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Tibrarn of tbe Museum
OF
COMPARATIVE ZOÖLOGY,
AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS,
Founded bp private subscription, in 1861.
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No. 39748.
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Neunundvierzigster
Jahres-Bericht
der
Schlesischen Gesellschaft
für vaterländische Gultur.
Enthält
den Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen
der Gesellschaft |
im Jahre: 1871.
— —
A gvoslau, 1872.
Bei Josef Max und Comp.
j
Inhalt des 49. Jahres-Berichts.
Allgemeiner Bericht über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Ge-
sellschaft im Jahre 1871, vom General- Secretair en
In, Brio rer re Sohle re
Kurze Uebersicht der im Jahre 1871 thätig gewesenen Sectionen:
Die naturwissenschaftliche Section. »......... SooSoRo Bee ee
Dierentomolosische Section. „Sr = .ennosneeuunneennonnennenc nonen.
BRrorsnischel SEcHHon-. 22.2... een seen een nee
Diesmediemische Secttom. . 0... .waneesceurunm ME RL, SO ER Fe HERE
Die meteorologische Section.. .. »» zennonenocorsunen Ne a 0%
Diestechnische Section... an ren aendeneen. U NEE I ua eeie1. Halo etc
Beeskongmische Section» er reesee ereeeeenere
Die Section für Obst- und Gartenbau..... N A
Die historische Section............ RE LA EA
Birespadaaosische Section. ......nnooneee un emensencmossaen OR
Birespinlelamische Section 2.0. een se de
DieStHeheNDechlom. nee ne ee en
Die musikalische Section ........ 28
Biiewarchaolipeische Sechlon 2.2 sera snasssasitee en INTER,
Bericht über die Kassenverwaltung pro 1370, vom Kassirer Geh. Com-
mercienrath Frank . mm: RUN SEINEN
Bericht über die Bibliofheken, der Schlesischen Gesellschaft“ im Jahre
Sale yon. 1h2l,Oelsmerie: 2:8. 5 2sc an ONIDNHN
Bericht über die naturhistorischen Sammlungen der „Schlesischen Gesell-
schaft“ im Jahre 187], vom Conservator Prof. Dr. W. Körber,
Dr Bo oT Ein ern. r>
Bericht über die Thätigkeit der einzelnen Sectionen.
I. Naturwissenschaftliche Section.
Apotheker Jul. Müller: über Veränderungen des Trinkwassers .........
Prof. Dr. Websky: über Vorkommen eines eigenthümlichen, in Tetraeder-
form kryst. Fahlerzes im Zechstein bei Kassel ................
Dr. Carstädt: über das mechanische Wärme-Aequivalent . . .......
Prof. Dr. Poleck: experimentelle Darstellung der continuirlichen Gas-
speetra Im, Stereogeop!. „2 .2.2...2,. aan a. SOHLE
Oberbergrath Dr. Runge: über das am 22. März bei Inowraclaw erbohrte
Bteinsalzlaser „nass N else aa ee
Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer: über Auffindung eines jurassischen
Diluvialgeschiebes' bei Strehlen „u. nl. aodaudsrun. San.
Seite
19
26
+
II Inhalts-Verzeichniss.
. Geh. Bergrath Prof. Dr. Römer: über ein Exemplar der Gattung Recepta-
culites aus dem Kohlenkalke von Rothwaltersdorf (Glatz) .......
— Vorlegung der vom Handelsministerium herausgegebenen geo-
logischen Karte von Preussen nnd Thüringen etc. (Berlin 1870)
und des Bl. III. der geologischen Uebersichtskarte Oesterreich-
Ungarns von Ritter von Hauer........ TR EEE
— über den Jura von Bartin unweit alias deren ER ;
— über ein faustgrosses jurassisches Diluvialgeschiebe mit Ammonites
ornatus var. von Nieder-Kunzendorf (Freiburg) .................
— über Auffindung eines dem Rothliegenden untergeordneten
Brandschieferlagers bei Wünschendorf (Lauban) durch Herrn
RB. Peck:ın Görlitz he a ee a De
— über Auffindung unterdevonischer Grauwacken - Sandsteine bei
Niewachow.(Kuelee, Bolen)y 202, Se ee
Hauptmann A. v. Homeyer: Erinnerungen aus seinem ornithologischen
Studienlebent. na Se LE ee
Staatsrath Prof. Dr. Grube: über die Gattung Lycastis und ein paar neue
Arten derselben Men. Ron oe
— zur kritischen Uebersicht das bisher beschriebenen Terebellen
und über T. anguicomus und einige Serpulaceen .. -.2..........
— über die Fauna des Baikalsee’s, sowie über einige Hirudineen und
Planarien anderer Faunen 2... 02. ne en
— Nachträge zu Vorigem und Vorlage einer Lumbrico-nereis giganlea
Qf.?, einer neuen Oenone und Serohs. .... ....cun.ee,. 337
II. Botanische Section.
Prof, Dr. Ferd. Cohn: über die naturwissenschaftlichen Verhältnisse von
BadıEndowa ee le ee ee ale SE
— über die naturwissenschaftlichen Anschauungsvorlagen von Gott-
hold, Elssner; in’ Eobaun. 2... van. Re are
Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: über Einwirkung der Kälte auf die
Vegetation. „nl ee ER er:
— einige Bemerkungen über das Verhalten der Vegetation im letzt-
vexllossenen (1870/71) Winters. 2222.05 Kek Skate
— zur Erinnerung an Linne (gelegentlich Aufstellung einer Linne-
büste-im botanischen Garten)... v2... EZ ne
Oberlehrer Dr. Stenzel: über fossile Palmenhölzer ...................
G. Stein: Vorlage des General-Doubletten-Verzeichnisses des Schlesischen
botanischen” Tauschverems u 2 ee
Mittelschullehrer G. Limpricht: Vorlage der 7. Lieferung seiner Bryo-
thecafsılesinca Ele) AMELIE RIESE REKEN» BR Se er
— über die Flora von Sagan und Grünberg ..........n.eneenccenn
Apotheker Werner: Vorzeigung zweier um einander geschlungener
Stämme von Periploca graeca aus Freyhahn (bei Liegnitz) und
mehrerer Copal-Einschlüsse....,......... aan SaErBraNe.
Geh. Med.-Rath Professor Dr. Göppert: Vorlage ec Stamm-
Stücke ‚einer (Odeus revoluta....s. une ouusan eine REBELLEN.
Dr. W. G. Schneider: Vorlage einer Sammlung von ihm der Gesell-
- schaft geschenkter mykologischer ete. Monographieen ..........
Seite.
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Inhalts-Verzeichniss.
Privatdocen; Dr. Gustav Stenzel: Vorlage verschiedener von ihm auf
dem Riesengebirge gefundenen Pflanzen ..... inlhäct::
Prof. Dr. Ferd. Cohn: Vorzeigung merkwürdiger Doppelkirschen aus dem
städtischen Hospital-Garten zu Ohlau............22..ucu00enan.
Herr E. Junger jun.: über einen merkwürdigen hybriden Rosensämling
indrahnltehevErschemmungen Vegan re
Herr von Uechtritz: über eine von ihm am Rabenfelsen wei Liebau ent-
deckte neue Veilchenart (vorgelesen durch Dr. Engler).......
Prof. Dr, Ferd. Cohn: über Brefeld’s Empusa radicans und E. muscae.....
Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: Antrag auf eine Denktafel im Riesen-
gehımse, kür Vers. ne. en mad. DIRT
Mittelschul-Lehrer Limpricht: über das Vorkommen der Lebermoose im
schlesisch - mährischen Gesenke, nebst Verzeichniss der gesam-
melten Arten und Anhang: neue schlesische Lebermoose.......
Geh, Medieinal-Rath Prof. Dr. Göppert: Vorlage ungewöhnlich grosser
Beeren eines Juniperus vom Donnersberg..........eeenen.. 2.2. s
Prof. Dr. Ferd. Cohn: Ergebnisse mikroskopischer Untersuchungen des
Wassers aus dem Brunnen Grosse Rosengasse 14 (Typhus-Herd)
— Grundzüge einer neuen natürlichen Anordnung der krypto-
eeimuischen Bilanzen... rne.n...leer es en ae Lee end
Beficht über die zweite ausserordentliche Sitzung der Section und Wander-
Versammlung der schlesischen Botaniker auf Ulbrichshöhe bei
Reichenbach. Apoth. Fick: über geognostische und botanische
Verhältnisse des Eulengebirges. Geheimrath Prof. Dr. Göppert
über bisher unbekannte Zustände beim Veredeln der Bäume.
Forstmeister Tramnitz: über Forstzuwachskunde und die prak-
tische Bedeutung des Pressler’schen Zuwachsbohrers und dessen
„„mathemat. Aschenbrödel“. Prof. Dr. F. Cohn: über demon-
strative Lehrmittel für Volkssehulen. Exeursion in die Anlagen
UnADdEITSIBT STARS EEE RR NR RE EEE DR En
Prof. Dr, Ferd. Cohn: Bericht über den auf Wimmer’s Grabe errichteten
Wenksbein Meereeresuerete area es sale ner nylein Sardinien de Se lee
Privatdocent Dr. Gustav Stenzel: Nekrolog des Prof. Dr. Julius Milde
nebst Verzeichniss der von Milde veröffentlichten Schriften und
der von ihm für -Schlesien zuerst ee oder sicher
nachgewiesenen Pflanzen-Arten....-. REN ER SB NN RN
Rector Dr. Th. Bach: Nekrolog des Lehrer W. Hilse (vorgelesen vom
Secretär der Section), nebst Verzeichniss der von Hilse für
Schlesien. neu aufgestellten Arten. . :........- ve:.....02l.J00s.
Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: Nekrolog des Geh. Reg.-Rath Prof.
Dr. Ratzeburg und des Seminar - Oberlehrer Dr. K. F. Robert
BClmeidevs N NENNE DEDHEERIRE NE AS LEIMAE.
— über Telekia cordifola im Schlesierthal, über blassgrüne, in Alkohol
unveränderliche Früchte von Vaccmium myrtillus und über Mar-
silea quadrifoliata am Rudateich bei Rybnik, entdeckt durch Apo-
Theker Fritzer AN SERTE N RAN ERN LEN DBR
— über die morphologisch- olderzche Partie des hiesigen bota-
nischen NGaTtensPt Ina ua SAN rn UNE IE
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IV Inhalts-V erzeichniss
Wundarzt Knebel: Bericht über die Verhandlungen der deutschen Natur-
forscher-Veersammlung zu: Rostock gel. dar enleleke ieterlelde been
Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: über die Aufgabe der botanischen
Section hinsichtlich einer schlesischen Kryptogamen-Flora ......
Prof. Dr. Körber: Verzeichniss der dem Henschel’schen Globus aggre-
girten botanischen Manuscript - Sammlungen der Schlesischen
Gesellschaft ............» ale ER IS te NR SCHEN aka Shi
Geh, Med.-Rath Prof. Dr. Göpnent: über die von Hüttenarzt Geisler
angefertigte Sammlung von colorirten Abbildungen schlesischer
Pilze, über die Pilz-Ausstellungen im botanischen Garten und
über die essbaren Pilze der hiesigen Märkte ..............»...
Prof. Dr. Ferd, Cohn: Vorlage eines Stückchens sogenannter „Oderhaut“
(Filz von Cladophora viadrina Kg.) :. =»: -eerreceee » EEE
Dr. phil. W, G. Schneider: über das sterile Mycelgebilde Ozonium Link
und dessen Zusammenhang mit Coprinus - en — über das
Sunchitrimm aureum, Schröt. 2.2 euneh Snerın ek eieieehee ee are
Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Göppert: Vorlage eines riesigen prachtvoll
gefärbten Exemplares von Polyporus cürmus. .....ze......
Dr. phil. Langenbach (in Palermo): über die Cultur der Manna- Be
und Gewinnung des Manna in Sicilien, vorgelesen durch Geh.
Med.Rath Prof. Dr Göppert ...........2....2, Shane er
Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Goöppert: Conspectus fumgorum Silesiae als erster
Beitrag zur schlesischen Kryptogamenflora....................
Prof. Dr. Körber: über die von der deutschen Nordpol - Expedition im
Jahre 1870 hauptsächlich aus Grönland mitgebrachten Flechten,
— Vorlage einer von ihm angeferligten Typensammlung der
Lichenen...... ... u m SE N Er EEE
Herr Rud. v. UVechtritz: ee Reh der wichtigsten Funde des )J. 187 ı
im Gebiete der Schlesischen Flora, vorgelesen durch Herrn
Runen ee BARS 85 Sana
Mittelschullehrer Limpricht: über die Moosflora in Oberschlesien. —
Vorlegung eines grossen Herbariums pflanzlicher Missbildungen
von. Lehrer Zimmermann n Sızlesau. Sa ee
B. Stein: Nachträge zur Flechtenflora Schlesiens .......... BE NL ENT
— Die Entwickelung des schlesischen botanischen Tausch- Va
III. Entomologische Section.
Privatdocent Dr. Gustav Joseph: Kritik einiger Darvinistischer An-
schauungen im Gebiete der Entomologie.. SE ah Enid
— über Fortpflanzungs-Erscheinungen an one. einiger Lepido-
pteren im Widerspruche zu Wagner’s Separationsgesetz der Or-
ganismen 12.4.2 Wdresolcln Aekkie ala she rer RE RL
— Beobachtungen über Lebensweise und Den der in den
Krainer Gebirgsgrotten einheimischen Arten der blinden Gattung
Machaerites, Leptodirus, Oryotus und Troglorrhynchus „use ..ere20...
— einige entomologische Resultate von Spätsommer-Exeursionen in
die Umgegend von Triest, — Ueberblick über die in Schlesien
bisher bekannten Cycadinen und Orthopteren. ur... socenen..
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Inhalts-Verzeichniss.
Dr. Wocke: über das Vorkommen verschiedener Raupen auf Sarro-
thamnus, Vieia cassubica und Erdbeere ..... DE NEID 20 WR
Hauptlehrer Karl Letzuer: über Lasioderma (Pseudochina) serricorne F.,
testaceum Duft...... N ee Me RE Hohes tar 3.
— Nachträge zu seinem eranikse der Käfer Behlesiene mare
Herr Eugen Schwarz: über die Unterschiede von Philonthus aeneus Rossi,
‚succicola Thomson und carbonarius Gyllenhal ....»u...:.rsennnnne €
IV. Medicinische Section.
Prof. Dr. Ferd. Cohn: über Pilze und Contagien .......:..22:2rcecens
Dr. Gscheidlen: über den Ursprung des Harnstoffs im Thierkörper....
Privatdocent Dr. Sommerbrodt: laryngoskopische Demonstration von
polypösen Neubildungen im Kehlkopf dreier Patienten .........
Privatdocent Dr. Freund und Dr. Martini: über Behandlungs-
weise chronischer Metrorrhagien............-..... eecre.cee 3%
Privatdocent Dr. Sommerbrodt: Demonstration einer erbsengrossen
gestielten Papillargeschwulst des Kehlkopfs ..........erece.2..
Prof. Dr. Fischer: über Pen im deutsch - französischen
ee ea lan lee nee nenne
Dr. 0. Berger: Demonstration von meist halbseitigen Sensibilitäts-
störungen in Folge von Verwundungen an mehreren Kranken;
desgleichen zweier Fälle von Serratus-Lähmung ................
Prof. Dr. Heidenhain: über die Temperatur-Differenz der beiden Herz-
hälften und bes die sau a Belle a ker
Be SL AB N RE ARE MORE EREDERET
Prof. Dr. Fischer: über trophische Störungen nach Schussverletzungen .
Apotheker Jul. Müller: weitere Besprechung der therapeutischen Anwen-
dung des Quecksilberchlorid-Chlornatrium mit Ueberschuss von
Vlamafairi ie re USERN RN
Dr. 0. Berger: Demonstration eines Falles von partieller Empfindungs-
EEE en ee dehnen Sa
Privatdocent Dr. Herm. Cohn: über Enucleation des Auges nach Schuss-
werletzumgen a sONIy Be EN ee
Prof. Dr. Waldeyer: über Entwickelung der Carcinome .. ......2222...
Privatdocent Dr. Nothnagel: über cutane Sensibilitäts - Störungen bei
euraleiem..n Da ee ee IR ER Ren
Prof. Dr. Waldeyer: über die pathologische Bedeutung der Bacterien,
Vibzioneneie.sesn send. 209- eaenralh l ad. u9yi
Prof. Dr. Ferd. Cohn: über das Verhalten gekochter Stoffe in u
destillirtem Wasser mit und ohne Baumwollverschluss.... .....
Di. A. Horvath aus Kiew: über Erfrierungsversuche .................
Dr. med. Weigert: über Bacterien in der Pockenhaut.................
Privatdoc. Dr. Freund: über das Köberle’sche Verfahren gegen retro-
lemiornauten I. 428 rise el alas:
Privatdoc. Dr. Herm. Cohn: über die Augen von 240 atropinisirten Dorf-
sehullamdern). 4% ch nr senihuaaler eh ann l.ahl. Sat.
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VI Inhalts-Verzeichniss.
Prof. Dr, Förster: über den Lichtsinn bei Krankheiten der Chorioides und
Prof. Dr. Heidenhain: Mittheilungen zur Physiologie des vasomotorischen
Nervensystems ı. .n.acmet ne ee ee ee A BE
Privatdocent Dr. Freund und Prof. Dr. Waldeyer: klinische und ana-
tomische Mittheilungen über eine Missbildung .................
Privatdocent Dr. Soemmerbrodt: über zwei im Kehlkopfinnern ausge-
führte Operationen... Caro. alu cin Va se ee RR
Geheimer Sanitäts- Rath Dr. Grätzer: über die Armen - nksnlers
Breslauis 71870. en er ee ee RER Sy NER
Dr. Horvath: über eine neue Methode der en iichen Respiration ohne
Trachentoniie tete, ihn ee
Privatdocent Dr. Köbner: Erfahrungen über Bein ellion (wiederholte
Seceundärinfeetion) zul... Nuclear nel Ach >
Prof. Dr. Fischer: Demonstration zweier Missbildungen ...... ........
Privatdocent Dr. Freund: über einen complieirten Fall von chronischer
INDERSIOLULETSNELER er -re erlene erbeten alehec Be Ekel NE
V. Historische Section.
Strafanstalts-Director Dr. Schück: über Christian Thomasius...........
Prof. Dr. Reimann: über den historischen Johann von Nepomuk .......
Rector Dr. Luchs: über die oberschlesischen Holzkirchen und Verwandtes
Staats-Archivar Prof. Dr. Grünhagen: über die Kriegslasten Schlesiens
in: den Jahren 1806 1a en ee A N en
Prorector Dr. Maass: über das politische Samen unter Ludwig XIV.,
Tudwie. XV undeEudawieaRV I en
Prof. Dr. Kutzen: über die Schlacht von Striegau oder Hohenfriedeberg
und über das Manuscript eines preussischen Offieciers aus jener
Zeit. Bericht über die Excursion auf das Schlachtfeld und zu
den"Striegauer Baudenkmälern in... er. ae Dh
Prof. Dr. Reimann: über den Streit Paul’s IV. mit Ferdinand 1........
Prof. Dr. Kutzen: über das südwestliche Gebiet der Grafschaft Glatz..
Prof. Dr. Palm: über die bei der Beschiessung an a leten
ößentlichen Bibliocheken.n.. u. 21.0. u 2m Sa NE
VI. Juristische Section.
Stadtgerichts-Rath Güttler: über die Reform des Vormundschaftswesens
Appellations-Gerichts-Referendar Dr. jur. Teichmann: über die Geschichte
der-Adyoeatur. ........2... N a a ee
Justizrath v. Wilmowski: über Kriegsbeute .............ecnceeeeeene.
Dr. jur. Georg Cohn: über die Reform des Executionswesens ..........
VII. Section für Obst- und Gartenbau.
Stadtrath Kaufmann E. H. Müller: Bericht über die Thätigkeit der
Section im Jahre IST IE IN AN ER ARE BEREREML. 8
Sectionsgärtner Jettinger: über das Zurückschneiden der Wurzeln beim
Pflanzen der Obstbäume. an. 22 2 2 SER ER
— über das Pflanzen der Obstwildlinge in den Obstbaumschulen ..
227
245
248
Inhalts-V erzeichniss. VII
Seite,
Kunstgärtner Grunert in Gross-Pniow: Einiges zur Cultur der Tetragonia
ezpansa L. (Neuseeländischer Spinat) ....-........euceneecerone 250
hacken des Pomologischen Institus G. Stoll in Proskau: Obstbauliches
nebst einem Obstsorten-Verzeichniss ...........eeerr0oeceeoneno 251
Kunst- und Handelsgärtner W. Kühnau: über Fürst Pückler-Muskau auf
dem Gebiete der Blumengärtnerei mit besonderer Berücksich-
Henne vontschloss- Bramita.... . Hua. BRASS... 2... 256
- Kunstgärtner C. Pfeiffer in Zölling: zur Bepflanzung von Parterres für
den BrühlinestlorH.n... 2... ana. ee 260
Obergärtner A. Schütz in Wettendorf (Ungarn): über Freiland-Meloneneultur
in Ober- Ungarn unter Zugrundelegung selbstgemachter Er-
FADEN IT ee a eesaganie. u Ne 263
En rnberrden \Weimschnitt ©... 0. 22 a as er usanee 266
Kunstgärtner H. Wagner: über ein Mittel und dessen Anwendung zur
Vertilsung der Blattläuse in der Baumschule.................. 267
Maschinenfabrik - Besitzer Ernst Hofmann: Beschreibung einer neuen,
Feuerungsmaterial ersparenden Heizanlage für Gewächshäuser.
ANIEZEIchnune). 2.2 nn Mae she 269
Baumgärtner Sonntag in Zobten: über die Folgen des Winters 1870/71
meden Obstbaummschulen.. nam ss... 271
Hofgärtner W. Peicker in Rauden O./S.: Notizen über die Wirkungen
der letztvergangenen beiden Winter 1869/70 und 1870/71 auf die
Vegetation in den Gärten Seiner Durchlaucht des Herzogs von
Ratibor zu Rauden O,JS...... ee SP Be 275
Kunstgärtner Streubel in Carlowitz: über die Feinde der Spargelpflanze
und deren Vertilgung..... a ae sale echten ianeeienee 283
Obergärtner A. Schütz in Wettendorf: über ein empfehlenswerthes Scar-
let-Pelargonium zur Verwendung für Teppichgärten und dessen
Cullmann 22.022. 2 ae ea en a es 288
Stadtrath Kaufmann E. H. Müller: Bericht über die ne von,
Nutz- und Zierpflanzen-Samen im Frühjahr 1871 .............. 289
Seetions-Gärtner J. Jettinger: Cultur-Ergebnisse einiger an Mitglieder
der Section vertheilten Gemüsesamen win... sahne: 290
Stadtrath Kaufmann E. H. Müller: statistische Notizen über Sections-
garten, Lesezirkel, Schriftenzuwachs und die Section selbst..... 294
VIII. Meteorologische Section.
Prof. Dr. Galle: über einige neuere Resultate für die geographischen,
meteorologischen und magnetischen Orts-Constanten von Breslau 301
Prof. Dr. Galle: Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobach-
tungen auf der königlichen Universitäts-Sternwarte zu Breslau
im Jahres SQL... a a a a. de 313
Nekrolog
im Jahre 1871 verstorbener Mitglieder der „Schlesischen Gesellschaft für
naberlindischer Culbun en a n 331
Schriften der Gesellschaft.
Abhandlungen. Philososophisch-historische Abtheilung. 181.
Ein Heft. 77 Seiten.
Inhalt:
H. Palm, Neue Beiträge zur Lebensgeschichte von Martin Opitz nebst vier
ungedruckten Briefen desselben.
Ed. Reimann, Papst Paul IV. und das Kaiserthum.
Hermann Markgraf, Nachtrag zum Liegnitzer Lehnsstreit 1449 —1469.
J. Kutzen, Das südwestliche Gebiet der Grafschaft Glatz oder das Gebiet des
Habelschwerdter Gebirges.
Abhandlungen. Abtheilungen für Naturwissenschaften und Medicin.
1869/72.
Ein Heft. 175 S. mit 2 Tafeln in Kupferstich.
Inhalt:
J. Schröter, Die Brand- und Rostpilze Schlesiens. .
G. Limpricht, Ergebnisse einiger botanischen Wanderungen durch’s Isergebirge.
J. Grätzer, Ueber die öffentliche Armen-Krankenpflege in Breslau im Jahre 1870.
E. Grube, Mittheilungen über St. Malo und Roscoff und die dortige Meeres-
besonders die Annelidenfauna.
v. Jacobi, Zweiter Nachtrag zu dem Versuch einer systematischen Ordnung
der Agaveen.
9
Allgemeiner Bericht
über
die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Gesellschaft
im Jahre 1871,
abgestattet
in der allgemeinen Versammlung am 29. December 1871
vom
Bürgermeister Dr. Bartsch,
zur Zeit General-Secretair,
I. dem jetzt zu Ende gehenden zweiten Jahre der Btats-Periode von
1870/71 ist in der Zusammensetzung des am 29. December 1869 von
der Gesellschaft gewählten Präsidiums eine Veränderung nicht eingetreten.
In Folge dessen hatte letzteres die seltene Genugthuung, den 8. December ce,
als den Tag besonders auszuzeichnen und festlich zu begehen, an welchem
ein Zeitraum von fünfundzwanzig Jahren sich erfüllte, während deren
der Präses der Gesellschaft Herr Geheimer Medieinal - Rath Professor
Dr. Göppert ununterbrochen durch das einmüthigste Vertrauen immer
wieder gewählt, dem Präsidium angehört und auch in diesem eben so
einmüthig stets zum Vorsitzenden berufen, dieses Amt unausgesetzt geführt
hat. Es konnte daher nicht fehlen, dass der Aufruf des Präsidiums
an unsere Mitglieder: ihrem hochverdienten Präses an seinem, in der bis-
herigen Geschichte der Gesellschaft einzig dastehenden Präsidial-Jubeltage
ihre innige Verehrung und dankbare Anerkennung zu bekunden und zu
bethätigen, von nah und fern die allgemeinste und lebhafteste Zustimmung
fand. So sah sich das Präsidium bald in den Stand gesetzt zu beschliessen,
dass eine von dem Bildhauer Rachner in kararischem Marmor treffend
gearbeitele grosse Büste des Jubilars erworben, in unseren Gesellschafts-
räumen aufgestellt und in einer am Jubeltage abzuhaltenden allgemeinen
Versammlung enthüllt, auch dem Gefeierten ein mit der symbolischen
Gestalt des Genius der Wissenschaft gekrönter silberner Tafel - Aufsatz
verehrt werde.
1
2 Jahres-Bericht
In Ausführung dieses Beschlusses wurde der Herr Jubilar am Abende
des 8. Desember ce. in die auf das zahlreichste vereinigte allgemeine Ver-
sammlung eingeholt und in derselben zunächst von einem, durch den
Secretair der musikalischen Section, Herrn Musik-Direetor Dr. Julius
Schäffer geleiteten und von diesem eomponirten Männergesang (Festlied
von Goethe) begrüsst, hierauf aber von dem Vice-Präses Herrn Geheimen
Regierungs-Rath von Görtz Namens der Gesellschaft die folgende An-
sprache gehalten, in welcher der Redner ein lebendiges Bild der um-
fassenden Wirksamkeit des Jubilars in markigen Zügen entrollte:
Hochgeehrter Herr! Die Mitglieder der vaterländischen Gesell-
schaft haben sich versammelt, um bei der Wiederkehr des Tages, an
welchem Sie, hochgeehrter Herr, vor 25 Jahren das Präsidium der
vaterländischen Gesellschaft übernommen haben, — Ihnen den Aus-
‚druck des Dankes für die erfolgreiche Leitung der Gesellschaft und
die Versicherung ihrer aufrichtigen Verehrung darzubringen.
Ein Rückblick auf die seit jenem Tage durchlebte Zeit stellt uns
recht eindringlich vor Augen, wie grosse Verdienste Sie um die Gesell-
schaft sich erworben, wie tief Sie uns zu Danke verpflichtet haben.
Die Gesellschaft befand sich damals in einer nicht befriedigenden
Lage. Der Mann, der einst, zuerst mit klarem Blicke, die rechten
Wege erkannt und bezeichnet hatte, auf welchen die Gesellschaft die
Erreichung ihrer Zwecke anzustreben habe, der verdienstvolle Rector
Reiche, sahe damals zu dem öffentlichen Bekenntnisse sich genöthigt,
dass die einst gehegten und ausgesprochenen Hoffnungen seitdem von
der Gesellschaft nicht erfüllt worden seien, und ein amtlicher Bericht
des Präsidiums der Gesellschaft selbst bezeichnet die damalige Periode
als eine lange Zeit bedenklicher Stagnation. In dieser misslichen Lage
suchte man nach einer neuen, frischen Kraft; man suchte den Mann der
Situation. Und man fand ihn. In Ihnen, hochgeehrter Herr, wurde er
gefunden, und Sie wurden an die Spitze der Gesellschaft gestellt.
Alsbald trat ein Umschwung in den Verhältnissen ein. Der neue
Präses verstand es, durch gewinnende Anregung und voranleuchtende
Thätigkeit die Theilnahme der Gebildeten für die Gesellschaft und in
dieser ein frisches Leben zu erwecken. Die Zahl der Mitglieder ver-
mehrte sich, neue Sectionen ‘wurden gegründet, schon bestehende
erweitert; zahlreiche Versammlungen und in ihnen lehrreiche Vorträge
wurden gehalten, öffentliche Vorlesungen für das grössere Publikum,
insbesondere den Gewerbestand, wurden veranstaltet und die schon
von Reiche bezeichneten Wege eingeschlagen, Kenntnisse dahin zu
bringen, wo sie Bedürfniss und sonst nur schwer zu erreichen sind.
Die literarischen Produktionen der Gesellschaft wurden in weiteren
Kreisen verbreitet, auf den Fittichen des berühmten Namens des Präses
machten die Jahresberichte der Gesellschaft die Reise um die eivilisirte
der Schles. Gesellschaft £, vaterl, Cultur. 3
Welt. Wo in Europa der Wissenschaft eine Stätte bereitet ist, da wurden
Verbindungen, da wurde ein Schriftenaustausch angeknüpft; ja über das
‘Weltmeer hinüber wurde den Culturvölkern Amerikas die Hand gereicht.
So wurde der Kampf um das Dasein der Gesellschaft mit gutem
Erfolge geführt und eine Stellung wieder erlangt, welche seit Jahren
für die Gesellschaft verloren gewesen war. Durch beharrlich fort-
gesetzte wissenschaftliche und gemeinnützige Thätigkeit wurde die
Gesellschaft zu immer höherer Blüthe gebracht — und jetzt nach
25 Jahren stehet sie der damaligen Stagnation gegenüber in lebens.
voller Thätigkeit, mit der verdoppelten Zahl der Mitglieder und eine
treuen Schaar wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit einer Reihe litera-
rischer Publieationen, welche Zeugniss ablegen von ihrer Thätigkeit; —
mit einem fast verdoppelten Gesellschaftsvermögen — gekannt und
geachtet von den Gebildeten des Landes, gekannt und geschätzt auch
im Auslande.
Dass die Gesellschaft diesen Standpunkt erreicht hat, verdankt sie
vornehmlich ihrem Präses und seiner einsichtsvollen Leitung, verdankt
sie Ihnen! Aber die Verdienste dieses Präses um die Gesellschaft
beschränken sich nicht auf die allgemeine Leitung der Gesellschaft
und die Verwaltung ihrer Angelegenheiten. Auch an der eigentlicheu
Geistesarbeit, den wissenschaftlichen Vorträgen in den Versammlungen
und an der literarischen Production hat er in hervorragender Weise
Antheil genommen. Hier finden wir den Naturforscher, den Gelehrten,
Von Jugend auf der Natur und der Wissenschaft von ihr mit ganzer
Seele hingegeben, hat er unablässig in ernster Geistesarbeit und in
liebevoller Treue geworben um die Erkenntniss der Natur und ihrer
ewigen Gesetze. Dafür ist ihm die Gabe verliehen worden, die stumme
Sprache der Pflanzen zu verstehen und in innigem Verkehr mit ihnen
die Gesetze ihres Daseins zu erkennen; ja es ist ihm Macht gegeben,
Pflanzen vergangener Jahrtausende aus ihren steinernen Gräbern herauf-
zubeschwören ihnen den Platz anzuweisen, den sie in dem Haus-
halte der Natur einzunehmen haben. So ward er ein würdiger Priester
der Natur. Mit dem erworbenen Wissen hat er die Wissenschaft be-
reichert, hat er die academische Jugend in das Studium der Natur
eingeführt und zu ferneren Forschungen ausgerüstet — hat er aber
auch die vaterländische Gesellschaft in ihren Versammlungen durch
lehrreiche Vorträge derselben erfreut, und ihre Jahrbücher durch
werthvolle Beiträge geziert. So hat er — so haben Sie — auch in
dieser Richtung der Gesellschaft und ihren Zwecken treu und erfolg-
reich gedient. Als Präses der vaterländischen Gesellschaft von Amts-
wegen in die Promenadendeputation gestellt, haben Sie dafür gesorgt,
dass unsere Stadt, die altehrwürdige Matrone, mit dem frischen Grün
der Bäume, mit der Pracht der Zierpflanzen geschmückt und dass dadurch
1*
4 Jahres-Bericht
dem lechzenden Stadtbewohner ersehnte Erquickung bereitet werde.
Immer und überall haben Sie redlich und beharrlich danach gestrebt,
den Schatz des vorhandenen Wissens zu mehren, die Kenntniss von
der Natur, die Freude an ihr, die Liebe zu ihr in allen Schichten des
Volkes zu verbreiten und sie zum Gemeingut aller Menschen zu
machen. In einer Gesellschaft, welche sich zum Zweck gesetzt hat,
der Wissenschaft zu dienen und nützliche Kenntnisse zu verbreiten,
erscheinen Sie recht eigentlich als der lebendige Träger und Repräsentant
der Idee, aus welcher diese Gesellschaft einst selbst geboren worden ist.
Als solchen,. als den Repräsentanten der Idee der Gesellschaft, als
den bewährten Vorkämpfer für die Verwirklichung derselben feiern
wir Sie, hochgeehrter Herr! Für Alles, was Sie im Dienste dieser
Idee mit treuer Hingebung und unermüdeter Thätigkeit für die Gesell-
schaft gethan haben, bringen wir Ihnen aufrichtigen und innigen Dank.
Zu DBethätigung dieser Gesinnung haben wir, einer alten Sitte
folgend, Ihr aus Stein geformtes Bildniss in diesen Räumen der Gesell-
schaft aufgestellt, als ein Denkmal Ihrer Verdienste um die Gesellschaft
und unserer dankbaren Anerkennung dafür — als ein Zeichen der
Erinnerung an diesen Tag, da Ihnen und uns vergömnt ist, Ihr fünf-
undzwanzigjähriges Präsidial- Jubiläum zu feiern. Und damit es an
einem äusseren Zeichen der Erinnerung an diesen Tag auch in Ihrer
häuslichen Umgebung nicht fehle, haben wir geglaubt, Ihnen jenes
Silberstück verehren zu dürfen, das als ein solches Erinnerungszeichen
sich ankündigt, und das wir Sie anzunehmen bitten. — Geehrter Herr,
Sie sind im Besitze kostbarer Güter, nach denen edle Menschen streben
und rivgen. Sie haben den Ruhm erworben, den die Wissenschaft
verleiht; Sie geniessen die Hochachtung, die Liebe, die dankbare An-
erkennung Ihrer Nebenmenschen. Möge Ihnen vergönnt sein, dieser
Güter noch recht lange bei voller Körperkraft und Geistesfrische sich
zu erfreuen. Möge es aber auch der vaterländischen Gesellschaft ver-
sönnt sein, noch recht lange der Führung ihres bewährten Präses, des
Mannes sich zu erfreuen, von dem sie aus bedenklicher Stagnation zu
lebensvoller Thätigkeit und zur Blüthe geführt worden ist.
Ja, so sei es!
Nach einer Erwiderung des Jubilars, in welcher derselbe lief er-
griffen dankte und das Gedächtniss an die verdienten Stifter der Gesell-
schaft hervorhob*), schlossen sich hieran die von Deputationen dar-
*) Die Erwiderung lautet: Als mich vor gerade 50 Jahren mein verewigter
Freund und Lehrer Treviranus in den Kreis dieser Gesellschaft einführte, habe
ich ihr bald ganz und gar angehört und meine wärmsten Interessen ihr zu-
gewendet, um so mehr dann, als ich, seit 1826, dauernden Aufenthalt in dieser
Stadt genommen und mich ihr nicht mehr entfremden liess. Nach Steffens
der Schles, Gesellsch, f. vaterl. Cultur., 5
gebrachten Glückwünsche der Vereine für Geschichte und Alterthum
Schlesiens, für Geschichte der bildenden Künste, für das Museum schle-
sischer Alterthümer und des schlesischen Kunstvereias, worauf der Jubilar
noch von dem Sängerchore in einer von dem Herrn Geh. Kabinetsrath Dr.
Prosch gedichteten Hymne — nach einem Chor aus Mozarts Zauberflöte
gefeiert wurde.
Mit einem, mit lebhaften Interesse aufgenommenen durch Form und
Inhalt ausgezeichneten Vortrag des Herrn Prof. Dr. Ferdinand Cohn:
„25 Jahre aus der Geschichte der Naturwissenschaft“
wurde diese allgemeine Fest-Versammlung geschlossen. —
Gegenwärtig zählt die Gesellschaft:
400 wirkliche Mitglieder,
33 Ehrenmitglieder und
203 correspondirende Mitglieder.
Unsere Section für Obst und Gartenbau besteht für sich aus 112 ein-
heimischen und 256 auswärtigen, zusammen aus 368 Mitgliedern.
In diesem Jahre haben wir durch den Tod verloren
die wirklichen Mitglieder:
1) den um die Wissenschaft überhaupt, insbesondere aber um die Ver-
mehrung und Conservation unserer naturwissenschaftlichen Sammlungen sehr
des Unvergesslichen, Abgange zum Secretair der naturwissenschaftlichen Section er-
wählt, habe ich vielfach wahrgenommen, mit welcher Theilnahme Stadt und
Provinz sich für wissenschaftliche Arbeiten jeder Art lebhaft interessirten, und es da-
her später als Präses der Gesellschaft für eine mir selbst höchst erfreuliche Pflicht ge-
halten, sie durch Begründung verschiedener Sectionen in neue Bahnen zu führen und
eine ausgedehntere Wirksamkeit zu eröffnen. Ich habe mich dabei in der glück-
lichen Lage befunden, dass die älteren Mitglieder, die würdigen Stifter Müller
und Reiche an der Spitze, keineswegs laudatores temporis acti, mich ermunterten
und die Repräsentanten der Wissenschaft, meine academischen Collegen, Aerzte,
die gesammte Lehrerschaft mir freundlich und hilfreich entgegenkamen. Die
erweiterte Form unserer Mittheilungen führte bei der in jener Zeit immer allge-
gemeiner hervortretenden literarischen Vereinsthätigkeit neue Verbindungen mit In-
und Ausland herbei, Bereicherungen unserer Sammlungen, unserer Bibliothek, wie
denn auch unser Beispiel insbesondere in unserer Provinz Begründung ähnlicher
Vereine veranlasste und Vorlesungen für ein grösseres Publikum immer allgemeiner
wurden, die zuerst bereits im Jahre 1837 von unserer Gesellschaft ausgingen
und sich von hier aus erst im übrigen Deutschland verbreiteten. So also vor-
zugsweise getragen durch Ihre ausgezeichnete Mitwirkung und Thätigkeit, der
ich mich nur nach schwachen Kräften anzuschliessen bemüht war, ist der gegen-
wärtige blühende Zustand unserer Gesellschaft herbeigeführt worden, an welchem
sie mir, wie die heutige von Ihnen veranlasste, mich tief ergreifende Feier zeigt,
einen allzu ausgedehnten, wahrhaft unverdienten Einfluss zuzuschreiben so gütig
sind. Empfangen Sie allerseits unter innigsten Wünschen für das fernere Gedeihen
und immer höhere Entwickelung unseres Vereines, nochmals herzlichsten Dank!
Das Gefühl tiefster Verpflichtung wird die Erinnerung an den heutigen Tag stets
begleiten.
6 Jahres-Bericht
verdienten Professor Dr. phil, Milde, 2) den Gymnasial-Oberlehrer Dr. phil.
Baumgart, früher Seeretair unserer musikalischen Section, 3) Dr. theol.
Heyne, Custos der Dom-Bibliothek, 4) Kunsthändler Karsch, 5) Dr, med.
Krause, 6) Buchhändler Maske, 7) Kreisgerichtsrath Loos, 8) Kaufmann
Louis Reichenbach, 9) den Kgl. Wirklichen Geheimen Rath Grafen
Sedlnitzky, 10) Regierungs-Präsident v. Götz zu Düsseldorf, 11) Guts- _
besitzer Riemann in Wederau, 12) Grafen v. Stosch auf Hartau und.
13) Grafen Georg v. Stosch auf Manze.
Es verschieden ferner im Jahre 1871
der k. k..Hofrath, Direetor der k. k. geologischen Rrichsanstalt
Ritter Dr. Haidinger, Ehrenmitglied unserer Gesellschaft,
sowie die correspondirenden Mitglieder
1) General-Lieutenant a. D. v. Gansauge zu Berlin, 2) Apotheker
Güntzel-Beckerin Wohlau, 3) Mittelschul-Lehrer Hilse hier, 4) Sani-
tätsrath Dr. med. Junge zu Friedeberg, 5) der Seminar-Oberlehrer a. D.
Dr. Schneider in Stolp, 6) Professor Dr. Zeuschner in Warschau und
7) Geheimer Regierungsrath Professor Dr. Ratzeburg in Berlin.
Im Jahre 1871 sind folgende 13 Mitglieder neu aufgenommen
worden, nämlich die Herren:
1) Apotheker Ende zu Grottkau, 2) Herzogl. Kammer-Präsident
v. d.Berswordt zu Oels, 3) Dr. jur. Georg Cohn, 4) Dr. med.
Ernst Fränkel, 5) Dr. med. Martini, 6) Ober-Post- Secretair
Küster, 7) Kunsthändler Karsch jun., 8) Dr. med. Julius Bruck
jun., 9) Pfarrer Spät in Költschen, 10) Georg Graf Stosch-
Hartau, 11) Dr. Franz Hulwa, 12) Fabrikbesitzer Fedor
Andersson, und 15) Privat-Docent Dr. med. Ludwig Hirt.
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per}
Ehrenmiteliedern wurden ernannt:
1) Herr Geheimer Regierungs-Rath und Director ra minera-
logischen Museums Professor Dr. Rose zu Berlin bei seinem
fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum, 2) der Geheime Ober-Regierungs-
rath und vortragende Rath im landwirthschaftlichen Ministerium
Herr Heyder und 5) der Wirkliche Geheime Ober-Justizrath
und Appellationsgerichts-Chef-Präsident Herr Graf v. Schweinitz
zu Posen, bei seiner fünfzigjährigen Amts-Jubelfeier.
Das Diplom als correspondirende Mitglieder erhielten:
1) Zweiter Officier des deutschen Nordpol - Expeditions - Schiffes
Germania Herr Tramnitz, 2) Herr Dr. Orth zu Halle, 3) Herr
Rittergutsbesitzer Dr. Wilkens in Göttingen, 4) der frühere
hiesige Handelskammer-Secretair Herr Dr. Alexander Meyer in
Berlin und 5) der Königl. Kreisgerichts-Direetor Herr Peck zu
Schweidnitz,
der Schles. Gesellsch. f. vaterl,. Cultur. 7
Allgemeine Versammlungen fanden 6 statt und wurden in
denselben folgende Vorträge gehalten:
am 30. December 1870 nach Mittheilung des Jahres - Be-
richts pro 1869 durch den General - Secretair trug Herr Biblio-
thekar Th. Oelsner die Nekrologe folgender Mitglieder vor:
. des Geheimen Ober-Tribunalraths Blumenthal, Geh. Justizrath
Lübbe, Regierungs-Rath Schulze, Freiherrn Val. v. Lüttwitz,
Kaufmann Adolph Liebich, Geh. Comm.-Rath v. Löbbecke,
der DDr. med. Engländer und Harpeck, des Superintendent
Königk, Director Kämp, Prediger Dr. Suckow, Seıininar-
Oberlehrer Karow, Dr. phil. Max Karow und Dr. jur. Korn;
am 13. Januar c. von Herın Professor Dr. Fischer über
die freiwillige Krankenpflege im Felde;
am 27. Januar c. von Herrn Prorector Dr. Maass: Charak-
teristik der neuen französischen Literatur unter dem zweiten
Napoleonischen Kaiserreiche in ceulturgeschichtlich -sittlicher Be-
ziehung;
am 17. Februar c. von Demselben: Nachtrag zu dieser
Charakteristik.
am 21. April c. von Herrn Professor Dr. Reimann über
französische Missachtung der ‘amerikanischen Neutralität im
Jahre 1793, und
am 8. December ce. zu der oben geschilderten Präsidial-
Jubelfeier wie erwähnt von Herrn Professor Dr. Ferdinand Cohn
„Fünfundzwanzig Jahre aus der Geschichte der Naturwissen-
schaften,“
Oeffentliche Vorträge an den Sonntagen dieses Winterhalhjahrs
sind wieder veranstaltet und gefälligst übernommen worden von den
Herren Justizrath Fischer, Staats-Archivar Professor Dr. Grünhagen,
Dr. med. Heller, Privatdocent Dr. med. Bruck jun., Prorector Dr.
Maass, Geheimer Ober-Bergrath, Stadtrath Dr. v. Carnall, Referendar
Dr. jur. A. Teichmann, Referendar Dr. jur. Georg Cohn, Privatidocent
Dr. med. Hirt, Sanitätsrath Dr. Hodann, Professor Dr. Reimann und
Gymnasiallehrer Dr. Weniger. £
Dem unter dem Vorsitze des Herrn Geheimen Medieinal - Rath
Professor Dr. Göppert bestehenden Comite für Gründung eines Kunst-
Museum ist die erfreuliche Zusicherung der hiesigen städtischen Behörden
zugegangen, dass der Bauplatz für das Museum auf dem Terrain des
grossen Cürassier-Reitplatzes angewiesen werden solle.
In diesem Jahre sind Schriften Seitens der Gesellschaft nicht heraus-
gegeben worden; es sind jedoch zwei Hefte Abhandlungen, ein philo-
sophisch - historisches und ein Heft aus dem Bereiche der Naturwissen-
schaften und der Mediein im Drucke begriffen.
8 Jahres-Bericht
Der Schlesische Provinzial - Landtag hat unserer Section für Obst-
und Gartenbau zum theilweisen Ersatz der in dem Versuchsgarten er-
littenen bedentenden Frostschäden die Summe von 300 Thalern, sowie
Se. Excellenz der Herr Minister der landwirthschaftlichen Angelegenheiten
auch für dieses Jahr ausser einer einmaligen Hilfe per 200 Thalern eine
Unterstützung von 400 Thalern geneigtest bewilligt, wofür auch hier
öffentlich Dank abgestattet wird.
Im Laufe des Jahres konnte das Präsidium mit inniger Genugthuung
zur fünfzigjährigen Amts - Jubelfeier beglückwünschen Seine Excellenz
den General - Landschafts - Direetor Wirklichen Geheimen Rath Herrn
Grafen Burghauss und den Appellations - Gerichts - Chef - Präsidenten
Herın Grafeu Schweinitz, sowie zur fünfzigjährigen Mitgliedschaft be-
srüssenden Rittergutsbesitzer Herrn v. Uechtritz-Steinkirch zu Hirsch-
berg. Ausserdem wurde Namens der Gesellschaft der Verein für
Nassauische Alterthumskunde und Geschichts - Forschung zu Wiesbaden,
welcher uns durch den 11. Band seiner Annalen sehr erfreut hatte, zum
5. December c. als dem Tage seines fünfzigjährigen Bestehens auf das
Theilnehmendste beglückwünscht.
Das Präsidium hat sich bewogen gefunden, dem auf dem Gebiete
der Pflanzenkunde mit Erfolg thätigen Lehrer Herrn Limprecht zur
Bereisung des Bartsch- Thales eine Subvention zu bewilligen und zum
Conservator unserer naturwissenschaftlichen Sammlungen an Stelle des
verewisten Dr. Milde den Herrn Professor Dr. Körber ernannt.
Die Rechnung für 1870 ist von unserem Schatzmeister Herrn Geh.
Commercien-Rath Franck gelegt und zur Revision gelangt. >
Die Feier des Stiftungstages unserer Gesellschaft ist wegen der
Kriessläufte, welche im Januar noch herrschten, ausgesetzt worden.
Ueber die Thätigkeit der Sectionen haben die Herren Secretaire
derselben Folgendes berichtet:
Die naturwissenschaftliche Section
(Secretaire: Herr Staatsrath Prof. Dr. Grube und Herr Geh. Bergrath
Prof, Dr. Römer.)
hat im Jahre 1871 neun Versammlungen gehalten; in denselben wurden
folgende Vorträge gehalten: |
den 11. Januar: Herr Professor Dr. Poleck über einige auf Spectral-
analyse bezügliche Experimente und Ausführung derselben.
Staatsrath Prof. Grube über seinen Aufenthalt in Roscoff im
September 1869 und die dortige Meeresfauna.
den 1. Februar: Herr Hauptmaun v. Homeyer: Erinnerungen aus
seinem ornithologischen Studienleben.
|
|
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 9
Den 22. Februar: Herr Dr. Meusel: über Kieselsäure, Einäscherung
des Zuekers und Einwirkung der Salzsäure auf Carbonate.
Den 15. März: Herr Geheimer Bergrath Prof. Dr. Römer über ein
jurassisches Diluvialgeschiebe bei Strehlen und receptaeulites
carbonarius im Kohlenkalk und Vorlegung der geologischen
Karte von Preussen und der thüringischen Staaten und des
dritten Blattes der geologischen Uebersichtskarte der öster-
reichisch-ungarischen Monarchie.
Herr Dr. Meusel: über das Paraffin und die Bestimmung der
Verbrennungswärme dsr Kohle.
Den 5. April: Herr Oberbergrath Dr. Runge über das Salzlager
bei Inowraclaw.
Herr Geheimrath Prof. Göppert über die Kraft, mit welcher
Pilze emporwachsen.
Prof. Grube: über die Familie der Terebellen und neue Arten
derselben.
Den 5. Juli: Herr Prof. Grube: über unsere bisherigen Kenntnisse
von der Fauna des Baikalsees und dort von Dr. Dybowsky
gesammelt, meistens neue Hirudineen und Planarien, über zwei
für Schlesien neue Clepsinen und neue Meeres- Planarien und
Anneliden.
Den 25. October: Herr Apotheker Jul. Müller; über Veränderungen
des Trinkwassers.
Den 15. November: Herr Dr. Carstädt: über das mechanische
Wärme-Aegqnivalent.
Den 13. December: Herr Prof. Römer: über die Kalksteine von
Bartin bei Colberg, über untere devonische Bildungen bei
Kielee, sehwarze Zechsteinschiefer von Wünschendorf bei
Lauban und ein jurassisches Geschiebe von Niederkunzendorf.
Herr Prof. Poleck über Diamanten im Xanthophyllit des Ural.
Herr Prof. Grube: über die Untersuchung des Baikalsees auf seine
Fauna durch Dr. Dybowsky, und die von ihm entdeckten
zahlreichen Gammarus, so wie eine neue Wasserassel dieses
Sees, ferner über die Isopoden-Gattung Serolis und eine wahr-
scheinlich neue Art derselben, schliesslich über Lumbriconereis
gigantea Of.
In derselben Sitzung wurden zu Secretairen auf’s neue
Prof. Grube und Römer gewählt.
Die entomologische Section.
(Seeretair: Herr Dr. Gustav Joseph.)
Die. entomologische Section hielt im Jahre 1871 sieben Ver-
sammlungen. In denselben wurden vom Secretair der Section, von
10 Jahres-Bericht
Herrn Dr. Wocke, von Herrn K. Letzner, Herın E. Schwarz und
zwar am 6. Februar, 20. Februar, 6. März, 20. März, 15. November,
27. November und 11. December Vorträge, coleopterologischen, lepi-
dopterologischen, orthopterologischen und homopterologischen Inhaltes
gehalten. Zum Seeretair für die bevorstehende Etatsperiode wurde Herr
K. Letzner gewählt.
Die botanische Section
(Secretair: Herr Prof. Ferdinand Cohn.)
hat im Jahre 1871 neun ordentliche und eine ausserordentliche Sitzung
gehalten, es trugen vor die Herren:
Geheimrath Prof. Dr. Göppert: über die im botanischen Garten
errichtete Linnebüste, Geschenk des Commissionsrath Wesel — über
Erfrieren des Pflanzen — über eine eigentliche Form des Wachholder —
über die Aufgaben der botanischen Section — Nekrolog von Ratzeburg
und Schneider — Conspectus fungorum sSilesiae — über Cultur der
Manna-Esche in Sieilien (eingesandt von Dr. Langenbach in Palermo).
Junger morphologische Mittheilungen.
Knebel über die Naturfzischerversammlung in Rostock.
Körber über die uon der Deutschen Nordpolar - Expedition mit-
gebrachten Flechten.
Limpricht über die Flora von Sagan nach den Beobachtungen des
Stadtgerichtsrath Everken — über die Lebermoose des Gesenke —
über die Moosflora von Oberschlesien.
Schneider über Ozonium und Synchitrium.
Stenzel über den fossilen Palmenstamm — über seltene Pflanzen
aus dem Riesengebirge — Nekrolog von Julius Milde.
v. Uechtritz über viola porphyrea — über neue Pflanzen der
Schlesischen Flora.
Werner über interessante Wachsthumsverhältnisse von Pflanzen.
Zimmermann in Striegau Monstrositäten verschiedener Pflanzen.
Der Seeretair: Naturwissenschaftliche Mittheilungen über Cudowa —
über die Elssner’schen Pflanzen - Abbildungen — über monströse
Kirschen — über einige Brunnen Breslau's — über das System der
Cryptogamen — über ein neu beobachtetes Vorkommen der Oderhaut —
Nekrolog von Hilse (eingesendet von Herrn Reetor Bach).
Ausserdem fand am 21. Mai zu Ulbrichshöhe und Reichenbach die
von der Section einberufene zweite Wanderversammlung der schlesischen
Botaniker statt, bei welcher Herr Apotheker Fiek über die Flora der
Eule, Herr Geheimrath Göppert über pflanzliche Verwachsungen und
Forstmeister Tramnitz über den Pressler’schen Zuwachsbohrer und
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 11
Messknecht, der Secretair über Mikroskope für Volksschulen und über
die Beziehungen der Bacterien zur Fäulniss vortrugen.
In Folge eines Beschlusses der Section vom 8. December 1870
wurde unter den Schlesischen Botanikern und anderen Freunden und
Schülern Wimmer’s eine Sammlung veranstaltet, von deren Ertrage ein
marmorner Denkstein auf dem Grabe Wimmer’s aufgestelli und am
27. September feierlichst eingeweiht worden ist.
In der letzten Sitzung am 14. December wurde der zeitherige
Seeretair wieder gewählt. f
Die medieinische Section
(Seeretaire: Herr Privatdocent Dr. Freund und Herr Professor
Dr. Waldeyer.)
hat im Jahre 1871 neunzehn Sitzungen abgehalten. In denselben
sind von den hier genannten Herren folgende Vorträge gehalten worden:
1) Von Herrn Prof. Dr. Ferdinand Cohn (10. Februar): Ueber die
neueren Forschungen in der Pilzlehre und die medieinischen
Beziehungen der Mykologie.
Von demselben (4. August).
2) Von Herrn Privatdocent Dr. Gscheidlen (10. März): Ueber
den Vorsprung des Harzkopfs.
3) Von Herrn Privatdocent Dr. Sommerbrodt (10. März): Demon-
stration dreier Fälle von intralaryngealen Tumoren.
Von demselben (31. März): Demonstration eines ausgehusteten
papillaren Fibroms des Kehlkopfes.
Von demselben (3. November): Mittheilungen zur operativen Ent-
fernung von Kehlkopfpolypen.
4) Von Herrn Privatdocent Dr. Freund (31. März): Ueber operative
Behandlung chronischer Metrorrhagieen (Verschlusss des
Muttermundes).
Von demselben (23. Juni): Ueber Indicationen zur Avoriotomie. —
Zur Aetiologie der Carcinose. =
Von demselben (8. September): Ueber die Köberle’sche Ope-
ration der retroflexio uteri.
Von demselben (20. October): Klinische Mittheilungen über eine
Misebildung.
Von demselben (15. December); Ueber einen Fall von inversio
uteri, Heilung durch Abtragung des fundus mit Neubildung an
demselben.
5) Herr Dr. Martini (31. März): Ueber einen durch Verschluss des
Mutter - Mundes mit Erfolg behandelten Fall chronischer
Metrorrhagie.
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6)
8
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9)
10)
11)
12)
12)
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Jahres-Bericht
Von Herrn Prof. Dr. Fischer (28. April): Ueber die von demselben
beobachteten Schuss - Verletzungen im deutsch - französischen
Kriege.
Von demselben (7. Juli): Ueber trophische Störungen nach Schuss-
verletzungen.
Von demselben (24. November): Demonstration zweier Miss-
bildungen.
Von demselben (15. December): Demonstration des anatomischen
Präparates einer dieser Missbildungen. — Ueber Operation
der Blasenspalte.
Von Herrn Prof. Dr. Waldeyer (28. April): Demonstration ana-
tomischer Präparate von Knochen - Schuss - Verletzungen aus
dem deutsch-französischen Kriege.
Von demselben (14. Juli): Ueber die Entwickelung der Careinome.
Von demselben (28. Juli): Demonstration mikroskopischer Prä-
parate zum vorigen Vortrage.
Von demselben. (4. August): Ueber die pathologische Bedeutung
der sogenannten Bacterien.
Von demselben (20. October): Anatomische Mittheilungen über
eine Missbildung.
Von demselben (15. December): Demonstration der Präparate
dreier Missbildungen.
Von Herrn Privatdocent Dr. Berger (19. Mai): Neuropathologische
Mittheilungen.
Von demselben (7. Juli): Dasselbe Thema.
Von Herrn Prof. Dr. Heidenhain (26. Mai): Ueber die Ursachen
der Temperatur-Differenz des Blutes im rechten und linken
Herzen mit Demonstration eines Versuches im physiologischen
Laboratorium. ;
Von demselben (20. October): Mittheilungen zur Physiologie des
vasomotorischen Nervensystems.
Von Herrn Medicinalrath Professor Dr. Spiegelberg (9. Juni):
Ueber den Geburtsverlauf bei engem Becken.
Von Herrn Apotheker Müller (7. Juli): Ueber die Verbindung
des Sublimates mit Kochsalz.
Von Herrn Privatdocent Dr. Hermann Cohn (14. Juli): Ueber
Enucleation des Auges nach Schussverletzungen.
Von demselben (6. October): Untersuchungs - Resultate von
240 Dorf-Schul-Kindern in Schreiberau auf Kurzsichtigkeit.
Von Herrn Privatdocent Dr. Nothnagel (28. Juli): Ueber eutome
Sensibilitätsstörungen bei Neuralgien.
Von Herrn Dr. Horwath in Kiew (4. August): Ueber den
Einfluss der Kälte auf warmblütige Thiere.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 13
Von demselben (3. November): Ueber eine neue Methode zur
Herstellung der künstlichen Respiration ohne T’racheotomie.
15) Von Herrn Dr. Weigert jun. (8. September): Ueber Bacterien
in der Pockenhaut.
16) Von Herrn Prof. Dr. Förster (6. October): Ueber den Lichtsinn
bei Krankheiten der retina und denen der choriadea.
17) Von Herrn Geheimrath Dr. Grätzer (3. November): Bericht
über die Armen-Krankenpflege zu Breslau im Jahre 1870.
18) Von Herrn Privatdocent Dr. Köbner (17. November): Ueber
Steinsection mit secundairer Syphilis.
Ausser diesen Vorträgen wurde in 2 Sitzungen (den 17. und
24. November) über die zu jener Zeit grassirenden Krankheiten (Masern,
Pocken, Scharlach) und die gegen die Weiter-Verbreitung derselben zu
empfehlenden Maassnahmen diseutirt.
In der letzten Jahres-Sitzung am 15. December wurden die beiden
bisherigen Secretaire der Section wieder gewählt und zwar
Prof. Dr. Waldeyer mit 22 Stimmen,
Dr. Freund mit 20 Stimmen.
Beide haben die Wahl angenommen. —
Die meteorologische Section
(Secretair: Herr Professor Dr. Galle.)
hat im Jahre 1871 eine Sitzung gehalten, am 20. December, in welcher
der Seeretair der Section einen Vortrag hielt: über einige neuere Resul-
tate für die geographischen, meteorologischen und magnetischen Orts-
Constanten von Breslau.
Der bisherige Secretair wurde für die nächste Etats-Zeit wieder-
gewählt,
Die technische Section. :
(Seeretair: Herr Direator Dr. Gebauer.)
Die technische Section hat am 11. December c. eine Sitzung ge-
halten, in welcher Herr Dr. Meusel einen Vortrag über die Erkennung
der Verfälschung des Petroleums hielt.
Die technischen Journale der Gesellschaft wurden den sich betheili-
genden Mitgliedern in geordneter Weise zur Kenntniss und Einsicht
gebracht.
Für die neue Etats-Periode wurde Herr Dr. Meusel als Secretair
sewählt.
14 Jahres-Bericht
Die Oekonomische Section.
(Secretair: Herr Stadt-Forst- und Oekonomie-Rath Dr. Fintelmann.)
Die ökonomische Section hat im Jahre 1871 drei Sitzungen abgehalten-
In der ersten Sitzung den 30. Januar war ein Vortrag des Herrn
Dr. Wilkens auf Pogarth „über den Bau des Magens der Wiederkäuer
und seine Verrichtungen“ angekündigt, der aber wegen Behinderung nicht
gehalten werden konnte.
In der zweiten Sitzung am 30. November wurde zuerst die
Wahl des Secretairs für die nächste Etats-Periode vorgenommen; die-
selbe fiel auf den bisherigen Secretair.
Sodann theilte der Secretair den Inhalt der eingegangenen Schrift-
stücke mit und aus dem August-September-Hefte (1871) des amtlichen
Vereinsblattes des landwirthschaftlichen Centralvereins der Mark Branden-
burg berichtete derselbe über die äusserst interessanten Versuche des
Professor Dr. Hellriegel in Dahme „über den Bedarf unserer Getreide-
Arten an Wasser zur Production einer vollen Ernte‘, woran sich weitere
Besprechungen knüpften.
Schliesslich hielt Herr Dr. Hulwa einen einleitenden Vortrag „über
den Werth der Rückstände bei den verschiedenen Fabrikationsarten des
Rübenzuckers für die Landwirthschaft.“
In der dritten am 19. December abgehaltenen Sitzung gab Herr
Dr. Hulwa die Fortsetzung seines in der vorigen Sitzung begonnenen
Vortrages.
Nachdem der Secretair den Inhalt der eingegangenen Schriftstücke
mitgetheilt hatte, kam die Tagesordnung der im Januar 1872 abzuhalten-
den Generalversammlung der Delesirten des landwirthschaftlichen Central-
vereins der Provinz zur eingehenden Besprechung.
Sodann referirte Herr Direetor Körte über den wesentlichsten Inhalt
mehrerer Fachzeitschriften, woran sich ebenfalls einschlägige rückhaltige
Besprechungen knüpften.
Section für Obst- und Gartenbau.
(Seeretair: Herr Kaufmann und Stadtrath E, H. Müller.)
Im Jahre 1871 hielt diese Seetion neun Sitzungen.
In diesen Sitzungen wurde über die inneren Angelegenheiten und
laufenden Geschäfte der Section verhandelt, allgemeine gärtnerische
Fragen besprochen und hielten Vorträge der Gärtner der Seetion, Herr
Jettinger, „über das Zurückschneiden der Wurzeln beim Pflanzen der
Obstbäume“, „über das Pflanzen der Obstwildlinge in Obstbaumschulen“,
und Herr Kunstgärtner Streubel aus Carlowitz „über die Feinde der
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 15
Spargelpflanzen und Mittel zu deren Vertilgung.“ Ausserdem wurden
noch eine Anzahl grössere Abhandlungen, kleinere Mittheilungen und
Berichte vorgetragen und discutirt, welche den anerkennenswerthen Be-
strebungen, die Wirksamkeit der Section zu fördern, verschiedenen resp.
Mitgliedern zu verdanken waren.
Im Frühjahr dieses Jahres fand an die resp. Mitglieder wiederum die
Gratis-Vertheilung ansehnlicher Quantitäten von Sämereien empfehlens-
werther Gemüse und Florblumen zum Versuchsanbau statt, welche zum
Theil Mitglieder spendeten, theils aus dem Garten der Section, im
Uebrigen aber aus den besten Bezugsquellen eutnommen wurden.
Die früher gepflesten und die in neuester Zeit wegen Schriften-
austausches angeknüpften Verbindungen mit gleichen Vereinen nahmen
erfreulichen Fortgang und führten dem in der Section für hiesige Mit-
glieder bestehenden Lesezirkel reichhaltiges, belehrendes Material zu; die
in demselben in Umlauf gewesenen Schriften wurden der Bibliothek der
Schlesischen Gesellschaft überwiesen.
In dem Pomologischen und resp. Obst-Baumschul- und Versuchs-
garten der Section richtete bedauerlicher Weise die abnorme Kälte des
letztverflossenen Winters, noch mehr aber eine den Garten theilweise
betroffene Ueberschwemmung mit gleichzeitig starken Nachtfrösten unter
den Sämlingen, jungen Veredelungen und besonders den freudig heran-
wachsenden Mutterstämmen eine so bedeutende Verwüstung an, dass der
Geldwerth des hierdurch gehabten Verlustes, in bescheidenster Weise
taxirt, auf nahezu 2000 Thaler veranschlagt werden musste.
Zur Reparatur dieses grossen Schadens wendete der Section auf
deshalb ergangene Gesuche der Minister für die landwirthschaftlichen
Angelegenheiten, Herr v. Selehow Excellenz, ausser der auch in den
letzten Jahren bewillisten Subvention von 400 Thalern noch eine solche
ausserordentliche von 200 Thlr. gnädigst zu und gewährte die Munificenz
hoher Provinzialstände Schlesiens ihr eine Beihilfe in Höhe von 300 Thlr.
Nur mit Hilfe dieser dankbarst empfangenen Unterstützungen und in
Folge sehr günstiger Verkanfs-Resultate aus den, von den erwähnten
Naturereignissen verschont gebliebenen Producten-Beständen des Gartens
war es zu ermöglichen, noch in diesem Jahre eine Anzahl Obst - Mutter-
stämmehen auf’s Neue zu beschaffen, Sorge zu tragen für Anzucht von
Obst-Sämlingen von Edelstämmehen an Stelle der verlorenen, alle im
Garten nothwendigen Arbeiten ausführen zu lassen, und einen Capitals-
Betrag von ca. 750 Thlrn. in Effeeten und Baarem in Reserve erwarten
zu dürfen, für im nächsten Jahre vorzunehmende weiter ergänzende
Auschaffungen und zum Ersatz der wegen des gehabten Verlustes in den
nächsten Jahren in Aussicht stehenden Mindereinnahmen für verkäufliche
Obst - Edelstämmchen,
16 Jahres-Bericht
Die Herbeiführung ausreichender Mittel zur Erbauung eines auf das
allerdringendste benöthigten Gärtnerhauses in dem Garten der Section
muss auch fernerhin deren ernsteste Sorge bleiben.
In der letzten diesjährigen Sitzung der Section am 13. December
wurden für die Etatszeit 1372 und 1873 einstimmig wieder gewählt:
1) a. Kaufmann und Stadtrath E. H. Müller als erster Secretair,
b. Herr Director Inkermann als zweiter resp. stellvertretender
Secretair;
2) in die Garten-Commission:
a. Herr -Stadt-Forst- und Oeconomie-Rath Dr. Fintelmann,
b. Herr Director Inkermann,
3) als Mitglied der städtischen Promenaden-Deputation:
Herr Professor Dr. Ferdinand Cohn.
Historische Section.
(Sebretair: Professor Dr. Kutzen.)
Während des Jahres 1871 bat sich die historische Section zwölf
Mal versammelt. Ausser verschiedenen kürzeren Mittheilungen und Be-
sprechungen kamen hauptsächlich folgende umfassende Abhandlungen zum
Vortrage:
Am 19, Januar von Herrn Director Schück über Charakter,
Bestrebungen und Wirksamkeit des Christian Thomasius.
Am 9. Februar von Herrn Professor Dr. Reimann über den histo-
rischen Johann von Nepomuk.
Am 9. März von Herın Rector Dr. Luchs über die oberachlesieeiien
Holzkirchen und Verwandtes.
Am 30. März von Herrn Staatsarchivar Professor Dr. Grünhagen
über die Kriegslasten Schlesiens in den Jahren 1806 bis 1813.
Am 20. April von Herrn Proreetor Dr. Maass über das politische
Witzwort der Franzosen unter Ludwig XIV., Ludwig XV. und Ludwig XVI.
Am 25. Mai vom zeitigen Secretair der Section Prof. Dr. Kutzen
über die Hauptmomente der Schlacht von Striegau und Hohenfriedeberg
mit besonderer Rücksicht auf die Eigenthümlichkeit der Gegend.
Am 22. Juni von demselben über Friedrichs des Grossen eigene
Darstellung seines glurreichen Sieges bei Striegau und Hohenfriedeberg
und über ein Manuseript eines preussischen Officiers aus jener Zeit über
den Feldzug von 1745.
Am 25. Juni Exeursion der Section auf den Schauplatz des
erwähnten $Bieges.
Am 26. October von Herrn Prof. Dr. Reimann über den Streit
Kaiser Ferdinands I. mit Papst Paul IV.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. . 17
Am 16. November vom Seeretair der Seetion über den geo-
graphischen Charakter des südwestlichen Gebietes der Grafschaft Glatz.
Am 14. December von Herrn Prof. Dr. Palm über die bei der
Beschiessung Strassburgs vernichteten öffentlichen Bibliotheken.
Nach diesem Vortrage in derselben Sitzung Wahl des Secretairs
für die nächste Etatsperiods. Der bisherige Seeretair Prof. Dr. Kutzen
wurde einstimmig wiedergewählt.
Die pädagogische Section.
(Seeretair: Herr Realschul-Direetor Dr. Kletke.).
In der pädagogischen Section wurden im verflossenen Jahre
1871 zwei Vorträge gehalten. Am 3. November sprach Herr Haupt-
lehrer Stütze „über Bedürfnisse und Einrichtung einer Besserungs-
schule in Breslau ohne Internat.“ Am 4, December gab der
Secretair der Section ein Bild von dem Sehulwesen zu Nürnberg im
Jahre 1606, wie dasselbe von dem Nürnberger Reetor M. Georgius Mau-
rieius in „Einer schönen Comoedia Von dem Schulwesen“ veranschaulicht
wird.
