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Full text of "Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für Vaterländische Kultur"

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Tibrary of the Museum 


OF 


COMPARATIVE ZOÖLOGY 


9 
AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS, 


Founded by private subscription, in 1861. 


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Ueberſicht 


Arbeiten und Ver ä nderungen 


der 


ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur 


im Jahre 1839. 


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Kenntnißnahme für ſämmtliche einheimiſche und auswärtige wirkliche 
Herren Mitglieder der genannten Geſellſchaft. 


Breslau 1840. 
Gedruckt Ber Graß, Barth und Comp. 


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Allgemeiner Bericht 
125 über 
die Arbeiten und Veränderungen der Geſellſchaft im Jahre 1839, 
vorgetragen 
in der allgemeinen Sitzung den 20ſten December 


vom 


Dr. Johann Wendt, 


erſtem General-Secretair der Geſellſchaft. 


H. H. 


Den General-Bericht, welchen ich in der allgemeinen deliberativen Sitzung vor zwei Jahren 
der verehrten Geſellſchaft zu erſtatten die Ehre hatte, mußte ich mit der Entſchuldigung un⸗ 
ſeres verehrten Vice-Präſes, des Herrn Rectors Reiche, eröffnen, welcher damals, durch 
eine ſchwere Krankheit verhindert, den Nekrolog, der obſervanzmäßig in dieſer Schlußſitzung 
vorgetragen wird, nicht liefern konnte, und denſelben erſt in der darauf folgenden Januar— 
Verſammlung vortrug. 

In der heutigen Sitzung wiederholt ſich derſelbe Fall. Herr Rector Reiche hatte vor 
vierzehn Tagen das Unglück, auf öffentlicher Landſtraße von einem Laſtwagen überfahren zu 
werden. Sein, den Seinigen und allen ſeinen zahlreichen Freunden und Verehrern theures 
Leben war in der größten Gefahr; dieſe iſt jetzt, dem Himmel ſei Dank, beſeitigt, aber ſein 
Geſundheitszuſtand geſtattet ihm die literäriſche Thätigkeit noch nicht; er wird das heute 
Verſäumte in der Verſammlung des nächſten Monats nachholen. 

Das verfloſſene Jahr iſt theils durch eine fruchtbare Thätigkeit, theils durch einen ſehr 
zahlreichen Hinzutritt neuer Mitglieder ausgezeichnet. 

Allgemeine Sitzungen fanden, mit Einſchluß der heutigen Verſammlung, ſieben Statt, 
und kamen folgende Abhandlungen zum Vortrage: 

Ueber Heinrichs von Poſer Reiſe durch Aſien in den Jahren 1621 — 1624, vom 
Herrn Dr. Kahlert. | 

Ueber die Irrenheilanſtalten der ältern und neuern Zeit, vom General: Secretair. 

Ueber die Behandlung der Geſchichte als Unterrichtsgegenſtandes, vom Herrn Geheimen 
Archiv⸗Rathe Profeſſor Dr. Stenzel. 

1 * 


4 


Ueber die Geſchichte und Verfaſſung der weſtphäliſchen Vehm: Gerichte, vom Herrn 
Dr. Geyder. 

Nachrichten über die Kapellen und Alterthümer auf dem Eliſabethkirchhofe zu Breslau, 
vom Herrn Profeſſor Dr. Kuniſch. 

Ueber die kirchlichen Zuſtände in Schleſien unter den letzten Herzogen von Liegnitz und 
Brieg, nach dem Ausſterben des fürſtlichen Hauſes unter der kaiſerlichen Regierung bis zu 
Ende des ſiebzehnten Jahrhunderts, vom Herrn Conſiſtorial-Rathe Menzel. 

Ueber den, vom Herrn Mechanikus Ilgmann gefertigten Apparat zur Beleuchtung des 
Mikroſkops durch die Hydr'oxygenflamme (das ſogenannte Drummondſche Licht), vom Herrn 
Director Gebauer. Daran knüpfte Hr. Prof. Dr. Göppert einen Vortrag über den Bau 
der Pflanzen und bediente ſich des erwähnten Apparates zur Verdeutlichung ſeines Vortrages. 

Ueber die Beantwortung der Fragen: Verdient die Feier des hundertjährigen Jubi— 
läums der Thronbeſteigung Friedrichs II. durch ein Denkmal verherrlicht zu werden? Wer 
ſoll es errichten? wo ſoll es ſeine Stätte finden? vom Vice-Präſes der Geſellſchaft, Herrn 
Rector und Profeſſor Reiche. | 

Herr Prof. Dr. Göppert legte der Geſellſchaft an demſelben Abend (den 29. Novbr.) 
die erſte gelungene Probe der von dem Herrn Director Gebauer und ihm mittelſt des 
Hydr'⸗Oxygen-Gas-Mikroſkops verfertigten Lichtbilder vor. 

Der heutige Vortrag, vom Herrn Conſiſtorial-Rath Menzel: Ueber die Verhältniſſe 
Ludwigs XIV. zu Deutſchland bis zum Nimweger Frieden. | 

Es folgt die gedrängte Ueberficht der Arbeiten in den einzelnen Sectionen. 

Ueber die diesjährige Thätigkeit 


der naturwiſſenſchaftlichen Section 
ſandte der Secretair derfelben, Herr Profeſſor Dr. Göppert, nachftehenden Bericht ein: 


Die naturwiſſenſchaftliche Section verſammelte ſich in dem eben verfloſſenen Jahre zu 
achtzehn verſchiedenen Malen, während im Jahre 1838 nur dreizehn Sitzungen ſtattgefunden 
haben. Fünf und zwanzig, nach Erforderniß durch Demonſtrationen und Experimente erläu— 
terte Vorträge, außer mehreren einzelnen Mittheilungen aus dem großen Gebiet der Natur— 
wiſſenſchaften, kommen in denſelben vor, welche die Section folgenden Herren verdankte: 
Ueber Aſtronomie: Herr Prof. und Hauptmann Dr. v. Boguslawſki (briefliche Mit: 
theilungen des Herrn Profeſſor Dr. Mädler in Berlin. Herrn Kandidat Leuchtenberg 
zu Polochwitz und des Herrn Dr. Neef zu Frankfurt a. M.). Ueber Phyſik: Herr Pro— 
feſſor Dr. v. Boguslawſki, Herr Profeſſor Brettner, Herr Director der Bau- und 
Kunſt-Schule Gebauer, Herr Profeſſor Dr. Pohl, Herr Oberſtlieutenant Baron Dr. 
v. Strantz, Herr Dr. Neef in Franfurt a. M. und Herr Profeſſor Dr. Frankenheim. 
Ueber Chemie: Herr Chemiker Duflos, Herr Profeſſor Dr. Fiſcher und der Secretair 
der Section. Ueber Mineralogie, Geologie und Petrefaktenkunde: Herr Pro— 
feſſor Wimmer und der Secretair der Section; ſo wie briefliche Bemerkungen des Herrn 


* 


5 


Apotheker Beinert zu Charlottenbrunn, des Königl. Rheiniſchen Ober-Berg-Amtes und 
des Herrn Berghauptm. Martins zu Halle. Ueber Zoologie: Herr Dr. phil. Gloger. 
Ueber thieriſche Anatomie und Phyſiologie: Herr Profeſſor Dr. Purkinje und 
Herr Dr. Pappenheim. Ueber vegetabiliſche: der Secretair der Section; ſo wie 
hierher auch noch Mittheilungen des Herrn Magiſter Mücke und Herrn Kaufmanns Aſch 
in Schweidnitz gehören. 

Mehrere auswärtige Geſellſchaften, fo wie korreſpondirende Mitglieder der Geſellſchaft, 
bezeigten ihre Theilnahme durch Einſendung ihrer neueſten Verhandlungen und Schriften. 
Hr. Pfarrer Martius zu Schönberg im Königreich Sachſen überſchickte eine ſehr intereſſante 
Sammlung der vulkaniſchen Mineralien des berühmten Kammerbühl bei Eger. Die phyſi— 
kaliſche chemiſche Sammlung erhielt durch zwei große Apparate einen bedeutenden Zuwachs. 
Der eine, ein Ettinghauſenſcher magneto-elektriſcher Apparat, an Werth 
102 Rthlr. 10 Sgr., ward aus den binnen wenigen Tagen eingegangenen freiwilligen Bei— 
trägen der Herren Mitglieder, der andere, ein Hydr'-Oxygengas-Mikroſkop (240 Rthlr. ), 
aus der Kaſſe der Geſellſchaft angeſchafft. Inſofern das letztere Inſtrument vorzüglich geeig— 
net iſt, die bisher nur Wenigen zugänglichen Reſultate mikroſkopiſcher Forſchungen auch einem 
größern Kreiſe mitzutheilen, ſcheint es dem Zweck unſerer Geſellſchaft ganz beſonders zu ent— 
ſprechen, die es ſich ſtets zur Hauptaufgabe ſtellte, die Wiſſenſchaft zum Gemeingut Aller zu 
machen. Die Section fühlt ſich daher angelegentlich verbunden, für dies Geſchenk dem ver— 
ehrten Präſidio, ſo wie auch dem Herrn Director Gebauer ihren Dank abzuſtatten, 
unter deſſen Leitung es allein gelang, das erwähnte Inſtrument im vollkommenern Zuſtande 
herzuſtellen. 

In der Schlußſitzung wurde der bisherige Secretair für die nächſte Etatszeit gewählt. 


Ueber 
die botaniſche Seetion 


hat der Secretair derſelben, Herr Profeſſor Wimmer, folgenden Bericht erſtattet: 


Die botaniſche Section hat im Laufe des Jahres 1839 ſich ſiebenmal verſammelt, und 

ſind darin nach der Zeitfolge folgende Gegenſtände zur Sprache gekommen: 

1) Herr Prof. Dr. Göppert ſetzte den Plan der von ihm herauszugebenden Genera 
plantarum ſossilium auseinander und legte Probetafeln davon bor. Insbeſon— 
dere ſprach derſelbe über die Verwandtſchaft und Syſtematiſirung der Gattung 
Stigmaria. 

2) Herr v. Uechtritz las einen Aufſatz über den Vegetations-Charakter des Mähriſch— 
Oeſtreichiſchen Grenz- oder Weingebirges. 

3) Herr Dr. Schauer erläuterte die neueren und neueſten Entdeckungen über die 
Befruchtung der Pflanzen. 

4) Herr Pharmazeut Krauſe legte die Reſultate einer Reviſion der ſchleſiſchen Jun- 
cus- und Luzula- Arten vor, 


5) Herr Dr. Scholtz legte zweifelhafte und für Baſtarde angeſehene Cirslum-For— 
men vor. | | 

6) Herr Dr. Schauer las über die Flora des Geſenkes und zeigte die geſammelten 
Exemplare vor; derſelbe las einen Aufſatz des Herrn Sendtner über die Laub— 
moos-Flora des Geſenkes. | 

7) Der Secretair zeigte vom Herrn Apotheker Beinert eingeſandte Exemplare von 
Hydnum coralloides variet. subterraneum Fries in mehreren lehrreichen Ueber— 
gangsformen vor. 

8) Der Secretair zeigte die ſämmtlichen bisher in Schleſien gefundenen Arten und 
Formen von Chara vor. 

9) Herr Prof. Dr. Göppert zeigte eine Sammlung von Alpenpflanzen als ein Mu— 
ſter von Pflanzen-Konſervation vor. | 

10) Herr Pharmazeut Krauſe theilte feine Bemerkungen über die Schleſiſchen Festuca- 
Arten mit. 


Herr Geheime Hofrath Profeſſor Dr. Gravenhorſt, Secretair der entomologiſchen 
Section, berichtet Folgendes: 


Die entomologiſche Seetion 


hat ſich im Jahre 1839 neunzehnmal verſammelt. Ihre Mitglieder machten auf dem Ge— 
biete der Inſektenfauna unſerer Provinz mehrere neue Entdeckungen und Beobachtungen; 
beſonders waren es die Ordnungen der Käfer, Hautflügler, Zweiflügler und Falter, welche 
bearbeitet wurden; mehrere neue oder ſeltene Arten wurden beſchrieben und vorgezeigt, und 
auch die Lebensweiſe und Verwandlungsgeſchichte mancher von ihnen beobachtet. 


Die Bibliothek der Section wurde ſowohl durch Geſchenke als durch Ankauf bereichert. 


Vom Secretair des Vereins für die Sudetenkunde, Herrn Profeſſor Dr. Scholtz, iſt 
nachſtehender Bericht eingegangen: | 


Auf Veranlaſſung 
der Section für die Sudetenkunde 


ſind auch im abgelaufenen Jahre die an den verſchiedenen Stationsorten aufgeſtellten Baro— 
meter und Thermometer, Behufs hypſometriſcher Beſtimmungen, mit dem aufopferndſten 
Eifer beobachtet worden. Bei der Unvollkommenheit der Barometer wegen der unreinen Be— 
ſchaffenheit des Queckſilbers ſind nun ſchon mehrere dieſer Inſtrumente mit chemiſch-reinem, 
vom Herrn Premier-Lieutenant Lutz mit der größten Sorgfalt dargeſtellten Queckſilber ver— 
ſehen worden, an welchen die Beobachtungen fortgeſetzt werden ſollten. Es iſt zu hoffen, daß 
noch im Laufe der nächſten Monate auch mit den übrigen Inſtrumenten die gedachte Verbeſſe— 
rung wird vorgenommen werden können. In den vier Sitzungen der Section hielt Herr 
Premier⸗Lieutenant Lutz Vorträge über eine neue Queckſilber-Reinigungs-Methode und über 


die orographiſchen und geognoſtiſchen Verhältniſſe verſchiedener Theile der Sudeten, welche 
derſelbe im Laufe dieſes Sommers bereiſt hat, ſo wie über die daſelbſt von ihm angeftellten 
korreſpondirenden Beobachtungen. 


Ueber 
| die medieiniſche Section 


hat der Secretair derſelben, Herr Hofrath Dr. Borkheim, folgenden Bericht eingeſandt: 


Mit ſo regem als früherem Eifer ihre wiſſenſchaftlichen Zwecke verfolgend, war auch in 
dieſem, zu Ende ſich neigenden Jahre die mediciniſche Section die Aufgabe, die ſie ſich geſtellt, 
zu löſen ernſtlich bemüht. Zu dem Ende hat ſie ſich etatsmäßig zwölf Mal in eben ſo vielen 
Monaten mehr oder minder zahlreich verſammelt und nicht nur 25, in der Ordnung, in 
welcher ſich die Herren Mitglieder vorher dazu verpflichtet hatten, im Zuſammenhange gehal— 
tenen, ihrem weſentlichen Inhalte nach ſpäter noch näher zu bezeichnenden Vorträgen ihre 
ungetheilte Aufmerkſamkeit zugewandt, ſondern auch hievon häufig Veranlaſſung zu wiſſen— 
ſchaftlichen, je nach dem verſchiedenen Intereſſe, welches ſie darboten, mehr oder minder leb— 
haften Discuſſionen genommen. Außerdem wurde aber auch im Monate Mai d. J. eine 
außerordentliche, von faſt ſämmtlichen Herren Mitgliedern beſuchte Verſammlung gehalten 
und in derſelben die, in Vorſchlag gebrachte Aufnahme von Homöopathen als Mitglieder un— 
ſerer Geſellſchaft und reſp. auch der Section in gemeinſchaftliche Berathung gezogen. Es 
wurde der einſtimmige Beſchluß gefaßt, an ein hochverehrliches Präſidium den, wie die Sec— 
tion glauben darf, hinreichend motivirten Antrag zu ſtellen, dafür geneigteſt Sorge tragen zu 
wollen, daß ſie nach wie vor in ihrer, wie bisher geregelten, ruhigen und ſtillen Wirkſamkeit 
in keiner Art beeinträchtiget, aber auch eben ſo wenig genöthiget werde, der Verbreitung ei— 
ner, mit dem Geiſte und der Richtung ihrer Beſtrebungen unvereinbaren Lehre Vorſchub zu 
leiſten, einer Lehre, die, wie nach dem Zeugniſſe der Geſchichte unſerer Wiſſenſchaft keine an— 
dere, mit einer unbefangenen naturgetreuen Beobachtung fo wie mit der], darauf gegründe— 
ten, Jahrtauſende alten Erfahrung in fo grellem Widerſpruche ſtehe. Der geneigten Geneh⸗ 
migung dieſes ihres Antrages ſich freuend, darf ſich die Section der angenehmen Hoffnung 
überlaſſen, daß ihre Mitglieder dieſe, von Gemeingeiſt zeugende und darum beſonders ehren— 
werthe Geſinnung, wie ſolche ſich bei dieſer Gelegenheit kund gegeben, treu bewahren und, 
wo ſich's um Vertretung rein wiſſenſchaftlicher Intereſſen handelt, auch thatkräftigſt bewähren 
werden. Wo die Wiſſenſchaft ſolchen Boden zu ihrer Pflege und Fortbildung findet, fürwahr 
da kann fie, weit entfernt, bei dem, dieſem oder jenem irgendwie beliebten, ſyſtematiſch-un— 
wiſſenſchaftlichen Treiben zu verkümmern, zum Nutzen und Frommen der leidenden Menſch— 
heit wie zur Ehre unſeres vaterländiſchen, ſo viele würdige, hocherleuchtete, im Gebiete der 
Wiſſenſchaft wie im öffentlichen Leben gleich hochgeſtellte Männer des In- und Auslandes 
zu ſeinen Mitgliedern zählenden Vereins, ſo Gott will, nicht anders als gedeihen. — Der 
bisherige Secretair iſt von der Section auch für die folgende Etatszeit gewählt worden. 


8 


Der Secretair der ökonomiſchen Section, Herr Geheime Hofrath e Dr. n 
berichtet Nachſtehendes: 


32 


Die ökonomiſche Section 


hat im abgelaufenen Jahre neun Sitzungen gehalten, und darinnen ſind, bei oftmals ziemlich 
zahlreichem Beſuche, nicht nur die von vielen fremden ökonomiſchen Geſellſchaften ferner ein— 
geſandten ökonomiſchen Zeitſchriften und Zeitblätter, ſo wie auch einzelne von ihren Verfaſſern 
überſandte, ſolche Schriften vorgelegt, ſondern auch viele intereſſante Mittheilungen und Unter— 
haltungen über allerlei und ſehr mannichfaltige Objecte der Landwirthſchaft und ihrer verſchie— 
denen Zweige gemacht und geführt, auch mehrere Modelle neuer landwirthſchaftlicher Inſtru— 
mente und Geräthe aus der Sammlung der Königl. Univerſität, ſo wie einige merkwürdige 
Naturalien, und andere die Landwirthſchaft angehende Materialien und Gegenſtände vor⸗ 
gezeigt worden. 

Unter den erſteren ſind vornehmlich die Mittheilungen über Runkelrüben⸗ Bau und 
Zucker⸗-Fabrikation in Schleſien im Jahre 1838, über Kartoffel- Bau, über die neuen künſt— 
lichen Wieſenanlagen und Bewäſſerungs-Anſtalten, und über den Anbau der neuen Chiliſchen 
Oelpflanze, Madia sativa, in Schleſien, über neue Säemaſchinen, über Dornſche Dächer, 
über Wäſche der Wolle, über Schafkrankheiten, über neue künſtliche Sand- und Erdſteine ꝛc. 
zu bemerken; unter den zweiten aber eine Probe Hopfens aus Lütſchena bei Leipzig, die 
Stengel der gedachten Madia sativa, nebſt Proben von Oel derſelben, ein ſehr großer Sten 
gel holländiſchen Rapſes von dieſem Jahre, und von den Modellen die neue Heynerſche 
Dreſchmaſchine, die Pohlentziſche Torfpreſſe und die Elſaſſer Runkelſaamen-Steckmaſchine; 
unter den letzten aber die Proben von Flachs- und Werrig-Garn aus Asclepias incarnata, 
die Proben von Garn, Gewebe, Bindfaden und Papier aus Phormium tenax, oder Neu: 
ſeeländiſchem Flachs aus Paris und Roſtock; eine Probe von Weſtphäliſchem feinſten Leingarn, 
ſo wie zwei Stücken feinſten Thibets aus Tannhauſen, und ferner das Preyßiſche Schaf— 
Waſchmittel aus Gypsophila Struthium (mit dem auch ein ſehr glücklicher Verſuch gemacht 
worden), ſo wie eine Probe von in Brieg gefertigtem, ſehr feſten Asphalt, ein Olmützer 
Pflaſterſtein für Straßenpflaſter, und zuletzt die bei der diesjährigen Verſammlung deutſcher 
Landwirthe in Potsdam empfohlenen Melkröhrchen zum ſchnellern und beſſern Ausmelken der 
Kühe, zu erwähnen und anzuführen. 

Die Bemühungen des Präſidiums der Geſellſchaft und der Section ſelbſt, der Königl. 
Regierung die Anſtellung des Herrn Geometers Wehner als Lehrers der neuen künſtlichen 
Wieſenanlage und Bewäſſerung, unter Unterſtützung mit einem kleinen monatlichen Gehalte, 
zu empfehlen und bei derſelben zu erwirken, blieb, wegen Mangels an dazu dienlichen Fonds, 
ohne Erfolg. 

Auszüge aus den Berichten über die Verhandlungen der gtonomiſchen Section in ihren 
neun Sitzungen wird von jetzt an die hier in Breslau bei Herrn Goſohorski erſcheinende 
Zeitſchrift für gutsherrliche und bäuerliche Verhältniſſe künftig, und zwar, dem Verſprechen 


BR 9 


nach, zuerſt im erſten Hefte des zweiten Bandes, enthalten, welches Anfang künftigen Jahres 
herauskommen wird. 
Der bisherige Secretair wurde für die nächſte Etatszeit wieder gewählt. 


Vom Herrn Senior Berndt, bisherigem Secretär der pädagogiſchen Section, iſt 
folgender Bericht eingegangen: 
Die pädagogiſche Seetion 


hat i in dem abgeſchloſſenen Jahre ſich neunmal verſammelt und wird in dem gedruckten Jah— 
resberichte ihre Verhandlungen ausführlich mittheilen. Der in dem vorigen Jahre von ihr 
gemachte Verſuch, ſich als Vereinigungspunkt des geſammten Lehrſtandes in Breslau darzu— 
bieten, hat leider nicht den Erfolg gehabt, welchen ſie hoffte. Die von ihr veranſtaltete 
Sammlung ſchleſiſcher Schulſchriften iſt durch Geſchenke der Herren Senior Berndt, Di⸗ 
rector Dr. Müller in Glaz und Director Scholz in Neiſſe um neun Nummern vermehrt 
worden, und zählt jetzt 551 Naarn in 11 Bänden, welche der Bibliothek unſerer Geſell— 
ſchaft einverleibt ſind. 

Als Secretair für die neue Etatszeit wurde gewählt Herr Rector Morgenbeſſer. 

Der bisherige Secretair, welcher zwölf Jahre dies Amt verwaltet hat, wünſcht ſeinem 
Nachfolger, es möge ihm gelingen, größere Theilnahme für die Section zu erwirken. 


Von dem Secretair der hiſtoriſchen Section, Herrn Geheimen Archiv- Rathe Profeſſor 
Dr. Stenzel, kam nachſtehender Bericht ein: 


Die hiſtoriſche Satiou 


verſammelte fich in dieſem Jahre zwölfmal. Vorträge wurden gehalten: 
Vom Herrn Conſiſtorial-Rath Menzel: 
1) Ueber die politiſchen Feſtſetzungen des Weſtphäliſchen Friedens. 
2) Ueber die Verhältniſſe des Fürſtbiſchofs Schafgotſch zu Friedrich dem Großen. 


Herr Profeſſor Dr. Kuniſch gab Beiträge zur Nen alt Breslauiſcher Kirchen 
und Klöſter. 


Herr Oberlandesgerichts-Referendarius Wiesner theilte mit: 

1) Nachrichten über die Herzöge von Oels, Wuͤrtembergiſcher Linie, namentlich 
Carl Friedrich von Oels und Carl von Bernſtadt, über die finanzielle Lage der— 
ſelben und des Letztern Verhältniß zum Kaiſer. 

2) Bericht eines Augenzeugen über das, was ſich nach Friedrichs des Großen Ein— 
nahme von Breslau im Jahre 1741 mit dem Domkapitel daſelbſt begeben. 


Herr Dr. Geyder hielt Vorträge: 
1) Ueber die Verfaſſung der eee Städte gegen das Ende des 14ten Jahr- 


hunderts. 
2 


1 


2) Ueber die in den Jahren 1295 und 1299 von dem Herzog von Schweidnitz, 
Bolko I., und von dem Herzog von Glogau, Heinrich III., hinſichtlich der 
Juden erlaſſenen Verordnungen. J 

3) Ueber ehemals in Schleſien üblich geweſene Rechtsgebräuche, und den Bericht 
eines Zeitgenoſſen über die Heerzüge der Huſſiten in Schleſien und der Lauſitz. 

4) Gab derſelbe: einige Bemerkungen zur Culturgeſchichte Oberſchleſiens unter 
Friedrich dem Großen. 


Herr Dr. Kahlert theilte mit: | ch 
Nachrichten aus der handſchriftlichen Chronik Johann Gerhard Steinbergers, eines 
Augenzeugen bei dem erſten Einzuge Friedrichs II. in Breslau. 
Der Secretair gab: 0 
1) Beiträge zur Geſchichte der inneren Verhältniſſe Schleſiens bei und nach dem 
erſten Einrücken Friedrichs des Großen. a | 
2) Theilte er mit die Geſchichte der Burg Falkenſtein bei Fiſchbach. 
3) — — — — — des Ordens der Hüter des heil. Grabes von Jeru— 
ſalem zu Neiße. 
4) Sprach er über die im 18ten und 14ten Jahrhunderte bewirkte Gründung der 
deutſchen Dörfer in Schleſien. 
5) Sprach er über den Urſprung deutſcher Städte in Schleſien. 
6) Gab er Nachricht über einige ihm neuerdings bekannt gewordene Urkunden und 
Handſchriften der Schleſiſchen Geſchichte, und 
7) Beiträge zur Geſchichte Schleſiens im dreißigjährigen Kriege. 
Ueber 
die Section für Kunſt und Alterthum 


berichtet der Secretair derſelben, Herr Medicinal-Rath Dr. Ebers: 


Im Verlaufe dieſes Jahres fand die gewöhnliche große Ausſtellung von Kunſtſachen und 
Gegenſtänden höherer Induſtrie, und zwar in der Zeit vom 15. Mai bis Ende Juni, in den 
Sälen unſerer Geſellſchaft ſtatt, zu welcher in den erſten Monaten des Jahres bereits alle 
Vorbereitungen getroffen waren. Im Auftrage des Präſidii der Geſellſchaft und deren Kunſt— 
Abtheilung hatten ſich deren Präſes, Herr Baron v. Stein, und die Sekretaire der Kunſt— 
Section, Herr Dr. Ebers und Herr Dr. Kahlert, in Verbindung mit dem Geſchäftsführer 
des hieſigen Künſtler-Vereins, Herrn Profeſſor Herrmann, der Beſorgung dieſer Angele— 
genheit unterzogen. Dieſe Einleitungen betrafen nicht allein die Beſchaffung der Kunſtſachen 
allein, da für dieſen Theil der Beſorgung nun diejenige Ordnung bereits eingetreten iſt, welche 
aus dem allgemeinen Vereinsverband hervorgehet, ſondern auch und zumeiſt die Einführung 
aller derjenigen Veränderungen, welche durch das Abkommen ſämmtlicher Vereine, d. d. 
Berlin den 22. Oktober 1838, nothwendig geworden waren, und welche in dem vorjährigen 


ee 11 


Berichte bereits mitgetheilt worden ſind. Ueber den Werth der diesjährigen Ausſtellung ha— 
ben ſich die öffentlichen Blätter mehrfach ausgeſprochen, und es iſt nur ganz kurz anzuführen, 
daß die diesjährige Ausſtellung, ſowohl in Beziehung auf die Zahl der ausgeſtellten Kunſt— 
Gegenſtände, als ganz beſonders auf den Werth derſelben, zu den aupgegeichnetefien gehörte, 
die in Breslau gefehen worden find. 

Es bleibt für dieſen Bericht nur noch übrig, eine Ueberſicht der ſtatiſtiſchen Verhältniſſe 
der Ausſtellung zu geben, aus der ſich ergeben wird, welche Fortſchritte in der Kunſt gemacht 

und welche Theilnahme unſer Unternehmen in dieſer letzten Zeit erfahren hat. 

Es iſt uns genau bekannt, daß ſich keinesweges in Zahlen innere Verhältniſſe ausſpre— 
chen laſſen, und daß der lebendige Geiſt nicht von den numeriſchen Bedingungen abhängt, 
oder auf denſelben aus dieſen geſchloſſen werden könne. Welch unzureichenden Werth man 
aber der Zahl, für Beurtheilung moraliſcher und geiſtiger Zuſtände, beilegen mag, ſo hat ſie 
doch auch einen ſehr bedeutenden, dadurch nämlich: daß aus ihr dieſe Zuſtände in ihren äuße— 
ren Bedingungen und Verhältniſſen eine Erläuterung erhalten, und man erfährt, wie hoch 
und wie ausgebreitet ſich die Theilnahme an einer Sache ergebe und erſtrecke, was ſie für 
äußere Reſultate gegeben u. ſ. f., und ſo ſei denn Folgendes für den gegebenen und möglich 
erreichbaren Zweck mitgetheilt. 

Als bekannt haben wir vorausgeſetzt, daß nach dem Abkommen zwiſchen allen Kunſt— 
Vereinen im Preußiſchen Staate und vielen anderen unſerer Nachbarländer ſich ein Verband 
gebildet, der alle umfaſſend, eine Reihe dieſer Vereine aber eng und zu gemeinſamer Thätig— 
keit mit einander verknüpfte. Ganz genau find die Vereine dieſſeits der Elbe, die zu Königs— 
berg, Stettin, Breslau, Poſen und Danzig mit einander verbunden, da ſie nicht nur in der 
eben angegebenen Folgereihe ihre Ausſtellungen ſtattfinden laſſen, ſondern ſich auch in ihren 
Koſten mit einander berechnen. Es iſt alſo nothwendig, daß in dieſen — den Koſten — 
überall eine gewiſſe Gleichmäßigkeit ſtatthabe, um nicht zu große Differenzen in den Berech— 
nungen entſtehen zu laſſen, und dieſe an ſich zu erleichtern. Hierzu gehört auch der Preis 
der Eintrittsgelder, der überall bei allen Vereinen ſchon 5 Sgr., in Breslau aber allein noch 
auf 2%, Sgr., ſpäter auf 3 Sgr. feſtgeſetzt war. Die Geſellſchaften, von denen die Kunſt— 
Ausſtellung beſorgt wird, haben es alſo für nothwendig gehalten, auch hier Orts das Ein— 
trittsgeld auf 5 Sgr. feſtzuſetzen und den Katalog für 2 Sgr. zu verkaufen. Man hat 
angenommen, daß die Theilnahme an den Ausſtellungen, und der Nutzen, den ſie auch auf 
Unbemitteltere und die unteren Volksklaſſen ausüban ſoll, durch dieſe Erhöhung des Ein- 
trittspreiſes verringert werden dürfte. Richtig iſt: daß unſere Einnahme ſich keinesweges 
bedeutend gegen frühere Jahre vermehrt hat, und daß wir die Erhöhung derſelben und viel— 
leicht auch, daß dieſelbe nicht niedriger ſich geſtellt, dem Umſtande verdanken, daß es uns ge— 
lungen war, mit der Ausſtellung ſchon Mitte Mai zu beginnen, und eine Anzahl der vorzüg— 
lichſten Kunſt-Gegenſtände, z. B. den Jeremias von Bendemann und die Huſſiten-Predigt 
von Leſſing, während der Wollmeſſe und während der Anweſenheit ſo vieler Fremden hier— 
ſelbſt auszuſtellen, und eben ſo richtig, daß die erſten Tage der Kunſt-Ausſtellung uns eine 

2 * 


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Einnahme gewährt haben, welche die der letzten Zeit bedeutend überſtieg. Es hat ſich alſo 
numeriſch die Theilnahme nicht geſteigert, auch nicht im Ankauf von Kunſt-Gegenſtänden, 
da, wie wir ſogleich zeigen werden, der Ankauf geringer geweſen iſt, als im Jahre 1837. — 
Dagegen hat ſich die Thätigkeit und Wirkſamkeit des Schleſiſchen Kunſt-Vereins ſehr ver— 
mehrt, und wenn derſelbe nicht an den Ausſtellungen des vorigen Jahres hier und in Berlin 
Vortheil gezogen (die Bilder, welche er erworben, waren auf dieſer unſerer Ausſtellung aus— 
geſtellt), ſo wäre die aufgewendete Summe für die Ankäufe noch bedeutender geweſen, als 
ſie es in der That ſchon iſt. Die Ausſtellungs-Koſten ſind dagegen bedeutend im Steigen 
geweſen, und ohne dieſe Erhöhung des Eintrittspreiſes würden ſich die Koſten-Verhältniſſe 
vielleicht nicht günſtig geſtellt haben; — daß aber die geringere Theilnahme nicht allein auf 
dieſer Erhöhung ſich begründete, geht daraus hervor, daß, als das Präſidium der Schleſiſchen 
vaterländiſchen Geſellſchaft den Familien, welche die Ausſtellung beſuchen wollten, eine große 
Erleichterung darbot, dieſes doch von keinen bedeutenden Folgen in Bezug auf den vermehr— 
ten Beſuch geweſen iſt, abgeſehen von manchen Unregelmäßigkeiten, welche die gute Abſicht 
des Präſidiums geſtört haben. Auch das angebotene Abonnement iſt wenig benutzt worden. 
Alles dieſes zuſammen beweiſet, daß die Theilnahme an ſich ſelbſt ſich nicht vermehrt, daß 
aber die Erhöhung des Eintrittsgeldes für die Koſten ſich nützlich gezeigt hat. | 

Was nun die Koſten der Ausſtellung betrifft, fo find fie offenbar geſteigert geweſen, 
theils durch die große Anzahl der uns zugeſendeten Kunſtſachen und dem nothwendig gewor— 
denen möglichſt ſchnellen Transport, theils wegen des Uebereinkommens der Vereine darüber, 
ſämmtliche Kunſt-Gegenſtände ſowohl während der Ausſtellung, als während der Transporte 
veraſſecuriren zu laſſen, wodurch ſich die Koſten um eine höchſt bedeutende Summe, nament— 
lich durch die höheren Aſſecuranz-Koſten während der Transporte vermehren. 

Es iſt uns noch nicht bekannt, wie hoch ſich dieſe Koſten überall für uns belaufen wer— 
den, weil die General-Rechnung für alle betheiligten Vereine erſt nach dem Schluſſe des 
ganzen Cyklus, alſo erſt Ende dieſes Jahres, gelegt werden kann; es iſt aber approximativ 
anzunehmen, daß ſie wohl die Summe von 1500 bis 1600 Thalern betragen dürften, ex— 
cluſive desjenigen Fünftheils der ganzen Einnahme, welches zu Erhaltung und Miethe der 
Localität der Schleſiſchen vaterländiſchen Geſellſchaften ſtets verwendet wird. 

Die nachfolgende Ueberſicht der ausgeſtellten Gegenſtände bezieht ſich zuerſt auf den Ka— 
talog und deſſen Nachträge“) und auf eigenen Ermittelungen. Der Katalog muß ſtets nach 
den uns gegebenen Anzeigen und Benachrichtigungen vor der Ausſtellung angefertigt werden, 
es ereignet ſich denn wohl, daß manche der angekündigten Kunſt-Gegenſtände zurückbleiben, 
wogegen dann unerwartet andere eintreffen, ſo kommt es, daß die Kataloge unvollſtändig 
bleiben, und das um ſo mehr, wenn auch bis zum letzten Tage der Ausſtellung noch immer 


) Ausſtellung von Kunſtſachen und Gegenſtänden höherer Induſtrie, veranſtaltet von der Kunſt-Section 
der Schleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur, und von dem Breslauer Künſtler-Verein, eröffnet 
den 15. Mai 1838. 


— — 
U 


Beiträge eintreffen. Unſer Verzeichniß enthält 790 Nummern, es iſt aber anzuführen, daß 
viele Kunſt⸗ und Induſtrie-Gegenſtände ſich unter einer Nummer befinden; — dieſe meh— 
reren find hier herausgezählt, und jo wird in der nachfolgenden Ueberſicht keine große Diffe- 
renz ſtattfinden. 


Es waren auf der Ausſtellung vorhanden: 


1. Gemälde, Vandzeichnungen, Aupferffiche und Bildwerke. 


1) Hiſtoriſche Gemälde. e- 

(einſchließlich der Studienköpfe — 9 2 87 0 f 
2) Landſchaften (4 Kopieen) . r 
3) Marinen, Seeſtücke (und . ene F 
4) Architekturen c 
5) Genre-Gemälde (4 Kopien) 8 . aka ars ER 
6) Schlachtſcenen und andere Wee Gegenſtände en ere 6 
e Brie Pa u SE 2 En una 2 2200.,2 10 
een, r r ee AZ 
9) Stillleben, Früchte, Blumen ıc. . . ee e Zr 
10) Portraits, hierunter auch viele kleine Santzeiönungen e 
11) Glas - Gemälde. ren 6 


12) Kupferſtiche, Stahlſtiche Dun Bifhonräphleen‘ e ene 50 
13) Bildwerke, faſt ausſchließlich Gyps- und Thon: Arbeiten eee e. AR 
14) Münzen und Medaillen, von Loos e 


f Summa 709 


II. Andere Kunſt- und Induſtrie-Gegenſtände. 


15) Flügel-InſtrumentTe . e San hai Jan Fre 6 
16) Stickereien und verwandte Arbeiten * N 13 
17) Künſtliche Tiſchler- und Glafer: Arbeiten und 3 Heine Sänfieleien 17 
18) Silberner Pokal und eine Juwelen-Arbeit . Ne e 2 
19) Kunſtreiches Glasgeſchirr, theils böhmiſches, theils ſchleſiſches BEER: 99 
20) ‚Porzellan: Arbeit und Malerei (aus der Pupkeſchen Werkſtatt) . 30 
21) Eine aſtronomiſche Uhr, von Franzmann, und ein Thurm-Uhrwerk n. 2 
eee . Kiünieikieire 3 
een , . Kar at 1 


 Matbematiiche ‚Scnftrumente  u2..5...10 Wa ne 3 
N Latus 885 


14 —— 


Transport . 885 
25) Maſchinen und Modelle dazu (aus der Sammlung der Univerſität) 
und eine kleine Sammlung von Ackergeräthſchafte n.. 13 


26) Buchbinder- Arbeiten . . \ 5 
27) Ausſtellung von Proben kunstvoller Papiere se Scrat. Moterkalien ; 2 
28) Kunſtvolle leinene und wollene Arbeiten.. EL enen 10 


Summa „915 


Die Gemälde, Handzeichnungen und Bildwerke und andere Kunſtwerke (ausgeſchloſſen 
Kupferſtiche und Lithographieen) rührten von 389 verſchiedenen Künſtlern und Verferti— 
gern her. 

Erkauft wurde von der Ausſtellung von Privatperſonen für 1876 Rthlr. 7 Sgr. 6 Pf. 
und vom Kunſt-Verein für 2655 Rthlr. 12 Sgr. 6 Pf., alſo überhaupt f 4531 Rthlr. 
20 Sgr. — 

Auch dieſe Berechnung iſt nur annähernd und nicht ganz genau, einmal: weil manche 
Gegenſtände der höberen Induſtrie, Stickereien, Muſik-Inſtrumente, wohl verkauft worden 
ſein mögen, ohne daß die Ausſtellungs-Kommiſſion davon Kenntniß erhalten hat; ſo z. B. 
wurden Flügel-Inſtrumente während der Ausſtellung fortgenommen; dann: weil ſich auf 
der Ausſtellung andere Gegenſtände befanden, die, wie z. B. mehrere Gemälde, Zeichnungen, 
Portraits u. ſ. w., in der Zeit, als ſie ausgeſtellt wurden, ihre Eigenthümer fanden, und 
aus anderen Gründen, die aufzuführen zu weitläufig wären; es iſt mithin wohl der Umſatz 
eben ſo groß geweſen, als im Jahre 1837. In einer Hinſicht war er an ſich viel bedeuten— 
der und ſolider. Im Jahre 1837 ereignete es ſich, daß einige Stickereien, die an ſich gewiß 
ſehr kunſtvoll geweſen ſind, zu faſt unglaublich hohen Preiſen von Fremden erkauft wurden. 
Was eigentlich in dieſem Fache auf unſerer Ausſtellung verkauft wurde oder in den Handel 
kam, iſt uns unbekannt geblieben; — es hat, Einzelnes etwa abgerechnet, wie z. B. zwei 
ſchöne Teppiche, auch dieſesmal ſich von Stickereien nichts Ausgezeichnetes auf derſelben be— 
funden; dagegen ſind von Privatperſonen faſt lauter gute Sachen gekauft worden. 

Der Schleſiſche Kunſt-Verein hatte, wie ſchon gedacht, von der vorjährigen kleinen 
Ausſtellung Einiges gekauft, und von der Berliner Kunſt-Ausſtellung aus dem Jahre 1838 
drei werthvolle Gemälde erworben und nun erſt ausgeſtellt; es iſt mithin auch dieſe Summe 
in Berechnung zu ziehen. 

Die Einnahme für Eintrittsgelder und Verkauf der Verzeichniſſe betrug in dieſem Jahre 
die runde Summe von 2550 Rthlrn., und die Einnahme zum Beſten der Armen 44 Rthlr. 
12 Sgr. 6 Pf., alſo überhaupt 2594 Rthlr. 12 Sgr. 6 Pf. (Im Jahre 1837 belief 
ſich die Einnahme auf 2443 Rthlr. 16 Sgr. 6 Pf., an welcher Summe die Armen mit 
74 Rthlr. Theil nahmen) Da nun der Eintrittspreis um 2 Sgr. erhöhet geweſen iſt, fo 
ſcheint daraus zu folgen, daß nicht ſo viele Perſonen, als es bei der vorigen Ausſtellung der 
Fall geweſen, dieſelbe beſucht haben, oder daß Mehrere wenigſtens ſie nicht ſo oft beſucht 


15 


haben möchten. Hiergegen wäre noch zu erinnern, daß die Kataloge leichter erworben wer: 
den konnten, als früher, indem keine neuen Auflagen gemacht, ſondern nur Nachträge, deren 
letztere unentgeldlich ausgegeben wurden; es ſteckt alſo in der angeführten Zahl „für Kata— 
loge“ keine ſo große Summe, wie das früher der Fall war. 

Es iſt auch anzuführen, daß hier Orts der Gebrauch herrſcht, daß ſämmtliche Mitglieder 
der Schleſiſchen vaterländiſchen Geſellſchaft, des Schleſiſchen Kunſt-Vereins und des Breslauer 
Künſtler⸗Vereins, und ſämmtliche Künſtler und deren Schüler, für ihre Perſon freien Ein— 
tritt genießen, und daß auch viele Unbemittelte, welche ſich der Kunſt oder irgend Kunſtver— 
richtungen widmen, Freibillets erhalten; — was unſerer Einnahme zu großem Nachtheile 
gereicht, weil ein großer Theil der Gebildeten jenen erſtgenannten Geſellſchaften angehört. 
Dieſer Verluſt trifft andere Kunſt-Ausſtellungen entweder gar nicht, oder doch in viel gerin— 
gerem Grade. Dieſes angenommen, muß allerdings die Ausſtellung ſehr zahlreich 1 
geweſen ſein. 

Für die Ausſtellung war es ein großer Gewinn, daß von vorn herein die Manfrege 
getroffen worden, uns aus der Ferne her keine ſchlechten Sachen zuzuſenden. Es war eine 
Kommiſſion zuſammengetreten, welche in Berlin ſchon das Ausſcheiden ſchlechter Sachen be— 
ſorgte. Ohne dieſe Maaßregel wäre wahrſcheinlich eine Maſſe von Gemälden, Zeichnungen 
und Lithographieen untergeordneter Art uns zugeſtrömt, welche unſere Wände und Zimmer 
überfüllt, nicht aber zur Zierde und Belehrung gedient hätten. Man wird fich erinnern, 
welch eine große Anzahl mehr oder weniger ſchlechter Sachen und unbedeutenden Mittelguts 
im Jahre 1837 unſerer Ausſtellung, namentlich für deren erſten Hälfte, zugekommen waren, 
ſo zwar, daß wir eine nicht unbedeutende Zahl unaufgeſtellt laſſen mußten, und an anderen 
eben keine große Freude zu ſehen war. Wahre Belehrung erhielt die Ausſtellung durch die 
Mittheilung der trefflichen Gemälde, welche uns die Huld Sr. Majeſtät des Königs und die 
Sr. Königlichen Hoheit des Kronprinzen zu unſerer Ausſtellung geſtattete, eben ſo, wie durch 
die ſchönen Gemälde aus den franzöſiſchen oder holländiſchen Schulen, die für unſer Publikum 
etwas ganz Neues und uns einen Begriff von den Kunſtbeſtrebungen unſerer Nachbarländer 
zu geben geeignet waren. Durch die Befolgung der zwiſchen den Vereinen in unſerm Staate 
getroffenen Uebereinkunft, jedesmal durch die beiden Theile der Vereine Haupt-Bilder, welche 
von den einzelnen Vereinen erworben worden, und außerdem die beſten der für die Verloo— 
ſung erkauften Kunſtſachen durch die zunächſt verbundenen Vereine kurſiren zu laſſen, gelang es 
ganz beſonders, recht viele und vorzügliche Gemälde auch zu unſerer Ausſtellung zu bringen. 

Die Zahl der hiſtoriſchen Gemälde hatte ſich gegen früher auf dieſer Ausſtellung nicht 
vermehrt, wohl aber befanden ſich auf derſelben eine Anzahl der erſten und vorzüglichſten Ar— 
beiten der erſten Meiſter unſerer Zeit; daſſelbe gilt von den Landſchaften, welche faſt durch— 
gängig von Werth und mehrere ganz ausgezeichnet waren; — hier und in den Genre-Ge— 
mälden hatten wir uns ganz beſonders der Ausſcheidung des unbedeutenden Mittelgutes zu 
erfreuen Was in dieſen Fächern und in den Marinen das Ausland leiſtet, hat gewiß die 
Belehrung und die Bewunderung der Kunſtfreunde erworben. 


— 16 


Die Kupferſtiche und Lithographieen, die unferer Ausſtellung, beſonders aus den 
Kunſt⸗Handlungen der Herren Cranz, Karſch und Sommerbrodt, anvertrauet wa— 
ren, gaben Zeugniß von dem bedeutenden Kunſtſtreben und den Kunſtleiſtungen des In- und 
Auslandes; es waren von den neueſten Arbeiten dieſer Art wohl alle vorzüglichſten aufge— 
ſtellt; auch die Beſtrebungen unſerer Stadt fehlten nicht, und Wi Lithographieen liefer— 
ten den Beweis eines tüchtigen Fortſchreitens. 


Sehr abgenommen haben die Zuse von Stickereien und weiblichen Handarbeiten 
aller Art, und außer ein Paar größeren Teppichen war — wie ſchon weiter oben gedacht 
worden — nichts vorhanden, was ſich mit früheren Arbeiten hätte vergleichen laſſen. 


Von Arbeiten höherer Induſtrie war nur wenig vorhanden, das Bedeutendſte waren 
wohl die ſchönen mufifalifchen Inſtrumente, welche alle mehr oder weniger Lob verdienen, 
und die aſtronomiſche Uhr, vom Herrn Franzmann angefertiget. Für Schleſien erſchie— 
nen höchſt wichtig: die Beweiſe des Fortſchrittes in der Fabrikation der Glaswaaren. 


Nach dieſer Darſtellung geben wir, ſo weit es möglich iſt, die Berechnung der Koſten 
der Ausſtellung, die allerdings nicht vollſtändig ſein kann, weil uns noch die General-Ab— 
rechnung mit den übrigen Vereinen abgehet. Sollten dieſe Berechnungen noch vor der letz— 
ten Veröffentlichung dieſes Berichtes durch den Druck eingehen, ſo werden wir nicht verfeh— 
len, dieſelbe dieſem Berichte einzuſchalten; endlich ſo theilen wir unſern Koſten⸗ Abſchluß 
in Folgendem mit: 


re, We 


Neberficht 


des Kaſſen⸗Beſtandes nach der Ausſtellung bis zum 6. December 


1839. 
Einnahme. Rthlr. Sgr. Pf 
Für Einlaß und verkaufte Verzeichniſſ qq. 2550 — | — 
00 A EEE EEE 
Ausgabe. 
An die allgemeine Kaſſe zur Miethe ein Fünftheiln ... 5119010 
Drucoe n r a e 205 5 6 
Be ↄ( . ] . a. 339 8 4 
2 Braten und Transporkkeſten m 606 8 9 
⸗Aufſicht, Bedienung und Kaſſen-Verwaltung ... 248 | 25 — 
2 Aſſekuranzen, Hense u. ſ. W. . 238 285 — 
„ POT porto JW 62 | 18 6 
t ee. ne iz 3 5 — 
e, , N 3213 — 
Summa | 2246 19 1 
Gleichung. 
oe ee ner 2550 Rthlr. — Sgr. — Pf. 
o 22% = 1 


bleiben Befland . .. 303 RKthlr. 10 Sgr. 11 Pf. 


18 


Caſſen⸗Conto des Kunſt⸗Vereins. 


Beſtand am 2. Januar 1839. 1 Prämien: Schein, Se⸗ - 


Nies 1263. No. 126,261 . - - 50 Rthlr. — Sgr. — Pf. 
1 Staats⸗Schuldſchein, Litt. A. No. 3775 ...... S „ 
e 
An Baarſchaft %%% „b „„ 32 = 28 =, AP - 
Zinſen vom Staats-Schuldſchein von 1000 Rthlr. zwei 8 
Prozent bis Weihnachten 188ͤ—— . S 
Vom 22. Auguſt. Zinſen bis Johann!!! 77ͤ— Ä 


92 Rthlr. 28 Sgr. 11 Pf. 


Ausgaben. 


31. Januar 1839. Für's Central⸗ 
Blatt für Kunſt-Vereine ... 1 Rthlr. 15 Sgr. 
28. Febr. Für „Denkmale der Bau— 


kunſt“ an J Max u. Komp.. 3 — 3 4 Rthlr. 15 Sgr. — Pf. 
bleibt ae. ut 4. Bars 37, 

: an Effecten i 

zuſammmm . 1138 Rthle. 13 Sgr. 11 Pf. 


Breslau, den 17. December 1839. 


S. F. Scholtz, 
z. Z. Caſſirer. 


Ueber die diesjährige Thätigkeit der techniſchen Section hat der Herr Geheime Com— 
mercien-Rath Oelsner nachſtehenden Bericht erſtattet: 


In der techniſchen Seetion 


wurden im Jahre 1839 in neun Verſammlungen folgende zwölf Vorträge gehalten, und 
zwar: 29 
1) Vom Herrn Chemiker Duflos: Erläuterung der chemiſchen Geſchichte einiger der 
wichtigen Farbe- Materialien. 

2) Vom Herrn Dr. Geyder: Ueber die Verhältniſſe der Gewerbetreibenden in 
Schleſien gegen das Ende des 14ten Jahrhunderts. 


19 


3) Vom Herrn Chemiker Duflos: Ueber den Verbrennungs-Prozeß in chemiſch— 
techniſcher Beziehung. 

4) Vom Herrn Profeſſor Dr. Göppert: Ueber den Anbau der blenthaltenden Sa: 
mereien, namentlich von Madia sativa (einer neuen chileſiſchen Oelpflanze). 

5) Vom Herrn Geheimen Commercien-Rath Oelsner: Ueber Lederfabrikation und 
die Gerbeſtoffe, deren man ſich dabei bedient, nebſt einer Anzeige der Verbeſſerungen, welche 
in neuern Zeiten in der Gerberei gemacht worden ſind. 

6) Vom Herrn Dr. phil. Hahn: Ueber den Gebrauch des Proportionalzirkels. 

Vom Herrn Chemiker Duflos: Fortſetzung über den Verbrennungs-Prozeß. 

Vom Herrn Dr. phil. Hahn: Fortſetzung über den Proportionalzirkel. 

7) Vom Herrn Baron v. Forcade: Ueber Spar-Koch-Feuerungen, nebſt Vorzei— 
gung eines Holz-Spar-Heerdes für mittlere und kleine Haushaltungen. 

8) Vom Herrn Rector Dr. Kletke: Vorzeigung eines Pferdegöpels mit ſpiralförmi— 
gem Korbe. 

9) Vom Herrn Chemiker Duflos: Ueber den Zink, in chemiſch-techniſcher Be— 
ziehung. 

10) Vom Herrn Geheimen Commercien-Rath Oels ner: Einiges aus der Geſchichte 
der Seiden-Kultur. 

11) Vom Herrn Premier-Lieutenant Lutz: Ueber das Fuchſiſche Waſſerglas und deſ— 
ſen Nutzanwendung. 

12) Vom Herrn Chemiker Duflos: Ueber das Eiſen und deſſen Verbindung in 
chemiſch-techniſcher Beziehung. 

Herr Geheime Commercien-Rath Oelsner hat das Secretariat dieſer Section für die 
nächſte Etatszeit übernommen. 


Den ſonntägigen Zeichnen-Unterricht des Herrn Magiſters und Gymnaſial-Lehrers 
Mücke beſuchten im Jahre 1839: 
1 Zimmermanns Lehrling, 
* 1 Buchbinder-Lehrling. 
1 Töpfer⸗- Lehrling, 
1 Tiſchler-Lehrling, 
5 Formenſtecher-Lehrlinge. 


überhaupt 9 Lehrlinge. 
Ueber die muſikaliſche Section hat der Secretair derſelben, Herr Muſik-Director Mo: 
ſewius, Folgendes berichtet: 
Die muſikaliſche Seetion 


iſt mit ihrem Berichte noch über das Jahr 1838 im Rückſtande, und hat mithin die ganze 
verfloſſene Etatszeit zuſammen zu faſſen. Das Zuſammentreffen mannichfacher Umſtände iſt 
3 * 


20 


den Verſammlungen der Section die ganze Zeit hindurch hinderlich geweſen. Abgeſehen da— 
von, daß umfaſſende Privatgeſchäfte faſt allen den Sections-Mitgliedern, welche bisher Ab— 
handlungen für den Zweck der Section geliefert hatten, keine Muße zu neuen Arbeiten geſtat— 
ten wollten, machten auch in den Sommermonaten des Jahres 1838 die Ausſtellung des 
Gewerbevereins, ſodann im Frühherbſte die Reiſen der Mitglieder, wie im Spätherbſte und 
Winter die Errichtung des Concertes von Seiten des Künſtlervereins, deren muſikaliſche Mit— 
glieder an den Verſammlungen der muſikaliſchen Section Theil nahmen, beinahe jede Sitzung 
unmöglich. So fanden im Jahre 1838 nur zwei Sitzungen ſtatt, in deren erſteren der 
Secretair der Section eine Abhandlung eines Laien: 


„Einige deutſche Gedanken über eine franzöſiſche Oper,“ 
abgedruckt im 77ſten Hefte der Cäcilie, vortrug. Die treffliche Abhandlung beleuchtet über— 
haupt die verwerfliche Richtung der neuen franzöſiſchen Oper, insbeſondere aber Meyer Beer's 
neueſtes Werk: die Hugenotten, und weiſet mißbilligend die unwürdige Anwendung 
und Behandlung mehrerer Kirchengeſänge, vorzüglich des Chorals: „Eine feſte Burg iſt un— 
ſer Gott,“ in genannter Oper nach. f 

In der zweiten Verſammlung hielt Herr Oberſt-Lieutenant Dr. von Strantz 
einen Vortrag: Ueber die der Dicht- und Tonkunſt gemeinſamen Eigenſchaf— 
ten, in welchem die ältere und neuere Zeit beider Künſte in vergleichender Parallele einander 
gegenüber geſtellt wurden. 

Aehnliche Veranlaſſungen, wie die im Jahre 1838, haben die Sitzungen der Section 
auch im Jahre 1839 auf fünf beſchränkt. 

In der erſten Sitzung trug der Secretair der Section eine Abhandlung des Directors 
Dr. Gotthold zu Koͤnigsberg in Preußen: | 

„Ueber des Fürſten Radziwil's Compoſitionen zu Goethe's Fauſt,“ 
vor. — 

Der Herr Verfaſſer ſtellt zuvörderſt auf: Goethe's Fauſt ſei kein Text weder zu einer 
Oper, noch zu einer Operette, noch zu einem Oratorium, ſondern ein höchſt ernſtes Drama, 
das uns in vollſtändiger Durch- und Ausführung ein Individuum, gewaltig ringend und den 
größten Kampf kämpfend, ſo darſtellt, daß dies Individuum zugleich als ein Typus des Men— 
ſchen überhaupt gelten muß. — Somit ſcheine Fauſt weit über das Gebiet der ſentimental— 
ſten aller Künſte, der Muſik, hinaus zu ſchreiten und einer von ihr kaum berührten Sphäre 
anzugehören. Berühren alſo beide einander, ſo ſteht ein gegenſeitiges Abſtoßen zu erwarten, 
und es ſollte den Verfaſſer ſehr wundern, wenn die Empfindung des Streites und Zwieſpal— 
tes ſich nicht auch in dem kunſtſinnigen Zuſchauer und Zuhörer der Aufführung des Fauſt 
regte. — Obwohl nun zwiſchen dem Drama Fauſt und der Muſik überhaupt eine Kluft 
ſtatthabe, ſo gibt der Verfaſſer doch zu, daß einzelne lyriſche Theile deſſelben componirbar 
ſeyen. Sie mit dem Dialog zu verbinden, habe der Fürſt den genügendſten Ausweg gefun— 
den, indem er dieſen uncomponirt gelaſſen und den Uebergang aus der bloßen Recitation zum 


21 


Geſange dadurch vermittelt, daß er kurz vor dem Eintritte deſſelben die Recitation mit In— 
ſtrumentalbegleitung verſehen hat. — Dies Auskunftsmittel ſei jedoch auch nicht ganz un— 
anſtößig. Eine geſangloſe Recitation mit muſikaliſcher Begleitung enthält einen innern Wi— 
derſpruch; die Muſik ſchreitet in gemeſſenen Intervallen (Terzen, Quarten, Quinten u. ſ. w.) 
einher, während die Recitation ſich um dieſe gar nicht kümmert, ſondern in ganz unbeſtimm— 
ten Intervallen auf und ab ſteigt und ſelten den engen Abſtand einer Quinte überſchreitet. — 
Goethe ſelbſt hat die Schwierigkeit, ſeinen Fauſt in Muſik zu ſetzen, erkannt (ſ. Eckermann 
Geſpr. mit Goethe, II, 64). Fürſt R. habe auch kein Ganzes liefern können und wollen, 
man müſſe ſich daher nur an das Einzelne halten. — Der Verfaſſer geht ſämmtliche compo— 
nirten Stuͤcke durch und betrachtet fie kritiſch von ihrer äſthetiſchen Seite. — Nachdem er alle 
einzelnen Theile beſprochen, faßt er ſchließlich das Geſagte dahin zuſammen: Goethe's Fauſt 
iſt uncomponirbar und wird durch Compoſition zerſtört. Einzelnes läßt ſich nicht nur com— 
poniren, ſondern fordert dies ſogar. 

Als Compoſition einer Reihe einzelner, dem Goetheſchen Hunte entlehnter Scenen ver— 
dient die Arbeit des Fürſten R. die vollſte Anerkennung. Sie zeugt von einer richtigen Auf— 
faſſung des Goetheſchen Gedichtes, von Geſchmack, von muſikaliſchem Talent, unermüdetem 
Fleiß und keiner geringen Technik, indem beſonders die Inſtrumentirung größtentheils vor— 
trefflich iſt. Bewundern muß man auch die Vielſeitigkeit, die entfaltet iſt; denn wie Goe— 
the's Gedicht, ſo umfaßt des Fürſten Compoſition Himmel und Erde, Engel und Teufel, 
Geiſter und Menſchen, die Kirche und das Werkeltagsleben, Studentengelag und Liebeswer— 
bung, Soldaten und Bauern, Teufelsbann und Rattenbeſchwörung, Wachen und Träumen, 
Streben nach höchſter Weisheit und Wahnſinn, Freuden und Leiden, kurz, einen Extrakt des 
ganzen Menſchenlebens und Menſchenwiſſens. 

Das iſt ein reicher Stoff zu vielfältigen Mißgriffen, und dieſe alle hat die Beſonnen— 
heit und der feine Takt des Componiſten beſeitigt. 

Der Verfaſſer ſchließt ſeine Abhandlung mit den Worten: „Von Einem — ich nenn' 
es Fehler — wünſcht' ich die ſchöne Arbeit frei zu ſehen, von dem übermäßigen Streben, 
durch Wechſel aller Art zu unterhalten; denn ſo gewiß dieſe Unterhaltung dem Fauſt des 
Fürſten viele Bewunderer gewinnt, ſo muß ſie doch dem ruhig Genießenden ſehr ſtö— 
rend ſeyn.“ — N 


In der zweiten Sitzung trug Herr Dr. Kahlert eine Abhandlung: Goethe's Ver— 
hältniß zur Tonkunſt, vor. — Von dem Satze ausgehend, daß der Sinn für Muſik, 
wenn auch in beſchränkter Weiſe, dem vollkommenen Menſchen niemals fehle, betrachtete der 
Verfaſſer alle Beziehungen zu dieſer Kunſt, welche ſeit den Knabenjahren bei Goethe ſtattge— 
funden. Seine Berührungen mit den Componiſten Kaiſer, Reichardt, Zelter und Bettina 
wurden in chronologiſchem Zufammenhange geſchildert, ſeine Bemuͤhungen um deutſches Sing— 
ſpiel und um den mathematiſch-phyſikaliſchen Theil gewürdiget und endlich der Schluß gezo— 
gen: daß der plaflifche Sinn bei Goethe den kaum halb erſchloſſenen muſikaliſchen überwog, 


22 


das Bedürfniß nach Muſik bei ihm aber im Jünglings- und Greiſen-Alter am lebhafteſten 
ſich zeigte. 


In der dritten Sitzung trug der Secretair eine kritiſche Be über 
Sebaſtian Bach's große Paſſions-Muſik vor. Da er dies Meiſterwerk zuerft 
hier zur Aufführung gebracht und durch fünfmalige Wiederholung demſelben ſo die Verſtänd— 
niß als Würdigung der hieſigen Freunde und Kenner ernſter Kunſtwerke erworben hatte, ſo 
glaubte er ſich um ſo mehr verpflichtet, dieſen in den Berliner Jahrbüchern abgedruckten, 
das genannte Werk keinesweges als Muſterwerk betrachtenden, Aufſatz der Section nicht 
vorenthalten zu dürfen. 


Der mit R. unterzeichnete Herr Verfaſſer entwickelt zunächſt die trefflichſten Grundſätze 
über Kritik überhaupt und insbeſondere über muſikaliſche; da er jedoch bei Anwendung der— 
ſelben auf das Bachſche Werk von vorgefaßter, zum Theil auf genauer Bekanntſchaft mit alt— 
italiſchen Kirchenwerken und gewonnenen Vorliebe für ſie beruhenden Anſichten geleitet wird, 
ſo iſt der ausgeſprochene Tadel über einzelne Theile des Werkes nicht geeignet, das gewonnene 
günſtige Urtheil der Kunſtfreunde nur im geringſten wankend zu machen, welches ſich bei Ge— 
legenheit der Aufführung der Paſſion ſo durch einen Vortrag des Herrn Prof. Dr. Braniß: 
„Ueber die Eigenthümlichkeiten des Bachſchen Styles,“ wie durch mehrere 
bei eben dieſer Gelegenheit in öffentlichen Blättern erſchienenen Abhandlungen in der muſika— 
liſchen Section der v. G. zu bilden begann. 


Der ſchon ſeit Abt Voglers Zeiten oft ausgeſprochene Tadel der unkirchlichen Behand— 
lung des Chorals durch Sebaſtian Bach iſt auch hier wiederholt und fällt ohne Weiteres in 
ſich zufammen, da Seb. Bachs Sammlung von Choral-Melodieen niemals zu dem Zwecke, 
der Gemeine Gefang beim Gottesdienſte zu leiten, beſtimmt geweſen ift. Sie enthält ganz 
im Gegentheile nur die Bearbeitungen einzelner beſtimmter Choralſtrophen hier 
zuſammengeſtellt, wie ſie ſich einzeln in Bachs Cantaten und Oratorien zerſtreut vorfinden, 
woſelbſt ſie, mittelſt eines wohlgeübten Sängerchores, die Gemeine, im lyriſchen Erguſſe 
über den durch eine Stelle des Evangeliums oder der Epiſtel gewonnenen Eindruck, reprä— 
ſentiren. — 


In der vierten Sitzung hielt Herr Dr. Kahlert einen Vortrag über Gegenwart 
und Zukunft der Tonkunſt. — Der Herr Verfaſſer unternahm, trotz der von ihm 
ſelbſt anerkannten Schwierigkeit, das Weſen der Tonkunſt dem philoſophiſchen Begriffe näher 
zu bringen, den Gegenſatz zwiſchen Orientalismus und Occidentalismus in der Muſik aufzu— 
ſuchen, und wies ihn in dem ſeit dem Auftreten der heutigen Tonkunſt in Europa entſtande— 
nen Widerſpruche zwiſchen deutſchem und italiäniſchem Elemente nach. Er zeigte, 
wie während der Zeit von S. Bach und L. Leo ſchon die Vereinigung ſolcher Extreme in 
Händel begonnen. Mehr dem Germanismus neigte ſich Gluck, mehr dem Romanismus 
Haydn zu. Das völlige Gleichgewicht beider repräſentirt Mozart. Seit ihm iſt die 


23 


Muſik wieder in ihre Gegenſätze zerfahren: Beethoven und Roſſini. Erſterer iſt von 
Weber, Löwe, Mendelsſohn fortgeſetzt worden, wobei der immer mehr und mehr ſich 
in ſich ſelbſt zurückziehende germaniſche Geiſt bemerkt wird. Die Nachfolger Mozart's, wo— 
von der letzte Spohr, haben ſich ſelbſt den Weg, ſich auszubreiten, verſchloſſen, und ſtellen 
daher eine ſich ablebende Richtung dar. Es iſt alſo eine abermalige welthiſtoriſche Vereini— 
gung jenes jetzt wieder ſo ſchroff als vor 150 Jahren hervortretenden Gegenſatzes, wie ſie 
mit Mozart erreicht war, zunächſt nicht zu erwarten, und ſpiegelt daher die Muſik die Schick⸗ 
ſale anderer Gebiete menſchlichen Wiſſens ebenfalls ab. — 


In der fünften Sitzung trug Herr Prof. Dr. Henſchel mehrere höchſt intereſſante 
urkundliche Notizen zur Geſchichte der Muſik in Schleſien im Mittelalter 
vor. Er wies Spuren vorhandenen Kunſtſinnes in Schleſien im 13. Jahrhunderte und ſchon 
entwickelte Kunſtbeſtrebungen im 14. Jahrhunderte nach. Baukünſtler, Maler und Steinmetzer 
waren urkundlich ſchon 1348 in Prag und Breslau zu Innungen vereinigt, Tanz- und Feſt⸗ 
Muſik überall ſo verbreitet, daß ſie in den Luxus Edikten von 1374 und 1390 beſchränkt 
und unter feſte Taxe geſtellt werden mußten. Nicolaus von Koſel, Franziskaner, von 1414 
bis 1421, iſt der älteſte bekannte Muſiker und Kirchen-Geſanglehrer in Schleſien, ein ver— 
dienſtvoller Gelehrter und frommer Dichter. — Um die Mitte des 15ten Jahrhunderts fällt 
die Vervollkommnung des muſikaliſchen Gottesdienſtes, durch die Erbauung der älteſten Or— 
geln in Breslau bezeichnet. Meiſter Stephan Kaſchendorff, Erbauer der erſten großen Eli- 
ſabet⸗Orgel, und wahrſcheinlich auch der etwas älteren Maria-Magdalena-Orgel, war 
Lehrer und Verbreiter der Orgelbaukunſt in Schleſien. Sein urkundlicher Kontrakt mit dem 
Breslauer Magiſtrat über die Erbauung der Eliſabet-Orgel iſt vom Jahre 1464. Auch 
wurde ein engerer Zuſammenſchluß der Breslauer Muſiker nach der Mitte des 15ten Jahr⸗ 
hunderts, wie die Stiftung einer frommen Brüderſchaft derſelben im Jahre 1487, nachge— 
wieſen und die muſikaliſchen Arbeiten Nicolaus von Koſel in einer Handſchrift von 1414 
vorgelegt, darin die Melodie des Lutheriſchen Glaubens zu einem Credo befindlich. 


Hierauf trug Herr Oberſt-Lieutenant Dr. von Strang eine Abhandlung: „Ueber 
das Muſikaliſch-Provinzielle im Volksliede deutſcher, ſlaviſcher und 
romaniſcher Völker,“ vor. ö 


Schließlich wurde zur Wahl eines Secretairs für die künftige Etatszeit geſchritten, und 
der bisherige Secretair auch für dieſe Zeit durch Acclamation einſtimmig erwählt, welches 
Amt derſelbe mit der Bitte um geneigte Unterſtützung durch Vorträge übernahm. 


BE — 


Das Präſidium der Geſellſchaft 


hat ſich im Laufe dieſes Jahres neunmal verſammelt. Gleich zu Anfange des Jahres ſtarb 
Hr. Juſtizrath Scholtz, welcher als zweiter General-Secretair und als rechtskundiges Mit— 
glied des Präſidiums ſich vielfache Verdienſte um unſere Geſellſchaft erworben hat. Sein, 
den 19. Jan. d. J. erfolgter Tod machte den Erſatz für ſeine Stellung im Präſidio wünſchens— 
werth, und da auch zu gleicher Zeit der Herr Kaufmann Milde, überhäufter Geſchäfte we— 
gen, die Caſſe der Geſellſchaft abzugeben wünſchte und auch hier ein Stellvertreter nöthig 
wurde, ſo beſchloß das Präſidium, bei der Geſellſchaft die Wahl zweier Mitglieder für die 
erledigten Aemter zu beantragen. Dieſes geſchah ſchon in der allgemeinen Sitzung den 
22. Februar, wo der Verſammlung der Fall vorgetragen und der Vorſchlag anheimgeſtellt 
wurde, zum rechtskundigen Mitgliede des Präſidiums den Herrn Bürgermeiſter Bartſch, 
und zum Caſſen-Director den Herrn Kaufmann Samuel Scholtz zu erwählen. Beide 
Wahlen wurden einſtimmig genehmigt und die Herren u" und Scholtz ſchon in der 
nächſten Conferenz eingeführt. 


Die im Laufe dieſes Jahres ſtattgefundene reichhaltige Ausſtellung, die Anſchaffung 
zweier für die phyſikaliſchen Wiſſenſchaften höchſt wichtigen Apparate, und die Aufnahme einer 
ſehr großen Zahl von Mitgliedern, beſchäftigten das Präſidium in mehreren Berathungen. 


Der Erfolg davon iſt bereits in den Berichten über die Thätigkeit der einzelnen Sectio— 
nen näher mitgetheilt worden; hier wird nur noch des Umſtandes, welchen der Bericht des 
Secretairs der mediciniſchen Section beruͤhrte, näher erwähnt. 


Laut dem genannten Berichte wiederholte ſich im Laufe dieſes Jahres der bei unſerer 
Geſellfchaft äußerſt ſeltene Fall, daß, auf Antrag der mediciniſchen Section, der Zutritt zur 
Geſellſchaft einem homöopathiſchen Arzte verweigert wurde. Bei dieſer Weigerung hatte das 
Präſidium nicht die Wiſſenſchaft im Auge; denn dieſe muß von ihrer Section vertreten wer— 
den: aber die ſchönſte und ehrenvollſte Aufgabe für die Thätigkeit des Präſidiums iſt es, da— 
hin zu wirken, daß in allen Abtheilungen unſerer Geſellſchaft der Friede und die Eintracht 
erhalten werde. Dieſer Zweck iſt wohl eines Opfers werth. Daß diefes von Seiten des 
Präſidiums immer befolgte Streben die freundlichſte Anerkennung findet, beweiſt wieder ein 
Schreiben Sr. Excellenz des Herrn dirigirenden Miniſters Freiherrn von Altenſtein. 
Erlauben Sie, H. H., daß ich Ihnen die darauf bezügliche Stelle wörtlich mittheile: 


„Aufrichtig wünſche ich, daß die würdige und angemeſſene Erklärung, welche das 
„Präſidium über die demſelben zugemuthete Verantwortlichkeit für die im Schooße 
„der Geſellſchaft gehaltenen Vorträge in dem Jahresberichte abgegeben hat, die 
„beabſichtigte Wirkung nicht verfehlen, und Alles, was die Eintracht der einzel— 
„nen Mitglieder ſtören, und der Freiheit ihres geiſtigen Strebens Eintrag thun 
„könnte, von der Geſellſchaft immer fern bleiben möge.“ 


25 


Einen ganz beſondern Gegenſtand für die Berathungen des Präſidiums bildete im Laufe 
dieſes Jahres die ſo häufig in Anſpruch genommene Erlaubniß, unſere Räume zu benutzen. 
Alle Geſuche dieſer Art wurden, inſofern damit keine e oder ungefähren Forderung 
verknüpſt war, bewilliget. 


Daher waren auch unſere Säle nicht blos wiſſenſchaftlichen Vorträgen, ſondern auch 
andern gemeinnützigen und wohlthätigen Unternehmungen geöffnet, und gern jeder Vorſchub 
zu ſolchem Zwecke geleiſtet. 


Die ſchleſiſche vaterländiſche Geſellſchaft wird niemals vergeſſen, daß es ihre ſchönſte 
Beſtimmung iſt, Schleſiens Cultur zu fördern, und dem Geſammtwohl mit Allem, was ſie 
iſt und hat, nützlich zu werden. Unſere Beſtrebungen, unſere Sammlungen und unſere 
Räume ſind nur dazu da, damit ſich Alles, was die Wiſſenſchaft wahrhaft bereichert, der 
Menſchheit Wohl und des geliebten Vaterlandes Flor TE. in dem Re der ſchleſiſchen 
vaterländiſchen Geſellſchaft verſammle. 


Der von dem Herrn Caſſen-Director, Kaufmann Scholtz, eingereichte diesjährige 
Caſſen-Abſchluß iſt folgender: 


26 


Abſehluss 


der allgemeinen Caſſe im December 1839. 


Effecten. [Courant. 


— 2 


— —— 
rthlr. ſgr.] pf. Jrthlr. ſgr.] pf. 


Beſtand am 1. Januar 18o⸗ůöſſ)0ͥ⸗⸗ 2950 — [ 2142911 
Einnahme. | 
An Beiträgen und Eintrittsgeldeeoeo‚ n —— 1 41592 — — 
Zinfen von 2850 Rthlr. Staatöfchuldfcheine . . . .. Pa En 11 
Baldo des Gubeten- Vereins f it 3114| 6 
Vergütigung für Benutzung des Lokals i 
7, Ertrag der Kunſt⸗Ausſtellun — 411 510 —— 
2950 —— 124510180 5 
Ausgabe. | 


Eingewechſelter Staatsſchuldſchein von 1000 Rthlrn. 
à 3 % % prem. . . 1036 Rthlr. 7 Sgr. 6 Pf. 11000 —— 


und Zinſen . 9g = 
1045 zn = 6 =: 
Allgemeine Ausgaben . 1780 = 10 = 6: 
2825 eu. — % 
een 3950| —|— 
Saldo der technifchen Section .. 591 5— 
Vorſchuß des Caſſirer gs. 1 0 le A 


2825|28|— 


Bemerkung. 


Der Vorſchuß wird durch die jetzt eingehenden Beiträge des zweiten Semeſters gedeckt 
werden. 


S. F. Scholtz, 
d. 3. Caſſirer. 


a —— 


In dem Status der Mitglieder unferer Geſellſchaft haben folgende Veränderungen 


Statt gefunden: 


Im Laufe dieſes Jahres ſind neun und zwanzig wirkliche einheimiſche und ſechs wirk⸗ 
liche auswärtige, und in der ganzen zweijährigen Etatszeit zuſammen drei und fünfzig ein⸗ 
heimiſche und acht auswärtige Mitglieder aufgenommen worden. 

Die in dieſem Jahre hinzugetretenen ſind: 


A. Die wirklichen einheimiſchen: 


1) Herr Kaufmann und Stadt- und Univerſitäts-Buchdrucker Barth. 


2) 

2) 

4) 

5) 

6) 

7) 

8) 

9) 
10) 
11) 
12) 
13) 
14) 
15) 
16) 
17) 
18) 
19) 
20) 
21) 
22) 
23) 
24) 
25) 
26) 
27) 
28) 
29) 

Rechnen 


— 


Apotheker Bergmann. 

Juſtizrath Bitkow. | 
Superintendent Falk. | 
Hauptmann und Inſpections-Adjutant Dr. phil. Foerſter. 
Dr. med. Grätzer. 

Regimentsarzt Hager. 
Oberlandesgerichts-Rath Jacobi. 
Privatdocent Dr. phil. Jacobi. 
Kaufmann Keitſch. 

Prorector Kleinert. 

Privatdocent Dr. phil. Kries. 
Particulier Eduard Kuh. 

Dr. med. Laband. | 
Regierungsrath Lebius. 

Particulier von Montmarin. 
Regierungsrath Philippi. 

Ordinarius Reiche. 

Kaufmann Reimann. 


Hauptmann Baron von Reiſewitz. 


Artillerie-Lieutenant Riebel. 


Kaufmann F. Schiller. 


Premier-Lieutenant Schlieper. 
Director Dr. Schönborn. 
Kaufmann Schneider. 

Apotheker Sonntag. 
Regierungs-Referendar Schneer. 
Regierungsrath Studt. 
Kaufmann R. Weiß. 


wir die 24 neuen Mitglieder aus dem vorigen Jahre hinzu, ſo iſt die Zahl 
der wirklichen einheimiſchen Mitglieder in dieſer Etatszeit um 53 vermehrt worden. 


4 * 


28 


B. Die wirklichen auswärtigen: 


1) Herr Maler E. Ebers, in Düſſeldorf. 


2) 


9) 
10) 
11) 


12) 
13) 


u 


Dr. phil. Gumbinner, in Berlin. 

Dr. med. Hancke, Badearzt in Langenau. 

Wirthſchafts-Inſpector Hartig, in Krieblowitz bei Canth. 

Gutsbeſitzer v. Koſchützky, auf Groß-Wilkowitz bei Tarnowitz. 

Moritz Materne, Inſpector der Brieger Kämmerei-Güter, zu Alzenau 
bei Brieg. 


Zu Ehrenmitgliedern wurden aufgenommen: 


Herr Geh. Staats- und Finanzminiſter Graf von Alvensleben, in Berlin. 


— 


Ober-Bürgermeiſter Lange, in Breslau. 
Chef-Präſident Oswald, in Groß-Glogau. 


Zu korreſpondirenden Mitgliedern wurden ernannt: 
Herr Prof. Dr. Barthold, in Greifswald. 


Hofrath Dr. Brandes, in Salzuffeln im Herzogthum Lippe. 

Medicinalrath Prof. Dr. Dammerow, in Halle. 

Prediger ordinarius Diakonus Haupt, in Görlitz. 

Amtsrath Koppe, in Wollup bei Wrietzen. 

Dr. med. M. B. Leſſing, in Berlin. 

Dr. med. Lilienhain, in Groß-Glogau. 

Pfarrer Martius, in Schönberg im Vogtlande. 

Dr. med. Mauthner, K. K. Regimentsarzt, in Wien. 

Ingenieur-Lieutenant Neuland, in Groß-Glogau. 

Prof. Dr. Schweitzer, Director der landwirthſchaftlichen Lehr-Anſtalt 
zu Tharand bei Dresden. 

Geheime Finanzrath Storch, in Berlin. 

von Weckherlin, Director des land- und ſtaatswirthſchaftlichen Inſti— 
tuts zu Hohenheim. 


Ausgetreten find im Laufe dieſer Etatszeit: 


In der Hauptſtadt: 


1) Herr Gutsbeſitzer Duport. 


2) 
3) 


Wundarzt Fülleborn. 


— Buchhändler Hentze. 


29 


In der Provinz: 


1) Herr Aſſeſſor Küttner, in Poſen. 
2) — Major Laurent, in Zucklau bei Oels. 


Durch den Tod verlor die Geſellſchaft im Laufe dieſes Jahres: 
| A. Wirkliche einheimiſche Mitglieder: 


1) Herrn Prof. Dr. Habicht. 
2) — Prof. Dr. Schön. 
3) — Jiauuſtizrath und General: Landſchafts⸗ Syndikus Scholtz. 


B. Wirkliche auswärtige Mitglieder: 


1) Herrn Baron von Kloch, auf Maſſel bei Trebnitz. 
2) — Landrath Baron von Rottenberg. 
3) — Pfarrer Sauer, in Neukirch bei Breslau. 


C. Ehren⸗Mitglieder: 
1) Herr Dr. med. Elias Henſchel, in Breslau. 
2) — Freiherr v. Jacquin, Dr. med. und Prof., K. K. Regierungs-Rath, 


in Wien. 
3) — Hofmaler Quaglio, in München. 
4) — Dr. med. Rampont, in Paris. 


D. Korreſpondirende Mitglieder: 
1) Herr General-Lieutenant von Loſthin, in Neiſſe. 


2) — Kreis-Phyſikus Dr. Malik, in Sägerndorf. 
3) — Kantor und Organiſt Melzig, in Karzen bei Wohlau. 
4) — Juſtiz-Rath Remy, in Stettin. 


Das Verzeichniß der Geſchenke, welche im Laufe dieſes Jahres unſerer Geſellſchaft zu: 
gekommen ſind, iſt im nachſtehenden, vom Cuſtos unſerer Sammlungen, Herrn Schummel, 
eingereichten Berichte enthalten. 


Zuwachs der Bibliotheken. 


Die Bibliotheken haben im Jahre 1839 einen Zuwachs von 643 Nummern erhalten, 
wovon 459 der ſchleſiſchen Bibliothek, 184 aber der allgemeinen Bibliothek angehören. Die 
Namen der Herren Geſchenkgeber, mit beigefügter Zahl der, von denſelben geſchenkten, Num— 
mern ſind, wie folgt: 


30 
A. Bei der ſchleſiſchen Bibliothek: 


Der Gewerbeverein zu Breslau 2 Nrn., der Brieger und Steinauer ökonomiſche Verein 
1 Nr., der patriotiſch-landwirthſchaftl. Verein zu Oels 1 Nr., die Kön. Univerſität zu Brest. 
8 Nrn., Hr. Senior Berndt 230 Nrn., Hr. Diakonus Feuerſtein in Landeshut 1 Nr., 
Hr. Prof. Franke in Liegnitz 1 Nr., Hr. Director Häniſch in Ratibor 1 Nr., Hr. Prof. 
Heimbrod in Gleiwitz 20 Nrn., Hr. Prof. Dr. Hoffmann 101 Nrn., Hr. Rector Dr. 
Kletke 1 Nr., Hr. Dir. Dr. Klopſch in Groß-Glogau 1 Nr., Hr. Dir. Hauptm. Köhler 
in Liegnitz 1 Nr., Hr. Director Dr. Müller in Glatz 1 Nr., Hr. Candidat und Literat 
Nowack 25 Nrn., Hr. Dr. Ochmann in Oppeln 2 Nrn., Hr Director Prof. Petzeld 
in Neiſſe 1 Nr., Hr. Prof. Reiſel 1 Nr., Hr. Buchdrucker und Privatgelehrte Rieck 
2 Nr, Hr. Oberförster v. Rottenberg in Carlsberg 1 Nr., Hr. Kaufm. A. Sadebeck 
in Reichenbach 3 Nrn., Hr. Director Prof. Scholtz in Neiſſe 1 Nr., Hr. Oberlehrer Dr. 
Schneider in Bunzlau 1 Nr., Fräulein Groß 1 Nr., Hr. Inſpector Schück in Brieg 
1 Nr., Hr. Ober-Regierungs-Rath Sohr 7 Nrn., Hr. General-Landſchafts-Repräſentant 
Freiherr v. Stein 11 Nrn., Hr. Geh. Archiv-Rath Prof. Dr. Stenzel 1 Nr., Hr. Geh. 
Medicinal-Rath Prof. Dr. Wendt 1 Nr., Hr. Ober-Landesgerichts— N h Wies⸗ 
ner 14 Nrn. Ein Ungenannter 9 Nrn. 


Gekauft wurden 7 Nummern. 


B. Bei der allgemeinen Bibliothek: 


Der landwirthſchaftliche Verein im Großherzogthume Baden 1 Nr., der landwirth— 
ſchaftliche Verein im Königreiche Baiern 2 Nrn., die K. K. patriotiſch-ökonomiſche Geſell— 
haft im Königreiche Böhmen 3 Nrn., der Danziger Gewerbe-Verein 1 Nr., der Gartenbau— 
Verein für das Königreich Hannover 2 Nrn., der Gewerbe-Verein für das Königreich Han— 
nover 2 Nrn., der landwirthſchaftliche Verein für Kurheſſen 1 Nr., die Ober-Lauſitziſche 
Geſellſchaft der Wiſſenſchaften zu Görlitz 1 Nr., die Preußiſch-Märkiſche ökonomiſche Geſell— 
ſchaft 1 Nr., der landwirthſchaftliche Verein zu Marienwerder 3 Nrn., die Mecklenburgiſche 
Landwirthſchafts-Geſellſchaft 4 Nrn., die Nathuſius'ſche Gewerbe-Anſtalt in Alt-Haldens— 
leben 1 Nr., der Verein zur Beförderung des Gartenbaues in den Königl. Preuß. Staaten 
1 Nr., die ökonomiſche Geſellſchaft im Königreiche Sachſen 1 Nr., die Königl. Univerſität 
zu Breslau 22 Nrn., die K. K. Landwirthſchafts-Geſellſchaft zu Wien 1 Nr., der Königl. 
Würtemberg. landwirthſchaftl. Verein 1 Nr., Hr Apotheker Dr. Beilſchmied 3 Nrn., Hr. 
Regimentsarzt Dr. Beyer in Ohlau 1 Nr., Hr. Hofr. Dr. Borkheim 1 Nr., Hr. Dr. 
Burchard sen. 3 Nrn., Hr. Prof. Dr. Damerow sin Halle 1 Nr, Hr. Chem. Duflos 
1 Nr., Hr. Privatgelehrte Fieber in Prag 4 Nrn., Hr. Pr. Dr. Germar in Halle 1 Nr., 
Hr. Prof. Dr. Göppert 4 Nrn., Hr. Geheime-Rath und General-Stabs-Arzt Profeſſor Dr. 
Gräfe und Hr. Dr. med. Kaliſch 1 Nr., Hr. Geh. Hofrath Prof. Dr. Gravenhorſt 


31 


7 Nrn., Hr. Oekonomie-Rath Gumprecht im Amte Delfe 1 Nr., Hr. Prediger Diakonus 
Haupt in Görlitz 2 Nrn., Hr. Kaufmann Hinkel 1 Nr., Hr. Prof. Dr. Hoffmann 
7 Nrn., Hr. Gubernial-Rath, K. K. Kämmerer und Obriſt⸗Erb-Truchſeß, Franz, Graf 
v. Hohenwarth in Laibach 1 Nr., Hr. Director Prof. Dr. Kannegießer 1 Nr., Hr. 
Rector Dr. Kletke 1 Nr., Hr. Gutsbeſitzer v. Koſchützki auf Groß-Wilkowitz 3 Nrn., 
Hr. Kraus, K. K. Münz- und Bergweſens-Hofbuchhaltungs-Beamter 1 Nr., Hr. Prof. 
Dr. Kuh 1 Nr., Hr. Dr. med. et chir. Leſſing in Berlin 3 Nrn., Hr. Dr. med. 
Lilienhain in Groß-Glogau 1 Nr., Hr. Regimentsarzt Dr. Magiſter Mauthner in 
Wien 1 Nr., Hr. Lehrer Dr. Matzeck 1 Nr., Hr. Conſiſtorial-Rath Mohnicke in Stral— 
fund 1 Nr., Hr. Prof. Dr. Morren in Lüttich 22 Nrn., Hr. Rechnungsrath Munther 
in Berlin 1 Nr., Hr. Präſident Prof. Dr. Nees von Eſenbeck 1 Nr., Hr. Dr. med. 
Nevermann in Copenhagen 2 Nrn., Hr. Candidat und Literat Nowack 5 Nrn., Hr. 
Dr. Ochmann in Oppeln 2 Nrn., Hr. Magiſter Peſcheck in Zittau 1 Nr., Hr. Rent— 
amtmann Preusker in Großenhayn in Sachſen 5 Nrn., Hr. Candidat Pritzel 1 Nr., 
Hr. Profeſſor Rathgeber in Gotha 1 Nr., Hr. Profeſſor Dr. Ratzeburg 1 Nr., Hr. 
Profeſſor Reiſel 3 Nrn., Hr. Privat-Gelehrte Rieck 1 Nr., Hr. Oberlehrer Dr. 
Schneider in Bunzlau 1 Nr., Hr. Inſpector Schück in Brieg 1 Nr., Hr. Ober-Re— 
gierungs-Rath Sohr 10 Nrn., Hr. Freiherr Maximilian v. Speck-Sternberg auf 
Lützſchena bei Leipzig 1 Nr., Hr. General-Landſchafts-Repräſentant Freiherr von Stein 
3 Nrn., Hr. Oberſt-Lieutenant Dr. von Strantz 1 Nr., Hr. Oekonomie-Rath Wende: 
roth in Caſſel 1 Nr., Hr. Geheime Medicinal-Rath Profeſſor Dr. Wendt 1 Nr., Hr. 
Ober⸗-Landesgerichts-Referendarius Wiesner 3 Nrn. 


Gekauft wurden für dieſe Bibliothek 13 Nummern. 


Mit dem innigſten und herzlichſten Wunſche für das Wohl und das Gedeihen unſerer 
Geſellſchaft verbinde ich die Bitte, daß es den hochverehrten anweſenden Herren Mitgliedern 
gefallen möge, jetzt zur Wahl des neuen Präſidiums für die künftige Etatszeit zu ſchreiten. 


Bericht 
ber 


die Thätigkeit der naturwiſſenſchaftlichen Sektion der ſchleſiſchen Ge⸗ 
ſellſchaft im Jahre 1839, 


von 


3). R. Göppert, 


zeitigem Se hretair der ſe lb eim. 


Die naturwiſſenſchaftliche Sektion hielt in dem eben verfloſſenen Jahre achtzehn Sitzungen, 
in welchen über folgende literäriſche Gegenſtände Vorträge und Mittheilungen vorkamen: 


J. A ſtronomie. 
Herr Profeſſor Dr. v. Boguslawſki theilte darüber Folgendes mit: 


1) Am 30. Januar 1839 legte Derſelbe einen an ihn gerichteten Brief von Sir 
John Herſchel und ſein dadurch veranlaßtes Antwortſchreiben vor, welche beide hier faſt 
vollſtändig mitgetheilt werden, weil erſteres auf mehrfache Weiſe mit frühern, vom Referen— 
ten in der Sektion gehaltenen Vorträgen in Verbindung ſteht (wie über den Halleyſchen 
Kometen am 27. Januar 1836, S. 26 — 33 der Ueberſicht der Arbeiten und Veränderun— 
gen der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterl. Kultur im J. 1836, Breslau 1837, und über 
die 36ſtündigen meteorologiſchen Beobachtungen am 2. Auguſt 1837, Ueberſ. ꝛc. im Jahre 
1837, S. 35), und das letztere als ein Bericht über die Beobachtungen des Enckeſchen und 
Bielaſchen Kometen bei deren Herannahen im Herbſte 1838 betrachtet werden kann. 


a) Schreiben des Sir John Herſchel, London vom 6. Auguſt 1838: 


Ich bin Ihnen für die große Mühe ſehr verbunden, womit Sie verſchiedene meteorolo— 
giſche Beobachtungen angeſtellt und geſammelt haben, welche von mir ſelbſt auf dem Cap und 
in andern Gegenden gemacht worden ſind. Die von Ihnen aufgeführten werden ſich ohne 
Zweifel als ſehr werthvoll beweiſen; beſonders da aus Ihrer Auseinanderſetzung erhellet, daß 
ſie mit der erforderlichen Sorgfalt angeſtellt und die gehörigen Correctionen bei denſelben an— 
gebracht worden ſind. 


Wo möglich würde ich auch die Beſtimmung des Fehlers beim Nullpunkte eines jeden 
Inſtruments zu haben wünſchen, und die Höhe über dem Spiegel des Meeres, in ſo fern ſie 
bei jeder Station bekannt iſt. 

Es iſt meine Abſicht nicht, dieſe Beobachtungen fortzufeßen. Denn in der That, nad) 
dem, was bereits bekannt iſt, darf man nur in der Zone zwiſchen 40 nördlicher und 40° 
ſüdlicher Breite von Beobachtungen an bloß vier Tagen im Jahre (ausgenommen, ſie würden 

eine ſehr lange Periode hindurch fortgeſetzt) Reſultate erwarten, welche zu einigen allge— 
meinen Folgerungen führen können. Nichts deſto weniger werde ich mich doch ſehr freuen, 
alles, was bereits geſammelt iſt, mitgetheilt zu erhalten, und Sie werden mir einen großen 
Gefallen erweiſen, wenn Sie daſſelbe an mich befördern wollen. 

Dr. Olbers, den ich kürzlich in Bremen beſucht habe, zeigte mir einen Brief von Ih— 
nen, worin eine Beobachtung des Halleyſchen Kometen am 21. und 22. Januar 1836 an: 
geführt wird, welche, zuſammengeſtellt mit denen, welche ich auf dem Vorgebirge der guten 
Hoffnung gemacht habe, mir höchſt intereſſant und wichtig ſcheint, wie Sie aus nachſtehender 
Auseinanderſetzung ſehen werden. 

N Ich fand den Kometen bei ſeiner Rückkehr von der Sonnennähe erſt in der Nacht vom 
25. Januar, nachdem ich zum öftern vorher erfolglos mit einem Nacht-Fernrohre mich 
nach demſelben umgeſehen hatte. 

Damals beſtand derſelbe aus einer ſehr ſcharf begränzten runden Scheibe, 
welche in einen Nebel von viel größerer Ausdehnung eingehüllt war. In der folgenden Nacht 
war die Scheibe größer, der Nebel ſchwächer geworden; in der Nacht vom 27ſten die Scheibe 
noch größer, in die Länge gezogen und ſchlecht begränzt nach dem Schweife zu, der Nebel 
beinahe verſchwunden; am 28ſten: die Scheibe beträchtlich verlängert mit paraboliſchem Um— 
riſſe; der Nebel ganz und gar verſchwunden u. ſ. w. 

In dieſen und den folgenden Nächten unternahm ich ſehr ſorgfältige und, wie ich 
glaube, ſehr genaue mikrometriſche Meſſungen der Dimenſionen, beſonders vom Scheitel des 
Paraboloids (wo dieſes am ſchärfſten begränzt war) bis zum ſichtbaren Kerne des Kometen, 
welcher ſehr augenfällig ſich zeigte, und als ein ganz kleiner, glänzender kometenähnlicher 
Körper erſchien, mit einem eigenen Schweife mitten im Paraboloide. 

Ich legte dann alle dieſe Meſſungen in eine Curve nieder, in welcher die ſeit dem 
25. Januar um Mitternacht (Jan. 25,5) verfloſſenen Zeiten als Abſciſſen, und die nach 
obiger Beſchreibung gemeſſenen Abſtände als Ordinaten genommen wurden, wodurch ich in 
den Stand geſetzt ward, die Beobachtungen ſo zu interpoliren, daß ſie auf die Mitternacht 
jedes Tages gebracht wurden. 

Das Reſultat war, daß der (geometriſche) Ort oder die ſo erhaltene Curve einer gera— 
den Linie ſo nahe kam, um als Geſetz der Ausbreitung annehmen zu dürfen, daß der gedachte 
Abſtand gleichförmig in dem Verhältniß von 21“ in 24 Stunden zugenommen 7 wie 
Sie aus nachſtehender . erſehen mögen: | | 

175 


34 


A bſtand Desgl. berechnet 


De l des Scheitels vom nach einem gleichför⸗ 
der Kern, interpolirt für [migen Verhältniſſe 
Beobachtung. Mitternacht. von 21” f. den Tag. 
A. B. C. 
Januar 25,5 93“ 93“ 
1836. 26,5 119 114 
274,8 144 135 
28,5 168 156 
30,5 201 198 
31,5 216 219 
Februar. 1,5 232 240 
2,5 249 261 
4,5 286 303 
5,5 306 324 
6,5 327 345 
1 349 366 
8,5 372 387 
9,5 397 408 
10,5 424 429 


11,5 451 450 


Nunmehr war es einleuchtend, daß die ſo gezogene Curve, oder die gerade Linie, welche 
nahe mit ihr zuſammenfiel, rückwärts verlängert die Abſciſſe in einem Punkte habe ſchneiden 
müſſen, welcher dem 25,5 Januar — * 1 Tag S Jan. 21,1 entſpricht, oder 2 Uhr 
Nachmittags am 21. Januar, in welche Momente (unter Vorausſetzung, daß daſſelbe 
Geſetz beſtändig Statt gefunden hat) die Scheibe oder der helle Theil des Kometen, wie man 
ſchließen muß, keinen Durchmeſſer gehabt haben kann; — oder, mit andern Worten, daß zu 
dieſer Zeit der Niederſchlag der Materie der Scheibe aus dem Nebel ſeinen Anfang genom— 
men habe. 8 

Auf dieſen Schluß wurde ich damals durch eine Betrachtung meiner geſammten Be— 
obachtungen geleitet, — und Sie können ſich daher das angenehme Gefühl denken, mit wel— 
chem ich in Ihrem Briefe an Dr. Olbers die Nachricht fand, daß Sie in der Nacht vom 21. 
zum 22. Januar wirklich den Kometen wie einen Fixſtern erblickt, und ſelbſt mit 140maliger 
Vergrößerung ohne merkbaren Durchmeſſer gefunden haben. 


35 


Dieſes Zuſammentreffen ſcheint mir fo merkwürdig und der phyſiſche Zuſtand des Ko— 
meten, worauf daſſelbe ſich bezieht, ſo eigenthümlich, daß ich bei meiner Rückkehr von Deutſch⸗ 
land nach England keine Zeit verliere, Ihnen davon Kenntniß zu geben. 117 

Ich habe u. ſ. w. J. F. W. Herſchel. 

b) Antwortſchreiben des Referenten, Breslau, den 20. September 1838. 

Ihre Beobachtungen des Halleyſchen Kometen im Januar 1836 ſind mir im höchſten 
Grade intereſſant und dadurch beſonders erfreulich, weil eine meiner Beobachtungen einen 
Commentar dazu zu liefern vermochte. 

Ich muß jedoch bemerken, daß ich nicht in der Nacht vom 21ſten zum 22ſten, ſondern 
vom 22ften zum 23ſten Januar 1836 zwiſchen 17% 36,8 u und 18 3,7m mittl. Breslauer 
Zeit den Kometen ganz ohne Durchmeſſer geſehen und beobachtet habe. | 

Es ſtimmt aber diefer Umſtand noch mehr und beffer mit Ihren Beobachtungen, als 
Sie ſelbſt gefunden hatten, wenn man ſich erlaubt, aus letzteren, doch nur bis zum 31. Ja⸗ 
nuar, eine andere Curve herzuleiten, welche ſich noch beſſer, als die Ihrige, an Ihre Meſ— 
ſungen anſchmiegt, nämlich: 


Ordinaten 
Tag. Ihrer und der neuen 
Curve. 
a TE FE » 


Januar. 25,5 93” 93,0% 
26,5 114 119,0 


27,5 135 142,8 
28,5 156. 164,4 
(29,5) (183,8) 
30,5 201,0 
31,5 216,0 


Wenn man dieſe rückwärts verlängert, fo erhält man: 


Januar. 25,54 93,0“ 
24,5 64,8 
23,5 34,4 
22,0 | 1,8 
22,45 0,0 


d. i. Januar 22. 10h 48m Anfangspunkt der Abſciſſe, oder Beginn der Dilatation. 
4 5 * 


Ich beobachtete den Kometen im Mittel um 17° 50m, alfo etwa um 7 Am nach der 
berechneten Cataſtrophe. Freilich ergiebt ſich, daß damals der Radius nach Maaßgabe 
jener Curve bereits 9,5“, der Durchmeſſer alſo 1 9,0“ hätte betragen müſſen. Da ich nun 
aber auch nicht einmal einen Durchmeſſer geſehen habe, wie kürzlich beim Uranus, der 3,45” 
betrug, und bei 140maliger Vergrößerung ſchon augenfällig war, ſo wird man vielleicht ge— 
nöthigt ſein, anzunehmen, daß zu Anfang die Bewegung der Dilatation raſcher vor ſich ge: 
gangen iſt, als die Gleichung jener Curve ausdrückt. | | 

Sie haben wohl die Güte, mir Ihre weiteren Gedanken hierüber mitzutheilen. 

Schon ſeit der Mitte des Monats Juli hatte ich es mir angelegen fein laſſen, den Encke⸗ 
ſchen Kometen aufzuſuchen, was mir aber erſt in der Nacht vom 14. zum 15. Auguſt mit 
einer ſehr ſchwachen Vergrößerung (von etwa 15mal) gelungen iſt, als der Himmel in außer⸗ 
ordentlichem Grade heiter geworden war. | 

Seit der Zeit habe ich ihn auch in den Nächten vom 19., 28. und 30. Auguſt und 
vom 14. und 16. September wiedergefunden, und ſo weit zu beobachten geſucht, als es die 
ungemeine Lichtſchwäche zugelaſſen hat. 

Ich ſetze Ihnen zwar die Beobachtungen her, es ſind aber, wie Sie ſehen werden, nur 
ganz entfernte Annäherungen. 


Scheinbare gerade Scheinbare Zahl 


g Mittlere Breslauer Zeit. Aufſteigung des Abweichung des der 
| | Kometen, Kometen, Beobachtungen. 


—— ——— Em Ba u 
1838. Auguſt. 14 14% 19,5" | 2% 15,3” + au ah 2 
19 13 12,5 2 19,7 + 25 40 2 


28 13 38,5 2 25,2 + 27 2 
30 13 39,2 27,4 + 28 2 


12 "28 3,1 + 32 34 
31,4 11 + 33 26 


Seine Lichtſtärke iſt noch immer außerordentlich ſchwach, und ſcheint entſchieden nicht 


(wenn r den Radius vector des Kometen und 


dem bisher angenommenen Geſetze: —— 
7 4 L 

A feinen Abſtand von der Erde bezeichnet), ſondern dem 12 J zu folgen, wovon ich die 
Gründe dem Herrn Dr. Olbers vor einiger Zeit angegeben habe. 


Eine gleiche Bewandtniß hat es mit dem Gambartſchen (oder Bielaſchen) Kometen. 


