d  paragogicum  zu  erzählen:  der  erste,  der  es  bei  Plautns  in  aas- 
gedehnterem MaTse  anwendete,    war  Weise.     Er  &nd  bei  den  nach- 
folgenden Plautuskritikern  keinen  Beifall,  bis  Ritschi  die  Entdeckung 
gemacht  zu  haben  glaubte,  dafs  dasselbe  ursprünglich  massenweise  im 
Text   des  Plautus  gestanden  habe   und   durch    seine  Wiedereinführung 
weitaus  der  gröfste  Teil  der  störenden  Hiate  zu  beseitigen  sei.    Da  ver- 
wandelte sich  für  die  Schttler  Ritschis  plötzlich,  was  sie  früher  als  »das 
Schwauz-d  des  Herrn  Weise«  verhöhnt  hatten,  in  ein  Evangelium,  und 
wo  es  irgend  möglich  war,  wurde  der  Hiatus  auf  diese  Weise  entfernt. 
Unterdessen   war  im  Meister  selbst  bald  eine  Wandlung   vorgegangen. 
Es  war  ihm  nicht  verborgen  geblieben,  dafs  die  wenigen  unparteiischen 
Recensionen  seiner  Schrift  auf  thatsächliche  Widersprüche  und  Unwahr- 
scheinlichkeiten  aufmerksam  gemacht  hatten,  und  wiewohl  er  sich  nicht 
öffentlich  darüber  aussprach,  citierte  er  doch  wiederholt  Verse,  die  er 
früher  auf  jene  Art  emendiert  zu  haben  glaubte,  mit  anderem  Wortlaut 
oder  erwähnte  jene  Änderung  nur  als  nebenbei  bestehende  Möglichkeit 
Mir  kam  die  Sache  immer  so  vor,  als  habe  er  sich  durch  Veröffent- 
lichung dieser  Abhandlung  die  ganze  Gesichte  von  dem  d  paragc^cum 
vom  Halse  geschafft,  wie  Goethe  seine  Sentimentalität  durch  Veröffentr 
lichung  von  Werthers  Leiden.     Wenn  Naevius   einmal  im  daktylischen 
Versmafs  Troiad  gebrauchte,  so  ist  noch  kein  zwingender  Grund  vor- 
handen, dafs  er  es  auch  in  den  scenischen  Versarten  anwendete.    Eine 
besonnene  Kritik  wird  daher  diesem  Mittel  möglichst   aus  dem  Wege 
gehen  und  höchstens  dann,  wenn  andere  Hülfe  versagen  will  oder  ein 
ganzer  Vers  dadurch  hergestellt  würde,  damit  rechnen.    Ähnliches  scheint 
auch  L.  Müller  mit  obigen  Worten   raro  et   cunctanter  utendum 
putavi  zu  versprechen,  aber  thatsächlich  nimmt  er  es  mit  diesem  Ver- 
sprechen sehr  wenig  genau.     Denn  wo  bleibt  das  raro   et  cunctanter, 
wenn  Naev.  trag.  Iphig.  (19  R')  für  passo  vel  hoc  vicinum  nach 
Ribbeck  passo  velod  vicinum  geschrieben  wird  oder  in  dem  nur  aus 
drei  Worten  bestehenden  Fragmente  Naev.  incert.  XXI  merula  sande- 
racino  ore  zur  Vermeidung  des  vermeintlichen  Hiatus  sanderacinod 
hergestellt  wird?  Folgte  auf  ore  ein  vokalisch  anlautendes  Wort,  so  ist 
ja  ohnehin  kein  Hiatus  vorhanden:  merula  sanderäcino  or(e).   Nicht 
besser  steht  es  mit  Naev.  com.  Tarent.  frag.  HI  (IX  R*),  wo  L.  M.  unad 
schreibt:  oiei!  iamne  aud^nt  mecum  unad  äpparere  .  .,  indem  er 
oiei  zweisilbig   mifst   wie  Mil.  1406.     Es  könnte  aber  auch  dreisilbig 
sein  wie  Phorm.  663  und  Eunuch.  716;   dann  ist  unad  unmöglich.    Es 
kommt  dazu,  dafs  iamne  Coi^ektur  Müllers  ist  für  eüa  am  se,  statt 
deren  KeiFs  et  iamne  ungleich  gröfsere  Wahrscheinlichkeit  besitzt,  zu- 
mal diese  Frageform  bei  den  Komikern  eine  sehr  beliebte  ist    Wie  man 


UtIos  Aodrooleos.    Naeviiu.  199 

dann  auch  messen  und  einteilen  mag,  entweder  Oiel,  etiamne  aüdent 
mecam  ana  &pparere?  (nach  Enn.  716)  oder  Oiel,  ||  £tiamne 
audent  m.  a.  a.  (nach  Phorm.  668)  oder  mit  zweisilbigem  oiei  nnd 
Hiatus  nach  der  Inteijektion,  in  jedem  Falle  ist  das  handschriftliche 
una  Yor  einer  Änderung  gesichert. 

Und  nun  die  Endung  is  statt  i  im  Nominativ  Plural  der  zweiten 
Deklination,  welche  Beweise  rücken  dafür  ins  Feld?  Naev.  Lycurg.  fr. 
XII  (VIR'):  Ignoteis  iteris  sumu'  .  tute  scis  .  .,  wozu  L.  M.  be- 
merkt: ignoteis  scripsi  ad  iuvandum  metrum,  cum  in  libris  Prisciani, 
item  Nonii  485,  6  sit  ignoti,  eiusdem  124,  27  ignotae  vel  ignote. 
Es  bedarf  kaum  einer  Bemerkung,  dafs  die  Änderung  ignoteis  ganz 
überflüssig  ist,  da  man  sowohl  mit  Ribbeck  messen  kann:  ignöti  (oder  ig- 
notae) iteris  sumu',  tüte  scis  als  besser  in  zwei  Verse  verteilt:  ignoti 
iterls  sumus  ||  Tüte  scis.  Ferner  Naev.  TarentilL  fr.  V  (IV  R»): 
ütrubi  cenatüris  estis,  hicine  an  in  triclinio?  wie  L.  M.  nach 
Ritschis' Vorschlag  für  cenaturi  schreibt.  Schon  Ribbeck  vermeidet  es 
durch  0.  utrubi  cenaturi  estis;  es  könnte  z.  B.  sed  am  Anfang  ge- 
standen haben;  aber  noch  einfacher  ist:  utrübi  cenaturi  6stis,  hicine 
4n  in  triclini(o)  .  v^  .  • 

Den  Hiatus  läfst  L.  Müller  bei  Ldvius  und  Naevius  im  aUgemeinen 
nicht  zu  (aufser  einmal  bei  asynartetisch  gebautem  trochäischem  Tetra- 
meter). Um  so  seltsamer  ist  es,  dafs  er  auf  den  Gedanken  kommen 
konnte  das  Citat  aus  des  Livius  Equus  troianus  mit  doppeltem  Hiatus 
zu  messen: 

D4  mihi  h&sce  op^s  qu&s  petö,  qu&s  precör, 
P6rrig6,  öpitul4 

trotz  der  kurzen  Endsilbe  von  porrige.  Die  Messung  Ribbecks  in  der 
ersten  Auflage  der  Frag.,  welche  er  als  zweite  Möglichkeit  im  Commentar 
erwähnt,  hätte  in  den  Text  aufgenommen  werden  sollen,  nämlich 

da  mihi 

häsce  opes,  quäs  peto,  qnäs  precor,  pörrige, 

öpitula. 

Auf  den  Rhythmus  der  Ribbeck*schen  Verse  ist  L.  Müller  sehr 
schlecht  zu  sprechen.  Er  meint  p.  3,  wiewohl  es  keine  Saturnier  seien, 
klängen  sie  doch  oft  so  rauh  und  holperig,  dafs  man  die  Worte  auf  sie 
anwenden  könne:  versibu'quos  olim  Fauni  vatesque  canebant.  Damach 
sollte  man  glauben,  dafs  L.  Müller's  Verse  mustergiltig  seien.  Wohl  ist 
ein  und  der  andere  eine  besser  klingende  Münze,  aber  von  reinem  Golde 
sind  sie  keineswegs.  Folgende  Verse  des  Müller'schen  Textes  enthalten 
metrische  und  andere  Fehler  und  sind  teilweise  erst  durch  seine  Ände- 
rungen fehlerhaft  geworden: 

Naev.  com.  Tarent  fr.  XII: 

nte  nimis  si^t  morigera  nöto  quisquam .  . 


200  Liyiiu  Andronicns.    NaeTius. 

Naev.  com.  Glauc.  fr.  XVIII: 

qu6d  de  obsoniö  stilo  mi[hi]  in  manum  pupagft  [meam] 

Naev.  com.  Gymn.  fr.  VII: 

4t  enim  tu  ^nimis  spisse  atque  tdrde  incedis  .  . 

Naev.  com.  CoroU.  fr.  XII: 

dividiae  mihi  faerunt  täm  desidno  afaisse  te. 

Naev.  com.  Tarent.  fr.  XI:  primum  ad  virtutem  üt  redeatis, 
4beatis  ab  ignÄvia  bemerkt  er:  *altins  latere  Vitium  soluta  insolenter 
nimis  antepaenultima  arsi  fit  probabilec  Er  mifst  also  &beatts  ab 
ign&via.  Der  Vers  ist  vielmehr  regelrecht,  die  Endsibe  von  abeatis 
kann  in  der  Arsis  nur  lang  sein,  also  zu  messen:  dbeatis  ab  ign4via. 
Naev.  com.  fr.  incert.  VII  schreibt  M.:  cuins  fdcta  viva  nunc  vigent 
^qui  apud  g^ntes  solu*  pra^stat.  Er  hätte  offenbar  nicht  soln  Dir 
so  Ins  geschrieben,  wenn  er  nicht  der  irrigen  Meinung  gewesen  wäre, 
im  iambischen  Septenar  müsse  die  Senkung  des  siebenten  Fufses  eine 
kurze  Silbe  sein.  Nur  wenn  der  iamb.  oder  troch.  Vers  mit  der  Arsis 
schliefst,  mufs  die  vorhergehende  Thesis  eine  kurze  Silbe  sein,  wie  beim 
iambischen  Oktonar  und  trochäischen  Septenar;  folgt  aber  auf  diese  Arsis 
noch  eine  Thesis,  wie  beim  iamb.  Septenar  und  troch.  Oktonar,  so  ist 
die  Quantität  dieser  drittletzten  Silbe  gleichgiltig. 

Die  äufsere  Einrichtung  des  Büchleins  ist  nichts  weniger  als  prak- 
tisch. Die  Dreiteilung  des  Stoffes,  wonach  zuerst  von  S.  4 — 25  der  Text 
der  Fragmente  steht,  dann  von  25  —  38  die  Testimonia,  zuletzt  38  —  72 
der  Kommentar,  erschwert  die  kritische  Betrachtung  der  einzelnen  Verse 
in  hohem  Grade,  da  man  sich  das  Zusammengehörige  unter  beständigem 
Umblättern  zusammensuchen  mufs.  Wie  handsam  ist  dagegen  Ribbecks 
Ausgabe,  wo  alles  Nötige  auf  einer  Seite  zu  finden  ist! 

(Vahlen,  de  fragmento  Alcmaeonis  tragoediae  Ennianae.)     Ind. 
lect.  Berol.  hib.  1887/88.    8  S. 

Kritische  Behandlung  der  Stelle  aus  des  Ennius  Alcmaeon  (Ribb. 
trag.  frag.  26):  incede,  incede,  adsunt,  me  expetunt.  Diese  Überlieferung 
wird  zu  halten  gesucht  und  so  erklärt,  dafs  Alcmaeon,  als  er  die  Furien 
herankommen  sieht,  sich  zur  Flucht  ermahnt  und  zu  sich  selbst  spricht: 
»gehe,  gehe!  sie  sind  da,  sie  suchen  mich. c  Ich  glaube  nicht,  dafs  diese 
Erklärung  annehmbar  ist.  Zwar  gibt  sich  Vahlen  Mühe  den  Wechsel 
der  zweiten  und  ersten  Person  durch  analoge  Beispiele  zu  belegen,  aber 
der  Hauptanstofs  liegt  vielmehr  in  der  Wahl  des  Wortes  incedere, 
das  unserem  »schreiten«  entspricht  und  von  der  raschen  Bewegung  des 
Entfliehens  nicht  gebraucht  werden  kann. 

L.  Havet.    Le  pelegrinage  d'Ennius.    Revue  de  phil.  IX  S  p.  189. 

Einige  Bemerkungen  zu  dem  Traum  des  Ennius  (s.  Luc.  Müller 
Ennius  p.  140  f.)  in  Bezug  auf  die  örtlichkeit,  in  welcher  6r  gedacht  ist 


EnnioB.  201 

L.  Havet,  Ennius  apud  Macrobium  VI,  2,  26.  Revue  de  pbil. 
XI  p.  74. 

Auf  die  Vaterstadt  des  Ennius  haben  Bezug: 

Yicenzo  Andriani,  Ricerche  deir  antica  Cittä  di  Rudia,  patria 
di  Q.  Ennio.  Aus  dem  Werke  Carbina  e  Brindisi,  Memorie  del  Dott. 
Vincenzo  Andriani.  Ostuni,  tipografia  Ennio.  1888.  Parte  III  p. 
181—204. 

Über  die  Lage  des  alten  Rudiae,  der  Vaterstadt  des  Ennius,  haben 
die  Gelehrten  die  verschiedensten  Ansichten  ausgesprochen,  welche  in 
obigem  Buche  S.  197  ff.  aufgezählt  sind-  Andriani  nimmt  an,  dats  sicher 
eine  Stadt  Rudiae  in  dem  Lande  der  Paediculi  zwischen  Brundisium 
und  Egnatia  lag,  und  stützt  seine  Ansicht  auf  folgende  Zeugnisse.  Wenn 
Mela  II,  4  sagt:  post  Barium  Egnatia  et  Ennio  cive  nobiles  Rudiae. 
etiam  in  Calabria  Brundisium  Valentium  e.  q.  s.,  so  geht  er  in  der  Auf- 
zählung von  Norden  nach  Süden  und  setzt,  da  er  den  ersteren  drei 
Städten  die  Landschaft  Calabrien  mit  Brundisinm  u.  a.  gegenüberstellt, 
Rudiae  nicht  südlicher  als  Brundisium.  Die  Lage  der  Stadt  Rudiae  im 
Gebiete  der  Paediculi  bezeugt  Plinius  III,  2:  Paediculorum  oppida  Ru- 
diae Egnatia  Barion.  Da  femer  Strabo  VI,  282,  wo  er  von  den  Wegen 
spricht,  welche  von  Brundisium  nach  Rom  führen,  sagt:  . .  ol^  elg  n^y 
'Pwfjjfjv  Ttpoxeerai  686g.  8uo  Si  elat^  fiia  fxkv  ^jieovixij  deä  ileuxereüßv^  oSe 
UotStxXooQ  xaXoomy  xai  Jauv/wv  xal  Uaoverwv  .  . ,  so  liegt  das  Gebiet 
der  Paediculi  in  der  Richtung  von  Brundisium  nach  Rom,  das  ist  nord- 
westlich von  Brundisium.  Zur  Erklärung  der  Stelle  des  Strabo  VI,  281 ' 
8e6nep  ol  fiij  Sovdfievot  xpareev  t^c  euBuTtXoeag  xaratpouaiv  iv  dptarep^ 
ix  rou  2dffa>vog  Ttpög  rov  '  JTdpoüvra ,  ivreT/Bev  8ä  rpnjpi^aavrec  ^opov 
nveüfia  npoaij[ouat  roeg  fikv  Bpevreaeußv  Xtpiatv^  ixßdvTBg  dk  neCeuoum 
ffövropwrepoy  inl  *Podt(ov  nöXswg  'EXXi)v{8og^  i$  ^g  ^v  6  noei^riig  ^Ewtog 
wird  angenommen,  dafs  es  ein  zweites  Rudiae  in  der  Nähe  von  Brun- 
disium gab,  welche  hier  Strabo  als  die  Vaterstadt  des  Ennius  bezeichne. 

Ein  anderer  Abschnitt  des  Buches  (S.  209  —  214),  betitelt  Cenno 
storico  SU  Quinto  Ennio,  giebt  eine  kurze  Zusammenstellung  der  Nach- 
richten, welche  wir  über  des  Ennius  Leben  und  Schriften  aus  dem  Alter- 
tum haben. 

Weit  sorgfältiger  untersucht  dieselbe  Frage: 

Enrico  Gocchia,  la  patria  di  Ennio  (ed  il  nome  di  Plauto). 
Torino,  Loescher.  1884.  86  S.  Einzeln  erschienen  ans  Rivista  di 
filologia  ed  istruzione  classica  a.  XIII  fasc  1.  2.  Luglio,  Ottobre  1884. 
S.  1—18  enthält  die  Untersuchung  über  die  Geburtsstadt  des  Ennius. 

Der  Verfasser  kennt  nicht  nur  die  umfangreiche  italienische  Litte- 
ratur  des  XVI.  und  XVII.  Jahrhunderts,  sondern  ist  auch  mit  den  Stu- 
dien der  Deutschen  wohl  vertraut.    Der  Humanist  Antonio  de  Ferrariis, 


202  Enniiu. 

der  sich  von  der  Ortschaft  Oalatone,  wo  er  1444  geboren  wurde,  Galateo 
nannte,  vermutete,  dafs  Rudiae  in  der  Nähe  von  Lecce  liege,  wo  noch 
heutzutage  die  Ruinen  einer  alten  Stadt  sichtbar  sind,  eine  halbe  Meile 
Wegs  auf  der  Strafse,  welche  ans  der  porta  di  Rusce  von  Lecce  weg 
führt.  Dafs  diese  bei  Lecce  gelegene  Stadt  wirklich  Rudiae  hiefs,  be- 
stätigte sich  durch  Auffindung  einer  Inschrift  auf  der  Strafse  von  Lecce 
nach  Monterone,  welche  lautet  MVNICIPES  RVDIN.  und  die  sogleich 
die  Worte  des  Ennius  Nos  sumus  Romani  qui  fuimus  ante  Rudini 
in  Erinnerung  brachte.  Yergl.  Mommsen  Unteritalische  Dialekte  S.  58  f. 
Cocchia  tadelt,  dafs  Mommsen  zwei  Nachrichten  aus  dem  Altertum  als 
unbegründet  abweist,  die  Stelle  des  Mela  II»  4:  »post  Barium  Egna- 
tia  et  Ennio  cive  nobiles  Rudiae  et  iam  in  Calabria  Brun- 
disiumt  (vergl.  oben)  und  Plin.  III,  11:  »Paediculorum  oppida 
Rudiae  Egnatia  Bariumt.  Beide,  sagt  Cocchia,  setzen  Rudiae  zwi- 
schen Egnatia  und  Brundisium  in  Übereinstimmung  mit  Strabo.  Nur 
die  Stelle  des  Plinius,  welcher  Rudiae  dem  Gebiete  der  Peucetii  zuweist, 
habe  das  Urteil  mancher  Gelehrten  irre  geleitet.  Aber  die  Benennung 
Peucetii  sei  ebenso  dehnbar  und  in  ihren  Grenzen  ebensowenig  sicher 
gestellt  als  die  der  Calabri.  Da  Rudiae  an  der  Grenze  von  beiden  lag, 
konnte  es  ebensogut  zu  den  Peucetii  als  zu  den  Calabri  gerechnet  wer- 
den, wie  Horatius  von  sich  sagt  Lucanus  an  Apulus  anceps.  Nicht 
weit  von  Oria  auf  dem  Wege  von  Brundisium  nach  Tarent  weise  der 
Name  der  Ortschaft  Rusce  oder  Ruse  noch  auf  das  alte  Rudiae  hin. 
Auf  die  Umgegend  von  Tarent,  welche  gebirgig  ist,  zeige  auch  Ovidius 
(Calabris  in  montibus  ortus)  und  Silius  Italiens  (hispida  tellus), 
wie  man  noch  jetzt  die  Gegend  um  Tarent  la  montuosa  parte  della  pro- 
vincia  Leccese  heifse,  während  die  Gegend  um  Lecce,  Nardö  und  Gala- 
tone flach  ist.  Cocchia  citiert  fär  seine  Ansicht  auch  ältere  italienische 
Gelehrte  und  Geographen,  Girolamo  Colonna,  Ciego  di  Forli,  Leandro 
Alberti  u.  a.  Die  betreffenden  Worte  Forli's  lauten:  »Camminando  verso 
Tarento  otto  miglia  lontano  da  Oria  vedesi  sopra  il  coUe  il  nobile  casteUo 
Rudiale,  oggi  detto  Grottale.  Fu  edificato  questo  casteUo  dalle  rovine 
della  cittä  di  Rudia,  ed  h  soggetto  alla  chiesa  di  San  Cataldo.  Nacque 
ibi  Ennio.«  Damit  stimmt  die  Chronik  des  Eusebius,  welche  den  Ennius 
einen  Tarentiner  heifst  (Tarenti  nascitur).  Dem  Eusebius  war  es, 
wie  schon  Girolamo  Colonna  bemerkte,  nicht  unbekannt,  dafs  Rudiae  als 
des  Ennius  Vaterstadt  galt;  denn  er  erzählt  in  demselben  Werke,  einige 
behaupten,  die  Gebeine  des  Terentius  seien  nach  Rudiae  gebracht  wor- 
den. So  gelte  auch  Yirgilius,  der  aus  Andes  stammt,  als  Mantuaner, 
Boccaccio,  der  in  Certaldo  geboren  ist,  als  Florentiner  u.  ähnl.,  indem 
der  bekannte  gröfsere  Ort  statt  des  unbekannten  namhaft  gemacht  vnrd. 
Alle  Nachrichten  aus  dem  Altertum,  sagt  Cocchia,  stimmen  darin  ttber- 
ein,  dafs  Ennius  nicht  in  dem  bei  Lecce  gelegenen  Rudiae,  sondern  in 
dem  gleichnamigen  Orte  in  der  Nähe  Tarents  geboren  ist    In  Tarent 


Atellaoen.  203 

hat  er  vielleicht  die  ersten  Jahre  seines  Lebens  zugebracht  und  seine 
Bildung  gefunden,  in  dem  griechischen  Tarent  graecus  graeco  raore 
usus  (Fest  p.  298  M.).  Wenn  Gellius  XVII,  17  sage  quod  loqui 
graece  et  osce  et  latine  sciret,  so  sei  damit  wahrscheinlich  die 
Reihenfolge  bezeichnet,  in  welcher  der  Dichter  sich  die  dreifache  Kultur 
aneignete.  —  Die  besprochenen  örtlichkeiten  sind  durch  ein  beigegebenes 
Kärtchen  anschaulich  gemacht.  ^ 

In  der  Rivista  di  filologia  XY  fasc.  9.  10.  p.  489 — 497  kommt 
Gocchia  nochmals  auf  die  Frage  und  namentlich  auf  die  Auslegung  der 
Stelle  des  Strabo  zurück  und  bespricht  auch  kurz  die  das  gleiche  Thema 
behandelnden  Schriften  Franc.  Tamborrino,  lUustrazioni  al  problema 
suUa  patria  di  Ennio,  Ostuni  1884  und  Luigi  Mantegazza,  la  patria 
di  Ennio,  Bergamo  1886. 

A.  Palmer,  Observations  on  the  Fragments  of  tbe  Latin  Scenic 
Poets.    Hermathena  XY  p.  46 — 66. 

Unter  der  gröfseren  Zahl  von  Besserungsversuchen  zu  den  sceni- 
schen  Dichtern  befinden  sich  mehrere  von  vorzflglicher  Gflte.  So  vor 
allem  Ennius  v.  255:  pecudi  dare  uerba  marito  fllr  uiua  marito, 
Atil.  V.  4:  Cape  caede  aide  (für  Ude)  come  corde  nach  Caecil.  239 
dide  ac  disice.  Dafs  P.  zu  Afran.  v.  236  ein  dreisilbiges  fluctuatim 
verwirft  und  die  an  der  betreffenden  Yersstelle  unmögliche  Kttrzung 
manii  Naev.  com.  fr.  108:  EtlÄm  qui  res  magnÄs  manu  saepe 
g^ssit  gloriose  trotz  Ribbecks  und  Bttchelers  Gegenbehauptung  für 
unhaltbar  erklärt,  ist  ein  Beweis  von  der  Selbständigkeit  und  gediegenen 
Kenntnis,  welche  sich  der  Yerfasser  nur  durch  langjähriges  Studium  der 
scenischen  Dichter  erworben  haben  kann.  Enn.  trag.  22  ist  Palmer  mit 
dem  Yorschlag  Yahlens  in  dem  gleichzeitig  erschienenen  Ind.  lect.  hib. 
Berol.  1888/89  p.  3  zusammengetroffen.  Auf  Goi^'ekturen,  weiche  neben 
dem  Wortlaut  des^  Fragmentes  auch  noch  eine  Änderung  des  Lemmas 
nötig  machen,  unter  welchem  der  Grammatiker  die  Stelle  citiert,  wäre 
wegen  der  geringen  Wahrscheinlichkeit  derselben  besser  verzichtet  worden. 

Le  favole  Atellane,  studio  del  dott.   Raffaello   M  äff  ei.    Yola- 
terra  1886,  tipografia  Yolterrana.    31  S. 

[Recensiert:  Berl.  phil.  Wochenschr.  YII,  32/33  S.  997  —  98  von 
J.  Peters.] 

Mit  den  vier  Masken  der  Atellanen  Maccus  Bucco  Pappus  Dosse- 
nus  werden  die  italienischen  Masken  Arlecchino  Pantalone  Brighella 
Gianduia  in  Beziehung  gebracht.  In  welcher  Sprache  wurden  die  Atella- 
nen aufgeführt?  Strabo  sagt,  dafs  sie  die  oskische  Sprache  beibehielten, 
Livius  u.  a.,  dafs  die  Sprache  lateinisch  war.  Letzteres  findet  Maffei 
glaubwürdiger,  weil  die  Römer  im  allgemeinen  nicht  oskisch  verstanden 
hätten,  weshalb  Livius  X,  20  sage,  dafs  man  im  Jahre  456  von  Rom 


204  Sp&tere  Tragödien. 

Leute  abschickte  gnaros  oscae  lingnae  exploratum  quid  agatur. 
Dabei  sei  es  aber  doch  nicht  unmöglich,  dafs  Maccus  oskisch  sprach, 
die  anderen  lateinisch.  Aus  den  Antworten  der  übrigen  Personen  hätten 
die  Römer  den  Inhalt  des  oskisch  gesprochenen  verstehen  können.  Als 
ursprtlngliche  Heimat  der  Atellanen  wird  Kampanien  angenommen.  Zwar 
habe  Mommsen  mit  jener  »allen  Deutschen  gemeinsamen  Sucht  thberall 
Irrttlmer  zu  findeilt  sie  fQr  Latium  in  Anspruch  genommen,  aber  man 
mtlsse  mehr  dem  Vater  der  Geschichte  Livius  glauben,  welcher  ausdrück- 
lich berichte,  dafs  sie  aus  Kampagnien  nach  Rom  gekommen.  Die 
Lebenszeit  des  Atellanendichters  Novius  wird  in  Übereinstimmung  mit 
Yelleius  nach  der  des  Pomponius  angesetzt.  Schliefslich  sucht  Maffei 
die  Gründe  darzulegen,  warum  die  Atellanen  sich  nicht  weiter  entwickel- 
ten und  zuletzt  ganz  verschwanden.  —  Die  lateinischen  Citate  des  Schrift- 
chens sind  durch  eine  grofse  Anzahl  von  Druckfehlem  entstellt. 

L.  Brunei,  De  tragoedia  apud  Romanos  circa  principatum  Augusti 
corrupta.    Diss.  Paris,  Hachette  1884.    115  S. 

[Recensiert:  Berl.  phil.  Wochenschr.  V,  7  S.  204 — 5  von  A. Riese.] 

Zum  Ausgangspunkt  dient  dem  Verfasser  das  Urteil  des  Velleius: 
nisi  aspera  ac  rudia  repetas  et  inventi  landanda  nomine,  in 
Attio  circaque  eum  romana  tragoedia  est.  Dafs  uns  aufser 
Seneca  nichts  vollständiges  erhalten  ist,  sei  ein  Zeichen,  wie  geringen 
Wert  die  anderen  Tragödien  besafsen  und  wie  wenig  sie  beliebt  waren. 
Nur  die  alte  Tragödie  sei  vom  Beifall  des  Volkes  getragen  gewesen  und 
habe  sich  darum  kräftig  entwickelt,  später  sei  das  Volk  gleichgiltig  ge- 
worden und  habe  sich  lieber  roheren  Schaustellungen  (s.  Terent.  prol. 
Hec.  u.  Horat  epist.  II,  1,  182)  zugewendet.  Für  diese  Auffassung  schei- 
nen mir  jedoch  die  bestimmten  Beweise  zu  fehlen.  Wohl  haben  wir  nur 
aus  der  späteren  Zeit  derartige  Klagen  von  Dichtern  und  Schriftstellern 
über  geringe  Teilnahme  des  Publikums,  aber  wenn  wir  aus  der  alten  Zeit 
Nachrichten  darüber  hätten,  würden  sie  wahrscheinlich  auch  nicht  anders 
lauten.  Auch  einen  anderen  Schlufs  möchte  ich  in  seiner  Allgemeinheit 
nicht  gelten  lassen.  Da  Cicero  häufig  Stellen  aus  Tragödien  citiert, 
welche  beim  Volke  grofsen  Beifall  fanden,  weil  sie  als  politische  oder 
persönliche  Anspielungen  gefafst  werden  konnten,  wird  angenommen,  dafs 
sich  das  Volk  zu  Ciceros  Zeit  für  solche  Dinge  weit  mehr  interessierte 
als  für  die  Tragödie  selbst.  Man  darf  bei  Citaten  nie  vergessen,  zu 
welchem  Zweck  sie  gebraucht  werden.  Über  die  Teilnahme  des  Publi- 
kums an  dem  Inhalt  der  Tragödie  zu  sprechen  hatte  Cicero  keine  Ver- 
anlassung. Aus  seinem  Schweigen  ist  noch  nicht  sicher  auf  das  Gegen- 
teil zu  schliefsen. 

Der  Verfasser  schildert  nun,  wie  die  Römer  die  griechische  Tra- 
gödie eigenartig  behandeln,  für  den  Vortrag  der  Cantica  Neuerungen 
einführen,  wie  das  musikalische  Element  allmählich  zur  alleinigen  Geltung 


Za  Seneca.  205 

kommt,  Citharöde  und  Schauspieler  eine  Person  wird  und  der  scenische 
Apparat  überwuchert.  Von  den  Tragödiendichtern  zur  Zeit  der  Barger- 
kriege und  der  Regierung  des  Augustus  wird  eingehend  gehandelt  und 
die  Vorschriften  des  Horatius  in  der  Ars  poetica  genau  durchgenommen. 
Dabei  fehlt  es  nicht  an  einzelnen  Bemerkungen,  welche  von  dem  selb- 
ständigen Urteil  des  Verfassers  zeugen.  So  z.  B.:  Wenn  Horatius  vor 
Oberschätzung  der  alten  Dichter  warne,  so  thue  er  dieses,  um  seiner 
und  seiner  Zeitgenossen  Dichtung  den  Eingang  zu  bahnen.  Die  an  sich 
auffällige  Erörterung  ttber  das  Satyrdrama  habe  Horatius  eingefügt,  weil 
er  den  Römern,  die  nie  ein  Satyrdrama  hatten,  empfehlen  wollte,  statt 
der  Atellanen  das  Satyrdrama  nach  griechischem  Muster  einzuführen. 
Die  Kapitel  De  tragica  saltatione  ac  de  salticis  fabulis,  de  tragoediarum 
cantoribus,  de  citharoedis,  de  Pomponio  Secundo,  de  tragoediarum  reci- 
tatoribus  enthalten  interessante  Schilderungen.  Das  recitierte  Drama 
wird  als  das  Verderben  und  zugleich  als  die  letzte  Stütze  der  römischen 
Tragödie  bezeichnet;  denn  dadurch  sei  ihr  in  späterer  Zeit  noch  eine, 
wenn  auch  einseitige  Pflege  zu  teil  geworden. 

Karl  Meiser,  Über  historische  Dramen  der  Römer.    Bay.  Akad. 
d.  W.  1887.    Festrede.    42  S. 

Von  den  historischen  Dramen  der  Römer  haben  wir  im  Vergleich 
zu  den  Bearbeitungen  griechischer  Stücke  nur  über  wenige  Kunde.  M. 
nimmt  an,  dafs  ihre  Zahl  nicht  unbedeutend  war,  da  sich  in  der  Ge- 
schichte der  Römer  eine  reiche  Fülle  von  passenden  Stoffien  den  Dichtern 
darbot.  Spuren  derselben  findet  er  in  den  Werken  der  Geschichtschrei- 
ber und  löst  aus  Livius  und  Plutarch  mit  Geschick  eine  Anzahl  von 
Schilderungen  heraus,  bei  welchen  die  Benutzung  historisch-dramatischer 
Poesie  grofse  Wahrscheinlichkeit  hat. 

Von  Otto  Ribbecks  Geschichte  der  Römischen  Dichtung,  Stutt- 
gart, Cotta,  wird  der  erste  Band,  die  Dichtung  der  Republik  enthaltend 
(1887)  zugleich  mit  dem  zweiten  Bande  (1889)  besprochen  werden. 

Zu  Seneca. 

Karl  Schulte,  Bemerkungen  zur  Seneca- Tragödie.    Progr.  des 
Gymnasium  Dionysianum  zu  Rheine,  1886/86.   9  S. 

[Recensiert:   Wochenschr.  f.  Ph.  IV,  29/30  S.  916—18  von  L, 
Tachau.j 

Der  Verfasser  sieht  in  der  Seneca-Tragödie  eine  Fortsetzung  der 
alten  römischen  Tragödie  mit  allen  ihren  aus  dem  Volksgeist  entsprun- 
genen Eigentümlichkeiten.  Eine  naheliegende  Vergleichung  mit  den  ent^ 
sprechenden  griechischen  Dramen  habe  manches  einseitige  und  ungerechte 
Urteil  über  Seneca  herbeigeführt  und  die  mannigfachen  eigentümlichen 


206  Zo  Beneea. 

Schönheiten  dieser  Tragödie  übersehen  lassen.  Als  solche  werden  be* 
zeichnet:  eine  wohlthnende  Wärme  der  Gef&hlsäufserang,  eine  wenn  aach 
mitunter  überladene  und  schwülstige,  doch  im  ganzen  edle  Sprache  Yon 
oft  hinreifsender  Gewalt,  die  eindringendste  Darstellung  geheimer  Seelen- 
vorgänge, aus  denen  die  Stimmungen  und  Leidenschaften  der  handelnden 
Personen  sich  erzeugen,  endlich  ein  Dialog,  der  nicht,  wie  yielfiich  der 
griechische,  auf  Spitzfindigkeiten  ausgeht  oder  sich  auf  Gemeinplätzen 
bewegt,  sondern  der  seine  Motive  der  reichsten  Lebenserfahrung  und  der 
genauesten  Beobachtung  und  Kenntnis  der  Menschennatur  entnimmt, 
Eigenschaften,  welche  ftlr  den  Unbefangenen  die  Lektüre  dieser  Tragö- 
dien noch  heute  anziehend  und  genufsreich  mache.  Der  speciell  römi- 
sche Charakter  sei  es,  der  in  diesen  Werken  unbewufst  zum  Ausdruck 
komme.  —  An  diese  allgemeinen  Erörterungen  schliefst  sich  eine  Analy- 
siemng  der  Tragödie  Thyestes,  von  welcher  gezeigt  wird,  dafs  Seneca 
mit  seinen  Motiven  nicht  erreichte  noch  erreichen  konnte,  was  er  wollte. 

Hermann  Bill,  Eine  Infinitivstudie  mit  Nachweisen  über  den 
Infinitiv  bei  Seneca  tragicus.  Progr.  d.  k.  k.  Gymnas.  in  Mähr.  Weifs- 
kirchen für  1886/87.     Verhig  des  Gymnas.     32  S. 

[Recensiert:  Zeitschr.  f.  österr.  Gymn.  XXXIV  4,  S.  877—78.]» 

Der  erste  Teil  (S.  8 — 21)  handelt  im  allgemeinen  vom  Infinitiv  und 
gehört  als  solcher  in  das  Gebiet  der  lat.  Grammatik.    Im  zweiten  (S.  21 
bis  82)  untersucht  der  Verfasser  den  Gebrauch  des  Infinitivs  bei  Seneca 
und  giebt  eine  Stellensammlung  nach  folgenden  Gesichtspunkten: 
I.   Der  Infinitiv  als  Beziehungssatz: 
nach  Verba  der  Bewegung; 
nach  Verba  causativa; 

nach  Verba  auxiliaria,   geschieden  nach  den  Begriffen    des 
Könnens,  Dürfens,  Soliens,  Vermögens,  Wissens,  Müssens 
und  Wollens. 
Infinitiv  abhängig  von  Participien  und  A(](jektiven. 
Infinitiv  abhängig  von  Sätzen,  die  mit  einem  abstrakten  Sub- 
stantiv gebildet  sind. 
Infinitiv  bei  impersonalen  Verben. 

Infinitiv  nach  Sätzen  mit  dem  Neutrum  eines  Adjektivs  oder 
dem   gleichwertigen  Genetivus   possessivus   einer  Person 
mit  est. 
Absoluter  Gebrauch  des  Infinitivs. 
IL   Der  substantivische  Gebrauch  des  Infinitivs. 
Inf.  als  Apposition  zum  Subjekt. 
Inf.  als  Apposition  des  Accusativ-Objekts. 
III.   Accus,  cum  infinitivo  nach  den  Verba  sentiendi  und  declarandi. 
Verba  des  Affektes,  des  Wollens  und  NichtwoUens ,  welche 
den  Accus,  cum  inf  zu  sich  nehmen. 


Zq  S«D«€a.  207 

Accus,  cum  inf.  nach  abstrakten  Substantiven  mit  est. 
Yerba  Impersonalia  mit  dem  Acc.  cum  inf. 
Neutrale  Adjektive  mit  est. 
IV.   Ber  Nominativ  cum  Infinitive. 

Ein  Schlufsparagraph  bespricht  den  Gebrauch  des  Infinitivs  in  der 
Tragödie  Oktavia,  worüber  das  zusammenfassende  Urteil  des  Verfassers 
lautet:  »Obwohl  der  Gebrauch  des  Infinitivs  in  der  Oktavia  keine  auf- 
fallenden Abweichungen  von  dem  gewöhnlichen,  auch  bei  Seneca  beliebten 
Gebrauche  zeigt,  so  gewährt  doch  eine  eingehendere  Beachtung  der  be- 
zflglichen  Construktionen  die  Einsicht,  dafs  hier  schülerhafte,  oft  mecha- 
nisch angewandte  Reminiscenzen,  zumeist  aus  Senecas  Tragödien  ge- 
schöpft, vorliegen,  während  von  originalen  Wendungen  keine  Rede 
sein  kann.« 

Kritische  Bemerkungen  finden  sich  zu  zwei  Stehen,  S.  28  zu  Troad. 
729  und  S.  26  f.  zu  Phoen.  100.  Letzterer  Vers,  von  Peiper  umgestellt, 
von  Leo  getilgt,  wird  mit  Recht  gegen  alle  Angriffe  in  Schutz  genommen 
und  richtig  erklärt. 

Richard  M.  Smith,  De  arte  rhetorica  in  L.  A.  Senecae  tragoediis 
perspicua.    Diss.  Lips.  1886.    Fock.     122  p. 

[Recensiert:  Wochenschr.  f.  Phil.  III,  4  S.  105—8  von  L.  Tachau.] 

Die  hübsch  ausgestattete  Dissertation  veranschaulicht  gut,  wie  sehr 
die  Redeweise  des  Seneca  rhetorisch  gefärbt  ist,  indem  die  Stellen  vor- 
geführt werden,  an  welchen  rhetorische  Schilderungen,  Sentenzen,  Satz- 
und  Wortfiguren  und  andere  Eunstmittel  der  Rhetorik  angewendet  sind. 

Der  lateinische  Stil  der  Abhandlung  ist  nicht  besser  und  nicht 
schlechter  als  in  den  meisten  Doktordissertationen,  d.  h.  er  ist  nicht  frei 
von  einzelnen  unlateinischen  Wendungen,  z.  B.  Merguetii  lexicon  ad 
hunc  finem  adhibui.    Finis  heifst  das  Ende,  nicht  der  Zweck. 

H.  M.  B.  Ter  Haar  Romeny,  De  auctore  tragoediarum  quae  sub 
Senecae  nomine  feruntur  Vergilii  imitatore.  Diss.  Lugd.  1887.  Dote- 
comiae  apud  Misset  fratres.    96  p. 

In  seiner,  uxori  coniunctissimae  gewidmeten  Schrift  bringt  der  Ver- 
fasser zuerst  eine  Anzahl  Stellen  bei,  in  welchen  dem  Seneca  »oder  wer 
sonst  diese  Tragödien  gedichtet  hat«  die  älteren  lateinischen  Tragiker 
und  anderseits  Ovidius  zum  Vorbild  gedient  hat,  und  geht  dann  auf  sein 
Hauptthema,  die  Nachbildung  des  Vergilius,  über.  Die  mit  Vergilius 
übereinstimmenden  Erzählungen  sind  bei  Seneca  in  der  Regel  mit  eige- 
nen Zuthaten  noch  mehr  rhetorisch  ausgeschmückt,  die  Gleichnisse  etwas 
abgeändert,  auch  wohl  zwei  mit  einander  verbunden,  an  anderen  Stellen 
sind  bekannte  Wendungen  aus  den  verschiedenen  Gedichten  Vergils  ent- 
nommen, Epitheta  gebraucht,  die  sich  nur  bei  Vergilius  finden,  u.  a.   Mit 


208  Za  Seneca. 

Recht  bemerkt  jedoch  der  Verf.,  dafs  keineswegs  alle  Stellen,  welche 
eine  Ähnlichkeit  aufweisen,  auf  absichtliche  Nachahmung  znrückzuftlhren 
sind,  da  Lekttlre  und  Erklärung  des  Vergilius  in  den  Schulen  der  Gram- 
matiker und  Rhetoren  einen  hervorragenden  Platz  einnahmen  und  so  gar 
vieles  aus  seinen  Gedichten  unbewufst  in  die  Werke  der  späteren  Dichter 
und  Prosaiker  überging. 

In  einem  Anhang  sind  einige  Eoi^'ekturen  und  kritische  Bemer- 
kungen zu  einzelnen  Stellen  beigegeben 

Rudoiphus  Werner,  De  L.  Annaei  Senecac  Hercule  Troadibus 
Phoenissis  quaestiones.     Diss.  Lips.    1888.  58  S. 

I.  De  Hercule  Annaeana.  Zuerst  wird  tlber  den  Mythus,  dann 
über  die  Komposition  des  Stückes  gehandelt,  wobei  die  Vorzüge  der  Tra- 
gödie ins  Licht  gesetzt  werden,  dann  die  ähnlichen  Stellen  aus  Euripides 
beigezogen.  Was  letzteres  betrifft,  so  erweckt  Werners  erste  Ankündi- 
gung und  sein  Urteil  über  seinen  Vorgänger  Leo,  welcher  in  seiner  Aus- 
gabe I  S.  160 ff.  dasselbe  Thema  behandelt,  zu  grofse  Erwartungen: 
»quoniam  (Leo)  attigit  magis  materiam  quam  exhausit,  de  integro  nunc 
. .  investigare  constituimusc.  Bescheidener  und  richtiger  heifst  es  p.  16: 
magnam  locorum  messem  Leo  nobis  praeripuit,  ut  nihil  fere  nisi  spici- 
legium  reliquum  sit. 

II.  De  Troadibus  Annaeana.  Untersuchung  über  die  Quellen, 
welche  der  römische  Dichter  benutzte;  vorher  behandelt  von  Braun 
und  Leo.  Werner  bringt  mehrere  neue  Stellen  aus  Euripides  bei,  be- 
sonders aus  der  Hecuba,  doch  möchte  ich  nicht  bei  allen  für  ausgemacht 
halten,  dafs  wirkliche  Nachahmung  vorliegt.  Die  Bedenken,  welche  die 
Komposition  des  Stückes  bietet,  suchte  Swoboda  in  seiner  Übersetzung 
(Wien  1830)  dadurch  zu  beseitigen  und  zu  erklären,  dafs  er  annahm, 
die  erhaltene  Tragödie  sei  eine  Zusammensetzung  aus  zwei  Stücken  von 
zwei  verschiedenen  Dichtern.  Werner  vermutet,  dafs  wir  den  Entwurf, 
welchen  Seneca  zu  der  Tragödie  machte,  vor  uns  haben. 

III.  De  Phoenissis  Annaeana.  Die  eigentümliche  Gestalt  dieser 
Tragödie,  welche  keinen  Chor  enthält  und  deren  Teile  unter  einander 
nicht  zusammenhängen,  hat  verschiedene  Erklärungsversuche  hervorge- 
rufen. W.  zeigt,  dafs  sich  eine  Anzahl  von  Gedanken  zweimal  und 
öfter  vorfindet,  zuerst  kurz,  dann  weiter  ausgeführt  und  ausgeschmückt, 
und  schliefst  hieraus,  sowie  aus  der  nnzusammenhängenden  und  nach- 
lässigen Art  der  Komposition,  dafs  der  Dichter  dieses  Werk  nicht  vollen- 
dete. Aus  dem  Mangel  an  Verbindung  der  einzelnen  Scenen  könne  man 
noch  nicht  schliefsen,  dafs  sie  zwei  verschiedenen  Tragödien  angehören, 
der  Dichter  könne  auch  einzelne  Situationen  verschieden  ausgeführt 
haben,  um  später  das  besser  Gelungene  zu  behalten  und  das  Geringere 
auszuscheiden. 

Von  den  beigegebenen  drei  Exkursen  bespricht  der  erste  die  Be- 


Zu  Seneca.  209 

deutung  des  von  Doratus  zu  Ter.  Adelph.  ni,  1,  8  gebrauchten  techni- 
schen Ausdruckes  Ttapexraat^ ^  der  zweite,  de  exodis  quibusdam  Euripi- 
deis,  richtet  sich  gegen  Behauptungen  R.  Arnoidts  »die  chorische  Tech- 
nik des  Euripidesc  Ober  die  Exodos  des  Euripides,  der  dritte  verteidigt 
an  einigen  Stellen  die  handschriftliche  Lesart  gegen  die  Änderungen  der 
Herausgeber. 

Alfredus  Pais,  Quibus  exemplaribus  Seneca  in  fabula  quam 
Troadas  inscripsit  usus  sit.  Turin,  Löscher  1888.  15  S.  Aus  Rivista 
di  filologia  XVI  fasc.  7—8  Genn.  Febbr.  1888. 

In  der  kleinen  Abhandlung  fahrt  der  Verfasser  zunächst  solche 
Stellen  der  Troades  des  Seneca  vor,  in  welchem  ihm  W.Braun,  de 
Senecae  fabula  quae  inscribitur  Troades  und  A.  Widal,  6tudes  sur 
trois  trag6dies  de  Sön^que  imit^es  d'Euripides,  Paris  1864  und  F.  Leo 
in  seiner  Ausgabe  des  Seneca,  namentlich  ersterer,  mit  unrecht  eine 
Nachahmung  griechischer  Originale  angenommen  zu  haben  scheinen,  und 
sucht  dann  zu  beweisen,  dafs  Seneca,  was  er  in  diesem  Sttlcke  anders- 
woher entlehnte,  beigefügt  hat,  um  die  Handlung  des  Euripideischen 
Stückes  zu  erweitern,  sowie  dafs  er  die  Chöre  mit  Kunst  und  Selbstän- 
digkeit behandelte. 

L.  Tachau,'  Zu  Senecas  Tragödien.  Philologus  XLVI,  2  (1888) 
S.  878-81. 

In  seiner  Ausgabe  des  Seneca  kam  Leo  (Bd.  I  S.  48 ff.)  zu  dem 
Schlufs,  dafs  die  Tragödie  Hercules  Oetaeus  erst  von  Vers  706  an  das 
Werk  eines  Nachdichters  sei,  der  erste  Teil  des  Stückes  dagegen  keine 
Spuren  der  Unechtheit  an  sich  trage.  Tachau  spricht  auch  das  Ghor- 
lied  104 — 172  dem  Seneca  ab,  weil  es  fast  keinen  einzigen  selbständigen 
Gedanken  enthalte,  sondern  zum  gröfsten  Teil  aus  anderen  Tragödien 
Senecas  zusammengestoppelt  sei. 

Eine  Übersetzung  des  Seneca  trag,  in  die  ungarische  Sprache  lieferte 

J.  Kont,  herausgeg.  von  der  Ung.  Akad.  d.  W.  Budapest,  1884. 
112  S. 

[Recensiert:  Egyetemes  phil.  Közlöny  1885  No.  4  p.  282 — 88  von 
K.  Pozder.] 


Jahresbericht  (ur  Altertumswissenschaft.   LXVm.Bd.  (1891  H).  14 


Bericht  über  die  Litteratur  zu  Phaedras  and 

Avianus  seit  1889. 


Von 

Oberlehrer  Dr.  H.  Draheim 

in  Berlin. 


Was  wir  auf  dem  Gebiete  der  römischen  Fabeldichtiing  za  erw&hnen 
haben,  schliefst  sich  eng  an  das  Ergebnis  der  vorangehenden  Jahre  (s. 
diese  Jahresberichte  LIX  1889,  II  S.  107—121),  indem  wir  zn  Ellis* 
Avian  noch  Nachklänge  vernehmen.  Wir  haben  daher  erst  diese  Stimmen 
zu  verzeichnen  und  dann  von  der  Kritik  des  Phaedrus  zu  sprechen. 

K.  Schenkl  (Wien)  in  'Zeitschrift  f&r  die  Österreichischen  Gym- 
nasien' XL  (1889)  S.  616-618. 

0.  Grusius  (Tübingen)  in ' Fleckeisens  Jahrbttchem  für  Philologie' 
139  (1889)  S.  641—666. 

Herr  Schenkl  lobt  Ellis'  Avian,  insbesondere  auch  den  Kommentar 
und  den  Index,  er  wünscht  jedoch  für  die  Herstellung  des  Textes  einen 
Vergleich  mit  den  Apologi  Aviani,  aufserdem  aber,  dafs  endlich  eine  ein- 
gehende Yergleichung  mit  Babrios  vorgenommen  werde  und  dafs  Sprache 
und  Stil  im  Zusammenhange  untersucht  werden,  um  eine  Grundlage  für 
die  Kritik  zu  gewinnen.  Ref.  fügt  diesem  Wunsche  den  anderen  hin^u, 
dafs  dieses  Werk  einem  Deutschen  gelingen  möchte!  Indem  Schenkl 
annimmt,  dafs  Avian  den  Babrios  benutzte,  ist  er  geneigt  die  Worte  der 
Vorrede  *rudi  Latinitate  compositas'  auf  Avians  eigene  Distichen  zu  be- 
ziehen, abweichend  von  Grusius,  der  darin  die  Bezeichnung  einer  latei- 
nischen Prosaparaphrase  vermutet.  Die  übrigen  kritischen  Bemerkungen 
Schenkl^s  erwähnen  wir  in  Verbindung  mit  den  Beiträgen  von  Grusius, 
zu  dessen  Anzeige  wir  uns  zunächst  zu  wenden  haben. 

Herr  Grusius  tadelt  in  ähnlicher  Weise  wie  Ref.  (a.  a.  0.  S.  117) 
den  Berliner  Kritiker  und  verteidigt  Ellis  gegen  dessen  Vorwürfe,  dafs 
er  wichtiges  und  unwichtiges  zu  wenig  geschieden,  den  Text  schlecht 
erklärt,  unbrauchbare  grammatische  Anmerkungen  gemacht  habe  und  an 
eine  Würdigung  des  Dichters  nicht  herangegangen  sei 


Übersicht  der  Bemerkungen  sn  Atüui.  211 

Ohne  die  Fehler  and  den  Mangel  an  Vollendung  zn  verkennen  lobt 
Crnsius  die  Selbständigkeit  der  Erklärung,  bemerkt  aber,  dafs  Ellis 
grOfseren  Wert  auf  die  Untersuchung  der  Handschriften  hätte  legen 
sollen  um  mit  dieser  Darstellung  die  Prolegomena  zu  beginnen,  statt  zu 
beschliefsen.  Auch  vermifst  er  eine  flbersichtliche  Yergleichung  des 
Avian  mit  Babrios.  In  diesem  sieht  Ellis  die  Quelle  Avians,  während 
Grusius  daran  festhält,  dafs  eine  Yermittelung  durch  Titians  Prosa-Para- 
phrase zu  vermuten  ist.  Insbesondere  werden  die  ungenauen  Verweisun- 
gen auf  Halms  Aesop  berichtigt.  Grusius  hält  auch  die  von  Ellis  ange- 
zweifelten Fabeln  23,  85  und  88  fQr  echt.  Von  Ellis  Emendationen 
lobt  er  ' emonuisse '  (3,  6),  'cingula*  (7,  14),  'per  inseptum'  (9,  6)  und 
'sie  ut'  (22,  15). 

Übersicht  der  Bemerkungen   zu  Avian. 

Praef.  9  (Lehm)  'legenda'  will  Schenkl  beibehalten. 

1,  9  'referis'  ffXr  'refers'  meint  Schenkl  Avian  zutrauen  zu  dürfen. 

Fab.  2  ist  nicht  unmittelbar  aus  Babrios  entnommen.    Crusius. 

ib.  10.    Grusius  hält  'occidit'  für  das  richtige,  nicht  'excidit'. 

4,  1  'ad  sidera'  bezeichnet  nach  Grusius  nicht  das  Tribunal  der 
Sterne,  sondern  ist  örtlich  zu  verstehen. 

Fab.  5  vom  Esel  im  Löwenfell  weicht,  wie  Grusius  zeigt,  wesent- 
lich ab  von  Aes.  388. 

8,  5  'auras'  ist  nach  Schenkl  gegen  'aras'  festzuhalten,  wegen  Aes. 
184.  Grusius  erklärt  Msse  per  auras*  von  dem  geflflgelten  Kamel  der 
Fabel  und  zeigt,  dafs  dem  Avian  nicht  Julians  Misopogon,  sondern  dessen 
Original,  Babrios  Fab.  78  zugrunde  liegt 

16,  9  'necdum  consistere'  findet  Schenkl  verständlich, 
ib.  17  'offendit*  hält  Schenkl  aufrecht. 

17,  2  Fröhners  Vermutung  '  trepidas'  hält  Schenkl  nicht  fQr  wahr- 
scheinlich. 

ib.  11.  Die  Besserung  der  verdorbenen  Stelle  mufs  nach  Schenkl 
ausgehen  von  'dum  quis  ille'. 

21,  5  'credula*  erklärt  Schenkl  passivisch  'cui  facile  creditur'. 

Fab.  28  fühlt  Grusius  auf  Bahr.  30  zurück,  indem  er  bezweifelt, 
dafs  Aes.  55  zugrunde  liegt 

24,  8  'affirmans  se'  fieri  hält  Schenkl  fflr  richtig. 

Fab.  25  stammt  nach  Grusius  nicht  aus  dem  Philogelos,  sondern 
aus  Aes.  45  =  Bahr.  145  (Ebb.). 

Fab.  80.    Grusius  findet  Zttge  aus  Bahr.  95  und  Aes.  182. 

ib.  11 'cor  in  der  Bedeutung'  Herz  und  Verstand*  ist  nach  Grusius 
auch  griechische  Auffassung,  nicht  —  wie  Ellis  meint  —  nur  römische. 

Fab.  32  läfst  nach  Grusius  einen  Zusammenhang  zwischen  Babrios 
und  den  Sprichwörtersammlungen  vermuten. 

14* 


212  Zu  ATian. 

ib.  3  *fni8traqne'  will  Sehenkl  gelten  lassen,  der  ftberlianpt  an  der 
Metrik  und  dem  Ausdnicke  Avians  nicht  glaubt  Anstofs  nehmen  zu  mttssen. 

Fab.  34,  17  'mi'  ist  nach  Sehenkl  durch  den  Gegensatz  zu  *tibi* 
gefordert,  daher  die  Änderung  'en'  unrichtig. 

Fab.  88  hängt  nach  Grusius  vielleicht  mit  Bahr.  6  zusammen. 

ib.  6  *  salibus '  will  Grusius  beibehalten,  da  es  vortrefflichen  Sinn  gibt. 

Fab.  40  hftlt  Grusius  fbr  kontaminiert  aus  Bahr.  101  und  137  Ebb. 

Fab.  41  lllhrt  Grusius  auf  Bahr.  135  Ebb.  zur&ck. 

ib.  1 6  meint  Grusius  an  der  Richtigkeit  der  Worte  ansa  phare- 
tratis  nubibus'  nach  EUis  gelehrter  Erklftrung  nicht  zweifeln  zu  dürfen. 

Fab.  42  stammt  nach  Grusius  nicht  aus  Aes.  273,  sondern  aus 
Babr.  132  Rthf. 


Nicht  unwichtig  für  Avian  ist  folgende  Arbeit: 

6.  Eskuche  (Gassei),  Die  Elisionen  in  den  zwei  letzten  Fflfsen 
des  lateinischen  Hexameters,  von  Ennius  bis  Walahfridus  Strabo,  in 
'Rheinisches  Museum'  XLV  (1890),  S.  236—264. 

Herr  Eskuche  hat  in  seiner  umfassenden  Arbeit,  in  welcher  auch 
Avian  nicht  vergessen  ist,  nachgewiesen,  dafs  dieser  gleich  vielen  anderen 
römischen  Dichtern  die  Elision  nach  der  fünften  Hebung  ganz  vermeidet 
(S.  247),  ebenso  auch  die  Elision  nach  dem  fünften  Trocbaeus  (S.  264). 
Dieses  Ergebnis  dient  dazu,  Avian  im  Zusammenhange  mit  einer  ganzen 
Litteratur  zu  würdigen,  wenn  es  sich  auch  nur  auf  einen  geringen  Teil 
seiner  Poetik  bezieht. 

Den  Übergang  von  Avian  zu  Phaedrus  bilde  ein  Buch  von  grofser 
Gelehrsamkeit,  in  welchem  auf  beide  Bezug  genommen  wird,  auf  Avian 
viermal,  auf  Phaedrus  zwölfmal: 

Egbert's  von  Lttttich  Fecunda  ratis.  Zum  ersten  Male  heraus- 
gegeben, auf  ihre  Quellen  zurückgeführt  und  erklärt  von  Ernst  Voigt. 
Halle,  Niemeyer  1889.   LXVI  u.  273  S.    8. 

Dieses  Buch  stellt  den  Lebensgang  des  alten  Schulmeisters  Egbert 
(in  Lüttich  c.  1020)  dar  und  gibt  Text  und  Erkl&rung  seiner  Sentenzen- 
sammlung. Leider  ist  das  Ergebnis  für  uns  ein  überwiegend  negatives. 
Zu  I  92  wird  auf  Av.  27  verwiesen,  ohne  dafs  eine  Beziehung  vorhanden 
ist;  zu  I  146  werden  wir  ebenso  auf  Av.  32  hingewiesen,  dasselbe  gilt 
von  I  281  und  1  811,  während  die  betreffenden  Dinge  —  Hund  mit  der 
Glocke  und  Esel  in  der  Löwenhaut  —  ebenso  gut  allgemein  bekannt 
oder  einer  anderen  Quelle  entnommen  sein  konnten. 

Wir  können  also  auf  Grund  dieser  Vergleiche  nicht  sagen,  dafs 
Avian  dem  Egbert  bekannt  war.  Das  gleiche  gilt  von  Phaedrus:  nirgend 
liegt  eine  Nötigung  vor   auf  diesen  zurückzugehen  weder  im  Wortlaut 


J.  Hartman,  De  Phaedri  fabolis.  213 

noch  im  Inhalt :  vielmehr  kann  der  Inhalt  sämtlicher  Sentenzen  dem  Ro- 
mains entnommen  sein.  Ich  setze  die  Stellen  aus  Egbert  mit  Bezeich- 
nung der  Phaedrusstelle  her,  wobei  noch  herrorzuheben  ist,  dafs  die 
Zitate  vielfach  ungenau  sind. 

Egb.  I,  1    -    Phaedr.  App.  I  3  (vielmehr  Fab.  nov.  17); 

Egb.  I,  50  —  Ph.  Ap.  11  (L.  Müller  9); 

Egb.  I  201  —  Ph.  I  9  (mufs  heifsen  I  19); 

Egb.  I  886  und  605  —  Ph.  IV,  2; 

Egb.  I  488  -  Ph.  IV  18  (Riese  IV  19,  L.  Müller  IV  20.    Im  Texte 
steht  'obliqua',  in  der  Anmerkung  *antiqua'); 

Egb.  I  669  —  Ph.  IV  12; 

Egb.  I  1097  —  Ph.  IV  22  (mufs  heifsen  23.  L.  Müller  24); 

Egb.  I  1109  —  Ph.  App.  21; 

Egb.  I  1311  —  Ph.  App.  II  30. 

Egb.  I  1840  —  Ph.  App.  II  26. 

Gegenüber  diesen  nicht  stichhaltigen  Hinweisungen  hat  es  wenig 
zu  bedeuten,  dafs  I  1018 

Gaudebat  super  invento  sat  pectine  calvus; 
Quam  melior  foret  inventus  sibi  pilleus  unus, 
Calvitiam  unde  suam  recrearet  sole  geluque 
allenfalls  aus  Ph.  V  6  hergeleitet  werden  kann,  und  dafs  I  887 
Uncinus  in  silvis  oritur  silvae  spoüatur, 
Pomorum  arguitur  frugumque  et  predo  parentum 
zu  Riese  delect.  XII  Homo  et  arbores  zu  passen  scheint,  was  übrigens 
Hr.  Voigt  nicht  erwähnt.    Wir  können  also  nicht  sagen,  dafs  Egbert's 
Bekanntschaft  mit  Phaedrus  erwiesen  ist. 

Zu  Phaedrus  liegen  manigfache  Arbeiten  vor.  Im  Vordergrunde  steht: 

J.  Hartman,  De  Phaedri  fabulis  commentatio.    Lugduni  Ba- 
tavomm,  van  Doesburgh  1890.    (Leipzig,  Harrassowitz.)    124  S.   8. 

Besprechungen: 

1)  S.  Herzog  (Stuttgart)  in  Wochenschrift  für  klassische  Phi- 
lologie 1891  S.  377-379, 

2)  L.  Müller  (St.  Petersburg)  in  Berliner  philologische  Wochen- 
schrift 1890  S.  1300-  1305, 

£mile  Thomas  in  Revue  critique  1890  II  45  S.  304-306. 

Hartman,  ein  Schüler  Cobets,  bietet  uns  in  seinem  anmutenden 
Buche  eine  wesentlich  auf  den  Inhalt  gerichtete  kritische  Würdigung  des 
'  Phaedrus',  die  insofern  erschöpfend  genannt  werden  kann,  als  sie  das 
Ergebnis  echten  philologischen  Studiums  ist  und  ein  abgeschlossenes  Bild 
der  Phaedrusforschung  des  Verfassers  gewährt.  Über  den  Unterschied 
wahrer  und  falscher  Kritik  spricht  sich  Hartman  ebenso  ergötzlich  wie 
belehrend  aus.    Mit  Humor  erzählt  er,  wie  er  als  Student  Textstellen 


214  J*  Harimtii,  De  Phaedii  fabulia. 

in  ünzialbnchstaben  amgescbrieben  und  Yermatnngen  durch  Lexika  unter- 
stfltzt  habe,  und  mit  Recht  stimmt  er  dem  Tadel  bei,  der  wegen  dieser 
Benutzung  der  Lexika  tlber  Bentleys  Phaedruskritik  ausgesprochen  ist, 
sowie  dem  anderen  Vorwurf,  dafs  Bentley  in  grammatischer  Einseitig- 
keit, z.  B.  in  dem  Streben  Pronomina  demonstrativa  in  den  Text  zu  brin- 
gen, zu  weit  gegangen  sei.  Und  wie  ruhig  und  schonend  wird  dies  von 
dem  gröfsten  aller  Kritiker  berichtet,  dessen  Verdienst  darunter  nicht 
leidet  Von  anderen  Kritikern  wird  besonders  L.  Mflller  gelobt,  doch 
'  Omnes  qui  poetas  Latinos  amemus  singulari  nos  affici  beneficio  putamus, 
quum  illorum  aliquem  Muellerus  in  lucem  edit'  ist  wohl  zu  viel  gesagt 
AI.  Riese  wird  dagegen  mit  Unrecht  verschwiegen  und  mehrere  seiner 
Lesarten  werden  teils  wie  etwas  neues  teils  wie  unverdient  verworfenes 
vorgeschlagen  und  verteidigt  (I  1,  12  tum;  II  prol.  12  istam  statt  illi, 
wo  Riese  bereits  illam  schreibt ;  epil.  6  ne  primus  forem,  App.  26,  8  hac). 
Vielleicht  liegt  hier  eine  Versäumnis  zugrunde,  denn  eine  Absicht  ist  bei 
der  flberall  bemerkbaren  Offenheit  und  Sachlichkeit  nicht  anzunehmen. 
Eine  Auszeichnung  erhält  Em.  Bährens,  dessen  Vermutung  rabulis'  fUr 
'ab  illis'  II  ep.  15  als  '  palmaris'  vor  allen  Phaedruskoi\jekturen  ge- 
rühmt wird. 

Das  Hauptergebnis  des  Buches  ist  einerseits  eine  geschichtliche 
Würdigung  des  Dichters,  die  darauf  hinausläuft,  dafs  wir  von  Buch  zu 
Buch  das  Wachsen  seiner  Anmafsung  und  seiner  Bitterkeit  wahrnehmen 
müssen,  andrerseits  der  Nachweis,  dafs  die  Fabeln  nicht  nur  ein  mangel- 
haftes Verständnis  für  das  Wesen  der  Dichtungsart  sondern  auch  ein 
Unvermögen  sich  klar  auszudrücken  verraten. 

Kap.  I  handelt  von  der  Herkunft  des  Phaedrus.  Wenn  er  von  der 
Mutter  am  piörischen  Berge  geboren  wurde,  so  folgt  daraus  nicht,  nach 
Hartmans  Ansicht,  dafs  er  ein  Grieche  war,  vielmehr  folgt  aus  UI  praef.  54 

Ego  iiteratae  qui  sum  propior  Graeciae, 
dafs  er  keiner  war;  früh  mufs  er  nach  Rom  gekommen  sein,  da  er  ein 
reines  Lateinisch   sich  aneignete.    Die  Bezeichnung  als  Augusti  libertus 
ist  auf  ihn  selbst  zurückzuführen,  denn  des  Kaisers  Name  mufste  sein 
Stolz  sein ;  L.  Müller  hätte  sie  nicht  aus  der  Überschrift  entfernen  sollen. 

Kap.  II  ist  der  Nachweis  for  des  Dichters  wachsendes  Selbstbe- 
wufstsein  und  seine  mangelhafte  Einsicht  in  das  Wesen  der  Fabel.  Mit 
dem  2.  Buche  beginnt  er  Anekdoten  einzumischen.  Im  3.  Buche  finden 
wir  aufser  Fabeln  nach  Aesop  und  eigenen  nachgebildeten  auch  eine 
Anekdote  und  Erzählungen  über  Aesop  und  Socrates,  im  4.  Buche  eine 
Allegorie  (IV  10),  im  5.  Buche  aber  wird  auf  Aesop  überhaupt  nicht 
mehr  hingewiesen.  Das  steigende  Selbstbewnfstsein  zeigen  uns  besonders 
die  Prologe  und  Epiloge,  in  denen  er  seine  Tadler  ebenso  einsichtslos 
zurückweist,  wie  er  sein  eigenes  Verdienst  um  die  Fabel  ungebühr- 
lich erhebt 

Kap.  III  behandelt  einzelne  Fabeln,  an  denen  bewiesen  wird,  dafs 


J.  Harimao,  De  Phaedri  febulls.  215 

er  nicht  blofs'absnrdns'  and'ineptas',  sondern  aueh  *  spnrcus'  ist  I  17 
lesen  wir  bei  Romnlus  in  viel  schönerer  Fassung,  die  weder  Erfindung 
des  Romulus  noch  Paraphrase  des  Phaedrus  sein  kann  and  uns  zu  der 
Annahme  nötigt,  dafs  Romulus  neben  Phaedrus  noch  eine  andere  bessere 
Quelle  benutzt  hat.  Ebenso  haben  die  Fabeln  I  23  und  I  6  und  App.  1, 
ferner  IV  4  bei  Romulus  besseren  Zusammenhang  und  treffendere  Zfige 
als  bei  Phaedrus. 

Kap.  lY  ist  eine  Kritik  der  Promythia  und  Epimythia.  Da  in  der 
Perottischen  Sammlung  die  Moralverse  fehlen  und  man  eher  annehmen 
kann,  dafs  Prosa- Sentenzen  versifiziert  werden,  als  das  Gegenteil,  so  ist 
wahrscheinlich  die  Prosasentenz  zuerst  hinzugefügt  worden  und  lag  Pe- 
rotti  vor,  während  in  andere  Handschriften  die  spätere  Versifikation 
flberging.  Die  Promythien  aber  und  Epimythien,  die  wir  aufserdem  bei 
Perotti  finden,  brauchen  deshalb  noch  nicht  echt  zu  sein. 

Im  y.  Kapitel,  welches  von  der  Phaedrus-Kritik  bandelt,  werden 
mehrere  Bentley^sche  Änderungen  ausführlich  besprochen  und  zurück- 
gewiesen, die  ich,  soweit  sie  auch  von  Riese  nicht  aufgenommen  sind, 
nicht  erst  aufzähle.  Dafs  aber  auch  gegen  'Lacon'  (Y  10,7)  die  Über- 
lieferung 'latrans'  verteidigt  wird,  kann  ich  deshalb  nicht  billigen,  weil 
im  allgemeinen  die  Art,  wie  ein  Tier  spricht,  in  der  Fabel  nicht  ange- 
geben werden  darf,  da  das  die  Illusion  aufheben  wflrde,  im  besonderen 
aber  'latrare',  wenn  man  es  in  der  Fabel  vom  Hunde  braucht,  einen 
Trotz  andeuten  würde,  während  hier  nur  Resignation  auszudrücken  ist. 
Ebensowenig  kann  ich  der  Yerteidigung  von*auribus'  gegen  *avibus' bei- 
stimmen (HI  18,  8),  weirauribus'  ein  fehlerhafter  Daktylus  ist.  Endlich 
kann  ich  Hartman  auch  nicht  zugeben,  dafs  Bentley^s  '  humanum  genus' 
n  praef.  1  das  richtige  sei  statt  'Aesopi  genus',  da  *senis'  in  Yers  8 
dann  unverständlich  wäre. 

Das  YI.  Kapitel  bespricht  die  Schwerfälligkeit  und  Unklarheit  des 
Stiles  in  überraschender  und  überzeugender  Weise.  Es  werden  einzelne 
Stellen  erörtert,  zu  denen  Hartman  seine  im  besten  Sinne  kritischen  Be- 
merkungen macht   Eingehende  Erklärung  finden  I  4;  II  praef.;  III praef.; 

I,  7;   16;  epil.;  App.  16,  8.    Um  einzelnes  zu  erwähnen:  I  14  und  III 

II,  6  wird  getadelt,  'fortis'  I  6  verteidigt,  jedoch  nicht  gelobt;  zu  I  2,  16 
wird  bemerkt,  dafs  'hoc'  auf 'genus'  zu  beziehen  ist,  denn  die  Frösche 
verbergen  sich  selbst,  nicht  das  Holz  im  Schlamm.  Die  letzten  Yerse 
der  App.  werden  für  den  Schlufs  des  6.  Buches  und  zugleich  der  ganzen 
Sammlung  erklärt. 

Die  Besprechung  einzelner  Stellen,  zu  denen  Hartman  neue  Yer- 
mutungen  bringt,  verspare  ich,  um  am  Schlüsse  das  kritische  Ergebnis 
des  letzten  Zeitraumes  zusammenzufassen,  und  erwähne  noch,  dafs  in 
diesem  Buche  auch  andere  Schriftsteller  herangezogen  und  besprochen 
werden  (Suet.  Gal.  U;  Tac.  Ann.  III  40;  Plat.  Phaed.).  —  Hartmans  Buch 
zu  lesen  ist  ein  Genufs;  es  ftlhrt  ohne  Vorwort  'medias  in  res' ;  die  Satz- 


216  H.  Draheim,  De  Pbaedri  senarlo. 

bildung  ist  gewandt  and  der  lateinische  Ausdnick  Tortrefflioh.  Leider 
steht  S.  93  *tam*  vor  'landare',  falls  es  nicht  Dittographie  hinter  *adhi- 
bitam'  ist.    Besonderes  Lob  verdient  der  leserliche  Druck. 

Die  Besprechung  in  der  Wochenschrift  für  kl.  Phil,  tadelt  den  Ver- 
fasser und  sucht  zu  widerlegen,  was  er  allzu  subjektiv  behauptet  habe. 
>in  15  nennt  Hartmann  ganz  unbegreiflicher  Weise  frivol;  kurz,  es  ha- 
gelt moralische  Keulenschläge«  heifst  es.  Nun,  III  16  ist  noch  nicht  des 
Phaedrus  schlimmstes.  Doch  kann  diese  Kritik  nicht  umhin  folgendes 
anzuerkennen.  1)  »Dafs  Phaedrus  gegen  die  Gesetze  (?)  der  Fabeldich- 
tung i)  verstöfst,  ist  ganz  richtig,  er  ist  kein  Lessing,  und  dafs  sich  in 
den  Paraphrasen  teilweise  eine  andere,  bessere  Oberlieferung  erhalten 
hat,  ist  von  L.  Müller  längst  anerkannt.»  2)  »Hinsichtlich  der  Promy- 
thia  hat  Hartman  recht,  wenn  er  die  Behauptung  L.  Müllers  bestreitet, 
Perotti  habe  die  Promythia  in  Prosa  verwandelt«  3)  Von  Hartman's 
Lesearten  werden  nicht  weniger  als  neun  gelobt  und  keine  widerlegt 
4)  Man  mufs  »der  Latinität  des  Verfassers,  welche  die  gute  holländische 
Tradition  nicht  verleugnet,  alle  Anerkennung  zollen.« 

Anerkennend  spricht  L.  Müller  über  Hartmans  Buch,  indem  er 
Studium  und  Ingenium  des  Verfassers  lobt  und  »die  Abhandlung  allen 
Freunden  des  Phaedrus  angelegentlich  empfiehlt«.  Eine  längere  Erklä- 
rung widmet  er  dem  Prolog  des  dritten  Buches,  in  welchem  er  jedoch 
eine  Lücke  vermutet;  Bentley  verteidigt  er  gegen  Hartmans  strengen 
Tadel,  ohne  ihn  jedoch  für  die  Phaedruskritik  von  Eilfertigkeit  freizu- 
sprechen, stimmt  dagegen  dem  Tadel  der  Nauckischen  Kritik  zu.  End- 
lich verwirft  er  V.  d.  Mey's  Koi\jektar  zu  App.  21,  3  (citat  gradnm),  w?il 
Phaedrus  nicht  mit  zwei  Jamben  schliefst,  und  schlägt  vor  'celerat 
gradum'. 

Die  französische  Kritik  läfst  leider  nichts  gutes  ap  dem  Buche, 
sie  nennt  die  Form  unbequem,  besonders  weil  kein  Stellenverzeichnis 
beigegeben  ist,  und  den  Inhalt 'pr^sque  enti^rement  inutile'.  Was  Gobet 
in  mancher  Beziehung  gestattet  werden  könne,  das  könne  seinem  Schüler 
nicht  gestattet  werden,  und  zu  bedauern  seien  diejenigen,  die  das  Buch 
durcharbeiten  müfsten.    Dies  kann  Ref.  eben  nicht  bestätigen. 

De  Phaedri  senario.    Fleckeisen,  Jahrbücher  fQr  Philologie  139 
(1889),  S.  429-431.    Von  Hans  Draheim,  Berlin. 

Referent  hat  beim  Durchlesen  des  Phaedrus  wahrgenommen,  dafs 
keine  vorletzte  lange  Silbe  mehrsilbiger  Wörter  in  der  2.,  4.  und  6.  Sen- 
kung steht.  Da  die  langen  vorletzten  Silben  mehrsilbiger  Wörter  betont 
sind,  so  ist  in  diesem  mit  dem  Versbau  des  Terenz  übereinstimmenden 
Gesetze  ein  Ergebnis  des  Verhältnisses  von  Vers-  und  Wortton  z^u  er- 


1)  Das  Fragezeichen  hinter  »OeseUec  verstehe  ich  nicht;   will  Herr 
Herzog  ans  weif  ein,  was  er  selbst  »ganz  richtig«  nennt? 


i 


Phaedros-Eritik.    Fr.  Polle,  Phaedri  fabolae.  217 

kennen:  es  ist  das  Gesetz  der  Dipodie  (s.  des  Ref.  Besprechung  von 
W.  Meyer,  Über  die  Beobachtung  des  Wortaccentes,  München  1884,  in 
der  Wochenschrift  fdr  klass.  Philologie  1884,  8.  1481  —  1486).  Dafs 
dieses  Gesetz  fdr  die  ältere  anders  betonende  Sprachperiode  nicht  in 
gleicher  Form  gilt,  versteht  sich;  daher  haben  wir  einen  abweichenden 
Vers  bei  Phaedrus  (III  epil.  84),  der  dem  Ennius  entlehnt  ist, 

Palam  multire  pl6beio  piaculum  est. 
Genauere  Beobachtungen  über  iambisch  und  anapaestisch  schliefsende, 
über  daktylische  und  choriambische  Wörter  erweisen  die  Unhaltbarkeit 
mancher  Teztesänderungen.  Die  zweifellose  Übereinstimmung  von  Wort- 
ton und  Verston  im  zweiten  und  im  dritten  Fufse  führt  zu  gleichem  Er- 
gebnisse, von  welchem  nur  drei  Zeilen  eine  Ausnahme  bilden:  App.  10, 
12  und  25,  4 

Sed  tu  nisi  istum  tecum  assidue  detines 
Places  tibi  inquit  quia  cui  non  debes  places 
und  lY  4,  2 

Dum  sese  aper  volutat  turbavit  vadum, 
wo  die  überlieferte  Wortstellung  unvernünftig  ist 

G.  Suster  (Rom),  Miscellanea  critica,  in'Rivista  di  filologia'XIX 
Torino  1890,  S.  86-~98. 

Herr  Suster  verteidigt  die  überlieferte  Lesart  I  5,  6  gegen  die 
Besserungsversuche  von  Withof,  Hartel  und  Gomperz,  indem  er  hervor- 
hebt, dafs  der  Löwe  für  seine  Beute  nur  das  Recht  des  Stärkeren,  Ma 
prepotenza',  geltend  macht  und  in  seinen  Aussprüchen  eine  Steigerung 
bemerkbar  ist,  *un  crescendo  mirabile',  welche  durch  jede  Änderung  des 
*qnia  sum  fortis'  gestört  wird. 

L.  Müller.  Über  A.  Nauck*s  Phaedrusstudien.  Berlin,  S.  Gal- 
vary  u.  Comp.  1890.     16  S.    8. 

Vergebens  hoffte  ich  in  dieser  Schrift  eine  Förderung  der  Phae- 
druskritik  zu  finden;  sie  bezieht  sich  auf  Nauck's  1880  geschriebene 
Bemerkungen  über  L.  Müller*s  Phaedrus  und  erweist  die  Unnötigkeit  von 
zwei  Koigekturen  (lY  23,  4  und  25,  4)  sowie  die  Fehlerhaftigkeit  von 
vier  anderen. 

Phaedri  fabulae.  Für  Schüler  mit  Anmerkungen  versehen  von 
Dr.  Johannes  Siebeiis.  In  4.  und  5.  Auflage  besorgt  von  Dr.  Fr.  A. 
Eckstein.  Sechste  verbesserte  Auflage  besorgt  von  Dr.  Friedrich 
Polle,  Professor  am  Yitzthumschen  Gymnasium  zu  Dresden.  Leipzig, 
Teubner  1889.    XYI  und  77  S.    8. 

Besprechungen: 

1)  E.  Kräh  (Insterburg)  in  'Krumme,  Pädagogisches  Archiv' 
XXXII  (1890).     S.  625,  626. 


218  Fr.  PoHe,  Phadri  fabnlae. 

2)  S.  Herzog  (Stuttgart)  in 'Wochenschrift  Ar  klasnsche  Phi- 
lologie' 1800.    S.  771.  772. 

3)  K.  P.  Schulze  (Berlin)  in  'Zeitschrift  für  Gymnasial- Wesen' 
XLIY  (1890).     S.  140—142. 

Diese  6.  Auflage  von  Sieheiis'  Schulausgahe  des  Phaedms  hat  Herr 
Polle  mit  gewohnter  Akrihie  und  pädagogischer  Einsicht  besorgt  Die 
Fassung  der  Erklärungen  ist  knapp  und  zweckmäfsig,  sie  enthalten  nnr 
das  dem  Schfiler  zum  Verständnis  und  zu  guter  Verdeutschung  notwen- 
dige und  lenken  nirgend  vom  Texte  ab.  Dafs  ausgeschieden  ist,  was 
den  Dichter  verunziert  und  Oberhaupt  reinen  Genufs  der  Antike  uns 
wehrt,  versteht  sich  ftlr  das  Schulbuch  von  selbst  Doch  hat  aufser 
diesem  Grunde  noch  ein  anderer  gewaltet,  der  den  Herausgeber  bewog 
in  4  Lanius  et  simins  auszuscheiden,  nämlich  der,  dafs  die  Fabel  ihm 
unverständlich  sei.  Darf  man  einem  Interpreten  wie  Polle  entgegen- 
halten, dafs  der  Sinn  einfach  der  sei:  tinnere  Güte  wird  durch  häfsliches 
Aussehen  nicht  ausgeschlossen«  ?  Fttr  diesen  Gedanken  ist  die  Erzählung 
vom  Lanius  allerdings  weniger  eine  positive  als  eine  negative  BegrQn- 
dung  —  was  bei  der  Beleuchtung,  die  des  Phaedms  Dichtertalent  durch 
Hartman  erhalten  hat,  nicht  mehr  auffallen  wird.  Auf  die  text-kritische 
Bedeutung  dieser  Ausgabe  kommen  wir  im  Zusammenhange  zurück,  ohne 
jedoch  die  Aufnahme  älterer  Vermutungen  besonders  zu  erwähnen.  Von 
demselben  Herausgeber  ist  besorgt  die  16.  Auflage  von 

Tirocinium   poeticum,   von   Dr.  Johannes   Siebeiis.     Leipzig, 
Teubner  1891. 

in  welcher  mit  gekürzten  Anmerkungen  und  zuletzt  ohne  Accentbezeich- 
nung  die  Fabeln  I  1.  3.  4.  5.  8.  12.  13.  15.  21.  24.  26;  II  4.  7.  8;  III 
6.  7.  8.  16.  18;  IV  2.  3.  4.  6.  9.  10.  22;  V  2.  5.  10  abgedruckt  sind. 

Die  Besprechungen  über  Polle's  Phaedms  sind  anerkennend.  Herr 
Kräh  lobt  die  Vermutungen  des  Herausgebers  und  gibt  einige  Ergän- 
zungen zu  den  Anmerkungen,  indem  er  das  Buch  zugleich  zur  privaten 
Benutzung  der  oberen  Klassen  empfiehlt. 

Herr  Herzog  lobt  die  Auswahl  und  iwttnscht  überhaupt  dem  treff- 
lichen Schulbuche  Erfolgt.  Einige  Erklärungen,  die  er  vermifst,  f&gt 
er  hinzu.  In  der  Kritik  würde  er  noch  weiter  gehen  in  der  Aufnahme 
von  Vorschlägen  Nauck's  und  Weidner's.  Aus  den  Überschriften  wtlnscht 
Herzog  die  Sprachwidrigkeiten  getilgt.  Von  der  Unechtheit  der  Über- 
schriften spricht  aber  Polle  selbst:  sollte  er  mithin  unechtes  bessern? 
Gewundert  habe  ich  mich  immer,  warum  L.  Müller  die  Überschrift  der 
zweiten  Fabel  nicht  gleich  den  übrigen  eingeklammert  hat. 

Herr  Schulze  hofft  eine  Wiederbelebung  des  Interesses  Air  Phae- 
dms und  rühmt  iGeschick  und  Sorgfaltc  des  Herausgebers.  Er  gibt 
ebenfalls  Anmerkungen,  die  er  bei  Polle  vermifst,  und  trifft  dabei  für 
'valere  adsequi'  IV  2,  11  mit  Herzog  zusammen.    V  8  wünscht  Schuke 


Phaedras-Lektflre.  219 

als  ZQ  schwer  gestrichen  und  meint,  dafs  auch  manche  Anmerkung  PoUe's 
fiher  den  Standpunkt  des  Untertertianers  hinausgeht  Indessen  dtkrfte 
sich  Phaedms  —  wie  Kräh  mit  Recht  hervorhebt  —  auch  zur  Privatr 
lektfire  älterer  Schfiler  eignen. 

Herzog  hat  einen  Druckfehler  gefunden,  Schulze  aufser  dem  selben 
drei  andere,  von  denen  ich  jedoch  d^rßoroQ  8.  1 1  nicht  als  solchen  an- 
sehen möchte,  jedenfalls  aber  nicht 'dum'  I  4,  2. 

£.  J.  Gastaigne,  Trois  fabulistes  £sope,  PhMre  et  La  Fon- 
taine. £tude  bibliographique  et  litt^aire.  Paris,  A.  Picard  1890. 
29  S.    8. 

Eine  Lobrede  auf  Gh.  Gauseret,  Trois  fabulistes:  £sope,  Phödre, 
La  Fontaine.    Paris,  G^dalge  jeune.    216  S.   8;  der  erste  Hymnus  be- 
ginnt mit  den  klassischen  Worten:  La  premi^re  n6cessit6,  pour  Tauteur 
d'un  travail  de  ce  genre,  c'est  d^avoir  beaucoup  d*6rudition.    Vernehmen 
wir  des  Verfassers  nicht  gerade  ungerechtes  Urteil  ttber  Phaedrus  (p.  12): 
Oui,  la  briövet^  de  PhMre  confine  souvent  ä  la  s^heresse.    Ses  animaux 
n'ont  pas  M  examin^s  par  lui  avec  amour:  ce  ne  sont  que  des  hommes 
habill6s  de  peaux  de  bßtes,  et  quels  hommes!    des  Romains  graves  et 
compassös.    Sa  morale  est  itoi^ours  dure  et  impitoyable«  et  se  ressent 
trop  du  triste  temps  oü  11  vivait,  de  ces  sombres  r^gnes  de  Tib^re  et  de 
Glaude,  oü  Rome  6tait  partag^e  en  deux  camps:   les  d^nonc^s  et  les 
d^nonciateurs.     Sa  versification   m6me   est  monotone.     Alors,   que  lui 
reste-t-il  donc?   Pourquoi  est-il  si  universellement  connu?   Pourquoi  met- 
on  son  livre  entre  les  mains  des  enfants?    Et  pourquoi  M.  Gauseret 
vient-il  k  son  tonr  lui  consacrer  trente-quatre  pages?    In  diesem  Tone 
bewegt  sich  der  Verfasser  zwischen  wahrem  und  falschem,  immer  ober- 
flächlich, erfreut  uns  aber  zum  Schlufs  durch  ein  Familienbild,  welches 
ich  als  charakterisch  ffir  französische  Bildung  hersetze,  zugleich  um  zu 
zeigen,  dafs  die  Franzosen  noch  nicht  ganz  durch  Z  .  .  .  verdorben  sind: 
C'est  le  soir,  aprte  dlner,  sous  la  lampe.    La  p^re  et  le  grand' 
p^re  qui  riennent  de  pareourir  le  Journal,  fatigute  de  tonte  eette 
politique,  s'  en  reposent  en  öcoutant  la  fiUe  atnöe  qui  eommenee  la 
leeture  du  nouveau  Tolune,  dont  eile  a  coap6  tont  k  IHieure  les  pages 
sur  la  nappe  encore  mise.   Bientöt  ils  s'approchent:  .ces  Tleilles  fahles, 
dont  on  leur  parle  si  bien,  leur  rappellent  tant  de  chosesl    La  m^re 
aussi  pr6te  une  oreille  attentive»  et  peose  que»  du  temps  de  sa  jeunesae, 
les  Hvres  Berits  pour  la  jeunesse  n'6taient  pas  si  bien  faits.    Le  fils, 
externe  au  Lyc^e  et  eandidat  prochain  au  baccalauröat,  note  en 
passaDt  beauconp  de  details  qui  n'^taient  pas  dans  sa  '  littörature*, 
et  qui  lui  Tsudront  le  maximum  pour  la  dissertation,  sMl '  tombe  sur 
ce  sujet*.    Son  cadet,  qui  a  huit  ans,  n'avait  jamais  6t6  ä  pareille 
f6te  et  repousse  du  coude  son  gros  Joufflu  du  petit  fröre,  qui  ne 
comprend  rien,  et  a  trouTÖ  moyen  de  monter  sur  une  cbaise  pour 
regurder  les  Images. 


2^0  Phaedros-Lektflre. 

Gereimte  Übersetzungen  einiger  Stellen  römischer  und  griechi- 
scher Dichter  vom  Oberl.  Dr.  Bernh.  Fahland.  Beigabe  zum  Pro- 
gramm des  Friedrich-Wilhelms-Gymnasiams  zu  Greifenberg  i.  F.  1889. 
No.  126. 

In  der  Vorrede  wird  der  vernünftige  Gedanke  ausgesprochen,  dafs 
»die  meisten  antiken  Yersmafse,  der  Hexameter  nicht  ausgeschlossen,  auf 
die  deutsche  Sprache  übertragen,  selbst  in  den  gelungensten  Übersetzun- 
gen für  unser  GefQhl  etwas  fremdartiges  und  schwerfälliges  behalten.« 
Der  Verf.  übersetzt  in  geschickt  gewählten  Yersmafsen,  unter  denen  auch 
strophische  und  gereimte  sich  befinden,  mit  Gewandtheit  aus  Ovid,  Horaz, 
Phaedrus,  Martial  und  Sophokles.  Von  des  Phaedrus  Fabeln  finden  wir 
I  1.  4.  12.  13.  23;  III  18;  IV  3;  V  2.  Als  Probe  diene  aus  I  28  (Riese 
21)  Anfang  und  Schlufs: 

Wer  einst  gefürchtet  safs  auf  hohem  Thron, 
Den  trifft  im  Unglück  selbst  des  Feigen  Hohn. 
Ein  greiser  Löwe  lag  mit  müdem  Haupt 
Am  Boden  sterbend  seiner  Kraft  beraubt.  — 
Zuletzt  ein  £sel  gar  läfst  ungestraft 
Den  Kranken  fühlen  seiner  Hufe  Kraft. 
Da  seufzt  der  Sterbende  in  bittrem  Ton: 
Gekränkt  hat  wahrlich  mich  der  Starken  Hohn, 
Doch  weil  ein  solcher  Wicht  darf  spotten  mein, 
Empfind'  ich  doppelt  jetzt  des  Todes  Pein. 

Phaedri  August!  liberti  fabulae  Aesopiae  con  note  Italiane  del 
Prof.  Carlo  Fumagalli.  Seconda  edizione  migliorata.  (Raccolta  di 
autori  Latini  con  note  Italiane  VI.)   Verona,  Tedeschi  1891.   83  S.  8. 

Statt  jeder  Bemerkung  setze  ich  eine  Probe  aus  den  Anmerkungen 
her  und  <len  deutschen  Text  von  Siebelis-PoUe  daneben: 

IV  7,  6  cothumi,   Schuhe  mit  IV  7,  5  cothurnis.      Galzatura 

hohen  Absätzen,  deren  sich  die  Schau-  molto  alta  usata  dagli  attori  tragici 

Spieler  in  der  Tragödie  bedienten,  um  per  rendere  la  statura  grande  altre 

dadurch  gröfser  und  erhabener  zu  il  naturale.    Esopo  qui  si  presenta 

erscheinen.    'Aesop   tritt  in   neuen  con    nuovi   (cis^   inusitati)    coturni, 

(d.  h.  ungewohnten)  Kothurnen  auf,  vale  a  dire  con  versi  che  hanno  del 

d.  h.  er  tritt  mit  erhabenen  Versen  tragico. 
auf,  wie  sie  sich  fttr  die  Tragödie 
eignen,  und  die  man  an  ihm  nicht 

gewohnt  ist.    Es  folgt  nun  bis  Vers  Segne  infatti  una  declamazione 

16  eine  Probe  solcher  Verse,  in  wel-  (versi  6      16)  sui  roali  cagionati   ai 

chen  das  Unglück  beklagt  wird,  das  Greci   ed   ai   barbari   da  colui   che 

durch   den  Bau   des   Schiffes  Argo  fabbricö  la  nave  Argo. 
über  Griechen  und  Barbaren  gekom- 
men ist 


Phaednui-Lektüre. 


221 


II  passo  h  imitato  dij  principio 
della  Medea  di  Earipide. 

6.  Pelii.  MoQtagne  della  Tessa- 
glia  Orientale. 

8.  professae.  Manlfesta.  Partie, 
deponente  in  senso  passivo. 


9.  Argus.  Nome  di  coloi  che 
fabbricö  la  naye  Argo. 

opere  Pall.  =  arte  Palladis. 

Minerva  era  considerata  maestra 
di  tutte  le  arti.    ^ 

12.  Aeetae.  £eta  fu  re  della 
Golchide.  Giasone  andö,  e  gli  portö 
via  il  vello  d'oro  e  la  figHa  Medea, 
la  quäle,  fuggendo  con  lui,  sparse 
per  la  via  le  membra  del  fratello 
Absirto  per  indugiare  la  corsa  del 
padre,  che  la  inseguiva. 


Sie  sind  dem  Eingänge  der 
Medea,  einer  Tragödie  der  Euripides, 
nachgebildet. 

6.  Pelium  nemus,  Pelion,  Ge- 
birge des  OsU.  Thessaliens. 

8.  professae  mortis' in  den  offen- 
kundigen Tod'.  Das  Part.  perf.  vieler 
Deponentia  kommt  auch  in  passiver 
Bedeutung  vor. 

0.  Argus,  der  Baumeister  der 
Argo. 

opere  PaUadio  =  arte  Palladis, 
denn  Pallas  galt .  . .  Oberhaupt  als 
die  Lehrmeisterin  der  Künste  . . . 

12.  Aeetes,  König  von  Kolchis, 
dem  Jason  nicht  nur  das  goldne 
Yliess,  sondern  auch  seine  Tochter 
Medea  entführte.  Diese  nahm  über- 
dies ihren  kleinen  Bruder  Absyrtus 
mit  sich  und  als  Aeetes  die  Fliehen- 
den verfolgte,  tötete  sie  diesen,  zer- 
stttckte  ihn  und  zerstreute  seine 
Gliedmafsen  am  Ufer. 

Das  Titelblatt  dieses  Werkes  des  Herrn  Professor  Fumagalli  trägt 
den  Vermerk  'Proprietä  letteraria'. 

Von  demselben  Herausgeber  erschien: 

Phaedrus,  Fabulae  Aesopiae.  Scholarum  in  usum.  Editio  altera 
expurgata.    Verona,  Tedeschi  1890.    68  S.    16.  — 

Le  favole  di  Fedro  commentate  da  Fei.  Ramorino.  Seconda 
edizione  riveduta  e  corretta.    Torino,  Loescher  1890.   XI  und  100  S.  8. 

Le  favole  di  Fedro,  con  note  e  riscontri  da  C.  L.  Bertini.  To- 
rino, Roux,     1890.    XVII  und  220  S.    16. 

Phaedri  fabularum  aesopiarum  libri.  Curavit  C.  L.  Bertini.  To- 
rino, Rouz.     1890.     102  S.   16. 

Phaedri  fabularum  Aesopiarum  liber  tertius,  quartus  et  quintus. 
Editio  quarta.    Aug.  Taur.  ex  off.  Säle sia na.     1889.    48  S.   16. 

Phaedri  fabulae.  Recensuit  ac  notis  illustravit  J.  Lejard.  V. 
editio.    Tours,  Mame.     1889.    XVI  und  160  S.    18. 

Phaedrus.  Texte  latin,  publik  avec  des  notes  et  les  imitations  de 
La  Fontaine  et  de  Florian  par  E.  T albert.  Paris,  Hachette.  1890. 
IV  und  140  S.    16. 


222  Oberricht  der  BemtrkmigMi  uu  Phaednis. 

PhMre  ezpliqnä  litteralement,  tradnit  en  frtn^ais  et  aimot6  par 
D.  Marie.    Paris,  Hachette  1890.    lY  und  240  S.    12. 

Die  genannten  Ausgaben  dienen  hauptsächlich  Schnlzwecken.  Der 
Behandlang  des  Phaedrns  in  der  Schule  ist  anfser  Pollens  Ausgabe  und 
deren  Besprechungen  eine  besondere  Schrift  gewidmet: 

Die  Fabeln  des  Phaedrns  in  der  Quarta  des  Gymnasiums  inner- 
halb der  Konzentration.  Von  Dr.  Karl  Maurer,  GymnasiaUehrer. 
Programmbeilage  des  Grh.  Gymnasiums  in  Giessen  1891.    10  S.   4. 

Ref.  hat  diese  fleifsige  Schrift,  in  welcher  die  Bedenken  gegen  die 
Phaedruslektfire  widerlegt  und  der  Wert  derselben  sowie  ihre  allseitige 
Ausnutzung  dargestellt  werden,  in  der  Wochenschrift  flkr  klassische  Phi- 
lologie 1891  angezeigt,  indem  er  dem  Herrn  Verfasser  zustimmt,  jedoch 
in  der  Erklärung  des  Metrums  nicht  ebenso  weit  gehen  wttrde.  Immer- 
hin l&fst  sich  nicht  die  Notwendigkeit,  sondern  nur  die  Möglichkeit 
dieser  LektQre  beweisen  und  diese  ist  für  ältere  Schüler  als  Quartaner 
vielleicht  in  noch  höherem  Grade  vorhanden. 

Übersicht  der  Bemerkungen  zu  Phaedrus. 

I  1,  8  'longinque*  vermutet  PoUe,  4onge'  verteidigen  Hartman  und 
Herzog  gegen  Nauck,  der  Anstofs  daran  nahm. 

ib.  11  'nondum  eram*  für  'non  eram*  vermutet  PoUe,  doch  scheint 
mir  diese  Elision  aufEUlig. 

2,  26  'inermes*  schreibt  PoUe  statt  inertes*  nach  Nauck,  doch 
hält  Herzog,  dem  ich  beistimme,  diese  Änderung  für  unnötig. 

6,  2  'dum  ferret\  die  handschriftliche  Lesart,  hat  PoUe  aufge- 
nommen. 

5,  8  'mea  cum  sors  sit*  schreibt  PoUe  nach  Gomperz  statt  'quia 
sum  fortis*,  wohl  weniger  die  OberUeferung  als  den  Phaedrus  bessernd, 
wie  auch  Suster's  Meinung  ist 

8,  11  nimmt  PoUe  die  gewöhnUche  Lesart  'quae  e  nostro*  wieder 
auf;  idurissima  eUsione«  bemerkte  bereits  L.  MüUer,  der  'quae  ec  nostro' 
wahrscheinlich  bilUgen  wttrde. 

9,  3  *edentem\  welches  L.  MttUer  für  unerträglich  hielt,  biUigen 
Hartel,  Hartman,  Herzog  und  PoUe. 

12,  2  'haec  erit  narratio'  ist  überUefert;  Hestis  haec  narratio  est* 
schrieb  Bentley  mit  Benutzung  der  Lesart  des  cod.  Dan.,  ebenso  L.  MflUer  ; 
'haec  eruit  narratio^  Riese,  der  'exserit^  vorschlug;  'asserit'  Hartman 
und  PoUe. 

18,  2  *serae  poeoitentiae'  schlägt  Hartman  vor  als  Gen.  expl.  bei 
^poenas'.  PoUe  erklärt:  iDie  Strafe  besteht  in  der  zu  späten  Reue«. 
Im  Pithoeanus  und  im  Remensis  steht  *serae\  im  DanieUs  ^fere',  was 
für  Hartman's  grammatisch  nicht  notwendige  Änderung  zu  sprechen  scheint. 


Übenieht  der  Bemerkmigm  so  PhMdras.  228 

14,  6  wird  von  Polle  naeh  LesBing  fttr  unecht  gehalten. 

16,  2.  Fir  'mala  inferre',  wie  Riese  nach  Zorn  statt  des  flber- 
lieferten  'mala  videre*  schrieb,  hat  Polle  'malnm  dare*  gesetzt,  was 
Gronov  vermutete. 

26,  6.  Für  'gustare  esuriens  potuerit  ciconia*  vermutete  Nauck 
'gustare  posset  esuriens  ciconia'.  L.  Mttller  verwirft  dies  wegen  des 
Yersmafses  (1890)  und  trifit  darin  mit  dem  Ref.  zusammen  (de  Phaedri 
senario  1889). 

28,  10  ff.  werden  von  Hartmann  beanstandet. 

II  prol.  1.  ^Aesopi  genus*  will  Hartman  mit  Bentley  in  'humanum 
genus'  ändern,  doch  mufs  'Aesopi'  wegen  v.  8  stehen  bleiben;  vielleicht 
also  liegt  der  Fehler  in  'genus\ 

ib.  &  'narrator  loci'  schlflgt  Hartman  vor,  was  aber  zu  'auctoris 
nomine'  v.  7  nicht  pabt. 

ib.  11  'doctorum'  vermutet  Hartman  für  'dictorum'. 

3,  1  'vehementis'  hat  Polle  nach  Bongars  aufgenommen. 

6,  20.  In  dieser  oft  besprochenen  Stelle  hftlt  Hartman  'ut'  für 
fehlerhaft. 

ib.  23.    Polle  vermutet  'sancta  maiestas  ducis'  für  'tanta  m.  d'. 

8,  21  wird  von  Nauck  und  Polle  ftkr  unecht  gehalten. 

ep.  3  wird  von  Hartman  beanstandet 

ib.  10.  11.  Polle  schreibt  nach  Nauck  ^obtrectare  laudi  -  curae 
conscientiam'  statt  'obtrectare  curam  —  laudis  conscientiam'. 

ib.  13  'arte  fictus'  (animus)  statt  'arte  fictas'  (Cabulas)  vermutet 
Hartman. 

in  prol.  wird  von  Hartman  und  L.  Müller  ausführlich,  wenn  auch 
nicht  übereinstimmend  erklärt.  Dafs  der  Prolog  nach  dem  Epilog  ge- 
schrieben wurde,  ist  an  sich  nicht  unwahrscheinlich,  und  diese  Meinung 
Hartman*s  wird  keineswegs,  wie  Herzog  glaubt,  dadurch  hinfUlig,  dafs 
V.  29  das  Futurum  exarabo  steht. 

ib.  40.    Nach  diesem  Verse  vermutet  L.  Müller  eine  Lücke. 

ib.  61  wird  von  Hartman  beanstandet. 

2,  4  'pars'  statt  'alii'  schreibt  Polle  nach  Nauck. 

6,  6  'iugum'  ist  überliefert  und  wird  von  Polle  aufrecht  erhalten: 
•das  Joch  für  das  angejochte  Tier«.  Der  Sinn  ist  demnach:  er  regiert 
mein  Gespann  mit  der  Peitsche.  Da  aber  das  Tier  nicht  wohl  'iugum 
meum'  statt  'me'  sagen  kann,  so  vermutete  Burmann  'tergum',  was 
wiederum  zu  'temperat'  nicht  pafst  Herzog  schlügt  'cursum'  vor  und 
beruft  sich  auf 'intercursum'  (für  'iter-cursum')  in  der  Paraphrase.  Wie 
'iugum'  aus  'cursum'  wurde,  ist  schwer  zu  sagen:  'fugam'  (meam)  scheint 
mir  daher  richtiger. 

ib.  9  'strigandum*  schreibt  Polle  nach  Siebeiis  für  'tricandum'. 

7,  14  schreibt  Polle  'otiose'  statt  'otiosum'  nach  'Hss.',  was  in 
diesem  Falle  aber  nicht  'Handschriften',  sondern  'Heinsius'  bedeuten  mufs«. 


224  Obersicht  der  Bemerkniigeii  so  Phaedma. 

7,20.  Hinter  diesem  Yerse  yermiitet  Folie  eine  Mcke.  Riclitig 
ist,  dafs  21 — 24  sich  nicht  gut  anschliersen. 

8,  4  'hi  speculo  cathedra  matris  supposita  ut  fait*  vermutet  Hart- 
man, doch  meine  ich,  dafs  es  nach  dem  Zusammenhange  nicht  darauf 
ankommt,  ob  unter  dem  Spiegel  ein  Sessel  steht,  sondern  darauf,  dafs 
angedeutet  wird,  wie  die  Kinder  zu  einem  Spiegel  gelangen. 

10,  14  wird  von  Hartman  beanstandet,  ebenso  v.  31. 

11,  5.    Hartman  empfiehlt  wie  Nauck  die  Lesart  Mntegritati  roeae'. 
16,  5  Mgnotum'(wie  auch  Riese  schreibt)  empfehlen  Hartman  und 

Herzog. 

18,  8  ^auribus*  wie  Hartman  nach  dem  Pithoeanus  und  dem  Re- 
mensis  vorschlägt,  erlaubt  das  Metrum  nicht;  ich  meine  daher,  ebenso 
wie  Herzog,  dafs  'avibus'  aus  dem  Vaticanus  beizubehalten  ist. 

IV  prol.  4.  6.  Eine  viel  umstrittene  Stelle,  die  auch  Hartman  an- 
zweifelt 

ib.  18  'capsas*  verwerfen  Hartman  und  Herzog,  indem  sie  'Chartas' 
beibehalten. 

2,  8  verwirft  Hartman. 

4,  2.  Das  Yersmafs  ist  anstöfsig,  die  Wortfolge  unvemttnftig.  Ein 
Ausweg  scheint  itiir  ^aper  dum  se  volutat,  turbavit  vadum*. 

6,  11  Nauck's  Vermutung  'mersit  tartareo  specu'  tadelt  L.  Mfiller. 

7,  8.  Die  Oberlieferung  'libellum'  halten  Hartman  und  Herzog 
(mit  Riese)  ftlr  das  richtige. 

ib.  15  'illinc*  vermutet  Hartman,  dem  Herzog  zustimmt. 

0,  12  wird  von  Hartman  angezweifelt. 

11,  3  'qui'.  Ober  dessen  Stellung  Riese  Zweifel  hegte,  streicht  PoUe 
nach  Johnson  und  L.  Moller. 

16,  8  ^aequasset  suae'  vermutet  Hartman.  Es  würde  schwer  fallen, 
*^suae*  nicht  mit  'feminae'  zu  verbinden. 

19,  2.  8  wird  von  Hartman  beanstandet. 

10,  6  'suescat'  vermutet  PoUe,  indem  er  richtig  bemerkt  »ne  discat 
prodesse  ist  ungenau,  da  die  Verneinung  zu  prodesse  gehörte  Phaedrus 
schreibt  aber  mitunter  ungenau. 

28,  4.  Nauck's  Vermutung  'mercede  pacta*  tadelt  L.  Müller,  wie 
auch  24,  4  'qui  pote8\ 

24,  8.  Vor  diesem  Verse  nimmt  Hartmann  wegen  der  folgenden 
Antwort  eine  Lücke  an,  wie  sie  Riese  hinter  v.  10  vermutete. 

ib.  18—18.  Die  Zählung  dieser  Verse  geben  L.  Müller  und  Riese 
nach  Bongars.  Polle  stellt  18  und  14  um;  die  Reihenfolge  der  Hand- 
schriften soll  sein  16.  18.  18.  17.  14.  16;  Bnrmann  ordnet  14.  17.  18. 
18.  16.  15. 

V  1)  12  Polle  schreibt  'afluens*,  was  Herzog  verwirft. 

2,  10  soll  nach  Hartman  mit  Punkt  schliefsen;  der  Ut-Satz  soll 
zum  folgenden  gehören. 


Übersicht  der  Bemerkungen  ra  Phaedms.  225 

8,  2  wird  von  Hartman  getadelt. 

6,  2.  PoUe  schreibt  mit  Baehrens  und  L.  Müller  »praeiudicio',  wo 
Riese  das  fiberlieferte  'pro  indicio*  vorzieht. 

ib.  12  wird  von  Hartman  angezweifelt. 

ib.  13  *come  est'  schreibt  PoUe  nach  Nauck  statt  *mos  est'.  Einen 
Weg  hatte  L.  Müller  durch  seine  Vermutung  *molle  est'  gewiesen. 

8,  6.  7  tilgt  PoUe  nach  Nauck, 

App.  2,  4.  Überliefert  ist  'quaecunque  Fortuna  indulgens',  wofür 
PoUe  '  quaecunque  indulgens  Fortuna'  schreibt,  was  nach  meiner  Mei- 
nung gegen  das  Versmafs  verstöfst.  L.  Müller  und  Riese  haben  '  quae 
cui  Fortuna  indulgens',  Hartman  vermutet  'quae  cuique  Fors  indulgens'. 

ib.  10  *  magno  haec  consilio  qui'  stellt  PoUe,  wie  vor  ihm  L.  MüUer 
und  Riese;  jedoch  ist  es  nicht  nötig  'haec'  von  'qui'  zu  trennen. 

6,  6.    Statt  'Pytho'  schreibt  PoUe  'Pythia',  gegen  das  Metrum. 

7,  4  8.:  10,  12. 

8,  14  setzt  Hartman  hinter  v.  21. 

10,  12  halte  ich  wie  7,  4  wegen  der  Elision  von  Hihi'  und  *nisi' 
für  fehlerhaft.  Leicht  ist  es  dort  statt  der  von  L.  Müller  gewählten 
Wortfolge  zu  setzen  'tibi  numquid'  und  hier  'sed  istum  tu  ni'. 

11,  8  'arte'  statt  'forte'  schreibt  PoUe  nach  der  auch  von  Hart- 
man gelobten  Vermutung  Halbertsma's. 

ib.  9.    Für  'qui  esset  meUor  quam  tu'  schlägt  PoUe  die  anmutende 
Besserung  vor:  'melior  quam  tu"  qui  esset'. 
13,  19  wird  von  Hartman  beanstandet 
16,  2.    Hier  vermutet  Hartman  eine  Lücke. 
18,  11  —  13  wird  von  Hartman  angezweifelt 

20,  4  schreibt  PoUe  unter  Berufung  auf  L.  MüUer  'simul  ut'. 

21,  3  'citat  gradum'  vermutet  van  der  Mey.  Diese  von  Hartman 
mitgeteilte  und  von  Herzog  gelobte  Vermutung  tadelt  L.  MüUer  wegen 
des  Yersmafses,  indem  er  selbst  vorschlägt ' celerat  gradum'.  Da  jedoch 
der  Wanderer  nach  dem  Stillstehen  nicht  notwendig  schneUer  gehen  mufs, 
so  halte  ich  'recipit'  für  ausreichend. 

ib.  7  'circumspectans  omnia'  schlägt  Hartman  vor. 
23,  1  statt 'adversam' vermutet  Hartman 'aversam',  das  auch  Her- 
zog empfiehlt. 

26,  4  ist  metrisch  unregelmäfsig. 

26,  8.   Für  'hac'  statt  'hinc'  entscheiden  sich  Hartman  und  Herzog. 


JahrabMicht  für  ^tarthiuntwiMtfuchaft  LXVm.  Bd.  (189t  IL)  16 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein 

1884—1890*). 


Von 

Professor  Dr.  Karl  SIttl 

in  Würzburg. 


Andere  kritisieren  nnd  mit  dem  Bekenntnisse  des  eigenen  Irrtums 
anfangen,  reimt  sich  nicht  recht  zusammen;  ebenso  ist  es  etwas  unge- 
wöhnliches, einen  Jahresbericht  zu  schreiben,  dessen  Titel  man  die  wissen- 
schaftliche Existenzberechtigung  abspricht.  Diese  Komplikation  hat  mich 
diesmal  betroffen,  weil  der  verehrte  Leiter  des  Jahresberichtes  mich  von 
meinem  Reviewerposten  nicht  herabsteigen  lassen  will.  Die  Leser  wer- 
den unter  diesen  Umst&nden  entschuldigen,  dafs  mein  Jahresbericht  eine 
von  der  üblichen  abweichende  Form  haben  wird.  Ich  beginne  mit  dem 
angedeuteten  Bekenntnisse. 

Als  ich  im  Jahre  1882  veranlafst  wurde,  meine  quaestio  inaugu- 
ralis  zu  einem  Buche  (die  lokalen  Verschiedenheiten  der  lateinischen 
Sprache)  zu  erweitern  und  herauszugeben,  stand  ich  unter  dem  Einflüsse 
der  damals  herrschenden  Vorstellungen,  was  im  zwanzigsten  Lebensjahr 
sehr  erklärlich  und  entschuldbar  sein  dürfte.  Das  Buch  hat  eine  ver- 
schiedene Aufnahme  erfahren ;  übrigens  überliefsen  die  Tadler  mir  selbst, 
mich  zu  widerlegen.  Dagegen  halfen  zu  letzterem  unfreiwilligerweise  die 
zustimmenden  Afrikanismen-  und  Vulgarismenjäger.  Jetzt  glaube  ich  auf 
Grund  eines  grofsen  Materiales  das  Urteil  fällen  zu  dürfen: 

»Das  Vulgärlatein,  mit  welchem  die  Latinisten  ope- 
rieren, ist  ein  Phantasiegebilde.« 

Im  folgenden  sollen  die  Gründe,  für  die  ich  vielleicht  später  die 
Belege  in  Buchform  nachtrage,  auseinander  gelegt  werden. 

Die  neuere  Entwicklung  der  Sprachwissenschaft  leidet  an  dem 
Grundfehler,  dafs  sie  zwischen  lebenden  und  toten  Sprachen  kaum  unter- 
scheidet Bei  den  heutigen  ist  es  möglich,  die  Aussprache  minutiös  festr 
zustellen,  und  die  Verbreitung  gewisser  Laute  und  Wörter  sogar  karto- 

1)  Mein  erster  Jahresbericht,  die  JahrQ  1877  —  83  umfassend,  erschien 
Bd.  40  S.  816  -  56. 


YoIgärlateiD.  227 

graphisch  anschaulich  zu  machen.  Da  findet  die  Lautphysiologie  ihr 
Arheitsfeld,  da  kann  eine  wahre  Lautlehre  geschriehen  werden.  Bei  den 
toten  Sprachen,  beziehungsweise  den  vergangenen  Sprachperioden  beruht 
die  Lautphysiologie  höchstens  auf  unklaren  laienhaften  Notizen  von 
Grammatikern,  welchen  gegenüber  die  gröfste  Vorsicht  geboten  ist;  dife 
Keime  kommen  nur  f&r  die  Ausläufer  des  Lateinischen  in  Betracht. 
Den  Allitterationen  fehlt  natürlich  jede  Beweiskraft.  Folglich  giebt  es 
auch  keine  eigentliche  Lautlehre  des  Griechischen  und  des  Lateinischen, 
sondern  eine  Buchstabenlehre;  die  meisten  Buchstaben  geben  aber 
mehrere  Laute  wieder  (z.  B.  E  geschlossenes  und  offenes  e),  so  dafs  in 
jedem  einzelnen  Falle  nur  durch  Kombination  der  betreffende  Laut 
festgestellt  werden  kann.  Die  lateinische  Orthoepie  ist  also,  etwa  von 
der  Quantität  abgesehen,  ein  Aggregat  yon  mehr  oder  minder  wahr- 
scheinlichen Hypothesen. 

Was  von  der  Aussprache  gilt,  kann  natürlich  auf  das  gesprochene 
Latein  im  allgemeinen  ausgedehnt  werden.  Wir  kennen  das  Lateinische 
nicht  als  lebende  Sprache,  sondern  durch  die  Litteratur;  nur  das  Schrift- 
latein bildet  also  das  Objekt  der  lateinischen  Sprachwissenschaft.  Das 
•  Vulgärlatein t  könnte  a  priori  nur  auf  zwei  Wegen  zu  unserer  Kenntnis 
gelangen: 

1.  Durch  DialektpoSsie.  Diese  wäre  aber  dem  Römer  etwas 
undenkbares.  Wer  einmal  die  Feder  in  die  Hand  nimmt,  will  gutlatei- 
nisch schreiben.  Nicht  einmal  zu  komischer  Wirkung  wird  die  Volks- 
sprache ausgenützt;  im  Lustspiel  gebrauchen  die  niederen  Personen  wohl 
niedere  (»schmutzigec)  Wörter,  deren  sich  die  feineren  schämen,  aber 
die  Sprache  bleibt  doch  die  gleiche.  Höchstens  der  geniale  Petronius 
benutzt  die  Sprichwörter  des  Volkes  zum  komischen  Kolorit,  aber  seine 
Figuren  sind  keine  naiven  Plebejer,  sondern  Bildungsphilister;  Trimalchio 
hat  zwar  »keinen  Philosophen  gehörte,  läfst  aber  doch  seine  Gelehrsam- 
keit bewundern,  und  einer  seiner  Freunde  renommiert  mit  dem  Studieren 
seines  Knaben.  Kurz,  mit  Bewufstsein  hat  niemand  vulgär  geschrie- 
ben.   Auf  die  christliche  Litteratur  komme  ich  unten  zu  sprechen. 

2.  Durch  grammatische  Darstellungen:  Die  alten  Gramma- 
tiker haben  nie  ein  philologisches  Interesse  an  der  Volkssprache  genom- 
men, sondern  dieselbe  stets  mit  ihrem  Hasse  verfolgt.  Was  sie  von  ihr 
sagten,  war  nur  Warnung  vor  dem  regellosen  Pöbel.  Aber  wenn  sie 
nach  griechischem  Muster  von  »barbarismusc  und  »soloecismus«  handeln, 
belehren  sie  selbstverständlich  nicht  das  Volk,  das  keine  Grammatiken 
las,  sondern  die  Mittelklasse,  welche  einige  Lateinklassen  durchgemacht 
und  das  Gelernte  zum  Teil  vergessen  hatte;  daher  das  krause  Gemisch 
von  Vulgarismen,  Mifsverständnissen  und  unpassenden  Lesefrüchten,  wel- 
ches den  Gegenstand  jener  Abschnitte  ausmacht  Von  den  Traktaten 
»de  orthographiac   versteht  es  sich  erst  recht,   dafs   sie  blofs  auf  die 

Schriftsprache  sich  beziehen. 

16* 


228  Bi^tio, 

unsere  direkte  kombinationsireie  Kenntnis  der  römischen  Umgangs- 
sprache redvciert  sich  also  anf  die  beschränkte  Anzahl  von  Wörtern, 
welche  die  Schriftsteller  mit  »vulgoc  nnd  ähnlichen  Ausdrücken,  meist 
zu  eigener  Entschuldigung,  brandmarken.  Dieses  Sammelsurium,  das 
aus  allen  Perioden  der  lateinischen  Sprache  und  aus  allen  Ländern  des 
Reiches  zusammenzutragen  ist,  kann  ebensowenig  einen  Begriff  vom  Vul- 
gärlateinischen  geben  als  etwa  die  mit  iveraltetc  bezeichneten  Wörter 
des  Lexikons  einer  neueren  Sprache  die  Entwicklungsstufen  des  älteren 
Französisch,  Spanisch  u.  dgl  Für  die  griechische  iruvi^Beia  oder  xotv^ 
umspannen  solche  Quellen  noch  ein  paar  Jahrhunderte  mehr. 

Man  wäre  gewifs  nicht  auf  die  Hypothese  eines  noch  jetzt  nach- 
weisbaren Gegensatzes  zwischen  Hoch*  und  Vulgärlatein  verfallen,  wenn 
die  lateinische  Schriftsprache  etwas  einheitliches  wäre.  Die  statistische 
Methode,  soviele  Fehler  sie  auch  auf  allen  Gebieten  der  Wissenschaft 
vom  Menschen  haben  mag,  hat  doch  sicherlich  diese  Unterschiede  klar 
vor  Augen  geführt.  Aber  der  Name  Vulgärlatein  darf  hier  nicht  gehört 
werden,  wenn  man  in  die  wirksamen  Motive  des  Sprachlebens  eingeht. 
Pa  diese  für  die  lateinische  Schriftsprache  noch  nie  im  Zusammenhange 
ausgesprochen  worden  sind,  mufs  ich  darauf  näher  eingehen. 

Fragen  wir  die  Römer  selbst,  so  erfahren  wir  hier,  dafs  die  drei 
Hauptmotive  der  Schriftsprache  sind:  Ratio,  auctoritas  (lectio)  und  usus 
(consuetudo).  Wenn  wir  die  nach  griechischer  Sprachtheorie  eingeführte 
Natur  ausscheiden,  lehrt  dies  bereits  Varro  (bei  Diomedes  p.  439,  14): 
natura  analogia  consuetudine  auctoritate.  Die  grammatische  ratio  ^) 
beruht  auf  Etymologie  und  Analogie;  unwissenschaftlich  wie  ihre  Me- 
thode war,  vermochten  sich  die  Grammatiker  in  verschiedenen  Punkten 
nicht  zu  einigen  und  zu  der  einen  Zeit  schien  dies,  zu  der  anderen  jenes 
allein  lateinisch.')  Immerhin  mag  Caesar,  dem  nicht  blofs  das  Gewicht 
seines  Namens,  sondern  auch  die  Majestät  seiner  Nachfolger  zur  Seite 
stand,  eine  Einheitssprache  am  kräftigsten  angebahnt  haben;  noch  in 
der  Zeit  des  Gellius  betrachtete  man  das  Werk  über  die  Analogie  als 
kanonisch').  Sodann  ist  der  regelnde  Einflufs  der  grammatischen  Bücher 
des  Plinius ,  denen  die  Bewunderung  seiner  Polyhistorie .  zu  Gute  kam, 
nicht  zu  unterschätzen.  Auch  die  in  der  späteren  Zeit  herrschende  Ah- 
scbreiberei  der  Grammatiker  läfst  uns  voraussetzen,  dafs  die  Ansichten 
über  den  Inhalt  des  grammatischen  Unterrichts  ziemlich  gleich  waren. 

Die  Ratio  hat  zweimal  Epoche  in  der  lateinischen  Litteratur- 
sprache  gemacht,  zuerst  in  der  Scipionenzeit^)  welche  jetzt  noch  Terens 

1)  Vgl.  E.  B.  QuiDtilian.  1,  6,  1. 

S)  E.  B.  GledoDioB  p.  346,  6  hie  Narbe  et,  sicut  nunc  praesumi  ooepity 
kaec  Narbo;  De  dabiis  nominibus  V  676,  9  Kell :  Comae  et  eoma,  nam  qnidam 
▼•tabaat  did»  sed  nunc  admittitur. 

<)  QeU.  1,  10,  4w  19,  a,  7  ff.,  besonders  §  10. 

^)  Gell.  2,  20,  6  Scipionem  omninm  aetatis  «oae  purMsirnQ  loeviiim. 


Ratio.  ^29 

vertritt.  Dann  haben  Cicero  und  Caesar  durch  ihr  Zusammenwirken 
die  lateinische  Sprache  geregelt  und  die  wuchernden  Triebe  nach  ihrem 
Geschmacke  beschnitten.  Wenn  ihnen  di^s  auch  nicht  für  alle  Zeiten 
gelang,  trftgt  doch  die  ganze  Prosa  mehr  oder  weniger  das  äufsere  Ge- 
präge dieses  Lateins  zur  Schau. 

Erst  nach  diesen  Männern  erhält  die  Grammatik  einen  praktischen 
Zweck,  die  Censur  des  Lateins  der  schreibenden  und  redenden  Zeit- 
genossen. Am  greif  bärsten  wird  ihr  Einflufs  in  der  Orthographie  sein; 
doch  lassen  sich  gewifs  leicht  andere  Spuren  der  ratio  nachweisen,  z.  B. 
stellten  Grammatiker  die  Theorie  auf,  das  Gerundiv  sei  das  passive  Par- 
ticip  des  Futurs  M.  Demgemäfs  wurde  mindestens  seit  dem  Ende  des 
zweiten  Jahrhunderts  (TertuU.  resurr.  51  c^gnoHcendus  neben  descensuros) 
das  Gerundiv  zunächst  als  Particip  angewendet.  Hundert  Jahre  später 
(bei  den  Scriptores  historiae  Augustae)*)  beginnt  es  mit  oder  ohne  este 
den  schwerfölligen  »Infinitiv  des  Futurpassivumsc  zu  ersetzen. 

Gegen  die  Bevormundung  der  Muttersprache  lehnte  sich  das  natür- 
liche Gefahl  mancher  Römer  auf;  selbst  Quintilian  (1,  6,  27)  eignet  sich 
das  Bonmot  an,  Lateinisch  und  grammatisch  reden  sei  zweierlei.  Auch 
andere  sparen  die  Hiebe  auf  die  Tyrannei  der  Philologen  nicht'). 

Kfihne  Schriftsteller  lassen  sich  nicht  vorsagen,  welchen  Weg  sie 
gehen  sollen,  sondern  bilden  nach  eigener  •  ratio c  neue  Wörter  und 
Ausdrücke.  Dies  sind  die  sogenannten  individuellen  Spracherschei- 
nungen, deren  Zahl  in  dem  MaTse  zusammenschmelzen  wird,  als  die 
Durchforschung  der  Litteratur  fortschreitet;  wenn  einmal  der  Thesaurus 
vorliegt,  werden  nicht  mehr  viele  Individualitäten  übrig  geblieben  sein. 
Andererseits  wird  immer  wieder  vergessen,  dafs  nicht  jedes  Wort  dort, 
wo  wir  es  zuerst  lesen,  eine  Neuerung  ist;  es  kann  aus  blofsem  Zufall 
früher  nicht  niedergeschrieben  worden  sein,  noch  bedeutungsvoller  ist 
aber  der  Untergang  sovieler  Quellen.  Der  beklagenswerteste  Verlust  ist 
für  die  lateinische  Sprachgeschichte  gewifs  der  der  vorsullanischen  Prosa, 
um  nicht  zu  reden  von  der  Possenlitteratur.  Auf  festem  Boden  stehen 
wir  nur  dort,  wo  der  Schriftsteller  selbst  seine  Neuerung  andeutet  oder 
wo  sie  andere  Römer  ausdrücklich  bezeugen.  So  nörgelte  Cicero  nicht 
weniger  als  dreimal  an  dem  zu  seiner  Zeit  erst  aufkommenden  Worte  favor. 

Diese  individuelle  ratio  war  in  den  Augen  der  grammatischen  Or- 
thodoxie eine  Ketzerei,  gegen  welche  ein  heftiger  Krieg  geführt  wurde. 
Um  dadurch  nicht  abgeschreckt  zu  werden,  brauchte  es  entweder  einen 


1)  Plerique  nach  Sergios  p.  504,  82;  Servios  lY  p.  412,  19  K.;  Priscian. 
11,  7,  28.    Vgl.  auch  Diomedes  I  p.  364. 

S)  Cyprian.  testim.  III  17  ist  interpoliert;  ad  Fortunat.  11,  wo  dieselbtt 
Bibelstelle  vorkommt,  hat  nur  S>  soscitandos. 

t)  s.  B.  Trebell.  PoUio  Claod.  3:  clypeus  aureus  vel,  ut  grammatici  lo- 
qaontar,  clypeom  aoreum ;  vgl.  August,  serm.  37,  14.  299,  6. 


230  Analogie. 

so  starken  und  schroffen  Charakter  wie  Tacitns  oder  ein  einträchtiges 
Streben  von  Vielen;  ich  denke  dabei  an  die  grofse  Bereicherung  der 
lateinischen  Sprache  durch  die  Christen,  wenn  auch  im  einzelnen  viel- 
fach Schwanken  herrschte.^),  bis  hier  das  Papsttum  Ordnung  und  Ein- 
heit herstellte. 

Bekanntlich  war  die  Wirkung  der  lAnalogiec  auch  eine  negative, 
eine  Seite,  die  gerade  bei  Cicero  und  Caesar  stark  hervortrat;  gewisse 
Wörter  wurden  auf  die  Seite  gelegt  oder,  besser  gesagt,  man  traf  aus 
der  Mannigfaltigkeit  der  lebendigen  Sprache  eine  Auswahl.  Später  haben 
hier  die  Grammatiker  mit  ihren  »differentiae  sermonisc  oder  »synonymat 
eingegriffen;  wenn  Beck  seine  Sammlung  derselben  vollendet  haben  wird, 
steht  uns  die  Aufgabe  bevor,  die  praktische  Anwendung  derselben  nach- 
zuweisen. WOlfflin,  Dressel  und  andere  haben  durch  mühevolle  Statistik 
gezeigt,  dafs  auch  Schriftsteller  der  sinkenden  Eaiserzeit  gewisse  Wörter 
sorgsam  vermieden;  damit  ist  freilich  nicht  bewiesen,  dafs  sie  damals 
verloren  waren,  denn  bei  den  gleichen  Schriftstellern  kommen  zahlreiche 
Wörter  vor,  welche  sicherlich  nur  mehr  der  Schriftsprache  angehören. 

Übrigens  hatte  die  ratio  auch  ihre  Kehrseite,  wie  überhaupt  alles 
vernünftige  in  ungeschickten  Händen  verkehrt  wird.  Mochten  die  Regeln 
an  sich  recht  gut  sein,  weniger  geübte  Leute  wendeten  sie,  wenn  sie 
selbst  auch  schon  über  die  Jahre,  wo  die  Donatschnitzer  etwas  natür- 
liches sind,  längst  hinaus  waren,  falsch  an;  daher  die  sogenannten  um- 
gekehrten Formen,  für  welche  der  Name  »halbgebildete  vieUeicht  be- 
zeichnender wäre.  Als  z.  B.  das  romanische  Deklinationsverhältnis  in 
der  Volkssprache  bereits  herrschte,  warnten  die  Lehrer,  voluntate  zu 
sagen;  es  müsse  voluntas  heifsen.  Ein  Steinmetz  schrieb  sich  dies  hinter 
die  Ohren  und  setzte:  de  volumtas  (Bulletin  trimestriel  des  antiquit^s 
africaines  1885  p.  190  u.  903)  statt  »de  voluntatec  Es  müssen  nicht 
gerade  Handwerker  sein,  welchen  solche  Dinge  passieren.  Der  angeb- 
liche Gelehrte  Beza  hatte  gehört,  magis  (mais)  sei  ein  Gallicismus,  sed 
müsse  man  sagen,  weshalb  er  in  der  Schrift  »in  Passavantiumc  schrieb: 
Kon  possum  sed  (ich  kann  nicht  mehr).  Oft  spielte  auch  die  Etymolo- 
giensucht, die  häufige  Begleiterin  oberflächlicher  Bildung,  herein;  so 
schwebte  den  Schriftstellern  christlicher  Zeit  die  apsis  ihrer  Kirchen  vor, 
wenn  sie  paropsis  in  parapsis  änderten.  Natürlich  kommen  derartige 
Mirsgriffe  um  so  öfter  vor,  je  mangelhafter  die  Schulbildung  ist;  wäh- 
rend der  Kaiserzeit  sind  ihnen  also  die  weniger  bemittelten  Klassen, 
deren  Vermögen  zu  einem  vollständigen  Studienkurse  nicht  hinreicht,  am 


1)  Die  Darstellung,  wie  die  christlichen  Begriffe  der  lateinischeo  Sprache 
angepafst  werden,  macht  den  Wert  des  Baches  von  G.  Koffmane  aus:  »Ge- 
schichte des  Kirchenlateinsc,  Erster  Band,  erstes  Heft,  Breslau  (Köbner)  1879; 
zweites  Heft  1881.  Da  seitdem  nichts  mehr  erschienen  ist,  scheint  das  Werk 
unvollendet  zu  bleiben. 


Anctoritas.  331 

meisten  aasgesetzt ;  als  aber  die  Völkerwanderung  die  öffentlichen  Schu- 
len vernichtete,  war  bis  auf  Karl  den  Grofsen  kaum  einer,  der  nicht 
seine  Halbbildung  in  seinem  Latein  bekundet  hätte. 

Auf  dem  Gebiete  der  Halbbildung  berühren  sich  Theorie  und  Volks- 
tum ;  ein  solches  unabsichtliches  Zusammentreffen  vermittelt  oft  auch  die 
Analogie,  ein  Grundsatz,  den  die  Grammatiker  bewufst,  das  Volk  unbe- 
wufst  durchführen;  z.  B.  consacrare  =  consecrare  (nach  dem  simplez) 
kann  rationalistisches  oder  volkstümliches  Latein  sein.  Dem  Triebe  des 
Analogisierens  sind  ja  Gelehrte  und  Ungelebrte  ausgesetzt. 

vEzempla  trahuntc ;  dieses  Wort  bewährte  sich  bei  den  lateinischen 
Schriftstellern,  welche,  seitdem  überhaupt  etwas  nachahmenswertes  vor- 
lag, überall  der  auctoritas  der  älteren  Schriftsteller  folgten. 

Schon  am  £nde  der  Republik  galt  die  Litteratur  des  dritten  und 
zweiten  Jahrhunderts  als  klassisch  und  beherrschte  die  Schnllektttre, 
weshalb  gebildete  Frauen,  wenn  sie  zurückgezogen  lebten,  in  ihrer 
Sprache  Anklänge  an  Plautus  und  Naevius  bewahrten').  Selbst  der  ge- 
reifte Cicero  empfiehlt,  seinen  Stil  an  den  alten  Rednern  und  Dichtern 
zu  bilden,  wobei  er  nur  vor  dem  reichlichen  Gebrauche  veralteter  Wörter 
warnt  ^)  und  Cotta  und  Sulpicius  werden  wegen  ihrer  archaistischen  Aus- 
sprache (d.  h.  weil  sie  so  sprachen,  wie  in  den  Handschriften  der  damaligen 
Klassiker  geschrieben  war)  verspottet  >).  Sein  Zeitgenosse  Sallust  ahmte 
Cato  übertrieben  nach  und  Asinius  PoUio  erinnerte  in  seinem  Stil  an 
Pacuvius  und  Accius.  Am  klarsten  spricht  Horaz  die  sprachliche  Auto- 
rität der  archaischen  Litteratur  in  dem  selten  verstandenen  Verse  aus: 
fFingere  cinctntis  non  exaudita  Cethegisc  (a-  p.  50),  d.  h.  Wörter  in  die 
Litteratur  einfahren,  welche  bei  den  (archaischen)  Klassikern  fehlen. 
Damit  ist  auf  die  negative  Seite  des  Autoritätsprincipes  hingewiesen: 
Was  bei  den  auctores  Latinitatis  nicht  steht,  ist  nicht  gutlateinisch. 
Quod  non  est  in  actis,  non  est  in  mundo,  so  denken  alle  Römer,  blofs 
etwaige  eigene  Erfindungen  ausnehmend. 

Mit  dem  Aufblühen  einer  neuen  Periode  der  Prosa  und  Poesie 
gestalten  sich  die  Verhältnisse  natürlich  komplicierter.  Für  die  Epigo- 
nen kamen  nun  aufser  den  archaischen  Klassikern  Cicero  und  Vergil  mit 
ihren  Zeitgenossen  in  Betracht.  Einen  Gegensatz  zwischen  jenen  und 
diesen  konstruieren  zu  wollen,  als  ob  mit  Fronte  eine  Periode  des  Ar- 
chaismus  angebrochen  sei,  ist  ein  Unternehmen,  das  weder  durch  die 
literarhistorischen  Zeugnisse  noch  durch  die  Sprache  Frontos  und  seiner 
Nachfolger  selbst  gestützt  wird.  Am  Schlüsse  der  Commentationes 
Woelfflinianae  habe  ich  auszuführen  gesucht,  dafs  zu  aUen  Zeiten  die 
Vorgänger  Ciceros  und  Vergils  geehrt  und  gelesen  wurden;  als  freilich  — 


1)  Cicero  de  orat.  3  §  45. 

S)  In  dem  gleichen  Buche  §  39. 

»)  §  46. 


283  Archaismus. 

ohne  dafs  man  damals  von  Überbflrdung  gesprochen  hätte,  das  erlaubte 
der  Bildangshochmot  des  Altertums  nicht  —  der  Schulsack  gegen  Ende 
der  Eaiserzeit  erheblich  kleiner  wurde,  blieb  eigentlich  nur  Terenz 
flbrig,  dessen  Lustspiele  wie  im  Mittelalter  und  in  den  neueren  Schulen 
das  Lehrmittel  der  feinen  Eonversationssprache  waren;  er  ist  deshalb 
unter  die  vier  Autoren  des  Arusianus  Messius  aufgenommen  und  von 
Grammatikern  kommentiert.  Auf  die  Lektflre  seiner  Komödien  durften 
z.  B.  mederi  aliquem  und  numquidnam  (das  sich  auch  Lucifer  angeeignet 
hat)  zurückzufahren  sein.  Aufser  Terenz  vertreten  die  alte  Litteratur 
Glossen,  deren  Anwendung  man  en  gros  in  der  Vorrede  der  salma- 
sianischen  Anthologie  und  bei  Fulgentius  findet;  Nonius  hat  gewifs  nicht 
ftür  die  Erklärung  der  Alten,  sondern  gleich  Polydeukes  fQr  Studenten 
der  Schriftsprache  seine  sachlich  geordneten  Sammlungen  angelegt. 

Über  die  veralteten  Wörter  giebt  Quintilian  8,  3,  26  ff.  eine  wich- 
tige Auseinandersetzung;  wir  fügen  diesem  Verzeichnisse  probeweise  bei: 
actutum,  adorea,  apprime,  ast,  cluo,  jugiter,  ni,  penitus  als  Adljektiv, 
perpes. 

Die  Handschriften  der  Schulklassiker  haben  noch  in  der  Kaiserzeit 
die  alte  Orthographie  lebendig  erhalten  oder  doch  ihr  einen  beständigen 
Einfluls  auf  die  damalige  gesichert;  ja  bis  in  das  Mittelalter  lassen  sich 
die  Spuren  verfolgen^). 

An  altertümlichen  Deklinationsformen  ist  auch  kein  Mangel,  z.  B. 
mage  =  magis,  quls  =  quibus.  Neminis  kann  auch  nach  der  ratio  selb- 
ständig erneuert  worden  sein. 

Aus  der  Syntax  ffthre  ich  an:  Fruor,  fangor,  potior,  utor,  opus 
est  mit  dem  Akkusativ;  quaeso  mit  persönlichem  Objekt;  curo  mit  Dativ; 
decet  mit  Dativ  (doch  liegt  auch  die  Analogie  von  npinet  vor);  suus  sibi; 
quiesco  mit  Infinitiv;  quisque  =  quisquis. 

Hin  und  wieder  hat  Jemand  sich  durch  eine  falsche  Lesart  tau* 
sehen  lassen,  wie  Hilarius  bei  Plautus  Capt  2,  2,  88  »donec  cumc 
vorfand*). 

AuTserdem  giebt  es  Ausdrücke,  die  man  leicht  als  archaisch  er- 
kennt, wenn  wir  auch  jetzt  keinen  Beleg  mehr  besitzen:  Hodieque  mit 
indefinitem  que;  necdum  =  nondum ;  ceteri  alii;  bonus  et  optimus  (aus 
einer  Zeit,  wo  man  opi-tumus  noch  nicht  superlativisch  gebrauchte); 
Omnibus  =  omnino  (bei  Apulejus  met.  7,  17  und  dem  Übersetzer  Dictys 
2,  26);  ex  summo  studio,  ex  summa  ope,  ex  summis  viribus');  crastino 
(durch  das  Zusammentreffen  von  Apulejus  und  Gellius  charakterisiert); 
tunc  temporis. 


1)  s.  B.  vo-  in  den  Handschriften  Juvenals:  Beer,  spicilegium  p.  54  & 
^  Prolog  SU  den  Psaknen  2  (Zingerle,  Archiv  II 8. 604  vermutet  donicnm). 
S)  Belege  im  Archiv  VI  5.    Nachweisbar  ist  noch  lez  opibus  summisc 
bei  Plautos  und  EnnioB. 


Archaismus.  Gleero.  233 

Wir  haben  noch  nicht  die  Schwierigkeiten  erwähnt,  welchen  die 
Abgrenzung  der  Archaismen  begegnet.  Es  ist  nämlich  oft  nicht  zu  ent- 
scheiden, ob  etwas  direkt  aus  den  altertümlichen  Schriftstellern  stammt 
oder  nur  mittelbar,  wobei  die  Vermittler  Dichter  oder  Freunde  der  ar- 
chaischen Litteratur,  wie  die  beliebten  Rhetoren  Fronto  und  Apulejus, 
sind.  Beispiele  ftlr  das  erstere  wird  jeder  leicht  unter  den  oben  ange- 
fahrten Archaismen  erkennen;  Ober  die  Rhetoren  werde  ich  unten  sprechen. 

Endlich  bedarf  es  noch  einer  Warnung.  Da  Cicero  und  Caesar 
die  Sprache  eingeschränkt  haben,  sind  die  frflheren  Schriftsteller  reicher 
und  haben  dementsprechend  mit  der  mannigfaltigen  Volkssprache  mehr 
Berilhrungen.  Wenn  nun  aber  Römer  der  Kaiserzeit  manches  schreiben, 
was  sowohl  in  den  romanischen  Sprachen  als  in  der  archaischen  Litte- 
ratur erscheint,  so  haben  sie  natürlich  nicht  ans  der  Volkssprache  ge^ 
schöpft  —  ein  Apulejus  und  vulgaris  — ,  sondern  sie  hatten  die  archai- 
schen auctores  im  Auge.  Aus  Apulejus  will  ich  nichts  anftlhren,  son- 
dern den  Fall  eccum  =  ecce;  allerdings  wird  die  erstere  Form  durch 
ecco  und  andere  romanische  Formen  (Gröber  im  Archiv  I  S.  228)  vor- 
ausgesetzt, sie  erscheint  aber  während  der  Eaiserzeit  nicht  etwa  bei 
Schriftstellern  niederen  Ranges,  sondern  vielmehr  in  Versen  und  bei  dem 
gesuchten  Martianus  Capella').  Folglich  braucht  man  sich  auch  nicht 
zu  wundem,  wenn  das  Latein  des  Bellum  Afric(an)um  früher  als  Typus 
des  »Vulgärlateins«  galt,  jetzt  aber  von  Wölfflin  archaisch  genannt  wird> 
es  ist  eben  von  der  Sprachordnung  Ciceros  und  Caesars  unberührt. 

Gehen  wir  von  den  archaischen  Schriftstellern  weiter,  so  gelangen 
wir  zu  Cicero.  Der  Ciceronianismus  begann  schon  früh;  bereits  Livius 
giebt  seiner  Bewunderung  lebhaften  Ausdruck*).  Remmius  Palaemon 
entnimmt  keinem  anderen  Prosaiker  Beispiele.  Ciceronianer  sind  Julius 
Secundus,  Vipstanus  Messalla,  Curiatius  Maternus  und  vor  allem  Quin» 
tilian  mit  seiner  Schule,  während  Gallus  Asinius  und  Largius  Licinius 
leidenschaftlich  die  entgegengesetzte  Ansicht  vertraten.  Indes  war  Cicero 
nie  der  einzige  mustergiltige  Gewährsmann  der  Latinität,  wurde  dafür 
aber,  weil  sein  Name  keine  Intoleranz  gegen  andere  Klassiker  bedeutete 
wie  im  sechzehnten  Jahrhunderte  und  später,  abgesehen  von  den  Schrullen 
mancher  litterarischen  Einsiedler  nie  mifsachtet.    Fronto  liebt  die  ältere 


1)  Er  äufsert  selbstgef^Sillig  vor  seinen  Hörern:  »Quis  enim  vestrum  unam 
mihi  soloecismum  ignoverit?  Quis  vel  unam  syllabam  barbare  proountiatam 
donaverit?  Quis  incondita  et  vitiosa  vorba  temere  quasi  delirantibus  oborientia 
permiserit  blatterare?«  etc.  Anderen  verzeihe  man  sie  mit  geringschätziger 
Nachsicht,  bei  ihm  aber  werde  ein  höherer  Mafsstab  angelegt  (Florida  p. 
119  Bip.). 

>)  CiL.  II  4284  aus  Tarraco;  Frudent  perist.  2, 309.  10, 1006;  Martian. 
Cap.  2,  168  nach  der  Bamberger  Handachrift, 

S)  Brief  bei  QuintU.  10,  1,  39. 


284  Cietro.  Salloil. 

Utteratar,  ohne  Cicero  zu  Terkeiuien')  und  der  angeblidie  Archaist 
Gellins  versteigt  sich  zu  dem  Satze  (17,  1,  1):  üt  qnidam  fuemnt  mon- 
stra  hominam,  qaod  de  dis  inmortalibas  inpias  Calsasqae  opiniones  pro- 
didemnt,  ita  nonnulli  tarn  prodigiosi  tamqae  recordes  exstitemnt . .  .  at 
scribere  aasi  sint  M.  Ciceronem  pamm  integre  atqae  improprie  atque 
inconsiderate  locatum').  Cicero  galt  auch  nachmals  fQr  den  ersten 
Redner  Roms*)  und  herrschte  mit  seinen  Schriften  in  den  Schulen, 
indem  die  Lehrer  auf  die  rhetorischen  Schriften  sich  st&tzten*),  die 
Lernenden  aber  die  Reden  und  Dialoge  studierten').  Unter  den  latei- 
nischen Kirchenvätern  ist  eine  nicht  kleine  Schaar,  welche  in  Cicero, 
wenigstens  in  seine  philosophischen  Schriften  sich  grflndlich  vertieft  hat 
und  ein  an  ihn  anklingendes  Latein  schreibt:  Minucius,  Lactantius  der 
christliche  Cicero'),  Ambrosins  der  Verfasser  des  christlichen  Buches 
von  den  Pflichten,  Augustinus  als  Systematiker  besonders  in  Hinsicht 
auf  die  Civitas  dei,  auch  Claudianus  Mamertus^),  Zeno  und  Philastrius; 
Hieronymus  träumte  gar,  verdammt  zu  werden  als  Ciceronianus  non 
Christianus*),  wie  ihm  denn  auch  Rufinus  vorwarf  er  habe  Mönche  zum 
Abschreiben  von  Ciceros  Dialogen  verwendet').  Bei  den  christlichen 
Schriftstellern  der  Griechen  entsprechen  die  Piatonismen,  zur  deren  Er- 
kenntnis in  den  Kommentaren  zu  Eunapios,  von  Albert  Jan  u.  s.  w. 
Beiträge  geliefert  sind.  Ciceronianismen  aber  gelten  leider,  etwa  von 
Amtzens  Panegyrici  und  H.  Michaels  Dissertation  »De  Ammiani  Mar- 
cellini studiis  Ciceronianisff  (Breslau  1874)  abgesehen,  fOr  selbstver- 
ständlich. 

Von  Ciceros  Zeitgenossen  kann  nur  noch  Sallust  als  Vorbild  der 
Latinität  in  Frage   kommen.     Da  er  in  der  Schule  gelesen  wurde  i®), 


1)  P.  63   126    145.  184,  2  f. 

>)  Vgl.  auch  10,  3,  1. 

S)  s.  fi.  Tertoll.  apol.  1 ;  Amob.  3,  6 ;  Ammian.  30,  4,  7 ;  Orientins  com- 
monit.  2,  8;  Sidon.  ep.  8,  11  V. 

4)  Aognstin.    Eugippi  excerpta  p.  970,  19  ff. 

i)  Hieron.  adv.  Rufin.  1,  16  (t.  II  A  p.  457);  Aqaila  17.  Der  Kaiser 
Alexander  Severos  las  von  römischer  Prosa  am  liebsten  die  Bflcber  de  officiis 
und  de  republica  (Lamprid.  30). 

<)  Von  dessen  Bachern  schreibt  Hieronymus  ep.  70,  5  Quos  si  legere 
volueris,  dialogomm  Ciceronis  in  eis  introßifv  reperies;  58,  10  L.  quasi  quidam 
fluviuB  eloquentiae  Tallianae. 

7)  Ep.  p.  205,  soff. 

>)  Epist.  22  ad  Eustocfainm  e  29;  vgl  den  70  Brief;  Lübeck,  Hieronymus 
p.  128  ff. 

9)  Bd.  II  col.  636  der  Ausgabe  Vallarsis. 

10)  Hieron.  adv.  Rofin.  2,  16;  Auson.  Idyll.  4,  611;  er  gehört  su  den  vier 
Autoren  des  Arusianos  Messius.  Claudianus  empfiehlt  ihn  ep.  p.  205,  SOff. 
(nach  Eogelbreehts  Verbesserung). 


Epigonen.  235 

finden  sich  allenthalben  Reminiscenzen  i),  vielleicht  am  meisten  bei  denen, 
welche  das  Schriftlatein  ganz  aus  Büchern  erlernten,  wie  der  Grieche 
Ammianus  und  die  Übersetzer  des  Josephus  und  Dictys*). 

Aus  der  Schaar  der  Epigonen  vermochte  keiner  eine  ähnliche  auto- 
ritative SteUung  zu  gewinnen.  Die  Historiker  kommen  in  der  Haupt- 
sache nur  für  den  SUl  ihrer  Fachgenossen  in  Betracht,  wie  Tacitus, 
Yellejus  und  Curtius  bei  Sulpicius  Severus'),  der  erstere  auch  bei  seinem 
Fortsetzer  Ammian^);  den  Einflufs  des  Marius  Maximus,  der  eine  Zeit 
lang  in  der  Mode  war^),  können  wir  nicht  mehr  kontrolieren.  Einen 
weiteren  Wirkungskreis  hatten  die  Bhetoren,  solange  das  wichtigste 
Erfordernis  ftkr  ein  öffentliches  Amt  die  eloquentia  war.  Nach  der  chro- 
nologischen Folge  nenne  ich  zuerst  Quintilian,  das  Vorbild  des  heili- 
gen Hilarius  in  seinem  Werk  »de  trinitate«^),  und  den  jüngeren  Plinius, 
auf  welche  sozusagen  ein  Abglanz  von  Giceros  Ruhm  fiel;  Hieronymus 
nennt  alle  zwei  seine  Vorbilder^). 

Beachtung  verdient,  dafs  non—saltem  statt  ne — quidem  zuerst  bei 
Quintilian  (1,  1,  24)  und  dann  bei  feineren  Stilisten,  Apulejus,  Tertullian, 
Cyprian  in  der  rhetorischen  Schrift  ad  Demetrianum,  Augustin  in  der 
Civitas  dei  und  Hieronymus,  vorkommt 

Inde  est  quod  begegnet  bei  Plinius  (ep.  7,  5)  und  dann  in  jener 
Schrift  Cyprians  (17  a.  A.).  In  der  Phrase  melior  optimo  treffen  jener 
(pan.  92)  und  Boöthius  (Migne  64,  937)  kaum  zufällig  zusammen. 

Wie  hoch  Fronto  ehemals  geschätzt  wurde,  ist  bekannt;  es  gab 
noch  Jahrhunderte  später  Frontonianer  ®).  Hieronymus  und  Claudianus 
Mamertus  haben  ihn  als  Vorbild  studiert^).  Der  Ruhm  des  Apulejus 
wurde  in  Worten  nicht  so  gefeiert  als  thatsächlich  sein  im  griechischen 
Osten  angelernter  sophistischer  Stil  zur  Nachahmung  reizte.  Das  Buch 
von  Koziol,  welches  noch  nicht  unter  dem  Zeichen  des  Afrikanismus 
entstand,  kann  sich  vielleicht  noch  nützlich  erweisen,  um  die  Quelle  der 
rhetorischen  Prosa  der  späteren  Eaiserzeit  aufzufinden. 

Zunächst  hat  natürlich  Apulejus  die  meisten  Anhänger  unter  seinen 


1)  Fr.  Vogel,  Acta  semiDarii  Erlang.  1  318 ff.  II  405 ff.;  zu  Hieronymus: 
Lübeck  a.  0.  S.  117ff.;  Augustious:  WOlfflin,  Philol.  Anzeiger  11,35;  von  Ge- 
schichtsschreibern sehe  ich  dabei  ab;  Ober  die  Formel  veteris  prosapiae  W5Iff- 
ÜD,  Rhein.  Mus.  37,  95. 

>)  Hertz,  de  Ammiani  Marc,  studiis  Sallustianis,  Breslau  1874;  Teuffel- 
Scbwabe  §  423,  4.  433,  5. 

S)  J.  Bemays  über  die  Chronik  des  S.  S.,  Anm.  6.  32.  35.  49.  70. 

«)  WOlff  lin,  Philologus  29,  559. 

fi)  Ammian.  Marc.  28,  4,  14. 

<)  Vgl.  auch  SidoD.  carm.  9,  313 f.;  Lübeck,  Hieronymus  p.  213 ff. 

7)  Epist.  125,  12. 

*)  SidoD.  epist.  1,  1,  2. 

9)  HieroQ.  ep.  125, 12;  Claud.  Um.  p.  205,  SOff. 


236  Apolejtts. 

Landslenten  gefanden;  das  sogeaannte  afrikanische  Latein  ist 
gröfstenteils  apulejanische  Rhetorik.  Tertullian  und  Oyprian 
allerdings  hahen  sich  selbst  in  ihren  nach  den  Kegeln  der  Rhetorik  an- 
gelegten Schriften  seinem  Zauber  nicht  voll  und  ganz  hingegeben ;  nfther 
stehen  ihm  dagegen  der  Rhetor  Amobius  und  der  Grammatiker  Fulgen- 
tius^).  Im  Jahre  400  etwa  dehnte  er  seine  Herrschaft  auch  über  die 
Rhetorikschnlen  von  Südfrankreich  aus.  Der  Nachweis  dieses  Einflusses 
ist  wohl  das  methodisch  wichtigste  Ergebnis,  welches  ich  in  diesem 
Jahresberichte  zu  verzeichnen  habe;  er  ist  geführt  bei 

August  Engelbrecht,  Untersuchungen  über  die  Sprache  des 
Glaudianus  Mamertus,  Wien  1885  (aus  den  Sitzongsber.  der  phil.-hist. 
Gl.  der  kais.  Akademie  d.  W.  GX.  Bd.  S.  423  ff.),  specieU  S.  16  f.  I8ff.>) 

Wir  werden  hier  zu  scheiden  haben  1.  apulejanische  Neuerungen, 
z.  B.  haben  die  Phrase  desudare  aliquid  Apulejus,  Glaudianus,  Sidonius 
und  Gassianus,  den  attributlosen  genitivus  qualitatis  Apulejus  (homo 
justus  et  morum),  Sidonius  und  Symmachus,  paene  mit  Plusquamperfekt 
wiederum  dieselben  drei;  2.  die  durch  Apulejus  vermittelten  Archaismen, 
wie  blaterare  (Sidon.  ep.  2,  2),  omnimodis  (Glaudianus,  Gassianus  u.  A.), 
volo  alicui  factum  (Symmach.  ep.  1,  60),  osor  (Pacatus,  Ausonius  und 
Augustinus). 

Überhaupt  scheint  Apulejus  manche  geschraubten  Ausdrücke  in  die 
Mode  gebracht  zu  haben,  und  zwar  immer  zuerst  in  Afrika,  dann  erheb- 
lich später  im  übrigen  Reiche;  als  Beispiele  erwähne  ich  merito  mit 
sachlichem  Genetiv  im  Sinne  von  »wegen«  (Apul.  apol.  8,  Tertullian  u.  s.  w., 
8.  lokale  Verschiedenheiten  S.  186;  Wölfflin,  Archiv  1,  l74f.),  penes  = 
apud  mit  persönlichem  Plural  (nach  dem  Vorgänge  von  Tacitus  und 
anderen  gesuchten  Schreibern  ApuL  flor.  6.  17.  18.  20,  Tertullian,  Lao- 
tantius  u.  s.  w.,  s.  Archiv  2,  393  f.),  die  Verbindung  von  Positiv  und  Kom- 
parativ welche  ich  zuerst  wieder  bei  Tacitus  finde  —  ein  Zeichen  wie 
sie  zu  beurteilen  ist  (Apulejus  oft,  Lactantius,  Anrelius  Victor  U.A.; 
einiges  »Lokale  Verschiedenheiten«  S.  103). 

Ich  habe  vorhin  Symmachus  unter  den  gallischen  Rhetoren  genannt; 
denn  ftlr  die  letzten  Ausläufer  der  römischen  Beredsamkeit  sind  die 
Gallier  vorbildlich. 

Für  den  Unterschied  von  poetischen  und  prosaischen  Stilgattungen 
besafs  schon  Quintilian  ein  gemindertes  Gefühl;  allerdings  hatte  bereits 
der  Halikarnassier  Dionysios  den  Rednern  die  Lektflre  der  Dichter  em- 
pfohlen, was  er  ebenfalls  im  zehnten  Buch  gethan  hat;  dort  fahrt  er 
K.  1,  12  unter  mehreren  prosaischen  Wendungen  das  vergilianische  »et 
pressi  copia  lactisc  auf,  als  ob  es  nicht  einem  höheren  Stile  angehörte. 


1)  s.  B.  exhinc  Fnlg.  sine  litt.  XIV  Z.  28  und  Apol.  met.  H)  34. 

>)  Weiter  geführt  ist  die  Unlenuohttog  bei  Mohr»  sa  l^deniOB  S.  8  f. 


Dichte.  237 

Betrachten  wir  nun  die  Schriftsprache,  so  stellt  sich  heraus,  dafs  etwa 
vom  Anfange  unserer  Zeitrechnung  an  viele  poetische  Sprachelemente 
in  die  Prosa  eindringen;  je  nach  dem  Charakter  des  Schriftstellers 
schwankt  ihre  Häufigkeit,  aher  fehlen  dürften  sie  höchstens  in  trockenen 
Fachschriften. 

Dieser  Pyrrhussieg  der  Poesie,  welche  hei  einer  Verwirrung  ihrer 
Grenzen  gegen  die  Prosa  das  meiste  zu  verlieren  hatte,  hängt  unzweifel- 
haft mit  dem  aufserordentlichen  Erfolge  des  Vergil  zusammen.  Schon 
Gaecilius  Epirota  führte  ihn  und  andere  seiner  Zeitgenossen  in  die  Schule 
ein^),  was  Horaz  ausdrücklich  für  sich  hoffte;  war  doch  nach  seiner  An- 
sicht die  erste  Aufgabe  des  Dichters :  Os  tenerum  pueri  balbumque  poäta 
figurata).  Weil  Vergil  in  dem  empfänglichsten  Alter,  wie  Augustin  rich- 
tig bemerkt^),  durchgenommen,  ja  durch  Nachsprechen  auswendig  gelernt 
wurde  ^j  und  selbst  den  Professoren  der  Rhetorik  als  Klassiker  der  Be- 
redsamkeit galt^),  wimmelt  die  Prosa  der  Kaiserzeit  und  selbst  der  ger- 
manischen Periode  von  sprachlichen  Reminiscenzen  an  seine  Dichtungen, 
gerade  wie  die  spätgriechische  Schriftsprache  an  den  Homerismen  einen 
Lieblingsschmuck  hat. 

Schon  in  der  augusteischen  Zeit  ahmte  ihn  Fusius  Asellius  nach^). 
Die  Historiker  stehen  von  Livius  an  unter  dem  Banne  Vergils^),  wie 
ihre  Vorgänger  Ennius  imitiert  hatten®);  von  den  Rhetoren')  und  jedem 
rhetorisch  schreibenden  Römer  (z.  B.  Lactantius,  Ambrosius^^)  und  Hiero- 
nymus^^)  gilt  so  ziemlich  das  gleiche.  Was  die  Übersetzer  betrifft,  ver- 
steht es  sich  ganz  von  selbst,  dafs  sie  ihre  vergilianischen  Lesefrüchte 
in  ihr  buntscheckiges  Latein  einflechtcn^^.  An  Horaz,  der  allerdings 
weniger  fest  im  Studienplan  haftete^'),  sind  die  Anklänge  st)ärlicher^^). 


1)  Sueton.  gramm.  16. 

>)  Epist.  2,  1,  126. 

»)  Civ.  dei  1,  8. 

^)  Vgl.  Augustin.  civ.  d.  1  8  p.  7,  1  ff.;  Macrob.  sat  1,  24.  6. 

A)  Aufser  dem  bekannten  Dialoge  des  Floros  ist  auf  Macrob.  sat  5,  1 , 1 
SU  verweisen. 

<)  Sen.  suas.  Ili  4.  6. 

7)  Über  Justinus  Sonny,  Rhein.  Mus.  41,  473 f.;  Orosius:  MOrner,  de  Orosii 
vito  p.  177  f. 

>)  Von  L.  CoeliuB  bezeugt  dies  Fronto  (ad  M.  Caes.  4,  3  p.  62  N.). 

9)  Ober  die  Panegyriker  Schenkl,  Wiener  Stadien  HI  S.  129. 

^^)  Vgl.  Ihm,  Studia  Ambrosiana,  Jabrbb.  Suppl.  1889. 

11)  Labeck,  Hieronymns  p.  167  ff. 

^)  Bei  Julius  Valerius  lesen  wir  unter  anderem  navita  1,  41  p.  51,  27  A; 
aequor  1,  43. 

IS)  Doch  8.  Quintil.  1,  8,  5;  Tacit  dial.  20;  Auson.  edyll  4,  66. 
1«)  Bei  Fronto  M.  Hertz,  Renaissance  S.  47 f.  A.  76;  vgl.  Gensorinus  1,  Iff. 
mit  c.  4,  8;  3, 6  mit  c.  1, 1,  2;  LObeck|  Hieronymns  S.  160  ff. 


238  Dichter. 

Hieronymus  zählt  als  Dichter  der  Schale  in  der  Streitschrift  gegen  Rn- 
finus  auf  (2,  16):  Yergil,  Horaz,  Lucretius  (welchen  denn  auch  Arnobins 
ausbeutete^),  Persius  (Lübeck,  Hieronymns  S.  195ff.)  and  Lucanus  (Gros. 
6,  1  a.  E.;  Lübeck  a.  0.  S.  194f ),  denen  wir  für  die  Zeit  Ammians  (28, 
4,  14)  Juvenal  anf&gen  dürfen. 

Ich  wiederhole,  dafs  die  Intensivität  der  poetischen  Einflüsse  grofsen 
Schwankungen  unterworfen  war;  der  Unterschied  Quintilians  und  seiner 
Schule  von  der  »silbernen  Prosac,  wie  der  unglückliche  Ausdruck 
für  die  älteren  Produkte  der  poetisch  gefärbten  Prosa  lautet,  beruht  nur 
darauf,  dafs  er  die  Imitation  der  Dichter  eingeschränkt  wissen  wollte'). 
Die  Verkehrung  von  Poesie  und  Prosa  kann  nicht  besser  charakterisiert 
werden  als  durch  die  Worte  des  Fronto:  Plerumque  ad  orationem  fa- 
ciendam  versus,  ad  versificandum  ratio  magis  adijuvat  (ad  M.  Gaes.  3,  16 
p.  54  N.). 

Wir  haben  bereits  gesehen,  dafs  die  Poesie  Archaismen  vermittelte; 
dieselbe  Rolle  spielte  sie  bei  den  Graecismen,  welche  erst  nach  diesem 
Abschnitte  zur  Sprache  kommen  sollen.  Mithin  bleiben  hier  nur  Wörter 
und  Bedeutungen  zu  besprechen.  Ich  erwähne  hier  nur  solche,  deren 
Ursprung  nicht  auf  den  ersten  Blick  zu  erkennen  ist.  Nach  unusquisque 
bildeten  die  Dichter  für  den  Hexameter  singula  quaeque  (Horat  a. 
p.*92;  Anthol.  739,  13),  was  seit  TertuUian  in  die  Prosa  überging  und 
sich  auf  alle  Geschlechter,  ja  sogar  auf  den  Singular  ausdehnte.  Das 
indefinite  oder  exklamative  quotus  des  Gvid  ist  bei  Eustathius  wieder 
aufgenommen.  Yergils  temporales  tenus  begegnet  wieder  bei  Sueton, 
Grosius,  Symmachus  und  Justinians  Juristen.  Posthinc  wurde  in  den 
Georgica  3,  300  nach  Servius  von  mehreren  geschrieben  und  so  müssen 
wirklich  die  Gallier  Claudianus,  Sidonius  und  Alcimus  Avitus  gelesen 
haben.  Yel,  welches  freilich  nie  eine  eigentliche  disjunktive  Kraft  ge- 
habt hat,  dient  Yergil  und  anderen  Dichtern  für  et,  wenn  keine  Elision 
des  vorhergehenden  Vokales  stattfinden  soll,  z.  B.  pietate  vel  armis; 
dieses  verbindende  vel  eignet  sich  die  feinere  Prosa  der  Kaiserzeit,  be- 
sonders seit  TertuUian  an,  während  es  dem  echten  Bibellatein  fremd  zu 
sein  scheint.  Nam  rückt  an  die  zweite  Stelle  des  Satzes,  was  in  der 
Zeit  des  Servius  durchgedrungen  war  (zu  Yerg.  G.  4,  44ö).  Das  volltö- 
nende nee  non  et  kommt  zwar  schon  bei  Yarro  (r.  r.  1,  6)  vor,  ist  aber 
erst  durch  Yergil  beliebt  geworden,  der  es  zuerst  als  kräftigen  Hexa- 
meteranfang (Georg.  1,  212  u.  ö.),  dann  auch  in  der  Mitte  verwendete 
(Aen.  7,  521.  9,  310).  Plinius,  Florus,  Sueton  und  Justin  eröffnen  eine 
lange  Reihe  von  Gewährsmännern,  welche  bis  in  das  Mittelalter  hinein 
reicht    Ein  hexametrisches  Wort  ist  ferner  die  Koi^unktion  quamlibet. 


1)  Lokale  Yerschiedenheiten  S.  120  A.  76  (dazu  circamcaesara  3,  13  und 
nominito  7,  46). 

>)  1,  6,  2.  8,  3,  60.  6,  17;  Tacit.  dial.  20. 


\ 


Dichter.    Bibel.  289 

mit  welcher  Ovid  gerne  qaamvis  vertauschte;  Quintilian,  Minucius,  Lac- 
tantius,  Eumenios,  Clandianas,  Cassianus,  also  lauter  feine  Stilisten, 
haben  es  adoptiert.  Si  tarnen  (zuerst  Bellum  Alex.  63  parenthetisch) 
tritt  für  das  ältere  si  quidem,  welches  vor  Vokalen  nicht  stehen  konnte, 
ein  (Ovid.  roet.  4,  636.  10,  323  u.  ö.)  und  wird  sogleich  von  den  Rhetoren 
angenommen  (Gallio  bei  Sen.  contr.  2,  3,  17).  Im  Latein  der  Kaiserzeit 
und  des  Mittelalters  ist  diese  Konjunktion  gang  und  gäbe.  Auch  das 
vergilianische  cum  tamen  (Aen.  10,  609)  finde  ich  bei  Gyprian  ep.  2,  2 
und  in  der  Merowingerzeit. 

Mifsgriffe  in  der  Verwertung  der  poetischen  Lektfire  waren  nichts 
unerhörtes:  Wenn  Lucifer  quia  im  Sinne  von  cur  setzt,  hat  er  jenes 
aus  quianam,  einem  Archaismus  des  Aeneassängers,  vereinfacht,  obgleich 
diese  Bedeutung  von  quia  gewifs  nicht  so  auf  der  Hand  lag  wie  die  von 
quianam. 

Da  die  Bibel  den  Christen  über  der  heidnischen  Litteratur  stehen 
mufste,  konnte  auch  ihre  sprachliche  Autorität  keine  geringere  sein.  Sie 
hat  denn  auch  auf  alle  Schriftsprachen  der  christlichen  Zeit  einen  wesent- 
lichen Einflufs  ausgeübt^).  »Die  Macht  der  Gewohnheit,  schreibt  Augusti- 
nus (de  doctrina  Christiana  2,  14),  ist  auch  beim  Lernen  so  grofs,  dafs 
diejenigen,  welche  mit  den  heiligen  Schriften  ernährt  und  aufgezogen 
sind,  eher  Aber  andere  Ausdrücke  sich  wundem  und  sie  für  weniger  gut 
halten  als  jene,  welche  sie  aus  der  Schrift  gelernt  haben,  aber  in  den 
Klassikern  nicht  wiederfinden«.  Je  geringer  die  weltliche  Bildung  eines 
Theologen  war,  desto  mehr  erging  er  sich  in  Bibelworten;  umgekehrt 
enthielten  sich  die  Apologeten  und  überhaupt  alle,  welche  zu  der  heid- 
nischen Welt  oder  den  Gelehrten  sprachen,  so  viel  als  möglich  der  bibli- 
schen Anspielungen.  Laien  zeigen  sich  erst,  als  die  ecclesia  Bomana 
allein  mehr  das  imperium  Bomanum  repräsentierte,  von  der  Bibelsprache 
beeinflufst.  Übrigens  sind  nicht  alle  Teile  der  Bibel  gleich  vorbildlich 
gewesen;  von  dem  alten  Testamente  können  nur  die  Psalmen,  welche 
sogar  von  sehr  vielen  auswendig  gelernt  wurden,  populär  heifsen.  Ihnen 
kommt  daher  eine  grofse  Bedeutung  für  die  lateinische  Kirchensprache 
zu,  nächstdem,  woran  mich  der  Herr  Redaktor  erinnert,  den  vier  grofsen 
Propheten*). 

Was  nun  aber  das  Eigentümliche  des  Bibellateins  ausmacht ,  ist 
nicht  etwas  einheitliches.  Die  Übersetzung  geschah  gewöhnlich  nach 
dem  griechischen  Texte,  teilweise  nach  hebräischer  Vorlage  und  zwar 
in  einer  Weise,  welche  den  von  Luther  in  seiner  Streitschrift  »vom  Dol- 
metschen« entwickelten  Grundsätzen  gerade  entgegen  gesetzt  war.    Wäh- 


1)  Rnd.  VCD  Raumer,  die  Einwirkung  des  Christenthoms  auf  die  althoch- 
deutsche Sprache,  Stuttgart  1845. 

^  Bekanntlich  empfahl  der  beilige  Ambrosias  dem  bekehrten  Augustinus 
Jinerst  die  Lesung  des  Esaias  (confess.  9,  5). 


240  Bibel. 

rend  er  ein  Lesebach  herstellen  will,  hielten  es  die  alten  Christen  för 
ein  Gebot  der  Pietät,  die  heiligen  Worte  so  getreu  als  möglich  zn  über- 
setzen; ihr  Ziel  war  also  zu  keiner  Zeit  eine  lesbare  lateinische  Bibel, 
sondern  eine  getreue  Interlinearversion.  Auf  diesem  Wege  ergab  sich 
also  eine  Sprache,  die  in  lateinischer  Form  einen  ausgesprochen  hebräi- 
schen oder  syrischgriechischen  Charakter  trug.  Hieronymns  konnte  die- 
sen nur  mildem,  aber  nicht  verschwinden  machen;  der  gemeine  Mann 
war  nach  wie  vor  auf  die  Erklärung  seines  Bischofs  angewiesen. 

Die  Eigentümlichkeiten  des  Bibellateins  zerfallen,  wie  gesagt,  in 
Hebraismen  und  Graecismen.  Von  ersteren  führe  ich  an:  caeli  (ohpa- 
voe\  hebr.  schamajim),  früher  nur  von  den  Grammatikern  theoretisch  auf- 
gestellt und  bei  dem  kühnen  Neuerer  Lucrez  vorkommend;  gentes  oder 
nationes  (li^i^,  göjim)  idie  Heidenc;  dominus  misericordiae,  spiritus 
erroris,  verbum  salutis  und  ähnliche  Genitive  statt  der  Eigenschafts- 
wörter; den  identischen  Genitiv  ohne  logische  Berechtigung  z.  B. 
vanitas  vanitatum,  saecula  saeculorum,  virgo  virginum,  sancta  sanctorum 
(rd  äyea  ro/v  äye<ov)\  faciem  (nicht  facie)  ad  faciem  (TtpoawTtov  elg  Ttpo- 
a<unov)\  die  Präposition  a  nach  Art  des  hebräischen  min  bei  attendere, 
trepidare,  corrumpere,  jejunus  etc.;  kausales  super  =  hebr/al;  ebenso 
super  bei  regnare,  ferner  auch  bei  den  Steigerungsgraden;  altissimus 
oder  potentissimus  »Gott«,  dagegen  nequissimus  »Teufel«;  über- 
flüTsiges  Demonstrativ  im  Relativsatz  (getadelt  von  Augustin  doctr. 
Christ.  2,  18,  20);  addo,  adjicio,  appono  oder  augeo  mit  Infinitiv  = 
hebr.  jasaq;  quoniam  =  hebr.  bt  statt  des  Accusativus  cum  Infinitive; 
iterative  Verdopplung  von  Substantiven  (Wölfiflin,  Gemination  S.  441ff.). 

Noch  zahlreicher  sind  aufserhalb  der  Yulgata  die  Gräcismen ;  blät- 
tern wir  den  ersten  Teil  von  Rönsch^  »Itala  und  Vulgata«  durch,  so 
sehen  wir  auf  jeder  Seite  Wörter,  die  einfach  ein  Abklatsch  von  griechi- 
schen sind,  z.  B.  wird  das  Suffix  -/xa  mit  -men,  -mentum  wiedergegeben: 
abominamentum  oder  aspemamentum  (ßSiXuyfid)^  assumentum  {inißkyjfia\ 
auramentum  (j^puawfia)  u.  s.  w.  Hier  hat  Hieronymus  Wandel  geschaffen, 
indem  er  den  vorhandenen  Sprachschatz  des  wirklichen  Lateins  besser 
ausnützte.  Weniger  streng  ging  er,  um  den  Sinn  nicht  willkürlich  zu 
verletzen,  gegen  die  syntaktischen  Graecismen  vor:  Benedicere  aliquem 
(eöXoyeev  rn/a),  ebenso  maledicere  (vorher  nur  im  Munde  eines  Barbaren- 
sklaven Petron.  96  a.  E.;  eher  zulässig  maledictus,  Spartian.  Geta  3,  8); 
calceare  mit  doppeltem  Akkusativ;  dominari  aiicujus  (äp^stv  revög); 
adorare  alicui  {npoaxuvtTv  rm);  loqui  alicui  {XaXetv  rrw);  a  longe 
(d^jA  /laxpoSev);  amodo  (dndpn^  dnb  roZ  vüu);  capit  mit  Infinitiv  (iy- 
Ux^Ttu) ;  ut  quid  =s  Iva  ri  (klassisch  nur  ohne  Zeitwort). 

Manchmal  liegt  der  biblische  Graecismus  nicht  so  auf  der  Hand, 
wird  jedoch  durch  die  Prüfung  der  Zeugnisse  erwiesen.  Quoadusque 
und  moz  ut  haben  vor  dem  Mittelalter  nur  Theologen  (zu  denen  ich 


KircheD?ftter.   Graedsmos.  241 

auch  Cbalcidins  rechnel^),  so  dafs  die  Annahme  nicht  zu  ktlhn  sein  wird, 
sie  hätten  img  (nengr.  äß^)  oder  ä)[pe  und  i>c  (^c  räj^eara)  umgemodelt 

Unter  den  anctores  Latinitatis  nimmt  die  Bibel  insofern  eine  ge- 
sonderte Stellung  ein,  als  sie  am  meisten  von  allen  Litteratarprodakten 
die  Fähigkeit  hat,  auf  breite  Volksschichten  einzuwirken;  daher  so  manche 
Übereinstimmung  zwischen  Bibelsprache  und  »Ynlgärlateinc  beziehungs- 
weise den  romanischen  Sprachen,  woraus  noch  keineswegs  ein  Vulgaris- 
mus der  ersteren  hervorgeht.  Wären  unsere  Philologen  in  der  lateini- 
schen Bibel  etwas  belesener,  würden  Beobachtungen  nicht  mangeln. 

Aulser  der  Bibel  beeinflufsten  die  grofsen  Kirchenlehrer  mit 
den  Ideen  die  Sprache  der  Theologen.  Für  den  Predigtstil  werden  vor- 
zugsweise Cyprian')  und  Ambrosius,  welche  Augustin  im  4.  Buch  de 
doctrina  Christiana  ausdrücklich  empfiehlt,  in  Betracht  kommen ;  Cyprian 
hinwiederum  nannte  den  TertuUian  seinen  Lehrer.  Sonst  hat  gewifs  der 
sprachgewaltige  Augustinus  die  Sprache  seiner  Nachfolger,  vor  allem 
des  Orosins^  und  Glaudianus  Mamertus,  geschalt.  Wir  greifen  zwei 
FäUe  heraus,  wo  sicher  nicht  zufällig  Augustins  Name  an  der  Spitze  der 
Liste  steht  Mediante  aliqua  re  sagt  zuerst  Augustinus  (ep.  98,  5), 
dann  sein  Schüler  Mamertus  und  bald  dessen  Landsleute;  das  Mittelalter 
vermittelt  dies  dann  der  italienischen  und  französischen  Schriftsprache 
(mediante,  etwas  umgebildet  moyennant).  Circumquaque  ist  ein  nach 
usque  quaque  gebildetes  Lieblingswort  des  Augustin,  an  den  sich  sein 
Bearbeiter  Eugippius  anschliefst,  gefolgt  von  zahlreichen  jüngeren  Schrift- 
stellern. 

Hiermit  haben  wir  die  Prüfung  des  Principes  der  lectio  beendigt 
Dieser  könnte  man  auch  den  Graecismus  beifügen,  insofern  er  auf  der 
Lektüre  griechischer  Klassiker  beruht;  indes  läfst  er  sich  auch  zur  ratio 
stellen,  da  die  Analogie  des  Griechischen,  weil  es  für  eine  verwandte 
oder  eigentlich  die  Stammsprache  galt,  die  Ansichten  der  Grammatiker 
bestimmte.  Nach  den  Verirrungen  der  älteren  Grammatik,  fftr  welche 
der  Graecismus  ein  beliebtes  Auskunftsmittel  der  Erklärung  war,  kam 
eine  Zeit,  wo  man  anfing,  sich  desselben  zu  schämen.  Dieses  Extrem 
scheint  mir  schlimmer  als  das  frühere,  weil  es  die  Entstehung  der  latei- 
nischen Schriftsprache  ignoriert  Livius  Andronicus  ist  Grieche,  Ennius 
und  Accius,  welche  sich  mit  der  Sprachtheorie  befassen,  wenigstens  Halb- 
griechen; die  zünftigen  Grammatiker  der  Republik  stammen  zumeist  aus 
griechischen  Ländern.  Dazu  kam,  dafs  das  Griechische  den  Römern 
gebildeter  Familien  eigentlich  Muttersprache  war.  Sehr  viele  Kinder 
redeten  lange  Zeit  nur  griechisch;  obgleich  Quintilian  beobachtete,  dafs 


^)  Wie  hätte  er  sonst  die  Hexapla  des  Origenes  gekannt? 
'  *)  Seine  Werke  waren  zur  Zeit  des  Hieronymus  (vir.  ill.  67)  allbekannt ; 
▼gl.  auch  Prudent.  perist.  4,  18  ore  facundo  Gypriane  doctor. 
S)  Mömer,  de  Orosii  vita,  Berlin  1844,  p.  52-56. 

Jahretbericht  für  AlterthunuwissenschaO.    LXVm.  Bd.   (1891.    II.)  16 


242  OraecismoB. 

hieraus  viele  Fehler  der  Aussprache  und  des  Ausdrucks  entsprangen, 
blieb  er  doch  dabei,  man  solle  den  Kindern  zuerst  Griechisch  lehren^). 
Was  war  die  Folge  dieser  Methode?  Der  junge  Panlinus  von  Pella 
kannte  in  den  ersten  Lebensjahren  nur  das  Griechische  und  begann  das 
Letfen  mit  Homer;  erst  später  folgte  Vergil,  welcher  dem  ROmersohn 
schwer  fiell*)  Endlich  zog  Hieronymus  aus  der  Graecisierung  der  latei- 
nischen Sprache  die  Folgerung,  dafs  der  lateinische  Unterricht  voran- 
gehen müsse;*)  in  der  That  beginnt  das  Griechische  seit  dem  vierten 
Jahrhundert  zurttckzutreteu^).  Bis  dahin  aber  waren  die  Graecismen 
etwas  kulturhistorisch  so  selbstverständliches,  wie  die  Latinismen  und 
Gallicismen  der  deutschen  Schriftsprache.  Als  Zeichen,  dafs  die  histo- 
rische Betrachtung  wieder  Platz  greift,  begrttfsen  wir  den  Aufeatz  von 

Ed.  Zarncke,  Der  Einflufs  der  griechischen  Litteratur  auf  die 
Entwicklung  der  römischen  Prosa,  in  den  Gommentationes  philologae 
quibus  Ott.  Ribbeckio  u.  s.  w.,  Leipzig  1888,  S.  267—825. 

Während  gewöhnlich  Graecismen  blofs  in  der  Syntax  aufgesucht 
werden,  entdeckt  man  sie  bei  schärferem  Zusehen  sogar  in  der  Schrei- 
bung: Ae  (ae),  oe  (oe),  e  =  ae  (e)  kehren  im  Griechischen  wieder;  oe 
{oe)  =  y  und  y  =  oe,  y  =  u*),  ou  =  u  (z.B.  saloute  CIL.  VI  406)  sind 
augenscheinliche  Graecismen;  nicht  minder  scheint  es  sicher,  dafs  die 
Römer,  als  sie  das  konsonantische  V  von  dem  vokalischen  zu  trennen 
suchten,  sich  des  griechischen  ß  erinnerten.  In  Inschriften,  besonders 
in  Afrika,  tauchen  selbst  griechische  Buchstaben  auf^). 

Griechische  Flexionen  sind  auf  Inschriften  beschränkt;  Männer 
verwandeln  die  Endung  ins  ihres  Namens  in  is^),  während  Frauen  von 
ihrem  Namen  den  Genitiv  auf  es  bilden. 

Die  Zahl  der  syntaktischen  Graecismen  ist  so  grofs,  dafs  hier  auch 
nur  für  eine  Aufzählung  des  Wichtigsten  der  Platz  fehlt.  Das  Lexikon 
wurde  nicht  blofs  durch  Entlehnungen,  sondern  auch  durch  Übertragun- 
gen wesentlich  bereichert;  erstere  sind  nur  in  der  nationalen  Geschichts- 


1)  1, 1,  12.  13. 

^  Encharist.  76ff. 

S)  Epist.  107. 

*)  Ein  Symptom  in  der  Rirchengeschichte  des  Sokrates  2,  20  p.  101 
bc  Vales. 

A)  Umgekehrt  steht  e.  B.  x^vrupimvi  =  eenturioni  Acta  apoatolonun 
apocrypha  p.  112,  6. 

s)  PIYG  (Plus)  CIL.  VI  124  verdiente  daher  kein  sie. 

7)  Da  diese  Formen  häufig  falsch  beurteilt  wurden,  bemerke  ich«  dafb 
die  Endung  co(  im  jüngeren  Griechisch  zu  cc  (auch  i^c  geschrieben)  kontra- 
hiert wird. 


Umgangssprache.  243 

BchreibuDg  fast  verpönt^).  Zar  lexikalischen  Seite  des  Graecismas  ist 
jetzt  eine  erschöpfende  Zasammenfassang  der  bisherigen  Leistungen 
gegeben  von 

Iwan  Mflller  in  der  achten  vollständig  umgearbeiteten  Auflage 
von  »Karl  Friedrich  von  Nägelsbach^s  lateinische  Stilistik  fttr  Deutschec, 
Nürnberg  1888,  §  1.  2. 

Es  ist  bereits  angedeutet,  dafs  ein  grofser  Teil  der  Graecismen 
während  der  Kaiserzeit  durch  römische  Vermittler  (die  Dichter  und  die 
Bibelttbersetzer)  in  die  lateinische  Prosa  gelangte.  Eine  besondere  Be« 
wandtnis  hat  es  mit  der  »fabula  Graecanicac  des  Apulejus,  welcher  in 
der  Vorrede  den  griechischen  Rhetor  spielt 

Wir  können  uns  jetzt  zu  dem  dritten  Grundelemente  der  Schrift- 
sprache wenden,  das  die  Römer  bald  usus  bald  consuetudo  nennen, 
wofttr  ihnen  das  griechische  mjv^^eea,  die  häufigste  Bezeichnung  der 
unattischen  Umgangssprache,  vorlag;  das  Übliche  Acijektiv  lautet  cotti- 
dianus'),  vielleicht  auch  communis,  doch  liegt  in  dem  sermo  communis 
(Gonsentins  p.  886,  9flf.  387,  17  ff.)  und  dem  vorbildlichen  xotvij  {dtdJiexTo^)^ 
einem  Namen  der  oft  unbegreiflich  mifsverstanden  wurde,  schon  etwas 
Verachtung.  Über  die  Abstufungen  der  Umgangssprache  von  den  feinen 
Cirkeln  bis  zu  den  Bauernknechten  glaube  idr  das^  wichtigste  gesagt  zu 
haben  in  meinem  Vortrage: 

Was  ist  Vulgärlatein?,  in  den  »Verhandlungen  der  40.  Versamm- 
lung deutscher  Philologen  und  Schulmännerc  in  Görlitz  S.  385 — 392. 

Ich  habe  mich  damals  vielleicht  noch  nicht  deutlich  genug  ttber 
die  Versuche,  »Vulgärlateinc  in  den  Schriftwerken  zu  finden,  geäufsert 
Für  die  Schriftsprache  kommt  nur  in  Betracht  der  sermo  cottidia- 
nus*),  die  Umgangssprache  der  besseren  Stände,  welche  durch  die  Schule 
beeinflttfst  ist,  aber  doch  im  Laufe  der  Zeit  sich  wesentlich  verändert 
Dem  sermo  cottidianus  steht,  auch  nach  den  Theoretikern,  die  Komödie, 
das  Spottgedicht^),  der  Roman  und  der  Brief  offen,  doch  alle  nur  mit 
wesentlichen  Einschränkungen.  Die  verschiedenen  Arten  des  Lust- 
spiels bedingen  auch  eine  grofse  Verschiedenheit  des  Tones;  die  eigent- 
liche Komödie  hat  sich  allmälig  sehr  verfeinert,^)  und  die  griechischen 


1)  Von  Sallust  und  Tacitus  ist  dies  bekannt;  zu  Anrelins  Victor  vgl. 
Elimar  Klebs  im  Archiv  fUr  latein.  Lexikographie  VII  S.  439. 

<)  z.  B.  Gic.  epist  9, 21,  1.   Das  zu  usus  passende  Adverb  ist  usurpative 
(z.  B.  Serv.  Verg.  Aen.  7,  289). 

S)  Cic.  ep.  1, 1,  2;  Sueton.  Oct.  87;   Qaintil.  12,  10,  40;  der  sogenannte 
PoUux  ist  aberschrieben:  Cottidiani  colloquii  libellns. 

«)  Vgl.  Qnintil.  10,  1,  9. 

ft)  Quintilian  gesteht  a.  il  0.  jene  Freiheit  nnr  der  alten  Komödie  zu. 

16* 


244  ümgaDgsspnehe. 

Metren  mofsten  voo  Anfang  an  die  sprachliche  Bewegangsfreiheit  ein- 
dämmen. Die  Satire  kann  sich  ebenfalls,  ihrem  Metmm  entsprechend, 
?on  der  übrigen  hexametrischen  Poesie  nicht  za  weit  entfernen.  Der 
Roman  f&ilt  nach  Petron  in  die  Hände  der  Rhetoren  nnd  macht,  mtth- 
sam  ausgefeilt,  die  rhetorisch-grammatischen  Moden  mit,  wenn  die  Ver- 
fasser auch,  ohne  selbst  daran  zu  glauben  und  wohl  auch  ohne  die  Er- 
fahrenen zu  täuschen,  gleich  den  neuattischen  Sophisten  von  Causerie 
reden ^);  es  wird  wohl  niemand  auftreten,  der  aus  Horchers  Scriptores 
erotici  Graeci  das  »Yulgärgriechisch«  heraustode.  Einige  Worte  mehr 
erfordert  der  Briefstil.  Vertrauliche  Briefe  sind  in  Wahrheit  eine  Art 
von  Gespräch*);  doch  wie  viele  vertrauliche  Briefe  besitzen  wir  noch? 
Nichts  als  diejenigen,  welche  nicht  zur  Veröffentlichung  bestimmt  waren, 
also  den  Briefwechsel  mit  Atticus  nnd  die  Blumenlese,  welche  Sueton 
giebt;  aber  dort  erscheint  doch  auch  im  Neglig^  der  Bhetor,  welchem 
die  Kunstsprache  zur  zweiten  Natur  geworden  war*).  Alle  Übrigen  Briefe 
aber  wurden  entweder  von  vornherein  fQr  einen  weiteren  Kreis  zur  Ein* 
sichtnahme  bestimmt  oder  wenigstens  vor  der  Veröffentlichung  fiberarbei- 
tet, so  dafs  die  teilweise  Ungezwungenheit  des  Ausdrucks  nur  mehr 
kflnstlich  arrangiert  war^).  Mit  einem  dem  Demosthenes  abgelauschten 
Kunstgriff  versichert  der  Schreiber  selbst  die  AUtäglichkeit  seines  Stiles*). 
Freilich  seitdem  in  den  Rhetorenschulen  die  Briefetellerei  eine  wichtige 
Kunst  geworden  war,  hatte  auch  jene  scheinbare  Natürlichkeit  ein  Ende. 
Plinius  bildet  den  Übergang  zu  der  neuen  Periode  der  Brief  künstelei, 
weshalb  der  etwas  jüngere  Sueton  bereits  über  den  vertraulichen  Ton 
der  augusteischen  Briefe  sich  höchlich  verwundert.  Wer  wird  auch  an 
Alkiphron  oder  Synesios  die  Umgangssprache  studieren?  Der  Dialog, 
den  man  in  dieser  Umgebung  erwarten  sollte,  ist  in  Prosa  immer  etwas 
gekünsteltes;  höchstens  wären  die  Aufzeichnungen  von  Religionsgesprächen 
zu  nennen*). 

Aufser  jenen  Lltteraturgattungen  waren  Wörter,  welche  noch  nicht 


1)  Apnl.  met.  1,  1  Sermone  isto  Milesio. 

*)  Cic  ad  Att.  1,  9,  1  illnm  nostmm  familiärem  sermonem  (die  Stelle 
wird  fälschlich  als  Beleg  für  senno  familiaris  =  Umgangssprache  benutzt) ; 
Seneca  epist.  75, 1. 

*)  Vulgär  sind  auch  die  Briefe  des  Angustus  nicht ;  Gellius  eröffnet  ein 
Gitat  mit  der  Vorbemerkung :  Angustus,  linguae  Latinae  non  nesdus  (d.  h.  des 
Hochlatems)  munditiarumque  patris  sui  in  sermonibus  sectator  (10,  24,  2). 

^)  Symmach.  epist.  7,  9  ingeniorum  varietas  in  familiaribus  scriptis  negli- 
gentiam  qnandam  debet  imitarL 

*)  Cic  epist.  9,  21, 1  epistolas  quotidianis  verbis  texere  solemus;  Sidön. 
ep.  4, 10,  3  litteras  usnali,  licet  accuratns  mihi  melier  non  sit,  sermone  contexo ; 
non  enim  tanti  est  poliri  formulas  editione  carentes  (I). 

<)  Ein  pannonisches  bei  Caspar!,    Anecdota  fid«  I  S.  133 ff.;  Amobii 
tholiei  et  Serapionis  conflietus,  Migne  LIU.  Sp.  238  ff. 


UmgangssprMhe.  245 

die  EmpfebluDg  eines  Klassiken  oder  die  Sanktion  der  Grammatiker 
erlangt  hatten»  nur  unter  der  Bedingung  unkritisiert  zugelassen,  dafs  sie 
die  Etikette  ihres  Ursprungs  trugen.  Veranlassung  gab  oft  der  Zwang 
des  Stoffes  (wie  in  der  Encyklopädie  des  Plinius*)  oder  der  Wunsch  nach 
Deutlichkeit,  selten  ein  philosophisches  Interesse  an  dem  geistigen  Leben 
des  Volkes').  Sprichwörter  und  sprichwörtliche  Redensarten,  welche  fei- 
nere Schriftsteller  der  Eaiserzeit  unter  ausdrficklicher  Hervorhebung  (ut 
i^unt,  ut  vnlgo  dicitur  etc.)  einzuflechten  lieben,  sind  weniger  aus  der 
consuetudo  als  aus  Büchern  entlehnt,  wie  die  Sprichwörter  (r^  Xeyo/jLevov 
u.  ä.)  des  griechischen  Sophistenstiles  aus  den  attischen  Komikern  oder 
einfach  aus  Sprichwörtersammlungen  zu  stammen  pflegen. 

Diese  Grenzen  der  Berechtigung  des  usus  konnten  aber  nur  Theo- 
retiker feststellen  |und  einige  Schriftsteller  von  umfassender  Belesenheit 
und  grammatischer  Bildung  innehalten.  Immerhin  ist  der  »usus«  in  der 
älteren  Zeit  doch  nur  etwas  geduldetes;')  die  energische  Verteidigung 
des  Horaz  (a.  p.  72)  konnte  in  jener  Zeit,  besonders  im  Munde  eines  hel- 
lenistischen Dichters,  nur  den  Wert  eines  polemischen  Paradoxons  haben. 
Erst  als  die  Kluft  zwischen  busus«  und  »auctoritasc  im  Laufe  der  Jahr- 
hunderte immer  gröfser  wurde,  erkannten  auch  die  Grammatiker,  weil 
sie  den  Boden  unter  ihren  Ffifsen  schwanken  fohlten,  die  consuetudo  der 
Gebildeten  förmlich  an^).  Indes  wttfste  ich  kein  Buch  zu  nennen,  welches 
diese  ohne  lectio  und  ratio  darböte;  dagegen  hat  es  popul&re  Redner 
gegeben,  die  aber  ihre  Reden  nicht  veröffentlichten^). 

Noch  weniger  erhielten  die  niedereren  Stufen  der  Umgangssprache 
eine  litterarische  Vertretung.  Allerdings  war  durch  den  verewigten  Ar- 
chidiaconus  Rönsch  bei  den  Philologen  der  Glaube  erweckt  worden,  die 
alten  Christen  hätten  den  Grundsatz  »den  Armen  wird  das  Evangelium  ge- 
predigte auch  in  der  Schriftsprache  durchgeführt.  Was  von  den  Selbstbe- 
kenntnissen der  Theologen  zu  halten  sei,  führte  ich  aus  in  der  Miscelle 

»Rusticitas  der  theologischen  Schriftstellerc,  im  Archiv  für  latei- 
nische Lexikographie  Bd.  VI  S.  560  f., 

welche  ergänzt  wird  durch  die  folgende  »Hieronymusi  überschriebene*). 
Mit  der  sophistischen  Methode,  den  ungeübten  zu  spielen,  was  ehemals 


1)  In  der  Vorrede  schreibt  er  §  13:  Rerum  natura,  hoc  est  vita  narratur 
et  haec  sordidissima  sui  parte  ut  plnrimarum  rerum  aut  rusticins  vocabulis 
ant  extemis,  immo  barbaris,  etiam  cum  honoris  praefatione  ponamus. 

S)  Cicero  de  offic.  2, 10,  besonders  §  4,  mit  Berufung  auf  Panaiiios. 

S)  Vgl.  Quintil.  1,  6,  2;  Fronte  p.  68  f.  N. 

*)  Augustin.  ars  brev.  a.  A.;  Consentius  p.  387,  28. 

ft)  Cic.  Brut.  136;  Sueton.  rhet.  6;  Sen.  contr.  VII  praef.  8;  Quintil- 
12,  10,  40. 

')  Nachzutragen  habe  ich  aus  Prudentins  perist.  2, 574  pogtam  rusticum, 
womit  perist  10,8.  11  f.  stimmt. 


246  XJmgßMkgnpnAe. 

die  TOB  AdTokiteD  hefmlidi  nntenttttzten  Bflrger  tod  Athen  und  jetzt 
gegeoflber  deo  eiDgebfldeteo  HAoptstidteni  die  Bhetoren  der  Profinz 
^aten^),  traf  die  Ernmernng  id  Worte  des  TestameDtes  zosammeo;  das 
Beieh  Gottes  sei  nieht  io  den  Worten,  sondern  in  der  Kraft  nnd  den 
wahren  Christen  werde  der  heilige  Geist  die  reehten  Worte  eingeben. 
Wie  gepredigt  wurde ,  wissen  wir  nicht;  doch  erwfthne  ich  als  bezeicfa- 
nmides  Symptom,  was  Gbrysostomos  passierte:  Er  mnfiste  sich  wfthrend 
einer  Predigt  von  einer  Fran  znmfen  lassen,  er  solle  doch  Terstftndlich 
reden.  Gehen  wir  aber  die  christliche  Litterator  durch,  so  finden  wir 
freilidi  manche,  die  hoifentlidi  stftrker  im  Glauben  als  in  der  Grammatik 
waren,  aber  keiner  hat  wirklich  volkstnmlich  geschrieben,  am  wenigsten, 
wie  bereits  gesagt,  die  Bibelflbersetzer.  FOr  die  Details  mnfs  ich  hier 
auf  meinen  Vortrag  Terweisen;  manches  andere  kann  vielleicht  in  der 
Besprechung  einschlAgiger  Schriften  erwfthnt  werden. 

Die  Umgangssprache  ist  nirgends  auf  der  Welt  durchaus  die  gleiche 
selbst  in  der  nämlichen  Zeit ;  aufser  den  Unterschieden  des  Standes,  ja 
sogar  der  Situation  erfthrt  sie  erhebliche  Unterschiede  nach  dem  Orte, 
welche  um  so  zahlreicher  und  bedeutender  sind  als  sie  einen  grofeen 
Verbreitungskreis  hat.  Eigentliche  Mundarten  entwickeln  sich  freilich 
nur  im  sermo  ynlgaris,  während  die  Sprache  der  Gebildeten  geringere 
lokale  Verschiedenheiten  aufweist  Die  Wirkungen  dieses  Naturgesetzes 
erfuhren  im  rOmischen  Reiche  eine  wesentliche  Verstärkung  durch  die 
nationalen  Verhältnisse,  weil  der  grOfste  Teil  der  Bevölkerung  nicht  echt- 
römisch,  sondern  romanisiert  war.  Wir  kommen  im  dritten  Abschnitt 
noch  auf  die  Art  der  Bomanisierung  znrflck.  Hier  kommt  es  nur  darauf 
an,  ob  Spuren  der  alten  Landessprachen  auch  im  Schriftlatein  der 
einzelnen  Provinzen  zu  finden  seien.  Ich  habe  in  dem  Eingangs  erwähn- 
ten Buche  die  Frage  bejaht;  dies  kann  ich  jetzt  nur  mehr  fftr  das  Ge- 
schriebene, was  nicht  zur  Litteratur  gehOrt,  d.  h.  die  Inschriften  aufrecht 
erhalten*).  Was  ich  dagegen  fflr  Punismen  erklärte  (S.  92 ff.),  mufs 
und  kann  alles  auf  andere  Weise  erklärt  werden;  ich  spredie  hier  blofs 
von  den  zwei  anffiUligsten  Punkten:  Die  Umschreibung  des  Abla- 
tivus  comparationis  mit  der  Präposition  a  scheint  von  dem 
hebräischen  min  untrennbar  und  dennoch  ist  dies  nach  den  Grammatiker- 
zeugnissen unmöglich;  Servius  billigt  die  Konstruktion  und  Sorgius  sagt 
sogar  (p.  492),  sie  sei  zwar  nicht  »in  usuc,  aber  »auctoritatec  gesichert, 


1)  Paeat.  paneg.  Theod.  1, 8  rudern  hnne  et  incultum  Transalpini  sermo- 
nis  horrorem ;  auch  Apulejns'  Vorrede  zu  den  Metamorphosen  könnte  in  diesem 
Sinne  gedeutet  werden. 

*)  Ich  unterliefe  damals,  auf  das  Latein  der  Provinz  Germania  einsn- 
gehen;  dort  macht  sich  das  Germanische  fühlbar,  s«  B.  in  den  einhdmischen 
Göttemamen  der  Weihinschriften,  wobei  sogar  Plnraldative  auf  -ms  vorkommen 
(Zisch,  f  denUches  Alterthum  31,  355;  36,  78). 


Umgangssprache,    ungewöhnliches.  247 

d.  h.  sie  mafs  schon  bei  einem  Klassiker  gestanden  haben,  welcher  den 
Ablativ  verdeutlichen  wollte.  Was  ich  über  populi  »Leute c  sagte 
(8.  108 f.),  hat  zur  Folge  gehabt,  dafs  in  der  neuesten  Ausgabe  des 
Gellius  poptdoä  3,  13,  2  entfernt  ist,  um  mir  die  Stütze  für  die  Hypothese, 
er  sei  ein  Afrikaner,  zu  entziehen.  Die  Lesart  mag  ruhig  bleiben;  ich 
streite  dem  wackeren  Oellius  nicht  mehr  das  ROmertum  ab,  denn  po- 
pull  ist  durchaus  kein  Punismus,  sondern  vielmehr  aus  der  hexametri- 
schen Poesie  (z.B.  Lncilius  bei  Paul.  Diac.  s.  v.  minorem  Delum;  Ovid. 
met.  7,  201.  523.  8,  298;  Avien.  descr.  481.  1299.  1333),  welche  vielleicht 
das  griechische  S)[Xoi  nachbildete,  entlehnt.  Die  einheimischen  Sprachen 
haben  also,  obgleich  das  Punische,  Iberische  und  Keltische  Litteratur- 
sprachen  waren,  keine  Wirkung  ausgeübt,  weil  die  »barbarismic  strenge 
verpönt  wurden ;  nach  Augustins  Briefwechsel  beanstandeten  die  Gramma- 
tiker sogar  die  einheimischen  Eigennamen.  Anders  wäre  die  Sache  wohl 
gekommen,  wenn  das  Reich  nach  Nationen  zerfaUen  w&re,  sowie  die 
deutsche  Schriftsprache  in  Österreich  und  besonders  in  der  Schweiz 
manche  lokalen  Eigentümlichkeiten  besitzt,  oder  das  Französische  in 
Belgien  und  der  Schweiz.  So  aber  producierten  sogar  die  selbst&ndigen 
Kulturcentren  von  Gallien  und  Afrika  ein  Latein  von  verschiedener  Num^ 
mer,  aber  gleicher  Qualit&t;  das  »afrikanische«  Latein  konnte,  wenn  es 
gefiel,  an  die  Hochschulen  von  Gallien  wandern  und  das  »gallische«  hin- 
wiederum an  die  der  Hauptstadt,  ohne  dafs  jemand  über  die  »Sprach- 
dummheiten« (um  den  geschmackvollen  Ausdruck  der  »Grenzboten«  bei- 
zubehalten) der  fremden  Rhetoren  sich  lustig  machte. 

Nur  einer  Sprache  hing  der  Übelname  Barbarismus  nicht  an,  der 
heUenischen  Lehrroeisterin  des  Lateins.  Darum  nehmen  sich  die  latei- 
nisch schreibenden  Griechen  vor  Hellenismen  (wie  ich  zum  Unter- 
schiede von  den  Graecismen  der  Lateiner  sagen  möchte)  nicht  sorgfältig 
in  Acht;  Ammian,  Gi^us  und  Justinians  Juristen  gehören  zur  besseren 
Sorte,  die  Übersetzer  dagegen  zur  schlechteren. 

Damit  ist  auch  der  usus  in  seinen  Haupterscheinungen  dargestellt; 
doch  habe  ich  schliefslich  noch  von  einer  scharfen  Gegenströmung,  welche 
eigentlich  weder  mit  der  lectio  noch  mit  der  ratio  unmittelbar  etwas  zu 
thun  hat,  zu  sprechen.  Sie  besteht  in  der  Sucht  nach  dem  Unge- 
wöhnlichen. Diese  kann  zu  allen  Zeiten  vorkommen,  wie  denn  Cicero 
von  Sisenna  derartiges  zu  erzählen  weifs^);  indes  beginnt  das  geistige 
Aristokratentum,  das  Schriftstellern  »for  the  happy  few«  erst  mit  der 
augusteischen  Zeit,  wo  die  Menschheit  in  Leute  mit  mehr  und  in  solche 
mit  weniger  als  400  000  Sesterzen  geteilt  wurde.  Die  graecistischon 
Dichter  waren  der  grofsen  Masse  kaum  verständlich  und  wollten  es  auch 
kaum    sein;   »Odi  profanum  vulgus  et  arceo«  hiefs  ihr  Losungswort'). 


1)  Brutus  §  269. 

>)  Vergil.  catal.  9  (11),  64  pingui  nil  mihi  cum  popnlo. 