Die pädagogische Section muss sich auf Anregung neuer Schul- Ein-
riehtungen und Besprechung von Gegenständen beschränken, die ein
sanz allgemeines pädagogisches Interesse haben, da die vorhandenen
Lehrer- Vereine, Lehrer-Conferenzen und der jüngst begründete „päda-
sogische Verein“ zur Besprechung pädagogischer Fragen hinreichend
Gelegenheit bieten.
In der Sitzung vom 4. December wurde der bisherige Seeretair
wiedergewählt.
Die philologische Section
(Seeretair: Herr Professor Dr. H. Palm.)
hat in diesem Jahre 5 Sitzungen gehalten.
Es lasen:
1) am 28. März Herr Privatdocent und Gymnasiallehrer Dr. Förster
über die Pompejanischen Tempel und die neueste Tempel-Orien-
tirungs-Hypothese.
2) am 2. Mai Herr Gymnasial-Lehrer Dr. Einkte auer über Aeschylus’
Choöphoren v. 205 ff. u. v. 302 ff.
3) am 5. September Herr Gymnasial- Lehrer PDen über Catull’s
Epithalamien.
4) am 10. Oetober gab der Seeretair Prof. Dr. Palm neue Beiträge
zur Lebensgeschichte von Martin Opitz.
2
IS 2
5)
Jahres-Bericht
am 19. December las Herr Gymnasial-Lehrer Wegehaupt über
die Quellen des Nonius.
Für die nächste Etatszeit wurde der bisherige Secretair wieder-
gewählt.
Die juristische Section
(Seeretair: Herr Appellations-Gerichts-Präsident Dr. Belitz.)
hat im
1)
2)
3)
4)
5)
Laufe des Jahres 1871 fünf Sitzungen gehalten, es trugen vor:
am 1. März: Herr Stadtgerichts-Rath Güttler „Die Reform des
Vormundschaftswesens.‘
am 15. März: Herr Appellations-Gerichts-Referendar Dr. juris
Teichmann „über die Geschiehte der Advoeatur.“
am 29. März: Herr Justizrath v. Wilmowski „über Kriegsbeute‘“
am 19. April: Herr Appellations-Gerichts-Referendar Dr. juris
Georg Cohn „über die Reform des Executionswesens.‘
In der Sitzung am 20. December wurde der zeitherige Secretair
wiedergewählt.
Die musikalische Section
(Seeretair: Herr Musikdireetor Dr, Schäffer.)
hat zwei Sitzungen gehalten, nämlich
1) am Montag den 13. November und
2) am Montag den 27. November.
In beiden trug der Secretair eine längere Abhandlung „über den
Unterschied der katholischen und protestantischen Kirchenmusik“ vor.
In
der Sitzung am 27. November wurde der ‚bisherige Seecretair
wiedergewählt.
Die archäologische Section.
(Secretair: Herr Privat-Docent Dr. Alwin Schultz.)
Die Section hielt im verflossenen Jahre sieben Sitzungen.
23. Januar Dr. Berthold Müller (als Gast) über die neuesten
Ausgrabungen im Stadium zu Athen.
20. Februar Dr. H. Blümner über die Gemälde des Polyquot
in der Lesche zu Delphi.
20, März Dr. R. Förster über neuentdeckte Antiken zu Palermo.
24. April der Secretair über die Bildung der lateinischen Buch-
staben und die Entstehung des sogenannten deutschen Alphabetes.,
Kassen-Abschluss für das Jahr 18571.
Soll
einkommen
laut
dem Etat pro
1870/71.
BP
316
115
alle
296 — | —
36 | — | —
150 | — | —
180 | — | —
6 |— | —
100 | — | —
Allgemeine Kasse.
Einnahme.
An Bestand aus dem vorigen Jahre .
”
”
”
”
„
”
Zinsen von Effeeten:
von 2400 3. Niederschles.-Märk. Eisenbahn-Pr.-Oblig. a 4% 96 2
„ 1200 , Bresl.-Schweidn.-Freib. Eisenb.-Pr.-Oblig. a 4% 48
» 900 „ Oberschl. Eisenb.-Pr.-Oblig. Lit. E. & 33
Lit. F.& 4
» 8300 „ Preussische Prämien-Anleihe & 31%
„» 2000 „ Oberschl. Eisenb.-Pr.-Oblig. Lit. G. .
PB] 900 ”
” ” ” ”
Beiträgen einheimischer Mitglieder:
Pro I. Semester von 281 Mitgliedern & 3 #s
SSL y 2.290
Beiträgen auswärtiger Mitglieder:
Pro I. Semester von 72 Mitgliedern & 2 .
” II. ” ” 14 ”) a 2
Eintrittsgebühren neuer Mitglieder 11: & 3 mE.
Miethsbeitrag vom Schlesischen Kunst-Verein
EB) „ > Gewerbe-Verein
en » klassischen Musik-Verein
Jahres-Beitrag vom hiesigen Magistrat
Aussergewöhnliche Einnahmen:
Vom Verein für bildende Künste
Für Benutzung des Locals .
Für Gasbenutzung
Zinsen von zeitweise angelegten Geldern
ss 2
”
”
MW:
Effecten.
311
63
10 PB)
674
2»
7700
”
843 4:
870
Mn
7700
Baar.
rbb
A822 8
316 15 | —
1713 | — | —
292 | — | —
3 | — | —
150 I — || —
180 | — | —
AO u
100 | — | —
76 15 6
3396 21 2
Ist eingekommen.
Ausgabe
laut
dem Etat pro
1870/71.
20:
600
16
47
Allgemeine Kasse.
Ausgabe.
Miethe .
Honorare und Remunerationen .
Gehalt dem Castellan .
Neujahrsgeschenk demselben
55 dem Haushälter
Heizung
Beleuchtung .
Unterhaltung der Mobilien und Neuanschaffungen
Feuerversicherungs-Prämie . . .
Schreibmaterialien .
Zeitungs-ÄAnnoncen .
Druckkosten .
Buehbinder-Arbeiten
Porto
Kleine Ausgaben ;
Naturwissenschaftliche Section .
Entomologische Section .
Technische Section. .
Botanische Section .
Bibliothek .
Unvorhergesehene Ausgaben
Bestand am Schlusse des Jahres 1871:
2400 +,.4% Niederschl.-Märk. Eisenbahn-Prioritäts-Actien.
4% Breslau-Schweidn.-Freib. Eisenb.-Pr.-Oblig.
31% Oberschl. Eisenb.-Prioritäts-Oblig. Lit. E.
1200 „
900 „,
oo, =
2000 vb} 45% 2 ”
300 „ 33% Prämien-Anleihe.
Effecten.
Ist verausgabt.
Baar.
"; MM 0
7700 | 953
7700 | 3396
Franck, z. Z. Kassirer der Gesellschaft.
21
— 2 nd nn
Kassen-Abschluss für das Jahr 1871.
Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau.
Einnahme.
An Bestand aus dem vorigen Jahre .
„ Mitglieder-Beiträgen:
von 76 einheimischen .
„ 252 auswärtigen.
„ Beiträgen für den Lesezirkel: .
„ Einnahmen für den Garten und Erträgnisse desselben:
Beiträge von 178 einheimischen und auswärtigen Mitgliedern 178 6 — Me — 4%
für Erzeugnisse verschiedener Art
für Edelobstbäume, Weinreben ete. . BE
Zuschuss vom landwirthschaftlichen Ministerium . ,
Ausserordentliche Subvention von demselben .
Subvention von den Schlesischen Provinzial - Ständen pro
1871/72 .
„ Extraordinaria:
für angekaufte 2 Stück Oberschles. Eisenbahn - Prioritäts- Obligationen Litt. F.
im Nominal-Werth von .
162
. 837
. 400
. 200
. 300
”
”
”
”
„
25
»
”
”
Ist | eingekommen.
Effecten.
Mr
600
ne
600
Baar.
Mb
92
351
98
2077
2559
#6
22
26
, Ehe RWÖ"®@W@W@R@Ree__—_ hm
Ist veransgabt.
Separatkasse der Section für Obst- und Gartenbau, l\rrecen.
Baar.
“I m MH
Ausgabe.
Für den Lesezirkel:
Journale, und Bucher, ma 0... 2.206 16 Mm —-
Golportationt. '... .. 0 m 0. #8 u, — 3 —
Buchbinderänpeiten . ern 0. 0 A au 9,
Extraordinaria. > 2 oe. 90 » nn
— 8. a0 2
Für Sämereien und Reiser zur Vertheilung:
Sämereien und Versandtspesen . ir 44 | 20 | 10
Insgemein:
BOLLOR 2 ee 2... Dane MATTE 24
Insertionskosten N
Kleine Ausgaben . Na N ee Bye
Druckkosten; .* +... ee nl 2.0.80... i
Angeschatfte Werke und Buchbinderarbeiten ..... 6 „5, —, \
Extraordinaria. =... on 0 Bes. der u.
a
Extraordinaria:
für angekaufte 600 Thlr. Oberschl. Eisenb.-Pr.-Obl. Litt. F. & 98 Thlr. und Zinsen E= 594 | — | —
Für den Garten:
Gehälter, Löhne und diverse Ausgaben 1205 2: 10 96 6
für 'Sämereien, Edelbäune, Obstbäume. ....... 321, 12,„Il,„
Ka 21026 723 025
bestand; . a all a. ER Ss De © ee. heat 18000 236 |16 | ı1
600 | 2559 |ıs| 3
Franck, z. Z. Kassirer der Gesellschaft.
Kasse für die Jahre 1872 und 1873.
Einnahmen. Ausgaben.
I. | Zinsen von Activ-Capitalien: | . BR U Ba LER TOT NEE 600 | _
von 2400 +3: Niederschl. - Märk. Eisenb. - Prior.- +4 #6 Bl ehonorare, ne ee reirand. ken ee 180 | AR
Oblig. Ser. I. a 4 a : E Ku n R 0 a | Gehalt. den Kasten... mt. Be
‚ 1200 ,, Bresl.-Schweidn.-Freib. Eisenbahn. Bu tur |
ee ee n 0 ie 2
„900 ,„ Oberschles. Eisenb.-Prior.-Oblig. lit. S S a a BE 3
B.& 31 a RER 31 15 | . A N RT EL NE RA 100 | —
„ 900 „ Oberschles. Eisenb.-Prior.-Oblig. lit. | A nL eleuehtunen nen a ne N 95 | —
BE N Le 40 15 | #| Unterhaltung, des Mobiliars... en.
„ 2000 „ Oberschles. Eisenb.-Prior.-Oblig. lit. | IX. | Feuer-Versicheruns-Prämie or le
GBA ne neeneenenennenn = Re nSchreibmaterialien. u... ee ee 5|i —
a a 21615 | xT2 | Zeitunge-Annoneenli „u. Bytes ann SERIEN? 45 | —
II. I Beiträge von einheimischen Mitgliedern nach der Ende 1871 | DS E Dreck kosten ne a et en N 2005 7
verbliebenen Anzahl von Mitgliedern ......... ...... al | | Be nn la a 69.0 —
ill. | Beiträge von auswärtigen Mitgliedern nach der Ende 1871 | N | Bortoieseniin:: YO a0 ram. Di rl Alu r—
verbliebenen Anzahl von Mitgliedern................. Doc EX. |. Kleine Ausgaben... on Me N ee eoeneld
IV. | Eintrittsgeld neu aufgenommener Mitglieder... ... ..... 36 | = XVI. | Naturwissenschaftliche Section ........... u... 25, |E—
V. | Miethe vom hiesigen Kunstverein ....... RE 150 | — XVIL. Entomologische Section ................ A 20,1
VI. | Miethe vom Gewerbe-Verein inel. Beheizungs- und Beleuch- | | EI BiNeehnische*Section we. 22. 2 ee sorı
ImnBSkoB len IR eh: 1800 3 XIX | Botanische Section... .. 0... cur neeenneaeee. g 25 | —
YlI. | Miethe vom Verein für klassische Musik inel. Beheizungs- NT EP iothelssie) ee ER LE sone
undeBeleuchtunaskostenze 0 sn ee 56 —| | Basnianlardı ee url 0 Aare NEL Bee
BAU Beütrae vomlhiesisen Masistrat. 0.0... 0. Oo EI | ach Se nuennasi per der Bine Kl, |
l |
2850 | 15 2850 | 15
Breslau, den b®eptember 1872.
llschaft für vaterländische Cultur.
fritz Kutzen, Franck,
-Secr.
Das Präsidium der Schlesischen @
Göppert, vw. örtz, vw!
Präses. Vice-Präses. Gen zweiter Gen.-Secr. Kassirer.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 19
16. October Derselbe über das Münster zu Strassburg.
1. December Derselbe über die Meisterwerke der deutschen
Plastik des dreizehnten Jahrhunderts.
18. December Dr. R. Förster legt einige Abgüsse neuentdeckler
Venustorsen vor. Hierauf erfolgte die Wahl des Secretairs
für die nächste Etatszeit und wurde der bisherige Secretair
wiedergewählt.
Bericht über die Kassen-Verwaltung pro 1870.
Der Kassen - Abschluss des Jahres 1869 ergab für die Allgemeine
Kasse einen Baarbestand von 308 Thlr. 15 Sgr. 1 Pf. und einen Effecten-
Bestand von 7700 Thlr.
Die Einnahmen im Jahre 1870 betrug 2918 Thlr. 12 Sgr. 6 Pf.,
zusammen 3226 Thlr. 27 Sgr. 7 Pf,
Die Ausgaben beliefen sich auf 2739 Thlr. 4 Sgr. 11 Pf., so dass
ult. December 1870 ein Baarbestand von 487 Thlr, 22 Sgr. 8 Pf. verblieb.
In dem Bestande der Effeeten ist im Laufe des Jahres 1870 eine
Veränderung nicht eingetreten.
Die Special-Kasse der Section für Obst- und Gartenbau schloss am
31. December 1869 mit einem Baarbestande von 3 Thlr, 2 Pf.; ein
Effeeten-Bestand war, nachdem im Jahre 1869 der Rest desselben zu
verschiedenen Ausgaben verwendet worden, nicht mehr vorhanden.
Die Einnahmen betrugen 1750 Thlr. 8 Ser. 6 Pf, zusammen mit
dem Bestande 1753 Thlr, 8 Sgr. 8 Pf., die Ausgaben 1660 Thlr. 16 Sgr.
6 Pf., demnach verblieb Ende December 1870 ein Bestand von 92 Thlr,
22 Sr. 2 PT.
Im laufenden Jahre haben weder aussergewöhnliche Ueberschrei-
tungen bei der Ausgabe stattgefunden, noch haben sich die Einnahmen
wesentlich verändert, so dass auch für das Jahr 1871 ein verhältniss-
mässiger Ueberschuss bei der Allgemeinen Kasse zu erwarten,
Breslau, den 29. December 1871.
Franck,
z. Z. Kassirer der Gesellschaft.
Bericht über die Bibliotheken der ‚„Schlesischen Gesellschaft“
im Jahre 1871.
Bei beiden Bibliotheken hat eine Anzahl von Vereinen dies Jahr
noch nicht gesendet, deren Beiträge also dem nächsten Jahre zuzu-
schreiben sein werden, Wiederum ward mit mehreren auswärtige
I%
20 Jahres-Bericht
Tauschverbindung angeknüpft, mit transatlantischen insonders durch die
unermüdete Bereitwilligkeit des Herrn General-Consul a. D. Dr. Flügel
in Leipzig, mit Gartenbau-Vereinen durch den Herrn Seeretair der Obst-
und Gartenbau-Section. Die Vereine der Provinz Schlesien glänzen in
ihrer überwiegenden Mehrzahl nach wie vor durch Abwesenheit in den
Listen der Bibliothek. Zufolge Ansuchens unseres Präsidiums haben mehre
höhere Schulanstalten der Provinz freundlichst ihre Programme gesendet,
zumtheil vollständige Reihen derselben; doch haben noch keinesweges
sämmtliche jener Aufforderung entsprochen und selbst von einigen hie-
sigen ist dies nach wie vor zu beklagen.
Der Zuwachs beider Bibliotheken und der zugehörigen Samm-
lungen stellt sich auf 878 Nummern in 2208 Bänden, Mappen, Heften
oder Blättern (soweit letztere besonders zu zählen und zu katalogisiren
waren).
Hiervon entfallen auf die
allgemeine Bibliothek 489 Nummern in 1250 Bänden oder
Heften,
auf die
schlesische Bibliothek 149 Nummern in 517 A Heften
oder Blättern,
auf die
Sammlungen an Abbildungen und Karten 10 Nummern in
106 Blättern nebst 12 zu Druckwerken gehörigen, zusammen 118.
Es treten ferner hinzu die Schenkungen des Herrn Stadtgerichts-
Rath Schwürz 96 Werke in 189 Bänden, und der verwittweten Frau
Dr. Krause in 134 Nummern, zusammen 230 Nummern in 323 Bänden.
Beide sind noch nicht katalogisirt, und wird die erstere überwiegend der
schlesischen, die letztere, bei welcher sich 8 Bände Homann’sche
Karten befinden, der allgemeinen Bibliothek zufallen.
An grösseren Geschenken ist ausserdem des von Herrn Kunst-
händler Karsch jun. aus dem Nachlasse seines Vaters, unseres lang-
jährigen Gesellschafts-Mitgliedes, übergebenen grossen Albums mit Photo-
sraphien hervorragender schlesischer Persönlichkeiten, angefertigt vom
Hofphotographen Hrn. Robert Weigelt, zu gedenken; ferner der Herren
Quetelet in Brüssel und Dr. Gustavus Hinrich in Jowa-City Nord-
amerika, welche Colleetionen ihrer Schriften sandten.
Die schlesische Bibliothek ward insbesondere durch antiquarischen
Ankauf einiger interessanten Gegenstände, darunter 6 Bände Zusammen-
stellungen öffentlicher Actenstücke aus dem vorigen Jahrhundert in Druck
und Schrift, sowie durch einige Collectionen kleinerer Sachen, welche
Herr Cantor Fietz in Goldberg, jetzt im Elsass, (140 Stück) und Herr
Hofrath Krätzig in Brieg übersandten, bereichert.
der Sehles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur. PA
Die Ankäufe für die allgemeine Bibliothek rühren überwiegend
von den Lesezirkeln der Sectionen her. Ueber einzelne interessante
Eingänge wird bisweilen in den „Schlesischen Provinzialblättern“
Nachricht gegeben.
Die Namen der Behörden, Institute, Vereine und einzelnen Per-
sonen, welche zur Vermehrung der Bibliothek gütigst beigetragen, sind
mit beigefügter Zahl der zugewendeten Stücke nachstehend verzeichnet.
Gesellschaftschriften sind durch Tausch - Verband eingegangen
von 43 schlesischen (20 Breslau, 23 Provinz), 107 anderweiten deut-
schen, 10 amerikanischen, 2 australischen, 2 belgischen, 4 dänischen,
2 französichen, 5 italienischen, 1 luxemburgischen, 4 niederländischen,
1 ostindischen, 23 österreichischen, 9 russischen,*) 2 schwedischen, 7 schwei-
zer, 3 siebenbürgischen, 2 ungarischen, zusammen 184 ausserschle-
sischen Vereinen, Behörden oder Instituten**). Das ist ein absolutes
Mehr von 14 schlesischen (meist Schulen) und 9 ausserschlesischen, zu-
sammen 23.
Es sandten ein:
A. Bei der schlesischen Bibliothek.
a. Behörden, Institute, Vereine.
Das königl. Oberbergamt 2 Stücke, der Verein für Geschichte und
Alterthum Schlesiens 4, der Verein für das schles. Alterthümer-Museum 1,
der Verein für Geschichte der bildenden Künste 1, der Verein für schles.
Inseetenkunde 7, die Handelskammer 2, der schlesische landwirthschaft-
liche Centralverein 2, der schles. Gewerbe-Centralverein 1, der schles.
Forstverein 22, . der kaufmännische Verein 2, die kaufmännische Börsen-
Ressource 2, die Gesellschaft der Freunde 1, das Matthias-Gymnasium 1,
das jüdisch- theologische Seminar Fränkel’scher Stiftung 3, die Realschule .
(am Zwinger) 1, die städt. höhere Töchterschule I. 21, die städt. höhere
Töchterschule II. 1, die Lindner’sche höhere Mädchenschule 1, die Blin-
den-Erziehungsanstalt 1, der Verein für Kinderbewahranstalten 2 — sämmt-
lieh zu Breslau; — die ökon.-patriotische Societät des Fürstenthums
Schweidnitz-Jauer zu Jauer 1, die Philomathie zu Reichenbach 1; die
Gymnasien zu Beuthen OS. 5, Hirschberg 1, Lauban 1, Leobschütz 1,
Neisse (kgl. kathol.) 24, dito (städt. evangel.) 15, Oels 1, Oppeln 2,
Schweidnitz 5, Sorau 1, Gross-Strehlitz (Progymnas.) 2, Waldenburg 2,
die Ritteracademie zu Liegnitz 1; die Real- und höheren Bürgerschulen:
zu Görlitz 2, Grünberg 1, Guhrau 5, Kreuzburg 7, Neisse 1, Sprottau 1;
die landwirthschaftliche Akademie zu Proskau 1; "das Lehrer-Seminar zu
Kreuzburg 3.
*) Unter diesen 4 deutsche: zu Dorpat, Mitau, Reval, Riea; 1 schwedische
zu Helsingfors; 4 russische: zu Moskau und en
**) Eingerechnet 4 mit anderen verbündete Vereine,
22 Jahres-Bericht
b. Einzelne Geschenkgeber.
Die Herren Oberlehrer Dr. H. Adler 1, Stadt -Hauptkassen - Rendant
Beck in Bunzlau 1, Dienstmann Beer 1, Apotheker Rudolph Büttner 1,
Cantor Fietz in Goldberg 140, Antiquar Finkenstein 1, Geh. Medieinal-
rath Prof. Dr. Göppert 35, Buchhändler Jul. Hainauer 1, Lehrer Klimke
in Frankenthal bei Neumarkt 5, Stadtrath H. Korn 1, Buchdruckerei-Be-
besitzer Krahn in Hirschberg 2, Hofrath Krätzig in Brieg 11, Rector
Dr. Luchs 1, Kaufm. Berthold’ Lessenthin 2, Hauptlehrer Karl Letzner 2,
Redacteur Th. Oelsner 82 (und ca. 90 Einzelblätter),, Gymnasial-Ober-
lehrer Dr. Peiper 2, Generalmajor a. D. v. Prittwitz 2, Castellan Reisler
11, Diaconus Dr. Schian in Liegnitz 1, Redacteur O. Schönfeld (jetzt in
Wrietzen) 3, verwittwete Frau Weitzner 1, Herr Steuerrath a. D. von
Winkler in Hirschberg 1.
Gekauft wurden 17 Nummern in 46 Bänden oder Heften.
Eingetauscht wurden 3 Nummern in ebensovielen Bänden (zwei
Fascikel mit vielen Piecen und 1 handschriftlicher Band).
‘ B. Bei der allgemeinen Bibliothek,
a. Behörden, Institute, Vereine ete.
Der Verein für südslavische Geschichte zu Agram (Zagrebu) 2, der
historische Verein von Unterfranken zu Aschaffenburg und Würzburg 1,
die schwäbisch-bayrische Gartenbau-Gesellschaft zu Augsburg 1, der Ge-
werbeverein der Stadt Bamberg 2, die kgl. sächsische oberlausitzische öko-
nomische Gesellschaft zu Bautzen 1, das Curatorium des deutschen Reichs-
und preussischen Staats-Anzeigers zu Berlin 3, die kgl. preussische Akademie
der Wissenschaften zu Berlin 13, die Universität zu Berlin 8, die Gesellschaft
naturforschender Freunde zu Berlin 1, die deutsche geologische Gesellschaft
zu Berlin 2, die juristische Gesellschaft zu Berlin 1, der Verein für die
Geschichte Berlins 3, der Verein für Siegel- und Wappenkunde zu Ber-
lin 3, der Verein zu Beförderung des Gartenbaues in den preussischen
Staaten zu Berlin 1, der Gärtnerverein zu Berlin 1, der botanische
Verein der Provinz Brandenburg und der angrenzenden Landestheile zu
Berlin 1, das Central-Bureau des deutschen Vereines für medicinische
Statistik zu Berlin 1, der landwirthschaftliche Provinzial- Verein für die
Mark Brandenburg und die Niederlausitz zu Berlin 5, die naturforschende
Gesellschaft zu Bonn 2, das Ober-Gymnasium und die damit verbundenen
Lehranstalten zu Bistritz in Siebenbürgen 1, die Academia delle scienze
dell’ Instituto zu Bologna 12, der landwirthschaftliche Verein von Rhein-
preussen zu Bonn 1, der naturwissenschaftliche Verein der preussischen
Rheinlande und Westphalens zu Bonn 2, die Universität zu Bonn 48,
die Socieiy of natural history zu Boston 2, der historische Verein zu
Brandenburg a. d. H. 1, der Verein für Land- und Forstwirthschaft zu
Braunschweig 24, der naturw. Verein zu Bremen 2, der Gartenbauverein zn
Bremen 2, der landwirthschaftliche Verein für das Bremer Gebiet 1, der
naturforschende Verein zu Brünn 2, die Gesellschaft zur Beförderung des
Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde zu Brünn 13, deren Obst-,
Wein- und Gartenbau - Seetion 12, die Academie royale de medecine de
der Schles. Gesellseh, f. vaterl, Cultur. 93
Belgique zu Brüssel 12, die Academie royale des sciences, des leitres ei des
beaus arts zu Brüssel 6, das Geological Survey Office of India zu Calcutta
10, das Museum of comparative zoologie zu Cambridge (Amerika) 2, das
Harward College daselbst 2, die königl. landwirthschaftliche Gesellschaft
zu Celle und landwirthschaftliche Akademie zu Göttingen-Weende 3, der
erzgebirgische Gartenbau-Verein zu Chemnitz 2, die naturforschende Ge-
sellschaft in Graubündten zu Chur 1, die Direction der Gärtner-Lehr-An-
stalt zu Cöthen 12, die naturforschende Gesellschaft zu Danzig 1, der
Verein für Erdkunde und mittelrheinische geologische Verein und die gross-
herzog]l. hessische Centralstelle für Landesstatistik 1, der Anhaltische Garten-
bau-Verein zu Dessau 2, der Verein für Geschichte nnd Naturgeschichte der
Baar und angrenzenden Landestheile zu Donaueschingen 1, die gelehrte esth-
nische Gesellschaft zu Dorpat 2, die naturwissenschaftliche Gesellschaft „‚Isis‘
zu Dresden 5, die photographische Gesellschaft „Helios“ zu Dresden 10, die
k. k. Leopoldinisch-Carolinische Akademie der Naturforscher zu Dresden 1,
die ökonomische Gesellschaft im Königreich Sachsen zu Dresden 1, der
Verein für Erdkunde zu Dresden 2, der baltische Centralverein zu Eldena
l, die naturforschende Gesellschaft zu Emden 2, die königl. Akademie
gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt 1, die physikalisch - medieinische
Societät zu Erlangen 1, die Universität zu Erlangen 15, die Soc. geografica
zu Florenz 1, der physikalische Verein zu Frankfurt a. M. 1, die Sencken-
bergische naturforschende Gesellschaft zu Frankfurt a. M. 2, der ärztliche
Verein zu Frankfurt a. M. 4, der landwirthschaftliche Central-Verein zu
Frankfurt a. ©. 1, der Alterthum - Verein zu Freiberg 2, die Universität
zu Freiburg i. B. 12, die naturforschende Gesellschaft zu Freiburg i. B.
1, der Verein für Naturkunde zu Fulda 1, der historische Verein zu
St. Gallen 1, die naturwissenschaftliche Gesellschaft zu St. Gallen 2, die
Societe d’histoire et d’archeologie zu Genf 3, die oberlausitzische Gesellschaft
der Wissenschaften zu Görlitz 1, der thüringische Gartenbau-Verein zu
Gotha 1, die königl. Gesellschaft der Wissenschaften und Georg-August-
Universität in Göttingen 1, der naturwissenschaftliche Verein in Steier-
mark zu Gratz 2, der steiermärkische Gartenbauverein zu Gratz 1, der
naturwissenschaftliche Verein für Thüringen und Sachsen zu Halle 6, der
naturwissenschaftliche Verein zu Hamburg-Altona 1, der Pomologenverein
zu Hannover 10, die naturhistorische Gesellschaft zu Hannover 2, die
polytechnische Schule zu Hannover 2, die Societe Hollandaise des sciences
zu Harlem 10, das Bureau scientifigue central Neerlandais 1, der natur-
historisch-medieinische Verein zu Heidelberg 1, die Sällscapet pro Fauna
et Flora Fennica zu Helsingfors 1, der Verein für siebenbürgische Landes-
kunde zu Hermannstadt und Kronstadt 3, der siebenbürgische Verein für
Naturwissenschaft zu Hermannstadt 3, die Universität zu Jena 15, die
medieinisch-naturwissenschaftliche Gesellschaft zu Jena 4, der Verein für
thüringische Geschichte und Alterthumskunde zu Jena 5, das Ferdinandeum
für Tyrol und Vorarlberg zu Innsbruck 1, der naturwissenschaftlich-medi-
einische Verein zu Innsbruck 2, die k. k. Landwirthschaftgesellschaft für
Tyrel zu Innsbruck 2, der Verband der rheinischen Gartenbau - Vereine
zu Karlsruhe 12, die Universität zu Kiel 2, die Gesellschaft für die Ge-
‚ schichte der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg zu Kiel 1,
die schleswig-holstein-lauenburgische Gesellschaft zur Erforschung vater-
ländischer Alterthümer zu Kiel 1, der Gartenbau - Verein in Schleswig-
Holstein zu Kiel 4, das naturhistorisehe Landesmuseum in Kärnthen zu
24 Jahres-Bericht
Klagenfurt 2, die Universität zu Königsberg i. Pr. 20, die ostpreussische
landwirthschaftliche Centralstelle zu Königsberg und der Hanpt-Verein der
westpreuss. Landwirthe zu Danzig 2, die kongelige Danske Videnskabernes
Selskab zu Kopenhagen 4, die kongelige nordisk Oldskrift Selskab zu Kopen-
hagen 5, die kongelige medicinske Selskab zu Kopenhagen 1, die Univer-
Sat zu "Kopenhagen 20, die Maaischapij der nederlandsche Leiterkunde zu
Leiden 2, die potitechn. Gesellsch. zu Leipzig 1, das Museum Franeisco-Caroli-
num zu Linz 1, das Institut royal grand-ducal, section des sciences nat. et math. zu |
Luxemburg 1, der naturwissenschaftliche Verein zu Mageburg 2, das Reale In-
slituto Lombardo di science e leitere zu Mailand 21, die Gesellschaft zur. Beför-
derung der gesammten Naturwissenschaft zu Marburg 1, die Universität zu
Marburg 38, der Verein für Pomologie u. Gartenbau zu Meiningen 2, das Roy.
Mining Debar in ent of Victoria zu Melbourne 3, die Royal Society of Väctorie zu
Melbourne 1, die Curländische Gesellschaft für Literatur und Kunst zu
Mitau 1, die Societe imperiale de naturalistes zu Moskau 3, die Socieie imp.
d’agriculture zu Moskau 8, die königl. bayerische Akademie der Wissen-
schaften zu München 7, der landwirthschaftliche Verein in Bayern zu
München 10, der historische Verein von und für Oberbayern zu München
5, der Verein für Freunde der Naturgeschiehte in Mecklenburg zu Neu-
Brandenburg 1, die Connecticut Academy of arts and sciences zu New-
Haven 2, der Harzverein für Geschichte und Alterthumskunde zu Nord-
hausen 2, das Germanische Museum zu Nürnberg 1, der Verein für
Naturkunde zu Offenbach 1, die Societe geologique de France zu Paris 2, die
Societe imp. et centrale d’horticulture de France zu Paris 1, die academie imperiale
de sciences zu Petersburg 11, der königl. ungarische naturwissenschaftliche
Verein zu Pest 10, die Societas entomologica Rossica zu Petersburg 2, die
Wein- und Gartenbau-Gesellschaft zu Peterwardein ], die Academy of
seienees zu Philadelphia 3, die patriotisch - ökonomische Gesellschaft im
Königreich Böhmen zu Prag 8, der naturhistorische Verein ,Lotos‘“ zu
Prag 1, die köniel. böbmische Gesellschaft der Wissenschaften zu Prag
2, der ‘Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen zu Prag 23, die
böhmische Gartenbaugesellschaft zu Prag 1, der zoologisch-mineralogische
Verein zu Regensburg 1, .der historische Verein von Oberpfalz und
Regensburg zu Regensburg 1, der esthländische Gartenbau-Verein zu
Reval 1, der Naturforscher-Verein zu Riga 4, die Universität Rostock 51,
der mecklenburgische patriotische Verein zu Rostock 1, die Gesellschaft
für salzburgische Landeskunde zu Salzburg 1, der Verein für mecklen-
burgische Geschichte und Alterthumskunde zu Schwerin 1, das gross-
herzoglich mecklenburgische statistische Bureau zu Schwerin 2, der
Verein zur Beförderung der Landwirthschaft zu Sondershausen I, der Pro-
vinzial-landwirthschaftliche Verein zu Stade 1, die Gesellschaft für pom-
mersche Geschichte und Alterthumskunde zu Stettin 1, das Bureau de
la recherche geologique de la Suede zu Stockholm 13, die königl. württem-
bergische Centralstelle für Land- und Forstwirthschaft zu Stuttgart 1, der
württembergische ärztliche Verein zu Stuttgart }, die polytechnische Schule
zu Stuttgart 2, das königl. statistisch - -topographische Bureau zu Stuttgart
1, die Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier 1, der Verein für
Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben zu Ulm 4, die Societas
regia scieniarum zu Upsala 1, das Ateneo Veneto zu Venedig 2, das In-
stituto Veneto di scienze, lettere ed arti zu Venedig 10, die Smithsonian In-
stitution zu Washington 4, das Depariment of agriculiure of N.- Am.
De Zu ar u a
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 35
zu Washinston 4, das United States Patent Office zu Washington
4, das War- Department, surgeon general office zu Washington 1, das
Bureau of statistie, Treasury Department zu Washington 8, der Harz-
Verein für Geschichte und Alterthumskunde zu Wernigerode 1, die k. k.
Akademie der Wissenschaften zu Wien 41, die k. k. geologische Reichs-
Anstalt zu Wien 8, die geographische Gesellschaft zu Wien 4, die Universität
zu Wien 11, die Centralstelle für Meteorologie und Erdmagnetismus zu
Wien 1, die anthropologische Gesellschaft zu Wien 2, der Verein für
nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung zu Wiesbaden 2,
der historische Verein für Nassau zu Wiesbaden 1, der nassauische Ver-
ein für Naturkunde zu Wiesbaden 2, der polytechnische Centralverein
zu Würzburg 2, der fränkische Gartenbauverein zu Würzburg 1, der
oberlausitzische Obstbau-Verein zu Zittau 2, die naturforschende Gesell-
schaft zu Zürich 1, die antiquarische Gesellschaft zu Zürich 1.
bh. Einzelne Geschenkgeber.
Die Herren Prof. Dr. Aubert in Rostock 1, Geh. Mediecinal-Rath Prof.
Dr. Barkow 2, Dr. Joachim Barrande in Prag 1, Dr. H. W. Berend,
Director des gymnastisch - orthopädischen Instituts in Berlin 1, Curt von
Bose in Stuttgart 1, Privatdocent Dr. Hermann Cohn 1, Dr. jur. Georg
Cohn 1, Dr. med. Danielson in Christiania 1, Dr. Al. Ghirardini, Tribu-
nalsrath a. D. in Mailand 1, Geheimer Medieinalrath Prof. Dr. Göppert
6, Direetor K. Fritsch in Wien 1, Professor Dr. Engler in München 1,
Major a. D. v. Fils in Ilmenau 1, Wilh. Ritter v. Haidinger (+) in Wien
3, Edle v. Haidinger geb. v. Mohn 1, Dr. Gustavus Hinrich in Jowa-
City 17, verw. Frau Apotheker und Gewerbschullehrer Jäkel in Liegnitz
3, die Herren Pastor J. H. Kawall in Pussen bei Riga 4, Professor Dr.
A. Kerner, Director des botanischen Gartens in Innsbruck 7, Particulier
Richard Kissling 1, Major W. v. Knobelsdorf in Berlin 1, Privatdocent
Dr. Kny in Berlin 1, Oeconomie-Com. a. D. Krocker in Berlin 2, Sani-
tätsrath Dr. E. Kratzmann, Brunnenarzt in Marienbad 1, Oberbergamts-
Assistent Langner 2, Kaufmann Berth. Lessenthin 1, Dr. Ed. Lichtenstein
in Berlin 1, Antonio M. Lombardi in Sansevero in Capitanata 1, Buch-
händler Joseph Max 3, Antiquar Eman. Mai in Berlin 1, Buchhändler
Morgenstern 7, Dr. Ladisl. Netto, Dir. der botanischen Section am Mu-
seum in Rio de Janeiro 4, Dr. Ludw. Oelsner in Frankfurt a. M. 1, Re-
daeteur Th. Oelsner 1, Prof. Dr. Prestel in Emden 2, General- Major
a. D. v. Prittwitz 2, Prof. Quetelet in Brüssel 8, Staatsrath Dr. E. Regel,
Director des botanischen Gartens in Petersburg 4, Dr. L. W. Schaufuss
in Dresden 1, Dr. W. G. Schneider 26, Dr. W, Sklarek in Berlin 8,
Fräul. Marie Stephan 1, die Herren Antiquar Stett 1, Hauptlehrer Stütze
5, Ober-Regierungsrath Freiherr v. Tettau in Erfurt 1, Sanitätsrath Dr.
Valentiner in Berlin 12, Lehrer a. D. K. F. W. Wander in Hermsdorf
u. K. 10, Forstinspeetor H. C. Weber in Brünn 8, Dr. jur. Weitenweber
jun. in Prag 2, Dr. M, Wilckens in Pogarth 1, Dr. med. M. Wocke 1.
Gekauft wurden 125 Nummern in 240 Bänden oder Heften.
Eingetauseht wurden 6 Nummern in ebensovielen Bänden oder
Heften.
26 Jahres-Bericht
C. Die Sammlungen der Gesellschaft
erhielten nächst zwölf zu bezüglichen Druckwerken gehörigen Karten:
von Herrn Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Göppert 1 Plan von Breslau,
Frau Apotheker und Gewerbeschullehrer Jäkel in Liegnitz 2 Bde. illustr.
technische Zeichnungen aus dem Nachlasse ihres Gatten, Herrn Kunst-
händler Karsch jun. das obenerwähnte Album (44 Blatt photographische
Portraits mit 26 Bll. handschriftlichem Text, 4 Blatt anderweite Portraits
mit 1 Bl. Text, gr. Folio), Herrn Maler Prof. Keil 5 Portraits, Redaeteur
Th. Oelsner 5 Portraits, Goldarbeiter und Photograph Sachsse in Löwen-
berg 2 phot. Bildchen, Lithograph Scheffer 3 Kriegskarten und 12 Blatt
Carricaturen v. J. 1870/71, Xylograph Emil Süss 1 Blatt desel.
Hierzu treten die noch unkatalogisirten 323 Bände (einschliesslich
8 Foliobände Landkarten) von Herrn Stadt-Gerichts- Rath Schwürz und
Frau Dr. Krause.
Th. Oelsner.
Bericht des Conservators der naturhistorischen Sammlungen
der Schlesischen Gesellschaft,
(Für 1871.)
Nachdem ich von Einem Hochlöblichen Präsidium an Stelle des im
Juni d. J. verstorbenen Prof. Dr. Milde unterm 13. Juli ec. zum Custos
genannter Sammlungen ernannt worden war, wurde ich am 23. September
von dem Präses der Gesellschaft Herrn Geh. Rath Prof. Dr. Göppert
im Beisein des Secretairs der botanischen Section Herrn Prof. Dr. Cohn
in mein Amt eingeführt und wurden zu diesem Zweck die sämmtlichen
in zwei grossen Zimmern aufbewahrten Bestände dieser Sammlungen
meiner Obhut überwiesen.
Es schien sofort als die erste nothwendige Arbeit an mich heran-
zutreten: ein Verzeichniss aller integrirenden Bestandtheile dieser
Sammlungen anzufertigen. Denn abgesehen von dem höchst umfang-
reichen, in sich geordneten und als Einheit dastehenden grossen Hen-
schelschen Herbarium) konnte ein solches Verzeichniss des massenhaft
Vorhandenen nirgends von mir aufgefunden werden und ist ein solches
überhaupt wohl niemals angefertigt worden, obgleich ohne dasselbe die
Benutzung der äusserst zahlreichen mit dem Henschel’schen Herbarium nicht
zusammenhängenden anderweitigen Sammlungen eine nahezu illusorische
sein dürfte. Ich habe diese Arbeit, soweit es der Winter gestattete,
energisch in Angriff genommen und werde hoffentlich im Stande sein,
schon im Laufe des nächsten Sommers ein detaillirtes Verzeichniss der
der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 27
vorhandenen Einzelsammlungen, die durch zweckentsprechende Etiketti-
rung auch äusserlich von einander gesondert werden sollen, Einem Hoch-
löblichen Präsidium einzureichen. Das kleine Geschäft, eine Registrirung
der vorhandenen botanischen Manuseripte hat mittlerweile schon jetzt
erledigt werden können.
Als Geschenke für die Sammlungen gingen während des verflossenen
Jahres ein:
von Herrn Dr. Rabenhorst in Dresden die neuesten Lie-
ferungen seiner Algae Europae und seiner Lichenes Europae,
von Herrn Dr. Schneider hier eine Sammlung schlesischer
Synchitria auf 25 Quartblättern.
Ausserdem steht aus dem Nachlasse des Prof. Dr. Milde die Er-
werbung einer sehr werthvollen Sammlung von Gefäss-Cryptogamen in
Aussicht,
W. Körber.
Nunmehr am Ende der Wahlzeit legt das Präsidium sein Amt in
die Hände der Wähler mit dem innigen Wunsche nieder, dass die Schle-
sische Gesellschaft auf der Bahn gedeihlichen Wirkens unablässig fort-
schreiten möge, welche sie unter der Leitung ihres bisherigen hochver-
dienten Präses während der letzten 25 Jahre verfolgt hat.
i®
Bericht
über die
Thätiekeit der naturwissenschaftlichen Section der
Schlesischen Gesellschaft im Jahre 1871
erstattet von
Herrn Prof. Dr. Grube und Herrn Prof. Dr. Römer,
zeitigen Secretairen der Section.
In der Sitzung der naturwissenschaftlichen Section am 25. October
1871 sprach Herr Apotheker Julius Müller
über Veränderungen des Trinkwassers.
Der Vortragende war von dem Dirigenten des Allerheiligen-Hospitals
Herrn Geheimrath Dr, von Pastau im Frühjahre dieses Jahres, als ver-
einzelte Fälle von Fleckentyphus in unserer Stadt auftraten, bewogen
worden, die Trinkwässer, von denen die Erkrankten getrunken, chemisch
und 'mikroskopisch zu untersuchen, um durch die gefundenen Resultate
womöglich festzustellen, ob die Trinkwässer in irgend welchen Zusam-
menhang mit dieser Epidemie zu bringen wären. Es wurden in Folge
dessen untersucht die Wässer der Grossen Rosengasse Nr. 12, Kleine
Rosengasse Nr. 5, Viehmarkt Nr. 18, Laurentiusgasse Nr. 13, Neue
"Weltgasse 12/13, Friedrich-Wilhelinsstrasse Nr. 26, Ritterplatz, Stockgasse
Nr. 7, Ziegengasse Nr. 8. Bei diesen Untersuchungen wurde quantitativ
bestimmt: der Gesammt-Rückstand, die organische Substanz, die Schwefel-
säure; vor Allem die Salpetersäure und das Ammoniak d. h. die Stofie,
die ursprünglich nicht im Brunnenwasser vorhanden, sondern erst in
Folge thierischer und menschlicher Auswurfsstoffe in das Wasser ge-
drungen sind. — Aus den näher angeführten Resultaten ergab sich, dass
die genannten Wässer nach ihren chemischen Bestandtheilen zu den ver-
30 Jahres-Bericht
schiedensten der Stadt gehören, dass unter ihnen die besten, „‚wie das des
Ritterplatzes,‘“ sowie die schlechtesten „Laurentiusgasse und Rosengasse‘‘
sich befinden.
War es auch eine Unmöglichkeit, durch die chemische Analyse den
etwaigen Ansteckungsstoff zu finden, so wäre es doch denkbar gewesen
— falls derselbe überhaupt im Wasser — irgend eine chemische Ueber-
einstimmung, sei es nun im Ammoniak- oder im Salpetersäure-Gehalt zu
beobachten. Das war aber keineswegs der Fall; die chemischen Bestand-
theile der untersuchten Wässer sind in keinerlei Zusammenhang mit
einander zu bringen. — Bei diesen. Untersuchungen aber ergab sich:
1) Dass, je grösser der Gehalt eines Wassers an Salpetersäure, je
geringer der an Ammoniak und umgekehrt. Es lässt sich dieses Facetum
dadurch leicht erklären, dass das Ammoniak, in welcher Verbindung der
Stickstoff zuerst in den Boden gelangt, nach und nach sich zur Salpeter-
säure oxydirt.
2) Dass die Wässer des rechten Oderufers reich an Ammoniak, da-
gegen arm an Salpetersäure, die des linken reich an Salpetersäure, da-
gegen arm an Ammoniak sind. Der Grund dafür liest wahrscheinlich
in der verschiedenen Boden-Beschaffenheit; das linke Oderufer besteht
namentlich aus derbem, kiesigen Sand, ein Material, das dem Sauerstoff
der atmosphärischen Luft reichlich Gelegenheit zur Oxydation bietet; das
rechte Oderufer dagegen aus einem thonigen Schlamm begleitenden
Schliefsand.
Waren nun die Resultate der Analyse keineswegs günstis für die
Annahme, dass das Trinkwasser den Ansteckungsstoff enthalten solle, so
wäre es doch gewagt, in Folge dessen behaupten zu wollen, das Wasser
könne denselben unmöglich bergen, muss doch hierüber in erster Reihe
das Mikroskop zu Rathe gezogen werden. Dasselbe wurde nach Kräf-
ten benützt; in den Wässern aber, mit Ausnahme des zur Untersuchungs-
zeit trüben Wassers der Grossen Rosengasse, wo Bacterien und Monaden
leicht zu erkennen waren, nichts irgendwie. Auflallendes gefunden. Er-
scheint es auch hiernach als köchst unwahrscheinlich, dass das Trink-
wasser als Herd der Ansteckung anzusehen sei, so wird dies geradezu
unmöglich, wenn man bedenkt, dass bei den wenigen diesmal aufge-
tretenen Fleckentyphus-Fällen angenommen werden müsste, „gerade nur
die wenigen Brunnen, von denen die Erkrankten getrunken, hätten den
betreffenden Ansteckungsstoff enthalten und gerade nur die wenig Er-
krankten hätten den geeigneten Boden zur Entwickelung des Contingents
dargeboten. Erfährt man nun noch, dass Leute, die in der vielgenannten
Grossen Rosengasse ihre Schlafstelle haben, vielleicht nie, sicher aber
nicht aus dem da befindlichen Brunnen Wasser trinken, so verliert die
Annahme, das Trinkwasser enthalte den A immer mehr
an Wahrscheinlichkeit. Nichtsdestoweniger ist sicher ein gutes Trink-
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 31
wasser von der grössten Wichtigkeit, und die Polizei müsste namentlich
bei Anlage neuer Brunnen, die bei uns ja überall nicht weit von Cloaken
entfernt sein können, auf das Sorgfältigste für ausreichende Umkleidung
von Kies, Kohlen ete. und gute Cementation achten. —
Der Vortragende zeigte nun mehrere genau analysirte Wässer, die
er Ende Mai in mit Glasplatten lose bedeckten Gefässen dem Sonnen-
licht ausgesetzt. In allen Wässern hatten sich mehr oder weniger be-
deutende Mengen brauner resp. grüner Organismen „Diatomeen und
Protococeus- Arten“ entwickelt. Der Grund der verschiedenen Mengen-
bildung der chlorophylihaltigen Alge liegt wahrscheinlich in dem ver-
schiedenen Ammoniak-Gehalt; so zeigt das Wasser der Friedrich - Wil.
helmsstrasse 26, das fast frei von Ammoniak, gar keine chlorophyli-
haltige Alge, das des Ritterplatzes mit 0,00087 Gr. Ammoniak im Liter
mehr, das der Laurentiusgasse mit 0,0053 Gr. Ammoniak im Liter am
meisten grüne Protococeus- Arten. Eine Bestätigung dieser Annahme
liefert das Oderwasser des neuen Wasserhebewerkes. Dasselbe ist fast
absolut frei von Ammoniak und es hat sich hier in der That nicht die
Spur einer chlorophylihaltigen Alge entwickelt. Hierbei sei erwähnt,
dass das durch die schönen Filter gezogene Oderwasser als sehr vor-
züglich bezeichnet werden muss, sowohl in Bezug auf den höchst geringen
Rückstand, den es beim Abdampfen hinterlässt, als auch auf das fast
völlige Fehlen des Ammoniaks, der Salpetersäure und der organischen
Substanz, Wenn unsere Trinkwässer bei anhaltendem Sonnenschein
schon nach wenigen Tagen Entwickelung von Organismen zeigen, so
finden wir dies beim Oderwasser des neuen Hebewerkes gar nicht.
Bei diesen angestellten Versuchen wurde beobachtet, dass durch
die Entwiekelung der Organismen in den Wässern alles Ammoniak ver-
schwand, dass das Ende der Entwiekelung mit dem völligen Verschwin-
den des Ammoniak-Gehaltes zusammenfiel, dass dagegen die Menge der
Salpetersäure nach wie vor ganz dieselbe geblieben. Die niederen Orga-
nismen haben also den zu ihrer Bildung nöthigen Stoff nur von Ammoniak,
nieht aber von der Salpetersäure genommen.
Hierauf zeigte der Vortragende folgende fünf ausgeführte Versuche:
Es wurde am 25. August Wasser von dem Brunnen der Stockgasse Nr. 7,
dessen Gehalt an Ammoniak und Salpetersäure nicht unbedeutend, dem
direecten Sonnenlicht ausgesetzt:
1) Nicht gekocht in einem mit einer Glasplatte lose bedeckten
Gefäss.
2) Vorher eine halbe Stunde lang gekocht, ebenfalls in einem lose
bedeckten Glase.
3) Nicht gekocht in einem mit gereinigter Baumwolle lose ver-
stopften Kolben.
32 Jahres-Bericht
4) Gekocht in mit Baumwolle lose verschlossenem Kolben.
5) Gekocht in einem nach dem Füllen sofort zugeschmolzenen
Kolben.
Aus diesen Versuchen geht hervor, dass die Bildung der Organismen
beim Stehenlassen unserer Trinkwässer theils von den schon im Wasser
befindlichen, theils von den durch die Luft in dasselbe gelangten Sporen
herrührt, dass die vermittelst der in der Luft enthaltenen Sporen gebil-
deten Organismen meist dieselben sind, wie die bei Abschluss der Luft
sich bildenden; dass die im Wasser befindlichen Keime beim Kochen
getödtet und die in der Luft enthaltenen durch Baumwolle zurückgehalten
werden. ;
Praktisch verwerthet sollen diese Versuche im künftigen Sommer,
wenn die Sonne dieselben begünstigt, werden, insofern als der Vor-
tragende dadurch nachweisen wird, ob durch die so sehr gerühmten
Kohlenfilter die im Wasser vorhandenen Sporen zurückgehalten werden.
Zum Schluss erwähnt der Vortragende, dass er mit Versuchen be-
schäftigt, die synthetisch beweisen sollen, ob die in den Trinkwässern
sich bildenden Organismen in einem bestimmten Zusammenhang mit den
ehemischen Bestandtheilen der Wässer zu bringen seien.
Herr Professor Dr. Websky herichtet über das Vorkommen eines
eigenthümlichen in Tetraeder-Form krystallisirenden Fahlerzes im Zech-
stein bei Kassel, welches durch Herrn Promnitz mitgetheilt wurde.
In der Versammlung am 15. November hielt Herr Dr. Carstädt
einen Vortrag
über das mechanische Wärme-Aeguivalent.
Seit dem Beginn der neuen Zeit ist nach Entwiekelung einer rich-
tigen Methode der naturwissenschaftlichen Studien durch Baco auf dem
Gebiete der Physik eine lebendige Thätigkeit erstanden, die, eine grosse
Masse von Thatsachen feststellend, zur Aufstellung von Theorien für
einzelne Diseiplinen geführt habe. Namentlich in der Lehre vom Lichte
wurden zwei Theorien entwickelt, die Newton’sche Emissions- Theorie,
nach welcher das Licht ein-imponderabler Stoff sei, und die Joung-
Hugshens’sche, welche die Lichterscheinungen aus den Schwingungen
der Aethermolecule, zu erklären suchte. Erst dieses Jahrhundert brachte
die Angelegenheit zur Entscheidung, indem durch direete Versuche die
Emissionstheorie als falsch nachgewiesen wurde. Damit war, wie durch
Lavoisier in der Chemie das Phlogiston, so hier der imponderable Licht-
stoff aus der Wissenschaft verwiesen und damit überhaupt ein Misstrauen
gegen die Annahme aller Imponderabilien erregt. Ein Theil der Wärme-
erscheinungen, die der strahlenden Wärme, ergab sich als identisch mit
den Lichterscheinungen und so war ein neuer Zweifelsgrund für die
Existenz der Imponderabilien gegeben.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 33
Es herrschten bislang zwei Wärmetheorien, deren eine den Wärme-
stoff, das Calorienm, supponirte, die andere die Wärme als eine Art der
Bewegung ansah. Nach der ersteren ist die Wärme ein unwägbarer
Stoff, durch dessen Zuführung ein Körper wärmer, durch dessen Ent-.
weichen der Körper kälter wird. Eine wirkliche Wäimeerzeugung giebt
es nicht, ein Körper kann sich nur erwärmen, wenn gleichzeitig irgend
ein anderer, der ihm Wärmestoff abgiebt, sich abkühlt. Der Wärme-
stoff befindet sich in den Räumen zwischen den Atomen, ein Zuführen
desselben treibt die Atome auseinander, Erwärmung vergrössert das Vo-
lumen, noch weitere Vermehrung des Caloricums löst den Zusaınmen-
hang der Atome, die Cohäsion, macht die festen Körper flüssig, noch
weitere Hinzufügung luftförmig. Um die Atome eines Körpers bei der
Erwärmung zu- entfernen, war mehr Wärmestoff erforderlich, als bei
einem anderen, Erklärung der specifischen Wärme. Durch Pressen und
Stoss wird ein Theil des Wärmestoffs aus den Poren getrieben, die
Körper erwärmen sich.
Gegen diese Theorie erklärten sich schon Baco und Loke, ohne
jedoch Beweise ihrer Unrichtigkeit zu liefern. Sir Humphry Davy trat
entschieden gegen sie auf und bewies durch Versuche, dass man im
luftleeren Raume durch Reiben Eis schmelzen könne, also die zum
Schmelzen nöthige Wärme hervorbringen und gleichzeitig einen Körper
mit grösserer specifischer Wärme (Wasser) erzeugen könne. Graf Rum-
ford beobachtete die enorme Wärmemenge, die beim Kanonenbohren
entsteht, zeigte, dass man hierbei Wärme in unbegrenzter Menge hervor-
bringen könne und kommt zu dem Schlusse, Wärme könne nichts anderes
als Bewegung sein.
Hierauf werden die beiden Bewegungstheorien der Wärme ent-
wickelt, die Redtenbacher'sche, nach welcher die Körperatome oder
Moleceule von einer Aetheratmosphäre umgeben seien, deren radicale
Zusammenziehung und Ausdehnung die Wärme hervorriefe, eine um so
grössere, je rascher die Bewegung erfolgt; Mangel jeder Bewegung giebt
den absoluten Nullpunkt bei — 273° C., und die Clausius’sche, nach
welcher die Wärme durch Bewegungen der Körpermoleeule selber er-
zeugt werde, Bewegungen, die nach dem Aggregatszustande der Körper
sich verschiedenartig gestalten und zur Erklärung der verschiedenartig-
sten Wärmeerscheinungen führen.
Aus beiden Theorien, über die vorläufig eine Entscheidung noch
nicht möglich ist, ergiebt sich die Aequivalenz zwischen Wärme und
mechanischer Arbeit als nothwendige Folgerung, nachdem das Princip
der Erhaltung der Kraft erkannt ist. Dieses Prineip aufgestellt und so-
gleich auf die mechanische Wärme -Aequivalenz angewendet zu haben,
ist das Verdienst J. R. Mayer’s in Heilbronn. Seine diese Materie be- -
handelnde berühmte Arbeit: „Bemerkungen über die Kräfte der unbe-
3
34 Jahres-Bericht
lebten Natur,“ ist im Mai-Heft des Jahrganges 1842 der „Annalen für
Chemie und Pharmacie“ von Wöhler und Liebig erschienen und wird
vom Vortragenden in ausführlichem Excerpte besprochen. Fast gleich-
zeitig (1843) ist der königlichen Gesellschaft zu Kopenhagen von Col-
ding eine „Thesen über die Kraft“ betitelte Abhandlung vorgelegt wor-
den, die zu demselben Resultate führte.
Zu einem Abschluss ist die Frage nach der Grösse des mechanischen
Wärme -Aequivalents durch die innerhalb zehn Jahren angestellten Ex-
perimental - Untersuchungen des Engländers Joule geführt worden. Der
Vortragende erwähnt eine Uebersicht, die Joule selbst in der Einleitung
zu seiner letzten Abhandlung hierüber von seinen Arbeiten giebt, be-
schreibt dann die zuletzt von Joule zur Erforschung dieser Grösse auf-
gestellten Apparate und die gemachten Versuche und Rechnungen und
giebt als Resultat die Schlusssätze Joule’s an:
1) Die Wärmemenge, welche durch Reibung von Körpern, starren
wie flüssigen, erregt wird, ist immer der aufgewendeten Kraft-
menge proportional.
2) Die Wärmemenge, welche im Stande ist, ein Kilogramm Wasser
um 1° C. zu erwärmen, erfordert zu ihrer Erregung den Auf-
wand einer mechanischen Kraft, die erzeust wird durch den
Fall von 423,55 Kilogrammen durch einen Raum von einem
Meter.
Am 11. Januar gab Herr Professor Dr. Poleck eine experimentelle
Darstellung der continuirlichen Gasspectra im Stereoscop.
Herr Professor Dr. Galle hatte in der Sitzung der naturwissen-
schaftlichen Section vom 7. December v. J. die für die Erforschung der
physischen und chemischen Beschaffenheit der Sonne so überaus wich-
tigen Ergebnisse der Beobachtungen der Sonnenfinsternisse vom 18. Juli
1860 und vom 15. August 1868 in eingehender Weise mitgetheilt und
durch eine Reihe trefflicher Abbildungen nnd Photographien die ver-
schiedenen Phasen derselben, die Protuberanzen und die Corona zur
Anschauung gebracht. Alle Beobachtungen und namentlich die spectro-
skopische Untersuchung dieser Phänomene sowohl, wie jene der Sonnen-
flecken gipfeln in dem interessanten Resultat, dass die Sonne ein in
hoher Temperatur glühender Körper sei — ob fest, flüssig oder gas-
förmig? muss vorläufig noch dahingestellt bleiben —, welcher von einer
glühenden, vorzugsweise aus Wasserstoff bestehenden Atmosphäre um-
geben ist, deren stürmisch bewegte, unregelmässige Oberfläche in den
Protuberanzen oft 3—4000 Meilen hohe Wellen schlägt. Dem Wunsch
einer experimentellen Darstellung der diesen Schlüssen zu Grunde lie-
genden und durch das Spectroskop gefundenen chemischen Thatsachen
der Schles. Gesellschaft f, vaterl, Cultur. 35
kam Professor Poleck nach, indem er die Entstehung der continuirlichen
und der Gas- Spectra und die Umkehrung der hellen Linien in letzteren
durch das Experiment zur Anschauung brachte.
Ein glühender fester oder flüssiger Körper sendet Lichtstrahlen jeder
Wellenlänge und Brechbarkeit aus vom äussersten Roth bis zum Violett;
in seinem prismatischen Farbenbilde, dem Spectrum, klingen alle Farben-
töne, die Reihe derselben ist durch keine Lücken, welche hier als dunkle
Linien erscheinen würden, unterbrochen. Ganz anders verhält sich ein
glühender gasförmiger Körper. In seinem Licht schwingen nur eine
beschränkte Anzahl von Wellensystemen, sein prismatisches Farbenbild
besteht daher oft nur in einer einzigen einfarbigen Linie oder ist durch
viele dunkle Lücken unterbrochen, es klingen eben hier nur einzelne
Farbentöne. So besteht das Spectrum des glühenden Natriumdampfes
nur aus einer gelben Linie, jenes des Thallium’s aus einer grünen, des
Lithiums aus einer rothen und einer gelben, während im Eisendampf
zahlreiche farbige Linien auftreten. Die Lage und Anzahl dieser glän-
zenden Linien im Spectrum ist unveränderlich und charakteristisch für
denselben Körper und daher gestattet ihr Auftreten in einem Spectrum
mit Sicherheit einen Rückschluss auf die chemische Natur des glühenden
Gases. Ein eingehendes Studium dieser Verhältnisse durch Kirchhoff
und Bunsen hat zur Begründung eines neuen Gebiets der chemischen
Analyse, der Spectral-Analyse und zur Entdeckung neuer Metalle geführt.
Die Spectren des Natriums, Lithiums und Strontiums wurden gleich-
zeitig durch vier Speetroskope verschiedener Construction von Kirchhoff,
Mousson, Rexroth und Hofmann beobachtet und die bekannten Speetra
der übrigen Metalle durch die bei Lenoir in Wien erschienenen grossen
Spectral-Tafeln erläutert. |
Aber auch gasförmige Körper, wie Wasserstoff, Sauerstoff und Stick-
stoff strahlen Licht aus, wenn sie auf eine hohe Temperatur erhitzt
werden, wie dies der Fall ist, wenn elektrische Funken von grosser In-
tensität anhaltend durch sie hindurch schlagen. So zeigen die zwischen
den Conductoren einer kräftigen Elektrisir - Maschine überspringenden
Funken und der Blitz die Farbe des glühenden Stickstoffs und in den
sogenannten Geisler’schen Röhren glüht der verdünnte gasförmige Inhalt.
Bei der üblichen Construction derselben ist dieses Glühen jedoch nicht
intensiv genug, um ein deutliches Speetrum zu geben. Wird dagegen
ein kurzes Geisler’sches Rohr in der Mitte zu einem 5—10 Cm. langen
Capillar-Rohr verengt, so steigert sich darin die Intensität des glühenden
Gases derart, dass sein Spectrum beobachtet werden kann. So besteht
das Spectrum des Wasserstoffs aus drei hellen Linien, einer rothen, ent-
sprechend der Frauenhofer’schen Linie C, einer grünblauen, entsprechend
der Linie F, und einer violetten, entsprechend der Linie G im Sonnen-
speetrum. Das Spectrum des Stickstofis zeigt eine Menge heller Linien
3*#
36 Jahres-Bericht
im Roth, Gelb, Grün, Blau und Violett. Beide Spectren werden durch
einen kräftigen Inductions-Apparat zur Anschauung gebracht. Das eigen-
thümlich rothe Licht des glühenden Wasserstoffs fällt vollständig mit der
rothen Farbe der Protuberanzen während einer Sonnenfinsterniss zusam-
men und die drei hellen Linien im Spectrum derselben coineidiren mit
den Linien des Wasserstoff-Speetrums.
Sendet ein glühender fester Körper, welcher für sich ein continuir-
liches Speetrum giebt, sein Licht durch gefärbte durchsichtige feste, flüs-
sige oder gasförmige Körper, so wird ein Theil seines Lichtes absorbirt
und je nach der Natur des durchsichtigen Körpers zeigen sich in dem
Spectrum der Lichtquelle dann einzelne Theile desselben ausgelöscht, es
treten dunkle Linien auf. $o durchziehen, wie der Versuch zeigte, eine
Menge schwarzer Linien das Spectrum, wenn zwischen die Lichtquelle
und das Prisma ein Glas mit Unter - Salpetersäure - Dampf eingeschaltet
wird. Kirchhoff zeigte, dass glühende Gase Lichtstrahlen derselben Gat-
tung absorbiren, welche sie selbst im glühenden Zustande ausstrahlen,
und gelangte im weiteren Verlaufe seiner Untersuchungen zu dem wich-
tigen Satze, dass das Verhältniss zwischen dem Emissions-Vermögen und
dem Absorptions-Vermögen einer und derselben Strahlengattung für alle
Körper bei derselben Temperatur dasselbe sei, ein Satz, dessen Richtig-
keit er ebensowohl durch eine streng mathematische Beweisführung, wie
durch eine Reihe von Versuchen erwies. Es absorbirt daher Natrium-,
Lithium-Dampf ete. die Strahlen, welche diese Körper als glühende Gase
selbst aussenden und wenn das Licht eines weissglühenden Körpers durch
Natrium- oder Lithium-Dampf von niederer Temperatur hindurchgeht, so
erscheinen in dem Spectrum an denselben Stellen dunkle Linien, wo
sonst die hellen Linien der ebengenannten Metalle auftreten würden.
Diese Umwandlung der hellen Natrium-Linie wurde an einem von Bunsen
construirten Apparat gezeigt, durch welchen eine schmale Natriumflamme
von niederer Temperatur, auf eine breite intensive Natriumflamme projieirt,
auf diesem gelben Hintergrunde ganz schwarz erscheint. Umgekehrt gelingt
es, die dunkle Frauenhofer’sche Linie D im Sonnenspeetrum in eine
helle Linie umzuwandeln, wenn diffuses Sonnenlicht durch eine Natrium-
Flamme von hoher Intensität hindurchgeht. Das Auftreten derselben
Spectrallinien als helle oder dunkle hängt also von der Reinperatir -Dif-
ferenz der beiden Lichtquellen ab.
So hat man die Coincidenz einer grossen Anzahl der dunklen Frauen-
hofer’schen Linien des Sonnenspectrums mit hellen Linien der bekannten
chemischen Elemente nachgewiesen und ihre Umwandlung in dieselben
durch das Experiment bewirkt. Es erscheint daher der Schluss zwingend,
dass die Frauenhofer’schen Linien des Sonnenspeetrums Absorptionslinien
sind und dass sie ihre Entstehung nur dem Umstande verdanken können,
dass die Lichtstrahlen des glühenden Sonnenkerns, welche für sich ein
=
u
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 37
eontinuirliches Spectrum geben würden, durch eine Atmosphäre hindurch-
gehen, welche einen Theil derselben Stoffe als glühende Gase enthält,
Die Coinceidenz dieser Linien mit denselben Linien der bekannten Gas-
spectra gestattet daher einen Schluss auf die materielle Natur der Sonnen-
Atmosphäre, und so hat man in derselben bereits mehr als 16 irdische
chemische Elemente, unter ihnen Wasserstoff, Natrium, Eisen, Calcium
ete., nachgewiesen. Dies ist der Weg, welchen die Spectral-Analyse zur
Erforschung der chemischen Natur der Sonne, der Fixsterne, der Nebel-
flecke etc. mit Glück betreten hat und auf welchem sie noch reiche
Resultate erzielen wird.
In der Sitzung am 5. April sprach Herr Oberbergrath Dr. Runge
über das am 22. März um 2 Uhr Morgens bei Inowraclaw im Regierungs-
bezirk Bromberg: erbohrte Steinsalzlager.
Der sich von Südost nach Nordwest auf eine Länge von etwa
25 Meilen fortziehende polnisch -norddeutsche Soolquellenzug hat schon
früh die Aufmerksamkeit der Geognosten und Salinisten erregt. Die
einzelnen Punkte, an welchen in Polen Soolquellen zu Tage treten, giebt
Pusch im zweiten Theile seiner geognostischen Beschreibung von Polen
Seite 263 an; er theilt dort die Analysen mehrerer der durchgängig
schwachen (bis 3,8 pCt.) Soolquellen mit und erwähnt, dass die Punkte
über Tage sich durch das Auftreten verschiedener Salzpflanzen, sowie
durch nach schwachem Regen und darauf folgendem Sonnenschein sich
bildenden Salzbeschlag kenntlich machen. Die Soolquellen scheinen
zwar ungefähr dem Laufe der Weichsel, von Südost nach Nordwost zu
folgen, liegen jedoch keineswegs in einer graden Linie, sondern finden
sich vielmehr auf einem Terrain von beträchtlicher Ausdehnung zwischen
_ Weichsel und Warthe, von den Ufern des Ner und der Brzura bei
Leezyce an bis in die Gegend von Nakel vertheilt. Die Soolquelle bei
Sliwnik wurde früher unter der Regierung des Königs Stanislaus August,
die Quelle von Slonsk oder Ciechocinek, drei Meilen östlich von Thorn,
wurde noch bis in die jüngste Zeit zur Darstellung von Kochsalz und
zu Heilzwecken benutzt. Auch auf preussischem Terrain, bei Thorn, bei
Slonsk unweit Inowraclaw, im Parchanie-Bruch, in Inowraclaw, bei
Schubin und endlich bei Wapno waren seit längerer Zeit Soolquellen
bekannt, sowie auch im Sommer ganze Flächen von der charakteristischen
‚Salzpflanze, Salicornia herbacea, roth gefärbt werdeu. Bei Baranowo,
unweit Schubin, und bei Slonsk, unweit Inowraclaw, sollen sich sogar
noch Spuren alter Salinenanlagen vorgefunden haben. Ausserdem war
das Auftreten des Gypses, des gewöhnlichen Begleiters von Steinsalz und
salzführenden Schichten, bei Wapno und Inowraclaw von Bedeutung.
An ersterem Punkte trat er in mächtigen, steil aufgerichteten Bänken zu
38 Jahres-Bericht
Tage; in Inowraclaw war er an verschiedenen Punkten 28, 50 und
100 Fuss unter Tage mit Brunnen und Bohrlöchern erreicht. Auch diese
beiden Gypspunkte, Inowraclaw und Wapno, welche sich ca. 100 Fuss
über das umliegende Terrain erheben, bezeichneten eine Ausdehnung der
salzführenden Schichten in der Richtung von Südost nach Nordwest.