37 


In Berückſichtigung des Umſtandes, daß gerade in diefer Zeit die Erde zwiſchen diefen 
ſich ebenfalls nähernden Kometen und die Sonne hindurch gegangen iſt, habe ich mich auch 
nach dieſem umgeſehen, und glaube auch in fünf beſonders heiteren Nächten eine äußerſt 
ſchwache Spur von ihm aufgefunden zu haben, nämlich: 


Scheinbare gerade Scheinbare Zahl 


Mittlere Breslauer Zeit. Aufſteigung des Abweichung des der 
| Kometen, Kometen, Beobachtungen, 


an EREFERER 
1838. Auguft. 284 11 15, 0m 21h 36,6" + 4° 51° 
30 11 46,4 84,8 +4 32 


Septbr. 13 10 24,7 21 21,8] +3 16 
14 10 56,1 21 21,3 „ 3, 9 
19 10 31,1 21 17,5 + 2 38 


Hierauf trug derſelbe, mit Hinweiſung auf die ſpätere Veröffentlichung einer ausführ— 
licheren Relation, einen kurzen Bericht über die Ergebniſſe ſeiner Reiſe vor, welche er im 
Herbſte (1818) zu wiſſenſchaftlichen Zwecken nach dem nördlichen Deutſchland, beſonders zu 
deſſen vorzüglichſten Sternwarten, unternommen hatte. 

Der Antritt der Reiſe hatte ſich eigentlich über die Gebühr verſpätet, weil die äußerſt 
ſeltene Gelegenheit vorher nicht unbenutzt gelaſſen werden durfte, bei zweien Kometen zu 
unterſuchen, wie beim erſten Ankommen, alſo beim Hingange zum Perihel, ſich der Gang 
der Lichtſtärke verhält, und wann und unter welchen Umſtänden ihr erſtes Auffinden über— 
haupt möglich iſt. Zwar wurde ſchon am 14ten Auguſt der Enckeſche und am 28ſten der 
Bielaſche Komet aufgefunden, aber beide als ſo unendlich ſchwache Lichterſcheinungen, daß ein 
wiederholtes Auffinden zur eigenen Ueberzeugung, daß keine Täuſchungen vorgewaltet hatten, 
unumgänglich nöthig ſchien. Als dieſe vollſtändig und wiederholt bei beiden gewonnen war, 
eilte ich über Berlin und Hamburg zunächſt nach Bremen, um am 11. Oktober, am 8 0ſten 
Geburtstage Olbers, die lange gewünſchte perſönliche Bekanntſchaft des ehrwürdigen Se— 
niors der Aſtronomen zu machen. 5 | 

Wie der Geift, fo erfreut ſich auch fein Körper noch einer ungewöhnlichen Fülle von 
Kraft. — 

An der Hand ſeines Tochterſohnes, des Herrn Dr. juris Focke, betrat ich ſein Obſer— 
vatorium, wo er ſo viele Nächte der Wiſſenſchaft zum Opfer brachte, nachdem ſeine Tages⸗ 
ſtunden dem ärztlichen Berufe, zum Troſte und zur Hülfe der leidenden Menſchheit, gewid— 
met geweſen waren. | 


38 


Dieſe mit Recht ſo berühmte Sternwarte, von welcher aus Pallas, Veſta, ſo viele 
Kometen und der Faden, um ſich in dem Labyrinthe ihrer Bahnen zurecht zu finden, ent— 
deckt wurden, iſt ein beſchränktes Zimmer, welches nur durch den erkermäßigen Ausbau 
dreier Fenſter ſeine edle Beſtimmung von außen erkennen läßt. 

Eine Pendeluhr, ein Kometenſucher und ein ſehr mäßiges achromatiſches Fernrohr von 
Dollond, nicht einmal parallaktiſch montirt, waren, nebſt den Hardingſchen Himmelskarten, 
der ganze urſprüngliche aſtronomiſche Apparat, womit einſt ſo Vieles ausgerichtet worden iſt. 
In dem Zimmer ſelbſt noch, und in dem daran ſtoßenden, befindet ſich eine ſehr reichhaltige 
Bücherſammlung, aber ſcheinbar völlig ungeordnet. Werke aus den verſchiedenartigſten Zwei— 
gen der Wiſſenſchaft und aus der ſchönen Literatur ſtehen unter und neben einander, wahr— 
ſcheinlich wie die Zeitfolge ihrer Ankunft ſie zuſammenführte. Obgleich Olbers niemals über 
dieſe bunte Reihe ſich beklagt gehabt hatte, vielmehr jedes benöthigte Werk augenblicklich zu 
finden wußte, ſo hatten doch ſeine vertrauteſten Freunde oftmals an dieſer vermeintlichen Un— 
ordnung Anſtoß genommen. Eine zufällige mehrtägige Abweſenheit Olbers von Hauſe wurde 
einſt benutzt, die ganze Bücherſammlung in die ſchönſte ſyſtematiſche Ordnung zu bringen. 
Olbers war darüber bei ſeiner Rückkehr keinesweges freudig überraſcht: entrüſtet ruhete er 
nicht eher, als bis Buch für Buch wieder ganz ſo ſtand, als zuvor. — Das iſt der Schlüſſel 
zu ſeinen Entdeckungen! — | 

Nur einem Geiſte, wie dieſem, der keines ſyſtematiſchen Fachwerkes bedurfte, um feine 
reiche Bücherſammlung mit Taufenden der unterſchiedlichſten Werke zu überſchauen, liegt das 
Firmament mit ſeinen Myriaden Welten wie ein Teppich ausgebreitet vor Augen; wie einem 
Feldherrn, dem auf weiten Länderſtrecken auch nicht die kleinſte Bewegung entgeht. 

Mögen vielleicht noch manche kleine Planeten, zu den vier neu entdeckten gehörig, in 
verfchwiſterten Bahnen um die Sonne kreiſen, ein Ungefähr wird immer dereinſt nur zu ihrer 
Entdeckung führen: die der Pallas und Veſta durch Olbers war aber kein Zufall! — 

Auch bis auf ſeine Enkel hat ſich in dieſer Art ſein Geiſt fortgepflanzt, obgleich dieſe 
ganz verſchiedenartige Berufswege eingeſchlagen haben. Beſonders ſtellte es ſich erſt ſeit der 
Zeit, daß das verehrte Haupt der Familie nicht mehr dem Verlangen auf gewohnte Weiſe 
folgen kann, jede gemeldete neue Entdeckung am Himmel ſelbſt aufzuſuchen, deutlich heraus, 
daß der eine derſelben, der oben erwähnte Dr. juris W. Focke, früher am Himmel unbe: 
kannt, und nur durch Pietät zum erſten Verſuche veranlaßt, in der That die merkwürdige 
Orientirungsgabe des Großvaters am Himmel geerbt hat, während der andere, Guſt. Focke, 
Dr. der Arzneikunde, ihn darin durch ſeine Kenntniß der Inſtrumente und ſeine Geſchicklich— 
keit in ihrer Behandlung kräftig unterſtützt, felbft aber feinen Forſcherblick einer andern, nicht 
minder intereſſanten Welt, der der Infuſorien, mit Glück und Erfolg zuwendet. 

Die Tage ſchwanden mir in dieſem Kreiſe nur zu ſchnell dahin; Hamburg und Altona 
gehörten aber hauptſächlich mit zu den Zielpunkten meiner Reiſe, vor Allem aber an letzterem 
Orte die perſönliche Bekanntſchaft des Königl. Dän. wirklichen Etatsraths Schumacher. — 
Wem kann es unbekannt ſein, was die Aſtronomie ſeit einer langen Reihe von Jahren bereits 


Zu ann 


dieſem merkwürdigen Manne verdankt, der ſchon ſo lange den Mittelpunkt des geiſtigen 
Verkehrs in dieſer Wiſſenſchaft bildet! 

Mit ihm und durch ihn erſtieg die Aſtronomie ER eine höhere Stufe nach der an— 
dern bis zu ihrem jetzigen hohen Standpunkte. So verdanken wir unter Anderm demſelben 
die dem Aſtronomen unſchätzbare jetzige vollkommene Einrichtung der aſtronomiſchen Epheme⸗ 
riden. Seine aſtronomiſchen Hülfstafeln, welche bis zur Herausgabe der Berliner aſtrono— 
miſchen Jahrbücher durch Encke alljährlich eine nothwendige Ergänzung der bis dahin äußerſt 
unvollkommenen aſtronomiſchen Ephemeriden waren, lieferten die Vorbilder für die verbeſſerte 
Einrichtung der Berliner Jahrbücher und nachher auch des Nautical Almanac's. 


Dort in Altona bei ihm ſah ich denn auch die kleine Sternwarte, in welcher zuerft für 
jedes Inſtrument, für jede Uhr ein abgeſondertes, von den übrigen Gebäuden unabhängiges 
Fundament erbaut ward, welche allein zweckmäßige Einrichtung ſich alle fpäter erbauten Stern- 
warten zum Muſter genommen haben. Die zahlreichen, hoͤchſt merkwürdigen anderen Eigen- 
thümlichkeiten dieſes Inſtituts, die große Zahl von trefflichen Chronometern, welche bereits zu ſo 
vielen Längenbeſtimmungen gedient haben, können hier eben ſo wenig näher beſchrieben werden, 
als die reiche Sammlung von faſt allen Gattungen aſtronomiſcher Inſtrumente, welche in 
einem eigenen Gebäude aufgeſtellt ſtehen und eine ſeltene Belehrung gewähren. 


Neun Tage waren indeß auch ein viel zu kurzer Zeitraum, um einen ſolchen Reichthum 
von aſtronomiſchen Schätzen gründlich zu ſtudiren, zumal da der Durſt nach geiſtiger Beleh— 
rung in der Nähe eines ſo lautern Quelles nur zu leicht und wirkſam den Blick vom Mate— 
riellen abzog und höheren Intereſſen zulenkte. 


Die beiden liebenswürdigen Gebrüder Repſold in Hamburg, welche unſtreitig jetzt 
zu den erſten Meiſtern in Verfertigung aſtronomiſcher Meß-Inſtrumente gezählt werden müf— 
ſen; der gemüthvolle Kommerzienrath Keſſel, deſſen Chronometer ſchon längſt mit den 
beſten engliſchen wetteifern, ja angefangen haben, ſie zu übertreffen, erfreuen ſich ſeit Jahren 
ſeines gediegenen, nicht bloß wiſſenſchaftlichen, ſondern ſogar freundſchaſtlichen Rathes, und 
erwiedern denſelben durch die bedeutendſten Leiſtungen ihrer Kunſt, wie ſie nur den Anforde⸗ 
rungen eines ſolchen Geiſtes entſprechen können. 

Ich ſah mit Bewunderung die äußerſt vollkommenen Werkſtätten dieſer Künſtler, und 
bei Repſold auch die Zeichnungen der herrlichen Inſtrumente von ganz neuer Einrichtung, 
welche für die Haupt-Sternwarte bei St. Petersburg hier gefertigt wurden, und erſt vor 
Kurzem dahin abgegangen waren. Außerdem vernahm ich von dieſem genialen Künſtler (dem 
übrigens jede Geheimnißkrämerei fremd iſt) die Idee zu einer neuen Conſtruction eines Aequa⸗ 
torials, der die baldigſte Ausführung zu wünſchen iſt. 

An der Spitze der Hamburger Navigationsſchule und deren Sternwarte, welche eben— 
falls mit ſehr guten Inſtrumenten verſehen iſt, ſteht als Director Rümker, früher längere 
Zeit in Paramatta, nunmehr, nach einem vielfach bewegten Leben hier mit unermüdlicher 
Thätigkeit wirkend. Er weiß, als vieljähriger Seemann, was dieſer auf dem Meere an 


u — 


aſtronomiſchen Kenntniſſen und Fertigkeiten bedarf, und iſt Dave — ng 
ſich dort einen ſegensreichen Wirkungskreis zu fchaffen. 

Auch einer naturforſchenden Geſellſchaft erfreut ſich Hamburg die in ebene Bezie⸗ 
hung der unſrigen außerordentlich ähnlich iſt, deren Stifter und gegenwärtigen Präſidenten, 
den Kaiſerl. Ruſſiſchen Miniſter von Strube, ich auch die Ehre hatte, perſönlich kennen 


zu lernen. 
In Bremen hatte ich das Verſprechen zurücklaſſen müſſen, bei der weiteren Fortſetzung 
der Reiſe nach Göttingen, den kleinen Umweg über Bremen nicht zu ſcheuen. — Es er— 


wuchs mir daraus ein mehrfacher Gewinn, weil Herr Etatsrath Schumacher ſich entſchloß, die 
Reiſe bis Bremen mitzumachen, wodurch ich alſo noch mehrere Tage länger in der Nähe die— 
ſes verehrten Mannes zu verweilen und den ſeltenen Genuß gewann, zwei ſo hochberühmte 
Männer im Erguſſe ihrer Herzen einander gegenüber zu ſehen. Beim Abſchiedsmale beſon— 
ders ſtrahlte Olbers in ſeiner ganzen liebenswürdigen Perſönlichkeit, vorzüglich wenn das An— 
denken von Beſſel zwiſchen die beiden Freunde trat. Auch des hochverdienten Sir John 
Herſchel wurde mit großer Liebe und Achtung gedacht, ſo wie ſeinem eminenten Geiſte und 
ſeinem liebenswürdigen Charakter die verdiente Ehre gezollt. Dr. Olbers konnte es ſich nicht 
verſagen, von dem Capwein an dieſem Tage zu ſpenden, welchen der befreundete Baronet 
ihm ſelbſt vom Vorgebirge der guten Hoffnung mitgebracht und zur Stärkung verehrt hatte. 
Das ſüdliche Feuer berührte ſich harmoniſch auf das Wohl Sir John's und auf das der 88W 
jährigen Miß Carolina Herſchel in Hannover. Mir wurde der Auftrag, der Schweſter 
des Uranus-Entdeckers davon die Botſchaft zu überbringen. 

Als ich mich dieſes Auftrages in Hannover entledigte, war ich nicht wenig überrascht, 
dieſe hochbetagte Dame noch bei fo vollen körperlichen und geiſtigen Kräften anzutreffen, ja 
die unerwartete Freude zu haben, einen ganzen Abend in ihrer intereſſanten Geſellſchaft ver— 
leben zu dürfen. Sie erinnerte ſich mit Begeiſterung der Zeit, da ſie nach und nach ange— 
fangen hatte, ihrem berühmten Bruder, William Herſchel, bei ſeinen wichtigen Beobachtun— 
gen hülfreiche Hand zu leiſten, beſonders dieſe ſogleich ſorgſam und genau zu Papiere zu 
bringen. Dann ſetzte ſie mir die Gründe auseinander, aus welchen ihr Bruder den Schluß 
gezogen hatte, daß man weit häufiger noch Kometen entdecken müſſe, wenn man ſich nur die 
Mühe geben wolle, ſie öfter noch und nach einem gewiſſen Plane zu ſuchen. 

Vertraut ſchon durch ihren Bruder mit allen ſonſt gar zu leicht und oft zu Täuſchungen 
führenden Nebelflecken am Himmel, ergriff ſie dieſe Idee mit der ihr eigenen Lebhaftigkeit, 
ſo daß der Bruder ſich entſchloß, ihr eigenhändig einen Kometenſucher zu bauen, der bei funf⸗ 
zehnmaliger Vergrößerung ein Geſichtsfeld von 2%, Grad hatte, und ſich äußerſt leicht und 
bequem zum Suchen am Himmel fortbewegen ließ. 

Bei Anweſenheit des Bruders konnte ſie ſich niemals die zur Ausführung erforderliche 
Zeit nehmen; allein faft immer bei Abweſenheit deſſelben feierte ihre Beharrlichkeit acht Mal 
den Triumph, einen Kometen zu entdecken. Den erſten fand fie am 1. Auguſt 1786; den 
achten am 14. Auguſt 1797. Der am 7. November 1795 von ihr entdeckte Komet war 


41 


einer der früheren Erſcheinungen des Enckeſchen Kometen. Dann wußte fie eine Menge der 
intereſſanteſten Züge aus dem Leben ihres berühmten Bruders zu erzählen, nicht minder aber 
auch, bei ihrem glücklichen Gedächtniſſe, und bei der Sorgfalt, womit ſie ſtets auch ſchriftliche 
Notizen geſammelt und dieſe in Ordnung erhalten hatte, ſich auf eine außerordentliche Menge 
berühmter Perſonen zu erinnern,, welche während der langen aſtronomiſchen Wirkſamkeit ih— 
res Bruders die durch ihn berühmt gewordene Sternwarte beſucht hatten. Faſt alle hiſtori— 
ſchen Namen der damaligen Zeit und Welt, die nach England gekommen waren, hatte ſie dort 
geſehen, und faſt von jedem mit der glücklichſten Auffaſſungsgabe irgend einen, ſichtbar ſpre— 
chenden Charakterzug ſich eingeprägt. Den tiefſten Eindruck hat die Liebenswürdigkeit der 
Prinzeſſinn von Lamballe und deren nachheriges furchtbares Geſchick auf ihr Gemüth zurück— 
gelaſſen. Ihre Notizen könnten eine faſt unerſchöpfliche Quelle zu den intereſſanteſten Me— 
moiren abgeben. Seit 1822 in ihre Vaterſtadt Hannover zurückgekehrt, hat ſie dennoch nicht 
aufgehört, an allen Vorgängen in der aſtronomiſchen Welt den lebhafteſten Antheil zu neh— 
men, und vernahm darum auch mit ſichtbarem Intereſſe Alles, was ich ihr darüber berichten 
konnte. 

Dem Hofrath Gauß in Göttingen hatte ich von Seiten des Etatsraths Schumacher 
ein Bildniß Sir John Herſchels zu überbringen, welches von deſſen ehemaligen Mitſchülern 
in England nur geſchenksweiſe an ſeine Verehrer vertheilt wird. Gauß betrachtete es mit 
leuchtenden Blicken, nahm das Licht und zeigte mir an der Wand daſſelbe Bildniß. „Pro- 
feſſor Weber,“ ſprach er feierlich, „hat mir dies neulich ſchon aus England mitgebracht, aber 
ſich ſelbſt eigentlich deſſelben beraubt; jetzt freue ich mich aber, daß er nun auch eins hat!“ 


j Seine ganze Seele ſprach ſich in dieſen Worten aus, und der volle Umfang der Zunei— 

gung zu dem ihm geiſtig und wiſſenſchaftlich innig befreundeten, liebenswürdigen Profeſſor 
Weber. Nach 23 Jahren ſtand ich nun endlich einmal wieder vor Gauß, vor dieſem gewal⸗ 
tigen Felſen, auf welchem die Wiſſenſchaft noch Jahrhunderte lang fortgebauet werden wird, 
oder (als womit er ſich ſelbſt am liebſten vergleicht) vor dem Baume im heiligen Haine der 
Wiſſenſchaft, der immer nur reife Früchte darbietet. 

In der jüngſten Zeit hat er ſich vorzugsweiſe, in Verbindung mit Wilhelm Weber, mit 
der Unterſuchung der Erſcheinungen des telluriſchen Magnetismus bekanntlich mit großem 
Erfolge beſchäftiget, deren Reſultate jetzt veröffentlicht werden. 

Es läßt ſich nicht abſehen, zu welchen Entdeckungen die Aſſociation zweier ſolcher Gei— 
ſter noch führen kann, die aber auch zugleich das Glück haben, einen ſo denkenden und vor— 
gebildeten Künſtler, wie Meyerſtein, am Orte zu beſitzen. 

Die abgelaufene Zeit rief mich eigentlich zu früh von Göttingen hinweg, und vergönnte 
mir auf dem Seeberge bei Gotha auch nur an einem einzigen Tage und nur wenige Stunden 
lang der neu erworbenen Bekanntſchaft des dortigen Directors Hanſen mich zu erfreuen, 
der einſt, von dem praktiſchen Standpunkte ausgehend, jetzt zugleich auch einer der glücklich— 
ſten Forſcher und Arbeiter auf theoretiſchem Gebiete geworden iſt. 

6 


42 


So hatte ich denn wieder den niederſächſiſchen Boden verlaſſen, von dem aus ſeit eini— 
ger Zeit, wie früher einmal von Schwaben, der größte Theil der deutſchen Aſtronomen aus— 
gegangen iſt: Beſſel, Bode, Brandes, Encke, Gauß, Hanſen, Harding, Wilhelm Herſchel, 
Caroline Herſchel, Olbers, Schröter, Schumacher und Struve. 


In Jena, wohin ich zunächſt gelangte, hatte bekanntlich Goethe ſelbſt die kleine 
Sternwarte, aus einem Zimmer auf ebener Erde beſtehend, in Schiller's Garten angelegt; 
allein die vorhandenen Inſtrumente ſind ſo mittelmäßig, und die jährlichen Unterhaltungs— 
mittel ſo unzureichend angewieſen, daß der Director derſelben, Herr Profeſſor Dr. Schrön, 
mit Recht es vorgezogen hat, ſich lieber auf ſorgſame und werthvolle meteorologiſche Beobach— 
tungen einzuſchränken, als ſich mit ungenauen aſtronomiſchen Beobachtungen zu befaſſen. 


In Leipzig hat die Aſtronomie keinen eigenthümlichen Sitz, ſondern ein Heiligthum 
Bellona's, einen ehemaligen Befeſtigungsthurm uſurpirt, der noch immer beſſer dazu paßt, 
das Schlachtfeld von 1813 von ſeinen Zinnen herab zu zeigen, als von ihm nach oben die 
Wunder und Geſetze des Firmamentes zu ſchauen. Auch ſcheint die frühere Beſitzerin ihre 
vermeinten Anſprüche noch nicht für verjährt anzuſehen, denn ſie hat erſt kürzlich mit einer 
Caſerne von der einen Seite ihr ehemaliges Beſitzthum ganz nahe eingeſchloſſen. Uebrigens 
ſchweben dort Inſtrumente und Uhren eben ſo in der Luft, wie auf der hieſigen Sternwarte. 
Dem gelehrten und erfindungsreichen Möbius wäre auch eine bequemere Sternwarte zu 
wünſchen. | 


Immer entſchiedener bin ich auf diefer Reiſe zu der Ueberzeugung gekommen, daß die 
Aſtronomie in kleineren Staaten nicht gedeihen kann, weil gewöhnlich die Mittel fehlen, eine 
Sternwarte mit guten Inſtrumenten auszuſtatten und ſie fortwährend in Beſitz aller neuen 
Erfindungen zu ſetzen. Noch ſeltener aber wird ſie in einer Republik zur Blühte gelangen, 
weil eine Sternwarte niemals ein Gegenſtand concurrirenden Ehrgeizes ſein kann, und die 
Aſtronomie überhaupt zu wenig unmittelbar den materiellen Intereſſen dient. Sie iſt eine 
Wiſſenſchaft, die immer unter dem Schutze mächtiger und hochherziger Fürſten ſtehen muß, 
und niemals heller leuchtet, als wenn von einem höheren Standpunkte ſelbſt aus ſie gepflegt 
und ihr Forſchen unterſtützt wird. So blühete die Aſtronomie unter den Ptolomäern zu 
Alexandrien; unter Ulugh Beigh zu Samarkand, unter Kaiſer Friedrich II, Alphons dem 
Weiſen, unter Landgraf Wilhelm IV. von Heſſen und König Friedrich VI. von Dänemark. 
Jetzt ſucht Kaiſer Nikolaus einen der vorzüglichſten Glanzpunkte ſeiner Regierung in Errich— 
tung von Sternwarten, die ihres Gleichen noch nicht gehabt haben. Aber auch unſer erlauch— 
tes Herrſcherhaus hat bereits zwei der vollkommenſten Sternwarten zu Königsberg und Ber— 
lin gegründet, und ſteht im Begriff, eine ganz vorzüglich ausgeſtattete an den Ufern des 
Rheins zu errichten. Wenn es die ſchuldige Ehrfurcht nicht verböte, könnte Ref. Beweiſe 
anführen, daß ein ſehr erhabener und gefeierter Name ſogar in die Tiefen der Sternkunde mit 
wiſſenſchaftlichem Geiſte eingedrungen iſt, und alle ihre neueren Leiſtungen kennt und 
würdiget. 


43 


2) Am 27. Februar legte derfelbe, im Auftrage unſeres verehrten correſpondirenden 
Mitgliedes des Herrn Profeſſors Dr. Mädler in Berlin, nachſtehende, ſehr intereſſante 
Mittheilung vor: 


ueber den Einfluß der verſchiedenen Entfernung des Mondes auf 
den Thermometerſtand. 


Indem ich der geehrten Schleſiſchen Geſellſchaft dieſe Ergebniſſe meiner Unterſuchungen 
mittheile, bitte ich, ſie nur als das Bruchſtück einer Arbeit, die ich nach Jahren, ſo Gott will, 
in umfaſſenderer und vollendeter Form zu geben gedenke, anzuſehen. Den Anfang derſelben 
habe ich bereits in der Selenographie p. 154 — 169 gegeben. Die dort mitgetheilten Rech— 
nungen erſtreckten ſich über 16 Jahre, die gegenwärtigen haben noch 3 Jahre hinzugefügt, 
und dieſen 19jährigen Berliner Beobachtungen 21jährige Danziger zur Seite geſtellt. In 
beiden Reihen habe ich den Tag der größten und kleinſten wirklichen Entfernung des Mon— 
des, nicht den nach einem mittleren anomaliſtiſchen Umlaufe beſtimmten, für Apog. und 
Perig. angeſehen, und den vor- und nachfolgenden Tag für jede der Apſiden mitgenommen. 


Die 21 Jahre der Danziger Beobachtungen theile ich in Zeiträume von 5, 5, 5 und 
6 Jahren (67, 66, 66, 80 anomal. Umläufe); die 19 der Berliner in fünf von 4, 4, 4, 
4, 3 Jahren, und theile die Reſultate für dieſe einzelnen Zeiträume mit, um Jeden in den 
Stand zu ſetzen, über die Wahrſcheinlichkeit und das 85 des Hauptreſultates ſich ein 
Urtheil zu bilden. 


Danzig. (Beobachter Dr. Kleefeld.) 


Tag vor dem Apog. Apo gäum. 

64 2 10 Mittel. 66 2h ii Mittel. 
1810-14478 7,69 5,30 5,92 5,19 8,29 5,54 6,34 
15-19 [4,65 8,03 5,57 6,0815,26 8,29 5,66 6.40 


20-24 4,83 8,21 5 35 6,13 4,88 8,47 5,49 6,28 
25-30 4,60 7,87 5,10 5,861 4,56 7,77 6,17 5,83 


Mittlere 4,72 7,95 5,32 6,00] 4,95 8,18 5,45 


Tag nach dem Apog. 
6 „ 0 mittel: 
5,09 8,07 5,54 6,23 
5,03 7,96 5,31 6,10 
4,82 8,33 5,43 6,19 
4,52 7,97 5,22 5,90 


4,84 8,08 5,36 6,10 


Tag vor dem Perig. Perigäum. 

1810-14 4,87 7,62 5,10 5,861 5,11 7,71 5,28 6,03 
15-19 4,41 8,20 5,35 5,9814,87 7,92 5,54 6,11 
20-24 15,15 8,11 5,40 6,2214,98 8,19 5.41 6,19]4,82 863 5,73 6,39 
25-30 14,24 7,36 4,68 5,43 4,14 7,33 4,71 5,391 3,80 7,17 4,82 5.26 


4,65 7,80 5,11 5,85 4,74 7,76 5,21 5,90 4,64 7,89 5,30 5,94 


Tag nach dem Perig. 


5,01 7,42 4,96 5,80 
5,08 8,52 5,76 6,45 


43 


Ueberſchuß des Apog. uͤber das Perig. 


+ 0,08 — 0.58 +0,26 | + 0,31 
—+ 0,39 — 0,37 — 0,121 + 0,29 
— 0,10 — 0,28 — 0,08 | —+ 0,09 
+0,42 +0,44 + 0,461 — 0,44 


EEE — — 
Mittel aus 21 Jahren + 0,21 + 0,42 + 0,26 | + 0,29. 
Das Thermometer ſtand auf oder unter Null: 


Tag vorher. Apfiden. Tag nachher. 
Beim Apogäo. 57, 37, 46, 54, 31, 46, 57, 35, 48 Mal. 
Beim Perigäo. 62, 46, 52, 66, 44, 55, 66, 42, 56 Mal. 


Es fiel Regen. Es fiel Schnee. 


T. vorh. Apſ. T. nachh. T. vorh. Apſ. T. nachh. 
Beim Apogäo. 51, 45, 52; Summa 148 Mal. 24, 30, 33; Summa 87 Mal. 
Beim Perigäo. 68, 44, 54; Summa 166 Mal. 33, 36, 35; Summa 104 Mal. 


Berlin. (Eigene Beobachtungen.) 


Die in Rechnung gezogenen Temperaturen ſind das Mittel aus den täglichen Maximis 
und Minimis. 


T. vorh. Apog. T. nachh. ] T. vorh. Perig. T.nachh.] Ueberſchuß des Apogäi. 


1820-23 1 7,15 7,00 6,86 | 6,85 6,87 7,28 + 0,13 
24-27 7,86 7,84 7,89 7,89 7,51 7,65 + 0,33 
28-31 | 6,93 7,06 7,59 6,36 5,80 6,34 + 1,26 
32-35 1 7,50 7,80 8,06 | 7,62 7,42 7,80 + 0,38 
36-38 1 6,31 6,68 6,90 | 6,27 6,36 6,78 + 0,32 
Mitte. 17,19 7,31 7,511 6,97 6,81 7,19 + 0,50 


Froſttage. 47 36 37 43 45 48 
Regen. 113 90 100 108 99 108 
Schnee. 19 27 241 28 22 21 


Somit erſcheint alſo das Geſetz: 

„daß die Temperatur mit zunehmender Entfernung des Mondes gleichfalls zunehme,“ 
in allen neun einzelnen Zeitabſchnitten, die zuſammen 40 Jahre umfaſſen, beſtätigt; aber 
allerdings ſo beſtätigt, wie es in einem nördlichen Klima zu erwarten war — mit beträcht— 


45 


lichen Abweichungen der einzelnen Reſultate unter einander; und ich kann den Wunſch nicht 
unterdrücken, daß es auch andern Forſchern gefallen möge, den Einfluß des Mondes, nach 
verſchiedenen Geſichtspunkten, aber immer nur aus langjährigen (mindeſtens 2 Jahrzehende 
umfaſſenden) Beobachtungsreihen, am beſten aus geringern Breiten, zu unterſuchen. Ich 
erinnere nur an Kreil's Unterſuchungen des MondsEinfluffes auf die Magnetnadel (Astr. N. 
No. 346), um zu zeigen, daß Wechſelbeziehungen zwiſchen den Körpern unſers Sonnen— 
Syſtems ſtattfinden können, an die noch Niemand gedacht hat, und die mit dem Geſetz der 
Schwere nichts zu thun haben, ſondern außer und neben ihm friedlich beſtehen. Auch darf 
uns die Unvollkommenheit fruͤherer Thermometer nicht abſchrecken; denn bei dieſer und ver— 
wandten Fragen kommt es in der Hauptſache gar nicht darauf an, ob der Froſt- und Sied— 
punkt genau berichtigt, ob das Thermometer regelrecht erponirt war u. dergl. m.; ſondern 
nur darauf, daß es ſorgfältig und beharrlich beobachtet worden. 


Hierzu fügte Ref. noch die Bemerkung aus dem Begleitungsſchreiben des Herrn Verf.: 
„Ich muß mich jetzt, da das Reſultat auf vierzigjährige Beobachtung baſirt iſt, von der Rea— 
lität der Erſcheinung überzeugt halten, daß die verſchiedene Entfernung des Mondes Einfluß 
auf den Thermometerſtand hat, obgleich ich damit den Verſuchen, welche lehren, daß die 
Mondſtrahlen keine direkt erwärmende Kraft haben, nicht im Geringſten entgegentrete. 
Ein Einfluß auf die Temperatur unſerer Atmoſphäre kann auf hunderterlei Weiſe gedacht 
werden, und nur eine einzige darunter heißt: direkte Erwärmung.“ — 


Da übrigens nicht ſowohl um die Erdnähe, ſondern vielmehr zur Zeit der Erdferne des 
Mondes eine etwas höhere Temperatur bemerkbar wird, ſo fällt jeder Gedanke an ſtrahlende 
Wärme des Mondes von ſelbſt weg, weil deren Wirkung in umgekehrtem Verhältniſſe des 
Quadrats der Entfernung des Mondes von der Erde ſtehen, alſo gerade mit der Annäherung 
zunehmen müßte. Die ganze Erſcheinung würde aber eher für die Wirkung des Mondes 
als Wärmeleiter ſprechen, wobei man aber auch an eine ununterbrochene wärmeleitende 
Verbindung zwiſchen Erde und Mond denken muͤßte. Die Erſcheinungen der Strahlenbre— 
chung durch unſere Atmoſphäre drücken aber die Höhe dieſer letzteren noch auf ein weit gerin⸗ 
geres Maaß herab, als man bisher angenommen hatte, obgleich auf der andern Seite Mariot— 
te's Geſetz und das Verbrennen der Sternſchnuppen in ſehr bedeutenden Höhen noch da für 
die Gegenwart von luftförmigen Stoffen reden, wo deren lichtbrechende Kraft ſchon völlig 
erloſchen iſt. — Zum Schluſſe machte Ref. noch auf den Vortrag vom 5. Februar 1834 
in dieſer Section aufmerkſam, in welchem ebenfalls von einem entſchiedenen Einfluſſe des 
Mondes auf meteorologiſche Verhältniſſe die Rede geweſen iſt. Bei jenem, wie bei dem 
heute erwähnten, ſtellt ſich aber mit Entſchiedenheit heraus, daß derſelbe, wenn auch nicht 
mehr zweifelhaft, dennoch immer viel zu klein iſt, um nur im Geringſten den 
Charakter der Witterung zu irgend einer Zeit zu beſtimmen. 


3) Am 26. Juni und 10. Juli hielt derſelbe einen Vortrag über die jährliche Wie— 
derkehr des großen Sternſchnuppenfalles am 10. Auguſt, wovon hier aber nur ein kurzer 


— u — 


Auszug gegeben werden kann. Er wurde hauptſächlich veranlaßt durch den glücklichen Um— 
ſtand, daß zu den hier in Breslau am 10. Auguſt 1837 gewonnenen Poſitionsbeſtimmun⸗ 
gen von 536 Sternſchnuppen unter den von auswärts eingegangenen (vergleiche Sektions⸗ 
Verhandlung vom 25. Oktober 1837 in der Ueberſicht der Arbeiten der ſchleſiſchen Geſell— 
ſchaft für vaterl. Kultur, S. 28 — 34): aus Berlin 20, aus Groß -Glogau 4, aus Ha: 
belſchwerdt 19, aus Leobſchütz 5, aus Liegnitz 7, aus Mirkau bei Breslau 9 und aus Oels 1, 
mehr oder weniger Wahrſcheinlichkeit gaben, daß ſie mit gleichzeitig hier beobachteten identiſch 
ſind. Die Berliner Beobachtungen, von zwei ſehr ſorgſamen Beobachtern, Herrn Profeſſor 
Dr. A. Erman und Herrn Oberlehrer Herter, angeſtellt, ſind darum ganz beſonders 
ſchätzbar und beachtungswerth, weil die Größe der Entfernung der beiden Stationen den 
Rechnungsreſultaten einen höhern Grad von Genauigkeit zu geben vermag, und nur Beob— 
achtungen von ſolchen Sternſchnuppen liefern konnte, welche zu den bedeutendſten gezählt 
werden müſſen. Bei der begonnenen Rechnung mußte alſo vorzugsweiſe mit ihnen der An— 
fang gemacht werden. | | 


Herr Dr. Olbers in Bremen (dem wir die ſchöne Methode verdanken, aus corre— 
ſpondirenden Beobachtungen mit großer Leichtigkeit die geographiſche Lage der Punkte auf 
der Erdoberfläche berechnen zu können, über welcher ſenkrecht in einer ebenfalls zu findenden 
Höhe die Sternſchnuppe aufleuchtend ſichtbar geworden, und über welcher und wie hoch über 
der Oberfläche der Erde ihr Licht wieder erloſchen war) äußerte im vorigen Jahre, daß, bei 
der immer entſchiedener ſich herausſtellenden cosmiſchen Natur dieſer Meteore, es nun wohl 
an der Zeit wäre, durch Rechnung auch die Länge und Richtung ihrer Bahnſtücke im Raume 
zu unterſuchen. Da die zur Eliminirung der Bewegung der Erde nöthige Geſchwindigkeit 
der betreffenden Sternſchnuppe wenigſtens annäherungsweiſe faſt durchgängig hier beobachtet 
worden war, ſo entwickelte Ref., nach Olbers Andeutungen, Ausdrücke, welche bei jeder cor— 
reſpondirenden Sternſchnuppe für die erſte derſelben drei rechtwinklige Coordinaten im Raume 
geben, wovon die erſte in der Richtung des Radius vector der Erde, die zweite ebenfalls 
in der Ebene der Ekliptik, aber ſenkrecht auf der erſtern iſt, und die dritte ſenkrecht auf beiden 
und auf der Ebene der Ekliptik. — Die Differenzen der analogen Coordinaten für den An— 
fangs- und für den Endpunkt beantworten dann ſogleich mehrere Fragen. Die Differenz der 
erſten: ob das Meteor vom Perihel kam oder zu demſelben ging; die der zweiten: ob die 
Bahn recht- oder rückläufig, und die der dritten: ob das Meteor vom aufſteigenden Knoten 
ſo eben kam, oder im Begriff war, zum niederſteigenden Knoten zu gehen (obwohl man im 
Voraus wiſſen kann, daß uns in unſern hohen nördlichen Breiten nur unter letztern Umſtän— 
den Sternſchnuppen zu Geſicht kommen können). Endlich giebt die Summe der Quadrate 
dieſer drei Differenzen das Quadrat der Länge des geſehenen Bahnſtücks im Raume. Auch 
die Neigung der Bahn und der Winkel derſelben mit dem Radius vector der Erde, hier zu— 
gleich dem des Meteors, können nunmehr ſehr leicht gefunden werden, und daraus, wenn 
man als erſte Annäherung eine paraboliſche Bahn annimmt (und einſtweilen noch von der al— 


47 


lerdings wohl noch zu großen Ungenauigkeit der Beobachtungen abſtrahiren will), die Länge 
der Sonnennähe und die Perihel-Diſtanz von der Sonne. 


Von den auf dieſem Wege gewonnenen Reſultaten, die aber erſt nach vollſtändiger 
Berechnung in einer Totalzuſammenſtellung zu allgemeinen Folgerungen berechtigen werden, 
ſind nachfolgende auch wohl jetzt ſchon einigermaßen bemerkenswerth. 


Die 18te zu Liegnitz, vom Herrn Profeſſor Keil, am 10. Auguſt 1837 um 11h 2m, 
und gleichzeitig zu Habelſchwerdt, vom Herrn Rector Marſchner, beobachtete Sternſchnuppe 
(No. 21) ging von einer Höhe von 7 / geogr. Meilen über Koſtenblut durch eine Bahn— 
länge von 5 ½ Meilen, zu einer Höhe von nur 3 / Meilen, über Reichenbach herab. Wird 
der wahrſcheinliche Betrag der Bewegung der Erde mit in Rechnung gezogen, ſo ergiebt ſich 
eine wirkliche Bahnlänge im Raume von 5,15 geogr. Meilen, ſo wie, daß das Meteor im 
Begriff war, zur Sonne zu gehen, eine rückläufige Bahn hatte, und unter einem Neigungs— 
winkel von 61 / mit der Ekliptik fo eben durch den niederſteigenden Knoten gehen wollte. 
No. 258 zu Breslau vom Herrn Höniger um 12 16” 56°, und No. 1 zu Berlin 
gleichzeitig vom Herrn Profeſſor A. Erman beobachtet, leuchtete 61 7 Meilen hoch über 
dem Etſch zwiſchen Meran und Botzen in Tyrol auf, durchflog in wenigen Sekunden in der 
Richtung über das Wormſer Joch hin eine Bahnlinie von 30% Meilen, und erloſch zwiſchen 
dem Lago maggiore und dem Comer See in einer Höhe von noch 42 ½ Meilen. Im Raume 
betrug die Länge dieſes rückläufigen Bahnſtückes aber nur rein 19 7 Meilen, ebenfalls zur 
Sonne, und unter einem Winkel von 41% mit der Ekliptik zum niederſteigenden Knoten 
gehend, — Die No. 363 um 136 11” 328 zu Breslau vom Herrn Ribbeck, und die 
gleichzeitig zu Berlin unter No. 16 beobachtete, ſind ebenfalls identiſch. Sie wurde zwi— 
ſchen Lauenburg und Danzig 30 Meilen über der Erdoberfläche zuerſt ſichtbar, durchflog in 
Zeit von nur 1 ½ Sekunden eine Strecke von 187, Meilen in ſüdweſtlicher Richtung, und 
erloſch 19 / Meilen hoch über der Erde. Auch dieſes Bahnſtück war rückläufig, im Raume 
abſolut nur 8 Meilen lang, und unter einem Neigungswinkel von 50%, Grad zum nieder— 
ſteigenden Koten gerichtet. 


Noch muß eine Sternſchnuppe, ihrer bedeutenden Höhe über der Erdoberfläche wegen, 
angeführt werden. Es iſt No. 406 in Breslau von Herrn Kraudt um 13 36m 118, 
und als No. 24 gleichzeitig zu Berlin beobachtet. Sie entbrannte 142 Meilen hoch über 
Radſtadt in Steiermark, und erloſch 104% Meilen hoch nahe der italienifchen Gränze von 
Kärnthen unweit Lienz, nach einem Wege von 39, Meilen innerhalb weniger Sekunden. 
Dieſe Höhenermittelungen können, wie aus der Rechnung hervorgeht, nur um kaum 2 Meilen 
fehlerhaft ſein, und beweiſen das Sichtbarwerden der Sternſchnuppen ſchon in ſolchen Höhen, 
wo keine zur Erde gehörigen Theile mehr ſuſpendirt ſein können; durch ihre Richtun— 
gen offenbar ein Hereintreten in den Bereich der Erde von Außen, und durch ihre Ge— 
ſchwindigkeiten von netto 4 bis 6 Meilen in der Sekunde, daß ſolche von keiner denkbaren 
Kraft auf der Erde erzeugt ſein können, vielmehr, was beſonders beachtenswerth iſt, gerade 


18 


von einem Maaße ſind, welches Weltkörper, die ſich um die Sonne wangen nothwendig 
haben müſſen, wenn ſie nahe bei der Erde vorbeigehen. 

Erwägt man bei dieſen, für die cosmiſche Natur der Sternſchnuppen faſt völig entſchei⸗ 
denden Gründen, daß in jeder Nacht bei heiterm Himmel keine Stunde vorbeigeht, in wel— 
cher ein aufmerkſamer Beobachter nicht mehrere Sternſchnuppen gewahr wird, und daß nur 
der kleinſte Theil derſelben bei ihrem Vorübergange in der Nähe der Erde ſichtbar wird, nur 
diejenigen, welche fo tief in die Wirkungsſphäre der Erde hineintauchen, daß unter Feuer⸗ 
und Lichterſcheinung eine chemiſche Verbindung mit Stoffen der letztern vor ſich gehen kann; 
ſo muß man billig über die zahlloſe Menge dieſer Himmels-Infuſorien erſtaunen, welche den 
ungeheuern Raum zwiſchen den Planeten erfüllen, den wir uns bis jetzt leer gedacht haben. 
Allem Anſcheine nach erhalten letztere durch ſie einen unaufhörlichen kleinen Zuwachs; denn 
bei aufmerkſamer Beobachtung gewahrt man mit Entſchiedenheit, daß nicht bloß die helleren 
und größeren Sternſchnuppen, ſondern mindeſtens auch der größte Theil der übrigen, bei 
jenem Prozeſſe offenbar in kleine Theile zerſtieben, deren dadurch wahrſcheinlich bedeutend ver— 
größerte Oberfläche dann von der Luft der Erde einen ſolchen Widerſtand erfährt, daß dieſe noch 
einige Zeit nachher fortglimmenden Theilchen weder zur Erde herabkommen, noch in den 
Raum weiter gehen können, und uns dadurch als zurückbleibende Schweife oft meh— 
rere Minuten lang noch ſichtbar bleiben. Durch ihre cosmiſche Natur würden aber dieſe 
Meteore nunmehr in die Reihe ſelbſtſtändiger, zu unferm Sonnen-Syſteme gehörigen 
Weltkörper treten, welche regelmäßig in Ellipſen oder in Hyperbeln ſich um die Sonne be— 
wegen, wovon jedoch die Bahnen erſterer Art in der Regel wohl die wahrſcheinlichern ſind. 

Dieſe Bahnen ſind von jeder Excentricität, von jeder Länge der großen Axe, und von 
allen Graden der Neigung mit der Ekliptik denkbar. Wir ſehen von allen den Myriaden 
immer nur die wenigen, welche ihr Lauf bei nächtlicher Weile in unſere Atmoſphäre führt, 
wobei uns Bewohnern ſo hoher nördlicher Parallelen auch nur die zu Geſicht kommen, welche 
durch den niederſteigenden Knoten ihrer Bahn zu gehen im Begriff ſind. Und doch erblicken 
wir ſolcher iſolirt um die Sonne kreiſender Meteore in gewöhnlichen Nächten mehrere in jeder 
Stunde. Sehr wahrſcheinlich aber iſt es nach den Geſetzen der Gravitation, daß ſich auch 
ganze Syſteme von Sternſchnuppen im Raume um einen gemeinſamen Schwerpunkt bilden, 
welcher dann die eigentliche regelmäßige Bahn um die Sonne zurücklegt, während die dazu 
gehörigen einzelnen Meteore wiederum ebenfalls in regelmäßigen Bahnen ihren gemeinſchaft— 
lichen Schwerpunkt umkreiſen. Vielleicht iſt die häufigere, alljährlich am 10. Auguſt und 
am 13. November wiederkehrende Sternſchnuppenerſcheinung dem Vorbeigange zweier ſolcher 
Syſteme zuzuſchreiben, welche gerade in einem Jahre ihre Bahnen um die Sonne zurücklegen, 
und wovon unter dieſen Umſtänden das eine immer am 10. Auguſt, das andere am 13. No— 
vember der Erde begegnet. Möglicher Weiſe können auch Syſteme im Raume mit mehr oder 
minder langen Umlaufszeiten ſich gebildet haben, von denen der Geſammtſchimmer der großen 
Anzahl von der Sonne erleuchteter Meteore auch noch aus weiter Ferne bis zu uns dringt, 
während die einzelnen Körper ihrer Kleinheit wegen nicht unterſchieden werden können, ja 


49 


nicht einmal den kleinſten Stern zu verdecken im Stande find, und doch dabei durch die gänz— 
liche Abweſenheit aller Strahlenbrechung verrathen, daß hier von einer gasförmigen Raumer— 
füllung nicht die Rede ſein kann. Der Natur der Sache nach müſſen uns die einzelnen Me⸗ 
teore um den gemeinſchaftlichen Schwerpunkt dichter gruppirt, d. h. ihr Geſammtſchimmer, 
um denſelben gedrängter und nach der Richtung des Radius vector von der Sonne abgewendet 
immer mehr ausgedehnt und verlängert erſcheinen, je mehr letztere bei ſehr länglichen Bahnen 
von ſehr langen Umlaufsperioden Zeit hat, durch ihre Einwirkung nach bekannten Geſetzen 
die Apſidenlinien dieſer Satelliten ohne Hauptplaneten nahe zu in die Richtung des Radius 
vector zu ſtellen, und in derſelben feſtzuhalten, was durch die Excentricitätsverhältniſſe der 
einzelnen Bahnen außerordentlich begünſtiget werden kann. Aber auch noch einer andern 
möglichen Anordnung gedenkt A. v. Humboldt in einem Schreiben vom 15. Nov. 1836, 
der wir auch wohl die Erſcheinungen vom 10. Auguſt und vom 13. November zuſchreiben 
können. So wie nämlich die kleinen Planeten, insbeſondere Ceres und Pallas, faſt in einer 
Bahn liegen, und iſolirt, aber doch in gleichen Perioden und natürlich auch in gleichen mitt— 
leren Entfernungen von der Sonne, um dieſe kreiſen, ſo können auch Sternſchnuppen in 
zahlloſer Menge wie Billardkugeln hinter einander um die Sonne ihren Kreislauf vollenden, 
und ſolchergeſtalt einen continuirlichen, oder mehr oder weniger unterbrochenen, Strom oder 
Ring um die Sonne bilden. — 4 | 

Dem wahren Sachverhältniſſe immer mehr auf den Grund zu kommen, find für den be: 
vorſtehenden 10. Auguſt alle möglichen Vorkehrungen getroffen worden, eine recht zahlreiche 
auswärtige Theilnahme, und wo möglich eine recht große Anzahl correſpondirender Beobach— 
tungen zu denen zu gewinnen, welche hier von einem ſehr zahlreichen Kreiſe von Mitbeobach— 
tern zu erlangen beabſichtigt wird. Für die Folge werden aber immer mehr Veranſtaltungen 
erſonnen, Uhrzeit, Zeitdauer und die Poſitionen der Sternſchnuppen mit immer größerer Ge— 
nauigkeit zu beſtimmen. Um die Beſtimmung der erſtern auch ſolchen Orten mit einiger 
Genauigkeit zu verſchaffen, wo es an allen aſtronomiſchen Hülfsmitteln gebricht, wird Ref. 
eine außerordentlich einfache Methode bekannt machen, ſobald die dazu erforderlichen Hülfs— 
tafeln von geringem Umfange berechnet ſein werden. Die Beſtimmung der Zeitdauer wird 
ſchon am 10. Auguſt durch Anwendung eines Metronoms ſehr erleichtert werden, den Herr 
Uhrmacher Franzmann hier am Orte gebaut hat, und der nach Belieben halbe, zweifünftel, 
drittel oder viertel Sekunden weit hörbar mit großer Genauigkeit angiebt. Dieſen Metro— 
nom, und auch die Probe der erſten 2 Blätter von einer neuen Sternkarte in 5 Bl. kl. Fol., 
hat Referent die Ehre, der Geſellſchaft vorzuzeigen. Sie bilden, zuſammengeſtoßen, von 
45° ſüdlicher bis 32 42 15“ nördlicher Declination, die innere Mantelfläche eines Ey: 
linders, und von da bis zum Nordpol die eine innere Grundfläche. Nach einem Maaßſtabe, 
welcher , von dem der Hardingſchen Karten und der Berliner akademiſchen Sternkar— 
ten beträgt, und gerade dem des kleinen Bode'ſchen und ſo wie auch des Littrow'ſchen Atlas 
gleichkommt, konnten alle Sterne bis zur ſechſten Größe in das von 5 zu 5 Graden gehende 
Netz ſehr genau eingetragen werden, laſſen aber auch alle Poſitionen an dem darauf befind— 

7 


50 


lichen Maaßſtabe mit Transverſalen bis auf eine Bogenminute ſich ermitteln. Herr v. Roth: 
kirch auf Groß-Schottkau hat die dazu erforderlichen 2533 Sterne auf das Jahr 1850 
reducirt, und die Herren Gebrüder Dr. Dr. Focke in Bremen haben ſich der Mühe, die Kar— 
ten zu zeichnen und zu lithographiren, unterzogen, damit ſie recht wohlfeil geliefert werden 
können, und man ſich nicht ſcheuen darf, bei Sternſchnuppenbeobachtungen ſie mit den Ein— 
zeichnungen ohne Weiteres aufzubewahren. | 


4) Am 16. Oktober berichtete derfelbe über die Zahl der hier in Breslau und an an— 
deren correfpondirenden Orten am 10. Auguſt d. J. beobachteten Sternſchnuppen. — Bei 
einer ganz ähnlichen Anwendung, wie ſie bereits in dem Jahresberichte von 1837 beſchrieben 
worden iſt, wurden von durchſchnittlich immer 15 Beobachtern, von 91 25” 585 mittl. Zeit 
bis 15h 14m 115, alſo in 5 St. 48” 138 an 1067 Sternſchnuppen beobachtet und regi— 
ſtrirt, wobei aber natürlich während der Verzeichnung und Notirung noch eine große Anzahl 
unbeachtet vorübergegangen iſt. Durchſchnittlich gerechnet kamen daher 71,13 Meteore auf 
jeden Beobachter; alle 19,6 Sekunden wurde eine Sternſchnuppe wahrgenommen, von jedem 
Einzelnen aber alle 4" 53,7%. Wo von auswärtigen Beobachtern bloß gezählt worden iſt, 
hat ſich daher auch verhältnißmäßig noch eine viel größere Zahl ergeben. So hat Herr Dr. 
Fiedler in Leobſchütz mit 8 Gehülfen 1186 Sternſchnuppen innerhalb 5 St. 48 M. 
gezählt, und zu Koſchentin Herr Candidat Fiſcher ganz allein in 6 % Stunden 154. — 
Außerhalb Schleſien war der Himmel nicht ſo durchaus heiter, als hier. Dennoch wurden 
gezählt in Dresden von 3 Beobachtern in 1 St. 48 M. 70 Meteore; in Frankfurt a. M. 
in 6 St. 21%, M. von 6 Beobachtern 553; in Düſſeldorf von 2 Beobachtern 188, und 
in Bremen in 5 Stunden von 5 Beobachtern 725 Meteore, wovon zugleich 160 auf die 
Karten und in die Regiſter verzeichnet wurden. Bei den hieſigen Einzeichnungen auf die 
Karten war, trotz deren öfterer Erneuerung, das Gewirr doch endlich ſo groß geworden, daß 
am Ende nur 726 mit Gewißheit haben wieder herausgefunden werden können. Dennoch 
ſteht zu hoffen, daß ſich eine erfreuliche Anzahl correſpondirender zu Bahnbeſtimmungen zu— 
ſammenfinden werde, da bis jetzt von auswärts beobachteten Poſitionen mir gütigſt bereits 
mitgetheilt worden ſind: von Berlin 54, von Bremen 160, von Boberſtein 182, von Groß— 
Glogau 28, von Krakau 17, von Leipzig 45, von Oels 16, von Osnabrück 16, von 
Rybnik 12 vollſtändige Beſtimmungen der ſcheinbaren Bahnen. 


Außerdem ſtimmen mit den ganz genauen Zeitbeſtimmungen des Erlöſchens von Stern— 
ſchnuppen, welche Herr wirklicher Etatsrath Schumacher und Herr Hauptmann von Ne— 
hus zu Altona angeſtellt haben, 33 hieſige mehr oder weniger genau, und geben dadurch 
nachſtehende Meridian-Unterſchiede zwiſchen Altona und Breslau: | 


51 


15 ” Meridian: 
Altona. Mittlere Zeit. Weltgegend. Breslau. Mittlere Zeit. Weltgegend. Unterſchied 
h m 8 h m 8 m. 8 

No. 1 9 20 50,1 N. O0. No. 54 9 49 11,0 N.O. 28 20,9 
l 9 44 12,9 S. W. 7 108 10 12 34,2 S. W. 28 21,3 
RER; 9 56 11,3 17,13% 10 24 38,2 N.. 28 26,9 
ee: 19 6:32,15 ; — 160 10 34 54,3 N. 28.22, 
1 2 S. W. — 214 10 54 44,4 N. 28 28,3 
— 16 10 40 4,9 N. W. — 243 11 8 35,4 N. W. 28 30,5 
— 17 10 44 193 NW. 247 12 75 N. 2818,22 
— 28 NN. — 338 11 43 36,6 N. 28 11,7 
— 30 111219557 356 11 50 20,6 N. W. 28 24,9 
— 31 1125 2,9 8 — 364 11'853 22,7 N. W. 28 119,8 
82 11 39 28,9 S.S. W. — 404 nee 28 27,8 
— 33 11 312,9 — 447 12149 27,8% W:O. 28 24,9 
Dieſe 12 Beobachtungen geben im Mittel. ne Ber Dh 


als Meridian: RENT zwifchen Altona und Breslau mit N15 ae Fehler: 
0,97 Sekunden. 


Aus aſtronomiſchen Beobachtungen iſt derſelbe anderweitig zu 28m 22,86 ermittelt 
worden. Dieſe ſo nahe Uebereinſtimmung iſt um ſo mehr beachtenswerth, da die Beobach⸗ 
tung der Zeit, wie man auch ſieht, hier nur in ganzen Sekunden, zu den Bahnbeſtimmungen 
hinlänglich genau, notirt war und die Zehntheile der Sekunden nur durch die Uhr⸗Correction 
entſtanden ſind. 


So iſt denn die Wiederkehr eines großen Sternſchnuppenfalles am 10. Auguſt eines 
jeden Jahres abermals beſtätigt. Durch die hier in Breslau am 10. Auguſt 1823 von 
Brandes und ſeinen Mitbeobachtern: Brettner, Feldt, Gebauer, Nepilli und 
Scholtz, gemachte Wahrnehmung eines außergewöhnlich zahlreichen Sternſchnuppenfalles, 
und durch ſeine eigene im J. 1836 aufmerkſam gemacht, hat Quetelet, Director der Stern— 
warte zu Brüſſel, am 3. December 1836 vor der Akademie in Brüſſel zuerſt die Wahrſchein— 
lichkeit ausgeſprochen, daß der 10. Auguſt uns alljährlich eine ähnliche Merkwürdigkeit dar: 
bietet, als der 13. November. Seitdem hat ſich herausgeſtellt, daß allerdings ſchon öfter 
am 10. Auguſt ein bedeutender Sternſchnuppenfall wahrgenommen worden, das Merkwürdige 
ſeiner periodiſchen Wiederkehr aber unbeachtet geblieben iſt. Noch bemerkenswerther aber 
iſt der Umſtand, daß ſeit undenklichen Zeiten bei dem Landvolke in Schottland die Stern— 
ſchnuppen: brennende Thränen des heiligen Laurentius genannt werden. 


. 


52 
II. Phyſik. 


Der Herr Prof. Brettner hielt am 30. Oktober 1839 einen Vortrag über elektro— 
magnetiſche Rotationen, welche er zugleich an vier kleinen Inſtrumenten zeigte. Bei dem 
einen wurde mit einem kleinen Kalorimotor ein Magnet um einen elektriſchen Leiter, bei dem 
zweiten ein elektriſcher Leiter um einen Magneten, bei dem dritten ein Magnet um ſeine Axe, 
und bei dem vierten ein elektriſcher Leiter durch einen andern in Rotation gebracht. 5 


Herr Profeſſor Dr. Pohl hat im Jahre 1839 drei Vorträge gehalten, folgenden 
Inhalts: W 

1) Den 13. März. Vorzeig ung elektromagnetiſcher Fundamental-Er⸗ 
ſcheinungen an einem dazu beſonders geeigneten neu angefertigten Ap— 
parat. Es war dies der ſchon in dem Vortrage am 24. Januar 1837 vorgezeigte und im 
vorjährigen Berichte pag. 30 erwähnte Apparat, mit der Erweiterung, daß zugleich an einem 
vertical gerichteten Theil des elektromagnetiſchen Leiters eine in der Horizontalebene beweg— 
liche Magnetnadel mit jedem ihrer Pole vor alle im Umfange eines beliebigen Querſchnitts 
jenes verticalen Theils liegenden Punkte rings herum geführt werden kann, um ſo auch hier 
die überall von jedem Punkte aus nach der Tangente zur Rechten oder zur Linken hin erfol— 
gende Wirkung der einen oder der andern von den beiden magnetiſchen Polarthätigkeiten voll— 
ſtändig und deutlich zu zeigen. 

An dieſe Demonſtration wurde die Bemerkung geknüpft, daß ſonach die Magnetnadel 
mit einem ihrer Pole rings um den Drath in der entſprechenden Tangentialrichtung der von 
allen Punkten des Drathes ausgehenden Wirkung anhaltend rotiren müſſe, ſobald nur die 
äußeren Bedingungen zu einer ſolchen Bewegung gegeben ſind. Die Einrichtung des Appa— 
rats iſt nun zugleich von der Art, daß ſie durch Aufſtellung einer kleinen kreisförmigen Queck— 
ſilberrinne, bei einer einfachen angemeſſenen Suſpenſion der Nadel, ſogleich die Herſtellung 
jener Bedingungen geſtattet, und ſo wurde auch der wirkliche Erfolg der Rotation der Nadel 
ſehr bald und zwar mittelſt des Gyrotrops in jeder beliebigen Richtung eines raſchen Kreis— 
laufes dargeſtellt. | 

Der Herr Profeſſor Pohl hob in feinem Vortrage beſonders hervor, daß dieſe aus der 
Wechſelwirkung zwiſchen der Magnetnadel und dem elektromagnetiſchen Schließungsdrath 
hervorgehenden Erfolge die wahren Fundamentalerſcheinungen der ſämmtlichen elektromagne— 
tiſchen Wirkungen bilden, und daß dieſe als Wirkungen des Magnetismus aufzufaſſen ſeien, 
der mit der Elektricität nicht identificirt werden dürfe, ſondern vielmehr gerade in Folge der 
Entdeckung des Elektromagnetismus als die polare Reaction der Elektricität nachgewieſen ſei 
und ſomit von letzterer auf das beſtimmteſte unterſchieden werden müſſe. Beim Schluſſe des 
Vortrags wurde noch eine große magnetiſche Declinationsnadel vorgezeigt, an welcher zwei 
kleine bewegliche Leitungsdräthe angebracht waren, die in kreisförmige, unter der Nadel be— 
findliche Queckſilberrinnen eintauchten, welche durch kleine Querwände getheilt und einerſeits 


53 


mit der galvaniſchen Kette, andererſeits mit einem aus mehrmaligen Windungen eines Ku— 
pferſtreifen beſtehenden Multiplicator in Verbindung geſetzt waren, wodurch bei der Bewe— 
gung der Nadel eine abwechſelnd entgegengeſetzte Erregung des auf die Nadel wirkenden Mul— 
tiplicators und ſomit eine anhaltende Drehung der Magnetnadel ſelbſt in einem ſehr kräftigen 
und raſchen Umſchwunge derſelben unter einer vermittelſt des Gyrotrops beliebig zu beſtim— 
menden Richtung dieſer Bewegung erzeugt wurde. | ’ 


2) Den 27. März. Vorzeigung eines magneto-elektriſchen Apparats. 
Der nach der Angabe des Herrn Prof. Pohl für das phyſikaliſche Kabinet der Univerſität 
angefertigte Apparat beſteht aus einem durch zwölf übereinander befindliche Lamellen gebilde— 
ten, horizontal liegenden Magnet, vor deſſen Polen ein Anker mit Zapfen von weichem Eiſen 
an einer horizontal liegenden eiſernen Spindel durch eine Schnur ohne Ende, die über ein 
verticales Rad und eine verticale Spindelrolle geführt iſt, in eine anhaltende, hinlänglich 
ſchnelle Drehung verſetzt wird. Auf den Ankerzapfen befinden ſich die aus beſponnenem Ku— 
pferdrath gebildeten Inductionsmultiplicatoren, deren Windungen mit ihren Enden theils 
unter ſich, theils mit der Spindel verbunden ſind, ſo daß das eine Ende mit dem Kern der 
Spindel, das andere mit einer auf entgegengeſetzten Seiten durchbrochenen, über die Spindel 
geſchobenen Hülſe zuſammenhängt. Die durch Induction erzeugte Erregung wird durch 
federnde Dräthe, welche gegen die Spindel drücken und bei der Drehung derſelben abwech— 
ſelnd den Kern und die Hülſe berühren, weiter auf einen beliebig zu wählenden geſchloſſenen 
Leitungskreis fortgepflanzt, und zwar ſo, daß vermittelſt der eben erwähnten abwechſelnden 
Berührung die Erregungspulſe in dieſem Theile des geſchloſſenen Kreiſes ſtets in gleichem 
Sinne ausfallen. Die Wirkungen, welche an dieſem durch ſeine eigenthümliche Einrichtung 
und compendiöſen Bau ſich empfehlenden Apparat aufgezeigt wurden, waren folgende: Pla— 
tindrath wurde glühend; bei der durch den Wechſel der Berührung ſtattfindenden, oder 
auch an irgend einem beliebigen Theile des geſchloſſenen Kreiſes bewirkten momentanen Un— 
terbrechung zeigten ſich lebhafte, ſprühende elektriſche Funken; die Enden der Stahlfedern, 
an denen ſie ſich zeigten, wurden verbrannt; mit den elektromagnetiſchen Wirkungen des 
geſchloſſenen Kreiſes wurden Ablenkung der Magnetnadel oder andere Erfolge, anhaltende 
Rotation u. ſ. w., ſo wie ſonſt durch eine galvaniſche Kette, erzeugt; es fand, wenn die 
getrennten Theile der metalliſchen Leitung in Waſſer geführt wurden, eine lebhafte und 
raſche Zerſetzung des Waſſers ſtatt, und das gebildete Knallgas wurde durch den elektriſchen 
Funken des Apparates ſelbſt wieder entzündet; wenn endlich die Erregung durch eine ange— 
meſſene Verbindung ſtoßweiſe durch den Körper von einer oder mehreren verbundenen Perſo— 
nen geleitet wurde, ſo waren die Erſchütterungen ſo heftig, daß ſie höchſtens nur einige Se— 
kunden lang ertragen werden konnten.“) 


9) Am Schluſſe dieſes Vortrages, welcher ein großes Intereſſe erregt hatte, forderte der Sekretair der Sek⸗ 
tion die Mitglieder der Geſellſchaft zur Subſkription auf, um einen ſolchen Apparat für das phyſikaliſche 


4 


3) Den 18. December. Vorzeigung und Erläuterung magnetiſcher und 
elektromagnetiſcher Erfolge an einer aſtatiſchen Inclinations nadel. Das 
vorgezeigte Inſtrument beſteht aus einer mit Seitenzapfen auf zwei Trägern ruhenden magne— 
tiſchen Bouſſole, die in jede beliebige Neigung gegen den Horizont und mit ihrer Ebene zu— 
gleich durch eine drehbare Scheibe auf der Fußplatte in jedes beliebige Azimuth gebracht wer— 
den kann. Die Nadel ſpielt mit zwei Spitzen in koniſchen, an den beiden gläſernen Deck— 
platten der Bouſſole angebrachten Vertiefungen. Das Ganze iſt demnach als eine gewöhn— 
liche Declinations-Bouſſole und zugleich auch als ein Inclinatorium zu benutzen. Es wur— 
den daran die verſchiedenen Richtungen, in welche die Nadel durch den Erdmagnetismus in 
den verſchiedenen Lagen verſetzt wird, die ihr bei der Einrichtung des Inſtrumentes gegeben 
werden können, der Reihe nach dargethan. Darauf wurde gezeigt, daß die richtende Kraft 
ganz verſchwindet, wenn die Axe der Bouſſole ſenkrecht gegen die Ebene des magnetiſchen 
Meridians und die Ebene der Bouſſole unter einem Winkel, welcher das Complement der 
magnetiſchen Inclination iſt, gegen den Horizont gerichtet wird. Unter dieſen Bedingungen, 
durch welche die Nadel aſtatiſch wird, zeigte ſie ſich gegen den Erdmagnetismus völlig indiffe— 
rent, ſo daß ſie mit dem Nordpol nach Süden, oder in jedes andere beliebige Azimuth ge— 
richtet werden konnte, ohne dieſe gegebene Lage zu ändern. Es wurde demnach, um unter 
dieſen Umſtänden die außerdem mehr oder weniger durch den Erdmagnetismus modificirte 
rechtwinklige Ablenkung der Nadel durch einen elektromagnetiſchen Schließungsdrath zu con— 
ſtatiren, ein ſolcher über und unterhalb der Bouſſole angebracht, wobei die Nadel ſtets unter 
einem rechten Winkel durch den Drath abgelenkt wurde. | 


Herr Oberfi: Lieutenant Baron Dr. von Strantz ſprach: über die Geſchwin— 
digkeit und Wahrnehmung des Schalles bei dem Geſchützfeuer. 


a) Geſchwindiglkeit. 

Dieſe ergiebt ſich bei dem Kanonenfeuer: aus der Wahrnehmung des Feuers, dem nach— 
folgenden Schalle und der dazwiſchen liegenden Zeit in Sekunden. 

Eine beinahe ähnliche Bewandniß hat es mit der Geſchwindigkeit des Fluges einer Ka— 
nonenkugel, wo aber, außer dem Widerſtande der Luft, noch die Beſchaffenheit der Kugel, 
und die von der Geſchützladung abhängige Anfangsgeſchwindigkeit in Betracht kommt. Dem— 
zufolge verhalten ſich die Kugeln, in Hinſicht dieſes Widerſtandes, wie ihre Maſſen und Durch— 
meſſer. So z. B. verhält ſich die 24pfündige zur Spfündigen ihrer Maſſe nach —= 8: 1, 
ihre Durchmeſſer (5 CE % ) = 2:1, der Widerſtand, wie die Durchmeſſer zur zwei— 
ten Potenz erhoben, 25: 1 4: 2. Folglich erleidet, bei gleicher Anfangs-Geſchwin— 


Kabinet der Geſellſchaft zu erwerben. Man unterzeichnete ſogleich 36 Thaler, und die noch fehlenden 
68 Thaler wurden in den nächſten vier Tagen durch nicht anweſende Mitglieder der Geſellſchaft beige— 
ſteuert und dafür nun ein ſolches Inſtrument angekauft. 


55 


digkeit, die 24pfündige Kugel nur % ſo viel Widerſtand, als die Spfündige Kugel. Jene 
Geſchwindigkeit, nämlich die in der erſten Sekunde, beträgt bei gewöhnlicher Ladung und mitt: 
lerem Kaliber bei den Kanonenkugeln 12 — 1300 Fuß; weniger bei den Hohlkugeln, näm- 
lich: 7 — 800 bei den Granaten, 3 — 400 bei den Bomben, allwo der Schwerpunkt nicht 
im Centrum fällt, mithin eine ungleiche Rotation ſtattfindet. Man kann ſich bei dem Fluge 
der Kugeln die Kraft der Bewegung als ein Produkt ſeiner Maſſe in die Geſchwindigkeit den— 
ken; demzufolge haben Kanonenkugeln mehr Kraft als Granaten und Bomben. 

Die Geſchwindigkeit des Schalles hängt von dem zu überwindenden Widerſtand in der 
Atmoſphäre, und hauptſächlich von der größeren oder geringeren Dichtigkeit der Luft ab, wor— 
über ſowohl die älteren als neueren Verſuche Aufſchluß geben, welchen letztern wir um ſo 
mehr Vertrauen ſchenken können, als wichtige Nebenumſtände dabei mit berückſichtiget worden 
ſind. Bei den neuern Verſuchen erhalten wir im Mittel für eine Sekunde von 1061 Fuß 
Geſchwindigkeit, und unter verſchiedenen Umſtänden als Minimum 1014, Maximum 1142, 
wogegen die älteren Verſuche um 30 Fuß etwa größer ausfallen. 

Für die Nebenumſtände nimmt Goldingham an eine Differenz + oder — bei 0,3“ 
engl. Barometerftand — 9,2 Fuß; für 1° F. Thermometerſtand 1,2 Fuß; 1° 1 
ſtand 1,4 Fuß; für hinzukommende Winde 10 — 12“. — Man nimmt auch wohl für die 
leichten Sommerwinde 6— 8, Mühlwinde 16 — 24, und Stürme 40 Fuß und mehr an. 
— Die Intenſität des Schalles hat jedoch (nach Caſſini) keinen Einfluß auf die Ge— 
ſchwindigleit. 

A. Aeltere Ver ſuche. 


Namen Länder oder Orte Geſchwindigkeit in 
der Beobachter. der Beobachtung. 1 Sek. Par. Fuß. 
Caſſini und Huygens . Frankreich.. 1172 
Caſſini und Meraldi .... Frankreich.. . . 1038 Mittelzahl 
D ana nkeic 1775 1091. 
De la Condamine apenne . 11018. 
De la Condamine. . Quito . 1050 Differenz 
. England. „ 970 137. 
SRUNET e ene Göttingen. 1036 

B. Neuere och 

Goldingham 1809 . ..... Oſtindien n 7272060 
Goldingham 1809... .. Oſtindieieng .. 1142 Mittelzahl 
rer 18ſec Polargegend . .. 100 1061. 
no een, 29 Polargegend ... 1098 
Maho „822 . „„ . Paris. RR 97024 EL Differenz 
Moll u. Benk 188. Paris . 0 1048 138. 
Hammer. 182 . . Salzburg. . . 1025 | 


80 


Es beträgt jedoch, nn genommen, die Differenz in den beiden erſten eee 
nur 82—84. sis 


Goldingham erhielt bei 29,99“ engl. Bab, BUNT»: Per (23,16 R.) 1142˙. 
Parrey erhielt bei 30,39“ engl. Bar., 33 „5 F. Therm. (+ O, 67 R.) 1098. 
Parrey erhielt bei 30,11“ engl. Bar., 28,5 F. Therm. (— 1,56 R.) 1014. 
Moll erhielt bei 10— 12°C. Therm. (8 — 9,6 R.) 1048“. 

Stampfer erhielt bei O0 R. Therm. 1025“, 


und zwar letzterer bei einer Baſis von 30, 604 Fuß (1%, d. Meile) und einen n Höhen Un: 
terſchied von 4198 Fuß. 


Vergleichen wir die Angaben von pr mit Goldingham, ſo ſcheinen des letzte— 
ren Thermometer-Reſultate zu gering auszufallen, die ſich zu jenem behalten 2: 71 
ein Geſetz hierüber iſt daher noch nicht ermittelt. 


Wir ſehen ebenfalls, daß die größten Extreme in Zurücklegung der Differenz „ — %, 
und örtlich genommen nur 442 — ha betragen, nämlich wo es Entfernungen gilt, die noch 
in den Bereich einer Kanonenſchußweite fallen; ein Anderes findet bei der Schall— Wahrneh⸗ 
mung auf größern Diſtanzen ſtatt, wo die bis jetzt nicht erwieſene Veranlaſſung jener großen 
Ertreme wohl verdient, in Betracht gezogen zu werden. 


\ 


b) Wahrnehmung des Schalles und deſſen Alobificationen. 


Hier treten ſchon bei meilenweiten Diſtanzen Fälle ein, die zur Zeit noch unerörtert 
ſind. Wir ſtoßen auf die größten Abweichungen oft bei einem Schalle von gleicher Intenfi- 
tät; hören ein Kanonenfeuer bisweilen auf 20 — 30 geogr. Meilen und noch weiter, dann 
wieder kaum 1 Meile. Geben wir auch zu, daß ein ſtarker Nebel, eine noch nicht gefrorene 
Schneedecke auf kurze Diſtanz den Schall mäßigen, fo erhalten wir auch bei heitern, wind» 
ſtillen Tagen zuweilen dieſelben Reſultate. Bis jetzt ſind jene Extreme, aber nicht die gleich— 
zeitigen Wahrnehmungen, im Umkreiſe des Punktes, von wo die Intonation ausgeht, uns 
bekannt, ſowohl als beide Extreme zugleich, bei den bisher wahrgenommenen Kanonaden. Es 
haben zwar in neueſter Zeit Beobachtungen über die Wahrnehmung der Exploſionen aufſtei— 
gender Raketen in einem gewiſſen Umkreiſe und verſchiedener Entfernung ſtattgefunden, jedoch 
zur Nachtzeit ohne Vermerkung der Temperatur; die indeß davon zeugen, wie auch in den 
höhern Luftſchichten ſo verſchiedener Entfernungen bei dieſer Wahrnehmung ſich ergeben, und 
daß es nicht die Richtung jenes ſchallausgehenden Punktes allein iſt, worauf es hierbei an— 
kommt, fo wenig als eine Unterbrechung durch Terraingegenſtände. 

Aus der Erfahrung iſt bekannt, daß Geſchütze, einſt zu Florenz abgefeuert, noch 
5 italieniſche Meilen über Livorno hinaus, mithin 13 ½ deutſche Meilen, bei der Belage— 
rung von Genua im Jahre 1800 gegen 24 d. M., bei dem Bombardement von Ko pen⸗ 
hagen am 2.— 5. September 1807 ſogar in Kolberg auf 38 M., ſo wie auch jenes Feuer 


57 


der Schlacht von Bautzen am 20. und 21. Mai 1813 zu Hainau in Schleſien 17 Mei— 
len weit gehört ward. *) 

Dagegen können wir drei Fälle darthun, wo große Kanonaden kaum 1 deutſche Meile 
weit gehört wurden, nämlich jene der Schlacht von Caſſano 1705, der von Liegnitz 1760, 
und Montereau 1814. . 

Bei Caſſano, an der Adda, wo der Herzog von Vendöme den Angriff des Prinzen 
Eugen abſchlug, entſchuldigte ſich der mit einem Armee-Korps 2 Stunden davon abwärts 
an dieſem Fluſſe zu Rivolta poſtirte Großprior, Bruder des Herzogs, damit, ihm nicht zu 
Hülfe geeilt zu ſein, weil er kein Kanonenfeuer gehört habe, wobei er ſeinen Generalſtab zu 
Zeugen aufrief. (S. Abrege des commentaires de M. d. Folard, sur l’histoire de Po- 
lybe, Th. 1, p. 359.) Dieſe Schlacht fand in der wärmſten Jahreszeit, nämlich den 
15. Auguſt Nachmittags von 3 — 5 Uhr, ſtatt. 

Bei Liegnitz, an der Katzbach, hörte der auf den Höhen bei Weishof kampirende Feld— 
marſchall Daun nicht jenes, eine Meile entfernte Geſchützfeuer nördlich von Panten, in wel— 
chem Friedrich der Große mit General Laudon begriffen war, nämlich am 13. Auguſt, bei 
Tagesanbruch. (S. v. Tempelhoff Geſch. des 7jährigen Krieges, Bd. IV, S. 159-160.) 

Bei Montereau, an der Seine, wo der damalige Kronprinz, jetzige Koͤnig von 
Würtemberg, von früh 10 Uhr bis Abends 5 Uhr das Schlachtfeld gegen den Kaiſer Napo⸗ 
leon behauptete, dann aber zum Rückzuge genöthiget ward, und wo ebenfalls ein Feuer von 
mehr denn 100 Geſchützen ſtattfand, ward dieſes aufwärts an dieſem Strome zu Bray von 
dem Fürſten Schwarzenberg und feinem Stabe hier auf 4½ Stunden, und am Mittag von 
mir, der ich dahin abgeſchickt ward, noch nicht auf 1 deutſche Meile vernehmlich gehört. Dieſes 
Ereigniß fand am 25. Februar, jedoch an einem heitern, milden, windſtillen und ſo ſchönen 
Tage, als man in dieſer Jahreszeit ſich nur wünſchen kann, ſtatt. 

Auch das Kanonenfeuer der Schlacht von Kulm 1813 ward auf dem Plateau von 
Nollendorf nicht gehört, wofür ſich indeß Gründe anführen laſſen. 

Endlich iſt noch in Betracht zu ziehen, wie alle die bisher bekannt gewordenen 
Extreme mehr die Aequatorial- als Polar-Richtung annehmen; nämlich bei Florenz: 
W. S. W.; Kopenhagen: S. O.; Bautzen: O. S. O. (+); Caſſano: S. S. O.; Lieg⸗ 
nitz: S. W.; Montereau: O. N. O.; Kulm: N. N O. (—9. 

So wie in Kriegszeiten bei den Schlachten laſſen ſich in Friedenszeiten noch mit mehr 
Ruhe und Genauigkeit zu dieſen Forſchungen die großen Revüen benutzen. Einſtweilen wage 
ich die Hypotheſe, daß bei einer ſcheinbaren Windſtille wohl Luftſtrömungen es vermögen, 
den Schall nach ſo weiten Gegenden fortzuführen, aber auch umgekehrt dieſen dem Beobach— 
ter zu entziehen. 


*) Erſte beide Angaben find nach von Hoyer, die dritte (betreffend Kopenhagen) eine Mittheilung des 
Herrn Artillerie-Majors Roth, die vierte des Herrn Conſiſtorial-Raths Michaelis. 
f 8 


58 


Herr Profeſſor Dr. v. Bo guslawſki theilte am 18. December eine gedruckte Ab— 
handlung des Herrn Dr. Neef in Frankfurt a. M. über einen neuen Magnetelektromotor 
mit, welche derſelbe in der Verſammlung der Naturforſcher zu Freiburg vorgetragen hatte. 


III. Chemie. 


Herr Chemiker Duflos ſprach am 27. Februar über die Zuſammenſetzung ge— 
wiſſer ternärer Verbindungen, insbeſondere der Sauerſtoffcyan-Ver— 
bindungen: f 


Vom chemiſch-analytiſchen Geſichtspunkte aus betrachtet, zerfallen die auf der Erde vor- 
handenen wägbaren Stoffe in zwei Claſſen, nämlich in chemiſch-einfache und chemiſch-zuſam— 
mengeſetzte, wobei aber jedenfalls von den organiſirten Körpern als ſolchen abſtrahirt wird. 

Gehen wir dagegen bei dieſer Betrachtung von dem chemiſch-dynamiſchen Verhalten der 
Körper aus: ſo haben wir unter den wägbaren Körpern zunächſt Baſen- und Säurebilder, 
ſodann Salzbilder und endlich Salze zu unterſcheiden. Die Baſen- und Säurebilder ſind 
meiſtens einfache Elemente, und zwar gehoͤren vorzugsweiſe den erſtern die Metalle, den zwei— 
ten die Nichtmetalle an; unter dieſen letztern befinden ſich aber auch mehre, welche nicht recht 
wohl weder in die eine, noch in die andere Gruppe untergebracht werden können, in Betreff 
ihres paſſiven chemiſchen Wirkungsvermögens aber doch den Metallen oder Baſenbildern weit 
näher verwandt ſind, als den Säurebildern, daher auch nicht ganz unpaſſend Metalloide ge: 
nannt werden könnten, welcher Ausdruck freilich ſchon in mannichfaltiger anderer theils geeig— 
neter, theils ungeeigneter Bedeutung gebraucht worden iſt. Eben ſo will ich auch, um Zwei— 
deutigkeiten zu vermeiden, anſtatt Säurebilder, worunter, die einfachen Elemente anlangend, 
Sauerſtoff, Chlor, Jod, Brom, Fluor, Schwefel, Selen, Tellur verſtanden ſind, die Bezeich— 
nung Orygenoide gebrauchen, ganz in derſelben Bedeutung, worin von Andern das 
deutſche Wort Brenner angewandt worden. 

Die Metalloide ſind Waſſerſtoff, Stickſtoff, Phosphor, Kohlenſtoff, Bor und Kieſel; ſie 
beſitzen nur wenig Anziehung zu den Metallen, und in den wenigen Fällen, wo dieſe letzteren 
mit ihnen in chemiſche Vereinigung treten, geſchieht dies nur ſelten unter Verluſt ihres allge— 
meinen metalliſchen Charakters. Sie zerſetzen die Verbindungen der Metalle mit den Säure— 
bildern nur in hoher Temperatur und treten dabei an die Stelle der Metalle. Die entſtehen— 
den Verbindungen ſind meiſtens ſauer, niemals baſiſch. Durch gegenſeitige Vereinigung lie— 
fern die Metalloide weder Säuren noch Baſen, ſondern, was eben das Bemerkenswertheſte 
iſt, die Verbindung, wo eine ſolche ſtattfindet, zeigt entweder ein dem den Baſenbildern oder 
dem den Säurebildern entſprechendes chemiſch-dynamiſches Verhalten, d. h. mit andern Wor— 
ten, es gehen aus der Vereinigung der Metalloide unter einander zuſammengeſetzte Baſenbil⸗ 
der oder Metalle und zuſammengeſetzte Säurebilder oder Drygenoide hervor. Das am läng⸗ 


—ͤ 69 


ſten bekannte Beiſpiel der erſteren Art iſt das Ammonium, aus Stickſtoff und Waſſerſtoff be— 
ſtehend, und in ſeinem chemiſchen Verhalten ſo vollkommen den Metallen ähnlich, daß es auch 
gegenwärtig allgemein zu dieſer letztern Claſſe von Körpern gerechnet wird, obgleich es aller— 
dings in reiner iſolirter Form noch nicht gekannt iſt. Letzteres iſt aber bekanntlich noch mit 
vielen andern Stoffen der Fall und ihre Exiſtenz darum nicht weniger unzweifelhaft. 

Im Ammonium ſind Stickſtoff und Waſſerſtoff dem Volum nach in dem Verhältniß von 

: 4 enthalten, und dieſe Verbindung macht in ähnlicher Weiſe die Baſis der Ammonium: 
1 aus, wie Kalium die der Kaliumſalze, d. h. nachdem es ſich zuvor durch Vereinigung 
mit einem der Zuſammenſetzung der Säure entſprechenden Oxygenoiden zu einem baſiſchen 
Körper vereinigt hat. In den uneigentlich ſogenannten Ammoniakſalzen iſt das Ammonium 
durch Sauerſtoff baſicirt, wie das Kalium in den Kaliſalzen. Das Ammoniak, durch ein Vo— 
lum Waſſerſtoff weniger vom Ammonium unterſchieden, geht zwar ohne vorherige Oxydation 
ebenfalls Verbindungen mit gewiſſen Sauerſtoffſäuren ein, aber dieſe Verbindungen haben 
mit den wirklichen Ammoniumorydfalzen nichts Gemeines, fie gehören einer ganz andern 
Claſſe von Verbindungen an. Gleichwie Niemand die Verbindungen der Chromfäure und 
der waſſerleeren Schwefelſäure mit Chlorkalium, der arſenigen Säure mit Jodkalium und 
ähnliche andere in gleiche Kategorie mit den Kaliſalzen bringen wird. Sehr paſſend unter— 
ſcheidet daher Berzelius in der chemiſchen Nomenclatur beide Arten von Verbindungen 
durch die Collectivnamen Sales ammonici und Sales ammoniacales. 

Dem Ammonium vollkommen entſprechend iſt das Aethyl, die Baſis des Aethers, aus 
Kohlenſtoff und Waſſerſtoff in dem Verhältniß von 2: 5 dem Volum nach beſtehend. Es 
iſt zwar noch nicht iſolirt worden, aber wir wiſſen, daß es in Vereinigung mit Sauerſtoff eine 
ſtarke Baſe bildet, d. h. einen Körper, welcher in ausgezeichnetem Grade die Eigenfchaft be— 
ſitzt, die Acidität der Sauerſtoffſäuren zu neutraliſiren, und daß dieſer Sauerſtoff nach Will— 
kühr durch Chlor, Jod, Brom, Schwefel, Selen erſetzt werden kann, ſo wie es vom Ammo— 
niumoxyd bekannt iſt. Wir nennen daher dieſe Baſe ſachgemäß Aethyloryd. Gleichwie mit 
dem Namen Ammoniak eine Verbindung zwiſchen Stickſtoff und Waſſerſtoff bezeichnet wird, 
worin das Verhältniß des letztern Stoffes zum erſtern J weniger als im Ammonium beträgt, 
eben ſo verhält es ſich auch zwiſchen Kohlenſtoff und Waſſerſtoff und Aethyl und Aetherin 
ſind nur darin von einander unterſchieden, daß in letzterem auf 2 Volum Kohlenſtoff 1 Vol. 
Waſſerſtoff weniger als im erſtern enthalten iſt. Auch kennen wir im ſogenannten ſchweren 
Weinöl eine Verbindung zwiſchen Aetherin und Schwefelſäure, derjenigen entſprechend, welche 
waſſerleere Kohlenſäure, ſchweflige und Schwefelſäure mit Ammoniak eingehen. Waſſerleeres 
kohlenſaures Ammoniak zerfällt, in Berührung mit Waſſer, in ſaures kohlenſaures Ammonium: 
oxyd und Ammoniak; eben ſo zerfällt auch ſchwefelſaures Aetherin unter gleichen Bedingun- 
geu in ſaures ſchwefelſaures Aethyloxyd (Aetherſchwefelſäure) und Aetherin. 

Fragen wir nun, welcher Unterſchied in Bezug auf den chemiſch-dynamiſchen Charakter 
herrſcht zwiſchen Ammonium und Aethyl: ſo läßt ſich in der That kaum ein anderer bezeich— 
nen, als daß bis jetzt noch kein dem Ammoniumamalgam entſprechendes Aethylamalgam dar: 

| g* 


— 


geſtellt worden iſt, und zwar, wie hinzugeſetzt werden muß, wahrſcheinlich weil es noch nicht 
ſachgemäß verſucht worden iſt. 

Uebrigens iſt die Bildung von zuſammengeſetzten Radicalen nicht bloß auf das Zuſam⸗ 
menwirken von zwei Metalloiden eingeſchränkt, ſondern nicht ſelten geſellt ſich dazu noch ein 
drittes und ein viertes Element, welches an und für ſich ebenfalls der Claſſe der Metalloide, 
oder wohl auch der der Oxygenoide angehören kann, wie das Benzoyl, das Spiroyl und die 
Pflanzenalkalien wohl zur Genüge darthun. 

Wenden wir uns zu der 2ten Claſſe von zuſammengeſetzten Radicalen, nämlich zu derje— 
nigen, welche ſich in Bezug auf ihre chemiſche Wirkſamkeit den einfachen Säurebildern oder Oxy— 
genoiden anreihen: fo bemerken wir in ihnen eine nicht minder confequente Uebereinſtimmung 
des chemiſch-dynamiſchen Verhaltens mit dem der letzteren. Am vollkommenſten und ausge— 
zeichnetſten bietet ſich aber dieſe Uebereinſtimmung dar in demjenigen von dieſen Körpern, 
welcher Cyan genannt wird, und aus Kohlenſtoff und Stickſtoff in dem Verhältniß von 
1: 1 dem Volumen nach zuſammengeſetzt iſt. Das Cyan ſteht in der That ganz in derſel— 
ben Beziehung zu den Oxygenoiden, wie Ammonium zu den Metallen; gleichzeitig bieten 
aber die Verbindungen, welche es ſowohl mit den erſtern, als auch mit den letztern eingeht, 
eben wegen ſeiner zuſammengeſetzten Natur, die merkwürdigſten Beiſpiele desjenigen dar, was 
man in letzterer Zeit mit dem Namen Iſomerismus bezeichnet hat, und zwar in den verſchie— 
denen Arten deſſelben. 

Im Allgemeinen bezeichnet man bekanntlich mit Iſomerie gleichartiges Zuſammengeſetzt⸗ 
ſein, rückſichtlich ſowohl der Qualität als auch der Quantität der Elemente, bei ungleichartigen 
Eigenſchaften, und unterſcheidet drei verſchiedene Abſtufungen derſelben, nämlich: 1) Iſo— 
merie im engern Sinne, oder gleichartige, ſowohl procentiſche als auch ſtöchiometriſche 
Zuſammenſetzung; 2) Polymerie, oder gleichartige procentiſche, aber ungleichartige ſtö— 
chiometriſche Zuſammenſetzung; endlich 3) Metamerie, oder gleichartige procentiſche Zu— 
ſammenſetzung, verbunden mit möglicher Umwandelbarkeit der einen iſomeren Verbindung in 
die andere. 

Im Nachfolgenden will ich mir erlauben, Ihre Aufmerkſamkeit auf einige merkwürdige 
Beiſpiele von Iſomerismus zu lenken, zu welchen das Cyan Veranlaſſung giebt, und ſchließ— 
lich einen Verſuch wagen, für eins der räthſelhafteſten derſelben eine neue aufklärende Betrach— 
tungsweiſe aufzuſtellen. 

Leitet man Cyangas in eine Auflöſung von Aetzkali in Waſſer, ſo entſteht unter Waſ— 
ſerzerſetzung cyanſaures Kali und Cyankalium; indem aber hier unter Vermittelung des 
Waſſers ſehr ſchnell eine Entmiſchung der einen ſo wie der andern Verbindung eintritt: ſo 
läßt ſich aus dieſer Flüſſigkeit keine derſelben iſoliren. Leitet man aber Cyangas über glü⸗ 
hendes kohlenſaures Kali: ſo wird die Kohlenſäure ausgetrieben und man erhält endlich ein 
trocknes Gemenge aus Cyankalium und cyanſaures Kali, woraus ſich nachher durch kochenden 
Alkohol die letztere Verbindung ausziehen und kryſtalliſirt erhalten läßt. Vermiſcht man eine 
friſch bereitete Auflöſung von dieſem cyanſauren Kali mit einer Auflöſung von ſalpeterſaurem 


61 


Silberoxyd: fo fällt cyanſaures Silberoryd —= AgO Cy? O als ein weißes in Waſſer un: 
lösliches Pulver nieder, welches ſich in Berührung mit einer Auflöſung von Chlorammonium 
in Chlorſilber und cyanſaures Ammoniumoryd —= N? H' O Cy? O zerſetzt. Die letztere 
Verbindung bleibt aufgelöſt, und es laſſen ſich in der Auflöſung durch die geeigneten Reagen⸗ 
tien das Ammoniak und die Cyanſäure unzweifelhaft nachweiſen. Verſucht man aber, die 
Auflöſung durch Verdunſten zu concentriren, ſo verſchwindet während des Verdunſtens das 
cyanſaure Ammoniak, und verwandelt ſich, ohne Veränderung der elementaren Zuſammen— 
ſetzung, in einen andern Körper, der nun weder Cyanſäure noch Ammoniak enthält, ſondern 
Harnſtoff, der charakteriſtiſche Beſtandtheil des Harns der Menſchen und Thiere, iſt. 
Cyanſaures Ammoniak it = N’H’O+-N’C?O | 

| Harnſtoff ift — N? O H 0° und 
beide ſind demnach metameriſche Körper. 

Eine verdünnte Auflöſung des Harnſtoffs in Waſſer wird ſowohl durch Kochen, als auch 
bei längerm Aufbewahren unter Vermittlung von 4 Mg. Waſſerbeſtandtheilen in 2 Mg. Eoh: 
lenſaures Ammonium verwandelt, nämlich: 

N“ C' Hs O? + 4 H? OS 2 (N He 000). 

Dies iſt die Urſache, warum der Harn ſowohl beim Kochen als auch durch Fäulniß ſo 
viel kohlenſaures Ammoniak erzeugt, und warum bei der Abſcheidung des Harnſtoffs aus ſehr 
verdünnten Flüſſigkeiten eine bedeutende Menge deſſelben verſchwindet. 

Ueber 120 hinaus erhitzt, erleidet der Harnſtoff eine Entmiſchung, und feine Elemente 
treten auf eine andere Weiſe unter einander in Verbindung. Er zerfällt nämlich in gasförmig 
entweichendes Ammoniak und in ein zurückbleibendes weißes Pulver, deſſen Zuſammenſetzung 
ſich aus dem ergiebt, was übrig bleibt, wenn aus der Zuſammenſetzung des Harnſtoffs 1 Mg. 
Ammoniak ausſcheidet, alſo N* OG? H® O? weniger N? H° bleibt N? C? H? 0%. 

Dieſes Pulver iſt eine Säure, deren Elemente in fo inniger Vereinigung ſich befinden, 
daß ſie in concentrirter Schwefelſäure und Salpeterſäure aufgelöſt werden kann, ohne Verän— 
derung zu erleiden. Man hat ſie Cyanurſäure genannt, um dadurch an ihre Beziehung zum 
Harnſtoff und zur Cyanſäure zu erinnern. Durch zweckmäßige Behandlung läßt ſich aber 
aus der Cyanurſäure mittelſt Silberoryds 1 Mg. Waſſerbeſtandtheile austreiben, welche durch 
1 Mg. Silberoryd erſetzt werden, und man erhält ſonach eine Verbindung aus 1 Mg. Sil⸗ 
beroryd mit einer aus 2 Vol. Kohlenſtoff, 2 Vol. Stickſtoff und 1 Vol. Sauerſtoff zuſam⸗ 
mengeſetzten Säure, nämlich Ago N? C? O. 

Dies iſt aber genau die Zuſammenſetzung des chüllſatren Silberoxyds, und doch iſt es 
keins, denn es läßt ſich daraus durch Behandlung mit Salzſäure die Cyanurſäure mit allen 
ihren urfprünglichen Eigenſchaften, welche gar keine Verwechſelung mit der Cyanſäure geſtat— 
ten, wieder abſcheiden. Die ſtöchiometriſche Formel für die Zuſammenſetzung dieſer Säure 
muß demnach dieſelbe wie für die Cyanſäure ſein, und die Waſſerbeſtandtheile, welche daraus 
mittelſt Silberoryds abgeſchieden werden können, müſſen als baſiſches Waſſer außerhalb der 


62 


elementaren Zuſammenſetzung der Säure ſtehen, demzufolge man aus einer primären Verbin⸗ 
dung = C' N” H? O eine binäre = OC NZ O + H? O erhält. 
Dieſes Reſultat iſt aus den neueſten Verſuchen von Liebig über dieſen intereffanten 
Gegenſtand hervorgegangen; denn früher, bevor noch das waſſerſtoffleere Silberſalz bekannt 
war, wurden dieſe Waſſerbeſtandtheile als wirklich den Elementen der Säure angehörend an— 
geſehen. Ich muß jedoch hinzufügen, daß Liebig die Cpanurſäure und Cyanfäure nicht ſo— 
wohl als iſomeriſche, ſondern als polymeriſche Modificationen betrachtet. Er betrachtet 
nämlich die aus der Auflöſung in concentrirter Schwefelſäure auskryſtalliſirte Cyanurſäure, 
woraus durch Erwärmung ſich kein Waſſer austreiben läßt, als eine hydratiſche Verbindung 
einer aus 6 Vol. Kohlenſtoff, 6 Vol. Stickſtoff und 3 Vol. Sauerſtoff zuſammengeſetzte 
Säure mit 3 Mg. Waſſer, welches Waſſer ganz oder theilweiſe durch eine Baſe erſetzt wer— 
den kann, ganz in ähnlicher Weiſe, wie es mit der Phosphorſäure der Fall iſt. In der That 
ſpricht auch die Zuſammenſetzung der von Liebig analyſirten cyanurſauren Verbindungen ſehr 

zu Gunſten dieſer Anſicht. Dieſe Verbindungen ſind nämlich: 
1) das obenerwähnte dreifach gewäſſerte Cyanurſäurehydrat = C° N Os + 

3 H? O; 


2) das ſogenannte Furs cyanurſaure Kali, worin 1 Mg. Waſſer durch 1 Kali 
erſetzt it = C N Os + KO 2 H? O; 

3) das ſogenannte neutrale cyanurſaure Kali, worin 2 Mg. Waſſer durch = Mg. 
Kali verdrängt find — C N O3 LL (2 KO) H? O; 

4) das cyanurſaure Silber, worin 3 Mg. Waſſer durch 3 Mg. Silberoxpd erſetzt 
find = C N O + 3 40. 

Die Cyanſäure bietet keine ähnliche Sättigungsverſchiedenheiten dar; möglich, daß die 
Urſache dieſer Abweichung in einem verſchiedenen Dichtigkeitszuſtande beider Körper begrün— 
det wäre, in welcher Beziehung es nicht ohne Intereſſe ſein würde, mit Anwendung eines 
Say'ſchen Stereometers das ſpecifiſche Gewicht des cyanſauren und des cyanurſauren Silber— 
oxyds zu vergleichen. 

Wenn man bei Bereitung der Cyanurſäure aus Harnſtoff, nachdem die beſchriebene Zer- 
legung ſtattgefunden hat, mit der Erhitzung noch weiter fortwährt: fo erleidet das Cyanur— 
ſäurehydrat eine merkwürdige abermalige Umwandlung. Es verwandelt ſich, ohne daß etwas 
hinzukommt, noch etwas weggeht, in eine klare flüchtige Flüſſigkeit, und ſammelt ſich als 
ſolche in der Vorlage, wenn man dieſe unter 0“ erkaltet erhält. Dieſe Flüſſigkeit iſt, wie die 
berühmten Entdecker dieſer merkwürdigen Vorgänge kennen gelehrt haben, Cyanſäurehydrat, 
außerordentlich verſchieden in ſeinen phyſiſchen und chemiſchen Eigenſchaften von dem Cyanur— 
ſäurehydrat, aus welchem es entſtanden. Aus 1 Mg. Cyanurſäurehydrat entſtehen 3 Mg. 
Cyanſäurehydrat, nämlich N C° O0? + 3 H? O = 3 (NC O H? 0). 

Ueber 0“ erwärmt verwandelt ſich das Cyanſäurehydrat plötzlich unter exploſionartigem 
Aufkochen und ſtarker Erhitzung in eine weiße, feſte, geruch- und geſchmackloſe, in Waſſer 


unlösliche Maſſe, abermals, ohne daß etwas weder weggeht, noch zutritt. Dieſe Maſſe ift 
ein ganz indifferenter Körper ohne alle ſaure und baſiſche Eigenſchaften; man hat ſie unlös⸗ 
liche Cyanurſäure genannt, aber nur in Bezug auf das dem des Cyanurſäurehydrats entſpre⸗ 
chende Verhalten, welches ſie beim Erhitzen ſowohl für ſich allein, als n mit Aetzkalilöſung 
darbietet. ‚ 

Wir beſitzen ſonach im 

Cyanſäurehydrat = N? OG? O + H? O, 

Cyanurſäurehydrat = N° O 0° + 3 H? O, 
und in der ſogenannten unlöſchlichen 

Cyanurſäure = NCHO. 
drei merkwürdige Beiſpiele des Iſomerismus in feinen polymeriſchen und metamerifchen Ab— 
ſtufungen. | 

Wie viel Räthſelhaftes aber auch dieſe verſchiedenen Subſtanzen darbieten, fo wird die- 
ſem doch erſt die Krone aufgeſetzt, wenn wir demſelben diejenigen Verbindungen anreihen, 
welche mit dem Namen knallſaure Salze bezeichnet werden. Das am längſten und allgemein 
bekannte unter dieſen Salzen, das ſogenannte Brugnatelli'ſche Knallſilber, wird durch 
Einwirkung von ſalpetriger Säure auf eine geiſtige Auflöſung von ſalpeterſaurem Silberoryd 
gewonnen, und führt im chemifchen Syſtem den Namen knallſaures Silberoryd; es hat die 
Eigenſchaft, bei der geringſten Veranlaſſung mit heftiger Exploſion ſich zu zerſetzen, erfordert 
daher auch bei der Bereitung und Handhabung die größte Vorſicht. 

Von dieſen gefahrbringenden Eigenſchaften zeigt das cyanſaure Silber keine Spur, denn 
es erleidet weder durch Stoß, noch durch Berührung eine Zerſetzung, und wird erſt in ſolcher 
Temperatur, wo Silberoxyd allein ſchon ſeinen Sauerſtoff abgiebt, unter ſchwachem ziſchen— 
den Geräuſch zerſetzt, doch ſind beide Körper, in Bezug auf Qualität und Quantität der Ele— 
mente, vollkommen gleich zuſammengeſetzt, ſo daß man auch bis dahin in der chemiſchen Zei— 
chenſprache beide durch das eine und daſſelbe Symbol dargeſtellt hat, nämlich N? CG? 0 + 
Ag 0. Im Nachfolgenden will ich aber verſuchen, zu zeigen, daß Letzteres nicht richtig ſei, 
und daß das Knallſilber und demnächſt auch die übrigen ſogenannten knallſauren Salze einer 
ganz andern Claſſe von Verbindungen angehören dürften, welche mit den cyanſauren Salzen 
wohl dieſelben Beſtandtheile, aber nicht dieſelbe Anordnung der letzteren gemein haben, und 
daß jene merkwürdige explodirende Eigenſchaft und das ſonſtige abweichende Verhalten der 
knallſauren Salze in eben der von jener der cyanſauren Salze abweichenden eigenthümlichen 
Anordnung der Elemente ihren Grund habe. 