248  Allgemeineres. 

Wfthreod  Caesar  in  den  Büchern  von  der  Analogie  geschrieben  hatte, 
wie  ein  Felsenriff  mfisse  man  ein  unerhörtes  und  ungewöhnliches  Wort 
vermeiden,  befolgte  Tiberius  den  entgegengesetzten  Grundsatz.  Es  ent- 
stand in  Rom  etwas  Ähnliches  wie  der  Marinismus,  Euphuismus,  Stile 
pr^cieux  und  estilo  culto,  wogegen  Quintilian  vergeblich  ankämpfte^). 
Dessen  treuloser  Schiller  Tacitus  steht  bereits  auf  dem  Standpunkte  der 
französischen  Akademiesprache,  wenn  er  gewöhnliche  Wörter,  die  auch 
ein  Bauer  gebrauchen  könnte,  langwierig  umschreibt,  z.  B.  Ann.  1,  65  per 
quae  humus  egeritur  aut  exciditur  caespes.  Ich  möchte  auch  darauf  hin- 
weisen, dafs  topographische  Namen  der  Hauptstadt  ebenfalls  von  den 
feinen  Schriftstellern  umgemodelt  wurden,  z.  B.  scalae  Gemoniae  zu  gra- 
dus  gemitorii^.  Im  folgenden  Jahrhundert  spricht  sich  Fronto  für  die 
»insperata  atque  inopinata  verbat  aus').  Nachmals  entwirft  der  Gram- 
matiker Diomedes  ein  lebhaftes  Bild  von  der  Gesuchtheit  seiner  Zeit: 
Nihil  jam  proprium  placet,  dum  parum  creditur  disertum,  quod  alius 
dixerit.  A  corruptissimo  quoque  poöta  fignras  seu  translationes  mutua- 
mur,  tum  demum  ingeniosi,  si  ad  intelligendos  nos  opus  sit  ingenio. 
Wenn  auch  weitere  Belege  ftlr  den  Kenner  der  späteren  Litteratur  über- 
flüssig sind,  führen  wir  doch  an,  dafs  Ausonius  von  einem  Jugendpro- 
dukte aufrichtig  eingestehti  es  sei  »affectata  obscuritatec  geschrieben^). 

Unsere  Einleitung  ist  lang  ausgefallen,  aber  sie  konnte  nicht  kürzer 
sein,  wenn  gezeigt  werden  sollte,  dafs  der  Titel  des  Jahresberichtes  ftkr 
die  Zukunft  nicht  mehr  haltbar  ist,  und  warum  ich  Fachgenossen,  die 
auf  einen  Widerspruch  von  meiner  Seite  nicht  gefafst  sind,  trotz  des 
drohenden  »anathema  maranathac  entgegen  treten  mufs. 

Die  natürliche  Konsequenz  für  die  Methode  der  lateinischen 
Philologie  besteht  darin,  erstens  dafs  jede  Spracherscheinung  nach  den 
aufgezählten  Rubriken  klassificiert,  nicht  aber  kurzweg  klassisch  oder 
vulgär  genannt  wird,  zweitens  dafs  bei  jedem  Schriftsteller  der  Kaiser- 
zeit, mag  er  lateinisch  oder  griechisch  schreiben,  seine  sprachlichen 
Grundsätze  festgestellt  werden;  als  Grundlagen  dienen  dafür  Zeit,  Vater- 
land, Familienverhältnisse,  Erziehung,  Beruf  und  Aufenthaltsort. 

Der  erste  Teil  des  Jahresberichtes  wird  sich  gliedern  in  eine  Über- 
sicht der  allgemeineren  Untersuchungen  und  der  auf  einen  einzelnen 
Schriftsteller  gerichteten. 

Da  eine  zusammenfassende  Schrift  über  »Vulgärlatein«  in  den  letz- 
ten Jahren  nicht  erschienen  ist,  stelle  ich  ein  Werk  vermischten  Inhaltes 
voran ,  für  dessen  Erscheinen  ich  als  Referent  dem  Herausgeber  beson- 
deren Dank  schulde.    Der  verewigte  Rönsch  hatte  mir  durch  seine  in 


1)  2,  5,  10.  8  pro.  24-26.  9,  3,  1.  1,  1,  36. 

>)  Plin.  nat  bist.  8,  146. 

>)  3, 16  f.  p.  64  N.;  vgl.  p.  161, 3  verba  singularia. 

«)  Epist.  7. 


Allgemeineres.    Laatlehre  und  Orthographie.  249 

allen  möglichen  Zeitschriften  zerstreuten  Kollektionen  die  Arbeit  sauer 
gemacht;  nach  seinem  Tode  sind  nun  diese  kleinen  Beitr&ge  gesammelt 
und  veröffentlicht  worden: 

CoUectanea  philologa  Ton  Hermann  Rönsch.  Nach  dem  Tode  des 
Verfassers  herausgegeben  von  Carl  Wagener,  Bremen  (Heinsius' 
Nachfolger)  1891.    326  S.   gr.  8. 

Die  Leser  des  Jahresberichtes  kennen  die  über  nicht  weniger  als 
13  Zeitschriften  sich  erstreckende  Thätigkeit  von  Rönsch  bereits  aus 
VollmöUers  Nekrolog;  ungedruckt  war  bisher  der  erste  Aufeatz  »Die 
ältesten  Bibelübersetzungen  nach  ihrem  Werte  für  die  lateinische  Sprach- 
Wissenschaften  welcher  anscheinend  dazu  bestimmt  war,  die  Einleitung 
von  »Itala  und  Vulgatat  zu  ersetzen. 

Da  man  von  Rönschs  Schriften  zumeist  sagen  mufs  »Sint  ut  sunt 
aut  non  sintt,  hat  der  Herausgeber  nichts  korrigiert,  dafür  aber  ein  aus- 
führliches Register  beigefügt.  Das  giebt  erst  den  kleinen  Arbeiten,  mit 
denen  man  bisher  wenig  anfangen  konnte,  einen  praktischen  Wert.  Der- 
selbe beruht  in  der  Sammlung  von  Material,  da  Rönsch  immer  ein  Dilet- 
tant in  der  Sprachwissenschaft  geblieben  ist;  dafür  genüge  als  Beispiel 
der  Aufsatz  über  »die  lateinischen  Adjektive  auf -stus  und  -utust  (S.  2l7ff.)> 
worin  wir  belehrt  werden,  dafs  manifestus  als  Stamm  manif-  habe,  welcher 
auch  in  manub-ia  begegne.  Doch  dies  führe  ich  nur  an,  damit  es  nicht 
heilst,  ich  thue  Rönsch  Unrecht;  ich  will  mich  damit  begnügen,  den 
Fachgenossen  zu  empfehlen,  dafs  sie  neben  der  »Itala  und  Vulgatat  von 
nun  auch  das  Register  Wageners  handhaben.  Nur  sei  daran  erinnert, 
dalis  »Italac  womöglich  noch  falscher  als  »Vulgärlatein«  ist  und  dafs  die 
von  der  Vulgata  abweichenden  Übersetzungen  lange  nicht  alle  vorhiero- 
nymianisch  sind;  denn  übersetzt  wurde  die  griechische  Bibel  noch  im* 
Mittelalter.  Vorhieronymianisch  dürfen,  genau  genommen,  nur  die  Citate 
der  älteren  Kirchenväter  heifsen. 

Pauckers  »Materialienc  reihe  ich  nach  ihren  einzelnen  Bestand- 
teilen, welche  meines  Wissens  auch  einzeln  zu  haben  sind,  ein. 

L.  Person,  Le  Latin  de  la  d^cadence  et  la  grammaire  latine  dans 
les  6coles  normales  primaires,  Paris  (Cerf)  1887,    112  p. 

scheint  das  nachklassische  Latein  unter  dem  pädagogischen  Gesichts- 
punkte zu  behandeln. 

Lautlehre  und  Orthographie. 

Auf  diesem  Gebiete  erschien  ein  zusammenfassendes  Werk: 

Emil  Seelmann,  Die  Aussprache  des  Latein  nach  physiologisch- 
historischen Grundsätzen,  Heilbronn  (Geb.  Henninger)  1886.  XV,  397  S. 

Das  Buch  verdient  an  dieser  Stelle  genannt  zu  werden  teils  wegen 
der  fleifsigen  Beispielsammlungen  aus  den  Inschriften  der  Kaiserzeit  teils 


250  Lautlehre  und  Orthographie. 

wegen  der  Yerwertong  romanischer  Formen,  wozu  der  Verfasser  als 
Schttler  von  Wendelin  Förster,  dem  das  Buch  gewidmet  ist.  bef&higt  war. 
Wenn  er  dennoch  die  oft  bedauerte  Lücke  in  der  lateinischen  Philologie 
nicht  ausgefüllt  hat,  liegt  dies  daran,  dafs  er  wie  so  viele  andere  zwi- 
schen Ignoramus  und  Ignorabimus  nicht  zu  scheiden  wufste.  Aus  den 
Angaben  der  lateinischen  Grammatiker,  welche,  vom  heutigen  Stand- 
punkte, Laien  in  der  Lantphysiologie  waren,  kann  man  wohl  viel  heraus- 
lesen, ohne  dafs  ein  Anderer  dies  nun  auch  für  richtig  halten  mufs.  In 
den  Inschriften  aber  ist  die  Aussprache  mit  einem  unvollkommenen  Alpha- 
bete dargestellt  und  dazu  oft  »historischt ;  eine  lateinische  Lautlehre 
ohne  viele  Mifsgriffe  ist  erst  dann  möglich,  wenn  man  die  lateinische 
Orthographie  gründlich  kennt 

Auf  diesem  unscheinbaren,  aber  sichereren  Wege  vorzugehen,  war 
klug  genug 

PhiL  Bersu,  Die  Gutturalen  und  ihre  Verbindung  mit  v  im  La- 
teinischen.   Ein  Beitrag  zur  Orthographie  und  Lautlehre,  Berlin  1885. 

Diese  Lösung  einer  von  der  Berliner  Universität  1882  gestellten 
Preisfrage  bringt  einen  wichtigen  Beitrag  zur  lateinischen  Orthographie. 
Q  stellt  keinen  eigenen  Laut  dar,  sondern  ist  ein  überflüssiges  Schrift- 
zeichen wie  das  griechische  Koppa.  Es  steht  daher  für  k  (c)  z.  B.  qulina. 
Vielleicht  h&tte  Bersu  die  Sache  noch  besser  geklärt,  wenn  er  auf  eine 
meist  verkannte  Eigentümlichkeit  der  lateinischen  Orthographie  Rück- 
sicht genommen  hätte.  1 1  und  V  V  werden  gerne  vermieden,  indem 
man  nur  einen  Buchstaben  setzt,  z.  B.  ABICERE  =  abjicere  (aMeere  hat 
in  unserer  Schrift  keinen  Sinn),  VESVIVS  =  Vesuvius;  man  konnte  aber 
auch  den  Zusammenstofs  der  zwei  verschieden  ausgesprochenen  V  durch 
\0  vermeiden.  Da  nun  aber  Q  meistens  an  V  +  Vokal  geknüpft  war, 
wechselte  QVV  mit  CV;  es  ergaben  sich  also  Schreibungen  wie  EQVVS, 
EQVOS,  EQVS,  ECVS,  ohne  dafs  ich  behaupten  möchte,  dafs  EGVS  not- 
wendig eine  andere  Aussprache  anzeigte.  Endlich  sei  die  Frage  aufge- 
worfen, ob  Q  immer  überflüfsig  war  und  nicht  vielleicht  von  manchen 
zum  Ausdruck  von  kv  bestimmt  wurde,  z.  B.  in  qi  =  qui  (Seelmann  S.  346). 

Durch  Seelmanns  Buch  ist  wahrscheinlich  die  folgende,  mir  leider 
nicht  zugängliche  Abhandlung  angeregt: 

H.  Nettleship,  On  the  evidence  given  by  the  ancient  Latin  gram- 
marians  on  the  pronunciation  of  Latin,  in  den  Transactions  of  the 
Oxford  phil.  Society  1887—88  p.  Q— 20. 

Ein  wichtiges  Problem  der  lateinischen  Aussprache  behandeln 

A.  Marx,  Hülfsbüchlein  für  die  Aussprache  der  lateinischen  Vokale 
in  positionslangen  Silben,  mit  Vorwort  von  Fr.  Büoheler,  2.  Auflage» 
Berlin  (Weidmann)  1889.    XII,  84  S. 


Lantlehre  ond  Orthographie.    Wortbildang.  251 

W.  Meyer,  Zar  Quantität  und  Qualität  der  lateioischeo  Vokale. 
Precula—pergula,  in  der  Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung 
XXX,  S.  835-46. 

Zur  Bestimmung  der  Quantität  von  in  Position  oder  im  Hiatus 
stehenden  Vokalen  giebt  es  verschiedene  Hilfismittel,  den  graphischen 
Ausdruck  der  Länge  in  den  Inschriften,  die  Angaben  der  Grammatiker 
und  die  romanischen  Formen.  Alle  drei  haben  ihre  Mängel,  weil  I  longa 
nicht  auf  langes  i  beschränkt  blieb ;  die  Grammatiker  ferner  widersprechen 
sich  nicht  selten,  indem  sie  nicht  dem  »ususc,  sondern  ihrer  (falschen) 
yratioc  folgen.  Dies  bemerke  ich  wegen  W.  Meyer,  welchem  Priscians 
Behauptung,  die  Vokale  seien  vor  gn  lang,  Schwierigkeiten  machten; 
aber  hier  kann  man  auf  Grund  anderer  Stellen  (Seelmann  8.  91)  mit 
Bestimmtheit  sagen,  dafs  die  Verantwortung  für  diese  falsche  Regel 
Priscian  allein  zufällt.  Die  romanischen  Sprachen  helfen,  weil  sie  nicht 
immer  übereinstimmen,  nur  in  einer  gewissen  Anzahl  von  Fällen.  Die 
bekannten  Untersuchungen  Försters  führt  W.  Meyer  fort,  indem  er  be- 
tont, dafs  das  Romanische  nicht  die  Quantität,  sondern  die  Qualität  von 
e,  i  und  o,  u  anzeigt;  aufserdem  handelt  er  von  quinque  und  pinguis. 
Seine  Hilfsmittel  sind  die  romanischen  Descendenten  und  die  Etymologie; 
dafs  via  ein  offenes  i  hat,  wüüsten  wir  auch  ohne  das  Französische  durch 
die  von  Varro  bezeugte  bäuerische  Aussprache  vea  und  das  Umbrische* 
Wenn  u  und  o,  i  und  e  in  der  Schrift  wechseln,  darf  man  allerdings  die 
cäsarische  Orthographie  klassisch  nennen,  ohne  dafs  deswegen  der  Ver- 
such, den  in  der  Mitte  gelegenen  Laut  durch  das  andere  Extrem  auszu- 
drücken, »vulgärlateinischc  gescholten  werden  müfste. 

Die  Form  precula  (=  pergula),  wodurch  der  placentinische  Rhetor 
Tinea  die  Heiterkeit  Roms  erregte,  ist  nach  Meyer  eine  »umgekehrte«, 
weil  in  seiner  Heimat  -c-  zu  g  und  r  oft  umgestellt  wurde. 

A.  Zimmermann,  Kann  intervokalisches  et  sein  c  im  Lateinischen 
verlieren?,  im  Rheinischen  Museum  XLV  S.  493 — 96. 

Wortbildang. 

Im  »Archiv  für  lateinische  Lexikographie«  wurden  auf  Grund  des 
von  den  Mitarbeitern  gelieferten  Materials  eine  Reihe  von  Aufsätzen 
über  die  bis  dahin  ziemlich  vernachlässigte  lateinische  Wortbildung  ver- 
öffentlicht. 

Die  erste  rührt  von  dem  Referenten  her,  weil  ihn  verschiedene 
Umstände  nötigten,  binnen  sechs  Wochen  eine  druckfertige  lateinische 
Arbeit  herzustellen: 

De  linguae  Latinae  incohativis,  Bd.  I  S.  465—533. 

Über  die  Beschaffung  des  Materials  giebt  die  Einleitung  Auskunft; 
hier  verweile  ich  nur  bei  dem  letzten  Abschnitte,  welcher  von  der  kau- 


252  Wortbildong. 

satiyeD  Venrendnog  der  Incohativa  handelt  AoÜBer  tueseo  and  seinen 
Ableitungen  ist  dieser  Gebrauch  erst  etwa  dem  Jahr  500  nachzuweisen 
und  zwar  nur  innotesco  aliqnid  als  ein  verbreitetes  Wort,  das  ttbrigens 
ans  den  Kanzleien,  nicht  Tom  Volke  stammt,  wfthrend  alles  übrige  offen- 
bar die  Dichter  des  angehenden  Mittelalters  aufgebracht  haben  0.  Da- 
gegen  macht  sich  eine  afrikanische  oder  gallische  Rhetorenschnle  nicht 
auffallend  bemerkbar. 

£.  Wölfflin,  Die  Yerba  desnperlativa,  Bd.  11  8.355—64: 

Das  klassische  Latein  scheint  nur  consummare  besessen  zu  haben, 
welches  man  strenggenommen  nicht  einmal  als  ein  desuperlativum  be- 
zeichnen kann,  da  es  nicht  zu  summus,  sondern  zu  dem  Substantiv  summa 
gehört.  Immerhin  gab  es  den  Anstofs  zu  neuen  Bildungen,  welche  auf 
Apnlejus  als  Ursprung  hinweisen  (prozimare,  intimare,  infimare);  Ter- 
tnllian  hat  dazu  drei  individuelle  Bildungen  gefQgt,  eine  vierte  der  ano- 
nyme Übersetzer  des  Sirach,  von  dem  der  mittelalterliche  Übertrager 
des  Ignatius  abhängt,  desgleichen  einige  dem  Mittelalter  angehörige. 
Woher  hat  aber  Apulejus  jene  Bildungen?  Ich  z&hle  einfach  auf:  dpt^ 
areuWf  xaXXtareow^  xparuneuw^  TipwuaTeuw^  /leyarreöfu.  Verwandt  sind 
auch  die  Bildungen  summitas,  maximitas,  postremitas,  prozimitas. 

A.  Funck,  Die  Verba  auf  -illare,  Bd.  IV  S.  68-88.  223—246. 

Vorangehen  mit  Recht  die  Verba,  zu  welchen  Snbstantiva  noch 
nachzuweisen  sind,  wie  scintillare-scintilla  [2)  Stillare  würde  hier  gewils 
niemand  vermissen].  Bei  anderen  ist  der  Stamm  verbal,  manchmal  viel- 
leicht substantivisch.  Für  die  Sprachgeschichte  fällt  nichts  nennens- 
wertes ab.  Das  Thema  hängt  übrigens  mit  den  Verbis  auf  -ulare  enge 
zusammen. 

Ed.  WOlfflin,  Die  verba  frequentativa  und  intensiva,   Bd.  IV 
S.  197—223. 

Die  Veranlassung  zu  dieser  Untersuchung  gab  die  bekannte  Thatr 
Sache,  dafs  zahlreiche  einfache  Verba  in  den  romanischen  Sprachen  zu  Gun- 
sten der  Frequentativa  verloren  gingen.  Durch  die  statistische  Aufoahme 
des  Bestandes  stellt  sich  heraus,  dafs  die  sogenannte  goldene  Prosa  am 
schwächsten  vertreten  ist.  Analogiebildungen  gehen  von  Apulejus  aus, 
der,  abgesehen  von  den  altertümlichen  Vorbildern,  vielleicht  an  die  grie- 
chischen Verba  auf  -rw  dachte  (captito,  commorsito,  compulso,  demor- 
sito);  seine  Nachfolger  sind  Dichter  oder  rhetorische  Schriftsteller.  Da 
der  Gebrauch  alles,  auch  die  Sprache  abnützt,  verloren  die  Frequenta- 
tiva in  der  Umgangssprache  ihre  Kraft;  jene  traf  hierbei  unabsichtlich 


1)  Weder  von  Orestis  tragoedia  noch  von  De  judicio  domini  ist  der  £nt- 
stehnngsort  bekannt 


Wortbildung.  258 

mit  der  Dichtersprache  zasammeo,  bei  welcher  teils  der  Verszwang  teils 
der  poetische  Trieb  zur  Übertreibung  als  Motive  wirkten.  Die  späteren 
Grammatiker  haben  daher  aus  der  Dichterlektüre  die  Intensiva  fttr  ttber- 
flflssig  erklärt 

A.  Fnnck,  Die  Verba  anf  issare  and  izare,  Bd.  III  S.  398-*442. 
Mit  Nachträgen  S.  558.    lY  S.  3l7f.    V  S.  572 f. 

Hier  handelt  es  sich  am  ein  hibrides  Saffix  wie  anser  •ieron; 
größtenteils  haftet  es  allerdings  an  griechischen  Wörtern.  Leider  war 
dem  Verfasser  nicht  bekannt,  dafs  im  Spätgriechischen  eine  darchgängige 
Vermengang  von  -iCo»  und  -dw  sich  einstellte,  welche  von  den  gleich- 
klingenden Aoristen  'laa  und  -i^aa  aasging;  wenn  also  lateinisches  -isso 
griechischem  -ea;  entspricht,  ist  nichts  natttrlicher. 

Aasgesondert  hätten  die  lateinischen  Verba  mit  griechischer  Bil- 
dnng  werden  sollen;  allerdings  sind  sie  S.  409 f.  verzeichnet,  doch  müssen 
daza  die  Nachträge  in  Betracht  gezogen  werden.  Die  Anlange  der  £nt- 
lehnang  reichen  weit  zarttck. 

^      0.  Weise,  Ein  Beitrag  zam  Vulgärlatein,  Philologas  Bd.  47  (1888) 
8.  45—52 

handelt  von  lateinischen  Wörtern  mit  griechischen  Suffixen  und  der 
Znsammensetzung  griechischer  und  lateinischer  Wörter.  Komische  Aus- 
drücke und  Vulgarismen  sind  nicht  identisch,  wie  z.  B.  das  kürzlich 
von  mir  gelesene  »Schoofinismusc  gewifs  niemand  vulgär  nennt;  Medi- 
ciner  haben  zu  keiner  Zeit  Sprachgefühl  bewiesen,  ohne  dafs  etwa  >Hy- 
gienec  vulgär  wäre* 

Der  Bildung  der  Adjektiva  ist  im  Archiv  eine  Untersuchung  ge- 
widmet: 

Über  die  lateinischen  Adjektiva  auf  osus,  von  Olaf  Schönwert h. 
Aus  des  Verf.  Nachlafs  herausgegeben  und  mit  Zusätzen  versehen  von 
Carl  Weyman,  Bd.  V  S.  192—222. 

Die  Schreibung  des  Suffixes  machte  den  Römern  so  mauche  Schwie- 
rigkeit; die  älteste,  weil  der  Etymologie  entsprechende,  war-onsus.  Da 
aber  das  n  verklang,  kamen  auch  die  Schreibungen  ossus  und  osus  anf. 
Noch  mehr  kompliderte  sich  die  Sache,  weil  das  o  geschlossen  war,  also 
auch  den  Ausdruck  durch  V  zuliefs.  unter  den  Zeugnissen  für  onsus, 
ossus,  osus,  unsus,  usus  hätten  die  handschriftlichen  hintan  gestellt  wer- 
den sollen,  weil  sie  nur  für  ihre  Entstehungszeit  Giltigkeit  haben.  An 
die  Spitze  gehörte  auch  die  Verwechslung  von  uosus  und  osus  (S.  207f.). 
Das  etymologisch  berechtigte  -uosus  wurde,  bei  der  Abneigung  gegen 
den  Hiatus,  wie  uosus  d.  h.  vosus  ausgesprochen,  woraus  hinter  zwei  Kon- 
sonanten osns  entstand:  astuosus,  astosus  (gesichert  durch  das  Metrum, 


254  Wortbildiiiig. 

8.  S.  207).     Danach  sdirieb  man  nmgekehrt  hinter  zwei  Konsonanten 
statt  -osns  'nosns^). 

Im  Register  Termisse  ich  muco»u$. 

Von  den  Snbstantivbildnngen  wurden  zwei  behandelt: 

1)  B.  Fisch,  Sabstantiva  auf  -o,  onis,  Bd.  V  S.  56  -89; 

2)  W.  Meyer,  Das  lateinische  Snfük  o,  önis,  Bd.  V  S.  223-84. 

8)  R.  Fisch,  Die  lateinischen  Nomina  personalia  aufo,  onis.  Ein 
Beitrag  znr  Kenntnis  des  Vulgärlateins.  Pr.  des  Andreas-Realgymn., 
Berlin  (Gärtner)  1888,  erweitert  (VII,  198  S.),  Berlin  (Gärtner)  1890. 

4)  R.  Fisch,  Die  Walker  oder  Leben  und  Treiben  in  römischen 
Wäschereien.  Mit  Excnrs:  Über  lautliche  Vorgänge  auf  dem  Gebiete 
des  Vulgärlateins,  Berlin  (Gärtner)  1891. 

5)  Paul  Mohr,  Hortulo  =  hortulanus,  Archiv  VI  S.  418. 

Das  Material  fQr  das  interessante  Suffix  ist  jetzt  in  reicher  Fttlle 
beschafft;  allerlei  Gesichtspunkte  zu  dessen  Klärung  giebt  W.  Meyer 
an.  Im  einzelnen  mufs  man  freilich  Kritik  tlben,  z.  B.  werden  die  Helle- 
nisten den  Kopf  schütteln,  wenn  das  (nicht  blofs  neu-  sondern  schon) 
spätgriechische  -o^,  -a^ec  (nach  -oc,  •<ic^ec)  von  -äSai  abgeleitet  wird; 
aber  auf  den  springenden  Punkt  hat  Meyer  hingewiesen,  das  lateinische 
Namenssystem.  Die  Namen  auf  -o  werden,  wie  die  griechischen,  Kose- 
formen sein,  bei  deren  Beurteilung  ich  ttbrigens  die  etruskischen  Namen 
auf  -n  auch  nicht  zu  vergessen  bitte;  wie  aber  nun?  wenn  die  Appella- 
tiva  auf  -o  jünger  als  die  Personennamen  wären,  wie  die  romanischen 
Nomina  auf  -itta  und  -inus  von  den  römischen  Personennamen  herzu- 
stammen scheinen?  Salvitto  und  Politta  haben  schon  in  der  Zeit  des 
Caesar,  resp.  Augustus  gelebt'). 

Ed.  Wölfflin,  Substantiva  mit  in  privativum.  Ein  Beitrag  zur 
Kenntnis  der  Africitas,  Bd.  IV  S.  400—412. 

Ich  hatte  seinerzeit  die  Substantiva  mit  in  privativum  der  afrika- 
nischen Latinität  zugeschrieben,  mufs  aber  jetzt  nach  der  Beispielsamm- 
lung der  Archivisten  meine  Ansicht  erheblich  modificieren.  Die  ersten 
Anftnge  sind  schon  im  archaischen  Latein  zu  finden,  welchem  auch  in- 
quies  (Plin.  Gell.  Tertull.)  gutzuschreiben  sein  dürfte.  Die  rhetorische 
an  Apulejus  anknüpfende  Litteratur  stützt  sich,   wie  in  ähnlichen  oben 


1)  Lutuosns  (die  einnge  Form  mit  6inem  Konsonanten)  ist  verschrieben. 

*)  Das  Appellativ  salapitta,  anf  welches  ich  in  den  »Gebärden  der  Grie- 
chen und  Römerc  S.  108,  10  aufmerksam  machte,  war  allerdings  wohl  ans 
älterer  Zeit  überliefert 


Lexikographie.  255 

erwähoten  FftUen  auf  diese  Vorgänger;  eioe  gesonderte  Gmppe  bilden 
die  Übertragungen  ans  dem  Griechischen,  dessen  Sabstantiva  mit  der 
Form  d — aia  neben  negativen  Ac|jel{ti?en  auf  roc  {(no<:)  zur  Nachahmung 
reizten,  wie  d^#c^(r/a  =  incorrnptio. 

Zur  Lexikographie  sei  kurz  hingewiesen  auf  Pauckers  »supplemen- 
tum  lexicorum  Latinorum«,  das  sonderbarer  Weise  mit  L  abbricht,  ob- 
gleich er  selbst  in  seinen  letzten  Abhandlungen  bis  zum  Q  herunter 
citierte  (vgl.  Romanische  Forschungen  II  S.  440),  die  Addenda  lexicis 
Latinis,  welche  nach  und  nach  im  »Archiv  für  lat.  Lexikographiec  ver- 
öffentlicht wurden,  dazu  die  ebendort  herausgegebenen  »Addenda  lexicis 
Latinist  von  Ott  (Bd.  II  Sv468ff.,  vgl.  IV  S.  141),  endlich  verschiedene 
Aufsätze  von  Hermann  Rönsch. 

Über  einzelne  Wörter  ist  im  »Archive  viel  gehandelt  worden,  ich 
greife  nur  einige  interessante  heraus. 

0.  Ribbeck,  Afannae,  Leipziger  Studien  zur  klassischen  Philologie 
Bd.  IX  S.  887  ff. 

hat  erkannt,  dafs  das  apulejische  afannae,  das  mögliche  Stammwort  von 
affanno  n.  dgl,  mit  dem  unteritalischen  Scherz  bIq  'A^dvag  zusammenhängt. 

K.  Rofsberg,  Anxia  »Angstt,  Archiv  Bd.  I  S.  564 
weist  das  romanische  anxia  Ȁngste  in  der  Orestis  tragoedia  V.  660  nach. 

Adam  Miodoäski,  Bestia.  besta.  belna,  Archiv  I  S.  588 

findet  fQr  besta,  welches  die  romanischen  Sprachen  neben  bestia  voraus- 
setzen lassen  (Gröber,  Archiv  I  S.  250),  je  einen  Beleg  in  der  Arnobius- 
handschrift  (die  natürlich  nur  fUr  das  neunte  Jahrhundert,  aber  nichts 
für  Amobius  beweist)  und  bei  Yenantius,  also  nur  im  MitteUatein.  Es 
mag  eine  Rflckbildung  ans  dem  Adjektiv  bestens  sein. 

K.  Sittl,  Galandra— callandrum — charadrius,  Archiv  II  S.  478— 
482.  611. 

Calandra  »die  Haubenlerchec  (s.  Diez*  Lexikon)  wird  bxd  x^H^ddptoQ 
zurückgeführt 

Ed.  Wölfflin,  Circare,  Archiv  Bd.  III  S.  559. 

Circare  (it.  cercare,  frz.  chercher)  wird  aus  Glossen  und  einer  In- 
schrift nachgewiesen.  Die  Griechen  waren  mit  yopeuo}^  das  die  Lateiner 
später  entlehnten  (gyrare),  vorausgegangen. 

1)  Fr.  Bttcheler,  Satullus,  Archiv  I  S.  108; 

2)  Ph.  Thielmann,  Satullus,  Archiv  I  S.  348. 

Das  Wort  satullus  (vgl.  Diez  II  c  soül)  wird  durch  mehrere  Stellen 
belegt 


\. 


256  Lexikographie.    Synthese. 

L.  Hftvet,  Strambus,  Archiv  I  S.  598 

findet  strambus  =  strabus  in  einer  Handschrift  des  Nonias.  Analog  ist 
glombas  =  globus. 

Für  die  Formenlehre  sind  im  Archiv  wenige  Analogiebildungen, 
welche  dem  Mittellatein  voransliegen,  nachgewiesen: 

Thielmann,  Contrire,  Archiv  III  S.  542 

fügt  zu  den  bekannten  Bibelstellen  für  contrire  =  conterere  (nach  con- 
trivi,  contritum)  zwei  neue  hinzu. 

A.  Funck,  Cecurrit,  Archiv  VI  S.  665 

glaubt,  cecurrit  vulgär  nennen  zu  dürfen;  da  jedoch  dieses  Perfekt  in 
einer  metrischen  Inschrift  vorkommt,  dürfte  es  eher  als  Archaismas 
(oder  Graecismus?)  zu  bezeichnen  sein. 

H.  Herzog,  Archiv  I  S.  674 

zeigt,  dafs  die  Gemeinsamkeit  des  Particips  subreptus  zur  Folge  hatte, 
dafs  subrepo  und  subripio  im  Pr&sens  und  Perfekt  verwechselt  wurden. 

Zwischen  Formenlehre  und  Syntax  steht  das  gerade  für  die  roma- 
nischen Sprachen  sehr  wichtige  Dilemma:  Ausdruck  eines  Gedankens 
durch  Flexion  oder  durch  Synthese.  Hierauf  bezichen  sich  mehrere 
Abhandlungen  des  Archivs: 

Ed.  Wölfflin,  Zur  lateinischen  Gradation,  Bd.  I  8. 92-101.  573  f. 

giebt  Nachträge  zu  seinem  Buche  über  die  »lateinische  und  romanische 
Comparationc. 

Phil.  Thielmann,  Habere  mit  dem  Infinitiv  und  die  Entstehung 
des  romanischen  Futurums,  Bd.  II  S.  48 — 89.  167—202 

entwickelt  in  behaglicher  Breite  die  Gründe  des  Verlustes  des  alten 
Futurums  und  die  mannigfachen  Arten,  wie  dessen  Idee  ausgedrückt 
wurde;  sämmtliche  romanischen  Typen  werden  schon  aus  dem  sechsten 
Jahrhundert  nachgewiesen.  Das  wahre  Futurum  (auf  -bo)  hat  sich  über- 
haupt im  Lateinischen  wenig  entwickelt;  ich  glaube,  es  wäre  nicht  über- 
flüssig, einmal  seine  Verbreitung  innerhalb  der  vorklassischen  Litteratur 
ohne  Einmengung  der  sogenannten  Futura  auf  am,  es  etc.  zu  erforschen. 
Ital.  fia  ist  nicht  blofs  lat.  fiam  (S.  157),  sondern  auch  fiat  Nach  Otts 
Vorgange  wird  gar  behauptet  (S.  160),  in  Afrika  sei  credet,  credent  statt 
credes,  credens  gesagt  worden.  Thielmann  (S.  162)  sieht  die  Stelle  in 
den  Differentiae  Isidori  (nicht  bei  Isidor  selbst),  wie  ich  früher,  an  ;  aber 
in  den  Worten  »birtus  boluntas  bita  vel  his  similia  quae  Afri  scribendo 
vitiantc  haben  wir  beide  das  vorletzte  Wort  übersehen,  welches  die  Be- 
merkung auf  die  Orthographie  beschränkt.    Das  gothische  haban  mit  In- 


Synthese.  Syntax.  257 

finiÜT  (S.  167)  stammt  wohl  aus  der  Vorlage,  wie  Überhaupt  die  Syntax 
des  Bibelttbersetzers  Ulfilas  nicht  identisch  mit  der  der  gothischen  Um- 
gangssprache ist  Es  wäre  zu  S.  168  zu  fragen,  ob  nicht  die  walachische 
Schriftsprache  aus  dem  Sp&tgriechischen,  welches  Jahrhunderte  lang 
die  Sprache  des  dortigen  Hofes  war,  die  Umschreibung  des  Futurs  mit 
»woUent  geschöpft  hat.  Schliefslich  möchte  ich  bemerken,  daTs  Bibel- 
latein  und  Africitas  zweierlei  Dinge  sind. 

Phil.  Thielmann,   Habere  mit  dem  Part.  Perf.  Pass.,   Archiv 
Bd.  m  S.  372—423.  509-649. 

Auch  hier  sind,  wie  es  sich  gebührte,  die  Übergänge  von  dem  lo- 
gisch begrtlndeten  habere  zum  blofsen  Konjugationswerkzeug  umsichtig 
dargelegt.  Wiederum  fehlen  aber  eigentliche  »romanischec  Stellen  vor 
dem  sechsten  Jahrhundert.  Th.  versucht  Unterschiede  zwischen  dem 
Mittellatein  der  drei  romanischen  Länder  nachzuweisen,  zu  welchem 
Unternehmen  jedoch  die  Zettel  des  Archives  nicht  ausreichen,  z.  B.  kommt 
das  unwandelbare  Particip  schon  im  Edictus  Grimnaldi  vor  (c.  7  auditum 
habuisset  haec  verba).  Vom  Rätoromanischen  getraute  ich  mir  nicht  zu 
sprechen,  nachdem  die  Lex  Guriensis  von  gewichtigen  Stimmen  Udine 
zugewiesen  wird  und  der  neue  Gegenbeweis  von  Zeume,  wie  ich  zeigen 
zu  können  glaube,  nicht  stichhaltig  ist. 

Ed.  Wölfflin,  Der  Ablativus  comparationis,  Bd.  VI  S.  447—67. 

Die  Erläuterung  des  blofsen  Ablativs  durch  die  Präposition  a  wird 
nur  S.  448  berührt;  meine  eigene  Ansicht  ist  oben  (S.  246)  ausgesprochen. 
Der  Hauptinhalt  der  Abhandlung  bezieht  sich  auf  den  reinen  Ablativ. 
Am  Schlüsse  wird  auch  die  Verbindung  des  Komparativs  mit  dem  Dativ 
berührt:  Sallust  lehrte  mehreren  Späten  die  Phrase  Binferior  alicuic, 
welche  auch  mit  »deteriort  uod  »minort  variiert  wurde;  Martinus  von 
Bracara  und  der  Verfasser  des  dunklen  Werkes  »Praedestinatusc  gehen 
nach  falscher  Analogie  weiter.  Ich  möchte  auf  eine  weitere  Entartung 
hinweisen:  Anthol.  481  (Riese)  V.  119  multo  sum  parvulo  parvus  (Riese: 
num  'minor'?).    172  nulla  mihi  velox  avis  inventa  volatu  (=»  me  velocior). 

Eine  später  der  Synthese  verfallende  Kopjugationsform  behandelt 

H.  Neumann,  De  futuri  in  priscorum  Latinorum  vulgari  vel  coti- 
diano  sermone  vi  et  usu  I.    Diss.  v.  Breslau  1888, 

beschränkt  sich  jedoch  auf  die  Lustspiele  des  Plautus  und  Terenz. 

Aus  dem  Gebiete  der  eigentlichen  Syntax  sind  zwei  Archivabhand- 
lungen zu  nennen: 

Phil.  Thielmann,  Facere  mit  dem  Infinitiv,  Bd.  III  S.  177—206. 

weist  sorgfältig  die  Entwicklung  der  Konstruktion  und  den  Bedeutungs- 
übergang zu  »etwas  thun  heifsenc  nach.    Das  ihm  vorgelegte  Material 

Jahresbericht  für  Altertujnswissenschaft    LXVni.  Bd.   (1891  II).  17 


258  Syntax. 

ist,  soweit  meine  gelegentlichen  Notizen  zeigen  können,  nicht  vollständig : 
Ich  Yormisse  S.  181  Volcatius  Sedigitus  bei  Gellias  15,  24  V.  9.  12,  S.  182 
Qyid.  her.  19  (20),  200,  S.  183  Petron.  61  (in  vulgärem  Gespräch),  S.  184 
Gell.  5,  1,  6. 

Wenn  Porphyrie  za  den  Afrikanern  gerechnet  wird,  wantm  nicht 
Laktanz? 

Ed.  Wölfflin,  Der  substantivierte  Infinitiv,  Bd.  in  S.  70—91 

weist  die  Zunahme  des  substantivierten  Infinitivs  nach;  Yarro  de  lingna 
Latina  scheint  daffir  nicht  excerpiert  worden  zu  sein.  Natürlich  treten 
diese  Infinitive  in  den  Übersetzungen  und  in  der  gräcisierenden  Litte- 
ratur  am  häufigsten  auf.  Nachzutragen  finde  ich  die  interessante  Phrase 
des  Fulgentius  (sine  littera  Z.  45  Reifferscheid):  in  suum  volle.  Gerin- 
gere Vollständigkeit  ist  im  Mittellatein  erzielt:  S.  91  Z.  6  v.  u.  mufs  statt 
»biberes  daret  stehen:  biberes]  potiones,  Glosse  bei  Förster,  altfranz. 
Lesebuch  8.34.  —  Jaffi6,  Codex  Carolinus  ep.  3  (J.  747)  p.  21:  velle 
habeant  vivendi.  Die  aus  dem  Neugriechischen  beigebrachten  Parallelen 
könnte  ich  jetzt  nicht  unerheblich  vermehren. 

Nach  eigenen  Sammlungen  arbeitete  ein  Sch&ler  Studemunds: 

Dr.  H.Blase,  Geschichte  des  Irrealis  im  Lateinischen,  zugleich 
ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des  afrikanischen  Lateins,  Erlangen  (Andreas 
Dcichert)  1888.    IV,  79  S. 

Was  die  Kraft  eines  einzelnen  vermag,  hat  Blase  im  Stadium  des 
Sammeins  geleistet;  da  überdies  das  Material  sorgfältig  durchgearbeitet 
und  wohl  geordnet  ist,  hat  die  Arbeit  einen  dauernden  Wert,  auch  wenn 
man  den  Ansichten  des  Verfassers  tlber  die  Unterschiede  der  Provinzen 
nicht  zustimmt.  Selbst  der  Gebildete  konnte  den  freien  Gebrauch  des 
Plusquamperfektkonjunktiv  rechtfertigen  durch  die  Freiheiten,  welche  sich 
das  Hochlatein  mit  dem  Indikativ  herausnahm ;  ich  erinnere  nur  an  Ta- 
citus.  Übrigens  ist  die  Irrealisfrage  zum  grofsen  Teil  keine  rein  gram- 
matische, sondern  eine  psychologstilistische,  wenn  wir  die  Symmetrie  des 
Satzpaares  in  das  Auge  fassen;  ihre  Formulierung  wttrde  etwa  sein: 
Haben  beide  Sätze  das  gleiche  Tempus,  den  gleichen  Modus  oder  diffe- 
rieren sie  in  dem  einen  oder  gar  in  beiden? 

Georg  Mayen,  De  particulis  quod  quia  quoniam  quomodo  ut  pro 
acc  cum  infinitivo  post  verba  sentiendi  et  declarandi  positis,  Diss.  von 
Kiel  1889.    62  8. 

Diese  Rieh.  Förster  gewidmete  Abhandlung  ist  ebenfalls  das  Er- 
gebnis einer  umfassenden  Lektüre ;  nur  hat  der  Verf.  gegen  sein  eigenes 
Interesse  die  Sammlungen  Anderer  nicht  vollständig  ausgendtzt  Die 
Verwendung  von  quod  in  explikativem  Sinne  reicht  bis  Plantus  hinauf 
und  hat  sich  allmälig  der  des  griechischen  Sre  angenähert    Im  Grunde 


^ 


Partikeln.  259 

war  qoia  als  alter  Plaral  des  Neutrams  nichts  anderes,  ist  aber  doch 
erst  ans  TertuUian  nachzuweisen.  Auch  hier  könnten  Entwicklungsstufen 
nachgewiesen  werden  z.  B.  Anon.  de  aleat.  8  hoc . . .  scire  debes  quia . . . ; 
[Commodian.]  Apolog.  51  f.  et  quia. . . .,  dixerat  et  ipsnd.  Ferner  wttrde 
der  Verdacht  der  Vulgarität  von  ihr  abgewälzt,  wenn  angegeben  wäre, 
dafs  die  Grammatiker  Diomedes  (I  p.  328)  und  Gharisius  (11  p.  209)  die 
Konstruktion  nicht  verschmähen.  Quoniam  hat  einen  durchaus  biblischen, 
resp.  hellenistischen  Gharakter;  die  Grammatiker,  welche  es  billigen, 
(Martian.  Gap.  §  370;  Prob.  cath.  p.  34,  25  =  Sacerdos  I  p.  431,  14)  wer- 
den also  Ghristen  gewesen  sein.  Quomodo  endlich  entspricht  dem  grie- 
chischen &g.  Die  Statistik  S.  47 ff.  wäre  besser  weggeblieben,  da  viele 
Stellen  nachzutragen  wären.  Ein  Anhang  behandelt  das  dem  quomodo  ~  &€ 
gleichstehende  ut,  das  nicht  blofs  in  den  Schuianekdoten  von  Journalisten, 
sondern  seitTerenz  vereinzelt  vorkommt  Nachzutragen  bleibt:  Gic  pro 
Gluentio  25  hoc  non  ignoratis ;  in  den  Astronomica  des  Hyginus  (der  aber 
nicht  der  Augusteer  ist!)  kommt  ut  öfters  vor:  2,  4  a.  A.  7  gg.  E. 
10  u.  s.  w. 

Die  Partikellehre  nimmt  eine  Mittelstellung  zwischen  der  Syntax 
und  der  Bedeutungslehre  ein.    Ich  beginne  mit  den  Präpositionen  : 

Über  a  mit  dem  komparativen  Ablativ  s.  S.  246. 

Von  in  vanum  (it.  invano,  frz.  envain)  und  dessen  Verfeinerung 
in  vacuum  handelt 

Ed.  Wölfflin,  Archiv  II  S.  17—19. 

Auch  strengere  Stilisten  konnten  sich  im  Hinblick  auf  das  Grie* 
chische  diese  Phrasen  gestatten. 

Über  die  Verbindung  von  Präpositionen  mit  Adverbien,  wozu  eben- 
falls das  Griechische  den  Gebildeten  und  wer  weifs  ob  nicht  auch  den 
Ungebildeten  den  Weg  wies,  sprechen 

1)  Ed.  Wölfflin,  abante,  Archiv  Bd.  I  S.  487—89; 

2)  E.  Hamp,  Die  zusammengesetzten  Präpositionen,  Archiv  Bd.  V 
S.  321-68; 

3)  Paul  Geyer,  Inante,  incontra,  desubtus,  Archiv  Bd.  VII  S.  408. 

Die  stattlichste  Gruppe  bilden,  wie  natürlich,  die  Zeugnisse  aus 
den  Übersetzungen  und  den  Dependenzen  des  Bibellateins.  Vollständig- 
keit der  Beispiele  ist  nicht  erzielt;  an  Artikeln  vermisse  ich  de  ante 
cruce  in  der  Peregrinatio  Silviae  97  und  in  de.  Da  das  zweite  Glied 
meist  ein  Adverb  ist,  dürfen  meiner  Ansicht  nach  abinde  (Ampel.  9,  1. 
Theodos.  de  situ  s.  terrae  13  codd.  GP.  Anon.  de  S.  Helena  18.  20), 
abistinc  (Querolus  1,  2  p.  9  P.),  delonge  (in  der  Bibel;  Schol.  Stat.  Theb. 
2,  558 ;  Anthim.  4),  alonge,  adplene  u.  s.  w.  nicht  fehlen. 

17* 


260  Partikeln. 

Mehrfach  besprochen  worden  im  Archiv  die  nominalen  »Präposi- 
tionenc,  d.  b.  erstarrte  Casus: 

Ed.  Wölfflin,  Tenos,  Bd.  I  S.  416—26. 

Dieses  Wort  ist  von  den  Gebildeten,  besonders  im  frühen  Mittel- 
alter unglaublich  mifsbraucht  worden  (z.  B.  corde  tenus,  von  Herzen). 
Vergils  wegen  scheint  der  Bonlogner  Glossator  des  Prndentins  den  Ge- 
nitiv dem  Ablativ  vorzuziehen,  denn  er  erklärt  ecclesia  tenus  fol.  392  b 
mit  eclesie  tenus. 

Derselbe,  Fine  (fini)  =  usque,  Bd.  I  S.  424- 26.  680. 
Das  italienische  fino  a  wird  bis  auf  Cato  zurückgeführt. 

Derselbe,  Zu  den  lateinischen  Kausalpartikeln,  Bd.  I  S.  161  — 
176.  674. 

Nach  interessanten  Beobachtungen  über  die  Vorurteile  guter  Schrift- 
steller gegen  ob  oder  propter  folgt  eine  Untersuchung  über  causa  und 
gratia,  sowie  deren  jüngere  Stellvertreter  merito  und  beneficio.  Letzteres 
geht  von  Apulejus  aus,  wahrscheinlich  auch  ersteres  von  seiner  Schule, 
da  es  zuerst  bei  TertuUian  auftaucht.  Die  Abhandlung  schliefst  mit 
ergo.  Es  giebt  indes  noch  andere  Blüten  des  Barockstiles,  z.  B.  animo 
(Lex  Langob.  311  lucrandi  a.,  31  latrocinandi  a.). 

Die  Satzpartikeln  haben,  abgesehen  von  der  erwähnten  Dissertation 
über  quod,  quia,  quoniam,  wenig  Beachtung  erfahren: 

D.Engländer,  Donec  als  koordinierende  Partikel,  Archiv  Bd.  VI 
S.  467  f. 

glaubt  die  Anfänge  der  selbständigen  Stellung  von  donec  (ital.  dunque) 
schon  bei  Petron  c.  40.  66  zu  finden,  ohne  mich  wenigstens  zu  überzeu- 
gen. Während  manche  aus  donec  nach  Analogie  von  nunc,  tunc  dune 
machten  (A.  Zimmermann,  Archiv  Bd.  V  S.  667  ff.),  betrachtete  eben  das 
Volk  donec  als  Parallele  zu  nee  und  knüpfte  mit  do-neque  Hauptsätze  an. 

Zum  psychologischen  Teile  der  Syntax  gehört  die  Verdopplung  des 
gleichen  Wortes.  Ed.  Wölfflin  liefert  zu  seiner  bekannten  Abhandlung 
über  »die  Gemination«  (Sitzungsber.  der  k.  b.  Akademie  1882  H.  3)  im 
Archiv  Bd.  II  S.  323 f.  einen  Nachtrag,  welcher  sich  auf  die  distributive 
Bedeutung  der  Gemination  bezieht.  S.  323  Z.  13  ist  die  Parenthese  zu 
streichen,  da  die  Beispiele  gerade  in  den  von  Hieronymus  selbständig 
aus  dem  Hebräischen  übersetzten  Büchern  stehen;  mit  »ignis  et  ignisc 
meint  Apulejus  im  Geschmacke  griechischer  Liebesepigramme  die  ver- 
schiedenartige Knaben-  und  Frauenliebe.  Die  distributive  Gemination 
tritt  in  der  Litteratur  nur  als  biblischer  Hebraismus  auf. 

Wir  gehen  nun  zu  den  Monographien  über  einzelne  Schrift- 
steller über,  welche  wir  nach  Litteraturgattungen  sondern,  weil  diese 
zumeist  auch  Stilgattungen  darstellen. 


Poesie.  26 1 

Die  oberste  Klasse  in  der  Sprache  ist  die  Poesie,  in  welcher  man, 
nach  spätröroischen  Begriffen,  am  wenigsten  »Vulgärlatein«  yoraussetzen 
kann.    Die  spätlateinischen  Dichter  sondere  ich  in  drei  Sprachgruppen 

1.  classicistische  Dichter,  welche  sich  mit  gntem  Erfolge  beroQhen 
wie  die  klassischen  Epiker  zu  schreiben: 

FQr  Ansonius  ist,  abgesehen  von  den  Registern  der  Ausgabe 
Schenkls  —  ich  erinnere  hier  ein  für  allemal  an  die  Register  der  Wiener 
Kirchenväterausgaben  und  der  auctores  antiquissimi  der  Monumenta  6er- 
maniae  historica   —  zu  erwähnen 

Edouard  Everat,  De  Ausonii  operibus  et  genere  dicendi,  Diss. 
von  Clermont,  Paris  (Thorin)  1885.     125  p. 

Der  Verfasser,  Advokat  am  Appellgericht  von  Rheims,  widmet  der 
Sprache  seines  Autors  nur  einen  kurzen  Abschnitt  (p.  61  —  73),  wovon 
ein  erheblicher  Teil  durch  allgemeine  urteile  und  Proben  von  Imitationen 
des  Vergil  und  Horaz  ausgefüllt  wird.  Auf  die  Sprache  beziehen  sich 
eigentlich  nur  p.  64  (griechische  Wörter)  und  p.  70  —  73  (neue  Wörter 
und  Wortformen;  ArchaismeUi  wobei  die  epischen  wie  olle  auszusondern 
waren). 

Über  Claudians  Sprache  handeln 

1)  Friedrich  Trump,  Observationes  ad  genus  dicendi  Clandiani 
ejusque  imitationera  Vergilianam  spectantes,  Diss.  von  Halle  1887;  64  S.; 

2)  Th.  Birt,   Verbalformen  vom  Perfektstamme  bei  Glaudian,  Ar- 
chiv f.  lat.  Lexikographie  Bd.  IV  S.  589-694. 

Trump  handelt,  unter  fleifsiger  Benützung  der  Litteratur  über  die 
lateinische  Dichtersprache  —  das  Verzeichnis  S.  2  f.  empfehle  ich  für  ähn- 
liche Arbeiten  zur  Benützung  — ,  von  der  Casuslehre  und  dem  Infinitiv- 
gebrauch im  Vergleiche  mit  den  klassischen  Dichtern,  im  zweiten  Teile 
von  den  Vergiiimitationen. 

Birt  giebt  interessante  statistische  Beobachtungen  über  die  Kon- 
traktion im  Perfektstamme,  woraus  sich  ergiebt,  dafs  Glaudian  -viss-, 
-vist-  kontrahierte,  dagegen  -ver-  beliefs. 

Juvencus  ist  nur  mit  einer  Miscelle  des  Archivs  bedacht: 

Mich.  Petschenig,  Zur  Latinität  des  Juvencus,  Bd.  VI  S.  267f. 

weist  mox  =  simulatque  und  per  =  ad  bei  Juvencus  nach.  Ersteres  ist  sehr 
verbreitet,  zumal  in  der  Poesie  ((3ommodian,  Corippus,  Ennodius,  Venan- 
tius);  die  erste  Stelle,  die  ich  bisher  gefunden  habe,  ist  2  Gor.  8,  15  bei 
Gypr.  test.  1,  4.  Auch  das  zweite  mufs  alt  sein,  denn  schon  Glodius  Tur- 
rinus  gebrauchte  nach  Seneca  (contr.  10,  35,  1)  pervenio  im  Sinne  von 
advenio;  natürlich  steht  dies  nicht  mehr  im  Texte.  Aus  pervenire  ad 
und  anderen  Verbindungen  von  Gompositis  mit  per  entstand  wohl  durch 


262  Poesie. 

psychologische  Angleichnog  penrenire  per  a.  Ä.  (Tgl.  per  qoas  fines. . .  . 
pertinet  Bell.  Alexandr.  2). 

2.  Classicistische  Dichter  des  ansgehendeD  fHofteo  and  des  sech- 
sten Jahrhunderts,  welche  durch  die  Rhetorenschulen  ihrer  Zeit  heein- 
flufst  sind.  Die  zwischen  Prosa  und  Poesie  geteilten  Gallier  Sidonius 
nnd  Ennodins  verspare  ich  auf  die  folgende  Gattung,  weshalb  hier  nur 
Dracontius  nnd  Corippus  zu  besprechen  bleiben. 

1)  Beruh.  Barwinski,  Quaestiones  ad  Dracontium  et  Orestis  tra- 
goediam  pertinentes  I.  de  genere  dicendi,  Diss.  v.  Göttingen  1887; 

2)  C.  Rofsberg,  Zu  Dracontius,  Arch.  f.  lat. Lex.  Bd.  IV  S.  44—51. 

Die  erstgenannte  Arbeit  verdient  jedenfalls  den  Vorzug  vor  der 
Münsterer  Dissertation  Beruh.  Westhoff's  »quaestiones  ad  Dracontii 
cannina  minora  et  Orestis  tragoediam  spectantesc  (1883),  schon  weil  hier 
das  gewöhnlich  ignorierte  Hauptwerk  des  Dracontius  »de  deoc  eingehend 
berflcksichtigt  wird.  Leider  aber  bat  auch  dem  Verf.  sein  Interesse  nicht 
auf  die  Übrigen  Dichter  der  Zeit  ausgedehnt;  die  Ähnlichkeiten  des  Dra- 
contius und  der  Orestis  tragoedia  wären  ihm  dann  schwerlich  so  grofs 
erschienen.  Übrigens  weifs  er  nur  vier  gemeinsame  Idiotismen  anzu- 
führen:  plectrifer  (in  der  Orestis  tragoedia  nur  Konjektur!),  diademalis 
(auch  bei  Eugenius,  Migne  87,  384  B  und  jedenfalls  noch  öfter  im  Mittel- 
latein);  auch  bei  palpitare  =  palpare  und  palla  (von  der  Nacht)  gebe 
ich  die  Hoffnung  nicht  auf,  sie  anderswo  noch  zu  finden.  Übrigens  kann 
doch  auch  der  Verfasser  der  Orestis  tragoedia  den  Dracontius  nachgeahmt 
haben.  Die  Dissertation  ist  zunächst  auf  den  Nachweis  der  Überein- 
stimmung gerichtet;  doch  handeln  S.  39 ff.  von  den  »Vulgarismen«,  S.  62 ff. 
von  den  »Africanismenc  und  S.  6lff.  von  anderen  spätlateinischen  Er- 
scheinungen. Die  »Africanismenc  sind  in  jenem  Jahrhundert  durch  die 
Litteratur  des  ganzen  Reiches  verbreitet ;  gut,  dafs  die  Heimat  des  Dra- 
contius nicht  durch  ihn  selbst  bekannt  ist.  Durch  die  Sprache  könnte 
ich  wenigstens  sie  nicht  nachweisen. 

Rofsberg  handelt  von  dem  intransitiven  Gebrauche  transitiver  Verba, 
exstare  und  constare  =  esse  (ein  kräftiges  Wort,  wozu  Vergil  schon  den 
Anstofs  gab,  wenn  er  stare  gerne  zu  leblosen  Subjekten  setzte),  exspec- 
tare  =  spectare  und  »einer  eigentümlichen  Spracherscheinung  des  Spät- 
lateinsc,  d.h.  der  bereits  aus  Livius  bekannten  Verwendung  des  präsen- 
tischen Particips  für  den  fehlenden  Aorist. 

Für  Corippus  hat  der  Herausgeber  desselben,  auf  dessen  Index 
ich  hier  aufmerksam  mache,  eine  Miscelle  im  Archiv  veröffentlicht: 

Mich.  Petschenig,  Transitive  Verba  als  Reflexiva  bei  Corippus, 
Bd.  III  S.  160.  284  f. 

Diese  Spracherscheinung  wurde  nachher,  wie  bemerkt,  von  Rofsberg 
aus  Dracontius  nachgewiesen;  Fr.  Vogel  fügt  a.  0.  S.  442  andere  Bei- 


Poesie.    Rhetoren.  263 

spiele  Ar  corrigere  bei.  Sollte  das  Orieehische  Aolafs  zn  einer  Rhe- 
torenregel  gegeben  haben?  Vielleicht  finden  sich  bei  den  Panegyrikern 
Altere  Beispiele. 

8.  Dichter,  welche  anch  klassicistisch  sein  wollen,  aber  weder  in 
der  Metrik  noch  in  der  Grammatik  fest  sind: 

Heinrich  Schneider,  Die  Casus,  Tempora  und  Modi  bei  Com- 
modian,  Programm  von  Nürnberg  1889  (Diss.  v.  Erlangen). 

Schneider  denkt,  was  nicht  jedem  Verfasser  einer  grammatischen 
Dissertation  einfällt,  daran,  aus  welchen  Elementen  die  Sprache  seines 
Autors  bestehe,  wobei  er  die  klassischen  Anklänge  mit  Recht  an  den 
Anfang  stellt.  Der  Rest  der  Disposition  aber  (2.  Vulgär-,  bezw.  Kirchen- 
latein; 3.  Graecismus;  4.  Hebraismus)  entspricht  insofern  nicht  ganz  den 
wirklichen  Verhältnissen,  als  die  Hebraismen  alle  der  Bibel  entspringen, 
nicht  ausgenommen  saraballura,  welches  S.  Dehn  er  im  Archiv  II  S.  611  f. 
richtig  mit  »Mantelc  übersetzte.  Man  braucht  nur  Fürsts  hebräisches 
Wörterbuch  aufzuschlagen,  um  zu  sehen,  dafs  das  Wort  aus  dem  Pro- 
pheten Daniel  stammt  und  von  den  uns  bekannten  jüdischen  Erklärern 
allgemein  als  »ManteU  gefafst  wurde;  Gommodian  benützte  eben  eine 
vorhieronymianische  Bibelübersetzung.  Meiner  Ansicht  nach  hat  seine 
Sprache  aufser  der  classicis tischen  Grundlage  drei  Elemente:  das  Bibli- 
sche, einiges  aus  der  Sprache  seiner  Zeit  und  vieles  pseudoklassische; 
auf  seine  Metrik  hat  die  Aussprache  wohl  einigen  Einflufs  gehabt,  viele 
Verse  sind  aber  einfach  verunglückt. 

Unter  den  Prosaikern  stehen  den  Dichtem  die  Rhetoren,  welche 
die  Sprache  nicht  als  Werkzeug  handhaben,  sondern  um  ihrer  selbst 
willen  betreiben,  am  nächsten.  Au  ihnen  können  wir  die  Sprachmoden 
in  ihrer  höchsten  Entfaltung  studieren. 

Fronto  ist  uns  weniger  als  Rhetor  denn  als  Briefschreiber  be- 
kannt; daher  fällt  der  den  Lustspielen  entlehnte  Aufputz,  welcher  den 
Eindruck  des  Familiären  machen  soll,  dem  Leser  sofort  in  die  Augen, 
dafs  er,  Fronto  für  einen  begeisterten  Archaisten  haltend,  die  Grundlage, 
das  »silbernec  Latein  übersieht  Eine  Vergleichung  mit  der  Sprache 
Suetons  wäre  wohl  am  Platze. 

Carl  Priebe,  DeM.  Gornelio  Frontone  imitationem  prisci  sermo- 
nis  Latini  adfectante,  part.  I.  Progr.  des  Gymn.  von  Stettin  Ostern 
1886  (Nr.  126).    18  S.  4.   II.    1886.    13  S.  4. 

In  der  Einleitung  wird,  hauptsächlich  an  der  Hand  des  Quintilian, 
eines  hierin  einseitigen  Gewährsmannes,  versucht,  die  allgemeinen  Stil- 
verhältnisse zur  Zeit,  da  Fronto  auftrat,  darzustellen.  Zur  Charakteristik 
der  rhetorischen  Grundsätze  Frontos  werden  verschiedene  Züge  zusam- 
mengetragen; richtig  ist,  dafs  Fronto  die  griechische  Litteratur  nicht 
sehr  liebte,  aber  ifutiles  ezercitationesc  sind  seine  griechischen  Briefe 


264  Bhetoren 

gewirs  nicht,  denn  KaiBerionen  beofltzt  man  nicht  als  Adressaten  von 
Exercitien.  S.  6 ff.  handelt  P.  Ober  die  Lektüre  Frontos;  ich  habe  dar- 
über anderwärts  schon  angedeutet,  dafs  dessen  Bemerkungen  nicht  ein- 
seitig betrachtet  werden  dürfen;  da  er  für  Vorgerückte  schrieb,  brauchte 
er  von  Schriftstellern,  wie  sie  Quintilian  empfiehlt,  nicht  zu  reden,  ge- 
schweige denn  sie  zu  rühmen.  Die  Aufeählungen  von  ungewöhnlichen 
und  archaischen  Wörtern  sind  nützlich,  wie  auch  der  zweite  Teil  über 
die  »imitatioc ;  freilich  ist  Fronte  kein  Philologiestudent,  sondern  ein  ge- 
borener Römer  gewesen,  so  dafs  er  nicht  zu  allem  Bücher  brauchte. 
Beispielsweise  wird  jeder  Deutsche  auch  ohne  Hilfsmittel  sagen  können: 
»Ich  feiere  deinen  Geburtstag  mite,  warum  nicht  Fronte  (p.  48,  3 f.)? 

Epoche  macht  in  der  Stilgeschichte  Apulejus,  der  Vermittler  der 
gleichzeitigen  griechischen  Mode.  Ich  habe  zum  Archiv  eine  kleine 
Miscelle,  zu  der  mich  die  interessanten  Abhandlungen  von  E.  Rohde  an- 
regten, beigesteuert: 

Apulejus  über  seinen  Stil,  Bd.  VI  S.  658  f. 

Eine  Analyse  der  Vorrede  der  Metamorphosen,  woraus  sich  der 
Bildungsgang  und  die  Grundsätze  des  Rhetors  von  Madaura  ergeben: 
Buchlatein,  Graecismus  und  künstlicher  (aus  den  Lustspielen  geschöpf- 
ter) sermo. 

Mit  dem  Ende  des  dritten  Jahrhunderts  schliefst  sich  an  die  afri- 
kanische Schule  die  gallische,  welche  ihr  vieles  abgelernt  hat. 

Die  Panegyriker  harren  trotz  ihres  mit  Konjekturen  heimgesuch- 
ten Textes  und  den  brauchbaren  Vorarbeiten  des  Herausgebers  Arntzen 
ihres  Grammatikers;  zu  nennen  ist  nur 

Karl  Burkhard,  De  perfecti  tertiae  personae  formis  in  (e)runt  et 
ere  exeuntibus  quae  in  panegyricis  Latinis  inveniuntur,  Wiener  Stu- 
dien Bd.  VIII  (1886)  8.  170  ff. 

Für  die  feine  Technik  dieser  späten  Redner  sehr  beachtenswert 
(8.  Jahresbericht  Bd.  LIX  S.  30);  die  Formen  auf  -re  waren  damals  sicher 
Archaismen. 

Obgleich  eigentlich  Philosoph  oder  Theolog,  ist  doch  Claudianus 
Mamertus,  der  jüngere  Freund  des  Augustinus,  hier  zu  nennen;  ich 
führe,  um  sein  für  die  Zeit  sehr  gewähltes  Latein  zu  charakterisieren, 
aus  dem  Vorworte  an:  memet,  tute,  dedere,  haud,  veluti,  et  fraudatus 
temporis  et  occupatus  animi,  succinctim,  uti  =  ut,  proquiritatum,  lucta- 
men,  quippiam,  parciter,  uti  autumo,  posthinc,  usque  ad  metam  sui,  en, 
faxis,  haud,  defensitato,  secus.  Er  schreibt  aber  auch  an  einen  »veteris 
reparator  eloquentiaec.  Eng  eibrecht  ist  also  durch  ein  günstiges  Ge- 
schick auf  diesen  Schriftsteller  geführt,  dessen  Herausgabe  die  S.  236 
gerühmte  Abhandlung  begleitete.  Der  bleibende  Wert  derselben  besteht 
in  dem  Nachweise,  dafs  ein  sozusagen  hochgallischer  Stil  im  fünften  und 


Rhetoren.  265 

sechsten  Jahrbnndert  existierte  und  dafs  Apalejns  ihn  beeinflufste.  An 
Einzelheiten  will  ich  hier  am  wenigsten  mäkeln. 

Diese  Studie  regte  die  Freunde  des  Apollinaris  Sidonius  za 
dankenswerten  Ergänzungsarbeiten  an: 

1)  Paul  Mohr,  Zu  Apollinaris  Sidonius,  Progr.  v.  Bremerhaven 
1886  (Nr.  662).    18  S.    4. 

2)  E.  Grupe,  Zur  Syntax  des  Apollinaris  Sidonius,  Progr.  v.  Pfalz- 
burg 1888; 

3)  Max  Mttller,  De  Apollinaris  Sidonii  Latinit>it6,  Diss.  v.  Halle, 
Leipzig  1888; 

4)  Paul  Mohr,  Zum  Konjunktiv  nach  Komparativ  mit  quam,  Ar- 
chiv f.  lat.  Lexik.  Bd.  VI  S.  418. 

Mohr  nimmt  den  richtigen  Standpunkt  ein,  indem  er  gerade  die 
mafsgebenden  Schriftsteller,  Apulejus,  den  jüngeren  Plinius  und  Sym- 
machus,  sowie  Landsleute  des  Apollinaris  (warum  nicht  auch  die  Pane- 
gyriker?)  zum  Vergleiche  heranzieht;  so  ergeben  sich  interessante  Belege 
für  den  Zusammenhang  dieser  Schriftsteller.  Ein  neuer  Punkt  ist  in 
Nr.  4  beigebracht.  Mit  Recht  betont  Mohr  die  Benützung  des  Apulejus; 
dafs  Sidonius  ihn  nicht  ausdrücklich  nennt,  möchte  ich  daraus  erklären, 
dafs  Apulejus  nicht  wohl  zu  den  »vcteresc  gezählt  werden  konnte,  und 
doch  nicht,  gleich  Symmachus,  ein  allbekanntes  Vorbild  aus  der  nächsten 
Vergangenheit  war. 

Das  Programm  von  Grupe  ist  der  hiesigen  Bibliothek  nicht  zu- 
gegangen. 

Max  Müller  kennt  zwar  die  Abhandlung  Engelbrechts,  verwertet 
sie  jedoch  nicht  entsprechend;  doch  enthält  seine  104  Seiten  starke  Ar- 
beit sehr  reichhaltige  in  der  Degeneredicendi-Art  angelegte  Sammlungen. 

Zu  den  gallischen  Rhetoren  gehört  seinem  Bildungsgange  nach 
Ennodius. 

Fr.  Vogel,  Ennodiana,  Archiv  Bd.  I  S.  267-271 

stellt  allerlei  unklassisches  zusammen,  z.B.  onus  ==  honorem  [ich  glaube 
eher,  dafs  Ennodius  honus  schrieb,  wie  in  den  Handschriften  ganz  ge- 
wöhnlich statt  onus  steht];  der  Ablativ  balane  hat  mit  balanus  nichts  zu 
thun,  sondern  gehört  zu  dem  germanischen  bala  (fahl). 

Auch  der  Römer  Symmachus  hatte  —  so  änderten  sich  die 
Zeiten  zur  Beschämung  der  Hauptstädter  —  die  gallische  Rhetorik 
erlernt;  seine  Sprache  ist  von  der  seiner  geistigen  Landsleute  nicht  zu 
trennen, 


266  Rhetoren.    KirehenBchriftsteller. 

E.  Th.  Schulze,  De  Qn.  Aurelii  Symmachi  yocabalormn  formatio« 
nibus  ad  sermonem  vulgarem  pertiuentibns,  Diss.  von  Halle  1885,  in 
den  Dissertationes  Halenses  Bd.  VI  S.  111—282 

hat  eine  sehr  fleifsige  lexikographische  Studie  geschrieben,  aber,  wie 
schon  ans  dem  Titel  hervorgeht,  das  Wesen  des  gekflnstelten  Stiles  ver- 
kannt;^) klassische  Dichter,  altertümliche  Schriftsteller,  Cicero,  der  jün- 
gere Plinius,  Apulejus,  gallische  Lehrer  und  etwa  noch  die  feinere  Kanzlei- 
sprache haben  den  Sprachschatz  des  Symmachus,  der  dazu  manche  eigene 
Erfindungen  hinzuthat,  geliefert,  nicht  aber  die  Umgangssprache. 

Ich  mufs  wider  Willen  schon  hier  einer  Abhandlung  gedenken,  auf 
die  ich  später  zurückkomme: 

Paul  Geyer,  Beiträge  zur  Kenntnis  des  gallischen  Lateins,  Archiv 
Bd.  II  S.  25—47. 

Der  Verfasser,  welcher  interessante  Beiträge  zur  Kenntnis  des 
Mittellateins  liefert,  hat  nämlich  den  methodischen  Fehler  gemacht, 
die  feinen  Rhetoren  und  Historiker  des  römischen  Galliens  mit  den 
Schriftstellern  der  Merowingerzeit  und  sogar  mit  der  damaligen  ganz 
zersetzten  Kanzleisprache  zu  vermengen.  Wenn  der  belesene  Sulpicins 
Severus  die  alte  Phrase  »loqui  apud  aliquem»,  aber  auch  nur  diese  mifs- 
bräuchlich  ausdehnt,  so  sieht  er  in  diesem  einem  der  zahllosen  Milsgriffe 
des  späten  Scbriftlateins  schon  das  französische  avec;  er  führt  sogar  aas 
Virgilius  con  =  apud  als  Vorläufer  desselben  Gebrauches  an,  obgleich 
jener  selbst  das  con  als  Hirngespinnst  kenntlich  macht,  sagt  er  doch:  ex 
quarto  philosophicae  Latinitatis  genere. 

Mit  den  Rhetoren  haben,  mögen  auch  falsche  Vorstellungen  dar- 
über herrschen,  den  nächsten  Zusammenhang  die  Kirchenschrift- 
steller. Doch  müssen  wir  hier  den  Gelehrten  und  den  Rhetoren  den 
Vortritt  lassen. 

Hieronymus,  unstreitig  der  gelehrteste  Mann  seines  Jahrhunderts, 
schrieb  natürlich  auch  ein  gelehrtes  Latein,  doch  ohne  dafs  man  es  als 
rhetorisch  bezeichnen  könnte,  indem  er  stets  deutlich  sein  wollte,  mochte 
er  für  Gelehrte  schreiben  oder  für  das  Volk.  Da  Teuffels  offene  Anti- 
pathie die  meisten  Philologen  von  Hieronymus  fernhalten  dürfte,  habe 
ich  die  mafsgebenden  Selbstäufserungen  zusammengestellt: 

Hieronymus,  Archiv  Bd.  VI  S.  561—62. 

Henri  Goelzer,   £tude  lexicographique  et  grammaticale  de^Ia 
Latinit^  de  Saint  J6rome,  Paris  (Hachette)  1884.    XII,  472  S. 

Habent  sua  fata  libelli;  so  manches  gute  französische  Buch  bleibt 
in  Deutschland  unbekannt,  während  dieses  bei  uns  eine  auffallend  g&n- 


4 


1)  Auf  dem  richtigen  Wege  ist  W.  Kroll  in  der  kürzlich  erschienenen 
Breslauer  Dissertation:  >De  Q.  Aurelii  Symmachi  studiis  Qraecis  et  Latinis  p.  I.« 


i 


ibt 

90 


Kirchensehriftsteller.  267 

stige  Anfbahme  gefunden  hat.  Sogar  Recensenten  des  stattlichen  Werkes 
dachten  nicht  daran,  es  mit  dem  früher  erschienenen  Buche  von  Paacker 
(de  latinitate  b.  Hieronymi  observationes  ad  nominum  verbornmque  usum 
pertinentes,  Berlin  1880),  welches  durch  seinen  hohen  Preis  eine  sehr 
geringe  Verbreitung  erlangte,  zu  vergleichen;  im  Besitze  von  beiden 
BQchern,  habe  ich  äufserst  selten  Veranlassung,  zu  Gölzers  Buch  zu 
greifen.  Citate  werden  nicht  besser,  wenn  sie  abgedruckt  werden,  eher 
schlechter,  wie  ich  schon  in  meinem  ersten  Jahresberichte  (Bd.  40  S.  350  ff.) 
nachweisen  konnte. 

Augustinus  war  bis  zum  Mannesalter  Rhetor  gewesen;  nach 
seiner  Bekehrung  vergafs  er  nicht,  was  er  Jahre  lang  geübt  hatte,  mochte 
er  auch  demonstrativ  dagegen  eifern.  Der  »Gottesstaat«  will  als  philo- 
sophisches Werk  ciceronianisch  sein;  mehr  Rhetorik  giebt  sich  kund  in 
den  »Bekenntnissenc  und  den  Predigten,  welche  mit  ihren  rhetorischen 
Gapricci  dem  Volke  nicht  leicht  verständlich  waren.  Die  Latinisten 
wichen  bisher  Augustin  gewöhnlich  aus;  erst  ein  französischer  Latioist 
hatte  den  Mut  zu  einer  solchen  Arbeit,  wofür  er  zweckmäfsig  die  Pre- 
digten w&hlte: 

A.  Regnier,  De  la  Latioit^  des  sermons  de  Saint  Augustin,  Paris 
(Hachette)  1887.  XVIII,  212  S.;  vgl.  die  inhaltsreichen  Kritiken  von 
Lejay,  Revue  critique  1887  I  S.  490—95 ;  Mayor,  Glassical  review  1887 
p.  235 f.;  Georges,  Berliner  philol.  Wochenschrift  VII  Sp.  1468 ff. 

Auf  Echtheitsfragen,  welche  bei  den  augustinischen  Sermonen  com- 
pliciert  sind,  ist  er  nicht  eingegangen;  die  in  Vorbereitung  befindliche 
Wiener  Ausgabe  dürfte  wohl  manche  sprachliche  Änderung  bringen. 

Der  Wiederentdecker  des  Priscillian  hat  noch  vor  dem  Erschei- 
nen der  Ausgabe  einen  Aufsatz  über  die  Sprache  veröffentlicht: 

Georg  Schopfs,  Die  Sprache  Priscillians,  Arcb.  Bd.  III  S.  309—28. 

In  dem  anderen  Jahresberichte  (Bd.  59  S.  44  f.)  habe  ich  Bedenken 
geltend  gemacht,  ob  man  den  nicht  überlieferten  Namen  des  Priscillian 
auf  alle  Stücke  der  Würzburger  Handschrift  ausdehnen  dürfe;  solange 
die  Einheit  des  Verfassers  der  beiden  Apologie  und  des  der  übri- 
gen Stücke  nicht  erwiesen  ist,  darf  sie  noch  nicht  als  eine  Thatsache 
gelten,  an  die  man  Monographien  über  die  Sprache,  die  Philosophie 
u.  s.  w.  des  Ketzers  wider  Willen  anknüpfen  kann.  Da  meines  Wissens 
nur  Kraus  (Litterarische  Rundschau  1891  1.  April)  dieser  Ansicht,  welche 
nicht  des  mich  nicht  interessierenden  Priscillian  wegen,  sondern  princi- 
piell  ausgesprochen  wurde  und  z.  B.  auch  auf  das  »Apoiogeticonc  des 
»Commodianc  ausdehnbar  ist,  Rechnung  getragen  hat,  unterzog  ich  bei 
dieser  Gelegenheit  die  Sprache,  weil  Schopfs  die  charakteristischen  Ele- 
mente derselben  nicht  sondert,  einer  selbständigen  Prüfung,  wobei  sich 
herausstellte,  dafs  der  III.  Traktat  sich  wesentlich  von  den  sicher  Pris- 


268  Eirchensehriftsteller. 

cillian  angehörenden  I.  und  II.  unterscheidet;  hier  finden  wir  hinc  =  de 
eo  (p.  44,  8),  fortassis  (46,  8.  18),  auffallend  oft  qualiter,  je  zweimal  quo- 
modo  und  numquid  (aut  n.  =  an),  quilibet  ille  sit  qui  oder  quilibet  qui, 
evangelista,  cata  Lucanum  (!)  oder  Matthaeum,  in  regnorum  (47,  8),  ecce 
p.  49,  28  (aufserhalb  biblischer  Gitate),  suapte  natura  54,16,  singali 
quique,  nicht  singuli,  Jesus  p.  61,  3  während  bei  Priscillian  Jesus  Hiesu, 
Josua  aber  Jesus  heifst  u.  s.  w. 

Ich  möchte  bei  dieser  Gelegenheit  aufmerksam  machen,  dafs  die 
äufsere  Gestalt  der  Handschrift  gegen  die  Einheit  des  Originals  spricht 
Indem  ich  vorausschicke,  dafs,  als  die  Handschrift  im  zwölften  Jahrhun- 
dert gebunden  wurde,  bereits  der  Anfangt)  und  der  Schlufs,  wahrschein- 
lich aber  noch  nicht  der  Quaternio  zwischen  f.  121  und  122  fehlten,  will 
ich  einfach  die  Subskriptionen  mitteilen  >):  f.  40  b  Explicit  incipit  über 
addamasum  episcopum;  55  a  Explicit  addamasum  incipit  lib.de  fide  de 
apocryfis  (die  folgende  Seite  bleibt  frei,  ein  bekanntes  Zeichen  der  Lücke; 
f.  56  beginnt  mitten  im  Texte.  74  b  Finit  incipit  tractatus  paschae  lege 
felix  Amantia  cum  tuis  in  XPO  dno  nost. ;  81a  Finit;  91a  Finit  tracta- 
tus etc.,  ebenso  111b  und  117b;  leider  fehlt  der  Quaternio  nach  f.  121, 
welcher  vielleicht  ein  ähnliches  Anzeichen  der  Lücke  wie  f.  55  enthält; 
12db  explic.  tractat.  ad  populum  incipit  ejusdem;  141  b  tractatus  ad  po- 
pulum  explic.  incipit  benedictio  super  fideles.  Daraus  ist  wohl  klar,  dafs 
der  Schreiber  zuerst  Lagen  mit  den  zwei  Verteidigungen  Priscillians  ab- 
schrieb, deren  Blätter,  wie  bei  ihm  f.  40.  74.  111.  117.  123.  141.  genau 
mit  der  subscriptio  endeten;  die  angekündigte  HI.  Schrift  de  fide  fand 
er  nicht,  wohl  aber  Lagen  mit  111  ff.,  weshalb  er  nachträglich  de  apocryfis 
beisetzte.  Diese  rührten  aber,  wie  das  regelmäfsige  finit  statt  explicit 
beweist,  aus  einer  anderen  Handschrift  her.  f.  122ff.  können,  da  hier 
explicit  wiederkehrt,  aus  der  ersten  stammen,  aber  auch  aus  "einer  dritten. 
Eine  Subskription  zeigt,  dafs  die  Bestellerin  des  Ganzen  oder  der  Vor- 
lage des  zweiten  Teils  eine  Amantia  war,  welche  nach  dem  Zusätze  »cum 
tuisc  eine  Äbtissin  gewesen  sein  wird;  auch  die  ähnliche  Hieronymus- 
handschrift  derselben  Bibliothek  stammt  aus  einem  Frauenkloster.  Die 
eigennützige  Nennung  der  Amantia  wurde  von  einem  späteren  Besitzer 
ausgekratzt,  damit  der  Segen  auch  über  ihn  komme;  doch  fügte  er  ge- 
wissenhaft den  Namen  in  tironischen  Noten  bei.') 

Wir  haben  nach  diesen  Schriftstellern  comme  il  faut  von  Theo- 
logen zu  reden,  die  gemäfs  ihrer  Stellung  als  Bischöfe  oder  bischöfliche 


1)  Nach  der  Zählung  der  letzten  Lagen  ein  Quaternio. 

>)  Die  Punkte  und  Trennungszeichen,  welche  Schepfs  teilweise  wegge- 
lassen hat,  lasse  ich  ganz  weg. 

')  Einem  Verteidiger  der  Echtheit  bliebe  freilich  der  Ausweg,  dafs  die 
Handschrift  unter  mehrere  Kopisten  verteilt  war  (vgl.  Wotke,  Zeitschrift  für 
österr.  Gymn.  1891  S.  296  f.). 


EircheDSchriftsteller.  269 

Sekretäre  sich  in  ihrer  schriftlichen  Ausdrucksweise  nicht  gehen  lassen 
durften. 

W.  Hartel,  Lucifer  von  Cagliari  und  sein  Latein,  Archiv  Bd.  III 
S.  1—58 

bringt  den  interessanten  Schriftsteller  Sardiniens  zu  Ehren;  aus  den  bei- 
gebrachten Parallelen  zeigt  sich,  dafs  Lucifer  mit  Tertulliau  und  Cyprian, 
welche  damals  die  Klassiker  der  lateinischen  Kirche  waren,  Berührungen 
hat,  und  vieles  aus  der  lateinischen  Bibel  schöpft.  Von  einer  Kenntnis 
heidnischer  Klassiker  zeigen  sich  wenige  Spuren,  doch  s.  oben  S.  232.  239. 
Die  lehrreiche  Untersuchung  hat  also  in  Lucifer  eine  Quelle  des  Lateins 
der  strengkirchlichen  Litteratur  aufgedeckt 

Eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  diesem  streitbaren  Bischof  hat 
sein  Zeitgenosse  Hilarius,  dessen  Interesse  ebenfalls  in  der  Theologie 
sich  erschöpft.  Des  letzteren  Herausgeber  Anton  Zingerle,  welcher 
hoffentlich  seine  Sprache  im  Zusammenhang  darstellen  wird,  hat  zwei 
kleine  Miscellen  veröffentlicht: 

Necesse  est  mit  dem  Indikativ.    Nedum  modo,  Archiv  Bd.  II,  S.  318. 

Beides  ist  aus  der  handschriftlichen  Überlieferung  dem  Hilarius 
zurückgegeben,  doch  fehlt  auch  mir  zur  Zeit  noch  eine  Parallele. 

Ron  seh,  Wörter  und  Wortbedeutungen  aus  des  Optatus  Milevi- 
tanus  sechs  Büchern,  Ztsch.  f.  die  Österreich.  Gymnasien  1884  S.  401 — 
407  =  CoUectanea  philologa  p.  168—162 

beschränkt  sich  darauf,  zum  Wörterbuch  von  Georges  Nachträge  aus  dem 
polemischen  Werke  des  numidischen  Bischofs  Optatus  zu  liefern;  man 
bemerkt  sofort  einiges  biblische,  dabei  jedoch  auch  das  altertümliche 
prosapia. 

Glandianus  Mamertus  ist  bereits  oben  S.  264  besprochen. 

Zur  Erkenntnis  der  Latinität  von  Johannes  Oassianus,  der  aus 
den  sketischen  Mönchskolonieu  stammte  und  über  Konstantinopel  und 
Bom  nach  Marseille  kam,  wo  er  sein  reiches  Leben  beschlofs,  schrieben 

1)  Carl  Paucker,  Die  Latinität  des  Joannes  Cassianus,  in  Voll- 
möllers romanischen  Forschungen  Bd.  II  S.  391  ff.; 

2)  Mich.  Petschenig,  Romanistisches  bei  Oassian,  Archiv  f.  lat. 
Lex.  Bd.  V  S.  138—9. 

Pauckers  Abhandlung  gleicht  in  ihrer  Anlage  den  übrigen  des 
unermüdlichen  Gelehrten.  Petschenig  will  romanische  Wörter  bei 
Gassian  nachweisen,  wählt  aber  (abgesehen  von  cosa)  solche,  welche  der 
italienischen  Schriftsprache  angehören »  resp.  aus  dem  mittelalterlichen 


270  EirchenschrifUteller.    HiBtoriker. 

Latein  stammen,  z.  B.  crapnla,  ebdomadario,  eloqaio.  Gassianas  schreibt 
für  seine  Zeit  ein  gewähltes  Latein. 

Keine  ausgeprägte  Physiognomie  bat  Eustatbios,  der  Übersetzer 
von  Predigten  des  Basilios: 

Carl  Pancker,  De  latinitate  scriptorum  quorundam  seculi  quarti 
et  ineuntis  quinti  p.  C.  minorum  observationes  IV.  Eustathius,  in  den 
»kleineren  Stadienc,  Berlin  (Calvary)  1884  S.  103 — 17. 

Phil.  Weber,  Kirchengeschichtlicbe  Anecdota  und  ibr  sprachlicher 
Wert,  Archiv  Bd.  I  8.  255-266 

giebt  in  der  Art  von  Rönsch  Auszüge  aus  mannigfaltigen  Schriften: 
Casparis  kirchenhistorischen  Anecdota,  Martinus  von  Bracara  de  correc- 
tione  rusticorum  (Ghristiania  1883),  Acta  Tbomae  von  Bonnet  nnd  einer 
Übersetzung  des  Barnabasbriefes  (Oxford  1883)  in  einer  knappen  keine 
Nachahmung  verdienenden  Citierweise.  Inextimabilis  (S.  262)  ist  soviel 
wie  inestimabilis,  nicht  eine  Ableitung  von  extimus,  desiderantissimus 
(S.  266)  nicht  ein  orthographischer  Fehler  sondern  eine  semasiologische 
oder  syntaktische  Erscheinung.  Yaciat  =  faciat  (S.  266)  verrät  einen 
irischen  Schreiber,  jurcadrix  =  jurgatrix  aber  keineswegs  einen  Nicht- 
romanen;  c  =  g  tritt  häufig  in  der  merowingischen  Zeit  als  »umgekehrtec 
Schreibung  auf. 

Wir  dttrfen  auch  hier  nicht  unterlassen,  der  Ausgaben  des  Herrn 
Abb6  Ferd.  Leonard  in  Bastogne  (Belgien)  zu  gedenken,  weil  er  sich 
sagte,  wer  Kirchenväter  in  die  Schule  einfahre,  mttsse  auch  die  Besonder- 
heiten ihrer  Sprache  lehren ;  in  die  Bd.  59  S.  62  und  99  besprochenen 
Ausgaben  von  TertuUians  Apologeticum  und  einigen  Schriften  Cyprians 
hat  er  daher  einen  grammatischen  Abrifs  als  Ergänzung  zur  Schulgram- 
matik des  klassischen  Lateins  eingefttgt. 

Haben  die  Theologen  durch  das  Predigen  Beziehungen  zur  Rhetorik, 
so  gilt  das  letztere  von  den  Historikern,  insofern  sie  Reden  einlegen. 
Die  rhetorische  Geschichtsschreibung  der  späteren  jZeit  vertritt  Ammia- 
nus,  dessen  Stil  um  so  mehr  nach  der  Schule  schmeckt  als  ihm  das  La- 
teinische nicht  angeboren  war;  der  belesene  Grieche  vermeidet  denn  auch 
nicht  Hellenismen  (s.  o.  S.  247).  Sein  zusammengelesenes  Latein  hat  in 
den  letzten  Jahren  viele  Interessenten  angezogen: 

1)  G.  Reinhardt,  De  praepositionum  usu  apud  Ammianum,  Diss. 
V.  Halle,  COthen  (Schettler)  1886.   62  S.; 

2)  H.  Ebrismann,  De  temporum  et  modorum  usu  Ammianeo, 
Diss.  V.  Strafsburg  1886.  74  S.  (Dissertationes  Argentoratenses  X 
p.  111—186); 

8)  A.  Reiter,  De  Ammiani  Marcellini  usu  orationis  obliquae,  Diss. 
V.  Wttrzburgy  Amberg  (Habbel)  1887; 


Historiker.  271 

4)  Fr.  Liesenberg,  Beobachtangeo  über  den  Sprachgebrauch  des 
AmmiaDUS  Marcellinus,  Progr.  v.  Blaukenburg  1887; 

5)  Derselbe,  Der  Sprachgebrauch  des  Ammianus  Marcellinus 
I.  Kap.  Der  Wortschatz  (das  Nomen) ,  Progr.  v.  Blankenburg  1888 ; 
I.  Kap.  Fortsetzung  und  Schlufs  [Verba,  Adjectiva,  Deminutiva,  Com- 
posita  und  Fremdwörter],  ebend.  1889;  U.  Kap.  (Syntax  und  Stil, 
1.  Abt.  [auf  Grund  älterer  Arbeiten],  ebend.  1890. 

6)  Mich.  Petschenig,  Zu  Ammianus  Marcellinus.  quidam  =  ali- 
quis,  quisquam.  quisque  =  quisquis,  Archiv  Bd.  VI  S.  268  f. 

unter  den  anderen  Geschichtswerken  wenden  sich  an  ein  gebildetes 
Publikum  in  entsprechender  feuilletonistischer  Form  die  Geschichten  Roms 
oder  der  Welt.  Den  höchsten  Schwung  nimmt  die  Sprache  des  Flor us, 
der  augenscheinlich  von  Beruf  ein  Rhetor  war,  mag  er  nun  eine  Person 
mit  dem  Vergilianer  sein  oder  nicht. 

Ed.  Wolf f  11  n,  Die  ersten  Spuren  des  afrikanischen  Lateins,  Ar- 
chiv Bd.  VI  S.  1—7 

nimmt  Florus  auf  Grund  einiger  Spracheigentümlichkeiten  für  Afrika  in 
Anspruch ;  vielleicht  müssen  aber  die  Afrikanismen  eine  Umtaufe  erfahren 
wie  die  »Vulgarismenc  des  Bellum  Africanum.  Die  Orthographie  frag- 
lare  braucht  nicht  florianisch  zu  sein,  da  sie  in  den  Handschriften  weit 
verbreitet  ist;  über  ex  summo  studio  s.  o.  S.  232  (es  könnte  auch  Grae- 
cismus  sein);  longe  longeque  verbindet  Florus  mit  einem  Komparativ, 
was  sonst  Ovid,  Gellius  und  Scaevola  haben  (Wölfflin,  Gemination  S.  478); 
zu  simul  pariter  führt  W.  selbst  das  plautinische  Vorbild  an;  vix  et 
aegre  ist  aus  fioXeg  xcd  ßpaSdiog,  wie  damals  die  Rhetoren  sagten,  über- 
setzt; über  nee  non  et  s.  o.  S.  238;  sequior  sexus  ist  eine  Koigektur,  exi- 
tium  sui  und  ähnliche  Ausdrücke  sind  in  der  Kaiserzeit  häufige  Grae- 
cismen.  Ja,  Florus  ist  ein  Genosse  des  Apnlejus,  aber  nur  auf  dem  Ge- 
biete des  rhetorischen  Stiles. 

Weniger  hoch  geschraubt  ist  die  Sprache  des  Justinus,  welche 
kürzlich  durch  eine  treffliche  Dissertation  Beleuchtung  erfahren  hat: 

Job.  Benesch,  De  casuum  obliquorum  apud  M.  Junianum  Jnstinum 
usu,  Diss.  von  Wien  1889.    79  S. 

Die  Kasuslehre  ist  mit  Beiziehung  der  Parallelstellen  und  Kritik 
der  Überlieferung  behandelt;  wenn  ich  dennoch  sage,  dafs  die  Stellung  des 
Justin  in  der  Sprachgeschichte  damit  noch  nicht  fixiert  ist,  mufs  ich  bei- 
fügen, dafs  es  mir  auch  noch  nicht  gelungen  ist,  das  zum  silbernen  La- 
tein und  den  Lesefrüchten  hinzutretende  Element,  welches  Benesch  »vul- 
gäre nennt,  befriedigend  zu  analysieren. 

Dem  Justinns  reihe  ich  zwei  Sallustianer  an: 


272  Historiker. 

Elimar  Elebs,  Lautas  and  Aarelias  Caes.  10,  6,  Archiv  Bd.  YII 
S.  438—40 

nimmt  das  verkannte  Wort  laatas,  as  znm  Anlafs,  am  von  den  Oraecis- 
men  nnd  Archaismen  des  Aare  lins  Victor  verständig  zu  handeln. 

Za  Salpicius  Severus  führe  ich  die  Bd.  LIX.  S.  60  besproche- 
nen Arbeiten  Fürtners  an: 

1)  Snlpicias  Severas  als  Nachahmer  des  Vergil,  Blätter  f.  bajer. 
Gymnasialschalwesen  1881  Bd.  XVII  S.  97     107.  172; 

2)  Textkritische  Bemerkangen   za  Salpicias  Severas,   Progr.  des 
Gymnasiums  io  Landshut  1886. 

Entsprechend  der  Kürze  seines  Büchleins  schreibt  Eatrop  in  der 
Hauptsache  ein  knappes  nüchternes  Latein: 

J.  Sern,  Der  Sprachgebrauch  des  Eutropius,  I.  Progr.  v.  Hall  1888; 
II.  Progr.  V.  Laibacb  1890. 

Eine  fleifsige  Arbeit,  aus  der  aber  die  Eigenart  des  Mannes  nicht 
ersichtlich  ist;  vgl.  Archiv  Bd.  V  S.  602.  VI  S.  590 f. 

Orosius  verleugnet  zwar  den  Theologen  nicht,  will  aber  doch 
offenbar  nach  der  Weise  der  weltlichen  Historiker  schreiben. 

Carl  Paucker,  Die  Latinität  des  Orosius  (1888),  in  den  »klei- 
neren Studienc,  Berlin  (Galvary)  1884.    S.  24-64.  101-102. 

Zur  Geschichtsschreibung  gehört  nach  antiken  Begriffen  so  viel 
Studium  oder  eine  so  gewandte  Feder,  dafs  man  sich  hier  vor  dem 
Worte  »vulgär«  am  meisten  zu  hüten  hat.  Als  dasselbe  bei  den  Lati- 
nisten  anfangs  blofs  den  Gegensatz  zu  Cicero  ausdrückte,  war  es  manch- 
mal auf  Sallust  angewendet  worden;  nachdem  jedoch  der  Sprachge- 
brauch etwas  korrekter  geworden,  blieb  Sallust  gewöhnlich  aus  den  Listen 
der  sogenannten  vulgären  Autoren  weg.  Auf  diesem  jedenfalls  richtigen 
Standpunkte  steht  noch  nicht  ganz 

Isaac  Uri,  Quatenus  apud  Sallustium  sermonis  Latini  plebeji  aat 
cotidiani  vestigia  appareant,  thäse  von  Paris  (Hachette)  1886.    139  8. 

Nach  Sallust  schlug  die  Stunde  der  Befreiung  aus  der  Beobach* 
tungsstation  für  Vulgarismen  dem  Bellum  Africanum  resp.  Africum ,  in 
dessen  vielgenanntem  »FeldwebeU  Wölfflin  Asinius  Pollio  sah;  uns  geht 
hier  nur  die  Sprache  an:  diese  ist  jedenfalls  nicht  vulgär,  sondern  nur 
von  den  Regeln  Giceros  und  Caesars  unbeeinflufst. 

Isoliert  steht  also  jetzt  scheinbar  das  auch  nicht  volkstümliche, 
sondern  mehr  schwerfällige  Bellum  Hispaniense,  wovon  Wölfflin 
^ine  Ausgabe  vorbereitet;  als  Probe  seiner  feinen  Observationen  veröffent- 
lichte er  die  Miscelle 


i 


Historiker.    Grammatiker.  273 

Jobere  ut  im  Bellom  Hispaniense,  Archi?  Bd.  VI  S.  484. 

Die  Analogie  vod  imperare  veraDlafst  die  gleiche  KoQStniktion 
von  jubere. 

Fremd  ist  die  Rhetorik  den  sogenannten  Fachschriftstellern, 
denen  es  nicht  auf  die  Form,  sondern  auf  die  Sprache  ankommt.  Pen 
ersten  Platz  verdienen  gewifs  die  Grammatiker,  die  Lehrer  und  Rich- 
ter der  Sprache.  Wie  wichtig  wäre  es  zu  wissen,  was  in  einer  bestimm- 
ten Zeit  für  korrektes  Latein  galt.  Aber  die  Monographienfabrikation 
erstreckt  sich  vorläufig  noch  nicht  auf  dieses  Gebiet;  die  einzige  zu  ver- 
zeichnende Arbeit  ist  durch  eine  Preisfrage  veranlafst: 

P.  Rosenstock,  De  Donato  Terentii  et  Servio  Vergilii  explicatore 
syntaxeos  Latinae  interprelibus ,  Preisschrift  n.  Diss.  v.  Königsberg, 
Marggrabau  1886. 

Ein  Latinist  wird  hier  ein  Correctiv  vieler  seiner  Ansichten  finden ; 
z.  B.  empfand  Donatus  die  Verbindung  von  zwei  Konjunktionen  nicht  als 
Vulgarismus,  sondern  Archaismus  (in  Ter.  Ad.  2,  2,  16,  gegen  meine  Lok. 
Versch.  S.  98).  »Supervacua  ponitur  interdum  conjunctio  enim  aut  pro 
altera  coigunctione  (Donat.  Hec.  2,  1,  41,  also  kein  Africanismus,  s.  Lok. 
Versch.  S  138).  Servius  erlaubt  zu  Verg.  Aen.  7,  787  tam,  magis,  maxime, 
minus,  minime  bei  Steigerungsgraden.  Ich  kann  die  Anstellung  ähnlicher 
Untersuchungen  nur  dringendst  empfehlen;  freilich  ist  bislang  sogar  'ein 
Varro  vernachlässigt. 

Häufiger  wurde  eine  weniger  dankbare  Aufgabe,  der  Sprachgebrauch 
der  Grammatiker  selbst,  in  Angriff  genommen: 

R.  Neubauer,  De  coQJunctionum  causalinm  apud  Gellium,  Diss. 
von  Erlangen  1890  (Hier  noch  nicht  eingetroffen); 

Karl  Paucker,  Bemerkungen  über  die  Latinität  bei  dem  Gram- 
matiker Diomedes,  Berlin  1883  =  Vorarbeiten  zur  lateinischen  Sprach- 
geschichte 1884  m.  Abt.  S.  1-28. 

Die  Untersuchung  entbehrt  der  Abrundung,  weil  der  Abschreiber 
Diomedes  nicht  für  sich  allein  behandelt  werden  kann. 

Gar.  Franc.  Vrba,  Meletemata  Porphyrionea,  Diss.  v.  Wien 
(Gerolds  Sohn)  1885.    70  S. 

Eine  tüchtige  Arbeit!  Einige  Nachträge  gab  Georges  in  der  Philo- 
logischen Rundschau  1885  Sp.  1236—88.  Zu  einer  festeren  Bestimmung 
des  Scholiasten  wird  man  vielleicht  einmal  durch  Vergleichung  anderer 
Grammatiker  kommen. 

Aus  Glossen  brachte  das  j Archiv  f&r  lat.  Lexik.«  mehrfach  Mit- 
teilungen, wobei  jedoch,  Götz  ausgenommen,  zwischen  Lemma  und  Er- 
klärung zu  wenig  geschieden  wird.  Einiges  verspare  ich  für  das  Mittel«^ 
latein;  hier  sei  nur  von  Placidus  die  Rede: 

Jahresbericht  für  AlteithuauwiMeaschaft.  LXVm.  Bd.  (1891  IL)  lg 


274  Juristen. 

Stowasser,  Goi^ectaaea,  Archiv  II  S.  819 

verkennt  »acatns«,  welches  dort  substantiviert  ist  (vgl.  Acta  S.  Potiti  20 
zweimal)  und  das  Substrat  fttr  das  italienische  aguto  »Nagele  liefert. 

Von  den  Qbrigen  Fächern  erhält  am  meisten  die  Jurisprudenz 
Ihre  Junger  in  der  Kenntnis  des  klassischen  Lateins;  sie  haben  ja  fort- 
während mit  Gesetzen  und  den  Ansichten  älterer  Rechtslehrer  zu  thun. 
So  trägt  ihr  Latein  zugleich  ein  verhältnismäfsig  altertümliches  und  fach- 
männisches Gepräge.  FQr  die  Erkenntnis  des  Juristenlateins  hat  seiner 
Zeit  der  jetzt  vergessene  Düker  erhebliches  geleistet  durch  seine  opus- 
cula  varia  de  Latinitate  Jurisconsultorura  veterum,  Leiden  1711,  wo  be- 
reits die  Individualitäten  der  grofsen  Juristen  unterschieden  sind;  in 
diesem  Sinne  bedeutet  das  bekannte  Wörterbuch  von  Dirksen  einen  Rflck- 
schritt.  Zu  diesem  Buche  haben  zahlreiche  Juristen  einzelne  Nachträge 
und  Berichtigungen  geliefert,  z.  B.  neuerdings  in  der  romanistischen  Ab- 
teilung der  »Zeitschrift  der  Saviguystiftungc.  Schon  seit  Jahren  wird 
ein  zeitgemäfser  Ersatz  fttr  Dirksens  Wörterbuch  vorbereitet;  damit  hängt 
wohl  direkt  und  indirekt  die  frischere  Bewegung  der  letzten  Jahre  zu- 
sammen. Sie  koncentriert  sich  auf  zwei  Punkte,  wobei  wir  die  Unter- 
suchung der  Sprache  einzelner  Juristen  voranstellen  wollen: 

1)  Ed.  Grupe,  DeJustiniani  institutionum  compositione,  Diss.  v. 
Strafsburg  1884,  Dissertatt.  philol.  Argentoratenses  IX  S.  68  ff. 

2)  W.  Kalb,  Über  die  Latinität  des  Juristen  Gajus,  Archiv  f.  lat. 
Lexik.  Bd.  I  S.  82^92 ; 

8)  Otto  Gradenwitz,  Interpolationen  in  den  Pandekten.  Kriti- 
sche Studien,  Berlin  (Weidmann)  1887;  vgLLenel,  Ztsch.  der  Savigi^^ 
Stiftung  IX  S.  177—188; 

4)  W.  Kalb,  Das  Juristenlatein.  Versuch  einer  Charakteristik  auf 
Grundlage  der  Digesten,  (Programm  von  Nflrnberg  1886)  zweite  erwei- 
terte Auflage,  Nürnberg  (Ballhorn)  1888.   90  S. 

5)  Derselbe,  Roms  Juristen,  nach  ihrer  Sprache  dargestellt, 
Leipzig  (Teubner)  1890.  VIII,  164  S.  [Vgl.  Schmalz  in  den  Jahrbb. 
f.  klass.  Philol.  148  S.  215^224.] 

Die  Juristen  Justinians  gehören  einer  so  späten  Zeit  an,  dafs  der 
verfeinerte  Sprachsinn  ihre  Zusätze  zu  den  Digesten  mit  einiger  Sicher- 
heit erkennen  kann;  auch  Gajus,  ein  Grieche  seiner  Abstammung  nach 
und  aufserhalb  der  Zunft  stehend,  zudem  hinsichtlich  der  Erhaltung  sei- 
ner Arbeit  glücklicher  als  die  anderen,  zeigt  ebenfalls  eine  ausgeprägte 
Physiognomie.  Die  eigentlichen  klassischen  Juristen  aber  sind  keine 
Schriftsteller  im  eigentlichen  Sinne,  weil  sie  an  die  Sache,  nicht  an  die 
Form  denken,  und  uns  in  der  Hauptsache  durch  Excerpte,  welche  nicht 


Joiisten.  275 

treu  kopiert  worden,  bekanot  8iod.  Unter  diesen  ümstftnden  wflrde  nicht 
jeder  den  Mut,  wie  Kalb,  gehabt  haben,  die  einzelnen  Juristen  der  Di- 
gesten sprachlich  abzuconterfeien.  Was  er  z.  B.  als  Africismen  des  Pa- 
pinian,  als  Qallicismus  des  Aemilius  Macer  anfflhrt,  wagte  ich  nicht  in 
eine  etwaige  Neuauflage  meiner  »lokalen  Verschiedenheitenc  aufeunehmen ; 
soviel  scheint  mir  allerdings  sicher,  dafs  der  hochgebildete  Papinianus 
in  der  alten  Litteratur  belesen  war  (insuper  habere,  peroimium,  exter). 
Wenn  der  Herr  Verfasser  auch  nichtjuristische  BOcher  der  Kaiserzeit 
lesen  wird,  dttrfte  er  viele  lEigentflmlichkeitenc  einzelner  Juristen  oder 
gewisser  Gruppen,  die  er  geistreich  bildet,  bald  da  bald  dort  wiederfin- 
den, z.  B.  constitutus  als  Partizip  von  sum,  welches  Scaevola  bei  seinen 
Schülern  und  Anhängern  in  die  Mode  gebracht  haben  soll,  während  doch 
im  Spätlatein  nichts  gewöhnlicher  ist. 

Unter  dem  Protektorate  der  Berliner  Akademie  ist  ein  Wortregister 
der  Digesten  angefertigt,  welches  an  der  kgl.  Bibliothek  zu  Berlin  jeder- 
mann bentttzen  kann.  Dazu  werden  die  gesondert  erhaltenen  Schriften 
der  klassischen  Juristen  und  die  sonstige  juristische  Terminologie  des 
Lateins  aufgenommen,  um  das  Material  f&r  ein  Wörterbuch  des  älteren 
(»klassischenc)  Juristenlateins  zu  liefern.  Im  Jahre  1887  erschien  eine 
Probe,  an  welche  sich  eine  Diskussion  schlofs: 

1)  Gradenwitz,  Kahler  und  Schulze,  Zum  Wörterbuche  der 
klassischen  Rechtswissenschaft,  Zeitschrift  der  Savignystiftung  Bd.  VIII 
romanist  Abteilung,  S.  1—18  (Separatabzug); 

2)  Wölfflin,  Zum  Wörterbuche  der  klassischen  Rechtswissenschaft^ 
in  derselben  Zeitschrift  Bd.  IX  S.  1--18; 

8)  Gradenwitz,  Zu  Wölfflins  Aufsatze  über  das  Wörterbuch  der 
klassischen  Rechtswissenschaft,  ebendort  S.  98—110. 

Das  »Wörterbuch  fttr  klassische  Rechtswissenschaftc  (ein  Titel,  der 
leicht  mifsverstanden  werden  kann)  ist  juristischen  BedOrfnissen  entsprun- 
gen, so  dafs  die  philologischen  Interessen  erst  in  der  zweiten  Linie  ste- 
hen. Als  Philologe  bedauere  ich  dies,  doch  begreife  ich  es  auch;  nur 
will  mir  scheinen,  als  ob  es  doch  möglich  wäre,  eine  Verständigung  zwi- 
schen den  beiden  Fakultäten  zu  erzielen.  Dem  Juristen  wird  es  aller- 
dings sehr  gleichgiltig  sein,  ob  seine  antiken  Fachgenossen  mit  irgend 
welchen  rechtsunkundigen  SchrifLstellern,  mögen  sie  unter  Philologen  auch 
noch  so  berOhmt  sein,  einen  Ausdruck  teilen.  Aber  die  geschichtliche 
Auffassung  der  Sprache  kann  der  Rechtsgeschichte  nicht  fremd  bleiben; 
auch  der  Jurist  muls  Interesse  daran  haben,  wie  die  Rechtsterminologie 
von  den  Gesetzen  der  Republik  bis  zum  Oorpus  Juris  sich  ausgebildet 
bat  Zu  diesem  Zwecke  mflssen  die  älteren  Quellen  des  Rechtes  nicht 
blofs  berücksichtigt  werden,  sondern  planmäfsig  den  Ausgangspunkt  bil-' 

18* 


276  JoristeD.    Mediemer. 

den.  Wenn  ferner  das  Wörterbncb  auch  die  kritische  Beorteilong  da* 
Digesten  fordern  soll,  dann  wird  es  nnnmgftnglich  sein,  anch  die  Sprache 
der  Interpolatoren  hereinzuziehen  und  aalserdem  den  nichtjoristischen 
Sprachgebranch  zu  Yergleichen,  damit  man  sehe,  was  nicht  vor  dem 
sechsten  Jahrhundert  im  Gebrauche  war.  Jedenfolls  mufs  neben  der 
theoretischen  Interpretation  anch  die  historische  Betrachtung  deutlich 
hervortreten. 

Da  die  Redaktoren  des  Wörterbuches  gewifs  znr  Probe  des  band- 
werksmilfeigen  Teiles  der  Arbeit,  welcher  lange  Übung  und  ?iele  Ver- 
suche verlangt,  diese  Artikel  der  Öffentlichkeit  vorgelegt  haben,  erlaube 
ich  mir  einige  praktische  Vorschläge:  In  jedem  Artikel  sollte  den  An- 
fang machen  eine  knappe  Etymologie  in  Qeorges  Weise  z.  B.  de-legare, 
delegatio  (delegare).  Dadurch  ist  gleichzeitig  ein  Wink  gegeben,  welche 
Artikel  man  zu  vergleichen  hat  (also  in  diesen  Fällen  legare  und  dele- 
gare). Die  Bedeutungen  sind  alle  durch  Ziffern  auseinander  zu  halten, 
was  z.B.  in  dem  Artikel  »violarec  Ordnung  schaffen  wflrde  (l.  res  sacras; 
2.  personas  a)  vires,  b)  mulieres;  3.  matrimonium).  Notizen  über  die 
Beugung  oder  Aber  das  Fehlen  bei  gewissen  Schriftstellern  stören  am 
Anfang,  weshalb  ich  den  Platz  am  Schlüsse  des  Artikels  vorziehe.  Durch 
kttrzere  Siglen  (z.  B.  ü.  statt  Ulp.,  G.  statt  Gai.)  könnte  Platz  erspart 
und  die  Übersichtlichkeit  vermehrt  werden;  kleine  statistische  Angaben 
(bis,  quater)  kann  der  Benutzer  leicht  selbst  machen.  Statt  bei  den 
Redensarten  immer  ein  Spatium  zu  lassen  und  das  gesperrte  Stichwort 
vorzusetzen,  würde  es  genügen,  in  dem  Gitat  das  betreffende  Wort  ge- 
sperrt zu  drucken,  z.  B.  unter  Laedere:  si  salictum  maturum  ita,  ne 
stirpes  laederes,  tnleris.  Dies  die  unmafsgeblicben  Wünsche  eines,  der 
einige  Erfahrung  in  Wörterbüchern  hatl 

H.  8  u  Chi  er,   Vnlgärlateinisches   ans   den  Rechtsquellen,   Archiv 
Bd.  V  8.  680 

macht  auf  die  Schreibweise  der  Summarien  des  codex  Theodosianns  auf- 
merksam. 

Unter  den  Fachschriftstellern  machen  die  Mediciner  den  Über- 
gang von  der  wirklichen  Bildung  zum  —  wollen  wir  sagen,  Dilettantis- 
mus. Gelsus,  Scribonius,  Marcellus  Empiricns  (der  freiwillige  Arzt) 
schreiben  nicht  schlechter  als  die  Laien,  während  Cassius  Felix  und  die 
Übersetzer  ohne  humanistische  Bildung  invita  Minerva  die  Feder  in  die 
Hand  genommen  haben. 

G.  Helmreich,  Beobachtungen  auf  dem  Gebiete  des  Mediciner- 
lateins,  Archiv  Bd.  I  S.  820—28 

handelt  von  mehreren  Fachausdrücken,  dazu  von  mdca  und  recetäatutn 
(was  mich  an  den  gesund  sein  sollenden  Retzinatwein  erinnert). 


Vitnivias.    SiWia.  277 

Derselbe,  Paolom,  pusülum,  param  und  Synonyma,  Archiv  Bd.  II 
S.  127—29 

liefert  den  Nachweis,  dafs  panlum  nach  Celsus  aus  der  Mode  kommt; 
bezeichnender  Weise  erscheint  aber  das  romanische  paucum  nie,  blofs 
Mi^rcellas  streift  mit  pauculum  daran. 

Die  Baumeister  waren,  wie  ihr  griechisch-lateinischer  Name  be- 
sagt, im  Altertum  nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  Paliere.  Vitruvius 
aber,  ein  ehrgeiziger  Mann,  hatte  sich  Bildung  genug  angeeignet,  um  ein 
relativ  gelehrtes  Buch  zu  schreiben.  Seine  Furcht  vor  der  Kritik  der 
Grammatiker  ist  natürlich  nur  falsche  Vorredebescheidenheit;  aber  wie 
in  der  historia,  konnte  ihm  auch  in  der  Sprache  ein  Verstofs  passieren, 
zumal  er  fein  schreiben  wollte.  Wie  ein  deutscher  Parvenfl  an  franzö- 
sischen Brocken  Freude  hat,  so  flicht  Vitruv  gelegentlich  trotz  einem 
Dichter  Graecismen  ein.  Vulgär  ist  also  seine  Sprache  nicht,  sondern 
gesucht  und  dabei  schwerfällig.  Nach  diesen  orientierenden  Bemerkun- 
gen zählen  wir  die  zahlreichen  Untersuchungen  auf: 


/„ 


1)  H.  Ulrich,  De  Vitruvii  copia  verborum,  I.  Progr.  v.  Franken- 
thal 1883,  II.  Progr.  v.  Schwabach  1885; 


2)  Job.  Praun,  Bemerkungen  zur  Syntax  des  Vitruv  mit  eingehen- 
der Darstellung  der  Substantivsätze,  Diss.  v.  Mflnchen,  Progr.  v.  Bam- 
berg 1885.    108  S.; 

3)  Richardson  in  den  Harvard  studies  I  p.  153 — 58; 

4)  Phil.  Eberhard,  Vitruvianae  observationes  grammaticae,  I. 
Progr.  v.  Pforzheim  1887  (über  Participium  und  Präpositionen);  II.  Pro- 
gramm V.  Durlach  1888  (Bedingungssätze,  Tempora,  cum  u.  A.). 

^    5)  M.  Stock,  De  Vitruvii  sermone.    De  formis  enuntiatornm  tem- 
poralium,  Diss.  v.  Berlin  1888. 

Wir  haben  durch  einen  glücklichen  Fund  eine  Dilettantin  kennen 
gelernt,  eine  vornehme  Nonne  ans  Sfldfrankreich ,  welche  man  jetzt  ge- 
wöhnlich Silvia  nennt.  Doch  würde  derjenige,  welcher  ihre  Sprache 
vulgär  nennte,  ihr  einen  ungerechten  A£front  anthun.  Mag  auch  ihre 
Bildung  über  Bibel  und  Erbauungsbücher  nicht  hinausgehen,  sie  will  doch 
Schriftlatein  schreiben.  Ganz  gelungen  ist  es  ihr  allerdings  nicht;  ihr 
Sendschreiben  verfällt  oft  in  die  Umgangssprache  ihrer  Kreise,  die  aber 
doch  wohl  das  Prädikat  »feinere«  verdienen;  eine  zusammenhängende 
Darstellung  wäre  sehr  erwünscht: 

1)  Wölfflin,  Über  die  Latinität  der  Peregrinatio  ad  loca  sancta, 
Archiv  Bd.  IV  S.  259—276; 

2)  Paulus  Geyer,  Zur  Peregrinatio  ad  loca  sancta,  Archiv  Bd.  IV 
S.  611— 15; 


278  BibL  Inselirifteii. 

3)  WdlffliD,   Zor  Peregrinatio   ad   loca  sancta,   Arehiv  Bd.  VI 

8.  568  (sella  =  Sattel). 

Überhaupt  hat  öfter  religiöser  Eifer  manchen  zum  Schreiben  ge- 
bracht, welcher  ohne  diesen  Beweggrund  wohlweislich  geschwiegen  hätte. 
Bezeichnenderweise  sind  alle  solchen  Produkte  der  christlichen  Litteratur 
anonym.  In  Betracht  kommen  hier  besonders  die  anonymen  Bibelüber- 
setzungen, wenn  dort  auch  viel  weniger  »Vulgftrlateinc  steckt  als  die 
Arbeiten  Aber  das  Bibellatein  vermuten  lassen  möchten. 

Phil.  Thielmann,  Lexikographisches  aus  dem  Bibellatein,  Archiv 
Bd.  I  8.  68—81 

handelt  von  den  Wörtern  nectnra  [vgl.  flectura,  während  der  Plural  rigora 
nicht  als  Feminin  gefafst  werden  durfte],  obrepilatio,  beneolentia  [vgl. 
graveolentia,  8uawd/a,  auch  beneolens  bJjtvooq  9bwSii^\  invincibilis  [durch 
ein  französisch-engliches  Wort  des  hohen  Stiles  natflrlich  nicht  als  vulgär 
erwiesen]  und  andere  seltene  Wörter. 

SamuelBrandt,  Tormenta.   Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Sprache 
der  Itala,  Archiv  Bd.  V  8.  286-89 

verteidigt  den  Ablativ  tormenta  Sap.  Sal.  2,  19  bei  Lact  inst  4,  16,  9; 
sicher  ist  die  Form  nicht,  weil  die  Endung  des  damit  verbundenen  Wor- 
tes contumelia,  wie  so  oft,  im  Kopfe  des  Schreibers  die  andere  Endung 
sozusagen  attrabiert  haben  kann. 

[H.  Entzian,  De  notione  verborum  tentandi  ex  nsn  V.T.  explicata, 
Diss.  v.  Halle  1887 

geht  vom  hebräischen  Texte  des  ajten  Testamentes  aus.] 

Verhältnismäfsig  am  wenigsten  von  der  Litteratursprache  abhängig 
können  Inschriften  von  Privatleuten  sein;  man  mnfs  jedoch  sidi 
erinnern,  dafs  gewifs  jede  Familie  den  Spott  besser  unterrichteter  scheute. 
»Spernere  se  spemic  war  im  Altertum  auch,  was  die  Bildung  anlangte^ 
unbekannt.  Die  verschiedenen  Motive,  welche  bei  der  Niederschreibang 
der  Inschriften  in  Betracht  kommen,  habe  ich  in  meinem  Görlitzer  Vor- 
trage angedeutet  Leider  haben  wir  noch  immer  auf  den  Zukunftsindex 
des  Corpus  inscriptionum  Latinarum  zu  hoffen;  ein  einziger  Aufeatz,  um 
freilich  von  zerstreuten  Bemerkungen  abzusehen,  gehört  hierher: 

M.  Ihm,  Vulgärformen  lateinischer  Zahlwörter  auf  Inschriften,  Ar- 
chiv Bd.  Vn  8.  66  -  72. 

Trea  ist  nicht  vulgär,  sondern  eine  analogistische  Schreibung  nach 
tres;  ebensowenig  qninquae,  quinquem  (nach  Septem,  decem),  hocto,  decen» 
quinqueginta  (nach  qnlnque),  sexstus.  Meines  Erachtens  mtlssen  nicht 
nur  die  Inschriften  der  christlichen  Zeit  angezeigt  werden,  sondern  auch 


Appendix  Probi.    Petron.    Mittellatein.  279 

ob  sie  Öffentlich  oder  privat,  ob  von  Leaten  besseren  Standes  gesetzt 
oder  von  niederen  Personen,  ob  in  Quadrat-  oder  Cnrsivschrift. 

Als  Gewährsmänner  des  Vulgärlateins  bleiben  also  der  anonyme 
Verfasser  der  sogenannten  Appendix  Probi  und  Trimalchios  Gastfrennd. 

Über  die  erstere  habe  ich  im  Archiv  eine  Miscelle  veröffentlicht: 

Die  Heimat  der  Appendix  Probi,  Archiv  Bd.  VI  S.  557 f., 

worin  Afrika  nicht  aus  sprachlichen,  sondern  sachlichen  Grttndon  als  Hei- 
mat nachgewiesen  wird. 

Von  Petron  handelt 

y^  J.  A.  Cesareo,  De  Petronfi  sermone,  Firenze  1887.  56  p.  Vgl. 
Berl.  philol.  Wochenschrift  Bd.  VHI  (1888)  Sp.  1216ff.;  Nene  philol. 
Rundschau  1888  No.  16  Sp.  244. 

Die  Schrift  ist  mir  nicht  zugegangen;  ich  kann  also  nicht  sagen, 
ob  sie  allein  die  Sprache  dos  Petron  selbst  oder  nnter  Verroengung  mit 
der  seiner  komischen  Figuren  behandelt. 

Hier  könnte  Rec.  abbrechen,  wenn  das  Mittelalter  noch  die  dunkle 
(d.  h.  unbekannte)  Zeitperiode  wäre.  Jetzt  haben  sich  aber  einige  An- 
sätze zur  Kunde  des  sogenannten  Mittellateins  bereits  entwickelt 
Die  Beschaffenheit  der  Quellen  bringt  es  mit  sich,  dafs  sich  gewöhnlich 
nur  Historiker  und  Juristen  damit  beschäftigen  und  dies  nur  notgedrun- 
gen.   Um  die  Klärung  des  Dunkels  bemühten  sich 

1)  Gröber,  Sprachquellen  und  ViTortquellen  des  lateinischen  ViTör- 
terbuches,  Archiv  f.  lat.  Lexik.  I  S.  35 — 67; 

2)  Sittl,  Zur  Beurteilung  des  sogenannten  Mittellateins,  Archiv 
Bd.  II  S.  550—80. 

Durch  den  Untergang  des  römischen  Reiches  wurden  mit  wenigen 
Ausnahmen  die  öffentlichen  Schulen  vernichtet,  so  dafs  von  nun  an  das 
Bildungswesen  auf  eine  ganz  andere  Basis  gestellt  wurde;  dieses  Ereig- 
nis fnhrte,  wie  auf  griechischem  Boden  der  lateinische  Kreuzzug,  eine 
Unterbindung  der  klassischen  Traditionen  herbei,  welche  sich  in  dem 
Leben  beider  Nationen  nie  mehr  gleich  stark  wiederholte.    Die  Geschichte 

^  der  alten  Litteraturen  und  Schriftsprachen  hat  daher  bei  dem  Untergange 
des  römischen  Reiches  und  dem  lateinischen  Kreuzzuge  abzubrechen,  wenn 
sie  nicht  bis  zur  Neuzeit  heiabgefflhrt  werden  soll.    Indem  das  Niveau 

-'der  Bildung  sank,  wurde  der  Abstand  zwischen  dem  sermo  communis 
und  dem  sermo  vulgaris  geringer,  wie  andererseits  die  Schriftsprache 
stark  abfiel.  Daher  tauchen  in  ihr  zahlreiche  Wörter  und  Formen 
auf,  welche  früher  gewifs  schon  gesprochen,  aber  nicht  geschrieben  wor- 
den waren;  nichtsdestoweniger  wäre  es  falsch,  das  Mittellatein  als  ein 
halbromanisches  Latein  anzusehen.    Noch  immer  steht  die  lectio  hoch, 


280  MitteUatein. 

freilich  mehr  der  Bibel  und  der  christlichen  Schriftsteller  als  der  Klassi- 
ker; noch  immer  beherrscht  die  ratio  die  Schriftsprache,  freilich  zumeist 
die  verschrobene  des  Bildnngsphilisters.  Zu  keiner  Zeit  wimmeln  die 
Schriftstücke  von  sovielen  »umgekehrten«  Schreibungen  und  Flexionen^). 
Wenn  wir  mit  der  Zeit  das  Mittellatein  durchschauen  wollen,  wer- 
den wir  nicht  vergessen  dürfen,  dafs  Kanzlist  und  Schriftsteller,  Ans- 
nahmsfälle  abgerechnet,  verschiedene  Persönlichkeiten  sind.  Für  die  Aus- 
bildung der  ersteren  sorgte  allerdings  der  Staat,  aber  in  philologischer 
Hinsicht  ganz  unzureichend.  Sie  waren  hauptsächlich  auf  ihre  Formel- 
bücher (in  Rom  liber  diurnus  genannt)  angewiesen.  Den  Unterschied 
der  zwei  Quellenarten  hat  richtig  erkannt 

£.  Bonrciez,  De  praepositione  ad  casuali  in  latinitate  aevi  Mero- 
vingici,  th^se  von  Paris  1887.  116  S.;  vgl.  Paul  Geyer,  Archiv  Bd.  lY 
S.  380—32, 

anders 

Paulus  Geyer,  Beiträge  zur  Kenntnis  des  gallischen  Lateins, 
Archiv  Bd.  11  S.  26-47, 

welcher  das  Hochlatein  der  gallischen  Redner  und  den  immerhin  gebil- 
deten Gregor  mit  dem  Jargon  merowingischer  Urkunden  unter  einen 
Hut  bringt. 

Die  Urkundensprache  ist  behandelt  von 

Karl  W.  Gaul,  Romanische  Elemente  in  dem  Latein  der  lex  Sa- 
lica,  Dissertation  von  Giefsen  1886. 

Er  benützt  die  Ausgabe  von  Bohrend  (1874)  statt  der  Specialaus- 
gaben von  Holder. 

Von  den  Schriftstellern  wurde  nur  Gregor  von  Tours  eingehender 
bearbeitet  Was  von  seinem  eigenen  Verdammungsurteil  über  sein  La- 
tein zu  halten  sei,  glaube  ich  im  Archiv  Bd.  VI  S.  560 f.  durch  Nachweis 
ähnlicher  Stellen  gezeigt  zu  haben.  Seit  vielen  Jahren  wufsten  die  Fach- 
genossen, dafs  Herr  Max  Bonnet,  der  gefällige  Professor  in  dem  hand- 
schriftenreichen Montpellier,  mit  einem  Buche  über  Gregors  Latein  be- 
schäftigt sei;  endlich  erschien  dasselbe  unter  dem  Titel: 

y         Le  latin  de  Gregoire  de  Tours,  Paris  (Hachette)  1890.    787  S. 

In  der  Einleitung  des  stattlichen  ViTerkes  sind  verschiedene  falsche 
oder  schiefe  Ansichten  von  Latinisten  (auch  von  mir)  über  Vulgärlatein 
treffend  gerügt;  doch  wurde  der  Verfasser  durch  seine  wenig  günstige 
Meinung  von  Gregors  Bildung  verhindert,  das  Angelernte  in  dessen  La- 


1)  Als  Beispiel  einer  verunglückten  Bildung  mag  flssor  (schreibe  fessor) 
dienen,  welches  fateor  entspricht  und  nach  (coD)fe88U8  gebildet  ist. 


Bfitteilatein.  281 

tein  genügend  zu  würdigen.  Die  lange  Zeitdauer  der  Vorarbeiten  hat 
leider  zur  Folge  gehabt,  dafs  Herr  Bonnet  seine  Ansichten  ttber  die 
Grenzen  des  Aufzunehmenden,  wie  es  uns  allen  zu  gehen  pflegt,  öfters 
änderte  und  deshalb  seine  Excerpte  sehr  ungleichmäfsig  sind;  trotz  des 
grofsen  Umfanges  ist  das  Buch  von  YoUstAndigkeit  weit  entfernt.  Ich 
wähle  als  Beispiel  nach  meinen  Excerpten  einzelner  BOcher  eben  jenes 
angelernte  Latein,  indem  ich  das  (im  Register  wenigstens)  fehlende  mit 
einem  Stern  bezeichne:  jugiter  fari  (als  Passiv  bist.  Franc,  praef.),  *  ante- 
rior (I  praef.),  *pla8mare  (1,  1),  *  astus  (1,  1),  ♦  dignanter  (l,  2),  ♦  stati- 
culus  (1,  6),  *  versns  als  Präposition  (l,  10),  rorulentus  (gewifs  aus  Pru- 
dentins  wie  allophylus  und  *  nix  decidua  9,  17),  ''^  historiograpbus  (1, 
86  u.  0.),  *  cum  primitus  (sobald  als,  1,  48),  *  expeto  aliquem  (2.  IV 

*  tumulare,  *  ago'n  (1,  3),  *  inlucescente  caelo  (2,  7),  quamlibet  mit  Con- 
junktiv  (aus  gallischen  Bhetoren,  wie  eques  =  equus!),  *  sciolus  (10,  14), 
archiater,  *  Ines  (10,  23),  *  fantasmata  (10,  26),  *  malignantes  (10,  81), 

*  aedes  (Kirche,  10,  48),  *  chronicalis  (10,  48),  *  deinceps  =  deinde  (9,  6), 

*  minutatim  (9,  9),  *  quispiam  u.  s.  w.  Man  sieht,  dafs  Aussicht  auf  Er- 
gebnis sein  wird,  wenn  jemand  nach  Spuren  gallischer  Rhetorik  und  des 
Prudentius  sucht.  Die  Handschriften  weichen  so  von  einander  ab,  dafs 
wohl  ein  Novellenschreiber,  aber  schwerlich  ein  Editor  genügende  Be- 
rechtigung hat,  den  Gregor  als  einen  veruoglOckten  Lateinschüler  uns 
vorzuführen.  Herr  Bonnet  zeigt  eine  grofse  Belesenheit  in  der  latinisti- 
schen  Litteratur;  sein  Blick  ist  nach  rückwärts  gerichtet,  wogegen  er  die 
Zeitgenossen  Gregors  nicht  zu  dessen  Folie  benützt,  ausgenommen  etwa 
die  Inschriftensammlung  Leblants,  Venantius  und  Paulus  Diaconus. 

R.  Urbat,  Beiträge  zu  einer  Darstellung  der  romanischen  Elemente 
im  Latein  der  Historia  Francofum  des  Gregor  von  Tours,  Diss.  v. 
Königsberg  (Koch)  1890. 

Ein  Romanist  stellt  auf  Grund  der  Ausgabe  von  Arndt  verschie- 
denes, was  an  das  Französische  erinnert,  namentlich  aus  dem  Gebrauche 
der  Präpositionen  zusammen. 

Den  Grundsatz,  dafs  Handschrift  und  Schriftsteller  sich  nicht  decken, 
möchte  ich  wiederholen  bei  Gelegenheit  einer  Archivmiscelle,  welche  den 
Geographen  von  Ravenna  betrifft: 

Carl  Fr  ick,  Golpus.  colfus.  colfora,  Bd.  VII  S.  443  f. 

Am  meisten  nach  der  Schule  schmeckt  immer  das  Latein,  welches 
der  Nicht-Romane  schreibt.  In  dem  Zeitalter  des  eigentlichen  Mittel- 
lateins spielen  die  Irländer  diese  Rolle.  Ich  habe  auf  ihr  hochge- 
schraubtes, von  Bildern  und  Compositis  durchzogenes  Latein  im  Archiv 
Bd.  I  S.  285  bei  Gelegenheit  von  Pauckers  »supplementum  Latinorum 
lexicornmc,  welches  sich  auch  auf  einige  Scoti  erstreckt,  aufmerksam  ge- 
macht.    Die  Unkenntnis  dieser  Latinitas  verleitete  Paul  Geyer,   die 


282  MittellateiD. 

»Hisperica  famioac  (im  V.  Bande  der  »classici  aactores»  von  ADgelo  Mai) 
mit  dem  spanischen  in  Verbindung  zu  bringen: 

Die  Hisperica  Famina,  Archiv  Bd.  II  S.  255-66. 
Die  Widerlegung  erfolgte  durch  J.  Stowasser: 

Zu  den  Hisperica  Famina,  Archiv  Bd.  III  8.  168 — 76. 

In  den  Bd.  59  S.  76  f.  erwähnten  Abhandlungen  und  in  dem  Wiener 
Gymnasialprogramm  »Stolones  Latinic  (1889),  vgl.  Thumeysen,  Archiv 
Bd.  VI  S.  598f.)  liefert  Stowasser  weitere  Beiträge;  eine  systematische 
Darstellung  wäre  sehr  erwünscht. 

In  die  Zeit  des  Mittellateins  gehören  grofsenteils  die  Glossare, 
d.  h.  die  Erläuterungen. 

Löwe,  aus  lateinischen  Glossaren,  Archiv  Bd.  I  S.  21 — 34 

bringt  allerlei  interessantes  z.  B.  lynx]  leopardus  vel  lupus  cervalis  (ital. 
lupo  cerviero);  inclinus  (ital.  inchino);  pedo  (ital.  pedone).  Ausführlicher 
ist  der  Artikel  »excarsac  (it.  scarso)  S.  28. 

Mit  Karl  des  Grofsen  Zeit  bricht  die  erste  Renaissance  an,  welche 
die  Orthographie  und  Grammatik  verbessert  und  Bücher  wie  Urkunden 
aus  der  älteren  Zeit  einer  durchgreifenden  Säuberung  unterzieht;  das 
Latein  verbessert  sich  jetzt.  Gegen  die  übliche  ignorante  Mifsachtung 
des  mittelalterlichen  Lateins  richtet  sich  die  dankenswerte  Einlei- 
tung zu  Iwan  Müllers  Bearbeitung  von  Nägelsbachs  Stilistik.  Leider 
interessieren  sich  dafür  meistens  Editoren  (wie  Voigt,  Dümmler,  Traube); 
mehr  systematisch  handelt  über  das  Latein  eines  einzelnen  mittelalter- 
lichen Autors 

Ruodlieb herausgeg.  von  Friedrich  Seiler,  Halle    1882; 

s.  Jahresbericht  Bd.  59  S.  81. 

Principiell  ist  überall  der  Einflufs  der  Kirchensprache  zu  erwarten, 
da  die  meisten  Schriftsteller  dem  Priesterstaude  angehören;  der  EinfluDs 
der  romanischen  Sprachen  verstärkt  sich,  seitdem  sie  eine  Litteratur  be- 
sitzen. Klassicismen  sind  verhältnismäfsig  am  häufigsten  bei  den  Deut- 
schen und  Engländern. 

Den  Bedürfnissen  der  Historiker  nicht  aber  der  Philologen  ent- 
sprechen die  lexikalischen  Hilfsmittel.  Die  Neuauflage  des  Ducange  ist 
nun  fertig  und  im  Preise  sehr  gesunken: 

Glossarium  mediae  et  infimae  latinitatis  conditum  a  Carole  Dufresne 
domino  Du  Gange  ....  editio  nova  aucta  pluribus  verbis  aliornm  scrip- 
torum  a  Leopold  Favre,  Niort  1882—88.    10  Bde.  in  4. 

Man  hat  daran  bekanntlich  keine  Neubearbeitung,  sondern  nur 
einen  Abdruck,  vermehrt  um  die  Artikel  Diefenbachs  und  Fratis  (s.  a.)i 


Mittellateio.    Bomaoisten.  283 

und  vieUeicht  noch  einige  andere.    Die  Aasgabe  wird  nnr  der  notwen- 
digen besseren  den  Weg  sperren. 

In  dieses  Lexikon  ging  eine  lokal-patriotische  Wörtersammlung  auf: 

C.  Frati,  Spoglie  di  voci  usate  negli  statnti  de]  comnne  di  Bo- 
logna dagli  anni  1250  al  1267  o  non  notate  o  notate  in  altro  signifi- 
cato  oel  »Glossarium  mediae  et  infimae  Latinitatis«  di  Carlo  Ducange 
non  che  di  parecchie  voci  errate,  Bologna  1884  (in  den  Monamenti 
Storici  m  1).    155  S.    4. 

De  Mandrot,  De  la  signification  da  Mot  miles  dans  les  chartes 
da  IX.  an  XIII.  si^cle,  im  Giornale  araldico  di  Pisa  1882,  p.  116—20 

ist  mir  nicht  zagänglich. 

Eine  Grandlage  fOr  die  Kenntnis  des  mittelalterlichen  Lateins  bil- 
den die  damaligen  Lehrbücher.  Über  diese  vgl.  Jahresbericht  Bd.  59 
8.  77  f.,  aafserdem 

Bäbler,  Beiträge  za  einer  Geschichte  der  lateinischen  Grammatik 
im  Mittelalter»  Halle  (Waisenhaas)  1885. 

Nicht  unwichtig  sind  ferner  die  FormelbOcher  and  Briefsteller: 

N.  Valois,  De  arte  scribendi  epistolas  apnd  Gallicos  medii  aevi 
scriptores  rhetoresve,  thdse  von  Paris  1880. 

Wir  wenden  ans  nun  schliefslich  zu  den  Studien  der  Romanisten, 
die  den  lateinischen  Philologen  unmittelbar  bertthren.  Eigentlich  ist  ja 
die  lateinische  Sprache  die  Grundlage  für  die  romanischen,  so  dafs  für 
die  geschichtliche  Erkenntnis  der  letzteren  eine  Vertrautheit  mit  jener 
onerläfslich  ist  Leider  entsprechen  die  wirklichen  Verhältnisse  wenig 
jenen  theoretischen  Forderungen. 

Am  meisten  interessieren  uns  die  jetzt  herrschenden  Ansichten  vom 
Yalgärlatein :  Der  Romanist  soll  befähigt  sein,  aus  der  Obereinstimmung 
mehrerer  oder  aller  romanischer  Sprachen  die  vulgärlateinische  Form  zu 
erschliefsen.    Diese  Theorie  wird  vertreten  von 

1)  Gast.  Gröber,  Vulgärlateinische  Substrate  romanischer  Wör- 
ter, Archiv  Bd.  I  S.  204-254  (A  B).  539  —  557  (C).  II  S.  100  —  107 
(D).  276—88  (EF— fiticum).  424—443  (flagrare  -  gutta).  lEL  S.  138 
— 143  (H— ilicem).  264— 275  (ille— lamna).  507—531  (lacusta — mille). 
IV  S.  116-136  (minaciae— nutrire).  422—454  (0  P).  V  S.  125  —  132 
(quadr&ginta — rasculare).  234— 242  (reburras— ratiliare).  453 — 486  (S). 
VI  8.  117—149  (T— Z).    S.  377—97  (Nachtrag). 

2)  Wilhelm  Meyer,  Die  lateinische  Sprache  in  den  romanischen 
Ländern,  in  »Grundrifs  der  romanischen  Philologie  anter  Mitwirkung 
von  28  Fachgenossen  herausgegeben  von  Gustav  Gröbere  Bd.  I  (Strafs- 
barg,  Trübner)  1886.    Erster  Abschnitt.    32  S. 

Das  Vorbild  der  indogermanischen  Ursprache  lockte  auch  eine  ro- 
manische Ursprache  herzustellen;  hat  es  aber  eine  solche  gegeben?   Eine 


284  Romanisten. 

lebende  Sprache  ist  nie  eine  Einheit;  sie  zerfällt  nicht  blofs  in  räumlich 
geschiedene  Dialekte,  sondern  auch  an  dem  gleichen  Orte  in  zahlreiche 
Spielarten.  Jenes  rekonstruierte  Vulgärlatein  nun  —  wer  hat  es  ge- 
sprochen und  wo?  Alle  Römer?  Eine  so  verbreitete  einheitliche  Vulgär- 
Sprache  existiert  nirgends  in  der  Welt.  Ich  werde  daran  erinnert,  dafs 
in  der  Litteratur,  wie  ich  selbst  jetzt  am  besten  wissen  mfisse,  so  gut 
wie  keine  »lokalen  Verschiedenheitenc  nachgewiesen  seien;  warum  indes 
diese  Erscheinung  nicht  auffallend  sei,  wird  der  Leser  des  Jahresberichtes 
leicht  verstehen.  Auch  in  Frankreich  herrscht  eine  Schriftsprache  mit 
straffer  Einheit,  obgleich  zahlreiche  wesentlich  verschiedene  Mundarten 
existieren.  Ja,  wenn  der  Staat  eine  bestimmte  Art  von  Vulgärlatein  an- 
erkannt hätte,  etwa  wie  die  mittelalterlichen  Könige  bei  Annahme  einer 
nationalen  Schriftsprache!  An  der  Romanisierung  war  die  christliche 
Kirche  erst  spät  beteiligt,  so  dafs  der  Einflufs  der  einheitlichen  Kirchen- 
sprache nur  ft^r  den  Anfang  des  Mittelalters  in  Betracht  kommt.  Auch 
ging  die  Kolonisierung  nicht  so  massenhaft  vor  sich,  dafs  die  direkte 
EinfQhrung  einer  bestimmten  Phase  des  italischen  Lateins  irgendwo  denk- 
bar wäre.  Die  grofsartigsten  Ansiedinngen  erfolgten  unter  Caesar  und 
Augustus,  welche  aber  ihre  Veteranen  Ober  das  ganze  Reich  zerstreuten ; 
überdies  wurden  die  Veteranen  oft  nicht  isoliert,  sondern  mit  froheren 
Bewohnern  zusammengethan,  namentlich  mit  reichen  Leuten,  die  dann  ge- 
wifs  nicht  Vulgärlatein  von  einem  ausgedienten  Soldaten  lernten,  sondern 
einen  ordentlichen  Lehrer  nahmen.  Auch  in  den  Provinzen  entstand  so- 
fort eine  Vielheit  von  sermones:  Italische  Kaufieute,  Ackersklaven,  Hand- 
werker, Beamte  mit  Schreibern,  Lehrer  verschiedener  GOte,  einige  Polizei- 
soldaten,  ausgediente  Auxiliaren  (Legionare  dagegen  nur  in  den  Grenz- 
ländern und  dort  am  ehesten  in  den  Winterquartieren),  das  waren  sehr 
verschiedene  Träger  des  Lateins;  auch  in  Gallien  beispielsweise  redete 
der  Millionär  notwendig  anders  als  der  Bauer.  Gröber,  welchem  Meyer 
folgt,  stellt  die  Latinisierung  des  Reiches  so  dar,  als  ob  zuerst  die  von 
Sardinien  erfolgt  sei ;  dann  wäre  Spanien  lateinisch  geworden  und  schliefs* 
lieh  Gallien.  Aber  noch  im  Jahre  19  n.  Chr.  kann  Sardinien  nicht  ganz 
unterworfen,  geschweige  denn  latinisiert  gewesen  sein.  Überhaupt  bildete 
die  Latinisierung  keinen  Damm  gegen  die  Einfit^sse  anderer  Reichsteile ; 
den  römischen  Verkehr  kann  man  sich  nicht  grofsartig  genug  vorstellen. 

Andererseits  ist  Italienisch,  Französisch  u.  s.  w.  immer  nur  ein  ab- 
strakter Begriff,  welchem  die  Schrift-,  nicht  die  Volkssprache  zu  Grunde 
liegt.  Ferner  wirken  nattlrlich  auch  in  nachlateinischer  Zeit  die  Analogie 
und  Volksetymologie  fort,  z.  B.  setzt  frz.  Saintes  nicht  notwendig  Santo- 
nes  (V  S.  457)  voraus,  da  saint  nahe  liegt;  ebenso  steht  neben  lacusta 
(locusta,  III  S.  607)  langusta  d.  h.  angusta  mit  dem  Artikel;  das  kirch- 
liche Wort  abismus  (I  S.  233)  kann  auch  im  Mittelalter  nach  Ghristia- 
nismus  umgebildet  werden  u.  s.  w. 

Trotz  dieser  principielleu  Bedenken  mttssen  wir  den  Artikeln  Orö- 


BomaniBten.  285 

bers  grofse  Bedeatong  für  die  lateinische  Philologie  zasohreibeo.  Was 
den  zusammenfassenden  Aufsatz  W.  Meyers  anlangt,  möchte  ich  ihn  Phi- 
lologen schon  wegen  der  übertriebenen  Knappheit  nicht  empfehlen;  auf 
andere  Mängel  macht  eine  ausführliche  Becension  von  Seelmann  (über 
deren  Motiv  vgl.  W.  Meyer  in  der  Ztsch.  f.  rom.  Philol.  1891  S.  281  f.)  in 
den  Gott.  Gel.  Anzeigen  1890  S.  665  £f.  aufmerksam.  Die  Herrn  Boma- 
nisten  werden  es  einem  klassischen  Philologen  nicht  übel  nehmen,  wenn 
er  bedauert,  dafs  das  wirklich  durch  Inschriften,  Handschriften  und  Gram- 
matiker bezeugte  Latein  zurückgestellt  wird  zu  Gunsten  der  Kombina- 
tion. W.  Meyer  ist  in  seiner  neuen  romanischen  Grammatik  noch  weiter 
von  uns  abgerückt. 

G.  Körting,  Lateinisch-romanisches  Wörterbuch,  Paderborn  (Schö- 
ningh)  1889—90 

giebt  ein  keineswegs  auf  die  lateinischen  Elemente  beschränktes  etymo- 
logisches Wörterbuch  der  romanischen  Sprachen,  aus  welchem  der  klassi- 
sche Philologe  das  Fortleben  der  lateinischen  Wörter  ersehen  kann;  frei- 
lich darf  er  nicht  vergessen,  dafs  sich  auch  zahlreiche  Schriftwörter  dar« 
unter  befinden,  z.  B.  ambactiator,  ambo,  beryllus,  cancellarius.  Das  La- 
teinische ist  nach  den  nächstliegenden  Hilfsmitteln  angesetzt. 

Wir  reihen  daran  einige  an  Diez'  Wörterbuch  anknüpfende  Miscel- 
len  des  »Archives  für  lateinische  Lexikographiec : 

Konrad  Hofmann,  Acieris.  frz.  acier,  Bd.  H  S.  276. 

Die  Gleichung  ist  bedenklich,  weil  acieris  ein  altes  hieratisches 
Wort  war,  besonders  aber  weil  es  ein  bronzenes  Beil  bedeutete;  dagegen 
hiefs  der  Stahl  aciarium  (Corpus  Gloss.  IV  p.  6,  22  als  Lemma). 

Derselbe,  Mauvais,  Bd.  I  S.  591—92 

leitet  mauvais  von  malvax  (ixdXßa^)  ab.  Warum  nicht  von  malva  (vgl. 
blitea,  inutilis;  herba  nullius  usus,  Nonius  p.  80,  21)¥ 

Bec,  Montaneus,  Bd.  I  S.  438 

weist  die  lateinische  Form  von  montagua,  montagne  in  einem  Heiligen- 
leben nach, 

Derselbe,  Spacus,  ital.  spago,  Bd.  II  S.  133—34 
spacus  an  zwei  Stellen  des  Arztes  Cassius  Felix. 

Konrad  Hofmann,  Tranix,  Bd.  II  S.  132f. 

belegt  das  Stammwort  von  ital.  tralcio  (Bebzweig)  aus  dem  Edictus  Bo- 
tharis  (c  295). 

Anderes  s.  o.  S.  265. 

Mit  Diez  steht  auch  eine  wichtige  Untersuchung  in  Zusammenhang: 


286  BoniuiifiteD. 

Bad.  Tharneysen,  Eeltoromanisches,  Halle  (Niemeyer)  1884. 

Den  Inhalt  giebt  der  Untertitel  an:  iDie  keltisdien  EtymologieD 
im  etymologischen  Wörterbuch  der  romanischen  Sprachen  von  F.  Diese 
Die  üntersuchnng  ist  für  die  Latinisierung  der  keltischen  Länder  und 
den  keltischen  Kultnreinflurs  auf  das  gesammte  Sttdwesteuropa  von  Wich- 
tigkeit In  der  Einleitung  werden  verbreitete  Vorurteile  kritisch  geprüft, 
z.  B.  dafs  das  französische  tt  von  den  Kelten  stamme  (S.  10 f.)- 

um  nicht  eine  Zurückweisung  aus  fremdem  Jagdgrunde  zu  erfahren, 
bleibe  ich  hier  stehen,  obgleich  verschiedene  romanistische  Untersuchun- 
gen mich  zur  latinistischen  Kontrole  reizten ;  ich  erwähne  nur  aus  buch- 
händlerischen ROcksichten,  dafs  A.  Mahns  Grammatik  und  Wörterbuch 
der  altprovenzalischen  Sprache  I.  Abt.  (Lautlehre  und  Wortbiegungs- 
lehre), Köthen  (Schettler)  1885  und  M.  Louis  Gar  and,  essais.  Le  latin 
populaire  6tudi6es  au  point  de  vue  de  la  phon^tique  dans  le  dialecte 
languedocien  de  Pamier^  (Ari^ge),  Paris  (Belin)  1885  in  meine  Hände 
gelangten. 

Den  Schlufs  bilde  die  lichtvolle  Abhandlung  eines  der  wenigen 
Lateinfreunde,  welche  ihrerseits  den  Schlufsstein  längerer  Erörterungen 
abgiebt: 

Hermann  Suchier,  Der  Untergang  der  geschlechtlosen  Substan- 
tivform, Archiv  Bd.  HI  S.  161-67. 

Hiermit  bescfaliefse  ich  den  Jahresbericht,  welcher  statt  eines  Aggre- 
gates von  Recensionen  fast  zu  einer  Homilie  ttber  den  Text  >Dn  sollst 
den  Namen  Vulgärlatein  nicht  milsbrauchen«  geworden  ist. 


Druck  von  Martin  Oldenbourg  in  Reiiin»  AdlentrasM  S. 


JAHRESBERICHT 

über  ' 

die  Eortschiitte  der  classischen 

Alterthum  swissenschaf t 

begründet 

Conrad  Bursian, 

herausg^ebcn 


Iwan  V.  Müller, 

oid.  fiSratl.  Prof.  dn  classiicheD  Philologie  >n  d«r  UniTeniUI  Ertang«!!. 


Neonnndsechzigster  Band. 
Neunzehnter  Jahrgang.    1891. 

Dritte  AbtheUiug. 

ALTERTHDMSWISSENSCHAFT. 

Register  über  die  drei  Ablheiluogen. 


BERLIN    1892. 

VERLAG  VON  S.  CALVARY  &  CO. 

W.  Untei  dcD  LittdcD  21. 


Inhalts-Verzeichniss 

des  DeuDundsecbzigsteD  Bandes. 


Bericht  über  die  Litteratur  der  Jahre  1887  und  1888,  welche 
sich  auf  die  Geschichte  der  Hochschulen,  GyrnuasieD,  La- 
teinschulen etc.  bezieht.  Von  Dr.  theol.  et  phil.  Karl 
Hartfelder,  Gymnasialprofessor  in  Heidelberg    .     .     1  — 112 

Sohulgesohiohte.  UniTersitftten  1.  —  Vaganten  41.  —  Schulord- 
nungen 43.  —  Gymnasien  54.  —  Pädagogik  98.  —  Franzödiscbe 
Scbulgescbichte  108. 

Bericht  über   die  Litteratur  des  Jahres  1888,  die  sich  auf 

Encyklopädie  und  Methodologie  der  klassischen  Philologie, 

Geschichte   der  Altertumswissenschaft   und   Bibliographie 

bezieht.    Von  Prof.  Dr.  K.  Hartfelder    ....     145—193 

Allgemeines  146.  —  Qetohiohte  des  Humanismut.  Italien  149. 
—  Deutschland  157  Erasmus  161.  Wimpfeling  166.  -—  Reuchlin 
168.  —  Hütten  171.  —  Toxites  176.  —  Polnische  Humanisten 
179.  —  Buchdruckergeschichte  183.  —  Französische  Philologie 
186   —  Neulateinische  Dichtung  190. 

Die  Berichte  über  Paläographie  von  Bibliothekar  Dr.  R.  Beer 
in  Wien ;  alte  Geographie  und  Geographen  von  Oberlehrer 
Dr.  R.  Frick  in  Höxter,  und  Topographie  von  Attika  von 
Oberlehrer  Dr.  Chr.  Beiger  in  Berlin  erscheinen  später. 

Bericht  über  Geographie  von  Griechenland.  Von  Prof. 
Eugen  Oberhummer  in  München 251 — 28f> 

Die  westgrieohischen  Inseln  261.  —  Eerkyra  262.  —  Paxoi  262. 
—  Leukas  26d.  —  Ithaka  und  Kephallenia,  Inselgruppe  266.  — 
Ithaka  273.  —  Kephallenia  276.  —  Zakynthos  281.  —  Nachtrag 
284. 

Die  Berichte  über  Geographie  von  Unter-Italien  und  Sicilien 
von  Prof.  F.   von  Duhn  in  Heidelberg;   Geographie   von 


IV  Inhalts -Verzeichniss. 

Mittel-  und  Ober- Italien,  Gallien,  Britannien  und  Hispa- 
nien  von  Dir.  Prof.  D.  Detl eisen  in  Glückstadt;  Topo- 
graphie der  Stadt  Rom  von  Prof.  Dr.  0.  Richter  in 
Berlin;  Griechische  Geschichte  von  Prof.  Dr.  A.  Bauer 
in  Graz;  römische  Geschichte  und  Chronologie  von  Dr. 
Hüter  in  Giefen;  griechische  Litteraturgeschichte,  und 
römische  Litteraturgeschichte  von  Prof.  Dr.  E.  Zarncke 
in  Leipzig  folgen  später. 

Bericht  über  die  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  alten  Philo- 
sophie in  Russland  im  Jahre  1890.  Von  Prof.  W.  Luto- 
slawski 194_lif 

Die  Berichte  über  antike  Mythologie  von  Dr.  0.  Gruppe 
in  Berlin  und  über  griechische  Staat salterthümer  von  Dr. 
C.  Schäfer 'in  Pforta  erscheinen   im  nächsten  Jahrgang. 

Jahresbericht  über  die  griechischen  Sakralaltertümer.  Von 
August  Mommson  in  Hamburg 113 — 144 

Sechstor  Artikel:    Elia 

Die   Berichte   über   griechische   Privatalterthümer    von  Prof. 
Iwan  von  Müllerin  Erlangen;  römische  Alterthümer  von 
Prof.  Dr.  M.  Zöller  in  Mannheim;  scenische  Alterthümer 
von    Studienrektor    ProL   Dr.    B.    Arnold    in    München; 
Naturgeschichte  und  Technik  im  Alterthum  von  Dr.  Max 
Schmidt  in  Berlin;   antike  Mathematik   von    Oberlehrer 
M.  Curtze  in  Thorn;  Medicin  bei  Griechen  und  Römern 
von    Prof.    Dr.   Th.    Puschmann   in    Wien;    griechische 
Epigraphik  von  Oberlehrer  Dr.  W.  Larfeld  in  Remscheid; 
römische  Epigraphik  von  Direktor  Dr.  F.  Hang  in  Mann- 
heim:   Geschichte   der   alten  Kunst   von   Dr.  Kroker   in 
Leipzig;    vorgeschichtliche  Kunst,    Vasenmalerei   etc.   von 
Prof.  P.  Dümmler  in  Basel;  Baukunst  von  Architekt  P. 
Koldewey  in  Berlin;  Numismatik   von   Dr.  R.  Weil   in 
Berlin;  vergleichende  Sprachwissenschaft  von  Dr.  H.  Zie- 
mer in  Colberg;  griechische  Grammatik  von  Prof.  Dr.  B. 
Gerth  in  Zwickau;  Kyprisch,  Pamphilisch  und  Messapisch 
von  Prof.  Dr.  W.  Deecke  in  Mühlhausen  i.  E.;  lateinische 
Grammatik    und    Etruskisch    von    demselben;    lateinische 
Lexikographie  von  Prof.  C.  Wagener  in  Bremen ;  antike 
Musik  von  Dr.  H.  Reimann  in  Berlin  werden  später  er- 
scheinen. 


Inhalts-Verzeichniss.  V 

Bericht  über  die  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  grie- 
chischen und  römischen  Metrik.  Von  Prof.  Dr.  R.  Klotz 
in  Leipzig 199—250 

I.  Untersuchungen  zur  Geschichte  der  metrischen  Theorie  199. 
—  11.  {Metrische  und  prosodische  Schriften  allgemeinen  Inhalts 
206.  —  III.  {Metrische  Schriften  über  griechisches  Epos  214.  — 
iV  (Metrische  Schriften  zur  griechischen  Lyrik  218.  —  V  IMe- 
trische  Schriften  Qber  das  griechische  Drama  227.  —  VI  Der 
saturnische  Vers  235.  —  VII.  (Metrische  Schriften  über  das  rö- 
mische Drama  236.  —  VIII.  IMetrIsche  Schriften  über  römische 
Lyriker  und  Epiker  245. 

Register 287—302 

1.  Register  Aber  die  besprochenen  Schriften 287 

II.  Register  der  behandelten  Stellen: 

Griechische  Autoren 298 

Römische  Aatoren 299 


Bericht  über  die  Litteratur  der  Jahre  1887  und 
1888,  welche  sich  auf  die  Geschichte  der  Hoch- 
schulen, Gymnasien^  Lateinschulen  etc.  bezieht 

VOD 

Dr.  tkeol.  et  phil.  Karl  HartMAer, 

Gymnasialprofesflor  in  Heidelberg. 


Seit  dem  Bestehen  des  BJabresberichtesc  wardeB  die  Eniefaeiniiii|ea 
iber  Encyklopädie  und  Geschichte  der  Philologie  stets  geiiieiiisan  mit 
den  Publikatk>iien  Aber  SoholgescUcbte  juA  Methodologie  des  Unter- 
richtes besprochen.  In  den  letzten  Jahren  aber  htoften  si(A  die  Ar- 
bettea  anf  diesen  Gebieten  der  Art,  dafe  es  ratsam  schien,  «nie  Trennung 
in  der  Weise  ?orE«nefamen,  dafs  dio  Scholgescbichte  und  Ifetbodölogie 
des  Unterrichtes  zu  einem  besonderen  Abeehaitt  gestaltet  wurde.  Dabei 
soll  nach  den  Wnnsche  ron  Eedafctear  and  Verleger  die  litteratar, 
welche  sich  aosschliefslich  anf  die  sog.  Reform  des  GymniBsiunis  bezieht, 
nicht  mit  herangeflogen  werden. 

Da  eine  Schulgescfakhte  nicht  geschrieben  werden  Icahn,  ohne  der, 
tttditigeii  SchulmAnner  zn  gedenken,  so  ist  es  angezeigt,  mit  diesem  Ab- 
schnitt das  Referat  über  Biographien  hervorragender  Scfanknftnner-  sä 
verbinden.  Ans  demselbea  Grunde  empfiehlt  es  sich  foner,  auch  Ver- 
öffentlichungen ttber  wichtige  Lehrhttcher  sowie  über  die  Gesciiohte 
einzelner  Uaterricbtezweige,  soweit  sie  das  Gebiet  der  beiden  klassischen 
Sprachen  betreffen,  mit  heranzuziehen. 

Weil  neue  Gedanken  in  früherer  Zeit  in  der  Regel  zaerst  aa  den 
Hochscholen  auftraten  und  dann  erst  in  die  weiteren  Kreise  der  Lateia- 
schulen  oder  Gj^uiasien,  wie  man  später  sagte,  drangea,  so  empfiehlt 
ea  sieh,  dem  Gange  dmr  Geschichte  zu  folgen  und  auch  hier  die  Ge» 
schichte  der  Hodisohulen  Toranzustellen.  Nun  besafs  die  erste  Hftlfte 
des  Mittelalters  noch  keine  UniTersitftten,  und  so  wurde  der  An&ng  out 
einer  Schrift  gemacht,  welche  das  Unterrichtsweeeo  in  fnaheren  Mittel- 
akelr  in  zusammenüassender  Webe  darstellt  and  wie  eine  Eialeito&g  zum 
Felgendm  betrachtet  werden  kann. 

JAhreabwloht  fUr  AlterthumswisBenaohAft  LXIX.  (180L  lU.)  1 


2  Scbolgeschichte. 

Aach  dieses  Mal  wurden  einige  Schriften,  die  schon  |in  früheren 
Referaten  hätten  besprochen  werden  müssen,  ergänzend  nachgetragen. 

Franz  Anton  Specht,  Geschichte  des  Unterrichtswesens  in  Deutsch- 
land von  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Mitte  des  dreizehnten  Jahrhunderts. 
Stuttgart.   Gotta.    1885.   8^.   XII  u.  411  S. 

Dieses  gut  ausgestattete  Werk  ist  eine  von  der  Münchener  histo- 
rischen Kotnlnission  gekrönte  Preisschrift.  Wer  die  früheren  Dar- 
stellungen dieses  Gegenstandes  kennt  und  mit  Spechts  Werk  vergleicht, 
wird  dem  urteil  des  Preisgöricbtes  gewiTs  beistimmen. 

Zunächst  hat  der  Verfasser  sein  Thema  stets  scharf  im  Auge  be- 
halten. Während  man  in  sonstigen  Büchern  gleichen  Gegenstandes  mehr 
eine  Art  von  Kulturgeschichte  findet,  deren  Grenzen  verschwommen  und 
unklar  sind,  haben  wir  hier  eine  wirkliche  Geschichte  des  Unterrichts- 
wesens. Von  sonstigem  Stoffe  wird  nur  herangezogen  |  was  diesem 
Thema  dient 

•  Sodann  schöpft  der  Verfasser  aus  den  ersten  Quellen.  Ganz  im 
Gegensatz  zu  bekannten  Darstellungen,  die  nur  aus  verbreiteten  Mono- 
graphien abgeleitete  Bächlein  sind,  hat  sich  Specht  zu  den  Quellen- 
werken selbst  gewandt.  Die  Litteratur  könnte  wohl  da  und  dort  noch 
ergänzt  werden,  aber  überall  zeigt  sich  der  Verfasser  gut  mit  der  wich- 
tigsten einschlägigen  Litteratur  vertraut 

Der  Stoff  ist  in  folgende  drei  Abschnitte  gegliedert:  1.  Begründung 
des  Unterrichtswesens  in  Deutschland.  —  2.  Entwicklung  und  Art  des 
Unterrichtswesens.  —  3.  Hervorragendere  Unterrichtsanstalten. 

Nachdem  die  Anfänge  geistiger  Kultur  in  Deutschland  kurz  dar- 
gestellt sind,  wird  Karls  des  Grossen  Fürsorge  fär  das  Unterrichtswesen 
und  dessen  Ausgestaltung  unter  Ludwig  d.  Fr.  charakterisiert  Die  Ver- 
dienste der  Mönche  um  die  Studien  werden  eingehend  dargelegt,  sowohl 
im  Elementarunterricht  wie  in  dem  Unterricht  in  den  sieben  freien 
Künsten,  welche  in  Trivium  und  Qnadrivium  zerfielen.  Die  Kloster-, 
Dom-  und  Sttftsschulen  werden  scharf  auseinander  gehalten,  auch  die 
Schulbildung  der  Frauen  nicht  vergessen. 

Die  hervorragenden  Unterrichtsanstalten,  nach  den  Landschaften 
geordnet,  sind:  Hessen,  Schwaben,  Rheinland,  Sachsen  und  Bayern. 
In  dem  Abschnitt  über  Hessen  finden  Fulda  und  Hersfeld,  in  dem  über 
Schwaben  die  unvergleichlichen  Schulen  von  Reichenau  und  St  Gallen 
die  verdiente  Anerkennung.  Eine  beachtenswerte  Thatsache  ist,  dafs 
das  bunte  Schulleben  und  die  höchst  bedeutsame  Pflege  der  Wissen- 
schaften hier  mit  dem  Einzug  des  streng  kirchlichen  Geistes  der  Glunia- 
censer  aufhört.  So  erlosch  besonders  »die  einst  nach  allen  Seiten  hin 
Licht  spendende  geistige  Lampe  St  Gallons  nahezu  gänzliche.  (S.  328.) 

Warum  schreibt  Specht  immer  noch  das  falsche  Bonifiacius?  Der 
Name  Bonifatius  kommt  von  boni  fati  und  hat  nichts  mit  benelacio  an 


Kaofmann,  Geschichte  der  deatschen  üniTerut&ten.  3 

tban«  Auch  wäre  es  endlich  an  der  Zeit,  das  falsche  Virgil,  dessen 
Unrichtigkeit  schon  Laorentius  Valla  dargethan  hat,  mit  dem  richtigen 
Vergil  zn  vertauschen.  Das  Register,  welches  sonst  sehr  dankenswert 
ist,  scheint  mir  etwas  zu  äufserlich  gemacht  zu  sein:  so  mofste  z.  B. 
bei  St.  Gallen  S.  318—828  und  bei  Reichenau  S.  30*7—813  stehen. 

Zusammen&ssende  Arbeiten  ttber  Oeschichte  der  Hochschulen  er- 
schienen von  Georg  Kaufinann  und  Heinrich  Suter. 

Die  Geschichte  der  Deutschen  Universitäten  von  Georg 
Kaufmann.  Erster  Band:  Vorgeschichte.  Stuttgart.  Gotta.  1888« 
80.    XIV  und  442  S. 

Der  durch  gediegene  litterarische  Arbeiten  bekannte  Verfasser  hat 
sein  Werk  der  Universität  Bologna  gewidmet,  »welche  zuerst  der  aka- 
demischen Freiheit  rechtliche  Formen  gäbe  Die  Anregung  zu  dem  auf 
drei  Bände  berechneten  Werke  geht  von  Herrn  Dr.  v.  Gossler,  dem 
kgl.  preufsischen  Minister  der  Unterrichts-  und  Medizinalangelegenheiten, 
aus,  der  auch  dem  damals  noch  im  Schulamte  thätigen  Verfasser  einen 
gröfseren  Urlaub  zur  Vorbereitung  und  Abfassung  des  Werkes  vermittelte, 
ihm  aber  volle  Freiheit  bei  der  Arbeit  selbst  gewährte:  »Ich  bin  nur 
veranlasst  und  untersttltzt,  aber  ich  bin  nicht  beschränkt  worden,  c 

In  der  Einleitung  werden  drei  Perioden  unterschieden,  von  denen 
die  erste  das  Mittelalter,  die  zweite  das  16.  und  17.,  die  dritte,  inaugu- 
riert durch  die  GrtUidung  von  Halle  1694  und  Göttingen  1787,  die 
beiden  letzten  Jahrhunderte  umfafst.  Die  erste  Periode  ist  die  aus- 
schliefslich  katholische,  die  zweite  ist  beherrscht  von  dem  Gegensatz 
der  katholischen  und  protestantischen  Universitäten,  bis  dann  durch  das 
Vorangehen  von  Königsberg,  Jena  und  Berlin  die  allgemeine  Steigerung 
des  geistigen  Lebens  auch  den  bisher  widerstrebenden  katholischen  Teil  mit 
fortrifs.  Versuche,  den  fast  entschwundenen  Gegensatz  der  protestanti- 
schen und  katholischen  Universitäten  zu  erneuern,  wäre  ein  Rückfall  in 
überlebte  Entwicklungsstufen.  »Ohne  Widerspruch  erkennen  heute  die 
übrigen  Völker  den  eigentümlichen  Vorzug  der  deutschen  Universitäten 
an  und  bemühen  sich  auch  vielfach,  ihre  Einrichtungen  nach  diesem 
Muster  zu  verbessern.!  Gleich  hier  nimmt  Kaufmann  Stellung  zu  dem 
bekannten  Werk  des  Paters  Denifle,  dessen  Wert  in  der  Sammlung  des 
Materials  und  vieler  Einzeluntersuchungen  anerkannt  wird,  das  aber 
nach  Kaufmanns  Meinung  »in  wesentlichen  Punkten  sogar  die  bereits 
gebahnten  Wege  wieder  verbaute,  sodafs  der  Verfasser  von  Denifie 
wieder  zu  Savigny  zurückkehrt. 

Als  Anfang  soll  dem  Werke  eine  kritische  Obersicht  über  die 
seit  Kant  und  Schleiermacher  sich  stets  erneuernden  Reformvorschläge 
beigegeben  worden. 

Das  erste  Kapitel  »die  ScholasUkc   zerfällt  in  die  Abteilungen: 


4  Schoigetehichte. 

Wesen  der  Scholesiik,  Überblick  über  die  Oeschiehte  der  Scholastik, 
die  wissensohaftllohen  Leistnngen  der  Scholastik. 

Die  Vorstallung,  dafs  die  Wissenschaft  eine  selbständige  Macht 
sei,  weder  vom  Staate  noch  von  der  Kirche  abhängq;,  hat  sieh  erst  auf 
dem  Hühepunkte  mittelalterlichen  Lebens  entwickelt,  anfangs  sich  nur 
schttohtem  hervorwagend  and  sich  der  Lehre  von  der  doppelten  Wahr- 

• 

heit  als  schützende  Hftlle  bedienend.    Die  sittelalteriiche  Wissenschaft 
war  die  Scholastik  und  ihr  Organ  die  Universitäten. 

Die  Scholastik  war  kein  durch  die  Theologie  verdorbenes  Philo- 
sophieren, sondern  eine  wissenschaftliche  Richtung,  welche  das  geistige 
Leben  der  Zeit  von  1060  — 1600  beherrschte  und  sich  auf  alle  Wissen- 
schaften erstreckte.  Die  wissenschaftliche  Bewegung  war  viel  mehr  als 
heute  von  den  Schulen  und  Universitäten  getragen,  die  Lttterator  war 
flberwiegend  Bchuilitteratur,  Lesebftcher,  Kompendien,  anfangs  als  8en- 
tentiae,  dann  als  Snmmae  und  Summulae  beseichnet.  Die  Lehrbücher 
Uttea  meist  durch  Überladung  mit  dem  Material,  wogegen  noch  die 
Humanisten  kämpften. 

Was  den  Stoff  hetriit,  so  beschäftigten  sieh  die  Scholastiker  mehr 
mit  dan  Meinungen  ihrer  Vorgänger  über  einen  Gegenstand  als  mit  dem 
Gegenstand  selbst  Ein  ferneres  Merkmal  ist  das  Übergewicht  der  logi- 
schen Interessen,  die  ausscbliefslich  dialektische  Behandlung  der  Fragen. 

Im  Grunde  aber  war  diese  wissenschaftliche  Subtilität  dem  Wesen 
des  Mittelalters  zuwider,  das  sonst  ein  Bedürfnis  nach  Anschauung  hat 
und  dem  Augenblicke  hingegeben  ist  Trotsdem  sahlten  alle  Wissen- 
schaften der  scholastischen  Methode  ihren  Tribut,  so  anch  z.  B.  die 
Grammatik.  Anstatt  Beispiele  etwa  aus  Cicero  und  Livius  zu  sammeln, 
um  den  Sprachgebrauch  zu  verstehen,  erörterte  man  das  Wesen  und 
den  Begriff  der  Bedeteile.  »Sie  beseitigten  den  Widerspruch,  daiÜB  ein 
Wort  in  der  Vulgata  anders  construiert  wird,  ein  anderes  Geschlecht 
habe  als  in  den  Segeln  der  Alten,  mit  dem  Schlufs,  dafs  die  heilige 
Schrift  die  Wahrheit  verkündet,  ihr  ergo  auch  in  diesem  Fall  höhere 
Autorität  zukomme,  oder  sie  zerlegten  die  Begriffe,  an  denen  der  Wider- 
spruch der  beiden  Autoritäten  haftete,  so  lange,  bis  der  Widerspruch 
von  den  logischen  Staubwolken  verhüllt  war.c  Die  Auslegung  aber  steht, 
alles  historischen  Sinnes  haar,  ganz  unter  dem  Einfiufs  der  Allegorie, 
die  in  dem  Texte  alles  und  jedes  finden  kann. 

Auph  das  Mittelalter  hatte  seine  Renaissance,  welche  das  Studium 
der  Klassiker  pflegte.  Einer  ihrer  letzten  Vertreter  war  Johannes 
von  Salisbury,  der  die  neu  aufkommende  rein  scholastische  Biditung 
mit  Hohn  und  Spott  überschüttete«  »Die  Poeten  und  Geschichtschreiber 
liest  man  nicht  mehr,  diesem  Geschlecht  gelten  sie  mcht,  und  in  kürse- 
ster  Frist  treten  die  als  Lehrer  auf,  die  als  illitterati  zur  Schule  kamen,  c 
Trotzdem  siegte  die  rem  scholastische  Richtung  unter  Peter  Abälards 


i 


Eaafmann,  Oesebicbte  der  dmitsoben  ünivenit&ten.  S 

(t  1142)  FakruBg  ttber  die  hunanistisdie  Scholastik.  Das  Thema  einer 
Schrift  des  Anselm  von  Oanterbury  spricht  das  Thema  der  Scholastik 
aus:  Fides  quaerens  intellectnm,  der  Glaube,  der  sein  Geheimnis  zu 
begreifen  sucht.  Seit  1100  ist  nun  Paris  der  eigentliche  Mittelpunkt 
der  Scholastik.  »Man  kann  die  Scholastik  geradezu  charakterisieren  als 
die  Periode,  in  der  Paris  als  das  wiäsenschaftliche  Hauptt  des  Abend* 
landes  galt,  und  in  welcher  dieser  Einflufs  von  Paris  sich  dadutch 
geltend  machte,  dafs  die  logischen  Studien  überwogen  und  die  Metlioden 
aller  F&cher  von  der  dialektischen  Richtung  ergriffen  wurden.«   (S.  50.) 

Ein  weiterer  Abschnitt  S.  62 — 9*7  behandelt  »die  wissenschafdichen 
Leistungen  der  Scholastik«.  Das  Studium  war  in  den  misten  FäReH 
kein  Brotstudium,  trotz  des  Satzes:  Dat  Galenus  opes  et  Justinianus 
honores.  Darin  liegt  die  Ge&hr  wie  die  Kraft  desselben.  Mafsgebend 
war  das  encyklopädische  Interesse  des  Mittelalters:  man  ging  von  der 
Logik  zu  den  Wissenschaften  der  oberen  FakaltAten  wmter,  wodurch 
eine  gewisse  Oberflächlichkeit  sich  einstellte«  Die  Wissenschaft  wurde 
zur  blofsen  Kompilation,  wie  man  aa  den  21  Folianten  ersehen  kann, 
welche  Albertus  Magnus  zusammengeschrieben  bat.  So  entstehen  auch 
viele  Encyklopädien  wie  der  Eluoidarius  des  Honorius  von  Augustodunttm^ 
das  Speculum  des  Vincenz  von  Beauvais. 

Aufserdem  aber  standen  viele  Scholastiker  in  Stellungen  mit  prak'- 
tischer  Thätigkeit  als  R&te,  Erzieher,  Gesandte,  Berater  in  Yertrauei^* 
Posten  aller  Art,  so  dass  »in  dem  Arbeitszimmer  des  Soholastikei^  nicht 
weltfremde  Ruhe«  herrschte. 

Wenig  gClnstig  war  die  Scholastik  ffir  die  Geschichtschreibung* 
Besondere  Pflege  fand  die  Kunst,  Briefe  und  Urkunden  abzufassen«  Von 
epochemachender  Bedeutung  waren  die  Leistungen  dieser  Jahrhunderte 
auf  dem  Gebiete  der  Musik,  die  im  11.  Jahrhundert  durch  Guido  von 
Arezzo  zu  einer  besonderen  Wissenschaft  wurde.  Das  römische  Recht 
fand  durch  die  Glossatoren  eine  grtlndliche  Pflege,  bis  dann  schliefslich 
diese  Arbeiten  in  der  Glossa  ordinaria  des  Accursius  iht^n  Absehlufs 
fand.  Am  rOmischen  Recht  wurde  die  Schulung  gewonnen  für  daä  ka* 
Donische.  Den  ersten  einflufsreichen  Versuch  in  diesem  machte  Gratiaa 
mit  seinem  Decretum  um  1150.  Die  Behandlung  ist  nicht  historisch, 
sondern  rationalistisch.  Dadurch  wurde  die  Grundlage  für  die  Durch- 
ftlhrung  der  gregorianischen  Ideen  gewonnen.  In  der  Politik  haben  die 
Scholastiker  durch  politische  Streitschriften  und  Erörterung  zahlreicher 
Probleme,  zum  Teil  solcher,  die  jetzt  noch  verhandelt  werden,  grofse 
Förderung  gebracht.  Selbst  in  der  Naturwissenschaft  haben  sie  tttchtige 
Leistungen  aufzuweisen,  wie  die  von  Roger  Baco  und  Albert  dem  Grofsen. 
Die  Astrologie  wurde  schon  im  14  Jahrhundert  von  einem  Pariser 
Scholastiker  als  Irrtum  und  Trug  bezeichnet. 

In  der  Medidn  war  man  abhängig  von  Galen  und  den  Arabern. 
Zu  wesentlichen  Fortschritten  fehlte  es  an  der  richtigen  Methode  der 


6  8cho1g(»8cfaicbte. 

Untersuchung  und  vor  allem  an  einer  Chirurgie,  die  man  den  Badern 
fiberliefs.  In  Theologie  und  Philosophie  beruht  der  Hauptwert  der 
Scholastik.  »Die  Scholastik  hat  zum  erstenmal  das  grofse  Problem  des 
Verhältnisses  von  Wissen  und  Glauben  behandelt  und  so  behandelt, 
dafs  es  nicht  wieder  verschwinden  kann  aus  dem  Besitz  der  mensch- 
lichen Bildung,  ff  Einen  dauernden  Gewinn  brachten  sodann  die  logi- 
schen Arbeiten.  Dem  harten  verwerfenden  Urteil  Prantls  ttber  die 
Scholastik  kann  schliefslich  Kaufmann  nicht  beitreten. 

Das  zweite  Kapitel  behandelt  »Die  Entwickelung  der  Uni- 
versitäten aus  den  Schulen  des  12.  Jahrhanderts«.  Zu  der 
Zeit,  da  sich  in  Italien,  England,  Frankreich  nn^  Spanien  aus  ver- 
schiedenen Schulen  die  Universitäten  entwickelten,  bedeutete  universitas 
so  viel  als  Gemeinde,  sodafs  die  universitas  magistrorum  et  scholarium 
oder  studentium  die  Schulgemeinde  im  Gegensatz  zu  universitas  civium, 
der  bftrgerlichen  Gemeinde,  bedeutet.  Der  Namen  der  Genossenschaft 
wurde  zum  Namen  der  Schule. 

An  den  Universitäten  durfte  man  erst  lehren,  wenn  man  gewisse 
Bedingungen  erfftllt  hatte.  Die  Verleihung  der  Lehrberechtigung  erfolgte 
stufenweise  in  einer  bestimmten  Reihenfolge,  weshalb  man  von  akade- 
mischen Graden  spricht,  mit  denen  akademische  Titel  verbunden 
waren.  Die  Korporation  bemüht  sich  um  Privilegien  zum  Schutz  aller 
ihrer  Mitglieder,  die  meist  Freunde  waren,  und  sodann  um  die  Hebung 
und  Förderung  der  Anstalt 

Der  ältere  Name  für  universitas  war  Studium  generale  oder  scholae 
generales.  Die  Bezeichnung  generale  dürfte  dadurch  entstanden  sein, 
dafs  die  Lehrer  an  solchen  Anstalten  nicht  mehr  allein  standen,  sondern 
an  die  Bestimmungen  der  Genossenschaft  gebunden  waren.  Die  Bezeich- 
nung gymnasium  oder  gymnasium  litterarum  oder  scolarum,  auch  archi- 
gymnasium  wird  erst  später  häufiger. 

Die  Ausbildung  der  eigentümlichen  Formen  der  Grade,  der  Rechte 
etc.  ist  gleichbedeutend  mit  dem  Entstehen  der  Universitäten  und  un- 
gefähr 1200  zu  setzen.  »Man  kann  (bei  den  ältesten  Universitäten)  eine 
Periode  der  Ausbildung,  aber  kein  Gründungsjahr  nennen;  denn  sie  sind 
nicht  gegründet  worden.«    (S.  106.) 

Bis  zur  Entstehung  der  Universitäten  wurde  die  Frage,  ob  dem 
Staate  oder  der  Kirche  das  Recht  auf  die  Schulen  zustehe,  überhaupt 
nicht  aufgeworfen.  Bezüglich  der  mittelalterlichen  Lehrfreiheit  kommt 
Kaufmann  zu  einem  etwas  anderen  Ergebnis,  als  Specht  in  seiner  Ge- 
schichte des  mittelalterlichen  Unterrichtswesens.  Die  Universitäten  sind 
aber  ans  keiner  Gattung  der  früheren  mittelalterlichen  Schulen  hervor- 
gegangen, sondern  »ans  dem  teilweise  allerdings  in  Anlehnung  an  Kir- 
chen- und  Klosterschulen  entwickelten  Treiben  eines  Standes  von  Ge- 
lehrten, die  ans  dem  Lehren  und  Lernen  einen  Lebensberuf  machten.« 
(S.  120.)    Der  Typus  eines  solchen  Gelehrten  ist  der  glänzende  Abälard, 


^^^^^^^m^^^^^^mmm^ 


KaafJDsaim,  Geschiebte  der  deutschen  UniversitAten.  7 

der  Schalen  gründete  und  wieder  auflöste,  ganz  wie  es  ihm  gut  dtlnkte, 
auch  schon,  ehe  er  Geistlicher  geworden. 

Ein  weiterer  Abschnitt  behandelt  »Die  Schulzucht  und  die  akade- 
mische Freiheitc  (S.  139 — 156).  In  den  Klosterschulen  herrschte  die 
gröfste  Strenge  und  genaue  Beaufsichtigung.  »In  der  Schule  sein,  das 
hiefs  unter  der  Rute  sein.c  Dagegen  führten  die  nicht  klösterlichen 
Scholaren  ein  ziemlich  ungebundenes  Leben.  »Die  akademische  Freiheit 
artete  vielfach  in  akademische  Frechheit  aus.c  Die  Freiheit  des  Stu- 
dentenlebens bltthte  schon  im  12.  Jahrhundert,  lange  vor  der  eigentlichen 
Existenz  der  Universitäten,  wie  man  aus  den  Yagantenliedern  ersieht 
Verfasser  solcher  sind  der  deutsche  Archipoet  unter  Barbarossa,  der 
Engländer  Walter  Mapes  und  der  Franzose  Walter  von  Ghatillon.  Dem 
jugendfrischen  Treiben  der  Scholaren  hängt  aber  auch  ein  gut  Stttck 
Gemeinheit  an. 

Das  dritte  Kapitel  »Die  Stadtuniversitäten  Italiensc  bespricht  zu- 
erst die  Entstehung  der  Universität,  die  meist  spontan,  aus  eigener  Kraft 
durch  den  Zusammenschlafs  verschiedener  Lehrer  mit  ihren  Schulen  er- 
folgte. Zahlreiche  Bedürfnisse  drängten  dazu,  Ordnung  und  Regel  in 
der  bisherigen  Vielheit  zu  schaffen.  Nur  in  Deutschland,  wo  es  im 
13.  Jahrhundert  nicht  zu  Universitäten  kam,  erfolgten  die  späteren 
Gründungen  durch  einen  besonderen  Akt  und  nach  dem  Muster  schon 
vorhandener  Hochschulen.    Ähnlich  in  Spanien. 

Bologna,  das  im  12.  Jahrhundert  alle  Rechtsschulen  überstrahlte, 
war  nicht  die  älteste:  im  11.  Jahrhundert  hatten  Pavia  und  Ravenna 
gröfsere  Bedeutung.  Das  erste  Privileg  für  Bologna  ist  die  von  Kaiser 
Friedrich  I  erlassene  Authentica,  nach  dem  Anfangsworte  Habita  ge- 
nannt, vom  November  1158.  Dieses  Gesetz  nahm  alle  in  Schutz,  welche 
causa  Studiorum  peregrinantur,  solche  dürfe  man  nicht  für  die  Schulden 
oder  Vergehen  eines  Landsmannes  haftbar  machen.  Die  Habita  war 
zwar  ftlr  alle  Schulen  gegeben,  aber  ihr  Einflufs  zeigt  sich  am  stärksten 
in  Italien.  Im  Kampfe  mit  anderen  Städten  sah  sich  Bologna  genötigt, 
Gehälter  ftkr  die  Professoren  einzuführen,  um  dieselben  festzuhalten. 
Aber  trotzdem  war  die  Professur  ein  Gewerbe  und  kein  Amt,  die  Uni- 
versitäten waren  die  Märkte,  auf  denen  die  Gelehrten  ihre  Arbeit 
ausboten. 

Die  EntWickelung  der  Korporation  war  ein  Bildungsprocefs, 
vergleichbar  der  Bildung  der  Hansen  oder  Kaufmannsgilden  an  fremden 
Orten.  Lehrer  und  Schüler  vereinigten  sich  zu  einer  Korporation,  nicht 
weil  sie  Schüler  und  Lehrer  waren,  sondern  als  Fremde.  Die  orts- 
bflrtigen  Scholaren  gehörten  zur  universitas  civium.  In  der  ersten  Hälfte 
des  13.  Jahrhunderts  zerschmolzen  die  verschiedenen  Teil  verbände  der 
Bologneser  Scholaren  zu  den  zwei  grofsen  universitates  oder  Nationen 
der  Citramontanen  und  Ultramontanen. 

Bezüglich  der  Promotion  ist  ein  päpstliches  Dekretale  von  1219 


g  Schnlgesehidit«. 

duB  erste  Zeugnis  fbr  eine  fönnliefae  Prftfang  zur  Erteilung  der  Licenz 
oder  venia  legendi.  Aber  noch  ehe  das  13.  Jahrhundert  zu  Ende  ge- 
gangen, war  in  Bologna  der  Dpktortitel  weniger  eine  LehrberechUgung, 
ai^  eine  Art  Adel.  Viele  aber  lehrten,  ohne  die  Doktorwürde  zu  be- 
sitzen; doch  herrschte  in  Italien  im  allgemeinen  die  Meinung,  daTs  der 
Professor  promoviert  haben  solle. 

Im  übrigen  aber  trieben  sie  das  Lehren  ¥rie  ein  OeschAit;  sie 
priesen  ihre  Vorlesungen  an,  besuchten  die  Scholaren  in  deren  Woh- 
nungen, um  sie  zum  Belegen  zu  veranlassen  und  dergleichen  n|ehr.  In 
Folge  der  anderen  Stellung  der  Pariser  Lehrer  kam  das  dort  nicht  vor. 

Nach  der  Studienordnung  bestand  der  wissenschaftliche  Unter- 
richt in  ordentlichen  und  auTserordentlichen  Vorlesungen  (lectiones 
ordinariae  und  extraordinariae),  Bepetitionen  und  Disputationen.  Dies 
blieb  so  bis  in  das  17.  Jahrhundert. 

Die  Statuten  von  Padua,  Perugia  und  Florenz,  deren  Statuten 
Bologna  nachgebildet  sind,  liefern  manche  Ergänzungen,  aber  auch  chsr 
rakterisüsche  Abweichungen. 

I9  einem  kurzen  Anhang  über  die  bisherigen  Listen  der  italieni- 
schen Universitäten  hebt  Kaufmann  hervor,  dafs  auch  die  von  Denifle 
aufgestellte  liste  Fehler  hat. 

Das  vierte  Kapitel  behandelt  iDie  Kanzleruniversitftten  in 
Frankreich  und  Englandf.  In  Frankreich  finden  sich  in  den  Städten 
Reims,  Orange,  MontpeUier  und  Avignon  Anfänge  einer  Organisation 
auf  Grund  der  Habita.  Dagegen  erfolgte  in  Paris,  Angers,  Toulouse  und 
Orleans,  den  wichtigsten  Mittelpunkten  für  die  Ausbildung  des  akademi- 
schen licbens  in  Frankreich,  die  Entwickelung  im  Anschlnfs  oder  der 
Anlehnung  an  kirchliche  Institute  oder  unter  dem  Einflufs  kirchlicher 
Gewalten.  Meist  waren  dies  die  Bischöfe  und  ihre  Kapitel.  Eines  der 
angesehensten  Mitglieder  des  Kapitels  war  der  Kanzler,  der  in  der 
Regel  auch  den  Magister  der-  Domschule  zu  bestellen  hattp.  Daraus 
entwickelte  sich  auch  seine  Stellung  zur  Universität,  und  so  benutzt 
Kaufmann  den  Ausdruck  Kanzleruniversität,  wenn  auch  in  manchen 
Kapiteitn  der  betreffende  Kanonikus,  der  dieses  Amt  verwaltete,  nicht 
Eenzler  hiefs. 

Am  einfachsten  und  reinsten  entwickelte  sich  dies  VerhältQis  zu 
Orleans,  wo  schon  im  12.  Jahrhundert  ein  reges  wissenschaftliches 
Leben  bestand,  aus  dem  sodann  die  Universität  entstand,  deren  Leiter 
der  Scholaster  war. 

In  Paris  waren  im  12.  Jahrhundert  die  Schulen  der  Kathedrale 
auf  der  Seine-Insel  (inter  duos  pontes)  und  der  Abtei  S.  Genovefa  (in 
monte),  deren  Rivalität  durch  die  wissenschaftlichen  und  socialen  Be- 
dürfiiisse  der  Scholaren  überwogen  wurde.  Sie  werden  mit  dem  Aus- 
druck Scholae  Parisienses  zusammengefafst«  Die  Scholaren  werden  dem 
geistlichen  Gericht  unterstellt,  und  damit  wurde  die  Residenspflicht  des 


Ranfjasann,  Geschichte  der  deatschen  ünivenit&ten.  9 

Kanzlers  im  Kapitel  wegen  der  vielen  Geschäfte  nötig.  Lehrer  und 
Schüler  wurden  im  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  in  eine  Korporation, 
die  communitas  scholarium,  vereinigt  Die  Bestimmnngen  von  1207  und 
die  sogenannte  Konhordia  von  1213  wurden  unter  Leitung  des  päpst- 
lichen Legaten  Bobert  de  Gour^on  in  ein  Aktenstück  zusammengefafst 
Mehrfach  nahm  sich  sodann  der  päpstliche  Stuhl  der  Doktoren  und 
Scholaren  gegen  den  Bischof  an. 

Ein  Streit  zwischen  Krone  und  Universität  im  Jahre  1229  fbhrte 
zu  einer  Zerstreuung  der  Hochschule,  und  erst  eine  Bulle  des  Papstes 
Gregor  IX.  von  1281  schlichtete  den  Streit  mehr  zu  Gunsten  der  Uni- 
versität, so  dafs  diese  wieder  nach  Paris  zurückkehrte.  Durch  den  nun- 
mehr 20  Jahre  dauernden  Kampf  hatte  sich  das  Studium  von  Paris 
neben  dem  Bischof  und  Kanzler,  sowie  neben  den  königlichen  Behörden 
und  der  Stadt  eine  eigenartige  Selbständigkeit  errungen.  Auch  die  Be- 
deutung des  Kanzlers  im  Kapitel  war  gewachsen. 

Die  Universität  gliederte  sich  in  Fakultäten  und  Nationen,  welche 
Abteilungen  sich  durcheinander  schoben.  Die  Fakultäten  waren  die  der 
Theologie,  des  Rechts,  der  Medicin  und  der  Artes  oder  Philosophie. 
Die  drei  ersten  hiessen  die  oberen  Fakultäten.  Aber  gerade  in  der 
Artistenfakultät  spielte  sich  das  wissenschaftliche  Leben  ab:  hier  foch- 
ten die  Scholastiker  und  Humanisten  um  den  Vorrang;  hier  fanden  die 
Kämpfe  um  Aristoteles  und  die  zwischen^  Realismus  und  Nominalia* 
mus  statt 

Die  Artisten  gliederten  sich  in  vier  Nationen:  Gallier  (Franzosen), 
Engländer  (später  Deutsche  genannt),  Pikarden  und  Normannen,  Jiber 
deren  Alter  vielfach  gestritten  wird.  Später  gehörten  auch  die  Scho- 
laren der  oberen  Fakultäten  und  die  Magistri  der  Artisten  zu  den  Na- 
tionen. Unter  diesen  fanden  oft  Streitigkeiten  statt,  die  einen  erheb- 
lichen Teil  der  in  der  Universität  vereinigten  Kräfte  verbrauchten. 

In  den  beiden  ersten  Jahrzehnten  ihres  Bestehens  hatte  die  Uni* 
versität  weder  einen  Rektor  noch  einen  geschäftsführenden  Vorstand. 
Di^  ältesten  Erwähnungen  des  Rektors  fallen  1287  und  1244.  Dessen 
Amt  heifst  Officium  reotoriae  universitatis,  er  war  zugleich  Vorstand  der 
Artistenfakultät.  Die  anderen  Fakultäten  hatten  ihre  eigenen  Dekane. 
Di^  Magistri  der  oberen  Fakultäten  hatten  kein  Wahlrecht  bei  der 
Wahl  des  Rektors.  Je  länger  die  Universität  bestand,  desto  bedeutender 
wurde  die  Stellung  des  Rektors,  der  dann  auch  mit  dem  Kanzler  in 
Streit  geriet,  und  in  diesem  Kampfe  wurde  sich  die  Universität  .ihrer 
Stellung  und  Organisation  immer  deutlicher  bewfust. 

Mitten  in  dieser  Entwickelung  wurde  die  Universität  in  einen 
Kampf  mit  den  beiden  Bettelorden  der  Dominikaner  und  Franziskaner 
verwickelt,  welcbe  im  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  entstanden  waren. 
Die  gröfste  Bedeutung  errangen  die  Dominikaner  in  Paris,  die  Franzis- 
kaner in  Oxford.    Der  Kampf  begann  um  die  theologische  Fakultät,  an 


10  Scbolgeschichte. 

der  die  Dominikaner  zwei  Professuren  erlangt  hatten.  Aber  scbliefslich 
unterlag  die  Universität  1259,  da  der  Papst  sich  der  Dominikaner  an- 
nahm. Doch  trafen  die  Befärchtungen ,  welche  die  Universität  gehabt 
hatte,  nachträglich  nicht  ein.  Auch  waren  die  Dominikanerscholaren 
meist  Männer  von  80  Jahren  und  dar&ber,  die  dem  Studium  mit  Eifer 
oblagen. 

Der  Vorteil,  welchen  die  Dominikaner  durch  ihr  sorgenfreies  Leben 
im  Kloster  genossen,  war  so  einleuchtend,  dafs  man  sich  auch  von  Seiten 
des  Weltklerus  diesen  Vorteil  durch  Grtlndung  von  Kollegien  zu  ver- 
schaffen suchte.  Den  Anfang  machte  Robert  von  Sorben,  ein  bei  dem 
König  in  Gunst  stehender  Kanonikus  von  Gambrai.  Dieses  Kollegium 
hatte  eine  feste  Hausordnung,  liefs  aber  sonst  genügende  Freiheit.  Bald 
wurde  dasselbe,  die  Sorbonne  genannt,  der  eigentliche  Kern  der  theo- 
logischen Fakultät  und  erlangte  einen  Weltruf.  Man  war  stolz  auf  den 
Zusatz  Gollegü  Sorbonii  bei  dem  Titel  Magister  (Doctor)  facultatis  theo- 
logiae  Parisius. 

Der  Sorbonne  an  Ruhm  am  nächsten  kam  das  Collegium  von 
Navarra  oder  von  Champagne,  durch  die  Königin  Johanna,  die 
Gemahlin  Philipps  des  Schönen  1305  gegründet  und  1315  mit  genaueren 
Statuten  versehen.  Die  Mitglieder  zerfielen  in  drei  Abteilungen: 
Grammatiker  (20),  Artisten  (30)  und  Theologen  (20).  Die  Leitung  des 
Kollegiums  hatte  eine  Kommission,  bestehend  aus  dem  Bischof  von 
Meaux,  dem  Abt  von  St.  Denis,  dem  Kanzler  und  dem  Dekan  der 
theologischen  Fakultät  und  einem  Magister  der  Theologie,  welche  die 
Schc^aren  beaufsichtigte. 

Die  anderen  Kollegien  stehen  hinter  den  genannten  an  Bedeutung 
zurück,  so  das  CoUegium  Harcurianum,  gestiftet  131]  vom  Bischof  von 
Goutances  für  40  Scholaren,  wovon  28  Artisten  und  12  Theologen  sein 
sollten;  für  diese  Stellen  hatten  die  Normannen  ein  Vorzugsrecht  für 
eine  bestimmte  Anzahl  von  Stellen. 

Von  1200—1500  entstanden  50  solcher  Kollegien  in  Paris;  von 
85  derselben  ist  die  Zahl  der  Mitglieder  bekannt,  die  zusammen  680 
beträgt.  Am  stärksten  war  das  Interesse  für  Gründung  solcher  Studien- 
häuser in  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts. 

Wer  in  diesen  Kollegienhäusem  keine  Aufnahme  fand,  für  den 
gab  es  sogenannte  Pädagogia,  Privatschulen  mit  Pension,  »unseren 
Alumnaten  vergleichbar,  in  denen  Scholaren  Unterhalt  und  Unterricht 
fanden.!  Diese  Schnlindustrie,  welche  in  Bologna  und  Oxford  älter  ist, 
blühte  im  14.  und  15.  Jahrhundert  in  höherem  Grade.  Aber  auch  über 
diese  Privatanstalten  übte  die  Universität  eine  Art  von  Aufsicht,  und 
1452  wurde  ausgesprochen,  dafs  niemand  eine  solche  Anstalt  gründen 
dürfe  ohne  Erlaubnis  des  Rektors  und  der  Prokuratoren. 

Die  Bedeutung  der  Kollegien  für  die  Universität  ist  nicht  gering 
anzuschlagen.    Sie  halfen  dem  sozialen  Elend  und  dem  wüsten  Treiben 


Kaufmann,  Geschichte  der  dentschen  Universitäten.  11 

der  Scholaren  einigermafsen  ab;  sie  ermöglichten  manchem  tüchtigen 
Mann  das  Studium,  dem  es  sonst  unmöglich  gewesen.  Aber  auch  rein 
wissenschaftlich  haben  sie  Segen  gestiftet.  »Der  Einflufs  der  Sorbonne 
und  die  Bedeutung,  welche  die  Zöglinge  des  Kollegiums  Navarra  Peter 
d'  Ailly  und  Johannes  Gerson  für  die  Theologie  gewonnen  haben ,  sind 
allein  schon  glänzende  Beweise  dafür,  wie  viel  Paris  den  Kollegien 
verdankt,  c 

Die  Fälle  konkurrierender  Behörden  an  der  Universität  erzeugte 
zahlreiche  und  beständige  Streitigkeiten.  Die  theologische  Fakultät  be- 
stand aus  Gruppen  von  Magistern,  Baccalaren  und  Scholaren,  die  als 
Mitglieder  eines  Kapitels  oder  eines  Ordens  oder  Besitzer  einer  Pfründe 
zahlreiche  sonstige  Verpflichtungen  hatten,  so  dafs  man  diese  Fakultät 
eine  Föderativrepublik  von  Korporationen  genannt  hat.  Kaufmann  er- 
klärt, dafs  man  das  Gleiche  von  den  Artisten  und  der  ganzen  Universität 
sagen  könne. 

Schliefslich  sucht  der  Verfasser  darzuthun,  dafs  die  Kollegien  und 
und  Pädagogien  keineswegs,  wie  behauptet  wurde,  die  alte  libertas 
scholastica  des  13.  Jahrhunderts  vernichtet  haben.  Die  Scholaren  der 
erwähnten  Anstalten  sind  keineswegs  Schüler,  sondern  immer  noch  Stu- 
denten. Zugegeben  wird,  dafs  der  frische  Geist  der  Forschung  von 
ehedem  im  15.  Jahrhundert  gewichen  war.  »Die  mittelalterliche  Form 
des  Studiums  hatte  sich  überlebt,  es  war  an  der  Zeit,  dafs  auch  die 
Träger  desselben,  die  mittelalterlichen  Universitäten,  den  Schulen  der 
Neuzeit  Platz  machten.c 

In  dem  folgenden  Abschnitt  wird  von  den  englischen  Univer- 
sitäten gehandelt.  Während  im  12.  Jahrhundert  Oxford  hinter  Paris 
noch  zurückstand,  entwickelte  es  im  13.  Jahrhundert  die  Korporation 
der  Magistri  noch  etwas  früher  als  Paris.  Urkunden  über  die  Verfassung 
von  Oxford  existieren  erst  seit  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts.  Auch 
die  Universität  Oxford  entwickelte  sich  in  Anlehnung  an  eine  kirchliche 
Behörde;  auch  die  Einrichtung  mit  dem  Magistercollegium ,  das  ohne 
Besoldung  war  etc.,  ist  ähnlich  wie  in  Paris.  In  dem  bloss  nationalen 
Oxford  zerfielen  die  Scholaren  in  Nord-  und  Südlente.       • 

Auch  Cambridge  entstand  wie  Oxford  durch  Ausbildung  hier 
von  schon  länger  blühenden  Schulen.  Aber  trotz  aller  Abhängigkeit  von  Ox- 
ford darf  es  nicht  als  einfache  Nachbildung  von  diesem  betrachtet  werden. 

Im  fünften  Kapitel  werden  »die  Staatsuniversitäten  und 
die  spanischen  Universitäten«  behandelt.  Neben  den  Stadtuniver- 
sitäten,  wie  Bologna,  Modena,  und  den  Kanzleruniversitäten,  wie  Paris 
und  Oxford,  gibt  es  auch  Staatsuniversitäten,  schon  im  Mittelalter,  wie 
Neapel  und  Palencia,  wiewohl  bei  letzterem  auch  die  Kirche  ihren  An- 
teil bei  der  Gründung  hat.  Die  Gründungsurkunde  für  Neapel  ist  von 
Kaiser  Friedrich  II.  1224  erlassen  Die  Hochschule  wurde  als  eine  An- 
stalt   für    den    Staat    und    als    eine    Anstalt   des    Staates    geordnet« 


12  Scholgescbichte. 

Friedrichs  Sohn  Koiurad  veriegte  die  Schale  nach  Saleroo.  In 
allen  wichtigen  Fragen  hatte  der  königliche  Justitiar  die  eigemt* 
liehe  Entscheidung. 

Die  spanischen  Universitäten  haben  den  Typus  der  Staatsuniver- 
sität  nicht  so  rein  ausgeprägt.  So  neigt  z.  B.  Lerida  stark  nach  der 
Form  der  italienischen  Stadtuniversitäten,  besonders  Bologna.  Zur  Unter* 
haltung  der  Hochschule  zieht  der  König  die  Stadt  und  das  Bistum  mit 
heran.  Aber  wie  auch  die  spanischen  Universitäten  sich  unter  dem  Ein- 
flufs  von  Frankreich  und  Italien  entwickelten,  so  bewahrten  sie  doch 
mehr  Selbständigkeit  als  die  Deutschen. 

Ein  sechstes  Kapitel  behandelt  »Die  Gleichartigkeit  in  der 
Entwicklung  der  Universitäten,  im  besonderen  die  akade- 
mischen Grade  und  die  Stiftungsbriefe.«  Trotz  grofser  Ver- 
schiedenheiten in  Frankreich  und  Italien  vollzog  sich  an  diesen  Univer- 
sitäten eine  gleichartige  Entwicklung.  Gemeinsam  war  die  Einteilung 
in  ordentliche  und  aufserordentliche  Vorlesungen,  ebenso  die  Vorschriften 
über  die  Vorlesung  selbst,  die  Einteilung  des  Studieigahres.  Bei  aller 
Übereinstimmung  zeigt  die  Einrichtung  der  Grade  doch  sehr  wesentliohe 
Verschiedenheiten.  Besonders  eingehend  wird  von  den  Ldoentiaten  ge- 
handelt 

Der  Anhang  enthält  mehrere  Spezialuntersuchungeli,  worin  sich 
Kau&uann  über  Einzelfragen  ausspricht,  auch  mit  seinem  Gegner  Denifle 
auseinandersetzt.  Erfreulich  ist  der  leidenschaftslose  Ton  in  der  Polemik 
dieser  Abschnitte  wie  auch  im  ganzen  Buche.  Hoffen  wir,  dafs  es  dem 
Verfasser  vergönnt  ist,  recht  bald  die  Fortsetzung  seines  lehrreichen 
und  an  neuen  Ergebnissen  so  reichen  Werkes  uns  zu  schenken. 

Auf  alle  mittelalterlichen  Hochschulen  erstreckt  sich: 

Dr.  Heinrich  Suter:  Die  Mathematik  auf  den  Universitäten  des 
Mittelalters.  (Festschrift  der  Kantonsschule  zu  Zttrich  zur  Züricher 
PhilologenversammluDg.    S.  39—96) 

Der  Inhalt  dieser  fleifsigen  Schrift  ist  in  drei  Abschnitte  gegliedert, 
von  denen  die  zwei  ersten  als  Einleitung  zu  betrachten  sind. 

Im  ersten  wird  auf  Grund  der  bekannten  Werke  von  Buläus,  Hu- 
ber, Savigny,  Paulsen,  Denifle  u.  a.  —  jetzt  kommt  dazu  noch  das  Werk 
Kaufinanns  —  die  Entstehung  der  Universitäten  dargestellt  Der  Ver^ 
fasser  ist  der  Meinung,  dafs  die  ältesten  Universitäten  aus  den  Kloster-, 
Dom-  und  Stiftsschulen  herausgewachsen  sind,  wobei  ihm  der  Umstand, 
dafs  der  Kanzler  der  Abtei  oder  des  Domstiftes  auch  der  Kanzler  der 
ältesten  Hochschulen  war,  einen  wichtigen  Beweisgrund  abgab. 