Schon in den vierziger Jahren übertrug daher die russische. Regie-
rung dem berühmten Bohringenieur Rost die Ausführung einer Tief-
bohrung bei Ciechoeinek. Das Bohrloch traf von Tage nieder 69 Fuss
Schwimmsand, dann 6 Fuss thonige und mergelige Schichten der Tertiär-
formation und stand von 75 bis zu 1172 Fuss Tiefe in theils kreideartigen,
theils oolithischen (roggensteinartigen), theils dolomitischen Schichten,
welche nach den darin anfgefundenen Versteinerungen unzweifelhaft dem
Coralrag angehörten. Der Salzgehalt der Bohrlochwasser betrug nicht
mehr als 4—5 pCt. und hatte sich von 600 Fuss Tiefe ab nicht ver-
stärkt, so dass die weitere Bohrung eingestellt wurde.
Als aber Rost im Jahre 1843 bei der preussischen Regierung die
Erlaubniss zur Anlegung eines Soolbades und einer Saline unter dem
Namen Elisenbad unweit Thorn, gegenüber dem Einfluss des Drewenz-
flusses, der das Holz zum $Siedereibetriebe herbeiführen sollte, nachsuchte,
nahm diese die Frage selbst in die Hand, und der verstorbene Berg-
hauptmann v. Oeynhausen war es, welcher diese Gegenden zuerst einer
gründlichen Untersuchung unterwarf, aus den sämmtlichen Erscheinungen
aber den Schluss zog, dass der ganze polnisch-norddeutsche Soolquellen-
zug durch eine weit und lagerartig verbreitete Salzformation
gespeist werden müsse, welche sich in der Richtung Südost- Nordwest
erstrecke, älter sei, als die Wieliczkaer Salzformation, und welche in ihrer
norrdwestlichen Erstreckung auch auf die Soolquellen von Colberg, so-
wie auf das Hervortreten älterer Jura-Schichten bei Anclam und Fritzow
in Pommern hinweise. Hiernach construirte v. Oeynhausen eine von
Südost nach Nordwest unter der Bedeckung jüngerer loser Gebirgsmassen
sich fortziehende Erhebung älterer Schichten, namentlich der Juraforma-
tion, und sah Inowraclaw und Wapno wieder für zwei locale Erhebungen
auf dieser Gebirgsfalte an.
Schon im Jahre 1841 hatte der verstorbene Bergrath Hoffmann
aus Wettin dem Inowraclawer Magistrat, welcher auf dem Marktplatze
nach süssem Trinkwasser bohrte, erklärt, dass er keine Aussicht habe,
in grösserer Tiefe süsse Wasser zu finden, dass vielmehr die Wasser
mit der grösseren Vertiefung des Bohrloches wahrscheinlich immer sal-
ziger werden würden und dass möglicherweise unter dem Gyps sogar
ein Steinsalzlager vorhanden sein könnte. Dieselbe Hoffnung auf das
Vorhandensein eines Steinsalzlagers hegte auch v. Oeynhausen, glaubte
sogar an einigen Punkten Erdfälle zu erkennen, wie sie durch die Aus-
laugung von Steinsalzlagern zuweilen herbeigeführt werden und schlug
der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 39
einen Bohrlochspunkt vor, welcher nach der damaligen Ausbildung des
Verkehrsstrassennetzes, wegen der benachbarten ausgedehnten Waldungen,
sowie der unerschöpflichen Paterker Torflager, zwischen Nakel und Schu-
bin, bei Baranowo gewählt wurde; während die damals ausserhalb aller
Verbindung liegende, holzarme Umgegend von Inowraclaw für einen
Salinenbetrieb ebensowenig günstig erschien, wie die Umgegend von
Thorn, wo man erwarten konnte, ähnlich wie im benachbarten Ciecho-
einek, 1000 Fuss Jura durchbohren zu müssen. Das Baranower Bohrloch
wurde 557 Fuss tief, erreichte aber die ältesten festen Gebirgsschichten
nicht, auch stieg der Salzgehalt des Bohrlochwassers nicht über 1"/, pCt.,
so dass im Jahre 1848 theils wegen der politischen Unruhen, theils weil
man hoffte, das Salz von den sächsischen Salinen auf der Ostbahn billiger
nach jener Gegend zu schaffen, als es aus einer schwachen Soole her-
gestellt werden konnte, diese Tiefbohrung, ohne ein entscheidendes Re-
sultat abzuwarten, eingestellt wurde.
Als die Staatsregierung im Jahre 1868 die Frage wieder aufnahm,
wies das Project der Oberschlesischen Eisenbahn, welches Inowraclaw
zum Knotenpunkt dreier Eisenbahnlinien ausersehen hatte, sehr bestimmt
auf diese Stadt als die geeignetste Localität hin, in welcher man schnell
den Gyps und unter diesen die salzführenden Schichten zu erreichen,
einen glücklichen Fund aber auch gleichzeitig möglichst vortheilhaft zu
verwerthen, hoffen konnte.
Nur darüber bestanden Zweifel, ob überhaupt ein Steinsalzlager vor-
handen sein würde, oder ob die durchgängig schwachen Soolquellen nicht,
wie namentlich Professor Girard annahm, den beim Ablaufen vorwelt-
licher Meere zurückgebliebenen Brackwassern resp. dem schwachen Salz-
gehalt gewisser Gebirgsschichten ihren Ursprung verdankten. Diese
Zweifel wurden hauptsächlich genährt durch die Thatsache, dass der aus-
gedehnte westphälische Soolquellenzug nachweisbar nicht mit einem Stein-
salzlager in Verbindung steht, und dass, wie in Westphalen, auch die
sämmtlichen polnischen und Bromberger Soolquellen sehr schwach waren.
Man übersah jedoch hierbei, dass in dem westphälischen Soolquellen-
terrain der massige Gyps fehlt, welcher in Wapno und Inowraclaw be-
kannt war, und dass dieser in der norddeutschen Ebene nachweisbar der
Begleiter von Steinsalz immer dann war, wenn Soolquellen aus ihm zu
Tage traten; dass überall, wo man den Gyps der norddeutschen Ebene
energisch durehbohrt hatte, das Steinsalz gefunden worden war, wie bei
Artern, Stassfurtb, Erfurt, Sperenberg, Segeberg und dass endlich die
Soolquellen, welche vor der Erbohrung des Steinsalzes bei Segeberg
und Sperenberg zu Tage getreten waren, auch nur einen ganz geringen
Salzgehalt gezeigt hatten. Die letztere Erscheinung erklärt sich auch
sehr leicht dadurch, dass die oberen Wasser, wenn man ihnen nicht den
Zugang wehrt, jede aus der Tiefe hervortretende gesättigte Salzlösung
40 Jahres-Bericht
ausserordentlich verdünnen müssen. Der Vortragende hatte daher die
Hoffnung nie aufgegeben, im Regierungs - Bezirk Bromberg Steinsalz zu
erbohren, wenn er auch dessen Vorhandensein nicht garantiren konnte,
weil die Natur sich niemals an ein bestimmtes Schema bindet und alle
Erscheinungen sich auch durch einen schwachen Salzgehalt des Gypses
selbst ohne ein Steinsalzlager erklären liessen, es konnte das letztere
trotz aller Analogien, und so unwahrscheinlich dies auch war, hier doch
fehlen.
Jetzt ist der glückliche Fund gemacht. Schon in 15 Fuss Tiefe
erreichte das an der T'horner Chaussee in der Stadt Inowraelaw selbst
angesetzte Bohrloch unter dem Lehm bunte, roth, weiss und grau ge-
streifte Thone, welche vielleicht nicht mehr dem Diluvium angehörten,
und bei 41!/, Fuss Tiefe ein aus grauen und weissen Kalkbrocken
breecienartig zusammengesetztes, reichlich mit Schwefelkies imprägnirtes,
sehr festes Gestein. Dasselbe hielt, wie es schien, bis 255 Fuss Tiefe
an, doch fanden sich in ihm bei 123 Fuss Tiefe eine 14 Fuss mächtige
Lage festen Sandsteins und einzelne schwache Thon- und Gypslagen.
Ganz sicheren Aufschluss geben die Bohrnotizen über die Schichtenfolge
nicht, weil das Bohrloch in dieser Tiefe wiederholt durch Nachfall litt.
Von 255 bis 350 Fuss folgt ein bald rother, bald blaugrauer Thon mit
Gyps und Kalknieren, und von 351 bis 415 Fuss Tiefe steht das Bohr-
loch im festen geschlossenen Gyps, welcher theilweise auch wasserfrei
(Anhydrit) sein dürfte. Unter dem Gyps folgt unmittelbar das Steinsalz-
lager, in den obersten Lagen durch Gyps verunreinigt, dann aber nach
der von Herrn Dr. Meusel hierselbst ausgeführten Analyse 97 pCt. reines
Kochsalz enthaltend. Kali hat die chemische T/ntersuchung bis jetzt noch
gar nicht, Magnesia nur in sehr geringen Mengen nachgewiesen. Gegen-
wärtig wird schon 120 Fuss tief in Steinsalz gebohrt, ohne dass das
Liegende des Lagers erreicht worden ist. Da die über dem Steinsalz
durchbohrten Gesteine keine bestimmbaren Versteinerungen gezeist haben,
so ist es zur Zeit noch durchaus zweifelhaft, welcher Formation sie an-
gehören, und zwar schwankt die Bestimmung in Beziehung auf den Gyps
und das Steinsalz vorzüglich zwischen Trias und Zechstein.
Es bleibt nur noch übrig, mit wenigen Worten die ausserordentliche
ökonomische und volkswirthschaftliche Bedeutung dieses wichtigen Mineral-
fundes zu beleuchten. Die. östliche Lage von Inowraclaw an 3 Eisen-
bahnen, welche den Absatz nach allen Richtungen hin vermitteln können,
sowie die Nähe der Weichsel und des Bromberger Canals sichern der
künftigen Salzproduction daselbst ein Absatzgebiet, auf welchem nach
der letzten Volkszählung 7'/, Millionen Menschen wohnen. Das Speise-
salz ist ein ganz eigenthümlicher Consumtions-Artikel, dessen Verbrauch
weder einer Steigerung, noch einer Verminderung unterliegt; selbst in
Kriegszeiten und Nothständen sinkt der Consum nicht, weil der Mensch
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 41
nicht zum Vergnügen Salz isst, sondern vielmehr durch seine natürlichen
Lebensverhältnisse gezwungen ist, jährlich ein bestimmtes Quantum Koch-
salz zu sich zu nehmen. In verschiedenen Ländern ist der Consum aller-
dings verschieden; er soll in England auf 18, bei den Portugiesen sogar
auf 29 Pfund per Kopf und Jahr steigen, in Preussen aber hat man nach
einem grossen Durchschnitt einen Consum von 7,75 Kilogramm oder
15%, Pf. ermittelt. Rechnet man hierzu noch zwei Drittel dieses Speise-
salzquantums auf den Consum von Vieh- und Gewerbesalz, so ergiebt
sich für Inowraclaw ein voraussichtliches jährliches Absatzquantum von
1Y/, bis 2 Millionen Centnern Salz aller Art.
Diese Aussicht ist von ganz enormer Bedeutung für die Gegend und
für die ganze Provinz Posen; denn an die Salzproduction schliessen sich
erfahrungsmässig eine Anzahl chemischer Fabriken; und die Hoffnung,
auch noch die für die Landwirthschaft so wichtigen Kalisalze oder Dünge-
salze in Inowraclaw zu finden, ist zur Zeit durchaus nicht aufzugeben,
vielmehr sprechen einige Anzeichen für deren Vorhandensein, wenn sie
auch an dem gegenwärtigen Bohrlochspunkte bis jetzt nicht nachgewiesen
sind. Die Salzproduetion von Inowraclaw wird also voraussichtlich ‚in
Beziehung auf das Productionsquantum den beiden bedeutendsten Salz-
werken zu Stassfurth und Schönebeck ebenbürtis an die Seite treten;
500 Salinenarbeiter und einige 100 Fabrikarbeiter, sowie eine Anzahl
intelligenter Techniker werden der Gegend aus dem Westen zuwandern;
der Geldumlauf wird sich um Millionen jährlich steigern, die Braunkohlen,
welche an mehreren nicht zu entfernten Punkten nachgewiesen sind,
werden eine höhere Bedeutung erhalten, und es werden die Segnungen
der Industrie, welche neben der Landwirthschaft berufen ist, fleissigen
Händen lohnenden Unterhalt zu gewähren, einer Gegend zu Theil wer-
den, welche bis jetzt fast ausschliesslich die Landwirthschaft betrieben
und industrielle Thätigkeit noch gar nicht kennen gelernt hat.
Am 15. März berichtete Herr Geheimer Bergrath Prof. Dr. Roemer
über die Auffindung eines jurassischen Diluvial-Geschiebes bei Strehlen
südlich von Breslau. a
Dasselbe besteht in einem kopfgrossen abgerundeten Stücke von
srauem mit sehr feinen haarförmigen Hohlräumen erfüllten kieseligen
Kalkstein. Von den Versteinerungen, welche der Block in grösserer
‚Zahl enthält, liessen sich namentlich Gomiomya angulifera Agass., Myoconcha
sp., Myopsis sp. und ein kleines wahrscheinlich zu Ammonites cordatus
sehörendes Exemplar eines Ammonites bestimmen. Hiernach würde das
Gestein, ebenso wie die meisten der in der Mark Brandenburg und in
Pommern vorkommenden jurassischen Geschiebe, der Oxford-Bildung an-
gehören. Eine besondere Erwähnung verdient dasselbe, weil sich.
42 Jahres-Bericht
jurassische Geschiebe in Schlesien bisher nur als grosse Seltenheit ge-
funden haben. Für die Mittheilung dieses bemerkenswerthen Geschiebes
ist das mineralogische Museum dem bisher in Strehlen wohnenden, seit
Kurzem aber nach Polnisch- Wartenberg übersiedelten Herrn Dr. med.
Thalheim, welcher sich auch sonst als aufmerksamer Beobachter um die
mineralogische Kenntniss der Gegend von Strehlen verdient gemacht hat,
zu Dank verpflichtet. Derselbe fand es in einer Kiesgrube bei Klein-
Lauden nördlich von Strehlen.
Derselbe Vortragende legte ein Exemplar der Gattung Receptaculites
aus dem Kohlenkalke von Rothwaltersdorf in der Grafschaft Glatz vor,
welches deshalb von Interesse ist, weil es das Vorkommen dieses bisher
nur aus Silurischen und Devonischen Schichten bekannten Geschlechts
auch im Kohlengebirge nachweist. Der etwas zusammengedrückte, aber
sonst wohl erhaltene 2!/, Zoll lange Körper ist nicht scheibenförmig, wie
Receptaculites Neptuni, die typische Art des Geschlechts, sondern eiförmig
mit wahrscheinlich hohler innerer Längsachse. Die in schiefen Beihen
angeordneten rhombischen Täfelechen der Oberfläche nehmen gegen das
eine vollständig erhaltene Ende des Körpers allmählich an Grösse ab
und werden von mehr langgezogener Form. Wo die Täfelchen aus-
gefallen sind, werden horizontale Canäle von gleichem Verlaufe, wie bei
R. Neptuni sichtbar. Mit Rücksicht auf das Vorkommen in Schichten
des Kohlengebirges wurde die Benennung Receptaculites carbonarius Vor-
geschlagen. Das einzige vorliegende Exemplar wurde durch den königl.
Berginspector Herrn v. Gellhorn gesammelt und gütigst dem Mineralogischen
Museum überlassen.
Demnächst wurde vorgelegt: Geologische Karte von Preussen
und den thüringischen Staaten im Maassstabe von 1: 25000,
herausgegeben durch das königl. preussische Handelsmini-
sterium. 1. Lieferung. Berlin 1870. In dieser ersten Lieferung
liegt der Anfang eines so umfangreichen geologischen Kartenwerkes vor,
wie es bisher noch für kein anderes Land unternommen worden ist. Das
nur einen Theil des Kartengebietes begreifende Netz, welches dem Um-
schlag der ersten Lieferung aufgedruckt ist, begreift 380 Sectionen, von
denen jede, wie die 6 Sectionen der vollendet vorliegenden ersten Liefe-
rung, ein grosses Folioblatt bilden wird. Verschiedene Mitarbeiter sind
an dem Unternehmen betheilist. Die Direction liegt in der Hand von
Professor Beyrich und Bergrath Hauchecorne in Berlin. Die Ausführung
der 6 Sectionen der ersten Lieferung ist vortrefflich und gewährt für
die sachgemässe Durchführung des ganzen Unternehmens die erfreulichste
Aussicht.
Endlich wurde auch das jüngst erschienene Blatt III. der Geo-
logischen Uebersichtskarte der österreichisch-ungarischen
Monarchie nach den Aufnahmen der K. K. geologischen
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 43
Reichsanstalt bearbeitet von Franz Ritter von Hauer vorgelegt.
Ueber die früher erschienenen Blätter dieser wichtigen Karte war seinerzeit
berichtet worden, das gegenwärtig erschienene Blatt hat für Schlesien beson-
deres Interesse, weil es die im Süden und Südosten an Preussisch-Schlesien
zunächst angrenzenden Theile der österreichischen Monarchie darstellt,
Von den sehr entwickelten und schwierigen geologischen Verhältnissen
des nördlichen Ungarns erhalten wir durch dieses Blatt zum ersten Male
ein klares und übersichtliches Bild.
Derselbe Vortragende gab in der Sitzung am 13. December zu-
nächst eine Notiz
über den Jura von Bartin unweit Colberg.
In der Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft Band V.,
1853 8. 666 berichtete Herr Oberbergrath Ribbentrop über das Vor-
handensein eines bis dahin unbekannt gebliebenen Lagers von oolithischem
Kalk bei dem genannten 2), Stunde von Colberg an der Persante ge-
legenen Dorfe. R. v. Carnall (a. a. O. 8. 618) bemerkte zu dieser
Mittheilung, dass nach den eingesendeten Gesteinsproben und den darin
enthaltenen Versteinerungnn der Kalkstein unzweifelhaft demjenigen der
oberen Jura-Formation von Fritzow bei Cammin gleichstehe. Später hat
A. Sadebeck in seinem Aufsatze über die Jura-Bildungen in Pommern
(Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft XVII, 1865 S. 701)
den Kalk von Bartin auf Grund einer eingehenden Vergleichung der
organischen Einflüsse ebenfalls für wesentlich gleichalterig mit den
Schichten von Fritzow erklärt. Durch Herrn Oberbergrath Dr. Runge,
welcher die genannte Localität bei Colberg in diesem Jahre besucht und
den Kalkstein in mehreren grossen Steinbrüchen aufgeschlossen gefunden
hat, wurde dem Vortragenden eine Sammlung von Gesteinsstücken mit
Versteinerungen übergeben, welche beweisen, dass ausser den feinkörnig
oolithischen Kalkschichten, welche nach Sadebeck Astarte plana, Cerithium
limaeforme, Rhynchonella pinguis u. s. w., d. i. bezeichnende Arten der
Zone der Astarte supracorallina enthalten, auch noch ein anderes höheres
Niveau der Kimmeridge-Gruppe dort vertreten ist. Gesteinsstücke eines
diehten, zum Theil kieseligen grauen Kalksteins enthalten nämlich in an-
sehnlicher Häufigkeit Exemplare von Exogyra virgula, dem bezeichnenden
Fossil der oberen Abtheilung der Kimmeridge-Bildung. Nächst dieser
Art ist eine walzenrunde glatte Serpu/a das häufigste Fossil. Auch Am-
monites biplex (A. plicatilis), eine Trigonia aus der Gruppe der Fr. clavellata
und Ostrea multiformis wurden in denselben Gesteinsstücken beobachtet.
Am Kreuzberge bei Berlin wurden durch den Vortragendnn früher Dilu-
vial-Geschiebe von grauem Kalkstein gesammelt, welche neben Exogyra
virgula am häufigsten eine glatte Serpula enthalten (vergl. Zeitschrift der
44 Jahres-Bericht
Deutschen geologischen Gesellschaft, 1862, $. 625. Vielleicht rühren sie
aus einer mit derjenigen von Bartin zusammenhängenden Ablagerung her.
Derselbe Vortragende legte ein faustgrosses jurassisches Diluvial-Ge-
schiebe mit Ammonites ornatus var. (Am. aculeatus Eichw.) vor, welches
durch Herrn Dr. Fiedler in der Sandgrube bei Nieder-Kunzendorf un-
weit Freiburg aufgefunden wurde. Dasselbe besteht aus einem mit Ver-
steinerungen ganz erfüllten braunen kieseligen Kalkstein. Ausser Exem-
plaren der genannten Ammoniten - Art sind namentlich Cardium coneinnum
und Rhynchonella varians in den Gesteinen häufig. Das Gestein gehört
nach den organischen Einschlüssen in die obere Abtheilnng der Kelloway-
Gruppe. Geschiebe des gleichen Niveaus sind in den Provinzen Posen
und Preussen nicht selten. Gewöhnlich ist dort Ammon. Lamberti der
Begleiter des Ammon. ornatus. (Vergl. F. Roemer in Zeitschrift der
Deutschen geologischen Gesellschaft, 1862, 8. 624.)
Derselbe Vortragende berichtet ferner über die Auffindung eines dem
Rothliegenden untergeordneten Brandschieferlagers bei Wünschendorf un-
weit Lauban, nach Mittheilungen des um die Aufklärung der geognostischen
Verhältnisse Niederschlesiens und der Lausitz mehrfach verdienten Herrn
R. Peck in Görlitz. Nach den eingesendeten Gesteinsproben und Ver-
steinerungen ist, wie Herr R. Peck auch schon selbst richtig erkannt
hat, dieser Schiefer demjenigen von Klein-Neundorf bei Löwenberg durch-
aus gleichalterig. Acanthodes gracilis, der Fisch mit den sehr kleinen
kubischen ‚Schuppen und den grossen säbelförmigen Brustflossen-Stacheln,
Palaeoniscus Wratislaviensis, Cyatheites arborescens u. s. w., die hier wie
bei Klein-Neundorf zu den häufigsten Fossilien gehören, beweisen dieses
Gleichstehen. Gewisse Lager des leicht in papierdünne Blätter spaltbaren
dunkelbraunen Schiefers sind auf den Schichtflächen mit zusammen-
gedrückten Schalen der Estheria tenella Jordan dicht bedeckt. Die Lage
dieses neu aufgefundenen Vorkommens des Schiefers bezeichnet Herr
Peck näher dahin, dass der Aufschlusspunkt eine halbe Meile nördlich
von Lauban bei einer Ziegelei in einer Thaleinsenkung sich befinde.
Durch dasselbe wird die Verbreitung dieses fisch- und pflanzenführenden
Schiefers am Nordostabfalle des schlesischen Gebirges von Schönau im
Katzbachthale, wo sie durch E. Becker nachgewiesen wurden, über
Klein-Neundorf unweit Löwenberg bis zum Queis hin fortgeführt. Ausser-
dem kommen sie freilich auch noch viel weiter westlich, nämlich bei
Salhausen unweit Oschatz. im Königreich Sachsen vor, wo sie durch
Geinitz mit durchaus übereinstimmenden Merkmalen erkannt wurden.
Endlich machte derselbe Vortragende eine Mittheilung über die
Auffindung unterdevonischer Grauwackensandsteine bei Nie-
wachlöw, nordwestlich von Kielce in Polen. Der Vortragende
hatte früher in einem Aufsatze über das Polnische Mittelgebirge oder die
Höhenzüge von Kielce (vergl. Zeitschrift der Deutschen geologischen
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 45
Gesellschaft S. 667 ff.) gewisse braune Sandsteinschichten bei Bukow-
kagora, "/, Meile südöstlich von Kielee, nach den organischen Einschlüssen
als wahrscheinlich unterdevonisch bezeichnet. Diese Sandsteine von Nie-
wachlöw sind noch bestimmter in dasselbe Niveau zu stellen. Es sind
dünn geschichtete dunkele Grauwackensandsteine, welche mit Steinkernen
und Abdrücken von Brachiopoden erfüllt sind. Atrypa reticularis und ver-
schiedene nicht näher bestimmbare Arten von Leptaena, Spirifer und
Rhynchonella sind am häufigsten. Von derjenigen von Bukowkagora ist
die Fauna durchaus verschieden. Bemerkenswerth ist noch das Vor-
kommen einer Art der Gattung Beyrichia. Aus demselben ist auf ein
silurisches Alter der Sandsteine nicht zu schliessen, da auch in der unter-
rheinischen Grauwacke oder in der Grauwacke von Coblenz eine Art
dieser allerdings vorherrschend silurischen Crustaceen-Gattung sich findet.
Der Vortragende bemerkte zum Schluss, dass die vorgelegten Stücke von
Niewachlöw durch den Bergingenieur Herrn Hube in Kielce, dem er
auch für andere Mittheilungen über die geographischen Verhältnisse der
Umgegend von Kielce verpflichtet ist, eingesendet wurden.
Der Gegenstand des Vortrages, den Herr Hauptmann A. v. Homeyer
am 8. Februar hielt, waren
Erinnerungen aus seinem ornithologischen Studienleben.
Derselbe lieferte in seiner ersten Abtheilung einige Beispiele über eigen-
thümliche Wanderungen und Verbreitung von Vögeln, wobei in erster Linie
des Steppenhuhns (Syrrhaptes paradoxus) Erwähnung gethan wurde, welches,
die fernen Heimaths-Steppen Asiens verlassend, im Jahre 63 en masse
Deutschland besuchte, seine Avantgarden bis in die westlichen Theile
Englands und Frankreichs entsendete und dann im Jahre 64 wieder ver-
schwand, um muthmasslich nach der Heimath zurückzukehren. Als wahr-
scheinlicher Grund dieser Wanderung wurde Wassermangel angenommen.
Ein Wanderer anderer Art, für Schlesien von besonderem Interesse
ist die Wachholderdrossel (Turdus pilaris), welche, die nordeuropäischen
Brutstätten wenigstens theilweise verlassend, bereits im Jahre 1818 sich
in Schlesien als Brutvogel ansiedelte und sich von hier aus — vielfach
vagabundirend lebend — westwärts bis an den Rhein ausbreitete. Als
Grund wurden hier Veränderungen der Witterungsverhältnisse angenommen.
Hieran schlossen sich noch einige besonders für Schlesien nennens-
. werthe Beispiele betreffs des Girlitzes (Fringilla serinus), des Zwerg-
Fliegenfängers (Muscicapa parva) und des Flussrohrsängers (Calamoherpe
Sluviatilis).
Ersterer hat seine Hauptverbreitung um das Mittelmeer herum,
breitete sich bereits vor 50 und mehr Jahren am oberen Rhöne und
Rhein bis nach Franken aus und erschien neuerdings, durch Ungarn und
46 Jahres-Bericht
Oesterreich nordwärts gehend, ziemlich zahlreich als Brutvogel in Schle-
sien, und einzeln in der Provinz Posen. Als Grund wurden veränderte
Culturverhältnisse angenommen, besonders betreffs des Gartenbaues.
Der Zwerg-Fliegenfänger (vornehmlich ungarisch) lebt auch in den
Sudeten (Cudowa) und nördlich in Neuvorpommern und Mecklenburg.
Die grossen Buchenwaldungen, welche dieser Vogel verlangt, und welche
in vielen Gegenden gänzlich fehlen, dürften am besten sein sporadisches
Auftreten erklären.
Alsdann wurde des Flussrohrsängers Erwähnung gethan, welcher
hauptsächlich bei Pesth und Wien lebt, sich bereits einige wenige Male
als Brutvogel in Schlesien gezeigt hat und neuerdings nach den {reff-
lichen Beobachtungen des Lehrer Arlt in mehreren Paaren bei Breslau
(Strachate) nistet.
Den Schluss dieser Abtheilung bildete der Morinellregenpfeifer, der
ebenso gut Brutvogel der Hochmoore der östlichen Alpen und der Hoch-
moore Schlesiens (Riesengebirge), wie der Tiefmoore Lapplands ist. Als
Grund zur Ausgleichung der grossen Breitengradunterschiede wurden die
verschiedenen Höhen in den Vordergrund gestellt, wodurch eine bezüg-
liche Aehnlichkeit des Klima’s und der Vegetation bedingt wird.
Die zweite Abtheilung des Vortrages behandelte einige deutsche
Vögel betreffs Nutzens und Schadens.
Zu den nützlichen Vögeln gehört unter anderen der Bussard (Buteo
vulgaris und lagopus), der Schlangenadler (Circattus gallicus), die kleineren
Falken (F, tinnunculus, cenchris und vespertinus), die Eulen (excl. bubo),
und zu den schädlichen unter anderen die Würger (Lanius), die Weihen
(Circus), die Rallen (Rallus) und die Elster (Pica), während andere Vögel
als bald nützlich, bald schädlich bezeichnet wurden, wie die Krähen, der
Storch und der Holzheher.
Bei Motivirung der vorstehenden Ansichten kam es zu allerlei wechsel-
vollen Erläuterungen, so z. B. dass die beiden Schlangenadler (C. gallicus und
Gypogeranus serpentarius) gegen den Schlangenbiss nicht giftlest seien;
dass der Holzheher (Garrulus glandarius) ein Haupttödter der giftigen
Kreuzotter (Pelias berus) sei, wobei auch bemerkt wurde, dass der gemeine
Iltis (Mustela foetorius) die im Winterschlaf befindlichen Kreuzottern als
Nahrung nımmt; ferner dass die‘ meisten Raubvögel ihre Beute mit den
Augen erspähen, wohingegen die Abtheilung Circus sich dabei ihres Ge-
ruchs- Organes bedient; dass die Rallen Oophagen seien und dass der
Bartgeier (Gypaetus barbatus) verschrieener Weise nicht Kinder fort-
schleppe, wohl aber harmlose Schildkröten nnd grosse Röhrenknochen
mit in die Luft nehme, sie fallen lasse und das Innere der so Zer-
schmetterten als Nahrung nehme.
Auch über die Verschiedenartigkeit des Vogelauges, das fähig sei,
in grosser Nähe und in grosser Entfernung, bei lichtem Sonnenschein
I
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 47
und bei der Dämmerung fast gleich gut zu sehen, wurde gesprochen, wie
auch über den verschiedenen Flügelbau als Erkennungszeichen des Vogels
in der Luft, wie endlich über das intime Seelenverständniss ganz ver-
schiedener Vögel untereinander, welches es beispielsweise möglich macht,
dass beim Erscheinen eines gefährlichen Raubvogels die Meise des Gar-
tens den Warnungsruf der Haushenne versteht.
Den Schluss des umfangreichen und wechselvollen Vortrages bildeten
die Erläuterungen über die wilde Jagd am Meer und im Gebirge (her-
rührend von Anser segetum und Sirix bubo und aluco), über den Schwanen-
gesang des Cygnus musicus, über das Meckern der Bekassine, über das
Knarren der Spechte und das Schnurren des Nachtschattens (Caprimulgus),
was dadurch besonders lebhaft und von grossem Interesse wurde, dass
Referent alle diese vielfach höchst eigenthümlichen Naturlaute mit der .
eigenen Stimme wiedergab.
Herr Professor Dr. Grube berichtete in der Versammlung am
11. Januar 1871 über seinen vorjährigen Septemberaufenthalt in Roscoff
und sprach dann
über die Gattung Lycastis und ein paar neue Arten derselben.
Der Bericht über die Fauna von Roscoff wird in den Abhandlungen
der Schlesischen Gesellschaft ausführlich erscheinen.
Was die Gattung Lycastis betrifft, welche Savigny ursprünglich für
Nereis armillaris Müll. geschaffen hatte, die, wie wir jetzt wohl mit
Sicherheit annehmen können, nichts anderes als ein Syllis ist, so benutz-
ten Audouin und Edwards den Namen Lycastis für eine von ihr sehr
abweichende Annelide, welche jedoch darin mit jenem Thier überein-
stimmt, dass sie einästige Ruder mit Rücken- und Baucheirrus besitzt,
eine Annelide, die ihren Platz unmittelbar neben Nereis Aud. Edw. (Ly-
coris Sav.) findet. Die Bezeichnung Lycastis in diesem Sinne ist allge-
mein angenommen, allein die Art, die dieser Gattung zu Grunde liegt,
L. brevicornis Aud. Edw., eine Art der frauzösischen Oceanküste, seit jener
Zeit nicht wieder gefunden worden. Auch dem Vortragenden ist es
weder in St. Vaast noch in St. Malo und Roscoff gelungen, sie zu ent-
decken, er hat nur das Exemplar des Pariser Museums zu untersuchen
Gelegenheit gehabt, dasselbe, das wohl auch Quatrefages benutzt hat.
Um so angenehmer war es ihm, von Herrn Professor Fritz Müller
aus Desterro in Brasilien 2 Arten dieser Gattung zu erhalten; die eine be-
zeichnet er selbst als solche (L. littoralis), die andere hat er unter eine
neue Gattung Paranereis gebracht (P. abiuma). Der Vortragende findet
aber für die Einführung einer neuen Gattung nicht genug Anhaltpunkte,
sonst müsste auch wohl L. Kttoralis wegen der abweichenden Zahl der
Fühlereirren eine solche werden.
48 Jahres- Bericht
Beide Thiere stimmen darin mit L. brevicornis überein, dass der
Stirnrand breiter als bei Nereis ist und die Stirnfühler besonders bei am-
biuma weit aus einander gerückt sind, doch ist der Kopflappen entschieden
breiter als lang, die vorderen Augen sind den hinteren viel näher gerückt
und statt des oberen Borstenbündels ist nur eine Borste zu sehen oder es
fehlt auch diese, die obere Acicula selbst ist deutlich; der sehr kurze
Rüssel, kürzer als bei irgend einer Nereis, enthält nur 2 gesägte Kiefer,
aber keine Paragnathen. Die Fühlereirren haben ein Basalglied und sind
bei L. littoralis ebenso kurz als bei L. brevicornis, aber bei allen Exem-
plaren jederseits nur 3 zu finden, bei L. abiuma stehen sie zu je 4 und
reichen bis an das 5. Segment. An den Kiefern von L. littoralis zählt
man 6, bei L. abiuma 8 Zähnchen, bei jener bleibt der Rückeneirrus
gleich klein und ragt über den Borstenköcher nicht hinaus, bei ambiuma
ist er anfangs eben so lang als dieser, wächst aber dann an Länge, ist
auch seitlich zusammengedrückt, ganz blattförmig und wie der Borsten-
köcher schärfer zugespitzt und lässt eine starke Gefäss- Verästelung er-
kennen, weshalb man diesem Organ hier wohl Kiemenfunction zusehreiben
darf. L. littoralis besitzt 2 kurze Aftereirren, abiuma, von der nur ein
Exemplar vorliegt, 2 ganz kurze Stummelchen. Die Borsten .beider
haben quergestreifte Stiele wie bei Nereis, sehr zarte Gräten- und etwas
gestreckte Sichelanhänge und setzen nur schwache Bündel zusammen.
Die Weingeistexemplare von L. Üittoralis sind bei 95 Segmenten höch-
stens 20 m. lang, das von L. ambiuma doppelt so lang und breit.
Eine vierte Art dieser Gattung, welche Quatrefages anführt L. qua-
draticeps Bl. aus Chili würde sich schon durch die mehr drei- als vier-
eckige Form des Kopflappens wie durch die Länge des Mundsegments
von den erstbesprochenen unterscheiden, auch betrug die Zahl der Seg-
mente eines 25 m. langen’ Exemplars nur 69.
Am 5. April theilte Herr Prof. Grube einiges aus einer kritischen
Uebersicht der bisher beschriebenen Terebellen mit und sprach über
Terebellides anguicomus und einige Serpulaceen. Er hob zunächst mehrere
neue Arten von Terebella hervor, nämlich T. strepsibranchis, Paulina und
annulicornis mit drei Paar und T. sienotaenia, haematina und thuja mit zwei
Paar Kiemen.
T. strepsibranchis von Herrn Professor Fr. Müller aus Desterro in
Brasilien eingeschickt und- T. Paulina Gr. von St. Paul gehören zu den
Terebellen, deren Kiemen aus einer Quaste einzelner, nicht weiter ge-
theilter Fäden bestehen, deren Borstenbündel weit über die gewöhnlichen
Zahlen (17—23 Paar) hinausgehend, schon am 3. Segment beginnen und
deren Hakenborsten überall nur einfache Querreihen bilden. Diese Gruppe
von Arten würde der Gattnng Neottis Mgn. entsprechen, wenn ihr Cha-
rakter dahin geändert wird, dass man von dem ‚Fasciculi setarum per
EI
Er
2
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 49
tolum corpus obvi““ Abstand nimmt: hierzu fordert auch die Betrachtung
der Terebella triferialis Gr., welche Malmgren zur Begründung seiner
Gattung gedient hat, selber auf, da dieser Forscher nur ein unvollstän-
diges Exemplar dieser Art vor sich hatte: sie besitzt in der That bei
einer Zahl von mehr als 100 Segmenten höchstens nur 37 bis 39 Paar
Borstenbündel. T. sirepsibranchis, welche im Leben eine graue Färbung,
blassviolette Fühler und rothe Kiemen hat, besitzt bei einer Länge von etwa
54 m. (i. West.) 98 Segmente und $1 Paar Borstenbündel, T. Paulina
bei einer Länge von circa 47 m. 59 Segmente und 44 Paar Borsten-
bündel, bei jener sind die Kiemenfäden länger, etwa gleich 3 Segmentlängen
und meist gekräuselt, bei dieser kurz (etwa gleich einer Segmentlänge)
und nicht gekräuselt: bei beiden haben die Hakenborsten einen einfachen
Schnabel über dem noch eine kurze Scheitelzacke steht, und die Tori
nehmen allmählich vom 25. Segment die Gestalt niedriger Flösschen an.
T. annulifilis von den Viti-Inseln aus Godeffroy’s Museum fällt auf
den ersten Blick durch die dunkelbraun- und dicht geringelten Fühler
auf, — eine Zeichnung, die auch im Weingeist sich erhalten hat — ebenso
durch jederseits 2 grosse Flankenlappen, die den übrigen hier beschrie-
benen Arten fehlen, der vordere am 1., der hintere am 3. Segment. Da
auch die Kiemen baumförmig verästelt, 17 Paar Borstenbündel vorhanden
sind und unter der 3. Kieme anfangen, die Uneini unter den 10 letzten
derselben zweireihig, sonst aber einreihig stehen und eine fünfzähnige
Schneide haben, gehört diese Art zur Gattung Loimia Mgn., welche bis-
her nur die T. Medusa enthielt. Die 30 hinteren Segmente des 74 m.
langen Thieres tragen sehr niedrige Flösschen, die vordersten 14 quer-
rechteckige Bauchschilder, deren Breite sehr allmählich abnimmt. |
T. stenotaenia, ebenfalls aus Herrn Godeffroy’s Sammlungen, kommt
aus Neuholland (Moreton-bay), liegt jedoch leider nur in einem unvollstän-
digen Exemplar von 34 Segmenten vor, welche aber alle mit Borsten-
bündeln und Hakenpolstern versehen sind: es wäre möglich, dass jene
sich bis an das Ende des Leibes fortsetzten, und dann würde diese Art,
welche ebenfalls baumartig verästelte Kiemen, aber einfache Uneini
trägt, zu den Heteroterebellen Quatrefages gerechnet werden, doch muss
dies einer künftigen Entscheidung vorbehalten bleiben. Die Bauchschilder
bilden eine sich sehr langsam verschmälernde und bis zum 34. Segment
verlaufende Längsbinde, die sehr ansehnlichen Kiemen sind zwar baum-
förmig verästelt, nicht quastenförmig, besitzen aber ziemlich lange End-
zweige. Die Borstenbündel beginnen am 4. Segment. Der Kopflappen
stellt ein grosses seitlich sehr stark eingekrümmtes Blatt dar.
Diese Art erinnert in mancher Beziehung an T. dasycomus, die aber
viel kürzere Kiemen hat.
T. haematina Fr. Müller von Desterro in Brasilien, bluthroth, vorn
aufgebläht mit weisslichen Fühlern, ist eine kleinere Art mit durchweg sehr
4
EN We ER ER
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kurzen Segmenten, die in den Mytilusüberzügen der Felsen gegenüber der
Rua de Passeio lebt und 18 bis 19 Paar Borstenbündel hat. Sie be-
ginnen schon unter dem hintersten Kiemenpaar, d. h. am 3. Segment
und enthalten ausser den gewöhnlichen Borsten auch gekniete, den
schief-meisselförmigen ähnliche, nur mit noch längerer Spitze. Bauchschilder
querrechteckig und meist dreimal so breit als lang, bis zum 12ten Seg- _
ment erkennbar. Die Polster, welche die Hakenborsten tragen, be-
ginnen schon am 4. Segment, und verwandeln sich hinten nicht in Flöss-
chen, und die nicht kammförmigen Hakenborsten stehen mit Ausnahme
der vordersten Polster überall in 2 deutlich getrennten Reihen. Die
Kiemen sind niedrig, die vordern strauchartig ausgebreitet mit kurzen,
dicken schnell hinter einander getheilten Aesten und sehr kurzen dicken
Endzweigen, fast zerschlitzt lappenförmig zu nennen, die hintere beinahe
kammförmig. Augenpunkte waren nicht zu bemerken.
T. thuja aus dem Godeffroy’schen Museum. Fundort unbekannt;
vom Habitus der T. ceristata, was namentlich von den beiden Kiemenpaaren
gilt, die den Wuchs einer Cypresse nachahmen, aber einen viel dickeren
Stamm haben und noch reichlicher und weiter hinauf belaubt erscheinen.
17 Paar Borstenbündel, wie gewöhnlich erst am 4. Segment, also hinter
den Kiemen anfangend. DBorsten alle haarförmig, sehr schmal gesäumt,
mit kaum etwas gekrümmter Spitze. Hakenborsten von einfacher Form,
vor dem 11. Segment einreihig, dahinter zweireihig, vom 21. Segment an
Pinnulae. Bauchschilder bis zum 19. Segment erkennbar, mit sanft ge-
krümmtem Vorder- und abgestutztem Hinterrand, von einander abstehend.
Der Vortragende erwähnt ferner, dass die Terebella der Novara-Ex-
pedition von St. Paul, die er fraglich als identisch mit T. megalonema
Schmd. bezeichnet, nach wiederholter Untersuchung, sich von dieser, von
der ihm nur die Beschreibung vorliegt, doch wohl schon durch die Form
der Hakenborsten unterscheiden lässt, da ihr Schnabel viel kürzer ist,
als die Abbildung von Schmarda zeigt, sie stehen in zwei deutlich ge-
trennten Reihen. Die Kiemen sind wegen der Kürze des Stammes und
der Aeste erster und zweiter Ordnung etwas quastenförmig, aber die
Endzweige doch nicht auffallend lang, unter der zweiten sieht man einen
kleinen Stummel. Diese Terebella muss daher zu einer eigenen Art
T. subeirrata erhoben werden.
Dagegen hat die vor Kurzem angestellte Untersuchung einiger gerade
am Vordertheil gut erhaltener Exemplare der T. variegata Ehrb. aus dem
Rothen Meer dargethan, dass diese Art mit der T. Medusa Sav. zusammen-
fällt. Von den grossen Flankenlappen an den vorderen Segmenten war
an dem Exemplar, das der Beschreibung zu Grunde lag, nur einer er-
kennbar gewesen; die Hakenborsten zeigen bei stärkerer Vergrösserung
deutlich 5 Zähne. Ebenso glaubt der Vortragende, die früher von ihm
beschriebene T. lutea Riss. des Adriatischen und Mittelmeers sei blos der.
50 Jahres-Bericht
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der Schles. Gesellseh, f. vaterl. Cultur. 51
Farbe und Grösse nach von T. Danielsseni verschieden, während Malm-
gren anderer Meinung ist. ZErstere bleibt in der Regel merklich kleiner
als letztere und die dem Vortragenden zugekommenen Exemplare waren
sämmtlich gelb, nicht grün. Heteroterebella sanguinea Clap. und T. rosea Gr.
(Arch. Naturg, 1860) erweisen sich als einerlei, indem nur zufällig bei
dem zur Beschreibung der rosea benutzten Exemplar das zweite Kiemen-
paar fehlte, bei neuerlich erhaltenen zeigten sich 3 Paar Kiemen.
Professor Grube hatte ferner durch die Güte des Herrn Professor
Fı. Müller in Desterro Gelegenheit, dessen Terebellides anguicomus (Arch.
Naturg. 1858) aus eigener Anschauung kennen zu lernen und konnte die
Anwesenheit von nur 17 Paaren Borstenbündel bestätigen, während
T. Stroemii Sars deren 18 besitzt, dem entsprechend ist die Zahl der
Segmente, welche den Vorderkörper ausmachen, 19; da zu den borsten-
tragenden noch zwei borstenlose hinzukommen, das Mundsegment und
das folgende. Letzteres ist breiter als das dritie (oder erste borsten-
tragende. Die Hakenborsten,- welche unter dem fünften Borstenbünde]
beginnen, sind an diesem Segment nicht nur von anderer Form, als die
übrigen, nämlich wie ein Winkelhaken gestaltet mit langer gerader
Spitze, sondern auch weniger zahlreich und bedeutend grösser, an den
übrigen Polstern zeigen sie die Form, die Malmgren für T. Stroemiü ab-
bildet, und dasselbe gilt für die winzigen Häkchen der Flösschen, die an
den folgenden 39 bis 46 Segmenten auftreten. Die Fühler zeigen nur an
ihrer verbreiterten Endhälfte eine Längsfurche. Von den 4 mit einander
verwachsenen Kiemenblättern tragen nur die äusseren Lamellen, von den
inneren sieht man bloss hintere Zipfel vorragen. Eine Eigenthümlich-
keit dieser Art besteht darin, dass sich der Rücken über dem sechs-
ten Borstenbündel zu einem queren Grat erhebt, nach vorn und hinten
sanft abfallend, die feinen Querstreifen der Haut laufen hier nicht mehr
parallel, sondern convergiren an beiden Enden. An den Segmenten
hinter dieser Erhabenheit stehen die Borstenbündel und Polster auf einer
schmalen, sich auch über die Bauchfläche fortsetzenden Rippe, die am
lebenden Thier vielleicht weniger hervortreten mag. Die Länge der
grösseren Weingeistexemplare beträgt 46 m., die Höhe der vorderen
Segmente 3 m., an dem Buckel 4 m.
In derselben Sendung befand sich eine Protula und eine Serpula, die
zur Untergattung Hydroides gehört. Die Protula (Pr. piranga), deren
Röhren ausgedehnte Polster in der Nähe des Estreite bei Desterro bil-
‚den, ist sehr klein und von blutrother Färbung, hat aber grünes Blut.
Die Länge der Weingeist-Exemplare übertrifft nicht 3 m., wovon mit
kleinen Schwankungen ein Drittel auf die Kiemen, ein Drittel auf die
durch 2 sich herabziehende Hautlappen geflügelte vordere und ein Drittel
auf die hintere Hälfte des Leibes kommen. Die Hautlappen sind nicht so
breit, dass sie, über den Rücken geschlagen, einander decken. Die Kiemen
4*
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52 Jahres-Bericht
blätter sind sehr niedrig und tragen jedes 4 mit etwa 10 stumpfen kurzen
dicken radü gefiederte gleichlange Fäden mit kurzer dicker Spitze. In
der Vorderhälfte des Leibes stehen jederseits 8 Borstenbündel, deren
erstes etwa 4 schief-meisselförmige, gekniete Borsten trägt, die übrigen
enthalten etwa 5 lineare, nicht gesäumte. In der Hinterhälfte zählt man
höchstens 27 Paar weitvorragende, zu je 2—4 stehende, noch zartere
Borsten. Die Häkchen, in Reihen von eirca je 50, sind so klein, dass
man bei 300 facher Vergrösserung nur eben erkennt, dass sie kamm-
förmig sind und gegen 8 Zähnchen besitzen (so wenigstens bei denen der
Vorderhälfte). Die ausserordentlich dünnen, noch nicht Y, m. im Lumen
haltenden Röhren bilden ein Haufwerk von theils einzelnen, theils und
so meistens bündelweise gruppirten, durch einander geschlungenen; die
einzelnen Röhrchen, die man höchstens auf 7 m. Länge verfolgen kann,
sind sehr zart und streckenweise glatt, streckenweise dicht geringelt.
. Die Serpula, ein Hydroides aus der Abtheilung der Zucarpi Mörch hält
der Vortragende für H. dirhampha Mörch, welche auch bei St. Thomas
vorkommt, wenigstens stimmt die Beschaffenheit des Deckels und der Röhre
mit Mörch’s Beschreibung überein, doch erwähnt dieser nicht, dass die
Röhren streckenweise an der Rückenseite 3 stumpfe Kiele zeigen, wodurch
sie hier nicht rund, sondern dachartlig stumpfwiuklig erscheinen; die übrigen
Körpertheile hat Mörch nicht gekannt. Man zählt jederseits 12 bis 14
Kiemenfäden mit nackter Spitze, welche von dem etwa 7,5 m. langen
Deckel weit überragt werden. Die Borsten verhalten sich wie bei den
Eupomatus des Mittelmeeres: in dem hinteren Leibesabschnitt scheinen
bloss Reihen von Häkchen und nur am äussersten Ende des Leibes ein
paar sehr feine Haarborsten vorzukommen, allein bei genauerer Unter-
suchung entdeckt man neben der Reihe der Häkchen einen kleinen Fächer
von 6 sehr kurzen geknieten Borsten. Das längste Weingeist- Exemplar
mass 24 m. ohne die 5 m. langen Kiemen, hat vorn eine Breite von
etwa 2,5 m., hinten 2 m. und hat gegen 107 Segmente, deren hintere
14 mal und noch breiter als lang waren. Der Deckel war 7,5 m. lang,
sein trichterförmiger Theil schwärzlich, die Zahl seiner Zacken 35 oder
etwas mehr und die der platten au dem Ende ankerförmigen Stäbchen,
die von einem centralen Kreise der vertieften Endfläche des Deckels ent-
springen, 12 bis 15. Die Färbung der Kiemen ist nach Fr. Müller
ausserordentlich wechselnd und bald einfarbig, schwefel- oder orangegelb,
bald violet mit weissen Binden u. a. m. /
. Sehwerer ist es dagegen, eine befriedigende Vergleichung eines bei
Desterro an Tangen sehr häufigen Spirorbis/mit anderen Arten anzustellen,
da sich das Thier so stark in seiner Röhre contrahirt hat, und so brüchig
geworden ist, dass man mit dem Zerstören derselben auch seinen Körper
stark beschädigt. Diese Röhre, eine Spirale von 3 in derselben Ebene
liegenden und einander nur wenig bedeckenden Umgängen, stellt, da die
‚ae. I
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der Schles, Gesellsch, f. vaterl, Cultur, 53
beiden ersten Umsänge ausserordentlich niedrig sind, eine tief und breit
genabelte Scheibe mit ebener Unterfläche vor: der letzte Umgang ist
etwas gerundet dreikantig und eben so breit als der Nabel, misst also
zwei Drittel des ganzen Durchmessers, der 1,5 m. beträgt, die Rücken-
kante bildet einen linearen, durch seine intensive weisse Farbe von der
übrigen Wandung abstechenden und von 2 flachen Hohlkehlen eingefass-
ten, nieht in der Mitte, sondern nach innen von ihr verlaufenden Kiel:
Diese Hohlkehlen scheinen der am meissten ähnlichen Röhre von Spirorbis
antarchica Less. zu fehlen, die auch, da die Abbildung (Less. Cent.
Zool. pl. 51 Fig. 2 ec.) wohl nicht vergrössert ist, Scheiben von 5 m.
Durchmesser bildet. Bei manchen Röhren unseres Spirorbis gehen von
jenem Kiel an der Innenseite in kurzen Abständen von einander weisse
(wohl ein wenig erhabene) Querlinien ab, wodurch die Röhre ein etwas ge-
sliedertes Aussehen bekommi, an der Aussenwand ist dasselbe nur schwach
oder gar nieht angedeutet. Der Deckel ist im Gegensatz zu der opaken
Röhre durchsichtig und bildet einen oben flacheonvexen Knopf, in den
der Stiel nicht in der Mitte, sondern an der Innenseite übergeht, bei
S. antareticus nennt ihn Quatrefages Operculum spatuliforme. Kiemen giebt
es jederseits 3, und sie werden vom Deckelknopf merklich überragt.
Nach allem Angeführten scheint diese Art noch nicht beschrieben zu sein
und mag Spirorbis brasiliensis genannt werden.
In der Sitzung der Schlesischen Gesellschaft am 5. Juli sprach Herr
Professor Dr. Grube
über die Fauna des Baikalsee’s sowie über einige Hirudineen und
Planarien anderer Faunen.
Was wir von der Thierwelt jenes gewaltigen, an Länge dem Bolt-
nischen Meerbusen gleichkommenden, aber noch nicht halb so breiten,
ringsum von Gebirgen umgebenen Süsswasser - Beckens wissen, dessen
grössere Tiefen noch nicht ermittelt sind, beruht hauptsächlich auf den
Mittheilungen von Pallas und Gerstfeldt, welche zugleich das von ihren
Vorgängern gelieferte Material sorgfältig benutzt haben, und genügt wohl,
uns etwa eine allgemeine Vorstellung von den dortigen Verhältnissen zu
machen, ist aber doch nicht so befriedigend, dass wir nicht jeden neuen
Beitrag aufs Dankbarste annehmen sollten. Einen solchen hat dem Vor-
tragenden neuerlichst Herr Dr. Dybowski zugestellt, der, in jene Gegenden
‚verwiesen, keine Gelegenheit unbenutzt lässt, der Wissenschaft, die
schon so tüchtige Proben seiner Beobachtungsgabe und seines Eifers
aufzuweisen hat, auch ferner zu dienen. Die von ihm eingesandten Be-
wohner des Baikal gehören der Abtheilung der Crustaceen und der Egel
und Plattwürmer an, bilden also einen Anschluss an die Arbeiten von
Gerstfeldt, der aber auch die Mollusken abhandelt, während Pallas unser
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Asıs Bu,
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4 - Jahres-Bericht
Gewährsmann für die Fische ist. Alles zusammengenommen, erscheint
die Fauna dieses theils von schmaleın Vorland, theils von steilabfallenden
Ufern umgebenen und viel von Stürmen heimgesuchten See’s, der zwar
selten vor dem Januar schon fest zufriert, über dem aber dafür auch
im Sommer, wie Pallas beschreibt, nur eine kühle, nebliche Luft herrscht,
zwar ziemlich arm, aber interessant durch das Vorkommen von Thieren,
die man in ihm nicht erwartet, oder durch einzelne aufiallende Arten.
So existirt im Baikal ein Seehund, der zwar nach Radde von der
Phoca annellata der nordischen Meere nicht verschieden ist, dessen Vor-
kommen jedoch in einem durch so lange Flussläufe, wie der Jenisei mit
der Tungusca und Angara sie darbieten, vom Meere getrennten Landsee
etwas Befremdendes hat, und auf eine wesentlich andere Gestaltung der
Localitäten in früherer Zeit hinweist. Diese Robbe war früher der
Gegenstand ergiebiger Jagden, scheint aber allmählich ausgerottet zu
werden. Unser Karpfen, der Brachsen, die Zährte und fast alle unsere
karpfenartigen Fische, der Aal und unsere Forellen fehlen dem Baikal,
dagegen sind in ihm noch mit Bestimmtheit der Kühling (Cyprinss Idus),
die Karausche, die Schmerle, der Schnäpel (Coregonus oxyrrhynchus), der
Kaulkopf (Cottus gobio) und Coitus quadricornis nachgewiesen, ein Fisch
des Eismeeres und der Ostsee, welcher wie der Schnäpel aus der Nord-
und Ostsee in die Flüsse steigt. Hecht und Barsch könnten ihrer Ver-
breitung nach, und da sie auch in Europa in tieferen Gebirgsseen ange-
troffen werden, ebenfalls im Baikal vorkommen. Dagegen fehlen den
europäischen Gewässern und bilden recht eigentlich die Baikalfauna:
Cypr. lacustris Pall., :Salmo fluviatilis L., 8. erythraeus Georgi, $. corego-
noides Pall., Coregonus wimba L. und C. omul Pall. (autumnalis Georgi)»
besonders hervorzuheben aber ist der dem Baikal ausschliesslich eigen_
thümliche Fettfisch Elaeophorus buicalensis Pall., ein höchst sonderbarer
farb- und schuppenloser, 7 Zoll langer Fisch mit weitgespaltenem Maul,
grosser Kiemenspalte, kurzer vorderer und hinterer sehr langer Rücken-
flosse, sehr langer Afterflosse und gabeliger Schwanzflosse, aber ohne
Bauchflossen, der in grossen Tiefen lebt, selten und nur nach grossen
Stürmen todt au die Oberfläche kommt und so fettreich ist, dass beim
Auskochen nur die Gräten übrig bleiben. Die Mollusken sind sehr spär-
lich vertreten, von Schnecken führt Gerstfeldt ausser unserem Limnaeus
auricularius nur neue auf: Paludina baicalensis, Hydrobia Angarensis (auch
in der Angara gefunden), Yalvata baicalensis, Choanomphalus sibiricus und
Aneylus sibirieus, alle von Maack entdeckt.
Von Muscheln kennen wir bisher auch nicht eine Art, die im Baikal
selbst gesammelt wäre, doch bewohnt Anodonta anatina den in seiner
Umgebung gelegenen Gänsesee, A. cellensis die Angara unterhalb Irkutsk
und Cyelas calyculata die obere Tungusca.
Eigenthümlich gestaltet sich in Sibirien überhaupt die Verbreitung
na
23
der Schles, Gasellsch, f. vaterl. Cultur. 55
der Crustaceen in sofern, als unsere Flusskrebse Astacus Iwwiatilis und
sexatiis schon au der Cama aufhören, der A. Dauricus erst im Amur-
gebiet beginnt, dafür aber neben unserem Gammarus pulex grosse Amphi-
podenformen auftreten, ebenfalls Gammarus-Arten. Dergleichen hat Gerst-
feldt aus der Angara 4 und Pallas bereits eine beschrieben, die auch im
Baikal selbst vorkommt und an Grösse alle übertrifft, da sie bis 2 Zoll
laug wird, G. cancellus, Dieser fügt Dybowski eine zolllange neue eben-
falls baikalische hinzu (G. Grubii D.). Sie hat ovale Augen, an den vor-
deren 5 Segmenten über dem Epimeren jederseits einen Höker, einen
platten mit zwei Reihen kurzer, vom 7. bis 9. Segment ansehnlicherer
Stacheln eingefassten weiterhin unbewehrten Rücken und um ein Viertel
ihrer Länge verschiedene Endstiele des 13. Fusspaares, die Antennenstiele
sind: gleich lang, die Geisseln der oberen Antennen merklich länger als
an den unteren.
Was die Blutegel i. w. $8., oder die Discophoren anlangt, so wissen
wir, dass von europäischen unser Pferdeegel Aulacostomum nigrescens so
wie Nephelis vulgaris und Clepsine complanata dem Baikal nicht fehlen,
doch hat Dr. Dybowski dem Vortragenden noch mehrere zum Theil sehr
auffallende Arten zugestellt, die sich sämmtlich als neu erwiesen: Cl.
mollissima, ausnehmend weich und glatt, bleichockergelb mit 4 Reihen
weicher glatter rostgelber Rückenpapillen und ähnlichen Randflecken an
jedem 3. Ringel, und CI. echinulata Gr., eine im Weingeist weissliche Art,
die sich durch 6 Reihen grösserer echinulirter Rückenpapillen auszeichnet,
ausserdem aber oben wie unten dieht mit Körnchen bedeckt ist; jene
hat 6, diese blos 2 Augen. Dazu kommen 3 Fischegel Piscicola multi-
striata Gr., eine gestreckte Form mit grossen Haftscheiben und 4 Rücken-
und 5 Bauchlängsstreifen von violetter Farbe, P. torguata Gr. mit sack-
förmigem Hinterkörper und von sehr wechselnder Färbung, doch beständig
mit einem weissen Halsband hinter den Genital-Oeffnungen, und P. con-
spersa Gr., die unserer P. geomeira ähnelt, aber eine mit dunkeln Strahlen,
nicht mit einem Kranz von schwarzen Punkten gezierte Endscheibe besitzt.
Ausser der von Gerstfeldt beschriebenen Planaria Angarensis und Pl.
. guttala befinden sich in Dybowski’s Sendung 2 neue Planarien, eine, wie
es scheint, augenlose, jetzt leberfarbige, sehr breit ovale oder vorn etwas
schmälere, ungemein kräftige, von der eines der Exemplare 1 Zoll
lang ist, Pl. hepatizon Gr., und eine kleinere, rothbranne mit einer
schwarzen Längsbinde und 4 sie kreuzenden über den Rücken gleich-
-mässig vertheilten ebenfalls schwarzen, an den Enden anschwellenden, den
Seitenrand nicht erreichenden (uerbinden Pl. nigro-fasciata Gr. Letztere
ist ebenfalls breitoval, aber vorn und hinten kurz und scharf zugespitzt
und trägt auf dem dreieckigen, seitlich etwas abgefetzten Stirntheil 2 vorn
einander fast berührende, hinten divergirende, meist einfache Bogenreihen
von 8 oder mehr Augen. Aehnliche Augenreihen entdeckte der Vor-
ED RE NT En a
>
56 j Jalıres-Bericht
tragende auch: bei Pl. gutlala Gerstf. Auffallend ist, dass sowohl bei
dieser als bei Pl. hepatizon der mittlere Slirnrand zuweilen einen deutlich
umschriebenen Haftnapf bildet.
Von Schwämmen endlich führt Pallas eine Spongia bascalensis in
seiner Reise auf, die aber nicht näher beschrieben ist, und seitdem
nicht wieder beobachtet zu sein scheint.
Als neu für die Schlesische Fauna sind Clepsine suceinea de Fil. und
Cl. paludosa Car. zu bezeichnen, beide mit 2 Paar Augen.
Im Anschluss an diese Planarien und Hirudineen legte Prof. Grube
noch eine Herrn Godeffroy zugekommene Meerplanarie (Leptoplane tuba
Gr.) und einen neuen australischen Meerblutegel (Pontobdella papillata Gr.)
vor. Die nur 10 m. lange Leptoplana, jetzt blassfleischfarbig, oben mit
kleinen braunen Fleckchen überstreut und von einer etwas gezähnten
braunen Längsbinde durchzogen, erinnert in der Zeichnung an Z. (Poly-
celis) erythrotaenia und P. macrorrhynchus Schmarda, hat aber nicht bloss
eine winzige von dem Stirnrande abgerückte aus 2 Reihen bestehende
Längsgruppe von Augenpünktchen, sondern auch überaus zahlreiche
längs dem ganzen Stirn- und vorderen Seitenrande und einen im Ver-
hältniss enormen fast 8 m. langen, am Ende trompetenartig erweiterten
Rüssel, das etwas schmäler zulaufende Hinterende des glattrandigen ganz
eingerollten Körpers scheint einen kleinen Ausschnitt zu haben. Die
Pontobdella papillata zeigt einen plattrunden allmählich bis auf 6 m., dann
aber eine kurze Strecke hinter den Genitalöffnungen plötzlich sackartig
verdickten, hier 12 m. breiten Körper, an dem man etwa 56 Ringe
zählt, jeder 3. Ring. der vorderen Leibeshälfte ist ringsum mit 8 winzi-
zigen glatten Papillchen besetzt, und etwas breiter und länger als die
dazwischengeschobenen, vom 30. etwa an hören die Papillchen auf.
Eben solehe Papillchen trägt der Rand des vorderen Haftnapfes, der
kleiner als der hintere ist. Die Genitalien münden zwischen dem 15. und
16. und dem 16. und 17. Ringe. Zeptoplana tuba findet sich bei den
Viti-Inseln vor.
Derselbe legte der Versammlung vom 13. December Lumbrico-
nereis gigantea Qf.? und eine neue Oenone und Serolis vor und theilte, an
den Vortrag vom 5. Juli über den Baikal anknüpfend, mit, dass die da-
mals von ihm ausgesprochene Hoffnung auf eine gründliche Untersuchung
des Baikalsee’s durch Herrn Dr, Dybowski schon in Erfüllung gegangen
sei, und dass derselbe in ihm Tiefen von 1000 Meter gemessen habe.
Das hiesige zoologische Museum hat bereits sehr werihvolle von dem-
selben dort veranstaltete Sammlungen erworben, theils Fische, theils Crusta-
ceen. Leiztere bestehen nur aus Amphipoden, lauter Gammarusarten,
deren Zahl dem Verzeichniss nach auf mehr als 60 steigt, deren Be-
schreibung aber Dr, Dybowski erst vorbereitet, darunter die seltsamsten
der Schles, Gesellsch, f, vaterl, Cultur, 57
mit grossen Stacheln und Kielen bewaffneten Arten bis zu der für diese
Krebs-Familie riesigen Länge von 2'/, Zoll: ein solches, überdies noch
in dem prächtigsten Zinnoberroth und Hellgelb prangendes Exemplar hat
das Museum von dem schon Pallas bekannten Gammarus cancellus erhalten,
doch giebt es im Baikal daneben auch wiederum ganz kleine glatte Arten,
die an den G. pulex unserer Gewässer erinnern.
Ausser diesen Gammarusarten beherbergt der See auch eine Wasser-
assel, welche Dybowski’s Vorgängern unbekannt geblieben ist: Asellus
baicalensis Gr. Sie unterscheidet sish von dem bei uns so gemeinen
A. aquaticus hauptsächlich durch die Geissel der äusseren Antennen, an
der man nur 18 und zwar gestreckte Glieder zählt, während bei A. aquaticus
über 60 nur ganz kurze existiren, ferner durch die 6 seitige Form des
Schwanzschildes, der bei letzterem nahezu quadratisch hinten breit ab-
gerundet ist, und nicht in das vorhergehende Segment hineintritt und
durch die geringere Länge der gabeligen Endanhänge, welche bei
A. aquaticus viel länger als das Schwanzschild sind. Die Planarien, von
denen der Vortragende Herrn Dr. Dybowski eine neue Sendung ver-
dankt, sind zwar keine anderen, als die in der ersten enthaltenen, aber
zum Theil ebenfalls durch ihre eolossale Grösse und Derbheit über-
raschend: so besitzt er von einer Planaria, welche Angarensis zu sein
scheint, ein Weingeist- Exemplar von 2%, Zoll Länge und 1'/, Breite,
Maasse, wie sie kaum an den im Meer lebenden Stylochus- und Plano-
cerusarten beobachtet sind. Es ist aus einer Tiefe von mehr als 800 Meter
heraufgezogen, während Pl. hepatizon in einer Tiefe von 150—300 Meter
und Clepsine torguata bis 50 Meter Tiefe gefunden wurde,
Hierauf ging der Vortragende zur Betrachtung der Isopoden-Gattung
Serolis über, Crustaceen, welche darum so interessant sind, weil man in
ihnen eine nahe Verwandtschaft mit den längst ausgestorbenen Trilobiten
gefunden haben wollte. Die Aehnlichkeit bezieht sich aber nur auf die
Aehnliehkeit der Rückenansicht, die Anwesenheit von Kopf- und Schwanz-
schild und dazwischen liegenden beweglichen Segmenten, an denen man
einen Mittelrücken und lange spitze Flankentheile unterscheidet, sowie
auf die Stellung der Augen oben nahe der Mittellinie, während sie bei
den anderen Isopoden an den Seitenrand rücken. Der eigentliche Kopf-
schild lässt auch bei Serolis ein Scheitelfeld, welches hier selber die
Augen trägt und die Andeutung von Seitentheilen unterscheiden. Das
Museum hat eine Art erhalten, welche mit den Beschreibungen der bis-
her bekannten 6 nicht übereinstimmt, sich am meisten der $. Brognian-
tiama zu nähern scheint, von der leider dem Vortragenden keine Abbil-
dung vorliegt, aber durch die Länge der mit der Spitze oder der ganzen
Endhälfte frei vortretenden Zacken des Seitenrandes (Epimeren) aus-
zeichnet. Die 6te dieser Zacken ragt beim Männchen noch über das
Schwanzschild hinaus, die 7te (schon dem Postabdomen angehörige)
58 Jahres-Bericht
schneidet mit ihr ab, die Ste äusserst schmale reicht nicht über das erste
Dritttheil desselben hinaus. Die abgesetzten Seitenränder des Schwanz-
schildes laufen nach hinten in eine (mit der 7ten abschneidende) Zacke
aus, und das nach innen von dieser eingelenkte letzte Fusspaar trägt
2 breite spatelförmige Anhäuge. Das ganze Thier ist blattartig zusammen-
gedrückt, breiter als lang, der Rücken nicht gekielt, und braun, die
Epimeren weiss, beide zierlich mit feinen schwärzlichen Tüpfelchen be-
streut, die Mittellinie des Schwanzschildes zeigt einen schwachen mit
2 Zähnchen besetzten Kiel und jederseits eine leicht angedeutete Längs-
furche. Auch das Schwanzschild ist breiter als lang, hinten breit ge-
rundet. Beim Weibchen ragt die 6te Zacke des Rückenrandes nur so
weit, als das Schwanzschild und die 7te weniger als dieses vor. Erweist
diese Art sich als neu, so mag sie als $. acutangula eingeführt werden.
Endlich lenkte. der Vortragende die Aufmerksamkeit noch auf ein
paar Anneliden, zunächst: die durch ihre Länge auffallende Lumbrico-
nerets giganteu @Qf., welche er bei St. Malo wiedergefunden zu haben
glaubt und von der er selbst ein anderthalb Fuss langes Exemplar
beobachtet. Ist seine Vermuthung richtig, so müsste ein Paar Kiefer-
plättehen von Quatrefages übersehen sein. Die Anordnung und Beschaf-
fenheit dieser Theile stimmt am meisten mit Arabella und insbesondere
Cirrobranchia überein und nöthigt, das betreffende Thier von den eigent-
lichen Lumbriconereis zu trennen und zu den Prionognathen überzuführen,
seine Ruderbildung und Borstenform schliesst es ganz an die Arabellen an,
ein blattförmiger Rückeneirrus und Fühler fehlen, weshalb es nicht mit
Cirrobranchia vereinigt werden kann, sondern eine eigene Gattung (Maclo-
via) bilden muss. An einem Exemplar konnte man ein Paar augen-
förmiger Punkte vor dem Hinterrande des Kopflappens bemerken. Der
Vorderrand des Mundsegments zeigt 2 Täschchen wie bei Lumbriconereis,
das Ende des aus mehr als 300 Segmenten bestehenden Gliedes jeder-
seits 2 sehr kurze ungleiche Stummelchen.
Als neu zu betrachten ist eine Oenone von den Vit- -Inseln, welche
Herr Godeffroy erhalten (0. vitiensis Gr.), deren gestreckt-blattförmigem
Rückeneirrus die bei O. lucida vorkommende an beiden Enden sich erwei-
ternde Längsfurche fehlt, ebenso wie bei O. diphyliidia Schm., das an dem
langen schmalen Träger sitzende .Kieferstück ist aber viel gestreckter als
bei dieser Art, und 7 zähnig, und das vorderste einen einfachen Haken
darstellende, rechts wie links von gleicher Beschaffenheit, der Rücken-
eirrus selbst sitzt auf keinem stielartigen Absatz wie ihn Schmarda dar-
stell. Hebt man den Vorderrand des Mundsegments auf, so kommen
2 kleine Nackenpapillen zum Vorschein.