Es iſt bekannt, daß Cyankalium, mit Waſſer und Schwefel digerirt, oder auch mit 
Schwefel geſchmolzen, 75 ſeines Gewichts Schwefel aufnimmt und ſich in eine Verbindung 

von Kalium mit einem dreifach aus Kohlenſtoff, Stickſtoff und Schwefel zuſammengeſetzten 
Orxygenoid verwandelt, welches man, obgleich nicht ganz paſſend, Schwefelcyan genannt hat, 
ſtöchiometriſch aus einer gleichen Anzahl der drei conſtituirenden Elemente beſteht und durch 
Behandlung des Schwefelcyankaliums mit Chlor oder Brom iſolirt erhalten werden kann. 


22 — 
Ferner iſt es bekannt, daß ähnlich wie zum Schwefel das Cyankalium ſich auch zum Selen 
und Tellur verhält, und daß es durch Wechſelwirkung zwiſchen ihm und dieſen Körpern in 
Selencyankalium und Tellurcyankalium verwandelt wird. Fragen wir nun, welche Einwen— 
dungen ſich wohl a priori gegen die Annahme machen laſſen, daß Sauerſtoff ſich in ähnlicher 
Weiſe verhalten und ein Sauerftoffeyan = N? C? O erzeugen könne: fo giebt es in der 
That keine oder doch keine triftige, es ſei denn, daß man vermuthungsweiſe den Einwand 
aufſtelle, daß bei der weit größeren Anziehung zwiſchen Sauerſtoff und Kohlenſtoff eine der— 
artige Verbindung aus Stickſtoff, Kohlenſtoff und Sauerſtoff, worin die beiden letzteren in 
dem Verhältniſſe, wie im Kohlenoxyd enthalten wären, wohl kaum Beſtand haben dürfte. 
Dies wäre aber mit anderen Worten a priori die explodirende Eigenſchaft einer ſolchen Ver— 
bindung, falls ſie exiſtire, ausgeſprochen; denn die plötzliche Entmiſchung einer ſtarren Sub— 
ſtanz in zwei fo höchſt expandirte Flüſſigkeiten, wie Stickgas und Kohlenoxydgas, wie fie in 
ſolchen Fällen, wenn keine andere chemiſchen Anziehungen dazwiſchen treten, nur erfolgen 
kann, muß natürlicherweiſe von der gewaltigſten Erſchütterung begleitet ſein. 

Die Möglichkeit einer ſolchen Combination zugegeben, ſo wäre 

Knallſilber = Ag + C? N? O, 
cyanſaures Silberoryd = Ag 0 + O? N O. 

In der letztern Verbindung findet zwar allerdings zwiſchen Sauerſtoff und Kohlenſtoff 
ganz daſſelbe quantitative Verhältniß ſtatt, wie in der erſtern, aber dort findet ſich die Hälfte 
des Sauerſtoffs mit dem Silber unmittelbar zu Silberoryd verbunden und wird von dieſem 
mit einer gewiſſen Kraft feſtgehalten, ſo daß die Entmiſchung nur in Folge eines kräftigern 
Anſtoßes und dann auch wieder plötzlich vor ſich gehen kann. Wie ſehr aber in der That die 
Eigenſchaften einer Verbindung von der Combinationsweiſe der einzelnen Elemente abhängig 
ſind, davon bietet die Chemie mannichfaltige Beiſpiele dar, und ich will nur, um eins der 
merkwürdigſten anzuführen, an das ameiſenſaure Ammoniak und die vierfach gewäſſerte Blau— 
ſäure erinnern. Beide Subſtanzen ſind ganz gleich zuſammengeſetzt und können willkührlich 
in einander umgewandelt werden; das erſtere iſt aber, in Bezug auf die Wirkungen, welche 
es auf den thieriſchen Körper ausübt, ein ziemlich indifferentes Mittel; das zweite iſt eins 
der tödtlichſten Gifte. * | | 

Ameiſenſaures Ammoniak it N? H? O + C? H? O5. 
Vierfach gewäſſerte Blaufäure iſt N? OG? II? + 4 H? O. 

Die übrigen chemiſchen Verhältniſſe, durch welche die ſogenannten knallſauren und die 
cyanſauren Salze ſich wechſelſeitig unterſcheiden, ſind beſonders folgende: 

a) Die Cyanſäure bildet keine ſauren Salze; die ſogenannte Knallſäure dagegen bildet 
mit den ſchweren Metallen leicht ſaure Verbindungen, in denen die fehlende Baſe, wie in den 
ſauren Salzen überhaupt, durch eine äquivalente Menge Waſſer erſetzt iſt. Eine ſolche Ver— 
bindung iſt unter andern das ſogenannte zweifach-knallſaure Silberoxyd, deſſen Zuſammen— 
ſetzung, der herrſchenden Anſicht gemäß, durch die Formel AgO N’ C?O + H’ON’C’O 


65 


dargeſtellt werden muß, während fie bei der Annahme eines Sauerftoffeyans Ag N? C? 0? 
+ H? N? C? 0° fein würde, d. h. ein Waſſerſtoff-Silberorycyanür. Gegen die Zu: 
läſſigkeit einer ſolchen Zuſammenſetzung ließen ſich nur dann Einwendungen machen, wenn 
ſich im chemiſchen Syſteme kein Analogon dafür darböte; aber dem iſt nicht ſo, denn die ſo— 
genannten Eifenblaufäuren, nämlich das Waſſerſtoff-Eiſencyanür und das Waſſerſtoff-Eiſen⸗ 
cyanid, ferner das neuerlichſt von Döbereiner entdeckte Waſſerſtoff Platincyanür bieten, in 
Bezug auf die Combinationsweiſe der Elemente, die vollkommenſte Uebereinſtimmung dar. 

b) Die Cyanſäure bildet keine Doppelſalze, die ſogenannte Knallſäure dagegen bildet 
leicht Doppelſalze, und zwar ſind die ſogenannten knallſauren Alkalien nur in dieſer Art von 
Doppelſalzverbindung mit einem knallſauren ſchweren Metalle von Beſtändigkeit und erleiden 
in reinem Zuſtande ſehr bald eine Entmiſchung. 

Ueber dieſe Verſchiedenheit kann durchaus keine triftige Erklärung abgegeben werden, 
wenn beide Arten von Körpern als gleichartig zuſammengeſetzt betrachtet werden. Dagegen 
iſt, von der Annahme eines Oxycyans ausgehend, dieſes Verhalten der ſogenannten knallſau— 
ren Salze ganz dem der entſprechenden Cyanverbindungen analog; indem, wie bekannt, die 
reinen Cyanalkalimetalle, die in Berührung mit Waſſer ſehr ſchnell in Ammoniak, welches 
gasförmig entweicht, und in Ameiſenſäure, welche mit dem Alkali verbunden bleibt, ſich ent— 
miſchen, mit den ſchweren Cyanmetallen ebenfalls ſehr beſtändige e ee erzeu⸗ 
gen. Das ſogenannte knallſaure Silberoxydkali wäre alſo: 

Kalium⸗Silberoxycyanid — Ag N’ C? O? + KN? C? O5 entſprechend dem 
Kalium⸗Silbercyanid S Ag O' N? + K C' NC. 

Die letztere Verbindung wird bekanntlich weder durch Chlormetalle, noch durch ätzende 
Alkalien niedergeſchlagen, daſſelbe iſt auch mit der erſteren der Fall, während cyanſaures Sil— 
beroryd von beiden Reagentien zerſetzt wird. 

In neuerer Zeit hat zwar Edmund Da vy angegeben, daß es ihm gelungen ſei, die 
Knallſäure zu iſoliren und mit Hülfe derſelben reine knallſaure Alkalien darzuſtellen. Die 
ganze Arbeit von Da vy beruht aber auf falſchen Prämiſſen, wie ſchon hinreichend aus dem 
einzigen Umſtande hervorgeht, daß Da vy bei feiner Analyſe des Knallſilbers vom Silber, 
demjenigen Elemente, welches wegen ſeiner genauen Beſtimmbarkeit in der Hand eines geüb— 
ten Experimentators keinen Irrthum um ½ Proc. zuläßt, 3%, Proc. weniger erhielt, als 
Gay-Luſſac und Liebig. Anſtatt ſich aber durch ein fo ſonderbares Reſultat zu einer 
Wiederholung veranlaßt zu finden, ſchreibt ſolches Davy der größern Vorzüglichkeit ſeines 
Apparats zu. Uebrigens hat auch Liebig ganz neuerlichſt gezeigt, daß Davy's ſogenannte 
reine Knallſäure nur ſaures knallſaures Zink, oder, nach der hier entwickelten Anſicht, Waſſer⸗ 
ſtoff-Zinkoxycyanür geweſen iſt. 

c) Die cyanſauren Salze liefern bei der Zerlegung durch Salzſäure Kohlenfäure und 
Ammoniak; die ſogenannten knallſauren Salze liefern unter en Verhältniſſen Blau- 
ſäure. — 

9 


66 


Diefe letztere Thatſache ift eine der räthſelhafteſten, wenn man für die knallſauren Salze 
die Formel der cyanſauren beibehält; ſie iſt es nicht mehr, wenn man von der Exiſtenz eines 
Oxycyans ausgeht, denn es bietet das Schwefelcyan ganz dieſelbe Erſcheinung dar. Wenn 
man Schwefelcyanſilber in Chlorwaſſerſtoffgas gelind erhitzt, ſo wird es zerlegt: man erhält 
Chlorſilber, und in dem kältern Theile des Gefäßes condenſirt ſich eine Flüſſigkeit, welche 
Schwefelcyanwaſſerſtoff iſt, nach wenigen Augenblicken kryſtalliniſch erſtarrt, und ſich endlich, 
unter Aushauchung von Cyanwaſſerſtoff, in ein pomeranzengelbes, in Waſſer unlösliches kry— 
ſtalliniſches Pulver umwandelt. Dieſes letztere iſt Schwefelcyanwaſſerſtoff mit doppelt ſo 
viel Schwefel, als in der ſogenannten Schwefelblauſäure, und wird daher von Berzelius 
Ueberſchwefelcyanwaſſerſtoffſäure = N’ Ge 8! + H? genannt. Ueberträgt man dieſen 
Zerſetzungsproceß des Schwefelcyanſilbers auf das Knallſilber oder Oxycyanſilber: ſo ſind die 
Ergebniſſe ebenfalls Cyanwaſſerſtoff und ein Ueberoxycyanwaſſerſtoff, welcher letztere wegen 
der anderweitigen kräftigern Verwandtſchaftsverhältniſſe des Sauerſtoffs im Momente der 
Bildung ſich mit der weiter hinzutretenden Chlorwaſſerſtoffſäure zu anderweitigen Verbindun— 
gen zerſetzt, und zwar, wie höchſt wahrſcheinlich, zu Waſſer und Ueberchlorcyanwaſſerſtoff— 
ſäure, eben dieſelbe Säure, von welcher Liebig erwähnt, daß ſie die Eigenſchaft beſitzt, 
Eiſenoxydſalze dunkelroth zu färben, nachdem ſie vorher durch Baſen neutraliſirt worden. 

Ganz ähnlich verhält ſich Jodwaſſerſtoff; ein anderes Verhalten zeigt aber Schwefel— 
waſſerſtoff in Folge ſeiner, durch den expandirtern Zuſtand bedingten, minder kräftigen Ein— 
wirkung, der größern Beſtändigkeit des Schwefelcyanwaſſerſtoffs und der Eigenſchaft des letz— 
teren, mit Schwefelwaſſerſtoff eine Doppelverbindung einzugehen. Bei der Zerſetzung des 
Knallſilbers durch Schwefelwaſſerſtoff wird keine Entwickelung von Blauſäure bemerkbar, 
folglich auch keine Ueberſchwefelcyanwaſſerſtoffſäure erzeugt, ſondern Cyanſäure, Schwefel— 
cyanwaſſerſtoff und Schwefelcyanwaſſerſtoff— Schwefelwaſſerſtoff, wozu als ſecundäre Produkte 
von der Entmiſchung der Cyanſäure noch Ammoniak und Kohlenſäure hinzutreten. 

Die Bildung der Cyanſäure iſt fhon durch den Geruch, welcher beim Einleiten von 
Schwefelwaſſerſtoff in in Waſſer vertheiltes Knallſilber ſich entwickelt wahrnehmbar, wie ſchon 
von Wöhler beobachtet worden. Noch unzweifelhafter geht dieſe Erzeugung von Cyanſäure 
aus der Bildung von Harnſtoff hervor, wenn man Knallſilber in ſehr verdünntem Aetzammo— 
niak auflöſt, zu der Auflöſung ſo lange friſch bereitetes, ſehr verdünntes waſſerſtoffſchwefliges 
Schwefelammonium zutröpfelt, als noch eine Trübung ſtattfindet, dann abfiltrirt, das Filtrat 
bis zur Syrupsdicke verdunſtet, den Rückſtand mit abſolutem Alkohol auszieht und die filtrirte 
geiſtige Flüſſigkeit der Selbſtverdunſtung überläßt. Durch unmittelbare Behandlung des 
Knallſilbers mit waſſerſtoffſchwefligem Schwefelammonium hat es mir nicht glücken wollen, 
Harnſtoff zu erzeugen; es entſtand Schwefelcyanammonium, wie ich wenigſtens aus der 
Reaction auf Eifenorydlöfung ſchließen zu dürfen glaube, 


Herr Profeſſor Dr. Fiſcher hielt am 24. Juli folgenden Vortrag über die Wärme: 
leitung einiger Metalle. 


Fortpflanzung, Leitung und Mittheilung der Wärme drückt im Allgemeinen das Auf: 
nehmen und Abgeben von Wärme aus, welcher bei verſchiedenen Körpern in verſchiedenem 
Grade ſtattfindet, wobei es zweckmäßig wäre, den Unterſchied dahin feſtzuſetzen, daß, wenn 
dieſes zwiſchen zwei ſich berührenden Körpern ftattfindet, es als Mittheilung, wenn es hinge⸗ 
gen bei einem und demſelben Körper von einem Theile zum andern erfolgt, als Leitung be⸗ 
zeichnet werde, während Fortpflanzung das Verhalten der Körper im Allgemeinen in Hinſicht 
des Aufnehmens und Abgebens der Wärme ohne Unterſchied dieſer verſchiedenen Art aus— 
drücken würde worunter zugleich die Art der Wärmemittheilung durch Ausſtrahlen mit be: 
griffen werden könnte. Die frühern Unterſuchungen bezogen ſich faſt ausſchließlich auf Mit— 
theilung in dem bezeichneten Sinne, und da die verſchiedenen Körper nach dem Grade ihrer 
Ewpfänglichkeit für Wärme in verſchiedenen Zeiten bis zu einem beſtimmten Grade erwärmt 
werden, oder von einer höhern Temperatur bis zu einer niedrigen erkalten, ſo ging die Unter— 
ſuchung dahin, dieſe Zeiten auszumitteln. Man ſetzte daher die verſchiedenen Körper, bei 
gleicher Form und Volumen, gewöhnlich als eine Kugel dem erwärmten Medium — Waffer, 
Luft u. dgl. — ſo lange aus, bis das in der Mitte der Kugel ſich befindende Thermometer 
eine beſtimmte Temperatur zeigte, oder — worüber weit häufigere Verſuche angeſtellt worden 
ſind — man ließ die verſchiedenen, bis zu einer beſtimmten Temperatur erhitzten Körper zu 
einer gleichen niedrigen erkalten, indem ſie der Luft von mittlerer Temperatur ausgeſetzt wur— 
den, und nahm dann dieſe Erwärmungs- oder Erkaltungszeiten als Maaß ihrer Leitungsfä⸗ 
higkeit an, die natürlich im umgekehrten Verhältniß dieſer Zeiten geſetzt wurden. 

Dieſe Verſuche ſind von vielen Naturforſchern, am zahlreichſten und vollkommenſten von 
Böckmann angeſtellt worden.“) Dagegen ſind über die Wärmeleitung in dem oben angege— 
benen Sinne, d. h. über die Leitung von einem Theile zum andern in einem und demſelben 
Körper, nur wenige Verſuche angeſtellt worden. 

Die erſten ſtellte Ingenhouß, nach den Angaben von Franklin und zum Theil auch mit 
deſſen Apparat, in der Art an, daß er gleichdicke und lange Dräthe von verſchiedenen Metallen 
mit Wachs überzog, und indem er das eine Ende derſelben durch das Eintauchen in heißes 
Oel gleichmäßig erhitzte, beobachtete er, bis zu welcher Höhe an den verſchiedenen Dräthen 
das Wachs geſchmolzen war. Dieſe gefundene Höhe war der Maaßſtab für die Leitungsfä— 


higkeit der verſchiedenen Metalle, welche in gradem Verhältniß mit dieſer Höhe geſetzt wurde. 


Die von Ingenhouß aufgeſtellte Reihe der von ihm unterſuchten Metalle, von dem mit der 
größten Leitungsfähigkeit begabten fenen, war daher: Silber, Kupfer, Gold, Zinn, 
Eiſen, Stahl und Blei.“) 


) Verſuche über die Wärmeleitung verſchiedener Körper (Karlsruhe 1812). 
) S. Ingenh. vermiſchte Schriften, Wien 1784, 2. Bd. S. 342. — Böckmann, der dieſe bereits 1780 ge: 
machten Verſuche ebenfalls nur aus dem Geſichtspunkte der Mittheilung betrachtete, d. h. in wie fern die 
erhitzten Metalle der atmoſphäriſchen Luft die Wärme mittheilen, ſuchte den Widerſpruch in den Reſulta— 
ten dieſer Verſuche und der ſeinigen, da die hier aufgeſtellte Metallreihe eine entgegengeſetzte von der von ihm 
9 * 


/ 


(In einigen Lehrbüchern wird auch Platin unter den Metallen angegeben, welche In⸗ 
genhouß unterſucht haben ſoll, und nach dem einen, Biot, hinter Zinn, nach einem andern, 
Turner, ſogar hinter Eiſen geſetzt; in der angeführten Abhandlung von Ingenhouß ſelbſt 
kommt Platin nicht vor.) 

In derſelben Art ſtellte Wollaſton die Verſuche an, und theilte den Metallen nach dem 
gefundenen Maaße der Entfernung vom erhitzten Ende, bei welchem das Wachs geſchmolzen 
war, den Grad der Leitungsfähigkeit mit. Nach ihm iſt die Ordnung: Kupfer 3,5, Sil— 
ber 2,5, Platin und Palladium 1, indem nehmlich dieſe Entfernung bei den letzten Metallen 
1 Zoll, beim Kupfer hingegen 3,5 Zoll ꝛc. vom erhitzten Ende betrug. 


Akerman ſtellte Verſuche in der Art an, daß er das eine Ende der Metalldräthe in 
kaltes Waſſer ſetzte, während das entgegengeſetzte durch ſiedendes Waſſer erhitzt wurde. Die 
dem kalten Waſſer mitgetheilte Temperatur-Erhöhung giebt den Grad der Leitungsfähigkeit 
an, welchen er nach folgenden Zahlen feſtſetzte: Silber (chemiſch-reines) 48,0, Kupfer 
47,3, Werkſilber 37,4, Meſſing 30, Zink 29, Platin 23,9, Zinn 22,6, Eiſen 21,8, 
Blei 18,9. *) | 

Bon anderer Art find die von Deſpretz angeſtellten Verſuche. Er wandte dazu Me: 
talftangen als quadratiſche Prismen an. In jeder Stange waren in gleichen Abſtänden 
6 Vertiefungen ausgegraben, welche tiefer als bis zur halben Dicke derſelben gingen, und 
dieſe Vertiefungen waren mit Queckſilber oder Oel gefüllt, in welches ein Thermometer ge— 
ſtellt wurde. Das Ende dieſer horizontal liegenden Stangen wurde durch eine Argandſche 
Lampe dergeſtalt erhitzt, daß das nächſte Thermometer eine faſt conſtante Temperatur zeigte, 
die durch Verſtärkung oder Schwächung der Flamme erhalten worden iſt. Die folgenden 
Thermometer zeigten natürlich im Verhältniß der fortleitenden Wärme erhöhete Temperatur, 
welche bei fortgeſetzter Erhitzung und bei unveränderter Temperatur der umgebenden Atmo— 
ſphäre endlich für jedes Thermometer ſtationär wird. Nach der von Fourier aufgeſtellten 
Formel wurde das Leitungsvermögen aus dem Quotienten berechnet, welcher erhalten wird, 
wenn die Summe zweier Ueberſchüſſe — d. h. die Wärmegrade, welche die zwei Thermometer 
zeigen, nachdem von jedem die Wärmegrade der Luft abgezogen worden ſind — durch den 
zwiſchenliegenden Ueberſchuß dividirt worden iſt. 


Die erſten Verſuche, welche er im Jahre 1821 bekannt machte, ſind mit Kupfer, Ei— 
ſen, Zink, Zinn und Blei angeſtellt worden. Nach den angegebenen Verhältniſſen, daß das 
Leitungsvermögen des Kupfers zu dem des Eiſens ſich wie 12: 5, das des Eiſens zu Blei 
wie 2: 1 und das des Kupfers zum Blei — 5: 1 verhält, während das des Eiſens, 


angegebenen bildete, dadurch aufzuheben, daß er die Reihe von Ingenhouß in umgekehrter Ordnung nahm, 

d. h. dem Metalle einen um ſo höhern Grad der Leitungsfähigkeit — in ſeinem Sinne nehmlich — zu— 

ſchrieb, je geringer die Höhe war, bis zu welcher das Wachs geſchmolzen wurde. S. a. a. O. S. 11. 
) Dissert. acad. de vi corporum caloris perducendi. Lund. 1822. 


Be 


Zinks und Zinns ſich nur wenig von einander unterſcheiden,“) würde die Zahlenreihe diefer 

Metalle ungefähr folgende ſein: Blei 16, Zinn 30, Zink 31, Eiſen 32, Kupfer 77. 
Später hatte derſelbe noch das Leitungsvermögen des Goldes, Silbers und Platins 

unterſucht, und machte die Reſultate zugleich mit den frühern im J. 1827 bekannt. * 

Die Ordnung, in welcher er die Metalle aufſtellt, und die jedem zugefügte Verhältniß⸗ 
zahl iſt: Gold 1000, Silber 973,0, Platin 981,0, Kupfer 898,2, Eiſen 374,3, 
Zink 363, Zinn 303,9, Blei 179,6. | 

Als Berzelius in feinem Jahresberichte von 1829 dieſe Zahlenreihe aufftellte, glaubte 
er die Stellung des Platins, welche der gewöhnlichen Wahrnehmung entgegen iſt, nach der 
nehmlich dieſes Metall zu den ſchlechtern Leitern gehört, als einen Fehler bezeichnen zu müf: 
ſen, indem, wie er vermuthete, ſtatt 981 die Verhältnißzahl 381 heißen ſolle. Als Grund 
dieſer Vermuthung giebt er an: daß die Zahlen in dieſer Reihe nach ihrer Größe 
folgen, und die Zahl des Platins höher iſt, als die des Silbers, welche 
darüber ſteht. Aber dieſes konnte ihn um ſo weniger berechtigen, die Zahl 981 in die 
381 zu verwandeln, und folglich das Leitungsvermögen des Platins nur um ein Unbedeu— 
tendes verſchieden von dem des Eiſens zu ſetzen, als Deſpretz, indem er von einzelnen Me— 
tallen ſpeciell die Temperatur angab, welche die 6 Thermometer angenommen hatten, ſo wie 
die daraus hervorgehenden Quotienten, um damit darzuthun, daß mit dem abnehmenden Lei— 
tungsvermögen der Quotient größer wird ꝛc., zuerſt die Reſultate vom Kupfer aufſtellt, de— 
nen er, nicht die des Platins, ſondern die des Eiſens und dann des Zinns, Bleis ꝛc. folgen 
ließ. Da hingegen das Specielle über Gold, Silber, Platin gar nicht erwähnt wird, ver— 
muthlich weil bei ihnen die Quotienten nur unbedeutend differirten, und beſonders die ver— 
ſchiedenen bei einem und demſelben Metalle. Auch indem er in Rückſicht der Anwendung 
des angegebenen Kalküls die guten von den ſchlechten Leitern unterſcheidet, behält er durchaus 
dieſelbe Ordnung bei, welche er in der Zahlenreihe aufgeſtellt hat, nehmlich Gold, Silber, 
Platin, Kupfer ꝛc. 

Wenn alſo noch ein Fehler in der dem Platin zugetheilten Zahl angenommen werden 
ſoll, weil dieſe Zahl größer als die des Silbers iſt, und dieſes Metall dem Platin vorangeht, 
fo iſt er wohl nicht in den Hunderten, ſondern vielleicht in den Zehnern, fo daß die Zahl ſtatt 
981 vielleicht 951 heißen ſoll, wonach das Platin nach dem Silber zu ſtehen kommt. 

Gegen die Vermuthung von Berzelius ſpricht auch wohl der Umſtand, daß in den An- 
nales de Chemie etc. weder früher noch ſpäter, d. h. nach dem Erſcheinen dieſes Jahresbe— 
richtes, eine Berichtigung dieſes Fehlers angegeben worden ift, welches ſonſt in dieſer Zeit— 
ſchrift forgfältig geſchieht. *) | 


) ©, Annal. de Chem. et Phys. XIX. 104. Das zugleich angegebene Leitungsverhältniß von Marmor, 
Porzellan ꝛc. bleibt, als nicht hierher gehörig, unerwähnt. 
**) S. Annal. de Chem. et Phys. XXXVI. 422. 
*) Es verdient bemerkt zu werden, daß Pouillet in feinen Elemens de Physique folgende Zahlenreihe für 
das Leitungsvermögen der Metalle aufſtellt, die ziemlich daſſelbe Verhältniß, wie es Deſpretz gefunden, 


BB —— 


Beim Vergleich der aus den verschiedenen Verſuchen ſich ergebenden Metallreihen ift es 
auffallend, daß, während die meiſten Metalle, ungeachtet der großen Verſchiedenheit der Ver- 
ſuche, dennoch dieſelbe Ordnung in Rückſicht ihres Leitungsvermögens zeigen, einzelne eine 
ganz verſchiedene Stelle in der Reihe einnehmen; ſo z. B. das Eiſen, welches ſowohl nach 
Ingenhouß, als nach Akerman dem Zinn nachſtehet, gehet nach Deſpretz dieſem Metalle vor, 
und Platin, welches nach Wollaſton und Akerman weit hinter Kupfer ſtehet, hat nach De⸗ 
ſpretz ein größeres Leitungsvermögen, als dieſes Metall. 

Als Grund dieſer Verſchiedenheit kann erſtens die verſchiedene Temperatur angenommen 
werden, bei welcher die Verſuche angeſtellt worden ſind. Ingenhouß erhitzte das eine Ende 
durch das Eintauchen in heißes Oel, Akerman durch die Temperatur des ſiedenden Waſſers, 
und Oeſpretz durch die Flamme einer Argandſchen Lampe. Ein zweiter und wichtigerer Grund 
kann in die verſchiedene Dicke — der Maſſe — der angewandten Metalle geſetzt werden. 
Ingenhouß wandte Dräthe von ½ par. Zoll Dicke an (von andern Naturforſchern find die 
Dimenſionen nicht angegeben), während Deſpretz quadratiſche Prismen von 21 Millimeter 
Seite gebrauchte. Nun iſt zwar leicht einzuſehen, daß bei verſchiedener Temperatur und 
verſchiedener Maſſe das Verhältniß in dem Grade der Leitung zwiſchen zwei Metallen ſich 
ändern kann, da dieſer Grad der Leitung als das Reſultat dreier Momente hervorgehet, 
nehmlich aus dem eigentlichen Leitungsvermögen im Innern des Metalls und aus der Mit— 
theilung der Wärme der umgebenden Luft, ſowohl durch Berührung, als durch Strahlung, 
welche Momente ſowohl durch die verſchiedene Temperatur, als durch die Maſſe der Metalle 
mannichfaltige Veränderungen erleiden müſſen; aber man begreift nicht, wie dadurch eine 
gänzliche Umkehrung der Ordnung zwiſchen zwei Metallen bewirkt werden ſoll, ſo daß, wenn 
in dem einen Falle das eine Metall als ein beſſerer Leiter als ein anderes befunden worden 
iſt, es in einem andern Falle dieſem nachſtehet. Doch fehlt es nicht an Erſcheinungen, wo 
eine ähnliche Umkehrung des Verhältniſſes durch verſchiedene Umſtände bewirkt wird, wie 
z. B. die chemiſche Verwandtſchaft zweier Körper zu einem dritten bei verſchiedener Tempe— 
ratur“) entgegengeſetzt iſt. 

Bei den Bemerkungen, welche ich im Jahre 1830 über das Leitungsvermögen des Pla— 
tins mittheilte (ſ. Poggend. Annal. XIX. 507), nahm ich, den angegebenen Umſtänden 
zufolge, und folglich die Vermuthung von Berzelius nicht berückſichtigend, die von Deſpretz 
aufgeſtellte Verhältnißzahl für das Platin als die richtige an, und indem ich den Grund die— 
ſes hohen Grades von Leitung in die bedeutende Dicke des angewandten Metallſtabs ſetzte, 


ausdrückt, ohne daß dabei das Platin erwähnt wird. Die Reihe nehmlich lautet: Gold 2004, Silber 
1950, Kupfer 1800, Eiſen 750, Zink 729, Zinn 609, Blei 360. f 

) Zu den vielen bekannten Erſcheinungen, die hierher gehören, glaube ich noch folgende hinzufügen zu dür— 
fem. Das Chlorkobalt wird bekanntlich in Alkohol mit blauer Farbe aufgelöſt, in Waſſer hingegen mit 
rother. Setzt man der weingeiftigen Auflöſung fo viel Waſſer zu, bis fie roth iſt, jo wird fie beim Er: 
hitzen blau und beim Erkalten wieder roth werden u. ſ. f. j 


71 


ſuchte ich darzuthun, wie ſehr gering das Leitungsvermögen deſſelben Metalls iſt, wenn es 
als dünnes Blatt oder Drath angewandt wird.“) Unter dieſen Bemerkungen war auch die, 
daß die Fortpflanzung der Wärme von dem erhitzten Ende nach einer entfernten Stelle ſchnel— 
ler erfolgt, wenn dieſes Ende plötzlich, d. h. ſtatt in der Luft, durch Waſſer abgekühlt wird, 
was bekanntlich bei den Metallarbeitern ziemlich allgemein angenommen wird. Profeſſor 
Schröder in Solothurn hat nun Verſuche angeſtellt, um die Unrichtigkeit meiner Angabe dar— 
zuthun, ) und indem ich mich zu einer neuen Prüfung dieſes Gegenſtandes entſchloß, wollte 
ich auch über das entgegengeſetzte Leitungsverhältniß des Platins einige Verſuche anſtellen. 
Ich gab in dieſer Sitzung das Nähere an, auf welche Art ich dieſe Verſuche anzuſtellen ge— 
denke, welchen Apparat ich mir dazu verſchaffte, und daß ich namentlich mit Kupfer, Platin 
und Eiſen experimentiren wollte, von welchen Metallen ich mir zwei gleiche Dräthe, einen 
dünnen und einen dicken, habe bereiten laſſen. Aber ich ſah bald ein, daß die Differenz ihrer 
Dicke, welche bei den von Ingenhouß und Deſpretz angewandten Metallen ungefähr 
— 1:50 iſt, bei weitem nicht hinreichend fei, um eine ſolche Umkehrung in dem Leitungs⸗ 
verhältniß des Platins wahrnehmen zu können. **) Doch find die erhaltenen Reſultate in 
ſo fern nicht ganz unwichtig, als wenigſtens daraus der ſehr bedeutende Einfluß hervorgehet, 
den ſowohl die verſchiedene Dicke der Dräthe, als die verſchiedene Temperatur, bis zu welcher 
das eine Ende derſelben erhitzt worden iſt, auf das Leitungsverhältniß der drei Metalle aus— 
übt, und die ich an einem andern Orte mittheilen werde. 

Was den ſtreitigen Punkt über die ſchnellere Fortpflanzung der Wärme betrifft, ſo muß 
ich gegen Herrn Schröder Folgendes bemerken: Zuförderſt, wenn ich bei meiner Beobachtung 
getäuſcht worden wäre, ſo könnte der Grund dieſer Täuſchung nicht der von ihm angegebene 
ſein, da ich nur mit kleinen Löffeln, wie ſie gewöhnlich zu chemiſchen Verſuchen angewandt 


) Indem Berzelius in dem Jahresberichte von 1832, S. 13, dieſe Verſuche erwähnt, erinnert er zuerſt, daß 
nach feiner oben aufgeſtellten Bemerkung (J. B. 1829) die Angabe Deſpretz's auf einem Schreibfehler be— 
ruhet, und bezeichnet dieſe Verſuche als ſolche, welche beſtätigen, was ſchon vorher allgemein be— 
kannt war, daß unter den Metallen Platin zu den ſchlechteſten Wärmeleitern gehört, 
Eine Angabe, die, beiläufig erwähnt, nicht ganz richtig iſt, da nach allen frühern Verſuchen das Platin ein 
beſſerer Leiter, als Eiſen, Zink, Zinn ꝛc. iſt, und nur bei meinem, mit einem ſehr dünnen Blech gemachten, 
Verſuche in ſo fern als der ſchlechteſte Leiter unter allen Metallen ſich zeigte, als dieſes Blech, an dem 
einen Ende bis zum Glühen erhitzt, in einer kleinen Entfernung davon keine Erwärmung zeigte, ſo lange 
es auch glühend erhalten wurde. 

**) Poggend. Annal. XXXXVI. 135. 

5 Der ſtärkſte Platindrath, den ich mir verſchaffen konnte, hatte 1,7 Linie im Durchmeſſer, während der des 
dünnen 0,3 Linie betrug; die Länge war 7“, und nach denſelben Dimenſionen mußte ich mir natürlich auch 
die beiden Dräthe vom Kupfer und vom Eiſen bereiten laſſen. Zwar hätte ich dieſe Differenz dadurch 
vergrößern können, wenn ich einen weit dünnern Drath angewandt hätte, aber da im Verhältniß der ab— 
nehmenden Dicke auch die Entfernung abnimmt, bis zu welcher die fortgeleitete Wärme noch deutlich 
wahrgenommen werden kann, fo hätten dieſe Dräthe nur ſehr kurz fein können, und in dieſem Falle wür- 

den die Reſultate, bei dem von mir angewandten Apparat, ſehr ungenau geweſen ſein. 


72 


werden — aus einer runden Kelle mit einem ſpatelförmigen Stiel gebildet — experimentirt 
habe, und das Gewicht des Waſſers, welches ſie faſſen, noch nicht 20 Gran beträgt, men) 
der Platinlöffel 390 und der von Silber 220 Gran wiegt. 

Dann aber habe ich mich mit nichten getäuſcht, ſondern von Neuem meine Beobachtung 
beſtätigt gefunden, und zwar jetzt nicht blos durch das Gefühl, ſondern durch die Temperatur— 
erhöhung, die das, dem erhitzten, entgegengeſetzte Ende beim raſchen Abkühlen hervorbringt. 
Auch habe ich die Umſtände ſchon damals richtig erkannt, unter welchen dieſe Erſcheinung 
ſtattfindet, und unter welchen nicht; nur ſind ſie nicht deutlich genug angegeben worden; 
daher ich ſie jetzt näher anzeigen will, mit der Bemerkung, daß ich zwar den Verſuch nur mit 
Platin gemacht habe, mit dem er auch am leichteſten gelingt, daß ich aber keinen Grund an— 
zunehmen habe, daß nicht auch andere Metalle, wie namentlich Eiſen, daſſelbe poſitive Re— 
ſultat geben, wenn die Umſtände nur von der folgenden Art ſind, und daß demnach auch die 
Wahrnehmungen der Metallarbeiter oft eben fo richtig fein mögen, wie das negative Reſul— 
tat, welches, ſo wie Herr Schröder, auch mehrere andere Naturforſcher bei ihrer Prüfung 
ſolcher Wahrnehmungen gefunden haben. 

Die Bedingungen für den poſitiven wie für den negativen Erfolg ergeben ſich am deut— 
lichſten aus folgendem Verſuche: 

Ein Platindrath, der oben angegebene, 1,7 Linie dicke, wurde an dem einen Ende durch 
die Flamme einer Lampe erhitzt, während das entgegengeſetzte, von jenem etwa 7“ entfernte 
Ende in einem Gefäß mit einer geringen Menge Oel ſtand, worin ein Thermometer ſich be— 
fand. Geſchah das Erhitzen ſo ſtark und ſo lange, bis die Temperatur des Oels ſtationär 
war, ſo war der Erfolg negativ, wurde hingegen der Drath nur ſchwach und ſo 
lange erhitzt, als eben das Thermometer im Oele zu ſteigen anfing, ſo fand die Erſchei— 
nung ſtatt, d. h. beim Entziehen der Flamme und dem Abkühlen an der Luft fuhr zwar das 
Thermometer fort, zu ſteigen, aber nicht bis zu der Temperatur, welche es erlangte, wenn 
der Drath, unter ae; eee durch das Eintauchen ins Waſſer, ſchnell abgekühlt 
worden iſt. | 


IV. Mineralogie und Petrefaktenkunde. 


Herr Profeſſor Wimmer legte der Section eine von dem Pfarrer Martius in 
Schönberg in Sachſen der Geſellſchaft als Geſchenk überſandte Suite der vulkaniſchen Pro⸗ 
ducte des Kammerbühl's zwiſchen Eger und Franzensbrunn vor, welche aus einer Reihe von 
Exemplaren des ziemlich dichten Baſalts, wie er auf der Oberfläche des Hügels anſteht, durch 
alle Abſtufungen und in mehreren Farbenvarietäten bis in die locker-blaſige ſogenannte Erd— 
ſchlacke beſteht; ferner der bekannten, oft geſchmolzenen oder an der Oberfläche verglaſten Stücke 
von Quarz oder Glimmerſchiefer einſchließenden vulkaniſchen Bomben in allen Größen; dann 
Exemplare des begleitenden Quarzes und Glimmerſchiefers von der unveränderten Geſtalt, wie 


73 


er in der Nähe zu Tage ſteht durch alle vom Feuer bewirkten Veränderungen; endlich meh⸗ 
rerer theils vulkaniſcher, theils anderweitiger mineraliſcher Producte jener Gegend. In einigen 
einleitenden Worten wurde auf die von Göthe im 51. Bande gegebene Beſchreibung der Lokalität 
verwieſen, der durch den nun verewigten Grafen Caſp. v. Sternberg begonnenen Arbeiten 
zur Aufſchließung des Innern dieſes merkwürdigen Hügels gedacht, und auf die vollkommene 
Uebereinſtimmung zweier gleichfalls von Herrn Martius mitgetheilter Exemplare baſaltiſcher 
Lava von Island und vom Veſuv mit vorliegenden Stücken vom Kammerbühl aufmerkſam 


Hater 


Der Sekretair der Settion ſprach am 13. November über die neulichſt im Ba— 
ſalttuff des Seelbachkopfes bei Siegen entdeckten bituminöſen und ver— 
ſteinerten Hölzer, ſo wie über die der Braunkohlenformation überhaupt. 
Das hochlöbliche rheiniſche Ober-Berg-Amt, welches meine Beſtrebungen auf ſehr gütige 
und dankenswerthe Weiſe begünſtigt, ſandte mir im Oktober dieſes Jahres eine Suite Ba— 
ſalttuff mit bituminöſem Holze und verſteinertes Holz von dem hohen Seelbachkopf bei Sie— 
gen, ein Berg, der ſich aus einer modificirten Grauwacke erhebt. Das verſteinerte Holz war, 
nach der Angabe des hochloͤblichen Ober-Berg-Amtes, in dem Baſalttuff, der die feſten Ba— 
ſalte dieſes Berges umgiebt, in beinahe aufrechten Stämmen vorgekommen, und man wünſchte 
nun zu wiſſen, ob daſſelbe von dem verkohlten als Art verſchieden ſei. Der Baſalttuff 
nähert ſich durch fein ſchwarzes Anſehen, feinen Gehalt an Olivin, Hornblende, Kalkſpath 
und ſeine bedeutende Schwere in hohem Grade dem Baſalt, und unterſcheidet ſich nur durch 
ſeine geringere Feſtigkeit, obſchon er nicht porös iſt, ſo wie einzelne Stücke durch die einge— 
ſchloſſenen rundlichen grauen, kohlenſauren Kalk und Kieſel haltenden Stücken verſchiedener 
Größe, die ich für Grauwacke halten möchte. Das bituminöſe Holz liegt in der feſten Maſſe 
in verſchiedenen Richtungen in breiten, zuſammengedrückten, an meinen Exemplaren höchſtens 
% Zoll dicken Bruchſtücken, iſt von braunſchwarzer Farbe, in feinen Schnitten vollkommen 
braunkohlenähnlich, biegſam, an einzelnen Stücken in glänzende Kohle verwandelt, die jedoch 
noch einen braunen Strich giebt. Beim Verbrennen verbreitet es den gewöhnlichen bitumi— 
noͤſen Geruch, und hinterläßt eine nicht unbeträchtliche Menge aus Kali, Kieſelerde und etwas 
Eifenoryd beſtehende Aſche, die vor dem Zerfallen noch in der Form der Holzfaſer als Ske— 
lett erſcheint. Als ich aus dem Tuff durch Flußſäure das kieſige Bindemittel entfernte, 
blieben ſelbſt an den Punkten, wo ſich kein feſtes Holz oder Kohle befand, ja ſogar an einer 
Stelle neben Olivin, Speckſtein und Sphäroſiderit, noch kleine Braunkohlenſplitterchen zu— 
rück, die deutlich dieſelbe anatomiſche Struktur der größeren Stücke erkennen ließen. 

Das verſteinerte Holz entbehrt der Rinde, iſt von weißlichgrauer Farbe, mit braunen 
Letten bedeckt (ich weiß nicht, ob derſelbe das Holz zunächſt umgiebt, oder anderweitigen Ur— 
ſprungs iſt,) und zeigt in ausgezeichnetem Grade die Holzſtruktur. Die Jahresringe ſind 
6 bis ½ Zoll von einander entfernt, in den knorrigen Aſtſtücken, wie bei den Bäumen der 
Jetztwelt, ſehr genähert. An den letzten Stücken iſt, namentlich bei dem einen, der Zuſam— 

10 


— 5 


menhang fo gering, daß ſich jeder Jahresring einzeln ablöſen läßt. Die mir überſandten 
Exemplare, das größte von 14 Zoll Länge und 7 Zoll Durchmeſſer, ſind, wie man aus dem 
Verlauf der Jahresringe ſchließen kann, nur Bruchſtücke, die, in Betracht der geringen bogen— 
förmigen Krümmung der Ringe, ſehr großen Stämmen angehört haben müſſen. Unverkenn— 
bar find überdieß an ihnen Spuren von Einflüſſen der Witterung, abgerundete Zacken und 
ähnlicher Zerklüftung, was, wenn ſie nicht noch gegenwärtig unbedeckt liegen, ſondern einge— 
ſchloſſen vorkommen, allerdings bemerkenswerth erſcheint Nur an wenigen Stellen erkennt 
man durch braune Färbung die Anweſenheit von organiſcher Subſtanz, die aber auch hier in 
ſo geringer Menge vorhanden ift, daß fie, nach Auflöſung der Kieſelerde durch Flußſäure, nur 
in Form dünner, keine deutliche Struktur mehr zeigender Faſern zurückbleibt. An einzelnen 
Stücken, die, höchſt wahrſcheinlich in etwas verwittertem Zuſtande, mit der verſteinernden 
Flüſſigkeit in Berührung kamen, ſind die Zwiſchenräume zwiſchen dan Holzfaſern durch die 
Kieſelmaſſe ausgefüllt, die hier abſatzweiſe in rundlichen Tropfen um die Holzbündel erſtarrt 
ſind, wodurch das Ganze ein körniges und einzelne Holzbündel ein perlſchnurähnliches Anſehn 
erhalten. An andern Stellen iſt ſie gleichmäßig gefloſſen, ſo daß ſie einen hyalithähnlichen 
Ueberzug bildet. Im Querſchliff ſind natürlich in ſolchen Stücken die Holzbündel durch die 
ſtrukturloſe Kieſelmaſſe getrennt, und geben dem een faſt das Anſehn eines Monokotyle— 
donen-Stammes. 


Derſelbe Fall tritt noch bei denjenigen verſteinerten Hölzern ein, wo die Kieſelmaſſe in 
kleinen Kryſtallen ſich überall zwiſchen die Holzbündel auf ähnliche Weiſe, wie dies bei meh— 
reren vorliegenden Stämmen aus dem Rothliegenden Böhmens und Sachſens, ganz allge— 
mein bei den in Buchau in Schleſien häufig vorkommenden verſteinten Stämmen (B. 
Nro. 896. 897. 1337. 1338. 1116 —- 1121. 1269 meiner Sammlung) der Fall iſt, 
die eben deswegen auch von Rhode und Graf Sternberg für Palmſtämme gehalten wurden. 
(Rhode's Beiträge zur Pflanzenkunde der Vorwelt, Tom. IX. p. 7. Palmacites microporus 
und P. macroporus, Sternberg, Flora der Vorwelt, Tom. IV. p. XXXV.) Jene rundli⸗ 
chen Abſonderungen beobachtete ich auch bei den durch rothen Thoneiſenſtein verſteinerten Höl— 
zern aus der Braunkohlen-Formation, wie zu Friesdorf bei Bonn (L. Nro. 179 und 
319 meiner Sammlung), aus Groß-Almerode in Heſſen (L. Nro. 368 m. S.), und Groß— 
Prieſen bei Unter-Auſſig in Böhmen (L. Nro. 163. 509. und Nro. 166 m. S.), in Rhei— 
niſchen und in ſchleſiſchen Plänen, bei Kieslingswalde (H. Nro. 11 bis 16 m. S). Hier 
ſind dieſe Abſonderungen nicht bloß im Innern des Stammes, ſondern auch in Form ziemlich 
großer Kugeln auf dem durch Eiſenoxydhydrat verſteinten Holze, fo daß ich in der That einſt 
geneigt war, ſie für Pilze, Sphärien oder Lycogala ähnliche Pflanzen zu halten, die auf Bäu— 
men der Jetztwelt in ähnlicher Geſtalt erſcheinen, was ich aber durchaus für irrthümlich er— 
kläre. In meiner Abhandlung über die Flora des ſchleſiſchen Quaderſandſteins, welche in 
dem 19ten Bande, Aten Abtheilung der Nova acta Acad. nat. curios. erſcheint, werde ich 
über dieſe und ähnliche, organiſchen verwandte Bildungen ausführlicher ſprechen. 


75 


Was nun die Struktur der obenerwähnten Hölzer anbetrifft, ſo ließ ſich von dem wenig 
zähen bituminöſen Holze ein Querſchnitt nicht ohne einige Schwierigkeiten erhalten. 
Nachdem ich verſchiedene chemiſche Mittel anwandte, um bröckliche, dem Zerfallen nahe Braun— 
kohle oder bituminöſes Holz mehr zu konſolidiren, und ſo zur Gewinnung dünner Schnitte 
geeigneter zu machen, bekenne ich, daß nur das Befeuchten mit Waſſer kurz vor dem Schnei— 
den allein dem beabſichtigten Zweck entſpricht. Unter dem Mikroſkop verleiht das Uebergießen 
mit Oel, wozu ich mich des Mandelöls bediene, dem Schnitt einen höhern Grad von Durch— 
ſichtigkeit; Einweichen in Salpeterſäure leiſtet ähnliche Dienſte, kommt aber dem Oel nicht 
gleich, weil es die Struktur noch mehr zerſtört. Glänzende, feſte Braunkohle, wie ſie auch 
in obigem Geſtein vorkommt, zerreibe ich gröblich, bringe ſie gleichfalls in Oel unter das Mi— 
kroſkop, wo ich dann durchſichtige e genug vorfinde, die über die Strukturverhältniſſe 
Aufſchluß geben. 


Bei der mikroſkopiſchen Unterſuchung des n ben welches den theilweiſen 
Uebergang in erdige Braunkohle zeigte, fand ich bei den Koniferen, daß die Zerſtörung zu— 
nächſt in den innern oder ſekundären Schichten der Holzzellen beginnt, die ſich auflockern und 
loslöſen, wodurch die Tüpfel (Poren der Autor.) auf den Wandungen der Zellen immer mehr 
zum Verſchwinden gebracht werden. Das Innere der Holzzelle wird dadurch mit ſchuppen— 
ähnlichen braunen lockern Flocken erfüllt. Endlich zerfällt ſie gänzlich, wenn die Zerſtörung 
auch die äußern Wände ergreift. Daher waren alle Verſuche, durch Schnitte in erdiger 
Braunkohle Struktur zu entdecken, vergeblich, und es iſt nur zufällig, wenn man manchmal 
beim Anreiben derſelben mit Oel noch einzelne, mehr oder minder erhaltene Prosenchymzellen 
entdeckt, die auf den Urſprung von Koniferen ſchließen läßt. Daß aber eine ſolche Braun— 
kohle, die ſich auf dieſe Weiſe aus der Urzeit her ſo unverändert hielt, jemals in Harz oder 
Bitumen, ohne dergleichen früher enthalten zu haben, verändert werden könne, bezweifle ich, 
und verdient um ſo weniger angenommen zu werden, da die ungeheure Menge von Koniferen, 
die in allen Formationen der Urwelt die vorherrſchende Maſſe der Vegetation bildete, hinrei— 
chend die Quelle deſſelben nachweiſt. Unter 500 verſteinerten und bituminöſen Hölzern mei— 
ner Sammlung, die ein verſchiedenes Aeußere zeigen, ohne deswegen, wie keinesweges be— 
hauptet werden ſoll, eben ſo viele verſchiedene Arten auszumachen, befinden ſich nur 20, die 
nicht zu den Koniferen gehören. In Beziehung auf den Urſprung des Bitumens auf naſſem 
Wege erlaube ich mir nochmals auf eine frühere Beobachtung, die von den Chemikern nicht 
weiter beachtet worden iſt, aufmerkſam zu machen, nämlich auf den Bitumengehalt der 
durch Kalk verſteinerten Hölzer, welchen ich in der Grauwacke bei Glätziſch-Falkenberg 
auffand. Als ich den Kalk durch Salzſäure entfernte, um die noch trefflich erhaltene orga— 
niſche Faſer zu unterſuchen, erhielt ich jedes Mal eine nicht unbeträchtliche Menge flüſſigen 
brenzlichen Oeles, welches einem Gemiſch von Kreoſot und Steinöl ähnlich roch Daß jene 
durch kohlenſauren Kalk verſteinten und noch ſo viel organiſche Stoffe enthaltenden Hölzer 
niemals mit dem Feuer in Berührung gekommen ſein konnten, darf hier kaum bemerkt wer— 

10 * 


76 


den. Da ich ſelbſt dieſe Unterſuchung in chemiſcher Hinſicht nicht weiter verfolgen kann, bin 
ich bereit, Andern dazu Material zu liefern. 

Das in Rede ſtehende bituminöſe Holz gehört einer Konifere an, die durch die dop⸗ 
pelte Reihe der mit einem Hofe umgebenen Tüpfel, welche die weitmündigen Prosenchym— 
zellen, oder die älteren Holzzellen des Jahresringes im Markſtrahlenſchnitt (im Längs— 
ſchnitt parallel den Markſtrahlen) zeigen, ſehr ausgezeichnet iſt. Wo die Markſtrahlen vor— 
beigehen, befinden ſich zwei bis drei kleine Tüpfel, die mit keinem Hofe verſehen ſind. Die 
Jahresringe ſind ſehr enge und beſtehen aus zwei bis drei Reihen Zellen mit ſehr dicken Wan— 
dungen, aber ſehr engem Durchmeſſer, ſo daß die hier immer in einer einfachen Reihe vor— 
kommenden Tüpfel, ſelbſt bei ſehr ſtarker Vergrößerung, nur als Punkte ſich darſtellten. Im 
Rindenlängsſchnitt (einem Längsſchnitt parallel der Rinde) erſchienen die Markſtrahlen 
aus einer einfachen Reihe von drei bis zwölf übereinander ſtehender Zellen, deren Querſchnitt 
den der Prosenchymzellen, zwiſchen welchen ſie liegen, noch nicht erreicht. Die ſpiralige 
Streifung dieſer Wände iſt deutlich zu erkennen. Im Querſchnitt ſieht man die weiteren 
Zellen des Jahresringes ſehr verſchoben wegen der im Verhältniß zum großen Durchmeſſer 
dünnen Wände derſelben; zwei bis drei folgen einander, um mit einer eben ſo großen t 
engerer, wie ſchon erwähnt, ſehr dickwandiger abzuwechſeln. 

Das verſteinte Holz des Baſalttuffs iſt mit dieſer ſo eben beſchriebenen Art zwar 
verwandt, weicht aber, wie man aus dem Querſchnitt erſieht, durch die gänzliche Verſchieden— 
heit der die Jahresringe bildenden Zellen ab, die im Längsdurchmeſſer etwas kleiner, aber 
ſonſt nicht, wie bei der vorigen Art, dickwandig ſind. Bei der geringen Menge der zur Un— 
terſcheidung der Art paſſenden Zeichen, welche die unter einander ſo ſehr verwandten Konife— 
ren darbieten, erachte ich dies für wichtig und hinreichend, um zur Feſtſtellung der Art zu dienen. 
Ueberdieß finden wir im Rindenſchnitt eine größere Anzahl Markſtrahlen, als bei der obigen Art. 
Die Zahl und Beſchaffenheit der Tüpfel im Markſtrahlenlängsſchnitt ſtimmt dagegen ſehr überein, 
wie es ſich aber mit den kleinen der an den Markſtrahlen liegenden Prosenchymzellen verhält, 
vermochte ich nicht auszumitteln, wie überhaupt das von organiſcher Subſtanz faſt gänzlich 
entblößte Holz ſehr ſpröde und undurchſichtig erſchien, und ich erſt nach vielen vergeblichen 
Bemühungen einige zur mikroſkopiſchen Betrachtung ſich eignende Schliffe zu erhalten ver— 
mochte. Eine der letzteren ähnliche Art, die ich, zur Erinnerung des Fundortes, Pinites 
basalticus nenne, habe ich bis jetzt unter den foſſilen Koniferen noch nicht beobachtet; die 
erſtere ſtimmt dagegen mit einer in der Braunkohlenformation ſehr verbreiteten Art faſt völlig 
überein. Ich erhielt ſie unter der Braunkohle von Friesdorf bei Bonn (L. 179 und 319 
m. S.) durch Herrn Prof. Treviranus, ſehr häufig und faſt ausſchließlich unter der von 
Salzhauſen (L. 440 bis 453 m. S., und Nro. 426 des Heidelberger Mineralien-Com— 
toirs), aus Artern *) durch Herrn Berghauptmann Martins aus den bernfteinhaltigen 


* In Artern fit auf der Rinde des Stammes Honigſtein, von welchem Herr Berghauptm. Martins 
mir mehrere ſo ausgezeichnete Exemplare uͤberſandte, die es hoͤchſt wahrſcheinlich machen, daß der Honig— 


7 7 


Braunkohlen-Lagern zu Rauſchen bei Königsberg (L. 103 und 587 m. S.), durch Herrn 
Prof. Ernſt Meyer, und endlich auch verſteinert unter den ſogenannten ungar. Opalhölzern. 
Unter den Koniferen der Jetztwelt kommt ſie in allen Beziehungen Pinus Larix ſehr nahe, 
ſo daß ich ſie mit dem Namen Pinites Protolarix glaube bezeichnen zu dürfen. Wir können 
ſie nicht mit ihr identiſch erklären, da wir aus der bloßen Struktur allein, ohne die Blätter 
und Früchte, nicht im Stande ſind, darüber zu entſcheiden, indem mich meine Unterſuchun— 
gen lehren, daß oft im Aeußern ſehr gut unterſchiedene Arten, namentlich im jüngeren Zu— 
ſtande, rückſichtlich ihres anatomiſchen Baues, vollkommene Uebereinſtimmung, oder doch nur 
geringe Abweichung zeigen. Bei allen oben erwähnten Exemplaren ſind die Jahresringe ſehr 
gedrängt, die Stücke von Salzhauſen beſonders vortrefflich erhalten, und beſitzen noch ihre 
natürliche, wahrſcheinlich etwas röthliche Farbe. Sie müſſen zum Theil ſehr großen Stäm— 
men angehören, eines derſelben zeigt in dem geringen Raume von 1 P. 3. 3 L. 150 Jah⸗ 
resringe (L. 444 m. S.), die in 2 ½ 3. Länge noch faſt parallel verlaufen. Ein kleines 


ſtein hier einſt wirklich als Harz abgeſondert ward. Sollte nicht vielleicht die umbildung des Harzes in 
Saͤure und Verbindung der letzteren mit der uͤberall vorkommenden Thonerde ſtattgefunden haben,, ohne 
daß es ſeine Lage veraͤnderte? — So ſchrieb ich an den Herrn Berghauptmann, und erhielt als Antwort 
eine neue Sendung Honigſtein von Voigtſtedt uud die Nachricht, daß nach den Beobachtungen des Herrn 
Siemens, unter deſſen Leitung der Betrieb der zur Arternſchen Saline gehoͤrige Braunkohlenbergbau bei 
Voigtſtedt ſteht, dies ſeltene Foſſil nicht immer auf der Rinde des Holzes, ſondern mehrentheils in den 
Staͤmmen und in der in erdigen Zuſtand uͤbergegangenen Braunkohle da vorkommen, wo ſich Spalten, 
Bruͤche und Zerkluͤftungen in der Kohle finden, gleichviel, ob ſie das Floͤtz vertikal oder horizontal durch— 
ſetzen; daß ferner die Seitenwände dieſer Zerkluͤftungen öfters blaͤulichgrau angelaufen find und gediegener 
Schwefel in ſehr kleinen Kryſtallen den Honigſtein haͤufig begleitete, und endlich nicht blos eine, ſondern 
wohl noch eine zweite Holzart in dieſer Grube angetroffen werde. Die guͤtigſt mitgeſandten Exemplare 
beſtaͤtigten die Richtigkeit dieſer Beobachtungen, ſo wie ich denn auch fand, daß die zweite Holzart zu der 
foſſilen Taxus-Art gehörte, die Herr Aycke zuerſt in Oſtrolenka beobachtete (deſſen Fragmente zur Natur— 
geſchichte des Bernſteins, Danzig 1835. S. 4647), daher Taxites Ayckii mihi, und ich ſpaͤter auch in 
den Braunkohlenlagern von Nietleben bei Halle, zu Heſſenbruͤck unfern Laubach der Wetterau (L. 163 
m. S.), im Samland (L. 133) (Hr. Dr. Berendt) und zu Lentſch bei Neiſſe in Schleſien auffand. — 
Wenn auch dieſe Erfahrungen der von uns oben ausgeſprochenen Vermuthung uͤber die Entſtehung des 
Honigſteins aus Harz nicht eben widerſprechen, ſo ſcheint doch noch eine chemiſche Unterſuchung der geſamm⸗ 
ten mit dem Honigſteine vorkommenden Foſſilien weſentlich erforderlich zu ſein, um hieruͤber in's Klare 
zu kommen. Der Retinaſphalt von Nietleben bei Halle kommt mit dem eben erwaͤhnten Taxus und 
einer andern Konifere vor. So leicht kann man nirgends entſchiedener den Uebergang von bituminoͤſem 
Holze in erdige Braunkohle beobachten, als eben dort. Der Schererit, welchen Herr Fickenſcher in ei: 
nem Torfmoore bei Redwitz in Baiern gefunden und der Herr Baron von Leithner im Jahre 1837 der 
mineralogiſchen Section in Prag vorlegte, ſitzt auf Holz, welches Pinus silvestris und Pinus Picea an: 
gehört, iſt alſo unſtreitig neueren urſprungs. Auch der Schererit, welchen ich durch Herrn Profeſſor 
Wimmer aus den Torfmooren von Eger erhielt, befindet ſich auf denſelben Holzarten. Da nun der 
Bernſtein, wie ich fruͤher ſchon in dieſen Blaͤttern nachwies, und bald noch näher zeigen werde, eben, 
falls von einer Konifere einſt abgeſondert ward, Pinites suceinifer, fo werden wir nun bald einigen 
Aufſchluß uͤber den Urſprung der foſſilen Harze erhalten. 8 


Stammſtück, welches ich Herrn Keferftein verdanke, beſitzt nur 2 P. 3. Durchmeſſer, zählt 
aber nicht weniger als 200 Jahresringe, die ſich mit bloßen Augen gar nicht mehr unter— 
ſcheiden laſſen. Der engere Theil des Jahresringes wird meiſtens nur durch 1 bis 2 dick— 
wandige Holzzellen gebildet. Der jährliche Anwuchs betrug alſo nur 4, L. Durchmeſſer. 
Bei den mir bekannten Koniferen der Jetztwelt kommt eine ähnliche Be— 
ſchaffenheit der Jahresringe nur bei den auf hohen und felſigen Bergen 
wachſenden Arten vor. Wie ſich die mit der foſſilen Art ſo verwandte Pinus Larix 
in dieſer Beziehung verhält, habe ich bis jetzt noch nicht beobachten können, wohl aber bei 
andern Pinus- Arten, insbeſondere bei Pinus Abies und Pinus Pumilio analoge 
Erfahrungen geſammelt. — Von einem in der Ebene im Hochwalde bei Sprottau in Schle— 
ſien auf humusreichem Boden mit Ahorn, Rothbuchen und Linden gewachſenen Fichtenſtamm 
von 110 Jahren beſitzt ein 2 Fuß vom Boden entnommener Querſchnitt 23 Zoll im Durch— 
meſſer (Nro. 717 meiner Holzſammlung.“) | 


Ein faft centriſch in 2824 P. F. Seehöhe auf dem felfigen Boden des aus Quader— 
ſandſtein beſtehenden Spiegelberges im Heuſcheuergebirge gewachſener Stamm, ebenfalls 1 F. 
über dem Boden entnommen (Nro. 447 m. S.), zeigt in 4 3. Durchmeſſer 170 Jahres- 
ringe, ſo daß oft auf den Raum einer Linie 11 Jahresringe kommen. Ein anderes 
Exemplar (Nro. 620 m. S.) in derſelben Seehöhe, nicht weit davon, aber auf ſumpfigem 
Boden gewachſen, war 20 Jahr älter, hatte aber 11 3. Durchmeſſer, war alſo, wahrſchein— 
lich durch den Boden begünſtigt, ſchneller gewachſen, obſchon es nur 25 Fuß Höhe erreichte. 
Ein drittes Exemplar von demſelben Standort, auf einer ſumpfigen Stelle zwiſchen Felſen 
(Nro. 621 m. S.), hält gewiſſermaßen das Mittel zwiſchen den vorigen, indem es bei 
130 Jahresringen 5½ Zoll mittleren Durchmeſſer beſitzt. Es iſt übrigens fo excentriſch 
gewachſen, daß ſich ſämmtliche Jahresringe auf der einen Seite in dem geringen Raume von 
17, Zoll Durchmeſſer zuſammengedrängt befinden. 


Ein viel geringeres Wachsthum beſitzen aber die Fichten, welche ſich auf dem Rieſen— 
gebirge kümmerlich bis in die Knieholz-Region drängen, und zuweilen wohl ſelbſt noch in 
der obern Grenze derſelben 4700 Fuß durchſchnittlich Meereshöhe vorkommen. Ein nur 
11 Zoll hohes, ſehr ſtark veräftetes, aber aufrechtes Stämmchen (No. 763 
m. S.), welches ich zwiſchen Steingerölle, etwa 100 F. vom Gipfel der 
Koppe, alſo in 4800 F. Seehöhe, abſchnitt, hatte zwar am Boden nur 4 Linien 
Holzdurchmeſſer, war aber 20 Jahr alt; ein anderes (Nro. 762 m. S.), am Abhange 


) Meine Holzſammlung, die jetzt über 1000 Expl. zählt, beſteht faft durchgängig nicht aus buchfoͤrmigen Bruch— 
ſtücken (wie man es gewoͤhnl. ja ſelbſt in Sammlungen von Forſtlehranſtalten unzweckmaͤßigerweiſe findet), 
ſondern aus runden Stammſtücken, die allein nur eine richtige Vorſtellung uͤber die Beſchaffenheit 
und das Wachsthumsverhaͤltniß der Gewaͤchſe Aufſchluͤſſe geben koͤnnen. Ich bediene mich derſelben zu 
phyſiologiſchen Vorleſungen, fo wie zu meinen vergleichenden Unterſuchungen. 


79 15 


der Schneekoppe nach der ſchwarzen Koppe von mir geſammeltes Exem— 
plar von 10 P. Lin. Holzdurchmeſſer, zählt gar 80 Jahresringe, die aber, 
wie natürlich, nicht mehr mit bloßem Auge, ſondern nur mit dem Mikroſkop zu unterſchei— 
den find. Oft beſteht der ganze Jahresring, incluſive des engeren und weiteren Theiles def- _ 
ſelben, nur aus drei Zellenreihen. 

Das Knieholz, oder Pinus Pumilio, welches unter unſern einheimiſchen Bäumen, unter 
allen Umſtänden, am langfamften wächſt, ändert aber auch, nach dem Boden- und Höhenver— 
hältniß, auf ähnliche Weiſe ab. So zeigte ein von mir, unfern des Gipfels der Schneekoppe, 
zwiſchen Steingerölle, in etwa 4700 F. Seehöhe abgeſchnittenes Exemplar des Knieholzes 
(Nro. 764 m. S.) 1 P. 3. Holzdurchmeſſer 80 Jahresringe, während ein anderes, auf 
dem Torfmoore der ſchwarzen Koppe geſammeltes (Nro. 429 m. S.) bei 3%, Zoll Durch⸗ 
meſſer 102 Jahresringe zählt. Aehnliche Beläge enthält meine Sammlung noch von ganz 
gleichem Verhalten, von Pinus sylvestris, Picea, Taxus baccata und andern Koniferen, 
von denen wir an einem andern Orte ausführlicher ſprechen werden. Für den von uns beab— 
ſichtigten Zweck ſcheinen die angeführten Beobachtungen ſehr wahrſcheinlich zu machen, daß 
der Boden, auf welchem einſt jene, mit ſo ſchmalen Jahresringen verſe— 
hene foſſile Stämme (der Pinites Protolarix) wuchſen, ziemlich hoch und fel- 
ſig war, ein Reſultat, dem auch wohl meiſtens der geognoſtiſche Charakter jener Gegenden 
nicht widerſpricht. In ſo fern ſie nun in der That auch in ihrer Struktur übereinſtim— 
men, alſo zu einer Art gehören, dürfen wir vielleicht ferner ſchließen, daß die Braunkohlenflora 
verſchiedener Gegenden vielleicht ähnliche Uebereinſtimmung zeigte, wie wir dies noch bei der 
in den Steinkohlen begrabenen Flora ſehen. Außer den eben angeführten Bäumen ſpricht 
auch noch das gleichzeitige Vorkommen der Nüſſe (Iuglandites) dafür, von denen 2 Species 
überall an den genannten Oeten angetroffen werden, ſo wie der, unſerm Taxus ähnliche, 
aber doch verſchiedene Stamm, den ich aus Nietleben bei Halle, aus Oſtrolenka, ſo wie aus 
Lentſch bei Neiſſe erhielt, Taxites Ayckii mihi (S. 77). j 


Wenn wir nun noch einmal zum Anfangspunkt dieſer Unterſuchung zurückgehen, zu den 
im Baſalt vorkommenden Einſchlüſſen organiſcher Körper, ſo müſſen wir erwähnen, daß 
Aehnliches auch ſchon an andern Orten wahrgenommen worden iſt, wo, wie vielleicht auch 
hier, der Baſalt organiſche Reſte enthaltende Schichten durchbrach und ſie in ſich einſchloß. 
Wahrſcheinlich geſchah dies hier mit einem Braunkohlenlager, welches, alsbald in den glühen— 
den Baſalt, bei Ausſchluß der Luft, eingehüllt, nicht verbrannte, ſondern ſich unverändert 
erhielt, ohne ſich in Schwarzkohle zu verwandeln. Die frühern Beobachtungen dieſer Art 
finden wir in Herrn v. Leonhard's Werk: „die Baſaltgebilde,“ aufgeführt, aus denen ich 
das Nachfolgende entlehne. S. I, p. 223, die Beſchreibung der merkwürdigen Verhältniſſe 
des Puy de Piquette, einem vereinzelten, aus baſaltiſchen Trümmergebilden beſtehenden Hügel 
von wenig regelmäßiger Kegelform, der beim Dorfe Morton, ungefähr 3 St. von Clermont, 


so 


aus Süßwaſſerkalk hervorfteigt, und außer den thieriſchen Verſteinerungen des letzteren 
(Limnea, Paludina, Reſte von Indusia tabulata) auch noch einzelne, von ſtrahligem Meſotyp 
umgebene verkohlte Holzfragmente enthält. So hatte man auch Holztheile in 
der Brescia des montechio maggiore unter ähnlichen Verhältniſſen, wie im Puy de Pi- 
quette (ebendaſ. I. S. 337), auf der Inſel Mull nach Mac Culloch (a. a. O. S. 470), 
im Trapp und nach Schübler glänzende Pechkohle im Conglomerat gefunden, welches den 
Baſaltgang des Juliberges unfern Dettingen in der ſchwäbiſchen Alp begleitet. Nach Herrn 
v. Leonhard (a. a. O. S. 328) ſtammt dieſe Kohle aus dem Lias. Im vorigen Jahre 
endlich entdeckte Herr Wilh. Haidinger bei Schlackenwerth, zwiſchen den Schichten von 
mehr oder minder feſtem Baſalttuff, Maſſen, aus deren Geſtalt und Oberfläche unzweifelhaft 
hervorgeht, daß ſie urſprünglich Baumſtämme waren. Neben dieſen Stämmen und tiefer in 
einer plattenförmigen Lage des Geſteins liegen Abdruͤcke von Blättern mit einer Mittelrippe 
und vielen ſekundären Nerven, die von dikotyledonen Pflanzen abſtammen. Bereits iſt im 
vorigen Jahre in Poggendorff's Journal von Hrn. W. Haidinger dies intereſſante Vorkommen 
näher beſchrieben worden. Hier erwähne ich deſſelben nur, weil ich durch die Güte des Herrn 
Verfaſſers in den Stand geſetzt ward, dieſe Stücke zu unterſuchen. Das mir mitgetheilte 
Stammſtück iſt rund, mißt 1 ½ P. 3. im Durchmeſſer und 2 ½% 3. Höhe. Im Innern iſt 
es ganz und gar mit Kryſtallen von Arragonit ausgefüllt die von einem, etwa / Zoll von 
der einen Seite entfernten Punkt nach allen Richtungen hin, ohne ſich zu kreuzen, ſtrahlen— 
förmig bis an den äußerſten Umfang deſſelben auslaufen, von allen Seiten aber in der ganzen 
Rundung des Stammes von einem dünnblättrigen Ueberzug noch bedeckt werden, an wel— 
chem ſich noch Struktur erhalten hat, die um ſo intereſſanter iſt, als 
man hier deutlich einmal etwas Anderes, als Koniferen, vor ſich ſieht. 
Man erkennt ſchon mit unbewaffnetem Auge in vertikaler Richtung parallele, linienförmige, 
in nicht ganz deutlicher Quincuncialſtellung befindliche Vertiefungen verſchiedener Länge, die 
wie die Endigungen der Markſtrahlen erſcheinen, wie ſie in der Jetztwelt bei den 
Kupuliferen, insbeſondere der Gattung Carpinus, und unter den Betulaceen Alnus eigen 
ſind. Wegen der größeren Breite jener als Markſtrahlen bezeichneten linienförmigen Vertie— 
fungen könnte man dieſe Stämme vielleicht am paſſendſten mit Carpinus vergleichen, doch iſt 
dies von der Größe hergenommene Kennzeichen gar zu relativ, um zu einer entſcheidenden 
Beſtimmung dienen zu können. Noch mehr wurde ich in der Anſicht über die Analogie dieſer 
Stämme beſtätigt, als ich ſpäter durch die Güte des Herrn Dr. Mitterbacher Exemplare der 
Blattabdrücke erhielt, welche neben jenen Stämmen im Tuff gefunden worden ſind. Der 
größte Theil derſelben kommt, ſowohl durch ihre Form, wie durch die Art und Weiſe ihrer 
ſekundären, bis an die Spitze verlaufenden Seitennerven der nur wenig hervortretenden Quer— 
adern, am meiſten mit Blättern der Gattung Carpinus überein; Rand und Spitze waren 
nur unvollkommen erhalten, daher ich in nähere Beſtimmung mich nicht einlaſſen kann. Ein 
einzelnes Bruchſtück zeigt ſehr ausgezeichnet Seitennerven, und ähnelt außerordentlich den 
Blättern der Alnus- Arten. | 


81 


Wir müſſen es denjenigen überlaſſen, welche Gelegenheit haben an Ort und Stelle 
dieſe merkwürdigen Verhältniſſe näher zu unterſuchen, uns weitere Aufſchlüſſe hierüber zu 
ertheilen, und ſo entweder zur Erweiterung oder Berichtigung dieſer Bemerkung beizutragen. 
Auch in einer andern Gegend Böhmens bei Bilin kommen verſteinte und verkohlte Hölzer in 
durch Baſalt gehobenen Schichten vor, über welche ich ſpäter gemeinſchaftlich mit Herrn 
Dr. Reuß berichten werde. 


Der Sekretair der Sektion legte noch ein ausgezeichnetes, vom Herrn Apotheker Bei— 
nert in Charlottenbrunn in den dortigen Kohlenlagern der Sophiengrube gefundenes Exem— 
plar eines mit zahlreichen, wohlerhaltenen Aeſten verſehenen Calamiten (Calamites deco- 
ratus B.) vor, und knüpfte daran einige Mittheilungen über ſeine mit Herrn Beinert und 
Herrn Markſcheider Bockſch unternommene Arbeit, welche ſich auf Verbreitung der foſſilen 
Pflanzen in der ſchleſiſchen Kohlenformation bezieht, worüber wir im nächſten Jahresbe— 
richte hoffentlich mehr werden anführen können. 


. J elo 


Herr Dr. Gloger ſprach über die geographiſche Verbreitung der Säugethiere und Vö— 
gel. Die geographifche Zoologie, eine Wiſſenſchaft, die noch einer nähern Begründung be— 
darf, entlehnt viele Sätze aus der Pflanzengeographie, indem oft gleiche Urſachen die Verbrei— 
tung der Pflanzen und Thiere begründen, was durch mehrere Beiſpiele belegt ward. 


Herr Profeſſor Schilling hielt einen Vortrag über die Organe der Inſekten, welcher 
durch das Hydro-Oxygen-Gas-Mikroſkop erläutert ward. Das letztere Inſtrument, durch 
welches der phyſikaliſche Apparat der Geſellſchaft auf eine ſehr wünſchenswerthe Weiſe berei— 
chert worden iſt, eignet ſich vorzugsweiſe zu ſolchen Unterſuchungen. Der Sekretair erlaubt 
ſich, am Ende dieſes Berichts noch mehr darüber zu bemerken. 


. Phyſiologie. 


a) Thieriſche Phyſiologie. 

Herr Profeſſor Purkinje ſprach am 16. Januar über die Analogieen in den Struk— 
tur⸗Elementen des thieriſchen und pflanzlichen Organismus. Schon im erſten Anfange ge— 
nauerer Unterſuchungen der Struktur der thieriſchen und pflanzlichen Epidermis, welche von 
den Herren DDr. Wendt und Kroker hierſelbſt angeſtellt worden ſind, ſpäter bei der Un— 
terſuchung des Epitheliums des Zahnfleiſches durch T. Fränkel, drang ſich die Analogie 
zwiſchen den Körnern dieſer Gebilde und den Pflanzenzellen von ſelbſt auf; noch mehr beſtä— 
tigte ſie ſich bei ſpätern Unterſuchungen mit Herrn Prof. Dr. Valentin über die Körner, 

11 


iu. ww: 


welche Träger der Flimmerhärchen find. Noch früher zeigte fich dieſe Analogie bei Betrach— 
tung der Körner, woraus die Urbildungsmaſſe des Embryo in den früheren Stadien zuſam— 
mengeſetzt iſt. 

Zu einer durchgeführteren Vergleichung diefer Gebilde gab die Pariſer Preisfrage über 
denſelben Gegenſtand Veranlaſſung, deren Löſung damals Herr Dr. Valentin mit Glück und 
Erfolg verſucht hat, deren Publicirung jedoch bis jetzt auf eine unerklärliche Weiſe noch im— 
mer zurückgehalten wird, indeß ſpätere Forſcher, wie Schwann, auf gleichem Wege, bei gün— 
ſtigen Vorarbeiten, zum Theil ſelbſtſtändig auf dieſelben und noch weiter ausgreifende Reſultate 
gekommen ſind. — Dieſe Analogie iſt jedoch nicht ſo zu verſtehen, als wenn ſie durchgängig 
wäre und nicht einen weſentlichen Unterſchied zuließe. Die durchgängige Analogie ſcheinen 
diejenigen im Sinne zu haben, welche die thieriſchen Bildungselemente als Zellen anſprechen, 
obgleich bei genauerer Beſtimmung der Pflanzenzellen ſich bedeutende Unterſchiede darbieten, 
In den Pflanzenzellen hat ſich das Flüſſige und Feſte vollkommen räumlich geſchieden, jenes 
als das Innere, Umſchloſſene, dieſes als das Einſchließende. Beim thieriſchen Bildungskerne 
ſind dagegen beide noch in Durchdringung begriffen. Am entſchiedenſten iſt die Analogie in 
den allererſten Bildungszuſtänden, in der Pflanze beim Cambium (im weiteren Sinne), beim 
Thiere im Protoplasma des Embryo. Die Elementarmolecüle ſind dann gallertartige Kügelchen 
oder Körnchen, die einen Mittelzuſtand zwiſchen dem Flüſſigen und Feſten darſtellen. Beim 
Fortgange der Bildung treten nun die thieriſchen und Pflanzengebilde bedeutend auseinander, 
indem jene auf dem embryoniſchen Zuſtande theils länger verweilen, theils durch das ganze 
Leben ſtehen bleiben, in dieſem dagegen der Erſtarrungsproceß und die Scheidung des Feſten 
und Flüſſigen ſchneller fortſchreitet, und zunächſt in der Zellenbildung, dann in der Gefäß— 
bildung zu Tage kommt. 

Im Verfolge des Vortrages ging nun Herr Prof. Purkinje in die ſpeciellere Auseinan— 
derſetzung dieſer allgemeinen Sätze ein, indem er die körnige Bildung der Knorpel, der Kno— 
chen, des äußern und innern Epitheliums an der Haut und den Schleim-Membranen, der 
Flimmerepithelien, des Lungen- und Geſchlechts-Syſtems, der Enchymkörner, der verſchiede⸗ 
nen Drüſen und drüſenförmigen Gebilde, endlich den Entwickelungsproceß der Gebilde des 
Embryo aus gemeinſamer körniger Grundbildungsmaſſe darſtellte. Den Schluß machte ein 
Blick auf die differente Entwickelungsrichtung der Pflanzen aus analoger Grundbildungs— 
Maſſe. — 

Am 11. December 1839 demonſtrirte Herr Profeſſor Dr. Purkinje, mit Hülfe des 
Drummondſchen Beleuchtungs-Apparates, eine Reihe mikroſkopiſcher Präparate in Bezug auf 
die innern Strukturverhältniſſe thieriſcher Gebilde, namentlich der Knochen, der Zähne, der 
Knorpel, der menſchlichen Epidermis, des Fettes, der Sehnen, der Muskeln, der Nerven, 
des ſchwarzen Pigments, des Blutes, des Zellengewebes. 


Herr Dr. Pappenheim ſprach über einen, der Reife nahen, ſonſt wohlgebildeten, 
Schaaffötus, welchem die vierte Extremität (die hintere) gänzlich fehlte, deſſen dritte (gleich— 


83 


falls hintere) Extremität höchſt mangelhaft ausgebildet war, und deſſen Becken nur aus einem 
os Ischii und dem linken Theile des os pubis beſtand. Die Rudimente der dritten Extre— 
mität waren: ein dem Oberſchenkel entſprechender Theil und ein gebogener Knochen, welcher 
die Stelle des Unterſchenkels, Tarſus, Metatarſus und Benalieben vertrat. Das diesfällige 


Präparat ward vorgezeigt. 


b) Pflanzen-Phyſiologie. 


Am 2. Januar hielt der Sekretair der Sektion einen Vortrag über die anatomiſche 
Struktur des Baſt- und Faſergewebes in verſchiedenen einheimiſchen und exotiſchen 
Pflanzenfamilien, mit beſonderer Rückſicht auf die Anwendung deſſelben zu techniſchen Zwek— 
ken, und erläuterte dieſe Mittheilungen durch eine Ae diesfälliger Präparate und mittelſt 
des Mikroskops. 


Am 13. Februar ſprach Derſelbe: über das Vorkommen und die Verbrei— 
tung der ätheriſchen Oele in den Vegetabilien, insbeſondere des Camphors, und 
ſtellte dann letzteren durch Deſtillation aus friſchen Blättern und Zweigen des Camphorbau— 
mes, Lauras Camphora, dar, welches Produkt völlig rein und weiß erſchien, woraus ſich 
ergiebt, daß die ſchmutzige Farbe des ſogenannten rohen Camphors nur durch Unreinlichkeit 
in der Bereitung veranlaßt wird, und derſelbe gleich in paraüglicher Güte erhalten wer: 
den kann. 


Am Schluſſe der Sitzung legte Derfelbe noch die vom Herrn Dr. Phöbus bearbeeitet 
Fortſetzung des Werkes der Herren Brandt und Ratzeburg über die Giftpflanzen vor: 
„Deutſchlands kryptogamiſche Giftpflanzen, von Phöbus (15%, Bog. mit 9 illum. Kupfer: 
tafeln)“, welches in jeder Beziehung empfohlen zu werden verdient, und 
ſich würdig an die von den genannten Herren begonnene Bearbeitung der phanerogamiſchen 
Giftpflanzen anſchließt. 


Herr Magiſter Mücke legte am 10. Juli äußerſt feſte, aus Surinam ſtammende Pflan- 
zenfaſern vor, die ſich zur Anfertigung von allerhand Gewebe benutzen laſſen. Der Sekretair 
der Sektion glaubte, daß ſie von Agave-Blättern herſtammten. h 


Am 24. Juli zeigte der Sekretair der Sekt. reife, noch an den Aeſten der Rispe ſitzende 
Datteln vor, und knüpfte daran Bemerkungen über die Dattelpalme und die Verbreitung 
derſelben und der Palmen, mit Beziehung auf die intereſſante Abhandlung des Hrn. v. Mar: 
tius. (Die Verbreitung der Palmen in der alten Welt, mit beſonderer Rückſicht auf die 
Floren-Reiche 1839.) 


Am 16. Oktober legte Derſelbe eine, in der That ſehr merkwürdige Kartoffel vor, 
welche einem arm- und füßeloſen mit geſpaltenem Rückgrat verſehenen männlichen Fötus 
ſehr ähnlich iſt. Herr Kaufmann Aſch in Schweidntz hatte ſie gefälligſt überſchickt. 

0 * 


Am 27. November fette Derſelbe feinen, in der allgemeinen Verſammlung am 28. Ok— 
tober begonnenen, durch das Hydro-Oxygen-Gas-Mikroſkop erläuterten, Vortrag über den 
Bau und die Funktionen der Pflanzen fort, und beendigte die Demonſtration der Elementar— 
Organe derſelben, wie er auch noch von dem Bau der Wurzeln und Blätter ſprach, um in 
der nächſten Mittheilung zu dem der Stämme übergehen zu können. 


In der allgemeinen Verſammlung am 29. November legte Derſelbe, wie ſchon am An— 
fange dieſes Berichtes S. 4 erwähnt ward, die von dem Herrn Gebauer, Direktor der 
Kunſt⸗ und Bauſchule hierſelbſt, und ihm verfertigten Lichtbilder mikroſkopiſcher Gegenſtände 
vor, worüber ſie folgenden gemeinſchaftlichen Bericht hier beifügen: 


Heber die Firirung mikroſkopiſcher Tichtbilder mittelſt des 
Pydro-Orygen- Gas- Mikroskops. 


Bereits am 29. November des vorigen Jahres legten wir in der allgemeinen Sitzung 
der ſchleſiſchen Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur gelungene Proben mikroſkopi— 
ſcher Lichtbilder vor, welche mittelſt des Hydro-Oxygen-Gas-Mikroſkops, nach dem 
Daguerreſchen Verfahren, auf Metallplatten dargeſtellt worden waren.“) Wir begnügten 
uns mit der vorläufigen Anzeige, welche aus den hieſigen Zeitungen in die preußiſche Staats— 
zeitung vom 5. December und andere politiſche Blätter, ſo wie auch in die, keinem Natur⸗ 
forſcher unbekannte Zeitſchrift des Herrn von Froriep: „Neue Notizen, im December, 
Nr. 252, S. 231,“ überging. Obſchon wir Willens waren, ſpäter ausführlicher darüber 
zu berichten, ſo ſahen wir uns doch durch die jüngſt (aus dem Oeſterreichiſchen Beobachter 
entlehnte) in der preußiſchen Staatszeitung vom 4. März enthaltene, während des Druckes 
des Berichtes der Sektion erſchienene Notiz, daß Herr von Ettingshauſen dergleichen 
ebenfalls dargeſtellt habe, veranlaßt, an unſere ältere Beobachtung zu erinnern, woran 
wir einen kurzen Bericht über das ganze Verfahren und die Anwendung des Hydro-Oxygen— 
Gas⸗Mikroſkops zu dergleichen Zwecken überhaupt knüpfen wollen. 


Die ſchleſiſche Geſellſchaft für vaterländiſche Kultur vermehrte auf unſern Vorſchlag 
ihren phyſikaliſchen Apparat durch ein, mittelſt des Drummondſchen Lichtes erleuchtetes Mi— 
kroſkop, gewöhnlich Hydro-Oxygen-Gas-Mikroſkop genannt, welches in der That vortreff— 
liche Dienſte leiſtet, wenn es ſich darum handelt, nicht etwa ſpecielle Unterſuchungen anzu— 
ſtellen, ſondern bereits erlangte mikroſkopiſche Reſultate einem größeren Auditorium mitzu— 


) Die erſten an Schärfe ausgezeichneten Tagbilder legte Herr Direktor Gebauer am 11. December der 
Sektion vor. Am 31. December erlaubten wir uns, auch Sr. Excellenz dem Herrn Geheimen Staats- 


Miniſter v. Altenſtein ein Exemplar eines mikroſkopiſchen Lichtbildes (einen vergrößerten Querſchnitt 
des Stengels von Aristolochia Sipho) zu überſchicken. 


85 


theilen. Von den thieriſchen Organiſationen laſſen ſich, nach den Erfahrungen unſeres 
Freundes, Herrn Profeſſors Purkinje, die Struktur der Oberhaut und der übrigen Horn— 
gebilde, die Darmzotten, die Capillargefäße, nach ihren mannichfaltigen Verzweigungen, die 
Knochen, Zähne, das Muskel-, Nerven- und Drüſengewebe, nach zweckmäßiger Präparation a 
darſtellen, ſo wie auch die äußeren Bedeckungen aller Thierklaſſen, Haare, Schuppen, Pan— 
zer, Flügeldecken, Flügel, der verſchieden geformten Augen, Fühlhörner, Extremitäten, Ein— 
geweide, und bei ſorgfältiger Zubereitung auch das Nervenſyſtem, kleine, durchſichtige Thiere, 
Larven von Waſſernymphen, kleine Waſſerkrebſe, Infuſorien der größeren Art, einen eben ſo 
trefflichen als belehrenden Anblick gewähren. Jedoch viel nützlicher und brauchbarer iſt das 
Inſtrument für die Anatomie der Pflanzen, wo es ſo oft darauf ankommt, die mikroſkopiſche 
Struktur eines größeren Abſchnittes zu überſehen, als man jemals unter einem gewöhnlichen 
Mikroſkop zu überblicken vermag, wie z. B. Querſchnitte von Pflanzenſtämmchen, um das 
Verhältniß und die Lage der Gefäße und Zellen zu einander deutlich zu machen. Hinreichend 
klar erſchien mir unter Anderm das Zellgewebe in ſeinen verſchiedenen regelmäßigen und un— 
regelmäßigen Formen, Haare, wie z. B. die in den Luftgängen der Blumenſtiele der Nym- 
phaea- Arten, die feſten Sekrete in den Zellen (die Stärkemehlkörner und die Kryſtalle oder 
Raphiden), ferner die Spiralgefäßbündel, die Spiralgefäße ſelbſt aber nur im abgerollten 
Zuſtande, die Umriſſe der Pollen nebſt dem heraustretenden Inhalte, den gegliederten Ring 
der Fruchtkapſel der Farrnkräuter u. ſ. w., ſo daß man in der That, wie einer der Verfaſ— 
ſer (Göppert) bereits gethan, einen faſt vollſtändigen Curſus der Anatomie und Phyſiologie 
der Pflanzen, der nur bei einigen genauern, die Wandungen der Gefäße z. B. betreffenden 
Parthieen durch das zuſammengeſetzte Mikroſkop nachzuhelfen iſt, einem größern Publikum, 
mit Hülfe dieſes Inſtruments, zu erläutern vermag. Unſer Verfahren hierbei war, daß wir 
das zu verwendende Waſſer und Sauerſtoffgas aus getrennten Gasbehältern unter 0,7 Meter 
Waſſerdruck in ein Rohr mit Platinſpitze gegen einen drehbaren Kalkcylinder entzündet treten 
ließen, und das durch das Erglühen des Kalkes erzeugte Licht“) durch zwei 5 7, zöllige Linſen 
von 12 Zoll Brennweite und eine kleinere von 6 Zoll Brennweite auf einen kleinern Brenn— 
raum konzentrirten, in welchen wir das Objekt ſtellten. Hinter das Objekt wurden die Ver— 
größerungslinſen paſſend eingefügt und die erzeugten Bilder auf einer gegenüber geſtellten 
weißen Tafel aufgefangen. Rückt man die Tafel, auf welche das Bild fällt, dem Inſtru— 
mente hinreichend nahe, ſo erhält daſſelbe ſo beſtimmte Umriſſe, wie es zur Darſtellung einer 
Zeichnung nothwendig wird. Nimmt man ſtatt des Schirmes ein mattgeſchliffenes Glas, ſo 
erſcheint das Bild mit ſolcher Helligkeit, daß eine Durchzeichnung mit großer Genauigkeit 


) Herr Direktor Gebauer wiederholt auch in der allgemeinen Sitzung am 28. Oktober die merkwürdigen 
Verſuche von Gaudin, durch Schmelzen der Thonerde mittelſt der Knallgasflamme Saphir und durch 
Zuſatz eines Minimum's von chromſaurem Kali Rubin darzuſtellen, mit gleichem glücklichen Erfolge, in— 
dem die ſo erhaltenen Produkte dieſelbe Härte wie jene Edelſteine und die Saphire auch gleiche Durchſich— 
tigkeit zeigten. 


* 


ſtattfinden kann. Die Deutlichkeit und Schärfe der Bilder wird noch um Vieles erhöht, 
wenn man die von Herrn Seligue mit ſo vielem Erfolge angewandte Combination mehrerer 
achromatiſcher Linſen auch hier verſucht, wozu wir treffliche, von Hrn. Schiek in Berlin gefer— 
tigte Linſenſätze, die Combination 1, 2, 3 und 3, 4, 5, verwendeten. Jedoch darf man 
ſeine Erwartungen nicht zu hoch ſpannen, und nicht vergeſſen, daß hier immer nur die Schat— 
ten der Gegenſtände ſichtbar werden, und daß daher das Inſtrument, möchte es auch noch ſo 
ſehr verbeſſert werden, niemals das gewöhnliche Mikroſkop an Schärfe und Beſtimmtheit der 
Umriſſe auch im entfernteſten zu erſetzen, geſchweige zu feineren mikroſkopiſchen Unterſuchun— 
gen zu dienen vermag. Die oben genannten Gegenſtände mikroſkopiſcher Anatomie laſſen 
ſich allerdings darſtellen, aber ſehr zarte, durchſichtige, wie Längsſchnitte engwandiger Zellen 
und Gefäße, ſo wie Vertiefungen (Punkte), Streifen, Spiralwindungen auf den Wänden 
derſelben, wie überhaupt äußerſt durchſichtige Objekte, wie ſie bei dem Studium der Ent— 
wickelungsgeſchichte der Thiere und Pflanzen vorkommen, kann man, weil ſie einen zu 
geringen Schatten werfen, niemals auf eine Weiſe verdeutlichen, daß man irgend 
eine genaue Vorſtellung davon zu erlangen vermöchte. So ſieht man, um dies nur durch 
ein Paar Beiſpiele zu beweiſen, die Zellen, aber nicht die Intercellulargänge, wie ſchon 
erwähnt; man erkennt die in den Luftgängen der Nymphaea -Arten ſitzenden Haare, aber 
nicht die punktirte Beſchaffenheit ihrer Zellen; man erkennt das Satzmehl in den Zellen der 
Kartoffel als ſchwärzliche Körnchen, ohne natürlich auch nur einen Begriff von ihrer eigent— 


lichen Struktur der konzentriſchen Beſchaffenheit ihrer Häute zu erlangen; bei dem Quer- 


ſchnitte eines dikotyledonen Stämmchens erſcheinen die Rindenzellen nicht, wenn ſie zu viel 
grüne Körner oder andere feſte Sekrete enthalten, und eben ſo wenig die Baſt- und Mark— 
ſtrahlenzellen, weil ſie zu eng ſind, um das Licht hindurch zu laſſen, aber wohl die Zellen des 
Markes, die punktirten Gefäße und die größeren Holzzellen und dergleichen mehr. Bei wei— 
chen Pflanzentheilen, die ſich nur unter Waſſer deutlich zeigen laſſen, ſteigern ſich noch die 
Schwierigkeiten, inſofern es äußerſt ſchwer hält, Objekte ohne Luftblaſen zwiſchen Glasplatten 
einzuſchließen. Sind die letzteren vorhanden, ſo tragen ſie augenblicklich zur Veränderung 
des Fokus bei, und der Gegenſtand wird nur theilweiſe oder unvollkommen dargeſtellt. — 
Demohnerachtet kamen wir eben durch dieſe Verſuche auf den Gedanken, die glänzende Ent— 
deckung von Herrn Daguerre auf dieſe Weiſe auch zur Fixirung mikroſkopiſcher Bilder zu 
verwenden. Wir verfuhren dabei ganz nach der von demſelben publizirten Beſchreibung bei 
der Behandlung der dazu zu verwendenden plattirten Kupferplatten, und brachten nur die 
zubereitete jodirte Platte anſtatt in die Camera obscura, in den Fokus der Vergrößerungs— 
Linſe des Hydro-Oxygen-Gas-Mikroſkops, und ſetzten ſie 15 bis 20 Minuten lang der 
Einwirkung des Knallgaslichtes aus, eine Zeit, die, unſerer Erfahrung gemäß, vollkommen 
ausreichte. — Alles, was wir nun mittelſt des Hydro-Oxygen-Gas-Mikro⸗ 
ſkopes zu zeigen vermögen, läßt ſich natürlich auf dieſe Weiſe auch auf 
die jodirte Kupferplatte firiren, und zwar in der Art, daß das erhal: 
tene Bild eine mattweiße Abbildung der durchſichtigen Theile des Ob— 


82 


jektes darſtellt, der Körper des Objektes ſelbſt aber unbezeichnet bleibt, 
indem an feiner Stelle die Platte nur mit Metallglanz erſcheint. — 
Jedoch können wir nicht umhin, zu bemerken, daß dieſe Verſuche, ohnerachtet des erwünſch— 
ten Erfolges, doch, rückſichtlich ihrer Umſtändlichkeit und der Koſtſpieligkeit der dazu erforder— 
lichen Apparate, gegenwärtig wenigſtens, mehr wiffenfchaftlich intereſſant, als eben 
von großem praktiſchen Nutzen zur Anfertigung mikroſkopiſcher Zeichnungen, wie vielleicht 
Viele und auch wir anfangs hofften, zu ſein ſcheinen. So angenehm es uns auch war, dem 
Daguerreſchen Verfahren zuerſt auf dieſe Weiſe eine größere Anwendbarkeit gegeben zu haben, 
ſind wir doch weit davon entfernt, das von uns Erlangte überſchätzen zu wollen, und ſchrie— 
ben dieſe Bemerkungen nur nieder, um auch Andere davor zu bewahren. 


Sabres: Bericht 
der 


medicinifden Section. 


Wie jede, in der Natur vorkommende Krankheit nach Verſchiedenheit (der Eigenthümlich— 
keiten) der Individuen, welche ſie befällt, formell verſchieden ſich darſtellt, ſo wird auch die 
allgemeine, in individuell verſchiedenen Organismen, obgleich unter denſelben Krankheitsver— 
hältniſſen durch Einen und denſelben Arzneiſtoff hervorgerufene Reaction von bald mehr, bald 
weniger verſchiedenen Nebenwirkungen begleitet ſeyn. Die Kenntniß dieſer relativen, eben 
deshalb nicht a priori, vielmehr nur a juvantibus et nocentibus, alfo ex post zu beſtim⸗ 
menden Wirkung der Mittel wird daher für den praftifchen Arzt von nicht geringerer Wich— 
tigkeit, als die Erkenntniß der Krankheit ſelbſt ſeyn. Es iſt dieſe eine der ſchwierigſten Auf— 
gaben, welche er am Krankenbette zu löſen hat. Was ihm aus der materia medica von dem 
Mittel an ſich, ſeiner abſoluten Wirkung nach, wiſſenſchaftlich bekannt iſt, kann und wird 
ihm nur ſelten genügen. In den bei Weitem meiſten Fällen wird ihm erſt die eigene, mit 
aller Sorgfalt und der geſchärfteſten Aufmerkſamkeit auf die Geſtaltung der Umſtände anzu— 
ſtellende Beobachtung zu Hülfe kommen müſſen, um die Anwendung eines, wie ſehr auch an— 
ſcheinend indicirten Mittels zur Zeit für etwas mehr, als einen bloßen, wie oft auch nach allen 
Regeln der Peirasmologie angeſtellten Verſuch (M rreige s. 6 rreıgaouös, periculum) von nicht 
immer gleichem, alſo auch in concreto nicht zu verbürgendem Erfolge gelten laſſen zu dürfen. 
Abgeſehen davon, daß die Mittel, ohne daß wir den Grund hievon immer einſehen, ihre Wir— 
kung häufig verſagen, ſehen wir nicht ſelten eine ganz andere, als die beabſichtigte, ja bis— 
weilen eine, dieſer entgegengeſetzte eintreten und dennoch den Kranken beſſer werden. So 
tritt ſtatt des, von uns beabſichtigten Erbrechens oft vermehrte Darmausleerung, umgekehrt 
aber auch ftatt dieſer gegen unſern Willen jenes und dennoch in beiden Fällen wider alles 
Vermuthen die Geneſung ein. Wie viel von dieſer, augenſcheinlich zwar verkehrten, darum 
aber, wie die Erfahrung lehrt, unter Umſtänden nicht weniger heilſamen Wirkung auf Rech— 
nung, ſei es nun, des Arzneimittels ſelbſt, oder der Krankheit, oder auch der reagirenden 
Naturbeſtrebungen, oder endlich der Individualität des Kranken, ſich bringen laſſe, iſt eine 
Frage, zu deren genügender Beantwortung wohl mehr als das gehören dürfte, was wir eben 


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aus der materia mödien von dem, dem Syſteme zu Gefallen oft nur ſupponirten, nach Maß: 
gabe des, wenn auch, wie wir wähnen, uns bekannten quantitativen wie qualitativen Ver— 
hältniſſes der Beſtandtheile der Mittel von Reil (Ueber die Erkenntniß und Cur der Fieber. 
Bd. I. §. 16. S. 26) nicht unpaſſend als eine, größten Theils ſinnloſe Tra— 
duction aus der todten Natur in die lebendige näher bezeichneten modus agendi 
im Allgemeieen wiſſen. Die, auch nur mit einiger Wahrſcheinlichkeit zu beſtimmende Wir— 
kung der Mittel ſetzt, wie einer Seits eine wiſſenſchaftlich begründete Kenntniß ihrer phyſio- 
graphiſchen und phyſiologiſchen Eigenſchaften, ſo auch anderer Seits eine tiefere, möglichſt 
klare Einſicht in die inneren, ganz beſonders aber pathogenetiſchen Verhältniſſe des Organis— 
mus voraus. Erſt dann, wenn wir ihr ſpecifiſches Verhalten in ähnlichen und verſchiedenen 

Krankheitszuſtänden wiederholt beobachtet und die mancherlei Beziehungen Beider zu einander 
näher kennen gelernt haben, ſind wir im Stande, wie wohl nach keinem anderen, als dem 
Maßſtabe, welchen uns die Analogie an die Hand gibt, ihren therapeutiſchen Werth zu beur— 
theilen und in dieſem Betracht ſie alſo auch a potiori als dieſe oder jene Claſſe von Mitteln 
näher zu bezeichnen. So gut wie uns, waren auch den Alten (Arznei-) Stoffe bekannt, 
die, je nach der verſchiedenen Abſicht, in welcher, und nach den beſonderen Umſtänden, unter 
welchen ſie angewandt werden, von bald gutem, bald ſchlechtem Erfolge begleitet, nach die— 
ſem zwiefachen Erfolge auch bald als Arznei, bald als Gift gelten. Auf dieſer thatſächlichen 
Beobachtung, der zu Folge, zumal ſeitdem der kunſtmäßige Gebrauch die zerſtörendſten Gifte 
zu heilſamen Arzneien erhoben, die Gränzen ihrer beiderſeitigen Wirkſamkeit ſich ſchwer be— 
ſtimmen laſſen, ſcheint auch die gemeinfchaftliche Bezeichnung beider, wiewohl einander entge— 
gengeſetzten Begriffe durch Ein und daſſelbe (als ſolches von den Alten vox media genannte) 
Wort, wie durch pyaouaxov (nach feinen beiden extremen Bedeutungen von Arznei und Gift) 
der Griechen und eben ſo durch medicamen der Römer zu beruhen. Vor Allem wird die 
Intenſität der, unter ſo bewandten Umſtänden als ſolche ſich herausſtellenden bald arzneili— 
chen, bald giftigen Wirkung Eines und deſſelben Mittels von ſeiner geringeren oder größeren 
Gabe abhängig und darum auch letztere beſonders zu beachten ſeyn. Bei näherer Betrachtung 
des hier berührten, durch fernere Forſchungen, deren er als ein ſo wichtiger Zweig ärztlichen 
Wiſſens bedarf, mehr aufzuhellenden Gegenſtandes dürfte nicht nur die Schwierigkeit einer, 
nach einem feſten Princip durchzuführenden, ſtreng logiſchen und zugleich praktiſch brauchba— 
ren, dem jedesmaligen therapeutiſchen Bedürfniſſe entſprechenden Eintheilung der Arzneimit— 
tel leicht nachzuweiſen, ſondern mit ihr auch die Nothwendigkeit gegeben ſeyn, die Eigen— 
ſchaften und Wirkungen derſelben in ihren mannigfachen Beziehungen zu dem Organismus 
und unter den verſchiedenſten Krankheitsverhältniſſen ſo oft und ſo genau zu beobachten, daß 
wir nach der größeren oder geringeren Summe der Reſultate derartiger Beobachtungen, 
welche, mittelſt der Induction allmählich als feſter begründete Erfahrungen ſich geſtaltend, 
uns dann auch als ſolche zu Gebote ſtehen, mit mehr oder weniger Wahrſcheinlichkeit den 
jedesmaligen Erfolg des, in einem gegebenen Falle von uns anzuwendenden Mittels im 
Voraus berechnen können. 