Die  Entstehung  der  deutschen  Hochschulen  unterscheidet  sieh  von 
den  ältesten  italienischen  und  französischen  dadurch,  dafs  man  bei  den 
deutschen  den  Tag,  an  welchem  sie  zu  Studia  generalia  erhoben  wurden, 
durch  das  Datum  der  päpstlichen  Errichtungsbulle  genau  angeben  kann. 


Km&BiKsmu   jiiMw-r: 


Sater,  Die  Mathematik  aaf  den  UniTenit&ten.  (3 

Sodann  wird  die  Organisation  der  mittelalterlichen  Hochschulen 
kurz  entwickelt:  den  Grundstock  der  Hochschule  bildete  die  Artisten- 
fakultät, so  genannt  von  den  sieben  liberales  Artes,  deren  Lehrer  wie 
Schüler  sie  umfafste.  An  mehreren  Hochschulen  teilte  sich  diese  Ver- 
einigung Yon  Lehrern  und  Schttlem  in  Nationen;  in  Paris  hiefsen  sie 
die  französische,  normannische,  picardische  und  englische  Nation,  welch 
letztere  später  die  deutsche  genannt  wurde.  An  die  Artistenfakultät 
schlössen  sich  die  drei  oberen  Fakultäten,  die  theologische,  juristische 
und  medizinische,  als  selbständige  Korporationen  an,  jede  mit  ihrem 
Dekan  an  der  Spitze. 

Den  Lern-  und  Lehrgang  an  den  mittelalterlichen  Universitäten 
schildert  der  Verfasser  mit  Paulsens  Worten.  Die  Einrichtung  der 
Kollegien  und  Bursen  wird  kurz  besprochen. 

Im  Abschnitt  II  wird  der  Lehrgang  der  Artistenfakultät  behandelt. 
Die  Lehrgegenstände  waren  die  bekannten  sieben  freien  Künste;  zur 
Physik  gehorten  auch  die  Disziplinen  des  Quadrivinms.  Die  üblichsten 
Vortesungen  auf  diesem  Gebiete  waren:  Algorismus,  computus,  sphaera 
materialis,  arithmetica,  theorica  planetarum,  proportiones,  geometria, 
laUtudines  formarum,  perspeotiva  communis,  musica. 

Zu  den  Vorlesungen  traten  die  Exereitien  und  Disputationen  hin- 
zu, welche  die  Aufgabe  hatten,  den  Wissensstoff  tüchtig  zu  befestigen. 
Unter  den  Disputationen  nahm  die  quodlibetida  die  wichtigste  Stelle  ein. 
Sie  wurde  nur  einmal  im  Jahre  abgehalten,  war  «in  wichtiger  Festakt 
für  die  ganze  Hochschule  und  nahm  immer  mehrere  Tage  in  Anspruch, 
manchmal  sogar  Wochen.  Der  Vortrag  in  den  Vorlesungen  sehlofs  sich 
an  das  vorgeschriebene  Lehrbuch  an  und  artete  gelegentlich  trotz  wieder- 
holter Verbote  in  das  Diktieren  der  Erklärungen,  die  nominatio  ad 
pennam,  aus. 

Erst  im  dritten  Abschnitt  wird  der  eigentliche  Gegenstand  des 
Themas  behandelt.  Die  hervorragenden  Mathematiker,  ihre  Lehrbücher 
und  sonstigen  litterarischen  Leistungen  werden  besprochen,  die  ein- 
zelnen Hochschulen  und  ihre  Leistungen  durchgegangen.  Der  Ver- 
fasser führt  seine  Darstellung  herunter  bis  auf  die  Zeit  des  Huma- 
nismus, der  freilich  aus  Mangel  an  Raum  nicht  mehr  recht  besprochen 
werden  kann. 

Am  Schlüsse  spricht  Suter  sein  Bedauern  aus,  dafs  er  S.  Günthers 
»Geschichte  des  mathematischen  Unterrichtes  im  deutschen  Mittelalter 
bis  zum  Jahre  1525c  (Bd.  III  der  Monumenta  Germaniae  paedagogica) 
nicht  mehr  für  seine  Arbeit  benutzen  konnte.  Günthers  Werk  erschien 
erst,  als  Suters  Arbeit  schon  dem  Drucke  übergeben  war.  »Keine  der 
beiden  Schriften  wird,  wie  es  im  Wesen  menschlicher  Werke  begründet 
liegt,  vollkommen  sein  —  daffi  sie  sich  in  manchen  Punkten  frucht- 
tragend für  die  maihefiiatisch-historische  Forschung  ergänzen  mOgen,  Ist 
mein  iimigster  Wunseh.c 


14  Schulgescbichte. 

Der  wertvollste  Teil  der  Arbeit  ist  Abschnitt  III.  Leider  aber 
bricht  der  Verfasser  gerade  da  ab,  wo  sein  Thema  anfängt  interessant 
zn  werden.  Er  hätte  besser  daran  gethan,  statt  der  zwei  ersten  Ab- 
schnitte, in  denen  er  doch  nur  referiert,  die  Geschichte  des  mathemati- 
schen Unterrfichtes,  wie  er  sich  unter  dem  Einflufs  des  Humanismus  ge- 
staltete, zu  geben.  Denn  erst  in  der  Humanistenzeit  und  durch  die 
Humanisten  bekamen  die  mathematischen  Studien  neues  Leben.  Bezeich- 
nend ist,  dafs  der  berühmte  Humanist  Eonrad  Celtis  der  Stifter  eines 
CoUeginm  poetarum  et  mathematicorum  ist  Unter  dem  Einflüsse  des 
Humanismus  wurden  überall  an  den  Hochschulen  Lehrstühle  für  die 
mathematischen  Wissenschaften  geschaffen,  so  z.  B.  in  Wittenberg  und 
Heidelberg.  An  letzterer  Hochschule  las  der  Humanist  Adam  Werner 
von  Theroar  in  der  Artistenfakultät  über  Mathematik,  wie  sein  noch  in 
der  Münchener  Handschriftensammlung  vorhandenes  Kollegienheft  zum 
Algorithmus  darthut. 

Im  übrigen  aber  läfst  sich  aus  unserer  Arbeit  reiche  Belehrung 
gewinnen  und  bietet  dieselbe  manche  Ergänzungen  zu  der  wertvollen 
Arbeit  Günthers. 

Zu  S.  89  sei  bemerkt,  dafs  der  Verfasser  bei  Töpke  (die  Matrikel 
der  Universität  Heidelberg,  II,  655  ff.),  wo  das  Vermögensverzeichnis 
der  Universität  vom  Jahre  1896  und  der  Accessionskatalog  der  Univer- 
sitätsbibliothek von  1396  bis  1432  abgedruckt  ist,  wertvolle  Angaben 
über  mathematische  Bücher  im  Besitze  der  Universität  finden  kann. 

Für  die  deutschen  Hochschulen  waren  die  italienischen  und  fran- 
zösischen die  Vorbilder.  Wir  wenden  uns  deshalb  zuerst  zn  den  Pu- 
blikationen, welche  die  Geschichte  Bolognas  behandeb,  und  die  an- 
läfslich  des  800jährigen  Jubelfestes  der  Universität  etwas  zahlreicher 
als  gewöhnlich  sind. 

Acta  Nationis  Germanicae  universitatis  Bononiensis  ex 
archetypis  tabularii  Malvezziani  iussu  instituti  Germanici  Savignyani 
ediderunt  Ernestus  Friedländer  et  Carolus  Malagola.  Cum  quinque 
tabulis.  Berolini  typis  et  impensis  Georgii  Reimeri.  MDCCCLXXXVII. 
fol.  XXXIX  und  508  p. 

Die  vortrefflich  ausgestattete  Publikation,  zu  der  sich  ein  deutscher 
und  italienischer  Gelehrter  vereinigt  haben,  verdankt  die  Möglichkeit 
ihrer  Drucklegung  nur  der  Freigebigkeit  des  deutschen  Kaisers  und  den 
Mitteln  der  Savigny- Stiftung. 

In  der  ersten  Vorrede  (p.  VII— XX)  gibt  Friedländer  Auskunft 
über  die  handschriftlichen  Vorlagen  des  Werkes,  von  denen  Malagola 
in  seiner  Schrift:  I  libri  della  Nazione  Tedesca  presse  lo  studio  Bo- 
lognese  (Modena  1884)  schon  ausführlich  berichtet  hatte.  Als  im  Jahre 
1796  durch  den  Franzosenstunn  die  altehrwürdige  Universität  Bologna 
zu  Grunde  ging,  da  scheinen  die  Akten  der  deutschen  Nation  verschleu- 


Friedl&nder-Malagola,  Acta  Dationis  Oerroanicae.  15 

dort  worden  zu  sein.  Im  Jahre  1825  fand  Josephe  Maria  Malvezzi  de^ 
Medici,  der  Sinn  für  die  Sammlang  bibliothekarischer  und  archivalischer 
Schätze  hatte,  die  für  unsere  Publikation  wichtigen  Aktenstücke  und 
erwarb  sie  für  sein  Hausarchiv. 

Von  den  in  Frage  kommenden  Aktenstücken  werden  viererlei  her- 
vorgehoben: 1.  Die  auf  die  Statuten  und  Privilegien  bezüglichen. 
2.  Die  Matrikeln.  3.  Die  Annalen.  4.  »Liber  armorum.c  —  Hierzu 
sei  bemerkt,  dafs  der  Carolus  Henricus  Hapferer  (p.  IX)  wahrscheinlich 
aus  Capferer  verlesen  ist,  so  nämlich  heifst  eine  heute  noch  zu  Freiburg 
i.  B.  existierende  Familie. 

Ein  weiterer  Abschnitt  der  Praefatio,  welchen  Malagola  geschrieben 
(p.  XXI ~ XXXIX),  behandelt:  »Memorabilia  nationis  Germanicae  in 
studio  Bononiensic  in  folgenden  Kapiteln:  I.  De  Bononiensium  Studio, 
Universitatibus,  Nationibus.  II.  De  constitutione  Nationis  Germanicae. 
III.  De  Nationis  privilegiis.  IV.  De  rebus  a  Natione  Bononiae  gestis. 
y.  De  sodalibus  Nationis  Germanicae. 

Da  nicht  sämtliche  Jahrgänge  der  Matrikel  erhalten  sind,  so 
kann  auch  die  Zahl  der  deutschen  Studenten  nicht  sicher  festgestellt 
werden.  In  den  322  Jahren  aber,  für  welche  die  Matrikel  erhalten  istf 
wurden  6694  inscribiert.  Darnach  dürfte  nach  einer  Durchschnitts- 
berechnnng  die  Gesamtzahl  der  Mitglieder  der  deutschen  Nation  etwa 
10  800  gewesen  sein.  Das  ist  in  der  That  eine  bedeutende  Ziffer;  der 
Einflufs  einer  so  grofsen  Anzahl  Studierender,  die  ihre  Bildung  in  Bo- 
logna holten,  mufs  darum  für  sehr  erheblich  angesehen  werden. 

Malagola  macht  auf  die  grofse  Zahl  von  deutschen  Fürsten  auf- 
merksam, welche  im  Laufe  der  Zeit  der  deutschen  Nation  angehört  haben. 
Voran  steht  das  Hans  Habsburg,  dann  folgt  Baden.  Ans  dem  bayeri- 
schen Haus  werden  fünf  genannt;  ferner  sind  vertreten  Braunschweig, 
Sachsen,  Württemberg  etc. 

Ein  weiterer  Abschnitt  (p.  1—15)  gibt  den  Abdruck  der  Statuten. 
Unter  den  von  der  Nation  zu  feiernden  Festtagen  erscheint  neben  den 
christlichen  Hauptfesten  und  wichtigsten  Marientagen  auch  das  Fest  der 
heiligen  Katharina:   Eatherine  festivitas,  nationis  nostre  dive  tntelaris. 

An  den  Abdruck  der  Privilegien  (S.  19 — 81),  deren  es  zehn  sind, 
und  die  von  1630  bis  1737  reichen,  schliefsen  sich  die  Annales  an, 
welche  den  hauptsächlichsten  Inhalt  des  Werkes  ausmachen.  Sie  be- 
ginnen mit  dem  Jahre  1289  und  reichen  bis  1662  exclusive  der  Matri- 
cula  doctorum. 

Ein  vierter  Abschnitt  »Instrumentac  (p.  345  —  426)  gibt  den  Ab- 
druck von  Urkunden,  welche  von  1266—1543  reichen.  In  dem  umfang- 
reichen Index  vermifst  man  zunächst  die  Vollständigkeit  der  Hinweise. 
So  sind  z.  B.  unter  Danzig  noch  die  Formen  verzeichnet:  Dantiscum, 
Danczke,  Dangez,  Gdanum,  Gdanczk,  Gdanzik.  Es  ist  klar,  dafs  sämt- 
liche neben  Danzig  hier  verzeichneten  Formen  noch  besonders  in  das 


16  Sehnlgeschiehto. 

Register  anfeiinehnien  waren.  Da  das  nicht  geschehen,  so  wird  mancher 
Benutzer  des  Werkes  oft  lange  snchen  müssen,  bis  er  das  Gesadite 
findet.  Von  anderer  Seite  wurde  bereits  auf  weitere  Mängel  des  Index 
aufmerksam  gemacht,  so  dafs  ich  von  einer  blofoen  Wiederholung  an 
dieser  Stelle  absehe. 

Aus  der  Menge  von  wichtigen  Oelehrtennamen,  über  weldie  hier 
Mitteilungen  gegeben  werden,  sollen  an  dieser  Stelle  nur  einige  hervor- 
gehoben werden,  um  die  Wichtigkeit  der  Publikation  zu  veranschaulichen ; 
wir  w&hlen  dabei  die  alphabetische  Folge: 

Zum  Jahre  1518  (S.  288)  Georgius  Achznicht  Moravns.  Derselbe, 
welcher  sich  Amelins  später  nannte  (eine  Ergänzug  zu  H.  Schreiber, 
Geschichte  der  Universität  Freiburg,  II,  353). 

1487.  Rudnlfus  Agricola  de  Grunigen  de  Frida;  übrigens  eine 
sehr  auffallende  Angabe,  die  kaum  richtig  sein  kann,  da  Agricola  den 
27.  Oktober  1486  zu  Heidelberg  gestorben  ist.  Ygl.  E.  Morneweg 
Job.  von  Dalberg  (Heidelberg  1887)  S.  101. 

1530.    Cornelius  Heüricus  Agrippa  (p.  298). 

1500.  Dominus  Johannes  Botzheim  de  Sasbach  vicarius  chathe- 
dralis  ecclesie  Argentinensis  (p.  257).  Damit  ist  der  bekannte  Erasmianer 
gemerat.  Ergänzung  zu  K.  Walchner  Job.  von  Botzheim  (Schaff hausen 
1836)  S.  6. 

1496.  Hermannus  Busio  (oder  Bussius)  de  Westvalia  (p.  247). 
Diese  Angabe  über  Hermann  van  dem  Busche  stimmt  nicht  recht  za 
Liessems  H.  van  dem  Busche  I  (Köln  1884)  S.  4. 

1509.  Hermanus  comes  de  Newenhere  (p.  271),  ist  der  als  Freund 
des  Oeltis  bekannte  Graf  Hermann  von  Nuenaar. 

1509.    Joannes  desar  Jnliacensis  (p.  271). 

1470.  Gonradus  Geltis  Franco  (p.  214).  Dieser  Aufenthalt  lifet 
sich  mit  der  bis  jetzt  ziemlich  allgemein  angenommenen  Chronologie  des 
Lebens  von  Celtis  nicht  vereinigen. 

1558.  Nicolaus  Gisnerus  (p.  386).  Wahrscheinlich  der  später  als 
Historiker  und  lateinischer  Dichter  bekannte  Heidelberger  Professor. 

1475.  Nobilis  et  generosns  dominus  Bohuslaus  de  Hassenstein 
baro  de  Bohemia  (p.  219  u.  222),  ist  jedenfalls  der  als  Humanist  be- 
kannte Freund  des  Geltis,  den  dieser  später  in  Prag  besuchte. 

1612.  Ulrichus  de  Hütten  Franco  (276  u.  281);  genaure  Fixiemng 
za  D.  Straufs  Ulrich  v.  Hütten  (Leipzig  1871),  2.  Aufl.,  8.  67  ff. 

1507.  Christophorus  Longolius  (p.  269).  Dazu  fCIgte  eine  spätere 
Hand:   Gioeronianae  phrasis  peritissimus. 

1448.  Johannes  Birckheymer  patritios  de  Nornbergk  (p.  194), 
ist  der  Vater  des  berühmten  Willibald  Pirckheimer. 

1517.    Grotus  Rubianus  (p.  282). 

1500.    Thomas  Truchses  Spirensis  etc.  canonicus  (p.  257,  268  etc.). 

Auf  einige  chronolegisGhe  Schwierigkeiten,  gerade  bei  berühditen 


-=T" 


Annoario  della  regia  tmlyersitä  di   Bologna.  17 

Namen,  wie  Agrioola,  Geltis,  van  dem  Busche,  machte  bereits  Th.  Kolde 
(Briegers  Zeitschrift  für  Eirchengeschichte,  X,  447)  aufmerksam. 

Sollte  der  Schlüssel  dafür  vielleicht  darin  zu  suchen  sein,  dafs 
wir  keine  eigentliche  Matrikel,  sondern  nur  ein  Verzeichnis  von  Gaben 
an  die  deutsche  Nation  vor  uns  haben?  Solche  Geschenke  konnten  auch 
in  Abwesenheit  des  Gebers  in  das  Verzeichnis  eingetragen  werden. 
Selbst  der  vorher  eingetretene  Tod  des  Schenkenden  ist  kein  Grnnc) 
dafür,  dafs  nicht  sein  Geschenk  noch  später  eingetragen  wird. 

Aufschlufs  darüber  erhalten  wir  voraussichtlich  durch  die  Arbeit 
G.  Knods,  der  einen  eingehenden  Index  mit  litterarischen  Nachweisen 
zu  dem  Werke  ausarbeiten  wird.  Dann  erst  wird  sich  auch  mit  voller 
Deutlichkeit  zeigen,  welch  reiches  und  wichtiges  Material  zur  Gelehrten- 
und  Kulturgeschichte  diese  umfangreiche  Publikation  enthält. 

Annuario   della  regia   universitä  di  Bologna.     Anno  scolastico 
1887—88.     Bologna  1887.     8^.     349  S. 

Aus  dem  Inhalt  des  umfangreichen  Bandes  seien  folgende  Nommem 
erwähnt:  1.  Parole  del  Rettore.  —  2.  Discorso  inaugurale.  —  8.  Ordine 
degli  Studi.  —  Sodann  folgen  Verzeichnisse  des  Lehrkörpers  nach  Fa- 
kultäten :  voran  steht  die  Facoltä  di  Lettere  e  Filosofia,  Facoltä  di  Scieaze 
Matematiche,  Fisiche  e  naturali,  Facoltä  di  Giurisprudenza.  Daran 
reihen  sich  die  Schulen:  Scuola  di  Farmacia,  Scuola  di  Medicina  Vete« 
rinaria,  Scuola  d'Applicazione  per  gli  Ingegneri,  Scuola  di  Magistero. 

Unter  den  Professoren  der  Facoltä  di  I^ettere  e  Filosofia  werden, 
was  für  den  »Jahresberichte  von  Wichtigkeit  ist,  aufgezählt  Professori 
di  Letteratura  Greca,  di  Filologia  Indo  Europea,  di  Letteratnra  Italiana, 
di  Letteratura  Latina,  di  Archeologia  e  Numismatica,  di  Storia  antica, 
di  Pedagogia,  di  Storia  comparata  delle  letterature  neo  latine  etc. 

Bei  einer  Vergleichung  mit  der  deutschen  Organisation  fUlt  am 
meisten  das  Fehlen  der  theologischen  Fakultät  auf. 

Aus  dem  Calendario  ed  Orari  delle  lezioni  ergibt  sich,  dafs  die 
Vorlesungen,  allerdings  mit  geringen  Unterbrechungen,  von  Oktober  bis 
Mai  reichen,  so  dafs  die  vier  heifsen  Monate  von  Juni  bis  September 
incl.  Ferien  sind.  Für  die  Vorlesungen  scheinen  die  frühen  Morgen- 
stunden  wenig  beliebt;  selten  nur  fällt  eine  solche  vor  neun  Uhr  morgens. 

Einen  besonderen,  auch  geschichtlichen  Wert  hat  das  Verzeichnis 
der  Rektoren  Bolognas,  welches  der  als  Schriftsteller  rühmlich  bekannte 
Archivar  Carlo  Malagola  beigefügt  hat  (S.  196—255):  I  rettori  nell* 
antico  studio  e  nella  moderna  universitä  di  Bologna  beginnen  mit  1244. 
Unter  der  grofsen  Zahl  deutscher  Namen  sind  jedoch  verhältnismäfaig 
wenige,  welche  litterarisch  oder  wissenschaftlich  sich  ausgezei^shnet  haben. 

Auf  S.  317  ist  die  Frequenz  der  Bologneser  Hochschule  seit  dem 
Jahre  1839  verzeichnet.  Abgesehen  von  geringen  Schwankungen  stellt 
dieselbe  eine  aufsteigende  Linie  dar.    Merkwürdig,  dafs  auch  in  Italien 

Jahresbericht  fUr  Altertumswissensohaft.  LXIX.  (1891.  III.)  2 


]  g  Scbnlgeschicbte. 

dieselbe  Erscheioung  wie  in  Deutschland  zutage  tritt,  eines  sehr  beträcht- 
lichen Anwachsens  derer,  welche  akademische  Studien  machen.  Bezeich- 
nend sind  folgende  Zahlen:  im  Jahre  1878  sind  es  566  Stodenteo, 
1879:581,  1880:668,  1881:733,  1882:826,  1883:952,  1884:1127, 
1885  :  1308,   1886  :  1298,  1887  :  1338,  1888  :  1391. 

Daran  schlierst  sich  eine  Zusammenstellung  der  Frequenz  sämt- 
licher italienischen  Hochschulen  in  den  letzten  fQnf  Jahren.  Daraus  er- 
gibt  sich,  dafs  das  Königreich  Italien  21  Hochschulen  hat,  von  welchen 
am  besuchtesten  sind  Napoli  mit  4083  Studenten,  Torino  mit  2102, 
Bologna  mit  1338,  Roma  mit  1254.  Wie  klein  sind  daneben 
Universitäten  wie  Ferrara  mit  42  Studenten,  Camerino  mit  75,  Urbino 
mit  89,  Macerata  mit  99  Studenten.  Dagegen  erscheinen  selbst  die 
kleinsten  deutschen  Hochschulen  noch  glänzend  besucht. 

Hermann  Fitting.     Die  Anfänge  der  Rechtsschule  zu  Bologna. 
Berlin  und  Leipzig  1888.  8^. 

Im  Vorwort  setzt  der  Verfasser  zunächst  auseinander,  dafs  seine 
Schrift  ihre  Entstehung  der  Aufforderung  eines  italienischen  Freundes 
verdanke,  der  ihm  geschrieben  hatte,  man  erwarte  von  ihm  fttr  das  800- 
jährige  Jubiläum  eine  Festschrift. 

In  einem  ersten  Abschnitt  legt  Fitting  die  bisherigen  Ansichten 
dar,  welche  man  von  dem  »Betrieb  des  Rechtes  vor  dem  Auftreten  der 
Bologneser  Schulet  hatte.  Dagegen  will  er  den  Beweis  erbringen,  dafs 
die  Pflege  des  römischen  Rechtes  nicht  erst  durch  Irnerius  von  neuem 
erweckt  wurde. 

Lange  vor  dem  Auftreten  des  Irnerius,  zu  allen  Zeiten  des  Mittel- 
alters, wurde  das  römische  Recht  gelehrt.  Die  Bologneser  Schule  selbst 
hat  in  der  Erteilung  des  Rechtsunterrichtes  durch  Irnerius  niemals  et- 
was Neues  gesehen. 

Die  frühere  unrichtige  Vorstellung  hing  mit  dem  Irrtum  zusammen, 
dafs  nach  langer  geistiger  Nacht  erst  mit  dem  12.  Jahrhundert  wieder 
Wissenschaft  und  Schule  in  Italien  erstanden  seien.  »Diese  Vorstellung 
mufs  aber  nach  dem  heutigen  Stande  der  Forschung  rückhaltlos  aufge- 
geben werden.  Nichts  ist  sicherer,  als  dafs  auch  in  den  schlimmsten 
Zeiten  des  früheren  Mittelalters  Kunst  und  Wissenschaft  nicht  voll- 
ständig erloschene. 

Unter  den  Gelehrten,  denen  wir  diese  neue  Ansicht  danken,  wer- 
den genannt  Giesebrecht,  der  Franzose  Ozanam,  der  an  Giesebrecht  an- 
knüpfte, der  Italiener  A.  Gloria,  der  Schweizer  Gabriel  Meier  und  die 
Deutschen  Specht  und  Hartwig. 

Ein  Rest  der  Bildung  des  Altertums  wurde  durch  die  Kirche  stets 
bewahrt  und  damit  die  Entwickelung  der  modernen  Wissenschaft  ver- 
mittelt. 

lo  den  christlichen  Schulen  wurden  die  sog.  sieben  freien  Künste 


Fitting,  Bechtsschule  in  Bologna.  19 

gelehrt  >  die  nach  der  flblicfaen  Einteilung  in  Trivium  und  Quadriyium 
zerfielen.  Wie  im  Altertum,  schlofs  sich  auch  im  früheren  Mittel- 
alter an  die  zum  Trivium  gehörige  Rhetorik  ein  gewisser  Rechts- 
unterricht an.  £ine  Anzahl  von  Stellen  beweisen  diesen  juristischen 
Unterricht,  für  das  sechste  und  siebente  Jahrhundert  unwidersprechlich 
(S.  16  ff.).  Die  Rechtskunde  wurde  eben  zu  den  Artes  liberales  ge- 
rechnet. 

Zu  der  Zahl  der  Beweisstellen ,  welche  Fitting  vermehrt,  tritt  als 
ergänzender  Grund  die  Thatsache  hinzu,  dafs  Irnerius  zuerst  Lehrer  der 
Artes  war,  ehe  er  sich  der  Lehre  des  römischen  Rechtes  zuwandte. 
Schon  im  Altertum  schlofs  übrigens  das  Trivium  mit  der  Behandlung 
des  genus  iudiciale  ab,  eine  Einrichtung,  die  auch  im  Mittelalter  sich 
nicht  geändert  hat. 

Die  zwei  praktischen  Ziele  der  Rhetorik  waren  eine  Anleitung  zur 
gerichtlichen  Beredsamkeit  und  das  Dictamen  prosaicum,  d.  h.  die  An- 
leitung, Briefe  und  andere  Schriftstücke,  namentlich  geschäftlichen  In- 
haltes, nach  Form  und  Inhalt  richtig  abzufassen.  Auch  darin  blieb  man 
der  antiken  Tradition  treu,  dafs  man  im  ersten  Teil  des  Mittelalters  das 
römische  Recht  dem  Unterricht  zu  Grunde  legte. 

Im  übrigen  kann  die  Schrift  Fittings,  so  wertvoll  dieselbe  wissen- 
schaftlich sein  mag,  im  Rahmen  unseres  Jahresberichtes  nicht  weiter 
besprochen  werden. 

Eine  litterarische  Huldigung  für  die  Bologneser  Hochschule  ent- 
hält auch  folgender  Band: 

Per  rVIII  Gentenario  della  Universitä  di  Bologna.   Studi 
giuridici  e  storici.    Roma.    L.  Pasqualucci,  Editore  1888.  317  S. 

Das  Register  verzeichnet  als  Inhalt  folgende  Arbeiten: 

1.    Sopra  un  Senatoconsulto  fatto  nell'  anno  176  delF  era  volgare. 

Memoria  die  Uario  Alibrandi,  giä  professore  nelP  Universitä  di  Roma. 
2     I  Giureconsulti  di  Pisa  al  tempo  della  Scuola  bolognese,  e  al- 

cune  ricerche  sull'  uso  che  si  fece  in  questa  scuola  del  celebre  manos- 

critto  pisano.    Memoria  di  Francesco  Buonamici,  professore  neu*  Uni- 

versitä  di  Pisa. 

3.  I  diritti  del  creditore  sopra  V  isola  nata  nel  fiume.  Memoria 
di  Pietro  Gogliolo,  professore  nell'  Universitä  di  Modena. 

4.  Sull*  esistenza  della  formola  proibitoria  nelF  Albo  pretorio. 
Memoria  di  Contardo  Ferrini,  professore  neir  Universitä  di  Messina. 

5.  II  concetto  giuridico  del  tesoro  nel  diritto  romano  e  odierno. 
Memoria  di  Muzio  Pampaloni,  professore  neU*  Universitä  di  Siena. 

6.  Possesso  delle  cose  e  possesso  del  diritti  nel  diritto  romano. 
Memoria  di  Giuseppe  Brini,  professore  nell'  Universitä  di  Parma. 

7.  Deir  origine  dei  legati.  Memoria  di  Carlo  Fad  da,  professore 
nell'  Universitä  di  Genova. 

2* 


20  SchalgeRcfaichte. 

8.  II  possesso  del  precarista»  Memoria  di  Vittorio  Scialoja, 
professore  neir  Uoiveraitä  di  Roma. 

9.  U  possesso  di  parti  di  cosa.  Note  esegetiche.  Memoria  di 
Silvio  Perozzi,  professore  all'  Universitä  di  Macerata. 

Der  Inhalt  dieser  Arbeiten  liegt  anfserhalb  unserer  Aufgabe.  Fflr 
ans  Deatscfae  erfreulich  ist  die  Benutzung  unserer  gelehrten  Litteratar 
durch  die  Italiener,  wie  das  aus  den  Anmerkungen  hervorgeht. 

Auch  Grofsbritannien  hat  dem  berühmten  Bologna  seine  gelehrte 
Huldigung  dargebracht: 

John  Eirkpatrick  Professor  in  the  university  of  Edinburgh.  The 
octocentenary  Festival  of  the  University  of  Bologna  June  1888.  Edin- 
burgh.   James  Thin,  publisher  to  the  university  1888. 

Der  Inhalt  dieser  mit  englischer  Oediegenheit  ausgestatteten  kleineD 
Sehrift  (solides  Papier,  schOne  Lettern,  hübscher  Einband)  besteht  aus: 
I.  Beschreibung  der  studentischen  Festlichkeiten,  von  dem  Delegierteo 
der  Edinbnrger  Studentenschaft  —  2.  Die  Festrede  zu  dem  800- 
jfthrigen  Jubiläum  von  Professor  Enrico  Panzacchi.  —  3.  Die  Jubi- 
läumsadresse  von  Professor  Giosu^  Carducci. 

Diese  Nummern  sind  schon  auf  dem  Titelblatt  verzeichnet  Da- 
neben fehlt  einiges,  was  den  Schlufs  des  kleinen  Buches  bildet,  wie  eine 
lateinische  Adresse  von  J.  B.  Gandini,  die  Übersetzung  eines  Briefes 
von  Kaiser  Friedrich  (Berlin  9.  Juni  1888)  und  ein  dreistropbiges  deat- 
sches  Gedicht  von  Prof.  F.  von  Holtzendorff. 

Neben  Bologna  ist  Paris  die  wichtigste  mittelalterliche  Hoch- 
schule. 

Obgleich  mit  Rücksicht  auf  den  Zweck  des  »Jahresberichtesc  nicht 
genauer  auf  einen  Aufsatz  Denifles  eingegangen  werden  kann,  so  soll 
doch  wenigstens  wegen  der  grofsen  Wichtigkeit  der  betreffenden  Arbeit 
deren  Titel  nebst  Hauptinhalt  hier  kurz  verzeichnet  werden: 

Die  Statuten  der  Juristen-Unversität  Bologna  vom  Jahre  1317 — 1347, 
und  deren  Verhältnis  zu  denen  Paduas,  Perugias,  Florenz  (Archiv  für 
Litteratur-  und  Kirchengeschichte  des  Mittelalters  III  196—397). 

Die  Arbeit  besteht  aus  folgenden  Abschnitten:  1.  Die  Statuten 
der  Universität  Bologna  vom  Jahre  1317—1347.  —  2.  Verhältnis  der 
Statuten  vom  Jahre  1317  zu  jenen  vom  Jahr.  1432,  resp.  zu  den  ge- 
druckten. —  3.  Die  Statuten  der  Universität  Bologna  vom  Jahre  1317 
in  ihrer  Beziehung  zu  jenen  der  Universität  Perugia  und  Florenz.  — 
4.  Die  Statuten  der  Universität  Padua  und  jene  Bolognas  vom  Jahre 
1317.  —  6.  Die  Puncta  taxata  oder  die  Ordnung  der  Vorlesungen  an 
der  Universität  Bologna  Ende  des  13.  und  im  14.  Jahrhundert.  —  Sta- 
tuta universitatis  scholarium  iuristarum  Bononiens.  —  Beilage:  De  ori- 
gine  et  progressu  iuris  scolastici  Paduani. 


Denifle,  Das  erste  Studienhaus  der  Benedictlner.  21 

Seit  Jahren  ist  P.  Heinrich  Denifle  mit  Vorarbeiten  zu  einer 
Geschichte  der  Universität  Paris  beschäftigt.  Wertvolle  Vorarbeiten 
dazu  enthält  das  von  Denifle  gemeinsam  mit  Franz  Ehrle  herausge- 
gebene »Archiv  f&r  Litteratnr-  und  Kirchengeschichte  des  Mittelaltersc 
(Berlin.  Weidmann  1886  £f.),  in  dem  auch  die  unmittelbar  vorangehende 
Arbeit  sich  befindet.  Doch  gehören  mehrere  dieser  Arbeiten  mehr  in 
die  Kirchengeschichte  als  in  den  Rahmen  des  »Jahresberichts  für  Alter- 
tumswissenschaftc ,  so  dafs  sie  hier  nicht  eingehend  besprochen  werden 
können. 

Kurz  erwähnt  seien  folgende: 

H.  Denifle.  Das  erste  Studienhaus  der  Benedictlner  an  der  Uni- 
versität Paris  (Archiv  für  Litteratnr-  und  Kirchengeschichte  des  Mittel- 
alters,  hrsgeg.  von  P.  Heinrich  Denifle  0.  P.  und  Franz  Ehrle  S-  J. 
I  570—583. 

Zur  Blüte  der  Universität  Paris  trugen  sehr  wesentlich  die  Kolle- 
gien bei,  welche  an  derselben  von  verschiedenen  Orden,  für  ihre  Ordens- 
mitglieder gegründet  wurden.  Die  Geschichte  der  Häuser  der  Domini- 
kaner, Franciskaner  und  Cisterzienser  liegt  nach  des  Verfassers  Angabe 
ziemlich  klar  vor,  mehr  Schwierigkeiten  macht  die  Geschichte  der  übri- 
gen Ordenshäuser,  so  auch  der  Benediktiner.  Dieser  Orden  befand  sich 
gerade  in  einem  Zustand  der  Erschlaffung,  als  die  Hochschule  Paris  sich 
konstituierte,  woraus  sich  erklärt,  dafs  der  alte  Orden,  der  früher  die 
Wissenschaft  allein  pflegte,  sich  von  den  jüngeren  überflügeln  liefs. 

Die  Gründung  des  Kollegs  St.  Bernard,  des  Cisterzienserhauses, 
fällt  1244—45.  Anfangs  mufsten  die  Religiösen  desselben  aus  Mangel 
an  Lektoren  ihren  Unterricht  auswärts  suchen.  Es  scheint,  dafs  Abt 
Johann  von  der  Benediktiner-Abtei  von  Fleury  das  Beispiel  der  Cister- 
zienser hatte  nachahmen  wollen.  Erst  1260  wurden  seine  Bestimmungen 
über  die  den  Studierenden  zu  gewährenden  Subsidien  durch  den  ganzen 
Konvent  bestätigt. 

Dem  Beispiel  der  Benediktiner  folgten  die  Gluniacenser,  welche 
1269  ein  Kolleg  in  Paris  gründeten,  das  bald  zur  Blüte  gelangte. 

Der  Abdruck  einiger  Urkunden,  voran  das  Decretum  abbatis  Jo- 
hannis  pro  scholaribus,  beschliefst  die  kleine  lesenswerte  Arbeit. 

Einen  weiteren  Beitrag  zur  Geschichte  der  Hochschule  Paris  ent- 
hält das  Verzeichnis  der  »Magistri  in  theologia  Parisiusc,  welches  De- 
nifle veröffentlicht  hat  (Archiv  für  Litteratnr-  und  Kirchengeschichte  des 
Mittelalters  II  208  ff.). 

Die  berühmteste  der  mit  der  Pariser  Hochschule  verbundenen 
Anstalten  ist  unstreitig  die  Sorbonne,  welcher  folgende  Arbeit  ge- 
widmet ist: 


32  ScfaDlgeschlchte. 

£lie  M^ric,  Doctear  eu  Thtelogie,  Profesaear  de  Theologie  morale 
k  la  SorboDoe.  La  Sorbonne  et  Eon  fondatenr.  Dracoars  prooonc^  le 
8  Octobre  1888  k  rinaagaratioo  du  moniiiDent  de  Robert  de  Sorbon 
dans  r^glise  de  Sorben  (Ardennes).    Paris.    Victor  LecoSra.     1888. 

lo  der  Kirche  des  Dorfes  Sorbon  (Depart.  der  Ardennen)  wurde  1888 
dem  berObmten  Stifter  der  Sorbonae  ein  bescheidenes  Denkmal  erricbtet 
Die  kleine  Schrift  entbalt  die  Beschreibung  des  Festes  und  die  Rede, 
tnit  welcher  M6ric  dabei  deu  bertthmten  Franzosen  gefeiert  bat. 

In  der  Einleitung  der  Rede  sind  einige  Angaben  Ober  das  Leben 
Roberts  von  Sorbon  (1201  —  I2T4)  zoBamnieDgestellt,  der  Berater  von 
K&oig  Ludwig,  ein  gefeierter  Lehrer  und  Stifter  der  berObmten  Stadien- 
aostalt  der  Sorbonne  war. 

In  ersten  Teil  der  Bede  behandelt  der  Verfasser  die  Einrichtung 
der  Sorbonne,  ihre  Stelle  und  Bedeutnng  fllr  die  Kirche  und  fOr  Franh- 
reich. 

Im  Oegensatz  zn  den  verweltlichten  and  verwahrlosten  Schulen, 
wdcbe  Paris  im  IS.  Jahrhundert  hatte,  sollte  die  anfangs  sehr  beschei- 
dene Stiftung  Roberts  die  zokOnftigen  Geistlichen  in  strenge  Zncht  und 
Ordnung  erziehen.  Vorbilder  gaben  die  SchQler  der  Bettelorden  ab. 
Aber  keine  Artisten  noch  Dekretalisteu,  sondern  nur  Theologen  fanden 
Aufnahme  in  die  Sorbonne.  Wenn  der  Verfasser  S.  22  behauptet,  das 
IS.  Jahrhundert  sei  auch  fär  Dentscbland  die  Zeit  der  UniversitätsgrOn- 
dnogen,  so  ist  dagegen  zu  bemerken,  dasa  die  ältesten  deutschen  Hoch- 
schulen erst  im  14.  Jahrbandert  entstanden  sind- 

Ein  weiterer  Abs(±nitt  schildert  die  grofsen  Lehrer  der  Sorbonne, 
nennt  anch  hervorragende  Männer,  die  Beziehungen  sur  Sorbonne  suchten, 
wie  Bichelieu,  der  daselbst  begraben  seiu  wollte.  Doch  vermifst  man 
hier  charakteristische  Einzelheiten.  Die  Schilderung  der  grofsen  Scbo- 
laatiher,  wie  Bonaventuras,  Alberts  des  Grofsen,  Roger  Bacous  etc.  be- 
wegt sich  in  den  allgemeinsten  Wendungen.  Der  gleicbe  Mangel  findet 
sieb  bei  der  nun  folgenden  Begchreibnng  einer  theologischen  Disputation, 
wie  sie  in  der  Sorbonne  gehalten  worden  sind.  Diese  Beschreibung 
würde  bei  jeder  mittelalterlichen  Hochschule  zutreffen  uud  cutbehrt  voll- 
ständig der  Lokalfarbe. 

Eine  kurze  Erwähnung  der  Verdienste  der  Sorbonne  um  den  BOcher- 
druck  (dieselbe  druckte  durch  Michael  von  Colmar  die  ersten  Bächer  in 
FraniirQJch),  um  die  Aufklärung,  um  die  Verbesserung  des  Unterrichtes,  für 
Verbreitung  der  Kenntnisse  auch  in  andere  Länder  aufserhalh  von  Frank- 
reich etc.  heschliefsen  den  durchaus  rhetorisch  gehaltenen  Vortrag,  der 
keine  Bereicherung  unseres  Wissens  von  der  Sorbonne  bietet,  wohl  auch 
ein  sulobes  nicht  anstrebte. 

VoD  Frankreich  wenden  wir  uns  nach  Deutschland.  Eine  der 
Altesten  Hochschulen  im  Gebiete  deutscher  Znnge  ist  Wien. 


k 


jti  i     .  i^H^^-i^  ji..     I   "7^-^9^^^^^^^nv^^«9^H^iKP^PiBBapes> 


J.  V.  Aschbach,  Die  Wiener  Universität.  23 

Joseph  Ritter  von  Aschbach.  Die  Wiener  Universität  und  ihre 
Gelehrten  1520—1565.  Herausgegeben  von  der  k.  k.  Universität  in 
Wien.  Wien.  Holder  1888  (Band  III  von  »Geschichte  der  Wiener 
Universität«.) 

Über  der  Geschichte  dieser  Hochschule  waltet  ein  eigener  Unstern. 
Aschbach  hatte  als  bejahrter  Mann  den  ehrenvollen  Auftrag  ttbemommen, 
die  Geschichte  der  Universität  zu  schreiben,  welcher  er  den  gröfsten 
Teil  seines  Lebens  gedient  hatte.  Als  81  jähriger  Greis  schlofs  der  un- 
ermüdliche Gelehrte  das  Manuskript  des  dritten  Bandes  ab,  der  aber 
nur  bis  1565  reicht.  Adalbert  Horawitz  wurde  nun  mit  der  Herausgabe 
dieses  übrigens  vollständig  fertigen  Bandes  beauftragt.  Schon  schwer 
leidend  förderte  er  auf  seinem  Krankenlager  den  Druck  nach  Kräften 
und  arbeitete  das  doppelte  Register  (Sach-  und  Namenregister)  aus. 
Aber  noch  ehe  das  Buch  vollendet  war,  wurde  auch  Horawitz  von  einem 
frühen  Tode  ereilt.    Wer  wird  nun  das  Werk  weiterführen? 

Der  Sto£f  zerfällt  in  folgende  Abschnitte:  1.  Verfall  der  Wiener 
Universität  nach  dem  Tode  Maximilians  I.  —  2.  Die  Reconstruction  der 
Wiener  Universität  als  Staatsanstalt  durch  die  Ferdinandeischen  Reform- 
gesetze. —  3.  Studiengang  und  Einrichtungen  in  den  Fakultäten  zur 
Zeit  der  Ferdinandeischen  Reformgesetze.  —  4.  Gelehrtengeschichte  von 
1520  -  1565.  (Alphabetisch  geordnete  Biographien  der  einzelnen  Ge^ 
lehrten.)  —  5.  Biographische  und  litterarische  Notizen  über  die  Wiener 
Bischöfe  Johann  Faber  und  Friedrich  Nausea  wie  auch  Ober  einige 
andere  gelehrten  Gelebritäten  am  Hofe  der  Kaiser  Ferdinand  I.  und 
Maximilian  II. 

Die  Bewegung,  welche  durch  Luther  von  Wittenberg  ausging,  er- 
streckte sich  auch  bis  in  die  Hochschule  Wien.  Freilich  kamen  hier  noch  an- 
dere Umstände  hinzu,  durch  welche  die  Universität  erschüttert  wurde 
und  verwaiste.  Doch  hielt  Ferdinand,  der  Bruder  Karls  V.,  die  luthe- 
rische Bewegung  mit  blutiger  Strenge  nieder.  Wiederholt  mufste  die 
theologische  Fakultät  sich  mit  lutherischen  Ketzerprozesssen  beschäftigen, 
so  wenig  angenehm  ihr  das  auch  war.  Besonders  eifrig  als  Ketzer- 
verfolger war  der  Wiener  Bischof,  Johann  Faber,  früherer  Hofprediger 
Ferdinands.  Besonders  heruntergekommen  war  die  Artistenfakultät,  die 
noch  vor  wenigen  Jahren  etwa  100  Lehrer  gezählt  hatte.  Die  Zahl  der 
Studenten  war  sehr  gesunken,  und  die  Zucht  derselben  bedenklich  ge- 
lockert. 

Anfang  der  30.  Jahre  des  16.  Jahrhunderts  stand  die  Universität 
durch  immer  wiederkehrende  Seuchen  und  die  beständige  Tttrkennot  in 
Gefahr,  sich  ganz  aufzulösen.  Dafs  es  nicht  soweit  kam,  dankt  die  Hoch- 
schule der  Universitäts-Reformation  durch  Ferdinand,  der  zugleich  ihren 
autonom-klerikalen  Charakter  aufhob  und  sie  zur  Staatsanstalt  machte, 
ohne  vom  Papste  oder  der  Hierarchie  beinflufst  zu  werden.  Diese  Um-, 
Wandelung  vollzog  sich  1588—1564. 


24  Scb  algeschichte. 

Anfangs  veränderte  man  im  Studienkurs  der  Artistenfakulät  wenig. 
Dem  Hnmanismus  trug  man  Rechnung  durch  eine  lectnra  in  litteris 
hnmanioribus  und  eine  Vorlesung  über  griechische  Sprache.  Nach  dem 
reformierten  Studienkurs  sollte  mit  Latein  und  Griechisch  der  Anfang 
gemacht  werden.  Auf  die  philologischen  Fächer  kamen  sodann  Dialektik, 
Logik  und  Rhetorik,  hierauf  Geschichte  und  Dichtkunst,  worunter  die 
Lektfire  der  römischen  Dichter  zu  yerstehen  ist.  Mathematik  und  Phi- 
losophie schlössen  den  Lehrgang  uach  oben  ab,  für  den  es  anfangs  an 
t&chtigeB  Lehrkräften  und  gut  vorbereiteten  Studenten  fehlte. 

Die  1687  getroffene  Einrichtung,  wonach  jeder  Burse  ein  beson- 
deres Fach  zugewiesen  wurde,  bewährte  sich  nicht,  und  1554  kehrte  man 
zur  alten  Einrichtung  zurück,  wonach  in  jeder  Burse  Sprachen,  Rheto- 
rik und  Dialektik  gelehrt  wurden.  Den  Leitern  dieser  Anstalten  wurde 
eine  strenge  Aufsicht  Ober  das  sittliche  und  religiöse  Verhalten  der 
Scholaren  empfohlen. 

Von  neuem  wurden  in  der  Artistenfakultät  wieder  lateinische 
Dichter  gekrönt  wie  einst  in  den  Tagen  des  Geltis.  Doch  gelang  es 
nicht,  den  DichterkrOnungen  ein  rechtes  Leben  einzuhauchen,  ebenso 
wenig  als  es  gelang,  die  Disputationes  quodlibeticae  von  neuem  zu  be- 
leben. Beides  wurde  von  juristischen  und  medizinischen  Fachleuten  f&r 
wertlos  erklärt. 

König  Ferdinand  that  alles,  um  Lutheraner  fern  zu  halten  und 
den  katholischen  Charakter  der  Hochschule  zu  wahren.  Ein  wichtiges 
Ereignis  war  es  für  die  Hochschule  wie  für  das  Land,  dafs  auf  seinen 
Wunsch  1551  die  Jesuiten  ihren  Einzug  hielten.  Wie  überall,  wo  dieser 
Orden  seinen  Einzug  hielt,  gab  es  auch  hier  bald  heftigen  Streit. 

Sehr  tolerant  gegen  die  Lutheraner  war  Ferdinands  Sohn  und 
Nachfolger  Maximilian  IL  (1564—15*74),  unter  dem  die  Mehrzahl  der 
UniTcrsitätsprofessoren  sich  zum  Luthertum  bekannten.  Dabei  herrschte, 
abgesehen  von  der  fast  verwaisten  theologischen  Fakultät,  ein  reges 
wissenschaftliches  Treiben  an  der  Wiener  Hochschule. 

Der  Abschnitt  »Gelehrtengeschichtec  bringt  die  Biographien  der 
Hochschullehrer  in  alphabetischer  Folge.  An  dieser  Stelle  sind  zu  nen- 
nen Johann  Alezander  Brassicanus,  1500—1539,  ein  Humanist  aus  der 
schwäbischen  Schule,  Claudius  Cantiuncula,  der  bekannte  humanistisch 
gebildete  Jurist  und  Freund  des  Erasmus,  Johann  Sambucus  aus  Tyrnau, 
dessen  philologische  Studien  sich  hauptsächlich  auf  die  Griechen  bezogen, 
Georg  Tanner  aus  Emmersdorf,  ein  Gräcist  und  tüchtiger  Jurist  etc. 

Diese  Biographien  zeigen,  welch  ausgedehnte  Gelehrsamkeit  Asch- 
bach besafs.  Dabei  konnte  es  aber  dem  berühmten  Historiker  doch 
passieren,  dafs  er  ganz  wichtige  Arbeiten  übersah.  So  fehlt  bei  Johann 
Faber  gerade  die  neueste  Monographie:  Adalbert  Horawitz  Johann 
Heigerlin  (genannt  Faber),  Bischof  von  Wien,  bis  zum  Regensburger 


11 


Hartfelder,  Berufung  Melanchthons  nach  Heidelberg.  25 

Convent.  Wien.  1884.  —  Das  Gleiche  ist  bei  Friedrich  Naasea  der 
Fall.  Aach  hier  ist  die  neueste  Arbeit  gänzlich  übersehen:  Joseph 
Metzner  Friedrich  Naasea  aas  Waischenfeld,  Bischof  von  Wien.  Bam- 
berg 1884  (Lyceal-Programm).  —  Aach  die  Litteraturangabe  aber  Bei- 
tbasar  Habmayer  S.  14  ist  unvollständig. 

S.  36.  Anm.  1  wird  die  Berufung  des  Erasmus  nach  Wien,  wie  mir 
scheint  mit  Unrecht,  angezweifelt.  Dagegen  wird  S.  310  und  311  das 
Ereignis  wieder  behauptet.    Ein  ganz  direkter  Widerspruch! 

Der  bekannte  Humanist  heifst  nicht  Michael  Hummelberger,  son- 
dern Hummelberg,  wie  Gustav  Knod  aus  der  Heidelberger  Matrikel 
nachgewiesen  hat. 

Trotzdem  erregt  dieses  Buch  das  Bedauern,  dafs  es  Aschbach  vom 
Geschicke  nicht  vergönnt  worden,  die  Geschichte  der  Wiener  Hochschule 
bis  in  unser  Jahrhundert  fortzusetzen. 

Zu  den  älteren  Hochschulen  auf  deutschen  Boden  gehört  auch 
Heidelberg: 

Karl  Hartfelder.  Die  Berufung  Melanchthons  nach  Heidelberg 
1546  (Zeitschrift  f.  d.  Geschichte  d.  Oberrh.  Bd.  42  (N.  F.  Bd.  HI, 
S.  112—119). 

Die  Universität  Heidelberg  teilte  das  Schicksal  der  meisten  deut- 
schen Universitäten  im  16.  Jahrhundert:  sie  kam  im  zweiten  Jahrzehnt 
so  herunter,  dafs  sie  der  Auflösung  nahe  war.  Die  pfälzischen  Kurfürsten 
Ludwig  y.  und  Friedrich  IL  gaben  sich  zwar  viele  Mühe,  ihr  General- 
studium wieder  in  die  Höhe  zu  bringen,  ohne  dafs  es  recht  gelingen 
wollte. 

In  dieser  Not  kam  man  in  Heidelberg  auf  den  Gedanken,  Melanch- 
thon  um  Rat  anzugehen.  Er  war  ein  geborener  Pfälzer  und  hatte  den 
Zusammenhang  mit  der  Heimat  wo  ihm  viele  Verwandten  lebten,  nicht 
aufgegeben.  Anfserdem  hatte  sich  Melanchthon  bereits  erprobt  als  Re- 
organisator  von  Wittenberg,  Tübingen,  Frankfurt  a.  0.,  Leipzig  und 
Rostock. 

Den  12.  März  1546  schrieb  der  Kurfürst  Friedrich  II.  in  dieser 
Angelegenheit  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen.  Von  dieser  Thatsache 
hatte  man  auch  schon  bisher  gewufst,  aber  erst  die  Korrespondenz  selbst, 
die  ich  in  dem  Weimarer  Archiv  gefunden  und  abgeschrieben  habe, 
bringt  volle  Klarheit  in  diese  Angelegenheit. 

Darnach  hat  Melanchthon  keinen  eigentlichen  Ruf  nach  Heidel- 
berg erhalten,  d.  h.  es  wurde  ihm  keine  Professur  in  Heidelberg  an- 
geboten. 

Man  will  vielmehr  seinen  Rat  eine  Zeit  lang  in  Heidelberg  be- 
nutzen, nur  darum  bittet  der  PAlzer  Kurfürst.  Der  Kurfürst  von  Sach- 
sen schlag  jedoch  die  Bitte  ab.    Da  kurz  vorher  Luther  gestorben  war. 


26  Schulgeschichte . 

so  fürchtete  man  eine  »Zerrttttungc  und  »Mifsordnungc  der  UniversiUt, 
wenn  der  andere  berühmte  Lehrer,  dem  Wittenberg  seinen  Weltruf  ver- 
dankte, jetzt  die  Universität  verliefs. 

Melanchthon  selbst  hatte  den  Wunsch,  wenigstens  nicht  gerade 
jetzt  nach  Heidelberg  zu  müssen.  Er  fürchtete  auch  die  üble  Nachrede 
schmähsüchtiger  Menschen,  welche  gesagt  haben  würden,  weoo  er  jetzt 
gerade  nach  Heidelberg  gegangen  wäre,  er  suche  für  seine  neue  Lehre 
einen  neuen  Platz. 

Dem  Aufsatz  habe  ich  die  drei  Aktenstücke  als  Beilagen  in  ihrer 
urkundlichen  Form  beigegeben. 

Dr.  Paul  Hintzelmann,  Universitätsbibliothekar.  Almanach  der 
Universität  Heidelberg.  Zweite  Ausgabe  für  das  Jahr  1888.  Mit 
einem  Bildnis,  einer  Tabelle  und  einem  Plan.  Heidelberg.  Karl 
Winter.     1888. 

Der  Almanach  enthält,  wie  der  des  Jahres  1886,  alle  wünschens- 
werten Nachweisungen  über  den  Lehrkörper,  die  Gesetze  der  Hochschule. 
Habilitations-  und;  Promotionsordnung,  Nachweise  der  studentischen  Ver- 
eine u.  dergl. 

Von  Heidelberg  wenden  wir  uns  Rheinaufwärts  nach  Basel,  mit 
dessen  Hochschule  im  IC.  Jahrhundert  das  damals  gleichfalls  reformierte 
Heidelberg  lebhafte  Verbindung  unterhielt. 

Dr.  Rudolf  Thomm eil,  Geschichte  der  Universität  Basel.  1532  bis 
1632.     Basel.     Detloff's  Buchhandlung.     1889.     VIII  u.  383  S. 

Der  Verfasser,  dessen  Werk  aus  einer  Preisarbeit  entstanden  ist, 
beginnt  erst  mit  1532,  obgleich  die  Hochschule  Basel  schon  im  15.  Jahr- 
hundert gegründet  wurde,  weil  für  die  ältere  Zeit  das  Werk  Vischers 
vorbanden  ist,  dessen  Anordnung  und  Einteilung  Thommen  auch  in 
seiner  Arbeit  festgehalten  hat. 

Das  erste  Kapitel  behandelt  die  »Wiedereröfinung  der  Universitätc 
Im  Jahre  1529  hatte  die  evangelische  Partei  in  Basel  gesiegt,  nachdem 
der  Rat  eine  Reihe  von  Jahren  zwischen  den  beiden  Parteien  geschwankt 
Unter  den  Altgläubigen,  welche  deshalb  in  grofser  Anzahl  die  Stadt 
verliefsen,  waren  aufser  dem  Domkapitel  und  Desiderius  Erasmus  auch 
viele  Professoren  und  Studenten  weggezogen.  Der  Rat  belegte  zunächst 
das  Vermögen  und  die  Insiguien  der  Universität  mit  Beschlag.  Trotz- 
dem wurden  manche  Vorlesungen  gebalten  und  besucht. 

Das  Verdienst,  diesen  Faden  der  Tradition  in  die  neuen  Verhält- 
nisse hinübergesponuen  zu  haben,  gebührt  in  erster  Linie  Johannes 
Oekolampad.  Er  hat  während  der  Zeit,  in  der  die  Universität  nur  so 
»hindämmerte«,  »die  theologische  Fakultät  fast  durch  drei  Jahre  ver- 
treten und  nichts  unterlassen,  wodurch  die  Akademie  neu  eingerichtet 
und  in  ihrem  früheren  Glanz  wieder  hergestellt  werden  möchtec,  wie 
die  Matrikel  der  Theologen  sagt 


Thoromen,  Geschichte  der  Universität  Basel.  27 

Trotz  der  schweren  Zeitläafe  (es  ist  die  Zeit  politisch -kircbiicher 
Kämpfe  in  der  Schweiz)  begann  sich  der  Rat  um  die  Universität  za  be- 
kümmern. Oekolampad  bekam  den  Auftrag,  ein  Gutachten  über  die 
Wiederaufrichtung  der  Schule  anzufertigen,  das  als  Beilage  I  in  lateini- 
scher und  deutscher  Fassung  S.  SOI— 311  mitgeteilt  wird.  Im  allgemeinen 
wurde  vorgeschlagen:  Unentgeltlicher  Unterricht,  Abschaffung  der  Taxen 
und  kostspieligen  Gebräuche  bei  Verleihung  der  akademischen  Grade, 
Herabsetzung  der  Gebühren  bei  der  Immatrikulation. 

Im  Jahre  1532  wurden  die  neuen  Statuten  der  Universität,  auf 
welche  Oekolampads  Gutachten  unverkennbaren  Einflufs  gewonnen  hatte, 
von  dem  neugewählten  Rektor  und  einigen  Professoren  beschworen.  Im 
Gegensatz  zur  früheren  Hochschule,  die  eine  päpstlich-kirchliche  Anstalt  ge- 
wesen, war  die  nenaufgerichtete  Hochschule  eine  Schöpfung  der  neuen  Staats- 
gewalt. Die  Folgen  dieses  veränderten  Wesens  war  eine  bedeutende  Ein- 
schränkung der  Rechte,  welche  früher  die  Hochschule  besessen  hatte.  Zu- 
nächst gingen  allerdings  die  Hoffnungen,  welche  man  an  die  Wiedereröffnung 
der  Hochschule  knüpfte,  nicht  in  Erfüllung.    Der  Besuch  blieb  mäfsig. 

Zum  Zwecke  der  weiteren  Hebung  der  Hochschule  wurden  1586 
neue  Gutachten  verlangt;  für  die  theologische  Fakultät  lieferte  es  An- 
dreas Karlstadt,  der  frühere  Gegner  Luthers,  der  inzwischen  in  sich  ge- 
gangen war.  Schon  1539  wurden  in  einer  Neuordnung  der  Statuten 
allerlei  Wünsche  der  Universität  berücksichtigt;  insbesondere  erhielt  sie 
gröfsere  Freiheiten. 

In  dem  zweiten  Kapitel  wird  »Die  Organisation  und  äufsere  Ge- 
schichte der  Universität«  dargelegt.  Da  früher  der  Bischof  Kanzler  der 
Hochschule  gewesen  war,  so  unterhandelte  man  jetzt  mit  demselben,  und 
derselbe  trat  schliefslich  sein  Kanzlerrecht  an  die  Dekane  der  vier  Fa- 
kultäten auf  zehn  Jahre  ab. 

Der  Amtskreis  des  Rektors  blieb  derselbe  wie  vor  der  Reformation. 
Die  Wahl  zum  Rektor  wurde  blos  von  der  persönlichen  Qualifikation 
abhängig  gemacht;  auf  die  Reihenfolge  der  Fakultäten  wurde  keine 
Rücksicht  mehr  genommen.  Die  Wahl  war  immer  noch  eine  grofse 
Feierlichkeit,  zu  der  auch  die  Studenten  durch  dramatische  Vorstellungen 
beitrugen. 

Neben  dem  Rektor  stand  die  Regenz,  ein  Ausschufs  der  Lehrer 
der  Hochschule,  dem  nur  ordentliche  Professoren  angehören  kounten. 
Sie  ist  die  oberste  Verwaltungsbehörde  und  der  oberste  Gerichtshof  und 
erhielt  1558  das  wichtige  Recht  der  Aufsicht  über  den  Büchermarkt. 

Die  Regenz  hatte  auch  über  die  Ferien  zu  bestimmen,  die  schon 
damals  thatsächlich  länger  dauerten  als  officiell  festgesetzt  war.  Doch 
wurden  wenigstens  in  der  Artistenfakultät  auch  während  der  Ferien  von 
Laureati,  also  Erst-Graduierten,  Vorlesungen  gehalten. 

Zu  allerlei  Händel  führte  gelegentlich  das  Aufsichtsrecht  der 
Regenz   über   die   niederen  Schulen      Basel   erlebte  dieselben  Kämpfe 


28  Schnlgeschichte. 

zwischen  der  Artistenfakultät  and  der  Lateinschule,  wie  Heidelberg. 
Das  Pftdagogium  wurde  sodann  als  erste  Klasse  den  schon  vorhandenen 
zwei  Klassen  der  Artistenfakultät  beigefttgt,  und  so  blieb  es  bis  1689. 

Den  Verkehr  zwischen  der  Regenz  der  Hochschule  und  dem  Rat 
der  Stadt  vermittelten  die  Deputaten. 

Im  Gegensatz  zur  froheren  Einrichtung  wurden  die  Professoren 
jetzt  vom  Staate  besoldet.  Eine  Reihe  von  Bestimmungen  verschärfte 
die  Pflichten  der  Professoren  gegenüber  von  den  Studenten:  selbst  vor 
einem  einzigen  ZuhOrer  mufsten  sie  lesen. 

Neben  der  Regenz  hatten  die  Dekane  der  Fakultäten  ziemliche 
Befugnisse.  Dieselben  werden  übrigens  von  denen  der  Dekane  an  an- 
deren Universitäten  schwerlich  sehr  verschieden  gewesen  sein. 

Die  Immatrikulation,  die  mit  Erlegung  einer  Gebühr  verknüpft 
war,  fand  das  ganze  Jahr  hindurch  statt.  Die  von  der  Schule  kommen- 
den Studenten  mufsten  sich  der  Depositio  rudimentorum  unterwerfen. 
Diese  wunderliche  Ceremonie  wurde  durch  den  Dekan  der  Artisten  ge- 
leitet. Die  meisten  Studenten  wohnten  in  der  Stadt,  nur  wenige  bei 
Professoren.  Bursen  waren  nicht  mehr  vorhanden.  Grobe  Excesse  der 
Studenten  sind  in  dieser  Zeit  selten.  Die  gewöhnlichen  Strafen  waren 
Geidbufsen. 

Zu  den  Studenten  gehörten  auch  die  sogenannten  Alumnen,  Sti- 
pendiaten oder  Bursanten,  welche  in  dem  fälschlicherweise  sogenannten 
Erasmianum,  einem  Konvikt,  von  Staatswegeu  ausgebildet  wurden.  Die 
Kosten  wurden  aus  dem  früheren,  vom  Staate  eingezogenen  Kirchengut 
bestritten.  Im  Jahre  1645  wurden  zwölf  Freistellen  fttr  solche  geschaffen, 
die  sich  später  dem  Kirchen-  und  Schuldienst  widmen  wollten.  Wenn 
aber  Thommen  meint,  dieses  Basler  Alumnat  sei  etwas  ganz  Einzig- 
artiges, so  ist  das  ein  Irrtum.  Schon  1643  hatte  man  ein  solches  in 
Wittenberg  geschaffen.  Fflr  das  Einzelne  verweise  ich  auf  mein  Buch 
über  iMelanchthon  als  Praeceptor  Germaniaec  S.  482.  —  In  der  Ver- 
pflichtung, einen  Teil  des  empfangenen  Stipendiums  zurückzahlen  zu 
müssen,  wird  mit  Recht  ein  ethisches  Moment  gesehen. 

Die  akademischen  Grade  mit  den  dazu  gehörigen  Prüfungen  wurden 
aus  früherer  Zeit  festgehalten,  nicht  ohne  dafs  man  gelegentlich  der 
Gefahr  des  Formalismus  verfallen  wäre. 

In  dem  dritten  bis  sechsten  Kapitel  ist  sodann  die  Geschichte  der 
vier  Fakultäten  behandelt.  In  der  theologischen  Fakultät  erscheint  als 
Lehrer  auch  einer  der  hervorragendsten  deutschen  Philologen,  Simon 
Grynäus,  geboren  1493  in  Yeringen.  Seine  Ausbildung  erhielt  er  in 
Pforzheim  als  Mitschüler  Melanchthons  und  in  Wien.  Nachdem  er  in 
Ofen  eine  Schulstelle  bekleidet  hatte,  in  Wittenberg  ein  Anhänger  der 
Reformation  geworden,  erhielt  er  1524  die  griechische  Professur  in 
Heidelberg  und  1529  dieselbe  zu  Basel.  Nach  einer  Reise  nach  England 
erhielt  er  nach  dem  Tode  Oekolampads  zur  griechischen  Professur  noch 


Thommeo,  Geschiebte  der  Universität  Basel.  29 

die  für  das  Neue  Testament.    Nach  wenig  erfolgreicher  Thätigkeit  in 
Württemberg  von  1534—36  kehrte  er  wieder  nach  Basel  zurück. 

Aus  dem  Abschnitt  über  die  juristische  Fakultät  (S.  143  —  206) 
erfahren  wir,  dafs  bei  der  Wiedereröffnung  der  Universität  1532  zunächst 
nur  ein  Professor  vorhanden  war,  der  berühmte  Bonifacius  Amerbach, 
ein  Schüler  des  Zasius,  ein  Mann  mit  trefflicher  humanistischer  Bildung. 

Von  besonderem  Werte  für  die  Zwecke  des  »Jahresberichtesc  ist 
sodann  der  Abschnitt  über  die  philosophische  Fakultät  (S.  258  bis 
298).  Zunächst  macht  der  Verfasser  darauf  aufmerksam,  dafs  dieselbe 
durch  die  Neugestaltung  ihre  frühere  Bedeutung  verlor  und  ausschliefs- 
lich  zur  Vorbereitungsschule  für  die  drei  anderen  Fakultäten  wurde. 
Der  Unterricht  entspncht  dem  heute  in  den  obersten  Klassen  eines 
Gymnasiums  erteilten.  Thommen  hätte  hinzufügen  dürfen,  dafs  die  mehr 
schulmäfsige  Behandlung  der  Übungen  in  anbetracht  des  jugendlichen 
Alters  der  in  diese  Fakultät  gehörigen  Studenten  gewxfs  der  Mehrzahl 
nützlicher  war  als  die  frühere  Einrichtung.  Sieht  man  von  den  rein 
scholastischen  Übungen  ab,  so  ist  der  Lernstoff  ein  umfangreicherer  als 
ehedem.  Insbesonders  wurde  auch  Griechisch  verlangt.  Die  gelesenen 
Schriftsteller  sind  ziemlich  verschieden  von  den  heute  üblichen. 

Als  Lehrbücher  werden  u.  a.  genannt  die  Dialektik  des  Johann 
Cäsarius,  die  lateinische  Grammatik  Melanchthons  und  die  griechische 
Ceporins. 

In  dieser  Fakultät  unterrichtete  Simon  Grynaeus  Lateinisch,  Alban 
zum  Tor  Griechisch,  Sebastian  Münster  Hebräisch.  Im  Jahre  1553 
wurde  der  Franzose  Castellio  als  Lehrer  des  Griechischen  für  Basel 
gewonnen.  Die  Lehrkanzel  für  Beredsamkeit  und  Rhetorik  erhielt  im 
Jahre  1546  der  Italiener  Colins  Secundus  Gurio,  der  sich  auch  durch 
philologische  Arbeiten  bekannt  gemacht  hat.  Sein  Kommentar  zu  Giceros 
Topica  fand  sogar  Melanchthons  Beifall. 

Zwölf  Beilagen,  wertvolle  Urkunden  zur  Geschichte  der  Basler 
Hochschule  (301 — I7l),  Nachträge  und  Berichtigungen  (S.  372)  und  ein 
gutes  Register  (S.  373—383)  schliefsen  das  wertvolle  Buch  ab. 

Es  möge  verstattet  sein,  hier  einige  Versehen  kurz  zu  berichtigen: 

S.  10  ist  die  Bezeichnung  »Herzog  von  Sachsen«  mifsverständlich : 
es  ist  vielmehr  der  Kurfürst  von  Sachsen  gemeint,  der  freilich  nebenbei 
auch  den  Herzogstitel  führte.  Spricht  man  um  diese  Zeit  vom  Herzog 
von  Sachsen,  so  versteht  der  Geschichtskundige  den  Herzog  Georg  von 
Sachsen  mit  der  Residenz  in  Leipzig,  der  aber  ein  heftiger  Gegner  der 
Reformation  und  des  Schmalkaldener  Bundes  war. 

S.  10  wird  von  einem  »vollständigen  Verschwinden«  der  Wieder« 
täufer  geredet,  was  unrichtig  ist,  da  diese  Sekte  trotz  aller  Verfolgungen 
sich  zu  behaupten  wufste. 

S.  115.    Der  Geburtstag  des  Simon  Sulzer  ist  nicht  der  22.,  son- 


30  Schalgeschichte. 

derD  der  23.  September  1508.  Vgl.  daza  6.  Linder,  Simon  Salzer  etc. 
(Heidelberg  1890)  S.  11. 

An  verschiedenen  Stellen,  z.  B.  auch  S.  113,  wird  erwähnt,  dafs 
einzelne  Lehrer  der  Hochschule  die  Erwerbung  akademischer  Grade  ab- 
lehnen. Es  dQrfte  darin  eine  Nachwirkung  der  humanistischen  Oppo- 
sition gegen  alle  akademischen  Grade  zu  suchen  sein.  Vgl.  dar&ber: 
D.  F.  Straufs,  Ulrich  von  Hütten  (Leipzig  1871).    2.  Aufl.    S.  39. 

Bezüglich  der  Zahlen  der  Immatrikulierten  auf  S.  17  dürfte  eine 
Vergleichung  mit  den  Immatrikulationen  in  den  30  unmittelbar  voran- 
gehenden Jahren  charakteristischer  und  wertvoller  gewesen  sein  als  mit 
den  Zahlen  des  19.  Jahrhunderts. 

Vgl.  auch  meine  Besprechung  des  Thommenschen  Baches  in  Sybels 
Histor.  Zeitschrift.    N.  F.    Bd.  29,  S.  648. 

Aus  Sttddeutschland  wenden  wir  uns  jetzt  nach  dem  Norden,  nach 
den  Hochschulen  Wittenberg  und  Frankfurt,  welche  beide  Schöpfungen 
des  deutschen  Humanismus  sind. 

D.  Julius  Köstlin:  Die  Baccalaurei  und  Magistri  der  Witten- 
berger philosophischen  Fakultät  1603 — 1517.  Aus  der  Fakoltäts- 
matrikel  veröflFentlicht.  Osterprogramm  der  Universität  Halle-Witten- 
berg 1887.    Halle,  Niemeyer,  1887.     8^.    4  u.  29  S. 

Die  Universität  Wittenberg,  von  der  die  gewaltige  geistige  Be- 
wegung der  deutschen  Reformation  ausgegangen  ist,  gehört  zu  den 
jüngeren  deutschen  Universitäten,  welche  erst  der  Humanismas  ins  Leben 
gerufen  hat.  Eine  Stiftung  des  Kurfürsten  Friedrich  des  Weisen,  der 
für  die  Humanisten  allzeit  ein  gütiger  Gönner  war,  ist  sie  ein  echtes 
Kind  der  neuen  Zeit.  Der  deutsche  Humanismus  schuf  sich  in  dieser 
ultima  Thule  des  damaligen  Deutschland  einen  Sitz,  wo  er  sich  in  schön- 
ster Harmonie  mit  der  Theologie  des  Mittelalters  befand.  Die  humani- 
stischen Gelehrten,  welche  an  der  Elbehochschule  wirkten,  sind  zwar 
keine  Namen  ersten  Ranges,  aber  in  ihrer  Weise  doch  achtbare  Ver- 
treter der  neuen  Geistesrichtung.  Ehe  Luther  mit  seinen  Thesen  hervor- 
trat, steuerte  Wittenberg  ganz  unter  humanistischem  Winde. 

Die  Geschichte  der  Hochschule  ist  noch  nicht  hinlänglich  aufge- 
hellt. So  dankenswert  die  Publikation  der  Matrikel  bis  1660  (Tod 
Melanchthons)  und  des  Dekanatsbuches  der  theologischen  Fakultät  durch 
Foerstemann  ist,  so  mufs  doch  jede  neue,  besonders  urkundliche  Publi- 
kation über  die  Geschichte  der  Universität  Wittenberg  freudig  begrflfst 
werden.  Eine  solche  ist  dieses  Heftchen,  das  der  bekannte  Lutber- 
forscher  Köstlin  uns  darbietet 

Der  Codex,  aus  dem  die  Veröffentlichung  genommen  ist,  warde 
schon  von  Muther  und  manchen  anderen  Gelehrten  benutzt.  Wenn  über 
denselben  auch  schon  anderwärts  Bericht  erstattet  ist,  so  wäre  es  doch 
vielleicht  angezeigt  gewesen,  dafs  in  der  Einleitung  von  Köstlin  noch- 


Haapt,  Der  Stand  des  geistigen  Lebens  an  der  Universität  Wittenberg.     31 

mala  alle  Angaben  zusammeDgestellt  wurden.  Unter  anderem  enthält 
derselbe  also  auch  die  Magisterpromotionen  Wittenbergs  von  1503 — 1554 

Über  den  Wert  solcher  Listen  von  Baccalaurei  und  Magistri  fttr 
die  Gelehrtengeschichte  herrscht  zur  Zeit  kein  Streit  mehr.  Aus  der 
Menge  der  mitgeteilten  Namen  mögen  nur  einige,  die  speciell  für  die 
Geschichte  des  Humanismus  und  der  Reformation  von  Belang  sind,  an 
dieser  Stelle  genannt  sein: 

S.  2.  Johannes  Sommerfeit  (1503).  —  S.  5.  Frater  Wencesslaws 
Linck  ordinis  S.  Augustini  (1504).  —  S.  5.  Andreas  Bodenstayn  de 
Karstat,  was  offenbar  ein  Schreibfehler  der  Handschrift  ist  für  Karlstatt, 
denn  aus  diesem  am  Main  gelegenen  Städtchen  stammte  der  bekannte 
Gegner  Luthers.  —  Sollte  auf  S.  6  Erfodia  nicht  ein  Druckfehler  fOr 
£rfordia  (=  Erfurt)  sein?  —  S.  8.  Ricardus  Sbrulius,  mit  dem  späteren 
Zusatz:  Poeta  italus  (1607),  der  später  humanistischer  Lehrer  an  der 
Universität  wurde.  —  Neben  ihm  (S.  8)  steht  Martinus  Polich  de  Lypsk, 
was  offenbar  der  bekannte  Humanist  Martin  Polich  von  Melrichstadt  ist, 
der  bei  Friedrich  von  Sachsen  hoch  in  Gunst  stand.  —  S.  8  ist  auch 
Joannes  Schurff  de  Scto.  Gallo  bemerkenswert.  —  Im  März  1510  wurde 
Judocus  Trutfetter,  wohl  der  Lehrer  Luthers,  promoviert  (S.  10).  — 
S.  13:  Martinus  Pollich  de  Melierstatt.  —  Unter  den  Magistri  des 
Jahres  1503  steht  (S.  21)  Georgius  Spaltinus,  gewiss  Spalatinus,  der 
spätere  Hofprediger  Friedrichs  des  Weisen,  ein  Humanist  aus  dem 
Kreise  Mutians.  -  Sollte  in  der  That  die  Handschrift  (S.  24)  Vichardus 
Sbrulius  Utinensis  Italus  haben  statt  Richardus?  —  Auf  S.  26  treffen 
wir  Philippus  Engelprecht  de  Engen.  Es  ist  der  unter  dem  Namen 
Engentinus  bekanntere  Humanist,  dessen  Name  in  der  Freiburger  Uni- 
versitätsgeschichte eine  wichtige  Rolle  spielt,  und  über  den  Heinrich 
Schreiber  eine  nützliche  Monographie  geschrieben  hat.  —  S.  27 :  Augustiu 
Schurff  de  S.  Gallo  Gonstanciensis  diocesis. 

An  den  Herausgeber,  der  uns  erfreulicherweise  Fortsetzungen  der 
Veröffentlichung  in  Aussetzung  stellt,  richten  wir  die  doppelte  Bitte, 
erstens  in  Zukunft  oben  an  jeder  Seite  die  Jahreszahl  der  verzeichneten 
Promotionen  anzugeben,  und  zweitens  darauf  hinzuwirken,  dass  wir  ein 
vollständiges  Urkundenbuch,  wenigstens  für  die  ersten  60  Jahre  der 
Wittenberger  Hochschule  bekommen. 

Oberl.  Karl  Haupt:  Der  Stand  des  geistigen  Lebens  an  der 
Universität  Wittenberg  dargestellt  an  den  Quaestiones  und  den  Scripta 
publica  aus  den  Jahren  1530 — 1546.  (Festschrift  zur  Feier  der  Ein- 
weihung des  Neuen  Gymnasialgebäudes  zu  Wittenberg  am  10.  Januar 
1888  veröffentlicht  vom  Lehrerkollegium.)    S.  69 — 110. 

Eine  den  Anforderungen  heutiger  Wissenschaft  genügende  Ge- 
schichte der  Hochschule  Wittenberg  steht  immer  noch  aus.  So  mangel- 
haft das  Werk  Grohmanns  ist,  so  muss  man  sich  doch  mit  demselbea 


32  Sehalgeachichte. 

immer  noch  behelfen.  Es  ist  deshalb  jede  litterarische  Gabe,  wie  die 
Haupts,  welche  einen  Beitrag  zu  dem  genannten  Thema  bietet,  dankbar 
aufzunehmen. 

Was  die  Quaestiones  betrifft,  die  eine  Hauptquelle  für  den  Ver- 
fasser waren,  so  hätte  derselbe  an  irgend  einer  Stelle  deutlich  erklären 
sollen,  dafs  man  darunter  Thesen  für  die  regelmäfsig  wiederkehrenden 
Disputationen  an  der  Hochschule  zu  verstehen  hat.  Vermöge  der  be- 
herrschenden wissenschaftlichen  Stellung  Melanchthons  an  der  Universi- 
tät hat  er  von  1518  bis  zu  seinem  Tode  1560  eine  grofse  Anzahl  der 
lateinischen  Sätze  formuliert,  worüber  die  Magistranden  und  Doktoranden 
disputierten. 

Haupt  bespricht  nur  eine  Anzahl  dieser  Themata,  bei  weitem  nicht 
alle,  so  z.  B.  die  Sätze  über  Astrologie,  über  Fürstenmacht  u.  dgl.  mehr. 

Eine  wirkliche  Förderung  der  in  Frage  kommenden  wissenschaft- 
lichen Probleme  liefert  aber  die  Arbeit  nicht.  Der  Verfasser  hat  sich 
zu  sehr  auf  die  im  Thema  von  ihm  genannten  Quellen  beschränkt.  Er 
hat  es  unterlassen,  zunächst  einmal  genau  die  Persönlichkeiten  festzu- 
stellen, für  welche  Melanchthon  seine  Quaestiones  und  Propositiones 
geschrieben  hat.  Das  war  mit  Hilfe  der  von  Foerstemann  veröffent- 
lichten Matrikel  der  Universität  Wittenberg  und  unter  Beiziehung  der 
Hilfsmittel  vorzunehmen,  welche  der  Briefwechsel  Luthers  und  Me- 
lanchthons an  die  Hand  gibt.  Sodann  hat  Haupt  von  dem  reichen  Ma- 
terial, das  die  Deklamationen  Melanchthons  für  seinen  Zweck  boten, 
viel  zu  wenig  Gebrauch  gemacht. 

Man  kann  an  dieser  Arbeit  wieder  einmal  sehen,  wie  auch  tüch- 
tiges und  redliches  Streben  für  die  Wissenschaft  im  ganzen  fast  wertlos 
wird,  wenn  der  Strebende  nicht  vor  Beginn  seiner  Arbeit  sich  über  den 
Stand  der  von  ihm  zu  behandelnden  Frage  orientiert. 

In  vielfachem  Verkehr  mit  Wittenberg  stand  die  ehemalige  kur- 
brandenburgische  Landesuniversität  Frankfurt  a.  0. 

Ältere  Universitäts-Matrikeln.  L  Universität  Frankfurt  a.  0. 
Aus  der  Originalhandschrift  unter  Mitwirkung  von  Dr.  GeorgLiebe 
und  Dr.  Emil  Theuner  herausgegeben  von  Dr.  Ernst  Friedländer, 
Geh.  Staats-Archivar  und  Archiv-Rath.  Erster  Band.  (1606 — 1648). 
Veranlafst  und  unterstützt  durch  die  K.  Archiv- Verwaltung.  Leipzig. 
Verlag  von  S.  Hirzel.  1887.  Lex.  8®.  XVI  und  1648  S.  (Bd.  32 
der  Publikationen  aus  den  K.  Preufsischen  Staatsarchiven). 

Bei  der  unbestrittenen  Wichtigkeit,  welche  Universitätsmatrikeln 
für  Gelehrten-,  Kirchen*,  Profangeschichte,  Namensforschung  etc.  haben, 
ist  es  freudig  zu  begrüfscn,  dafs  die  Egl.  Preufsische  Archiwerwaitung 
dio  Publikation  der  älteren  Matrikeln  von  Köln,  Frankfurt  a.  0.  und 
Greifswald  in  Angriff  genommen  hat.  Nicht  als  ob  dieselben  nicht  schon  viel- 
fach benutzt  und  auch  zum  Teil  publiziert  wären,  wie  die  Kölner  durch 


1 

I 


Ältere  Universitäte-MatrikelD.    I.  Uniyersit&t  Frankfurt  a.  0.  33 

Schmitz,  aber  es  ist  doch  ein  anderes,  ob  eine  solche  wichtige  Ur- 
kunde durch  einen  zuverlässigen  Abdruck  in  extenso  der  wissenschaft- 
lichen Benutzung  wahrhaft  zugänglich  gemacht  ist,  oder  ob  blofs  einzelne 
gelegentliche  Notizen  daraus  mitgeteilt  sind. 

Die  im  Jahre  1506  eröffnete  kurbrandenburgische  Unirersität 
Frankfurt  a.  0.,  die  erst  1811  nach  Breslau  verlegt  wurde,  die  sog.  Yia- 
drina,  war  in  der  ersten  Zeit  ihres  Bestehens  *  ein  Sitz  der  humanisti- 
schen Bildung  und  ein  wichtiger  Kulturmittelpunkt  für  das  nordöstliche 
Deutschland,  dessen  Söhne  in  grofser  Anzahl  an  dieser  Hochschule  ihre 
Bildung  suchten,  wiewohl  auch  die  fibrigen  Teile  Deutschlands,  selbst 
das  ferne  ElsaTs,  gelegentlich  ihre  Vertreter  sandten.  ilDie  Studenten) 
kamen  von  nah  und  fern,  und  es  gewährt  ein  grofses  Interesse,  aus  der 
mehr  oder  weniger  grofsen  Anzahl  der  aus  einer  Gegend  oder  aus  einem 
Orte  Stammenden  den  Bildungsgrad  dieser  Heimatsstätten  abschätzen 
zu  können.  Denn  man  wird  nicht  fehlgehen,  wenn  man  eine  feststehende 
Wechselwirkung  zwischen  der  Bildungsstufe  einer  Gegend  und  der  An- 
zahl der  von  ihr  entsendeten  Studierenden  annimmt.  Und  umgekehrt 
wird  man  auch  behaupten  dürfen,  dafs  je  mehr  Studierende  aus  einem 
Landesteile  nach  vollendetem  Studium  wieder  dorthin  zurückkehrten, 
desto  mehr  sich  Bildung  und  Kultur  daselbst  ausbreiteten.«    (p.  V.) 

Die  Matrikel  der  Universität  Frankfurt  hat  sich  gut  erhalten;  die 
einzige  Lücke  um&fst  die  Zeit  vom  Herbst  1641  bis  zum  Herbst  1542. 
Die  Vorlage  selbst  wird  in  der  Einleitung  eingehend  beschrieben. 

Da  in  der  ersten  Zeit  ihres  Bestehens  die  Universität  die  Ein- 
teilung in  vier  Nationen  hatte,  so  sind  auch  die  Einträge  der  Namen 
bis  1527  und  dann  nochmals  1542  nach  vier  Nationen  geordnet:  Natio 
Franconum,  Marchitarum,  Slesitarum  und  Prutenomm.  iVon  1543  an 
finden  wir  die  Nationenbezeichnung  nur  noch  in  den  Einleitungsworten 
zu  den  einzelnen  Semestern,  wo  eine  Randbemerkung  jedesmal  angiebt, 
aus  welcher  Nation  der  Rektor  gewählt  war,  was  in  regelmäfsiger 
Reihenfolge  aus  den  vier  Nationen  erfolgt  zu  sein  scheint« 

Als  Grundsätze  bei  der  Drucklegung  waren  die  heutzutage  all- 
gemein gültigen  Regeln  für  Urkundenpublikationen  mafsgebend.  Spätere 
Zusätze  von  fremder  Hand  sind  kursiv  gesetzt,  die  zahlreichen,  sich 
immer  wiederholenden  Bemerkungen  am  Rande  sind  abgekürzt  wieder- 
gegeben. Bei  zweifelhafter  Lesart,  z.  B.  ob  n  oder  u,  ist  ein  Frage- 
zeichen beigefügt. 

Ein  Rektorenverzeichnis  eröffiiet  sodann  (von  S.  XIII — XVI)  die 
Publikation  selbst  Ein  zweiter  Band  wird  die  Matrikel  bis  1811  und 
ein  dritter  ein  Personen-  und  Ortsregister  enthalten. 

Im  übrigen  ist  die  Einrichtung  des  Druckes  sehr  praktisch:  oben 
steht  an  jeder  Seite  die  Jahreszahl,  die  Zeilen,  40 — 50  auf  der  Seite,  sind 
gezählt,  die  folia  der  Vorlage  am  Rande  notiert,  am  Ende  jedes  Jahres 

Jahreaberioht  für  AltarthttmawiafieasohAft.  LXIX.  (1891.  m.)  3 


34  Schulgeschichte. 

die  Samma  der  Immatrikulierten  notiert.  Die  beigegebenen  spärlich 
Anmerkungen  wollen  freilich  nicht  viel  besagen. 

Zum  Schlüsse   mögen    einige  bekannte  Namen  aus  der  Matril 
hier   verzeichnet    sein:   Der   erste    Rektor   war  Conradus   Wimpina 
Buchen  im  Odenwald.  —  Ulrich  von  Hütten  (Udalricas  de   Hütten 
Buchonia)  1506.  —  Der  bekannte  Historiker  und  Editor  Johannes  Hn 
dich  de  Strintz  (gewöhnlich  Huttich)  1506,  der  Humanist  Wolfgang  An] 
,  von  Kaisersberg  im  gleichen  Jahr.    Hermannus  Trebelins  de  Ysena 

poeta  1511  (S.  29).  —  Richardus  Sbrulius  Foro-Julianus  1512,  der  1 
kannte  Humanist,  der  auch  in  Wittenberg  gewesen.  —  Magister  Joani 
Cellarius  Gnostopolitanus  Hebreus  1521  (S.  59)  etc. 

Ältere  Universitätsmatrikeln.    I.  Universität  Frankfurt  a. 

Ans  der  Originalhandschrift  unter  Mitwirkung  von  Dr.  Georg  Lie 

und  Dr.  Emil  T heuner  herausgegeben  von  Dr.  Ernst  Friedländt 

Geh.  Staats- Archivar  und  ArchivRath.    Zweiter  Band.    (1649 — 181 

Veranlafst  und  unterstatzt  durch  die  Kgl.  Archiv-Yerwaltang.     Leips 

S.  S.  Hirzel.    1888.    8^.    YIII  und  1811  S.    (Bd.  36  der  Pnblikatioii 

I  aus  den  Kgl.  Preussischen  Staatsarchiven.) 

I 

Nur  ein  Jahr  nach  dem  Erscheinen   des  ersten  Bandes  erhall 

wir  bereits  den  zweiten,  welcher  den  Schlufs  der  Frankfurter  Matril 
I  bildet.    Denn  die  Universität  Frankfurt  a.  0.  hörte  mit  dem  Jahre  1€ 

'  als  solche  auf  und  erstand  dann  in  Breslau  von  neuem. 

Voran  steht  das  Rektorenverzeichnis  (S.  V-VIU).  Sodann  fo 
der  Abdruck  der  Matrikel.  Die  Einrichtung  des  Druckes  ist  zunäd 
wie  beim  ersten  Band :  am  Rande  oben  steht  zur  schnellen  Orientieni 
das  Immatrikulationsjahr,  die  Studenten  sind  nach  Vor-  und  Zunan 
und  Heimat  verzeichnet.  Die  im  Mittelalter  üblich  gewesene  Anga 
der  Diöcese  fehlt  hier  selbstverständlich.  Am  Rande  sind  die  Fol 
Seiten  der  Vorlage  angegeben  und  Zahlen  bezeichnen  die  Zeilen. 

Anders  wird  die  Einrichtung  seit  dem  Jahre  1768  durch  eine  E 
binetsordre  Friedrichs  IL  vom  27.  Juli  1768,  welche  selbst  auf  S.  4 
mit  abgedruckt  ist,  wurde  bestimmt,  dafs  wegen  der  üngewifsheiü 
welche  manchmal  in  Folge  der  bis  dahin  ablieben  Eintragungsweise  ei 
standen  seien,  in  Zukunft  das  Album  in  Kolonnen  eingeteilt  und  folge 
des  eingetragen  werden  müsse: 

1.  Die  Nummer  der  Immatrikulation.  —  2.  Das  Datum    der  Ei 

Schreibung.  —  3.  Tauf-  und  Zunamen.  —  4.  Namen,  Stand  und  Ohara 

ter  des  Vaters.  —  5.  Wohnort  des  Vaters,  resp.  der  Mutter.  —  6.  H( 

mat  oder  Herkunftsort 

^  Nicht  alle  diese  Angaben  sind  im  Drucke  mit  aufgenommen.    D 

r  Name  des  Vaters,  bez.  der  Mutter  ist  weggelassen.    Die  Ortsnamen  sii 

i  in  der  jetzt  ablieben  Form  wiedergegeben  u.  s.  w. 

Eine  sehr  wertvolle  Rubrik  iBemerkungenc  beginnt  mit  dem  Jahi 


Schöne,  Die  Universität  GOttingen  im  Biebenj&hrigen  Kriege.  35 

1770.  Es  finden  sich  daselbst  Angaben  fiber  die  von  den  Studenten 
beigebrachten  Examenzeugnisse,  über  etwa  vorhandene  Armut,  Gennfs 
eines  Freitisches,  Bewerbung  um  akademische  Grade,  Besuch  früherer 
Universitäten  u.  dgl. 

Wichtig  für  die  Geschichte  der  einzelnen  Schulanstalten  ist  die 
gegen  das  Ende  aufgenommene  Rubrik  lYorbildungc ,  aus  der  wir  er- 
sehen, dafs  ein  nicht  unbeträchtlicher  Prozentsatz  der  damaligen  Stu- 
denten seine  Yorbildung  durch  Privatunterricht  erhielt. 

Vergleicht  man  die  Heimat  der  Studenten  im  zweiten  Teil  dieses 
Bandes  mit  den  Angaben  des  ersten  Bandes,  so  fällt  zunächst  auf,  dafs 
die  Hochschule  einen  mehr  territorialen  Charakter  erhalten  hat.  Die 
Süd-  und  Mitteldeutschen  fehlen  fast  ganz;  dafür  kommen  aber  seit  der 
Zeit,  wo  Preussen  polnische  Landesteile  erlangt  hat,  zahlreiche  polnische 
Namen  vor.  Selten  erscheint  in  diesen  letzten  Zeiten  der  Hochschule 
ein  Nichtpreufse. 

Auch  die  Professoren  stehen  in  der  Matrikel. 

Um  eine  YorsteUung  der  beigesetzten  Bemerkungen  zu  geben, 
mögen  beispielsweise  einige  hier  wiedergegeben  werden: 

1792  heifst  es  bei  Anton  Brichta  aus  Breslau,  der  Jura  studiert: 
•Hat  seinen  Abschied  vom  Regiment  noch  zu  bringen;  Pater  Diez  hat 
gutgesagt  und  sein  testimonium  vom  Jesuitencolleg  zu  Breslau  zurück- 
genommen; maturus.c 

Bei  Karl  Lud.  Silvius  Wilhelm  von  EOnigsdorff  aus  Schlesien,  der 
1792  immatrikuliert  wurde,  fehlt  zunächst  die  Angabe  eines  Fakultäts- 
studiums und  in  den  Bemerkungen  steht:  »Wird  sich  hier  einige  Zeit 
aufhalten,  um  Vorlesungen  vorzüglich  cameralistische  anzuhören,  ohne 
vorher  sich  bestimmen  zu  können,  ob  derselbe  ein  eigentliches  Amt  im 
Staate  bekleiden  werde. c  Man  sieht,  dafs  eine  gewisse,  auch  heute 
noch  vorhandene  Art  von  Studenten  schon  vor  100  Jahren  existierte. 

Bei  einem  gewissen  Johann  Friedrich  Hentschke,  1790  immatriku- 
iert,  steht  bemerkt:  »Fuit  cantor  Wrietzensis  et  a  consistorio  supremo 
examinatus;  vi  test.  summe  reverend.  Steinbart  gr.  ob  paupertc 

Hoffen  wir,  dafs  bald  der  in  Aussicht  gestellte  dritte  Band,  wel- 
cher ein  ausführliches  Personen-  und  Ortsregister  bringen  soll,  erscheint. 
Erst  durch  einen  Index  erlangt  eine  solche  Matrikelpublikation  ihre 
rechte  Verwendbarkeit. 

Zu  den  jüngsten  deutschen  Hochschulen  gehört  Göttingen: 

A.  Schöne,  Die  Universität  Göttingen  im  siebei^ährigen  Kriege.  Aus 
der  handschr.  Chronik  des  Prof.  Samuel  Christ.  HoUmann  (1696  —  1787) 
mit  Erläuterungen  und  Beilagen  herausgegeben.  Leipzig.  Hirzel.   1887. 

Die  Universität  Göttingen  war  den  17.  September  1737  eröffiiet 
worden.  Rasch  blühte  die  neue  Schöpfung  empor,  gefördert  durch  die 
weise  Leitung  des  Geheimerats  von  Münchhausen. 

8* 


36  Schulgfsebiebte. 

Eine  grofse  Zahl  glänzender  Gelehrten  zierte  die  jange  Hochschule: 
A.  V.  Haller,  J.  M.  Gesner,  J.  D.  Michaelis,  Tobias  Mayer,  Abr.  G.  Käst- 
ner u.  a.  Bald  erfreute  sich  die  Universität  eines  deutschen  Rufes. 
Aber  noch  nicht  20  Jahre  alt  wurde  sie  im  Sommer  1767  yon  einer 
Ge&hr  bedroht,  welche  sogar  ihre  Existenz  in  Frage  stellte.  Göttingen 
wurde  von  den  Franzosen  besetzt  und  schwebte  bis  1762  in  schwerer 
pefahr. 

In  welcher  Weise  die  Universität  die  schweren  Kriegsschicksale 
durchmachte,  erfährt  man  aus  der  Chronik  S.  Chr.  Hollmanns,  die  1784 
bis  87  verfafst  wurde,  und  von  der  sich  eine  von  Oberbibliothekar  J.  D. 
Reufs  herrührende  Bearbeitung  auf  der  Universitätsbibliothek  befindet 

Der  Verfasser  Hollmann,  1696  zu  Stettin  geboren,  war  seit  Grün- 
dung der  Universität  Professor  der  Philosophie  und  Physik.  »Er  ist 
ein  rechtschaffener  Vertreter  der  Mittelmäfsigkeit,  deren  Mitarbeit,  wenn 
sie  sich  nicht  überhebt,  und  wenn  sie  ihre  Pflicht  nach  bestem  Ver- 
mögen erfhllt,  auf  allen  Gebieten  unentbehrlich  ist.c 

Zur  Kontrolle  der  Chronik  hat  der  Verfasser  Aktenstücke  ans 
dem  Kgl.  Staatsarchiv  zu  Hannover  und  dem  Universitätsarchiv  und 
städtischen  Archiv  zu  Göttingen  herangezogen,  die  als  willkommene  Er- 
gänzungen im  Anhang  abgedruckt  sind. 

Das  Bild,  welches  die  Chronik  und  die  ergänzenden  Berichte  ge- 
währen, zeigt,  wie  Magistrat  und  Bürgerschaft  der  im  30jährigen  Krieg 
sehr  heruntergekommenen  Stadt  Göttingen  bemüht  sind,  wo  möglich  den 
gröfsten  Teil  der  Kriegslasten  auf  die  Universität  abzuwälzen.  In  der 
schwierigen  Lage  war  die  Universität  im  wesentlichen  auf  sich  selbst 
angewiesen;  nach  den  obwaltenden  Verhältnissen  konnte  sie  weder  auf 
wirksame  militärische  noch  staatliche  Hilfe  hoffen.  Ein  pflichttreues  und 
opferbereites  Staatsgefühl  hatten  in  dieser  Zeit  nur  die  Preufsen.  Wohl 
aber  gab  es  unter  den  Göttinger  Professoren  damaliger  Zeit  aach 
•fritzischc  Gesinnte. 

Doch  mufs  man  der  Universität  nachrühmen,  dafs  sie  alles  gethan 
hat,  um  den  Bestand  der  Hochschule  zu  sichern  und  die  Studenten  vor 
Schädigung  zu  bewahren,  Mit  Sorgfalt  wachte  man  über  die  Erhaltung 
der  Bibliothek.  Bei  der  durch  den  Krieg  herbeigeführten  Absperrung 
von  der  Hauptstadt  erstarkte  der  Geist  der  Selbstverwaltung 

•Die  Universität  Göttingen  hat  es  in  jener  Zeit  vermocht,  das 
schlummernde  politische  Vermögen  in  ihren  Dienst  zu  stellen  und  es 
zu  einem  mannhaften  und  pflichtgetreaen  Gtemeingefühl  zu  entwickeln« 

Der  Inhalt  der  Chronik,  welche  fast  nur  kriegerische  Ereignisse 
und  dadurch  entstehende  Verwickelungen  berichtet,  kann  hier  nic^t  im 
einzelnen  wiedergegeben  werden.  Das  gut  ausgestattete  Büchlein  ist 
eine  unterhaltende,  besonders  auch  den  Historiker  anziehende  Lektüre. 

Ein  denkwürdiger  Promotionsakt,  an  dem  auch  die  französischen 
Offiziere  Anteil  nahmen  (8.  27),  ist  besonders  charakteristisch. 


Festschrift  der  Uni?.  Georgia-Ant^ta.    Fakidtätstndien  za  DQsseldori       87 

Festschrift  za  dem  ISOjfthrigen  Jubiläum  der  ÜBiversität  Geor- 
gia-Aügusta.    Göttingen.    4^ 

Der  Inhalt  der  kleinen  Schrift  besteht  aus  folgendem:  I.  Einem 
Gedichte  Emil  Hartmanns:  Zum  dritten  Jubelfeste  der  Georgia- Augusta- 
—  2.  Einem  kurzen  Abrifs  der  Geschichte  der  Universität,  für  den 
Ungers  iGöttingen  und  die  Georgia -Augustac  eine  Hauptquelle  ist. 
Unter  den  Männern,  welche  einen  grossen  Einflufs  auf  die  Gestaltung 
der  Universität  hatten,  wird  Ch.  G.  Heyne  erwähnt,  »ein  Mann,  dessen 
grofse  Bedeutung  fttr  die  Wissenschaft  sich  mit  einer  nicht  minder 
grofsen  Bedeutung  ftlr  die  Verwaltung  der  Universität  verknüpfte.!  Zu 
seinen  Kollegen  gehörte  auch  der  Historiker  A.  L.  von  Schl6zer.  Von 
den  Lehrern  des  19.  Jahrhunderts  seien  hier  genannt:  Dissen  (1803, 
tl8d7),  G.  0.  MüUer  (1819,  flS^O),  K.  F.  Hermann  (1842,  il8bb\ 
Schneidewin  (1836,  f  1856),  die  beiden  Grimm  etc.  —  8.  Dem  Verzeich- 
nis der  gegenwärtigen  Lehrer  der  Georgia-Augusta.  —  4.  Dem  Verzeich- 
nis der  gegenwärtigen  studentischen  Verbindungen  und  Vereine  der 
Georgia-Augusta.  —  6.  Übersicht  über  die  Zahl  der  Studierenden  im 
Sommersemester  1887.  —  6.  Der  Chronik  der  Universität  fttr  1886/87.  — 
7.  Dem  Programm  der  160  jährigen  Jubelfeier  der  Georgia« Augusta. 

Kurzes  Leben  hatte  die  hohe  Schule  zu  Düsseldorf: 

Dr.  Paul  Tönnies,  Die  Fakultätsstudien  zu  Düsseldorf  von  der 
Mitte  des  XVI.  bis  zum  Anfang  des  XIX.  Jahrhunderts.  Ein  Beitrag 
zur  Geschichte  des  Unterrichtswesens  in  Jülich-Berg.  Teil  2.  Düssel- 
dorf. (Programmbeilage  1887.  Nr.  459  der  Höheren  Bürgerschule 
und  Vorschule  zu  Düsseldorf). 

Die  Aufhebung  des  Jesuitenordens  1773  brachte  eine  Veränderung 
der  Jesuiten- Anstalt  zu  Düsseldorf,  insofern  die  Bestellung  und  Ver- 
pflegung der  Kongregierten  durch  Rescript  vom  21.  Oktober  1774  auf 
die  Hofkammer  überging.  Das  staatlich  gewordene  Schulwesen  soUte 
nun  eine  neue,  zeitgemäfse  Form  erhalten.  Der  Euritlrst  ernannte  eine 
aufserordentliche  Schulkommission,  bestehend  aus  zwei  Geheimräten, 
zwei  Hofkammerräten  und  dem  Stadtdechanten. 

Im  Herzogtum  Berg  gab  es  seit  1802  für  das  gesamte  Schul- 
wesen eine  ständige  Schulkommission.  1806  übergab  ihr  Joachim  Murat 
die  Aufsicht  über  das  gesamte  Unterrichtswesen  über  die  Herzogtümer 
Gleve  und  Berg.  Ein  Dekret  vom  17.  Dezember  1811  stellte  alle  Schul- 
angelegenheiten direkt  unter  den  Minister  und  den  Rektor  der  noch  zu 
gründenden  Universität.  Da  aber  die  letztere  vorerst  doch  noch  nicht 
ins  Leben  trat,  so  wurden  durch  den  Präfekten  des  Rheindepartements 
am  29.  Februar  }812  alle  Eingaben  in  Schulsachen  direkt  an  das  Mini- 
sterium verwiesen;  deshalb  fanden  die  Alliierten  die  Unterrichtsverwaltung 
in  vollständiger  Auflösung. 

So  wertvoll  die  aus  guten  Quellen  geschöpften  Mitteilungen  des 


38  Scfaolgeschichte. 

YerfiEMsen  über  Stadiendirektoren,  Jesuitenfonds,  Klosterfonds,  Schnlfonds, 
Oehaltsyerhältiiisse,  Repetenten,  Zuhörer,  Vorlesungen,  Disputationen  und 
Examina,  Auditorien  etc.  sind,  so  muIiB  doch  von  einer  Wiedergabe  an 
dieser  Stelle  abgesehen  werden,  weil  die  Schule  eine  theologisch-joristi- 
sdie  war,  allerdings  mit  HinzufUgung  medizinischer  Kurse.  Die  Philo- 
sophie wurde  seit  1^87  allein  von  den  Professoren  des  Lyceums  vorge- 
tragen. 

Am  Schlüsse  (S.  88 — 99)  ist  ein  Verzeichnis  der  Vorlesungen  ge- 
geben, soweit  dasselbe  aus  den  Akten  und  den  Publikationen  in  den 
Jülich-  und  Bergischen  Wochenblättern  festgestellt  werden  konnte. 

Zu  den  f&r  Deutschland  wichtigen  Hochschulen  gehörte  ehemals 
auch  Löwen: 

£.  Reusens,  Documents  relatib  ä  Thistoire  de  Tuniversit^  de 
Louvain  1426—1797  (Analectes  pour  servir  k  Thistoire  ecdteiastiqne 
de  la  Belgique.  s^rie  II.  tom.  V  [XXI«  de  toute  la  coUection].  Lon- 
vain  1888). 

Der  Inhalt  dieser  Arbeit  ist  vom  Verfasser  selbst  folgendermafsen 
angegeben:  Collies  et  p^dagogies.  36.  P^dagogies  du  Faucon.  86.  Mai- 
son  de  pauvres  deStandonck.  87.  Coline  de  Busleiden  ondes  Trois-Langnes. 

Der  Aufsatz  ist  keine  Darstellung,  sondern  es  sind  Aaszttge  ans 
den  Akten  der  Universität  und  gedruckten  Schriften.  Beachtenswert  sind 
die  Rektorenreihen  der  besprochenen  Studienhäuser.  Die  Auszüge  ans 
den  Universitätsakten  ergeben  lehrreiche  Einblicke  in  das  Schulwesen. 
Man  beachte  z.  B.  S.  27  die  Verhandlung  wegen  der  Studenten,  welche 
aus  dem  einen  Studienhaus  in  ein  anderes  auswanderten,  ohne  vorher 
die  Erlaubnis  eingeholt  zu  haben. 

Unter  den  Lehrern  der  erst  genannten  Anstalt  erscheint  a.  a.  auch 
der  aus  dem  Streite  mit  den  Dunkelmännern  hinlänglich  bekannte  Ketzer- 
meister Jacobus  de  Hoogstraeten  (p.  106).  1486  ist  er  unter  den  Ma- 
gistranden des  Studienhauses  der  erste  und  dann  Lehrer  der  Philosophie 
an  demselben.  Er  zieht  hierauf  nach  Köln  und  steigt  zu  hohen  Ehren 
auf.  Der  Verfasser  Reusens  urteilt  über  ihn:  Vir  plane  doctus,  strenni, 
fortis  et  infracti  animi;  doch  war  es  mit  seiner  litterarischen  Bildung 
nicht  zum  besten  bestellt,  non  satis  fortasse  politiori  literatura  tinctus. 
Noch  nach  seinem  im  Jahre  1627  erfolgten  Tode  grollten  ihm  die  Geg- 
ner, wie  ans  einem  Distichon  hervorgeht,  das  seinem  Grabmal  angehef- 
tet wurde. 

Unter  den  späteren  Lehrern  erscheint  auch  Aubertus  Miraeus 
(eigentlich  Le  Mire)  aus  Brüssel,  geboren  den  2.  Dezember  1673,  ge- 
storben 1640,  der  Biograph  des  berühmten  Justus  Lipsius. 

Die  Domus  pauperum  Standonck  war  nach  dem  Willen  ihres  Stif- 
ters ausschliefslich  für  Arme  bestimmt  (S.  161).  Unter  den  Leitern 
dieses  Hauses  erscheint  auch  Jacobus  Latomas,  bekannt  durch  seine  Be- 
ziehungen zum  Leben  des  Erasmns. 


WiBlocki,  Liber  diligentiaram  facaltatis  artistic    anifersit.  Graeoviensis.      89 

Von  henrorragender  Bedeutung  für  die  Geschiebte  des  XJnterricbtes 
und  des  Homanismus  insbesondere  ist  das  Collegiam  Bnsleidiannm  oder 
triam  linguamm,  genannt  nach  seinem  Stifter  Hieronymns  Basleiden,  Rat 
von  Kaiser  Karl  V.  Es  war  ansschliefslich  dem  Studium  des  Lateinischen, 
Griechischen  und  Hebräischen  bestimmt. 

Die  einst  blühende  Anstalt  kam  durch  die  Unruhen  in  den  Nieder- 
landen so  herunter,  dafs  1678  es  nur  von  einem  einzigen  Lehrer,  der 
keinen  Gehalt  mehr  bezog,  bewohnt  wurde.  Es  war  fast  zur  Ruine  ge- 
worden. Die  Angaben  Reusens  Ober  die  bertthmte  humanistische  An- 
stalt stützen  sich  hauptsächlich  auf  die  bekannte  ausführliche  Monogra- 
phie von  N^ve  (Memoire  sur  le  coU^ge  des  Trois-Langues). 

Ebenso  sehr  wie  Löwen  wurde  in  früherer  Zeit  Erakau  von 
deutschen  Studenten  aufgesucht: 

Dr.  Wladislaus  Wislocki,  Liber  diligentiarum  facultatis  artisticae 
universitatis  Cracoviensis.  Pars  L  (1487 — 1563).  Ex  codice  manu- 
scripto»  in  bibliotheca  Jagellonica  asservato  editionem  cnravit  W.  W. 
Cracoviae,  sumptibus  academiae  litterarum.    1886.    8®.    XUI  u.  543  p. 

Im  Jahre  1487  beschlossen  die  Lektoren  der  Artistenfakultät  in 
Krakau,  dafs  der  Dekan  der  Fakultät  ein  Verzeichnis  der  Vorlesungen 
und  Exercitien  führe,  wobei  auch  die  Versäumnisse  einzutragen  seien. 
Diese  »Registra  facultatis  artisticae«  oder  iLibri  diligentiarum  facultatis 
philosophicaec,  die  von  1487 — 1780  geführt  wurden,  haben  sich  in  meh- 
reren handschriftlichen  Bänden  erhalten.  Zum  Jubiläum  des  lateinischen 
Dichters  Johannes  Eochanowski  wurden  die  Aufzeichnungen  von  1487 
bis  1568  im  Auftrage  der  Krakauer  philosophischen  Fakultät  veröffentlicht. 

Freilich  ist  dieses  Verzeichnis  nicht  absolut  vollständig.  So  fehlen 
z.  B.  die  Einträge  aus  dem  Sommersemester  1491  und  dem  Winter- 
semester 1495,  ferner  am  Anfang  die  Vorlesungen  und  Disputationen 
der  Baccalaurei ;  sodann  sind  auch  die  weiteren  Verzeichnisse  nicht  ganz 
zuverlässig,  sonst  könnten  Valentin  Eck  und  Franciscus  Stancarus  nicht 
fehlen.  Aufserdem  fehlen  auch  alle  Vorlesungen  und  Übungen,  welche 
aufserhalb  des  Collegiam  maius  gehalten  wurden. 

Der  Inhalt  des  Buches  zerfällt  in  folgende  Abschnitte:  1.  Tabulae 
lectionum  et  exercitiorum  Ordinesque  magistrorum  1487  -  1563.  — 
2.  Appendix  1485 — 1575  (Aufzeichnung  einiger  Ereignisse,  welche  für 
die  Universitätsgeschichte  von  Wichtigkeit  waren).  —  3.  Index  triparti- 
tus:  a.  Lecturae  et  exercitia,  lectiones  et  exercitationes,  quaesUones  et 
textus.  b.  Legentes  magistri  eorumque  diligentiae  et  negligentiae.  c.  Me- 
morabilia.  -  4.  Specimen  Tabulae  Ordinisque  ex  Codicis  pag.  58  et  59 
descriptum. 

Die  Indices,  welche  ein  solches  Buch  erst  recht  verwendbar  machen, 
sind  durch  Sorgfalt  und  Zuverlässigkeit  ausgezeichnet  und  machen  dem 
Herausgeber  alle  Ehre. 


40  SdmlgMchidite. 

Du  Werk  ist  in  Tie Ifacber  Hinsicfat  höehst  lehrreieii.  Meines 
Wiesens  besitzt  keine  andere  Hochschole  eine  solch  schtelmre  Qaeile. 
Über  die  unzähligen  Yorlesnngen  nnd  Exerdtieo,  ttber  die  TOitnigenden 
Lehrer,  deren  FleÜiB  mid  Unfleifs,  ttber  die  gelesenen  Schrüksteller  n.  d|^ 
an  der  Hochschule  Krakan  erhalten  wir  die  wertrcAsten  Nadurichten  in 
einer  seltenen  Ffllle. 

Beachtenswert  ist,  dafs  die  Lehrer  der  Hochschule  in  ihrer  grofoen 
Mi^oritit  trotz  des  universellen  Charakters  der  mitteUüterliclien  Hodh 
schulen  Polen  sind  In  zweiter  Linie  sind  sodann  die  Ungarn  Tertreten. 
Im  ganzen  selten. sind  die  Deutschen,  obgleich  dieselben  unter  den  Stu- 
denten zahlreich  gewesen  sein  dflrften.  Beispielsweise  seien  genannt 
Rudolf  Agricola  von  Wasserburg  (hier  ide  Gonstantiac  bezeichnet),  Kon- 
rad Geltes,  Sonunerfeld  (oder  Aesticampianus)  etc. 

Ein  wichtiges  Stfick  deutscher  Universitfttsgeschichte  enthilt  auch 
das  Leben  des  bertthmten  Thomasius: 

Dr.  Alezander  Nicoladoni,  Christian  Thomasius.  Ein  Beitrag 
zur  Oeschichte  der  AufklArung.  Mit  dem  Bildnisse  des  Thomasios. 
Berlin.    Stuhr.    1888.    8<>. 

Im  Oktober  1887  sind  es  zweihundert  Jahre  gewesen,  dafe  in 
Leipzig  die  erste  akademische  Vorlesung  in  deutscher  Sprache  angekttndigt 
wurde.   Bis  dahin  hatte  man  in  Deutschland  nur  lateinisch  vorgetragen. 

Der  Erinnerung  an  dieses  kulturhistorische  Ereignis  verdankt  die 
Schrift  N.'s  ihre  Entstehung.  Sie  erneuert  das  Andenken  an  Thomasins, 
der  diese  erste  deutsche  Yorlesung  gehalten  hat.  Der  Verfasser  rechnet 
den  grofsen  Aufklärer  zu  jenen  Männern,  »in  denen  sich  alle  Regungen, 
alle  Gedanken  ihrer  Zeit  wie  in  einem  Krystallprisma  wiederspi^eln, 
indem  sie  von  ihnen  auff^enonunen  und  eifirig  verbreitet  oder  abgestossen 
und  bekämpft  werden.« 

Der  Inhalt  des  Buches  zerfäUt  in:  1.  Einleitung  (die  Obrigens 
schablonenhaft  gearbeitet  ist  nnd  sich  in  Allgemeinheiten  bewegt,  die 
teilweise  sehr  anfechtbar  sind).  ->  2.  Thomasins  in  Leipzig.  —  3.  Tho- 
masins in  Halle.  —  4.  Die  Philosophie  des  Thomasius.  —  6.  Thomasins 
als  Jurist  —  6.  Schnfsbetrachtung. 

Der  Ton,  in  welchem  die  Schrift  geschrieben  ist,  macht  teilweise 
den  Eindruck,  als  ob  der  Verfasser  eine  humoristisch -satirische  Dar- 
stellung beabsichtigt  hätte.  Man  lese  z.  B.  S.  15:  BNach  dem  westr 
ftUischen  Frieden  gab  es  in  Deutschland  nunmehr  Landesherren,  Hof- 
schranzen und  Pfahlbflrger,  Serenissimi  von  Gottes  Gnaden  und  in  De- 
mut ersterbende  ünterthanen.  Der  Respekt  der  Unterthanen  erstreckte 
sich  auch  auf  die  Umgebung  der  Landesherm,  auf  die  Hofschranzen  nnd 
die  Hofprediger.c  Nach  solchen  und  ähnlichen  Leistungen  wird  es  dem 
Leser  schwer,  daran  zu  glauben,  dafs  es  dem  Verfasser  rein  um  die 
Sache  zu  thun  war. 


Nicoladoni,  Christian  Thomadas.  41 

In  dem  lersten  Kapitel«  wird  zanftchst  ein  dfisteres  Bild  von  der 
damaligen  Universität  Leipzig  entworfen.  Nach  des  Verfassers  Meinung 
entspricht  die  Schildemng,  welche  Leibniz  in  seinen  »Denkschriften  über 
die  Errichtung  der  Berliner  Sozietätc  entwirft,  ganz  dem  Leipzig,  in 
welchem  Carpzov,  Angust  Pfeiffer  und  Valentin  Alberti  thätig  waren. 
1681  habilitierte  sich  Christian  Thomas  oder  Thomasius,  nachdem  er 
schon  1675  zu  Frankfurt  a.  0.  Vorlesungen  gehalten. 

Für  die  Aufgabe  des  »Jahresberichtsc  ist  der  Umstand  von  Be- 
deutung, dafs  Thomasius  im  Wintersemester  1687  auf  1688  die  erste 
Vorlesung  in  deutscher  Sprache  gehalten  hat,  nachdem  bis  dahin  aus- 
schliefslich  Latein  gesprochen  worden,  seitdem  überhaupt  deutsche  Uni- 
versitäten bestanden.  Die  zünftigen  Kollegen  des  Thomasius  waren 
empört  und  sprachen  von  einem  unerhörten  Greuel,  von  einem  seit  Be- 
stehen der  Universität  noch  nie  geschehenen  crimen.  Thomasius  blieb 
aber  seinen  Gegnern  nichts  schuldig,  und  dabei  war  ihm  keine  Autori- 
tät zu  hoch.  Auch  vor  Luther  und  Melanchthon  machte  seine  Kritik 
nicht  halt. 

Die  Einzelheiten  des  Kampfes  zwischen  Thomasius  und  seinen 
orthodoxen  Gegnern  geben  ein  häfsliches  Bild  akademischer  Zustände: 
öffentliche  Beschimpfdngen  in  den  Vorlesungen  vor  den  Studenten,  da- 
neben im  geheimen  eine  Menge  von  Intriguen.  Nur  die  Studenten  und 
Pietisten  standen  schliefslich  zu  Thomasius.  Derselbe  floh  1690  nach 
Berlin,  um  der  Verhaftung  zu  entgehen. 

Zum  kurfürstlich  brandenburgischen  Rat  ernannt,  begann  Thoma- 
sius 1690  Vorlesungen  an  der  Ritterakademie  zu  Halle  über  deutschen 
Stil.  Diese  Schule  wurde  in  eine  Universität  umgewandelt,  welche  den 
12.  Juli  1694  eröffnet  wurde.  Das  Erziehungsideal  der  neuen  Hoch- 
schule war,  ihre  Schüler  zu  brauchbaren  und  klugen  Menschen  zu 
machen. 

Welche  Absichten  Thomasius  bei  seiner  Thätigkeit  in  Halle  hatte, 
ersehen  wir  aus  seinem  »Entwurf  der  politischen  Klugheitt,  die  eine 
abfällige  Kritik  der  bisherigen  Hochschulen  enthielt,  welche  nach  seiner 
Meinung  blofs  gelehrte  Narren  erzogen.  S.  49  ff.  wird  eine  ausflihrliche 
Mitteilung  aus  der  Th.  Schrift  gegeben.  Nach  seiner  Meinung  ist  eine 
Reform  aller  Fakultäten  notwendig. 

Im  übrigen  blühte  die  Universität  Halle,  über  welcher  der  Geist 
der  Freiheit  und  religiösen  Toleranz  waltete,  schnell  im  höchsten 
Grade  auf. 

Der  Inhalt  der  zwei  letzten  Abschnitte  »Die  Philosophie  des  Tho- 
masiusc  und  »Thomasius  als  Juristc  liegen  aufserhalb  der  Aufgaben  des 
Jahresberichts. 

Mit  der  mittelalterlichen  Hochschule  hängt  die  Einrichtung  der 
Vaganten  oder  fahrenden  Schüler  zusammen: 


42  Seholgesehichte. 

Nie.  Spiegel  (kgl.  Stadienlehrer  bei  St  Stephan  in  Augsburg), 
Vaganten  und  Bacchanten.  I.  Teil:  Der  Ursprung  des  Yagantentoms. 
Angsbnrg  1888.    (Würzburger  Dissertation.) 

Der  Verfasser  holt  für  sein  Thema  weit  aus:  er  geht  zurftck  bis 
auf  die  Verdrängung  der  Naturalwirtschaft  durch  die  Oeldwirtschaft 
im  12.  Jahrhundert  und  die  Folgen  davon  f&r  Adel  und  Geistlichkeit. 
Er  betrachtet  sodann  in  einem  weiteren  Abschnitt  »das  Streben  der 
Geistlichkeit,  insbesondere  aber  der  Ordensgenossenschaften,  nach  Er- 
weiterung ihres  Besitzes  und  die  Rückwirkung  desselben  auf  die  Lage 
des  Weltklerus,  c 

Dabei  wird  das  Streben  der  Bettelorden  nach  Besitz  anschaulich 
geschildert  Das  Eindrängen  der  Mönche  hatte  zur  Folge,  dafs  sich  die 
Lage  des  Weltklerus  verschlechterte.  Er  mufste  die  Einkünfte  aus  den 
Gemeinden  mit  den  bettelnden  und  oft  sehr  zudringlichen  Mönchen  tei- 
len. So  kam  man  zum  cumulus  beneficiomm,  d.  h.  zur  Vereinigung 
mehrerer  kirchlicher  Pfründen  in  der  gleichen  Hand,  eine  Einrichtung, 
die  ihre  grofsen  Bedenken  hatte  und  zu  bedeutenden  Mifsständen  führte. 

Ein  starker  Zudrang  zu  den  Studien  erfolgte  seit  dem  12.  Jahr- 
hundert, und  gleichzeitig  damit  tauchte  ein  Gelehrtenproletariat  auf,  das 
sind  eben  die  Vaganten. 

Das  Wandern  von  Schule  zu  Schule  war  nichts  Neues,  indem 
selten  eine  Schule  für  alle  Fächer  des  Triviums  und  Quadriviums  gleich 
gute  Lehrkräfte  besafiB.  Aber  mit  der  sich  weiter  entwickelnden  Wissen- 
schaft und  der  jetzt  entstehenden  Scholastik  steigerte  sich  auch  das 
Wandern  der  Studierenden.  Besondere  Anziehungskraft  äufserte  Paris 
und  Oxford.  Wenn  Spiegel  von  dieser  englischen  Universität  behaup- 
tet, unter  Heinrich  IH.  seien  dort  30  000  Studenten  gewesen  (S.  53),  so 
ist  dazu  zu  bemerken,  dafs  die  übertrieben  hohen  Zahlen  mittelalterlicher 
Hochschulen  neuerdings  vielfache  Zweifel  hervorgerufen  haben,  und  dafs 
man  die  grofsen  Ziffern  von  ehedem  jetzt  in  der  Regel  beträchtlich  re- 
duziert 

Nach  kirchlicher  Vorschrift  sollten  Studenten  nur  dann  ausgeweiht 
werden,  wenn  sie  den  Nachweis  eines  hinreichenden  Einkommens  geben 
konnten.  Dies  waren  viele  nicht  imstande  und  blieben  deshalb  möglichst 
lange  auf  der  Schule,  wo  zu  Zeiten  zügellose  Sitten  herrschten.  Sodann 
aber  begannen  sie  ein  unstetes  Wanderleben. 

»Aus  solchen  steUenlosen  und  durch  die  Wanderung  bald  jedem 
ernsten  Streben  abhold  gewordenen  jungen  Klerikern,  verschwenderisch, 
solange  das  Geld  vorhielt,  ruhmredig  gegen  andere,  roh  und  moralisch 
verkommen,  wie  sie  auf  den  Schulen  geworden,  bildeten  sich  die  Scharen 
der  Vaganten.« 

Den  Übergang  von  der  Geschichte  der  Hochschulen  zu  der  der 
Lateinschulen  und  Gymnasien  mögen  zwei  Bände  der  Monumenta  Ger- 


Batie  Studiorum  et  Institotiones  Scholasticae  Societatis  Jesu.         43 

maniae  Paedagogica  bilden,  welche  auch  beide  genannte  Schulgattangen 
betreffen: 

Ratio  Studiorum  et  Institutiones  Scholasticae  Societatis 
Jesu  per  Germaniam  olim  vigentes  coUectae  concinnatae  dilucidatae  a 
G.  M.  Pachtler  8.  J.  Tomus  I.  Ab  anno  1641  ad  annum  1599. 
Berlin.  A.  Hofmann  u.  Comp.  1887.  LIII  und  460  S.  (Bd.  II  der 
von  Karl  Eehrbach  herausgegebenen  Monumenta  Gennaniae  Paeda- 
gogica). 

Entsprechend  dem  die  verschiedenen  Eonfessionen  in  sich  schliefsen- 
den  Charakter  des  grofsartig  angelegten  Unternehmens  folgt  als  Bd.  II 
ein  aus  dem  Jesuitenorden  hervorgegangenes  Werk,  nachdem  der  erste 
Band  die  protestantischen  Schulordnungen  Braunschweigs  gebracht  hat. 
Der  Herausgeber  Pachtler  hat  sich  längst  durch  pädagogische  Arbeiten 
bekannt  gemacht,  die  freilich,  da  sie  im  Geiste  seines  Ordens  geschrie- 
ben waren,  vielfachen  Widerspruch  gefunden  haben. 

Das  umfangreiche  Vorwort  gibt  Auskunft  über  die  verschiedensten 
Fragen.  Die  Materialien  entstammen  unter  anderem  auch  dem  Archiv 
der  deutschen  Ordensprovinz  der  Gesellschaft  Jesu.  »Die  Ges.  J.  hat 
keinen  Grund  zu  Geheimhaltung  jener  Schätze,  sie  findet  im  Gegenteile 
in  der  Veröffentlichung  derselben  eine  ruhmreiche  Rechtfertigung  ihres 
Wirkens  und  ihrer  Geschichte.«  Doch  haben  auch  andere  Archive  und 
zahlreiche  Privatleute  von  ihrem  archivalischen  Reichtum  beigesteuert. 

Am  schmerzlichsten  vermifst  der  Verfasser  örtliche  Schulvor- 
schriften  vonseiten  der  Ordensoberen,  einzelne  Disziplinarverfügungen, 
Schuldiarien,  Lektionspläne,  Tisch-  und  Konviktsordnungen.  Wenn 
Pachtler  fortfährt:  »Wohl  mag  noch  einiges,  der  Himmel  weifs  wo,  in 
abgelegenen  Winkeln  schlummern,  aber  das  Meiste  ist  unwiederbringlich 
verloren.  Denn  zur  Zeit  der  Unterdrückung  des  Ordens  ist  man  aus 
Unkenntuiss  und  Leidenschaft  mit  jenen  Papieren  umgegangen,  wie  der 
Wind  mit  den  Blättern  der  Sibylla,«  (S.  VII),  so  darf  vielleicht  gefragt 
werden,  ob  es  eine  ausgemachte  Sache  ist,  dafs  solche  »örtliche  Schul- 
Vorschriften«  so  zahlreich  vorhanden  gewesen,  und  wenn  dies  der  Fall, 
^  ob  sie  in  der  That  von  so  allgemeinem  Interesse  und  von  solcher  Be- 
deutung gewesen,  dafs  es  angezeigt  ist,  ihren  Untergang  sehr  zu  be- 
klagen. 

Bezüglich  der  gedruckten  Litteratur  erklärt  Pachtler,  dafs  »Partei- 
schriften mit  ihrer  Grundlage  von  Vorurteilen«  für  seine  Darstellung 
keinen  Wert  hatten.    In  der  Sache  wird  man  dem  Verfasser  nur  Recht 

« 

geben  können,  dafs  Parteischriften  keine  mafsgebenden  und  zuver- 
lässigen Quellen  sind.  Aber  als  Parteischriften  dürfen  nicht  alle  Schrif- 
ten bezeichnet  werden,  welche  dem  Jesuitenorden  nicht  günstig  sind. 
In  der  Znsammenstellung  der  häufiger  benutzten  gedruckten  Schriften 
S.  XLIV  —  LIII  wird  zu  den  Arbeiten  von  Wolfgang  Bauer  (Aus  dem 


46  Scholgeschiehte. 

Sodann  folgt  ein  umfangreicher  Abschnitt  über  die  archivalischen 
Quellen  p.  XXI — XLIY,  der  eine  stattliche  Reihe  von  Quellen  verzeich- 
net. Eine  Aufzählung  der  häufiger  benutzten  Druckschriften  beschliefst 
das  Vorwort. 

Wir  müssen  uns  mit  Rücksicht  auf  den  hier  zu  Gebote  stehenden  Raum 
damit  begnügen,  von  der  an  das  Vorwort  sich  anschliefsenden  Urkunden- 
publikation nur  das  Wichtigste  hervorzuheben.  Teil  I  enthält:  a.  Son- 
derrechte im  Schulwesen,  welche  der  h.  Stuhl  der  Ges.  J.  verliehen  hat 
(Unterabteilungen:  Schulen,  akademische  Grade,  Kollegien,  Besitz  der 
Gesellschaft  Jesu,  Gebäude).  —  b.  Die  Konstitutionen  der  Ges.  J.  über 
das  Schulwesen.  —  c.  Die  Beschlüsse  der  Generalkongregation  der  Ges. 
J.  über  das  Schulwesen  von  1558-1883.  —  d.  Auf  das  Schulwesen  be- 
zügliche Regeln  der  einzelnen  Ämter  der  Ges.  J.  (für  den  Provinzial 
und  Rektor). 

Der  zweite  Teil,  enthaltend  die  örtlichen  Vorschriften  über  das 
Schul-  und  Erziehungswesen  der  Ges.  J.  bis  zum  Jahre  1599,  ist  be- 
sonders stoffreich;  er  besteht  aus  53  Nummern.  Beispielsweise  seien 
daraus  angeführt  Stellen  aus  Briefen  des  seligen  Petrus  Ganisius,  die 
älteste  Einrichtung  des  CoUegs  zu  Köln  a.  R.,  Statuten  der  Universität 
von  Trier  von  1562,  älteste  Studienvorschriften  über  das  Collegium  Ro- 
manum  1566,  Lektionsplan  des  Würzburger  Jesuitenkollegiums  im  ersten 
Jahr  seines  Bestehens  1567,  Lektionsplan  der  humanistischen  Klassen 
zu  Ingolstadt  1568,  Lektionspläne  des  Kölner  Jesuitengymnasiums,  eine 
Disputationsordnung  von  1580,  Verordnungen  Aquavivas  über  Schulvisi- 
tationen u.  a. 

Der  dritte  Teil  besteht  aus  folgenden  Unterabteilungen :  a.  Kolle- 
gien, b.  Collegium  Germanico-Hungaricum  bis  1599.  c.  Konvikte  und 
Seminarien.  Die  hier  mitgeteilten  wertvollen  Urkunden  beziehen  sich 
auf  Ingolstadt,  Dilingen,  Graz.,  Köln,  Löwen,  München  etc.,  zum  Teil 
haben  sie  auch  ganz  allgemeine  Gültigkeit. 

So  dankbar  wir  für  dieses  reiche  Urkundenmaterial  sein  müssen, 
so  mögen  doch  hier  einige  Punkte  angemerkt  sein,  die  ich  mir  beim 
Studium  des  Werkes  notiert  habe: 

Zu  p.  XIX:  Die  Aufzählung  der  Provinzen  des  Jesuitenordens 
wäre  besser  ersetzt  worden  durch  eine  Beschreibung  oder  eine  Karte  der 
Provinzen,  aus  der  man  die  Ausdehnung  derselben  genau  erkennen  könnte. 

Zu  p.  XIX:  Ausdrücke  wie  Domus  probationis,  Residentiae, 
Missiones,  Socii  mufsten  genau  erklärt  werden;  denn  selbst  die  Mehr- 
zahl der  katholischen  Leser  wird  diese  Ausdrücke  schwerlich  erklären 
können,  wie  viel  weniger  die  protestantischen,  für  welche  das  Buch  doch 
auch  geschrieben  ist. 

Zu  p.  XXYIII  sollte  bemerkt  sein,  wo  sich  das  Archiv  der  deutschen 
Provinz  der  Ges.  J.  zur  Zeit  befindet,  welches  so  zahlreiche  Vorlagen 
geliefert  hat    Doch  wohl  in  Rom? 


Die  sftchsisch-siebenbürgiBcheD  SchalordDongen  47 

Wenn  aber  die  Gesellschaft  Jesu  bei  ihrer  Verbreitung  im  16.  und 
17.  Jahrhundert  auf  so  entschiedenen  Widerstand  gerade  bei  den  Katho- 
liken stiess,  so  mrd  jeder  Leser  dieses  Werkes  die  Ursachen  dazu  fin- 
den. Man  vgl.  z.  B.  S.  1  §  1,  S.  2  §  3  und  viele  andere.  Der  §  1 
mufste  zu  mannigfachen  Kollisionen  mit  den  geordneten  Vorlesungen  an 
den  Universitäten  führen,  womit  die  Vertreter  der  letzteren  sicherlich 
nicht  einverstanden  sein  konnten.  Als  besonders  lästig  dürfte  aber  §  3 
empfunden  worden  sein,  der  folgendermafsen  lautet:  »Alle  Studierenden, 
welche  in  unsern  Kollegien  Philosophie  oder  Theologie  gehört  haben, 
können  auf  jeder  Universität  zu  den  Graden  zugelassen  werden,  und  die 
in  den  genannten  Kollegien  zurückgelegten  Kurse  müssen  ihnen  ange- 
rechnet werden;  wenn  sie  daher  ihre  Prüfung  gehörig  bestanden  haben, 
so  können  und  müssen  sie  nicht  in  geringerem,  sondern  in  gleichen  Mafse, 
als  wenn  sie  auf  den  Universitäten  selbst  studiert  hätten,  zu  allen  Gra- 
den zugelassen  werden.  (Pius  V.)<  Man  mache  sich  einmal  eine  Situa- 
tion klar,  wie  sie  diese  Bestimmung  zuläfst:  in  derselben  Stadt  bestehen 
z.  B.  eine  Universität  und  ein  Jesuitenkollegium  neben  einander.  Das 
letztere  hat  einen  grofsen  Zuflufs  von  Schülern,  die  es  in  den  jahrelang 
dauernden  Kursen  ausbildet,  ohne  sich  im  geringsten  um  die  Universität 
zu  kümmern.  Wie  nun  aber  die  Zeit  herannaht,  wo  die  akademischen 
Grade  durch  Prüfungen  erworben  werden  sollen  (und  der  Besitz  dieser 
akademischen  Grade  verschaffte  mancherlei  Vorteile),  da  erscheinen  die 
Zöglinge  der  Jesuiten  als  Examinanden  vor  dem  Lehrer  der  Universität, 
die  sie  bisher  nicht  beachtet,  deren  Vorlesungen  und  Übungen  sie  nicht 
besucht  haben,  um  sich  bei  ihnen  alle  die  Vorteile  zu  erwerben,  die 
deren  eigene  Schüler  nur  durch  jahrelangen  Fleifs  und  Ausdauer  bei  dieser 
selbst  erwarben.  Kein  billig  Denkender  wird  sich  wundern,  wenn  er  in 
der  Geschichte  der  Universitäten  liest,  dafs  überall  Händel  entstanden,  wo 
die  Jesuiten  in  die  Universitätsstädte  einzogen.  Das  ist  nur  ein  Beispiel. 
Was  wir  auf  S.  3  als  §  2  ff .  lesen,  gibt  Anlafs  zu  ähnlichen  Erwägungen. 

Doch  genug  davon.  Das  ist  kein  Tadel  gegen  den  Herausgeber, 
dem  wir  vielmehr  für  seine  Arbeit  zu  lebhaftem  Danke  verpflichtet  sind. 
Nur  möchte  ich  zum  Schlufs  noch  zur  Erwägung  geben,  ob  es  nicht  für 
dieses  Werk  wie  für  das  ganze  Unternehmen  besser  wäre,  wenn  der  ge- 
plante Umfang  dieser  Publikation  bedeutend  verkürzt  wird. 

Ebenfalls  zu  dem  Sammelwerk  der  Mon.  Germ.  Paedag.  gehört: 

Dr.  Friedrich  Teutsch,  Professor  in  Hermannstadt,  die  sieben- 
bürgisch-sächsischen  Schulordnungen  mit  Einleitung,  Anmerkungen  und 
Register.  Erster  Band.  1643 — 1778.  Berlin.  A.  Hofmann  &  Co.  1888. 
80  CXXXVIU  und  416  S.  (Bd.  VI  der  von  Karl  Kehrbach  heraus- 
gegebenen Monumenta  Germaniae  Paedagogica). 

Der  kernige  Stamm  der  Siebenbürger  Sachsen  wohnt  zwar  weit 
ab   vom   deutschen  Vaterlande,   aber   hat  bis  jetzt  mit  germanischer 


48  Schulgeschichte. 

Zähigkeit  an  seinem  Volkstum  festgehalten,  und  so  konnten  seine  Schul- 
ordnungen Aufnahme  in  das  Unternehmen  der  Monumenta  Germaniae 
Paedagogica  finden. 

Das  Werk  ist  von  dem  Verfasser  im  Auftrag  der  sächsichen  Mittel- 
schulen Siebenbürgens  dem  evangelischeu  Bischof  Dr.  Greorg  Daniel 
Teutsch,  dem  tapferen  Vorkämpfer  für  das  Deutschtum,  seines  Volkes, 
zum  70.  Geburtstage  gewidmet. 

Zum  ersten  Mal  erscheinen  hier  die  sächsisch^iebenbürgischen  Schul- 
ordnungen vollständig  gesammelt,  wiewohl  einzelne  schon  vielfach  benatzt, 
auch  in  Gelegenheitsschriften,  wie  Schulprogrammen,  veröffentlicht  wor- 
den sind.  »Der  Gang  des  geistigen  und  sittlichen  Lebens  im  sächsichen 
Volk  wird  aus  denselben  besser  erkannt,  das  Ringen  des  Volkes,  auch 
in  der  stillen,  tiefernsten  Arbeit  der  Schule  die  hier  so  oft  schwer  be- 
drohten Güter  des  deutschen  Volkstums  zu  schützen  und  zu  kräftigen, 
seinem  vollen  Wert  nach  beurteilt  werden  können. c 

Der  Verfasser  meint,  man  merke  auch  den  siebenbürgischen  Schu- 
len an,  dafs  diejenigen,  welche  sie  gründeten  und  erhielten,  300  Jahre 
mit  den  Türken  kämpften.  Bezeichnend  sei,  dafs  die  Schalen  in  der 
Nähe  jener  Kirchen  stehen,  für  die  sich  ein  eigener  »VerteidigongsstiU 
entwickelt  habe. 

Aus  der  »historisch-kritischen  Einleitungc  erfahren  wir  zunächst, 
dafs  die  deutsche  Schule  in  Siebenbürgen  bis  in  den  Anfang  des  14.  Jahr- 
hunderts hinauf  nachweisbar  ist,  dafs  sie  aber  vermutlich  noch  weiter 
hinaufreicht  Aber  die  Angaben  bleiben  bis  zum  Anfang  des  15.  Jahr- 
hunderts dürftig.  Einen  besseren  Einblick  gewähren  erst  zwei  Urkunden 
von  1438  und  1439. 

Von  Anfang  an  hat  die  sächsisch-siebenbürgische  Schale  zwei  Kenn- 
zeichen, die  ihr  bis  zur  Gegenwart  geblieben  sind:  sie  steht  im  Schutz 
der  Kirche  und  ihre  Schulgemeinde  deckt  sich  mit  der  deutschen  Ge- 
meinde, sodafs  die  Schule  zur  Gemeindesache  wird. 

Die  Entwickelung  dieser  Schulen  hat  sich  im  engen  Anschlufs  an 
das  deutsche  Geistesleben  vollzogen.  Die  eigentlichen  Schulordnungen  be- 
ginnen erst  mit  der  Reformation. 

Den  Stoff  hat  der  Verfasser,  soweit  er  ihn  aus  handschriftlichen 
Vorlagen  schöpfen  mufste,  aus  zahlreichen  Archiven  gesammelt,  von  denen 
aber  keines  aufserhalb  Ungarn-Siebenbürgen  liegt.  Die  Grundsätze  der 
Herausgabe  sind  die  von  Karl  Kehrbach  im  Plan  der  MGP  aufgestellten 
mit  einigen,  schon  von  Koldewey  beim  ersten  Band  der  MGP  angebrach- 
ten Modifikationen. 

Die  erste  erhaltene  ausführliche  Schulordnung  ist  in  der  Kirchen- 
ordnung des  Honterus  vom  Jahre  1548  enthalten.  Jakob  Honterus  aus 
Kronstadt,  ein  Mann  mit  gediegener  humanistischer  Bildung,  wurde  im 
Verein  mit  Luther  und  Melanchthon  der  Reformator  des  siebenbürgischen 
Sachsenlandes.    Seine  1543  erschienene  Reformatio  ecclesiae  Coronensis 


Die  s&chsisch-BiflbeDMrgiaehen  Schalordnnngen.  49 

ae  totius  Baroensis  provinciae  (der  Eirefae  von  Kronstadt  und  dem  Bar- 
zenlande)  wurde  im  gleichen  Jahre  von  Melaachtbon  in  Wittenberg  mit 
Vorrede  herausgegeben.  Der  Abschnitt  »De  scholisc  enthält  die  Gmnd- 
zftge  der  nenen  Entwickelang.  In  erweiterter  Gestalt  wurde  das  Bttchlein 
durch  die  Landesuniversität,  d.  h.  durch  die  politische  Volksvertretung 
des  Sachsenlandes  zum  Gesetz  erhoben. 

Über  die  Bedeutung  der  Honterschen  Schulordnung  sagt  Teutsch: 
»Diese  selbst  ist  nun  der  erste  praktische  Ausdruck  der  Thiti^eit  auf 
dem  Gebiet  der  Schule  im  Reformationszeitalter.  An  deutsche  Vorbilder 
anschüefsend,  nahm  sie  doch  sehr  vieles  von  den  bestehenden  Sehul- 
zttständen  auf  und  ist  zugleich  fftr  die  Einrichtung  der  anderen  Gymna- 
sien im  Sachsenland  Vorbild  geworden.  So  ist  denn  Honterus  in  der 
That  fttr  uns  Luther  und  Mel«ichthon  zugleich  gewesen-c 

Neben  der  Schulordnung  ist  speciell  die  Organisation  der  Eron- 
stftdter  Schule  das  Werk  des  Honterus.  Er  geht  dabei  weit  über  das 
in  Deutschland  damals  Übliche  hinaus:  neben  Grammatik,  Dialektik  und 
Rhetorik  erscheint  auch  Griechisch  und  Musik,  ja  sogar  Geographie  und 
Arithmetik.  Ob  sich  ftbrigens  dieser  erweiterte  Lektionsplan  nicht  aus 
dem  Mangel  einer  siebenbttrgischen  Universität  in  damaliger  Zeit  erklärt? 

Honterus  und  sein  Mitarbeiteer  Val.  Wagner,  sein  Nachfolger  im 
Eronstädter  Pfarramt,  haben  eine  lange  Reihe  von  Schulbflchern  heraus- 
gegeben, welche  p.  XVU  ff.  zusammengestellt  sind,  die  aber  zum  gröfsten 
Teil  Nachdrucke  oder  Bearbeitungen  von  Werken  anderer  sein  dttrften. 
Fflr  die  Leges  hat  Teutsch  die  Abhängigkeit  von  Heiden  erkannt,  fbr 
die  LehrbücJier  besonders  des  Honterus  ist  sie  noch  festzustellen. 

Daran  reiht  sich  der  Beschlufs  der  sächsischen  Nationaluniver* 
sität  vom  Jahre  1546.  Unter  Nationaluniversität  verstand  man  die  seit 
1466  rechtlich  bestehende,  mit  grofsen  Rechten  ausgestattete  Gesamt- 
vertretung der  sächsischen  Nation,  die  auch  in  Kirchen-  und  Schulsachen 
beschlofs. 

Weiter  folgt  ein  Gutachten  des  sonst  in  Folge  dogmatischer  Strei- 
tigkeiten nicht  eben  gut  beleumundeten  Franz  Stancarus,  das  derselbe 
1649  über  die  Hermannstädter  Schule  abstattete. 

Die  Anordnung  des  Stoffes  ist  nun  die,  dafs  in  der  Einleitung  die 
nötigen  Angaben  über  die  veröffentlichten  Aktenstücke,  ihre  Geschichte, 
die  etwaige  handschriftliche  oder  gedruckte  Vorlage  und  dergl.  gemacht 
werden,  woran  sich  sodann  der  Abdruck  der  Aktenstücke  selbst  schliefst 
Dieselben  umfassen  die  Jahre  1643  bis  1778. 

Mit  S.  847  beginnen  sodann  die  Anmerkungen,  welche  sprachliche 
und  sachliche  Erläuterungen  geben.  Aus  diesen  Anmerkungen  ergibt 
sicli,  dafs  d^  Verfasser  mit  der  nicht  ganz  kleinen  Litteratur  des  sieben- 
btlrgischen  Saohsenlandes  sehr  gut  vertraut  ist  Manchmal  aber  hätte 
man  eine  noch  weitergehende  Berttcksiohtigung  der  deutschen  Litteratur 
gewtlnBoht 

Jahresbericht  für  Alterthus&swissensdutft.  LXIX.  Bd.  (1891.  lU.)  4 


50  8chalge8chichte. 

Ein  Verzeichnis  der  mehr&ch  erwähnten  Schriften  und  ein  Inhalts- 
verzeichnis beschliefsen  den  stattlichen  Band. 

Im  einzelnen  gewährt  die  Lektüre  viele  wertvolle  Bereicherangen 
zur  Schulgeschichte.  Auf  S.  3  z.  B.  erfahren  wir,  dafs  die  siebenb&r- 
gischen  Schulen  im  16.  Jahrhundert  kein  Schulgeld  erhoben  (praeceptores, 
qui  publicis  stipendiis  contenti,  omme  genus  disciplinarum  gratis  docent). 

Auf  S.  5  ist  mit  klaren  Worten  gesagt,  dafs  nur  der  Rektor  der 
Schule  seinen  Qehalt  vom  Senat,  d.  h.  nach  unserer  heutigen  Sprech- 
weise von  der  Regierung  bezieht,  dafs  aber  seine  Gehilfen  (die  synergi 
und  der  aedituus)  vom  Rektor  besoldet  werden,  »damit  beide  (d.  h.  der 
Senat  und  der  Rektor)  dienstwilligere  Untergebene  haben.«  Vgl.  dazu 
S.  6  Z.  36  und  37. 

Jedenfalls  führte  die  Schule  zu  Kronstadt  ihre  Schüler  viel  weiter 
als  die  meisten  deutschen  Lateinschulen  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahr- 
hunderts. So  ist  z.  B.  wiederholt  neben  Rhetorik,  Dialektik  und  Geo- 
graphie auf  die  Mitteilung  des  Griechischen  hingewiesen:  exercitium 
grammaticae  graecae  et  latinae  tota  septimana  nunquam  praetermittatur 
(S.  7  Z.  15)  oder  una  lectio  graeca  quotidie  in  schola  continuetur  (S.  7 
Z.  19.) 

Geschichte  der  Hochschulen  und  sonstigen  Schulen  betrifft: 

Dr.  Paul  Wiegand  Heinrich  W.  J.  Thierschs  Leben  (zum  Teil 
von  ihm  selbst  erzählt).  Mit  Thierschs  Porträt  in  Stahlstich.  Basel, 
Schneider.    1888.    8^.  XX  und  464  S. 

Obgleich  der  Mann,  dessen  Leben  dieses  Werk  erzählt,  Theologe 
war,  so  mufs  es  an  dieser  Stelle  doch  behandelt  werden.  Denn  der 
Theologe  Thiersch  ist  der  Sohn  des  berühmten  Philologen  Friedrich 
Thiersch,  des  Praeceptor  Bavariae,  und  so  erzählt  das  erste  Kapitel 
das  Leben  des  bayerischen  Philologen  und  Schulmannes.  Sodann  aber 
wird  Heinrich  Thierschs  Schul-  und  Studienzeit  eingehend  geschildert, 
und  wir  erhalten  damit  ein  Stück  Geschichte  'deutschen  Schullebens. 
Femer  hat  Heinrich  Thiersch  durch  seine  akademische  Thätigkeit  and 
seine  im  Jahre  1867  erschienene  Schrift  über  die  »Zurückfilhrung  des  Gym- 
nasialunterrichts  zur  Einfachheit!  auch  einige  Bedeutung  ftlr  die  Entwicke- 
lung  des  höheren  Unterrichts  in  Deutschland. 

Der  erste  Abschnitt  des  Buches  »das  väterliche  Haust  ist  nur  ein 
Auszug  aus  dem  grofsen,  zweibändigen  Werke,  worin  der  Sohn  Heinrich 
das  Leben  und  Wirken  seines  Vaters  feierte,  und  das  1866  in  Heidel- 
berg erschienen  ist.  Wir  sehen  deshalb  an  dieser  Stelle  von  einer  Wie- 
dergabe genannten  Abschnittes  ab. 

Der  Herausgeber  konnte  für  die  Fortsetzung  eine  Autobiographie 
Heinrich  Thierschs  benützen,  welche  sich  in  dessen  litterarischem  Nach- 
laß fand  und  sein  Leben  bis  zum  60.  Jahre  darstellte. 

Heinrich  Th.  wurde  den  6.  November  1817  zu  München  geboren. 


Wiegand,  Heinrich  W.  J.  Thienchi}  Leben.  51 

wo  sein  Vater  damals  noch  Gymnasialprofessor  war.  Die  Paten  des 
erstgeborenen  waren  Schelling  und  Friedrich  Roth,  ebenfalls  Protestanten, 
wie  Vater  Th.  selbst. 

Durch  den  Privatlehrer  Servatns,  Dr.  Schmetzer,  den  Vorstand 
einer  Privatschule,  sowie  durch  den  eigenen  Vater  vorgebildet,  trat  H. 
1827  in  das  neue  Gymnasium  zu  Manchen  ein,  welches  jetzt  Ludwigs- 
Gymnasium  heifst  Im  Jahre  1829  ttbergab  ihn  der  Vater  der  lateinischen 
Schule  zu  Nürtingen,  einer  jener  trefflichen  Schulen  der  altwürttember- 
gischen  Art,  für  welche  der  Vater  Th.  eine  grofse  Schwärmerei  hatte, 
und  die  auch  auf  den  Sohn  übergegangen  zu  sein  scheint.  Der  Rektor 
Planck  legte  allen  Nachdruck  auf  das  Lateinische.  Im  Griechischen 
wurde  weniger  geleistet.  Die  ganze  Einrichtung  dieser  jetzt  nicht  mehr 
vorhandenen  Schulen  findet  hohe  Anerkennung,  nur  die  »altwttrttem- 
bergischen  Tatzent  sind  ein  düsterer  Schatten  in  dem  sonst  so  hellen  Bild. 

Im  Jahre  1829  trat  Th.  in  das  alte  (jetzt  Wilhelms-;  Gymnasium 
ein,  wo  er  das  Glück  hatte,  1831  und  1832  den  bekannten  Philologen 
Bernhard  Spengel  als  Lehrer  zu  haben.  Th.  hatte  die  Empfindung,  in  dem 
einen  Jahre  bei  Spengel  mehr  gelernt  zu  haben  als  in  allen  anderen 
Klassen  der  Schule.  Ganz  besonders  genufsreich  war  bei  diesem  Lehrer 
die  Lektüre  des  Auetor  ad  Herennium.  1833  bestand  Th.  die  Abiturien- 
tenprüfung (Th.  braucht  die  Bezeichnung  »Absolutorialexamenlt),  wo- 
bei Döllinger  den  Vorsitz  führte.  Wenn  Th.  fortfährt:  »Wir  wufsten 
nichts  von  den  geisttötenden  und  unmäfsigen  Anforderungen  einer 
preusHschen  Maturitätsprüfung ,  und  dieses  Examen  bildete  einen  ganz 
anmutigen  Schlufs  meines  Gymnasiallebens,«  so  läfst  sich  bezweifeln,  ob 
der  Verfasser  hier  mit  wirklicher  Sachkenntnis  oder  blofs  nach  Hören- 
sagen redet. 

Als  akademischer  Bürger  der  Münchener  Universität  hörte  er  neben 
Schelling,  der  ihn  sehr  fesselte,  besonders  seinen  Vater,  der  damals  in 
seiner  besten  Kraft  stand.  Seine  griechische  Litteraturgeschichte  war 
»ein  wahrhaft  grofsartiges  Kollegium.«  Daneben  las  er  über  Pindar, 
Äschylus*  Agamemnon,  Tacitus  Annalen  und  Ciceros  Tusculanen,  im  phi 
lologischen  Seminar  Plutarch,  Aristopbanes,  Lucrez  und  Velleius  Pater- 
culus.  Aber  auch  Spengels  Übungen  an  diesem  Seminar,  z.  B.  über  Varro 
de  lingua  latina,  waren  sehr  nützlich.  1834  bestand  Th.  die  philo- 
sophische Prüfung,  die  damals  in  Bayern  vor  dem  Fachstudium  vorge- 
schrieben war,  das  sogenannte  Fuchsenexamen. 

In  neue  Bahnen  gelangte  der  Student  im  Jahre  1836,  als  er  zum 
Studium  der  Theologie  nach  Erlangen  ging.  Mit  der  Philologie  war 
es  damit  aus:  »Döderlein  hielt  nur  selten  eine  Sitzung  des  Seminars. 
Der  grundgelehrte  Joseph  Kopp  kam  in  den  Vorlesungen  über  Piatos 
Eratylus  nur  etwa  bis  zum  fünften  Kapitel.«  (S.  39). 

Nachdem  Th.  das  theologische  Examen  in  Ansbach  bestanden, 
studierte  er  noch  ein  Semester  in  Tübingen,  wo  er  auch  Baur,  das  Haupt 

4* 


Se  MiDlgesdiidit«. 

der  Tabil^er  Schale,  wenifisteiR  oberflftehli^  keimen  lernte.  Sein  Prt- 
iwUtetfum  galt  dsmitls  defti  Text  der  Septoaginta  «nd  den  Hebraismen 
im  Griechischen  des  N.  T. 

Im  Jahre  1888  bestand  er  sein  Doktorexamen  in  Manchen,  unter 
seinen  40  Thesen  waren  die  besten,  welche  Textverbessemngen  in  den 
homerischen  Hjrmnen  gaben  nnd  die  von  Spengel  anerkannt  wurden. 
Schelling  opponierte  bei  der  Dispntation  im  schönsten  Latein.  Als 
Qnaestk)  inangnralis  trug  Th.  etwas  ttber  die  neugriechische  Sprache  vor. 

Nachdem  er  noch  1839  das  GymnasiaUehrerexamen  bestanden  hatte« 
wurde  er  im  Oktober  desselben  Jahres  theologischer  Repetent  in  Erlan- 
gen und  später  Professor  zu  Marburg. 

Aus  der  Fortsetzung  kommt  nur  weniges  für  den  »Jabresberiditc 
in  Betraeiit.  Th.  machte  schledite  Erfahrangen  mit  seinen  Zuhörern 
und  fami  den  Havpt-Grund  darin,  dafs  man  iSSd  in  Kurhessen  eine 
neue  Schulordnung  geschaffen  habe  in  der  Nachahmung  des  preufsischen 
Schulwesens  durch  Hassenpfiug  und  Vilraar.  »So  bekamen  wir  in  Hessen 
die  moderne,  preufsische  Vielwisserei,  noch  dazu  ohne  die  preufsisclie 
StiMunheit  und  PankUicUceitt  Man  kann  billigerweise  bezweifeln,  ob 
Th,,  der  nie  eine  preufsische  Schule  von  innen  gesehen  hat,  zu  einem 
sotohem  Urteil  berechtigt  war.  Aufserdem  bleibt  zu  bedenken,  ob  theo- 
logische Prüfungen,  bei  welchen  Th.  seine  Erfahrungen  und  Beobachtun- 
gen sammelte,  geeignete  Veranstaltungen  flir  solche  harten  Urteile  sind ! 
Auch  darf  maa  mit  Recht  fragea»  ob  nicht  Th.  durch  seine  Voreingenom- 
menheit vieles  anders  gesehen  hat,  als  es  in  Wiüirheit  gewesen  ist.  Jeden- 
ialls  Ist  Thierschs  Bericht,  der  auf  S.  384  ff.  abgedruckt  ist,  mit  kri- 
tischen Augen  zu  lesen.  Da  heilet  es  z.  B.  mit  kaiegorischer  Sicherheit 
nnd  einer  gewifs  zu  bezweifelnden  Allgemeinheit:  »Die  Studierenden 
der  Theologie  besitaen  mit  seltenen  Ausnahmen  schwache  Kenntnisse  im 
Lateinischen,  ebenso  schwache  im  Griechischen  und  noch  schwächere  im 
Hebr&ischein.c  »Es  bedarf  nur  noch  geringer  Zunahme  dieses  Übels, 
so  wird  dem  Professor  der  neutestamenUichen  Exegese  nichts  mehr  ftbrig 
sein,  als  die  Vorträge  ttber  den  Grundtext  in  Vorträge  Aber  den  deutschen 
Text  zu  verwandein.«  Das  neutestamentliche  Griechisch  ist  bekanntlich 
80  schwierig  nicht,  und  doch  hatten  die  Zuhörer  Th.*s  sieben  Jahre  lang 
griechischen  Unterricht  gehabt!  Sollte  hier  der  Sohn  des  bertthmten 
Oiieisten  Thiersoh  die  Dinge  nidit  schwärzer  gesehen  haben,  als  sie 
wirklich  waren? 

Das  Weric  über  den  jüngeren  Thiersoh  ist  eine  wertvolle  Gabe  zur 
Geschichte  der  Studien  und  der  Bildung  Deutschlands  im  19.  Jahrhun- 
dert. Wer  es  aber  benutzen  will,  wird  gut  daran  thun,  die  nötige  kritische 
Vorsicht  anzuwenden  und  das  »audiatur  et  altera  pars«  zu  ttben. 

Einem  früher  viel  gebrauchten  Lehrbuche  gilt  folgende  Arbeit: 


Lieb],  Disticfia  Cornnti  des  Jo.  t.  Ourlasdlt  ond  SchoKMt  GorDutos.      58 

Hins  Liebl,  Die  Dfslioha  Gornnü)  auch  Ooraatns  oder  Bistigram 
des  Jo.  V.  Garlandia  genannt,  and  der  Scholiast  GonMitas«  Mit  deai 
Text  des  Gonmtus  antiquos  und  doviis.  Stranbing  (Programm  der 
Kgl.  Studien-Anstalt  Straubing.) 

Unter  den  Lehrbftehera,  mit  weleben  die  Hnmanisten  die  scho- 
lastische Barbarei  des  Mittelalters  charakterisieren,  erscheint  mehrfach 
anch  der  Cornutus.  Wimpfeling,  Torrentinus  und  die  Epistolae  obscu- 
rorum  viromm  sind  einig  in  seiner  Vemrteihing.  Die  aahh*eiohen  er- 
haltenen Handschriften  desselben  beweisen,  dafs  er  Tiel  gebraucht  wurde, 
bis  er  am  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  verdienter  Vergessenheit  an- 
heimfiel. 

Nachdem  der  Verfasser  die  litterarischen  Nachrichten  ftber  Cor* 
nutns  zusammengestellt  hat,  zähh  er  die  von  ihm  zur  TextrezMMion  be- 
nutzten Handschriften  auf.  Es  sind  das  der  Cod.  ac.  Erlang.  264,  Cod.  lat 
Monac.  21, 666,  7678, 14958.    Der  Älteste  Druck  stammt  von  Hagenau  1489. 

Da  nicht  zu  erschliessen  war,  was  ursprüngliche  Lesart,  so  ver- 
fuhr der  Herausgeber  bei  der  Textgestaltung  eklektisch.  Von  S.  10-^27 
folgt  sodann  der  Abdruck  des  Werkes  mit  allem  gelehrten  Beiwerk. 

Von  dem  Werte  des  Lehrbuches  denkt  der  Herausgeber  selbst 
sehr  gering.  Er  bezeichnet  es  als  ein  vorsifiziertes  Fremdwörterbuch  flir 
Vorgeschrittenere,  durch  welches  »man  mit  Hilfe  eines  breiten  Kommen- 
tars, ohne  welchen  ein  Verstftndnis  unmöglich  sei,  Moralphiloeophie  und 
etwas  Grammatik,  hauptsächlich  aber  Etymologie c  lernte,  »eine  Vorschule 
der  Bibel.«  Er  pflichtet  dem  verwerfenden  Urteil  des  Erasmut  von 
Rotterdam  bei,  welcher  sagte:  »Deum  immortalem,  quäle  saeculum  erat 
hoc,  quum  magno  apparatu  disticha  Joannis  Garlandini  adolesoentibus 
operosis  ac  prolixis  commentariis  eaarrabantur?«   (8.  27.) 

Von  der  Wissenschaltliehkeit  der  Kommentare  zu  diesem  Buche 
erhält  man  einen  Begriff  z  B.  durch  folgende  Erklärung:  Reuma  dicitur 
a  removeo,  quia  removet  superfluas  (?)  liquores  de  cerebro«  (p.  290  Der 
Verfasser  sagt:  »Die  Kommentare  beweisen  6m  Abhandenkommen  jeder 
Kenntnis  des  Griechischen  und  die  Suchti  alles  zu  erklären  trotz  gäiuslicb 
unzureichender  Sprachkenntnis.« 

Auf  S.  85  ff.  stellt  der  Verfasser  die  Grtlnde  gegen  die  von  Hau- 
r^au  behauptete  Autorschaft  des  Johannes  von  Garlandia  zusammen. 

Leider  ist  die  sehr  ntltzliche  Schrift  durch  schlechtes  Papier  und 
noch  schlechteren  Druck  nur  schwer  zu  lesen. 

Theodor  Schwarz,  stud.  phil.  Über  den  Verfasserund  die  Quellen 
des  Rudimentnm  Novitiorum.  Eine  von  der  philosophischen  Facultät 
der  Universität  Rostock  gekrönte  Preisschrift.  Rostock.  (Verlag  von 
Wilh.  Lohmann  in  Braunschweig.)    1888.   8^.   80  8. 

Das  Radimf  ntum  Novitiorum  ist  eine  auf  Pergament  gedruckte  In- 
kunabel in  Folio,  von   dem  wie  von  seinen  zahlreichen  Abbildmwn 


54  Sdralgesehiehte. 

Schwarz  S.  1 — 12  eine  genaue  Beschreibung  gibt,  und  von  der  elf  Exem- 
plare nachgewiesen  werden. 

Der  Inhalt,  nach  sechs  Weltaltem  gegliedert,  ist  eine  Geschichts- 
darstellung  seit  Erschafifang  der  Welt  bis  herunter  auf  die  Geschichte 
der  Kaiser  und  Päpste,  nebst  mancherlei  Zuthaten.  Den  Schlufs  bildet 
ein  Martyrologium  oder  Calendarium  nebst  einem  Sachregister  mit  der 
Conclusio. 

Das  Rudimenturo,  das  ohne  historischen  Quellenwert  ist,  zeigt  die 
Einwirkung  dominikanischer  Werke  und  reiht  sich  damit  in  die  Kette 
von  Arbeiten  ein,  wie  die  eines  Yincenz  von  Beauvaix,  Martin  von  Troppau 
und  Heinrich  von  Herford.  Das  Buch  sollte  alles  Wissenswerte  vereinen 
und  somit  eine  ganze  Bibliothek  ersetzen. 

Der  anonyme  Verfasser  kann  nach  dem  Inhalt  weder  ein  Franzis- 
kaner noch  Dominikaner  gewesen  sein.  Von  klassischen  Schriftstellern 
eitiert  er:  Cicero,  Ovid,  Vergil,  Horaz,  Sueton,  Justin,  Plinius. 

Schwarz  sucht  den  Verfasser  des  Werkes,  das  1475  durch  Lucas 
Brandis  von  Schasz  gedruckt  wurde,  in  Lübeck,  ohne  aber  eine  bestimmte 
Persönlichkeit  namhaft  zu  machen. 

In  einem  weiteren  Abschnitt  stellt  der  Verfasser  die  sehr  zahlreichen 
citierten  Schriftsteller  zusammen.  Wenn  aber  Schwarz  annehmen  sollte, 
wie  das  seine  Meinung  zu  sein  scheint,  dafs  der  Verfasser  des  Rudi- 
mentum  alle  diese  QueUen  selbst  herangezogen  und  ausgeschrieben  hat, 
so  ist  dagegen  zu  bemerken,  dafs  die  Schriftsteller  jener  Zeit  die  Citate 
in  der  Regel  aus  ihren  meist  nicht  sehr  zahlreichen  Quellen  mit  über- 
nahmen. Mir  scheint  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dafs  die  zahl- 
reichen Citate  aus  einem  oder  einigen  wenigen  Schriftstellern  mit  dem 
Hauptinhalt  des  Werkes  mitabgeschrieben  sind. 

Die  weiteren  Abschnitte  über  das  Verhältnis  des  R.  N.  zum  Ghro- 
nicon  Slavicum  liegen  aufserhalb  des  Rahmens  dieses  Jahresberichts. 

Bevor  wir  uns  zu  der  Geschichte  der  einzelnen  Schulen  wenden, 
empfiehlt  es  sich,  zwei  Arbeiten  zu  besprechen,  welche  das  eigentliche 
Lehrziel  des  Gymnasiums  zu  bestimmen  suchen: 

Dr.  J.  K.  Fleischmann,  K.  Gymnasialprofessor  Das  Bildungs- 
ideal des  deutschen  Gymnasiums  in  seiner  geschichtlichen  Entwicklung 
bis  gegen  Mitte  des  XVIII.  Jahrhunderts.  Hof.  1888.  8^.  27  S.  (Pro- 
grammbeilage) 

Die  Schrift  verdankt  ihre  Entstehung  dem  Umstände,  dafs  der 
Verfasser  sich  geschichtlich  orientieren  wollte,  um  die  gegenwärtigen 
Bestrebungen  zur  Reform  des  Gyronasialunterrichtes  kritisch  würdigen 
zu  können.  Ohne  selbst  eigentliche  Quellenstudien  zu  machen,  hat  er  sich 
aus  guten  und  verbreiteten  Darstellungen  über  die  Geschichte  unseres 
höheren  Schulwesens  unterrichtet.  Neue  Gesichtspunkte  begegnen  des- 
halb ebenso  wenig  wie  neue  Thatsachen. 


J 


Fleischmann,  Bildongsideal  des  deutschen  Oymnaeiams.  55 

In  ansprechender  Form  werden  wir  kurz  belehrt  ttber  das  mittel- 
alterliche Schulwesen.  Im  16.  Jahrhundert  bildet  sich  durch  das  Zn- 
sammenwirken der  humanistischen  und  religiösen  Reform  eine  neue  Zeit 
für  die  Schulen.  »Der  Gedanke  einer  allgemeinen  wissenschaftlichen 
Vorbildung  kommt  wenigstens  im  protestantischen  Deutschland  deutlich 
zum  Ausdrucke.  (S.  7)  Der  ausgedehnte  und  eifrige  Betrieb  des  Grie- 
chischen neben  dem  Lateinischen  ist  eine  Errungenschaft  dieses  Zeit- 
alters. Der  berfthmte  Sturm  in  Strafsburg  formuliert  das  Lehrziel  der 
Zeit  als  sapiens  atque  eloquens  pietas. 

In  der  nächsten  Zeit  aber  verkümmert  das  Griechische  wieder:  es 
wird  zu  einem  blofsen  Anhängsel  des  lateinischen  Unterrichtes.  In  den 
protestantischen  Schulen  beschränkte  man  den  griechischen  Unterricht 
auf  die  Lektüre  des  N.  Testaments  Allmählich  erringen  sich  Geschichte 
und  Geographie  sowie  Mathematik  eine  selbständige  Stellung  im  Lehr- 
plan. In  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  erhält  sodann  der 
deutsche  Unterricht  die  Bedeutung  eines  besonderen  Lehrgegenstandes. 

Wenn  auf  S.  9  behauptet  wird,  dafs  im  Jahre  1538  die  sächsischen 
Schulen  durch  Luther  und  Melanchthon  eine  neue  Einrichtung  erhielten, 
so  ist  das  wohl  ein  Druckfehler  für  1528,  in  welchem  Jahre  der  »Unter- 
richt der  Visitatoren  an  die  Pfarrherrn  im  Kurfürstentum  Sachsenc  er- 
schien. Sodann  wurden  die  sächsichen  Schulen  eigentlich  nicht  neu  ein- 
gerichtet, sondern  man  fixierte  einen  schon  längst  vorhandenen  Zustand 
auch  schriftlich  Aufserdem  aber  gab  es  in  Sachsen  auch  Schulen,  in  wel- 
chen das  Dreiklassensystem  des  »Unterrichtsc  nicht  zur  Anwendung  kam, 
wie  z.  B.  in  der  berühmten  Zwickauer  Schule. 

Auch  die  Bemerkung  über  die  Terenzlektüre  (S.  21)  ist  nicht  ganz 
zutreffend.  Terenz  wurde  im  16.  und  16.  Jahrhundert  aufserordentlich 
häufig  gelesen,  weil  man  die  Schüler  lateinisch  sprechen  lehren  wollte^ 
wozu  die  lateinische  Eonversation  der  terenzischen  Lustspiele  sehr  wesent- 
lich beitrug.  Die  Terenzlektüre  diente  also,  wenigstens  in  erster  Linie, 
nicht  »der  Fertigkeit  im  lateinischen  Stil.« 

Aus  den  »Nachweisen  und  Erläuterungen«  (S.  19  ff.)  ersieht  man, 
dafs  der  Verfasser  eine  ausgedehnte  Litteratur  mit  Verständnis  be- 
nutzt hat. 

Oberlehrer  August  Fink.  Die  Idee  des  Gymnasiums  und  ihre 
Verwirklichung.  Teil  I.  (Beilage  zu  dem  Programm  des  Kgl.  Gym- 
nasiums zu  Meldorf.    1887.    Progr.  Nr.  265.    22  S.). 

Kein  kleines  Thema  für  eine  oder  auch  einige  Programmbeilagen! 
Worauf  es  dem  Verfasser  ankommt,  erfahren  wir  gleich  am  Anfange,  wo 
er  sagt:  »Welchen  Wert  haben  insonderheit  für  die  Idee  des  Gymnasiums, 
falls  eine  solche  nachweisbar  ist,  die  alten  Sprachen?  Verlegen  sie  mehr 
der  Jugend  den  Weg  zur  modernen  Kultur,  oder  bilden  sie  gar  den 
einzigen  Zugang  zu  derselben?    Bilden  sie  nur  formal,  wie  man  oft  be- 


56  SeholgMohiehta. 

havpten  hört,  oder  geben  sie  auch  die  inhattiidie  Chmadlage  für  wert- 
volle Provinzen  des  geistigen  Lebens  uaA  Strebens  ?  Ist  die  in  den  alten 
Sprachen  fliefisende  und  geformte  Gedankenwelt  durch  idealere  Antriebe 
geadeh  als  die  anderer  Sprachen?  Warum  das?  Was  heilist  flberhanpt 
ideale  Bildung  und  wozu  brauchen  wir  sie?  und  wie  rufen  wir  se  ins 
Leben,  Ms  wir  sie  brauchen ?t  Wir  sehen,  ein  ganzes  Ffillhom  von 
Fragen,  was  der  Verfasser  tlber  den  Leser  ausschtlttet. 

Derselbe  will  nun  aber  keine  Bdtftmpfung  von  Meinungen  und  Ein- 
richtungen geben,  es  ist  ihm  um  »ErschlieCsung  der  Saehec  zu  thun. 
Doch  soll  die  Untersuchung  durch  keine  apologetischen  Wftnsche  beein- 
flufst  werden.  Der  Verfasser  betont  offen,  dem  Neuen  lieber  zu  viel  Rechnung 
zu  tragen  als  zu  wenig.  »Es  war  nur  Sehnsucht  und  Schauen  mehr 
dem  erwachendem  weltgeschichtlichen  Tage  zugewandt,  als  dem,  welcher 
zu  Baste  gehen  will.c  Bescheiden  fährt  er  fort:  »Ich  bin  mir  wohl  be- 
wnfst)  dafs  ich  nur  zu  stammeln  vermag  von  dem,  was  die  hohen  M&chte 
des  Lebens  für  ihr  Reich,  welches  zu  uns  kommen  soll,  vorbereiten,  aber 
gleichwohl  möchte  ich  dies  Stammeln  selbst  nicht  missen,  um  alles  in 
der  Welt.«  (S.  4.)  Sodann  verspricht  uns  der  Verfasser,  er  wolle  nicht 
über  den  Stil  grübeln,  sondern  sich  das  Lob  der  Natürlichkeit  und  Wahr- 
heit verdienen. 

Aber  wie  fängt  er  nun  das  an?  Bezeichnend  ist  sogleich  der  An- 
fang seiner  Argumentation:  »Unterricht  und  Erziehung  gehören  in  die 
Sphäre  des  Menschlichen.  Gott  bedarf  ihrer  nicht  und  die  Lebeweseo 
unter  den  Menschen  fühlen  ihren  Wert  nicht.«  Und  so  geht  es  weiter 
in  dieser  »grauen  Theorie.«  Schliefslich  wird  festgestellt,  dafs  Lehrer 
und  Sdiüler  in  ihrem  Ordnungsverhältnis  zu  den  Eltern  nicht  isoliert 
in  der  Welt  stehen,  sondern  neben  vielen  andern,  unentbehrlichen  0^ 
ganen  sich  befinden.  Bis  auf  die  wesentlichen  Unterschiede  von  Mensch 
und  Tier  geht  der  Verfasser  zurück,  um  seine  Gedanken  möglichst  gründ* 
lieh  darzulegen.  Meist  schwebt  er  hoch  über  die  Erde  im  Nebel  eines 
Abstraktion,  die  keinen  Zusammenhang  mehr  hat  mit  dem  Boden  der 
täglichen  Lebens.  Daneben  stöfst  man  aber  doch  wieder  auf  rechte 
Trivialitäten,  wie  z.  B.  S.  12:  »Wir  Menschen  sind  keine  Engel  und  es 
ist  nur  gut,  dafs  wir  es  nicht  sind;  als  Engel  würden  wir  uns  in  dieser 
Welt  nicht  zurecht  finden  können;  wir  sind  aber  doch  einmal  drin  in 
dieser  Welt  und  müssen  uns  versuchen,  uns  darin  zurechtfinden.  Wollen 
wir  das  aber,  und  in  diesem  Wunsche  werden  wir  uns  alle  begegnen, 
die  wir  die  Nummer  ins  Menschliche  gezogen  haben,  denn  Einigkeit 
macht  uns  stark  gegen  die  gemeinsamen  Feinde,  so  müssen  wir  uns  mit 
einander  vertragen,  wir  müssen  die  Diagonale  der  wirkenden  Kräfte 
suchen,  jn  welcher  die  materieUe  und  die  ideale  Kultur  ihre  Aussöhnung 
finden  etc.c 

Ich  färohte,  dafs  es  den  meisten  Lesern  dieser  Arbeit  wie  mir  er- 


Fleischmaim,  Bildnngsideal  dts  dratschen  G^rmnasinms.  5T 

geben  wird:  sie  werden  sie  ermttdet  und  olme  Belehrung  bei  Seite  legen« 
In  der  Thai,  selebe  Arbeiten  blieben  besser  angedruckt 

Es  ist  Schade  «m  das  schöne  Thema:  »Die  Idee  des  Gymnasrams 
und  ihre  Terwirklicbnng.c  Darüber  liefse  sich  anziehend  nnd  lehrreich 
schreiben.  Es  wftre  die  Aufgabe  des  Yerfossers  gewesen,  seine  Frage 
zunächst  einmal  geschichtlich  anzufassen,  indem  er  uns  zeigte,  welche 
Auffassungen  von  dem  Wesen  des  Gymnasiums  in  der  Geschichte  snU 
getreten  sind.  So  würde  er  schliefslich  mitten  hinein  in  den  jetzt  toben- 
den Kampf  um  das  Gymnasium  geführt  worden  sein,  wobei  es  ihm  an 
litterarischen  Gegnern  nicht  fehlen  konnte.  Wenn  der  Verfasser  die 
Sache  fördern  und  nicht  blofs  zu  seinem  Privatvergnttgen  schreiben 
wollte,  so  mufste  er  sodann  mit  ehrlichem  Mute  den  GrUnden  der 
Gegner  auf  den  Leib  rücken.  Eine  Widerlegung  der  zahlreichen  Vor- 
würfe, die  man  jetzt  leider  passender  und  unpassender  Weise  gegen  das 
Gymnasium  schleudert,  wftre  verdienstlicher  gewesen  als  seine  nebel- 
haften und  unfafsbaren  allgemeinen  Betrachtungen,  aus  denen  nichts  zu 
lernen  ist. 

Nun  sagt  der  Verfasser  freilich,  es  sei  ihm  nicht  »um  Bekämpfung 
von  Meinungen,  sondern  um  Erschliefsung  der  Sachet  zu  tbun.  Aber 
wenn  nur  etwas  Rechtes  erschlossen  würde!  Wenn  es  sich  um  das  gegen- 
wärtige Gymnasium  handelt,  ist  es  nicht  nötig,  auf  den  Unterschied  von 
Mensch  und  Tier  zurückzugehen  Was  soll  dabei  herauskommen,  wenn 
man  bei  jeder  wissenschaftlichen  Streitfrage  mit  der  Schöpfung  anfängt? 

Für  wen  ferner  hat  der  Verfasser  geschrieben?  Für  das  grofse 
Publikum  gewifs  nicht,  das  von  diesen  abstrakten  Erwägungen  keinen 
Gewinn  davon  tragen  wird.  Aber  ebenso  geht  es  dem  kleineren  Kreise 
von  Leuten,  die  sich  für  den  Kampf  um  das  Gymnasium  interessieren. 
Nicht  einmal  die  gegenwärtigen  Streitpunkte  werden  klar.  Wenn  aber 
der  Verfasser  sagen  sollte,  er  habe  für  sich,  zu  seiner  eigenen  Beruhi- 
gung und  Belehrung  geschrieben,  so  ist  dagegen  zu  bemerken,  dat^  das 
ein  Mifsbrauch  der  sonst  so  schätzenswerten  Einrichtung  der  Programm- 
beilagen ist. 

Die  wichtigsten  Lehrgegenstände  in  der  Lateinschule  der  Vergan- 
genheit waren  Latein  und  Griechisch.  Wir  beginnen  deshalb  unsere 
Besprechung  der  Geschichte  der  Lateinschulen  und  Gymnasien  mit  einem 
zusammenfassenden  Werke  über  die  Geschichte  und  Methode  der  ge- 
nannten Fächer: 

Fr.  Aug.  Eckstein,  Lateinischer  und  griechischer  Unterricht 
Mit  einem  Vorwort  von  Dr.  W.  Sehr  ad  er.  Geh.  Beg.-Rat  und  Cura- 
tor  der  Universität  Halle.  Herausgegeben  von  Dr.  Heinrich  Heyden. 
Leipzig  Fues'  Verlag  (B.  Reisland.)    1887.   8^.   XIII  und  601  S. 

Das  vorliegende  opus  posthumum  ist  eine  Novität  nur  in  seinem 
zweiten  Teile,  soweit  es  sich  auf  den  griechischen  Unterricht  bezieht. 


58  Scholgeschichte. 

Der  Abschnitt  ttber  den  lateinischen  Unterricht  ist  der  bekannte  and 
vielbenttt2te  Artikel  aus  Schmids  Encyklopädie  des  gesamten  Erziehungs- 
Wesens.  Schrader,  der  das  Verdienst  hat,  die  Herausgabe  dieses  Baches 
aus  Ecksteins  litterarischem  Nachlafs  veranlafst  zu  haben,  ist  zwar  der 
Meinung,  der  Verfasser  selbst  hätte  den  Abschnitt  ttber  den  griechischen 
Unterricht  in  dieser  Form  nicht  veröffentlicht:  »er  würde  (diese  Vor- 
lesungen) inhaltlich  tiefer,  aus  dem  Schatz  seiner  Belesenheit  reicher 
ausgestattet  und  in  der  Form  mehr  abgerundet  haben.t  Gleichwohl 
riet  er  zur  Herausgabe,  weil  sie  die  reife  Erfahrung,  die  umfassende 
Litteraturkenntnis  und  den  mafsvoUen  Sinn  Ecksteins  bezeugen. 

Der  Herausgeber  Heyden,  ein  Schttler  Ecksteins  aus  dessen  letzter 
Zeit,  hat  das  Manuskript  seines  Lehrers  möglichst  genau  wiedergegeben, 
Änderungen  nur  an  den  Stellen  vorgenommen,  an  denen  E.  selbst  im 
Sommer  1884,  wo  er  zum  letzten  Mal  über  diesen  Gegenstand  Vorlesnn- 
gen  hielt,  anders  vortrug;  aufserdem  prüfte  er  die  meisten  Citate  nach 
und  fertigte  ein  Begister  der  Personennamen. 

Der  erste,  dem  lateinischen  Unterrichte  gewidmete  Teil  des  Baches 
behandelt  die  Geschichte  des  lateinischen  Unterrichtes  (S.  l — 136)  in 
folgenden  Abschnitten:  Geschichte  des  lateinischen  Unterrichtes  bei  den 
Römern  (S.  3  43),  im  Mittelalter  (S  43—62),  bei  den  Humanisten  seit 
dem  fünfzehnten  Jahrhundert  (S.  62 — 86),  in  der  lateinischen  Schule  vom 
16.-18.  Jahrhundert  (85 — 108),  im  Gymnasium  seit  Gesner  und  Ernesti 
(108—186).  Am  dürftigsten  ist  das  Mittelalter  behandelt  und  lassen  sieb 
jetzt  hierfür  aus  dem  fleifsigen  Buch  von  J.  A.  Specht,  Geschichte  des 
Unterrichtswesens  in  Deutschland  (Stuttg.  1885)  bedeutsame  Erweite- 
rungen gewinnen.  Vermutlich  ist  dieses  kurz  vor  Ecksteins  Tode  e^ 
schienene  Buch  demselben  nicht  mehr  zu  Gesicht  gekommen 

In  dem  dritten  Kapitel  sind  zunächst  die  Bemühungen  der  ita- 
lienischen Humanisten  geschildert,  die  Entdeckung  zahlreicher  Schriften 
der  Alten,  z.  B.  die  der  Archiana  1333  durch  Petrarca  zu  LütUch,  des 
Quintilian  Asconius  undValeriusFlaccus  durch  Poggio  in  St  Gallen  w&hrend 
des  Eonstanzer  Concils.  Zunächst  werden  die  Handschriften  fleifsig  abge- 
schrieben; nach  der  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  folgen  sodann  die  Drucke. 
Doch  nur  allmählich  hat  die  Kunst  Guttenbergs,  welche  anfangs  in 
Jtalien  nur  durch  Deutsche  ausgeübt  wurde,  die  vornehmere  Kalligraphie 
besiegt. 

Die  Humanisten  werden  Lehrer  und  Erzieher  der  Jugend.  Eine 
Reihe  von  humanistischen  Lehrschriften  über  Pädagogik  erscheint,  z.  B 
von  Vergerio  (De  ingenuis  moribus  et  liberalibus  studiis),  Maffeo  Vegio 
(De  educatione  liberorum  et  eorum  claris  moribus  libri  VI),  Filelfo 
(De  liberorum  educatione),  Battista  Guarino  (De  modo  et  ordine  docendi 
ac  discendi),  Greg.  Corrari  (Quomodo  educari  debeant  pueri),  Liou  Bruui 
(De  bonis  studiis).  In  den  meisten  derselben  wird  auch  von  der  Methode 
des  Unterrichts  kürzer  oder  ausführlicher  gehandelt    Zahlreiche  Gram- 


Eckstein,  lateinischer  and  griechischer  Unterricht.  59 

tnatiken  nach  hnmanistischem  Zuschnitt  erscheinen,  welche  das  Geschäft 
des  Lateinlemens  erleichtem  sollen. 

Als  Verfasser  solcher  Lehrbücher  sind  zu  nennen  z.  B.  Battisto 
Goarino  (Grammaticae  institationes  und  Carmina  differentialia),  Gian- 
Francesco  Boccardo  von  Brescia  (Pylades  Brixianus);  diese  beiden  stellen 
noch  eine  Art  von  Vorstufe  dar.  Ganz  humanistisch  sind  die  Bttcher 
von  Francesco  Negri  (Niger)  Nie.  Perotti,  Antonio  Mancinelli,  Giovanni 
Sulpicio,  Dionysius  Nester,  besonders  auch  Manuzio,  dem  man  zu- 
stimmte,  wenn  er  sagte:  Cum  incultos  et  barbaros  discimus,  t^es  et  ipsi 
evadimus. 

Die  empfohlenen  Schulschriftsteller  wechseln  bei  den  einzelnen 
Verfassern.  Über  Cicero,  Vergil,  Sallust,  Ovid,  Livius,  die  heute  noch 
Schulschriftsteller  sind,  erscheinen  auch  andere,  deren  Lektüre  jetzt  ent- 
schieden Bedenken  erregen  würde,  wie  Juv^nalis,  Persius,  Valerius, 
Maximus,  Mela,  Solinus.  iDie  Philosophie  soll  aus  Cicero,  die  Rhetorik 
aus  demselben  und  Quintilian  gelernt  werden.«  Die  schönsten  Stellen 
wurden  auswendig  gelernt,  plautinische  Stücke  aufgeführt,  besonders  an 
den  prachtliebenden  Höfen. 

Schriftliche  Übungen  wurden  anfangs  nur  in  geringem  Mafse  ver- 
anstaltet. Für  die  Imitatio  galt  als  Norm  der  Satz  Vallas:  Ego  pro  lege 
acclpio,  quidquid  magnis  auctoribus  placuit.  Anleitungen  zur  Ab- 
fassung  von  Reden  und  Briefen  entstehen  in  ziemlicher  Anzahl.  Die 
Bedeutung  der  humanistischen  Epistolographie  ergiebt  sich  auch  aus  der 
grofsen  Zahl  humanistischer  Briefsammlungen  Die  Schriftstücke  der 
italienischen  Kanzleien,  auch  der  päpstlichen,  gewinnen  ciceronischen 
Schwung.  Die  Ciceronianer  freilich  mit  ihrer  sklavischen  Nachahmungs- 
weise finden  auch  Gegner,  bis  am  Ende  des  16.  Jahrhunderts  in  Italien 
ein  Mifsvergnügen  am  Latein  entstand  und  viele  vorzogen  hetrusce 
hariolari  quam  latine  aut  graece  sapere,  wie  Sturm  sagt.  Gleichzeitig 
damit  verlor  der  Humanismus  seinen  Einflufs  in  Italien,  woran  neben 
der  grammatica  maledicentia  auch  der  Lebenswandel  mancher  Huma- 
nisten (keineswegs  aller  oder  auch  nur  der  meisten!)  schuld  war. 

Die  Deutschen  verhielten  sich  noch  in  der  Mitte  des  15.  Jahr- 
hunderts sehr  mifstrauisch  gegen  die  neue  Bildung,  wie  Enea  Silvio  de' 
Piccolomini  bezeugt,  der  1442  in  die  Reichskanzlei  Friedrichs  III.  ein- 
trat. Die  ersten  Vertreter  der  neuen  Wissenschaften  waren  sodann  neben 
einzelnen  Italienern  an  deutschen  Höfen  besonders  der  unstete  Peter 
Luder  von  Kislau,  Samuel  Karoch,  Ulrich  Gossembrot;  wichtiger  als 
diese  sind  sodann  Rudolf  von  Langen  und  Johannes  von  Dalberg;  da- 
gegen bestreitet  Eckstein,  dafs  die  Brüder  vom  gemeinsamen  Leben  einen 
Einflufs  auf  die  Verbreitung  des  Humanismus  hatten,  eine  Behauptung, 
welche  W.  Wattenbach  vor  Jahren  schon  drucken  liefs. 

Bedeutsam  war  der  Einflufs  der  Schule  von  Deventer,  von  wo 
der  Kampf  gegen  das  Doctrinaie  des  Alexander  de  Villa-Dei  ausging. 


CO  Mralgeidiichte. 

In  Dennter  hdfeea  die  HttiMnisten  yoa  Mfliuter  ihre  BUnng.  Der 
Wanderapostel  der  neuen  Lehre  war  Hermami  vo»  (besaer  vaa)  den 
Bnsebe,  der  in  Deventer  nad  Heidelberg  seine  Bildung  erworben  hatte, 
und  dessen  Yallam  humanitalis  (1618)  eine  Verteidignngsechrift  der  neuen 
BiMuDig  ist. 

Ein  ähnlicher  Mittelpunkt  für  Sttddeutschland  wurde  Heidelberg, 
besonders  in  der  Regierungszeit  Philipps  des  Anfrichtigen.  Die  Namen 
Agrieola,  Konrad  Geltis,  Dietrich  ?on  Pleningen  u.  a.  sind  in  dieser  Zeit 
Büt  Heidelberg  unzertrennlich  verbunden. 

Der  bedeutendste  Schüler  Deyenters  ist  Erasmus,  dessen  hervor- 
ragende Lehrschriften  eine  kurze  Besprechung  finden:  De  constructione 
libellus  (1615),  eine  sehr  präzise  Syntax,  Familiarium  cottoquiomm  for- 
mula  et  alia  quaedam  (1518)  für  Sprech-  und  Leseübungen,  ein  Auszug 
aus  Vallas  Elegantiae  zur  feineren  Kenntnis  des  Sprachgebrauchs,  De 
duplici  copia  verborum  ac  rerum  commentarii  duo  (1612),  phraseologische 
Sammlungen  zur  Variation  des  Ausdrucks,  Liber  de  conscribendis  epistolis 
(1622)  zur  Verbesserung  der  Epistolographie,  Adagia  (seit  1500),  Para- 
bolae,  Apophthegmata  (1531)  zur  Ausschmückung  der  Rede«  Dialogus 
Giceronianus  (1528),  durch  welchen  er  das  gewaltige  bellum  Gicero- 
niaaum  entzündete,  das  er  aber  gegen  seine  itaUenischen  und  französischen 
Gegner  verlor. 

Reuchlins  Bedeutung  liegt  auf  einem  anderen  Gebiete  als  dem  des 
Unterrichts.  Sein  Breviloquus,  eine  Jugendarbeit,  erhebt  sich  nicht  über 
die  mittelalterlichen  Vorgänge.  Doch  scharen  sich  um  ihn  die  Humanisten 
in  dem  Streit  gegen  die  Obskuranten. 

Von  grosser  Bedeutung  war  die  Thätigkeit  Bebeis  in  Tübingen. 
In  zahlreichen  Schriften  trat  er  für  die  Pflege  eines  besseren  Latein  ein: 
De  utilitate  latinitatis.  De  necessitate  linguae  latinae,  Commentoria  de 
abusione  latinae  linguae  apud  Germanos  et  de  proprietate  eiusdem,  Vo» 
cabolarius  externarum  leotionum  etc.  Aus  seiner  Schule  koramea  die 
zahlreichen  Grammatiker  des  Südens:  Jakob  Locher  (Philomusos),  Jacob 
Heinrichmann,  Johann  Brassicanus  (eigentl.  Köl),  Johann  Alteastejg, 
Greorg  Simler,  Philipp  Melanchthon.  —  Besondere  Erwähnung  verdienen 
die  diesem  Kreise  nicht  aogehörigen  Johannes  Gochläus  und  Johannes 
Aventinus.  Die  Grammatik  des  letzteren  wurde  1519  amtlich  statt  des 
Doctrinale  in  Ingolstadt  eingeführt. 

Ein  ähnlicher  Mittelpunkt  wie  Tübingen  für  Schwaben  war  Schielte 
Stadt  und  später  Strafsburg  für  das  obere  Rheinthal.  Dringenberg, 
Hleronynus  Gebwiler,  Sapidus  sind  hier  die  bekanntesten  Namen  der 
Scholarchen. 

Das  nördliche  und  östliche  Deutschland  verhielt  sich  vorerst  ab- 
lehnend. Auch  Leipzig,  wo  manchen  Humanisten  das  Leben  sauer  ge- 
macht wurde,  galt  noch  als  tellus  barbarica. 

In  den  zusammenfassenden  Darstellungen  über  die  Theorie   des 


Eckstein,  lateiniacber  ond  griMhischer  Unterricht  gl 

Unterrichts  nachten  sich  die  Deutschen  bald  von  Qnintüian  los.  An 
dieser  theoretischen  Litteratur  beteüigten  sich  n.  a.  Wimpfeling,  Bebel, 
Erasmus. 

In  Frankreich  wurde  das  Doctrinale  durch  die  Orammatik  des 
Deepauterius  yerdpftngt,  weldie  Jodocus  Badias  von  Aasche  (Aseensius) 
naehdmckte;  Iftnlich  wirkten  die  Gommentarii  grammatici^  welche  Robert 
Estienne  seit  1587  druckte. 

In  Spanien  läfst  Aelius  Antonius  Nebrissensis  (f  1622)  hn  Jahre 
1481  seine  Libri  qninque  de  institutione  lingnae  latinae  erscheinen. 
Spanier  ist  auch  der  grofse  Methodiker  L.  Vives  (f  1540),  von  dem  Sturm 
und  die  Jesuiten  vielerlei  entlehnt  haben.  Der  Grammatiker  der  Jesuiten, 
Alvarus,  ist  ebenftills  Spanier. 

Die  Urowandelung  der  Studien  in  England  knüpft  sich  an  die 
Namen  William  Grocyn  (f  1519),  Thomas  Linacre,  John  Golet  (f  1519), 
Erasmus,  Rob.  Barnes,  welch  letzterer  seit  1525  die  Studierenden  in 
Cambridge  aufforderte,  die  Klassiker  statt  der  Scholastiker  zu  studieren. 

Das  vierte  Kapitel  behandelt  die  Geschichte  des  lateinischen  Unter- 
richts in  der  lateinischen  Schule  vom  16. — 18.  Jahrhundert  (S.  85—108). 

Der  Verfasser  sucht  zunächst  das  Verdienst  Luthers  und  Melaneh- 
thons  um  das  Schulwesen  auf  das  richtige  Mafs  einzuschränken.  »Die 
Deutschen  Reformatoren  haben  den  Unterricht  nicht  neu  gestaltet,  son- 
dern das  Trivium  des  Mittelalters  festgehalten.  Dafs  sie  überhaupt 
Schulen  organisierten,  ist  ihr  Verdienst. t  Wenn  auch  im  ganzen  damit 
das  Verhältnis  der  beiden  Reformatoren  zur  Lateinschule  richtig  aus- 
gedrückt ist,  so  sind  hier  doch  einige  Einschränkungen  zu  machen.  In 
manchen  Lateinschulen  der  Evangelischen  wurden  auch  die  Anfänge  des 
Griechischen  gelehrt,  was  in  den  Trivialschulen  des  Mittelalters  nicht 
geschah. 

Welcher  Entwickelung  die  von  Luther  und  Melanchthon  geschaffenen 
Anfänge  fähig  waren,  sieht  man  aus  der  wOrttembergischen  Kirchenord- 
nung vom  Jahre  1559  und  der  daraus  entlehnten  sächsischen  von  1680. 

Die  Grundsätze  der  Reformatoren  fanden  sodann  eine  weite  Ver* 
breitung.  Praktisch  wurden  dieselben  befolgt  durch  Michael  Neander, 
welcher  ebenso,  wie  Melanchthon,  »der  gemeine  Präceptor  Teutschlandsc 
genannt  wird,  durch  Valentin  Trozendorf  (jetzt  Troitschendorf)  in  der 
Goldberger  Schule.  Den  gleichen  Standpunkt  vertreten  die  zahkeichen 
Ordnungen  Bugenhagens  und  die  theoretischen  Schriften  von  Joadiim 
Oamerarius,  Hieronymus  Wolf,  Jakob  Micyllus. 

Diesen  »Götzendienst  des  Latein,t  wie  Raumer  sagt,  entwickelte 
am  höchsten  Johannes  Sturm  in  Strafsburg,  alter  praeceptor  Germaniae 
geheifeen.  Er  neigt  mehr  nach  der  Seite  der  Schweizer,  z.  B.  Ulrich 
ZwingH  (Quo  pacto  iugenui  adolescentes  lormandi  sint,  1628).  In  ähfr- 
ieh  em  Sinne  wirkte  Oordier  an  dem  OoU^e  de  Rite  zu  "Qtai  (1586^ 


62  Schalgeschichte. 

1569),  über  welchen  Berthault  (Paris  1875)  geschrieben.  Sp&ter  wurde 
von  den  Schweizern  dem  Melanchthon  Jobannes  Friese  an  die  Seite 
gestellt. 

Die  bekannten  Einrichtungen  der  Strafsburger  Schule  und  Sturms 
Thätigkeit  finden  eine  kurze  Charakteristik.    Seine  Art  weicht  von  den 
Norddeutschen  dadurch  ab,  dafs  er  mehr  auf  dem  Boden  des  Humanis 
mus  stehen  bleibt. 

Sturm  hat  durch  seine  Vorlesungen  in  Paris  auch  eingewirkt  auf 
Pierre  de  la  Ram^e  (Petrus  Ramus),  der  nicht  blofs  durch  seine  Geg- 
nerschaft gegen  Aristoteles,  sondern  auch  durch  seine  fafslichen  Lehr- 
bücher (die  lateinische  Grammatik  1559)  sich  ausgezeichnet  hat. 

Der  letzte  deutsche  Humanist  ist  Nikodemus  Frischlin,  der  selbst 
in  der  Ungebundenheit  seines  Lebens  den  alten  Humanisten  glich. 

Mit  Sturms  Pädagogik  stimmen  die  Jesüitenschulen  nach  Orga- 
nisation, Lehrgang  und  Ziel  vielfach  ttberein.  Nach  der  Meinung  Eck- 
steins haben  die  Jesuiten  nicht  blofs  aus  der  Schola  Aquitanica  (College 
de  Guyenne),  sondern  noch  mehr  von  Sturm  entlehnt  Für  die  Jesuiten 
ist  mafsgebend  die  nach  mehijähriger  Beratung  1584  festgestellte  Ratio 
et  institutio  studiorum  societatis  Jesu  (Rom  1599),  die  bis  heute  mafs- 
gebend ist,  wenn  der  Orden  auch  Raum  für  Modifikationen  l&fst.  Im 
Unterricht  der  klassischen  Sprachen  ändert  selbst  die  Festsetzung  von 
1832  nichts  Wesentliches.  Erst  seit  1703  ist  der  Muttersprache  ein 
Plätzchen  eingeräumt.  Fertigkeit  im  Lateinischen,  in  Prosa  und  Vers, 
bleibt  die  Hauptsache. 

Der  Verfall  der  Latinität  gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts  wird 
der  lutherischen  Orthodoxie  Schuld  gegeben.  So  sagt  der  berühmte 
Scaliger:  Lutherani  omnium  hodie  imperitissimi  et  clamosissimi.  Aber 
bei  den  Katholiken  sah  es  nicht  viel  besser  aus.  Selbst  das  viele  Latein- 
sprechen  hatte  nachteilige  Folgen.  Plurimi  Germani,  sagt  Scaliger,  gram- 
matice  loquuntur,  pauci  latine  ac  romane. 

Warnungen  und  Mahnungen  in  dieser  Zeit  des  Rückgangs  gingen 
z.  B.  von  Johannes  Gaselius  (Chessel,  f  1613)  und  Fr.  Taubmann  aus, 
von  denen  der  erste  noch  der  Schule  von  Melanchthon-Gamerarius  ent- 
stammt 

Das  17.  Jahrhundert  bringt  sodann  die  pädagogischen  Reformer, 
von  denen  kurz  charakterisiert  werden:  Wolfgang  Ratke  (Ratichias), 
Job.  Rhenius,  Job.  Balth.  Schupp,  Job.  Bruno,  Job.  Am.  Gomenius,  Joh. 
Joach.  Becher. 

Die  gesetzliche  Regelung  des  Unterrichts  lernen  wir  aus  den 
Schulordnungen  der  Zeit  kennen.    Sie  halten  an  der  Schola  latina  fest 

Auch  in  Frankreich  bildeten  die  Colleges  ein  pays  latin.  £s 
hing  das  mit  der  streng  konservativen  Richtung  der  Pariser  Universität 
und  dem  Einflufs  der  Jesuiten  zusammen.  Die  Neuerungen  der  Ora- 
torianer  und  Jansenisten  stiefsen  gerade  bei  den  Jesuiten  auf  hartnäckigen 


^MSK 


Eckstein,  lateinischer  und  griechischer  Unterricht  63 

Widerstand.  Trotzdem  fehlt  es  auch  hier  nicht  an  Reformern.  Das  Werk 
von  Charles  Rollin  (De  la  mani^re  d'enseigner  et  d*6tadier  les  belies  lett- 
res  par  rapport  ä  Tesprit  et  au  coear,  gewöhnlich  trait^  des  6tades  ge- 
nannt, Paris  1726),  das  auch  mehrfach  ins  Deutsche  übersetzt  wurde, 
ist  bei  uns  durch  die  Anerkennung  Friedrichs  IL  und  Gesners  empfohlen. 

Abenteuerliche  Pläne  tauchten  auf,  um  die  Erlernung  des  Latein 
.  zu  erleichtem.  In  vielen  deutschen  Schulen  traten  auch  die  Klassiker 
hinter  die  Neulateiner  zurück. 

Daneben  verlor  das  Latein  im  öffentlichen  Gebrauch  immer  mehr 
an  Boden.  Nachdem  es  seit  Maximilian  I.  und  Karl  V.  die  amtliche 
Sprache  des  deutschen  Reiches  geworden,  macht  ihm  seit  dem  17.  Jahr- 
hundert die  französische  Sprache  eine  gefährliche  und  schliefslich  sieg- 
reiche Wettbewerbung.  Seit  1717  ist  auch  das  Deutsche  dem  La- 
teinischen gleichberechtigt  Auch  an  den  Universitäten  weicht  es  seit 
dem  18-  Jahrhundert  Oberall  zurück.  Der  bekannte  Christian  Thomas 
hat  zuerst  in  Leipzig  und  sodann  mit  gröfserem  Erfolge  in  Halle  deutsch 
gelesen. 

Das  fünfte  Kapitel  behandelt  »die  Geschichte  des  lateinischen  Unter- 
richts in  dem  Gymnasium,  c    (S.  108 — 131). 

Drei  Männer,  zuerst  Schulmänner,  später  Lehrer  an  Hochschulen, 
haben  bei  uns  besonderes  Verdienst  um  die  Altertumsstudien  sich  er- 
worben: Gesner  in  Göttingen,  Ernesti  in  Leipzig,  F.  A.  Wolf  in  Halle. 
Für  tüchtige  Latinisten  sorgten  auch  die  Brüder  Joh.  Georg  und  Job. 
Ernst  Imman.  Walch  in  ihrer  Societas  latina  zu  Jena. 

Gesner  ist  als  Methodiker  sehr  wichtig.  Unter  anderem  hat  er 
den  Unterricht  zwischen  statarischer  und  kursorischer  Lektüre  festgestellt. 
In  seine  Fufstapfen  trat  J.  A.  Ernesti,  zunächst  als  sein  Nachfolger  an 
der  Thomasschule,  wo  er  in  Lektüre  und  schriftlichen  Übungen  nichts 
änderte.  Seine  Art  ist  charakteristisch  dargestellt  durch  die  von  ihm 
entworfene  »erneuerte  Schulordnung  für  die  Chur-Sächsichen  drey  Fflrsten- 
und  Landschulenc  (1773).  Seine  Methode  schildert  sein  Schüler  Bauer  in 
Hirschberg.  Andere  Schüler  sind  Scheller,  Schmieder,  Gierig,  Gurlitt  u.s.  w. 

Eine  neue  Methode  schuf  sodann  Joh.  Beruh.  Basedow,  der  schon 
als  Hauslehrer  seinen  Zögling  durch  stete  Übung  im  Sprechen,  angeb- 
lich mit  gutem  Erfolg,  in  die  Kenntnis  des  Latein  eingeführt  hatte.  Aber 
seine  Methode,  wonach  er  in  vier  Jahren  zur  Universität  vorbereitete, 
fand  viele  Gegner,  besonders  auch  an  den  sächsischen  Philologen,  wie 
Ernesti,  Krebs,  R.  H.  Sintenis;  dann  aber  auch  an  E.  L.  Posselt,. J. 
H.  Vofs. 

In  Preufsen  fand  das  Elemantarwerk  von  Basedow  einen  Verehrer 
in  dem  Freiherrn  von  Zedlitz.  In  Halle,  wohin  man  Trapp,  den  An- 
hänger Basedows,  berief,  wurden  ebenfalls  Versuche  in  dieser  Richtung 
angestellt,  aber  nicht  mit  Erfolg  gekrönte. 