LI.
Bericht
über
die Thätigkeit der botanischen Seetion der Schlesischen
Gesellschaft im Jahre 1871
erstattet von
Ferdinand Cohn,
zeitigem Secretair der Section.
Die botanische Section hat im Jahre 1871 neun ordentliche und
eine ausserordentliche Sitzung gehalten, in denen Folgendes verhandelt
wurde:
In der ersten Sitzung vom 19. Januar hielt der Secretair Professor
- Cohn einen Vortrag
über die naturwissenschaftlichen Verhältnisse von Bad Cudowa,
der am Schluss dieses Berichts referirt werden wird.
In der zweiten Sitzung vom 2. Februar legte der Secretair die
beiden ersten Lieferungen der naturwissenschaftlichen Anschauungsvorlagen
von G. Elssner in Löbau vor, darstellend den Blüthenbau von Pinus,
Viseum, Tilia, Betula, Viburnum und Taxus. Diese, in grösstem Format
gehaltenen, für den Schulunterricht bestimmten Wandtafeln zeichnen sich
ebenso durch Reichhaltigkeit und Naturtreue der Details, als durch ihren
billigen Preis aus (7 Bogen 25 Segr.).
Hierauf sprach Herr Geheimrath Prof. Göppert
über Einwirkung der Kälte auf die Vegetation.
Nach Mittheilungen aus einer Abhandlung über die Kältegrade,
welche die Vegetation überhaupt erträgt, die in der botanischen
Zeitung von H. v. Mohl und A. deBary Nr. 24 d. J. 1871 abgedruckt
‚5 25
60 J ahres-B ericht
ist, hielt derselbe Vortrag über den Moment des Todes der der
Einwirkung des Frostes unterliegenden Pflanzen als Antwort auf
die Frage: „Wann stirbt die durch Frost getödtete Pflanze,
zur Zeit des Gefrierens oder im Moment des Auf-
thauens?“
Die Frage, in welchem Zeitraume wohl eine durch Frost getödtete _
Pflanze stirbt, ob während des Gefrierens und Gefrorenseins oder
im Moment des Aufthauens, ist bis jetzt noch keineswegs auf irgend
eine Weise mit Entschiedenheit beantwortet worden. Gärtnerischen,
besonders bei Nachtfrösten im Frühjahr gemachten Erfahrungen zufolge
soll dem Erfrieren von zarten Obstbäumen verschiedener Art wirksam
vorgebeugt werden, wenn man sie nur möglichst langsam aufthauen lässt
und daher namentlich vor direetem Sonnenlicht bewahrt. Das Auf-
thauen sei gefährlicher, meint man, als das Gefrieren. Exacte Beob-
achtungen hierüber besitzen wir eigentlich nicht. Sie sind auch sehr
schwer anzustellen und durch gewichtige Gegenversuche zu erhärten,
insbesondere von der Wirkung der stärkeren Erkältung durch Ausstrah-
lung gegen den wolkenlosen Himmel zu sondern. Wenn man das
Wirken der Natur im Grossen zu Rathe zieht, wie in allen solehen Fällen
seschehen muss, gewinnt diese Ansicht nicht an Wahrscheinlichkeit.
Welche enormen Verluste müsste alljährlich die Vegetation erleiden,
wenn ihre Existenz auf eine so eng begrenzte Widerstandssphäre ange-
wiesen wäre. Den jähen Wechsel der Temperatur erleben wir in
jedem Winter und in jedem Frühjahre. Wer vermöchte Anpflanzungen
von irgend einem Umfange an einem kalten Morgen vor den Folgen des
jähen Hereinbrechens der Sonnenstrahlen zu schützen. Die bis jetzt nur
selten vorkommenden Beschädigungen durch Frühjahrsfröste müssten zur
Regel werden, während sie jetzt doch nur ausnahmsweise vorkommen.
In zahlreichen, bereits von mir 1829/30 angestellten und im gegenwärtigen
Winter wiederholten Versuchen gelang es mir nicht, die gefroren ge-
wesenen Pflanzen zu retten, obschon ich sie unmittelbar aus der kalten
Luft in Eis und Schnee brachte und möglichst langsam aufthauen liess.
Inzwischen fehlt es nicht an mit noch anderen Pflanzen als mit Bäumen
gemachten Erfahrungen und Versuchen (L. C. Treviranus, Karsten, Hoff-
mann und Julius Sachs), die zu einem dem meinigen entgegengesetzten
Resultate führten. Obschon sich vielleicht diesen Erfahrungen hie und
da noch eine andere Seite: abgewinnen liesse, worauf ich hier nicht näher
eingehen will, so bleibt es für die Entscheidung einer so bedeutsamen
Frage immerhin misslich genug, wenn positive und negative Resultate
einander gegenüberstehen. Vielleicht könnte sie dennoch herbei-
geführt werden, wenn man Pflanzen fände, die schon im Moment des
Gefrierens die Zeichen des Todes erkennen liessen. Dazu bietet sich
aber wenig, Aussicht dar, da man es einer gefrorenen Pflanze eben nicht
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 61
ansieht, ob sie nach dem Aufthauen lebend bleibt oder schon den Keim
des Todes in sich trägt. Zahlreiche Versuche mit buntblätterigen Pflanzen,
zu denen ich mich zuerst wandte, führten zu keinem Ziel, doch erreichte
ich es endlich auf einem anderen Wege. Clamor Marquart hat
schon vor längerer Zeit in eimigen tropischen Orchideen (Phajus grandi-
folius und Calanthe veratrifolia) Indigo entdeckt, der aber bekanntlich in
der lebenden Pflanze nicht als solcher, sondern als farbloses Iudigoweiss
(auch Sehunk als Indiean) vorkommt und erst nach dem Tode des
Gewächses als blauer Farbestoff erscheint. Wenn man die milchweissen
Blüthen der letzteren Pflanze zwischen den Händen quetscht, werden sie
augenblicklich blau, welches Verhalten ich in Vorlesungen benutze,
um die Natur und Entstehung des Indigo’s zu demonstriren *). Wenn
man die Blüthen gefrieren lässt, gleichviel bei welchem Grade (ich ver-
suchte — 3 bis — 16°), so färben sie sich während des Gefrierens an-
fänglich blass blau, dann immer dunkler, das Labellum der Blüthe und
Operenlum am dunkelsten, während die Pollenmassen, aber diese nur
allein, ihre natürliche gelbliche Farbe sowohl während dieses Vor-
sanges als nach dem Aufthauen behalten. Das Labellum ist also reicher
an Chromogen als die anderen Theile, die Pollenmasse enthält gar nichts
davon. Der Frost spielt hier die Rolle eines Reagens und
zwar eines empfindlicheren, als die Chemie in diesem Falle
aufzuweisen vermag. Die Blüthenstengel mit den weissen Bracteen,
desgleichen der gesammte Wurzelstoek färben sich ebenfalls blau. Eben
so die grossen schönen Blüthen von Phajus grandifolius mit den äusserlich
weissen innerhalb braunen Blättern und oberhalb violett gefärbtem Labellum
und die Blüthen von Ph. Wallichü mit nüaneirt orangefarbigem Labellum
(deren ursprüngliche Färbung bald zurückgedrängt wird) nur die Pollen-
massen behalten wie bei Calanthe ihre natürliche gelbliche Farbe. Die
Laubblätter beider Pflanzen werden namentlich bei hohen Kältegraden
anfänglich hellgrün und durchscheinend, dann dunkel stahlblau und nach
dem Aufthauen dunkel schwarzblau. Die Blätter von Ph. maculatus und
Ph. eupreus, die augenblicklich nicht blühen, zeigten dieselbe Erscheinung.
Nicht gefrorene Blätter zwischen Papier in einem Zimmer bei + 14°
getrocknet, zeigten erst nach 8 Tagen jene dunkle Färbung, woraus her-
vorgeht, wie intensiv der chemische Einfluss der Kälte war.
. Dass das auch auf die sorgfältigste Weise veranstaltete Aufthauen in Eis
und Schnee keine Restitution bewirkte, habe ich wohl kaum nöthig
noch anzuführen. Blätter und Blüthen entliessen, wie dies bei allen durch
Frost getödteten Pflanzen geschieht, etwas Flüssigkeit, welche die nächste
*) Mein Herr College Löwig, dem ich die Blüthen zur Prüfung vorlegte,
erklärte sich ebenfalls für den Indigogehalt derselben,
62 Jahres-Bericht
Partie des Schnees blau färbte. Auf eine interessante Weise wird diese
durch die Kälte bewirkte chemische Analyse durch die Art des
Verwelkens oder allmählichen Absterbens von eben noch vorliegenden
Blüthen von Phajus grandifolius bestätigt. Das Labellum bläut sich zuerst
zugleich mit dem Operculum, dann folgen ziemlich gleichzeitig die übrigen
fünf Hüllblättchen, zuletzt erst das Ovarium und Gynostemium. Ich
glaube nicht, dass man einen schlagenderen Beweis für die Ent-
scheidung derin Rede stehenden Frage als das Resultat dieser
Versuche noch aufzufinden vermöchte, dem ich aber mit Rück-
sicht auf das oben angeführte Verhalten der Vegetation im Grossen eine all-
gemeine Bedeutung beilege und es somit als Regel annehme, dass der Tod
beim Erfrieren schon während des Gefriernns, also durch
direete Wirkung der Kälte und nicht erst beim Aufthauen oder in
Folge des Aufthauens erfolge. Die chemische Wirkung durch die blaue
Färbung oder die Bildung des Indigo’s tritt also hier erst nach der Ver-
nichtung des. Lebens oder Beseitigung der Lebenskraft ein, welche
die chemischen Processe in der lebenden Pflanze beherrscht.
Wenn man noch andere dem Pflanzenleben besonders feindliche Stoffe,
worunter ausser den Gasen besonders flüchtige Flüssigkeiten nach meinen
Erfahrungen gehören, obenan Schwefelkohlenstoff, dann ätherische
Oele, Aether einwirken lässt, erhält man gleiche Resultate. Blüthen
genannter Orchideen, eingetaucht in diese Flüssigkeiten (Schwefelkohlenstoff,
Vachholderöl, Schwefeläther), wurden ebenfalls blau. Sie reagirtenalso
‚auflIndigo, obschon sie selbstverständlich sonst eben nicht als Reagentien
auf diesen Stoff anzusehen sind. Concentrirte Lösungen von salzsaurem
Morphium und salpetersaurem Sirychnin brachten jene Wirkung nicht
hervor, ganz entsprechend den Erfahrungen, welche ich schon vor vier-
zig Jahren über den Einfluss dieser Narcotica gemacht habe, worauf ich
hoffe, später noch einmal zurückkommen zu können. —
(Botanische Zeitung vom 16. Juni 1871.)
Da die Temperatur der Atmosphäre an dem Vortragsabend — 7°
betrug, bot sich die erwünschte Gelegenheit dar, das in Rede stehende
Experiment mit den Blüthen der Calanthe zu zeigen.
Früher schon hatte der Vortragende die Section eingeladen, den
botanischen Garten zu besuchen, um verschiedene durch die kalte Jahres-
zeit veranlasste Vorgänge’zu betrachten, wie die in diesem Winter ganz
besonders hervortretenden Frostrisse an Platanen, Linden, Spitzahorn,
Kirschbäumen, gewöhnlichen Rosskastanien und rothen Kastanien, die bei
einem der letzteren Stämme von 14 Zoll Dicke an 8 Zoll tief sich in
das Innere erstreckten, das Verhalten der Vegetation unter dem Schnee
und auf schneefreien Stellen, die Wirkung verschiedener Frostgrade an
der Achse ein und derselben krautartigen Pflanzen, das Wachsthum von
der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 63
Wasserpflanzen unter der Eisdecke u. s. w., worüber später nähere
Mittheilungen erfolgen sollen. Ueber das Vorkommen und Verlauf der
Forstrisse besitzen wir bereits von Caspari erschöpfende Beobachtungen ;
besonders wichtig ist hierbei die Untersuchung der dadurch im Innern
der Stämme hervorgerufenen Veränderungen, die sich nicht bloss auf ein-
fache Spaltung des Stammes beschränken, sondern zuweilen bei öfterer
Wiederholung selbst bei 2 Fuss dicken Eichen eine wahre Zertrümme-
rung in mit dem Verlauf der Markstrahlen in Beziehung stehende Stücke
herbeiführen.
Im Anschluss an obige Untersuchungen berichtete der Secretair,
Professor Cohn, über Beobachtungen, welche er mit Unterstützung des
Herrn stud. phil. David im pflanzenphysiologischen Institut: über das
Gefrieren der Zellen von Nitella syncarpa in dem ungewöhnlich
kalten Februar 1870 angestellt. Kleine Zweige dieser Wasserpflanze wurden
in einem flachen Glasschälchen unter einer Wasserschicht von ein Paar
Millimeter auf den Tisch eines im Freien aufgestellten grossen Ploessl’-
schen Mikroskop gelegt, und bei einer Temperatur von — 20° C. be-
obachtet, während durch ein in die Wasserschicht tauchendes feines
Thermometer die Temperatur desselben bestimmt wurde. In wenigen
Minuten kühlte das Wasser des Glasschälchen sich auf 0°, blieb aber
auf dieser Höhe noch eine Stunde, worauf es rasch (in 24 Minuten unter
— 5°) sank. Beim Begiun des Gefrierens bildeten sich am Rande und
der Oberfläche der Wasserschicht durchsichtige, sägeartig gezackte Eis-
nadeln, die unablässig wuchsen und sich durcheinander schoben, während
unter und zwischen ihnen sich das Wasser lange flüssig hielt; gleich-
zeitig schieden sich auch zahlreiche Luftblasen aus, erst kugelig, durch
den Druck der Eiskrystalle aber allmählich in die Länge gepresst und
strahlig zwischen den Eiszacken geordnet, so dass die an der Oberfläche
wellig gehobene Wasserschicht schliesslich völlig undurchsichtig wurde.
Hierdurch wurde natürlich auch die Beobachtung der Nitellazellen wäh-
rend des Gefrierens äusserst erschwert, doch wurde ermittelt, dass bei
0° die im Kreis rotirende bekannte Bewegung des Protoplasma noch sehr
lebhaft ist und dass sie bei — 2° noch, wenn auch langsam zu erkennen war.
Bei noch niederer Temperatur wnrden die Nitellazellen anscheinend von
den durcheinander geschobenen Eisnadeln zusammengedrückt, zerquetscht
und getödtet. Zweimal wurden jedoch Nitellen aus dem Eise von — 3°
aufgethaut, noch lebend und bewegt gefunden.
Um den Druck der Eisnadeln zu beseitigen und zugleich das Ge-
frieren genauer zu beobachten, wurde am 12. Februar ein Nitellazweig
ohne Wasser in ein Glasfläschehen von 5 Millimeter Dieke mit parallel
geschliffenen Wänden eingeführt, dessen Oefinung durch ein feines
Thermometer und einen Baumwollenpfropf sorgfältig verstopft, wiederum
das Glasfläschehen im Freien bei. einer Temperatur von — 16° C, der-
64 Jahres-Bericlit
gestalt auf den Mikroskoptisch gelegt, dass die Zellen durch die Wände
des Fläschehens hindurch beobachtet werden konnten. Hierbei liess sich
die Bewegung in der Zelle verfolgen, bis das in das Fläschehen einge-
führte Thermometer — 2° zeigte; als es tiefer (zwischen — 3 und 4)
sank, gefror offenbar ein Theil des Zellinhaltes, während
gleichzeitig der Primordialscehlauch schrumpfte im sich zu
einem faltigen grünen Sack in Mitten der entblössten Zell-
haut zusammenzog. Ins Zimmer gebracht, stieg die Temperatur des
Fläschehens bald auf 0°, wobei der gefrorene Inhalt der Nitellazellen
schmolz, der contrahirte Primordialschlauch sich wieder ausdehnte und
die Zellhaut bedeckte; doch war derselbe nunmehr zerstört und nicht
mehr lebensfähig. |
Hieraus ergiebt sich, dass die Lebensthätigkeiten der Nitellazellen bis
0 ° anscheinend unverändert, bis — 3 ° zwar herabgestimmt, aber noch
nicht aufgehoben sind; unter 3° aber tritt eine Zersetzung des
Zellinhaltes ein, indem der Primordialschlauch durch Ab-
gabe von einem Theile seines Wassers sich zusammenzieht,
woraufdasausgetretene Wasser zwischen Zellhaut und Proto-
plasmaschicht gefriert. Das verdichiete Protoplasma wird hierbei
gleichzeitig, jedoch nicht in allen Fällen, desorganisirt und getödtet. Das
Protoplasma der Nitellazellen verhält sich hiernach ganz so wie Hühner-
eiweiss, Milch etec., insofern das Wasser aus den Eiweissstoffen ausfriert.
An diese Untersuchungen schliessen wir eine Abhandlung, welche
Ei Geheimrath Göppert in den hiesigen Be Blättern am
. October 1871 veröffentlichte:
it, Bemerkungen über das Verhalten der Vegetation im letztver-
fiossenen (1870/71) Winter.
Der Winter 1869/70 war bis zum Anfang Februar 1870 äusserst mild
vergangen, — die niedrigste Temperatur betrug nur — 10°, bis auf ein-
mal Anfang Februar 12 Tage lang eine sehr strenge Kälte eintrat, die
im Mittel — 13,69 und eine sechstägige Morgentemperatur von — 20
bis 22 bei stets heiterem Himmel zeigte, eine Kälte, wie sie hier, nach |
den höchst dankenuswerthen Mittheilungen des Direetors unserer Stern-
warte, Herın Prof, Dr. Galle, seit 80 Jahren kaum jemals (nur etwas
annähernd 1830) beobachtet worden ist, Ein höchst nachtheiliger Ein-
fluss auf die Vegetation war die Folge dieser Kälte. In wissenschaft-
licher Hinsicht waren die Beobachtungen dieser Einflüsse sehr interessant,
als sich hieraus die intensive Wirkung hoher Kältegrade an und für sich
entschieden ergab, die aber doch noch übertroffen wird, wenn nur mo-
mentan hohe Kältegrade sich mit andauernd niederen verbinden, wozu
der letztvergangene Winter nur zu beklagenswerthe Beläge lieferte.
Freilich hatte damals die Gesammt-Vegetation auch vielfach Schaden
EEE VOR
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur,
genommen, welchen der nun folgende, im Ganzen kühle Sommer nicht
auszugleichen vermochte. Ebenso wenig der Herbst, denn der
September erschlen sehr rauh nnd schon am 25. d. M, zeigte sich der
Reif; die mittlere Wärme von + 0,90° war nur einen Grad geringer als
der Durchschnitiswerth, dabei war dieser Monat überaus reich an Nieder-
schlägen, die den Mittelwerth um die Hälfte überschritten; man zählte
17 trübe, 3 gemischte und nur 5 heitere Tage.
Im October trat keine günstigere Veränderung ein, er war ebenso
regnerisch als trübe, die mittlere Wärme betrug nur 6,39 °; so dass die
Vegetation, erfüllt mit Feuchtigkeit bei Mangel an direeter Besonnung
und Wärme, die zu ihrer Widerstandsfähigkeit erforderliche Ausbildung
sicher um so weniger zu erlangen vermochte, als auch der Entblätterungs-
process in Folge wiederholter Nachtfröste früher als sonst erfolgt war.
Der etwas wärmere November leistete unter diesen Umständen
zwar keinen Ersatz, doch erschien die vom Ende des Monats am 30. bis
zum 15. December währende Kälte von 4 bis 5° um so weniger Be-
sorgniss erregend, als der mit einer 4 Zoll hohen Lage Schnee bedeckle
Boden nur in 4 Zoll Tiefe gefroren und nur in der obersten Schicht bis
— 1° erkaltet erschien. Ein vom 15. bis 17. December eintretendes
. Thauwetter brachte sie zum Verschwinden, doch folgte schon am 18 ten
weit energischerer Frost als früher, der nun ununterbrochen bis zum
135. Januar 1371 Mittags währte und am 1. Januar früh 8 Uhr im
botanischen Garten ein Maximum von — 25° erreichte, glücklicherweise erst
nach vorangegangenem wiederholten Schneeniederschlage. Letzterer hatte
diesmal die Höhe von 12” erlangt und ein tieferes Eindringen des Frostes
verhindert, so dass selbst an den kältesten Tagen auf der Erdober-
fläche nur — 3,5° beobachtet wurden. Nach dem 18. Januar, au
welchem sich nur in den Mittagsstunden die Temperatur bis auf + 4°
erhob, wobei der Boden dennoch keineswegs aufthaute, herrschte bis
zum 15. Februar wieder ununterbrochen Kälte und zwar am 11. in der
empfindlichen Höhe von — 21°, worauf dann zwar überwiegend mildere
Witterung eintrat, aber dennoch selbst im März noch 12 Frosttage von
— 1 bis — 4° vorkamen. Der Boden war im Laufe dieser letzten
Frosiperiode viel tiefer gefroren als in der ersten vom 30. November
bis zum 13. December: in von Schnee frei gehaltenem Terrain 22 bis
24 Zoll, unter dem Schnee durchschnittlich 12 bis 14 Zoll. Völliges
Aufthauen des Bodens in der Tiefe fand in Folge der kalten Märztage
erst Ende des letztgenannten Monats statt. Für die über dem Schnee:
befindlichen Holzgewächse ward der Frost um so nachtheiliger, weil
sein höchster Grad bei völlig heiterem Himmel eintrat, sie somit nach
bekanntem physikalischem Gesetz durch Wärmeausstrahlung noch weit
unter der Temperatur der Atmosphäre erkalteten. Die häufig damit
verbundenen Nord- und Nordostwinde vermehrten diese ungünstige Lage
-
6)
66 Jahres -Bericht
durch Austrocknung der gefrorenen Zweige in Folge der Ausdünstung
des Eises, wodurch auch in viel milderen Wintern nach meinen Beob-
achtungen das so häufige Erfrieren der Spitzen der Zweige verursacht
wird.
Also fast 74 Tage, vom 30. November 1870 bis 15.- Februar d. J.,
dauerte die eisige Erstarrung der Pflanzenwelt und 6 Wochen lang ward
die Vegetation dann noch durch den in der Tiefe an beschatteten Stellen
vorhandenen Eisboden*) an freier Entwickelung verhindert, wie dies
nach meinen Erfahrungen seit dem Winter 1829/30, in welchem der
erstere Zustand vom 12. November 1829 bis 9. Februar 1830 dauerte,
kaum mehr stattgefunden hat. Aehnliche traurige Folgen liessen sich be-
fürchten, die denn auch in der That nicht ausgeblieben sind.
Eine so lang dauernde Suspension des Pflanzenlebens, die in ge-
wöhnlichen Wintern nur kurze Zeit oder auch nur theilweise bei eisigem
'Erstarren vorkommt, wirkt um so nachtheiliger, da eine absolute Ruhe
der Vegetation in der kalten Jahreszeit ausser in solchem Zustande nicht
existirt, denn schon bei einer Wärme von + 1° regt sich die organische
Thätigkeit der Zellen. Samen keimen bereits bei + 1,50 bis + 4°
oder bereiten sich zum Keimen vor; Wasserpflanzen wachsen selbst unter
dem Eise, wie ich zu beobachten Gelegenheit hatte.
Unsere Culturen aller Art haben nun in Folge der geschilderten
ungünstigen Einflüsse ausserordentlich gelitten, wie die Zusammenstellung
der mir von vielen Seiten gütigst mitgetheilten Beobachtungen noch. mehr
zeigen wird, doch darf uns dies nicht veranlassen, mit Hinsicht auf
die Seltenheit so ausserordentlicher Verhältnisse, wie sie
kaum in einem Jahrhundert zum zweiten Male vorkommen, auch nur
einen Augenblick in den bereits so umfangreich gewordenen Culturen zu-
- rückzugehen, sei es nun hinsichtlich des ohnehin ganz unentbehrlichen
und daher fort und fort zu erweiternden Obstbaues oder der seit Jahren
so massenhaft eingeführten Zierden unserer Gärten und Anlagen,
die überhaupt lange nicht so viel Beschädigung erfahren haben als jene.
Die Würdigung aller Beobachtungen wird uns hinsichtlich der Aus-
wahl der Gewächse so manche Winke ertheilen, wie vielleicht auch
Verbesserungen in den bisher angewandten Schutzmitteln herbeiführen.
Obschon ich mir in dieser Hinsicht jeden Zweifel an meiner Competenz
sern gefallen lasse, erlaube ich mir doch vor allem auf häufige Verwen-
“), Ein dem Eisboden der arktischen Länder vergleichbares Verhältniss oder
Entwickelung der Vegetation auf in der Tiefe gefrorenem Boden ist, abgesehen
von den Alpen, auch in der Ebene nicht selten; die einjährigen unter dem Schnee
erhaltenen Gewächse, auch andere Frühlingspflanzen, namentlich in dicht ge-
schlossenen Wäldern, blühen auf dem in geringer Tiefe noch gefrorenen Boden,
die schwarze Nieswurz sogar bei noch gefrorenen Wurzeln u. 8. w,
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der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 67
dung des Schnees zu diesem Zweck hinzuweisen, der wo es geschehen
kann, durch keine andere Bedeckung zu ersetzen ist. So oft ich auch
mit dem Thermometer die Temperatur der Stroh-, Heu-, Schilf- oder
Matten-Umhüllungen prüfte, fand ich kaum bemerkenswerthe Unterschiede
von der Temperatur der Atmosphäre, während im Februar 1870 unter
einer nur vier Zoll mächtigen Schneelage nach siebentägiger Mitteltem-
peratur von — 15,6% nur — 6°, und im vorigen Winter (1871) bei
mehr Schnee nur an einzelnen Tagen — 3°, zu anderer Zeit gewöhnlich
nur — 1°, auf der Oberfläche der Erde gefunden wurden. Das durch
das Niveau des Schnees begrenzte Erfrieren von Stämmen, sowie die
mehrfach gemachte Erfahrung, dass die wohlverwahrten Kronen von zur
Erde gebeugten Rosenbäumen sich erhielten, während die ausserhalb nur
mit Stroh umhüllten Wildlingstämme zu Grunde gingen, sprechen unter
anderen auch für diese Behauptung. Grössere Berücksichtigung der herr-
schenden Windrichtung und des Schutzes vor Winden, die, wenn ich
nicht irre, noch nachtheiliger wirken, als die Wärmeausstrahlung gegen
den Zenith, ferner mehr Beachtung dieser letzten Verhältnisse in Bezie-
hung auf nahestehende Bäume, Gebäude u. s. w. verdienen auch für
bevorstehenden, hoffentlich milderen Winter umsomehr Beachtung, als
die Vegetation in ihrer winterlichen Vorbereitung gegen andere Jahre
noch zurückgenlieben ist, wie sich dies aus der verspäteten Reife vieler
Früchte ergiebt. *)
*) An dieser Stelle erlauben wir uns zu registriren, dass im Winter 1869/70
in den Baumpflanzungen, welche den äusseren Rand des Breslauer Stadtgrabens
begleiten, der grösste Theil der nordamerikanischen Platanen und Gleditschien,
ein Theil der Ailanthus und Robinien erfror; es stellte sich hierbei die
auffallende Thatsache heraus, dass in diesen Alleen diejenigen Bäume, welche
unmittelbar an der Böschung des Stadtgrabens stehen, fast sämmtlich verschont
blieben, während diejenigen, welche dem Strassendamm benachbart standen,
grösstentheils zu Grunde gingen und nur hier und da erhalten blieben. Und
zwar waren es offenbar die Wurzeln, welche durch den Frost getödtet worden
waren, während die über der Erde stehenden Stämme sammt den Aesten und
Knospen meist unversehrt geblieben waren, denn mit Beginn der milderen Jahreszeit
schlugen siämmtliche Bäume ohne Ausnahme aus und entwickelten ihre Laub-
triebe; doch gingen diese letzteren bei den erfrorenen Bäumen nach dürftiger
Entfaltung bald ein, indem, wie sich beim Herausnehmen derselben nachweisen
liess, ihre Wurzeln gebräunt und abgestorben, und daher nicht im Sande waren,
den austreibenden Knospen das nöthige Wasser zuzuführen. Es ergiebt sich
hieraus, dass es nicht die extremen Kältegrade der Lufttemperatur waren, welche
die oberirdischen Theile der erfrorenen Alleebäume tödteten, sondern dass es der
in den Boden eindringende Frost war, welcher die Wurzeln, die vermuthlich in
der vorangegangenen milden Witterung bereits ihre Lebensthätigkeit begonnen,
oder vielmehr, wie Mohl zeigte, während des Winters nie eingestellt hatten, ver-
nichtete. Warum die längs des Wassers gepflanzten Baumreihen dem Frost besser
widerstanden, als die an der Strasse stehenden, liess sich dagegen nicht mit
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68 Jahres-Bericht
Endlich sprach Herr Geheimrath Göppert Nachstehendes
zur Erinnerung an Linne.
Der längst gehegte Wunsch des Vortragenden, unserm botanischen
Garten die Zierde einer Büste Linn&’s zu verschaffen, ging durch die
Liberalität eines unserer Mitbürger, des kaufmännischen Sensals König].
Commissionsrath Herrn Moritz W esel in Erfüllung, welcher die Mittel zu
einer Anfertigung derselben gewährte. Der damit beauftragte Künstler,
Herr Bildhauer Rachner hierselbst, hatte dieselbe in kararischem Marmor
trefflich ausgeführt, nach einer Photographie des besten Portraits von Linn&,
welches sich im Saale der Akademie zu Stockholm befindet und uns durch
die Güte des Herrn Prof. Fristedt in Upsala mitgetheilt worden war. Am
23. Mai 1871, am 164. Geburtstage Linue’s, Mittags um 12 Uhr, ward die
Büste enthüllt, zu: welcher Feierlichkeit der Herr Curator der Universität
Se. Excellenz der Ober- Präsident Graf Stolberg-Wernigerode, $e-
Magnificenz der Recior Professor Dr. Stobbe, der Senat und sämmt-
liche Professoren der Naturwissenschaften, die Mitglieder des Vereins für
bildende Kunst und viele andere hervorragende Persönlichkeiten ge-
laden waren, unter folgender Ansprache des Vortragenden:
„Mit Ausnahme von Aristoteles hat wohl niemals ein Mann einen
so weitgreifenden Einfluss auf die Naturwissenschaften ausgeübt als
Linne, dessen souverainem Walten seine Zeitgenossen sich willig
unterordneten, und seinen reformatorischen Leistungen unbedingte An-
erkennung weihten. ‚Wiewohl die Naturkunde vor Linne schon manche
hervorragende Leistung aufzuweisen hatte, so befand sich das Ganze
aus Mangel an einem durehgreifenden Prineip in einem wahrhaft
Sicherheit ermitteln; nur vermuthen lässt sich, dass eben während der extremen
Kälteperiode im Februar die Wurzeln der an der Böschung stehenden Bäume
durch den aufliegenden Rasen und Schnee besser gegen das Eindringen des
Frostes in grösse Tiefe geschützt waren, als auf dem Strassendamm, wo der
Boden nackt lag; die Untersuchungen Göppert’s, welche durch die in der Pariser
Akademie im December 1871 angestellten Beobachtungen ihre Bestätigung finden,
machen diese Erklärung wahrscheinlich. Hervorzuheben ist noch, dass nur ausländische
Bäume 1869/70 durch den Frost getödtet wurden, während die einheimischen
Alleebäume (Linden, Rüstern, Birken, Ahorn) nirgends litten, ein Beweis für die
bekannte Thatsache, dass selbst Jahrhunderte langer Anbau fremde Gewächse
nicht in Wahrheit’ acclimatisirt; selbst Rosskastanien erfroren hier und da, von
den Obstbäumen namentlich die veredelten südlichen Varietäten. Hervorzuheben
ist noch, dass, während unsere Eichen, Buchen, Fichten niemals durch den
Winterfrost getödtet werden, ihre ausgetriebenen Laubknospen im Frühjahr
ausserordentlich leicht erfrieren, namentlich im Gebirge finden wir nach Nacht-
frösten oft ganze Wälder mit getödteten Laubtrieben; doch wird der Schaden '
durch späteres Ausschlagen in der Regel bald ausgeglichen; die Wurzeln dieser
Bäume scheinen nie zu erfrieren, ‚Cohn,
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der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 69
chaotischen Zustande, ohne inneren organischen Zusammenhang,
schwierig aufzufassen, und noch schwieriger Interesse dafür zu ge-
winnen. Linne’s ausserordentlichem Genie gelang es wie mit einem
Schlage, ja durch ein einziges Werk geringsten Umfanges, diesen Ver-
hältnissen ein Ende zu machen. Die scharfsinnige Weise, mit der er die
Charakteristik der Naturkörper und ihre von ihm geschaffene Namen-
sebung behandelte, führte ihn zu einem System, welches die Welt in
Erstaunen versetzte. Wenig fehlt, ja man kann sagen, seine grosse
Bescheidenheit war Ursache, dass wir nicht auch in ihm den Gründer
des natürlichen Systems zu verehren haben. Er sah sehr wohl ein,
dass auf diesem Wege eine höhere Einsicht in die Pflanzenwelt sich
eröffnete, stellte auch natürliche Ordnungen auf, ohne sich aber über
die dabei leitenden Beweggründe näher auszusprechen, obschon er
sogar über die Beziehungen der äusseren Formen zu den Eigenschaf-
ten und Wirkungen der Gewächse die klarsten Vorstellungen hatte.
Ein unerhörtes Aufblühen der gesammten Naturkunde war die unmittel-
bare Folge seiner ausserordeutlichen Leistungen. Zahlreiche Schüler
versammelten sich um den auch durch persönliche Liebenswürdigkeit
höchst ausgezeichneten Meister, verbreiteten seine Lehren überall und
fühlten sich glücklich, die Schätze ihrer Ausbeute seinem Scharfbliek
übergeben zu können. Und doch von welchem Zufall hing die Eut-
wiekelung dieses die vorangegangenen Jahrtausende überflügelnden
Genie’s ab; wenig fehlte und Jahrhunderte dauerte vielleicht noch die
Finsteruiss, die er mit der Fackel des Geistes zu bannen bestimmt
war. — Linn ward 1707, den 23. Mai, als der Sohn eines armen
Landgeistlichen zu Keshult, einem kleinen Dörfehen in Smäland, ge-
boren. Schon von frühester Jugend zeigte er ein ungewöhnliches
Interesse für Blumen, denen er im elterlichen wohlgepflegten Garten
mehr Zeit widmete, als dem Lernen der alten Sprachen in der beeng-
ten Studirstube seines Vaters, so dass er nur mit sehr geringen Er-
wartungen im 10. Jahre der Schule in Wexie übergeben wurde. Des
strengen Vaters Wünschen, die sich auf die Nachfolge in seinem Amte
concentrirten, entsprach er auch nach wenig Jahren in so geringem
Grade, dass dieser in Verzweiflung über seine getäuschten Erwartungen
ihn schon dem Handwerk eines Tischler, Schneider oder Schuhmacher
zu übergeben Willens war, wenn sich nicht ein intelligenter Arzt, der
eine günstigere Ansicht von seiner Fähigkeit als seine Lehrer hegte,
seiner angenommen und erklärt hätte, ferner für ihn sorgen zu wollen,
Ein elücklicher Stern leuchtete ihm zwar nun wohl fortan, doch nur
selten sah er sich auch in der nächsten Zeit noch von der schweren
Sorge der Existenz befreit. Nach Beendigung seiner Studien wurden
ihm in Folge eines zarten Verhältnisses zu der Tochter eines Arztes
Moraeus, seiner späteren Gattin, die Mittel zur Promotion zu Theil,
70 Jahres-Bericht
die man damals im Auslande zu erreichen suchte. Er wandte sich
nach Holland; eine kleine längst aufgehobene Universität, Harder-
wyk hatte die Ehre, ihm dem Doctorhut zu ertheilen. Nach Ver-
öffentlichung seiner ersten reformatorischen Schriften steigerte sich das
Interesse für ihn im höchsten Grade, so dass man ihn durch ausser-
ordentliche Anerbietungen zu fesseln strebte, die sich auch bei seinem -
späteren Verweilen in Paris und London wiederholten. Jedoch nach
dreijährigem, für alle Zeiten epochemachenden Aufenthalt führte ihn
Liebe zum Vaterlande und die Erinnerung an eingegangene Verpflich-
tungen wieder nach Schweden zurück, wo es ihm aber erst im Jahre
1740 nach zum Theil recht widerwärligen Erfahrungen gelang, die
botanische Professur in Upsala zu erhalten, fortan der dauernde Sitz
seines von den glänzendsten Erfolgen begleiteten Wirkens. Eine lange
Reihe von Jahren genoss er hier das Glück, zu den bewundertsten
Männern des Jahrhunderts zu gehören, und die Universität mit unver-
gänglichem Ruhme zu erfüllen. Nur die letzten Jahre seines Lebens
trübten wiederholte Schlaganfälle seine Existenz, denen er endlich am
10. Januar 1771 erlag. Die Huldigung, welche wir ihm, dem Unsterb-
lichen widmen, ist in einem botanischen Garten Deutschlands die erste
ihrer Art. Dank, aufrichtigen Dank ihrem sütigen Urheber, Herrn
Wesel, in dessen Namen und Auftrage ich die Ehre habe, das Monu-
ment der Universität und dem botanischen Garten zu übergeben. Möge
die Erinnerung und das Beispiel des unsterblichen Mannes stets zu ächt
'wissenschaftlichen Leistungen begeistern.“
Hierauf lud Herr Geh. Rath Prof. Dr. Göppert die Anwesenden
zum Besuch eines festlich deeorirten Gewächshauses ein, in welchem eine
srosse Anzahl Erinnerungsbläiter Linne’s ausgestellt waren. Eine Samm-
lung von Photographien und Handschriften Linne’s, eine getrocknete
Pflanze Phlomis Leonurus mit seiner eigenhändigen Unterschrift lagen hier
vor, und eine Mappe mit der Inschrift: ‚in memoriam Caroli a Linne,“
herausgegeben in Upsala mit Text von E. Fries, dem Nestor der schwe-
dischen Botaniker, enthielt die naturgetreuen Abbildungen seines Geburts-
hauses, seiner Wohnorte in seinem vielbewegten Leben, seines Denkmales
im Dom von Upsala. Nachdem die Festtheilnehmer diese erinnerungsreichen
Seltenheiten besichtigt hatten, fehlte es bei Gelegenheit eines dargebotenen
Dejeuner’s nicht an entsprechenden Toasten, denn Jeder freute sich über
das so gelungene Monument, welches dem botanischen Garten zu nicht
geringer Zierde gereicht. Die etwas mehr als in Lebensgrösse aus
weissem kararischem Marmor ausgeführte Büste befindet sich auf einem
geschmackvollen 8 Fuss hohen Piedestal von schlesischem Marmor auf
einem hervorragenden Platze, so dass sie von einem grossen Theil des
Gartens gesehen werden kann.
der Schles. Gesellsch, f, vaterl. Cultur, mel:
In derselben Sitzung sprach Herr Dr. Stenzel
über fossile Paimenhölzer.
Nachdem man lange die verschiedenartigsten Versteinerungen, selbst
thierischen Ursprungs, als Palmenhölzer bezeichnet hatte, beschränkte
Cotta (Deudrolithen 1852) in Folge der Untersuchung des inneren
Baues mit der Lupe und noch genauer Unger (de palmis fossilibus 1845),
welcher das Mikroskop anwendete, die für die fossilen Palmenhölzer be-
stimmte Gattung Fascieulites auf die Reste baumartigen Monokotyledonen,
deren Zahl durch Corda, Unger, Göppert, Heer und Watelet
seitdem noch vermehrt wurde.
Von diesen müssen alle Arten aus Formationen älter als die Kreide
ausgeschieden werden, weil sie in keiner erweislichen Zusammengehörig-
keit mit den Palmen stehen, wie Fasc. carbonigenus und F. leptoxylon Cord,
und. aus der Braunkohlen-Formation einige ausgezeichnete Reste wie F.
Hartigu Göpp. und St., welche zu den Yucceen gehört.
Es verbleiben dann nach Abrechnung einiger zweifelhaften und Zurech-
nung sechs neuer Arten, welche ich der Güte des Herrn Geheimenraths
Göppert, des Herrn Dr. Watelet in Soissons und Möller in Wedel
(Holstein) verdanke, etwa 30 Arten.
Unter diesen finden sich Vertreter von 4 der von Mohl aufgestell-
(en Slammformen — nur der eigentliche calamusartige Stamm ist bisher
noch nieht fossil gefunden — und Uebergänge zwischen zweien derselben.
Es wurden einige der danach aufgestellten Gattungen an Dünn-
schliffen unter dem Mikroskop und an Querschnittzeichnungen erläutert.
A. Geonomaähnliche Stämme:
Geites Moussoni (Heer)
B. Mauritiaähnliche Stämme:
Pycnois densa (Unger), Fladungi (Ung.), speciosa n. sp., angularıs Stz,
(Perfossus Cotta).
C. Zwischen Mauritia- und Cocosähnliche Stämme:
Xylois antiguensis (Ung.), belgica n. sp., astrocaryoides Ung., Boxbergae
Gein.
Araeis Washingioni n. sp., owonensis ( Wat.), anomala (Ung.), lacunosa (Ung.),
vasculosa n. sp.
D. Cocosähnliche Stämme:
©. annulatus (Brongn.).
Faseieulites a) crassipes (Ung.),
b) didymosolen (Spr.), geanthracis (Göpp. und St.), helveticus
(Heer), grönlandicus (Heer), fragilis (Göpp. u. St.).
ce) stellatus (Ung.).
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[627
Jahres-Bericht
d) Cottae (Ung.), Partschii (Ung.), Withami (Ung.), arenarius
(Wat.).
e) ovala n. sp.
Cyelois mississippensis n. sp., varians (Corda), ceylanica (Ung.), Palmacites
(Spr.)\, sardoa (Ung.).
E. Stammlose Palmenhölzer.
Palmacites echinatus (Brongn.)
Herr G. Stein überreichte das General-Doubletten-Verzeichniss des
Schlesischen Botanischen Tauschvereins. Neuntes Tauschjahr 1870/71;
die Pflanzen sind auch käuflich, 2 Thlr. die Centurie.
Herr Mittelschullehrer G. Limprieht legte die VII. Lieferung seiner
Bryotheca Silesiaca vor, welche Beiträge der Herren Professor J. Milde,
Kreisgerichtsrath Everken, Apotheker Geheeb und Fritze, Lehrer J. Zim-
mermann und Hellwig und Förster Strähler enthält. Unter den fünfzig
Nummern (Nr. 301 — 350) befinden sich grosse schlesische Seltenheiten
und kritische Arten, z. B. Weisia Wimmeri, Cynodontium gracilescens und
infleeum, Dieranum eireinatum, Dieranodontium aristatum var. falcatum, Brachy-
dontium trichodes, Trichostomumn cordatum, Anoeclangium compactum, Grimmia
lorguata, Pyramidula, Bryum lacusire, B. Klinggraeffi, B. Mühlenbecki,
B. eyclophyllum, Mnium medium, Bartramia Oederi, Myurella julacea, Ano-
modon apieulatus ce. fret. et ster., Fontinalis gracilis, Burhynchium megapoli-
tanım und Brachythecium Geheebiü Milde e. frei, sowie auch 4, erst nach
dem Erscheinen der Bryologia Silesiaca für Schlesien entdeckte Laubmoose,
nämlich Sporledera palustris von Bunzlau, Zygodon viridissimus von Rybnik,
Orthotrichum appendiculatum von Breslau und Plagiothecium silesiacum von
Grünberg.
Herausgeber versichert, dass auch die Vorbereitung der VIII. Liefe-
rung noch im Laufe des Jahres ihren Abschluss finden dürfte und
dass die glückliche Beendigung des ganzen Werkes- als gesichert zu be-
trachten sei.
In der dritten Sitzung vom 16. Februar hielt Herr Mittelschullehrer
Limpricht einen Vortrag über die Flora von Sagan unter Zugrunde-
legung der Forschungen des Kreisgeriehtsrath Everken, dessen Samm-
lungen vorgelegt - wurden. Hieran schloss sich eine Skizze der Flora
von Grünberg, ebenfalls. nach den Beobachtungen von Everken uuter
Vorlegung der gesammelten Pilanzen.
Herr Apotheker Werner legte zwei um einander geschlungene
Stämme von Periploca graeca aus einem Garten von Freyhahn bei Lieg-
nitz vor; ferner eine Frucht von Theobroma Cacao, ein Stück Copal mit
einem eingeschlossenen Inseet und eine junge Palmfrucht, die im Copal
gefunden wurde.
der Schles. Gesellsch, £. vaterl. Cultur, 73
Herr Geheimeralh Goeppert legte verschiedene Siammstücke einer
Cycas revoluta vor, welche, nachdem sie über 60 Jahr eine Zierde des
botanischen Gartens gewesen und mehrere Mal geblüht und sich gegabelt
halte, nunmehr abgestorben ist, eigenthümlich sind die 4 concentrischen
Holzringe des Stammes.
Herr Dr. W. G. Schneider überwies der Bibliothek der Gesell-
schaft als Geschenk eine Anzahl von Monographien, meist mykologischen
Inhalts.
Herr Dr. Stenzel legte vor: Anemone alpina und sulfurea, von ihm
am Koppenplan bei der Wiesenbaude gefunden, Listera cordala von
Schreiberhau, Viola lutes von der Geierquelle, Geum rivale und Aspidium
Oreopteris vom kleinen Teich, Coeloglossum viride von den Teichrändern,
Epipogum Gmelini vom Melzergrund, Sedum villosum von den Grenzbauden;
ferner Cirsium canum >< palustre, Rubus hirtus, fol. giganteis und R. fruticosus
fol. pinnatis von Langenau.
Der Secretair Professor Cohn zeigte vor: Sauerkirschen, welche zu
2, 3, 4 und 5 auf einem Stiel sassen; sie stammen von einem Baum aus
dem Garten des städtischen Hospitals und Waisenbauses in Ohlau, wel-
cher solehe Früchte alljährlich zu Hunderten hervorbriugt, und waren
ihm durch den Pastor an der Diakonissen - Kraukenanstalt Bethanien zu
Breslau, Herrn Ulbrich übergeben worden; sie sind offenbar aus Blüthen
hervorgegangen, welche, nicht wie gewöhnlich ein, sondern mehrere
Pistille im Grunde des Kelches tragen. Solche Doppelkirschen sind es
ohne Zweifel, auf welche Shakespeare in der Rede der Helena im Sommer-
nachtstraum anspielt (Act IIl., Scene 2):
„So wuchsen wir zusammen,
Wie eine Doppelkirsche, die getrennt
Erscheint, und doch vereinigt in der Trennung,
Zwei holde Beeren, einem Stiel entwachsen.“
In Folge einer Berathung wurde von der Section der Beschluss gefasst,
die nächste Wanderversammlung der schlesischen Botaniker in Reichen-
bach (Ulbrichshöhe) im Mai abzuhalten.
In der vierten Sitzung vom 2. März 1871 legte Heır E. Junger
Jun. den merkwürdigen Fall eines hybriden Rosensämlings (General
Jacqueminot) vor, dessen erster Trieb in einem Zeitraume von 6 Monaten
eine Endblüthe entwickelte und damit abschloss. Der hypocotyle Achsen-
theil dieses Pflänzcehens war gleich der Wurzel braun gefärbt, während
der epieotyle Achsentheil, grün und stachellos, nur Köpfehenhaare trug.
Auf zwei gegensländigen Cotyledonen folgen in spiraliger Anordnung
6 Laubblättehen, von denen das erste dreilappig, die anderen unpaarig
fiedertheilig sind. Ueber dem sechsten Blättehen verbreitert sich der
Stengel allmählich und wird endlich zur Kelehröhre. Von den Kelch-
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74 Jahres-Bericht
blättern war der vierte und fünfte Zipfel zu einem bis zur Hälfte zwei-
spaltigen Kelchblatte verwachsen. Die Blüthe besass fünf mohnartige,
intensiv rothe Blumenblätter, 17 wohl ausgebildete Staubgefässe, 7 Griffel
und war von angenehmen Geruche.
Ferner wurde festgestellt, dass die zwei Cotyledonen der Phyllo-
blasten zu einem Organ verwachsen können, wie dies aussergewöhnlich
durch Wanderung einseitig verwachsene Keimblätter verschiedener Pflan-
zen zeigen. Diese aussergewöhnlichen Pseudomonoeotylen, wie dieselben
genannt zu werden verdienen, machen keinen Anspruch auf Constanz; Ra-
nunculus ficaria ist eine constant auftretende Pseudomonocotyle. Dass
das sog. eine Keimblatt dieser Pflanze in Wahrheit durch zwei an den
anstossenden Rändern zum Theil zusammengeflossene Keimblattspreiten
gebildet wurde, wird durch die klappige Lage der gleich grossen Keiın-
blatthälften in früher Jugend und durch die Nervatur dieser Blatthälften
genügend erhärtet.
Als Anhang zu diesen Erscheinungen wurden einige Beobachtungen
an trieotylen Embryonen hinzugefügt und 17 weitere tricotyle Fälle aus
anderen Gattungen aufgeführt, so dass zur Zeit dergleichen Bildungen in
66 Gattungen festgestellt sind. Diese 17 Fälle wurden in den Gattungen
Ageratum, Amarantus, Arnica, Atriplex, Aubrietia, Centranthus, Convolvulus,
Erigeron, Hibiscus, Ilieracium, Laurus, Lonicera, Melampyrum, Phaseolus,
Ribes, Sonchus, Trachymene nachgewiesen und an mehr oder weniger zahl-
reichen Individuen beobachtet. |
Herr Dr. Engler verlas einen von Herrn v. Uechtritz eingesendeten
Aufsatz über eine von diesem am Rabenfelsen bei Liebau ca. 1800 bis
2000 Fuss hoch entdeckte neue Veilchenart (Viola porphyrea v. U. n. 8.),
welche zwischen V. sciaphila Koch und V., collina Besser in der Mitte
steht.
Der $eeretair besprach eine von Brefeld so eben erschienene Ab-
handlung über Empusa radicans und Empusa muscae; erstere Art, ist
specifisch ganz verschieden von der Empusa aulicae Reichh., welche Re-
ferent am 30. April 1870 bei Euprepia aulica, in diesem Jahre am Ende
März bei Euprepia villica untersucht hatte; in beiden Fällen, deren Kennt-
niss er der gütigen Mittheilung des Herrn Universitätszeichners Assmann
verdankt, waren die aus dem Winterschlafe herauskriechenden Bären-
raupen durch den Pilz in-epidemischer Erkrankung befallen und getödtet
worden.
Hierauf gab derselbe Bericht über die Schritte, welche wegen des
von der Section am 8. December a. p. beschlossenen, auf dem Grabe
des Schulrath Dr. Wimmer zu errichtenden Denkmals gethan sind.
Herr Geheimrath Göppert trug an, dass an einem hervorragenden
Punkte des Riesengebirges eine das Andenken von Wimmer verewigende
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der Schles, Gesellsch, f, vaterl. Cultur, 75
Denktafel angebracht werden möge, und sollen auch nach dieser Rich-
tuug hin einleitende Massregeln getroffen werden.
In der fünften Sitzung vom 16. März berichtete Herr Mittelschul-
lehrer Limpricht
über das Vorkommen der Lebermoose im schlesisch-mährischen Gesenke,
soweit dieselben ihm auf einem flüchtigen Streifzuge durch einen Theil
dieses Gebirges im vorigen Sommer bekannt geworden sind.
Seit dem Erscheinen der Naturgeschichte der Europäischen Leber-
moose von Nees von Esenbeck (1838), dem auch bis jetzt noch
unübertroffenen Werke, hat die Kenntniss dieser kleinen Kryptogamen-
sruppe innerhalb unserer Provinz nur eine beiläufige Förderung erfahren,
wogegen gerade seit jener Zeit die Laubmooswelt bei uns so zahlreiche
Freunde gefunden hat, dass unsere Heimath bryologisch so genau auf-
geschlossen wurde, wie kein anderes deutsches Gebiet von gleicher Aus-
dehnung. — Sei es nun, dass manche unserer Botaniker vor den ersten
Schwierigkeiten zurückschreckten, sei es, dass anderen der Abschluss so
vollendet erschien, dass sie nur kärgliche Nachlese erwarteten, so bleibt
immerhin die Thatsache auffallend, dass jenes classische Werk, welches
doch in erster Linie nur schlesische Vorkommnisse berücksichtigt, bei
uns auf die weitere Forschung nicht anregender gewirkt hat. Dieser
Umstand und die günstige Aufnahme, die meine Bryotheca gefunden hat,
reiften in mir den Entschluss, auch unsere Lebermoos-Schätze in ähnlicher
Weise auszugeben und dadurch fördernd für das vernachlässigte Studium ein-
zutreten. Zu diesem Zwecke beschäftigte ich mich in letzter Zeit ernst-
licher mit der Kenutniss dieser Gewächse, wobei mich Herr Dr. Gottsche
in Altona bereitwilligst unterstützte.
Als erstes Resultat erlaube ich mir, diesen Beitrag vorzulegen, der
nur lückenhaft sein kann, weil das Material nur auf einer Reise und
wegen des inzwischen ausgebrochenen Krieges mit überstürzender Hast
gesammelt wurde, wobei die grösste Aufmerksamkeit noch dazu auf
Laubmoose gerichtet bleiben musste, deren ich zur Fortsetzung meiner
Bryotheka dringend bedurfte. Dessenungeachtet publieire ich meine
Beobachtungen, da es mir in diesem Jahre wahrscheinlich nicht möglich
sein wird, sie zu ergänzen.
Der Boden, auf dem sich meine Wanderung hauptsächlich bewegte,
sind diejenigen Theile des Ostflügels, die ich von meinem Stationspunkte,
der Schäferei am Peterstein, bequem erreichen konnte: Oppa-Fall, Alt-
vater, Wälder unterhalb der Schäferei, Kessel und die Kammhöhe vom
Peterstein bis zum Backofenstein. Dagegen wurde der westliche Theil
des Gebirges: rother Berg, Brünnelhaide, Köpernikstein und Fuhrmanns-
76 Jahres-Bericht
stein auf dem gewöhnlichen Touristen - Kammwege flüchtig überschritten
und erst dem Glatzer Schneeberge längere Zeit gewidmet; doch sind
dessen Lebermoose bereite in dem angeführten Nees’schen Werke so
gründlich abgehandelt, dass wenig Neues zugefügt werden kann.
In dem nachstehenden Verzeichnisse, das nur Standorte angiebt, von
denen Belagsexemplare aufgenommen wurden, bilden selbstverständlich
die gemeinen Arten, die sich an keine bestimmte Höhe binden, sondern
überall an geeigneten Localitäten vorkommen, einen grossen Theil, so
Alieularia scalaris, Plagiochila asplenioides, Scapania nemorosa, Jung. obtusi-
‚Jolia, erenulata, bicuspidata ete., Lophocolea bidentata et heterophylla, Chilo-
scyphus polyanthus, Calypogeia, Lepidozia, Mastigobryum trilobatum, Ptilidium,
Radula, Madolheca platyphylla, Frullania dilatata et Tamarisei, Pellia epi-
phylla, Metzgeria furcala, Marchantia ete.
Auch wurden von den in unseren Gebirgen allgemein verbreiteten
Arten nur wenige, wie Scapania curla, Jung. hyalina, Jg. tersa, Aneura
palmata, Trichocolea ete. vermisst, die bei späterer Nachforschung sicher
noch aufzufinden sein dürften. Ausserdem werden in Plagiochila inter-
rupta, Preissia commutata, Scapania irrigua, Jung. subapicalis, Jg. acuta var.
Mülleri, Jg. catenulata, Madotheca rivularis, Fimbriaria pilosa, Scapamia ul-
ginosa, Jg. obovata, Jg. orcadensis und Harpanthus Flotowianus, einige in
den übrigen Sudeten höchst seltene Arten nachgewiesen, von denen die
zwei ersteren an den Kalkgehalt ihrer Unterlage gebunden zu sein schei-
nen, während die vier letzteren ausschliesslich Bewohner höherer Ge-
birge sind und bei uns sonst nur in den subalpinen Lagen des Riesen-
gebirges auftreten. Als neu für Schlesien sind zu bezeichnen: Jg. Horn-
schuchiana N. ab E. und Scapania aequiloba Schwaegr., jene bisher nur
aus den Alpen und als Jg. bantriensis Hook aus England, Schottland und
von Salzburg bekannt, während diese bis jetzt immer auf Kalk beob-
achtet wurde. — Wenn auch bei der Lückenhaftigkeit der Beobach-
tungen von allgemeinen Schlüssen auf die Verbreitung dieser Gewächse
im Gesenke abgesehen werden muss, so bleibt doch immerhin bemerkens-
werth, dass keine der rein alpinen Arten wie Gymnomilrium concionatum
et coralloides, Jg. sawicola, setiformis und julacea, welche die Felsmassen
der riesengebirgischen Kämme bewohnen, an passenden Localitäten des
Gesenkes, z. B. am Peterstein, Backofen, Fuhrmannssteine, auf dem Alt-
vater und auf der Brünnelhaide aufgefunden werden konnten.
Verzeichniss der gesammelten Arten.
1) Sarcoseyphus Ehrharti Corda. Quellbäche der Oppa unterhalb der
Karlsbrunner Schäferei (9 Ex.); am Oppa-Falle; Marchquelle am
Glatzer Schneeberge. |
3) Sarcosceyphus Funckü N. ab E. ß minor, Sehr verbreitet an Wegen
und Fussstegen auf der Hohen-Janowitzer- und Schieferhaide; auf
3)
4)
6)
‘)
9)
10)
11)
der Schles. @esellsch. f. vaterl. Cultur. 717
zersetztem Glimmerschiefer im Kessel; Fusswege bei der Marchquelle
am Glatzer Schneeberge.
Alicularia scalaris Corda. «& major am Oppa-Falle und an Abhängen
zwischen Ludwigsthal und Karlsbrunn; $ minor auf zerseiztiem Glim-
mer - Schiefer im Kessel und an Fusswegen auf dem Kamme der
Schieferhaide.
Plagiochila interrupta N. ab E. c. per. an Urkalkfelsen (Quarklöcher)
des Marchthales am Glatzer Schneeberge; hier schon durch v. Flotow
gesammelt.
Plagiochila asplenioides M. et N. Wälder unterhalb der Karlsbrunuer
Schäferei; Felsmasse des Backofensteines; P folüs subintegerrinus an
Glimmerschieferfelsen im Kessel; d minor e. per. Felsen am Oppa-
- Falle.
Scapania aequiloba Schwaegr. Steril an kalkhaltigen Glimmerschiefer-
felsen im Kessel am 23. Juli 1870; gleichfalls steril auf Urkalk bei
den Quarklöchern *) im Marchthale am Glatzer Schneeberge, sowohl
an den Felsen, wie auch an den verstreut umherliegenden Blöcken.
28. Juli 1870.
Scapania undulata M. et N.
A. Folüs denlatis cum perianlhüs: Oppa - Quellbäche unterhalb der
Karlsbrunner Schäferei. — Folüs summis dentieulatis: Knoblich-
brunnen am Altvater.
Folis fere inermibus, per. ore denticulato. Zuflüsse der Oppa
im Aufsteigen von Karlsbrunn zur Schäferei.
@ major: am Oppa-Falle.
& speciosa. Versumpfte Stellen links am Wege zwischen
Karlsbrunn und der Schäferei.
«@ Wealdbäche zwischen Karlsbrunn und der Schäferei.
8”* Waldbäche unterhalb der Schäferei am Wege nach Karls-
brunn.
B.
B.
Scapania uliginosa N. ab E. $. Versumpfte Stellen links am Wege
von Karlsbrunn zur Schäferei, 21. Juli 1870.
Scapania irrigua N. ab E. Eine kleine Form mit Perianth.; am
linken Oppa-Ufer oberhalb des Falles. 25. Juli 1870.
Scapania nemorosa L. In den Wäldern um Karlsbrunn.
Scapania umbrosa N. ab E. Faulende Baumstämme am Oppa-Falle,
in den Wäldern unterhalb der Schäferei, auf dem Kamme zwischen
*) Da die hier wachsende Pflanze entschieden zu dieser Art und nicht zu
Scapania Bartlingi N. ab E. gehört, so bedarf die Nees’sche Angabe (Hep, europ. IN, B.
Pag.
520 et Synops Hepat. pag. 64) einer Correctur.
a
u |
[9 6]
12)
18)
19)
Jahres-Bericht
Altvater und rothem Berg und im Marchthale, meist c. per. und ge-
sellig mit Jg. porphyroleuca.
Jungermannia albicans L.
«@ major. Schon Wimmer am Hockschar.
ß tawifolia. Felsmasse des Petersteins, des Backofen im Kessel
und auf der Brünnelhaide.
Jg. obtusifoia Hook. Erdige Abhänge zwischen Ludwigsthal und
Karlsbrunn c. fret.; dort auch $ purpurascens.
Jg. exsecta Schm. Auf dem Altvater (Wimmer); am Grunde alter
Stämme am Oppa-Falle; Felsen des Petersteins; Glatzer Schneeberg.
Jg. Taylori Hook. Baumstümpfe am Altvater, steril.
y anomala. Ueber Sphagnen in Sümpfen auf der Schieferhaide.
Jg. subapicelis N. ab E. An den Kalkfelsen um die Eingänge der
Quarklöcher. am Glatzer Schneeberge (Nees).. Was ich als diese
Art hier zahlreich sammelte, waren nur schlanke sterile Formen von
Plagiochila interrupta.
Jg. erenulata Sm. An Fusswegen auf dem Altvater; auf der hohen
Haide und am Glatzer Schneeberge bei der Marchaquelle.
Jg. nana N. ab E. @ major. Im Kessel auf zersetztem Glimmer-
schiefer c. per.
Jg. obovata N: ab E. Im Kessel auf überrieselten Glimmerschiefer-
platten c. per.; feuchte Felsen am Oppa-Falle und an Steinen in den
Oppa-Quellbächen c. per.
Jg. Hornschuchiana N. ab E. Im Kessel auf feuchtem Glimmer-
schiefer unterhalb des Mohrafalles ce. per., gesellig mit Preissia und
Fimbriaria. 23. Juli 1870.
Jg. lanceolata L. Felsen am Oppa-Falle c. per.
Jg. acula Lindenbg..b. Mülleri N. ab E. «& et var. laxa. Beschattete
Urkalkfelsen im Marchthale (Ouarklöcher) am Fusse des Glatzer
Schneeberges c. per. Die Form $ wurde schon von N. v. E. hier
sesammelt.
Jg. scutata Web. Auf Erde in den Wäldern zwischen Ludwigsthal
und Karlsbrunn und an Baumstümpfen am Wege von Karlsbrunn
zur Schäferei. Steril.
Jg. inflata Huds. $ subaggregata. Schwimmend in Moortümpeln auf
der Schieferhaide oberhalb der Kriech.
Jg. oreadensis Hook. Um die Tafelsteine auf dem Altvater (Professor
Milde); an den Schwalbensteinen auf dem Glatzer Schneeberge.
(Seliger, v. Flotow).
Jg. ventricosa Dicks. An Steinen um die Oppa-Quellbäche, am Oppa-
Falle, Felsen im Kessel, Peterstein, Backofenstein, Wegränder auf
der Schieferhaide, an Steinen im Absteigen vom Fuhrmannsstein
nach Goldenstein; Schwalbensteine am Glatzer Schneeberge.
27)
28)
29)
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31)
32)
33)
ARENA
ee
der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 79
Jg. porphyroleuca N. ab E. Modernde Baumstämme in den Wäldern
um Karlsbrunn, am hohen Falle (Oppa), auf der hohen Haide und
am Altvater, bei Karlsbrunn auch auf Waldboden. A.2 8 3 tenwior
wurde schon früher von Professor Göppert am Leiterberge und B. $
contexta von Wimmer am Hockschar gesammelt.
Jg. alpestris Schleich. An Felsen im Kessel, am Peterstein, Backofen,
Tafelsteine, auf dem Altvater, am Oppa-Falle, auf der Brünnelhaide
mit Keimkörnern, Schwalbensteine des Glatzer Schneeberges; auf
Erde auf der Hohen- und der Schieferhaide, im Absteigen vom
„Fuhrmannsstein nach Goldenstein und auf dem Glatzer Schneeberge.
Jg. ineisa Schrad. Auf modernden Stämmen in den Wäldern unter-
halb der Schäferei.
.Jg. minuta Craniz. 2 protracla. Felsen im Kessei am Peterstein und
Backofen. Steril. |
Jg. barbata Schreb.
A. Altenuata Mart. Steine am Oppa-Falle -
B. Flörkei N. ab E. 1. densifolia. Auf Waldboden am Wege von
Karlsbrunn zur Schäferei; Tafelsteine auf dem Altvater, Peter-
stein und Backofen, hier auch mit Keimkörnern. Die Formen
U. & und II. $ schwimmend in Moortümpeln zwischen dem Alt-
vater und rothen Berge und am grossen See zwischen Köpernik
und Fuhrmannsstein.
D. Lycopodioides N. ab E. Faulende Baumstümpfe am Oppa-Falle.
Die Form y erispa an Stämmen auf der Schieferhaide, zwischen
Altvater und rothem Berg, Knoblich-Brunnen am Altvater und
im Marchthale am Glatzer Schneeberge,
F. Quinquedentata N. ab E. Felsen im Kessel, am Peterstein, Back-
ofen, Tafelsteine auf dem Altvater und Mariannenfels am Glatzer
Schneeberge.
Jg. catenulata Hüb. Mit Perianth. auf moderndem Holze umgestürzter
Stämme in den Wäldern unterhalb der Schäferei, ferner am Oppa-
Falle und am Glatzer Schneeberge.
Jg. bieuspidota N. ab E. A. «. Auf Waldboden, an faulendeır
Stämmen nnd über Sphagnen am Wege von Karlsbrunn zur Schäferei,
Tafelsteine am Altvater; A. & viridis auf Fusswegen im Marchthale
am Fusse des Glatzer Schneeberges; A. «& fusca: auf Erde auf der
hohen Haide. A. y $ uliginosa auf sumpfigem Waldboden unterhalb
der Schäferei. — B. ß coneinna auf trockenem Moorboden am Peter-
stein oberhalb des Oppa-Falles mit Se, irrigua, Fusswege auf dem
Glatzer Schneeberge.
Jg. connivens Dicks. c, per. an faulenden Baumstämmen unterhalb der
Schäferei,
36)
37)
Jahres-Bericht
‚Jg. trichophylla L. Auf Erde, an Stämmen und über Felsen sowohl
am Fusse, als auf den höchsten Kämmen des Gebirges an vielen
Standorten gesammelt.
Lophocolea bideniata N. ab E. In den Wäldern um Karlsbrunn.
Lophoecolea heterophylla N. ab E. & communis. Reichlich mit Perianth.
auf Waldboden, über Baumwurzeln, am Grunde alter Stämme in
den Wäldern um Karlsbrunn, am Oppa-Falle unterhalb der Schäferei,
auf dem Kamme zwischen Altvater und rolhem Berg und im March-
_ thale.
Harpanthus Flotowianus N. ab E. Versumpftie Ufer der Oppa- Quell-
bäche unterhalb der Schäferei 2 Ex. 22. Juli 1570; am Oppa-Falle
und beim Knoblichbrunnen am Altvater.
Chiloscyphus polyanthus Corda. Am ÖOppa-Falle und im Marchthale um
die Quarklöcher; ß rivularıs in den Oppa-Quellbächen unterhalb der
Schäferei, 5 häufig am Wölfelsfalle am Glatzer Schneeberge.
Calypogeia Trichomanis Corda. © communis. Auf Waldboden am
Wege von Karlsbrunn zur Schäferei und am Oppa-Falle; über
Sphagnen unterhalb der Schäferei; auf zersetztem Glimmerschiefer
im Kessel; Hohlwege im Absteigen vom Fuhrmannsstein nach Golden-
stein; @ 2 repanda über Moosen im Kessel.
Lepidozia reptans N. ab E. Häufig au allen Baumstümpfen bis zu
den Kämmen.
Mastigobryum irilobatum N. ab E. In den Wäldern bei Karlsbrunn.
Steril.
Mastigobryum deflexum N. ab E. Felsen am Oppa-Falle. Steril.
Bei Wölfelsgrund am Glatzer Schneeberge.
Ptilidium eiliare N. ab E. & commune. Baumstämme am hohen Falle
(Oppa), Tafelsteine auf dem Altvater, auf Erde im Kessel; « 2
ericetorum: Schwimmend in Moor-Tümpeln zwischen Köpernick und
Fuhrmannsstein. Me
Radula complanata Dumort. An Buchen in den Wäldern um Karls-
brunn und an Felsen im Kessel.
Madotheca platyphylla Dum. An Laubholzstämmen und Felsblöcken
in den Wäldern um Karlsbrunn, auch an Buchen unterhalb des Fuhr-
mannssteines. e
Madotheca rivularis N. ab E. Feuchte Glimmerschiefer-Felsen im
Kessel, sehr häufig an den trockenen Felsen des Petersteins.
Lejeunia serpyllifolia Libert. Felsen im Kessel und am Oppa-Falle.
Frullania dilatata N. ab E. Von vielen Standorten sowohl an Baum-
stämmen als an Felsen.
Frullania Tamarisci N. ab E. An den Felsen des Petersteins häufig.
Pellia epiphylla N. ab E. Am Bachufer zwischen Ludwigsihal und
Karlsbrunn; Oppa-Quellbäche unterhalb der Schäferei.
der Schles. Gesellschaft f, vaterl, Cultur, 81
52) Metzgeria furcala N. ab E. Felsen am Oppa-Falle, am Petersteine
und im Kessel.
53) Marchantia polymorpha L. B. alpestris ce. fret. Am Peterstein, am
Mauerwerk der Schäferei und an den Oppa-Quellbächen unterhalb
der Schäferei.
54) Preissia commutala N. ab E. « major ce. fret. An Glimmerschiefer-
felsen im Kessel und von Herrn R. Fritze schon früher an der
Strasse über den rothen Berg gesammelt.
55: Fegatella conica Corda. An Felsen im Kessel. Steril.
56) Fimbriaria pilosa Taylor. Auf zersetztem Glimmerschiefer in Fels-
spalten des Kessels unterhalb des Mohra-Falles mit schönen Früch-
ten, gesellig mit Preissia. Am 23. Juli 1870.
Anhang: Neue schlesische Lebermoose.