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N 


Zur Mittheilung der, in den diesjährigen Sections-Verſammlungen gepflogenen Ver: 
handlungen ſelbſt übergehend, erlaubt ſich Ref., die auf dieſe bezüglichen Protokolle hier in 
der Ordnung auf einander folgen zu laſſen, in welcher jene, mehr oder weniger zahlreich be— 
ſucht, Wen jeden erſten Freitag im Monate Statt gefunden haben. 


Den 4. Januar berichtete Herr Medicinal-Rath Dr. Ebers: Ueber die Löſch'ſche 


Fundation und das gleichnamige hieſige Krankenhaus. Zu den, von Pri- 


vatperſonen zu öffentlichen Zwecken überhaupt und für Krankenanſtalten ins Beſondere ge⸗ 
machten Stiftungen gehörend, iſt daſſelbe als eine Erweiterung des, den 29. December 1831 
größten Theils abgebrannten und zu Anfange des Jahres 1833 wiederhergeſtellten Hoſpitals 
au Allerheiligen anzuſehen. Die Geſchwiſter des hieſelbſt verſtorbenen Kaufmanns, Herrn 
J. G. Löſch, der gegenwärtige Geheime Commerzienrath, Herr J. F. Löſch und deſſen Schwe— 
ſter, Frau General-Lieut. Sophie von Schutter Excellenz, hatten, um das Andenken ihres 
verſtorbenen Bruders zu ehren, aus deſſen Nachlaſſe 40,000 Rthlr. dem hieſigen Kranken⸗ 
hoſpitale in der Art zugewandt, daß 30, 000 Rthlr. zur Erbauung und Ausſtattung des 
Krankenhauſes verwandt und 10,000 Rthlr. bis zur Erreichung des Betrages von abermal 
40,000 Rthlr. zinsbar angelegt werden und die Zinſen dieſes Capitals dann zur Unterhal— 
tung und Ausſtattung des Krankenhauſes dienen ſollten. Das, unter dem Namen Löſch'ſche 
Krankenhaus nach dem Entwurfe des Herrn Stadtrathes Studt aufgeführte, durch ſeine 
Localität wie durch die Solidität des Baues ſich empfehlende Gebäude liegt längs des Oder— 
ſtromes (zwiſchen Süd und Nord), iſt drei Stockwerke hoch mit ſchönen Souterrains. Es 
enthält acht große Kranken- und zwei kleinere Säle für Reconvalescenten; erſtere enthalten 


für 108, letztere für 16 Kranke Raum; in den Parterre-Zimmern können 24, im Ganzen 


alſo 148 Kranke Platz finden. Außer den, zwiſchen den Sälen für die Wärterinnen ange— 
brachten Zimmern, welche für 10 Betten Raum gewähren, befinden ſich im Hauſe noch die 
Wohnung des Oberwundarztes (für die innere Station), ein Bandagen-Cabinet, ein Ope— 
rations-Zimmer, Küchen u. ſ. w. Durch beſondere Vorrichtungen iſt allenthalben für Zu— 
leitung friſcher, atmoſphäriſcher und Ableitung der unreinen, mephitiſchen Luft hinreichend 
geſorgt. Auch die Art der Beheizung und Beleuchtung läßt ſo wenig zu wünſchen übrig, 
als die ſtete Rückſicht auf Alles, was zur Bequemlichkeit der Kranken wie zur Erleichterung 
ihrer Pflege dient, ſich verkennen, ſo daß die ganze innere Einrichtung des Gebäudes allen 
desfalls zu machenden Anforderungen vollkommen entſpricht. Es haben daher die Stifter 
dieſer, von ihnen im Intereſſe der leidenden Menſchheit ſo reich ausgeſtatteten, ſeit dem 
15. Juni 1837, als dem Tage ihrer Einweihung eröffneten Anſtalt, in welcher jährlich 
1500 Kranke verpflegt werden können, ſich ein bleibendes von der Mit- und Nachwelt nicht 
dankbar genug anzuerkennendes Verdienſt erworben. 


Herr Dr. Simſon machte Ueber das Marien: ban baun un für Arme in 
St. Petersburg (nach dem Jahresberichte des Herrn Staatsrathes Dr. v. Roos) einige 
Mittheilungen. Die fragliche, von der Kaiſerinn Mutter Maria Feodorowna und dem Kai— 


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ſer Alexander geſtiftete und ſeit dem Jahre 1803 beſtehende Krankenanſtalt, in welche nach 
Inhalt der Statuten arme Kranke ohne Unterſchied der Nation, des Standes und Glaubens 
jeden Tag und jede Stunde aufgenommen werden können, und in welcher ſich gegenwärtig 
mehr als 400 Betten befinden, iſt zuerſt vom Herrn v. Gouroff (mémoire sur Ptat 
actuel de l’höpital imperial des pauvres malades a St. Petersb. avec des details sur la 
nouvelle institution des veuves de la charite 1817) befchrieben. Von dem Orden der 
barmherzigen Witwen, die damals den Dienft verfahen, befonders Nachricht gebend und mehr 
den adminiſtrativen Theil umfaſſend, gewähren dieſe ſowohl, als die ſpäteren, auf denſelben 
Gegenſtand bezüglichen Schriften der Herren Swinin und Staatsrathes v. Engelhardt 
ein nur untergeordnetes ärztliches Intereſſe. Aus dem vorliegenden jüngſten und neueſten 
(auf Befehl Sr. Excellenz des Miniſters, Hrn. v. Bludoff und nach Bericht Sr. Excellenz des 
Leibarztes Hrn. Dr. Rühl 1837 dem Druck übergebenen) Berichte des Hrn. v. Roos Aus— 
züge mittheilend, wußte Hr. Simſon nicht ohne zweckmäßige Auswahl Alles das beſonders 
hervorzuheben, was ihm der Mittheilung wie der Aufmerkſamkeit werth ſchien, und knüpfte 
daran einige erläuternde, eben ſo zeitgemäße als intereſſante Bemerkungen. 


Den 1. Februar las Herr Prof. Dr. Henſchel: Vorläufige Nachricht über 
die handſchriftlichen Schätze Schleſiens aus dem Mittelalter im Gebiete 
der mediciniſchen Literatur. Seinen Vortrag durch einige allgemeine Bemerkungen 

über die, dem Arzte nothwendige Kenntniß der hiſtoriſchen Entwickelung ſeiner Kunſt einlei— 
tend, gedachte er auch des, den Mönchen nicht abzuſprechenden Verdienſtes, wie im Mittel— 
alter die Medicin der alten Araber und Scholaſtiker fortgepflanzt, ſo auch erhalten zu haben. 
Was von den Denkmählern der Thätigkeit dieſer Zeit für die Nachwelt übrig geblieben, findet 
ſich meiſt in Italien und Frankreich, als den literariſchen Hauptländern Europa's, Weniges 
nur in Deutſchland, beſonders in den Bibliotheken Wien's, Prag's und Leipzig's. Aber 
auch Schleſien hatte im 13ten — 15ten Jahrhunderte feine eigene handſchriftliche mediciniſche 
Literatur gehabt, wie dieſe ſeit der Säculariſation der Schleſiſchen Klöſter in unſerer König⸗ 
lichen und Univerfitätö- Bibliothek ihrer ganzen Maſſe nach auf Einen Punkt und in Ein Ge: 
ſammt⸗Corpus der literariſchen Ueberreſte unſerer Provinz aus ihrer klöſterlichen Zeit als 
Grundlage der Geſchichte zuſammengeſtellt iſt. Mit dieſem un veräußerlichen Nationalgut der 
Provinz iſt uns zugleich ein unſchätzbares Material für die Geſchichte der Wiſſenſchaft über⸗ 
haupt und für die Bildungsgeſchichte unſeres Vaterlandes ins Beſondere gegeben. Dadurch 


iſt es erſt möglich geworden, nachzuweiſen, was zu jeder Zeit in Schleſien Gegenſtand des 


Studiums geweſen, welche Richtung daſſelbe genommen, welche Zweige der Wiſſenſchaft mehr 

oder weniger bearbeitet worden, welche Anſichten gegolten und welche Männer ſich beſonders 

und worin hervorgethan oder Vorzügliches geleiſtet haben. In numeriſchem Betracht ſcheint 

die Quantität der mediciniſchen Ueberreſte nicht groß. Vielleicht kaum den 20ſten Theil des 

Ganzen der hieſigen Handſchriften ausmachend beſteht der mediciniſche Antheil aus 50 Bän— 

den rein mediciniſchen Inhalts meiſt in Folio und 70 anderen, in welchen mediciniſche Tra— 
| $ Dual 


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„ 


ctate mit theologiſchen und philoſophiſchen vermiſcht vorkommen, im Ganzen 120 Codices, 

welche unzweifelhaft durchgehends in Schleſien geſchrieben ſind; wenigſtens iſt das Kloſter, 
in deren Beſitze fie waren, jedes Mal vermerkt. Nach der, vom Hrn. H. gegebenen genaues 
ren Ueberſicht aller hieher gehörigen Schriften aus dem 13ten, 14ten und 15ten Jahrhun⸗ 
derte beſteht die, durch ihn uns näher bekannt gewordene Schleſiſche mittelalterliche Bibliothek 
aus 582 Werken, welche er nach den einzelnen Fächern in einem, der Verſammlung vorge— 
legten Kataloge nicht ohne großen Aufwand von Zeit und dankenswerthem Fleiße ieee 
lich geordnet hat. 


Herr Geh. Hofrath Dr. Zemplin theilte einige Beobachtungen aus der letz⸗ 
ten Saiſon zu Salzbrunn mit der vorläufigen Bemerkung mit, daß in keinem Jahre 
Brunnen-Beſuch und Verſendung ſo bedeutend als dies Mal waren. Es wurden 1631 
Brunnen-Gäfte gezählt und 146,110 Flaſchen verfandt. Unter den, im Monate Auguft 
aus Berlin und Breslau, an welchen Orten gleichzeitig die Maſern herrſchten, nach Salz— 
brunn gekommenen Cur-Gäſten befanden ſich fünf, von ihm in Pflege genommene und abge— 
ſperrte Maſern-Kranke, welche ſehr leicht genaſen, ohne die Krankheit, trotz der großen Fre— 
quenz der Cur⸗Gäſte, auf dieſe weiter verbreitet zu haben, eine Erſcheinung, welche nicht 
weniger beachtungswerth ſeyn dürfte, als die, auf einer, damit zu vergleichenden vieljährigen 
Beobachtung des Hrn. 3. beruhende Thatſache, daß am Orte ſelbſt die Maſern fo gut wie 
Scharlach, Varioloiden, Keuchhuſten und bisweilen ſelbſt der Typhus zwar epidemiſch, aber 
auch eben ſo wenig als dieſe jemals während der Curzeit, immer nur im Verlaufe des Spät— 
herbſtes und Winters bis zum Frühjahre herrſchen, alsdann ſich zu Ende neigend. Unter 
mehreren, von ihm mitgetheilten Krankheitsfällen waren diejenigen von beſonderem Intereſſe, 
in welchen an chroniſchen Bruſt- und Unterleibs-Uebeln Leidende, durch den mehrmals wie— 
derholten Gebrauch von Salzbrunn theils merklich gebeſſert, theils nur gefriſtet, von neuem 
Muthe beſeelt jährlich zur Quelle wiederkehren. 


Den 1. März ſprach Herr Prof. Dr. Barkow, ſeine früheren intereſſanten Mit— 
theilungen über den Winterſchlaf fortſetzend, über die Urſachen der, wie er glaubt, 
in dem Baue der Reſpirations-Organe begründeten großen Empfindlichkeit der, dem Winter— 
ſchlafe unterworfenen Thiere gegen Kälte. Beim erſten Anblicke gewähren zwar die Lungen 
ſo wenig als die Luftröhre der, einen Winterſchlaf haltenden Säugethiere etwas Eigenthüm— 
liches; bei näherer Betrachtung aber findet man die bronchi und deren Verzweigungen ver— 
hältnißmäßig weiter, als bei, dem Winterſchlafe nicht unterworfenen Thieren. So nehmen 
auch die Lungen der Winterſchläfer beim Einblaſen der Luft einen bedeutenderen Umfang, als 
die anderer, ihnen ſonſt nahe ſtehenden Thiere an, ſinken aber beim Nachlaſſen des Aufbla— 
ſens in einem höheren Grade wieder zuſammen, ſo daß daraus auch in dem Parenchym der 
Lungen ein Vorwalten der häutigen Theile (der Lungenbläschen vor den Haargefäßen) her= 
vorzugehen ſcheint. Hr. B. fand die ungewöhnliche Weite der Luftgefäße in den Reſpira— 
tions⸗Organen des Igels, Zieſels und Hamſters. Seine Anſicht, meint er, werde auch 


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durch den Bau der Reſpirations-Organe in den übrigen Thier-Claſſen noch wahrſcheinlicher. 
Gerade bei denjenigen Thieren ſei der Winterſchlaf am allgemeinſten, bei welchen die Blutge⸗ 
fäße der Reſpirations⸗Organe gegen die Luftgefäße verhältnißmäßig zurücktreten, dieſe ent: 
weder vorherrſchend oder allein ausgebildet erſcheinen und ſo bei erniedrigter äußerer Tempe— 
ratur um ſo leichter eine verminderte Reſpirations-Thätigkeit herbeigeführt werden könne, 
wie bei den Reptilien, bei denen noch die beſtändige Vermiſchung des arteriellen und venöſen 
Blutes im Herzen in Betracht komme, bei den, atmoſphäriſche Luft athmenden Mollusken 
und bei der großen Claſſe der Inſecten in ihren verſchiedenen Verwandlungsſtufen, während 
bei den Vögeln, deren Reſpirations-Organe den complicirteſten Bau zeigen und die Reſpira— 
tions⸗Thätigkeit den höchſten Grad erreicht, der Winterſchlaf nicht vorkommt. — Ueber das 
Vorkommen des Winterſchlafes in der Thierreihe ſprechend, bemerkte Hr. B., daß die Ento— 
zoen der, einen Winterſchlaf haltenden warmblütigen Thiere wie dieſe wahrſcheinlich einem 
regelmäßigen Winterſchlafe unterworfen ſind, indem ſie mit der niederen oder höheren Tempe— 
ratur der Thiere, in denen ſie leben, wahrſcheinlich zu einer geringeren Lebensthätigkeit herab— 
geſtimmt oder zu einer höheren geweckt werden. Mehrere Exemplare der Physaloptera 
clausa fand er in dem Magen eines, im Winterſchlafe getödteten Igels ohne Lebensäußerun— 
gen, die aber lebhaft ſich zeigten, als die Thiere in warmes Waſſer gelegt wurden und beim 
Zugießen von kaltem Waſſer wieder verſchwanden. 


Herr Dr. Aug. Burchard ſprach: Ueber atresia vaginae nymphica und 
hymenica. Wie oft auch angeborne Krankheiten, Anomalieen und Mißbildungen der 
Genitalien im Allgemeinen vorkommen mögen, ſo iſt es doch beſonders die Verſchließung des 
Scheideneinganges, welche er nicht nur bei Kindern, ſondern auch häufig bei Erwachſenen zu 
beobachten Gelegenheit hatte. Außer der, von den Aerzten früher nur beobachteten atresia 
vaginae hymenica, d. h. der durch theilweiſe oder gänzliche Verwachſung oder Verbil- 
dung der (den pronaus vaginae von dem Scheidenkanal ring- oder halbmondförmig trennen— 
den) Scheidenklappe bedingten Verſchließung des Scheideneinganges ſind es vorzugsweiſe die 
kleinen Schamlefzen (labia minora s. nymphae), welche eine vollkommene, nach Hrn. B. 
als atresia vaginae nymphica näher zu bezeichnende Verſchließung des Scheiden— 
einganges zulaſſen. Dieſe, hier nur angedeutete Anomalie ausführlicher beſchreibend, machte 
er, mit Hinweiſung auf eine, der Verſammlung vorgelegte, die Geſchlechtstheile eines nur 
1 „jährigen Mädchens vorſtellende naturgetreue Zeichnung, auf den weſentlichen Unterſchied 
dieſer organiſchen Verſchließung von jener (der atresia vaginae hymenica), fo wie auf das, 
dabei zu beobachtende operative Verfahren aufmerkſam und theilte ſodann noch einige, in 
neueſter Zeit beobachtete Fälle von bloßer Verſchließung der Scheidenklappe mit, gegen welche 
ein, von ihm angegebenes Inſtrument zugleich als pessarium gebraucht und (von der Kran— 
ken ſelbſt) ſo angewandt werden könne, daß ſich die Theile auf unblutige Weiſe erweitern. 


Herr Dr. Simſon theilte in gedrängter Kürze die Reſultate der, ſeit dem Jahre 1836 
(S. Ueberſicht der Arbeiten und Veränder. der Schleſ. Gef, für v. C. im Jahre 1836) von 


ihm in mehreren Fällen von theils rein nervöſer Epilepfie, theils Veitstanz mit dem (von 
Champorcin in Schleiz dagegen empfohlenen) succ. antepilept. wiederholt angeſtellten Ver⸗ 
ſuche mit. In keinem derſelben hat er von der Anwendung dieſes Mittels auch nur eine 
Spur von Beſſerung, geſchweige denn vollkommene Heilung geſehen, ſo daß unter ſo be— 
wandten Umſtänden daſſelbe ſich als ganz unwirkſam herausſtellt. — Hr. Geh. Rath Dr. 
Wendt knüpfte hieran die Bemerkung, daß unter allen, gegen Epilepſie aus dynamiſchen 
Urſachen als arcana oder specifica empfohlenen Mitteln ihm das Ragolo'ſche Mittel und die 
ſogenannten blauen Pillen (pilul. coerul. — das W noch Nite; zu haben 
ſchienen. f 
Den 5. April ſetzte Herr Dr. Seidel ſeine Mittheilungen beſonderer prak⸗ 
tiſchen Fälle fort, die Aufmerkſamkeit der Verſammlung zunächſt auf die, ſeit dem Jahre 
1822 in wenigſtens zwanzig Fällen von ihm gegen den hydrocephalus verſuchte 
methodiſche Einreibung der grauen Queckſilberſalbe lenkend und auf einen, 
früher (im Mai 1836) von ihm über denſelben Gegenſtand gehaltenen Vortrag Bezug neh— 
mend. Durchſchnittlich wurden % ſolcher, am hydrocephalo interno (meningum, cavi- 
tatum cerebri) acquisito, nicht congenito leidenden, alſo bei ſchon vorhandenem, den Er: 
ſcheinungen nach nicht zu bezweifelndem Exſudat von ihm wieder hergeſtellt. Auf ähnliche, 
in jüngſt verfloſſener Zeit theils gegen dieſelbe Krankheitsform von den Franzoſen Liegard 
und Guerſent, theils auch gegen andere (Entzuͤndungs-) Krankheiten, wie von Pemberton, 
Niemann und von Baſedow bald mit, bald ohne Erfolg angeſtellte Verſuche hinweiſend, be⸗ 
merkte Hr. S „ daß er, weit entfernt, den, von ihnen in allen den Fällen, in welchen Blut— 
entziehungen Akvsber nicht möglich oder doch unzureichend find, als antiphlogisticum ange- 
wandten Mercurialeinreibungen dieſe Wirkung abſprechen zu wollen, vielmehr der Anſicht ſei, 
daß ihre Wirkung über den eigentlichen Entzündungszuſtand hinausreiche, und daß ſie, cete— 
ris paribus, den hydrocephalus in ſeinem erſten Entſtehen, durch Beſeitigung der, ihn als 
Folgekrankheit bedingenden und als erſte Stadien deſſelben anzuſehenden (urſächlichen) Mo: 
mente, wie der Hirnreizung, des activen Congeſtionszuſtandes und der Encephalitis ſelbſt, 
anderer Verhältniſſe nicht zu gedenken, in den meiſten Fällen nicht nur zu verhüten, ſondern 
auch bei gewiß ſchon vorhandenem Exſudat in vielen Fällen noch zu heilen vermögen. — 
Als das wirkſamſte Mittel gegen den Holzbock (auch die Zecke, ixodes ricinus 
Oken., acarus ricinus Fabric., früher ricinus caninus genannt), ein, in Wäldern an 
Pflanzen lebendes, und an vorübergehende Säugethiere, beſonders Rinder, Schafe, Jagd— 
hunde und, wie Hr. S. ſchon in ſeiner Jugend beobachtet hat, nicht ſelten auch an Menſchen 
ſich anhängendes, tief in die Haut ſich eingrabendes und Blut ſaugendes (Schmarotzer-) Inſect 
empfiehlt derſelbe aus vielfacher Erfahrung das Kauteriſiren mit einer glühenden Nadel oder 
wiederholtes Betüpfen mit recht heißem Oel. — Zur Minderung des, bei dem immer ſelte— 
ner werdenden podagra vorhandenen, wiewohl als eine kritiſche Erſcheinung zu betrachtenden 
und als eine höchſt ſchmerzhafte entzündliche Geſchwulſt der Ballen an der großen Zehe ſich 
charakteriſirenden Localleidens wendet Hr. S. äußerlich ſtatt der örtlichen Blutentziehungen 


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die, mittelft eines Haarpinſels halbſtündlic aufzuſtreichende concentrirte Blauſäure mit Erfolg 
an. — Ein, in Folge ſeines, in jeder Beziehung ungeregelten Lebens, der Unreinlichkeit 
und gänzlich vernachläßigter Hautcultur in feinem 60ſten Jahre von phthiriasis befallener 
Mann wurde durch ein, von Hrn. S. verordnetes warmes Bad mit Zij Salmiak und Zij 
Sublimat auf Ein Mal von den Paraſiten befreit und die, mit jener gegebene Dispoſition 
zur Kachexie durch das nachherige ſtärkende Verfahren gehoben, wiewohl er vier Jahre ſpäter 
in einen geſtörten Gemüthszuſtand verfiel, in welchem er nach längerer Zeit 71 Jahre alt 
ſtarb. — Ein J jähriges, an ſehr heftiger chroniſcher Diarrhoe leidendes, höchſt abgemager- 
tes, von einem anderen Arzte mit ſchleimigen, ſtärkenden und adſtringirenden Mitteln ohne 
allen Erfolg behandeltes Kind wurde von ihm durch die Anwendung der Tinct. op. croc. 
(Gutt. Viij, Aq. Cinnam. simpl. 3ß, Elaeosacch. Calam. Zij. MDS. zweiſtündlich 30 Tro⸗ 
pfen mit einem Kaffelöffel ſchwarzen Kaffeaufguß, alfo Gutt. j p. d.) in wenigen Tagen wie— 
der hergeſtellt. — Eine, in Form von intermitt. quotid. nächtlich um 3 Uhr wiederkehrende 
Kolik wurde durch nur zwei, kurz vor den erwarteten Anfällen genommene Gaben von Chin. 
muriat. gr. iij mit Op. pur. gr. ß vollſtändig beſeitiget. — Den Beſchluß feines Vortra⸗ 
ges machte die Mittheilung zweier, von ihm behandelten Fälle von chroniſchem Kopf- 
weh (cephalaea). In dem einen, einen 27jährigen kräftigen Mann betreffenden Falle, 
dem ſich auch, trotz der Anwendung verſchiedener, dagegen verſuchten Heilmethoden, täglich 
ſich ſteigernde krampfhafte Erſcheinungen und epileptiſche Zufälle beigeſellten, erlag Patient 
zuletzt einem wiederholt erlittenen Anfalle von Apoplexie. Bei der nur geſtatteten Oeffnung 
der Kopfhöhle zeigte ſich, daß eine, hinter der Protuberanz des linken Stirnbeins an der 
dura mater ſitzende, eirunde, 7, Zoll lange und J Zoll dicke, mit einer pergamentartig 
feſten Hülle umgebene und ihrem Inhalte nach der meliceris ähnliche Balggeſchwulſt, alſo 
ein organiſches Hirnleiden die Urſache war. In dem anderen Falle wurde eine 43jährige, 
zu ſpaſtiſchen Affectionen, zumal nach Gemüthsbewegungen ſehr geneigte Frau von einem faſt 
eben ſo heftigen, vornehmlich aber die Scheitelhöhe einnehmenden Kopfſchmerze nach eilf Jahre 
langen, allen dagegen angewandten Mitteln hartnäckig trotzenden Leiden endlich durch eine 
ſtreng durchgeführte Hunger- und Inunctionscur ganz befreit. | 


| Herr Geh. Medicinal-Rath Dr. Wendt theilte die Geſchichte einer, von ihm 
beobachteten, tödtlich verlaufenen Krankheit und die Ergebniſſe der Se— 
ction mit. Ein 37jähriger Mann hatte in nächſter Folge eines, von ihm vernachläßigten 
Katarrhs eine, von Orthopnoe, bedeutender Intermiſſion des Herz- und Pulsſchlages und 
dem (vom Pat. als ſolches bezeichneten) Gefühle einer Ueberſchwemmung des Herzens beglei— 
tete ſchwere Lungen- und Herz-Entzündung erlitten. Durch ein ſtreng antiphlogiſtiſches 
Verfahren, wiederholte Blutentziehungen, die Anwendung der Blauſäure, des Brechwein— 
ſteins u. f. w. in ihrer Heftigkeit gebrochen, verlief die Krankheit von nun an ohne alle ſtür— 
miſchen Zufälle. Mit dem 7ten Tage trat, wiewohl ohne sputa und bei nur unvollkomme⸗ 
nen Kriſen durch Schweiß und Urin merkliche Beſſerung und mit ihr die Wiederkehr des Ap— 


petits und der gewohnten Luft zu geiſtiger, wiewohl ihm ausdrücklich verbotener Beſchäfti— 
gung ein. Patient war in ſeiner, nicht mehr zweifelhaften Wiedergeneſung begriffen, als 
am 16ten Tage ſeit feiner Erkrankung plötzlich ein insultus maniacus, und als dieſer nach— 
ließ, noch an demſelben Tage eine als Wahnwitz (paranoea, garrulitas) ſich charakteriſirende 
bleibende Gemüthsſtörung eintrat. Erſt in der Nacht kurz vor ſeinem, den 23ſten Tag der 
Krankheit erfolgten Tode kehrte ſein Selbſtbewußtſeyn wieder, wie ſich dieß durch die, an 
ſeine Krankenwärter gerichtete Bitte um eine bequemere Lage und durch die Aeußerung kund 
gab, es dürfte dieß der letzte, vor ſeinem nahen Lebensende ihm noch zu erweiſende Dienſt 
ſeyn. — Bei der Section fand man unter Anderem Adhäſionen der dura mater mit der 
Schädeldecke, Ueberfüllung des Gehirns mit Blut; die Lungen nicht nur hie und da mit der 
pleura verwachſen, ſondern in ihnen auch in verſchiedenen Stadien ſich befindende Tuberkeln; 
die rechte Herzkammer und ihr Vorhof mit plaſtiſcher, coagulabler Lymphe in Form und Con— 
ſiſtenz eines, an den Wänden feſt anhängenden Polypen ganz und ſo ausgefüllt, daß dieſes 
krankhafte Product nur mit Mühe mittelſt des Scalpellheftes getrennt werden konnte. — 
Unter den urſächlichen Momenten des fraglichen Seelenleidens dürften wohl außer der dispo— 
sitio hereditaria beſonders noch die ſchlechte Blutbereitung (Dyskraſie), wie dieſe ſich durch 
den Mangel an cruor und die veränderte Plaſticität deutlich genug, wenn auch erſt post 
mortem als ſolche charakteriſirte, und die höchſte geiſtige Anſtrengung des Verſtorbenen noch 
in ſeinen letzten Tagen obenan ſtehen, wiewohl dabei die vorausgegangene ſchwere Entzün— 
dung ſo edler Organe mit nur unvollkommenen Kriſen nicht zu überſehen iſt. 


Herr Dr. Aug. Burchard las: Ueber den Hebammen-Unterricht in Schle— 
ſien. Er iſt der Anſicht, daß der, den Hebammen zu ertheilende Unterricht nicht nach einer 
allgemeinen Norm, wie dieſe in den desfalls entworfenen Lehrbüchern geſetzlich vorgeſchrieben 
iſt, ſondern je nach Verſchiedenheit ihrer Bildungsfähigkeit, des Culturzuſtandes und des Be— 
dürfniſſes einzelner Landestheile, in welchen, wie in Schleſien ſeit 1740 derartige Unterrichts⸗ 
anſtalten beſtehen, hier ſo, dort anders eingerichtet werden müſſe. | | 


Den 3. Mai las Herr Geh. Medicinal-Rath Dr. Wendt: Ueber die Ausrot— 
tung der Siphylis mit Rückſicht auf die, in dieſem Gebiete promulgirte 
neueſte Geſetzgebung Belgiens. Wenn von Ausrottung der fraglichen Krankheit die 
Rede iſt; ſo muß nachgewieſen werden: 1) die ſelbſtſtändige Exiſtenz derſelben als morbus 
sui generis; 2) daß fie früher, d. h. vor dem 16ten Jahrhunderte unbekannt geweſen, und 
3) daß ſie eine, immer nur durch ein contagium mitgetheilte Krankheit ſei. Stellen ſich 
dieſe drei Behauptungen, wie wir zugeben müſſen, als Erfahrungsſätze heraus; ſo dürfte 
hiemit auch die nicht zu beſtreitende Möglichkeit ihrer gänzlichen Ausrottung gegeben ſeyn. 
Die Belgiſche Regierung hat auf dieſen Gegenſtand ihre beſondere Aufmerkſamkeit gerichtet 
und ein, zu dem Ende niedergeſetzter Comité central ein darauf bezügliches Reglement 
(projet de reglöment sur la prostitution 1838) entworfen. Es fragt ſich nur, wie weit 
die Gränzen der, von Seiten des Staates im Intereſſe feiner Bürger und der gefährdeten 


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Menſchheit zu Hehe Sicherungsmaßregeln fich erſtrecken können und wie weit die öffent: 
liche Gewalt, ohne der Sünde Vorſchub zu leiſten, gehen darf? Jeden Falls bedarf das 
ſelbſtverſchuldete Unglück, auf welches Rückſicht zu nehmen, die Humanität ſo dringend gebie— 
tet, der wie ihm ſchuldigen Schonung, ſo auch nicht zu verſagenden Hülfe, wiewohl die Ver— 
hütung der, wie jeder Menſchenfreund wünſchen muß, durch das Einſchreiten der öffentlichen 
Gewalt unmöglich zu machenden Anſteckung immer das Wichtigſte bleibt. Dem Staate könne 
aber nicht zugemuthet werden, zur Erreichung dieſes Zweckes ohne Unterſchied aller, gleichviel 
welcher, wenn auch ſeiner unwürdigen Mittel ſich zu bedienen. Zur kritiſchen Beurtheilung 
des fraglichen (von einem Königl. Preuß. hohen Miniſterium dem hieſigen Königl. hochlöbl. 
Medicinal-Collegium zur Begutachtung mitgetheilten) Reglements ſelbſt fo wie zur näheren 
Beleuchtung einzelner, im Auszuge mitgetheilten Artikel alsdann übergehend, machte Hr. W. 
wie einer Seits auf die, ſeiner Ausführung im Wege ſtehenden Schwierigkeiten, ſo auch an— 
derer Seits auf die Nothwendigkeit der möglichſt zeitigen Entdeckung und Heilung des Uebels 
aufmerkſam, als durch welche die Verminderung des Umſichgreifens 1 der n 
teren Verbreitung zunächſt und vornehmlich bedingt werde. 


Den 13. Mai wurde in einer außerordentlichen, ſehr zahlreichen ln die, in 
Vorſchlag gebrachte Aufnahme von Homöopathen als Mitglieder der Geſellſchaft und reſp. 
auch der mediciniſchen Section in Frage geſtellt und nach desfallſiger gemeinfchaftlicher Bera— 
thung der einſtimmige Beſchluß gefaßt, an ein hochverehrliches Präſidium den (ſpäter geneh— 
migten) Antrag zu ſtellen, weder Homöopathen, als durch deren Zutritt die, ihnen fremden 
Intereſſen der Section wie der Wiſſenſchaft nicht anders als gefährdet werden können, noch 
auch diejenigen als Mitglieder aufnehmen zu wollen, welche nicht durch den betreffenden Se— 
cretair der Section, der ſie, einer beſonderen (Berufs-) Wiſſenſchaft zugewandt, ſich näher 
anzuſchließen beabſichtigen, in Vorſchlag gebracht worden. 


Den 7. Juni machte Herr Prof. Dr. Kuh eine, auf operative Orthopädik 
bezügliche Mittheilung. Mit Hinweiſung auf das, was Strohmeyer, Dieffenbach, 
Scoutetten und Andere in dieſem Gebiete (der operativen Behandlung des Klumpfußes und 
ſchiefen Halſes) geleiſtet haben, bemerkte er, daß er, unmittelbar oder 24 Stunden nach der 
Operation (des Klumpfußes) den Streckapparat anlegend, ſich dabei, wie von Ammon und 
Zeis, der beſten Erfolge erfreue. Was aber zur Beſeitigung der ſo häufigen, entweder nach 
geheilten Leiden des Kniegelenkes ſelbſt, oder nach Krankheiten anderer Theile der Extremität 
zurückgebliebenen Curvaturen des Kniegelenkes zu thun ſei, darüber herrſche noch viel Zwei— 
fel, wiewohl wir, nachdem Strohmeyer ſo glücklich die Bahn gebrochen, durch ein ſorgfälti— 
geres Studium auch dieſer Verkrümmungen, mit der Zeit über das Cauſal-Verhältniß der— 
ſelben nähere Aufſchlüſſe zu erhalten hoffen dürfen. Daß bei Verkrümmungen nicht ankylo— 
tiſcher Art (da wahre Ankyloſe ſelten iſt) mehrere Umſtände und rein mechaniſche Urſachen 
concurriren, iſt um ſo weniger zu bezweifeln, als ſie ſich nicht nur im Leben, ſondern auch 
bei Leichen als ſolche nachweiſen laſſen, daher denn auch in geeigneten Fällen durch raſche 

13 


> sh 


— 


Beſeitigung der einen oder anderen als der überwiegend wirkſamen Urſache, als welche in vie— 
len Fällen die Curvatur der Beugemuskeln des Unterſchenkels anzuſehen ſeyn dürfte, die durch 
die Tenotomie bedingte Heilung der Krankheit möglich iſt. Selbſt das Vorhandenſeyn einer 
etwanigen fehlerhaften Knochenbildung dürfte hier ſo wenig, wie beim Klumpfuße den Erfolg 
der Operation, der hier in Betracht kommenden Durchſchneidung der unteren ſehnigten Enden 
des biceps einer, und des semitendinosus und semimembranosus anderer Seits hindern, 
ſo fern die Contractur dieſer Muskeln jene Krümmungen vorzüglich begründen. Dieſen Ge— 
genſtand ſo ausführlich erörternd und ſo vielſeitig beleuchtend, als ſein Intereſſe es zu fordern 
ſchien, theilte Hr. K. ſchließlich noch einen hieher gehörigen derartigen Fall mit, in welchem 
bei einem 6 / jährigen Knaben, bei dem in Folge einer, angeblich in einem Alter von 
, Jahre aus nicht ermittelter Urſache erlittenen, wahrſcheinlich aber durch einen Fall bewirk— 
ten Luxation der linken Unter-Extremität Contracturen eingetreten waren, die Tenotomie 
(Durchſchneidung der Sehne des biceps ſemoris) mit darauf folgender Extenſion von ihm 
zum erſten Mal verrichtet wurde, ohne daß jedoch der Erfolg der Operation erwuͤnſchter war, 
als die Umſtände in dem hoffen ließen. | 

* 


Herr Dr. Preiß las: Ueber die Pathogenie der Chloroſe. Während der 
Pubertäts⸗Entwickelung erleidet die reproductive Thätigkeit des weiblichen Organismus in 
Folge un vollkommener Blutbereitung und des, damit gegebenen Mangels plaſtiſcher Stoffe 
Abweichungen der Art, daß nicht nur der organiſche Anbildungs-Proceß im Allgemeinen eben 
ſo unvollkommen, ſondern auch das, in ſeiner Ausbildung begriffene Genital-Syſtem ins 
Beſondere beeinträchtiget, die normale Sexual-Function gehindert und ſomit auch die Chlo— 
roſe als eigenthuͤmliche Krankheitsform geſetzt wird. Wie als das Weſen derſelben immer 
abnorme Blutbereitung, ſo duͤrften als alleinige (äußere) Urſache nur ſolche Einwirkungen an— 
zuſehen ſeyn, welche in jener Epoche ein zwar verändertes Miſchungsverhältniß des Blutes 
herbeizuführen vermögen, ohne daß dieſes jedoch etwas Specifiſches darboͤte; denn die ſoge— 
nannte chlorotiſche Kakochymie, zu der es endlich bei mangelhafter Entwickelung des Genital— 
Syſtems in ſeiner Rückwirkung auf das Geſammtleben kommen kann, wird lediglich durch 
die Beſchaffenheit des, an plaſtiſchen Beſtandtheilen armen Blutes bedingt. Nachdem nun 
Hr. Pr. dargethan, daß dem Entſtehen der Chloroſe im Allgemeinen ein normwidriges Mi— 
ſchungsverhaͤltniß des Blutes zu Grunde liege, ging er zur ſpecielleren Betrachtung der, in 
modo verſchiedenen pathogenetiſchen Verhältniſſe über, unter welchen fie zu Stande komme, 
wobei er die ſogenannte ſtheniſche Form als die, bei Weitem am häufigſten vorkommende 
species von chlorosis beſonders darum hervorhob, weil die Erſcheinungen der Krankheit ſchon 
bei ihrem erſten Entſtehen einen Congeſtiv- und zuweilen ſelbſt ſubinflammatoriſchen Zuſtand 
der Leber mit venöſem Charakter ſo wenig als eine Mitleidenſchaft des Herzens als des Cen— 
tral⸗Organs des Blutſyſtems verkennen laſſen. Auch finde man in den Leichen Chlorotiſcher 
nicht nur Erweiterungen des rechten Herzens und Ueberfüllung deſſelben mit venöſem Blute, 
ſondern gleichzeitig auch in der Leber und dem Pfortaderſyſtem ſogenannte Physkonieen und 


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Blutanhäufungen. Dieſen Beobachtungen zu Folge glaube er annehmen zu dürfen, daß in 
vielen, wo nicht den meiſten Fällen das chlorotiſche Leiden ſelbſt da, wo die darauf bezuͤgli— 
chen Zufälle beim erſten Anblicke dafür zu ſprechen ſcheinen, daß das Herz der locus affectus 
ſei, urſprünglich von der Leber ausgehe, jeden Falls aber, daß beide Organe miteinander in 


(ſympathiſcher) Wechſelwirkung ſtehen. 


Den 5. Juli ſprach Herr Prof. Dr. Barkow: Ueber die Bereitung der thie— 
riſchen Wärme überhaupt und über den Antheil der Reſpirationsthätig— 
keit an derſelben ins Beſondere. Aus ſeinen, an dem arteriellen Blute der, aus 
dem tiefen Winterſchlafe auf kurze Momente erweckten Igel angeſtellten Beobachtungen ſchloß 
er, daß, wenn auch in den Lungen bei dem Entkohlungs-Proceſſe etwas Wärme entwickelt 
werde, dieſe doch nicht hinreiche, dem, wenn auch vollkommen gerötheten Blute einen irgend 
bedeutenderen Grad von Wärme mitzutheilen. Er machte auf frühere, der Section von ihm 
mitgetheilte, durch ſpäter wiederholte Verſuche beſtätigte Beobachtungen aufmerkſam, nach 
welchen bei Igeln, deren Reſpirationsthätigkeit erregt worden, ohne daß die Thiere aus dem 
Winterſchlafe vollkommen erwachten, das von den Lungen zurückkehrende arterielle Blut hell— 
roth, aber kalt durch den Körper getrieben wird. Die Reſpirationsthätigkeit iſt bei den hö— 
heren Thieren alſo auch nur eigentlich ein vorbereitender Act, durch welchen das Blut im 
Haargefäßſyſtem der Lungen in den Stand geſetzt wird, durch ſeine arterielle Beſchaffenheit 
im allgemeinen Haargefäßſyſtem in dem Grade reizend zu wirken, daß die Wärme erzeugt 
werde, von hieraus den geſammten Körper und ſomit auch die geſammte Blutmaſſe durch— 
dringend. — Hr. B. hat in dem jüngſt verfloſſenen Winter an dem Blute des Igels wäh— 
rend des Winterſchlafes fernere Beobachtungen angeſtellt, die ihm einiges Intereſſante darzu— 
bieten ſcheinen. Das geſunde Blut warmblütiger Thiere hält, in Beziehung auf Gerinnung 
im Allgemeinen, wenn es aus dem lebenden Körper gelaſſen wird, gleichen Schritt mit dem 
eintretenden Erkalten. Es ſcheint nun auffallend, daß bei den Winterſchläfern das Blut, 
trotz des Erkaltens, im Winterſchlafe nicht gerinnt, während nach ſeinen Beobachtungen das 
warme Blut wachender Igel gleichzeitig mit dem Erkalten ſofort nach dem Austreten aus dem 
Körper gerinnt. Das venöſe und arterielle Blut bieten in dieſer Beziehung Verſchiedenhei— 
ten dar. Das, im Winterſchlafe getödteter Igel aus der vena cava inferior aufgefangene 
Blut gerinnt ziemlich raſch nach dem Ausfließen aus der Ader, obgleich langſamer, als bei 
Thieren im wachen Zuſtande. Das arterielle geröthete, aber kalte, von den Lungen zurück— 
kehrende, durch die aorta und deren Zweige ſtrömende Blut gerinnt viel ſpäter. In einem 
Falle war es nach Verlauf einer halben Stunde noch flüſſig. Eben ſo erhält ſich aber auch 
das bereits geronnene arterielle Blut länger in ſeinem Zuſammenhange, indem Serum und 
Blutkuchen ſich langſamer von einander ſcheiden. Es ſtehen dieſe und die uͤbrigen Erſchei— 
nungen des Winterſchlafes mit einander im engſten Zuſammenhange. Wie die Irritabilität 
ſpäter bei den im Winterſchlafe, als bei den im wachen Zuſtande getödteten Thieren ſchwin— 
det, das Zerſetzen des Körpers im Tode langſamer erfolgt, Fäulniß ſelten oder gar nicht ein— 

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tritt, indem der Körper meiſtens eintrocknet, fo erlifcht bei feinem Entweichen auch das Leben 
im Blute ſpäter, und in dem Zuſtande herabgeſunkener Vitalität fete es langſamer in 
ſeine Elemente. nie, ' 


Herr Dr. Grötzner theilte einige praktiſche Beobachtungen und Bemer— 
kungen über den Krebs, ins Beſondere über den Leber- und Zungen⸗ 
Krebs mit. Wie oft und an welchen Theilen er auch den Krebs bisher beobachtet hat, im— 
mer habe er ihn, aller Kunſthülfe trotzend und ſelbſt nach der Operation früher oder ſpäter 
wiederkehrend, tödtlich enden ſehen. Wie äußerlich an dem Auge, der Ober- und Unter— 
Lippe, dem Unterkiefer, der Naſe, der Zunge und in den weiblichen und männlichen Bruft: 
drüſen, fo ſei er ihm innerlich in der Leber, dem pancreas, dem Magen, der Gebärmutter, 
den Eierſtöcken und dem Maſtdarme vorgekommen. Dieſe inneren, zum Leben mehr oder 
minder wichtigen Organe pflegen, wie bei anderen Krankheiten, ſo auch hier oft nur durch 
Uebertragung (per metaschematismum) des, größten Theils erſt äußerlich in den Hautdrü⸗ 
ſen ſich kund gebenden, ohne Rückſicht auf die (allgemeine) krankhafte Dispoſition in ſeiner 
erſten Entwickelung geſtörten, durch bloßes mechaniſches Eingreifen entfernten und ſo gewalt— 
ſam zurückgedrängten Krebsleidens auf dieſelben ergriffen zu werden. Als in einem ſolchen 
pathologiſchen Wechſelverhältniſſe mit einer, mehrere Jahre beſtandenen, durch die Anwen— 
dung mehrerer Aetzmittel, namentlich des ſalzſauren Zinks und den innerlichen Gebrauch des 
ſalzſauren Goldes endlich geheilten krebshaften Excreſcenz auf der Naſenſpitze gegründet, wie— 
wohl durch mancherlei Widerwärtigkeiten in ſeinem Entſtehen begünſtiget glaubt Hr. Gr. 
einen, bei einer 63jährigen Witwe beobachteten, durch die Section nachgewieſenen Leber— 
Krebs betrachten zu müſſen, obgleich auch das pancreas und die Ovarien mehr oder weniger 
ähnliche, darauf bezügliche Entartungen darboten, während alle übrigen Unterleibs-Organe 
im Zuſtande vollkommener Integrität ſich befanden. Ein nicht geringeres Intereſſe gewährte 
eine andere, von ihm eben ſo ausführlich mitgetheilte Beobachtung eines Zungen— 
Krebſes bei einem 34jährigen Manne. Auch in dieſem Falle, in welchem Hr. Gr. das 
Uebel ſich entwickeln und verlaufen ſah, wurden, wie in jenem, alle, der Kunſt zu Gebote 
ſtehenden, wie ſehr auch gegen den Krebs geprieſenen Mittel ohne bleibenden Erfolg ange— 
wandt und Pat. durch einen ſanften Tod von ſeinen ſo ſchweren Leiden endlich erlöſt. Ei— 
nige lehrreiche, an beide Mittheilungen geknüpfte Bemerkungen über die Pathogenie, über 
die, ob irgend mögliche Tilgung der Dyskraſie und die operative Behandlung des Krebſes, ſo 
wie die Verſicherung, daß die nächſten Umgebungen des Kranken und namentlich ſeine, mit 
ihm in engſter Verbindung lebende Frau ſo wenig als der, noch lebende zarte Sprößling 
ſeiner letzten Liebe in ihrem Geſundheitswohl durch etwanige Anſteckung irgendwie gefährdet 

wurden, machten den Beſchluß dieſes ſehr intereſſanten Vortrages. 


Den 2. Auguſt theilte Herr Geh. Medicinal-Rath Dr. Wendt Einiges über die 
Thermen zu Warmbrunn (aus einer nächſtens zu veröffentlichen Monographie) mit. 
Zuerſt über den Gebrauch der warmen und kalten Bäder im Allgemeinen ſprechend, gab er 


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einige gefchichtliche, auf dieſen Gegenſtand bezügliche Notizen. Was die verſchiedenartigen, 
von den Alten zu Bädern benutzten Flüſſigkeiten betrifft; ſo gehören außer den, von Plinius 
(vid. histor. natural. lib. X XVI. cap. 5; lib. XX VIII. cap. 9.) erwähnten Bädern von 
Menſchenblut die warmen Oel- und Milchbäder und in neueſter Zeit die Bäder von Butter— 
milch (als Schönheitsmittel) hieher. Die, bei den Bädern, zu welchen das theils telluriſche, 
theils auch meteoriſche Waſſer ſich am meiſten eignet, beſonders in Betracht kommende, wenn 
auch dem ſubjectiven Gefühle nach relative Temperatur läßt ſich doch nach einem, im Allge— 
meinen feſtſtehenden Maaßſtabe als Wärme und Kälte beſtimmen. Wie das Gedeihen der 
geſammten organiſchen Natur und aller Vegetation fördernd, ſo auch in ſehr vielen Arten des 
Scheintodes ſich als wirkſam bewährend, gehoͤrt die Wärme auch in Form von Waſſerbädern 
zu den heilkräftigſten Mitteln, wiewohl ein Uebermaß derſelben eine Neigung zur Entmiſchung 
und Zerſetzung herbeiführt. Die Wirkung der Kälte und ihre Anwendung zu therapeutiſchen 
Zwecken iſt den Aerzten längſt bekannt. Unter Anderen haben zwei Schleſiſche Aerzte, Hahn, 
Vater und Sohn ihrem Gebrauche eine größere Ausdehnung gegeben. Neu dürſte nur der, 
gegenwärtig ſo häufige Mißbrauch, den man vom kalten Waſſer macht, und der allgemein 
verbreitete Wahn ſeyn, daß durch derartige, ſogenannte Kaltwaſſercuren alle, wie ſehr auch 
von einander verſchiedene Krankheitsformen geheilt werden können. Die Kälte wirkt be— 
ſchränkend und zurückdrängend, daher ihre Anwendung, wo Congeſtivzuſtände gemindert, 
Entzündungen in ihrer Heftigkeit gebrochen und die Entſtehung neuer krankhafter Bildungen 
verhütet werden ſollen. Oft indeß wird, zumal bei langwierigen Leiden mit materieller 
Grundlage durch die rückſichtsloſe, unbeſonnene Anwendung der Kaͤlte die Krankheit von 
einem minder edlen Theile auf einen edleren nicht ohne Lebensgefahr getrieben. Wie oft auch 
derartige Nachtheile durch, von der reagirenden Naturthätigkeit bewirkte Schweiße gehoben 
werden mögen; ſo ſind doch in neueſter Zeit plötzliche Schlagflüffe, Gehirnkrankheiten, See: 
lenſtörungen, Herzleiden u. ſ. w. als unglückliche Folgen des Mißbrauchs des kalten Waſſers 
und der (wie der Gräfenberger) Kaltwaſſercuren nicht ſelten beobachtet worden. Die Mine— 
ralquellen, als in welchen noch die, den Chemiker und Mineralogen vorzüglich intereſſirenden 
Beſtandtheile in Betracht kommen, ſind für den praktiſchen Arzt von beſonderer Wichtigkeit, 
ohne daß jedoch die therapeutiſche Wirkung der erſteren von einem plus oder minus der letz— 
teren abhinge. Daher die, wie ſehr auch in neuerer Zeit für identiſch mit den natürlichen 
gehaltenen und desfalls als ſtellvertretend empfohlenen künſtlichen Mineralbrunnen jene nicht 
zu erſetzen vermögen. Rückblicke auf Warmbrunns früheſte Geſchichte mit Hinweiſung auf 
ein (in dem Reichsgräflich Schafgotſch'ſchen Archive zu Hermsdorf unter dem Kynaſt ſich be— 
findendes), die vollſtändige Geſchichte des Bades in jener Zeit enthaltendes Document vom 
Jahre 1569 machten den Beſchluß dieſes lehrreichen Vortrages. 


Herr Dr. Lüdicke theilte die Beobachtung einer suppuratio glandulae 
thyreoideae metastatica mit. Bei einem 27jährigen, ſeit einigen Jahren ſchon 
nervenſchwachen, zur Zeit des jedesmaligen Eintritts der Katamenien von epileptiſchen Kräm— 


102 —— 


pfen befallenen, ſcrofulöſen Mädchen, welches im März d. J. an einer febris nervos. versatil. 
ſchwer erkrankte, trat im Verlaufe dieſes, das Leben der Kranken bedrohenden Fiebers eine, 
wie eine geballte Fauſt große Geſchwulſt der, vorn am Halſe zu beiden Seiten der Luftröhre 
gelegenen Drüſen ein. Nach ihrer, unter Anwendung von Breiumſchlägen und anderen 
zweckdienlichen Mitteln erfolgten Oeffnung ſank zwar während der Eiterentleerung die Ge— 
ſchwulſt zur linken Seite zuſammen; es ergab ſich aber, daß ein langer, quer über die Luft 
röhre fortgehender Fiſtelgang vorhanden war. Nichts deſto weniger war mit dem Eintritte 
des örtlichen, als eine metastasis eritica anzuſehenden Uebels nicht nur die immer zuneh— 
mende ſichtbare Beſſerung des Geſammtzuſtandes gegeben, ſondern auch die, wenn gleich durch 
die Bewegung des Halſes und andere dabei concurrirende Umſtände verzögerte Heilung des 
örtlichen Uebels endlich erfolgt. N 


Den 6. September berichtete Herr Geh. Medicinalrath Dr. Wendt über einen, 
vom Königl. Kreis-Phyſicus, Herrn Hofrathe Dr. Rau zu Neumarkt vor 
Kurzem beobachteten und glücklich geheilten Fall von Waſſerſcheu. Es 
betraf derſelbe einen 25 Jahr alten, am 4. Juni d. J. von einem, wie ſich ſpäter ergab, 
der Tollkrankheit dringend verdächtigen, aber davon gelaufenen Hunde in die große Zehe des 
bloßen Fußes, wiewohl nur oberflächlich gebiſſenen (als Dreſchgärtner im Dienſte des Herrn 
Ober-Amtmannes Schöbel zu Nippern Neumarktſchen Kreiſes ſtehenden) Mann, der ohne 
wahrnehmbare Spuren äußerer Beſchädigung den 6. Auguſt während der Feldarbeit plötzlich 
hydrophobiſch wurde. Auf Veranlaſſung feines, mit der Krankheit und deren traurigen Fol: 
gen hinreichend bekannten Brotherrn herbeigerufen, ließ Herr Dr. R. dem Kranken ſofort 
(1 Pfund Blut) zur Ader und brachte ihm nicht ohne große Mühe zwei ſtarke Brechmittel 
) jedes derſelben aus Ipecac. Jj und Tartar. stibiat. gr. jjj beſtehend) bei. Um den Hals 
wurde ein großes vesicator. gelegt und in die gebiſſene Stelle Ung. hydrarg. einer. einge: 
rieben. Nächſtdem erhielt er alle zwei Stunden einen, mittelſt mucilag. G. mimos. bereite- 
ten Bolus von Canthar. gr. ß, Extr. belladonn. gr. j und Camphor. gr. jjj, und zwi: 
ſchendurch, fo gut es thunlich war, die Ag. oxymuriatic. Schon nach 24 Stunden, inner: 
halb welcher Pat. im Ganzen Canthar. gr. Vj, Extr. belladonn. gr. Xjj und Camphor. 
gr. XXXVj ohne allen Nachtheil verbraucht hatte, kehrten die charakteriſtiſchen, in ihrer 
Heftigkeit allmählich nachlaſſenden Wuthanfälle immer ſeltener wieder. Der bisher ſtreng 
bewachte und ſorgfältig gepflegte Kranke, der nun leichter und beſſer ſchlingen konnte, wurde 
bei dem Gebrauche eines Infus. valerian. c. lig. amm. succ. etc. täglich ruhiger, es fand 
ſich erquickender Schlaf und rege werdender Appetit, als womit auch die ſchnelle Wiedergene— 
fung und baldige Wiederherſtellung gegeben war. — Dieſer Mittheilung fügte der Herr Be: 
richterſtatter noch die Bemerkung bei, daß, wie die nähere, zur Ermittelung der wichtigſten 
Fragepunkte von ihm (Hrn. W.) ſelbſt hinterher an Ort und Stelle angeſtellte Unterſuchung 
der, dem Ausbruche der Krankheit theils vorangegangenen, theils ihn begleitenden Umſtände 
und die ſorgfältige Vergleichung der Ausſagen der Umgebungen des, ihm vorgeſtellten, in 


103 


voller Reconvalescenz begriffenen Pat., bei welchem er nur noch die pathognomoniſchen vari— 
cöſen Erweiterungen unter der Zunge (die von Marochetti ſogenannten lyssae) vorgefunden 
habe, mit den Angaben des Herrn Dr. R. ergeben, die, von ihm geheilte Krankheit nicht 
nur wirklich die fragliche geweſen, ſondern auch die Tollkrankheit des Hundes, der den Kran⸗ 
ken gebiſſen, hinlänglich und bis zur Evidenz erwieſen ſei. 


Herr Dr. Krauß las: Ueber die Berbindung des Gebrauchs aus wärti— 
ger Trinkquellen mit der Warmbrunner Badecur. Wie viel auch zur Erfor⸗ 
ſchung des Gehalts der Beſtandtheile der Mineralquellen in neueſter Zeit geſchehen iſt; ſo 
gibt es doch nicht zwei, wie ſehr auch nach den Reſultaten der Analyſe einander ähnliche 
Quellen, wenn auch Einer und derſelben Claſſe, die ſich vollkommen glichen. Vielmehr be— 
ſitzt jede derſelben ihre beſtimmte Eigenthümlichkeit, nach welcher wie ihr Einfluß auf den 
menſchlichen Organismus überhaupt, ſo auch ihre Wirkung gegen die Krankheiten deſſelben 
ins Beſondere zu würdigen ſei. Die Bedeutung eines Quells zunächſt nach quantitativer 
Scala meſſend, nöthiget uns die, zur Zeit noch mangelhafte und unſichere Kenntniß von den 
Wirkungen mancher conſtituirenden Beſtandtheile, ihm nach Maßgabe gewiſſer, in ihm vor— 
waltenden fixen Beſtandtheile ſein Gepräge zu geben. Ein weſentliches Hinderniß der Er— 
kenntniß der, jedem Mineral-Waſſer eigenthümlichen Wirkungsweiſe wie ſeines ſpeciellen 
Gebrauchs iſt die bequeme Gewohnheit, die Quellen wie die Heilmittel überhaupt zu genera— 
liſiren, und bald Eine und dieſelbe Quelle gegen die verſchiedenſten Krankheiten, bald wie— 
derum ſehr verſchiedenartige Quellen gegen dieſelbe Krankheit anzuwenden. Zur näheren Be— 
trachtung feines Gegenſtandes übergehend, zeigte Herr Kr., nach genauer Angabe der neue: 
ſten chemiſchen Analyſe des Warmbrunner Waſſers als des wärmſten Quells Schleſiens, def: 
ſen der Blutwärme analoge Temperatur von jeher zum Gebrauche des Bades eingeladen, 
wie ſeine bedeutende, ſeit Jahrhunderten vielfach bewährte Heilkraft mit ſeinem chemiſch er— 
kennbaren Gehalt in keinem Verhältniſſe ſtehe. Die, durch mancherlei Rückſicht gebotene 
gleichzeitige Verbindung des Gebrauchs irgend einer andern, zumal auflöſenden und alteriren— 
den Trink⸗Quelle, wie vorzugsweiſe des Ober-Salzbrunnens, des Marienbader Kreuzbrun— 
nens, der Egerſalzquelle, des Franzensbrunnens, des Saidſchützer und Püllnaer Bitterwaſ— 
ſers mit der Warmbrunner Badecur ſo wie der Zuſatz des Karlsbader Salzes zum Warm— 
brunner Trinkquell kann, ob zwar die Beobachtung über die Wirkung der Warmbrunner 
Quelle an ſich trübend, ihre Wirkſamkeit nicht anders als fördern, wobei ſich übrigens von 
ſelbſt verſteht, daß unter den bezeichneten Mineral-Wäſſern, je nach den verſchiedenen Neben— 
umſtänden, welche den inneren Gebrauch eines derſelben indiciren, das, dem jedesmaligen 
Zwecke angemeſſene gewählt werden muß. Vorzüglich ſind es Affectionen der Schleimhäute 
in Folge von Katarrhen, gichtiſche Urinbeſchwerden. Störungen im Pfortaderſyſtem, Leber— 
und Hämorrhoidal-Beſchwerden, Schleimflüſſe der Sexual-Organe und chlorotiſche Dysme— 
norrhoe, ſo wie habituelle Stuhlverſtopfung, gegen welche das Eine oder Andere als Unter— 
ſtützungsmittel der Badecur empfohlen wird. Im Alter ſchon vorgerückten, bei denen in 


104 —— 


Folge verjährter Stockungen im Pfortaderſyſtem, alienirter Leberfunction und geſtörter Er— 
nährung bereits gichtiſche und hypochondriſche Richtungen der verſchiedenſten Grade ſich zu 
entwickeln begonnen, eben ſo jüngeren, durch langwierige Unterleibsbeſchwerden ihnen ähnlich 
gewordenen Curgäſten, die an hervorſtechender Nervenreizbarkeit leiden, dürfte nach Anſicht 
des Hrn. Dr. Kr. der Mitgebrauch des Kiſſinger Rakoczi erſprießlich ſeyn, gleichviel, welche 
entferntere Formen ſich aus dem Grundübel als ihrer Wurzel bereits hervorgebildet haben, in— 
ſofern nur die Conſtitution des betreffenden Individuums zart und ſchwächlich, ſein Tempe— 
rament phlegmatiſch oder phlegmatiſch-choleriſch, die irritable Sphäre deſſelben in dem Maße 
zurückgedrängt und träge, in welchem die ſenſible erhöht, gereizt und die vegetative nicht vor 
herrſchend thätig erſcheint. Schließlich machte Hr. Dr. Kr. auf den, ihn befriedigenden Er— 
folg der, während der diesjährigen Saiſon gegen einen oft unerträglichen, Schlaf raubenden 
pruritus haemorrhoidalis, als an welchem er ſeit 2 Jahren bei zwar häufig turgirenden, 
aber nie fließenden haemorrh. caec. beſonders gelitten, von ihm verſuchten Verbindung des 
Kiſſinger Rakoczi mit der Warmbrunner Quelle, ſo wie auf die, nach der Idee des Herrn 
Geh. Medicinalraths Wendt in Warmbrunn einzuführende Molkencur noch beſonders auf— 
merkſam. Wert 


Den 4. October theilte Herr Dr. Krocker der Aeltere die Beobachtung eines, 
feiner Seltenheit wegen beſonders intereffanten Falles mit: ein 21jähris 
ges, früher ganz geſundes Mädchen fing ſeit ſeinem 14ten Jahre in der Art zu kränkeln an, 
daß es, von einer unwiderſtehlichen Neigung zum Schlafe oft befallen, nicht ſelten während 
der Arbeit, bisweilen ſtehend einſchlief und nur mit Mühe zu erwecken war; dazu geſellten 
ſich noch Gefühl von Zerſchlagenheit (dedolatio), Appetitloſigkeit, häufige, wiewohl nicht 
heftige, auch nicht typiſch wiederkehrende Schmerzen im hypogastrio; die Katamenien waren 
nicht erſchienen, wiewohl angeblich 2 Mal etwas Blut mit dem Urin abgegangen. Bei ih— 
rer Aufnahme ins Hoſpital bot Pat. alle Erſcheinungen der Chloroſe dar. Außer dem ergab 
die nähere Unterſuchung der Genitalien, daß die labia minora s. nymphae ziemlich klein, die 
urethra ſehr weit, die als blinder Sack endende vagina aber geſchloſſen waren; per anum 
konnte man nichts fühlen, was einem uterus oder einer unvollkommen gebildeten vagina 
ähnlich geweſen wäre. Nach vielfachen Leiden, welche, allen Heilverſuchen trotzend, im Gan— 
zen genommen nur geringe Remiſſionen bildeten, erfolgte endlich der Tod unter Erſcheinun— 
gen von hydrocardium und hydrothorax. Durch die Section wurden nicht nur mehrere 
Mißbildungen (vitia primae conſormationis s. congenita) der Harn- und der als ſolche 
theilweiſe erkennbaren Geſchlechtswerkzeuge, ſondern auch gänzlicher Mangel des ute- 
rus bei gleichzeitiger, vorhin ſchon angedeuteter Atreſie nachgewieſen. Das hierauf bezüg⸗ 
liche anatomiſch-pathologiſche Präparat der Verſammlung vorzeigend, wies Herr Dr. Kr. 
noch auf einen, dem ähnlichen, vor Kurzem vom Hrn. Dr. Nega (de congenitis genitalium 
foemineorum deformitatibus diss. inaugural. anatomico - pathologic. acced. tab. lithogr. 
Vratislav. 1838) beobachteten und beſchriebenen Fall hin. 


105 


Herr Hofrath Dr. Weidner las einen, in mehrfacher Hinſicht intereffanten Obduc— 
tions-Bericht über die fragliche Todesurſache eines, noch vor Ablauf 
von 24 Stunden verſtorbenen, 40 — 50 Jahre alten Mannes, der die 
Nacht vorher auf freier Straße und in bewußtloſem Zuſtande liegend gefunden wurde. Nach 
Maßgabe der, bei der Obduction der Leiche von ihm vorgefundenen, ausführlich beſchriebenen 
Verletzungen glaubt Hr. W. dieſe lediglich als die Todesurſache betrachten zu müſſen. Außer 
einer erlittenen Kopfverletzung und dem Bruche mehrerer Rippen der rechten Seite kommen 
hier beſonders noch die Zermalmung des Sten Rückenwirbels und die Erſchütterung, welche 
vorzugsweiſe das Rückenmark getroffen, in Betracht. Dieſe, unter allen Umſtänden abſolut 
tödtliche Verletzung mußte daher in dem vorliegenden Falle den Tod eben fo unausbleiblich 
zur Folge haben, als die Lage und Stellung, in welcher der Verletzte (auf einem der, von 
der Ziegelbaſtion herabführenden ſteinloſen Wege auf dem Rücken liegend, mit rückwärts über— 
geſchlagenen Händen, dem Kopfe nach unten, den Füßen nach oben) gefunden worden, ſo wie 
die Art der Verletzung auf einen, als Gelegenheitsurſache anzuſehenden Fall oder Sturz von 
nicht unbedeutender Höhe auf den Rücken und wahrſcheinlich auch den hinteren Theil der 
rechten Bruſtſeite ſchließen laſſen. — Hr. Dr. Krocker der Aeltere nahm hievon Veranlaſ— 
ſung zur Mittheilung einiger, von ihm beobachteten Fälle, in welchen unter ähnlichen Um— 
ſtänden das Leben längere Zeit, ja ganze Wochen nach geſchehener Verletzung noch beſtand. 


Herr Profeſſor Dr. Göppert, der einige Mittheilungen aus dem Gebiete der Phar— 
makologie machte, zeigte unter Anderem: 1) die ganze Pflanze der echten Senna 
(cass. senn. lanceol.) in vielen Exemplaren und 2) den Bananen-Zucker (sacchar. 
mus. sapientum s. paradisiacum) vom Geruche und Geſchmacke der Feigen, ſo wie die 
Blätter des gleichnamigen Baumes vor. 


Den 1. November berichtete der Secretair der Section über die, vom Herrn 
Dr. Lilienhain, prakt. Arzte zu Glogau, in zwei Bänden veranſtaltete 
(durch Herrn Medicinalrath Dr. Ebers als Geſchenk für die Bibliothek der Geſellſchaft ein— 
geſandte und der Verſammlung vorgelegte) neue Ausgabe der Grimm' ſchen Ueber: 
ſetzung des Hippokrates, hievon Veranlaſſung nehmend, über den ungleichen inneren 
Werth der Hippokratiſchen Schriften und über die, von den älteſten ſowohl, als ſpäteren, 
namentlich den Commentatoren des 16ten Jahrhunderts angegebenen Kriterien zu ſprechen, 
nach welchen man ihre Echtheit zu beurtheilen habe. Wenn auch die große Menge unter dem 
Namen des Hippokrates bekannter, nach Form und Inhalt verſchiedener Schriften nicht Einen 
und denſelben Verfaſſer haben dürfte; ſo iſt es doch ein von Allen, die es mit der Wiſſen— 
ſchaft wie mit der Wahrheit redlich meinen, nicht dankbar genug anzuerkennendes Verdienſt 
des Herrn Dr. L., bei den vielfachen Verirrungen der neueſten Zeit im Gebiete ärztlichen 
Wiſſens, auf die unverſiegbare Quelle ewiger Wahrheit zurückgewieſen und ſie durch, theils 
ſchon von Grimm, theils aber auch von ihm ſelbſt beigefügte Erläuterungen im Urtexte dunkel 
gebliebener Stellen, mit zeitgemäßer Benutzung der, * dem erſten Erſcheinen der Grimm’- 

14 


— N —— 


ſchen Ueberſetzung (4 Bde. 1781 — 1792. 8.) von der Wiſſenſchaft — Fortſchritte, 
zugänglicher . zu * 


Herr Profeſſor Dr. Barkow machte mehrere Mittheilungen aus dem Ge— 
biete der Syndesmologie, nachdem er zuvörderſt bemerkt, daß er die ziemlich allge— 
mein angenommene Anſicht, als ob die Syndesmographie des Menſchen als abgeſchloſſen 
betrachtet werden könne, nicht ganz theile. Die Verbindungen, durch welche Knochen in 
engeren Verein mit einander treten, überhaupt in drei Arten theilend, unterſcheidet er: 
1) Anarthrosis oder die gelenkloſe Verbindung mit ihren drei Unterarten, der Einkeilung 
(gomphosis), der Nath (sutura) und der Fuge (symphysis); 2) Hemiarthrosis oder 
das Halbgelenk, und 3) Arthrosis oder das Gelenk mit feinen Unterarten, Amphiar- 
throsis, Ginglymus, Rotatio und Arthrodia. Zur Hemiarthrosis zählt er einen Theil der 
ſonſt zu den Fugen gerechneten Knochenverbindungen. Es beſteht das Weſentliche dieſer Ver— 
bindung darin, daß die an einander ſtoßenden, mit Knorpel überzogenen Knochenflächen ſich 
auch, wenn es ſonſt die umgebenden Bänder geſtatten, in geringem Grade aufeinander ver— 
ſchieben können. Die Bewegung geſchieht, wie beim wirklichen Gelenk, durch Gleiten der 
überknorpelten Knochenflächen aufeinander, nicht wie bei der Symphysis, wo die, wenn über— 
haupt Statt findende Bewegung nur durch ein Dehnen der, mit beiden Knochenflächen innig 
verwachſenen Verbindungs-Subſtanz bedingt iſt. Es unterſcheidet fi) aber die Hemiar- 
throsis von der Arthrosis dadurch, daß bei jener fich noch kein Synovial= Sad befindet und 
nur durch das, über die Knochenränder fortgehende periosteum und andere Bänder die Ver: 
einigung bedingt wird. — Aus dem lehrreichen Vortrage über die Bänder einzelner Gegen— 
den dürfte, als der Mittheilung beſonders werth, Folgendes hier hervorzuheben ſeyn: 1) das 
ligamentum intererurale zwiſchen dem erſten und zweiten Halswirbel verſchließt ungefähr 
die hintere Hälfte des Raumes zwiſchen dem erſten und zweiten Halswirbel-Bogen; die vor— 
dere Hälfte nimmt bis zu der Stelle, wo der zweite Halsnerve liegt, der wie der erſte nicht 
vor, ſondern hinter den ſchiefen Fortſätzen aus dem Rückgratskanal tritt, eine dünne Zellhaut 
ein. 2) In Beziehung auf Schiefheit der Wirbelſäule bemerkt Hr. B., daß man die Hoff— 
nung, die Verunſtaltung heben zu können, unter übrigens günſtigen Verhältniſſen ſelbſt dann 
nicht aufzugeben habe, wenn auch bereits Ankyloſe zweier Wirbel eingetreten ſei. Er zeigte 
ein Präparat vor, wo Schiefheit des Halſes mit gleichzeitiger Ankyloſe des dritten und vier— 
ten Halswirbels zugegen, die Concavität rechts, die Convexität links, die Beweglichkeit zwi— 
ſchen dem zweiten und dritten Halswirbel ungewöhnlich groß, die cartilago intervertebralis 
zwiſchen ihnen außerordentlich und ſo nachgiebig war, daß beim leichten Drucke auf den linken 
Querfortſatz des zweiten Halswirbels die rechte Seite des zweiten und erſten Wirbels gehoben 
wurde und der ganze Hals dadurch gerade erſchien. Er zweifelt nicht, daß dieſe erhöhte Be— 
weglichkeit zwiſchen den bezeichneten Wirbeln durch Muskelthätigkeit bewirkt worden ſei, 
und daß der Menſch, dem dieſe Wirbel gehörten, trotz der bereits eingetretenen Ankyloſe den 
Kopf gerade getragen habe. 3) Zwiſchen dem letzten processus transversus spurius oss. 


107 


sacri und dem processus transversus des erſten Steißbein-Wirbels liegt ein ſtarkes, von 
Hrn. B. ligamentum sacro-coccygeum laterale genanntes Band. 4) Die 
ſogenannte Synchondrosis sacro iliaca iſt zwar von Meckel richtig, dagegen aber in den 
meiſten anderen anatomiſchen Handbüchern, auch in der erſt kürzlich von Rud. Wagner be— 
ſorgten neuen Ausgabe von Sömmerrings Oſteologie und Syndesmologie unrichtig beſchrie— 
ben. Die vordere Abtheilung dieſer Verbindung (ſo weit die superficies reniformes des 
oss. sacri und oss. ilei reichen) iſt eine Hemiarthrosis, die hintere Abtheilung eine Sym- 
physis, aber nicht eine Synchondrosis, ſondern eine Synneurosis. Ueberhaupt iſt die Be— 
zeichnung Synchondrosis unpaſſend. Hr. B. fand die superficies reniformes oss. sacr. et 
ilei bei Frauen über 60 Jahre noch völlig getrennt; bei Männern zeigt ſich mehr Neigung 
zur Verſchmelzung. 5) Am wenigſten hat man bisher die Bänder der Rippen gekannt. 
Außer dem ligament. colli costae internum und externum gibt es noch ein drittes, von 
Hrn. B., weil es gerade das wichtigſte iſt, ligament. coll. cost. principale ge⸗ 
nanntes Rippenhalsband. Aus kurzen, ſtarken Faſern beſtehend, geht es der ganzen Länge 
nach vom Rippenhalſe zum process. transvers. des Wirbels, an deſſen superficies articula— 
ris transversalis ſich die Rippe anlegt, den engen Raum zwiſchen dem Rippenhalſe und dem 
process. transvers. ausfüllend und dieſe unter einander innig verbindend. Nicht minder 
wichtig und noch mehr in die Augen ſpringend iſt ein anderes, von Herrn B. ligament. 
intercostale s. membrana intercostalis genanntes ſehnenhäutiges Band. Zwi— 
ſchen der 12ten und 11ten Rippe am ſtärkſten, nimmt es weiter nach oben an Stärke und 
Umfang allmählig ab. Zwiſchen der 2ten und 1ſten Rippe ganz fehlend, tritt eine nur 
dünne, theilweiſe mit einzelnen ſehnigten Faſern vermiſchte Zellhaut an ſeine Stelle. Von 
den einander zugewandten Rippenrändern entſpringend, 0 es zwiſchen dem musculus in- 
tercostalis externus und internus. Vasa intercostalia und nervus intercostalis verlaufen 
an der inneren Seite des Bandes, ſtellenweiſe von einzelnen Faſern deſſelben umflochten. 
Den ganzen Raum zwiſchen den beiden letzten Rippen einnehmend, erreicht dieſes Band zwi— 
ſchen den beiden vorletzten Rippen deren vorderes Ende als ein vollſtändig ſehnigtes Band in 
der Regel nicht mehr, ſondern geht ſchon früher in ein zellhäutiges, dünnes Blättchen über. 
Noch weiter nach oben nur die hintere Hälfte der Zwiſchen-Rippen-Räume ausfüllend, endet 
es ungefähr in der Mitte zwiſchen Wirbelſäule und Bruſtbein. Zwiſchen der dritten und 
zweiten Rippe hört es ſchon hinter der bezeichneten Mitte auf. Am ſtärkſten an ſeinem hin— 
teren Ende, wird dieſes, nach vorn verlaufende Band allmählig dünner, bis es verſchwindet. 
6) Der meniscus im inneren Kapſelbande des Schlüſſelbeins geht an ſeinem inneren oberen 
Ende allmählig in die dicke Faſerſchicht der Kapſelhaut über, wird an ſeinem unteren äußeren 
Ende in der Mitte allmählig ſehr dünn und hängt hier mit dem oberen Rande des inneren 
Endes vom erſten Rippenknorpel innig zuſammen, ſo daß es faſt das Anſehen hat, als ob 
beſonders gegen den vorderen und hinteren Rand die Subſtanz des Zwiſchenknorpels in die 
des erſten Rippenknorpels übergehe. Das innere Ende des Schlüſſelbeins gleitet nicht allein 
auf den meniscus, ſondern zum Theil noch auf den Knorpel der erſten Rippe. Hr. B. fand 
14 * 


1 — 


mehrmals dieſen meniscus krank, durchbrochen, vom erften Rippenknorpel mehr oder we— 
niger, auch ganz getrennt, auch aufgelockert und verdickt. 7) Die ſogenannte chorda 
transversalis antibrachii iſt nur der untere ſtärkere Rand eines, nach oben noch weiter fich 
erſtreckenden, allmählig dünner und zellhäutig werdenden Bandes, welches, nach hinten noch 
weiter im Umfange des tuberculi radii ſich anſetzend, eine Art Taſche bildet, in der ſich bei 
der Pronation des Vorderarmes die, am tuberculo radii feſtſitzende und den Bewegungen 
der Speiche folgende Sehne des muscul. biceps brachii bewegt. 8) Die ligamenta alaria 
im Inneren der Kniekapſel bilden ebenfalls eine Taſche, in welche ſich bei der Beugung des 
Unterſchenkels die Knieſcheibe zurückzieht, und das dicke Fettpolſter, welches, zum Theil die 
Grundlage dieſer Bänder ausmachend, zwiſchen ihnen und den ligament. oruciatis liegt, 
ſchützt dieſe vor Druck der patella bei der bezeichneten Bewegung. — Von Hrn. B. gear— 
beitete und in Spiritus aufbewahrte Präparate, welche er der Verſammlung vorzeigte, dien— 
ten ihm zur Erläuterung der hier beſprochenen Gegenſtände. 


Den 6. December ſprach Herr Profeſſor Dr. Barkow: Ueber die Urſachen der 
Temperamente und einzelner Gemüthsſtimmungen im Allgemeinen und 
über die der Furcht ins Beſondere. Nicht immer, bemerkte er, findet man bei den 
Temperamenten, wie ſie verkörpert im Leben uns entgegen treten, phyſiſche und pſychiſche 
Eigenſchaften in der Art vereint, wie ſie in phyſiologiſchen Schriften zuſammengeſtellt ſind. 
Man finde Menſchon mit den wohlgebildeteſten Formen, denen ſelbſt der geiſtige Ausdruck 
nicht fehle, und die dennoch zu allem Guten träge ſeyen, und andere wiederum, die in einem 
phlegmatiſchen Körper einen feurigen Geiſt bewahren. Dennoch wird, ſeiner Meinung nach, 
die Verſchiedenartigkeit der Temperamente überall durch organiſche Verſchiedenheiten begrün— 
det. Zu ihrer Erforſchung müſſe man von der Betrachtung einzelner Gemüthsſtimmungen 
ausgehen und, um dieſe gehörig zu würdigen, mit der Ergründung der Verſchiedenartigkeit 
des Naturels der Thiere anfangen. Man vergleiche in dem Syſteme möglichſt einander nahe 
ſtehende, in ihrem Naturel dagegen weſentlich von einander abweichende Thiere und unterſuche 
nun, ob weſentliche organiſche Verſchiedenheiten in den Theilen ſich finden, durch welche mög— 
licher Weiſe die Verſchiedenheit des Naturels bedingt ſeyn könne. Als in Beziehung auf ihr 
Naturel vollkommene Gegenſätze bildende Thiere nannte er das Meerſchweinchen (cavia co- 
baya) und den Hamſter (cricetus vulgaris). Beide find Nagethiere; erſteres gehört zu 
den furchtſamſten und gutmüthigſten, letzteres zu den muthigſten und bösartigſten Thieren. 
Das Nervenſyſtem beider Thierarten vergleichend, fand Hr. B. die weſentlichſten Verſchieden— 
heiten. Die Nerven des Meerſchweinchens zeigen ein, im hohen Grade auffallendes frühes 
Zerfallen in viele feine, dicht neben einander verlaufende, theilweiſe geflechtartig unter einan— 
der verbundene, theilweiſe nur durch lockeres Zellgewebe vereinte Nervenfäden. Am auf— 
fallendſten zeigt ſich dieſe Bildung an den Halsnerven, ſowohl an dem zweiten, dritten und 
vierten Halsnerven, als an dem ganzen plexus axillaris. Es reicht dieſes Zerfallen bis zu 
den ſoraminibus intervertebralibus, ſo daß ein Concentriren zu einem Nervenſtamme eigentlich 


109 


nur in der kurzen Strecke von der Vereinigung der unteren und oberen Rückenmarkswurzeln 
bis zum Hervortreten der Nerven aus dem Rückgratskanal Statt findet. Auch im weiteren 
Verlaufe der einzelnen Nerven, wie z. B. am nerv. subscapular. ‚axillar., radial., median. 
und ulnar. ift es deutlich. Am nerv. median., der in der Mitte des Oberarms a nerv. 
ulnaris abgibt, erkennt man, mit Ausſchluß der Fäden des letzteren, mit bloßem Auge 
5— 6, am nerv. radial. 10 — 12, am nerv. ulnar., der ſchwach iſt, 3 Fäden. Auf ähn⸗ 
liche Weiſe verhalten ſich die Nerven der hinteren Extremität, wiewohl hier das Zerfallen we— 
niger ſtark ausgeprägt iſt. Am nerv. ischiadic. iſt es wenig, ſehr deutlich dagegen am 
nerv. peronaeus zu erkennen. Beim Hamſter zeigt ſich dieſes Zerfallen der Nerven nicht. 
Hier findet ein viel größeres Concentriren der Nervenfäden zu gemeinſchaftlichen, durch dich— 
teres Neurilem vereinten Stämmen Statt. Aehnlich wie beim Hamſter iſt es bei der Ratte 
(mus decumanus), während der Haſe ſich mehr dem Meerſchweinchen nähert. Bei dieſem 
iſt das Zerfallen jedoch weniger deutlich am plexus axillaris, als am dritten und vierten 
Halsnerven; gut zu erkennen iſt es am nerv. radial., wo er ſich um den Oberarm ſchlingt, 
am nerv. median. im Elbogengelenk, am nerv. Wa en en magn. vom dritten Halsner— 
ven, am nerv. facial., nerv. infraorbital., nerv. ischiadic., nerv. peronaeus u. ſ. w. 
Die Ratte ſteht in Beziehung auf ihr Naturel dem Hamſter, der Haſe dem Meerſchweinchen 
näher. Herr Dr. B. glaubt, daß die Urſache der Schüchternheit, der Schreckhaftigkeit und 
Furcht vorzüglich in dieſem Zerfallen des Nervenſyſtems zu ſuchen ſei, indem durch ein ge⸗ 
ringeres Concentriren der Nervenfäden zu Stämmen auch ein geringeres Concentriren der 
allgemeinen Nervenkraft bedingt werde, und ohne die Mitwirkung anderer inneren Urſachen 
zur Hervorbringung der Furcht läugnen zu wollen, glaubt er, daß dieſer Satz auch auf den 
Menſchen ſeine Anwendung finde, daß von einem größeren oder geringeren Grade der Meer— 
ſchweinchen-Aehnlichkeit des Nervenſyſtems ein größerer oder geringerer Grad der Furchtſam— 
keit beim Menſchen abhänge, und daß jene Bildung vielleicht dort am ſtärkſten ſei, wo ein 
hoher Grad angeborner Feigheit weder durch Erziehung, noch durch ſonſtige moraliſche Ein— 
wirkung beſeitiget werden könne. 

Herr Dr. Goldſchmidt zeigte der Verſammlung einen Bandwurm (taenia 
lata) mit dem (mie die, zu feiner Zeit vom Herrn Geheimen Medicinal-Rath Dr. Otto 
desfalls angeſtellte mikroſkopiſche Unterſuchung ergeben) an demſelben vorhandenen 
Kopfende vor. Der betreffende Kranke, ein Mann von 46 Jahren, hatte in Folge ei— 
ner, vor zwei Jahren erlittenen tracheitis die Quellen von Reinerz befucht. Von feinen 
Reſpirations-⸗Beſchwerden und feiner Heiſerkeit dadurch ganz befreiet, klagte er doch nach wie 
vor über Neigung zur obstructio alvi. Durch den diesjährigen Gebrauch des Salzbrunnens 
mit Molken ſchien auch dieſe allmählig gehoben zu werden und der Geſammt-Zuſtand des 
Patienten um Vieles gebeſſert zu ſeyn, als ihm im September dieſes Jahres ohne alle vor— 
herige, auf die Gegenwart dieſes Schmarotzerthieres irgend bezügliche Erſcheinungen, einzelne 
Stücke des Bandwurms abgingen. Nach vergeblicher Anwendung anderer, zum Theil als 
specifica geltender Mittel gelang es endlich Herrn Dr. G., durch die, von ihm verſuchte 


zo —— 


fogenannte Schmidt’fche Methode den Abgang des ganzen Bandwurms zu bewirken. — 
Die Herren Medicinal-Rath Dr. Kruttge, Hofrath Dr. Weidner und Dr. Krauß 
theilten ebenfalls einige, auf den Abgang des Bandwurms bezügliche Er— 
fahrungen mit dem Bemerken mit, daß ſie denſelben theils während des Gebrauchs einer 
ſchwachen Salmiaf- Solution (Dij auf ZVj Flüſſigkeit), der noch Infus. senn. compos. 3 
beigemiſcht war, theils auch auf den Genuß des eingemachten Ingbers, ja ſogar einiger 
Nahrungsmittel, wie der Hirſe, des Reißes u. ſ. w., einige Mal beobachtet haben. — 
Herr Dr. Goldſchmidt theilte ferner einen Fall von angebornem, bei ſeinem 
jüngſten Kinde beobachteten Scharlach mit. Zwei ſeiner, am Scharlach gleich— 
zeitig erkrankten Kinder, einen Knaben und ein Mädchen, kurz vor ihrer Niederkunft pfle— 
gend, wurde ſeine (nicht ſcharlachkranke) Frau von einem ſcharlachkranken Knaben entbun— 
den. Die vier bis fünf Tage nach der Geburt begonnene, von oben nach unten regelmäßig 
erfolgte Abſchuppung war innerhalb vierzehn Tagen beendiget und die ganze Krankheit ohne 
anderweitige Störung des Geſundheitswohls leicht und glücklich verlaufen. 


Herr Profeſſor Dr. Göppert legte die, jüngſt aus Rio Janeiro zu uns gekommene 
Rinde, Cort. Pereira (nicht mit Rad. Pareirae zu verwechſeln) vor, deren ſich die dor— 
tigen Aerzte ihrer antifebriliſchen Kräfte wegen gleich der China als eines febrifugi zu 
2j—jj p. d. nicht ohne Erfolg bedienen. Von einem, in Südamerika wachſenden Baume 
(einer noch nicht genau beſtimmten species der Cerbera von der Familie der apocyneae) 
kommend, iſt ſie von ſtark bitterem, aber nicht aromatiſchem oder adſtringirendem Geſchmacke. 
Ihre anderweitigen ſinnlichen Eigenſchaften und chemiſchen Verhältniſſe, ſo weit dieſe zur 
Zeit bekannt ſind, näher angebend, wies Herr G. ſchließlich auf Pfaff's Mittheilungen 
(Heft 1 und 2, 1839) und auf die, durch denſelben veranlaßte, von Goos angeſtellte 
chemiſche Unterſuchung hin. | | 


Noch obliegt Ref. beim Schluffe des, von ihm erſtatteten, mit Nachſicht zu beurthei— 
lenden Berichts die, ihm angenehme Pflicht, den hochverehrten Herren Mitgliedern der 
Section wie für das ſo unverkennbare, während ſeiner mehrjährigen Verwaltung des Secre— 
tariatsamts ihm geſchenkte Vertrauen, ſo auch für die, ihm wohlwollende Geſinnung erge— 
benſt zu danken, mit der es Ihnen beliebt hat, daſſelbe auch für die nächſt folgende Etatszeit 
ihm zu übertragen. Mit dem aufrichtigen Wunſche, daß es ihm auch fernerhin gelingen 
möge, ſich Ihres ſchätzbaren Wohlwollens wie der, ihm erwieſenen Ehre in gleichem Maße 
würdig zu zeigen, vereiniget er die ergebene Bitte um Ihre wie bisherige Mitwirkung zu 
der, wenn irgend, nur ſo möglichen Erreichung der, nach wie vor in dem doppelten Intereſſe 
der Wiſſenſchaft wie des Vaterlandes von uns allen eifrigſt zu verfolgenden Zwecke. 


Borkheim, ;. 3. Secretair. 


— — 


111 


ee (Po 
über TON 
die Arbeiten der entomologiſchen Section 
| im Jahre 1839. 


Die entomologiſche Section hat in dieſem Jahre achtzehn Verſammlungen gehalten, in denen 
folgende Vorträge und kleinere Mittheilungen ſtattfanden: 


1) Allgemeinen Inhalts. 

Der Unterzeichnete über die Organe des Kopfes bei den Inſekten, Kruſtenthieren und 
ſpinnenartigen Thieren, der vergleichenden Anatomie angehörig. 

Herr Oberlehrer Rector Rendſchmidt: Mittheilungen aus Briefen, entomologiſchen 
Inhalts, von Manger, Schott und Sturm, an den * Medizinal-Aſſeſſor 
Dr. Günther. eu > 

2) Ueber Coleopteren. 

Mit dieſen beſchäftigten ſich die Herren: Jänſch, Letzner, Rendſchmidt, Schil— 
ling, Matzeck. Herr Kanzelliſt Jänſch hielt einen Vortrag über die ſchleſiſchen Arten 
der Gattung Hister, und über die der Gattung Buprestis. — Die beiden Vorträge waren 
wörtlich folgende: 


Ueber die Schleſiſchen Arten, 
von Jänſch, Kanzellift. 


Der Gegenſtand meines heutigen Vortrages iſt ein Käfergeſchlecht, welches in ſeiner 
Bildung ſich leicht und genau von jedem andern unterſcheidet, deſſen Arten aber unter ſich 
deſto ſchwieriger zu ſondern und nach ſtandhaften Kennzeichen feſtzuſtellen ſind. Es iſt das 
Geſchlecht der Stutzkäfer: Hister, Auctor. 

Ihre Lebensart iſt ſehr mannichfaltig, obgleich mehrere ſich ausſchließlich an beſondere 
Nahrungsmittel zu halten ſcheinen und die Mehrzahl lebt vorzüglich von faulen animaliſchen 
und vegetabiliſchen Subſtanzen. Ihrer Bildung nach ſtehen ſie, ihrer breiten gezahnten, 
ganz zum Graben gemachten Schienbeine wegen, den Scarabäen des Linnse, und unter die— 


— Be 


fen durch ihre meift eirunde Geftalt dem Genus Copris Fabr. am nächſten, bis auf wenige, 
welche ein mehr oder weniger länglichtes Viereck bilden, und gewöhnlich, wegen ihres vorzüg— 
lichen Aufenthalts unter Baumrinden, ſehr flach ſind. 


Die generellen Kennzeichen übergehe ich hier, da ſie von andern Autoren bereits genau 
beſchrieben worden ſind, und erwähne nur, daß die Verfaſſer der Monographie der Hister 
in den entomologiſchen Heften dieſelben zur beſſern Ueberſicht in neun Familien getheilt ha— 
ben, welche ich, als allgemein bekannt, hier ebenfalls nicht näher bezeichne. 

In einem Zeitraume von 5 Jahren habe ich folgende Arten in Schleſien, und nament— 
lich in der Umgegend von Breslau und dem Gebirge, geſammelt: N 


1. Hister unicolor. _ 
2. — cadaverinus. ue i 
3. — 4 maculatus. Entomol. Hefte. (lunatus Sturm.) 
4. — 4 notatus. 
5. — ſimetarius. 
6. — purpurascens. 
7. — carbonarius. 
8. — _ stercorarius. 
9. — 12 striatus, Sturm. Var. a. et b. 
ern — Sturm. 
coerulescens. Entomol. Hefte. 
ee | nitidulus, Sturm. 
semistriatus. Entomol. Hefte. 
12; — aeBeus. 
13. —  metallicus. 
14. — 4 striatus. Entomol. Hefte. 
15. — rotundatus. 
16. — angustatus. 
17. — picipes. 
18. —  caesus. 
19. — glabratus. 


Mehrere dieſer Arten ähneln ſich unter einander ſehr, und es gehört ein geübtes Auge 
dazu, um durch mancherlei Abweichungen ſich nicht irre machen zu laſſen — beſonders durch 
die Größen, da man oft Exemplare von ein und derſelben Art findet, welche mehr als noch 
ein Mal ſo groß ſind — wodurch man leicht ſeine Sammlung mit falſchen Beſtimmungen 
bereichern kann. 

Was den Letzten, den Hister glabratus, betrifft, ſo paßt er, wie Sturm ganz richtig 
bemerkt, nicht zu dem Geſchlechte der Hister, weil der Bau ſeines Unterleibes und der Füh— 
ler auffallend verſchieden iſt 


113 


Bon Gyllenhal iſt er nicht beſchrieben, ohngeachtet Sturm denſelben, wie er ſelbſt 
ſagt, von ihm erhalten hat. Er ſcheint blos in Gebirgen zu leben, wo er ſich am Fuße alter 
fauliger Eichenſtämme in der Erde, bisweilen in Geſellſchaft anderer Hister, aufhält, und 
iſt ſehr ſelten. 


Ueber die Schleſiſchen Buprestis-Arten, 
von Jänſch, Kanzelliſt. 

Die Gattung —— (Prachtkäfer) gehört, nach Latreille, zur Abtheilung der 
Fünfgliedrigen (Pentamera) und bildet die vierte Familie derſelben, nehmlich die Sägekäfer, 
und ſteht den Schnellkäfern (Elater) am nächſten, unterſcheidet ſich jedoch von dieſen augen— 
blicklich durch ihren gedrungenen Bau, den Mangel der Werkzeuge, um ſich in die Höhe zu 
ſchnellen, und die Kürze der Fühler, welche den Thorax nicht überragen. 

Linnée kannte in Allem nur 29 Spezies, unter denen er noch Bupr. (Trachis) minuta 
zweimal unter Nr. 23 und 24 aufführt. Herbſt hat bereits eine bedeutende Menge abge— 
bildet, worunter freilich die größten und ſchönſten Ausländer ſind. 

Bei meinen wenigen Arten folge ich der Eintheilung Gyllenhals, ohne mich an die 
neuern Genera zu binden. Zwei Hauptbildungen fallen jedoch in die Augen, wovon die 
Eine breite gedrungne, die Andere geſtreckte zylindriſche in ſich begreift. 


In Schleſien habe ich ſeit 5 Jahren folgende Arten geſammelt: 


A. Breite gedrungene. 
Fam. I. Elytris apice bidentatis. 


1) Bupr. Berolinensis. Die Larve lebt in friſchem Weißbuchenholze, worin ich den 
Käfer ſelbſt gefunden habe. Herr Dr. Ratzeburg ſcheint ihn, vielleicht wegen ſeiner 

| Seltenheit, als ganz unſchädlich nicht zu beachten, da er ihn gar nicht erwähnt. 

2) B. conspersa Gl., variolosa, Payk. Her bſt führt fie einmal als B. rustica, 
an einem andern Orte als B. plebeja auf. Ihre Larve lebt in Pappel- und Wei- 
denſtämmen. 

3) B. rustica. Es giebt zwei Varietäten, davon eine Herbſt als B. haemorrhoidalis, 
die andere Fabric. als B. punctata aufführt. 

4) B. austriaca. Gyllenhal führt ſie nicht auf; auch Ratzeburg nennt ſie nicht 
als Forſt-Inſekt. Sie ſcheint gebirgige Gegenden zu lieben. 


Fam. II. Elytrorum margine apicis serralo. 


5) B. mariana, die größte hiefige Buprestis. Sie lebt in abgeſtorbenen Kiefern. 
3 führt ſie als täuſchendes Forſt-Inſekt auf. 
6) B. rutilans, lebt wahrſcheinlich in Pappeln und Weiden, da man fie vorzüglich in 
deren Nähe findet. 
15 


— m —— 


7) B. tarda, heißt bei andern Autoren ze B. cyanea und * kommt vor⸗ 
züglich in Fichtenwäldern vor. 

8) B. appendiculata. De Geer nennt ſie B. acuminata, Fabric. und Payk. 
B. morio. 


Fam. III. Elytris integris muticis. Sectio J. 


9) B. 4 punctata, lebt als Larve in jungen Kiefern, kommt häufig vor. Ratzeburg 
führt ſie als ſchädlich auf. 
10) B. manca, iſt ſelten. 
11) B. elata. Gyllenhal und Ratzeburg wähnen dieſen Käfer nicht; da er aber bis— 
weilen in ſehr großer Anzahl auf Wieſen vorkommt, ſo lebt ſeine Larve vielleicht in 
Erlen oder Pappeln und Weiden, womit Grabenränder und Bäche beſetzt ſind. 


B. Langgeſtreckte zylind riſche. 
Fam. III. Sectio II. 


12) B. tenuis. Mus. Berol. B. viridis, Germar. Die ſtahlblaue Varietät, nach 
Germar, B. cyanea, Olivier, kommt häufig an Eichen vor, lebt als Larve wahr: 
ſcheinlich darin. 

13) B. laticornis, Illiger, von dieſem Schriftſteller zuerſt unterſchieden. Ratzeb. führt 
ſie als täuſchendes Forſt-Inſekt auf. 

14) B. angustula, IIlig., lebt wahrſcheinlich in Buchen. 

15) B. scaberrima, Ralseb. 

16) B. rugicollis, Ratzed., wird von ihm als täuſchendes Forſt-Inſekt aufgeführt. 

17) B. Fagi, Ratseb. Die Larve lebt in Buchen- und Birkenſtämmen, und wird 
ebenfalls als täuſchendes Forſt-Inſekt genannt. 

18) B. betuleti, Ralseb., lebt auf jungen Birken und wird als täuſchend aufgeführt. 


Auch zeigte derſelbe mehrere ſeltene, um Breslau gefangene, Käfer aus verſchiedenen 
Familien vor, und zwar: Hallomenus ater, Diaperis aenea, Colydium elongatum, Cal- 
lidium rufipes, Lymexylon navale und Saperda virens; fo wie Herr Prof. Schilling 
feine reihe Sammlung der ſchleſiſchen Buprestis - Arten. 

Herr Lehrer Letzner hielt einen Vortrag über die, in Schleſien einheimiſchen Arten 
der Gattung: Cryptocephalus, und über eine neue Art der Gattung: Clythra. Der letztere 
Vortrag lautete, wie folgt: 


Ciythra diversipes, u. sp. 
Von Letz ner, Lehrer. 
| Ich geftatte mir, eine, fo viel ich weiß, noch nirgends beſchriebene und in Schleſien 
bisher noch nicht gefangene Art der Gattung Clythra vorzuzeigen und die Beſchreibung der— 


115 


ſelben mitzutheilen. Wegen ihrer verfchieden gefärbten Füße habe ich ihr den Namen diver- 
sipes gegeben. Die Diagnoſe lautet folgender Maßen: 

Clijthra dirersipes, nigro- viridis, nitida, thorace rufo - testaceo, pedibus anticis 
rufo-testaceis, posticis nigro - virescentibus, elytris viridibus sudtelter punctatis. 

Die Geſtalt dieſes Thieres iſt faſt ganz wie die der Clythra cyanea, und daher iſt auch 
die Beſchreibung deſſelben mehr eine Vergleichung mit dieſer geworden. Der Kopf iſt gerun⸗ 
det, ſchwarzgrün, etwas glänzend, mit einem Grübchen auf der Stirn, von deſſen tiefſter 
Stelle durch ſtark eingedrückte Punkte verurſachte Runzeln nach allen Seiten hin zu laufen 
ſcheinen. Dieſes Grübchen unterſcheidet ſich außerdem noch von dem der Clythra cyanea, 
daß es Etwas mehr nach der Stirn zu liegt, kleiner und ſeichter iſt, und ſich bald von dem 
tiefſten Punkte an nach den Rändern hin mehr verflacht. Bisweilen geht von dieſem Grüb— 
chen aufwärts bis an das Bruſtſchild eine eingedrückte Linie. Der Mund iſt pechbraun, die 
Augen hervorragend und bräunlich. Die Antennen find, wie bei Cl. cyanea, kaum fo 
lang wie der Thorax; die unterſten vier Glieder gelblich, die übrigen ſchwärzlichbraun, mit 
greifen Härchen bekleidet. Der Tho rar iſt oben gelblichroth, wie bei der Cl. eyanea; nur 
bisweilen in der Mitte, ſeltener ganz ſchwarzbraun; unten ſchwarz oder braun, bisweilen 
aber auch gelblichroth, wie die Oberſeite; feingerandet; die Oberſeite erhaben und wie aus— 
gepolſtert, glänzend polirt, kaum ſichtbar punktirt, ganz wie Gyllenhal bei der Cl. cyanea 
angiebt, aber merklich kürzer als bei dieſer. Das Schildchen iſt, wie bei jener, ſchwarz, 
und an der Spitze gekielt. Die Flügeldecken find mäßig conver, dunkelgrün, nur ſelten 
Etwas ins Blaue ſchimmernd, noch ſeltener mit einem metalliſchen Anfluge verſehen; dicht, 
aber fein punktirt, ſo daß ſich das Thier hierdurch allein ſchon ſelbſt für das unbewaffnete 
Auge auffallend von der Cl. eyanea unterſcheidet. Die Bruſt wie der Hinterleib find 
ſchwarz, mit grünlichem Schimmer, etwas glänzend und weichhaarig. Die vorderſten Beine 
ſind gelblichroth, wie der Thorax; die hinterſten dagegen ſchwarz, etwas grünlich glänzend, 
mit mehr oder weniger dunkelbraunen Füßen; bei den mittlern nur die Schenkel bis über 
die Hälfte ſchwarzgrün, ſonſt mehr oder weniger braungelb, und ſich darum bald mehr den 
hinterſten, bald den vorderſten nähernd. Bei den Exemplaren, welche ein dunkelbraunes oder 
in der Mitte ſchwärzlichbraunes Halsſchild haben, ſind gewöhnlich auch die mittelſten Beine 
ganz dunkel, und daher, bis etwa auf die bräunlichen Tarſen, den hinterſten völlig gleich. 
Nur ſehr ſelten ſind die Schenkel der mittlern Füße blos am Grunde, und von den Hinter— 
füßen blos die Schenkel dunkel gefärbt, wie etwa bei der Cl. cyanea; denn ich habe unter 
60 Exemplaren nur 3 mit ſolchen Füßen gefunden. Uebrigens unterſcheiden ſich auch als— 
dann noch die Beine dieſer Art von denen der Cl. cyanea, beſonders dadurch, daß dieſelben 
verhältnißmäßig dünner und zarter ſind, was namentlich bei den Tarſen ungemein auffallend 
iſt. — Die Größe, und namentlich die Dicke, iſt ſtets geringer als bei der Cl. eyanea. 

Ich fing dieſes Thier in und auf den Blühten von Polygonum bistorta, auf einer 
Stelle des Altvaters, Ende Juli dieſes Jahres, und zwar ziemlich häufig, ſehr oft auch in 
Copula. 