Der  entschiedenste  Gegner   des  Philanthropismas  wurde  der  be- 


64  8Aiilf«iduehto. 

rflhnite  Fr.  A.  Wolf,  weleher  den  8.  April  1788  an  Tnpps  Stelle 
Badi  Halle  berufen  worden  war.  Den  17.  Oktober  1787  erMhete 
er  das  philologische  Seminar,  worin  er  »brandibare  ScboUeate  fllr  die 
oberen  Klassen  litterarischer  Schulen  oder  Gymnasien»  ziehen  wollte. 
Den  lateinischen  Stil  hat  er  in  besonderen  Vorlesungen  behandelt  Der 
lateinische  Unterricht  gedieh  in  dieser  Zeit,  wodarch  die  Verordnung 
▼om  12.  Oktober  1812  tat  das  Abitarienten-Examen  der  lateiniscfae  Auf- 
satz nnd  lateinische  Interpretation  gefordert  wurde. 

Es  finden  nnn  noch  eine  kritische  Besprechnng  die  Methoden  von 
James  Hamilton  nnd  Joseph  Jacotot  (S.  118  ff.),  die  Äosserungen  roa 
Thiersch  und  seinem  Anhftnger  K.  L.  Roth,  von  dessen  Frennd  Nftgels- 
bach.  Eingebend  behandelt  werden  die  YorschlAge  von  KOchly,  Perthes 
und  aoideren.  Die  am  Schiasse  des  Abschnittes  stehende  litterator  gibt 
tbrigens  nur  ältere  Werke  an. 

Der  zweite  Teil,  BMethodik  des  lateinischen  Unterrichtsc  (8. 132 
—868)  behandelt  zunächst  das  formale  und  materiale  Prinzip  (S.  1S2) 
und  die  Orthoepie  (S.  185).  Daran  schliefisen  sich  drei  Kapitel:  1.  Gran- 
matischer  Unterricht  —  2.  Lektftre.  —  8.  Schreibübungen,  Kompo- 
sition, Stil. 

Fllr  den  Lateinunterricht  erwächst  nach  Eckstein  eine  doppelte 
Aufgabe:  »einmal  wollen  wir  durch  die  Erlernung  dieser  Sprache  die 
Orandlage  der  allgemeinen  grammatikalischen  Bildung  schaffen  und  die 
Einsicht  in  die  Sprachdenkgesetze  gewähren,  sodann  die  Bekanntschaft 
mit  der  römischen  Litteratur  yermitteln.c  Nur  die  VereinigaBg  dieser 
beiden  Prinzipien,  des  formalen  und  materialen,  ist  berechtigt. 

Bezüglich  der  Orthoepie  ist  eine  Reform  dringend  notwendig,  wenn 
man  es  auch  nicht  zugeben  will.  Auch  Accentuation  und  Quantität 
mflssen  frtthzeitig  richtig  eingeübt  werden. 

Es  folgt  nun  zunächst  eine  Obersicht  der  lateinischen  Grammatik, 
die  immer  wieder  zurückgreift  auf  die  früher  gegebene  Geschichte  des 
lateinischen  Unterrichtes.  Melanchthons  grofse  Bedeutung  kommt  hier 
zn  ihrem  Rechte.  Eine  Opposition  gegen  die  streng  grammatische  Methode 
im  Zeitalter  des  Humanismus  und  der  Reformation  erhebt  sich 'sodann 
im  17.  Jahrhundert.  Bei  Herder  wird  auf  den  grofsen  Gegensatz  hin- 
gewiesen, der  zwischen  den  Äusserungen  aus  seiner  früheren  und  spä- 
teren Zeit  existiert  Der  Ephorus  des  Weimarer  Gymnasiums,  welcher 
zahlreidie  Erfahrungen  gesammelt  hatte,  betont  die  Wichtigkeit  des 
grammatischen  Unterrichts  im  Lateinischen.  Die  Darstellung  behandelt 
sodann  die  grammatischen  Lehrbücher  und  ihre  Methode  bis  zur  neuesten 
G^egenwart  Es  ist  unmöglich,  an  dieser  Stelle  alle  die  Einzelheiten, 
Namen  und  Lehrbücher,  auch  nur  in  der  Übersicht  wiederzugeben. 

Im  lateinischen  Elementarunterrichte  hat  man  der  Methode  eine 
besondere  Aufinerksamkeit  zugewandt,  aber  mit  dieser  »Methode^jfigmrei« 
dach  nicht  immer  die  alte  Sicherheit  in  den  Formen  erreicht.    »Es  ist 


Eckstein,  UteiniBcher  and  griecliiflcher  Unterricht  65 

eine  ganz  falsche  AufEassung,  dafs  man  früher  wochenlang  nor  die  Pa- 
radigmata hahe  auswendig  lernen  and  aaüsagen  lassenc  (S.  158).  Dafs 
Eckstein  ein  Feind  der  sogenannten  Übangsbücher  far  den  lateinischen 
Unterricht  war,  ist  eine  bekannte  Thatsache.  S.  151  berichtet  er  über 
seine  daraaf  bezüglichen  Thesen,  die  er  1878  auf  der  Philologenver- 
sammlang  zu  Wiesbaden  verteidigte. 

Es  folgt  nan  eine  Darstellung,  wie  das  Pensam  der  Sexta  and 
Quinta  zu  behandeln  ist;  die  einschlägige  Litteratur  wird  verzeichnet, 
sodann  vom  Unterricht  in  der  Syntax,  dem  Lernen  von  Vokabeln,  Phrasen 
und  Sentenzen  gehandelt  Von  der  Bedeutungslehre,  Semasiologie,  wird, 
im  Anschlufs  an  die  Arbeiten  Heerdegens,  geurteilt,  dafs  nur  die  An- 
fänge der  Disziplin  vorlägen,  von  der  man  also  in  der  Schule  noch  keinen 
Gebrauch  machen  könne.  Auch  hier  ist,  wie  meist  in  dem  Buche,  die 
Geschichte  der  einzelnen  Fragen  mit  dem  Gegenstande  selbst  verwebt 
Das  ist  ein  Vorzug  dieses  Werkes  vor  dem  Schillerschen  Handbuch  der 
Pädagogik,  das  die  Geschichte  der  einzelnen  Fragen  nicht  gibt,  dafür 
aber  in  der  Darlegung  der  Methode  viel  ausfllhrlicher  ist  und  auch  die 
betreffende  methodologische  Litteratur  eingehender  berücksichtigt.  Bei 
Eckstein  wird  die  methodische  Regel  vielfach  nur  ans  der  Geschichte 
der  Disziplin  selbst  gewonnen. 

Im  zweiten  Kapitel  (S.  191—304)  wird  die  Lektüre  behandelt 
In  Quarta  tritt  an  die  Stelle  des  Lesebuchs  der  Schriftsteller.  Trotz 
Köchly,  welcher  in  Folge  seiner  Abneigung  gegen  Nepos  eine  Chresto- 
mathie für  Quarta  fordert,  sagt  Eckstein:  »Weg  mit  den  Chrestomathien 
in  den  Mittelklassen.! 

Die  für  die  Lektüre  zu  wählenden  Schriftsteller  können  nur  die 
klassischen  sein.  Damit  sind  z.  B.  Schriften  wie  das  bellum  Africa- 
num  oder  Hispaniense  aus  der  Schule  ausgeschlossen.  Aber  auch  die 
Kirchenväter,  die  von  eifrigen  Protestanten  wie  Katholiken  als  Schul- 
lektüre schon  empfohlen  worden  sind.  Aber  auch  die  Neulateiner  sind 
nicht  zu  dulden,  wenngleich  dieselben  im  17.  Jahrhundert  in  die  Schulen 
eingeschmuggelt  wurden. 

Das  Ergebnis,  welche  Historiker  auf  der  Schule  zu  lesen  sind,  fafst 
Eckstein  zusammen  mit  den  Worten:  »Sonach  haben  wir  für  die  Lektüre 
der  Historiker  nur  vier  kanonische  Schriftsteller:  in  Quarta  Nepos,  in 
Tertia  Caesar,  in  Secunda  Livius,  in  Prima  Tacitus.c   (S.  243). 

Eingehend  wird  die  Geschichte  der  Cicero-Lektüre  seit  den  Tagen 
der  Humanisten  bis  zur  Gegenwart  behandelt  Doch  vermisse  ich  eine 
entschiedene  Parteinahme  zu  gunsten  des  vielgeschmähten  Redners.  Es 
wäre  in  der  That  merkwürdig,  wenn  wir  Latein  treiben  wollten  ohne 
eingehende  Behandlung  des  gröfsten  lateinischen  Stilisten.  Es  hat  den 
Anschein,  als  ob  man  in  Deutschland  am  feindseligsten  gegen  Cicero  ge- 
stimmt sei.  Italiener,  Engländer  und  Franzosen  beurteilen  ihn  viel  ge- 
rechter. Die  Auswahl  der  dceronischen  Schriften,  wie  sie  der  Verfasser  zur 

Jahrttbtricht  fOr  AltwcthumiwiMaaschaft  LXIX.  Bd.  (189^  m.j  6 


66  Schalgeschicbte. 

SphullektOre  empfiehlt,  hat  viel  Eigentümliches;  doch  können  die  Einzel- 
heiten hier  nicht  alle  wiederholt  werden. 

In  dem  Abschnitte  Ober  die  Lektüre  der  Dichter  finden  eine  Be- 
sprechung: Phadrus,  Ovid,  Vergil,  Tibull,  Catull,  Properz,  Horaz,  Terenz, 
Plautus.  Daran  schliefsen  sich  Bemerkungen  über  das  Lesen,  Präparieren, 
die  Stegreiflektüre,  das  Konstruieren,  »das  jetzt  an  vielen  Orten  kanm 
dem  Namen  nach  bekannt  ist,c  das  Übersetzen,  die  Erklärung.  Statt 
der  von  Wolf  empfohlenen  Einleitungen  befürwortet  Eckstein  Epilegomena, 
»in  denen  durch  Verbindung  der  gewonnenen  Einzelheiten  dem  vollen- 
deten Werke  die  Krone  aufgesetzt  wird.c 

In  dem  Abschnitt  »Schreibübungen,  Komposition,  Stile  wird  diese 
ganze  Frage  historisch- statistisch  besprochen,  d.  h.  die  Geachicfate  dar 
Kompositionsübungen  und  der  gegenwärtige  Betrieb  in  den  Terschiedenea 
deutschen  Ländern  besprochen.  Gelegentlich  der  Behandlung  der  Kor- 
rektur lesen  wir:  »Nur  den  Unterschied  zwischen  ganzen  und  halbea 
Fehlern  sollte  man  endlich  aufgeben,  weil  in  der  Regel  die  leUterea 
(Schreibfehler)  die  Zeichen  der  schlimmsten  Nachlässigkeit  sind.c 

Bezüglich  des  lateinischen  Aufsatzes  wird  sodann  die  ganze  Ge- 
schichte dieser  seit  40  Jahren  viel  verhandelten  Frage  vorgeft&hrt,  wobei 
sich  ein  entschiedener  Gegensatz  zwischen  dem  Süden  und  Norden  e^ 
gibt.  In  Preufsen  werden  zwar  überall  lateinische  Aufsätze  angefertigt, 
aber  die  Praxis  ist  sehr  verschieden,  und  an  Stimmen  dagegen  hat  ei 
auch  dort  nicht  gefehlt.  Wenn  auf  dem  Gymnasium  tüchtig  Latein  ge* 
lernt  werden  soll,  so  mufs  nach  des  Verfassers  Meinung  es  nicht  blob 
gelesen  und  geschrieben,  sondern  auch  gesprochen  werden.  Doch  kau 
dies  nur  dann  erfolgreich  betrieben  werden,  wenn  man  schon  in  den  oo- 
teren  Kursen  damit  beginnt.  Übrigens  gibt  auch  Eckstein  zu,  dafs  die 
Fähigkeit,  Latein  zu  sprechen,  selbst  bei  Lehrern  jetzt  immer  mehr  ab- 
nehme. 

Die  Anfertigung  lateinischer  Verse  wird  empfohlen  als  ein  BS- 
dnngsmittel,  bei  welchem  Gefühl  und  Geschmack  sich  mit  der  Logik  ver- 
einigen. 

Viel  kürzer  ist  der  Teil  des  Buches,  welcher  dem  griechischen 
Unterricht  gewidmet  ist  (S.  365—488).  In  den  einleitenden  Betrach- 
tungen werden  folgende  Themata  behandelt:  »Das  Verhältnis  der  griechi- 
schen Sprache  zur  lateinischen  im  Unterrichte,  »Der  Unterricht  in  dar 
griechischen  Sprache  mufs  ein  obligatorisches  Fach  im  G7^masial1lnt6^ 
rieht  sein«,  »Der  griechische  Unterricht  mufs  mit  dem  attischen  Dialekt 
begonnen  werden»,  »Ober  die  Aussprache  des  Griechischen.c 

Ein  sehr  fragmentarischer  Teil  behandelt  sodann  die  Geschichte 
des  griechischen  Unterrichts  in  Deutschland  seit  der  Reformatioo.  Wamm 
aber  erst  mit  der  Reformation  anfangen,  da  der  griechische  Unterricht 
in  Deutschland  doch  schon  durch  die  Humanisten  eingeffthrt  wurde?  Gerade 
diese  erste  Zeit  des  griechischen  Unterrichts  ist  höchst  anziehend,  wie 


Eckstein,  griechischer  nnd  UteiniBcher  üaterricht.  67 

man  aos  den  Arbeiten  von  Horawitz  und  Paulsen  sehen  kann.  Nach 
einer  Bemerkung  des  Herausgebers  hatte  Eckstein  offenbar  die  Absicht, 
auch  diesen  ersten  Zeitraum  des  griechischen  Unterrichtes  zu  behandeln, 
ist  aber  Ober  Notizen  und  Excerpte  nicht  hinausgekommen. 

Der  zweite  Teil  behandelt  die  Methodik  des  griechischen  Unter- 
richtes: Grammatischer  Unterricht,  Lektüre,  Schreibflbnngen.  Die  Not- 
wendigkeit der  letzteren  wird  behauptet,*  jedoch  sofort  betont:  »Es  han- 
delt sich  im  Griechischen  nicht  am  eine  stilistische  Durchbildung  wie  im 
Latein.c  Bezüglich  der  Übungen  im  Verfertigen  griechischer  Verse, 
welche  in  England  eifrig  betrieben  werden,  sagt  Eckstein:  »Nirgends 
hört  man  bei  uns  (nämlich  in  Deutschland)  etwas  von  griechischen  Vers- 
Übungen,  während  die  Engländer  jährlich  viele  griechische  Verse  krönen 
und  drucken  lassen.! 

Ist  der  zweite  Teil  auch  an  Gehalt  und  innerer  Durchbildung  des 
Stoffes  weit  hinter  den  ersten  zu  setzen,  so  wollen  wir  doch  für  diese 
wertvollen  Bausteine  dankbar  sein.  Die  Geschichte  des  griechischen 
Unterrichtes  in  Deutschland  ist  freilich  noch  zu  schreiben.  Vielleicht 
schenken  uns  die  Monumenta  Germaniae  Paedogögica  eine  Monographie 
darüber.  Jedenfalls  wird  der  zukünftige  Geschichtsschreiber  des  griechi- 
schen Unterrichts  aus  dem  Ecksteinschen  Buche  vielen  Nutzen  ziehen. 

Ein  Personenregister,  das  aber  leider  der  wünschenswerten  Voll- 
ständigkeit entbehrt,  schliefst  das  Werk  ab. 

Im  einzelnen  ist  eine  ziemliche  Anzahl  von  Einzelheiten,  besonders 
mit  Hilfe  monographischer  Arbeiten,  richtig  zu  stellen.  Beispielsweise 
seien  folgende  verzeichnet: 

S.  81  wird  behauptet,  dafs  der  Westfale  Dringenberg  1460  zur 
Leitung  der  Schule  in  Schlettstadt  berufen  worden  sei.  In  einer  Be- 
sprechung der  auch  von  Eckstein  citierten  Dissertation  Struvers  über 
die  Schlettstadter  Lateinschule,  welche  Gustav  Knod  im  zweiten  Band 
der  »Strafsburger  Studien  c  veröffentlichte,  ist  jedodi  mit  überzeugenden 
Gründen  wahrscheinlich  gemacht,  dafs  Dringenberg  die  Anstalt  von  1441 
—1477  geleitet  hat. 

Auf  S.  82  werden  einige  Lehrschriften  Jakob  Wimpfelings  aufge- 
zählt Ungern  vermifst  man  unter  denselben  den  Jsidoneus  (1497),  der 
mindestens  ebenso  wichtig  als  die  dort  erwähnten  Schriften  ist.  Auch 
ist  der  Satz:  »Wimpfeling  hat  die  Jugend  an  den  verschiedensten  Orten 
unterrichtete  in  dem  dortigen  Zusammenhang  verwirrend,  da  Wimpfeling 
fast  nur  Lehrer  der  akademischen  Jugend  gewesen  ist 

ViTenn  S.  88,  Anm.  2  behauptet  wird ,  Eckstein  habe  den  von  Me- 
lanchthon  herrührenden  Schulplan  für  die  kleine  Stadt  Herzberg  vom 
Jahre  1688  zuerst  herausgegeben,  so  ist  das  unrichtig.  Eckstein  hat 
dieses  merkwürdige  pädagogische  Aktenstück  nur  wieder  herausgegeben. 
Die  erste  Ausgabe  eriolgte  vielmehr  durch  J.  F.  Köhler  in  seinen  »B^- 

6» 


68  SebnlgMchidite. 

Mgeo  znr  ErgflnziiDg  der  deutschen  Litteratnr  und  Kiiiiitg6idi]dite.c 
I  (1792)  213. 

Auf  8.  64  steht  die  weit  yerbreitete  falsche  Beseichnnog  Kost- 
Ditzer  Konzil,  die  unausrottbar  scheint  Schon  Tor  einem  Menschen- 
alter  hat  der  Archivar  Marmor  gezeigt,  da(s  die  Stadt  immer  Konstanz 
and  nie  Kostnitz  geheifsen  hat 

Schwerlich  richtig  ist  es,  wenn  S.  64  gesagt  wird,  dafs  Poggio  in 
8t  Gallen  den  Kommentar  des  Asconius  zu  acht  Reden  des  Cicero  ge- 
funden habe.  Es  dttrfte  Asconius  blofs  zu  fttnf  Reden  gewesen  sein. 
Vgl  0.  Voigt,  die  Wiederbelebung  des  klassischen  Altertums  P  242. 

Die  Angabe  auf  S.  70,  wonach  die  Grammatik  des  Gurius  Lanci- 
Iotas  Pasitts  1604  erst  erschienen,  ist  jedenfalls  unrichtig.  Gut  bezeugte 
Ausgaben  von  1511  und  1617  sind  nachgewiesen  bei  Horawitz  und 
Hartfelder  Briefwechsel  des  B.  Rhenanus  S.  604. 

Der  8.  77  erwähnte  Kurfttrst  von  der  Pfalz,  der  bekannte  Freund 
der  Humanisten,  ist  nicht  Philipp  II,  sondern  Philipp  der  Aufrichtige 
(1476—1608),  Aber  welchen  L.  Hftusser  (Geschichte  der  rheinischen 
P&lz  I  421  ff.)  zu  vergleichen  ist 

Zu  den  Angaben  aber  Rudolf  Agricola  auf  der  gleichen  Seite  kann 
jetzt  die  belangreiche  Ergänzung  gemacht  werden,  dafs  Agricola  auch 
in  Erfurt  studiert  hat,  eine  wichtige  Thatsache  wegen  der  bekannten 
Richtung  dieser  Hochschule.  Kgl.  darüber  Karl  Morneweg  Job.  von 
Daiberg  (Heidelberg  1887)  S.  80. 

Auf  S.  78  wird  von  Rudolf  Agricola  eine  Ausgabe  seines  berühmten 
Briefes  an  Barbirianus  de  formando  studio  (Paris  1522)  erwähnt  Ich 
weifs  nicht,  worauf  sich  diese  Angabe  sttttzt.  Dagegen  erregt  der  um- 
stand Mifstrauen,  dafs  Bnisson  in  seinem  Repertoire  des  ouvrages  p6da- 
gogiques  etc.  (Paris  1886),  der  gerade  die  französischen  Ausgaben  so 
zahlreich  verzeichnet,  eine  solche  nicht  kennt,  sondern  blofs  Ausgaben 
(aus  Paris)  1527,  1664,  1587,  1651  und  1572  anf&hrt 

Wenn  auf  S.  78  zu  der  Ausgabe  des  bekannten  Ligurinus  Gnntheri 
durch  Celtis  bemerkt  wird,  dafs  Celtis  diesen  selbst  verfertigt  haben  soU, 
so  hätte  nach  dem  jetzigen  Stand  der  Frage  (ich  erinnere  an  Pannen- 
borgs  Forschungen)  die  Bemerkung  von  der  angeblichen  Verfasserschaft 
des  Celtis  unterdrückt  werden  müssen. 

Ganz  unbegreiflich  ist  mir  der  Satz  S.  75:  »Es  ist  ein  Irrtum,  den 
Brüdern  des  gemeinsamen  Lebens  einen  Einflufs  auf  die  Verbreitung  des 
Humanismus  zuzuschreiben,  c  Von  den  Fraterherren  oder  Brüdern  des 
gemeinsamen  Lebens  ist  freilich  der  Humanismus  nicht  ausgegangen, 
aber  nachdem  er  in  ihre  Schulen  eingedrungen  (man  denke  doch  blols 
an  Deventer  und  Lüttich),  so  wurden  diese  geradezu  Mittelpunkte  seiner 
Verbreitung.  Statt  aller  weiteren  Litteratnr  verweise  ich  auf  Reichlings 
Murmellins  und  die  Erasmus-Litteratur. 

Auf  S.  88  wird  behauptet,  was  freilich  in  sehr  vielen  Büchern  za 


Veil,  Zam  Ged&chtniB  Johannes  Sturms. 


69 


lesen  ist,  dafs  die  neue  Richtung  des  Humanismus  mit  der  Kirche  ge* 
brechen  habe.  Das  ist  weder  fflr  Italien  noch  für  Deutschland  richtig, 
soweit  verbreitet  auch  diese  irrige  Meinung  sein  mag.  Humanismus  und 
Kirche  sind  in  den  meisten  Fällen  gar  keine  Gegensätze  gewesen.  Unter 
den  italienischen  Pädagogen  z.  B.  ist  kein  einziger,  der  die  Religion  aus 
dem  Jugendunterricht  entfernt  wissen  wollte.  Im  Gegenteil,  die  meisten 
pädagogischen  Humanisten  sind  durch  Frömmigkeit  ausgezeichnete  Männer 
gewesen. 

Die  Litteraturangaben  sind  wertvoll,  wenn  auch  keineswegs  erschöpfend. 
Das  Letztere  freilich  darf  man  von  einem  solchen  Werke  auch  nichts 
verlangen;  wohl  aber  darf  man  verlangen,  dafs  jeweils  das  wichtigste  neuere 
Werk  citiert  ist,  mit  dessen  Hilfe  man  sodann  die  andere  Litteratnr 
finden  kann.  So  vermifst  man  eine  Reihe  der  wichtigsten  Werke  aus 
neuerer  Zeit,  wie  Denifles  Buch  tkber  die  Universitäten  bis  1400,  Neu- 
deckers  Arbeit  Ober  das  Doktrinale  Alezanders,  weitere  Arbeiten  Watten- 
bachs über  Peter  Luder,  Reichlings  Monographie  über  Murmelliusi  Marx 
Hilfsbüchlein  für  die  Aussprache  der  lateinischen  Vokabeln  und  positions- 
langen Silben  etc.  etc 

Aber  diese  Ausstellungen  schliefsen  nicht  aus,  dafs  wir  das  Werk 
für  eine  höchst  wertvolle  und  nützliche  Arbeit  erklären,  die  zum  Aus- 
gangspunkte für  jede  kommende  Arbeit  auf  diesem  Felde  werden  wird. 
Die  einzelnen  Mängel  dürfen  uns  die  Schätzung  der  Arbeit  im  ganzen 
nicht  verkümmern,  und  dem  Herausgeber  des  Werkez  sind  wir  zu  warmem 
Danke  verpflichtet. 


Unter  den  Lateinschulen  des  südwestlichen  Deutschland  erfreute 
sich  im  16.  Jahrhundert  keine  eines  höheren  Ansehens  als  die  Schule 
Sturms  in  Strafsburg.  Ein  festlicher  Aulafs  zeitigte  mehrere  Arbei- 
ten über  die  Geschichte  dieser  Schule: 

H.  Yeil  Zum  Gedächtnis  Johannes  Sturms.  Eine  Studie  über  J. 
Sturms  Unterrichtsziele  und  Schuleinrichtungen  mit  besondere^  Berück- 
sichtigung seiner  Beziehungen  zu  dem  niederländischen  Humanismus 
(Festschrift  zur  Feier  des  350jährigen  Bestehens  des  protestantischen 
Gymnasiums  zu  Strafsburg.    [Strafsburg  1888].    S.  1—132). 

Der  gegenwärtige  Konrektor  des  Gymnasium  Sturmianum  benutzt 
einen  festlichen  Gedenktag  seiner  Anstalt,  um  dem  berühmten  Schöpfer 
der  weitberühmten  und  immer  noch  blühenden  Anstalt  ein  kleines  bio- 
graphisches Denkmal  zu  errichten. 

Eine  kurze  Übersicht  über  die  Sturm  betreffende  Litteratur  orien- 
tiert den  Leser  über  den  gegenwärtigen  Stand  der  Frage.  Im  ersten 
Abschnitt  werden  die  Beziehungen  dargelegt,  welche  Sturm  aus  Paris, 
wo  er  mit  Erfolg  an  der  Universität  lehrte  und  selbst  bei  Franz  L  Ein- 
flufs  hatte,  nach  Strafsburg  Ibhrten,  woselbst  er  den  14.  Januar  1637 


70  SehoIgMchichte. 

eintraf.  Im  Anschlufs  an  die  tttchtfge  Arbeit  Engels  aber  das  Strafe- 
bnrger  Schulwesen  vor  der  Einrichtung  der  Sturmschen  Schale  beriditet 
Veil  kurz  ttber  die  verschiedenen  evangelischen  Schulen  vor  1538.  Die 
Abhängigkeit  von  Melanchthons  leitenden  Gedanken  schliefst  er  ans 
dem  Inhalte  der  Schulordnungen  von  Otto  Brnnfels  und  Johannes  Schwebel. 

Sturm  hatte  von  1621—1624  die  Schule  der  Hieronjmianer  in 
Lattich  besucht;  diese  Anstalt  mit  ihren  acht  Klassen  wurde  das  Vor- 
bild für  die  Schule,  welche  Sturm  in  Strafsburg  einrichtete  und  ebenso 
für  die  Zwickauer  Schule,  welche  Petrus  Plateanus  leitete;  doch  hat 
letztere  sich  an  das  Vorbild  genauer  angeschlossen,  während  Sturm  sei- 
ner Schule  noch  weitere  Aufgaben  stellte.  Die  Irrtümer  in  dem  6atr 
aohten  Sturms  (S.  33)  können  fibrigens  auch  Gedächtnisfehler  sein,  denn 
es  liegen  zwischen  dem  Gutachten  und  seinem  Ltttticher  Anfenthalt  14— 
17  Jahre.  Auch  handelt  es  sich  nicht  um  eine  blofse  Kopie  Ltttticher 
Verhältnisse,  sondern  um  eine  wirkliche  Neuschöpfung. 

Da  Sturm  durch  seinen  Ltttticher  und  Löwener  Aufenthalt,  was 
fttr  seine  Kenntnis  des  Latein  entscheidend  war,  ganz  direkt  mit  dem 
niederländischen  Humanismus  zusammenhängt,  so  widmet  Veil  diesen 
Beziehungen  einen  ausführlichen  Abschnitt  (S.  88—69).  Rudolf  Agricola, 
die  Fraterschulen  mit  ihren  ausgezeichneten  Lehrern,  besonders  A.  Hegius 
in  Deventer,  die  bertthmten  westfälischen  Schulmänner  humanistiseher 
Richtung,  sodann  der  gröfste  aller  Humanisten,  Desiderins  Eraamus  von 
Rotterdam,  der  ebenfalls  Niederländer  ist,  und  Ludwig  Yives  werden  in 
entsprechender  Weise  gewttrdigt.  Trotzdem  hätte  vielleicht  dieser  Ab- 
schnitt etwas  kürzer  sein  dürfen,  ohne  dafs  dadurch  dem  Wert  der 
Arbeit  Eintrag  geschehen  wäre. 

In  der  Fortsetzung  wird  sodann  die  Vereinigung  der  verschiedenen 
Lateinschulen  der  Stadt  im  September  1638  besprochen.  Sturm  war 
der  Organisator  der  nach  dem  Vorbild  der  Ltttticher  Anstalt  eingerich- 
teten Schule.  Im  Mai  1666  bewilligte  Kaiser  Maximilian  II  die  Er- 
weiterungder  Lateinschule  zur  Universität,  die  jedoch  nur  Baccalanrei  und 
Magister  *der  sieben  freien  Kttnste  ernennen,  aber  keine  Grade  in  den 
drei  oberen  Fakultäten  erteilen  durfte.  1621  bekam  Strafsburg  sodano 
die  vollen  Rechte  einer  Universität. 

Auch  fttr  die  1660  zur  Hochschule  erweiterte  Anstalt  war  Stnrm  noch 
der  leitende  Geist,  wie  man  aus  seinen  Epistolae  academicae  und  anderem 
ersehen  kann.  Ihn  zu  hören,  kamen  die  Schttler  aus  Deutschland,  Frank- 
reich und  den  Ländern  des  Ostens  nach  Strafsburg.  Mit  weltmännischer 
Klugheit  wufste  er  besonders  Studierende  ans  dem  Adel  nach  Strafs- 
burg zu  ziehen.  Seine  Toleranz  gegen  Hugenotten  und  Papisten  machte 
ihn  den  lutherischen  Geistlichen  der  Stadt  verhafst,  und  so  erlag  Sturm  im 
Jahre  1681  deren  Angriffen.  Der  Rat  nahm  ihm  das  Rektorat  der  Schale  ab 
»seines   hohen  Alters   und  auch  anderer  Ursachen  wegen.c     82  Jahre 


H.  Veil,  Zum  GedAcbtnifl  JobanDes  Starm.  71 

alt,  starb  Sturm  den  8.  März  1689.  Die  Naobwelt  feierte  ibn  als  tpater 
scboiae,  Cicero  et  Nestor  Teotoaicos.« 

Ein  sechster  AbscbDitt  legt  die  innere  Einrichtung  der  Schule, 
mit  ihrer  Gliederung  in  Klassen,  den  Klassenpensen  u.  dergl.  dar.  Auch 
die  neuen  Aufgaben,  welche  durch  die  Weiterentwickelnng  zur  Universität 
entstanden,  wird  dabei  nicht  übergangen. 

Aus  Veils  Darstellung  ersieht  man,  dafs  das  Strafsburger  Thomas» 
arcbiv  noch  höchst  wertvolle  Materialien  für  die  Geschichte  der  Sturm'- 
schen  Schule  in  sich  birgt.  Da  schwerlich  jemand  bezweifelt,  dafs  das 
Gymnasium  Sturmianum  des  16.  Jahrhunderts  in  Deutschland  seines- 
gleichen nicht  hat,  so  dürfte  empfehlenswert  sein,  diese  wichtigen  Quelleq 
in  einer  Art  von  Urkundenbuch  zu  vereinigen  und  dadurch  weiteren 
Kreisen  zur  wissenschaftlichen  Benutzung  zugänglich  zu  machen.  So  gut, 
als  es  sich  lohnte,  ein  politisches  Strafsburger  Urkundenbuch  herzu«» 
stellen,  würde  es  sich  lohnen,  ein  solch  pädagogisches  oder  kulturhisto- 
risches Strafsburger  Urkundenbuch  herauszugeben. 

So  zuverlässig  und  belehrend  YeiU  Arbeit  ist,  so  dürfen  doch 
einige  Kleinigkeiten  hier  genannt  werden,  welche  Richtigstellung  ver- 
langen: 

Wenn  S.  45  behauptet  wird,  dafs  Rudolf  Agricola  von  1488 — 1486 
»die  Stellung  eines  akademischen  Lehrers  an  der  Universität  Heidel- 
bergc  eingenommen  habe,  so  ist  das  nicht  richtig.  Agricola  verbrachte 
allerdings  einen  Teil  dieser  Zeit  in  Heidelberg,  aber  in  durchaus  freier 
Stellung.  Er  war  der  Freund  und  Gast  des  berühmten  Camerarius,  be- 
zog wohl  vom  Kurfürsten  auch  einen  Gehalt,  aber  amtliche  Beziehungen 
zur  Universität  hat  er  keine  gehabt 

Auffallend  ist,  dafs  Yeil  regelmäfsig  die  falsche  Form  Virgil  (S. 
47.  48.  53.  54.  57  und  sonst)  statt  der  richtigen  Vergil  schreibt.  Nach- 
dem schon  Laurentius  Valla  im  15.  und  Melanchthon  im  16.  Jahrhundert 
das  Richtige  hatten,  wäre  es  endlich  an  der  Zeit,  dafs  die  falsche  Namens- 
form aus  den  Büchern  verschwände. 

Auf  S.  41  wird  Nikolaus  Gusa  als  einer  der  »genialen  Nieder- 
1  ändere  genannt,  welche  den  Anstofs  zu  einer  durchgreifenden  Reform 
des  Schulwesens  gegeben  haben,  und  doch  steht  auf  derselben  Seite,  dafs 
Gusa  aus  Cues  bei  Berncastel  an  der  Mosel  stammte. 

Auf  S.  18  wird  für  das  Heidelberger  Gutachten  Jacob  Sturms  auf 
Miegs  »Monnmenta  pietatis  et  litteraria«  (Frankf.  1701)  verwiesen.  Aber 
der  Verfasser  hätte  besser  auf  Winkolmanns  Urkundenbuch  der  Uni- 
versität Heidelberg  (I  214-^216)  hingewiesen,  wo  zahlreiche  Druckfehler 
des  Miegschen  Druckes  verbessert  sind. 

Auch  an  anderen  Stellen  hätten  die  Gitate  besser  auf  andere  Schrif- 
ten hingewiesen.  Bei  dem  Hinweis  auf  die  Strafsburger  Drucker  (S.  1 1, 
Anm.  2)  vermifst  man  ungern  L.  Schmidt  Zur  Geschichte  der  ältesten 
Bibliotheken  und  der  ersten  Buchdrucker  in  Straüsburg.   Strafsbnrg  1882. 


72  Sefaalgesehiehte. 

—  Bei  den  Nachweisen  fQr  Rudolf  Agricola  auf  S.  48  (Anm.  1)  hätte 
das  ganz  wertlose  Schriftchen  Bosserts  wegbleiben  können.  Dafür  ver- 
mifst  man  KarlMorneweg,  Johann  Ton  Dalberg,  ein  deutscher  Huma- 
nist und  Bischof  (Heidelberg  1887),  der  ttber  Agricola  eine  ganze  An- 
zahl wertvoller  Daten  bringt.  So  bat  z.  B.  Momeweg  aus  der  Erfurter 
Universitätsmatrikel  nachgewiesen,  dafs  Agricola  auch  in  Erfurt  studiert 
hati  eine  für  den  Bildungsgang  Agricolas  wie  fftr  die  Unterrichtsgeschichte 
gleich  wichtige  Thatsache,  die  auf  S.  43  erwähnt  werden  konnte.  —  Zu 
der  reichhaltigen  Litteraturzusammenstellung  ttber  die  »Bruderschaft  des 
gemeinsamen  Lebensc  S.  39  möchte  ich  noch  den  wichtigen  Artikel 
Hirsches  in  der  Herzog-Plittschen  Real-Encyklopädie  fttr  prot  Theo- 
logie hinzufügen. 

Diese  Einzelheiten  sind  unwichtig,  wenn  man  den  Wert  der  Ar- 
beit im  ganzen  schätzt,  deren  uns  zu  freuen  wir  alle  Ursache  haben. 

Eine  Parallele  hierzu  bildet: 

Heinrich  Veil,  Eonrektor.  Das  protestantische  Oymnasinm  su 
Strassburg  in  den  Jahren  1588 — 1888.  Eine  historische  Skizze  aus 
Anlafs  der  Feier  seines  860  jährigen  Bestehens  im  Auftrag  der  Di- 
rektion. 

Das  Strafsbnrger  protestantische  uymnasium  ist  eine  Schöpfung 
der  Reformation  und  hat  zur  Voraussetzung  die  fruchtbare  geistige  Be- 
wegung der  Wiedererweckung  der  klassischen  Studien.  Aber  die  j  fingere 
Bewegung  der  Reformation  erwies  sich  an  Tiefe  und  nachhaltiger  Kraft 
unendlich  bedeutender  als  der  Humanismus.  Eine  Zeitlang  schien  der 
Sturm  der  Reformation  auch  den  Bildungsbestrebungen  des  Humanismus 
gefährlich  zu  werden.  Aber  die  Häupter  der  kirchlichen  Bewegung  be- 
wiesen durch  die  Reorganisation  und  Wiederaufrichtung  von  Schulen, 
dafs  sie  keineswegs  das  Schulwesen  stören  wollten. 

Auch  in  Straüsburg,  einer  der  bltthendsten  und  regsamsten  Städte 
am  Ende  des  Mittelalters,  hatte  der  Humanismus  Pflege  gefunden.  EQer 
lebten  Männer  wie  Geiler  von  Eaisersberg,  Jakob  Wimpfeling,  Sebastian 
Braut,  Hieronymus  Gebwiler.  Nachdem  durch  die  kirchliche  Bewegung 
zunächst  die  älteren  Schulen  eingegangen,  dachte  man  an  einen  Ersats, 
vor  allem  der  hochgebildete  Jakob  Sturm  von  Sturmeck,  Strasburgs 
grofser  Staatsmann.  Neben  den  »Lehrhäusemc  oder  Volksschulen  ent- 
standen von  1628 — 1686  drei  Anstalten  unter  Job.  Sapidus,  Otto  Brunfels 
und  Johann  Schwebel. 

Im  Dominikanerkloster  wurden  Vorlesungen  f&r  zukünftige  Prediger 
eingerichtet,  ein  vorläufiger  Ersatz  fflr  eine  Hochschule.  Ein  aus  drei 
Ratsherren  zusammengesetzter  Auschufs,  Schulherren  oder  Scholarchen 
genannt,  dessen  Seele  Jacob  Sturm  war,  wurde  1628  mit  der  Leitung 
des  Schulwesens  beauftragt. 

Mancherlei  Obelstände  halber,  die  trotzdem  noch  vorhanden  waren. 


Heiorich  Teil,   Das  protestantische  Gymnasium  so  Straftbnrg.        73 

gaben  die  Schnlherren  dem  damals  noch  jungen  Johannes  Sturm  ans  ScUei- 
den  einem  Schflier  der  Hieronyraianerschnle  zu  Lttttich  and  das  Collegium 
trilingue  zo  Löwen,  den  Auftrag,  ein  Gutachten  Aber  die  Verbesserung 
des  Strafsburger  Schulwesens  abzugeben.  In  Folge  dessen  wurden  vor- 
läufig im  Jahre  1688  die  bisher  getrennten  Lateinschulen  vereinigt.  So 
entstand  das  berühmte  Gymnasium  Argentinense  Sturms. 

Seit  Michaelis  1538  war  dasselbe  in  den  Räumen  des  Dominikaner- 
klosters untergebracht,  das  1254—69  erbaut  worden,  später  aber  bedeu- 
tende Veränderungen  erfahren  hatte.  Die  alte  Dominikanerkirche,  deren 
Chor  früher  für  feierliche  Schulakte  benutzt  worden,  wurde  nach  1681 
wieder  dem  Kultus  zurückgegeben  und  heifst  jetzt  die  »Nene  Kirchcc 

Die  Strafsburger  Schule  blühte  unter  Sturms  Leitung  (1588 — 1681) 
zur  berühmtesten  Lateinschule  des  südlichen  Deutschlands  auf  und  wurde 
das  Vorbild  für  viele  ähnliche  Schulen.  Die  neun  oder  zehn  ersten 
Schuljahre  galten  der  Erlernung  des  Latein,  Griechisch,  der  Rhetorik 
und  Logik.  Daran  schlofs  sich  der  etwa  fünf  Jahre  umfassende  Kursus 
der  Lectiones  publicae,  in  dem  man  Studien  wie  an  einer  Universität 
machen  konnte.  Seit  1566  wurde  dieser  Kurs  zu  einer  Art  von  Univer- 
sität umgestaltet,  indem  Kaiser  Maximilian  II  das  Recht  verlieh,  Bacca- 
laureen  und  Magister  der  freien  Künste  zu  ernennen. 

Erst  im  Jahre  1621  wurden  durch  Ferdinand  11  der  Schule  die 
Rechte  einer  vollen  Universität  gegeben.  Damit  löste  sich  die  Latein- 
schule als  blofs  vorbereitende  Schule  vollends  los  und  behielt  den  Namen 
Gymnasium.  Der  Umstand,  dafs  in  Folge  des  80jährigen  Krieges  der 
Zuzug  fremder  Schüler  nachliefs,  und  Gründe  der  Sparsamkeit  veran- 
lafsten  den  Rat  im  Jahre  1634,  die  zehn  Klassen  der  Schule  auf  sieben 
zu  beschränken.  Doch  wurde  Sturms  Lehrplan  im  wesentlichen  fest- 
gehalten. Für  die  Direktion,  die  bisher  ein  Universitätslehrer  gehabt 
hatte,  wurde  ein  besonderer  Gymnasiarch  bestellt. 

Die  Vereinigung  Stra^sburgs  mit  Frankreich  im  Jahre  1681  änderte 
zwar  zunächst  nichts  an  der  Einrichtung  der  Anstalt,  brachte  aber  die 
Konkurrenz  eines  in  Strafsburg  neu  errichteten  Jesuitenkollegiums.  Auch 
schadete  der  Schule  der  dem  Zeitgeist  abgewandte  und  verknöcherte 
Betrieb  des  Unterrichts. 

Das  Jahr  1789  brachte  einige  Veränderungen,  wie  deutsch  ab- 
gefafste  Lehrbücher,  Erweiterung  des  geschichtlichen  und  geographischen 
Unterrichts,  Beschränkung  der  auswendig  zu  lernenden  Regeln  u.  s.  w. 
1751  wurde  ein  Lehrer  des  Französischen  angestellt  und  überhaupt  dem 
Zeitgeiste  weitgehende  Rechnung  getragen.  Das  erste  deutsche  Pro- 
gramm der  Anstalt  erschien  1789  von  J.  J.  Oberlin. 

Mit  diesem  Jahre  begannen  wechselvolle  Schicksale  für  die  Anstalt: 
Einkerkerung  einzelner  Lehrer,  Schließung  der  Schule,  Herabdrückung 
zu  einer  Anstalt  ausschliefslich  zur  Vorbereitung  lutherischer  Theologen. 


74  Schalgescbicbte. 

Erst  der  Storz  Napoleons  I  brachte  bessere  Zeiten  nnd  ein  nemlieh 
grofses  Mafs  von  Freiheit  der  Regierung  gegenflber. 

Die  Veränderungen  des  Lehrplans  durch  J.  Matter  (1822—29) 
hatten  eine  möglichste  Annäherung  desselben  an  die  französischen  Ljoeen 
unter  Berücksichtigung  der  Realien  zum  Ziele.  Die  neun  Jahresabtei- 
lungen zerfielen  in  zwei  Kurse  zu  vier  und  fünf  Abteilangen.  Matters 
Einrichtungen  wurden  von  seinem  Nachfolgern  weiter  entwickelt :  F.  Brach, 
K.  Schmidt,  E.  Reufs  und  C.  F.  Scbneegans  (seit  18G6).  Seit  1879  ist 
die  »Neue  Realschulec  als  besondere  Anstalt  losgelöst 

Die  Wiedervereinigung  mit  Deutschland  brachte  einen  im  Geiste 
des  strengeren  Humanismus  veränderten  Lehrplan,  diese  Umwandelong 
gehört  »jedenfalls  zu  den  wichtigsten  und  tiefeiugreifendsten  Ereignissen 
der  inneren  Geschichte  des  Gymnasiums.  Die  Entwickelung,  welche  seit» 
dem  die  lebenskräftige  Schöpfung  der  beiden  Sturm  genommen  (das 
Gymnasium  zählt  heute  in  26  Klassen  712  Schüler  mit  88  Lehrern)  lifoc 
uns  mit  Vertrauen  und  Zuversicht  in  die  Zukunft  schauen. c 

Karl  Engel  Das  Gründungsjahr  des  Strafsburger  Qymnaaioiis 
1538 — 1539.  (Festschrift  zur  Feier  des  350jährigen  Bestehens  des 
protestantischen  Gymnasiums  zu  Strafsburg  (Strafsburg  1888)  I  113 
—142). 

Der  Verfasser,  welcher  durch  sein  Programm  über  idas  Schal- 
wesen in  Strafsburg  vor  der  Gründung  des  protestantischen  Gymnasianisc 
(Strafsburger  Programm  1886)  sich  als  einen  tüchtigen  Kenner  der  Strab- 
burger  Schul gescbichte  ausgewiesen  bat,  schildert  auf  Grund  der  besteo 
Quellen  das  erste  Jahr  der  berühmten  Sturmschen  Schule. 

Das  Gründungsjahr  der  Schule  ist  zugleich  der  Höhepunkt  voo 
Strafsburgs  politischem  Ansehen.  Schon  seit  1534  bestand  ein  Abkommea, 
wonach  Strafsburg  die  Ausbildung  von  Kirchen-  und  Schuldienem  für 
eine  Anzahl  evangelischer  Städte  Oberdeutschlands  übernahm.  Unter 
Oberleitung  der  Schulberren  oder  Scbolarchen  und  unter  Beihilfe  der 
Schulvisitatoren  wurde  im  Jahre  1538  das  ehemalige  Dominikanerkloster 
zu  einer  Schule  hergerichtet,  deren  Leitung  der  Rat  dem  berfihmteD 
Johannes  Sturm  übertrug.  Derselbe  veröffentlichte  den  Plan  derselben 
in  seiner  Schrift  »De  literarum  ludis  recte  aperiendis.c 

Ein  wichtige  Frage  war  die  Wahl  tüchtiger  Lehrer.  Neben  den 
Leiter  Sturm  wurde  berufen  Peter  Hasenfufs,  genannt  DasyiKMlius,  aas 
Frauenfeld  in  der  Schweiz,  Verfasser  eines  lateinisch-deutschen  WOrter^ 
buches,  sodann  Simon  Steiner  (Litbonius)  aus  Grencben  in  Wallis,  ein 
Verwandter  des  vielgewanderten  Thomas  Platter,  hierauf  Johann  Sapidos, 
der  frühere  gefeierte  Rektor  der  Schlettstadter  Schule,  ferner  der  be> 
scheidene  Johann  Schwebel,  der  die  anfangs  übernommene  vierte  Klasse 
bald  mit  der  sechsten  vertauschte.  Er  tauschte  dabei  mit  dem  jflngereo 
Kollegen  Jakob   Scherer  (Villicus)   aus   Strafsburg.     Grofae   Bedenken 


Karl  Engel,  Grflndangsjahr  des  Strafsbarger  Oymnaaiams.  75 

erregte  die  Emenonng  von  Peter  Schriefsbamer  oder  Scbriefsheimer,  von 
Botzer  einmal  Siderander  genannt  Sein  Helfer  war  Cbristopbonis  Hils- 
pach.  Johann  Kirchbeimer,  ein  weiterer  Lebrer,  wurde  bald  dnrcb  Petras 
Novesius  oder  Novesianus  ersetzt. 

Eröffnet  wurde  die  Anstalt  den  30.  September  1538  vorläufig  in 
den  Räumen  des  früheren  Barfofserklosters,  da  der  Umbau  des  Domini- 
kanerkloster nicbt  rechtzeitig  fertig  wurde.  Unter  den  Schillern  waren 
auch  ganz  arme,  die  man  nach  dem  Kloster  St.  Merx  Marcianiten  nannte. 
Es  durften  deren  aber  nicbt  Ober  100  sein.  Wahrscheinlich  zu  Ostern 
1689  dflrften  sodann  die  neuen  Schulräume  im  Dominikanerkloster  be- 
zogen worden  sein. 

In  den  oberen  Zimmern  der  Schule  war  das  Kollegium,  d.  h.  das 
Alumnat  der  Schaler,  welche  sich  zum  Kirchen-  oder  Schuldienst  ver- 
pflichtet hatten. 

Unter  die  Lehrer  wurden  auch  zwei  Franzosen  berufen,  der  be- 
rtthmte  Galvinus,  der  aus  Genf  vertrieben  worden,  »ein  gelarther,  frommer 
Gesellff  wie  das  Protokoll  der  Schulherren  sagt,  und  Claudius  Feranus, 
der  neben  Bedrottus  Vorlesungen  hielt. 

Aus  einem  bisher  handschriftlichen  Lehrplan,  der  im  Abdruck  als 
wertvolle  Urkunde  der  Arbeit  beigegeben  ist,  macht  Engel  sodann  Mit- 
teilungen über  einzelne  Vorlesungen.  Das  Ziel  der  Schule  war  die  aus- 
scbliefslich  dialektische  und  rhetorische  Schulung  des  Geistes,  die  sodann 
der  Erreichung  höherer  Zwecke  dienlich  sein  sollte. 

Die  Erhaltung  der  Schule  wurde  mit  dem  früheren  Vermögen  der 
Klöster  bestritten.  Aus  der  Staatskasse  wurde  nichts  beigesteuert.  Be- 
sondere Fürsorge  wandte  man  auf  die  Unterhaltung  armer  SchtÜer  und 
Studenten.    Sogar  Reisestipendien  für  Universitäten  wurden  gegeben. 

Das  gröfste  Verdienst  um  das  Gedeihen  und  Blühen  der  Schule 
erwarb  sich  neben  ihrem  Rektor  Sturm  der  berühmte  Stettemeister  Jakob 
Sturm  und  der  Domprediger  Kaspar  Hedio.  Jakob  Sturm  hatte  trotz 
seiner  vielen  politischen  Geschäfte  doch  immer  noch  Zeit  und  Interesse 
für  die  mancherlei  Fragen  der  Schule.  Während  die  beiden  Sturm  oft 
lange  von  Strafsburg  abwesend  sein  mufsten,  war  Hedio  unermüdlich  in 
seinen  Bemühungen  für  die  Schule.  Als  er  starb,  berief  man  zwei  Visi- 
tatores an  seine  Stelle,  weil  man  es  nicht  für  möglich  hielt,  dafs  ein 
einziger  Mann  dieses  arbeitsreiche  Amt  versehen  könne. 

Bedenkt  man  alles  das,  »so  kann  es,f  schliefst  Engel  seine 
wertvolle  Arbeit,  »wahrlich  nicht  in  Verwunderung  setzen,  dafs  der  Ruf 
der  Strafsburger  Schule,  in  welcher  der  klassische  Geist  mit  religiösem 
Ernste  verbunden  herrschte,  in  kurzer  Zeit  über  alle  Länder  sich  ver- 
breitete.! 


224  Obenicht  der  Bemerkungen  lu  Phaednu. 

7,20.  Hinter  diesem  Verse  vermutet  PoUe  eine  Lücke.  Richtig 
ist,  dafs  21 — 24  sich  nicht  gut  anschliefsen. 

8,  4  ^hi  speculo  cathedra  matris  supposita  ut  fuit'  vermutet  Hart- 
man, doch  meine  ich,  dafs  es  nach  dem  Znsammenhange  nicht  darauf 
ankommt,  ob  unter  dem  Spiegel  ein  Sessel  steht,  sondern  darauf,  dafs 
angedeutet  wird,  wie  die  Kinder  zu  einem  Spiegel  gelangen. 

10,  14  wird  von  Hartman  beanstandet,  ebenso  v.  31. 

11,  6.    Hartman  empfiehlt  wie  Nauck  die  Lesart  Mntegritati  meae'. 
16,  6  ^ignotum' (wie  auch  Riese  schreibt)  empfehlen  Hartman  und 

Herzog. 

18,  8  'auribus'  wie  Hartman  nach  dem  Pithoeanus  und  dem  Re- 
mensis  vorschlägt,  erlaubt  das  Metrum  nicht;  ich  meine  daher,  ebenso 
wie  Herzog,  dafs  ^avibus*  aus  dem  Vaticanus  beizubehalten  ist. 

IV  prol.  4.  5.  Eine  viel  umstrittene  Stelle,  die  auch  Hartman  an- 
zweifelt 

ib.  18  ^capsas'  verwerfen  Hartman  und  Herzog,  indem  sie  *  Chartas* 
beibehalten. 

2,  8  verwirft  EUutman. 

4,  2.  Das  Versmafs  ist  anstöfsig,  die  Wortfolge  unvernünftig.  Ein 
Ausweg  scheint  itiir  ^aper  dum  se  volutat,  turbavit  vadum*. 

6,  11  Nauck's  Vermutung  'mersit  tartareo  specu'  tadelt  L.  Müller. 

7,  8.  Die  Oberlieferung  'libellum'  halten  Hartman  und  Herzog 
(mit  Riese)  für  das  richtige. 

ib.  16  'illinc*  vermutet  Hartman,  dem  Herzog  zustimmt. 

9,  12  wird  von  Hartman  angezweifelt. 

11,  3  'qui\  über  dessen  Stellung  Riese  Zweifel  hegte,  streicht  Polle 
nach  Johnson  und  L.  Müller. 

16,  8  ^aequasset  suae'  vermutet  Hartman.  Es  würde  schwer  fallen, 
*snae'  nicht  mit  ^feminae*  zu  verbinden. 

19,  2.  3  wird  von  Hartman  beanstandet. 

19,  6  ^suescat*  vermutet  Polle,  indem  er  richtig  bemerkt  »ne  discat 
prodesse  ist  ungenau,  da  die  Verneinung  zu  prodesse  gehörte  Phaedrus 
schreibt  aber  mitunter  ungenau. 

28,  4.  Nauck^s  Vermutung  'mercede  pacta'  tadelt  L.  Müller,  wie 
auch  24,  4  ^qui  potes\ 

24,  8.  Vor  diesem  Verse  nimmt  Hartmann  wegen  der  folgenden 
Antwort  eine  Lücke  an,  wie  sie  Riese  hinter  v.  10  vermutete. 

ib.  18-  18.  Die  Zählung  dieser  Verse  geben  L.  Müller  and  Riese 
nach  Bongars.  Polle  stellt  13  und  14  um;  die  Reihenfolge  der  Hand- 
schriften soll  sein  16.  18.  18.  17.  14.  16;  Burmann  ordnet  14.  17.  18. 
18.  16.  16. 

V  1,  12  Polle  schreibt  'afluens',  was  Herzog  verwirft. 

2,  10  soll  nach  Hartman  mit  Punkt  schliefsen;  der  UtrSatz  soll 
zum  folgenden  gehören. 


76  Schalgesehichte. 

Alfred  EricbsoD  Stimmen  ttber  das  Strafebnrger  Oymnasiom  aas 
viertbalb  Jabrbanderteo.  Ein  Beitrag  zur  360jfthrigen  Jabelfeier  am 
1.  August  1888.  Strafsburg.  C.  F.  Scbmidt's  UniversItäts^Bucbhand' 
lang  Friedrieb  Bull.    1888. 

Jakob  Wimpfeling  batte  1501  dem  Strafsbnrger  Rat  in  seiner  iGer- 
maniac  den  Vorschlag  zur  Errichtung  eines  Gymnasiums  gemacht,  ein 
Gedanke,  der  aber  erst  durch  die  Schöpfung  des  Johannes  Sturm  Wirk- 
lichkeit wurde. 

Erichson  stellt  aus  Handschriften  und  seltenen  Bflchem  Urteile 
zusammen,  um  zu  zeigen,  welchen  Eindruck  die  berühmte  Schale  im  Laufe 
der  Zeiten  auf  näher  und  ferner  Stehende  gemacht  hat. 

Schon  1539  rOhmt  Sailer  aus  Augsburg,  er  habe  idergleichen 
schnelenc  sein  Leben  lang  nicht  gesehen.  1548  berief  der  Kurftkrst  von 
der  Pfalz  den  Prediger  Paul  Fagius  nach  Heidelberg,  um  an  der  Uni- 
versität  daselbst  ein  Pädagogium  nach  Sturmschem  Muster  zu  errichten. 

Besonders  wurde  die  Anstalt  durch  zahlreiche  auswärtige  Schiller 
bekannt,  zu  denen  auch  der  Sohn  Zwingiis,  Wilhelm  Zwingli,  f  1541,  and  der 
junge  BttUinger  gehörten.  Auch  Philipp  von  Hessen  schickte  1561  »et- 
liche seiner  Söhnec  nach  Strafsburg,  um  »gute  Sitten,  Künste  and 
Sprachenc  zu  erlernen. 

Der  Ruhm  der  Anstalt  wuchs  besonders,  seitdem  durch  den  Kaiser 
im  Jahre  1566  ihr  das  Recht,  Baccalanrei  und  Magistri  zu  creieren,  ver- 
liehen worden.     1621  bekam  Strafsburg  eine  vollständige  Universität 

Im  Jahre  1575  hatte  Nikodemus  Frischlin  von  dem  »herrlichen 
Lycenmf  Strafsburgs  gesungen,  das  hervorragende  Männer  an  die  Spitze 
der  Jugend  stelle.  1578  feierte  der  Schlesier  Georg  Calaminus  die  Schale 
in  einem  lateinischen  Gedicht  mit  dem  Anfang:  0  salve,  schola  Sturmiana, 
salve:  Facundissima  Regis  eloquentis  salve  filia. 

Weitere  ehrende  Zeugnisse  enthalten  die  sogenannten  Schulpredig- 
ten, welche  einst  am  Dienstag  nach  Ostern  im  Münster  von  Professoren 
der  Theologie  gehalten  wurden.  Seit  Elsafs  französisch  und  die  Regierung 
katholisch  wurde,  werden  die  Zeugnisse  seltener.  Aus  unserem  Jahr- 
hundert sind  die  Aussprüche  Bruchs  und  Baums  bemerkenswert 

Dr.  Johannes  Crüger  Zur  Strafsbnrger  Schulkomödie  (Fest- 
schrift zur  Feier  des  850jährigen  Bestehens  des  protestantischen  Gym- 
nasiums zu  Strafsburg  (Strafsburg  1888)  S.  305—844). 

Der  Verfasser  unterscheidet  drei  Perioden  der  lateinischen  Schal- 
komödie in  Deutschland:  1.  die  Zeit  des  Versuchens;  2.  die  Schal- 
komödie im  engeren  Sinne;  8.  die  Zeit,  in  der  sich  die  Schulkomödie 
von  der  Schule  wieder  unabhängig  machte. 

Nicht  alle  Städte  haben  die  drei  Perioden  erlebt,  wie  Strafsbnrg. 
Die  erste  Periode  ist  freilich  nur  spärlich  vertreten  durch  das  1612  zum 
ersten  Mal  gegebene  lateinische  Stück  iHerkules  am  Scheidewege  von 


Joh.  CrQger,  Zar  Sirafsbarger  Sehnlkomödie.  77 

SebasUan  Brant,  welches  uns  verloreo  ist,  sodann  durch  den  Lazarus 
redivivas  des  Johannes  Sapidos,  welcher  1689  durch  Schttler  aufgeführt 
wurde,  als  man  die  neuen  Räume  des  Gymnasiums  bezog. 

Nach  Crügers  Meinung,  der  sich  dafür  auf  das  Schweigen  der 
Strafsbnrger  Ratsprotokolle  bezieht,  hat  Sturm  in  der  ersten  Zeit  seiner 
Schulleitung  keine  dramatischen  Stücke  aufftlhren  lassen.  Erst  in  den 
1666  erschienenen  Epistolae  classicae  und  in  den  Scholae  Lavinganae  em- 
pfiehlt er  SchüleraufTührungen  für  die  vier  obersten  Klassen. 

Die  erste.derartige  Aufführung  war  im  Jahre  1667.  Es  wurde  der 
terenzische  Eunuch  durch  die  Schüler  bzu  den  Predigernc  aufgeführt 
Den  Aufführungen  terenzischer  Stücke  schlössen  sich  solche  geistlichen 
Inhaltes  an. 

Unter  der  Leitung  des  alternden  Sturm  traten  sodann  Aufführungen 
griechischer  Stücke  zu  den  lateinischen  hinzu.  Allmählich  gestalteten 
sich  diese  Strafsbnrger  Aufführungen  zu  regelmässig  wiederkehrenden  und 
wurden  eine  Sehenswürdigkeit  Strafsburgs. 

In  einem  zweiten  Teil  behandelt  Crüger  »Leben  und  Wirkungen 
des  Georgius  Galaminusf(=Rörich),  der  1647  zu  Silberberg  in  Schlesien 
geboren  worden  war»  auf  den  Lateinschulen  su  KOniggrätz  und  Breslau, 
sodann  zu  Heidelberg,  in  der  Schweiz  und  Strafsburg  seine  Studien  ge- 
macht hatte.  In  letzterer  Stadt  hat  er  mancherlei  Gelegenheitsgedichte 
geschrieben.  Dazu  gehört  auch  sein  »Garmius  sive  Messias  in  praesepic, 
der  am  2.  Januar  1676  zum  ersten  Mal  gespielt  und  später  öfters  wieder- 
holt worden  sein  dürfte.  Ein  Wiederabdruck  dieses  lateinischen  Schul- 
dramas (S.  842 — 864)  beschliefst  die  Arbeit. 

Zu  S.  823  sei  ergänzend  hinzugefügt,  dafs  über  Peter  Calaminus, 
den  Vetter  Georgs,  in  der  Heidelberger  Matrikel  (von  Töpke  herausgege- 
ben) sich  eine  Anzahl  dankenswerter  chronologischer  Daten  findet. 

Dr.  Rudolf  Reufs,  Gberlehrer.  M.  Samuel  Gloner,  ein  Strafs- 
bnrger Lehrerbild  aus  den  Zeiten  des  dreifsigjährigen  Krieges  (Fest^ 
Schrift  zur  Feier  des  360  jährigen  Bestehens  des  protestantischen  Gym- 
nasiums zu  Strafsburg  [Strafsburg  1888]  S.  143—226). 

Die  Hauptquelle  dieser  fleifsigen  Arbeit  ist  neben  den  sehr  zahl- 
reichen Druckschriften  Gloners  mit  lateinischen  Gedichten  ein  Band  mit 
Briefen  an  Gloner,  der  sich  im  Archiv  des  Strafsburger  Thomasstiftes 
befindet;  Briefe  von  Gloner  sind  nicht  darin  enthalten. 

Gloner  ist  ein  Strafsburger  Kind ;  den  2.  März  1698  geboren,  durch- 
lief er  das  Gymnasium  seiner  Vaterstadt  und  studierte  auch  an  der  Strafs^ 
burger  Hochschule.  Den  12.  Januar  1620  erhielt  er  den  Dichterlorbeer 
durch  dem  Basler  Pfarrer  Johann  Jakob  Grasser,  der  seiner  Zeit  in 
Padua  die  Pfalzgrafenwürde  erworben  hatte,  wonach  er  Poetae  laureati 
kreieren  konnte. 

Nachdem  Gloner  geheiratet  hatte,  erhielt  er  1020  durch  den  Mark- 


78  Scholgeschicht«. 

grafen  von  Baden  eine  »fürstliche  Vokationc  an  das  badische  Gymnasiiia 
illustre  zu  Durlach.  Hier  entstanden  mehrere  Kinder  von  Gloners  la- 
teinischer Muse.  Nach  kurzer  Thätigkeit  an  dieser  hochgeachteten  Anstalt 
kehrte  er  nach  Strafsburg  zurück  und  wurde  den  17.  Dezember  1622 
zum  Collaborator  decimae  classis  der  Anstalt,  an  der  er  selbst  einst  sto- 
diert  hatte.  Obgleich  aufserordentlich  produktiv  in  lateinischen  Gedichten 
während  der  nächsten  Jahre,  gelang  es  ihm  doch  nicht,  wie  er  hoffte, 
Lehrer  der  Eloquenz  an  der  Strafsburger  Hochschule  zu  werden.  Doch 
stieg  er  1627  zum  Lehrer  der  Sexta  am  Gymnasium  auf,  .wenigstens  eine 
kleine  Anerkennung  fttr  seine  unermüdliche  Thätigkeit. 

Unter  seinen  zahlreichen  Korrespondenten  finden  sich  aacb  einige 
von  gröfserer  Bedeutung,  so  der  bekannte  Johann  Michael  fiioscheroscli 
und  Johann  Valentin  Andreae,  Superintendent  zu  Calw  in  Württemberg. 

Mit  den  Jahren  stieg  er  in  die  höheren  Klassen  auf  und  wurde 
durch  den  Auftrag  der  Visitatio  GoUegiorum  geehrt.  Lange  Zeit  be- 
schäftigte ihn  eine  Ausgabe  des  Ovid,  die  aber  nie  im  Drucke  erschien. 
Im  November  1642  erlag  der  Dichter  einer  schweren  Krankheit.  Gedichte, 
die  in  seinem  Nachlafs  sich  fanden,  und  deren  Inhalt  nicht  mehr  bekannt 
ist,  führten  zu  einem  Beschlufs  des  grofsen  Rats,  dafs  Gloners  Name 
in  der  Matrikel  der  Universität  zu  tilgen  sei.  Ein  übles  Nachspiel  sn 
dem  sonst  makellos  geführten  Leben! 

Die  zahlreichen  lateinischen  Gedichte,  welche  Gloner  geschriebeo 
hat,  werden  von  Reufs  überall  im  Zusammenhang  mit  der  Darstellong 
seines  Lebens  besprochen. 

Aus  dem  Rheintbal  wenden  wir  uns  nach  Schwaben: 

Rektor  Dr.  Friderich,  Die  Schul  Verhältnisse  Reutlingens  zur 
Zeit  der  freien  Reichsstadt.  I.  Teil  (Programm  des  K.  Gymnasiums 
in  Reutlingen  für  1886— 1887.  Reutlingen.  1887.  Programm  Nr.  649. 
S.  21—40). 

Obgleich  authentische  Urkunden  über  das  Schulwesen  Reutlingens 
erst  mit  dem  Jahre  1566  beginnen,  so  bezeugt  doch  schon  eine  Nach- 
richt von  1292  das  Vorhandensein  einer  Schule:  in  einer  Urkunde  von 
diesem  Jahre  fungierte  als  Zeuge  H.  der  Schulmeister  von  Rutelingeo. 
Im  14.  Jahrhundert  las  nach  den  Annalen  des  Grusius  Mag.  Eberhard 
Barter,  Ganonicus  in  Rotenburg  a.  N.,  als  Doctor  Scolarium  zu  Real- 
lingen und  Tobingen  über  30  Jahre  Grammatik,  Logik  und  Philosophie. 
1396  starb  der  Knabenschuliehrer  Konrad  Spechthart,  dessen  Grabsteio 
ihn,  mit  einem  langen  Talare  bekleidet  und  auf  einem  Katheder  vor 
einem  Buche  sitzend,  darstellt.  Er  ist  der  Kommentator  des  Specnlom 
grammaticale  von  seinem  Oheim  Hugo  Spechtbart 

Vermutlich  hatte  Reutlingen  im  13.  und  14.  Jahrhundert  eine 
Trivialschule,  in  der  Lesen,  Schreiben,  Singen  und  Latein  gelehrt  wurde, 


Fridrich,   Die  SchnWerhältDisse  Reutlingens.  79 

schwerlich  aber  auch  Rechnen,  wie  Fridrich  S.  22  meint    Das  Rechnen 
18t  in  die  TriWalscbulen  erst  viel  später  eingedrungen. 

Im  16.  Jahrhundert  leitete  Präceptor  Georg  Keller  die  Reutlinger 
Lateinschule,  in  welcher  auch  der  bekannte  Reformator  Matth.  Alber 
Schfller  war.  1511  wurde  dieser  selbst  zum  Provisor  der  Schule  seiner 
Heimatstadt  berufen. 

Höhere  Bedeutung  aber  bekam  die  Reutlinger  Schule  erst  durch 
Albers  Freund,  Job.  Scbradin,  einen  Mann  von  feurigem,  lebhaftem  Geiste, 
der  vermutlich  zwischen  1524 — 33  »mit  geringer,  spottlicher  Besoldung! 
die  Stelle  eines  lateinischen  Präceptors  bekleidete. 

Aus  der  Kirchenordnung  Albers  fOr  Reutlingen  c.  1526  geht  her- 
vor, dafs  damals  die  Stadt  schon  eine  Mehrheit  von  Schulen,  lateinische 
und  deutsche,  hatte.  Der  Senatus  ecclesiae,  eine  Art  von  Presbyterium, 
aus  12  Mitgliedern,  darunter  auch  die  Geistlichen  der  Stadt,  sollten  den 
Schulmeister  wählen  und  die  Visitation  der  Schulen  »nach  lut  der  Schul- 
ordnnngc  besorgen. 

Die  Mitte  des  Jahrhunderts  bringt  Reutlingen  wegen  seiner  Teil- 
nahme am  schmalkaldiscben  Kriege  einen  bedeutenden  RQckgang.  Von 
da  an  aber  fliefsen  die  Quellen  für  die  Schulgeschichte  reichlicher:  es 
sind  Akten,  Ratsprotokolle  und  die  zwei  Chroniken  der  beiden  Schul- 
männer Fizion  und  Hofißstetter. 

1665  entwarf  der  Präceptor  Heinricus  Ryesser  (Reiser?)  eine 
Lektionsordnung,  die  sich  erhalten  hat,  die  aber  dem  Rate  nicht  ganz 
genOgt  zu  haben  scheint,  so  dafs  ein  neuer  Entwurf  fertiggestellt  und  8.  Juli 
1566  vom  Rate  angenommen  wurde.  In  dieser  neuen  Ordnung  war  vor 
allem  Sonderung  der  Kinder  verlangt,  ferner  Einhaltung  der  festgesetzten 
Lektionen  und  Autoren,  genauere  Abgrenzung  der  Funktionen  des  Präcep- 
tors und  Provisors  und  »endlich  (und  das  ist  dem  Rate  ein  Hauptan- 
liegen) die  Regelung  des  Gesangunterricbts.c  Der  Rat  setzte  die  ein- 
zuflbenden  Lieder  und  Psalmen  fest  und  trägt  selbst  kein  Bedenken  — 
eine  Folge  der  politischen  Lage  —  die  alten  katholischen  Kirchen- 
gesänge wieder  in  die  protestantischen  Kirchen  Reutlingens  einzuführen. 
Diese  Schulordnung  ist  S.  29—31  im  Wortlaute  mitgeteilt.  In  classe  ludi 
moderatoris  wird  übrigens  auch  das  Elementale  grece  linguae  getrieben. 

In  Folge  einer  Visitation  von  1574  bekamen  die  Schulvögte  den 
Auftrag,  den  Lehrern  allerlei  zu  »ii]gungierenf ,  wie  der  praeceptor  in  su- 
periori  classe  soll  das  Elementale  Graecum  ohne  Weitläufigkeit,  sim- 
pliciter,  vorhalten  und  nichts  dazu  diktieren,  bevor  sie  jenes  begriffen 
hätten;  auch  Mafshalten  in  castigandis  pueris  wird  empfohlen. 

Schon  1586  wieder  wird  eine  neue  Schulordnung  erlassen,  die  1610 
mit  einigen  Abänderungen,  wie  es  scheint,  erneuert  wurde.  Es  wird 
geklagt,  dafs  die  Knaben  zu  kurz  der  Schule  anvertraut  (ein,  zwei  oder 
drei  Jahre)  und  dann  einem  Handwerk  ttbergeben  werden.  Unter  den 
Vorschriften  für  die  Schüler  der  ersten  Klasse  lesen  wir:   »Der  Lehrer 


80  SehnlgeMhidite. 

maÜB  fleibig  aufmerken,  dafs  die  Knaben  die  Tocales  ?nd  consonantes 
der  lateinischen  Sprachart  defltUicfa  aussprechen.c  Die  Schole  wnrde 
zu  einer  Anstalt  von  drei,  später  vier  Klassen  ansgebant 

Auf  S.  36  folgt  ein  Verzeichnis  der  Rektoren  and  Praeceptoren 
von  1669 — 1666  mit  biographischen  Notizen  fQr  die  einzelnen. 

Die  Blftte  der  Schulen  knickte  sodann  der  30j&hrige  Krieg ,  der 
die  Einwohnerzahl  Reutlingens  von  7000  unter  4000  herabsinken  liels. 
Noch  gröfser  war  aber  der  sittliche  Schaden,  obgleich  der  Rat  auch 
mitten  unter  den  Greueln  des  Krieges  sein  lebhaftes  Interesse  fftr  Schule 
und  Kinderzucht  bekundete,  wie  z.  B.  1646  zwei  neue  Schulstellen  ge- 
gründet wurden.  Ein  Erlafs  des  Rates  vom  12.  November  1661  bekun- 
det den  ziemlich  trostlosen  Zustand  der  Schulen,  wie  er  durch  eine  Visi- 
tation festgestellt  wurde  (vgl.  8.  89). 

Ebenfalls  schwäbische  Verhältnisse  schildert  folgende  Arbeit: 

Die  Städtischen  Lateinschulen  am  Ende  des  Mittelalters.  Ein 
Vortrag  von  Chr.  Kolb,  Professor  am  Gymnasium  in  Schw.  Hall. 
Schober.   1887. 

Einen  Anlafs  zu  seiner  Arbeit  fand  der  Verfasser  in  Heft  13  der 
von  Dr.  Johannes  Müller  herausgegebenen  »Sammlung  selten  gewordener 
pädagogischer  Schriften  früherer  Zeitenc,  welches  *Vor-  und  frührefor- 
matorische  Schulordnungen  und  Schulverträge  in  deutscher  und  nieder- 
ländischer Sprächet  enthält,  darunter  auch  zwei  Nummern  über  Seh. 
Hall.  Für  seine  Darstellung  zieht  er  noch  bei  eine  Memminger  Schul- 
ordnung von  1618  und  eine  Ordnung  fElr  die  lateinischen  Stadtschulen  in 
Nördlingen  vom  Jahre  1612,  in  der  Annahme,  dafs  in  diesen  beiden 
Reichsstädten  die  Schulverbfiltnisse  im  wesentlichen  waren  wie  zu  Schw. 
Hall.  Die  Richtigkeit  dieser  Vermutung  soll  nicht  bezweifelt  werden, 
aber  angemessener  wäre  es  doch  gewesen,  einmal  die  Archive,  z.  B.  auch 
in  Stuttgart,  auf  diesen  Gesichtspunkt  hin  durchzusehen.  Vielleicht  sind 
doch  noch  Dokumente  zur  Schulgeschichte  von  Schw.  Hall  vorhanden. 
Der  Verfasser  entwirft  sodann  ein  Bild,  das  ganz  ansprechend  ist,  sich  aber 
aus  dem  bekannten  Werke  Kämmeis  »Geschichte  des  deutschen  Schul- 
wesens im  Übergange  vom  Mittelalter  zur  Neuzeitc  (Leipzig  1882)  in 
vielen  Punkten  erweitem  läfst. 

Von  Süddeutschland  wenden  wir  uns  nach  Sachsen  und  Thü- 
ringen, dessen  Schulwesen  für  manche  Länder  Deutschlands  vorbild- 
lich gewesen  ist: 

Lic.  Dr.  Georg  Müller,  Das  kursächsische  Schulwesen  beim  Erlafs 
der  Schulordnung  von  1680.  Dresden  1888.  (Programm  Nr.  606, 
Wettiner  Gymnasium  io  Dresden). 

Da  Kursachsen  das  Heimatland  der  deutschen  Reformation  ist,  so 
haben  dessen  Schulverhältnisse  ein  ganz  besonderes  Interesse.    Müllers 


Dr.  Qeorg  MQller,   Das  kunfteMsche  Schalwesen.  gl 

Arbeit  ruht  aaf  aasgedehnten  archlyalisohen  Nachforsohnngen  and  seagt 
Oberall  eine  gute  Kenntnis  der  in  Betracht  kommenden  Litteratar.  Der 
Stoff  ist  in  vier  Gruppen  gesondert:  1.  Das  ländliche  Schulwesen.  2.  Die 
lateinischen  Schalen  in  den  St&dten.  8.  Die  deutschen  Schalen.  4.  Die 
Madchenschulen. 

Fttr  die  Aufgabe  des  »Jabresberichtesc  kommt  allein  Nr.  2  in 
Betracht.  Der  Verfasser  gibt  Aufscblafs  Ober  die  Schulen  in  den  grOfseren 
und  kleineren  sächsischen  Stftdten.  Zuverlässige  Angaben  über  Zahl 
und  Vorbildung  der  Lehrer,  von  denen  mauche  keine  Universität  besucht 
hatten,  Mitteilungen  ttber  die  benutzten  Lehrbücher,  unter  denen  fast 
überall  die  Lehrschriften  Melanchtfaons  erscheinen,  kurze  Charakteristik 
mancher  erfreulichen  und  nicht  erfreulichen  Erscheinungen  geben  uns 
ein  ungefähres  Bild  der  damaligen  sächsischen  Lateinschule.  Im  Grie- 
chischen brachte  man  es  in  den  besten,  d.  h.  in  den  mit  einem  zahl- 
reichen Lehrpersonal  ausgerüsteten  Schulen  doch  nur  zu  sehr  mäfsigen 
Leistungen.  In  kleineren  Städten  macht  der  Pastor  die  Schulordnung, 
in  grOfseren  der  Rat  mit  dem  Schulmeister.  Der  Krebsschaden  der 
wandernden  Schüler  existiert  immer  noch.  Die  Besoldnngsverhältnisse 
der  Lehrer  sind  an  vielen  Orten  sehr  unzureichend.  Auch  die  Schul- 
häoser  sind  oft  unzulänglich.  Meist  wendet  man  sich  in  Notfällen  an 
den  bedrängten  Kurfürsten. 

Müllers  wertvolle  Arbeit  ist  mehr  eine  Materialiensammlung,  als 
eine  ausgeführte  Darstellung.  Sie  will  mehr  studiert  als  gelesen  sein, 
da  der  Verfasser  unterlassen  hat,  die  allgemeinen  Verhältnisse  jeweils 
einleitungsweise  zu  schildern. 

Das  alte  Gymnasium  in  Jena.  Beiträge  zu  seiner  Geschichte. 
Erster  Teil.  Von  Dr.  Gustav  Richter.  Eine  Festschrift  gewidmet 
Seiner  Excelleoz  dem  Grofsh.  Sachs.  Staatsminister  Dr.  G.  T.  Stichling 
zum  8.  September  1886.  (Programm  des  Gymnasiums  Garolo-Alexan- 
drinum  zu  Jena.    1887.   Nr.  626.   4^.  44  S.). 

Abgesehen  von  gedruckter  Litteratur  diente  als  Quelle  das  städtische 
Ratsarohiv  in  Jena,  das  Ernestinische  Gesamtarchiv  zu  Weimar  und  ein 
auf  d^r  Jenaer  Bibliothek  befindliches  Manuskript  des  gelehrten  und 
fleissigen  Jenenser  Historiographen  Adrian  Beier,  die  lAthenae  Salanaec. 

Die  Anfänge  der  Schule  reichen  in  das  Mittelalter  zurück;  schon 
1809  wird  die  Schule  als  alt  bezeichnet,  so  dafs  die  ersten  Spuren  ins 
18.  Jahrhundert  führen.  Eine  Urkunde  von  1846  ergibt,  dafs  das  Schul- 
lokal in  dem  Turme  der  Stadtkirche  war,  in  einem  jetzt  als  Sakristei 
dienenden  Räume  (under  dem  thorme,  do  dy  schule  von  aldere  gewest). 

Nach  mancherlei  Streitigkeiten  über  das  Besetzungsrecht  einigte 
man  sich  1864  dahin,  dafs  dasselbe  nicht  dem  Kloster  in  Jena  allein, 
sondern  demselben  gemeinsam  mit  der  Stadtbehörde  zustehe.    Bei  der 

Jahmberichl  för  AlterthumswiMaischaft.   LXIX.  Bd.  (1891.  III.)  6 


82  Schalgeschiehte. 

Aufhebong  des  Klosters  1525  ging  dieses  Recht  auf  den  Korfttrsten  tod 
Sachsen  ttber,  der  es  bald  dem  Rat  von  Jena  aosschliefsUch  abertrng. 

Ein  zweiter  Abschnitt  behandelt  »Die  Schale  im  Jahrhundert  der 
Reformation.c  Die  Räume  des  aufgehobenen  Nonnenklosters  wurden  zu 
Schulräumen  umgewandelt.  Aber  im  ttbrigen  scheinen  nur  darfUge  Mittel 
der  Schule  zur  Verfügung  gestellt  worden  zu  sein. 

Der  erste  protestantische  Schulvorsteher  (Ludimoderator)  war  Franz 
Mohr  (Maurus),  vorher  Kantor  in  Weimar,  seit  1624  in  Jena,  von  wo 
er  1587  nach  Lobeda  ging.  Sein  treuer  Gehilfe  war  sein  Sohn  Johannes. 
Neben  Mohr  war  auch  Andreas  Misenus  thätig,  dessen  Nachfolger 
Kaspar  Pailscher  aus  Mosbach  (1530—85)  wurde. 

Nähere  Kunde  haben  wir  erst  von  Stephan  Reich  (Riccius), 
ttber  den  Ernst  Koch  in  Meiningen  gründlich  gehandelt  hat.  1512  in 
Kahla  geboren,  besuchte  er  1525  —  29  die  Stadtschule  in  Jena,  studierte 
sodann  in  Wittenberg  unter  Melanchthon  Theologie,  Philologie  und  Ma- 
thematik. Wahrscheinlich  Mohrs  Nachfolger  geworden,  leitete  er  die 
Jenenser  Schule  bis  1540.  Hier  begann  er  seine  ausgedehnte  schrift- 
stellerische Thätigkeit:  eine  Übersetzung  der  drei  olynthischen  Reden 
des  Demosthenes,  des  Schreibens  des  Königs  Philipp  an  die  Athener  und 
der  Antwort  des  Demosthenes,  der  vier  phiiippischen  Reden,  die  sich 
jetzt  handschriftlich  auf  der  herzoglichen  Bibliothek  in  Gotha  befinden. 
1540  ging  Reich  nach  Saalfeld,  um  später  in  den  Kirchendienst  ttber- 
zutreten. 

Unter  Reich  und  seinem  sonst  unbekannten  Nachfolger  Mag.  Jo> 
hannes  Heseling  (1540—45)  kam  die  Schule  so  empor,  dafs  man  einen 
Konrektor  brauchte,  welche  Stelle  1545  mit  Georg  Meltzer,  leiner  allem 
Anschein  nach  ausgezeichneten  Persönlichkeit c,  besetzt  wurde.  Derselbe 
war  zugleich  Kantor.  Als  Sohn  des  Stadtrichters  in  Buttstedt  geboren, 
hatte  er  die  Stadtschule  zn  Zwickau,  unter  dem  berühmten  Plateanns 
die  »Schleifmtthlec  genannt,  besucht  und  dann  seine  Studien  in  Witten- 
berg unter  Luther  und  Melanchthon  gemacht.  Er  wirkte  sechs  Jahre  als 
CoUaborator  der  Schule  zu  Goslar  und  53  Jahre  zu  Jena.  Gestorben 
ist  er  als  88 jähriger  Greis,  »venerandus  senex,  pietate  et  eruditione 
praestans,  nee  non  de  scholis  optime  meritus.c  1598  wurde  als  sein 
Nachfolger  Christoph  Keiner  berufen. 

Heselings  Nachfolger  wurde  Kaspar  Arnurus  aus  Stadtilm,  der  22 
Jahre  lang  (1546 — 68)  die  Schule  >non  sine  sui  laude  et  pubis  literariae 
fruget  leitete.  In  diesen  Zeitraum  fallen  die  Anfänge  der  üniversitAt 
Jena,  eine  Ereignis,  das  zur  Hebung  der  Schule  sehr  wesentlich  beitrug. 
Mit  der  Einrichtung  von  fünf  Klassen  im  Jahre  1587  erreichte  die 
Schule  auf  lange  Zeit  hinaus  ihren  Abschlufs. 

1560-^1573  hatte  der  Mediziner  Johann  Mellinger  aus  Halle- and 
1678—1598  M.  Ludwig  Salveld  aus  Kahla  das  Rektorat.  Auf  diesen 
folgte  Johann  Faber,  vorher  Rektor  in  Schleusingen  und  Nordhaosen« 


Dr.  Gastav  Richter,   Das  alte  QymDasium  in  Jena.  83 

der  aber  bald  nach  Koburg  ging.  Als  tüchtiger  Hebraist  und  Grftdst 
hat  er  sich  auch  litterarisch  hervorgethau.  Von  1699—1602  war  Eilian 
Wallendorp  aus  Ilmenau  Rektor. 

So  hatte  sich  die  Schule  im  Zeitalter  der  Reformation  stetig  ent- 
wickelt; erst  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  trat  ein  Rückgang  ein,  »der 
auch  an  anderen  Schulen  beobachtet  wird  und,  wie  es  scheint,  in  einer 
allgemeinen  Abneigung  gegen  die  gelehrten  Studien  seinen  Grund  ge- 
habt hatt 

Die  Schule  steht  unter  dem  Stadtrat,  aber  die  Berufungen  der 
Lehrer  bedürfen  der  landesherrlichen  BestAtigung.  Das  Gehalt  ist  be- 
scheiden, gleichwohl  das  Schulamt  viel  begehrt  als  übliche  Übergangs- 
stufe zum  Pfarramt.  Über  Unterricht  und  Schulzucht  ist  S.  16—31  auf 
Grund  der  Quellen  gehandelt;  die  Jenenser  Schule  scheint  keine  charak- 
teristischen Verschiedenheiten  von  anderen  Schulen  der  Zeit  zu  haben. 

Der  dritte  Abschnitt  »Die  Stadtschule  in  der  ersten  Hälfte  des 
17.  Jahrhundertf  schildert  zunächst,  wie  der  Rückgang  der  Schule  nicht 
blofs  durch  die  schlimmen  Zeitläufe,  sondern  auch  durch  die  üntüchtig- 
keit  des  Rektors  M.  Christoph  Keiner  herbeigeführt  wurde,  dem  man 
endlich  1602  ein  Testimonium  dimissionis  geben  konnte.  In  Folge  der 
geringen  Schülerzahl  scheint  die  Schule  in  dieser  Zeit  auf  vier  Klassen 
reduziert  gewesen  zu  sein. 

Der  neue  Rektor  Immanuel  Hase,  geboren  1670  zu  Auma  als 
Sohn  des  dortigen  Schulrektors,  trieb  nicht  hohe  Künste  mit  den  Schülern, 
sondern  lehrte  sie  rä  npbg  rbv  ßiov  ^pi^acfia.  1621  starb  dieser  Homo 
antiquae  virtutis  et  fidei. 

AufTallender  Weise  war  die  Zeit  des  30jährigen  Krieges  eine  Zeit 
des  Aufschwunges  für  die  Schule.  Dieselbe  blühte  unter  dem  Rektor 
M.  Johann  Wilhelm  Wallich,  geboren  1591  zu  Weimar,  der,  erst  25 
Jahre  alt,  »ob  eruditionem  solidam  et  humanitatem  singularemc  die  Stelle 
1616  erhielt  und  20  Jahre  lang  dieselbe  bekleidete.  Als  Kollegen  standen 
ihm  Franz  Trömler  und  Kantor  Nikolaus  Erich  zur  Seite. 

Von  den  Rektoren  der  Folgezeit  ist  besonders  Mag.  Christian 
Chemnicius  zu  nennen.  1615  zu  Königsfeld  bei  Rochlitz  geboren, 
wurde  er  1638  Rektor  in  Jena.  Unter  ihm  wurden  Komödien  des  Terenz 
aufgeführt.  Er  war  nach  kurzer  Thätigkeit  in  Weimar  als  Professor 
der  Theologie  wieder  nach  Jena  zurückgekehrt,  wo  er  1666  starb. 

Joh.  Christfried  Sagittarius  verwaltete  das  Rektorat  nur  drei 
Jahre  und  wurde  schon  1646  Professor  historiarum  et  poeseos  an  der 
Universtität.  Sein  Nachfolger  war  Joh.  Frischmuth  aus  Wertheim 
a.  M.,  wurde  aber  1649  aufserordentlicher  Professor  der  orientalischen 
Sprachen  an  der  Universität. 

Was  die  Besoldungen  betrifft,  so  bezogen  an  barem  Gelde  der 
Rektor  90,  der  Konrektor  und  Kantor  je  60,  der  Quartus  52,  der  Quin- 
tus  25  Gulden;  daneben  erhielten  sie  Getreide.   Nebeneinnahmen  brachten 

6» 


g4  Sehulgescbiehte. 

eiDzelae  Vermftchtaisae,  Nei^ahr-  and  Oregoriasamg&nge,  die  Oebfthren 
ffir  das  Singen  bei  Hochzeiten  and  Begräbnissen.  •  Diese  verschiedenen 
Einnahmen  waren  gewifs  nicht  nnbeträchtlich,  die  Art  ihrer  Erhebong 
aber  konnte  dem  Ansehen  der  Lehrer  wenig  förderlich  sein.« 

Über  die  innere  Entwickelang  der  Schale  sind  wenig  An- 
haltspunkte vorhanden.  Der  Unterrichtsplan  aus  dem  Jahr  1642  stimmt 
mit  der  Schulordnung  von  1693.  Trotz  des  Aafeehens,  das  die  Reformen 
Raticbs  in  Weimar  und  Jena  machten,  merkt  man  im  Lehrplan  nicht 
viel  »vom  Durchbroch  des  modernen  Geistes.f  Donat  wird  in  der  Be- 
arbeitung des  verdienten  Rhenius  (1574—1639)  benutzt«  Griechische 
Grammatik  wird  in  grOfserem  Umfange  betrieben. 

Eine  anmutige  Beschreibung  des  Gregoriusfestes  beschliefst  die 
lehreiche  Abhandlung,  zu  der  Fortsetzungen  in  Aussicht  gestellt  werden. 

Bibliographisches  Repertorium  ttber  die  Geschichte  der  Stadt 
Frei  her  g  und  ihres  Berg-  und  Hüttenwesens.  Für  akademische  Vor- 
lesungen und  für  den  Freiberger  Altertumsverein  von  Dr.  phil.  Eduard 
Heydenreich,  Oberlehrer  am  Gymnasium  Albertinam,  Privatdozent 
der  Geschichte  an  der  Egl.  Sächsischen  Bergakademie,  Bibliothekar 
des  Freiberger  Altertumsvereins.  Freiberg  in  Sachsen.  1885.  8^  IX 
und  128  S. 

Dazu  ein  Nachtrag  desselben  Verfassers:  Zur  Bibliographie 
über  die  Geschichte  der  Stadt  Freiberg  und  ihres  Berg-  und  Hütten- 
Wesens.   5  Bl. 

Diese  umfangreiche  Zusammenstellung  ist  hier  zu  erwähnen,  weil 
sie  von  S.  16—19  (Nr.  202—263)  die  ausgedehnte  Litteratur  über  die 
Freiberger  Schule  bietet,  deren  Bedeutung  durch  Namen  wie  Petras 
Mosellanus  (Schade),  Job.  Rhagius  Aesticampianus,  Job.  Rivius  (Bacb- 
mann),  Erasmus  Sarcerius,  Fabricius  u.  a.  einleuchtend  wird.  Ferner 
enthält  der  Abschnitt  »Reformationszeitc  S.  64—68  (Nr.  876 — 932)  eine 
Anzahl  von  Schriften,  welche  für  Schul-  und  Gelehrtengeschichte  io 
gleicher  Weise  von  Wert  sind.  —  Zu  Aesticampianus  hätten  noch  die 
beiden  sorgfältigen  Arbeiten  von  G.  Bauch  über  diesen  Humanisten 
(Archiv  für  Litteraturgeschichte.  XU  321-370.  XUL  1—33)  angeführt 
werden  können. 

Der  Nachtrag  enthält  die  Litteratur  zu  dem  bekannten  Gregorias- 
feste,  einem  viel  gefeierten  Schulfeste  früherer  Zeit,  das  sich  in  Freiberg 
offenbar  lange  erhalten  hat. 

Es  wäre  zu  wünschen,  dafs  wir  auch  über  andere,  geschichtlich 
bedeutsame  Schalen,  solche  nützliche  Zusammenstellungen  erhielten. 


Dr.  Eckstein,  Die  Feier  des  Qregoriosfestes.  85 

Oberlehrer  Dr.  Eckstein  Die  Feier  des  Oregoriasfestes  am  Gym- 
nasium zu  Zittau.  Zittau  1888.  (Prograrombeiiage  (Nr.  616)  zum 
Jahresbericht  des  Gymnasiums  in  Zittau). 

Das  Gregoriusfest  wurde  wahrend  des  Mittelalters  als  Schulfest 
am  12.  März  allgemein  in  Deutschland  gefeiert.  Die  Entstehung  des- 
selben ist  nicht  mehr  genau  festzustellen.  Die  Feier  bestand  in  einer  spafs- 
haften  Form,  die  Neulinge  in  die  Schule  einzufahren,  wobei  die  Schüler 
sich  vermummten  und  dann  mit  Backwerk  beschenkt  wurden.  Zugleich 
sammelten  auch  die  Lehrer  Efswaaren  für  sich  bei  den  Einwohnern  der 
Stadt  ein. 

Eckstein  verfolgt  nun  die  Feier  dieses  Festes  in  Zittau,  das  bis 
ins  Mittelalter  daselbst  nachweisbar  ist.  Auch  die  Reformation  hob  das 
Fest  nicht  auf,  wie  z.  B.  Melanchthon  mehrere  Gregoriuslieder  dichtete. 
Nur  hat  man  vermutlich  die  bei  dem  Feste  übliche  Wahl  eines  Schul- 
bischofs und  seiner  Kleriker  unterlassen.  So  wenigstens  war  es  in  Gör- 
litz, dessen  Gymnasium  grofse  Ähnlichkeit  mit  dem  Zittauer  hatte. 

Seit  1686  war  die  Stadtschule  in  ein  Gymnasium  verwandelt  wor- 
den ;  als  Rektor  trat  Kaspar  Janitius  ein,  unter  welchem  das  alte  Schul* 
fest  nachweisbar  gefeiert  wurde.  Über  die  Feier  des  Gregoriusfestes 
von  da  bis  auf  Gerlach,  der  1602  Rektor  wurde,  hat  sich  keine  Nach- 
richt erhalten.  Vermutlich  wurde  es  ohne  bedeutende  Veränderungen 
gefeiert. 

Von  1678 — 1708  leitete  der  berühmte  Schulmann  Christian  Weise 
die  Anstalt.  Unter  ihm  wurde  der  Feier  eine  bestimmte  Idee  zu  Grunde 
gelegt,  die  sich,  dem  Zeitgeiste  entsprechend,  in  Allegorieen  darstellte. 
Diese  Neuerungen  lernen  wir  durch  ein  Festprogramm  aus  dem  Jahre 
1679  kennen,  das  auf  S.  6  fif.  vollständig  mitgeteilt  wird. 

Gelegentliche  Ausschreitungen  der  Schüler  bei  dem  Feste  erweck- 
ten übriges  demselben  auch  Feinde.  Trotzdem  dauerte  es  noch  bis 
1737,  in  welchem  Jahre  die  Regierung  auf  Antrag;  des  Rates  es  aufhob. 

Wenn  auf  S.  2  behauptet  wird,  dafs  das  Verhältnis  der  Lehrer  an 
den  städtischen  Schulen  vor  der  Reformation  zu  den  städtischen  Behörden 
derart  war,  dafs  die  Lehrer  nicht  eine  besondere  Pflicht  übernahmen, 
sondern  dafs  ihnen  nur  das  Recht  zu  lehren  gewährt  wurde,  so  stimmt 
das  nicht  mit  den  Verträgen,  welche  zwischen  den  Lehrern  und  den 
städtischen  Behörden  vielfach  geschlossen  wurden.  In  denselben  sind  in 
der  Regel  die  Pflichten  der  Lehrer  sehr  bestimmt  festgestellt.  Häufig 
erfolgte  die  Lösung  des  Vertrages,  wenn  der  Lehrer  seinen  Pflichten  nicht 
nachkam.  —  1686  ist  ein  unangenehmer  Druckfehler  für  1686.  —  Luchori 
S.  7  unten  ist  Druckfehler  für  Lutheri. 

Im  übrigen  ist  das  Programm  ein  dankenswerter  Beitrag  über 
eine  jetzt  untergegangene  Schuleinrichtung,  Ober  die  nicht  viel  Zuver- 
lässiges bekannt  ist 


86  Schnlgeschichte. 

Prof.  Wilb.  Bernhardt  Das  Gymnasium  zu  Wittenberg  Ton 
1620  bis  1868  (Festschrift  zur  Feier  der  Einweihung  des  neuen  Gym- 
nasialgebäudes zu  Wittenberg  am  10.  Januar  1888,  veröfifentlicht  vom 
Lehrerkollegium.   S.  33 — 67). 

Wenig  Lateinschulen  sind  im  16.  Jahrhundert  von  ähnlicher  Wich- 
tigkeit wie  die  Wittenbergs.  Ging  doch  von  dieser  Stadt  das  neue 
geistige  Leben  der  Beformation  aus.  Bernhardt  stOtzt  seine  Darstellung 
auf  die  Monographie  dieser  Schule,  welche  der  frühere  Rektor  Franz 
Spitzner  geschrieben  hat. 

Die  Lateinschule  geht  zurQck  in  die  Zeit  vor  der  Reformation: 
schon  1371  wird  ein  Rector  scbolarum  genannt.  Üble  Zeiten  kamen  f&r 
die  Schule  in  den  Tagen  des  Jahres  1522  als  die  bilderstflrmerischen 
Wiedertäufer  die  Stadt  verwirrten.  Der  damalige  Rektor  M.  Georg 
Mohr  empfing  eines  Tages  seine  SchOler  mit  der  Mahnung,  sie  sollten 
aus  der  Schule  bleiben.  Es  kam  soweit,  dafs  das  Schulhaus  während 
der  Karlstadtschen  Bewegung  zu  einer  Brodbank  gemacht  wurde. 

Weitere  Leiter  der  Anstalt  sind  Peter  Bloch  aus  Brück,  Andreas 
Balduin,  Christoph  Walter  aus  Wesel,  Arnold  Corner  aus  Westfalen  u.  a^ 
von  denen  Bernhardt  kurz  berichtet.  Verschiedene  Male  wird  bemerkt, 
dafs  der  Rektor  zugleich  Dekan  der  philosophischen  Fakultät  an  der 
Hochschule  war. 

Je  näher  die  Darstellung  der  Gegenwart  rückt,  desto  reicher  wer- 
den die  Angaben.  Charakteristisch  ist  die  Thatsache,  die  von  vielen 
Rektoren  erzählt  wird,  dafs  sie  mit  der  Zeit  entweder  Professoren  der 
Beredtsamkeit  an  der  Universität  oder  Pfarrer  auf  irgend  einer  geist- 
lichen Stelle  wurden.  Das  Amt  des  Lehrers  wurde  allgemein  als  eine 
Dnrchgangstbätigkeit  angesehen,  der  man  sich  nur  so  lange  widmete,  bis 
man  eine  bessere  Stelle  erlangen  konnte. 

Unter  den  Rektoren  sind  tüchtige  Männer.  Im  Jahre  1809  über- 
nahm Lobeck  das  Rektorat,  legte  es  aber  schon  1810  aus  Gesundheits- 
rücksichten wieder  nieder.  Doch  suchten  sein  Nachfolger  Weichert  und 
der  Konrektor  Spitzner  im  gleichen  Geiste  zu  wirken.  1814  wurde 
letzterer  Rektor.  Bezeichnend  für  die  Übeln  Zustände  ist,  dafs  derselbe 
oft  täglich  8—12  Stunden  zu  geben  hatte.  Im  Jahre  1817  erfolgte  end- 
lich die  Neugestaltung  der  Schule:  dem  Rektor  Spitzner  wurde  Friede- 
mann als  Eonrektor  beigegeben.  Letzterer  wurde  Spitzners  Nachfolger, 
als  dieser  1820  nach  Erfurt  berufen'  wurde.  Aber  schon  im  Mai  1824 
kehrte  Spitzner  wieder  und  leitete  die  Anstalt  bis  zu  seinem  im  Jahre 
1841  erfolgten  Tode.  Unter  den  Schülern  der  Anstalt  ist  F.  W.  Ritechl, 
der  spätere  grofse  Philologe,  zu  nennen. 

Aufgefallen  ist  mir,  dafs  der  Verfasser  die  Einrichtung  der  Schule 
im  Jahre  1633,  wie  sie  sich  aus  der  Kirchenordnung  dieses  Jahres  er- 
gibt (vgl.  C.  E.  Foerstemann,  Neues  Urkundenbuch  der  evangelischen 
Kirchenreformation  I  390),  mit  keiner  Silbe  erwähnt. 


E.  Enaat,  Lehrplan  des  altstftdtischen  Gymnasioms  tn  Magdeburg.      87 

Es  mögen  hier  noch  einige  weitere  Bearbeitungen  von  Schulge- 
Bchichten  des  mittleren  und  nördlichen  Deutschlands  sich  anschliefsen: 

Direktor  Professor  Dr.  Karl  Knaut  Der  Lehrplan  des  altstäd- 
tischen Gymnasiums  zu  Magdeburg  vom  Jahre  1619  (1.  Jahresbericht 
über  das  städtische  König  Wilhelms- Gymnasium  zu  Magdeburg  1887. 
40.    Programm  Nr.  224).   8.  13—28. 

Das  altstädtische  Gymnasium  hatte  1529  das  Franziskaner- Kloster 
zu  Magdeburg  bezogen.  Allmählich  stellte  sich  die  Notwendigkeit  eines 
Umbaues  ein,  der  1618  begonnen  und  1619  beendet  wurde.  Das  Lehrer- 
kollegium liefs  zu  der  feierlichen  Eröffnung  eine  Festschrift  erscheinen, 
einen  stattlichen  Quartband  von  200  Seiten,  wozu  aufser  dem  Kantor 
jeder  der  elf  Lehrer  einen  Beitrag  in  Form  einer  Oratio  lieferte,  und 
worin  auch  die  Schulgesetze  stehen. 

Im  Jahre  1668  veröffentlichte  der  damalige  Rektor,  der  später 
auch  als  Gelehrter  hochverdiente  Gottschalk  Prätorius,  die  iLudi  lite- 
rarii  Magdeburgensis  ordo  leges  ac  statuta  ,c  die  auch  Yormbaum  in 
seine  Schulordnungen  aufgenommen  hat.  Diese  Gesetze  blieben  lange  in 
Geltung.  Zwar  sollen  sie  1672  unter  Rektor  Hilderich  einer  Durch- 
sicht unterzogen  worden  sein,  aber  die  Abänderungen  können  nicht  von 
Bedeutung  gewesen  sein.  Die  Verschiedenheit  der  Gesetze  des  Prätorius 
und  der  Schulordnung  von  1619  liegt  weniger  in  einer  Verschiedenheit 
des  Inhalts  als  in  der  veränderten  Reihenfolge  der  einzelnen  Bestimmun- 
gen. Rektor  Goetze  stellte  nämlich  die  eigentlichen  Schulgesetze  voran 
und  fafste  die  übrigen  Teile  des  Planes  zu  einem  Schema  zusammen. 
»Die  Gesetze  stimmen  zum  weitaus  gröfsten  Teile  wörtlich  mit  der  von 
Prätorius  gegebenen  Fassung  flberein,  an  einzelnen  Stellen  gibt  die  neuere 
Redaktion  Änderungen  und  Erwägungen  auch  in  Bezug  auf  die  Zucht 
in  und  aufser  der  Schule.«    (S.  16). 

Sechs  Jahre  später  erschien  bereits  eine  neue  Auflage  der  Goetze- 
sehen  Schulordnung,  von  dem  Rektor  Sigismund  Evenius  veranstaltet. 

Der  Verfasser  gibt  sodann  neun  Schemata  für  die  einzelnen  Klassen 
der  Schule,  worin  die  Lehrgegenstände  und  die  dabei  nötigen  Lehr- 
btlcher  verzeichnet  sind.  Die  letzteren  werden  in  den  Anmerkungen 
S.  26 — 28  erklärt.  Wenn  aber  zu  den  Disticha  Catonis  oder  Proverbia 
Salomonis  bemerkt  wird,  dafs  diese  in  der  Ausgabe  Melanchthons  benutzt 
worden  seien,  so  dürfte  hier  ein  Irrtum  mit  unterlaufen.  Meines  Wissens 
ist  eine  solche  Ausgabe  Melanchthons  nicht  erschienen. 

Bei  Johannes  Murmellius  konnten  alle  angeführten  Gitate  weg- 
bleiben; denn  die  dort  angegebenen  Werke  sind  gänzlich  überholt 
durch  D.  Reichling  Johannes  Murmellius.  Sein  Leben  und  seine  Werke. 
Freiburg  i.  B.  1880.  —  Daselbst  kann  auch  die  Angabe  nachgesehen 
werden,  dafs  die  Zahl  seiner  Arbeiten  nicht  26,  sondern  47  beträgt 


88  Soholgeseliielite. 

H.  Ktthleweio,  Mitteilongen  Ober  Michael  Neaoder  and  seine 
Schale  (Neoe  Jahrbb.  fttr  Philologie  aod  Pädagogik.  Bd.  186  (1887) 
8.  166-180). 

Michael  Neaoders  Lateioschnle  zu  Ilfeld  erfreute  sich  eines  guten 
Rafes.  »Ihr  8chicket,c  sagte  einst  Melanchthon  zn  Neander,  »ans  feine 
gelehrte  adolescentes  aas  eurer  Schale  hierher  gen  Wittenberg  and  es 
ist  za  beklagen,  dafs  die  Schale  fallen  soll  c  Viele  Schfiler  Neanders 
wurden  »immediate  Pastores  Rectores  und  andere  dem  gemeinen  Wesen 
dienliche  Leute,«  ohne  dafs  sie  noch  eine  Hochschule  zu  besuchen  hatten. 

Wenn  auch  Deutsch,  Französisch  und  Mathematik  nicht  gelehrt 
wurde,  so  ist  die  Zahl  der  Lehrgegenstände  doch  nicht  klein:  es  waren 
Religion,  Dialektik,  Rethorik,  Latein,  Griechisch,  Hebräisch,  Musik,  Ge- 
schichte, Geographie  und  Naturkunde. 

Die  Akten  der  Schule  sind  zerstreut,  so  dafs  eine  Rekonstruktion 
der  Neanderschen  Schule  sehr  schwer  ist.  Von  Werte  sind  deshalb 
Archivalien  in  dem  gräfl.  Stolbergschen  Archive,  mit  welchen  der  Her- 
ausgeber seine  frühere  Programmarbeit  fortsetzt;  es  sind  die  Appendix 
zu  den  ältesten  Gesetzen  vom  Jahre  1580,  die  Privatgesetze  der  Barsch 
vom  Jahre  1690  und  die  Gesetze  der  Schule  von  1597,  in  welchem  Jahre 
die  Schule  schon  unter  Neanders  Nachfolger  Cajus  stand. 

An  die  kurzen  Vorbemerkungen  schliefst  sich  dann  der  Abdruck 
der  genannten  Aktenstocke,  die  als  wertvolle  Urkunden  des  protestantischen 
Schulwesens  zu  bezeichnen  sind. 

Die  Appendix  vom  Jahre  1584  zeigt  durch  ihre  strengen  Straf- 
androhungen, dafs  es  den  Leitern  der  Schule  mit  einer  strengen  Zucht 
Ernst  war. 

Die  Gesetze  des  Coetos  (die  Barsch)  vom  Jahr  1590  enthalten 
die  Bestimmungen  für  die  Disziplin,  welche  die  Schüler  der  Anstalt 
unter  sich  selbst  übten.  Sie  sind  eingeteilt  in:  Leges  in  aede  sancta; 
leges  quaedam  in  mensis  observandae;  leges  quaedam  in  schola,  dor- 
mitorio,  cellis,  cubiculis  et  alibi  observandae;  de  silentio. 

Die  Gesetze  vom  Jahre  1597  werden  durch  verschiedene  Sinn- 
sprüche eingeleitet,  aus  welchen  hervorgehoben  sein  mag:  Amara  sunt 
vitiosis  ac  male  viventibus  praecepta  justiciae.  Die  Leges  scholae  Ilfel- 
densis  zerfallen  in  die  Abschnitte:  1.  Pietas.  2.  Studia.  3.  Mores.  Diese 
Unterschriften  sind  bezeichnend  für  die  Ziele,  welche  die  Reformation 
erstrebte. 

Man  ersieht  daraus  unter  anderm,  dafs  unsere  Vorfahren  den  Tag 
früher  anfingen.  Um  sechs  Uhr  mufsten  die  Zöglinge  schon  der  Mor- 
genandacht (preces  matutinae)  beiwohnen.  Das  Studium  des  Lateinischen, 
Griechischen    und   Hebräischen    wird    gleich    eindringlich   eingeschärft. 


R.  Winter,  Die  Entwickelang   der  Lehranstalt  in  Qnakenbrflek.       89 

Direktor  Dr.  Richard  Winter  Die  Eotwickelung  der  höheren 
Lehr-Anstalt  in  Quakenbrttck.  Nach  den  Akten  des  städtischen 
Archivs  dargestellt  (Beilage  zum  Programm  des  Real-Gyronasiams  zn 
QuakeobrOck.    1887.   4*^.   Programm  Nr.  312.   23  S.). 

Der  Stoff  ist  in  folgende  Abschnitte  zerlegt:  I.  Übersicht  der  Ent- 
wickelung  der  Stadt  QuakenbrQck.  —  II.  Die  Entwickelang  der  latei« 
nischen  oder  Rektor-Schule  bis  zu  ihrer  Umwandlung  in  ein  Progym» 
nasium.  ~  III.  Das  Progymnasinm  1832 — 1859.  -  IV.  Die  höhere 
Stadtschule.  1869—1870.  —  V.  Die  höhere  Bürgerschule  (seit  1870) 
und  das  Realgymnasium  (seit  1878).  —  Anfang:  I.  Abiturienten  der 
höheren  Borgerschule  (38).  —  Abiturienten  des  Realgymasiums  (72). 

In  dem  Städtchen  QuakenbrQck,  das  in  der  Provinz  Hannover  an 
der  Hase  gelegen  ist,  und  das  im  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  gegründet 
wurde,  wird  schon  1364  eine  lateinische  Schule  und  ein  gewisser  Johannes 
als  rector  scholarum  erwähnt.  Eine  Reform  der  Lateinschule  wurde  so- 
dann durch  Hermann  Bonnus,  den  Sohn  eines  QuakenbrOcker  Ratsmit- 
gliedes, der  in  Lübeck  Rektor  geworden  war,  im  16.  Jahrhundert  durch- 
geführt. Eine  gründliche  Neuordnung  der  Schule  erfolgte  aber  erst, 
nachdem  1660  durch  den  westfälischen  Frieden  und  die  perpetuierliche 
Kapitulation  die  konfessionellen  Verhältnisse  des  Hochstiftes  Osnabrück, 
zu  dem  Quakenbrück  gehörte,  geordnet  worden.  1662  wurde  Henrikus 
Hofimann  zum  Rektor  angenommen  und  die  revidierten  Schulgesetze 
publiziert.  Während  der  Prediger  der  Stadt  160  Thlr.  erhielt,  wurden 
dem  Rektor  scholae  nur  30  Thlr.  zugewiesen.  Die  Schule  hatte  drei 
Klassen :  die  des  Rektors,  des  Kantors  und  des  Präceptors  oder  Jnfimas. 
Einen  Einblick  in  das  innere  Leben  der  Schule  gewähren  die  Schulord- 
nung von  1772  und  Programme  von  1784  und  1802.  (Die  Schulordnun- 
gen von  c.  1662  and  c.  1721  waren  nicht  mehr  aufzufinden.)  »Die  Sprache 
dieses  Schriftstücks  (der  Ordnung  von  1772)  ist  schwülstig:  edle  Pflanz- 
stätten sollen  die  Schulen  sein,  aus  denen  Bäume  der  Gerechtigkeit  und 
Pflanzen  dem  Herrn  zum  Preise  aufwachsen  mögen. c 

Sehr  ergötzlich  ist  zu  lesen,  mit  welchen  Schwierigkeiten  das  Pro- 
gymnasinm zu  kämpfen  hatte,  dem  in  einem  gewissen  Mahler,  der  sich 
anfangs  als  Mädchenlehrer  in  Quakenbrück  niedergelassen  hatte,  ein 
gefährlicher  Konkurrent  erwachsen  war.  Die  Lösung  der  Kalamität 
wurde  dadurch  beträchtlich  erleichtert,  dafs  Mahler  später  in  einem 
Tabakgeschäft  als  »wohlbestallter  Gompagnonc  eine  gute  Versorgung 
gefunden  hat. 

Charakteristisch  ist,  dafs  das  Progymnasium  in  hannoverscher  Zeit 
eingegangen  ist,  dafs  dagegen,  nachdem  Hannover  preufsisch  geworden, 
seit  1870  eine  höhere  Bürgerschule  und  seit  1878  ein  Realgymnasium 
in  der  kleinen  Stadt  entstanden  ist 


90  Sdmlgetdii^t« 

AMb  der  Oesehiehte  des  KOoiglicbeo  Christi  aoenms  so  AI- 
toot.  1788 — 1888.  Festschrift  zor  Feier  des  150jihrigen  Bestehens 
der  Anstalt,  ?on  Georg  Hef  s,  Direktor.  Mit  einer  Ansieht  der  Schule 
im  Jahre  1805.    Aitona«    1888.   4^.    34  S. 

Die  Vorgängerin  des  Qiristianenms  war  die  grofse  lateinische 
Schole  von  Altona,  deren  Geschichte  Eggers,  der  frohere  Leiter  der 
Anstalt,  in  drei  Programmen  geschrieben  hat  Hefs  bietet  nnn  keine 
Geschichte  der  letzten  160  Jahre  der  ?on  ihm  geleiteten  Schale,  son- 
dern nur  einen  kurzen  Überblick,  der  in  weiteren  Kreisen  Teilnahme 
erwecken  soll 

Der  Stoff  ist  in  drei  Abschnitte  eingeteilt:  1.  Die  Zeit  des  6yo- 
nasiom  Academicam  (S.  2 — 14).  2.  Das  Gymnasinm  mit  der  Selecta  (S. 
14—80).    8.  Das  schlichte  Gymnasium  1844  bis  zur  Gegenwart 

Der  erste  Abschnitt  behandelt'  znnftchst  »die  Zeit  der  Vereinigung 
der  drei  Anstalten.!  Eine  von  1682—89  vorhanden  gewesene  Latein- 
schule war  eingegangen.  1725  wurde  eine  neue  Anstalt  errichtet,  im 
wesentlichen  ein  Gymnasium  trilingue,  worin  Latein,  Griechisch  und  He- 
bräisch gelehrt  wurde.  Der  etwas  ver&nderten  Schule  wurde  sodann  ein 
Gymnasium  Academicnm  Altonanum  aufgesetzt,  bestimmt  wenigstens  die 
ersten  Jahreskurse  der  Hochschule  zu  ersetzen. 

1740  wurde  sodann  der  wohldurchdachte  Plan  fUr  drei  Anstalten: 
Gymnasium  Academicum,  Paedagogium  und  Vorbereitungsschule,  veröffent- 
licht Das  Pädagogium  begann  mit  solchen  Schfilern,  welche  schon  Ober  zwOlf 
Jahre  alt  waren  und  einige  Vorkenntnisse  im  Lateinischen  besafsen.  Das 
Gymnasium  war  ursprünglich  auf  zwei  Klassen  berechnet;  thatsächlich 
wurden  drei  daraus.  Auch  ein  kleines  Gonvictorium  war  damit  verban- 
den. Aber  seit  dem  Tode  Christiaus  VI  (f  1746),  der  ein  warmer  Freund 
der  Schule  gewesen ,  ging  dieselbe  zurück:  das  Sinken  der  Mittel  für 
die  Anstalt,  Uneinigkeit  der  Lehrer  unter  einander  und  Verfall  der  Zucht 
unter  den  Schfllern  sind  die  hauptsächlichsten  Ursachen. 

Das  führte  dazu,  dafs  man  1760  das  akademische  Gymnasium  von 
den  beiden  andern  Anstalten  trennte.  Am  Gymnasium  wurde  1761  der 
bekannte  Basedow,  der  vorher  an  der  Ritterakademie  zu  Soroe  thätig 
war,  als  Professor  der  Moral  angestellt.  Sein  Altonaer  Aufenthalt  war 
wenigstens  fttr  das  »Elementarwerkt  sehr  forderlich.  1771  ging  er  nach 
Dessau,  vom  dänischen  KOnige  mit  einer  Pension  bedacht.  Seit  1768 
lehrte  an  der  Anstalt  auch  der  vielschreibende  Litterat  Dusch,  der  ang 
dem  Leben  Lessings  bekannt  ist.  Er  Oberuahm  1771  die  Professar  der 
Mathematik  und  Philosophie.  Trotz  des  tiefen  Verfalles  fand  die  Anstalt 
an  dem  allmächtigen  Struensee,  der  in  Altena  frfiher  gelebt  hatte,  einen 
warmen  Fürsprecher. 

In  der  zweiten  Periode  (»Gymnasium  mit  Selectac)  wird  zunächst 
im  ersten  Abschnitt  die  Zeit  des  wechselnden  Direktorats  1791—94  be- 
handelt.   Die  Halbakademie,   die  sich  flberlebt  hatte,  wurde  nämlich 


Hefs,  AbriTs  der  Geschichte  des  Eönigl.  ChristitDenins  zu  AltoDa.      91 

1771  genötigt,  eine  Stufe  herabzusteigen,  sie  wurde  mit  dem  Pädagogium 
wieder  vereinigt.  Dusch  und  Henrici  sollten  im  Direktorat  wechseln. 
Mit  der  Einigkeit  der  beiden  stand  es  nicht  sonderlich.  1773  kam  eine 
neue  Ordnung,  welche  die  eingeführten  Veränderungen  noch  genauer  be- 
stimmte, der  man  den  Geist  der  Aufklärung  Qberall  anmerkt. 

Trotzdem  wollte  eine  rechte  Blate  der  Anstalt  sich  nicht  einstellen, 
woran  zum  teil  auch  die  Bequemlichkeit  der  Professoren  schuld  war. 

Eine  tüchtige  Kraft  wurde  in  Struve  gewonnen,  der  1791  eintrat 
und  von  1794-1844  das  Direktorat  bekleidete.  Während  der  grofsen 
Bewegungen  der  Zeit  verlief  der  Unterricht  des  Christianenms  bis  zum 
Jahre  1815  im  ganzen  gleichmäfsig;  erst  nach  dieser  Zeit  stellten  sich 
wieder  die  alten  Übelstände  ein.  Struve  wurde  seines  Lebens  nicht 
mehr  froh;  sein  Nachfolger  wurde  Eggers. 

Im  Jahre  1828  wurde  unter  den  Selectanern  der  Altonaer  wissen- 
schaftliche Verein  gestiftet,  der  sich  mit  der  Interpretation  lateinischer 
Schriftsteller  und  mit  deutscher  Sprache  beschäftigte.  Juni  1886  wurde 
Th.  Mommsen  als  Mitglied  aufgenommen.  Bald  folgten  seine  beiden 
Brüder,  von  denen  Tycho  später  bis  Ostern  1851  auch  als  Hilfslehrer 
an  der  Anstalt  thätig  war. 

Dem  Streben  nach  Gleichmachung  fielen  die  Eigentümlichkeiten 
der  Anstalt  schon  teilweise  in  der  dänischen  Zeit  zum  Opfer.  Klagen 
des  Gymnasiarchal-Kollegiums  vom  Jahre  1840  führten  schliefslich  dazu, 
dafs  1844  die  Gymnasienordnung  auch  für  das  Christianeum  eingeführt 
wurde. 

Nachdem  Schleswig-Holstein  ein  Bestandteil  der  preufsischen  Mo^ 
narchie  geworden,  wurde  den  1.  Oktober  1866  das  Gymnasiarcbal-Kolle- 
gium  aufgehoben  und  die  Anstalt  unmittelbar  unter  die  Regierung  ge- 
stellt. Im  Jahre  1868  wurde  sodann  das  neugebildete  Provinzialschul- 
KoUegium  die  nächst  vorgesetzte  Behörde  Rasch  erfolgte  nun,  fast  Jahr 
um  Jahr,  die  Erweiternng  der  Anstalt.  Einzelne  preufsische  Einrichtun- 
gen wurden  allmählich,  aber  mit  Vorsicht  eingeführt. 

Es  hat  sich  »die  Thätigkeit  der  Lehrer  in  den  letzten  Jahren  in 
fest  geordneten  Bahnen  bewegen  können,  und  die  Anstalt  ist  unter  preu- 
fsischem  Scepter,  in  Folge  der  stets  bereitwilligen,  mit  Rat  und  .That 
helfenden  Fürsorge  der  Regierung  und  des  Aufschwunges  des  deutschen 
Volkes  und  Reichs  auch  in  diesen  Landen  so  schnell  gewachsen,  wie  zu 
keiner  anderen  Periode.« 

Professor  Dr.  Wilhelm  Hörling  Das  höhere  Schulwesen  in  M. 
Gladbach  seit  Aufhebung  der  Abtei.  28  S.  4^.  (Beilage  zum  Pro- 
gramm des  Gymnasiums  mit  Real-Parallel-Klassen  zu  M.-Gladbach  ftlr 
1887.   Programm  Nr.  419). 

Der  Ursprung  der  Stadt  München- Gladbach  hängt  mit  der  Grün- 
dung des  dortigen  Benediktiner-Klosters  zusammen.    In  allen  Benedife 


92  SehalgMchiehtd 

thierklOsteni  waren  Schulen,  da  duroh  die  Ordensregel  des  hl.  Benediktns 
im  Gegensätze  eu  den  beschaulicbeu  Orden  die  Meidang  jedes  Mttfsig- 
gangs  geboten  war.  Berflhmte  Benediktinerschalen  waren  z.  B.  zu  Fulda, 
Reichenan,  Gorvey  und  PrOm.  (Warum  wird  nicht  vor  allem  St  Gallen 
genannt?) 

Die  Klosterschule  reicht  jedenfalls  in  alte  Zeiten  hinauf,  wenn  auch 
erst  1816  ein  Rector  scholarum  urkundlich  nachzuweisen  ist  In  den 
Stfirmen  der  Franzosenzeit,  nach  der  Schlacht  bei  Aldenhoven,  am  2.  Ok- 
tober 1794,  wurde  die  Schule  der  Abtei  geschlossen,  nachdem  der  Abt 
noch  rechtzeitig  die  wertvollsten  Gegenstände  nach  dem  rechtsrheinisch 
gelegenem  Kloster  Werden  verbracht  hatte.  1802  wurde  die  Gladbacher 
Abtei  aufgehoben;  wertvolle  Gegenstände,  besonders  aus  der  Bibliothek 
(dignes  du  choix  de  la  r^publiqne)  wanderten  nach  Paris,  und  die  Ge- 
bäude wurden  1804  verkauft. 

Bald  machte  sich  das  Bedürfnis  einer  höheren  Schule  wieder  gel- 
tend: 1806  arbeitete  Bürgermeister  Lambert  eine  Denkschrift  Ober  die 
Gründung  einer  höheren  Lehranstalt  aus.  ein  Entwurf  fOr  die  Errichtung 
einer  Schule  mit  fünf  Klassen  ist  beigefügt  Es  sollen  Lateinisch,  »die 
bekannte  Sprache  der  Gelehrten,!  Französisch  und  Deutsch  gelehrt 
werden.  Die  Rhetoriker,  welche  die  oberste  Klasse  bilden,  sollen  in  der 
Geschichte  »womöglich  bis  zum  Reiche  unseres  grofsen  Napoleon  gehenc. 
Als  Lehrkräfte  werden  zwei  »Professoresc  und  ein  Korrektor  für  das 
Silentium  in  Aussicht  genommen.  Am  l.  April  1806  wurde  die  £cole 
latine  et  frangaise  de  Gladbach  eröffnet 

Der  nächste  Abschnitt  »Lateinisch-französische  Schule  bis  181 5c  (S. 
6  und  6)  berichtet  dafs  schon  im  Jahre  1808  alle  Schüler  französische 
Vornamen  haben.  Die  vier  Klassen  hiefsen  l.  Rheteurs.  2.  Grammaire 
2itaie  anu^e.  3.  Grammaire  l^^^^  ann^e.  4.  Classe  616mentaire.  Die  Ober- 
aufcicht  führte  die  Universität  Lütticb,  an  welche  jeder  Schüler  monatlich 
lV4  Frank  zu  bezahlen  hatte.  Bei  den  öffentlichen  Prüfungen  wurden 
französische  Reden  gehalten,  z.  B.  auf  Napoleon  L  Diesem  undentschen 
Wesen  brachten  die  Freiheitskriege  ein  schnelles  Ende. 

Das  nächste  Kapitel  »Das  Kollegium  bis  zur  Auflösung  1829c  (S. 
6—8)  berichtet,  wie  sich  die  französische  Schule  in  eine  lateinisch-deutsche 
Anstalt  umgestaltete,  die  1816  der  Kirchen-  und  Schulkommission  der 
Königl.  Regierung  zu  Düsseldorf  und  dem  Königl.  Gonsistorinm  zu 
Köln  unterstellt  wurde.  Seit  1823  gab  es  eine  Schulkommission,  1826 
wurde  die  Schule  ausschliefslich  dem  Geschäftsbereiche  der  Königlichen 
Regierung  zu  Düsseldorf  überwiesen.  Die  Anstalt  umfafste  vier  Gym- 
nasialklassen. Von  den  sechs  Lehrern  der  Anstalt,  worunter  zwei  Kap- 
lans hatte  keiner  seine  wissenschaftliche  Befähigung  nachgewiesen.  Im 
Jahre  1823  erscheint  ein  Lehrer,  der  sich  zum  höheren  Schulamt  vor- 
bereiten will.  »Auch  ein  Student  der  Rechtswissenschaft  übte  sich  im 
UnterriGhtgeb6n.c   (S.  7). 


1 


W.  HörliDg,  Das  höhere  Schalwesen  Id  M.-Oladbach.  93 

Geradezu  armselig  sind  die  Oehaltsverhältnisse  trotz  der  wachsen- 
den Scholerzahl.  Ais  der  Rektor  1824  um  ünterstotzang  darch  die 
Regierung  bat,  erklftrte  diese,  es  seien  keine  Mittel  verfügbar.  Der  Rek- 
tor sollte  einen  Gehalt  von  465  Thaler  erhalten. 

1824  wurde  der  ünterrichtsplan  der  Schale  genehmigt  und  die 
Schule  unter  dem  Namen  eines  Königlichen  Gollegiums  mit  vier  Klassen 
als  öffentliche  Anstalt  anerkannt.  Die  Zuschüsse  der  benachbarten  Ge- 
meinden aber  hörten  bald  auf,  der  verdiente  Rektor  Növer  legte  1828 
sein  Amt  nieder,  und  die  Schule  löste  sich  auf. 

Im  nächsten  Abschnitt  »Die  höhere  Stadtschnlec  (S.  9— 23)  wird 
zunächst  berichtet,  dafs  Ostern  1829  eine  neue  Anstalt  unter  der  Lei- 
tung von  Lehrer  Schtlngel  eröffnet  wurde.  Einen  jämmerlichen  Eindruck 
macht  die  Fortsetzung  dieses  Kapitels.  Die  viermal  um  Geldmittel  an- 
gegangene Regierung  verweigert  jeden  Zuschufs,  der  Rektor  bekommt 
1836  kein  Gehalt,  1837  bittet  ein  Lehrer  um  die  Auszahlung  seiner  Be- 
soldung von  1833  u.  s.  w.  Was  kann  man  bei  solchen  Zuständen  für 
Leistungen  erwarten!  Nicht  einmal  zur  Heizung  der  Schullokale  reichten 
die  Mittel! 

Inzwischen  hob  sich  in  Gladbach  der  Wohlstand  und  die  Zahl  der 
Bevölkerung  derart,  dafs  die  Frage  einer  höheren  Schule  zu  einer  Lebens- 
frage der  Stadt  wurde.  Aber  die  wachsende  evangelische  Bevölkerung 
machte  Forderungen,  welche  die  katholische  Migorität  nicht  erfOUte. 
Daher  gründeten  die  Evangelischen  eine  höhere  Bttrgerschule  neben  dem 
katholischen  Progymnasium.  Die  Folge  war  ein  lebhafter  Streit,  der 
lange  anch  die  Regierung  beschäftigte,  und  ttber  den  die  Aktenstocke 
im  Auszug  mitgeteilt  werden. 

Im  Jahre  1862  erhielt  die  Anstalt  das  Recht,  die  BerechUgang 
zum  eiigährig-freiwilligen  Militärdienst  zu  erteilen. 

Daneben  bestand  die  höhere  Borgerschule  weiter,  der  ein  der  Zahl 
der  Konfessionsverwandten  entsprechender  Znschufs  ans  der  Gemeinde- 
kasse ebenfalls  zugewiesen  wurde. 

Weitere  Fragen,  welche  bei  dem  Progymnasium  zu  lösen  waren, 
betrafen  einen  Neubau  für  die  Anstalt  und  besonders  die  Erhöhung 
der  Lehrergehalte,  was  mit  der  Einführung  des  Normalgehaltes  zusam- 
menhing. 

Im  Jahre  1874  starb  der  Rektor  Högers,  unter  dessen  Leitung 
die  Scholerzahl  so  gewachsen  war,  idafs  keine  ähnliche  Anstalt  der  Rhein- 
provinz ihr  darin  gleichkam.« 

Die  Geschichte  der  höheren  Bürgerschule  und  die  Verschmelzung 
der  beiden  Anstalten  wird  in  einer  Fortsetzung  der  Arbeit  in  Aussicht 
gestellt. 


94  Scholgeschiclite. 

Nodnagel,  Geschichte  des  Orofsherzoglichea  Realgymnasiiuns  und 
der  Realschule  von  1887 — 1887  (Beilage  zum  Jahres- Bericht  dieser 
Anstalt.    Oiefsen.    1887.  Programm  692). 

Die  Anstalt  ist  aaf  eine  von  der  Stadt  aasgegangene  Anregung 
entstanden,  welche  in  einer  von  Dr.  Vogt  im  Jahre  1834  aasgearbeiteten 
Denkschrift  der  Regierang  ausgesprochen  worden.  Die  1837  eröffnete 
Schule  wurde  durch  Dr.  Winkler,  einen  Lehrer  des  Gymnasiums,  mit 
einer  lateinischen  Ode  als  Gymnasii  minor  natu  soror  begrfifst  Von 
1837 — 1869  hat  die  Anstalt  als  vierklassige  Realschule  bestanden,  nach- 
dem sie  mit  drei  Klassen  ins  Leben  getreten  war.  Von  1869—1878  war 
sie  sechsklassige  Realschule,  seit  1879  Realschule  I.  0.  (Realgymnasiom) 
und  IL  0.  Schon  im  Schuljahre  1882/83  assimilierte  sich  die  Schale 
möglichst  den  preufsischen  Realgymnasien  durch  Vermehrung  des  la- 
teinischen und  durch  Verminderung  des  mathematischen,  chemischen  ond 
geschichtlichen  Unterrichts.  Die  Direktoren  und  Lehrer  sind  am  Elnde 
in  einer  Tabelle  zusammengestellt.  Citate  wie  S.  21 :  »Paulsen,  Geschichte 
des  gelehrten  Unterrichtsc  und  S.  22  >A.  Scholtze  Die  Anfänge  des 
deutschen  Realschnlwesensc  ohne  Seitenzahl  wären  besser  weggeblieben. 

Das  fünfzigjährige  Bestehen  des  Dorotheenstädtischen  Real- 
gymnasiums zu  Berlin  als  städtische  höhere  Lehranstalt  von  Pro- 
fessor Dr.  Bernhard  Schwalbe,  Direktor.  Berlin.  Gärtner.  1887. 
4^.  34  S.  (Beilage  zum  Programm  des  Dorotheenstädtischen  Realgym- 
nasiums.  Ostern  1887.   Programm  Nr.  94). 

Der  Inhalt  ist  folgender:  Einleitung.  —  I.  Der  Verlauf  der  Feier, 
von  Dr.  Borchardt  —  IL  Festrede  des  Direktors  Prof.  Dr.  B.  Schwalbe 
(Geschichte  der  Anstalt).  —  IIl.  Statistisches,  vom  Direktor,  i.  Frühere 
Darstellungen  der  Geschichte  der  Anstalt.  2.  Frequenz  der  Anstalt, 
mit  Tabellen.  3.  Abiturienten.  4.  Lehrer.  6.  Titel  der  wissenschaft- 
lichen Programmabhandlungen  seit  1874.  6.  Lehrpläne  seit  1836.  -> 
7.  Berechtigungen,  Lehrmittel,  Etat.  —  8.  Inhalt  der  Festschrift. 
9.  Die  Jubiläumsstiftung.  —  lo.  Überblick  aber  die  Geschichte  der 
Anstalt. 

Die  Lektflre  dieses  Programms  beweist,  welch  grofse  Fortschritte 
das  Schulwesen  seit  50  Jahren  in  Deutschland  gemacht  hat.  Hervor- 
gehend aus  einer  kleinen  Privatschule,  wird  sie  höhere  Stadtschule  und 
darnach  Realgymnasium.  Fast  idyllisch  kommen  uns  die  Schulzustände 
noch  vor  drei  Menschenaltern  vor.  Man  lese  z.  B.  die  Schilderung  8.  14 
nach:  Examen  mit  Berechtigungen  gab  es  Oberhaupt  nicht;  aus  jeder 
Klasse  oder  Schule  konnte  man  zur  Universität  abgehen;  regelmäfsiger 
Schulbesuch  wurde  nicht  gefordert ;  Öfters  behielten  die  Eltern  ihre  Kin- 
der zeitweise  zu  Hause,  womit  auch  das  Schulgeld  während  dieser  Zeit 
wegfiel. 


R.  Lack,  Zur  Geschichte  der  Anstalt  Steglits.  95 

R.  Lttck,  Zar  Geschichte  der  Anstalt  (des  Progymnasiams  zu 
Steglitz).     I.  Jahresbericht  dieser  Anstalt.   Steglitz.    1887.    4<>.    16  S. 

Steglitz,  einer  der  Vororte  Berlins,  das  noch  1871  kaum  2000  Ein- 
wohner hatte,  wuchs  durch  den  Zuzug  gebildeter  Berliner  Familien  so 
rasch,  dafs  das  Bedürfnis  einer  höheren  Bildungsanstalt  entstand. 

Demselben  suchte  zuerst  eine  höhere  Privatknabenschule  von  1873 
— 1886  zu  entsprechen,  die  aber  trotz  aller  Bemühungen  kein  rechtes 
Gedeihen  hatte.  Nach  mannigfachen  Unterhandlungen  reifte  der  Gedanke 
einer  öffentlichen  Schule,  die  im  April  1886  eröffnet  werden  konnte,  nach- 
dem vonseiten  der  Gemeinde  sehr  erhebliche  Leistungen  übernommen 
worden. 

Bei  der  Eröffnungsfeier  hielt  Geheimrat  Dr.  Elix  als  Vertreter  der 
Staatsbehörde  die  Weiherede,  worin  er  das  Wesen  einer  Staatsschule 
im  Unterschied  von  einer  Privatschule  auseinandersetzte  und  als  die  drei 
Eckpfeiler,  auf  denen  unser  Kulturleben  ruhe,  das  Christentum,  das 
Altertum  und  unser  deutsches  Volkstum  bezeichnete.  Die  daran  sich 
anschliefsende  Rede  des  Rektors  Lück  behandelte  den  Wert  der  alt- 
klassischen Studien  (S.  11-14). 

Dr.  phil.  E.  Weineck,  Rektor.  Zur  Geschichte  des  Real-Pro- 
gymnasiums  zu  Lfibben,  bei  Gelegenheit  der  Feier  des  fünfsigjäbrigen 
Bestehens  der  Anstalt  am  8.  Juli  1887.  Lttbben.  1887.  4^.  32  S. 
(Programm  Nr.  110). 

Der  Verfasser  war  verhindert,  seine  ursprüngliche  Absicht,  die  Ge- 
schichte der  von  ihm  geleiteten  Anstalt  zu  schreiben,  auszuführen.  Doch 
wird  er  später  sein  Versprechen  nachholen,  »sobald  Gott  wieder  Kraft 
und  Mufsc  verleiht.!  Als  einstweiligen  Ersatz  gibt  er  den  Wiederabdruck 
der  Übersicht  »Zur  Geschichte  der  Schulen  Lübbens.c  welche  C.  W. 
Wagner,  sein  Amts  Vorgänger,  1867  veröffentlicht  hat,  und  ergänzt  diese 
Arbeit  durch  Zugabe  eines  vierten  Kapitels. 

Der  erste  Abschnitt  ist  betitelt:  Das  Lyceum.  Lübben  hatte 
schon  im  13.  und  14.  Jahrhundert  für  seinen  geistlichen  Bezirk  (Präpo- 
situr)  eine  Schule,  die  ein  Schulmeister  leitete,  dem  zugleich  der  Ghor- 
gesang  in  der  Kirche  oblag.  Seit  der  Reformation  wird  die  Schule 
städtisch,  und  die  Schnlaufsicht  geht  über  in  den  Geschäftakreis  des  deut- 
schen städtischen  Predigers.  Vermutlich  wenig  förderlich  für  den  Unterricht 
dürfte  die  Einrichtung  der  Kurrende  gewesen  sein.  Seit  dem  18.  Jahr- 
hundert heifst  die  aus  zwei  Auditorien  bestehende  Schule  Lyceum. 

Aus  der  Zahl  der  Rektoren  der  Anstalt,  deren  Namen  man  nicht 
alle  weifs,  seien  hervorgehoben  Mag.  Paul  PoUichius  (seit  1570),  Mag. 
Peter  Prätorius  aus  Frankfurt  (1683—93).  Ihm  folgte  Jacob  Copins, 
der  in  seiner  Dienstweisung  den  Auftrag  erhielt,  »den  Schülern  die  Artes 
logicas,  grammticam  Philippi  (]j|[elanchthoni8)  et  rhetoricam  Lncae  Lossii 
ordentlich  und  wohl  zu  erklären,  den  usum  praeceptorum  bei  den  Autho-^ 


96  SebDlgesehieku. 

ribas,  80  er  Joen  lesen  wird,  mit  Vleifs  anzuaeigen  und  daneben  die 
Regalas  mit  Jnen  stets  zu  examiDieren  und  zo  repetireD.c 

Das  zweite  Kapitel  behandelt  »Die  höhere  BOrgerschulec.  1815 
ging  Lfibben  mit  der  Niederlausitz  aus  der  sächsischen  in  die  prenfsische 
Landeshoheit  Ober.  Die  prenfsische  Regierung  nahm  sich  der  Schale 
an.  Ein  provisorischer  Plan,  den  Rektor  Snttinger  ausarbeitete,  sollte 
mit  dem  17.  April  1817  in  Wirksamkeit  treten  und  blieb  zehn  Jahre  io 
Geltung.  Dr.  Christian  Gottfried  Koppe  wurde  1829  Rektor  der  aaf 
fOnf  Klassen  eingerichteten  BQrgerschule. 

Das  dritte  Kapitel  »Die  Realschulec  beginnt  mit  den  Worten: 
»Dafs  die  hiesige  Schule  redlich  mitgearbeitet  hat,  um  den  Begriff  der 
Realschule  nach  vielen  Versuchen,  wie  sie  Qberall  gemacht  worden  sind, 
klar  hinzustellen,   das  haben  die  höheren  Unterrichtsbebörden  unseres 

Staats  wiederholentlich  anerkannte.     Seit  1841   hatte   die   Anstalt  das 

« 

Recht,  ihre  Schüler  mit  der  Berechtigung  zum  einjährig-freiwilligen  Mili- 
tärdienst zu  entlassen.  1860  wurde  sie  zu  einer  Realschule  II.  Ordnung 
erhoben.  »Ohne  die  ausgezeichneten  Beweise  der  Königl.  Gnade  hätte 
die  Schule  nicht  werden  können,  was  sie  geworden  ist«.  Diese  Gnaden- 
bewilligungen, sehr  bedeutende  Geldleistungen,  werden  S.  12  nochmals 
zusammengestellt. 

Das  von  Weineck  hinzugefügte  vierte  Kapitel  behandelt  »Die  voll- 
berechtigte höhere  BQrgerschule  und  das  Real  •  Progymnasium  c  1876 
wurde  die  Anstalt  als  vollberechtigte  höhere  BQrgerschule  anerkannt, 
seit  Ostern  1882  ist  sie  Real-Progymnasium. 

Professor  Julius  Löffler,  Zur  Geschichte  des  Gulmer  Gym* 
nasinms  während  der  zweiten  25  Jahre  seines  Bestehens.  Golm  1887. 
(Programmbeilage  1887.   Nr.  27). 

Der  Stoff  dieser  73  Quartseiten  umfassenden  Schrift  ist  in  folgende 
Abschnitte  gegliedert:  1.  Chronik.  2.  Der  Etat.  8.  Die  Bibliotheken. 
4.  Frequenz  der  Anstalt.  5.  UnterstQtznngen,  Stiftungen,  Legate.  6.  Die 
Programme.  7.  Verzeichnis  der  Lehrer,  welche  in  dem  Zeitraum  vom 
Jahre  1862  bis  zum  Jahre  1887  an  dem  Gymnasium  thätig  gewesen 
sind.  8.  Verzeichnis  der  Abiturienten  vom  Jahre  1863  bis  zum  Jahre  1887. 
Die  Chronik  verzeichnet  bei  jedem  Jahre  die  fQr  das  Leben  der 
Schule  bedeutungsvoll  gewordenen  Thatsachen.  Beim  Jahre  1876  wird 
angemerkt:  »Im  Februar  fand  unter  Leitung  des  0.  L.  Dr.  Thomas- 
zewski  und  des  G.-L.  Dr.  Preufs  von  SchQlern  der  Unter-Prima  eine 
Aufführung  der  Captivi  von  Plautus  in  lateinischer  Sprache  und  in 
antiken  KostQmen  mit  einem  deutschen  Prologe  vor  einem  gewählten 
Publikum  sUttc.   (S.  12). 

Nach  der  Tabelle  über  die  Frequenz  der  Anstalt  hatte  dieselbe 
ihren  Höhepunkt  in  den  Jahren  1864—1866  erreicht  Die  Zahlen  der 
aehtsiger  Jahre  sind  beträchtlich  kleiner,  was  im  Interesse  der  ScfaQler 
wie  Lehrer  nur  wQnschenswert  sein  kann. 


Löffler,  Oeschicbte  des  Culmer  Gymnasioms.  97 

unter  den  auf  S.  24  verzeichneten  Programmbeilagen  sind  die  auf 
altsprachliche  Fragen  sich  beziehenden  in  der  Mehrheit.  Es  mögen  da- 
von genannt  sein:  Job.  Peters  Quaestiones  etymologicae  et  grammaticae 
de  U8U  et  vi  digammatis  ejusque  immutationibus  in  lingua  Graeca.  (1864). 

—  Jos.  Haegele  De  pronomine  ipse  cum  pronominibus  personalibus 
juncto.  Qaaestio  grammatica  (1866).  —  A.  Wentzke  Die  Kategorien 
des  Urteils  im  Anschlufs  an  Aristoteles  erklärt  und  begründet  (1868). 

—  R.  Thoroaszewski  Einleitung  zu  Homers  Uias  nebst  Vorbemer- 
kungen zum  griechischen  Unterricht.  1869.  — *Frauz  Schultz  Die 
Mischung  der  Dialekte  bei  Theokrit  (1872).  —  Albert  Rönspiefs  De 
conjugationibus  latiuae  formis  apud  Terentium  earumque  origine  (1873). 

—  Anton  Tomaszewski  De  Iliadis  libro  vicesimo  quarto.  Pars 
prior.  (1876). 

Eine  wichtige  Schulangelegenheit,  wenigstens  für  die  Lehrer,  sind 
die  Beilagen  zu  den  Schulprogrammen: 

F.  Schnorr  v.  Garolsfeld  Die  Schulprogramme  und  die  Biblio- 
theken (Hartwigs  Gentralblatt  für  Bibliothekwesen  17  20  und  21). 

Der  Verfasser,  Bibliothekar  in  Dresden,  macht  den  Vorschlag,  »dafs 
den  fflr  den  Austausch  bestimmten  Exemplaren  der  deutschen  Schul- 
programme künftig  durch  Golumnentitel  und  Beifügung  von  das  Ganze 
der  Sammlung  umfassenden  Titelblättern  und  Registern  die  Form  einer 
aUjährlich  erscheinenden  mehrbändigen  Zeitschrift  gegeben  werden  möge.c 
Neben  Bandtiteln  würden  sodann  noch  nötig  werden  Register  mit  alpha- 
betisch geordneten  Verzeichnissen  der  vertretenen  Schulen,  mit  eben- 
solchen Verzeichnissen  der  Verfasser  und  Repertorien  über  die  behan- 
delten Themata.  Alle  zehn  Jahre  hätte  femer  ein  Gesamtrepertorium 
zu  erscheinen. 

Der  Vorschlag  des  Verfassers  verdient  jedenfalls  eine  sorgfältige 
Erwägung.  Vielleicht  dürfte  sich  empfehlen,  einstweilen  die  Beilagen 
der  einzelnen  Provinzen,  resp.  kleineren  Länder  zu  einem  Bande  zu 
Tereinigen. 

Dem  berühmten  Leiter  des  Hamburger  Gymnasiums  gilt  folgende 
Arbeit: 

Dr.  Emil  Wohlwill  Joachim  Jungius.  Festrede  zur  Feier  seines 
dreihundertsten  Geburtstages  am  22.  Oktober  1887  im  Auftrage  der 
Hamburger  Oberschulbehörde  gehalten.  Mit  Beiträgen  zu  Jungius' 
Biographie  und  zur  Kenntnis  seines  handschriftlichen  Nachlasses. 
Hamburg  und  Leipzig.   Vofs.   1888.   8^.   85  S. 

Der  Redner  weist  auf  die  grofse  Bedeutung  von  Jungius  hin,  den 
Leibnitz  unmittelbar  neben  Descartes,  Galilei,  Pascal  und  Gampanella 
stellt.  Auch  denkt  derselbe  von  seiner  Befähigung  für  Mathematik  und 
LfOgik  sehr  hoch.     Goethe  feierte  Jungius  gleichfalls  und  zwar  wegen 

JahNtb«icht  für  AUwtbufluwisMnMhaft.  LXIX.  Bd.  (IWl.  lU.)  7 


98  SchalgeMhichie. 

seiner  botanischen  Ansichten  und  gab  dadurch  den  Anlafs  su  Guhraoers 
hochverdienstlicher  Lebensbeschreibung. 

Wie  andere  bahnbrechende  Geister  des  16.  und  17.  Jahrhunderts, 
wie  Galilei  und  Kepler  s.  B.,  ist  auch  Jnngius  ein  Gegner  des  Aristoteles. 
Erst  22  Jahre  alt,  wurde  er  Professor  der  Mathematik,  gab  aber  diese 
Professur  bald  wieder  auf,  um  sich  gemeinsam  mit  Etatichius  und  Hei- 
vich  mehrere  Jahre  der  Erneuerung  der  Pftdagogik  zu  widmen.  Im  Inter- 
esse der  Muttersprache  hat  er  die  lateinische  Sprache  und  ihre  Allein- 
herrschaft in  der  Schdle  bekämpft. 

In  der  Medizin,  die  er  hauptsächlich  in  Padua  studierte,  war  er 
anfangs  Verehrer  des  Galenus. 

Ans  Italien  zur&ckgekehrt,  hat  er  in  den  nächsten  Jahren  Stellmi 
an  verschiedenen  Orten  bekleidet:  Rostock,  Helmstädt,  Braunschweig, 
Wolfenbtlttel.  Den  19.  März  1629  wurde  er  Rektor  der  klassischen 
Schule  und  des  Gymnasiums  zu  Hamburg.  In  dieser  Stellung  entwickelte 
er  hauptsächlich  seine  Meinung  Ober  die  Nichtigkeit  der  aristotelischen 
Physik,  indem  er  zur  atomistischen  Lehre  des  Anaxagoras  und  Demokrit 
zurflckkehrte. 

Natürlich  machten  ihm  die  an  den  Universitäten  lehrenden  Aristo- 
teliker  Neuerungssucht  und  Sektiererei  zum  Vorwurfe.  In  Disputationen 
wurden  die  Lehren  des  Aristoteles  kritisch  behandelt,  weshalb  nach  des 
Verfassers  Meinung  die  philosophische  Fakultät  Hamburgs  alle  andern 
Deutschlands  in  der  Zeit  des  80jährigen  Kriegs  an  Bedeutung  abertraf. 

Nur  weniges  hat  Jnngius  selbst  veröffentlicht,  und  84  Jahre  nach 
seinem  Tode  hat  ein  Brand  den  gröfsten  Teil  seiner  Manuskripte  ver- 
nichtet.   Den  Rest  bewahrt  die  Hamburger  Bibliothek. 

In  dem  Anhang  begründet  der  Verfasser  die  Notwendigkeit  einer 
neuen  Biographie  von  Jungius  und  liefert  selbst  einige  Beiträge  dazu, 
die  zum  Teil  fOr  die  Geschichte  der  Schulen  in  Deutschland  von  Inter- 
esse sind:  wie  1.  Zur  Periode  der  Giefsener  Professur  (1609 — 1616)» 
S.  Aus  der  Zeit  der  Paduaner  Studien  (1618—1619),  6.  Zur  Zeit  der 
zweiten  Rostocker  Professur  (1626-1628)  u.  s.  w. 

Ein  Bericht  Ober  neuerdings  wieder  gefundene  Schriften  und  Hand- 
schriften von  Jungius  schliefst  das  nützliche  Buch  ab. 

Der  stundenreicbste  Lehrgegenstand  auf  dem  Gymnasium  ist  das 
Latein,  worüber  folgende  Arbeit  zu  vergleichen  ist: 

Dr.  Bernhard  Lengnick,  Oberlehrer.  Der  Bildungswert  des 
Lateinischen  nach  dem  auf  unseren  Gymnasien  herrschenden  Betriebe. 
Berlin.  Gärtner.  1887.  4.  (Wissenschaftliche  Beilage  zum  Prognunm 
des  EOnigstädtischen  Gymnasiums  zu  Berlin.  Ostern  1887.  Programm 
Nr.  63). 

Begünstigt  durch  den  in  der  Zeit  liegenden  Zug,  alle  bestehenden 
Verhältnisse  einer  unermüdlichen,  oft  übereifrigen  Kritik  zu  unterziehen. 


B.  LeDgnick,   Der  Bildaogswert  des  LateiDischen.  99 

begann  vor  etwa  anderthalb  Jahrzehnten  gleichzeitig  mit  der  Über- 
bürdangsfrage  der  Kampf  gegen  die  klassische  Bildung  von  neuem.  Dieser 
Kampf  ist  freilich  alt,  wenn  auch  die  Gründe  gegen  die  klassischen  Sprachen 
im  Laufe  der  Zeit  gewechselt  haben.  Aber  der  frtlher  lokalisierte  Kampf 
ist  jetzt  international  geworden.  Derselbe  Kampf  gegen  die  klassischen 
Sprachen  tobt  gegenwärtig  in  Österreich,  Deutschland,  England,  Frank- 
reich und  der  Schweiz.  Der  Verfasser  hätte  auch  Belgien  und  Italien 
hinzufügen  dürfen.  Bis  jetzt  sind  die  Gegner  im  Vordringen  geblieben, 
»zumal  gerade  die  berufenen  Verteidiger  der  angegri£fenen  Position,  die 
»auf  den  Lorbeeren  ihres  unverdienten  und  schädlichen  Berechtigungs- 
mangels sanft  ausruhenden  Grammatokraten,c  wie  Geheimrat  Esmarch  in 
Kiel  uns  Gymnasiallehrer  zu  nennen  beliebt,  es  an  eiAer  überzeugenden 
und  energischen  Abwehr  haben  fehlen  lassenc 

Das  Publikum  ist  zum  Teil  auf  der  Seite  der  Gegner,  und  die 
UnterrichtsbehOrde  hat  diesen  insofern  Zugeständnisse  gemacht,  als  durch 
die  Lehrordnung  vom  Jahre  1882  die  Stundenzahl  für  die  beiden  alten 
Sprachen  vermindert  wurde. 

Welches  sind  nun  die  gegen  den  Betrieb  der  alten  Sprachen  ge- 
richteten Vorwürfe?  L.  referiert  in  Kürze  die  Ansichten  von  K.  Vogt, 
Esmarch,  Asmodi  Redivivns,  Schmeding,  Graf  Pfeil  und  Friedrich  Paul- 
sen.  Der  Verfasser  hat  offenbar  mit  Absicht  nur  charakteristische  Re- 
präsentanten gewählt,  sonst  wäre  diese  Zahl  viel  grösser  geworden.  Doch 
hätte  er  den  Jesuiten  Pachtler  nicht  vergessen  sollen,  der  ebenfalls  für 
eine  gänzliche  Reform  der  gegenwärtigen  Gymnasien  ist. 

Der  Verfasser  beginnt  nun  seine  Betrachtung  in  der  Weise,  dafs 
er  nicht  die  Gegner  widerlegt,  sondern  die  Methode  des  Lateinunter- 
richtes beleuchtet  und  bei  jeder  Stufe  die  Vorteile  derselben  hervorhebt. 
Das  Erlernen  der  lateinischen  Sprache  auf  dem  rein  grammatischen  Wege 
schafft  zwar  keine  Redefertigkeit,  die  aber  auch  für  das  Latein  gar  nicht 
notwendig  ist  (nicht  einmal  der  Philologe  braucht  sie),  wohl  aber  ein 
Wissen,  das  allgemein  als  ein  wesentliches  Element  höherer  Bildung  an- 
gesehen wird. 

Sodann  werden  die  Gewinne  festgestellt,  welche  aus  dem  Latein- 
betrieb im  einzelnen  sich  ergeben,  aus  dem  Erlernen  von  Vokabeln,  For- 
menlehre und  Syntax.  Bezüglich  der  Erörterung  des  Vokabellernens 
kommt  der  Verfasser  zu  dem  Resultat,  dafs  das  Studium  der  modernen 
Sprachen  nicht  den  gleichen  Gewinn  wie  das  Lateinische  abwirft. 

Bezüglich  des  Gewinnes,  welchen  die  Erlernung  der  lateinischen 
Formenlehre  abwirft,  sagt  der  Verfasser  (S.  10):  »Buchen  wir  jetzt  den 
Gewinn,  der  sich  aus  dieser  von  dem  Anonymus  Asmodi  Redivivns  als 
nichtswürdige  Menschenquälerei  betrachteten  Arbeit  ergiebt.  Abgesehen 
von  dem  Erwerb  an  Lateinwissen ,  wird  erstens  die  Fähigkeit  des 
Schliefoens  in  den  verschiedenen  Formen  fortwährend  geübt  und  dadurch 
entwickelt,  und  zwar  an  einem  sehr  anschaulichen  Material.    Zweitens 

7» 


100  SehnlgMchichte. 

wird  die  Tagend  der  Besonnenheit  anerzogen.  Denn  bei  dem  besUo- 
digen  Zudr&ngen  der  verschiedengten  Reihen  and  bei  der  Schnelligkeit, 
mit  der  oft  gleichzeitig  aas  mehreren  derselben  die  Wahl  za  treffen  ist, 
heifst  es,  den  Kopf  nicht  verlieren  and  aof  der  Hat  sein,  dafs  nicht  fehl- 
gegriffen und  falsch  assodiert  werde.c 

Der  Hauptgewinn ,  welcher  sich  aas  dem  Stadiam  der  Syntax  er- 
gibt, besteht  in  der  beständigen  Gbang  der  wichtigsten  Denkformen,  in 
dem  Anlafs,  den  Inhalt  des  Übersetzten  sich  mit  Energie  zu  vergegen- 
wärtigen and  der  Erkenntnis  der  zahlreichen  logischen  Beziehungen, 
die  zwischen  Wort-  and  Fremdwörtern,  zwischen  Satzteilen  and  Satz- 
ganzen bestehen. 

Ein  weiterer  Abschnitt  handelt  von  den  Vorteilen,  welche  das  Über- 
setzen mit  sich  bringt,  und  der  verschieden  ist  auf  den  einzelnen  Stafen. 
»Dieses  Arbeiten  and  Ringen  ist  der  Haaptsegen,  den  die  Übersetzangs- 
methode  and  nnr  sie  allein  mit  sich  bringt,  ond  der  namentlich  aof  der 
häoslichen  Präparation  mht,  wofern  er  nicht  durch  die  zn  einer  wahren 
Schalpest  gewordenen  deutschen  Übersetzungen  vereitelt  wird.c    (S.  15). 

Die  angebliche  Gefahr  des  Übersetzens  aas  dem  Latein,  die  Ver- 
wendang  und  Angewöhnung  undeutscher  Wendungen  (»nachdemc  mit 
dem  Imperfekt,  falsche  PartizipialkonstrukUonen,  unstatthafte  Phrasen 
und  Yermengung  zweier  miteinander),  die  zur  Mifshandlung  der  deutschen 
Sprache  führt,  wie  Oeheimrat  Esmarch  sie  vielfach  an  seinra  Studenten 
beobachtet  haben  will,  kann  dadurch  beseitigt  werden,  dafs  der  Lehrer 
beharrlich  das  Ziel  der  Sprachrichtigkeit  im  Auge  behält  Durch  das 
Übersetzen  aus  dem  Lateinischen  wird  das  Sprachgefühl  ausgebildet, 
wie  auch  Wieland  z.  B.  gesagt  hat,  er  habe  sein  Deutsch  an  Cicero 
gelernt. 

In  einem  zweiten  Teil  der  Abhandlung  ist  der  Verfasser  bemflht, 
den  Büdungswert  der  lateinischen  Klassiker  festzusetzen,  soweit  sie  fär 
das  Gymnasium  in  Betracht  kommen.  Bei  der  Beurteilung  der  römisdien 
Schnlautoren  handelt  es  sich  nicht  darum,  welche  Bedeutung  sie  Dir  den 
fertigen  Mann  haben,  sondern  fOr  die  noch  werdende  Jugend.  Form  und 
Inhalt  kommen  in  Betracht  bei  der  Wertschätzung  eines  litterarischen 
Erzeugnisses.  FQr  die  Vortrefflichkeit  der  lateinischen  Sdiriftsteller  be- 
züglich der  Form  werden  ürteüe  Gottscheds  und  Breitingers  angeführt; 
diese,  sonst  Gegner,  stimmen  in  der  Anerkennung  von  deren  Vortreff- 
lichkeit überein. 

In  Kürze  werden  sodann  die  einzelnen  lateinischen  Schulschriitsteller 
nach  dieser  Seite  durchgesprochen.  Der  Vorwurf,  dafo  man  die  beste  Zeit 
mit  grammatischen  Spitzfindigkeiten  vergeude,  würde  vor  einem  oder  zwei 
Menschenaltem  berechtigt  gewesen  sein.  Gegenwärtig  ist  an  nnseren 
Schalen  die  Grammatik  nnr  noch  Mittel  zum  Zweck.  Wenn  aber  die 
Studenten  angeblich  keinen  Einblick  in  das  klassische  lieben  des  Alter- 
tums haben,  so  möge  man  bedenken,  daCi  alles  Wissen,  das  nicht  geübt 


B.  LeDgDick,   Der  Bildangswert  des  Laieiniachen.  101 

wird,  gchoell  der  Zeit  zum  Raube  ftUt,  auch  das  mathematische  and  natur- 
wisseDschaftlicbe.  »Ist  es  aber  deshalb  seiner  Zeit  nicht  vorhanden  oder 
anfhichtbar  gewesen?c 

Die  Kenntnis  der  antiken  Welt  ist,  nach  Seiten  ihres  Bildungs- 
wertes  beurteilt,  um  so  wertvoller,  je  fremdartiger  diese  Welt  ffir  uns 
ist.  So  schreibt  man  ja  auch  dem  Aufenthalt  in  fremden  Ländern  eine 
besonders  bildende  Kraft  zu,  weil  uns  dadurch  die  Augen  Ober  unsere 
eigene  Heimat  geA£fnet  werden.  Zugleich  lernen  wir  aus  diesen  Schriften 
ein  eigentfimlicbes  Menschentum  kennen. 

Der  Verfasser  spricht  schliefslich  nochmals  die  Überzeugung  aus, 
»dafs  wir  an  dem  Lateinischen  für  die  Bildung  der  Jugend,  welche  sich 
den  Wissenschaften  oder  dem  höhern  Staatsdienst  zu  widmen  gedenkt, 
hinsichtlich  der  Litteraturwerke  einen  sehr  fruchtbaren,  hinsichtlich  der 
Sprache  selbst  und  ihres  Betriebes  den  geradezu  fruchtbarsten  Lehr- 
gegenstand haben,  und  dafs  es  einem  nationalen  ünglttck  gleich  zu  achten 
wftre,  wenn  je  das  Studium  dieser  Sprache  aufhören  sollte,  die  Grund- 
lage des  höheren  Unterrichts  zu  seio.c 

L.  hat  seinen  Stoff  so  dargestellt,  dafe  er  die  jetzt  brennende  Frage 
positiv  bearbeitet  hat.  Vielleicht  wflrde  die  lesenswerte  Arbeit  noch  wir- 
kungsvoller sein,  wenn  er  einen  negativen  Teil  vorausgeschickt,  d.  h.  zu- 
nächst die  Anklagen  der  Gegner  kritisch  beleuchtet  hätte.  Eine  solche  kri- 
tische Würdigung,  die  f&r  einen  mit  diesen  Fragen  Vertrauten  nicht  allzu 
schwer  ist,  wäre  geeignet,  einiges  Wasser  in  den  brausenden  Wein  der 
Gegner  zu  giefsen.  Vielleicht  schenkt  uns  der  Verfasser  diese  Ergänzung 
zu  seiner  Arbeit  in  einer  nicht  allzu  fernen  Zukunft 

Zur  Methode  und  Frage  des  lateinischen  Unterrichtes  seien  aus 
der  »Zeitschrift  far  das  Gymnasiaiwesenc,  Jahrgang  41,  folgende 
Arbeiten  knra  verzeichnet: 

1.  G.  Bromig  Zur  Behandlung  der  lateinischen  Deklination.   S.  80. 

2.  W.  Fries  Die  Verbindung  von  Lektüre  and  Grammatik  im 
lateinischen  Unterricht,  vornehmlich  der  mittleren  Klassen.   S.  585. 

3.  P.  Höfer  Haben  die  Forschungen  über  die  Kriegszfige  der 
Römer  in  Deutschland  bisher  zu  solchen  Besul taten  geführt,  dafs  sie 
schon  jetzt  für  den  Geschichtsunterricht  und  die  Tacituslectfire  verwertet 
werden  können?  S.  521. 

4.  0.  Weifsenfeis  Über  unsere  Vorlagen  zum  Übersetzen  aus 
dem  Deutschen  ins  Lateinische  für  die  oberen  Klassen.   S.  898. 

A.  Wilms  Zum  lateinischen  Unterricht  in  der  Quarta  (Neue 
Jahrb.  für  Philologie  und  Pädagogik.   Band  136,  190—196). 

Der  Verfasser,  ein  Anhänger  der  induktiven  Methode,  fafst  seine 


102  Schnlgeschichte. 

Darstellung  dahin  zasammen:  der  Unterricht  in  Quarta  solle  sich  folgen- 
dermafsen  gestalten.   (S.  193): 

1.  Präparation  eines  Abschnittes  in  der  Klasse  nach  laatem,  aas- 
dmcksToUen  Vorlesen  darch  den  Lehrer. 

2.  Repetitionen  durch  einen  oder  mehrere  Schaler.  Sacherklänmg 
durch  Katechese.  Durchaus  notwendig  ist  hier  die  Aufdeckung  des  prag- 
matischen Zusammenhangs  (in  ähnlicher  Weise,  wie  es  von  Frick  z.  B. 
in  den  Materialien  für  den  Geschichtsunterricht  in  Quinta  meisterhaft 
gezeigt  worden  ist). 

8.  Während  die  Präparation  ruhigen  Schrittes  weiter  geht,  regel- 
mäfsige  Retroversion  des  Repetierten. 

4.  Lateinisches  Erfragen  des  Inhalts  und  der  bei  der  ersten  Be- 
sprechung neugewonnenen  Gesichtspunkte. 

Da  der  Aufsatz  die  Antwort  ist  auf  einen  Angriff  welchen  Netzker 
auf  einen  Artikel  von  Wilms  (Zeitschrift  für  Gymnasialwesen.  Dezember- 
heft 1886)  gemacht  hat,  so  ist  er  an  mehreren  Stellen  polemisch  gehal- 
ten. Eine  Replik  Netzkers  erfolgte  sodann  unter  dem  Titel  »Zum  latei- 
nischen Unterricht  in  Quartac  im  gleichen  Band  der  Neuen  Jahrbb.  S.  597 
—602. 

Dem  Bestreben,  die  Ergebnisse  der  wissenschaftlichen  Forschung 
für  die  Schule  in  methodischer  Weise  zu  verwerten,  verdankt  eine  Zeit- 
schrift ihre  Entstehung,  welche  fttr  die  meisten  Lehrer  ein  willkommenes 
Hilfsmittel  sein  wird:  Lehrproben  und  Lehrgänge  aus  der  Praxis 
der  Gymnasien  und  Realschulen.  Herausgegeben  von  0.  Frick 
und  G.  Richter  (Halle).  Der  Hauptinhalt  der  in  zwölf  Heften  erschei- 
nenden Zeitschrift  enthält  Probelektionen  in  mehr  oder  minder  aus- 
geführter Form,  an  denen  die  Lehrer  von  ihren  räumlich  getrennten 
Kollegen  lernen  können.  Der  Einflufs  der  Herbartschen  Schule  ist  über- 
all unverkennbar.  Das  wird  aber  für  solche,  welche  dieser  pädagogischen 
Richtung  nicht  angehören,  kein  Grund  sein,  diese  trefflichen  Materialien 
auch  zu  verwenden. 

Es  ist  unmöglich,  den  reichen  Inhalt  der  zwölf  Hefte  an  dieser 
Stelle  wiederzugeben.  Derselbe  erstreckt  sich,  abgesehen  von  allgemeinen 
Fragen,  auf  alle  Lehrgegenstände  der  Gymnasien  und  Realschulen.  Doch 
wird  es  nützlich  sein,  hier  diejenigen  Arbeiten  mit  dem  Titel  zu  ver- 
zeichnen, welche  eine  direkte  Beziehung  zu  dem  i Jahresbericht  für  Alter- 
tnmswissenschaftc  haben. 

Das  Gebiet  des  Lateinischen  betreffen  folgende  Aufeätze: 

1.  W.  Fries  Das  lateinische  Extemporale  in  Sexta. 

2.  K.  Heilmann   Die  ersten  Lektionen  im  Lateinischen  in  Sexta. 

3.  J*  Lattmann   Die  ersten  Lektionen  des  Lateinischen  und  der 
Geschichte  in  Sexta. 


Wilms,   Zam  lateinischen  Unterricht  in  der  Qoarta.  103 

4.  A.  Hempel,  Behandlang  einiger  Punkte  aus  der  lateinischen 
Kasaslehre  (im  Anschlafs  an  Nepos,  Epamin.  I,  1). 

5.  Böhme,   Eine  Neposstnnde  in  Qoarta. 

6.  Uachez,  Zwei  Lhomondstonden  in  Qoarta. 

7.  6.  Ihm,  Entworf  zo  einer  Behandlong  Gaes.  bell.  Oall.  II  26 
in  der  Ünter-Tertia. 

8.  0.  Richter,  Zwei  Ovidstonden  in  Unter-Tertia. 

9.  W.  Fries,   Eine  Gaesarlektion  in  Ober-Tertia  (bell.  g.  lY  12). 

10.  W.  Mfiller,   Der  unabhängige  Koujonktiv  im  Lateinischen. 

11.  J.  Sander,   Eine  VergiUektion  in  Ober-Sekonda. 

12.  R.  Meng,  Einige  Horazstanden  in  Unter-Prima. 

13.  Herm.  Meier,   Die  Bandosia-Ode  (Hör.  III  18). 

14.  0.  Schimmelpfeng,   Horaz  Od.  IV  7. 

15.  0.  WeiTsenfels,  Die  Urbanität.  (Begriffsbestimmong  ge- 
wonnen aas  Repetition  von  Horaz  Epist.  I  7). 

16.  P.  Dettweiler,   Die  Tacitoslektfire. 

17.  E.  Goebel,   Über  Eompositionsflbongen. 

Das  Gebiet  des  griechischen  Unterrichts  betreffen  folgende 
Arbeiten: 

1.  R.  Menge  und  0.  Schmidt,  Das  griechische  Medium.  Eine 
grammatische  Ihräparation. 

2.  A.  Matthias,  Der  Anfang  griechischer  Schriftstellerlektflre 
(das  erste  Kapitel  des  ersten  Buchs  von  Xenophons  Anabasis  in  Ober- 
Tertia). 

3.  G.  Schmuhl,  Eine  Lektion  in  griechischer  Grammatik  (Ober- 
Tertia). 

4.  A.  Arlt,  Die  zweiten  Aoriste  nach  Analogie  der  Verben  auf  lu 
(Lektion  in  Ober-Tertia). 

5.  0.  Kohl,  Repetitorischer  Durchblick  durch  die  Anabasis.  Ma- 
terialien zur  Gewinnung  einer  Charakteristik  und  Biographie  des  Xe- 
nophon. 

6.  P.  Dettweiler,  Eine  Demosthenesstunde  in  Unter-Prima. 

7.  Fr.  Heufsner,  Eine  Homerlektion  in  Prima.  H.  HI  161—244. 

8.  Fr.  Heufsner,  Zur  homerischen  Psychologie  (die  Thersites- 
Scene  im  Unterricht). 

9.  0.  Willmann,   Stemkundliches  bei  der  Autorenlektfire. 

10.  0.  Frick,   Aus  dem  Homerheft  meiner  Primaner. 

11.  0.  Frick,  Zur  elementaren  Behandlung  von  Thukydides  VII 
c.  70  und  71. 


104  Scholgeschichto. 

12.  G.  Richter,   Zur  Eioftthniog  in  den  fipriechischen  Tragiker. 

13.  0.  Richter,  Die  Behandlung  der  Antigene  des  Sophokles. 

Neben  Probelektionen  enthalten  die  »Lehrproben  and  Lehrgänge« 
auch  Aufsätze  allgemeineren  Inhaltes,  welche  sich  mit  Fragen  der 
Pädagogik  und  Methodik  beschäftigen.  Von  solchen  Arbeiten  seien  hier 
folgende  erwähnt: 

1.  0.  Frick,  Allgemeine  Gesichtspunkte  für  eine  didaktische  Stoff- 
auswahl. 

2.  0.  Frick,  Aphorismen  zur  Theorie  eines  Lehrplans,  betreffend 
die  Klassen-Lektfire  der  Gymnasial-Prima. 

8.  0.  Alten  bürg,  Parallele  Behandlung  verwandter  Stoffgebiete. 
GrundzOge  einer  Lehrplan-Organisation  fflr  die  oberen  Gymnasial- 
klassen. 

4.  0.  Frick,   System  und  Methode. 

6.  0.  Frick,  Die  praktische  Bedeutung  des  Apperseptionsbegriffes 
für  den  Unterricht. 

6.  0.  Frick,  Zur  Charakteristik  des  »elementarenc  und  »tjpischenc 
ünterrichtsprinzips. 

7.  0.  Frick,  Didaktischer  Katechismus,  betreffend  den  psychischen 
Lern*Prozefs  in  dem  erziehenden  Unterricht 

8.  0.  Frick,  Der  allgemeine  Gang  einer  Interpretation. 

9.  0.  Frick,   Zur  Frage  der  pädagogischen  Seminare. 

10.  0.  Frick,  Mitteilungen  aus  der  Arbeit  im  Seminarium  prae- 
ceptofum  an  den  Frankeschen  StMtungen  zu  Halle. 

11.  H.  Schiller»  Mitteilungen  aus  dem  pädagogischen  Seminar 
in  Giefsen. 

In  dem  im  ganzen  monoton  verlaufenden  Leben  der  Schule  sind 
Höhepunkte  die  gelegentlichen  Feste,  bei  denen  jeweils  Schulreden  ge- 
halten wurden: 

Zwölf  Schulreden  an  der  Königl.  Studienanstalt  bei  St  Anna 
in  Augsburg  bei  der  Jährlichen  Schlufsfeier  gehalten  von  Dr.  Christian 
Wilhelm  Joseph  Cron,  Königl.  Oberstudienrat  und  Studienrektor  a.  D. 
Augsburg.    Rieger.    1888.    8^.   VIII  und  206  S. 

Der  Verfasser  dieses  empfehlenswerten  Buches,  ein  hochgeachteter 
bayerischer  Schulmann,  der  sich  durch  seine  Plato-Arbeiten  einen  wissen- 
schaftlichen Namen  gemacht,  betrachtet  seine  Schrift  als  »ein  Scherf- 
lein  zur  Gedächtnisfeier  fttr  König  Ludwig  den  Ersten  von  Bayern«. 

Da  die  Gegner  des  humanistischen  Gymnasiums  gerne  das  Gedicht 
des  genannten  Königs  anführen,  wonach  die  Jugend  in  den  Gymnasien 
»versitzec,  so  dafs  diese  Schulen  ihrem  Namen  wenig  Ehre  machen,  be- 


Joseph  CroD,  Zwölf  Schalreden.  105 

tont  Cron,  dafs  König  Ludwig  I  trotzdem  ein  entschiedener  Anhänger 
des  altsprachlichen  Gymnasiams  war.  Au  eine  Äufserung  desselben  Aber 
Klopstock  anknüpfend,  sagt  der  Verfasser:  »Was  aber  noch  wichtiger  ist 
in  jener  Kundgebung  König  Ludwigs,  das  ist  die  unumwundene  Aner- 
kennung, dafs  der  von  dem  jungen  Klopstock  auf  die  Erlernung  der  la- 
teinischen und  griechischen  Sprache  gewendete  Fleifs  die  Schwingen 
seines  Geistes  nicht  lähmte  und  schwächte,  sondern  zu  höherem  Fluge 
stärkte  und  ermutigte.  Anerkannt  wird  auch,  dafs  die  Beschäftigung 
mit  den  Alten  seiner  wahrhaft  deutschen  und  christlichen  Gesinnung  keinen 
Eintrag  that.«  (S.  VI). 

Mit  Befriedigung  stellt  der  auf  seine  engere  Heimat  stolze  Ver- 
fasser fest,  dafs  Bayern  in  der  Übereinstimmung  dreier  Könige  (Lud- 
wig I,  Mnimilian  I  und  Ludwig  II)  eine  Borgschaft  dafür  sehen  darf, 
»dafs  die  von  König  Ludwig  im  Jahre  1829  ausgesprochene  Willens- 
meinung, die  dahin  lautete:  »Ich  will,  dafs  meine  Schulen  werden  sollen 
wie  die  in  Sachsen  und  WOrttemberg,c  in  erweitertem  Mause  in  Wirk- 
lich getreten  istc. 

Der  Inhalt  des  Buches  ist  folgender:  l.  Pflicht  des  Hauses  und 
der  Schule  gegen  die  Muttersprache  (1878).  —  2.  Die  Mittelschule,  ihr 
Beruf  und  ihre  Gliederung  (1874).  —  3.  Die  Abschaffung  der  Schulpreise 
durch  die  Schulordnung  vom  20.  August  1874  (1876).  —  4.  Was 
bieten  die  Schriften  des  klassischen  Altertums  far  die  sittliche  Bildung 
der  Jugend?  (1876).  —  6.  Das  antike  und  moderne  Drama  (1877).  — 
6.  Der  deutsche  AufeaU  (1878).  ~  7.  Zu  Schutz  und  Trutz  (1879).  — 
8.  Zur  Witteisbacherfeier  (1880).  -  9.  Lessing  und  die  Schule  (1881). 
•—  10.  Goethe  (so  und  nicht  Göthe  hätte  der  Verfasser  schreiben  sollen) 
und  die  Schule  (1882).  —  11.  Schule  und  Haus  (1883).  —  12.  Klopstock 
und  die  Schule  (1884). 

In  mehreren  der  Schulreden  nimmt  der  Verfasser  Stellung  zu  den 
gegenwärtig  brennenden  Fragen  im  Gebiete  der  höheren  Schule  oder 
Mittelschule.  Überall  zeigt  er  sich  dabei  als  ein  Verfechter  des  huma- 
nistischen Gymnasiums.  Wenn  jemand  versucht  sein  sollte,  in  der  Ent- 
stehung der  technischen  Hochschulen  und  Realschulen  den  Anfang  zu 
einer  durchgreifenden  Umgestaltung  der  Mittelschule  Überhaupt  zu  er*- 
blicken,  so  dafs  durch  vollständige  Umbildung  die  frühere  Einheit  wieder- 
hergestellt werde,  so  entgegnet  darauf  Gron :  »Solchen  Erwartungen  und 
Wünschen  vermöchten  wir  uns  in  keiner  Weise  anzuschliefsen.c  (S.  18). 

Aber  ein  langes  Leben,  das  viele  Erfahrungen  brachte,  macht  den 
Verfasser  nicht  zum  Feinde  jeder  Neuerung.  Er  zählt  die  Veränderung 
gen  auf,  welche  er  selbst  erlebt  hat  (S.  114).  Einstens  gab  es  im  Gymna- 
sium keinen  Turnunterricht,  der  jetzt  unter  die  verbindlichen  Lehr- 
gegenstände aufgenommen  ist  Das  Gleiche  gilt  von  dem  Unterricht  in  der 
französischen  Sprache:  »In  meiner  Jugend  war  dies  nicht  der  Fall,  ja 
er  wurde  an  manchen  Anstalten  mit  weit  weniger  Eifer  besucht  und  be- 


106  Schalgescbichte. 

trieben,  als  dies  jetzt  bei  dem  Unterricht  in  der  englischen  Sprache, 
dessen  Benutzung  den  Schülern  der  oberen  Klassen  freigestellt  ist,  nach 
allen  Wahrnehmungen,  die  ich  zu  machen  Gelegenheit  hatte,  der  Fall  istc. 
(6. 114).  Statt  vier  Stunden  Mathematik  in  der  oberen  Klasse  hatte  man 
ehemals  nur  eine  Stunde  in  der  Woche.  Die  Geschichte  schlofs  mit  dem 
Jahre  1789  ab,  während  man  jetzt  bis  1871  gehen  mufs.  »Und  welche 
Periode  (von  1789—1871)1  gewifs  eine  solche,  die  an  Reichtum  wahrhaft 
welthistorischer  Ereignisse  und  daraus  hervorgehender  Umwandlungen 
der  Begriffe  und  Zustände  keiner  in  der  Weltgeschichte  nachsteht,  die 
uns  sowohl  das  wissenschaftliche  als  das  vaterländische  Interesse  nicht 
erlaubt,  unserer  Jugend  vorzuenthaltenc  (S.  116). 

Eingehend  beschäftigt  sich  Cron  mit  zwei  Wünschen,  die  bezüglich 
der  bayerischen  Gymnasien  geäufsert  worden  sind :  Einführung  der  Na- 
turwissenschaften und  etwas  mehr  Mathematik  oder  »auch  ein  bifscfaen 
Kegelschnitte  !c  (S.  109). 

Zum  Verständnis  dieser  Forderungen  ist  nötig  zu  bemerken,  dafs 
die  Naturwissenschaften,  wenigstens  die  beschreibenden,  an  den  bayerischen 
Gymnasien  bisher  überhaupt  nicht  gelehrt  wurden.  Der  bayerische  Gym- 
nasiast lernte  keine  Naturgeschichte,  keine  Zoologie,  keine  Botanik, 
keine  Mineralogie,  während  in  Preufsen  für  die  ganze  Anstalt  wöchent- 
lich 10,  in  Württemberg  7,  in  Sachsen  9,  in  Baden  18  Stunden  dafllr 
verwendet  wurden.  Nur  in  der  Physik  wurden  an  bayerischen  Gymna- 
sien wöchentlich  drei  Stunden  gegeben. 

Auch  die  Forderung  nach  mehr  Mathematik  wird  verständlicher, 
wenn  wir  erfahren,  dafs  die  bayerischen  Gymnasien  unter  den  Schulen  der 
gröfseren  Staaten  Deutschlands  die  niedrigste  Stundenzahl  für  Mathematik 
haben,  nämlich  nur  28  in  der  Woche.  Preufsen  hat  84,  Hessen  85,  Baden  33, 
Württemberg  82Vs  (hei  Abrechnung  der  Stunden  in  der  untersten  Klasse, 
die  einen  Jahreskurs  über  die  sonstigen  deutschen  Anstalten  darstellt). 

Fafst  man  aber  diese  Sachlage  ins  Auge,  so  hat  die  Beweisführung 
8.  110  ff.  nicht  viel  Überzeugendes:  »Die  Lehrer  der  Mathematik  wissen 
zu  gut,  dafs  sie  jetzt  schon  einen  unverhältnismäfsig  grofsen  Ansprach 
an  die  häusliche  Thätigkeit  des  Schülers  machen  müssen  und  hierin  nicht 
weiter  gehen  dürfen,  ohne  wesentliche  Zwecke  zu  gefährden.  Woher 
sollte  denn  die  Zeit  genommen  werden  zu  dieser  Erweiterung  des  Unter- 
richts?« Darauf  werden  die  Gegner  Crons,  zu  denen  ich  nicht  gehöre, 
sagen:  Was  in  Preufsen  und  Hessen  möglich  ist,  kann  auch  in  Bayern 
nicht  unmöglich  sein.  Der  Verfasser  beweist  hier  nichts,  weil  er  zu 
viel  bewiesen  hat  Eine  wirksamere  Abwehr  hätte  er  durch  das  Aas- 
gehen  vom  humanistischen  Prinzip  gewinnen  können. 

Ein  vielbesprochenes  Thema,  das  Verhältnis  von  Schule  und  Hans, 
behandelt  die  elfte  Rede.  Der  Verfasser  geht  dabei  von  dem  Alumnat 
aus,  das  mit  der  von  ihm  geleiteten  Anstalt  verbunden  ist,  und  in  dem 
etwa  ein  Sechstel  der  sämtlichen  Schüler  Aufnahme  gefunden.    Für  diese 


Joseph  CroD,  Zwölf  Sdralreden.  107 

existiert  kaum  die  schwierige  Frage  des  Verhältnisses  von  Schale  nnd 
Hans:  »sie  nehmen  alle  gleichmärsig  teil  an  den  Vorteilen  des  fOr  die 
hänslichen  Arbeiten  der  Schttler  in  Bezug  au|  Luft,  Licht,  Wärme  treff- 
lich eingerichteten  Saales  and  können  ungestört  ihre  Vorbereitung  für 
die  Unterrichtsstunden  betreiben.  Wie  ganz  anders  steht  es  in  dieser 
Hinsicht  bei  den  Stadtschfllern!  Die  ganze  Mannigfaltigkeit  der  Verhält- 
nisse und  Bedingungen,  unter  welchen  diese  ihre  häuslichen  Arbeiten 
verrichten  (besser:  anfertigen),  eingehend  zu  schildern,  wäre  ja  teils  un- 
möglich, teils  ungehörig  und  zwecklos.c  (S.  165). 

In  geistreicher  Weise  wird  sodann  auf  die  verschiedene  Auffassung 
der  Erziehung  in  Sparta  und  Athen  eingegangen.  Im  ersteren  war  die 
Erziehung  der  Knaben  vom  siebenten  Jahre  an  Sache  des  Staats,  in 
Athen  dagegen  blieb  die  Heranbildung  der  Jugend  wesentlich  die  Auf- 
gabe der  Familie.  In  Sparta  konnte  die  Frage  nach  dem  Verhältnis 
von  Schule  und  Haus  gar  nicht  entstehen*  Bezüglich  Athens  meint  Gron: 
»Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dafs,  wenn  wir  heutzutage  nur  die 
Wahl  zwischen  diesen  beiden  Wegen  der  Bildung  und  Erziehung  der 
Jugend  hätten,  die  meisten  wohl  unbedenklich  das  Verfahren  der  Athener 
dem  der  Spartaner  vorzögen.  Denn  wenn  man  auch  gerne  die  Mühe  and 
Sorge  fOr  die  Erziehung  und  den  Unterricht  der  Kinder  dem  Staate  Aber 
läfst,  ganz  entschlagen  des  Rechtes  Aber  seine  Kinder  will  man  sich  denn 
doch  nicht.« 

Es  ist  von  Interesse,  diese  Rede  mit  einer  von  Bender  zu  ver- 
gleichen, welcher  das  gleiche  Thema  behandelt  hat.  Wie  verschieden 
sind  die  beiden,  ohne  dafs  wir  uns  hier  ffir  die  eine  und  gegen  die 
andere  entscheiden.    Si  duo  faciunt  idem,  non  est  idem. 

Im  übrigen  wünschen  wir  den  Cronschen  Schulreden  zahlreiche 
Leser.  Die  Männer  der  Schule  werden  das  Buch  nicht  ohne  Nutzen  aus 
der  Hand  legen. 

Osk.  Altenburg  Hoc  age!  Rede  zur  Entlassung  der  Abiturien- 
ten gehalten  bei  der  Feier  von  Kaisers  Geburtstag  am  22.  März  1888 
(Neue  Jahrbb.  ffir  Philologie  und  Pädagogik.    Band  186,  S.  347—852.) 

Der  Redner  spricht  zaghaft,  nach  eigenem  Geständnis,  weil  dem 
Besten,  was  die  Schule  bieten  kann,  dem  Studium  der  klassischen 
Schriftsteller,  in  dem  tosenden  Kampf  um  das  Gymnasium  der  formale 
Wert,  der  Wert  für  die  Kraft  des  Denkens  und  die  allgemeine  Durch- 
bildung abgesprochen  wird.  Aber  als  »verhärteter  Philologe«  ist  er  von 
dem  idealen  Werte  der  Altertumsstudien  überzeugt. 

Doch  ist  ein  Unterschied  zu  machen:  »Die  Philologen  hüten  den 
Schatz,  darf  ich  sagen,  wie  das  Gold  im  Rhein,  aber  sie  überliefern  ihn 
uns  Pädagogen  nur  als  das  rohe  Material«.  Dieser  Rohstoff  mufs  durch 
das  Werkzeug  des  logischen  Denkens  verarbeitet  werden,  bis  er  für 
die  Schale  verwendbar  ist* 


108  Scbalgeschichte. 

Was  vonseiten  der  Sohnle  anzustreben  ist,  sagt  der  Verfasser  so- 
dann mit  den  Worten:  »Es  konnte  gelingen  die  Oedankenkreise  des 
Altertums  mit  den  Ideen  des  Christentnms  nnd  wiederum  das  Altertum 
mit  unserem  nationalen  Empfinden  und  endlich  das  Christentum  mit 
unsern  deutscbnationalen  Idealen  in  die  engste  Beziehung  und  Ver- 
knüpfung zu  bringen.c 

Unter  dem  Hinweis  auf  die  horaziscbe  Dichtung,  der  das  »hoc 
agec  des  Titels  entnommen  ist,  werden  nun  den  scheidenden  Schalem 
eine  Anzahl  beherzigungswerter  RatschlAge  gegeben  und  besonders  he* 
tont,  dafs  die  Bildung  zum  Menschen  nie  abschließt  »Sie  kennen  das 
Wort:  Das  Heil  liegt  nicht  im  Sein,  sondern  im  Wordene 

Mit  einer  beweglichen  Anrede  an  die  einzelnen  Abiturienten,  die 
je  nach  der  Wahl  des  Berufes  eingerichtet  ist,  schliefst  die  Bede. 

Anhangsweise  seien  noch  einige  Arbeiten  aber  französische 
Schulgeschichte  besprochen: 

J.  Carrö,  Agr6g6  de  l'universit^,  Inspecteur  g6n6ral  de  Fenseig- 
nement  primaire.  Les  Pödagogues  de  Port-Royal.  Histoire  des 
Petites  £coles.   Paris.   Delagrave.    1887.   8 o.  XXXVI  und  348  S. 

Der  Verfasser  erklärt  in  seinem  Vorwort,  dafs  die  P&dagogen  von 
Port- Royal  zwar  eigentlich  die  Schöpfer  der  modernen  Unterrichtsmethode, 
trotzdem  aber  wenig  bekannt  seien.  Zum  Nutzen  der  Lehrerschaft  hat 
nun  Garr6  Auszflge  aus  den  wichtigsten  Schriften  der  genannten  Päda- 
gogen gegeben  und  denselben  eine  orientierende  Einleitung  Aber  Port- 
Boyal  vorangestellt.  Das  Buch  enthält  solche  Auszfige  aus  den  Schriften 
von  Saint-Gyran,  De  Saci,  Lancelot,  Guyot,  Coustel,  Le  Mattre,  Nicole, 
Arnauld,  Pascal,  Pierre  Thomas  du  Foss6,  Racine,  Jacqueline  Pascal. 

Die  Petites-^coles  von  Port-Royal  erhielten  ihren  Namen  vermut- 
lich davon,  dafs  ursprünglich  die  Zahl  der  Zöglinge  in  diesen  Schalen 
klein  war.  Das  berühmte  Kloster,  dessen  Ursprung  bis  1204  hinauf- 
reicht, lag  urspr&nglich  nahe  bei  Ghevreuse  südöstlich  von  Paris,  wurde 
aber  1626  in  den  Faubourg  Saint-Jacques  zu  Paris  abertragen.  In  diese 
Zeit  fällt  die  höchst  beachtenswerte  pädagogische  Thätigkdt  von  Abb6 
SaintrGyran ,  mit  welchem  die  Leiterin  von  Port-Royal  schon  seit  1620 
in  Verbindung  gestanden  hatte.  Seine  Anregungen  dauerten  auch  na<di 
seinem  im  Jahre  1648  erfolgten  Tode  noch  weiter.  Die  Schulen  kamen 
in  die  Höhe,  aber  die  Eifersucht  der  Jesuiten  hatte  zur  Folge,  dafs  die 
Schulen  1650  wieder  von  Paris  wegverlegt  wurden.  Unter  den  Zöglingen 
war  im  Jahre  1665  auch  der  junge  Racine.  1661  erfolgte  sodann  die 
endgfiltige  Aufhebung  der  Schulen. 

Der  Geist  der  Erziehung  ist  unbedingt  beeinflufst  von  Saint-Qyran. 
Von  kirchlichen  Voraussetzungen  ausgehend  und  besonders  die  Bedeutung 
der  Taufe  sehr  hoch  stellend,  wollte  er  zunächst  die  Unschuld  der  Kin- 
der erhalten,  dieselbe  gegen  die  schlechten  Regungen  des  Qeistes  ver- 


J.  Carrt,  Les  P^dagogaes  de  Port-Royal.  109 

leidigen.  Nach  einer  Vorschrift  des  Erasmus  worden  sodann  immer  nur 
einige  willige  Kinder  unter  der  Leitung  eines  Lehrers  auf  dem  Lande 
in  einem  besonderen  Hause  untergebracht.  Lehrer  und  Diener  mufsten 
mit  der  gröfsten  Sorgfalt  ausgewählt  sein.  Um  jeden  Anlafs  zur  Rei- 
zung der  Sinnlichkeit  fernzuhalten,  wurden  die  alten  Schriftsteller  nur  in 
gereinigter  Gestalt  zugelassen.  Romanlektttre,  Theater  und  sogenannte 
Bildungsreisen  waren  verpönt. 

Das  Lernen  trat  hinter  die  Erziehung  zurück,  doch  bemühte  man 
sich,  den  Kindern  eine  gute  Grundlage  von  Kenntnissen  zu  geben 
und  dafttr  die  kürzesten  und  leichtesten  Methoden  zu  erfinden.  Sobald 
die  Kinder  lesen  und  schreiben  konnten,  begann  das  Latein,  das  mit 
Hilfe  der  Grammatik,  nicht  wie  eine  lebende  Sprache  gelernt  wurde. 
Übersetzungen  mufsten  die  Klassikerlektüre  erleichtern.  Lateinische 
Extemporalien  erfreuten  sich  höherer  Gunst  als  das  Anfertigen  lateini- 
scher Verse.  Im  Gegensatz  zu  den  Jesuitenschulen  fand  das  Griechische 
eine  besondere  Pflege. 

An  einem  kurzen  Abrifs  der  Geschichte  von  Port-Royal  schliefsen 
sich  Auszüge  pädagogischen  Inhaltes  an  aus  Saint-Cyran,  De  Saci,  Lan- 
celot, Gnyot,  Gonstel,  Le  Maltre,  Nicole,  Arnauld,  Pascal,  Pierre  Tho- 
mas du  Foss6,  Racine,  Jacqueline  Pascal. 

Einige  der  Auszüge  beziehen  sich  auch  auf  das  Erlernen  der  klassi- 
schen Sprachen.  In  einem  »Avis  au  lecteur«  verlangt  Lancelot  (p.  76) 
die  Beseitigung  der  lateinischen  Lehrbücher  für  den  lateinischen  IFnter- 
richt.  »Gar  qui  est  Thomme  qui  voulftt  präsenter  une  grammaire  en 
vers  h^breux  ponr  apprendre  Th^breu,  on  en  vers  grecs  ponr  apprendre 
le  grec,  ou  en  vers  Italiens  pour  apprendre  Titalien?«  Da  die  Kinder 
nur  französisch  verstehen,  so  werden  Grammatiken  mit  französischen 
Memorialversen  empfohlen. 

Ein  anderer  Pädagoge  von  Port-Royal,  Nicole,  nimmt  sich  in  seinem 
Trait6  de  T^dncution  d'un  prince«  der  Grammatik  gegen  ihre  Feinde 
an.  Nur  Lektüre,  keine  Grammatik,  das  ist  eine  Rede  fauler  Leute.  — 
Besonderes  Interesse  verdient  das  »Memoire  sur  le  Reglement  des  £tudes 
dans  las  Lettres  humaines«  von  Amaud,  Doktor  der  Sorbonne.  Zunächst 
wird  von  Mifsbräuchen  im  Unterricht  der  klassischen  Sprache  gehandelt. 
Ein  Mifsbranoh  ist  es,  wenn  manche  Lehrer  ihre  Schüler  so  unterrichten, 
als  ob  sie  lauter  Poeten  zu  erziehen  hätten,  oder  wenn  die  Auszeich- 
nungen blofs  nach  den  lateinischen  Exerdtien  gegeben  werden,  oder 
wenn  vor  lauter  sonstigen  Übungen  zu  wenig  Schriftsteller  gelesen  werden. 

Auf  S.  216  und  217  ist  ein  Lehr-  und  Stundenplan  für  die  klassi- 
schen Sprachen  zusammengestellt  Obgleich  derselbe  schon  im  17.  Jahr- 
hundert ist,  80  sind  die  gelesenen  Schriftsteller  doch  fast  dieselben,  wie 
heute.  Nur  ist  die  Zahl  heute  beträchtlich  kleiner.  Aus  unseren  Schulen 
sind  verschwunden  Quintus  Gurtius,  Florus,  Eutropius,  Sneton,  Jnvenal, 
PliniuBf  Seneca»  Lukian  und  Plntarch. 


110  Schnlgeschichte. 

Aus  diesen  AofeeichDungen  ergibt  sich,  dafs  die  Frage  des  latei- 
nischen Exercitiums  schon  die  Menschen  des  17.  Jahrhunderts  erregt  hat, 
und  dafs  man  schon  damals  sehr  abweichende  Meinungen  über  dasselbe 
vortrug. 

Ein  weiterer  Beitrag  zur  französischen  Schulgeschichte: 

Les  6tudes  classiques  avant  la  r^voiution  par  Fabb^  Au- 
gustin  Sicard  vicaire  de  Saint^Philippe-du-Roule.  Paris.  Perrin  et 
C^o-  1887.    8.    IX  und  690  p. 

Der  Verfasser  dieses  gewandt  geschriebenen  Buches  hat  seinen 
Namen  bereits  durch  ein  anderes  Werk:  »L'öducation  morale  et  civiqae 
avant  et  pendant  la  Revolution  (1700 — 1808)»  bekannt  gemacht.  Es  ist 
im  wesentlichen  eine  Apologie  der  klassischen  Studien,  welche  mit  den 
Mitteln  der  Geschichte  geführt  wird.  Die  Entwickelung  hat  in  Frank- 
reich vielfach  einen  ähnlichen  Gang  genommen  wie  in  Deutschland,  wes- 
halb sich  überall  ungesucht  Parallelen  ergeben.  So  pafst  sogleich  die 
Schilderung  des  ersten  Kapitels:  Organisation  des  ötudes  classiques  avec 
la  Renaissance  et  le  XVII®  si^cle  auch  auf  deutsche  Verhältnisse.  Der 
Verfasser  schildert  die  Scholastik  mit  ihrer  Leidenschaft  für  nutzlose 
Disputationen,  über  welche  Vives'  Ausspruch  aus  dem  Jahre  1531  citiert 
wird:  »On  dispute  avant  le  dtner;  on  dispute  pendant  le  dtner;  on  dis- 
pute apräs  le  dtner;  on  dispute  en  public,  en  particulier,  en  tout  liea, 
en  tout  tempsc.  (S.  5).  Unter  den  Gelehrten,  deren  Lehrbücher  die 
Scholastik  im  16.  Jahrhundert  verdrängten,  hätte  neben  den  Estienne, 
Bud6,  Scaliger,  Casaubonus  etc.  auch  der  deutsche  Melanchthon  nicht 
fehlen  sollen;  denn  aus  dem  von  Buisson  herausgegebenen  Repertoire 
des  ouvrages  pödagogiques  ergibt  sich,  dafs  sehr  viele  Schriften  des 
grofsen  Praeceptor  Germaniae  in  Frankreich  nachgedruckt,  vermutlich 
also  auch  in  den  französischen  Schulen  vielfach  benutzt  wurden.  Die 
letzten  Zeiten  vor  der  Revolution  schildert  der  Verfasser  mit  Worten 
Jouberts,  der  zwar  nicht  für  die  Methode,  wohl  aber  fQr  die  damaligen 
Lehrer,  die  meist  Geistliche  waren,  ein  Wort  der  Anerkennung  spendet 
(S.  654),  und  ruft  dann  aus:  Quel  panögyrique,  quel  tableau!  En  faisant, 
si  Ton  veut,  la  part  du  coeur  dans  cet  61oge  de  professeurs  qui 
avaient  cultivö  en  lui  avec  tant  de  bonheur  tous  les  dons  littdraires, 
quel  est  le  t^moin,  quel  est  le  contemporaüi  qui  pourrait  nous  dire  avec 
plus  de  compötence  que  Joubert  ce  qu'6taient  les  mattres  et  les  möthodes 
avant  1789c.  Der  Gedanke  an  das,  was  man  diesen  Männern  damals 
zufügte,  macht  den  Verfasser  nach  seiner  eigenen  Aussage  melancholisch. 
Ein  Anhang  stellt  die  Schriftsteller  zusammen,  welche  in  den  verschiede- 
nen Schulen  gelesen  wurden  und  zwar  nach  folgenden  Rubriken:  Plan 
d'ötudes  des  jösuites.  Plan  d'ötude  de  Toratoire.  Plan  d'^tudes  de  Port- 
Royal.    Plan  d'^tudes  de  i'universit^. 


Philippe  Lanrao,    Notioe  sur  le  College  d'Agen.  m 

Philippe  Laozan,  Notice  sur  le  College  d'Agen  depuis  sa  fonda- 
tioo  jusqa'ä,  dos  jours  (1581—1888).  Agen.  Michel  et  Medan,  Editeurs 
1888.    8^   X  and  132  p. 

Agen  ist  eine  kleine  Stadt  an  der  Oaronne,  unweit  Bordeaux.  Der 
Verfasser  schöpfte  seinen  Stoff  aus  verschiedenen  Archiven,  nicht  zum 
wenigsten  aus  dem  des  Bischofs  zu  Agen. 

Die  in  vielen  Einleitungen  vorkommende  Bescheidenheitsphrase, 
die  sich  audi  hier  findet»  wonach  der  Verfasser  wartete,  ob  nicht  ein  an- 
derer, mehr  zu  der  Arbeit  befähigter  Gelehrter  das  Thema  in  Angriff 
nehmen  wflrde,  konnte  unbeschadet  des  Wertes  der  Schrift  auch  weg- 
bleiben. 

Über  die  mittelalterliche  Schulgeschichte  von  Agen  ist  aus  Mangel 
an  Nachrichten  nicht  viel  zu  melden.  Um  das  fflnfte  Jahrhundert  gab 
es  im  südlichen  Gallien  noch  vortreffliche  gallisch-römische  Schulen. 
Von  da  ab  bis  zu  der  Errichtung  der  Dominikanerschule  im  13.  Jahr- 
hundert fehlen  die  Nachrichten. 

Im  Jahre  1512  wurde  die  bisherige  alte  Schule  ungenügend.  1535 
wurde  sodann  ein  neues  Schulgebäude  erworben.  Die  Konsuln  der  Stadt 
baten  1560  den  König  um  die  Gründung  eines  College,  wie  solche  zu 
Aix,  Tournon  und  Ntmes  seien,  damit  die  Einwohner  der  Stadt  nicht 
wie  bisher  ihre  Kinder  nach  Paris  und  Poitiers  auf  die  Schule  geben 
mOfsten.    Es  wurde  auch  eine  Schule  schliefslich  geschaffen. 

Neues  Leben  aber  kam  erst  durch  die  Gründung  eines  Jesuiten- 
kollegiums 1581.  Der  gefürchtete  Orden  besafs  die  Anstalt  bis  1762. 
Von  da  an  folgte  ein  häufiger  Wechsel. 

Zunächst  wurden  die  ausgetriebenen  Jesuiten  ersetzt  durch  Domi- 
nikaner (1762— 1Y67);  es  folgten  die  Prßtres  s^culiers  (1767—1781),  die 
Oratorianer  (1781 — 1793),  die  grofse  Revolution,  speciell  der  National- 
konvent, schlofs  die  alten  Universitäten,  und  so  folgte  eine  Neugründnng, 
die  £cole  centrale  (1796 — 1802) ,  sodann  die  £cole  secondaire  (1802— 
1808),  schliefslich  Le  College  communal  et  le  lyc^e. 

Besonders  charakteristisch  sind  die  Mitteilungen  über  die  unter 
dem  Nationalkonvent  errichtete  £cole  centrale.  Am  Tage  der  Eröffnung 
zog  man  unter  Trommel  gewirbel  in  feierlichem  Zuge  nach  der  Anstalt. 
Auch  fehlte  es  nicht  an  riner  Musikkapelle,  die  sich  aus  den  Musiklieb- 
habern des  Städtchens  zu;:ammensetzte,  >le  tout  flanqu^  de  cent  gardes 
nationauxc.  Man  sieht,  die  Republik  hat  es  wenigstens  an  Spektakel 
nicht  fehlen  lassen.  Ob  dabei  auch  der  Geist  redlicher  Arbeit  mit 
einzog? 

Die  Schrift  Lauzuns  wird  durch  die  Mitteilung  zahlreicher  Akten- 
stücke zu  einem  pädagogischen  Urkundenbuch  der  Stadt  und  behält  da- 
durch bleibenden  Wert 

Der  schon  seit  Jahren  mit  französischer  Schulgeschichte  beschäftigte 


112  Schalgeschichte. 

y.-E.  Veuclin  hat  zwei  weitere  kleine  Schriften  über  denselben  Gegen- 
stand veröffentlicht    Dieselben  führen  die  Titel: 

Les  Fondatenrs  d'fcoles  an  XVII®  siMe.  Les  Chätelains  de  Gonr- 
b^pine  et  les  Soeurs  Jonen,  de  St-M artin-le-Vieil.   Bemay.   YencHn  1888. 

Nouvelles  Glanes  historiques  snr  l'Instmction  publique  avant  et 
pendant  la  Revolution.   Bemay.    1888. 

Die  Schriften,  deren  Verdienstlichkeit  ftlr  die  lokale  Schnlgeschichte 
des  nördlichen  Frankreichs  nicht  bestritten  werden  soll,  danken  übrigens 
ihre  Entstehung  keinem  rein  wissenschaftlichen  Interesse.  Die  Tendenz 
derselben  ist  dadurch  hinlänglich  gekennzeichnet,  dafs  der  Verfasser  eine 
Schrift  mit  dem  Titel:  »Le  C16ricalisme  n'est  pas  Tennemi  de  la  Libert^, 
du  Progrte  et  de  la  Civilisationc  geschrieben  hat.  Entgegen  dem  fran- 
zösischen Brauch  ist  das  Papier  des  Schriftchens  sehr  schlecht 


Jahresbericht 
über  die  griechischen  Sakralaltertümer. 

Von 

Aagast  Mommsen. 