Durch das Eıscheinen der Naturgeschiehte der Europäischen Leber-
moose (1838) wurden 120 schlesische Arten bekannt. Die Synopsis Hepa.
tienrum (1844) vermehrte dieselben mit Frullania fragilifoia Taylor (Kynast)
und Duvalia rupesiris N. ab E. (Arsenikbergwerk im Riesengrunde) zog
dagegen Jungerm. anomala Hook als var. y zu Jg. Taylori Hook. Später
vereinigte auch Dr. Gottsche die Jg. Mülleri mit Jg. acuta. Seit jener
Zeit bereicherte Herr Prof. Milde das Gebiet mit Jung. Mildeana Gottsche
(Nimkau und Hasenau bei Breslau) und Chamaeceros fertilis Milde (Gräfen-
berg). Heut treten ausser Jg. Hornschuchiana und Sc. aequiloba noch
hinzu:
Jungermannia Michauxia Web. (Nach Dr. Gottsche synon. mit Jg. densa
N. ab E. Hep. Eur. II. pag. 143 et Jg. minuta Dicks. Var. 1 ß.
Procera N. ab E. Hep. Europ. II. pag. 444). Mit schönen
Früchten an den Adersbacher Sandsteinfelsen im Juni 1867,
später auch an den Quader - Sandstein - Felsen im Buchholz bei
Löwenberg c. per. gesammelt.
Sarcoscyphus densifolius N. ab F. Steril im Riesengebirge an Felsen im
Riesengrunde 26. Juli 1869. s
Blyttia Lyellü Endl. $. Auf einer torfigen Wiese in der Nähe des Bahn-
hofes Nimkau bei Breslau (Prof. Milde am 7. Juli 1870); am
rothen Wasser bei Grünberg (Hellwig 28. Aug. 1870).
Es beläuft sich demnach die Gesammtzahl der aus Schlesien bekann-
ten Lebermoose auf 127, eine verhältnissmässig hohe Ziffer, der aller-
dings naeh Mittheilungen des Herrn Dr. Gottsche durch das Vereinigen
von Jg. ventricosa, porphyroleuca und exeisa, von Jg. Starckii und divari-
cata, von Jg. pumila und Zeyheri ete. eine starke Reduction droht, falls
nieht durch spätere Nachforschung noch Ersatz aufgefunden wird.
6
£
Ser aa Mi ee
82 Jahres-Bericht
Herr Geheimrath Professor Dr. Göppert legte ungewöhnlich grosse
Beeren eines Juniperus vom Donnersberg vor, die von denen des ge-
wöhnlichen Wachholder so abweichen, dass mau eine andere Art ver-
muthen möchte.
Der Secretair Professor Cohn theilte: mit, dass er das Wasser aus
dem Brunnen Grosse Rosengasse 14, welcher die ganze dor-
tige als Herd typhöser Epidemien berüchtigte Gegend ver-
sorgt, seit dem vorigen Jahre fast alle Monate mikroskopisch untersucht
und seine Befunde in den von ihm herausgegebenen Beiträgen zur Bio-
logie der Pflanzen Heft I. Bresiau, Max Müller, 1870, veröffentlicht habe.
Bis Anfang dieses Jahres habe das Wasser noch die frühere Beschaffen-
heit gezeigt, zwar belebi von verschiedenen Infusorien, Algen und Pilzen,
aber verhältnissmässig klar. Aufmerksam gemacht durch Herin Univer-
sitäts-Zeichner Assmann, habe er am 10. März sich wieder 2 Flaschen
dieses Brunnens holen lassen und nun eine Verderbniss dieses
Wassers constatirt, wie ihm dieselbe in Breslau noch nicht
vorgekommen. Das Wasser ist nämlich jetzt trübe, nicht durchsich-
tig und wimmelt von zahllosen Bacterien, Vibrionen, Spirillen, Monaden
und anderen Gährungsinfusorien; im Wasser schwimmen farblose und
geibe Flöckehen, aus Mycelien von Schimmelpilzen gebildet; ununter-
brochen entwickeln sich Gasbläschen aus dem Wasser und sammeln sich
schliesslich als Schaum auf der Oberfläche, wie bei einer Gährung. Das
Wasser hat einen widrig-modrigen Geruch; in der einen Flasche, welche
dieht verpfropft ward, um die aufsteigenden Gase zurückzuhalten, zeig-
ten diese in Kurzem einen unerträglichen Gestauk; gleichzeitig fing das
Wasser an sich schwarz zu färben und verwandelte sich allmählich in
eine dintenähnliche Flüssigkeit. Offenbar war das aus dem Wasser auf-
steigende Gas Schwefelwasserstoff, resp. Schwefelammonium, welches mit
dem im Wasser enthaltenen Eisen sich verbindend, letzteres als schwar-
zes Schwefeleisen ausfülltee Ein solcher Zustand erweist, dass das
Trinkwasser der Rosengasse 14 gegenwärtig die Beschaffen-
heit einer in Fäulniss begriffenen Infusion hat und daher
als Getränk unzweifelhaft nicht zulässig ist. Diese Beobach-
tung hat zugleich constatirt, dass in den Verhältnissen eines Brunnens
zeitweise totale Veränderungen, insbesondere seiner mikroskopischen und
chemischen Zusammensetzung erfolgen können, welche auch auf die ge-
sundheitlichen Eigenschaften nieht ohne wesentliehen Einfluss sein können.
Die Ursache der gegenwärtigen Verderbniss des Brunnens ist noch nicht
ermitielt, eine gründliche sanitätspolizeiliche Untersuchung und Abhilfe
im Interesse der Gesundheit nicht bloss jener Gegend, sondern der
ganzen Stadt dringend erforderlich. *)
*) Die Fäulniss des Brunnenwassers hielt an bis zum Mai, worauf sich das
der Schles. Gesellsch, £. vater!. Cultur, 833
Hierauf entwickelte derselbe die
Grundzüge einer neuen natürlichen Anordnung der kryptogamischen
Pflanzen.
Die herkömmliche Eintheilung ist grossen Theils traditionell aus
Zeiten überkommen, wo Anatomie und Entwicklungs - Geschichte noch
wenig erforscht waren; sie giebt Gruppen, welche wie „Gräser, Bäume,
Kräuter zumeist äusserliche Merkmale berücksichtigen.
Als ein Versuch eines natürlichen Kryptogamen-Systems möge die
nachfolgende Uebersicht gelten, welche zuerst in der Hedwigia (Januar
1872) veröffentlicht, hier mit einigen Abänderungen wieder abgedruckt
wird.
Ciassis I. Thallophytae.
A. Gymnogonidiae.
Ordo l.!) Schizosporeae.?)
Fam. 1. Bacteriaceae (Schizomycetae). Fam. 2. Chroococcaceae. Fam. 3.
Öscillariacege. Fam, 4. Nostocaceae. Fam. 5. Rivulariaceee. Fam. 6.
Scytonemaceae. Fam. 7. Sirosiphonaceae.
Ordo Il. Zygosporeae.
Fam. 1. Diatomaceae. °) Fam. 2. Desmidiaceae. Fam. 3. Zygre-
maceae. Fam. 4. Mucoraceae.
Ordo Il. Basidiosporeae.
Sectio I. Hypodermiae.*)
Fam. 1. DOstilaginaceae. Fam. 2. Uredinaceae.
Sectio 2. Basidiomycelae.
Fam. 3. Tremellaceae. Fam. 4. Hymenomycetae (Agaricaceae). Fam. 5.
Gasteromycetae (Lycoperdaceae).
Ordo IV. Ascosporeae.
Fam. 1. Tuberaceae. Fam. 2. Onygenaceae. Fam. 3. Erysiphaceae.
Fam. 4. Pyrenomycetae (Sphaeriaceae.) Fam. 5. Discomycetae (Helvellaceae).
Fam. 6. Lichenes (excel. Collemaceis). °)
Ordo V. Tetrasporeae (Florideae).®)
Fam. 1. Bangiaceae. Fam. 2. Dictyotaceae.e Fam. 3. Ceramiaceae.
Fam. 4. Nemaliaceae. Fam. 5. Lemaniaceae. Fam. 6. Sphaerococcaceae.
Fam. 7. Melobesiaceae. Fam. 8. Rhodomelaceae.
Wasser wieder klärte und eine annähernd normale Beschaffenheit zeigte. Gleich-
zeitig mit der Verderbniss des Wassers wurde die dortige Gegend wieder von
einer Fieberepidemie heimgesucht. Cohn.
6*
>
54 - Jahres-Bericht
B. Trichogonidiae.
Ordo VI. Zoosporeae.?)
Fam. 1. Chytridiaceae. Fam. 2. Palmellaceae. Fam. 3. Confervaceae.
Fam. 4. Ectocarpaceae. Fam. 5. Sphacelariaceae. Fam. 6. Sphorochnaceae.
Fam. 7. Laminariaceae.
Ördo VII. Oosporeae. Ri
Fam. 1. Volvocaceae. Fam.. 2. Peronosporaceae. Fam. 3, Saproleg-
niaceae. Fam. 4. Siphonaceae. Fam. 5. Sphaeropleaceae. Fam. 6. Oedo-
goniaceae. Fam. 7. Coleochaetaceae. Fam, 8. Tilopterideae (?). Fam, 9.
Fucaceae.
Classis II. Bryophytee.
Ordo I. Phycobryae.
Fam. 1. Characeae.?)
Ordo I. Mausci.’)
Fam. 1. Riceiaceae. Fam. 2. Phascaceae. Fam. 3. Monocleaceae.
Fam. 4. Marchantiaceae. Fam. 5. Jungermanniaceae. Fam. 6. Andreaeaceae.
Fam. 7, Sphagnaceae. Fam. 8. Anthoceraceae. Fam. 9. Bryaceae.
Classis II. Pieridophylae. !")
Cohors I. Trichosporangiae.
Ordo Tl. Rılnces.
Fam. 1. Dymenophyllaceae. Fam. 2. Gleicheniaceae. Fam. 3. Schi.
zaeaceae. Fam. 4. Osmundaceae. Fam. 5. Polypodiaceaee Fam. 6. Cya-
theaceue.
Ordo Il. Rhizocarpeae.
Fam. 1. Salviniaceae. Fam. 2. Pilulariaceae.
Cohors I. Phyllosporangiae.
Ordo I. Strobilopterides.
Fam. 1. Maratliaceae. Faın. 2. Equiselaceae, Fam. 5. Ophioglossaceae.
Fam. 4. Lycopodiaceae. ;
Ordo II. Selagines.
Fam. 1. Isoetaceae. Fam. 2. Selaginellaceae.
Der von mir hier veröffentlichte Versuch einer natürlichen Ordnung
der Kryptogamen geht zunächst von der Anschauung aus, welche im
System der Phanerogamen ohne Widerspruch durchgeführt ist, dass nur
Merkmale der Fortpflanzung und Entwiekelungs-Geschiehte bei der Auf-
stellung der höheren Abtheilungen (Klassen, Ordnungen) massgebend sind,
während die aus dem Habitus, den Vegetationsorganen, der Anatomie
der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur, 85
und der Lebensweise eninommenen Kennzeichen von secundärer Bedeutung
sind und nur bei den Unterabtheilungen berücksichtigt werden können.
Es fällt allerdiugs schwer, diesen Grundsatz überall consequent durch-
zuführen, da er zu den radicalsten Veränderungen der üblichen Anord-
nung zwingt; doch kann offenbar keine Anordnung als natürlich gelten,
welche zwei Pflanzenformen weit auseinander reisst, die sich nieht durch
ihre Fortpflanzung unterscheiden, oder umgekehrt Formen von verschieden-
artiger Entwickelung wegen blosser äusserer oder anatomischer Aehnlich-
keit verbindet. Wir müssen eben daran festhalten, dass die verschiedenen
Typen der Fortpflanzung und Entwickelung der Pflanzen sich in Formen-
kreisen entfaltet haben, welche die verschiedenarligsten Stufen der vege-
tativen Geslaltung von den einfacheren bis zu den zusammengesetzteren
durchlaufen; dies lässt sich besondeıs klar bei den Florideen nachweisen,
bei denen eine sehr charakteristische Fortpflanzungsweise sich in Pflanzen
von. dem einfachsten eonfervenartigen Bau (Callithamnion) wie in den höch-
sten Gattungen mit gesonderten Achsen und Blattorganen und: mit compli-
eirter Anatomie darstellt. Ebenso finden wir bei den Moosen eine sehr
wannigfaltige Stufenreihe vegetativer Entwickelung bei grosser Ueberein-
stimmung in der Fortpflanzung — freilich wird in den üblichen Systemen,
welehe Laub- und Lebermoose auseinanderhalten, eine künstliche Tren-
nung der nächstverwandten Familien festgehalten.
Die drei grossen Classen, welche ich als Thallophyten, Bryophyten
und Pteridophyten bezeichnet, scheinen mir in der That drei verschiedenen
Stufen der Pflanzenentwickelung zu entsprechen; die von mir gewählten
Benennungen habe ich gerade darum den bisher üblichen vorgezogen,
weil sie nur ganz allgemeine Verwandtschaftsbeziehungen andeuten, ohne
einem einzelnen Merkmal ausschliessliche Bedeutung beizumessen. Bei
den Thallophyten habe ich die allein auf die Fortpflanzung begründete
Eintheilung möglichst consequent durchführen zu müssen geglaubt und
deshalb die übliche Dreitheilung in Algen, Pilze und Flechten als eine
blos auf seeundären (vegetativen resp. physiologischen) Merkmalen be-
ruhende aufgegeben. Bei den Thallophyten scheinen mir zwei verschie-
dene Typen zu unterscheiden, deren wichtigster Charakter in der An-
wesenheit oder dem Mangel von Flimmercilien bei der Fortpflanzung
ausgedrückt ist; die Abtheilung, deren Fortpflanzungszellen der Cilien
entbehren, bezeichne ich als Gymnogonidiae, die mit solehen Bewegungs-
organen versehenen als Trichogonidiae.e Dass ich gerade auf diesen
Charakter solchen Werth lege, hängt mit der Auffassung zusammen,
welche ich nach Darwin’scher Anschauung von der Entwickelung des
gesammten Pflanzenreichs habe, die jedoch auszuführen hier nicht der
Ort ist; es scheint mir die bewimperte Schwärmzelle der gemeinschaft-
liehe Ausgangspunkt für das Thier- und Pflanzenreich zu sein, die für
ihre Entwiekelung auf das Wasser angewiesen ıst, aus dem, wie wir an-
in
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RENNER,
86 Jahres-Bericht
nehmen dürfen, alles Leben hervorgegangen, im Pflanzenreich ist der
Schwärmzellenzustand nur in den niedersteun Formen ein länger dauern-
der (Volovocaceae, Palmellaceae), bei den höheren Pflanzen ist er vorüber-
gehend, entweder nur bei der geschiechtslosen Fortpflanzung (Zoosporeae)
oder gleichzeitig auch bei der geschlechtlichen (Oosporeae) erhalten; letz-
tere schliessen sich eng an die Moose und Farne, mit denen sie die be-
wimperten (männlichen) Fortpflanzungszellen gemein haben; bei den
Pbanerogamen ist der Schwärmzellen-Zustand ganz verschwunden.
Die Fortpflanzungszellen der von mir als Gymnogonidiae bezeichneten
Thallophyten entbehren der eigentlichen Bewegungsorgane (Cilien), aber
nicht der Bewegung; dieselbe wird vielmehr in vielen Familien (Bacterien,
Diatomeen, Oscillarien) äusserst lebhaft, obwohl deren Ursache sich noch
nicht hinreichend sicher hat ermitteln lassen; diese Pflanzengruppe scheint
mir einer niederen Stufe zu entsprechen, die auch nach dem Thierreiche
‚hin sich fortsetzen lässt, indem sie sich an die Rhizopoden und deren
Verwandte anschliesst.
In Bezug auf die Zahl der Familien habe ich mich an die üblichen
Systeme gehalten, obwohl dieselben weit entfernt sind, wahrhaft natürlich zu
sein; nur monographische Forschungen können hier ein gewisses Gleichge-
wicht! sowie eine wirklich natürliche Abgrenzung der Familien ergeben. Eine
besondere Schwierigkeit ergiebt sich daraus, dass viele Familien nicht
bloss nach einer einzigen, sondern nach mehreren Richtungen hin Verwandt-
schaft zeigen; in der linearen Reihe, wie sie in einem System nicht um-
gangen werden kann, werden daher stets künstliche und selbst willkür-
liche Anordnungen sich ergeben.
In Bezug auf die einzelnen von mir gebildeten Gruppen lasse ich
einige kurze Erläuterungen folgen, indem ich den Wunsch ausspreche,
dass dieselben zu einer Prüfung der von mir berücksichtiglen Prineipien
und demnächst zur Anbahnung einer wahrhaft natürlichen Anordnung der
Kryptogamen Anregung geben möchten.
1) Die Myxomyceten habe ich hier uese He weil mir die-
selben einer abweichenden Verwandtschaftsreihe, den Rhizopoden, anzu-
gehören scheinen; vielleicht lassen sie sich als eine eh Seiten-
gruppe der Spongien auffassen.
2) Die Schizosporeae sind durch Mangel eigentlicher For
organe und eine blos vegetative Vermehrung, durch Quertheilung ihrer
Zellen, eharakterisirt; zu den Schizomyceten gehören die Bacterien, nicht
die Hefenpilze; sie unterscheiden sich von den Chroococcaceae fast nur durch
ihre Bewegung und die Farblosigkeit, so dass sie a Weise
mit diesen hätten vereinigt werden müssen.
3) Ob die Diatomaceae hier ihre riehtige Stellung finden, Kai zweifel-
haft sein; das Austreten einer contraetilen Protoplasmalamelle durch den
Spalt der Kieselschale scheint auf eine Verwandtschaft mit den Rhizo-
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 87
poden hinzudeuten;, ich habe hier das Hauptgewicht auf die auch nach
den neuesten Forschungen von Pfitzer und Schmitz bei vielen Arten
noch festgehaltene Bildung der Auxosporen durch Copulation gelegt,
andererseits schien mir ihre Bewegung eine Verwandtschaft mit den
Öseillarien anzudeuten.
4) Die Hypodermiae de Bary scheinen mir durch die Fortpflanzung
nicht genügend als eine den übrigen Pilzordnungen aequivalente Gruppe
unterschieden und ich habe sie daher nur als Section der Basidiosporeae
aufgenommen. Die Uredineae schliessen sich unmittelbar an die T’remella-
ceae; die Familie der Gasteromycetae vereinigt so verschiedenartige Fort-
pflanzungsformen, dass sie wohl in mehrere Familien zerlegt werden
müsste.
5) Dass ich die Lichenen nicht mit Schwendener und Sachs als
selbstständige natürliche Familie aufgegeben, liegt daran, weil ich mich,
irotz der für die Deutung derselben als Consortien von Algen und Pilzen
sprechenden Gründe, noch nicht von der Natürlichkeit dieser Auffassung über-
zeugen konnte. Mir sind keine Algen bekannt, die sich durch den Einfluss
eines Pilzes in Usneen, Cladonien, Cetrarien ete. verwandeln könnten.
Nur für die Collemaceen scheint mir durch De Bary, Schwendener Rees der
Parasitismus höchst wahrscheinlich gemacht. Consequenter Weise müssten
freilich die Lichenen in zwei Familien zerlegt werden, welche, .den Pyreno-
myceten und Discomyceten entsprechend, die Gattungen mit angiocarpischen
und gymnocarpischen Apothecien unter sich vertheilen; oder es müssten
vielmehr, da eben der Thallus der einzige specifische Charakter der Flech-
ten ist, die kernfrüchtigen Flechten zu den Pyrenomyceten, die scheiben-
früchtigen zu den Discomyceten als Sectionen eingeordnet werden.
6) Ueber die Stellung der Florideen in der Nähe der Ascomyeeten,
mit denen auch ihre Befruchtung durch Trichogyne und Spermatien über
einstimmt, habe ich mich anderweitig ausführlicher geäussert. Die von
mir hier aufgeführten Familien sind willkürlich ausgewählt und entsprechen
keineswegs einer natürlichen Ordnung; doch legen alle bisherigen Systeme
ein viel zu grosses Gewicht auf die anatomischeu uud morphologischen
Verschiedenheiten des Thailus; ein consequent auf die Fructification ge-
gründetes Florideensystem wird noch vermisst. =
7) Die Unterscheidung der Zoosporese und Oosporeae beruht darauf
dass unter letzter Ordnung eben alle Familien mit Eiern oder Oosporen
zusammengefasst sind, bei der ersteren nur geschlechtslose Schwärm-,
aber keine befruchteten Oosporen bekannt sind. Ob nicht in Zukunft
beide Ordnungen zu vereinigen und vielleicht nur die Fucaceen wegen
ihres eigenthümlichen Fortpflanzungstypus abzusondern sind, ist abzu-
warten.
Es lässt sich allerdings nicht leugnen, dass durch die Pringsheim’sche
Entdeckung der Copulation der Schwärmsporen der Begriff der Oosporen
.
Y7
ss .Jahres- Bericht
(befruchteter Eier) in manchen Gattungen und daher auch- ihre systema-
tische Stellung zweifelhaft geworden ist. Ob die Tilopteridae wirkliche
Eier besitzen, ist auch noch nicht ausgemacht, da die Untersuchungen
von Thuret und Aschkenasi noch der Vervollständigung bedürfen. Die
Fucaceae nehmen insofern eine eigene Stellung ein, als ihnen die ge-
schlechtslosen Zoosporen fehlen; dasselbe findet auch bei den Sphaero-
pleaceae statt,
8) Auch nach den neuesten Entdeckungen De Bary’s über die Be-
fruchtung der Charen scheint mir deren Stellung unter den Bryophyten
gerechtfertigt, wenn sich auch nicht bezweifeln lässt, dass sie eine Ueber-
sangsform zu den Thallophyten darstellen. Es scheint mir als Produet
der Befruchtung bei den Charen eine Sporogonie der rudimentärsten Ent-
wickelung hervorzugehen, die als Maerospore auftritt; vielleicht lassen
sich die „Wendungszellen“ als verkümmerte Schwesterzellen der Maero-
spore auffassen, aus einer typischen Viertheilung der Eizelle hervorge-
sangen. Die sehr einfache Bildung der Sporogonien bei den Phascaceen
(Archidium) und Riceiaceen mit ihren wenig zahlreichen grossen Sporen
und der nicht zur Ausbildung kommenden oder später verschwindenden
Kapselwand bietet den Uebergang von den Charen zu den eigent-
lichen Moosen.
9) Die Zweitheilung der Laub- und Lebermoose scheint mir keine
wahrhaft natürliche, da sämmtliche Familien der Moose mir nur eine ein-
zige Reihe darzustellen scheinen. Dass auf die vegetative Entwickelung
in Thallus oder beblätterte Achsen kein Gewicht zu legen, ergiebt schon
eine genauere Vergleichung der Jungermanniaceen und Marchanliaceen,
die unmittelbar zusammengehören. In einem ähnlichen Verhältniss naher
Verwandtschaft scheinen mir die Riceiaceen und Phascaceen zu stehen,
wobei natürlich nicht die Vegetationsorgane, sondern die Uebereinstim-
mung in der Entstehung und Entwickelung der Sporogonie entscheidend
ist. Die Stellung der Andreaeaceae und Sphagnaceae zu den Jungermannia-
ceae ist durch die neueste Monographie von Kühn sichergestellt. - Die
Anthoceroteae scheinen mir wegen der Columella und des Mangels der
Schleuderer nicht 'an den Anfang, sondern an das Ende der Moosreihe
zu gehören.
10) Die Eintheilung der Pteridophyten scheint mir darum ganz be-
sonders schwierig, weil diese Klasse nur ganz unvollständig in unsere
lebende Flora sich hinübergerettet hat. Würden wir die Fortpflauzung
und Entwickelungsgeschichte der ausgestorbenen Planzengeschlechter aus
der palaeozoisehen und secundären Epoche kennen, so würden uns ohne
Zweifel zahlreiche Zwischenglieder zwischen den gegenwärtig äusserst
isolirt stehenden, meist nur von einer oder wenigen Gattungen gebildeten
Familien der sogenannten Gefässkryptogamen, sowie zwischen diesen,
den Gymnospermen und Angiospermen bekannt sein, welche über
Br
a u nl a ln a Alu la a m
der Schles. Gesellsch. f, vaterl, Cultur, 89
den Werth ilırer wechselseitigen, zum Theil nur duukel angedeuteten Ver-
wandtschaftsbeziehungen Aufschiuss gewähren könuten. Ich habe hier,
abweichend von Sachs, nicht Heterosporen und Isosporen als die beiden
Hauptgruppen unterschieden, sondern die Pteridophyten in zwei Cohorten
getheilt, je nachdem ihre Sporangien Triehomgebilde oder metamorpho-
sirte Blattsegmente, nach Art der Pollensäckchen von Staubblättern sind;
letzterer Charakter giebt, wie schon Mohl zeigte, den nächsten Anschluss
an die Blüthen der Gymnospermen. Beide Cohorten schliessen je eine
Ordnung mit gleichartigen und ungleichartigen Sporen ein; ich habe des-
halb an die eigentlichen Farne die Rhizokarpeen angersiht, dabei Russow
folgend; die von mir begründete Ordnung der Zapfenfarne (Strobilopte-
rides), zu denen ich die Marattiaccen nach der Structur der, Sporangien
steilen möchte, führt zu den Selaginellen hinüber; die letztere als beson-
dere Familie von den eigentlichen Lycopodien abzutrennen, scheint mir,
auch abgeschen von der Heterosporie, durch ihre ganze Entwickelung
gerechtfertigt; die Auffassung der lsoöten als selbstständige Familie scheint
mir ebenso durch die Entw’ckelung des Embryo’s wie durch ihre mono-
eotylische Keimung begründet, trotz ihrer nahen Verwandtschaft mit den
dico'ylisch keimenden Selaginellen, bei denen ausserdem die Entstehung
des Embryo’s so wesentlich abweichend ist, dass sie eben nur bei den
Coniferen ihr nächstes Analogon- findet.
Zweite ausserordentliche Sitzung der botanischen Section und Wander.
versammlung der schiesischen Botaniker auf Ulbrichshöhe bei Reichen-
bach am 21. Mai 1871.
Nachdem in der Versammlung zu Königszelt vom 26. Mai 1870 zur
Förderung eines innigeren Verkehrs unter den Freunden der schlesischen
Pflanzenwelt die alljährliche Wiederkehr einer ausserordentlichen Sitzung
der botanischen Section der schlesischen Gesellschaft für vaterländische
Cultur besehlossen worden, wurde durch die Herren Geheimrath Professor
Göppert, als Pıäses der schlesischen Gesellschaft und Professor Cohn,
als Seeretair der botanischen Section, die zweite \Vanderversammlung
schlesischer Botaniker auf Sonntag, den 21. Mai nach der Ulbrichshöhe
bei Reichenbach einberufen.
In Folge dieser Einladung hatten sich am bestimmten Tage die
nachstehenden Herren im schönen Saale der eine Meile von Reichenbach
entferuten, am Fuss der hohen Eule gelegenen Ulbrichshöhe versammelt:
Tramnitz, Forstmeister in Breslau,
Peck, Kreisgerichts-Director in Schweidnitz,
Hoeger, Conrector an der Realschule in Landeshut,
R. Peck, Apotheker in Görlitz,
C. Struve, Apotheker in Görlitz,
Dr. Böttcher, praktischer Arzt in Görlitz,
J. Zimmermann, Lehrer in Striegau,
©
90
Jahres-Bericht
Rupp, Lehrer in Schweidnitz,
Dr. Buch aus Breslau,
Max Müller, Verlagsbuchhändler in Breslau,
E. J. Müller, Stadtrath in Breslau,
Merkel, Lehrer in Breslau,
Dr. W. Richter, Realschullehrer in Breslau,
Dr. M. Friebe, Realschullebrer in Reichenbach,
E. Junger, Gärtner in Breslau,
B. Stein, Gärtner in ‚Breslau,
R. Fritze, Apotheker in Rybnik,
C. Trautmann, Oeconom in Nicolausdorf,
8. Ullbrich, Apotheker in Reichenbach i. Schl.
Dr. P. Pinzger, Realschul-Oberlehrer in Reichenbach »i. Schl.,
T. Ciesielski, Dr. philos. in Breslau,
Georg David, Student in Breslau,
Oscar Kirchner, stud. phil. in Breslau,
Dr. Dieck, Lehrer in Liegnitz,
J. Gerhardt, Lehrer in Liegnitz,
W.G. Schneider, Dr. phil. in Breslau,
H. Hüttig, Gymasiallehrer in Schweidnitz,
Dr. Körber, Professor in Breslau,
Professor Cohn in Breslau,
Dr. Stenzel in Breslau,
Gehbeimrath Professor Dr. Göppert in Breslau,
G. Limpricht, Lehrer an der Mittelschule in Breslau,
Oscar Cohn, Kaufmann in Breslau, re
Dr. Brettschneider in Ida-Marienhütte bei Saarau,
v. Thielau auf Lampersdorf,
Dr. M. Traube in Breslau,
Backe, Chemiker in Saaran,
Th. Riehters, Chemiker in Saarau,
Julius Mülier, Apotheker in Breslau,
Rud. Ende, Apotheker in Grotikau,
Wolf, Lehrer in Ober-Langenbielau,
W. Roth, Weber in Langenbielau,
A. Michael, Lehrer in Waldenburg,
E. Leisner, Lehrer in Waldenburg,
Carl Püschel, Gymnasiallehrer in Waldenburg,
Sonntag, Apotheker in Wüstewaltersdorf,
Hermann Werner, Apotheker in Breslan,
W. Bluhm, Apotheker in Breslau,
E. Just, Chemiker in Saarau,
C. Knebel, Wundarzt in Breslau,
2
R
der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 9]
C. Stenzinger, Apotheker in Breslau,
Stoll, Direktor des Kgl. pomolegischen Instituts in Proskau.
Professor Dr. Poleck in Breslau,
Professor Dr. Förster in Breslau,
Dr. Köbner in Breslau.
Hierzu in Reichenbach:
Pfarrer Spät in Költschen bei Schweidnitz,
Lehrer Krail in Költschen bei Schweidnitz,
Graf Pilati-Reichenbach
Die Sitzung wurde um 10 Uhr durch Herrn Geheimrath Professor
Dr. Göppert mit einer Ansprache eröffnet, in welcher er Ursprung und
Zweck der gegenwärtigen Versammlung auseinandersetzte und Herrn
Forstmeister Tramnitz (Bresiau), sowie Herrn Kreisgerichts - Direetor
Peek (Schweidnitz) zu Vorsitzenden vorschlug. Herr Dr. Stenzel
(Breslau) übernahm das Amt des Schrififührers.
Professor Cohn (Breslau) begrüsste die Anwesenden im Namen der
botanischen Section und berichtete sodann über die eingegangenen Schrei-
ben, insbesondere der zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien und
der naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz. Die Leiztere hatte die
Herren Apotheker Struve und Peck, sowie Herrn Dr. Böticher als
Vertreter zur Sitzung entsendet und gleichzeitig zu der am 3. Pfingst-
feiertag, 30. Mai, in Görlitz staitfindenden Versammlung des botanischen
Vereins der Provinz Brandenburg eine Einladung an die Mitglieder der
schlesischen Gesellschaft, sowie an die auf Ulbrichshöhe versammelten
Botaniker erlassen. Eine gleiche Einladung war auch von Seiten des
botanischen Vereins der Provinz Brandenburg durch dessen Schriftführer
Herrn Dr. P. Ascherson (Berlin) erlassen und die Programme der Ver-
sammlung zur Vertbeilung eingesendet worden. Der Secretair der natur-
forschenden Gesellschaft der Lausitz, Herr Struve (Görlitz), wiederholte
persönlich diese Einladung. Demzufolge ist Herr Professor Körber von
dem Präsidium der schlesischen Gesellschaft nach Görlitz deputirt worden.
Die Verhandlungen selbst wurden von Herrn Apotheker Fick
(Reichenbach) durch einen Vortrag über die geoguostischen und bota-
nischen Verhältnisse des Eulengebirges eingeleitet. Derselbe ist in den
Sehlesischen Provinzialblättern 1871 erschienen.
: Der Pflanzenwuchs ist im Allgemeinen der des übrigen Vorgebirges.
Als eigenthümliehe Pflanzen wurden im Thal von Langenbielau Viola b:-
‚flora uud die durch Weber Roth in Langeubielau, welcher der Ver-
sammlung beiwohnte, auf Pelusites schmarotzende Qrobanche flava hervor-
gehoben.
Herr Kreisgerichts Direetor Peek (Schweidnitz) führle noch Ayper:-
eum Veronense aus dem Weistritzthal, 1500 Fuss hoch, an. Herr von
92 Jahres-Bericht
Thielau (Lampersdorf) hatte schr interessante Wachsthumsstücke aus
seinen herrlichen Waldrevieren ausgestellt, welehe am Ende der Sitzung
in Augenschein genommen wurden. — Herr Geheitnrath Prof. Göppert
hielt einen durch zahlreiche Demonstrationen erläuterten Vortrag über
die inneren bisher unbekannten Zustände beim Veredeln der
Bäume; dieser Vortrag wurde, vervollständigt am 24. Januar 1872 der
Gartenbansection mitgetheilt, worauf wir hier verweisen.
Herr Lehrer Rupp (Schweidnitz) bemerkte, dass ein Frostriss in
einer Linde in Ober - Weistritz durch wiederholtes Fortschneiden der
Rinde zum Verwachsen gebracht worden sei.
Herr Forstmeister Tramnitz (Breslau) sprach
über Forstzuwachskunde und die praktische Bedeutung und Anwendung
‚des Pressler’schen Zuwachsbehrers.
Gestalten Sie mir, meine Herren, das Wort, nicht um einen wissen-
schaftlichen Vortrag zu halten, sondern um Ihnen eine einfache Mitthei-
lung zu machen, wozu ich mir aber doch erlauben muss, eine kurze
einleifende Auseinandersetzung vorauszuschicken.
Bekamntlich setzen die Bänme alljährlich an der Peripherie des
Stammes und der Aeste eine neue Holzschieht an — den sogenanuten
Jahresring. Die einzelnen Jahresringe bleiben auf Querschnitten von ge-
sunden Bäumen bis zu deren erstem Lebensjahr zurück in ihren Grenzen
deutlich zu erkennen, so dass man hiernach das Alter jeder Holzpflanze
sicher bestimmen kann.
Für den Forstmann ist es nun von besonderer Wichtigkeit, die
Stärke der äusseren jüngeren Jahresringe und deren Massengehalt wäh-
rend eines gewissen Zeitraumes von 5, 10, 20 oder mehr Jahren je-
weilig ermitteln zu können, um hiernach den periodischen Zuwachs
ganzer Holzbestände festzustellen und dessen Verhältniss zu der vorhan-
denen Holzmasse anzugeben, worauf im Wesentlichen die Bestimmung
des nachhaltigen Abnutzungssatzes zu gründen ist.
Für die Pflanzen-Pnysiologen dagegen muss es von grossem Interesse
sein, die Ursachen und Wirkungen jederzeit zu erforschen, welche bei
der Bildung der Jahresringe stattfinden und mancherlei äusseren Einflüssen
unterworfen sind. Jedermann weiss unter anderem, dass iu einem frucht-
baren Jahre, nämlich wo Wärme und Feuchtigkeit in einem der Vege-
tation günstigen Verhältniss stehen, die Jahresringe der Bäume stärker
werden, als in kalten und trockenen Jahren, ferner dass in’ der Regel
die Jahresringe an der Sommerseite breiter sind, als an der Winterseite,
dass endlich, wenn durch Inseetenfrass oder andere Ursachen die Blätter,
als die wesentlichsten Ernährungs-Organe der Bäume vernichtet werden,
die Bildung der Jahresringe in der betreffenden Zeit mangelhafter aus-
fällt. Diese und viele andere Erscheinungen ziehen mancherlei wissen-
te a m
A A a un ra
u nd Zuge ans am
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 93
schaftliche Fragen nach sich, deren Lösung nur durch zahlreiche und
genaue Untersuchungen der inneren Baumtheile während der verschiede-
nen Jahreszeiten erfolgen kann. Ich will hier nur ein besonderes Bei-
spiel hervorheben:
Der Professor Forstrath Dr. Nördlinger zu Hohenheim, eine aner-
kannte forstnaturwissenschaftliche Autorität, brachte im Jahre 1869 zur
forstlichen Ausstellung in Breslau die Querscheibe von einem Hickory-
Baum, Juglans oder Carga alba, um die Anzucht dieser Holzart in unseren
Wäldern zu empfehlen. An dieser Hickoryscheibe wies nun Nördlinger
selegentlich nach, dass die Maikäfer in Süddeutschland eine dreijährige
Generation hätten und dass in den Jahren 1866, 1863, 1860, 1857,
1854 ete., welche Maikäfer-Flugjahre gewesen wären, die Jahresringe
sich auffallend schwächer ausgebildet hätten. Er sagte nach den steno-
graphischen Berichten der Forstseetion wörtlich:
„Der Querschnitt trägt deutlich den Kalender unserer Maikäfer-
jahre in sich. Der Baum ist geschlagen im Februar 1869. Wir haben
sesenwärtig ein solches Maikäferjahr. Der heurige Jahresring würde
unzweifelhaft, wie die je um zwei Jahre davon gefirennten früheren,
ein schmaler geworden sein. Es ist eine unriehtige Annahme,
dass, wenn die Blätter befressen worden sind, der nächste
Holzring noch eine gewöhnliche Breite erlange. Unmittel-
bar in demselben Jahre lassen die Jahresringe nach." Wenn
man eine einzeln stehende Eiche fällen lässt, die gewöhnlich von
den Maikäfern stark befressen zu werden pflegen, so wird man ohne
Zweifel auf Grund der schmäleren Holzringe die Maikäfergeneration
der beireffenden Gegend herauslesen können.“
Diesem Ausspruch gegenüber musste es mir nun auffallen, dass ich
kürzlich in den neuesten Verhandlungen des Harzer Forstvereins eine
Mittheilung des Professor Forstrath Dr. Theodor Hartig zu Braunschweig,
ebenfalls einer forstnaturwissenschaftlichen Grösse von bedeutendem Ruf,
fand, die von der Nördlinger’schen Ansicht diametral abweicht. Diese
letzte Mittheilung lautet:
„In diesem Jahre hat die Raupe von Tortrie viridana in der Um-
gegend von Braunschweig und anderwärts die Eichen vollständig ent-
blättert. Den ganzen Juni hindurch sind die Bäume kahl gewesen und
eine Wiederbegrünung ist erst im Juli eingetreten. Nach dem Wieder-
begrünen angestellte Untersuchungen haben ergeben, dass bei kahl-
selressenen wie bei nicht abgefressenen RFichen der Jahrring sich
ganz gleichförmig gebildet hat — ein Beleg dafür, dass der Jahr-
ring im Wesentlichen aus den Reservestoffen des Vor-
jahres hervorgeht.“
Hier liegt also eine noch völlig unentschiedene Streitfrage vor, und
es wird die Aufgabe der Pflanzen-Physiologen sein, dieselbe zu lösen
94 Jahres-Bericht
Dies kann nur durch zahlreiche Beobachtungen des Bildungsganges der
Jahresringe in verschiedenen Zeiten geschehen.
Zur Untersuchung der Querschnitte von Jahresringen kannte man
bisher nur ganz einfache und grobe Mittel und Wege. Man wählte eines
Theils hierzu die Schnittflächen der auf den Schlägen im Boden zuriück-
gebliebenen Stöcke. Die desfallsigen Beobachtungen litten aber an dem
Uebelstande, dass sie gemeinhin nur zu bestimmten Jahreszeiten, nämlich
während des Wadels, also in den Wintermonaten vorgenommen werden
konnten, wo die Bildung der neuen Holzlagen bereits vollendet war.-
Anderen Theils griff man zu der gewöhnlichen Maassregel, dass man mit
der Axt Kerbe ‘in die Bäume haute, welche tief genug waren, um die
Jahresringe auf dem Horizontalhieb mit dem blossen Auge und mit der
Lupe bequem und genau betrachten zu können. Es liegt auf der Hand,
dass durch dieses Verfahren die betreffenden Bäume stark beschädigt
wurden und dass aus diesem Grunde die erforderlichen Beobachtungen
selten so zahlreich vorgenommen wurden, als es zur Erzielung sicherer
Resultate wünschenswerih war. |
Der Hofrath Max Robert Pressler, Professor an der Forstakademie
zu Tharand, hat nun ein kleines sinnreiches Instrument, den sogenannten
Zuwachsbohrer erfunden, mit dessen Hilfe man die hier in Rede stehen-
den Forschungen leicht, häufig, gründlich und ohne wesentliche Benach-
theiligung der zu untersuchenden Bäume vornehmen kann. Dies Instru-
ment ist in der Hauptsache ein Hohlbohrer, der aber vermittelst seiner
besonderen Construetion, namentlich der beiden äusseren, verschiedenartig
gewundenen Schrauben - Schneiden kein Bohrmehl, sondern einen fest
zusammenhängenden Bohrspan herausbringt. Ich erlaube mir hier eine
Tafel mit daran befestigten Bohrspänen von den vorherrschenden Holz-
arten unserer Wälder, sowie den zum Gebrauch fertig zusammengestellten
Zuwachsbohrer zur Ansicht herumgehen zu lassen. Bei der heute noch
vorzunehmenden Wald-Excursion werde ich Gelegenheit nehmen, die
praktische Anwendung des Zuwachsbohrers in allen Einzelhelheiten aus-
einanderzusetzen. |
Für diejenigen Herren,- welche diesem Gegenstande eine nähere
Theilnahme zu schenken geneigt sind, bemerke ich, dass der Professor
Pressler ein besonderes Werkehen, betitelt „Zur Forstzuwachs-
kunde“ herausgegeben hat, in welchem eine genaue Beschreibung des
Zuwachsbohrers und seiner Anwendung mit zahlreichen Illustrationen
enthalten ist, und dass ich in der Lage und bereit bin, sechs Gratis-
. Exemplare dieser Schrift an eiwa anwesende Liebhaber zu vertheilen.
Zum Schluss möchte ich mir noch beiläufg zu erwähnen erlauben,
dass von demselben Autor, Professor Pressler, ein anderes, äusserst
praktisches Werk mit dem wunderlich klingenden Titel „Das mathe-
..matische Aschenbrödel‘“ existirt, welchem ein Universal-Instrument
Be "an iur). 4 oe u ei ne ärzte A az un
.
A re hie 0 ee a Babe als 1 a Tim aan aa une 1 0
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 95
mathematischer Gymnastik und Anwendung in Schule, Werkstatt, Wald
und Feld für humanisiische und gewerbliche Stände jeder Art der soge-
zannte „Ingenieur- Messkneeht“ beigegeben ist. Dies Instrumeat
mit seiner einfachen und doch fast wunderbaren Einrichtung dient dem
Verwaltungsbeamten, dem Forstwirth, dem Kaufmann, dem Fabrikanten,
dem Techniker, dem Naturforscher, kurz einem Jeden, der mit mathe-
matisch geschultem Geiste arbeiten muss, als Logarithmen-, Kreis-, Sinus-,
Cosinus-, Tangenten, Chorden , Reeiproken-, Wurzel-, Potenzen und
Renten - Tafel, als Taschen - Theodolit, Transporteur, Winkelkreuz und
Höhenmesser, als Nivellirwage, Sonnenuhr und Gott weiss, was für ein
Instrument. Ich werde auch diesen Messknecht bei der heutigen Wan-
derung als Höhenmesser bei den Baumzuwachs- Ermittelungen anwenden
und zu erklären suchen und biete hier ebenfalls von demselben einige
Exemplare zur freien Empfangnahme an.
Herr Professor Cohn theilte mit, dass das Königliche Oberbergamt
seit längerer Zeit in nicht genug anzuerkennender Weise bestrebt sei,
zur Hebung der Volksbildung in den Schlesischen Bergwerksdistrikten
durch unentgeltliche Ueberweisung demonstrativer Lehrmittel an die
dortigen Volksschulen beizutragen. So seien diesen Schulen Sammlungen
physikalischer Apparate, zoologische und mineralogische Sammlungen,
Wandtafeln ete. gescheukt worden; auf Anregung des Herrn Oberberg-
rath Runge ist Vortragender beauftragt worden, eine Sammlung von
40 mikroskopischen Präparaten auszuwählen, welche die wichtigsten und
instruetivsten Objecte aus dem Thier- und Pflanzenreich umfassen. Herr
Optieus Richard Magen in Berlin, Lindenstrasse 34, hat die Lieferung
dieser Präparat- Sammlung, welche in dauerhafter und elegantester Aus-
stattung in einem Holzkasten in Buchform enthalten, zum Preise von
7 Thlr. übernommen und fertigt auch die dazu gehörigen Schul - Mikro-
skope, welche solid gebaut, eine vortreffliche Vergrösserung von 50 bis
120, ein grosses Gesichtsfeld und eine bequeme Fokaldistanz besitzen
und daher für pädagogische Zwecke sich gewiss sehr eignen; sie kosten
10 Thlr. In Folge Aufforderung des Königlichen Oberbergamts hat Vor-
tragender für diesen Zweck eine populäre Anleitung zum Ge-
brauch des Mikroskops geschrieben, welche in 5 Capiteln 1) die
Einrichtung des Mikroskops und Beschreibung seiner Theile, 2) Regeln
beim Gebrauch des Mikroskops, 3) Erklärung der Präparate, 4) An-
leitung zur Anfertigung mikroskopischer Präparate, 5) den Salon-
fuss behandelt. Diese Anleitung wird den Mikroskopen gratis bei-
gegeben. Der Salonfuss ist ein von Herrn Rappard, dem Gründer des
Mikroskopischen Instituts zu Wabern bei Bern, erfundener, im Centrum
durchbrochener versilberter Hohlspiegel, welcher an den Mikroskopkörper
nach Art eines Lieberkühn’schen Spiegels angeschraubt wird, und mit
einer Einrichtung versehen ist, um ein mikroskopisches Präparat im
$, =
96 ‘Jahres-Bericht
Brennpunkt des Spiegels zu fixiren. Wird der aus dem Stativ heraus-
genommene Mikroskopkörper, mit Objectiv, Salonfuss und Präparat ver-
sehen, in die linke Hand genommen und gegen den Himmel oder eine
leuchtende Flamme gehalten, so erhält man ein von dem Hohlspiegel
genügend erleuchtetes Bild des Öbjeets bei richtiger Einstellung, was die
Demonstration von mikroskopischen Präparaten vor einem grösseren Kreise
ausserordentlich erleichtert, da das Instrument in die Hand genommen
und leicht herumgegeben werden kann.
Vorgezeigt wurde der Versammlung ein oben beschriebenes Schul-
mikroskop von Magen nebst der Präparatsammlung und einem Exemplar
der Anleitung, wie sie durch das Oberbergamt bereits an 30 schlesische
Schulen vertheilt worden sind und in den Kreisen des Volkssehulunter-
richts sicher Segen schaffen werden. Ferner ein Hartnack’sches Mikro-
skoprohr mit Salonfuss zur Demonstration von Präpararaten; der Salon-
fuss wird nämlich auf Wunsch des Vortragenden von dem Optiker Magen
in einer verbesserten Form so angefertigt, dass er an ein gewöhnliches
Hartnack’sches Mikroskop (ohne Stativ) angeschraubt, und daher auch
für wissenschafiliche Zwecke in Vorlesungen ete. gebraucht werden kann;
Der Preis eines solehen Salonfusses beträgt 2 Thir, |
Schliesslich zeigte Professor Cohn eine Anzalıl von Präparaten vor,
welche beweisen, dass die Fäulniss nicht auf einer freiwilligen chemischen
Zersetzung der organischen Substanz beruht, sondern durch die Thätig-
keit von mikroskopischen Organismen (Baeterien) hervorgerufen wird.
Ausführlicher ist über diese Beziehungen der Bacterien zur Fäulniss
in der Sitzung der medieinischen Section vom 4. August 1871 vorge
tragen worden, und wird hier auf den Bericht dieser Section verwiesen.
Obwohl noch mehrere Vorträge angemeldet waren, musste. die
Sitzung gegen 12 Uhr geschlossen werden, um unter der Führung des
gräflichen Förster Sauer, sowie der Herren Oberlehrer Pinzger und
Apotheker Fick aus Reichenbach eine Exeursion anzutrefen in die An-
lagen von Ulbrichshöhe und durch den zur Majoratsherrschaft Peiskers-
dorf (im Besitz Sciner Excellenz des Herrn Oberpräsidenten Grafen von
Stolberg) gehörigen Forst. Nach dem von Herrn Forstmeister Tramnitz
eingesendeten Bericht bot in forst- und naturwissenschaftlicher Hinsicht die
Excursion, wenn gleich durch abwechselnde Regenschauer mehrmals unter-
brochen, mancherlei interessante und belehrende Monıente dar. ‘Die Baum-
waldungen mussten entschädigen für den Rückstand der durch die an-
dauernde Frühlingskälte aufgehaltenen Vegetation der niederen Bodendecke.
Der Weg führte zunächst durch mangelhaft bestockte, aber doch schon mehr
oder weniger einer sorglichen Forsteultur und merklich hervortretenden Wald-
pflege zugeführte Rusticalgrundstücke in den Vorbergen der Eule und durch-
schnitt dann den Haupttheil der zur Majoratsherrschaft Peiskersdorf gehörigen
Forste Seiner Excellenz des Herrn Oberpräsidenten der Provinz Schlesien
vr OR
der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 97
Eberhard Grafen zu Stolberg- Wernigerode. Der fast ein Viertel-
jahrhundert hier wirkende gräfliche Förster Sauer übernahm die kundige
Führung durch die seiner Obhut anv ertrauten Waldungen. Schönwüchsige
. mittelalterliche Tannen- und Fichtenbestände, von Rothbuchen durchstellt,
die verschämt und schüchtern nur zum Theil glückende Versuche mach-
ten, den düsteren Farbenton der Nadelhölzer mit dem spärlichen Aus-
bruch ihres saftgrünen Laubes zu beleben, gewährten günstiger Weise
theils den erwünschten Schutz gegen die häufig lästig werdenden atmo-
sphärischen Niederschläge und boten anderen Theils eine zutreffende Ge-
legenheit für den Fortmeister Tramnitz, um seinen in der vorange-
sangenen Sitzung gehaltenen demonstrativen Vortrag über Forstzuwachs-
kunde durch die praktische Anwendung des Pressler’schen Zuwachsbohrers
zu ergänzen. Die leichte Handhabung dieses sinnreichen Instruments und
das überraschend exacte und saubere Ergebniss mehrfacher Bohrungen
an .den Stämmen verschiedeuer Holzarten erweckte ein allgemeines leb-
haftes Interesse und führte zu der Ueberzengung, dass die derartig ge-
wonnenen Bohrspäne in dem völlig unverletzten Zusammenhange der
einzelnen Jahresringe unter sich und der eigentlichen Holzsubstanz mit
der Cambialschieht und der Rinde sehr geeignete Belagstücke zu ent-
sprechenden baumphysiologischen Untersuchungen abgeben müssen.
Auf der weiteren Wanderung über steil ansteigende Höhen, welche
bei vereinzelt durchdringenden Sonnenblicken entzückende Fernsichten
auf die fruchtbaren Gegenden von Reichenbach und Schweidnitz öffneten
und durch anmuthige in Waldesstille grünende Thäler zeigten sich dem
Auge der oft weglos fortstrebenden Naturforscher mannigfaltige Schöpfun-
gen jüngerer waldbaulicher Anlagen.
Hier, in einer ausgedehnten, mannshohen und im allgemeinen freudig
wachsenden Schonung gemischter Hölzer kämpfte die Eiche mit der sie
überragenden und daher beschattenden und verdämmernden Fichte. Aber
das Beil oder die Hippe des Waldpflegers ist schon bei der Hand ge-
wesen und manche voreilige Fichte musste fallen oder zunächst nach
allen Regeln der Vorsicht Wipfel und Zweige opfern, um der werth-
volleren Eiche Lieht und Luft und Wachsraum zu gestallen. Dennoch
zeigten einige Eichen hin und wieder ein heimlich eingeschlichenes Siech-
thum und es dürfte das unwillkürliche Bedenken des hellsehenden Forst-
wirths nieht unbegründet erscheinen, dass die Eiche wohl überhaupt auf
diesem flachgründigen Gneuss- Boden nicht den ihr specifisch zusagenden
Standort haben möchte und daher der genügsameren Fichte nieht durch-
weg das Heimatsrecht streitig machen sollte.
Dort stehen junge wüchsige Fichten, aus Büschel- und Einzelpflan-
zungen heıvorgegangen. Die frei und allein stehenden Pflänzlinge über-
treffen in Grösse und Stärke augenscheinlich die kleinen dichten Pflanz-
gruppen, und dies ist natürlich, denn sie geniessen nach allen Richtungen
[2
98 ! Jahres-Bericht
hin ungeschwächt die Tebensmittel einer gesunden Ernährung und Er-
ziehung. Es liegt auch kein Grund vor, wie anderoris, wo in hohen
Lagen der Schneebruch oder bei starkem Wildstande dessen Verbeissen
manche Pflanze als Opfer fordert, die überzähligen Stellvertreter zur
Bildung des künftigen Bestandes in reichhaltigen Büscheln aufzuziehen,
in deren sich nur die Wurzeln der einzelnen Individuen verschlingen und.
‚gegenseitig beeinträchtigen. Also mag der alte Förster hier immeıhin
einzeln pflanzen, aber dabei besorgt sein, entstehende Lücken rechtzeitig
durch Nachbesserung auszufüllen. |
Endlich kommen noch halbwüchsige Fichtenstangenhölzer, deren ge-
drängter Stand ihren Ursprung ans dichten Saaten nieht verkennen lässt.
Es ist eine alte Erfahrung, namentlich in Gebirgsforsten, dass bei dem
Anbau der Fichte im grossen Ganzen die Pflanzung der Saat entschieden
vorzuziehen ist ‘Die Nachtheile der Leizteren hinsichts des durch den
‚engen Schluss geheminten freudigen Gedeihens sind später schwer wieder
gut zu machen. Aber hier ist dies genügend erkannt worden, und schon
frühzeitig werden Durchforstungen vorgenommen, welche dem Wuchs der
jungen Diekungen merklich zu Hilfe kommen. Wenn diese Zwischen-
nutzungen in angemessenen Zeiträumen und im zweckentsprechenden
Grade sachgemäss wiederholl werden, dann kann die Saat sich leicht
selbst rechtfertigen und vielleicht gar in finanzieller Beziehung als vor-
zugsweise anwendbar empfehlen.
Die andauernde Ungunst des Wetters (rieb zur ungesäumten Rück-
kehr. Der Heimweg wurde durch den herrlieben Friedrichsgrund ge-
nommen. Trotz der sich mehr und mehr steigernden Eile entging den
natürlichen Reizen dieses lieblichen Thales nicht die ihnen gehührende
Würdigung.
Um 3 Uhr wurde zu Wagen die Rückkehr nach Reichenback, ange-
treten, wo ein durch Lieder und Toaste gewürztes gemeinschaftliches
Mahl die Versammelten bis zum Abgange des Zuges in heiterer Stim-
mung vereinigte.
Iu der sechsten Sitzung vom 26. October 1871 berichtete der
Secretair über die Einweihung des auf dem Grabe Wimmer”s.enrich-
teten Denksteins. In Ausführung eines Sectionsbeschlusses war nach-
stehendes Schreiben erlassen und in den botanischen Kreisen Schlesiens
sowie an die näheren Freunde Wimmer's versendet worden:
„Am 12. März 1868 starb Christian Friedrich Wimmer, nach-
dem er als praktischer Schulmann, später als Breslauer Stadt - Schulrath
bis an sein Ende segensreich gewirkt und ausgezeichnete Werke aus den
verschiedensten Gebieten der Wissenschaft zurückgelassen. Was Wimmer
insbesondere durch seine Flora von Schlesien für. die Erforschung der
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 99
Pflanzenwelt in unserer Provinz geleistet, bleibt in der Geschichte der
Wissenschaft unvergesslich.
Die botanische Section der Schlesischen Gesellschaft für vaterlän-
‚dische Cultur hat in ihrer Sitzung vom 8. December 1870 beschlossen,
dem ehrenvollen Andenken, welches sie ihrem ehemaligen Secrelair dank-
bar bewahrt, dadurch Ausdruck zu geben, dass sie die Errichtung eines
Denkmals auf Wimmer’s Grabe in die Hand nimmt, Wir richten daher
an alle Schüler und Verehrer Wimmers, sowie insbesondere an die
Freunde der schlesischen Pflanzenwelt die ergebenste Bitie, die Aus-
führung dieses Unternehmens durch Einsendung von Beiträgen an die
Unterzeiehneten fördern zu wollen.
Breslau, im Januar 1871.
Göppert, Ferdinand Cohn,
Präses der Schlesischen Gesellschaft. Secretair der botanischen Section.
_ Diese Aufforderung fand in erfreulicher Weise in allen Kreisen An-
klang, und es wurde uns eine grosse Zahl von Geldbeiträgen, zum Theil
‚bedentende Summen zur Verfügung gestellt, welche ebenso von der Ver-
ehrung, welche Wimmer bei den schlesischen Botanikern genoss, wie
von der unverlöschlichen Anhänglichkeit Zeugniss geben, welche er bei
seinen Schülern sich erworben. Nachdem die Sammlung 223 Thlr, er-
‚geben, wurde dieselbe geschlossen und dem hiesigen Hofsteinsetzmeister
‚die Anfertigung eines Grabsteins von einfacher, edler Zeichnung über-
tragen. Derselbe ist .aus schönem schlesischen Marmor im Charakter
einer hellenischen Grabstele ausgeführt und von einer Palmette aus
carrarischem Marmor gekrönt; die Vorderseite der Platte trägt die
‚Insehrift:
Christian Friedrich Wimmer,
geboren zu Breslau, den 30. October 1803,
gestorben daselbst, den 12. März 1868.
Ueber der Inschrift befindet sich in Relief ein Kranz von Weiden-
blättern, ebenfalls aus earrarischem Marmor, an die Lieblingsstudien des
Verewigten erinnernd. Der Sockel der Stele trägt die Inschrift:
BE Erriehtet von den schlesischen Botanikern,
. seinen Schülern und Freunden.
Der 27. September war zur Einweihung des Denkmals bestimmt,
welches am Grabe Wimmer’s auf dem neuen Friedhof der reformirten
‘Gemeinde aufgestellt war. Nachmittags 4'/, Uhr vereinigte sich am
‚Grabe Wimmer’s die durch gedruckte Circulare eingeladene Trauer-Ver-
‚sammlung; ein Chor hiesiger Lehrer unter Leitung des Herrn Hauptlehrer
David Letzner eröffnete die Feier mit einem von Herrn Musikdireetor
‘Schnabel componirten Lied, worauf Herr Hofprediger Faber die Ein-
»weihungsrede hielt. Er entrollte in geist- und gemüthvollen Worten ein
Zi
“4
100 Jahres-Bericht
Lebensbild des unvergesslichen Mannes, der sich selbst durch seine Wirk-
samkeit als Lehrer, als Leiter des städtischen Schulwesens, wie als Stern
der Wissenschaft ein unvergängliches Denkmal gestiftet, dass der hier
errichtete Marmor nur als Denkmal unserer Dankbarkeit und Verehrung
gelten wolle; die Rede hinterliess bei allen Anwesenden einen tiefen Eia-
druck, und ein Choral, ebenfalls von Schnabel eomponirt und von dem
Letzner'schen Chor ausgeführt, beschloss in würdiger Weise die pietäts-
volle Feier.
Nach dieser Mittheilung trug Herr Dr. Gustav Stenzel nachstehen-
den Nekrolog des am 3. Juli 1871 zu Meran verstorbenen Professor
Dr. Julius Milde vor:
Durch den am 3. Juli d. J. in Meran erfolgten Tod des Professor
Dr. Julius Milde hat die vaterländische Gesellschaft und in ihr vor
‚Allem die botanische Section eines ihrer tüchtigsten Mitglieder verloren.
Nur Wenige haben mit einer gleich rastlosen und erfolgreichen Thätig-
keit unsere heimathliche Provinz durchforscht, und nur Wenigen war es
wie ihm vergönnt, durch bedeutende Arbeiten allgemeinerer Natur sich
einen in den Kreisen der Männer von Fach weit über die Grenzen der
Provinz hinaus geachtieten Namen zu erwerben. Und nicht angesehenen
oder hochgestellten Vorfahren, nicht der Gunst der Verhältnisse, welche
Manche in sorgenfreier Lebenslage gestattet, bei mässiger Anstrengung
schätzbare Arbeiten auszuführen, selbst nicht einem hervorragenden
Talente, das mit leichter Mühe Bedeutendes schafft, verdankte Milde seine
geachtete Stellung, sondern dem, was der Mensch mit dem grössten
Rechte sein eigen nennen kann, seinem festen Willen.
Dieses ernste, feste Wollen zeigte sich in dem beharrlichen Fleiss,
mit dem er Zeit und Kraft für seine wissenschaftlichen Arbeiten verwen-
dete, in der Ausschliesslichkeit, mit welcher er dies eine Ziel verfolgte
und in der klugen Beschränkung, mit welcher er noch innerhalb seiner
Wissenschaft ein begränztes Feld wählte und festhielt, welches er bei
seinen Anlagen, seinen Hilfsmittein und seiner Zeit gründlich zu durch-
forschen hoffen konnte.
Am 2. November 1824 vom unbemittelten Eltern geboren — sein
Vater war damals Bombardier, später Rentamis-Kassendiener — würde
er jedem billigen Anspruch und sicher auch den Wünschen seiner Eltern
Genüge geleistet haben, wenn er, nachdem er die mittleren Gymnasial-
klassen erreicht, sich der unteren Beamtenlaufbahn zugewendet und in
einer auskömmlichen, aber dunklen Stellung ein nützliches Mitglied der
Gesellschaft geworden wäre. Aber das genügte ihm selbst nicht. Schon
in den oberen Schulklassen wandte er sich mit Vorliebe den beschrei-
benden Naturwissenschaften zu; sich diesen ganz zu widmen, wurde bald
das Ziel seiner Wünsche. Freilich konnte dasselbe nur durch grosse
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cuitur. 101
Entsagung und eisernen Fleiss erreicht werden. Schon jetzt war er ge-
zwungen, sich einen Theil seines Lebensunterhalts auf die mühsamste
Weise zu erwerben; auf der Universität war er fast ganz auf seine
eigene Arbeit, namentlich auf Siundengeben angewiesen. Dabei wurde
ihm das Lernen keineswegs leicht und das bittere Gefühl, hinter Man-
chem, welcher, durch häusliche Nachhülfe gefördert, ohne Mühe Besseres
leistele, in den Augen der Lehrer zurückzustehen, hätte ihn leicht vom
Studium überhaupt zurückschrecken können. Er blieb seinem Ent-
schlusse treu.
Im Frühjahre 1844, als Milde nach Prima versetzt worden war, begann
er seine botanischen Excursionen, über welche er bis 1851 regelmässige
Berichte niedergeschrieben hat, deren erster die später hinzugefügte
Ueberschrift trägt: ‚In diesem Jahre fing ich überhaupt zu botanisiren
an.“ Sein erster Ausflug ging Ende April nach dem damals noch aus-
gedehnten und pflanzenreichen Kapsdorfer Goi, wo er zuerst Adoxa
Moschatellina fand, und nun folgen in dem einen Sommer nicht weniger
als 33 Excursionen, von denen die meisten über eine Meile weit ausge-
dehnt wurden, mehrere bis in’s Trebnitzer Gebirge, eine auf den Zobten
und Geiersberg. Und schon im nächsten Sommer trat er, noch als
Primaner,
20. Juli, früh 6 Uhr, seine „grosse Reise in’s Gebirge an, voll
der schönsten Hoffnungen, aber unter sehr ungünstigen Auspicien, denu
der Himmel hing voller Wolken, welche sich jeden Augenblick zu er-
giessen drohten. Dazu kam noch der das Gehen sehr erschwerende
Koih. Trotzdem ging es immer guten Muthes weiter; ich besuchte
sogar noch den Koberwitzer Park, und berechnete, dass ich auf meiner
Rückseite Dipsacus pilosus würde blühend mitnehmen können. Die
erste Pflanze, welche ich in die Botanisirtrommel steckte, war Galega
offieinalis vor Jordansmühl. Hier ass ich Mittag und ging dann auf
Nimptsch zu, wo ich Echinospermum Lappula auf der Mauer fand.
Von jetzt ab hatte ich schönes Wetter, aber die Partie hatte
. mich doch sehr angestrengt, so dass ich in dem Dorfe vor
Frankenstein (9 Meilen von Breslau) übernachtete.“ &
(21.) Den anderen Tag ging es auf den Hartheberg, über die
Neisse nach Reichenstein; dann gleich bergauf, bald fahrend, bald
gehend nach Thalheim, wo ich Papier zum Pressen kaufte und rüstig
auf Schreekendorf zu, in welchem ich auch nach sehr grosser An-
strengung um 8, Uhr anlangte. Ein sehr erquickendes Abendbrot
und ein fester Schlaf stärkten mich zu neuen Anstrengungen.“
(22) „Erst %/,9 Uhr brach ich auf nach Klessengrund. Wegen
‘sehr starken Regens musste ich in eine Hütte einkehren, wo ich bis
2 Uhr verweilen musste. Hierauf ging ich auf den Schneeberg und
zwur nicht auf dem gewöhnlichen Wege, sondern immer am Strome
102 Jahres-Bericht
“hinauf, über die Schweizerei nach der Seite nach Altstadt zu mit
ihrer herrlichen Vegetation. Erst spät kehrte ich nach der Schweizerer
- zurück.‘ TE
„23. ging es den Schneeberg hinunter nach Altstadt, Goldenstein;
Ramsau auf die Hockschar über die | we
(24.) Bründelbaide bis zur Schweizerei auf dem Altvater.. Noch
denselben Tag besuchte ich den Gipfel des Altvaters und trotz des
srossen hegens den Petersstein.‘
25. Am anderen Morgen mit einem Führer, der mit drei Schatz-
- gräbern nach dem Peterssteine ging, dorthin, dann über die Janno-
witzer Haide an den Rand des Kessels. „Hier ging ich ganz allein
ohne Weg gerade hinab in denselben. Da das Steigen immer schwie-.
riger wurde, ich sogar in grosse Gefahr kam, aus welcher ich mich
durch (Anklammern an) Veratrum rettete, so musste ich rechts den
weiteren, aber bequemeren Weg einschlagen, da wo sich der Kessel
in grosse Wiesenflächen ausdehnt.“ Dann ging es hinauf über die
Jannowitzer Haide nach dem Peterssteine zu, aber Nebel kamen und
ich verirrte mich so, dass ich an 2 Stunden unnütz herumlief. Von
i ‚ der Schweizerei ging es nach Winkelsdorf und Goldenstein, wo die
| Pflanzen der ganzen Excursion eingelegt wurden.
26. früh nach Altstadt auf den Schneeberg, nach dem Wölfels-
fall bis Habelschwerdt.
27. über Glatz, Wartha, Frankenstein nach Kosemitz (über sechs
Meilen).
23. nach Nimptsch; mit einer Fuhre von Jordansmühl nach Bett-
lern; im Koberwitzer Park wurde Dipsacus pilosus blühend mitgenom-
men. „Um 1,10 Uhr traf ich zu Hause ein, ganz und gar zu-
frieden.“ ; ‚rs
50. Schon Mittwoch brach ich wieder früh 7 Uhr nach
Zobten auf, von tüchtigem Regen begleitet.“ Um 2 Uhr war er
auf dem Engelsberge (5 Meilen in 7 Stunden), um 5 Uhr auf dem
Zobten, Abends in Silsterwitz. — 31. wurde der Geiersberg bestiegen.
In dieser Weise hat Milde noch Jahre lang, und so weit Amts-Ge-
schäfte oder Krankheit ihn nicht hinderten, bis zu seinem letzten Lebens-
jahre die Pflanzenwelt seiner Heimath, wie der Gegenden durchforscht,
$; in welchen er sich zur Herstellung seiner Gesundheit aufhielt, wie die
- Umgebungen von Meran und Razzes. WVie viele Male hat er die ganze
2 Gegend um Lissa, wie er es mehrtals nennt, „unserem Lissa“, den
Kapsdorfer Goi, den Fuchsberg bei Schwoitsch, die Trebnitzer Hügel
5 vom Mahleuer Walde bis hinüber nach Deutsch- und Katholisch-Hammer,
2 von Skarsine bis Riemberg und Wohlau, die Gegend von Kottwitz und
% Garsuche bei Ohlau; das wenig besuchte Karlsruhe in Oberschlesien, im
4 Süden Wirrwitz und Koberwitz; im Gebirge den Zobten- und Geiers-
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 103
berg, die Beskiden von Ustron aus, das Gesenke, den Glätzer Schnee-
berg, die Umgegend von Neisse, Reinerz und Cudowa, von Salzbrunn
und Görbersdorf, das Riesengebirge namentlich von Krummhübel und
Petersdorf aus, endlich von Herischdorf, das Hirschberger Thal botanisch
durehwandert! Aber auch nur, wer Milde auf seinen Excursionen folgt,
bekommt eine Vorstellung davon, mit welcher Beharrlichkeit er eine
selbstständige Kenntniss der Natur zu erlangen strebte.
Dass zu diesen Exeursionen während der Schulzeit fast jeder freie
Nachmittag und viele Sonntage benutzt werden mussten, an denen das
Wetter es irgend gestattete, liest auf der Hand. Ja, oft liess er sich
selbst durch Regen und die Dunkelheit der Nacht nicht zurückschrecken.