15 * 


\ 


m rn 


Ob daffelbe mit einem in 2 Exemplaren auf dem hieſigen Muſeum aufbewahrten und 
Clythra (Cyaniris) melanocephala Dahl benannten ein und daſſelbe ſei, wage ich nicht zu 
beſtimmen, da dieſes ſich durch bläſſere Wenn und Füße und eine tiefblauere Farbe zu 
unterſcheiden ſcheint. 


Dann hielt Herr Lehrer Letzner einen Vortrag über den, von ihm in Menge in Dat: 
teln gefundenen Bostrichus dactyliperda, ſo wie über die frühern Zuſtände deſſelben, und 
zwar wörtlich, wie jetzt folgt: 


Ueber den Bostrichus dactyliperda und feine frühern Stände. 
Von Letzner, Lehrer. 


Bostrichus dactyliperda, der Dattel-Borken⸗ Käfer. 


(Fab. Systema Eleuth. 2. 387. Panz. Faun. Germ. — Duftschmid Faun. Aust. 3. 95.) 


Es gehört dieſes Thier zu der Abtheilung der Boſtrichen, welche auf den hinten ſteil 
abfallenden Flügeldecken keine ſpitzen Zähne haben, und iſt einer der wenigen bis jetzt bekann— 
ten dieſer Gattung, welche nicht im Baſte oder Holze leben. Er bewohnt, wie ſchon der 
Name andeutet, die Kerne der Datteln, und zwar in ſehr zahlreicher Geſellſchaft. Die Farbe 
deſſelben iſt am ganzen Körper einförmig dunkel braunroth, mit einem Fettglanze, bei jungen 
oder nicht ganz ausgebildeten Exemplaren iſt ſie mehr oder weniger hell, bisweilen ſogar in's 
Gelbliche ſpielend. Der Halsſchild iſt ſeicht grubig- oder faſt runzlig-punktirt, und ſo wie 
die punktirt⸗geſtreiften Flügeldecken mit faſt borſtenförmigen, gleichlangen, gelblichweißen, 
auf den letztern in 7 — 8 Längsreihen ſtehenden Haaren dicht beſetzt. Die Unterſeite ift fein 
punktirt, und ſo wie Kopf und Füße ebenfalls mit ſteifen gelblichen Härchen verſehen. Die 
Antennen, die Füße und der After ſind durchſcheinend, und darum etwas heller als die Ober— 
ſeite; die Augen groß, länglich, ſtark geſchliffen (ſo daß man mit einer gewöhnlichen Loupe 
ſchon die verſchiedenen Flächen wahrnehmen kann) und ſchwarz, welche Farbe faſt auch der 
Mund beſitzt. Die Länge beträgt kaum 1 Linie, doch giebt es auch Exemplare, welche nur 
Y Linie meſſen. 

Die Larve dieſes Käfers, welche auch in dem Kerne der Dattel lebt, aber nicht, wie 
bei vielen andern Boſtrichen, einzeln in beſondern Gängen ſich aufhält, ſondern in der Regel 
in ganzen Haufen dicht gedrängt unregelmäßig neben und über einander beiſammen liegt, iſt 
fußlos, auf der Unterſeite am Kopfe mit 3 ſtarken, die künftigen Füße andeutenden Wülſten 
verſehen, und bewegt ſich mühſam durch Vorſchieben des Hinterleibes, Andrücken des Afters 
(den fie überhaupt zum Anhalten zu gebrauchen ſcheint) und Vorwärtsſtoßen des Vorderlei— 
bes. Der Kopf derſelben iſt plattgedrückt, oben glänzend, glatt polirt, ſchwach citringelb— 
lich und mit einer Längsfurche verſehen, welche ſich auch über den ganzen Rücken fortſetzt. 
Der Mund iſt rothbraun, die Farbe des übrigen Körpers weiß, ohne daß derſelbe jedoch 
durchſcheinend iſt. Er ſcheint aus 11 oder 12 Ringen oder Wülſten zu beſtehen, welche an 


* 


— 1 


jeder Seite durch 2 parallele, vertiefte Längslinien unterbrochen ſind (und zwiſchen welchen 
die Luftlöcher liegen), und iſt hin und wieder mit einzelnen langen Haaren beſetzt. Die 


Länge der Larve iſt im ausgewachſenen Zuſtande bedeutender, als die des Käfers, die Dicke 


aber ſtets geringer, wie man dies Alles auch an vorliegenden Exemplaren wahrnehmen kann. 
Sie hat ein zähes Leben; denn obwohl ich mehreren Exemplaren bei nicht gerade zu ſanfter 
Behandlung (Angreifen, Herunterfallen u. ſ. w.) 14 Tage lang kein Futter gegeben hatte, 
waren doch die meiſten wohl und munter, und gaben nur ihr Verlangen nach Speiſe durch 
ein Umherſuchen mit dem Kopfe und Auf- und Zumachen des Mundes zu erkennen. Die 
Exemplare, welche ſich verpuppen wollen, liegen zuerſt ganz ſtill, als wären fie todt, ohne 
daß man jedoch irgend eine Veränderung an ihnen bemerkt. Nach mehreren Tagen fängt die 
Haut der drei erſten Wülſte des Unterleibes an heller und durchſichtiger zu werden, als um— 
ſchließe ſie blos Waſſer, was ſich nach und nach auch dem ganzen vordern Körper mittheilt. 
Bei dem Hinterleibe iſt dieſe Erſcheinung nicht wahrzunehmen; derſelbe wird im Gegentheil 
bald dunkler, als er bei der Larve war. Nach etwa 12 Tagen wird die Haut des ganzen 
Körpers gelblich und fängt an zuſammen zu ſchrumpfen, was ſich nach und nach ſo ſteigert, 
daß die frühern einzelnen Wülſte nicht mehr zu erkennen ſind. Einige Zeit ſpäter erhält dieſe 
Haut eine mehr oder weniger dunklere Farbe und ein vertrocknetes Ausſehen, ſo daß man als— 
dann ſchon erkennen kann, wie dieſelbe Riſſe bekommen und nach und nach abfallen werde, 
Indeß geht die Verwandlung bis dahin ziemlich langſam; Larven, welche vor zwei Monaten 
ihre Verwandlung begonnen, haben noch immer nicht ihre erſte Haut abgeſtreift. Vielleicht 
übt auf dieſe ſpäte Generation unſer Winter einen nachtheiligen Einfluß; denn daß dieſe 
Thiere gegen Kälte ſehr empfindlich ſind, geht daraus hervor, daß nach einigen regnichten 


November-Tagen, ohne eigentlich trockenen Froſt, in einem der äußern Luft Zutritt geſtat— 


tenden Zimmer ſämmtliche Käfer, wie auch die Larven, geſtorben waren. Ob nun die Puppe 
im Winter bei uns ausdauern werde, ſteht darum wohl ſehr zu bezweifeln. Dieſe, die ich 
ebenfalls vorfand, und von der ich etwa 30 Stück zur Anſicht mitgebracht habe, iſt anfangs 
kleiner als der Käfer und die Larve, und zeigt, nachdem ſie die erſte Haut dieſer bis zum 
Kopfe verloren hat, noch keineswegs ihre wahre Geſtalt. Sie hat alsdann nämlich eine ganz 
rauhe Oberfläche, die gebildet wird durch allenthalben loshängende kleine Hautfetzen, und 
etwa ein ähnliches Bild darbietet, wie ein ſtark in Heilung und Häutung begriffener Haut— 
ſchaden eines Menſchen. Sind nun dieſe Hautſplitterchen mit der vorſchreitenden Ausbil— 
dung der Puppe nach und nach immer mehr abgefallen, ſo theilt ſich endlich auch das gelbliche 
Kopfſchild (was die Larve ſchon trug), der oben erwähnten Längsfurche nach, in 2 Hälften, 

und beginnt nun (die eine Hälfte links, die andere rechts), mit und an einer dünnen, weißen 
Haut auf beiden Seiten hinab zu ruͤcken. Zu gleicher Zeit thun daſſelbe auch die Freßwerk— 
zeuge auf dem Bauche. Höchſt intereſſant iſt es, zu ſehen, wie bei dieſem Abwachſen der 
letzten Haut die daran hängenden erwähnten 3 Stücke ſtets in gleicher Lage zu einander blei— 

ben, und, an der Spitze der Puppe angekommen, ſich ſogar einander wieder nähern, faſt ſo, 

wie es in ihrer urſprünglichen Lage der Fall geweſen war. Es wird dies durch das, bald am 


—— 18 —— 


Hinterleibs-Ende der Puppe eintretende Zuſammenſchrumpfen oder Engerwerden der abwach— 
ſenden Haut hervorgebracht. In der Regel bleibt dieſelbe als ein weißes Schwänzchen auch 
noch einige Zeit an der Puppe hängen, wie dies aus dem öſtern Vorfinden ſolcher Exemplare 
zur Genüge hervorgeht. — Nach dieſer Häutung nun iſt die Puppe vollkommen, ſchön weiß, 
glänzend, wie aus weißem Wachſe geformt, mit dunkelbraunrothem, ſehr beſtimmt hervortre— 
tendem Munde, und läßt alle Theile des Käfers (ſelbſt die faſt bis zur Spitze des Unterleibes 
reichenden Flügel, und die punktirt-geſtreiften, kürzeren, auf dem Bauche liegenden Flügel— 
decken) deutlich erkennen. Sie hat an der Spitze nicht 2 Dornen, wie andere Arten dieſer 
Gattung, und wird im Alter gelblich, zuletzt hellbräunlich. Berührt man ſolche Exemplare, 
ſo bewegen ſie den Hinterleib, wie manche Schmetterlings-Puppen. Rückt die Zeit des 
Auskriechens näher heran, ſo ſchwillt die ganze Puppe etwas mehr auf, was namentlich bei 
dem Hinterleibe ſo ſehr der Fall iſt, daß derſelbe alsdann eine noch ein Mal ſo bedeutende 
Größe hat, als vorher. Alsdann bemerkt man auch, daß dieſelbe (namentlich am Unterleibe) 
nur aus einer dünnen weißlichen Haut beſteht, die ſich ſchon vom Käfer losgelöſt hat. Kommt 
der Augenblick des Auskriechens noch näher, ſo fängt das Thier an, ſich von ſelbſt zu bewe— 
gen, und man erkennt alsdann mit dem Vergrößerungsglaſe ſehr deutlich, daß ein jeder der 
Füße, die Flügeldecken und die Fühler in beſonderen Scheiden ruhen. Höchſt intereſſant iſt 
es, die Anſtrengungen des Käfers in dem Bewegen der 4 vorderen Füße (die beiden hintern 
liegen unter den Flügeldecken), in dem Aufrichten der Fühlerſcheiden, dem Herumwälzen des 
Körpers und dem gewaltſamen Ueberbiegen des Hinterleibes zu ſehen, durch welche er ſein 
Gefängniß zu ſprengen ſucht, ſo lange, bis ihm daſſelbe zuletzt gelingt. Da gerade heute 
mehrere Exemplare dieſen Kampf um ihre Geburt begonnen hatten, ſo habe ich ſie ebenfalls 
als Belag für das Geſagte mitgebracht. Eigen iſt es übrigens, daß viele ſolcher ſchon ſich 
bewegenden Käfer ihre Puppenhaut nicht zerreißen konnten, und darum in derſelben ſtarben. 
Vielleicht erleichtert ihnen ihre enge Wohnung in den Kernen das Auskriechen mehr; vielleicht 
tödtete ſie auch die Einwirkung des grellen Lampenlichtes, dem ich ſie ausſetzte. 

Schon früher wurde angedeutet, daß dieſes Thier in großen Geſellſchaften lebt. Davon 
wird man ſich am beſten einen Begriff machen können, wenn ich verſichere, daß ich in dem 
einen Kerne einer Dattel 30 vollkommen ausgebildete Käfer, 10 Larven und 8 Puppen, in 
einem andern (einige zerdrückte nicht gerechnet) 17 Käfer, 78 Larven und 5 Puppen, ohne 
die letztern alſo doch wenigſtens 95 lebendiger Weſen, fand, und darum in nicht gerade viel 
Früchten einige hundert Käfer zuſammen zu bringen ſo glücklich war. Von den Larven des 
zuletzt erwähnten Dattelkernes waren auch nicht alle gleichgroß (einige maßen kaum / Linie); 
was mich, ſo wie die ſtets geringe Zahl von Puppen, vermuthen läßt, daß ſie nicht aus 
gleichzeitig gelegten Eiern ausgekommen ſein mochten, und daß wahrſcheinlich in einem ſol— 
chen Kerne ein fortwährendes, oder doch wenigſtens öfteres und zahlreiches, Eierlegen, Aus— 
brüten, Verpuppen und Auskriechen erfolgt. Dies wird auch noch durch das verſchiedene 
Alter der Puppen und Käfer, welche man in einem Kerne findet, beſtätigt, ſo wie dadurch, 
daß man ſtets Käfer, Puppen und Larven neben einander antrifft. — In einem Kerne fand 


119 


ich fogar 61 Käfer, aber gar feine Larven und Puppen; von ihnen trugen viele die helle 
Farbe der Jugend an ſich, waren aber faft ſämmtlich todt. Wahrſcheinlich war hieran der 
Mangel an Nahrung ſchon bei den Larven Schuld geweſen; denn ein Mal waren die Exem— 
plare höchſt dürftig und verkümmert, andern Theils aber war der Kern, in dem ſie gelebt 
hatten, ſo ganz bis auf die Schaale aufgezehrt, wie ich bei keinem andern es beobachtet habe. 
Natürlich daher, daß die noch weichen, an den ſchützenden Kern gebundenen, von dem Kampfe 
des Auskriechens noch überdies ermatteten Käfer bald nach der Geburt den Hungertod ſterben 
mußten. — 

f Eigenthümlich fe es, daß dieſe Thiere zuerft immer an dem gewölbten Außenrande des 
Kernes ihre regelloſen Gänge ziehen, und dieſen hier, zuletzt eine gemeinſchaftliche Höhle bil— 
dend, bis an die Schaale aufzehren, während ſie denſelben an der ausgehöhlten Seite bald 
mehr, bald weniger dick, bis zuletzt ſtehen laſſen. Gewöhnlich beginnen bei dem Anlegen 
neuer Wohnungen mehrere faſt zu gleicher Zeit ihre Arbeit an einem geſunden Kerne von ver— 
ſchiedenen Orten aus, und zwar damit, daß ſie ſenkrechte, dem Käfer an Dicke gleichkommende 
Löcher in denſelben arbeiten, ſo tief, daß ihr Körper nicht mehr über denſelben hervorragt, 
und erſt, wenn dies geſchehen, legen ſie wagerechte Höhlen an. Bei dem erſtern, dem Ein— 
graben nämlich, ſind ſie ſehr fleißig, und man bemerkt deutlich, daß ſie nicht alle abgearbeitete 
Maſſe zur Nahrung verwenden können, ſondern dieſelbe auf allen Seiten des Körpers (viel 
leicht mit Hülfe der Borſten?) als ziemlich grobe Späne emportreiben, und ſich damit zu 
bedecken ſuchen. Einige Exemplare, die ich in einer Schachtel an einem ihnen hinzugelegten 
Kerne beobachtete, waren in faſt drei Tagen ſo weit vorgeſchritten, daß ihnen dies vollkom— 
men gelang; was, wenn man die ungemeine Härte des Kernes bedenkt, PR außeror⸗ 
dentlich iſt. 

Wenn nun aber auch dieſe Thiere durch das Zerſtören des Kernes direkt durchaus nicht 
ſchädlich werden, fo werden fie es doch in fo fern indirekt, als fie die vom Menſchen genoſſene 
Hülle des Kernes, wenn auch nicht immer geradezu verderben, doch im höchſten Grade unap⸗ 
petitlich machen. Man findet nämlich, wenn man eine von dieſem Bostrichus bewohnte 
Dattel aufſchneidet, auf dem Fleiſche derſelben eine ziemliche Menge weißliches, grobes, nicht 
gerade angenehm riechendes Mehl, welches man auf den erſten Anblick für den der Dattel 
eigenen weißen Zuckerſtoff, oder auch für die ſich in ihr findenden weißlichen Längsfaſern hal— 
ten könnte, was aber nichts Anderes, als der Unrath der im Kerne lebenden Thierchen iſt, 
welcher durch eine Menge Löcher, vorzüglich auf der Hohlſeite, herausgeſchafft wird. Oft 
findet man darauf auch ſchon einige herausgefallene lebende und todte Larven und mehrere 
Käfer, in jedem Falle aber, mit dem Unrathe vermiſcht, eine Menge von Larven- und Pup— 
penhäuten, unter denen die glänzend-polirten Kopfſchilde deutlich hervorblitzen. Liegen die 
Früchte jedoch lange genug, ſo daß dieſer Unrath durch die Feuchtigkeit derſelben in Fäulniß 
übergeht, ſo iſt er zwar weniger zu bemerken, verſchlechtert aber auch in gleichem Grade Ge— 
ruch wie Geſchmack der Frucht. Die Exemplare, aus welchen ich meine Käfer fammelte, was 
ren ſowohl Andern, als auch mir, ungenießbar. 


120 —— 


Bisweilen findet ſich in dem Fleiſche der Dattel oder unter dem eben erwähnten Aus— 
kehricht auch noch ein anderer Käfer, nämlich Silvanus sex dentatus Gyllh., der, wie feine 
befußte und mit Fühlern verſehene Larve, äußerſt geſchwind und munter darin umherſpaziert. 
Auch die an der Bruſtgegend, ſo wie an beiden Seiten des Unterleibes, mit Dornen verſehene 
Puppe dieſes Käfers habe ich einige Male vorgefunden. Außerdem nun findet ſich in der 
Regel noch ein dritter Bewohner in dem Fleiſche ſolcher Datteln, und zwar, wie der erſte, in 
ziemlich bedeutender Anzahl; es iſt dies eine kleine weiße, im Alter mit einer gelblichen Decke 
verſehene Milbe, die auf ihren langen Beinen ſich ebenfalls häufige Bewegung macht. Sie 
iſt in vorliegender Dattel mit der Loupe ſehr deutlich wahrzunehmen. — 

Wer daher Datteln eſſen will, wird in jedem Falle gut thun, dieſelben nicht geradezu 
in den Mund zu nehmen, ſondern erſt inwendig anzuſehen, und im Nothfalle den Miſt zu 
entfernen. Uebrigens find ſolche Früchte ſchon von Außen zu erkennen an mehreren kleinen 
runden Oeffnungen, die ſich bald nahe, bald entfernt von einander auf der ganzen Oberfläche 
zerſtreut finden, und nichts Anderes als die Ein- und Ausgänge des Käfers ſind. 


Herr Rector und Oberlehrer Rendſchmidt zeigte viele, in Geſellſchaft des Helm In⸗ 
ſpector Rotermund, in den Pfingſtfeiertagen im Geſenke (dem ſchleſiſch-mähriſchen Ge— 
birge) gefundene ſeltene oder für Schleſiens Fauna neue Käfer vor, und zwar folgende: 
Scaphidium agaricinum, Peltis grossa, Peltis dentata (dieſe neu für Schleſiens Fauna), 
Elater ſasciatus, Cucujus depressus (dieſer von Herrn Rotermund gefangen), Chrysomela 
Dahlii, und Thymalus limbatus. Derſelbe hielt auch einen Vortrag über die Gattung 
Hydrophilus Fabr., ſetzte die Unterſchiede derſelben von der Gattung Dyticus auseinander, 
machte auf die Schädlichkeit der größten Arten der Gattung in Beziehung auf die Fiſche in 
den Fiſchteichen aufmerkſam, und zeigte, mit Anführung der Artkennzeichen, die von ihm ge— 
ſammelten ſchleſiſchen Arten vor, welche folgende waren: 1. Hydr. piceus, 2. H. scara- 
baeoides (ſuscipes Ill.), 3. H. globulus, 4. H. minutus, 5. H. unipunctatus, 6. H. 
griseus, 7. H. orbicularis, 8. H. marginellus, 9. H. luridus, 10. H. truncatellus, 
11. II. caraboides, 12. H. melanocephalus, 13. H. affinis, Gylienh. 

Herr Gymnaſial-Lehrer Schilling zeigte ein Exemplar des, in Schlefien ſehr ſelte— 
nen, Rhagium einctum, bei Breslau auf einer Rüſter gefangen, vor. 

Endlich hielt Herr Oberlehrer Dr. Matzeck einen Vortrag über die Verdauungs-Werk— 
zeuge der Gattung Necrophorus, und überreichte ſowohl der allgemeinen Bibliothek, als auch 
jedem Mitgliede der Section ein Exemplar ſeiner, über dieſe Gattung handelnden Diſſerta— 
tion, wofür ihm die Section ſehr verpflichtet iſt. 

3) Ueber Hymenopteren. — Herr Oberlehrer Rector Rendſchmidt theilte Eini— 
ges über die Raubbienen mit. 

Herr Gymnaſial-Lehrer Schilling hielt drei Vorträge über die, in Schleſien einhei⸗ 
miſchen, bienenartigen Inſekten, nebſt Vorzeigung der, von ihm geſammelten, Arten derſel— 
ben. Der Vortrag war folgender: | 


121 


Syſtematiſche Aufzählung der in Schlefien, mit Einſchluß der Graffchaft 
Glatz, von mir geſammelten Scheinbienen oder der Immen mit 
kurzer Zunge. 

N Von Schilling, Gymnaſial-Lehrer. | | 

Die Immen oder bienenartigen Inſekten (Antophila, Latreille) gehören zu der Ab⸗ 
theilung derjenigen Hymenoptern, welche mit einem Wehrſtachel verſehen ſind; ſie unterſchei— 
den ſich von den übrigen Anſeften dieſer Abtheilung durch die Belcafienheit ihrer Mundtheile 
und 5 eb aber. >) | 

| 1) Mundtheile der Immen. 

Die Unbernppe iſt zungenartig verlängert; die Kinnladen in ebenfalls verlängert und 
haben die Geſtalt von zwei Klappen, vr ee die zungenartige en rar und 
ſcheidenartig einschließen. 

Anmerkung. Bei den Wespen ift die Unterlippe zwar auch zungenartig verlaͤngert, aber die 
Kinnladen ſind nicht klappenfoͤrmig, und . 0 4 en die e 
Lippe ein. 
2) Hinterbeine der Immen. 


Das erſte Fußglied (primus tarsorum articulus) iſt verhältnißmäßig größer, als bei 
den übrigen ſtechenden Hymenoptern; es hat die Geſtalt eines verlängerten Vierecks, iſt flach, 
meiſt auf der ganzen Fläche oder wenigſtens an der einen Seite haarig oder zottig. 

Die Immen bilden zwei Abtheilungen oder Horden. 

1) Immen mit kurzer Zunge oder Scheinbienen (Kädreselie; Lätreille), 
Die Zunge iſt an ihrem Ende breit oder kurz zugeſpitzt (nicht faden- oder borſtenförmig). 

Anmerk. Der Namen Scheinbienen iſt ihnen deshalb ee W. weil ſi ie sw. Aehnlich⸗ 
keit mit den eigentlichen Bienen haben. 

2) Immen mit langer Zunge oder eigentliche Bienen ER La- 
treille). Die Zunge iſt verlängert, faden- oder borftenförmig, im Stande der Ruhe umge: 
bogen oder eingerollt; die zwei erſten Glieder der Lippentaſter ſind verlängert und flach. 

Anmerk. Nur die Aufzaͤhlung der erſten Horde oder der Scheinbienen iſt der Gegenſtand vorlie⸗ 

genden Aufſatzes. Die vorliegende ſyſtematiſche Aufzaͤhlung der Scheinbienen iſt auf La⸗ 
treille's Genera crustaceorum et insectorum baſirt. Die Arten find nach Linne, Fabricius 
und Panzer's Fauna beſtimmt, oder auch nach Kirby's Monographia apum Angliae, in wel⸗ 
chem letzten Falle jedesmal dem ſyſtematiſchen Namen die Bezeichnung: Ky. beigefügt ift. 
Steht hinter dem Namen nv. sp., fo wird dadurch eine neue Art, nova species, angedeutet. 
— Nur die Weibchen, und bei den geſellig lebenden Immen die Geſchlechtsloſen, ſind mit 
8 einem Wehrſtachel verſehen; die Maͤnnchen ſind ohne Stachel. 

Erſte Horde: Immen mit kurzer Zunge oder Scheinbienen. Sie haben 
keinen gemeinſchaftlichen Neſterbau, ſondern leben einzeln. Sie theilen ſich in zwei Familien, 
a) in ſolche mit drei, b) in ſolche mit zwei Kubitalzellen auf den Vorderflügeln. 

16 


122 
— — — 


A. Scheinbienen mit drei Kubitalzellen auf den Vorderflügeln. 
Erſte Gattung: Herzzungige Scheinbie nen (Colletes, Latreille). Die Zunge 
iſt am Ende herzförmig gelappt; die Radialzelle hat nach hinten eine kleine Nebenzelle. 


Als Arten dieſer Gattung finden ſich in meiner Sammlung ſchleſiſcher Inſekten: Gür— 
tel-Scheinbiene (Colletes succincta); grabende Scheinbiene (Coll. fodiens). 


Es ſind nur dieſe zwei Arten, welche, als zu dieſer Abtheilung gehörig, in entomolo— 
giſchen Schriften genannt werden. — Zu dieſen beiden kommt eine dritte Art: Minir— 
Scheinbiene (Colletes cunicularia oder Apis cunicularia Lin.); ſie gleicht dem erſten 
Anſcheine nach der gemeinen Honigbiene, iſt aber, bei näherer Betrachtung der einzelnen 
Theile, ſehr von derſelben verſchieden, und gehört, wegen ihrer kurzen, herzförmigen Zunge, 
ganz eigentlich zu der Gattung Colletes, wie ſich ein jeder der verehrten Herren Anweſenden 
durch Anſchauung der hier aus meiner Inſektenſammlung vorgelegten zahlreichen Exemplare 
ſehr leicht überzeugen kann. — Der Engländer Kirby hat in ſeiner Monographia apum 
Angliae dieſe Scheinbiene aus Irrthum einer ganz andern Abtheilung beigezählt; er hat ſie 
jedoch bloß nach einem getrockneten Exemplare aus der Linnéeſchen Sammlung beſtimmen 
können, und niemals Gelegenheit gehabt, an einem friſchen Exemplare ſeine Beobachtungen 
anzuſtellen. Ich fand dieſe Scheinbienen häufig am Fuchsberge bei dem Dorfe Schwoitſch 
(Kreis Breslau), wo ſie ihren Neſterbau, ſchon im zeitigen Frühjahre, an den Wänden einer 
Sandgrube angelegt hatten. | 


Zweite Gattung: Spitzzungige Scheinbienen mit nacktem Körper (Sphe- 
codes, Latreille). Die Zunge iſt am Ende kurz zugeſpitzt; die Spitze bildet ein Dreieck; 
der Körper iſt nackt und nur am Ende des Hinterleibes ein wenig behaart. 

Der Name Sphecodes, welchen Latreille dieſer Abtheilung beigelegt hat, bezieht ſich 
auf ihre Aehnlichkeit mit der Gattung Sphex (Mordwespe). 

Als Arten dieſer Gattung finden ſich in meiner Sammlung: Höckerige Schein— 
biene (Sphecodes gibba). — Geoffroy Scheinbiene (Sph. Geoffrella, KL.), fo be: 
nennt Kirby, dem franzöſiſchen Entomologen Geoffroy zum Andenken, eine Scheinbiene, 
die ſich durch keine andere ſtandhafte Kennzeichen, als durch ihre geringere Größe, von der 
vorhergehenden Art unterſcheidet; ſie iſt kaum halb ſo groß als dieſe. Nach meinen Beob— 
achtungen iſt fie aber keine von 8. gibba unterſchiedene Art, ſondern die Herbſt-Generation 
derſelben. | 

Eine dritte Art iſt: Braunflügeliche Scheinbiene (Sphecodes fuscipennis, 
ny. sp.) übertrifft an Größe die vorhergehenden Arten, von denen ſie ſich noch überdies durch 
ihren ganz rothen, ungefleckten Hinterleib und ihre graubraunen Flügel unterſcheidet. 


Dritte Gattung: Spitzzungige Halbbienen mit behaartem Körper und 
einem Längseinſchnitte auf dem letzten Abdominal-Segmente (Halictus, 
Latreille). | 


123 


Die Männchen dieſer Gattung haben eine ganz andere Körpergeftalt, als die Weibchen 
derſelben. Der Hinterleib des Männchens iſt cylindriſch, ohne Längseinſchnitt auf dem letz⸗ 
ten Abdominal-Segmente; der Hinterleib des Weibchens iſt oval (nicht cylindriſch). Dieſe 
Verſchiedenheit der beiden Geſchlechter hat verurſacht, daß man Männchen und Weibchen einer 
und derſelben Art als Individuen, die zu ganz verſchiedenen Gattungen gehören, angeſehen 
hat, bis man ſich durch ſpätere Beobachtungen vom Gegentheile überzeugte. 


Die von mir geſammelten Arten der Gattung Halictus ſind folgende: 


f Walzenförmige Scheinbiene (Halictus cylindricus); ſchwarz, der Hinterleib cylin⸗ 
driſch geſtaltet, mit vier weißen Gürteln. Das Weibchen dieſer Art unterſcheidet ſich durch 
den ovalen (nicht cylindriſchen) Hinterleib und durch den Längseinſchnitt auf dem letzten 
Leibringe. 

Sechsgürtelige Scheinbiene (Halictus sexcinctus); der Hinterleib des Männchens 
walzenförmig, fo lang, aber viel ſchmäler, als bei der vorigen Art. Das Weibchen dieſer 
Art hat einen ovalen (nicht cylindriſchen) Hinterleib, mit nur 4 weißen Gürteln. 


Andere Arten in meiner Sammlung ſind: 


Gelbbeinige Scheinbiene (Halictus flavipes).; das Weibchen unter dem Namen Apis 
fla vipes in Panzer's Inſekten-Fauna abgebildet; das Männchen unter der Benennung: 
Hylaeus flavipes in dem Systema piezatorum des Fabricius beſchrieben. 


Andere Arten dieſer Gattung ſind: 


Seladongrüne Scheinbiene (H. seladonicus); nur das Weibchen dieſer Art ift bekannt. 
— Erzfarbige Scheinbiene (H. aeratus, K.) gehört zu den kleinſten Arten dieſer Gattung. 
— Kleine Scheinbiene (H. minutus). — Kleinſte Scheinbiene (H. minutissimus, K.). 
— Glatte Scheinbiene (H. laevis, Ky.). — Geglättete Scheinbiene (H. laevigatus, Xy.) 
— Punktirte Scheinbiene (H. punctatus, Ky.) — Goldgürtelige Scheinbiene (H. fulvo- 
cinctus, A).) — Weißbeinige Scheinbiene (H. albipes). — Weißgürtelige Scheinbiene 
(H. leucozonius). — Blondbeinige Scheinbiene (H. xanthopus, K.). — Viergeſtrichelte 
Scheinbiene (H. quadrinotatus, X.). — Sechsgeſtrichelte Scheinbiene (H. sexnotatus, 
Ky.). — Achtgeſtrichelte Scheinbiene (H. octonotatus, nv. sp.). — Unterbrochene Schein— 
biene (H. interruptus, nv. sp.). — Großköpfige Scheinbiene (H. cephalotes, nv. sp). 


Vierte Gattung: Gemeine Scheinbiene (Andrena, Lalr.) Zunge kurz zuge: 
ſpitzt, Körper behaart; der letzte Hinterleibring bewimpert, ohne Längseinſchnitt; die Hin⸗ 
terbeine an der Baſis mit einer Haarlocke, zum Einſammeln des Blumenſtaubes, verſehen. 

Dieſe Gattung iſt an Arten bei weitem die e In meiner N befin⸗ 
den ſich folgende: 

Ritter-Scheinbiene (Andrena equestris). — Roſen⸗Scheinbiene (Andr. Weeds) — 
Oeſtreichiſche Scheinbiene (Andr. austriaca). — Fünffingerkraut-Scheinbiene (Andr. po- 
tentillae). — Weißlippige Scheinbiene (Andr. albilabris). — Gerändelte Scheinbiene 

16 * 


(Andr. marginalis). — Goldhaarige Scheinbiene (Andr. fulvago, Ky.). — Weißhaarige 

Scheinbiene (Andr. albicans, Ky.). — Aſchgraue Scheinbiene (Andr. cineraria). — 
Schwarze Scheinbiene (Andr. aterrima). — Zweifarbige Scheinbiene (Andr. bicolor). — 
Kohlenbrenner⸗ Scheinbiene (Andr. carbonaria). — Schwarzköpfige Scheinbiene (Andr. 
melanocephala), — Rothgeſchiente Scheinbiene (Andr. tibialis, K).). — Wechſelnde 
Scheinbiene (Andr. varians), — Gelbrothe Scheinbiene (Andr. helvola). — Pechhorn— 
Scheinbiene (Andr. picicornis, K.). — Dornen ⸗Scheinbiene (Andr. spinigera, K.). 
— Bewaffnete Scheinbiene (Andr. armata, K).) — Pechfuß⸗ Scheinbiene (Andr. pici- 
pes, Ky.). — Haarbeinige Scheinbiene (Andr. pilipes), — Rothfingerige Scheinbiene 
(Andr. rufitarsis, Ky.). — Bärtige Scheinbiene (Andr. barbata, K).). — Bartlippige 
Scheinbiene (Andr. barbilabris, K).). — Zwerg⸗Scheinbiene (Andr. minutula, Ky.). — 
Kleinliche Scheinbiene (Andr. parvula, K.). — Gelbſchwänzige Scheinbiene (Andr. xan- 
thura, K.). — Goldſchwänzige Scheinbiene (Andr. chrysura, K).). — Dreigürtelige 
Scheinbiene (Andr. tricincta, KY.). 


B. Scheinbienen mit zwei Kubitalzellen auf den Vorderflügeln. 


Fünfte Gattung: Stumpfzungige Scheinbienen mit unbehaartem . 

per und geflecktem Geſichte (Hylaeus, Hairenkle, Prosopis, Habe WR 
Von mir geſammelte Arten find: 

Weißgeringelte Scheinbiene (H. annulatus). — Gelbgeringelte Scheinbiene (H. an- 
nularis, K).). — Scheiben-Scheinbiene (H. dilatatus, X/); das Wurzelglied der Fühler 
ſcheibenförmig erweitert. — Doppelpunkt-Scheinbiene (H. e — Geſchäckte 
Scheinbiene (H. variegatus). — Geſchwärzte Scheinbiene (H. nigritus). 

Sechste Gattung: Scheinbienen mit behaartem Körper und faſt linien- 
förmiger Zunge (Dasypada, Latr.). 

Anmerkung. Durch die faſt linienfoͤrmige Geſtalt der Zunge bildet dieſe Gattung den Uebergang 
zu den eigentlichen Bienen oder Apiarien. f 
Die von mir geſammelten beiden Arten ſind: 

Rauchbeinige Scheinbiene (D. hirtipes). — Federbeinige Scheinbiene (D. plumipes). 


Herr Lehrer Schummel über die ſchleſiſchen Arten der Gattungen: Leucospis und 
Chalcis, in Verbindung mit Herrn Inſpector Rotermund. 

4) Diptera. Herr Lehrer Schum mel zeigte die, für Schleſiens Fauna neue, vom 
Herrn Lehrer Letzner im Juli 1839 auf dem Glätzer Schneeberge gefaugzüß⸗ anſehnliche 
Thereva eximia, Meig. vor. 

5) Lepidoptera. Herr Haupt ⸗ gournaliſt Friedrich hielt einen Vortrag über die 
Eier der Schmetterlinge, und zwar wie folgt: | 


bone die Eier der Schmetterlinge, Te 
| von Friedrich, Haupt ⸗ Journaliſt | 


Obgleich mir a; Wer und das Streben des hieſigen vaterländiſchen entomologiſchen 
Vereines früher unbekannt war, und ich mich vorher auch nur für das Fangen und reſp. Ein⸗ 
ſammeln der Schmetterlinge, ohne auf ihre Entſtehung und anatomiſche Behandlung einzu⸗ 
dringen, i intereſſirte; ſo iſt es mir nunmehr, nachdem ich die Tendenz und das ſo rühmliche 
Einwirken der dieſen Zweig der Naturgeſchichte berührenden verehrten Herren Mitglieder 
näher kennen gelernt habe, um ſo erfreulicher, nach meinen zwar nur ſehr ſchwachen und un: 
bedeutenden Kräften, und vermöge meiner nur zu äußerſt beſchränkten Zeit, hierbei nach Mög- 
lichkeit in die Natur der entomologiſchen Grgebniffe mit a ringen, und Andurch ſo nach 
und nach als nützliches Glied zu erſcheinen. 

Ich erlaube mir daher, inſofern es die verehrten anweſenden benen miele für be⸗ 
ee finden dürften, etwas 

von den Eiern der Schmetterlinge 


in Anregung zu bringen. 


Die Subſtanz und überhaupt die Beſtandtheile dieſer Eier ſcheinen nach meinen darüber 
angeſtellten Beobachtungen eben dieſelben zu ſein, als wie bei allen andern fi, durch Eier 
fortpflanzenden größeren Thierarten; namentlich: Schale, Dotter und fließende Maſſe. Die 
erſtere iſt hart und ſpröde und verurſacht bei einigem Drucke ein ſehr denflichen Knickſen. 
Zum Beweiſe lege ich Eier der Ph. dispars etc. vor. 


Iſt bei denſelben die Befruchtung bereits vorangegangen, ſo ſieht man mittelſt Mi⸗ 
kroſkops (NB. in guter Vergrößerung) das künftig ſich entwickelnde Räupchen ſchon in kaum 
gebogenem Zuſtande. 


Die Art und Weiſe, wie dieſelben von dem Semittelinge abgeſetzt werden und was 
für ſie von ihm geſchieht, damit dieſelben und die innen befindlichen Räupchen bei ihrer Ge⸗ 
burt ſogleich dienliche Nahrung und bequemes, ihnen zuſagendes Fortkommen finden, iſt nur 
äußerſt bewunderungswürdig. 


So finden ſich z. B. die Eier der Schmetterlinge bald Bun, bald weniger, ja ſehr 
häufig einzeln umher zerſtreut, bald mit, oder irgend einer Ordnung, bald in geringer oder 
größerer Menge, bald ſogar klumpenweiſe bei einander, bald wie mit einem Filz durchwebt 
und überzogen, und mit demſelben ſonach vor allen Einwirkungen der Kälte und Näſſe be⸗ 
wahrt, bald mit einem ſchleimigen Guſſe in oder an einander feſt verkittet. 


In Bezug deſſen zeige ich erſtens die Eier des B. Neustria, deſſen Raupe eine der 
ſchädlichſten hieſiger Gegend iſt und ſogar oftmals (wie dies auch verfloſſenes Frühjahr der 
Fall geweſen) ganze Eichenwälder entblättert. Zweitens einige ſehr künſtlich an den Stiel 
eines Blattes abgeſetzte Eier, deren Raupe mir jedoch noch unbekannt. 


— 2 — 


Ihrer äußern Geſtalt nach ſind ſämmtliche Eier der Schmetterlinge unendlich von ein— 
ander verſchieden, und man kann wohl ganz ſicher behaupten, daß jede einzelne Spezies auch 
ein verſchiedenartig geformtes, der Farbe nach colorirtes und in Tuſehuns ben Blähung 
ganz von einander abweichendes Ei abſetzt. 

Ihrer Form nach ſind dieſelben mehr oder weniger kugelförmig oder halbkugelfbrmig 
oder auch konus (kegel-) förmig. Der Beflächung nach aber ſind ſie entweder nur glatt, ohne 
beſondere Erhöhungen oder Vertiefungen, hierbei aber auch regel- oder unregelmäßig einge— 
furcht, gerippt oder mit Reifen belegt, erhaben oder vertieft, oder auf ihrer Schale bepunktet, 
auch überſtrickt und noch von ſehr vieler anderer Geſtalt und Beſchaffenheit. 

Indem ich nun ein hierzu erforderliches, ganz gutes Mikroſkop leider zwar noch nicht 
beſitze, ſo erlaube ich mir, zu Verdeutlichung deſſen, einige ſchon gefertigte und illuminirte 
Abbildungen hier vorzuzeigen; ſie betreffen ee die Eier von P. Atalante, Sph. Pi- 
nastri und N. Plecta. | 

Die Gegenſtände, auf welchen der Eier gewöhnlich angetroßßen werden, dienten, 
inſofern dieſelben Knospen und Blüthen erzeugen, dem ſie abfolgenden Schmetterlinge zu ſei⸗ 
ner Nahrung und frühern Exiſtenz, oder, wenn dieſe Gegenſtände von ganz lebloſer Natur 
ſind, zu ſeinem Schutze. So findet man dieſelben bald mit, bald ohne Ordnung in geringer 
oder größerer Menge bei einander, meiſtentheils an den zarten Zweigen der Sträucher und 
an Pflanzenſtengeln, auf der untern oder auf der obern Seite der Baum-, Strauch- und 
Kräuterblätter, an und zwiſchen den Ritzen aller Baum- und Strauchrinden, an Planken 
oftmals ganz niedrig an der Erde, auch oftmals an den Spitzen hoher Bäume und deren 
Aeſte. — 

Was nun endlich den Wärmegrad anbelangt, welcher die innen befindlichen Räupchen 
zu ihrer Ausbildung und zum Auskommen reif und tüchtig macht, ſo erſcheint derſelbe höchſt 
verſchieden. Es ſteht hierbei leicht zu vermuthen, daß ebenfalls eine jede einzelne Spezies, 
nach der Beſchaffenheit und Dicke der Schale und der innern Compactivität des Eies, mehr 
oder weniger Wärme bedarf. Bei denjenigen, die ſich an Baumſtämmen, Aeſten, Zweigen, 
auch zwiſchen deren Rinde abgeſetzt vorfinden, ſcheint zugleich die Vegetation des Erdſtriches, 
auf dem vorgenannte Gegenſtände wachſen, in genauer Verbindung zu ſtehen; ſo zwar: daß 
bei einem kühlen und rauhen Frühjahre demungeachtet die jungen Räupchen eben ſchon mit 
dem in das Leben tretenden Gewächs ſehr zeitig zum Vorſchein kommen, und ſie durch un— 
günſtige Witterung nicht in ihrem Entſtehen, ſondern vielmehr nur in ihrem weiteren und 
ſchnelleren Wachsthume gehindert werden. 

So finden ſich z. B. die beiden Neſterraupen des B. Chrysorrhoea und B. Neustria 
ſchon in den erſten Tagen des Frühlings als ungebetene Gäſte ein; erſtere entſchlüpft zwar 
ſchon im Herbſt aus ihrem Ei und ſpinnt ſich ein gemeinſchaſtliches Neſt an den Zweigen der 
Obſtbäume zwiſchen den Blättern, bleibt dann den Winter über in Erſtarrung liegen, und 

wird durch die erſten neee in das Leben im wo ſie auch alsbald ihr 
Neſt erweitert und vergrößert. | 


127 


Die andere oder ſogenannte Ringelraupe hingegen entkommt jedoch etwas ſpäter aus 
ihrem Ei und ſpinnt ebenfalls gemeinſchaftliche Neſter. Bei dieſen und bei allen andern, 
auf vegetabile Gegenſtände abgeſetzte Eier ſteht zu vermuthen: 

Daß nicht allein der ſie erwärmende Sonnenſtrahl, ſondern auch die Vegetabilität 
deſſen Gegenſtandes, an welchen ſie ſich als abgeſetzt vorfinden, auf das Auskom— 
men der Räupchen bedeutend einwirkt, und dieſelbe mit und durch ſich ſelbſt deren 
raſchere Vervollkommnung und Reife fördert. 


Bei allen übrigen an lebloſen Gegenſtänden fich vorfindenden Eiern kann Vorerwähntes 
der Fall nicht ſein, und mag wohl ohne Zweifel die Veranlaſſung des Auskommens der jun— 
gen Räupchen lediglich der Sonnenwärme und dem Andrange der 11095 Luft zuzuſchreiben 
fein. — 


Herr Gymnaſial⸗ Lehrer Klopf ch ſetzte ſeinen, im vorigen Jahre begonnenen Vortrag 
über die Lebensweiſe, den Aufenthaltsort u. ſ. w. der Schmetterlinge weiter fort. Der 
Vortrag war 8 folgender: 


ueber den Aufenthalt und die Lebensweiſe der Schmetterlinge. 
(Fortſetzung des vorjährigen Aufſatzes.) 
Von Klopſch, Gymnaſial⸗Lehrer. 


Die Sphinxe, Schwärmer oder Dämmerungsfalter machen, in Bezug auf ihre Lebens— 
weiſe und Flugzeit, bekanntlich den Uebergang von den Tagſchmetterlingen zu den Phalänen 
oder Nachtfaltern; denn mit Ausnahme von Sph. Stellatarum, den man auch mitten am 
Tage und bei hellem Sonnenſcheine um die Blumen ſchwärmen ſieht, fliegen die größeren 
Arten derſelben nur in der Morgen- und Abenddämmerung (ein einziges Mal ſah ich auch 
Sph. Oenotherae, und zwar bei Silberberg, in den Vormittagsſtunden fliegend). Am häu— 
figſten beſuchen ſie blumenreiche Gärten, vorzüglich die Lauben der Roſe von Jericho. Was 
jedoch die kleineren Sphinxe, namentlich die Zygänen und Seſien betrifft, fo führen fie die— 
ſen Namen nicht wegen der gemeinſchaftlichen Flugzeit, da ſie vielmehr am Tage fliegen, ſon— 
dern weil ſie in anderer Hinſicht den eigentlichen Schwärmern verwandt ſind, beſonders in 
der Geſtalt und Flugart. Bei den Zygänen ſind nämlich die Flügel ſchmal, lang geſtreckt, 
und liegen im Stande der Ruhe dachförmig; ihr Flug iſt, ſo phlegmatiſch ſie auch ſcheinen, 
doch ziemlich ſchnell, übrigens ſitzen ſie häufiger, und zwar ſehr lange auf Blumen, beſonders 
den langgeſtielten, z. B. den Skabioſen, wo man ſie ohne alle Mühe fangen kann. Eine 
andere Eigenthümlichkeit derſelben iſt ihr außerordentlich zähes Leben. Nachdem man ſie an 
die Nadel geſteckt und ſo gedrückt hat, daß man ſie beſchädigt zu haben glaubt, ſo flattern ſie, 
obgleich ſie für den Augenblick todt ſcheinen, doch noch ſtundenlang an der Nadel. — Die 
Seſien oder Glasflügler dagegen gleichen den größeren Schwärmern mehr in der Flugart, 
welche auch ſchießend und pfeilſchnell iſt. Desgleichen ſchweben ſie nach Art der Schwärmer 


128 —— 


über den Blumen, während ſie den Rüſſel in den Kelch derſelben ſenken, um ſich an ihrem 
Honigfafte zu laben. Manche Seſien, wie z. B. Crabroniformis und Asiliformis, ſieht 
man nicht ſelten an den Stämmen der Bäume, vorzüglich der Pappeln, ſitzen, an denen ſie 
auskrochen. Ihr Flug und ihr ganzes Wefen iſt minder lebhaft, als das der Maßen Arten 
der Sphinxe. 

Ich gehe nun zu den ee ( en die zwar ſämmtlich zu den Nacht⸗ 
faltern gerechnet werden, obgleich mehrere von ihnen, und zwar im wildeſten Fluge, am Tage 
umherſchwärmen; dahin gehören: B. Rubi, Quercus, Carpini, Tau, Dispar und andere. 
Freilich gilt dieſes wilde Herumſchwärmen nur von den Männchen; denn die Weibchen ſitzen 
meiſtentheils ganz ſtill an den Stämmen der Bäume oder in Schlupfwinkeln verſteckt, und 
erwarten dort den flüchtigen Beſuch der ungeſtümen Männchen. Die meiſten Spinner kom— 
men jedoch am Tage wenig zum Vorſchein, ſondern flattern bei nächtlicher Weile, obſchon 
nicht weit, umher; überhaupt ſind ſie etwas träger Natur, und ſcheinen weniger Geſchmack 
an dem Safte der Blumen, als an den Freuden der Wolluſt zu haben; denn eigne Anſchauung 
hat mich gelehrt, daß ſie den Akt der Begattung mehrmals wiederholen. Als Beiſpiel führe 
ich B. Mori und Hebe an. In Hinſicht des ihnen eigenen Phlegma’s find fie als vollkomme— 
nes Inſekt, d. h. als Schmetterling, ganz das Gegentheil von den Raupen ihrer Art. So 
ſchnellfüßig und in ihrem ganzen Weſen lebhaft dieſe ſind, ſo träge und fühllos ſind jene; 
manche rühren ſich kaum, wenn man ſie mit der Nadel durchſticht. Beſonders gilt dies von 
den Dickleibern Quercifolia, Cossus Ligniperda, Pini, Vinula und andern mehr; weshalb 
man auch ihres Fanges, wenn man ſie im Freien findet, ganz gewiß ſein kann, weil ſie ſich 
ruhig anſpießen laſſen. Auch ihre Erziehung aus der Raupe iſt weit leichter und ſicherer, 
als bei allen anderen Phalänen, obſchon mit einigen Ausnahmen, was ich leider an B. Du- 
meti, Triſolii und Hebe wiederholentlich erfahren habe. Meiſtentheils aber wird die Mühe 
des Entomologen im Erziehen der Spinner durch einen glücklichen Erfolg belohnt. Weit 
weniger dagegen geſchieht dies bei den Eulen und Spannern, und es gehört in der That ein 
unermüdlicher, ja ein leidenſchaftlicher Eifer dazu, die Raupen der genannten Horden zu er— 
ziehen, weil nicht blos dieſes an ſich ſelbſt ſchon vielen Zufälligkeiten und häufigem Mißlingen 
unterworfen iſt, ſondern auch die erzielten Puppen durchaus noch keine gewiſſe Anwartſchaft 
auf den vollkommenen Schmetterling geben, da ſie großentheils entweder verſchimmeln oder 
vertrocknen; Erſteres, wenn man ſie zu feucht hält, Letzteres, wenn man ſie zu wenig an⸗ 
feuchtet, was man Beides leicht verſehen kann. Dazu kommt endlich, daß, ebenfalls in Folge 
der verfehlten Behandlung, die ausgetrockneten Exemplare häufig verkrüppelt ſind. — Was 
nun die Lebensweiſe der Eulen, der zahlreichſten Horde unter allen Lepidoptern, betrifft, ſo 
iſt ſie, bei aller Mannichfaltigkeit und Verſchiedenheit dieſer Falter, in Geſtalt und Größe, 
wie auch in Hinſicht der früheren Stadien, doch ziemlich einfach. Am Tage leben fie in 

Schlupfwinkeln aller Art verborgen, als: unter grünem und dürrem Laube, unter den Blät— 
tern niederer Pflanzen, in den Ritzen der Mauern ganz beſonders aber unter den Planken 
alter Bretterzäune, unter vorſtehenden Dachrändern, an der Decke offener Gartenhäuſer ze. 


129 


Mit einbrechender Dunkelheit verlaſſen fie dieſe Schlupfwinkel, ſchweifen weit umher und 
beſuchen, fo wie die Schwärmer, beſonders ſolche Oerter, wo viele ſtark duftende oder honig— 
reiche Blumen ſtehen, ſchweben einige Augenblicke über ihnen, mit dem ausgeſtreckten Rüſſel 
ſaugend, und eilen dann ſtürzenden Fluges auf eine andere Stelle. Nur in dem eben erwähn— 
ten günſtigen Momente, wo ſie über einer Blume ſchweben, iſt es daher möglich, ſie zu fan— 
gen, weil theils wegen ihres pfeilſchnellen Fluges, theils wegen der zunehmenden Dunkelheit 
an ein Verfolgen dieſer Nachtfalter nicht zu denken iſt. Man kann ſich bei dieſer nächtlichen 
Jagd einer Liſt bedienen, die zwar andern Entomologen, wie mir verſichert worden iſt, viel 
eingebracht, mir aber, obſchon ich erſt einen Verſuch der Art gemacht, nichts gefruchtet hat. 
Dieſes Hilfsmittel iſt eine kleine Laterne, die man in der Gegend, von der man ſich Etwas 
verſpricht, an einen Stock hängt, und dadurch die ſämmtlichen Nachtſchwärmer herbeilockt, 
die man auf dieſe Weiſe zwar leichter fangen, aber auch ſich leicht verderben kann, da das 
Aufſtecken bei Laternenlicht eine ſehr ſchwierige Sache iſt. Einmal, wie geſagt, habe ich dieſe 
Fangmethode verſucht, und zwar in Geſellſchaft des damaligen Studioſus Lux, jetzt Dr. der 
Medizin. Mit beſagter Laterne, worin eine kleine Wachskerze brannte, begaben wir uns an 
einem ſchönen, warmen Sommerabende auf den Fuchsberg, und harrten nun der Eulen und 
anderer Dinge, die da kommen ſollten; allein — es kamen keine, ein paar gemeine Zünsler 
Rund Motten ausgenommen, die jener gewaltigen Zurüſtungen nicht werth waren. Wir muß— 
ten daher, nachdem wir eine Stunde vergeblich gewartet hatten, den Rückweg antreten, wobei 
uns die kleine Fackel, die wir mit uns führten, den dunklen Pfad durch den lieblichen Hain 
am Fuße des Fuchsberges nothdürftig beleuchtete. — Leichter und einträglicher, obſchon nur 
auf einige Arten beſchränkt, iſt die Methode, kurz vor Sonnenuntergang ſich in einer, mit 
blühenden Diſteln, tauben Neſſeln und anderem Unkraut beſetzten Gegend einzufinden, und 
auf die gleich mit einbrechender Dämmerung erſcheinenden und die erwähnten Pflanzen um— 
ſchwärmenden Phalänen Jagd zu machen. Auf dieſe Art fing ich ſowohl früherhin, als auch 
in dieſem Spätſommer, eine Menge Eulen und andere Nachtfalter, namentlich die ſchöne 
Noctua Festucae und Chrysitis, welche letztere in dieſem Jahre außerordentlich häufig flog. 
Freilich muß man dieſe Abend-Exkurſionen öfters wiederholen, weil fie wegen der raſch zuneh— 
menden Dunkelheit nur von ſehr kurzer Dauer ſind. 

Nach dieſer Abſchweifung kehre ich zur Hauptſache zurück. Ich ſagte oben, daß die 
Eulen am Tage ſtill ſäßen und zur Nachtzeit umherſchwärmten. Dieſes gilt allerdings von 
der überwiegenden Mehrzahl, doch nicht von allen. Solche Ausnahmen ſind: N. Gamma, 
Solaris, Dipsacea, Luctuosa, Glyphica, Mi, Heliaca, Aenea. Dieſe und noch viele 
andere fliegen in den heißeſten Stunden des Tages auf Blumen und ſonnigen Plätzen. Auch 
die ſchon im März erſcheinende N. Parthenias wird erſt durch die höher ſteigende Sonne 
zum Fluge belebt; denn in den gewöhnlich kalten Morgenſtunden hängt ſie noch wie erſtarrt 
an den Zweigen der Strauchbirke. Beiläufig geſagt, hat die Larve dieſer Eule mit mehreren 
Seſien⸗ und Bombyx⸗-Arten die Eigenthümlichkeit gemein, daß fie ſich in den Stamm des 
Baumes, auf dem ſie gelebt hat, einbohrt und darin verpuppt. 

17 


130 


Die Spanner find in gewiſſer Hinficht die intereſſanteſte, in anderer Hinſicht aber die 
mißlichſte und ſchwierigſte Horde unter den Nachtfaltern; die intereſſanteſte, ſage ich, weil 
ſie im Larvenſtande ſo wunderbare Naturtriebe verräth, in Geſtalt und Farbe aber die größte 
Mannichfaltigkeit und Schönheit darbietet. Ein Gleiches kann man von dem vollkommenen 
Inſekte behaupten. Wie zart iſt nicht bei den Spannern der ganze Bau des Körpers, wie 
verſchieden der Schnitt der Flügel, wie ſchön die Zeichnung und Farbe derſelben! — Allein 
eben dieſe Vorzüge ſind auch der Grund, warum ich die Spanner die mißlichſte und am 
ſchwierigſten zu behandelnde Horde der Phalänen nannte; denn wegen ihres zarten Baues 
kann man ſie beim Aufſpannen leicht verletzen; eben deshalb ziehen ſich ihre Flügel leicht, oft 
ſchon nach kurzer Zeit, und überhaupt ſind ſie der Zerſtörung eher unterworfen, als alle bis— 
her erwähnten. Dazu kommt nun noch, was ich oben ſchon über die Erziehung der Spanner— 
Raupen ſagte. Dies Alles zuſammen genommen, ſchmälert nicht wenig das Intereſſe, was 
man wohl ſonſt für die Spanner zu haben geneigt wäre. Nur diejenigen ſowohl unter den 
Spannern, als Eulen, welche ſich über der Erde in Blättern, Moos und dergleichen ver— 
wandeln, machen hinſichtlich der Erziehung eine erfreuliche Ausnahme von dem Obengeſag— 
ten; ſie erfordern nicht nur weniger Mühe im Füttern und in der ganzen Behandlung, ſon— 
dern belohnen auch weit häufiger durch ein erwünſchtes Reſultat. Mit wahrem Vergnügen 
erwähne ich meine mehrmaligen glücklichen Verſuche in Erziehung der Eulen-Sippſchaft: 
Catocala, der Noctua Derasa, Batis und Orion, und der Geometra Papilionaria, Albi- 
cillata, Flexularia, Fasciaria, vieler anderer nicht zu gedenken. | 

Die Lebensweiſe und der Aufenthalt der Spanner find ziemlich eben fo, wie bei den 
Eulen, nur mit dem Unterſchiede, daß erſtens ihre Flugzeit von einander abweicht. Der 
Flug der Eulen iſt mehrentheils ein ſtetiger, und verfolgt mehr eine beſtimmte Richtung; die 
Spanner dagegen fliegen nur eine kurze Strecke, dann ſetzen ſie ſich wieder. Dabei laſſen ſie 
ſich gewöhnlich vom Winde treiben, mithin iſt die Richtung ihres Fluges mehr unwillkürlich 
und zufällig; auch iſt ſie nicht horizontal, ſondern meiſtentheils fliegen ſie bald aufwärts, 
bald niederwärts, alſo bogenförmig, was natürlich ihren Fang ſehr erſchwert. Dieſer ge— 
ſchieht am leichteſten, wenn man ſie in ſitzender Stellung mit ausgebreiteten Flügeln an ei— 
nem Zaune oder anderem flachen Gegenſtande trifft und das Fangnetz über ſie hält. Endlich 
unterſcheiden ſie ſich von den Eulen noch dadurch, daß ſie weniger die Blumen beſuchen. 
Nur ſelten habe ich einen Spanner auf einem Blumenkelche geſehen; ſie ſcheinen alſo mehr 
der Fortpflanzung, als der Nahrung halber von einem Orte zum andern zu fliegen. Dies 
geſchieht bei vielen Arten auch am Tage. Als Beiſpiel führe ich an: Geom. Moeniaria, 
Mensuraria, Dealbata, Palumbata, Ochreata, Purparata. 

Ehe ich die Spanner verlaſſe, will ich noch die merkwürdige Art erwähnen, wie ſich die 
Larve von der G. Sambucaria und Carbonaria verpuppt. Sie verfertigen ſich beide einen 
ſchwebenden Folliculus; der der erſteren Art hängt nachläßig mittelſt einiger Fäden an einem 
Zweige. Unwillkürlich denkt man dabei an das Neſt der Beutelmeiſe. Die Geom. Carbo- 
naria dagegen befeſtiget ihre Puppenhülle auf zwei Punkten an irgend einen Gegenſtand, und 


U 


131 | 


ſchwebt fo in der Mitte, wie ein in einer Hängematte Liegender. Dieſe intereffante Beob— 
achtung habe ich ſelbſt zu machen Gelegenheit gehabt. N 

Es folgen nun in der Reihe der Phalänen die Zünsler oder Pyraliden, auch Feuermot⸗ 
ten genannt. Alles, was mich meine bisherige Erfahrung darüber gelehrt hat, iſt etwa 
Folgendes: 

Sie entfernen ſich meiſtens nicht weit von dem Orte ihrer Entſtehung. So verlaſſen 
zum Beiſpiel Pyr. Nymphaealis, Potamogalis, Stratiotalis, Lemnalis wohl ſelten den 
Sumpf oder Waſſergraben, wo fie ausgekrochen find. Pyr. Pingualis und Farinalis blei⸗ 
ben in dem Zimmer oder Hausflur, wo ihre Larve lebte; Sambucalis liebt den Fliederſtrauch, 
Urticalis den Neſſelbuſch, Rostralis den Bretterzaun, wo ſie ſich verwandelte. Manche 
pflegen jedoch weitere Ausflüge zu machen und ſich vom Safte der Blumen zu nähren, na— 
mentlich diejenigen, welche man auf Wieſenfluren findet, wie zum Beiſpiel Purpuralis 
Flammealis, Cespitalis, Fuscalis, Litteralis, Tentaculalis und andere mehr. Ein Glei— 
ches gilt von einer Menge Tineen und Aluziten oder Federmotten, die man ebenfalls auf 
freier Flur antrifft, wie zum Beiſpiel Tin. Pratella, Campella, Pascuella, Perlella, 
Straminella, Pentadactyla, Hexadactyla, Pterodactyla. Andere dagegen lieben die 
Nähe von Sträuchern und Gebüſch; zum Beiſpiel Majorella, Tortricella, Phryganella, 
Evonymella, Padella, Geerella. Bei der letztgenannten bemerke ich noch als beſondere 
Eigenthümlichkeit, daß ſie gewoͤhnlich in Maſſe, und zwar aufwärts und abwärts fliegen, 
ganz nach Art des ſogenannten Spielens der Mücken, ſo daß ihr Flug das Schauſpiel eines 
Tanzes in der Luft gewährt. Tin. Fagella findet man ausſchließlich in den erſten Tagen 
des Frühlings an den Stämmen der Eichen, von denen ſie ſich auch nicht zu trennen ſcheint, 
da die Weibchen wegen ihrer kurzen Flügel nur an denſelben Stämmen, an deren Fuße ſie 
auskrochen, hinaufkriechen können. Die Tortrizes oder Blattwickler endlich leben, wie ſchon 
der Name lehrt, auf Bäumen und Sträuchern, von denen ſie ſich nur dann entfernen, wenn 
ſie verſcheucht werden. Nur wenige Arten machen eine Ausnahme davon; zum Beiſpiel 
Tortr. Urticana, Conchana, Rusticana, Falcana, Siculana, Tripunctanä, Rufana, 
Uncana und einige Andere, die man auch auf Wieſen findet. Der Fang der Blattwickler 
und das Erziehen ihrer Raupen iſt daher im Ganzen leichter, als bei den übrigen Horden 
der Phalänen, weil ſie ſich weniger zerſtreuen, und, wo ſie einmal ſind, in BR Menge 
angetroffen werden. 

So viel iſt indeß gewiß, daß das Feld der Mikrolepidopterologie ein ſehr weites und 
noch wenig erforſchtes iſt, und daß wir daher den Männern, die ſich in der neueſten Zeit 
darum verdient gemacht haben, einem Treitſchke, Fiſcher von Röslerſtamm und 
einigen Anderen, den größten Dank ſchuldig ſind. 


Herr Gymnaſial-Lehrer Klopſch zeigte alle ihm bekannten ſchleſiſchen Arten der Gat— 
tung Hesperia, 11 an der Zahl, worunter die ſeltenen: Actaeon und Sertorius, und eine 
ſehr merkwürdige Varietät des Alveolus vor. 

44 


— 1 — 


In einem andern Vortrage gab derſelbe einen kurzen Bericht über eine, von ihm meiſt 
in entomologiſcher Hinſicht unternommene Reiſe in das Waldenburger und Rieſengebirge, 
und über einen, noch wenig bekannten, Fangort des Papilio Apollo im Rabengebirge. 
| Herr Klopſch, fo wie Herr Friedrich „ zeigten außerdem viele, in dieſem Jahre aus 
der Raupe oder Puppe gezogene oder gefangene, ſeltene Schmetterlinge vor. 

Herr Juſtizrath Krauſe ſtellte endlich zur Anſicht dar: eine ſehr ausgezeichnete Abart 
der Noctua Atriplicis. ' 

Die entomologiſche Bibliothek erhielt einige ſchätzbare Zuſätze durch die Herren: Pro— 
feſſor Dr. Germar in Halle und Privatgelehrten F. X. Fieber in Prag, wurde auch durch 
Ankauf neuer bedeutender Werke beträchtlich vermehrt. 


P. C. Gravenhorſt, 


z. Z. Secretair. 


1 1 


Biel: inet 
ü ber | 


die Verſammlungen der botaniſchen Section 
im Jahre 1839. 


In der erſten Verſammlung, am 24. Januar, ſetzte Herr Profeſſor Dr. Göppert den Plan 
des von ihm verbreiteten neuen, die Petrefaktenkunde betreffenden Werkes: „Die Gattungen 
der foſſilen Pflanzen“ auseinander, und legte die Probetafeln deſſelben der Section zur An⸗ 
ſicht vor. Derſelbe hielt hierauf einen Vortrag: Ueber die Stigmariae, eine neue Familie der 
vorweltlichen Flora, welcher ſeinem weſentlichen Inhalte nach hier folgt: f 


Ueber die Stigmarien, eine neue Familie der vorweltlichen 13 555 
Von H. R. Göppert. 


„In dem älteren Steinkohlengebirge, wie auch an mehreren Orten der . 
mation, find wenig foſſile Pflanzen fo weit und in folder Menge verbreitet, als die Stigma- 
ria ficoides Brong. (Variolaria ficoides Sternb.). Sie ward daher auch ſehr früh bekannt 
und ſchon von Petiver und Volkmann abgebildet, die nächſt Luidius und Scheuchzer 
faſt zuerſt genauer foſſile Pflanzen erwähnten. Woodward (un attempt. towards a 
natural history of the ſossiles of England. London 1729. Vol. I, P. II, p. 104, et 
Vol. II, p. 59.) kannte bereits die Quincuncialſtellung der Narben, die er ſehr richtig von 
abgefallenen Blättern herleitet, ſo wie die im Innern der Stämme befindliche Achſe. 

Seit jener Zeit ward die Kenntniß unſerer Pflanze faſt gar nicht erweitert, bis Stein— 
bauer (Americ. phil. Transact. N. Ser. V. II, p. 268 t. 4, f. 1 — 6. 1817) fand, daß 
die mit den rundlichen Narben bedeckten Aeſte ſich gabelförmig von einem 3 — 4 Fuß im 
Durchmeſſer haltenden Centralkörper angeblich in horizontaler Richtung oft bis zu 20° Länge 
erſtreckten und mit ſtumpfer Spitze endigten. 

Lindley und Hutton (foss. Flora of Great Brit. V. I, tab. 31 — 36, p. 94 
und 110, Vol. II, Preface p. XIII, Vol. III, p. 47 — 48, tab. 166) beſtätigten dieſe 
Erfahrungen. und bildeten einen 3 — 4 F. im Durchmeſſer haltenden kugelförmigen Stamm 
oder Stock (dome) ab, von welchem ſich horizontal, aber in divergirender Richtung 9 — 15 


134 —— 


Aeſte erſtrecken, die in einiger Entfernung zweitheilig werden. Namentlich wegen des kup⸗ 
pelförmigen wurzelloſen Stockes der in horizontaler Richtung ausgehenden Aeſte, die im 
Innern Treppengefäße und angeblich Markſtrahlen enthalten, erklären ſie dieſe Pflanze für 
ein den Cacteen oder Euphorbieen verwandtes Waſſergewächs, welches in Sümpfen wuchs 
oder in ruhigen und ſeichten Seen, gleich unferer Stratiotes oder Isoetes, umherſchwamm. 
Buckland (Geol. and Mineral, V. II, Pl. 56, f. 8 — 11. V. I, p. 476) ſtimmt die⸗ 
ſer Anſicht bei, aber Agaſſiz, in der Ueberſetzung dieſes Werkes, welcher ſelbſt Gelegenheit 
hatte, bei Hutton die e Exemplare einzuſehen, glaubt Spuren von Wurzeln an 
denſelben zu ſehen, und meint, daß die Aeſte nach aufwärts wuchſen, wie es ihm wohl mit 
Recht überhaupt unwahrſcheinlich dünkt, daß eine ſo große Pflanze ohne Anheftung ſich 
ſchwimmend auf der Oberfläche des Waſſers habe erhalten können. 

Schon längſt auf das eben geſchilderte merkwürdige Vorkommen der Stigmaria aufmerk— 
ſam, ſah ich endlich bei einem Freunde, Beinert in Charlottenbrunn, einen von ihm im 
daſigen Steinkohlengebirge, mitten unter Aeſten von Stigmaria entdeckten Stamm, welchen 
ich glaube für etwas Aehnliches halten zu dürfen. Leider iſt er nicht vollſtändig vorhanden, 
obſchon immer noch 24“ lang, 12“ breit und 6“ dick, etwas zuſammengedrückt, von allen 
Seiten aber ſo beſchädigt, daß man von dem etwanigen Ausgange von Aeſten nichts zu erken— 
nen vermag. Auf der Oberfläche ſieht man ganz unregelmäßige, nur ſelten durch Querfur— 
chen verbundene Längsriſſ ſe, wie ſie häufig auf der älteren Rinde dikotyledoniſcher Bäume, 
z. B. bei Iuglans regia, vorkommen. Auf der einen, etwas gewölbten Fläche iſt die in eine 
dünne Kohlenſchicht verwandelte Rinde noch gut erhalten, hin und wieder mit unregelmäßig 
geſtellten Blattnarben verſehen, welche, wie auch Lind ley bei feinen Exemplaren beobachtete, 
mit den auf den Aeſten der Stigmaria befindlichen vollkommen übereinſtimmen. Auf der 
andern, mehr flach gedrückten Seite fehlt die kohlige Rinde, und die Schieferthonmaſſe er— 
ſcheint mit punktſörmigen kleinen Vertiefungen verſehen, die vielleicht Stacheln, ſchwerlich 
wohl Wurzelfaſern zur Baſis dienten. Als ich dieſes ganz und gar durch blaugrauen Schie— 
ferthon ausgefüllte Stück vorſichtig nach der Länge ſpaltete, um über die Beſchaffenheit des 
Innern Aufſchluß zu erhalten, fand ich 2“ unter der Oberfläche eine mit ſchwach erhabenen 
länglichrunden, regelmäßig ſpiralig geſtellten Narben bedeckte, 12“ lange und 1 ½“ breite, 
achſenähnliche Bildung, von welcher aus an der noch ziemlich wohl erhaltenen Seite, bogen— 
förmig neben einander liegend, rundliche, auf ihrer Oberfläche keine Struktur zeigende Aeſte 
in das Innere des Stammes übergehen, welche vielleicht als Achſen zu den Aeſten der Pflanze 
verliefen. Rechts von dieſer, wahrſcheinlich alfo mit dem Namen Centralachſe zu bezeichnen— 
den Bildung verlief eine zweite mehr bogenförmig nach außen, von welcher jedoch ein Aus— 
gang von Aeſten oder ein Zuſammenhang mit der erſtern ſich nicht wahrnehmen ließ. Uebri— 
gens waren in der Schieferthonmaſſe des Innern noch an mehreren Stellen verkohlte vegeta— 
biliſche Reſte ohne beſtimmte Form vorhanden. 

Sobald es aber nicht glückt, den direkten Zuſammenhang einer ſolchen Maſſe mit Aeſten 
von Stigmaria nachzuweiſen, läßt ſich etwas Beſtimmtes über die Abſtammung derſelben 


135 


nicht angeben. Demohnerachtet zögere ich nicht, dieſe an und für ſich unvollſtändige Beob— 
achtung zu veröffentlichen, und wünſche namentlich, daß Bergbeamte, welche Gelegenheit ha— 
ben, täglich Unterſuchungen in Steinkohlenbergwerken anzuſtellen, ſich dadurch veranlaßt ſehen 
möchten, dieſem Gegenſtande ihre Aufmerkſamkeit zu ſchenken und dann die Reſultate ihrer 
Erfahrungen recht bald mitzutheilen. 


Wenn wir alſo auch zur Zeit noch von dem Centralſtocke der Stigmaria ſehr wenig wiſ⸗ 
ſen, vermag ich doch um ſo vollſtändigere Aufſchlüſſe über den Bau der Aeſte dieſer Pflanze 
zu geben. Bekanntlich wurden über ihre Beziehungen zur Flora der Jetztwelt die verſchie— 
denartigſten Anſichten aufgeſtellt. Sternberg verglich ſie mit einer baumartigen Euphorbie, 
Martius mit Cacalieen oder Ficoideen, Nau mit Palmen, Schrank mit Stapelia, 
Brongniart anfänglich mit Aroideen, ſpäter richtiger mit Lycopodieen, ſo wie auch mit 
Iſoetes, und in der neueſten Zeit ſcheint Corda geneigt, ſie für ein die Craſſulaceen, Eu— 

phorbieen oder Cactusform mit den Cykadeen verbindendes Mittelglied zu erklären, woraus 
man nur eben erſieht, wie unſicher unſere Schlüſſe ausfallen, wenn wir aus der äußern Aehn— 
lichkeit der Rinde eines foſſilen Gewächſes die analogen Formen zu beſtimmen ſuchen. 


Indem ich mir vorbehalte, die genauere, durch zahlreiche Abbildungen erläuterte Beſchrei— 
bung dieſer merkwürdigen Pflanze der Vorwelt in einem Werke zu liefern, von welchem unter 
dem Titel: „die Gattungen der foſſilen Pflanzen“ noch in dieſem Jahre einige Hefte erſcheinen 
werden, erwähne ich hier nur kürzlich die Hauptreſultate meiner Unterſuchungen, die ich an 
durch kohlenſauren Kalk verſteinten, von mir im Uebergangsgebirge bei Gläziſch-Falkenberg 
entdeckten Exemplaren anſtellte. Der Holzkörper dieſer Pflanze, welcher etwa 
die Feſtigkeit der baumartigen Farrn gehabt haben mag, beſteht faſt gänz— 
lich aus Treppengefäßen. Durch denſelben gehen in horizontaler Rich⸗ 
tung, aus Treppengefäßen und Zellgewebe beſtehende, alſo ſehr einfach 
organiſirte Gefäßbündel, welche aus der aus gleichen Beſtandtheilen zu— 
ſammengeſetzten Achſe entſpringen. Die den Holzkörper umgebende Rinde 
beſteht aus dünnwandigen Zellen ohne Spur von Baſt. Die rundlichen 
Blätter, deren Struktur ich in der, jene Exemplare einſchließenden dichten Grauwacke oft 
noch in der Entfernung von mehreren Zollen zu verfolgen vermochte, zeigen im Quer— 
ſchnitt drei verſchiedene Lagen dünnwandigen Zellgewebes und in der 
Mitte ein Bündel Treppengefäße. Bei der Trennung des Blattes vom Stamme 
blieb ein Theil des Gefäßbündels in Form eines kleinen Stachels zurück, wie ich ebenfalls an 
einem, von dem umgebenden Geſtein nicht völlig eingeſchloſſenen Exemplare beobachtete, an wel— 
chem die eine Fläche wie von einem Gewölbe umgeben erſchien, wodurch allein nur die Erhal— 
tung eines ſo zarten zerbrechlichen Gegenſtandes möglich ward. Da jene Blätter wohl unſtreitig 
fleiſchig waren, ergiebt ſich hieraus die merkwürdige, bisher noch nicht hinreichend feftgeftellte 
Thatſache, daß alſo auch zartere, aus dünnwandigen Zellen zuſammenge— 
ſetzte Pflanzentheile wenigſtens durch kohlenſauren Kalk verſteinert wer— 


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den können. Nach Entfernung des kohlenſauren Kalkes bleibt die organiſche Faſer der 
Zellen und Gefäße noch vollſtändig zurück, wie ich ebenfalls in der re 1 
bung unſerer Pflanzen näher auseinanderſetzen werde. 

Mit den kryptogamiſchen Monokotyledonen, wohin ich die e Stig arig vorläufig rechne, 
bis dies durch die Entdeckung ihrer zur Zeit noch völlig unbekannten Fruktifikations-Organe 
noch näher beſtimmt wird, hat ſie die bedeutende Entwickelung des Treppengefäßſyſtems ge— 
mein, ja übertrifft ſie hierin alle, da dieſe Gefäße bei keiner bis jetzt bekannten, dahin gehö— 
renden Gattung in ſolcher Menge und wie die Holzbündel der Cykadeen und Coniferen gela— 
gert vorkommen. Mit den Lykopodieen und den von dieſen, nach Ad. Brongniart's 
neueſten Unterſuchungen, nur wenig verſchiedenen Lepidodendra ſtimmt ſie, rückſichtlich der 
Dichotomie der Aeſte und der zelligen, nur mit einem Gefäßbündel verſehenen Blätter, der 
gefäßführenden Axe und den von ihr nach den Blättern, aber freilich nicht in ſpitzen, ſondern 
in rechten Winkeln abgehende Gefäßbündel, mit den Cykadeen durch die in Querſchnitt ähn— 
lich erſcheinenden Anhäufungen der Gefäßbündel überein, wie ſie auch durch die horizontal 
verlaufenden Gefäßbündel die Markſtrahlen der Cykadeen gewiſſermaßen nachahmt, weicht 
aber von beiden, wie von den übrigen Familien jener Ordnung, durch den oben erwähnten 
Centralſtock (wenn ſich deſſen Exiſtenz, woran ich wohl nicht zweifle, noch näher beſtätigen 
ſollte), den eigenthümlichen Bau des nur aus Treppengefäßen und Zellgewebe, ohne Spur 
von Baſt zuſammengeſetzten Stammes, der einfache Bau der Gefäßbündel (ähnlich hierin den 
Farrn und ſelbſt den Rhizantheen) (unger's Beiträge zur Kenntniß der Paraſiten, S. 39), 
und die höchſt wahrſcheinliche fleiſchige Beſchaffenheit der Blätter ſo auffallend ab, daß ſie 
wohl mit Recht als Grundtypus einer eigenen Familie, die ich mit dem Namen der Stig- 
mariae ) bezeichne, wie dies auch ſchon von Herrn Unger, ohne nähere Kenntniß der 
inneren Organiſation, ſcharfſinnig vermuthet wurde (Unger's Aphorismen zur Phyſiologie 
und Anatomie der Pflanzen, Wien 1838), betrachtet werden kann. Inſofern ſich nun un⸗ 
ſere Pflanze bald durch das eine, bald das andere der angegebenen Eigenthümlichkeiten ihres 
Baues den oben genannten Familien anſchließt, ohne mit einer einzigen völlig übereinzuſtim— 
men, betrachte ich ſie als ein Mittelglied, welches namentlich die Lyko— 
podieen den Cykadeen nähert, und ſo gewiſſermaßen eine Lücke in der 
gegenwärtigen Flora ausfüllt, woraus ein neuer Beweis für die ſchon 
mehrfach geäußerte Anſicht hervorgeht, daß die jetzige Vegetation mit 
der vorweltlichen nur eine Flora bildet, in welcher die einzelnen Fami— 
lien durch vielfache Mittelformen, die bald in der Jetztwelt, bald in der 
Vorwelt ſich befinden, unter ſich ein harmoniſches Ganze bilden.“ 


Zu dieſer Familie rechne ich noch zwei andere, von mir im Uebergangsgebirge zu Landeshut beobachtete 
Stämme. Bei der einen derſelben wiederholt ſich merkwürdigerweiſe die Bildung der Oberfläche der 
Stigmaria im Innern des Stammes auf der Oberfläche der Achſe, wodurch die Verwandtſchaft derſelben 
in der That auf recht auffallende Weiſe nachgewieſen wird. 


96012 — 


Der Vortrag ſelbſt ward durch Vorzeigung von ungen, RR und er 
plaren der in Rede ſtehenden Pflanzen erläutert. | 


Sn der zweiten, am 14. Februar, las Herr M. von Uechtritz einen Auſſatz: Ueber 
den Vegetations- Charakter des Mähriſch-Oeſterreichiſchen Gränz- oder ſogenannten Wein⸗ 
Gebirges. 

„Dieſes niedrige, Mähren von Nieder⸗ Oeſterreich trennende, etwa 15— 1800 p. F. 
über das Meer ſich erhebende Berggebiet erſtreckt ſich bei einer ſehr ungleichen, zwiſchen 6 bis 
12 geogr. Meilen wechſelnden Breite, ohngefähr 16 bis 18 geogr. Meilen von SW. nach 
SO. in die Länge. Es geſtaltet ſich, dem größern Theile nach, als eine wellenförmige Hoch: 
ebene, die von ſeichten, muldenförmigen Vertiefungen durchzogen wird. Im weſtlichen Theile 
macht hiervon nur das ſich weiter öſtlich verflachende, tiefer eingeſenkte ſchmale Tayathal eine 
Ausnahme, ſo wie einige kurze, aber tiefer ins Donauthal ausmündende Thäler. Kalk bil— 
det allenthalben den Bodengrund. Im nordöſtlichen Theile erheben ſich die unter dem Na: 
men der Polauer Berge bekannten, zuerſt durch Hochſtetter, dann von Dr. Carl und 
Andern botaniſch näher und wohl auch genügend erforſchten, theils kahlen, theils umbuſchten 
ſchroffen Felshöhen. Mit wenigen Ausnahmen erſcheint dieſe Gegend arm an Bäumen und 
Sträuchern, an Wieſen und Gewäſſern. Sie iſt faſt durchgehends kultivirt, und liefert den 
in Wien und Brünn unter dem Namen Bergwein bekannten, dem Würzburger ſich nähern— 
den Wein, ein Produkt des kahlen, trocknen, den Sonnenſtrahlen faſt allenthalben zugäng⸗ 
lichen Bodens. 

Dies klimatologiſche Verhältniß begünſtigt auch die Vegetation mancher Pflanzenfami— 
lien, namentlich der Leguminoſen, Caryophylleen, Lineen und Compoſiten, auf dieſer Hoch— 
ebene in einem Grade, wie vielleicht nirgends in Deutſchland. Auf dieſen ungewöhnlichen 
Pflanzenreichthum aufmerkſam zu machen, wünſcht der Verfaſſer um ſo mehr, als die ſchon 
erwähnten Polauer Berge, mit ihrer allerdings intereſſanten, aber Kalkhöhen allerwärts mehr 
oder minder eignen Vegetation, wovon ich nur kürzlich Alyssum saxatile, Lithospermum 
purpureo-coeruleum, Daphne Cneorum, Clematis recta, Globularia vulgaris, Genista 
pilosa, Arenaria ſasciculata, Euphorbia Epithymoides und amygdaloides Polygala ma- 
jor und Chamaebuxus, Physalis Alkekengi, Inula ensifolia, Epipactis rubra, Phlomis 
tuberosa, Euphrasia lutea, Prunus Mahaleb erwähne, die zeitherige Aufmerkſamkeit der 
Botaniker allein in Anſpruch genommen hat. Was mich betrifft, ſo ziehe ich die Flora der 
Hohlwege und Fußſteige um die Weingärten von Znaym, Kloſter Bruck, Roitſch, Falkenſtein, 
Raab, Schrattenthal und Eggenburg jener der Polauer Berge vor; auch iſt ſie mannichfacher 
und üppiger, als die ſüdlichere Weingärten-Flora von Wien. Mit Uebergehung der gemei— 
nen, auch bei uns bekannten Gewächſe, erwähne ich an Leguminoſen: Astragalus exscapus, 
Cicer, villosus, Hypoglottis, Onobrychis (häufigſt), austriacus, Genista procumbens WK., 
Galega officinalis, Medicago intermedia, prostrata WK., minima (bei Eggenburg, Raab 
und Nikolsburg), Anthyllis vulneraria und die Form coceinea, Dorycnium herbaceum 

18 


138 


(gem. öftlicher Theil), Lathyrus latifolius (ſüdwärts der Taya, z. B. Koitfej; Vicia du- 
metorum, Hedysarum Onobrychis, Cytisus supinus (gem. dagegen der in Oberſchleſien 
gemeine Cytisus capitatus hier ſelten iſt), Colutea coronaria, Hippocrepis comosa (dieſe 
jedoch nicht in der eigentlichen Weingärten-Region, ſondern mehr in der Nähe des nieder— 
öſterreichiſchen Mannhardsberges, Eggenburg und Hollabrunn). 


Compositae: Carduus mollis (Eggenburg), Inula germanica, Pyrethrum corym- 
bosum (Znaym im Tapathale, am vollkommenſten bei Meißau, wo ich auch Cycla- 
men europaeum fand), Anthemis austriaca (Roitſch, Schrattenthal, Hollabrunn), 
Achillea nobilis, (gemein bei Roitſch, Eggenburg), magna (Hohlwege bei Kloſter 
Bruck, jenſeits der Taya), Prenanthes viminea (Roitſch), Lactuca saligna (Horn, 
Eggenburg), Apargia incana, Centaurea solstitialis (fand ich einft bei Ober-Holla⸗ 
brunn), Echinops sphaerocephalus, Xeranthemum annuum, Aster Amellus, Co- 
nyza squarrosa, Artemisia pontica (im öſtlichſten Theile gegen die March, z. B. 
Nappagedla), scoparia WK. (ſehr gemein), Chrysocoma Linosyris (Horn), Scor- 
zonera laciniata WK. (Roitſch). 

Cruciferae: Lepidium Draba, Sisymbrium strietissimum, pannonicum, Loeselii, 
Erysimum W canescens, Diplotaxis tenuifolia, muralis (Weingarten- 


mauern). 

Sileneae: Saponaria Vaccaria (häufig), Silene inflata WK., galliea, Armeria 
(Roitſch). 

Rosaceae: Prunus Chamaecerasus (allenthalben, am häufigſten bei Roitfch), Noba 
pimpinellifolia. 


Lineae: Linum austriacum, tenuifolium, hirsutum. 

Umbelliferae: Tordylium maximum, bei Falkenſtein (vgl. Rohrer's und Maier's 
Flora von Mähren (Brünn 1835, bei Scharditz), Peucedanum alsaticum (Roitſch, 
Kloſter Bruck), Seseli glaucum (Roitſch, ungewöhnlich groß und üppig), Scandix 
Pecten, Caucalis daucoides, ſehr gemein, fo auch Eryngium campestre. 

Rubiaceae: Galium vernum, tricorne (gem.), Asperula cynanchica, tinctoria. 

Campanulac.: Campanula Speculum (von Schrattenthal ſüdwärts auf allen Fel— 
dern), bononiensis (ſ. Rohrer's und Maier's Flora) fand ich nirgends. 

Borragineae: Heliotropium europaeum (Lowitz, ſparſam in Weingärten), Echium 
rubrum, von Rohrer und Maier im Gebiet angegeben, fand ich nicht. 

Dipsaceae: Scabiosa suaveolens WK. (gem.) 

Scrofularinae: Veronica prostrata (gem.) 

Labiatae: Prunella laciniata (öſtliche Theil), Ajuga Chamaepitys, Teuerium Bo- 
trys. (nicht in der weſtlichen Hochebene, dagegen auf den meiſten Kalkhügeln in der 
Nähe der March), Teucrium Chamaedrys (ſehr häufig und üppig), Origanum 


139 


vulgare (eins der gemeinſten Gewächſe), Stachys germanica, recta, Leonurus 
Marrubiastrum. Sideritis montana fand ich nur im öſtlichen Theile bei Gaya und 
Nikolsburg an ſonnigen felſigen Stellen. Die von Rohrer und Maier aufgefundene 
Nepeta nuda und pannonica ſah ich nirgends, deſto häufiger aber Cataria. Auch 
Linaria genistiſolia (ſ. Rohrer und Maier) fand ich nicht. 


Amarantaceae: Amarantus retroflexus in suburbiis (Roitſch, Schrattenthal). 


Chenopodeae: Chenopodium olidum, urbicum, opulifolium, murale, fehr gemein, 
Botrys, Nikolsburg, mit Atriplex oblongiſolia WK. Das von Rohrer und Maier 
im Weingebirge angegebene Chenopodium ambrosioides fand ich nicht. 
Sedeae: Sedum album (gemein), reflexum. 
Euphorbiaceae: Euphorbia virgata WK. segetalis, lalcata, Gerardiana. 
Orchideae: Aristolochia Clematitis (gem.). 


Gramineae: Melica ciliata (gemein, beſonders in den Seitenthälern des Tayathales. 
Digitaria humifusa (Lowitz), Cynodon Dactylon, Stipa capillata, pennata, An- 
dropogon Ischaemum (Roitſch in Weingärten), Poa dura, Eragrostis, bulbosa, 
nemoralis Var. firmula Gaud. (gem.) Dagegen fand ich weder die von Rohrer 
und Maier angegebene Sesleria coerulea, noch Tragus racemosa. 


Ungewöhnlich arm iſt der Bergzug an Orchideen, Amentaceen, Cyperaceen und Jun— 
caceen.“ — 


In der dritten, am 28. Februar, ſetzte Herr Dr. Schauer die neuen Beobachtungen 
und Entdeckungen, die Lehre von der Befruchtung und Zeugung der Pflanzen betreffend, von 
Brongniart, Corda und Schleiden auseinander. 


In der vierten, am 25. April, trug Herr Pharmazeut Krauſe ſeine Beobachtungen 
über die Unterſchiede einiger ſchleſiſchen Juncus- und Luzula- Arten vor. 


„So ſehr Juncus conglomeratus L. und J. effusus einander ähnlich ſehen, beſonders 
eine Abänderung des J. eflusus mit geknäulten Spirren dem J. conglomeratus, und umge 
kehrt eine mit ergoſſener ſchlaffer Spirre des J. conglomeratus dem J. effusus, ſo giebt es 
dennoch einige ſichere Unterſcheidungs-Merkmale. Außer dem in Koch's Syn. Flor. Germ. 
angeführten Unterſchiede in den Kapſeln, finden ſich in der Wurzel, an der Blüthenſcheide, 
den Blüthendeckblättern und in dem Samen gute Unterſchiede. 

Juncus conglomeratus L. Der Wurzelſtock iſt ſchief⸗kriechend, die Scheide der Spirre 
aufgeblaſen, am Grunde ohne merkliche Einſchnürung in den Halm verlaufend. Blüthendeck— 
blätter mit einem grünen, nicht vertieften, braun eingefaßten Rückenſtreif. Samen länglich, 
ſchmäler und größer. 

Juncus effusus L. Wurzelſtock horizontal-kriechend. Die Scheide der Spirren nicht 
aufgeblaſen, am Grunde deutlich eingeſchnürt. Der grüne Rückenſtreif der inneren Blüthen— 

18 * 


140 —— 


deckblätter erſcheint zwiſchen der hervortretenden braunen Einfaſſung vertieft, und an dieſe 
ſchließt ſich ein breiter weißer Hautrand an. Die Samen eiförmig, kleiner als bei vorigen. 

Juncus acutiflorus Ehrh. und J. nigricans Wulſen (J. melananthus Rchb.) laſſen 
ſchon nach dem verſchiedenen Boden, auf dem ſie ſtets vorkommen, auf eine Verſchiedenheit 
der Arten ſchließen. J. acutiflorus liebt Torfwieſen und ene Waldungen, letztere feuch— 
ten lehmigen Boden an Lachen und Sümpfen. 


Die Unterſchiede dieſer beiden Binſen wären in Aae Benmjeihen feſtzuſtellen: 


Die Halme des J. acutiflorus Ehrh. find ſteif aufrecht, Blätter röhrig ungerillt, mit 
deutlichen dichtſtehenden Querwänden, Samen bräunlich -gelb, eiförmig, beiderſeits ſtachelſpitz. 
Die Blüthen ändern in Farbe und Größe ab; hierher gehören J. silvaticus Schreb., mit 
bräunlich-gelben Blüthen und faſt wagerecht ausgebreiteten Blüthenäſten, und J. spadiceus 
Schreb., mit braunen oder ſchwarzbraunen Blüthen und aufrecht— abſtehenden Aeſten, der 
kleinblumigen Form des J. nigricans Wulf. ſehr ähnlich. 

Juncus nigricans Wulſen. Die Halme aufrecht in einem ſeichten Bogen aufſteigend; 
Blätter im trockenen Zuſtande deutlich gerillt (ob im friſchen auch?) und mit undeutlichen 
entfernten Querwänden. Samen bräunlich, eiförmig lang zugeſpitzt, dünner, aber länger, 
als bei voriger. Die ſchwarzbraunen Blüthenköpfe ſind bald viel-, bald armblüthig, groß— 
und kleinblumig; demnächſt bilden ſie zwei Abänderungen. 

Die am häufigſten vorkommende Abart, mit viel- und großblumigen Köpfchen, iſt Jun- 
cus melananthus Rchb. Eine zweite, mit arm- und kleinblumigen Köpfchen, iſt J. nigri- 
cans Wulfen (Blaff et Fingerh. Comp. flor. germ.) . Dieſer Name, als der ältere, wäre 
daher der Reichenbachſchen Benennung vorzuziehen. — Beide Formen kommen in Geſell— 
ſchaft mit einander auf feuchtem Lehmboden um Breslau vor. 

Juncus supinus Moench., der fi durch dreimännige Blüthen und Staubbeutel, de⸗ 
ren Länge den Staubfäden dfeichEommif, von dem in Koch's Synops. Flor. Germ. angeführ: 
ten J. nigritellus Don unterſcheidet. — Ein bei Agnetendorf im Monat Juli in einem 
Walde auf wenig befahrenem feuchten, ſandigen Wege gefundener Juncus ſcheint, nach der 
Anzahl der Staubgefäße, deren ſechs ſind, und nach den viel kürzeren Staubbeuteln, dieſem 
Juncus nigritellus Don anzugehören; im Uebrigen laſſen ſich an getrockneten Exemplaren 
mit unausgebildeter Kapſel ſchwer noch andere Unterſchiede auffinden, und bliebe mithin noch 
ferneren Beobachtungen empfohlen. 

In der Gattung Luzula L. geben die Wurzeln, die Staubgefäße und der Samen, be— 
ſonders bei einigen zweifelhaften Arten, gute Unterſcheidungsmerkmale ab. 

Die Samen ſind entweder mit einem Anhängſel verſehen, das entweder an der Spitze 
oder am Grunde befindlich iſt, oder es iſt kaum ſichtbar oder gar fehlend. 

Zu denen mit deutlichem, an der Spitze befindlichen Anhängſel gehören: L. pilosa 
Willd., zu denen mit ſehr undeutlichem obe nſtändigen: L. maxima DC., L. spadicea DC. 


1411 — — 


und L. albida DC., und zu denen mit am Grunde befindlichem Anhängſel, deſſen Länge bei 
einigen der hierzu gehörigen Arten gute Unterſchiede giebt, gehören: L. campestris DC., 
L. multiflora Lejeune, L. sudetica Willd. und L. spicata DC. 

Luzula multiflora Lejeune trennt Koch von Luzula campestris durch die Staubbeu— 
tel, die faſt von der Länge der Staubfäden ſind; die der Luzula campestris ſind hingegen 
viermal länger als die Staubfäden; ferner durch aufrechte Blumenſtiele, die der letzteren, be— 
ſonders die unteren, etwas nickend. Die Wurzel der L. multiflora habe ich ſtets faſerig und 
raſentreibend geſehen, und die der L. campestris iſt entweder ein einfacher oder äſtiger Wur— 
zelſtock, der nur einen oder wenige Halme treibt; allein nur wenn ſie in lockerem Waldboden 
gewachſen iſt, treibt die faſt kriechende Wurzel lockern Raſen mit 1 — 1 ½“ hohen Halmen. 
Gaudin führt eine Luzula campestris und nigricans unter dem Synonino Juncus sude- 
ticus Willd., mit einer kriechenden, faſt einzelne Halme treibenden Wurzel an, welche in den 
Sümpfen der Alpen wächſt; dieſe iſt nicht einerlei mit der unſeres Hochgebirges, die ſtets eine 
faſerige, dichte Raſen treibende, nicht kriechende Wurzel hat, und nicht Sümpfe, ſondern mehr 
trockenen Boden liebt. Dieſe auf den Kämmen und Abhängen unſeres ſchleſiſchen Hochgebir— 
ges wachſende Luzula betrachtete man nur als Abart der Luzula campestris, und Koch zieht 
fie als Abart zur Luzula multiflora Lejeune, von der fie ſich ſehr wohl durch die Kapſel 
und die Samen unterſcheiden läßt, und ſich als eine ſelbſtſtändige Art unter der Benennung 
L. sudetica Willd. behaupten kann. Die Unterſchiede wären folgende: die Kapſel der L. 
multiflora iſt rundlich, ſtumpf und ſtachelſpitz, Samen rundlich, Anhängſel halb fo lang. 
Bei L. sudetica iſt die Kapſel länglicher, kurz geſchnäbelt, die Samen länglicher und das 
Anhängſel nur 74 fo lang. Ob nun die Samen dieſer beiden Arten verſchieden von denen 
der L. campestris ſind, habe ich bis jetzt aus Mangel an reifem Samen noch nicht verglei— 
chen können. 

Zu erwähnen iſt noch eine Abänderung der L. maxima DC., vom Schneeberge und dem 
Geſenke, mit weißlich-gelben, länger geſtielten Blüthen, und 1 — 2 blumigen Blumen— 
ſtielchen.“ 


Herr Dr. Scholtz legte getrocknete Exemplare von Cirsium- Arten vor, welche derſelbe 
als Baſtardformen anſehen zu müſſen glaubt. Derſelbe berichtet hierüber Folgendes: 


„Auf Wieſen am Kapsdorfer Walde fand ich im September 1837 nicht nur Cirsium 
canum All. und C. oleraceum Scop., ſondern auch Exemplare, die ſich bald mehr der einen, 
bald mehr der anderen genannten Art näherten und eine merkwürdige Uebergangsreihe 
bildeten. 

Je nachdem nun ein Exemplar ſich mehr C. canum oder C. oleraceum nähert, halte 
ich es für zweckmäßig, ſelbiges, wie auch zum Theil Reichenbach verfahren iſt, mit Cir- 
sium cano-oleraceum oder C. oleraceo-canum zu bezeichnen. 

C. tataricum (Wimm. et Grab.), welches man bekanntlich immer nur in Gemeinſchaft 
mit C. canum und C. oleraceum findet, kann ich ebenfalls nur als eine hybride Form von 


142 


beiden betrachten. Da ſelbiges jedoch, ſeinem Habitus nach, ſo vielgeſtaltig iſt, und ſich bald 
mehr der einen, bald mehr der anderen Stamm-Art nähert, wage ich es, den Namen C. 
tataricum in dieſem Falle zu verwerfen und meine oben erwähnten Bezeichnungen vor— 
zuziehen. 

Es ſei mir nun vergönnt, die einzelnen von mir BROKER Exemplare in ihrer Folge: 
Reihe genauer zu betrachten. 


Cirsium cano- oleraceum. 


a) Alle Blätter ungetheilt, ausgefreſſen, gezähnt, graugrün. Stengel bis an den 
Blüthenſtand ſparſam beblättert, 3 — Ablüthig. Blüthenköpfe gedrängt. Blüthen⸗ 
farbe aus dem Gelbl. blaßviolett. 

b) Einige der Wurzelblätter halbfiederſpaltig, wimperig-dornig; die übrigen, ſo wie 
auch die Stengelblätter, ganzrandig, wimperig-dornig, ziemlich ſtengelumfaſſend, 
kahl. Stengel von feinem erſten Drittheile an äſtig, bis an die Blüthenköpfe ſpar— 
ſam beblättert; Aeſte 3 — 4, an ihrem Ende einen Blüthenkopf tragend. Farbe 
der Blüthe aus dem Gelbl. blaßviolett. 


c) Einige der Wurzelblätter halbfiederſpaltig, dornig gewimpert; übrige Wurzelblätter 
ungetheilt, ebenfalls dornig-gewimpert. Alle Stengelblätter halbfiederſpaltig, dor— 
nig⸗gewimpert, halbſtengelumfaſſend. Wurzel und Stengelblätter ziemlich kahl. 
Blüthenköpfe entferntſtändig, von kleinen Hüllblättern umgeben. Blüthenfarbe aus 
dem Gelbl. blaßviolett. | 


Cirsium oleraceo - canum. 


Wurzelblätter ſowohl als Stengelblätter breit, zum Theil langwimperig-geſägt, zum 
Theil halbfiederſpaltig, langdornig-gewimpert (beſonders die obern Stengelblätter), faſt ganz 
kahl. Stengelblätter ſtengel-umfaſſend. Stengel zweiſpaltig, ſtark beblättert; Aeſte kurz, 
einblüthig. Blüthenköpfe am Grunde mit 3 — 4, kaum die Hälfte der Länge des Blüthen— 
kopfes erreichenden, ungetheilten, lanzettlichen, dornig-gewimperten Hüllblättern umgeben. 
Bluͤthenfarbe gelb. — Die ganze Pflanze gedrungener, ſich vorzüglich durch die breiten, 
langdornig-geſägten, faft glänzenden Wurzelblätter und die blaß-citrongelbe Blüthe aus: 
zeichnend. 


Schließlich muß ich noch einer Form von Cirsium palustre erwähnen, die ich auf einer 
ſumpfigen kleinen Wieſe hinter Neudorf in Geſellſchaft mit C. oleraceum und C. palustre 
(form. genuina) in ziemlich zahlreichen Exemplaren fand. Selbige zeichnet ſich durch Fol— 
gendes aus: der Stengel iſt nicht ununterbrochen geflügelt und dornig, ſondern ganz kahl; 
auch die Blätter zwar halbſtengel- umfaſſend, jedoch durchaus nicht am Stengel herablaufend. 
Die Blumen find gelb. Vielleicht wäre auch diefe Form als eine hybride und zwar als C. 
palustri-oleraceum zu bezeichnen.“ 


— —ſ 143 


Referent beter hierzu, daß er ſelbſt ausdrücklich in der Flora Silesiae III, p. 97 
in den Worten: „evidenter origo hybrida hujus speciei apparet. Notas suas partim a 
C. ca no partim a ole raceo accepit, atque inter haec ita est intermedia, ut dum ipsa 
variationis spatium quoddam pervagatur, nunc ad illius nunc ad hujus similitudinem 
propius accedat,“ die hybride Natur des C. tataricum auseinandergeſetzt habe. 