6.  Artikel :    Elis. 

A.  E.  J.  Holwerda,  Olympische  Studien  I-III  (Archäol.  Zeitung 
Jahrgang  XXXYIII  1880.  S.  169—172  und  XXXIX  1881  Spalte  206 
—215). 

I.  Reihenfolge  der  Festspiele.    Ausgegangen  wird  von  Paus. 
V  9,  3;  die  Worte  seien  zwar  iQckenhaft,  aber  so  viel  lasse  sich  doch 
entnehmen,  dafs  'die  Wettkftmpfe,  die  man  vor  der  77.  Olympiade  an 
einem  Tage    abhielt,  seitdem  auf  zwei  verteilt   wurden'.     Die  Schlufs- 
folgerung  bezieht  sich  anscheinend  auf  alle  Wettkämpfe  des  Olympien- 
festes.   Aber  das  Programm  lehrt,  dafs  der  Verfasser  nur  die  Spiele 
des  reiferen  Lebensalters  im  Auge   hat;  in  der  That  konnte  aus  Paus, 
a.  0.  Ober  die  Spiele  des  jüngeren  Lebensalters  nichts  gefolgert  werden. 
—  Weiterhin  nimmt  die  Untersuchung,  in  welcher  Ordnung  die  Leistungen 
der  Männer  sich  an  einander  schlofsen  und  wie  sie  sich  auf  Tage  verteilten, 
folgenden  Gang.    Am  selben  Tage  und  unmittelbar  ist  dem  doh^og  das 
arddeov,  diesem  der  Biaukog  gefolgt,  Paus.  VI  13,  2.    Ein  zweites  Konti- 
nuum  haben  mihi  ^^Tf^  nayxpd'ctov  gebildet,  P.  VI  15,  3,   vgl.  Inschr. 
N.  147  Arch.  Zeit.    1878  S.  91;  ein  drittes  iTtnodpofiea  Ttivva^kov  Xen. 
Hellen.  VII   4,   29.     Wie    sind    nun    diese    Gruppen   auf  die   beiden 
Männerspieltage  zu  verteilen?     Da  nach  einer  Notiz  bei  Jul.  Africanus 
zu  Ol.  113  der  Dolichos   morgens   stattgefunden   haben   mufs    und  das 
Pankration  abends  stattfand  nach  der  Inschr.  N.  147,  so  sind  nur  zwei 
Kombinationen  möglich.    Entweder  sind  dem  einen  Tage  doXt^o^  ffrdStov 
dtaoXoQ  itdh^  nuy'fjufi  nayxpdreov^  dem  andern  enno8pofu'a  nivraBXov\  oder 
dem  einen  SoXt^oQ  ardSeov  diauXo^  tTcnoBpopIa  nsvra^kov^  dem  andern 
Tzdhj  noyfi^  nayxpdTwy  zuzuweisen.    Erstere  Kombination  ist  die  einzig 
zulässige;  die  andere  ergiebt  eine  durchaus  unwahrscheinliche  Verteilung. 
(Die  Hippodromie  hatte  Ol.  77  vier  Kampfarten,  aufser  TiBptTtnov  und 
xc^C  auch   noch   dTv^)^   und  xdkTn^.     Nach   der    zweiten    Kombination 

Jahretbericht  fiir  AlterthumswisMnschAft  LXOC.  Bd.  (18U.  m.)  8 


114  Griechische  Sakralaltertflmer. 

würden  also  dem  einen  Tage  acht  Eampfarten  zafallen,  dem  andern 
drei;  und  obendrein  war  unter  jenen  das  langwierige  Pentathlon).  Die 
erste  Kombination  stimmt  auch  mit  Paus.  V  9,  3  am  besten.  Die  Wett- 
kämpfe zu  Wagen  und  zu  Rofs  und  das  Pentathlon  hatten  gehindert  die 
Pankratiasten  zur  rechten  Stunde  in  die  Arena  zu  rufen ;  aus  der  älteren 
Reihenfolge  nahm  man  also  die  hippischen  und  pentathlischen  Leistungen 
heraus  und  wies  sie  dem  neu  kreierten  Kampftage  zu.  —  Die  Iflcken- 
haften  Worte  des  Pausanius  a.  0.  sind  etwa  so  herzustellen:  b  de  xotfiioq 
6  nepl  TÖv  dyiova  iip^  ^/^o/v,  a;c  Bueabai  rcJ  Be<j}  rä  Upeta^  [IrKtra  8k 
yi^veoBat  toüq  dytovag]  nevra^Xot)  fikv  xal  Spofiou  rcDv  'Srmojv  iMTzepl^ 
flfidp^  nporipqL  8e  rwv  Xotnaiv]  dyoßveafidrwv  xrX.  —  Mutmatsliches  Pro- 
gramm für  die  fünf  Oljmpientege:  Tag  1.  BouBuaia  (Pindar  Ol.  V,  6). 
Am  ersten  Tage  wird  auch  der  Eid  vor  Zeus  Horkios  und  die  Prttfnng 
der  Knaben  und  jungen  Pferde  stattgefunden  haben.  Tag  2.  Wettkampf 
der  Knaben.  Tag  3.  Erste  Hälfte  vom  Wettkaropfe  der  Männer:  iolt^oQ 
arddeov  diaukoQ  mkfj  Tnjyfiij  nayxpdrcov.  Komos  der  Sieger.  Tag  4.  Zweite 
Hälfte  vom  Wettkampfe  der  Männer :  iTvnoBpopLea  TtävraBXov  ^nXeroßv  Bpo" 
flog.  Komos  der  Sieger.  Tag  5.  Opfer  der  Sieger  und  der  Theoren. 
Festmahl  im  Prytaneion. 

Bem.  Die  Verteilung  der  Gruppen  auf  die  Tage  ist  flberzeagend. 
Dafs  der  Verfasser  den  mit  den  Läufen  beginnenden  Tag  dem  hippisch- 
pentathlischen  Tage  voranstellt,  verdient  ebenfalls  Beifall,  doch  vermifst 
man  eine  nähere  Begründung,  dergleichen  die  Einführungszeiten  der  ein- 
zelnen Spiele  und  die  Analogie  dargeboten  hätten.  Auch  die  Annahme 
eines  besonderen  Tages  für  den  Knaben*Agon  dürfte  zu  billigen  sein; 
aber  der  Verfasser  mufste  diesen  Punkt  erörtern.  Den  Hoplites  als 
letzte  Leistung  dem  Pentathlon  anzuschliefsen  entspricht  der  Überliefe- 
rung, und  was  der  Verfasser  bemerkt,  Pausanias  habe  sich  begnügt  für 
den  zweiten  Tag  des  Mänuer-Agons  blofs  Hippodromie  und  Pentathlon 
zu  nennen,  also  den  Hoplites  ignoriert,  ist  wenigstens  möglich.  —  unter 
den  Wettspielen  fehlt  das  Gertieren  der  Trompeter  und  Herolde.  —  Im 
Programm  ist  auf  den  Vorabend  des  Olympienfestes  keine  Rücksicht  ge- 
nommen. —  Der  Versuch  Paus.  V  9,  3  herzustellen,  beruht  auf  Voraos- 
setzungen,  die  keine  Gewähr  bieten,  und  kann  auch  den,  der  die  Vor* 
aussetzungen  zugiebt,  keineswegs  befriedigen.  Zugegeben,  dafs  die  bei 
Pindar  Ol.  V,  6  vorkommenden  Rindsopfer  dem  Anfang  des  Festes  an- 
gehören (unsicher)  und  dafs  ^ueaBau  r^  ßedi  rä  lepeea  bei  Paus,  auf 
die  Darbringung  dieser  Opfer  zu  beziehen  ist  (unsicher),  wird  an  des 
Verfassers  inecTa  8k  ytyvea&ac  xtX.  Anstofs  zu  nehmen  sein,  weil  Pau- 
sanias danach  den  zweiten  Olympientag  (Wettkampf  der  Knaben)  über- 
sprungen, und  auch  bei  dem  dritten  und  vierten,  die  ja  in  umgekehrter 
Folge,  erst  der  vierte,  dann  der  dritte,  vorkommen,  das  ^na  nicht 
wahr  gemacht  hätte.  —  Statt  jiyvetfBm  roug  dyä^vac  Tuvrd^Jiou  und  wie 
es  weiter  lautet  bei  dem  Verfasser,  erwartet  man  yeyuea^ai  Ttivra&Xov 


Elia.  115 

fih  xal  BpofJLOV  Tütv  Imnuv  baripqi  fjfiep^^  itporipqL  Sk  rä  Xoenä  dyaßvifffJMrau 
—  Auch  was  S.  170  über  die  Worte  rä  npb  roorwv  Sk  inl  ijpepaq  ^yov 
XTJQ  aÖT^Q  6jÄot(o^  xa}  dv^pwnoßv  xal  TmroßV  dywva  gesagt  wird,  ist  zn  be- 
anstaDden;  man  könnte,  meint  der  Verfasser,  aas  diesen  Worten  folgern 
wollen,  dafs  sp&ter,  von  Ol.  77  ab,  ein  Wettkampf  von  Menschen  und 
Pferden  am  nämlichen  Tage  nicht  mehr  stattgefunden  habe,  dafs  diese 
Folgerang  aber  durch  Xen.  Hellen.  VII  4,  29  (Hippodromie  und  Pen- 
tathlon anmittelbar  einander  abgeschlossen)  widerlegt  werde,  dafs  Pau- 
sanias  sich  also  etwas  karz  and  ungenau  ausgedrückt  habe.  Aber  djiüv 
und  dydjviapa  sind  zu  unterscheiden;  die  einzelne  Eampfart  ist  ein 
dy(ovefffia,  dyaiv  fafst  die  Eampfarten  desselben  Schlages  zusammen, 
vorausgesetzt,  das  schon  eine  Mehrzahl  eingeführt  ist  Das  Pentathlon 
ist  kein  dyiov^  sondern  ein  dytuvurpa,  Paus.  VI  19,  4;  vgl.  6,  6.  Die 
Verbindung  von  Hippodromie  und  Pentathlon  kombiniert  also  nicht  zwei 
Agonen.  Von  Ol.  77  ab  hat  eine  Kombination  zweier  Agonen  in  der 
That  nicht  mehr  stattgefunden. 

IL  "^E^edpog.  Früher  hat  man  gemeint,  bei  den  einzelnen 
Eampfarten  eines  Olympienfestes  sei  nichtj  mehr  als  ein  Ephedros  er- 
lost worden  und  angenommen,  dafs  der  Ephedros  alle  aus  den  Paaren 
hervorgehenden  Sieger,  einen  nach  dem  andern,  habe  bekämpfen  müssen 
(Böckh),  oder  dafs  er,  bis  in  den  Paarkämpfen  Einer  über  sämtliche 
Gegner  gesiegt,  wartend,  mit  diesem  Einen  der  noch  auf  dem  Plan  war, 
sich  habe  messen  müssen  (Krause).  Aber  die  in  Olympia  gefundenen 
Inschriften  N.  146—148  Arch.  Zeit.  XXXVI  S.  90  ff.  leiten  anders.  Das 
Losen,  welches  über  Paarung  und  Ephedrie  entschied,  hat  (abgesehen 
von  den  Fällen,  in  welchen  sich  so  wenige  gemeldet  hatten,  dafs  es  des 
Loses  überhaupt  nicht  bedurfte,  bei  zwei  Aspiranten,  oder  eine  einzige 
Losung  genügte,  bei  drei  oder  vier)  mehrmals  stattgefunden  und  es  hat 
die  Ephedrie  mehreren  Personen  zufallen  können.  In  N.  147  heifst  es  von 
Tiberius  Claudius  Rufus:  ndvrag  pjkv  dvifsdpoQ  i'nayxparlaae,  rou^  xkf^poo^ 
rotg  doxtpAordrotQ  ka^dtv  dvBpdatv  '  Rufus  hat  alle  durchs  Los  bestimmten 
Reihen  durchgekämpft,  auch  nicht  eine  Reihe  ist  an  ihm  vorübergegangen, 
nie  hat  er  eine  Ephedrie  gehabt,  das  Los  hat  ihn  stets  den  erprobtesten 
Kämpfern  gegenübergestellt.'  Nur  durch  mehrere  Losungen  werden  die 
Worte  verständlich.  Denken  wir  uns,  dafs  der  Wettkämpfer  achtzehn  waren, 
so  ergab  die  erste  Losung  neun  Paare,  die  zweite  aus  den  neun  Siegern 
vier  Paare  und  einen  Ephedros,  die  dritte  zwei  Paare  und  einen  Ephe- 
dros, die  vierte  und  letzte  ein  Paar  und  einen  Ephedros.  Nach  N.  446 
hat  Ariston  aus  Ephesos  seinen  Sieg  selbsiebente  im  Enaben-Pankration 
erlangt,  ohne  in  einem  der  Gänge  Ephedros  zu  sein  (dvd^edpoCf  ^caplg 
ifpeSpeeag)  und  hat  die  Hände  niemals  in  den  Schofs  gelegt,  er  kam 
stets  in  eins  der  Paare  (inzä  yäp  ix  ncUSatv  naXdfiag  ii6vog  odx  dvd- 
Ttttoaa  Cs^yvufievog  8'  als}  ndvrag  dneare^dvouv).  Die  erste  Losung  er- 
gab aus  den  sieben  Jünglingen  drei  Paare  und  einen  Ephedros,  die  zweite 

8* 


11g  Oriechische  SakralaltertQmer. 

aus  den  drei  Siegern  und  dem  Ephedros  zwei  Paare  und  die  beiden  aas 
letzteren  hervorgehenden  Sieger  haben  um  den  Kranz  gestritten.  In 
diesem  Falle  kam  die  Ephedrie  nur  einmal  vor.  Wie  oft  sie  vorkam 
und  ob  sie  überhaupt  vorkam,  hing  ab  von  der  Anzahl  der  Agonisten. 

Bem.  Mit  gutem  Grunde  hat  der  Verfasser  sich  gegen  die  filteren 
Hypothesen  erklftrt.  Die  Ephedrie  gewährte  dem  Agonisten  flberliefer- 
termafsen  einen  Vorteil;  ohne  denselben,  als  di^i^eSpog^  gesiegt  zu  haben, 
erhöhte  die  Ehre  des  Siegers,  der  die  Anephedrie  gern  einflocht  in  den 
Ruhmestitel  welchen  die  Ephedrie  verunziert  hätte;  Arch.  Zeit.  XXXIV 
S.  223  Nr.  28  ist  gewifs  nicht  [v]cxi^aavTa  [dydp](ov  7Ta}'xpd[Tto]v  ifeBpoy^ 
sondern  —  —  nayxpd[Teou  d]vs^eSpov  zu  lesen,  wie  Dittenberger  A.  Z. 
XXXVI  S.  91  treffend  vorgeschlagen  bat.  Wenn  der  Ephedros  mit  allen 
Paarsiegern  nach  der  Reihe  kämpfen  mufste  (Böckhs  Meinung),  so  war 
er  nicht  im  Vorteil,  sondern  vielmehr  sehr  benachteiligt.  Im  entgegen- 
gesetzten Sinne  falsch  ist  Krauses  Ansicht,  bei  der  der  Ephedros  'gar 
zu  leichtes  Spiel  gehabt  hätte'  vgl.  Dittenberger  A.  Z.  XXXIV  S.  223. 
Ohne  Zweifel  hat  der  Verlasser  die  Wahrheit  gefunden.  Freilich  fafst 
er  sich  auch  hier  etwas  kurz;  eine  Erörterung  von  Lukian  Hermot  40 
wäre  doch  am  Platze  gewesen. 

III.  Pentathlon.  Einst  ward  angenommen,  der  pentathlische 
Kranz  habe  ebenso  viele  Siege  erfordert,  als  das  Pentathlon  Leistungen 
enthielt.  Diese  Annahme  hat  schon  Krause  zurückgewiesen.  Es  leidet 
keinen  Zweifel,  dafs  fttr  die  Erlangung  des  pentathlischen  Kranzes  drei 
Einzelsiege  (das  dnorpedSac)  genügten.  1867  erschien  Pinders  'Fflnf- 
kampf  der  Hell.'  Nach  ihm  war  die  Reihenfolge  der  fünf  Leistungen:  &A/ia 
dxovxiov  dpo/wg  deaxo^  ndhj^  und  die  vorangehende  Leistung  diente  immer 
für  die  folgende  als  Zulassungsmodus,  wer  gewissen  bescheidenen  An- 
forderungen genügt  hatte  im  a^ce,  ward  zum  dxoyrtov  zugelassen,  zum 
SpöfjLoc  dann  die  vier  besten  Akontisten,  zum  Scexoc  die  drei  besten 
Läufer,  zur  ndXy^  endlich  die  zwei  besten  Scheibenwerfer.  Im  SXfAo^ 
meinte  Pinder,  sei  man  mit  einer  minimalen  Leistung  zufrieden  ge- 
wesen; auch  auf  die  zweite  Leistung  {dxövTiov)  habe  man  nicht  viel  6e* 
wicht  gelegt,  für  den  Sieg  sei  sie  nicht  mitgezählt  worden.  Die  innere 
ünwahrscheinlichkeit  dieses  Systems,  bei  welchem  die  ndXi^  ein  nnm&lsiges 
Oewicht  erhält,  hat  Percy  Gardner  in  treffender  Weise  beleuchtet.  Dem 
StaxoQ  die  dritte  Stelle  zu  geben  und  nur  drei  Scheibenwerfer  zu  sta- 
tuieren, ward  Pinder  veranlafst  durch  Paus.  VI  19.  4  (drei  Wurfscheiben 
in  einem  der  Thesauren).  Aber  das  Vorhandensein  dreier  Scheiben 
hatte  verm.  praktische  Gründe;  die  weitest  geworfene  lieCs  man  liegen 
und  holte  die  weniger  weit  geworfene  zurück,  damit  nun  über  dem  Zu- 
rückholen nicht  unnütze  Zeit  verginge,  war  die  dritte  Scheibe  da;  der 
neue  Agonist  nahm  sie  und  warf,  indes  die  den  schlechteren  Wurf  mar- 
kierende zurückgeholt  ward.  ~-  Gardner  läfst  die  Pentathlen  zu  zwei 
und  zwei  (oder  zwei  mit  Ephedros)  kämpfen,  danach  die  Sieger  aas  den 


Elia.  1 1 7 

einzelneo  Paaren,  bis  schliersliQh  Dur  wenige  mehr  auf  dem  Plan  sind 
die  um  den  Endsieg  streiten.  Das  stimmt  aber  nicht  mit  Philostratos 
Tspl  yofiv.  3.  So  bat  sich  denn  durch  Gardner  nur  die  Zahl  der  fehl- 
geschlagenen Versuche  gemehrt,  daher  wir  uns  anders  zu  wenden  haben 
werden.  —  Wenn  jemand  im  Pentathlon  vor  Absolvierung  der  fünf 
Kämpfe  gesiegt,  d.  h.  drei  Einzelsiege  erlangt  hatte,  wurde  das  Pentath- 
lon abgebrochen.  Dies  geht  hervor  aus  Pind.  Nem.  VII  70—76.  Der 
hier  gefeierte  Sogenes  aus  Ägina  mufs  durch  einen  glücklichen  Speer- 
wurf, der  ihm  den  dritten  Einzelsieg  brachte,  des  Ringens  überhoben 
gewesen  sein.  Die  fünfte  Leistung,  eben  das  Ringen,  fiel  also  in  diesem 
Falle  ans.  —  In  dem  Falle  des  Hieronymos  und  Tisamenos  Paus.  III  11, 
6  ward  der  pentathlische  Kranz  ebenfalls  durch  drei  Einzelsiegc  erlangt, 
so  jedoch,  dafs  das  Ringen  nicht  ausfiel;  nach  dem  vierten  Kampfe  hatten 
die  beiden  Agonisten  je  zwei  Einzelsiege  gewonnen,  so  dafs  aufser  ihnen 
niemand  mehr  Aussicht  auf  den  peutathlischen  Kranz  hatte;  für  die 
übrigen  ward  mithin  das  Pentathlon  abgebrochen,  blofs  Hieronymos 
und  Tisamenos  traten  auf  den  Plan  um  zu  ringen,  Hieronymos 
warf  den  Gegner  nieder  und  dieser  dritte  Einzelsieg  sicherte  ihm  den 
Kranz  —  Hatten  nach  dem  vierten  Kampfe  zwei  je  einmal,  einer  zwei- 
mal gesiegt,  so  war  für  die,  welchen  gar  kein  Sieg  zu  teil  geworden,  das 
Pentathlon  zu  Ende,  sie  schieden  aus,  die  drei  aber  traten  zum  Ringen 
an;  behielt  dann  derjenige  welcher  schon  vorher  zweimal  gesiegt,  auch 
im  Ringen  die  Oberhand,  so  war  das  Pentathlon  natürlich  entschieden, 
aus  dem  Doppelsiegcr  war  ein  Dreimalsieger  geworden;  siegte  aber  einer 
der  beiden  anderen,  so  dafs  es  nunmehr  zwei  Doppelsieger  gab,  so  ent- 
schied ein  neues  ndkatffjxa  zwischen  diesen  (und  je  nach  den  vorher  be- 
standenen Kämpfen  ward  der  Kranz  entweder  für  zwei  oder  für  drei 
Kampfarten  zuerkannt).  —  Ausscheiden  tbat  nur  dann  keiner,  wenn  nie- 
mand, nach  der  vierten  Leistung,  mehr  als  einen  Einzelsicg  erlangt 
hatte ;  erwies  sich  dann  im  Ringen  als  den  stärkeren  einer  der  schon  in 
einem  der  früheren  Kämpfe  das  gleiche  Glück  gehabt,  so  fiel  ihm  durch 
zwei  Einzelsiege  der  Ganzsieg  zu.  Falls  aber  das  Ringen  zu  Gunsten 
eines  bisher  überall  unterlegenen  Agonisten  endete,  so  waren  fünf  Einzel- 
sieger da,  wie  in  dem  mythischen  Pentathlon  bei  Philostratos,  und  diese 
fünf  mufsten  wieder  paarweise  ringen  bis  schliefslich  einer  als  Sieger 
hervorging  (seinen  Kranz  verdankte  derselbe  je  nach  den  früher  bestan- 
denen Kämpfen  entweder  zweien  Kampfarten  oder  nur  einer  einzigen). 
In  letzterem  Falle  war  Peleus  bei  Philostr.  a.  0.;  er  hatte  nur  als  Rin- 
ger gesiegt,  dafür  aber  diesen  Kampf  sowohl  in  der  fünften,  ordentlichen 
Leistung  als  auch  in  dem  Scblufs-Certamen  bestanden.  —  Was  die  Reihen- 
folge betrifft,  so  sind  die  drei  letzten  Stücke  so  zu  ordnen:  dxdynov 
dpofioQ  ndXrj,  Ob  mit  äXfia  oder  otaxoq  begonnen  ward,  läfst  sich  nicht 
entscheiden. 

Bern.   Sehr  richtig  entnimmt  der  Verfasser  aus  Pind.  Nem.  VII, 


118  OriechiBche  Sakralaltertümer. 

dafs  Sogenes  durch  einen  glücklichen  Speerwurf  einer  weiteren  Fort- 
Setzung  der  pentathlischen  Kämpfe  enthoben  worden  sei;  es  kann  wohl 
herkömmlich  gewesen  sein,  dafs  ein  dreifacher  Einzelsieger,  ohne  übrigens 
dazu  verpflichtet  zu  sein,  zurücktrat.  Dafs  aber  auch  die  übrigen  Teil- 
nehmer zu  kämpfen  aufhörten  und  'das  Pentathlon  abgebrochen  wurde' 
folgt  aus  Pindar  nicht.  Wenn  keine  Aussicht  mehr  war  den  Ganzsieg 
zu  erringen,  so  liefs  sich  doch  noch  ein  Einzelsieg  erringen  und  der 
Agonist  konnte,  zu  Hause  angelangt,  wenigstens  sagen,  er  habe  in  dem 
und  dem  Stücke  etwas  Hervorragendes  geleistet,  eine  Freude,  die  der 
pentathlische  Sieger  dem  Kameraden  gönnte  und  durch  eigenes  Zurück- 
treten förderte.  —  Ein  Abbruch  des  Pentathlon  nach  dem  dritten  oder 
vierten  Kampfe  empfiehlt  sich  auch  vom  sakralen  Standpunkte  nicht. 
Man  kämpfte  vor  dem  Angesichte  des  Zeus,  ihm  galten  die  Olympien, 
und  es  war  nicht  in  der  Ordnung  an  dem  was  sich  gebührte,  zu  kürzen 
und  statt  eines  vollständigen  Pentathlons  einen  Bruchteil  desselben  dar- 
zubieten, weil  dem  Ehrgeize  des  Ganzsiegers  schon  durch  drei  Erfolge 
genügt  war.  —  In  Fällen  wo  nach  Absolvierung  des  Pentathlons  mehrere 
Einzelsieger  den  gleichen  Anspruch  hatten  bekränzt  zu  werden,  mufste, 
meint  der  Verfasser,  noch  wieder  gekämpft  werden.  Das  ist  nicht  be- 
wiesen. Einen  Fall  derart  gibt  Philostr.  a.  0.,  sagt  aber  von  einem  nach 
Absolvierung  der  fünf  Wettkämpfe  begonnenen  sechsten  nichts.  Die  fünf 
Helden  hatten  in  dem  Pentathlon  jeder  einen  Einzelsieg  gewonnen,  Po- 
lens, Sieger  im  Ringen,  war  in  den  übrigen  Kampfarten  der  nächstbeste 
gewesen  ($v  deurepo^).  Der  Kampfrichter  (Jason)  rechnete  die  fünf 
Leistungen  des  Peleus  zusammen  {$uväi/fae  rä  ndvre)  und  die  Berück- 
sichtigung auch  der  Nebenleistungen  führte  dahin,  dafs  Peleus  pentath- 
lischer  Sieger  wurde.  Diese  Auffassung  bekämpft  der  Verfasser  durch 
die  wenig  plausible  Behauptung,  das  von  Peleus  gesagte  $v  Seurepog  sei 
nicht  eigentlich  zu  nehmen  und  bedeute  nur,  dafs  Peleus  den  Gegnern 
unterlegen  sei.  —  Auch  die  Langwierigkeit  des  Fünfkampfes  macht  die 
Zusetzung  eines  Schlufs-Certamens  unwahrscheinlich.  —  Was  der  Ver- 
fasser über  Paus.  VI  19,  4  (drei  Wurfscheiben)  sagt,  ist  beachtenswert. 
—  Die  Reihenfolge  der  fünf  Leistungen  angehend,  ist  vielleicht  Paus.  V 
7,  10,  vgl.  VI  14,  10  (Flötenbegleitung  zum  a^a)  heranzuziehen.  Mög- 
lich dafs  die  obligate  Musik  aus  einem  Anfangssignal  entstanden  ist. 
Verhielt  sich  das  so,  so  mufs  das  &^a  der  ersten  Stelle  zugewiesen  werden. 

E.  Curtius,    Die  Altäre  von  Olympia.    Aus  den  Abb.  der  Akad. 
Berlin  1882.   48  S.  4^,  2  Tafeln. 

Der  erste  Abschnitt  beschäftigt  sich  mit  den  bei  Pausanias  V  14  f. 
verzeichneten  Altären,  69  an  der  Zahl,  im  zweiten  wird  von  der  Mantik, 
im  dritten  von  der  Geschichte  des  olympischen  Kultus  gehandelt  Aus 
den  einzelnen  Abschnitten  sei  Folgendes  hervorgehoben. 

S.  3—14.   Die  olympischen  Altäre  hat  Pausanias,  wie  er  selbst 


Elia.  ]  ]  9 

V  14,  §  4  QDd  abermals  §  10  bemerkt,  oicht  nach  ihrer  Ortlichen  Folge, 
BODdern  so  verzeichoet,  wie  sie,  elelschem  Herkommen  gemäfs,  einer 
nach  dem  andern  benutzt  wurden.  Sein  Verzeichnis  ist  also  eine  Art 
von  Ritualbuch.  Da  die  im  Opferbrauch  nach  einander  benutzten,  also 
ritualisch  verbundenen  Altäre  oft  auch  örtlich  benachbart  waren,  so 
warnt  er,  wo  dies  nicht  der  Fall,  sondern  ein  erheblicher  Abstand 
zwischen  zwei  hinter  einander  genannten  Altären  vorhanden  war,  (§  10, 
Themis  und  Zeus  Katäbates),  vor  topographischen  Schlössen,  welche  die 
Leser  aus  seiner  Reihenfolge  ziehen  könnten.  Doch  auch  ohne  diesen 
Anlafs  fügt  er  manche  topographische  Winke  hinzu.  —  Unter  den  zahl- 
reichen Opferstätten  Olympias  sind  die,  welche  ans  Asche  bestanden, 
die  ehrwürdigsten;  solcher  waren  nicht  weniger  als  vier,  im  Verzeichnisse 
des  Paus,  der  1.,  19.,  24.  und  34.  Zwei  eigneten  dem  Zeus  (19  und  34), 
einer  der  Hestia  im  Prjtaneion  (1)  und  einer  der  Hera  Olympia  (24). 
Merkwürdig  sind  auch  die  sechs  von  Herakles  gestifteten  Doppelaltäre, 
von  denen  der  verstümmelte  Text  des  Paus.  §  4  nur  unvollkommene 
Kunde  giebt  Nach  glaubwürdiger  Ergänzung  sind  die  Götterpaare, 
denen  Paus,  sie  zuwies,  diese:  Kronos  und  Rhea,  Zeus  Laötas  und  Po- 
seidon Laötas  (Aaoira^  viell. 'Volksammler'),  Hera  Laötis  und  Laötis 
Athena,  Artemis  und  Alpheios,  Hermes  und  Apollon,  Dionysos  und  die 
Chariten.  Vermutlich  hatte  jede  der  zwölf  Gottheiten  dieses  eine  Lokal- 
färbung (Alpheios)  tragenden  Cyklus  einen  gesonderten  Altarwürfel,  so 
dafs  zwischen  den  beiden  als  Doppelaltar  zu  betrachtenden  Würfeln  noch 
Raum  blieb  (vgl.  Paus.  §  10  a.  £.,  Einschub  des  Musenaltars).  Wenn 
die  ritualische  Abfolge  der  Altäre  stellenweise  —  und  zwar  häufig  ^ 
der  örtlichen  Nähe  entspricht,  s.  o.,  so  vereinigt  sie  doch  auch  entlegene 
Altäre  (N.  32  und  33  des  Verzeichnisses:  Gäa,  Themis,  N.  34:  Zeus 
Katäbates;  N.  32  f.  westlich  von  der  Altis,  N.  34  beim  grofsen  Brand- 
opferaltar des  Zeus  inmitten  der  Altis)  deren  ritualischer  Anschlufs 
andere,  nicht  toj>ographische.  Gründe  haben  mufs,  s.  u.  Die  Abfolge  der 
Altäre  bleibt  uns  also  im  allgemeinen  ihren  Ursachen  nach  dunkel,  ein 
durchgeführtes  System  ist  nicht  zu  entdecken,  obwohl  der  Umstand,  dafs 
die  Abfolge  im  Prytaneion  (Hestia)  beginnt  und  endigt,  auf  eine  gewisse 
Systematik  hinzudeuten  scheint.  —  Olympia  war  einst  ohne  Tempel,  ein 
grofser  Altarplatz,  auf  dem  sich  das  gottesdienstliche  Gemeindeleben, 
nebenher  auch  das  politische  Leben  (Reste  des  Herrscherpalastes),  he« 
wegte.  Die  Altäre  dienten  nicht  blofs  als  Opferplätze,  sondern  es  wurden 
an  ihnen,  wie  die  zahlreichen  in  den  Aschenschichten,  z.  B.  denen  des 
grofsen  Zeusaltars  gemachten  Funde  lehren,  auch  Weihbilder  nieder- 
gelegt. Solch  eine  alte  Opfer-  und  Weihstätte  wurde  nachgehends  um- 
baut und  überdacht,  und  damit  hatte  die  Altargottheit  einen  Tempel. 
So  entstand  der  Zeustempel;  einen  älteren  Bau  scheint  er  nicht  ersetzt 
zu  haben,  was  sich  ehedem  auf  seiner  Area  befand,  waren  die  Altäre, 
deren  Pausanias  §  4  als  innerhalb  des  Tempels  befindlicher  erwähnt  (§  4  zu 


120  Griechische  Sakralaltertamer. 

lesen:    SetJTdpqt  Sk  (Buooeev  'HXecoe)  nfi  VXofimqt  dil  [Bu]ovTe^  ine  r[a>]w 
ßwfi[w]v  t[(u]v   ivToQ   70U   vaou) ;   der  Bauschutt  des  Tempels  hat  ihre 
Spuren  zu  Tage  gebracht;  sie   sind   also   wohl   zu   scheiden   von    dem 
grofsen  Brandopferaltare   inmitten  der  Altis,   der  mit  dem  Tempel   in 
keinerlei    Ortlicher   oder   liturgischer  Beziehung   stand.    Ebenso   ist    in 
älterer  Zeit  das  Heräon  auf  einem  durch  Altardienst  längst  der  Hera 
geheiligten  Platze  erbaut  worden,  die  Aschlagen  im  Süden  des  Tempels 
unter  dem  Stufenbau  lassen  das  mit  Sicherheit  erkennen.    Der  gleiche 
Schlufs  ist  für  das  Metroon   zu  ziehen  aus   den  beiden  Schichten  von 
Aschenerde,   welche   die  Unterkante   dieses   Baus  birgt.  —   S.  14-28. 
Mautik.   Das  älteste  Orakel  war  tellurisch;   es  befand  sich  auf  dem 
Gäos  (racoc)t  einer  in  die  Erdtiefe  hinabgehenden  Stätte  der  eponymen 
Göttin,  dergleichen  es  auch  anderswo  in  Hellas  gab.     Für  ein  hohes 
Alter  des  olympischen  Gäadienstes  spricht  es  auch,  dafs  der  Altar  aus 
Asche  bestand.    Pausanias,  der  Y  14,  10  von  dem  alten  Orakelsitze  uod 
dem    daselbst  vorhandenen  Aschenaltar  der  Gäa  spricht,  reiht  ihm  den 
Opferplatz  des  Zeus  Katäbates  au,  hinzufügend,  dafs  dieser  Platz  bei 
dem  grofsen  Brandopferaltar  des  Zeus  liege  und  dafs  seine  Darstellung 
nicht  der  Topographie,  sondern  der  ele'lschen  Opferordung  folge.    Wie 
ist  es  nun  zugegangen,  dafs  in  Pausanias  Verzeichnis  oder  vielmehr  im 
elelschen  Ritualbuch  zwei  einander  nicht  nahe  liegende  örtlichkeiten  ver- 
bunden wurden?   Die  Lösung  des  Problems  ist  diese:   Zeus  Katäbates 
mufs  für  den  Urheber  des  Erdspalts  im  Gäos  gegolten  haben,  das  Erd- 
orakel, umgestaltet  in  ein  Orakel  des  Zeus,  mufs  in  die  Altis  nach  dem  um- 
hegten Orte  (^pd^fia),  wo  wir  ebenfalls  einen  Erdspalt  vermuten  dürfen,  ver- 
legt worden  sein.     Dieser   alte  Zusammenhang   der   beiden    mantischen 
Stätten,   des  Gäos   und   der   beiden  Zeusaltäre,   trat  in  der  elelschen 
Opferordnung  hervor,   indem   immer  zuerst  Gäas  Aschenaltar  und  nn- 
mittelbar  danach  der  des  Zeus  Katäbates  zu  bedienen  war.    Es  ist  also 
die  chthonische  Mantik  zur  Weissagung  aus  den  flammenden  Zeusopfern 
(Pyromantie),  die  Stätte  des  grofsen  und  des  ihm  benachbarten  umzäun- 
ten (^pdjrfJLo)  Zeusaltars  zum  Manteion  geworden.  —  Die  Hinüberleitung 
des  Erdorakels  in   die  höhere  Sphäre  geschah  durch  Themis,  die  der 
Urprophetin  Gäa  gegenüber  als  die  jüngere  Göttin  erscheint.    Das  neue 
im  Namen  des  Zeus  am  grofsen  Altar  zu  übende  Seheramt  ward  über- 
nommen von  Prophetengeschlechtern  die  ihre  Befugnis  von  ApoUon  her- 
leiteten und  im  Peloponnes  zu  hohem  Ansehen  gelangten,  den  lamiden 
und  den  ebenfalls  dem  lamos,  nach  anderen  einem  eigenen  Ahnherrn 
entstammenden  Klytiaden.    Die  Seher  aus  dem  Geschlechte  des  Apollons- 
sohnes  lamos  nehmen  eine  hervorragende  Stelle  ein  in  dem  geistlichen 
Konsistorium  Olympias,  dessen  Mitglieder  wir  jetzt  aus  Inschriften  voll- 
ständig kennen,  es  präsidierte  der  Theekolos  —  der  Zeuspriester  wird 
nur  als  Ehrenposten  erwähnt.    Der  elegische  Stadtadel  hatte  das  Privileg 
diese  klerikalen  Ämter  zu  bekleiden,  ihm  waren  die  lamiden  und  Kly- 


Elis.  121 

tiaden  eiDgeordnet.  —  Wo  wohnten  nun  und  fangierten  die  Kleriker? 
Die  Antwort  ist  im  allgemeinen  dadurch  gegeben,  dafs  die  bezüglichen 
Personal  Verzeichnisse:  BeoxoXot,  anov8o<p6poi  u.  s.  w.  sich  sämtlich  im 
Westen  der  Altis  gefunden  haben.  Es  giebt  hier  zwei  quadratische  Bau- 
anlagen,  eine  kleinere  aus  guter  hellenischer  Zeit  im  Norden  der  byzan- 
tinischen Kirche  und  eine  von  der  kleineren  östlich  gelegene,  die  aus 
römischer  Zeit  herrührt  und  weiter  nichts  zu  sein  scheint  als  eine  ge- 
räumigere Wiederholung  der  hellenischen  Bauanlage.  Es  lassen  sich 
acht  Gemächer  erkennen,  in  der  Mitte  ein  Bruunenhof.  Vermutlich  sind 
dies  die  Wohnräume  der  olympischen  Geistlichkeit  gewesen.  Das  gröfsere 
Quadrat  wird  teilweise  von  einer  Wasserleitung  umzogen  und  mag  ehe- 
dem zu  der  Priesterwohnuug  (dem  kleineren  Hause  aus  hellenischer  Zeit) 
als  Garten  gehört  haben.  Die  byzantinische  Kirche,  ein  antikes  Gebäude, 
welches  man  später  für  christlichen  Gottesdienst  benutzte,  wird  der 
Theekoleon,  Paus.  V  15,  8,  sein;  das  Konsistorium  der  olympischen 
Geistlichkeit  hielt  da  seine  Sitzungen,  auch  seine  Schmause  (Saal  von 
100  Fufs  Tiefe,  zwei  Säulenreihen).  Ebenfalls  nördlich  von  der  Kirche 
und  westlich  von  dem  kleineren  der  beiden  quadratischen  Gebäude,  von 
diesen  jedoch  durch  eine  schmale  Gasse  getrennt,  findet  sich  ein  Bau, 
bestehend  aus  drei  Gemächern,  deren  eins  quadratisch  angelegt,  aber 
durch  eingesetzte  Porusquadern  in  einen  kreisförmigen  Raum  umgewan* 
delt  ist.  Am  inneren  Rande  der  Südseite  ist  ein  Altar,  dessen  Aufschrift 
seine  Bestimmung  für  Heroendienst  erweist,  eine  vierseitige  Eschara 
aus  Erde;  die  drei  sichtbaren  Seiten  des  Altars  bekleidet  Kalkputz, 
unten  sieht  man  Reste  von  Asche  und  Kohlen.  Es  lassen  sich  etwa 
zwölf  Putzschichten  unterscheiden,  von  Zeit  zu  Zeit  hat  man  den  Altar 
neu  überzogen  mit  weifser  Tünche.  Die  Mehrzahl  der  Putzschichten 
zeigt  Malerei,  meist  Blattschmuck  (die  vierte  Schicht  auch  eine  weit  ge- 
öffnete Rose);  über  der  Malerei  Messt  man:  T^patog  {^patop)^  auf  der 
neunten  Schicht  Pluralis:  fipafiov.  Der  Heros  wird  lamos  sein,  die  Mehr- 
heit mag  siob  auf  lamos  und  Klytios  beziehen.  Der  den  Altar  ein- 
schliefsende  Steinring  ist  vermutlich  der  Gäos,  jener  Ursitz  olympischer 
Mautik  im  Dienste  der  Erdgottheit.  Westlich  von  dem  Heroon  ist  eine 
Eingangshalle,  wo  sich  die  Orakel  Begehrenden  melden  konnten.  In  dem 
südlichen  Vorbau,  der  eine  Opferstätte  gehabt  zu  haben  scheint,  ist  viel- 
leicht das  Heiligtum  der  Themis  zu  erkennen ,  die  ja  bei  dem  Erdspalt 
des  Gäos  ihren  Altar  hatte.  Hier  lagen  also  die  Lokalitäten  wo  die 
Sehergeschlechter  fungierten,  ein  Ergebnis,  welchem  auch  die  im  Norden 
der  Kirche  aufgefundeneu  Basen  von  Statuen  geistlicher  Würdenträger 
günstig  sind.  —  Pausanias  erwähnt  den  Heroenaltar  so  wenig  wie  den 
des  Pelops.  Von  den  bei  ihm  aufgezählten  Altären  können  wir,  aufser 
dem  des  Herakles  beim  sikyonischen  Schatzhause,  dem  des  Zeus  und  dem 
der  Hera,  vielleicht  noch  den  Nymphenaltar  am  Opisthodom  des  Zeus- 
Tempels  nachweisen,  dazu  den  des  Zeus  Horkios  im  Buleuterion.    End- 


122  Oriechische  Sakralaltertflmer. 

lieh  ist  bei  den  AufgrabuDgeD  eine  bei  Paus.  Dicht  genannte  Altarstelle 
neben  dem  östlichen  Eingang  der  Palästra  angetroffen  worden;  es  mögen 
daselbst  die  zur  Teilnahme  sich  Meldenden  auf  die  Gesetze  des  Gym- 
nasiums verpflichtet  sein.  —  S.  28—38.  Zur  Geschichte  des  Kultus. 
Von  den  Ereignissen  die  den  Historiker  vorzugsweise  beschäftigen,  ist 
die  Pisatis  weniger  als  andere  Landschaften  berührt  worden;  innere 
Wirren  konnten  zu  Olympia  nicht  entstehen,  da  eine  Yolksgemeinde 
nicht  vorhanden,  der  Ort  nur  vorübergehend,  zur  Zeit  der  Panegyris, 
stark  besucht  und  belebt  war;  in  der  Zwischenzeit  der  Hochfeste  blieben 
dort  nur  Priester  mit  ihren  Dienern  um  in  einförmigem  Kreislauf  Tag 
für  Tag  ihres  Amtes  zu  warten  an  den  Altären.  So  hat  denn  der  Kul- 
tus sich  ruhig  entwickeln  und  in  grofser  Reinheit  erhalten  können.  — 
Den  Urbewohnern,  die  auf  sich  selbst  gewiesen  nur  ihre  Quellen  und 
Flüsse  verehren  mochten,  kam  zunächst  durch  seefahrende  Semiten  der 
Eronosdienst  zu.  Auch  andere  Seevölker  wirkten  ein,  die  Göttermutter 
z.  Beisp.  ist  kretischen,  die  Eudymionsage  karischen  Ursprungs.  Ein 
starker  Verkehr  mit  dem  Morgenlande,  dem  die  vorhellenischen  Gottes- 
dienste entstammen,  wird  jetzt  bezeugt  durch  die  in  den  Tiefen  der 
Altis  gemachten  Funde  assyrischen  Charakters,  welche  offenbar  durch 
phönikische  Küstenfahrer  nach  Eiis  gebracht  worden  sind.  Manche  der 
hervorgezogenen  Votivgegenstände  weisen  auf  Kypros,  einige  auf  Karien 
(Doppelaxt),  hin.  —  Als  hierauf  eine  einheimische  Geschichte  begann, 
ward  die  von  Haus  aus  kretische  Göttermutter  am  Fufse  des  Kronion 
als  Hera  eine  amphiktyonische  Göttin,  der  die  Umlande  einen  Peplos 
woben  und  feierlich  darbrachten.  Der  acht  Jahre  nach  Oxylos  durch 
die  Skillusier  erfolgte  Bau  des  Heratempels  hatte  vermutlich  den  Zweck 
die  Arophiktyoneu  enger  zu  verbinden,  gegenüber  den  von  Norden  vor- 
dringenden Fremdlingen.  Was  Orakel  angeht,  so  begnügte  man  sich 
mit  dem  tellurischen.  —  Mit  den  Atolern  zogen  Achäer  ein ;  jene  mochten 
ihren  Artemisdienst  ins  Land  bringen,  bedeutender  war  der  Einflufs  der 
Achäer,  die  das  Pelopion  gegründet  haben  müssen,  dazu  den  grofsen 
Brandopferaltar  des  Zeus,  auf  welchen  nunmehr  von  der  alten  Landes- 
göttin Hera  die  Herrschaft  überging.  Die  Achäer  werden  auch  das 
pisäische  Zeusfest,  (später)  Olympien  genannt,  eingerichtet  haben,  indem 
sie  das  bisher  für  die  Heräen  benutzte  Stadion,  neu  vermessen,  in  den 
Dienst  des  Zeus  übergehen  liefsen.  Die  achäischen  Einrichtungen  wurden 
übernommen  von  den  eleischen  Adelsgeschlechtern,  welche  mit  den  Heri- 
kliden  und  dem  Doriertum  verbunden  sind.  Vertreter  dieser  letzten 
unter  dorischem  Einflüsse  stehenden  Entwickelungsstufe  ist  Herakles 
Amphitryons  Sohn,  der  nun  in  die  Geschichte  der  pisäischen  Gottes- 
dienste eintritt  und  Pisas  Zeusfest  zur  peloponnesischen  Panegyris  erhebt 
Anlehnung  an  das  Doriertum  bezeugen  die  dorischen  Hymnen  im  Ritas. 
Vielleicht  sind  erst  jetzt  jene  Bergnamen  des  Nordens  von  wo  Herakle« 
den  Ölbaum  brachte,  Olympos  und  Ossa,  auf  die  Höhen  von  Pisa  Obe^ 


Eli8.  123 

tragen  Qod  damit  die  Derivata  'OXufxma  {'OXufima  u.  a.)  in  Gebrauch  ge- 
kommen. Auf  die  nordische  Dorierheimat  weist  auch  der  Zwölfgötter- 
cyklus  hin,  den  Herakles,  mit  eigentümlicher  Anlehnung  an  das  in  der 
neuen  Heimat  Vorhandene  (Alpheios  neben  Artemis),  zu  Olympia  ge- 
stiftet hat  —  Während  die  Agonistik  den  mannichfaltigsten  Neuerungen 
unterlag,  sind  die  gottesdienstlichen  Satzungen  unverändert  geblieben; 
an  dem,  was  einmal  herkömmlich,  ward  festgehalten.  Die  zahllosen  Vo* 
tivbilder  wiederholen  immer  dieselben  kunstlosen  Formen;  von  der  vor* 
geschichtlichen  Zeit  an  sind  und  bleiben  die  Altäre  Fundament  des  Kul- 
tus, neben  ihnen  erscheinen  die  Tempel  als  Luxusbauten,  die  sich  ent- 
behren liefsen;  dem  in  fernster  Vergangenheit  importierten  Kronos  wird 
nach  wie  vor  auch  in  den  historischen  Jahrhunderten  sein  Frühlings- 
opfer von  den  Basilen  dargebracht.  —  Nebenher  verdient  bemerkt  zu 
werden,  dafs  zu  Olympia  nicht  wie  anderswo  der  religiöse  Partikularis- 
mus zur  Herrschaft  gekommen  ist;  die  jungen  wie  die  älteren  Götter 
waren  gleichberechtigt.  Diesen  besonders  in  den  sechs  Doppelaltären 
sich  zeigenden  amphiktyonischen  Charakter  sorgfältig  zu  pflegen,  lag 
im  Interesse  der  Eleer. 

Bem.  Was  S.  9  ff.  über  die  Altäre  als  die  ältesten  und  eigent^ 
liehen  KuHusstätten  und  die  erst  später  hinzugekommenen  Tempel  aus- 
geführt ist,  wird  jeden  überzeugen.  —'Dafs  der  elelschen  Opferordnung  zu- 
folge immer  erst  am  Altar  der  Gäa  und  dann  an  dem  des  Katäbates  geopfert 
wurde'  S.  16,  verlangt  Erklärung.  Zunächst  wird  man  an  den  Kalender 
denken,  also,  da  Zeus  Katäbates  ohne  Zweifel  ein  mantischer  Gott,  der 
Gäos  eine  mantische  örtlichkeit  gewesen  ist,  zu  fragen  haben,  ob  sich 
die  ritualische  Verbindung  der  Gäa  und  Themis  einerseits  und  des  Zeus 
andererseits  nicht  durch  einen  diesen  Gottheiten  gemeinsamen  Monats- 
tag der  Weissagung,  etwa  die  Hebdome,  erklären  lasse,  wie  zu  Delphi 
die  Weissagung  alter  Zeit  sogar  auf  einen  Tag  eines  bestimmten  Mo- 
nats, den  7.  Bysios,  beschränkt  war.  Aber  für  einen  olympischen  Weis- 
sagetag fehlen  Beweise,  und  einer  kalendarischen  Vereinigung  sämt- 
licher Altardienste,  z.  Beisp.  an  der  Numenie,  s.  unten  S.  129,  ist  der  Um- 
stand günstig,  dafs  die  Verrichtungen  mit  der  Hestia  im  Prytaneion  an- 
fingen und  aufhörten.  (Es  mochte  dies  darauf  beruhen,  dafs  der  Opferer 
dem  Prytaneion  Feuer  und  was  sonst  erforderlich,  entnahm,  damit  gleich 
die  übrigen  Altäre  bediente  und  schliefslich  die  Zttndbüchse  bei  der 
Hestia  wiederum  ablieferte.)  Es  ist  also  vielleicht  besser  keinen  beson- 
dern  Weissagetag  in  den  Monaten  des  pisäischen  Kalenders  anzunehmen. 
Der  Verfasser  wendet  sich  denn  auch  ganz  anders,  er  versucht,  den  topo- 
graphischen Sprung  in  den  Altardiensten,  Paus.  V  14,  10,  aus  der  Ge- 
schichte des  Gottesdienstes  zu  erklären;  das  Orakel  des  Zeus  inmitten 
der  Altis  ist  ihm  ein  Absenker,  eine  Art  von  Filial  des  Gäos,  und.  diese 
alte  Beziehung  der  beiden  mantischen  Stätten  hat  es  veranlafst,  dafs 
immer  erst  an  der  älteren,  unmittelbar  danach  an  der  jüngeren  zu  opfern 


124  Griechische  SakrtiAltertflmer. 

war.  Dafs  aber  Zeus  mit  Poseidons  Amte  betraut  und  als  Urheber 
des  Gäos  und  des  Stomiou  augesehen  ward,  dafs  auch  im  Pfaragma  sich 
solch  eine  geheimnisvolle  Tiefe  befand,  deren  Entstehung  dem  Zeus  zu- 
geschrieben ward,  ist  nicht  bewiesen.  Des  Himmelsgottes  Orakeistfttte 
kann  nicht  Filial  eines  Erdorakels  gewesen  sein,  noch  weniger  hat  man 
das  Orakel  des  Himmelsgottes  inmitten  der  Altis  als  ein  von  anders- 
woher dahin  verlegtes  Erdorakel  ansehen  können.  Wir  müssen  uns  f&r 
das  Zeusorakel  und  seine  Entstehung  an  das  Klima  Westgriechenlands 
halten  und  die  mantische  Gäa  und  den  Erdmuud  völlig  bei  Seite  lassen. 
Donner  und  Blitz  haben  den  Bewohnern  von  Elis,  wo  es  häufiger  und 
stärker  wettert  als  in  Attika,  gewifs  allezeit  für  wichtig  und  bedeutsam 
gegolten;  noch  heutzutage  sehen  die  eleischen  Bauern  nach  den  Blitzen, 
von  welcher  Seite  sie  kommen,  um  danach  die  Feldarbeit  fortzusetzen 
oder  einzustellen;  s.  Jahreszeiten  S.  84.  Diese  sehr  simple  Prognostik 
hat  sich  zur  Mantik  gesteigert.  Ich  glaube  alsot  wir  müssen  auf  die 
historische  Erklärung  des  Verfassers,  so  interessant  sie  ist,  verzichten. 
Will  man  nicht  einen  besonderen,  jenen  drei  Gottheiten  gehörenden 
Opfertag  annehmen,  so  sage  man,  dafs  es  bei  den  Orakelfragern  üblich 
gewesen  erst  der  Gäa  und  Tbemis  ein  geringes  Yoropfer  darzubringen 
und  dann  dem  Hauptorakelgott  zu  nahen  und  dafs  dieser  Observanz  auch 
bei  den  Monatsverrichtungen  Rechnung  getragen  sei.  —  In  dem  den 
Heroenaltar  einschliefsenden  Steinringe  beim  Kladeos  sieht  der  Verfasser 
den  alten  Gäos,  S.  25.  Dieser  Vermutung  dürfte  die  Bodenformation 
der  Flufsufer  (r^  iXwdeCy  Paus.  V  11,  10)  nicht  günstig  sein;  für  den 
Gäos  und  den  mantischen  Erdspalt  {arufxeov)  erwartet  man  Felsgeklüft, 
Vgl.  unten  S.  129.  —  Die  Weglassung  des  Pelopsaltars  in  Pausanias  Ver- 
zeichnis wird  S.  26  so  erklärt,  dafs  das  dem  Pelops  gebührende  Jahres- 
opfer eines  schwarzen  Widders  von  den  Beamten  dargebracht  sei;  Pausa- 
nias Verzeichnis  umfasse  aber  nur  die  von  den  Priestern  bedienten 
Altäre.  Hier  war  auf  den  Kalender  Rücksicht  zu  nehmen.  Ist  nämlich 
dem  Pelops  nicht  öfter  als  jähriich  geopfert  worden  —  und  darauf 
scheint  Paus.  V  13,  2  Buoofft  8k  auroj  (r<p  üikom)  xai  vuv  in  oi  xarä 
irog  räc  dp^äg  ej^ovreg  zu  führen,  so  erklärt  sich  die  Weglassung  des 
Pelopsaltars  daraus,  dafs  14,  4—16,  10  nur  von  allmonatlich  benutzten 
Altären  die  Rede  ist.  —  Was  S.  30  von  der  Göttin  des  Metroons  am 
Fufse  des  kronischen  Hügels,  der  /ir/rr^p  Bewv,  gesagt  wird,  sie  sei  *als 
Hera'  Vorsteherin  der  Ampbiktyonie  geworden,  weifs  ich  nicht  hinzu* 
bringen.  Sollte  der  Verfasser  ernstlich  meinen,  dafs  Hera  eine  jüngere 
Formation  der  Göttermutter  gewesen  ist  und  dafs  die  Kopie  Selbständig- 
keit erlangt  hat  neben  dem  fortexistierenden  Urbilde?  —  Beiiallswürdig 
ist  die  Annahme,  dafs  es  Hera  war,  um  welche  sich  die  zu  eigener  Ent- 
wickelung  gelangenden  Gebietsteile  zuerst  amphiktyonisch  vereinigten, 
Zeus  hohes  Ansehen  dagegen  einer  jüngeren  Zeit  angehört.  —  Auch 
dem  was  8.  31  aufgestellt  wird,  dafs  die  Einrichtungen  des  Zeuskults 


EliB.  1 25 

(Olympien)  achäischen  Ursprungs  seien  and  dafs  die  elelschen  Geschlechter 
sie  einfach  übernommen  haben,  möchte  ich  beitreten.  Die  Kenntnis  der 
Oktaäteris,  auf  der  die  49  und  50  monatigen  Intervalle  der  Zeusfeste  be- 
ruhen, kann  den  Achäem  viel  eher  als  den  rohen  Ätolern  beigelegt 
werden,  und  wer  die  oktagterische  Zeitrechnung  schon  der  Wanderzeit 
beilegte  wegen  der  penteterischen  Herften,  dürfte  in  eine  allzu  ferne  Ver- 
gangenheit hinaufgreifen.  —  Das  zähe  Festhalten  an  den  alten  Her- 
kömmlichkeiten, ist  S.  32  f.  trefflich  ins  Licht  gesetzt.  —  Überhaupt  ist 
die  Abhandlung  sehr  schätzbar,  niemand  wird  sie  ohne  Dank  aus  der 
Hand  legen. 

Ludwig  Weniger  über  das  Kollegium  der  sechszehn  Frauen  und 
den  Dionysosdienst  in  Elia.  Weimar  1883.  Programm  des  Gymnasiums. 
24  S.    40. 

Mitteilungen  aus  dem  Inhalt.  L  Die  Eleer  haben  dem  Dionysos, 
dem  milden  (Dion.  Lysios)  wie  dem  tobenden  (dem  Dion.  thrakischen  Ur- 
sprungs) eine  besonders  eifrige  Verehrung  gewidmet  (Paus.  VI  26,  1), 
jenem  in  dem  am  Markte  der  Stadt  Elis  belegenen  Theater,  diesem  in 
einer  acht  Stadien  vor  der  Stadt  anzutreffenden  Kapelle  (ocxT^/xa).  Dem 
milden  Dionysos  ist  also  unter  freiem  Uimmel  gedient  worden;  das 
Theater  bot  seine  Thymele  als  Altar  und  solcher  Altardienst  wird  an 
dieser  Stätte  schon  lange  vor  dem  Theaterbau,  der  wohl  ins  IV.  Jahr- 
hundert V.  Chr.  zu  setzen  ist,  stattgefunden  haben.  An  dem  tempel- 
losen Opferbrauch  der  Stadt  sind  später  wenigstens  auch  die  sechzehn 
Frauen  beteiligt  gewesen.  Die  Geremonien  des  orgiastischen  Dionysos 
dagegen  waren  ein  Geheimdienst,  sie  vollzogen  sich  daher  in  jener  ab- 
seits der  Stadt,  wohl  im  Demos  Orthia,  erbauten  Kapelle.  Von  den 
Ceremonien  sind  uns  genauer  bekannt  die  Thyia,  vermutlich  begangen 
im  Monat  Thyios.  Mit  diesen  Herkömmlichkeiten  war  die  Thätig- 
keit  der  Sechzehn  von  alters  her  verbunden.  Das  Thyienfest  mufs 
sich  auch  auf  die  Heroine  Physkoa,  Dionysos  Geliebte  und  Mit- 
stifterin  seines  Dienstes  in  Elis  bezogen,  haben.  Zu  Elis  gab  es  auch 
einen  Silenstempel;  dem  vielleicht  hier  begrabenen  Silen  mochten  Heroön- 
bräuche  ausgerichtet  werden.  —  In  der  Pisatis  dagegen,  so  weinreich  sie 
ist,  finden  sich  nur  vereinzelte  Spuren  einer  Verehrung  des  Dionysos. 
Ehedem  wird  das  anders  gewesen  und  der  Weingott  auch  zu  Pisa  leb- 
haft gefeiert  worden  sein;  andere  Kulte  mögen  seinen  Dienst  im  Ver- 
laufe überholt  und  zurückgedrängt  haben.  —  IL  Die  Sechzehn,  welche 
alle  vier  Jahr  der  Hera  ein  Gewand  zu  weben  und  die  von  Hippodameia, 
zum  Dank  für  ihre  Heirat  mit  Pelops,  gestifteten  Heräen,  einen  Mädchen- 
wettlauf im  olympischen  Stadion,  zu  leiten  hatten,  sind  offenbar  identisch 
mit  den  'sechzehn  heiligen  Frauen  des  Dionysosdienstes'  Plutarch  de 
mulier.  virt.  Tom.  II  p.  209  Tauchn.  Nach  Paus.  V  16',  6  stellten  die 
sechzehn  Frauen  zwei  Reigen,  den  der  Physkoa  und  den  der  Hippo- 
dameia.   Letzterer  mufs  im  Dienste  der  Hera  gestellt  worden  sein,  und 


126  Griechische  Sakralalt  ertOmer. 

da  Phjskoa  und  ihr  Sohn  den  Dienst  des  Dionysos  in  Elis  gestiftet  haben, 
80  kann  die  Stellung  des  nach  ihm  benannten  Reigens  nur  für  einen 
Akt  des  Dionysosdienstes  gehalten  werden.  Die  merkwürdigste  aber 
unter  den  dionysischen  Verrichtungen  die  den  Sechzehn  oblagen,  ist  die, 
dafs  sie  den  stiergestalteten  Gott  und  die  Chariten  durch  ein  beiliges 
Lied:  iX&eTv^  ^pw  deovuffe  xrk.  herbeiriefen.  Wenn  Plntarch  diese  Ver- 
richtung den  'Frauen  der  Eleer\  also  nicht  ausdrücklich  den  sechzehn 
Frauen,  beilegt,  so  wird  er  mit  cd  ^HXeewv  yvvcuxeg  doch  gewifs  die 
Sechzehn  meinen.  Es  bezieht  sich  die  Herbeirufung  des  Gottes  ohne 
Zweifel  auf  ein  elelsches  Epiphanienfest.  Die  Anrede  f^oi,  weil  der 
Gott  starb;  man  rief  den  Gestorbenen,  dafs  er  aus  dem  Hades  empor- 
steige, und  rief  nicht  vergeblich;  Dionysos  kam  herauf  aus  seinem  Grabe 
und  war  wieder  unter  den  Menschen,  es  vollzog  sich  eben  die  Epiphanie. 
Die  Stiergestalt  deutet  auf  wilde  Unbändigkeit  und  das  stürmische 
Wesen  welches  dem  Mänadentum  eignet.  Neben  dem  Stiergotte  selbst 
nennt  das  Ruflied  die  Huldgöttinnen  {iXBch  —  —  auv  Xaptreaaiv)  so 
dem  tierischen  Ungestüm  eine  gewisse  Schranke  setzend;  Dionysos  soll 
kommen  als  Bringer  erfreulicher  edler  Geselligkeit.  Der  Name  des  Er- 
scheinungsfestes und  die  Bräuche  ergeben  sich  besonders  aus  Paus.  VI  26,  1 : 
nach  der  Eleer  Glauben  kommt  der  Gott  zu  ihnen  am  Feste  der  Thyien, 
welches  sie  in  der  Kapelle  acht  Stadien  vor  der  Stadt  Elis  begehen ;  die 
Priester  stellen  drei  leere  Kessel  hinein,  die  Pforten  der  Kapelle  werden 
geschlossen  und  Siegel  angelegt;  anderen  Tages  entsiegelt  man  die  Ka- 
pelle und  nachts  hat  sich  das  Wunder  vollzogen  —  die  Kessel  sind 
mit  Wein  gefüllt.  Was  hier  überliefert  ist,  kOnnen  wir  bakchische  Nyk- 
telien  nennen  und  nächtliche  Reigen  der  Sechzehn,  die  fackelschwingend 
von  der  Stadt  nach  der  Kapelle  zogen,  voraussetzen.  Bei  der  Kapelle 
angelangt,  müssen  die  sechzehn  elelschen  Thyiaden  — 'Thyiaden'  nämlich 
können  wir  sie  mit  Recht  nennen  —  ihr  iX^eTv  ^pw  JeSvuffe  angestimmt 
haben.  Bei  dem  mit  reichlichem  Weingenufs  verbundenen  Opfermahl 
mag  auch  ein  gewisses  Opferbrot,  welches  die  Eleer  ßdxj^uXo^  Athen. 
HI  p.  1 1 1  E  nannten,  Verwendung  gefunden  haben.  —  Der  Monat  Thyios 
entsprach  vermutlich  dem  att.  Mämakterion  (November  und  Dezember); 
das  Thyienfest  ist  also  begangen  worden  um  Wintersanfang.  —  III.  Da 
die  Sechzehn  zwei  Chöre  bildeten,  einen  dionysischen,  den  der  Physkoa, 
der  der  Stadt  Elis  und  ihren  Umlanden,  und  einen  heräischen,  den  der 
Hippodameia,  der  dem  Alpheiosthal  (Pisatis)  entsprach,  so  haben  wir 
ein  Doppelkollegium  vor  uns,  welches  in  Hälften  zu  je  acht  Mitgliedern 
zerfiel;  es  wird  zwei  Oberinnen  gehabt  haben,  so  wie  es  längere  Zeit 
zwei  Hellanodiken  gab.  Bei  der  praktischen  Ausführung  der  Tanzreigen 
konnte  die  Zweiteilung  zur  Geltung  kommen.  Auch  für  die  Zusammen- 
setzung des  Kollegiums  mochte  sie  mafsgebend  sein  (der  Verfasser  scheint 
anzunehmen,  dafs  die  Sechzehn  sich  aus  acht  Eleerinnen  und  ebenso 
vielen  Pisatinnen   zusammensetzten).     Dennoch  erscheint  die  Genossen- 


Elia.  1 27 

Schaft  überall  wo  sie  erwähnt  wird,  ungeteilt,  mag  es  sich  nm  dionysische 
oder  am  heräische  Verrichtungen  bandeln.  Auf  eine  gemeinsame  Wirk- 
samkeit sämtlicher  16  Kollegiatinnen  führt  auch  die  Überlieferung,  dafs 
aus  den  16  Städten  des  ganzen  Landes  —  vermutlich  acht  elelschen 
und  acht  pisatischen  —  je  eine  gewählt  worden  sei,  als  es  sich  darum 
gehandelt  habe  die  beiden  Landesteile  mit  einander  auszusöhnen,  und  dafs 
die  Aussöhnung  durch  die  erwählten  16  Matronen  auch  zu  Stande  ge- 
kommen sei.  Nach  erfolgter  Aussöhnung  mufs  ihre  Wirksamkeit  eine 
gemeinsame  gewesen  sein.  —  Physkoa,  die  erste  elelsche  Thyiade,  hängt 
mit  den  ältesten  Erinnerungen  der  Ätoler  und  Lokrer  zusammen,  woraus 
zu  ersehen,  dafs  der  dem  Thrakergott  geltende  Frauendienst  in  fernster 
Vorzeit  entstanden  ist.  Die  Hippodameia  unserer  Tradition  ist  jünger, 
aber  man  kann  einen  Kern  herausschälen  der  bakchisch  und  sehr  alt  ist. 
Hippodameias  Vater  ist  der  Weinmann  (Otvö/iaog).  Sie  ist  Führerin 
des  nach  ihr  benannten  bakchischen  Chors  —  ein  bakchischer  Chor  ist 
veredeltes  Nachbild  des  Mänadentums  und  dieses  selbst  wieder  bildlicher 
Ausdruck  eines  atmosphärischen  Vorgangs,  der  Winde  und  Stürme.  Auch 
den  von  Hippodameia  gestifteten  Mädchenwettlauf  können  wir  heran- 
ziehen. Danach  läfst  sich  sagen,  dafs  sie  etwas  Bewegtes,  Stürmisches, 
Thyiadenartiges  in  ihrem  Wesen  habe  und  dafs  sie  ursprünglich  Thyiado 
gewesen  sei.  Ehedem  haben,  wie  es  scheint,  Thyiaden  in  beiden  Land- 
schaften, in  Niederelis  wie  in  der  Pisatis,  dem  Weiugott  geschwärmt; 
als  man  dann  Dienerinnen  der  Hera  brauchte,  wurden  die  priesterlichen 
Frauen  des  pisatischen  Bakchos  auch  für  den  Dienst  der  Hera  verwen- 
det, man  that,  um  den  Hader  der  Landschaften  auszugleichen,  die  elelsche 
Frauengenossenschaft  mit  der  pisatischen  zusammen  und  überwies  dem 
so  entstandenen  Kollegium  der  Sechzehn,  neben  dem  fortbestehenden 
Backchosdienst,  zugleich  den  Dienst  der  olympischen  Hera.  —  Wenn 
Pausanias  V  16,  6  von  noch  'anderen  Ehren'  spricht,  die  der  Physkoa 
aufser  dem  nach  ihr  benannten  Chor  zu  teil  wurden ,  so  mag  er  Todten- 
dienst  im  Auge  haben.  Nehme  man  also  an,  dafs  Physkoa  in  ihrem 
Heimatsort  (Demos  Orthia),  etwa  in  der  Dionysoskapelle,  ihr  Grab  hatte, 
aus  diesem  mochte  sie  am  Thyienfeste  durch  die  Sechzehn  heraufcitiert 
werden.  —  IV.  Dafs  der  Genossenschaft  auch  dionysischer  Altardienst 
oblag,  läfst  die  Erzählung  bei  Plutarch  a.  u.  erkennen:  zu  Gunsten  et- 
licher von  dem  Tyrannen  Aristotimos  mifshandelter  Frauen  und  Kinder 
solcher  die  vor  ihm  aus  Elis  entflohen  waren,  traten  die  Sechzehn  bittend 
ein,  Zweige  und  Bänder  die  sie  von  denen  des  Gottes  (Dionysos)  ge- 
nommen, in  den  Händen ;  der  Tyrann  liefs  sie  fortjagen  und  legte  einer 
jeden  der  Matronen  eine  Bufse  von  zwei  Talenten  auf.  Der  Vorfall  er- 
eignete sich  zu  Elis  in  der  Nähe  des  Marktes,  wo  das  Heiligtum  des 
Dionysos,  das  Theater  mit  dem  Altar,  lag.  Der  Altar  wird  mit  Zweigen 
und  Bändern  behangen  gewesen  sein,  und  dieses  Schmuckes  bedienten  sich 
die  Sechzehn,  wozu  sie  vermutlich  als  Altarpriesterinnen  des  Dionysos  das 


128  Orieebisehe  Sakralaltertlimer. 

Recht  hatten.  Der  städtische  Altardienst  mufs  den  Sechzehn  anch  dämm  zu- 
gewiesen werden,  weil  sie  den  dionysischen  Chor  der  Phjskoa  zu  stellen 
hatten.  —  Die  Reinigung  mit  Ferkelblut  und  Wasser,  welche  allem,  was 
den  Sechzehn  oblag,  vorangehen  mufste,  Pausanias  V  16,  5,  hatte  ver- 
mutlich ihren  Grund  in  dem  Heroendienst  der  sie  an  heilige  Or&ber 
rief.  Jede  Berührung  mit  dem  Tode  ist  eine  Besudelung  die  ceremoniös 
beseitigt  werden  mufs.  —  Die  Sechzehn  hatten  vermutlich  priesterliche 
Tracht  und  führten  bei  den  entsprechenden  Anlassen  des  Gottesdienstes 
Thyrsos  und  Fackel.  —  Obwohl  der  delphischen  Schwesterschaft  (Tbyia- 
den)  nahe  verwandt,  unterschieden  sie  sich  doch  von  derselben  insofern 
als  sie,  um  die  Orgien  zu  feiern,  nicht  ins  Gebirge  zogen. 

Bem.  Der  Verfasser  spricht  so,  als  wären  die  Sechzehn  Mit- 
glieder der  Chöre  gewesen  und  als  könnte  man  jeden  der  beiden  Chöre 
zu  acht  Mitgliedern  rechnen.  Aber  Pausanias  V  16,  6  sagt,  dafs  sie  die 
Chöre  stellten,  al  Sk  ixxaeSexa  yviKuxeq  xal  j^opoog  Suo  Urräat^  d.  h.  auf- 
stellten. Über  das  aufgestellte  Personal  ist  damit  nichts  ausgesagt  In 
der  Regel  sind  wohl  die  Aufstellenden  von  den  Aufgestellten  ganz  ver- 
schieden, wie  es  Herod.  III  48  von  der  samischen  Behörde  heifst,  dafs 
sie  Chöre  von  Jungfrauen  und  Jünglingen  aufstellte,  {oe  Hdpuot)  Zrcaaay 
^opouQ  TtapBdvwv  Te  xal  ^eßewv.  Bei  Aristoph.  Av.  221  f.  {^oTßoc) 
Bewv  tan^ae  ^opoug  liefse  sich  allerdings  vielleicht  Phöbos  als  Führer 
des  Götterreigens  denken,  und  man  könnte  fragen,  ob  nicht  wenigstens 
die  Rollen  der  Physkoa  und  Hippodameia  von  den  Sechszehn  aus  ihrem 
eigenen  Mittel  besetzt  worden  seien.  Allein  auch  dieser  beschränkten 
Mitwirkung  steht  das  Lebensalter  der  Sechzehn  entgegen.  Um  rührende 
Bitten  vorzutragen  waren  die  Matronen,  geschmückt  mit  dem  Schmuck 
ihres  Altars,  s.  vorhin,  ganz  an  ihrer  Stelle  -  xal  jap  te  Jctoc  elat 
Jebg  xoupat  /leydXoto  j[cjXai  re  j^ffae  re  -  aber  die  schöne  Braut  des 
Bakchos  kann  nicht  von  einer  Matrone  dargestellt  worden  sein,  ebenso 
wenig  die  vielbegehrte  Plejadentochter.  Wie  also  die  Sechzehn  bei  dem 
Wettlauf  ihrer  Geschlechtsgenossinnen  nicht  selber  mitliefen,  wohl  aber 
denselben  ordneten  und  leiteten,  so  werden  sie  auch  die  beiden  Tanz- 
reigen blofs  geordnet  und  geleitet,  nicht  selber  mitgetanzt  haben.  Hier- 
nach sind  denn  manche  der  Aufstellungen  des  Verfassers  abzulehnen.  — 
Wer  vollständig  ausgegohrenen  Wein  voraussetzt,  wird  den  Thyios  dem 
att.  Anthesterion  (Chron.  348)  gleichen  müssen.  Aber  die  vom  Verfasser 
vorgeschlagene  (einst  auch  von  mir,  Delphika  263,  I,  vertretene)  Glei- 
chung dürfte  doch  richtiger  sein.  In  Elis  ging  es  im  allgemeinen  etwas 
primitiv  her,  man  wartete  wohl  die  Nachgährung  nicht  ab  und  genofs 
den  noch  trüben  Wein,  feierte  also  das  Tbyienfest  im  Mämakterion  oder 
im  Poseideon.  Damit  ist  es  nahe  gelegt  zu  fragen,  ob  der  brumale  An- 
fangsmoment der  Eleer,  augeblich  Tbosythias  gebeifsen,  etwa  Diostbyios 
und  Thjios  hiefs;  da  Dionysos  Hauptgottheit  der  Eleer  war.  Paus.  VI  26,  1, 
so   pafst   sein  Fest  gut  in  den  Aufangsmonat.    —    Wenn  der  Bakchos- 


£118.  129 

dienst  in  das  ätolische  und  lokrische  Altertum  hinaufgereicht  hat,  so 
folgt  daraus  nichts  far  Elis;  nach  Elis  kam  er  erst  durch  die  aus  jenen 
nördlichen  Landschaften  Einwandernden.  —  Eine  ursprttnglich  bakchische 
Hippodameia  ist  ebensowenig  annehmbar  wie  die  HOlfshypothese,  der  zu- 
folge den  bakchischen  Chören  das  Mänadentum  zu  Grunde  liegt  und  auch 
dieses  wieder  nur  eine  das  wahre  Gesicht  ?erhüllende  Maske  ist,  die 
wir  laften  mttssen  um  endlich  die  eigentliche  Grundbedeutung  (Stürme) 
zu  finden.  —  Berührung  dessen»  was  tot  ist,  ?erunreinigt  allerdings,  und 
nach  der  Berührung  ist  eine  Reinigung  nötig.  Paus.  V  16,  6  aber  spricht 
nicht  von  nachgehends  geübten  Reiniguugsceremonien,  sondern  von  solchen 
die  jeder  sakralen  Handlung  der  Sechzehn  vorangehen  mulsten.  —  un- 
geachtet dieser  Ausstellungen  und  anderer  die  sich  noch  machen  liefsen, 
hat  die  Abhandlung  Wert;  sie  ist  anregend  und  auch  lehrreich.  Mir  wenig- 
stens war  sie  es. 

Ludwig  Weniger,  Der  Gottesdienst  in  Olympia.  Berlin  1884. 
33  Seiten.  (Wissensch.  Vorträge  herausgeg.  von  R.  Virchow  und  Fr. 
von  Holtzendorff,  XIX.  Serie  Heft  443). 

S.  12  verweilt  der  Verfasser  bei  dem  grofsen  Aschenaltar,  der  sich 
dem  Zeus  erhob  auf  einem  ovalen  Ringe  von  Steinen,  wie  Feld  und  Flur 
deren  darbieten.  Er  vergleicht  Mose  U  20,  26  'und  so  du  mir  einen 
steinernen  Altar  willst  machen,  sollst  du  ihn  nicht  von  gehauenen  Steinen 
bauen;  denn  wo  du  mit  deinem  Messer  darüber  fährst,  so  wirst  du  ihn 
entweihen'.  (Der  mit  Kalk  übertünchte  Altar  mit  der  Aufechrift  ^pwo^ 
erinnert  an  Mose  V  27,  4  und  8).  —  S.  18  wird  vermutet,  der  Monats- 
dienst an  den  69  Altären  habe  sich  nicht  kalendarisch  verteilt,  sondern 
sämtliche  Altäre  seien  hinter  einander  bedient  worden  an  einem  be- 
stimmten Monatstage,  dem  l.  oder  dem  7.  oder  dem  14.  —  E.  Gurtius 
Hypothese,  der  zufolge  die  Au&chrift  des  in  dem  Rundbau  gefundenen 
Heroenaltars  den  Ahnherrn  der  olympischen  Sehergeschlechter  angeht, 
jener  Rundbau  für  den  Gäos  zu  halten  und  daselbst  das  aröficov  zu 
suchen  ist,  findet  der  Verfasser  S.  28  'sehr  bestechend';  doch  sei  sie 
nicht  erwiesen;  es  habe  mehr  für  sich  das  Gäaheiligtum  innerhalb 
der  Altis  und  näher  am  Kronion  anzunehmen.  —  Einer  Besprechung 
des  oktaöterischen  Kalenders  S.  29  lehnt  sich  die  Hypothese  an,  dafs 
'die  alten  Olympien  des  Zeus  und  der  Hera  ach^ährig  gefeiert^  worden 
sind  als  ein  den  neuen  Zeitkrets  einleitendes  Schaltfest  zum  Behuf  der 
Entsündigung.  —  S.  30  wird  von  den  Kalendermonaten  gehandelt.  Das 
elelsch-olympische  Jahr  beginnt  dem  Verfasser  mit  dem  Neumond  zu- 
nächst (und  zwar  wohl  zunächst  nach)  der  Sommerwende;  den  Namen 
des  1.  Monats  wisse  man  nicht,  der  2.,  ApoUonios,  habe  dem  August, 
der  3.,  Parthenios,  dem  September,  der  9.,  vermutlich  Thyios,  dem  No- 
vember entsprochen.  Die  penteterischen  Heräen  seien  dem  Parthenios 
zuzuweisen  und  eben  dem  Jahre   welches  bald  im  ApoUonios  bald  im 

Jahresbericht  für  AlterthumtwisswuchAft.   LXXX.  Bd.  (1891.  m.)  9 


l 


130  Griechische  Sakralaltertfliner. 

Partheoios  die  Olympien  brachte.  (Yielleicht  war  des  Verfassers  Mei- 
ooog  die,  dafs,  wenn  die  OlympieD  in  den  Apollonios  fielen,  derselbe  Mo- 
nat ffir  die  Heräen  diente.  Doch  spricht  er  nnr  von  Herften  im  Par- 
thenios). 

Bern.  Ich  beschränke  mich  auf  ein  blofses  Referat.  Der  Ver- 
fasser geht  wenig  ein  anf  die  Grttnde  welche  ihn  zn  seinen  Ansich> 
ten  fahrten,  and  es  ist  weitl&aftig,  auch,  mifslich ,  Ansichten  zu  erörtern 
denen  der  welcher  sie  vertritt,  eine  BegrOndung  nicht  hinzugefbgt  bat. 
Übrigens  verweise  ich  auf  die  anderen  Partien  dieser  Berichterstattung, 
in  denen  einige  der  vom  Verfasser  bertkhrten  und  in  obiges  Exzerpt  auf- 
genommenen Punkte  erwogen  werden. 

Friederic.  Mie,   Quaestiones  agonisticae  imprimis  ad  Olympia  per- 
tinentes.    Rostock  1888.    61  S.   8®.   Inauguraldiss. 

Übersicht  des  Inhalts.  Kap.  I.  Nach  Pausanias  hat  die  Lei- 
tung der  olympischen  Spiele  stets  den  Eleem  obgelegen,  ausgenommen 
nur  die  Olympiaden  8,  34  und  104,  welche  von  den  Pisftern  und  Ar- 
kadern geleitet  wurden  und  daher  Aoolympiaden  hiefsen.  Strabo  und 
S.  Julius  AfricanuB  dagegen  wissen  nichts  von  Anolympiaden ;  sie  Ober- 
liefern,  dafs  die  Vorstandschaft  viele  Jahre  hindurch  den  Pisftern  zu- 
gestanden habe.  Im  wesentlichen  sind  die  letztgenannten  Autoren 
einig,  weichen  jedoch  insofern  von  einander  ab,  als  nach  Strabo  die 
Pisfter  von  OL  27  an  bis  zum  Untergange  ihres  Gemeinwesens,  d.  h.  ver- 
mutlich bis  zur  Zeit  des  Tempelbaues  Ol.  81,  den  Spielen  vorstanden, 
nach  Africanus  aber  ihre  Vorstandschaft  sich  von  Ol.  28  bis  62,  Ol.  29 
ausgenommen,  behauptet  hat.  —  Pausanias  ist  ein  unzuverlässiger  Skribent, 
wir  müssen  dem  Strabo  und  Africanus  folgen,  um  so  mehr,  als  jeder  der 
beiden  aus  einer  besonderen  Quelle  geschöpft  zu  haben  scheint.  Was 
Pausanias  meldet,  wird  einem  elelschen  Schriftsteller  nachgeschrieben 
sein,  der  das  lange  Zeit  obwaltende  Übergewicht  der  Pisäer  nicht  Worts 
haben  wollte.  —  Das  Ende  der  pisftischen  Vorstandschaft  ist  mit  Afri- 
canus auf  Ol.  52  zu  setzen.  Pyrrhos,  seines  Bruders  Damophon  (am 
Ol.  48)  Nachfolger  zu  Pisa,  überzog  die  Eleer  mit  Krieg,  unterlag  aber, 
und  damals  müssen  die  Pisfter  ihre  Vorstandschaft  bei  den  Olympien 
verloren  haben.  Von  Strabo,  der  das  Ende  derselben  um  OK  81  ange- 
nommen zu  haben  scheint,  ist  also  abzusehen.  —  Auch  was  den  Anfang 
der  Vorstandschaft,  nach  Strabo  Ol.  27,  anbetriflft,  dürfte  die  Über- 
lieferung des  Africanus  den  Vorzug  verdienen,  mithin  Folgendes  anzu- 
nehmen sein:  Ol.  28  ist  Elis  im  Kriege  mit  Djrme;  das  benutzen  die 
Pisfter  und  reifsen  die  Leitung  der  Spiele  von  Ol.  28  an  sieh;  freilich 
wird  ihnen  der  Raub  wieder  abgejagt,  in  der  29.  Olympiade  sind  nicht 
sie  die  Leitenden;  aber  bald  darauf  gewinnen  sie  ihre  Unabhängigkeit 
wieder  und  leiten  von  Ol.  30  an  die  auf  ihrem  Boden  begangenen  Olym- 
pien bis  Ol.  62.   —  Wenn  Africanus  für  OL  87  und  62  elelsche  Sieger, 


Elia.  131 

pisäische  aber  fttr  keine  der  Olympiadeii  30—62  ttberliefert,  so  ist  da- 
mit die  von  Ol.  80—52  danemde  Leitung  der  Pisäer  vereinbar.  Sieger 
ans  Pisa  nämlich  nennt  Africanus  ttberhaupt  nicht.  Yermntlich  sind  die 
Sieger  von  Ol.  87  und  62  nnr  nominell  Eleer,  in  Wahrheit  Pisäer ;  so  hat 
Africanns  den  Hypenos,  Sieger  von  Ol.  14,  einen  Eieer  genannt,  obwohl 
derselbe  ans  Pisa  war  nach  Paus.  V  8,  6.  —  Die  den  Eleern  geltende 
Rhetra  d  fpdrpa  rocg  faAeioiQ  (Fr.  Blafs,  Dial.  Inschr.  N.  1152)  kann 
nicht  vor  die  pisäische  Zeit  (vor  Ol.  80)  gesetzt  werden ,  so  alt  ist  sie 
nicht;  auch  in  die  pisäische  Zeit,  da  die  Eleer  vollständig  ausgeschlossen 
waren,  kann  sie  nicht  gesetzt  werden.  Mithin  gehört  sie  der  Zeit  nach 
Ol.  62  an.  Wenn  sie  nun  lin.  6  nicht  mehrere  Hellanodiken,  sondern 
nur  einen  nennt,  so  erhellt,  dafs  erst  nach  Ol.  62  mehrere  Hellanodiken 
kreiert  wurden,  die  Meldung  des  Pausanis  also,  dafs  von  Ol.  60  ab  zwei 
Hellanodiken  gewesen  seien  (V  9,  4),  auf  einem  Irrtum  des  Autors  oder 
auf  handschr.  Korruptel  der  Zahl  beruht.  —  Kap.  IL  Kampfarten.  Die 
Autoren  welche  uns  Siegerverzeichnisse  geben,  Africanus  Pausanias  Phi- 
lostratos,  gehen  zwar  alle  auf  die  elelschen  Fasten  zurück,  weichen  aber 
im  einzelnen  nicht  selten  von  einander  ab,  so  dafs  die  drei  Verzeich- 
nisse aus  ebenso  vielen  abgeleiteten  Quellen  geflossen  sein  mtkssen.  — 
Gymnastik.  Dem  bis  Ol.  13  allein  ttblichen  Männer- Wettlauf  wurden 
nach  und  nach  andere  gymnische  Leistungen  der  Männer  zugefügt.  Zu 
diesen  gehört  auch  die  des  Trompeters  und  Herolds,  welche  spät  (Ol.  96) 
rezipiert  ist.  Wenn  Trompeter  und  Herold  bei  Phlegon  (Liste  fttr  Ol.  177) 
fehlen,  so  folgt  daraus  nicht  die  Abschafifung  der  Eampfart;  dafs  sie 
01.229  und  267  f.  geübt  ward,  also  fortbestand,  ersehen  wir  aus  In- 
schriften. —  Knaben-Gymnastik  seit  Ol.  37.  —  Einen  SöXt^oc  Tnnto^ 
(G.  I.  Gr.  1515)  kannte  Olympia  nicht.  —  Hippodromie  schon  seit  Ol.  26. 
Junge  Pferde  (nwXot)  von  Ol.  99  an.  Abschaffungen  und  Wiederaufnahmen 
der  Hippodromie  in  der  Eaiserzeit  —  Kein  besonderes  Wettreiten  der 
Knaben  (Nachweis  von  Kindscher).  —  Ol.  287  Erneuerung  der  eine  Zeit 
lang  ruhenden  Olympien  durch  Kaiser  Valens;  endliches  Eingehn  Ol.  298 
unter  Theodosios.  —  In  jeder  Kampfart  ward  nur  einer  gekrönt.  So  ohne 
Zweifel  auch  im  Viergespann;  die  in  dieser  Kampfart  dem  zweiten  dritten 
und  vierten  Sieger  zufallende  Ehre  mag  darin  bestanden  haben,  dafs 
der  Herold  die  Namen  ausrief.  Die  sieben  Krotoniaten,  Stadion-Sieger 
in  einer  und  derselben  Olympiade  (Strab.  VI  p.  262)  werden  jeder  in 
seiner  Abteilung  (Paus.  VI  13,  2)  gesiegt  und  dann  wieder  unter  sich 
certiert  haben,  so  dafs  nur  einer  den  Kranz  erhielt.  —  Einen  musischen 
Agon  schlössen  die  Olympien  nicht  ein.  Dem  Herkommen  zuwider  hat 
Nero  einen  musischen  Agon  zu  Olympia  Ol.  211  angestellt  und  diese 
Festfeier  haben  die  Eleer  in  ihrem  Verzeichnis  gestrichen,  daher  an  Bei- 
behaltung des  von  Nero  inaugurierten  Agons  nicht  zu  denken  ist.  Die 
zu  Olympia  gefundene  Inschrift  Arch.  Zeitung  XXXVII  S.  132,  Nr.  261 
welche  von  einem  musischen  Agon  Kunde  giebt,  bezieht  sich  nicht,  wie 

9* 


132  Griechische  Sftkralaltertflmer. 

der  Herausgeber  meint,  auf  die  Olympien,  sondem  auf  die  ihnen  eben- 
bürtige Feier  der  Augustalien  zu  Neapel;  Frgm.  b  lin  10  j'etvea&apoa» 
k  NBa7t6}[et\  und  Frgm.  c  lin.  26  Nsanoll, .]  Auch  abgesehen  von  diesen 
auf  die  italische  Stadt  Neapolis  führenden  Resten,  machen  es  verschie- 
dene aus  der  Inschrift  zu  entnehmende  Momente  unmöglich  in  den  Spie- 
len einen  Agon  der  Olympien  zu  erkennen.  Ebenso  wenig  braucht 
Nr.  331  neiaäcoi  ÜTtep^udv  dfiofiovo^  eevexa  iMoXn^g  auf  einen  zu  Olym- 
pia gewonnenen  Sieg  bezogen  zu  werden.  Es  gab  auch  kein  Theater  zu 
Olympia;  Xen.  Hellen.  VII  4,  31  mufs  verdorben  sein.  —  Kap.  UI.  Fest- 
ordnung. Bei  [Pindar]  Ol.  Y,  6  ist  diBkwv  re  nefiitofidpois  (nicht  ite/i- 
Trrafxepoes)  ä^Xkat^  äollscher  Akkusativ,  wenn  man  nicht  vorzieht  ne/i- 
nafjLspouc  ä/iMag  zu  schreiben  (Bergk).  Tsaumis  verherrlichte  die  fttnf- 
tägigen  Olympien  mit  Rofs-  und  Maultiergespannen  und  Reitpferd.'  Wie 
kommt  es  nun ,  dafs  die  Scholiasten  das  Fest  dennoch  auf  sechs  Tage 
setzen,  von  Luna  11—  16?  (11 — 16,  Variante  des  Vratislav.  A,  ist  zu  ver- 
werfen.) Sie  haben  Pindar  Ol.  III 21  diBXwv  äyväv  xptoof  irrtümlich  auf  das 
von  den  Hellanodiken  zu  fällende  Urteil  bezogen  und  einen  besonderen  Tag, 
Luna  16,  für  die  ürteilsfindung  und  Zuerkennung  der  Siegerkrftnze  an- 
genommen. Aber  einen  solchen  Tag  hat  es  nicht  gegeben;  nach  jedem 
Kampfe  wurde  der  Sieger  gleich  ausgerufen  und  bekränzt,  und  am  Abende 
seines  Kampftages  zog  er  nach  der  Altis  zur  Stätte  des  Zeus,  daselbst 
den  erstrittenen  Kranz  darzubringen.  Das  Hellanodiken-Gericht  am  16. 
ist  also  von  den  Scholiasten  erfunden,  mithin  Luna  16  zu  streichen,  wo- 
nach  sich  für  die  Olympien  fünf  Tage,  Luna  U — 15,  ergeben.  Kam  der 
Vollmond  auf  den  13.,  so  mag  die  Feier  am  10.  begonnen  und  am  14. 
geendet  haben.  —  Bei  dem  fortwährenden  Hinzukommen  neuer  Spiele 
ist  es  nicht  glaublich,  dafs  die  Olympien  gleich  von  ihrer  Einsetzung  an 
fünftägig  waren.  Für  01.82,  als  [Pindar]  Ol.  V  gedichtet  ward,  steht 
diese  Bemessung  fest.  Sie  schreibt  sich  vermutlich  her  von  Ol.  77;  da- 
mals fing  man  an  die  Zusammendrängung  gymnischer  und  hippischer 
Leistungen  auf  einen  und  denselben  Tag  als  einen  Übelstand  zu  em- 
pfinden und  änderte  das  Programm  so,  dafs  der  Obelstand  beseitigt  ward, 
Paus.  V  9,  3.  Die  Ol.  77  festgestellte  und  Ol.  78  ins  Leben  getretene 
Änderung  des  Programms  mag  bis  in  Pausanias  Zeit  gegolten  haben.  — 
Abfolgen  von  Spielen,  welche  feststehn.  Aus  Paus.  V  9,  3  erhellt,  dafs 
nach  Ol.  77  Hippodromie  und  Pentathlon  einem  zweiten  Tage  zugewie- 
sen wurden ;  die  Läufe  behielten  ihre  erste  Stelle  und  da  das  Paukration 
bis  in  die  Nacht  dauerte,  Inschrift  N.  147,  ist  die  Abfolge:  Pale  t 
Pygme  f  Pankration  den  Nachmittagsstunden  des  Lauftages  zuzuweisen. 
(Also  wie  bei  Holwerda,  s.  oben  S.  113).  Eine  sonnenklare  Bestätigung 
dieses  Programms,  die  dennoch  von  niemand  beachtet  worden,  giebt 
Luk.  Timon  §  60.  —  Die  den  gymnischen  Männerkämpfen  voran- 
gehenden Kämpfe  der  Knaben  hatten  mit  jenen  ohne  Zweifel  den  Tag 
gemein.    (Hierin  weicht  der  Verfasser  von  Holwerda  ab,  der  einen  be- 


Elis.  133 

sondern  Tag  des  Knabenagons  stataiert,  s.  oben  S.  tl4).  —  Trompeterand 
Herold  überall  und  wohl  auch  zu  Olympia,  vorangehend.  —  Die  Stelle  des 
Hoplites  ist  unsicher;  vielleicht  hat  er  den  Beschlufs  der  Laufspiele  gemacht. 

—  Dafs  am  Tage  nach  der  Hippodromie  dem  Zeus  feierlichst  zu  opfern 
war,  lehrt  [Andok.]  4  §  29,  und  diesen  grofsen  Festakt  wird  der  Scholiast 
zu  Find.  Ol.  III  33  mit  seinem  nachvollmondlichen  Opfer  gemeint  haben. 
Wir  setzen  also  die  dem  Zeus  geltenden  Bräuche  auf  Luna  16,  den 
6.  Festtag.  Diesem  Tage  gehörte  auch  ohne  Zweifel  die  Bewirtung  der 
Sieger  im  Prytaneion  an.  öffentliche  Eingangsopfer  verstehen  sich  von 
selbst;    private  Darbringungen  (Taraxippos)  daneben,  jedoch  zwanglos. 

—  Vorbereitende  Akte.  Eidschwur  der  Beteiligten;  denen  die  sich  unter 
den  Augen  der  Hellanodiken  geabt,  wurde  wohl  nicht  zugemutet  zu 
schwören,  dafs  sie  die  vorgeschriebene  Zeit  auf  npoyufivdtrfiara  gewen- 
det hätten.  Musterung.  —  Programm  der  Olympien  (seit  Ol.  78):  Erster 
Tag:  nporeksta.  Zweiter  Tag:  Schwur  der  Hellanodiken  und  der  Athle- 
ten bei  Zeus  Horkios.  Musterung  der  Athleten  und  der  Pferde.  Dritter 
Tag:  zu  Anfang  Trompeter  und  Herold,  dann  Knaben-Gymnastik  und 
zwar  Stadion  +  Pale  +  Pygme  +•  Pankration,  schliefslich  Männer-Gym- 
nastik und  zwar  Dolichos  +  Stadion  -^  Diaulos  +  Hoplites  +  Pale  + 
Pygme  +  Pankration.  Vierler  Tag:  Hippodromie  +  Pentathlon.  Fünf- 
ter Tag:  gemeinsamer  Festzug,  und  Opfer  dem  Zeus  gebracht.  —  Die 
Spiele  müssen  sehr  früh  am  Tage  begonnen  haben.  —  Exkurs  zu  Ka- 
pitel III.    Bei  Paus.  V  9,  3  ist  zu  schreiben : 6»<:  ^Oea^at  t<S  ^e^ß 

rä  ItpBta  TrevrdßXoü  /ikv  xal  Spofxoü  räiv  '^itkuv  ü<TTep[^  ^iiiptjf.^  npotipq. 
8k  yiyyea&ai  rä  äAAa]  dy<uW(rfjtaT[d], 

Bem.  Kap.  I  ist  historischen  Inhalts,  daher  Einwände  im  ein- 
zelnen, zu  denen  des  Verfassers  nicht  hinreichend  begründete  Polemik 
gegen  Busolt  und  die  gewagte  Verwertung  von  Dial.  Inschr.  N.  1162  An- 
lafs  böten,  hier  nicht  verfolgt  werden  können.  Der  Standpunkt,  welchen 
der  Verfasser  den  divergierenden  Traditionen  gegenüber  einnimmt,  ist 
beifallswürdig.  Für  die  Sakralaltertümer  würde  Kap.  I  freilich  wert- 
voller sein,  wenn  auch  auf  Mythen  und  mythische  Stiftungen  eingegan- 
gen wäre.  Die  Pisäer  fordern  die  Leitung  der  Olympien  'beständig  als 
ihr  altes  Recht  zurück'»  und  vor  dem  Zeitpunkt,  den  unsere  Überliefe- 
rung als  die  Olympiade  des  Iphitos  bezeichnet,  mufs  die  Vorstandschaft 
des  '  noch  nicht  so  angesehenen  Festes'  bei  Pisa  gewesen  sein ;  0.  Müller 
Dor.  I  S.  447.  Unter  die  Feinde  des  Olympienstifters  Herakles  sind  die 
Pisäer  (Paus.  V  3,  1)  gewifs  erst  durch  elelsch  gefärbte  Berichte  ge- 
kommen, die  aber  die  Thatsache,  dafs  Herakies  den  Pisäern  Schonung 
angedeiheu  liefs,  nicht  ableugnen  konnten.  -  Dafs  wir  dem  Strabo  und 
Africanus  folgen  und  die  Anolympiaden  verwerfen  müssen,  ist  auch  meine 
Überzeugung.  Aber  die  Zurückführung  dieser  Fiktion  auf  einen  eleischen 
Schriftsteller,  der  mehr  patiiotisch  als  wahrheitsliebend  war,  ist  kein 
glücklicher   Gedanke.     Die  Anolympiaden    beruhen  auf  der  offiziellen 


134  Griechische  Sakralaltertflmer. 

Fasten-Redaktion  jüngerer  Zeit,  Paus.  7122,  8,  in  welcher  dem  Ele^- 
tum  sehr  viel,  dem  Pisäertam  möglichst  wenig  eingeräamt  gewesen  sein 
wird.     Wenn  Paasanias  das  elelsche  Olympiaden -Verzeichnis  als  seine 
Quelle  nennt,  so  dflrfen  wir  glauben,  dafs  er  das  Verzeichnis  eingesehn 
hat.    Unser  Verfasser  will  ihm  das  nicht  glauben  (p.  18),  Pansanias  ist 
ihm  überhaupt  ein  scriptor  infidus  (p.  16).    Er  folgt  der  heutigen  Mode 
den  Pausanias  zu  verschreien,  obwohl  gerade  jetzt,   dank  den  Ausgra- 
bungen, eine  ganze  Reihe  von  Fällen  vorliegt,  welche  die  GlaubwOrdig- 
keit   des   Periegeten    in   sehr    vorteilhaftem  Lichte   zeigen;    grOndliche 
Forscher  wie  G.  Treu  Arch.  Zeit.  XXXVII  (879)  S.  207,  K.  Porgold,  M. 
Fränkel  u.  a.  haben  sich  denn  auch  in  diesem  Sinne  geäufswt  nnd  Pu- 
sanias  Sorgfalt  und  Genauigkeit  anerkannt.    —    Kap.  11.  Ein  musischer 
Agon   hat  allerdings  nicht  zu  den  Herkömmlichkeiten  von  Olympia  ge- 
hört; die  Inschrift  Arch.  Zeit.  Nr.  261  ist  von  dem  Herausgeber  (Ditteo- 
berger)  unrichtig  beurteilt  worden.    N.  831  dagegen  dürfte  sich  auf  die 
Olympien  beziehen;  vgl.  Paus.  V  7,  10  (r^  ooki^/ia  rb  Uu&ixov),  aaeh 
VI  14,  10.  —  Die  Annahme  einer  Körruptel  bei  Xen.  Hellen.  VII  i,  31 
beruht   auf  einer  einseitigen  Auffassung   des  Wortes  ^earpov,   welcfaei 
auch  den  Platz  für  das  zuschauende  Publikum  beim  Stadion   bedeutet 
Vgl.  C.  I.  A.  II  p.  82  n.  176  roü  aTaS[r\ou  xal  tou  ^edrpou  rou  IkofaM^ 
[vai^xou^  wo  (nach  Dörpfelds  Mitteilung)  Haigh  ebenfalls  das  dionysische 
Theater  verstanden  hat,  offenbar  aber  der  Zuschauerraum  am  Stadion  ge- 
meint ist.  Vgl.  Virgil.  Aen.  V  288  mediaque  in  valle  theatri,  wo  Servius  be- 
merkt: media  in  valle  erat  circus  theatri,  i.e.  spatium  spectacoli;  et  theatnoi 
graece  dicit  [a  circumspectione;    omne    spectaculum  theatrum  possumns 
dicere]  dno  rijg  Bea^piagy  non  enim  est  speciale  [nomen].    Gegen  Xeoo- 
phons  olympisches  Biazpov  ist  mithin  nichts  einzuwenden.   —   Kap.  Dl 
Dafs  je  nach  dem  Eintritte  des  Vollmonds  am  13.  oder  14.  der  Anhag 
der  Olympien  ein  kalendarisch  verschiedener  gewesen  sei,  ist  nicht  glaub- 
lich; man  wird  sich  einfach  an  ein  und  dasselbe  Kalenderdatnm  gehal- 
ten haben.    —    Der  Verfasser  scheint  Paus.  V  9,  6  so  verstanden  u 
haben,  als  sage  Pausanias,  dafs  die  neue  Ordnung  Ol.  77  beschlossen, 
jedoch  erst  Ol.  78  zur  Ausführung  gekommen  sei  (p.  32).    Aber  sollte 
nicht  xariarrj  in  den  Worten  ourog  xariaxTj  ofiaiy  6  xdapuoQ  dlufjaoA 
kßdopjfj  Ttpog  racc  ißSo/xr/xovra  bedeuten  'trat  ins  Leben'?   —  Die  Olym- 
pien können  allerdings  nicht  gleich  von  Anfang   an  fünftägig  geweeee 
sein,  und  der  Grund  ist  wohl  mit  dem  Verfasser  in  den  Spielen  zn  snchea 
Doch  wird  nicht  blofs  das  Hinzukommen  neuer  Spiele,  sondern  auch  die 
gesteigerte  Frequenz  der  Teilnehmer  dahin  geführt  haben  die  Dauer  des 
Festes  zu  verlängern.    Die  für  die  einzelnen  Kampfarten  erforderliche 
Zeit  war  sehr  abhängig  von  der  gröfseren  oder  geringeren  Zahl  der  an- 
gemeldeten Athleten;  je  mehr  Athleten,  desto  mehr  Gänge  nnd  Pa•^ 
bildungen.    Die  Reform  von  Ol.  77  ist  ohne  Zweifel  veranlafst  durch  dei 
immer  stärker  werdenden  Zudrang,  nicht  durch  Einführung  neuer  Kampf- 


^^im 


Elia.  135 

arteo.  Es  mag  also  zwar  die  Anordnang  {xoofioc)  sich  seit  Ol.  77  be- 
haoptet  haben,  aber  die  Fanftägigkeit  des  Festes  piDdarischer  Zeit  ist 
gewifs  nicht  mafsgebend  geblieben  fttr  die  Epigonen.  —  Auf  das  Dekret 
Lukian  Timon  §  60  legt  der  Verfasser  ein  ganz  ungebürlicbes  Gewicht. 
Der  Eingang  nu$  xal  ndXnjv  xa}  Spö^ov  giebt  eine  unrichtige  Abfolge, 
und  was  wir  vor  uns  haben,  ist  ein  lukianischer  Spafs.  Dissen  hat  die 
Stelle  gekannt  und  abgelehnt,  weil  der  Sprechende  schmeichelt  und  lügt; 
wie  unser  kritischer  Verfasser  sagen  mochte:  locus  —  Lucianeus  aper« 
tissime  planissimeque  demonstrat,  ist  nicht  zu  begreifen.  —  Das  Pro- 
gramm des  Verfassers  ist  nicht  ansprechend.  Man  vermifst  den  Vor- 
abend der  zu  Elis  festlich  war,  Pausanias  VI  23,  3  (Totenopfer  im 
elelschen  Gymnasien  dem  Achill  dargebracht),  und  auch  zu  Pisa  ent- 
sprechend begangen  sein  wird.  Dann  sind  die  beiden  ersten  Tage  sehr 
leer,  die  beiden  folgenden  fast  flberfüllt.  Dafs  der  Knaben- Agon  mit 
dem  der  Männer  den  Tag  gemein  hatte,  sagt  Plutarch  Sympos.  II  5  — 
direkt  wenigstens  —  nicht,  und  aus  Africanus  zu  Ol.  113  'Apyeu^'Apyscog 
d6h^0Vy  hg  iv  ^Apyet  Tijv  ioLuroü  vtxi^v  auBj^fiepov  äiajYyeiXsv  scheint  mit 
Holwerda,  s,  oben  S.  113,  gefolgert  werden  zu  müssen,  dafs  der  Dolichos, 
eine  Leistung  die  zum  Männer*Agon  gehörte,  in  der  Morgenfrühe  statt* 
fand,  dem  Männer-Agon  also  keine  Knaben-Wettkämpfe  selbigen  Tages 
vorangingen.  Der  Dolichos-Sieger  Argeus,  welcher  nach  seiner  Leistung 
zu  Olympia,  zu  Fufs  ohne  Zweifel,  nach  Argos  ging  oder  vielmehr  lief 
und  gleichsam  einen  zweiten  Dolichos  von  mehr  als  13  Meilen  ausführte, 
hätte,  wenn  die  Knabenkämpfe  vorangingen  und  er  erst  mittags  etwa 
zu  Wege  kam,  nur  durch  ein  Wunder  vor  Sonnenuntergang  seine  Hei^ 
matsstadt  erreichen  können.  —  Durch  die  immer  mehr  Zeit  verlangen- 
den Spiele  hat  sich  ohne  Zweifel  die  Anzahl  der  Olympienfesttage  nach 
und  nach  gemehrt.  Auf  diesem  Wege  aber  ist  des  Verfassers  Pro- 
gramm nicht  wohl  zu  erklären.  Von  dreitägigen  Olympien  die  einen 
ceremoniösen  Tag  zu  Anfang  und  einen  ebenfalls  ceremoniOsen  Tag  am 
Schlufs,  in  der  Mitte  aber  einen  den  Agonen  gewidmeten  Tag  hatten, 
gelangte  man  zu  viertägigen  Olympien  mit  zwei  agonistischen  Mittel- 
tagen, von  denen  der  hinzukommende  den  seit  Ol.  87  zugelassenen  jün- 
geren Athleten  bestimmt  war;  die  Reform  von  Ol.  77  brachte  denn  den 
dritten  agonistischen  Tag.  —  P.  40,  2  bemerkt  der  Verfasser,  die  Spiele 
hätten  kurz  nach  Mitternacht,  wenn  es  helle  würde,  pauUo  post  mediam 
noctem  prima  luce,  begonnen.  Kurz  nach  Mitternacht  dämmert  es  aber 
noch  nicht.  Am  43.  Tage  vom  Sommersolstiz  z.  Beisp.,  also  im  V.  Jahrb. 
am  9.  August,  fängt  die  Morgendämmerung  gegen  halb  vier  Uhr 
an ,  es  ist  fast  sieben  Stunden  völlig  Nacht.  Die  Sammlung  des  Publi- 
kums mag  schon  bald  nach  Mitternacht  begonnen  haben,  nicht  aber  der 
Agon.  Die  Trompeter  und  Herolde  über  deren  Leistung  das  Ohr  ent- 
schied, konnten  in  der  Morgendämmerung  antreten,  dunkle  Nacht  aber 
ist  auch  für  die  Trompeter  und  Herolde  unpassend.  -—  Die  Emendation 


136  Griechische  Sakral«!  tertflmer. 

Paas.  y  9,  S  aogehend,  vergleiche  man,  was  oben  8.  114  ans  Holwerdas 
Stndien  mitgeteilt  ist.  Der  Verfasser  beschränkt  seine  Änderung  auf 
die  Worte  dpdfwu  ra>  Tnrnov  xrX.;  er  setzt  mit  Holwerda  baripif  ffftdp^ 
Ttporip^  9e,  weicht  aber  dann  von  Holwerda  ab,  indem  er,  statt  des 
handschr.  dyaßveffßidTiuu^  dywvicfiaxa  vorschlägt  und  so  andern  Sinn  ge- 
winnt; ^oeaBai  ist  ihm  nicht  das  Opfer  des  ersten  Tages  (Holwerda) 
sondern  das  des  fünften.  Er  findet  die  Genitivstruktur  unerträglich; 
worauf  sich  das  nachhinkende  dYwvecfidrwy  beziehe,  sei  unverstilndlich. 
Das  ist  nicht  zuzugeben ;  dyoßvtfffjtdrwv  wird  regiert  von  uütepa  =  uarepoy 
und  TKvrdBXou  xrX,  sind  abhängige  Genitive  zu  dy-oßveofidraßv  so  dafs 
dywyt(r/ia  ngvrd^Xoo^  dy,  dpSiiöu  zu  Grunde  liegt.  —  Es  fällt  auf  dafs 
in  dem  Exkurs  des  Holwerdaschen  Emendationsversuchs  mit  keinem 
Worte  erwähnt  wird. 

0.  F.  Unger,  Der  Olympienmonat;  Philologus  XXXIII 1874.   S.  227 
—248. 

Mitteilungen  aus  dem  Inhalt  Die  Olympien  sind  nicht,  wie 
man  gewöhnlich  meint,  am  ersten  Vollmond  nach  der  Sommersonnen- 
wende, sondern  vier  Wochen  später,  am  zweiten  Vollmond  gefeiert  wor- 
den. —  Nach  attischem  Kalender  kommt  ihre  Zeit  meistens  auf  Meta- 
geitnion  11—16;  auf  Hekatombäon  11—16  nur  in  dem  Falle,  wenn  der 
Neumond  mehr  als  zwei  Wochen  nach  der  Wende  fiel.  Die  späteste 
Lage  des  Olympienvollmonds  entspricht  dem  24.  August  jul.  Kai.  — 
Während  das  attische  Jahr  mit  Neumond  nach  der  Sonnenwende  begann, 
knttpfte  sich  in  EHs  der  Jahresbeginn  an  die  Winterwende.  Das  elelsche 
Neujahr  ging  also  dem  attischen  um  ein  Semester  voran  und  der  achte 
Monat  der  Eleer,  Schol.  Find.  Ol.  III  83,  Metageitnion  im  att.  Kalender, 
war  Normalzeit  die  Olympien  zu  begehen.  —  In  den  Worten  Schol. 
Plat.  Phädr.  p.  226  B  t^  VXufima  —  —  Mouvuxewuo^  fjojvbe  ^yero  ist 
MtTayetzvimoQ  zu  lesen.  —  Schol.  Pind.  Ol.  III  86  giebt  fär  die  Olym- 
pienfeier zwei  lunarische  Monate  der  Eleer,  ApoUonios  und  Parthenios, 
an  und  läfst  sie  zweien  ägyptischen  Monaten,  dem  Thoth  und  dem  Me* 
sori»  entsprechen.  Letztere  müssen  dem  Wandeljahr  der  Zeit  vor  Ha- 
drian  (nach  Chr.  16-116)  entnommen  sein,  aus  welcher  die  sachkundigen 
Notizen  über  die  grofsen  Spiele  herzurühren  scheinen.  Thoth  1  ent- 
sprach im  Jahre  16  dem  19.  August,  im  Jahre  116  dem  26.  Juli.  In 
dem  vorhadrianischen  Säkulum  ist  mithin  der  zweite  und  dritte  Voll- 
mond nach  der  Wende,  niemals  der  erste,  in  den  altägyptischen  Anfangs- 
monat gefallen.  Auf  diesen  kommt  es  besonders  an,  der  Scholiast  nennt 
ihn  zuerst :  (b  dywv)  nork  pkv  rqi  ^AnoXkmviq}  fiyjvi^  rcork  8k  rif  IlaipBevl^ 
Ttap*  ÄlywtrtouQ  9wB  ^  Meetopl  imrehhcu.  Es  ist  nämlich  die  hand- 
schriftliche Folge  0(bd^  ^  Meauipi  einfach  beizubehalten  und  nicht  mit 
Böckh  in  Mtcwp\  ^  9w^  zu  ändern.  —  Bei  Thermopylä  und  Artemision 
wurde  Ol.  76,  1,  im  Sommer  480  vor  Chr.,  gekämpft  in  den  Tagen  der 


Eli8.  187 

Olympien  und  der  gleichzeitig  begangenen  Karneen.  Der  syrakasanische 
Karneios  aber,  Plot.  Nik.  28,  mithin  auch  der  peloponnesische ,  ist  den 
Athener  Metageitnion  gewesen.  Die  Zeit  zwischen  den  Schlachten  hei 
Thermopylä,  etwa  11.  Metag.  =  16.  August  480,  und  bei  Salamis, 
20.  BoSdr.  =  23.  September  kommt  so  auf  5V>  Wochen;  5 Va  Wochen 
sind  passender  als  9Vs  Wochen.  —  Was  die  hier  httlfsweise  henutzte 
Gleichnng:  Karneios  =  Metageitnion  angeht,  so  wird  sie  bestätigt  durch 
Thok.  y  64  (Sommerhalbjahr  419  endend  mit  dem  Nachmonate  des  Kar- 
neios); Tgl.  ebend.  75.  -  Im  Jahre  428  wurden  die  Lesbier  nach  Olym- 
pia zur  Panegyris  (Ol.  88)  beschieden.  Nach  dem  Feste  war  man,  wie 
aus  Thuk.  III,  16  erhellt,  im  Peloponnes  mit  den  Früchten  des  am 
28.  Juli  beginnenden  und  Mitte  September  endenden  Nachsommers 
(Opora)  beschäftigt,  und  in  diese  Zeit  fällt  nicht  der  erste  Vollmond 
nach  der  Wende,  Juli  15/6,  wohl  aber  der  zweite,  August  13/4.  —  Der 
Athener  Bündnis  mit  Argos  und  anderen  Staaten  ward  geschlossen  im 
Jahre  420,  welchem  die  90.  Olympienfeier  angehört;  es  sollte  alle 
zwei  Jahre  bestätigt  werden],  30  Tage  vor  den  Olympien  und  10  Tage 
vor  den  grofsen  Panathenäen,  Thuk.  Y  47,  10.  Wir  müssen  den  Ab* 
schiufs  des  Bündnisses  im  Jahre  420  und  die  für  418,  416  ...  .  vor- 
gesehenen Bestätigungen  einem  und  demselben  attischen  Kalenderdatum, 
dem  11.  Hek.,  zuweisen.  Es  ergiebt  sich  aber  dasselbe  Datum  nur  wenn 
wir  für  die  30  Tage  von  metageitnionischen  Olympien  und  zwar  vom 
11.  Metag.  als  Olympienanfange  ausgehen.  —  Polybios  hat  in  den  ersten 
fünf  Büchern  nach  echten  Olympiadenjahren  gerechnet,  später  aber  an- 
dere, ihm  eigentümliche,  angewendet.  Diese  ihm  eigentümlichen  Olym- 
piadenjahre beginnen  im  November  mit  dem  Frühuntergang  der  Plejaden. 
Von  seiner  chronologischen  Schwenkung  dürfte  er  die  Leser  im  sechsten 
Buche  oder  zu  Anfang  des  siebenten  verständigt  haben. 

Bem.  Obwohl  sich  der  Verfasser  mit  Recht  von  der  alten  Lehre 
lossagt,  scheint  er  nicht  hinreichend  erwogen  zu  haben,  dafs  die  Olym- 
pien dnrch  eine  OktaSteris  geregelt  wurden.  Die  Okta^teris,  auch  wenn 
sie  rechtzeitig  durch  Ausschub  von  30  Tagen  geregelt  ward,  hat  die 
Feier  weder  bei  dem  ersten  noch  bei  dem  zweiten  postsolstitialen  Vollmond 
halten  können,  da  sich  anderthalbmonatige  Grenzen  ergeben.  —  Als  Früh- 
grenze des  Olympienvollmonds  mnfs  dem  Verfasser  etwa  Juli  27  gegolten 
haben.  Nissen,  s.  unten  S.  139,  gelangt  zu  Juli  25,  und  auch  nach  meiner 
Überzeugung  kann  die  Frühgrenze  nur  dem  Ende  des  Juli  zugewiesen  wer- 
den. Der  Spätgrenze  August  24  aber  steht  ein  bestimmtes  Zeugnis  ent- 
gegen. Nach  Schol.  Pind.  Ol.  III  33  wurden  noch,  wenn  Arkturs  Frtth- 
aufgang  bevorstand,  bn'  alnbv  roy  dpxroopov^  also  im  September,  Olym- 
pien gefeiert.  —  In  Betreff  der  Distanz  des  attischen  Neujahrs  vom 
elelschen  habe  ich  Chron.  S.  347  dem  Verfasser  beigepflichtet,  finde  aber 
jetzt,  dafs  sich  mit  mehr  Recht  ein  sieben  Monate  vor  dem  1.  Hek. 
eintretendes  Netgabr  der  £leer  aus  dem  Scholion  a.  0.  entnehmen  läfst. 


138  Griechische  Sakralaltertümer. 

—  Das  Schol.  Plat.  ist  ohne  Zweifel  fehlerhaft,  des  Verfassers  Emeodation 
verdient  Beifall.  —  Die  Gestalt,  welche  der  Verfasser  dem  Schol.  Find. 
OL  III  36  giebt,  ist  zu  beanstanden.  Die  ägyptischen  Monate  fehlen  in  den 
übrigen  Handschriften,  nar  die  Breslaner  hat  9w&  ^  Meaatpt.  Die  Breslaaer 
Handschrift  giebt  die  hellenischen  Monate  in  anderer  Abfolge  als  die 
übrigen  Handschriften,  sie  hat  UapBeWip  ^  'ArtoUtovi!^,  Wir  müssen  ent- 
weder beide  Abfolgen  nach  der  Breslauer  Handschrift  beibehalten  oder 
mit  Böckh  die  Abfolge  der  hellenischen  Monate  nadi  den  übrigen  Hand- 
schriften geben  und  die  ägyptischen  MonaCiS  umordnen.  Für  die  Einzel- 
gleichungen in  welche  die  Doppelgleichung  des  Scholiasten  aufzulösen 
ist,  macht  es  nichts  aus,  ob  wir  uns  ganz  der  Breslauer  Handschrift 
anschlielsen  oder  dem  Vorschlage  Böckhs  folgen,  in  jenem  wie  in  diesem 
Falle  ergiebt  sich,  dafs  die  Einzelgleichungen:  Parthenios  =  Thoth  and 
Apollonios  =  Mesori  zu  Grunde  liegen,  Apollonios  also  der  frühere, 
Parthenios  der  spätere  Monat  gewesen  ist.  Vgl.  Bischoff  de  Fastis 
p.  349.  —  Verfehlt  ist  ferner  die  Vermutung,  dafs  wir  es  hier  mit  be- 
weglichen Monaten  altägyptischen  Kalenders  zu  thun  haben;  das  Wan- 
deljahr Ägyptens  ist  nicht  geeignet  lunarische  Schwankungen  zu  deter- 
minieren. Thoth  und  Mesori  sind  mit  Nissen  für  Monate  des  festen 
Jahres  der  Alexandriner  zu  nehmen.  —  Der  Verfasser  äufsert  sich  nicht 
darüber,  wie  im  genaueren  die  von  ihm  angewendeten  Monate  Athens 
zu  nehmen  sind.  Was  S.  232  gesagt  wird,  läfst  glauben,  daCs  der  Ver- 
fasser für  Ol.  75,  1  Arch.  Ealliades  den  aktuellen  Kalender  wie  Böckh 
denselben  annahm,  im  Sinne  hat  und  dafs  ihm  Boödromion  das  ist 
was  die  Zeitgenossen  von  Ol.  76,  Boddromion  nannten.  Hieran  wird 
man  aber  wiederum  irre  dadurch,  dafs  der  Verfasser  für  das  Jahr  des 
Diotimos  88,  1  den  geltenden  Kalender  bei  Seite  lädst  und,  wie  sein  An- 
satz des  MetageitnionvoUmonds  auf  Aug.  13/4  428  lehrt,  einem  blofs 
theoretischen  System  —  anscheinend  dem  von  Dowdeli-Ideler  herrührenden 
Entwurf  der  metonischen  Dekennaäteris  ~  folgt.  Das  Jahr  des  Kalliades 
nämlich,  wie  es  von  Böckh  Mond.  S.  74  konstituiert  worden,  stimmt 
seiner  ersten  Hälfte  nach  überein  mit  Dodwell-Idelers  Dekennaötens,  so 
dafs  des  Verfassers  Gleichungen  Metag.  11  =  Aug.  16  480  und  Boddr.  20 
=  Sept.  28  sich  nicht  notwendig  auf  den  zur  Zeit  der  Schlacht  bei  Sala- 
mis geltenden  Kalender  beziehen.  Der  Verfasser  ist  also  seinen  Lesern 
wenig  zu  Hülfe  gekommen;  er  hätte  sie  davon  verständigen  müssen,  ob 
er  mit  aktuellen  Monaten  oder  mit  blofs  theoretischen  operiere,  und 
wenn  mit  theoretischen,  welchem  System  dieselben  entnommen  seien.  — 
Wie  der  Verfasser,  so  hat  auch  Nifsen  die  76.  Olympienfeier  an  den 
Augustvollmond  480  geknüpft  und  diesem  Ansatz  möchte  ich  beitre- 
ten. Die  Schlacht  bei  Salamis  dagegen  kann,  da  sie  zur  Zeit  der  be- 
ginnenden Bodenbestellung  stattfand,  nicht  in  den  September  (Böckbs 
Ansicht)  gesetzt  werden;  Dodwell  und  Nissen  haben  sie  mit  Grund  im 
Oktober  angenommen;   vor  dem  ersten  Herbstregen  (Oktober)  ist  der 


Elia.  139 

Boden  nicht  bestellbar.  —  Bei  Thok.  III  15  (iv  xapnoü  iu^xontSg  ^av) 
yerstefat  der  Verfasser  die  *  Ernte  von  Obst,  Oliven,  Feigen  nnd  anderen 
Baumfr&chten',  welche  sich  im  Nachsommer  (Opera)  vollzieht.  Hier  ist 
einiges  falsch;  Oliven  erntet  man  von  November  bis  Januar;  von  Obst, 
wenigstens  von  Kernobst  (v.  Heldreich  Nutzpfl.  S.  64)  kann  für  Griechen- 
land kaam  die  Rede  sein.  Aber  in  der  Hauptsache  hat  der  Verfasser 
ganz  das  Rechte  getroffen,  wir  müssen  die  Fruchtlese  der  Opora  ver- 
ßtehn,  das  Pflücken  von  Efstrauben  (nicht  von  Keltertrauben)  und  Feigen, 
mit  welchem  sich  die  Bündner  sehr  gemächlich  beschäftigten,  so  ihre 
Gleichgültigkeit  gegen  Spartas  Befehle  dokumentierend.  Efstrauben  und 
Feigen  hat  man  im  August,  den  Vollmond  des  August  hat  also  der  Ver* 
fasser  mit  Recht  für  die  88.  Feier  der  Olympien  in  Anspruch  genommen. 

—  Ob  der  Vertrag  von  420,  Thnk.  V  47,  am  11.  Hek.  geschlossen  wurde, 
ob  sich  die  Bestätigungen  ebenfalls  am  11.  Hek.  zu  vollziehen  hatten, 
mufs  dahingestellt  bleiben.  Darin  aber,  dafs  mit  den  80  Tagen  vor  den 
Olympien  und  den  zehn  vor  den  grofsen  Panathenäen  dasselbe  attische 
Datum  bezielt  worden  ist,  dürfte  der  Verfasser  Recht  haben,  weil  sich 
nur  so  einigermafsen  kalendarische  Biennien  att.  Kai.  zwischen  den  Be- 
stätigungen ergaben.  In  dem  Vertrage  also  werden  metageitnionische 
Olympien  vorgesehen  sein,  zunächst  für  das  laufende  Jahr.  Ob  aber  die 
auCsergewOhnlichen  Umstände,  unter  denen  die  90.  Feier  zustande  kam, 
gestattet  haben  sie  im  Metageitnion  Arch.  Astyphilos  abzuhalten,  ist 
eine  andere  Frage.  —  Das  Material,  aus  dem  der  Verfasser  seine  Theo- 
rie entwickelt,  ist  nur  ein  Teil  desjenigen  was  sich  heranziehen  liefs.  Im 
Jahre  1874,  als  der  Aufsatz  im  Philologus  erschien,  standen  allerdings 
die  Inschriften  welche  den  deutschen  Ausgrabungen  verdankt  werden, 
noch  nicht  zu  Gebote,  aber  auch  was  man  damals  hatte  und  was  in 
älteren  Werken  (Petav,  Dodwell)  vorlag,  ist  vom  Verfasser  hOchst  un- 
vollständig dargeboten.  Und  wie  die  älteren  Sammlungen,  so  sind  auch 
die  älteren  Meinungen  und  Kontroversen  ignoriert 

H.Nissen,  Über  Tempelorientierung.  II  Olympia ;  Rhein.  Museum  XL 
1886    S.  849-361. 

Aus  dem  Inhalt.  Die  herrschende  Meinung,  dafs  die  olympischen 
Spiele  um  den  1.  Juli  stattfanden,  ist  weiter  nichts  als  ein  Dogma,  und 
das  Dogma  ist  falsch;  als  mittlere  Bestimmung  ist  vielmehr  der  erste 
September  anzunehmen.  —  Aus  Schol.  Pind.  Ol.  IH  36  geht  hervor,  dafs 
die  Olympien  in  den  alexandrinischen  Monaten  Mesori  und  Thoth, 
zwischen  Juli  26  und  September  27  begangen  wurden;  aus  Schol.  Pind. 
UI  88,  dafs  zwei  Olympiaden  einen  Oyklus  bildeten  und  die  erste  Feier 
in  den  achten  Monat  des  mit  der  Winterwende  beginnenden  elelschen 
Jahres,  in  die  sogenannten  Hundstage,  wenn  die  Sonne  im  Zeichen  des 
des  Löwen  steht  —  diese  Bedeutung  hat  Snatpa  hier,  vgl.  Ideler  I S.  246 

—  die  andere  gegen  den  Frühaufgang  des  Axktur,  20.  September,  fiel 


140  Griechische  SakralaltertOmer. 

Es  Iftfst  sich  also  anfetellen,  dafs  die  angeraden  Olympiaden  sich  an  den 
Vollmond  des  Angust,  die  geraden  an  den  des  September  knüpften. 
Genauer  ist  die  Regel  so  zu  fassen,  dafs  die  ungeraden  Olympiaden  in 
die  erste  Hälfte  des  Nachsommers  (den  Löwenmonat),  die  geraden  in 
die  zweite  Hälfte  fallen,  jene  also  meistens  dem  August,  mitunter  auch 
dem  Juli,  diese  meistens  dem  September,  mitunter  auch  dem  August 
angehören.  So  knüpfte  sich  die  184.  Feier  an  den  Vollmond  des 
28.   Angust   44    vor   Chr.    als    die   Hundstage    schon    vorbei    waren« 

5.  hernach.  —  Ol.  75,  1  vor  Chr.  480/79,  Schlachten  bei  Thennopylä 
und  Salamis.  Die  Tradition  lehnte  Thennopylä  den  Olympien,  Salamis 
den  Elensinien  an;  zur  Geschichtserzählung  passen  die  Zeiten:  Aug.  19 
Olympien- Vollmond,  Sept.  11 — 18  Kameen,  Okt.  23  Elensinien.  Die 
Setzung  der  Olympien  auf  August  480  stimmt  mit  obiger  Regel.  —  Die 
Thuk.  in  8  erwähnte  Olympiade  der  sich  die  im  Verfolg  berichteten 
Dinge  anschliefsen,  ist  von  gerader  Zahl  —  die  88.  —  verlangt  also 
nach  der  Regel  den  September,  und  der  ergibt  sich  in  der  That  aus 
III  16  iv  xapnoo  (uyKOfieSf^  Ijdav,  denn  xapnog  ist  nach  IV  84  und  88 
auf  Keltertrauben  zu  beziehen.  —  Die  Regel  bestätigt  sich  femer  ftlr 
die  90.  Feier,  welche  derselbe  Autor  V  50  gegen  Ende  des  Sommers 
setzt    —    Alexander  der  Gr.  ist  geboren  Ol.  106  (vor  Chr.  356/5)  am 

6.  Loos  =  Bogdromion  ([Dem.]  18,  151)  und  die  Nachricht  kam 
dem  Vater  zugleich  mit  zwei  Siegesbotschaften;  eine  davon  meldete  einen 
Sieg  in  den  olympischen  Spielen.  Die  Feier  von  Ol.  106  ist  danach  dem 
September  (Vollmond  am  26.  im  Jahre  356)  zuzuweisen  was  der  Regel 
entspricht.  Plutarch  Alex.  3  hat  mit  Unrecht  Loos  und  Hekatombfton 
gleichgesetzt.  —  Bei  Polybios  schwankt  der  Jahranfang  um  ein  oder 
zwei  Monate,  man  kann  ihn  im  Mittel  auf  den  1 .  Oktober  setzen ;  Ungers 
polybianischer  Jahranfang  (November)  ist  zu  spät.  Auch  was  er  auf- 
stellt über  eigentliche  und  uneigentliche  Olympiaden  verdient  keinen 
Beifall,  Polybios  wird  sich  an  die  wirkliche  Zeit  der  Feier  gehalten 
haben.  Eine  Okta3teris  rückt  fort  und  fort  in  der  Jahreszeit  vor  und 
mufs  in  160  Jahren  um  einen  Monat  gekürzt  werden;  aber  die  Epoche 
kennen  wir  nicht  und  eine  ordentliche  Befolgung  des  160jährigen  Kreises 
ist  unwahrscheinlich.  Entwirft  man  eine  Tabelle  der  August-  und  Sep- 
tember-Vollmonde, so  stellt  sich  heraus,  dafs  letztere  zur  Geschichts- 
erzählung des  Polybios  besser  passen  als  erstere.  —  Für  Ol.  184  vor 
Chr.  44/3  folgt  aus  Cic.  ad.  Att.  XVI  7,  5  eine  Augustfeier;  die  a.  0. 
vorkommenden  Olympien  müssen  an  den  28.  August  (Vollmond)  geknüpft 
gewesen  sein.  Was  der  Scholiast  aufstellt:  von  zwei  einem  and 
demselben  achtjährigen  Cyklns  angehörenden  Olympienfesten  falle  das 
erste  in  die  Opora,  d.  i.  in  die  Hundstage,  bestätigt  sich  also,  denn 
den  28.  August  umfassen  die  Hundslage  nicht  mehr.  —  Die  heut- 
zutage herrschende  Meinung  wird,  wie  durch  die  184.  Feier,  so  auch 
durch  die  bei  Statins  Silv.  IV  4  vorkommende  widerlegt;  sie  fand  statt 


£118.  141 

im  Jabre  95  uns.  Zeitr.  und  lehnte  sich  dem  Vollmonde  des  4.  August 
an.  Juli  5  kann  man  nicht  wählen,  weil  Statius  der  Hundstage 
erwähnt  —  Aus  Statius  a.  0.  wird  auch  noch  entnommen,  dafs  die  Ok- 
taäteris  nach  der  sich  die  Feier  ehedem  reguliert  hatte,  aufser  Gebrauch 
gesetzt  war.  Nero  hat  das  Olympienfest  zwei  Jahre  zu  spät  be. 
gangen  im  Jahre  67  statt  65  oder  wie  wir  auch  sagen  können,  im  Jahre 
211,  3  der  alten  Ära.  Die  von  Statius  erwähnte  Feier  des  Jahres  95 
steht  im  selben  Verhältnis  zur  alten  Epoche,  sie  gehört  in  das  Jahr 
218,  3  der  alten  Ära.  Von  Nero  ab  hat  also  eine  neue  Ära  gegolten. 
—  Die  Eaiserzeit  wird  die  alten  schwankenden  Olympiaden  ersetzt  haben 
durch  die  alexandrinische  Epoche;  daher  beginnen  Eusebios  u.  a.  ihre 
Olympiaden  am  1.  September  nahe  dem  1.  Thoth  des  festen  Jahres 
(August  29  (30)). 

Bem.  Das  Schol.  Find.  Ol.  111  35  giebt  der  Verfasser  nach  Böckh, 
dessen  Umstellung  von  0<bB  ^  Meampl  allerdings  sehr  beachtenswert  ist. 
Beifall  verdient  auch  die  Behandlung  der  Monate  Mesori  und  Thoth 
als  alexandrinischer.  —  Aus  Meampl  ^  SatB^  entnimmt  der  Verfasser 
einen  Spielraum  von  65  Tagen,  die  ihm  für  olympienfähig  und  auch  für 
^wirklich  benutzt  zu  gelten  scheinen;  er  setzt  Olympienvollmonde  auf 
Mesori  1 1  =  August  4,  auf  mittlere  Tage  und  auf  den  vorletzten  Tag 
des  Spielraums,  Thoth  29  =  Sept  26.  Aber  nach  dem  andern  SchoUon 
mufs  der  Frühaufgangstag  des  Arktur  Mitte  September  als  Spätgrenze 
angesehen  werden,  s.  oben  S-  137.  Ein  Eontinuum  von  Mesori  1  bis 
Thoth  30  haben  wir  nicht  vor  uns,  da  die  Epagomenen  fehlen.  Der  Autor 
aus  welchem  Schol.  35  flofs,  dürfte  überliefert  haben,  dafs  man  die  Olym* 
pien  frühestens  im  Monat  Mesori,  spätestens  im  Monat  Thoth  begehe;  dafs 
Mesori  1  dem  frühesten,  Thoth  30  dem  spätesten  Olympienvollmond 
entspreche,  braucht  er  nicht  gesagt  zu  haben.  —  Mit  des  Verfassers 
65tägigem  Spielraum  ist  das  was  er  aus  Schol.  33  schliefst,  nicht  zu  ver- 
einbaren. Er  schliefst,  dafs  die  ungerade  Olympiade  dem  August,  die 
gerade  dem  September  angehört  habe,  was  auf  einen  Spielraum  von 
Monatslänge  führt.  Der  dem  September  angehörende  Vollmond  der  ge- 
raden Olympiade  liegt  um  einen  halben  Monat  später  in  der  Jahreszeit 
als  der  dem  August  angehörende  der  ungeraden,  welche  vorherging. 
Tage  aus  der  ersten  Augusthälfte  können  also  für  die  ungeraden  Olym- 
piaden nicht  zur  Anwendung  kommen,  weil  sich  dadurch  Vollmonde  die 
ebenfalls  im  August  lagen,  für  gerade  Olympiaden  ergeben  würden. 
Ebenso  ist  die  zweite  Septemberhälfte  den  geraden  Olympiaden  versagt, 
weil  durch  gerade  Olympiaden  dieser  Lage  ungerade  bedingt  würden 
die  ebenfalls  in  den  September  fielen.  (Wie  der  Verfasser  S.  354  den 
Olympienvollmond  Ol.  106  auf  Sept.  26  356  vor  Chr.  hat  setzen  können, 
ist,  seiner  Theorie  gegenüber,  nicht  zu  begreifen ;  für  die  beiden  benach- 
barten Olympiaden  ungerader  Zahl  würden  sich  ja  ebenfalls  Sep- 
tembertage, September  11  360  und  September  12  352,   ergeben).    Nach 


142  Griechische  SaknlAltertflmer. 

des  Verfassers  Theorie  bestdnde  also  das  Bewegungsgebiet  des  Olym- 
pienvoUmonds  ans  der  zweiten  Augasthälfte  and  ersten  Septeraberhftlfte. 
Das  alle  vier  Jahr  eintretende  Olympienfest  aber  beansprucht,  wenn  es 
oktaSterisch  reguliert  ward,  einen  halben  Monat  mehr.  —  Der  Yerfosser 
bezieht  VXufima  äyerae  —  rä  fikv  dp^ofieva  r^c  ^ntopag,  rä.  9k  M  aiMnß 
rbv  dpxroupov  Schol.  33  auf  die  Oktaöteris  Olympias.  welche  mit  der  un- 
geraden Olympiade  beginnt,  und  in  ihrem  fünften  Jahre  die  gerade  hat ; 
mit  T^g  SnwpoQ  also  ist  nach  ihm  der  Spielraum  der  ungeraden,  mit 
ÖTi  aörbv  rdv  dpxroopov  der  der  geraden  angegeben.  Damit  wird  dem 
Ausdruck  un  aörbv  t6v  dpxroupov  eine  Erstreckung  zu  teil,  die  ihm 
nicht  gebührt;  der  Ausdruck  ist  allerdings  nicht  auf  den  Vortag  des 
Arktur  zu  beschränken,  aber  auf  mehr  als  einige  Tage  vor  Arktur  kann 
er  nicht  erstreckt  werden,  und  die  gerade  Olympiade  verlangt  auch  bei 
sorgfältigster  Lenkung  der  OktaSteris  einen  Spielraum  von  Monatsl&nge; 
so  viele  Tage  können  nicht  mit  un  atnhv  rov  dpxroupov  gemeint  sein. 
Der  Scholiast  denkt  nicht  an  das  Verhältnis  benachbarter  Olympiaden 
die  von  einem  achtjährigen  Cyklus  umfafst  werden,  sondern  an  die  ganze 
Reihe  der  Olympienfeste  und  ihren  nicht  wenig  verschiedenen  Stand  in 
der  Jahreszeit  Mit  bn*  abrbv  rhv  dpxroupov  will  er  uns  ihren  jahreszeitüch. 
spätesten  Stand  kennen  lehren.  Folglich  hat  er  vorher,  vom  frühesten 
Stande  gesprochen  und  ist  dpiopiy^ijo]  r^c  ^topag  zu  setzen,  so  dafs 
die  fatale  Nötigung  fhr  dnwpa  die  seltene  und  späte  Bedeutung  'Hunds- 
tage' zu  statuieren  verschwindet.  —  Ol.  75  angehend  vgl.  oben  S.  138. 
—  An  den  Vollmond  des  13.  Sept  428  kann  die  88.  Feier  der  Olympien 
keineswegs  geknüpft  werden.  Des  Verfassers  Erörterung  von  Thuk.  III 
8 — 18  ist  unhaltbar.  Das  Phthinoporon  beginnt  {nepl  rd  ^&ev6nwpov 
^17  dpj^öpevov^  Kap.  18,  3)  nicht  im  Oktober,  sondern  schon  im  Sep- 
tember, etwa  am  20.,  wenn  der  Arktur  morgens  wieder  sichtbar  wird. 
Wollte  man  also  mit  dem  Verfasser  die  88.  Feier  an  den  Vollmond  des 
12/3  Sept.  knüpfen,  also  den  letzten  Feiertag  auf  Sept  18/4  setzen,  so 
müfste  alles  was  nach  Thukydides  zwischen  den  Olympien  und  dem  An- 
fange des  Phthinoporon  geschah,  sich  in  den  wenigen  Tagen  zwischen 
Sept  14  und  20  vollzogen  haben.  Das  ist  aber  eine  bare  Unmöglich- 
keit Der  Ausdruck  xapnoc  Kap.  16,  s.  oben  S.  139,  läfst  unbestimmt, 
welchem  Ertrage  die  Ernte  gilt,  und  wenn  IV  84  und  88  mit  xapftog 
Keltertrauben  gemeint  sind,  so  hindert  das  nicht  111  16  Tafeltrauben  und 
Feigen  zu  verstehn.  Mit  der  Weinlese,  also  dem  Abnehmen  der  für 
die  Kelter  bestimmten  Trauben,  können  die  Bündner  gleich  nach  dem 
13/4  Sept  nicht  beschäftigt  gewesen  sein,  da  ja  noch  nicht  einmal  das 
Phthinoporon  herangekommen  und  Arktur  erschienen  war.  (Sept.  14  ist 
in  uns.  Kai.  ungefähr  Sept.  8.  Vgl.  auch  Mittelzeiten  S.  11).  —  Die 
Olympien  von  Ol.  90  knüpft  der  Verfasser  an  den  14/6  Sept.  420, 
weil  Thukydides  die  Feier  gegen  Ende  des  Sommers  erwähnt;  vgl.  Petav. 
Doctr.  Temp.  IX  48.    Es  mögen  diese  Olympien  allerdings  erst  im  Sep- 


EliB.  143 

tember  begangen  sein,  aber  die  besonderen  Umstände  unter  denen  sie 
begangen  wurden,  sind  einer  Scblufsfolgerung  dafs  September  ihre  rechte 
Zeit  gewesen  ist,  gar  sehr  hinderlich.  —  Die  Position  Ar  Ol.  106:  Olym- 
pienvollmond  Sept.  26  356  stimmt  nicht  mit  der  Spätgrenze  M  abzhv 
rbv  dpxroopov  Schol.  Find.  OL  lU  33.  —  Aus  Cic.  ad  Att  XVI  7,  5 
hat  Petav  ganz  andere  Schlüsse  gemacht,  aber  er  hat  Unrecht.  Die 
184.  Feier  mufs  mit  dem  Verfasser  Ende  August  gesetzt  werden.  — 
Ans  Statins  Silv.  IV  4,  30 — 33  folgt  nichts,  was  die  Jahreszeit  der 
Olympien  anginge.  Die  Worte  des  Statins  'et  sontes  operit  pharetras 
arcumque  retendit  Parthns  et  Eleis  auriga  laboribus  actos  Alpheo  per- 
mulcet  equos  et  nostra  fatiscit  laxatnrque  chelys'  sind  ohne  Bezug  auf 
Jahr  und  Zeit  im  Jahre  gesagt  Dafs  die  poätische  Epistel  in  der  Olym- 
pienjahrszeit geschrieben  ist  und  dafs  das  permulcere  equos  in  der- 
selben Jahreszeit  stattfindet,  hat  seine  Richtigkeit,  ist  aber  Zufall  und 
dem  Urheber  der  Epistel  gleichgültig;  Statins  würde  sich  ganz  eben- 
so geäufsert  haben,  wenn  die  Olympien  z.  Beisp.  im  Mai  gefeiert 
wären.  —  Die  von  Nero  im  Jahre  67  begangene  Olympiade  ist 
annulliert  worden,  Pansanias  X  36,  9.  Sein  Auftreten  zu  Olym- 
pia (musischer  Agon)  fand  keine  Nachfolge,  wie  das  Nichtvorhanden^ 
sein  eines  Theaters  lehrt;  das  Bearpov  bei  Xenophon  ist  anders  zu 
deuten,  s.  oben  S.  134.  Eine  neue  Ära  kann  sich  an  Neros  Olympien- 
feier nicht  geknüpft  haben;  vgl.  Fr.  Mie  Quaest.  agonist  p.  24.  Die 
Streichung  der  unzeitigen  Feier  wird  gleich  nach  dem  Tode  des  wüsten 
Imperators  (68),  vermutlich  schon  unter  Galba  (69)  erfolgt  sein.  Galba 
hat  das  Thun  seines  Vorgängers  ganz  und  gar  nicht  respektiert;  Nero 
hatte  den  Hellanodiken  Geldgeschenke  gemacht,  Galba  nahm  ihnen  die 
geschenkten  Gelder  wieder  ab.  (Dies  lehrt  eine  Stelle ,  auf  welche  Dr. 
Heinrich  Eöstlin  mich  aufmerksam  zu  machen  die  Güte  hatte,  Dio  Oass. 
63,  14). 

G.  F.  Unger,  Zeitr.  der  Griech.  und  Rom.;  Iwan  von  Müllers  Handb. 
der  klass.  Altertumswiss.  I.   Nördlingen  1886.    S.  603  f.   §.  48. 

Die  im  Philologus  1874  nebenher  zugelassene  Korrespondenz  des 
Olympienmonats  mit  dem  Hekatombäon  Athens  wird  im  §  48  der  Zeitr. 
übergangen;  was  den  Olympienvollmond  betrifft,  so  heifst  es,  der  erste 
Vollmond  nach  der  Wende  sei  nicht  der  der  Olympien;  von  dem  einst 
so  ernstlich  und  auschliefslich  betonten  zweiten  Vollmond  ist  es  still, 
auch  von  der  Spätgrenze  August  24  ist  nicht  die  Rede.  Danach  könnte 
man  denken,  dafs  der  Verfasser  seine  früheren  Aufstellungen  nicht  in 
allen  Stücken  aufrecht  erhalten  wolle.  Aber  wenn  er  bemerkt,  dem  Meta- 
geitnion  (August)  seien  alle  genauer  bekannten  Einzelfälle  zuzuweisen,  nicht 
blofs  die  auf  eine,  gleich  der  ersten  Feier,  ungerade  Olympiadenzahl 
treffenden,  wie  die  von  480  und  216  vor  Chr.,  sondern  auch  die  von 
428  und  420,  so  hat  er  Vollmonde  des  August  im  Auge,  die  dem  zweiten 


144  Griechische  Sakralaltertümer. 

Postsolstitialgebiete  angehören.  Der  Metageitnion  (Angust)  Ol.  88, 1  Arch. 
Diotimos  ist  ihm  nicht  der  aktuelle,  §  34  der  Zeitr.,  sondern  der  theore- 
tische, §  27.  Für  Ol.  141  setzt  er  Luna  XVI  des  Olympienmonats 
=  August  12  216  (Jahr  der  Schlacht  bei  Cannae);  vgl.  G.  F.  Unger, 
römischer  Kalender;  Jahns  Jahrbuch  1884  S.  562.  —  Auch  die  oben 
S.  138  beleuchtete  Konstituierung  des  Textes  Schol.  Pind.  Ol.  III  35 
hält  er  aufrecht,  wie  seine  Gleichung  §  48:  Apollonios  =  Metageitnion 
lehrt.  —  £s  scheint  also,  dafs  er  seine  1874  vorgetragenen  Ansichten 
auch  jetzt  noch  vertritt. 


Bericht  über  die  Litteratur  des  Jahres  1888, 
die  sich  auf  Encyklopädie  und  Methodologie  der 
klassischen  Philologie,   Geschichte  der  Alter- 
tumswissenschaft und  Bibliographie  bezieht 

Von 

Dr.  theol.  und  phil.  Karl  Hartfelder, 

OymnaBialprofessor  in  Heidelberg. 


Von  allgemeinen  Arbeiten  ist  für  dieses  Jahr  nur  zu  nennen: 

Prof.  Dr.  Rudolf  Hirzel,  Über  die  Stellong  der  klassischen  Phi- 
lologie in  der  Gegenwart.  Akademische  Antrittsrede,  gehalten  in  Jena 
am  6.  Mai  1888.    Leipzig.    Verlag  von  S.  Hirzel.    1888.    8.    36  8. 

Der  Verfasser  des  bekannten  dreibändigen  Werkes  »Untersnchan- 
gen  zu  Ciceros  philosophischen  Schriften  c  benützt  den  Antritt  seines 
philologischen  Lehramtes  in  Jena,  am  seine  Ansichten  Ober  die  von  ihm 
vertretene  Wissenschaft  vorzutragen.  Charakteristisch  ist  der  Anfang: 
iDie  Wissenschaft,  die  ich  die  Ehre  habe  zu  vertreten,  ist  es  seit  ge- 
raumer Zeit  gewohnt  die  Stelle  des  Aschenbrödels  unter  ihren  Schwestern 
zu  spielen.  Ob  ihr  aber  auch  wie  diesem  in  irgend  einer  nahen  oder 
fernen  Zukunft  die  Königskrone  winkt,  das  ist  eine  Frage,  die  von  den 
zahlreichen  Gegnern  der  Philologie  und  des  klassischen  Altertums  heut- 
zutage mit  aller  Entschiedenheit  verneint  wird.  Einen  Trost  behält  die 
Philologie  unter  allen  Umständen,  die  Erinnerung  an  eine  so  stolze  Ver- 
gangenheit, wie  sich  ihrer  kaum  eine  andere  Wissenschaft  rühmen  kann.c 
Aus  ihr  sind  alle  historischen  Wissenschaften  hervorgegangen,  so  auch 
die  romanische  und  deutsche  Philologie  —  man  denke  an  Namen  wie 
J.  Bekker  und  E.  Lachmann,  die  beiden  Gebieten  angehören.  Auch  die 
Geschichte  hat  von  ihr  tiefe  Anregungen  erhalten.  Niebuhrs  Werk  liegt 
im  Kreise  der  von  Wolfs  Prolegomena  ausgegangenen  Wirkungen.  Dahl- 
mann  und  Ranke  bestätigen  diese  Theorie.  Selbst  die  Theologie,  vor 
der  die  heidnische  Philologie  nicht  immer  Gnade  gefunden,  hat  ihre 
Dienste  nicht  immer  verschmäht:  Schleiermachers  und  F.  Chr.  Baurs 
Leistungen  stehen  auf  dem  Boden  der  Philologie.  Die  Kunstgeschichte 
femer  ist  eine  Tochter  der  Archäologie. 

Da  aber  die  Philologie  die  Kenntnis  des  klassischen 
Altertums   vermittelt,  so  gebührt  ihr  ein  Teil  des  Dankes, 

Jahresbericht  für  AlterthumswiBienschaft.    LXIX.  Bd.    (1891.    III.)  IQ 


146  Owchichte  der  Altertomswinenscluift 

den  wir  dem  klassischen  Altertum  danken.  Anfser  der  Be- 
naissance  des  14.  und  15.  Jahrhunderts  hat  es  aber  schon  zur  Zeit  Karls 
des  Grofsen  und  der  Hohenstaufen  eine  solche  gegeben.  Selbst  Galilei, 
Kopernikus  und  Galilei  stehen  auf  diesem  Boden.  Auch  jenseits  des 
Oceans  beginnt  man  jetzt  die  Pflege  der  klassischen  Studien,  und  der 
Hellenismus  unserer  klassischen  deutschen  Litteratur  ist  allbekannt.  »Es 
ist  unvermeidlich:  wer  das  Altertum  aus  dem  Bereich  unserer  Bildung 
streicht,  der  Ternichtet  damit  die  historische  Bildung;  dieser  gilt  daher 
thatsftchlich  der  Kampf,  der  nur  nominell  gegen  die  Philologie  speciell 
erhoben  wirdf  (S.  7). 

Auf  zwei  Seiten  wird  die  Philologie  angegriffen:  man 
will  sie  aus  der  Schule  verdrängen  und  aus  der  Reihe  der 
strengen  Wissenschaften  streichen.  Aber  die  Zeit  zu  einem  Ne- 
krolog fttr  die  Philologie  ist  noch  nicht  da.  Wenn  man  glaubt,  dafs  es 
mit  ihr  aus  sei,  wenn  der  klassische  Bodeo  ganz  durchwählt  ist  und 
keinen  neuen  Stoff  mehr  von  sich  giebt,  so  ist  das  ungerecht;  denn  man 
verlangt  auch  z.  B.  von  der  Mathematik  und  Physik  nicht  Vermehrung 
des  empirischen  Materials.  Auch  waren  die  epochemachenden  Thaten 
in  der  Geschichte  der  Philologie  unabhängig  von  der  Vermehrung  des 
Materials. 

Die  Philologie  hat  befruchtend  auf  andere  Wissenschaften  gewirkt 
und  ist  wieder  von  diesen  befruchtet  worden:  man  denke  an  die  Sprach- 
vergleichung, Germanistik,  historische  Geographie,  Kriegswissenschaft; 
und  femer  »wie  könnte  eine  Wissenschaft  unserer  Tage  sich  behaupten, 
ohne  der  Statistik  ihre  Reverenz  zu  machen f  (S.  13).  Insbesonders  ist 
der  geschichtliche  Zug  der  Zeit  ihr  zugute  gekommen:  das  Altertum  ist 
jetzt  kein  starres  Ganzes  mehr,  wofür  es  noch  zur  Zeit  Schillers  und 
Wilhelms  von  Humboldt  angesehen  wurde.  Selbst  die  modernste  Phase 
des  historischen  Zuges,  überall  eine  Entwickelung  zu  entdecken,  ist  nicht 
spurlos  an  der  Philologie  vorübergegangen.  »Die  Philologen  schwimmen 
auch  hier  nur  mit  dem  Strome.  Nicht  Protagoras  ist  der  Vater  der 
Sophistik  gewesen,  noch  weniger  hat  Sokrates  die  Ethik  erfunden  oder 
ist  mit  seiner  Persönlichkeit  wie  ein  Bote  des  Himmels  unter  die  Man- 
scheu  getreten:  vixere  fortes  ante  Agamemnona.  Der  Gedanke  der  rö- 
mischen Monarchie,  wie  er  später  zur  Ausführung  kam,  gehört  nicht 
Julius  Caesar  ausschliefslich,  sondern  war  bereits  im  Kopf  des  G.  Grac- 
chus lebendig.!  »Man  sträubt  sich  ordentlich  einen  epochemachenden 
Akt  anzuerkennen,  der  eine  einzelne  Persönlichkeit  zum  Urheber  hat 
und  die  Gontinuität  der  Entwicklung  zu  durchbrechen  scheintc  (S.  16). 

Dieses  frische  und  gährende  Leben  spricht  nicht  dafür,  dafs  die 
Philologie  eine  sterbende  Wissenschaft  ist.  An  Aufgaben  und  Material 
fehlt  es  nicht.  Die  Altertumswissenschaft  wird  darum  in  absehbarer  Zeit 
nicht  zu  Ende  kommen,  wenn  sie  nämlich  eine  echte  Wissen* 
Schaft  ist. 


Uinel,  Über  die  StelloDg  der  klassischen  Philologie.  147 

Dieses  letztere  wird  freilich  bestritten.  Die  Vertreter  der  exakten 
Wissenschaften  meinen,  die  Philologie  bringe  nur  Koiyektoren  hervor, 
»Konjekturen  aber  seien  wissenschaftliche  Seifenblasen  und  somit  das 
ganze  Treiben  der  Altertumswissenschaft  nur  ein  mflfsiges  Spielt  Hirzel 
ist  nicht  der  Meinung,  die  ein  berühmter  Philologe  ausgesprochen  hat, 
dafs  die  Konjektur  die  Blflte  philologischer  Thätigkeit  sei.  Man  erbaut 
einen  mächtigen  Palast  auch  nicht  lediglich  um  der  goldenen  Spitzen 
willen,  mit  denen  die  Türme  geziert  werden.  Bei  den  gröfsten  Philo- 
logen, wie  bei  Scaliger,  waren  die  Konjekturen  nur  die  Spfthne,  welche 
von  der  übrigen  Arbeit  abfielen  (S.  20). 

Dabei  herrscht  das  Bestreben,  eine  Anzahl  Wissen* 
Schäften,  die  bisher  als  ausschliefsliches  Gebiet  der  Philo- 
logie galten,  von  ihr  loszulösen,  so  die  Archäologie,  Oeschichte 
der  alten  Philosophie,  alte  Geschichte,  Mythologie,  Linguistik.  Philologie 
soll  eingeschränkt  werden  auf  Interpretation  und  Kritik.  »Es  ist  nicht 
das  erste  Mal,  dafs  man  in  dieser  Weise  den  Versuch  macht,  die  Philo- 
logie in  ihre  Elemente  aufzulösen,  um  einen  Schatten  an  die  Stelle  zu 
setzen.!  Heeren  und  Ruhnken  haben  ähnliche  Meinungen  vorgetragen 
oder  beklagt;  auch  der  unerquickliche  Streit  zwischen  G.  Hermann  mit 
Böckb  und  0.  Müller  beruht  darauf.  Sachlich  ausgedrückt  lautet  der 
Vorwurf,  die  in  der  Altertumswissenschaft  znsammengefafsten  Kenntnisse 
bilden  keine  in  sich  geschlossene  Wissenschaft. 

Wenn  man  aber  bei  den  einzelnen  Disciplinen  der  Naturwissen- 
schaft vergeblich  nach  dem  einen  Gedanken  sucht,  der  dieselben  in  ein 
System  verwandelt,  so  liegt  das  Band  der  Einheit  für  die  Altertums- 
wissenschaft in  der  Beschaffenheit  des  Gegenstandes;  denn  Staat,  Reli- 
gion, Kunst,  Poesie,  Sprache  etc.  sind  im  Altertum  auf  das  festeste  mit 
einander  verknüpft.  Den  grofsen  Vertretern  der  philologischen  Wissen- 
schaft, wie  Scaliger,  Casaubonus,  Bentley,  Hemsterhuys,  Fr.  A.Wolf, 
schwebte  als  Ideal  ihrer  Wissenschaft  eine  zusammenfassende  Darstellung 
des  gesamten  antiken  Lebens  vor. 

Freilich  ist  in  unseren  Tagen  die  Frage  nicht  zu  umgehen,  ob  es 
sich  noch  für  uns  lohnt,  das  Altertum  zum  Gegenstand  mühsamer  und 
eingehender  Forschung  zu  machen.  Vor  dem  Vorwurf  des  Dtilitarismus 
scheut  der  Verfasser  sich  nicht;  »denn  thatsächlich  entspringen  die 
Wissenschaften  um  des  Nutzens  willen  und  sind,  wenn  sie  diesen  soliden 
Grund  verliefsen,  vielfach  in  luftige  Theorien  und  Spitzfindigkeiten  aus- 
geartet. Auch  die  Philologie  diente  ursprünglich  dem  Leben.c  Aber 
unsere  Stellung  zum  Altertum  hat  sich  in  den  letzten  Jahrhunderten 
vollständig  geändert.  Wir  glauben  nicht  mehr  daran,  die  Vergangenheit 
wieder  lebendig  machen  zu  können.  Seit  Niebuhr  und  Böckh  lautete 
die  Forderung:  Lebendige  Vergegenwärtigung  des  Vergangenen.  Dem 
Altertum  verleiht  einen  unvergänglichen  Wert  der  Umstand,  dafs  das 
Gefühl  für  den  Zusammenhang  aller  Lebensäufserungen  viel  stärker  ge- 

10» 


148  Ctoachiehte  der  AltortomswiMenschAft 

Wesen  ist  Im  politischen  nnd  religiösen  Leben  Ist  dies  am  einlenchtend- 
sten.  iDas  Leben  der  antiken  Völker  wurde,  wie  das  kaum  eines  ande- 
ren, vom  Gedanken  an  die  Gottheit  getragen:  kaum  eine  Stätte  konnte 
der  Grieche  oder  Römer  betreten,  die  nicht  durch  den  Kult  eines  Gottes 
geweiht  war,  kaum  eine  Handlung  vollziehen,  durch  die  er  nicht  au  die 
Sphäre  eines  solchen  rflhrte;  was  Goethe  einmal  von  der  katholischen 
Kirche  rflhmt,  dafs  sie  den  Menschen  von  der  Geburt  bis  zum  Grabe 
fortwährend  an  sich  erinnert,  dasselbe  gilt  in  viel  höherem  Mafse  von 
der  antiken  Religion.  Und  dabei  ist  diese  Religion  nicht  fanatisch,  son- 
dern verbindet  sich  mit  dem  freisten  Weltsinn.  Sie  durchdringt  auch 
die  politische  Gesinnung  der  Griechen  wie  der  Römer,  nnd  eben  darum 
wurde  es  diesen  so  leicht  f&r  ihr  Vaterland  zu  leben  und  zu  sterben; 
den  traurigen  Zwiespalt,  der  unser  Empfinden  zerreifst,  kannten  sie 
nichtc  (S.  32). 

Der  Verf.  will  die  Konsequenzen  dieser  Ansichten  für  die  Stellung 
der  humanistischen  Bildung  an  der  Schule  nicht  ziehen.  Trotzdem  fnhrt 
er  aus,  dafs  es  nicht  das  erste  Mal  sei,  dafs  man  die  naturwissenschaft- 
liche Bildung  zur  allgemeinen  machen  wolle.  Hirzel  meint,  die  aus- 
schliefslich  naturwissenschaftliche  Bildung  führe  leicht  zum  moralischen 
und  politischen  Quietismus,  wie  man  am  Beispiele  des  Epiknreismus 
sehen  könne. 

Der  Verf.  schliefst  mit  einer  Gohortatio  an  die  Philologen,  sich 
ihrer  schweren  Aufgabe  auch  w&rdig  zu  zeigen.  Peccatur  extra  muros 
et  intra.  Die  Philologen  stehen  nach  des  Verf.*s  Meinung  in  der  Regel 
nicht  auf  der  Höhe  der  modernen  Bildung.  iSchon  andere  haben  den 
Finger  auf  diese  Wunden  gelegt,  und  es  steht  zu  hoffen,  dafs  sie  geheilt 
werden.  Dann  wird  auch  das  Wort  unseres  Dichters  nicht  zu  Schanden 
werden  von  den  'allen  Unsterblichen,  deren  dauernder  Wert,  wachsenden 
Strömen  gleich,  jedes  lange  Jahrhundert  fQllt.c  (S.  35). 

So  geistvoll  die  AusfQhrungen  des  Verfassers  sind,  so  glaube  ich 
doch ,  dafs  die  Gedanken  S.  27  von  der  Notzlichkeit  der  Philologie  und 
S.  33  von  der  Stellung  der  humanistischen  Bildung  an  der  Schule 
eine  tiefere  Würdigung  erhalten  mufsten,  als  es  thatsächlich  ge- 
schehen ist  Im  letzten  Grunde  hängt  die  Stellung  der  klassischen 
Philologie  in  der  universitas  litterarum  unserer  Hochschulen  doch  von 
ihrem  Bildungswert,  d.  h.  von  der  Verwertung  der  Humaniora  an 
den  Schulen  ab.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dafs  der  klassische 
Philologe  an  unseren  Universitäten  nur  deshalb  eine  unvergleichlich 
bedeutendere  und  wichtigere  Stellung  hat  als  sein  die  OrientaUa  ver- 
tretender Kollege,  weil  er  hunderte  von  jungen  Leuten  vorbildet,  wo 
der  Orientalist  blofs  einzelne  Zuhörer  hat  Hier  ist  nicht  der  Begriff 
der  klassischen  und  der  orientalistischen  Altertumswissenschaft  ent- 
scheidend, sondern  die  praktische  Verwertbarkeit  der  beiden  Wissen- 
schaften«   Setzen  wir  einmal  fflr  einen  Augenblick  den  Fall,  die  Alter- 


mt 


Klette,  Beitrage  I.  149 

tamswissenscbaft  wQrde  ihre  beherrschende  Stellung  an  der  Mittelschule 
gänzlich  einbQfsen,  sie  wftrde  eine  Wissenschaft  wie  die  Aegyptologie 
oder  Chaldäologie,  also  eine  Wissenschaft  neben  vielen  andern,  immerhin 
aber  eine  Wissenschaft,  der  man  den  Charakter  einer  solchen  ebenso- 
wenig bestreiten  würde  als  der  Aegyptologie  oder  Assyriologie,  so  wQrde 
sich  die  gegenwärtige  Stellung  nnd  Hochschätsung  vollständig  ändern. 
Es  will  mir  scheinen,  dafs  die  klassische  Philologie  ihre  bisherige  herr- 
schende Stellung  nur  dann  behaupten  wird,  wenn  sie  diesem  Gesichts- 
punkt Rechnung  trägt.  Löst  sie  sich  ganz  los  von  den  Gesichtspunkten, 
durch  die  sie  bisher  grofs  gewesen,  ignoriert  sie  geflissentlich  die  Be- 
dürfnisse der  Schule  (um  nicht  zu  sagen,  verachtet  sie  dieselbe),  so  dQrfte 
ihr  auch  in  dem  Streben  nach  Wertschätzung  und  Achtung  der  Rang 
von  den  Wissenschaften  abgelaufen  werden,  die  dem  täglichen  Leben  und 
seinen  BedQrfnissen  besser  Rechnung  tragen. 

Mit  einer  Anklage  der  in  der  Schule  thätigen  Philologen,  dafs  sie 
nicht  auf  der  Höhe  der  Bildung  stehen,  womit  Hirzel  schliefst,  ist  es 
also  nicht  gethan.  Man  wird  vielmehr  fragen:  Warum  stehen  die  Männer 
der  Schule,  soweit  sie  Philologen  sind,  nicht  auf  der  Höhe  der  Bildung? 
Und  wie  dann,  wenn  darauf  geantwortet  wOrde,  dafs  die  Art  ihrer  aka* 
demischen  Vorbildung  daran  schuld  sei?  Es  scheint  mir  deshalb,  dafs 
man  die  klaffende  Tiefe  zwischen  dem,  was  die  Philologen  lernen,  nnd 
zwischen  dem,  was  sie  später  brauchen,  noch  mehr  ausfollen  mflfste.  Der 
Gegensatz  zwischen  Theorie  und  Praxis,  wie  er  jetzt  vielfach  besteht,  ist 
früher  nicht  gewesen;  also  mufs  er  nicht  unbedingt  sein.  Es  ist  auch 
durchaus  nicht  nötig,  dafs  die  gleiche  Persönlichkeit  die  rein  wissen- 
schaftliche nnd  die  mehr  praktische  Seite  der  Altertumswissenschaft  an 
der  Universität  vertritt.  Aber  es  ist  im  höchsten  Grade  wünschenswert 
(und  zwar  gerade  im  Interesse  der  Altertumswissenschaft  selbst),  dafs 
diese  letztere  Seite  vertreten  ist.  Wir  heben  deshalb  die  auf  ähnliches 
zielenden  Worte  Hirzels  (S.  27)  von  der  Verwendbarkeit  aller  Wissenschaft 
hier  besonders  hervor:  iThatsächlich  entspringen  die  Wissenschaften  um 
des  Nutzens  willen  und  sind,  wenn  sie  diesen  soliden  Grund  verliefsen, 
vielfach  in  luftige  Theorien  und  Spitzfindigkeiten  ausgeartet.  Auch  die 
Philologie  diente  ursprünglich  dem  Leben.c 

Dem  Gange  der  Geschichte  folgend,  beginnen  wir  mit  den  Arbeiten 
über  die  Geschichte  des  Humanismus  in  Italien. 

Dr.  Theodor  Klette,  Bibliothek  -  Gustos.  Beiträge  zur  Ge- 
schichte und  Litteratur  der  Italienischen  Gelehrten-Renaissance.  I.  Jo- 
hannes Conversanus  und  Johannes  Malpaghini  von  Ravenna.  Nebst 
Ezcursen  zu  Manuel  Chrysoloras  und  den  öffentlichen  Dante-Lektoren 
zu  Florenz.    Greifswald.    Abel.     1888.   8.   59  S. 

Unter  den  ersten  Wanderlehrern  des  Humanismus  in  Italien  er- 
scheint Johannes  von  Ravenna,  von  seiner  Thätigkeit  gewöhnlich  Johannes 


150  Geschichte  der  Altertamswitnensehaft. 

Grammätieos  geDannt  Die  Schwierigkeit  der  Darstellong  seines  LebeDs- 
ganges  veranlalste  einige  Hypothesen,  die  Annahme  mehrerer  zeitgenössi- 
schen Gelehrten  des  Namens  und  die  Bestreitung  dieser  Annahme. 

Auf  Grund  nea  herausgegebener  Quellen  behauptet  Klette,  dafs  es 
drei  Persönlichkeiten  dieses  Namens  gegeben  habe,  von  denen  nur  zwei 
rechtmftfsige  Träger  dieses  Namens  seien. 

Petrarca  spricht  in  Briefen  von  einem  jungen  Ravennaten,  dessen 
Namen  er  aber  nirgends  angibt,  in  dem  man  aber  Johannes  von  Ravenna 
erkennen  will.  Im  Gegensatz  zu  dieser  Anonymit&t  findet  sich  ein  Jo- 
hannes von  Ravenna  vielfach  als  Sohn  des  Clonversaous,  Gonversinns  oder 
Convertinus,  später  als  der  des  Jacobus  Malpaghini  bezeichnet. 

Im  Jahre  1868  wurde  Johannes  von  Ravenna,  Sohn  des  Conver- 
tinus, zum  Lehrer  der  Rhetorik  in  Florenz  bestellt.  Dieser  kann  aas 
chronologischen  Gründen  nicht  mit  dem  Ravennaten  Petrarcas  identisch 
sein.  1382  ist  er  in  Padua  als  Lehrer  der  Rhetorik  nachweisbar,  nach- 
dem er  1376-- 1379  Lehrer  in  Belluno  gewesen.  1396  und  1399  ist  er 
daneben  auch  als  Kanzler  des  Herzogs  von  Garrara  nachzuweisen.  Ein 
Brief  an  ihn  von  Coluccio  Salutati  ist,  weil  ohne  Jahresangabe,  einst- 
weilen für  die  Chronologie  seines  Lebens  nicht  zn  benutzen. 

Als  zweifellos  von  ihm  herr&hrend  werden  die  Schriften  bezeichnet, 
welche  sich  auf  das  Hofleben  und  Geschichte  der  Carraras  beziehen: 
De  introitu  in  Aulam,  De  fortuna  aulica,  De  dilectione  regnantium,  De 
lustro  Alborum  in  Urbe  Padua,  Familiae  Carrariensis  natio.  Von  diesen 
wird  auf  S.  16 — 19  die  Einleitung  der  letzten  aus  einer  Dresdener  Papier- 
handschrift mitgeteilt.  Aus  einer  Stelle  derselben  schliefst  Klette,  dafs 
die  Schrift  im  Anfang  der  achtziger  Jahre  des  14.  Jahrhunderts  ent- 
standen ist. 

Zugleich  ist  der  Verfasser  geneigt,  eine  Lehrerthätigkeit  des  Jo- 
hannes in  üdine  1390  - 1392  anzunehmen. 

Im  zweiten  Abschnitt  (S.  29 — 33)  wendet  sich  Klette  zn  einer 
andern  Persönlichkeit  gleichen  Namens«  An  der  im  Jahre  1321  ge- 
stifteten Universität  Florenz,  welche  aber  erst  1387  durch  Statuten- 
Veränderung  und  neue  Mittel  aufblähte,  wurden  in  dieser  Zeit  des  Anf- 
blflhens  Manuel  Chrysoloras  und  Johannes  Malpaghini  da  Ravenna  be- 
rufen. Der  letztere  heifst  Johannes  magistri  Jacobi  de  Malpaghinis  da 
Ravenna.  Über  seinen  vorflorentinischen  Aufenthalt  ist  beinahe  nichts 
Sicheres  bekannt. 

Vielleicht  ist  er  zwischen  1355—1367  zu  setzen.  Sicheren  Boden 
betreten  wir  erst  mit  1397,  wo  er  als  Lehrer  am  Studio  in  Florenz  nach- 
weisbar ist  Im  Jahre  1402  wird  er  von  neuem  zum  Lektor  der  Rhe- 
torik gegen  ein  Gehalt  von  70  Goldgulden  bestellt.  Sein  Anstellnngs- 
dekret  wurde  1412  erneuert  und  er  zugleich  zum  Dante-Lektor  ernannt 
Wahrscheinlich  ist  er  April  oder  Mai  1417  in  Florenz  gestorben.    Denn 


i 

I 


mm 


Santoro,  Cicerone.  151 

im  Mai  1417  warde  Johannes  Gherardi  de  Prato  zum  neuen  Lektor  Ar 
Dante  bestellt. 

Nachdem  noch  einige  Schriftstücke  unter  die  zwei  Johannes  ver- 
teilt sind,  werden  S.  44  und  45  die  Ergebnisse  der  Untersuchung  in 
ttbersichtlicher  Tabelle  zusammengestellt. 

In  £xcurs  I  (S.  47  —  54)  wird  von  Manuel  Ghrysoloras  gehandelt, 
indem  mit  Beiziehung  der  neuesten,  von  Gherardi,  Legrand  und  Sabba- 
dini  herrührenden  Litteratur  folgende  Daten  festgestellt  werden:  1394 
oder  1395  verläfst  Ghrysoloras  seine  griechische  Heimat,  in  Venedig  wird 
er  1396  fflr  das  Studio  von  Florenz  gewonnen;  der  seh liefsliche  Vertrag 
wird  aber  erst  den  11.  Dezember  1396  abgeschlossen:  Ghrysoloras  erhftlt 
150  Goldgulden.  Den  14.  März  1398  wird  sein  Gehalt  erhöht.  1399 
wird  ihm  erlaubt,  Florenz  zu  jeder  Zeit  und  auf  beliebige  Dauer  zu  ver- 
lassen, ohne  dafs  sein  Vertrag  mit  Florenz  gelöst  wurde.  Seit  1400 
scheint  er  in  Pavia  zu  lehren.  1402  ist  er  noch  Lehrer  an  der  Univer- 
sität daselbst,  1404  schon  in  Rom  nachweisbar. 

Fflr  die  Fortsetzung  nimmt  Klette  die  Aufstellungen  an,  welche 
Sabbadini  in  seiner  Schrift:  Guarino  Veronese  e  il  suo  epistolario  (Sa- 
lerno  1885)  gegeben  hat. 

1407  scheint  er  nach  Venedig  zurflckgekehrt  zu  sein,  1408-1410 
folgen  Reisen  nach  England,  Frankreich  und  Spanien.  1410  Rückkehr 
nach  Italien,  wo  er  sich  in  Rom,  Florenz,  Bologna  und  Rom  aufhielt. 
1413  wird  er  zu  Kaiser  Sigismund  nach  Deutschland  geschickt,  1415 
stirbt  er  in  Konstanz  und  wird  daselbst  im  Dominikanerkloster  begraben. 

Ein  zweiter  Excurs  (S.  54  -  59)  behandelt  die  öffentlichen  Dante- 
Lektoren  in  Florenz.  Im  Jahre  1373  wurde  die  Errichtung  eines  Lehr- 
stuhls zur  Dante*Erklärung  beschlossen.  Der  erste  Inhaber  ist  der  be- 
rflhmte  Giovanni  Boccaccio.  Zum  Jahr  1402  wird  Filippo  de  Villanis 
erwähnt.  Im  Jahre  1412  wird  Johannes  Malpaghini  von  Ravenna  als 
Dante- Lektor  genannt.  1426  wurde  die  dafür  ausgeworfene  Summe  ge- 
strichen. Später  hatten  Lorenzo  di  Giovanni  da  Pisa,  Francesco  Filelfo, 
Antonius  de  Aretio  u.  a.  den  neu  errichteten  Lehrstuhl  inne.  Später 
wurde  dieser  Lehrstuhl  mit  der  Professur  der  Poesie  verbunden,  so  dafs 
Ghristoforo  Landino,  der  Haupterklärer  Dantes,  welcher  seit  1457  die 
Professur  der  Poesie  in  Florenz  bekleidet,  nicht  ausdrücklich  als  Dante- 
Erklärer  in  den  Akten  erscheint. 

Alfieri  e  Racine.  —  Gicerone  giudicato  dal  Petrarca. 
Appunti  di  Beniamino  Santoro.  Giovinazzo.  Tipografia  del  R.  Ospizio 
V.  E.     1888.     8.     26  p. 

Von  den  zwei  in  diesem  Schriftchen  vereinigten  Arbeiten  kommt 
für  den  »Jahresberichte  nur  die  zweite  in  Betracht.  Bekanntlich  hat 
das  Urteil  Mommsens  in  der  »Römischen  Geschichtec  über  den  Gharakter 
Giceros  einen  wahren  Sturm  unter  den  italienischen  Gelehrten  erregt 


152  Geschichte  der  Altertnnuwissenschaft. 

Zahlreiche  Apologien  des  grofsen  Bedners  erschienen,  nm  die  Darstellnng 
des  dentschen  Gelehrten  zn  entkräften.  Die  Italiener  nahmen  znm  Teil 
ans  patriotischen  GrQnden  fQr  Cicero  Partei,  denn  sie  sehen  in  den  Rö- 
mern ihre  direkten  Vorfahren  nnd  Landslente. 

Der  Verfasser  dieser  kleinen  Schrift  sucht  nun  Mommsen  den  Rnhm 
der  Originalität  zn  entreifsen.  Er  geht  dabei  anf  Petrarka  zurflck, 
welcher  zwar  den  Stilisten  Cicero  im  höchsten  Grade  bewunderte,  aber 
von  dessen  Charakter  abschätzig  urteilte.  Dieses  Urteil  wurde  sodann 
im  18.  Jahrhundert  von  Galiani  und  im  19.  von  Mommsen  wiederholt. 

Es  scheint  Santoro  unbekannt  zu  sein,  dafs  Dmmann  mit  seiner 
massiven  Gelehrsamkeit  schon  vor  Mommsen  den  Charakter  Ciceros  wo 
möglich  noch  ungünstiger  als  dieser  beurteilte.  Die  GrQnde  Drumanns 
stammen  aber  alle  aus  den  Werken  Ciceros  selbst  und  nicht  aus  Pe* 
trarka.  Man  sieht  nicht  ein,  warum  nicht  auch  Mommsen  seine  Anklagen 
ans  den  Ciceronischen  Schriften  selbst  schöpfen  konnte.  Übrigens  gilt 
bezüglich  des  ganzen  angeblichen  Nachweises  das  Wort:  Si  duo  fadunt 
idem,  non  est  idem. 

Dr.  Alfred  Masin s,  Oberlehrer  am  Königl.  Realgymnasium  in 
Döbeln.  Ober  die  Stellung  des  Kamaldulensers  Ambrogio  Traversari 
zum  Papst  Eugen  IV.  und  zum  Basler  Konzil.   Döbeln.   1888.   4.  22  S. 

Zu  dem  glänzenden  Humanistenkreis,  welcher  zu  Florenz  am  Hofe 
der  Medici  sich  zusammenfand,  gehörte  auch  der  Kamaldulenser  Ambro- 
gio Traversari,  der  durch  seine  geistliche  Stellung  eine  Sonderstellung 
einnahm. 

Im  Jahre  1386  zu  Portico  im  Kirchenstaate  geboren,  trat  er  14  Jahre 
alt  in  das  Kloster  Maria  degli  Angioli  in  Florenz  ein,  welches  dem  Orden 
von  Kamaldoli  gehörte.  Verhältnismäfsig  früh  wurde  er  Subprior  seines 
Klosters  und  1431  Generalabt  seines  Ordens.  Ohne  diese  Stelle  aufzu- 
geben, wurde  er  Gesandter  des  Papstes  Eugen  IV.  au!  dem  Baseler 
Konzil.  Nachdem  er  noch  lebhaften  Anteil  an  den  Unionsverhandlungen 
mit  den  Griechen  auf  dem  Konzil  in  Florenz  genommen,  starb  er  1439. 

Er  hat  ein  besonderes  Interesse  fQr  uns  durch  seine  humanistische 
Bildung,  die  er  in  Florenz  durch  Cbrysoloras  und  Niccolo  Niccoli  erwor- 
ben hat.  Er  stand  in  freundlichen  Beziehungen  zu  Poggio  Bracciolini, 
Francesco  Filelfo,  den  Venetianern  Francesco  und  Ermolao  Barbaro  und 
dem  berühmten  Erzieher  Vittorino  von  Feltre,  dem  Vorsteher  der  Gasa 
giocosa  bei  Mantua. 

Seine  ausgezeichnete  Bildung  erstreckte  sich  neben  Latein  und 
Griechisch  auch  auf  Hebräisch.  Trotzdem  war  er  kein  produktiver 
Schriftsteller.  Wir  besitzen  aus  seiner  Feder  aufser  Übersetzungen  eini- 
ger Kirchenväter  nur  eine  lateinische  Übertragung  des  Diogenes  von 
Laerte. 

Ambrogios  Beziehungen   zur  Kurie   beginnen  mit  der  Ernennung 


Holstein,  BegrQfsangBrede.  153 

seines  Verwandten  Gondolmieri  zum  Protektor  des  Kamaldulenserordens 
durch  Papst  Gregor  XII.  Im  Jahre  1482  kam  Amhrogio  zuerst  nach 
Rom,  wo  inzwischen  Gondolmieri  (als  Papst  heifst  er  £ugen  IV)  auf  den 
päpstlichen  Stuhl  berufen  worden  war.  Nicht  die  humanistische  Bildung, 
wofQr  Eugen  IV  wenig  Verständnis  hatte,  sondern  ein  asketischer  Zug 
brachte  die  beiden  Männer  zusammen. 

Amhrogio  führte  als  Ordensgeneral  wieder  die  Strenge  der  alten 
Zucht  ein.  Die  Wahl  Eugens  IV  begrttfste  er  enthusiastisch  und  sandte 
ihm  die  Schrift  De  consideratione  von  Bernhard  von  Clairvaux,  die  dieser 
einst  Eugen  III  gewidmet  hatte.  Gosimo  von  Medici  lieh  ihm  die  Summe 
zu  einer  Reise  nach  Rom,  um  sich  dort  in  seiner  Eigenschaft  als  Ordens- 
general vorzustellen. 

Damals  durchwanderte  er  am  Arm  Poggios  die  Ruinen  des  alten 
Rom,  fQr  welche  dieser  den  Erklärer  machte.  Zugleich  musterte  er  die 
Bibliotheken  seiner  Gönner.  Den  grOfsten  Anstofs  nahm  der  asketische 
Mönch  an  dem  weltlichen  Treiben  der  Stadt.  Dem  Papste  überreichte 
er  die  lateinische  Übersetzung  der  griechischen  Biographie  von  Chry- 
sostomos,  die  er  angefertigt  hatte,  um  die  Kosten  der  Reise  zu  decken. 

Als  Eugen  IV  aus  Rom  vertrieben  flachten  mufste,  eilte  ihm  Tra- 
versari  von  Pisa  aus  entgegen  und  traf  ihn,  wie  er  in  seinem  Tagebuch 
schildert,  zwischen  Pisa  und  Livorno,  wo  er  den  unglflcklichen  Kirchen- 
fQrsten  von  neuem  seiner  Ergebenheit  versicherte.  Das  weitere  Leben 
des  Papstes  und  dessen  Beziehungen  zu  Traversari  liegen  aufserhalb  der 
Aufgabe;  hier  soll  blofs  die  Sendung  des  letzteren  nach  Basel  dargestellt 
werden. 

In  dem  Streite  des  Baseler  Konzils  mit  dem  Papst  sollte  im  Jahre 
1485  Traversari  vermitteln.  Derselbe  ging  als  Gesandter  gemeinsam  mit 
Antonio  de  San  Vito  dahin  ab. 

Traversari  berichtet  in  zahlreichen  Briefen  an  den  Papst  und  seine 
Freunde  Aber  die  Reise  nach  Basel  und  den  Aufenthalt  daselbst.  Auf 
dem  Wege  dahin  besuchte  er  seinen  Freund  Vittorino  von  Feltre  in 
Mantua.  In  Verona  verlebte  er  mit  Francesco  Barbaro  zwei  genufsreiche 
Tage.  Den  21.  August  1436  traf  er.  Ober  Trient  und  Konstanz  reisend, 
in  Basel  ein.  Er  war  geschickt  worden,  um  wegen  eines  Beschlusses 
gegen  die  Annaten  mit  dem  Konzil  zu  unterhandeln.  Diese  Dinge  wie 
seine  ganze  Thätigkeit  in  Basel  haben  mit  dem  Humanisten  Traversari 
nichts  zu  thun  und  können  also  hier  nicht  besprochen  werden. 

Hugo  Holstein,  Die  Begrüfsungsrede  des  Papstes  Pius  II.  bei 
der  Ankunft  des  Hauptes  des  h.  Andreas  in  Rom  am  12.  April  1462 
(Zeitschrift  für  vergleichende  Litteraturgesch.  etc.  N.  F.  II.  S.  864 
und  366). 

Die  kleine  Rede  mufs  hier  kurz  erwähnt  werden,  weil  ihr  Ver- 
fasser, Papst  Pius  IL,  bekannter  unter  seinem  froheren  Namen  Aeneas 


154  GeBcbicbte  dar  AltertamswissenBchafr. 

Sylvius  Piccolomini,  einer  der  glänzendsten  humanistischen  Namen  des 
15.  Jahrhunderts,  ganz  besonders  auch  für  die  Verbreitung  des  Huma- 
nismus in  Deutschland  von  Wichtigkeit  ist. 

Auf  Machiavelli  beziehen  sich  zwei  Arbeiten: 

Georg  Ellinger,   Die  antiken  Quellen  der  Staatslehre  Machia- 
vellis.    Tübingen.     Laupp.     1888.     8.    VIII  n.  62  S. 

Das  Schriftchen,  ein  Sonderabdruck  aus  der  »Zeitschrift  fOr  die 
gesamte  Staatswissenschaftc ,  ist  ein  Teil  einer  grolsen  Arbeit,  welche 
der  Verfasser  seit  längerer  Zeit  vorbereitet,  und  die  eine  Geschichte 
der  politischen  Theorieen  im  Zeitalter  der  Reformation  enthalten  soll« 
eine  Fortsetzung  der  Arbeit  desselben  Verfassers  Aber  »das  Verhältnis 
der  öffentlichen  Meinung  zu  Wahrheit  und  Loge  im  10.,  11.  und  12.  Jahr- 
hunderte Nur  durch  Forschungen  aber  die  Geschichte  des  moralischen 
Bewufstseins  in  dem  Zeitalter  der  Renaissance  wird  ein  volles  Verständnis 
des  Systems  von  Machiavelli  möglich. 

Zugleich  aber  ist  es  nötig,  die  Abhängigkeit  der  Schriftsteller  der 
Renaissancezeit  von  klassischen  Autoren  im  einzelnen  nachzuweisen. 
Keine  von  den  Vorarbeiten  hatte  den  Stoff  auch  nur  annähernd  erschöpft» 
so  dafs  Ellinger  im  wesentlichen  auf  eigene  Studien  angewiesen  war. 

Der  erste  Abschnitt  behandelt  die  »Hauptprincipien  (warum  nicht 
blofs  'Principien'?)  der  Staatslehre  Machiavellisc  (S.  1-21).  Die  Er- 
örterung über -die  Verfassungen  an  der  Spitze  der  Discorsi,  wonach  eine 
Art  von  Kreislauf  derselben  vorhanden  ist,  hat  M.  im  wesentlichen  aus 
dem  sechsten  Buch  des  Polybius  entlehnt.  Auch  Thukydides  dürfte  ffir 
diesen  Gedanken  mit  Quelle  gewesen  sein.  Ebenso  ist  die  Betrachtung 
aber  den  Nutzen  der  Geschichte  auch  für  den  praktischen  Staatsmann 
schon  bei  Polybius  und  Diodor  zu  finden. 

Die  Ansichten  über  das  Glück,  worüber  auch  Plutarch  geschrieben, 
dürften  aus  Gurtius  Rufus  entlehnt  sein;  denn  wie  dieser,  verlangt  Machia- 
velli, dafs  man  sich  dem  Glücke  nicht  rückhaltslos  ausliefern  soll.  Eine 
Stelle  von  der  Nutzlosigkeit  der  Mittelwege  geht  auf  Livius  IX  3  zurück. 
Aber  auch  der  sentenziöse  Sallust  ist  gelegentlich  Quelle. 

Ein  zweiter  Abschnitt  behandelt  »die  Discorsi  und  die  Beurteilung 
des  römischen  Staatswesens!.  Wenn  Machiavelli  die  Trefflichkeit  des 
Heerwesens  und  die  Wertschätzung  der  Religion  als  die  zwei  Haupt- 
gründe von  Roms  Gröfse  bezeichnet,  so  wiederholt  er  damit  —  mntatis 
mutandis  —  nur  Gedanken  von  Herodot,  Seueca,  Thukydides,  Xenophoo, 
Polybius.  In  anderen  Ansichten  scheint  er  von  Cicero,  Aristoteles  und 
wiederum  Herodot  beeinflufst  zu  sein. 

Ein  dritter  Abschnitt  behandelt  »das  Fürstenideal  Machiavellisc 
Es  sind  bei  ihm  zwei  Fürstenideale  zu  unterscheiden ;  das  eine  ist  stück- 
weise dargestellt  in  den  Discorsi,  das  andere  ausgeführter  im  Principe. 
Der  Gedanke,  dafs  ein  erbliches  Fürstentum  entarten  müsse,   stammt 


Baumgarten,  Karl  V.  155 

zunächst  aus  Aristoteles,  der  behauptete,  dafs  durch  die  Vererbung  des 
FOrstentums  die  Staaten  zugrunde  gerichtet  w&rden. 

Für  den  Principe  Machiavellis  dürften  femer  Xenophons  Abhand- 
lung De  tyrannide  und  die  dem  gleichen  Schriftsteller  zugeschriebene 
Schrift  Hieron  bestimmend  gewesen  sein.  Aber  im  Laufe  der  Darstellung 
macht  M.  auch  Anleihen  bei  Aristoteles,  Plularch,  Thulcydides,  Cicero  u.  a. 

Der  Anhang  enthält  folgende  drei  Abschnitte:  1)  Über  dik  Methode 
der  Untersuchung  in  Machiavellis  Staatslehre.  —  2)  Verzeichnis  der  von 
Machiavelli  in  den  Discorsi  und  im  Principe  selbst  erwähnten  antiken 
Schriftsteller.  —  3)  Machiavelli  und  Aristoteles. 

Im  ersten  Abschnitt  entwickelt  EUinger,  dafs  M.  in  der  Methode 
seiner  Staatslehre  sich  im  wesentlichen  an  Plutarch  angeschlossen  habe. 

Die  von  M.  citierten  Schriftsteller  sind:  Livius,  Cicero,  Tacitus, 
Sallust,  Plutarch,  Xenophon,  Diodor,  Quintus  Curtius,  Herodian,  Aristo- 
teles. Der  so  häufig  benutzte  Polybius  wird  merkwürdiger  Weise  nicht 
genannt.    Benützt  und  nicht  genannt  sind  noch  Justin  und  Sueton. 

Zum  Schlafs  tritt  Ellinger  nochmals  der  Behauptung  Leos  ent- 
gegen, welcher  Pasquale  Villari  in  seiner  Monographie  über  Machiavelli 
beipflichtet,  wonach  dieser  zur  Zeit  der  Abfassung  des  Principe  die 
Politik  des  Aristoteles  noch  gar  nicht  gekannt  habe. 

Nur  ein  einziges  Kapitel  gehört  in  den  Rahmen  des  »Jahresbe- 
richtsc  von  einem  grofsangelegten  Werke,  dessen  £nde  noch  nicht  er- 
schienen ist: 

Hermann  Baumgarten,  Geschichte  Karls  V.    Stuttgart,  J.  G. 
Cotta.    Bd.  L  (1886).   Bd.  H.  £rste  Hälfte  (1886).  Zweite  Hälfte  (1888). 

£8  ist  der  Abschnitt  »Macchiavelli  und  Lutherc  (I  320—348)  und 
dazu  ein  Anhang:  Ȇber  Macchiavellis  Principec  (I  622-536). 

Machiavelli  hat  eine  durchaus  äufserliche  Auffassung  von  dem  Ver- 
hältnis von  Fürst  und  Volk.  £r  kennt  überhaupt  keine  sittlichen  Mächte. 
Die  Religion  ist  in  seinen  Augen  nur  ein  Werkzeug  der  Politik.  Was 
letzterer  frommt,  ist  gut,  was  sie  hemmt,  ist  verwerflich.  Treue  und 
Wahrhaftigkeit  haben  keinen  Wert  an  sich,  sondern  sie  werden  ange. 
wandt,  wenn  man  mit  ihnen  schneller  zum  Ziele  kommt  als  mit  Untreue 
und  Unwahrheit. 

£ine  neue  Auffassung  des  Principe  Machiavellis  begann  nach  Villaris 
Behauptung  mit  Rankes  Untersuchung  über  neuere  Geschichtschreiber 
vom  Jahre  1824.  Darnach  wäre  das  Buch  unter  dem  »Gesichtskreis  ent- 
standen, der  im  Jahr  1614  vorwaltetec  Aber  nach  einem  Briefe  Vettoris 
kann  kein  Zweifel  sein,  dafs  der  Principe  den  10.  Dezember  1610  bis 
auf  die  letzte  Revision  vollendet  war,  wodurch  Rankes  Behauptung  und 
die  daraus  abgeleiteten  Folgerungen  hinfällig  werden. 

Nach  Baumgartens  Meinung  ist  das  Buch  nicht  für  einen  bestimm- 
ten politischen  Moment,  auch  nicht  f&r  die  Medici  geschrieben.    Die  Not 


156  Geschichte  der  Altertamswissenschaft. 

seiDer  Lage  trieb  Machiavelli  nach  seiner  eigenen  Angabe  dazu,  durch 
die  Medici  Beschäftigung  zu  suchen.  Damit  stimmt  aach  der  Inhalt, 
der  allgemein  gehalten  ist  und  nicht  auf  einen  bestimmten  politischen 
Moment  Beziehung  nimmt.  Berflcksichtigt  man  die  gleichzeitigen  Briefe 
Machiavellis,  so  wird  der  Principe  fast  unverständlich,  wollte  man  an 
der  Ansicht  festhalten,  der  Verfasser  habe  Lorenzo  de  Medici  znr  Be- 
freiung Italiens  auffordern  wollen. 

Der  Fürst,  dessen  Ideal  im  Principe  gezeichnet  wird,  ist  kein 
grofser  nationaler  Herrscher,  sondern  ein  Dynast  von  der  Art,  wie  es 
deren  im  damaligen  Italien  manche  gab. 

Die  Rankesche  Auffassung  hat  nur  eine  Stütze,  das  Kapitel  26  des 
Principe,  welches  den  Aufruf  zur  Befreiung  Italiens  von  den  Barbaren 
enthält.  Aber  dieses  Schlufskapitel  ist  ein  Ausflufs  der  Phantasie  und 
steht  im  grellsten  Gegensatz  zu  der  sonstigen  NCtchternheit  der  Schrift. 
Nur  diese  Apostrophe  dürfte  später  für  Lorenzo  hinzugefügt  sein. 

Adolfe   Verdi,    Gli   Ultimi   anni   di  Lorenzo   de*   Medici   doca 
d'Urbino  (1516—1619).    £ste.    G.  Pitrogrande,  editore  1888.  8. 

Der  von  den  Zeitgenossen  und  späteren  Historikern  nicht  günstig 
beurteilte  Lorenzo,  Herzog  von  ürbino,  fand  neuerdings  eine  gerechtere 
Beurteilung  durch  Giorgetti,  dem  sich  jetzt  noch  Verdi  anreiht 

Dieser  Lorenzo,  Enkel  des  berühmten  Lorenzo  des  Prächtigen, 
Sohn  Pietros  U  und  der  Alfonsina  Orsini,  wurde  1492  in  Florenz  gebo- 
ren. Frühzeitig  zeigte  er  geistige  Gaben,  die  bewiesen,  dafs  er  seines 
berühmten  Grofsvaters  nicht  unwürdig  war. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  Darlegungen  Verdis,  welche  tief  in 
die  verschlungenen  Gänge  der  italienischen  Politik  im  Anfang  des  16.  Jahr- 
hunderts führen,  zu  verfolgen.  Von  vielen  Zeitgenossen  wurden  seine 
Talente  sehr  hoch  geschätzt.  Es  bleibt  eine  bezeichnende  Thatsache, 
dafs  ihm  Niccolo  Machiavelli  seinen  »Principec  gewidmet  hat 

Die  herrschende  Modekrankheit  damaliger  Zeit  brachte  ihm  ein 
frühes  Ende.  Dabei  nahm  er  mit  sich  in  sein  Grab  das  drückende  Be- 
wufstsein,  durch  die  ansteckende  Kraft  der  furchtbaren  Krankheit  aach 
der  Mörder  seiner  tugendhaften  Gemahlin,  Maddalena  d^Auvergne,  zu 
sein  (p.  114). 

Kurz  erwähnt  sei  ein  anmutig  und  frisch  geschriebenes  Werk  von 

Leader  Scott,  Tuscan  Studios  and  Sketches.    lUustrated.    Lon- 
don.   T.  Fisher  Unwin  1888.    8. 

Der  Verfasser  ist  bekannt  als  ein  Kenner  italienischer  Kunst  Der 
gröfste  Teil  dieses  Werkes  ist  gleichfalls  der  Kunstgeschichte  der  ita- 
lienischen Renaissance  gewidmet,  kann  also  hier  nicht  besprochen  werden. 
Doch   möge  auf  Kapitel  II  (>A  library  of  Codicesc)  hingewiesen  sein, 


^pwf^mm^m'^'^'^mm^mf^mtmm^i^i^^Kmvmm^Kvaf^^^m^^^m^-^^**^ 


Egelhaaf,  Deutsche  Geschichte.  157 

das  die  Geschichte  der  Florentiner  Bibliotheken  in  einer  ffir  weitere 
Kreise  lesbaren  Form  darstellt. 

Von  Italien  wenden  wir  uns  nach  Dentschland. 

Eine  zusammenfassende  Darstellung  des  deutschen  Humanismus 
findet  sich  bei: 

Gottlob  Egelhaaf,  Dr.  ph.,  Professor  am  Karlsgymoasium  zu 
Stuttgart.  Deutsche  Geschichte  im  sechzehnten  Jahrhundert  bis  zum 
Augsburger  Religionsfrieden  (Zeitalter  der  Reformation).  Erster  Band. 
1617—1526.  Stuttgart.  J.  G.  Cottas  Nachfolger.  1889.  8.  VIII  680  S. 
(Bibliothek  Deutscher  Geschichte,  herausgegeben  von  H.  v.  Zwiedineck- 
Sttdenhorst). 

Aus  dem  reichen  Inhalt  dieses  gehaltvollen  und  sehr  gut  ausge- 
statteten Bandes  kommen  fOr  den  Jahresbericht  nur  folgende  zwei  Ab- 
schnitte in  Betracht:  »Der  Bruch  mit  der  mittelalterlichen  Weltauffassungc 
S.  9  ~  102  und  »die  Leipziger  Disputation  und  das  Eingreifen  der  Huma- 
nisten und  Ritterc  S.  199—216. 

Der  erste  Abschnitt  ist  eine  kurze  Geschichte  des  deutschen  Huma- 
nismus. Das  Wesen  der  Renaissance  sieht  Egelhaaf  in  der  Auflehnung 
des  Menschen  gegen  die  alles  umspannende  Macht  der  kirchlichen  Ge- 
sichtspunkte. In  Italien  reicht  diese  Bewegung  bis  ins  13.  Jahrhundert 
zurttck,  in  Deutschland  beginnt  sie  erst  mit  dem  15.  Jahrhundert. 

Die  Vorboten  des  Humanismus  in  Deutschland  sind  der  bekannte 
Peter  Luder  von  Kislau,  der  z.  B.  auch  in  Heidelberg  lehrte,  sodann  Samuel 
Earoch  von  Lichtenberg,  beide  durch  lockere  Sitten  die  neue  Bewegung 
nicht  sonderlich  empfehlend.  Bedeutungsvoll  war  sodann  die  Thätigkeit 
des  Aeneas  Sylvius  Piccolomini,  des  späteren  Papstes  Plus  II  (1458  bis 
1464),  der  auf  dem  Basler  Konzil  und  seit  1442  als  päpstlicher  Legat 
am  kaiserlichen  Hofe  fttr  Verbreitung  humanistischer  Bildung  thätig  war. 

Bald  nahmen  sich  auch  die  Fürsten  der  neuen  Bildung  an,  vor 
allem  Kaiser  Maximilian  I,  sodann  Herzog  Eberhard  im  Bart  von  Württem- 
berg (t  1498),  Kurfürst  Friedrich  der  Weise  von  Sachsen  (f  1525)  und  Kur- 
fürst Albrecht  von  Mainz  (f  1545).  —  Auffallenderweise  ist  hier  Kurfürst 
Philipp  der  Aufrichtige  von  der  Pfalz  vergessen,  der  mindestens  ebenso 
viel  für  die  Geschichte  des  deutschen  Humanismus  bedeutet  wie  Eber- 
hard im  Bart  und  Friedrich  der  Weise. 

Anfangs  lebten  Humanismus  und  Kirche  im  besten  Frieden.  Rudolf 
Agricola  fing  in  der  letzten  Lebenszeit  an,  sich  mit  Theologie  zu  be- 
schäftigen. Alexander  Hegins  (1433—1498),  der  ausgezeichnete  Schul- 
mann, kämpfte  eifrig  gegen  die  scholastischen  Lehrbücher  und  war  doch 
ein  frommer  Dichter.  Aber  schon  die  nächste  Generation  hat  trotz 
mancher  Ausnahmen  eine  Neigung  zur  Opposition  gegen  die  Kirche. 

Als  einen  Typus  deutscher  Humanisten  reinster  Ausprägung  mufs 
man  Konrad  Celtis  betrachten,  welchen  Egelhaaf  eingehender  schildert. 


158  Geflcfaicbte  der  AltertamswisseDScbaft. 

hauptsächlich  auf  Grood  einer  geistvollen  Stndie,  welche  Friedrich 
von  Bezold  vor  einigen  Jahren  von  diesem  gegeben.  Seine  Weltan- 
schauung ist  eine  »völlig  antik-naturalistischec ;  trotzdem  botet  er  sich, 
mit  der  Kirche  zu  brechen.  Wenn  ihm  das  Eirchentum  nicht  zusagte, 
zog  er  sich  vom  grofsen  Haufen  zurück. 

Ein  weiterer  Abschnitt  behandelt  Johannes  Reuchlin  von  Pforzheim 
und  seinen  Streit  mit  den  Kölner  Obscuranten  über  die  JudenbQcher, 
wobei  die  Werke  Geigers  über  Reuchlin  und  von  D.  Fr.  Straufs  über 
Ulrich  von  Hütten  herangezogen  werden.  Schliefslich  hat  übrigens  Reuch- 
lin seinen  Prozefs  verloren:  den  23.  Juni  1620  entschied  der  Papst  gegen 
ihn.  Doch  hatte  er  die  öffentliche  Meinung  auf  seiner  Seite,  wie  man 
an  den  Epistolae  obscurorum  virorum  und  an  dem  Triumphus  Reuchlini 
sieht.  Beide  Schriften  waren  anonym  erschienen.  Von  dem  Kunstwort 
der  »Briefe  der  Dunkelmänner!  urteilt  Egelbaaf  günstiger,  als  es  viel- 
fach in  der  letzten  Zeit  geschehen:  Das  Latein  ist  »flüssig,  lebensvoll, 
aber  barbarisch  und  doch  seiner  Barbarei  sich  scheinbar  selbst  nicht 
bewufst;  mit  einem  Wort:  es  hat  allen  Reiz  des  Naiven  und  Komischen 
zugleich  an  siehe 

Daran  schliefst  sich  eine  Charakteristik  Ulrichs  von  Hütten  (S.  37 
— 45),  die,  obgleich  keine  Apologie,  doch  erfreulich  ist,  wenn  man  an  die 
neueren  Verunglimpfungen  des  begeisterten  Patrioten  denkt 

Ein  ganz  anders  gearteter  Mann  ist  Desiderius  Erasmus,  zu 
dessen  Schilderung  der  Verfasser  sodann  übergeht.  Der  Sohn  einer 
später  wieder  gelösten  Verbindung,  wurde  er  mit  neun  Jahren  der  Schule 
in  Deventer  übergeben.  Nachdem  er  die  Mutter  und  dann  den  Vater 
verloren  hatte,  trat  er  auf  Rat  seiner  Vormünder  in  das  Kloster  Stein 
(Emmaus)  bei  Gouda  ein.  Hier  bei  den  Augustiner-Ghorherrn  widmete 
er  sich  seinen  mönchischen  Pflichten  und  trieb  nebenbei  humanistische 
Studien.  1491  aus  dem  Kloster  befreit,  blieb  er  zuerst  bei  dem  Bischof 
von  Cambrai,  um  sich  sodann  1496  nach  Paris  zu  begeben.  Mittellosig- 
keit zwang  ihn  zum  öfteren  Wechsel  des  Aufenthaltes.  1506 — 1509  war 
er  in  Italien.  Schliefslich  blieb  er  in  Basel  beim  Buchhändler  Froben 
bis  zum  Jahre  1529.  Die  gewaltsame  Einführung  der  Reformation  in 
Basel  vertrieb  ihn:  er  siedelte  mit  Glareauus  nach  Freiburg  i.  B.  über, 
das  er  aber  kurz  vor  seinem  Tode  wieder  verliefs.   Er  starb  in  Basel  1536. 

Philologie  und  Pädagogik,  Theologie  und  Moral  verdanken  ihm 
Anregung  und  Förderung.  Zahlreiche  Klassiker  und  Kirchenschriftsteller 
hat  er  herausgegeben,  viele  übersetzt,  daneben  auch  Erbauliches  ge- 
schrieben. 

Eine  besondere  Wirkung  übte  er  durch  folgende  Schriften  aus: 
die  Sprüchwörtersammlung  (Adagia),  das  Lob  der  Narrheit  (Laus  stulti- 
tiae  oder  encomion  morias)  und  die  Ausgabe  des  griechischen  Neuen 
Testamentes. 