Wer einmal ein Paar Stunden auf durchweichten Landwegen sich hat
fortarbeiten müssen, wird zu beurtheilen wissen, was es heisst, wenn
Milde, wie oben angeführt, den zweiten Tag nach der Rückkehr von
seiner. ersten grösseren, anstrengenden Gebirgsreise, früh 7 Uhr, „von
tüchtigem Regen begleitet‘ nach Zobten aufbrach. „Trotz abscheulichen
Regens‘ ging es ein anderes Mal, an einem Juni-Sonntag, nach dem drei
Meilen entfernten Trebnitz, wo im Buchenwalde trotz alles Suchens
keine Cephalanthera gefunden wurde (später hat sie Milde dort wieder-
holt gesammelt) und wieder nach Breslau zurück. „Sonnabend, 15. Juni
1850“, erzählt er später als Student, ‚in der Nacht um 12 Uhr ging ich ganz
allein nach Koberwitz!“ — dann werden Pflanzen ans der Umgegend von
Jordansmühl, dann von dem 5!/, Meile von Breslau entfernten Kupfer-
berge bei Dankwitz hinter Jordansmühl (z. B. Orobanche rubens), zu-.
letzt von dem auf dem Rückwege liegenden Bettlern aufgezählt, so dass.
nicht zu bezweifeln ist, dass Milde an demselben Abend wieder in
Breslau angelangt ist. Wanderungen nach dem gegen 2 Meilen entfern-
ten Lissa am Mittwoch oder Sonnabend Nachmittag gehören zu den.
häufig wiederkehrenden Ausflügen; einmal ging Milde noch Dienstag
nach der Schule auf die Lissaer Wiesen, um Intybus praemorsus blühend
zu holen; einmal noch um %,7 Uhr Abends ebendahin wegen Orchis
laxiflora und Triglochin maritimum. Noch manches Mal hat er, wie dies
schon vom ersten Jahre an als eine bezeichnende Eigenthümlichkeit
seiner Excursionen hervortritt, nach einzelnen seltenen oder für ihn be=
sonders interessanten Pflanzen anstrengende Fusswanderungen - unter-
nommen. Bei dem 4 Meilen entfernten Vielgut, nach welchem er erst
Nachmittags um 1 Uhr aufbrechen konnte, erreichte er den Standort des
Cypripedium Calceolus erst mit Sonnenuntergang. „Es steht in dem
Walde auf kleinen Kalkhügeln, die gewöhnlich von tiefen Tümpeln um-
geben sind. Daher ist es gut, wenn man Wasserstiefeln gebraucht.‘
In Schmollen wurde übernachtet und am anderen Morgen um 104, Uhr
langte Milde wieder zu Hause an. Im Herbst 1858 reiste er noch ein-
mal nach Gräfenberg, nur um die von ihm früher dort entdeckte
104 Jahres-Bericht
Notothylas (Chamaeceros) fertilis noch einmal frisch zu sammeln und ge-
nauer zu untersuchen; ebenso durchsuchte er die Sandflächen um Karlo-
witz und an den Ufern der Oder bis zu dem 3 Meilen unterhalb Breslau
gelegenen Auras mehr als einmal wegen der dort vorkommenden Equi-
seten. Aber selten wird wohl eine weite Reise so ausschliesslich der
Beobachtung einer Pflanzenform wegen unternommen worden sein, als
Milde’s Fahrt nach der Rheinschanze bei Mannheim, um die dort
besonders reich entwickelten Equiseta hiemalia an Ort und Stelle kennen
zu lernen.
„Am 6. August“, so erzählt er selbst, „hatte ich das Doctorexamen
bestanden und fuhr schon am 11. August, 29 Thlr. in der Tasche, per
Dampf zunächst über Liegnitz, Görlitz, Dresden, Riesa nach Leipzig, wo
ich übernachtete, um am anderen Morgen, 12. August, meine Reise,
deren Ziel Mannheim war, weiter fortzusetzen.“ Von Leipzig ging es
über Halle, Weimar, Kassel nach Marburg, von dort per Post in der
Nacht nach Giessen und Friedberg. Den 13. Vormittags langte er mit
der Eisenbahn in Frankfurt a. M. an und fuhr ‚sogleich weiter‘ über
Darmstadt nach Mannheim. „Nachmittags suchte ich daselbst die Rhein-
scharze auf, da die Equiseta hiemalia, welche hier ungemein häufig sind,
der Hauptgrund zu meiner Reise waren. Ich fand E. hiemale, E. hiemale
var. paleaceum, E. ramosum, E. variegatum in schönen Exemplaren“ nebst
zahlreichen Phanerogamen, Den folgenden Tag ging es nach Schwetzin-
gen, den 15. unter anhaltendem Regen nach Heidelberg und hier wurde er
inne, dass er sich verrechnet und zu wenig Geld mitgenommen hatte. Eı
fuhr daher den 16. von Mannheim über Frankfurt nach Friedberg, ging aber
von hier die ganze Nacht durch nach Marburg (8!/, Meile) zu Fuss, fuhr
dann bis Weimar, wo er übernachtete und kam den 18. Abends in der
zehnten Stunde in Kohlfurt an. Von hier ging er wieder die Nacht hin-
durch an der Eisenbahn hin bis Bunzlau und von da nach Liegnitz
(9%, Meile), von wo er mit dem Dampfwagen 19. Abends in Breslau
aulangte. Dabei fand er noch die Zeit, die gesammelten Pflanzen und
Käfer zu bestimmen und sich auch ausserdem so umfassende und gründ-
liche Kenntnisse im Gebiete der Naturwissenschaften zu erwerben, dass
er das Doctorexamen summa cum laude bestand; später für seine selbst-
ständigen Arbeiten nicht nur die bis dahin über den Gegenstand bekannt
gemachten Beobachtungen bis zu den ersten Anfängen zu verfolgen, die
darauf bezüglichen Sammlungen getrockneter Pflanzen und die grossen
Herbarıen von Berlin, Wien, St. Petersburg u. a. in einem Umfange zu
vergleichen, wie kaum Einer vor ihm, sondern auch durch eigene nament-
lich mikroskojische Beobachtungen das Bekannte zu prüfen, weiter an-
zuwenden und durch selbst Gefundenes zı erweitern. Es ist dies um so
höher anzuschlagen, als Milde nur mit einem Mikroskop beobachtete,
welches er schon als Student für 15 Thlr. gekauft hatte, aber er hut
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der Schles. Gesellsch. f. raterl. Cultur. 105
mit diesem kleinen Instrument mehr gute Beobachtungen gemacht, als
mancher Andere mit grossen Piössl's, Hartnack’s oder Oberhäuser's.
Daneben stand er als Custos den naturwissenschaftlichen Sammlungen
der schlesischen Gesellschaft vor und hier hat er allen schon durch
die Einordnung des grossen Henschel’schen Herbariums zu Stande ge’
braelit, was nur Jemand, der so rasch arbeitete, wie Milde, in so kurzer
Zeit durchführen kounte.
Endlich — und das nahm seine Kraft am meisten in Anspruch —
versah Milde sein Amt als Lehrer — ein Jahr an der Realschule am
Zwinger, dann au der zum heiligen Geist, an welcher er Ostern 1853
als sechster College und Ordinarius der Sexta ausgestellt wurde. Er hatte
hier wöchentlich 22 Stunden, namentlich Deutsch, Religion, Geographie in
den unteren, Physik in den mitileren, Naturgeschichte bis in die oberen
Klassen zu unterrichten und erhielt erst in den letzten Jahren durch Be-
sehränkung der Stundenzahl auf die Hälfte eine bedeutende Erleichterung.
Von Anfang an gab er seine Stunden mit grossem Eifer. Seine bis da-
hin regelmässig geführten botanischen Tagebücher enthalten am Schluss
die Worte: „‚‚In diesem Sommer trat ich mein Probejahr an, in Folge
dessen weniger Excursionen angestellt werden konnten. Aus freien
Stücken machte er später mit Denjenigen seiner Schüler, welche für
Kenntniss des Pflanzenreichs Interesse zeigten, zahlreiche Exeursionen
und erweckite dadurch die Liebe zu weiterer Beschäftigung mit der
Natur.
Es ist wahr: die Ferien gehörten ihm und in der Schulzeit wurde
jede freie Stunde fleissig benutzt; aber doch können wir uns hier der
Frage nicht erwehren, wie Milde zu dem Allem Zeit gefunden habe.
Vornämlich dadurch glaube ich, dass er für Vieles, was Andere erfreut,
zerstreut oder beschäftigt, nur eben so viel Zeit aufwendete, als unver-
meidlich war.
Er war keineswegs unempfäuglich für die Annehmlichkeiten des
geselligen Umgangs. Als Student gehörte er mit mehreren seiner Schul-
freunde einer Verbindung an und kam — freilich erst spät nach gethaner
Arbeit — gern in die Stammkneipe, wo er oft ausserordentlich aufgelegt
war. Der akademische naturwissenschaftliehe Verein, welchem er meh-
rere Jahre lang angehörte, verdankt seiner guten Laune eins der besten
Gelegenheitsgedichte zur Feier seines Stifiungstages und Manche, welche
mit ihm Fahrten oder Wanderungen gewacht haben, erinnern sich der
harmlosen Heiterkeit und des munteren Witzes, den er entwickelte, su
lange seine Aufmerksamkeit noch nicht dureh naturgeschichtliche Gegen-
stände gefesselt war. Aber je länger, je mehr beschränkte sieh diese
Stimmung auf einzelne sorgenfreie Stunden, auch ging er, schon um seine
Gesundheit zu schonen, des Abends wenig, in den letzten Winteru gar
nicht mehr aus.
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106 Jahres-Bericht
Ebenso schränkte sich sein Umgang mehr. mid mehr auf die seiner
Freunde ein, welche sein botanisches Interesse theilten. -Bezeichnete er
doch schon als Student in seinen Tagebüchern einen Ausflug nach dem
Zobten, bei dem nicht viel botanisirt wurde, mit ‚sichtliehem Missver-
gnügen als eine „Bummelei.‘ Andererseits führte ihm jene Gemein-
samkeit- der Bestrebungen wieder leicht neue Freunde zu.
Bei Apotheker Lohmeier in Neisse, mit dem er 1848 auf: dem
Altvater zusammengetroffen war, wurde er wiederholt auf’s Freundliehste
aufgenommen, so dass er die namentlich an interessanten Equiseten.
reiche Umgegend mehrmals durehforschen konute; ebenso von dem.alten:
Pastor Kotschy in Ustron, dem Vater des durch seine Reisen: in;
Vorderasien bekannten Botanikers Theodor Kotschy.
„Im Jahre 1852, so erzählt der schon von der Universität her mit Milde;
welcher damals als Hilfslehrer an der Realschule am Zwinger beschäftigt
‚war, befreundete Dr. Hensel, reisten wir nach Ustron, um neue Kräfte aus-
den dortigen berühmten Molken zu schöpfen, zugleich auch in der Heff-
nung, eine neue Natur zu sehen und ein billiges Leben zu führen, denn-
Ustron sollte ja am Ende der Welt unter den Mausefallenhändlern liegen,
dort musste Alles um ein blosses „Danke. schön“ -zu.haben sein. Wir
kamen an und sahen statt der elenden Hütten prächtige Häuser, ein ge-'
waltiges Dorf, grosse Fabrikanlagen, Hüttenwerke,. aber nirgends Sle-
vaken, statt deren vielmehr nichts, als elegante Welt. Unser Muth- sank.
gewaltig, doch fuhren wir nach den Badeanlagen am Ende des Darfes-
und stiegen hier ab. Wir konnten aber nirgends ein Unterkommen
finden, denn alle Wohnungen waren schon vergeben; auch hatten wir-
längt bemerkt, dass mit dem blossen „,
würde auszurichten sein. Wir waren in der T'hat in grosser Verlegen-"
heit und dachten schon daran, wieder umzukehren. ne
Da fiel Milde ein, dass er ja im Besitze eines Empfehle ke
von Göppert an den alten Kotschy, den protestantischen Seelsorger in
Ustron sei. Wir sprachen unsere Absieht, ihn aufzusuchen, gegen die.
Umstehenden aus, begegneten aber zu unserem Erstaunen überall bedenk-
liehen Gesichtern. „Der Mann mit dem steinernen Herzen, von dem ist
nichts zu erwarten,‘ sagte der Eiue. „Der schmeisst Ihnen halt 'raus,‘*
meinte der Andere, und Alle waren der Meinung, es sei geralhener,
nieht erst zu ihm zu gehen. Wir beschlossen jedoch, wenigstens einen
Versuch zu machen und Milde hielt sich verpflichtet, seinen Ei
brief abzugeben. Wir gingen also.
‚Kotschy aber wohnte am anderen Ende des unendlich na Dane:
und je näher wir der Höhle des Löwen kamen, desto mehr sank unser
Muth. Wir verspürten nieht geringe Lust, wieder umzukehren, ‚um uns
eine Scene zu ersparen; nur die Furcht, ausgelacht zu werden, trieb
uns vorwärts, Endlich war die grosse, aber unschöne Kirche erreicht;
Danke schön“ hier nieht viel.
Kal re as a Dr 2 LK Ba Zi er rk Zn a ae Pa ee a Bl nl a nctee al RE ie Le ea Se a
der Schles. Gesellsch. £. vaterl, Cultur. 107
in- kurzer Entfernung ..dahinter befand sich. das Pfarrhaus. Ich fasste
Posto auf einer Bank vor der Kirche, da ich einen Besuch von meiner
Seite nicht motiviren konnte, Milde aber schwang seinen papierenen
Talisman und beschloss, das Abenteuer zu bestehen. Bald war er hinter
der Kirche verschwunden und ich erwartete mit Spannung die’ weiteren:
Ereignisse. Doch sollte ich nieht lange in Ungewissheit bleiben... Nach‘
kurzer Zeit schon ertönte eine furchtbare Stimme weit hinter der Kirche
und ich unterschied deutlich den Ruf: „Na, wo steckt denn der Andere?
Hensel hierher! Will der nicht "rein kommen?“
Ich eilte dem Befehle Folge zu leisten und begegnete bald einer
imponirenden Persönlichkeit mit langem weissen Haar, mit hohem Cy-
linder darauf und angethan mit einem langen schwarzen Kleidungsstück
von räthselhafier Form, halb Talar, halb Rock. Milde stand dabei —
Sanz unversehrt! Unsere Begrüssung war kurz, aber energisch; Milde
winkte mir mit den Augen, es gehe gut!
„Kinder,‘“ sagte der gefürchtete Tyrann, „im Dorfe werdet ihr kein
Uuterkominen finden, aber wenn Ihr bei mir wohnen wollt, so soll mir's
sanz recht sein!“ Ein centnerschwerer Stein fiel von unseren Herzen
und wir eilten nach dem Gasthause, das Gepäck zu holen. Schadenfroh
kam man uns hier entgegen ınd meinte: „‚Na, Sie sind ja recht schnell
wieder zurück!“ Als wir nun aber erklärten, bei Kotschy wohnen zw:
wollen, da verwandelte sich die Schadenfreude in Staunen; man gaffte
uns an wie Wunderthiere und wir zogen triumphirend ab. '
Kotschy räumte uns einen Saal im ersten Stock ein, ein langes
Zimmer mit drei Fenstern in der Front, rechts führte eine Thür in die.
Wohnungsräume seiner Familie, links zu seinen eigenen. So waren wir
die Vermittler zwischen den herrschenden Gewalten des Hauses. _Doch-
ist dieses nicht wörtlich zu nehmen, denn es gab hier nur eine Herr-
schaft, die des Hausherrn; alles Andere musste unbedingt gehorchen:
Wir wohnten aber nicht bloss hier, sondeın assen auch in der Familie,
kurz wurden nur als Mitglieder derselben behandelt; ein Bote musste
jeden Morgen aus dem. entfernten Bade die Molken holen und Ustron
war für uns das gastliche Pfarrhaus.
Wie konnte aber Alles so kommen? Die Antwort wird lauten:
Milde, sein botanisches Wissen, sein Mikroskop bewirkten das Wunder.
Kotschy war eiu tüchtiger Botaniker und kannte die Flora seiner
Gegend sehr genau. Er führte Milde in den Garten und erkannte bald
an der Sicherheit, mit welcher dieser die dert angepflanzten Gewächse
bestimmte, seine umfassenden und gründlichen Kenntnisse, an der leb-
haften Freude, mit welcher er diese und jene, namentlich kryptogamische
Pflanze begrüsste, die Liebe, mit welcher er sich dem Studium des
Pflanzenreichs hingegeben hatte; ja er fand, dass er selbst von Milde
lernen könne. Dies genügte, uns — ich wurde als zoologischer Anhang
1068 Jahres-Bericht
betrachtet — die Freundschaft des Greises zu sichern, der niemals eine
Gelegenheit, seine Kenntnisse zu vermehren, ungenützt vorüber gehen
liess, |
Jetzt entwickelte sich ein reges, wissenschaftliches Leben im Pfarr.
hause. Wir, Milde und ich, machten täglich Exeursionen, ven denen
Milde stets reiche Ausbeute heimbrachte. Kotschy bedauerte es schmerz-
lich, seines hohen Alters wegen uns nicht begleiten zu können. Er er-
wartete unsere Rückkehr stets mit Ungeduld, um daun sogleich gemein-
schaftlich mit uns die gefundenen Schätze einem genaueren Studium zu
unterwerfen. Besonders interessirte ihn der Gebrauch des Mikroskops.
Die Verschiedenheit des Pollens nach den Arten, die er immer geahnt
hatle, erwies sich nun als greifbare Thatsache. Milde wurde nicht müde,
mikroskopische Demonstrationen zu halten und so seiner Wissbegierde
stets neue Nahrung zuzuführen. |
So vergingen Wochen, die ich zu den angenehmsten meines Lebens
zähle. Die Buchen- und Tannenwälder der Beskiden rerwandelten sich
in den Vorwald ferner Zonen, wir schwelgten in Phantasieen, die uns in
eine tropische Natur versetzten. Wie o‘t habe ich in späteren Jahren in den
Urwäldern Brasiliens, bei dem erhabenen Rauschen in den Kronen der
Araukarien oder unter dem smaragdgrünen Blätterdache baumartiger
Farne an jene harmlosen Zeiten zurückgedacht, wo uns an den Ufern
der Weichsel Myricaria germanica und Struthiopteris mit Bewun-leruug
und den Ahnungen einer tropischen Vegetation erfüllten, Milde war es
nicht beschieden, den sehnlichsten Wunsch seines Lebens erfüllt zu
sehen.
Endlich war die Zeit der Abreise gekommen; die Trennung wurde
uns schwerer, als wir gedacht hatten. Die Hausfrau zerdrückfe eine
Thräne im Auge und selbst der „Mann mit dem steinernen Herzen“
konnte seine Rührung nicht verbergen. Als wir auf unserem Bauern-
wagen nach Teschen fuhren, entdeckten wir in dem. Stroh des Wagens
noch manches verborgene Packet mit gebratenen Gänsen oder Enten
und so wurde uns die geheimnissvolle Thätigkeit klar, welche’ in den
letzten Tagen vor unserer Abreise auf dem Wirthschaftshofe des Pfarr-
hauses zu bemerken gewesen war.
Hatten wir unsere erste Aufnahme Milde’s botanischem Wissen, so
hatten wir die uns so lange gewährte herzliche Gastfreundschaft seiner
Anspruchslosigkeit zu verdanken, seinem kindlichen Sinn, der fern voa
aller Blasirtheit auch an dem Geringsten seine Freunde hatte und dem
die Zuneigung derer, mit denen er im näheren Verkehr trat, nielıt fehlen
konnte. Dass dies wirklich so war, lehrt sein Aufenthalt bei Kotschy.
Darum war es wohl nöthig, auch diesen seltsamen Mann zu schildern,
der mir unter allen Menschen am deutlichsten den Unterschied zwischen
Kern und Schale demonstrirt hat.“
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der Schles. Gesellsch. f. raterl. Cultur. 109
Wir können dem Urtheil über Milde’s Persönlichkeit nur beistimmen.
Seine Bescheidenheit, wegen der er:von Dr. Hodann bei den Stiftungs-
festen der entomologischen und botanischen Section, dem Käferessen, den
stehenden Beinaman modesius Milde erhielt, war ebenso frei. von jeder
-Kriecherei, wie sie sich, namentlich in den letzten Jahren, mit einem
berechtigten Selbstgefühl vertrug, das sich auf die vielseitige Anerkennung
seiner wissenschaftlichen Leistungen und auf die Bereitwilligkeit stützte,
mit welcher man ihm auch aus weiter Ferne enigegenkam, um ihn bei
seinen weiteren Arbeiten zu unterstützen. Protestant, religiös und poli-
tisch freisinnig —— er hat stets mit der Fortschriftspartei gestimmt —
verhehlte er nirgends seine Gesinnung, sprach sie aber auch nicht in einer
Weise aus, welche anders Denkende hätte verletzen können. Sein ofienes,
schlichtes Wesen, sein reines, uneigennütziges Streben gewannen ihm die
Achtung Derer, welche in amtliche oder wissenschaftliche Beziehung’ zu
ihm. traten. So stand er nicht nur mit allen schlesischen Botanikern,
welehe er kennen lernte, sondern auch mit Alexander Braun, Mettenius,
Hofmeister, Caspary, Sanio, Rabenhorst, Fenzl, Reichardt, Juratzka und
vielen Anderen in freundschaftlichem Verkehr: ja sein Briefwechsel be-
schränkte sich, seine Frau ausgenommen, wohl so gut wie ganz auf
Männer seiner wissenschaftlichen Richtung.
Anfängern war er stets bereit, namentlich durch Bestimmung von Pflan*
zen behilflich zu sein, wo er nur sah, dass das von ihm Gebotene auch
fleissig benutzt und so etwas Tüchtiges gefördert werde. Jemand, der ihm
Moose brachte, welche Milde ihm bereits wiederholt bestimmt hatte,
liess er seine Ungeduld merken, und konnte ihm auf die Frage, er störe
wohl, antworten: ‚Mich stört man immer!‘‘ Seine genaueren Freunde
nahmen sich, wenn sie ihn mitten in einer Arbeit trafen, ein Buch oder
ein Packet Pflauzen vor und warteten, bis er einen Abschnitt machte.
Ich selbst habe ihn nur einmal unbeschäftigt getroffen, als ich ihn wenige
Tage vor seiner letzten Abreise nach Meran zum letzten Male besuchte.
Mit der Kraft war auch der Mutlı und die Lust zur Arbeit geschwunden,
bei einem Manne wie Miide wohl ein ebenso bedenkliches Zeichen für
sein herannahendes Ende, wie irgend ein körperlicher Zustand.
Gesellschaften gab Milde ebenso wenig, wie er sie anderswo auf-
suchte, selbst Concerte und Theater besuchte er nur hin und wieder
seiner Frau zu Gefallen,
Seine erste Frau, eine Tochter des Oberorganisten Freudenberg,
hatte er bei seinem Aufenthalt in Reinerz 1853 kennen gelernt, schnell
eine lebhafte Zuneigung zu ihr gefasst, sich mit ihr verlobt und sie das Jahr
darauf geheirathet. Auch sie musste sich daran gewöhnen, dass Milde
bald nach der Hochzeit seine Lieblingsbeschäftigungen, welche ihr anfangs
wohl nur als Liebhabereien erschienen, mit Lebhaftigkeit aufnahm und
bald wieder fast so ausschliesslich verfolgte, wie früher. Ihre bald ein-
410 “0 sJahres-Berieht
tretende Kränklichkeit, wie die Sorge für die Kinder machten ‘<s ihr
unmöglich, inn auf seinen Excursionen zu begleiten. Aber sie war- eine
Frau von zu klarem Verstande, um sieh niebt in das ihr zuerst Fremd-
artige zu finden und so haben Beide nicht nur gute Tage getheilt, son-
dern auch die schweren Prüfungen, . welche namentlich durch andauernde
Krankheiten ihnen beschieden waren, mit einander getragen.
‚Wie seine Umgebungen sich mit dem begnügen mussten, was .die
Wissenschaft für sie übrig liess, so musste es noch mehr die Kunst. Er
hörte gern eine gute Musikaufführung und sein Zimmer war mit‘ kleinen
und grossen farbigen Bildern geschmückt, meist Abbildungen merkwürdiger
Gewächse. Eine Victoria regia und ein grosser Pandanus an der, der
Thür gegenüber liegenden Wand begrüssten sogleich den Eintretenden.
Aber wenn er die Wahl zwischen der Untersuehung einer interessanten
Equisetenform und einem guten Concert gehabt hätte, er würde keinen
Augenblick geschwankt haben, und wie Viele hätten es über sich ge-
‚bracht, wie Milde auf seiner oben erwähnten Reise oder eigentlich Fahrt
nach der Rheinschanze, wenige Tage nach dem summa cum laude be-
standenen Doctorexamen durch. Dresden, Leipzig, Weimar, Frankfurt am
Main durchzufahren, ohne ein Paar Tage zur Beäichäbng dieser Städte,
welche er meines Wissens ausserdem nie berührt hat, ihrer Bauwerke
und vor Allem ihrer Kunstschätze zu verwenden? Und dies Alles ver-
sagte er sich, wie ich glaube, ohne grossen Schmerz, und er musste es
sich versagen, wenn er den Hauptzweck seiner Reise erreichen wollte,
die Equiseta hiemalia an dem Orte beobachten zu Konen, wo er sie am
‚mannigfaltigsten entwickelt fand.
So war auch seine ganze Lebensweise änsserst einfach. Wohnung,
Kleidung, Nahrung waren ihm eben nur Bedürfnisse, nicht Gegenstände
des Genusses oder des Vergnügens, und er hatte früh entbehren lernen,
-um seine Mittel ganz der Förderung seines Studiums zuwenden zu kön-
nen, Seine erste grössere Gebirgsreise nach dem Altvater, auf welcher
er, wie sich aus den oben über dieselbe gegebenen Mittheilungen ergiebt,
‘9 Tage unterwegs war, bestritt er mit noch nicht zwei Thalern, welche
er sich, damals noch Schüler, auf die mühsamste Art erworben und zu-
‚sammengespart hatte; und auf der ebenfalls neun Tage dauernden Reise
nach der Rheinschanze verbrauchte er als Dr. philosophiae ausser dem
Fahrgelde nur etwa 5 Thaler bei den austrengendsten Märschen.
Auf diese Art wurde es ihm möglich, schon als Student ein kleines,
‚aber brauchbares Mikroskop, später kostspielige Sammlungen getrock-
neter Pflanzen und Werke wie Schimper’s grosse Bıyologie, Fee’s Farne
-9..8. zu erwerben. Immer war sein Sinn auf das gerichtet, was er.da-
‚mit erreichen wollte, nicht auf das Geld selbst, daher war er, eine beim
‘Zusammenleben mit ihm sehr angenehme ‚Seite, niemals’ ‚kleinlich in
‚Geldsacbemit. od) sie ‚siglotisr deilmasik a Jah. abaiw bied
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‚ Aber er mied nicht nur das Entbehrliche, er opferte auch jede
‘Behaglichkeit des Lebens, jt, freilich ohne es zn ahnen, seine Gesund-
heit der Verfolgung seiner Bestrebungen. Wie oft ist er in Wind und
:Regen, auf durchweichten Wegen meilenweit gegangen, ja ganze Nächte
hindurch marschirt, mit welchem ärmlichen Nachtquartier hat er sieh oft
beholfen! Und doch sollte eine vergleichsweise nur mässige Anstrengung
den ’ersten Ausbruch des Leidens herbeiführen, welches ikn endlich noch
im kräftigsten Mannesalter dahingerafit hat. .‚Den 12. Mai 1847, heisst
es in seinem Tagebuche, „fuhr ich nach Kanth, von da ging es nach
Zobten. Hier, wo übernachtet wurde, bekam ich einen geschwollenen
‚Fuss, so dass die Exeursion am Donnerstage eine sehr traurige wurde.‘
Trotzdem ging er auf den Zobten, um Käfer zu sammeln und über
Gorkau nach Kanth, wo er in Folge von Hitze und Anstrengung zum
‘ersten Male einen starken Blutauswurf hatte, was er freilich nur durch
:die.von späterer Hand zugesetzten Worte: Hoc tempore fatalis illa con-
gestio sanguinis andeutet.
Zwar machte er schon 14 Tage später wieder den ersten grösseren
Ausflug, aber im folgenden Jahre musste er in Salzbrunn, dann wie-
:derholt in Reinerz und 1359 abermals in Salzbrunn die Kur brauchen,
bis.er im December 1860 so ernstlieh an der Brust erkrankte, dass er
einen längeren Urlaub nehmen musste. Im Mai 1361 ging er nach
Reichenhall und als sich sein Zustand dort nicht besserte, im August
nach Meran, von wo er zwar im Sommer 1862 nach Breslau zurück-
kehrte, um seine Stunden zu übernehmen, wohin er aber schon im Sep-
tember noch einmal gehen musste, um dort noch zwei Winter (den
-Sommer verweilte er in Razzes anı Schlern) zuzubringen. Dadurch wurde
sein bereits -tief gewurzeltes Leiden so weit gehoben, dass er noch
länger als sechs Jahre seinem Amte, wenigstens theilweise, vorstehen
und eine fast unglaubliche wissenschaftliche Thätigkeit entwickeln konnte.
Wie er eine solche überhaupt möglich gemacht, das habe ich im
‚Vorhergehenden darzulegen gesucht; um ihr aber einen bedeutenden Er-
folg zu sichern, dazu trug noch Eins sehr wesentlich bei: die Beschrän-
kung auf ein bestimmt abgegrenzies Gebiet. 3
So lange Milde’s Thätiekeit noch wesentlich darauf gerichtet war,
sich selbst zu unterrichten, tritt eine so bestimmte Richtung, welche ihn
bald zur Einseitigkeit geführt haben würde, noch keineswegs hervor.
Als er zuerst angeregt, wie so viele Schüler des Magdalenäums, dieser
Pflanzschule für Jünger der Naturwissenschaften in Schlesien, durch den
Unterricht des alten Schilling, dann auf’s Freundlichste gefördert durch
Prof. Sadebeck, zu botanisiren anfing, war naturgemäss sein Augenmerk
ausschliesslich . auf. Phanerogamen gerichtet; aber schon im zweiten Som
mer werden hin und wieder Käfer erwähnt,. im- drilten werden. diese
vorwiegend gesammelt. So bleibt es auch im ersten Studienjahre, wäh-
112 Jahres: Bericht
rend dann, namentlich auf Excursionen mit Dr. Körber, die ersten Krypto-
gamen auftauchen. So bestimmend dessen Vorträge, so wie die seiner
beiden, bis an sein Ende von ihm hochverehrien Lehrer Göppert und
Nees von Esenbeck auch für die wissenschaftliche Richtung seines ganzen
späteren Lebens gerade in dieser Zeit geworden sind, so hat Milde doch
fast ebenso viele mineralogische und zoologische, ja physikalische und
chemische Collegia gehört, als botanische und sich auf diese Weise so
ausgebreitete Kenntnisse in diesen Fächern erworben, dass er später in
allen ohne Schwierigkeit unterrichten konnte. Ja, es möchten nur Wenige
eine so gleichmässige Kenntniss aller drei Naturreiche besitzen, wie sie
Milde sich erworben hatte. Aber er liess sich dadurch nicht verleiten,
seine Kräfte da zu zersplittern, wo es galt, die Wissenschaft selbst-
ständig zu fördern. „Wer etwas Treffliches leisten will“, das empfand
er mit dem Dichter, „‚der sammele still und unerschlafft im kleinsten Punkte
die höchste Kraft.“ Diese gesammelte Kraft wendete Milde der allseitigen
Erforschung der beblätterten Kryptogamen, vor Allem seiner Heimath, zu.
Eine so gründliche Kenntniss der Inseeten, namentlich der Käfer, er sich
erworben hatte, so beschränkten sich seine zoologischen Studien!) ausser
einigen Mittheilungen aus der Thierwelt von Görbersdorf und Meran
(namentlich über Eidechsen und Skorpione) auf eine vortrefflich geschrie-
bene Abhandlung über die Singeieaden im Osterprogramme der Real-
schule zum Heiligen Geist vom Jahre 1866, welche beweist, dass Milde
einem solchen Gegenstande alle die Seiten abzugewinnen wusste, welche
ihn auch für einen weiteren Leserkreis anziehend machen.
Seine volle Kraft wendete er ungetheilt der Erforschung der Ge-
fäss-Kryptogamen und der Moose zu. „Wenn es im Himmel keine
Kryptogamen gäbe,“ sagte er einmal scherzend, „so möchte ich nicht
hinein kommen‘ — was könnte wohl besser ausdrücken, wie sehr sein
ganzes Denken und Trachten sich in dieser Richtung bewegte; es schien
doch, als könne er sich den Himmel ohne sie nicht recht denken.
Auf alle ihm entgegentretenden Nalurerscheinungen aufmerksam, hat
er freilich auch ein paar kurze Bemerkungen über allgemeinere, physio-
logische und anatomische Verhältnisse veröffentlicht, wie über das Leuch-
ten der Pflanzen, die Reizbarkeit der Blätter des Sounenthau’s und das
Sklerenchym 2). ‘Auf seinen ausserordentlich zahlreichen Exeursionen,
welche er theils von Breslau aus, theils von den verschiedensten Punkten
des schlesischen Gebirges; in denen er sich längere Zeit aufgehalten hat,
unternahm, hatte er er sein Augenmerk den verschiedensten Pflanzen,
!) Diese, wie die folgenden eingeschalteten Zahlen beziehen sich auf die eben
so bezifferten Abschnitte des am Schluss gegebenen Verzeichnisses von Milde’s
Schriften. _ Bl 2
NR
der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 113
auch den Phanerogamen, zugewendet, und hier machte er schon als
Student eine seiner merkwürdigsten Entdeckungen, indem er in einem
jetzt trocken gelegten kleinen Sumpf vor Grüneiche bei Breslau die Wolffia
(Lemna) arrhiza *%) nicht nur für Schlesien, sondern für Deutschland zuerst
auffand. Auch sonst enthalten die Berichte über seine Excursionen werth-
volle Beiträge zur Kenntniss der gesammten schlesischen Flora ®), wie in
ähnlicher Weise ein längerer Aufsatz in der botanischen Zeitung: „‚Wissen-
schaftliche Ergebnisse meines Aufenthalts bei Meran‘ zu der von Süd-
tirol; aber schon früh erkannte er, dass es vor Allem Noth thue, die
bisher nur von einer kleineren Zahl von Botanikern aufgesuchten Krypto-
gamen nach ihrem Vorkommen und ihrer Verbreitung, zunächst in Schle-
sien, genauer kennen zu lernen, wie er dies schon 1852 in einem Auf-
salz über die Kryptogamenflora der Umgegend von Breslau aussprach.-?)
Diese finden daher schon in jenen allgemeinen Berichten eine vorwie-
gende Berücksichtigung in einer nicht viel kleineren Zahl anderer sind
sie der alleinige Gegenstand.
Mit dieser pflanzengeographischen Thätigkeit ging Hand in Hand die
andere schwierigere und bedeutendere, die einzelnen Arten in ihrem
ganzen Formenkreise vollständig kennen zu lernen und danach naturge-
mäss gegen einander abzugrenzen.
Nur bei den Equiseten °), denen er wohl die grössere Hälfte
seiner gesammten Arbeitskraft gewidmet hat, hat Milde auch eine Reihe
bedeutender Beobachtungen über die Entwickelungsgeschichte angestellt,
indem er die damals nur sehr unvollständig bekannte Keimung ihrer
Sporen bis zur Bildung der Antheridien und später auch der Archegonien
verfolgte, welche er zuerst und unabhängig von den fast gleichzeitigen Unter-
suchungen Hofmeister’s aufgefunden hat. Mit dieser Entdeckung, welche er
in seiner Doctor-Dissertation de sporarum Equisetorum germinatione 1850 ver-
öffentlichte, beginnt eine lange Reihe kleinerer und grösserer Aufsätze über
die Familie der Equisetaceen in den beiden oben bezeichneten Richtungen,
_ aus denen ich nur die Bearbeitung der Equiseten in den „Gefäss-Krypto-
gamen Schlesiens 1858“, der Novara-Expedition (1862 und 1870), Indiens
in den Annalen des Leydener Museums (1863) und Brasiliens in Martius,
flora Brasiliensis hervorhebe, indem Milde das Gesammtergebniss seiner”
Beobachtungen in der grossen, als Vol. XXXIl. p. II. der Nova Acta der
Leopoldinischen Akademie 1867 erschienenen Monographie der Equi-
seten (607 8. und 35 Taf. in 4°) und den fast gleichzeitig herausge-
gebenen Filices Europae et Atlantidis®) niedergelegt hat. Es enthält das erste
dieser Werke, die Monographie, ausser einem wohl erschöpfenden geschicht-
lichen Theil eine eingehende morphologische und anatomische Darstel-
lung der einzelnen Organe, dann in dem systematischen Abschnitt eine mit
scharfem Urtheil sichtende Behandlung der in Druckwerken und Samm-
. lungen veröffentliehten Arten, überall gestützt auf eine Fülle eigener
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114 Jahres-Bericht
Beobachtungen. Ich erwähne nur, dass sie mit Ausschluss der später
von ihm selbst wieder eingezogenen Arten vier von ihm neu aufgestellte
enthält: Egwisetum Marti, E. mexicanum, E. Schaffneri, E. Sieboldi. Da-
gegen möchte die von ihm aufgestellte Gattung Hippochaete, die Abthei-
lung der Equiseta hiemalia umfassend, doch kaum allgemein angenommen
werden. Es will mir schon als ein böses Omen erscheinen, dass er, staft
nach einem durchgreifenden Merkmal einen neuen zu bilden, ihr einen
Namen gegeben hat, der nur die Uebersetzung des alten Gattungsnaiiens
Equiselums ist.
Wenn auch nicht in gleichem Umfange wie die Schachtelhalme, von
denen Milde alle bis jetzt auf der Erde gefundenen Arten untersucht hat,
so hat er doch auch die formenreiche Familie der Farne®) mit grosser
Liebe durchforscht. Ausser der umfassenden Bearbeitung der heimischen
Arten in den schon genannten Gefäss-Kryptogamen Schlesiens (1858),
der deutschen in den höheren Sporenpflanzen Deutschlands und der
Schweiz (1865), und der gesammten europäischen und vorderasiatischen
in den Filices Europae et Atlantidis (1867) hat Milde hier eine besonders
srosse Zahl kritischer, schwer zu begrenzender Arten einzeln oder in
kleinen Gruppen behandelt, an welche sich die umfangreichen mono-
sraphischen Bearbeitungen der Gattungen Osmunda, Botrychium und der
deutschen Ophioglossaceen anschliessen. Auch hier sind von Milde einige
neue Arten aufgestellt worden, wie Botrychium boreale, Oystopteris sudetica
gemeinschaftlich mit Alexander Braun, Cheilantes Kuhnii, Athyrium felle-
ciosum, Asplenium Reuteri, A. silesiacum (Unterart von A. Adiantum nigrum) ;
von besonderem Interesse sind die von ihm theils entdeckten, theils
richtig erkannten Bastarde und Mittelformen wie Asplenium dolosum (A.
Adiantum nigrum >< Trichomanes), A. adulterinum (A. Trichomanes-viride),
Scolopendrium hybridum (Scolopendrium >< Ceterach offieinarum) und >
dium spinuloso-cristatum.
Die kleinen Familien der Lyeopodiaceen!P) und Ehrebcdpeitinn
haben Milde nur wenig beschäftigt, obwohl er auch hier eine neue Art,
Selaginella affınis aufstelliee Für uns Schlesier vom grössten Interesse
ist die Entdeckung der Isoetes lacustris im grossen Teich des Riesen-
gebirges im Jahre 1866, ein neues so vereinzeltes Vorkommen, dass es
unwillkürlich zu gewagten Vermuthungen über die Verbreitung der Ge-
wächse herausfordert.
Wie Milde seine Untersuchungen über die gesammten Gefäss-Krypto-
gamen unserer Provinz schon 1858 in seiner grossen Arbeit über diesen Ge-
genstand in den Verhandlungen der Leopoldinischeu' Akademie niedergelegt
hatte, so that er dies 1865 für einen weiteren Kreis in den „Höheren Sporen-
pflanzen Deutschlands und der Schweiz‘ und zuletzt für Europa, Nord-
afıika und die zugehörigen atlantischen Inseln, Kleinasien und Sibirien in
seinen ‚„‚Pilices Europae et Atlantidis“. Für das letzte Werk standen ihm
N:
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 115
die reichsten Hilfsmittel zu Gebote und indem er mit steigendem Inter-
esse die Veränderungen verfolgte, welche viele der beschriebenen Arten
bei ihrem Vorschreiten nach dem Süden erleiden, konnte er sich der
Frage nicht erwehren, ob hier nicht vor unseren Augen Uebergänge ver-
schiedener Arten — wie viele dieser Formen waren als solche aufgestellt
worden — ineinander vorlagen. In seinen „Materialien zur Beur-
theilung der Darwin'schen Theorie“, welche 1867 in der bota-
nischen Zeitung erschienen, kommt er zu dem Eıgebniss, dass einige
Arten, wie Blechnum Spicant, Athyrium Filix-femina u. a. trotz weiter Ver-
breitung wenig variiren, während andere, z. B. Polypodium vulgare, Chei-
lanthes fragrans, Asplenium Ruta - muraria, in von einander entfernten
Gegenden in so verschiedenen Formen auftreten, dass er selbst bei mehr
als einer erklärt, ces würde sie jeder unbedenklich für besondere Arten
halten, wenn nieht bei Vergleiehung zahlreicher Exemplare, namentlich
aus. den zwischenliegenden Ländern, Tebergänge sich fänden, welche
diese Annahme widerlesten. Ohne Rücksicht fast auf die Bedeutung der
irennenden Merkmale vereinigt daher Milde alle noch so verschiedenen
Formen, welche durch Uebergänge verbunden sind, in eine Art und findet
nun, dass die so begrenzten Arten durch bestimmte und feste Merkmale
von einander getrennt sind. Zwischen den auf diese Art. vereinigten
Formen finden sieh oft mindestens ebenso grosse Unterschiede, wie
zwischen vielen von ihm als wohl begründet angenommenen Arten und
es drängt sich doch die Frage auf, ob es nicht naturgemässer wäre, an-
zunehmen, dass wir in jenen Formen ebenso gute Arten vor nns haben,
wie in diesen, nur dass bei jenen noch die Zwischenformen uns erhalten
sind, während diese zwischen den nicht durch Uebergänge verbundenen
Arten entweder noch nicht aufgefunden oder nicht mehr vorhanden sind.
Vielleicht geht bei den ersteren die Spaltung einer Grundform in mehrere
Arten eben noch vor sich, während sie bei den letzteren in der Zeit
weit zurückliegt, und die auseinandergehenden Entwicklungsreihen eine
festere Gestalt angenommen haben. Betrachtungen wie die, dass die
zahlreichen auch von Milde angenommenen Arten der Equiseta hiemalia
trotz ihrer ausserordentlichen Verschiedenheit vielleicht doch nur Formen
einer und derselben Art seien, mussten selbst Milde bedenklich machen
und waren es wohl, die ihn einmal zu der Aeusserung drängten: „Ich
habe stets gegen Darwin geschrieben und am Ende habe ich für ihn
gearbeitet.‘ *)
Erst nachdem Milde die Gefäss - Kryptogamen so weit bewältigt
=) Hierbei ist nur an die Darwin’sche Annahme die Entstehung verschiedener
Arten aus einer gemeinsamen Grundform, nicht an der Zuchrwehl als Bi der-
selben zu denken.
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116 Jahres-Bericht ’
hatte, dass er einen gewissen Abschluss in ihrer Erkenntniss erreicht
hatte, oder wenigstens, wenn ich so sagen darf, festen Boden unter
seinen Füssen fühlte, wendete er, ohne jene darum aus den Augen zu
verlieren, seine volle Kraft den Moosen!!) zu.
Zum ersten Male trat dies hervor, als er am Geburtstage des Königs
im October 1855 nach einer Einleitung über die Wichtigkeit des Tages
die Festrede selbst über die Bedeutung und den Nutzen der Moose im
Haushalte der Natur hielt.
Schon im folgenden Jahre veröffentlichle er seine „Uebersicht
der in Schlesien bisher beobachteten Laubmoose, zusammen-
gestellt nach den Qnellen und eigenen Beobachtungen‘ und seitdem hat
er diesen Gegenstand mit solcher Ausdauer verfolgt, dass er 1869 in
seiner Bryologia silesiaca, welche freilich auch ganz Norddeutschland,
Jütland, Holland, Baden und selbst die Gegend um München umfasst,
zuerst eine erschöpfende Bearbeitung der schlesischen Laubmoose geben
konnte. Bei voller Anerkennung der früheren Arbeiten über diesen
Gegenstand kann er daher mit Recht als der Vater der schlesischen
Bryologie bezeichnet werden. Milde selbst erwähnt mit seiner, von jeder
Ruhmredigkeit freien, schlichten Wahrheitsliebe die bedeutenden Vor’
arbeiten, welche namentlich von Albertini, Sendtner und Göppert ausge-
führt worden waren, und ihm durch die hohe Freigebigkeit des Letzteren
zngünglich gemacht worden, so dass von 346 Arten in der ersten oben
erwähnten Uebersicht nur 5 von Milde zuerst in Schlesien gefunden
worden sind. Aber jene grosse Zahl war nicht bekannt gemacht, son-
dern in handschriftlichen Verzeichnissen oder Privatherbarien niedergelegt,
so dass schon hier das Verdienst einer fleissigen und sichtenden Zu-
sammenstellung und Veröffentlichung Milde gebührt. Die Bryologie ent-
hält aber, zwar nicht allein, aber hauptsächlich durch Milde’s rastlose
Bemühungen bereits 457 Arten, zu denen in zwei Nachträgen noch neun
Arten kamen, so dass die Gesammtzahl der bei Milde's Tode bekannten
Arten 466 beträgt. Jahr für Jahr lässt sich dieser bedeutende Zuwachs
in den Jahres-Beriehten der Schlesischen Gesellschaft und seit 1861 in
einer Reihe von Aufsätzen Milde’s in der botanischen Zeitung verfolgen
Ein Verzeichniss der 83 von Milde selbst zuerst in Schlesien gefundenen
Arten, welches ich der Güte des Herrn Limpricht verdanke, der- mich
überhanpt bei meiner Arbeit auf’s freundlichste unterstützt hat, schliesse
ich an.
In ein vortreffliches allgemeines Bild fasste Milde die pflanzengeo-
graphischen Ergebnisse seiner Moosstudien zusammen in „Die Verbrei-
tung der schlesischen Laubmoose nach den Höhen und ihre
Bedeutung für die Beurtheilung der schlesischen Flora. Mit einer tabula
bryo-geographica“, welche 1861 in den Verhandlungen der Leopoidinischea
Akademie erschien. | \
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 217
Ebenso bedeutend wie die Erweiterung unserer Kenntniss der Moos-
flora Schlesiens waren Milde’s Untersuchungen zur genaueren Kenntniss dieser
Pflanzen selbst. Folgte er auch, wie bei den Farnen den bahnbrechenden
Arbeiten von Mettenius, so hier denen Schimper’s, so geschah das doch
stets mit selbstständigem Urtheil auf Grund eigener Forschung. Daher ver-
danken wir ihm nicht nur vielfache Beiträge zur genaueren Kenntniss der
bekannten, sondern auch die Aufstellung von 15 neuen Laubmoosarten,
zu denen noch 9 in Gemeinschaft mit Juratzka aufgestellte hinzukommen:
Dicranella decipiens (Hedwigia 1565 p. 32); Barbula pagorum (Bot. Ztg.
XX. p. 459); Campylopus Schimperi (Ein Sommer in Südtirol No. 13);
Coscinodon humilis (Bot. Ztg. 1864 Beilage); Bryum fallae (Schimper’s
Synopsis 1860, p. 691); B. amoenum (Linnaea 1869); Hypnum dolomi-
tieum (Ein Sommer in Südtirol 21 No. 2); Brachythecium vineale (Bot-
Ztg. 1864 Beil.); Br. vagans (Bryologia silesiaca p. 331, Bot. Zt. 1869);
Br. Geheebii (ebenda); Polytrichum (Atrichum) anomalum (ebenda); Campto-
thecium insigne (Bot. Ztg. 1861; später zu C. nitens gezogen); Plagio-
thecium Arnoldi (Bryol. siles. p. 318; Bot. Ztg. 1869); HAypnum (Ambly-
stegium) densum (Bot. Ztg. 1864 Beil.); Bryum Juraizkae (Zool. bot. Ges-
1870). Gemeinsam mit Juratzka: Plagiothecium Schimperi (Rabenhorst
Bryotheca Europaea 1862 No. 588); Barbula insidiosae (Bryol. siles.
p. 120); B. Haussknechtü; Trichostomum persicum; Entosthodon angusti-
folius; Bryum dalachanicum; Atrichium Hausshnechtü; Leucodon caucasicus;
Brachythecium umbilicatum, die letzten sieben in den Verhandlungen der
zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien vom Jahre 1870.
Selbst unter den Lebermoosen !?), welche durch Nees Erinnerun-
gen aus dem Riesengebirge bereits eine klassische Bearbeitung erfahren
hatten, fand Milde ausser einer neuen Riccia (R. affinis) bei Meran ein in
doppelter Hinsicht interessantes Pflänzchen im Jahre 1856 zahlreich bei
Gräfenberg. Dasselbe hatte zwar Aehnlichkeit mit der damals in Europa
noch wenig bekannten Gattung Notothylas Sull., unterschied sich aber
durch mehrere bedeutende Merkmale, namentlich, wie Milde glaubte,
durch den Mangel einer Columella in der Frucht. Milde stellte daher
für dasselbe eine neue Gattung, Chamaeceros, auf und nannte die Art
Ch. fertilis. Lehmann in Hamburg, welcher eine ähnliche Pflanze bei-
Karlsbad gefunden, bezweifelte die Berechtigung der neuen Gattung und
Milde sah sich, wohl das einzige Mal in seinem Leben, in eine literarische
Fehde verwickelt. Er antwortete mit einer „Rechtfertigung des Genus
Chamaeceros“, sah sich aber, weil ihm wohl selbst Zweifel aufgestiegen
waren, veranlasst, noch einmal nach Gräfenberg zu reisen, wo er die
Pflanze sowohl an Ort und Stelle beobachtete, als auch eine Anzahl
lebend nach Breslau brachte und bis zur vollen Fruchtreife ceultivirte.
Hier überzeugte er sich freilich, dass die von ihm früher übersehene
Columella vorhanden sei, und mit der Offenheit, die ihm in solchen
R
118 Jahres-Bericht
Fällen so wohl anstand, sprach er dies alsbald aus, zog die von ihn
aufgestellte Gattung Chamaeceros ein und verwerthete das ihm ausserdem
inzwischen zugänglich gewordene Material, namentlich von amerikanischen
Pflanzen zu einer gründliehen, durch zwei Doppeltafeln mit sorgfältigen
Abbildungen erläuterten Monographie ‘der Subiribus Notothyladeae. Immer
bleibt Notothylas fertilis Milde eine seiner interessantesten Entdeckungen.
Endlich schliesse ich noch an, dass selbst die Pilze !?) nicht ganz
leer ausgegangen sind. Das von Bernstein entdeckte Microstoma hiemale
wurde von Milde genauer beschrieben und wiederholt die Aufmerksam-
keit auf die schlesischen Trüffeln — falsche und echte — hingelenkt.
Für so umfangreiche und gründliche wissenschaftliche Arbeiten wurde
Milde nicht nur bei seinen Freunden, sondern auch in weiten Kreisen
vielfache Anerkennung zu Theil. Seinen wissenschaftlichen Leistungen
verdankte er es, dass die städtischen Behörden mit nicht genug anzu-
erkennender Freigebigkeit ihm wiederholt längeren Urlaub nnd in den
letzten Jahren eine grosse Erleichterung durch Verminderung seiner
Stundenzahl gewährten. Die Königliche Behörde ehrte ihn durch Ver-
leihung des Titels Professor, zahlreiche Gesellschaften ernannten ihn zu
ihrem correspondirenden, wirklichen oder Ehrenmitgliede und 4 Moose
(Fissidens Mildeanus, Bryum Mildeanum, Brachythecium Mildeanum, Tricho
stomum Mildeanum), 1 Lebermoos (Jungermannia Mildeana) und eine von
hm bei Meran entdeckte Flechte, (Stenecybe Mildeana Krb.) tragen seinen
Namen,
Und wenn uns in der Trauer darüber, dass ein so strebsamer Geist
uns entrissen werden musste, als er noch die volle Fähigkeit und Kraft
besass zu wirken und zu schaffen, ein Gedanke trösten kann, so ist es
der, dass er selbst nicht lange vor seinem Tode gegen einen Freund
aussprechen konnte, dass er die Ziele, welche er sich gesteckt, in der
Hauptsache erreicht habe. Mit Recht mag daher das Andenken an den
Verewigten uns an das Wort des Dichters erinnern:
Dem ernsten Wunsch, dem ungetheilten Streben
Wird gern zuletzt der Siegespreis gegeben.
Verzeichniss der von Dr. Milde veröffentlichten Schriften.
Das folgende Verzeichniss von Milde’s Schriften gründet sich auf
Ansicht der Arbeiten selbst. Diejenigen, welche nach Ausschnitten auf-
geführt sind, die sich in seinem Nachlass vorfanden, habe ich in den
betreffenden Zeitschriften‘ verglichen, so weit mir dieselben zugänglich
waren. Einige Wenige habe ich ohne diese Prüfung aufnehmen müssen,
und bei ihnen wmöchte sich wohl ein oder der andere Irrihum einge-
schliehen haben. Jede Berichtigung oder Ergänzung werde ich dankbar
entgegen nelımen und im nächsten Jahres-Bericht der Schlesischen Ber
schaft als Nachtrag veröffentlichen.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur, 119
Abgekürzt worden sind folgende, oft wiederkehrende Aufschriften:
Schles. Ges. = Uebersicht der Arbeiten und Veränderungen der schle-
sischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, seit 1850: Jahres-
Bericht derselben.
Bun ‚bot. V. = Verhandlungen des botanischen Vereins der Provinz
Brandenburg und der angrenzenden Länder.
Zool.-bot. Ges. = Verhandlungen der k. k. zoologisch - botanischen Ge-
sellschaft in Wien. ’
Bot. Zt. = Botanische Zeitung von Mohl und Schlechtendal, später de
Bary.
' Nova Acta = Nova Acta Academiae Caes. Leopoldino-Carol. Nat. Curios.
1. Zoologie.
Zoologische Mittheilungen aus Meran (Zool.-bot. Ges. 1865 $. 961 ff.),
betr. Salamandra maculosa, Cicada argentata, Scorpius germanus,
Sc. italicus.
Thierwelt Merans (Schles. Ges. 1866 $. 55—59).
Ueber Zootoca vivipara (Zool.-bot. Ges. 1870). Ä
Die Singeicaden (Programm der Realschule zum Heiligen Geist in
Breslau 1366).
Mittheilungen aus Görbersdorf (über Drahtwürmer und Eidechsen ete, —
Zool-bot. Ges. 1868; Schles. Ges. 1868. S. 147).
2. Botanik, allgemeine.
Ueber Sklerenchymzellen (Linnaea 1870 $. 191).
Zum Leuchten von Pflanzen (Schles. Ges. 1851 $. 82).
Ueber die Reizbarkeit der nl von Drosera rotund. (Bot. Zt. 1852
Sp. 540).
3. Zur Flora Schlesiens und der Umgegend von Meran. _
Ueber Excursionen im Sommer 1853 (Schles. Ges. 1853 8. 164 — 168).
Ueber. einige interessante Pflanzen der schlesischen Flora (Ebenda 1857
S. 68, 82).
Botanische Notizen aus Schlesien (Zool.-bot. Ges. 1859 $. 132).
Verzeichniss neuer Standorte schlesischer Pflanzen (Schles. Ges. 1869.
! $. 120-122).
Mittheilungen über die schlesische Flora (Ebenda 1860 $. 71—74).
Botanische Mittheilungen aus dem Jahre 1866 (besonders von Krumm-
hübel — Schles. Ges. 1866 $. 108—120).
Bemerkungen zu einem Aufsatz von Winkler u. s. w. (Märk. bot. V.
1862 $. 290).
Bericht über eine .... Reise nach Niederschlesien (Vorgebirge von
Jauer bis zum Pitschenberge — Schles. Ges. 13859 S. 37 — 51).
Zur Flora von Johannisbad im Riesengebirge (Bot. Zt, 1860 8. 71—73).
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120 Jahres-Bericht
Ein Ausflug nach dem grossen Teich im Riesengebirge (Märk, bot. V.
1867 8. 76—34).
Flora des Hirschberger Thales und sporadische Erscheinungen im Pflan-
zenreiche (Schles. Ges. 1870 S. 104).
Ueber die Flora von Görbersdorf (Schles. Ges. 1863 S. 145—149).
Aus der Flora von Reinerz und dem Hummel (Schles. Ges. 1849 8. 76
— Bot. Z. 1853 8. 889). ws
Desgl. von Neisse (Ebenda $. 82).
Desgl. von Ustron (Oesterr. bot. Wochenbl. 1852 S. 325).
Desgl. von Karlsruhe in Oberschlesien (Ebenda 1854 S. 90).
Der Hof der Universitätsbibliothek (in Breslau) Ges. 1864 S. 126,
1866 S. 107).
Wissenschaftliche Ergebnisse meines Aufenthalts bei Meran
Bot. Zt. 1862 5. 429-438, 441—454, 457—460).
4. Phanerogamen.
Monstrositäten von Myosurus minimus (Zool.-bot. Ges. 1859 8. 132).
Ueber Lemna arrhiza (Schles. Ges. 1849 $. 83).
5. Kryptogamen, allgemein.
Bemerkungen über einige Sporenpflanzen der deutschen Flora (Zool.
bot. Ges. 1867 8. 825).
Kleinere Mittheilungen (Botrych. lanceol., Woodsia glabella, Equis. Telmat.
ete. — Bot. Zt. 1865 S. 155).
Beiträge zur Kenntniss der schlesischen BEypigenmen (Schles. Ges. 1854
8 64-71).
Ueber einige interessante schlesische Pflanzen, besonders Kryptogamen
(Schles. Ges. 1856 $. 41) desgl. (Bot. Zt. 1858 8. 547, 349).
Mittheilungen über die schlesische peu (Schles. Ges. 1859
S. 51 — Bot. Zt. 1858 $. 347).
Desgleichen über die schlesische Moosflora (enthält auch andere Krypto-
gamen. Schles. Ges. 1858 $. 70—75).
Neue Standorte schlesischer Moose und Farne (Schles. Ges. 1870 8. 121),
Ueber Kryptogamenflora der Umgegend von Breslau (Schles. Ges. 1852
Ss. 67—73,
Ein Sandfleck bei Karlowitz (ebenda 1864 $. 126).
Zur Flora von Cudowa (Schles. Ges. 1864 8. 120—125). |
Die Kryptogamenflora Südtirols (Bot. -Zt. 1864 Beilage, 18 sy
|
R
r
:
6. Gefüsskryptogamen, allgemein.
Materialien zu: Beurtheilung der Darwin’schen Theorie (Bot. Zi. 1866
S. 397—402; 407—410 — 1867 8. 153—56).
Filices Europae ct Atlantidis, Asiae minoris et Sibirige.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 121
Tractantur: 1) Filices, Equisela, Lycopodiaceaue et Rhizocarpeae
Europae, insular. Madeirue, Canariarum, Azoricarum, Promontori
viridis, Algeriae, Asiae minoris et Sibiriae; 2) Monographia Osmun-
darum, Bolrychiorum et Equiselorum omnium hucusque cognitorum.
Lipsiae 1867. 8°. 3118.
Die höheren Sporenpflanzen Europa’s und der Atlantis (Bot. Zt. 1866
S. 137 — 1867 8. 40).
Das Wesen der Farnfluora der Atlantis (Bot. Z. S. 417— 423).
Zur Farnflora Kleinasiens (Bot. Zt. 1867 8. 292).
Europa’s Gefässkryptogamen (Bot. Zt. 1857 8. 474—479).
Die höheren Sporenpflanzen Deutschlands und der Schweiz.
Leipz. 1865. 8vo. VIII. und 152 $. — Nachtr.: ‘Bot. Zt. 1867
8.40.
Verzeichniss der in Schlesien vorkommenden Gefässkryptogamen. (Oest.
bot. Wochenbl. 1852 S. 187 fl.).
Kritische Uebersicht der schlesischen Gefässkryptogamen mit besonderer
Berücksichtigung der Equiseten (Schles. Ges. 1853. Denkschrift
zur Feier ihres 50 jährigen Bestehens S. 133—197).
Die Gefässkryptogamen iu Schlesien preussischen und öster-
reichischen Antheils. 4to. 399 Seiten und 25 Tafeln.
(Nova Acta Ace. C. Leop. Car. N. C. Vol. XXVI. p. II.) 1858.
Ueber die Vegetation der Gefäss-Kryptogamen der Umgebung von Razzes
in Südtirol (Zool.-bot. Ges. 1864 $S. 3—14).
7. Rhizocarpeae.
Fur Entwiekelungsgeschichte der Equiseten und Rhizocarpen (Nova Acta
1852, T. XXI. P. IL. S. 613—646, 4 Tafeln. |
8. Farne.
Ueber die Spreuschuppen der Farne (Schles. Ges. 1856 8. 44).
Ueber einige neue in Schlesien beobachtete Farne (Schles. Ges. 1855
8. 92—95).
Filices criticae (1. Bot. Zt, 1866 S. 179 ff.; 2. ebenda S. 309; 3. ebenda
S. 384; 4. ebenda $. 392; Nachträge ebenda 1867 8. 40;
5. ebenda 1867 8. 25 u. 89; 6. ebenda $. 52; 7. ebenda 8. 57;
8. ebenda S. 148; 9. ebenda 1868 S. 375; 10. ebenda 9. 201,
449, 882; 11. udn 8. 614.
Beber Polypodini: vulgare (Bot. 2. 1866 S. 397 und Märk, bet. V. 1865
8. 201).
Gymnogramme leptophylia (Schles. Ges. 1862 S. 50; bot. Zt. 1862 $. 44
ebenda 1864 S. 40).
Adiantum capillus Junonis (Bot. 7. 1867 8. 148).
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1 2 2 | Jahres-Bericht
Cheilanthes fragrans (ebenda 1866 8. 397); Ch. Kuhnüi Ienelule 1867
S. 149); Ssovitsiö (ebenda 1368 8. 377)
Pteris radiata (Bot. Zt. 1866 $. 180).
Ueber Athyrium, Asplenium und Verwandte (Bot. Zt. 1866 $. 373; 1870
9. 329 und 345; Schles. Ges. 1369 $. 81). |
Alhyrium filix-fem. var. pruinosa (Märk. bot. V. ‚1866 S. 178); 4A. Schim-
peri (bot. Z. 1866 S. 310).
Asplenium Adiantum nigrum (Bot. Zt. 1853 8. 914; Oesterr. bot. vw
1853 S. 255) — A. adulterinum (Isis, Dresden 1868 8. 90;
Schles. Ges. 1868 S. 71—82; Bot. Zt. 1868 S. 201— 2095 449
bis 455; 882) — A. he evand 1866 8. 309) — A. Bon
gaei (ebenda 9. 384) — A. dolosum (Zool.-bot. G. 1864 $. 165 bis
168; Schles. Ges. 1864 $. 109) — A. fissum (Zool.-bot. Ges.
1867 8. 817). — A. Hauslmechtii (Bot.Z. 1866 S. 384 u. 398). —
A. lepidum (Bot. Z. 1866 S. 592; 1867 $. 40; Linnaea 1866
= ...8. 161; Zool.-bot. Ges. 1867 8. 817 — 825). — A. Newmenni
E (Bot. Zt. 1866 $. 385). — A. Reuleri (Bot. Zt. 1867 8. 148). —
A. Trichomanes (ebenda 1866 $..398).
Scolopendrium hybridum (Zool.-bot. Ges. 1864 $. 235 — 238 1 Tafel. —
Schles. Ges. 1864 8. 109). FE
Celerach offieinar. (Bot. Zt. 1866 S. 399). — C. Pozoi (Bot. Zt. 1866
Ä S. 311). si HE RENT Rh
Aspidium aemulum (Bot. Zt. 1868 $. 375). — A. dilatatum (Bot. Zt. 1866
8. 400). — A. filiv-mas (ebenda). — Die Radix Panna (ebenda
1856 S. 901), — A. lobatum u. Vw. (Zool.-bot. Ges. 1858
9. 184), — A. nevadense (Bot. Zt. 1868 8. DER A: remotum
(Schles. Ges. 1369 8. 82).
Cystopleris fragilis (Bot. Zt. 1866 S. 399). — C. sudelica ae Ges.
1855, p. 92).
Struthiopteris germanica (Oesterr. - bot.: Machenbl., 1853 8. 260 — -Edgne
..1853 $. 745). Keen a
Ragiopteris (Bot. Zt. 1367 S. 57).
Onoclea sensibilis, O. orientalis (ebenda).
Woodsia Manchuriensis (ebenda 8. 149).
Hymenocystis caucasica (ebenda 1866 $. 179). |
Monographia generis Osmundae, 134 8. 8°, e.. 8 tab. (Aus Zool.-
bot. Ges. 1868). — Fructifieation der Osmunden (Bot.' Zt. 1868
S. 65—73). — Index Osmundarum (ebenda 8. 49-55). — Ueber
Osmundaceen (Schles. Ges. 1867 $. 108). — 0. regalis (Bot.
Zt. 1866 8. 401; 1867 8. 153; 1868 S. 292; Märk. bet. V.
1367 8. 116). — ‘0. cinnamomea (Bot. Zt. 1867 $. 25 u. >>
Ueber Todea und Leptopteris (Schles. Ges. 1870 $. 95).
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 193
Monographie der deutschen Ophioglosseen, 24 $. 4° (Pro-
gramm der Realschule zum Heiligen Geist 1856). — O0. vulgatum
(Bot. Z. 1866 S. 397).
Ophioglosseae in: Reise der österreichischen Fregatte Novara etc. Bot.
Theil 1. Bd. Sporenpfl. Wien 1870 4° p. 225.
Monographia Botrychiorum, 136 8. 8°, 3 Tafeln. (Aus zool.-
bot. Ges. 1869). — Nachtr. z. Mon. d. Botr. (ebenda 1870). —
Index Botrychior. (ebenda 1868 S. 507—516). — Ueber eine
neue Eigenthümlichkeit bei Botr. (Bot. Zt. 1867 S. 238). —
Ueber Botr., deren Eintheiluug und Unterscheidung (ebenda 1864
S. 101 107). — Ueber europ. Botr. (Schles. Ges. 1857 8. 73
bis 79). — Botr. boreale (Bot. Z. 1857 8. 880). — B. crassi-
nervium u. V. (Nuva Act. XXVI. p. II. S. 757 — 771). — B. lan-
ceolatum (Bot. Zt. 1858 S. 69). — DB. matricar., B. simplex, B.
anthem. (Zool.-bot. Ges. 1858 S. 94). — B. silaifolium (Bot. Zt.
1866 S. 394).
Grammatosorus Blumeanus (Bot. Zt. 1868 8. 614).
9. Equiseten.
Monographia Equisetorum, 607 S., 35 Taf. 4° (Nova Acta XXX.
2. Abth. 1867). *
De sporarum Equisetorum germinatione, Diss. inaug. 20 8. 8°,
‘2 Taf. 1850.
Zur Entwickelungsgeschichte der Equiseten und Rhizocar-
peen 33 S. u. 4 Taf. (Nova Acta XXIII. p. II. 1852).
Beiträge zur Kenntniss der Equiseten 55 $. u. 3 Taf, (ebenda).
Zur Entwickelung der Equiseten (Bot. Z, 1852 8. 537).
Das Auftreten der Archegonien aın Vorkeim von Equis. Telmateja (Klora
1852 mit Taf. VII.).
Weitere Nachträge zur Kenntniss der Equiseten (Nova Acta XXIV. p. L.
S. 63—78, 2 Taf. 4°.
Ueber Equiseten (Oesterr. bot. Wochenbl. 1852 $. 187).
Equisetensiudien (Bot. Zt. 1865 8. 377. — Schles. Ges. 1866 $. 71).
Geographische Verbreitung der Equiseten (Bot. Zt. 1865 8. 157). =
Repräsentiren die Equiseten der gegenwärtigen Schöpfungs-Periode ein
oder zwei Genera? (Bot. Zt. 1865 $. 297).
Conspectus Equiselorum omnium sec. affın. nat. dispos. (Zool.-bot. Ges.
1862 S. 1267). — Index E. (ebenda 1563 S. 233). — Editio
altera (ebenda 1864 S. 525). — Nachtrag dazu (ebenda 1865 $. 909.)
Beiträge zur Systematik der Equiseten (Schles. Ges. Abhandlungen, Ab-
theilung für Naturwissensch. u. Mediein 1861 $. 139—149), vgl.
ie
I 4 Ua niEe 7 Zen
g:
2
5
3
a
3
k
124 Jahres-Bericht
kritische Uebersicht der schlesischen Gefäss- Kryptogamen mit
besonderer Berücksichtigung der Equiseten (Denkschrift zur Feier
des 50 jährigen Bestehens der schlesischen Gesellschaft für vater-
ländische Cultur 1853, 8. 183—197). nr
Ueber die Equiseta metabola (ebenda S. 198—204).
Ueber Equisetenformen (Schles. Ges. 1850 S. 102). — Vermischte Mit-
theilungen (ebenda S. 105).
Ueber Equiseten (Zool.-bot. Ges. 1862 $. 1241). — Bericht über die
Equiseten der Novara-Expedition (ebenda S. 1264). — Equiseta-
eeae in: Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde
in den Jahren 1857—59. Botanischer Theil I. Band. Sporen-
pflanzen. Wien 1870, 4°, p. 226. — Ueber exotische Equis.
(Zool.-bot. Ges. 1861 S. 345 — 365). — Nachtr. dazu (ebenda
1865 S. 225—32).
Equiselaceae (in Annales Musei Lugduno-Batavi 1863 8. 393398).
Equtsetaceae (in Martius, Flora brasiliensis Fol. S. 650— 643, Taf. 71 URN
Equisetum Schaffneri, E. giganteum, E. Huegelii, E. Lechleri, E. myrio-
chaetum (Zocl.-bot. Ges. 1861 $. 345—365). — E. difjusum, E.
bogotense, E. robustum, E. laevigatum, E. Marti, E. Brasiliense
u. a. (ebenda 1862 S. 1241).. Vgl. oben: Ueber Equiseten.
. arvense (Oesterr. bot. Wochenblatt 1851 S. 401, 410, 419).
. Brawmii (Zool.-bot. Ges. 1862 8. 515).
hiemale (ebenda 1363 S. 491; Märk. bot. V. 1863 8. 234).
.:inundatum (Schles. Ges. 1851 $. 81). |
. imosum, E. fluviatile (Bot. Zt. 1865 8. 241).
litorale (Zool.-bot. G. 1858 8. 55). €
. palustre (Märk.-bot. V. 1864 S. 191). | Mi
. scirpoides (Zool.-bot. Ges. 1863 $. 1099). e
. Sieboldi (Annal. Mus. Lugd. Bat. 1863). _ El
. silvaticum (Bot. Zt. 18538. 873 —877). |
Telmateja (Schles. Ges. 1849 8. 81; Märk. bot. V. 1864 8. 236; bet.
Zt. 1865 8. 297). uns Beuisr
ksukskuskskbsh
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10. Lycopodiaceen.
Vorkommen von Lycopodium Chamaecyparissus in Schlesien (Schles. Ges.
1851 8. 82).
Selaginella helvetica in Schlesien (Schles. Ges. 1866 8. 120). — 8. rupestris
(Bot. Z. 1867 8. 155). — 8. mongholica (ebenda $. 52).
Isoetes lacustris in Schlesien (Schles: Ges. 1866 $. 103; But. Zt. 1866
8. 263; Linngea 1866 8. 144. N A
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 125
1l. Laubmoose.