In der fünften, am 24. Oktober, las Herr Dr. Schauer einen Aufſatz über die Flora 
des Geſenkes, und zeigte die im verfloſſenen Sommer daſelbſt geſammelten Exemplare vor. 
Da der Aufſatz bereits anderweitig“) gedruckt iſt: fo werden hier nur die Pal Anga⸗ 
ben deſſelben berührt: 


„Wir reiſten gegen Ende Juni's v. J. von hier ab, ſchlugen unfer Standquartier in 
Karlsbrunn auf, woſelbſt wir vier Wochen blieben, und während diefer Zeit botanifche Ex— 
curſionen nach allen Richtungen machten. Im Keſſel, welchen wir fünfmal beſuchten, fan— 
den wir alle vor uns von Andern gefundenen ſeltenen Pflanzen wieder, wie z. B. Carex 
vaginata, Agrostis alpina, Avena planiculmis, Crepis sibirica und Aster alpinus in 
Menge. Als neuaufgefundene verdienen erwähnt zu werden: Carex capillaris an 
den Felswänden des Keſſels, Malaxis monophyllos auf feuchten mooſigen Waldblößen des 
Urlichberges bei Klein⸗Mohrau, und Cirsium praemorsum Mech., ein ſchöner Baſtard aus 
C. oleraceum und C. rivulare, auf Wieſen um den Hochofen zu Hubertuskirch; von Moo— 
ſen: Tayloria obliqua N. 46 E. Mss., am hohen Falle des Leiterberges, und einige andere 
(in der bot. Ztg. näher bezeichnete) Arten. Wiederaufgefunden wurde von Dr. Scholtz 
Epilobium virgatum Fries, welches in Menge an einem kleinen Bache hinter dem Hochofen 
zu Hubertuskirch in Geſellſchaft von Ep. palustre wuchs, und von Hrn. Grabowski Epi- 
pogium Gmelini am Urlichberge bei Klein-Mohrau. Vergebens geſucht wurden Stel- 
laria longiſolia Fries bei Karlsbrunn, und Echinospermum deflexum Lehm. auf dem 
Uhuſteine bei Einſiedel. Auf dem Mooſebruche bei Reiwieſen fanden wir in Menge die Pi— 
nus uliginosa Neumann. Ich überzeugte mich ſowohl durch die Beobachtung der Wachs— 
thumsverhältniſſe dort an Ort und Stelle, als zu Hauſe durch Vergleichung friſcher Zweige 
und Zapfen, ſowohl jüngerer von verſchiedenem Alter, als ausgebildeter des P. Pumilio am 
Rieſengebirge, und des P. uliginosa, vom Mooſebruche ſowohl, als von den Seefeldern, daß 
P. uliginosa der frei von äußern, das Wachsthum hemmenden Einflüffen, entwickelte Baum, 
P. Pumilio aber die Hochgebirgsform derſel ben Art ſei; eine Anſicht, deren Gründe ich 
in der botaniſchen Zeitung in einem Anhange zu oben erwähntem Aufſatze entwickelt habe.“ 


Referent zeigte drei vom Herrn Apotheker Beinert zu Charlottenbrunn gütigſt über— 
ſandte, in Weingeiſt aſſervirte Exemplare von Hydnum coralloides var. subterraneum Fr., 
welche ſich an einem Repoſitorium eines Weinkellers entwickelt hatten, vor, und machte auf 


) S. Regensburger Botaniſche Zeitung 1840, 


— 1606. 


die verſchiedene Bildungsform der vorgelegten Exemplare, deren einige eine regelmäßig den: 
dritiſche Form, andere eine ſtarke Entwickelung der der Sippe eng Ste: 
cheln nach einer Seite zeigten, aufmerkfam. 


Herr Oberlehrer Rendſchmidt legte ein Stück von einem Taxus- Stamme von 
% Fuß Durchmeſſer vor, der bei ea; in Oberſchleſien wahrſcheinlich in der Wildniß 
geſtanden hatte. 


In der ſechsten, am 5. December, ſprach Ref. über die Formen von Solanum nigrum. 
Im Herbſte dieſes Jahres wurden eine Anzahl von Formen, wie ſie die Umgebungen von 
Breslau darbieten, friſch eingeſammelt und nebſt einigen kultivirten einer ſorgfältigen Ver— 
gleichung unterworfen. Es waren dieß Formen, welche in der Tracht, Bekleidung, Geſtalt 
und Randung der Blätter alle von den Autoren benutzten Unterſchiede zeigten, und außerdem 
auch alle Farben der Frucht, ſchwarz, ſchwarzgrau, blaßgelbgrün und wäſſerigroth, welche bei 
dieſen Pflanzen vorzukommen pflegen, hatten. Der Verſuch, dieſelben ſo zu unterſcheiden, 
daß die einzelnen Formen durch beſtimmte Merkmale charakteriſirt werden könnten, mit einem 
Wort, Arten zu unterſcheiden, mißlang, weil ſich die Merkmale zwar an einzelnen Exempla- 
ren hervortretend genug, aber an einer Reihe derſelben veränderlich und die verſchiedenen 
Merkmale in ihrer Verbindung als unbeſtändig auswieſen. Die bei uns vorkommenden For— 
men ſcheinen daher ſämmtlich eine Art, das Solanum nigrum L., auszumachen. Dagegen 
ſcheint das bei uns nicht heimiſche S. villosum mit zottigem Stängel und Blättern und gelb— 
rothen Früchten eine verſchiedene Art zu ſein. 


Derſelbe legte die Schleſiſchen Arten und Formen der Gattung Chara vor, und be 
merkte, daß ſich bei genauerer Nachforſchung unter den bisher geſammelten auch Chara syn- 
carpa Desv. ergeben habe, deren Vorkommen in Schleſien bisher nicht bekannt war. Die— 
ſelbe war vom Ref. an einem leider nicht näher bezeichneten Orte, vermuthlich aus der Ge— 
gend von Schalkau, und vom Herrn Pharmazeut Krauſe in der Nähe des Dorfes Klein— 
Tſchanſch bei Breslau geſammelt worden. 


In der ſiebenten, am 19. December, legte Herr Profeſſor Dr. Göppert eine Anzahl 
getrockneter Alpenpflanzen vor, welche als wahre Kunſt-Präparate alles derartige bisher ge— 
ſehene übertrafen. Derſelbe legte der Section eine Anzahl Abhandlungen des Herrn Profeſſor 
Morren in Lüttich vor, die Anatomie und Phyſiologie der Pflanzen betreffend, größten— 
theils Abdrücke aus den Verhandlungen der Brüſſeler Akademie, welche die Geſellſchaft der 
gefälligen Mittheilung ihres Verfaſſers verdankt. 

Herr Pharmazeut Krauſe trug Bemerkungen über einige Schleſiſche Arten von Fe- 
stuca vor, und legte die betreffenden Exemplare zur Anſicht aus. 


„Die Gattung Festuca ſteht mit der Gattung Bromus in genauer Verwandtſchaft, ſo 
daß man einige Arten derſelben bald zu der einen oder zu der anderen Gattung zog; nach 
folgenden Merkmalen ſcheint aller Zweifel gehoben werden zu können. 


— 26 — 


Festuca unterſcheidet ſich außer einigen, minder wichtigen Kennzeichen von Bromus 
durch die an beiden Kielen ſehr fein und dicht gewimperten innern Spelze und den gipfelſtän⸗ 
digen Griffel; bei Bromus hingegen iſt die innere Spelze an den Kielen mit entfernten dick— 
lichen Wimpern beſetzt, und die Griffel entſpringen teenis unter der Spitze des Frucht— 
knotens. 

In Folge dieſes aufgeſtellten Charakters gehört te gigantea Vill. der Festuca 
zu, dagegen Festuca aspera M. et Koch, Festuca montana Savi, und F. inermis DC. 
entſchieden zur Gattung Bromus, wie ſie auch Koch in ſeiner Synops. Flor. Germ. unter 
folgenden Namen aufführt, nämlich: Bromus asper Murray, Br. erectus Huds. und Br. 
inermis Leyss. 5 

Die beiden Gattungen Vulpia Gmel. und Schedonorus Pal. de Beauv. werden meift 
mit Festuca vereinigt; aber nur letztere mit Recht, da ſie in ihrem Charakter durchaus keine 
Beſtändigkeit zeigt; fie ſchließt unſere breitblättrigen Schwingelarten in ſich; Vulpia Gmel. 
dagegen könnte man in vieler Hinſicht als Gattung anerkennen, und durch die, durch Ver— 
kümmerung zweier Staubgefäße einmännigen Blüthen, durch die aus den Mittel- und Sei— 
tennerven der äußern Spelze gebildeten gleichlangen Grannen, durch die wie an Bromus ge— 
wimperten inneren Spelzen und die verdickten Blüthenſtielchen, leicht unterſcheiden. | 

Fest. bromoides L. und Fest. Pseudo-Myurus Willemet, welche zu diefer Gattung 
gehören, laſſen ſich mit einander verbinden, da der weſentliche Charakter der erſtern Art, welcher 
in dem oben nackten Halme und der viel kürzern untern Klappe liegt, unbeſtändig iſt; in einem 
und demſelben Raſen der letztern Art findet man oft Halme, die oben nackt und beblättert 
ſind; ferner in einer und derſelben Rispe iſt die Länge der Klappen ſehr veränderlich, und 
fo würde denn F. bromoid. nur als Abart der andern anzuſehen fein. Den bis zur Rispe 
nackten oder beblätterten Halm findet man an manchen Arten der Gräſer, ſo z. B. iſt dies 
bei F. duriuscula var. glauca häufig der Fall, daß der meiſt oben nackte Halm auch bis dicht 
unter der Rispe beblättert iſt, welche Form die F. vaginata Waldst. und Kitaib. iſt. 

Festuca heterophylla der ſchleſiſchen Flora iſt nicht die Hänke'ſche Art, ſondern 
nach Mert. und Koch Fest. heterophylla Gaud. Agr. und zieht fie als Abart zur F. rubra 
L., nach Reichenbach Fl. exc. Festuca nemorum Leyss. 8 

An der um Leobſchütz und auf dem Sakrauer Berge an ſchakigen Orten wachſenden 
Pflanze ſind die Wurzel- und Halmblätter ſehr lang, die Rispe zuſammengezogener, der 
Halm ſchlanker und dünner, die Wurzel laufend und die Raſen ſehr locker, mithin kann ſie 
wohl nur für eine Buſchform der F. rubra gehalten werden. Dagegen glaube ich in einer 
vor zwei Jahren bei Silſterwitz, und in dieſem Jahre in den Skarſiner Bergen, in lichten 
Laubholzſchlägen in großer Menge gefundenen Pflanze die ächte F. heterophylla Haenke zu 
erkennen. Sie unterſcheidet ſich beſonders von F. rubra L. durch die, dichte Raſen trei— 
bende faſerige Wurzel, die vielen, 2 — 3 hohen Halme, gedrungenere Rispe, längere und 
ſchmälere lang-gegrannte Blüthen. Von Fest. duriuscula L. iſt ſie durch die beträchtliche 
Größe und Stärke, flachen Halmblätter, weitſchweifige, meiſt oben übergeneigte Rispe, 

19 


A 


146 


und den durchſcheinenden Hautrand der äußeren Spelze verſchieden. Außer der faſerigen 
Wurzel werden die ſehr langen flachen Halmblätter als beſonderes Kennzeichen hervorgehoben; 
allein dies iſt nur dann der Fall, wenn ſie an ſchattigen Stellen gewachſen iſt; an mehr ſon— 
nigen Orten werden ſie kürzer und etwas eingerollt, und die Blüthen mehr oder weniger 
violett geſcheckt. Koch vereinigt mit ihr in der Synopsis Flor. Germ. die F. nigrescens 
Lam. als eine Alpenform.“ g ae N Na 


* 17 2 U 
Herr Profeſſor Göppert hielt einen Vortrag über die Coniferen, und lieferte 
davon folgenden Auszug: 


„Die Coniferen haben in mehrfacher Hinſicht von jeher die Aufmerkſamkeit der Bota— 
niker erregt, insbeſondere war ihr innerer Bau der Gegenſtand vielfältiger Unterſuchungen. 
Schon Malpighi kannte die auf den Wandungen der Zellen des Coniferenholzes vorkom⸗ 
menden, mit einem doppelten Ringe oder Hofe umgebenen Tüpfel, welche man in der ſpäte— 
ren Zeit bald für Vertiefungen, bald für Erhöhungen, oder wohl gar für Löcher hielt, bis 
H. Mohl im Jahre 1828 die wahre Beſchaffenheit derſelben nachwies, indem er ſich für die 
erſtere Anſicht erklärte, was nun näher erläutert wurde. Der Vortragende unterſuchte die 
Coniferen insbeſondere, um Kennzeichen zur Unterſcheidung der einzelnen Arten zu gewinnen 
und die daraus erhaltenen Reſultate zur Beſtimmung der foſſilen Arten anwenden zu kön— 
nen. Drei Schnitte führen zu dem beabſichtigten Zwecke, nämlich ein Querſchnitt, um 
die Beſchaffenheit der immer anweſenden Jahresringe zu zeigen, ein Längsſchnitt parallel 
den Markſtrahlen (Markſtrahlenſchnitt), um den Verlauf der letzteren und die auf den 
Wandungen der Holzzellen befindlichen Tüpfel zu ſehen, die ſich beſonders an den Stellen, 
wo die Markſtrahlen anliegen, verſchieden geſtalten, und ein zweiter Längsſchnitt pa— 
rallel der Rinde (Rindenlängsſchnitt), um die Ausgänge oder Endigungen der Mark⸗ 
ſtrahlen, ſo wie die etwaige ſpiralige Streifung der Holzzellen, die in dem jüngſten Theile des 
Jahresringes immer vorhanden zu ſein pflegt, zu beobachten. Es ergab ſich merkwürdiger— 
weiſe, daß ſehr viele, ſelbſt zu verſchiedenen Gattungen gehörende Coniferen doch rückſichtlich 
des Baues des Holzes faſt völlig mit einander übereinſtimmten. Folgende Hauptformen 
laſſen ſich unterſcheiden, die im Allgemeinen ſo ziemlich den Unterabtheilungen der Familie 
entſprechen: 

1) Die Pinusform: Jahresringe von ſehr verſchiedener Breite, insbeſondere von 
Beſchaffenheit des Bodens abhängig, zuweilen, wie auf hohem felſigen Standorte (ſ. S. 78 
dieſer Verhandlungen), nur aus einer Zellenreihe gebildet. Tüpfel nur auf der, den Mark— 
ſtrahlen zugewendeten Seite der Holzzellen in einfacher, häufig unterbrochener, auch in zwei-, 
ſelten (Pinus Larix) in dreifacher Längsreihe, wo aber die Tüpfel dann neben einan— 
der auf gleicher Höhe ſtehen; an der Stelle, wo die Markſtrahlen vorbeiſtreichen, 
entweder ein einziger, ſehr großer und nur aus einem einfachen Ringe beſtehender Tüpfel, 
oder 2 — 6 Tüpfel von ovaler, lanzettfoͤrmiger Form, von einem runden Hofe umgeben. 
(Auf den engeren Zellen oder den jüngſten des Jahresringes ſind gewöhnlich zwei, wenn auf 


* 


147 


den älteren vier, und 3 oder 4, wenn ſich dort ſechs, wie z. B. bei Pinus Picea, befinden.) 
Markſtrahlen im Rindenlängsſchnitt gewöhnlich in einfacher Reihe, zu 2 — 30 über einan— 
der, nur ausnahmsweiſe (Pinus sylvestris, P. Pumilio, P. Cembra, P. Picea) zu 3 — 4 
neben einander, doch beginnen ſie oberhalb und unterhalb immer mit einfacher Reihe, und 
vervielfältigen ſich nur gegen die Mitte hin. Je nach der angegebenen Beſchaffenheit der Holz— 
zellen, an der Stelle, wo ſie den Markſtrahlen anliegen, kann man dieſe Abtheilung wieder 
in zwei Unterabtheilungen bringen: 


a. in die Pinusform im engeren Sinne, mit einer einzigen großen hofloſen Tüpfel. 
Hierher gehören: Pinus sylvestris, Pumilio, Laricio, austriaca, Taeda, uliginosa Neum, 


Strobus, Cembra, Pinaster, maritima, uncinata, taurica Pall.; 


b. in die Abiesform, wohin bei weitem die größte Zahl der Coniferen gehören, wie: Pinus 
Abies, Picea, Pichta, sibirica Fisch., Fraseri Pursh., balsamea, canadensis, canariensis, 
Cedrus, excelsa Lamb., Banksiana Lamb., halepensis Ait., Larix, microcarpa, pendula 
Ait., longifolia Lamb., resinosa Ait., nigra Ait., inops Ait., rigida Mill.; die Cupressinee 
(obſchon fie überdies noch durch die im Allgemeinen engere Beſchaffenheit der Zellen, fo wie durch 
die immer in einfacher Längsreihe ſelten über 10 — 12 vorkommenden Markſtrahlen abwei— 
chen, als: Cupressus australis Pers., glauca Lam., turifera Kth, sempervirens, lusi- 
tanica, Thuja occidentalis, orientalis, articulata Desf. (Callitris Vent.), cupressoides 
(Pachylepis cupressoides Brong.), sphaeroidea Rich., Juniperus excelsa MB., Her- 
manni Pers., virginiana, communis, nana W., oblonga MB., bermudiana, barbaden- 
sis, Oxycedrus, macrocarpa Sibth., phoenicea, turifera, Sabina, Taxodium distichum, 
und endlich auch ein Theil der Taxineae, nämlich Podocarpus elongatus Herit., Lamberti 
Klotsch, Sellowii Klotsch, latifolius, imbricata Bl., Salisburia adiantifolia Sm., die 
ſich, wie die noch zu den Abietinae gehörende Belis jaculifolia Salisb., durch die immer nur 
in ſehr geringer Zahl zu 2 — 5 vorhandenen, aber ſehr breiten, den Breitendurchmeſſer der ge— 
ſammten Holzzelle erreichenden Markſtrahlenzellen von allen übrigen, mir bis jetzt bekannten 
Coniferen auszeichnen. 


2) Die Taxusform: Alle Holzzellen, nicht blos die jüngſten des Jahresringes, wie 
bei der vorigen Abtheilung, mit ſpiraliger Streifung der Wandungen, auf denen die etwas 
entfernt ſtehenden einfachreihigen Tüpfel ſichtbar werden. Die Tüpfel ebenfalls nur auf zwei 
Seiten der Holzzelle. Holzzellen mit ungewöhnlich dicken Wandungen. Markſtrahlenzellen 
in einfacher Reihe. Sehr wenig verbreitet und von mir bis jetzt, außer bei Taxus baccata, 
canadensis W., noch bei T. nucifera Kämpf. beobachtet. 


3) Die Araucarienform: Jahresringe entſchieden vorhanden. Die 
Holzzellen ſehr dickwandig, mit großen Intercellulargängen; auf dem Markſtrahlenſchnitt 
mit zwei Reihen nicht neben einander, ſondern alternirend ſtehender Tüpfeln, welche, da ſie 
einander ſehr genähert find, zuweilen vier- bis ſechseckig erſcheinen. Der innerſte Hof des 

19 * 


140 — 


Tüpfels iſt nicht rund, ſondern ſchief, elliptiſch. (In jüngeren, ein- bis zweijährigen Zwei⸗ 
gen findet man nur eine Reihe Tüpfel, doch laſſen fie ſich auch durch die gedrängte, feſt anein— 
ander gereihte Lage leicht unterſcheiden. An der Seite, wo die Markſtrahlen anliegen, 
zeigen die Zellen eine ähnliche Beſchaffenheit, wie die der Abietinenform, nämlich zwei bis 
ſechs einzelne Tüpfel. Markſtrahlen zu ſechs bis acht immer in einfacher Reihe. Ich ſah 
dieſe Form bei Araucaria Cuninghami, imbricata und brasiliensis, fo wie bei Dammara 
australis, und häufig im foſſilen Zuſtande in der älteren Steinkohlenformation. 


4) Die Ephedrenform: Jahresringe ebenfalls vorhanden. Die Holz 
zellen im Querſchnitt zwar in ähnlichen Laͤngsreihen, wie die übrigen Coniferen, aber in un— 
beſtimmten Zwiſchenräumen durch runde, drei bis vier Mal größere, den punktirten Gefäßen 
der übrigen Dikotyledonen ähnliche Gefäße unterbrochen, welche auf allen Seiten der Wandun— 
gen eine bis zwei Reihen runde, gewöhnlich des Hofes entbehrende, faſt zerſtreut ſtehende 
Tüpfel zeigen. Auch die kleineren Holzzellen ſind auf allen Seiten mit einer einfachen Tü— 
pfelreihe verſehen. Die Markſtrahlen, welche bei den vorigen Gruppen nur wenig hervor— 
treten, ſind hier ſehr breit und beſtehen aus ziemlich großen zwei bis vier Reihen Zellen, die 
alle Jahresringe durchſetzen (große Markſtrahlen), aber auch aus einfachen Reihen von Zellen, 
die nicht ſo weit verlaufen (kleine Markſtrahlen). Die Zellen ſind ſämmtlich auf ſehr ausge⸗ 
zeichnete Weiſe getüpfelt. Außer den Ephedra-Arten (Ephedra distachya, monostachya, 
alata Decaisne, altissima Desf. ‚fragilis Desf., americana Hbdt.) beſitzt, nach meinen Un— 
terſuchungen, Gnetum Gnemon dieſelbe Struktur, daher die Stellung derſelben bei 
den Coniferen, nach Brown's Annahme, gegen Lindley's Zweifel gerechtfertiget erſcheint. 
Die Ephedreen vermitteln alſo auch, in Beziehung auf Strukturverhältniſſe, den Uebergang 
der Coniferen zu den übrigen Dikotyledonen, indem in der That man ſich die auf den Wan— 
dungen der Gefäße befindlichen Tüpfel etwas kleiner und in größerer Menge vorhanden den— 
ken darf, um die größten Aehnlichkeiten mit der Struktur der Caſuarineen und Cupuliferen 
oder den punktirten Gefäßen der letzteren zu finden. 


Indem der Vortragende nur noch anführte, daß die im Aeußeren, Gnetum nicht unähn— 
lichen Chlorantheen (Cbloranthus elatior, inconspicuus) eine ganz ähnliche Struktur be— 
ſitzen, behält er ſich vor, in einer zweiten Abhandlung den weiteren Zuſammenhang dieſer 
mit noch mehreren andern verwandten Familien der Monochlampdeen zu zeigen. 


Die ſo eben angeführten Reſultate wurden durch Zeichnungen, die ſich auch auf ver— 


ſchiedene Entwickelungsſtufen einzelner Individuen bezogen, näher erläutert. Die Originale 


zu denſelben befinden ſich theils im Herbarium, theils in der Holzſammlung des Vortragenden. 


In Beziehung auf die Anwendung dieſer Bemerkungen zur Unterſcheidung der foſſilen 
Arten wird noch erwähnt, daß jene oben angegebenen Kennzeichen auch hier denſelben Zweck 


—— 149 


erreichen, und ich für alle erwähnten Modifikationen der Coniferen, mit Ausnahme der Ephe— 
dreen, in der foſſilen Flora Repräſentanten aufgefunden habe. Dagegen iſt es mir gelun⸗ 
gen, eine Mittelftufe in der foffilen Flora nachzuweiſen, welche den etwas raſchen Uebergang 
zwiſchen den übrigen Coniferen zu den Ephedreae vermittelt, nämlich eine Pinus- Form mit 
breiten Markſtrahlen, wie ſie die Ephedreae beſitzen, wovon ich ſpäter ausführlicher handeln 
werde.“ — € 


— 


Der Unterzeichnete bemerkt, daß im Laufe dieſes Jahres das Schleſiſche Herbarium 
der Geſellſchaft durch die von ihm bewerkſtelligte Einreihung der ſehr wichtigen, vom Herrn 
Apotheker Grabowski geſchenkten Sammlung Oberſchleſiſcher Pflanzen vervollſtändigt wor⸗ 
den iſt. 


Fr. Wimmer. 


Ber i ch t 
3 


Seeti on für Sudeten kun d e. 


Die Section hat ſich im vergangenen Jahre viermal verſammelt. Die hypſometriſchen Ba— 
rometerbeobachtungen an den mit Inſtrumenten verſehenen Stationsorten ſind auch im abge— 
laufenen Jahre, und zwar zum großen Theile ſchon durch die Bemühungen des Herrn 
Premier-Lieutenant Lutz mit neuen, chemiſch reinen, Queckſilber verſehenen, Barometern 
von den Herren Beobachtern, die ſich auf den Wunſch der Section noch ferner dieſer Mühe 
zu unterziehen die Güte hatten, angeſtellt, und dem zeitigen Secretair eingeſandt worden, 
wofür derſelbe ihnen im Namen der Section ſich erlaubt, den verbindlichſten Dank und die 
vollſte Anerkennung ihrer aufopfernden Mühwaltung hiermit öffentlich auszuſprechen. Zwar 
haben die Höhen der gedachten Stationsorte noch nicht beſtimmt werden können, indeſſen ſind 
von mehreren die mittleren Monats- und Jahres- Temperaturen vom Herrn Premier-Lieut. 
Lutz und Herrn Particulier Sternagel berechnet worden. Leider mußte auf die Be— 
nutzung der Thermometerbeobachtungen der Wintermonate eines hochgelegenen, und darum 
in meteorologiſcher wie hypſometriſcher Hinſicht wichtigen, Ortes, wegen entſchieden falſcher 
Vorzeichen der Grade, Verzicht geleiſtet werden. 

Die noch nicht mit neuem reinem Queckſilber verſehenen Stationsbarometer ſollen, wo 
möglich noch in dieſem Jahre, damit verſorgt werden. 

Es mögen nun ins Beſondere die vom Herrn Premier Lieutenant Lutz gemachten Mit— 
theilungen hier folgen: 


Ueber die hypſometriſchen Angelegenheiten. 


„In Folge des Beſchluſſes der Verſammlung der Section für Sudetenkunde im Juli 
vorigen Jahres, ſollten an die Stelle der zuerſt an die beſtimmten Stationen aufgeſtellten 
Barometer andere dahin geſandt werden, und zwar ſolche, deren Röhre mit chemifch > reinem 
Queckſilber gefüllt ſind, die Herren Beobachter derſelben erſucht werden, noch einige Zeit ihre 
Bemühungen fortzuſetzen. Demnach wurden an nachfolgende Herren und Orte ſolche der— 
artige Inſtrumente geſandt: — 


7 


151 


1) Nach Schweidnitz an den Herrn Oberlehrer Türkheim. 

2) Nach Reichenſtein an den Herrn Stadtrichter Harazim. 

3) Nach Tarnowitz an den Herrn Bergmeiſter von Carnall. 

4) Nach Oppeln an den Herrn Apotheker Grabowski. 

5) Nach Lampersdorf an den Herrn Schullehrer Gottwald. 

6) Nach Glatz an den Herrn Profeſſor Schimmel. 

7) Nach Habel ſchwert an den Herrn Rektor Marſchner. 

8) Nach Karlsberg an den Herrn Oberförſter Baron von Rottenberg. 
9) Nach Leobſchütz an den Herrn Profeſſor Schramm. 
10) Se. Durchlaucht Fürſt zu Karolath empfing hier ein Inſtrument. 


Ferner wurde das Barometer der hieſigen Sternwarte, und das, welches der Geſellſchaft ge⸗ 
hört und daſelbſt aufgehängt iſt, mit dem erwähnten Queckſilber Werſeher und ein Normal⸗ 
Reiſe⸗ Barometer angefertigt. 


Eingezogen wurden die Inſtrumente von Neurode, wadenburg, Nieder⸗ Leipe und 
Freiwaldau in Oeſterreich-Schleſien. 

Folgende Orte bedürfen noch umgefüllte und umgeänderte Mersttabed, als: Ratibor, 
Landeshut, Kupferberg, Görlitz, Lauban, Glogau. 

Wie zu erwarten, mußte ſich bei dem Gebrauch und der Behandlung der Barometer 
und Thermometer durch die Erfahrung Manches herausſtellen, das vorher als unbekannt un— 
beachtet blieb. So z. B. iſt, trotz anderweitiger Vorzüglichkeit des Normal-Reiſe-Barometers, 
daſſelbe als ſolches nicht gut zu brauchen, da bei der über vier Linien weiten Röhre dieſes 
Inſtrumentes die große Queckſilbermaſſe ſich erſt nach langer Zeit (6 bis 8 Stunden) mit 
der Temperatur der umgebenden Luft, welche das are Thermometer ſehr bald anzeigt, 
in's Gleichgewicht ſetzt. 

Bei einem Reiſe-Barometer, wie das, deſſen ich mich bisher bediente, darf die Weite 
der Röhre oder deren Kaliber nicht über drei Linien betragen; denn dieſes bedarf ſchon meh— 
rere Stunden, um die äußere Temperatur aufzunehmen. 

Die ſchon früher gemachte Bemerkung, daß nach einiger Zeit das Reiſe— Barometer wie⸗ 
der ausgekocht werden müſſe, habe ich an dem meinen beſtätigt gefunden. 

In dem von mir im Juni dieſes Jahres erſtatteten Berichte legte ich der hochgeehrten 
Geſellſchaft in einer Ueberſicht Dasjenige dar, was ſeit dem Beſtehen des Vereins für die 
hypſometriſchen Meſſungen geſchehen ſei: wo die Inſtrumente ſtationirt, von wo dieſelben 
wieder eingezogen, welche Veränderungen überhaupt vorgenommen worden und was in dieſer 
Beziehung noch gethan werden müſſe, ehe man zu der Berechnung im ganzen Umfange der 
een ſchreiten könne. 

In Folge Dieſes unternahm ich dieſes Jahr eine zweimonatliche Reiſe in und außer 
den Grenzen der von uns beſtimmten Stationsorte, von der ich mich beehren werde, Kunde 
zu geben. 


152 


Während meiner Anweſenheit in Hirſchberg erſuchte ich den Herrn Prorektor Ender 
daſelbſt, zum Behufe einer von mir vorzunehmenden Meſſung der Schneekoppe, binnen 
24 Stunden gleichzeitige korreſpondirende viertelſtündige Beobachtungen zu dieſem Zwecke zu 
unternehmen. Es hatte derſelbe die Güte, mir meinen Wunſch zu gewähren Doch vorher 
hing ich am Abend des 6ten Auguſt's mein Reiſe⸗Barometer dicht und in gleicher Höhe neben 
das Barometer des eben genannten Herrn, einem Reiſe-Barometer mit Holzſkala, dem 
meinigen ganz ähnlich; beide vom Mechanikus Pinzger hierſelbſt verfertigt. Den andern 
Tag wurden mehrſtündige Vergleichungen mit den Inſtrumenten vorgenommen, welche das 
meinige, als um 0,52 Linien niedriger ſtehend, ergaben, und die More eine nach der an: 
dern geſtellt. 

Auf der Koppe habe ich von 3 Uhr 30° ben 8. Auguſt bis zum andern Mittag 41 Be: 
obachtungen, in Zwiſchenzeiten von einer Viertelſtunde, Herr Prorektor Ender dagegen 19 
gemacht; außer dieſen geſchahen deren von mir noch 30 halbſtündige, zu denen nur einige 
Gegenbeobachtungen gemacht ſind. 

Bei meiner Zurückreiſe im Anfange des Septembers beabſichtigte ich abermals, mit dem 
oben erwähnten Inſtrumente vergleichende Beobachtungen anzuſtellen, es war daſſelbe aber 
während meiner Entfernung ſchadhaft geworden. 

Bei den ſchon ſo vielfach angeſtellten Barometerbeobachtungen auf der Schneekoppe, de— 
ren Reſultate als hypſometriſche Meſſungen ſtets ſo ſehr verſchieden ausfielen oder ſich erga— 
ben, hielt ich es der Mühe werth, dieſem Gegenſtande vorzüglich Zeit und Sorgfalt zu wid— 
men, um ein Ergebniß zu erlangen, welches vielleicht der Wahrheit ſich mehr nähere. 

Bei dem ſchönſten und heiterſten Wetter und wolkenfreiem Himmel erreichte ich am 
Sten des erwähnten Monats um 1 Uhr Mittags die Koppe, und hing ſogleich mein Baro— 
meter auf, und zwar außerhalb der Kapelle, drei einen halben Fuß vom Boden. ) 

Um 3 Uhr 30 Minuten begann von mir die erſte Beobachtung: bei 7,5 Grad Luft— 
Temperatur war der Barometerſtand 23 Zoll 1,47 Linie. Der Wind war ein ſanfter SW.; 
am Himmel zeigten ſich Wolken; Nebelſtreifen zogen unter dem Gipfel der Koppe an den 
Berglehnen hin. Um 5 Uhr 30 Minuten ſetzte ſich der Wind ganz nach Weſten um. Zu 
dieſer Zeit, und zwar noch einige Minuten früher, war der Barometerſtand der niedrigſte 
23 Zoll 1,26 Linien bei 8,8“. In Hirſchberg war der Barometerſtand um 4 Uhr 30 Mi— 
nuten der niedrigſte, 26 3. 10,05 L. bei 16° und Nordwind. Um 6 Uhr 15 Minuten 
fing es an zu regnen; der Wind behielt er Richtung, nahm aber an Heftigkeit zu, und 
wurde des Nachts zum Sturme. 

Am g9ten Mittags 12 Uhr fand mein Inſtrument in der Kapelle 3 % Fuß vom Boden 
bei 3,2 o ęuft⸗ Temperatur 23 3. 2,16 L., das korreſpondirende zu der Zeit bei 13° Luft: 
Temperatur 27 3. 0,66 L. Während der beinahe 24ſtündigen Beobachtung auf der Koppe 


— 


„) Die Temperatur-Verhältniſſe, wenn fie nicht beſtimmt angegeben, find ſtets nach Reaumur, das Maaß 
iſt das Alt⸗Franzöſiſche, die Barometerſtände ſind auf Null-Grad Reaumur reduzirt. 


— 1 


vom Sten 1 Uhr bis Iren Mittags 12 Uhr betrug die Schwankung an meinem Inſtrumente 
daſelbſt 0,90 Linien; zu Hirſchberg während dieſes Zeitraumes 2,61 Linien. Am erſtern 
Orte kam der Wind aus Weſten, am letztern aus Norden. Ich ſetzte die Beobachtungen bis 
zum 10ten Mittags 12 Uhr fort. Zu dieſer Zeit betrug der Stand meines Inſtruments bei 
6,5 Grad Luft-Temperatur 23 3. 4,00 L.; zu Hirſchberg das korreſpondirende bei 15,7% 
Luft⸗Temperatur 27 3. 1,95 L. 

f Die Schwankung auf der Koppe war binnen 48 Stunden 2,74 Linien, in Hirſchberg 
während derſelben Zeit 3,90 L.; oben, ſowohl wie unten, war vollkommener Nordwind ein— 
getreten. Am 5. September war ich Nachmittags bis 6 Uhr Abends wieder daſelbſt, und 
bei 2,5 Luft⸗Temperatur war der Barometerſt. 23 3. 2,56 L. Der Wind war nordweſtl. 
In Hirſchberg war der Stand aus dem Mittel der Mittags- und 10 Uhr Abends— Beobach⸗ 
tung bei 11,5 Luft-Temperatur 27 3. 0,67 L. Der Wind kam aus Norden. 

Herr Prorektor Ender hat die Güte gehabt, die 19 gleichzeitig korreſpondirenden Be- 
obachtungen auf der Koppe der beiden Tage des Sten und 9ten Auguſt, nach der von Biot 
mitgetheilten Formel, welche in Süppau's Hypſometrie aufgeführt iſt, zu berechnen. 17 

I. Derſelbe fand aus 8 Beobachtungen des Nachmittags am Sten des erwähnten Da— 
tums außerhalb der Kapelle 3846,39 P. F. über Hirſchberg. 

II. Aus 11 Beobachtungen des Vormittags den 9ten innerhalb der Kapelle 
3882,09 P. F. | 

Der Unterſchied des Ergebniſſes der beiden Tage beträgt 35,70 P. F.; das Mittel 
aus den 19 Beobachtungen beträgt 3864,24 P. F. Ä 

Hirſchberg liegt, nach den neueſten Ermittelungen durch Barometerbeobachtungen des 
Grafen Schweinitz, 1049,67 P. F. über dem Meere. | 


1) Die Höhe der a. über dem Meere, nach den Beobachtungen am Sten, wäre 
demnach. a „ „een P. . 

2) Die vom 9ten wäre. 4931,76 P. F. 

3) Das Mittel aus allen Beobachtungen +) . 4913,91 P. F. 


Nach den trigonometriſchen Meſſungen der Schneekoppe des k. k. öſterreichiſchen Gene— 
ralſtabes iſt dieſelbe 4928,74 P. F. über dem Meere erhaben. 

Nach den Barometerbeobachtungen des Grafen Schweinitz im Sommer 1835 auf der 
Koppe, wozu Herr Prorektor Ender die korreſpondirenden unternahm, ergab ſich die Höhe 
über der Oſtſee zu 4930,35 P. F. 

Nehme ich die von mir gemachten Beobachtungen vom 9. Auguſt, ſo ergiebt ſich eine 
überraſchende Uebereinſtimmung mit den beiden eben angeführten Reſultaten, und zwar: 


) Einige Bemerkungen über die Berechnung der Höhe der Schneekoppe ſiehe am Ende. Scholtz. 
) Dieß iſt indeß nur das Mittel aus den beiden Reſultaten des Sten und Iten; das Mittel aus allen 19 
einzelnen Höhen giebt 3867,05 oder 4916,72 über der See. Scholtz. 


20 


154 —— 


die des öſterreichiſchen Seneralfiaben: Nasen,. 

die des Grafen a ET RO, VOL E9I30 BED 

die des Iten Auguft . REN nn STATT 
Dieſe Uebereinſtimmung möchte jedoch nur zufällig ſein. 


Da es mir nothwendig erſchien, diejenigen Inſtrumente kennen zu lernen, die entweder 
außer denen von uns aufgeſtellten zu unſerm Zwecke mit beobachtet würden, oder diejenigen, 
auf deren Ergebniß wir ſpäter bei unſern Berechnungen Bezug nehmen müſſen, ſo unternahm 
ich ſchon im Februar und Auguſt 1838 die Reiſe nach Krakau zu der dortigen Sternwarte, 
wo ſich unter der Aufſicht des Prof. Weiß und des Adjunkts Steckowsky ein Piſtor'ſcher 
Heber Barometer (Nr. 63), ganz denen ähnlich, an welchen hier auf der Sternwarte be— 
obachtet ward, befindet. 0 

Mein Reiſe-Barometer ergab während dreitägiger Beobachtung, den 20ſten, 21ſten 
und 22. Auguſt, aus 28 Beobachtungen eine Differenz von 0,058 Par. Linien, um welche 
jenes höher als die des Sternwarten-Barometers war; dagegen hing mein Inſtrument um 
2 Fuß niedriger. 

Ich erfuhr hier, daß der mittlere Barometerſtand aus zwölfjährigen Beobachtungen 
daſelbſt 27 3. 5,41 L. P. Maaß, die Wärme 7,282 Grad R. betrug. Die Barometer— 
höhe iſt ſchon auf Null reduzirt. Dieſer Stand bezieht ſich auf den Aufhängepunkt auf der 
Sternwarte, 43,9 P. F. über dem Spiegel der Weichſel hinter dem botaniſchen Garten. Die 
Erhöhung der Weichſel über der Oſtſee aus 7jährigen Beobachtungen des Adjunkts Ste— 
ckowsky und durch 10 Vergleichungen mit andern Orten beträgt 563,42 P. F.; der Auf: 
hängepunkt des Inſtruments 607. 

Im Jahre 1837 machte der Bauinſpektor v. Unruh eine Reiſe von hier nach Krakau 
zur Ermittelung eines Nivellements zwiſchen dieſen beiden Orten, und fand, daß Krakau 
184,15 P. F. höher als Breslau läge. Hiernach wäre dieſer letzte Ort 379,3 P. F. über 
dem Meere; wogegen aber angenommen wird, er ſei nur 362 F. über der Oſtſee. 

Für unfere Zwecke iſt Breslau der Haupt- und eigentliche Fundamental— Punkt, auf der 
ſich alle übrige Orte, an denen Beobachtungen ſtattfinden, baſiren müſſen; doch die Höhe 
deſſelben muß ſich binnen einem Jahre ergeben, da auf Veranlaſſung unſeres Staats das 
Oder-Nivellement von Swinemünde bis dahin, wo dieſer Strom in unſer Land tritt, zu 
dieſer Zeit beendet ſein wird. Indeſſen ergaben die Barometer- und Thermometer-Beobach— 
tungen auf der hieſigen Sternwarte, während einer Reihe von 25 Jahren, aus deren Mittel: 


Barometerſtand 27 3. 7,915 L., Thermometerſtand 6,59 Grad R. 


Dieſes Jahr begab ich mich abermals nach Zittau, zur Vergleichung meines Inſtruments 
mit dem daſelbſt vom Hrn. Hauptm. Dreverhoff beobachteten. Seit unſer Verein beſteht, 
ſendet derſelbe allmonatlich ſeine Beobachtungen ein, die mit vieler Sorgfalt und Pünktlich— 
keit an einem gut gearbeiteten Heber-Barometer, deſſen Kaliber über 3 Linien weit mit 
gutem Queckſilber gefüllt iſt, gemacht werden. Das Inſtrument hat Meſſing— Skala, im 


155 — 


Maaße mit dem meinigen gleich. Derſelbe hat Thermometer, die in Centi-Grade getheilt 
ſind. Bei der Reduktion ergab ſich eine völlige Uebereinſtimmung mit dem von mir mit— 
geführten. Der Aufhänge-Ort dieſes Inſtruments iſt 32,3 P. F. über dem be e 
ſter des Hauſes Nr. 361 am Markte und 770 P. F. über der Nordſee. 


Der mittlere Barometer- und Thermometerſtand ſeit 11 Jahren, 1828 — 1838, iſt: 
Barometerſtand 27 3. 3,82 L., Thermometerſtand 7,04 R. 


Die Beobachtungsſtunden ſind: Morgens 9, Mittags 12, Nachmittags 3, Abends 
9 Uhr. 

Das Speziellere wird hierüber weiter unten angeführt werden. 

Die Differenz beider Inſtrumente ergab, nach mehrſtündigen Vergleichungen, 0,367 Li— 
nien um welche mein Inſtrument niedriger als jenes ſtand. 

Von hier begab ich mich nach Dresden zum Direktor des mathematiſchen Salons, Herrn 
Lohrmann, der daſelbſt an einem guten Heber-Barometer, deſſen Röhre gut kaliberirt iſt 
und eine Weite von 6 Pariſer Linien hat, beobachtet. Das darin befindliche Queckſilber iſt 
chemiſch-rein; es hat Meſſing-Skala; die Ableſung geſchieht durch zwei Haarfäden, ſowohl 
oben wie unten. Im Maaße ſtimmte dies Inſtrument mit dem meinigen auf das Genaueſte 
überein. 

Die Differenz war 0,20 Linien, um welche mein Inſtrument niedriger als jenes ſtand. 

Die Thermometer waren in Centi-Grade getheilt; der meinige zeigte einige Zehntel— 
Grade mehr, als die dortigen. 

Herr Direktor Lohrmann hat, unter Mitwirkung mehrerer Männer Sachſens, meteoro— 
logiſche Beobachtungen des daſigen Landes angeſtellt. Dieſe, ſo wie die Anfertigung und 
Beſchreibung ſeiner Inſtrumente, befinden ſich in den „ zur Meteorologie des König— 
reichs Sachſen von 1828 — 1837. 


Hieraus ergab ſich in 10 Jahren das Mittel für Dresden unter 51° 3° 16“ Breite, 
und 31° 23° 25“ Länge. 


Barometerſ tand . 27 3. 9,12 L. 
Thermometerſtand .. 447,56“ R. 
Die Beobachtungsſtunden Su Si, 3 690. 


Der Aufhängepunkt des Barometers 47,0 P. F. über dem Nullpunkte der Dresdener 
Bruͤcke, 27 Fuß über dem Straßenpflaſter und 360 P. F. über der Nordſee. 

In Prag wandte ich mich an den, bei der dortigen Sternwarte angeſtellten Herrn Dr. 
Kreil, woſelbſt ſich ein Heber-Barometer, der böhmiſch-ökonomiſch-patriotiſchen Geſellſchaft 
gehörig, befand; es hatte Meſſing-Skala; das Maaß ſtimmte genau mit dem meinigen 
überein; die Röhre enthielt chemiſch-reines Queckſilber und war 2,5 Linien weit. Die Ther⸗ 
mometer zeigten dieſelbe Anzahl Grade und ihre Zehntel, wie bei dem meinigen. Mein 
Barometer ſtand um 0,27 Linien tiefer als jenes. 

N 20 * 


156 | 


Es muß auffallen, daß bei den hier oben angeführten Vergleichungen mein Barometer 
ſtets einen niedrigeren Stand zeigte, als diejenigen, mit denen dieſelben angeſtellt waren. 
Dieß rührt davon her, daß mein Inſtrument eine Luftblaſe von der Größe eines ſehr klei— 
nen Stecknadelknopfes oben in der Kuppe erhalten hatte, deren Einfluß auf den Stand des 
Queckſilbers ſich auch ſchon bei der vor meiner Abreiſe mit dem Barometer der hieſigen Stern— 
warte, neben welchem das meinige vorher 24 Stunden gehangen hatte, vorgenommenen Ver⸗ 
gleichung bemerkbar machte, indem das meinige um 0,07 Linien niedriger ſtand, ein Unter— 
ſchied, welcher bei einer zweiten Vergleichung nach meiner Rückkunft am 9. September bis 
auf 0,20 Linien angewachſen war. Dies ward bei der von mir vorgenommenen Reviſion 
der Inſtrumente des Vereins, als auch bei den gemachten Höhenmeſſungen, auf der Reiſe 
berückſichtiget. 

Auf Prag zurückkommend, muß ich bemerken: die k. k. patriotiſch-ökonomiſche Geſell— 
ſchaft Böhmens hat die ſeit dem Jahre 1817 eingerichtete Veranſtaltung der Witterungsbeob— 
achtungen ſeit dem Jahre 1827 zu erweitern geſucht, indem ſie an zweckmäßig gelegenen 
Orten Barometer und Thermometer mit einer Anleitung zum Beobachten derſelben ſandte. 
Statt der früheren Heber-Barometer wurden Flaſchen-Barometer gewählt. Das Barometer 
hat ſtatt der Glaskugel ein cylindriſches Gefäß von Buchsbaumholz, in das die 32 Par. Zoll 
lange Glasröhre luftdicht eingekittet iſt. Das Verhältniß des Durchmeſſers dieſes Gefäßes zu 
jenem der Glasröhre iſt genau beſtimmt. 

Das Thermometer iſt das 80theilige nach Reaumur. Als Hauptort iſt Prag und die 
dortige Sternwarte betrachtet, wohin die Beobachtungen geſandt und wo ſie berechnet 
werden. 

Die Geſellſchaft abſtrahirt bis jetzt ganz davon, das Nivellement als Hauptzweck der 
meteorologiſchen Beobachtungen zu beta ſie werden nur veranſtaltet in Bezug des 
Oekonomiſchen. 8 

An 25 Orten des Böhmerlandes ſind im Verlaufe mehrerer Jahre meteorologiſche Be⸗ 
obachtungen gemacht worden, welche bis zum Jahre 1837 reichen. Die Richtigkeit der An— 
gaben über die Höhen der Beobachtungsorte muß zum Theil bezweifelt werden, wenn man 
eine Vergleichung der von Tetſchen und Dresden anſtellt, da dieſer letzte Ort, nach den ſorg— 
fältigſten Unterſuchungen des Direktor Lohrmann daſelbſt, 360 P. F. über der Nordſee liegt 
(das Nähere hierüber iſt enthalten in der Geſchichte der barometriſchen Höhenbeſtimmungen 
von Berlin und Dresden, von Heinrich Berghaus); erſterer Ort, oberhalb Dresdens, 
aber nur 289 Fuß über dem Meere erhöhet ſein ſoll. Eine ähnliche Bewandtniß möchte es 
wohl mit St. Peter im Rieſengebirge, nach der Vegetation zu urtheilen, haben, das 2421 
Pariſer Fuß hoch angegeben iſt. 

Ich führe hier die in unſerem Sudetenlande oder in deſſen Nähe gelegenen Orte mit 
den aus den Beobachtungen gewonnenen Reſultaten auf. Die in Wiener Klaftern aufge— 
führten Höhenbeſtimmungen habe ich in Pariſer Fuß verwandelt. 


157 


Tetſchen. Breite: 5046“ 39“. Länge: 31° 52° 4”, Höhe über dem Meere: 
289 P. F. Mittel aus 8jährigen Beobachtungen: Barometerſtand 27 Zoll 8,51 Linien. 
Thermometerſtand 6,74 R. | 

Leitmeritz. Breite: 50° 31“ 36“. Länge: 31° 48%. Höhe: 356 P. Fuß. 
Mittel aus 6jährigen Beobachtungen: Barometerſtand 27 3. 7,60 L. Thermometerſtand 
7,16 R. | ' | 

Prag. Breite: 50° 5° 18 ½“. Länge: 32° 5. Höhe: 551 Parifer Fuß. 
Mittel aus 16jährigen Wobarhtenten Barometerſtand 27 3. 5,61 L. Thermometerſtand 
7,05 R. 

Königsgrätz. Breite: 50° 12° 38“. Länge: 33297 50%, Höhe: 694 P. F. 
Mittel aus 11jährigen Beobachtungen: Barometerſtand 27 3. 4,32 L. Thermometerſtand 
5,92 R. 

Gabel. Breite: 5045“ 30“. Länge: 32° 25° 25°. Höhe: 881 P. F. 
Mittel aus einjährigen Beobachtungen: Barometerſtand 27 3. 1,78 L. Thermometerſtand 
4,68 R. | | 

Schluckenau. Breite: 51° 3“ 30“. Länge: 32° 6, 30“. Höhe: 986 P. F. 
Mittel aus 5jährigen Beobachtungen: Barometerſtand 27 3. 0,48 L. Thermometerſtand 
R. | 

Landskron. Breite: 4954 49 ½ “. Länge: 34 1635“. Höhe 1024 P. F. 
Mittel aus 15jährigen Beobachtungen: Barometerſtand 26 3. 11,05 L. Thermometer— 
ſtand 6,03 R. 

Hohenelbe. Breite: 50° 37“ 45“. Länge: 33° 1414”, Höhe: 1403 P. F. 
Mittel aus 16jährigen Beobachtungen: Barometerſtand 26 3. 6,44 L. Thermometerſtand 
4,84 R. 

St. Peter im Rieſengebirge. Breite: 5043“ 50%, Länge: 33° 17°, 
Höhe: 2421 P. F. Mittel aus 4jährigen Beobachtungen: Barometerſtand 25 3. 6,02 L. 
Thermometerſtand 4,43 R. 

Dresden. Breite: 51° 3° 16“. Länge: 31 23° 25“. Höhe über der 
Nordſee: 360 P. F. 


Zu einer wiſſenſchaftlichen Begründung unſeres Verfahrens der Höhenmeſſung gehört 
die möglichſt genaue Kenntniß des Barometerſtandes am Meere, wofern uns nicht ein geome⸗ 
triſches Nivellement, welches bis jetzt fehlt, zu Gebote ſteht. Einige der hierüber gemachten 
Beobachtungen und Erfahrungen führe ich hier an. 


Beobachtungen zu Venedig ergaben bei Null-Grad-Temperatur die Höhe des 
des Barometers am adriatiſchen Meere zu 28 3. 1,17 L. 


Bugge in Kopenhagen erhielt aus 48jährigen Beobachtungen, von 1750 — 1798, 
die mittlere Barometerhöhe zu 28 3. 1,21 L. 


1 


Herr von Sil vabelle beobachtete vom 2 1783 — dans zu Warſeile, und 
fand im Mittel 28 3. 1,17 L. 

Zu Rochelle in den Jahren 1781—1784 das atlantiſche Meer 28 3. 1, 63 L. 

Zu Apenrade in den Jahren 1823 — 1827 der Oſtſeeſpiegel 28 3. 0,986 L. 

Zu Danzig in den Jahren 1827 — 1830 der Oſtſeeſpiegel .. 28 3. 0,938 L. 


In der oben angeführten Schrift des Direktor Lohrmann ſind die in neueſter Zeit 
vom Doktor Neuber zu Apenrade, an einem ihm von Dresden aus zugeſandten Heber-Ba— 
rometer gemachten Beobachtungen daſelbſt, während 29 Monaten, vom November 1830 bis 
März 1833, wo zehnmal täglich, von Morgens 7 bis Abends 11 Uhr, beobachtet wurde, 
aufgeführt, one fich der mittlere Stand des Barometers in Apenrade 33,4 P. Fuß über 
dem mittleren Stand der Oſtſee ergiebt zu 28 3. 0,68 L., mithin für den Oſtſeeſpiegel bei 
Apenrade 28 3. 1,13 L. 


f Krakau. Breite: 50° 3“ 52”. Länge: 37° 35° 45 /. 
Höhe über der Oſtſee 563,42 P. F., d. i. die Weichſel hinter dem botaniſchen Garten 


in dieſem befindet ſich die Sternwarte). Mittel aus 12jährigen Barometerbeobachtungen 
43,9 P. F. Ueber dem Spiegel der Weichſel 27 3. 5,41 L. 


Thermometerſtand + 7,282 R. 
Jahresmittel von 1836 > 7 74 
Die der Wintermonate — 2,69 
Die der Sommermonate + 12,79 
Jahresmittel von 1837 + 5,33 
Die der Wintermonate — 0,07“ 
Die der Sommermonate. HET 
Jahresmittel von 1888. .. + 4,65 
Der Wintermonate — 1s 
Der Sommermonate + 10,99“ 
Jahresmittel von 1839 + 6,05“ 
Der Wintermonate + 0,52“ 
Der Sommermonate + 11,58 


Nach 16jährigen Barometerbeobachtungen 27 3. 4,812. 
Nach eben ſo vieljährigen Thermometerbeobachtungen + 6,214. 


Es mögen hier die Ergebniffe der Thermometerbeobachtungen einiger Orte, an welchen 
von dem Vereine Inſtrumente aufgeſtellt ſind, folgen. Es ſind dieſelben nicht geordnet, wel— 
ches geſchehen wird, wenn im nächſten Jahresberichte die RO EEENEREOEREDER und die 
daraus ermittelten Höhenmeſſungen werden angeführt werden. 


Breslau. Die Sternwarte: Br. 5197“ 3“. Lg. 34 42“ 4", 
Glifabeththurm: Br. 51° 6° 48”. Lg. 34° 41“ 55“. 


zu. — 


Höhe über der Oſtſee des jetzigen Barometer-Niveau's auf der Sternwarte 472,4 F. 


Mittel aus 25jährigen Beobachtungen: 


Thermometerſtand 6, 59 R. 


Die Beobachtungen wurden 112 F. über dem Nullpunkte der Oder angeſtellt. 
Beobachtungszeiten ſind: Morgens 6 und 9 Uhr, Mittags 12 und 3 Uhr, 


9 Uhr. 


Der Wintermonate. . 
Der Sommermonate 
Die des Jahres 1837 


Wintermonate 
Sommermonate 


Die des Jahres 1838 . 


Wintermonate 
Sommermonate 


1 


Die des Jahres 1839 
Der Wintermonate 
Die Sommermonate — 1 


Schweidnitz. 


Breite: 50° 50“ 30“. 
Jahresmittel von 1837 
Der Wintermonate 8 
Der Sommermonate 
Jahresmittel von 1838 
Die Wintermonate 
Der Sommermonate. 


Reichenſtein. 


Breite: 50° 22° 16“. 
Jahresmittel von 1837 
Der Wintermonate. 5 
Der Sommermonate. 
Die des Jahres 1838 . 
r Wintemonge 
Der Sommermonate 


Glatz. 


50% 26“ 10”. 


Beobachtungsſtunden ſind: Morgens 7, Mittags 2, Abends 9 Uhr. 
Länge: 


Länge: 349“ 33, 


34° 26“ 56”, 


Jahresmittel der Temperatur des Jahres 1836 war 


+ 


Barometerſtand 27 3. 7,915 L. 


6,6530 
2,62“ 
10,68“ 
6,23 
0,989 
11,48 
5,54 
0,70“ 
11779 
6,979 
1,6140 


— 111114744744 


—+ 12,342 


+: 6,805“ 
+ 1,163 
+ 10,448 
+ 5,22%? 
— 0,61 
+ 11,06“ 


4,88“ 
1,05 


5,289 
0,40 
10,939 


414444 


„ 


Abends 


Beobachtungsſtunden ſind Morgens 6, Mittags 2, Abends 10 Uhr. 


Beobachtungsſtunden ſind Morgens 7, Mtgs. 2, Abends 10 Uhr. 
Länge: 34° 297 16“. 


Breite: 


* 


45". 


Jahresmittel von 18837 


Der Wintermonate 
Der Sommermonate 


| Jahresmittel von 1838 


Der Wintermonate 
Der Sommermonate 
Jahresmittel von 1839 
Der Wintermonate. 
Der Sommermonate 


Neiße. 


Länge: 35 0 10“. 
Jahresmittel von 1837 
Der Wintermonate . 
Der Sommermonate 
Jahresmittel von 1838 


Wintermonate 
Sommermonate 


Jahresmittel von 1839 


Wintermonate 


Sommermonate. 
Beobachtungszeiten ſind: 


Leobſchütz. 


Länge: 35° 300“. 


Jahresmittel von 1837 
Der Wintermonate. 
Der Sommermonate 


Jahresmittel von 1838 N 


Der Wintermonate 
Der Sommermonate 
Jahresmittel von 1839 


Der Wintermonate 


Der Sommermonate 


Oppeln. 


Breite: 


5040“ 18. 


Jahresmittel von 1838 
Der Wintermonate 
Der Sommermonate 
Jahresmittel von 1839 
Der Wintermonate 
Der Sommermonate 


Beobachtungszeiten ſind: M. 


+ 


+ 


6 M., 2 M., 


* 


+ 


+ 


+ 


— 5,43 
— 0,23“ 
— 10,64“ 
. 4,68 
— 1,40 
. 10,76“ 
— 6,52“ 
. — 1,42“ 
„ 14,610 
9 Uhr. Breite: 
— 6,21 
+F 1,19° 
+ 11,23 
— 5,45“ 
— 0,486 
+ 11,388 
. 6,68“ 
+ 1,65 ° 
a „n 


+ 


50° 28‘ 


9 Abs. Breite: 50° 11° 


Länge: 35° 31“ 6”, 


+ 5,28° 


+ .0,22° 
+ 10,35° 
+ 5,17° 
— 0, 60“ 
+ 10,95 
+ 6,05“ 
— 0,82“ 
+ 11,52 
+ 6,16“ 
11 
+ 11,44 
+ 6,37“ 
+ 1,05“ 


+ 11,69% 


161 


Hirſchberg. Beohlchtungsſtunden ſind: ‚Dat 75 ene 12, Wen 10 . 
Breite: 50° 54° 18“ Länge: 33. 24 420,968; | 

Hatte im Mittel während 22monatlicher Beobachtung, vom Degener 168 6 bis 17 
September 1838, eine Temperatur von. ++ 5,21 R. 

Die des Jahres 1837 war im Mittel . 5,02“ R. 

Die der Wintermonate T 0,19 R. 

Die der Sommermonate . 3 


Kupferberg. Beobachtungsſtunden ſind: Morgens 7, Mittags 2, Abends 9 Uhr. 
Breite: 50° 32° 42“. Länge: 339836“ 37%, 
Die Temperatur des Jahres 1837 war im Mittel 4, 06° 

„Die der Wintermonate „% 0,85 90 
Die der Sommermonate 72 8,67 
des Jahres 1888. . 3,439 
Der Wintermonate „%%% %, ni 
Der Sommermonate 38,999 
Die, des Jahres 1899. „6. % 2769 
Der Wintermonate An, Aral; 
Der Sommermonate. .. 9,52% 


Landeshut. Beobachtungszeiten nd: Mogel 7, Mittags 1, Abends 10 Uhr. 
Breite: 50° 46“ 51“. Länge: 3341“ 33”, 


Jahresmittel von 1837 „nnn 
De Winker monate mme 
Der Sommermonate „„ — 9,41“ 
Jahresmittel von 1838 / eis 
iinenneneee e 1 
Senne mondtt e mahnt 
Jahresmittel von 1839 , , en si 1 
nate + 0,54“ 
lau 17 menagt e + 10,43 


Kloſter Liebenthal. Beobachtungsſtunden find: Morgens 6, Mittags 12 und 
Abs. 9 Uhr; außerdem: M. 9, M. 3, A. 6 Uhr. Br.: 3148/30“. L.: 3310“ 20” 
Es ergab ſich während 23 monatlicher Beobachtung, vom Auguſt des Jahres 1836 bis 
September des Jahres 1838, aus Morgen-, m und Abend: Beobachtungen eine Tem⸗ 
peratur von e e e eee 
Aus bmaligen Tagesbeobachtungen n 
Die des Jahres 1837 waer — 5,52“ 
, e 
Der Sommermonate + 10,06“ 
21 


— 162 | 
an Zittau. Die Beobachtungszeiten fi ſind: Morgens 9, N 12, * 3 je 
Breite: 50° 53° 57”. Länge: 32 28“ 22”. | 
Höhe über der Nordſee 770 P. F. 
Die Ergebniſſe der Temperatur: Beobachtungen dieſes Ortes ſetze ich ſeit dem Beſtehen 
unſers Vereins, d. i. ſeit 1836, hierher: 
Die des Jahres 1836 „„ RE: 
Der Wintermo nale d 3,36 


Der Sommermonate enn e126 
Die Beobachtungszeiten ſind: main 9, mis Ko Nachm. 3, Abends 9 Uhr. 
Die des Jahres 1837 3 . 6,57“ 
Der Wintermonate n + 1,56 
Der Sommermonae 2. + 11,58 
Die bes Jahres 1888. RER Sun 6,08. 
Der Wintermonate — 0,0489 
Der Sommermonate + 12,15“ 
Die des Rohres 1389 6488-1 Sue a 
Der istermo nate ö e 
Der Sommermonate. — 12,40 


Görlitz. Die Beobachtungszeiten ſind: Morgens 7, Mittags 2, Abends 9 Uhr. 

Breite: 51° 9° 15“. Länge: 32° 7° 41. | | 
Jahresmittel von 13 se ee 
ntermon ae „„ us 
Der Sommermonate + 9,387“ 
Jahresmittel von 1888. + 5,00“ 
Der Wintermonate — 0,65“ 
5% ( önate d „„ 
Jahres wittel von 1899 eee en Armee 
De ter onak e „„ 
Der Sommermonate. m... + 11,15 


| Karlsberg an der Henſcheuer (die Forſterei) Beobachtungszeiten ſind: Mrgs. 6, 
Mgs. 2, Abs. 10 Uhr. Br. 50° 28“ 30“. Lg. 3490“ 15“. 
(Heuſcheuer 50“ 29“ % . 34“ 1“ 22%) 

Jahresmittel von 188. ur” 

Ser tetmendte / 

Der Sommermonate . „„ 


Anmerk. Es iſt nachträglich zu erinnern, daß unter den Wintermonaten immer die erſten 
und die letzten drei Monate eines jeden Jahres, und unter den Sommermonaten die 
übrigen ſechs zu verſtehen ſind. 


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Ueber den zunehmenden Mangel des Holzes. 


Bei der Abhandlung dieſes wichtigen Gegenſtandes, der zu einer vielbedeutenden Frage 
im Staatsleben geworden iſt, konnte derſelbe weder bei dem Vortrage in ſeiner Allſeitigkeit 
zur Sprache kommen, noch kann derſelbe, des Raumes wegen, in feinem, ganzen Umfange, 
ſo wie er wirklich mitgetheilt wurde, hier wiedergegeben werden; es folgt daher nur das We— 
fentlichfte deſſelben im Auszuge und iſt das Ergebniß unmittelbarer Anſchauung. 

Das Holz iſt eins von denjenigen Stoffen, die wohl am mannichfaltigſten von den 
Menſchen verbraucht werden, ihre unmittelbare Exiſtenz bedingen und auf die fortſchreitende 
Kultur aller und jeglicher Völker den bedeutendſten Einfluß ausüben. Die wohlthätigen 
Folgen, die aus dieſem Geſchenk der Natur für das Menſchengeſchlecht erwuchſen, ſind 
unberechnenbar. ö 

Dieſer Stoff nun iſt es, der bei ſeiner hohen Wichtigkeit, für jeden Zweig des menſch— 
lichen Verkehrs, die Theilnahme jedes denkenden Menſchen in Anſpruch nehmen muß; er iſt 
es, dem die Staaten und deren Regierung, je nach Maaßgabe der Einſicht, jetzt mehr oder 
auch minder ihre beſondere Aufmerkſamkeit ſchenken oder ſchenken müſſen, um durch Verord— 
nungen und Verfügungen einem immer mehr zunehmenden Mangel deſſelben vorzubeugen. 
Um ſo dringender muß aber die Ergreifung geeigneter Maaßregeln erſcheinen, als durch die 
ſich täglich vergrößernde Abnahme des Holzes die ärmere Klaſſe unſerer Mitbürger in einen 
immer bedrängteren Zuſtand verſetzt wird, und kaum abzuſehen iſt, wie in ſpäteren Zeiten 
den Anforderungen für Bau-, Nutz, Werk- und Geſchirr-Holz genügt werden ſoll. N 

Ohne mich hier auf Zahlenangaben einzulaſſen, um wie viel ſeit einigen Jahrzehenden 
das Holz überhaupt im Preiſe geſtiegen, ſo begnüge ich mich damit, das im Allgemeinen auf 
dieſen Gegenſtand Bezügliche mitzutheilen, was ich auf meinen Wanderungen ſah, und zwar 
von der Babia-Gora und Liſſa-Hora der Beskiden, längs dem Sudetengebirge, zu deſſen 
beiden Seiten, bis zur Elbpforte und der ſogenannten ſächſiſchen Schweiz. 

Zuvörderſt muß ich die Fragen ins Auge faſſen: Welches ſind die Urſachen der Vermin— 
derung der Waldungen? was wurde gethan, um derſelben zu begegnen? und was könnte 
noch in dieſer Beziehung geſchehen? 

Ad 1) Die mangelhafte Forſtkultur früherer Jahre und die der neueſten Zeit, vernach— 
läſſigte die Sorge für den erneuerten Anwuchs, der als Erſatz des Verbrauchs für die kom— 
menden Enkel dienen ſollte. Durch die Forſtdevaſtationen iſt eine größere Konſumtion ent— 
ſtanden, als der Boden nachhaltig für den Bedarf zu erſetzen vermag. Da aber hierdurch 
bei dem Gebrauch des Geſchirr- und Bauholzes daſſelbe vor der Reife gefällt wird, iſt dem— 
ſelben die Haltbarkeit entzogen, wodurch ein Mehrverbrauch bedingt wird. 

Die ſtarre Selbſtſucht vieler Güterbeſitzer ließ, theils aus Geldmangel, theils aus 
Spekulationen verleitet, in neuerer und neueſter Zeit bedeutende Waldſtrecken einſchlagen, um 
das Holz in Geld umzuſetzen; die vom Holze entblößten Stellen wurden in Ackerland umge— 
wandelt, und an einen Erſatz deſſelben für ſpätere Jahre ward nicht gedacht. Wie dies aber 

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a — 


in dem Zeitraume von zehn bis funfzehn Jahren zugenommen hat, bezeugen die Strecken, wo 
jetzt der Pflug den Boden durchſchneidet, ſonſt aber die ſchönſten Tannen und Eichen ſtanden. 
Die ſeit einigen Decennien zunehmende Bevölkerung verurſachte ſchon an und für ſich einen 
Mehrverbrauch des Holzes; es entſtanden aber auch hierdurch mehr Wohnungen, die auf 
Waldplätzen errichtet wurden, nachdem man dieſelben der Bäume beraubte. Dieſe ſogenann⸗ 
ten Koloniſten-Wohnungen haben in neueſter Zeit bedeutende Waldſtrecken in Anſpruch ger 
nommen, und täglich ſieht man auf dieſen die Gebäude ſich mehren. Den Beweis liefern 
die Gegenden des rechten und linken Oderufers, das mähriſche Geſenke, die Grafſchaft Glatz, 
das Rieſen⸗ und Iſergebirge, die Abhänge derſelben nach Böhmen und das Jäſchkengebirge. 
Sehr große Lücken in dem Holzbeſtande haben erzeugt: der in neueſter Zeit ſo ſehr geſtei— 
gerte Berg- und Hüttenbetrieb: in den Beskiden, an den beiden Ufern der Przemza, in 
Oberſchleſien, an den öſtlichen, nördlichen, ſüdlichen und weſtlichen Gehängen der Sudeten; 
im erſtern Falle durch Unterbaue, im letztern durch den großen Kohlenbedarf; ferner die ſeit 
Jahren ſo ſehr vermehrte Errichtung von Glashütten, die mehr Holz konſumiren, als der 
Nachwuchs in deren Nähe zu erſetzen vermag; der Verbrauch deſſelben durch Kalköfen und 
Ziegelbrennereien; die erhöhete techniſche Betriebſamkeit in neueſter Zeit für die mannichfach— 
ſten Bedürfniſſe des Lebens. Hierzu gehört auch die Heizung der Dampfmaſchinen durch 
Holzkohlen; endlich Waldbrände, entweder durch Vernachläſſigung oder durch Vorſatz herbei— 
geführt, und die ſchädlichen Inſekten. A. | 

Unter den Zylophagen iſt der Borkenkäfer, Bostrichus, in verſchiedenen Species, wel: 
cher weite Strecken der mit Rothtannen (Fichte, Pinus abies) beſtandenen Waldflächen ver: 
wüſtet. Im Oppalande, in Mähren und Böhmen ſah ich Tauſende von Morgen Waldun— 
gen auf dieſe Weiſe angegriffen, die Nadeln roth, ſtatt grün, an den Zweigen ſtehen. In 
dem eben angeführten Landſtriche, zu Oeſterreich-Schleſien gehörig, iſt man der Anſicht, daß 
es beſſer ſei, im Verlaufe mehrerer Jahre die ſo abgeſtorbenen Bäume noch nicht zu fällen 
(bei uus geſchieht dies bald), damit das Inſekt durch das Umfallen derſelben nicht aufgeſtört 
werde und ſich ſodann an andere Stämme ſetze. In einigen Gegenden Böhmens dagegen 
zieht man Gräben um die angenagten Bäume; die aus denſelben geworfene Erde, das zu— 
ſammengerechte Moos und die Nadeln wirft man auf Haufen, die dann angezündet werden, 
um dies Inſekt dadurch zu tödten. Wie nachtheilig es aber iſt, derartige weite Strecken auf 
mehrere Jahre unbebauet und unbenutzt liegen zu laſſen, leuchtet ein. — | 

Mangelhafte Beauffichtigungen der Wälder führen, wie in Nachſtehendem näher bezeich— 
net werden ſoll, unberechnenbaren Schaden herbei. Viele Ortſchaften haben entweder wirk— 
lich das Recht, oder es durch längere oder kürzere Zeit beſtehendes, Herkommen ſich an— 
gemaßt, das Vieh in den Holzungen zu weiden. Nur zu häufig wird daſſelbe an Orte getrie- 
ben, die der Schonung bedürfen, wo es durch Abfreſſen oder Zertreten der zarten Baumſpröß⸗ 
linge oder Stämmchen das Aufkommen der Bäume entweder ganz unterdrückt, oder nur krüp— 
pelhafte und wenig brauchbare Stämme emporkommen läßt. An andern Orten iſt das Streu— 
rechen oder das Sammeln des ſogenannten Raff- und Leſeholzes und das Holen des Wald— 


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grafes herkömmlich. Im erftern Falle wird dem Boden nicht allein die ihm zukommende Dün— 
gung entzogen, der Humus vermindert, ſondern es werden auch die unter Laub und Nadeln 
befindlichen jungen Baumpflanzen bei der ſorgloſen Handhabung des Rechens beſchädigt oder 
ausgeriſſen. Die beiden andern Fälle führen theilweiſe denſelben Schaden herbei, nur daß 
bei der Erlaubniß, ſich Raff- und Leſeholz zu holen, dem Holzdiebſtahl noch mehr Gelegen— 
heit geboten wird. Wie bedeutend aber dieſer und wie nachtheilig er iſt, lehrt der Augen— 
ſchein. Man hat nur nöthig, wenige Schritte in die Wälder zu thun, um alsbald die Reſte 
geſtohlener Stämme als Corpora delieti, gewöhnlich mit Erde und Raſen bedeckt, um das 
friſch Abgehauene den Blicken zu entziehen, wahrzunehmen. Es ſind dies gewöhnlich Stämme, 
deren ein oder zwei von einem Manne getragen werden können. 

Im vorigen Jahre erwähnte ich hier in einem Vortrage der Abnahme der Wärme und 
der Zunahme der Kälte in unſern Gegenden, und fuhrte als Beweis die Wald— und Baum⸗ 
leichen auf Höhen an, wo heut kein oder nur dürftiges Holz fortkommt. 

In einer Seehöhe von 3000 Fuß und etwas darüber erblickt man ſtarke, hohe Tannen 
erſtorben daſtehen; an ihren Füßen kommt nur noch das ſogenannte Wolfsgras fort. Etwas 
tiefer hinab tritt das Wachsthum der Bäume wieder hervor, aber doch nur bis zu einer be— 
ſtimmten Grenze, wo die Wipfel, indem ſie über dieſe hinausragen, verdorret ſind; und der 
Augenſchein lehrt: es gab eine Zeit, wo die klimatiſchen und örtlichen Verhältniſſe von der 
Art waren, daß der Wuchs hoher und dicker Stämme da gedeihen . wo jest dieſelben 
ihnen hinderlich ſind. 

Die Erklärung für dieſe ſeltſame Erſcheinung wäre wohl in Solgeldem zu ſuchen: Bei 
den früheren und neueren Abholzungen der Wälder wurde keine Rückſicht auf die Richtung 
der Winde, auf klimatiſche und örtliche Verhältniſſe, auf das, was den Wachsthum der 
Bäume begünſtigen oder dieſem hinderlich ſein könne, genommen; man ſchlug das Holz nie⸗ 
der, wie die Forſtbeamten es gerade für gut fanden, und zwar vom Fuße der Berge in einer 
Linie nach oben hin; die am oberen Bergrande, Kamme, ſtehenden Stämme und Sträucher 
wurden gleich den tiefer ſtehenden umgehauen. Hierdurch ward den kalten und heftigen Win— 
den und dem, durch dieſelben herbeigeweheten, Schnee in die entblößten Stellen der Zugang 
eröffnet, die Bäume des Schutzes beraubt, durch den Schnee theils erdrückt, theils durch den 
über die Kämme herbeigeführten ſo viel der Kälte erzeugt, daß ſie die Vegetation derſelben 
hemmte oder zerſtörte. 

Die Nachtheile eines ſolchen Verfahrens ſcheint man in einigen Forſtrevieren eingeſehen 
zu haben, in andern wird daſſelbe noch beibehalten. Wo man zu beſſerer Einſicht gelangt iſt, 
werden demnach die Schläge von unten nach oben parallel mit dem Fuße der Berge, mit Be— 
rückſichtigung der heftigen Nordweſt-, Nord- und Nordoſt— Winde, angelegt, und man ver— 
fährt mit großer Schonung gegen die auf oder an den Gebirgskämmen ſtehenden Bäume. 

Daß aber auch klimatiſche Veränderungen ſeit einigen Hunderten von Jahren ſtattge— 
funden haben müſſen, die das Wachsthum der Bäume weiter gegen die Ebene hinab drückte, 
beweiſen die bei Urbarmachung des Bodens aufgefundenen Holzgattungen, die zur jetzigen 


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Zeit an dieſen Orten wegen ihrer hohen Lage wicht me forttommen, begeht Marten nur 
erft weit tiefer hinab beginnt. 

Wie wichtig aber die eben angeführte Berückſi ichtigung der Windrichtung bei den anzu⸗ 
legenden Holzſchlägen und das Nichtentblößen der obern Waldränder iſt, bekunden die vielen, 
jährlich ſtattfindenden Windbrüche, die ganze Waldſtrecken niederwerfen. Die Vernachläſſi— 
gung einer ſolchen Berückſichtigung rächt ſich in wenig Stunden bitter, da der hierdurch an— 
gerichtete Schaden, durch die Zukunft bedingt, unberechnenbar iſt. Wo man daher zu einer 
beſſern Einſicht gelangt iſt, vermeidet auch die Forſtkultur ſolche Fehler. 

In mehreren Forſten ſtößt man auf eine andere grobe Vernachläſſigung der Kultur, in⸗ 
dem man die Stöcke der gefällten Bäume ſtehen und durch die Zeit verfaulen läßt. Abgeſe— 
hen von dem aus dem Stockholze zu erhaltenden Gewinn, den man ſo hinwegwirft, nimmt 
ein ſolcher Holzreſt eines fällbaren Skammes wenigſtens den Flächenraum von drei bis 
vier Quadratfuß ein; — wie groß aber der Raum ſei, welcher ſo dem Nachwuchs entzogen 
wird, ergiebt die Anzahl der gefällten Stämme. Wenn nun zwar eingewandt wird: das 
Ausroden der Stöcke lohne nicht die Arbeitskoſten, ſo muß dagegen bemerkt werden, daß es 
ſich hierbei nicht allein um die Gegenwart, ſondern auch um die Zukunft handelt, und mit 
der Zeit die auf Hinwegſchaffung der Stöcke verwandten Koſten und Mühe hinreichend erſetzt 
werden. Ich ſah Tauſende ſolcher ſtehen gebliebener Stöcke 4 — 10 Fuß über den Boden her: 
vorragend, da die Stämme bei hohem Schnee gefällt waren. 

Von der mangelhaften Beaufſichtigung der Forſten zeugt ein anderer verderblicher Uebel⸗ 
ſtand, nämlich das Verbrennen großer Quantitäten Holz zu Aſche, um daraus Pottaſche oder 
Lauge zu gewinnen. Wenn nämlich eine Waldſtrecke abgetrieben ward und dann die Holz— 
ſchläger die Stämme zu den Klaftern, zu Nutz- oder Geſchirrholz ſpalten, laſſen dieſelben die 
Theile, die durchwachſen ſind, und ihnen mehr Mühe bei der Arbeit machen, liegen. Die 
Zweige, die Wipfel der Bäume, das ſpäter abzuräumende Geſträuch wird mit dem ſchwer 
Spaltbaren und vielen Scheiten verbrannt. Große praſſelnde Feuer ſah ich hohe Holzhaufen 
in Aſche verwandeln, die, durch feine Siebe geſiebt, große Säcke füllte, und einen Neben— 
verdienſt für die Arbeiter, auf Koſten des Waldes, giebt. — Wie viel aber des Holzes dazu 
gehört, um Säcke mit derartiger Aſche zu füllen, möchte wohl leicht zu ermitteln ſein. 


Ad 2) Waldungen, die den Wohnungen der Menſchen, den zahlreich bevölkerten Or— 
ten nahe liegen, müſſen durch den Bedarf und den Verbrauch aus denſelben mehr in Anſpruch 
genommen werden, als die von ihnen entfernteren; jene zu ſchonen und aus dieſen die Be— 
dürfniſſe zu beziehen, müßte die Abſicht der Regierungen, oder die Sorge der Beſitzer ſolcher 
Wälder ſein. Etwas iſt wohl ſchon zu dieſem Zwecke geſchehen, doch könnte wohl noch viel 
mehr hierauf Bezügliches unternommen werden. 

Wenn gleich die Forſtkultur in mehreren Diſtrikten Oeſterreichs einer zweckmäßigeren 
Verwaltung und beſſeren Beaufſichtigung unterworfen werden könnte, ſo hat doch daſelbſt 
wiederum die Spekulation und Induſtrie vieler Gutsbeſitzer Werke zu Tage gefördert, die 


es 


wohl der Nachahmung werth find, und deren ich nur an einigen Stellen unſeres Landes be: 
merkte. Es ſind dies Anlagen von Straßen und guten, fahrbaren Wegen in und zu den 
Wäldern, zu leichterer und bequemerer Abfuhr des Holzes. Für wie wichtig und vortheilhaft 
man dieſe Straßenbauten gehalten haben muß, erſieht man aus dem großen Koſtenaufwande, 
der Mühe, dem Fleiße und der Sorgfalt, womit ſolche Straßen angelegt werden; und wie 
zeitgemäß, ja nothwendig derartige Unternehmungen jetzt ſind, zeigen ja die jährlich ſteigen— 
den Holzpreiſe. Wohin ſonſt kein Wagen kommen konnte, um das Holz abzufahren, dahin 
bewegen ſich in jener Gegend lange Züge derſelben mit Leichtigkeit, wie auf einer gut gebau— 
ten Chauſſee, und man bezahlt daſſelbe Holz da theurer, wo man es vor Anlegung jener 
Straßen nicht geſchenkt nahm. Auf ſolche Weiſe wirken dieſe Anlagen vortheilhaft für die 
Käufer, wie für die Verkäufer, welche letztere ihr verausgabtes Kapital mit 50 — 60 Procent 
Zinſen⸗Ertrag anlegten. Ich kenne mehrere Waldbezirke, wo ſeit Jahren mehr Holz liegt 
und verfault, als die Armuth Breslau's während des ganzen Winters zur Feuerung beduͤrfte. 

Durch die Anlegung bequemer, fahrbarer Wege würde das Holz dahin gebracht werden 
können, wo man es den Umſtänden gemäß bedarf. Die hohlen und ſchmalen, ausgefahrenen 
Wege aber hindern den Transport, oder erſchweren und verzögern denſelben, und nach ihnen 
haben ſich daher auch die Wagenſpuren richten müſſen, die darum in einigen Gegenden nur 
3 Fuß 6 Zoll breit find, wodurch abermals eine Hemmung entſteht. 

Eine andere Art des Transportes, um das Holz an entferntere Orte zu ſchaffen, die deſ— 
ſelben bedürfen, wird durch das Flößen bezweckt. Dieſe Einrichtung geht größtentheils von 
den Waldbeſitzern ſelbſt aus, oder fie ward durch die Regierungen veranlaßt; in beiden Fäl— 
len ſind für daſſelbe Geſetze gegeben, die die Intereſſen der dabei Betheiligten beſtimmen und 
ſchützen. Dies Holzflößen geſchieht nun entweder, indem man demſelben durch die Kunſt zu 
Hülfe kommt, oder es ganz allein von dem periodiſchen Anſchwellen der Gewäſſer abhängig 
ſein läßt. Im erſteren Falle ſind hohe Dämme, mit Schleußen verſehen, quer durch die Ge— 
birgsbäche angelegt, durch welche das Waſſer aufgeſtauet wird, welches die in daſſelbe geworfenen 
Hölzer, nach Oeffnung der Schleußen, mit hinwegführt und an beſtimmte Orte anſchwemmet, 
wo fie durch Vorrichtungen, Rechen genannt, aufgefangen werden. Im andern Falle wer- 
den die Hölzer, ſo wie vorher, an das Ufer des Baches gebracht (gerückt), aber nur erſt zu 
der Zeit in denſelben geworfen, wenn der thauende Schnee denſelben hinlänglich zum Fort— 
treiben derſelben mit Waſſer füllt. Auch hier befinden ſich, den Umſtänden gemäß, Holz— 
rechen, oder das Holz wird durch dazu beſtellte Menſchen abgefangen und an das Ufer 
gezogen. 

Ich übergehe die Namhaftmachung einzelner Anlagen und Vorrichtungen, und weife 
blos auf die der ſächſiſchen Regierung in der ſogenannten ſächſiſchen Schweiz hin. Ich kann 
jedoch nicht umhin, eine ſpecielle Anlage zu erwähnen, welche zeigt, was Fleiß und Umſicht 
vermögen. Der Graf Clam Gallas, Beſitzer der böhmiſchen Herrſchaft Friedland, hat 
vom Anfange der kleinen Iſer, am weſtlichen Abhange der Tafelfichte, einen breiten und tie— 
fen Graben ziehen laſſen, der das von derſelben herabfließende Waſſer auffängt, und ftatt zur 


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Iſer nach Weißbach, zur Wittig führt, um ſo das Holz ſeiner reichen Waldungen nach Fried⸗ 
land und in die Umgegend abzuſetzen. Auch in hydrographiſcher Beziehung iſt jene Anlage 
gewiß nicht ohne Intereſſe, und in unſerm Sudetenlande, ſo viel mir bekannt, jene Stelle 
der einzige Punkt, wo man die Zuflüſſe eines ſehr bedeutenden Baches durch die 3 und 
zum * der Menſchen in ein ganz anderes * leiteke⸗ 

Ad 3) In mehreren Theilen des Sudetenlandes finden ſich weite Strecken, die ii 
Forſtkultur bis jetzt als gänzlich ungünſtig erſchienen, die man aber, geht man auf die Ur: 
ſachen und deren Entſtehung zurück, nicht an und für ſich und abſolut als für die Waldkultur 
unfähig erkennen würde. Zweckmäßig angewandte Mittel, welche die Bedingungen erfüllten, 
unter denen das Wachsthum der Bäume zu gedeihen vermag, würden bewirken, daß da ſich 
der ſchlanken Stämme Wipfel hoch erheben würden, wo jetzt nur einzeln ſtehende kleine ver— 
krüppelte Bäume oder Sträucher kümmerlich wachſen, oder ganze Strecken entblößt ſind, auf 
denen nur Haidekraut, Mooſe, die Rauſchbeere, die Moosbeere, die Zwergbirke, Zwerg-Wach⸗ 
holder und Knieholz fortkommen. Einige dieſer weiten, von Holz entblößten Plätze werde 
ich hier erwähnen: Der Moosbruch in Oeſterreich⸗Schleſien, die Seefelder auf dem Glätzer 
Schneeberge, die Seefelder an der Weiſtritz unterhalb Grunwald, die Kobel- und Iſerwieſe, 
die weſtlichen und ſüdlichen Abdachungen der Tafelfichte, die des Iſerkamms, die Gegenden 
an den Quellen der Iſer und an den in der Nähe derſelben befindlichen Zuflüſſen. 

Die Urſachen dieſer ſumpfigen, naſſen Stellen zu erklären, iſt eben ſo leicht, als die 
daraus nothwendig entſtehenden Wirkungen Muleiten, welche das Wachsthum der Bäume 
hindern. 

Bei den Quellen der Weichſel an der Berania erwähnte ich ſchon, daß dieſelbe in einem 
Sumpfe entſpringe, deſſen Unterlage Grauwacke ſei; das Waſſer wird daſelbſt nicht von dem 
darunter Liegenden eingeſogen und nach unten abgeleitet; das durch Regen, Schnee und Ne— 
bel hier ſich ſammelnde Waſſer vermag nur, wenn es die Höhe des Sumpfrandes erreicht hat, 
langſam abzufließen oder zu verdunſten. Was hier von der Quellenregion der Weichſel ge⸗ 
ſagt worden, findet in einem weit höheren Grade bei der Ausdehnung, bei der Lage und den 
örtlichen Verhältniſſen obiger genannter Sumpfplätze ſtatt. 

1) Der Moosbruch. Seine Unterlage beſteht aus Thonſchiefer, worauf Lette, dann 
ſchwarze Moorerde, hierauf verfaultes Holz und vegetabiliſche Theile folgen, die abermals 
mit einer, über einen Fuß hohen, Moosdecke belegt ſind. Seine Höhe über dem Meere iſt 
nach Moſch 2360 Fuß; er enthält zwei Teiche, Seen genannt, hat eine geringe Neigung 
nach Weſten, wohin deſſen Waſſer als ſchwarze Oppa fließt. 

2) Die Seefelder bei Reinerz oder Grunwald, 2560 Fuß hoch gelegen, nach einer 
ungefähren Angabe mit einem Flächeninhalt von 360 Morgen, der aber gewiß um die Hälfte 
zu gering angegeben iſt, wenn ich die Theile mit in Anſchlag bringe, auf die der Sumpf und 
deſſen Ausdünſtung einen nachtheiligen Einfluß auf die Vegetation ausübt. Die Unterlage 
iſt theils Glimmerſchiefer, Gneis und Quaderſandſtein, in denen mehrere Verſenkungen vor— 


1 — 


kommen. Auf dieſem Geſtein liegt eine Lage Lette, oder grauweißer und bläulicher Thon; 
dann Torf und Torferde, hierauf wieder 5 — 6 Fuß Torfmoor, der mit verſchiedenen Reſten 
von Vegetabilien durchwachſen iſt, als: ſtarken Baumſtöcken, Bäumen und Wurzeln derſel- 
ben. Auf ihnen befinden ſich noch mehrere Waſſerbehälter, von den Anwohnern Seepfützen 
genannt. Die umliegenden Höhen führen dieſen Seefeldern Waſſer in reichem Maaße zu, 
das in früheren Jahren beinahe nur durch die hier entſtehende, nach Weſten fließende Erlitz 
ſeine Abflüſſe hatte. In neuerer Zeit hat der Forſtmeiſter Redanz, aus der Nähe des Zoll— 
amts ableitend, von der Fahrſtraße von Neſſelgrund nach Grunwald vor dem Fouquetwege 
einen Knüppeldamm über die Seefelder nach letzterm Dorfe legen laſſen. Zu beiden Seiten 
deſſelben ſind tiefe Graben gezogen, die das Waſſer derſelben etwas unterhalb der unterſten 
Grunwalder Mühle in die Weiſteritz leiten. Dieſe Graben find 6 — 8 Fuß tief, an manchen 
Stellen 4 — 6 Fuß Waſſer haltend. Die Natur ſelbſt ſcheint die Menſchen darauf aufmerk— 
ſam gemacht zu haben, wie dieſe weite Fläche trocken zu legen ſei, indem in neueſter Zeit bei 
dem Einfluſſe des Waſſers der erwähnten Gräben in die Weiſtritz die dieſelbe einfaſſenden 
hohen Ufer zu ihr hinabgerutſcht ſind, wodurch die Abflüſſe einen bedeutenden Fall mehr er— 
hielten. Man behauptet, das Einſchlagen des Blitzes an dieſer Stelle habe den Durchbruch 
veranlaßt; doch wahrſcheinlicher erſcheint es, daß bei dem damals ſtattgehabten ſtarken Regen 
die Waſſermaſſe ſich durch den erweichten Uferrand einen Weg bahnte und ſo dieſen Durch— 

bruch herbeiführte. Wie aber ſeit der Anlegung der beiden erwähnten Gräben und dem an— 
geführten Ereigniß die Seefelder an Waſſer abgenommen haben, bezeugen die Umwohner. 
Die noch wenigen Pfützen haben eine Tiefe von 6, 9, 15 bis 20 Fuß. Mehrere gezogene 
Gräben, die entweder das Waſſer in die beiden Hauptgräben leiteten, oder Abflüſſe an meh— 

reren Stellen zur Weiſtritz, würden bald die heilſamen Folgen durch größere Befähigung des 
Bodens ſelbſt, ſo wie der benachbarten Strecken zum Baumwuchs empfinden laſſen — In 
einiger Entfernung gedeihen ſchöne hochſtämmige Tannen und Buchen. 

3) Die Kobel- und Iſerwieſen. Einer ſpezielleren Beſchreibung rohe und 
deren Grenzen will ich mich enthalten, und führe nur das zum Verſtändniß des Nachfolgen— 
den Nöthige an. Es haben beide einen und denſelben Typus, auch grenzen ſie aneinander, 
aber ſo, daß die erſtere der Iſer abwärts, die andere nach den Kammhäuſern zu aufwärts 
liegt. Die Grundlage dieſer beiden großen Flächen iſt Granit; auf dieſem liegt grober 
Sand, aus Quarz und Feldſpath beſtehend; hierauf ein heller, dann ein blauer Thon, der 
wieder mit Moorerde und verfaulten vegetabiliſchen Stoffen und endlich einer Moosdecke be- 
legt iſt. Die Lage iſt ungefähr 2350 Fuß über dem Meere, da die Kammhäuſer gegen 
2900 Fuß hoch gelegen ſind. Dieſe beiden Wieſen bieten dem Naturforſcher ein weites, für 
die Belehrung reiches, Feld der Betrachtung dar. Hier, in einer Höhe von 2350 Fuß über 
dem Meere, unter dem 5111“ 40“ der Breite und dem 3391“ 25“ der Länge, wächſt 
das Knieholz (Pinus pumilio), der Zwerg-Wachholder Juniperus nana), die Zwergbirke 
(Betula nana), die Rauſch- oder Trunkelbeere (Vaccinium uliginosum), die Moosbeere 
( Vaccinum ** Kartoffeln, Kohl und Rüben gedeihen bei den Iſerhäuſern nur 

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ſchlecht, während in Grunwald an der Menfe, in einer Höhe von 2700 bis 2900 Fuß, 
Kartoffeln, Flachs und Hafer noch gebauet werden, und hier die Lage für die Vegeta- 
tion weit ungünſtiger iſt, als dort. Es iſt eine in vieler Hinſicht merkwürdige Erſcheinung, 
daß auf der vorerwähnten, nicht unbedeutenden Fläche die Knieholz-Region gegen das Rie— 
ſengebirge um 1400 Fuß weiter in die Tiefe hinab gedrückt iſt, während ſie dort nur erſt 
bei 3720 — 3750 F. beginnt. Die dieſe Wieſen begrenzenden Höhen, welche jene um viele 
Hunderte von Fußen überragen, tragen noch hohe und ſchlanke Tannen. Hi | 

4) Dieſer letzte Landſtrich, welcher die Abhänge von der Zafelfichte abwärts zum Iſer— 
kamm, zu den Iſerquellen und der Iſerwieſe umfaßt, trägt einen verſchiedenen Charakter, 
gegen den vorigen gehalten, an ſich. Hier tritt der Granit als Steinmaſſen zu Tage; hin 
und wieder befindet ſich derſelbe verwittert als grober Quarz und Feldſpahtſand zwiſchen den— 
ſelben; zwiſchen und unter demſelben aber auch wieder die blaue Lette. Die Bäume werden 
hochſtämmiger, die Vegetation des Holzwuchſes nimmt von der Niederung nach der Höhe zu. 
So bedecken die Fichte oder Rothtanne (Pinus abies) mit ihren ſchlanken Stämmen das an: 
geblich 11,000 Morgen haltende Zankſtück; wo das Sumpfige abnimmt, da nimmt der 
Holzwuchs zu. | ang | | 

Daß jene vorbenannten großen Landſtriche der Forſtkultur fo höchſt ungünſtig find, da: 
von iſt der Grund in denjenigen Vorgängen zu ſuchen, welche mit der Verdunſtung, wie die 
Phyſik in dem davon handelnden Abſchnitte lehrt, Hand in Hand gehen. Die ſumpfigen 
Flächen, deren Feuchtigkeit nicht nach unten zu abfließen kann, verlieren dieſelbe nur durch 
Verdunſten, welches vermöge der unzähligen feinen, capillarartig wirkenden Gewächſe, die ſich 
auf denſelben befinden, viel intenſiver vor ſich geht, als auf Boden von anderer Beſchaffen— 
heit. Sie gleichen im Großen der einen Hälfte des von Au guſt angegebenen Pſychro— 
meters (Naßkältemeſſer), welches in dem einen der beiden Thermometer beſteht, deſ⸗ 
ſen Kugel mit Muſſelin oder Baumwolle umwickelt, durch die Capillarität dieſer Stoffe, die 
mit einem mit Waſſer gefüllten Gefäße in Verbindung ſtehen, fortwährend naß erhalten 
wird. Je trockener, je reiner und freier die atmoſphäriſche Luft von Waſſertheilen iſt, deſto 
ſtärker geht die Verdunſtung des Waſſers vor ſich, und um ſo mehr Wärme wird der Kugel 
entzogen, und eine Temperaturerniedrigung erzeugt, deren Grad das Inſtrument ſelbſt an 
der Skala anzeigt. | | | 

Aus demſelben Grunde bedeckt früh beim Anbruch heiterer Tage Nebel dieſe Sümpfe; 
ein kalter Schauer ergreift den ſich Nähernden, und von einer ganz andern und zwar wär— 
mern Luft wird der Wanderer umweht, wenn er ſolche Gegenden verläßt. Die kalte Tem— 
peratur dieſer Orte kann nach dem Angeführten, bei reiner, trockener Luft des Sommers, den 
Pflanzenwuchs nicht gedeihen laſſen. Von der Anſicht, daß die beſtändige Feuchtigkeit des 
Bodens dem Baumwuchs nachtheilig ſei, ſcheint daher der Graf Schafgotſch ausgegangen 
zu ſein, indem er in dem ad 4 angeführten Landgebiet, welches größtentheils zu ſeinen Be— 
ſitzungen gehört, ein großes Grabennetz legen läßt, welches für den Augenblick bedeutende 
Koſten und Opfer erheiſcht, das aber, weil es einem Zwecke dient, welcher ſich auf ein rich— 


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tiges Princip einer einſichtsvollen Forſtkultur baſirt, von den belohnendſten Reſultaten be- 
gleitet ſein wird. Mit unſäglicher Mühe werden die Granitblöcke geſchoſſen und durch alle 
und jegliche Hinderniſſe, dem angenommenen Plane gemäß, die Graben gezogen. Binnen 
5 — 10 Jahren muß dieß Verfahren in den Temperatur- und daher Begetationsverhältniſſen 
des Iſergebirges eine entſchieden vortheilhafte Aenderung hervorbringen. 

Werfen wir nun im Allgemeinen, auch abgeſehen von jenen Sumpfftreden, einen Blick 
auf die Waldgebiete des Sudetenlandes, ſo bemerken wir, daß, wie Deutſchland überhaupt, 
ſo auch das Land auf der oben angegebenen Strecke, ſonſt bedeckt mit ſchönen Bäumen, mit 
jedem Jahre mehr ſich ſeines Reichthums und Schmucks beraubt ſieht! — Gefällt ſind mit 
ſchonungsloſer Willkühr, durch beklagenswerthen Eigennutz, durch Mangel an Einſicht, durch 
träge Indolenz, die ſchönen Stämme, ohne für deren Wiedererſatz Sorge zu tragen. Un⸗ 
willkührlich bleibt der Wanderer ſtehen, wenn derſelbe zufällig auf ſchöne, ſtarke Bäume ſtößt, 
er wirft ſich die Frage anf: wie es komme, daß dieſelben noch nicht gefällt ſind? 

Daher iſt es keine Uebertreibung, daß, wenn der Holzmangel ſich fo in 30 bis 50 Jah- 
ren 1 kee, wie dies progreſſiv ſeit dem Anfange dieſes Jahrhunderts ſtattgefunden hat, nicht 
abzuſehen iſt, wie einem ſo unheilvollen Nothſtande zu begegnen, dieſem für die Armuth ſo 
drückenden Mangel abzuhelfen ſei. Wenn aber behauptet wird, es würde kein Brennholz⸗ 
Mangel,“) wohl aber ein ſolcher für Bau-, Werk- und Geſchirrholz in ſpätern Zeiten ein- 
treten, fo ſcheint hierin ein Widerſpruch bei unſern Nadelholz-Waldungen zu liegen; denn 
iſt Brennholz hinlänglich vorhanden, ſo muß es auch Zeit geben, die Bäume hinlänglich wach⸗ 
ſen zu laſſen, und dann die Stämme, welche die geeignete Weſchuffen beit durch das Alter er⸗ 
langt haben, zu Bau- und Werkholz zu verwenden. ö 

Was aber die Vertheuerung des Hölzer ſelbſt anlangt, ſo ſtehen die Preiſe nicht in dem 
gehörigen Verhältniſſe zu ſeinem Beſtande und relativen Werthe, welches wohl darin ſeinen 
Grund haben muß, daß in der jetzigen Zeit das Holz nur in ganz großen Partieen, welche 
bei weitem den Bedarf des Einzelnen überſteigen, von den Forſtverwaltungen zum Verkaufe 
ausgeboten wird, und daher zunächſt nur in die Hände der Holzhändler geräth, aus denen 
es erſt zu gewaltig erhöhten Preiſen zum Verbrauch an den Einzelnen übergeht. 

Bei dem großen Bedarf an Feuerungsmitteln in der neueſten Zeit mußte eine Prüfung 
deſſelben zu vielfacher Erörterung kommen, und eine Menge von Vorſchlägen zur Erſparung 
des Holzes und Schonung der Wälder durch zweckmäßiger eingerichtete Feuerungen und Be⸗ 
nutzung anderweitigen Brennmaterials u. ſ. w. ſind W gemacht, theils in Ausführung 
gebracht worden. 

Unter den Surrogaten für Holz zur Feuerung, pen man ſich überhaupt jetzt bei wei: 
tem — als > bedient, iſt außer der Steinkohle he der Torf aufzuführen, deſſen 


8 2 Im ſüdlichen, weftlichen Deutschland, in Frankreich, auf der Grenze Spaniens und Italiens werden die 
Waldungen größtentheils ſehr jung angetrieben und als Reiß⸗ oder Reiſigholz, Strauch⸗ oder Rauhholz 
verkauft. 

er" 


172 


* 


ergiebige Lager dazu reiche Mittel darbieten. Es rief aber auch durch das Bedürfniß die 
Induſtrie ein Brennmaterial hervor, welches früher ganz unbenutzt liegen blieb. Aus dem 
Steinkohlen-Gruß, dem Kohlen-Klein der Steinkohlen, die in großen Haufen auf den 
Halden liegen, werden, vermiſcht mit Schlamm oder Lehm, brennbare Ziegeln geformt, die 
fchon jetzt in verſchiedenen Theilen Europa's, wo fi Steinkohlen finden, zur Feuerung an— 
gewandt werden. — Eine andere Erfindung beſteht darin: den Torf zu feſten Maſſen zu 
formen und zu Koaks zu brennen, wo dann derſelbe, wegen Erzeugung einer ſehr großen 
Hitze, bei vielen techniſchen Betrieben Anwendung findet. 140 176 25 x 
Zu den vorzüglichften Brennmaterialien unter allen bis jetzt bekannten gehören aber 
unſtreitig die Steinkohlen, die der Induſtrie ſo ſehr förderlich ſind, und deren Verbrauch in 
vielen Gegenden an das Unglaubliche grenzt. An dieſe ſchließt ſich die Braunkohle an. Da ſich 
bedeutende Lager von Braunkohlen in dem Bezirk unſerer Sudeten, bei Zittau vorfinden, und ſie 
auch in Schleſien an einigen Orten, wenn auch nicht reichlich, ſich zeigen, ſo glaube ich etwas 
Näheres über ihr Vorkommen, ihre Beſchaffenheit und ihre Verwendung mittheilen zu dürfen. 
Die Braunkohle, | 
foſſiles Holz oder bituminöſes Holz, iſt über mehrere Landſtrecken Europa's unter verſchiedener 
Geſtalt verbreitet und gelagert, wo ſie ſich in großen Maſſen in mehrern ſekundären und tertiä⸗ 
ren Gebirgen vorfindet, doch iſt dieſelbe im Alter ſehr verſchieden. Viele Braunkohlen haben noch 
ganz die Holztertur, bei andern verliert ſich dieſelbe, wie bei der Kölner und Kaſſeler Umbra-Erde, 
die als Farben benutzt werden. Die übrigen Gattungen liegen zwiſchen dieſen beiden mitten inne. 
In Deutſchland befinden ſich bemerkenswerthe Lager: in Heſſen, Thüringen, Ober⸗ 
und Nieder-Sachſen, am Rhein, in Böhmen, in der Mark, in Schleſien, bei Lentſch, 
unweit Neiße, bei Frömsdorf in der Nähe von Münſterberg und bei Loͤwenberg. | 
Werner nahm fünf, Voigt acht Arten Braunkohle an. Drei nach erſterer Klaſſiſi⸗ 
kation und vier nach der letzteren finden ſich in dem Zittauer Lager. Der Thon, den man 
bei den Braunkohlenlagern vorfindet, iſt im Allgemeinen graulich oder bläulich, oft ſandig— 
blätterig, oder hat Aehnlichkeit mit dem Schieferthon des Steinkohlengebirges. Der Thon 
liegt bald über, bald unter und in großen Maſſen zwiſchen derſelben, wie auch die weiter un— 
ten angeführten Bohrverſuche angeben. Außer dem Thon findet man mit der Braunkohle 
Eiſenkies, entweder in Kugeln oder in Körnern, oder in Geſtalt kieſigen Holzes, Brauneiſen⸗ 
ſtein, Schwefel und Schwefelkies, auch octaedriſche Kryſtalle von Honigſtein und Bernſtein 
in Sachſen und der Mark an; auch findet ſich an dem bituminöſen Holze ein gelbliches 
Harz, das beim Verbrennen nach Weihrauch riecht. Eiſenkugeln fand ich im Sande am Ein— 
gange in die Oybiner Schlucht oberhalb der Mühle. a 
Voigt behauptet, die Braunkohle ruhe nicht auf dem Urgebirge; dieſem widerſpricht 
das Braunkohlenlager bei Zittau, Bohra und Wilka. Es bildet dieſelbe im jüngeren Flötz 
eine eigene Formation; ſie liegt auf Granit; Granit-Gruß und Baſalt befindet ſich wieder 
auf derſelben und die Kohle iſt ſogar in letzterem eingeſchloſſen. | | | 


173 


Das Braunkohlenlager bei Zittau befindet ſich in einem reichen, durch vier Linien be- 
grenzten, Bereiche, welche man von oberhalb Grottau in Böhmen nach Oppelsdorf, von hier 
über Türchau nach Hirſchfeld, von da nach Hornitz und wieder nach Grottau zieht. In 
Weſten, Oſten und Norden wird daſſelbe durch Granit, in Oſten bei Oppelsdorf durch Gneus, 
in Süden durch Granit und Quaderſandſtein eingefaßt; doch findet ſich Gneus noch an meh⸗ 
reren Stellen; ſo bei Olbersdorf links am Wege nach dem Oybin, der zum Straßenbau hier 
verwandt wird; Baſalt bei Johnsdorf. Die Sandſteinbrüche liefern bei dieſem Orte die ſehr 
poröſen, aber feſten und geſuchten Mühlſteine. 