Die  Sammlung  der  Adagia,  zum  erstenmal  1500  erschienen,  wurde 


^ 


Egelbaaf,  Deotsche  Oeschichte.  159 

in  jeder  neaen  Ausgabe  umfangreicher.  Erasmas  that  sich  später  auf 
dieses  Buch  etwas  zugut. 

Satirisch  gehalten  ist  das  Lob  der  Narrheit,  dadurch  an  Seb. 
Brants  Narrenschiff  erinnernd.  >Es  ist  ohne  Frage  ein  merkwürdiges 
Buch,  unter  welchem  Gesichtspunkt  man  es  auch  betrachte.  Stilistisch 
ist  es  eine  hervorragende  Leistung,  in  einem  flotten  Rhetorenlatein  ge- 
schrieben, wenn  auch  nicht  ängstlich  gefeilt,  voll  von  Belesenheit  in  der 
antiken  Litteratur,  voll  von  Witz  und  Anmut  Man  weifs  beim  Lesen 
kein  Ende  zu  finden. c 

Eine  Leistung  positiver  Art.  ist  sodann  seine  Ausgabe  des  Neuen 
Testaments,  die  1616  bei  Frohen  in  Basel  erschien,  ein  wichtiges  Buch 
am  Vorabend  der  Reformation.  Erasmus  stellte  eine  Veritas  Graeca 
der  seither  sklavisch  hingenommenen  lateinischen  Übersetzung  der  Vulgata 
entgegen.  Die  streng  kirchlichen  Kreise  suchten  vergeblich,  z.  B.  durch 
Dorpius,  Erasmus  von  der  Edition  abzuhalten. 

Schon  die  Zeitgenossen  haben  die  Bedeutung  des  Erasmus  sehr 
hoch  angeschlagen.  Er  stellt  den  Humanismus  auf  der  Spitze  seiner 
EntWickelung  dar.  Diese  geistige  Richtung  wird  in  ihm  ihrer  Rechte 
und  ihrer  Pflichten  sich  bewufst.  Mit  Recht  sagten  die  epistolae  obscu- 
rorum  virornm:  »Erasmus  ist  ein  Mann  ffir  siehe 

Auch  fOr  die  Pädagogik  ist  er  von  Bedeutung  geworden.  Er  giebt 
Vorschriften  Ober  Mädchenerziehung.  Das  Ziel  der  Erziehung  bei  den 
Knaben  ist  ihm  Vereinigung  von  Religion,  Sittlichkeit  und  Wissenschaft. 

Eine  Fortsetzung  dieser  Darstellung  findet  sich  sodann  S.  209 ff., 
wo  geschildert  wird,  wie  die  Leipziger  Disputation  zur  Folge  hatte,  dafs 
die  meisten  Humanisten  auf  Luthers  Seite  traten.  Schon  vorher  hatte 
sich  ihm  Melauchthon  angeschlossen,  und  bald  war  die  wärmste  Freund- 
schaft zwischen  den  beiden  Männern  vorhanden.  Luther  schreibt  Ober 
Melauchthon  an  Erasmus:  »Bleibt  dies  Haupt  gesund,  so  dQrfen  wir  uns 
ich  weifs  nicht  was  Gröfseres  versprechenc. 

Als  fernerer  Bundesgenosse  stellte  sich  Grotus  Rubeanus  ein,  der 
mutmafsliche  Verfasser  des  ersten  Teils  der  epistolae  obscurorum  virorum, 
der  durch  Luthers  Schriften  »biblische  geworden  war  und  sogar  in  Rom 
die  Schriften  des  Reformators  verbreitete. 

Eobanus  Hessus,  das  glänzendste  Talent  unter  den  jungen  Poeten, 
früher  begeisterter  Schwärmer  für  Erasmus,  erklärte  die  neu  erschlossene 
Bibel  fQr  den  wahren  Born  der  Frömmigkeit.  Auch  Erasmus  sprach 
freundlich  ttber  Luther,  wenn  er  auch  dringend  zur  Mäfsigung  mahnte. 

Von  den  Künstlern  schliefst  sich  Albrecht  Dürer  an,  dem  der 
Wittenberger  Reformator  als  »ein  mit  dem  heiligen  Geist  erleuchteter 
Manne  erschien. 

Das  städtische  Patriziat  stellte  seinen  Vertreter  in  dem  glänzenden 
Willibald  Pirkheimer,   der  Johann   Eck,  Luthers  Gegner  in   Leipzig, 


160  Geschiebte  der  AltertomswisseiiBchaft. 

in   der  anonym  erschienenen  Schrift  iDer  abgehobelte  Ecke  (Eddas 
dedqlatas)  verspottete. 

Am  heftigsten  war  Ulrich  von  Hatten,  der  von  jetzt  an  Lather  als 
BandesgenoBsen  betrachtete.  Egelhaaf  bespricht  karz  die  drei  Schriften : 
»Vadiscos  oder  die  römische  Dreifaltigkeitc  (Trias  Romana),  »das  zweite 
Fiebere  and  »die  Anschaoendenc  (Inspicientes).  Hatten  war  rastlos 
thätig,  die  Geister  gegen  Rom  aufzuregen. 

Zum  Schlüsse  mögen  einige  kleine  Versehen  erwähnt  werden,  die 
den  Wert  des  bedeutenden  und  gut  geschriebenen  Buches  in  keiner  Weise 
beeinträchtigen. 

Auf  S.  13  ist  behauptet,  dafs  Peter  Luder  im  Jahre  1444  in  Heidel- 
berg als  Professor  der  lateinischen  Sprache  Anstellung  gefunden  habe. 
Aber  Luder  wurde  erst  1466  Lehrer  an  genannter  Hochschule.  Vgl. 
W.  Wattenbach  in  der  Zeitschr.  f.  d.  Geschichte  des  Oberrheins,  Bd.  22 
(1869)  S.  43. 

Auf  S.  22  wird  die  Parteinahme  des  Konrad  Celtis  in  dem  Streite 
über  die  unbefleckte  Empfängnis  Mariae  damit  erklärt,  dafs  er  dadurch 
zugleich  gegen  die  den  Humanisten  verhafsten  Dominikaner  Partei  er- 
greifen wollte.  Das  ist  aber  nicht  richtig,  da  auch  auf  der  Seite  der 
Dominikaner  humanistisch  gebildete  Männer  stehen.  Vgl.  darüber  die 
Nach  Weisungen  bei  Ch.  Schmidt  Histoire  littäraire  de  TAlsace  (an  ver- 
schiedenen Stellen). 

Auf  S.  89  lesen  wir,  dafs  Hütten  von  dem  Rektor  der  Universität 
Wien  zurückgewiesen  werden  konnte,  weil  er  damals  noch  keinen  akade- 
mischen Grad,  weder  den  eines  Baccalaureus  noch  den  eines  Magisters, 
besessen  habe.  Das  ist  jedoch  anrichtig.  Hütten  war  schon  1506  in 
Frankfurt  a.  0.  Baccalaureus  geworden,  was  er  freilich  später  ableugnete. 
Vgl.  D.  Fr.  Straufs  Ulrich  von  Hütten  (2.  Aufl.)  S.  39. 

Auf  S.  51  wird  zu  den  GoUoquia  des  Erasmus  die  Zahl  1524  hin- 
zugefügt. Aber  die  erste  Ausgabe  dieses  weltberühmten  Buches  des 
Erasmus  war  schon  1518  in  Basel  durch  Beatns  Rbeuanus  veranstaltet 
worden.  Vgl.  Horawitz  und  Hartfelder  Briefwechsel  des  Beatus 
Rhenanus  (Leipzig  1886)  S.  605. 

Auf  S.  211  wird,  wie  üblich,  der  Eckius  dedolatus  dem  Nürnberger 
Willibald  Pirkbeimer  zugeteilt.  Nach  den  Nachweisungen,  welche  Sieg- 
fried von  Szamatölski  in  der  neuesten  Ausgabe  genannter  Schrift  (Heft  2 
der  »Lateinischen  Litteraturdenkmäler  des  XV.  und  XVI.  Jahrhundertsc) 
p.  IX  und  X  gegeben  hat,  halte  ich  das  für  unmöglich.  Darnach  hat 
wahrscheinlich  Matthaeus  Gnidius  das  Büchlein  verfafst. 

Der  gröfste  aller  Humanisten  nördlich  der  Alpen  ist  der  Nieder- 
länder Desiderius  Erasmus  von  Rotterdam.  Ihm  gelten  zwei  Ar- 
beiten: 


Nolhac,  £rasme  en  Italie.  161 

firasme  en  Italie.  £tude  sur  un  Episode  de  la  Renaissance 
avec  doQze  lettres  in6dites  d'£rasme  par  Pierre  de  Nolhac,  maltre 
de  Conferences  k  r£cole  des  Hautes-£tades.  Paris.  Librairie  G. 
Klincksieck.     1888.    8.    VIII  u.  139  S. 

Der  Verfasser  dieses  kleinen,  ansprechend  ausgestatteten  Buches 
bat  sich  bereits  durch  mehrere  Arbeiten  als  ein  Kenner  der  Renaissance- 
zeit ausgewiesen;  die  hier  hauptsächlich  in  Betracht  kommenden  fobren 
die  Titel:  Le  Canzoniere  autographe  de  P^trarque,  La  Biblioth^ue  de 
Fulvio  Orsini. 

Die  Zeit  des  italienischen  Aufenthaltes  von  Erasmus  bezeichnet 
Nolhac  als  einen  der  wenigst  bekannten  Abschnitte  im  Leben  des  grofsen 
Humanisten.  Mit  Hilfe  von  neuen  Aktenstücken  suchte  er  hier  nach 
Kräften  Licht  zu  schaffen  und  die  Chronologie  der  italienischen  Reise 
ins  Klare  zu  bringen. 

Seit  dem  Jahre  1500  finden  sich  in  des  Erasmus  Briefen  Andeu- 
tungen von  seiner  Absicht,  nach  Italien  zu  geben  und  dort  seine  Bildung 
zu  vollenden,  sich  auch  daselbst  akademische  Grade  zu  holen,  da  die 
italienischen  Hochschulen  damals  höhere  Achtung  genossen  als  die  nörd- 
lich der  Alpen.  Endlich  bot  sich  ihm  dazu  eine  günstige  Gelegenheit  im 
Jahre  1506,  wo  er  gerade  in  England  war.  Er  sollte  als  eine  Art  von 
wissenschaftlichem  Reisebegleiter  mit  den  beiden  Söhnen  des  Battista 
Boerio  von  Genua,  des  Leibarztes  von  König  Heinrich  VII  von  England, 
nach  dem  Lande  der  Sehnsucht  für  jeden  Humanisten  gehen.  Der  eigent- 
liche Erzieher  der  beiden  Studenten,  welche  in  Italien  ihre  Bildung  ab- 
schliefsen  sollten,  war  aber  nicht  Erasmus,  sondern  ein  gewisser  Clyston. 

Die  Reise  führte  zunächst  nach  Paris,  wo  Erasmus  unter  andern 
auch  mit  dem  Drucker  Badius  Ascensius  verhandelte,  hierauf  nach  Lyon 
und  dann  in  die  Alpen,  wo  das  kleine,  aber  berühmte  Carmen  equestre 
uel  potius  Alpestre  entstand.  In  Turin  wurde  Erasmus  den  4.  Septem- 
ber 1506  zum  Doktor  promoviert.  Dann  ging  es  nach  Bologna  weiter, 
wo  die  beiden  Boerio  studieren  sollten.  Aber  die  herrschenden  Kriegs- 
unruhen trieben  Erasmus  bald  über  den  Appennin  nach  Florenz. 

Nach  etwa  sechswöchentlichem  Aufenthalt  kehrte  er  jedoch  nach 
Bologna  zurück.  Den  11.  November  1506  sah  er  Papst  Julius  H.  als 
Triumphator  in  die  Stadt  einziehen  und  verglich  als  stiller  Zuschauer 
den  mit  einem  Harnisch  geschmückten  Statthalter  Christi  mit  Christus 
und  den  Aposteln.  Im  ganzen  blieb  er  13  Monate  in  Bologna.  Das 
Verhältnis  zu  Clyston,  dem  Erzieher  der  beiden  Boerio,  verschlimmerte 
sich  80,  dafs  er  noch  nach  25  Jahren  den  Mentor  der  beiden  Studenten 
als  monstrum  und  porcus  bezeichnete. 

An  den  öffentlichen  Vorlesungen  der  Universität  Bologna  scheint 
er  nicht  teil  genommen  zu  haben.  Filippo  Beroaldo,  den  Erasmus  so 
hoch  schätzt,  war  schon  gestorben.    Scipio  Fortiguerra  von  Pistoia,  ge* 

Jahresbericht  für  AlteithunuwiMenschaft  LXIX.  Bd.  (1891.  lO.)  H 


162  Geschichte  der  Altertam&wiBseoBchaft. 

naDDt  Karteromachos,  hat  er  persönlich  kennen  gelernt,  aber  gearbeitet 
hat  er  blofs  unter  der  Leitung  des  bescheidenen  Paolo  Bombasio,  der 
von  1606—1510  Griechisch  an  der  Universität  Bologna  lehrte,  and  zwar 
im  Hause  dieses  Gelehrten. 

Erasmus  vermehrte  die  Sammlung  der  Adagia,  sah  seine  lateinische 
Übersetzung  der  Hecuba  und  der  Iphigenia  in  Aulis  von  Euripides,  welche 
Badius  Asceusius  in  Paris  mangelhaft  gedruckt  hatte,  nochmals  durch, 
arbeitete  auch  an  zwei  uns  verlorenen  Schriften:  den  Briefen  der  Anti- 
barbari  und  einer  Declamatiuncula  ttber  das  klösterliche  Leben.  Von 
hier  aus  kottpfte  er  auch  eine  Verbindung  mit  dem  gelehrten  Drucker 
Aldus  Manutius  in  Venedig  an,  der  sodann  eine  verbesserte  Ausgabe 
der  genannten  Euripidesttbersetzungen  veranstaltete  ( Venetiis  mense 
Decembri  1607).  Gegen  seine  früher  geäufserte  Absicht  (er  hatte  zu- 
nächst  nach  Rom  gehen  wollen)  wanderte  er  sodann  im  Anfiang  des  Jahres 
1608  nach  Venedig. 

Das  zweite  Kapitel  behandelt  den  Aufenthalt  des  Erasmus  in 
Venedig,  wo  er  im  Hause  des  gelehrten  Druckers  Aldus  Manutius  wohnte. 
An  diese  Zeit  knüpfen  sich  die  besonders  von  J.  G.  Scaliger  in  seiner 
Oratio  contra  Ciceronianum  Erasmi  verbreiteten  Anklagen,  Erasmus  sei 
im  Genüsse  des  Weins  unmäfsig  gewesen.  Die  Wahrheit  dürfte  sein, 
dafs  der  an  die  reichliche  Kost  der  Nordländer  gewöhnte  Erasmus  an 
der  knickerig  und  dürftig  besetzten  Tafel  des  Manutius  Hunger  leiden 
mufste  und  sich  deshalb  selbst  verköstigte.  In  der  »Opulentia  sordidac 
der  Erasmiscben  Colloquia  sieht  Nolhac  eine  Schilderung  dessen,  was 
Erasmus  im  Hause  des  Manutius  erleben  mufste. 

Während  dieses  Aufenthaltes  beschäftigte  sich  Erasmus  mit  einer 
Qeuen  Ausgabe  seiner  Adagia,  die  so  verbessert  und  erweitert  wurde, 
dafs  sie  als  ein  neues  Werk  gegenüber  der  ersten  Ausgabe  bezeichnet 
werden  kann.  Mit  Vergnügen  erlebte  er  dabei  die  liberale  Unter- 
stützung zahlreicher  in  Venedig  lebender  Gelehrten:  aufser  Aldus  Manu- 
tius werden  Johann  Laskaris,  Battista  Egnazio,  Marcus  Mnsurus  und 
Frater  Urbano  Bolzaui  genannt.  Erasmus  erkennt  das  an:  »J'ai  M 
aid^  par  des  gens  que  je  ne  connaissais  ni  de  vue,  ui  de  nomt  (S.  40). 
Nach  acht  oder  neun  Monaten  war  die  Arbeit  der  Adagia  beendet.  Aldus 
suchte  den  gelehrten  Niederländer  noch  ferner  zu  halten,  um  von  ihm  zu 
lernen,  aber  Erasmus  blieb  nur  noch  einige  Wochen.  Nolhac  weist  aus- 
führlich nach,  wie  unbegründet  die  Meinung  der  Verkleinerer  des  Eras- 
mus, unter  denen  besonders  Scaliger  zu  nennen,  sei,  wonach  derselbe 
als  untergeordneter  Korrektor  in  der  Aldinischen  Druckerei  beschäftigt 
gewesen. 

Wertvoll  waren  für  Erasmus  die  Beziehungen,  die  er  zur  Ge- 
lehrten-Akademie des  Aldinischen  Hauses  gewann,  wobei  aber  zu  beachten 
ist,  dafs  nicht  alle  veneUanischen  Gelehrten,  welche  Erasmus  kennen 
lernte,  auch  zu  dieser  Akademie  gehörten.    Von  einigen  Gelehrten  wissen 


Nolhac,  £ra8me  en  Italie.  168 

wir  bestimmt,  dafe  Erasmos  damals  ihre  persönliche  Bekaontschaft  oicht 
gemacht  hat,  z.  B.  Alberto  Pio,  FUrst  von  Carpi,  Pietro  Bembo,  Barto« 
lommeo  Alviano.  Um  so  inniger  wurde  die  Freundschaft  mit  anderen, 
z.  B.  Giambattista  Egnazio,  Frater  Urbano  Bolzani,  Paolo  Ganale.  In 
die  Zeit  seines  venetianischen  Aufenthaltes  fällt  auch  die  Bekanntschaft 
mit  Girolamo  Aleandro,  dem  später  so  Abel  berflchtigten  päpstlichen 
Nuntius  zu  Worms  (1521),  der  schliefslich  Bibliothekar  der  Yaticana  und 
Kardinal  geworden  ist.  Die  beiden  Freunde,  welche  sogar  die  Wohnung 
mit  einander  teilten,  ahnten  damals  nicht,  wie  feindselig  sie  später  ein- 
ander begegnen  würden.  Als  Aleander  von  Venedig  nach  Paris  abging, 
om  eine  Professur  des  Griechischen  zu  Obemehmen,  nahm  er  Empfehlungs- 
briefe des  Erasmus  mit,  die  ihm  gewifs  genützt  haben. 

Das  dritte  Kapitel  hat  folgenden  Inhalt:  £rasme  ä  Padoue.  Visite 
ä  Ferrare.  S^jour  k  Sienne.  Triple  s^'our  d'£rasme  k  Bome.  Ses 
liaisons  et  ses  observations.    Voyage  de  Naples. 

Im  Oktober  oder  November  1508  zog  Erasmus  nach  Padua,  wo 
er  die  Hofmeisterstelle  bei  dem  Prinzen  Alexander,  einem  Sohne  des 
Königs  Jakob  IV  von  Schottland,  flbernahm.  Derselbe,  erst  18  Jahre 
alt,  war  bereits  Erzbischof  von  St.  Andrews,  und  Erasmus  hat  später 
von  ihm  stets  mit  Anerkennung  gesprochen.  Zugleich  erneuerte  er  die 
Bekanntschaft  mit  Marcus  Musnrus,  lernte  Lazarus  Bonamicus  und  den 
Spanier  Luis  Texeira  kennen;  seine  Studien  galten  auch  hier  hauptsäch- 
lich dem  Griechischen:  er  studierte  zumeist  Pausanias,  Eustathius,  die 
Scholiasten  zu  Lykophron,  Euripides,  Pindar,  Sophokles  und  Theokrit 

Gerne  wäre  er  noch  länger  geblieben,  aber  durch  den  Abschlufs 
der  Ligue  zu  Gambrai  war  Padua  vom  Kriege  bedroht,  und  so  reiste 
Erasmus  mit  seinem  Zögling  Ober  Ferrara,  wo  er  mit  Celio  Galcagnini, 
Paniciato,  Oelio  Richerio,  de  Rovigo  (Rhodiginus)  und  Niccolö  Leoniceno 
bekannt  wurde,  Aber  Bologna,  wo  er  blofs  Bombasio  begrflfste,  nach 
dem  gesunden  und  aufserhalb  des  Bereiches  des  Krieges  gelegenen  Siena. 
Hier  widmete  er  sich  besonders  dem  Unterricht  seines  Zöglings,  fflr  den  er 
auch  sog.  Declamationes  schrieb.  Erhalten  von  diesen  ist  nur  die  Deda- 
matiuncula  de  morte.  Ein  Stiergefecht,  das  zum  Karneval  in  Siena  auf- 
geführt wurde,  fand  wegen  der  Tierquälerei  nicht  seinen  Beifall.  Aber 
das  Verlangen,  Rom  zu  sehen,  liefs  ihm  keine  Ruhe.  Er  nahm  Urlaub 
von  seinem  Prinzen  und  ging  allein  nach  der  ewigen  Stadt. 

Als  Zeit  fflr  den  Anfang  dieses  ersten  Aufenthalts  von  Erasmus  in 
Rom  rechnet  Nolhac  das  Ende  des  Februars  oder  den  Anfang  des  März 
1509  heraus.  Über  die  Ruinen,  deren  Rom  damals  noch  mehr  hatte  als 
jetzt,  macht  er  nur  sehr  allgemeine  Angaben.  Er  gab  sich  ganz  dem 
Genüsse  des  römischen  Lebens  hin,  dem  Studium  der  Sitten  und  dem 
Vergnügen  der  Freundschaft.  Die*  Bekanntschaft  mit  Karteromachos 
wurde  erneuert  und  verwandelte  sich  in  eine  innige  Freundschaft.  Unter 
den  neuen  Bekanntschaften  ist  zu  nennen  Tommaso  Inghirami,  Biblio- 


164  Geschichte  der  Altertomswiteeiischaft. 

thekar  der  YaticaDa,  der  Typus  eioes  römischen  Prälaten  aas  der 
der  ReDaissance,  zugleich  ein  ausgezeichoeter  Prediger,  von  aeiaen  ho- 
manistischen  Freunden  Phaedrus  genannt. 

Vermutlich  hat  Erasmus  auch  damals  in  Rom  weilende  LandsleoU 
kennen  gelerot,  etwa  den  Luxemburger  Johann  Goritz  (Coricius),  der 
schon  Reuchlin  freundlich  aufgenommen  hatte  und  in  seiner  Villa  auf 
dem  Quirinal  für  Poeten  ein  offenes  Haus  hatte. 

Auch  auf  seine  religiösen  Überzeugungen  wirkte  der  rOmisdie 
Aufenthalt  ein.  Noihac  spricht  sich  gegen  die  Abschwftchangen  aus, 
die  man  an  denselben  gewöhntich  vornimmt.  Er  war  freilich  nickt 
damit  einverstanden,  als  man  später  nach  dem  Beginn  der  Reformatio! 
diese  abschätzigen  Äufserungen  gegen  seine  katholische  Überseagnng 
verwenden  wollte. 

Unter  den  römischen  Prälaten  wurde  ihm  Raffaello  Riario  am  v«^ 
trautesten.  Dieser  war  Kardinal  von  San- Giorgio  in  Velabro  and  Neue 
des  Papstes  Julius  II.  Verschiedene  Male  hat  ihn  Erasmus  besucht 
Aber  bald  kehrte  er  nach  Siena  zu  seinem  Zögling  zurfick.  Zv 
gleichen  Zeit  beinahe  wurde  dieser  nach  Schottland  zurQckgerufeo.  Bi 
er  aber  vor  seiner  Heimkehr  noch  Rom  und  Neapel  sehen  wollte,  so 
ging  Erasmus  nochmals  nach  Rom  und  auch  nach  Neapel.  Ganz  kan 
vor  seiner  Abreise  aus  Rom  nach  dem  Norden  machte  er  noch  eioei 
Besuch  bei  Kardinal  Grimani,  dem  es  durch  die  Liebenswürdigkeit  seiaei 
Wesens  und  durch  seine  glänzenden  Anerbietungen  beinahe  geglQckt 
wäre,  den  grofsen  Humanisten  in  Rom  dauernd  zurückzuhalten. 

Aber  die  den  Freunden  in  England  gegebenen  Versprechoogen 
waren  zu  bestimmt,  als  dafs  Erasmus  wortbrüchig  werden  durfte.  Dordi 
den  eben  erfolgten  Tod  des  Königs  Heinrich  VII  von  England  schien 
fttr  dieses  Land  eine  neue  Zeit  anzubrechen.  Die  Humanisten  setitei 
auf  Heinrich  VIII.  die  allergröfsten  Hoffnungen.  So  rifs  sich  denn  Eras- 
mus los  und  kehrte  nach  dem  Norden  zurück.  Der  Weg,  dessen  Itioerar 
durch  Rbenanus  erhalten  ist,  führte  durch  die  Lombardei,  Ober  den 
Splügen,  nach  Chur,  Konstanz,  Basel,  dem  Breisgau,  Strafsburg,  den  Rhein 
hinunter,  über  Löwen  und  Antwerpen  nach  England,  wo  er  in  den  ersten 
Tagen  des  Juli  eingetroffen  sein  dürfte.  Auf  dieser  Reise  wurde  eines 
der  berühmtesten  Werke  des  Erasmus,  das  »Lob  der  Narrheitc,  aus- 
gedacht. 

Bezüglich  des  Gesamtergebnisses  der  italienischen  Reise  schliefst 
der  Verfasser  seine  Darstellung:  >L' Italic  a  6t^  pour  £rasme  T^cole  oü 
s'est  achev^e  sa  formation  intellectuelle.  G^est  lä  qu*il  a  muri  ce  tatest 
d'^crivain  qui  va  remuer  les  id^es  de  toute  une  g^n^ration,  la  plos 
föconde  du  si^clec  (p.  94). 

Der  Anhang  enthält  15  Briefe  des  Erasmus,  von  denen  12  unediert 
waren.  Sie  sind  an  Aldus  Manutius»  Franciscus  Asulanus,  Sadolet  und 
Bembus  gerichtet.    Die  Vorlagen  befinden  sich  zum  teil  in  der  Vaticana 


J.  B.  Kan,  ErasmiaM.  165 

nnd  stammen  ans  det  Antographensammlang  der  Königin  ChriHiAe,  die 
andefen  aus  der  Bibliothek  Barbarini.  Sie  enthalten  eisen  Teil  der  Be« 
lege  zu  der  von  Nolhac  gegebenen  Darstellung. 

Fflr  die  Geschichte  der  Philologie  kommen  aus  diesen  Briefen 
hauptsächlich  die  Angaben  ttber  die  in  Basel  bei  Frohen  erschienene 
Livinsausgabe  in  Betracht,  welche  bekanntlich  fttr  den  Livinstext  von 
grorsem  Werte  ist.  Nach  Brief  XIV  hat  Beatus  Rhenanns  dabei  die 
Hauptarbeit  gethan  (principalem  operam  praestitit),  dann  der  später  in 
Freiburg  wirkende  Henricus  Glareanus,  von  dem  Erasmus  eagt:  qnum  in 
disciplinis  omnibus,  tum  praecipue  in  veterum  historiarnm  oognitione 
egregie  exercitatus.  Der  dritte  Mitarbeiter  war  der  Boehroe  Sigismiind 
Gelenius,  dessen  philologische  Schulung  bekannt  ist  Erasmus  schrieb 
wegen  dieser  Ausgabe  an  Bembus,  der  damals  zu  Padua  war,  um  eine 
Liviushandschrift.  Dieser  besafs  mehrere  Liviushandschriften,  welche 
Nolhac  in  den  vaticanischen  Codices  nr.  3329,  8830  und  8331  nacfage^ 
wiesen  hat.  Insbesonders  ist  3330  ein  Autograph  des  Poggio,  das  frei- 
lich Bembo  nicht  aus  der  Hand  gab.  Ein  Brief  des  Egnatius  an  den 
gleichen  Bembo,  der  ebenfalls  Nachrichten  zur  Vorgeschichte  der  erwähn« 
ten  Livinsausgabe  bringt,  beschliefst  die  ansprechende  Schrift,  die  Be^^ 
lehrung  und  Unterhaltung  zugleich  gewährt. 

Die  Gitate  und  Zahlen  des  Namensregisters  sind  zuverlässig,  wie 
ich  mich  durch  zahlreiche  Stichproben  überzeugte. 

Auf  Nolhac  bezieht  sich  folgende  Arbeit: 

J.  B.  Ean,   Erasmiana  (Programm   des   Gymnasium  Erasmianutn 
[Erasmiaansch  Gymnasium]  in  Rotterdam.     1888.    S.  8 — 9). 

Der  Verfasser  dieser  lateinisch  geschriebenen  Studie,  der  Direktor 
des  nach  Erasmus  genannten  Gymnasiums  zu  Rotterdam,  ist  längst  durch 
seine  Schriften  als  ein  tüchtiger  Kenner  der  Werke  des  berühmten  Desi- 
derius  Erasmus  bekannt.  Diese  neueste  Arbeit  schliefst  er  an  Paul 
de  Nolhac  (£rasme  en  Italic.    Paris  1888)  an. 

Zu  Beginn  macht  er  von  neuem  darauf  aufmerksam,  dafs  eine  kri- 
tische Durcharbeitung  von  des  Erasmus  Briefwechsel  notwendig  sei,  um 
eine  feste  Grundlage  für  das  Leben  des  berühmten  Humanisten  zu  ge- 
winnen: 

»Mihi  constat,  epistulas  ex  Museio  Merulae,  Scriverii,  aliorum 
prodiisse  multas,  quae,  si  quid  video,  tum  demum  genuinae  erunt,  cum 
Musae  fingere  desierintt 

Aber  die  Bemerkungen  Eans,  welcher  die  schöne  Darstellung 
Nolhacs  anerkennt,  beziehen  sich  nur  auf  den  Nolhacs  Buch  beigegebenen 
Anhang,  aus  15  Briefen  bestehend.  Zwölf  von  diesen  waren  bis  jetzt 
ungedruckt,  die  Vorlagen  befinden  sich  in  Rom. 


166  Geschichte  der  Altertumswissenschaft, 

Kan  giebt  nun  eine  Beihe  so  flberzeogender  Emendationen  zn  dem 
Nolhacschen  Texte,  dafs  deren  Anfnahme  kaum  Widersprach  finden  dflrfte. 

Mit  Erasmus  befreundet  war  Jakob  Wimpfeling,  Aber  den 
sich  die  Litteratur  noch  ständig  vermehrt. 

Gustav  Enod,  Zur  Bibliographie  Wimpfelings.  Ein  Nachtrag 
zn  Schmidts  Index  bibliographicus  (Hartwigs  Gentralblatt  f.  Bibliotheks- 
wesen y  (1888)  463-481). 

Rieggers  treffliche  Zusammenstellung  Wimpfelingscher  Schriften  in 
den  Amoenitates  Friburgenses  wurde  mit  Recht  der  Ausgangspunkt  der 
späteren  Wimpfeling-Forschung.  Wiskowatoff  und  Schwarz  haben  diese 
Frage  wenig  gefördert.  Erst  Kar]  Schmidt  hat  in  dem  Index  bibliogra- 
phicus zu  Wimpfeling  in  seiner  Histoire  litt6raire  de  l'Alsace  einen 
wesentlichen  Schritt  vorwärts  gethan.  Zu  den  bei  Riegger  verzeichneten 
86  Schriften  von  Wimpfeling  fflgte  er  20  neu  entdeckte,  darunter  sechs 
von  Wimpfeling  selbst  verfafste. 

Auch  Schmidts  Zusammenstellung  ist  noch  der  Ergänzungen  fähig, 
und  Enod  teilt  einige  mit,  ohne  den  Anspruch  zu  erheben,  die  Wimpfe- 
ling-Bibliographie  erledigt  zu  haben. 

Schmidt  hatte  seine  Wimpfeling- Bibliographie  eingeteilt  in:  1) 
Ouvrages  de  Wimpheling  lui-m6me.  2)  Ouvrages  dont  Wimpfeling  a  6t6 
r^diteur  ou  ä  la  publication  desquels  il  a  concouru.  Enod  glaubt,  dafs 
es  besser  gewesen  wäre,  wenn  eine  dritte  Gruppe  für  diejenigen  Schrif- 
ten gebildet  worden  wäre,  zu  denen  Wimpfeling,  absichtlich  oder  unab- 
sichtlich« einige  Prosa-  oder  Yerszeilen  beigesteuert  hat,  ohne  an  der 
Herausgabe  derselben  direkt  irgendwie  beteiligt  zn  sein.  Unter  den 
Werken,  welche  in  diese  Gruppe  zu  setzen  gewesen,  befindet  sich  auch 
D.  Erasmi  Roterodami  De  duplici  copia  verborum  (Strafsburg  1514). 

Sodann  fQhrt  Enod  mehrere  erste  Drucke  zu  einigen  bisher  unbe- 
kannt gebliebenen  Ausgaben  der  im  Schmidtschen  Index  bibliographicus 
verzeichneten  Werke  an,  so  eine  Ausgabe  von  Gontra  turpem  libellum 
Philomusi  (Heidelberg  1617),  Dogma  moralium  philosophorum  (Strafs- 
burg 1612),  F.  Baptistae  Mantuani  Garmelitae  Fastorum  libri  duodecim 
(Strafsburg  1518)  etc. 

In  einem  dritten  Abschnitt  behandelt  Enod  vier  Schriften,  die, 
obgleich  nicht  unter  dem  Namen  Wimpfelings  erschienen,  doch  von  ihm 
herrühren  dtlrften,  so:  De  mensuris  Syllabarum  epithoma  (Strafsburg 
1600),  eine  kleine  Schrift,  die  auch  als  Anhang  der  vielgebrauchten 
Pergerschen  Grammatik  gedruckt  wurde. 

Der  Otho  B.  Moguntinus  (S.  478)  ist  jedenfalls  Otto  Brunfels,  der 
später  noch  mehr  von  sich  reden  machte. 

Wie  aus  allen  bisherigen  Arbeiten  Enods,  ist  auch  aus  dieser 
wieder  vieles  zn  lernen. 


HolstoiD,  Ein  Wiropfeling-Godex.  ]f)7 

Prof.  Dr.  Holstein,  Ein  Wimpfeling- Codex  (Allgem.  Ztg.  1888. 
nr.  108.  S.  1578  u.  1579).  Vgl.  dazu  von  dem  gleichen  Verfasser: 
Ein  Wimpfeling- Codex  (Zeitschrift  f.  vergleichende  Litteraturgesch. 
N.  F.  n  213—216). 

Holstein  wurde  durch  Johannes  Bolte  auf  einen  zu  Upsala  befind- 
lichen Codex  aufmerksam  gemacht,  der  eine  alte  Abschrift  der  Scae- 
nica  progymnasmata  Reuchlins  enthält.  Bei  genauerer  Untersuchung 
ergab  sich,  dafs  der  Sammelband  eine  Menge  der  wertvollsten  Anekdota, 
bes.  von  Wimpfeling  barg,  die  unsere  Kenntnis  des  oberrheinischen  Hu- 
manismus im  allgemeinen  und  des  Heidelberger  Humanismus  im  beson> 
dem  beträchtlich  erweitern. 

Nach  eigener  Angabe  in  der  Handschrift  wurde  Wimpfeling  den 
9.  Februar  1496  Licentiat  der  Theologie  (sacrae  paginae  licentiatus),  was 
bisher  unbekannt  war. 

Die  Handschrift  enthält  neue  Reden  Wimpfelings,  eine  oratio  ad 
clerum  Wormatiensem  vom  23.  April  1476 ,  den  Anfang  einer  disputatio 
quotlibetaris  von  1478  oder  1479,  eine  Licentiatspromotionsrede  vom 
12.  März  1479,  eine  Rede  von  1482,  eine  ad  synodum  Wormatiensem 
wahrscheinlich  von  1482,  eine  de  assumptione  beatae  virginis  vom 
16.  August  1482,  eine  ad  clerum  Spirensem  etc.  Holstein  sagt:  »So 
wären  wohl  alle  Reden  zur  Stelle,  die  der  gelehrte  Abt  Johann  Tritheim 
in  seinem  Katalog  berühmter  Männer,  dem  ersten  Versuch  eines  6e- 
lehrtenlexikons  aus  dem  Jahre  1496,  seinem  Freunde  Wimpfeling  zu- 
schreibt, c 

Aber  auch  drei  bis  jetzt  unbekannte  Reden  von  Pallas  Spangel, 
dem  Freunde  Wimpfelings,  stehen  in  der  Handschrift. 

In  dem  Bestreben,  die  litterarischen  Denkmäler  seiner  Zeit  zu 
sammeln,  wohl  zum  Zweck  der  Veröffentlichung,  hat  Wimpfeling  auch 
noch  andere  Stücke  in  diese  Sammlung  aufgenommen,  wie  Briefe  von 
Theodorich  Gresemund,  Reuchlin,  Jodocus  Badius,  Konrad  Leontorius, 
seine  eigenen  Konzepte  zu  Briefen  au  den  Kanzler  Nikolaus  Sachs, 
Konrad  Hammelburg  von  Christoffelsheim,  Pallas  Spangel,  Johann  Dal- 
berg,  den  Grafen  Ludwig  von  Löwenstein,  Johann  von  Sickingen,  Erz- 
bischof Bertold  von  Mainz,  Bischof  Ludwig  von  Speyer,  den  Rektor  der 
Schule  zu  Deventer. 

Aufser  Briefen  aber  auch  unedierte  lateinische  Gedichte  von  nam- 
haften Verfassern  wie  Reuchlin,  Celtis,  Peter  Boland,  Theodorich  Grese- 
munt,  Sebastian  Brant,  Peter  Schott,  Werner  von  Themar,  Jakob  Dra^ 
kontius,  Engelhard  Funk  (Scintilla),  Robert  Gaguin,  Jodocus  Badius  etc. 

Sodann  Abschriften  römischer  Inschriften,  welche  wahrscheinlich 
Thomas  Wolf  in  Rom  gesammelt  hat 

Wir  sehen  mit  Spannung  der  Bearbeitung  und  Veröffentlichung 
dieses  reichen  Quellenmateriales  entgegen,  die  Holstein  schon  begonnen 


16g  Geschichte  der  AltertnmswiBsenschaft. 

hat,  und  stimmen  vollkommen  seinem  Schlafsworte  bei,  womit  er  seine 
vorlänfige  Mitteilnng  schlierst:  »Nnr  ungern  möchte  man  die  Aassicht 
anf  eine  so  wertvolle  Bereicherung  unseres  Quellenmaterials  fflr  eine  so 
wichtige  und  folgenreiche  Zeit  frischesten  Strebens  noch  lange  hinaas- 
geschoben  sehen,  c 

Ein  Geistesverwandter  Wimpfelings  ist  Johannes  Reuchlin: 

Hugo  Holstein,  Johann  Reuchlins  Komödien.  Ein  Beitrag  zur 
Geschichte  des  lateinischen  Schuldramas.  Halle  a.  S.  Verlag  d.  Bach* 
handlnng  des  Waisenhauses.    1888.    8.    V  u.  172  S. 

Die  hübsch  ausgestattete  Schrift  enthält  folgende  Abschnitte: 

1)  Einleitung  S.  1—9.  Reuchlin  flüchtete  nach  dem  am  24.  Fe- 
bruar 1496  erfolgten  Tode  des  Herzogs  Eberhard  von  Warttemberg  nach 
Heidelberg,  wohin  ihn  längst  Johann  von  Dalberg,  Bischof  von  Worms 
und  Kanzler  des  Kurfürsten  von  der  Pfalz,  eingeladen  hatte.  In  Heidel- 
berg hatte  die  neue  Bildung  des  Humanismus  zwar  nicht  an  der  Uni- 
versität, wohl  aber  am  Hofe  eine  feste  Stellung  erobert  Rudolf  Agri- 
colft,  Jakob  Wimpfeling,  Konrad  Celtis,  Dietrich  von  Plenningen,  Johann 
Vigilius  (eigentlich  Wacker),  Adam  Werner  von  Themar,  Konrad  Leon- 
torius  u.  a.  hatten  hier  ein  neues  geistiges  Leben  zur  Entfaltung  gebracht. 
In  diesen  Kreis  trat  Reuchlin,  der  auf  Dalbergs  Verwendung  mit  dem 
Titel  eines  kurfürstlichen  Rates  zum  obersten  Zuchtmeister  der  Söhne 
des  Kurfürsten  ernannt  wurde. 

Die  von  Reuchlin  zuerst  gedichtete  Komödie  Sergios  vel  Capitis 
Caput,  die  primitiae  seiner  dramatischen  Studien,  welche  gegen  den 
Mönch  Konrad  Holzinger,  den  Kanzler  des  Herzogs  Eberhard  des  Jün- 
geren, gerichtet  war,  wurde  nicht  aufgeführt,  wohl  aber  die  Scaenica  pro- 
gymnasmata,  welche  am  81.  Januar  1497  ihre  erste  Aufführung  im  Haase 
Dalbergs  erlebten.  1480  schon  hatte  Wimpfeling  seinen  Stylpho  geschrie- 
ben, aus  dem  Jahre  1485  ist  die  Schulkomödie  Godrus  des  Rektors  Jo- 
hannes Kerckmeister  zu  Münster  vorhanden.  Im  Jahre  1497  fanden  zu 
Freiburg  und  Augsburg  Aufführungen  lateinischer  Dramen  statt.  Aber 
Reuchlin  übertraf  diese  dramatischen  Dichtungen. 

Bald  nachher  ist  Reuchlin,  nachdem  er  noch  im  Auftrage  des 
Kurfürsten  Philipp  eine  Reise  nach  Rom  gemacht  hatte,  wieder  nach 
Württemberg  zurückgekehrt.  »Reuchlin  hat  sich  gern  der  Heidelberger 
Tage  erinnert,  in  denen  ihn  ein  fröhlicher  Freundeskreis  umgab  und  die 
Sorgen  des  Lebens  vergessen  liefst  (S.  9). 

2)  Joannis  Reuchlin  Phorcensis  scaenica  progymnas- 
mata,  hoc  est  ludicra  praeexercitamenta  S.  11 — 30.  Wieder- 
abdruck des  auch  Henno  betitelten  Lustspiels  nach  einem  Ck)dex  Erfor- 
diensis  1497,  einem  Codex  Upsaliensis  1497  und  der  Editio  princeps  bei 
Jo.  Bergmannus  de  Olpe  1498. 

3)  Die  Didaskalie  zu  dem  Stücke,  in  der  die  sämtlichen  mit- 


Holtteio,  Beaohlins  EomOdien.  169 

spielenden  Studenten  genannt  sind,  and  lateinische  Gedichte  in 
Distichen  von  Sebastian  Brant,  Jacobns  Dracontias  und  Adam 
Werner  von  Themar  S.  30—34. 

4)  Ein  Nachweis  ttber  die  Aufftkhmng  im  Hause  Dalbergs  und  die 
mitspielenden  Studenten,  unter  denen  z.  B.  auch  der  spfttere  kaiserliche 
Rat,  Jakob  Spiegel  von  Schlettstadt,  der  Neffe  des  berflhmten  Jakob 
Wimpfeling,  sich  befand.  Die  zahlreichen,  an  verschiedenen  Orten  er* 
schienenen  Ausgaben  der  Progymnasmata  und  der  von  Spiegel  dazu 
verfafste  Kommentar  beweisen  die  grofse  Verbreitung  der  Komödie. 
S.  34  -  37. 

5)  Die  Fabel  des  StUckes  in  deutscher  Sprache,  das  neben 
seinem  scherzhaften  Zweck  auch  eine  Verhöhnung  der  Geheimniskrämerei 
und  Wahrsagerci  der  Astrologen  ist.  In  einer  Anmerkung  ist  das  Argu- 
mentum der  Komödie  in  der  Fassung  des  Antonius  Tunnicius  Monaste- 
riensis  eingefügt. 

6)  Die  von  Reuchlin  benützte  Quelle  S.  40-~48,  für  die  ge- 
wöhnlich ein  französisches  Stück,  der  Maltre  Pathelin,  angesehen  wird, 
als  dessen  Verfasser  der  um  1469  zu  Poitiers  geborene  Pierre  Blanchet 
gilt.  S.  40 — 48.  Holstein  erklärt:  »Vergleicht  man  den  Inhalt  des  fran- 
zösischen Stückes  mit  dem  Reuchlinschen ,  so  wird  man  allerdings  Ähn- 
lichkeiten, aber  auch  mancherlei  Abweichungen  findenc  (S.  41). 

7)  Die  litterarische  Verbreitung.  Die  von  den  Heidelberger 
Humanisten  gefeierte  Komödie  wurde  auch  von  dem  damals  in  Speier 
weilenden  Wimpfeling  abgeschrieben  und  die  Abschrift  bei  einer  gelegent- 
lichen Anwesenheit  Reuchlins  in  Speier  diesem  zur  Korrektur  vorgelegt. 
In  seinem  Isidoneus  verkündet  sodann  Wimpfeling  das  Lob  der  Progym- 
nasmata. Gedruckt  wurden  dieselben  zum  ersten  Mal  1498  bei  Berg- 
mann von  Olpe  in  Basel,  worauf  alsbald  ein  fehlerhafter  Nachdruck  bei 
Johann  Grüninger  in  Strafsburg  folgte.  Celtis  feierte  Reuchlin  deshalb, 
und  der  Pforzheimer  Lateinschüler  Melanchthon  führte  den  Henno  zu 
£hren  seines  Grofsoheiros  Reuchlin,  im  Verein  mit  seinen  Schulkameraden, 
im  Jahre  1608  auf.  Auch  Luther  kannte  das  Stück,  wie  aus  zwei  An- 
führungen hervorgeht. 

Zahlreiche  Drucke  beweisen  die  weite  Verbreitung:  1503  erschien 
zu  Leipzig  ein  Druck  von  Basilius  de  Wilt,  1608  —  1616  bei  Thomas 
Anshelm  zu  Tübingen  vier  Textausgaben,  1613  eine  Ausgabe  zu  Deventer 
aus  der  Druckerei  des  Theodoricus  de  Borne  mit  Titel-Epigrammen  von 
Murmellius,  Tunnicius  und  Hbrlenius,  1614 — 1621  sechs  Mal  bei  Schu- 
mann in  Leipzig;  einen  ausführlichen  Kommentar  zu  den  Progymnasmata 
lieferte  Jakob  Spiegel  Derselbe  ist  vorwiegend  sprachlich  und  anti- 
quarisch, ȟberragt  aber  Simlers  Kommentar  zum  Sergius  durch  eine 
Fülle  von  gelehrten  Bemerkungen,  die  von  einer  nicht  gewöhnlichen 
philologischen  Bildung  des  humanistisch  gerichteten  Verfassers  zeugenc 
(S.  61).    Gottsched  gebührt  das  Verdienst,  wieder  die  Aufmerksamkeit 


170  Geschichte  der  Altertomswisseiischaft. 

aof  diese  Dichtang  gelenkt  za  haben,  naehdem  sie  aber  aadi  TorliCT 
nicht  ganz  vergessen  war.  Wilhelm  Scherer  »bezeichnet  Reochlins  Henno 
als  das  beste  der  ?on  den  deutschen  Humanisten  Terfafsten  lateinischen 
Stacke.» 

8)  Unter  den  Nachbildungen  werden  die  dramatischen  zuerst 
behandelt:  Hans  Sachs  eröi&iete  den  Reigen  (1531),  sodann  folgt  Johann 
Betz  ans  MOnchen  (1540),  Gregor  Wagner  (1547),  Jakob  (Strafsburg 
1658),  das  Lnzemer  Neojahrsspiel  (1560).  Andere  Nachbildungen  rtthren 
her  von  Jörg  Wickgram  in  seinem  RollwagenbOchlein  (1555),  Georg 
Rollenhagen  (Froschmeuseler  1595). 

9)  Von  den  Handschriften  wurde  God.  Monac.  lat  24529  als  eine 
schlechte  Abschrift  nicht  benützt,  wohl  aber  eine  Erfurter  Handschrifi 
(Mscr.  fol.  88)  und  eine  von  Wimpfeling  geschriebene,  jetzt  zu  üpsala 
befindliche  (Cod.  Hist.  8),  Ober  deren  Inhalt  Holstein  einen  interessanten 
Bericht  in  der  MOnchener  Allgemeinen  Zeitung  gegeben  hat  (vgl.  oben 
S.  167).      Beide  haben  Lesarten,  die  besser  sind  als  der  älteste  Druck. 

10)  Aus  derselben  Wimpfeling-Handschrift  wird  sodann  ein  Kom- 
mentar Reuchlins  zu  seinem  eigenen  Stocke  mitgeteilt,  den  aber  schon 
Spiegel  für  seinen  Kommentar  benutzt  hat. 

11)  Sodann  folgt  ein  Abdruck  der  anderen  KomOdie  Reuchlins 
Sergius  vel  capitis  caput,  die  eine  Satire  auf  den  Mönch  Holzinger 
am  Stuttgarter  Hofe  ist,  deren  Aufffthrung  in  Heidelberg  Dalberg  wider- 
riet, damit  nicht  der  am  pfälzischen  Hofe  einflufsreiche  Franziskaner 
Castellns,  der  als  ein  Feind  humanistischer  Bildung  bekannt  war,  sich 
getroffen  fohlen  könne.  Dem  Abdruck  des  Textes  folgt  eine  deutsche 
Inhaltsangabe  (S.  128  —  130),  aus  der  sich  ergiebt,  dafs  in  den  ältesten, 
ohne  Angabe  des  Ortes  erschienenen  Ausgaben  vor  dem  Epilog  noch  ein 
Ghorgesang  steht,  welcher  dem  die  Dichtkunst  feiernden  Ghorgesang  des 
Henno  sehr  ähnlich  ist. 

12)  Der  Abschnitt  Ober  die  litterarische  Verbreitung  des 
Sergius  berichtet,  dafs  1504  Hieronymus  Emser  Ober  denselben  zn  Erfurt 
las-  Unter  den  damaligen  Zuhörern  war  auch  Luther.  Nachdem  das 
Stock  1504  in  Leipzig  gedruckt  worden,  war  es  bald  eine  häufige  Sehul* 
lektOre.  Simler  schrieb  einen  Kommentar  dazu,  der  leider  ausscfaliefslich 
grammatisch  ist.    Auch  Ulrich  von  Hütten  kannte  das  Stock. 

13)  Der  Anhang  bietet  zunächst  eine  kurze  Abhandlung  Ober  den 
Sprachschatz  der  beiden  Komödien  und  die  Ghorgesänge,  sodann  die 
Widmungsbriefe  der  Herausgeber:  Job.  Bergmann  de  Olpe  an  Dalberg 
(Basel  1.  Mai  1498),  Basilius  de  Wilt  an  den  Grafen  Schlick  (Leipzig 
11.  Juli  1503),  Jakob  Spiegel  an  Jakob  Lemy  (TObingen  24.  Januar 
1512),  Jakob  Spiegel  an  Georg  Simler  (Tobingen  1512),  Georg  Simler 
an  Johann  Renchlin  (Pforzheim  September  1507),  Andreas  Althamer  an 
Johann  Pellion  (Leipzig  29.  Juni  1520). 


Werekshagen,  Luther  and  Hatten.  171 

14)  Eine  Bibliographie  der  beiden  Komödien  ond  zwei  Register 
(Personen-  and  Ortsverzeichnis)  beschliefsen  die  nOtzliche  Schrift. 

Einige  Ausstelinngen  machte  ich  in  einer  Besprechung  (Philol. 
Wochenschr.  1889,No.  38).  Im  übrigen  aber  verdient  die  Schrift  entschiedene 
Anerkennung.  Sie  behandelt  das  Thema  gründlich  und  ansprechend,  und 
sie  würde  eine  noch  wertvollere  Quelle  für  die  Geschichte  des  deutschen 
Humanismus  sein,  wenn  sich  der  Verfasser  hätte  entschliefsen  können, 
aus  dem  Vorrat  der  reichlich  fliefsenden  Quelle  der  ihm  zugänglichen 
Handschrift  von  Upsala  noch  einiges  über  die  Heidelberger  Humanisten 
mitzuteilen.  Doch  ist  dieser  Wunsch  kein  Vorwurf,  durch  den  das  Ver- 
dienst des  Verfassers  geschmälert  werden  soll. 

G.  Werekshagen,  Luther  und  Hütten.  Eine  historische  Studie 
über  das  Verhältnis  Luthers  zum  Humanismus  in  den  Jahren  1518— 
1620.  Mit  einem  Vorwort  von  Prof.  W.  Bender  in  Bonn,  Wittenberg. 
Herros^.     1888. 

Während  die  Beziehungen  Luthers  zur  Mystik  schon  vielfach  unter- 
sucht wurden,  z.  B.  neuerdings  durch  Hering,  hat  man  seinem  Verhältnis 
zum  Humanismus  nur  selten  grOfsere  Aufmerksamkeit  geschenkt.  Indem 
zuletzt  noch  Walther  jede  Abhängigkeit  Luthers  von  Hütten,  einem 
der  Hanptvertreter  des  deutschen  Humanismus,  abzuwehren  sachte,  ist 
Werekshagen  zu  teilweise  anderen  Ergebnissen  in  seiner  vorurteilsfreien 
Untersuchung  gelangt. 

Bis  zum  Herbste  1618  ist  Luther  ein  Anhänger  der  Mystik  und 
ein  Feind  der  thomistischen  Orthodoxie.  Aber  gleich  bei  Beginn  seines 
Streites  brachten  die  Gegner  ihn  und  seine  Sache  in  Verbindung  mit 
den  Humanisten.  Man  sah  in  ihm  einen  Fortsetzer  des  Kampfes,  den 
Reuchlin  gekämpft  hatte.  Selbst  der  kühle  Erasmus  spricht  von  »Reuch- 
lini  Lutherique  negotiurac 

Direktere  Einflüsse  des  Humanismus  auf  Luther  lassen  sich  seit 
September  1618  nachweisen.  Besonders  ein  aus  Rom  geschriebener 
Brief,  wahrscheinlich  von  Grotus,  machte  tiefen  Eindruck  auf  den  Refor- 
mator. Die  Gedanken  über  die  Verkommenheit  der  Kurie  und  ihr  frevles 
Spiel  mit  den  Deutschen  scheint  er  aus  den  Schriften  besonders  der  süd- 
deutschen Hunanisten  gewonnen  zu  haben. 

Durch  die  Vermittelung  Melanchthons  wandte  sich  sodann  Ulrich 
von  Hütten  nach  der  Leipziger  Disputation  an  Luther.  Die  Annäherung 
machte  langsame  Fortschritte,  aber  schon  in  dem  Kommentar  Luthers  zu 
dem  Galaterbrief,  »einem  Abbild  von  Luthers  Denken  und  Fühlen  in 
jenen  Tagenc,  will  W.  den  Einflufs  Hutteiis  auf  Luther  bemerken. 

Seit  Oktober  1619  tritt  sodann  Grotus  Rnbianus  in  Briefwechsel 
mit  Luther,  seinem  ehemaligen  Universitätsfreunde,  und  mahnt  ihn,  An- 
walt des  deutschen  Volkes  und  der  deutschen  Sitte  zu  werden,  den  theo- 
logischen Streitigkeiten  aber  keinen  allzahohen  Wert  beizulegen. 


172  Geschichte  der  AUeitiuuwisiaisdiiift. 

Den  tiefeten  Eindruck  machte  anf  Luther  die  Söhrift  V alias  Aber 
die  Donatio  Goostantini,  welche  Hatten  neu  herausgab,  und  die  Luther 
Februar  1520  zu  Gesicht  bekam.  Schon  frflhere  Gelehrte  haben  die 
Abhängigkeit  Luthers  in  seiner  Schrift  an  den  christlichen  Adel  von  dem 
Huttenschen  Yadiscus  behauptet,  andere  dieselbe  auch  wieder  bestritten, 
wie  z.  B.  D.  Fr.  Straufs.  Werckshagen  sucht  die  Abhängigkeit  Luthers 
durch  eine  Nebeneinanderstellung  der  ähnlichen  Stellen  beider  Schriften 
S.  44  —  76  zu  erweisen.  Doch  hebt  der  Verfasser  selbst  hervor,  dafs 
Luthers  Stoff  reichhaltiger  ist  als  der  Buttons  und  die  Abhängigkeit  nur 
in  einzelnen,  keineswegs  allen  Punkten  statt  findet 

Auch  Urteile  von  Zeitgenossen  untersttttzen  nach  des  Verfassers 
Meinung  die  Behauptung,  dals  Luther  sich  dem  Einflüsse  Huttens  hin- 
gegeben habe. 

In  der  nächsten  Zeit  hat  Luther  nach  Werckhagens  Meinung  ver- 
schiedene Male  geschwankt:  »Es  zeigt  sich  hier  wieder  aufs  neue,  dafs 
Luther  in  politischen  und  diplomatischen  Geschäften  ebenso  unselbstän- 
dig war,  wie  in  theologischen  Dingen  selbständig,  flberiegen,  unbeug- 
same (S.  89). 

Ihren  Höbepunkt  erreichte  Luthers  Verbindung  mit  Hütten  im 
Herbste  1620.  Luther  bedauert  es,  dafs  Hütten  es  nicht  gelungen  sei, 
die  päpstlichen  Legaten  Marianus  und  Aleander  zu  fangen.  Von  da  an 
trennen  sich  ihre  Pfade.  Luther  mifsbilligt  das  gewaltsame  Vorgehen 
seines  bisherigen  Bundesgenossen  und  erwartet  den  Sieg  seiner  Sache 
nur  durch  geistige  Mittel,  verbo  dei,  wie  er  an  Spalatin  schreibt 

Es  soll  nicht  verschwiegen  werden,  dafs  Werckshagens  Schrift 
mehrfach  Widerspruch  erregt  hat;  ob  immer  mit  Recht,  mufs  an  dieser 
Stelle  unerörtert  bleiben. 

Oberlehrer  Dr.  Hermann  Liessem,  Bibliographisches  Verzeich- 
nis der  Schriften  Hermanns  van  dem  Busche.  Fortsetzung.  Köln. 
1888.  4.  S.  9  -  22.  (Programmbeilage  d.  Kaiser  Wilhelm-Gymnasiums 
zu  Köln.    Progr.  Nr.  405.) 

Die  Fortsetzung  der  Artther  hier  schon  besprochenen  Arbeit 
Das  bibliographische  Verzeichnis  umfafst  die  Nr.  XIV^-XXIX.  Im 
Anscblufs  an  letzte  Nummer  teilt  Liessem  elf  Aktenstücke  aus  den  Kölner 
üniversitätsakten  mit,  welche  von  Mitte  Oktober  1607  bis  September 
1620  reichen  und  sich  auf  den  Streit  Reuchlins  wegen  der  Judenbücher 
beziehen.  Diese  bis  jetzt  unbenutzten  Mitteilungen  zeigen,  dafs  die 
ganze  Kölner  Hochschule  auf  Seiten  der  Gegner  Reuchlins  stand.  Der 
Einflufs  des  Professors  der  Theologie,  Jobann  Hölem  aus  Venrath,  wels- 
cher 1614  zum  Rektor  der  hohen  Schule  gewählt  wurde,  wird  durch 
diese  urkundlichen  Mitteilungen  belegt. 


Strauch,  Zwd  fliegendt  Blftttor.  173 

Phil.  Straach,  Zwei  fliegende  Blätter  von  Caspar  Scheit  (Seufferts 
Vierte^'ahrsschrift  f.  Litteraturgeschichte  I,  1,  64 — 98). 

Caspar  Scheit  ist  der  Lehrer  Fischarts,  des  bekannteo  Schrift- 
stellers aus  dem  16.  Jahrhundert,  dessen  Biographie  Strauch  veröffent- 
lichen wird.  Das  eine  fliegende  Blatt  ist  der  Rhytmus  Codri  ürcei  die 
divi  Martini  pronunciatus,  der  auch  einigen  Drucken  der  Quaestio  fabu- 
losa  de  generibus  ebriosorum  et  ebrietate  vitanda  angefügt  ist. 

Diese  Quaestio,  die  vermutlich  im  Jahre  1516  zu  Erfurt  gedruckt 
wurde,  entstammt,  wie  die  Epistolae  obscurorum  virorum,  dem  Erfurter 
Huroanistenkreise  und  hat  Beziehungen  zu  Eobanus  Hessus,  wenn  er  auch 
nicht  ihr  Autor  sein  kann.  Dieser  bebandelt  nämlich  dasselbe  Thema 
in  seinem  Gedicht  De  vitanda  ebrietate  (1516). 

Der  Inhalt  des  Flugblattes  besteht  zunächst  aus  einem  lateinischen 
Gedicht  in  Distichen  (56  Verse),  die  S.  68 — 70  wieder  abgedruckt  sind. 
Daran  schliefst  sich  ein  kurzer  prosaischer  Text,  von  dem  Strauch  an- 
nimmt, dafs  ihn  Scheit  auch  nicht  selbst  gebildet,  sondern  irgendwoher 
entlehnt  hat. 

Der  Inhalt  des  zweiten  Flugblattes  liegt  der  Aufgabe  des  »Jahres- 
berichtsc  ferner. 

Der  Übersetzung  der  klassischen  Schriftsteller  ins  Deutsche  wird 
neuerdings  erhöhte  Aufmerksamkeit  zu  teil: 

Karl  Hartfelder,  Eine  deutsche  Übersetzung  von  Ciceros  Cato 
aus  der  Humanistenzeit  (Germania  Jahrg.  33.  N.  R.  21  Jahrg.  [1888] 
S.  27-31). 

Eine  auf  der  Universitätsbibliothek  zu  Heidelberg  befindliche  Hand- 
schrift (Cod.  Pal.  Germ.  469)  enthält  eine  deutsche  Übersetzung  von 
Ciceros  Cato,  die  man  bisher  Jakob  Wimpfeling,  dem  bekannten  Schlett- 
stadter  Humanisten,  beilegte.  Aus  einem  sprachlichen  Grunde  ist  dies 
nicht  möglich.  Ich  glaube  nun  mit  zureichenden  Gründen  dargelegt  zu 
habeUi  dafs  der  Übersetzer  des  Cato  höchst  wahrscheinlich  Johann  Gott- 
fried von  Odernheim,  Stiftspfarrer  zu  Oppenheim  am  Rhein,  war. 

Konrektor  Prof.  Dr.  Fr.  Straumer,  Eine  deutsche  Bearbeitung 
des  »Selbstpeinigersc  des  Terenz  aus  dem  16.  Jahrhundert.  Chemnitz. 
1888.  4.  35  S.  (Programmbeil,  des  Königl.  Gymnasiums  zu  Chemnitz. 
Nr.  503.) 

In  der  Einleitung  giebt  der  Verfasser  eine  Übersicht  über  das 
Schuldrama,  wobei  er  bis  in  die  erste  Hälfte  des  Mittelalters  zurückgeht. 
Neues  Leben  für  diese  Gattung  der  Litteratur  brachte  der  Humanismus. 
Dieser  wie  die  Reformation  benützten  die  Schulkomödie  hauptsächlich 
auch  zu  dem  Zwecke,  um  die  Schuljugend  schneller  zum  Lateinsprechen 
zu  führen.    Denn  auf  idas  zierliche  Lateinredenc  legte  die  ganze  Zeit 


174  Geschichte  der  Altertnmswisseoscbaft. 

den  allerhöchsten  Wert.  Auch  Melanchthon  liefs  durch  die  Mitglieder 
seiner  Schola  privata  öfters  lateinische  Dramen  auffahren. 

Wenn  jedoch  Straumer  S.  6  behauptet,  erst  die  Reformation  habe 
die  Bedenken  erweckt,  ob  man  der  Jugend  noch  fernerhin  die  heidni- 
schen Dichter  vorlegen  dürfe,  so  ist  das  nicht  richtig.  Diese  Bedenken 
sind  beträchtlich  älter.  Schon  der  Humanismus,  wie  ihn  Jakob  Wimpfe- 
ling  und  sein  zahlreicher  Anhang  vertrat,  hatte  die  gleichen  Bedenken, 
wenn  auch  nicht  alle  heidnischen  Schriftsteller  ohne  Unterschied  verwor» 
fen  wurden.  Vgl.  dazu  K.  A.  Schmid,  Geschichte  der  Erziehung  etc. 
Bd.  II  (Stuttgart  1889).    2.  Abt.     70  S. 

Der  ausschliefsliche  Gebrauch  der  lateinischen  Sprache  wurde  mit 
der  Zeit  ein  wesentliches  Hindernis  für  das  Verständnis  der  Spiele.  Man 
mufste  den  Forderungen  des  Publikums  nachgeben,  und  so  kamen  die 
deutschen  Schulkomödien  auf.  Paul  Rebhuhn  begann  auf  Anregung 
Luthers  biblische  Stücke  zn  dichten  Joachim  Greff  und  Hans  Acker- 
mann folgten  nach. 

Doch  suchte  man  die  alten  Stücke  durch  Übersetzungen  oder  Hin- 
zufügung deutscher  Inhaltsangaben  zu  halten.  Eine  solche  Übersetzung 
des  Terenzischen  Heautontimorumenos  zieht  Straumer  aus  handschrift- 
licher Verborgenheit  ans  Tageslicht  hervor.  Die  Handschrift,  auf  welche 
seiner  Zeit  schon  Gottsched  aufmerksam  gemacht  hat,  befindet  sich  in 
der  Schulbibliothek  zu  Zwickau. 

Straumer  sucht  nun  zu  beweisen,  dafs 

1)  diese  Übersetzung  nicht,  wie  Gottsched  behauptet,  ins  15.,  son- 
dern in  die  zweite  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  gehört, 

2)  dafs  der  Ort  der  Entstehung  und  Aufführung  Freiberg  in 
Sachsen  ist, 

3)  dafs  der  mutmafsliche  Verfasser  Valentinus  Apelles,  ein  Schüler 
Melanchthons,  der  Rektor  des  Freiberger  Gymnasiums  in  den  Jahren 
1545-1581,  ist. 

Eine  Charakteristik  dieses  als  Schriftsteller  nicht  unbekannten 
Mannes,  Mitteilungen  über  die  Schüleraufführungen  zu  Freiberg,  der 
Nachweis,  daTs  Apelles  von  Sebastian  Brant  abhängig,  beschliefsen  die 
Einleitung,  worauf  ein  Abdruck  der  Übersetzung  folgt 

Zu  S.  12  sei  berichtigend  hinzugefügt,  dafs  Apelles  schwerlich 
solchen  dramatischen  Aufführungen  im  Hause  Melanchthons  beigewohnt 
hat.  Diese  Aufführungen  haben  nur  so  lange  stattgefunden,  als  Melanch- 
thon seine  Schola  privata  hatte.  Die  Melanchthonsche  Hausschule,  welche 
anfangs  der  zwanziger  Jahre  des  16.  Jahrhunderts  gestiftet  wurde,  hat 
kaum  ein  Jahrzehnt  gedauert.  Appelles  ist  aber  erst  den  13.  Februar 
1514  geboren.  Auch  wird  er  unter  den  Mitgliedern  der  schola  privata 
nicht  genannt.  Vgl.  darüber  K.  Hartfelder,  Ph.  Melanchthon  als  prae- 
ceptor  Germaniae.    (Berlin  1889.)    S.  494. 

Ebenfalls  in  die  Zeit  des  Humanismus  führt  folgende  Arbeit: 


Schmidt,  Michael  SchOtz.  175 


C.  Schmidt,  Michael  Schfitz  genannt  Toxites.  Leben  eines  Hu- 
manisten und  Arztes  aus  dem  16.  Jahrhundert.  Strafsburg.  G.  F. 
Schmidts  Uniyersitäts- Buchhandlung  (Friedrich  Bull)  1888.  8.  VII 
n.  130  S. 

Der  rühmlich  bekannte  Verfasser  der  Histoire  Htt^raire  de  l'Alsace 
bietet  uns  eine  neue  Gabe  seiner  vortrefflichen  Kenntnis  des  deutschen 
Humanismus  9  deren  Stoff  von  dem  Gebiet  des  oberen  Rheinthals  nach 
der  Schweiz,  nach  Württemberg  und  anderen  Gebieten  übergreift. 

Michael  Toiites,  geb.  ungefähr  1515  zu  Sterzing  bei  Bruneck  im 
Pusterthal  in  Tyrol,  »ist  keine  liervorragende,  aber  immerhin  eine  nicht 
uninteressante  Persönlichkeit,  merkwürdiger  Typus  eines  begabten,  jedoch 
unstäten,  von  mancherlei  Mifsgeschick  heimgesuchten  Gelehrten  des 
16.  Jahrhunderts )  der  als  Humanist  und  Poet  seine  Laufbahn  begann, 
und  sie  endigte  als  Alchimist  und  paracelsischer  Arztf. 

Der  Stoff,  den  der  Verfasser  aus  zahlreichen  Schriften,  Korre- 
spondenzen, Protokollen,  Gerichtsakten  und  Vorreden  von  Büchern  zu- 
sammenlesen mufste,  wird  in  folgenden  Abschnitten  behandelt: 

1)  Jugend-  und  Studienjahre.  Schulmeisterei ,  Poesie  und  Mifs- 
geschick zu  Urach. 

2)  Toxites,  Lehrer  am  Strafsburger  Gymnasium,  dann  Schulmeister 
zu  Brugg.    Sein  wiederholter  Aufenthalt  zu  Strafsburg. 

d)  Toxites  zu  Tübingen. 

4)  Toxites,  paracelsischer  Arzt  zuerst  zu  Strafsburg,  dann  zu 
Hagenau. 

5)  Index  bibliographicus. 

Schütz,  der  sich  später  gewöhnlich  mit  dem  griechischen  Toxites 
bezeichnet,  nennt  sich  gelegentlich  auch  Rhaetus  oder  Rhaeticus,  da  Tyrol 
früher  zum  alten  Rhätien  geborte.  Zuerst  besuchte  er  die  Lateinschule 
zu  Dillingen.  Christoph  von  Stadion,  Bischof  von  Augsburg,  bekanntlich 
ein  Gönner  des  berühmten  Erasmus,  verschaffte  ihm  die  Mittel  zum  Be- 
such der  Universität  Tübingen,  woselbst  er  den  27.  September  1532  zum 
baccalaureus  artium  promovierte.  Doch  verliefs  er  die  Hochschule,  ohne 
Magister  geworden  zu  sein.  Aus  Mangel  an  Mitteln  mufste  er  auf  das 
Studium  der  Medizin  und  Jurisprudenz  verzichten.  £r  blieb  bei  dem 
> bescheideneren f  Humanismus.  Doch  besuchte  er  1535  in  Pavia  auch 
einige  medizinische  Vorlesungen.  Von  Italien  soll  er  nach  Wittenberg 
gegangen  sein,  wofür  freilich  urkundliche  Zeugnisse  nicht  beigebracht 
werden  konnten. 

Um  1537  erhielt  er  eine  Schulmeisterstelle  zu  Urach  in  Württem- 
berg, woselbst  zu  Anfang  des  Jahrhunderts  Johann  Brassicanus  (Kol)  aus 
Konstanz  im  humanistischen  Geiste  gewirkt  hatte.  1540  wurde  er  ge- 
fangen gesetzt  und  gefoltert,  weil  man  ihn  beschuldigte,  anonyme  Schmäh- 
verse  gegen   den  Uracher  Pfarrer  verfafst  zu  haben.    Erst  die  fünfte 


176  Gesehicht«  der  AhfUnMWMWMfhift. 

FolteruDg  erprefste  ihm  ein  Geständnis;  am  sich  seiner  Familie  zu  er- 
halten, bekannte  er  sich  trotz  seiner  ünschold  schuldig.  Dss  anglQck- 
liche  Opfer  einer  jämmerlichen  Jastiz  fand,  ans  Urach  mit  Schimpf  ond 
Schande  vertriebeo,  bei  S.  Grynaens  in  Basel  yorObergehend  eine  Zaflocfat 

Im  Jahre  1542  wurde  er  Lehrer  am  Gjrmnasiam  Starmianom  n 
Strafsburg,  anfangs  mit  einem  Gehalt  von  40  Gulden.  Die  Scholthitig- 
keit  liefs  ihm  noch  Zeit,  der  Muse  zu  opfern.  Damals  entstanden  meh- 
rere lateinische  Gedichte,  z.  B.  eine  Apotheosis  auf  Capito,  Bedrott  ood 
Grynäus,  eine  Epistola  gratulatoria  an  Hermann  Ton  Wied,  Erzbiscbof 
von  Köln,  ein  Carmen  panegyricum  an  Otto  Truchsefs  von  Walbarg, 
Bischof  von  Augsburg,  wofQr  er  zu  Speyer  poeta  laureatos  wurde.  Nach- 
lässigkeit im  Amte,  vielleicht  durch  häusliches  Elend  veranlafst,  fährtei 
zu  seiner  Entlassung  auf  Weihnachten  1545.  Doch  hat  ihn  Sturm  aock 
femer  noch  unterstützt.  1548  verlieDs  er  Strafsburg,  angeblich  wegei 
des  Interims,  und  zog  zunächst  nach  Basel,  von  Sturm  mit  einem  Em- 
pfehlungsschreiben an  Bonifaz  Amerbach  versehen.  Er  wurde  im  Aagost 
dieses  Jahres  ludimagister  zu  Brugg  im  Aargan.  Aber  im  Sommer  1551 
ist  er  schon  wieder  in  Strafsburg.  Sturm  beschäftigte  ihn  znnädist  bei 
einem  grofsen  geplanten  Werke,  der  Analysis  Giceroniana  oder  Resolotk) 
Ciceroniana,  einem  Buche,  in  welchem  alle  von  Cicero  gegebenen  Defi- 
nitionen gesammelt  werden  sollten.    Dasselbe  kam  übrigens  nie  zastaode. 

Der  dritte  Abschnitt  behandelt  »Toxites  in  Tübingenc.  Nachdeo 
Herzog  Ulrich  von  Württemberg  1550  gestorben  war,  bemühte  sich  Toxites 
sofort  dessen  Nachfolger  Christoph  von  seiner  Unschuld  zu  fiberzeogeo. 
Unterdefs  wurde  auch  der  wahre  Reimschmied,  ein  Trabant  oder  Soldat 
aus  Herzog  Ulrichs  Gefolge,  bekannt.  So  gelaug  es  schliefslich  Toxites, 
seine  gekränkte  Ehre  wieder  herzustellen.  1556  wurde  er  nach  Statt- 
gart berufen,  um  mit  den  herzoglichen  Räten  über  die  Reform  des  Tfl- 
binger  Pädagogiums  zu  beraten.  Sein  Rat  wurde  von  Einflnfs  bei  der  Nea- 
gestaltung  des  württembergischen  Schulwesens.  Zugleich  wurde  er  Lehrer 
der  Poesie  an  der  Hochschule  Tübingen.  Wichtig  wurde  sein  Gntachteo: 
»Consultatio  de  emendandis  recteque  instituendis  litterarum  iudis«,  worio 
er  das  als  Ziel  aufstellt,  was  Sturm  die  Pietas  litterata  nennt.  Er  em- 
pfiehlt im  wesentlichen  die  Sturmschen  Einrichtungen. 

Toxites  hätte  nun  eine  ruhige  Stelle  gehabt,  wenn  er  nicht  dorck 

seine  Unruhe  und  seine  Heftigkeit  sich  dieselbe  wieder  verdorben  bitte. 

Im  Frühjahr  1560  schied   er   aus  seinem  Amte.     Der  übrige  Teil  des 

Buches  kommt  für  den  »Jahresberichte  nicht  in  Betracht. 

Zum  Schlüsse  seien  einige  Versehen  der  nützlichen  Schrift  ve^ 
bessert. 

Auf  S.  2  Anm.  6  ist  der  Ausdruck  »berechtigte  sehr  onglücklidi, 
da  dieser  Begriff  nicht  auf  die  Lateinschulen  des  16.  Jahrhunderts  pafst 

Zu  S.  22  sei  bemerkt,  dafs  der  Weggang  des  Camerarias  aus  Tü- 
bingen noch  andere  Gründe  hatte. 


Köstlin,  Die  Baccalaarei  and  Magistri.  177 

Ein  häfslicher  Ausdruck  ist:  »seine  Vorlesungen  zu  seinem  eigenen 
Profit  herausgebenc  S.  39. 

Schreibungen  wie  Stuttgard  (S.  63)  und  Melanchton  (8.  64)  sollten 
in  einem  solchen  Buche  nicht  vorkommen. 

Die  Epistolae  Bonifacii  Amerbachii  et  Yambüleri  sind  nicht  von 
Sieber  herausgegeben,  wie  S.  67  steht,  sondern  von  M&hly. 

D.  Julius  Köstlin,  Die  Baccalaurei  und  Magistri  der  Witten- 
berger philosophischen  Facultftt  1618—1537  und  die  ordentlichen  Dispu- 
tationen 1536 — 1537.  Aus  d.Facultätsmatrikel  veröffentlicht.  Oster-Progr. 
d.  Univers.  Halle- Wittenberg  1888.   Halle.  M.  Niemeyer.  1888.  8.  26  S. 

Die  Fortsetzung  der  dankenswerten  Publikation  von  1887,  welohe 
die  Jahre  1503—1517  umfafste. 

Der  Inhalt  besteht  aus  folgenden  Abteilungen:  1)  Baccalaurei. 
2)  Magistri.  3)  Magistri  in  senatum  artisticum  recepti.  4)  Disputa- 
tiones  ordinariae  in  facultate  artium  post  fnndationera  Universitatis. 

Wie  jede  solche  Matrikelpublikation,  liefert  auch  diese  wieder 
zahlreiche  Ergänzungen  zur  Gelehrtenbiographie.  Nur  einige  seien  hier 
hervorgehoben: 

S.  13.  Den  4.  Dez.  1521  wurde  zum  Magister  promoviert:  Rhein- 
hardus  Hadamarius  Lorichius  Treverensis,  bei  dem  die  Randbemerkung 
steht:  Aphthonii  commentator. 

S.  14.  Den  5.  Okt.  1533  wurde  zum  Baocalaureus  promoviert: 
Caspar  Brusch  Egranus,  mit  dem  Zusatz  »poetac,  der  bekannte  Histo- 
riker, Ober  den  Ad.  Horawitz  eine  Monographie  geschrieben  hat. 

Nach  S.  14  wurde  im  Jahre  1533  zum  Baocalaureus  promoviert: 
Dionysius  Capnion  Weiblingensis  ex  diocesi  Constantiensii  also  aus  Wieb- 
lingen  nicht  weit  von  Ulm.  Es  wird  noch  zu  untersuchen  sein,  wie  sich 
dieser  Dionysius  Capnion  zu  dem  gleichnamigen  Bruder  des  berühmten 
Johannes  Reuchlin  verhält. 

Nach  S.  16  wurde  im  Jahr  1518  zum  Magister  promoviert:  Joannes 
Agricola  Islebius,  wozu  die  Bemerkungen:  Sneyder  teutonice,  derselbe 
Mann,  welcher  sich  als  Theologe,  Schulmann  und  Schriftsteller  ausge- 
zeichnet hat 

Auf  derselben  Seite  aus  gleichem  Grunde  ist  verzeichnet:  Frater 
Lenhardus  Beier  Augustinianns. 

Im  Jahre  1519  wurde  nach  S.  17  zum  Doktor  promoviert:  Frater 
Gabriel  Zwilling  Augustinianus  Neuburgensis  diocesis,  also  ein  Kloster- 
genosse Luthers,  der  ihm  und  Melanchthon  durch  sein  unruhiges  Wesen 
viel  Mflhe  machte.    Vgl.  G.  Eolde,  Analecta  Lutherana  p.  35. 

Der  auf  S.  17  verzeichnete  Hermannus  Dulichius  de  Stenhem  ist 
der  Schulmann  Tnlich,  welcher  die  1525  neugestiftete  Lateinschule  zu 
Eisleben  gemeinsam  mit  Agricola  zu  leiten  erhielt.  Vgl.  E  Hartfelder, 
Melanchthon  als  Praeceptor  Germaniae  p.  497. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.    LXIX.  Bd.    (1881.  III.)  12 


178  Geschiclite  der  AltertamswitseiiMliaft 

Ein  charakteristischer  Eintrag  steht  auf  8. 19 ;  das  PromoTieren 
zom  Magister  wird  gerechtfertigt  mit  der  Bemerkung:  Gnm  et  publici 
mores  qoibnscom  non  est  otile  pugnare  hos  reqoirant  titnlos.  Das  Bei- 
behalten der  akademischen  Grade  wird  also  durch  den  Hinweis  auf  die 
pnblid  mores  gerechtfertigt  Man  wQrde  sie  demnach  am  liebsten  aufgegeben 
haben,  hätte  nicht  die  öffentliche  Meinung  sich  derselben  angenommen. 

Zum  Jahre  1528  (8.  19)  ist  als  Magistrand  yerzeichnet:  Yitus 
Oertel  Winshemius  Medicinae  doctor  Graecae  linguae  professor;  es  ist  der 
Gräzist,  der  unter  dem  Namen  Windsheim  oder  Vinshemius  bekannter  ist. 

Drei  weitere  bekannte  Persönlichkeiten  begegnen  wir  auf  8.  20: 
Gunradus  Lagus,  mit  der  späteren  Bemerkung:  iuris  consultus  cuius 
extant  institutiones.  —  Caspar  Greutsiger  Lypsensis,  mit  dem  späteren 
Zusatz:  D.  Theol.  —  Yitus  Diethrich  Nnmbergensis.  — 

Auf  S.  22  steht  zunächst  der  Melanchthonianer:  Johannes  Marcellus 
Regius,  fftr  Regius  ist  später  Regiomontanns  geschrieben,  sodann:  Andreas 
Aurifaber  Vratisslariensis,  mit  dem  späteren  Zusatz:  Medicinae  doctor 
mortuns  in  Monte  regio  1560,  ferner  Erasmus  Reinholt  Salveldensis,  mit 
den  späteren  Zusätzen:  Professor  Witebergensis  und  mathematteus  im- 
mortali  laude  dignissimus,  sodann  der  später  in  TQbingen  als  Gräzist 
thätige  Mathias  Illiricus. 

Im  Mai  1586  wurde  zum  Magister  ernannt:  Simon  Lemnius  Bhe* 
ticus  (8.  22),  der  lateinische  Epigrammatist,  der  später  wegen  seiner 
Schmähgedichte  gegen  die  Reformatoren  aus  Wittenberg  yerbannt  wurde. 

Fttr  den  Bearbeiter  der  Geschichte  der  Universität  Wittenberg  ist 
von  besonderem  Werte  der  dritte  Abschnitt  (8.  24 — 26),  der  die  Auf- 
nahme unter  die  Lehrer  der  Artistenfakultät  feststellt.  Wir  erfahren 
z.  B.,  dalis  Balthasar  Vachus  (auch  Phachus  oder  Vacha),  der  bekannte 
Humanist,  1627  in  die  Fakultät  aufgenommen  wurde,  ebenso  1528  der 
Grädst  Oertel. 

Den  EinfluTiB  Melanchthons  merkt  man  an  der  1588  getroffenen 
Bestimmung,  dafs  niemand  mehr  in  die  Fakultät  aufgenommen  werden 
solle,  der  nicht  zuerst  eine  öffentliche  Disputation  abgehalten,  und  ferner 
dafs  niemand  Dekan  der  Fakultät  werden  solle,  der  nicht  mindestens 
Ein  Mal  eine  Disputation  geleitet  habe. 

Im  April  1587  wurde  Paul  Eber  aus  Kitzingen  in  die  Fakultät 
aufgenommen,  der  Liebling  Melanchthons,  der  nach  dessen  Tode  einen 
Teil  seiner  philologischen  Vorlesungen  übernahm.  Im  Herbste  des  gleichen 
Jahres  fand  sodann  der  schon  erwähnte  spätere  Tübinger  Poet  und  Grä- 
zist gleichfalls  eine  Lehrstelle  zu  Wittenberg  (S.  26). 

Jak.  Zeidler,  Die  Schauspielthätigkeit  der  Schüler  und  Studenten 
Wiens.  OberhoUabrunn.  ISBS.  8.  44  8.  (Beilage  z.  Progr.  des  k.  k. 
Staats-Gymnasinms  u.  d.  gewerbL  Fortbildungsschule  in  Oberhollabrann.) 

Das  moderne  Drama  wurde  in  der  Schule  nach  dem  Muster  der 


Morawski,  Gricii  carmina.  179 

Antike  in  der  Zeit  des  Hamanismns  geformt.  Der  Verfasser  geht,  am 
dies  darzulegen,  bis  auf  die  Zeit  von  Karl  d.  Gr.  znrück,  was  vielleicht 
des  guten  zu  viel  ist  Unter  den  verschiedenen  Gattungen  schauspiele- 
rischer Schfllerthätigkeit  kommt  für  die  Zwecke  des  Jahresberichtes  be- 
sonders die  zweite  in  Betracht,  welche  das  humanistische  Scholdrama 
nrnfafst,  mit  Maximilian  I  in  der  Aula  Universitatis  begann  und  sich  bald 
in  die  flbrigen  Schalen  Wiens  verbreitete  and  schliefslich  nach  langer 
Dauer  in  den  Rektorendramen  ihr  Ende  fand. 

Dramatische  Darstellungen  sind  bezeugt  von  den  Schülern  der 
ältesten  Schule  zu  Wien,  d.  h.  der  »Bürgerschal  auf  sand  steffans  Freit- 
hoffc.  Ebenfalls  Gelegenheit  zu  solchen  gab  das  Fest  der  hl.  Katharina, 
der  Schutzpatronin  zuerst  der  Artistenfakultät,  später  der  ganzen  Uni- 
versität Wien.  Auch  das  in  ganz  Deutschland  gefeierte  Schulfest  des 
hl.  Gregorius  wurde  gelegentlich  durch  dramatische  Darstellungen  ver- 
herrlicht 

Mit  Hilfe  einer  sehr  ausgebreiteten  Belesenheit  verfolgt  der  Ver- 
fasser dieses  Treiben  der  Wiener  Schüler  durch  die  verschiedenen  Jahr- 
hunderte. 

In  einem  Abschnitt  II  (S.  20 ff.)  wird  sodann  das  »Humanistendrama 
and  biblische  Schulkomödiec  behandelt  Auch  hier  holt  der  Verfasser 
wieder  unnötig  weit  aus,  indem  er  sogar  bis  auf  Dante  zurückgeht 

Hier  wäre  mancherlei  aaszasetzen.  Die  auf  S.  21  stehende  Bemer- 
kang  über  den  Einflufs  des  Heidelberger  Humanisten  Agricolas  anf 
Dringenbergs  Schule  za  Schlettstadt  ist  nicht  erweislich,  so  oft  es  aach 
behauptet  worden  ist 

Die  Bezeichnang  »Hnmanistenordenc  S.  21  ist  zum  mindesten  irre- 
führend etc. 

Die  Lektüre  dieser  inhaltlich  sehr  reichen  Arbeit  ist  recht  müh- 
sam, weil  der  Verfasser  nicht  scheidet  zwischen  anbedingt  Hierhergehö- 
rigem and  Femerliegendem.  Auch  von  der  in  Überfülle  citierten  Litteratar 
konnte  manches  wegbleiben. 

Beziehungen  za  Italien  und  Deutschland  zugleich  anterhielt  der 
Humanismus  in  Polen: 

Casimir  US  Morawski.  Andreae  Cricii  carmina.  Cracoviae  1888 
(Vol.  III  des  Corpus  antiquissimorum  poetarum  Poloniae  Latinorum 
usque  ad  Joannem  Cochanovinm). 

Es  ist  das  die  zweite  Publikation  dieses  von  der  Krakauer  Akademie 
geleiteten  Unternehmens,  nachdem  im  Jahre  1887  ein  Band  (der  zweite  Band 
in  der  ganzen  Reihe)  mit  den  Schriften  von  Paulus  Crosnensis  Ruthenas 
und  Joannes  Visliciensis  erschienen  ist  Das  gut  ausgestattete  Werk  ist 
der  Universität  Bologna  gewidmet,  academiae  Bononiensi,  quae  »Casimire 
magno,  Gymnasii  Cracoviensis  celeberrimo  conditori,  praestantissimum 
scholae  informandae  praebuit  exemplum.c 

12* 


ISO  Geschichte  der  Altertumswissenschaft. 

Aus  einer  kurzen  Yorbemerkang  zur  Praefatio  ergiebt  sich,  dafs 
fflr  diese  Sammlang  der  polnischen  Nealateiner  neben  dem  wissenschaft- 
lichen Gesichtspunkt  aach  der  patriotische  mafsgebend  ist. 

Die  Praefatio  (p.  II  —  LXII)  umfafst  folgende  Abschnitte:  1)  De 
editionis  carminum  Cricianorum  fontibns  et  condicione.  —  2)  ßiogra- 
phoram  Cricii  conspectus.  —  3)  Fasti  Criciani.  —  4)  Vita  Gridi  a  Sta- 
nislao  Gorscio  enarrata.  —  5)  De  Cricii  poesis  indole  einsque  arte  metrica. 

Da  sich  die  eigentümliche  Begabung  des  Cricios  mehr  in  seinen 
Gedichten  als  in  seiner  Prosa  zeigt,  so  kann  man  aus  unserer  Publika- 
tion, die  nur  wenige  Prosastflcke,  wie  den  Dialogus  de  Tarlone,  Dialogus 
de  Asiana  diaeta,  enthalten,  doch  die  charakteristischen  Eigenschaften 
des  polnischen  Schriftstellers  kennen  lernen. 

Der  Band  enthält  die  Gedichte  des  Cricius  in  möglichster  Voll- 
ständigkeit, indem  zu  den  gedruckten  die  nur  in  den  Handschriften  vor- 
handenen herangezogen  wurden.  Dafs  des  Cricius  nur  handschriftlich 
verbreitete  Leistungen  bis  auf  unsere  Zeit  gelangt  sind,  bleibt  ein  beson- 
deres Verdienst  des  Krakauer  Kanonikus  Stanislaus  Gorski  (1489  —  1572), 
dessen  reichhaltige  Sammlung  mit  den  neun  Bänden  der  Acta  Tomiciana 
noch  nicht  erschöpft  sind. 

Von  S.  XI  an  folgt  eine  ausführliche  Beschreibung  der  benützten 
Handschriften,  deren  wichtigste  der  Codex  bibliothecae  Cornicensis  ist 
Von  einem  fortlaufenden  kritischen  Apparat  konnte  bei  der  Ausgabe  ab- 
gesehen werden,  da  die  meisten  Verschiedenheiten  der  Handschriften  sich 
auf  Orthographie  und  Wortstellung  bezieheo.  £ine  besondere  Schwierig- 
keit entstand  für  den  Herausgeber  dadurch,  dafs  in  den  Handschriften 
zahlreiche  nicht  von  Cricius  herrührende  Epigramme  unter  die  echten 
gemischt  sind. 

Auf  S.  XXI  -  XXYI  steht  eine  kritische  Würdigung  der  biographischen 
Arbeiten  über  Cricius  (Biographorum  Cricii  conspectus),  wobei  Maximi- 
lianus  Ossolinski  besondere  Anerkennung  erhält. 

Geboren  ist  Cricius  im  Jahre  1482  in  Krzycko.  Von  seinen  Brü- 
dern waren  Nikolaus,  Johannes  und  Lukas  geistlich.  Die  Schwester 
Elisabeth  heiratete  Albert  Zebrzydowski ,  aus  welcher  Ehe  Andreas,  der 
Freund  des  Erasmus,  stammte.  Er  soll  in  Krakau  studiert  haben,  doch 
fehlt  er  in  der  Matrikel,  und  ebenso  verdächtig  ist  sein  angeblicher 
Aufenthalt  in  Paris.  Besser  bezeugt  sind  seine  Studien  in  Bologna,  wo 
er  Schüler  des  berühmten  Antonius  Urceus,  genannt  Codrus,  war,  der 
von  1482  ~  1600  an  dieser  Hochschule  lehrte.  Daneben  war  er  auch 
Schüler  des  Philippus  Beroaldus.  Im  Jahre  1604  ist  Cricius  wieder  in 
Posen,  1507  wird  er  Kanzler  des  Domkapitels  daselbst,  1511  dessen 
Scholaster,  1516  Sekretär  des  Königs  Sigismund,  durch  dessen  Gunst  er 
1622  Bischof  von  Premisl  wird.  Im  Jahre  1585  werden  seine  zahlreichen 
Verdienste,  besonders  auch  bei  diplomatischen  Geschäften,  durch  das 
Erzbistum  Gnesen  belohnt.    Gestorben  ist  er  den  10.  Mai  1587. 


MorawskJ,  Cricii  cannina.  181 

In  dem  Abschnitt  >Be  Cricii  poesis  indole  eiosque  arte  metricac 
erklärt  der  Heransgeber,  dafs  die  Jagendgedichte,  Carmina  amatoria, 
trots  metrischer  YerstOlise,  zum  Teil  wirkliche  Poesie  bieten.  An  den 
Hof  von  König  Sigisronnd  gezogen,  wagte  er  Gröfseres,  verfiel  aber,  ob- 
gleich Hofpoet,  weder  in  den  Fehler  des  leeren  Wortschwalles,  noch 
niedriger  Schmeichelei.  Am  besten  gelangen  ihm  zn  allen  Zeiten  kleine 
Spott-  und  Scherzgedichte. 

Wie  man  aus  den  Gedichten  ersehen  kann,  verfügte  er  Ober  einen 
grofsen  Kreis  von  gelesenen  Schriftstellern.  Entlehnungen  aus  Plautns 
und  Terenz  sind  nicht  ganz  selten.  Aber  auch  andere  Schriftsteller  wer- 
den gelegentlich  nachgeahmt  oder  benutzt,  wie  Catull,  selten  Horaz,  häu- 
figer Vergil,  Ovid,  Tibnll,  Properz,  Juvenal,  Martial.  Neben  den  klassi- 
schen Schriftstellern  macht  Cricius  auch  bei  humanistischen  Dichtern 
Anleihen,  wie  bei  Antonius  Codrus  ürceus  und  Angelus  Politianns. 

Die  vom  Herausgeber  gerflgten  Yerstöfse  gegen  Grammatik,  Sprach- 
gebrauch und  Versbau  sind  flbrigens  bei  anderen  Vertretern  der  älteren 
Humanistengeneration  ziemlich  häufig.  Selbst  der  berühmte  Konrad  Celtis 
ist  nicht  frei  davon.  Die  späteren  sind  sprachlich  korrekter,  dafQr  fehlt 
ihnen  aber  die  Frische  der  Empfindung  und  der  gröfsere  Umfang  der 
Gedanken.  Doch  gesteht  Morawski  offen,  dafs  Cricius,  wie  die  Polen 
bis  heute,  f)lr  die  Feinheiten  der  Prosodie  wenig  empfängliche  Ohren 
gehabt  habe:  quod  quidem  Vitium  etiam  hodie  apud  Polonos  saepissime 
offendit  vixque  ezstirpari  potest  (p.  LV).  Die  Würdigung,  welche  der 
Herausgeber  seinem  lateinischen  Poeten  zuteil  werden  läfst,  ist  nüchtern 
und  frei  von  Überschwänglichkeit. 

Die  Werke  des  Cricius  werden  sodann  in  folgenden  acht  Büchern 
mitgeteilt:  1)  Carmina  sacra.  —  2)  Carmina  de  rege  Sigismnndo,  eins 
familia  et  aula.  —  3)  Carmina  ad  rempublicam  et  res  religionis  spec- 
tantia.  —  4)  Carmina  satirica.  —  5)  Epitaphia.  —  6)  Carmina  ama- 
toria. —  7)  Reliquorum  epigrammatum  farrago.  —  8)  Dialogi  de  Asiana 
diaeta. 

Einen  merkwürdigen  Gegensatz  bilden  die  Carmina  sacra  zu  den 
Carmina  amatoria.  Die  erste  Abteilung  enthält  Gedichte  an  Jesus,  die 
Jungfrau  Maria,  auf  das  Leiden  des  Erlösers,  den  hl.  Geist,  die  hl.  Anna; 
unter  den  Liebesgedichten  finden  sich  Verse,  welche  mit  einem  wahren 
Cynismus  die  sinnliche  Liebe  darstellen.  Doch  vermag  die  Zeit  der  Ab- 
fassung wie  die  wechselnde  geistige  Atmosphäre,  in  welcher  der  Dichter 
lebte,  diesen  scheinbaren  Widerspruch  zu  erklären.  Zugleich  war  Cricius, 
wie  viele  Humanisten  Erasmischer  Richtung,  ein  heftiger  Gegner  Luthers, 
gegen  den  er  satirische  Gedichte  schleuderte  (p.  99  ff.). 

Einige  Ausstellungen  machte  ich  in  einer  Besprechung  Berl.  philol. 
Wochenschrift  1891,  Nr.  1. 


182  Geschichte  der  AltertamswisseiiBchaft. 

Casimir  Ton  Morawski.  m.  Beiträge  zur  Geschichte  desH«- 
manismos  io  Polen.  Wien.  1889  (Separatabdruck  ans  Bd.  118  der 
Sitzungsberichte  der  kais.  Akademie  d.  Wissenschaften  in  Wien.  Philos.- 
histor.  Classe). 

Der  erste  Abschnitt  behandelt  den  Humanisten  Johannes  Syl- 
yius  Siculus,  welcher  im  juristischen  Matrikelbuch  der  Universität 
Wien  zum  Jahr  1497  als  »legum  doctor  Patavinusc  yerzeichnet  ist.  Schon 
vor  1600  verliefs  er  Wien  und  begab  sich  nach  Krakau,  dessen  Univer- 
sität damals  unter  dem  Scepter  der  Jagellonen  schön  aufblähte. 

Gegen  die  Hypothese,  dafs  Sylvius  Siculus  der  Verfasser  des  von 
Zeifsberg  veröffentlichten  Traktats  »De  institutione  regii  pueric  sei,  ver- 
halt sich  M.  ablehnend  aus  chronologischen  Gründen. 

Seit  1506  hatte  Siculus  zu  Krakan  einen  Streit  mit  Gonstantius 
Clariti  de  Cancellaris  Bononiensis  (=  Gostanzo  Glaretti  de*  Gaocellieri), 
einem  anderen  Humanisten,  der  ebenfalls  in  Erakau  lehrte.  Er  scheint 
fibrigens  in  Polen  gute  Freunde,  mächtige  Gönner  und  tachtige  Schaler 
gefunden  zu  haben.  Zu  den  letzteren  gehörte  z.  B.  Andreas  Cricins, 
einer  der  hervorragendsten  polnischen  Neulateiner.  Gefeiert  wird  er 
auch  von  dem  Engländer  Ck)xus,  welcher  ebenfalls  in  Erakau  lehrte. 

Trotz  seines  unreinen  Privatlebens  wurde  er  1629  der  Erzieher 
von  Sigismund  August,  dem  Sohne  Sigismunds,  zu  dessen  späteren  Un- 
glfick  im  Leben  der  Erzieher  auch  beigetragen  haben  mag.  In  dieser 
Stellung  hat  er  auch  gelegentlich  seiner  scharfen  Zunge  die  Zagel  schiefsen 
lassen.  Doch  schützte  ihn  die  Gunst  der  herrschsflchtigen  Eönigin  Bona, 
die  andere  Einflüsse  von  ihrem  Sohne  fernzuhalten  wufste. 

Ober  die  weiteren  Schicksale  des  Sylvius  erfahren  wir  nichts.  Wahr- 
scheinlich starb  der  hochbetagte  Mann  um  diese  Zeit,  nachdem  er  seinen 
verderblichen  Eioflufs  fünf  Jahre  laog  auf  seinen  Zögling  ausgeübt  hatte. 
Der  zweite  Abschnitt  behandelt  »die  Berufung  Melanchthons  nach 
Polenc  Diese  Berufung  unterscheidet  sich  von  der  nach  Frankreich 
und  England  durch  den  Umstand,  dafs  sie  von  katholischen  Ereisen  aus- 
ging. Man  hoffte,  Melanchthon  leicht  wieder  für  den  Eatholizismus  ge- 
winnen zu  können,  wenn  man  ihn  nur  aus  Wittenberg  wegbrächte. 

Aus  einem  an  den  humanistisch  gebildeten  Andreas  Cricius  gerich- 
teten Brief,  der  S.  24  mitgeteilt  wird,  ersehen  wir,  dals  die  übrigens 
erfolglose  erste  Berufung  1530  erfolgt  war.  Andreas  Cricius  hat  seine 
Einladung  1533  wiederholt,  ohne  jedoch  seinen  Zweck  zu  erreidieQ. 
Melanchthon  ist  ebenso  wenig  nach  Polen  wie  nach  England  oder  Frank- 
reich gegangen. 

Von  Polen  wenden  wir  uns  nach  Ungarn: 

H.  Schnorr  von  Garolsfeld,  Nogaroliona  (Zeitschrift  für  ver- 
gleichende Litteraturgesch.  etc*    N.  F.  11  366—868). 

Zu  der  von  Eugen  Abel  veranstalteten  Ausgabe  der  humanistisch 


■epi 


Gastellani,  La  stampa  in  Venexia.  183 

gebildeten  Isota  Nogarola  ood  zu  dessen  darstellender  Arbeit  aber  die- 
selbe werden  einige  wertvolle  Ergänzungen  nnd  Varianten  gegeben. 

Unzertrennlich  von  der  Geschichte  des  Humanismos  ist  die  Ge- 
schichte des  Buchdrnckes: 

Carlo  Castellani,  La  stampa  in  Yenezia  dalla  sua  origine  alla 
morte  di  Aldo  Mannzio  Seniore  (Giomale  della  Libreria,  della  Tipo- 
grafia  e  Industrie  affini  1888,  p.  289  ff.). 

Die  Arbeit  will  mit  Hilfe  von  Zeugnissen  aus  den  ältesten  Drucken 
die  spärlichen  Angaben  ergänzen,  welche  die  Archive  Aber  die  älteste 
Bnchdruckerthätigkeit  liefern.  Voran  stehen  einige  Angaben  aber  Johann 
und  Wendelin  von  Speyer  (Giovanni  e  Vindelino  da  Spira),  die  vielleicht 
BrQder  waren  und  zuerst  in  Venedig  druckten.  Das  erste  Buch,  das  aus 
ihrer  Presse  kam,  waren  Ciceros  Epistolae  ad  familiäres  im  Jahre  1469. 

Im  Jahre  1469  erschien  von  Giovanni  die  Historia  naturalis  des 
Plinius,  im  Jahre  1470  vollendete  Wendelin  nach  Giovannis  Tod  die 
Ausgabe  von  Augustins  De  civitate  dei. 

Im  Jahre  1470  erschienen  zwei  neue  Drucker,  der  Franzose  Nicola 
Jenson  und  der  Deutsche  Cristoforo  Valdarfer.  Der  erstere  druckte 
bis  1482. 

Über  die  Ausgaben  von  Eusebii  Praeparatio  evangelica,  Auetor  ad 
Herennium,  Justinus  etc.  ist  die  Arbeit  selbst  einzusehen. 

Antonio  Brizi,  Annali  tipografici  di  Perugia  dair  origine  della 
stampa  ad  oggi.  Bologna.  Societä  Tipografica  giä  Oompositori.  1888.  26  p. 

Das  kleine  Schriftchen  verzeichnet  zunächst  26  Buchdrucker  oder 
Firmen  die  in  Perugia  gedruckt  haben,  von  1560  —  1886.  Bei  jedem 
Namen  sind  neben  den  Jahreszahlen  einige  Notizen  gegeben,  mit  denen 
freilich  wissenschaftlich  nicht  viel  anzufangen  ist 

Am  Ende  steht  ein  »Prospetto  cronologico  delle  tipografie  Peru- 
ginec  von  1471  bis  zur  Gegenwart.  Die  Namen  der  ersten  Drucker, 
welche  im  16.  Jahrhundert  in  Perugia  gearbeitet  haben,  sind  deutsch, 
eine  ttbrigens  schon  längst  bekannte  Thatsache. 

In  frtthere  Zeiten  führt  zurttck: 

P.  J.  Wichner,  Zwei  BOcherverzeichnisse  des  14.  Jahrb.  in  der 
Admonter  Stiftsbibliothek  (Beiheft  Nr.  4  zu  Hartwigs  Centralblatt  für 
Bibliothekswesen.    Leipzig  1888—89,  S.  1 — 37). 

Die  beiden  Verzeichnisse  ans  den  Jahren  1870  und  1380,  die  bis 
jetzt  nicht  vollinhaltlich  bekannt  waren,  worden  von  dem  Mönche  und 
Armar  Peter  von  Arbon  zu  Admont  angelegt.  Die  Mehrzahl  der  ver- 
zeichneten Bücher  ist  theologischen  Inhalts,  doch  fehlt  es  auch  an  Klassi- 
kern nicht.  Beispielsweise  seien  genannt  Eutropius  hystoriographus  (S.  14), 
Priscianns  (S.  84),  Guidius  magnus  und  Ouidios  fastorum  (S.  36)  etc. 


184  Geschichte  der  Altertumiwinenidiaft. 

Einem  in  Deutschland  bisher  kaum  bekannten  Neultteiner  gilt  die 
folgende  Publikation: 

Paciecidos  Libri  duodecim,  decantatur  clarissimus  P.  Franciscns 
Paciecus,  Lusitanus,  pontilimensis,  6  Societate  Jesu,  Japoniae  provin- 
Cialis  etc.  Authore  P.  Bartholomaeo  Pereira  Lnsitano  etc.,  opus  in 
gallico  reddidit  sennone  A.  Guichon  de  Grandpont,  Commissarins 
generalis  navalium.    Paris  et  Brest  1887.   8.   466  p. 

Das  in  Hexametern  geschriebene  Epos  behandelt  das  Leben  und 
Martyrium  des  Jesuitenpaters  Fran9ois  Pacheco  aus  Portugal,  der  im 
Jahre  1626  in  Japan  lebendig  verbrannt  wurde.  Die  Ausgabe  ist  der 
Art  eingerichtet,  dafs  links  der  lateinische  Urtext  und  rechts  die  franzö- 
sische Übersetzung  in  Prosa  steht. 

Voran  geht  eine  orientierende  Vorrede  des  Übersetzers^  sodann 
kommen  einige  Angaben  Aber  B.  Pereira,  woran  sich  eine  Vita  Pacied 
schliefst.  Am  Ende  steht  das  ludicium  magistrorum  Societatis  Jesu,  das 
nach  den  im  Jesuitenorden  herrschenden  Bestimmungen  abgegeben  wurde, 
ehe  das  Werk  gedruckt  werden  durfte.  Eine  Schlufisbemerkung  des 
Übersetzers  und  ein  Index  aliquorum  propriorum  nominnm  (warum 
nicht  »omniumc?)  beschliefst  das  nicht  ganz  kleine  Werk. 

Wenn  man  den  beigedruckten  Gutachten  der  Jesuitenpatres,  denen 
natürlich  der  Übersetzer  voUstAndig  beipflichtet,  Glauben  schenken  dOrfte, 
hätten  wir  es  hier  mit  einem  Werk  zu  thun,  das  nach  seinem  poetischen 
Wert  der  Aeneis  ganz  nahe  kommt,  ja  im  Grunde  wegen  seines  religiösen 
Inhaltes  das  heidnische  Gedicht  Vergils  übertrifft.  Man  höre  z.  B.  das 
Urteil  des  Paters  Andreae  Madeyra:  »Laude  primum  omnium  argumen- 
tum, grave,  idoneum,  illustre,  et  in  quo  antiquos  —  longe  superat,  pium. 
Quod  in  summa  laude  pono,  nnllum  omnino  in  carmen  incides,  qaod 
bene  tornatum  non  sit;  nihil  inane,  nihil  exsangue;  habent  omnia  nerros, 
ossa,  sanguioem.  Itaque  Musae,  si  latine  loquerentur,  non  alio 
nterentur  sermonec.  Das  Epos  wird  ein  aureus  libellus  genannt,  der 
die  Kritik  nicht  zu  ftlrchten  braucht. 

Der  Jesuit  Petri  Peixoto  ergeht  sich  in  fthnlichen  Übertreibungen  : 
Fluunt  numeri  vena  divite,  stylo  facili,  eo  tenore  versnum,  ut,  si  ei 
Thessala  recitentur  voces  (sie,  wohl  voce),  excantare  sidera  ac  dedncere 
Innam  possint.  ^  Solche  LobsprOche  kann  man  nur  in  lateinischer  Sprache 
ertragen. 

Was  der  Übersetzer  von  gelehrten  Anmerkungen  hinzugefOkgt  hat, 
ist  nicht  von  grofsem  Belang.  Bezeichnend  ist,  wenn  S.  20  zu  dem 
Satze:  vates,  qnos  Tullius  cum  Ennio  appellat  Sanctos  in  der  Anmer- 
kung bemerkt  wird:  »TuUius,  Pro  Archiac.  Da  die  Giceronische  Rede 
Pro  Archia  aus  82  Paragraphen  besteht,  so  ist  mit  einem  solchen  Citat 
wenig  geholfen,  und  der  Leser  mag  nur  fleifsig  suchen,  bis  er  in  Gap.  8, 
§  18  die  richtige  Stelle  findet.     Oder  wenn  am  AnfiEUig  des  sechsten 


Vander  Haeghen,  Bibliographie  Lipsieone.  185 

Boches,  wo  sieh  eine  Beschreibaog  der  Fama  findet,  daza  aaf  das  12.  Bach 
Yon  Ovids  Metamorphosen  verwiesen  wird,  so  mufste  doch  zuerst  Vergilii 
Aeneis  lY  178 — 197  genannt  werden,  eine  Stelle,  die  ftlter  ist  und  das 
Muster  fttr  die  späteren  abgab. 

Im  Obrigen  aber  soll  nicht  bestritten  werden,  dafs  das  neulateinische 
Gedicht  mancherlei  VorzQge  bat  und  eine  achtbare  Leistung  ist  Als 
Probe,  da  den  meisten  Lesern  die  Schrift  selbst  nicht  leicht  zugänglich 
sein  dürfte,  soll  der  erwähnte  Anfang  des  sechsten  Buches  hier  stehen: 

Enceladi  interea  soror  importuna  relinquens 
Gocyti  sedem  infandam,  super  aetheris  auras 
Centum  ocnlis  centumque  alis  instructa  subibat. 
niam  turba  nocens,  deztra  laevaque  frequentes 
Obscuri  in  nebulis  variaque  in  veste  sequnntnr 
Rumores,  circumque  fluunt  Mendacia  pennis. 
Haec  faciem  aspectu  foedam  visosque  retortos 
Dentatasque  acies  et  linguae  fulmina  multo 
Grine  tegunt,  jactoque  super  velaminis  auro 
Occultant  natale  malum,  lateque  nitentes 
Ezpandunt  alas,  fictisque  coloribus  errant  etc. 

Kein  Humanist,  sondern  schon  ein  Philologe  ist  der  berflhmte 
Lipsius: 

Ferd.  Vander  Haeghen,  Th.  J.  J.  Arnold,  R.  Vanden  Berghe. 
Bibliographie  Lipsienne  I  — III.  Gand.  C  Yyt.  1886—1888 
(Bibliotheca  Belgica,  Pnblication  de  l'universit^  de  Gand). 

Das  ausgezeichnete  Unternehmen  der  Bibliotheca  Belgica,  geleitet 
von  Ferdinand  Vander  Haeghen,  dem  Bibliothekar  der  Universität  Gent, 
setzt  sich  zur  Aufgabe,  eine  Bibliographie  der  niederländischen  Gelehrten 
zu  geben.  Schon  der  äufsere  Umfang  des  aber  Lipsius  Gebotenen  (es 
sind  drei  Bändchen)  lälst  vermuten,  dafs  wir  es  hier  mit  einer  sehr 
gründlichen  Arbeit  zu  thun  haben.  Ein  Studium  der  Bibliographie  er- 
weckt den  Eindruck,  dafs  die  Arbeit  für  alle  Zeiten  abschliefsend  ist, 
soweit  ein  Nichtfachmann  zu  einem  solchen  Urteil  berechtigt  ist. 

In  der  I.  und  IL  Serie  sind  lOeuvres  de  Juste  Lipsec  behandelt, 
in  der  dritten:  a.  Auteurs  latins  anciens  publi^s  ou  annotös  par  Juste 
Lipse.  b.  Pitees  de  Lipse  diss^min^es  dans  divers  ouvrages.  c.  Quel- 
ques ouvrages  concernant  Juste  Lipse. 

Nur  durch  die  Benützung  zahlreicher  Bibliotheken  konnte  ein 
solches  Werk  hergesteUt  werden.  Es  giebt  auf  jede  berechtigte  Biblio- 
graphische Frage  Antwort:  Genauigkeit  der  Titelangabe,  Format,  Seiten- 
zahl, Vorrede,  Facsimile  der  Buchdruckerzeichen  und  der  Handschrift 
des  Lipsius,  Angabe  einiger  Bibliotheken,  wo  sich  das  Werk  findet  u.  s.  w., 
alles  ist  berücksichtigt.  Eine  kurze  Einleitung  enthält  eine  Biographie 
über  Lipsius  und  verzeichnet  auch  die  Litteratur  über  denselben. 


186  Geichichte  der  Altertamswissenichaft. 

Wohl  dem  Biographen,  der  eine  solche  Vorarbeit  fQr  seinen  Helden 
besitzt.  Das  ist  in  der  That  ein  festes  Fundament,  aof  dem  sich  ein 
solider  Bau  errichten  läfst. 

Auch  fflr  die  deutsche  Gelehrteogeschichte  ist  ein  namhafter  Gewion 
davon  zu  erwarten.  Möchte  es  dem  fleifsigen  Leiter  der  Bibliotheca 
Belgica  vergönnt  sein,  uns  bald  die  sehr  notwendige  und  wttnschenswerte 
Bibliographie  des  Erasmus  zu  schenken. 

Die  Geschichte  der  französischen  Philologie  ist  durch  zwei  Arbeiten 
vertreten : 

Henri  IV,  Bongars  et  Strasbourg  par  L6on  G.  P61issier. 
Paris.    Berger-Levrault  et  Cie.    50  p. 

Der  Inhalt  dieser  kleinen  Schrift,  welche  ein  Separatabzug  aus  der 
Revue  alsacienne  ist,  mufs  nur  deshalb  hier  besprochen  werden,  weil  der 
politische  Agent  Jacques  Bongars  (1664 — 1612)  zugleich  einer  der  gröfsten 
Piiilologen  Frankreichs  ist.  Der  Verfasser  schliefst  sich  an  das  Werk 
von  M.  Anquez  (Henri  IV  et  TAIlemagne,  d'apr^s  les  m^moires  et  la 
correspondance  de  Jacques  Bougars.  Paris  1887)  an,  erweitert  aber 
dasselbe  durch  mancherlei  Schrlftstttcke. 

Bongars  ist  bei  uns  bekannter,  seit  H.  Hagen  seinen  sorgfältigen 
Katalog  ttber  die  Handschriften  der  Bibliothek  zu  Bern,  welche  den  hand- 
schriftlichen Schatz  aus  Bongars'  Nachlasse  besitzt,  veröffentlicht  hat 
Seine  politische  Thätigkeit  scheint  nicht  unbedeutender  gewesen  zu  sein 
als  seine  wissenschaftliche,  doch  kann  der  »Jahresbericht  flkr  Altertums- 
wissenschaftc  die  erstere  nicht  eingehend  würdigen. 

Auf  S.  23  lesen  wir  folgende  Schilderung  von  Bongars:  ill  4tait 
alors  (1693)  dans  la  force  de  T&ge,  6tant  n6  en  1554  k  Orleans;  fonn6 
dds  Tenfance  k  la  connaissance  des  hommes  et  des  choses  d^Allemagne, 
ayant  appris  l'antiquit^  par  les  legons  et  les  discours  de  Juste  Lipse,  de 
Cigas,  de  Fulvio  Orsini,  la  politique  contemporaine  et  les  affaires  d^i 
compliquöes  de  TEurope  Orientale  par  ses  voyages  sur  le  Danube,  en 
Hongrie  et  jusqu*ä  Oonstantinople,  il  6tait  admirablement  pr6par6  k 
cette  carridre  redoutable  de  la  diplomatie,  oü  11  devait  rendre  tant  de 
Services  k  son  pays.c 

Von  allen  deutschen  Staaten  liebte  er  Strafsbnrg  am  meisten:  hier* 
hin  zogen  ihn  unter  anderem  auch  die  reichen  Bflcherschätze. 

Der  kleinen  Arbeit  ist  ein  Bild  von  Bongars  beigegeben,  welches 
in  seinem  Todesjahr  durch  Brunn  zu  Strafsburg  gestochen  wurde.  Die 
lateinische  Unterschrift  dazu  rflhrt  von  Janus  Gruter  her,  dem  berfihmten 
Heidelberger  Philologen;  das  Werk  ist  dem  kurfürstlich  pfälzischen 
Rate  Georg  Michael  von  Lingelsheim  gewidmet,  dessen  Name  ebenfalls 
mit  der  Geschichte  der  Wissenschaften  im  17.  Jahrhundert  unzertrennlich 
verbunden  ist. 


TMnliey  de  Larroqae,  Lettres  de  Peiresc.  187 

Lettres  de  Peiresc  aox  fr^res  Dapuy,  publikes  par  Philippe 
Tamizey  de  Larroque,  correspondant  de  Tlnstitat,  membre  noo 
rösidaDt  du  comit^  des  travanz  historiqaes  et  scientifiqaeB.  Tome 
Premier.  D6cembre  1617  —  D6cembre  1628.  Paris.  Imprimerie  Na- 
tionale. MDGCCLXXXVni.  4.  IX  n.  914  p.  (Gollection  de  doca- 
ments  iD^dits  aar  l'histoire  de  France  publi6s  par  les  soins  da  ministre 
de  rinstmction  publique.    Deuxi^me  sörie). 

Ein  stattlicher  Band,  schön  gedruckt ,  auf  gutem  Papier,  mit  der 
Eleganz  und  Opulenz  ausgestattet,  wie  das  bei  amtlichen  französischen 
Veröffentlichungen  seit  langer  Zeit  Qblich  ist. 

Der  amtliche  Auftrag  zur  Veröffentlichung  der  Briefe  von  Peiresc 
an  die  BrQder  Dupuy  wurde  den  18.  Dezember  1885  gegeben,  der  ver- 
antwortliche Kommissar  dafflr  ist  Leopold  Delisle. 

Der  Herausgeber  Tamizey  de  Larroque  verspricht  >un  travail  ana- 
lytiquec  flber  Nicolas  Claude  de  Fabri,  Herr  von  Peiresc  (1580-1637), 
welche  mit  dem  Orts-  und  Personenverzeichnis  zu  dem  Briefwechsel  ver- 
öffentlicht werden  soll.  Die  Briefe  sind  an  die  beiden  Brflder  Dupuy 
gerichtet,  von  denen  der  ältere,  Pierre,  den  27.  November  1582,  der 
jüngere,  Jacques,  1586  geboren  wurde.  Von  dem  Briefwechsel  mit  einem 
dritten  Bruder,  Christophe  Dupuy,  der  Prior  der  Earthause  zu  Rom 
wurde,  und  mit  dem  Peiresc  ebenfalls  Briefe  wechselte,  hat  sich  nur 
weniges  erhalten. 

Der  Briefwechsel,  welcher  vom  9.  Dezember  1617  bis  zum  9.  Juni 
1637  geht,  also  bis  wenige  Tage  vor  dem  Tode  von  Peiresc  (24.  Juni 
1637)  umfafst  gegen  500  Briefe,  deren  Originale  sich  in  den  Bänden 
716 — 718  der  Sammlung  Dupuy  auf  der  Nationalbibliothek  zu  Paris  be- 
finden. Der  Verfasser  versichert,  dafs  er  die  Originalien  ohne  jede  Ver- 
änderung wiedergegeben  habe,  »avec  la  minutieuse  fid61it6,  qui  est  tou- 
jours  obligatoire,  quand  il  s'agit  de  documents  originauxc  (p.  II). 

Auf  der  Bibliothek  Ingnimbert  zu  Carpentras  befindliche  Briefe  des 
Peiresc  glaubte  der  Herausgeber  mit  Rücksicht  auf  ihren  wenig  bedeu- 
tenden Inhalt  und  um  die  ohnehin  schon  umfangreiche  Veröffentlichung 
nicht  noch  umfangreicher  zu  machen,  weglassen  zu  sollen. 

Leider  ist  es  dem  Herausgeber  nicht  gelungen,  die  Briefe  der 
Brflder  Dupuy,  welche  ganz  regelmäfsig  von  Paris  aus  an  ihren  Freund 
in  der  Provence  schrieben,  wieder  aufzufinden,  obgleich  noch  am  Anfange 
des  vorigen  Jahrhunderts  238  Briefe,  etwa  die  Hälfte  des  Briefwechsels, 
nachweisbar  vorhanden  waren. 

An  den  Briefen  des  Peiresc  rflhmt  der  Herausgeber  zunächst  ihre 
ungeschminkte  Einfachheit  und  Natflrlichkeit:  Jamais  un  mot  cherchd, 
jamais  une  prötentieuse  image!  Dans  cette  honndte  et  agr^able  prose 
se  reflite  le  caract^re  de  Tdcrivain.  Der  Inhalt  ist  wertvoll  durch  den 
grofsen  Umfang  der  geistigen  Interessen  ihres  Verfassers,  die  sich  auf 


Igg  Geschichte  der  Altertumswissenschaft 

nahezu  sämtliche  Kultarländer  Europas  erstrecken.  Gkinz  besonders 
Italien  hatte  Peiresc  in  sein  Herz  geschlossen,  und  im  Oriente  unterhielt 
er  eigene  Agenten,  unter  den  zahlreichen  Gelehrten,  von  denen  gelegent- 
lich im  Briefwechsel  gehandelt  wird,  mögen  nur  folgende  wenige  Namen 
hervorgehoben  werden :  Isaac  Gasaubon,  Grotius,  Daniel  Heinsius,  Lucas 
Holstenius,  Justus  Lipsius,  Claude  de  Saumaise  (Salmasins),  die  Brflder 
de  Thou  etc. 

Zugleich  sind  die  Briefe  ein  schönes  Denkmal  für  die  Trefflichkeit 
des  Charakters  von  Peiresc  selbst:  La  passion  du  bien  dont  sod  noble 
coeur  fut  toujours  anim4  n'6clate  dans  aucune  autre  partie  de  sa  corre- 
spondance  aussi  vivement  que  dans  ses  lettres  k  Pierre  et  Jacqnee 
Dupuy.  II  8*7  montre  Tauxiliaire  z616  et,  pour  ainsi  dire,  le  serviteur 
infatigable  de  ceux  qui  travaillent,  prodiguer  ses  enoouragements,  ses 
conseils,  ses  livres,  ses  manuscrits,  For  de  sa  bourse,  comme  celui  de 
son  Erudition  (p.  VIII). 

Nachdem  bis  Seite  765  im  ganzen  147  Briefe  von  Peiresc  mitgeteilt 
sind,  folgt  ein  Anhang  (767-  914),  Briefe  der  BrOder  Dupuy  an  Peiresc 
enthaltend. 

Am  Fufse  des  Textes  stehen  Anmerkungen,  welche  Ober  Gelehrte, 
Bücher  und  anderes,  das  im  Texte  erwähnt  wird,  Aufechlufs  geben.  Erst 
wenn  einmal  die  versprochenen  Sach-  und  Namenregister  vorliegen,  wird 
man  sich  eine  Vorstellung  von  dem  gewaltigen  Vorrat  wertvollen  Mate- 
rials machen  können,  das  hier  aufgespeichert  ist. 

Wir  wünschen  dem  Herausgeber,  dafs  es  ihm  vergönnt  sein  möchte, 
sein  umfangreiches  Werk  in  nicht  allzu  femer  Zeit  zu  Ende  zu  führen. 

Weitere  Arbeiten  zur  Gelehrtengeschicbte  mögen  hier  folgen: 

R.  V.  Höfler,  Erionerungen  an  Phil.  Jacob  Fallmerayer  (Mitthei- 
lungen d.  Vereines  f.  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen.  Jahrg.  26. 
Nr.  IV  [Prag  1888J,  S.  895-416). 

Fallmerayer,  unter  uns  eine  fast  vergessene  Persönlichkeit,  war  in 
den  vierziger  Jahren  unseres  Jahrhunderts  einer  der  bekanntesten  6e* 
lehrten  Deutschlands. 

Nachdem  neuerdings  ein  Tiroler  Gelehrter,  Gymnasialdirektor  Dr. 
J.  C!h.  Mitterrutzner,  das  Andenken  an  denselben  erneuert  hat,  teilt  auch 
der  bekannte  Historiker  Höfler  allerlei  über  denselben  aus  seiner  Erinne- 
rung mit.  Höfler  lernte  ihn  im  Jahre  1827  kennen,  als  er  zur  Absol- 
vierung des  philosophischen  Kursus  das  Lyceum  zu  Landshut  bezog. 
An  dieser  Anstalt  wirkte  der  im  Jahre  1790  in  Tirol  geborene  Philipp 
Fallmerayer  als  Professor  der  Geschichte  und  klassischen  Philologie. 
Kurz  vorher  hatte  der  Gelehrte  durch  Lösung  der  von  Kopenhagen  aoa 
gestellten  Preisaufgabe  über  das  trapeznn tische  Kaisertum  die  allgemeine 
Aufmerksamkeit  auf  sich  gelenkt.  Unter  seinen  Zuhörern  war  die  Stim- 
mung über  den  Gelehrten  sehr  geteilt:   manche  hielten  ihn  für  einen 


1 


Lettere  inedite  dl  Giacomo  Leopardi.  189 

Phrasenmacher.  Seine  kleine  Schrift  fiber  Geschichte  machte  einen  ver- 
schwommenen Eindruck,  nnd  man  vermifste  an  ihr  philosophische  Durch- 
bildung. 

Höfler  fand  mehr  Geschmack  an  F/s  Vorlesungen  Ober  Hesiod  und 
Plautus*  Miles  gloriosus  als  an  diesen  historischen  Vorlesungen.  Dabei 
zeichnete  er  sich  aus  durch  eine  tüchtige  Kenntnis  des  romäischen 
Rechtes,  wozu  er  die  byzantinischen  Schriftsteller  fleifsig  studiert  hatte. 

Die  bekannte  These  F.*s:  maa  ^  *EXXä^  iaXaßwBv^^  wonach  die 
althellenische  Bevölkerung  Griechenlands  mit  Stumpf  und  Stil  ausgerottet 
wurde,  ist  nach  Höflers  Meinung  aus  der  Eitelkeit  des  Gelehrten  ent- 
sprungen, der  damit  auffallen  wollte.  Über  diese  Meinung  entbrannte 
später  ein  heftiger  Kampf  in  der  Münchener  Akademie,  wo  der  alte 
Philhellene  Thiersch  F.  bekämpfte. 

Trotzdem  war  seine  »Geschichte  der  Halbinsel  Moreac  ein  Werk 
von  weittragender  Bedeutung,  so  schlimm  auch  später  die  Kritik  dem- 
selben mitgespielt  hat. 

Der  Verfasser  war  aber  im  wesentlichen  Autodidakt,  mit  allen 
Schwächen  und  Vorzügen  solcher  Menschen.  Von  seinen  Lehrern  scheint 
nur  Dr.  Ast  einigen  Einflufs  auf  ihn  gehabt  zu  haben. 

In  Folge  einer  Orientreise  von  1831  — 1834,  wobei  ihm  seine  mannig- 
faltigen Sprachkenntoisse  sehr  zu  statten  kamen,  gewöhnte  er  sich  »eine 
gewisse  orientalische  Ruhec  an,  die  ihm  eine  äufsere  Würde  verlieh. 
Während  seiner  Abwesenheit  wurde  er  zu  seinem  grofsen  Leidwesen 
pensioniert,  erlangte  aber  als  Mitglied  der  k.  Akademie  in  München  eine 
geachtete  Stellung. 

Die  Mitteilungen  über  die  spätere  Stellung  F.*s  als  Lehrer  des 
nachmaligen  Königs  Max  II  und  was  sich  daran  knüpfte,  berühren  die 
eigentliche  Gelehrtengeschichte  nur  in  geringem  Grade. 

Von  dem  begeisterten  Leopardianer  Camillo  Antona-Traversi  liegt 
wieder  eine  neue  Publikation  vor: 

Lettere  inedite  di  Giacomo  Leopardi  e  di  altri  a'  suoi  parenti 
e  a  lui  per  cnra  di  Emilio  Costa,  demente  Benedettuci  e  Camillo 
Antona-Traversi.     Cittä  di  Castello.    1888.    8.   XXIII  u.  287  S. 

Auf  eine  orientierende  Einleitung  kommen  folgende  Nummern: 
1)  Lettere  inedite  di  Giacomo  Leopardi  a  Pietro  Brigheoti.  2)  Lettere 
Stelliane.  3)  Lettere  Brighentiane.  4)  Lettere  Giordaniane.  5)  Lettere 
Lemonnieriane.  6)  Lettere  Gussalliane.  7)  Lettere  di  vaij.  —  Anmer- 
kungen erleichtem  das  Verständnis. 

Wer  eine  Geschichte  der  klassischen  Studieu  in  Italien  schreiben 
will,  findet  zahlreiche  Notizen  von  Wert  in  dem  kleinen  Bändchen.  Vgl. 
z.  B.  die  Angaben  über  Fronto  S.  85 ,  über  die  Aeneide  S.  78,  79,  86, 
über  Seneca  S.  86  etc. 


190  Gcfdudiie  der  Altertaatvineiiidaft. 

Ein  anmiitiges  kleines  Bocfa,  das  in  dieeeai  ZuBanuneidiiiig  be- 
sproehen  werden  mofs,  yerdanken  wir  eiaem  höheren  bayenadiai  Eisen- 
bahnbeamten: 

Adolf  Pernwerth  ?on  Bärnstein,  In  doplo.  Gedichte  zugleich 
in  lateinisch-rfaythmiscfaer  nnd  in  dentscher  Fassung.  Mit  einer  kurz- 
gefafsten  Geschichte  der  lateinisch -rhythmischen  Dichtung.  Manchen 
1888.  Literarisch -artistische  Anstalt  Theodor  Riedel.  16-  XXII  u. 
110  & 

Der  Verfasser  des  Liederbuches  ist  kein  Neuling  auf  diesem  Ge- 
biet Er  hat  seinen  Namen  bereits  durch  zwei  Schriften  bekannt  ge- 
macht: 1)  Garmina  burana  selecta.  Ausgewählte  lateinische  Studenten-, 
Trink-  und  Liebeslieder  des  XII.  und  XIII.  Jahrhunderts  aus  dem  Codex 
buranus,  mit  neudeutschen  Übertragungen,  geschichtlicher  Einleitung, 
Anmerkungen  und  Beigaben.  Wfirzburg  1879.  ->  2)  Ubi  sunt»  qni  ante 
nos  in  mundo  fuere?  Ausgewählte  lateinische  Studentin-,  Trink-,  Liebes- 
und andere  Lieder  des  XIY.  bis  XVIII.  Jahrhunderts.  Eine  literatur- 
geschichtliche Studie,  zugleich  ein  Liederbuch.    Wfirzburg  1881. 

Da  sämtliche  Gedichte  der  kleinen  Sammlung  in  lateinischer  und 
dentscher  Fassung  dargeboten  werden,  so  wurde  der  Titel  iln  duploc 
gewählt 

In  der  kurzgefaßten  geschichtlichen  Einleitung  ist  eine  knappe 
Geschichte  der  lateiDiscben  rhythmischen  Poesie  gegeben.  Im  Gegensatz 
zur  »urbanen  Poesie  der  BOmerc  entwickelte  sich  zumeist  aus  dem 
Soldatenlied  die  lynlgäre  Lyrikc,  welche  statt  Quantität  nnd  Elision  nur 
den  Accent  anerkennt.  Eine  hohe  Bifite  erreichte  diese  Form  der  Dich- 
tung im  altcbristlichen  Kirchenlied,  der  Hymnenpoesie  der  ersten  christ- 
lichen Jahrhunderte,  sodann  in  der  weltlichen  Dichtung  der  fahrenden 
SchAler,  der  Goliarden  des  12.  nnd  13.  Jahrhunderts,  welche  sich  von 
der  Grenze  der  innigsten  nnd  reinsten  Gefdhle  bis  znm  frivolsten  Gynis- 
mus  bewegen. 

Die  bedeutendste  Sammlung  solcher  Lieder  enthält  der  Codex 
buranus,  eine  Handschrift  aus  dem  altbayeriscben  Kloster  Benediktbeuren, 
welche  sich  jetzt  in  der  Mfinchener  Hof-  nnd  Staatsbibliothek  befindet, 
und  die  Schmeller  1847  als  Carmina  burana  herausgegeben  hat 

Diese  Poesie  Hefs  mit  dem  Aufkommen  des  Humanismus  nach, 
weil  dieser  auf  das  klassische  Prinzip  der  Quantität  zurfickging.  Nach- 
dem sie  im  17.  und  18.  Jahrhundert  ein  kfimmerliches  Dasein  gefristet 
hatte,  gewann  sie  im  19.  Jahrhundert  neue  Verehrer  und  darum  auch 
neue  Pflege.  Als  Meister  solcher  Dichtung  werden  genannt:  Viktor 
von  Scheffel,  Felix  Dahn,  Gustav  Schwetschke  der  moderne  »Meister  von 
Latiums  Sprächet,  Fr.  Weinkanfi^  Ernst  Pfltz  u.  a.  Nach  der  vorliegen- 
den Probe  fflgen  wir  auch  Adolf  Pernwerth  von  Bärnstein  hinzu. 


Zannoni,  I  precaraori  di  Merlin  Gocai.  191 

Gegenttber  dem  wttsten  Geschrei  gegen  die  klassischen  Sprachen, 
von  dem  Deutschland  wiederhallt,  liest  man  mit  Freuden  einen  Satz  wie: 
»Die  lateinische  Sprache  war  seit  Jahrhunderten,  ist  gegenwärtig  und 
bleibt  fOr  unabsehbare  Zukunft  die  Weltsprache  aller  humanistisch  Ge- 
bildeten des  ganzen  Erdkreisesc.  Dabei  bekleidet  der  Schreiber  dieser 
Zeilen  eine  Stellung  im  Eisenbahndienst! 

Zu  den  Litteraturangaben  auf  S.  10  und  11  ergänze  ich  noch: 

1)  Garmina  dericorum.    Studentenlieder  des  XII.  und  XIII.  Jahr- 
hunderts.   Edidit  domus  quaedam  vetus.    6.  Aufl.    Heilbronn  1880. 

2)  0.  Hubatsch,  Die  lateinischen  Vagantenlieder  des  Mittelalters. 
Görlitz  1870. 

3)  W.  Hertz,  Spielmannsbuch.    1886. 

4)  Jaff6,  Die  Cambridger  Lieder.     1869. 

Was  die  Gedichte  selbst  betrifft,  so  sind  sie  in  der  That  sehr  ge- 
fällig. Der  Mehrzahl  nach  Gelegenheitsgedichte,  beweisen  sie,  dafs  man 
die  Ereignisse  der  jüngsten  Gegenwart  in  lateinischer  Sprache  allgemein 
yerständlich  und  ansprechend  behandeln  kann. 

Als  Beispiel  mOge  ein  dem  Reichskanzler  zum  siebenzigsten  Ge- 
burtstage (1.  April  1886)  gewidmetes  Gedicht  dienen: 

Principi-cancellario  de  Bismarck  annum 
septuagesimum  peragenti. 


Princeps  cancellarie, 

Peragens  annorum 
Septuaginta  hodie 

Girculum  decorum: 
Te  sincera  salutant 

Germanorum  vota, 
Tua  fama  resonant 

Littora  remota. 


Victor  stas  in  proeliis 

Ensium,  verborum, 
Rector  in  consiliis 

Mundi  populorum: 
lüde  nostra  tempora 

Te  miraotnr  lumen, 
Te  futura  saecula 

Affabuntur  numen. 


Giovanni   Zannoni,    I  precursori   di   Merlin   Gocai.     Studi   e 
ricerche.   Gittä  di  Gastello.   S.  Lapi  tipografo  editore.    1888.   8.  207  S. 

Auf  der  Grenze  der  Aufgabe  des  »Jahresberichtesc  bewegt  sich 
dieses  lehrreiche  Buch,  welches  die  Geschichte  der  macaronischen  Dich- 
tung in  Italien  bis  auf  Merlin  Gocai  darstellt  Diese  in  Deutschland 
nur  selten  gepflegte  Form  der  Poesie  scheint  in  Italien  grofse  Verbrei- 
tung und  ziemliche  Beliebtheit  genossen  zu  haben. 

Der  Verfasser  greift  bis  auf  die  macaronischen  Verse  der  Goliarden 
zurück.  Über  den  umstand,  dafs  man  bisher  in  Italien  keine  Goliarden- 
lieder  aufgefanden  hat,  citiert  der  Verfasser  eine  beachtenswerte  Bemer- 
kung Ton  Bartoli  (I  precursori  del  rinascimento,  Firenze  1876):  iGhe  in 


192  Geschichte  der  Altertumswissenscbaft. 

Italia  Don  si  sieno  trovati  manoscritti  goliardici  non  tooI  dir  molto: 
ognuno  sa  in  che  condizioDc  sieno  le  nostre  bibliotecfae.c  Wenn  dieser 
Satz  die  Wahrheit  nnd  keioe  Übertreibung  enthält,  so  dOrfte  die  Alter- 
tumswissenschaft Doch  auf  gelegentliche  wertvolle  Funde  in  Italien  Aus- 
sicht haben. 

An  den  einleitenden  Text  schliersen  sich  folgende  Proben  an: 
1)  Tifi  degli  Odassi,  Macaronea.  —  2)  Nobile  Viconse  Opus.  — 
8)  Matteo  Fossa,  Virgiliana.  —  4)  Bassano  da  Mantova:  a)  Ad 
magnificus  dominus  Gasparus  Vescontus.  b.  Macaronea  contra  Savoynos. 
—  6)  Giovanni  Giorgione  Alione,  Macaronea  contra  Macaroneam 
Bassani. 

Ein  kurzer  Anhang  und  ein  Glossar  schwieriger  italienischer  Aus- 
drücke beschliefst  das  Buch. 

Um  einen  Begriff  dieser  macaronischen  Dichter  zu  geben,  mag  hier 
der  Anfang  der  Virgiliana  von  Matteo  Fossa  stehen,  welcher  die  ersten 
Verse  der  Vergilschen  Aeneis  benützt: 

Tu  quicumque  leges  non  dicas  Macaroneam: 
De  macaroneis  nil  tractant  carmina  nostra;  ' 
Nomine  sed  vero  dicantur  Virgiliana. 
Incipimus  quamvis  non  canimus  arma  virumque. 
Non  hie  arma  virumque  canimus  neque  troica  gesta, 
Sed  mage  sbefatus  cantabitur  Angelus  isto 
Carmine:  vos,  socii,  letos  advertite  sensus. 
Hie  Priscianus  adest  confractus  membra  cerebro  et 
Gonqueritur:  queriturque  licet,  tamen  arma  virumque 
Incutimus  capiti.    Veniam  dabis,  o  Prisciane, 
Invite  et  quamvis  faveas,  mea  o  Beta,  roganti 
Atque  adsis  faveasque,  precor  —  quot  carmina  feci 
Inguine  cum  mammis  magna  scis  ea  fuere. 

Julius  Thikötter,  Hallelijg^.   Lateinische  und  deutsche  Hymnen. 
Bremen.    M.  Heinsius.     1888. 

Von  den  26  Hymnen,  welche  die  kleine  Schrift  enthält,  sind  zwölf 
lateinisch  nnd  deutsch  zugleich.  Der  Verfasser  sagt  von  den  Kindern 
seiner  Muse,  die  Dichtung  der  Hymnen  sei  ihm  ganz  nngesncht  von 
selbst  gekommen;  sie  habe  ihm  persönlich  Freude  gemacht  Zu  dem 
letzteren  sei  bemerkt,  dafs  das  wohl  glaublich  ist,  und  wir  hoffen,  dafs 
diese  in  der  That  schönen  Hymnen  auch  noch  anderen  Menschen  anfser 
dem  Verfasser  Freude  machen  werden. 

Bezüglich  der  ersten  Bemerkung  ist  aber  doch  zu  betonen,  dafs 
Thikötter  seinen  Geist  vorher  durch  Lektüre  alter  und  vielleicht  auch 
neuerer  Hymnendichter  (man  darf  wohl  an  J.  V.  von  Scheffel  eriimern) 
befruchtet  haben  mufs. 


DQhr,  Goetheg  HermaDo  und  Dorothea.  19«S 

Zur  Probe  mag  hier  eine  Strophe  ans  der  Hymne  »Domine  fac 
salvam  imperatoremt  stehen: 

Omnes  tribos,  omnes  gentes 
Totam  per  Germaniam, 
Regia  landibus  gaudentes 
Gonsalutant  gloriam. 
lobilant  in  orbinm  mnris, 
Gestiont  in  campis  mris 
Nobiles  et  pauperes, 
Humiles  et  principes. 

Goethes  Hermann   ond  Dorothea.     Ins  Altgriechische  Obersetzt 
von  Professor  Dr.  A.  DOhr.     Gotha.    Perthes.     1888.    8.    68  S. 

Die  Verlagshandinng  versendet  mit  dem  Schriftchen  eine  Anzeige, 
welche  folgende  Mitteilnngen  enthält: 

Der  Übersetzer  D.  hat  schon  früher  eine  Übersetzung  von  Geibels 
Erinnerungen  an  Griechenland  hergestellt,  die  nicht  blofs  Geibels,  son- 
dern auch  eines  engeren  Kreises  von  Freunden  Beifall  gefunden  hat. 
Die  Übersetzung  von  Hermann  und  Dorothea  war  ursprünglich  auch  nur 
für  Freunde  bestimmt,  aber  zahlreiche  Anmeldungen  zur  Subscription 
veranlafste  den  Druck  von  mehr  Exemplaren. 

Dfibr  ist  ein  ehemaliger  mecklenburgischer  Schulmann,  der  diese 
Arbeit  schuf  in  »einer  gänzlich  idealen  Begeisterung  für  die  klassischen 
Sprachen,  für  deren  Betrieb  und  Lehre  der  Verfasser  die  beste  Kraft 
seines  langen,  nun  schon  in  das  neunte  Jahrzehnt  gehenden  Lebens  ein- 
gesetzt hat,  und  denen  auch  die  Mufse  des  Veteranen  ganz  gehörte 

Erfreulich  im  Gegensatz  zu  zahlreichen  anderen  BQcheranzeigen 
ist  das  offene  Geständnis,  dafs  der  Verfasser  sich  nicht  einbildet,  er 
komme  »etwa  einem  tiefgefühlten  Bedürfhisc  entgegen.  Das  Büchlein 
verdankt  seine  Entstehung  einer  persönlichen  Liebhaberei  und  wendet 
sich  an  die  »nur  kleine  Gemeinde  derjenigen,  welche  in  dem  realisti- 
schen Drange  unserer  Tage  Sinn  und  Zeit  für  solche  Studien  sich  be- 
wahren, c 

Gewidmet  ist  die  Übersetzung  dem  Ehepaar  Schliemann:  "AuSpl 
ivTCfiordr^  EPPIKQt  2XAIEMANN  rip  Ttdvu  xal  rjj  yvvcuxl  abroü 
l'O01At  Tj  ix  T^g  r^veäg  täv  KA2TP0MENQN.  Das  Widmungs- 
gedicht ist  in  Distichen,  die  Übersetzung  selbst  in  Hexametern  geschrieben. 


Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.    LXXX.  Bd.    (1891.  III.)  ]3 


üeber  die  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  alten 
Philosophie  in  Rnssland  im  Jahre  1890. 

Von 

W.  Lutostawski. 


Während  in  den  letzten  Jahren  in  Rossland  sich  eine  sehr  leb- 
hafte Thätigkeit  anf  dem  Gebiete  der  Philosophie  entfaltet  hat,  bleibt 
die  Geschichte  der  Philosophie,  und  besonders  die  Geschichte  der  alten 
Philosophie  verhiLltnissmässig  am  wenigsten  bebant,  vielleicht  wefl  die 
tonangebenden  philosophischen  Schriftsteller  in  Rnssland  keine  Historiker 
sind,  nnd  in  Folge  dessen  das  Interesse  flir  historisch  philosophische 
Forschnngen  im  Pnbliknm  noch  nicht  erwacht  ist;  aber  wahrscheinlich 
anch  deshalb,  weil  historisch -philosophische  Forschnngen  ausgedehnte 
Bibliothek -Mittel  voraussetzen,  die  in  Rnssland  fehlen.  An  den  mssi- 
schen  Universitäten  war  das  Stndinm  der  Philosophie  in  der  letzten 
Zeit  auf  ein  Minimum  redudrt,  so  dass  sich  das  BedQrfhiss  systemati- 
scher BOcheranschaffung  nicht  ftüüen  liess.  Deswegen  sind  die  Biblio- 
theken selbst  der  reichsten  Universitäten  Russland  auffallend  arm  an 
philosophischen  Werken,  und  nicht  einmal  in  Moskau  ist  es  möglich, 
die  besten  Ausgaben  vieler  classischer  Philosophen  aufzutreiben.  Jetzt, 
wo  die  Beschäftigung  mit  Philosophie  sehr  rege  zu  werden  beginnt,  sucht 
man  diese  Lücken  zu  fallen,  und  bemOht  sich  zunächst  um  eine  vor- 
läufige Orientierung  Ober  den  gegenwärtigen  Zustand  der  philosophischen 
Disciplinen  in  Europa,  mit  einiger  Yemachlässigung  des  Studiums  frü- 
herer Philosophen.  Das  Studium  der  Gegenwart  erscheint  den  Meisten 
anziehender,  und  ist  auch  viel  leichter,  da  es  sich  hauptsächlich  auf  die 
Literatur  der  letzten  Zeit  bezieht,  während  zum  historischen  Studium 
wir  fortwährend  Werke  früherer  Zeiten  benutzen. 

Im  Laufe  des  Jahres  1890  ist  kein  auf  die  Philosophie  des  Alter- 
thums  bezügliches  Werk  besonders  erschienen,  ausser  dem  schon  im 
Jahresbericht  für  1889  besprochenen  und  auch  thatsächlich  im  J.  1889 
gedruckten  Werke  über  die   Metaphysik  im  alten  Griechenland   vom 


Plato.  195 

Ftirsten  S.  Trnbieckoj.  Dies  Werk  ist  nicht  ohne  Tendenz  geschrieben, 
hat  aber  in  Russland  eine  grosse  Anerkennung  gefiinden,  die  sich  auch 
in  einer  Recension  von  Rad}ow  im  Archiv  für  Geschichte  der  Philoso- 
phie (Band  III  Seite  690)  kundgiebt.  Eine  ins  Einzelne  gehende  Be- 
sprechung und  Kritik  der  Ausführungen  von  Fürst  Trnbieckoj,  würde 
die  Rahmen  dieses  Berichtes  übersteigen. 

In  der  philosophischen  Zeitschrift  »Woprosy  filosofii  i  psichdogii^) 
(Fragen  der  Philosophie  und  Psychologie)  lesen  wir  im  Laufe  des 
Jahres  1890  nur  zwei  auf  die  Geschichte  der  alten  Philosophie  bezüg- 
liche Arbeiten: 

1.  D.  Owsianniko-Kulikowskawo  Oczerki  iz  istorü  mysli 
(D.  Owsianniko  Eulikowsk^  Skizzen  aus  der  Geschichte  des  Gedankens) 
Woprosy  N.  5  Seite  103—134. 

Es  ist  dies  die  Fortsetzung  des  gleichnamigen  Ansfsatzes  in  N.  2 
derselben  Zeitschrift*).  Der  Verfasser  betrachtet  die  Lehre  von  den 
Elementen,  besonders  vom  Wasser,  von  der  Luft  und  von  der  Erde  in 
der  ältesten  Philosophie.  Er  findet  eine  enge  Beziehung  zwischen  der 
Lehre  von  Thaies  und  populären  griechischen  mythologischen  Anschau- 
ungen, die  er  wiederum  aus  indischen  Mythen  und  aus  der  semitischen 
Eosmogonie  herzuleiten  strebt.  Unter  Berufung  auf  Plutarch,  schreibt 
Owsianniko -Eulikowskij  dem  Thaies  die  Vorstellung  zu,  dass  die  Aus- 
dünstungen des  Wassers  die  ganze  Welt,  sogar  das  Feuer  der  Sterne 
und  der  Sonne  nähren.  Diese  Ausdünstungen  sind  aber  eine  Luftart, 
und  so  findet  Owsianniko -Eulikowskij  es  ganz  natürlich,  dass  später 
Anaximenes  die  Luft  als  Urelement  auffasste.  Die  ursprüngliche  Vor- 
stellung der  Elemente,  meint  der  Verfasser,  trennte  noch  nicht  den  Be- 
griff der  Elemente  von  dem  Begriff  der  Eräfte.  Diese  Unterscheidung 
findet  der  Verfasser  erst  bei  Empedokles,  der  neben  Parmenides  zuerst 
die  Erde  als  Element  aufgefasst  haben  soll.  Auch  diese  Vorstellung 
sucht  der  Verfasser  auf  indische  Quellen  zurückzuführen.  In  der  Tren- 
nung der  Idee  der  Eraft  von  der  Idee  der  Materie,  sieht  Owsianniko- 
Eulikowsky  ein  wichtiges  Ergebniss  der  ältesten  Philosophie,  und  zwar 
so,  dass  die  ursprünglich  mythischen  Anschauungen  allmählich  zu  philo- 
sophisch präcisen  Begriffen  geführt  haben. 

Der  Gedankengang  beruht  auf  einer  Reihe  von  Wahrscheinlich- 
keitsschlüssen,  die  etwas  an  ähnliche  Theorien  von  Plessing  im  XVIII. 
und  von  Patrizi  im  XVI.  Jahrhundert  erinnern.  Diese  seine  Vorgänger, 
so  wie  auch  neuere  Schriften  über  denselben  Gegenstand,  scheint  Owsian- 
niko Eulikowskij  nicht  zu  kennnen. 


1)   Diese  Zeitschrift  werde  ich  weiterhin  kurz  als  »Woprosy c  an- 
führen. 

S)   Besprochen  im  Jahresbericht  für  1889. 

18» 


1 96  Pl»to. 

Dieselbe  Yernacblässigiing  der  Uteratar  des  Gegenstandes  bemerirt 
man  auch  in  der  Abhandlung. 

2.  Kn.  E.  Trnbieckowo  Politiczesk^'e  idieaty  Ptatona  i  Aristo- 
tiela  w  ich  wsiemirnoistoriczeskom  znaczenii.  (Ffirst  E.  Trubieckoj. 
Die  politischen  Ideale  von  Plato  und  Aristoteles  in  ihrer  welthistori* 
sehen  Bedeutung.) 

Der  Verfasser  sieht  in  Piatos  Staat  eine  philosophische  Theokra- 
tie  (!),  deren  Einrichtung  völlig  voo  den  Vorstellungen  ttber  das  Jenseits 
abhängt.  Im  Gegensatz  dazu  soll  der  Aristotelische  Staat  sich  selber 
Zweck  sein.  Der  Verfasser  sieht  sogar  eine  Ahnung  des  späteren  Kul- 
turkampfes im  vermeintlichen  Gegensatz  zwischen  der  Tbeokratie  voo 
Plato  und  dem  angeblichen  Kulturstaat  von  Aristoleles.  Wenn  man 
derartige  Gedanken  ausspricht,  sollte  man  doch  die  vorhandenen  Nach- 
weise der  Uebereinstimmung  zwischen  Plato  und  Aristoteles  anf  dem 
Gebiet  der  Politik  zuerst  widerlegen  (z.  6.  Lutostawski  Erhaltung  und 
Untergang  der  Staatsverfassungen,  Breslau  1888).  Aber  der  Verfasser 
kümmert  sich  ebensowenig  um  die  Literatur  seines  Gegenstandes  wie 
Owsianniko-Kulikowskij,  und  er  ist  nicht  einmal  vertraut  mit  der  Art 
und  Weise,  wie  Aristoteles  citirt  wird.  Er  dtirt  die  Politik  nach 
Büchern  und  Kapiteln,  was  doch  bei  diesem  Werke  um  so  weniger 
angemessen  ist,  als  hier  die  Reihenfolge  der  Bücher  nicht  zweifellos 
feststeht 

Fürst  E.  Trubieckoj  nennt  schliesslich  Plato  den  Propheten  des 
christlichen  theokratischen  Ideals,  Aristoteles  den  Propheten  des  zeit- 
genössischen europäischen  Gulturstaates.  Offenbar  scheint  ihm  die  ?od 
Aristoteles  behauptete  Nothwendigkeit  des  Sklaventhums  eine  solche 
Kleinigkeit  zu  sein,  dass  man  sie  bei  der  Vergleichung  griechischer  und 
moderner  politischer  Ideale  ausser  Acht  lassen  kann.  Nur  am  Schlass 
seines  Aufsatzes  entsinnt  sich  der  Verfasser,  dass  Plato  und  Aristoteles 
darin  wenigstens  übereinstimmen,  dass  beide  immer  nur  einen  Theil  der 
Staatsbewohner  im  Auge  haben. 

Zum  Theil  bezieht  sich  auf  Aristoteles  auch  das  Werk: 

3.  Razlicznyja  naprawlenija  w  togikie  i  osnownyja  zadaczi  etoj 
nauki.  Soczinienije  privatdocenta  imperatorskawo  Charkowskawo  ani- 
wersitieta  P.  Leikfeld.  Charkow  1890.  (Verschiedene  Richtungen 
in  der  Logik  und  Grundaufgaben  dieser  Wissenschaft,  von  dem 
Privatdozenten  der  Kaiserlichen  Universität  zu  Charkow,  P.  Leikfeld). 

Der  Verfasser  bekennt  sich  als  Aristoteliker  und  Vertheidiger  der 
von  Aristoteles  aufgebrachten  Auffassung  der  Logik.  Dies  hindert  ihn 
aber  nicht,  Aristoteles  häufig  gänzlich  misszuverstehen.  Er  kennt  übe^ 
haupt  den  Aristoteles  nur  in  der  Ausgabe  von  Buhle,  and  nur  zun 
Theil  in  der  Didotschen  Ausgabe.    Selbst  von  der  Ausgabe  von  Bohle 


■  ■  .  LM-  «^ 


PUto.  197 

hatte  er  offenbar  ein  nnvollst&ndiges  Exemplar,  da  er  diese  Ausgabe 
^schlich  als  ans  drei  Bänden  bestehend  citirt  and  sie  im  J.  1716—17 
erscheinen  lässt!  

Die  Zeitschrift  Wiera  i  Raznm  (Glauben  und  Vernunft)  enthält 
im  Jahrgang  1890  einige  umfangreiche  Arbeiten  zur  Geschichte  der  alten 
Philosophie : 

4.  Zielonogorskij,  Idiei  i  dialektika  po  Pfatonu  (Ideen  und 
Dialektik  nach  Plato)  N.  7—8  Wiera  i  Razum. 

Der  Verfasser,  Professor  an  der  Universität  zu  Charkow,  fordert, 
dass  man  die  Ideen  nicht  mit  Begriffen  verwechsle  und  glaubt  bei  Plato 
zwei  Arten  von  Ideen  unterscheiden  zu  dürfen:  1.  ewige  Ideen,  wie  die 
des  Feuers,  der  Luft  und  des  Wassers.  2.  Ideen  als  Gedanken  Gottes, 
nach  denen  die  Welt  geschaffen  wurde. 

Von  demselben  Verfasser  lesen  wir  in  N.  10-- II  derselben  Zeit- 
schrift die  Abhandlung: 

6.  Greczeskije  tragiki  i  sofisty  (Griechische  Tragiker  und 
Sophisten). 

Der  Verfasser  sieht  in  den  Werken  von  Aischylos,  Sophokles  und 
Euripides  eine  philosophische  Kritik  der  Oberlieferten  Tradition,  ver- 
bunden mit  gewissen  positiven  philosophischen  Tendenzen,  die  den  So- 
phisten fehlen. 

Endlich  enthält  N.  13  derselben  Zeitschrift: 

6.  Th.  Sadow,  Nrawstwiennyja  poniatga  i  nrawstwiennaja  filoso- 
4ja  obrazowannawo  obszczestwa  w  drewniem  Rimie.  (Sittliche  Be- 
griffe und  Moralphilosophie  der  gebildeten  Gesellschaft  im  alten  Rom.) 

Der  Verfasser  stützt  seine  Darstellung  auf  Cicero,  Seneca,  Horaz 
und  anderen  römischen  Schriftstellern. 

Von  Abhandlungen  in  Zeitschriften  sind  noch  zu  erwähnen: 

7.  Korsunskij,  Uczenije  Aristotiela  i  jewo  szkoly  o  bogie  (Lehre 
von  Aristoteles  und  seiner  Schule  über  Gott). 

N.  9,  11,  14,  16,  19,  21,  23  per  Zeitschrift  Wiera  i  Razum. 

8.  P.  Leikfeld,  K  uczen^u  Aristotiela  o  bezsmieriji  duszi.  (Zur 
Lehre  des  Aristoteles  von  der  Unsterblichkeit  der  Seele.) 

N.  18  Wiera  i  Razum. 

9.  M.  Earpinskij,  Bezkoniecznoje  Anaximandra.  (Das  Unbe- 
grenzte von  Anaximander.) 

N.  4,  6,  6  der  Zeitschrift:  2urniU  Ministierstwa  Narodnawo  pros- 
wieszczenga  (Journal  des  Ministeriums  der  Volksaufklärung). 


198  Plato. 

10.  A.  Traczewskij,  Wospitatielnyje  idieafy  Etassiczeskawo  mira. 
(Die  Erziehungsideale  der  klassischen  Welt.) 

N.  3,  4,  6  der  Zeitschrift:  Russk^ja  szkola.  (Rassische  Schale.) 

11.  Salonikio,  analiz  diidoga  Platona  Charmid.     (Analyse  des 
Dialogs  Yon  Plato  Channides.) 

N.  11—12  der  Zeitschrift:  Gimnazia  (das  Gymnasium). 

12.  Zitieckij  Dialog  Pfatona  Kratit.    (Der  Dialog  Piatons  Kra- 
tylos.) 

N.  12  der  Zeitschrift:  iumsi  ministierstwa  narodnawo  proswiesz- 
czenya. 

Ausserdem  verdienen  Erwähnung  einige  Schulausgaben  yon  Piatos 
Dialogen: 

1.  Piatons  Apologie  mit  Einleitung,  russischer  Uebersetzung  und 
Anmerkungen  von  Danilczenko.  Kiew  1890.  YIII  u.  116  S. 

2.  Piatons  Apologie  mit  Einleitung  und  Anmerkungen  von  Pos- 
piszil.    Carskoje  Sielo  1890.    150  S. 

3.  Piatons  Protagoras,  ins  Russische  Obersetzt  von  Dobiasz.  Kiew 
1890.    77  S. 

4.  Piatons  Protagoras  tibersetzt  von  E.  D.  mit  Anmerkungen.  Kiew 
1890.     166  S. 

5.  Piatons  Kriton  übersetzt  von  Paschalow.    Kiew  1890.  54  S. 

Diese  Ausgaben  zeugen  von  der  in  der  letzten  Zeit  eifriger  be- 
triebenen Lectttre  der  griechischen  Schriftsteller  an  den  Gymnasien.  Es 
ist  nftmlich  unlängst  in  Russland  das  Uebersetzen  aus  den  alten  Sprachen 
in  das  Russische  in  den  Gymnasien  abgeschafft  worden,  damit  die  Schul- 
jugend mehr  Zeit  der  Lektüre  klassischer  Schriftsteller  zuwenden  könne. 

Kazan,  den  1.  November  1891. 

W.  Lutosfawski. 


Bericht  über  die  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete 
der  griechischen  und  römischen  Metrik. 

Von 

Gymnasial-Oberlehrer  Prof.  Dr.  Riebard  Klotz 

in  Leipzig. 


I.    Untersuchungen  zur  Oeschichte  der  metrischen 

Theorie. 

In  unserm  Beriebt,  der  im  AnschloTs  an  unseren  letzten  XLXIII. 
(1886.  III),  S.  65-160  und  vorletzten  XXXVI.  (1883.  III),  S.  289-453 
Erscheinungen  der  Jahre  1886  —  1891  behandelt,  heben  wir  die  rege 
Tbätigkeit  hervor,  mit  der  nach  Rudolf  WestphaVs  Arbeiten,  vgl.  letzten 
Bericht  No.  1  fg.,  die  kritisch-historischen  Forschungen  fortgesetzt  worden 
sind.  Diese  stehen  vielfach  in  innigem  Zusammenhange  mit  der  Geschichte 
der  grammatischen  Theorie  überhaupt,  die  in  einem  besonderen  Bericht 
zur  Besprechung  kommt.  Deshalb  beschränken  wir  uns  hier  auf  solche 
Leistungen,  die  lediglich  oder  ganz  vorwiegend  metrischen  Inhalts  sind. 
Wir  scheiden  in  vier  Gruppen  die  Arbeiten  über  die  altern  Rhythmiker 
und  Metriker  von  Aristozenos  bis  Philoxenos  und  Heliodor,  über 
Hephaestion  mit  seinen  Bearbeitern  und  Erklärern,  über  die  späteren 
Byzantiner  und  Römer. 

1)  Friedrich  Blafs,  Kleine  Beiträge  zur  griechischen  Metrik. 
Fleckeisen*8  Jahrbücher  133.  Bd.    1886.    S.  451—464. 

2)  Alfred  Croiset,  Besprechung  von  R.  Westphal's  Aristozenos 
von  Tarent  u.  8.  w.,  s.  letzter  Bericht  No.  2.  Revue  critique  1886, 
No.  52,  S.  501  ffg. 

8)  Gerhard  Schultz,  Die  Metrik  des  Philozenus.  Aus  der 
Anomia.  Archäologische  Beiträge,  Carl  Robert  zur  Erinnerung  an 
Berlin  dargebracht.    Berlin,  Weidmann,  1890.    214  S.    8.   S.  47 — 60. 

4)  Oscarus  Leichsenring,  De  metris  graecis  quaestiones  ono- 
matologae.    Diss.    Greifswald  1888.    IV  u.  48  S.    8. 

5)  F.  Leo,  Die  beiden  metrischen  Systeme  des  Altertums.  Hermes 
XXIV.    S.  280—301. 

Blafs  sucht  Bruchstücke  des  Aristozenos  bei  den  spätem  Me- 
trikern  nachzuweisen.    Jede  Anführung  der  Musici  und  Rhythmici  bei 


200  Metrik. 

diesen,  besonders  bei  Marios  Victorinns  and  Gaesios  Bassns  sei  auf 
Aristoxenos  zn  beziehen.  Der  triplasische  Takt,  den  dieser  vereinzelt 
zugelassen,  finde  sich  z.  B.,  wenn  bei  Alkman  (p.  2,  v.  29  ed.  Bergk,  vgl. 
Heph.  6.  30)  in  äarpov  adeipofjLsvae  \  fxd^ovrau  und  elp^Q  iparoQ  \  iTtißav 
die  zwei  letzten  Wörter  w.v^  und  ^w.  gleichgestellt  wttrden  auf  Grand 
eines  Imep^eac^.  Die  zweite  Form  des  Dochmios  wird  von  Bacchius  mit 
£ur.  Hei.  661  belegt,  wo  zu  lesen  sei :  Ifievov  ix  TpoiaQ  ^/oovov)  |  noibfT^ 
jxoXttv,  Der  ivonXtoQ  oder  npoao8tax6s  sei  nach  alter  klassischer  Theorie 
bacchiisch  zu  messen,  ebenso  die  Glykoneen  und  Verwandtes,  vgl.  letzten 
Bericht  No.  138  u.  139.  —  Croiset  bespricht  die  aristoxenische  Defi- 
nition von  TTouc  und  stimmt  Westphal  nicht  bei,  der  bei  den  Worten 
^  8k  injfiatvSjjLeBa  rdv  fiu^fibv  xal  p^wpe/iov  Ttoidöfjuey  r^  aladijoet^  nooQ 
ioTDf  etc  9  ^^s^ou^  kyog  an  die  fjieraßoXal  ßüBfuxai  denkt,  sondern 
erklärt  die  letzten  Worte  ek  9  ^^s/ou^  kv6g  »Wenigstens  ein  Takt«  mit 
der  Begründung  'une  fraction  de  pied  ne  forme  pas  un  rythme'.  — 
No.  3  Ober  die  Metrik  des  Philoxenos,  Heliodors  Vorgänger,  der  den 
Übergang  bildet  von  dem  altem  System  zu  dem  jQngern  des  Heliodor. 
—  No.  4  u.  6  beschäftigen  sich  mit  der  Frage,  welche  griechische  Theorie 
bei  Übertragung  griechischer  Versmafse  in  die  klassisch-römische  Poesie 
befolgt  wurde.  Leichsenring  gewinnt  aus  einer  sorgfältigen  Zusammen- 
stellung aller  Namen,  die  man  einzelnen  Versen  nach  ihren  Erfindern 
oder  bekanntesten  Vertretern  gab,  das  Ergebnis,  dafs  diese  Nomenclatur 
nicht  vor  Eallimachos  stattfand.  Dafs  diese  Thätigkeit,  die  den  Alexan- 
drinern zugeschrieben  wird,  mit  der  Derivationslehre  zusammenhänge, 
wird  verneint.  —  Nach  Leo  ist  die  durch  Heliodor  und  Hephaestion 
vertretene  Antispastentheorie  das  alexandrinische  System  und  es  liegt 
kein  Grund  vor  es  als  »jttngeresc  hinzustellen.  Die  Derivationslehre, 
das  System  des  Varro,  Caesius  Bassus  und  der  aus  diesen  schöpfenden 
römischen  Metriker,  ist  im  Gegensätze  zu  dem  alexandrinischen  in  Per- 
gamon  entstanden,  zur  Zeit  der  classicistischen  Rhetorik,  d.i.  zur  Zeit 
des  Kampfes  zwischen  Aristarcheern  und  Krateteern.  Manches  ist  erst 
aus  der  musikalisch-rhythmischen  Technik  in  die  rhetorische  gekommen 
und  aus  letzterer  in  die  metrische,  was  an  dem  Worte  xwkoy  klar  ge- 
macht wird.  Varro  selbst  leitet  den  Terminus  '  clausula'  für  das  kleine 
xwXov  gewöhnlich  am  Ende,  aber  auch  am  Anfang  der  Periode  aus  der 
Rhetorik  her:  quod  clauderent  sententiam. 

Guilelmus  Studemund,  Anecdota  varia  graeca  musica  metrica 
grammatica.  Berolini  1886.  A.  u.  d.  T.:  Anecdota  varia  graeca  et 
latina  ed.  Rud.  Schoell  et  Guil.  Studemund  vol.  I.  VI  und  313  S.  8. 
Unter  den  Anzeigen  dieses  wichtigen  Werkes  verweisen  wir  auf 
P.  Egenolff,  Zur  Geschichte  der  Überlieferung  griechischer  Metriker, 
Fleckeisen's  Jahrb.  135.  Bd.  1887.  S.  389—408. 

Wilh.  Studemund  hat  für  Plautus  seine  Lebensaufgabe  noch  lösen 


Geschichte  der  metriechen  Theorie.  201 

köDDen,  aber  er  ist  gestorben  ohne  das  Corpus  scriptorum  metricoram 
graecornm  ausgearbeitet  zu  haben.  Doch  sind  wir  diesem  Ziele  bedeu- 
tend näher  gekommen,  da  durch  ihn  und  seine  Mitarbeiter  und  Schfller 
das  Aufräumen  des  umfangreichen,  wenn  auch  sehr  ungleichwertigen 
Stoffes  gründlich  besorgt  wird.  Einen  grofsen  Teil  dieser  Arbeiten  bringt 
dieser  Anecdotaband,  allein  ergänzt  wird  er  noch  durch  eine  Anzahl 
Dissertationen  und  andrer  Monographien,  die  wir  im  Folgenden  vereinen. 
Die  Leistungen  von  Wilhelm  Studemund  selbst  sind: 

6)  De  codicibus  aliquot  Italicis  ad  Hephaestionem  et  Choerobosci 
exegesin  pertinentibus  =  Anecdot.  p.  97 — 209. 

7)  Anonymi  Ambrosiani  de  re  metrica,  ibid.  p.  211—256. 

8)  Ad  Dionysii  qui  fertur  de  pedibus  tractatum,  ibid.  p.  291 — 293. 

9)  De  Anonjmo  Berolinensi,  ibid.  p.  293 — 298. 

10)  Tractatus  Harleianus  qui  dicitur  de  metris.  Breslau.  Ind.  lect. 
hib.    1887.    29  8.    4. 

11)  Duo  commentarii  de  comoedia.    Philologus  XLVI.    S.  1 — 26. 

12)  Pseudo-Plutarchi  de  metro  heroico.    Ebenda  8.  27-84. 

13)  Besprechung  von  Dionysii  Thracis  ars  grammatica  . . .  edidit 
Gustavus  ühlig,  Lipsiae  1883.  Fleckeisen's  Jahrbflcher  131.  Bd.  1885. 
8.  745—772. 

No.  6,  im  Anschlufs  an  No.  14,  s.  u.,  bringt  metrische  Kleinigkeiten 
ans  Cod.  Yatican.  14,  sodann  aus  dem  wichtigen  Ambrosianus  I  8  ord. 
sup.,  der  besten  Hephaestionhandschrift  (A),  den  Apparat  zu  den  8cholia 
Hephaestionea  (zugleich  auch  aus  K  Q),  darauf  aus  Ambrosian.  Q.  5  sup. 
ord.  libellus  anonymus  de  metris  Byzantinae  aetati  familiarissirois,  die 
gewöhnliche  Byzantinerweisheit  fiber  lamben,  Hexameter,  Elegie  und 
Anacreonteen,  zwei  Traktate  nepl  ro/iwv  und  ein  kleines  Bruchstück  nepl 
TtoSwv  ipiujvtia,  beides  nach  Q  und  D,  d.i.  Parisinus  2881,  vgl.  auch 
Hoerschelmann,  Götting.  gelehrten  Anz.  1887,  8.  608 ff.,  dann  ätovuaiou 
nepl  noSwu  mit  reichem  Apparat,  dazu  Nachtrag  in  No.  8,  dem  Dionysius 
Thrax  wohl  nur  darum  zugeschrieben,  weil  die  8cbrift  in  einer  Hand- 
schrift stand,  die  dessen  Grammatik  enthielt,  vgl.  Anecd.  var.  p.  154, 
weiter  im  Anschlufs  an  eine  Inhaltsangabe  Ober  codex  Venetus  Marcianus 
CCCCLXXXIII  (E)  kritische  Ausgaben  von  Heliae  monachi  liber  de 
metris  (gewöhnliche  Byzantinerarbeit)  cum  appendicibus  (fiber  Synizese, 
^wXä  £m^  und  r^  iv  arij^otg  ndBij)  und  Pseudo-Herodian  nepl  art)[wv  r^c 
Xi^ewg  und  anderes  Unwichtige,  schliefslich  Michael  Psellus  und  Johannes 
Botaniates  ntp}  iapßtxou  fierpoo  in  byzantinisch -iambischen  Trimetern 
und  aus  den  Anecdota  Chisiana  nepl  dvopaatag  rwv  furpwv  mit  einem 
Scholion,  das  dem  oben  erwähnten  Traktat  des  Dionysius  entlehnt  ist.  — 


202  Metrik. 

No.  7:  Unter  der  metrischen  Ansbeote  aus  dem  berühmten  codex  Ambro- 
sianns  G  222  ord.  inf.  5.  XIII  (vgl.  Ritschi,  oposc.  I.  S.  197 ff.)  ist  das 
Wichtigste  der  Abschnitt  ntp\  noSäßV  nevraauXXdßwv  ond  nepl  i$aauXXdßmv^ 
aus  derselben  Quelle  geflossen,  wie  Diomedes,  ars  gramm.  p.  481,  13  bis 
482,  10,  dem  noch  nfther  steht  der  in  No.  9  behandelte  Berliner  Anony- 
mus. —  No.  10  ist  eine  Ausgabe  ?on  eines  Pseudo-Castor's  Excerpta 
rhetorica  —  No.  11  eine  kritische  Bearbeitung  des  von  J.  A.  Gramer, 
Anecdot.  Paris.  I,  p.  3 — 10  zuerst  herausgegebenen,  aus  zwei  verschiedenen 
(§§  1—18  u.  19—39)  bestehenden  Commentars  Ober  die  griechische  Ko- 
mödie mit  Benutzung  reicher,  zum  Teil  neu  entdeckter  Hilfsmittel. 
Dasselbe  gilt  von  No.  12.  —  No.  13:  Gustav  ühlig,  a.  0.  (in  Prolegom.  u. 
p.  117,  3  —  124)  hatte  Yarii  Anonymi  de  re  metrica  herausgegeben. 
Studemund  bespricht,  bes.  S.  750 ff.  die  Verbindung  mehr  oder  weniger 
elementarer  Traktate  ttber  Metrik  mit  der  rs/vij  des  Dionysios,  vgl.  auch 
zu  No.  16. 

Wilhelm  Hoerschelmann  hat  nächst  Studemund  sehr  viel  ge- 
than,  Ordnung  in  den  Wust  von  metrischen  Schriften  der  späteren  Zeit 
zu  bringen.    Wir  ftlhren  hier  von  ihm  auf: 

14)  Exegesis  in  Hephaestionis  enchiridion  edidit  Guilelmus  Hoerschel- 
mann =  Anecd.  var.  p.  31  —  96. 

16)  Ein  griechisches  Lehrbuch  der  Metrik.   Dorpat  1888.    76  S.  8. 

16)  Zur  Geschichte  der  antiken  Metrik  I.    Philologus  XLVH.  1. 
S.  1--12. 

No.  14  ist  eine  kritische  Ausgabe  von  (retopytoo  toü  Xoipoßoaxoo) 
^E^vjyvjaiQ^  vgl.  vorletzten  Bericht  No.  4.  In  den  Epilegomena  giebt  H. 
und  Studemund  Auskunft  ttber  den  Apparat,  vor  allen  E  d.  i.  Venetus 
Marcianus  GGGLXXXIII  s.  XIY,  und  V,  d.  i.  Yaticanus  graecus  14.  Der 
berühmte  Saibantianus  ist  nur  eine  Abschrift  von  K,  desgleichen  ein 
Laurentianus  conv.  No.  8,  vgl.  oben  zu  No.  6.  —  No.  16  bringt  volle 
Klarheit  Ober  einen  grofsen  Teil  der  byzantinischen  metrischen  Über- 
lieferung. Das  wirklich  auf  alter  Tradition  beruhende  wird  in  aber- 
zeugender Weise  von  den  spätem  wertlosen  Traktaten  und  GoUationen 
geschieden.  Das  auf  sichrer  Grundlage  beruhende  Ergebnis  ist:  Es  gab 
ein  frohbyzantinisches  Handbuch  der  Metrik,  aus  dem  alle  spätere  ähn- 
liche Litteratur  entstanden  ist.  Dies  besitzen  wir  nicht  mehr  direkt, 
sondern  in  drei  verschiedenen  Bearbeitungen,  die  sämtlich  mit  andern 
BOchern  verschmolzen  sind,  nämlich  1)  mit  einem  metrischen,  dem 
'Eyj^etpßiov  des  Hephaestion  zugleich  mit  einem  altern  schon  frOher  zu 
fester  Form  erstarrten  Gomplex  von  Scholien  und  Abhandlungen,  wo  es 
jetzt  als  fünftes  Buch  derScholiaB  steht;  2)  mit  einem  rhetorischen 
Werke,  dem  wichtigen  Gorpus  griechischer  Rhetoren,  das  vor  allem  in 
dem  altehrwQrdigen  Parisinus  1988  (vgl.  auch  Studemund,  No.  13  S.  758  ff.. 


Oesehiehte  der  metrisohen  Theorie.  208 

t69ff.)9  aber  auch  sonst  Oberliefert  wird,  und  8)  mit  einem  gramma- 
tischen Werke,  der  rij^vj^  des  Dionysios  Thrax,  vgl.  Verf.  Götting. 
Gelehrt.  Anzeig.  1889,  S.  604.  Es  wird  Überlieferung,  Inhalt,  Umfang 
und  Verhältnis  der  drei  Recensionen  ausführlich  erörtert.  Am  selbstän- 
digsten ist  die  Appendix  Hephaestionea,  eine  Bearbeitung  der  alten  Vor- 
lage durch  einen  Schulmann  zu  einem  praktischen  Lehrbuch,  die  beiden 
andern  die  Appendix  Dionysiana  und  rhetorica  sind  wenig  abweichende 
Ausgaben  des  alten  C!ompendiums.  Da  diese  drei  Recensionen  in  der 
Hauptsache  die  ganze  Tradition  der  betreffenden  Texte  repräsentieren, 
so  fiberhebt  uns  eine  solche  Znsammenstellung  des  Eingehens  auf  das 
jämmerliche  spätbyzantinische  Scribententum  in  dieser  Hinsicht  vollstän- 
dig. Vgl.  noch  Hoerschelmann,  Götting.  Gelehrt.  Auz.  1889  S.  794ff.  fiber 
den  cod.  Paris.    2881  fol.  76^.  —  No.  16  behandelt  die  ätau^pai. 

17)  Georgius  Amsel,  De  vi  atque  indole  rhythmorum  quid  ve- 
teres  iudicaverint.  (Breslauer  philologische  Abhandlungen.  Erster  Band 
drittes  Heft.)     Breslau  1887.     166  S.    8. 

18)  MaxGonsbruch,  De  veterum  nepl  notijfiaxoQ  doctrina.  Acce- 
dunt  commentarii  Hephaestionei.  Breslau  1890.  VII  und  127  und 
XXXIV  S.    8. 

19) ,  De  Hephaestioneis   qui  circumferuntur  nept  nocruiarog 

commentariis.    Diss.    Breslau  1889.    54  S.    8. 

20) ,  Zu  den  Traktaten  nep\  xwfjupd/ag,    Commentationes  in 

honorem  Guilelmi  Studemund.    Strafsburg  1889.    211—236  S.    8. 

21)  Carl  Den  ig,  Quaestiones  Hepfaaestioneae.  Progr.  von  Bens- 
heim.   Darmstadt  1886.    29  S.    4. 

22)  Henricus  zur  Jacobsmuehlen ,  Pseudo-Hephaestion  de 
metris.  Strafsburg  1886.  112  S.  8.  Dissertationes  philologae  Argen- 
toratenses  selectae  Vol.  X  p.  187-298. 

23)  Ludwig  Voltz,  De  Helia  Monacho  Isaaco  Monacho  Pseudo- 
Dracone  scriptoribus  metricis  Byzantinis.    Diss.    Strafsburg  1886. 

24)  —  — ,  Die  Traktate  ntpl  naBwv  rou  ^pwtxou  fiirpou.  Commen- 
tationes in  honorem  Guilelmi  Studemund.   Strafsburg  1889.   S.  77-89. 

26) ,  Zur  Überlieferung  griechischer  Grammatiker  in  byzan- 
tinischer Zeit.    Fleckeisen's  Jahrbficher  139.  Bd.,  1889,  S.  679—599. 

26)  Georgius  Rauscher,  De  scholiis  Homericis  ad  rem  metricam 
spectantibus.    Diss.    Strafsburg  1886.    60  S.    8. 

27)  Henricus  Grofsmann,  De  doctrinae  metricae  reliquiis  ab 
Eustathio  servatis.    Diss.    Strafsburg  1889.    55  S.    8. 

28)  Georgius  Straehler,  De  caesuris  versus  Homerici  cap.  I. 
Commentatio  inaug.    Breslau  1889.    49  8.    8. 


204  Metrik. 

Amsel  (No.  17)  giebt  anhangsweise  nach  Mitteilnngen  von  W. 
Stodemnnd  nnd  Leop.  Gohn  variae  lectiones  zn  Aristides  Qointiliani, 
Psendo-Draco  und  Pseado-Moschopnlos  de  re  metrica  wie  sn  einer  Epi- 
tome  enchiridii  Hephaestionei.  Die  Arbeit  selbst  bespricht  die  AnsichtMi 
der  Alten  Ober  das  Ethos  der  Rhythmen  und  zwar  nicht  blofs  der  Me- 
triker nnd  Mnsiker»  sondern  auch  der  Rhetoren  o.  a.  nnd  giebt  nns  eine 
Vorstellnng  von  dem,  was  man  aber  verschiedene  metrische  nnd  rhyth» 
mische  Erscheinungen  in  den  verschiedenen  Jahrhunderten  des  sp&tem 
Altertums  wufste.  —  Von  Consbruch  in  No.  18,  wovon  No.  19  nur  ein 
Teil  ist,  erbalten  wir  eine  grOndliche  Quellenuntersuchung  über  die  LfOhre 
Ttepl  Ttoc^fAüToCf  die  seit  alter  Zeit,  auch  bei  Aristides  den  letzten  Teil 
bildete,  wie  ähnlich  bei  Atilins  Fortunatianus  und  Marius  Victorinos. 
Auch  Hephaestion  hatte  sie  schon  selbst  als  Anhang  seinem  Encheiridion 
angefttgt.  Wie  dieser  Abschnitt  weiter  Oberliefert  wurde,  ist  anschaulich 
dargestellt,  zur  Zeit  des  Choiroboskos  und  Tzetzes,  endlich  das  Verhältnis 
von  zwei  dazu  gehörenden  Commeutaren  und  der  Schollen  dazu.  Der 
Verfasser  des  ersten,  entschieden  bessern  Commentars  scheint  älter  als 
Choiroboskos,  doch  läfst  sich  nicht,  wie  Hense  meint,  bei  ihm  Benutzung 
des  Heliodor  nachweisen,  der  zweite  Commentar  gehört  etwa  in  die  Zeit 
des  Choiroboskos.  —  Nach  No.  20  gehen  die  meist  anonymen  Traktate 
n.  X.,  zusammengestellt  in  Dübner's  Aristophanesscholien  p.  XIII  bis  XXXI, 
dazu  die  TzetzianischeD  Prolegomeoa  zu  Lykophron,  des  Johannes  Tzetzes 
Prolegomena  zu  Aristophaues  und  die  in  No.  11  erwähnten  Traktate 
zurOck  auf  einen  Eukleides,  etwa  Zeitgenossen  des  Choiroboskos,  der 
wieder  u.  a.  aus  Dionysios  schöpfte,  nicht  dem  Musiker,  sondern  dem 
Euripideserklärer  (schol.  Eur.  Or.  1691  ix  rou  Jtovwriou  ftno/iM^/iaroc), 
der  sicher  nach  Didymos  lebte  und  vielleicht  derselbe  Dionysios  war,  der 
nach  Athen.  XIV  641  A  Trypho's  Werk  Oberarbeitete.  Den  Traktat  des 
Eukleides  haben  wir  uns  als  einen  Teil  von  Prolegomeoa  zu  Aristophanes 
zu  denken.  Ein  ähnlicher  Traktat  im  cod.  Coislin.  120  s.  X,  jetzt  am 
bequemsten  in  Arist.  Poet.  ed.  Vahlen*  p.  78 sq.,  ist  frei  von  der  Euklei- 
dischen  Überarbeitung.  Einzelnes  in  beiden  Gruppen  fOhrt,  natOrlich 
durch  verschiedene  Mittelglieder,  wirklich  auf  Krates  und  die  Pergamener 
zurOck.  —  No.  21  (Denig)  ist  textkritischen  Inhalts  Ober  die  Bedeutung 
des  codex  Darmstadiensis  n.  2778  miscell.  Graec.  Chart.  4^  der  fol.  208  ^^ 
bis  216^  Hephaestions  Encheiridion  bis  cap.  X  ''Ap^og  ifißare&wv  (ed. 
Westpb.  p.  31,  21)  mit  Scholien  enthält,  von  denen  einige  neu  sind.  — 
JacobsmOhlen  in  No.  22  giebt  nicht  blofs  den  Text  eines  Pseudo- 
Hephaestion  mit  reichem  Apparat,  sondern  weist  auch  den  Zusammen- 
hang der  einzelnen  Capitel  mit  der  verwandten  Litteratur  nach.  — 
Voltz  No.  23  ist  gleichfalls  Quellenuntersuchung  Ober  sehr  späte  Litte- 
ratur, vgl.  zu  26.  —  Nach  No.  24  von  demselben  Verf.  ist  im  zweiten 
bis  vierten  Jahrhundert  nach  Chr.  und  noch  später,  bei  Athenaeus,  Dio- 
medes  und  Marius  Victorinus  die  Kenntnis  nur  von  drei  7ui9ij  des  Mangels 


Geschichte  der  metrischen  Theorie.  205 

▼erbreitet:  des  ari^o^  dxi^loQ^  Beispiel  ^2,  des  fuioupoQ  M20S  oDd 
des  kayapdg,  auch  (nicht  bekannt  seit  wann)  /itaöxlaaroi  genannt,  Bei- 
spiel froher  Kao,  dann  3l.  Zn  diesen  7td&i^  xar*  ivSeiav  oder  xar' 
ikkttfpty  traten  später  noch  die  drei  naBti  xarä  nXeovoaptöv  oder  xarä 
fUfe^oQ^  die  aach  mit  den  et^Tj  des  Hexameters  verbanden  wurden.  — 
No.  25  behandelt  die  Abschnitte  aber  Silbenqaantität,  eine  Qaellenanter- 
snchnng  besonders  Qber  die  Einleitung  der  Schrift  des  Jakob  Diassorinos 
oder  Psendo-Drakon  n^pl  fjtdrpußv  noa^rixStv,  dazu  vgl.  P.  Pulch,  Hermes 
XVin,  S.  180  fg.  und  Leop.  Gohn,  Konstantin  Palaeokappa  und  Jakob 
Diassorinos  in  den  philologischen  Abhandlungen,  Martin  Herz  zum 
70.  Geburtstage  dargebracht,  Berlin  1888,  S.  123ffg.  —  No.  26—28  be- 
schäftigen sich  vorwiegend  mit  Homer.  Rauscher  weist  die  im  Titel 
genannten  Scholien  möglichst  den  einzelnen  Grammatikern  zu  von  Erates 
und  Aristarch  an,  das  meiste  dem  Aristonikos  und  Nikanor.  Hier  sei 
auch  auf  die  Besprechung  durch  Arthur  Ludwich  in  der  Berliner  philolog. 
Wochenschrift  VII.  10  S.  290—300  aufmerksam  gemacht.  —  Grofsmann 
sammelt  ans  Eustathius'  Homercommentar  und  weniges  aus  dessen  Gom- 
mentar  zu  Dionysius  periegeta  und  des  Johannes  Damascenus  hymnus 
pentecostatis,  das  bisweilen  eine  vollständigere  Fassung  bietet  als  ahn* 
liehe  Schriften.  —  Endlich  Strähler  giebt  eine  gründliche  Yeterum 
(sowohl  griechischer  als  römischer)  de  caesuris  commentariorum  aesti- 
matio.     Vgl.  auch  zu  No.  46. 

29)  Karl  von  Jan,  Die  Eisagoge  des  Bacchins.    Progr.  des  Ly- 
ceums.    Strafsburg  i.  E.    1891.    24  S.   4 

über  ein  auf  altern  Quellen  beruhendes  Lehrbuch  der  Harmonik  von 
einem  unter  Kaiser  Constantin  lebenden  Bacchius  Geron,  das  nur  an 
zwei  Stellen  wenig  rhythmisch -metrisches  enthält,  Überlassen  wir  dem 
Berichterstatter  fttr  Musik.    Vgl.  dasselbe  Programm  von  1890. 

80)  Ernst  Graf,  Rhythmus  und  Metrum.    Zur  Synonymik.   Mar- 
burg 1891.     IV  97  S.    8 

eine  Zusammenstellung  Ober  den  Gebrauch  der  Wörter  jiu&fjLog  und  /li^ 
rpov  u.  ä.  und  ihrer  lateinischen  Übersetzungen  besonders  bei  Plato, 
Aristoteles,  Dionys  von  Halikarnafs  und  Aristides  Quintilianus  unter  den 
Griechen,  bei  Cicero,  Varro,  Quintilian  und  Augustin  unter  den  Römern. 
Die  heliodorische  Unterscheidung  zwischen  fierpa  und  j^uBfioe  läfst  sich 
noch  nicht  bei  Aristoteles  und  Plato  nachweisen.  Augustin  verdient 
Beachtung,  da  er  sehr  viel  Varronisches  erhalten  hat. 

Vgl.  noch  Wilhelm  Wartenberg,  Bemerkungen  zur  Rhythmik 
und  Metrik  mit  besonderer  ROcksicht  auf  den  Schulunterricht  Progr. 
Eupen  1891.    18  S.    4. 


206  Metrik. 

31)  Gerhard  Schultz,  Über  das  Kapitel  de  Yersaain  generibas 
bei  Diomedes  p.  606  ff.  K.    Hermes  XXII.    1887.    S.  260-281 

giebt  eine  eingehende  Quellenuntersachang  über  die  citierte  Stelle.  Ein- 
geschaltet ist  ein  Abschnitt  (II)  über  die  metra  Horatiana,  der  auf  einen 
nach  Zeit  und  Lehre  dem  Horaz  sehr  nahe  stehenden  Qrammatiker 
zurückgeht.  Horaz  kennt  keine  viersilbigen  Versflüfse,  ganz  wie  die  älte- 
sten uns  erreichbaren  Grammatiker  (so  Pseudocensorin.  Gramm.  Lat  VI, 
p.  610,  22)  und  die  Rhetoren  Dionys  von  Halikarnafs  und  Quintilian.  Die 
Hauptmasse,  Abschnitt  1,  ist  eine  Darstellung  der  metra  derivata,  dakty- 
lische Verse  ab  inferiore  parte  hexametri,  Trimeter  und  Octonare,  und 
Abschnitt  UI,  versus  heroi  a  superiore  parte  hexametri  u.a.,  gehören 
gleichfalls  einem  Grammatiker  der  altem  Schule  an,  die  nicht  über  drei- 
silbige Verse  hinausging,  zwar  jünger  als  Pseudocensorin,  etwa  Zeit- 
genosse Fronto^s.  Abschnitt  IV  ist  eine  Sammlung,  die  Metra  des  Seneca, 
Petronius,  Septimius  Serenus  und  der  Neoterici  verbindet.  Letztere  sind 
identisch  mit  den  sonst  auch  so  genannten  poötae  novelli  (50—160  n.  Ohr). 
Charakteristisch  ist  fQr  alle  diese,  dafs  sie  die  Lehre  von  der  procreatio 
metrorum  durch  adiectio,  detractio  u.  s.  w.  in  die  Praxis  übersetzten,  so 
besonders  Seneca  nach  Leo's  Darlegung,  in  seiner  Ausgabe  des  Seneca  I. 
p.  98 — 146.  Eiuflufsreich  in  dieser  Hinsicht  wird  Caesius  Bassus  gewesen 
sein  (p.  271,  23).  Terentiauus,  der  den  Septimius  Serenus  und  die  novelli 
wiederholt  erwähnt,  schrieb  um  175  als  jüngerer  Zeitgenosse  des  Septi- 
mius Serenus. 

Anhangsweise  sei  noch  darauf  hingewiesen,  dafs  H.  Reimann  in 
einer  Besprechung  von  desselben  Verfassers  Breslauer  Doctordissertatiou 
über  die  Quellen  des  Marius  Victorinus,  vgl.  letzten  Bericht  No.  12,  in 
der  Berliner  philologischen  Wochenschrift  VI  (1886)  38.  S.  1184—1190, 
die  Annahme  verwirft,  dafs  der  bei  Mar.  Victorin.  p.  140,  1  unter  einer 
ganzen  Anzahl  von  Metrikern  genannte  Thacomestus  eine  Hauptquelle 
des  Aphthonius  gewesen  sei.    Ähnlich  auch  in  No.  5  s.  o. 

Vgl.  auch  Mähly,  Donatus  über  diverbium  und  canticum  in  Zeit- 
schrift für  Osterr.  Gymn.  XXXVIII.   8/9.    S.  589. 

II.   Metrische  und  prosodische  Schriften  allgemeinen 

Inhalts. 

An  die  Spitze  zu  stellen  ist  die  nunmehr  vollendete  dritte  Auflage 
der  Rofsbach-Westpharschen  Metrik,  vgl.  letzten  Bericht  No.  1. 

32)  A.  Rofsbach  und  R.  Westphal,  Theorie  der  musischen 
Künste  der  Hellenen.  Dritter  Band  erste  Abteilung:  Allgemeine  Theorie 
der  griechischen  Metrik  von  Rudolf  Westphal  und  Hugo  Gleditsch, 
Leipzig,  Teubner  1887.  XL  VI  u.  368  S.  8.  Dritter  Band  zweite  Ab- 
teilung: Specielie  griechische  Metrik,  dritte  Auflage  bearbeitet  von 
August  Rofsbach.    Leipzig,  Teubner  1889.    LXXII  u.  870  S.    8. 


Allgemeines.  207 

83)  Rudolf  Westphal,   Der  Rhythmus   des  gesungenen  Verses. 
Allgem.  Mnsilu.  1888.    No.  27.  28. 

34) ,  G.  Lang,  Musik  zu  Sophokles*  Antigooe.    Progr.   Lörrach 

1890.    Götting.  Gelehrt.  Anzeigen  1890.  21  S.  850-867. 

WestphaFs  allgemeine  Metrik  ist  in  dritter  Auflage  nicht  so  ver- 
ändert wie  dessen  Rhythmik,  aber  alle  Kapitel  sind  bereichert.  Die 
hauptsächlichste  neuere  Litteratur  wird  berücksichtigt  und  in  Anschlufs 
an  W.'s  Aristoxenosforschung,  s.  letzten  Bericht  S.  59fg.,  die  alte  Tradi- 
tion noch  konsequenter  verfolgt.  Das  erste  Kapitel  hat  jetzt  94  statt 
66  Seiten.  Die  von  Gleditsch  besorgte  Prosodie  (Kap.  2),  in  der  §  19 
Ober  Vokal  vor  Vokal  im  Inlaute  eine  Lücke  der  ersten  Auflage  ausfüllt, 
bringt  selbständige  Beobachtungen  wie  über  prosodischen  Hiat  im  Drama 
S.  123fg.  und  128  u.  a.  Das  vierte  Kapitel,  eine  schon  in  den  ersten 
Auflagen  glücklich  angelegte  Besprechung  der  vier  Arten  der  rhythmisch- 
metrischen Systeme  nach  Hephaeslion,  ist  in  der  ursprünglichen  Gestalt 
erhalten  geblieben,  dagegen  das  Dritte  zerlegt  in  ein  drittes,  die  Lehre 
von  den  Versfüfsen,  Kola  und  Metra  und  ein  fünftes,  die  Theorie  der 
gleichförmigen  und  der  ungleichförmigen  synartetischen  und  asynarte- 
tischen  Metra.  Vgl.  noch  R.  Westphal,  Die  aristoxenische  Rhythmus- 
lehre, Vierteljahrschrift  für  Musikwissenschaft.  VII.  l. 

Die  bedeutendste  Leistung  innerhalb  unserer  Berichtsjahre  ist  die 
neue  Bearbeitung  von  RoTsbach's  Metrik,  die  jetzt  ein  in  allen  Partien 
vollständiges  Werk  geworden  ist.  Die  neuere  Litteratur  ist,  soweit  sie 
wertvoll,  mit  ganz  wenig  Ausnahmen,  s.  u.,  vollständig  berücksichtigt, 
darunter  heben  wir  Rofsbach^s  eigne  Schüler  hervor,  wie  Johannes 
0 verdick,  Kritische  Studien  I.  Münster  1884  und  Gurae  Aeschyleae. 
Breslau  1886.  Das  Musikalische  ist  zurückgedrängt  und  dafür  alle  Teile 
erweitert  und  vertieft.  Die  Einleitung,  abgesehen  von  der  Polemik  gegen 
Christ  (s.  vorletzten  Bericht  No.  8),  behandelt  in  kräftigen  Zügen  die 
Grundlage  und  Ziele  der  griechischen  Metrik.  Die  Vorzüge  der  ersten 
Auflage  sind  jetzt  auf  alle  Stücke  gleicbmäfsig  übertragen,  die  früheren 
grofseo  Lücken  ausgefüllt,  die  Joniker,  noch  in  der  zweiten  Auflage  auf 
einer  Drittelseite,  jetzt  auf  41  Seiten  behandelt  und  die  Dochmien,  sonst 
ein  Anhang  von  13  Seiten,  ein  selbständiger  Teil  von  70  Seiten.  So  ist 
auch  das  übrige  Material  von  Neuem  kritisch  durchgearbeitet,  Analysen 
von  Strophen  nach  eurythmischer  Anordnung  sind  wieder  reichlicher 
gegeben,  £tho8  und  Strophengattungen  der  einzelnen  Rythmen  klarer 
und  eingehender  bestimmt. 

Im  Einzelnen  ist  die  Durcharbeitung  natürlich  verschieden,  je 
nach  dem  Gang,  den  die  Forschung  genommen.  Im  ersten  Buche  über 
das  daktylische  Rhythmengeschlecht  erhalten  wir  eine  ausgeführte  Ge- 
schichte der  metrischen  Behandlung  des  Hexameters  von  Homer  bis  in 
die  späteste  Zeit.    Von  Rofsbach  selbst  ist  der  alexandrinische  ganz  neu 


_> 


208  Metrik. 

bearbeitet  nod  von  A.  Lud  wich  der  des  Noonos,  der  nicht  etwa  frem- 
den Geist  in  die  epische  Form  einführte,  sondern  nar  die  starren  Kon- 
sequenzen der  Ennstregeln  der  Alexandriner  darstellt.  Das  zweite 
dem  iambischen  Rhythmengeschlecht  gewidmete  Bnch  enthält  einen  Ab- 
schnitt, in  dem  Ursprung,  Ethos  und  Gebrauch  der  einzelnen  metrischen 
Formen  und  ihr  Vorkommen  in  verschiedenen  Dichtungsgattungen  in 
zutreffender  Weise  dargestellt  wird.  Dagegen  sind  am  wenigsten  die 
schon  in  den  frühem  Auflagen  so  gelungenen  Abschnitte  Aber  die  Trochften 
und  lamben  geändert,  doch  hat  auch  hier  die  neuere  Forschung  manche 
Erweiterung  veranlafst,  wie  über  die  Auflösung  der  Hebung  nach  Kumpel 
S.  188  und  nach  Overdick  S.  224.  Über  die  sog.  latenten  oder  Qaasi- 
Gäsuren,  vgl.  vorletzten  Bericht  No.  53  und  64,  vermilst  man  eine  Notiz« 
gilt  ja  S.  188  ein  Vers  wie  Aesch.  Pers.  165  noch  als  cäsurlos.  Ebenso 
war  das  Porson'sche  Gesetz  8.  188  und  233  jetzt  anders  zu  fassen;  vgl. 
zu  No.  35.  Auch  die  Proceleusmatikerfrage  erfordert  eine  neue  Behand- 
lung, nachdem  Aug.  Nauck,  Nachlese  zu  den  Fabeln  des  Phaedrus,  M4- 
langes  Gr^co-Romains  etc.  Petersburg.  V.  3,  1888.  S.  303  auf  die  ge- 
ringe handschriftliche  Gewähr  fUr  einen  grofsen  Teil  dieser  Formen  bei 
Aristophanes  hingewiesen  hat,  sogar  für  so  sicher  angenommene  Beispiele, 
wie  Arist.  Lys.  1148  d8txeo/ie^.  Die  nach  Hermann  gegebene  Einteilung 
ist  weder  sachgemäfs  noch  ausreichend.  Fälle  wie  norepov  dmoBouvat. 
wanep  xipaiiov  7va /irj,  dlexTpuSva  xärä  rabrd.  Tcadartw  rd  yspoc;  :: 
5^ev  al  rpojpet^.  xa\  M/iaTcov  Sre  8i^^  wohl  auch  Machon  2,  11  iaaylt 
Sfä  mumv  scheinen  ebenso  legal  wie  im  römischen  Trimeter  rös  agitür 
apud  iüdices  u.  v.  a.,  alle  andern  sind  unsicher.  Das  dritte  Buch,  schon 
nach  Umfang  das  bedeutendste,  ist  eine  vielfach  erweiterte  Darstellung 
der  Dactylo-Epitriten  und  Logaöden  u.  ä.  Die  ersteren  mifst  R.  im 
Gegensatz  zu  Westphal  diplasisch.  Ein  strikter  Beweis  läTst  sich  schwer- 
lich geben.  Doch  weist  R.  nach,  dafs  er  bei  seiner  Auffassung  nur 
Silbenwerte  annimmt,  die  die  alte  Theorie  bezeugt,  dafs  der  rpdno^ 
^aü^aartxö^  nicht  das  isische  Rhythmengeschlecht  erfordere,  während 
die  Behandlung  der  Anakruse  allerdings  nichts  entscheidet.  Aufserdem 
findet  R.  bei  Pindar  zwei  Anzeichen  für  seine  Messung,  nämlich  Ol.  13, 
V.  6,  eine  Strophe,  die  aus  logaödischen  und  dactylo-epitritischen  Reihen 
zusammengesetzt  sei,  und  in  dem  Gebrauch  der  irrationalen  Senkungen, 
die  ganz  zu  denen  der  diplasischen  Verse  stimmen.  Die  Logaöden  wer- 
den aus  prähistorischen  Metren  des  griechischen  Volkslebens  erklärt. 
Die  metrische  Tradition  über  sie,  ihre  Bildungsgesetze  und  ihr  Auftreten 
in  der  subjektiven  Lyrik  wird,  von  kleinen  Zusätzen  abgesehen,  in  der 
alten  Weise  geschildert;  aber  bedeutend  vermehrt  und  in  längeren  Par- 
tien ganz  neu  ist  die  Schilderung  des  Gebrauchs  logaödischer  Strophen 
in  der  chorischen  Lyrik,  besonders  des  vierfachen  bei  Pindar.  Nur  OL  2 
wäre  wohl  besser  unter  die  päonischon  Strophen  gesetzt,  da  Logaöden 
nur  epodisch,  in  den  Schlnfszeilen  eintreten,  wie  Ref.  auch  jetzt  die  Ode 


Allgemeines.  209 

nicht  anders  messen  kann  als  im  letzten  Bericht  No.  55.  Ebenso  treff- 
lich ist  auch  fflr  die  dramatischen  Logaöden  mit  Bewahrung  der  alten 
Grundlage  die  genauere  Scheidung  der  Compositionsweisen  durchgeführt. 
Auch  im  letzten  Buche  über  Päone,  Bacchien  und  Dochmien  werden 
Ethos  und  Gebrauch  der  einzelnen  Formen  und  Strophengattungen  ein- 
gehend  erörtert.  0.  Grusins,  litterar.  Gentralblatt  Jahrgang  1890.  45 
S.  1575  und  1891.  7  S.  215  findet  im  D och m ins  die  kürzeste  äolische 
Reihe  mit  freiem  Eingang  und  es  läfst  sich  nicht  leugnen,  dafs  die  Irra- 
tionalität der  Senkung  im  Ausgang  des  Dochmius  ähnlich  zu  verstehen 
iaty  wie  der  sog.  ä^yog  oTtovSatog  mpk  rd^iv  rtpoaXofißavojJLevog^  Rofs- 
bach's  Metrik  8.  536  fg.  im  Glykoneion  und  in  andern  logaödischen  und 
auch  iambisch- trochäischen  Versen.  Allein  schon  die  andre  metrische 
Bildung  des  Eingangs  und  die  Auflösbarkeit  der  Schlufslänge  im  Doch- 
mius bereits  bei  Sophokles  widersprechen  dieser  Auffassung,  auch  die 
älteste  rhythmische  Tradition  giebt  nicht  einen  neunzeitigen,  sondern  acht- 
zeitigen puBfiltg  urog,  idv  reg  hxTaoTjfioig  ßolvi^.  Das  erkennen  auch 
Westphal  und  Rofsbach  an,  die  jetzt  beide  wieder  die  früher  allgemein 
angenommene  Erklärung  des  Dochmius  als  einer  Combination  eines  fflnf- 
und  dreizeitigen  Taktes  billigen  und  nur  darin  abweichen,  wie  sie  dies 
mit  des  Aristoxenos  Theorie  vereinigen.  Nach  Westphal's  (No.  32) 
neuster  Ansicht  meine  Aristoxenos,  wenn  er  den  achtzeitigen  Takt  nur 
in  4  +  4  zerlegbar  findet,  nur  die  ^uve/i^c  ßu^itxmoua,  hier  aber  hätten 
wir  dauvex^  /6.,  da  weder  der  fünf-  noch  der  dreizeitige  Takt  hinter 
einander  vorkämen.  Roisbach  nennt  den  Dochmius  einen  ßuBfibg  /isra- 
ßdkXwv^  läfst  aber  für  Ghordochmien  die  Möglichkeit  rein  bacchiischer 
Messung  offen.  Und  wirklich  kann  einmal,  Aesch.  Eum.  140 fg.,  ein 
solches  Ghorlied  bacchiisch  gemessen  werden,  da  hier  das  Ethos  der 
Päonen  pafst  und  keine  irrationale  Sendung,  wohl  aber  nach  jedem  Takte 
Wortschlufs  und  V.  147  u.  149  Hiat  oder  syllaba  anceps  vorkommt  und 
das  Schlufskolon  entschieden  päonisch-bacchiisch  ist  wie  auch  die  folgen- 
den Strophen,  vgl.  Referent,  de  numero  dochm.  p.  11  sq.  Allein  andre 
Ghordochmien,  in  denen  sich  irrationale  Sendungen  und  mehrere  Kürzen 
im  Taktschlufs  zeigen,  sind  sicher  dasselbe  Mafs  wie  in  den  Monodien. 
Dafs  dieser  Dochmius  ein  einheitlicher  Takt  ist,  hebt  Rofsbach  mit 
Recht  hervor,  aber  gegen  die  Annahme  eines  Taktwechsels  erheben  sich 
Bedenken.  Denn  der  angebliche  Bacchius  im  R.*schen  Dochmius  ist  ja 
metrisch  gar  kein  Bacchius,  da  er  irrationale  Senkung  verträgt,  und  der 
andre  Bestandteil  desselben,  der  Einzeliamb  ist  ein  Unding  nach  alter 
rhythmischer  Theorie,  die  als  kleinste  iambische  Reihe  nur  den  Mono- 
meter ,  d.  i.  die  Dipodie  kennt.  Deshalb  bleibt  es  für  Ref.  bei  seiner 
Ansicht,  wonach  der  Dochmius  wohl  ein  ^u$/idg  fisraßdkXiuv  genannt 
werden  kann,  aber  nicht  im  Rofsbach'schen  Sinne»  sondern  nur  in  dem 
Plutarch's,  amator.  16,  vgl.  S.  327,  also  in  dvdxXaacg  statt  in  dpBonjg^ 

Jahresbericht  fiir  Alterthums Wissenschaft.    LXIX.  Bd.    (1891.    III.)  I4 


210  Metrik. 

p.  dxrd<nifwi  do^/icoc  im  Gegensatz  zu  p.  d.  ipBog^  ¥gL  letiten  Berieht 
S.  59  fg.  Sonst  aber  beweist  aach  diese  neue  Bearbeitiiiig  der  Dochmieo 
nach  den  einzelnen  Strophengattnngen  glänzend,  wie  richtig  der  Aus- 
gangspunkt der  R/schen  Doctrin  hier  wie  in  den  andern  Kapiteln  ist, 
wonach  die  einzelnen  Stilarten  der  verschiedenen  Rhythmen  sorgftitig 
unterschieden  werden. 