Andeutungen zum Dimorphismus bei Laubmoosen (Bot. Zt. 1865 8. 388)
Bryologische Mittheilungen (Linnaea 1869 $. 49; darin: Ueber die Spalt-
öffnungen der Moose (ebenda S. 51). — Pflanzengeographische
Mittheilungen (ebenda $. 52).
Bryologia silesiacaa Laubmoosflora von Nord- und Mittel-
deutschland unter besonderer Berücksichtigung Schlesiens
„und mit Hinzunahme der Floren von Jütland, Holland, der Rhein
pfalz, von Baden, Franken, Böhmen, Mähren und der Umgegend
von München. Leipzig 1869. 410 8. 8°.
Uebersicht der in Schlesien bisher beobachteten Laubmoose (Schles. ‚Ges.
1856 S. 64—77).
Uebersicht über die schlesischen Laubmoose (Bot. Zt. 1861
S. 1—483; enthalteud Kurze Geschichte der schlesischen Moos-
kunde, Verbreitung der Moose nach den Höhen, desgl. nach den
Gebirgsarten; die wichtigsten Punkte des schlesischen Hochge-
birges; Vergleichung mit anderen Moosfloren). Fortgesetzt 1864
S. 49; 1866 $. 81; 1867 $. 313; 1869 $. 208). ;
Die Verbreitung der schlesischen Laubmoose nach den Höhen
und ihre Bedeutung für die Beurtheilung der schlesischen Flora.
Mit 1 Tabula bryo-geographica (Gross - Folio) 48 S. 4° Jena
1861. (Nova Acta XXIX.).
Mitiheilangen über die schlesische Moosflora (Schles. Ges. 1858 8. 70 —
1862 S. 67). — Neue oder seltene schlesische Moose (Schles.
Ges. 1865 S. 71 und 100; ebenda 1869 S. 82 und 123).
Laubmoose der erratischen Blöcke (Schles. Ges. 1867 $. 100; Bot. Zt.
1870 S. 129—134, 9. 145—149). — Moose der Eiszeit (Schles.
Ges. 1870 S. 60).
Moosvegetation der Torfsümpfe Schlesiens (Bot. Zt. 1860 8. 71).
Ueber den grossen Sumpf bei Dankwitz am Kupferberge vor Nimptsch
(Schles. Ges. 1858 $. 76).
Ueber die Flora der Rabendocken bei Goldberg, des Thales des kleinen
Zacken, von Obernigk, Riemberg u. Schebitz (Schles. Ges. 18629.72).
Laubmoose in den Karpathen (Bot. Z. 1865 8. 400).
Ueber Moose bei Meran (Schles. Ges. 1862 S. 49).
Beiträge zur Moosflora des Orients . ... von Juratzka und Milde (Zool.-
bot. Ges. 1870. 14 8.) |
Ueber kritische Moose (Schles. Ges. 1870 $. 130).
_ Die reife Frucht von Pyramidula tetr. (Schles. Ges. 1858 8. 77).
Barbula papilloss (Märk. bot. V..1860 9. 209; ebenda 1861/62 9. 296).
a a
EN TR Wer,
N
N
TAN
WM,
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REIN
126 Jahres-Bericht
Campylopus, Dieran., Dicranodont. (Bot. Zt. 1864 8. 26, 268, 395; ebenda
1870 S. 393 u. 409).
Coscinodon (ebenda 1864 $. 192).
Bryum fallax (Schles. Ges. 1859 $. 53; Bot. Zt. 1860 8. 126).
Atrichum anomalum (Bot. Zt. 1869 $. 323).
Fontinalis gracilis (ebenda 1868 $. 221).
Anomodon apiculatus (ebenda 1870 S. 168).
Brachythec. Geheebi (ebenda 1869 $. 825).
Hypnum Mildeanum (ebenda 1860 S. 188).
Anatomie und Entwickelung der Torfmoose (Schles. Ges. 1860 8. 67).
12. Lebermoose.
Ueber Jungermannia Mildeana (Schles. Ges. 1867 $. 103).
Zur Kenntniss von Anthoceros und Blasia (Bot. Z. 1851 S. 629).
Chamaeceros fertilis. Novum genuse familia Anthocerotearum.
(Nova Acta XXVL p. I. 8. 167—175 mit I Tafel. 4°) —
Desgl. (Bot. Zt. 1856 8. 767). -— Rechtfertigung des Genus
Chamaeceros gegen Herrn Professor Lehmann (Bot. Zt. 1857
S. 199). — Die Columella von Notothylas (ebenda 1858 8. 344).
Ueber das Genus Notothylas (Bot. Zt. 1859 8. 33 — 40;
41—47; 49—55 ‚nebst zwei Doppeltafeln).
13. Pilze.
Mantisse zu Bernstein: Microstoma hiemale (Nova Acta XXIII. p. II. 2 8.
4°), Vergl. Schles. Ges. 1858 $. 76,
Trüffeln in Schlesien (Bot. Zi. 1864 $. 351). — Schles. Ges. 1864
9. 125; ebenda 1865 S. 71; ebenda 1866 8. 133).
En Verzeichniss
der von Milde für Schlesien zuerst aufgefundenen oder sicher nach-
sewiesenen Pflanzen - Arten.
1. Phanerogamen.
Wolffia (Lemna) arrkiza.
2. Farne.
' Asplenium Adiantum-nigrum var. Silesiacum.
A.adulterinum, zuerst als Art nachgewiesen, dann selbst gefunden.
Polypodium (Phegopteris) Robertianum.
Aspidium remotum (Var. von A. Filix-mas).
A. Bootü (A. spinulosum-cristatum).: 2
sr 5 24, aeuleatum Sw. (nicht Wimmer’s A: ac) m 0x
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7
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 127
Cystopteris sudetica wurde als besondere, von :C. montana
verschiedene Art nachgewiesen.
3. Equiseten.
Equiselum litorale (E. inundatum).
E. ramosissimum,
E. variegatum.
4. Lyeopodien.
Lycopodium complanatum v. Chamaecyparissus.
Isoetes lacustris.
5. Laubmoose.”)
Weisia rostellata Lindbg. (1858).
Cynodontium alpestre Whlbg. (1848).
Trematodon ambiguus Hornsch. (1849).
Dieranum fulvum Hook (1864).
Dicranodontium aristatum Schpr.
en flexuosus B. S. (1864).
fragilis Dicks. (1360).
Fissidens pusillus Wüs.
— incurvus Schwaegr.
— osmundoides Hedw.
-— decipiens de Not.
Seligeria Donnü C. Müll. (1859).
Pottia Heimüi Fürnr. (1859).
Trichostomum_eylindricum C. Müll. (1860).
—_ luridum Spruce (1868).
— cordatum Jur. (1859).
— tophaceum Brid. (1859).
— crispulum Bruch.
— refleeum Lindbg. (1859).
Barbula Hornschuchiana Schultz.
— recurvifolia Schmpr.
— _inclinata Schwgr. (1859).
— papillosa Wils.
— intermedia Wis.
Grimmia sphaerica B. 8. 1859).
— Mühlenbeckiüi Schpr.
— Hartmamni Schpr. (1859).
*) Das folgende Verzeichniss von Moosen verdanke ich, wie schon oben er-
wähnt, der ausgezeichneten Gefälligkeit von Herrn Limpricht.
128
J ahres-Bericht
Ulota Drummondü Brid. (1860).
— crispula Bruch.
Orthotrichum appendiculatum Schpr.
Ephemerum cohaerens Hampe (1859).
Webera pulchella Schpr. (1859).
Bryum lacustre Bland.
fallax Milde (1859).
— _ cirrhatum Hoppe et H.
— atropurpureum W. et M.
— Mühlenbeckii Br. et Sch. (1860).
— Mildeanum Jur. (1854).
— badium Bruch.
Mnium subglobosum Br. et Sch.
— : Drummondiü Lindbg.
— spinulosum Br. et Sch.
— cinchdioides Hueb.
Philonotis caespitosa Wils. (1862).
— calcarea Bruch et Sch.
— marchica Brid.
Tetrodontium Brownianum Schwgr. (1860).
Myurella julacea Br. $. (1848).
Anomodon apiculatus Br. et Schpr. (1864).
— longifolius Br. et Schpr. _
Anacamptodon splachnoides Brid. (1852).
Fontinalis gracilis Lindbg.
Lescuraea saxicola Schpr.
Heterocladium heteropterum Br. et Schpr.
Homalothecium Philippeanum Br. et Schpr.
Eurhynchium depressum Br. et Schpr.
— murale Br, et Schpr.
Plagiothecium Schimperi Jur. et M,
— Arnoldi Milde.
— Roesei BS.
Amblystegium confervoides B. 5. (1859).
— radicale B. 8. |
— Kochü Bruch.
Brachythecium . Mildeanum Schpr..
— Geheebü Milde. |
— plicatum Schpr. (1860).
Hypnum hygrophilum Jur. (1856).
-—- Sommerfeltü Myr.
— subsulcatum Schpr.
— fertile Sendtn.
der Schles. Geselisch. f. vaterl. Cultur, 129
Hypnum pratense Koch.
— trifarium W. et M.
. — patientiae Lindbg.
— giganteum Schpr.
— Kneiffüi Schpr.
— intermedium Lindbg.
— Sendtneri Schpr.
Hylocomium Oakesii Schpr.
Sphagnum rubellum Wils.
— Girgensohnii Russ.
— teres Angst.
— Lindbergü Schpr.
— fimbriatum Wils.
Ausserdem hat Milde aus älteren Sammlungen zuerst für Schlesien
nachgewiesen:
Dieranum Mühlenbeckü B. 8.
— cireinnatum Wils.
Barbula insidiosa Jur. u. Milde.
Amblystegium Juratzkanum Schpr.
Hypnum exannulatum Gümb.
Grimmia crinila Brid. u. a.
6. Lebermoose.
Notothylas (Chamaeceros) ferlilis.
Jungermannia Mildeana Gotische.
Biyttia Lyellii Hook. |
Für Fimbriaria pilosa Tayl. und Grimaldia barbifrons Bisch. fand er
die ersten sicheren Standorte in Schlesien.
In derselben Sitzung trug der Secretair Prof. Cohn nachstehenden
von Herrn Rector Bach verfassten Nekrolog des am 29. März 1871
varstorbenen Lehrers W. Hilse vor: -
Einige Mittheilungen über W. Hilse’s Leben.
Friedrich Wilhelm Hilse ist den 29. November 1820 zu Nieder-
Langenbielau bei Reichenbach in Schlesien geboren als der zweite Sohn
Johann Carl Hilse's. Dieser war Weber und Handelsmann; er besass in
Bielau ein kleines Haus mit Garien und Land, welches schon längere
Zeit in den Händen der Familie war. Der Vater war ein körperlich
rüstiger Mann, hatte aber einen tiefen Zug zu Hypochondrie und Melan-
cholie, ein Leiden, welches mit den Jahren zunahm und ihn oft fast zu
bewältigen schien, so dass er sieh und den Seinen zur Last ward und
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130 Jahres-Bericht
lange Zeit nach solchen Anfällen zu seiner Erholung bedurfie. Er starb
1833 in den besten Mannesjahren an der Cholera. Die Mutter, Johanna
Elisabeth geb. Burghart, eine herzliche und sorgliche, verständige und
thätige Frau, die mit ganzer Seele an den Ihrigen hängt, lebt noch in
Langenbielau. ;
In einem Alter von 5 Jahren wurde Wilhelm Hilse von seinem Vater
der Dorfschule zugeführt, in der er sieh durch seinen Lerntrieb und seine
Fähigkeit bald auszeichnete. Besonders gedeihlich entwickelte er sich,
nachdem ein junger Lehrer, August Tabor, nach Langenbielau berufen
worden war; denn zu diesem fasste er schnell eine grosse Zuneigung,
‘während andererseits dieser Hilse sehr bald als seinen Lieblingsschüler _
betrachtete, auf den er grosse Hoffnungen setzte und dem er unter
Anderem auch die grosse Liebe zur Musik einflösste, welche Hilse in
hervorragendem‘ Maasse behielt, so lange er rüstig war. Da Tabor ihn
nicht auf allen Instrumenten selbst unterweisen konnte, so nahm Hilse
noch besonderen Unterricht bei einem Musiklehrer Trost. Weil aber
sein Vater keineswegs mit seinen künstlerischen Liebhabereien einver-
standen war, so musste er sich nieht nur das Honorar für den Musik-
lehrer selbst erarbeiten, sondern auch mit seinen musikalischen Uebungen
in die Holzkammer fliehen, wenn der Vater zu Hause war.
Dieselbe Energie im Lernen und dasselbe Talent entwickelte Hilse aber
auch nach wie vor in der Schule, so dass er für den Lehrberuf bestimmt
wurde und nach seiner Confirmation seinem geliebten Lehrer Tabor nach
Heidersdorf folgte, wohin dieser 1833 versetzt worden war. Auch hier hatte
H. mit allerlei Noth zu kämpfen und musste den grössten Theil seiner
Kenntnisse aus Büchern schöpfen, welche er von anderen Leuten geborgt
hatte. Es war nämlich damals, wie erwähnt, sein Vater gestorben und
seine Mutter ausser Stände, seine bescheidenen Ansprüche zu befriedigen.
Rastlos aber arbeitete er und nachdem er genügend vorbereitet war,
kam er nach Breslau, um das dortige evangelische Schullehrer - Seminar
(1838 — 41) durchzumachen. Von seinen Coetanen war aus jener Zeit
nur in Erfahrung zu bringen, dass er ihnen als stiller und bescheidener,
aber fleissiger und kenntnissreicher Seminarist erschienen ist. Von einem
hervorragendem Trieb und Sinn für die Naturwissenschaften wird weder
aus seiner Schul-, noch Seminarzeit etwas Besonderes berichtet.*) Es ist
aber kaum zu bezweifeln, dass er sich schon früh auf diesem Gebiete
respekiable Kenntnisse erworben hat.
Nach Ablauf des seminaristischen Trienniums und nach Absolvirung
‘der JLehrerprüfung kam H, als Adjuvant nach Roesnitz im Kreise Leob-
*) In zwei Seminarzeugnissen heisst es: „Naturkunde meist gut, Natur-
geschichte von ungleich befriedigendem Erfolge.“
der Schles. Gesellsch. f. vater]. Cultur. 131
schütz in Oberschlesien (2. Mai 1841) und bereits den 1. April 1842
wurde er Verweser des evangelischen Schulamtes in Zauditz *) in der
Parochie Rösnitz, wo er bis 1844 blieb. Sein Revisor, Pastor Holtzer,
stellt ihm das Zeugniss aus, dass er „sich nicht nur durch einen stillen,
anständigen und christlichen Lebenswandel, sondern auch durch gewissen-
haften Fleiss und treuen Eifer in seiner Amtsführung die Liebe seiner
Schüler, den Beifall der Gemeinde und die volle Zufriedenheit seiner
Vorgesetzten erworben habe,‘ er bezeugt ihm ferner ausdrücklich, dass
er „viele Fähigkeiten besitze und zu den schönsten Erwartungen berech-
tige.“ Das Verhältuiss zwischen Revisor und Lehrer war ein sehr freund-
schaftliches; der Umgang mit dem wohlunterrichteten und liebenswürdigen
Geistlichen war für Hilse sehr anregend und instructiv; Holtzer’s Biblio-
thek bot ihm manche noch nicht gekannten Schätze.
Dort sehien ihm auch das Glück einer reinen Jugendliebe zu er-
blühen. Als aber diese liebliche Dorf-Idylle zerstört wurde, fühlte er
sich in seinem Herzen so getroffen, dass er es nie wieder voll und frei
den Eingebungen der Liebe geöffnet hat und bis an sein Lebensende
dem Entschlusse des Cölibats treu geblieben ist.
Am 5. October 1844 folgte er einem Rufe nach Strehlen. Hier
unterrichtete er zuerst in der siebenten Klasse und in der sogenannten
Armenklasse der Stadtschule. Sein Fleiss und Eifer, seine Kenntnisse
und Fertigkeiten, seine anregende und erfolgreiche Unterrichtsweise, seine
verstländige Schulzucht, sein regsamer Sinn für die eigene geistige Fort-
bildung, „seh reges Ringen nach Erweiterung seiner Kenntnisse und
seiner wissenschaftlichen Bildung“ werden in verschiedenen Zeugnissen
aus jener Zeit gerühmt. Ein Strehlener Freund und Vorgesetzter Hilse’s
sab mir in einem Briefe vom 6. April 1871 folgende Charakteristik von
ihm: „Er war ohne alle Menschenfurcht, unabhängig in seinem Urtheil,
treu seiner Ueberzeugung, doch Gründen stets zugänglich und immer be-
reit, böse Reste alter Vorurtheile aus seiner Seele zu reissen, mit hoher
Achtung vor dem Gesetz, der Ordnung in Natur und Staat; streng nur
gegen sich, mild gegen fremde Fehler und Schwächen; erglüht von
echter Menschenliebe, die frei von jeder Sentimentalität, auf der Achtung
‘vor dem Recht, auf Glückseligkeit des Einzelnen beruht und in einer bis.
zur Selbstverleugsnung gesteigerten Opferfähigkeit sich documentirte,
Eine Eigenthümlichkeit vieler hervorragender Geister besass auch er:
das Beste und Herrlichste, was er in seinem Berufe gewirkt, die Ueber-
tragung seiner für alles Edle glühenden Seele auf seine Zöglinge erkannte
‘er als Thatsache gar nieht an und konnte deshalb auch keinen Werth
*) Zauditz ist ein Marktflecken von ca. 1200 Einwohnern, an einem Neben-
flüsschen der Zinna im Kreise Ratibor gelegen.
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132 Jahres-Bericht
darauf legen. Dass er als Lehrer und Erzieher mehr that, als der spiess-
bürgerliche Begriff „Schuldigkeit‘“ umfasst, fand er so ganz selbstver-
ständlich, dass selbst dieses Bewusstsein ihm keine freudig erhebende
Genugihuung bereitete. Dagegen beglückte und erfüllte ihn mit einer
Art edlen Stolzes das Resultat seines Strebens und Forschens auf dem
Gebiet der Algen- und Diatomeenkunde. In welcher Seligkeit strahlte
sein Auge, wenn er seine Schätze mir zeigte oder die Geschichte einer
Dekade vortrug. — Seine Gesundheit schien hier unerschütterlich, ob-
weh! sein in allen Sümpfen und Pfützen vagabondirendes Leben ihn zu
einem gewissen Oynismus verurtheilt hatte. Anstrengungen, Hitze, Nässe,
Kälte — nichts schien ihm etwas anhaben zu können. Ein Stück trocken
Brot, ein Schluck aus schlammigem Graben genügte ihm auf seinen
Wanderungen vollständig.‘
Aus allem :hier Mitgetheilten ersehen wir, dass Hilse in Strehlen
nicht nur für die Schule in der gewissenhaftesten Weise gearbeitet hat,
sondern auch rastlos gestrebt und geforscht hat, um in die Tiefen der
Wissenschaft einzudringen. Daneben verfolgte er aber mit der leb-
haftesten Theilnahme die Entwiekelung der politischen und religiösen
Verhältnisse im 5. Decennium dieses Jahrhunderts; denu mächtig erregte
ihn die nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. erwachte Be-
wegung der Geister. Alle politischen Dichter und Schriftsteller, alle
philosophischen und religiösen Kritiker jener Zeit finden wir in seiner
Bibliothek vertreten und aus seinem Briefwechsel mit Freunden ersehen
wir, welchen mächtigen Eindruck die Schwingungen des Weitgeistes und
dessen litterarische Erscheinungen auf ihn machten. Ja, er wird selbst
agilatorisch thätig, um die Stellung der Lehrer und der Schule zu einer
würdigeren und besseren zu machen. Alle Wehen, alle Schmerzen des
„neu heranbrechenden ‚Völkermorgens‘“ hat er bis in die Tiefen seiner
Seele durchgekostet, und zurückgelassen haben sie dort ——- jene köstliche
Perle der Humanität, die sein schönster Schmuck war und blieb.
Die stürmische Erregung und Bewegung scheint immer mehr zurück-
zutreten hinter seiner Liebe zu den Naturwissenschaften; in ihnen sucht
er Frieden und Versöhnung, wie vorher nach den getäuschten Hoffnungen
der Liebe, so jetzt nach den getäuschten politischen Hoffnungen, nach
all den Stürmen, die seine Seele durehbraust haben. In jener Zeit der
beginnenden Ruhe und Sammlung mag es gewesen sein, dass er Goethe's
Werke wiederholt von. Anfang bis zu Ende durchlas, und diese mögen
ihn hauptsächlich bestimmt haben, Frieden und Befriedigung in den
Naturwissenschaften zu suchen. In dem aber, was er einmal angriff,
war er gewohnt und geartet, kein Stümper zu bleiben und so leistet er
auf dem Gebiete der Botanik, insbesondere der Kryptogamen bald so
Vortreffliches, dass die schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur
den stillen und bescheidenen Mann unter dem 15. August 1856 zu ihrem
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 133
correspondirenden Mitgliede ernannt „zum Zeichen der Anerkennung des
verdienstlichen Strebens, die vaterländische Naturgeschichte zu fördern,“
wie es in dem Begleitbrief Göppert's vom 9. October 1856 heisst.
Sehr treffend charakterisirt Prof. F. Cohn seine wissenschaftlichen
Arbeiten und Verdienste in folgenden Worten:
Hilse gehörte zu dem hochachtbaren Kreise der Volksschullehrer, an
denen unser Schlesien stets reich gewesen, welche ihre Musse zu selbst-
ständigen wissenschaftlichen Arbeiten benutzen, und denen namentlich
die naturwissenschaftliche Durchforschung unseres Vaterlandes ausser-
ordentlich viel verdaukt. Hilse war ein geborener Botaniker, denn er
- vereinigte unermüdlichen Sammlerfleiss, der ihn fort und fort zu Ex-
eursionen antrieb, mit einem scharfen Auge, einer glücklichen Beob-
achtungsgabe, und insbesondere der Fähigkeit, die charakteristischen
Eigenthümlichkeiten aueh der schwierigsten Pflanzen sicher
aufzufassen. Wir wissen nicht, wenn Hilse seine botanischen Studien
begonnen, aber wir finden ihn bereits im Jahre 1850 als gründlichen
Kenner der Flora seiner damaligen Heimath Strehlen, die er nach allen
Richtungen hin durchsucht und in wissenschaftlichem Verkehr mit den
Mitgliedern der botanischen Seclion der Schlesischen Gesellschaft, welche
den Mittelpunkt für die Erforschung der schlesischen Pflanzenwelt bildet
und in deren Schriften er fortan seine Funde sorgfältig registrirt und
dadurch auch der zgesammten wissenschaftlichen Welt zugänglich macht
— insbesondere mit Wimmer, Wichura und Cohn. Der Bericht der
botanischen Section vom Jahre 1853 enthält Hilse’s erste Mittheilungen
„über von ihm gefundene seltnere oder für Schlesien neue Pflanzen“; in
den Jahresberichten für 1856, 1857, 1858 oder 1859 theilt er seine
späteren Entdeckungen mit, und im Jahre 1859 giebt er gewissermassen
einen Abschluss seiner bisherigen botanischen Studien in dem ‚.Verzeich-
niss der bei Strehlen gefundenen seltneren Phanerogamen und Gefäss-
kryptogamen.‘“ Aber Hilse begnügte sich nieht mit der Kenntniss der
leiehter zu unterscheidenden und daher gründlicher durchforschten höheren
Gewächse, welehe gewöhnlieh ausschliesslich in der Flora berücksichtigt
werden; sein wissenschaftliches Streben drängt ihn, seine For-
sehungen auf diejenigen niedersten Gruppen des Pflanzenreichs zu con-
eentriren, welche bis dahin in Schlesien fast gar nicht gesammelt, aller-
dings auch ein ganz besonders scharfes Beobachtungstalent und vor allem
eine gründliche Uebung im Mikroskopiren beanspruchen. Zunächst sind
es die Laubmoose von Strehlen, die ihn interessiren, und deren Ver-
zeichniss er in den Verhandlungen der botanischen Section für 1857 und
1858 bekannt macht; bald aber wendet Hilse sich ausschliesslich der
Erforschung der Algenwelt zu. Er findet in Strehlen einen Genossen
seiner Studien, den Sanitätsrath und Kreisphysieus Dr. Bleisch, der eben-
falls, obwohl von Berufsgeschäften stark in Anspruch genommen, seine
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63
154 Jahres-Bericht
freie Zeit der mikroskopischen Untersuchung der Familien der Kiesel-
zellen (Diatomeen) widmet; und in rühmlichen Wetteifer werden eine
Menge seltener oder bis dahin völlig unbekannter Arten dieser wunder-
baren Organismen, insbesondere in den Mooren von Geppersdorf aufge-
funden. Um auch den höchsten Anforderungen der Wissenschaft gerecht
zu werden, wird aus den mühseligen Ersparnissen ein Mikroskop ersten
Ranges und eine Bibliothek der kostbarsten Werke über Algen ange-
schafft, und bald bringen die Berichte der Schles. Gesellsch. von Hilse die
„Beiträge zur Algen- und Diatomeenkunde Schlesiens“ (1860), denen 1862
„neue Beiträge“, 1863 wiederum ein Nachtrag folgt. Endlich erfolgt im
Jahre 1865 der Abschluss seiner physiologischen Studien in einem Anf-
satze „Beiträge zur Algenkunde Schlesiens“, welche auch die Algen der
Umgegend von Breslau, das inzwischen seine Heimath geworden, sowie
vieler anderer schlesischer Localitäten, die er bei seinen Exeursionen
durchforscht, bekannt macht, die Zahl der von ihm gesammelten und
zum grossen Theil erst durch ihn entdeckten oder doch bestimmten
Algen auf mehr als 600 erhöht, während die von ihm schon früher ver-
öffentlichten schlesischen Diatomeen sich auf etwa 120 beliefen.
Dureh seine Algenstudien erhob sieh Hilse über den Standpunkt des
blos provinziellen Sammlers, er wurde zum selbstständigen
Forscher, der durch Entdeckung und Unterscheidung neuer Arten die
Wissenschaft bereichert. Mag auch bei der grossen Unsicherheit, welche
unter den mikroskopischen Organismen die Begriffe von Art und Form um-
schwebt, der Werth von den zahlreichen neuen Species Hilse’s noch streitig
bleiben, so steht doch fest, dass er durch die sorgfältigste Untersuchung und
Beschreibung dieser Pflänzchen unsere Kenntniss ebenso von der
geographischen Verbreitung, wie der morphologischen Ge-
staltung dauernd gefördert, dass erinsbesondere der eigent-
liche Begründer der Schlesischen Algenkunde gewesen ist, da
die von Anderen, vor und mit ihm, gemachten Studien theilweise unver-
öffentlicht geblieben sind, theilweise auf die entwickelungsgeschicht-
lichen Fragen beschränkt, jedenfalls nicht in einem grundlegenden Ge-
sammtverzeichniss zusammengestellt worden waren. Auch sorgte Hilse
selbst dafür, dass die von ihm neuentdeckten Algenarten als Gemeingut
der Wissenschaft Jedermann zur Nachprüfung dargeboten wurden. Er
trat in Verbindung mit Rabenhorst, dem Herausgeber einer mit
Recht weitberühmten und in diesem Gebiete Epoche machenden Samm-
lung europäischer Algen, und lieferte zu dieser elassischen Sammlung
mit unermüdlichem Fleisse Jahr aus Jahr ein die werthvollsten Beiträge
von seltenen uud neuen Algenspecies; mitunter sind ganze Hefte (meist
Doppeldekalden) ausschliesslich von Hilse gesammelt und bear-
beitet worden, und/haben seinen Namen als einen der fleissigsten und
der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 135
glücklichsten Algensammler in den weitesten Kreisen der botanischen
Welt bekannt gemacht.
Charakteristisch für Hilse’s pietätvolles Herz ist bei diesen bota-
vischen Sammlungen und Bestimmungen, dass er mehrere species novae
nach verehrten botanischen Freunden und -Gönnern benennt so 843 Pin-
nullaria und 1836 Schizosiphon Rab euhorstii, 1523 Coelosphaerium Wi-
churae, 965 Frustularia und 1775 Symphyosiphon Wimmeri, 1021 Epi-
Ihemia und 2220 Gloeocapsa Goeppertiana, 962 und 1713 Stauroneis
Cohnii. Die umfassendsten Sammlungen sind aus dem Anfang der 60er
Jahre, also aus der Zeit vor seiner Uebersiedelung nach Breslau; aber
- eine ganze Doppeldekade (2201—20) ist noch im Jahre 1870 vollendet.
Zur Kennzeichnung seines in Strehlen entwickelten rastlosen Fleisses
diene noch die Mittheilung, dass der dort in je einem Winter durch Auto-
didaxie so viel Lateinisch, Englisch und Französisch erlernte, dass er
wissenschaftliche Werke, die in einer jener Sprachen geschrieben waren,
zu verstehen vermochte. Unerwähnt darf auch nicht bleiben, dass Hilse
nicht nur die edle Musica weiter pflegte (zu welchem Zwecke er sich
ein gutes Pianoforte anschaffte), sondern auch eine anmuthige poetische
Begabung entwickelte, welche in Strehlen so geschätzt wurde, dass man
ihn bei allen möglichen sinnigen und unsinnigen Gelegenheiten auch nach
dieser Richtung in Anspruch nahm.
Im Herbst 1865 kam er nach Breslau. Dort war damals von den
städtischen Behörden die Gründung einer Mittelschule in Angriff genom-
men worden. Wen anders konnte der Schulrath Wimmer, der ein so
ausserordentlich feines Verständniss für menschlichen und pädagogischen
Werth hatte, zur Pflege der Naturwissenschaften an dieser hoffnungs-
vollen neuen Anstalt berufen, als unseren Hilse!*) Aber passte Hilse
überhaupt nicht in ‘das geräuschvolle, liebeleere Treiben einer grossen
Stadt, so war er auch keineswegs zufriedengestellt durch die Verthei-
lung des Unterrichts nach dem Fachsystem. Schon in Strehlen hatte er
sieh dagegen möglichst zur Wehr gesetzt; noch weniger aber behagte es
ihm, dass er in Breslau fast ausschliesslich mit naturwissenschaftlichem
Unterricht betraut wurde. Wohl war ihm diese Wissenschaft eine hohe
himmlische Göttin, und wer Hilsens Herz nicht kannte, musste glauben,
es seiihm eine wahre Wonne, seine Schüler in deren Dienst einzuweihen.
Doch nein, in seinem Verhältniss zu den Schülern fühlte der herzige
Mann weit mehr das Bedürfniss, eine innigere Beziehung zu diesen an-
zuknüpfen, sie allseitig zu erfassen und zu veredeln, und das glaubte er
in weit höherem Maasse im Klassenunterricht erreichen zu können; die
Unterweisung einer einzigen Schulklasse blieb sein pädagogisches Ideal,
*) „Ich stelle Ihnen einen Gelehrten vor‘‘ — sagte Wimmer, als er Hilse in
den Lehrerrath der Mittelschule einführte.
136 Jahres-Bericht
Was er indess auch in einem nach dem Fachsystem geordneten
Unterrichte zu leisten vermochte, das hat er zur Genüge an der Mittel-
schule bewiesen; ich wenigstens hielt seinen Unterricht stets für einen
in seiner Art meisterhaften und habe immer nur die erfreulichsten Resul-
tate davon wahrgenommen. In seinen Stunden zu hospitiren, war mir
ein pädagogischer Hochgenuss.
So vielfach ihn aber auch sein Amt in Anspruch nahm, und so ge-
wissenhaft er in demselben arbeitete, gewann er doch immer noch Zeit
und Kraft, sein Lieblingsstudium zu pflegen, rastlos zu sammeln und zu
forschen. Indess er hatte wohl doch seiner Kraft zu viel zugetraut.
Plötzlich fing sie an ihm zu versagen. In dem Sommer 1867 — 1869
traten Schwächezuslände ein, die mit einer an die Leiden seines Vaters
erinnernden Schwermuth verbunden waren; in dem Anfall des Sommers
n 1869 schien sein ganzes Nervensystem erschüttert zu sein, Eine Carls-
5 bader Cur brachte ihm noch einmal Rrleiehterung; ja er fühlte sich im
Winter 1869/70 wieder ganz vollkräftig und zu unserem wahren Herzens-
jubel entfaltete er nun in Amt und Wissenschaft von Neuem eine so
rastlose und freudige Thätigkeit *), dass Niemand seiner Ahnung Glauben
schenken mochte, das alte Leiden werde im Spätsommer 1870 mit er-
neuter Kraft wiederkehren. Leider geschah dies; er erholte sich nicht k
wieder, sondern fand am 29. März 1871 einen plötzlichen Tod.
Seinen Grabhügel ziert ein einfacher Leichenstein, von der Liebe ;
seiner Schüler und Amtsgenossen seinem Andenken gewidmet.
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Verzeichniss der von Hilse neu aufgestellten Arten.
Zusammengestellt aus den Berichten der Schlesischen Gesellschaft. ,
{Die beigesetzte Nummer entspricht der Ausgabe in den Rabenhorstschen Algen-
Decaden.)
A. Algen.
I. Protococcus Wimmeri Hülse, nov. spec. (1031).
2. Schizolhrix variecolor Rabenh., nov. spec., entdeckt durch Hilse am
Galgenberge (Strehlen).
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B, Diatomeen.
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1, Epithemia intermedia Hilse nov. spec. (1026).
2... — 6Goeppertiana Hilse, nov. spec. (1167).
3. Eunolia minuta Hülse, nov. spec. (1167).
4. Cyclotella dubia Hilse; nov. spec. (1022).
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*) Gekenrzeichnet ist dieselbe namentlich durch die selbstständige Bearbei-
tung der Rabenhorst’schen Doppeldekade 2201—2220 und durch Anlegung einer
Vogelsammlung und Anfertigung einer Menge physikalischer Instrumente in Ver-
bindung mit den für Hilse und sein Facıı begeisterten Schülern.
der Schles, Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 13
1
Pinnularia Rabenhorstü Ililse, nov. spee. (845).
— Hilseana Janisch, nov. spec.
— sudelica Hilse, nov. spec. (1023).
Pinnularia ovalis Hlilse, nov. spec. (1024 a.).
Stauroneis Cohnii Hilse, nov. spec. (1713).
— undulata Hilse, nov. spee. (963).
Pleurostaurum lineare Hülse. (1161).
— Janischii HHilse.
Synedra campyla Ilse, nov. spee.
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Ö.
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8.
9.
10.
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1863. | |
A: Aloen.
1. Microhalos natans Hilse, nos. spec.
2. Coelosphaerium Wichurae Hilse, nov. spec. (1523).
Oedogonium variabile Hilse, nov. spec. (1469).
Mougeotia flava Hilse, nov. spec. (1272).
— subtilissima Hülse, nov. spec. (1271).
Spirogyra fluviatilis Hilse, nov. spec. (1475).
-—— . stagnalis Hilse, nov. spec. (1476).
Spirogyra sylvestris Hilse, nov. spec. (1531).
nom a» w
B. Diatomeen.
1. Cymbella minuta Hilse, nov. spec. (1261).
2. Nitzschia Kützingiana Hülse. (1267).
Navicula pelliculosa Hilse. (1265).
Pinnularia viridis Rab. var. coerulescens Hilse.
We 5
1364.
1. Chthonoblastus inerustatus Hilse, nov. spec.
2. Schizosiphon nigrescens Hilse, nov. spec. (1835).
3. — gracilis Hilse, nov. spec. (1770).
4. Symphyosiphon minor Hilse, nov. spec. (1776). :
5. .— Wimmeri Hilse, nov. spec. (1775).
1865. | 5
Mastigonema rufescens Hilse, nov. spec. ! R
Cosmocladium pusillum Helse, nov. spec. (1963).
Spirotaenia acula Hilse, nov. spec. (1830).
Staurastrum silesiacum Hilse, nov. spec. (1826).
— amoenum Hilse, nov. spec.
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138 Jahres-Bericht
Dazu aus Rabenhorst’s Algendekaden:
1836. Schizosiphon Rabenhorslianus.
1962. Gonalozygon laeve.
1540. Ulothrix lacustris.
2220. Gloeocapsa Goeppertiana.
965. Frustularia Wimmeri.
Hilse fand neu für Schlesien:
A. Phanerogamen.
Inula hirla >< salieina Ritschl.
Carex azillaris. :
Juncus Tenageja.
B, Laubhmoos=.
Barbula latifolia. |
_Pyramidula teiragona.
Hypnum elodes.
— Haldani.
Herr Geheimraih Göppert gedachte des am 22. October geschie-
denen, um Entomologie und Forstbotanik hochverdienten Geheimen Forst-
rath Professor Dr. Ratzeburg, sowie des im September verstorbenen
Oberlehrer Schneider, früher in Bunzlau, zuletzt zu Stolp in Pommern.
Mitten in rastloser litierarischen Thätigkeit starb Geheimer Regie-
rungsrath Professor Dr. Ratzeburg am 22. October in Berlin, wohin
er sich nach dem Abgange von Neustadt-Eberswalde zurückgezogen
hatte. Länger als 40 Jahre wirkte er hier als Professor der Natur-
wissenschaften als Lehrer fast sämmtlicher Forstmänner des Preussischen
Staates. Hochgeschätzt von Botanikern durch morphologische Schriften,
von Aerzten durch seine, obschon vor fast 50 Jahren erschienenen heut
noch unübertroffene. medieinische Zoologie und unantastbare Autorität im
Gebiete der für das Nationalwohl so wichtigen Forstinseetenkunde. Als
klassisch bezeichnet die Wissenschaft schon längst seine auch durch
künstlerische Ausstattung ausgezeichneten Werke. Unvergessliches An-
denken bewahren ihm seine‘ Familie und zahlreiche Freunde, für die.
sein Verlust wahrhaft unersetzlich ist.
Auch den Verlust eines Landsmannes haben wir zu beklagen. Dr.
phil. K. F. Robert Schneider, Oberlehrer a. D., der im September
d. J. zu Stolp in Pommern vollendete. Geboren in Breslau i. J. 1798,
kam er schon früh mit dem berühmten Mineralogen, Gründer der Geo-
gnosie unserer Provinz, Carl v. Raumer in nähere Berührung, dessen
Einfluss auf seine spätere, nicht bloss der Naturwissenschaft, sondern
auch der Geographie gewidmete Richtung entscheidend war, widmete
sich anfänglich in Wohlau und Aschaffenburg der Pharmacie, später auf
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 139
den Universitäten Breslau, Erlangen, München akademischen Studien.
1828 erlangte er eine Anstellung au dem Waisenhaus in Bunzlau, wo
ihn die Erforschung der Flora und Gaea der interessanten Umgegend
lebhaft beschäftigte. Wir verdanken ilım aus dieser Zeit eine Flora
Bunzlau’s und den ersten grösseren Versuch über die Pflanzengeographie
unserer Provinz unter dem Titel: Die Verbreitung und Vortheile der
schlesischen Pflanzen, nachgewiesen in 14 Gebieten der schlesischen
Flora nebst einem Anhang über die Vergleichung der schlesischen mit
der britischen Flora und einer botanisch-geognostischen Karte von Bunz-
lau. 1838. Letztere, die erste ihrer Art für unsere Provinz, ist leider
bis jetzt auch die einzige geblieben. Nächst Beilschmied und M,
Elsner gehört er zu den Begründern der schlesischen Pflanzengeographie.
Später, namentlich nach seinem Abgange von Bunzlau auf ein Landgut
bei Stolp in Pommern beschäftigten ihn vorzugsweise geographische
Studien, die Herausgabe grösserer Werke über den preussischen Staat,
die ihm ebenfalls ein ehrenvolles Audenken gründen. Schneider gehörte
zu den seltenen Menschen, die der Wissenschaft wegen ihrer selbst sich
mit Enthusiasmus hingeben und in ihrem Verfolge den grössten Genuss
finden. Dabei bei so vielseitiger Bildung und Wissen war er höchst
bescheiden, ja formlos, ireu seinen Freunden und seinen einmal für Recht
erkannten Ansichten.
Herr Geheimrath Göppert bemerkte, dass die von Dr. Schumann
in Reichenbach zuerst im Schlesierthal bei Schweidnitz gefundene Telekia
cordifolia gegenwärtig daselbst vollkommen wild wachse und legte Zweige
und Früchte von Vaccinium Myrtillus mit blassgrünen Beeren vor, deren
Farbe in Alkohol sich nicht ändert; sie waren von Herrn v. Thielau
auf Lampersdorf einsendet.
Herr Dr. Stenzel theilte mit, dass Herr Dr. Stricker vor einigen
Jahren bei Krummhübel einen ganzen Busch mit völlig reifen grünen
Heidelbeeren beobachtet habe.
Herr Geheimrath Goeppert berichtete, dass Herr Apotheker Fritze
am Rudateich bei Rybnik die bisher nur aus Süd-Europa bekannte Mar-
stilea quadrifoliala entdeckt habe, so dass in Schlesien nunmehr sämmt-
liche deutsche Rhizokarpeen gefunden worden sind.
Wir schliessen hieran die nachstehenden Mittheilungen, welche Herr
Geheimrath Göppert in hiesigen politischen Zeitungen am 19. Juli ver-
öffentlichte:
Die morphologisch - physiologische Partie des hiesigen botanischen
Gartens.
Ueber die verschiedenen hier zuerst von mir versuchten Gruppi-
rungen der Pflanzen nach ihren physiognomischen Verhältnissen
und Verwandtschaften, sowie über einzelne interessante Gewächse
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140 Jahres - Bericht
habe ich hier schon oft gesprochen, nicht aber über die eigentliche Be-
deutung der morphologiseh-physiologischen Partie, deren nun
vollständig signirte Aufstellungen dazu bestimmt sind, uns mit den
Lebensverhältnissen der Holzgewächse bekannt zu machen, in-
soweit dies olıne Hilfe des Mikroskopes zu ermöglichen ist. Jene Grup-
pirungen haben insofern jetzt einen Abschluss erlangt, als man nun bei
jeder grösseren Familie auf Blechtafeln das \Vesentlichste über dieselben
verzeichnet findet, mit steter Rücksicht auch zugleich auf ihr Vorkommen
im fossilen Zustande. Das Vorkommen so vieler Repräsentanten der-
selben in dem überaus reichen uns so nahe liegenden Tertiärlager von
Sehosnitz gab hierzu willkommene Veranlassung. Gruppirungen dieser
Art liefern unstreitig höchst belehrende Anschauungen. In grösseren
Gartenanlagen lassen sie sich noch viel instructiver einrichten und wer-
den daher hoffentlich auch nicht in dem von Breslau vor dem Sehweid-
nitzer Thor noch anzulegenden grossen Park fehlen, der dann mit Recht
zu Ehren des Begründers der Pflanzenphysiognomik den Namen Hum-
boldtshain führen würde.
Unsere Beobachtungen über das Leben der Bäume, zu denen
wir hier das grosse Publikum führen, beginnen hereits im Winter, Ein
in das Innere einer 2 Fuss dieken Weisspappel eivgesenktes Thermo-
meter belehrt uns über das Eindringen der Kälte, welche im vergangenen
Winter alle Säfte erstarren machte, Gegenwärtig zeigt es, dass die
innere Temperatur des Baumes fast stets hinter der des Tages zurück-
bleibt. |
Unter gewaltigem Koalle entstanden schon im December v. J. bei
vielen Bäumen, Ahorn, Linden, Kirschbäumen, insbesondere aber bei
den weissen Rosskastanien der Hanptallee und den rothen längs der An-
lage der officinellen Gewächse bis zu 2 Zoll breite und weit über die
Hälfte des Durchmessers reichende Risse, wie hereingesteckte Holz-
und Eisenstifte erkennen liessen. Bei eintretendem Thauwetter schlossen
sie sich rasch und fest um dieselben. Der beim Wiedererwachen der
Vegetation eintretende Naturheilungsprocess hält sie noch fest und um-
giebt sie mit, neuen Holzlagen. Bei den Rosskastanien, bei denen dieser
Vorgang schen in früheren \Vintern stattfand, lässt eine hervorragende,
in der spiraligen Lage der Holzfaser verlaufende Leiste ihre Spur er-
kennen. Auf weiche Weise das Innere dabei leidet, erkennt man in
Querschnitten, wovon ein in der Partie auch aufgestellier 187 jähriger
Steineichen Abschnitt Zeugniss giebt. Die hier sichtbare Spaltung kann
sieh bis zur völligen Zertrümmerung in radiärer Richtung steigern,
wie zahlreiche Exemplare zeigen, welche ich in der jüngsten Ver-
sammlung des schlesischen Forstvereines in Muskau vorlegte
und dabei auf diese bisher noch nicht bekannte nachtheilige Wirkung
ser Kälte aufmerksam machte. Erhabene, zuweilen bie 6 Zoll hervor-
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der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 141
ragende, spiralig verlaufende Leisten an unseren Bäumen, besonders an
den von Frost sehr heimgesuchten Eichen, die man fälschlich oft ‚für
Wirkung von Blitzschlägen hält, entstehen aus den Bestrebungen der
Natur, die gebildete Spalte oberflächlich zu schliessen, was wohl gelingt,
während das geborstene Innere jedoch nieht verwächst, sondern mehr
oder weniger schnell und intensiv zu verrotten beginnt. Herrn Forst-
meister Tramnitz und Herrn Öberförster v. Ernst verdanke ich inter-
essante Pracht-Exemplare dieser Art.
Bei Eintritt der Wärme beginnt das Steigen des Saftes. Mit
welcher Intensität dies beim Weinstock erfolgt, zeigen die von mir. all-
jährlich an der am Wassergraben gelegenen Weinlaube angestellten Ex-
perimenie. In deu auf die abgeschniltenen Zweige gesetzten. Glasröhren
erhebt er sich bis zur Höhe von 30 Fuss. Nach dem Ausschlagen der
Blätter hört dies so bedeutende Steigen auf, die innere oder Cambial-
thätigkeit, die die Neubildungen von Zellen und Gefässen vermittelt, be-
einnt und erstreckt sich über alle Theile des Baumes. Ein Rückfluss
der Bildungsflüssigkeit erfolgt durch die Rinde, wobei man aber an ein
wirkliches Strömen derselben nicht denken darf, wie denn auch einige
in der Nähe der Partie und anderweitig im Garten angestellte Experi-
mente zeigen, dass unter gewissen günstigen Umständen auch der ent-
rindete Stamm insbesondere durch die Markstrahlen noch Rinde und
Holzlagen zu erzeugen vermag.
Den interessantesten Belag für das Herabsteigen des Bildungssaftes
‚bei Eichen liefern die von demselben überwallten, im Scheitniger
Park an der Leerbeutler Seite gelegenen Bänke, welche ich schon vor
30 Jahren beschrieben und abgebildet habe. Gleich einer flüssigen Masse
hat sich hier die mit Rinde versehene Holzsubstanz über die Bänke er-
gossen, während der darunter unmittelbar befindliche Theil des Stammes
sieh nieht verdiekte. Es gelang, sie bis jetzt zu erhalten, die jüngere
Generation möge sich ferner um die Conservation dieses vegetabilischen
-Documentes bemühen, welches seinen Platz schon in Handbüchern der
Wissenschaft gefunden hat.
Alles, was nun in den Bereich der Cambial- oder Bildungsflüssigkeit
gelangt, wird von ihr überzogen und dauernd im Baume befestiget:
Zweige und ganze Stämme werden dadurch mit einander vereinigt, wo-
von die zahlreiehen in unserer Partie vorhandenen Exemplare, henkel-
förmige Verwachsungen der Buchen, von .10—30 Fuss hohen Weiss-
und Rothtannen, grossartige Baumschlingen, Neubildungen von Stämmen
und Luftwurzeln im Innern von Weiden und Linden u. s. w. Zeugniss
geben. Auch fremde Körper, Steine, Knochen, eiserne Ketten und Ge-
länder werden umschlossen, wie die am Eingange der Partie aufgestell-
ten nachweisen, welche einst ‘den Gartenzaun des ehemaligen General-
Landschaftsgebäudes bildeten und mir von dem gegenwärtigen Besitzer
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142 Jahres-Bericht
Herrn Kaufmann Lewy gütigst überlassen wurden. Inschriften erfahren
gleichfalls dauernde Erhaltung. Da diese Exemplare die Unbill der Witterung
im Freien nicht ertragen, verweise ich auf die von mir an 4 Bäumen:
2 Linden, 1 Esche und 1 \Weissbuche angestellten Versuche, an wel-
chen man diesen merkwürdigen Vorgang in raschem Vorschreiten beob-
achten kann. In die 3 grossen Bäume wurde im August 1869
die Jahreszahl 1869 eingeschnitten, in die Esche das Datum
des stets denkwürdigen Tages von Sedan, der 3. September
1870. Diese durch weisse Leinwandstreifen kenntlich gemachten Bäume
befinden sich sämmtlich in der an den Kirchhof grenzenden grossen
Baumanlage des Gartens.
Aeussere Verletzungen, Inerteritichei und dergl. bringen unregel-
mässige Ablagerungen der Holzsubstanz zu Wege, mehr oder weniger
unförmliche Knollenbildungen an Wurzeln, Stämmen, welche auch zahl-
' reich repräsentirt sind. Das eminenteste Exemplar von einer Esche ver-
ehrte Herr von Thielau auf Lampersdorf, bekanntlich Besitzer eines
der schönsten und bestgepflegtesten Privatforsten Schlesiens.
Von welcher Bedeutung die Wurzel für das Leben der Pflanze
ist, zeigt die colossale Wurzel eines nur etwa 2 Fuss dieken Fichten-
stammes, welche, obschon hier nur halb vorhanden, nichtsdestoweniger
mit ihren zahllosen, mindestens 4—500 Fuss langen Nebenwurzeln und
Fasern einen Umfang von 40 Fuss einnimmt. Man könnte hieraus wohl
endlich die Ueberzeugung gewinnen, dass das Wüthen gegen dies Haupt-
ernährungsorgan der Pflanze beim Versetizen der Bäume im höchsten
Grade tadelnswerth erscheint, obschon es leider wohl schwer halten
wird, sobald diesem Missbrauch, wie einem verwandten, dem höchst
nachtheiligen Beschneiden der Aesie zu steuern Dass ich übrigens mit
dieser gewiss nur zu begründeten Meinung nicht allein stehe, möge man
aus Schleiden’s neuestem interessanten Werke ‚der Baum und Wald‘
ersehen, der sich $. 42 aber weniger glimpflich als ich, doch vollkommen
wahr, über diese Angelegenheit ausspricht. Wie trefflich selbst grössere,
aber beim Versetzen nicht beschnittene Bäume gedeihen und nun im
:Besitze der natürlichen Krone prangen, kann man im Garten des Herrn
Buchhändler Max sehen, der niemals dem eben getadelten Verfahren
huldigte.
Verwachsungen der Wurzeln der Nadelhölzer, wie sie in
jedem Walde zu sehen sind, führen zu dem er Ueber-
wallungsphänomen, bei welchen der Stock eines abgehauenen, mit
einem noch lebenden in Wurzelverbindung stehenden Baume von diesem
fort und fort mit Holzlage überzogen wird. Beispiele von Tannen, Fichten
und Lärchen liegen vor, die auch noch durch eine Abbildung erläutert
werden. Wurzelartige, wie von Säulen getragene Fichtenstämme
bilden sich, wenn in Wäldern, in denen die Ueberreste als der Vegetation ein
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 143
dem Walde wie billig gehörendes Gut ihm auch gelassen und nicht
daraus entfernt werden, junge Pflanzen auf abgebrochenen Stämmen
keimen und endlich zu ansehnlichen Bäumen anwachsen; worauf in-
zwischen die Unterlage verrottet und die dadurch freigelegten Wurzeln
gleich Säulen die Stämme hoch in die Lüfte erheben, wie dies unter den
Tropen bei Pandanen und manchen Palmen vorkommt. Stämme jeder
Grösse und Abbildungen liefern nähern Aufschluss. Das Wachsthum
des Baumes ist vollendet, aber das Resultat, die Stärke desselben,
ausserordentlich verschieden je nach der Art, Lage und Bodenbeschaffen-
heit. Zahlreiche Querschnitte (über 50) illustriren diese Verhältnisse:
Man sieht Fichten der Ebene und des höchsten Gebirges, Schnitte von
dem 120 jährigen nur 4 Zoll starken Citronenbaume bis zu den fast
500jährigen 5 Fuss breiten Fichten der böhmischen Urwälder, Eichen,
Weisstannen, Taxus, Pappeln, Eschen, Ulmen ete. Zu näherer Veran-
schaulichung dient unter andern eine Gruppirung eines 72 jährigen Taxus,
‘70 jährigen Myrtenbaumes und eines 120 jährigen Citronenbaumes um
eine nur 7 jährige Paulownia, die sie aber alle an Umfang weit über-
trifft. Eine in der Nähe aufgestellte, 15 Fuss hohe Schwarzpappel,
die es in nur 140 Jahren bis zu dem enormen Umfange von 18 Fuss
und der ganz arligen Höhe von 100 Fuss gebracht hatte, dürfte sich
vergebens nach ebenbürtigen Wachsthumsgenossen umsehen, zur Zeit
aber dennoch nicht die zahlreichen Feinde besiegen, welche sich diesem
nur zu hart, ja grösstentheils gewiss grundlos verfolgten Pflanzen - Ge-
- schlecht entgegenstellen.
Endlieh habe ich auf allen Baumabschnitien von 25 zu 25 Jahres-
ringen Messingstifte angebracht, aus deren Entfernungen von einander
man sich augenblicklich von den oft sehr auffallenden verschiedenen
Graden des Wachsthumes an ein und demselben Stamme unterrichten
kann. Ihre genaue Signatur überhebt mich wohl, hierauf näher einzu-
gehen.
Spiralig gedrehte, wie auch von Inseeten, Vögeln, Wild u. s. w. ver-
letzte Stämme vervollständigen die hier erstrebte Einsicht in alle Lebens-
verhältnisse der Riesen der Vegetation.
In der Mitte der Partie erhebt sich ein Stamm aus dem Braun-
kohlenlager von Saara von 36 Fuss Umfang, der grösste aller bis jetzt
bekannten fossilen Stämme, umgeben von seinen Aesten, dem Bruch-
stücke eines Braunkohlenflötzes, versteinerten Stämmen nebst Abbildun-
gen und erläuterndem Text.
Ferner von demselben:
Ueber eine blühende Agave.
"In unseren Gegenden gehört das Blühen einer Agave americana
(fälschlich auch Aloe genannt) immer noch zu den Seltenheiten, von
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144 Jahres-Bericht
denen man gern Kenntniss nimmt. ‚In dem benachbarten, auch sonst
durch Schönheiten der Natur und Kunst so ausgezeichneten und vielbe-
suchten Sibyllenort beginnt seit einem Monate eine Agave von trefi-
licher Erhaltung und Cultur ihren Blüthenschaft zu entwickeln. Gleich
einem kolossalen Spargelstengel erhebt er:sich schon über die Blattkrone,
wächst täglich je nach wärmerer oder kühlerer Temperatur 4—5 Zoll
und dürfte sicher nach seiner vollständigen Ausbildung die Höhe von 20— 25‘
erreichen, wie man aus seiner Stärke und der Ueppigkeit der 12 — 14’
im Durchmesser haltenden Pflanze zu schliessen berechtigt ist. Er gleicht
dann mit den horizontalen Aesten und zahlreichen Blüthen, deren wohl
mindestens an 2000 zu erwarten sind, einem riesigen Candelaber von
wahrhaft majestätischem Ansehen. Die Blüthen sind grünlichgelb und
höchst merkwürdig durch die reichliche Absonderung zuckerhaltigen
Saftes.. Vollständige Entwiekelung ist abgesehen von störenden Witte-
rungs-BEinflüssen erst im August und September zn erwarten, sie kann
sich auch bis in den October hin verziehen. Unter diesen Umständen
würde sich die Aufstellung der Pflanze in einem eigenen Glaspavillon
mit innerer Treppe, wie einst in ähnlichem Falle zu Pilgramshain am
meisten empfehlen, um sie in ihrer ganzen Schönheit bewundern zu
können. In ihrem Vaterland Mexico hat sie eine grössere, wahrhaft
nationale Bedeutung. Ihr Saft liefert das Lieblingsgetränk aller Mexi-
caner, den Pulque, die Blaitfasern benutzt man wie Hanf, die äussere
Haut der grossen Blätter dient zur Bereitung eines pergamentartigen
Papiers. Die Bereitung des Pulque’s geschieht auf folgende Weise: Man
schneidet den sich entwickelnden Blüthenstengel heraus, so dass eine
napfförmige Höhlung von I— 1, Fuss Durchmesser und Tiefe gebildet
wird. In diese strömt nun der Saft, den die Natur zur Bildung des un-
geheuren Blüthenstengels bestimmte und zwar in solcher Menge, dass
man ihn 1—2 Monate lang täglich 2—3 Mal ausschöpfen muss, was
mittelst eines Saughebers geschieht. Der frisch gewonnene Saft heisst
Aguamiel, Honigwasser, und wird nun dureh Gährung zu einem erfrischen-
den, schwach geistigen Getränke umgewandelt, welchem freilich oft bei
unreinlicher Bereitung nach der Angabe der Europäer ein bitterlicher
fauliger Beigeschmack nicht fehlen soll. — Dass die Agave verhältniss-
mässig erst spät nach Enropa, zuerst nach Spanien, gelangte (1560) und
sich von hier aus weiter verbreitete, habe ich in diesen Blättern früher
‘schon erwähnt, sowie auch, dass sie in Schlesien zuerst 1662 im gräflich
Oppersdorfer Garten und zwar zum 18. Mal in Europa blühte, später
zur Entwickelung gelangte: 1719 in Preus, 1803 in Peuke bei Oels,
1857 in Eekersdorf und 1868 in Pilgramshain und in Jehannisberg. —
Der Herr Hofgärtner Ginert in Sibyllenort :hat es übernommen, die in
wissenschaftlicher Hinsicht auch interessanten Stadien der Entwiekelung
unserer Pflanze genau zu beobachten, Sie fing im August an zu blühen,
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 145
entwickelte sich bis zum Anfang des November. Nähere Beobachtungen
sind mir nicht zugekommen. *)
In der achten Sitzung vom 9. November berichtete Herr Wundarzt
Knebel über die Verhandlungen der deutschen Naturforscher-Versamm-
lung zu Rostock, der er beigewohnt hat.
Herr Geheimrath Göppert hielt einen Vortrag über die Aufgabe
der Botanischen Section; ihr liege es ob, nachdem die Phanerogamen
Schlesiens in der Wimmer’schen Flora mustergültig. bearbeitet, auch
die Kryptogamen in Angriff zu nehmen; es möge daher von den Mitglie-
- dern der Section eine Kıyptogamen-Flora oder zunächst eine Enumeratio
bald möglichst veröffentlicht werden. Auch für eine dereinstige neue
Bearbeitung der Schlesischen Phanerogamen-Flora sei er bedacht gewesen,
handschriftliches Material anzusammeln und wurden 18, in der Bibliothek
der Gesellschaft aufbewahrte schlesische Special-Floren vorgelegt, von
denen der Custos der Sammlungen, Herr Professor Körber, einen Kata-
log angefertigt hat. Von gedruckten, zum Theil erst in neuester Zeit
erschienen Floren verdienen besondere Hervorhebung und Anerkennung:
Peck, Flora von Schweidnitz, Gerhardt, Flora von Liegnitz, Hoeger,
A Flora des Hirschberger Thals, Büttner, über das Flussgebiet der Glatzer
Neisse. Als Beitrag zur schlesischen Pilz-Flora wurde vorgelegt eine
von dem Hütten- Arzt Geisler in Jacobswalde OS. 1817 — 1827 ange-
fertiste Sammlung von colorirten Abbildungen schlesischer Pilze in vor-
züglicher Ausführung.
*) Im Anschluss an obige Mittheilung erlaubt sich der Unterzeichnete zu be-
merken, dass er bei einem Besuch zu Sibyllenort im October den Blüthenschaft
der Agave in vollster Entwickelung, in den unteren Rispenästen schon verblüht,
fand; aufgestellt in den kuppelartigen Mittelraum des Gewächshauses, welches er
bis zur Decke erfüllte, gewährte derselbe einen höchst imposanten Anblick.
Hierbei trat die von mir auch anderweitig, zuerst bei Agave Goeppertiana Jacobi,
die im Jahre 1860 im Breslauer botanischen Garten zur Blüthe gelangte, sowie
auch von Weiss bei Agave Jacgumiana in Lemberg beobachtete Dichogamie der
Blüthen recht augenfällig hervor, indem die Staubbeutel früher geschlechtsreif
werden, als die Narbe; die ersteren haben längst ausgestäubt, während die drei
Narbenlappen noch geschlossen bleiben; erst weit später breiten sich dieselben
auseinander und werden unter Ausschwitzen einer süssen Narbenfeuchtigkeit zur
Befruchtung tauglich. Die ausserordentliche Menge Honigsaft, welche in der
Perigonröhre der Agavenblüthe ausgeschieden wird, ist offenbar dazu bestimmt,
Insecten anzulocken, welche die Bestäubung vermitteln, da eine Selbstbefruchtung
in den protandrischen Blüthen nicht möglich ist, ohne künstliche Befruchtung
- werden daher auch keine Früchte von den in unseren Gärten blühenden Agaven
ausgebildet, Auffallend war an dem Sibyllenorter Exemplar auch die Heliotropie
der Blüthen; da dasselbe nämlich nur von vorn, nieht aber von oben und hinten
Licht empfing, hatten sich die Rispenzweige nicht gleichmässig ausgebildet, wie
bei den im Freien blühenden Pflanzen, sondern es hatten sich sämmtliche
Blüthen durch Krümmung ihrer kurzen Stiele zum Lichte hingedreht. Cohn,
10
146
Jahres-Bericht
Der Custos der Sammlungen der Schlesischen Gesellschaft, Herr
Professor Dr. Körber überreichte im Anschluss an den Göppert’schen
Vortrag nachstehendes, von ihm angefertigtes
Verzeichniss der dem Henschel’schen Globus aggregirten botanischen
1)
2)
3)
4)
5)
6)
D
8)
9)
10)
11)
12)
13)
14)
15)
16)
17)
18)
Manuscript-Sammlung der Schlesischen Gesellschaft.
v. Albertini, kryptogamische Gewächse in Schlesien um Gnaden-
berg 1814—1817 und um Gnadenfrey 1819/20 gesammelt. 4°.
v. Albertini, Flora montis Gratiarum. 1814—1817. 8°. (Mit
einem lateinisch geschriebenen kurzen Vorwort.)
v. Albertini, Flora Gnadenfreyensis. 1819/20. 8°. Dazu: (Cata-
log; auxiliares tres ad Fl. G.
Unverricht, Enumeratio stirpium Phanerogamarum, quae prope Fuer-
stenstein sponte proveniuni. 1840. 4°. (Nur der Titel lateinisch.)
Güntzel-Becker, Enumeratio florae Wohlaviensis. Nach Wimmer’s
Flora 1857 zusammengestellt. 4°.
Beilschmied, Verzeichniss der Plantae vasculosae der Umgegenden
von Ohlau und von Beuthen a. 0. 4°.
v. Ueehtritz, Flora der Umgegend von Friedland, Kreis Walden-
burg. 1865. 4°.
Straehler (Revierförster), Verzeichniss der bei Görbersdorf vor-
kommenden Phanerogamen und Gefäss-Kryptogamen als Ergänzungs-
heft zu Uechtritz Flora von Friedland. 1870. 4°.
R. Müncke, Flora der Umgegend von Falkenberg O./S. Nach
Wimmer’s Flora. IH. Aufl. Bearb. 1859. 4°.
J. Spatzier, Verzeichniss der Schlesischen Pflanzen und ihrer
Standorte um Jägerndorf. 1842. Fol.
Kleinwächter, Zusammenstellung der in der Gegend zwischen
Fraustadt und Glogau gefundenen Pflanzen 1364. /, Bogen.
J. Leder, Verzeichniss derjenigen phanerogamen Pflanzen, welche
in der Tarnowitzer Flora wild wachsen und eultivirt werden. 1860.
Fol.
Everken, Verzeichniss der Laubmoose um Sagan 4°. 2 Bogen.
Limpricht, Uebersicht der im Gebiet der Bunzlauer Flora bisher
beobachteten Laubmoose. 1867. 4°.
Zimmermann, Verzeichniss der in der Umgegend von Striegau
gefundenen Laubmoose. 1866. 4°.
el: Laubmoose des Fürstensteiner Grundes und der Hochwald-
wiesen bei Salzbrunn. 1 Bogen.
Wichura, ein Convolut von 27 blau brochürten @uartheften, ent-
haltend morphologische Beobachtungen, Excerpte, nach den Pflanzen-
familien geordnete Beobachtungen über Keimnpflanzen ete.
Wimmer, ein Convolut loser Blätter und Zeichnungen, grössten-
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ii
der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 147
theils Algen - Studien enthaltend — sämmtlich in einem schwarzen
Pappumschlage mit der Aufschrift: ,‚Algae Siles.‘“ (Studien von
. Wimmer.)
19) v. Uechtritz sen., Verzeichniss der Pflanzen seines Herbars. Zwei
Hefte in blauem Papier.
20) v. Uechtritz jun., Fundorte der (von ihm) im Gebiete der Schle-
sischen Flora aufgefundeuen Laubmoose. 1848. 151 8. in 4°.
21) Idem, Enumeratio plantarum prope Ober-Salzbrunn in Silesia crescen-
tium. (Enthält auch die Kryptogamen). Sin. anno. Fol.
Ausserdem findet sich folgendes Manuseript vor:
Henschel, Facultätsgutachten über die Geheimrath Schmidt’sche Schrift
„Die Reform der Medieinalverfassung Preussens“, 1846. (Ein
dickes Convolut).
Als Beitrag zur schlesischen Pilzflora legte Herr Geheimrath Göppert
vor eine von dem verstorbenen Hüttenarzt Geisler zu Jacobswalde O./8.
angefertigte Sammlung von colorirten Abbildungen schlesischer Pilze in natur-
getreuer Ausführung. Sie wurde ihm von einem Sohne des Verstorbenen,
dem Herzoglich Ratibor’schen Rentmeister und Hauptmann a. D. Herrn
Geisler zu Ratiborhammer auf ein Jahr gütigst zur literarischen Be-
nutzung anvertraut und bildet sicher einen überaus werthvollen Beitrag
zu der künftigen Pilz-Flora unserer Provinz. Der verstorbene Verfasser
war mit den Gründern unserer Flora, Günther und Schummel,
in steter Verbindung gewesen und hatte auch für die Phanerogamen
manche interessante Pflanze geliefert, starb aber leider schon sehr früh,
im 49. Jahre seines Alters, am 29. April 1826. Die obige Sammlung
besteht aus 3 Quartbänden: der eine ist eine Copie des 2. Bandes von
Jacob Bolton mit 48 illuminirten Zeichnungen nebst dem dazu gehören-
den Text und hat sichtlich nur als Studienmittel gedient, während die
beiden andern die für uns werthvollen Originalabbildungen der von ihm
in der Umgegend von Jacobswalde im Zeitraum von 7 Jahren, von 1817
bis 1824 gefundenen und zugleich abgebildeten Pilze auf 331 Blättern
enthalten. _Ohne Ansprüche auf künstlerische Ausführung, wie sie bei
einer etwaigen Edition verlangt werden würde, entsprechen sie insofern
ihrem Zweck, als sie so naturgetreu ausgeführt sind, dass man sie ohne
Schwierigkeit zu bestimmen vermag, wie dies bereits im Jahre 1823 von
dem in Breslau lebenden Botaniker, meinem hochverehrten Lehrer Prof.
Dr. L. C. Treviranus versucht ward, dessen damals entworfenes
Verzeichniss mir noch im Manuseript vorliegt. Wenige Bestimmungen
bedürfen einer Rectification: Tuber cibarium ist nicht richtig, sondern die
in Deutschland doch selten, in Oberschlesiens Wäldern in der Umgegend
von Lublinitz, Gleiwitz, Rybnik, Ratibor, Neustadt u. a. sehr verbreitete
weisse Trüffel Chaeromyces maeandriformis Vittadini, Tuber album Corda oder
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Ehe ir re Aa I 2-9 Ze 4 Baal Zn Zn zes
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148 Jahres-Bericht
Rkizopogon albus Fr. Die ächte schwarze Trüffel, Tuber cibarium, ist
bis’ jetzt in Schlesien noch nicht gefunden. Diesen Namen führt fälsch-
lich der in ganz Schlesien, vielleicht in ganz Norddeutschland sehr
häufige Feldstreuling, Scleroderma vulgare, dessen Genuss in grösseren
Quantitäten die Symptome einer Pilzvergiftung herbeiführt, die bei der
ausgedehnten Benutzung dieses Pilzes nur deswegen nicht häufiger beob-
achtet wird, weil man ihn nicht als Gericht, sondern nur als Würze wie
die schwarze Trüffel, also nur in geringeren Quantitäten zu verspeisen
pflegt. In einigen, für das grössere Publieum bestimmten Zeitungsartikeln
suchte der Vortragende es zu unterrichten und fand sich eudlich veran-
lasst, in einem der damals im August (1871) leer stehenden Gewächs-
häuser eine Ausstellung obiger Pilze in natura und in Abbil-
dungen zu veranstalten, an welche sich nach und nach alle diejenigen
anschlossen, welche nach mehrjährigen Erfahrungen auf den hiesigen
Märkten feilgeboten wurden. Da das Publicum dies Unternehmen mit
Interesse aufnahm, insbesondere die Beamten der Marktpolizei hier eifrig
studirten, sollen diese Ausstellungen im bevorstehenden Sommer wieder-
holt werden.
Folgende an und für sich essbare Pilze kommen bei uns zum
Verkauf:
1) „Maipilz,“ Agar. pomonae, im Frühling.
2) „Musseron, Muscherong, Musserien, Derrbehndel,“ Ag. scorodomus,
August bis October.
3) „Grün-Reisker, Grünschwappe,“ Ag. ‚flavovirens, im October.
4) „Mileh-Reisker,‘“ Ag. volemus, August.
5) „‚„Rothweisskerz, gemeiner R.,“ Ag. deliciosus, August bis October.
6) „Champignon,“ Ag. campestris, August bis October.
7) „Michaeli-Pilz,‘“ Agariei sp., um Michaeli, klein, braun.
8) „Gahlschwamm, Galuschel,‘“ Cantarellus cibarius, August bis October-
9) Sparassis brevipes, „Feisterling, Fehsterling,“ September, October.
10) Sp. erispa, „Feisterling, Judenbart, Ziegenbart,‘“ September, October.
11-14) „Ziegenbart und Judenbart,“
Clavaria Botrytis,
— formosa,
—. flava,
— . griseg,
August, September,
15) Feldstreuling, fälschlich „Trüffel,‘“ Seleroderma vulgaris, August, Sep-
tember.
16—17) ‚„‚Morchel,‘
Hevella esculenta,
Morchella esculenta,
Frühjahr.
der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 149
„Steigerluschel, Steischwamm,“ Hydnum repandum, October.