Ein anderes Braunkohlenlager befindet ſich unterhalb Zittau am rechten ufer der Neiße, 
bei Radmeritz; hier liegen die Kohlen weit tiefer unter Tage, als bei dem vorher erwähnten 
und zwar im aufgeſchwemmten Boden; begrenzt im Süden durch Granit, der in der Schlucht 
bei Seidenberg, auf der Königshainer Höhe u. ſ. w. mit feſtem, feinem Gefüge weißlich her: 
vortritt. Bei Nieda ſteht er mit dem Baſalt immitten der Braunkohle, wo derſelbe ſich als 
Bohraer Berg erhebt. Dies Braunkohlenlager iſt bis jetzt noch wenig bekannt. Die auf 
dieſem Lager liegenden Orte ſind: Radmeritz, Kosma, nd, Oſſig, Lomnitz, Wilka, 
oba Wanſche, Raudnitz, Nieda. 

Ueber das Geſchichtliche“) der Auffindung der Braunkohle bei Atte theile ich 
gendes mit: 

Der zunehmende Holzmangei machte in Zittau den Wunſch rege, in der Umgegend ein 
brennbares Mineral auszufinden. Im Herbſt 1799 veranlaßte der Unterſchoßherr Mörbitz 
daſelbſt den zufaͤllig anweſenden Schichtmeiſter Mehner aus Freiberg, zu dieſem Zwecke 
einige Unterſuchungen anzuſtellen. Es ergab ſich hierdurch die Hoffnung, am Kummers— 
berge, bei Klein⸗Schönau und Olbersdorf, wenn auch nicht auf Steinkohle, doch auf Braun— 
kohle bauen zu können. Am Kummersberge und bei Klein-Schönau lagen ſie ſogar zu Tage 
in Folge früherer angeſtellter Unterſuchungen, die aber wegen Mangel an Geld und der dazu 
gehörigen Sachkenntniß wieder aufgegeben worden waren. Der Stadtrath zu Zittau erbat 
ſich nun vom Oberbergamte zu Freiberg den Schichtmeiſter Mehner und zwei Bergleute. 
Am 26. Mai 1800 fanden dieſelben an der Neiße bei Türchau, an der Giesmannsdorfer 
Grenze, ein Braunkohlenflötz; am 4. Juni eins zu Nieder-Olbersdorf, wo man an zwei 
Stellen einen Stollen und einen Schacht trieb. Mit den gewonnenen Braunkohlen ſtellte 
man zum Backofenheizen gelingende Verſuche an. Weinhold, der eine Bergmann, ward 
Oberſteiger, und ein bergmänniſcher Abbau dieſer Kohlen auf Rechnung eines Vereins einge⸗ 
richtet. Unter dem 28. Oktober 1800 erließ der Stadtrath zu Zittau basanderf Befehle als 
Vorſichtsmaßregeln bei der Feuerung mit ſolchen Kohlen. 

Bei den im Jahre 1810 durch den Bergamts-Aſſeſſor Kühn angeſtellten Bohrverſu— 
chen ergab ſich, daß unermeßliche Vorräthe dieſes Produkts, das an vielen Stellen weniger 
zum Beanen; als zur eee beim Kleebau e; werden N als bei eme 


) S. Handbuch der oe von Zittau, von M. C. A. vr. 15 ck, 1834. 


174 * 
—— 
1 
* 


Eichgraben, Bersdorf, am Schülerbuſche, am Kummersberge, Reichenau, Seitgendorf, bei 
Groß:Schönau, Saalendorf u. ſ. w. verborgen lägen Aus den Bohrverſuchen ergab ſich, 
daß die Braunkohlenlagerung auf verſchiedene Weiſe und in verſchiedenen Epochen ſtattgefun— 
den haben müſſe. Sie zeigten in 21 Ellen 11 Zoll: oben 1 Elle Dammerde, dann 2 Ellen 
6 Zoll Thon, 12 Zoll Braunkohle, 1 Elle 3 Zoll Thon, 1 Elle 6 Zoll Kohle, 6 3. Thon, 
1 Elle 15 Zoll Kohle, 2 Ellen 4 Zoll Thon, 1 Elle 20 Zoll Thon mit Kohle, 2 Ellen 
Kohle, 1 Elle Kohle mit Thon, 1 Elle 6 Zoll Kohle mit wenigem Thon, 1 Elle Kohle, 
2 Ellen 12 Zoll Thon, 1 Elle 12 Zoll Gruß. Tiefere Verſuche dieſer Art wurden in 
neuerer Zeit durch den Schichtmeiſter Schubert zu Olbersdorf angeſtellt, wo die Kohle zu 
Tage ſteht. Durch dieſe ergab ſich 206 Fuß Kohle, wovon aber nur 80 — 90 Fuß bebauet 
werden. (Unten ward das bituminöſe Holz aufrecht gefunden.) Dann kamen 14 F. Kohle 
mit Lette, Thon, Quarzſand und feinem Sande. Bei 220 Fuß fand man wieder Kohle 
16mal abwechſelnd mit Letten bis 281 Fuß, wo der Verſuch endete. | 

Verſteinerte Hölzer finden ſich in der Erde und in den Gewäſſern bei Lichtenberg, Her: 
wigsdorf, Oybin, Seitendorf u. ſ. w. UV 8 

Durch die dankend anzuerkennende Fürſorge des Seit Hanpewada Dreverhoff zu 
Zittau hatten die beiden Schichtmeiſter Schubert zu Olbersdorf und Mittel bach zu Har⸗ 
tau die Güte, nachfolgende Notizen mit 39 Belegſtücken, als Suite über das Vorkommen 
der Braunkohle, einzufenden. wovon 31 von dem erſtern und 8 von dem letztern. Es find 


dieſelben in ihrer Reihenfolge für den Laien eben ſo intereſſant, als für den eg 
belehrend. 


I. Das Braunkohlenlager bei Zittau möchte wohl unter den bekannten die übrigen an 
Mächtigkeit übertreffen. Daſſelbe erfüllt das Gebirgsbecken, worin Zittau liegt, welches ſüd— 
lich von Sandſtein und Porphyr, weſtlich und nördlich von Urgebirgsmaſſen gebildet wird, 
und in welches von Süden die Neiße. von Weſten die Mandau einfließen, ſehr reichlich. 

Unter der Stadt Zittau ſelbſt, ſo wie von da gegen das Sandſteingebirge, auf der Land— 
ſpitze, welche durch die beiden Flüſſe gebildet wird, auf einer halben Stunde — haben 
die Braunkohlen ihre größte Mächtigkeit. 

Durch Bohrverſuche wurden dieſelben unter Zittau 270 Fuß, in Nieder⸗Olbersdorf im 
Bergwerk 308 Fuß, mit geringen Zwiſchenlagen von Lette, über einander liegend gefunden. 
Am erſtern Orte wurden 10 Fuß im weißen Thon und Sand gebohrt und reichlich aufſtei— 
gendes Waſſer erlangt, aber dann noch 54 Fuß im grünen Thonmergel damit fortgefahren. 
Das Waſſer hielt ſich 34 Fuß unter Tage; geſchöpft gab daſſelbe bei grünlicher Farbe einen 
faſt unerträglichen Hydrothion-Geruch, dann ſtieß man auf Kohle. 

Auf erwähnter Landſpitze bildet, mit einiger Erweiterung über den Mandaufluß nach 
Norden zu, die Braunkohle gleichſam einen ganzen Körper von über einer halben Stunde 
Länge, faſt eben ſolcher Breite und bis zu 300 Fuß Dicke, von welchem aus ſich dieſelbe in 
drei Flügeln, jedoch nur in einigen einzelnen Flötzen, weiter ausbreitet, als: 


— 175 


1) Mit der Neiße abwärts, nur wenig ausgedehnt, nicht gewinnbar, bis gegen Hirſch— 
feld, wo fie dann aber in der Erniedrigungsfläche der Wittig bei Türchau ſich wieder ausbrei- 
tet und bedeutende, noch nicht ganz ergründete Mächtigkeit erlangt. Von hier aus durch⸗ 
ſtreicht fie wieder, minder mächtig, das Thal von Reichenau bis Oppelsdorf. 

2) An der Neiße aufwärts auf der Weſtſeite (denn die Oſtſeite derſelben hat hier faſt 
gar keine Braunkohlen aufzuzeigen), in einzelnen Flötzen aber bauwürdig und von beſter Be— 
ſchaffenheit, namentlich in Hartau und Görsdorf in Böhmen. 

3) An der Mandau aufwärts, ebenfalls in einzelnen Flötzen, bauwürdig am Kum⸗ 
mersberge bis Hornitz, außerdem hier noch auf vielen Stellen, aber nur in einzelnen, abge⸗ 
riſſenen Partieen. | fa | W 

In der Nähe des Kummersberges, fo wie im zweiten Flügel bei Hartau und im erſte— 
ren bei Druſendorf, in Zittau ſelbſt und auf einigen Stellen außerhalb des ſtarken Kohlenla⸗ 
gers, wird die Kohle von pſeudo-vulkaniſchen Maſſen durchbrochen. Dieſe bilden da, wo ſie 
vorkommen, kleine Hügel, und können dieſelben wohl kaum, wie gewöhnlich angenommen 
worden, von ausgebrannten Braunkohlenlagern entſtanden ſein, ſondern möchten wohl von 
größeren Naturwirkungen herrühren, ſchon deshalb, weil dieſelben auch außerhalb des Koh— 
lenterrains vorkommen, aber auch, weil überhaupt bei Betrachtung daſiger Gegend bis zur 
evidenten Ueberzeugung hervorgeht, daß noch Gebirgserhebungen ſtattgefunden haben, als die 
Braunkohlen ſchon abgelagert waren. Als Beweiſe mögen hierfür angeführt werden: 

a) Ein Baſaltdurchbruch durch den Sandſtein in Johnsdorf, der eine Wand von etwa 
60 Fuß Länge und 20 Fuß Breite bildet, wo Kugelbaſalt oben aufſitzt, welche Wand an ih— 
ren beiden Seiten, ſüdlich und nördlich, Behufs der Mühlſteinbrechung, auf 50 bis 60 Fuß 
blosgelegt iſt. Der dieſem Durchbrüche zunächſt liegende Sandſtein hat ſäulenförmige 
Struktur und von allen Seiten an dem Durchbruche ſich anlehnend verſchiedene Stärke an— 
genommen. Die Durchbruchsſäule oder die Wand ſelbſt beſteht aus ſchwachen, aufrecht ſte— 
henden Schalen verſchiedenartigen Sandſteins, verhärteter Baſaltmaſſe und blätterförmig aus⸗ 
geſchiedenen Eiſenoxyd's. Das Ganze gewährt einen intereſſanten Anblick. 

b) Die faſt parallele Lage der Kohlenflötze, mit den Oberflächen ihrer Lagerplätze, und 
ihr immer höheres Anſtreichen und bisweilen endliches Ausſtreichen gegen baſaltiſche Höhen. 

c) Das in Wernsdorf, 3 Stunden von Zittau, vorkommende Braunkohlenlager. Die— 
ſes hat mit dem vorſtehend erwähnten nicht im mindeſten irgend eine Aehnlichkeit, wie auch 
die Belegſtücke von 26 bis 31 zeigen. Die Kohlen kommen daſelbſt unter ganz anderen 
Lagerungsverhältniſſen, mit ganz andern Nebengeſteinen vor; ſie liegen in einem Berge — 
etwa in der Mitte deſſelben — bei 200 bis 300 Fuß über der Thalſohle, deſſen Kuppen Ba⸗ 
ſalt und die Abhänge baſaltiſche Gerölle ſind, ſo daß daſſelbe die Decke der Kohlen wenigſtens 
auf deſſen Ausgehenden abgiebt. | | | 

Nicht felten wird beim Abbau der Kohlen unerwartet Bafalt angetroffen. Es findet 
ſich baſaltiſche Wacke und Baſalttuff mit Kohlen gemengt, die Blaſenräume mit Schwefelkieſe 


108 —— 


belegt, fo auch Granitgerölle in Kohlen eingehüllt und mit Schwefelkies durchdrungen, vor. 
Die Kohlen liegen zwar flötzartig, aber unbeſtimmt und unterbrochen mit baſaltiſchen Maſſen; 
ſie ſchießen gegen den Berg - — gegen Norden — ein, und am. in der Maße, — * Flötz 
mit der Oberfläche faſt einen rechten Winkel bildet. | | 

Der Lagerungsfläche gegenüber ſteht eine anſehnliche — — der Wurbsberg, 
ganz nahe; demungeachtet fand ſich beim Stollenbau Granit, welcher 300 Fuß durchfahren 
werden mußte. Dieſe Verhältniſſe können nicht die urſprünglichen ſein, ſondern es müſſen 
gewaltſame Veränderungen in ſpätern Zeiten ſtattgefunden haben. 

Die zuerſt genannten Braunkohlen werden bereits auf zwölf verſchiedenen Stellen abge⸗ 
bauet, namentlich: 1) in Seitgendorf, mit einem Tagebau uud Streichkohlen-⸗ Gewinnung; 
2) in Türchau, wo zwei Tagebaue meiſt mit Streichkohlen (die Stückkohlen können bis jetzt 
in dieſen drei Bauen nicht gewonnen werden, indem es an Waſſerwältigungs⸗ Vorrichtungen 
mangelt) und zwei unterirdiſche Baue mit Stollen: Anlagen, welche Streich- und Stückkoh⸗ 
len gewinnen; 3) auf der Reichenauer Flur ein Tagebau mit Streichkohlen; 4) in. Oppels⸗ 
dorf ein unterirdiſcher Bau mit Kunſtgezeug gewinnt Düngekohlen; 5) in Görsdorf ein un⸗ 
terirdiſcher Abbau mit Stollen liefert Stückkohlen und treibt Kalkbrennerei; 6) in Hartau 
ein unterirdiſcher Bau mit Dampfmaſchine hat Stückkohle und Kalkbrennerei; 7) am Kum⸗ 
mersberge an Zittau unterirdiſcher Abbau mit Stollen — nächſtens auch mit einer Dampf⸗ 
maſchine — (die letztern drei Werke liefern ausſchließlich Stückkohlen, indem fie ihren Koh: 
lenklein, der die Förderungskoſten nicht lohnt, in den ausgebaueten Räumen laſſen); 8) in 
Olbersdorf zwei unterirdiſch bauende Werke, gewinnen beide Stück- und Düngungskohlen. 
Das eine hat Kalk- und Ziegelbrennerei, das andere ein Waſſerkunſtgezeug, eine Vitriol⸗ 
und ſonſt auch Alaun⸗Siederei und eine Verkohlungsanſtalt. Außerdem iſt in Gießmanns— 
dorf noch ein Angriff, ein Stollen begonnen. | 

Die gewonnenen Kohlen werden auf dreierlei Art benutzt, und zwar: 

a) durch Oxydation des ſchwefelkieshaltigen Kohlenkleins in Oppelsdorf und Olbers⸗ 
dorf; in großen Maſſen zur Düngung, wodurch der dortige Landbau, ſo weit daſſelbe ange⸗ 
wendet worden, unberechnenbar gewonnen hat; 

b) in neuerer Zeit durch Verkohlung der kleinſten Kohlenſtückchen, wodurch dieſelben 
für Gebläſefeuerungen brauchbar werden und als ein Surrogat der 0 immer mehr 
in Anwendung kommen; 

c) endlich und hauptsächlich Werben dieſelben nun ſchon zu den mannichfaltigften 
Zwecken und technifchen Betrieben, überall, wo Brennmaterial nöthig iſt, fo wie in den 
Haushaltungen in der Nähe und in einiger Entfernung in nicht unbedeutender Menge immer 
mehr zur Feuerung benutzt, zwar meiſt in Stücken, aber auch in geformtem Zuſtande, und 
ſteuern ſo dem in hieſiger volkreicher Gegend mehr und mehr drohenden Holzmangel kräftig 
entgegen. Nicht aber etwa für die nächſte Zukunft blos, ſondern für Jahrhunderte kann dieſer 
unberechnenbar große Schatz der Natur, den man noch erſt recht kennen, ſchätzen und benutzen 
lernen wird, von dem größten Segen fuͤr die ſpätern Nachkommen in hieſiger Gegend fein. 


177 


II. Das Braunkohlenlager bei Hartau, deſſen Mächtigkeit jetzt bis auf 25 bis 30 El: 
len bekannt iſt, ohne daß dabei die Sohle deſſelben erreicht worden wäre, ſtreicht aus N. W. 
nach S. O. und fällt beinahe unter einem Winkel von 5 bis 6 Grad nach N. O. ein. Eine 
völlige regelmäßige Lagerung iſt nicht zu erkennen; oft gehen wohl Klüfte durch das Flötz 
hindurch, die man für Schichtungsklüfte nehmen könnte, meiſt ſind ſie jedoch mehr oder we— 
niger wellenförmig gebogen, auch behalten ſie nur wenig Parallelismus unter einander. Das 
Dach des Lagers beſteht aus hellblauem Thon, der mit Schichten von Sand wechſelt, deren 
Mächtigkeit in kurzen Diſtancen ſehr verſchieden iſt, ſo daß oft an einem Punkte der Sand, 
der bedeutende Waſſermaſſen bei ſich führt, und deshalb das Abteufen der Schachte ſehr er— 
ſchwert, vielleicht 6 Zoll ſtark iſt, während er in einer Diſtance von 4 bis 5 Ellen bis zu 
einer Mächtigkeit von 3 bis 4 Fuß anwächſt. Der darunter liegende Thon iſt parallel mit 
der Oberfläche der aufgelagerten Sandſchichten und macht alle jene Biegungen in feiner 
Schichtung, die durch Färbung zuweilen ſehr deutlich ausgeſprochen ſind, mit. Die Färbung 
des Thons oder Letten wird dunkeler, je näher man der Kohle kommt; bei einer Höhe von 
ungefähr 6 bis 7 Ellen über dem Flötze iſt das Dach ſchon mit Bruchſtücken von Kohle, na⸗ 
mentlich Stöcken und Wurzeln verſchiedener Holzarten angefüllt, und oft ſind dieſe Stöcke 
von ſo koloſſalem Umfange, daß ſie den ganzen Raum eines Schachtes einnehmen. Ueber 
dem Hauptflötze liegen noch zwei ſchwächere Flötze von ungefähr 2 bis 3 Fuß Mächtigkeit, 
die hauptſächlich aus bituminöſem Holze beſtehen, ihrer Geringfügigkeit wegen aber nicht ab— 
gebauet werden können. 

Der bis jetzt im Umtriebe geweſene Abbau hat in den obern Teufen des Hauptflötzes 
ſtattgefunden, da eine Löſung des Flötzes in größerer Teufe erſt jetzt durch die Dampfmaſchine 
bezweckt wird. Das Flötz, ſo weit es bis jetzt bekannt iſt, beſteht, namentlich in den obern 
Schichten, hauptſächlich aus bituminöſem Holze. Die Stämme liegen nach dem Fallen des 
Flötzes mit den Stöcken nach unten; ſie ſind ſtets breitgedrückt, und wir finden oft Stämme, 
die, bei einer Dicke von 12 Zoll, eine Breite von 2 bis 3 Ellen zeigen. In ihrer Länge ſind 
ſie unzertrennt, nie aber ganz zu gewinnen, weil ſie ſtets in verſchiedenen Zwiſchenräumen 
von Klüften durchſetzt ſind, deren Weite oft 2 bis 3 Zoll betragen. Von den Stämmen ſieht 
man ganz deutlich die Aeſte abgehen, auch läßt ſich die Art des Holzes in den meiſten Fällen 
mit großer Sicherheit erkennen. 8 | 

Die tiefer liegenden Schichten des Lagers beſtehen meiftens aus dichter Braunkohle, in 
der keine Spur von Holztextur zu ſehen iſt. Sie iſt häufig von Pechkohle durchzogen, die 
vorzüglich erſt dann ſichtbar wird, wenn dieſelbe getrocknet iſt, indem ſie in dieſem Zuſtande 
auseinander blättert, und die Pechkohle, die ſich ſtets rein abſondert, herausfallen läßt. 
Früchte und dergleichen wurden hier noch nicht gefunden, indeſſen hat man die Sohle des 
Lagers noch nicht erreicht. 

Das Flötz iſt in ſeinen qualitativen Verhältniſſen ſehr verſchieden; denn oft iſt die 
Kohle ſo dicht, daß ſie ſich nur ſchwer gewinnen läßt, oft aber kommen wieder Lager vor, die 
nur kleine Kohle geben, weil ſie zu ſehr von Klüften durchzogen ſind. 

23 


178 


Das Publikum, worauf beim Abbau Rückſicht zu nehmen iſt, verlangt große Stücke, 
und hält die Meinung ziemlich feſt, daß die Kohle deſto beſſer ſei, je mehr ſie bituminöſes 
Holz enthalte. Fabrikanten und überhaupt alle diejenigen, welche große Feuerungen im 
Gange haben und deshalb mehr Aufmerkſamkeit darauf verwenden, ſind jedoch zu der Ueber— 
zeugung gekommen, daß die dichte Braunkohle bei gleichem Hitzegrade weit nachhaltiger 
brennt, während das bituminöſe Holz eine hellere, aber keineswegs kräftigere Flamme giebt. 
Die reine Pechkohle brennt mit ſchöner, bläulich weißer Flamme, iſt ſehr reich an Gas, wel— 
ches ſich beim Verbrennen derſelben ſehr leicht wahrnehmen läßt. 

Die Gewinnung der Braunkohle erfolgt mit der Letthaue und einer gewöhnlichen Holz— 
art. Der Arbeiter ſucht eine Schichtungs- oder Abſonderungs-Kluft auf und macht auf ihr 
einen Schram, entweder ſo tief, bis die Letthaue nicht mehr hineinreicht, oder, was gewöhn— 
licher iſt, bis er auf eine mehr oder weniger ſenkrechte, über das Ort ſetzende Kluft ſtößt. 
An einem ſolchen Orte wird alsdann mit der Holzart ein ſenkrechter Schlitz gehauen, fo daß 
die Kohle auf drei Seiten frei wird und ſich hierdurch in größern Stücken gewinnen läßt. 
Die größern Stücke werden unter dem Namen Grobkohle mit 5 Sgr. 6 Pf. pro ſächſiſchen 
Scheffel verkauft (ein Scheffel Sächſiſch S 2 Preußiſch); diejenige Kohle aber, die bei der 
Gewinnung von der erſtern abbricht, in qualitativer Hinſicht aber genau dieſelbe iſt, in Stük— 
ken von einem Kopfe bis zu einer Fauſt groß gefördert wird, nennt man Mittelkohle, davon 
der Preis 3 Sgr. 11 Pf. pro Scheffel iſt. 

Das jetzt im Betriebe ſtehende Abteufen des Kunſtſchachtes wird hoffentlich Aufſchluß 
über das Verhalten des Lagers in der Teufe über ſeine Mächtigkeit geben.“ — 


Die S. 153 angegebene Höhe der Schneekoppe iſt aus den Beobachtungen des Herrn 
Premier⸗Lieutenant Lutz nach einer in Suppeau's Hypſometrie enthaltenen Formel von 
Biot berechnet. Ich habe jene Schrift nicht zu Geſicht bekommen, und kenne die Formel 
nur nach einer brieflichen Mittheilung des Herrn Prorektor Ender. Der Coefficient iſt 
darin 943 6,8, während er bei Laplace 9407,7 iſt. Jene Formel enthält jedoch keine 
Correction wegen Verminderung der Schwere mit der Höhe, welche wahrſcheinlich in ihr 
durch Vergrößerung jenes Coefficienten berückſichtigt worden iſt, indem man in der That un— 
gefähr auch denſelben von dieſer Größe erhält, wenn man nur den weſentlichſten Theil der 
von der Verminderung der Schwere abhängigen Correction in Rechnung zieht. Ich habe 
die Höhenbeſtimmung der Koppe, nach den Beobachtungen am 8ten und 9ten Auguſt, noch 
einmal der Berechnung nach der genauen Laplaceſchen Formel unterworfen, und außerdem 
noch zwei andere am 10. Auguſt vom Herrn ꝛc. Lutz gemachte, zu denen ſich korreſpondirende 
in Hirſchberg fanden, berechnet. Hieraus ergiebt ſich, die Meereshöhe des Hirſchberger Ba— 
rometerniveau's wie dort zu 1049,67 F. angenommen, die Höhe der Schneekoppe über dem 
Meere aus 7 Eorrefpondirenden Beobachtungen am 8. Auguſt h“ == 4891,40 F., 

aus 11 korreſpondirenden Beobachtungen am 9. Auguſt h“ 4931,22 F., 
aus 2 korreſpondirenden Beobachtungen am 10. Auguſt h“ 4935,40 F. 


179 


In den mir von Herrn ꝛc. Lutz mitgetheilten Gegenbeobachtungen in Hirſchberg finde 
ich nur 7 korreſpondirende, während Herr Prorektor Ender deren 8 berechnet hat. Das 
Mittel h aus allen 20 vorſtehenden Beobachtungen würde geben: | 

7b + 11h” + 2 h““ 
h= ————— 2 4917,79. F. 
20 

Der große Unterfchied der am 8ten und 9ten Auguſt gewonnenen Reſultate, welcher 
beinahe 40 Fuß beträgt, muß Zweifel über die Zuverläſſigkeit der einen der beiden Beobach— 
tungsreihen erregen, und der ſchriftlich vom Herrn Grafen Schweinitz über dieſen Umſtand 
geäuſſerten Meinung Eingang verſchaffen, daß man die Beobachtungsreihe vom 8. Auguſt zu 
verwerfen habe: 1) weil ſie am meiſten von allen bisherigen zuverläſſigen Höhenbeſtimmungen 
der Koppe abweicht; 2) weil dieſe Abweichung ſich erklären läßt zum Theil aus einer für 
ſichere und ruhige Beobachtung ungünſtigen Stellung des Barometers — denn es befand ſich 
auſſerhalb der Kapelle, während am 9ten und 10ten daſſelbe innerhalb aufgehangen war — 
zum Theil aus jenem ungleichförmigen Zuſtande der Atmoſphäre, welcher gewöhnlich eien 
Sturme, der in der That auch den folgenden Tag ausbrach, vorherzugehen pflegt. Entſchei— 
dend darf nun noch die große Uebereinſtimmung des aus den zwei am 10ten gemachten Beob— 
achtungen gewonnenen Reſultates mit dem des 9ten für die Verwerfung des Ergebniſſes vom 
Sten angeſehen werden. Das Mittel HI aus den 11 Beobachtungen des 9ten und der zwei 
des 10ten findet man ee 

11h“ + 2 h“ 


13 


4 


= 4931,86 P. F. 


E. J. Scholtz. 


23 * 


— m — 


Arbeiten 
der 


” 


p ädagogiſchen Section 


Erziehung im Allgemeinen. 


8 Herr Seminar⸗Oberlehrer Scholz machte aus den Papieren eines verſtorbenen Pä— 
dagogen (Plahmanns in Potsdam) folgende Mittheilungen. Der Begriff „erziehen“ ift 
zu entwikkeln aus dem Grundbegriffen, ziehen“. Die Vorſylbe „er“ bezeichnet die Rich— 
tung von Innen heraus und nach Oben hin; mithin heißt erziehen: etwas von Innen her: 
aus und nach Oben hin ziehen. Nachgewieſen wird dieſe Bedeutung in dem Sprachgebrauche 
ſowohl bei den Pflanzen- als den belebten Geſchöpfen. Die Aufgabe der Menſchenerziehung 
iſt, das vorhandene Streben des Menſchengeiſtes zur Vereinigung mit Gott möglichſt zu för— 
dern. Die fyſiſche Entwikkelung läßt ſtets das Gleiche wiederkehren, die geiſtige bringt im— 
mer Neues, Anderes. Die Erziehung hat zur Aufgabe die Beförderung einer Grundentwik— 
kelung (Bildung) und einer relativen (Ausbildung). Diejenigen irren, welche durch Erzie— 
hung etwas Negatives thun zu müſſen glauben. Andeutungen über richten, abrichten, unter— 
richten in etwas und von etwas. Der Unterricht hat ſein Richtungsziel aus der Entwikke— 
lungsform zu nehmen. Uebergang von der Grundbildung zur Ausbildung. Hier zeigt ſich 
das Princip der Selbſtentwikkelung in ſeiner ganzen Stärke. In der Grundbildung iſt der 
Stoff das Mittel (Stoffkenntniſs), in der Ausbildung oder Unterweiſung iſt er die Erkennt— 
niſs (Theoriekenntniſs). Die höchſte Stufe des Unterrichts iſt der ſyſtematiſche oder das Leh— 
ren. Erziehen begreift daher in drei Graden: Unterrichten, Unterweiſen, Lehren in ſich, 
und hat zum Zwekke: Erzeugung geiſtiger Menſchenbildung. 


2. Herr Rector Reiche ſetzte ſeine „populären Vorträge der Erfahrungsſeelenlehre“ 
(vgl. Bericht von 1838, S. 171) fort. 


$ 3. Einfluſs der Seele auf den Körper. Dieſe wird durch die Nerven vermittelt. 
Widernatürliche Missbildungen z. B. des Herzens. Krankhafte Aeußerung oder Lähmung der 
Muskeln (Krampf, Epilepſie). Anſtekkender Einflufs ſolcher Erſcheinungen auf Andere. So 
z. B. bei der Epilepſie, beim Lachen. Daher müſſen, wenn in einer Schule ein Kind von 


181 —— 


der Epilepſie befallen wird, die andern Schüler fogleich entfernt werden. Ein Knabe wird 
genannt, der von krampfhaften Zukkungen in den Extremitäten befallen wird, ſobald er ſich 
im Rechnen ſehr anſtrengt. Dieſe Krankheit kann übrigens unterdrükkt werden durch Andro— 
hung ſchmerzhafter Operationen, wie man denn ſchon im Alterthum Ekkel oder Schauder er— 
regende Mittel zur Heilung derſelben anzuwenden pflegte. Die Gefahr der Anſtekkung in 
Epidemien wird durch Furcht vermehrt, durch große Gemüthsbewegungen vermieden, z. B. 
durch muthiges Gottvertrauen; denn die ſtärkere Bewegung vernichtet die geringere. Auch 
leichtere Krankheiten werden durch Freude oder Schrekk geheilt; die ſogenannten ſympatheti— 
ſchen Mittel wirken auf dieſe Weiſe, und ſind daher nicht durchweg zu verſpotten. Nachge⸗ 
wieſen wird die Entſtehung fyſiſcher Krankheiten durch Gemüthsbewegungen. 

$ 4. Die Seele hat drei Thätigkeiten: Erkenntniſs-, Gefühls- und Begehrungs— 
vermögen. 

$ 5. Vom Erkenntniſsvermögen. Eine Vorſtellung ſchließt die beiden Vorſtellungen 
von einer Sache und von unſerm Ich ein, und heißt eine Vorſtellung mit Bewuſstſein. Wo 
dieſe beiden Vorſtellungen zuſammenfließen, iſt Wahnſinn vorhanden. Die außer unſerm Ich 
wahrzunehmenden Gegenſtände ſind entweder außer uns oder in uns. Die erſteren werden 
durch die Sinne, die letzteren durch das Ganglienſyſtem (das Gemeingefühl, den Vitalſinn) 
wahrgenommen. 

$ 6. Gefühlsvermögen. Ueber das Gehirn. Einfluſs deſſelben auf den Lebensprozeſs. 
Verſchiedenheit der Gehirnmaſſe nach den verſchiedenen Lebensaltern. Verbindung des Ge— 
hirns mit dem Rükkenmarke, aus welchem 30 Nervenpaare auslaufen. Das Nervenſyſtem in 
der Bruſthöhle. Wechſelwirkung dieſer beiden Nervenſyſteme. Einfluſs des Körpers auf die 
Seele. Nahrungsmittel. Der öftere Genuſs des Weins ſchwächt das ten Einfluſs 
des Klima's, der Trokkenheit und der Näſſe u. ſ. w. 


Religion. 


8. Herr Senior Berndt ſprach über die Nothwendigkeit einer Verſtändigung zwiſchen 
Kirche und Schule in Betreff der religiöfen Erkenntnis. — Die Kirche verlangt Glieder, 
welche beſtimmt wiſſen, was ſie zu glauben, zu thun und zu hoffen haben, und den Willen 
in ſich hegen, immer mehr ihren Glauben zur Ueberzeugung zu bringen, ihre Handlungen 
nach dem göttlichen Gebote zu ordnen, und ihren Hoffnungen immer mehr Gewiſsheit zu ver— 
ſchaffen. Die evangeliſche Kirche verlangt außerdem Kenntniſs der heiligen Schrift, als ihrer 
alleinigen Glaubensnorm. Auf dieſe Baſis baut die Kirche weiter, indem ſie den geiſtigen 
Theil des Menſchen von der Welt abzieht, und für Betrachtung religiöſer Dinge gewinnt, 
d. h. ihn andächtig macht, Gewuſſtes unter neue Betrachtungsformen ſtellt, Vergeſſenes wie— 
der ins Bewuſſtſein zurükkführt, die Geſinnung der religiöſen Aufgabe unſers Lebens zuwen— 
det, und durch ſie den Willen zu gottgefälligem Thun beſtimmt. — Der Confirmationsun— 
terricht will das Wiſſen vom Glauben, Thun und Hoffen zu einem beſtimmten und geordne— 


182 


ten machen. Es hat daher der Confirmand aus der Schule mitzubringen: Kenntniſs der bi- 
bliſchen Geſchichte, der Eintheilung und des hauptſächlichen Inhalts der Bibel, der Haupt⸗ 
ſtükke des Glaubens und Thuns (Katechismus), endlich erwekkte Neigung, religiöſe Dinge 
mit Pietät zu betrachten. — Die Kirche hat deshalb an die Schule folgende Wünſche: 

a. Bezwekke ein beſtimmtes Wiſſen. Tadel des vielen Redens, Moraliſirens und Er— 
klärens, wodurch dem Kinde nichts Gewiſſes und Feſtes, ſondern nur Verſchwimmendes ge— 
geben wird. 

b. Für die Schule gehört kein kritiſcher unterricht. Daher gib den Schülern, nament⸗ 
lich die bibliſchen Geſchichten, einfach ſo, wie ſie in der Bibel ſtehn. Das Kind ſoll gläubig 
aufnehmen; bezweifeln iſt des Mannes Sache. N 

c. Behandle in der Schule die religiöſen Dinge mit Pietät und Wärme. 

| d. Räume dem Religionsunterrichte die ſchikklichſte Zeit und in gehörigem Maße ein. 
Die erſte Vormittagsſtunde iſt darum die geeignetſte, weil die Kinder da noch die ganze Friſche 
des Geiſtes und Gemüthes beſitzen; je mehr dagegen andere Lectionen vorangegangen ſind, 
deſto weniger werden die Schüler Kraft und Neigung für die Religion übrig haben. Der 
Confirmandenunterricht iſt von den Geiſtlichen zu derſelben Zeit zu geben, in welche in der 
Schule die Religionsſtunden fallen, mithin 7 bis 8, oder 8 bis 9 früh. — Zwei Stunden 
wöchentlich für Religionsunterricht ſind für Kinder unter 14 Jahren viel zu wenig. 


Mathematik 


4. Herr Seminars Dberlehrer Scholz trug vor Stimmen für und gegen den Unter: 
richt in der Mathematik. — Richter in Deſſau: der Menſch hat einen angebornen Trieb zur 
Mathematik. Sie iſt ein allgemeines Bildungsmittel faſt aller geiſtiger Anlagen, und ein 
beſſeres, als die Erlernung fremder Sprachen, namentlich der überſchätzten klaſſiſchen. — 
Gurlich in Dresden ſagt den Theologen: Ihr müſſt Mathematik lernen, um die Wahrheit 
zu erkennen. Nicht Philologie, ſondern Mathematik muſs der Maßſtab für das Wiſſen der 
Schüler ſein. — Der Mathematiker Käſtner in Göttingen behauptet, daſs ohne Mathematik 
kein Facultätsgelehrter tüchtig in ſeinem Berufe ſein könne. Philoſophie und Mathematik 
ſeien unzertrennlich, ja ohne Mathematik ſei keine gründliche philoſophiſche Kenntniſs mög— 
lich. — Dagegen Axt: Mathematik ſei das undankbarſte und Apel Studium. (Fort⸗ 
ſetzung folgt im nächſten Jahre.) 


Erdkunde. 


5. Herr Senior Berndt zeigte Ravenſteins ſieben Reliefkarten von Europa, Aſien, 
Afrika, Nord- und Süd-Amerika, Auſtralien und Deutſchland vor. Sie fanden Beifall 
wegen ihrer Billigkeit (jene ſieben Karten koſten nur 4 Rthlr.) wie ihrer Anſchaulichkeit hal: 
ber; doch ſind ſie in zu kleinem Maßſtabe gefertigt, als daſs ſie in zahlreichen Schulklaſſen 
gebraucht werden könnten; es müſſte denn jeder Schüler ein Exemplar beſitzen. 


1 


Zeichnen und Schreiben. 

6. Die Probe-Zeichnungen und =» Schriften der hieſigen beiden Schulehrerſeminarien, 
der Wilhelmsſchule, ſo wie faſt aller Elementar-, Pfarr- und Freiſchulen, wurden mittels 
Veranſtaltung des Sectionsſecretärs in mehren Versammlungen zur Beſchauung ausgelegt, 
und gaben ein erfreuliches Zeugniſs von den Leiſtungen der Lehrer wie der Schüler. 


| | Schulweſen. 

7. Herr Rentamtmann Preusker in Großenhain (Sachſen) hatte den 2. und 
3. Heft ſeiner Schrift „über Jugendbildung“ (Leipzig 1837, 38) unſerer Geſellſchaft 
gütigſt zugeſandt. Herr Senior Berndt brachte dies Werk in der pädagogiſchen Section 
zur Kenntniſs theils durch mündlichen Bericht über deſſen Inhalt, theils durch Mittheilung 
mehrer Abſchnitte aus demſelben. 

8. Herr Gymnaſiallehrer M. Mükke ſtellte das katholiſche Elementarſchulweſen in 
Breslau während der Jahre 1801 — 10 geſchichtlich dar. Durch das im Jahre 1801 ge⸗ 
gebene Reglement für das katholiſche Elementarſchulweſen wurde dies aus dem traurigen 
Zuſtande, in welchem es ſich bis dahin befand, hervorgehoben, und namentlich die Landſchu— 
len günſtig bedacht. Was die Breslauer Pfarrſchulen betrifft, ſo war für ſie die Säculari— 
ſation der Stifter und Klöſter im Jahre 1810 ein entſcheidender Wendepunkt. Ihre Unter— 
haltung aus Staatsmitteln wurde erſt 1817 feſtgeſtellt. Ueber den damaligen Zuſtand die— 
ſer Pfarrſchulen theilte der Verf. folgende Notizen mit. | 

Die Dom: und Kreußzſchule befand fich in ziemlich gutem Zuftande, 

Die Pfarrfchule zu St. Vincentius kam durch den Rector Schmidt in guten Ruf, und 
erhielt ſo viel Zuſpruch, daſs das Lokal erweitert werden muſste. 

Die Pfarrſchule zu St. Maria auf dem Sande beſaß ein enges und feuchtes Lokal. 
Rector Wende ſuchte ſie zu heben. Der Abt des Stifts St. Maria, Prälat Strobach, legirte 
2000 Thaler zur Beſoldung einer Lehrerinn für weiblichen Unterricht. Dieſer trat im 
Jahre 1812 ins Leben. 

Die Pfarrſchule zu St. Matthias war mit Lehrer und Lokal ſchlecht verſehen. Der 
Abt des Matthiasſtifts, Prälat Scholz, ſorgte für ein beſſeres Lokal. 

Die Pfarrſchule zu St. Adalbert hatte ein ſchlechtes Lokal und einen altersſchwachen 
Lehrer, leiſtete daher nur Geringes. 

Die Pfarrſchule zu St. Dorothea war in einem zwar aptäunigen, aber dunkeln Lokale 
untergebracht. 

Die Pfarrſchule zu St. Mauritius hatte ein kleines Lokal, aber in dem Rector Schilte 
einen trefflichen Lehrer. 

Die Pfarrſchule zu St. Nikolaus beſaß ein zwar kleines, aber freundliches Lokal, das 
1806 durch die Belagerung niedergebrannt wurde. Seitdem iſt ſie bald da, bald dort ein— 
gemiethet. Ihr Rector Herrmann vertauſchte die Schule mit der Muſik, und befindet ſich 
gegenwärtig als Dirigent eines Muſikchors auf einer Kunſtreiſe in Ruſsland. 


184 an 


Die Pfarrſchule zu St. Michael wollte nicht recht gedeihen, weil die Schüler der rohe— 
ſten Volksmaſſe angehörten, und den Namen „Brut“ nicht unverdient trugen. Im Mai 
1793 wurde mit der Schule eine doppelte Snduftrie:Anftalt verbunden, in welcher die Kna⸗ 
ben im Garten- und Gemüſebau, die Mädchen im Strikken, Nähen und Spinnen unterrich— 
tet wurden. Die damaligen Lehrer, Rector Zeplichal und Igfr. Ahl, waren ſehr thätig. 
Die Schule wurde nun bald frequent, “) weil die meiſten Schüler nicht nur freien Unterricht, 
ſondern auch noch die erforderlichen Lernmittel erhielten. Die Belagerung vom Jahre 1806 
äſcherte das Schulhaus ein, und vernichtete die Induſtrie-Anſtalt. 


9. Herr Senior Berndt theilte über die Schulbevölkerung der Stadt Breslal fol⸗ 
gende Ueberſicht mit: 


Am NE des Schuljahres 1838 — 39 fanden fich Schüler: 


Im Dem Geſchlechte nach. Der Religion nach. 


hen, Männl. | Weibl. | Ev. Kath. | Moſ. 


A. Oeffentliche Schulen. 
In 5 höheren Schulen 1684 1684 — 41020 502 162 
r 8 Mittelſchulen 0 911 545 3661 6121 1600 139 
— 41 Volks⸗ oder Elementarſchulen . 8123] 3920| 4203519327060 224 
— 4 Kinder-Bewahr-Anſtalten .. 400] 191] 209 295] 105] — 
In 58 Anſt alten . . 111118] 6340 4778 J712003473J 525 
gegen das vorige Schuljahr ... — 143 — 149 —+ 61 — 58 —53(—32 


B. Privat- Anſtalten. 


In 13 Mittelſchu len 775 186 5891 542 42 191 
eech en. > 0. 214 106 108 1071797 ..285 
ee ee 1 989 292 6971 649 121 219 
gegen das vorige Schuljahr . . . | —+ 34 —5 + 39 1+45| +10] —21 

B IUNIL. » IERESTPLRI SAT DET DE NSIZ TU ET BEN HREFOHLTIEITA TI SL BR TEEN FETT ——ç—çj—ç—jꝙi'ß7 

Im Ganzen in 76 Anſtalten .. . 12107] 6632| 5475 |7769|3594| 744 
gegen das vorige Schuljahr . . . — 132 I— 172 | + 38 8 —53 


„) Im Mai 1793 zählte die Schule 56 Kinder, unter denen 28 die Induſtrie-Anſtalt . im Mai 
1794 ſchon 110 Kinder, mit 95 Induſtrieſchülern. 


— 282 — 


10. Derſelbe macht die Mittheilung, daſs in Folge einer Anregung des Herrn 
Grafen von der Rekke-Volmerſtein in Düſſelthal auch in Breslau eine Anſtalt zur Beſſerung 
geiſtig und ſittlich verwahrloſter Kinder zu errichten beabſichtigt werde, und zu dieſem Zwekke 
bereits ein Verein zuſammengetreten ſei. Der Vortragende, Mitglied dieſes Vereines, gibt 
zuerſt den eigentlichen Zwekk der, von der Commune im Juli 1835 errichteten, Armenhaus— 
ſchule an, und zwar darum, weil ſich für dieſe der Name „Corrections oder Beſſerungs⸗ 
ſchule“ eingefunden habe, und ſolcher Name zu dem Glauben führen könnte, als ſei eine 
ſolche Anſtalt wirklich bereits vorhanden. Der ſtädtiſchen Schulbehörde ſtellte ſich nehmlich 
immer dringender das Bedürfniſs einer Anſtalt dar, in welche das Unkraut aus den übrigen 
Schulen verpflanzt werden könne. Oder ſo wie man in Krankenanſtalten in eine beſondere 
Station diejenigen Kranken zuſammen bringt, welche an anſtekkenden Krankheiten leiden, ſo 
war auch eine beſondere Schulſtation für ſolche Kinder nöthig, welche, bereits geiſtig und 
ſittlich verderbt, ihre Verderbniſs auf die übrigen Schüler überzutragen, eben ſo fähig als 
geneigt zu ſein pflegen. Eine ſolche Krankenſtation ſoll die Armenhausſchule ſein, die aller— 
dings den Nebenzwekk hat, an der Heilung ihrer Schüler zu arbeiten, ſo viel ſie es vermag. 

Was die neu zu ſchaffende Beſſerungs-Anſtalt betrifft, ſo iſt der Vortragende der vor— 
greiflichen Anſicht, daß ſie allerdings höchſt nothwendig ſei, aber darum nicht eben ein beſon— 
deres Lokal mit Lehrern, Aufſehern u. ſ. w. erfordere. Er glaubt vielmehr, dafs der Zwekk 
weniger koſtſpielig und dabei erfolgreicher werde erfüllt werden können, wenn die Corrigenden 
einzeln achtbaren Familien auf dem Lande zur Erziehung übergeben würden, wie dies in Wei— 
mar der Fall iſt. Namentlich würden Landſchullehrer ſich ganz beſonders dazu eignen.“) 

Herr Oberſtlieutenant von Hülſen theilte dieſe Anſicht, und fügte die Befürchtung 
hinzu, daſs das Zuſammenleben von Corrigenden in einer beſondern Anſtalt ſchwerlich eines 
glükklichen Erfolges ſich erfreuen, an dafs fie am Ende mehr sus als wirklich Gebeſſerte 
entlaſſen möchte. 


+) Eine vorläufige Umfrage bei den Landſchullehrern in der Umgegend von Breslau hat ergeben, dafs ein 
großer Theil derſelben bereit iſt, einzelne Corrigenden gegen ein ſehr mäßiges Koſtgeld aufzunehmen. 


J. C. G. Berndt. 


24 


2 0 er mt 
über 
die Verſammlungen der hiſtoriſchen Section 
im Jahre 1839. 


Die hiſtoriſche Section verſammelte ſich in dieſem Jahre zwölfmal. 
Vorträge wurden gehalten: 


Vom Herrn Conſiſtorial-Rath Menzel: 


1) über die politiſchen Feſtſetzungen des Weſtphäliſchen Friedens; 
2) über die Verhältniſſe des Fürſtbiſchofs Schaffgotſch zu Friedrich dem Großen. 
Herr Profeſſor Dr. Kuniſch gab 8 zur Geſchichte alt Breslauifcher Kirchen und 
Klöſter. 
Herr Oberlandesgerichts⸗ Referendarius Wiesner theilte mit: 

1) Nachrichten über die Herzöge von Oels, Würtembergiſcher Linie, namentlich Carl 
Friedrich von Oels und Carl von Bernſtadt, über die finanzielle Lage derſelben 
und des letztern Verhältniß zum Kaiſer; 

2) Bericht eines Augenzeugen über das, was ſich nach Friedrichs des Großen Ein— 
nahme von Breslau im Jahre 1741 mit dem Domkapitel daſelbſt begeben. 


Herr Dr. Geyder hielt Vorträge: 

1) über die Verfaſſung der Schleſiſchen Städte gegen das Ende des 14ten Jahr: 
hunderts; 

2) über die in den Jahren 1295 und 1299 von dem Herzoge von Schweidnitz, 
Bolko I., und von dem Herzoge von Glogau, Heinrich III., hinſichtlich der 
Juden erlaſſenen Verordnungen; 

3) über ehemals in Schleſien üblich geweſene Rechtsgebräuche und den Bericht eines 
Zeitgenoſſen über die Heerzüge der Huſſiten in Schleſien und der Lauſitz; 

4) gab derſelbe einige Bemerkungen zur Culturgeſchichte Oberſchleſiens unter Frie— 
drich dem Großen. 


187 


Herr Dr. Kahlert theilte Nachrichten über den erften Einzug König Friedrichs II. in 
Breslau aus der handſchriftlichen Chronik Gerhard Steinbergers, eines TE mit. 
Der Secretair gab 
1) Beiträge zur Geſchichte der inneren Verhältniſſe Schleſiens bei und nach dem er⸗ 
ſten Einrücken Friedrichs des Großen; 
2) theilte er mit die Geſchichte der Burg Falkenſtein bei Fiſchbach; 
3) die Geſchichte des Ordens der Hüter des heil. Grabes von Jeruſalem zu Neiße; 
4) ſprach er über die im 13ten und 14ten Jahrhunderte bewirkte Gründung der 
Deutſchen Dörfer in Schleſien; 
5) über den Urſprung Deutſcher Städte in Schleſten; . 
6) gab er Nachricht über einige ihm neuerdings befannt gewordene Urkunden und 
Handſchriften der Schleſiſchen Geſchichte; 
7) Beiträge zur Geſchichte Schleſiens im dreißigjährigen Kriege. 


Sehr erfreulichen Anklang fand der Vorſchlag des Secretairs, die Geſellſchaft möge ſich 
bemühen, genaue ſtatiſtiſche Angaben zu erhalten, in welchen Ortſchaften in Schleſien noch 
Polniſch geſprochen, gepredigt und in Schulen angewendet werde, und welche Veränderun— 
gen darin ſeit den letzten dreißig Jahren ſtatt gefunden. Nur auf dieſe Weiſe werden wir 
im Stande ſeyn, eine möglichſt genaue und vollſtändige Ueberſicht des jetzigen Beſtandes der 
in Schleſien noch vorhandenen, faſt ganz aus der älteſten Zeit her ſtammenden Polniſchen Be— 
völkerung zu bekommen, als erſte Grundlage für das, was in dieſer Beziehung weiter zu 
erſtreben ſeyn würde. Höchſt bereitwillig ſagte der Herr Ober-Landesgerichts-Präſident 
Hundrich zu, was ſeinerſeits zur Ermittelung des bezeichneten Gegenſtandes geſchehen 
könne, und wir erlauben uns, alle Mitglieder der Geſellſchaft und Freunde Schleſiens um 
ihre Unterſtützung zu bitten. Alle, auch die ſcheinbar geringfügigſten Nachrichten Werden 
uns, wenn ſie nur zuverläßig ſind, willkommen ſeyn. 

Die Bitte, die Freunde der Schleſiſchen Geſchichte möchten uns von noch vorhandenen 
Urkunden und Handſchriften Nachricht geben, hat allein Herr Auguſt Sadebeck, auf Scho— 
bergrund, in Reichenbach erfüllt. Wir erneuern unſere desfallſige Bitte zugleich mit der Be— 

merkung, daß die mitgetheilten Nachrichten, wenn es gewünſcht wird, auch können ohne öf— 
fentliche Bekanntmachung im Archive der Geſellſchaft niedergelegt werden. 

So gern der unterzeichnete Secretair auch ein Verzeichniß der zur Schleſiſchen Geſchichte 
gehörigen Handſchriften der hieſigen Königlichen und Univerſitäts- Bibliothek geliefert hätte, 
ſo mußte er das doch wegen überhäufter Geſchäfte und auch deshalb verſchieben, weil in dem 
höchſt ungeeigneten Locale, in welchem feit einigen Jahren die Handfchriften dieſer Bibliothek 
aufbewahrt werden, nicht wohl ohne Gefahr für die Geſundheit gearbeitet werden kann, und 
die größeſte von ihm nach Verdienſt anerkannte Gefälligkeit der Bibliotheksbeamteten dieſem 
Uebelſtande doch nicht abzuhelfen vermag. Hoffen wir auf baldige Einrichtung eines paſſen— 
deren Locals für die Handſchriften ſelbſt und für diejenigen, welche ſie benutzen wollen. 

* 


2 — 


Alsdann fol auch das von Herrn Aug. Sadebeck auf Schobergrund gütigfi eingeſchickte 
Verzeichniß der in ſeinem Beſitze Wen Handſchriften zur Schleſiſchen ee mitge⸗ 
theilt werden. 

Ich fahre fort, einige urkundliche Beiträge zur Berichtigung von Irrthümern und zur 
Erweiterung der Schleſiſchen Geſchichtskunde zu geben, und zwar: 


5 I. Beitrag zur kritiſchen n der . vom urſprunge des Bis⸗ 
ir thums Breslau. 
| Beilage II. Nachtrag zur Geſchichte der Burg Falkenſtein. 
Beilage III. Beiträge zur Geſchichte der Einwanderung Deutſcher Koloniſten in Schle⸗ 
ſien und der von ihnen bewirkten Gründung Deutſcher Dörfer und Städte. 
Beilage IV. Verzeichniß der wichtigſten Geſchichtswerke, welche die Geſellſchaft im Laufe 
des Jahres geſchenkt erhalten hat. 


Beilage I. 


Beitrag zur kritiſchen Unterſuchung der Nachrichten! vom Urfprunge, 
des Bisthums Breslau. 


Die Frage, wann, wo und von wem das Bisthum Breslau geſtiftet worden ſei, 
ift ſchon ſeit vielen Jahren von denen, welche ſich mit Unterſuchungen über Polniſche und 
Schleſiſche Geſchichte beſchäftigten, verſchieden beantwortet worden. 

Einige meinten, die Stiftung ſei im Jahre 965 oder 966, von Miecislav I. von Po- 
len, zugleich mit den zwei Erzbisthümern Gneſen und Krakau und mit mehreren anderen Bis— 
thümern, in Schmograu bewirkt, daſſelbe darauf nach Rützen verlegt und dann in der Mitte 
des 11ten Jahrhunderts nach Breslau verſetzt worden. 

Andere behaupteten, in Polen wäre zuerſt von Miecislav I. um das Jahr 967 nur das 
Bisthum Poſen für ganz Polen geſtiftet, dann im Jahre 1000 von deſſen Sohne Boles— 
laus I. das Erzbisthum Gneſen mit den kurz vorher oder gleichzeitig geſtifteten Bisthümern, 
unter welchen das zu Breslau, errichtet worden. 

Diejenigen, welche die ältere Polniſche und Böhmiſche Geſchichte gründlich unterſuchten, 
wie Lengnich, Böhme, Frieſe, dann Naruszewicz, Lelewel, Dobrowski, Palacki u. A., ent— 
ſchieden ſich für die letzte Meinung, deren Richtigkeit jetzt von Keinem weiter beſtritten wird, 
der ſich mit kritiſcher Quellenforſchung beſchäftigt hat. | 

Die Hauptgründe, auf welche die genannten Gelehrten ihre Behauptung ſtützten, 
waren folgende: | 


1) daß keiner der älteren Polniſchen Geſchichtſchreiber, als: Martinus Gallus, Kadlu— 
bek, Boguphal, Dzierswa und die Verfaſſer der unter dem Namen des Johannes 


1 189 


Archidiaconus von Gneſen bekannten Chroniken, insgeſammt keiner vor dem 15ten 
Jahrhunderte und beſonders vor Dlugoß, welcher im Jahre 1480 ſtarb, etwas von 
der Errichtung der Erzbisthümer und ee Bisthümer durch Mieciölaus 7. 
wiſſe; 
daß vielmehr der Zeitgenoſſe Dithmar, Bischof von Merſeburg, welcher um hundert 
Jahre älter als der älteſte Polniſche Geſchichtſchreiber und mit den hier erzählten 
Angelegenheiten genau bekannt war, ausdrücklich nur bezeuge, Polen habe damals 
einen Biſchof, Jordan, der das im Jahre 968 geworden und ſeinen Sitz in Poſen 
gehabt, womit Boguphal aus der Mitte des 13ten Jahrhunderts, der erſte einhei— 
miſche Schriftſteller, welcher einen Polniſchen Biſchof nennt, übereinſtimme; 
3) daß alle älteren Polniſchen Geſchichtſchreiber die Eintheilung Polens in Diöceſen, 
die Errichtung mehrerer Bisthümer und des Erzbisthums Gneſen, in weſentlicher 
Uebereinſtimmung mit dem Zeitgenoſſen Dithmar von Merſeburg, dem Sohne, Mie— 
cislaus I., dem Herzoge Boleslaus I. zuſchreiben. Dithmar nennt mehrere von 
dieſen eingeſetzten Bifchöfen mit Namen, unter anderen Johannem Wratizlauen- 
sem. Der erſte einheimiſche Schriftſteller, der das Bisthum Breslau ausdrücklich 
nennt, iſt Boguphal; 
daß Miecislaus die Bisthümer Krakau und Breslau gar nicht habe errichten können, 
weil er beide Ortſchaften und die mit denſelben verbundenen Länder gar nicht beſeſ— 
fen, weil dieſe erſt von Boleslaus I. erobert worden, weshalb auch Schleſien früher, 
jedenfalls bei weiten zum groͤßeſten Theile, zum Bisthume Prag gehört habe; 
5) weil die Angaben des Dlugoß, wie der gelehrte Kirchenhiſtoriker Anton Pagi be— 
wieſen, nicht nur dem Verfahren widerſprächen, welches bei Errichtung von Bisthü⸗ 
mern und Erzbisthümern in neu bekehrten Landen ſtatt zu finden pflegte, ſondern 
auch, abgeſehen von dem 8 aller älteren Geſchichtsquellen, in ſich ſelbſt 
unhaltbar wären. 
Was nun die Glaubwürdigkeit des Dlugoß angeht, ſo hat zuvörderſt Herr Dr. Kühnaſt 
in ſeiner als Manuſcript gedruckten Abhandlung: die Sage von Popiel und den Mäuſen, 
Bromberg 1836, 4to. S. 11, meiner Meinung nach mit Recht, behauptet, daß Dlugoß für 
die Geſchichte Polens bis zum 13ten Jahrhunderte keine Quellen gehabt, welche nicht noch 
vorhanden wären, daß er aber für die Geſchichte des 13ten und der folgenden Jahrhunderte 
allerdings manche jetzt nicht mehr zugängliche Quellen hatte. Das iſt namentlich der Fall für 
die Geſchichte des Bisthums Krakau, deſſen altes Archiv er nach der mir von meinem gelehr⸗ 
ten Freunde, dem Herrn Dr. Helcel in Krakau, gemachten Mittheilung fleißig benutzte. 
Was nun aber des Dlugoß Geſchichte der Biſchöfe von Breslau angeht, ſo iſt es, da er 
im Jahre 1480 ſtarb, gewiß, daß ſein Werk nur bis zum Biſchofe Rudolph reichen konnte, 
welcher im Jahre 1482 ſtarb, und daß alles, was nach dem Jahre 1480 folgt, aus Zuſätzen 
anderer Verfaſſer beſteht. 


2 


— 


4 


— 


190—— 


Zur Zeit des Dlugoß, im Jahre 1456, und 1468 ſicher, ehe er feine Geſchichte der 
Biſchöfe von Breslau ausarbeitete und vollendete, wurde nun der catalogus episcoporum 
Wratislaviensium geſchrieben (nicht verfaßt), welchen ich aus der gleichzeitigen Handſchrift 
der Privilegien des Domcapitels im zweiten Bande der Schleſiſchen Geſchichtſchreiber heraus— 
gegeben. Damals alſo war über das Jahr 1052 hinaus durchaus nichts, weder das Jahr 
der Stiftung des Bisthums, noch der Name eines Biſchofs deſſelben bekannt, denn ſonſt 
würde das für das Domcapitel angelegte Verzeichniß es gewiß nicht unerwähnt gelaſſen ha— 
ben. Sigismund Roſitz, der im J. 1470 ſeine Geſchichte der Biſchöfe von Breslau ſchrieb, 
konnte auch über das Jahr 1052 hinaus nichts angeben. Das von mir herausgegebene Ver 
zeichniß der Biſchöfe iſt aber weit älter als Dlugoß. Schon Jodocus, im Anfange des 15ten 
Jahrhunderts, führt es in ſeiner Chronik des Breslauer Auguſtinerſtifts an. (Scriptor. rer. 
Siles. II. p. 162). Die Chronica principum Poloniae (Script. rer. Siles. I. p. 158), 
welche zwiſchen dem Jahre 1384 und 1385, alſo faſt hundert Jahre vor Dlugoß, verfaßt 
wurde, weiß nichts von älteren Biſchöfen vor dem J. 1052, und der Verfaſſer giebt daher 
an, er habe in Polniſchen Geſchichten gefunden, Kaſimir J. habe das Bisthum Breslau ge— 
gründet. So war alſo damals ſchon vom Urſprunge des Bisthums gar nichts mehr mit Si— 
cherheit über das genannte Jahr 1052 hinaus bekannt. Nun aber habe ich ſchon in der 
Anmerkung 4 zu S. 162 des erften Theils der Scriptores rer. Siles. angeführt, daß ſich 
der Biſchof Heinrich von Wirbna in den Umſchriften ſeines Siegels als den 17ten Biſchof 
von Breslau bezeichne. Unterdeſſen habe ich den Gegenſtand noch etwas genauer unterſucht, 
und gefunden, daß nach den im Provinzial-Archive befindlichen Original-Urkunden und Sie— 
geln, Biſchof Heinrich ſich dreier verſchiedener Siegel bediente. Sie ſind ſämmtlich rund, 
von ziemlich gleicher Größe, haben 4 Zoll Schleſiſch im Durchmeſſer, beſtehen aus urſprüng— 
lich farbloſem, dann durch die Zeit braun gewordenem Wachſe, und hängen, einige an Per— 
gamentſtreifen, andere an rothen und grünen, noch andere an rothen und gelben ſeidenen 
Fäden. 

Auf dem wahrſcheinlich älteſten ſeiner Siegel erſcheint er ſitzend auf einem ſeitwärts 
durch zwei Löwenköpfe verzierten Stuhle, hält die rechte Hand ſegnend empor und in der 
linken den Biſchofsſtab. Die Umſchrift iſt: 8. HEINRICI. DEI. GRACIA. EPI. 
WRATISLAVIENSIS. | 

Dieſes Siegel habe ich an ue aus den Jahren 1303, 1305, 1307, 1308 
und 1309 gefunden. 

Auf dem im Alter wahrſcheinlich zweiten Siegel ſitzt der Biſchof in ganz ähnlicher Ge— 
ſtalt, doch iſt, außer der Verſchiedenheit der übrigen Verzierungen, der Seſſel nicht durch die 
Löwenköpfe geſchmückt, dagegen knieen zu beiden Seiten des Biſchofs zwei Figuren. Die Um— 
ſchrift it: HEIN RICVS. DEI. GRA. WRATISLAVIENSIS ECCE. EPS. XVII. 
Dieſes Siegel habe ich an Urkunden aus den Jahren 1306 und 1315. gefunden. 

Das dritte Siegel zeigt den Biſchof in gleicher Figur, wie die vorigen, doch iſt hier der 
Seſſel an beiden Seiten wieder durch ein Paar Thierköpfe verziert, vorzüglich aber befindet 


191 


ſich an der Stelle der in dem zweiten Siegel knieenden Figuren rechts das, wahrſchein— 
lich alte Wappen des Bisthums, ſechs Lilien in einem Schilde, links in einem Schilde ein 
zerbrochener Pfeil oder Speer, deſſen Schaft oben ein Kreuz bildet, faſt wie das Wappen 
der Familie von Wirbski bei Sinapius 1. S. 1036 beſchrieben wird. 

Die Umſchrift iſt wie die des zweiten Siegels, und ich habe dieſes dritte nur an Urkun— 
den aus den Jahren 1312, 1316, 1318 und 1319 gefunden, in welchem der Biſchof 
Heinrich ſtarb. | 

Hieraus dürfte fich doch unwiderſprechlich ergeben: 
1) daß bereits im Jahre 1306, ſeitdem Biſchof Heinrich ſich zuerſt den 17ten Bi: 
ſchof von Breslau nannte, im Archive des Bisthums keine Nachricht von mehr 
als ſechszehn Biſchöfen vor ihm geweſen ſey, daß alſo 


2) der von mir in dem zweiten Bande der Script. rer. Siles. mitgetheilte Catalo- 
gus episcoporum die noch vorhandenen älteſten zuverläßigen Nachrichten für die 
Geſchichte der Biſchöfe gebe; denn nach dieſem Catalogus, welcher mit dem Bi— 
ſchofe Hieronymus im Jahre 1052 beginnt, und den ſpäter durch ein Mißver⸗ 
ſtändniß eingeſchobenen Biſchof Magnus nicht enthält, iſt Biſchof Heinrich wirk— 
lich der ſiebzehnte Biſchof, daß alſo 


3) bereits im Anfange des 14ten Jahrhunderts! von der Geſchichte des Bisthums 
und der Biſchöfe über das Jahr 1052 hinaus nichts bekannt war. 


Man kann dagegen nicht einmal einwenden, daß etwa nur der Verfertiger des Siegels 

den Einfall gehabt habe, Heinrich als den ſiebzehnten Biſchof zu bezeichnen, da dieſer im äl— 

teſten Siegel ſich nicht ſo genannt, allein er hat dieſes Siegel nur noch bis 1309 neben dem 

zweiten, dann immer dieſes und das dritte gebraucht, welches bei on großer Verſchie⸗ 
denheit dennoch dieſelbe Umſchrift hat. 

Indem ſo das Siegel das Alter des atpprünglichel Catalogs der Biſchöfe beſtätigt, wer⸗ 
den wir um ſo ſicherer überzeugt, daß Dlugoß wenigſtens über das Jahr 1052 hinaus keine 
Quellen hatte, vielmehr alles, was er von den älteren Biſchöfen erzählte, rein erdachte, was 
übrigens, wie jeder, der dieſen Theil ſeiner Geſchichte unterſucht, ſogleich bemerken wird, mit 
großer Nachläßigkeit geſchah. 

Daß indeſſen das Bisthum Breslau nicht nur wirklich bereits im Jahre 1000 vorhan- 
den war, wie Dithmars Nachricht unzweifelhaft beweiſt, ſondern auch ſeit dieſer Zeit bis zur 
Mitte des erſten Jahrhunderts wirklich exiſtirt und Biſchöfe gehabt habe, dafür finden wir bis 
jetzt nur ein urkundliches, altes und darum ſehr merkwürdiges Zeugniß, welches bereits in 
einer Anmerkung zum 2ten Bande der Scriptor. rer. Siles. p. 162 angeführt worden iſt. 

Herzog Heinrich I. nämlich beſtätigte am 10. Mai 1209 dem Abte Witoslaus und 
dem Auguſtiner-Chorherren-Stifte auf dem Sande auf deſſen Bitte: Villam in exitu civi- 
tatis, ſundum monasterii seu suburbium Wratislaviense, quae vel quod per praedecesso- 


192 —— 


res nostros carissimos fundatores ejusdem monasterii seu Petrikonem Wlast comitem 
Slesiae et suos fratres in fundatione ecclesiae seu monasterii in honore beatae Mariae 
. virginis ſuerat collata et data et per Petrum pontificem egregium Wratisla- 
viensis ecclesiae ane o ru in consecratione Wenn — 
confir mata. | 

Diefe, im Originale nicht mehr vece Urkunde beffätigte König Wenzel von Böh⸗ 
men, mit mehreren andern Urkunden des Sandſtifts, am 3. Februar 1399, und von dieſer 
Beſtätigung, deren Original auch nicht mehr vorhanden iſt, befindet ſich eine beglaubigte Ab⸗ 
ſchrift des Breslauer Magiſtrats vom Jahre 1439 im Provinzial-Archive. Das Zeugniß 
der Urkunde Heinrichs I. iſt darum beſonders wichtig, weil es beweiſt, daß das Breslauer 
Bisthum nicht nur gegründet, dann wieder bis zur Mitte des 11ten Jahrhunderts aufgelöft 
wurde, ſondern daß es auch fortbeſtand. Nach der Angabe des nun gedruckten alten, wahr— 
ſcheinlich aus dem Anfange des 14ten Jahrhunderts herſtammenden Verzeichniſſes der Biſchöfe, 
deſſen Verfaſſer über das Jahr 1052 hinaus nichts wußte, war Peter vom Jahre 1074 bis 
1111 der dritte Biſchof; wirklich muß er ſeit dem Jahre 1000 der achte geweſen ſeyn, wor— 
aus ſich abermals die Unzuverläßigkeit der Angaben des Dlugoß ergiebt, nach welchem er der 
neunte Biſchof geweſen ſeyn müßte. nchgehs iſt Peter, der erſte in ier Urkunde nament⸗ 
lich angeführte Biſchof von Breslau. 

Die Nachricht, daß das Schleſiſche Bisthum anfänglich in Schmograu gegründet, dann 
nach Rützen verſetzt und endlich nach Breslau verlegt worden ſei, finden wir zuerſt bei dem 
Verfaſſer der Chronica principum Poloniae, welche ich Script. T. I. Nr. 3 von Neuem 
herausgegeben und dargethan habe, daß er fein Werk in den Jahren 1384 und 1385 ver- 
faßte. Der hatte auch keine genaueren Nachrichten, als bis zum Jahre 1052, und gab 
S. 156 daher, wie geſagt, an, Kaſimir I. habe damals das Bisthum Breslau geſtiftet, was 
auch ſicher lange, vielleicht bis auf Dlugoß, in Schleſien geglaubt worden iſt. Dann fährt 
er fort: Hec siquidem ecclesia, sicut fertur, jam in tertio loco sita est; ſuit enim primo 
in Smogerow Namslaviensis distrietus, segapde in Riczezin Bregjehsie nie. nunc 
in Wratislavia est locata. 

Dieſe Nachrichten können ſich (abgesehen davon, daß zuverläßig das Schleſiſche Bisthum 
gleich kurz vor oder im Jahre 1000 in Breslau gegründet wurde) dennoch auf eine Thatſache 
ſtützen und dadurch erklärt werden. 

Es iſt bekannt, daß die von Boleslaus I. gegründete Macht bereits unter Miecislav II. 
zu ſinken begann, nach deſſen Tode aber das Polniſche Reich ſich beinahe auflöſte. Das nahm 
der tapfere Herzog Brzetislaus II. von Böhmen wahr, der die Polen bereits aus Mähren 
vertrieben hatte und nun 1038 in Polen einfiel, Krakau und Breslau einnahm, Schleſien 
von Reczen bis Glogau fürchterlich verheerte, dann ſelbſt aus Gneſen die Gebeine des heili— 
gen Adalbert mit vielen Schätzen nach Prag brachte. Erſt im J. 1049 räumten die Böh⸗ 
men den Polen Schleſien, und im J. 1054 Breslau und mehrere andere Städte gegen einen 
jährlichen Tribut wieder ein, wie wir durch Cosmos von Prag wiſſen. ai 


193 


Dieſe Ereigniſſe mögen Veranlaſſung gegeben haben, den Sitz des damaligen Biſchofs, 
von Breslau weg, einige Zeit nach Schmograu im Namslauiſchen, dann nach Riczen im Brie— 
giſchen zu verlegen. Dieſes Ritzen, der angebliche, vielleicht wirkliche Sitz des Biſchofs von 
Schleſien während einiger Zeit des 11ten Jahrhunderts, iſt, wie wir nun darthun können, 
nicht Rützen bei Guhrau, ſondern das, als alte Burg der Caſtelane von Reczen wieder aufge— 
fundene Ritzen, von welchem wir im Jahresberichte von 1837 und 1838 geſprochen haben. 
Daß dort eine, wahrſcheinlich für ihre Zeit feſte Burg geweſen, haben wir dargethan. Nun 
habe ich in der Anmerkung 6 zu S. 157 des erſten Bandes der Script. rer. Siles. bereits 
angeführt, daß in einem gleichzeitigen Urkunden-Signaturen-Buche Herzog Ludwigs I. von 
Brieg, in welchem verſchiedene Ausgaben deſſelben angemerkt worden ſind, zum Jahre 1390 
ſteht: feria IV. post penthecost. ſossatoribus, qui in Riczschin ſoderunt querendo epi 
scopos, III. gl. IV. den. Es gehörte aber Rützen im Wohlauifchen damals nicht den Her— 
zogen von Brieg, ſondern den Herzogen von Oels; ſchwerlich würden dieſe in ihrem Lande 
durch jene eine ſolche Unterſuchung haben anſtellen laſſen. Ferner würde die Ausgabe dann 
ſchwerlich in einem Brieger Signaturbuche verzeichnet worden ſeyn. Wie dem aber auch ſei, 
die alte Burg Reczen war wenigſtens ſeit dem Anfange des 14ten Jahrhunderts wahrſchein— 
lich ſchon zerſtört, das Dorf beſtand noch in der Mitte des 15ten Jahrhunderts, wie in den 
beiden vorhergehenden Jahresberichten dargethan worden, und eine Neißer Handſchrift des 
16ten Jahrhunderts nennt es noch ein kleines Dorf bei Brieg. Es iſt alſo nicht zu bezwei— 
feln, daß Ludwig I., wahrſcheinlich veranlaßt durch den Verfaſſer, der, von ihm aufgefordert, 
die Chronik der Polniſchen Fürſten im Jahre 1384 und 1385 ſchrieb und ſie dem Herzoge 
und deſſen Brüdern widmete, in den Ruinen der Burg Reczen oder Ritzen bei Brieg, wel— 
ches auch der Verfaſſer deutlich bezeichnete, im Jahre 1390 nachgraben e. um die Gräber 
der Ace zu finden, was doch unſtreitig vergeblich war. 


BGBeilage II. 
Nachtrag zur Geſchichte der Burg Falkenſtein. 


In des Martin von Bolkenhain Nachrichten über den Huſſitenkrieg in Schleſien und 
der Lauſitz (Seriptorum rerum Lusaticarum I. p. 367 seq.) wird erzählt, daß Hayn von 
Czirnaw, ein Söldner der Stadt Breslau. im Jahre 1430 in Strehlen fei von den Huſſiten 
gefangen genommen worden, bei ihnen etliche Jahre geblieben und ihnen geholfen, die Kühe 
im Lande zuſammen zu treiben. Dieſer Hayn von Czirnaw habe das Schloß und Haus, den 
Falkenſtein, inne gehabt, und einen Haufen Huſſiten mit deren Hauptleuten von Nimptſch 
aus, als zu einem Einfalle ins Löwenbergiſche, auf den Falkenſtein geführt, wo ſie Sigmund 
von Czirnaw, und zwar die zwei Hauptleute zu oberſt in einen Erker und Gemach, dann 
wohl funfzig Geſellen und Böhmen in eine Kammer mitten auf dem Haufe, dann die Knechte. 

25 


— 


und geringe Geſellenſchaft in den Vorhof vor das Haus, die Uebrigen in die Umgegend einge: 
lagert, ihnen ihre Waffen genommen, ſie in der Nacht überfallen, und theils ermordet, 
theils gefangen. Der Herausgeber hat ſich auf ſprachliche Erläuterungen beſchränkt, weshalb 
ich bemerken will, daß hier die damals noch vorhandene Burg Falkenſtein bei Fiſchbach gemeint 
ſeyn muß, denn es wird S. 369 geſagt: in derſelben Nacht ſei des Hayn von Tſchirnaw 
Frau: dy do vor was genandt dy Jüngelingynne von T'schetschau, verſchieden —— 
FERN 

Im vorigen Jahresberichte, Beilage Nr. 2, habe ich nun gezeigt, daß das Burglehn, 
Haus und Feſte Falkenſtein dem Jünling von Tschetschau im Jahre 1409 erblich verliehen 
wurde, an denſelben, der im Jahre 1408 bereits das Haus, den Czeysberg, erworben hatte. 
Unſtreitig kam es durch deſſen oder ſeines Bruders Ruprechts Tochter an die von Czirne. 
Leider ſind die Schweidnitzer Landbuͤcher vom J. 1418 bis 1444 verloren gegangen, ſonſt 
würden wir noch genauer wiſſen, auf welche Weiſe die Czirne zum Beſitze der Burg —— 
ten, die ſchon im Jahre 1444 im e derer von Nimptſch war. 


Beilage III. 


Beiträge zur Geſchichte der Einwanderung Deutſcher Koloniſten in 
Schleſien und der von ihnen bewirkten e Deutſcher Dörfer 
und Städte. 


Zu den für den gebildeten Schleſier anziehendſten Unkerſuch emen gehört unſtreitig die 
über die Einwanderung Deutſcher Koloniſten und die durch ſie bewirkte Anlegung Deutſcher 
Dörfer und Städte in Schleſien. Dieſes ehedem, wie bekannt, zu Böhmen, dann zu Polen 
gehörige Land war, ſo weit wir deſſen Geſchichte mit einiger Sicherheit verfolgen können, 
d. h. ſeit dem 10ten und 11ten Jahrhunderte, ſicher durchgehends von Slaven bewohnt, nun 
iſt es ſeit Jahrhunderten faſt durchgehends Deutſch. Man kann wohl mit Zuverſicht behaup— 
ten, daß es alles, was Kunſt, Wiſſenſchaft, Fabriken und Manufakturen und erhöhete Kultur 
des Grundes und Bodens betrifft, faſt ausſchließlich Deutſchen verdanke. Dieſe waren Ur— 
ſache, daß Schleſien, mitten zwiſchen den beiden Slaviſchen Staaten Böhmen und Polen, zu 
einem Grade der Bildung und des Wohlſtandes gelangte, den jene größeren Länder nie er— 
reichten. Vielleicht beſitzt keines der ehemals Slaviſchen, nun von Deutſchen bewohnten Län— 
der noch ſo viele urkundliche Nachrichten über die Einwanderung der Deutſchen Koloniſten 
und über die durch ſie hier neu gebildeten Verhältniſſe, als Schleſien. In der vor 8 Jahren 
herausgegebenen Urkundenſammlung zur Geſchichte des Urſprungs der Städte und Einfüh— 
rung Deutſcher Koloniſten und Rechte in Schleſien und der Oberlauſitz wurde dieſer Gegen— 
ſtand, mit Hülfe zahlreicher Urkunden aus den meiſten Archiven des Landes, zwar ziemlich 
ausführlich erörtert, doch war es nicht thunlich, ihn zu erſchöpfen, ſelbſt wenn das möglich 


195 


geweſen wäre. Damals hatten die vereinzelten Nachrichten nur den Zweck, allgemeine Grund: 
lagen für die im Ganzen neue Betrachtung des geſammten Gegenſtandes zu geben, jetzt wird 
es möglich ſeyn, Einzelnes zur Geſchichte beſonderer Landſtriche mitzutheilen, was wieder als 
Vervollſtändigung der Belege zu der in jener Urkundenſammlung entwickelten allgemeinen 
Anſicht dienen kann. Wir werden unſere Bemühungen daher vorzugsweiſe nicht auf ſolche 
Urkunden richten, welche nur einzelne Dörfer und Städte, ſondern zunächſt auf diejenigen, 
welche mehrere derſelben zugleich oder ganze kleine Landſtriche betreffen. Die Chroniſten ent: 
halten über ſolche Gegenſtände nur ſehr wenige und faſt nur ganz allgemeine Angaben, alles 
Einzelne muß lediglich aus Urkunden geſchöpft werden. 

Durch die Urkunde Biſchof Thomas J. vom 31. Auguſt 1263 Anhang A.) erfahren 
wir zuerſt, daß bereits fein Vorgänger, der Biſchof Laurentius, welcher im J. 1232 ftarb, 
zur Behauptung und zum Anbaue der Gränzen der Caſtellanei Ottmachau, welche von Ein— 
führung des Chriſtenthums dem Bisthume Breslau verliehen worden, einem gewiffen Vitigo 
die Vogtei der Gegend übergeben, um Anbauer des Landes dahin zu ſetzen, die Gränzen des 
Bisthums zu behaupten, und gegen diejenigen, welche ſich ihrer unrechtmäßiger Weiſe zu 
bemächtigen ſuchten, nach Vermögen zu vertheidigen. 

Wirklich wird in der älteſten, noch ungedruckten Beiitihungeurtunde aller Beſitzungen 
des Bisthums Breslau durch Papſt Hadrian IV. vom J. 1155 bereits Ottmachau genannt, 
und es iſt ſonach nicht mit Grund zu zweifeln, daß es demſelben bereits bei der Stiftung ge— 
geben worden. Wir entnehmen zugleich, wie früh auch die Biſchöfe ihrerſeits bemühet wa— 
ren, die wüſten Striche nicht nur anzubauen, ſondern auch „was bisher noch nicht bekannt 
war, zu vertheidigen. 

Vitigo wählte, wie die Urkunde erzählt, zum Theilnehmer ſeiner Bemühung und der 
ihm gewährten Vortheile einen gewiſſen Sigfried. Nach beider Tode entſtand Streit zwi— 
ſchen den von ihnen hinterlaſſenen Kindern über den Antheil, welcher einer jeden der beiden 
Familien an den ihren Vätern gegebenen Rechten, Beſitzungen und Hebungen zuſtehe. Wir 
ſehn nun aus der Entſcheidung des Biſchofs und aus dem, was er über Ziegenhals und acht 
Dörfer der Umgegend ſagt, ganz augenſcheinlich, daß Stadt und Dörfer nach Deutſchem 
Rechte ausgeſetzt waren, weſentlich völlig in der Art und Weiſe, wie in der erwähnten Ur— 
kundenſammlung ausführlich dargelegt worden iſt, doch mit manchen Eigenthümlichkeiten. 
Die Namen der Vögte: Vitigo, d. h. Wittich und Sigfried, dann der Söhne derſelben, Vitigo, 
Rembold und Theoderich, d. h. Dietrich, ſind ebenfalls Deutſch; Laurentius kann es ſeyn, 
nur der eine Name, Moyco, iſt wohl Slaviſch, wenigſtens finde ich ihn ſehr früh in unſeren 
Urkunden, wie es ſcheint, von einheimiſchen Großen geführt, z. B. in der Urkunde vom 
Jahre 1230 (Anhang B.). 
| Die Namen der Stadt und Dörfer: Ziegenhals, Langendorf, Niklasdorf, Kunzendorf, 

Andresdorf, Lichtenberg, Ludwigsdorf, ſelbſt Corosdorf, ſind Deutſch. Es iſt alſo, wenn 
man dazu die Geſchichte der Koloniſirung Schleſiens überhaupt ins Auge faßt, ſicher nicht 
zweifelhaft, daß dieſe Gegenden durch Deutſche angebauet wurden. Wir finden die Vogtei 

* 


ee 


der Stadt, das charakteriſtiſche Kennzeichen, daß fie Deutſches Recht erhalten hatte. Der 
Vogt hat das Gericht in der Stadt und den Dörfern und den dritten Pfennig, d. h. den 
dritten Theil der Gerichtsgefälle; ferner den dritten Theil des Grundzinſes der zur Stadt 
gehörigen Aecker und der Hofeſtätte. Wir finden Fleiſch-, Brodt- und Schuhbänke, den 
Schlachthof, Alles, wie in anderen Städten nach Deutſchem Rechte, nur abgeſehen von dem 
beſondern Verhältniſſe beider Familien und deren Antheilen an der Vogtei und mit noch eini⸗ 
gen Eigenthümlichkeiten. So gehören z. B. hier die Fleiſch-, Brodt- und Schuhbänke nicht 
dem Biſchofe und dem Vogte, ſondern dieſem und der Stadt, auch hat der Biſchof bereits 
keinen Antheil am Schlachthöfe, wenn er ihn je hatte. Beſonders eigenthümlich iſt die Be— 
ſtimmung des Zinſes, der hier auf Gold geſetzt iſt, ſo daß zehn Goldpfennige das Gewicht 
von einem Scote (ſpäter zwei Groſchen Silbers) haben ſollten, was wir bisher nur noch ein— 
mal im J. 1295, in des Biſchofs Johann von Breslau Erneuerung des urſprünglichen Vog— 
teirechts der Stadt Freiwaldau (S. W. 2 M. von Ziegenhals) gefunden haben (Urkunden⸗ 
ſammlung Nr. 95), während es ſich in anderen, von den Biſchöfen im flachen Lande ange— 
legten Städten nicht findet. In Freiwaldau mußten von den zur Stadt gehörigen 3375 
großen Zinshufen insgeſammt anderthalb Mark Goldes entrichtet werden. Leider ſind wir 
nicht im Stande, jetzt noch anzugeben, wie ſchwer damals ein Scot war, um wenigſtens 
zu wiſſen, wie viel Goldes an Gewicht als Zins gezahlt wurde. Wenn wir annehmen könn— 
ten, daß damals ein Scot, wie ſpäter, der vier und zwanzigſte Theil einer Mark geweſen, 
alſo / Loth ſchwer und zehn Groſchen acht Pfennige Conventionsgeld an Werth gehabt, ſo 
möchte im damaligen Verhältniſſe des Goldes zum Silber, wie 10 zu 1, der Golddenar 
etwas mehr als 10 ½ Groſchen Conventionsgeldes werth geweſen ſeyn, der Zins alſo, hier 
wahrſcheinlich zugleich mit dem Zehnten, etwas über 21 Groſchen Conventionsgeldes betra— 
gen haben, was gegen andere Ortſchaften nicht viel war, wenn gleich weit mehr, als 
in Freienwalde, wegen der dortigen ſchlechten Beſchaffenheit der Aecker. — Wie viel ein 
Gold⸗Obol geweſen, kann ich nicht einmal vermuthungsweiſe angeben. Es läßt ſich aus 
dieſen beiden Angaben von Freienwalde und Ziegenhals mit der Umgegend doch mit großer 
Wahrſcheinlichkeit annehmen, daß bereits vor dem Jahre 1232 dort oder doch in der Nähe 
Gold gewonnen wurde, weil die Biſchöfe doch nicht ohne Urſache von der gewöhnlichen Be— 
ſtimmung des Zinſes in Silber abgegangen ſeyn werden. 

Ob hier das Gold, wie bei Goldberg, gewaſchen worden, was mir wahrſcheinlich iſt, 
mögen Sachverſtändige ermitteln. Für die Geſchichte der Stadt Ziegenhals und ihrer Umge— 
gend (von der wir bis jetzt nur Nachrichten ſeit dem 15ten Jahrhunderte hatten), ſo wie deſ— 
ſen, was die Biſchöfe von Breslau für den Anbau des Landes gethan, wird dieſe Urkunde 
immer wichtig bleiben, und es iſt nur zu bedauern, daß bisher für die ältere äußere Geſchichte 
des Bisthums höchſt wenig, für die innere ſo gut als gar nichts geſchehen iſt. Die Biſchöfe 
Ciprian, Laurentius, die beiden Thomas, Precislaus und andere haben es ſicher nicht ver— 
dient, daß ihre Geſchichte ſo unwürdig vernachläßigt wird. Der päpſtliche Legat Jacob, Ar— 
chidigconus von Lüttich, ſpäter als Papſt Urban IV., erinnert in den von ihm in Breslau im 


197 


Jahre 1248 bewirkten Synodalſtatuten nicht mit Unrecht daran, daß die Zehnt-Rechte der 
Kirche mit großer Anſtrengung, ja mit Blut errungen worden. Die Geſchichte jener Biſchöfe 
zeigt die Wahrheit deſſen, was er ſagte Der tauſendſte Theil des Zehnten nur für ein Jahr 
würde noch jetzt hinreichen, ihre Geſchichte der Dunkelheit zu entreißen, mit der ſie ſeit Jahr⸗ 
hunderten bedeckt iſt. 

Ueber den Anbau eines andern gandſtriches geben die beiden Urkunden B. und C. Aus- 
kunft. Herzog Heinrich I. von Schleſien, und ſeit 1230 zugleich von Polen und Krakau, 
ſchenkte im J. 1230, mit Zuſtimmung feines Sohnes Heinrich, welcher ſpäter, im J 1241, 
bei Wahlſtatt gegen die Mongolen blieb, der damaligen Probſtei zu Kamenz des Auguſtiner— 
Chorherren-Stifts unſerer lieben Frauen auf dem Sande bei Breslau, hundert und funfzig 
Hufen Waldes zwiſchen Cbanowo (jetzt Banau, weſtlich von Kamenz,) und der Preſeca, mit 
der Beſtimmung, was innerhalb dieſer Gränzen von hundert und funfzig Hufen abgehe, ſolle 
jenſeits der Preſeca hinzugefügt werden; zugleich geſtattete er dem Stifte, dieſe Hufen nach 
Deutſchem Rechte auszuſetzen, wie es alle Deutſchen in Pilavia (Peilau bei Reichenbach) 
und in andern Ortſchaften hätten | 
| Das Kamenzer Stift war (jedenfalls indeffen, wie die Urkunde B. zeigt, erſt nach dem 

J. 1230,) von Ciſtercienſern eingenommen, und dieſen, auf Vermittelung des Biſchofs Tho— 
mas I. von Breslau, im Jahre 1248 von den Auguſtiner-Chorherren auf dem Sande bei 
Breslau überlaſſen worden. Thomas J. beſtätigte nun im J. 1260 (Urkunde C.) die Be— 
ſitzungen und Zehnten des Kamenzer Stiftes, und ſagt ausdrücklich, Herzog Heinrich I. habe 
dieſem einen unangebaueten Strich Landes vom Kloſter an bis zu den Gränzen zwiſchen Po— 
len und Böhmen gegeben, in welchem folgende Dörfer lägen, d. h. hier doch, ſeit dem Jahre 

1230 neu angelegt worden wären: Heimichs wald Dorndorf, Hemmersdorf, Meyfritzdorf 
und Folmersdorf. Als Biſchof Heinrich im J. 1316 die Zehnten des Kloſters Kamenz be: 
ſtätigte, nannte er die Zehnten von der geſammten Wüſte (de toto deserto), welche die vier 
Dörfer Meynfridisdorf, Wolfmarisdorf, Henrichswalde und Heymrichsdorf enthalte, ohne 

Helmirici villa anzuführen, was ich deshalb für Hemmersdorf halte, weil ſich weiter kein 
Dorf ähnlichen Namens in dieſer Gegend befindet, Dorndorf aber ehedem Dürr-Heinrichsdorf 
hieß man müßte denn annehmen, Hemmersdorf ſei villa Hemrici oder Heymrichsdorf, und 
Dorndorf oder Dürr-Heinrichsdorf villa Helmrici, was mir unwahrſcheinlicher iſt. Die 
Urkunde vom Jahre 1316 ſagt noch erläuternd: in der Urkunde des Biſchofs Thomas (vom 
J. 1260) wären nur allgemein angegeben die Zehnten von Grottkau und deſſen Bezirks, und 
die Zehnten von Michelau und deſſen Bezirks; das habe für jene Zeit genügt, theils weil 
jeder Bezirk damals die Gränze der Herrſchaft ſeines Beſitzers gehabt, theils weil damals jeder 
der Bezirke mit großen Wäldern umgeben geweſen ſei, die im Laufe der Zeit ausgerodet und 
in Ackerfelder verwandelt worden wären, wodurch das Kloſter mehr Zehnten erhalten und die— 
ſen von den ſeitdem angelegten Dörfern nun ſeit vielen Jahren beſitze. Der Bezirk Grottkau 
enthalte folgende Dörfer: Gola (Guhlau), Dimidia villa (Halbendorf), Sors ad vocato- 
rum (wahrſcheinlich ein zur Vogtei der Stadt Grottkau gehöriges Ackerſtück), Nova- villa 


—  — 


(Neudorf) , Drogotendorf (Drotzdorf), Antiqua-Grotkov (Alt-Grottkau), Villa- 
Cesaris (unbekannt) und Advocati-villa (Yozrgisdorf), ſämmtlich um Grottkau; der 
Bezirk von Michelau umfaſſe die Dörfer Pogrella (Pogrell), Villa-Bohemorum ( Bök- 
mischdorf), Mychalow ſelbſt (Michelau), Taschinberg (Laschenberg), Myristo (unbe: 
kannt), Lypona (Leipe) und Osseck (Ossig). Dann nennt er noch die zum Grottkauer 
Bezirke gehörigen Dörfer Tharnow (T’harnau), welches die Zehnten nicht an Kamenz gebe; 
dagegen werde demſelben der Biſchofs-Vierdung entrichtet in Wyntzemeritz (Winizenberg), 
Woyslai- villa (Woyselsdorf), und an zwanzig Hufen in Lichtenberg, endlich der. — 
zehnte in Zetschotonis- villa (Tscheschdorf) , ſämmtlich im Grottkauiſchen. 


Hier haben wir alſo nicht nur vier bis fünf Dörfer, welche ſeit dem Jahre 1230 in 
dem Walde bei Banau, ſondern noch ſechszehn Dörfer, welche ſeit dem Jahre 1260 im Grott— 
kauiſchen und an deſſen Gränze im Briegſchen um Michelau ganz oder zum Theile neu, ſicher 
größtentheils nach Deutſchem Rechte angelegt und wenigſtens großentheils mit Deutſchen be⸗ 
ſetzt worden ſind. Die ganz neu angelegten Ortſchaften erhielten in der Regel ſogleich 
Deutſche Namen, wie Heinrichswaldau, Hemmersdorf, Folmersdorf, Wolmsdorf, Johnsbach 
u. ſ. w; diejenigen, welche als Polniſche Ortſchaften bereits beſtanden, allein nach Deut— 
ſchem Rechte ausgeſetzt wurden, verloren ihre alten Namen großentheils und bekamen Deutſche. 
Immer wird, wo in den Urkunden zwei Namen für denſelben Ort mit irgend einer Zeitbe— 
ſtimmung vorkommen, der Polniſche Name als der ältere bezeichnet. Unter den Gütern des 
Kloſters Kamenz ſind auf dieſe Weiſe ſehr viele Ortſchaften, welche urſprünglich Polniſche 
Namen hatten, bald darauf nur mit ihrem Deutſchen Namen bekannt; fo Prilane, Fran- 
kenberg, Brasouice, Baumgarten, Predboroua, Schönheide, Grodische, Lampersdory, 
Potuorow, Rügersdorf, Ouesno, Habendorf, Jemna, Raeschdorf, Sagoryz, Wenz- 
leyndorf, Luceboc, Jeryslaindorf, Sosnowe, Wolmsdorf, Plonicza, Dürr - Heinrichs- 
dorf und Dorndorf, Mesnicouo, Vogelsang, Lentawice, Taschenberg, Cirncycz, Frömòs- 
dorf; ferner die dem Kloſter Trebnitz gehörigen Dörfer Jaworek, Hennersdorf, Rozote- 
nicze, Olbersdorf, Rogilnice, Schönwalde, Strankava, Kuntzendorf, fämmtli in nicht 
ferner Umgegend von Frankenſtein. Hierdurch tritt das nach und nach Ueberhandnehmen des 
Deutſchen wohl deutlich genug hervor. 


Wir ſehen ferner aus gleichem Grunde die älteren Polniſchen Namen, welche beibehal— 
ten werden, nach und nach ſo viel als möglich ſich der Deutſchen Zunge gemäß verändern; 
fo wird aus Rogousca Rogau, aus Cbanowo Banau, aus Lopenica Laudnitz, aus Gola 
Guhlau, aus Kittlini Aittlau, aus Zram und Sram Schrom, aus Rosomanca Rosenbach, 
aus Clutzschoua und Cluchowa Kleutsch, aus Slusigowo Schlause u. ſ. w. 


Wir erhalten ferner neue Beweiſe dafür, daß fehr viele Orte ihre Namen von Deutſchen 
Eigennamen, unſtreitig der erſten Anleger, erhielten, das zeigen ſowohl die Namen der Ort— 
ſchaften bei Ziegenhals, wie bei Kamenz. Manche derſelben ſind durch die Mundart des 
Volks ſo entſtellt worden, daß man zuweilen nur ſchwer den urſprünglichen Namen erkennen 


199 


kann, wie das genannte Dorndorf, eigentlich Dürr⸗Heinrichsdorf, Gierſchdorf, Girhardis⸗ 
dorf u. a. m. 

Wie ſchnell ſich in Schleſien die Deutſchen ausbreiteten, und wie zahlreich die Einwan— 
derungen, ſowohl hier als im Krakauiſchen, waren, dafür habe ich ein neues, bisher nicht be— 
kannt gewordenes, Zeugniß aufgefunden. Papſt Urban IV. beſtätigte im Jahre 1263 die 
ſchon erwähnten Synodalſchlüſſe, welche er im Jahre 1238, als Jacob Archidiaconus von 
Lüttich und päpſtlicher Legat mit dem Erzbiſchofe von Gneſen und den Biſchöfen von 
Breslau, Krakau, Kujavien, Poſen, Maſovien, Lebus und Kulm in Breslau abgefaßt hatte. 
Er ſagt darin ($ 7): Es geſchieht zuweilen in dieſen Ländern, daß ein Herzog oder Fürſt, 
um Deutſche Ritter oder Andere in ſeinem Dienſte zu behalten, ihnen Güter in ſeinem Lande 
zu Lehn giebt, deren Koloniſten einer Kirche oder geiſtlichen Perſon von Alters her rechten 
oder vollen Zehnten zu entrichten verpflichtet ſind. Dieſe Ritter nun, um höhern Zins von 
den Aeckern zu erhaltern, thun ſie anderen Bauern aus, denen ſie den Zehnten von der ſechs— 
ten Hufe überhaupt und dann noch den ſechsten Theil des übrigen Zehnten erlaſſen, mit dem 
Verſprechen, ſie wegen dieſer Befreiung gegen die Geiſtlichkeit zu vertreten. Wenn nun der 
Biſchof oder die Geiſtlichen von den Aeckern, welche früher vollen Zehnt gaben, dieſen for— 
dern, ſo werden ſie von den Rittern durch Drohungen und Beſchlagnahme ihrer Güter ge— 
zwungen, davon abzuſtehn. Das wurde nun verboten. 

Es bezieht ſich dieſes Verfahren der Ritterſchaft auf einen, ch Vermittelung des Pap⸗ 
ſtes im Jahre 1227 zwiſchen dem Biſchofe Laurentius und dem Herzoge Heinrich I. abge— 
ſchloſſenen Vertrag, der die älteſten Beſtimmungen über die Zehntverhältniſſe der Koloniften 
in Schleſien und zugleich die erſte Nachricht uͤber die Einführung des Biſchofs-Vierdungs 
anſtatt des Zehnten enthält. Es wurde damals unter andern beſtimmt, daß von der Gränze 
Kroſſens bis zu der von Ottmachau, wenn Wald zum Anbau ausgerodet werden würde, an— 
ſtatt des Zehnten ein Vierdung von jeder Hufe an die Kirche gegeben werde, außer von der 
ſechsten Hufe, welche der Anleger der Dörfer frei von Zehnten haben ſolle (Urkundenſamml. 
von Tzſchoppe und Stenzel, S. 36). 

Ferner heißt es § 12 der angeführten Synodalſchlüſſe (Anhang D.) vom Fleiſcheſſen 
der Deutſchen und Polen: 

Als wir neuerdings durch den Breslauer und Krakauer Kirchenſprengel gingen, traten 
uns die Deutſchen, welche zur Bewohnung dieſes Landes aus Deutſchland angekom— 
men waren, an, und beſchwerten ſich darüber, daß ihre Biſchöfe ſie, wie ſie ſagten, durch 
den Kirchenbann zwängen, in jedem Jahre, vom Sonntage Septuageſimä bis Oſtern, ſich 
des Fleiſcheſſens zu enthalten, weil ſich die Einwohner ihrer Länder (Polens) während dieſer 
Zeit des Fleiſcheſſens enthielten. Weil aber ſie, die Deutſchen, wie ſie ſagten, und ihre Vor— 
fahren gewöhnt wären, bis zum Dinſtag vor Aſchermittwoche immer Fleiſch zu eſſen, weil ſie 
ferner mit dieſer Gewohnheit in dieſe Gegenden gekommen wären, ſie immer beibehalten hät— 
ten und nie ein entgegengeſetztes Gelöbniß oder Verpflichtung eingegangen wären, ſo wollten 
fie nicht, wie fie ſagten, von der Septuageſima bis zur Aſchermittwoche ſich des Fleiſcheſſens 


— — — — 
2 — 


enthalten, noch ihrem Rechte entſagen, da das weder gegen den Glauben, noch gegen den Ge— 
brauch der allgemeinen Kirche ſei. Vorzüglich weil nun auch ſchon viele Bewohner dieſer Ge— 
genden angefangen haben, an den vorgenannten Tagen mit den Deutſchen Fleiſch zu eſſen, 
verordnen wir, fährt der Legat fort, mit Rückſicht auf des Apoſtels Paulus Worte (1. Co: 
rinth. 8, 8.): Aber die Speiſe fördert uns nicht vor Gott! und weil von beiden Seiten die 
Volksmenge dabei betheiligt iſt, daß Ihr (Biſchöfe) ſowohl die, welche an den genannten Ta: 
gen Fleiſch eſſen, als die, welche es nicht eſſen, in dieſer Angelegenheit ihrem Gewiſſen über— 
laſſet, und verbieten, daß irgend Jem and ferner gezwungen werde, an den vorbenannten Ta— 
gen ſich des Fleiſcheſſens zu enthalten oder nicht zu enthalten; wer aber Fleiſch in jener Zeit 
iſſet, ſoll den nicht verachten, der es nicht iſſet, und wer es nicht iſſet, ſoll den nicht richten, 
der es iſſet, indem wir die etwa deshalb erlaſſenen Verfügungen nachlaſſen. | 

Dlugoß (lib. VII. fol. 710) erzählt, in dieſer Synode hätten die Bifchöfe des Gneſe— 
ner Metropolitanſprengels dem päpſtlichen Stuhle den fünften Theil der Kircheneinkünfte auf 
drei Jahre zum Kampfe gegen Kaiſer Friedrich II. bewilligt, als Papſt Innocenz IV. die 
Hälfte aller Einkünfte der Kirchen verlangt habe. Es ſei nun im ganzen Polniſchen Reiche, 
von deſſen Annahme des Chriſtenthums an, alte Gewohnheit und Herkommen geweſen, nach 
Sitte der erſten Kirche, welche von der morgenländiſchen Kirche noch beibehalten werde, die 
Faſtenzeit mit dem Sonntage Septuageſimä anzufangen und bis zum Oſtertage fortzuſetzen. 
Da das nun von vielen nicht gehalten worden, habe es viel Zwiſt zwiſchen Geiſtlichen und 
Laien verurſacht, indem jene harte Strafen über dieſe verhängt, die Laien dagegen eingewen— 
det hätten, von der Römiſchen Kirche ſei jene Gewohnheit in den ihr unterworfenen Reichen 
und Ländern aufgehoben, weshalb auch ſie ſich nach Art anderer Katholiken halten wollten. 
Darüber habe man in der Synode zu Breslau mehrere Tage verhandelt, und der Legat die 
alte Gewohnheit wegen vieler Schwierigkeiten und Anſtöße, die ſie erregt, aufgehoben, und 
ſowohl den Geiſtlichen als den Laien den Genuß des Fleiſches bis zur Aſchermittwoche ge⸗ 
ſtattet. 