In  einem  Werke,  das  die  Stilfeinheiten  der  klassischen  hellenischeo 
Verskunst  in  einzig  gelungener  Weise  darstelltt  kommt  leicht  die  spätere 
Metrik  zu  kurz  weg,  aber  auch  hierin  hat  die  neue  Bearbeitung  rieUadi 
Wandel  geschaffen,  so  besonders  bei  den  epischen  Konstfonnen.  Aach 
am  spätem  Drama  wird  z.  B.  S.  704  technische  Fertigkeit  anerkannt,  and 
von  Euripides  heifst  es,  er  triebe  unbewnfst  der  modernen  Gestaltung 
des  Dramas  zu.  Wenn  jedoch  Euripides  sich  öfters  Aber  die  klassiseheo 
Vorschriften  hinwegsetzt,  so  bedeutet  dies  nicht  unbedingt,  wie  Rofsbach 
meint,  einen  ROckschritt,  eine  Auflösung,  sondern  Euripides  steht  in 
gewifs  bewufstem  Übergang  zur  modernen  Kunst  ebenso  eigenartig  da, 
wie  Äschylus  und  Pindar  und  Sophokles.  Ähnliches  gilt  von  der  spätem 
Entwicklung  und  der  römischen  Metrik,  gegen  die  zwei  neoe  Ausfälle 
S.  576  und  578  gemacht  werden.  Zur  Beurteilung  des  »die  griechischen 
Mafse  korrumpierend enc  Horaz  ist  zwar,  wie  R.  richtig  behauptet,  eine 
Berufung  auf  den  Charakter  der  lateinischen  Sprache  nicht  gerechtfertigt, 
aber  die  römische  Metrik  läfst  sich  Oberhaupt  nicht  durch  unmittelbarea 
Vergleich  mit  dem  klassischen  Muster  verstehen,  sondern  nur  aus  einer 
vie^ährigen,  dazwischen  liegenden  Entwickelung  der  formalen  Kunst 

Im  Anhange  behandelt  Max  Ficus  die  griechischen  Choliamben, 
Karl  Kunst  den  Hexameter  des  Theokrit  und  Friedrich  Haussen 
die  Anacreontea.  Über  letzteren  vgl.  leuten  Bericht  No.  65—68,  Aber 
Kunst  unten  No.  67.  Ficus  fafst  die  vorletzte  Silbe  im  Choliambus  mit 
Rofsbach  S.  231  als  gedehnte  Senkung,  bespricht  die  metrische  Gestaltung 
derselben,  femer  Anapäste,  Dactjlen,  Spondeen,  Gäsuren,  Elision  n.  ä. 
und  die  Mjthiamben  des  Babrios,  die,  eine  eigenartige  Schöpfung,  eine 
Mischung  des  quantitierenden  und  rhythmischen  Princips,  die  Gesetze 
der  alten  Metriker  beobachten  und  den  Wortaccent  berficksichtigen, 
worin  Verf.  nicht  eine  Nachahmung  des  römischen  Choliambus  findet, 
sondern  den  Einflufs  der  unprosodischen  syrischen  Poesie,    s.  zn  No.  46. 

Andere  Schriften  allgemeineren  Inhalts  sind: 

35)  Louis  Havet,  Cours  ^Mmentaire  de  m^trique  greoque  et  Im- 
tine.  R^dig^  par  Louis  Duvau.  Paris.  Delagrave  1886.  194  8.  & 
Deuxi^me  Edition  1888.     199  S.    8. 

36)  Hugo  Gleditsch,  Metrik  der  Griechen  und  Römer,  2.  Aufl. 
Nördlingen  1890.  Handbuch  der  klassischen  Alterthumswissenschaft, 
herausgegeben  von  Dr.  Iwan  v.  MoUer.    IT.  Bd.   2.  Hälfte.    3.  677—870. 


Allgemeines.  211 

87)  A.  E.  Chaignet,  Essais  de  m^trique  grecque.  Le  vers  iam- 
biqne  pr6c^d6  d'une  iotroductioD  sar  les  principes  g6n6raax  de  la 
m^triqne  grecque.    Paris.    Vieweg.     1887.    282  S.    8. 

38)  F.  Plessis,  M^trique  grecque  et  latine.  Paris.  Klinclssieck. 
1889.     X  a.  336  S.    12. 

39)  Solerti,  Manuale  di  metrica  classica  ed  italiana  (ad  acceuto 
ritmico).    Turiu,  Löscher.     1886.    104  8.    8. 

40)  S.  Becchetti,  nuovi  elementi  di  metrica  comparativa  greca, 
latina,  italiana.    Napoli  1887.    176  S.    8. 

41)  A.  Dühr,  Über  Metrik  und  Rhythmik.  Progr.  Friedland 
1886.    28  S.    4. 

42)  G.  Garneri,  Della  prosodia  e  del  verso  latino.  Turin  1889.  16  S. 

43)  A  UefitreXo^y'EUijvtxij  iierptxrj.    Athen  1890. 

44)  Fr.  Allen,  On  greek  versification  in  inscriptions.  Papers  of 
the  American  School  at  Athens  V  S.  36—204.    Boston.    Damrell  1888. 

46)  Heinrich  Butzer,  Der  lonicus  a  maiore.  Frankfurt  a.  M. 
Progr.  der  Wöhlerschule  1889.     1—26  S.    4. 

Havet  (No.  26)  bringt  manches  Neue  und  Beachtenswerte,  so  die 
Begründung  dafQr,  dafs  der  Hexameter  ursprQnglich  rein  daktylisch  war 
und  der  Spondeus  nur  als  secundäre  Form  aufzufassen  ist,  vgl.  No.  61  fg., 
ferner  die  Ausdehnung  des  sog.  Porson'schen  Gesetzes  über  die  Trimeter- 
uud  Tetrameterschlüsse  auf  die  zweite  Senkung  der  Tetrameter  und  die 
ausführliche  Darstellung  der  archaischen  Prosodie;  eingehende  Be- 
sprechung vom  Ref.  in  Berlin,  philol.  Wochenschrift  VIII.  1888.  S.  84 
bis  88.  —  In  No.  36  ist  Verschiedenes  gebessert,  besonders  der  musi- 
kalische Teil  erweitert,  vgl.  letzten  Bericht  No.  13.  —  Die  nächsten 
sind  für  einen  gröfseren  Leserkreis  geschrieben.  No.  87  besteht  aus 
einem  kurzen  einleitenden  Teil  und  einem  längern  über  iambische  Verse 
der  Griechen.  Auch  Plessis  (No.  38)  ist  wertvoll,  weil  er  für  Eigen- 
artiges der  römischen  Metrik  Sinn  hat,  ohne  diese  jedoch  zu  sehr  zu 
erheben,  so  das  Urteil  über  Catull  IV,  S.  166  u.  a.  Fünf  Excurse  behan- 
deln die  Wortstellung  im  Pentameter,  Senar  und  in  horazischen  Oden, 
das  Verhältnis  der  Dactylen  und  Spondeen  im  klassischen  Distichon,  die 
archaische  Prosodie,  die  sog.  lex  Meinekiana  der  Horazoden,  die  Spon- 
deen als  Ersatz  des  Dactylus  in  den  Hendecasyllaben  bei  Catull  66;  der 
dritte  Excurs  ist  nach  L.  Havet,  die  Übrigen  selbständig,  zum  Teil  nach 
früheren  Ansätzen  des  Verf  *s  im  Bulletin  de  la  Facultö  des  lettres  de 
Caen  1886—1888  und  der  Revue  critiqne  1888.  Über  No.  37  und  38 
vgl.  J.  Sitzler,  Neue  philol.  Rundschau  1888  S.  63—66  u.  1890  S.  74 fg. 
Ober  No.  39  vgl.  litterar.  Centralblatt  1886.    48  S.  1669.  —  No.  41  giebt 

14* 


212  Metrik. 

Allgemeiaes  über  den  Begriff  der  Metra  als  Klangreihen  nach  Berlin, 
philol.  Wochenschrift  Y  (1885)  S.  1602.  —  No.  44  stellt  die  ans  Inschriften 
sich  ergebenden  Regeln  übersichtlich  zusammen  nach  M.  W.  Humpbreys 
in  Glassical  Review  III,  6  8.  271fg.  —  Endlich  Batzer  (No.  46)  bespricht 
im  allgemeinen  die  alte  Überliefernng;  polemisiert  dabei  gegen  West- 
phals  Ansicht  über  die  Bedeutung  von  arsis  thesis  snblatio  positio  bei 
Marius  Victorinus,  vgl.  letzten  Bericht  No.  4 — 8.  Der  looicas  a  maiore 
sei  zu  betonen  .^v^v^.  Der  Gebrauch  desselben  wird  verfolgt  bei  deo 
griechischen  Dramatikern  sowie  bei  den  spätem  Griechen  and  den  Rö- 
mern, besonders  bei  Varro  und  Terentianus  Maurus. 

Die  späteste  griechische  und  römische  Poesie  und  die  mittelalter- 
liche Rhythmik  behandeln: 

46)  Wilhelm  Meyer,  Anfang  und  Ursprung  der  lateinischen  and 
griechischen  rythmischen  Dichtung.  Abhandlungen  der  philosophisch- 
philologischen  Klasse  der  königl.  bayr.  Akademie  der  Wissenschafteo. 
17.  Bd.  II.  Abtheilung.  München  1886.  S.  265 — i60,  vgl.  letzten  Be- 
richt No.  35. 

47)  P.  Edmond  Bouvy,  Pontes  et  M^lodes.  Etade  sur  les  ori- 
gines  du  rhythme  tonique  dans  Thymnographie  de  TEglise  grecque. 
Nimes  1886. 

48)  Maximilian  Kawczynski,  Essai  comparatif  sur  Torigine  et 
f  hbtoire  des  rythmes.     Paris,  E.  Bouillon.    1889.    220  8.    8. 

49)  Carolus  Deutschmann,  De  poesis  Graeconun  rhythmicae 
usu  et  origine.    Koblenz  1889.    29  S.  4. 

Meyer  (No.  46)  stellt  die  Hypothese  auf,  dafs  die  rhythmische 
Dichtungsform  von  den  semitischen  (syrischen)  Christen  gleichzeitig  za 
den  griechischen  und  lateinischen  Christen  gewandert  sei,  und  hat  daAr 
verschiedene,  auch  verschiedenwertige ,  aber  jedenfalls  sehr  beachtens- 
werte Momente  angeführt  No.  47  —  49  bekämpfen  diese  Hypothese, 
ersterer  ausführlich  in  Anknüpfung  an  die  Hymnographie  der  griechischen 
Kirche,  während  No.  48  die  rhythmische  Dichtung  des  Mittelalters  be- 
handelt und  den  Zusammenhang  mit  der  klassischen  Poesie  ähnlich  wie 
auch  No.  49  nachweisen  will.  Die  wichtige  Frage  darf  noch  nicht  als 
endgiltig  entschieden  angesehen  werden,  zumal  solange  nicht  über 
hebräische  und  syrische  Metrik  gröfsere  Klarheit  gewonnen  ist.  Darum 
bleibt  aber  Meyer's  Schrift  eine  bedeutende  Leistung.  Denn  wenn  auch 
in  manchen  Einzelheiten  nicht  beizustimmen  ist,  wie  in  der  Annahme 
des  Reims  in  der  früheren  byzantinischen  rhythmischen  Dichtung,  z.B. 
im  Epilog  des  Briefes  ad  Diognetum  (8.  Jahrb.)  u.  a.  und  Oberhaupt 
manche  Momente,  z.  B.  die  Acrosticha  wenig  oder  nichts  beweisend  sind 
so  fällt  doch,  ganz  abgesehen  von  der  fraglichen  Hypothese,  durch  H.'s 


Allgemeines.  213 

Darstellung  der  griechischen  Hynonograpbie  und  der  lateinischen  rhyth- 
mischen Dichtung  in  ihrem  Zusammenhang  mit  der  mittelalterlichen  und 
neuem  Metrik  der  romanischen  und  germanischen  Völkerschaften  auch 
auf  manche  metrische  Vorgänge  des  spätem  Altertums  helles  Licht. 
Eingehend  behandelt  werden  u.  a.  die  zwei  rhythmischen  Dichtungen  des 
Gregor  von  Nazianz,  worüber  jedoch  noch  Zweifel  bestehen  bleiben. 
Das  gute  alte  Scholion,  wonach  Gregor  r^v  Uupaxöaeov  Hw^pova  /lifieerae. 
oüTog  yäp  fiovog  notrjrwy^  was  auch  Aristoteles  berichtet,  /^u&fioTg  reae  xal 
xatXote  i}(p7jaaTo  fierptx^g  dva^oycag  xara^povi^aag  bleibt  unerklärt,  kann 
uns  aber  davor  warnen  in  solche  Dichtungen  einer  Übergangszeit  allzuviel 
Kunst  hineinzugeheimnissen.  Anerkennung  verdient  ferner  die  Behand- 
lung der  Metrik  des  Gommodian,  ferner  der  rhythmischen  Hexameter 
langobardischer  Inschriften  (7.  Jahrb.)  und  der  etwa  gleichzeitigen  sechs- 
zeiligen  Rätsel  und  einer  fälschlich  dem  Verecundus  zugeschriebenen 
Exhortatio  paenitendi  (Anfang  des  8.  Jahrb.).  Commodians  Versbau  sieht 
M.  im  grofsen  Ganzen  ebenso  an  wie  Haussen,  s.  vorletzten  Bericht 
No.  106  und  letzten  Bericht  No.  65— 68.  Es  ist  ein  asynartetisch  ge- 
bildeter Hexameter  mit  Beachtung  der  Quantität  und  des  klassischen 
Tonfalls  im  Ausgange  der  beiden  Vershälften,  sonst  wird  weder  der 
Wortaccent  noch  die  Quantität  sonderlich  beachtet.  Doch  sucht  M. 
S.  295  -  300  wenigstens  einige  Beschränkungen  nachzuweisen,  die  jedoch 
sicher  nicht  so  streng  eingehalten  sind  wie  die  Schlufsregeln.  Auch 
Haussen*s  Beobachtung,  dafs  positionslange  Silben  in  der  drittletzten 
Silbe  der  ersten  und  in  der  dritt-  und  viertletzten  Silbe  der  zweiten 
Halbzeile  gemieden  sind,  wird  bestätigt,  dagegen  erkennt  M.  nicht  an, 
dafs  alle  naturlangen  Vokale  in  unbetonten  Silben  als  kurz  gelten.  Bald 
bilden  die  Anfangsbuchstaben  der  Zeilen  oder  Strophen  Acrosticha  oder 
die  Endvokale  Reimketten,  bald  sind  die  Zeilen  in  regelmäfsige  Strophen 
gegliedert;  im  Carmen  apologeticum  gehören  immer  je  zwei  Langzeilen 
zusammen,  letzteres  auch  in  den  Rätsein  und  der  Exhortatio.  s.  o.  Aus 
No.  49  heben  wir  noch  die  Behandlung  der  dreigeteilten  Byzantiner- 
strophen hervor,  deren  kunstvoller  Bau  vielfach  noch  an  die  alte  Lyrik 
erinnert. 

50)  E.  Wölfflin,  Der  Reim  im  Lateinischen.    Archiv  für  Lexiko- 
graphie I,  3  S.  350—389. 

vgl.  S.  Mehring,  Der  Reim  in  seiner  Entwickelung  und  Fortbildung. 
Berlin  1889.    HI  u.  144  S.    8. 

Wölfflin  findet,  dafs  sich  weder  der  Gliederreim  noch  der  Satz- 
reim in  der  archaischen  und  klassischen  Zeit  der  Römer  merklich  ent- 
wickelt hat,  abgesehen  vom  Flexionsreim,  der  Überhaupt  kein  eigent- 
licher Reim  ist,  und  andern  ganz  vereinzelten  Fällen,  wie  Vergil.  Buc. 
8,  80 ,  wo  die  verlassene  Geliebte  den  Daphnis  wieder  herzaubern  will 
und  dazu  wie  in  den  alten  Zauberformeln  des  Refrains  und  Vergleichs 


214  Metrik. 

sich  bedient:  Limus  ut  hie  durescit  et  haec  ut  cera  liquescit,  aller- 
dings auch  nur  Flexionsreim;  auch  sonst  bleibt  es  sehr  zweifelhaft,  ob 
Überhaupt  Absicht  vorliegt.  Als  Herd,  auf  dem  beide  Arten  des  Reims 
gleichsam  aasgebrOtet  worden  sind,  ist  Afrika  zu  bezeichnen,  besonders 
Apuleius,  Tertullian  und  Augustin.  Eine  nicht  unwichtige  Vermitteluug 
ist  vielleicht  bei  Commodian  aus  Gaza  in  Syrien  anzuerkennen.  Bei  den 
afrikanischen  Christen  scheinen  die  semitischen,  auf  einen  Vokal  be- 
schränkten Flexionsreime  mit  den  volleren  lateinischen,  wie  sie  Apuleius 
anwandte,  zusammengeflossen  zu  sein  und  dies  neue  Formelement  in  der 
Predigt,  besonders  des  Augustin  und  im  Kirchenlied  Aufnahme  und 
Pflege  gefunden  zu  haben.  Nach  einer  Vermutung  K.  Sittl's,  S.  389.  hat 
der  Reim  seinen  Ursprung  in  Ägypten;  von  den  Ägyptern  sei  er  schon 
zur  Ptolemäerzeit  zu  den  in  Ägypten  wohnenden  Semiten  gekommen. 

in.   Metrische  Schriften  über  griechisches  Epos. 

über  die  metrischen  Schriften  zu  den  einzelnen  Dichtern  halten 
wir  uns  kürzer,  weil  diese  meistenteils  in  den  besondem  Berichten  zur 
Sprache  kommen,  und  heben  nur  solche  Leistungen  hervor,  die  allgemeine 
metrische  Fragen  behandeln.  Auch  verbinden  wir  mit  dem  Epos  die 
Bucolica  wie  bisher  und  die  Schriften  über  Verstechnik  der  Elegie,  die 
der  hexametrischen  ziemlich  gleich  ist. 

Eine  gröfsere  Zahl  von  Arbeiten  beschäftigt  sich  mit  der  Frage 
über  den  Ursprung  des  daktylischen  Hexameters,  vgl.  Ref.*s  Ansicht  im 
vorletzten  Bericht  No.  29. 

51)  Hermann  Usener,  Altgriechischer  Versbau.  Bonn  1887. 
127  8.    8. 

62) ,  Altertümliche  Verse.    Rhein.  Mus.  f.  Phil.   43.  Bd.  1888. 

S.  149.  150. 

53)  0.  Grusius,  De  inscriptione  Imbria  versibus  inclusa.  Ebenda 
S.  305.  806. 

54)  Heinrich  Seiling,  Ursprung  und  Messung  des  homerischen 
Verses.  Jahresb.  Realgymnasium  zu  Münster  i.  W.  Nördlingen  1887. 
20  S.    4. 

55)  Fritz  Gerald  Tisdall,  A  theorieof  the  Origin  and  Develop- 
ment ot  the  heroic  Hexameter.    New- York.    1889.    40  S. 

56)  Hermann  Kluge,  Zur  Entstehungsgeschichte  der  Ilias.  Kötben 
1888.     VIII  u.  220  S. 

57)  Rudolf  Thurneysen,  Der  Weg  vom  daktylischen  Hexameter 
zum  epischen  Zehnsilber  der  Franzosen.  Zeitschr.  f.  roman.  Philologie 
XL    3.  4.  Heft. 

Vgl.  S.  L.  Larkins,  The  scansion  of  heroic  verse.  London.  Philol. 
Society,  5.  Dec.  1890  (Academie  No.  973  p.  616). 


f 


Griechisches  Epos.  215 

üsener's  Bach,  No.  51,  anregend  geschrieben,  von  der  Kritik 
mit  wenig  Ausnahmen  anerkannt,  zieht  als  »ein  Versuch  vergleichender 
Metrikc  die  Verse  der  Inder,  Eranier,  Germanen,  Czechen,  Polen,  Russen, 
SQdslaven,  Litauer  und  Italiker  heran  und  sucht  zu  erweisen,  dafs  oft 
durch  fortgesetzte  Katalexen  Tripodien  aus  Tetrapodien  entstanden  wären. 
So  gehe  auch  der  griechische  Hexameter  auf  den  alten  epischen  Vers 
mit  acht  Hebungen  zurück.  Die  Zusammensetzung  aus  zwei  Tetrapodien, 
deren  zweite  einen  Auftakt  habe,  zeige  sich  noch  im  Gebrauch  des 
Digamma  und  der  Positionslängen  bei  Muta  vor  Liquida,  wie  xai  noH 
reg  feiTtjjat'  \  rärpoQ  f  Z8e  noXXhv  d/ieejjtwv  (allein  närpog  kQrzt  sich  doch 
leicht  nach  Analogie  von  n^äv^p  u.  a),  ferner  in  einzelnen  inschriftlich 
erhaltenen  Hexametern  volksttimlicher  Bildung  (doch  bleibt  auch  hier 
eine  andre  Auffassung  möglich,  soweit  überhaupt  Verse  wirklich  gemeint 
sind;  z.  B.  die  Annahme  der  Sitte  in  ein  für  eine  ähnliche  Gelegenheit 
verfertigtes  Gedicht  andre  Eigennamen  einzusetzen,  so  S.  33.  87  . .  .  röSe 
arifia  \  fi^^rr^p  inidr^xe  Bavövre  \\  0avoxptrri  \  ntuBl  ^apeCopsvi^  etwa  Statt .  .  . 
OYjfia  I  nariip  inißi^xe  ßavovrt  ||  Maetuv  AipoytSrjQ  \  natSi  ^aptCopevog,  dazu 
die  Beobachtung,  dafs  zu  elidierende  Silben  auf  Inschriften  oft  ausge- 
schrieben werden  ohne  oder  sogar  mit  v  i^eXxuarexöv).  Überhaupt  sind 
nach  Verf.  so  gut  wie  sämtliche  griechische  Verse  von  sechs  bis  acht 
Hebungen,  da  die  verschiedene  Ausfüllung  der  Senkung  durch  eine  oder 
zwei  Silben  etwas  secundäres  sei,  auf  diese  Langzeilen  von  acht  Takten 
zurückzuführen,  darunter  sogar  der  iambische  Trimeter  als  ^  ^  v^  j.  «^  ^  C/ 1 
jsjjyjj^  oder  als  ^jsj^i.]  ^^^w^^^.  Nur  bei  den  Pentapotien,  den 
Elfsilbern  der  lesbischen  Poesie  läfst  Verf.  die  Möglichkeit  einer  geson- 
derten metrischen  Bildung  offen. 

Es  ist  schwer  den  reichen  Inhalt  des  Buches  wiederzugeben.  Als 
gelungen  heben  wir  hervor  S.  80fg. ,  die  Behandlung  von  Bergk,  carm. 
popul.  6  (PL  III  p.  656 fg)  oder  des  rhodischen  Schwalbenliedes  bei 
Athen.  VIII  p.  360^,  ferner  die  Bemerkungen  über  die  Entstehung  des 
logaödischen  Versmafses,  die  Würdigung  des  Archilochos,  der  an  dem 
ewig  jungen  und  verjüngenden  Born  der  Volksüberlieferung  schöpft,  wie 
denn  der  Formenreichtum  der  griechischen  Metrik  nicht  durch  freie 
Schöpfungen  einzelner  Dichter,  sondern  aus  dem  Boden  des  Volkes  er- 
wachsen sei.  In  solchen  allgemeinen  Betrachtungen  liegt  ein  Hauptreiz 
dieses  Werkes,  so  ferner  über  die  epodische  Composition,  die  Elegie 
(vgl.  No.  76)  nach  der  altern  Auffassung  von  C.  Dilthey,  S.  113fg.,  über 
Einflufs  der  Instrumentalmusik  auf  die  Metrik. 

Unter  den  vielen  Besprechungen  nennen  wir  drei,  die  von  A.  Lud- 
wich,  Berliner  philolog.  Wochenschrift  VII,  16  S.  453—457,  der  die  Be- 
weise ans  dem  Bau  des  Hexameters  bespricht,  R.  Westphal,  Götting. 
gelehrt.  Anzeigen  1888  Ko.  20,  der  mit  U.  übereinstimmend  den  Hexa- 
meter als  eine  asynartetische  Verbindung  einer  daktylischen  und  anapästi- 
schen Tetrapodie  fafst,  und  Fr.  Haussen,  Philol.  Anzeiger  17.  Bd.  (1889) 


216  Metrik. 

S.  246 — 252,  der  die  Ansicht  vertritt,  dafs  die  Verwitterung  des  Verses 
anch  mit  der  Verwitterung  des  den  Vers  bildenden  Spracbmaterials  in 
ursächlichem  Zusammenhange  steht. 

No.  62  und  53  besprechen  zwei  Inschriften,  die  aus  viertaktigen 
nach  ü.'s  Theorie  freier  gebauten  Eurzversen  bestehen,  vgl.  auch  Ferdi- 
nand DOmmler,  Mitteilungen  des  archäologischen  Instituts.  Athenische 
Abteilung  XVI.  S.  129.  •—  Peiling  (No.  54)  will  den  Hexameter  durch 
verschiedene  Dehnungen  und  Pausen  zum  Tetrameter  erweitern.  — 
Tisdall  (No.  55)  hält  die  Ansicht  fest,  dafs  der  Hexameter  ans  zwei 
Tripodien  zusammengesetzt  ist  Dabei  sei  der  häufige  Gebrauch  der 
trochäischen  Hauptcäsur  recht  gut  denkbar,  exakte  Messungen  der  Cäsur- 
pause  mit  moderner  Notenschrift  sei  verfehlt;  vgl.  vorletzten  Bericht 
No.  29  am  Ende.  —  Kluge  (No.  56)  behandelt  S.  1  —  78  die  vorhome- 
rischen Verse.  Der  Hexameter  soll  aus  zwei  Tripodien  oder  drei  Dipo- 
dien  entstanden  sein,  woher  sich  die  verschiedenen  Cäsuren  im  dritten 
Fufse  oder  im  zweiten  und  vierten  erklären.  Der  Vers  sei  ursprünglich 
silbenzählend  gewesen,  der  daktylische  Rhythmus  erst  daraus  hervor- 
gegangen, dafs  am  Anfang  des  zweiten,  beziehentlich  auch  des  dritten 
Eurzverses  eine  Anakrusis  eingetreten  sei,  mit  der  vorhergehenden  Sen- 
kung die  beiden  Kürzen  des  Dactylus  gebend.  Von  diesen  Stellen  hätten 
sich  die  Daktylen  aber  die  übrigen  Versfüsse  verbreitet. 

58)  Johannes  (Hans)  Draheim,  De  arseos  vi  Homerica.    Fleck- 
eisen*8  Jahrb.    139.  Bd.    1886.   S.  667—675. 

59) ,  De  hiatu  debili  qui  dicitur  Homerico.    Ebenda  137.  Bd. 

1888.     S.  609-613. 

60)  J.  V.  Leeuwen,  Homerica.  IV.   Mnemosyne  XVIII.   3.   S.  265 
bis  299. 

61)Jo8.  Menrad,   De  contractionis  et  synizeseos  usu  Homerico. 
Diss.    Münster  1886.    216  S.   8. 

62)  A.  Platt,  Note  on  Homeric  scansion.  Journal  of  Philology  XVIII 
S.  120—125. 

63) ,  Spondeus  in  the  4  th  foot  in  Homer.   Ebenda  S.  150—159. 

64)  Führer,  Die  metrische  Verlängerung  kurzer  Silben  bei  Homer. 
Gymnasium  1888  No.  12. 

Der  Inhalt  dieser  ganz  specielle  Fragen  der  homerischen  Vers- 
technik behandelnden  Schriften  ergiebt  sich  meist  schon  aus  dem  Titel. 
No.  58  über  die  Stellung  der  Spondiaca  (vier  Gesetze),  Trisyllaba  mo- 
lossica  duos  ictus  recipiunt,  nisi  in  fine  versus,  Quadrisyllaba  dispondiaca 
simplicia  aut  composita:  illa  in  thesim  fere  desinunt,  haec  in  arsim,  also 
non  legitur  in  caesura  ojxecdwv^  non  legitur  in  fine  xaXhXatvot^  ähnlich 
bei  den  fünfsilbigen  Wörtern.   —    No.  59  sucht   den  sog.  prosodischen 


Griechisches  Epos.  217 

Hiat,  d.  b.  die  Verk&rzung  auslautender  langer  Vokale  in  der  Senkung 
bei  folgendem  vokaliscben  Anlaut  zurückzuführen  auf  sprachliche  That- 
sachen.  —  No.  60  über  Gebrauch  der  Cäsur  xarä  riraprov  r/oo/oTov.  — 
No.  61:  Die  Überlieferung  giebt  Contraktion  und  Syuizese  in  allen  Ge- 
sängen ,  weiteres  gehört  ins  Gebiet  der  Textkritik.  —  No.  62  über  das 
Vorkommen  des  Molossus. 

66)  Johannes  Paulson,  Studia *Hesiodea.  I.  De  re  metrica. 
Diss.  ex  actis  Universitatis  Lundensis  tom.  XXIII.  Lund.  1887.  III  u. 
168  S.     4. 

66)  £.  Eberhard,  Metrische  Beobachtungen  zu  den  homerischen 
Hymnen.    Progr.    Magdeburg  1886.    32  S.    4. 

67)  G.  Kunst,  De  Theocriti  versu  heroico.  Dissertationes  philo- 
logae  Vindobonenses.    I.    S.  1-124.    Leipzig  1887. 

68)  Ganutns  Wintzell,  Studia  Theocritea.  Gommentatio  acade- 
mica.    Lund.     1889.     146  S.    8. 

69)  Alfred  Gercke,  Alexandrinische  Studien  (Forts.).  Rhein. 
Mus.  f.  Philol.  44.  Bd.     1889.     S.  240—268. 

No.  66—  67  sind  fleifsige  Zusammenstellangen  verwandter  Art  Ober 
Verteilung  der  Dactylen  und  Spondeen,  Bau  der  letzten  Versteile,  Gft- 
snren,  Quantität,  Hiat  n.  a.  in  den  in  den  Titeln  genannten  Dichtungen. 
No.  67  zeichnet  sich  aus  durch  die  feine  Unterscheidung  zwischen  Theo- 
krits  bukolischen  (L  III-XI),  mimischen  (H.  XIV.  XV.  XVIII)  und  epi- 
schen Gedichten  (XII.  XIIL  XVI.  XVIU.  XXII  -  XXVI).  Darüber  aus- 
führlich Ref.  in  Berliner  philolog.  Wochenschrift  IX.  1889.  10.  S.  301  fg. 
—  No.  68  giebt  im  letzten  Kapitel  zu  No.  67  einige  Nachträge  über 
Hiat,  Position  und  Elision.  -  No.  69  handelt  nur  S.  241  und  263  über 
Metrisches,  nämlich  über  viersilbige  Versschlüsse  wie  Bepevixa  bei  Kalli- 
machos,  Apollonios,  Theokrit  und  Aratos  und  über  den  Ausgang  längerer 
Wörter  im  zweiten  Fufse  des  Hexameters  bei  den  letzteren. 

70)  Hermann  Di e Is,  Sibyllinische  Blätter.  Berlin  1890.  168  S.  8. 

71)  Philodemi  Gadarensis  epigramroata  ab  Georg to  Kaibel  edita. 
Ind.  schol.  aest.    Greifswald  1886.    XXVIII  S.   4. 

72)  Arthur  Lud  wich,  Zur  Periegese  des  Dionysios.  Rhein.  Mus. 
f.  Phil.  41.  Bd.     1886.     S.  302-304. 

73)  -  — ,  Johannes  von  Gaza.  Ebenda  44.  Bd.  1889.  S.  194 
bis  206. 

74)  Arnold  Dittmar,  De  Meleagri  Macedonii  Leontii  re  metrica. 
Diss.    Köni^sber^  1886-    30  S.   8. 


218  Metrik. 

75)  H.  Schrader,  Die  hexametrischeD  Überschriften  xo  den  48 
homerischen  Rhapsodien.  Fleckeisen's  Jahrb.  137.  Bd.  1888.  S.  577 
bis  609. 

Diels  (No.  70)  kommt  S.  56-64  anf  di«  metrische  Form  der  von 
Phlegon  Qberlieferten,  vermutlich  von  Fabios  Pictor  verfafsten  sibylli- 
nischen  Orakel  zn  sprechen.  Der  Trochäus  im  vierten  Fofse  erscheint 
häufig;  Überhaupt  zeigt  sich  keine  Spur  der  Feinfflhligkeit  der  Alexan- 
driner, sondern  die  Verse  stehen  dem  Isyll  nahe,  vgl.  letzten  Bericht 
No.  138  und  139;  auch  die  Hiate  sind  in  der  homerischen  Weise  behau* 
delt  Wir  haben  hier  dilettantische  Versuche  nach  homerischem  Vorbild 
schlecht  und  recht  Hexameter  zu  bauen.  Vgl.  R.  Volkmann,  De  Pjthiae 
oraculis  5—7  p.  396  sq.  —  No.  71  enthält  eine  knappe  und  klare  Dar- 
stellung der  metrischen  Kunst  des  genannten  Epigrammatikers.  —  Nach 
No.  72  hat  Dionysius  Periegeta  fOr  den  Gebrauch  der  positio  debilis  und 
der  correptio  attica  sich  zwei  Einschränkungen  auferlegt:  1)  Keine  aus- 
lautende ROrze  darf  vor  muta  cum  liquida  verlängert  werden,  zb  i:päfToy^ 
rä  Ttpwra  gelten  fftr  je  ein  Wort  und  wurden  von  Alters  her  mit  Posi- 
tionslängen gemessen;  v.  764  axptg  statt  ä^pt,  2)  Kein  an-  oder  inlau- 
tender kurzer  Vokal  bleibt  vor  muta  cum  liquida  kurz,  sondern  mufs 
gelängt  werden,  ausgenommen  der  Eigenname  ^AfpoBiv^  nach  altem,  wohl- 
bercchtigtem  Herkommen,  v.  283  und  1173  zu  ändern.  Einige  andre 
Dichter  haben  diese  Regeln  gleichfalls  sorgsam  beobachtet,  auch  im  ele- 
gischen Versmafse,  z.  B.  Antimachos.  Fr.  9  ist  mit  den  Handschriften 
ein  Hexameter  anzunehmen:  Sptog  xopofljat  Moauj^^u.  Vgl.  letzten  Be- 
richt No.  51.  —  No.  73  erwähnt,  dafs  Johannes  von  Gaza  die  sog.  cor- 
reptio attica  nicht  vor  gutturalis  oder  dentaüs  cum  liquida,  sondern  nur 
vor  labialis  cum  liquida  zuläfst.  —  No.  74  Ober  Prosodie,  Hiat,  Gäsur, 
Verteilung  der  Dactylen  und  Spondeen,  Wortbetonung,  VersschlQsse  bei 
den  drei  im  Titel  genannten  Dichtem,  von  denen  der  erste  in  Homer*8 
Spuren  wandelt,  die  beiden  andern  in  denen  des  Nonnos.  —  No.  75:  Die 
späteren  der  genannten  iniypa^ou  bieten  die  Technik  des  Theodoros 
Prodromos,  s.  No.  96 fg.,  und  Johannes  Tzetzes.  Diese  wird,  soweit  sie 
den  spätbyzantinischeu  Hexameter  betrifft,  eingehend  untersucht. 

IV.    Metrische  Schriften  zur  griechischen  Lyrik. 

76)  Otto  Immisch,  Ober  den  Ursprung  der  griechischen  Elegie. 
Verhandlungen  der  40.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schul- 
männer in  Görlitz  vom  2.  bis  5.  Oktober  1889.  Leipzig  1890.  VIU  u. 
503  S.    4.    8.  372—384. 

Der  Pentameter  ist  aus  der  Verdoppelung  eines  Eurzverses,  der 
sog.  Penthemimeres  »gewordene,  der  vielfach  selbständig  und  in  anderen 
Verbindungen  sich  schon  in  früher  Zeit  nachweisen  läfst,  wie  denn  auch 


Oriechische  Lyrik.  219 

der  Pentameter  selbst  nicht  immer  blofs  in  der  Verbindung  mit  dem 
Hexameter  auftritt.  Nach  der  hellenistischen  Hypothese  (bei  Horaz  und 
Didymus)  ist  die  Elegie  aus  den  i^yoe  (Klagegesängen  in  yerschiedencn 
Versmafsen)  entstanden.  Diese  Hypothese  geht  auf  Euripides  zurück, 
der  auch  der  erste  ist,  von  dem  wir  eine  wirklich  threnodische  Elegie 
haben,  und  führt  auf  den  düstern  aulodischen  Nomos,  während  in  der 
altern  Elegie  ein  andrer  Ton  herrscht.  Diese  durch  die  alte  Hypothese 
nicht  erklärte  Doppelbeit  der  Elegie  erklärt  sich  dem  Verf.  aus  dem  in 
Karien  heimischen  Aphrodite-  und  Adoniskult,  der  im  d^avcafioc  wilde 
Trauer  um  den  dahingeschiedenen  blühenden  Bräutigam  der  Liebesgöttin, 
in  der  £upe<rt^  die  ausgelassene  Feier  seines  Auferstehens  bietet.  Das 
V\rort  ikeyo^  in  Verbindung  mit  ähnlichen,  zumal  mit  üaXafißat  ist  semi- 
tisch =  fistula  canora.  Sinnreich  wird  in  der  Perikleselegie  des  Archi- 
lochos  die  Mischung  der  beiden  entgegengesetzten  Stimmungen  aus  dem 
Ursprung  der  Elegie  erklärt. 

77)  F.  Spiro,  Der  kyklische  Dactylus  und  die  lesbische  Lyrik. 
Excurs:  Metra  des  Aristophanes.    Hermes  XXIH.    1888.    S.  234—258. 

78)  F.  Haussen,  Ober  die  sogenannten  kyklischen  Versfüfse. 
Verhandlungen  der  37.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schul- 
männer  in  Dessau,  1.  4.  Oktober  1884.  Leipzig  1885.  298  S.  4. 
8.  213—216 

79)  U.  V.  Wilamowitz-Möllendorff,  Zu  Plutarchs  Gastmahl  der 
Sieben  Weisen.     Hermes  XXV.    1890.    S.  196—227. 

Von  diesen  die  lesbiscbe  Lyrik  behandelnden  Schriften  wird  in 
No.  77  nach  einer  principiellen  Erörterung  über  den  Wert  oder  vielmehr 
Unwert  der  alten  und  neuern  metrischen  Theorien  des  kyklischen  Dactylus 
auch  in  dem  Sinne,  wie  ihn  Westphal  Rhythmik'  neuerdings  noch  halten 
wollte,  verworfen,  dabei  die  alte  Theorie,  die  zwischen  fiirpov  und  poBfioQ 
unterscheidet,  schon  bei  Plato  und  Aristophanes  zu  erkennen,  vgl.  jedoch 
No.  30,  ebenso  wie  von  Chaignct,  vgl.  No.  37,  beurteilt  und  die  Bestand- 
teile der  lesbischen  Logaöden  besprochen :  Trochäus  in  gerader  und  un- 
gerader Zahl,  mithin  verschieden  von  den  andern  dipodisch  zu  messenden 
Trochäen;  Dactylus  teils  in  der  Mehrzahl,  wie  in  der  dactylischen  Poesie 
der  lonier,  teils  vereinzelt  in  engster  Verbindung  mit  Trochäen;  auch 
deren  Gebrauch  bei  Pindar  erörtert.  Im  Exkurs  wird  angenommen,  dafs 
zwischen  Cretikern  (Päonen)  und  trochäischer  Dipodie  kein  principieller 
Unterschied  sei;  nach  Vorgang  der  Lyriker  und  Tragiker  habe  die  Ko 
mödie  die  katalektische  Form  .v.,  nachdem  die  unterdrückte  Senkung 
spurlos  weggefallen,  wie  beim  Bacchius  in  iambischeu  Reiben  (z.  B.  ätbg 
nXa- 1  yäv  e^oumv  \  tlnttv)  in  der  letzten  Silbe  aufgelöst ,  wie  Arist.  Ach. 
282.  Ebenso  habe  man  eine  doppelte  Catalexis  mit  Unterdrückung  beider 
Senkungen  der  Dipodie  gebildet,  so  erkläre  sich  Lysistrate  780    828  als 


220  Metrik. 

eine  trochäische  Stropbe  mit  unterdrückten  Senkaogen  und  Aaflösnng 
der  Hebungen  vor  diesen.  —  Ober  78  vgl.  auch  letzten  Bericlit  No.  38. 
0.  Grusins,  Litter.  Gentralbl.  1887.  44  S.  1591  und  1890.  45  S.  1574, 
vgl.  auch  1891.  7  S.  213  und  Philol.  L  S.  171,  versteht  den  Namen 
»klyklischc  lautphysiologisch  vom  leichten  Bau  der  FOfse.  —  No.  79  be- 
handelt 8.  225  fg.  die  Metrik  des  sog.  lesbischen  MflUerliedchens.  Es 
geht  auf  Klearch  zurück,  ist  lange  nach  des  Pittakos  Tyrannis  gemacht 
und  fallt  nicht  im  mindesten  aus  der  gewöhnlichen  Metrik  heraus.  Verf. 
mifst  es  ionisch,  nur  der  Anfang  bleibt  noch  zweifelhafter  Messung. 

80)  H.  Reim  an n,  Disputationis  de  prosodiorum  similiumque  apud 
Oraecos  carminum  natura  nuper  (vgl.  letzten  Bericht  No.  52)  editae 
additamentum.    Progr.    Gleiwitz  1886.  10  S.  4. 

81)  0.  Cr u sin s,  Ober  die  Nomosfrage.  Verhandlungen  der  39.  Ver- 
sammlung deutscher  Philologen  und  Schulm&nner  in  Zflrich  vom 
28.  September  bis  1.  Oktober  1887.  Leipzig  1888.  X  u.  374  S.  4. 
S.  258  ~  273. 

82) ,  Stesichoros  und  die  epodische  Komposition  in  der  grie- 
chischen Lyrik.  Commentationes  philologae  quibus  0.  Ribbeckio  prae- 
ceptori  inlustri  sexagesimum  aetatis  magisterii  Lipsiensis  decimnm  annam 
exactum  congratulantur  discipuli  Lipsienses.  Leipzig  1888.  IV  und 
557  S.    8.    S.  1—22. 

83)  —  — ,  Ein  Liederfragment  auf  einer  antiken  Statnenbasis. 
Philologus  L  (N.-F.  IV).     1891.     S.  168—172. 

No.  80  ist  eine  Zusammenstellung  und  Erklärung  der  Zeugnisse 
der  Grammatiker  und  Lexikographen  über  Prosodien  u.  ä.  Die  epodische 
Komposition  geht  zurück  auf  alte  religiöse  Sitte,  besonders  des  Apollo- 
kultes, vgl.  No.  82.  —  0.  Crusius  in  No.  81  verteidigt  die  sog.  terpan- 
drische  Composition  als  alte  aus  dem  Apollohymnen  herübergenommene 
Art  den  Inhalt  zu  gliedern.  Die  ursprüngliche  dreiteilige  Form  wurde 
zur  siebenteiligen  erweitert,  so  schon  in  den  homerischen  Apollohymnen. 
Die  Überlieferung  bei  Pollux  ist  richtig,  ofpayiQ  (vgl.  Theogn.  19fg.)  ist 
der  alte  technische  Ausdruck  für  den  Teil,  wo  der  Dichter  durch  Nennung 
seines  Namens  sein  Eigentum  schützen  will  und  überhaupt  von  seinem 
persönlichen  Interesse  spricht,  Westphal's  Umstellung  ist  zu  verwerfen, 
doch  könnte  mau  das  zweite  vermittelnde  Glied,  das  Pindar  bisweilen 
nach  dem  Hauptteile,  dem  diupaXoQ  einschiebt,  ävTexararpoTtd  nennen, 
da  fiEraxararpond  nur  hinter  xararp&nd  Sinn  hat.  Aus  dem  monodischen 
Nomos  des  Terpauder  nahmen  auch  die  Meister  der  Ghorlyrik,  Alkman, 
Simonides  und  Pindar  nicht  blofs  in  ihren  Götterhymnen,  sondern  auch 
in  den  Enkomien  und  Epinikien  die  alte  Form  herüber.  Desgleichen 
die  hellenistischen  Hymnendichter.  In  drei  Hymen  des  Kalllmachos 
(II,  V,  VI)  liegt  das  Schema  klar  zu  Tage.    Im  ApoUohymnns  korrespon- 


Griechiaelie  Lyrik.  221 

diert  sogar  die  Verszahl  genau  oder  annftherod.  Ähnliches  gilt  von  den 
Hymnen  des  corpus  Theocriteum  (XVI,  XYII,  XXn,  XXVI,  vgl.  XV,  loo 
bis  144).  Von  den  »Jungrömernc  folgt  weniger  Catnll  (jedenfalls  nicht 
carm.  68),  wohl  aber  Tibull  im  Hymnus  wie  Enkomion,  in  seinen  »Fest- 
gedichten im  Hymnenstile  der  terpandrisch-kallimachtschen  Norm,  Pro- 
perz  selten,  am  glücklichsten  V,  6.  Einigermafsen  verwandt  sind  einige 
Partien  in  Ovid*s  Fasti  sowie  der  Hauptteil  der  Ibis  (wohl  dem  Kalli- 
machos  entlehnt),  auch  Catalept.  Verg.  XI  und  der  Panegyricns  auf  Piso 
(P.  L.  M.  I  226).  Vgl.  unten  No.  87  fg.  —  No.  82:  Das  geflügelte  Wort: 
OöSk  rpia  ro;v  ü-n^mj^öpoo ,  einer  attischen  Komödie  entlehnt,  bedeutet: 
»Du  kennst  nicht  einmal  drei  Verse  (oder  Gedichte)  des  Stc  Die  epo- 
dische  Gomposition  ist  schon  bei  Alkman  sicher,  vgl.  zu  No.  80-  Der 
Ausdruck  arpo^^  d^rlarpo^oQ  und  hnpBog  sind  musikalisch  zu  verstehen, 
ebenso  wie  bei  den  Byzantienern  die  oixot  (=  Stange,  Zimber,  Stollen) 
und  xouxooUta  (Abgesang).  —  No.  88  bebandelt  eine  im  Bulletin  de 
correspondance  Hellönique  VII  (1883)  S.  277  von  W.  M.  Ramsay  veröffent- 
lichte Inschrift  aus  Kleinasien,  die  ein  Distichon  enthält  und  ein  mit 
richtigen  Vokalnoten  über  jede  Silbe  (mit  einer  Ausnahme)  versehenes 
vierzeiliges  psAuddpiov^  bestehend  aus  katalektischen  iambischen  Dimetern 
(^lu'ofißoe^  d.  i.  halbe  Tetrameter  nach  Athen.  VII  p.  296  B  u.  a.  im 
Widerspruch  zu  F.  Haussen,  Comment.  philol. .  . .  Ribbeckio  etc.  p.  190  sq.) 
mit  einem  Pherecrateus  als  zweiter  Zeile,  alle  Verse  ganz  regelrecht,  nur 
ist  im  ersten  Dimeter  auch  die  zweite  und  dritte  Senkung  unterdrückt. 
Alle  über  eine  Mora  auszuhaltenden  Töne  sind  mit  dem  Dehnungszeichen 
versehen.  Darin,  dafs  einmal  drei  Notenzeichen  über  einer  Silbe  stehen, 
wird  ein  neuer  urkundlicher  Beweis  für  die  rpioT^ßo^  gefunden.  Icten 
sind  nicht  bezeichnet,  den  Schlufs  markiert  ein  Zeichen,  worin  Verf.  eine 
Instrumentalnote  als  Andeutung  für  die  am  Schlüsse  einfallende  Beglei- 
tung sucht.  S.  166  wird,  wie  ähnlich  schon  Litt.  Centralbl.  1891.  7  S.  218, 
behauptet,  dafs  der  Ictus  den  Versfufs  wie  eine  gerade  Linie  die  andere, 
nur  an  einer  Stelle  treffen  kann.  Das  kann  für  den  Hauptictus  längerer 
Verse  richtig  sein,  auf  die  Einzelfüfse  angewandt  scheint  es  eine  Über- 
tragung moderner  Begriffe  in  die  alte  Rhythmik,  denn  die  alten  Trochäen 
und  lamben  sind  nicht  dasselbe  wie  unser  V»  oder  y%  Takt  u.  s.  w.,  son- 
dern das  Verhältnis  steht  2:1,  sodafs  die  Hebung  wirklich  zwei  Moren 
enthält,  so  auch  in  der  Instrumentalmusik,  .wo  die  zwei  punktierten 
Kürzen  für  die  Hebung  überliefert  sind,  worin  Ref.  mit  Westphal  die 
Einwirkung  der  Vokalmusik  sieht  Endlich  in  der  wichtigen  Stelle  Dionys. 
Hai.  de  compos.  verb.  c.  11  schreibt  Verf.  r^  dpßdXriQ  inl  (r^y  pdoji 
auXXaß^  rijv  rpfnjv  dfiÖTovov  i^ec^  und  erklärt  roS  riBere  ßaporipapkv 
1^  npfinf}  yfyverae^  al  duo  8k  fier  auri/u  d^urovoe  re  xal  dfio^wvot '  die  erste 
ozytonierte  Silbe  ist  tiefer,  die  beiden  folgenden  liegen  höher  und  zwar 
auf  demselben  Ton'  (genauer:  Die  erste  Silbe  wird  in  der  Melodie  die 
tiefere,  die  beiden  folgenden  erhalten  denselben  hohen  Ton);  roD  xTuneTre 


222  Metrik. 

6  nepeanaajjLd^  r^^viazai'  fuqL  yäp  al  Buo  aolXaßai  Xiyovrm  zdatt  *der 
Diphthong  wurde  also  mit  zwei  NoteD  auf  derselben  Stufe  vorgetrageo' 
(Dionysios  sagt  vielmehr,  dafs  die  beiden  Silben  [xTunetr^  nicht  Moren 
[-Tr^rr']  musikalisch  gleich  behandelt  und  wohl  nicht  hochbetont  waren. 
Auch  Westphal  Übersetzt  falsch:  ist  durch  den  Circumflex  verdonkelt 
statt  der  Circumflex  ist  verdunkelt);  rb  dnoitpoßare  ob  Xafißdvet  n^ 
rr^g  liiar^g  ffuUaß^g  npoa(p8{a)f  ü$eTav^  dU^  in}  vijv  rsrdpTTjV  oißXXaßjv 
xavaßeßijxev  ^  rdatg  rr^g  rperrjg  '  die  oxytonierte  dritte  Silbe  sinkt  ebenso 
tief  herab  wie  die  vierte'.  Westphal  und  Referent  verstanden  die  letzten 
Worte  anders:  'die  Tonhöhe  der  dritten  ist  auf  die  vierte  Silbe  über- 
gegangen'. Doch  hat  diese  Übersetzung  das  Hermann'sche  fteraßdßi^xev 
zur  Voraussetzung,  das  keine  diplomatische  Grundlage  zu  haben  scheint. 
Die  Stelle  handelt  nicht  lediglich  von  der  Höhe  und  Tiefe  der  Töne, 
sondern  vom  Verhältnis  der  MelodiefOhrung  zur  Wortbetonung,  nnd  darum 
hatte  Ref.  im  vorletzten  Bericht  S.  302  fg.  mit  dieser  Stelle  die  Ansicht 
widerlegt,  wonach  die  Wortbetonung  ein  Anhalt  für  die  Auffindung  der 
Versicten  sein  sollte,  und  auf  unbetonte  Versstellen  des  Dochmius  in  n- 
und  xTUTtEcr'  und  auf  die  Phrasierung  des  re&ere  als  „^  (ist)  n- Ä- 
geschlossen.  Ob  er  hierin  zu  weit  gegangen,  darüber  erwartet  er  Be- 
lehrung in  der  in  nahe  Aussicht  gestellten  Veröffentlichung  des  mit  Noten 
versehenen  Orestesfragments  durch  Wessely. 

84)  Ernst  Graf,   Nomos    orthios.     Rhein.  Mus.    43.  Bd.     i88d. 
S.  512—523. 

85)  —   — ,   Die   dp;(d   des   Terpander.     Ebenda   44.  Bd.     1889. 
S.  469—471. 

86)  Otto  Immisch,  Zur  Geschichte  der  griechischen  Lyrik   Ebenda 
44.  Bd.     1889.     S.  553—567. 

No.  84:  ""Op&tog  heifst  im  metrischen  Sinne  »gleichgetciltc,  wie  spä- 
teres fiovoeeo^g,  d.  h.  von  Fttfsen  die  aus  gleichen  ar^/isia  bestehen,  wie 
vom  Pilon  aus  fünf  Kürzen,  und  von  Versen,  wie  dem  aus  reinen  lamben 
bestehenden  Trimoter  und  dem  aus  reinen  Dactylen  bestehenden  Hex«* 
meter.  Davon  getrennt  zu  halten  ist  die  Bedeutung  desselben  Wortes 
in  musikalischem  Sinne,  wo  es  »hocht  bedeutet  und  mit  d^ug^  dvarsTa- 
/idvog  identisch  ist.  So  erklärt  sich  der  Hexameter  in  Terpanders  ifofiog 
op&eog  und  der  Päon  und  Trochäus  im  Olympischen  vo/iog  opßeog,  hier 
npßeoi  im  musikalischen  Sinne.  Die  gedehnten  Längen  (vierzeitig  und 
fünfzeitig)  werden  für  die  griechische  Poesie  verworfen.  Die  ^laxpä 
TTsvTdar^fiog  des  Bellermann^schen  Anonymus  (vgl.  letzten  Bericht  S.  89) 
gehöre  in  die  von  sprachlichen  Elementen  unabhängige  Instrumental- 
musik. Die  Griechen  verstanden  es,  die  bunteste  rhythmische  Mannig- 
faltigkeit, ohne  Silbeudehnung,  zu  einem  Ganzen  zusammenzoschliefsen 
mit  einer  Kunst,  die  wir  nur  teilweise  dunkel  empüudeu  können,  da  wir 


Griechische  Lyrik.  223 

ihr  nichts  an  die  Seite  za  stellen  haben.  —  No.  85 :  Auch  Terpander's 
vofioQ  SpBioQ  war,  wie  uns  zuverlässig  bezeugt  wird,  in  Hezametera  abge- 
fafst.  Das  bekannte  Bruchstück  (fr.  1  Bergk):  Zeu  ndvrwv  dpxd  . . ,  ffol 
nifinw  rauTav  räv  Sfivwy  dp^dv  widerspricht  dem  nicht,  da  hier  dp^d 
nicht  im  technischen  Sinne  zu  verstehen  ist  —  No.  86  stimmt  mit  No.  85 
ttberein,  dafs  Terpander*s  voiAot  hexametrisch  waren.  Die  Ausdrücke 
SpBea  und  axoha^  nicht  lediglich  im  rhythmischen  Sinne,  haben  mit  Vers- 
roafsen  nichts  zu  thun.  Dagegen  ist  axoXtSg  ein  Name  für  Ampbibracbys, 
aber  auch  hier  hat  das  Metrum  seinen  Namen  vom  axoXtoy. 

87)  Alfred  Dippe,  Über  die  Frage  der  terpandrischen  Kompo- 
sition. Wochenschrift  f.  klass.  Philologie  1888.  32/33  S.  1018-1021. 
34  S.  1060—1063.     35  S.  1082—1086  und  36  S.  1114-1118. 

88)  Eduard  Luebbert,  De  Pindaricorum  carminum  compositione 
ex  Nomorum  historia  illustranda.     Bonn  1889.     19  S.    4. 

89)  Luigi  Gerrato,  La  tecnica  composizione  delle  odi  Pindariche. 
Genova  1888.  142  S.  8.  vgl.  denselben,  Rivista  di  filologia  XVIII 
4-6  S.  176-234. 

90)  Aug.  Heimer,  Studia  Pindarica.  .Diss.  Lund.  1885.   150  S.  4. 

91)  Fr.  Weigmann,  Über  den  Rhythmus  des  Asklepios-Päan. 
Gommentationes  philologae  Monacenses.  München  1891.  209  S.  8. 
S.  10—21. 

Nach  No.  87  war  der  vdyiOQ  in  alter  Zeit  nicht-antistrophisch  und 
Einzelvortrag.  Doch  an  dem  rptfiepijg  v6p.oQ  des  Sakadas  sei  nicht  zu 
rütteln,  er  war  cborisch  (Plut.  mus.  8  3e8d$ae  ^8eev  rltv  x^pov)  und  bestand 
aus  Strophe,  Antistrophe  und  Epode  (doch  ist  dies  letztere  recht  zweifel- 
haft; nach  Plutarch  waren  die  drei  Teile  nicht  nach  dieser  Gliederung 
charakterisiert,  sondern  äwptarl  /ikv  ttjv  npwTj^v  (nämlich  rovoiv  (rrpo^^v), 
^poytorl  Sk  rijv  Seuripav^  AöSt<rc\  8e  ttjv  rpivr^v,  xakeleBat  8k  Tpe/iep^ 
rhv  vöfioy  rourov  8cä  rijv  /leTaßoXvjv),  Der  vopoc  war  in  demselben  Vers- 
mafse  gehalten,  meist  in  Hexametern,  aber  auch  in  rpo^cuot  arj/iayroe 
und  Sp&coe,  Die  Versuche,  die  terpandrische  Komposition  bei  Pindar, 
Aeschylus,  Selon,  Sappbo,  Gatull  u.  a.  zu  finden  sind  schon  grundsätzlich 
zu  verwerfen  und  verfehlt  Nur  Käsebier,  De  Gallimacho  vopwv  poeta, 
Progr.  Brandenburg  1873,  ist  es  im  Ganzen  gelungen,  den  vo/ao?  bei 
Gallimachos  nachzuweisen,  im  Einzelnen  aber  hat  er  zu  viel  Responsion 
yermutet.  Verf.  findet  in  allen  Hymnen  dos  K.  die  terpandrische  Kom- 
position ,  nur  nicht  in  Verszabl  durchgeführt.  —  Auch  No.  88  und  89 
behandeln  dieselbe  Komposition  bei  Pindar,  über  erstere  vgl.  letzten  Be- 
richt No.  56 — 61,  über  letztere  A.  Groiset,  revue  critique  1889.  32  S.  97, 
übrigens  auch  oben  No.  81.  —  In  No.  90  wird  S.  85  fg.  eine  Statistik 
über  die  Positionserscheinungen  (muta  cum  liquida)  bei  Pindar  gegeben, 


224  MaCrik. 

die  di^enige  too  Breyer,  TgL  Torietsteo  Jabresb.  No.  42,  an  Euktfaeit 
noch  fibertrtflt  —  No.  91  ist  eio  Venodi  Aber  die  im  letzten  Beridit 
No.  138  nod  139  besprocbene  DiehtoDg  io  moderner  Komposition. 

Hieran  schliefsen  wir  noeb  Scbriften  aber  den  iarabisdien  Trimeier, 
besonders  der  Spfltgriecben,  wftbrend  anderes  Aber  dieses  Versmafs  im 
nächsten  Abschnitt  nnter  No.  108  fg.  nnd  No.  125  nnd  129  xnsaramen- 
gestellt  wird. 

92)  A.  Platt,  On  tbe  iarobic  trimeter.  Jonrnal  of  Pbilologjr  XVIII. 
36  8.  161—180. 

93)  A.  Kopp,  Über  die  positio  debilis  nnd  die  correptio  attica  im 
iambiscben  Trimeter  der  Griechen.  Rhein.  Mns.  41.  Bd.  1886.  2  S.  247 
—266  nnd  3  8.  376--386. 

94)  W.  Stndemund,  Über  den  Arzt  Demokrates.  Vortrag  in  der 
zweiten  allgemeinen  Sitzung  der  39.  Yersammlnog  deutscher  Philologen 
nnd  Schulmftnner  in  Zürich  1887.  Berliner  phil.  Wochenschrift  VQ  47 
8.  1486-1487. 

96)  —  — ,  Incerti  scriptoris  Mtvdvdpoo  xat  fitltinüavoc  eujxpieiQ 
cnm  appendicibtts.    Ind.  lept.  hib.  Breslau  1887.    42  S.    4. 

96)  Isidor  Hilberg,  Kanu  Theodoros  Prodromos  der  Verfasser 
des  XptarbQ  ndax^y  »ein?    Wiener  Studien  VQI  1886.    S.  282—307. 

97) ,  Textkritische  Beiträge  zu  Georgios  Pisides.    Ebenda  IX 

1887.  2     8.  207  -  222. 

98) ,  Zur  Verstechnik  des  Ephraämios.     Ebenda  X  1888.  1 

S.  60—92. 

99)  Carl  Friedrich  Mttller,  Ignatii  Diaconi  tetrasticha  iambica 
68  versus  in  Adamum  143  rec.  et  breyi  adnotatione  instrnzit  Prae- 
missa  est  de  Ignatii  metrica  arte  vita  scriptis  disputatio  Progr. 
Kiel  1886.    32  8.    4. 

100)  A.  Kopp,  Die  Quantität  der  ancipites  im  iambischeo  Trimeter 
der  Spätgriecheo.    Hermes  XIX  1886.     1  S.  27—33. 

Nach  No.  92  war  der  iambische  Trimeter  ursprünglich  Tanzrhythmus 
bei  dem  Erntefeste   der  Demeter  und  des  Dionysos,   basiert  auf  dem 

Epitrit  u  I  .w..  I  .w I  .w.,    ähnlich    dem    persischen    sog.   Königs- 

metrum  _w«.|«w„.|_w_;  besprochen  wird  femer  der  byzantinische 
Trimeter,  des  Archilochos  Verdienst  um  das  Versmafs  (Porson'sche  Gesetz), 
Positionslänge  bei  Homer  und  den  lambikorn  einerseits  und  bei  den 
attischen  Dichtern,  besonders  den  Komikern  andererseits,  vgl.  Wochen* 
Schrift  f.  klass.  Phil.  1890.  17  8.  466.  -  No.  93  deckt  sich  zum  Teil  mit 
Johannes  Kumpel,  Progr.  Insterburg  1866  und  1866  und  Karl  Goebel, 


Griecbiscbe  Lyrik.  225 

De  correptioDe  attica,  Dissert.  von  Bonn,  Strafsburg  1876.  Die  Ergeb- 
nisse sind:  Bei  Simon ides  von  Amorgos  macbt  muta  cum  liquida 
immer  Positionslänge  (I  13  Bergk  zu  ändern);  im  komischen  Trimeter 
des  Aristophanes  immer  die  schwereren  Verbindungen  ^/i,  yv,  8fi^  ^v,  j^A^ 
ßX;  dagegen  die  leichteren  nie;  also  alle  aufser  media  vor  fi,  w,  X,  Die 
wenigen  von  Rumpei  notierten  Ausnahmen  von  dem  letzten  Teile  der 
Regel  erklären  sich  entweder  aus  Gitaten  anderer  Dichter  (so  auch  Fax  10) 
oder  lassen  sich  leicht  ändern:  Yesp.  151  vüvt\  Flut.  166  mit  Brunck, 
£qu.  207  mit  Bentley,  Nub.  869  mit  Meineke,  Thesm.  1184  mit  Enger, 
doch  ist  die  Form  dap^fiij  Flut.  1019  wohl  als  unaristophanisch  zu  ver- 
werfen, während  an  einigen  andern  Stellen  Naturlänge  des  Vokals  an- 
zuerkennen ist,  wie  in  idpu(o  mit  Compositis.  Dasselbe  Frincip  wie 
Aristophanes,  wenn  auch  nicht  mit  der  gleichen  Strenge,  verfolgen  (Fseudo-) 
Scymnus  in  seiner  Feriegese  (1.  Hälfte  des  1.  Jahrb.  v.  Chr.)  und  Diony- 
sius  in  seiner  dvaypaupri  rrjg  'EUd8og  und  der  Arzt  und  Foötaster  Ser- 
viiius  Damocrates  (1.  Jahrb.  v.  Chr),  die  beiden  ersten  sind  bei  Eigen- 
namen etwas  freier,  bei  letzterem  ist  von  der  leichtfertigen  Ausgabe 
Bussemaker's  abzusehen.  Der  letzte  Vertreter  der  koroischen  Technik 
strengster  Observanz  ist  Lucian  in  seinem  Ocypus,  während  dessen  Tra- 
godopodagra  in  dieser  Hinsicht  sich  ganz  den  klassischen  Tragikern 
anscbliefst.  Bei  diesen  klassischen  Tragikern  wird  durch  die  schweren 
Verbindungen  der  muta  c.  liqn.  die  Silbe  gelaugt,  mit  wenigen  Ausnahmen 
bei  ßX  und  yA  und  zwar  bei  allen  drei  Tragikern,  sowie  bei  Lykophron ; 
vor  leichten  Verbindungen  bleiben  Endsilben  stets  kurz  (6  Stellen  bei 
Rumpei  zu  ändern),  bei  Bihnenvokalen  herrscht  Willkür.  Die  attica 
correptio  ist  am  häufigsten  in  der  Senkung  des  sechsten  Fufses,  we- 
niger häufig  im  zweiten,  am  seltensten  im  vierten  Fufse;  unter  den 
Fällen,  wo  correptio  in  zweisilbiger  Hebung  oder  Senkung  zugelassen 
wird,  ist  die  aufgelöste  Hebung  des  dritten  Fufses  bevorzugt;  selten  sind 
dreisilbige  FUfse  mit  correptio  attica  bei  Äscbylus,  Sophokles  und  in 
einigen  Stücken  des  Euripides  (Ale.  Med.  Hipp.  Hec.  Heraclid.  Rhes.)  im 
Gegensatz  zu  andern  Stücken  des  Euripides  (Troad.  Or.  Fhoen.  Hei. 
Bacch.)  und  zu  Lucian.  Äscbylus  hat  unter  62  Fällen  der  positio  debilis 
bei  leichter  Verbindung  dreimal  ein  Wort,  das  sonst  gar  nicht  in  den 
Trimeter  unterzubringen  war,  in  41  Fällen  mied  er  so  offenbar  dreisilbige 
Füfse;  zweisilbige  Senkung  mit  correptio,  natürlich  nur  im  ersten  Fufs 
hat  er  nur  Ag.  399  'Apa^vacov  (bei  einem  Eigennamen ,  was  Verf.  nicht 
bemerkt),  in  andern  Fällen  liegt  Synizese  vor,  wie  Fers.  808.  Suppl.  282 
Cho.  682.  Cho.  275  (?),  dagegen  zweisilbige  Hebung  mit  correptio  attica 
27  mal  neben  den  41  Fällen  der  irregulären  Fosition.  In  diesen  68  Fällen 
wählt  er  nicht  willkürlich,  denn  bei  den  Fällen  der  aufgelösten  Hebung 
liegen  die  Silbenverhältnisse  so,  dafs  bei  positio  debilis  die  kurzvokalige 
Silbe  an  der  luuctur,  die  ihrer  metrischen  Geltung  nach  die  Mitte  hält 
zwischen  Wortende  und  Inlaut,  als  lang  zu  brauchen  gewesen  wäre.    Bei 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft*  LXIX.  Bd.     (1891.    III.)  15 


226  Metrik. 

jenen  41  irregulären  Positionen  bandelt  es  sich  35  mal  um  Inlantsilben 
und  nur  6  mal  um  lunctursilben  (2  mal  lang  gebrauchte  Angmentsilben). 
Auch  die  noch  nicht  erklärten  18  Ausnahmefälle  der  positio  debilis  bei 
Äscbylus  (in  12  Wortstämmen)  sucht  Verf.  als  Folge  eines  Princips  hin- 
zustellen. —  No.  94  giebt  im  £ingang  einen  Oberblick  Aber  die  Ge- 
schichte des  griechischen  iambischen  Trimeters,  der  bereits  in  der  neuen 
attischen  Komödie  das  Uauptmafs  der  Sentenzen  war;  so  brauchte  ihn 
auch  die  stoische  Philosophie,  Zenon,  Aristou  von  Chios,  Krantor.  ApoUo- 
dor  von  Athen  und  seine  Nachfolger:  Skymnos  von  Chios,  die  Periegeten 
Pseudo-Dionysios  und  Pseudo-Apollodor  yerwandten  ihn  um  das  Memo- 
rieren zu  erleichtern  zu  Schulzwecken;  ähnlich  verfährt  auch  der  Arzt 
Galen.  —  No.  95  enthält  eine  kurze  Geschichte  des  iambischen  Trimeters 
im  byzantinischen  Lehrgedicht  bis  ins  7.  Jahrb.  n.  Chr.,  besonders  in 
bezug  auf  Gäsuren  und  Auflösungen.  —  Von  Hilberg  (No.  96—98)  werden 
sämtliche  byzantinische  lambographen  in  drei  Klassen  eingeteilt:  1)  die 
Klassiker,  in  Quantität  und  Gäsuren  korrekt;  nur  die  Längnngsfähig- 
keit  vokalisch  auslautender  Kürzen  durch  folgende  Doppelkonsonanz 
beginnt  zu  schwinden,  Auflösungen  sind  nur  noch  sehr  selten  angewandt. 
Dahin  gehört  Georgios  Pisides,  dessen  Hexa^meron  planmäfsig  nach  den 
später  geltenden  Gesetzen  gefälscht  wurde»  wie  auch  in  den  übrigen 
Werken  sämtliche  Abweichungen  von  der  strengen  Quantität  auf  Text- 
verderbnis beruhen.  2)  Die  Epigonen,  deren  Trimeter  sonst  den  klassi- 
schen noch  gleich  stehen,  aber  schon  auf  zwölf  Silben  und  paroxytoni- 
schen  Schlafs  beschränkt  sind  und  die  Quantität  der  Vokale  nur  da 
wahren,  wo  sie  durch  besondere  Zeichen  gegeben  wird,  e  und  o  nur  bei 
Eigennamen  und  KunstausdrQcken  lang,  kurzes  a,  ;,  u  im  Auslaut  nur 
bei  sog.  freien  Wörtern,  s.  vorletzten  Jahresber.  No.  14,  gelängt.  Dahin 
gehört  Theodoros  Prodromos.  3)  Die  Stümper,  die  a,  <,  u  am  Ende 
unbeschränkt  lang  brauchen,  ja  vielfach  auch  Diphthonge,  ij  und  w  ver- 
kürzen und  die  längende  Wirkung  der  Doppel konsonanz  vernachlässigen. 
Zu  den  bessern  derselben  gehört  der  Verfasser  des  Xpitnog  ndaj^wv, 
Ephra(^,mios  ist  ein  Stümper  schweren  Grades.  —  Nach  No.  99  ist  Ignatius 
Diaconus,  um  800  v.  Chr.,  streng  in  Quantität,  iäfst  den  Spondeus  nur 
an  1 .,  3.  und  5.  Stelle  zu,  meidet  Hiat,  aber  auch  alle  Auflösungen  und 
braucht  fast  nur  betonte  Paenultima,  gehört  also  zu  Hilberg's  Epigonen. 
—  Nach  No.  100  gilt  die  Freiheit  im  Gebrauche  der  Vokale  a,  t  und  u 
als  aucipites  wenigstens  bei  den  bessern  spätgriechischen  Dichtern  nicht 
für  die  Endsilben.  War  doch  die  Quantität  dieser  Endsilben  vielfach 
durch  den  Accent  gegeben :  py^ropoX,  cfoxä^  nou8ä:^  yeipxipw:  gegen  yitpupä 
und  ähnlich  in  den  analogen  Fällen:  br^pai^  ^PT^i  ävBpag^  iterpag  u.a. 
Also  daif  kurze  Endsilbe  mit  Vokal  a,  t,  u  nicht  ohne  Position  in  der 
Hebung  stehen,  wie  lange  Endsilben  nur  in  Hebung  oder  l.,  3.  and 
5.  Senkung.  Dies  wird  nachgewiesen  aus  den  ersten  150  Versen  des 
Gedichtes  Bhodanthe  und  Dosikles  von  Theodoros  Prodromos  und    aus 


Griechisches  Drama.  227 

den  ersten  150  Versen  des  Gedichts  über  Drosilla  und  Gharikles  von 
Niketas,  Eugenianus  (nach  Erot.  Graec.  rec.  Hercher).  Einsilbige  Wörter 
mit  kurzem  Vokal,  wie  rd,  rt^,  ydp  sind  selten  als  Längen  verwendet, 
dagegen  wurde  auch  da,  wo  die  Quantität  nicht  so  leicht  herzuleiten 
war,  wie  in  der  Flexion,  also  bei  Präpositionen  und  Adverbien  die  letzte 
Silbe  gewissenhaft  gemessen.  Auch  für  das  Innere  der  Worte  kann  die 
fragliche  Freiheit  nur  in  beschränktem  Umfange  zugestanden  werden. 
In  den  300  angezogenen  Versen  finden  sich  unter  72  Fällen,  in  denen 
die  Kürze  als  Länge  gebraucht  wird,  64  Worte,  in  denen  zwei  kurze 
Silben  so  aufeinander  folgen,  dafs  sie  nicht  anders  im  Verse  unterzu- 
bringen waren;  auch  in  zwei  andern  Fällen  von  freier  Quantität  pafst 
das  Wort  nur  so  in  den  Vers  (dxrffftT/zsvov),  fünfmal  folgt  wenigstens 
eine  zweite  Kürze  auf  die  verlängerte.  Nie.  Eug.  81  noa  r£  xpe)fa}v 
ändert  Verf.  ohne  Not.  Endlich  16  Fälle  einer  irregulären  verkürzten 
Länge  wären  zu  erklären  durch  schwankende  Aussprache  und  Unkenntnis 
der  klassischen  Technik. 

V.    Metrische  Schriften  über  das  griechische  Drama. 

101)  Leopold  Schmidt,  Gommentatio  de  parodi  et  stasimi  nomi- 
nibus.    Ind.  lect.  aest.    Marburg  1889.     13  S.    4. 

102)  Ernst  Graf,  ätauho\t,    Rhein.  Mus.  46.  Bd.  1891.  S.  71-76. 

No.  101:  In  Arist.  poet.  c.  12,  das,  erst  später  von  einem  Schüler 
aus  Aristoteles'  nep)  noof^rwv  oder  selbständig  eingesetzt,  die  Grundlage 
für  alle  späteren  Nachrichten  über  Parodos,  auch  der  abweichenden  Defi- 
nitionen bildet,  ist  der  Satz  xoeuä  fikv  dndvraiv  (sc.  noojTiüv)  raura^  tSta 
8k  rä  dnd  z^s  (Txi^v^g  xou  xopixot  spätere  Interpolation  und  ki^t^  im 
Gegensatz  zu  [likoQ  ^opob  äveu  dvanatarou  xou  Tpo}[ouofj  (d.  i.  Genetiv 
von  dvänaearov  =  anapaestum  Cic.  Tusc.  III  24 ,  57  und  rpo^dtov  wie 
Suid.  s.  V.  Tpo^ouov  rc  cf.  Athen.  14,  622^)  von  den  melodramatisch  vor- 
getragenen anapästischen  Dimetern  und  trochäischen  Tetrametern  zu 
verstehen,  doch  sei  die  Definition  nur  als  allgemeine  Norm  gemeint,  von 
der  es  in  praxi  Abweichungen  gäbe.  Gut  wird  das  verschiedene  Ethos 
des  trochäischen  Tetrameters  des  Äschylus  und  der  Komiker  dargelegt 
und  metrisch  begründet,  dafs  die  aufgelösten  Hebungen  im  ersten  und 
fünften  Trochäus  anderer  Natur  sind  als  die  in  zweiter  Hebung  der 
Dipodie.  —  No.  102:  Im  griechischen  Drama  war  nur  ein  (xöXj^ti^c  in 
Thätigkeit,  der  an  der  Spitze  des  Chors  am  Schlüsse  hinauszog  und  wohl 
ebenso  mit  dem  Chore  einzog.  Dieser  hatte  auch  die  singenden  Bühnen- 
personen zu  begleiten.  Alles  vor  der  Parodos  stehende,  fast  nur  Tri- 
meter,  blieb  ohne  Begleitung.  Für  die  wenigen  Monodien  vor  dem  ersten 
Chorliede  kann  man  sich  mit  einer  stillen  Parodos  behelfen.  In  der 
Definition  von  dtauhov  ist  das  Wort  evSov  zu  streichen,  das  schol.  Arist. 

16* 


228  Metrik. 

Ran.  1264  bei  einem  besoodern  Fall  eingesetzt  ist,  bei  Hesycb  ricbtig 
fehlt,    ätauhov  bedeutet  s.  v.  a.  auXrjfia, 

103)  Aemilins  Neidhardt,  Quaestiones  Aescbyleae.  Particala  I. 
Eomenidum  fabulae  quae  Delphis  agantar  coroplectens.  Progr.  Erfart 
1888.     26  S.    4. 

104)Ricardas  Bethge,  De  Septem  ad  versus  Thebas  ^abalae 
Aescbyleae  episodio  altero.    Progr.     Berlin  1890.    23  S.    4. 

105)  Alfred  Dippe,  De  canticorum  Aeschyleonim  coropositioue. 
Progr.    Soest  1886.    33  S.    4. 

106)  W.  Hamelbeck,  Die  rhythmischen  Verhältnisse  in  den  lyri- 
schen und  chorischen  Dichtungen  der  Griechen.  I.  Progr.  von  Ober- 
ehnheim.     Strafsburg  1890.    43  S.    4. 

107)  Friedrich  Spiro,  Versabteilungen.  Aus  der  Anomia.  Ar- 
chäologische Beiträge,  Carl  Robert  zur  Erinnerung  an  Berlin  darge- 
bracht.   Berlin  1890.     8.    S.  186—191. 

108)  J.  B.  Bury,  Gaesura  in  the  iambic  trimeters  of  Aeschylus. 
Journal  of  philology  XV.  1  S.  76  —  79.  Vgl.  auch  derselbe,  Notes  on 
I.  the  trilogy  and  II.  certain  formal  artifices  of  Aeschylus.  Journal  of 
Hellenic  studies  1885.    S.  167-179. 

109)  Robert  Yelverton  Tyrrell,  On  the  elision  of  words  of 
pyrrhic  value.    Hermathena  1885.    No.  XI  S.  258—266. 

110)  Jos.  Riha,  Über  den  Vortrag  der  chorischen  Partien  in  der 
Sophokleischcn  Tragödie  'Oedipus  auf  Kolonos'  ('cechisch).  Progr. 
Prag  (Communal-Real-Gymn.)  1889.    20  S. 

111)  Sigofredus  Reiter,  De  syllabarum  in  trisemam  longitu- 
dinem  productarum  usu  Aeschyleo  et  Sophocleo.  Dissert.  Vindobon.  I. 
(111  S.    8)     Leipzig  1887.     S.  125-236. 

112)  —  — ,  Äschylus'  Orestie  von  N.  Wecklein.  Zeitschrift  f.  d. 
österr.  Gymn.  41.  Jahrg.  1890.  S.  113-117,  vgl.  auch  ebenda  39.  Jahrg. 
S.  865-869. 

Von  diesen  über  Äschyleische  und  Sophokleische  Metrik  handeln- 
den Schriften  nimmt  No.  103  folgende  Symmetrie  fQr  den  Eingang  der 
Eumeniden  an:  33.  30.  30  (=  93),  23.  23  (=  46)  und  37.  19.  37  (=  93) 
und  erklärt  in  der  Aristotelischen  Begriffsbestimmung  der  Parodos  okoü 
^opou  im  Gegensatz  zu  xotvbg  j^opou  xal  dno  axrjyr^^  d.  i.  kurz  für  xotvog 
Xopou  [^  xoivüc  z^P^^^  ^^^  ^^^  üxTjV^s.  Demnach  beginnt  die  Parodos 
in  den  Eumeniden  erst  V.  321;  die  erste  Chorleistung  v.  140fg.  ist  unter 
die  einzelnen  Choreuten  zu  verteilen.  —  No.  104  findet  für  die  sieben 
Bedepaare  des  genannten  Epeisodions  folgende  Verszahlen:  20:20  str.  1, 


Griechisches  Drama  229 

15  :  16  antistr.  1;    15  :  15  str.  2,  15  :  15  antistr.  2;   24  :  24  str.  3,  29 :  29 
antistr.  3;    24:24  ohne  im  ersten,  zweiten  und   sechsten  Paare  und  in 
des  Spähers  dritter,  vierter  und  fünfter  und  des  Eteokles  siebenter  Rede 
die  überlieferte  Verszahl  zu    ändern.    Die   neuen  Behandlungen    dieser 
Frage  kennt  er  jedoch  nicht,  vgl.  vorletzten  Bericht  No.  45  und  letzten 
No.  70  und  75.    —    No.  105  weist  die  terpandrische  Komposition  West- 
pbal's  VL.  a.  von  den  äschyleischen  Chorgesängen  besonders  dadurch  ab, 
dafs  er  die  wirkliche,  sehr  mannigfaltige  Gruppierung  eingehend  darlegt. 
Vgl.  No.  89.    —    No.  106    behandelt   die   daktylischen   Chorlieder   des 
Äschylus,  Pers.  852— 907,  Agam.  104—169  und  Verwandtes  nach  ihrer 
eurythmischen  Gliederung  im  Sinne  Westphal's  (nicht  Rofsbach's).    Spon- 
deen,  die  antistrophisch  respondieren,  meist  im  Eingange  der  Tetrapodie, 
sind   zu   dehnen   und   einer  daktylischen  Dipodie  gleich  zu  setzen.   — 
No.  107  betont  den  Worteinschnitt  als  Argument  für  die  Versabteilung 
in  Äsch.  Ag.  20lfg.,  Sept.  686  fg.  und  ähnliches   über   des   Kallimachus 
0aXaixeta,  wo  Stets  nach  der  dritten  Silbe  Wortschlufs  eintritt  und  des- 
halb  ionische  Trimeter   anzunehmen  sind  _^_  |  v^w.w«v-»_«.    —    Über 
No.  108  und  109  8.  Jahresber.  XLVI.  (1886.  I)  S.  222  u.  223  und  S.  213. 
Ersterer  sucht   durch   die  bekannten  Mittel  (Annahme  einer  Cäsur   in 
lunctur  und  der  Trithemimeres)  die  cäsurlosen  Verse  des  Äschylus  weg- 
zubringen, bis  auf  zwei  Pers.  512  (beabsichtigt)  und  £um.  26  (zu  ändern); 
letzterer  bemerkt,  dafs  Elision  pyrrhichischer  Wörter  niemals  unmittelbar 
vor  einer  starken  Interpunktion  vorkommt.  —  Über  No.  110  ein  deutsches 
Referat   in  Zeitschrift  f.  d.  Österreich.  Gymn.  1888.    11.    S.  1046  fg.   — 
No.  111  verficht  die  Ansicht,  vgl.  vorletzten  Bar.  No.  47  S.  360,  dafs  bei 
Äschylus  und  Sophokles  einer  dreizeitigen,  bez.  vierzeitigen  Lauge  anti- 
strophisch eine  Länge  und  eine,  bez.  zwei  Kürzen  entsprechen  könnte; 
ferner  werden   die  Kriterien   zusammen  gestellt,   nach  denen   man   bei 
trochäischen   und   spondeischen   Schlüssen  Brachykatalexis    anzunehmen 
habe    und   schliefslich    die  Ansichten   der  griechischen    und    römischen 
Grammatiker  über  die  Verschiedenheit  langer  Silben  dargelegt  und  da- 
nach bewiesen,  dafs  die  von  der  rovi)  getroffenen  Silben  nach  Tonumfang 
oder  Sinn  bedeutsam  sind,  vgl.  vorletzten  Bericht  No.  44  S.  347.    Ref. 
bat  sich  über  die  Schrift  ausgesprochen  in  der  Berlin,  philolog.  Wochen- 
schrift IX  (1889)  9  S.  271 — 276  und  besonders  Verf.'s  Beweismaterial  für 
die  freiere  Entsprechung  geprüft  u.  a.  darauf  hingewiesen,  dafs  Stellen, 
wo  es  sich  nur  um  richtige  Lesung  handelt,  wie  -otg^  -otat^  -otfftv ;  -eaatv^ 
-eaat  u.  ä. ,  in\  st  ine{  (et  und  t  im  Mediceus  oft  verwechselt  wie   in 
^peyei  St.  ^pevt)  oder  wo  überhaupt  eine  leichte  Änderung  nötig  ist  oder 
nahe  liegt,  wie  Ag.  172,   Choeph.  808  ^uXXdßoi  8'  äu  ixdixwg  u.  v.  a., 
nichts  beweisen  können,  zumal  die  gleichen  Versehen  auch  im  Dialog 
und   anapästischen  System   begegnen.     Dagegen  hält  Verf.  in  No.  112 
seine  Aufstellungen  aufrecht,  wie  er  auch  vielfach  Zustimmung  gefunden, 
vgl.  Jahresber.  LVUI.  (1889.  I)  S.  405.    Auch  hat  A.  W.  Verrall  in  seiner 


230  Metnk. 

Ausgabe  der  'Enrä  inl  BijßaQ^  London  1887  in  dem  ersten  Anhange  ähn- 
liche Responsionen  behauptet,  vgl.  a.  0.  S.  408. 

113)  Maximilianus  Seliger,  De  versibas  creticis  sive  paeonicis 
poetarum  Graecorum.    Disa.    Königsberg  1886.    52  S.    8. 

114)  K.  Steiger,  De  versuum  paeonicorum  et  dochmiacorum  apad 
poetas  Graecos  usu  ac  ratione.  Wiesbadener  Progr.  (auch  Leipzig,  Fock) 
1886.     62  S.    1887.    30  S.     1888.    28  S.    4. 

116)  F.  V.  Fritzsche,  De  numeris  dochmiacis  V— YIII  Rostocker 
Lectionskataloge.    Winter  1885  —  Sommer  1887. 

Von  diesen  alle  drei  Tragiker  behandelnden  Schriften  enthält 
No.  113  Zusammenstellungen  der  verschiedenen  Reihen  des  päonisch- 
kretischen  Rhythmus,  wie  sie  vorzugsweise  bei  den  Dramatikern  vor- 
kommen, jedoch  nicht  mit  Ausschlufs  der  Lyriker.  Ein  Ditrochaeas 
respondiert  nie  mit  dem  Creticus  (doch  Äsch.  Ghoeph.  792  ist  einfach 
ivt  Spo/iü)  6t.  iv  8p,  zu  schreiben).  —  No.  114  ist  eine  ganz  vorwiegend 
teztkritische  Behandlnng  der  päonischen  und  dochmischen  Strophen,  auch 
solcher  Partien,  wo  diese  Mafse  sich  nur  unter  andere  Rhythmen  ge- 
mischt finden.  —  No.  116  Fortsetzung  von  No.  86  des  letzten  Berichtes, 
w.  s.,  insbesondere  über  Verwandtschaft  des  Glyconeam  und  der  dacty- 
lischen  n€vBijfu/iepi^  mit  dem  Dochmius. 

116)  Oswaldus  Eichler,  De  responsione  Euripidea  particula  L 
Diss.    Leipzig  1886.    VI  u.  68  S.    8. 

117)  Albrechtus  Groeppel,  De  Euripidis  versibus  logaoedicis. 
Diss.    Leipzig  1890.    96  S.    8. 

118)  Ghr.  (Garolns  Ludovicus  d.  i.  Charles  Louis)  Bally,  De 
Euripidis  tragoediarum  partibus  lyricis  quaestiunculae.  Diss.  Berlin 
1889.     54  S.    8. 

119)  E.  Schwartz,  De  numerorum  usu  Euripideo  I.  Progr.  Kiel 
1891.     24  S.    4. 

120)  Th.  Neu  mann,  Quid  et  ex  elocntione  et  ex  metrica  arte 
Cyclopis  Enripideae  redundet  ad  medium  quem  drama  satyricum  inter 
tragoediam  et  comoediam  tenet  locum  accuratius  cognoscendum  demon- 
stretur.    Progr.    Colberg  1887.     17  S.    4. 

121)  Jacob  Oeri,  Die  grofse  Responsion  im  Rhesos  und  einiges 
andere.  Fleckeisen's  Jahrbücher  f.  klass.  Philol.  137.  Bd.  1888. 
S.  657—663. 

No.  116 — 120  behandeln  die  enripidische  Metrik  von  verschiedenen 
Seiten,  No.  116  die  Responsionsgesetze  der  Dactylen  und  Anapästen  vor- 
wiegend textkritiscb.     Dactylische  Chorstrophen  zeigen   dieselbe  strenge 


Oriecbiacbes  Drama.  231 

Responsion  wie  bei  Äscbylus  und  Sophokles,  ebenso  die  in  anderen 
Strophen  alloeometrisch  verwendeten  Dactylen.  Dactylische  Amoebaea 
sind  kaum  freier,  dactyliscbe  Monodien  sind  dnoXsXufidva.  Auch  die 
Anapästen  baut  Euripides  gern  antistrophisch,  jedoch  bei  dem  parakata- 
logischen  Vortrag  mit  freier  Responsion.  Accurata  responsio,  si  dimeter 
dimetro,  paroemiacns  paroemiaco,  monometer  monometro  respondet,  libera 
autem  si  secus  se  habet  et  interduro  tempus,  quod  necessarium  est  ad 
ezplendam  dimetrum  in  altera  stropha  aut  pansa  aut  tone  sappletur; 
strenger  ist  die  Responsion  in  der  Parodos  (Tro.  Ale),  in  den  Gomma- 
ticis  (Tro.  Hec.)9  in  carminibus  solemnibns  (Ion);  freier  in  threnodischen 
Monodien  (Iphig.  Taar.  Hec.  Tro.  Iphig.  Aul).  —  No.  117,  ein  Seiten- 
stttck  zu  No.  47  des  vorletzten  Berichtes,  untersucht  sorgfältig  Respon- 
sion und  Auflösungen  der  Logaöden  des  Euripides.  Der  Dactylus 
nimmt  nicht  an  der  Freiheit  der  sog.  Basis  teil  und  abgesehen  von  dem 
Polyschematismus,  der  nur  im  zweiten  und  dritten  Glyconeum  vorkommt, 
respondiert  er  immer  streng  (doch  Iphig.  Aul.  764  ist  deshalb  Tpateg  nicht 
zu  ändern,  vgl.  Ref.  de  numero  dochmiaco  p.  20)  und  duldet  keine  Auf- 
lösung und  Zusammenziehung,  findet  sich  jedoch  nicht  selten  zweimal  in 
einem  Gliede,  auch  durch  andre  FoCse  getrennt.  Der  Anapäst  soll  ganz 
gemieden  sein,  auch  in  der  Basis,  wo  ihn  Arist.  Ran.  1322  bezeugt  und 
auch  einzelne  Stellen  bieten.  Eine  iambische  Basis  respondiert  weder 
mit  einer  trochäischen  noch  mit  einer  tribrachischen,  daher  Anacrusis 
und  Dehnung  wahrscheinlich;  sonst  aber  ist  freiere  Responsion  in  der 
Basis  anzuerkennea,  bei  einsilbiger  Anacrusis  kann  sich  Länge  und  Kürze 
entsprechen;  zweisilbige  dagegen,  meist  nur  vor  Dactylen,  respondiert 
streng.  Sonst  wechselt  Trochäus  und  Spondeus  auch  an  vorletzter  Stelle, 
Tribrachys  nur  mit  Trochäus.  Die  letzte  Hebung  wird  bei  akatalekti- 
schem  Schlüsse  nie  aufgelöst  (Iph.  Aul.  794  anders  abzuteilen),  bei  kata- 
lektischem  nur  nicht,  wenn  ein  Dactylus  vorhergeht,  sonst  aber  ziemlich 
oft,  was  jedoch  für  Ref.  zweifelhaft  bleibt.  Denn  von  den  23  Beispielen 
ist  kaum  eins  beweisend,  da  Versabteilung,  Lesung  oder  Messung  un- 
sicher. Endlich  wird  El.  437  u.  447  die  Responsion  elelktaaoiisvog  und 
Nü/i^€uag  axomdg  für  annehmbar  gehalten,  jedoch  Arist.  Ran.  1314  und 
1348  bezeugt  nur  die  Dehnung,  nicht  die  freiere  Responsion.  Die  spon- 
deischen  vorletzten  Ffifse  finden  sich  besonders  im  Strophen-  oder  Perio- 
denschlufs.  Die  Auflösungen  sind  nicht  bedeutungslos,  sondern  bezeichnen 
eine  schmerzliche  oder  freudige  Aufregung.  Diese  Auflösungen  und 
»Freiheiten  c  sind  in  den  späteren  Stücken  viel  häufiger.  Darin  ist  aber 
mit  Hermann  und  Verf.  S.  93  nicht  incuria,  corrumpi  u.  ä.  zu  sehen, 
überhaupt  kein  Rückschritt,  sondern  ein  natürlicher  Fortschritt,  vgl.  vor- 
letzten Bericht  No.  67.  —  No.  118  bespricht  eingehend  die  Kompositions- 
arten sämtlicher  lyrischer  Partien  des  Euripides  und  stellt  die  Verschie- 
denheit zwischen  Äschylus,  Sophokles  und  Euripides  fest  und  wieder 
zwischen  den  x6///xo/,  rä  dnö  cxi^vr^g^  den  Monodien  und  Chorgesängen, 


232  Metrik. 

vielfach  im  Aoschlufs  ao  Heinrich  Schmidt,  mit  dem  Verf.  aoch  ffir  eine 
gewisse  metrische  Einheitlichkeit  aller  Chorgesänge  desselben  Stfickes 
eintritt,  was  Zielinski  fQr  Aristophanes  behauptet  hat,  worüber  vgl.  letzten 
Bericht  No.  87  S.  114.  —  Über  No.  119  s.  Nachtrag,  über  No.  120 
den  Bericht  über  Euripides*^  —  Zu  No.  121  vgl.  vorletzten  Bericht 
No.  56—61.  Die  grofse  Responsion  des  längsten  Aktes  in  vier  sopho- 
kleischen  Stücken  (Trachin.,  Elektra,  Oedipus  Tyr.  und  Philoctet)  and 
eine  gleiche  im  Rhesos,  einem  Drama,  das  nach  alter  Überlieferang  t6v 
üo^oxXetov  ^apoxT^pa  bnofoivetv  soll,  ist  dem  Verf.  »der  stärkste  Beweis 
dafür,  dafs  es  eine  Zeit  gab,  in  welcher  die  alten  Dramatiker  anf  die 
Verszahl  im  Grofsen  achteten c 

122)  Theodor  Zielinski,  Quaestiones  comicae.  Petersburg.  Ex 
Ministerii  ab  Instructione  publica  Annalium  a.  1886  fasc.  11  et  12 
p.  53—175,  auch  Leipzig  (Fock)  1887.     126  S.     8. 

123)  Otto  Ribbeck,  Zu  des  Aristophanes  Acharnern.  Leipziger 
Studien.    8.  Bd.     1885.     S.  379-382. 

124)  Ottomar  Bachmann,  Th.  Zielinski,  Die  Gliederung  der 
altattischen  Komödie.  Berliner  philolog.  Wochenschrift  1888.  No.  18 
S.  551—558,  No.  19  S.  581—585  und  No.  20  8.  613—619. 

125) ,  Zur  Kritik  der  Komoedien  des  Aristophanes.    Philo- 

logus  Suppl.-Bd.  V.  2.  (1885)  S.  229—260. 

126)  0.  Crusius,  HofinvjxTot  dvdnouaroe.  Rhein.  Mus.  43.  Bd. 
S.  197—202. 

127)  Friedrich  Spiro,  HufiTcruxroe  dvdruiunoi.  Hermes  XXIII  4 
S.  607-612. 

128)  Henri  Weil,  loiinroxrot  dvdnaeffrot,  Revue  de  Philo- 
logie XIIL  1    S.  44—46. 

129)  Franciscus  Perscbinka,  De  mediae  et  novae  quae  vocatur 
comoediae  atticae  trimetro  iambico.  Dissertationes  philologae  Vindo- 
bonenses  III.  1.    Leipzig  1891.    S.  319-373. 

No.  122  enthält  im  ersten  Abschnitt  De  partitione  comica  eine  Ab- 
wehr gegen  Blafs's  Kritik  von  No.  87  des  letzten  Berichts,  dywv  sei 
schwer  ins  Deutsche  zu  übersetzen,  keinesfalls  »Kampfe,  sondern  eher 
»Streit«.  —  In  No.  123  wird  unter  Abweisung  von  Zielinski's  Hypothese 
über  eine  Diasceue  der  Acharner  nachgewiesen,  dafs  der  Dichter  der 
Acharner  mit  feiner  Komik  keinen  dyatv  in  der  gewöhnlichen  Form 
baute.  —  Auch  No.  124  behandelt  besonders  die  Acharner  und  stellt  für 
dies  Stück  folgende  Gliederung  auf:  L  Prolog  1—203  (1—42.  43—173. 
174—203).  II.  Parodos  204-279  (Chor  204-240,  Procession  241—279, 
eine  Umstellung  sei  nötig,  worüber  0.  Bachmann,  Philolog.  Suppl.-Bd.  V  2 


Griechisches  Drama.  233 

S.  258-260  handelt).  III.  Proagon  280-488(280-346  Streit  in  Tetra- 
metern, 347  —  392  Vorbereitungen,  393-488  Verkleidung).  IV.  Agon 
489—627  (489—496  Chor,  497  —  556  Dikaiopolis' /S^tf^ff,  557-671  Streit 
der  Halbchöre,  572 — 627  Gewinnung  des  zweiten  Halbchores).  V.  1.  Para- 
base  628—718.  VI.  l.  Syzygie  719—970  (719—835  Megarerscene,  836 
bis  859  Chor,  860-970  Boioterscene).  VII.  2.  Parabase  971— 999. 
VIII.  2.  Syzygie  1000- 1066  (1000— 1007  Einleitung,  1008-1017  Amoi- 
baion,  1018—1036  Der  Landmann,  1037-1046  Amaibaion,  1047—1066 
Der  Hochzeiter).  IX.  3.  Syzygie  (Exodos)  1067—1234  (1067  1142  Aus- 
zug der  Dikaiopolis  zum  Schmaus,  des  Lamachos  zum  Kriege,  1143— 
1173  Chor,  1174—1234  Rückkehr  der  beiden).  Übrigens  sei  bemerkt, 
dafs  der  dem  Ref.  gemachte  Vorwurf,  Zielinski  ganzlich  mifs verstanden 
zu  haben,  sich  so  aufklärt,  dafs  Bachmann  die  beiderseitige  Ironie  das 
eine  mal  ernst  genommen  hat.  Andre  beachtenswerte  Recensionen  von 
Zielinski's  Buch  sind  von  Zacher,  Wochenschr.  f.  klass.  Phil.  1886  No.  49 
bis  51  S.  1646-63.  1669-77.  1609—15,  ückermann,  Phil.  Anzeig.  XVIII. 
1887  No.  6/7  S.  353-361,  M.  W.  Humphreys,  The  agon  of  the  old  co- 
medy.  American  Journal  of  Philology  VIII.  2  —  3  No.  30  -  31  Juli- 
Oktober  1887  S.  179—206.  —  No.  125  bespricht  S.  248—264  diejenige 
Bildung  des  Tribrachys  im  iambischen  Trimeter  des  Aristophanes,  in  der 
die  Cäsur  hinter  der  zweiten  Kürze  eintritt,  sodafs  der  Ictus  auf  die 
Endsilbe  eines  zwei-  oder  mehrsilbigen  Wortes  fällt  (vgl.  Enger,  praef. 
ad  Lysistr.  p.  26  fg.  und  Rhein.  Mus.  19.  Bd.  S.  134—136,  sowie  Rumpel, 
Philolog.  28.  Bd.  S.  607 ).  Verf.  führt  sämtliche  102  Fälle  auf  und  weist 
nach,  dafs  die  meisten  in  der  ersten  Dipodie  und  im  vierten  Fufse  vor- 
kommen, je  einer  im  dritten  Ach.  71,  und  im  fünften  Ach.  830  (vom 
Verf.  unnötig  geändert,  da  hier  wie  "Av.  1523  Elision  verbindend  und 
entschuldigend  hinzukommt).  Als  Grundbedingung  dieser  metrischen 
Bildung  versucht  Verf.  zu  erweisen,  dafs  die  überlieferten  Tribrachen 
sich  auf  Wörter  verteilen,  die  in  engster  Verbindung  stehen.  An  13  Stellen 
sind  es  eigentlich  drei  einsilbige  Wörter,  zu  denen  auch  Av.  1527  S^ev  6 
gezogen  wird;  an  15  ist  das  zweite  Wort  enklitisch,  fünfmal  äpa  und 
ydp^  an  acht  sind  beide  Wörter  durch  Elision  verbunden,  an  22  ist  es 
die  Verbindung  der  Präposition  mit  ihrem  Casus,  an  13  handelt  es  sich 
um  formelhafte  Verbindungen :  dxouere  Xeat^  aurcxa  /laAa,  ra^u  nävu^  rtva 
rpoTtou,  in  andern  um  Verderbnis  oder  Conjectur.  Aber  trotzdem  bleiben 
immer  noch  12  ganz  unbedenkliche  Stellen,  wo  die  angeführten  Ent- 
schuldigungsgründe nicht  ausreichen.  Auch  diese  will  Verf.  bewältigen. 
Zwar  Lys.  993  eldor  ifid  statt  sldöra  fis  ist  gleichgiltig,  da  Enklisis 
eintritt,  aber  an  andern  Stellen  kann  keine  engere  Verbindung  als  die 
grammatische  Rektion  angenommen  werden,  wie  Nub.  884.  Lys.  52.  102. 
Thesm.  1049.  Equ.  1169.  Ach.  161,  besonders  auch  Nub.  817;  zwei  Stellen 
zeigen  sogar  Personenwechsel  Ach.  1022  (Verf  will  ändern  no^ev;  I  dnh) 
und  Plut.  838  (oTir/  St.  ort).    Mit  allen  den  (^uisquilien  des  Verf.  kommen 


234  Metrik. 

wir  nicht  Ober  die  Thatsache  hinweg,  dafs  die  Gesetze  der  nur  einen 
geringem  Wert  vertretenden  irrationalen  Senkung  sich  nicht  aaf  die  ans 
zwei  vollen  rationalen  Kürzen  bestehende  Hebnng  Übertragen  lassen. 

No.  126—128  bandeln  Ober  die  von  Hephaestion  p.  56  W.  ange- 
führte Stelle  aus  Pherecrates.  Grnsius  mifst  sie  anapftstisch  mit  Paose: 
ävdptg  i:p6ff)^eTt  rdv  vouv  wv_llv%>  i^eup^fLare  Koewp.  Spiro  findet  die 
Nenemng  des  Pheiekrates  in  der  stich ischen  Anreibnng  eines  bis  dahin 
nur  als  Glied  lyrischer  Strophen  mit  andern  ähnlichen  Versen  vermischten 
Kolons  (kvoüv  bei  Hephaestion  =  avfatTuaaeiv  des  Pherecrates)  and  mifst 
steigende  loniker  wie  das  Kallimacheische  FaX^  fo^rphc  dpen^.  Weil 
verteidigt  seine  in  der  Revue  critiqae  1876.  1  S.  160  gegebene  Erklft- 
mng,  wonach  die  fraglichen  Verse  anapftstische  Dimeter  mit  Binnen-  und 
Schlnfskatalexe  sind,  wie  Äsch.  Pers.  694  fg. 

No.  129  Ober  den  metrischen  Bau  des  i.  T.  genannten  Verses,  ein- 
gehend Ober  die  Formen  des  Spondeus  und  Tribrachys,  Dactylen  und 
Anapasten  als  Ersatz  des  lambus.  Proceleusmatische  Formen  wie. ww  I 
sjyj_  und  www  I  wvy.  werden  verworfen  (doch  Mach.  2,  11  liest  Ref.  Saaje 
Seä).  Anfser  den  beiden  allein  von  der  alten  Theorie  und  Oberhaupt 
allgemein  anerkannten  Gäsuren  werden  noch  drei  Gftsuren  nach  dem 
zweiten,  dritten  und  vierten  lambus  angenommen,  was  jedoch  das  bei- 
gebrachte Material  nicht  beweist,  da  Gäsurschlüsse  wie  ^atg'  dXX^  dato^ 
8oQ,  I  : :  xcu .  .  rov  ßooXofievov,  \  b ,  .  dnöXnüS  rou  Zf'^fiou  \  ip6pti .  .  un- 
möglich sind  und  andre  Verse  die  gewöhnliche  Hauptcftsur  gestatten, 
wenn  man  die  Freiheiten  des  Vcrsschlusses  auch  im  Gilsurschlufs  ge- 
stattet, den  Verf.  ohne  triftigen  Grund  strenger  eingehalten  wissen  will. 
Den  Schlafs  bilden  Zusammenstellungen  ftber  prosodische  Erscheinungen, 
Positio  debilis  u.  ä.  —  Im  Anschlufs  hieran  sei  erwähnt,  dafs  auch  in 
No.  161  Einzelnes  Ober  die  spätere  attische  Komödie  beobachtet  wird, 
im  allgemeinen  S.  2  fg.,  S.  23,  latente  Gäsuren  S.  198  fg.,  Vernachlässigung 
der  Hauptcäsur  S.  199  —  206,  Bildung  der  Hebungen  S.  261-^264  und 
269—273,  endlich  S.  380 fg.,  daüs  die  Trimeter  der  Komödie  zwar  ohne 
Musikbegleitung,  aber  mit  reicher  bndxptatg  (fiepa^ae^  vgl.  Arist.  bei 
Hephaest.  p.  19  W.)  oder  ausdrucksvollen  tanzartigen  Bewegungen  vor- 
getragen wurden,  ähnlich  (nicht  gleich!)  den  Sotadeen.  Wenn  0.  Grusius, 
Litt.  Gentralbl.  1891  No.  7  S.  213,  dies  als  marionettenhafte  Gebunden- 
heit verwirft,  so  sei  nur  daran  erinnert,  wie  in  unsern  bessern  Spielopern 
ein  tüchtiger  Buffo  seine  Rolle  vorträgt  oder  wie  gute  englische  Schau- 
spieler eine  Sbaekespearische  Komödie  geben,  oft  so,  dafs  alles  immer 
in  Bewegung  ist  oder  wirklich  tanzt,  wodurch  das  Ausgelassene  der 
schwankartigen  Handlung,  wie  wir  sie  so  oft  auch  bei  Menander  und 
Terenz  finden,  erst  ansprechend  wird.  Auch  aus  der  schon  viel  erörter- 
ten Aristidesstelle  Ober  die  Sotadeen  läfst  sich  kein  Schlafs  gegen  diese 
Auffassung  ziehen.  Denn  hier  soll  nur  bewiesen  werden ,  dafs  j^uBpoc 
vorhanden  sei  schon  in  der  blofsen  Orchestik  wie  im  fid^^  und  in  der 


Saturnier.  235 

blofsen  Xe$eC'  Für  letzteres  werden  als  Beispiel  die  Sotadeeo  erwähnt, 
wie  Ref.  meint  mit  Westpbal  und  Sasemihl  u.  a. ,  weil  sie  wirklich  nur 
Xe(ec  waren ,  die  bnoxptatQ  dazu  nur  nenXaajAsvij  d.  i.  fingiert  (anders 
Graf  No.  30.  S.  80).  Der  komische  Trimeter  mit  seinem  mimetischen 
Vortrage,  seiner  wirklichen  bnoxptatg  hätte  nicht  in  diesen  Znsammen- 
hang gepafst.  Auch  war  er  ja  nur  ein  Teil  der  Komödie  und  diese  ge- 
hörte nach  alter  Technik  zu  den  iitxrd. 

VI.    Der  saturnische  Vers  der  Römer. 

180)  Otto  Keller,  Der  saturnische  Vers.  Zweite  Abhandlung. 
Prag  1886.     42  S.    8. 

131)  Feiice  Ramorino,  Del  verso  Saturnio.  Memoire  del  R. 
Istituto  Lombardo  di  Scienze  e  Lettere.  Vol.  XVI,  VII  della  Serie  III. 
S.  216-250,  auch  Separatabzug.     Milano  1886.    36  S.    4. 

132) ,   Sul  verso  Saturnio.    Due  letture.    Giornale  di  filolo- 

gia  I  2,  S.  123—124. 

133) ,  Alcune  osservazione  sulla  quistione  dei  verso  Saturnio. 

Memoire  deir  Istituto  Lombardo  XIV,  3. 

134)LuigiValmaggi,  La  quistione  de  saturnio  secondo  una 
recente  teoria.    Rivista  di  filologia  XIV  6/6  S.  218-225. 

135)  J.  Mäbly,  Versus  Saturnius  (bei  Naevius).  Zeitschrift  f.d. 
österr.  Gymn.  XXXVIII.  8/9  S.  689. 

136)  Nettleship,  On  recent  theories  of  the  Saturnian  verse. 
Transaction  of  the  Oxford  Phil.  Society  1886/1887.    S.  23-25. 

137)  Carl  Pauli,  Altitalische  Studien.  Hannover.  4  Hefte.  1883 
bis  1885.     S.  75-85. 

138)  Aemilius  Baehrens,  Analecta  ad  versum  saturnium  spec- 
tantia.  Im  Fragmenta  poötarum  Romanorum  (Poötae  minores  vol.  VI). 
Leipzig  1886.    427  S.    8. 

139)  Carolus  Zander,  Versus  Italiciantiqui.  Lund  1890.  GXXVII 
u.  124  S.    8. 

140) ,  De  homoeoarcto  Saturniorum  versuum.    Commentationes 

Wölfflinianae.     S.  239—243. 

141)  Ed.  V7öff li  n ,  De  Scipionum  elogiis.  Revue  de  philologie  XIV. 
S.  113-122. 

142)  Rudolf  V7estphal,  Klotz,  Richard,  GrundzOge  altrömischer 
Metrik.    Götting.  gelehrte  Anzeigen  1891.  6  S.  212    222. 


236  Metnk. 

No.  130—134  verfechten  die  Theorie  ooprosodiscber  Satnniier,  s. 
letzten  Bericht  No.  90  96  and  Ref.  in  der  Berliner  philolog.  Wochen- 
schrift VI.  (1886)  No.  18  S.  560 fg.  Ramorino  bespricht  auch  die  sp&t- 
lateinische  Dichtang,  einige  metrische  Inschriften,  Soldatenverse  aas  der 
spätem  Kaiserzeit  and  Commodian,  dessen  Verse  nach  dem  Vorbild  d  er 
nach  dem  Wortaccent  gesprochenen  Verse  Vergils  entstanden  sein  sollen. 
Der  Saturnier  ist  ihm  ein  zweiteiliger  Vers  aas  vier  betonten  and  vier 
oder  mehr  anbetonten  Silben  mit  einem  bald  längeren,  bald  kfirzeren 
Auftakt.  Wertvoll  ist  die  Übersicht  der  satarnischen  Poesie  nach  histo- 
rischen nnd  sachlichen  Gesichtspnnkten.  —  No.  134  ist  eine  beifällige 
Recension  von  No.  131.  —  Pauli  konstatiert  im  Arvallied  Kurzzeileo 
von  vier  Hebnngen  mit  facnltativem  Auftakt,  s.  Qbrigens  W.  Deecke ,  in 
unserm  Jahresber.  XLIV.  (1885.  III)  S.  244.  —  Bährens  sieht  im  Sa- 
turnier die  Verbindung  zweier  katalektischer  iam bischer  Dimeter  mit  je 
drei  Icten  (tripudium).  Die  letzte  Thesis  des  ersten  und  die  erste  Thesis 
des  zweiten  Dimeters  kann  unterdrückt  werden.  Hiat  ist  gestattet  nach 
Gäsur  und  einer  Arsis;  tn  und  s  im  Auslaut  sowie  h  sind  volle  Konso- 
nanten, qu  macht  Positionslänge.  —  Zander  sucht  unter  Benutzung 
auch  späterer  Inschriften  und  sprichwörtlicher  Sentenzen  aus  klassischen 
nnd  sogar  nachklassischen  Schriftstellern  zwei  Arten  satumischen  Vers- 
baues nachzuweisen,  eine  streng  gräcisicrende  und  eine  freiere  itah'sche, 
vgl.  darüber  Ref.  im  Litterar.  Centralbl.  1891  No.  2  S.  51  fg;  anerkennend 
ist  Cari  Pauli,  Neue  philo!.  Rundschau  1891.  5  S.  136—139.  —  Wölfflin 
schliefst  aus  der  Buchstabenform,  Nachahmung  der  Calatinusinschrift  und 
Anklängen  an  die  gräcisierende  scenische  Poesie,  dafs  die  ersten  £io- 
gien:  hone  oino  und  Cornelius  Lucius  um  das  Jahr  200  abgefafst  wären^ 
und  verteidigt  Havet's  Mes.sang  vlro  mit  umbrischen  veiro,  auch  bei 
Naevius  13  und  43  MflUer.  Alte  Elogiensitte  sei  es  gewesen,  den  Inhalt 
in  zweimal  drei  Satumien  zu  verteilen.  Westphal  stQtzt  seine  Ansicht 
über  den  Saturnier,  vgl.  letzten  Bericht  No.  92  und  oben  No.  51  durch 
eine  Betrachtung  der  verschiedenen  Kunstformen  der  Poesie  bei  den 
semitischen  und  indogermanischen  Völkern.  —  Endlich  hat  Referent 
in  No.  151  den  Saturnier  vielfach  behandelt  und  zwar  die  Prosodie 
S.  96ffg.,  Schlüsse  S.  225 ffg.  u.  233ffg.,  das  Dipodiengesetz  S.  3l7fg.  u.  a., 
das  streng  mit  der  griechischen  Tragödie  übereinstimmende  Dipodien- 
schlufsgesetz  (vgl.  oben  zu  No.  35)  S.  226  fg.  233  und  im  allgemeinen  S.  363. 

Vn.    Metrische  Schriften  über  das  römische  Drama. 

143)  L^on  Vernier,  De  senariis  Italicis.    Vesontione  (Besan^n) 
1888.     78  S.    8. 

144) ,  £tude   sur  la  versification  populaire  des  Romains  ä 

r^poche  classique.     ßesaiiQon  1889.     68  S.    8. 


Römisches  Drama.  237 

145)  P.  Langen,  Zur  Accentlebre.  Philologus  46.  Bd.  1887.  2. 
S.  400  —  420. 

146)  Hermannus  Leppermann,  De  correptione  vocabuloram 
iambicorum,  quae  apud  Plautum  in  senariis  atque  septenariis  iambicis 
et  trochaicis  invenitur.     Gomm.  philol.    Münster  1890.     84  S.    8. 

147)  Aloysius  Boebmer,  De  correptione  vocabuloram  natura 
iambicorum  Terentiana.     Comm.  philol.     Münster  1891.     69  S.    8. 

148)  F(ranz)  B(ttcheler),  Prosodisches  zu  Plautus.  Rhein.  Mus. 
41.  Bd.  1886.     S.  311—313. 

149)  0.  Keller,  Zu  Plautus  und  Terentius.  Fleckeisen's  Jahrbb. 
f.  kl.  Philol.  133.  Bd.  1886.    S.  863—864. 

150)  Louis  Havet,  L's  latin  caduc.  £tudes  roroanes  d^di^es  k 
Gaston  Paris  le  29  Dec.  1890  par  ses  61^ves  fran^ais  et  ses  ^Idves 
ötrangers  des  pays  de  langue  frangaise.    Paris  1891.    S.  303  —  329.  8. 

151)  Richard  Klotz,  Grundzüge  altrömischer  Metrik.  Leipzig 
1890.     X  u.  590  S.    8. 

Yernier  (No.  143  u.  144)  sucht  erneut  nachzuweisen,  dafs  die  von 
der  klassischen  abweichende  Prosodie  und  Metrik  der  scenischen  Dichter 
Roms  durch  vulgäre  Aussprache  sich  erkläre.  Gelungen  ist  die  Wider- 
legung von  Havet's  Theorie  der  brevis  brevians  (vgl.  vorletzten  Bericht 
No.  69)  und  hervorzuheben  die  eingehende  Berücksichtigung  der  Vers- 
kunst des  Phaedrus. 

P.  Langen  in  No.  145  verteidigt  gegen  W.  Meyer  (vgl.  letzten 
Bericht  No.  98)  die  Theorie  RitschFs  und  seiner  Vorgänger  und  betont, 
dafs  die  Natur  des  lateinischen  Accents  eine  andere  als  die  des  griechi- 
schen ist,  dafs  bei  der  Auffassung  der  alten  Schule  die  spätere  accen- 
tuierende  Poesie  sich  natürlich  erkläre,  während  Meyer  zu  ihrer  Erklä- 
rung (vgl.  oben  No.  46)  ein  fremdes  Element  heranziehen  mufs,  ferner, 
dafs  Meyer  für  die  Vermeidung  des  Widerstreits  zwischen  Wort-  und 
Versaccent  im  dritten  Fufse  des  Senars  eine  andere  Erklärung  nötig  hat 
als  im  zweiten  und  vierten  Fufse  und  wieder  eine  andere  für  die  Ver- 
meidung der  Betonung  der  kurzen  Paenultima  in  drei-  und  mehrsilbigen 
Wörtern,  während  nach  Bentley^scher  Theorie  das  alles  aus  einem  Ge- 
sichtspunkte erklärt  wird.  Dafs  spondeische  und  anapästische  Wörter 
seltner  im  zweiten  und  vierten  Fufse  ständen  als  iambische,  habe  seinen 
Grund  darin,  dafs  erstere  in  natürlicher  Betonung  überall  im  Verse  Platz 
fänden,  die  iambischen  Wörter  aber  sonst  nur  noch  am  Ende.  Die 
Regel  über  iambische  Schlüsse  sei  eine  Folge  der  Vorliebe  der  Römer 
für  schwerere  Bildung  des  Versfufses,  aber  die  häufige  Anwendung  der 
gewöhnlichen  Cäsuren  eine  Folge  des  Strebens  nach  Übereinstimmung 
von  Wort-  und  Versbetonung.     Dies  beweise  auch  die  Thatsache,  dafs, 


238  Metrik. 

iveDo  maD  auf  die  Trimeter  des  Aristophanes  die  lateiDischeo  Betoonogs- 
gesetze  anwendet,  die  Übereinstimmung  der  Versicten  mit  der  angenom- 
menen Betonung  bei  weitem  noch  nicht  so  häufig  wäre,  als  im  Senar 
des  Plautus  und  Terenz.  (Doch  läfst  sich  dies  u.  ä.  auch  noch  ganz 
anders  erklären;  vgl.  No.  151  S.  278.)  —  No.  146  giebt  eine  sorgfältige 
Zusammenstellung  iambischer  Wörter,  die  bei  Plautus  in  den  gewöhn- 
lichen drei  Dialogmafsen  nicht  gekürzt  oder  gektlrzt  vorkommen,  nach 
Nomina,  Verba  und  Particulae,  vollständiger  als  Mtlller  (Plaut.  Prosodie), 
weil  alle  20  Stflcke  berücksichtigt  werden,  unvollständiger,  weil  alle  sog. 
freieren  Mafse,  besonders  die  iambischen  Octonare  und  die  Anapäste, 
wo  gerade  viele  solche  Kürzungen  stattfinden,  unbeachtet  geblieben  sind. 
Als  strengster  Anhänger  der  Ritschrschen  Schule  (z.  B.  fallende  Proce- 
leusmatiker  und  iambische  Wörter  in  der  dritten  Stelle  des  Senars, 
selbst  in  Elision  werden  verworfen)  richtet  sich  Verf.  gegen  Müller's 
und  Referents  Ansicht,  ohne  jedoch  ein  neues  entscheidendes  Moment 
geltend  machen  zu  können.  Wie  wenig  derartige  Zahlenzusammenstellun- 
gen in  solcher  Hinsicht  beweisen  können,  zeigen  Beobachtungen  wie 
S.  79:  in  septenario  troch.  —  in  particulis  formas  in  vocalem  exeuntes 
correptas  (89)  numero  antecedere  formas  uon  correptas  (31),  cum  in 
senar.  et  sept  iamb.  hae  praevaleant.  Fruchtbarer  wäre  eine  vom  Verf. 
unterlassene  der  ersten  Silbe  solcher  Wörter.  Je  leichter  diese,  desto 
häufiger  die  Kürzung  und  umgekehrt.  So  wird  bei  sämtlichen  schweren 
Kürzen  der  positio  debilis  nie  gekürzt.  Gegenüber  den  häufig  ge- 
brauchten, iambisch  gemessenen  Formen,  wie  lucri  lucro  sacro  sacris 
sacres  stupri  probri  plagri  popli  capro  libro  libros  libris  labris  scutris 
scabrae  patris  patri  patres  utri  u.  ä.  findet  sich  nur  ganz  vereinzelt  ßa. 
1041  ütram  schwerlich  richtig,  Ba.  404  pätr^m  (beides  vom  Verf.  nicht 
erwähnt)  und  in  Anapästen  Ba.  641  duplex,  1166  pröbrt,  wo  jedoch 
Hermann  und  Ritschi:  probripellecebrae  lesen,  480  labra  ä  labris  in 
einem  lückenhaften  Verse,  Aul.  715  obsecrö.  Selbst  Kürzungen  bei  qu, 
wie  löquör  Pseud.  156.  Asin.  152  (Amph.  407  jedoch  löquör)  und  aqua 
Stich.  852  steht  eine  grofse  Anzahl  schwerer  Messungen  gegenüber:  coqul 
coquös  coquet  equas  equös  equis  aqua  aquae  loqui  löquör  loquär  seqaör 
liquet  nequis  nequit.  Dies  spricht  für  Referents  Erklärung.  Sprachlich 
war  die  leichte  erste  Kürze  z.  B.  in  levi  noch  keine  volle  Mora  und  die 
unbetonte  Schlufssilbe  nicht  mehr  zwei  volle  Moren  (etwa  V^-h  1V>))  beide 
zusammen  schwankten  zwischen  dem  Werte  von  zwei  und  drei  Moren 
und  galten  unter  dem  solche  Bruchteile  nivellierenden  Einflufs  der  Me- 
trik bald  als  drei,  bald  als  zwei  Moren,  ohne  dafs  sprachlich  wirklich 
etwas  beschnitten  zu  werden  brauchte,  wie  etwa  patre^  statt  patrem,  vgl. 
Ref.  No.  151  S.  65  u.  306.  —  No.  147  giebt  gleich  sorgfältig  und  ebenso 
rubricierte  Zusammenstellungen  aus  allen  Versen  des  Terenz,  der  im 
ganzen  Grofsen  mit  Plautus  übereinstimmt;  nur  modo,  ubi,  ibi,  mihi, 
sibi  (tibi  4 mal  iambisch),    ego,  -or,  -at,  -et,  -it  u.  ä.  soll  er  nur   mit 


Römisches  Drama.  239 

letzter  Kflrze  brauchen,  -It  im  Perf.  ist  lang  in  stitit  (so  auch  noch  bei 
Roms  späteren  Dichtern).  In  der  inneren  Senkung  der  iambischen  und 
trochäischen  Dipodien  liebt  er  iarobische  Wörter:  Andr.  760.  Heaut.  812. 
1031.  Hec.  223.  753.  Ad.  167  (doch  sind  diese  Stellen  nicht  alle  sicher). 
Hec.  527  wird  gat  als  Octonar  gemessen.  Wie  in  No.  146  wird  in  eo, 
eos,  deos,  scio  u.  s.  w  ,  sofern  sie  nicht  iambisch  gebraucht  werden, 
immer  Synizese  angenommen,  doch  läfst  sich  diese  Annahme  nicht  be- 
weisen, da  sich  die  berQhrten  Zahlenverhältnisse  auch  ganz  anders  erklä- 
ren lassen,  s.  zur  vorigen  No.  146. 

No.  148:  Nach  der  Regel '  vocalis  ante  vocalem  corripitur*  sind 
viele  griechische  Lehnwörter  in  plautinischer  Zeit  gekürzt  worden:  bali- 
n^um,  gunaec^um,  platea,  PhilippSos,  Al^os,  Seleucia;  so  auch  Ghius 
oder  Cius  trotz  Xioc  Poen.  699.  Gurc.  78,  ebenso  Asin.  333  PellaSo  oder 
Pelleo.  —  No.  149  will  Überall,  wo  senex  pyrrhichisch  zu  messen  ist, 
eine  Nebenform  senis  einsetzen,  vgl.  Referent,  No.  151  S.  55,  Anmerk., 
wo  das  Gitat  versehen  ist.  —  No.  150  untersucht  gründlich  den  Gebrauch 
des  auslautenden  s  vor  kurzem  Vokal  bei  den  lateinischen  Scenikern  (mit 
Ausschlufa  der  Anapästen)  und  bei  den  hexametrischen  Dichtern  bis  in 
die  Giceronische  Zeit.  Ergebnis:  les  contemporains  de  Gaton  TAncien 
pronon^aient  tempu  plutöt  que  tempus;  si  Vs  de  tempus  a  repris 
vie  eu  latin  et  a  fini  par  subsister  en  frangais,  la  cause  pr6mi^re  en  est 
dans  un  detail  de  la  technique  des  rhapsodes  grecs.  Gelegentlich  er- 
wähnen wir  hier  die  Behandlung  einer  allgemeinen  prosodischen  Frage 
durch  F.  d'Ovidio,  della  quautitä  per  natura  delle  vocali  in  positione. 
Miscellanea  di  filologia  1886,  und  dafs  J.  Dosson,  Que,  ve,  ne  apr^ 
un  e  bref,  Revue  de  Philologie,  n.  S.  XIV,  S  65 — 56  die  genannte  Er- 
scheinung auch  aus  Gaesar  (bell.  Gall.  civ.  sowie  Afric.  u.  Alex.)  belegt 
vgl.  vorletzten  Bericht  No.  24. 

No.  151  sucht  den  Versbau  der  römischen  Dramatiker  durch  schär- 
fere Berücksichtigung  des  griechischen  Vorbildes  und  der  saturnischen 
Verse  sowie  durch  Anlehnung  an  die  spätere  Metrik  der  Römer  zu  er- 
klären, ohne  sich  die  Aufgabe  zu  stellen,  jede  Einzelheit  in  monogra- 
phisch ausgeführter  Weise  zu  erledigen.  In  dem  was  nach  Scheidung 
der  altrömischen  und  griechischen  Elemente  zurückbleibt,  wird  das  ge- 
funden, was  die  Dramatiker  Roms  selbständig  geschaffen  haben,  um  die 
beiden  zum  Teil  recht  ungleichartigen  Bestandteile  zu  einer  höheren 
Einheit  zu  verbinden.  Alles  dies  erklärt  sich  dem  Verf.  aus  dem  künst. 
lerisch  wie  historisch  gerechtfertigten  Streben  nach  gleichmäfsiger  Be- 
handlung der  metrischen  und  rhythmischen  Formen  innerhalb  des  bei 
aller  Mannigfaltigkeit  einheitlich  zu  gestaltenden  Kunstwerkes.  So  wird 
in  der  Prosodie  das  metrische  Kürzungsgesetz  nicht  blofs  in 
iambischen  und  iambisch  anlautenden  Wörtern  und  Wortverbindungen 
gefunden ,  sondern  auch  in  iambisch  endigenden  und  zwar  nicht  blofs  in 
Anapästen,  die  überhaupt  keine  besondere  Freiheiten  aufweisen,  sondern 


240  Metrik. 

auch  )D  lamben  und  Trochäen.  Ebenso  beim  Hiat.  Per  logische, 
aufser  bei  Antithesen  und  Eigennamen  besonders  bei  Personenwechsel, 
wird  vom  prosodischen  und  metrischen  ferngehalten  und  darum  auch 
hierbei  die  kurze  Schlufssilbe  in  Hebung  wie  Senkung  zugelassen  (dafür 
über  30  Beispiele);  der  pro  sodische  Hiat,  auch  bei  mehr-  als  ein- 
silbigen Wörtern,  wie  im  griechischen  Vorbilde  und  in  den  verschieden- 
sten Dichtungsgattungen  der  Römer,  auch  bei  Plautus  bei  den  Anapästen 
in  Hebung  wie  Senkung  (mentem  ämabo,  plorä  ämabo.  Nam  hunc  dnulüm 
ab  tui  und  mitte  me  äctutum),  in  den  übrigen  Versmafsen  nur  in  Hebung, 
alles  wie  im  Griechischen,  wie  Düae  unum  expetitis  palumbem,  öfters 
in  A  und  P,  je  einmal  von  Nonius  und  Priscian  bestätigt,  über  60  Bei- 
spiele, darunter  Gas.  756  Mihi  inanitate  iamdudum  intestina  murrourant 
mit  P,  nicht  Mihi  ieiuuitate,  das  auch  nicht  in  A  steht,  weil  inanitas  der 
gewähltere  Ausdruck  ist  und  mit  intestina  allitteriert,  ib.  994  Tut  amoris 
causa.  ::  Ego  istuc  feci?  ::  Immo  Hector  Ilius  mit  P  und  [Servius].  A 
ecastor  unmetrisch  statt  ector;  aber  nicht  ibid.  447  iaciam  (clamy  u.  Ba. 
946  id6m  ^sum)  Ulixes;  ferner  animnle  mi  Glympio.  omniä  quae  isti 
dedi,  6  Beispiele ;  auch  obsequi  animo  suo,  wie  qnt  animo  suo,  und  sequi 
änimo  suo,  und  Glanculüm  abii  a  legione,  über  30  Beispiele,  dazu  Aul. 
455,  je  eins  von  Varro  und  Gbarisius  bezeugt,  überall  an  den  Stellen 
nnd  unter  denselben  Umständen,  wie  die  entsprechenden  Wörter  mit 
Schlufskttrze ;  dagegen  Hiat  einsilbiger  Wörter  in  iambisch-trochäischcn 
Senkungen  (Fleckeisen,  Luchs)  nur  in  einzelneu  Fällen  sprachlicher 
Enklisis  wie  Asin.  706  ikm  de  hordeo,  vgl.  nöque  dehörtarl  dccet.  Der 
metrische  Hiat  bei  Plautus  nach  dem  saturnischen  Vorbilde  in  der 
iambischen  Hauptcäsur  iambischer  und  der  trochäischen  trochäischer 
Langverse,  letzterer  wiederholt  von  Festus  und  Nonius  bestätigt,  auch  in 
der  seltneren  iambischen  Gäsur  trochäischer  Septenare,  weil  dort  zwei 
sonst  auch  selbständig  gebrauchte  Dimeter  entstehen,  dafür  allerdings 
nur  fünf  Beispiele,  von  denen  sich  zwei  anders  messen  lassen,  weshalb 
dieser  Hiat  von  Niemeyer  und  Seyflfert,  s.  u.,  verworfen  wird,  doch  wird 
er  auch  noch  überliefert  Gas.  532  und  Gist.  494  Ussing.  Bei  Terenz 
sicher  kein  prosodischer  Hiat  bei  mehrsilbigen  Wörtern,  wohl  auch  kein 
metrischer,  nur  für  die  Diärese  iambischer  Langverse  wird  er  noch  zwei- 
felhaft gelassen,  Hec.  741  istac  de  re  statt  de  istac  re  oder  mit  Bentley 
magnam — gratiam — quod  statt  magna — gratia— quam?  Die  bei  Plautus 
zahlreich  überlieferten  Hiate  in  der  Senarcäsur  entstammen  dem  Einflufs  der 
spätem  Technik,  auch  in  den  Argumenten,  c.  169  n.  Ghr.  nach  Ausweis 
einer  guten  Inschrift,  jedenfalls  nicht  vor  dem  dritten  nachchristlichen 
Jahrhundert  diplomatisch  zu  erweisen,  vgl.  S.  173  fg.,  auch  in  der  trochäi- 
schen Gäsur  iambischer  Verse  ist  der  Hiat  nicht  zulässig,  trotz  Amph. 
251  (illi  wie  vier  Verse  vorher  statt  illic  zu  lesen,  Nonius  illis,  E  illi) 
und  Ba.  946.  Epid.  26;  wohl  aber  in  sämtlichen  Hauptdiäresen  der  ana- 
pästischen, cretischen  und  bacchiischen  Langverse  (für  letztere  5  Beispiele, 


Eömisches  Drama.  241 

dazu  Poen.  240  vgl.  S.  344),  aber  nicht  in  den  iambischen  Nebencäsuren 
der  Anapästen  und  Bacchien,  Poen.  211  Et  navem,  214  sat  istae  statt 
satis  hae.  —  Die  Metrik  behandelt  den  Bau  der  Cäsaren  und  Schlüsse 
und  die  Bildung  der  Hebung  und  Senkung.  Gebrauch  der  latenten  Gä- 
suren  und  Vernachlässigung  der  Hauptcäsur  ist  in  iambischen  und  trochäi- 
schen Versen  gestattet,  wie  im  griechischen  Vorbild,  in  Anapästen,  Päo- 
neu  und  Bacchien  wieder  nach  Analogie  der  lambeu  und  Trochäen.  Eine 
Nebencäsur  im  erotischen  Tetrameter,  etwa  nach  der  ersten  Hebung  des 
zweiten  Dimeters  ist  nicht  anzunehmen.  Trochäische  Schlüsse  sind 
nach  dem  saturnischen  Vorbilde  gebaut,  also  die  vorletzte  Senkung  wird 
nur  bei  einsilbigem  Schlufswort  rein  gehalten,  so  aber  auch  in  Anapästen 
(scir^  püto  me)  und  ähnlich  im  katalektischen  Päon  (est  üt  äb^am)  und 
brachykatalektischen  Anapäst,  wie  Gas.  756 f.  Fttr  iambische  Schlüsse 
wird  das  Luchs^scbe  Gesetz  anders  als  bisher  begründet  und  dahin  er- 
weitert, dafs  Schlüsse  wie  r^veniät  senex  (von  Nonius  bestätigt)  und 
selbst  Doppeliamben  in  Elision  zugelassen  werden,  wie  quoius  ille  ager 
fuit.  Die  aufgelöste  Hebung  wird  nur  insofern  der  griechischen  ähn- 
lich gebildet,  als  Plautus  (nicht  Terenz,  Hec.  701  Omnibus,  Eun.  848 
Desine  iam :  couclamatumst  in  Enklisis)  den  auf  den  Endkürzen  betonten 
Dactylus  braucht,  meist  im  Beginn  wie  der  Anapästen  so  der  lamben 
oder  des  zweiten  iambisch  einsetzenden  Teiles  der  Langverse,  und  ver- 
einzelt auch  tribrachisch  endigende  Wörter;  sonst  aber  abweichend. 
Denn  wird  eine  Hebung  durch  kurze  Endsilbe  und  kurze  Anfangssilbe 
gebildet,  so  ist  in  der  neuern  attischen  Komödie  das  erste  Wort  ein 
Trochäus  oder  Pyrrhichius,  im  Lateinischen  kann  es  jede  in  den  Vers 
passende  Ausdehnung  haben;  das  zweite  Wort  ist  wieder  im  Griechischen 
freigegeben,  im  Lateinischen  aber  mufs  es  ein  zweisilbiges  iambisches 
oder  pyrrhichisches  oder  ein  solches  dreisilbiges  sein,  das  den  Worttou 
auf  der  ersten  Silbe  hat  (dicere  l^pidö  modo,  nicht  dicere  mÖdestö  modo), 
auch  so,  dafs  ein  Proceleusmaticus  entsteht:  r6s  agitür  äpud  iüdices 
oder  ein  solches  vier-  oder  mehrsilbiges  Wort,  das  einen  starken  Neben- 
ton auf  der  ersten,  der  Stammsilbe  bat.  In  Anapästen  ist  die  aufge- 
löste Hebung  teils  streng  nach  griechischen  Regeln:  ut  tüö  guttüri  sit 
monumentum  (nicht  etwa  tuo;  es  bleibt  bei  den  drei  S.  286  angeführten 
Ausnahmen,  da  die  von  Seyffert,  s.  u.,  hinzugefügten  Stellen  sämtlich 
ganz  unsicher  und  darum  von  Verf.  vor  der  Drucklegung  aus  seinen 
Sammlungen  gestrichen  sind),  teils  wie  in  den  entsprechenden  lamben 
gebaut,  wodurch  gegenüber  dem  steifen  Vorbild  ein  wunderbar  belebtes, 
aber  durchaus  nicht  regelloses  Versmafs  gewonnen  wird;  selbst  der  Ge- 
brauch der  seltnen  proceleusmatischen  Formen  zeigt  grofse  Vorsicht. 
Dagegen  im  cretischen  Verse  ist  die  Auflösung  sehr  beschränkt  durch 
Zerlegung  der  Tetrameter  in  je  zwei  Dimeter,  weil  darum  zweimal  iam- 
bischer  Schlufs  streng  einzuhalten  ist  (fast  nur  uosträ  süperät  mänüs 
und  r^veniünt  u.  ä.),  ebenso  auch  durch  das  Sprachmaterial,  vgl.  S  299. 

Jahresbericht  für  AlterthumswUsenschaft.    LXIX.  Bd.    (1891.   lil.)  IQ 


242 

Der  Bacchias  gestattet  dieselben  AaflösoDgen  io  der  ersten  Hebung 
wie  die  kataJektische  iambische  Dipodie  und,  da  Plantns  die  Takte 
innerhalb  der  Dipodie  öfter  bindet,  auch  in  der  zweiten  Hebung  des  je 
ersten  Taktes,  doch  immer  nur  im  Anfang  eines  Wortes,  ebenso  auch  im 
zweiten  Fufse  des  Tetrameters  nach  der  iambischen  HanptdUor,  und  wird 
so,  zumal  die  Doppelkfirzen  der  Senkung  immer  nur  solche  der  leich- 
testen Natnr  sind,  S.  343,  in  seinem  Wesen  durchaus  nicht  zerstört,  wohl 
aber  erheblich  belebt  Die  erste  Senkung  der  lamben  und  Trochäen 
ist  nicht  freier  gebaut  als  die  Obrigen,  Men.  386.  Epid.  3  findet  Enklisis 
statt,  ebenso  Truc.  262  nach  A  und  P,  und  ?on  Sejffert,  s.  n.,  hinzu- 
gefügt Poen.  512  Siciue  oportet  nichts  zu  ftndem.  Stich.  135  nach  Fleck- 
eisen; im  Anfang  des  zweiten  Teiles  Ba.  411  (perdit,  Dittographie).  Cist. 
610  (enim  statt  etenim),  Most.  842  (est  ?erstellt).  Trin.  1127  unsicher. 
Mil.  721  ebrius.  Vid.  fr.  V,  3.  Stich.  769  Qui  lonus  ant  etc.  Auch  in 
allen  inneren  Senkungen  ist  der  Anapäst,  bez.  Ghoriamb  statt  des  lambs, 
wenn  er  auch  im  zweiten  Fufse  des  Seuars  selten  ist  (GrOnde  dafür 
S.  566),  wie  im  Griechischen  principiell  zulässig,  ebenso  Spoudeen  nach 
altrömischem  Vorbilde,  aber  meist  nur  in  der  S.  132 fg.  des  letzten  Be- 
richtes angegebenen  Weise  und  bei  Auflösung  der  vorhergehenden  He- 
bung, endlich  fallende  wie  steigende  Proceleusmatiker,  auch  von  Festus 
und  Douat  bezeugt,  ganz  wie  in  den  Anapästen,  wenn  Hebung  and  Sen- 
kung durch  Wortscblufs  mit  oder  ohne  Elision  geschieden  ist,  oder  bei 
längeren  Wörtern,  die  den  beiden  oTjiieta  des  Einzelfnfses  ihrer  Zu- 
sammensetzung nach  entsprechen.  So  zeigt  sich  bei  grofser  Beweglich- 
keit und  reichem  Wechsel  nirgends  ZOgellosigkeit  und  Freiheit,  sondern 
tiberall  Strenge  und  Konsequenz.  —  In  der  Rhythmik  wird  das  Wesen 
der  einheitlichen  Technik,  die  verschiedenen  Vortrags-  uud  Kompositions- 
arten und  Rhythmeugattungen  nach  Ethos  und  Gebrauch  besprochen, 
besonders  eingehend  die  Arten  der  Rhythmischen  Metabole,  Antithesis, 
Epimixis  alioeometrischer  Reihen,  taktwechselnde  Verse  meist  xarä 
azi^oy^  taktwechselnde  Gantica  sowie  die  Metabole  der  Kompositions- 
arten. Die  Römer  haben  fast  alles  aus  der  Rhythmik  der  Griechen  sich 
angeeignet,  wie  die  mit  Gestikulation  oder  Tanz  ausdrucksvoll  begleitete 
Deklamation,  die  noLpaxaxaXoyij^  das  Recitativ  und  den  eigentlichen  Ge- 
sang iu  Einzelvortrag  und  Chor,  in  bescheidenem  Mafse  auch  antistro- 
phische und  cpirrhematische  Komposition  im  Melos  und  Dialog.  Der 
Gebrauch  selbst  der  einfachsten  Kunstmittel  und  der  einzelnen  Rhythmen 
bleibt  oft  noch  ganz  der  alte,  aber  da  man  sich  mit  Recht  nicht  mehr 
au  die  iu  Athen  angelegten  Schranken  gebunden  fnhlte,  so  wurde  das 
griechische  Material  auch  vielfach  erweitert  und  bereichert,  indem  man 
auch  eine  nicht  minder  belebende  einheitliche  rhythmische  Technik  durch- 
führte, d.  h.  alles,  was  in  der  einen  Rbythmengattung  und  Kompositions- 
weise gewagt  und  gelungen  war,  soweit  möglich,  zum  Gemeingut  aller 
machte.    So  wurde  namentlich  die  Systembildung  stilgerecht  erweitert, 


RömiBcbes  Drama.  243 

ebenso  der  Gebrauch  der  Anapästeo  und  der  bei  den  Griechen  immer 
nur  auf  wenige  Takte  (selten  auf  auch  nur  zwei  Tetrameter)  beschränkten 
Baccfaien,  was  alles  im  Einzelnen  erläutert  wird.  —  Die  dem  Ref.  be- 
kannt gewordenen  Recensionen  erkennen  fast  sämtliche  Hauptergebnisse 
an  und  geben  sehr  dankens^  v3rte  Verbess  erungen  und  Nachträge  im  Ein- 
zelnen. So  Max  Niemeyer,  D.  L.  Z.  1890.  40  S.  1457-1459  zu  S.  28 
Z.  3  Baier  statt  Beier,  S.  42  Z.  7  auxilio  statt  auxilium,  S.  46  Z.  15  istic 
auch  anders  zu  messen,  und  tadelt  die  unkorrekten  Zahlen,  die  jedoch 
zweimal,  bei  der  Korrektur  und  Registrierung  verglichen  wurden,  sodafs 
nur  wenig  Versehen  geblieben  sein  können,  wie  denn  die  gerflgten  neun 
Citate  bereits  im  Register  berichtigt  sind,  sodann  die  ungenttgenden 
Sammlungen,  wie  S.  46,  was  0.  Seyffert,  s.  u.,  sogar  zu  einer  »unsäg- 
lichen Unordentlichkeitc  steigert,  während  Verf.  S.  44 — 46.  55  -  58  aus- 
gesprochener Mafsen  einen  »durchaus  nicht  erschöpfenden  und  aus  dem 
von  Müller  .  .  .  gegebenen  Materiale  leicht  zu  vervollständigenden  Über- 
blick« nach  drei  metrischen  Gesichtspunkten  giebt  in  einer  längst  abge- 
thanen  Sache !  Endlich  schliefst  N.,  wo  Verf.  eine  neuere  Änderung  des 
Textes  ignoriert,  gleich  auf  Ignoranz,  mit  welchem  Rechte,  ersieht  man 
z.  B.  aus* Cure.  517,  wo  Verf.,  weil  er:  quaeso  ut  hanc  eures  bene  sit 
isti  hält,  Lachmann's  Worte  nicht  gelesen  haben  soll.  Aber  aus  diesen 
geht  ihm  hervor,  dafs  curare  c.  coni.  ohne  ut  bei  Plautus,  wo  noch  ein 
stilistisches  Moment  (Vermeidung  eines  doppelten  ut)  mitspricht,  wie  bei 
Lucrez  richtig  ist,  da  es  im  Umgangston  üblich  ist,  sicher  im  Gicero- 
nischen  Briefstil,  bei  Lucilius  und  Horaz,  ferner  bei  Phaedrus,  Petronius 
und  wieder  bei  dem  archaisierenden  Fronte.  —  0.  Crusius,  Litt.  Gentral- 
blatt  1891.  7  S.  212-215  berichtigt  S.  40  Z.  4  Verbalformen,  S.  278 
zweimal  corpora,  S.  372  Z.  6  Zielinski,  S.  558  Z.  18  p.  43  st  45  (S.  554 
Z.  12  ist  aus  im  Sinne  von  nach  gemeint)  und  erklärt  das  metrische 
KOrznngsgesetz  etwas  anders,  vgl.  No.  146,  und  meint,  wie  auch  Weissen- 
horn,  Blätter  f.  d.  bayr.  Gymn." Wesen  1891.  5  S.  296-298,  Verf.  beur- 
teile die  Römer  zu  günstig  gegenüber  ihrem  Vorbilde.  Doch  handelt  es 
sich  hier  immer  nur  um  die  metrische  Kunst,  und  dafs  die  neuere  atti- 
sche Komödie  keine  neuen  metrischen  Formen  schuf,  sondern  im  alten 
Geleise  sich  fortbewegend  ziemlich  einförmig  wurde,  läfst  sich  nicht 
widerlegen.  Weiter  sei  die  einheitliche  Technik  eine  »Verarmung!,  an 
Stelle  eines  edeln  Instrumentes  mit  vielen  Registern  sei  ein  neues  mit 
einem  einzigen  getreten.  Vielmehr  wurden  die  einzelnen  Register  nach 
Gebrauch  und  Wirkung  beibehalten,  wie  oft  betont  wird,  z.  B.  S.  556, 
nur  wurden  öfters  mehrere  Register  zugleich  angeschlagen  und  so  hat 
die  Einheitlichkeit  hier  nicht  Einförmigkeit  und  Verarmung,  sondern  Viel- 
seitigkeit und  Bereicherung  gebracht.  Über  andre  Ausstellungen  s.  oben 
No.  83  und  129.  -  0.  Seyffert  in  seinei  Berlin,  philol.  Wochenschrift 
1891.  28  8.  878—884  und  29/30  S.  924—930  verbessert,  abgesehen  von 
bereits  Angeführten  S.  82  Z.  37  Lesung  statt  Goniectur,  S.  91  Z.  17  zwei- 

16« 


244  Metrik. 

statt  eiD-  und  Z.  25  conservitiam  c.  statt  c.  conserv.,  8.  124  Z.  20  fehlt 
bei  Pers.  498:  nach  Vermutung,  S  174  Z.  8 'hier'  vor 'hiatuslose'.  S. 
340  Z.  20  St.  'u.  einige  andre':  Amph.  103.  Mil.  1095.  Vid.  fr.  III  63 
(doch  sind  es  dann  auch  nur  sechs  Beispiele).  S.  485  Z.  27  'Spengel* 
nach  A.  S.  547  Anm.:  Handschrift  6,  wie  schon  richtig  S.  57  angegeben, 
8.  548  Anm.:  Die  Handschriften  sitiare  sicine  hoc  etc.  8.  539  zu  Most. 
332  te-araplectare  st.  ted-  amplectere,  da  das  zur  Verteidigung  der 
Überlieferung  angenommene  Anakoluth  schwer  glaublich  erscheint.  Andre 
dem  Verf.  zugeschriebene  »Irrtümer  und  Mifsgri£fe<  erklären  sich  aas 
dem  abweichenden  kritischen  8tandpunkt.  8.  erwähnt  z.  B.  als  »eins  der 
zahlreichen  begrtlndeten  Bedenken!  gegen  die  Responsion  von  Ba.  1150 
bis  1206,  dafs  »für  den,  der  den  plaulinischen  Sprachgebrauch  von  age 
Übersieht«,  Verfs.  Erklärung  von  Ba.  1191  »völlig  unstatthaft  ist«.  Ref. 
beweist  der  Vers  nur,  dafs  man  den  Sprachgebrauch  der  Komiker  nicht 
allzu  engherzig  einschränken  darf.  Denn  hat  Cicero  vereinzelt  Mil.  19,  49 
Age  mit  dem  modus  concessivus  und  folgender  Frage  gebraucht:  Age 
Sit  ita  factum,  quae  causa  cur  etc.,  dann  kann  auch  Plautus  hier  einmal 
in  ähnlichem  vom  Zusammenhang  geforderten  Sinn  sagen:  Age  iam  id  — 
patiar.  Egon  —  inspectem?,  zumal  age  mit  Frage  plautinisch  ist  und 
age  oder  age  iam  besonders  bei  Terenz  mit  einer  coucessio  vorkommt: 
Age  dicat:  sino.  Age  age  iam  ducat:  dabo.  Ähnlich  ist  es  mit  der 
zweimal  Oberlieferten  und  an  sich  echt  lateinischen  Redensart:  manus 
addita  est,  die  man  wegen  eines  bisher  noch  nicht  einmal  erklärten,  wohl 
dreimal  gebrauchten  activen  adii  manum  ändern  will,  was  in  dem  einen 
Fall  das  Metrum  gar  nicht  gestattet,  und  mit  vielen  andern  sprachlichen 
und  metrischen  Einzelheiten:  huiüs,  eiüs  (doch  Gas.  356  Opinione  melius) 
u.  dgl.  Auch  S.'s  übrigen  zahlreichen  Ausstellungen  scheinen  dem  Ref. 
unbegründet  oder  geradezu  auf  Mifsverständnisseu  oder  Irrtümern  be- 
ruhend, wie  die  verschiedentlich  falschen,  die  ganze  Grundlage  der  Frage 
verschiebenden  Angaben  über  den  prosodischen  Hiatus,  den  auch  das 
griechische  Drama  in  der  iambisch  -  trochäischen  Hebung  kennt  8.  122, 
ähnlich  über  den  Senarcäsnrhiat  (Gas.  347  bezeugt  Festus  keinen  Hiat, 
sondern  caesura  latens),  über  die  drei  (!)  von  Nonius  benutzten  Receu- 
sionen  des  Plautus,  s.  LXIII.Bd.  (1890.  H)  S.  3,  f^nestra,  das  einem  nur  er- 
schlossenen monestrum  gleich  gesetzt  wird,  aduptaticium  als  »sichrer  Beleg  für 
die  Verkürzung  einer  hochtonigen  Silbe  bei  Verrückung  des  Versaccentesc, 
über  Verfs.  Messung  zu  Enn.  trag.  76  (s.  S.  565  u.  532)  oder  Messungen 
yvie  molestiäm  ut,  domüm  uti,  zu  8.  174,  wo  Verf.  nicht  Senare  und 
Septenare  soll  unterscheiden  können  (!),  zu  S.  90  (üxor  und  üxorem  etc. 
verwechselt),  92  (voluptäs  mea),  8.  117  (log.  Hiat),  ferner  zu  Trin.  725, 
Merc.  244,  Pseud.  592  (st.  599).  Pseud.  1190  st.  Poeu.  1190.  Pers.  191 
(die  Versabteilung  in  A  ist  doch  sicher  falsch)  u.  s.  w.,  sodafs  es  schwer 
hält,  den  Vorwurf  »die  Pflicht  philologischer  Akribie  über  Gebühr  verab- 
säumt zu   haben«    dem  Reo.  nicht  zurückzugeben.     Für  das  metrische 


Römische  Lyriker  und  Epiker.  245 

KürzoDgsgesetz  giebt  8.  einige  Nachträge  ond  man  könnte  nach  ihm 
auch  solche,  allerdings  sehr  vereinzelte  Fälle,  wie  quöd  höstica  und 
stmillumae  noch  als  legal  annehmen.  —  Ref.  verbessert  S.  40  Z.  11  cara 
48,  32  expetessuiit,  55,  Anm.  nach  No.  149,  S.  211  Z.  34  Andr.  945  zu 
streichen  (nach  Fl  eck  eisen),  315,  2  innerhalb  der  Dipodie,  320,  34  Ba. 
1026.  Ampb.  187.  Poen.  1360,  327,  35  ad  rävim,  422,  5  Hocln  de  im- 
provisö,  429, 37  Egon,  436,  15  obiectust,  496,  5  Gas.  608 — 611  zu  streichen, 
500,  40  Ita  bic  ^sola)  s61is ,  518,  34  1  jetzt  nach  A,  523,  31  volo  scire 
ego  item,  mea^^n)  domi,  524,  16  satin,  18  abibo,  564,  13  'In  der  callio- 
pischen  Recension  . . .  nichts  eignes  hinzutbaten'  zu  streichen,  567,  2  Ver- 
treter dieser  Klasse,  15  Trin.  820. 


VIII.    Metrische  Schriften   über   römische  Lyriker 

und  Epiker. 

152)  S.  Eskuche,  Die  Elision  in  den  zwei  letzten  Fttfsen  des  la- 
teinischen Hexameters,  von  Ennius  bis  Walahfridus  Strabo.  Rhein. 
Mus.  45.  Bd.  1890.     S.  236—264. 

158)  J.  Skobielski,  Der  sapphische  Vers  bei  den  lateinischen 
Dichtern.  Jahresbericht  des  k.  k.  Obergymnasiums  in  Gzernowitz  1889. 
28  S.    8. 

154)  Wilhelm  Meyer,  Caesnr  im  HendekasyUabus.  Über  weib- 
liche Caesur  des  classischen  latein.  Hexameters  und  lat.  Gaesuren 
überhaupt.  Zu  Gatulls  2.  und  62.  Gedicht.  Sitzungsberichte  der  philos.- 
philol.  Klasse  der  k.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften  1889  Bd.  H, 

.     Heft  H,  8.  208—257. 

155)  Isidor  Hilberg,  Über  die  tektonischen  Regeln  der  latei- 
nischen Hexameterdichtung.  Verhandl.  der  89.  Versammlung  deutscher 
Philologen  und  Schulmänner  in  Zürich  vom  28.  Sept.  bis  1.  Oct.  1887. 
Leipzig  1888.     S.  231—246. 

156)  J.  Oertner,  Über  die  Definition  der  Gäsur.  Fleckeisen's 
Jahrbb.  142.  Bd.  1890.    S.  121-123. 

No.  152  behandelt  die  Elisen  bei  kurzem  Vokal  im  vorletzten  Fufse 
des  Hexameters.  Diese  Elision  iSndet  am  häufigsten  bei  auslautendem 
e  statt,  bei  ä  fast  nur  mit  anlautendem  a;  die  augusteische  Zeit  bedeutet 
einen  grofsen  Fortschritt  gegen  Ennius  und  Lucrez;  besonders  strengen 
Versbau  haben  Vergil  und  Ovid  eingeführt;  ihnen  folgen  die  anderen 
Dichter,  besonders  Martial;  etwas  freier  in  Einzelheiten  sind  Manilius 
und  Persius,  der  sich  dem  lucrezisch*horazischen  Stil  nähert.  Alle  spar 
teren  Dichter  bis  Alcnin  und  Walahfridus  Strabo  halten  sich  an  die 
strenge  klassische  Norm,    ausgenommen   die  vier  Dichter  des  4.  Jahrb. 


246  Metrik. 

ATieous,  AnsooiQS,  Prudentins  nnd  der  Verfasser  des  Carmen  de  figaris. 
Bei  Ansonins  läfst  sich  nicht  ermessen,  wie  viel  Altertflmelei  oder  Nach- 
lässigkeit ist,  bei  Avienos  and  dem  Verf.  des  c.  de  fignris  sowie  bei  dem 
vermutlich  gleichalterigen  Reposianns  ist  eine  archaisierende  Richtnng 
nnverkennbar.  —  No.  153  ist  eine  Behandlang  des  sapphischen  Verses 
von  Catall  bis  in  die  karolingische  Zeit  in  Bezog  auf  verschiedene  me- 
trische EigentQmlichkeiten,  wie  Synaloephe.  vgl.  Isidor  Hilberg,  Ztschr. 
f.  d.  österr.  Gymn.  41.  Jahrg.  1890.  S.  183.  —  No.  154:  Die  Römer  haben 
im  Hendekasyllabas  abweichend  vom  griechischen  Vorbilde,  in  dem  sich 
keine  bestimmte  Cftsur  nachweisen  läfet,  die  beiden  Teilungen  nach  dem 
Dactylus  (5.  Silbe)  oder  nach  der  folgenden  Hebung  (6.  Silbe)  vorge- 
nommen, die  zwei  ziemlich  gleich  grofse  Teile  and  gute  Abwechselang 
des  Tonfalles  im  Cäsar-  und  Zeilenschlufs  geben.  Dieses  Gesetz  wurde 
schon  zu  Catuirs  Zeit  gebildet  und  mit  wenigen  Ausnahmen  sogar  sehr 
streng  bis  auf  Luxorius  beibehalten;  trochäisches  Wortende  im  Dactylus 
wurde  nur  so  zugelassen,  dafs  die  nach  der  nächsten  Hebung  folgende 
Cäsur  diesen  Einschnitt  verhfiUte.  —  Etwa  V^  aller  klassischen  lateini- 
schen Hexameter  haben  die  gewöhnliche  Cäsur  nach  der  dritten  Hebung; 
etwa  1/6  hat  Cäsur  nach  dem  dritten  TrochSus,  jedoch  immer  verbunden 
mit  Cäsur  nach  der  zweiten  und  vierten  Hebung  zugleich.  Aufserdem 
iSnden  sich  wohl  einzelne  Verse  ohne  jeden  Einschnitt  im  3.  Fufse,  aber 
mit  dreifacher  Cäsur  nach  der  2.,  vor  der  3.  und  nach  der  4.  Hebung, 
doch  sind  es  sehr  wenig.  Der  Grund  dieser  Erscheinung  ist  derselbe 
wie  bei  den  Hendekasyllaben  und  stimmt  Verf.  mit  Louis  Havet,  M^moires 
de  la  Sociöt6  de  Linguiste.  VI.  1885  S.  14  ttberein.  Ähnliches  gilt  von 
Horaz*  alcäischen  und  sapphischen  Oden  und  in  beschränkterem  Mafse 
auch  im  asklepiadeischen  Vers  und  im  Pentameter,  insofern  bei  diesen 
wenigstens  verschiedener  Wortschlufs  eintritt.  -^  In  Catnlls  62.  Gedicht 
wird  strophische  Gliederung  angenommen.  —  No.  155  giebt  eine  Über- 
sicht über  die  Lehre  von  den  Satzfugen  innerhalb  des  lateinischen  Hexa- 
meters von  dessen  Anfängen  bis  zum  Ende  des  neunten  Jahrhunderts. 
Aus  diesen  reichhaltigen  Mitteilungen,  einem  Vorläufer  zu  einem  gröfsern 
Werke  aber  Satzfugen  und  Wortstellung  der  lat.  Poesie,  heben  wir  her- 
vor, dafs  die  Satzfugen  am  Ende  des  zweiten  Dactylus  bei  Vergil,  Horaz, 
Silius,  Statins,  Valerius  Flaccus  u.  a.  häufig  sind,  dagegen  von  Ovid, 
Lucan  und  Claudian  und  den  Spätem  ganz  vermieden  wurden.  Ähn- 
liches gilt  vom  Satzasyndeton  nach  dem  dritten  Trochäus;  nach  dem 
vierten  gestatten  es  nur  Horaz  und  Martial,  Ovid  und  Statins,  nach  dem 
fOnften  die  Älteren,  in  der  Kaiserzeit  der  Conversationshexameter  der 
Satiren  und  Episteln  und  vereinzelt  Prudentins  (Einflufs  des  Horaz), 
Sidonius  Apoll,  und  Venantius  Fortun.,  noch  spärlicher  findet  es  sich 
nach  dem  dritten  spondeischen  Fufse.  ~  No.  156  schlägt  vor  die  Unter- 
brechung der  rhythmischen  Tonweisen  nicht  Einschnitt,  ro/i^^  caesura, 
sondern  'Pause'  zu  nennen. 


Römische  Lyriker  und  Epiker.  247 

157)  F.  Mering,  De  alliteratione  Luciliana.   Progr.   Wattenscheid 
1891.     12  S.    4. 

158)  Hugo  Blümner,  Zu  Catullus.    Fleckeisen's  Jahrb.  f.  klass. 
Philol.  133.  Bd.  1885.  S;  879—881. 

159)  F.  Plessis,   Sur  rhend^casyllabe  phal^cien.    Bulletin  de  la 
Facnlt^  des  Lettres  de  Caen.    2.  Jahrgang.     1886.    S.  201  fg. 

160)  Seitz.    De  Catulli   carminibus  in   tres  partes  distribuendis. 
Progr.    Rastatt  1887.    4. 

Über  diese  Schriften  verweisen  wir  auf  die  Specialberichte.  In 
No.  158  wird  Gatulls  carm.  30  in  vier  dreizeilige  Strophen .  eingeteilt; 
Vers  4  (non  st.  nee)  und  5  werden  nach  V.  10  und  zwar  in  umgekehrter 
Folge  gestellt.  —  Wegen  No.  159  vgl.  oben  zu  No.  88. 

161)  Theodor  Kock,  Das  Metrum  von  Horaz  Carm.  I  10.   Rhein. 
Mus.  41.  Bd.  1886.     S.  315—317. 

162)  Hans  Habenicht,  Die  Alliteration  bei  Horaz.   Progr.   Eger 
1885.     S.  1—27. 

163)  Theodorus  Reichardt,   De  metrorum  lyricornm  Horatia- 
norum  artificiosa  elocutione.    Diss.    Marburg  1889.    79  S.    8. 

164)  C.  Ebart,  Horatii  hexametrum  descripsit  O.E.    Progr.  der 
Oberrealschule  im  VIH.  Bezirk.    Wien  1889. 

165)  R.  Köpke,   Die   lyrischen  Versmafse   des   Horaz.     4.  Aufl. 
Berlin  1889.     62  S.    8. 

166)  Claudio   Annaratone,   Metrica   di   Orazio.     Roma  1889. 
26  S.    kl.  8  mit  1  Tabelle. 

No.  161  weist  durch  eingehende  Untersuchung  des  metrischen  Baues 
die  Hypothese  zurflck,  wonach  die  fragliche  sapphische  Ode,  weil  in 
15  Versen  dreimal  die  gewöhnliche  Gäsur  vernachlässigt  sei  und  in  allen 
Versen  mit  einer  nur  die  Regel  bestätigenden  Ausnahme  die  Zeilen  mit 
einem  amphibrachischen  Worte  schliefsen,  nach  einer  ganz  besonderen 
Theorie  gebaut  wäre,  die  den  Vers  aus  dem  Glyconeum  mittelst  der 
adiectio  eines  Amphibrachys  erklärt  habe.  Die  Ode  unterscheidet  sich 
in  ihrem  Bau  nicht  wesentlich  von  den  übrigen  und  das  Überwiegen 
dieses  monotonen  Schlusses  ist  nur  ein  Zeichen  des  noch  wenig  Selb- 
ständigkeit und  Herrschaft  Über  die  Formen  verratenden  Anfängers.  — 
No.  162  ist  eine  sorgsame  und  übersichtlich  geordnete  Zusammenstellung 
aus  sämtlichen  Werken  des  Horaz,  aus  der  hervorgeht,  dafs  wie  Vergil 
und  Ovid  auch  Horaz  die  AUitteration  oft  und  gern  anwandte  und  wenu 


2ig  Metrik. 

aaeb  oicbt  beabsiciitigte ,  so  doch  fikblte.  üngefthr  58V«  Veise  sind 
durch  Allitteration  ausgezeichnet,  io  den  Satiren  und  Episteln  77 Vo,  in 
den  Carmina  und  Epoden  38^0-  —  No.  163  handelt  grftndlich  über 
Wortstellung  und  Cäsur  der  gewöhnlichen  sapphischen,  alcäischen  und 
asclepiadeischen  Strophen  unter  eingehender  Vergleicbung  mit  den  grie- 
chischen Vorgftngem  und  CatuU  sowie  mit  Seneca,  Statins  und  den  spä- 
teren Dichtem  bis  Ausgang  des  6.  Jahrb.,  wobei  die  mafsgebende  Bedeu- 
tung des  Horaz  glänzend  zur  Geltung  kommt.  —  Gber  No.  164  siebe 
F.  Hanna,  Zeitschrift  f.  d.  Osterr.  Gymn.  41.  Jahrg.  11  8.  1055.  Die 
beiden  letzten  Schriften  sind  fOr  den  Schnlbedarf. 

167)  M.  K rafft,  Zur  Wortstellung  Yergils.  Progr.  Goslar  1887. 
38  S.   4. 

168)  L.  Quicherat,  Les  vers  hyperm^tres  de  Yirgile.  Revue  de 
Philologie,  n.  S.  XIV  S.  51-55. 

169)  Richard  Hildebrandt,  Studien  auf  dem  Gebiet  der  römi- 
schen Poesie  und  Metrik.  L  Yergils  Culex.  Leipzig  1887.  YII,  176. 
kl.  8  mit  einer  Tabelle. 

170)  Siegfried  Lederer,  Ist  Vergil  der  Yerfasser  yon  »Culexc 
und  »Giris«  ?  Jahresb.  aber  das  k.  k.  akademische  Gymnasium.  Wien 
1890.    S.  14 — 30  mit  einer  statistischen  Tabelle. 

Yon  diesen  Ober  Yergilsche  Metrik  handelnden  Schriften  enthält 
No.  167  Untersuchungen  Ober  den  Hexameter,  besonders  die  Cäsnren, 
No.  168  will  auch  Georg.  II  69  und  III  449  den  Hypermeter  annehmen, 
No.  169  sucht  aus  der  Überlieferung  einen  echten  Culex  mit  sjrmmetri- 
scher  Gliederung  12.  12  |  12.  24.  12  |  12.  12  herauszuschälen  und  nach- 
zuweisen, dafs  jeder  römische  Hexameter  aufser  der  Cäsur  eine  logische 
Pause  »das  Intervall«  habe;  die  Cäsur  bindet  den  Yers,  das  Intervall 
gliedere  ihn.  Diese  Yorstellung  soll  nach  Manns  Yict  p.  55,  11  schon 
bei  Yarro  vorhanden  gewesen  seiu.  Die  Begriffe  Kolon,  Komma,  Syzygie 
und  des  darpcfidj^tov  d.  i.  Fignrenspiel  werden  besprochen,  sowie  mehr- 
fach die  Cäsuren  und  die  Überlieferung  darfiber  bei  Marina  Yictorin.  — 
No.  170  ist  zugleich  ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  lat.  Hexameters. 
Fttr  sämtliche  Yergirsche  Werke  und  des  Yalerius  Flaccus  Argonautica 
wird  das  Yorkommen  der  Dactylen  und  Spondeen  untersucht  in  der 
Drobisch'schen  Methode.  Yergil  hat  den  Dactylus  im  ersten  Fufse  be- 
vorzugt ,  aber  in  abnehmendem  Mafse.  Auch  im  2.  und  3.  Fufs  kommt 
in  der  Aeneis  und  besonders  in  den  Georgica  der  Spondeus  mehr  zur 
Geltung.  Einen  Culex  schrieb  Yergil  vor  den  Eclogen  und  feilte  ihn 
nach  denselben  in  metrischer  Beziehung.  Ciris  ist  nicht  vergilisch.  Ref. 
scheint  auch  hier  die  Statistik  zu  einseitig  verwertet,  da  der  Stilunter- 


Römische  Lyriker  und  Epiker.  249 

schied  der  Dichtungsgattungen  ganz  unberflcksichtigt  bleibt,  der  die 
Verschiedenheiten  der  Vergtrschen  Werke  besser  erklärt  als  der  chro- 
nologische. 

171)  H.  T.  Karsten,  De  Tibulli  elegiaruro  structura.  Mnemosyne 
XV  2  S.  211—236. 

172)  B.  Eschenbnrg,  V^ie  bat  Ovid  einzelne  Wörter  und  Wort- 
classen  im  Verse  verwandt?    Progr.    Lübeck  1886.    39  S.    4. 

fiberlassen  wir  den  Specialreferenten.  No.  172  giebt  sich  als  Beitrag  zur 
Einheitsfrage  der  Heroides  des  Ovid. 

173)  Johannes  Draheim,  De  Phaedri  senario.  Fleckeisen' s 
Jahrb.  139.  Bd.  1889.     S.  429—431. 

174)  Robertns  Doering,  De  Silii  Italici  epitomes  re  metrica  et 
genere  dicendi.    Diss.    Strafsbnrg  1886.    68  8.   4. 

175)  P.  Verres,  De  Tib.  Silii  Italici  Punicis  et  Italici  Uiade  latina 
quaestiones  grammaticae  et  metricae.    Diss.   Münster  1888.   92  S.   8. 

176)  E.  Kranich,  Die  Alliteration  bei  P.  Papinius  Statins  L  Progr. 
Mähr.  Neustadt  1886.    23  S.    8. 

177)  Ludwig  Friedlaender,  M.  Valerii  Martialis  epigrammaton 
libri.  Mit  erklärenden  Anmerkungen.  2  Bde.  Leipzig  1886.  623  u. 
546  S.    8. 

178)  0.  Unreim,  De  Aviani  aetate.    Diss.    Jena  1886.    64  S.   8. 

179)  Job.  Draheim,  De  Aviani  elegis.  Fleckeisen^s  Jahrb.  143.  Bd. 
1891.    S.  509—511. 

180)  L6on  Vernier,  La  versification  populaire  en  Afrique.  Gom- 
modien  et  Verecundus.    Revue  de  philologie  XV  1891  1  8.  14-33. 

181) ,  Notes  sur  Gommodien.    Ebenda  8.  117—130. 

Nach  No.  173  wahrt  Phaedrus  das  sog.  Dipodiengesetz ,  vgl.  vor- 
letzten Bericht  No.  81  und  letzten  Bericht  No.  98,  streng  sowie  auch 
das  Gesetz  Ober  iambische  Schlüsse,  ferner  läfst  er  Wort-  und  Vers- 
accent  im  2. — 4.  Fufs  immer  zusammenfallen.  —  No.  174  und  176  be- 
handeln die  Frage,  ob  die  Ilias  latina  von  Silius  Italiens  sei  oder  nicht, 
heben  aber  auch  manches  metrische  hervor.  Döring  hatte  schon  früher 
im  Programm  des  Strafsburger  Lyceums  v.  1884  über  den  Uomerus  la- 
tinus  gebandelt  und  empfiehlt  in  No.  174  die  Vermutung,  dafs  die  Ilias 
latina  vom  Verfasser  der  Punica  sei,  er  behandelt  die  Verteilung  der 
Spondeen  und  Dactylen,  spondeische  Versausgänge,  Gäsuren  und  Elision. 


250  Metrik 

Verres  im  metrischeo  Teile  S.  48  —  80  luilersacht  alle  17  Bücher  der 
Panica,  während  D.  oar  I,  IX  und  XVU  berflcksichtigt  Ergebnis  ist: 
strenge  Anwendung  der  metrischen  Gesetze  in  der  Ilias,  laxerer  Versbau 
der  Ponica.  vgl.  aach  Ed.  Altenborg,  Observationes  in  Italici  Iliadis 
Latinae  et  Silii  Italici  Punicorum  dictionem.  Diss.  Marpurgi  Cattomm 
1890.  64  8.  8.  —  No.  177  enthält  in  der  Einleitung  I.  8.  26-50  (vgl. 
Nachträge  II,  S.  641)  Znsammenstellongen  Ober  Martial's  Versbau;  der 
Abschnitt  Ober  das  elegische  Distichon  ist  von  Tb.  Birt.  —  Über  No.  178 
8.  unsern  Jahresbericht  LIX.  Bd.  (1889.  II)  S.  111  fg.  ~  No.  179  bespricht 
Cäsuren  und  Wechsel  zwischen  Wort-  und  Versbetonung.  —  Nach  No.  180 
ist  der  Text  des  (^ommodian  conservativer  zu  gestalten;  nur  die  zwei 
letzten  Verse  zeigten  noch  die  klassische  Verteilung  der  Worte  und 
Accente,  sonst  gäbe  es  keine  Rücksicht  auf  Wortaccent  nach  populärer, 
an  keine  Quantität  sich  bindender  Art,  s.  No.  46  und  131.  vgL  Gaston 
Boissier,  M61anges  Benier,  1887  (Bibl.  des  Hautes  Stades,  fasc.  73), 
8.  51  fg.  —  No.  181  textkritische  Durchfflhrung  dieser  Aufstellungen. 

182)  M.  Manitius,  Über  Hexameterausgänge  in  der  lateinischen 
Poesie.     Rhein.  Mus.  46.  Bd.  1891.    8.  622—626. 

Statistisches  über  die  Hexameterausgänge  in  monosyilabum  und 
auf  vier-  und  mehrsilbige  Wörter  von  Lucrez  bis  auf  die  Angelsachsen 
des  7.  Jahrb.  mit  Aidbelm  und  Baeda. 

Nachtrag. 

Zu  No.  29  vgl.  C.  V.  Jan,  Rhein.  Mus.  46.  Bd.  8. 557 — 596:  In  dem 
Auszug  des  Werkes  des  Bacchius  ist  das  Rhythmisch-metrische  ungleich- 
wertig: §  89 — 92  berührt  sich  mit  Chöroboscns,  93—98  ans  der  Schule 
des  Aristoxenus,  der  Schlufs  aus  der  der  ouyLnkixovreQ. 

Zu  No.  151  vgl.  Richard  Klotz,  Metrisches  zu  Plautus  Gasina. 
Fleckeisen's  Jahrb.  143.  Bd.  1891.  S.  829  — 847.  1.  Gäsurhiat  in  den 
acrostichischen  Argumenten,  aber  nicht  in  den  nicht- acrostichischen,  noch 
weniger  im  Plautus,  letzteres  im  Anschlufs  an  die  Beweisführung  in 
No.  151  S.  165 ff.,  gegen  die  0.  Seyffert  (s.  No.  151)  sich  gewendet  hat, 
der  jedoch  damit  nicht,  wie  Verf.  geschlossen  hatte,  den  Hiat  selbst  ver- 
teidigen wollte,  was  Ref.  authentisch  erfahren  hat  und  hiermit  berichtigt. 
2.  Die  einzelnen  Bestandteile  und  der  ganze  Bau  der  Gantica  wird  auf 
Grund  der  überlieferten  Versabteilung  nach  Verf.*s  Grundsätzen  erklärt. 


Bericht  über  Geographie  von  Griechenland. 

Von 

Dr.  Eaj;en  Oberhummer 

in  München. 


n.   Die  westgriechisclien  Inseln. 

Die  Litteratur  über  die  ionischen  Inseln  bis  zam  Jahre  1874  bezw. 
1879  findet  sich  ziemlich  vollständig  verzeichnet  bei  Wiebel,  Kephalonia 
8. 1 — IX  und  Riemann,  Recherches  I  S.  2f.O,  wozu  für  Veröffentlichungen 
von  griechischer  Seite  noch  Miliarakis  S.  79^)  zu  vergleichen  ist;  Litte- 
raturnachweise  über  die  einzelnen  Inseln  sollen  unten  noch  besonders 
namhaft  gemacht  werden. 

Von  zusammenfassenden  Arbeiten  über  die  ionischen  Inseln  ist, 
abgesehen  von  allgemeinen  geographischen  und  Reisewerken  über  Griechen- 
land, welche  bereits  in  meinem  ersten  Bericht  aufgeführt  sind'),  in  erster 
Linie  zu  nennen: 


1)  Zur  Ergänzung  obiger  Verseichnisse  führe  ich  aus  meiner  Litteratur- 
zusammenstellung  noch  an: 

J.  Lee,  Antiquarian  Researcbes  in  the  lonian  Islands  in  the  year  1812. 
Archaeologia  Bd.  XXXIII  (1849)  8.  36-64,  T.  II  u.  111  (hauptsächlich  Ithaka 
betreffend). 

Hen  Cook,  Tour  in  the  lonian  Islands,  Greece  and  Constantinople. 
London  1851  (unzugänglich). 

H.  M.  Drummond,  Catalogue  of  the  Birds  foond  in  Corfou  and  the 
other  lonian  Islands  Annals  and  Magazine  of  Natural  History  Bd  XII  (1843) 
S.  412-423. 

A.  V.  Reumont,  Die  ionischen  Inseln  unter  venezianischer  Herrschaft. 
Histor.  Zeitschr.  VIII  (1862)  8.  13-37  und  die  dort  (S.  13)  angeführte  Litteratur. 

3)  Bezüglich  des  wichtigen  Litteraturverzeichnisses  von  Miliarakis,  auf 
welches  ich  häufig  zurückzukommen  haben  werde,  verweise  ich  auf  meine 
Anzeige  in  Bd.  64  8.  349  und  437  dieses  Jahresberichts. 

8)  Einige  Arbeiten  zur  Flora  der  ionischen  Inseln  wurden  ebenfalls 
bereits  dort  (S.  384  f.)  besprochen. 


252  Geographie  von  Griechenland. 

OthoDRiemaDD,  Recherches  archöologiqoes  sor  les  lies  ioDiennes. 
Paris,  Ernest  Thorin.  I.  Corfou.  1879.  68  S.  M.  3.  —  IL  C^pha- 
lonie.  1879.  70  S.  M.  3.  —  III.  Zante.  IV.  C^rigo.  V.  Appendice. 
1880.  66  S.  M.  3,50.  (Biblioth^que  des  £coles  fran^aises  d' Äthanes 
et  de  Rome.    Fase.  8,  12,  18) 

Da  jede  der  vorgenannten  Inseln  für  sich  behandelt  ist,  werde  ich 
aof  die  einzelnen  Teile  der  wichtigen  Arbeit  an  entsprechender  Stelle 
zorttckkommen ;  hier  sei  nur  erwähnt,  dafs  der  »Appendicet  (H.  III 
S.  49—60)  zahlreiche  Berichtigangen  zu  den  vorhandenen  Karten  enthält 
und  zwar  auch  für  die  sonst  nicht  behandelte  Insel  Leokas,  fOr  welche 
Herr  Stamatelos  in  Sta.  Maura  dem  Verf.  Materialien  lieferte. 

Als  Vorläufer  der  unten  zu  besprechenden  vortrefflichen  Mono- 
graphien der  ionischen  Inseln  erschien 

J.  Partsch,  Bericht  über  die  wissenschaftlichen  Ergebnisse  seiner 
Reisen  auf  den  Inseln  des  Ionischen  Meeres.  Sitzungsber.  d.  k.  preufs. 
Ak.  d.'Wiss.   1886  Bd.  36  S.  616—28. 

Verf.  macht  hier  Mitteilungen^)  über  die  einst  wertvolle,  aber 
selten  gewordene  Karte  von  Korfu  von  Gironci  und  Rivelli  (Paris  18  60) 
sowie  über  die  niemals  veröffentlichten,  in  dem  grofsen  Mafsstab  von 
1:10660  ausgeführten  Aufnahmen  der  Insel  aus  der  Zeit  der  englischen 
Verwaltung,  welche  ihm  erst  nach  langem  Bemühen  zugänglich  wurden 
und  nun  eine  Hauptgrundlage  für  seine  neue  Karte  (s.  u.)  bildeten. 
Ferner  berichtet  der  Verf.  über  zwei  im  Besitze  von  Hm.  Prof.  Romanos 
in  Korfu  befindliche  handschriftliche  Werke  über  die  Insel,  von  denen 
das  eine  (86  Bl.  in  4.)  von  Dr.  Stelio  Vlassopulo  im  J.  1811  verfafst 
wurde  und  statistischen  Inhaltes  ist,  das  andere  (118  Bl.  in  4.)  ans  dem 
J.  1824,  als  dessen  Verf.  der  1814  —  31  in  Korfu  wirkende  sizilianische 
Arzt  Dr.  Benza  nachgewiesen  wurde,  eine  sehr  brauchbare  Natur- 
beschreibung der  Insel  enthält.  In  Anschlufs  hieran  legt  nun  P.  die 
Ergebnisse  seiner  geologischen  Durchforschung  von  Korfu  sowie  seiner 
Wanderungen  auf  Kephalonia  —  die  auch  von  dieser  Insel  einst  vorhan- 
dene Karte  gelang  es  ihm  nicht  mehr  aufzufinden  —  dar,  welche  dann 
später  in  den  unten  besprochenen  Monographien  umfassende  Verwendung 
gefunden  haben. 

Ich  wende  mich  nun,  da  von  anderweitigen  allgemeinen  Arbeiten 
über  unsere  Inselgruppe  nichts  zu  erwähnen  ist,  zur  nördlichsten  und 
bekanntesten  dieser  Inseln,  nämlich 

Eerkyra. 

Die  ältere  Litteratur  über  Korfu  findet  man  verzeichnet  bei  Bursian 
II  366  f.  A.,  Riemann  I  6  f.,  Gregorovius  S.  33 — 46  (s.  u.),  und  am  voll- 


1)  Aasfflhrlicher  wiederholt  in   der   Einleitung  zur   Monographie    von 
Korfu,  8.  n. 


Kerkyra.  263 

ständigsten  bei  Partsch,  Korfu  S.  1 — 8,  wo  die  wichtigeren  Vorarbeiten 
einer  eingehenden  Kritik  unterzogen  sind;  dazu  für  griechische  Litteratur 
Miliaralcis  S.  84  f. 

Unter  allen  in  neuerer  Zeit  über  Korfu  erschienenen  Schriften 
beansprucht  unstreitig  den  ersten  Rang 

Joseph  Partscb,  Die  Insel  Korfu.  Eine  geographische  Mono- 
graphie. Mit  einer  Karte  der  Insel  Korfu  und  drei  Nebenkarten.  Er- 
gänzungsbeft  No.  88  zu  »Petermanns  Mitteilungen«.  Gotha^  Justus 
Perthes.     1887.    4.     (VI)  97  S.     1  T.     M.  6,40. 

Die  Schrift  zerfällt  in  zwei  Hauptteile,  »Naturbeschreibung«  und 
»Anthropogeographie«,  denen  ein  Kapitel  »Litterarische  Vorstudien»  vor- 
ausgeschickt ist.  Letzteres  giebt  eine  kritische  Übersicht  der  vorhan- 
denen Litteratur,  wobei  insbesondere  das  handschriftliche  ViTerk  Benzas 
und  die  englische  Originalaufnahme  (s.  o.  S.  252)  eingehend  besprochen 
werden.  Den  weitaus  gröfseren  Teil  der  »Naturbeschreibung«  nimmt  die 
ausführliche  Schilderung  des  Gebirgsbaues  nach  den  drei  natürlichen 
Abteilungen,  dem  nördlichen  Bergland,  der  Inselraitte  und  dem  südlichen 
Hügellande  ein ;  das  geologische  Moment  tritt  dabei  stark  in  den  Vorder- 
grund und  würde,  so  wertvoll  das  beigebrachte  Material  ist,  durch  die 
sehr  ins  Einzelne  gehende  Darstellung  den  Leser  wohl  ermüden,  wenn 
dieselbe  nicht  durch  treffende  kleine  Landschaftsbilder  unterbrochen 
würde.  Zu  den  anziehendsten  Schilderungen  letzterer  Art  gehört  die- 
jenige der  Lage  des  Klosters  Arkodila  auf  der  äufsersten  Südspitze  der 
Insel.  Von  sprachlichem  Interesse  ist  die  lokale  Bezeichnung  poufiaTpa 
für  unterirdische  Wasserabzüge,  welche  sonst  in  Griechenland  gewöhnlich 
xazaßo^pat  (in  Epirus  )(^wveuTpat)^)  heifsen  (S.  18 f.  u.  ö.)-  Im  Anhang 
zu  dem  orographisch-geologischen  Abschnitt  giebt  P.  ein  Verzeichnis  der 
von  Korfu  bekannten  Erdbeben,  unter  denen  sich  auffallender  ViTeise, 
wie  auch  bei  den  übrigen  ionischen  Inseln,  keines  aus  dem  Altertum 
befindet. 

In  der  Behandlung  des  Klimas  (S.  44—55)  bewährt  P.  aufs  Neue 
seine  schon  in  der  »Physikalischen  Geographie  von  Griechenland«  so 
glänzend  bekundete  Meisterschaft,  das  trockene  Zahlenmaterial  zu  einem 
lebensvollen  Gesamtbilde  zu  verarbeiten,  in  welchem  Temperatur,  Nieder- 
schläge, Bewässerung«  Luftbeweguug  und  Malaria  ihre  entsprechende  Be- 
rücksichtigung finden. 

Im  zweiten  Hauptteil,  der  uns  hier  am  meisten  interessierenden 
» An  thropogeographie«  wird  zuerst  die  Lage  der  Insel  nach  ihren 
Beziehungen  zu  Epirus  und  Unteritalien,  sowie  nach  ihrer  Bedeutung 
für  den  Mittelmeerverkehr   erörtert.     Die  Küste nbeschreibuug   be- 


1)  Vgl.  über  diese    Terminologie  Bursian  Geogr.  I  21  u.  196  und  Neu- 
maon-Partsch  Phya.  Geogr.  8  243  A   l. 


254  Geographie  *od  GriecbenluHl, 

ginnt  mit  einer  anziehenden  Schilderuag  der  Hauptstadt,  deren  mo- 
derner Name  zuerst  bei  Lintpraud  (leg.  Const.  968  p-  C-)  in  der  Form 
Coriphu$  nachweisbar  isL  Hieran  schlierst  sieb  die  Hitteilung  dessen, 
was  wir  TOD  der  antiken  Stadt  wissen,  die  der  Verf.  in  Obereinstimmnng 
mit  allen  neueren  Forschern  anf  die  Halbinsel  von  Analipsis  verlegt- 
BezOglicb  des  brliaisclieu  nnd  des  AlkioooB-Hafeos  (Lagune  von 
Kalicbiopolo  und  Bncht  von  Kastrades)  scblierst  sich  P.  ebenfalls  der 
allgemeinen  und  «oh IbegrQ ödeten  Ansicht  an,  kommt  jedoch  blnsichtlicb 
der  Lage  des  Heraions  zu  einer  neuen.  In  geschickter,  durchaus  an- 
sprechender BegrOndung  weifs  P.  die  Lage  des  Heraions  auf  dem  für 
das  Landschaftsbild  von  Korfn  so  charakteristischen  Doppelfelsen  der 
Citadelle  wahrscheinlich  zn  machen,  nnd  nicht  ohne  Bedauern  siebt  der 
Leser  die  ihm  schoa  zur  Überzengnng  gewordene  Hypothese  durch  die 
eindringenden  Untersuchungen  von  B.  Schmidt  (s.  u.)  wieder  erschüttert. 
Natörlich  ist  nun  auch  fQr  P.  die  Thuc  III  7&  extr.  erwähnte  Insel  mit 
der  IV  76  genanuten  Ptychia  identisch  und  uichts  anderes  als  das 
nördlich  von  der  jetzigen  Stadt  gelegene  luselchen  Vido.  Die  Vermu- 
tung, dafs  die  au  erster  Stelle  erwähnte  Insel  seit  dem  Altertum  land- 
fest geworden  sein  könne,  weist  P.  ebenso  wie  die  Beziehung  auf  den 
Bnrgfelseu  selbst  oder  auf  das  viel  zu  kleine  Pontikonisi  am  Eingang 
des  hyllälscheo  Hafens  mit  Recht  zurQck.  Die  Einwohnerzahl  der  alten 
Stadt  schlagt  P.  nicht  ganz  doppelt  so  hoch  an  als  die  des  heutigen 
Korfn  mit  seinen  Vorstädten  (etwa  50  MO- 
Es folgt  nun  die  Beschreibung  der  Qbrigen  Kflste  und  ihrer  (durch- 
weg unbedeutenden)  Ausiedlungen  nnd  Ländeplätze.  Besonders  hervor- 
zuheben sind  hier  die  Mitteilungen  Ober  das  alte  Kassiope  an  der 
Nordknste,  an  dessen  Stelle  jeUi  nur  mehr  mittelalterliche  Ruiuen  stehen, 
sowie  aber  die  Aufserst  selten  besuchten  othooischen  Inseln  im  Nord- 
westen von  Kerkyra,  auf  denen  ebenfalls  keiue  Spuren  aus  dem  Altertum 
vorhanden  sind.  Die  immer  wiederkehrenden  Versuche,  die  homerische 
Schilderung  von  Scberia  in  Korfu  zu  lokalisieren,  weist  P.,  wie  die 
meisten  Forscher  seit  Welcker,  von  kurzer  Hand  und  nicht  ohne  Ironie 
znrflck,  bestätigt  im  Übrigen  die  täuschende  Ähnlichkeit  der  Klippe 
Karavi  (Kravia)  bei  Kap  Kepbali  mit  einem  segelnden  Schiff  (S.  72f.). 
Das  bei  Ptol.  111  13,  9  (14,  11)  genannte  Vorgebirge  'Afufinupptz  —  so, 
nicht  'Afifnaij-Sos  oder  'Aft^inaj-os,  sei  nach  E.  Maller  zu  lesen  —  erkennt 
P.  nicht  mit  Borsian  u.  A.  im  Asprokavo  (Capo  Biauco)  der  SOdspitze, 
sondern  sucht  es  im  nCrdlicheu  Teil  der  Westküste,  etwa  bei  Angelo- 
kastro. 

Der  III.  Abschnitt  des  aolbropugeograpbischeo  Teiles  ist  der  Be- 
schreibung des  Strafseouetzes  uud  der  AnsJedlungen  im  lonern  der 
luäel    gewidmet,   aus  deren  Namen   interessante  Schlosse  auf  die  Ge- 
sctiichie  der  Bevölkerung  gezogen  werden.    Unter  der  Überschrift  >  Die 
ertung    des    Bodeus«  wird  sodann   die   Bewaldung    uud  dereu 


\ 


Kerkyra.  255 

ROckgaDg  seit  dem  Altertum,  die  Fauna,  der  Ackerbau,  die  Weinkultur, 
die  Ölbaumzucht  u.  dgl.  besprochen.  Im  letzten  Abschnitt  endlich,  welcher 
»Bevölkerungs-Statistik«  Überschrieben  ist,  wird  zunächst  eine  Be- 
rechnung der  Bevölkerung  von  Kerkyra  im  Altertum  versucht,  wobei  P. 
zu  einem  etwas  höheren  Ergebnis  (tlber  100  000)  gelangt  als  Beloch 
(70  000).  Hierauf  folgen  Mitteilungen  über  die  Bevölkerungsverhältnisse 
im  15.  und  16.  Jahrhundert  und  eine  nach  Gemeinden  geordnete  Über- 
sicht der  Ortschaften  mit  den  Bevölkerungszahlen  von  1766  (veneziani- 
scher Gensus),  1803  (Vlassopulo)  und  1879,  sowie  eine  Charakteristik 
der  Bevölkerungsbewegung.  Ungern  vermifst  man  die  Beigabe  eines 
Ortsregisters. 

Die  Karte  ist  in  dem  grofsen  Mafsstabe  von  1 :  100000  ausgeführt 
und  läfst  selbstverständlich  alle  früher  veröffentlichten  Karten  weit  hinter 
sich,  so  dafä  bis  zu  der  nunmehr  zu  erhoffenden  Neu- Aufnahme  vou 
Griechenland  jede  Darstellung  der  Insel  von  P.  auszugehen  hat.  Neben- 
karten bilden  ein  elegant  gezeichneter  Plan  der  Hauptstadt  und  ihrer 
Umgebung  (alte  Topographie  in  Rot)  in  1 :  35  000,  sowie  eine  geologische 
und  eine  bevölkerungs- statistische  Skizze  der  Insel,  letztere  beiden  in 
1  :  300  000. 

Ausschliefslich  die  physikalische  Geographie  betreffen  folgende  Ar- 
beiten, bei  denen  wir  uns  so  mehr  mit  blofser  Anführung  des  Titels  be- 
gnügen können,  als  die  Ergebnisse  derselben  inzwischen  bereits  in  der 
eben  besprochenen  Monographie  von  Partsch  Berücksichtigung  gefunden 
haben: 

Th.  Fuchs,  Die  Pliocänbildungen  von  Zante  und  Korfu.  Sitzungs- 
bericht der  k.  k.  Ak.  d.  Wiss.  zu  Wien,  Math.-naturw.  Kl.  Bd.  75  (1877) 
S.  309     320. 

F.  Bö  SS  er.  Das  Klima  von  Korfu,  bei  A.  Mommseu,  Griechische 
Jahreszeiten  H.  IV  (1876)  S.  331—89.     Vgl.  Bd.  64  S.  383. 

J.  Partsch,  Das  Klima  von  Korfu,  Ztschr.  d.  österr.  Ges.  f.  Meteor. 
Bd.  XIX  (1884)  S.  223—26.     Vgl.  ebd. 

G.  Zaviziano,  L*ile  de  Gorfou  au  point  de  vue  hygi^nique. 
Bruxelles.     1876.    34  S.^) 

Die  botanischen  Arbeiten,  welche  meist  mehrere  der  ionischen 
Inseln  zugleich  betreffen,  habe  ich  bereits  Bd.  64  S.  384f.  angeführt; 
denselben  wären  noch  hinzuzufügen  die  Mitteilungen,  welche  P.  Ascher- 
son  in  den  Verhandl.  d.  botan.  Ver.  d.  Provinz  Brandenburg  Bd.  XXII 
(1880)  S.  50-56  über  Attika  und  Korfu  giebt. 

Unzugänglich  ist  mir 


1)  Mir  nur  äem  Titel  nach  bekannt. 


256  Geographie  tod  Griechenland. 

Wiet,  DescriptioD  topographique  et  statistique  de  Ttle  de  Corfoa. 
Bull,  coosulaire  frangais  1879^). 

Zahlreich  sind  die  Schilderungen  von  Korfu,  welche,  ohne  wissen- 
schaftliche Zwecke  zu  verfolgen,  lediglich  die  Eindrücke  wiedergeben, 
welche  ihr  Verfasser  beim  Besuche  der  herrlichen  Insel  empfunden  hat, 
und  je  nach  dem  Umfange  des  Gesehenen  und  dem  Geschick  der  Dar- 
stellung, mehr  oder  weniger  geeignet  sind,  dem  Leser  ein  anschauliches 
Bild  von  Land  und  Leuten  zu  gewähren.  In  der  Litteratnr  dieser  Art 
gebohrt  die  vornehmste  Stelle  dem  niedlichen  Büchlein 

Korfu.    Eine  ionische  Idylle  von  Ferdinand  Gregorovius.    Leipzig, 
F.  A.  Brockhaus.     1882.     (IV)  104  S.     12.    2.  Aufl.     1884.    M.  1.80. 

Diese  Skizze  des  berühmten  Geschichtschreibers  erschien  zuerst  in 
der  Zeitschrift  »Unsere  Zeitc*)  und  ging  aus  ihr  in  Übersetzung  von 
Spir.  Papageorgios  in  die  Zeitschriften  KXeew  (Triest)  und  'Kavea  (Athen) 
über;  auf  Veranlassung  mehrerer  Freunde  veranstaltete  der  Verf.  diese 
Sonderausgabe,  welche  dem  Inhalt  wie  der  Ausstattung  nach  ein  Gegen- 
stück zu  seiner  Schilderung  der  Insel  Capri  bildet.  Wissenschaftliche 
Untersuchungen  waren  nach  der  Absicht  des  Verf.  von  vornherein  aus- 
geschlossen; dagegen  erfreut  sich  der  Leser  an  den  mit  Meisterhand 
entworfenen  Schilderungen  der  Stadt  Korfu  und  ihrer  Umgebung,  sowie 
der  besuchtesten  Ausflüge,  wie  Beuizze,  Peleka,  Paläokastritsa  u.  s.  w. 
In  zahlreichen  historischeu  Rückblicken  und  Perspektiven  kommt  der 
Standpunkt  des  Geschichtschreibers  zum  Durchbruch,  der  sich  auch  in 
der  kritischen  Übersicht  der  wichtigsten  älteren  Werke  über  Korfu 
(S.  33 — 4G)  geltend  macht.  Man  findet  in  letzterem  Abschnitt  auch  per- 
sönliche Mitteilungen  über  einzelne  Verfasser,  so  besonders  über  den 
verdienten  Lokaiforscher  Andrea  Mustoxidi  (S.  36  ff.). 

Durch  die  anziehende,  farbenreiche  Schilderung  der  korfiotischen 
Landschaft  zeichnet  sich  ferner  aus  der  Aufsatz  des  bekannten  Zoologen 

Ernst  Haeckel,   Korfu.     Deutsche   Rundschau  Bd.  XII  (1877) 
S.  477—508. 

Besonders  hervorzuheben  sind  aus  demselben  die  Bemerkungen 
über  den  Ölbaum  Korfus,  die  Beschreibung  der  Prozession  des  hl.  Spyri- 
don  und,  zum  Schlufs,  des  Ausfluges  nach  dem  einsamen,  selten  besuchten 
See  von  Butrinto  au  der  epiro tischen  Küste. 


1)  In  Anschlufs  hieran  würden  auch  die  wertvollen  Konsulatsberichte  zu 
erwähnen  sein,  welche  von  Zeit  zu  Zeit  im  «Deutschen  Handelsarchiv«  erschei- 
nen, deren  Aufz&hlung  aber  allzuweit  aufserhalb  des  Rahmens  dieses  Jahres- 
berichts liegen  würde;  ich  habe  auf  dieselben  im  allgemeinen  bereits  Bd.  64 
S.  444  hingewiesen. 

9)  1880  n  S  481—99,  697—720. 


Eerkyra.  257 

Weit  unbedeutender  und  wenlgef  selbständig,  auch  in  den  Einzel- 
heiten nicht  immer  richtig  ist  der  Anfisatz  von 

Hermann  Reimer,  Korfn.    Im  Nenen  Reich  1880.  I.  S.  845—58. 

In  seiner  unterhaltenden,  freilich  auch  etwas  breitspurigen  Weise 
mit  manchen  zutreffendeu  Bemerkungen  tlber  politische  und  soziale  Ver- 
haltnisse plaudert  über  Korfu  der  bekannte  Politiker 

Karl  Braun-Wiesbaden  in  tReiseeindrttcke  aus  dem  Südostenc 
Bd.  II  (Stuttgart  1878)  S.  43— -128. 

Dieses  Buch  hätte  eigentlich  schon  im  ersten  Bericht  unter  den 
Reisewerken  erwähnt  werden  sollen,  mag  aber  hier  um  so  eher  nach- 
getragen werden,  als  darin  von  Griechenland  nur  die  drei  Inseln  Korfu, 
Kephallenia  und  Ithaka  behandelt  werden.  Selbstverständlich  gehören 
hierher  auch  die  in  Bd.  64  S.  41 2  ff.  besprochenen  allgemeinen  Reisewerke, 
in  denen  Korfu  als  Station  der  meisten  Orientreisenden  mehr  oder  minder 
oberflächlich  geschildert  wird;  unter  den  ausführlicheren  Darstellungen 
erinnere  ich,  neben  dem  Buche  von  R.  v.  Gerold  (S.  420),  besonders  an 
die  bekannten  Odysseischen  Landschaften  A.  v.  Warsbergs,  deren 
erster  Teil  der  Landschaft,  der  zweite  der  Geschichte  von  Korfu  gewid- 
met ist  (S.  416  f.).  ^) 

Eine  willkommene  Ergänzung  endlich  zu  den  genannten  touristi- 
schen Werken  bilden  die  leider  nicht  über  den  ersten  Artikel  hinaus- 
gelangten Schilderungen  von 

J.  Partsch,  Die  Berge  der  Ionischen  Inseln.    I.   Korfu.    Ztschr. 
d.  Deutsch,  u.  österr.  Alpenver.  1887  S.  372—87. 

« 

Neben  rein  landlschaftlicher  Zeichnung  und  praktischen  Winken  für 
den  Tonristen  giebt  diese  Skizze  dem  Leser  zugleich  einen  Einblick  in 
den  geographischen  Bau  der  Insel,  wie  ihn  nur  ihr  grttndh'cher  Durch- 
forscher in  so  engem  Rahmen  zu  bieten  vermochte. 

Wenden  wir  uns  den  Schriften  zu,  welche  sich  vorzugsweise  oder 
ausschliefslicb  mit  der  historischen  Topographie  von  Korfu  be- 
schäftigen, so  habe  ich  zunächst  einer  in  die  homerische  Geographie 
einschlagenden  Abhandlung  zu  gedenken.  Hierher  gehört  (über  den 
Vortrag  von  Zimmerer  s.u.  S.  284f.) 

Gugl.  Braun,  La  bella  Scheria  ossia  la  terra  de' Feaci.    Progr. 
del  ginn,  comun.  super,    di  Trieste.    1875.    30  S. 

Der  Verf.  sucht  in  dieser  Schrift,  die  ich  nur  aus  einer  Anzeige 


1)  Obwohl  belletristische  Erzeugnisse  an  sich  nicht  in  den  Rahmen  dieses 
Jahresberichts  gehören,  kann  ich  doch  nicht  umhin  bei  dieser  Gelegenheit 
aueb  auf  die  anziehenden,  dnrch  vortreffliches  Lokalkolorit  ausgezeichneten 
Novellen  von  Hans  Hoffmann,  Im  Lande  der  Phaeaken.  Berlin,  Paetel. 
1884,  und  Neue  Korfu-Geschichten.    Ebd.  1887,  hmzuweisen. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.    LXIX.  Bd.    (1891.    III.)  17 


258  Geographie  von  Griechenland. 

von  0.  Keller  in  der  Ztschr.  f.  'd.  öster.  Gymn.  1876  S.  212f.  kenne, 
Scheria  zur  Abwechslang  nicht  in  Korfu,  sondern  bei  Tarent,  und  hält 
ersteres  für  das  C  4  genannte  ^Tnepeta.  Im  übrigen  ergeht  sich  der 
Verf.  in  den  gewagtesten  etymologischen  Kunststücken.  Nicht  mehr  za 
bedeuten  haben  die  ganz  laienhaften  Ausführungen  Stillraans,  der  in 
seinem  Bd.  64  S.  445  genannten  Buche  die  Stadt  des  Alkiooos  auf  die 
Westseite  der  Insel  verlegt  (S.  7  ff.).  Zur  Charakteristik  der  Auffassung 
des  Verf.  mag  es  genügen,  auf  S.  2  zu  verweisen,  wonach  wir  die  Odyssee 
tmay  consider  not  only  the  ürst  history  of  travel,  but  the  first  geography, 
as  it  is  doubtless  a  compendinm  of  the  knowledge  of  the  earth's  surface 
at  the  day  when  it  was  composed,  as  the  Iliad  was  the  census  of  the 
known  mankind  of  that  epoch.c  Schade,  dafs  der  Verfasser  nicht  zur 
Zeit  Strabo's  gelebt  hat! 

Eine  durchaus  solide  Arbeit  sind  die  bereits  o.  S.  252  angeführten 
Monographien  von  Riemann,  deren  erste  Korfu  behandelt.  Nachdem 
der  Verf.  ein  kurzes  Litteraturverzeichnis  sowie  eine  geographische  Skizze 
der  Insel  vorausgeschickt  und  die  Scheria-Frage  mit  einem  vernünftigen 
Hinweis  auf  die  durchaus  märchenhafte  Schilderung  Homers  erledigt  hat, 
werden  in  §  5  die  auf  die  Topographie  von  Kerkyra  bezüglichen  Stellen 
der  Alten  zusammen  gestellt.  In  der  Bestimmung  der  Einzelheiten 
stimmt  R.  fast  durchweg  mit  Bursian  überein,  verlegt  jedoch  den  Hera- 
tempel nach  dem  Norden  der  Stadt  und  erkennt  das  Thuc.  QI  75,  4 
genannte  Inselchen  in  dem  Felshügel  der  alten  Festung,  welcher  durch 
einen  Kanal  von  der  jetzigen  Stadt  getrennt  ist  (vgl.  o.  S.  254  und  n. 
S.  260).  Hierauf  folgen  in  §  6  und  7  Auszüge  aus  neueren  Berichten 
über  die  Altertümer  von  Korfu  und  insbesondere  über  den  Tempel  von 
Kardaki,  sowie  über  die  Nekropole  der  alten  Stadt ^).  §  8  giebt  eine 
Beschreibung  der  jetzt  noch  sichtbaren  Überreste  der  alten  Kerkyra,  mit 
Facsimile  der  Menekratesinschrift  (I.G.A.  n.  342)  und  Planskizze  des  er- 
wähnten Tempels;  in  §  9  ist  das  Wenige  gesammelt,  was  R.  über  die 
Altertümer  der  Insel  aufserhalb  der  Hauptstadt  in  Erfahrung  brachte, 
worunter  eigentlich  nur  die  Mitteilung  über  die  kurz  vor  R.'s  Anwesen- 
heit aufgedeckten  römischen  Bäder  von  Benizze  (mit  dürftiger  Plan- 
skizze) von  Originalwert  ist.  §  10  —  15  endlich  enthält  eine  übersicht- 
liche Beschreibung  der  Altertümer  und  Inschriften,  welche  sich  teils  in 
der  Sammlung  des  Gymnasiums,  teils  im  Besitz  von  Privatleuten  der 
Stadt  Korfu  befinden;  die  Inschriften  sind  mit  geringen  Ausnahmen  be- 
reits anderweitig  bekannt.  Das  beigegebene  Kärtchen  dient  nur  zur 
allgemeinen  Orientierung  des  Lesers  und  ist  ohne  jeden  selbständi- 
gen Wert. 


1)  Über  die  Ausgrabung  der  Nekropolis  hauptsächlich  nach  den  schwer 
zugänglichen  Originalberichten  von  Orioli  in  der  Gazetta  degli  Stati  Uniii  deUe 
uole  Jonie  1843  und  1846. 


Eerkyra  259 

um  die  monographische  Litterator  möglichst  vollständig  za  geben, 
f&hre  ich  auch  die  beiden  folgenden  Abhandlungen  an,  welche  im  Übri- 
gen rein  historische  Untersuchungen  sind: 

A.  Hock,  Die  Beziehungen  Kerkyras  zum  zweiten  athenischen 
Seebunde.  Beilage  zum  Jahresber.  d.  k.  Gymnasiums  zu  Husum. 
1881.    4.    16  S. 

H.  Mflller-Strttbing,  Die  korkyräischen  Händel  bei  Thukydides. 
Ein  Beitrag  zur  Charakteristik  des  Geschichtscbreibers.  Neue  Jahr- 
bQcher  f.  Philol.  u.  Pädag.  Bd.  133  (1886)  S.  585—648. 

Hierher  gehört  auch 

Macan,  The  political  Constitution  of  Gorcyra.  Transact.  of  the 
Oxford  Phil.  Soc.  1886/87  8.  25—32. 

Der  Titel  dieses  mir  unzugänglichen  Aufsatzes  ist  aus  Bibl.  philol. 
class.  1887  S.  290  entlehnt. 

Die  weitaus  wichtigsten  Untersuchungen  zur  Topographie  von  Ker- 
kyra  seit  Riemanu  und  Partsch  lieferte 

Bernhardt  Schmidt,  Korkyräische  Studien.  Beiträge  zur  Topo- 
graphie Korkyras  und  zur  Erklärung  des  Thukydides,  Xenophon  und 
Diodoros.  Mit  zwei  Karten.  Leipzig,  Druck  und  Verlag  von  B.  6. 
Teubner.     1890.    8.    (IV)  102  S.   2  T.     M.  2,40. 

Verf.  analysiert  zunächst  die  Nachrichten  des  Thukydides  über  K, 
wobei  er  zur  Erklärung  des  Geschichtschreibers  mancherlei  wertvolle 
Winke  giebt  und  besonders  auch  gegen  die  oben  angefahrte  Abhandlung 
von  Müller -Strttbing  Stellung  nimmt.  Die  eigentlich  topographischen 
Untersuchungen  beginnen  in  Kap.  II  mit  einem  kurzen  Überblick  der 
Insel;  gegen  Partsch  wird  bemerkt,  dafs  der  sOdliche  Teil  nicht  Levkimo, 
sondern  'AAeuxi^  der  nordwestliche  nicht  Agbiru,  sondern  rä  lupou  heifst, 
und  letztere  Benennung  schärfer  begrenzt.  Kap.  IH  beschäftigt  sich  mit 
der  Topographie  der  alten  Stadt,  besonders  was  die  Lage  der  Häfen 
und  der  Akropolis  betrifft;  letztere  ist  wahrscheinlich  südlich  von  der 
Analipsiskirche  anzusetzen  (S.  27).  Arsenal  und  Werfte  befanden  sich 
bereits  zur  Zeit  des  peloponnesischen  Krieges  am  Alkinooshafen^).  Kap.  IV 
bespricht  die  Überreste  der  alten  Stadt.  Bezüglich  des  Tempels  von 
Kardaki  sucht  S.  nachzuweisen,  dafs  derselbe  einem  Heilgotte  geweiht 
war;  ein  anderer  Tempel  wird  an  der  Stelle  der  Panagia  von  Palaeopolis 
vermutet  (S.  31f.).  In  Kap.  V  werden  die  von  Thukydides  erwähnten 
Heiligtümer  behandelt,  von  denen  diejenigen  des  Zeus,  des  Alkinoos,  des 
Dionysos  und  der  Dioskuren  nicht  mehr  näher  zu  bestimmen  sind.    Ein* 


1}  Vgl.  S.  23,  26  und  87  A.  79,  gegen  Bursian  H  360. 

17' 


260  Geographie  von  Griechenland. 

gehend  wird  die  von  Partsch  nea  angeregte  Frage  des  Heratempels 
and  der  vor  demselben  gelegenen  Insel  (vgl.  o.  S.  254)  erörtert  (S.  84 
bis  46).    Im  Gegensatz  za  Partsch  setzt  S.  voiaas,  dafs  die  namenlose 
Insel  Thnc.  III  75  von  Ptychia  ib.  IV  76  verschieden  ist;  doch  scheint 
mir  seine  Beweisffihrnng  zum  Mindesten  nicht  zwingend.    Da  nun  S.,  wie 
alle  neueren  Forscher,  Ptychia  für  Vido  hält,  roufs  die  Insel  vor  dem 
Heraion  anderwärts  gesucht  werden  und  S.  erkennt  dieselbe,  wie  auch 
die  G.I.G.  II  1840  genannte  Insel,  mitLeake  und  Riemann  in  der  Fels- 
höhe der  alten  Festung;   dem  sie  von  der  heutigen  Stadt  trennenden 
Kanal  (o.  S.  258)  schreibt  er,  wieder  im  Gegensatz  zu  Partsch,  antiken 
Ursprung  zu   und  begründet  diese  Ansicht  in  nicht  unwahrscheinlicher 
Weise.    Selbstverständlich  mufs  hiernach  S.  auch  der   so  flberzeugend 
vorgetragenen  Hypothese  von  Partsch  entgegentreten,  welche  den  Hera- 
tempel an  die  Stelle  der  Citadelle  versetzt,  und  sucht  denselben  nun 
(mit  Philit&s   und  Romanos)  auf  dem  Hflgel  des  Klosters  H.  Euphemia 
im   Norden   der   Palaeopolis,   indem  gleichzeitig  auf  Grund  von  Thnc 
ni  79,  1  angenommen  wird,  dafs  der  Tempel  innerhalb  der  Stadtmauer 
gelegen   war.     Eine  wichtige   Stütze   erhält  S.*s  Ansicht   hauptsächlich 
durch  I.G.A.  346,   in  welcher  Inschrift  ^Axp(a  wohl  nur  von  Hera  ver- 
standen werden  kann.    Alles  in  Allem  glaube  ich  kaum,  dafs  mit  S.'s 
Untersuchungen  die  schwierige  Frage  der  Topographie  von  K.  für  jeder- 
mann abgeschlossen  ist;  aber  die  Berichte  des  Thukydides  und  die  Er- 
gebnisse der  Lokalforschung  sind  nunmehr  so   gründlich    durchgeprüft, 
dafs  jeder  Einzelne  auf  Grund  der  Schriften  von  Partsch  und  Schmidt 
sich  jetzt   sein  Urteil  selbständig  bilden   kann   und  höchstens  das  Be- 
dürfnis fühlen  wird,  durch  Anschauung  an  Ort  und  Stelle  sich  die  Ent- 
scheidung zu  erleichtern. 

Kap.  VI  »Ausdehnung  der  alten  Städte  enthält  beachtenswerte 
Mitteilungen  über  die  Nekropole  und  die  dort  gefundenen  Altertümer, 
Kap.  VII  erläutert  in  trefflicher  Weise  den  Bericht  Xenophons  (Hell.  VI  2) 
von  dem  Unternehmen  der  Spartaner  unter  Mnasippos  gegen  K.  (873  v. 
Chr.).  Wichtig  ist  endlich  das  Schlufskapitel  wegen  der  Bestimmung 
des  Berges  Istone  (Thuc.  IH  85,  4;  IV  46,  1),  dessen  Name  S.  in  über- 
zeugender Weise  in  dem  heutigen  Vis  ton  as  nachweist  Beigegeben 
sind  ein  übersichtliches  Kärtchen  der  Insel  in  1 :  300  000  und  ein  ele- 
ganter Plan  der  Hauptstadt  und  Umgebung  (in  etwas  gröfserem  Mafs- 
stab  als  bei  Partsch).  Der  Eindruck  der  ganzen  Schrift,  welche  kein 
Leser  des  Thukydides  unbeachtet  lassen  sollte,  ist  ein  sehr  vorteilhafter 
durch  die  Knappheit  der  Form  bei  reichem  Gehalt,  die  eindringende 
Forschung  und  Reife  des  Urteils.  Eine  äufsere  Unbequemlichkeit  ist  die 
Trennung  der  zahlreichen  Anmerkungen  vom  Text,  welche  den  Leser 
zum  fortwährenden  Vor-  und  Rückwärtsschlagen  nötigt,  dankenswert  die 
Beigabe  eines  Registers. 

Schmidt  erwähnt  8.  90  A.  107  die  Aufdeckung  eines  antiken  6e- 


Kerkyra.  261 

bändes  auf  einem  Herrn  Eonst.  Earapanos,  dem  bekannten  Politiker 
and  Entdecker  Dodona*s,  gehörigen  Gmndstflck.  Über  diese  Ausgra- 
bungen, welche  von  einem  Mitglied  der  französischen  Schule  in  Athen, 
Hrn.  L^chat,  geleitet  wurden,  findet  man  kurze  Mitteilungen  im  AeXreov 
dpj^auoX.  1889  S.  124  (Romanos),  Athenaeum  1889  II  S.  137a  (Sp.  Lam- 
bros),  Gomptes  R.  Ac.  Inscr.  1889  8.  246  f.  (Earapanos)  und  Rev.  arch. 
1890  XV  8.  280  (8.  Reinach).  Die  Terrakottafiguren  werden  als  archai- 
sche Artemisstatuetten  bezeichnet. 

Für  die  Geschichte  Eorfus  im  Mittelalter  von  Wichtigkeit ,  aber 
ohne  direkte  Bedeutung  für  die  Geographie  der  Insel  ist 

Kepxupai'xä  dvexSora  ix  j^eepoypd^wv  'Ayeou  ^Opoo^^  Kayraßpiy{ag^ 
MovoL^ou  xal  Kepxupac  vuv  rd  npwTov  di^fiomeuofidva  und  2nup.  IL 
jidfinpou,    *Ev  'A&^vaic  ix  rou  runoYpa^eiou  Ilapvaffaoü  1882.    84  S. 

Vieles  auch  geographisch  Bemerkenswerte  enthalten  dagegen  die 
von  Sathas^)  herausgegebenen  Capüula  Corcyrae^  welche  ebenso  wie 
anderes  Quellenmaterial  aus  der  venezianischen  Periode,  so  insbesondere 
die  Diarii  des  Marino  Sanudo,  bereits  von  Partsch  mehrfach  herangezogen 
worden  sind. 

Eine  der  wichtigsten  Quellen  für  antike  Topographie  bilden  be- 
kanntlich die  Inschriften.  Obwohl  nun  hier  nicht  der  Ort  ist,  über 
dieselben  eingehend  zu  berichten,  glaube  ich  doch  vielen  Lesern  einen 
Gefallen  zu  erweisen,  wenn  ich  in  diesen  Berichten,  welche  einen  Über- 
blick der  gesamten  neueren  Litteratur  über  die  griechischen  Inseln  zu 
geben  bestrebt  sind,  wenigstens  in  aller  EOrze  die  Fundstätten  des  so 
weit  zerstreuten  Inschriftenmateriales  verzeichne  und  dabei,  so  weit  es 
meine  Aufzeichnungen  erlauben,  über  den  Zeitraum  dieses  Jahresberichtes 
zurückgreifend  unmittelbar  an  das  Corp,  Inscr.  Graec,  anknüpfe.  8elbst- 
verst&ndlich  werde  ich  in  solchen  Fällen,  wo  bereits  an  einem  anderen 
Orte  eine  derartige  Litteraturzusammenstellung  vorliegt,  einfach  auf  diese 
verweisen  und  dabei  dieselbe  lediglich  ergänzen.  Fundorte  korkyräi- 
scher  Inschriften  sind  also: 

Corp.  Inscr.  Graec.  II  p.  13—38,  986  s.  (1843);  Archäol.  Zeit.  1846 
8.  377—86;  Transact.  R.  Soc.  Lit  N.  8.  II  1—3  (1847);  A.  Mustoxidi, 
Delle  cose  Gorciresi.  Vol.  I  (1848);  Rhein.  Mus.  N.  F.  XVIII  537-83 
(1863);  Rev.  arch.  N.  8.  XII  311  —  313  (1866),  III.  8.  IV  87  (1884); 
Hermes  II  136—39  (1867);  Mitteil.  d.  arch.  Inst.  11  289—91  (1877); 
Riemann  a.  a.  0.;  Inscr.  Gr.  ant.  p.  78—81  (1882);  G.  T.  Newton,  Collec- 
tion  n  29 — 32  (1883).  Weitere  Nachweise  in  diesem  Jahresbericht 
Bd.  15  S.  70,  Bd.  32  8.  134,  Bd.  52  8.  535. 


1)  Documents  inödits  relatife  k  l'histoire  de  la  Gr^ce  au  moyen  äge. 
T.  V  (Paris  1884)  S.  219-328. 


262  Oeographie  ▼od  Oiiechenland. 

Die  beiden  Inselo  Paxos  and  Antipaxos  (im  späteren  Altertam 
Propaxos),  welche  in  der  alten  Litteratur  in  den  wenigen  Fällen,  wo 
sie  Überhaupt  erwähnt  werden,  anter  dem  Namen 

Faxoi 

znsammengefafst  zu   sein   pflegen,   werden   trotz   der  Nähe  von    Eorfu 

äufserst   selten   besncht.     Mit   ihnen   beschäftigt  sich  nur  ein  einziges 

neueres  Buch  (s.  jedoch  auch  u.  S.  278)i  dieses  dafür  allerdings  in   um 
so  eingehenderer  Weise,  nämlich 

Paxos  und  Antipaxos.  Wflrzburg  und  Wien,  Verlag  von  Leo  Woerl. 
1887.  4.  (XVIII)  480  S.  100  T.  M.  80,  kart.  M.  35,  geb.  M.  40.  — 
II.  Auflage  (Volksausgabe).    1889.    Kart.  M.  20. 

Verf.  des  Werkes  ist  Erzherzog  Ludwig  Salvator^)  von  Toscana, 
von  dessen  zahlreichen,  meist  Mittelmeerlandschaften  behandelnden  Wer- 
ken eines  bereits  im  ersten  Bericht  (Bd.  64  S.  414,  445)  besprochen 
wurde.  Das  vorliegende,  in  Bezug  auf  Papier  und  Druck  mit  vornehmem 
Luxus  ausgestattete  Werk  zerfällt  in  zwei  Hauptteile,  von  denen  der 
erste  die  Verhältnisse  der  Inseln  und  ihrer  Bewohner  im  allgemeinen 
behandelt,  der  zweite  eine  eingehende  topographische  und  landschaftliche 
Schilderung  der  beiden  Inseln  enthält.  Der  erste  Hauptteil  beginnt  mit 
einem  geschichtlichen  Überblick,  für  welchen  Prof.  Romanos  in  Korfu 
wertvolles  Material  aus  dem  Mittelalter  und  der  neueren  Zeit  beibrachte; 
von  Resten  aus  dem  Altertum  ist  nach  S.  6  f.  aufser  gelegentlichen  MOnz- 
fnnden  (namentlich  in  Antipaxos)  nur  eine  angeblich  von  Paxos  stam- 
mende Grabschrift  ans  römischer  Zeit  bekannt^).  Die  physikalische  Be- 
schreibung der  Inseln  ist  im  Ganzen  ziemlich  kurz  gehalten;  hervorzu- 
heben sind  die  meteorologischen  Beobachtungen  vom  21.  Dez.  1884  bis 
31.  März  1885,  welche  Ober  Temperatur  und  Luftdruck  zur  Mittagszeit, 
sowie  Ober  die  Witterungsverhältnisse  und  Windrichtung  Aufschlufs  geben. 
Die  folgenden  Kapitel  (4—15)  des  ersten  Hauptteiles  sind  ethnographisch- 
statistischer Natur.  Das  umfänglichste  derselben  führt  die  Aufschrift 
»Bevölkerungc  und  belehrt  über  Zahl,  Altersstufen  und  Beschäftigung 
der  Bewohner,  ihre  Sprichwörter  und  Redeweise,  wobei  allerdings  auch 
viele  allgemein  gebräuchliche  Ausdrücke  als  lokale  Eigentümlichkeiten 
angeführt  werden,  ferner  über  Sitten,  Gebräuche,  Spiele,  Tracht,  Haus- 
bau,  woran  sich  ein  Verzeichnis  aller  Häusergruppen  nach  Gemeinden 


1)  Am  AuTsentitel  (Umschlag)  ist  der  Verf.  genannt.  Die  beiden  Aas- 
gaben unterscheiden  sich  nur  durch  Titel  und  Einband. 

>)  Vgl.  Mustoxidi ,  Delle  cose  Gore.  S.  323  N.  162.  Der  vom  Verf.  von 
»Paxosc  S.  7  erwähnte  Anonymus  von  Korfu  ist,  wie  wir  jetst  durch  Partsch 
(Korfu  h).  3)  wissen,  Dr.  Benza. 


Paxoi.  263 

uod  üntergemeinden  schliefst.  In  besonderen  Abschnitten  wird  sodann 
Ton  Ackerbau  (mit  Charakteristik  der  sonstigen  Kulturpflanzen),  Vieh- 
zucht, Jagd,  Fischfang,  Schiffahrt  (Schiffsbau!),  Bergbau  (meist  Stein- 
brucharbeit) und  Industrie  gehandelt;  von  allgemeinerem  ethnographi- 
schen Interesse  ist  in  diesen  Kapiteln  die  genaue  Beschreibung  und 
Abbildung  der  zum  Ackerbau  und  Fischfang  dienenden  Geräte,  sowie 
einiger  Industrieerzeugnisse.  Kurze  Mitteilungen  über  den  Handel,  Ver- 
kehrsmittel und  die  Verwaltung  der  Inseln  beschliefsen  den  allgemeinen 
Teil.  Der  zweite  Hauptteil  enthält,  wie  erwähnt,  die  spezielle  topogra- 
phisch-landschaftliche Beschreibung,  deren  Hauptinteresse  für  den  Leser 
in  den  zahlreichen,  nach  Originalzeichnungen  des  Verf.  hergestellten 
Illustrationen  liegt.  Die  Verfolgung  des  Textes  wird  hier  leider  durch 
den  Mangel  einer  Karte  sehr  erschwert,  welche  mit  Benützung  und  Ver- 
grOfserung  der  allerdings  sehr  ungenügenden  englischen  Seekarte  wohl 
ohne  zu  grofse  Mühe  hätte  hergestellt  werden  können.  Die  Pläne  von 
Porto  Gayo  und  einigen  andern  Landeplätze  können  über  den  Mangel 
einer  solchen,  die  wichtigsten  örtlichkeiten  verzeichnenden  Übersichts- 
karte nicht  hinweghelfen.  Eine  besondere  Zierde  des  Werkes  sind  die 
anhangsweise  beigefügten  »Staffagen«  (S.  449—76),  prächtige,  mit  tiefem 
Gemflt  und  feiner  künstlerischer  Empfindung  gezeichnete  Typen  aus  der 
Bevölkerung  von  Paxos.  Bei  diesen  Vorzügen  des  Werkes  ist  es  nur 
zu  bedauern,  dafs  auf  die  äufsere  Form  des  Textes  bei  der  Drucklegung 
nicht  immer  die  nötige  Sorgfalt  verwendet  wurde  und  in  Bezug  auf  Inter- 
punktion und  Satzfügung  sowie  auf  die  Schreibung  der  griechischen  Worte 
sich  ziemlich  viele  Flüchtigkeiten  und  Ungenauigkeiten  eingeschlichen 
haben,  welche  besonders  beim  Lesen  der  historischen  und  statistischen 
Abschnitte  störend  wirken. 

L  e  u  k  a  s. 

Die  ältere  Litteratur  verzeichnet  Referent  in  seinem  »Akarnanien« 
8.  Vn--IX,  vgl.  S.  226  A.  1,  und  Miliarakis  S.  86.  Wegen  Karten  siehe 
»Akarnanienc  S.  7  A.  2  und  S.  279,  auch  das  Verzeichnis  in  Bd.  64 
S.  486  f.  und  Partsch  a.  a.  0.  S.  1.  Letzterer  konnte  die  von  Riemann 
a.  a.  0.  III  68  erwähnte  Karte  von  Semitekolos  aus  dem  vorigen  Jahr- 
hundert nicht  mehr  auffinden  (s.  jedoch  u.  S.  286). 

Die  einzige  geographische  Beschreibung  der  Insel  giebt 

Joseph  Partsch,  Die  Insel  Leukas.  Eine  geographische  Mono- 
graphie. Mit  einer  Karte  der  Insel  Leukas.  Ergänzungsheft  N.  96 
zu  »Petermanns  Mitteilungen«.  Gotha,  Justus  Perthes.  1889.  4.  30  S. 
1  T.    M.  2,60. 

Die  Monographie  steht  derjenigen  über  Korfu  an  Umfang  erheblich 
nach,  was  sich   sowohl' aus  dem  kleineren  Areal  (287  gegen  693  qkm) 


264  Geographie  von  ChriedieiiUuid. 

ab  auch  ans  der  Dfirftigkeit  des  QaelleDmaterials  bei  Lenkas  and  der 
kflrzereo  Zeit,  welche  der  Verf.  der  letzteren  Insel  widmen  konnte,  er- 
klftrt.  Die  Eigentflmlichkeit  von  Leukas,  welches  nicht  wie  die  flbrigen 
Inseln  dorch  einen  offenen  Meeresann  vom  Festland  getrennt  ist,  sondern 
durch  ein  amphibisches  Lagnnengebiet  lose  mit  demselben  rasamraen- 
hängti  bedingte  die  Yoranstellnng  eines  besonderen  Kapitels  Aber  »die 
Lagnnec,  in  dem  die  Frage  der  ehemaligen  Festlandsverbindnng  von 
Leukas  nnd  dessen  Lostrennung  durch  die  korinthischen  Ansiedler  ein- 
gehend erörtert  wird.  Verf.  kommt  hierbei  teilweise  zu  anderen  Ergeb- 
nissen als  Ref.  in  seiner  unten  angeffihrten  Untersuchung,  worfiber  meine 
Besprechung  in  der  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  1891  Sp.  1329 --34  zu 
vergleichen  ist.  Ich  verweise  auf  dieselbe  auch  bezflglich  des  Inhalts 
der  beiden  folgenden  Kapitel  »das  Berglandc  und  »Natur  und  Koltnrc, 
welche  sich  im  wesentlichen  an  die  Behandlung  von  »Korfu«  anschliefsen. 
Ebenso  stimmt  auch  die  Karte  in  Mafsstab  und  Ausführung  mit  der- 
jenigen von  Korfu  flberein;  beigegeben  ist  ein  Plan  der  Hauptstadt  und 
ihrer  Umgebung  im  doppelten  Mafsstab  der  Hauptkarte  ^). 

Einen  Auszug  nach  Partsch  nebst  einer  Abbildung  des  Kap  Du- 
kato  giebt 

H.  Seidel,  Die  Insel  Leukas.    Globus  Bd.  57  (1890)  8.  146-47. 

Zur  physikalischen  Geographie  von  Leukas  wäre  noch  zu 
erwähnen  eine  vom  griechischen  Marineministerium  veranlafste  Spezial- 
aufnahme  des  Vorgebirges  Dukato  (Leukatas)  und  einer  vorgelegenen 
Untiefe,  welche  Miliarakis  N.  987  unter  folgendem  Titel  anftlhrt: 

Emplacement  du  basfond  döterminö  par  le  Gapitaine  de  oorrette 
Andr6  Ant.  Miaoulis  1882.  *E$e86^ij  bnb  zou  ^Tnoupy*  rtov  yaxßvtxmv 
iv  ^XXip  fierä  dtaYpdjxiiaroQ  rou  äxpam/jp.  Aouxdrou  ^  Aeuxdra  r^c 
AeuxdSoQ^  hip  xarcuSeixvöerai  ^  dveups^eura  u^Xoi  eIq  IlXdroQ  B»  38^ 
88'  26",  M^xoQ  *A.  20°  88'  22"  Metr^ßp.  Fpsvoui^cfou, 

Ich  habe  diese  Publikation  ebenso  wenig  zu  Gesicht  bekommen 
wie  einen  gleichfalls  von  Miliarakis  N.  988  angeführten  Aufsatz 

Tb  ixpwTTjptov  r^^  AeuxdSoc  und  11.  ^EoTKpoQ  1884  S.  160. 


1)  Nachzutragen  wäre  ans  Partsch,  Kephallenia  S.  2  a  A.  2  der  Hinweis 
auf  das  Blatt  Santa  Maura  bei  P.  Coronelli,  Isolario  delP  Atlante  Yeneto  I 
(Yen.  1696),  welches  wegen  des  damals  aktuellen  Interesses  —  die  Insel  wurde 
1684  venezianisch  —  in  aufsergewöhnlich  groXsem  Mafsstab  mit  zahlreichen 
Einzelheiten  ausgeführt  ist.  Da  weder  Ref.  noch  Partsch  bei  Abfassung  ihrer 
Monographien  über  Leukas  von  diesem  Blatte  Kenntnis  hatten,  ist  dasselbe 
bei  künftigen  Studien  über  die  Topographie  der  Insel  der  Beachtuug  zu  em- 
pfehlen.   Y^.  auch  u.  S.  286. 


Lenkas.  265 

Über  die  Naturprodukte  der  Insel  berichtet  ein  (bei  Miliarakis 
fehlender)  Ä,  A,  gezeichneter  Artikel 

77  napäyet  ^  jieuxäc  xal  r/  duvarat  vä  ixBifffj.  IHj^aLaoQ  1888 
N.  191.    4  S.  in  4. 

Die  alte  Geschichte  und  Geographie,  der  Insel  behandelt  zum 
ersten  Mal  in  erschöpfender  Weise 

Eugen  Oberhummer,  Akarnanien,  Ambrakia,  Amphilochien, 
Leukas  im  Altertum.  Mit  2  Karten.  München,  Theodor  Ackermann. 
1887.     (XVIII)  330  S.     M.  10. 

Der  Anlage  des  Buches  entsprechend,  welches  das  im  Titel  be- 
zeichnete Gebiet  als  ein  Ganzes  behandelt,  sind  die  geschichtlichen  Nach- 
richten über  Leukas  im  Text  nicht  als  solche  ausgeschieden,  aber  mit 
Hilfe  des  Registers,  bei  dem  Ref.  möglichste  Vollständigkeit  angestrebt 
hat,  leicht  aufzufinden.  Das  Gleiche  gilt  für  die  Antiquitäten,  für  welche 
auch  die  Münzen  so  viel  als  möglich  herangezogen  wurden.  Dagegen 
sind  in  dem  einleitenden  geographischen  Teil  nicht  nur,  -wie  natürlich, 
die  leukadischen  Ortschaften  im  Zusammenhang  aufgeführt  (S.  30—32), 
sondern  es  ist  auch  der  schwierigen  Frage  der  Lostrennung  Leukadiens 
vom  Festland  ein  besonderes  Kapitel  unter  dem  T.  t Leukadien  als  Fest- 
land und  Insel«  (8.  7—14)  gewidmet.  Zur  Erläuterung  desselben,  sowie 
der  bei  Leukas  spielenden  geschichtlichen  Vorkommnisse  dient  das  Kärt- 
chen f Leukas  und  Umgebung«  in  1:100  000,  während  die  Hauptkarte 
f  Akarnanien  und  das  angrenzende  Gebiete  in  1 :  300  000  eine  Übersichts- 
karte  der  ganzen  Insel  enthält,  welche  allerdings  in  der  Darstellung  des 
Inneren,  das  Ref.  leider  nicht  mehr  selbst  bereisen  konnte,  jetzt  durch 
die  Karte  von  Partsch  völlig  überholt  ist.  Dafs  letzterer  auch  bezüglich 
der  Festlandsverbindung  von  Leukas  im  Altertum  teilweise  zu  anderen 
Ergebnissen  gelangt  ist,  als  Ref.,  wurde  bereits  oben  hervorgehoben. 
Auf  ein  Versehen  des  Ref.  in  der  Umrechnung  der  Mafse  des  Isthmus 
bei  Livius  hat  Partsch  in  Verhandl.  d.  Ges.  f.  Erdk.  1887  S.  440f.  hinge- 
wiesen; es  wurde  nämlich  bei  der  Umrechnung  in  Meter  irrtümlich  der 
einfache  Schritt  {gradus  der  Feldmesser)  zu  2Vs'  röm.  (V«  m)  statt  des 
Wegeschrittes  (pasnu)  zu  5'  =  lV>m  (genauer  1.479  m)  zu  gründe  ge- 
legt; hiernach  ist  8.  9  und  12  statt  375  und  90  m  zu  setzen  750  und 
180  m  oder  genauer  739.3  und  177.42  m. 

Über  den  heutigen  Dialekt  der  Insel  handelt 

/.  N,  ZrajxariXog^  AeoxaSia  dtdXexrog,  (Zafvra  fjnfi^jieta  iv  rfj 
yXotatTj}  Tou  Xaou.  A\)  luy^pafifia  neptod,  roo  iv  K*  noXet  ^EXX. 
0iXoX.  HuXXSyou.  H'  (1873/74)  8.  363—428,  455,  462f.;  0'  (1874/75) 
8.  280-320. 

N.  //er/9^c«  Utpl  ro/y  xupuode^ndpwv  iv  Aeuxddi  fwvwv,  IJapvaa' 
aog  1884  8.  310—15  und  1885  8.  520  -23 


266  Geographie  ▼on  GriechenUnd. 

giebt  daukenswerte  geschichtliche  and  statistische  Mitteiloogen  Aber 
die  Klöster  H.  loannis,  H.  Georgios,  Phaneniomeoi  und  Asomaton 
(Michael  Archangelos)  sowie  die  /i£rj/;<i  des  letzteren  H.  loaonis  sto 
Rodaki  und  H.  Kerykos  (zu  Athani)'). 

Touristische  SchilderuDgen  von  L.  giebt,  abgesehen  von  Bik^las 
(Bd.  64  S.  420)t  dessen  Mitteilungen  sich  übrigens  auf  die  Hauptstadt 
beschränken,  meines  Wissens  nur  AI.  v.  Warsberg,  der  in  seinen  be- 
reits wiederholt  angeftkhrten')  »Odysseischen  Landschaften«  auch  Leuka- 
dien  einige  Kapitel  gewidmet  hat  (III  365 — 420).     Vgl.  n.  S.  285. 

Inschriften  von  Leukas  findet  man  C.I.G.  II  S.  58 f.,  988:  I.G.A. 
S.  78;  Bull,  de  Tficole  frang.  d'Ath^nes  1868  S.  91-93;  Mvrjioirjvr^  I 
1852  S.  180—82;  '£in;/x.  nov  ^cAofiaBcjv  XVI  1868  S.  1649-71  (die 
zwei  letzten  Citate  nach  Miliarakis). 

In  dem  Meeresteil  zwischen  Akamanien,  Leukas  und  Ithaka  befin- 
den sich  noch  eine  Anzahl  kleinerer  Inseln,  welche  hauptsächlich  in  die 
Grnppen  der  taphischen  und  in  die  der  Echinaden  zerfallen.  Die- 
selben sind,  soweit  sie  für  die  alte  Geographie  und  Geschichte  in  Frage 
kommen,  in  meinem  »Akarnanienc  (s.  besonders  S.  20ff.)  berficksichtigt 
und.  abgesehen  von  Meganisi,  auch  von  Miliarakis  in  seinem  Buche  Qber 
Kephallenia  (s.  u.)  mit  einbezogen  worden.  Letzterer  führt  aufserdem 
unter  N.  991  — 94  seiner  Bibliographie  einige  ältere  Aufsätze  über  Me- 
ganisi (Taphos),  Maduri  und  Kalaroos  (Kamos)  an.  Ferner  ist  Me- 
ganisi sowohl  auf  der  Karte  als  im  Text  (S.  21f.)  von  »Partsch,  Leukase 
mit  inbegriffen  worden  (keine  Spuren  einer  antiken  Ortschaft,  nur  Grä- 
ber!), während  über  Kalamos  Bikelas  a.  a.  0.  S.  29ff.  einige  kurze  Mit- 
teilungen giebt. 

Wir  kommen  nunmehr  zu  der  Inselgruppe 

Ithaka  und  Kephallenia. 

welche  wegen  ihrer  geographischen  Zusammengehörigkeit  mehrfach 
auch  als  ein  Ganzes  behandelt  worden  ist:  wir  stellen  deshalb  die  zu- 
sammenfassenden Arbeiten  voraus,  um  dann  die  spezielle  Litteratnr  über 
jede  der  beiden  Inseln  folgen  zu  lassen.  Der  Vorrang  gebührt  natnr- 
gemäfs  wieder  der  Arbeit  von 

Joseph  Partsch,  Kephallenia  und  Ithaka.  Eine  geographische 
Monographie.  Mit  einer  Karte,  zwei  Plänen  und  fünf  Skizzen  im  Text. 
Ergäuzungsheft  Nr.  98  zu  »Petermanns  Mitteilungenc  Gotha«  Justus 
Perthes.     1890.     4.    (IV)  108  S.     2  T.    M.  6. 

Wie  bei  Korfu  zerfällt  auch   hier  die  Darstellung  in  zwei  Hanpt- 


1)  über  die  Mo^r;  rwv  \i.  Ilaripw>  erschien   nach  Miliarakis  N.  984  ein 
ÄufsAtz  von  Stamatelos  in  "E^ß.  ?»>  ftAo/cta^»>  1868  S.  1686. 
*)  S.  Bd.  64  S.  415  f.  and  o.  S.  257. 


Ithaka  and  Eephallenia.  267 

teile ,  »Naturbeschreibung«  und  »Kulturgeographiec  (dort  > Anthropo- 
geograpbie«);  im  einzelnen  weicht  die  Verteilung  des  Stoffes,  besonders 
im  II.  Teil,  mehrfach  von  dem  früheren  Schema  ab.  Durch  umfassendere 
Ausnützung  des  historischen  Quellenmateriales,  besonders  aus  veneziani- 
scher Zeit,  ist  es  dem  Verfasser  auch  gelungen,  das  Bild  der  Inselgruppe 
im  Vergleich  zu  Korfu  noch  um  wesentliche  Züge  zu  bereichern,  wie  er 
dieselbe  auch  von  allen  ionischen  Inseln  am  eingehendsten  durch  eigene 
(viermalige!)  Bereisung  kennen  gelernt  zu  haben  scheint.  So  darf  die 
Beschreibung  Kephallenias  und  Ithakas  wohl  als  die  inhaltreichste 
und  am  meisten  durchgearbeite  von  den  vier  trefflichen  Monographien 
bezeichnet  werden,  wie  sie  schon  an  äufserem  Umfang  die  andern 
übertrifft. 

Vorausgeschickt  ist  wie  bei  Eorfu  eine  kritische  Einleitung  über 
die  Vorarbeiten,  welche  sich  jedoch  hier  vorzugsweise  auf  die  Anführung 
der  neuesten  Litteratur  beschränken  konnte,  da  die  älteren  Arbeiten 
bereits  bei  Wiebel  (siehe  unten)  vollständig  verzeichnet  sind.  Der  erste 
Hauptteil  sondert  sich,  wie  bei  »Eorfu«,  in  einen  Abschnitt  über  den 
Gebirgsbau  und  einen  solchen  über  das  Eiima.  Bei  ersterem,  in 
welchem  dem  geologischen  Moment  wiederum  ein  grofser  Spielraum 
gegeben  ist,  mufste  natürlich  jede  der  beiden  Inseln  für  sich  behandelt 
werden.  Auf  die  Einzelheiten  der  sehr  gründlichen  Beschreibung  ein« 
zugehen,  ist  hier  selbstverständlich  nicht  möglich,  nur  folgende  Punkte 
von  allgemeinerem  Interesse  möchte  ich  hervorheben.  Der  (^ame  H. 
Stephanos  für  das  Südgebirge  von  Ithaka  beruht  nach  S.  6  auf  einem 
Irrtum.  Der  fruchtbarste  und  meist  besiedelte  Teil  dieser  Insel  ist  der 
äufserste  Norden  (S.  8).  Der  Name  Bata  (Steph.  Byz.)  kann  weder  dem 
H.  Dynati  noch  einem  andern  Berge  Eephallenias  mit  einiger  Wahr- 
scheinlichkeit zugeschrieben  werden  (S.  14).  i)  S.  22f.  giebt  P.  eine  ge- 
drängte Erörterung  des  Problems  der  Meermühlen  von  Argostoli, 
welches  ja  bereits  von  Wiebol  (s.  u.)  in  erschöpfender  Weise  behandelt 
wurde.  Doch  ist  letzterem  die  wichtige  Untersuchung  von  Fouqu6  (1867) 
entgangen,  welche  zur  Lösung  des  Problemes  einen  beachtenswerten  Bei- 
trag lieferte').  Den  Schiufs  des  orographischen  Abschnittes  bildet  wieder 
eine  Übersicht  der  bekannten  Erdbeben,  über  welche  erst  seit  dem 
17.  Jahrhundert  ausführlichere  Berichte  vorliegen;  besonders  eingehend 
wird  das  grofse  Erdbeben  von  1867  behandelt.  Für  das  Klima  von 
Kephallenia  war  das  vorliegende  Material  ungleich  geringwertiger  als  bei 
Eorfu  und  mufsten  deshalb  auch  Einzelbeobachtungen  und  Erkundigungen 
bei   den  Eingebornen  in  gröfserem  Umfang  herangezogen  werden,   um 


1)  Auch  Bursian  II  872  A.  3  ftufserte  sich  schon  in  diesem  Sinne. 

^  Auch  S.  Günther,  Lehrbuch  der  Geophysik  II  590  592  hat  nach 
Wiebels  Monographie  noch  eine  kurze,  aber  eindringliche  Darstellong  der 
Frage  gegeben  (1885), 


268  Oeographie  Ton  Griechenland. 

ein  annäherndes  Bild  der  hier  herrschenden  besonderen  Verhältnisse  tu 
gewinnen. 

Der  kalturgeographische  Teil  zerfällt  wieder  in  drei  Ab- 
schnitte, deren  erster  einen  allgemeinen  geschichtlichen  Überblick  giebt. 
Soweit  derselbe  das  Altertum  betrifft,  ist  aus  demselben  hervorzuheben, 
dafs  P.  das  homerische  Dulichion  fttr  die  Halbinsel  Paliki,  Same  Ar 
das  hochaufragende  Hauptgebirge  der  Insel  hält.  Gegen  die  Annahme 
▼on  Spuren  phOnizischen  Einflusses,  wie  sie  vom  Ref.  und  A.  befftrwortet 
worden  ist,  verhält  sich  F.  durchaus  ablehnend  und  geht  sogar  soweit, 
Namen  wie  Same,  Samos  u.  s.  w.  den  semitischen  Ursprung  abzusprechen. 
Die  Bevölkerungszahl  von  Kephallenia  im  Altertum  ist  von  Beloch  unter- 
schätzt worden;  sie  kann  kaum  geringer  gewesen  sein  als  zu  Anfang 
unseres  Jahrhunderts  (S.  41).  Die  Form  KefaXw)fia  findet  sich  zuerst 
im  4.  Jahrhundert  (S.  37  b  A.  8).  Durchaus  neues  Material  bringt  P. 
ttber  das  Mittelalter  und  die  venezianische  Zeit  bei,  letzteres  auf  Grund 
der  Originalberich^e  venezianischer  Provveditori,  welche  P.  in  Venedig 
einzusehen  Gelegenheit  hatte,  ohne,  wie  er  selbst  sagt,  diese  Quelle  er- 
schöpfen zu  können.  Eine  Kartenskizze  in  1 :  800  000  (S.  43)  veranschan- 
licht  die  Siedelungs Verhältnisse  im  Jahre  1262.  Auch  die  Zeit  der  eng- 
lischen Herrschaft  und  besonders  die  treffliche  Verwaltung  von  Charles 
Napier  wird  eingehend  behandelt  und  zum  Schlufs  eine  interessante 
Parallele  zwischen  Eorfu  und  Kephallenia  gezogen,  welche  durchaus  zu 
gunsten  der  letzteren  Insel  ausfällt.  Der  zweite  und  umfänglichste  Ab- 
schnitt ist  der  Ortskunde  gewidmet.  Wie  beim  Gebirgsbau  stellt  P. 
das  kleinere  Ithaka  voran  und  bespricht  zunächst  die  frflheren  Ver- 
suche zur  Aufklärung  der  homerischen  Topographie,  unter  denen  der- 
jenige von  Dodwell  durch  sorgfältige  Beschreibung,  der  von  Leake 
durch  besonnenes  und  scharfes  Urteil  ausgezeichnet  ist.  Herchers 
bekannter  Aufsatz  geht  entschieden  zu  weit,  wenn  er  der  homerischen 
Schilderung  jede  Realität  abspricht.  Die  Verse  e2l8s,  welche  vorzugs- 
weise ffir  die  Unkenntnis  des  Dichters  von  der  wahren  Lage  Ithakas 
geltend  gemacht  werden,  erklären  sich  ans  einer  falschen  Vorstellung 
ttber  die  geographische  Orientierung  der  ionischen  Inseln,  welche  sich 
vom  Altertum  bis  zur  Gegenwart  herab  verfolgen  läfst.  Die  Ruinen  auf 
dem  Aätos  gehören  nicht  der  Stadt  Ithaka,  sondern  Alalkomenai 
an;  erstere  ist  mit  Leake  u.  A.  an  der  Bucht  von  Polis  zu  suchen. 
Der  Hafen  Rheithron  (a  186)  ist  die  Bucht  von  Aphales,  das  Nelon 
(a  186,  y  81)  die  Höhe  Kavellares  zwischen  letzterer  und  der  Bucht  von 
Polis.  Schwieriger  ist  das  Gebirge  N er i ton  zu  bestimmen.  »Die  Odyssee 
nennt  zweimal  ganz  unzweideutig  das  waldige  Neritongebirge  Ithakas 
(«22,  V  351).  Niemand  wQrde  dahinter  eine  Verwechselung  mit  der 
w  877  erwähnten  leukadischen  Stadt  Nerikos  vermuten,  wenn  nicht  der 
Schiflfokatalog  (^362)  neben  Ithaka  als  ein  von  Odysseus  beherrschtes 
Gebiet  auch  N^ptxoy  ehoüi^ißkkov  anftthrte.     Die  Erklärung,   dafs  der 


Ithaka  ond  KephaUeiiia.  269 

Dichter  hier  idas  waldige  Lenkadienc  meint,  ist  kaum  abzoweiseD.  Sie 
wird  unterstützt  durch  die  später  bei  Plin.  n.  h.  IV,  1,6  und  einem  Gram- 
matiker Lupercus  (Stepb.  Byz.  s.  v.)  vorkommenden  Namensformen  Neritis 
ffir  Leukadien,  Neritos  für  seine  alte  Hauptstadt.  Um  die  Verwirrung 
voll  zu  machen,  wird  andrerseits  bei  Dion.  Per.  IX  495  die  Namensform 
Nerikos  auf  den  Berg  von  Ithaka  tkbertragen.  Bei  dieser  Sachlage  ist 
die  Berechtigung  der  Unterscheidung  von  Nerikos  (Leukas)  und  Neritos 
(auf  Ithaka)  durchaus  zweifelhaft.  Die  Möglichkeit  mufs  zugegeben  wer- 
den, dafs  aus  der  waldigeu  Landschaft  Neritos,  die  der  Schiffskatalog 
kennt,  das  Missverständnis  eines  Odysseedichters  einen  Berg  auf  Ithaka 
machte,  den  spätere  Geschlechter  dort  dann  natttrlich  herausfanden.  — 
Die  Entscheidung  liegt  rein  in  der  Quellenanalyse,  namentlich  in  der 
Frage,  ob  der  Schiffskatalog,  wie  v.  Wilamowitz-MöUendorf  annimmt, 
wirklich  älter  ist,  als  die  in  Frage  kommenden  Teile  der  Odyssee f 
(S.  60b  A.  8).  Die  Triften  des  Eumaios  sucht  F.  nach  der  Schilderung 
des  Dichters  (^6ss.,  399,  o  38,  w  160)  auf  der  Hochfläche  Marathi&  im 
äufsersten  Sttden,  dort  auch  den  Felsen  Koraz  und  die  Quelle  Arethusa 
(v  408),  während  der  Hafen  des  Phorkys  (v  96,  345)  in  der  Bucht  von 
Vathy  wiederzuerkennen  ist.  Letztere  kam  übrigens  erst  in  neuerer  Zeit 
zur  Geltung,  da  im  Altertum  der  Schwerpunkt  Ithakas  im  Norden  lag. 
Im  Mittelalter  wird  die  Insel  unter  dem  Namen  V<ü  di  Compare^  auch 
»Klein-Kephallenia«,  erwähnt. 

Die  Ortskunde  von  Kephallenia  gliedert  sich  nach  folgenden 
durch  Natur  und  Geschichte  abgegrenzten  Gebieten:  l.  Die  nördliche 
Halbinsel  Erisos  mit  dem  Thal  Pylaros;  geringe  Reste  aus  dem  Alter- 
tum; venezianische  Festung  Assos.  2.  Der  Osten  mit  den  höchst  impo- 
santen Ruinen  der  Stadt  Same,  die  zwar  schon  öfters  beschrieben 
worden  sind,  aber  erst  dnrch  P.  eine  topographische  Aufnahme  erfahren 
haben,  welche  in  einem  besonderen  Plane  (1:10  000)  niedergelegt  ist. 
3.  Der  Südosten  (Pyrgi,  Arakli,  Koronus)  mit  den  minder  bedeutenden 
Ruinen  von  Pronnoi  und  einem  interessanten  und  ausgedehnten,  aber 
noch  nicht  genau  untersuchten  Paläokastro  bei  Asprogeraka^).  4.  Der 
Soden  (Valta,  Skala,  Katelios,  Elios,  Ikosimia,  Livatho).  5.  Der  Westen 
mit  den  Ruinen  von  Krane,  welche  diejenigen  von  Same  an  Grofsartig- 
keit  noch  ttbertreffen  und  von  P.  gleichfalls  in  1 :  10  000  aufgenommen 
wurden*),  der  venezianischen  Festung  H.  Georgios  und  der  modernen 
Hauptstadt  Argostoli.  6.  Das  Bergland  der  Inselmitte  (Talamiaes,  Ho- 
mala,  Potamiana,  Thinea),  wo  die  menschlichen  Ansiedelungen  am  spär- 
lichsten vertreten  sind;  die  Frage  nach  dem  Heiligtum  des  Zeus  Aint- 
sios  hält  P.  trotz  der  auf  dem  Gipfel  des  Ainos  nachgewiesenen  Opfer- 


1)  Von  Miliarakis  fOr  Pronnoi  gehalten,  s.  u.  S.  272. 

S)  Beide  Pläne  sind  auf  T.  11  vereinigt.    Bei  Krane  sind  besonders  auch 
die  Einwendungen  von  P.  gegen  Biedermann  (s.  u.)  zu  beachten. 


270  Geographie  ?on  Griechenland. 

Stätte  noch  nicht  für  erledigt.  7.  Die  f^estliche  Halbinsel,  das  Gebiet 
der  alten  Stadt  Pale,  welche  unter  den  vier  St&dten  der  Insel  die  ge- 
ringsten Ruinen  hinterlassen  hat;  ihre  Erbin  ist  das  moderne  Lixori, 
die  Rivalin  von  Argostoli. 

Der  III.  Abschnitt  des  zweiten  Teiles  handelt  von  der  »Verwertung 
des  Bodens«  und  giebt  wertvolle  Mitteilungen  Ober  die  Geschichte  des 
Waldes  sowie  Ober  Fauna,  Ackerbau,  Obst-  und  Ölbaumzucht  u.  s.  w., 
und  besonders  ttber  die  Kultur  der  Korinthe,  deren  Geschichte  ein 
eingehender  Exkurs  gewidmet  ist.  Die  Berichte  der  venezianischen 
Provveditori  ergaben  für  diesen  wirtschaftlichen  Abschnitt  besonders 
reiches  Material. 

Die  Karte  von  Kephallenia  und  Ithaka  stimmt  in  Mafsstab 
(1 :  100  000)  und  Technik  mit  denjenigen  von  Korfn  und  Leukas  fiberein 
und  gilt  für  dieselbe  das  Gleiche,  was  fiber  die  grundlegende  Bedeutung 
jener  bereits  gesagt  wurde.  Wünschenswert  wäre  es  gewesen,  wenn 
neben  der  Darstellung  des  Landes  auch  das  Relief  des  Meeresbodens 
durch  Tiefenzablen  und  einige  Isobathen  veranschaulicht  worden  wäre; 
auf  Grund  der  englischen  Seekarte  hätte  dies  leicht  geschehen  können. 

Wie  bei  »Korfu«,  macht  sich  auch  hier  der  Mangel  eines  Registers 
fühlbar. 

Die  zweite  Hauptschrift,  welche  sich  mit  Kephallenia  und  Ithaka 
als  einer  zusammengehörigen  Gruppe  beschäftigt,  verdanken  wir  dem 
rührigsten  unter  den  geographischen  Schriftstellern  Griechenlands.  Der 
Titel  lautet 

r&iDypa/fpia  noXertxij  via  xai  dp)[aia  rou  vofiou  Ke^aXXi^veac*  Ae- 
^a^Ai^v/a,  Ibdxrj^  ''Aroxogy  'Apxoüdi,  KdXafioQ,  Kaarb^  xal  'E^evdie^  fierä 
yewjpajfpixou  nivaxoq  und  AvTwveoü  Mr^kiapdxri.  ^A^fjvyjCtv  ix  rou 
Tonoypa^eioü  zwv  'ASeA^äiv  Ihpp^.     1890.     8.    272  S.    1  T.    M.  4,60. 

Nach  der  Lektüre  der  ganz  auf  dem  Boden  moderner  geographi- 
scher Forschung  stehenden  Monographie  von  Partsch  ist  es  schwer  einer 
Arbeit  wie  der  vorliegenden  gerecht  zu  werden.  Indessen  wird  man 
wohl  schon  nach  dem  Wortlaut  des  Titels,  der  ja  nur  eine  »politische 
Geographiec  verspricht,  nicht  zu  viel  von  der  Behandlung  physikalischer 
Verhältnisse  erwarten,  und  wird  es  dem  Verf.  auch  nicht  zu  hoch  an- 
rechnen, wenn  seine  Darstellung  mehr  an  die  Schablone  unserer  älteren 
Kompendien  als  an  den  Geist  moderner  Länderkunde  erinnert,  von 
welchem  allerdings  zu  seinen  Landsleuten  noch  kaum  ein  Hauch  gedrun- 
^n  ist.  Abgesehen  hiervon  und  abgesehen  von  den  zahlreichen  stören- 
den Druckfehlern  in  den  deutschen  und  italienischen  Gitaten  mufs  das 
Buch  als  eine  anerkennenswerte  Leistung  bezeichnet  werden,  welche  von 
fleifsiger  Benützung  der  Litteratur  ~  freilich  mit  Ausnahme  der  eng- 
lischen, welche  gerade  hier  am  wichtigsten  gewesen  wäre  —  und  eifriger 
Autopsie  zeugt.    Am  meisten  zu  bedauern  ist  jedenfalls,   dafs  für  die 


Ithaka  UDd  Eephallenia.  271 

VeröfTeotlichuDg  nicht  das  Erscheinen  der  Monographie  von  Partsch 
abgewartet  wurde,  deren  schöne  Resultate  so  wahrscheinlich  nur  einem 
ganz  verschwindend  kleinen  Teil  der  litterarischen  Kreise  Griechenlands 
bekannt  werden;  anderseits  hätte  gewifs  auch  Partsch  manche  brauch- 
bare Notiz  aus  dem  Buche  entnehmen  können,  wenn  dieses  seinerseits 
frtther  erschienen  wäre.  Dafs  der  Verf.  gleichzeitig  mit  der  Arbeit  von 
Partsch  an  die  Öffentlichkeit  trat,  deren  bevorstehendes  Erscheinen  ihm 
nicht  unbekannt  sein  konnte,  hat  seinen  Grund  übrigens  in  äufseren 
Verhältnissen,  ttber  welche  man  in  dem  die  Stelle  eines  Vorwortes  ver- 
tretenden 'EmioiroQ  Auskunft  findet. 

Das  Buch  beginnt  mit  einer  Übersicht  der  zum  Nomos  E.  gehö- 
renden Bezirke  und  Inseln  und  wendet  sich  dann  zur  Beschreibung  von 
Eephallenia,  ttber  dessen  Areal  S.  168  A.  2  verschiedene,  sehr  von 
einander  abweichende  Ziffern  angeführt  werden.  Ich  erwähne  dies  be- 
sonders, weil  sich  Partsch  in  seinen  Monographien  ttber  die  so  aufser- 
ordentlich  variierenden  Arealbestimmungen  der  ionischen  Inseln^)  beharr- 
lich ausschweigt;  wir  erfahren  zwar  aus  den  am  Schiufs  jeder  Mono- 
graphie gegebenen  Zusammenstellungen,  dafs  Korfu  693,  Leukas  (ohne 
die  Nebeninseln)  287  und  Eephallenia  757  (Ithaka  94)  qkm  haben  soll, 
aber  nirgends  wird  gesagt,  wie  der  Verf.  zu  diesen  Ziffern  gekom- 
men ist.*) 

Nach  einem  Abrifs  der  physikalischen  Geographie  {Awx^  Uepe- 
ypojfpif)^  welcher  jedoch  durchweg  ein  tieferes  Eingehen  auf  die  Landes- 
nator  vermissen  läfst,  folgt  die  spezielle  Beschreibung  (Eidex^  Uepiypa^i^) 
der  Inseln,  bei  welcher  der  Verf.  löblicher  Weise  nicht  die  Einteilung 
nach  Demen,  sondern  nach  den  natürlichen,  im  Volke  überall  bekannten 
Gauen  zu  gründe  gelegt  hat,  deren  Grenzen  auch  auf  der  Earte  ange- 
deutet wurden^).    Hieran  schliefst  sich  als  Zrariartxij  ein  Verzeichnis 


1)  Vgl.  hierzu  auch  Petermanns  Mitteilungen,  Erg&nzungsheft  62  S.  16  f. 
und  101  S  34. 

>)  Einigen  Aufschlufs  hierüber  giebt  Biedermann,  Die  Insel  Eephallenia 
S.  2  A.  2,  wo  die  Ergebnisse  zweier  planimetrischer  Messungon  von  Partsch 
iflr  Eephallenia  mitgeteilt  sind,  die  übrigens  mit  der  obigen  Ziffer  nicht  stim- 
men. Man  darf  wohl  annehmen,  dafs  die  endgültigen  Ziffern  für  Eephallenia 
sowohl  als  für  die  andern  Inseln  dnrch  Messung  mit  dem  Planimeter  auf  den 
von  Partsch  neu  gezeichneten  Earten  gewonnen  wurden.  Auffallend  bleibt, 
dafs  in  der  neuesten  Ausgabe  der  »Bevölkerung  der  Erde«  (Pet.  Mitt.  a.  a.  0.) 
hierauf  nicht  Rücksicht  genommen  wurde;  dort  ist  noch  nach  der  frühereu 
Gothaer  Messung  Eorfu  mit  712,  Eephallenia  mit  664  qkm  angeführt. 

S)  Von  Einzelheiten  will  ich  nur  die  sonderbare  Notiz  von  dem  Felsen 
flirpa  Uoü  Kouviirai  (S.  78)  beim  Vorgebirge  Akrotiri  (Südspitze  der  Halb- 
insel Paliki)  hervorheben,  welcher  seit  dem  Erdbeben  von  1867  in  beständiger 
Bewegung  von  Osten  nach  Westen  sein  soll  (?);  ich  erinnere  mich  nicht 
anderswo  davon  gelesen  zu  haben. 


272  Geographie  Ton  Griechenland. 

aller  Ortschaften  nach  Deinen  und  der  Volkszählung  von  1889,  unter 
Kotvwvix^  KardtnaütQ  sodann  Mitteilungen  demographischer  Natur,  dar- 
unter heachtensvverte  Bemerkungen  fiher  kephallenische  Orts-  und  Fa- 
miliennamen (S.  98  ff.)  9  sowie  statistische  Angaben  aus  dem  16.  und 
18.  Jahrhundert.  Das  Kapitel  J'  üpoiovra  handelt  von  den  Erzeugnissen 
der  Insel,  E'  üuyxoevwv^a  von  den  Fahrstrafsen  und  sonstigen  Verkehrs- 
einrichtungen,  c'  giebt  ein  alphabetisches  Verzeichnis  der  auf  Kephallenia 
vorkommenden  Familiennamen.  Die  Beschreibung  von  Ithaka  (S.  127 
bis  167)  ist  nach  dem  gleichen  Schema  gegliedert.  Entsprechend  kurz 
sind  natürlich  die  kleinen  Inseln  behandelt,  welche  noch  zum  Nomos 
Kephallenia  gehören  und  kaum  je  von  europäischen  Reisenden  besucht 
wurden,  nämlich  Atoko,  Arkudi,  Kalamos,  Kastos  und  die  Echi- 
naden.i) 

Auf  die  Anmerkungen  zu  diesem  ganzen  ersten  Teil,  welche  on- 
zweckmäfsiger  Weise  mitten  in  das  Buch  gedruckt  sind,  folgt  nun  der 
zweite  Teil,  'Ap^a/a  Fewirpa^ea,  welcher  wieder  in  zwei  Abschnitte,  IJpo't- 
aropexi)  UepcodoQ  (d.  i.  homerische  Topographie)  und  'laroptx^  Iltpiodos 
zerfällt.  Ausgangspunkt  des  erstereu  ist  natttrlich  Ithaka,  bezQglicb 
dessen  der  Verf.  im  wesentlichen  den  ablehnenden  Staudpunkt  Horchers 
teilt.  Eingehend  beschäftigt  den  Verf.  Dulichion  (S.  199 ff.),  das  er, 
ebenso  wie  Aigilips  und  Krokyleia  (^633)  auf  Kephallenia  sucht; 
ffir  die  Taphier  nimmt  derselbe  sowohl  Meganisi  als  das  Kloster  Taphio 
auf  Kephallenia  in  Anspruch,  Asteris  (^846)  hält  er  fOr  eine  Erfin- 
dung des  Dichters  und  die  Beziehung  auf  die  Klippe  Daskalio  fttr  unzu- 
lässig. Im  zweiten  Abschnitt  wird  zusammengestellt,  was  wir  Ober  die 
Topographie  der  Inselgruppe  in  historischer  Zeit  wissen;  hierbei  ist  zu 
bemerken,  dafs  der  Verf.  die  Stelle  von  Pronnoi  im  Gegensatz  zu 
anderen  Forschern  nicht  an  der  Küste  bei  Porös  sondern  in  dem  Kastell 
Kdarpo  t^q  Huptäg  bei  Asprogeraka  (Partsch  S.  76)  sucht  (S.  222 f.). 
Ein  bibliographisches  Verzeichnis,  welches  besonders  aus  der  neuesten 
griechischen  Litteratur  dankenswerte  Nachweise  enthält,  und  ein  drei- 
geteiltes Register  (Kephallenia,  Ithaka  u.  s.  w..  Alte  Geographie)  be- 
schliefsen  nebst  dem  Nachwort  das  Buch. 

Die  beigegebene  Karte,  welche  übrigens  gefällig  ausgeftlhrt  ist, 
beruht  im  wesentlichen  ganz  auf  der  englischen  Seekarte,  deren  Mafsstab 
sie  wiederholt;  im  einzelnen  findet  man  zwar  eine  Anzahl  dort  fehlender 
Ortschaften  eingetragen  oder  in  ihrer  Lage  berichtigt,  doch  konnte  die 
weit  durchgreifendere  Umgestaltung  der  Karte  von  Kephallenia  und 
Ithaka  durch  Partsch  hier  leider  noch  nicht  verwertet  werden. 


1)  Hierzu  die  Kärtchen  S.  162  und  167.  Über  Meganisi  (Tapbos) 
s.  0.  S.  266.  Eine  Übersicht  des  ganzen  Archipels  zwischen  Ithaka,  Leukas 
und  dem  Festland  giebt  die  Karte  zu  meinem  »Akarnanieof. 


Ithaka.  273 

Einen  antiehenden  Bericht  ttber  seine  Reise  auf  beiden  In- 
seln giebt 

Georg   BiedermaoD,   Kephalonia   und  Ithaka.    Jahresber.  der 
Geogr.  Ges.  in  Mttnchen  für  1886  S.  21  —  53. 

Hiermit  schliefse  ich  die  Betrachtung  der  Arbeiten,  welche  Eephalle- 
nia  und  Ithaka  als  eine  zusammengehörige  Gruppe  behandeln  und  be- 
ginne nunmehr  mit  der  besonderen  Litteratur  Ober 


Ithaka. 

Ältere  Litteratur  findet  man  bei  Bursian  II  866  f.  A.  4;  Partsch, 
Kephallenia  S.  54 f.;  Miliarakis  S.  81  f. 

Die  ansehnlichste  Monographie  aus  neuerer  Zeit,  welche  sich  dem 
Titel  nach  nur  mit  der  kleinen  Insel  beschäftigt,  ist  - 

Ithaka.  Von  Alexander  Freiherr  von  Warsberg.  Mit  ffinf 
Aquarellfarbendrucken,  einer  Karte  und  40  Phototypien  nach  Origi- 
nalen von  Ludwig  Hans  Fischer.  Wien.  Verlag  von  Karl  Gerold's 
Sohn.     1887.    4.    (VI)  144  S.    Geb.  fl.  10. 

Auch  dieses  Buch  beschränkt  sich  gleichwohl  nicht  auf  Ithaka, 
indem  der  erste,  allerdings  kürzere  Teil,  von  einer  Reise  des  Verf.  durch 
Kephallenia  handelt.  Das  ganze  ist  nämlich  nur  ein  luxuriöser  Neudruck 
von  Buch  6  und  7  der  »Odysseischen  Landschaftenc^),  mit  Ausnahme 
der  beiden  letzten  Kapitel  (»Idylle  auf  Ithakac  und  »Stillleben  auf 
Ithakat),  von  denen  das  erstere  bedeutend  gekürzt,  das  letztere  ganz 
weggelassen  wurde,  wohl  nicht  zum  Schaden  des  Buches.  Neu  sind 
lediglich  die  beigegebenen  Aquarellfarbeudrucke,  von  denen  vier  (Akro- 
polis  von  Same,  Quelle  Arethusa,  Ithaka  vom  Wege  zum  Koraxfelsen  und 
Schule  des  Homer)  nach  den  Originalen  von  L.  H.  Fischer,  das  Titelblatt 
»Wie  die  Menschen  noch  immer  auf  Ithaka  ausseheuf  nach  einer  Oel- 
Studie  des  Schweizer  Malers  Frank  Buchser  hergestellt  sind.  Diese 
Tafeln  gereichen  dem  Buch  in  der  That  zu  hoher  Zierde,  weniger  die 
ziemlich  dürftigen  Vignetten  im  Text  und  die  am  Schlufs  beigegebene 
Karte,  bei  welcher  offenbar  mehr  eine  typographisch  stilvolle  Zeich- 
nung als  ein  naturgetreues  Bild  der  Insel  beabsichtigt  war.  Auch 
der  Text  kommt  nur  als  eine  Reihe  von  landschaftlichen  Stimmungs- 
bildern in  Betracht;  wissenschaftlich  ist  derselbe  ohne  Belang. 

Kürzlich  erschien 


1)  S.  Bd.  64  S.  416  f.  und  o  S  257  n.  266. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LXIX.  Bd.   (1891.  IIL)  18 


274  Geographie  von  Oriechenland. 

Ithaka  nach  eigener  Aoschaoung  geschildert  von  Rudolf  Menge. 
Mit  drei  HolzschnitteD  und  einer  Karte.  Gttterdoh.  Druck  u.  Verlag 
von  K.  Bertelsmann.  1891.  8.  (YIII)  86  8.  1  T.  M.  0,80  (Gynina- 
sialbibliothek  herausg.  v.  £.  Pohlmey  u.  H.  Hofimann  11.  Heft). 

Auch  hier  kam  es  dem  Verf.,  wie  schon  aus  dem  Zweck  der  ganzen 
Sammlung  hervorgeht,  nicht  sowohl  auf  Darlegung  wissenschaftlicher 
Forschungen  als  auf  eine  Wiedergabe  des  Eindruckes  an,  den  der 
Verf.  auf  seiner  Reise  von  der  Insel  sowohl  im  allgemeinen  wie  insbe- 
sondere mit  Rttcksicht  auf  die  homerische  Dichtung  empfangen  hat  In 
diesem  Sinne  mag  die  kleine  Schrift  ihrem  Zwecke  wohl  dienen;  doch 
wird  nicht  jeder  Leser  die  Zuversicht  des  Verf.  in  der  Bestimmung 
homerischer  örtlichkeiten  teilen,  zumal  wenn  es  sich  um  so  willkttrliche 
Bezeichnungen  handelt,  wie  »Rheitronc  fttr  den  Busen  von  Molo.  Be- 
sonders am  Herzen  gelegen  ist  dem  Verf.  die  »Nymphengrottec  (v  103  ff.), 
welcher  im  Text  und  im  Anhang  je  ein  besonderes  Kapitel  gewidmet 
ist.  Verf.  schliefst  sich  im  wesentlichen  der  Deutung  von  Forchhammer 
an  (s.  u.)  und  polemisiert  eifrig  gegen  Hercher,  dessen  Ausführungen  er 
bereits  vor  Erscheinen  dieser  Schrift  in  einem  besonderen  Aufsatze  be- 
kämpft hat.i)  Die  drei  beigegebenen  Holzschnitte  sind  nach  photogra- 
phischen Aufnahmen  gefertigt,  die  Karte  ist  diejenige  von  Partsch. 

Die  eben  erwähnte  Darlegung  von  P.  W.  Forchhammer  aber 
die  Nymphengrotte  findet  sich  in  dessen  Schrift 

Die  Kyanen  und  die  Argonauten.  Nebst  drei  Anlagen:  1.  Die 
Grotte  auf  Ithaka.  2.  Dardania.  8.  Nuxtöq  dfwXytp.  Kiel  u.  Leipzig. 
1891.    8.    32  S.     1  T. 

Auf  S.  18—21  schildert  der  Verf.  den  Eindruck,  welchen  er  bei 
seinem  Besuch  der  Grotte  im  Jahre  1882  empfangen  hat  und  welcher 
ihm  die  Identität  derselben  mit  der  homerischen  Nymphengrotte  aufser 
Zweifel  setzte. 

Von  R.  Hercher^s  bekanntem  Aufsatz^  ist  ein  neuer  Abdruck  in 
den  nach  seinem  Tode  erschienenen  iHomerischen  Aufeätzenc*)  (S.  1 
bis  25),  sowie  eine  griechische  Übersetzung  von  Papageorgios^)  er- 
schienen. 


>)  Zeitschr.  f.  d.  Gymnasialwesen  (Berlin)  1891  S.  52—82.  Der  Anftats, 
von  dem  ich  erst  unmittelbar  vor  Drucklegung  dieses  Berichtes  Einsicht  er- 
hielt, knüpft  an  die  Überschrift  ?on  Horchers  Abhandlung  (s.  u.)  an  und  ist 
als  Ergäoiung  der  obigen  Schrift  zu  berücksichtigen. 

>)  Homer  und  das  Itaka  der  Wirklichkeit    Hermes  I  (1866)  S.  263—80. 

*)  Berlin,  Weidmann.    1881.    96  S.    M.  4. 

«)  V  Vfoipoq  xal  4  äXy^iii  'I^nj  bnb  R  Hercher.  'ESsXXijvlff^  önö 
Unop,    U,  naitartwpyiou.    'Eu  Ktpxupa  1883.    80  S.    (Nach  MUiarakis  N.  941  b.) 


Ithaka.  275 

Nor  aus  Miliarakis  N.  941  f.  kenne  ich  die  Titel 

*IBdxtj  xa\  ZXeifmv  und  2nop.  IL  AdfJLnpou,    üaßßariaia  ^EmB^d»' 
pfjctg  I  682  (1878),  und 

^H  'IMxTj  (bnb  "htnoxpdroüe  Kapaßia).    "EanepoQ  III    1883  N.  60 
S.  178. 

Derselbe  verweist  auch  auf  eine  statistische  Übersicht  des  Naurtxbv 
IBdxijg  in  "Eima  1887  N.  618. 

Die  Aufsätze  von 

J.  Partsch,  Ithaka.    Allg.  Zeit.    1888.    Beil.  N.  237/89 

enthalten  die  vorläufigen  Ergebnisse  seiner  Reise  auf  der  Insel,  welche 
inzwischen  in  der  oben  besprochenen  Hauptarbeit  endgültig  niedergelegt 
worden  sind. 

Karl  Braun- Wiesbaden  schildert  in  seinen  bereits  bei  Korfu 
erwähnten  »Reiseeindrttcken  aus  dem  Südosten«  auch  seine  Erlebnisse 
auf  Ithaka  (II  157 — 246),  untermischt  mit  dilettantischen  Erörterungen 
ttber  die  homerische  Frage  u.  s.  w. 

In  dem  schön  wiederholt  erwähnten  Buche  von  Stillman^)  wird 
Ithaka  auf  8.  23 — 48  behandelt.  Neues  ergiebt  sich  daraus,  soviel  ich 
sehe,  nicht.    Die  auf  S.  89  ff.  besprochene  Inschrift  steht  jetzt  I.  G.A.  336. 

Kaum  ernst  zu  nehmen  ist  ein  Aufeatz  des  berOhmten  englischen 
Staatsmannes 

W.  E.  Gladstone,  Phoenician  Affinities  of  Ithaca.     Nineteenth 
Century  XXVI  (1^89)  280-98. 

Als  Probe  möge  folgende  Beweisführung  der  phönizischen  Abstam- 
mung des  Odysseus  dienen  (S.  282).  Eupeithes,  der  Vater  des  Antinoos, 
deutet  in  seiner  Ansprache  an  das  Volk  (nach  dem  Freiermord)  die 
Möglichkeit  an,  dafs  Odysseus  nach  Pylos  oder  Elis  entweichen  könne 
(Ol  430  f.).  Beide  Gegenden  werden  aber  von  Geschlechtern  beherrscht, 
welche  die  Zeichen  phönizischer  Herkunft  tragen.  Denn  Nestor  stammte 
durch  Neleus  von  Poseidon  ab,  »a  sure  Phoenician  marke  Elis  wurde 
einst  von  Augeias  beherrscht,  von  dem  ein  Nachkomme  das  elische  oder 
epeische  Kontingent  vor  Troia  befehligte  {B  623  f.)*  Augeias  gehört  aber 
zu  denjenigen,  welche  speziell  die  Bezeichnung  ivaS  dvdpwv  führen,  die 
nach  dem  Verf.  wiederum  ein  sicheres  Zeichen  phönizischer  Beziehungen 
ist.    Weitere  Beispiele  sind  hiernach  wohl  überflüssig. 

Schliefslich  möchte  ich  noch  daran  erinnern,  dafs  in  der  2.  Auflage 
von  Baedeker's  Griechenland  (s.  Bd.  64  S.  408f.)  Kephallenia  (8.  15 


1)  S.  Bd.  64  S.  446  und  o.  S.  268. 

18» 


276  Geographie  von  Griechenland. 

—  21)   and  Ithaka  (S.  21  —  26)   eine   besondere   Bearbeitang   durch 
E.  Reisch  erfahren  haben. 


Eephallenia. 

Ältere  Litteratur  fast  vollständig  bei  Wiebel  (s.  u.)  S.  I— IX,  dazu 
Riemann  S.  If.,  Partsch  8.  1—3,  36,  48  f.,  94,  Miliarakis  S.  79—81. 

Vor  der  bereits  o.  S.  270  ff.  besprochenen  Monographie  von  Miliarakis 
erschien  die 

liaxptioypaipia  xr^Q  vi)Cotj  Ke^aXhjvia^  iiphQ  //t>^<nv  rcvv  iiaBif^rwv 
T^C  ß'  xal  y'  rd^ewg  rou  dfjfiortxou  a^oXeioi)  bnb  fewpy,  N.  KaXktvixou 
8rjiio8idaaxdXoo,     '£v  Ke^aXXvjviqi  1887.     81  S. 

Wie  schon  aus  dem  Titel  hervorgeht,  beansprucht  die  Schrift,  die 
ich  selbst  nicht  gesehen  habe,  keinen  wissenschaftlichen  Wert;  Partsch 
(S.  3)  nennt  sie  »ein  recht  brauchbares  Büchlein  fttr  die  Volksschulen c 

Unter  denjenigen  Arbeiten,  welche  ausschliefslich  der  physischen 
Geographie  der  Insel  gewidmet  sind,  ist  weitaus  die  bedeutendste 

Die  Insel  Kephalonia  und  die  Meermtthlen  von  Argostoli.  Versuch 
einer  Lösung  dieses  geophysikalischen  Rfttsels  von  K.  W.  M.  Wiebel. 
Mit  1  Karte,  3  Skizzen  und  5  Holzschnitten.  Hamburg.  L.  Fried- 
richsen  u.  Co.     1874 1).    4.    (X)  160  S.     1  T.    M.  6. 

Da  die  Veröffentlichung  dieser  Monographie  schon  weit  zurttckliegt 
und  dieselbe  jetzt  teilweise  durch  die  Arbeiten  von  Partsch  ersetzt  ist, 
beschränke  ich  mich  hier  auf  eine  kürzere  Anzeige,  ftis  dem  wissenschaft- 
lichen Werte  derselben  eigentlich  entsprechen  wfirde.  Die  Schrift  zerfällt 
in  zwei  Teile,  von  denen  der  erste  sich  mit  der  physikalischen  Geographie 
von  K.  im  allgemeinen,  der  zweite  speziell  mit  dem  Problem  der  Meer- 
mühlen beschäftigt.  Vorausgeschickt  ist  eine  sehr  dankenswerte  Zu- 
sammenstellung der  Litteratur  (auch  Karten),  aus  welcher  die  ausführ- 
liche Inhaltsangabe  einer  sehr  seltenen  Denkschrift  von  Napier  (S.  III 
bis  V)  hervorzuheben  ist.  Der  allgemeine  Teil  behandelt  in  lesbarer 
Darstellung  unter  sorgfältigster  Ausnutzung  aller  dem  Verf.  zugänglichen 
Quellen  die  orographischen  und  geognostischen,  sowie  die  meteorologi- 
schen und  hydrographischen  Verhältnisse  der  Insel  unter  steter  ROck- 
sichtnahme  auf  analoge  Erscheinungen  in  anderen  Gebieten,  insbesondere 
Griechenland,  ffir  dessen  physikalische  Geographie  im  allgemeinen  (nicht 
blos  von  K.)  mannigfache  Anregungen  ans  der  Schrift  zu  gewinnen  sind. 


1)  Die  in  den  Buchhandel  gelangten  Exemplare  tragen  diese  Jahres- 
zahl ;  thats&chlich  erschien  die  Schrift  schon  1873  als  »Wissenschaftl.  Abhandl. 
2um  Osterprogr.  des  Akad.  und  Realgymnasiums«. 


Kephallenia.  277 

Die  Erörterung  über  die  MeermOhlen  von  Argostoli  (S.  107  —  56)^) 
ist  die  ansffihrlichste,  welche  wir  über  dieses  merkwürdige  Problem  be- 
sitzen, und  wenn  der  Verf.  auch  mit  seiner  Theorie  vielleicht  nicht  ganz 
das  Richtige  getroffen  bat  (s.  o.  S.  267),  so  wird  doch  jeder,  der  sich  in 
Zukunft  wieder  mit  der  Lösung  des  Rätsels  beschäftigt,  von  WiebePs 
Darlegung  auszugehen  haben.  Die  beigegebene  Karte  in  1:  166000  ist 
auf  Grund  der  englischen  Seekarte  und  einer  Aufnahme  des  Innern  von 
Eanelopulos  durch  G.  Eramm  gezeichnet  und  bildete  die  beste  Dar- 
stellung der  Insel,  bis  sie  neuerdings  durch  diejenige  von  Partsch  (s.  o. 
8.  270)  ersetzt  wurde.  Noch  immer  von  Wert  sind  die  beigefügten 
Spezialpläne  der  Bucht  von  Argostoli  in  1 :  89  000  und  der  Meermtthlen 
in  1  :  1000.  Die  Karte  erschien  auch  als  Beigabe  zum  1.  Jahresber.  d. 
Geogr.  Ges.  in  Hamburg  (1878/74),  woselbst  der  Sohn  des  Verf.,  Fr. 
Wiebel,  auf  S.  42—50  Ober  die  Forschungen  seines  Vaters  Bericht  er- 
stattet hat.  Der  Sohn  setzte  die  Forschungen  des  Vaters  später  noch 
fort  und  stellte  die  Ergebnisse  derselben  für  den  einschlägigen  Abschnitt 
in  S.  Günther 's  Lehrbuch  der  Geophysik  (II  690 — 92)  zur  Verfügung, 
welcher  hier  wegen  der  übersichtlichen  und  klaren  Darstellung  der 
Theorie  WiebePs  nochmals  erwähnt  zu  werden  verdient.') 

Ferner  gehören  hierher  die  Veröffentlichung  eines  auch  in  topo- 
graphischer Hinsicht  wichtigen  zeitgenössischen  Berichtes  über  das  grofse 
Erdbeben  vom  30.  September  1687  durch  £.  Legrand*),  und  die  kurzen 
Nachrichten,  welche  ^HXtojQ  TütraiXyjQ  über  die  Erdbeben  vom  Januar 
bis  April  1878  auf  Kephallenia  giebt.^) 

Die  ^AvaXurtxal  Speuvac  inl  roo  hf  Ke^aXXipfi^  udaroQ  ri^  '^^ciff 
^Ehouar^g  und  Nix,  üiviaröpou^)  erschienen,  wie  ich  aus  Miliarakis 
N.  982  entnehme,  in  Sonderausgabe  zu  Kephallenia  1886  (8  S.). 


1)  Die  ungenügenden  Nachrichten  in  der  früheren  Litteratur  über  die 
merkwürdige  Erscheinung  wurden  durch  briefliche  Mitteilungen  von  D.  Miglia- 
ressi,  dem  damaligen  Besitzer  der  Mühlen,  an  den  Verf.  ergänzt. 

*)  Günther  schreibt  den  Namen  des  Verf  Wihel;  da  er  sich  in  dieser 
Form  auch  in  der  Überschrift  des  oben  angefahrten  Aufsatzes  von  F.  Wiebel» 
neben  Wiebel  im  Text  [S.  42]  findet,  mufs  ich  dahingestellt  sein  lassen,  ob  die 
Schreibweise  auf  dem  Titel  der  Hauptschrift  (sonst  kommt  der  Name  des  Verf. 
darin  nirgends  vor)  nicht  auf  einem  Druckfehler  beruht.  Bekanntlich  wird 
auch  der  Name  des  Botanikers  Grisebach,  selbst  in  wissenschaftlichen  Werken, 
gewöhnlich  falsch  mit  ie  geschrieben.  Anderseits  erinnere  ich  daran,  dafs  der 
Name  des  Begründers  dieses  « Jahresberichtsc  vor  zweien  seiner  Werke  (»Über 
d.  Vorgeb.  Taenaronc  und  Indiees  zu  den  »Schrift,  d.  röm.  Feldmesser«)  mit 
falschem  Vornamen  figuriert. 

*)  'Jepo&tog  ^Aßfiärtog^  Uepl  roo  ßs^dXoo  astafiou  roö  iy  rj  Ks^aXXifvl^ 
yO0ip,  in  Biblioth.  grecqne  vulg.  I  (Paris  1880)  8.  331 -88,  vgl.  ib.  S.  XXXI ff. 
und  zur  Sache  Partsch,  Keph.  S.  27. 

4)  Uapyaüffög  II  1878  S.  319  f. 

5)  Zuerst  Uäydwpa  IX  236  (1858). 


278  Geographie  Ton  OriechenUuid. 

Die  wertvolle  Arbeit  von 

Th.  Heidreich,  Flore  de  Tlle  de  G^phalooie.    Lausanne  1883 

wurde  bereits  von  0.  Keller  in  Bd.  40  S.  408  dieses  Jahresberichts  be- 
sprochen. 

Unzugänglich  ist  mir  eine  kleine  Monographie  Ober  die  Landwirt- 
schaft der  Insel  von  Leo  Anderlind ^),  welche  Partsch  S  3  anffthrt. 

Besonders  eingehend  hat  sich  mit  Kephallenia  auch  Karl  Braun - 
Wiesbaden  beschäftigt,  welcher  in  seinen  bereits  bei  Korfn  (S.  267) 
und  Ithaka  (8.  276)  angeführten  »Reise- Eindrflcken  aus  dem  Sfidostenc 
der  Insel  zwei  ausfttbrliche  Abschnitte  gewidmet  hat.*)  Der  erste  der- 
selben handelt  von  Kephallenia  im  allgemeinen  und  der  Hauptstadt  Ar- 
gostoli  mit  ihrer  Umgebung  im  besondern,  untermischt  mit  dilettantischen 
Abschweifungen  in  die  Altertumskunde.  Der  zweite  Abschnitt,  welcher 
unter  dem  Titel  »Kephalonia.  £in  Stflck  italienisch-griechischer  Kultur- 
geschichte« schon  vorher  erschienen  war,*)  giebt  eine  Obersicht  Ober  die 
Geschichte  der  Insel,  welche  durch  die  Betonung  des  volkswirtschaftlichen 
Momentes  von  Interesse  ist  Nachträglich  bemerke  ich,  dafs  der  Verf. 
in  den  » Reise-Eindrücken c  auch  der  so  selten  beachteten  Insel  Pazos 
einige  Seiten  gewidmet  hat^) 

A.  V.  Warsberg  in  seinen  »Odysseeischen  Landschaftenc  (oben 
8.  278)  handelt  von  Kephallenia  Bd.  III  S.  69  -  128,  welcher  Abschnitt 
auch  in  seinem  o.  8.  278  besprochenen  Buche  über  Ithaka  wieder  zum 
Abdruck  gekommen  ist 

Der  bereits  o.  8.277  erwähnte  Lokalforscher  E.  Tsitselis  hat 
auch  mehrere  wertvolle  Beiträge  zur  Topographie  und  Volkskunde  der 
Insel  geliefert.  Ein  rXfoacdpiov  Ke^Xkfjveac  (Athen  1876)  ist  mir  nur 
dem  Titel  nach  bekannt  geworden.  Sehr  dankenswert  ist  sein  alphabe- 
tisches Verzeichnis  kepballenischer  Ortsnamen,  mit  topographischen  und 
etymologischen  Erläuterungen,  welches  unter  dem  Titel 

Vvößiara  Bictatv  iv  Ke^akhjyiqi  furä  ronoYpa^ixioVj  iaropexwv  xau 
dpxoLtoXoytxm  ai^futwffewv  im  Uapvojaffdg  A'  1877  8.  674—81,  713 — 17, 
844—68,  902—11, 

nach  Partsch  8.  8  auch  als  8.-A.  unter  dem  Titel 


1)  Journal  für  Landwirtschaft  XXXI  1888  8.  279—86. 

9)  Bd.  III  8.  1-132;  vgl.  auch  Bd.  II  S.  143ir.,  166 f. 

>)  Vierte^ahrsschrift  für  Volkswirtschaft  1877  Bd.  66  S.  144-77  und 
Bd.  66  S.  126—68. 

^)  Bd.  II  S.  149—66.    Irriger  Weise  hält  er  jedoch  Paxos  für  das  von 
PHd.  IV  53  geonnnte  Erieuta^  während  sich  doch  ib.  52  Paxoe  duae  findet 


Kephallenla.  279 

^uXXoyili  dvo/iarofiefftwv  r^c  v^^rou  KB^aXhjv/ag.    Athen  1877«    86  S. 
erschieneD  ist.    Ein  erster  Artikel  desselben  Verf. 

''EBefm  iv  K&palhivlq..    ^Etnla  1888  S.  789  f. 

handelt  von  der  Miaoanophiaaa^  unter  welchem  Namen  die  Havayia  auf 
Kephallenia  als  Nachfolgerin  der  Demeter  verehrt  wird.  Endlich  gehört 
hierher  sein  Aufsatz 

^ApxoLtot   roKpoi   iv    ndkfi    ri^c.  Ke^XXijviac,     IlapvoLaaoQ    H'    1884 
S.  184—89, 

in  welchem  der  Verf.  Ober  die  Aufdeckung  von  antiken  Gräbern  in  der 
Nähe  der  alten  Stadt  Pale  berichtet. 

Die  Monographie  von  Riemann  (o.  S.  262,  258)  ist  ganz  analog 
derjenigen  von  Kerkyra  durchgeführt,  nur  dafs  hier  die  Beschreibung 
der  Reste  aus  dem  Altertum,  die  sich  dort  auf  die  Hauptstadt  konzen- 
triert, nach  den  vier  Gemeinwesen  der  Insel  im  Altertum,  Krane,  Pale, 
Samos  und  Pronnoi  gegliedert  ist.  Vorausgeschickt  ist  wie  dort  eine 
Bibliographie,  die  sich  in  diesem  Falle  auf  eine  Ergänzung  des  von 
Wiebel  gegebenen  Verzeichnisses  beschränken  konnte,  sowie  eine  Über- 
sicht der  physikalischen  Geographie  und  der  einschlägigen  Belegstellen 
aus  der  antiken  Litteratur.  Das  Schlufskapitel  (*Gollections  particuli^res') 
behandelt  die  AltertOmersammlungen  der  Herren  A.  Migliaressi  und 
Tsimaratos.  Das  beigegebene  Kärtchen  dient  lediglich  der  Orientierung. 
Riemann's  Monographie  bleibt  auch  nach  Erscheinen  der  Arbeiten  von 
Biedermann  und  Partsch  ein  unentbehrliches  Hilfsmittel  fttr  jeden,  der 
sich  mit  der  antiken  Topographie  von  Kephallenia  beschäftigt. 

Die  griechisch  geschriebene,  aber  unter  deutschem  Titel  erschie- 
nene Dissertation  eines  Eingebomen 

Altertümer  von  der  Insel  Kephalenia.    Inaugural- Dissertation  ~ 
von  Eustathios  Libieratos.    Erlangen  1880.    88  S. 

ist  im  wesentlichen  eine  nach  den  bekanntesten  Quellen  zusammengestellte 
Anfängerarbeit  in  usum  delphini.  Nach  einer  dürftigen  geographisch- 
statistischen Einleitung,  in  welcher  der  Verf.  gleich  zu  Anfang  die  Schrei- 
bung Ke^aXu^vta  zu  verteidigen  sucht,  folgt  ein  Kapitel  über  die  alten 
Namen  der  Insel  (Same,  ferner  Taphos,  Dulichion,  wobei  Verf.  das  alte 
Märchen  von  einer  im  Süden  von  Kephallenia  versunkenen  Insel  wieder 
aufwärmt).  Auch  was  L.  über  die  einzelnen  Stadtgebiete  vorbringt,  ist 
meist  nur  aus  Bursian,  Beeskow,  Ansted,  Goodisson  u.  s.  w.  entnommen; 
die  Ansetzung  der  von  G.  Antonius  gegründeten  Stadt  (Str.  X  466)  auf 
der  Halbinsel  Paliki  und  einer  angeblichen  späteren  Stadt  Ks^kk^via 
bei  H.  Georgios  (S.  15  f.)  ist  offenbar  ganz  willkürlich.  Der  Abschnitt 
über  die  alte  Geschichte  endlich  sowie  der  numismatische  und  epigra- 


280  Geographie  ?on  GrieeheDland. 

phische  Anhang,  in  welchem  nur  Bekanntes  ZQsammengestellt  wird,  ist 
jetzt  durch  Biedermann's  Arbeit  (s.  u.)  vollständig  tlberholt. 

Das  Material,  welches  Libieratos  mit  unzulänglichen  Kräften  zu 
verarbeiten  versuchte,  findet  man  am  besten  zusammengefafst  bei 

Georg  Biedermann,  Die  Insel  Eephallenia  im  Altertum.  Mit 
einem  Kärtchen,  22  Originalzeichnungen  und  zwei  Planskizzen.  Inaug.- 
Dissertation  (Würzburg).  München  1887.  8.  (IV)  84  S.  5  T.  (Auch 
als  Programm  des  k.  Maximiliansgymnasiums  in  München  erschienen.) 

Da  ich  von  dieser  Schrift  bereits  früher  eine  ausführliche  Be- 
sprechung geliefert  habe  ^),  kann  ich  mich  hier  auf  den  Hinweis  beschrän- 
ken, dafs  dieselbe  eine  sorgfältige,  durch  Beobachtung  des  Verf.  an  Ort 
und  Stelle  gestützte  Darstellung  der  alten  Geschichte  und  Topographie 
der  Insel,  sowie  eine  durch  mehrfache  neue  Zugaben  bereicherte  Über- 
sicht des  numismatischen  und  epigraphischen  Materials  enthält  In  toi>o- 
graphischer  Hinsicht  ist  die  Arbeit  inzwischen  allerdings  mehrfach  durch 
die  Untersuchungen  von  Partsch  (s.  o.  S.  269)  überholt  worden.  Das 
Kärtchen  in  i :  300  000,  welches  auch  Ithaka  mit  umfafst,  und  die  vom 
Verf.  gezeichneten  Skizzen  bilden  eine  angenehme  Erläuterung  zum  Text 

Stillman  (s.  o.  S.  258)  behandelt  Kephallenia  auf  S.  62--6d  und 
beschäftigt  sich  besonders  mit  den  Ruinen  von  Same,  aus  welchen  er 
ein  paar  hübsche  Proben  des  Mauerwerks  abbildet  (S.  58).  Auch  einige 
andere  landschaftliche  Skizzen  (Same,  Krane,  Pale)  sind  dem  Text 
eingefügt 

Die  beste  Gesamtdarstellung  der  Geschichte  von  Kephallenia 
enthält  nach  den  Aufserungen  kompetenter  Beurteiler  das  mir  nicht  zu- 
gängliche Werk 

VtfTO/o/a  ri^c  vy/trou  Ke^XXfjVtaQ»  doxtfieov  mjyypa^kv  haktari  üno 
'Iwdvvou  IL  Aoßipdou  Kwari^^  i^eXXijvurBkv  und  IlauAou  Katvar, 
rparatdroo.     'Ev  Ke^aXXijviqL  1888.     254  S. 

Das  Werk  wurde  1833  in  italienischer  Sprache  geschrieben;  ein 
Teil  desselben  erschien  anonym  mit  griechischer  Übersetzung  und  inhalt- 
reichen Anmerkungen  (gleichfalls  anonym)  von  Andr.  Mustoxydis  in 
Jahrg.  1834  und  1835  der  Idviog  'AvBoAoy^a,  Bd.  I  H.  3  S.  483fif.,  H.  4 
S.  747  ff.,  H.  5  (Bd.  D)  S.  50  ff.  Erst  1888  wurde  mit  Unterstützung  des 
d^fxog  Kpav^wv  die  Drucklegung  des  ganzen  Werkes  in  der  Übersetzung 
von  Gratsiatos  ermöglicht'). 

Ebenfalls  unzugänglich  sind  mir  die 


1)  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  1889  Sp.  621—24. 

S)  Ich  entnehme  diese  Daten  aus  Riemann,  G6ph  S.  2;  Miliarakis  Fsw/'p, 
0doL  M.  928,  und  KtfuiU.  S.  206  A.  35;  Partsch,  Keph.  S.  36  A.  1. 


Zakjnthos.  281 

Memorie  storiche  e  critiche  dell'  isola  di  Gefalonia  dai  tempi  eroici 
alla  caduta  della  republica  veneta,  conopilata  da  Marino  e  Nicolö 
Pignatore.    2  Bände.    Eorfo  1887/89.     220,  852  S. 

Nach  Partseh  a.  a.  0.  (vgl  auch  S.  27b  A.)  »umfangreich,  aber 
ganz  unkritisch  und  nur  wegen  des  Abdruckes  einiger  wichtiger  Urkun- 
den von  Werte. 

Wichtige  Urkunden  zur  Geschichte  von  Eephallenia  findet  man 
endlich  bei  Sathas,  Documents  Y  150  —  219  und  VI  277—85  (vgl. 
oben  S.  261). 

Wegen  Inschriften  und  Mttn^en  von  Kephallenia  genügt  es  auf 
die  Zusammenstellung  von  Biedermann  zu  verweisen,  wo  man  auch  die 
frühere  Litteratur  angeführt  findet;  doch  s.  n.  S.  285. 

Zakynthos« 

Ältere  Litteratur  bei  Bursian  II  378  A.  2;  Riemann,  Zante  S.  l; 
Partsch  S.  162  A.  1-4,  163  A.  1;  Miliarakis  S.  82,  dazu  Mystakidis^) 
S.  33,  56  (N.  946),  68.  ^ 

Während  wir  bei  Kerkyra  und  Kephallenia  beinahe  eine  Überpro- 
duktion von  Aufsätzen  und  monographischen  Arbeiten  zu  verzeichnen 
hatten,  liegt  Ober  das  anmutige  Zakynthos,  »die  Blume  des  Osteusc 
(Zante ^  fior  di  Levante)^  fast  noch  weniger  Material  vor  als  über  das 
vom  Verkehr  abgelegene  Leukas.  Die  wichtigste  Arbeit  ist  auch  hier 
wieder 

J.  Partsch,    Die   Insel   Zante.     Petermanns   Mitteilungen    1891 
S.  161-74,  T.  XL 

Schon  äufserlich  unterscheidet  sich  diese  Monographie  von  ihren 
Vorgängerinnen  dadurch,  dafs  sie  nicht  mehr  als  besonderes  Ergänzungs- 
heft, sondern  als  Aufsatz  inmitten  der  Zeitschrift  selbst  erschienen  ist. 
Fast  scheint  es,  als  ob  der  Verf.,  zum  Abschlufs  seiner  trefif liehen  Mono- 
graphien drängend,  sich  nicht  mehr  die  Zeit  genommen  hätte,  das  Quellen- 


1)  Wegen  Mystakidis  vgl.  Bd.  64  S.  437. 

')  Anfser  der  an  den  bezeichneten  Stellen  angeführten  Litteratur  habe 
ich  in  meinen  privaten  Aufzeichnungen  notiert: 

Virlet,  Sur  les  sources  et  mines  d'asphalte  de  la  Gröce.  Bull,  de  la 
soc.  g6ol.  de  France  IV  (1835)  203-11  (Z.  S.  204,  210). 

H.  Margot  et  F.  G.  Reuter,  Essai  d'une  Acre  de  l'lle  de  Zante  M6m. 
de  la  soc.  de  phys.  et  d'hist.  nat.  de  Genöve  VIII  (1839)  S.  249-72  und  IX 
(1841/42)  8.  1—56,  mit  6  Taf.  u.  einem  Index  der  vulgär  griechischen  Pflanzen- 
namen (S.  52ff.). 

C.  W.  C.  Fuchs  im  N.  Jahrb.  f.  Mineral.,  Geol.  u.  Paläont  1866  S.  529 
(Erdbeben). 


282  Geographie  tob  OriechenUmd. 

material,  welches  ohDehin  erheblich  spärlicher  flofs,  als  bei  den  ndrd- 
licheren  HauptinselD,  vollständig  darchzaarbeiten,!)  wie  aoch  die  Bear- 
beitung der  Karte  diesmal  in  andere  Hände  gelegt  worde.  Gleichwohl 
mflssen  wir  dem  Verf.  auch  in  dieser  abgekürzten  Gestalt  f&r  seine  Be* 
Schreibung  von  Zakynthos  Dank  wissen,  die  uns  zum  ersten  Mal  ein 
geographisches  Gesamtbild  der  heiteren  Insel  vorfahrt. 

Der  Aufsatz  beginnt  mit  einer  Mitteilung  ttber  die  Vorarbeiten  zur 
Karte,  fOr  welche  eine  von  P.  auf  der  Bibliothek  der  Hauptstadt  vor- 
gefundene Polizeikarte  a.  d.  J.  1820  in  1 :  46  600,  sowie  eine  im  Privat- 
besitz befindliche  Strafsenkarte  in  1 :  50  000  benOtzt  werden  konnte, 
während  fflr  die  Festlegung  der  Positionen  im  Innern  —  die  Kfisten- 
umrisse  waren  durch  die  englische  Seekarte  gegeben  —  P.  eine  Trian- 
gulierung,  ein  ausgedehntes  Rontennetz  und  zahlreiche  HAhenmessungen 
hinzufügte.  In  dieser  Verbesserung  der  Karte  liegt  ohne  Zweifel  der 
Hauptwert  der  ganzen  Arbeit.  In  geologischer  Beziehung  konnte  P. 
verhältnismäTsig  wenig  Neues  hinzufügen ,  da  durch  die  Untersuchungen 
von  Strickland,  Coqnand  und  Fuchs  der  Bau  der  Insel  im  wesentlichen 
klar  gelegt  war.  Das  Areal  von  Zakynthos  wird  nach  Peucker's  neuer 
Ausmessung  zu  894  qkm  angegeben.*) 

Die  Schilderung  der  Insel  selbst  ist  nicht  wie  bei  Korfu  und  Ke- 
phallenia  in  Naturbeschreibung  und  Kulturgeographie  mit  ihren  Unter- 
abteilungen gegliedert,  sondern  schliefst  sich  wie  bei  Leukas  an  die  von 
Natur  aus  klar  unterschiedenen  Hauptteüe  von  Zakynthos,  das  Bergland 
im  Westen,  die  Ebene  und  das  Httgelgebiet  am  Ostrand  an.  Verf.  be- 
ginnt mit  der  Beschreibung  des  bisher  noch  sehr  wenig  bekannten  Berg- 
landes, auf  deren  Einzelheiten  wir  hier  natttrlich  nicht  eingehen  kOnnen, 
und  geht  nach  einer  kurzen  Schilderung  der  bertthmten  Pechbrunnen  von 
Ken  zu  der  äufserst  fruchtbaren  Ebene  ttber,  auf  welcher  der  Wohlstand 
von  Zakynthos  hauptsächlich  beruht.  Die  Bruchlinie,  welche  diese  Ebene 
vom  Gebirge  scheidet,  giebt  ihm  Gelegenheit,  ttber  die  Erdbeben  der 
Insel  zu  sprechen  und  ttber  die  verheerende  Erschtttterung  vom  18.  (30.) 
Oktober  1840  nach  einer  im  Archiv  aufbewahrten  Handschrift  der  Brttder 
Barbiani  wertvolle  Mitteilungen  zu  machen. 

Das  Httgelgebiet  der  Ostseite  zerfällt  in  drei  gesonderte  Gruppen, 
deren  sttdlichste  am  höchsten  und  durch  den  auffallend  geformten  Berg 
Skop6s  (488  m)  gekennzeichnet  ist.  Derselbe  wird  gewöhnlich  fttr  den 
mons  Elatus  des  Plin.  n.  h.  IV  64  gehalten ,  während  andere  dafttr  das 
höhere  Westgebirge  (Vrachiönas  758  m)  in  Anspruch  nehmen.')  Hier- 
gegen erhebt  nun  P.  den  ebenso  neuen  als  anscheinend  treffenden  Ein- 


1)  Vgl.  hierzu  die  eigenen  Bemerkungen  des  Verf.  auf  S.  162  a. 
>)  Gegen  427  der  Gothaer  Messung  und  434,3  nach  Strelbitsky,  s.  Be- 
völkerung d.  Erde  VIII  34  (Peterm.  Mitteil.  Erg.  101). 
S)  Vgl.  Bursian  II  378  A.  1 ;  Riemann  S.  4. 


Zakynthoa.  283 

wand,  dafs  die  Tanne,  nach  welcher  ja  wohl  der  Elatus  genannt  sei, 
in  Griechenland  der  obersten  Waldregion  angehört  and  in  der  Regel 
nicht  anter  1000  m  herabsteigt;  anderseits  macht  es  P.  sehr  wahrscheinlich, 
dafs  der  C.I.  AJ)  II  17  (p.  12)  genannte  Berg  N^XXog*)  eben  kein  anderer 
sei  als  der  Skop6s.  So  bestechend  diese  Annahme  erscheint,  kann  ich 
doch  nicht  umhin,  za  erinnern,  dafs  ^EXaroi  (S^aroSc?)  nicht  notwendig 
von  iXdT/j  abgeleitet  zu  werden  braucht,  sondern  wie  dieses  aaf  iXatu 
znrOckgehen,  also  »hochragende  bedeuten  kann,  was  gerade  fttr  den 
Skopos  sehr  wohl  passen  wflrde.  DerNellos  könnte  auch  eine  örtlich- 
keit neben  dem  Elatus  bezeichnen  oder  in  einer  der  beiden  nördlicheren 
HOgelgruppen  zu  suchen  sein.  Ich  hebe  dies  nur  hervor,  um  zu  zeigen, 
dafs  die  Schlufsfolgerung  von  P.  wohl  nicht  so  zwingend  ist,  wie  sie  im 
ersten  Augenblick  erscheint,  wogegen  ich  nicht  leugne,  dafs  ihr  ein  hoher 
Grad  von*  Wahrscheinlichkeit  zukommt. 

Der  Schlufs  des  Aufsatzes  beschäftigt  sich  mit  der  Lage  und  Ent- 
wicklung der  Hauptstadt  und  giebt  einige  Mitteilungen  Aber  Anbau  und 
Bevölkerung. 

Die  beigefflgte  Karte  in  1:100  000  ist  nach  den  von  P.  beige- 
brachten Materialien  von  dessen  Schfller  Karl  Peucker  entworfen  und 
flbertriflft  durch  farbige  Unterscheidung  des  Tieflandes  sowie  der  Meeres- 
tiefen, die  von  100  zu  100  m  abgegrenzt  sind,  an  Übersichtlichkeit  und 
Gefälligkeit  bei  weitem  die  Karten  der  übrigen  Inseln. 

Von  Arbeiten  zur  physikalischen  Geographie  der  Insel  ist  aus 
neuerer  Zeit  sonst  nur  die  bereits  oben  S.  255  erwähnte  Abhandlung  von 
Th.  Fuchs  und  eine  Mitteilung  von  Landerer  Aber  das  Bergöl  von 
Zakynthos  hervorzuheben.') 

Von  touristischen  Schilderungen  sind  mir,  aufser  dem,  was  A. 
V.  Warsberg,  gröfstenteils  in  Form  einer  Erzählung  giebt^),  nur  die 
flott  geschriebenen 

Spaziergänge  auf  der  Insel  Zante  von  Hans  Hoff  mann.    Gegen- 
wart XXII  (1882)  H.  57—60 

bekannt.  Stil  Im  an  (oben  S.  278)  giebt  eine  kleine  Ansicht  der 
Hauptstadt 

In  bezug  auf  das  Altertum  liefert  Zakynthos  weniger  Ausbeute 
als  irgend  eine  der  anderen  ionischen  Hauptinseln.  Das  wenige,  was 
uns  davon  erhalten  ist,  hat  Riemann  lU  1-18  (s.  S.  252)  mit  seiner 


1)  Nicht  CI.Gr.,  wie  es  bei  P.  irrtümlich  heifst. 
>)  Vgl.  Borsian  11  381 1. ;  Riemann  8.  4  f. 

S)  Berg-  u.  Hattenmänn.- Zeitung  1876  S.  429,  1877  S.  194.    Vgl.  Bd.  64 
8.  368  ff.  dieses  Jahresberichts. 

*)  Odyst.  Landschaften  111  1  -68.    Vgl.  o.  S  267,  266. 


284  Geographie  voo  Oriechenlaiid. 

bereits  gerflhraten  Sorgffiüt  zofanimeiigestellt.    Eine  wichtige  Ergininng 
hierzo  bildet 

Percy  Gardner,  ZacTiithiis.    Nnmismatic  Chronicle  m  5  (1885) 
S.  81-107,  T.  m-v. 

Diese  Monographie  verfolgt  zwar  rein  nooiisiDatische  Zwecke,  ist 
aber  selbst verstAndlicb  fDr  jeden,  der  sich  mit  der  Geschichte  odar  den 
Altertllmem  ?on  Zafcyothos  za  beschäftigen  hat,  unentbehrlich. 

Inschriften  findet  man  aafser  G.LGr.  II  p.  43  nnd  p.  989  sowie 
bei  Riemann  8.  13  auch  llapvauraoQ  1882  S.  858  —  61  (Ttfi.  ^Afutt}ag\ 
Urkunden  zur  neueren  Geschichte  bei  Sathas,  Docoments  V  75—150, 
VI  265-76. 


Nachtrag. 

Unter  den  Arbeiten,  welche  von  den  ionischen  Inseln  im  Allge- 
meinen handeln,  wäre  anch  folgendes  für  die  neuere  Geschichte  wichtige 
Werk  zu  nennen  gewesen: 

laropta  rwv  lovcmv  vijctüv  dpj^opdvj^  rw  1797.xa/  lajfjfooea  rw  1815 
furä  npoturayatYr^g  iv  ^  ixri^evrat  cd  itpatjfjfooiuifau  TVj^rcu  mtcwv  tßTw 
Ftpiurlfwo  'E,  Ma upoyedvvvj.  £v  A&^atg^  rtmoypa^sio¥  •  üalcYYeviaia^ . 
2  Bände.     1889.     S'  474;  322  8. 

Der  touristischen  Litteratur  sind  anzureihen  die  Schilderungen  von 

L.  H.  Fischer,  Ans  der  Heimat  des  Odjrsseus.  Mit  Illustrationen. 
Zeitschr.  f.  bild.  Kunst  XXI  (1886)  S.  157—63,  237—46, 

welche  sich  hauptsächlich  mit  Kephallenia  und  Ithaka  beschäftigen 
und  zunächst  durch  die  beigegebenen  Skizzen  des  uns  bereits  bekannten 
Verfassers  (s.  o.  8.  273)  von  Interesse  sind. 

Zur  Litteratur  flber'Kerkyra  ist  mir  durch  Zufall  nachträglidi 
der  Titel  einer  (mir  nicht  zugänglichen)  Schrift  von 

/I  A,  Kovrog^  Ar^yuoxtxä  dvexSora  KtpxopoQ  avXXe^rivTa.  I.  "Ev 
Ktpxopq.  1877.     16  S. 

bekannt  geworden. 

Die  Theorie  von  der  Identität  des  homerischen  Scheria  mit  Korfu 
hat  neuerdings  einen  begeisterten  Vertreter  in  Heinrich  Zimmerer 
gefunden,  welcher  in  einem  Vortrag  vor  der  Mttochener  Philologen- Ver- 
sammlung diese  von  wissenschaftlicher  Seite  schon  fast  gänzlich  fallen 
gelassene  Hypothese  wieder  aufoahm.  Da  Ref.  trotzdem  auf  dem  Stand- 
punkt  beharren   mufs,   dafs   die  wesentlichsten  Züge  der  homerischen 


Nachtrag.  285 

Schilderaog  weit  eher  auf  eine  Schöpfung  des  Dichters  als  auf  die 
EeDDtnis  and  Wiedergabe  tbats&chlicher  Verhältnisse  schliefsen  lassen, 
so  mag  der  Leser  hier  nur  im  allgemeinen  auf  die  AasfOhrangen  des 
mit  der  Insel  durch  Selbstanschauung  wohl  vertrauten  Verf.  verwiesen 
werden^),  die  ihm  gewifs  vielfache  Anregung  und  Belehrung  bieten  wer- 
den, auch  wenn  er  in  der  Hauptsache  nicht  zu  demselben  Ergebnis 
gelangt 

Nur  aus  einer  Anführung  bei  Zimmerer  (Verb.  S.  848)  kenne  ich 
ferner  einen  Artikel  von 

^AXßaväg,  Kepxupai'xd  im  ^Arvtxbv  'HfiepoXoytov  1880. 

Bei  der  Wichtigkeit  der  antiken  Numismatik  fOr  Topographie 
und  Ortsgeschichte  dürfen  auch  die  bedeutenderen  Publikationen  von 
Lokalmflnzen  hier  nicht  Obergangen  werden,  zumal  ein  Bericht  Aber 
Numismatik  in  diesen  Blättern  schon  seit  längerer  Zeit  nicht  mehr  er- 
schienen ist.  Fttr  Zakynthos  wurde  bereits  oben  S.  284  eine  wichtige 
Arbeit  angefahrt,  ffirKerkyra  sei  nachträglich  auf  die  Bearbeitung  der 
Münzen  dieser  Insel  im  Münzkatalog  des  Britischen  Museums  hinge- 
wiesen. *)  Das  Gleiche  gilt  für  Leukas,  dessen  Münzen  sich  teilweise 
in  dem  gleichen  Bande'),  teils  in  Anschlufs  an  die  Münzen  von  Korinth*) 
behandelt  finden.  Kephallenia,  Ithaka  und  Zakynthos  sind  in  dem 
gleichen  Werke  der  Abteilung  »Peloponnesusc  zugewiesen >).  Wegen 
Kephallenia  s.  auch  o.  S.  280 f.®; 

Bezüglich  der  Insel  Leukas  verweist  Hirschfeld  im  Geogr.  Jahrb. 
XII  279  ferner  auf  einen  Artikel  in  der  Zeitschrift  Le  Tour  du  Monde 
(1877  II  327),  welche  mir  hier  nicht  zugänglich  ist,  und  Mystakidis^) 
nennt  folgende,  auch  Miliarakis  entgangene  Arbeiten  des  bereits  oben 
S.  266  genannten  Stamatelos  über  diese  Insel: 


1)  S.  Verhandl  d.  41.  Vers.  d.  Philol.  S.  344—48  n  Ztschr.  f.  d.  Qymnasialw. 
XLV  (1891)  8.  770—73. 

>)  Catalogne  of  Greek  Coins.  Thessaly  to  Aetolia.  By  P.  Gardner,  edi- 
ted  by  R.  St.  Poole.  London  1883  S.  XLVIl-L,  116-67  Vgl.  auch  den 
Band  »Gorinthc  S.  LVIIf.,  112. 

«)  A.  a.  0  S  174-87. 

*)  Gorinth,  Golonies  of  Corinth  etc.  By  B.  V.  üead,  edited  by  R.  St. 
Poole.    London  1889     S.  LXIII— LXVII,  126—37. 

S)  By  P.  Gardner,  edited  by  R.  St.  Poole.  London  1887.  S.  XXXIX— 
XLllI  u.  77  - 109. 

^  Als  selbstverständlich  ^etze  ich  den  Gebranch  von  J.  Friedlaender's 
Repertorinm  (Berlin  1886)  und  zusammenfassender  Werke,  wie  B.  V.  Heads 
Historia  Nnmomm  (Oxford  1887)  n.  dgl.  voraus. 

7)  S.  Bd.  64  S.  437. 


^  286  Geographie  too  Griechenland. 

MoipolAyta  jIbukoSoc  iierä  ykiaaütxwv  TtpoXe^o/idumv.    £^  Zax6vBip 
1876.    28  S. 

»Tb   ypojfpTo  Tou€.     HapädomQ  Aeuxctdea  im  ^Arrtxbv  ^Hiupoldyiov 
\  1886  8.  470-72. 

k  nTb  (noe][eeb  ri^c  A/fi\njg€.    IlapddomQ  AeuxaSea,  in  »Ku^£Xij€  fp.  11. 

Zn  8.  271  A.  8  ist  za  bemerken,  dafs  sich  die  von  Miliarakis  beschrie- 
bene Natorerscheinang  bereits  bei  Riemann,  C^ph.  9  besprochen  findet. 

Endlich  habe  ich  noch  der  wertvollen  alten  Karten  za  gedenken, 
welche  Partsch  nach  den  einleitenden  Worten  za  seiner  Beschreibang 
von  Zante^)  gelegentlich  des  Wiener  Geographentages  im  k.  k.  Kriegs- 
archiv zu  Wien  entdeckte,  darunter  »die  älteste  Karte  von  Leukas  (8eb. 
Alberti  1688*  1 :  26  200)  and  die  beste  Einzelaufnahme  seiner  Ostkflste 
(Santo  Semitecolos*)  1729),  Pläne  der  Festen  Santa  Maura,  Assos  und 
H.  Georgios  auf  Kephalleniaf ,  ferner  einen  Festangsplan  von  Zante  von 
1646  in  1 :  1480  und  einen  Stadtplan  dgl.  aus  dem  18.  Jahrhundert 
in  1:4820. 


1)  Petermanns  Mitteil    1891  S.  161. 
9)  8.  0.  S.  263 


Begister. 


I.  Yerzeichniss  der  besprocheiien  Schriften. 


Abel,  E.,  Bcholia   recentia   in  Pindari 

Epinicia  I  1 
Aota  nationis  Gtormanicae  DniTersitatis 

Bononiensis    edd.  E    Friedl&nder  et 

G.  Malagola  III 14 
Adam,  Aristotelische  Theorie  vom  Epos 

1  182 
Allen,  Fr,  on  Greek  versifieatioo  III  211 
Altenburg  0.,  hoc  age!  III  107 
Amsel,  Q.,  de  vi  rhythmoram  III  203 
AndrianI,  V.,  patria  di  Eanio  II  201 
Annaratone,  C ,  metrica  diOraxio  III 247 
Annuarlo  della  R.  UniTersitli  di  Bologna 

III  17 
Antona-TraversI,  lettere  di  Leopardi 

III  189 
Aristoteles,  Metaphysik,  Qbers.  Ton  H. 

Bonitz  1  90 

—  ethica  Kicomachea  rec.  J.  Bywater 
I  116 

—  Politics,  bv  W.  Newman  I  138 

—  traitö  de  ia  g6n6ration  des  animaax, 
tradait  par  J.  Barthölemy -Saint -m- 
laire  I  112 

—  de  plantis,  de  mirabilibas  anscnlta- 
tionibos,  de  Melisso,  etc.,  ed.  0.  Apelt 
I  116 

—  oecooomica,  rec.  F.  Sasemihl  I  149 

—  commentaria,  toI.  IV..  ed.  A.  Bosse  1 89 

Tol.  VI,  ed.  M.  Haydück  l  97 

vol.  XVI.  XVII.,  ed.  fl.  Vitelli  1 101 

vol.  XIX,  ed.  G.  Hejrlbat  I  136 

Arieth,  E.,  Bioq  riABtog  in  Aristoteles 

Ethik  I  118  ff. 
ArK,  A.,  servare  b.  Terenz  a.  Plaatos  1I|  181 
Aaohbaoh,  J.  v.,  die  Wiener  Universit&t 

III  23 
Asolopii  commentaria  ed.  M.  Uaydack  1 97 
Aspasll  commentaria;   Heliodori  para- 

phrasis,  ed.  G.  Heylbnt  I  136 
Averrols  paraphrasis  ed.    Fr.  Heiden- 
hain I  166 


Baohmann,  0.,  zur  Kritik  der    Komö- 
dien des  Aristophanes  III  232 
Baoohius,  isagoge,  ed.  K.  ▼.  Jan  lil  206 
Baohront,  E ,  analecta  III  236 
~  Ennius  u.  seine  Vorgänger  II  194 

—  ad  Nisam  artigraphom  II  137 

—  Ober  Konsonantengemination  II  120 
Bäumker,  Cl.,  das  Problem  der  Materie 

I  90 

—  die  Ewigkeit  der  Welt  bei  Plato  I  42 

—  die  Einheit  des  Parmenideischen  Sei« 
enden  I  69 

Bally,  Ch.,  de  Enripidis  tragoediarum 

partibos  lyricis  III  230 
Barteis,  de  Terentii  memoria  apad  No- 

niam  servata  II  148.  176 
Barwinski,  B.,  qnaestiones  ad  Dracon- 

tium  pertinentes  II  262 
Baliner»  0.»  de  hello  civili  Caesariano 

II  73 

Bassfreund.  J.,  aber  das  zweite  Prinzip 
des  Sinnlichen  bei  Plato  I  39 

Baumann,  H.,  zom  1.  Bnch  der  Com- 
mentarion  Cäsars  II  80 

Baumgarten ,  H. ,  Geschichte  Karls  V. 

III  166 

Beoohettl,  8.,  nuovi  elementi  di  metrica 

comparata  III  211 
Becher,  za  Cftsar  II  112 
Beck,  J.  W.,  de  differentiamm  scripto- 

ribos  latinis  II  169 
~  die  Synonyma  Ciceronis  II  126 

—  de  Salpicio  ApoUinari  II  143 

—  zu  Plinins  II  170 

Bönard,  Ch.,  Pesth6tique  d'Aristote  I  164 
Benesoh,  J.,  de  casanm  apnd  Jnnianam 

Jnstinum  usn  II  271 
Berger,  8.,  de  glossariis  exegeticis  II 167 
Bergson,  H.,  quid  Aristoteles  de  loco 

senserit  I  99 
Bernhardt,  W.,  das  Gymnasium  in  Wit- 
tenberg III  86 


\ 


288 


Register. 


Bartu,  Ph.,  die  GutturmleD  II  260 
Berttoh,  H.,  Cledonii  an  grammatica 

II  164 

Bethe,  E.,  de  Pindari  carmiDe  Isthiiiio  116 
Betbge,  R.,  de  Septem  advenas  Thebas 

£&bolae  episodio  III  228 
Biaoli,  A.,  Aristoteles  Lehra  tod  der 

sinnlichen  Erkenntniss  I  104 
Biedermann,  Q.,  die  Insel  Kephallenia 

III  280 

—  Kephalonia  n.  Ithaka  III  273 
Biil,  H.,  eine  Infinitivstadie  II  206 
Birt,  Th.,  Yerbalformen  bei  Claadian 

U261 
Blase,  H.,  Gesctiichte  des  Irrealis  II  268 
Blaai,  P.  da,  di  an  Terso  di  Terenzio 

II  191 
Blase,  Fr,  Beitr&ge  sor  griechiücben 

Metrik  III  199 
Böhmer,  A..  de  correptione  III  237 
Bölte,  F.,  de  artium  scriptoribas  II  132. 

146.  149 
Bdttger,  O.,  de  dam  pardcala  II  179 
Bonitz,  H.,  platonische  Stadien  I  30 
Bonnet,   M.,   le  latin   de  Gr^goire  de 

Toars  II  280 
Bouoherie,  A.,  note  sar  les  'EpftsiytopuiTa 

II  163 
Bouroiaj^  E.,  de  praepositione  >adc  ca- 

saali   in   Uünitate  aevi  Meroviogiei 

II  280 

Bouvy,  E..  po^tes  et  m61odes  UI  212 
Brandt,  S.,  torroenta  11  278 
Braumann,  Q.,  die  PrinctDes  11  73 
Braun,  Wilhelm,  la  bella  Scberia  III  267 
Braune,  Th.,  zu  Terentias  II  189 
Brizi,  A.,  annaJi  tipografici  di  Peragia 

III  183 

Brunei,  L.,  de  tragoedia  apud  Romanos 

II  204 

Braun,  K.,  ReibeeindrQcke  III  267  278 
Builingar,  A ,  metakritische  G&oge  I  104 

—  zu  Aristoteles  I  104 

Burkhard,  K.,  de  perfecti  tertiae  per- 
sonis  formis  in  -erunt  ezeuntibas  II  264 
Bury,  J.,  caesura  III  228 
Busse,  A..  Aritttoteles  de  anima  I  109 
Butzar,  H.,  der  Jonicus  a  maiore  111  21 1 
BQohaier,  F.,  Prosodisches  zu  Plautas 

III  237 

—  zu  Adamantias  II  168 
Bywater,  J.,  AristoUalia  I  109 
Caesarls  commentarii  rec  E.  Hoffmann 

II  14 
^  belli  gallici  libri  rec.  B.  Dinter  II  4* 

di  G.  Fumagalli  II  17 

rec.  E.  Hoffmann  II  14 

rec.  A.  Holder  II  2 

fon  Kraner-Dittenberger  II  9 

fon  R.  Menge  II  7 


Caeaar  de  belk)  gallico  ed.  J.  Prammer  11 6 

Ton  H.  Rheinhard  II  3 

rec.  H.  Walther  U  12 

erkULrt  von  H.  Walther  II   10 

—  de  hello  ciTili,  von  I>oberens-Dinter 
II  39 

rec.  £.  Hoffmann  II  36 

von  Kraner-Hofmann  II  40 

ed   W.  Th   Paul  U  18 

—  bellum  Africanam,  rec  E.  Hoffm&nn 
II  66 

recc.  WölfiOin  et  Miodonski  II  54 

—  bellum  Alezandrinnm  rec.  K  Hoff- 
mann II  43 

Ton  R.  Schneider  II  42 

—  bellum  Hispaniense,  rec.  E.  Hoffmann 

II  67 

Carre,  J.,  les  pedagogaes  de  Port-Royal 

UI  108 
Casao,  H.  P.,  polemiqae  d^Aristote  I  98 
Castaigne,  E.,  trois  fabalistes  II  219 
Castellani,C..lastjimpainVeneziaIII  183 
Centenario  delP  UniversitA  di  Bologna 

III  19 

Cerrato,  J.,   la    tecnica  composisione 

delle  odi  pindariche  I  10 
Chaignet,  E.«  essais  de  m^triqne  grec- 

que  III  211 
Christ,  W.,  Geschichte  der  duistlichen 

Litteralor  I  4 

—  der  Aetna  in  der  griechischen  Poesie. 
—  Zar  Chronologie  pindarischer  Sie- 
gesges&oge  I  6 

Coochia,  E.,  patria  di  Ennio  II  201 
Cohn,  L,  Heltodoros  Ton  Prusa  1  136 
Conradt,  C,  zu  Cäsar  b.  g  II  113 
Consbruch,  M.,  de  Tetenim  xtpi  iroc^- 

fiaroi  doctrina.  —  De  UephaesUoneis 

icepl  icot/j/iaroq  commentariis.  —  Zu 

den  Traktaten  ntpl  xwf^ßdiag  III  203 
Cook  Wilson,  emendations  of  the  Ari- 

stotelian  tezt  I  118ff 
Cornallssen,  J.,  adnotatinnculae  ad  Cae- 

saris  b.  ctY.  II  117 
Corpus  glossariorom  latinorum  ed.  G. 

Qötz  II  168 
Costa,  L.,  lüTopia  r^c  yijüou  As^cuUi^- 

via^  111  280 
Cramer,  F.,  C&sar  u.  seine  Zeit  II  86 
Crioii  carmina  ed.  C.  Morawski  111  179 
Croiset,  A  ,  histoire  de  la  littörature 

grecque  I  2 
Cron,  Chr.,  zwölf  Schulreden  III  104 

—  zur  Frage  nach  der  Gliederung  des 
Dialogs  Gorgias  I  61 

CrQger,  J.,  zur  Strassburger  SchuYko- 
mödie  111  76 

Crusius,  0.,  Qber  die  l^omosfr^e.  — 
Stesichoros  u.  die  epodische  Kompo- 
sition. -  Ein  Liederfragment  III  220 


Register. 


289 


Crusius,  0 ,  über  die  Nomosfrage  III 220 
~  Ellis'  Avian  II  210 

—  aufinrtxoi  ä^dnatarot  III  232 
Cucuel,  C.f  quid  sibi  in  dialogo  cui  Cra- 

tylus  inscribitur  proposuerit  PJato  I  64 
Curtius,  E  ,  die  Altäre  von  Olympia  III 1 1 8 
Czerner,  de  ditficultatibus  quibusdam  in 

Pindari  carroioibus  explicandis  1  1] 
Deiter,  zu  Cäsar  b.  civ   II  112 
Delbrück,  Manipulartaktik  II  87.  89 
Denifle,  H  ,  Studieobaus  der  Beuedik- 

tiuer  zu  Paris  111  21 
Denig,  C. ,  quaestiones  Uephaestiooeae 

III  203 
Deuerling,  A. ,  Nachträge  zu  Placidas 

II  161 

Deutsohmann,  K.,  de  poesis  Graecorum 

rhythmicae  origioe  111  212 
Dexippi  commentaria  ed.  A.  Busse  1  89 
Diele,  H.,  sibyllini>«cbe  Blätter  III  217 

—  zu  Aristoteles  Protreptikos  I  85 

—  über  die  arabische  Uebersetzuog  der 
aristoteliscbeu  Poetik  I  löd 

Dippe ,  A. ,  über  terpandrische  Kompo- 
sitiuu  111  223 

—  de  catiticorum  Aeschyleorum  com- 
positione  III  228 

Dittmar,  A. ,   de    Meleagri  rc   metrica 

III  217 

Dlttmeyer,  L  ,  die  Uoechtbeit  der  ari- 
stotelisclien  Thiergeschichte  1  113 

Döring,  A  ,  die  aristotelischeD  Defini- 
tionen von  tTuuSetifiog  u.  äpt9pow  I  169 

Döring,  R.,  de  Silii  Iialici  epitomes  re 
meirica  111  219 

Domaozewaki,  A.  v.,  die  Fahnen  im  rö- 
D)i^chen  Heere  II  91 

Drachmann,  A-,  über  Datierung  von  Pin- 
dars  zweiter  pytbischer  Ode  I  23 

Draheim,  H.,  de  Pbaedri  senario  II  216 

Draheim,  J ,  de  arseos  vi  Uomerica.  — 
De  biatu  debUi  III  216 

~  de  Pbaedri  senario  III  249 

Dühr ,  A. ,  über  Metrik  und  Rhythmik 
III  211 

Duhr,  A  ,  Goethes  Hermann  u.  Doro- 
thea ins  Altgriechische  übersetzt  I  193 

Eberhard,  E.,  metrische  Beobachtungen 
m  217 

Eberlein,  L.,  die  dianoetischen  Tugenden 
der  nikomachischen  £thik  I  133 

Eckstein,  Fr.  A.,  lateinischer  u.  grie- 
chischer Unterricht  HI  57 

—  Gregoriusfest  zu  Zittau  III  85 
Egberts  fecunda  ratis,  herausg.  von  E. 

Voigt  II  212 
Egelhaaf,  G.,  deutsche  Geschichte  III 157 
Ehart,  C,  Iloratii  hezametrum  III  247 
Eichler,  0.,  de  responsione  Euripidea 

III  230 


Elfes,  A.,  Aristotelis  doctrina  de  mente 

humana  1  102 
Ellinger,  G.,  die  antiken  Quellen  des 

Macchiavelli  111  154 
Ellis,  R,  adversaria  I  156 
Engelbreoht,  A.,  Untersuchungen  über 

dfie  Sprache  des  Claudianus  Mamertas 

II  236  264 
Engländer,  D.,  donec  II  260 
Ennii  reliquiae  ed.  Luc.  Müller  II   194 
Eriohson,  A.,  Stimmen  über  das  Strass- 

burger  Gymnasium  III  76 
Eskuohe,  G.,  Elisionen  des  Hexameters 

II  212 

—  die  Elision  III  245 

Euoken,  R.,    Lebensanschauangen    der 
grossen  Denker.    —  Aristoteles  über 
die  Menschen  I  81 
Everat,  E.,  de  Ausonii  operibus  II  261 
Fabia,  Ph.,  de  orationibus  Gaesaris  II  82 

—  les  prologues  de  Terence  II  177 
Fahland,  B.,  gereimte  Uebersetzungen 

II  220 

Favre,  Madame,  la   morale  d'Aristote 

I  126 
Feller,  die  tragische  Katharsis  in  der 

Auffassung  Lessings  I  171 
Ferrari,  S.,  Petica  di  Aristotile  I  129 
FestI    de   verborum   significata,  ed.  £. 

Tbewrek  de  Ponur  II  126 
Festschrift  zum  löOjäbr.  Jubiläum  der 

Universität  Göttingen  III  37 
Ficus,  M.,  die  Goliamben  III  210 
Fink,  A ,  die  Idee  ded  Gymnasiums  III  55 
Fitting,  H.,  Rechtsschule  zu  Bologna 

III  18 

Fleischer ,  quaestiones  de  hello  Hispa- 

niensi  II  69 
Fleischmann,  J.  K.,   Bildungsideal  des 

Gymnasiums  111  54 
Förster,  R.,  de  Aristotelis  physiogno- 

micorum  indole  I  114 
Förster  u.  Kosohwitz,  altfranzösisches 

Uebungsbuch  II  170 
Forchhammer,  P.,  die  Kyanen  111  274 
Fraccaroll,  le   due  odi  di  Pindaro  per 

Trasibulo  I  14 

—  alcuni  luoghi  I  13 
Frati,  C ,  spoglie  II  283 
Freudenthal,  J.,  zu  Aristoteles  de  me- 
moria I  111 

Friderich,  die  Schul  Verhältnisse  Reut- 
lingens III  78 

Frlediänder,  E.,  Matrikel  der  Universi- 
tät Frankfurt  a.  d  0    III  34 

—  Matrikel  der  Universität  Rostock 
IH  32 

Frltsche,  F.  v.,  de  numeris  dochmiacis 

III  230 
Fröhde,  0 ,  de  Nonio  Marceilo  II  148 


Jahresbericht  für  AUerthumswissenschaft.    LXIX.  Bd.    (lä9L    III.) 


19 


290 


Register. 


Fröhlich,  F.,  Kriegswesen  Gäsars  II  93 

—  Beiträge  zur  Kriegsfühning  der  Rö- 
mer II  88 

—  Realistisches  u.  Stilistisches  za  G&sar 

II  92 

Funok,  A.,  die  Verha  auf  -illare;  die 

Verba  auf  issare  II  252  f. 
Gaspari,  A.,  zur  Chronologie  des  Streites 
der  Griechen  über  Plato  n.  Aristote- 
les I  85 
Gaul,  K.,  romanische  Elemente  in  der 

Salica  II  280 
Gellius,  ex  rec.  M.  Hertz  II  144 
Qemoll,  zu  Cäsar  b.  civ.  II  113 
Geroke,    A.,    alezandrinische    Studien 

III  217 

Gerstenberg,  H.,  de  Eugraphio  Terentii 

interprete  II  158.  192 
Geyer,  P.,  Beiträge  zur  Kenntniss  des 

gallischen  Lateins  II  266.  280 
Glesing,  Fr.,  der  Ausgang  des  Königs 

Oedipus  I  173 
Gilbert,  H.»  zu  Terentius  II  189 

—  zum  b.  gall.  II  113 

Gladstone,  W. ,  Phoenician  affinities  of 

Ithaca  111  275 
Gleditsch,  H ,  Metrik  III  210 
Glossarium   mediae   latinitatis   ed.   Du 

Gange  II  282 
G5bel,K.,  zur  Katharsis  d.  Aristoteles  1 178 

—  zu  Cäsar  b.  g.  II  19.  105 
Goelzer,  H.,  ^tude  de  la  latinit^  de  Saint 

J^rome  II  266 
Görlitz,  C,  Gerundium  u.  Supinum  bei 

Cäsar  II  107 
Götz,  G.,  glossarium  Tcrentianum  II  172 

—  de  glossematorum  scriptoribus  II  120 

—  de  Placidi  glossis  II  162 

—  quaestiones  misccllae  II  131 

—  commentatiunculaMacrobianall  154 
Goldbacher,  zu  Terentius  Phormio  II  190 
Gomperz,   Th.,   zu  Aristoteles   Poetik 

I  156  ff. 

Gradenwitz,  zum  Wörterbuch  der  klas- 
sischen Rechtswissenschaft  II  275 

Graf,  E.,  Rhythmus  u.  Metrik  III  205 

—  de  Graecorum  veterum  re  musica  I  23 

—  nomos  orthios.  —  Die  dp;(d  des  Ter- 
pander  III  222 

—  die  dp^a  Terpanders  I  10 

—  dtauktov  III  227 

Grammatici  latini  ex  rec.  H.  Keil  II  130 
Gregorovius,  F.,  Korfu  III  256 
Greifeid,  A. ,   de  Andriae  Terentianae 

gemino  exitu  II  172 
Grober,  G.,  Sprachquellen  des  lateini- 
schen Wörterbuchs  II  279 

—  vulgärlatcinische  Substrate  II  283 
Gröppel,  A.|  de  Euripidis  versibus  lo- 

gaeedicis  III  230 


Grossmann,  H.,  de  doctrina  metrica  En- 

sUthii  III  203 
Gruppe,  0.,  Festus  u.  Verrius  II  128 
Günther,  de  ca,  quae  inter  Timaenm 

et    Lycophronem    intercedit    ratione 

I  115 

Gutjahr,  E.  A,  Terenzische  Betonuugs- 
fragen  II  182 

Haas,  L.,  zu  den  logischen  Formal  Prin- 
zipien des  Aristoteles  I  88 

Häberlin,  C,  Aristotelis  Politica  I  144 

Haeokel,  E.,  Korfu  III  256 

Habenioht,  H.,  Allitteration  bei  Horaz 
III  247 

Hagen»  H.,  gradus  ad  criticen  II  168 

—  de  Dosithei  glossis  II  164 

—  de  Placidi  glossis  II  162 
Hagiosophites,  Apt<rxoriXoo^  dewpia  itspi 

Twv  fißtxwv  I   132 
Hamann,   K.,   Mittheilungen   aus    dem 

Brevlloquus  Benthemianus  II  167 
Hammelbeok,  W ,  rhythmische  Verhält- 
nisse in  den  Dichtungen  III  228 
Hanssen,  F.,  über  die  ky kuschen  Vers- 

füssc  III  219 
Harroy,  E-,  les  £burons  II  78 
Hartel,  W.,  Luciter  von  Cagliari  11  269 
Hartfelder,  K.,   eine   deutsche  Ueber- 
setzuog  von  Ciceros  Cato  III  173 

—  die  Berufung  Melanchthons  nach 
Heidolberg  111  25 

Hartman,  J,  de  Phaedri  fabulis  II  213 
Hartz,  conit'ctanca  Caesariana  II  111 
Hauser,  Chr.,  Caesaris  commontariomm 

de  b.  g.  toxlus  cum  praecoptia  gram- 

maticis  in   libris  de  analogia  traditio 

comparatio  II  104 
Havet,  L. ,  cours  de  metrique  grecqaf 

et  latiue  111  210 

—  snr  les  prologues  de  Terence  II  176 

—  pelegrinage  d^Ennius  11  200 

—  le  8  latin  caduc  111  237 
Heidenhain,  Fr.,  Arten  der  Tragödie  bei 

Aristoteles  1  165 
Heidtmann,  G.,  zu  Terentius   Adelphi 

II  187 

Heimer,  A.,  studia  Pindarica  III  223 
Heine,  Th. ,  Aristoteles  über  die  Arten 

der  Tragödie  I  161.  165  ff. 
Helmreich,  G.,  Beobachtungen  auf  dem 

Gebiete  des  Medicinerlateins  II  276 
Heman.  C.  F. ,  des  Aristoteles  Lehre  von 

der  Freiheit  des  Willens  I  130 
Henry,  V.,  de  sermonis  humani  origine 

Terentius  Varro  quid  senserit  II  122 
Herbig,  zur  Chronologie  der  pindarischen 

Siegesgesänge  I  17 
Hertz,  M.,  zu  Nigidius  Figulns  II  123f. 
Hertz,  W.,  Aristoteles  in  den  Alexan- 

dersagen  I  84 


Register. 


291 


Herwerden,  H.  van,  zu  Hippias  maior 
u.  minor  I  62.  63 

—  zum  Ion  I  63 

—  zum  Menexenos  I  66 

—  zum  Pbädrus  I  72 

Hess,  G.,  Abriss   der  Geschichte   des 

Christiaueum  zu  Altena  III  90 
Hesseis,  J.  H.,  an   Latin   Anglosaxon 

glossary  II  166 
Heydenreioh,  E.,  bibliographisches  Re- 

pertorium    über   die    Geschichte  der 

Stadt  Freiberg  III  84 
Heylbut,    G. ,   zur   Ueberlieferung    der 

Politik  des  Aristoteles  I  137 
Heynaoher,  M.,  was  ergiebt  sich   aus 

dem  Sprachgebrauch  Cäsars  fdr  die 

Behandlung  der  Syntax  II  108 
Hioks,  R.,  materials  for  the  text  of  Ari- 

stotle's  Politicis  I  137 

—  on  the  aYoindance  of  hiatus  in  Ari- 
stotle's  Politics  I  144 

Hilberg,  J ,  Theodoros  Prodromos.  — 
Georgios  Pisides.  —  Ephraemios  III 
224 

Hilberg,  J.,  über  die  tektonischen  Re- 
geln der  lateinischen  Hexameterdich- 
tung  III  245 

Hildebrandt,  R  ,  Studien  auf  dem  Ge- 
biete der  römischen  Metrik  III  248 

Hiller,  zu  Pindaros  I  13 

Hintzelmann,  P.,  Almanach  der  Univer- 
sität Heidelberg  HI  26 

HIrzel,  R  ,  über  die  Stellung  der  klassi- 
schen Philologie  III  145 

Höfler,  R.  v.,  Erinnerungen  an  Fallme- 
rayer  III  188 

Höpel,  G  ,  de  notionibus  voluntarii  I  132 

Hörling,  W.,  Schulwesen  in  M.-Gladbach 
III  91 

Horsohelmann,  W.,  exegesis  in  Hephae- 
stionis  cnchiridion.  —  Ein  Lehrbuch 
der  Metrik.  —  Zur  Geschichte  der 
Metrik  III  202 

HofTmann,  E.,  Studii>n  auf  dem  Gebiete 
der  lateinischen  Syntax  II  102 

—  zum  bellum  civile  II  77 
HofTmann,  F.,  de  Festi  de  yerborum 

significatione  libris  II  128 
HofTmann,  H.,    Spaziergänge  auf  der 

Insel  Zante  III  283 
Hofmann,  die  in  einem  Fragmente  Pin- 

dars  erwähnte  Sonnenfinsterniss  I  10 
Hofmann,  Konrad,  acieris,  etc.  II  285 
Holstein,  H.,  Keucblins  Komödien  III 168 

—  ein  Wimpfeling- Codex  III  167 

—  Begrüssungsrede  des  Papstes  Pins  IL 
III  153 

Holwerda,  A.,  olympische  Studien  III 112 
HQmmerioh,  Pindar-Handschriften  I  10 
Hug,  A ,  die  consccutio  temporum  II 102 


JaoobsmOhlen,  H.  zur,  üephaestion  de 

metris  III  203 
Jahns,  M.,  Cäsars  Eommentarien  II  73 
Jeep,  L.,  Bemerkungen  zu  den  lateini- 
schen Grammatikern  II  150 
Jezienioki,  M.,  Abfassungszeit  der  pla- 
tonischen Dialoge  Theaitet  und  So- 
phistes  I  51 
ihm,  M ,  Vulgärformen  lateinischer  Zahl- 
wörter II  278 
ihne,  W.,  römische  Geschichte  II  77 
llg,  antequam  u.  priusquam  II  107 
immisoh,  0.,   über  den  Ursprung  der 
griechischen  Elegie  III  218 

—  zur  Geschichte  der  griechischen  Ly- 
rik I  11  III  222 

Joannia  Philoponi  commentaria  cd.  H. 

Vitelli  I  101 
Joei,  K.,  zur  Erkenntniss  der  geistigen 

Entwickelung  Piatos  I  33 
Ipfelhofer,  A.,  die  Rhetorik  des  Anaxi- 

menes  I  153 
Judeioh,  Cäsar  im  Orient  II  75 
Judson,  H.,  Caesar's  army  II  92 
Kaibel,  G.,  zu  Aristoteles  Oeconomica 

I  151 

Kalb,  W. ,  das  Juristenlatein.  —  Roms 

Juristen  nach  ihrer  Sprache  II  274 
Kampen,  A.  van^  Gallia,  Wandkarte  II 77 
Kan,  J ,  Erasmiana  III  165 
Kappea,   M.,  die  Aristotelische  Lehre 

über  Begriff  der  xlvyjinq  I  99 
Karbaum,  H.,  de  origine   excmplorum 

quae  ex  Ciceronis  scriptis    a  gram- 

maticis  allata  sunt  II  156 

—  de  auctoritate  grammaticorum  II  155 
Kassel,  Q ,  mcletemata  Platonica  I  53 
Kaufhiann,  Q.,  Geschichte  der  deutschen 

Universitäten  III  3 
Kawczynski,  essai  sur  l'origine  des  ryth- 

mes  III  212 
Keiler,  der  saturnische  Vers  III  235 

—  zu  Plautus  u.  Terenz  III  237 
Keil,  G.,  de  Flayio  Capro  grammatico 

II  139 

Kiepert,  H.,  Wandkarte  Yon  Alt-Gallien 

II  77 
Kirohner,  H.,  Ober  die  Quellen  des  Ser- 

vius  II  152 
KIrkpatriok,  J.,  the  festival  of  the  Uni- 

versity  of  Bologna  III  20 
Klebs,  E.,  lautus  II  272 
Klette,  Th.,  Beiträge  zur  italienischen 

Gelehrtenrenaissance  III  149 
Klotz,  R. ,  Grundzüge  altrömischer  Me- 
trik III  237 
Kluge,  H.,   zur  Entstehungsgeschichte 

der  Ilias  III  214 
Knauer,  V.,  Grundlinien  der  aristotelisch- 

thomistischen  Psychologie  I  107 

19* 


292 


Register. 


Knaut,  K.j  Lehrplan  des  altst&dtischen 

Gymnasiums  zu  Magdeburg  III  87 
Knod,  G.,  zur  Bibliographie  Wimphe- 

lings  ni  166 
Köpke,  R.,  Versmasse  des  Horaz  III  247 
Körting,  G.,  lateinisch-romanisches  Wör- 
terbuch II  285 
Köstlin,  J.,  Baccalauri  u.  Magistri  der 

Wittenberger  Universität  IlT  30.  177 
Kook,  Th-,  das  Metrum  von  Horaz  carm. 

I  10.  III  247 
Kolb,  Chr.,  die  städtischen  Lateinschulen 

111  80 
Konstantinides,  G.,  ein  neu  entdeckter 

Codex  des  Aristoteles  I  08 
Kopp ,  über  die  pobitio  debilis  im  iam- 

bischen  Trimeter.  —  Quantität   der 

ancipites  III  224 
Krafft,  M.,   zur   Wortstellung   Vergils 

III  248 
Kranloh,  E.,  die  AUitteration  bei  Papi- 

nius  Statins  III  249 
Kroll,  W ,  de  Symmacbii  studiis  II  266 
Krumbaoher,  K.,  interpretamenta  Pseu- 

dodositheaua  II  163 

—  Handschriftliches  zu  Dositheus  II  131 
Kubier,  B.,  de  Prolei  Berytii  commen- 

tariis  Vergilianis  il  I3ö 
Kiihlewein,  H ,  Mittheilungen  über  Mi- 
chael Neandur  III  88 
Kummrow,  H.,  symbola  ad  grammaticos 

latioos  II  140 
Kunst,  C  ,  de  Theocriti  versu  heroico 

in  217 
Kuthe,  A,  Manipulartakdk  II  88 
Lämmerhirt,  G. ,  de  priscorum  scripto- 

rum  locis  a  Servio  allatis  II  147.  153 
Laiin,  E.,  de  dum,  dopec,  qiioad  usu  li  180 
Lambros,    Sp.,     hepxopaüd    ävixdara 

m  261 
Landgraf,  G.,  der  Bericht  des  Asinius 

Pollio  II  45 

—  Untersuchungen  zu  Cäsar  II  47 
Landmann,  Fr.,  die  physiologischen  An- 
schauungen des  Aristoteles  I  114 

Lang,   Musik  zu   Sophokles   Antigene 

111  207 
Langen,  P.,  zur  Accentlehre  III  237 
Larsen,  studia  in  libellum  de  hello  Ale- 

xandrino  II  112 
Laurer,  BeitrSge  zur  Kritik  von  Cäsars 

Büchern   über   den  gallischen  Krieg 

II  108 
Lauzun,  Ph.,  notice  sur  le  coUöge  d'Agen 

in  111 
Lederer,  8.,  ist  Vergil   der  Verfasser 

von  Culex  III  248 
Leeuwen,  J.  van,  zum  Theätet  I  77 
Lehrproben  und  Lehrgänge  III  102 
Leiohsenring,  0.,de  metris  graecis  III 199 


Leikfeld,  P.,  Richtungen  in  der  Logik 
III  196 

Lengniok,  8.,  Bildungswerth  des  Latei- 
nischen III  98 

Leo,  F.,  metrische  Systeme  HI  199 

Leppermann,  H.,  de  correptione  III  237 

LIberatos,  E.,  Alterthümer  von  der  In- 
sel Kephaleina  III  279 

Liebhold,  K.  J.,  zu  Piatons  Phaidon  I  71 

Liebl,  H  ,  die  Disticha  cornuti  III  53 

Liessem.  H.,  Verzeichniss  der  Schriften 
Uermaoos  van  dem  Busche  III  172 

LIsle  du  Dr^neuo,  P.  de,  des  üanlois 
Veuätes  II  179 

Livi  Andronlol  et  Naevi  reliquiae  ed. 
Luc.  Müller  II  195 

Löwe,  aus  lateinischen  Glossaren  II  282 

LGok,  R.,  zur  Geschichte  des  Progym- 
nasiums zu  Steglitz  III  95 

Ludwip  Salvator,  Erzherzog,  Paxos  u. 
Aniipaxos  III  262 

Ludwioh,  A  ,  zur  JPeriegese  des  Diony- 
sios.  —  Johannes  von  Gaza  III  217 

Lugert,  J.,  der  Ehrbegriff  der  nikoma- 
chischen  Ethik  1  132 

Lukas,  F.,  Erklärung  einer  Stelle  in 
Platoo  Sophisies  I  75 

Luthardt,  Chr,  antike  Ethik  I  126 

Lutoslawski,  Erhaltung  u.  Untergung 
der  Staataverfaisungeu  I  145 

Mähly,  J.,  versus  Saturnius  III  235 

—  zu  Tereotius  Phormio  II  189 

—  zu  Donatus  II  192 

MafTei,  R.,  If  favole  atellaoe  II  203 
Maiden,  H    E.»  Caesar's  Ezpeditions  in 

BriUiu  11  79 
Manitius,  über  Hexameterausgäoge  III 

250 
Margoliouth.D.»  analecta  Orientalia  1 154 
Marsohali,  K ,  de  Palaemonis  libris  gram- 

maticis  II  132 
Marx,  A.,  Hüllsbflchlein  II  250 
Masius,  A  ,  über  Ambrogio  Traversari 

in  l.>2 
Matthias,  Th.,  zu  alten  Grammatikern 

II  157 
Maurer,  K.,  die  Fabeln  des  Phaedrns 

in  der  Quarta  II  222 
Meinel,  Beiträge  zur  Erklärung  Pindani 

I  19 

Meiser,  K ,  über  historische  Dramen  der 
Römer  II  205 

—  Beitrag  zur  Lösung  der  Katharsis- 
frage  I  179 

Menge,  R.,  Ithaka  III  274 

~  quaestiones  Caesarianae  II  108 

-^  Uelativum  bei  Cäsar  II  106 

—  reciprokes  Verhältniss  II  105 
Menge  u.  Preuss,  lexicon  Caesarianum 

II  99 


Register. 


293 


Menrad,  J.,  de  contractionis  osu  Ho- 

merico  III  210 
Mentz,  F ,  de  Aelio  Stilone  II  120 
Merguet.  H. ,  LezikoD  zu  C&sar  II  100 
Mörio,  E.,  Ja  Sorbonne  III  22 
Meusel,  L,  lezicon  Caesarianum  II  100 

—  a  u.  ab  vor  Konsonanten  II  105 
Meyer,  Wilh.,  C&snr  im  Hendekasyllabus 

III  245 

—  die  lateiniscbe  Sprache  in  den  ro- 
manischen Lftndem  II  283 

—  Ursprnng  der  rhythmischen  Dichtung 
III  212 

—  cur  Quantität  n.  Qnalit&t  der  latei- 
nischen Vokale  III  251 

—  das  Suffix  0,  onis  II  254 

Meyer  P   Ef  quaestiones  grammaticae 

II   142    150.  155 
Michaelis,    zur   Aristotelischen    Lehre 

vom  voü^  1  103 
Mie,  Fr,,  quaestiones  agonisticae  III  180 
Miliarakis,  A.,  ytwypa^ia  rou  uofioö  xt- 

^XAijuiag  III  270 
Mllne  and  Prootor,  the  Latin  Aristotle 

I  99 

Miodonski,  A .  bestia  11  255 
Mohr,  P.,  zu  Apollinaris  Sidonius  II  265 
Mommsen,  A.,  über  die  Zeit  der  Olym- 
pien I  25 
Mommsen.  Th  ,  die  keltischen  Pagi  II 78 
— -  zu  Domaczewskis  Abhandlung  aber 

die  Fahnen  II  91 
Monrad,  M.  J. ,    nonnulla  de   Piatonis 

philosophandi  via  1  47 
Monsterberg-Munkenau,  8.  v.,  de  con- 

contu   trium  Aristotelis  de  voluptate 

commentationum  fide  1  134 
Monumente  Germaniae  paedagogica,  2. 

Bd.  III  43  47 
Morawski,  C.  v.,  Beiträge  zur  Gpschtchte 

des  Humanismus  in  Polen  III  182 
Mowat,  G  ,  Alphita,  a  glossary  II  165 
Miilienhof,  P.»  deutsche  Alterthuroskunde 

II  77 

MQIIer,  Georg,  das  kursächsische  Schul- 
wesen III  80 

MGller,  Q.  H  ,  zum  Kriton  des  Plato  1 65 

Müller,  Karl  Fr.«  Ignatii  Diaconi  telra- 
sticha  III  224 

Müller,  Max,  de  Apollinaris  Sidonii  la- 
tinitate  U  265 

MGlier,  Luoian,adversariaMonianaII  147 

—  Quintus  Ennius  II  192 

—  über  Naucks  Phaedrusstudien  II  217 
MGller,  0,  zu  Festus  u.  Verrius  II  127 
Nägelsbaoh-MGIIer,  lateinische  Stilistik 

11  243 
Natorf,  P.,  Aristoteles  u  die  Eleaten  1 82 

—  Thema  u.  Disposition  der  aristoteli- 
schen Metaphysik  1  91 


Natorf,  P.,  über  Aristoteles  Metaphysik 

I  93 
Neldhardt,  E.,  quaestiones  Aeschyleae 

III  228 
Nesemann,  F.,  exegetische  Studien  zu 

Cäsar  u.  Tacitus  II  85 
Nettleship,  H  ,  lectures  and  essays  II 

128.  147 
•—  the  study  of  Latin  grammar  among 

the  Romans  II  133 

—  recent  theories  of  theSaturnian  verse 
111  235 

Neumann,   G.,  quid  ex  elocutione  Cy- 

clopis  Euripideae  rednndet  III  230 
Neumann,  H.  Fr,  de  Plinii  dnbii  ser- 

moDis  libris  II  132.  145 
NIooladoni,    A. ,    Christian    Thomasius 

III  40 
Nigidil  Figuli  reliquiae  coli.  A.  Swobo- 

da  II  123 
Nikitia,  zu  Piatos  Euthydem  1  57 
Nilen,  N.  Fr,  Priscianea  III  155 
Nissen ,   H. ,   über   Tempelorientierung 

III  139 
Nitzschner,  A  ,de  locis  Sallustianis  II 159 
Nodnagel,  Geschichte  des  Realgymna- 
siums zu  Glossen  LII  94 
Nötel,  R  ,  Aristotelis  Ethicorum  Nico- 

macheorum  libri  tertii  capita  1  1 19  f. 
Nolhao,  P.  de,  Erasme  en  Italie  III  161 
Nonius,  ed  Lucian  Müller  II  146 
Novak,  R.,  ad  b   üispaniense  II  116 
Oberhummer,  E.,  Akarnanien  111  265 
Oehler,  R.^  Hilderatlas  zu  Cäsar  II  97 
Oeri,  J.,  die  grosse  Responsion  im  Rhe- 

sos  III  230 
Oertner,  J.,  Definition  der  Cäsur  III  245 
Opitz,  R.,  de  argumentornm  metricorum 

arte  et  origine  II  145 
Owsianniko*Keilkowski,  Skizzen  aus  der 

Geschichte  des  Gedankens  III  196 
Paohtier,  G    M.,  ratio  studiorum  III  43 
Pacieoidos  libri  ed.  B   Pereiro  III  184 
Pais,  A.,  quibus  exemplaribus  Seneca  in 

Troadas  usus  sit  II  209 
Paris,  G.,  Pappendix  Probi  II  137 
Palmar,  A.,  observations  on  the  frag- 

ments  of  tiie  Latin  scenic  poets  II  203 

—  notes  on  Terence  II  190 
Papageorg,  P,  N..  ein  neuer  Codex  des 

Aristoteles  I  98 
Partsch,  J ,  Kephallenia  u  Ithaka  III 266 

—  die  Insel  Leukas  III  263 

—  die  Insel  Zante  III  281 

—  die  Berge  der  ionischen  Inseln  III 257 

—  Reisebericht  III  252 

—  die  Insel  Korfn  III  253 
Pauoker,  C,  kleinere  Studien  II  151 
Pauoker,  K.,  die  Latinität  des  Cassia- 

nus  II  269 


294 


Register. 


Pauoker,  K.,  Latinit&t  des  Orosins  II  272 
~  de  latinitate  scriptorum  quorundam 

II  270 

Paul,  W.,  kritische  Bemerkungen  zu 
C&sar  de  b.  g.  II  114 

—  die  BestOrmung  von  Gergovia  II  74 
Pauli,  C,  altitalische  Studien  III  235 
PauUon,  J.,  studia  Hesiodea  III  217 
P^litsler,  Henry  IV.  et  Bongars  III  168 
Perathoner,   Melodie   der   Sprache   in 

den  Gesflngen  Pindars  I  12 
Pernwerth    von   Bärnsteln,   in    duplo 

III  190 

Persohinka,  F.,  de  mediae  comoediae 

atticae  trimetro  iambico  III  232 
Person,  L,  le  Latin  de  la  d^cadence 

II  249 

Petris,  N.,  nepi  r&v  xuptmdearipwv  iu 

Aeuxädt  ßovwv  III  265 
Petach,  Glaubwürdigkeit  der  Commen- 

tarien  Cäsars  II  ISO 
Petschenig,  M.,  zur  Latinit&t  des  Ju- 

vencus  II  261 

—  Romanistisches  bei  Cassian  II  269 

—  Verba  des  Gorippus  II  262 
Pfannschmidt,  V.,  zur  Geschichte  des 

pompejanischen  Bürgerkrieges   II  77 
Phaedri  fabulae,  di  C.  Fumagaili  II  220 

—  Yon  Siebelis.PoUe  II  217 
Philodemi    epigrammata  ed.  G.  Kaibel 

III  217 

Pindarus  Nemean  ödes,  by  J.  Bury  I  1 1 
Piatonis   opera   omnia   ed.  M.  Schanz, 
vol.  III  29 

—  ausgew.  Dialoge,  von  M.  Schanz  I  57 

—  ausgewählte  Schriften,  von  Cron  u. 
Deuschle  I  61 

—  dialogi  rec.  M.  Wohlrab  I  29 

—  russische  Uebersetzungen  III  198 

—  Eutyphro,  ed.  M.  Schanz  I  60 
von  M.  Wohlrab  I  60 

—  Protagoras.  ed.  J.  Kral  I  75 ff. 
Platt,  A.,  on  tne  iambic  trimeter  III  224 
Plessis,  F.,  m6trique  III  211 
PiuzanskI,  Aristotelea  de  natura  astro- 

rum  opinio  I  101 
PorphyrIi  isagogen  ed.  A.  Busse  I  89 

—  isagoge,  annotata  da  £.  Passamonti 
I  89 

Poschenrieder,  F.,  die  naturwissen- 
schaftlichen Schriften  des  Aristoteles 

I  112.  116 

Prammer,  J.,  Schulwörterbuch  zu  Cäsar 

II  102 

—  zum  b.  gall.  II  117 

Preuss,  S. ,  Lexicon  zu  den  pseudocä- 
sarianischen  Schriften  II  99 

Priebe,  K. ,  de  Frontone  imitationem 
prisci  sermonis  latini  adfectante  II 
263 


Prinzhorn,  W ,  de  libris  Terentianis  II  7 1 
Ramorino,  S  ,  del  vt^rso  saiumio  III  235 
Rassow,  H,  zu  Aristoteles  I  118  ff. 
Rauscher,    G.,    de   scholiis   Uomericis 

III  203 
Regnier,  A.,  de  la  latinite  de  Saint  Augu- 
stin II  267 
Rehm,  Piodar  u.  die  Aegiden  I  18 
ReifTerscheid,  A,  analecta  critica  II  127 
Reimann,   H.,   de   prosodiorum    natura 

III  220 
Reimer,  H.,  Korfu  III  257 
Reiter,  S.,  de  syllabarum  usu  III  228 
Reiohardt,  Th ,  de  metrorum  lyricorum 
Uoratianorum    artificiosa    elocutione 
III  247 
Reitzenstein,  R.,  Verrianische  Forschun- 
gen II  128 
Reusens,  E. ,  documents  de  Tuoiversit^ 

de  Louvain  III  38 
Reuss,  R.,  Samuel  Gloner  III  77 
Ribbeok,  0.,  zu  des  Aristophanes  Achar- 
nern  111  232 

—  Komposition  der  varrnnischen  Bü- 
cher de  lingua  latina  II  122 

Ribbeok,  W.,  über  Piatos  Parmenides  166 
Richter,  G ,  das  alte  Gymnasium  in  Jena 

111  81 
Richter,  R  ,  kritische  Bemerkungen  zu 

Cäsars  comm.  VII.  de  b.  g.  II  13 
Ridgeway,  W.,  Aristotle's  politics  1  144 
RIeder,  zur  pindarischen  Theologie  I  13 
Riemann,  0 ,  recherches  archeologiques 

sur  les  lies  ioniennes  III  262.  258.  279 
Robert,  C. ,  Beiträge  zum  griechischen 

Festkalender  I  70 
Röhricht,  A ,  quaestiooes  scaenica  II 174 
Röhrig,  A,  de  Nigidio  Figulo  II  123 
Rönsch,  H  ,  coUectauea  philologa  II  249 

—  Wortbedeutungen  aus  Optatus  II  269 
Rohde,  D.,  adjectivum  quo  ordine  apud 

Caesarem  et  in  Ciceronis  orationibus 
conniunctum  sit  cum  substantivo 
II  104 

Rohde,  E.,  Psyche  I  12 

Rosenstock,  P.,  de  Donato  Terentii  et 
Servio  Vergilii  explicatore  II  153.  191. 
273 

Rossbach  u.  Westphal,  griechische  Me- 
trik III  206 

Rossberg,  C,  zu  Dracontius  II  262 

Ruelle,  Ch.  E.,  correction  ä  un  passage 
d'Aristote  I  100 

Ruske,  L.,  de  Gellii  fontibus  II  144 

Sadow,  Th.,  sittliche  Begriffe  im  alten 
Rom  III  197 

Santoro,  B.,  Cicerone  giudicato  dal  Pe- 
trarca III  151 

Sartorius,  M.,  Realität  der  Materie  bei 
Plato  I  36 


Register. 


295 


Sathat,  docnmeDU  relatifs  k  l'histoire 
de  ia  Gräce  III  261 

Sauppe,  variae  lectiones  1  19 

Sohambaoh,  0.,  Bemerkungen  über  die 
Geschatzverwendang  bei  den  Römern 
II  97 

Schanz,  M.,  zur  Entwickelung  des  pla- 
tonischen Stils  1  48 

Soheidemantel,  E.,  quaestiones  Enan- 
thianae  11  151 

Sohenki,  K.,  Ellis'  Avian  II  210 

Schepsa,  G.,  die   Sprache   Priscillians 

II  267 

Schiiior,  Heinrich,  vom  Ursprung  des 
bellum  Alexandrinum  II  44 

—  zu  C&8ar  b.  civ.  II  112 

Schlag,  H.,  Cicero  Verfasser  einer  gram- 
matischen Schrift  II  125 

Schütte,  Fr.,  de  Plinii  Secundi  studiis 
grammaticis  II  137 

Schmidt,    B. ,     korkyräische     Studien 

III  259 

Schmidt,  C.  (Strassburg),  Michael  Schütz, 

Toxites  III  175 
Schmidt,  Leopold,  de  parodi  et  stasimi 

nominibus  III  227 
Schmidt,  Johann,  botanischer  Glossar 

von  Siena  II  165 
Schmidt,  Johann  (Wien),  Aristotelis  et 

Her  bar  ti  praecepta  I  107 
Schneider,  Heinrich  (Nürnberg),  Casus 

u.  Tempora  bei  Commodian  II  263 
Schneider,  Rudolph,  ilerda.  —   Portus 

Itius   —  Uxellodunum  II  76 

—  Rottenabstand  in  der  Legion  II  90 

—  zum  b.  gaJl.  II  115 f. 

Schnorr  von  Caroisfeld,  Schulpro- 
gramme u.  Bibiiolheken  III  97 

—  Nogaroliana  III  182 

Schöil,  Fr ,  zu  Terenz  Adelphen  II  187 
Schöne.  A.,  zu  Cftsar  b.  civ.  II  114 

—  die  Uuiversität  Göttingen  im  sieben- 
jährigen Krieg  III  35 

Schönemann.  J.,  de  lexicographis  II  164 
Sohönermarok,  C,  quos  anectus  comoe- 

dia  sollicitari  voluerit  Aristotelis  1  179 
Schönwerth,  0.,  über  die  Adjektiva  auf 

osus  II  253 
Schöttlor,  B.,  über  die  Lage  der  Orte 

Aduatuca,  Ära  Ubiorum  und  Belgica 

II  79 
Sehern,  J.,  Sprachgebrauch  des  Eutro- 

phius  II  272 
SchottmQller,  Remmius  Palaemon  II 132 
Schrader,    H.,    hexametrische    Ueber- 

schritten  III  218 
Schütz,  H.,  kritische  Bemerkungen  zu 

Aristoteles  Rhetorik  I  151 
Schulte,  K. ,  Bemerkungen  zur  Seneca- 

Tragödie  II  205 


Schultz,  Gerhard ,  über  das  Kapitel  de 
versuum  generibus  bei  Diomedes  III  206 

—  Metrik  des  Philoxenus  III  199 
Schulze,  E.,  de  Symmachi  vocabnlorum 

formationibus  II  266 
Schumann,  J.,  Bemerkungen  zur  Plato- 
nischen Apologie  I  53 

—  weitere  Bemerkungen  zur  Apologie 

I  55 

Schvarcz,  J.,  Kritik  der  Staatsformen 

des  Aristoteles  I  148 
Schwalbe,  B.,  Dorotheenstädtisches  ReaU 

gymnasium  III  94 
Schwartz,  E.,  de  numerorum  usu  £n- 

ripideo  III  230 
Schwarz,  Th.,  über  Verfasser  n.  Quellen 

des  Rudimentum  novitiorum  III  53 
Scott,  L,  Tuscan  studies  III  156 
Seelisch,  A.,  die  ethischen  Parthien  im 

platonischen  Phado  I  69 
Seelmann,  E.,  die  Aussprache  des  Latein 

II  249 

Seiler,  Fr.,  Ruodlieb  II  282 

Selling,  H.,  Ursprung  des  homerischen 

Verses  III  214 
Seitz,  Ch-,  l'oeuvre  politique  de  C^sar 

II  81 
Seliger,  IM.,  de  versibus  creticis  III  230 
Senecaa  Tragödien,   ungarisch  von  J. 

Kont  II  209 
Servil  commentarii  ed.  Thilo  II  152 
Shute,  R.,  on  the  history  of  the  process 

by    which   the  Aristotelian   writings 

arrived  at  their  present  form  I  78 
Sicard,  A.,  les  etudes  classiques  avant 

la  rövolution  III  1 10 
Siebella,  J.,  tirocinium  poeticum  II  218 
Silviae  peregrinatio  II  277  f. 
Sittl,  K.,  Geschichte  der  griechischen 

Litteratur  I  4 

—  was  ist  Vulgärlatein?  II  243 

—  rusticitas  der  theologischen  Schrift- 
steller II  245 

—  zur  Beurtheilung   des   Mittellateins 

II  279 

~  de  lingnae  latinae  incohativis  II  251 
Skobielski,    J.,    der    sapphische    Vers 

III  245 

Slaugther,  S.,  the  substantios  of  Terence 

II  182 
Smith,  R.^   de  arte  rhetorica  Senecae 

II  207 

Solerti,   manaale   di  metrica   classica 

III  211 

Solomon,  J.,  notes  on  Aristotle's  Ethics 

I  118ff. 
Soltau,  W.,  Manipulartaktik  II  88 
Sonne,  E.,  ad  Aristotelis  Oeconomica  1 150 
Sonntag,  Bemerkungen  zu  Cäsar  de  b. 

g.  IV  (Rheinbrücke)  II  87 


296 


er. 


Specht,  F.  A.,  Geschichte  des  Unter- 
ricbtswpseDS  in  DeotscblaDd  III  2 

Sperling,  K  ,  Aristoteles  Ansiebt  von 
der  Zeit  I  99 

Spiegel,  N.,  Vaganten  nnd  Bacchanten 
III  42 

Spiro,  F,,  der  kykliscbe  DaktyJos  III  219 

-^  Versabtbeiinnfren  III  228 

—  trußnrtXTot  duäicaiarot  111  232 
Stamateloe,  AtuxaSia  III  i;85 
Stamm,  P,  zam  b.  gali.  II  114 
Stapfer.  A.,    studia    in    Aristotelis   de 

anima  libris  I  107 

Statuten  der  Juristen -Uni fer^i  tat  Bolog- 
na ill  20 

Steiger.  K.,  de  versunm  paeonicornm 
nun  230 

Steinmeyer,  E.,  lateini«ebe  n.  altengli- 
sche Gloi^sen  If  169 

Steinmeyer  o  Sievera,  altbocfadentFcbe 
Glossen  II  170 

Stewart,  J.,  notes  on  Aristotle  I  118  ff. 

Stich,  H  ,  die  Poetik  des  Aristoteles  1 184 

Stiiiman,  Kepballenia  III  2ö8  280 

Stisser,  Th  ,  nochmals  dip  Katfaari^ig  1 173 

Strfihler,  G..  de  cae^nris  versus  Homerici 
III  203 

Strauch,  Ph  ,  fliegend^  Blätter  von  Caspar 
8cheit  III  173 

Straumer,  Fr,  eine  deutsche  Bearbei- 
tung des  Selbdtpeinigers  II  175  III  173 

Stoffel,  histoire  de  Jules  Cesar;  guerre 
civile  II  75 

Stowasser,  J.,  coniectanea  II  274 

—  hisperica   famina.  —  Stolones  latini 

II  282 

—  zu  Phocas  de  aspiratione  II  155 
Studemund,  W.,  anecdota  varia  metrica 

III  200 

—  tractatus  Harleianus.  —  Commen- 
tarii  de  comoedia.  —  Plutarcbus  de 
metro  heroico  III  201 

—  Ober  den  Arzt  Darookrates  III  224 
Suohier,    H.,   der   Untergang   der  ge- 
schlechtslosen  Substantivform  II  288 

SuaemihI,  F.,  appendix  Aristotelica  I  136 

—  Textüberlieterung  der  aristotnliscben 
Politik  I  137 

—  zu  Aristoteles  Poetik  I  169 
Suater,  G.,  misceilanea  critica  II  217 
Suter,  H.,  die  Mathematik  auf  den  Uni- 
versitäten des  Mittelalters  III  12 

Sweet,  H ,  the  Epinal  glossary  II   166 
Taohau,  L,  zu  Senecas  Tragödien  II  209 
Tamizey  de  Larroque,  lettres  de  Pei- 

resc  III  187 
Terentn  comoedia  ed.  C.  Dziatzko.  — 

Ausgewählte   Komödien    des   Terenz 

II  183 

—  Komödien,  von  A.  Spengel  II  184 


Terentii  commedie,  volgarizzate  da  Ce- 
sari  e  Rigutini  li   184 

—  comedies,  tradnrtinn  par  G  Hinstin 
II   187 

—  les  Adf-lphes,  par  A.  Boue  II  185 
par  Fr    Plessis  II  184 

by  H    Preble  II  186 

par  J.  Psichart  II  184 

by  A.  Sloman  II   186 

—  Hecyra,  par  P.  Thomas  II  187 

Ter  Haar  Romeny,  de  anctore  tragoe- 

diarum  qnae  sub  Senecae  nomine  fe- 

nintor  II  207 
Tertulltanus,  eJ.  F.  Uonard  II  270 
Teutach,  Fr,  siebenbargisch-sächsische 

Schulordnungen  III  47 
Thielmann,  Ph  ,  liexikographischea  ans 

dem  Bibellatein  II  278 

—  habere;  facere  II  256 f. 
Thikötter,  J.,  Halleluja  III  192 
Thoma,  note  sur  la  IV.  Pythiqae  I  15 
Thommen ,  .R  ,  Geschichte  der  Univer 

sitftt  Basel  III  26 
Thurneyaen,  R ,  Keltoromanisches  II  286 
Tiadall,  Fr,  theory  of  the  origin  of  the 

beroic  hexameter  III  214 
Tiaaot,  Chr.,  recherches  sur  la  campagne 

de  C^sar  en  Afrique  II  74 
Tönniea,  P ,  die  Fakult&tsstodien  III  37 
TöpfTer,  J.,  zu  Piatos  Alkibiades  1  53 
Trubetzkoi,  Metaphysik  III  195 

—  die  politischen  Ideale  Piatos  III  196 
Trump,  Fr.,  observationes  ad  genus  di- 

cendi  Claudiani  II  261 
Taitaelia,   E  ,   dvoßara  ^itretov  iu   /fe- 

^aUr^via  111  278 
Tyrrell,  k.  Y.,  Mr.  Newman's  Politicis 

I  UiS 

Udolph,  P.,  über  die  Tempora  bei  Cäsar 

II  107 

Unger  G.  F.,  Zeitrechnung  der  Griechen 
u   Römer  III  143 

—  der  Olympienmonat  III  136 
Urbat,  R.,  romanische  Elemente  in  der 

Historia  Francorum  U  281 
Uri,  J.,  quatenus  apud  Sallustium  ser- 

monis  plebeji  vestigia  appareant  II  272 
Uaener,  H. ,  altgriecb.  Versbau  III  214 
Vahlen,  J  ,  de  f ragmento  Alcmt^onis  II 2G0 

—  de  Vita  Verrii  II  127 

Vallat,  G.,  quomodo  Mnnandrum  quoad 
praecipuarum  peri;onarum  mores  Te- 
rentius  transtulerit  il  176 

Vanderhaeghen,  bibliographie  Lipsienne 

III  185 

Van  der  Mey,  ad  Caes.  b.  gall.  II  117 
Varronia  de   lingua  latina  libri  ed   L. 

Spengel  II  121 
Veil,   H.,   zum    Gedächtniss    Johannes 

Sturms  III  69 


Register. 


297 


Veil,  H. ,  das  protestaDti^che  Gymna- 
sium za  Strassburg  III  72 

Verdi.  A. ,  gli  Ultimi  anni  di  Lorenzo 
de'  Modici  III  156 

Vernier,  L,  de  secariis  italicis.  —  Etüde 
sur  la  versificatioD  populaire  des  Ro- 
mains lil  236 

—  la  versificatioD  populaire  eu  Afriqne 
III  249 

Verres,  P  ,  de  Silii  Italici  Punicis  III  249 
Veuolin,  V.,  les  fondateurs  d'ecoles  au 

XVII.  si^cle.  —  Nouvelles  glaoes  hi- 

storiques  111  112 
Vogel,  Fr.f  Ennodiana  II  265 
Voltz,  L,  de  Helia  Monacho.    —     Die 

Traktate    nepi    nar9(bu    raO    kpattxou 

jierpou.  —    Zur  Ueberlieferung  grie- 

rhischer  Grammatiker  HI  203 
Votsoh,  W.,  Marius  als  Reformator  des 

romischen  Heerwesens  11  90 
Vrba,  C  Fr ,  meletemata  Porpbyrionea 

II  149.  273 
Walther»  H.,  de  Caesaris  codicibus  inter« 

polatis  II  II 
Wania,  F.,  das  praesens  bist,  bei  Cäsar 

II  102 

Warren,  M ,  on  Latin  glossaries  II  165 
Waraberg,   A.   v.,    Odysseische    Land- 
schaften HI  266 

—  Ithaka  111  273 

Weber.  B..  de  odaiag  apud  Aristotelem 

notione  I  98 
Weber,  Ph.,  kirchengescbichtlicho  Anek- 

dota  II  270 
Weidenbaoh,    P. .    Ari>toteIes   und   die 

Scbicksalstragödio  I  169 
Weineok,  E ,  Realgymnasium  zu  Lübben 

III  95 

Weise,  0  ,    Beitrag  zum   Vulgärlatein 

II  253 

Weniger,  L,  über  das  Kollegium  der 
sechzehn  Frauen  III   125 

—  der  Gottesdienst  in  Olympia  HI  129 
Weninger,  A.,  de  parataxi  in  Terenti 

fabulis  vestigiis  II  179 

Werkshagen, C ,  Luther u.  Hütten  HI  171 

Werner,  R,  de  Senecae  Hercule  qnae- 
stiones  II  208 

Westphal.  R ,  der  Rhythmus  des  gesun- 
genen Verses  III  207 

Wiohner,  J.,  Bücherverzeichnisse  von 
Admont  111  183 

Wiebel,  K.,  die  Insel  Kephalenia  u  die 
Meermüblen  von  Argostoli  III  276 

Wiegand,  P.,  Heinrich  Thierschs  Leben 

III  50 

Wiegandt,  L ,  Julius  Cäsar  u.  die  tribu- 

nizische  Gewalt  II  83 
Wliamowitz-Möllendorf,  U.  v.,  die  Bühne 

des  Aischylos  I  53 


Wilamowltz-Möllendorf,  U   v,  zu  Flu- 

tarchs  Gastmahl  HI  219 
Wilma,  A.,  zum  lateinischen  Unterricht 

HI  101 
Wintzell,  C,  studia  Thfocritea  III  217 
Wialooki.  W ,  libor  diligentiarnm  facul- 

tatis    artisticae    universitatis    Craco- 

viensis  III  39 
Wölfflln,    E.,   Asinius   Pollio   de   hello 

Africo  II  84 

—  die  ersten  Spuren  des  afrikanischen 
Lateins  II  271 

—  der  Reim  im  Lateinischen  III  213 

—  über  die  Gemination ;  Nachtrag  II 260 

—  de  Scipionum  elogiis  HI  235 

—  der  substantivierte  Infinitiv  II  258 

—  die  Verba  desuperlativa;  die  Verba 
frequentativa  252 

—  Substantiva  mit  in  privativum  II  254 

—  der  Ablativus  comparationis  II  237 

—  zu  den  Kausalpartikeln  II  260 
Wdrmann,   Fr.,    Caesaris   commentarii 

comparati  cum  Xenophontis  Anabasi 

11  83 
Wohlwill,  E.,  Joachim  Jungius  III  97 
Wrobel.  V.,   de   Aristotelis  de   poetica 

libello  rccognoscendo  I  156 

—  Aristotelis  de  perturbationibus  doc- 
triua  I   135 

Wutke.R.,quaestiooesCaesarianae  II  108 
Zahlflelsoh,  J.,  zu  Aristoteles  I  l]8ff. 

—  zur  Metaphysik  I  94 

—  zur  Topik  I  88 
Zander,  versus  italici  Hl  235 
Zangemeister,  C ,  zum  Horazkommentar 

des  Scaurus  II  142 

Zannoni,  G.,  i  precursori  di  Cocai  III  191 

Zarnoke,  E.,  der  Einfluss  der  griechi- 
schen Litteratur  auf  die  römische 
Prosa  11  242 

Zeidler,  J.,  Schauspielthätigkeit  der  Stu- 
denten Wiens  III  178 

Zeller,  E,  Bericht  über  die  deutsche 
Litteratur  der  sok ratischen  etc.  Phi- 
losophie I  84  ff. 

—  über  die  Entscheidung  einer  doppel- 
ten Gestalt  der  Ideenlehre  in  den 
platonischen  Schriften  I  43 

—  zeitgeschichtliche  Beziehungen  des 
Theftiet  I  47 

—  über  die  richtige  Auffassung  einiger 
aristotelischen  Citale  I  82 

~  über  den  Begriff  der  Tyrannis  I  148 
Zerbst,  M.,  ein  Vorläufer  Lessings  in 

der  Aristotelesiutürpretation  I  171 
Ziaja,  J.,  Aristoteles  de  sensu  I  111 
Ziegler,  Th .  Ethik  I  126 
Zielinski,  Th.,  quaestiones  comicae.  — 

Gliederung  der  altattischen  Komödie 

HI  232 


2öS 


BepMter. 


Zi^tMkh  Tfi,  Apoll  bei  d^^n  BjperlH>- 

Tt'ÜfU  1    13 

ZI«lono9ortfcl,  Idef^o  o.  IHal^krik,   — 
Tragiker  ti.  8f>phi«.ten  III   lir7 


ZiiWBwrer»  R,  das  hoaeritehe 

Dl  284 
ZiiHIMie,  A.,  necessp  ent  II  269 
Zucker,  ztun  b.  g.  II  116 


IL   Terzeichni88  der  behandelten  Stellen. 


a)   GriechiBcbe  Aatoreo. 
rDie  Dicbt  Däber  bozeicbDeten  StWIen  siod  ans  der  ersten  Abtbeilung). 


Aetcfiylut  III  226.  —  Agam  172  111229. 
999  225.  -  Cboepb.  7M  III  230.  gos 
III  229.  -  Kom.  III  228  m  III  229. 
-'   Per».  Z09  22.  6i3  JII  229 

Aloman  III  20o 

Anaximenet  153 

Androniout  Rhodiut  8<5 

Antigonut  Charittut  79 

Antimaohut  III  218 

Antiphon  154 

Antitthenea  62 

Apoiloniut  DItooiut,  syntaxis  II  157 

Appianut  II  (\b 

Aphthoniua  III  20G 

Arittophanet.  Ach.  III  232.  loni  III  233. 

Aveg  221  III  128.  —   Equ.  20?  III 

225.    —    Lyhiatr.  reo  III  219.  m  III 

233.  1148  III  208.   "   Nub.  869  III  225. 

—     Piut.   166   III   225.   838  111  233.   1019 

III  225.  —  Kan.  ism.  I822.  1848  III  231. 
•  Thesm.  ]i84  III  225.  —  Vcsp.  ui 
III  225 

Arittophanet  Byzantinua  79 

Arittotelet  78.  -  Etbica  Nie  80.  117. 
1004  87.  -  Etbica  Eudezn.  vii  ib,  1249 
126.  —  Metapbys.  68.  90.  i  3.  3  82. 
XII  7  1072.  134.  —  Top.  VI  8  86.  ix  88 
82.  —  Analyt.  88.  —  Pbysica  99.  i  2 
82.  —  PbysiogD.  1 14.  —  pari,  animal. 
II  10,  de  gen.  animal  11  «  US.  106.  — 
Poet.  154.  XII III  227.  xxvi  i46i  143. 
-'  Hhetor.  151.  1 11  134.  11 18  82.  uio 
80.  —  Psych.  102  iii  7  218I  134  iii  9 
132.  —  do  memor.  11  a-i  111.  —  de 
Boima  in  11  109.  —  de  sensu  i  9,  3 
111.  -  Polit.  137.  III  196   I  18,  1280 

119.   II  ß,  1268  125.   IV  2,  1824  125.   IV  16, 

1886  128.  VIII  10  82.  "  Athen,  polit. 
88.  —  OecoDom.  149.  —  de  coelo 
n  18  82.   —    de  Melisso  115.    —    de 


pertnrb.  135.  —  de  inaomn.  u  4eo  112. 

—  Protrept.  85.  —  commentaria  89 
Arittoxenua  III  199 
Aaclepiut,  comment.  in  Aristotelem  97 
Atpaaiua,  in  Aristotelem  135 
(Averroia,  parapbrasis  155) 
Callimaohua  III  220   223.  229 
Choeroboacut  III  202.  204 
Comici  232 
Damooratet  III  225 
Dio  Cattiua  II  65.  XLiii  20  II  84.  xuv  » 

II  83.  XLIII  14  III  143 
Diogenet  Laertiua  114 

Dionyaiut  Halicarnaaaenait,  de  compos. 

vcrb    III  221 
Dionytiua  Miletiut  114 
Dionytiut  Periegeta  III  218.  225  ix  49» 

III  269 

Dionytiua  Thrax  III  201 

Ephraemiut  III  226 

Euclidet  scboliasta  in  Aristopb.  111  204 

Euripidea  111  219.  225.  —  Baccbae  7S6. 
1208.  1209  II  196.  — -  Eleetra  407.  447  III 
231.  —  Hei.  681  III  200.  -  Ipb.  Au). 
764   794  III  231 

Eutebiut  II  202 

Galenut  111  226 

Qeorgiut  Pitidet  III  226 

Georgiut  Trapez.  85 

Qeorgiut  Choerobotout  v.  Choeroboscns 

Gregoriut  Nazianzenut  III  213 

Heliodorut  136.  III  220 

Hephaettion  III  201  ff. 

Hermipput  114 

Herodotut  iii  48  lU  128 

Hippooratet  113.  116 

Homerut  111  216.  218.  —  Ilias  B  863 
111  268.  B  628  III  275.  B  688  III  272. 
->  OdySS.  a  186.  Y  81  HI  268.  a  M6  111 
272.  c  4  III  258.  ^  8  III  269.  t  n  III 


y 


Register. 


299 


268.  V  96  III  269.  V  los  III  274.  w  ztj 
III  268.  tt»  430  III  275.  —  ilymous  ad 
Apoll.  111  220 

Jambliohut  86 

Ignatlut  Diaoonut  III  226 

Intoriptionetgraecae  Olympicaelll  115f. 
111  131 

Itoo ratet,  Helena  52 

Isyllus  111  218 

Luoianut,  Timon  §  m  III  135  —  Ocy- 
pus  111  225 

Lyoophron  111  225 

Melittut  83  f. 

Niootat  111  227 

Pamphilus  II  164 

Panaeliut  79.  140 

Parmenidet  83 

Pautaniat  m  le,  e  111  117.  v  9,  3  III  114. 
132.  133  136.  V  9.  5  III  134.  v  10 
III  118.  Vis,  3  III  114.  124.  V14 
III  118  f.  V  14,  10  III  123.  VI  6.  6 
111  125—129.     VI  19,  4   III  115.  116. 

VI  32,  3  III    134.      VI  33,  8  Hl    135.      VI 

36, 1  111  125.  126 
Phereoratet  III  234 
Phlloponi  commeat.  in  Aristotelein  ini 
Philostratua, de  arte  gymnastica IUI  17 f. 
Philoxenut  III  200 
Phooat,  de  aspiraiione  II  155 
Pindarus,  1.   —  Istbm.  1 1  6.  ii  14.  iii. 

IV.   VII    17.     IV  5.     VII    11.   fr.  5.  fr.  107 

16.  —  Nem  I  31  6.  ii.  IX  11.  Iii  5. 
VI  4.  VII  70  111  117.  VIII  5  21.  — 
Ol.  i-iii  7.  II  111  208.  III  5  III  21 
111132.  V  6  111  114.  132.  VI  5.  VIII  8 
13  IX  48  4.  X.  XI  22.  xm  6  III  208. 
schol.  in  Ol.  in  83  26.  schol.  in  Ol. 
III  8«  111  136  ff.  —  Pyth.  l  31  12  I  84  5. 
I  90  6.  II.  III  5  7  8.  IV  388  15.  VI  14. 
VI  37  13.  VIII  7  8.  VIII 1  6.  X  13.  x  5. 
VI  41  6.  —  Scholia  1 


Plato  29.  —  Alcibiades  53.  —  Apolo- 
gie .^3.  —  Cratylua  64.  —  Criton  65. 

—  £utyphron  67.  —  Gorgias  61.  — 
Hippias  62  —  Ion  63.  —  Menezeuus 
65.  ~  Parmenides  66.  —  Phaedo  30. 
36  46  69.  -  Phaedrus  72.  II 1  136. 
138  96  33.  374  34.  -  Philebu.s  38.  44. 
60  67.  —  Protagoras  75.  S49  69.  — 
Sopbistes  44.  46.  75.  5  52.  ass  120.  — 
Tbeaetet  47.  51.  77  —  Timaeas  i8 
36  ff.  40  82    —  Leges  in  693  124.  — 

—  Polit.  147.  148.  391  124.  —  Rep. 

111    196.  X  567  126.  X  695  120 

Pletho  85 

Piutarohua  II  65.    —    Alexander  8  III 

140.   —  araat.  16  HI  209.    —   convi- 

vium  HI  220.    —    de  musica  vm  HI 

223.   -  de  mulier.  virt.  HI  125 
Polybiut  Ui  137.  140    vi  z  79.    xi  88 

H  92.    XV  9  II  88    xvm  12  II  88.  90 
Porphyrius,  isagogen  89 
Proolua  42 

Soymnus,  periegesis  HI  225 
Simonidet  HI  225 
Stephanus  Byz.  III  267 
Stesichorus,  fr.  46  10 
Strabo  vi  33 1.  383  II  201 
Terpander  Hl  223.  fr.  1.  10.  11 
Thaoomestua  111  206 
Theodorua  Gaza  85.    \\l  214.  218 
Theodorua  Prodromua  \\l  226 
Thucydides  111  g  Hl  142.  iii  15  Hl  139. 

140.     iii  60   HI  260.     III  75,  4  HI  258. 

260.    III 76.  79.  85  HI  260.    IV  46. 1  HI 

260.    IV  76  Hl  260.    V  47  111  137.  139. 

V  64  Hl  137 
Xenophanet  83 
Xenophon  l\  83.  —   Hellenica  vii  4,  39 

HI  114.  115.    VII  4,  81   111  132.  134. 

"  Oeconomicus  128 


b)  Lateinische  Autoren. 
(Die  nicht  näher  bezeichneten  Stellen  sind  aus  der  zweiten  Abtheiiung.) 


Adamantiut  158 

Aeliut  Stiio  120 

Agroeoiut  160 

Alouin  III  246 

Ammianus  Maroeliinus  270 

Anthologia  latina  481.  257 

Apollinarit  Sidonlut  epist.  265 

Apuleiut  235 ff.  264.  —  Met.  vn  17  232 

Arutlanut  156 


Asooniut  Pedfanut  137 

Asper  146 

Atiliut  4 

Augustinus  241.  267.    —    de  doctrina 

cbristiana  14 
Augustus  imp,  epistnlae  244 
Ausonius  248.  HI  246 
Avianus  210 
Avienus  HI  246 


300 


Register. 


Beda,  ortbograpbia  131 
Caesar  L     —     Bellam  gallicum  2.  80. 
lOSff.    1  9,  ]  34     I  ft,  4  103    1 7,  8  106. 

1  42.  1  32.  I  44.  6  106.  I  44,  18  32.  I  61,  3 
85.  U  6,  4  öl.  II  11,  8  34.  II  19.  1.  II  28, 1 
91.  105.  —  II  96,  1  106  III  20,  2  35. 
ni  28,  4  32    IV  17,  11  85ff.  iv  28,  ft  107. 

IV  25,  8  84.  V  58,  6  31  VI  l  51.  VI  4.  I 
26.  VI  12,  6  54.  VI  22,  2  85.  VII  28,  1  49. 
VII  85,  4  53.     VII  40,  4  26      VII  44,  8  40. 

VII  48  74.     vn  64.  4  107      VII  78,  4  105. 

VIII  2  51 .     VIII  28,  3  47      VIII,  23,  46  51 

VIII  41, 1  76.  VIII 47  51.  Bellum  ci- 
vile  18.  75  f.  108     I  26  77.    i  26,  3  54. 

I  58,  2  52.  n  18,  4  52.  II  22  74.  III  8  74 
III  14,  7  106.  III  15,  2  lu7.  m  48,  1  106 
III  49,  4  100.     III   68,  6  94      UI  60,  5  106. 

m  70, 1  52  III 84.  8  107  111  ]08ff.  47.  106 
111112,1151.  —  Bellum  Africanum  47. 
84.  118  17, 1  91.  19,  8  99.  78,  8  49.  — 
Bellum  Alpxandr.  42.  105.  —  Bellum 
UUp.  47  67.  116  272  -  de  analo- 
gia  228 

Capor  139 

Caaaianua  269 

Cassius  Felix  276 

Catuilua  62  111  246 

Charisius  133.  145.  149 

Cioero,  de  orat  in  89. 46  231.  —  Brutus 
136.  245.  —  Catil.  ii  6  31.  —  pro 
Cluentio  26  259.  —  Mil.  i».  49  III  244 

—  pro  Quiuctio  so  105.   —   in  Verr. 

II  2,  76  125  —  de  offic.  2,  10  245.  — 
Uorteos.  1  85  —  Rep.  1  79.  —  Epist. 
ad  Au.  1 9, 1  244    xvi  7.  6  140  lil  143 

—  Epist   ad  fam.  ix  2,  4  27.   ix  21, 1 

243.   X  81.  82.  88   -^8.   —   TuSCUl    II  6,  18 

105.  ni  24,  67  111  227  —  Acad  ll  25  51 
Claudianut  Mamertus  264 
Cledoniut,  de  dubiis  nom    125.   v  575,  9 

228.  —  ars  gramm.   154 
Comtnianut  142.  150 
Commodianut  263.  111213.  ->  Apol.  259 
Contentiut  155 
Corpus  iuris  civilis  275 
Cyprianus,  de  aieatoribus  8  259.  —  to- 

8iim.  in  17  229 
Diotys  II  26  233 
Diomodes,   de  versuum  geu.    141.  142. 

150.  151.  248.    111  206 
Donatus  151.  153.  191.  —  iu  Ter.  Ad. 

n  2,  16;  in  Ter.  üec   n  1,  41  273 
Dosithous  131.  134.  150.   163 
Dracontius  de  deo;  Orestis  trag.  262 
Ennius  120.  192.  203 
Euanthius  151 
Eugrapliius  158.  192 
Festus,  de  verborum  siguificata  126  127. 

195 
Fiaoous,  ValorluSy  Argonautica  111  248 


Florus  271.  iv  3,  64  59 

Frontinus  11  8,  23  95 

Fronto  235.  263.  —  ad  Gaes.  in  162  38 

Fulgentius  159.  236 

Fusus  Aseilius  237 

Gaius  294 

Gellius  136.  143.  144.  u  30,  6  228.  ni87 

197.  X  36,  5  49.  xvn  1, 1  234.  xvn  17 

203 
Grammatioi  130 
Gregor! US  Turonensis  280 
Hieronymus  240.  246  266.  —  Epist.  ad 

Ea^iUch.  22  234 
Hirtius  45.  47 
Horatius  111  247.   —    ars  poet.  50  231. 

"  Epist.  u  1, 126  237 
Hyginus,  astronomica  259 
Insoriptiones  III  236 
isidorus  Hisp.  160   161.  -  differentiae 

256 
itala  249 

Julius  Africanus  111  130.  135 
Julius  Romanus  133.  134.  145 
Jurisoonsulti  274 
Justinus  Junianus  271 
Juvenous  261 

Laotantius,  instit.  iv  is,  •  278 
Livius  vin  s  87.  89.  x  20  203  xxn  40  34. 

XXIV  24.  80  178   XXX vn  n  90 
Livius  Andronious  195.  —  Aegisth.  196. 

—  Equus  troi.  199 
Luoifer  Calaritanus  269 
Maorobius  154 
Manilius  111  245 
Martialis  in  2, 13  185 

Mela,  Pomponius  n  4  201 .  202 
Naevius,    Lycurg.    195.    197.    199      - 

Oymn    200.  —  Alcm.  200   —  Glanc. 

200.  ~  Coroll  200.  -  Fretiona  197 

—  Dementes  196.  —  Tarent.  196.  198. 
199  -  Ipbig.  198.  —  fragm.  incerl. 
206.  203 

Nigidius  Figulus  123 

Nisus  137 

Nonius  Maroellus  124    146.  175 

Orosius  272 

Ovidius,  Ibis  111  221 

Pacatius,  paneg.  Theod.  1,  8  246 

Palaemon  132    138 

Papinianus  275 

Paulinus  Pellaeus  242 

Paulus  Diaoonus  127 

Persius  lil  245 

Potronius  40.  66  260.  —  96  240 

Phaedrus  213.    111  249 

Plaoidus  161 

Plautus  111  238.  —  Amph.  407  111  238. 

—  Asin.  163  111  235.  706  111  240.  — 
Aulul.  716  III  235.  —  Bacch.  404.  480. 
614. 1166  111  235.  1160  111  244.  —  Caa. 


Register. 


301 


847.  S68    III   244.    447.  756   094  III   240  f. 

—  Gare.  M7  III  243  —  Gist.  eio  III 
242.  -  Epid  8  111  242  Merc.  780. 
193.  —  Mil  721  III  242.  ~  Most.  88S 
111  243.  842  III  242.  —  Pers.  498  111 
244  —  Poeo.  812  111  242.  —  Pseud. 
186   111  235.    —   Stich.  188  769   HI  242. 

859    III  235.     -     TriD.   648   196.  1127   III 

242.   —   Truc   263   Hl  242.  343.   196. 

—  Vidua  V  8  111  242 

Pllnius,  nat.  hist.  praefat.  §  u  246.   ni 

II  202.   m  18710.  IV  t,  5  111  269.   vui 

145  248 
Plinlua,  de  dob.  sermon.  137.  145 
Pollio  54.  —  Bell.  Alex.  45.  47 
Porphyrio  149 

Pritoianut  136    139  f.  152.  155.  156 
Pritoillianut  267 
Probut  Borytius  135.  —  Appendix  Probi 

137.  279 
Prudontius,  perist.  2,  574  245 
Quintiiianus  138   i  4,  11 1  154.  i  6,  2  245. 

I  6,  27  229.  m  4,  9  1  154.  X  10,  40  245 
Sallustlut,  Jog.  51  92 
Soaurus  141 
Seneoa,  controv.  vii  s.  praef.  8  245.  x  85, 1 

261.    -     Suasor  vi  24  46    —  Tragoe- 

diae205f  -    Ociavia  207.  —  Herc, 

Troad.,  Phoen.  207-209 
Serviut  152    —  in  Aen.  vii  80  146.  -— 

in  Aen.  vn  787  273.  —  in  Aen.  ix  4i6 

146 
Silius  Italious,  Ilias  latina  111  249.    — 

Punica  111  250 
Silviae  peregrinatio  277 
Statilius  Maximus  156 
Statiua,  silvae  iv  4  HI  140f.  143 


Suotonius,  vita  Probi  Valerii  135.    — 

vita  gramm.  1  120.  127.   —  rhetor.  6 

245 
Sulpioius  Apollinaris  143 
Sulpioius  Severus  266 
Symmaohut  265.  —  Epist.  vii  9  244 
laoltus.  ann.  i  65  248.   iii  41,  46  10.   — 

hist.  III  22  94 
Terentianus  HI  206 
Terentiua  171.     —     Adelphi  184.   117 

188.  125  189.  201  187.  264}188.  886  193. 

in  1,  8  209.    —   Andria  172.    225  197. 

815    189.  760  IH  239.  I  141    prol.  18  195. 

—  Eun.  prol.  8   191.    prol.  20   175.    848 
III  241.   708   189.   741    181.   IV  4,  21    190. 

—  HeautOn.  prol.  176.     prol.  45.  16.  80 
189     846  189.    596  190     812   HI   239.    IV 

1»  82  190.    —    Hecyra  prol.  i.  49  175. 

prol.  5    174.    prol.  10   17'i  .     527  IH   239. 

668  190   741  IH  240    829  180.  —  Phor- 
mio  183     proL  83  177.     175  190.    409. 

561    1021    188 

Tertullianus,  resurrect.  51  229 

Tibullut,  encomium  III  221 

Tinoa  rhetor  251 

Trebeliius,  Pollio  claud   3  229 

Varro  121.  —  de  1.  I.  III  200.  vii  70  197 

Vegetius  in  14  90 

Velius  Longus  125.  137 

Velleius  Pateroulus  204 

Vergilius,  Aen.  vn  154  178.  —  Buc.  viii 
80  HI  210.  -  Georg.  11  69.  in  449  Hl 
248.  in  800.    -  Giris,  Culex  HI  248 

Verriua  Flaccus  122.  127.  148 

Victohnus,  Marius,  125    Hl  206.  248 

Vitruvius  279 

Walahfk*ied  Strabo  111  245 


Berlin. 

Druck  von  Martin  Oldenbourg*. 

Adler  -  Strasse  5 

1892. 


JAHRESBERICHT 

Ober 

die  EoTtschritte  der  classischen 

Alterthumswissenschaft 


Conrad   Bursian, 

herausgegeben 

Iwan  V.  Müller, 

ord.  öRenlL  Pror.  der  classisdien  Philologie  an  der  UDiversitKl  ErbuigeD. 


Nennnndseeli7,ig9ter  Band. 

Neunzehnter  Jahrgang.    1891. 

Dritte  Abtheilnng:. 

ALTERTHÜMSWISSENSCHAFT. 

Register  über  die  drei  Abtheilungen. 


SEBLIN    1892. 

VERLAG  VON  S.  CALVARY  &  CO. 

W.  Um«  den  Liadea  21. 


Vfci-^ 


N 


Verlag  von  S.  Calvary  &  Co.  in  Berlin. 


Calvary's  philologische  and  archaeologische  Bibliothek. 

Sammlune  neuer  Ausgaben  älterer  classiscber  HülfsbQcher  zum  Studium  der  PhQologie 
in  j&hruchen  Serien  von  ca.  16  Bänden.  Subscriptionspreis  für  den  Band  1  M.  50 Pf. 
Einzelpreis  2  Mark.  Jeder  Band  wird  einzeln  abgegeben.  Neu  eintretenden  Abon- 
nenten wird  die  1—3.  Serie,  50  Bände,  statt  zu  75  Mark  mit  36  Mark  geliefert. 

I.  Serie.     15  Bände  und  1  Supplementband. 

Band  1:  Wolf,  F.  A.,  Prolegomena  ad  Homerum.  Cum  notis  ineditis  Immanuel is 
Bekkeri.  Editio  sectinda  cni  accedunt  partis  secundae  prolegomenorum  quae  super- 
sunt  ex  Wolfii  manuscriptis  eruta.     Einzelpreis  2  Mark. 

Band2->6:  Müller,  K.  O.,  Kunstarchaeologische  Werke.  Erste  Gesammtausgabe 
5  Bände.     Einzelpreis  10  Mark. 

Band  7—15:  Niebahr,  B  G.,  Römitche  Geschichte.   Neue  Ausgabe  von  M.  Isler. 

3  Bände  in  9Theilen.   Einzelpreis  (einschliesslich  des  Registerbandes)  18  Mark. 
Supplement  band:  Register  zu  Niebuhr's  Römischer  Geschichte.  Einzelpreis  2  Mark. 

IL  Serie.     18  Bände. 

Band  IG— 20:  Dobree,  F.  F.,  Adversaria  critica.  Editio  in  Germania  prima  cum  prae- 
fatione  Guilelmi  Wagneri.    2  Bände  in  6  Thcilen.    Einzelpreis  12  Mark. 

Band  21—24:  Bentley,  R.,  Dissertation  upon  the  letters  of  Phalaris  and  other 
oritical  works  with  introdnction  and  notes  by  \V.  Wagner.  Ein  Band  in  4  Tbeilen. 
Einzelpreis  8  Mark. 

Band  25:  Dobree,  F.  F.,  Observationes  Aristophaneae.  Edidit  illustravit  G.  Wagner 
Einzelpreis  1  M.  50  Pf. 

Band  26 — 3l,33u.48:  Humboldt,  W.v.,  lieber  die  Verschiedenheit  des  menschlichen 
Sprachbaues  und  ihren  EinHuss  auf  die  Entwickeiung  des  Menschengescblechts,  mit 
erläuternden  Anmerkungen  und  Excursen,  sowie  als  Einleitung:  With.  v.  Humboldt 
und  die  Sprachwissenschaft,  herausgegeben  und  erläutert  von  A.  F.  Pott.  2.  Aufl. 
Mit  Nachträgen  von  A.  F.  Pott  und  einem  systematischen  und  alphabetischen  Re- 
gister von  A.  Vanicek.    2  Bände  in  d  Tbeilen.    Einzelpreis  16  Mark. 

III.  Serie.     15  Bände  und  ein  Supplementband. 

Band  32  u.  43:  Hudemann,  E.  E.,  Geschichte  des  römischen  Postwesent  während 
der  Kaiserzeit.  Zweite  durch  Nachträge,  eine  Inhalts- Angabe,  ein  Register  and 
eine  Strassenkarte  des  römischen  Reiche.s  vermehrte  Auflage.    Einzelpreis  4  Mark. 

Band  34—42 :  Becker,  A .  W.,  C  h  a  r  i  k  I  e  s.  Bilder  altgriechischer  Sitte,  zur  genaueren 
Kenntniss  des  griechischen  Privatlebens.  Neu  bearbeitet  von  H.  Göll.  3  Bände 
in  9  Tbeilen.    Einzelpreis  18  Mark. 

Band  44 — il:  Rangabe,  A.  R.,  Precis  d'une  histoire  de  la  Litterature  neo-hellenique. 

4  Bde.    Einzelpreis  8  Mark. 

Supplementband:  MAller,  Lucian,  Friedrich  Ritscht.  Eine  wissenschaftliche 
Biographie.    2.  Aufl.     Einzelpreis  3  Mark. 

iV.  und  V.  Serie.     35  Bände. 

Band  49—55, 74—78. 86 ff.:  Reisig,  K.,  Vorlesungen  über  lateinische  Sprachwissen- 
schaft. l.Theil:  Etymologie,  neu  bearb.  v.  H.  Hagen.  3  Bde.  (Einzelpr.  6M.)  2.Theil. 
Semasiologie,  neu  bearbeitet  von  F.  Heerdegen.  2  Bände.  (Einzelpreis  4  Mk.) 
3.  Theil:  Syntax  neu  bearbeitet  von  J.  H.  Schmalz  und  G.  Landgraf.  9 Bände. 
(Einzelpr.  18  M.)    Register  von  G.  Landgraf.    (Einzelpreis  2  M.) 

Band  56— 61,  72  2.  Hälfte,  73,  79,  80:  Meier,  M.  H.  E.,  und  G.  F.  Schoemann,  Der 
attische  Process   Neu  bearbeitet  von  J.H.Li  psius.  2  Bände  in  10  Th.  Einzelpr.  20  M. 

Band  62—70:  Becker,  A.  W.,  Gallus  oder  römische  Scenen  aus  der  Zeit  Augusts.  Zur 
genaueren  Kenntniss  des  römischen  Privatlebens.  Neu  oearb.  von  H.  Göll.  9Bände. 
Einzelpreis  18  Mark. 

Band  71,  72  I.Hälfte:  Us^ing:,  J.  L.,  Erziehung  und  Jugendunterricht  bei  den 
Griechen  und  Römern.    Neue  Bearbeitung.    Einzelpreis  3  Mark. 

VI.  und  VII.  Serie,     ca.  36  Bände. 

Band  81—85,  89  u.  ff:  Holm,  A.,  Griechische  Geschichte  von  Ihrem  Ursprünge  bis 
zum  Untergange  der  Selbständigkeit  Griechenlands,  ca.  20  Bände.  Einzelpreis 
ca.  40  Mark.  In  Vorbereitung  beiindcn  sich:  Movers,  die  Phoenizier,  neu  be* 
arbeitet  fon  J.  Krall;  H.  Reimann,  Handbuch  der  griechischen  und  rdmleoliefi 
Metrik;  R.  We<{tphal,  Allgemeine  Metrik;  Jebb,  Einleitung  zum  Homer  U.A. 
lieber  die  Fortsetzung  behalten  wir  uns  Mittheilnng  vor. 


Druck  von  Martin  Oldenbourg  in  Berlin 


\ 


•  •• 


•  • 


:uLUup|— 


?-?015  03096  4145