Man wird aus dem von uns aus dem Originale mitgetheilten Synodalſchluſſe ſehen, 
wie ungenau die von Dlugoß gegebene Nachricht iſt, indem dies alte Herkommen nicht für 
ganz Polen, ſondern nur für zwei Sprengel und auch in dieſen nicht aufgehoben, ſondern 
nur einem Jeden freigeſtellt wurde, es zu halten oder nicht, was freilich endlich wohl auf daſ— 
ſelbe hinauslaufen mochte, und zugleich wünſchen, daß die noch nicht herausgegebenen Syno— 
dalſchlüſſe des Breslauer Sprengels im Zuſammenhange mit den bereits gedruckten und den 
dazu nöthigen an, bald mögen herausgegeben werden, wozu auch Hoffnung vor— 
handen iſt. 

Jedenfalls entnehmen wir daraus, daß bereits im J. 1248 die Anzahl der eingewan— 
derten Deutſchen in Schleſien und im Krakauiſchen, denn nur von dieſen Sprengeln bezeugt 
es der Legat ausdrücklich, ſo groß war, daß er nicht daran denken konnte, die alte herkömm— 
liche Ausdehnung der Faſtenzeit zu behaupten, da er ſelbſt ausdrücklich ſagt, von beiden Seiten 
ſei die Volksmenge dabei betheiligt. 


— — — nn — 


201 


Beilage IV. 


Verzeichniß der wichtigſten Geſchichtswerke, welche die Seen im 
Laufe des Jahres geſchenkt erhalten hat. 


1) Vom Herrn Profeſſor Boczek: 
Codex diplomaticus et epistolaris Moraviae, T. I. II. Olomuc. 1836 und 39. 
2) Vom Herrn Ordinarius Haupt in Görlitz: 
Neues Lauſitziſches Magazin. 
3) Von der Oberlauſitziſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften in Görlitz: 
g Scriptores rerum Lusaticarum, I. Bandes 1ſte und 2te Lieferung. Görlitz, 
1837 und 1839. 
4) Von dem unterzeichneten Secretair Stenzel: 
| Scriptores rerum Silesiacarum, 2ter Band. 


A. 


Der Biſchof Thomas I. von Breslau entſcheidet die Streitigkeiten der Söhne 
des Vitigo und Sigfried, Vögte Deutſcher Koloniſten in und um Ziegenhals. 
31. Auguſt 1263. 


Aus dem Originale mitgetheilt durch den Herrn Landes-Archivar Boczek in Olmütz. 


In nomine domini amen. Nos Thomas, dei gracia Vratislauiensis episcopus, no- 
tum facimus uniuersis presentibus et futuris, quod cum temporibus predecessoris no- 
stri, felicis recordacionis Laurencii episcopi, ) ad retinendos et excolendos terminos 
Otmuchouienses, quod est castellania specialis episcopatus Vratislauiensis, a fundacione 
cristianitatis collata beato Johanni, aduocaciam eciam illius partis terre contulit dictus 
predecessor noster episcopus L. cuidam uiro strenuo Vitigoni, qui, eosdem terminos re- 
tinens et cultores terre circa illas partes ponens, et que sunt beati Johannis retineret et 
a violenciis eorum, qui indebite fines episcopatus Vratislauiensis niterentur Occupare 
secundum suam defenderet facultatum. Dictus vero Vitigo aduocatus in adiutorium sui 
ministerli competencius exercendi elegit sibi in participium oneris et honoris quendam 


1) Laurentius ſtarb im Jahre 1232. 
26 


202 —— 


uirum probum et honestum, Sigfridum nomine, faciens eum participem et heredes eius 
quarundam utilitatum et iurium, que qualia uel que fuerint ex subsequentibus appare- 
bit. Defunctis autem predictis personis et inter heredes ipsorum quibusdam dissensio- 
nibus subortis uenerunt coram nobis quatuor filii Vitigonis ex una parte, uidelicet 
Moyco, Vitigo, Remboldus, Laurencius, ex altera uero filius Sifridi Theodricus, pe- 
tentes a nobis, ut posteris quid ad ipsos in predictis terris uel iuribus pertineat uel he- 
redibus eorum in futurum debeat pertinere nostris uellemus litteris declarare. Nos 
vero precibus ipsorum inclinati et meritis, utpote quorum patres et ipsi nobis multa 
seruicia fideliter impenderunt, ipsorum peticionem fauorabiliter admittentes, seenndum 
quod ipsos in possessione bonorum et iurium inuenimus, siue ad ipsos ab micio perti- 
nuerint siue nostris temporibus ipsis acereuerint, taliter declaramns.  Filii Vitigonis 
habent aduocaciam et ius iudicandi, ita quod solus Vitigo in causis capitalibus iudex 
sit et eciam in aliis in ciuitate, de iudicato vero in talibus causis due partes cedunt do- 
mino episcopo, tercia vero Vitigoni, de qua sua parte accipiet Theodericus filius Sifridi 
tercium denarium. Sunt triginta mansi ad ciuitatem Cigenals D pertinentes preter pa- 
scua, in istis mansis et in areis ciuitatis; due partes census pertinent domino episcopo, 
dictis filiis Vitigonis et Sifridi tercia, de qua tercia parte habebit terciam partem Theo- 
dericus filius Sifridi. Census autem est talis; quilibet mansus soluit duas denariatas 
auri, que tales esse debent, quod decem pensent scotum, area autem quelibet soluet 
obulatam auri. Macella, in quibus uenditur caro, panis et calcei, sunt ipsorum et ci- 
uium, domus in qua occiduntur peccora partim filiis Vitigonis et Sifridi per medium. 
Duo molendina, que attinent ciuitati talem diuisionem recipiunt, utilitas diuiditur in 
nouem partes, septem partes recipiunt filii Vitigonis cum molendinario, duas partes reci- 
pit Tbeodericus filius Sifridi. In Longa-uilla® sunt sexaginta sex mansi, de hiis habere 
debent filii Vitigonis cum suis amieis quadraginta et unum cum quibusdam ortulis et in- 
sulis et cum iudicio eiusdem uille, quod specialiter pertinet Moyconi, residui mansi perti- 
nent filio Sifridi Theoderico, qui Theodericus, licet in capitalibus causis habeat terciam 
partem de parte Vitigonis, in scoltetiis tamen villarum aliarum in causis minoribus nichil 
habet iuris. In dicta uilla sunt duo molendina, quorum utilitas per medium diuiditur 
inter filium Sifridi et filios Vitigonis. In uilla Nicolai ® scoltetiam nos contulimus filiis 
Vitigonis specialiter, alia autem utilitas tocius uille diuiditur inter filios Vitigonis et 
filium Sifridi per medium. Utilitas eciam omnium aliarum uillarum in censu et decima 
pertinet per medium filiis Vitigonis et filio Sifridi, scilicet in uilla Conradi, ) Andree,“ 


—̃ — 


1) Ziegenhals, Stadt, S. S. O. 2%, M. von Neiſſe. 

2) Langendorf, N. W. ¼ M. von Ziegenhals. 

3) Niklasdorf, S. W. ½ M. von Ziegenhals. 

4) Im Jahre 1268, Kunzendorf, wohl Duͤrr-Kunzendorf, S. O. Y, M. von Ziegenhals. 
5) Im Jahre 1268, Andresdorf, jetzt Endersdorf, S. 1 M. von Ziegenhals. 


203 


Scorosonis,) Lichtenberc,®: et montibus contra 'Cucmantel ? et Vrudental,® in qui- 
bus plenam obtinent iurisdicionem. Nos eciam de speciali gracia addidimus filiis Viti- 
gonis aduocaciam de uilla nostra Villa Luduigi, 5) Volumus autem, ut hec omnia pre- 
dicta in perpetuum a nobis et nostris successoribus teneant, circa nos et honorem no- 
strum fidem debitam obseruantes, saluo iure nostro, quantum ad dominium nostrum in 
collectis et aliis jiuribus domino pertinentibus et mandatis honestis, que volumus ab eis 
firmiter obseruari- Ad perpetuum autem robur eorum, que hic scripta sunt, cartam 
presentem sigillis nostro et nostri capitali confirmamus, in presencia talium, domini 
Nicolai decani Vratislauiensis, Gerlaci prepositi Lubucensis, Gregorii prepositi Opo- 
liensis, Heccardi, Martini, Volkeri, Boguslai, Hartuici, Leonardi, Valentini, Leonardi, 
Thome, magistri Franconis, magistri Petri, Pertconis cancellarii, Virchoslai, Nicolai, 
Dimitrii, scriptum per mannm Alberti corui, datum Vratislauie in ecclesia beati Egidii, 
anno dominice incarnacionis MCCLX. tercio, II. Kal. Septembris. 


. | 
Herzog Heinrich I. von Schlefien ſchenkt dem Kloſter Kamenz 150 Hufen 
Waldes, um ſie mit Koloniſten zu Deutſchem Rechte zu beſetzen. 1230. 


Aus dem Originale im Königlich Schleſiſchen Provinzial: Archive, Das Siegel von weißem Wachſe hängt an 
rothen Seidenfäden. int 


In nomine dei eterni amen. Nos Henricus, dei gracia dux Zlesie, Polonie et Cra- 
cowie, notum facimus presentibus et futuris, quod cum consensu et voluntate dilecti 
filii nostri H. domui beate Marie in Kamenech®) dedimus centum quinquaginta mansos 
magnos de silva nostra ad nos pertinente inter Cbanowo? et Presecam®) sita, et quic- 
quid de centum quinquaginta mansis defuerit ab altera parte Presece dicte domui sup- 


1) Im Jahre 1268, Corosdorf, ob jetzt Kohlsdorf, W. ½ M. von Ziegenh.? Korſchwitz, N. N. W. 
7% M. von Muͤnſterberg, hieß ehemals Skoroſowitz, fo koͤnnte, wie aus Scorosonis villa Coros⸗ 
dorf, daraus wohl Kohlsdorf geworden ſeyn, welches noch im 16ten Jahrhunderte zur Voigtei 
von Ziegenhals gehoͤrte. 

2) Im Jahre 1268, Lichtenberch, jetzt nicht mehr aufzufinden. 

3) Zuckmantel, mit feiner Burg Edelſtein, ehemals dem Bisthume Breslau gehoͤrig. 

4) Freudenthal, S. O. 5 M von Ziegenhals. 

5) Ludwigsdorf, N. O. ¼ M. von Biegenhals. 

6) Kamenz, S. O. S. 1 M. von Frankenſtein. 

7) Banau, W. von Kamenz. 

8) Der Namen dieſes wahrſcheinlich Fluͤßchens habe ich bis jetzt nur in dieſer Urkunde gefunden; 
wahrſcheinlich iſt die Rogau gemeint, welche von Wolmsdorf uͤber Maifritzdorf nach Rogau und 
dort in die Neiſſe fließt. 

26” 


204 


pleatur. Dedimus insuper domui dicte et inhabitatoribus ejus dictos mansos jure Teu- 
thonico locare, prout omnibus Teuthonieis in Pilawa!) et aliis villis locatis concessi- 
mus. Ut autem hec nostra voluntaria donatio plenam in perpetuum obtineat firmitu- 
dinem presens proinde documentum sigilli nostri inpressione roboravimus. Actum in 
Nemchi,? anno domini MCCXXX., presentibus, comite Jarozlao castellano de Nem- 
chi, comite Dirscone castellano de Bardo,3) comite Moychone castellano de Sando- 
wel, ) Gallo thesaurario, Miscignewo tribuno tunc in Bardo, et aliis multis. 


C. 


Der Biſchof Thomas 1. von Breslau beſtätigt die Beſitzungen und Zehnten 
is. des Kloſters Kamenz. 14. Mai 1260. 


Aus dem im Königlich Schleſiſchen Provinzial-Archive befindlichen Originale auf Pergament, an welchem an 
gelbgrünen und rothen ſeidenen Fäden die Siegel des Biſchofs und des Capitels von weißem Wachſe hängen. 


In nomine domini amen. Nos Thomas, dei gracia Vratislaviensis episcopus, no- 
tum facimus universis, quod cum in domo de Kamenez canonicorum regularium ordi- 
nis sancti Augustini penitus deficeret observancia regularis, cum fratres in domo eadem 
constituti regulariter non viverent, in uno dormitorio non dormirent, nee in refectorio 
comederent, post multas ammoniciones et comminaciones eisdem canonicis factas, ut 
domum eandem per aliquas personas sui ordinis magis idoncas in temporalibus et spi- 
ritualibus reformarent et ipsi per plures annos id facere contumaciter neglexerunt, 
immo destructi ab emundacione correctionis nostre domum in statu huiusmodi posue- 
runt, quod defecit omnimode tam in personis quam in observancia regulari, tribus so- 
lummodo fratribus in eadem manentibus, vitam et propositum non tenentibus regulare. 
Quare nos zelo dei accensi, de consilio virorum prudentum et specialiter viri honorabi- 
lis, magistri Jacobi archidiaconi Leodiensis, domini pape capellani, tune in partibus 
Polonie et circumadiacentibus domini pape vices gerentis, nunc autem patriarche Ihe- 
rosolimitani, cum consensu capituli nostri, planta inutili dictorum canonicorum fundi- 
tus de domo eadem evulsa, Cisterciensem ordinem in dicta domo plantavimus, speran- 
tes, immo certum habentes, quod per eos debeat in temporalibus et spiritualibus refor- 


1) Peilau, unftreitig das, S. O. von Reichenbach, einer Gegend, in welcher früh Deutſche Koloni— 
ſten angeſetzt waren. 

2) Nimptſch, damals Caſtellanei. 

3) Wartha, eben ſo. 

4) Sandewalde, ebenfalls eine alte anſehnliche Caſtellanei, jetzt kleines Dorf, S. O. %, M. von 
Guhrau. 


20 — 


7 


mari, dictos tres canonicos in locis competentibus commode collocantes. Unde domum 
ipsam ordini Cisterciensi in nomine domini perpetuo confirmamus, possessiones domus 
eiusdem confirmantes eisdem, quarum nomina sunt, ipsum Kamenez, ubi domus eadem 
sita est, Rogousca, ) Istebca, 2) Grochouischa, 9 Pantnou, “ que villa obvenerunt ipsi 
monasterio ex donacione domini Janusii archidiaconi Vratislaviensis, una cum Pantnouo 
Ratayna, 5) quam contulit dominus Martinus Semeniz canonicus Vratislaviensis. Ex 
donacione autem domini Heynrici senioris ducis Slesie collatum est dicte domui quod- 
dam desertum, a monasterio ipso usque ad metas inter Poloniam et Bohemiam, ) in 
quo site sunt iste ville, villa Hemrici, villa Henrici,® villa Helmirici,® villa Mein- 
fridi, 100 villa Volmari. i) Habent eciam ibi Sosnouam, 1 quam contulit domui miles 
Moyek. Habet nichilominus prefata domus ex donacione Vratislaviensium episcoporum 
Cipriani, Laurencii et nostra decimas harum villarum et primo decimas ecclesie de 
Bardo, super qua specialiter predictum monasterium est fundatum, que sunt in Cba- 
noduo, Prilanc, quod modo dicitur Francbere,!® in Pilez, 1% Gerumsualde, 15) Jansbach, 160 
Potuorouo, “ item in Grochouischa hominum ducis, que modo in tria est diuisa, in 
Grochouam, 182) Brasouice, que Pomerium dicitur, 19) et in Paulouiz 20) et eciam in Slu- 


1) Rogau, S. von Kamenz. 

2) Jetzt nicht mehr vorhanden, erſcheint in Urkunden nur bis zum Jahre 1316. Es ſcheint nahe bei 
Kamenz gelegen zu haben und ift vielleicht das jetzige Grunau, dicht bei Kamenz, welches ſich erſt 
in einer Urkunde vom Jahre 1420 vorfindet. 

3) Grochwitz, N. von Kamenz. 

4) Entweder Ober- oder Nieder-Panthenau, O. N. O. 1 M. von Reichenbach. 

5) Vielleicht eins von beiden, entweder Ober- oder Nieder- Panthenau, zum Unterſchiede von dem 
andern, Ratayna genannt. Es kommt auch als Rathagyne in Urkunden nur bis zum J. 1316 
vor. Auffallend iſt, daß dicht bei Panthenau, welches Martin Semenitz geſchenkt hat, das Dorf 
Senitz liegt, wohl der Stammort der altadelichen Familie von Senitz. 

6) Hier iſt ausdruͤcklich die Graͤnze zwiſchen Polen, wozu Schleſien in Urkunden noch lange 7 
gerechnet wurde, und Boͤhmen, d. h. die jetzige Grafſchaft Glatz, zur Anſetzung von Koloniſten 
beſtimmt, wie oben bei Ziegenhals. 

7) Dorndorf, fruͤher Durrinheinrichsdorf, Polonice Plonicza, 1317, Durrendorf, 1351. Wahr⸗ 

ſcheinlich gehoͤrte es urſpruͤnglich zu dem O. dabei gelegenen Plotnitz. 

8) Heinrichiswalda, ſchon im Jahre 1316, jetzt Heinrichswaldau. 

9) Jetzt Hemmersdorf. 

10) Meyfritzdorf, im J. 1316, jetzt Meynfridsdorf. 

11) Folmersdorf, im J. 1316 Wolfmarisdorf. | | 

12) Wolmsdorf, Wolvrami villa, Polonice Sosnoua, im J. 1317. Alle diefe Doͤrfer, von Note 7 
bis 12, S. W. und S. von Kamenz. 8 

13) Schon im J. 1316 Frankenberg, an der Neiſſe, W. von Kamenz. 

14) Piltz an der Neiſſe, W. von Kamenz. 

15) Gierichswalde, 1316 Gerungiswalde, S. W. von Kamenz. 

16) Johnsbach an der Neiſſe, auch W. von Kamenz. 

17) Riegersdorf, Potuorow, quod Rudigerisdorf dieitur 1316, N. W. v von Kamenz. 

18) Grochau, 19) Baumgarten, 20) Paulwitz, ſaͤmmtlich S. W. S. von Frankenſtein. 


206 -——— 


seyouo.) Habet et has decimas de mensa episcopali sibi perpetuo collatas, in ipso 
Kamenez, in Rogousca, in Istebca, in Grochouischa filiorum Jaracii, in Lopeniza,® in 
Gola?) cum 'Kidlini® et Mechnik,® Grodcou®) cum suo circuitu, Michalou? cum suo 
circuitu; item decimam ville de Rosomanca, ) de Predberoua, quod dicitur Sone- 
heyde, ) Cluchoua, 100 Ouesnouo utrumque, 0 de Grodische, que est villa Lamberti, 12 
in villa Burcardi, 1) item decimas in Lusoboe filiorum Jaroslai, % in Ratayna secundum 
quod a domino Martino herede eidem domui est collata, item decimas iuxta Vedrnik 18 
ville cuiusdam, que Voynouici lo) et Golostouici dicitur, “) item de villa Sosnoua, quam 
habent ex donacione militis Moyconis, item decimas de toto deserto, quod contulit dux 
Henricus senior eidem domui, ab ipso monasterio usque ad metas Polonie et Bohemie, 
quas decimas nos de consensu et beneplacito capituli Vratislaviensis diete domui ad 
sustentacionem domus prefate contulimus in perpetuum. Has igitur possessiones et 
decimas superius nominatas, cum omnia hec quiete et pacifice Possideant, cum con- 
sensu capituli nostri perpetuo in nomine domini confirmamus et appensione sigillorum 
nostro et nostri capituli communimus. Datum in Otmuchou, anno domini MCCLX, 

sequenti die ascensionis domini, presentibus hiis, magistro Stephano archidiacono Opo- 
liensi, domino Ecardo, Leonardo, Thoma, magistro Francone, Daleborio, canonicis 
Vratislaviensibus, item capellanis nostris, Leonardo, Petro, Jacobo, Voyslao et Andra, 
per euius manum hec littera est conseripta. 


1) Schlauſe, W. bei Muͤnſterberg, Sluscisowo 1210, Sluysow 1342. 
2) Laubnitz, N. von Kamenz. 

3) Guhlau, N. W. von Nimptſch. 

4) Kittlau, N. von Nimptſch. 

5) Mechnik, Meznicouo, Meznicz, jetzt Vogelgeſang, N. von Nimptſch. 
6) Die Stadt Grottkau. 

7) Michelau, S. S. O. 2 M. von Brieg. 

8) Unſtreitig Roſenbach, N. W. von Frankenſtein. 

9) Schoͤnheide bei Roſenbach. 

10) Im Jahre 1316 Cluzoua, Kleutſch, N. O. von Schoͤnheide. 

11) Im Jahre 1310: Ouesno utrumque quod teutonici Habirdof dicitur, jetzt Habendorf, N. W. 
von Schoͤnheide. 

12) Lampersdorf, N. N. W. 1 M. von Frankenſtein. 

13) Ob Borkendorf, S. S. W. 2 M. von Neiſſe? 

14) Im Jahre 1316 Luzeboc, quod nunc, Jeryslayndorf, dicitur, kommt ſpaͤter nicht mehr vor; 
Giersdorf, im J. 1399 Gersdorf, auch Gerhardeborf, S. S. W. ¼ M. von Frankenſtein; kann 
es nicht wohl ſeyn, vielleicht Jerſchendorf, S. S. W. % M. von Neumarkt. Es hieß ſonſt Jer⸗ 
landsdorf, und liegt an einem Bache, welcher in den jetzt ſogenannten Leiſebach fließt, vielleicht 
ſelbſt ehedem Luſoboc hieß. 

15) Im J. 1316 als Dorf Wedirnyc und Wydirnyk, jetzt nicht mehr aufzufinden, moͤchte aber im 
Nimptſchiſchen gelegen haben, da es auch im J. 1316 mit den folgenden Ortſchaften in einer 
Reihe aufgefuͤhrt wird. 

16) Wohl Wonnwitz, O. N. O. ¼ M. von Nimptſch. 

17) Wohl Golſchau, O. N. O. %, M. von Nimptſch. 


— 1m: 


d. (XII.) De esu carnium Theutonicorum et Polonorum. 


Cum nuper per Wratislaviensem et Cracoviensem dioceses transitum faceremus ac- 
cesserunt ad nos Theutonici, qui ad incolendam terram eandem de Theutonia advene- 
rant, nobis querimoniam deponentes super hoc, quod eorum episcopi, ut dicebant, eos 
per excommunicationis sententiam compellebant ad hoc, ut singulis annis a septuage- 
sima usque ad päsca a carnibus abstinerent, pro eo quod Ybrlänbs regionum illarum 
eisdem temporibus ab esu carnium consueverant abstinere. Sed cum ipsi Theutonici, 
ut dicebant, et progenitores ipsorum consuevissent usque ad feriam tertiam ante diem 
cinerum comedere semper carnes et partes istas cum tali consuetudine intravissent 
eamque continue et sine interruptione servassent nec votum sive obligationem contra- 
riam emisissent, nolebant, ut dicebant, a se ptuagesima usque ad diem cinerum ab esu 
carnium abstinere nec renuntiare super hoc juri suo, cum nec contra fidem nec contra 
observationem universalis ecclesie istud esset, et maxime cum plures ex hominibus 
regionum ipsarum jam prefatis diebus carnes cum ipsis Theutonicis commedere ince- 
pissent. Nos igitur, attendentes quod apostolus Paulus dicit, quod esca nos non com- 
mendat deo et quod hinc et inde multitudo populi est in causa, mandamus, ut tam 
commedentes carnes diebus predictis quam non commedentes in hac parte suis rationa- 
bilibus conscientiis relinquatis, prohibentes, ut ad abstinendum vel non abstinendum ab 
esu carnium diebus predictis nullus predictorum de cetero compellatur, sed qui mandu- 
cat carnes temporibus antedictis non manducantem non spernat et qui non manducat 
non judicet manducantem, excommunicationis sententias si que late sunt propter hoc 
relaxantes. 


G. A. Stenzel. 


Ber i cht 


über 


di e ht hglt der n, Section 
im Sahre 1839. 


Sn dem Geifte und in der Art, wie es seit einer Reihe von Jahren geſchehen, ſtrebte die 
techniſche Section, auch im Laufe des Jahres 1839 die Aufgabe zu erfüllen, welche ſie ſich 
geſtellt, und die ſie in ihren frühern a namentlich in dem vorjährigen, näher ent⸗ 
wickelt hat. 

Die in den nachfolgenden aufgeführten Vorträgen abgehünderten Gegenſtände zeigen die 
praktiſche Richtung der techniſchen Section an, und laſſen wahrnehmen, daß ſie die zur Zeit 
wichtigſten techniſchen Betriebe unſerer Provinz ins Auge faßte. 

Die Gewerbe Schleſiens, ſowohl fabrik- als handwerksmäßig betrieben, gewin⸗ 
nen ſichtlich von Jahr zu Jahr an äußerer Ausdehnung und innerer Vervollkommnung. Die 
Klage über verringerten Gewinn der Induſtriellen darf nicht, wie es in den Augen vieler 
Laien der Fall iſt, als ein Zeichen des Sinkens der Gewerbe angeſehen werden. Es wird 
dieſe Erſcheinung nothwendig durch die in den Zeit- und Welt-Verhältniſſen begründete 
freie Entwickelung aller menſchlichen Thätigkeit herbeigeführt, und findet in dem jetzt unbe— 
ſtrittenen Grundſatze ihre Rechtfertigung: daß die Production nur die Dienerin der Konſum— 
tion iſt. 

Der mit der Bevölkerung und der Ausdehnung des Zollverein-Verkehrs geſtiegene in— 
nere Konſumo und Handel muß unſerer Provinz für ihre induſtriellen Bemühungen mehr, 
als vielleicht irgend einer andern des deutſchen Landes, zum Erſatz dienen für die ſo barba— 
riſch geſperrten alten Handelswege, die ihr ſonſt die Gelegenheit eröffneten, die Früchte ih— 
res Fleißes und ihrer Induſtrie nach den entfernteſten nördlichen und öſtlichen Landen der 
Erde zu verbreiten und ihren Wohlſtand dadurch zu erhöhen. 

Zwiſchen Rußland und Oeſterreich eingeſchloſſen, entbehrt jedoch Schleſien eine fahrbare 
Handelsſtraße nach dem für daſſelbe, in Bezug auf den Austauſch ſeiner Produkte und Fabri— 
kate ſo höchſt wichtigen Großherzogthum Poſen. Schleſien iſt faſt lediglich mit der Verſen— 
dung ſeiner Fabrikate auf die Handelsſtraßen nach Frankfurt an der Oder und Leipzig hinge— 
wieſen. Der Abſatz dahin iſt allerdings der wohlthätigſte für die Provinz; allein eben ſo 


Bea —— 


groß und wichtig würde und müßte es für unſer Land fein, wenn wir unſerer nächften Nach— 
barin, der Provinz Poſen, auf fahrbaren Wegen unſere Fabrikate zuzuſenden und von dort 
die mannichfachſten rohen Stoffe für die Bereitung derſelben zu empfangen im Stande wären. 
Es würde dann ein jetzt noch in der Kindheit befindlicher Verkehr zu einem kräftigen Stamme 
emporblühen und zwei benachbarte Provinzen deſſelben Staates würden innig und gewinn— 
reich verbunden werden. 

Mit Vertrauen blickt aber der Schleſier auf die Schritte ſeiner fürſorgenden Verwal— 
tung, und hofft dereinſt die Hemmniſſe der Induſtrie beſeitigt zu ſehen, ſo weit dieß in der 
Macht der hohen Behörden liegt. 

Unterdeß verſäumen wir keinen Augenblick und keine Gelegenheit, die Induſtrie von 
unten herauf durch Beifall, welchen wir dem Verdienſte ſpenden, und durch Unterricht und 
Austauſch der Ideen, wodurch wir dem Wißbegierigen nützlich zu werden ſuchen, zu fördern. 
Hierzu fühlen wir uns um ſo mehr verpflichtet, als wir durch Unterſtützungen des hohen Mi— 
niſterii der Geiſtlichen-, Unterrichts- und Medizinal- Angelegenheiten, und die des hohen 
Miniſterii der Gewerbe und der Finanzen durch Unterſtützung aufs Kräftigſte angetrieben 
werden. 

Wir verbreiten unter den bedürftigen Gewerbtreibenden ſowohl, als unter den begüter— 
ten die unentbehrlichen und öfters ſchwer zu bekommenden techniſchen Zeitſchriften und erläu— 
tern unſere Vorträge durch zahlreiche phyſikaliſche und chemiſche Verſuche, damit die Theorie 
in der Praxis allezeit ihre unmittelbare Begründung finde. 

Wir fühlen uns gegen die hohen Miniſterien dafür zu dem innigſten Danke verpflichtet, 
und leben der frohen Hoffnung, daß der Induſtrie unſerer Provinz dieſe hohen Gnadenbezeu— 
gungen auch ferner zu Theil werden dürften. 


Herr Magiſter Mücke ertheilte, wie in den frühern Wintzeſemeſtew, unentgeldlicher: 
weiſe Stunden im Zeichnen für Lehrlinge, die bereits bei Meiſtern in der Lehre fanden, 


Es nahmen daran Antheil: 
| 1 Zimmer = Lehrling, 
r 1 Buchbinder: Lehrling, 
1 Zöpfer= Lehrling, 
1 Zifchler: Lehrling, 
5 Formftecher: Lehrlinge, 


überhaupt .. 9 Lehrlinge. 


Folgende Vorträge wurden in den Verſammlungen der techniſchen Section gehalten: 


Am 14. Januar hielt Herr Chemiker Duflos einen, die chemiſche Geſchichte einiger 
der wichtigſten Farbematerialien betreffenden, Vortrag. Derſelbe entwickelte zuerſt die ver— 
ſchiedenen Begriffe, welche in phyſikaliſcher und praktiſcher Beziehung mit dem Ausdrucke 
Farben verbunden werden, definirte dann, worauf die von Baecroft zuerſt gebrauchte 

27 


210 


Eintheilung der Färbematerialien in ſubſtantive nnd adjective beruhe, erläuterte hierauf die 
chemiſchen Grundſätze der Färbekunſt, zeigte, wie unentbehrlich für die rationelle Ausübung 
dieſer Kunſt die Kenntniß der allgemeinen chemiſchen Grundgeſetze und des chemiſchen Ver— 
haltens der einzelnen Farbeſtoffe fei, und ging endlich, um die Richtigkeit dieſer letzten Be⸗ 
hauptung evident darzuthun, zur näheren Auseinanderſetzung der chemiſchen Geſchichte eines 
der wichtigſten derſelben, nämlich des Indigo's, in Bezug auf ſeine Gewinnung, Prüfung 
und verſchiedenartige Anwendung als Färbemittel, über. Mehrere der wichtigern, die ver— 
ſchiedenen Applicationsweiſen des Indigo's begründenden, chemiſchen Erſcheinungen verfinn: 
lichte der Vortragende durch Experimente. | 


Am 11. Februar beſchrieb Derſelbe den Verbrennungsproceß in feinen verſchiedenen 
Details, als einen der wichtigſten und einflußreichſten chemiſchen Vorgänge. Er zeigte durch 
viele, aus dem Leben hergenommene Beiſpiele, daß die meiſten der im gewöhnlichen Leben 
ſich darbietenden Feuererſcheinungen durch eine unter Licht- und Wärme-Entwickelung vor 
ſich gehende Vereinigung eines brennbaren Körpers mit Sauerſtoff bedingt werden, wie— 
wohl allerdings der Sauerſtoff nicht der einzige Körper ſei, welcher als Brenner aufzutreten 
vermöge. Der Sauerſtoff ſei aber in der That die wichtigſte Quelle des irdiſchen Feuers, deſ— 
ſen Intenſität und Wirkung um deſto größer und kräftiger ſei, je mehr Sauerſtoff innerhalb 
einer gegebenen Zeit und eines gegebenen Raumes von dem verbrennenden Körper verzehrt 
werde. Der Vortragende entwickelte die Bedingungen des Beginnens, Fortwährens und 
Aufhörens des Verbrennungsproceſſes, zeigte und verſinnlichte durch Verſuche, wie dieſe Be— 
dingungen verſchiedene Verhältniſſe darbieten, je nach der Individualität und der Beſchaffen— 
heit des brennbaren Körpers und des Sauerſtoffs, ging endlich zur näheren Beleuchtung der 
beiden einzelnen, den ſinnlich wahrnehmbaren Verbrennungsproceß conſtituirenden, Erſchei— 
nungen von Wärme und Licht über, und wies durch Beiſpiele und Experimente nach, daß 
beide, in Bezug auf Intenſität, keinesweges gleichen Schritt halten, ſondern daß dieſe letz⸗ 
tere durch abweichende wirkende Urſachen bedingt werde. Intenſives Licht ſei zwar immer 
mit intenſiver Wärmeentwickelung verbunden, aber nicht immer habe dieſe letztere das erſtere 
als Begleiter. Im Verfolge des Vortrages nahm der Vortragende noch Veranlaſſung, über 
einige, dem Verbrennungsproceſſe verwandte ſpecielle Gegenſtände, als die Davy'ſche Sicher— 
heitslampe, die Glühlampe, das Knallgasgebläſe, Knallgasmikroſkop und endlich das Gebläſe 
mit erwärmter Luft, zu ſprechen, und die beuieihen zum Grunde liegenden chemifchen Verhält⸗ 
niſſe durch Verſuche zu erläutern. 


Am 29. April ſprach Derſelbe über das Zink in chemiſch⸗techniſcher Beziehung, be— 
ſchrieb zuerſt deſſen Vorkommen und die in Schleſien übliche Ausſcheidungsweiſe deſſelben aus 
feinen Erzen, entwickelte dann ausführlicher deſſen Verhältniffe zur Wärme, zum Waſſer, zu 
den Säuren, den Alkalien und den Salzen, inſofern durch dieſelben die Anwendbarkeit und 
Nichtanwendbarkeit dieſes, in vielen Beziehungen ſo nützlichen, Metalles in den verſchiedenen 
Zweigen der Technik und Oekonomie bedingt und modificirt werden, und warnte ſchließlich 


21 —— 


vor deſſen Mißbrauche zu bee welche mit Nahrungsmitteln in irgend eine unmittel⸗ 
bare Berührung kommen. 


Am 2. December trug ferner Herr Chemiker Duflos aus ſeinem noch ungedruckten 
Werke, welches im Laufe des nächſten Jahres unter dem Titel: „Die chemiſchen Hülfsmit⸗ 
„tel der Technik und Induſtrie, nach ihren Eigenſchaften, ihrer Erkennung, Prüfung und 
„Anwendung,“ erſcheinen ſoll, einen Theil des Abſchnittes vor, welcher vom Eiſen und deſ— 
fen techniſch angewandten Verbindungen handelt und folgende §§ umfaßt: § 1. Von dem 
Vorkommen und der Gewinnungsweiſe des Eiſens im Allgemeinen. § 2. Von den verſchie— 
denen Arten des Eiſens, als: Roheiſen, Gußeiſen, Stahl und Stabeiſen. § 3. Chemiſch— 
analytiſche Prüfung des Eiſens. Dieſen Gegenſtand handelte der Vortragende beſonders aus— 
führlich ab; er beſchrieb die verſchiedenen, durch Berthier, Karſten und Berzelius vor— 
geſchlagenen und in Ausführung gebrachten Verfahren, zeigte, wie die Ausführung eines jeden 
derſelben nur die Aufgabe eines in der analytiſchen Chemie ſehr genau bewanderten Experi— 
mentators ſeyn könne, und theilte eine neue, von ihm zuerſt in Anwendung genommene, Un— 
terſuchungsweiſe mit, welche, unbeſchadet der Genauigkeit, mit weit weniger Zeitaufwand 
und Schwierigkeiten in der Ausführung verbunden iſt, und daher auch nöthigenfalls von einem 
ſolchen Experimentator ausgeführt werden kann, der nicht alltäglich von Berufs wegen mit 
chemiſchen Unterſuchungen ſich beſchäftigt. Die Ausführung des Verfahrens ſelbſt wurde 
durch Experimente erläutert. § 4. Verhalten des Eiſens gegen Luft und Waſſer. § 5. Ber: 
halten des Eiſens gegen Alkalien, Säuren und Metalllöſungen. § 5. Verhalten des Eiſens 
zu andern Metallen. 


Den 11. Februar 1839 hielt Herr Profeſſor Dr. Göppert über die Madia sa- 
tiva, eine ölliefernde Pflanze aus Chili, folgenden Vortrag: 


Von mehrern Seiten iſt in unſern Tagen die Madia sativa, wegen ihrer ölreichen Sa— 
men, zum Anbau dringend empfohlen worden. Als ich die Samen derſelben unterſuchte, 
fand ich ſie ſo ölreich, daß ſchon durch gelindes Preſſen mit dem Finger das Oel in Menge 
hervorquoll, wie man nur bei wenigen ölliefernden Samen ſieht, ſo daß allerdings aus dem 
Anbau derſelben, wenn anders, wie nicht zu zweifeln, die Kulturverſuche gelingen, ein we— 
ſentlicher Vortheil erwachſen dürfte. In dieſer Beziehung möchte es dem ökonomiſchen Pu— 
blikum nicht unangenehm ſein, einige nähere Nachrichten über die Pflanze ſelbſt und die da— 
mit in Deutſchland bereits angeſtellten Kulturverſuche zu erfahren. 


Schon Ludwig Feuillée, der 1709 — 11 Chili und Peru auf Koſten des Königs 
von Frankreich bereiſte, erwähnt derſelben in feiner werthvollen Beſchreibung unter dem Na— 
men Madi, und bildet dieſelbe zuerſt ab. Nach ihm preßten oder kochten ſchon damals die 
Eingebornen im ganzen Königreiche Chili aus den Samen derſelben Oel, welches ſie nicht 
nur zur Bereitung von Speiſen und zum Brennen, ſondern auch als Arzneimittel zu ſchmerz— 
ſtillenden Einreibungen benutzten. Er verſichert, es ſüßlich und lieblicher von Geſchmack, als 


17 * 


212 —— 


die meiſten Sorten des Olivenöls, gefunden zu haben. Der Abbe Molina (deſſen Verſuch 
einer Naturgeſchichte von Chili, aus dem Italiäniſchen überſetzt von Dr. J. D. Brandes, 
Leipzig 1786, S. 113) beſchrieb ſie zuerſt ſyſtematiſch unter dem Namen Madia, und em: 

pfiehlt ſie ſchon zum Anbau in Europa für Orte, die des Olivenbaums entbehren. Die, 
welche man anbaut, nennt er Madia sativa, die wilde (Madiviteue oder Melosa bei den 
Eingebornen) Madia mellosa, die ſich jedoch nur durch geringere Größe und lanzettliche, den 
Stengel mit der Baſis ſtärker umfaſſende unterſcheidet, und nach Donn eben ſo wenig, 
wie die Madia viscosa (Cuv. icon. 3, p. 50, t. 298. Jacq. hort. Schönbrunn, 3, p. 29, 
t. 302) ſpecifiſch von Madia sativa abweicht. Alle drei werden ſchon ſeit längerer Zeit in 
deutſchen botaniſchen Gärten kultivirt, und blühen, z. B. in Breslau, Mitte oder Anfang 
Mai ausgeſäet, ſchon im Juli. Die Samenreife erfolgt im Auguſt. 

Die in Rede ſtehende Pflanze gehört in die neunzehnte Klaſſe Linnees, in die Familie 
der zuſammengeſetzt blüthigen Gewächſe (Compositae oder Synanthereae). Die Wurzel 
derſelben iſt einjährig, ſpindelig, etwas äſtig und faferig, weiß. Der Stengel iſt krautartig, 
2 — 3 Fuß hoch, ſtielrund, ſchwach, längsſtreifig, aufrecht oder auch an der Baſis etwas 
niederliegend und dann aufſteigend, ungetheilt nur oberhalb 10 — 12 einfache, einblumige, 
mehr oder minder verlängerte, aus den Blattachſeln entſpringende Aeſtchen tragend. Die 
Blätter ſind zahlreich, die unteren gegenüberſtändig, die oberen abwechſelnd, hellgrün, 4 bis 
3 Zoll lang, 6 bis 8 Linien breit, mit 5 parallelen Längsnerven, von denen die 3 mittleren 
bis in die Spitze auslaufen, die 2 ſchmäleren randſtändigen ſelten bis über die Mitte des 
Blattes hinausreichen; am Rande ganz, aber wimperig haarig, und auch auf den Flächen, 
wie auf allen andern Theilen der Pflanze, mit längeren, weicheren und drüſigen kürzeren 
Haaren verſehen. Die Haare erſcheinen bei hinreichend ſtarker Vergrößerung gegliedert, aus 
4 — 5 Zellen zuſammengeſetzt, eben fo die Stiele der kopfförmigen Drüſen, die namentlich 
in dem oberen Theile eine braune, aus ätheriſchem Oel und Harz beſtehende Maſſe enthalten, 
welche den übeln Geruch und die Klebrigkeit der Pflanze verurſacht. Die gelben Blüthen 
befinden ſich an der Spitze der Aeſte des Stengels zu 15 — 20, in 8 Linien langen und 
einen halben Zoll dicken, halbrundlichen aufrechten Köpfchen vereinigt, aus welchen nun eben 
ſo viele einzelne Samen ſich entwickeln. Die äußere Hülle dieſer Blüthen, allgemeiner 
Kelch genannt, beſteht aus 8 — 10 einreihigen, auf dem nach außen gekehrten Theile gekiel— 
ten und überall drüſig haarigen Blättchen. Die Randblümchen, deren gewöhnlich ſo viel als 
Kelchblättchen zu ſein pflegen, ſind bandförmig, ſeltener unregelmäßig röhrig, und enthalten 
nur einen, mit zweitheiliger Narbe verſehenen Stempel, die der Scheibe oder die der Mitte, 
immer röhrig, an der Spitze regelmäßig fünfzähnig, und beſitzen innerhalb 5 Staubgefäße, 
deren Beutel oder Antheren in ein cylindriſches Bündel verwachſen erſcheinen, durch welches 
der Stempel hervorragt. Da ſich auf dieſe Weiſe beiderlei Geſchlechtstheile in einem Blüth— 
chen vereinigt befinden, nennt man ſie zwittrige oder hermaphroditiſche, die Familie aber, zu 
welcher dies und ſehr viele andere ähnliche Gewächſe gehören, zuſammengeſetztblüthige. Com- 
positae, weil viele einzelne Blüthen von einer allgemeinen Hülle oder einem Kelche umſchloſ— 


— 86 — 


ſen werden, oder auch Synanthereae, wegen der eben angegebenen Verwachſung der Staub— 
beutel. Der Theil, auf welchem dieſe Blüthen ſtehen, oder der Fruchtboden, iſt in der 
Mitte eben und trägt nur gegen den Rand hin 1 — 2 Reihen aufrecht ſtehender trockener 
Spreublättchen. Die Samen ſind glatt, weißlichgrau (die von Madia viscosa ſchwärzlich⸗ 
grau), 3 — 4 Linien lang, an der Baſis verſchmälert, zwar etwas zuſammengedrückt, aber 
auf beiden Seiten mit einem etwas hervorragenden Mittelnerven, daher unregelmäßig vier— 
bis fünfſeitig. Innerhalb der ziemlich harten Hülle von der angegebenen Beſchaffenheit findet 
ſich nun das weißliche, an fettem Oele ſo reiche Samenkorn, deſſen milder Geſchmack etwas 
an den des Hanfes erinnert. Auch die Samen anderer Arten der Gattung Madia, wie die 
von Madia elegans Donn (Madaria elegans De Cand.), von M. quinqueradiata, F. et 
M. und Madia stellata F. et M. aus Kalifornien, wo übrigens nach Donn auch die Madia 
sativa, vielleicht durch Anbau verwildert, vorkommt, enthält eine gleiche Menge fetten Oels, 
wie ſich wohl erwarten ließ, da in der Regel verwandte Pflanzen auch verwandte 
Eigenſchaften beſitzen; ein Erfahrungsſatz, der in der Bearbeitung der ökonomiſchen 
Botanik, ſo viel mir wenigſtens bekannt iſt, bis jetzt noch niemals auf eine, ſeiner Wichtig⸗ 
keit für praktiſche Zwecke entſprechende Weiſe gewürdiget ward. Daß er ſich übrigens auch 
rückſichtlich des Vorkommens von fetten Oelen noch bei andern in dieſelbe Abtheilung der 
Compoſiten (Senecionideae D. C.) gehörende Pflanzen als richtig beweiſt, zeigt z. B. die 
Sonnenroſe (Helianthus annuus), deren Samen man ſchon oft zur Oelgewinnung benutzte, 
und die Verbesina sativa Boxb. (Guizotia oleifera De Cand.), welche nicht nur in Abyſ⸗ 
ſinien, ſondern auch in Oſtindien, vorzüglich in Myſora, zu ähnlichem Gebrauche in großer 
Menge kultivirt wird. Vielleicht findet man auch noch in der Folge den Anbau der Madia 
elegans vortheilhafter, als den der Madia sativa, weil jene größere und mehr Samen ent— 
haltende Blüthen trägt und überhaupt ſtärker wird als dieſe, worüber nur noch fernere Er— 
fahrungen, zu denen vielleicht der bevorſtehende Sommer Gelegenheit giebt, auf genügende 
Weiſe entſcheiden können. 

Mit der Madia sativa hat man in Deutſchland zuerſt in Würtemberg ſeit einigen Jah— 
ren Verſuche in größerem Maaßſtabe angeſtellt, welche dem Ober-Hofgärtner Boſch in 
Stuttgart und dem Freiherrn v. Teſſin zu Hochdorf ſo vortheilhafte Reſultate, im Ver— 
gleiche zu anderen Oelgewächſen, lieferten, daß der Letztere im kommenden Frühjahre eine 
Fläche von 20 Morgen anzubauen beabſichtigt. Aus einem vielleicht hier wenig bekannten 
Aufſatze des Oberforſtmeiſters von Gemmingen im Großherzoglich Badenſchen landwirth— 
ſchaftlichen Wochenblatt, den 30. November 1838, und einer von dem Ober— ⸗Hofgärtner 
Boſch verfaßten Mittheilung, theilte der Verfaſſer nun dasjenige mit, was den Anbau, Ertrag 
und die Benutzung des in Rede ſtehenden Samens betrifft, und daher unſern vaterländiſchen 
Oekonomen von beſonderem Intereſſe ſein dürfte. 


Den 25. Februar 1839 hielt der Herr geheime Commerzienrath Oelsner über Le— 
derfabrikation und die dabei angewandten Gerbeſtoffe folgenden Vortrag: 


— 214 — 


Er entwickelte zuerſt den Begriff des Gerbens überhaupt, zeigte, daß das Gerben dazu 
diene, rohe Thierhäute ihrer Zerſtörbarkeit oder der Fähigkeit, faulig zu werden, zu berauben, 
ſie weich, biegſam und waſſerdicht zu machen, und ſie ſo in Leder umzuwandeln. Hierauf 
gab er folgende Eintheilung der Ledergerberei: 1) Loh oder Rothgerberei; 2) Alaun- oder 
Weißgerberei; 3) Sähmiſchgerberei, und 4) Pergamentgerberei. 

Der Vortragende blieb indeſſen vorzüglich bei der Lohgerberei ſtehen, welche hauptſäch⸗ 
lich durch Lohe hervorgebracht wird, daher auch dieſe Benennung. Unter Lohe verſteht man 
jede reich mit Gerbeſtoff verſehene vegetabiliſche Subſtanz, die ſich in einem verkleinerten Zu— 
ſtande befindet und meiſtens aus Eichen- oder Birkenrinde gemacht wird; jedoch bedient man 
ſich hierzu auch öfter der friſchen Sägeſpähne, ſelbſt des Eichenholzes, der Eichenblätter, der 
jungen Eichenzweige, der Knoppern, der Galläpfel und noch ſehr vieler anderer Gegenſtände, 
von denen aber einige mehr, andere minder wirkſam find. Man nennt dieſes Gerben auch 
Garmachen. 

Daß die Lohgerberei unter allen Gerbereien in der Lederfabrikation die wichtigſte ſei, 
unterliegt wohl keinem Zweifel; denn ſie verarbeitet Ochſen-, Kuh- und Pferdehäute, Kalb— 
und Schaffelle, und wandelt die Häute der Büffel, Eſel, Maulthiere, Schweine und Hunde 
in Leder um. Die meiſten Häute werden entweder zu dem dicken Sohlenleder oder zu ſchwä— 
cherem Brandſohlenleder, oder auch zu Braunzeugleder für Sattler und Riemer verarbeitet; 
die dünnen Felle hingegen gewöhnlich in dünnes Schmal- und Fahlleder zu Schuhen und 
Stiefeln, oder auch in Korduan und Saffian verwandelt. 

Das Verfahren hierbei geſchieht in folgender Art: Nachdem die Häute oder Felle einige 
Tage lang im Waſſer gelegen und von Zeit zu Zeit auf dem Schabebaum mit dem Schabe— 
eiſen auf der Fleiſchſeite von Schmutz, Blut, Fett und andern überflüſſigen Stoffen gereini— 
get worden, werden ſie entweder eingeſalzen oder zum Schwitzen gebracht, um vollends von 
Haaren entblößt zu werden. Das Erſtere geſchieht, indem man ſie auf der Fleiſchſeite mit 
Küchenſalz oder auch mit gepulvertem Steinſalz einreibt, ſie dann haufenweiſe über einander 
legt und fie fo ohngefähr zehn Tage oder überhaupt fo lange liegen läßt bis ihr Geruch an- 
fängt, faulig zu werden und die Haare ſi ſich leicht mit der Hand ausrupfen laſſen. Durch 
das Schwitzen erreicht man daſſelbe in kürzerer Zeit, jedoch iſt hierbei Vorſicht nöthig, damit 
ſich die Häute nicht zu ſehr erhitzen, und deshalb muß man auch oft einen Luftzug hervor— 
bringen. Dieſes Verfahren wird bei den dicken, zu Sohlenleder beſtimmten, Häuten ange⸗ 
wendet, die weniger dicken hingegen kommen in den ſogenannten Kalkäſcher, d. i. eine Grube, 
mit Kalkwaſſer gefüllt und mit Brettern ausgeſchlagen, in welcher 50 Kuh-, Roß- und 
Kalb⸗Felle bequem Platz haben, die im Sommer 3 — 4 Wochen, im Winter dagegen 

10 — 12 Wochen, oder überhaupt ſo lange darinnen liegen bleiben müſſen, bis die Haare 
ſich leicht ablöſen laſſen. 

Hierauf ging der Vortragende zum u cen Gerben der nun ſchon enthaarten Häute 
über. Man legt nehmlich die Häute ſchichtweiſe, mit Lohe ganz eingehüllt, in eine Grube, 
ſo, daß die Narbenſeiten nach unten zu kommen, und begießt ſie ſtark mit Waſſer. Nach 


— DER 


zwei Monaten nimmt man fie heraus, ſpült die anhängende Lohe von ihnen ab und bringt 
fie abermals, wie das erſte Mal, in die Lohgrube, worinnen fie 3 — 4 Monate liegen blei⸗ 
ben, welches die zweite Verſetzung genannt wird. Die dritte Verſetzung mit Lohe geſchieht 
nun auf die nehmliche Weiſe, wie die erſte und zweite, und auch hier bleiben ſie wiederum 
4 — 6 Monate liegen, wo dann die Gahre erfolgt. 

Sodann wird das lohgahre Leder aus der Grube genommen, ſchwach abgetrocknet, auf 
dem Boden ausgebreitet, mit Brettern bedeckt und mit Steinen beſchwert, um die Häute 
zu ebenen, alsdann aber mit trockener Lohe abgerieben und über Stangen aufgehängt, um ſie 
völlig auszutrocknen und hierauf werden ſie fleißig geſtrichen. Wenn das Sohlenleder vol— 
lends gegerbt iſt, ſo zeigt es im trockenen Zuſtande auf dem Schnitte eine braune, marmorirt 
glänzende Farbe; iſt dieſes nicht der Fall, iſt der Schnitt aſchgrau und hornartig, ſo muß 
das Gerben noch längere Zeit fortgeſetzt werden. 

Das engliſche Sohlenleder hat einen vorzüglichen Werth, vielleicht aus dem Grunde, 
weil daſſelbe geklopft und dadurch ganz beſonders verdichtet wird, welches ihm eine längere 
Haltbarkeit verſchafft. 

Dieſe früher gebräuchliche Art der Gerberei hat man nun in neuerer Zeit durch folgende 

Mittel zu verkürzen und zu erleichtern geſucht: 
1 1) durch Anwendung eines Lohauszuges, den man durch einen Aufguß von 
heißem Waſſer auf Lohe oder auch durch Erwärmung derſelben durch Dämpfe und dann durch 
Auspreſſen der erwärmten Maſſe mittelſt der hydrauliſchen Preſſe erzeugt. Mit dieſem Loh⸗ 
auszuge werden die Häute wiederholt übergoſſen, doch muß derſelbe anfangs ſchwächer und 
zunehmend ſtärker angewendet werden, damit die Poren der Häute nicht gleich im Anfange 
ſich zu ſehr zuſammenziehen und für die fernere Aufnahme des Gerbeſtoffes unfähig gemacht 
werden. Bei dieſem Verfahren erſpart man viel an Lohn und Zeit. 


Die Anwendungsmethode dieſes Lohauszuges iſt übrigens bei Engländern, Franzoſen 


und Italienern ſehr verſchieden geweſen. 

2) Ein anderes neu erfundenes Gerbemittel iſt das Erwärmen der Lohbrühe, 
wodurch ſichtbar der Prozeß des Gerbens beſchleunigt wird. Man beſtreicht nehmlich die in 
Rahmen ausgeſpannten Häute auf der Fleiſchſeite mit brenzlicher Holzſäure und bringt ſie 
hierauf 24 Stunden lang in eine Grube, die durch Dampfröhren auf 30 bis 35° Reaum. 
erhitzt wird. Sodann werden ſie noch warm enthaart. Das Gerben geht nach dieſer Me— 
thode, bei zweckmäßig angewandtem Lohauszuge, viel ſchneller von Statten, und kann im 
Winter eben ſo gut, wie im Sommer geſchehen. 

3) Eine dritte Art der Gerberei iſt die Anwendung des mechaniſchen Druckes. 
Man läßt die Häute in der Gerbeflüſſigkeit zwiſchen Walzen durchgehen, und befördert ſo das 
Eindringen der Flüſſigkeit in die Poren der Häute. — Man verfuchte auch 

4) die Anwendung des hydroſtatiſchen Druckes. Die enthaarten, gehörig 
vorbereiteten und gereinigten Häute werden an den löcherigen Stellen waſſerdicht vernäht 
und mit den äußerſten Enden zwiſchen hölzernen Rahmen fo eingeſpannt, daß zwei Häute 


— 2 — 


einen waſſerdichten Sack bilden, in welchen mittelſt einer Röhre die Gerbeflüſſigkeit aus einem 
höher ſtehenden Behälter eingeleitet wird. Die Luft entweicht anfänglich durch eine im mitt— 
leren Rahmen befindliche Oeffnung; dieſe aber wird nach geſchehener Füllung mittelſt eines 
Hahnes geſchloſſen, und nun übt die ganze Säule der Flüſſigkeit ihren Druck auf die Ober⸗ 
fläche der Häute aus, durchdringt dieſelben und bewirkt die Gerbung in ſehr kurzer Zeit. 
Von der Stärke oder Schwäche des hydroſtatiſchen Druckes, der ſich nach der Höhe der Flüſ— 
ſigkeitsſäule richtet, hängt auch die ſchnellere oder langſamere Wirkung der Gerbebrühe ab. 
Nach vollendeter Gerbung wird der Hahn der Zuführungsröhre geſperrt und die Gerbeflüſſig— 
keit mittelſt eines unten angebrachten Hahnes abgelaſſen. Die äußeren Enden der Haut, 
welche ungegerbt bleiben, werden nach dem Auseinandernehmen der Rahmen weggeſchnitten. 

Obſchon dieſes Verfahren einen großen Abgang, wie eben geſagt wurde, verurſacht, ſo 
verdient es doch wegen der Schnelligkeit, mit der es die Häute gerbt, die größte Beachtung 
der Lederfabrikanten; denn ſollte es ſich in der Zeit bewähren, ſo würde das Gewerbe der 
Lohgerberei dadurch eine ganz neue Geſtaltung erhalten. Für ſtarke Büffel- und Stierhäute 
wäre dieſes Gerbungsmittel vorzüglich anwendbar. 

5) Als ein Mittel zur Verbeſſerung der Lohgerberei verſuchte man auch die Anwen— 
dung der Luftverdünnung. Man hängt die Häute ſenkrecht in die Lohbrühe, von der 
ſie ganz bedeckt werden müſſen, und macht dann das Gefäß luftleer. Die in den Häuten 
enthaltene Luft wird auf dieſe Art ausgeſogen, ſo daß die Lohbrühe ſchnell eindringen kann. 
Die Häute werden in den Fäſſern auf Hacken aufgehangen, und auf dem Deckel iſt die Vor— 
richtung zum Auspumpen der Luft angebracht. Die Häute bleiben bei 24 Stunden im 
Faſſe, und nachdem man wieder Luft eingelaffen hat, und die Häute ein paar Stunden in 
dieſem Zuſtande gelegen haben, wird die Operation erneuert. Man hält es für räthlich, 
etwas Oel auf die Gerbebrühe zu gießen. Es wäre zu wünſchen, genau zu wiſſen, in wie 
weit das Gerben hierdurch beſchleuniget werde; der Theorie nach iſt dieſe Methode allerdings 
9 t. 2 

Die letzte Zubereitung des gegerbten Sohlenleders befteht darin, daß es auf dem Trok— 
kenboden getrocknet und zwiſchen Brettern oder in einer großen Schraubenpreſſe gerade ge— 
preßt wird. — 

In England läßt man die dicken Häute, um ſie feſter und geſchmeidiger zu machen, 
durch eiſerne Walzen laufen. Man gerbt fie dort faſt durchaus mit Eichenrinde, welche vom 
Stamme, wenn der Saft auffteigt, abgeſtreift wird. Im Oeſterreichiſchen wird das Sohlen: 
leder größtentheils mit Knoppern, wodurch es gelblich und ſehr feſt wird, gegerbt, und es 
hat ſich erwieſen, daß das gut gegerbte Snppperslzöet dem Eſchenlohleder nicht nur gleich⸗ 
komme, ſondern daſſelbe noch übertreffe. 


Der Königl. Geh. Commerzienrath Oels ner trug ferner Einiges aus der Geſchichte 
der Seidenkultur in der Verſammlung des 18ten Novembers vor, und entwickelte zuerſt, wie 
die Gewinnung der Seide und die Verarbeitung derſelben zu den wichtigſten Erfindungen 


217 


des früheſten Alterthums gehöre, und ſo ſehr auch Griechen und Römer geſtrebt hätten, ſich 
dieſe Erfindung zuzueignen, ſo ſei ſie doch den Chineſen nicht ſtreitig zu machen, in deren 
Lande auch der Seidenwurm eigentlich einheimiſch ſei, und dort ſeinem Naturzuſtande nach 
in der Wildniß ohne alle Pflege von Menſchenhänden angetroffen werde. Es ſolle nämlich, 
nach den Nachrichten des franzöſiſchen Schriftſtellers Goguet, ſchon 2600 Jahre vor 
Chriſti Geburt die vornehmſte Gemahlin des Kaiſers Hoangti, mit Namen Si- lin-chi, 
die Kunſt zuerſt erfunden haben, die geſammelten Cocons abzuhaspeln, Seide daraus zu ge⸗ 
winnen, die gewonnenen ſeidenen Fäden zu weben, und aus dem Gewebe Gewänder, Klei— 
dungsſtücke und andere Gegenſtände zu verfertigen. Sie ſolle nachher dieſe Kunſt unter dem 
chineſiſchen Volke bekannt gemacht und überall Anſtalten getroffen haben, daſſelbe darin zu 
unterrichten, und auf dieſe Weiſe ſei der Seidenbau die bedeutendſte Beſchäftigung der Be— 
wohner China's geworden. 

Die Serer, ein ſcytiſches Volk, welches in dem nördlichen Theile des jetzigen China 
gegen Morgen wohnte, ſollen ſich in dem Seidenbau zuerſt ausgezeichnet haben, daher auch die 
Seide im Late iniſchen Sericum und im Griechiſchen Imgıxov genannt werde. 

Erſt unter Alexander dem Großen ſoll die Seide, bei ſeiner Rückkehr aus Indien, wo— 
hin ſie aus China verbreitet worden ſei, durch ſeine Officiere, welche ſeidene Gewänder mit⸗ 
brachten, in Griechenland bekannt geworden ſein. 

Viel ſpäter lernten fie die Römer kennen; dazu trug Julius Cäſar viel bei, indem er 
bei einem Luſtſpiele in Rom die Schaubühne mit ſeidenen Stoffen belegen ließ. 

Auch habe Tiberius, der dritte Nachfolger des Cäſar, ſchon den Männern den Gebrauch 
ſeidener Zeuge verboten, indem es nur eine Tracht für Frauen ſei, den Männern aber zur 
Unehre gereiche. 

Etwas ſpäter habe man angefangen, halbſeidene Zeuge zu weben, welche aus Wolle und 
Leinen gemiſcht geweſen wären. Die ſpätern Kaiſer nach Tiberius hätten zum Theil bald 
ſelbſt ſeidene Kleider getragen, bald ſie zu tragen verboten. Immer habe ſie in einem ſehr 
hohen Preiſe geſtanden, und nach einem römiſchen Schriftſteller, Flavius Vopiscus, ſolle 
zur Zeit des Aurelian das Pfund der ſelben mit einem Pfunde Gold gekauft worden fein; 
denn man habe noch nicht verſtanden, den Seidenwurm in Europa zu ziehen, ja ſelbſt die 
griechiſchen Kaiſer in Conſtantinopel hätten ihre ſeidenen Waaren nur von den Perſern 
erhalten. 

Erſt unter dem Kaiſer Juſtinian I., welcher von 527 bis 565 der chriſtlichen Zeit— 
rechnung in Conſtantinopel herrſchte, wären durch zwei Mönche aus Seres in Perſien im 
Jahre 555 eine Anzahl Eier von dem Nachtvogel des Seidenwurms nach Conſtantinopel ge— 
bracht worden. Dieſe hätten ſie im folgenden Frühjahre im Miſte ausbrüten laſſen, und 
dann hätten ſie die jungen Raupen mit Blättern vom Maulbeerbaume gefüttert, und ſo wäre 
der Seidenbau nach Europa gekommen nnd habe fi) von Conſtantinopel aus, wo man ſeit 
dieſer Zeit den Anbau der Maulbeerbäume aufs ſtaͤrkſte betrieben, in Athen, Corinth und 
Theben verbreitet. | 

28 


1 
> .—— 


Seit dem Jahre 827 hätten die Saracenen ſchon in Sicilien Seidenarbeiten verfertigt, 
vorzüglich aber ſei unter dem ſicilianiſchen Könige Roger oder Roderich, vom Jahre 1130 
an, die Seidenkultur in Griechenland allgemein verbreitet worden; auch habe derſelbe grie— 
chiſche Seidenfabrikanten nach Calabrien verſetzt, und ſo habe ſich die Seidenkultur von dieſer 
Zeit an in Italien einheimiſch gemacht, von wo ſie zuerſt nach Spanien übergegangen ſei. 


In Frankreich fände man die erſten Spuren vom Gebrauche der Seide in den Zeiten 
Karls des Großen, wo mehrere ſeiner Officiere und Hofleute in Seide, welche ſie auf den 
Heereszügen in Italien erhalten hätten, gekleidet geweſen wären; doch zeige ſich nicht deut— 
lich eine Spur, daß man nach dieſer Zeit die Seide in Frankreich kultivirt habe. Erſt Lud— 
wig XI., König von Frankreich, ſoll in Tours im Jahre 1470 die erſte Seidenmanufaktur 
angelegt Haben, zu der er die Arbeiter aus Genua, Venedig, Florenz und Griechenland habe 
kommen laſſen. König Heinrich II. von Frankreich habe dereinſt weiße Maulbeerbäume 
pflanzen, und Heinrich IV. im Jahre 1603 in dem Garten der Tuilerien eine Maulbeer— 
pflanzung im Großen anlegen laſſen, und auf die Art habe ſich beſonders durch den Miniſter 
Heinrichs IV., den berühmten Sully, die Seiden-Fabrikation zu einem der erſten Ge— 
werbszweige in Frankreich emporgehoben, da die Franzoſen das ganze 17te und 18te Jahr: 
hundert hindurch bemüht geweſen wären, dieſelbe zu vervollkommnen und zu verbreiten. 


In England habe König Jakob I., der 1603 den engliſchen Thron beſtieg, während 
ſeiner 22jährigen Regierung zuerſt Maulbeerzäune pflanzen, Seideanvütmkr ziehen und Sei⸗ 
den- Manufakturen anlegen laſſen. 


Aber in Deutſchland wurde die Bearbeitung der Seide erſt ſpat Gegenſtand des bürger— 
lichen Gewerbes, und zwar kann man mit Recht ſagen, daß die Seidenwirkerei erſt durch die 
franzöſiſchen Flüchtlinge in unſerm deutſchen Lande wahre und zweckmäßige Ausbreitung ge— 
funden habe; denn nach dieſer Zeit hob ſich, beſonders in Berlin, wo die franzoͤſiſchen Flücht— 
linge, nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes, freundlich aufgenommen wurden und 
eine eigene Kolonie bis in die ſpäteſten Zeiten dort bildeten, die Fabrikation ſeidener Waaren 
in jeder Art, daher auch die meiſten Kunſtwörter Franzöſiſch ſind. Dieſe proteſtantiſchen 
Flüchtlinge, welche ihre Kunſtfertigkeiten, die ſie aus ihrem alten Vaterlande mitbrachten, im 
neuen verbreiteten, waren es, die ſpäterhin vorzüglich Friedrich den Großen bewogen, überall 
in feinen Staaten die Pflanzung des weißen Maulbeerbaumes zu befehlen und ſo die Seiden— 
raupe zu acclimatiſiren. 

Unter unſerm jetzt regierenden Monarchen waren daher der Staatsminiſter v. Struen— 
ſee und v. Schuckmann auf alle Art bemüht, in dem Geiſte Friedrichs des Großen fort— 
anten und ſo den Seidenbau immer mehr zu befördern. 

Auch iſt dieſe Idee in der neuern Zeit wiederum lebendig geworden; jedoch behält ſich 
Referent vor, zu einer andern Zeit über Seidenbau und Seidenkultur in den Fade 
Staaten beſonders zu ſprechen. 8 


219 


Der Doctor der Philoſophie, Herr E. M. Hahn, hielt einen Vortrag „Ueber die 
Einrichtung und den Gebrauch des Proportionalzirkels. u 


Er gab zunächſt ſehr einfache Hülfsmittel an, nach denen der Techniker 10 weten der 
auf dem üblichen Proportionalzirkel anzutreffenden Linien, insbeſondere die arithmetiſche 
Linie, die geometriſche Linie und die Linie der Körper, ſelbſt anfertigen könne; 
und wie ihm beſonders Behufs der beiden letzteren die Tafeln der Quadrat- und Kubikwur— 
zeln, welche auch in ſeiner Sammlung mathematiſcher Tafeln anzutreffen find, die Anferti- 
gung derſelben erleichtern. 


Hiernächſt zeigte er die Anwendung einer jeden dieſer Linien zur Yuflöfung verſchiede⸗ 
ner, dem Techniker öfter vorkommenden Aufgaben, und zwar: 


A. Die arithmetiſche Linie. 


Aufgabe 1. Eine gegebene gerade Linie in eine beſtimmte Anzahl (z. B. 7) gleicher 
REF Theile zu theilen? 
Aufgabe 2. Von einer geraden Linie, deren Länge in Zahlen gegeben iſt, einen 
Theil von einer gegebenen Anzahl ſolcher Theile abzuſchneiden? (3. B. von 
einer Linie von 120 Fuß Länge einen Theil von 25 Fuß abzuſchneiden.) 
Aufgabe 3. Zu zwei gegebenen geraden Linien (40“ und 20°) die dritte, oder zu 
drei gegebenen geraden Linien (607% 30% 50°) die vierte Proportionallinie zu 
finden? | 
Aufgabe 4. Eine gegebene gerade Linie nach einem vorgeſchriebenen Verhältniſſe 
(z. B. 40 zu 53) zu theilen? 
Aufgabe 5. Wenn der Durchmeſſer eines Kreiſes gegeben iſt, eine gerade Linie zu 
zeichnen, welche ſeiner Peripherie gleich ſei? 


B. Die geometriſche Linie. 


Aufgabe 6. Eine geradlinige Figur zu zeichnen, welche einer gegebenen geradlinigen 
Figur ähnlich und ein beſtimmtes Vielfaches derſelben ſei; oder: einen Kreis zu 
zeichnen, welcher ein beſtimmtes Vielfaches von einem gegebenen Kreiſe ſei? 

Aufgabe 7. Den Proportionalzirkel ſo zu öffnen, daß die Kea lc Linien einen 
rechten Winkel bilden? 

Aufgabe 8. Eine Figur zu finden, welche der Summe zweier, ähnlicher Figuren gleich 
und jeder derſelben ähnlich ſei? 

Aufgabe 9. Eine Figur zu finden, welche jeder von zweien gegebenen Figuren ähn— 


lich und der Differenz derſelben gleich ſei? 
28 * 


— 220 


C. Linie der Körper. 


Aufgabe 10. Die Seite eines Körpers zu finden, welcher einem gegebenen Körper 
ähnlich ſei und ein beſtimmtes Vielfaches deſſelben enthalte? 


Aufgabe 11. Die Dimenſionen eines Körpers zu finden, welcher einem gegebenen 
Körper ähnlich ſei, und welcher dem räumlichen Inhalte nach zu dieſem ein be⸗ 
ſtimmtes Verhältniß habe? 


Die Auflöſungen dieſer verſchiedenen Fragen, mit Hülfe des in Rede ſtehenden Werk— 
zeugs, wurden ſehr faßlich mitgetheilt und durch Anwendungen auf een des gewerb— 
lichen Betriebes erläutert. 


Am 14. Januar hielt Herr Dr. jur. Geyder einen Vortrag über die Verhältniſſe der 
Gewerbtreibenden in Schleſien gegen das Ende des 14ten Jahrhunderts. Nachdem er ge— 
zeigt hatte, auf welche Weiſe die Verbindungen der Handwerker entſtanden und allmälig zur 
Selbſtſtändigkeit gelangten, erörterte er die Bedeutung der in ihnen und durch ſie ſelbſt ent— 
ſtandenen Rechte, die zum Theil aufgezeichnet, zum Theil durch das Herkommen erhalten 
wurden. Es wurde darauf angedeutet, wie dieſe Verbindungen nach und nach ihre Bedeu— 
tung verloren und ſo das Bedürfniß ihrer Auflöſung entſtand. Dieſe allgemeinen Erörterun— 
gen wurden nun näher erläutert durch die Darſtellung der Verhältniſſe der Gewerbtreibenden 
in Schleſien gegen das Ende des 14ten Jahrhunderts. Es wurde zu dem Ende der fünfte 
Artikel eines noch ungedruckten, im Jahre 1399 zu Liegnitz von Nicolaus Wurm verfaßten 
Rechtsbuches (vgl. Böhme: Dipl. Beitr. III, 62 ff.) interpretirt, welcher Capitel 1 von den 
Handwerken einer Stadt, Capitel 2 von den Tuchmachern und von denen, die dazu gehören, 
Capitel 3 von den Schneidern u. ſ. w. handelt. Es wurde namentlich angedeutet, daß, ob— 
gleich Wurm von den Grundſätzen des Römiſchen Rechts befangen war, er es dennoch nicht 
vermochte, das durch eigenthümliche Sitte und Gewohnheit Begruͤndete bei Seite zu laſſen, 
und daß ſein Werk bei allen Mängeln eine ſehr ſchätzbare Quelle für die Culturgeſchichte un— 
ſers Vaterlandes während des 14ten Jahrhunderts iſt. 


Herr Dr. Kletke hielt einen Vortrag über den am 15. April 1839 vorge— 
zeigten Pferdegöpel mit ſpiralförmigem Korbe. 

Zuerſt ſprach der Vortragende im Allgemeinen über die zur Förderung des Erzes aus 
beträchtlicheren Tiefen dienenden Göpel oder Gapel mit cylinderförmigem Treibkorbe, 
und entwickelte die Nachtheile, welche eine ſolche Conſtruction bei einer Tiefe des Füllortes 
von 100 Klaftern und darüber, wo ſehr ſtarke und ſchwere Zugſeile erforderlich ſeien, noth— 
wendig mit ſich führen müſſe. Es habe nämlich die Kraft der Pferde zu Anfange des Trei— 
bens, da ſich die Gewichte der Tonnen beiderſeits fortwährend ausgleichen, außer der Ladung 
noch das Gewicht des ganzen Zugſeiles (an dem die Laſt hängt) zu ziehen; weil aber, je 
höher die Laſt ſteige, einerſeits das Gewicht des Zugſeiles ſich mindere, andererſeits das Ge— 


221 


genſeil, welches mit der leeren Tonne hinabgehe, immer länger werde, ſo werde auch der Wi— 
derſtand, den die Pferde zu überwinden hätten, in doppelter Hinſicht geringer, und bei einer 
gewiſſen Höhe ſogar Null, nämlich dann, wo das Gewicht des abgewundenen Seiles eben ſo 
viel als das Gewicht der Ladung und des Zugſeiles betrage; bei noch größerer Verkürzung 
des Zugſeiles würde der Widerſtand ſogar negativ, und die Pferde ſeien, ſtatt zu ziehen, an— 
zuhalten genöthiget; werde nun auch der ſogenannte Schlepp- oder Gapelhund angehängt, 
um einen neuen Widerſtand zu bilden, ſo ermüde doch dieſe ungleichförmige Anſtrengung die 
Pferde weit mehr, als bei einem gleichmäßigen Zuge. Um einen ſolchen zu bewirken, gab 
der Vortragende mehrere Vorrichtungen an, bei denen die Laſt der Seile und Treibſäcke be— 
ſtändig unter einander ausgeglichen würden, die Pferde mithin nur die Laſt des zu fördernden 
Erzes zu ziehen hätten, gab aber der von dem Ritter Franz von Gerſtner in deſſen Abhand— 
lung „über die Spirallinien der Treibmaſchinen und einige dazu gehörige Verbeſſerungen, 
„Prag 1816,“ beſchriebenen Seilleitung als einer vollkommen zuverläſſigen den Vor— 
zug, welche ſich auch an dem auf der Herrſchaft Pürglitzer Eiſenwerken in Böhmen auf dem 
Berge Krußna-Hora ſeit 1793 erbauten, eine Ladung von 15 Centnern Erz in der 
Tonne fördernden und über dreißig Jahre ohne einen Unfall zur Erzförderung verwendeten 
Pferdegöpel mit ſpiralförmigem Korbe vollkommen bewährt habe. Der Vortra— 
gende zeigte hierauf ein vollſtändiges Modell dieſes Pferdegöpels vor und erklärte es in ſei— 
nen Details. 

Der Haupttheil deſſelben ſei ein Spiralkorb, in Geſtalt zweier, mit ihrer kleineren 
Grundfläche auf einander ſtehenden abgeſtutzten Kegel mit Spiralgewinden, ſo daß in dem 
einen das Zugſeil ſich aufwinde, wenn in dem andern das Gegenſeil ſich abwinde. Die Höhe 
des Gewindes werde durch die Anzahl der Windungen und die Dicke der Kette oder des Sei— 
les, die Länge durch die Tiefe des Schachtes beſtimmt; der Durchmeſſer der Spiralwindun- 
gen, ſowohl für den Anfang als das Ende, fo wie für die dazwiſchen liegenden mittleren Ge— 
winde, laſſe ſich durch algebraiſche Rechnung beſtimmen. In der Mitte des Korbes diene 
ein cylinderförmiger Theil zum Aufwinden der leeren Ketten für verſchiedene Teufen. Der 
Korb werde um feine lothrechte Axe durch einen 6 % Klafter langen Schwengbaum umge— 
dreht, der in ſchiefer Richtung durch die Welle, den untern und obern Radkranz des Korbes 
gehe und an ſeinem unteren Ende eine horizontale Scheibe trage, in welcher der Reihnagel 
ſtecke, und die dazu diene, eine Deichſel in horizontaler Lage zu erhalten. Die Seillei— 
tung beſtehe aus einem hölzernen Rahmen, welcher an jeder Seite eine Walze trage, auf der 
die Ketten oder Seile liefen und an den betreffenden Gewinden horizontal geführt würden. 
Dieſe Walzen ſeien jede etwas länger, als der Unterſchied des größten und kleinſten Halbmeſ— 
ſers des Spiralkorbes, befänden ſich über einander um die halbe Höhe des Korbes, und wür— 
den zu Anfange des Treibens ſo geſtellt, daß die Oberfläche der unteren Walze mit dem 
kleinſten Gewinde des untern Kegels, und zu gleicher Zeit die Oberfläche der oberen Walze 
mit dem größten Gewinde des oberen Kegels des Spiralkorbes ſich auf gleicher Höhe befinde. 
Damit nun aber der dieſe Walzen tragende und die Seile leitende Rahmen zugleich mit jeder 


— — 

Umdrehung des Korbes, je nachdem man dieſen vor- oder rückwärts treibe, um ein Gewinde 
ſich hebe oder ſenke, greifen die an den mittleren Säulen des Rahmens befindlichen Kämme 
in ein an dem oberſten Rande des Korbes befindliches, vor dem die Seile faſſenden Spiral— 
gewinde um einige Zoll vorſpringendes Gewinde von gleicher Höhe ein, nach Art einer 

Schraube ohne Ende. Der ſich ſo ſenkrecht hebende und ſenkende Rahmen der Seilleitung 
werde getragen durch zwei Paar einander entgegenſtehende Leitarme, die an dem Gerüſte um 
Nägel beweglich ſeien, und durch einen mit Steinen gefüllten Kaſten im Gleichgewicht er— 
halten. Um die Maſchine an jedem Orte bei nöthigen Reparaturen im Schachte oder ſonſt 
ſogleich anhalten zu können, diene das Bremswerk, beſtehend aus zwei Bremsbäumen, 
welche vom Göpelhauſe horizontal bis zum untern Randkranze des Korbes gehen und daſelbſt 
mit zwei angeſchraubten Reibhölzern von hartem Holze verſehen ſeien, durch deren Druck 
und Reibung an dem unterſten, etwas vorſpringenden Radkranze die Bewegung des Korbes 
aufgehalten werde. Dieſe Bremsbäume ſeien beweglich um zwei in dem Zimmerwerke des 
Göpelhauſes befeſtigte Nägel, ſeien vorn jede mittelſt einer eiſernen Stange an dem Zimmer: 
werke des Göpels aufgehängt, und würden durch Umdrehung einer lothrechten Bremsſäule 
mittelſt eiſerner Lenkſtangen an den Korb herangezogen. Dieſe Bremsſäule werde umgedreht 
durch eine horizontale Zugſtange, dieſe gezogen durch ein Kunſtkreuz, welches durch das Ge— 
wicht eines von einem ſeiner Arme ſenkrecht herabhangenden Balkens bewegt werde. Wenn 
dieſer Balken, während der Bewegung der Maſchine durch einen Hebel und Vorſtecknagel 
gehalten, durch Herausziehen dieſes Nagels vermöge ſeines Gewichtes herabſinke, würden 
die Bremsſäule gedreht, die Bremsbäume angezogen und die Maſchine zum Stillſtehen 
gebracht. 9. * 


Am 15. April hielt der Herr Kammerherr Baron von Forcade einen Vortrag über 
Sparkoch-Apparate für mittle und kleine Haushaltungen. 

Zuvörderſt äußerte ſich der Herr Vortragende darüber, daß unter allen zeither erfunde— 
nen Sparkoch-Apparaten noch keiner exiſtire, der mittlen und kleinen Haushaltungen voll— 
ſtändig Genüge leiſte, weil keiner nach Maaßgabe des weniger zu Kochenden auch verhältniß— 
mäßig weniger Holz bedürfe, was namentlich für dergleichen Haushaltungen, als die Mehr— 
zahl betragend, und bei der täglich zunehmenden Theurung des Holzes von hoher Wichtigkeit 
ſei; daß ferner alle mehr oder minder koſtbar anzuſchaffen, bei Ortsveränderungen ſchwierig 
und nicht koſtenlos zu transportiren wären und den oft ſehr beſchränkten Küchenraum obenein 
noch mehr beſchränkten. 

Hierauf gedachte der Herr Vortragende des von dem Buch- und Steindruckerei-Be— 
ſitzer Herrn Wilhelm Röbling zu Mühlhauſen erfundenen Sparkochheerdes, ſo wie des, 
des Kupferſchmiedemeiſters Chriſtian Dornheim in Langenſalza, bemerkte aber dabei, daß 
bisher über die Brauchbarkeit beider Erfindungen die Erfahrung noch nicht hätte entſcheiden 
können, weil gewiſſe noch zu erfüllende Bedingungen deren Veröffentlichung bis jetzt noch 
verhindert hätten. Zunächſt zählte er die Forderungen auf, die an einen wahrhaft nutzbaren 


* 


Sparkoch-Apparat für mittle und kleine Haushaltungen mit Recht zu machen wären, be— 
ſchrieb hierauf einen eben ſo einfachen, wie bequemen, leicht und koſtenlos transportabeln, 
höchſt wenig Raum einnehmenden, wohlfeil anzuſchaffenden, holzſparenden, für mittle und 
kleine Haushaltungen ſich ganz eignenden und die namhaft gemachten Forderungen vollkom— 
men erfüllenden Sparkoch-Heerd, welchen ein Fräulein Lutz in Jena erfunden habe, und 
der im vorigen Jahre in einer kleinen, bei Frommann in Jena erſchienenen Schrift be— 
ſchrieben ſei. Zuletzt wies er die der Broſchüre beigegebene Kupfertafel zur näheren Erläute— 
rung vor, und zeigte endlich der Verſammlung einen, nach jener Beſchreibung hier gefertig— 
ten, aber aus Eiſenblech beſtehenden, vollſtändigen Sparkoch-Heerd im Großen, die Verſiche— 
rung hinzufügend, daß derſelbe, nach des Herrn Vortragenden ſchon ſeit einiger Zeit ſelbſt 
gemachten Erfahrungen, den an ihn geſtellten Anforderungen vollkommen entſpräche. 


ueber das Fuchsſiſche Wafferglas. 


Vorgetragen vom Herrn Premier-Lieutenant Lutz. 


Bei meiner diesjährigen Anweſenheit in Prag lernte ich den Kaufmann Herrn Batka 
daſelbſt kennen, bei dem ich einen Stoff ſah, der meine Aufmerkſamkeit feſſelte; es iſt das 
Waſſerglas, ein Stoff, der wegen feiner vielfachen Anwendung im Leben zum techniſchen 
Gebrauche unſere Theilnahme in Anſpruch nimmt. Der Erfinder deſſelben iſt der Ober⸗Berg⸗ 
Rath Herr D. H. Fuchs, Profeſſor der Chemie und Mineralogie an der Univerſität zu 
München. | 

Ehe ich zu der Nutzanwendung dieſes nun übergehe, ſei es mir erlaubt, die Darſtellung 
und Gewinnung deſſelben nach Berzelius hier anzuführen. ö 

Das Waſſerglas wird erhalten durch Zuſammenſchmelzung von zehn Theilen kohlen— 
ſaurem Kali, funfzehn Theilen fein gepulverten Quarz und einem Theile Kohle in einem 
Tiegel von feuerfeſtem Thon, bei einer ſechsſtündigen Hitze. Die Kohle wird zugeſetzt, um 
die Kohlenſäure zu zerſetzen, welche die Kieſelſäure nicht ohne Hülfe eines ſtärkeren und län— 
gere Zeit fortgeſetzten Feuers auszutreiben vermag. Man erhält nun ein mit Blaſen erfüll— 
tes und von rückſtändiger Kohle ſchwarzgraues Glas. Aus der Luft zieht es eine geringe 
Menge Waſſer an, bekommt dabei Riſſe und ein mattes Anſehen. Zu dieſer Veränderung 
ſind mehrere Wochen Zeit erforderlich, wenn es in Stücken iſt; dagegen erfolgt ſie bald, 
wenn es gepulvert dem Einfluſſe der Luft ausgeſetzt wird. Verſucht man daſſelbe in dieſem 
Zuſtande von neuem einzuſchmelzen, ſo bläht es ſich durch das Entweichen des Waſſers auf. 
Wird das Glas, nachdem es ſich mit Waſſer aus der Luft verbunden hat, mit Waſſer über— 
goſſen, ſo zieht dieſes die fremden Salze aus, welche ſich in der Pottaſche befanden und die 
im zerfallenen Zuſtande des Glaſes der Einwirkung des Waſſers blosliegen, wobei wenig 
oder nichts von der eigentlichen Glasmaſſe aufgelöſt wird. Läßt man das Glaspulver einige 
Wochen lang für ſich liegen, während man es einmal des Tages umrührt, ſo wittern die 


a2 —— 


Salze aus und laffen ſich dann noch leichter wegſpülen. Von kochendem Waſſer wird das 
Glas vollkommen aufgelöſt, wenn es mit dem vier- bis fünffachen Gewicht deſſelben, das man 
zuvor ins Kochen gebracht hat, vermiſcht wird, ſo daß man das Glaspulver unter fortwäh— 
rendem Kochen in kleinen Portionen und unter fortwährendem Umrühren zuſetzt. Setzt man 
es auf einmal zu, ſo backt es zuſammen und löſt ſich dann ſchwieriger auf. Das Kochen 
wird fortgeſetzt, bis das Alles, was aufgelöſt werden kann, aufgelöſt iſt, wozu drei bis vier 
Stunden nöthig ſind. Wenn die Flüſſigkeit anfängt, konzentrirt zu werden, ſo bekommt ſie 
eine Haut auf ihrer Oberfläche, welche ſich beim Umrühren in der Flüſſigkeit wieder auflöſt. 
Dieſe hat nun die Konſiſtirung eines dünnen Syrups, 1,24 bis 1,25 ſpezifiſchen Gewichts, 
und erhält ſich in bedeckten Gefäßen, ohne von der Luft zerſetzt zu werden. In ie ver⸗ 
dünntem Zuſtande wird ſie von der Kohlenſäure der Luft zerſetzt. 

Die Flüſſigkeit hat ein opaliſirendes Anſehen, iſt dickfließend, ſchmeckt und reagirt alfa: 
liſch. Bei einem ſpezifiſchen Gewichte von 1,25 enthält die Flüſſigkeit 28 Procent kieſel— 
ſaures Kali. Wird ſie weiter abgeraucht, ſo wird ſie zähe, ſo daß ſie wie geſchmolzenes 
Glas in Fäden gezogen werden kann. Läßt man ſie in gelinder Wärme vollkommen eintrock— 
nen, ſo erhärtet ſie zu einer farbloſen, durchſi chtigen, glasartigen Maſſe von muſchlichem und 
glänzenden Bruche, gerade ſo, wie Glas, aber weniger hart; ſie wird nicht von der Kieſel— 
ſäure der Luft zerſetzt. Ihre wäſſerige Auflöſung wird von Alkohol, ſo wie von Salzen, 
z. B. von Kochſalz, kohlenſauren Alkalien u. a. m. gefällt, und ſie hat in dieſer Hinſicht 
mit verſchiedenen Kaliſalzen der ſchwächern Metallſäuren Aehnlichkeit, welche ſich nicht in 
einer, kohlenſaures Kali enthaltenden Flüſſigkeit auflöſen, wenig in kaltem Waſſer auflöslich 
ſind, ſich aber bei fortgeſetztem Kochen in kochendem Waſſer auflöſen. 

Alkaliſche Erden fällen aus der Auflöſung einen Theil der Kieſelſäure, Erd- und Metall— 
Salze fällen ſie vollkommen aus; eben ſo Salmiak, unter Freiwerden von Ammoniak in der 
Flüſſigkeit. Fuchs fand das trockene kieſelſaure Salz zuſammengeſetzt aus 62 Theilen Kie— 
ſelſäure, 26 Theilen Kali und 12 Theilen Waſſer. Dies ſtimmt mit keinem beſtimmten 
chemiſchen Verhältniſſe überein, und läßt vorausſetzen, daß das ſogenannte Waſſerglas aus 
mehreren Sättigungsgraden von kieſelſaurem Kali beſtehen kann, wobei natürlich von dem in 
Waſſer löslichen Verbindungen das für techniſche Anwendung beſte, das an Kieſelſäure 
reichſte iſt. 

Dieſes nun auf dieſe eben angeführte Weiſe verfertigte oder dargeſtellte Waſſerglas wird 
bereitet von Ernſt F. Anthon, hochgräflich Wilhelm von Wurmbrandſchen Mineralwerks— 
und Fabrik-Direktor zu Weisgrün in Böhmen, und von demſelben in Handel geſetzt. Ver— 
kauft bei Wenzel Batka, loco fünf Thaler der Centner, — in thönernen Flaſchen mit wei— 
ten Oeffnungen, im Zuſtande einer dicken gallertartigen Maſſe, die nicht aus derſelben her— 
ausfließt, ſobald man ſie umdreht. Will man dieſelbe anwenden, ſo wird ſie erwärmt und 
in warmes Waſſer unter ſtetem Umrühren gethan. 

Nach den von mir bei unten bezeichneten Verfahrungsweiſen und Anwendungen des 
Waſſerglaſes gemachten Verſuchen zeigte es ſich, fo wie ich daſſelbe beſaß und deſſen ich mich 


225 


bediente, daß die Manipulation mit demſelben in Beinen und geringen e ſehr 
Bes und mühſam fei. 1 

Man behauptet, es könne zu nachſtehenden Imeden angewandt werdens 

1) Als ein ſicheres Mittel zum Anſtrich gegen Feuer, oder es mindere die Empfäng⸗ 
lichkeit für daſſelbe, indem bei heftiger Gluth ein ſolcher mit Weber Maſſe angeſtrichener An 
per nur verkohle. Als Beiſpiel dient: 

Das Münchener Theater iſt damit angeſtrichen. — Einem ſolchen aluiche iſt weder 
die atmoſphäriſche Luft, noch Waſſer ſchädlich. 

Zu einem ſechsmaligen Anſtriche einer Holzfläche von ungefähr 10,000 Quadratfuß 
werden circa 7 — 800 Pfund verwandt. 

2) Leinwand ſoll feiner und feſter werden, ohne daß dieſes Mittel dem Zeuge ſchade; 
eben ſo baumwollene Zeuge. 

3) Zum Glaſiren der Töpfe. 

4) Als Schutzmittel des Holzes gegen Witterungs-Verhältniſſe, den ſogenannten 
Schwamm, Würmer, Fäulniß u. ſ. w.; z. B. Schindeldächer, Gefäße, in denen Flüſſig⸗ 
keiten aufbewahrt werden, Maiſchtonnen. 

Die Erfahrung müßte über dieſen Theil der amen noch eine Entſcheidung her— 
vorrufen, und würde dieſelbe ſich beſtätigen, ſo wäre dieſes Mittel, bei der täglich zunehmen⸗ 
den Theurung des Holzes, von höchſter Wichtigkeit. 2 

5) Als Schutzmittel der Metalle gegen den Roſt. 

6) Als Bindemittel der Farben, und ſolche dann 

7) vermöge des Waſſerglaſes aufzutragen. 

8) Als Kittmittel für Steine, Glas, Porzellan, ſelbſt für die kleinſten Stückchen der— 
ſelben; doch iſt hierbei zu bemerken, daß ſolche zuſammengekittete Theile ſich bei der Wärme 
des Waſſers von 60 Grad Reaumur, wenn ſie darin eingetaucht werden, wieder trennen. 

9) Als Firniß für Möbel, Landkarten, als Klebmittel, um Papier auf Glas und Me— 
tall zu befeſtigen. | 

Döbereiner ſoll behauptet haben, daß das Waſſerglas, als Fiefelfaures Kali, den 
Pflanzenſtoffen bei dem Anſtrich mit demſelben inſofern verderblich wäre, als ſie früher zer— 
ſtört würden, wie ſolches ohne dieſen der Fall nicht wäre. 

Nach den nun von mir hierüber, aber nur im Kleinen angeſtellten Verſuchen ergab ſich: 

1) Die Richtigkeit des von Döbereiner Angeführten: die mit dem Waſſerglaſe 
angeſtrichenen leinenen und baumwollenen Zeuge zerreißen weit leichter, als ohne dieſen An— 
ſtrich; dagegen brannten ſie nicht, wenn ſie mit dem Feuer in Berührung kamen, ſondern 
ſie verkohlten nur. Das Holz widerſtand anfänglich dem Feuer, bei fortgeſetzter Gluth ver— 
brannte es wie jedes andere Holz oder ohne Anſtrich mit demſelben. 

2) Als Schutzmittel der Metalle gegen den Roſt, wenn ſolche mit Waſſer in Berüh— 
rung kamen, bewährte es ſich nicht; dagegen iſt es ein gutes Bindemittel der Farben. Ganz 
vorzüglich fand ich es geeignet als Kittmittel für Glas und Porzellau. Gefäße, namentlich 

29 


die erſteren, konnten Waſſer aufnehmen, welches zu 60 Grad Reaumur erwärmt wurde und 
die zuſammengefügten Theile trennten ſich nicht. 

Als Firniß für Möbel mochte es nicht gut anzuwenden ſein, da es leicht h; 
zum Anſtrich für Landkarten iſt es ſehr gut anwendbar, nur müſſen dieſelben nicht oft gebo— 
gen werden. So haftet das Papier, auf Holz, Eiſen, Glas, Porzellan geklebt, bei richtigem 
Verfahren feſt auf dieſen Gegenſtänden. Die Anwendung als Tapeten-Spiegel, wie in 
neuerer Zeit bemerkt wurde, wäre durch das Waſſerglas wohl in Ausführung zu bringen. 

Wenn aber auch für jetzt bei dem Gebrauche des Waſſerglaſes dieſes in dem oben Ange— 
fuͤhrten ſich nicht überall bewähren ſollte, ſo iſt es doch zu mehreren techniſchen Zwecken anzu— 
wenden und wohl zu empfehlen, welches die 3 durch die damit ungeſtellten Verſuche 
beſtätigen wird. 


— —— — — 


Die techniſche Section hegt den lebhaften Wunſch, daß ſich ihr aus den gewerbtreiben— 
den Klaſſen immer mehr Mitglieder, Belehrung ertheilend oder Belehrung ſuchend, anſchlieſ— 
ſen mögen. Wenn jährlich in kleinen Provinzialſtädten ſich neue Vereine: zur Verbreitung 
wiſſenſchaftlicher Kenntniſſe unter den Handwerkern, bilden, und bei dieſen den ermunternd— 
ſten Anklang finden, um wie viel mehr muß dieß bei unſerer Section in dem gewerbreichen 
Breslau der Fall ſein, da ſie die Mittel und Wege darbietet zur Befriedigung eines der am 
lauteſten ausgeſprochenen Bedürfniſſe unſerer Zeit. 


Oelsner, 
z. Z. Secretair. 


J 


Allgemeiner Bericht über die Arbeiten und Veränderungen der Geſ. im J. 1839. 


Ueberſicht der Arbeiten. 


In der: 


Y 


. Botanifche Section 


naturwiſſenſchaftlichen Section 
botaniſchen Section 
entomologiſchen Section 
Section fuͤr die Sudetenkunde 


oͤkonomiſchen Sektiunn 
vadagogiſchen Section . 


Berichte 


mediciniſchen Section 


hk o e loc, 
3. Chemie 


4. Mineralogie und Petrefactenkunde 


5. Zoologie 


6. Phyſiologie (a. thieriſche Phyſ.) 

(b. Pflanzen- Phyſ.) 

(Ueber die Fixirung mikroſkopiſcher 
Lichtbilder mittelſt des Hydr'⸗Oxy⸗ 


gen⸗Gas⸗Mikroſkops) 
Mediciniſche Section. 
Entomologiſche Section 


Section für Sudetenkunde 


1. Ueber die hypſometriſchen Angele⸗ 


genheiten 2 


2. Ueber den zunehmenden Mangel 


des Holzes 


3. Ueber das Vorkommen der Braun⸗ 


kohle + * * + + + + 


+ 


+ 


über die 
Naturwiſſenſchaftliche Section 


1. Aſtronomie! 2 1. . np 


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In der: 1 
hiſtoriſchen Section, . 


Sec 


tion fuͤr Kunſt und Alterthum 


techniſchen Section 
muſikaliſchen Sections 
Das Praͤſidium der Geſellſchaft 


Abſchl. der allgem; Kaffe im Dec. 1839 


Die 


Zuwachs der Bibl. und Karten⸗Samml. 


neu aufgenommenen Mitglieder 


Thätigkeit der einzelnen Sectionen. 


F. Pädagogiſche Section 
G. Hiſtoriſche Section 
1. Beitrag zur krit. Unterſuchung der 


32 
32 


ils 


b 


2. Nachtrag zur Geſchichte der Burg 


Nachrichten vom Urſprunge des 
Bisthums Breslau 


Falkenſtein 


3. Beitraͤge zur Geſch. der Einwan⸗ 


derung Deutſcher Koloniſten in 
Schleſien und der von ihnen be⸗ 
wirkten Gruͤndung Deutſcher Doͤr⸗ 
fer und Staͤdte 


4. Verzeichniß der wichtigſten Ge⸗ 


ſchichtswerke, welche die Geſell⸗ 
ſchaft im Laufe des Jahres 5 
ſchenkt erhalten hat. 


5. Abdruck einiger Urkunden 
H. Techniſche Section 


194 


201 
201 


208 


Alphabetiſches Verzeichniß der Verfaſſer der in dieſem Jahres ⸗ Berichte 


abgedruckten Beiträge. 


Herr Prof. Dr. Barkow, S. 92. 99. 106. 108. 


— 
— 


AEF 


Senior Berndt, S. 9. 181. 182. 183. 

Prof. Dr. v. Boguslawſki, S. 32. 58. 

Hofrath Dr. Borkheim, S. 7. 88. 105. 

Prof. Brettner, S. 52. 

Hofrath Dr. 11 S. 93. 96. 

Chemiker Duflos, S. 18. 19. 58. 209. 210. 
211. 

Medicinalrath Dr. Ebers, S. 10. 90. 

Prof. Dr. Fiſcher, S. 66. 

Kammerherr Baron v. Forcade, S. 19. 222. 

Haupt⸗Journaliſt Friedrich, S. 125. 

Director Gebauer, S. 4. 84. 

Dr. jur. Geyder, S. 4. 9. 18. 220. 

Dr. phil. Gloger, S. 81. 

Prof. Dr. Goͤppert, S. 4. 5. 6. 19. 73. 81. 
83. 84. 105. 110. 133. 144. 146. 211. 

Dr. med. Goldſchmidt, S. 109. 

Geheimer Hofrath Prof. Dr. Gravenhorſt, 
S. 6. 111. 


— Dr. med. Groͤtzner, S. 100. 
— Dr. phil. Hahn, S. 19. 219. 


4 44a 


Prof. Dr. Henſchel, S. 33. 91. 
Canzliſt Jaͤnſch, S. 111. 

Prof. Dr. Kahlert, S. 3. 10. 21. 22. 
Rector Dr. Kletke, S. 19. 220. 
Gymnaſial⸗Lehrer Klopſch, S. 127. 
Juſtizrath Krauſe, S. 132. 
Pharmazeut Krauſe, S. 5. 139. 144. 
Dr. med. Krauß, S. 103. 

Dr. med. Krocker sen., S. 104. 

Prof. Dr. Kuh, S. 97. 

Prof. Dr. Kuniſch, S. 4. 9 

Lehrer Letzner, S. 114. 

Dr. med. Luͤdicke, S. 101. 


Herr Premier⸗Lieutenant G S. 150. 163. 228. 


— 


Dr. phil. Matzek, S. 120. 

Conſiſtorial⸗ und Schulrath Menzel, S. 4. 9. 

Muſik⸗ Director Moſewius, S. 19. 20. 22. 

Mag. Muͤcke, S. 19. 83. 183. 

Geh. Commerzien-Rath Oelsner, S. 18. 19. 
208. 213. 216. 

Dr. med. Pappenheim, S. 82. 

Prof. Dr. Pohl, S. 52. 53. 54. 


ae Dr. med. Preiß, S. 98. 


Prof. Dr. Purkinje, S. 81. 

Rector Prof. Reiche, S. 4. 180. 

Rector und Oberlehrer Rendſchmidt, S. 111. 
120. 144. 

Dr. phil. Schauer, S. 5. 6. 139. 143. 

Prof. Schilling, S. 120. 121. 

Prof. Dr. Scholtz, S. 6. 

Stadtrath Samuel Scholtz, S. 18. 26. 

Oberlehrer Scholz, S. 180. 182. 

Dr. med. Scholz, S. 6. 141. 

Lehrer Schummel, S. 29. 124. 

Dr. med. Seidel, S. 94. 

Dr. med. Simſon, S. 90. 93. 

Geh. Archivrath Prof. Dr. Stenzel, S. 3. 
9. 10. 188. 193. 194. 201. 203. 204. 
Oberſtlieut. Dr. v. Strantz, S. 20. 23. 54. 
Max. v. Uechtritz, S. 5. 137. 

Geh. Hofrath Prof. Dr. Weber, S. 8. 

Hofrath Dr. med. Weidner, S. 105. 

Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Wendt, S. 8. 
95. 96. 100. 102. 


— Obberlandesgerichts-Referend. Wiesner. S. 9. 


Prof. Wimmer, S. 6. 72. 143. 144. 149. 


— Geh. Hofrath Dr. Zemplin, S. 92.