„Steinpilz,‘“ Boletus edulis, nebst Var., August bis October.
„Schell- oder Schäl- (?) Pilz,“ Bolet. luteus, desgl.
„Hirsepilz,“ Boletus variegatus, Juli, August, September.
„Graukappe, Rothkappe,‘ Bol. scaber, nebst Var., August bis October.
„Kosauke, Butterpilz,‘“ Bol. subtomentosus, nebst Var., August, Sep-
tember.
24) „Eichsteinschwamm,“ Bol. scaber ß. nanus, October.
Ausserdem geniesst man in Schlesien:
Polyporus umbellatus, „‚Eichhaase.‘“
— frondosus, „Klapperschwamm.“
„Weidenschwamm,‘‘ Polyporus suaveolens.
Polyporus sulphureus, September, October.
Fistulina hepatica, September, October.
Agaricus virgineus Wulf, (?) October.
— procerus, Parasolplz.
Chaeromyces maeandriformis Vitt, August bis October in Oberschlesien.
Ausser dem, wie schon oben erwähnt, schädlichen Scleroderma habe
ich giftige Pilze auf unsern Märkten nicht bemerkt, nicht die so giftigen
Agaricus bulbosus oder vellereus, welche allenfalls mit Agaricus campestris
verwechselt werden könnten.
Nicht uninteressant war es, wie aus dem Sitzungsberichte der k. k.
zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien 1871 zu ersehen, dass eine
von der niederösterreichischen Regierung verlangte, von Dr. H. W. Reich-
_ hardt verfasste Uebersicht der auf den niederösterreichischen Märkten
verkäuflichen Pilze fast dieselben Arten aufzählt und ihren Genuss ge-
stattet. Das Vorkommen der ächten Trüffel wird auch hier in Frage
gestellt. In Böhmen scheint sie gleichfalls zu fehlen. In Carlsbad ver-
kaufte man dafür im August und September 1871 Seleroderma vulgare, ja
sogar Polysaccum Pisocarpium.
Die anwesenden Mitglieder der Section sprachen ihre Bereitwilligkeit
aus, an der projectirten Kryptogamen-Flora von Schlesien mitzuarbeiten,
deren Plan in einer Comite-Sitzung vom 29. December genauer festge-
„ stellt worden ist.
‚Der Secretair legte ein Stück sogenannte Oderhaut vor, gefunden:
- von Stud. Schumann bei Rothkretscham und gebildet aus dem aus-
getrockneten Filz einer Cladophora (viadrina Kg.), sehr ähnlich der von
Kundmann im vorigen Jahrhundert beschriebenen, von Göppert in
der ehemaligen, leider aufgelösten Sammlung der Bernhardiner Bibliothek.
aufgefundenen Wiesewatte.
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150 Jahres-Bericht
Herr Dr. phil. W. G. Schneider hielt einen Vortrag über das
sterile Mycelgebilde Ozonium Link und dessen Zusammenhang mit Oopri-
nus-Arten. „Im Februar d. J. erhielt ich durch gütige Uebermittelung des
Herrn Apotheker Fritze in Rybnik ein Pilzmycelgebilde, welches Herr
Pfarrer Holuby an Balken in einem sehr feuchten Bauernzimmer zu
N.-Podlungy bei Trenezin in Ungarn gefunden hatte und worin ich das
Ozonium auricomum Link (sehr schön abgebildet in Greville’s Scot. eryptog.
Flora Vol. V. tab. 260) erkannte. Ende März d. J. erhielt ich von
Herrn Holuby von demselben Standorte Exemplare eines Coprinus, welche
auf den strahligen rothgelben Geweben des Ozonium gewachsen waren.
Zwar haben schon früher Mycologen, wie Letellier, Fries ete. in dem
Ozonium das Mycelium höherer Pilze vermuthet, ohne jedoch das Richtige
zu treffen, bis der belgische Botaniker Coemans in seinem Spieilege
mycologique No. 2 (1862), worin er 3 belgische Ozonium-Arten charakte-
risirt, den Zusammenhang des Ozonium als Mycelgebilde mit Coprinus-
Arten nachwies. Demnach würde die Beobachtung des Herrn Pfarrer
Holuby einen neuen schätzbaren Beitrag zur Begründung dieser That-
sache liefern; doch herrschen noch Differenzen über die auf dem Mycel-
gewebe des Ozonium auricomum beobachteten Coprinus- Arten; Coemans
hat darauf den Coprinus stercorarius, eine ziemlich kleine, sehr zarte Art
gefunden, während die vorliegenden Exemplare aus Ungarn bedeutend
grösser, robuster sind und viel eher dem Coprinus deliquescens (Bull.) Fries
entsprechen dürften. Leider waren die von Herrn Pfarrer Holuby erhal-
tenen Exemplare schon zerschnitten und getrocknet, demnach eine genaue
Bestimmung der Art nicht leicht möglich; nach einer beigefügten Zeich-
nung zu schliessen, wonach der Stiel nicht bis zum Grunde hohl zu sein
scheint, nur der Hut an der Spitze bei jüngeren Exemplaren mit grossen
Warzen besetzt ist, passt die Beschreibung des C. deliquescens noch am
besten auf meine Exemplare. Um diese Differenz zu lösen, müsste man
entweder annehmen, dass aus derselben Ozonium-Art verschiedene Copri-
nus-Arten sich entwickeln, oder dass das Ozonium auricomum verschiedene,
kaum unterscheidbare Formen bildet, welche verschiedenen Coprinus-
Arten angehören.
Ferner machte derselbe Mittheilung über das Synchytrium aureum
Schröt. und dessen ausserordentlich grosse Verbreitung auf einer bedeu-
tenden Anzahl Nährpflanzen aus den verschiedensten natürlichen Familien,
so dass dem Vortragenden bereits 70 Nährpflanzen aus 26 Familien be-
kannt sind, worauf obige Art vegetirt, und diese Zahl hiermit noch
keineswegs erschöpft sein dürfte. Herr Stabsarzt Dr. Schröter vermuthete
schon in seiner Monographie der Gattung Synchytrium (Dr. Cohn, Beitr.
z. Biologie d. Pflanzen A. I.) bei seinem $. aureum, welches wir auf
3 Nährpflanzen aus sehr verschiedenen Familien auffanden, dass die Syn-
chitrien nieht immer auf einzelne Nährpflanzen beschränkt sein möchten,
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 151
was sich nun bei vorliegender Art in sehr umfangreicher Weise bestätigt hat
und auch noch für einige andere Arten, wenn auch nicht in so extensiver
Weise, herausstellen dürfte. Die vorgezeigten Exemplare der zahlreichen
Formen des $. aureum stammten alle aus der Gegend von Liegnitz, von
Herrn Lehrer Gerhardt gesammelt; eine specielle Lokalität, der Bade.
hausgarten in Liegnitz, in dessen feuchten, schattigen Anlagen eine grosse
Menge der verschiedensten Pflanzen zusammen wachsen, lieferte ein be-
sonders reiches und merkwürdiges Contingent für die Verbreitung des
S. aureum auf den verschiedensten Nährpflanzen, nur Gramineen gänzlich
ausgenommen. VonsSynchytrium Myosotidis Kühn wurde eine neue ausgezeich-
nete Form auf Potentilla argentea L. aus der Liegnitzer Gegend vorgezeigt.
Sämmtliche demonstrirte Exemplare wurden dem Herbarium der Schle-
sischen Gesellschaft überwiesen.
In der achten Sitzung vom 23. November zeigte Herr Geheimrath
Göppert ein riesiges, an 20 Pfund schweres und prachtvoll gefärbies
Exemplar des Polyporus citrinus, welches auf einer abgehauenen Weide
im botanischen Garten gewachsen, aber durch- den Frost getödtet war.
Derselbe verlas einen von Herrn Dr. Langenbach in Palermo ein-
gesandten Aufsatz über die Cultur der Mannaesche (Fraxinus Ornus) in
Sicilien:
“Cultur der Manna-Esche und Gewinnung der Manna in Sicilien.
Von Dr. phil. Langenbach. *)
Vom agronomischen Standpunkte aus wird Sieilien in drei Höhen-
zonen eingetheilt, nämlich in die Seezone (zona maritima), mittlere Zone
(zona media), und Gebirgszone (zona montuosa).
Die erstere, die Seezone, ist charakterisirt durch die Cactusfeige
(Opuntia Ficus indica Mill.), Sumach, Orange, Olive, Maulbeerbaum, Wein-
stock, Banane, Korkeiche, Palme — in der mittleren Zone erscheinen
Pistazie, Mandel, Walnuss, Haselnuss, Apfelbaum, Kastanie, Johannisbrot-
baum, Fichte — in der dritten endlich, der Gebirgszone, wachsen Stech-
palme, Steineiche, Buche, Tanne, Birke.
Die Mannaesche, Ornus europaea Pers., Fraxinus ornus L. (italienisch.
orniello da manna oder frassino da manna) pflanzt man am besten in den
oberen Theil der Seezone und den unteren der Mittelzone, so dass sie
im ersteren Falle neben der Olive, im zweiten neben der Kastanie vor-
kommt. Das Grundstück ist so zu wählen, dass es den Strahlen der
*) Herr Dr. phil. Langenbach, Verfasser der interessanten Dissertation de
flora diluviali, Breslau 1863, verweilte in den letzten Jahren in Sieilien und be-
schäftiste sich auf meinen Wunsch unter andern auch mit Untersuchungen über
die Manna und ihre Gewinnung. Göppert,
152 Jahres - Bericht
Mittagsonne ausgesetzt is. Der Boden soll wenig fruchtbar und nicht
gedüngt sein.
Die jungen Pflanzen werden aus Samen gezogen und ein Jahr nach
der Aussaat auf den ihnen bestimmten Platz gebracht. Der Boden wurde
zu diesem Zwecke vorher gepflüst; dann macht man mit Eisenstäben
Löcher je in einer Entfernung von 1'/, Meter und so tief, dass ausser
der Wurzel noch ein Theil des Stämmehens mit eingesenkt wird. In
den ersten Jahren wird der Boden drei Mal umgehackt, später nur zwei
Mal und zwar im Januar und Mai.
Sind die Bäumchen acht bis zehn Jahre alt, so beginnt die
Gewinnung der Manna. Für den Praktiker ist diese Zeit der Ernte
sekommen, wenn er das Stämmehen mit Daumen und Mittelfinger gerade
umspannen kann. Mit etwas gekrümmten, sehr scharfen, grossen Messern,
welche von beiden Armen geführt werden, macht man nun am Fusse des
Stämmchens einen Querschnitt durch die ganze Dicke der Rinde; bei den
jüngeren Bäumen ist der Einschnitt ein Drittel des Umfanges breit, bei
den älteren beträgt die Breite nur ein Viertel des Umfangs. Mit den
Einschnitten fährt man, auf der nämlichen Seite nach oben aufsteigend,
fort, indem man täglich einen neuen Einschnitt macht. Die Einschnitte
sind je um eine Fingersbreite von einander entfernt. Ist eine Seite des
Stammes, bis zum Beginn der Aeste, mit Einschnitten bedeckt, so werden
dieselben auf der nächstanstossenden Seite in eben derselben Weise ge-
macht. Da die Ernte während dreier Monate, Juli, August und September,
geschieht, so beträgt die Anzahl der jährlich gemachten Einschnitte gegen
neunzig. — Ein Arbeiter pflegt von Morgen bis Mittag vier-
tausend Bäume einzuschneiden.”)
Aus dem Einschnitt fliesst eine braune Flüssigkeit aus, die nach
wenigen Stunden fest und weiss wird. Der Saft erhärtet in der Form
von Zapfen oder Stangen, in Sieilien canoli genannt, (Manna
*) Herr Dr. Langenbach hatte die Güte, mir ein 25 C.M. langes und 12 C.M.
breites Stück der Mannaesche zu überschieken, welches die Spuren der in ver-
schiedenen Jahren gemachten, etwas schiefen, 5—8 C. M. langen Einschnitte er-
kennen lässt, mit denen man im 10. Jahre an diesem Stämmchen begonnen hat.
Die Jahresringe zeigen deutliche Begrenzung, das Holz ist sehr fest und von be-
deutendem speeifischen Gewicht. “Bekanntlich eultiviren wir die Mannaesche in
unsern Gärten nieht ohne Erfolg, so lange die Temperatur nicht — 20 Grad von
einiger-Dauer beträgt. Dann erfriert sie bis auf die Wurzel, aus der sie aber
gewöhnlich im nächsten Jahre wieder ausschlägt, wie dies den meisten süd-
europäischen Bäumen und Sträuchern zu widerfahren pflegt. ass eine überaus
hohe Wärme zur Production der Manna erforderlich ist, zeigt der Umstand, dass
ich bei uns, selbst in ungewöhnlich heissen Sommern niemals durch Einschnitte
an 8—1lOjährigen Stämmchen Manna zu erhalten im Stande war.
Göppert.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 153
cannellata), welche herabgeflossen, entweder der Rinde adhäriren, oder
bei der meist geneigten Stellung der Bäume, senkrecht herabhängen.
Namentlich in letzterem Falle würden. manche Tropfen auf die Erde
fallen, weshalb man dieselben auf untergelesten Stengelgliedern (italienisch
pale) der Opuntia Ficus indica auffängt. Das Einsammeln geschieht je in
Zwischenräumen von mehreren Tagen, wobei die canoli, wie die ange-
klebte, von Rinde und Kaktusstengel abgeschabte Manna (die manna in
sorta) in Röhren, welche aus Baumrinde verfertigt sind, gesondert ge-
halten werden. Jeder Einsammler trägt deshalb zwei solcher Röhren,
die mittelst eines Bandes über die Schultern gehängt sind. Bei regen-
losem Wetter löst man die Manna wöchentlich ab; droht Regen, welcher
die Manna auflösen und so wegführen würde, so wird schleunigst ge-
sammelt. Es befindet sich darum während der Nacht eine Wache in
den Anpflanzungen, die bei erwartetem Regen eine Glocke zieht, da-
mit alle bereiten Hände das Product möglichst schnell in Sicherheit
bringen.
Die gesammelte Manna wird etwas an der Sonne getrocknet, und
man sucht sie sofort zu verkaufen. Während der Landwirth nur die
oben genannten Sorten — manna in canoli und manna in sorta — son-
. dert, unterscheidet der Händler deren viele, meist nach Oertlichkeiten
benannte.
Nach 12— 20 Jahren der Manna-Gewinnung wird der
Eschenstamm für dieselbe unergiebig. Man schneidet ihn dann
ab, um neue Schösslinge hervortreiben zu lassen, welche man nach
4 —6 Jahren einzuschneiden beginnt; sterilisiren auch diese, so werden
sie ihrerseits abgeschnitten. Nach und nach wird aber das Product sehr
spärlich, so dass eine andere Cultur an die Stelle treten muss. |
Auf einer Hektare *) stehen an 5000 Pflanzen, welche zwischen
80 und 100, im Mittel also 90 Kilogramm Manna liefern. Davon ist
etwa der zwanzigste Theil manna in cannoli, d. i. 4"), Kilogramm, wäh-
rend 85'/, Kilogramm anna in sorta darstellen. Erstere kostet 16 Lire
das Kilogramm, letztere 6 Lire 68 centesini. Das würde demnach für
die Hektare 643,14 Lire ergeben. Die Kosten der Anpflanzung
und Bewirthschaftung bis zur Gewinnung der Manna (8 Jahre) stellen
sich für die Heetare auf 1010 Lire. Berechnet man für diese 6 Procent,
also 60,60 Lire und für die dann nöthigen Arbeiten 81,50 Lire,
so betragen die Unkosten 142,10 Lire. Von der gewonnenen Manna
erhält der Pächter, welcher das Grundstück zwei Mal unzuhaeken und
*) Eine Hektare etwas weniger als vier Preussische Morgen.
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154 Jahres-Bericht.
alle Arbeit bis zum Einsammeln der Manna zu leisten hat, die Hälfte.
Es bleiben demnach dem Besitzer
ni — 321,57 Lire
aus dem Verkaufe der Manna, so dass der ihm zufliessende Reingewinn
321,57 — 142,10, d. i. rund 189, Lire beträgt für die Hektare.
AufGrund der gegebenen Zahlen beliefe sieh die Boden-
rente auf 171, Procent:e Für Deutschland bedeutend, er-
scheint sie für sieilische Verhältnisse nicht besonders hoch.
Daraus erklärt es sich denn, dass die Cultur der Mannaesche an manchen
Orten anderen, grösseren Nutzen abwerfenden Culturen zu weichen fort-
fährt. Am meisten wird der Anbau vermindert durch die zu erstaun-
lichem Umfange sich steigernde Orangencultur, welche sich in neuerer
Zeit selbst auf hoch gelegene Gegenden erstreckt, wenn nur Berieselung
und bequemer Absatz der Früchte möglich sind. Um von der Steigerung
letzterer Production hier beiläufig eine Vorstellung zu geben, sei erwähnt,
dass die Provinz Palermo im Jahre 1854 an Orangengärten (Agru-
menti) 4466 Hektaren besass, die einen Bruttogewinn von
16,077,600 Lire ergaben; vierzehn Jahre später, 1868, gab es deren
11,000 Hektaren, welchen eine Bruttoeinnahme von 39,600,000 Lire ent-
spricht. Der Rückgang der Mannacultur um Palermo und ähnliche Ver-
hältnisse darbietende Oertlichkeiten, wie Messina und Catania, erklärt
sich daraus sehr einfach. Der ‚Kampf um’s Dasein“ findet auch bei
dieser Thatsache seine eindringliche Illustration. — Die bedeutendste
Production der Manna geschieht gegenwärtig bei Cefalu, wo vier Dörfer
für 750,000 Lire jährlich erzielen.“
Herr Professor Göppert legte als ersten Beitrag zur schlesischen
Kıyptogamenflora einen Conspectus Fungorum Silesiue vor, welchem seine
eigenen Funde, die des Herrn Lothar Becker, sowie die in dem
Geisler’schen Manuseripte abgebildeten Arten zu Grunde gelegt sind.
Herr Professor Dr. Körber besprach die von der deutschen Nord-
pol-Expedition im Jahre 1870 hauptsächlich aus Grönland mitgebrachten
Flechten, welche ihm von dem Bremer Comite zur Bearbeitung über-
geben waren, darunter mehrere neue Arten (Gyrophora Koldeweyi, Gyro-
phora Tramnitziana, Buellia Peyeri, Rinodina Pantzschiana, Callopisma groen-
landica, Orthospora groenlandica), ganz besonders schön ist auch Usnea
melanosxantha.
Derselbe legte eine von ihm angelegte Typensammlung der
Lichenen vor, welche in eleganter Ausstattung sämmtliche bekannte
Arten in typischen Exemplaren in Kästen systematisch an einander ge-
reiht enthält.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur. 155
Herr E. Junger legte im Namen des Herrn v. Uechtritz vor:
Die wichtigsten Funde des Jahres 1871, im Gebiete der schlesischen
Flora, zusammengestellt von Rudolf v. Vechtritz.
A. Neue Erwerbungen.
Sisymbrium pannonicum Jeg. Breslau, an der steineren Böschung des
Oderdammes am Ende der Ufergasse zahlreich mit Lepidium Draba
im Mai 1871 von Kabath entdeckt. Sicher nur eingeschleppt.
Diplotaxis muralis DI. Mühlgerinne der Neuhammer Mühle bei Proskau
in Oberschlesien zahlreich, entdeckt von Stein im August 1871.
_Trifolium brachystylos Knaf. fide spec. ab auct. leet. Est forma singularis
T. pratensis, flor. pallide roseis, manifeste peduneulatis, dentibus
calycinis flores subaequantibus, juveniles longe superantibus;
eapitulum exinde comosum, magis elongatum quam in vulgari
T. pratensi. Kleinburg bei Breslau. (Uechtritz.)
Rubus Sprengelüi W. N. Breslau, Obernisk im schattigen Grunde vom
Oberdorfe nach den Sitten, im August 1867. (v. Uechtritz.)
Hieracium riphaeum *) Uechtr. Nahe verwandt mit H. prenanthoides, mit
dem es bisher bei uns stets verwechselt wurde, unterscheidet
sich diese Art gleichwohl leicht durch folgende Merkmale:
Stengel niedriger, meist nur 0,20 — 0,40 Meter hoch, weniger
dicht beblättert, armköpfig (meist 1—3 köpfig) oder selten
armblüthig-corymbös (aber niemals rispig-ebensträussig!).
Blätter durchschnittlich kürzer und breiter, dabei starrer und
kahler, die oberen eiförmig - lanzettlich oder selbst eiförmig,
höchstens halbstängelumfassend, oft nur sitzend, am
Grunde abgerundet oder selbst gestutzt, entfernt (nicht
genähert) gezähnelt oder bisweilen schwach ausgefressen - ge-
zähnelt wie bei H. bohemicum, unterseits nicht gitternetzig, in-
dem die Nerven dritter Ordnung nicht deutlich hervortreten, wie
dies bei H. prenanthoides der Fall ist. Blüthenstiele steif-
aufrecht, wie die Hüllen, mit nur spärlich eingestreuten
Drüsenhaaren besetzt. Köpfchen etwas grösser, am Grunde
weniger verschmälert. Kronen-Saum schwächer gewimpert.
Achaenen kleiner, mit etwas kürzerem Pappus, die hald-
reifen rothbraun, die völlig reifen glänzend schwarzbraun,
fast schwarz wie bei H. bohemicum; bei H. prenanthoides sind
dieselben zuerst bleich, später blassbraun oder stets bleich.
Charakteristisch ist es ferner für qaiese Art, dass sich vorzugs-
weise nur Individuen mit stylösen Blüthehen finden, bei denen
") Nomen derivatum a Riphaeis montibus i. e. Riesengebirge.
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der Ligularsaum verkümmert ist, was Ursache gewesen sein
mag, dass man sie nicht für eine forma stylosa des H. pre-
nanthoides angesehen hat.*) In der Tracht steht das H. riphaeum
in der Mitte zwischen H. prenanthoides und bohemicum, es ist
aber wie ersteres ein ächtes apbyllopodes Aceipitrinum, uch
keineswegs etwa eine Hybride. Die Blüthezeit fällt an gleichem
Standort etwas früher (ca. S—14 Tage) als bei H. prenanthoides,
gegen Ende Juli bis Ende August. — Im Riesengebirge in der
subalpinen Region um 4000 Fuss. Häufig mit H. prenanthoides
(ohne H. bohemicum!) am Kiesberge im Riesengrund, hier schon
1857 von mir beobachtet und als besondere Form des H. pren-
anthoides unterschieden, ferner veseinzelt und vielleicht herab-
geschwemmt im untern Blaugrund bei Gross - Aupa, dagegen
zahlreich mit A. bohemicum am Ziegenrücken (Junger als H.
prenanthoides stylosum). Von dem schlesischen Abhange des
Riesengebirges ist mir ein Standort dieser leicht kenntlichen
Pflanze bisher nicht bekannt geworden. — Im Riesengebirge
finden sich übrigens aus der Gruppe des H. prenanthoides Vill.
nur 3 Arten, H. prenanthoides, H. riphaeum und H. crocatum Fries,
non Wimmer (= H. inuloides Tausch), letzteres in der Kessel-
grube, dem Originalstandorte von Tausch und am goldenen Reh-
horn (Josefine Kablik). — Die östlichen Hochsudeten sind um
eine Art reicher; es kommen dort nämlich vor: 1) H. prenan-
thoides Vill.,**) 2) H. strictum Fries (H. eydoniaefolium Griseb. nec
Vill., nec Koch, allem Anschein nach auch — H. striatum Tausch
(in den Ergänzungsblättern zur Flora 1857, ein allen Neueren,
wie es scheint, unbekannt gebliebenes Synonym) am Glatzer
Schneeberge und im Kessel, 3) H. crocatum Fr. (non Wimmer),
Petersstein und Kessel, hierher oder zum folgenden scheint nach
der Beschreibung Wimmer’s H. prenanthoides y strietum zu ge-
hören, welches auf keinen Fall mit H. siricetum Fr. identisch ist,
4) H. corymbosum Fr. am Abhange des Peterssteines gegen den
Kessel mit vorigem. Schulz Bip. identifieirt irrig diese Art mit
Tausch’s H. inuloides, welches nach meiner Ansicht mit H. cro-
catum Fr. zusammenfällt und von allen diesen Arten am meisten
156 Jahres-Bericht
an H. boreale Fr. erinnert, so dass es von Einigen sogar für E
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eine Form dieses letzteren gehalten worden ist. \
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“*) Nur Krause hat sie für ein H. bohemicum stylosum gehalten, wie aus einem E
von ihm herrührenden Exemplare vom Kiesberge im Herbarium Schumann her- F
vorgeht, or
**) Die seltene var. perfoliatum Froel. sah ich sehr schön entwickelt aus dem
Kessel, (Winkler.)
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der schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 157
H. prenanthoides >< riphaeum Uechtr. Tracht, Wuchs und Blattform
genau wie bei H. riphaeum, aber der Blüthenstand armblüthig-
rispig, die Blüthenstiele und Hüllen starkdrüsig, die Köpfchen
kleiner und sämmtlich Blüthehen mit entwiekeltem Ligularsaum
tragend. Unreife Achaenen von der Form derer des H. riphaeum,
aber bleicher wie an H. prenanthoides, reife sah ich nicht. Spär-
lich unter den Eltern am Kiesberg im Riesengrund (Fritze). Den
hybriden Ursprung dieser schönen Form, von der ich nur zwei
Exemplare gesehen, lassen Consortium und Charaktere wohl un-
zweifelhaft erscheinen.
_ Hieracium corymbosum Fr.! (H. Eupatorium Grieseb.) Kessel im Gesenke,
Y
Lehne gegen den Petersstein im Jahre 1867 mit H. crocatum Fr.
(M. Winkler.)
Carex Michelü Host. Nimptsch, in Hügelwäldchen zwischen Priestram
und Gross-Ellgut am 31. Mai 1871 von Fick gefunden.
Triticum glaucum Desf. Gipshügel bei Katscher (Wetschky).
Stipa pennata L. Nieda bei Görlitz, an einem etwas steinigen Abhange
(mitgetheilt von Wetschky).
Marsilia quadrifolia L. Rybnik, in Menge in einem Teiche bei Rybniker
Hammer, eine halbe Meile nordwestlich von der Stadt, am
‚14. October 1871 von Fritze enideckt. Eine ebenso merk-
würdige als unerwartete Bereicherung unserer Flora, fehlt allen
Grenzgebieten und war bisher nur aus südlichen Gegenden
bekannt.
Chara stelligera Bauer. Im Schlawa’er See in Nieder-Schlesien. Juni
1870 (Limpricht).
B. Neue Standorte seltener Arten.
Thalictrum simplex L. var. T. laserpitüfolium W. herb. (T. tenwifolium Sw.
Th. Leyii Löhr) forma ad T. galioidem accedens! Wegrand
zwischen Neuhammer und Obora unweit Proskau (Stein).
Aldrovanda vesiculosa Lam. In Menge unter Salvinia, Trapa und Riccia
natans im Teiche von Neuhammer unweit Proskau (Stein). Der
erste Standort am linken Oderufer in Schlesien!
Viola epipsila Ledeb. Kosel: Torfwiesen bei Wiegschütz und Reinsch-
dorf, stellenweise in grosser Menge. Schon früher von mir von
dieser Stelle nach einem einzigen Blatt- Exemplar nachgewiesen.
V. palustris >< uliginosa Grab. ist nach einem Exemplare vom
Original-Standorte Winow im Herbarium Wimmer’s von V. epi-
psila durch die abgerundeten, weniger tief herzförmigen, unter-
seits auf den Nerven kahlen Blättern deutlich verschieden und
wohl sicher Bastard!
158 Jahres-Bericht
Elatine alsinastrum L. Brieg: in grosser Menge in Tümpeln bei den Mili-
tair-Schiessständen (Stein).
Epilobium anagallidifolium Lam. Bei Bad Schwarzbach im Isergebirge
ca. 1400 Fuss ungewöhnlich niedriges Vorkommen (Trautmann).
Hieracium pallescens W. K. verum ex Fries (nec Koch nec Wimm.) = H.
‚anglicum Wimm. nec Fries = H. Oreades Wimm. (nec al,) olim!
Sparsam in der Kesselgrube im Riesengebirge (Trautmann).
Digitalis lutea L. Giraltowitzer Wald bei Kosel (Menzel). Dritter Stand-
ort in dortiger Gegend.
Euphrasia Uechtritziana Junger et Engler. Bergwiesen bei Flinsberg im
Isergebirge (Dr. Schumann).
Epipactis latifolia var. violacea Rehb. fi. Löwenberg. Kunzendorfer Kalk-
busch (Dresler).. Zweiter Standort im Gebiet!
Festuca sciuroides Roth. Obernigk: sandige Böschung im Bahnhofe mit
Festuca pseudomyurus und Alsine viscosa (v. Uechtritz). Zweiter
Standort im Gebiet von Breslau.
Festuca gigantea Vill. var. pseudololiacea m. minor, panieula subsimplex,
contracta, folia angustiora, breviora.. Tracht von Fest. Brink-
manmi Al. Br.) Obernigk am Ziegelofen östlich den Sitten mit
Lolium perenne sparsam (v. Uechtritz).
Asplenium adulterinum Milde. "Stein-Kunzendorf bei Reichenbach (Schu-
mann). Sicherlich keine Varietät des Aspl. viride, wie Milde
später glaubte, sondern wohl eigene Art; eher noch Abart des
habituell sehr ähnlichen Aspl. Trichomanes und wie dieses über-
winternd.
Als nachträglich bekannt gewordene Novitäten sind zu erwähnen:
1) Gentiana obtusifolia W. Bergwiesen bei Wünschelburg (mit und als
G. germanica von M. Schultze gesammelt), Wird zwar bereits in
den letzten Ausgaben von Garcke’s Flora von Nord- und Mittel-
Deutschland als schlesischer Bürger aufgeführt, aber die dort gemeinte
Pflanze vom Zobtenberge (G. pyramidalis Nees) ist von der echten
G. obtusifoha sehr verschieden und mit G. Amarella näher verwandt.
2) Salvia silvestris L. Schweidnitz: Wiese vor Texas! (Peck). Sicher
nur eingeschleppt.
In der neunten Sitzung vom 14. December hielt Herr‘ Mittelschul-
lehrer Limpricht einen Vortrag über die Moosflora in Oberschlesien,
wobei er die von ihm in den Gogoliner Kalkbrüchen, am Annaberg, dem
Buchenwald von Czarnosin u. a. OÖ. gefundenen Laub- und Lebermoose
vorlegte und das Verhältniss der schlesischen Moose in der Ebene und
im Gebirge zur deutschen Moosflora entwickelte. Der Secretär Professor
Cohn legte vor: Equisetum Telmateja in Siebenhuben bei Prieborn von
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 159
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Herrn Lehrer Leisner aus Waldenburg seit 1857 beachtet; Polycarpon
tetraphyllon von Lehrer Gerhardt im Siegersdorf bei Liegnitz gefunden;
ferner monströse Blüthen von Prunus Cerasus aus dem Waisenhausgarten
von Ohlau von demselben Baum, auf welchem sich 2—5 Kirschen auf
einem Stiel entwickelt hatten, vorgelegt in der Sitzung vom 16. Februar,
die Blüthen unterscheiden sich von den normalen nur dadurch, dass im
Kelchboden nicht ein, sondern mehrere vollkommen ausgebildete Pistille
sich finden, die sich zu Steinfriichten entwickeln, so dass diese Blüthen
die Gattungscharaktere von Prunus und Rubus gewissermassen vermitteln.
Aehnliche Entwickelung haben auch die auf einem Stiel beobachteten
Doppelpflaumen und -pfirsichen.
Ferner legte derselbe ein grosses Herbarium höchst interessanter
pflanzlicher Missbildungen vor, welche von Herrn Lehrer Zimmermann
in Striegau gesammelt und eingesandt worden sind.
Herr Dr. Schneider forderte die Section auf, wie üblich, an dem
Stiftungsfest der entomologischen Section Theil zu nehmen, und ist das-
selbe in gewohnter Heiterkeit am 30. December gefeiert worden.
Nachdem schliesslich der Secretair statistische Mittheilungen über
den Besuch der botanischen Section seit dem Jahre 1850 gegeben, wird
derselbe für die nächste Etatszeit 1872—74 wiedergewählt.
Nachträge zur Flechten-Flora Schlesiens.
II. *)
Von B. Stein.
Abkürzungen: E. = Kreisgerichts-Rath Everken in Grünberg. F. = Apo-
theker Fritze in Rybnik. H. = Lehrer Hellwig in Grünberg. Limp. = Lehrer
Limpricht in Breslau. Uech. = R. y. Uechtritz in Breslau.
Die Standorte ohne Angabe des Finders sind von mir beobachtet worden,
Usnea barbata L. f. hirta Ach. Grünberg c. fruct. (H.)
U. ceratina Ach. Jankowitzer Forstrevier bei Rybnik.
Stereocaulon paschale L. Grünberg. (H.)
St. incrustatum Flke. Rybnik, Weg nach dem Rudateiche.
St. condensatum Hoffm. Melzergrund. Treppen-Spalten am Schneekoppen-
Kegel.
*) Der erste Nachtrag erschien im Jahres-Bericht für 1870.
ST ER a TE ee
160 Jahres-Bericht
Cladonia turgida Ehrh. Sakrauer Berg O./S. (F.) Kupp. (Petri.) Grün-
berg. (E.) Neubielau. (Roth). Obernigk. (Uech.)
C. rangıferina L. var. alpestris Ach. Altvater. (Bachmann).
Evernia vulpina L. Auf den Dächern alter Weinberchütten bei Grün-
berg. (E., H.)
E. divaricata L. Jankowitizer Forstrevier bei Rybnik.
Ramalina calycaris L. C. fruct. Rybnik. (F.) Altvater. (Bachmann.)
Zobten.
Cetraria fallac Ach. Altvater. (Uech. sen., Bachmann).
C. sepincola Ehrh. var. chlorophylia Humb. Grünberg, (H.)
Anaptychia eiliaris L. Petersstein, auf Moosen. (Limp.)
Sphaerophorus fragilis L. Altvater. (Limp.)
Sph. coralloides Pers. Oppaquellen. (Limp.)
Nephroma laevigatum Ach. Höllengraben bei Schönau. (Limp.)
N. tomentosum Hoffm. St. Peter im Elbgrund.
Peltigera pusilla Dill. Kupp. (Petri.)
P. horizontalis L. Zobten.
P. venosa L. Friedland. (Uech.) Grünberg. (H.)
Stieta silvatica L. Löbauer Berg. (Uech. sen.) Zobten.
Imbricaria perlata Ach. Steril, um Rybnik häufig.
I. sinuosa Sm. Goleow bei Rybnik, steril. Melzergrund, e. fr. Alt-
vater, c. fr. (Bachmann).
. saxatilis L. y panniformis Ach. Bibersteine bei Warmbrunn.
. encausta Sm. Petersstein. (Limp.)
. Acetabulum Neck. Rudzinitz-Mühle bei Proskau.
. Sprengelü Fike. Ober-Küpper bei Sagan. (E.) Weisse Kühe (Quarz-
felsen) bei Krozel am Zobten.
I. Mougeotii Schaer. Sagan. (E.)
Menegazzia terebrata Hoffm. forma saxicola. An den Quarzfelsen bei Krozel
am Zobten, zum ersten Male auf Stein beobachtet.
Physeia controversa Mass. An Linden im Akademie-Garten in Proskau,
sehr schör.
Ph. fallax Hepp. Blitzgrund bei Waldenburg. (E.)
Umbilicaria pustulata ‘Hofm. Felsen an der Pantenmühle bei Schweid-
nitz. (Uech.)
Pannaria fenisjonensis Fr. Am Ziegenrücken im Riesengebirge. (Körber.)
P. hypnorum Schaer. Sagan. (E.) :
P. mierophylla Sw. Zobten. Geiersberg.
Placodium albescens Hoffm. Grünberg. (E.)
Psoroma lentigerum Web. Sakrauer Berg O./S. (Uech.)
Acarospora glaucocarpa Wahlbg. Sakrauer Berg. (F.)
A. smaragdula Wahlbg. Grünberg, an hölzernen Gartenhäusern. Sagan,
an Feldsteinen. (E.) Proskau. |
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 161
A. Steinii Kbr. in schedul. Thallus cartilagineus areolato -squamulosus
einereus ]. viridi-cinereus, squamulis adpressis planis integris,
extremis sublobulatis, minutis in erustam rimosam aggregatis,
protothallo viridulo. Apothecia in una squamula solitaria, innata,
minuta, punctiformia, tandem deformiter angulosa, rufa, made- En
facta cerasina, subpellueida. Sporae in aseis longe elavatis nume-
rosissimae, minutissimae. globosae, monoblastae, hyalinae.
An beschatteten Gabbroblöcken dicht unter dem Gipfel des
Zobten.
Die Flechte nnterscheidet sich von der nächstverwandten €
A. smaragdula Wahlbg. durch die grün-graue Farbe des Thallus
und die tief eingesenkten Apothecien, deren Scheiben angefeuchtet
fast kirschroth und durchscheinend erscheinen.
A. Heppü Naeg. Au Kalksteinen im Gebüsch des Floriansberges bei
Habelschwerdt.
Callopisma aurantiacum Lghtf. y coronatum Kmp. Sakrauer Berg. (F.)
C. rubellianum Ach. Auf Serpentin des Geiersberges.
Rinodina metabolica Ach. y colletica Flik. Stannowitz bei Striegau, auf
Dachziegeln.
R. confragosa Ach. Serpentin des Geiersberges.
R. Bischofii Hepp. Sakrauer Berg. (F.)
Zeora sulphurea Hoffm. Geiersberg, auf Serpentin. .
Lecanora subfusca L. Auf nackter Erde mit Baeomyces an einem Graben
vor Boguschowitz bei Rybnik.
L. Hageni Ach. ß lithophila Wallr. Greifenstein bei Löwenberg. (Dressler.)
L. piniperda Kbr. y ochrostoma Ach. Sagan, an Weiden. (E.)
Maronea Kemmleri Kbr. Grünberg, an Juglans. (E.)
Ochrolechia pallescens L. Sagan. (E.)
Icmadophila aeruginosa Scop. Rybnik. (F.)
Aspicilia stictica Kbr. Auf Gabbro am Gipfel des Zobten.
Phialopsis rubra Hoffm. Eichen im Wilhelmsberger Wald bei’ Proskau.
Thelotrema lepadinum Ach. Buchen bei Karlsbrunn im Gesenke. (Bach-
mann.)
Gyalecta Flotovü Kbr. Sagan, an Linden. (E.)
Phlyctis argena Ach. Popelau bei Rybnik.
Psora ostreata Hoffm. c. fruc. Ruda-Wald bei Rybnik.
Biatoridium monastericum Lahm. Goleow bei Rybuik.
Biatorina sambucina Kbr. Sagan, an Saliz fragilis. (E.)
_B. pineti Schrad. Grünberg. (Hellwig.)
B. vernicea Lghtf. Wettersdorf bei Sagan, an Pfählen. (E.)
B. globulosa Fik. Rybnik, an Eichen. (F.) '
B. commutata Ach. ec. fruct. Zackenfall. (Körber.)
_B, lenticularis Fw. Mauern in Sagan. (E.)
162 Jahres-Bericht
B. proteiformis Mass. $ erysibe Rbhst. Rybnik. (F.) f. incusa. Kbr,
Schiessstandmauer in Paruschowitz bei Rybnik. (F.) _
Biatora Wallrothi Spr. Alte Lehmmauer in Marxdorf bei Zobten.
. viridescens Schrad. $ putrida Kbr. Goleow bei Rybnik.
. rupesiris Scop. var. viridiflavescens Wulf. Sakrauer Berg. (F.)
. ambigua Mars. Kanthı. (Uech.)
. elachista Kbr. Forstrevier Goleow bei Rybnik, an einem alten Nadel-
holzstrunke,
. Jungens Kbr. Fürstenstein. Geiersberg.
. lucida Ach. Sagan, an Pinus silvestris! (E.) Srunbers, an einer alten
Lehmwand. (H.)
(B. hyalinella Kbr. Diese bisher nur aus Schlesien bekannte Flechte
sammelte ich März 1871 in einigen Exemplaren gemeinschaft-
lich mit Callopisma haematites Chaub., an Populus tremula in einem
lichten Gehölze bei Chälons s./M.)
Tromera Resinae Fr. Goleow bei Rybnik.
T. sarcogynoides Mars. _Goleow, aber nie mit der vorhergehenden Art
zusammen. Jankowitz bei Rybnik, hier sah ich nur diese Art.
Bilimbia faginea Kbr. Goleow bei Rybnik. (F.\
B. Regeliana Hepp. Alte Mauern in Öberstreit bei Striegau. (Fritze
und Stein.) |
B. miliaria Fr. & lignaria Ach, Jankowitz bei Rybnik, an Pin. silvestris.
B. syneomista Kbr. Grünberg. (H.) Hohenbohrau. (H.)
Strangospora pimicola Kor. Sagan. (E.)
Diplotomma populorum Mass. Pirnig bei Grünberg. (H.)
D. alboatrum Hoffm. forma trabinellum Fw. Grünberg. (H.)
Buellia ericetorum Kbr. Auf. Grabenauswurf in Thiergarten bei Grün-
bee a. Hr
. ocellata Fik. Sagan. (E.)
. stigmatea Ach. Sagan. (E.) Nimkau.
„badia Fr.‘ Rabenfelsen bei Liebau. (Engler). wer. |
.Schaereri,D. N. Durch ganz ‘Schlesien verbreitet. Kauz bei Sagan,
an Fichten. (E.) Lehnstock bei Rybnik, an Eichen. (F.)
Nimkau und Carlowitz bei Breslau, an abgestorbenen Stengeln
von Calluna, Thymus, Artemisia und auf Hasenlosung!
Catillaria neglecta Kbr. Kalksteine einer kleinen Brücke am Wege von
Dometzko nach Proskau. |
C. sphaeralis Kbr. _ Moospolster an der Kesselkoppe,
Lecidea silviecola Fw. Sagan. (E.)
Nesolechia thallicola Mass. Auf Imbricaria caperata an Erlen im Revier.
Goleow bei Rybnik. 3
N. ericetorum Fw. In Menge an einem . Grabenrande vor „Boguschowitz, a
bei Kybnik, auf N a
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Seele
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 163
Megalospora sangwinaria Ach. f. saxicola. Hochstein. (Flotow, in herb.
Wimmer.)
Rhizocarpon petraeum Wulf f. albicans Fw. Sagan. (E.) Geiersberg.
R. geographicum L. 8 lecanorinum Fik. Rabenfelsen bei Liebau. (Engler.)
Sarcogyne regularis Kbr. Sagan. (E.)
8. pruinosa Sm. Grünberg, an Gartenmauern. (H)
Raphiospora atrosanguinea Schaer. 8 lecidina Kbr. Kupp. (Petri.)
R. flavovirescens Mass. Hohenbohrau. (H.) Rybnik.
R. viridescens Mass. Lehmmauern in Marxdorf bei Zobten.
Seolieiosporum holomelaenum Flik. Erratische Steine um Buchwald bei
Sagan. (E.)
Se. lecideoides Hazsl. Eichen am Waldhause bei Sagan. (E.)
Arthrosporum accline Fw. Sagan, an Weiden. (E.)
Schismatomma dolosum Wahlbg. Um Rybnik käufig.
Lecanactis biformis Fik. Sagan. (E.)
Opegrapha saxatilis DC. Sakrauer Berg. (F.)
Zwackhia involuta Wallr. Rybnik. Zobten.
Arthonia sorbina Kbr. Gipfel des Zobten, an Acer Pseudoplatanus.
Baäctrospora dryina Ach. Eichen im Revier Jankowitz bei Rybnik.
Pragmopora amphibola Mass. An Kiefern in Jankowitz.
Acolium tigillare Ach. Grünberg. (H.)
Calycium gemellum Kbr. in schedul. Thallus laevigatus tenuiter farinosus
albus, protothallo byssino coneolori. Apothecia lentiformia atra-
disco convexo nudo atro excipulo atro subtus leviter albido
pruinoso, stipite valido brevi atro.. Sporae minutae, oblongae,
dyblastae, diam. 2—3 plo long. fuseidulae.
Die Flechte erinnert an Calyeium pusillum Flik. durch Da
gleichsam eingefressenen milchweissen T'hallus. Die kräftigen,
sedrungenen, mit breiter, erhaben gewölbter, tief schwarzer
Scheibe versehenen Apothecien entspringen meist zu zwei und.
mehr aus einem Punkte und sind die Stiele zweier Apothecien
nicht selten bis zur Hälfte miteinander verwachsen. Der ausser-:
ordentlich schwache, weisse Reif zeigt sich nur auf der Unter-_
seite des Excipulum und fehlt bei älteren Früchten oft ganz.
» lenticulare Hoffm. Sagan. (E.) Skarsine bei Breslau.
. curtum Borr. Sagan. (E.)
. migrum Schaer. $ minutum Kbr. Sagan. (E.)
. alboatrum Fik. Sagan. (E.) Rybnik.
a ! Cyphelium albidum Kbr. Rybnik. (F.)
0. subtile Pers. Sagan. (E.)
€. brummeolum Ach. Sagan. (E.) Rybnik.
Ooniveybe crocata Kbr. Forstreviere Goleow und Stein bei Rybnik.
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164 Jahres-Bericht
Pertusaria ceuthocarpa EB. An alten Buchen im Revier Goleow bei
Rybnik.
P. alpina Hepp. Czarnosin-Thal am Annaberg O./S., an Buchen. (Kohts.)
Die Sporen sind nicht constant zu acht in einem Schlauche, son-
dern es finden sich Schläuche mit sechs und sieben Sporen,
sogar einen viersporigen Schlauch habe ich gesehen. Die Hepp’sche
Art dürfte somit unbedenklich zu cassiren und der P. leioplaca
Ach. einzuverleiben sein. |
P. fallax Ach. $ variolosa Fr. Eichen bei Sagan. (E.)
Acrocordia tersa Kbr. Sagan. (E.)
A. scotofora Mass. Sagan, an Populus tremula. (E.)
Verrucaria baldensis Mass. Sakrauer Berg. (F.)
V. muralis Ach. ß confluens Mass. Kalkstein bei Nimkau. (Bachmann.)
Leptorhaphis lucida Kbr. Coseler Wald bei Breslau.
L. Wienkampü Bekhs. Sagan, an Salix babylonic.. (E.) Rybnik, an
Salix alba. (E.)
Microthelia adspersa Kbr. In Lich. sel. exsice. Coseler Wald bei Bres-
lau, an Populus tremula.
Tichothecium erraticum Mass.. Auf der Kruste der Lecanora alra,
Geiersberg.
Lecothecium corallinoides Hof. Gausiorowa gora bei Myslowitz. (Nagel.)
Sakrauer Berg. (F.)
Atichia Mosigü Fw. ß minor Millard.. Auf Tannennadeln: Rabenfelsen
bei Liebau. (Engler) Ulbrichshöhe bei Reichenbach, Popelau
und Jankowitz bei Rybnik, Zobten, stets steril.
Collema byssinum Hoffm. Frauenberg bei Löwenberg. (Dressler.) Reichen-
bach. (Roth) Um Grünberg. (H. E.)
‘C. microphyllum Ach. Sagan, an Weiden. (E.)
C. cheileum Ach. Durch das ganze Gebiet häufig.
C. pulposum Bernh. 8 granulotum Sw. Sakrauer Berg. (F.)
C. turgidum Ach. Ruine Neuhaus bei Waldenburg. (E.)
C. multifidum Scop. Sakrauer Berg. (F.)
Mallotium tomentosum Hoffm. Friedland. (Uech.) Waldenburg. (E.)
Zobten. |
Polychidium muscicolum Sw. Seagan. (E.)
Psorotychia lugubris Mass. Sakrauer Berg. (F.)
Melanormia velutina Kbr. e. fruct. Auf dem Hirnschnitt alter Fichten im
Revier Goleow bei Rybnik. Einige Apothecien zeigten gut ent-
wickelte Sporen, deren Beschreibung ich hier folgen lasse: Sporae
in aseis napiformibus octonae, minutae, ovoideo-ellipsoideae, mono-
blastae l. oleoso-dyblastae, diam. 2—3plo longiores, hyalinae.
Die Sporen füllen meist uur die obere Hälfte der Schläuche. aus,
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 165
sie werden sehr bald formlos, zuerst fast hantelförmig, dann
stäbchenförmig und krumig zersetzt, so dass der ganze Schlauch
mit krumig-schleimiger Masse gefüllt erscheint.
Die Entwickelung f
des j
schlesischen botanischen Tausch- Vereins
von
B. Stein.
Der schlesische botanische Tausch-Verein wurde im Winter 1862/63,
auf Anregung R. von Uechtritz, von den Mitgliedern des damaligen
jüngeren botanischen Vereins in Breslau, gegründet, zuerst versuchsweise,
weshalb mit Ausnahme des verstorbenen Thierarztes Schwarzer in Kuhnern,
nur Breslauer zugezogen wurden. Es betheiligten sich im ersten Jahre
15 Mitelieder mit 3466 Exemplaren. Die Tausch-Listen wurden abge-
schrieben und bei den Mitgliedern colportitt. Da der Versuch so schön
gelungen war, wurden im nächsten Jahre Aufforderungen an die Provinzial-
botaniker erlassen. Es betheiligten sich 21 Schlesier mit 3675 Exem-
plaren. Im dritten und vierten Tauschjahr waren 26 Mitglieder, nur
Schlesier oder frühere Mitglieder, die sich augenblicklich ausserhalb
Schlesieus aufhielten. Der Umsatz betrug 3970 und 3250 Exemplare.
Im Winter 1866—67, in welchem die Listen autographirt wurden, leitete
R. von Uechtritz, auf dem bisher fast alle Arbeit geruht hatte, zum
- letzten Male den Verein. 29 Mitglieder sandten 4628 Exemplare ein. _
Im Herbst 1867 musste Uechtritz schwerer Krankheit wegen, die ihn
seitdem ununterbrochen an die Stube und oft wochenlang an das Bett
gefesselt hat, die Leitung des Vereins niederlegen und Dr. Engler über-
nahm dieselbe. Die Betheiligung sank auf 22 Mitglieder mit 3008 Exem-
plaren, hauptsächlich wohl deshalb, weil eine Anzahl bisheriger Mitglieder
von Breslau verzogen waren oder Stellungen eingenommen hatten, in
denen es ihnen nicht möglich war, weiter mitzuarbeiten. Da Engler im Pr
folgenden Jahre, aus Mangel an Zeit, den Tausch nicht weiter führen
konnte, so übernahm ich von Proskau aus die Leitung des Vereins unter
Aare
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166 Jahres-Bericht
dem Namen. ‚„‚Schlesischer botanischer Tausch - Verein“, statt des bisheri.
gen „„„Breslauer‘“ botanischer Tausch-Verein. Es betheiligten sich 25 Mit-
glieder mit 4780 Exemplaren. Im folgenden Jahre, dem ersten, in wel-
chem die Listen gedruckt wurden, nahmen 31 Mitglieder, darunter
14 Schlesier, unter Einsendung von 5799 Exemplaren Theil. Da ich im
Januar 1870 meine Stellung in Proskau aufgab, wurde der Versandt der
Pflanzen von Rybnik aus, unter bester Unterstützung meines Freundes
Fritze bewirkt. Im Winter 1870—71 übernahm Apotheker Fritze
in Rybnik die Tausch - Geschäfte, da ich vom Militair - Dienst völlig
in Anspruch genommen wurde. Es nahmen Theil 34 Mitglieder, davon
20 Schlesier, mit 5351 Exemplaren. Im eben beendeten zehnten Tausch-
jahre ist nun unter Fritze’s Leitung der Verein zu enormer Grösse und
Bedeutung gewachsen. Es nahmen 1871 — 72 über 70 Mitglieder unter
Einsendung von 17,000 Exemplaren Theil, aus Schlesien hatten sich
27 Botaniker betheiligt. Schon liegen für nächstes Jahr zahlreiche neue
Anmeldungen vor, der beste Beweis der allseitig erkannten segensreichen
Wirksamkeit des Vereins.
ILI.
Bericht
über die
‚Thätigkeit der entomologischen Section der Schlesischen
Gesellschaft im Jahre 1871
erstattet von
Dr. Gustav Joseph,
zeitisem Secretair der Section.
Die entomologische Section war im Jahre 1871 in sieben Sitzungen
versammelt, deren erste, fünfte und sechste zu Vorträgen des Bericht-
erstatters benutzt wurden. Der Vortrag desselben in der am 6. Februar
1871 stattgehabten ersten Versammlung hatte die Kritik einiger Darvinisli-
schen Anschauungen im Gebiete der Entomologie zum Gegenstande. Die
Veröffentlichung des einen Theils dieses Vortrages, welcher an mehreren
Beispielen vor Augen führte, wie unhaltbar häufig der aus angeblich geo-
logischen Befunden gezogene Schluss auf Umbildung der Arten bei sorg-
fälliger Prüfung sich erweist, behält sich Berichterstatter für spätere Zeit
nach weiterer Vermehrung des einschlägigen Materials vor. Dagegen
erlaubt er sich aus dem zweiten, die \Wagner’sche Migrationstheorie be-
treffenden, Theile jenes Vortrages nachstehende kurze Mittheilungen zu
machen.
Weber Fortpfianzungs-Erscheinungen an Varietäten einiger Lepidopteren
im Widersprucke zu Wagner’s Separationsgesetz der Organismen.
Selbst Diejenigen, welche die Darvin- Wallace’sche Lehre von der
natürlichen Züchtung als Ursache der unermesslichen Mannigfaltigkeit der
Lebe wesen als richtig anerkennen, sind, falls sie sich des eigenen Nach-
denkens nicht ganz entschlagen wollen, genöthigt zu gestehen, dass die
natürliche Züchtung nicht die einzige Ursache der Artbildung sein könne,
dass nicht nur an den gegenwärtig lebenden, sondern auch an den längst
168 Jahres-Bericht
untergegangenen Weseu Charaktere wahrgenommen werden, welehe durch
die Darwin’sche Theorie der Natural Selection nicht erklärt werden. n
Voraussichtlich durfte es nicht an Versuchen fehlen, die entweder in der :
Organisation der Lebewesen oder in ihrer Verkettung mit den Verhält-
nissen der Aussenwelt liegenden Ursachen aufzudecken, welche in a
anderer Richtung und anderer Weise den Vorgang der Artbildung be-
dingen, als dies durch das Prineip des Ueberlebens des Passendsten aus- A
gesprochen wird. Von der Erforschuug der in der inneren Beschaffen- 3
heit der Organismen liegenden Momenten der Variation, die der Ver-
erbungstendenz feindlich gegenüberstehen würden, haben sich bis jetzt alle R
Forscher mit Scheu ferngehalten. Das Gesetz der Vererbung gilt als E
etwas Unantastbares. Dagegen muss M. Wagner’s Migrationstheorie oder T
Separalionstheorie als Versuch gelten, die räumliche Isolirung in neuer N
Umgebung als neues Moment für die Entstehung neuer Arten aus bereits “
vorhandenen darzustellen. M. Wagner hat seine Ansichten in zwei
Schriften veröffentlicht, von denen die eine 1868 *), die andere 1870 **) R
erschien. In der älteren der beiden Arbeiten sagt Verfasser, dass die
durch Auswanderung aus dem ursprünglichen Wohnsitze herbeigeführte
räumliche Isolirung einer Thier- oder Pflanzenart wegen der neuen
Lebensbedingungen die Entstehung von Varietäten und die Spaltung in
neue Arten begünstige. In der Heimath, nimmt M. Wagner an, wird
durchschnittliche Uebereinstimmung in der Formation der die Stammart
Stammart und den übrigen Varietäten derselben aus den Nachkommen der
isolirten Varielät allmählich eine neue Art. Diese Theorie stützt sich demnach $
auf die Annahme, dass durch die in angegebener Weise bewirkte Isoli-
rung die Kreuzung 1) mit nicht abgeänderten und 2) mit anders
abgeänderten Individuen der Stammart verhindert werde. Derselben
Ansicht begegnen wir in der späteren Arbeit, welche der Verfasser am
2. Juli 1870 in einer Sitzung der Bayrischen Akademie der Wissenschaften
zu München vorgetragen hat. „Die Isolirung eines Individuum oder
Paares“ — wird auf Seite 10 gesagt — „ist bei allen Organismen,
darstellenden Individuen, d. i. die Beständigkeit der Gestalt, dadurch 3
bedingt, dass eine Kreuzung sämmtlicher Individuen der Art — mögen ;
dieselben nur mit individuellen Abweichungen behaftet sein oder als wirk- ;
liche Varietäten auftreten — unter einander ohne Hinderniss, ohne Be- x
schränkung stattfindet. Wird nun ein befruchtetes Weibchen einer Varietät f
nach einem isolirten Ort durch irgend einen Zufall verschlagen, so bildet K
sich nach M. Wagner durch Verhiuderung der Kreuzung mit Individuen der 1
#
*) Die Darwin’sche Theorie und das Migrationsgesetz der Organismen von
Moritz Wagner. Leipzig 1868.
**) Ueber den Einfluss der geographischen Isolirung und Coloniebildung auf
die morphologischen Veränderungen der Organismen. München 1870.
N
sa
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 169
welehe durch Kreuzung sich fortpflanzen, die nothwendige Bedingung,
also die nächste Ursache, dass eine neue typische Form entsteht.‘ Mit-
hin liest auch in dieser Fassung die grosse Wichtigkeit der räumlichen
Isolirung in der dadurch bewirkten Verhinderung der Kreuzung zwischen
abgeänderten und nieht abgeänderten Repräsentanten der Art, Dass
aber diese Kreuzung wirklich verhindert werde, — die Beweise für das
Fundament des neuen Gesetzes — sucht man vergeblich in beiden Schriften.
Nachstehende Zeilen werden darthun, dass die Voraussetzung einer
immer bewirkten Verhinderung der Kreuzung der Nachkommen
eines isolirten Individuum mit nicht abgeänderten und anders abgeänder-
ten Individuen einer Stammart durch die örtliche Isolirung auf willkür-
lichen Annahmen beruht, also irrthümlich ist.
\Wagner’s Voraussetzung involvirt zwei Fälle. Denn er sagt nicht,
dass das Männchen und das Weibchen des isolirten Paares derselben
Varietät augehöre und dass das isolirt angenommene wirksam befruchtete
Weibchen von einem Männchen derselben Varietät befruchtet worden sei.
Bekanntlich aber vererben sich nicht die Eigenschaften nur des
Vaters oder nur der Mutter auf die Nachkommen fort, sondern die Nach-
kommen bilden eine Reihe, deren Gros die morphologischen Charaktere
beider combinirt, deren eines Ende mehr die des Vaters und deren
anderes Ende mehr die der Mutter zeigt. Ausserdem vererbt ein Indi-
viduum nicht nur seine eigenen individuellen Eigenschaften, sondern auch
morphologische Züge seiner Vorfahren auf seine Nachkommen. Es wür-
den sich daher unter der Nachkommenschaft des isolirten Paares oder
des befruchteten Weibchens, falls nicht Männchen und Weibchen genau
derselben Varietät angehören, Individuen finden, welche sich der unab-
geänderten Stammart oder dem anders abgeänderten Männchen nähern.
In diesem Falle würde die räumliche Isolirung das angenommene Resultat
nicht ergeben. Die Vermischung ungleich abgeänderter Individuen würde
schon mit der zweiten Generation beginnen.
Nehmen wir im Gegensatze zu diesem Falle an, dass Männchen und
Weibchen des räumlich isolirten Paares genau dieselbe Varietät repräsentiren
und dass dasisolirte befruchtete Weibchen von einem genau derselben Varietät
angehörenden Männchen befruchtet worden ist, so scheint dies für Wagner’s
Ansicht günstiger. Bekanntlich hat die Zucht der Hausthiere gezeigt, dass
Varietäten einer Art, wenn sıe sorgfältig isolirt werden, die morphologischen
Eigenschaften, wodurch sie sich von der Stammart unterscheiden, auf die
Nachkommen vererben, wobei aber „anfangs“, d.i. in den ersten Genera-
tionen, häufig „später,“ d.i. in den späteren Generationen, immer seltener
manche Nachkommen in ihren Eigenschaften einen Rückschlag in die Stamm-
art (Atavismus) zeigen. Um nun eine bestimmte Varietät rein zu behalten,
muss der Züchter die rückschlägigen Individuen sorgfältig entfernen, also
eine Kreuzung mit ihnen unmöglich machen. In der freien Natur da-
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170 Jahres-Bericht
gegen, also auch an jenem streng isolirten Orte, tritt Nichts der Ver-
mischung der rückschlägigen Individuen mit den in bestimmter Weise
abgeänderten entgegen. Also ist auch in diesem Falle die Annahme
jener Kreuzungsverhinderung eine willkürliche. Weagner’s Voraussetzung
wird nur dann wahr sein, wenn zufällig alle nicht abgeänderten oder
anders abgeänderten Nachkommen des isolirten Weibehens sterben, ehe
sie zur Kreuzung gelangen. Und die willkürliche Annahme dieses Falles
könnte nur dann gestattet sein, wenn dieselben zufällig Eigenschaften an
sich trügen, welche ihre Existenz in dem neuen Wohnorte gleich un-
mittelbar nach der Geburt unmöglich machten. Dergleichen willkürlich
angenommene. Zufälle dürfen aber nicht zu Fundamenten von Natur-
gesetzen benutzt werden.
Dass isolirte Gebiete, Inseln, die durch breite Meeresarme vom Fest-
lande oder anderen Inseln, Binnenländer, die durch hohe Gebirgskämme
von den Grenzländern geschieden, also geographisch isolirt sind, in der
Regel eine mannigfaltige eigenthümliche, ‚‚endemische‘ Fauna haben,
wird deshalb durch Wagner’s Migrationsgesetz oder Separationsgesetz
nicht erklärt.
Dass streng isolirte Repräsentanten einer Varietät nicht diese Varietät
allein fortpflanzen, sondern dass sich unter ihren Nachkommen trotz der
allergrössten, in der freien Natur in diesem Grade selten möglichen Iso-
lirung, andere Varietäten, sogar Individuen des Rückschlages in die
Stammart finden, dafür sollen folgende Beispiele zum Beleg dienen.
Im April 1854 wurden bei Mestre in der Nähe von Venedig durch
Ausroden von alten Weiden eine Anzahl Puppen von Acherontia atropos L.
aus der Erde herausgewühlt und bis auf drei, welche in meine Hände
gelangten, zerstört. Trotz sorgfältiger Conservirung mussten die Puppen
doch auf einer langen Reise durch Tyrol nach meiner Vaterstadt bis
zum Juni 1854 Schaden gelitten haben. Zu meinem Bedauern zeigte
sich nämlich bald nach meiner Ankunft daselbst eine Puppe verdorrt und
kroch aus den beiden anderen ein Pärchen heraus, dessen Flügel ver-
krüppelten, so dass es für eine Sammlung nicht brauchbar war. Ich
bedauerte dies um so mehr, als sowohl das Männchen, als auch das
Weibehen der in Deutschland seltenen Varietät mit nur einer schwarzen
Binde auf den Unterflügeln angehörte. Da ich das Paar am nächst-
folgenden Tage in Copula fand und das Weibchen mehrere Tage später
über 60 Eier legte, hoffte ich nicht Alles verloren zu haben. Wirklich
entwickelten sich nach einigen Wochen aus fast sämmtlichen Eiern
Raupen, die bei Ernährung mit Kartoffelkraut anfangs gut gediehen, deren
Zahl aber allmählich bis zur dritten Häutung Ende Augusts sich sehr re-
dueirte.e Von 16 erwachsenen Raupen von gewöhnlicher Farbe und
Zeiehnung erhielt ich 11 wohlgestaltete Puppen. Hieraus entwickelten
sich schon im September 5 Schmetterlinge, welche sämmtlich der durch
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 171
2 schwarze Binden auf den Unterflügeln ausgezeichneten Grundart ange-
hörten. $Sieben Puppen überwinterten, wovon vier verdorrten und drei
ergaben im Juni 1855 verkrüppelte Schmeiterlinge, wovon ein Weibchen
der Varietät mit einer Binde auf den Hinterflügeln angehörte, die beiden
andern Schmetterlinge aber so verkrüppelte Flügel hatten, dass nicht zu
entscheiden war, ob man die Grundart oder die Varielät vor sich hatte.
Ein anderes Beispiel von nutzloser, strenger Isolirung gewährte die
Zucht von Smerinthus Populi, der zur damaligen Zeit in Breslau äusserst
häufig war. Ohne besonders beliebte Varietäten zu bilden, ändert dies
Thier in Grundfarbe und Zeichnung so sehr ab, dass unter Dutzenden
von erzogenen Exemplaren kein einziges Exemplar dem andern völlig
gleicht. Im Jahre 1852 hatte ich unter einer grossen Zahl von Exemplaren
vier erzogen, die sich durch auffallende Dunkelheit der graubraunen
Wellenbinden auf Vorder- und Hinterflügeln auszeichneten. Hiervon be-
nutzte ich ein nicht ganz fehlerfreies Pärchen zur Zucht. Von mehr als
50 Raupen, welche ich aus Eiern aufzog, erhielt ich 28 Puppen, die
bis auf 2 gut überwinterten und im nächsten Jahre nur 3 durch dunkle
Binden ausgezeichnete und 23 Individuen mit helleren Binden und einem
andern Grundton ergaben. Aehnlich negative Resultate der strengen
Isolirung ergaben die Zuchtversuche mit Varietäten von Euprepia planta-
ginis, Caja, purpurea und aulica.
Ich kann freilich nur von einer Zuchtgeneration sprechen. In keinem
von mir beobachteten Falle war das Zuchtergebniss bei strengster Iso-
lirung der Wagner’schen Separationstheorie günstig.
In der fünften Sitzung am 13. November 1871 theilte Berichterstatter
seine
Beobachtungen über Lebensweise und Vorkommen der in den Krainer
Gebirgsgrotten einheimischen Arten der blinden Gattungen Machaerites,
Leptodirus, Oryotus und Troglorrhynchus
mit. Dieselben bilden die Fortsetzung der in früheren Berichten ent-
haltenen Mittheilungen über Sphodrus, Anophthalmus und Glyptomerus.
Von der Gattung Machaerites sind mir bis jetzt aus den Krainer
Grotten 2 blinde Arten M. spelaeus Mill. und subterraneus Motsch. bekannt.
Die erste grössere 2Y/, Millimeter lange Art, M. spelaeus,*) ist von Miller,
als aus der Struger Grotte in Unterkrain stammend, beschrieben worden.
Das in F. Schmidt’s Sammlung befindliche Exemplar stimmt mit Miller’s
Beschreibung überein. Die am 5. August 1868 in der Grotte Godjama-
bei Oberskril nahe der eroatischen Grenze erbeuteten zwei weiblichen
und von einigen Krainer Sammlern angeblich in der Grotte von Treffen
*) Verhandlungen der zool.-bot. Gesellsch. in Wien 1855. V. p. 509.
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172 Jahres-Bericht
gefundenen Exemplare sind bei gleicher Breite etwas grösser (21/, Mm.),
erscheinen deshalb schlanker. So weit mir bekannt, ist die kleine Zahl
der bisher gesammelten Exemplare nur in Unterkrainer Grotten gefunden
worden. Feuchte, lehmige Wände oder die Unterseite von Steinen auf
dem feuchten lehmigen Boden in mittleren und inneren Grottenräumen
bildeten, wie bei der folgenden Art, die Fundstellen.
Die zweite kleinere, 1,75 bis 2,2 Millimeter lange Art Machaerites
subterraneus Motsch.*) habe ich bis jetzt in der Grotte am Grossgallen-
berge, in der Velka pasica am Krimmberge in Oberkrain, in der Nuss-
dorfergrotte und mittleren Luger Grotte in Innerkrain gefunden. Es dürften
aber noch andere, von Krainer Sammlern geheim gehaltene, Fundorte existiren.
Kleine individuelle Abweichungen, wie geringere bis auf 1,5 Mm.
reducirte Grösse, stärkeres oder geringeres Hervortreten der Schulter-
ecken, geringere Deutlichkeit oder völliges Erlöschen des Nathstreifs an
den Flügeldecken, grösseres Abstehen einzelner Fühlerglieder von einan-
der, so dass das eine oder das andere wie verlängert erscheint, waren
bei allen von mir untersuchten Exemplaren zu bemerken. Auch
die entsprechenden Tasterglieder zeigten sich bei den von mir bisher ge-
sammelten 6 Exemplaren nicht absolut gleich geformt. Endlich ist auch
die Dichtheit und Feinheit der Punktirung etwas variabel. Machaerites
plicatulus Schaufuss **), ebenfalls aus einer (welcher?) Krainer Grotte, der
sich laut Angabe durch geringere Grösse (1'/, Mm.), Mangel des Nath-
streifes an den Flügeldecken, abweichendes zweites und drittes Fühler-
glied auszeichnet, den ich aus eigener Anschauung nicht kenne, müsste
einem kleinen M. subterraneus äusserst nahe stehen.
Auffallend war und ist mir, dass unter den 6 von mir gesammelten
Exemplaren kein einziges Männchen sich befand. Alle waren durch die
starke Wölbung der Unterseite (sowohl der Länge als der Quere nach)
und Abrundung der Spitze des Hinterleibes, sowie durch Aufwärtsgerückt-
sein der Analöffnung als deutliche Weibehen charakterisirt. Als ich
nun 1865 in der mittleren Lu&ger Grotte in Innerkrain, nicht erheblich
weit vom Eingange entfernt, unter einem Steine ein Weibchen von M.
subterraneus Motsch. und ein Männchen von Argus Kraatz,***) welches
durch abgeflachte Unterseite und deutliches Zugespitztsein des Hinter-
leibes, sowie durch abwärts gerichtete Analöffoung als Männchen charak-
terisirt war, nahe beisammen fand, da schien mir die Ansicht von Kraatz,
dass der mit Augen begabte M. Argus Kraatz das Männchen von M. sub-
*) Von Motsch. in seinen Etudes als Bythoxenus subterraneus beschrieben, cfr.
Wiener entomol. Monatsschrift 1862 p. 372. — 1863 p. 22. — Berliner entomolog.
Zeitschrift Jahrgang VII. 1863 S. 122—125 Tafel IV.
**) Revue zoolog. Magaz. 1863 p. 293.
*#%*) Berliner entomolog, Zeitschr. Jahrg. VII. 1863 S. 122—125.
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 173
terraneus Motsch. sei, sehr plausibel; stand sie doch mit der Angabe de
Sauley’s, dass das Männchen von M. Marie Lind. aus den Pyrenäen-
grotten mit Augen begabt sei, im Einklange. Ich war mir wohl be-
wusst, dass die morphologischen Verschiedenheiten beider Thiere so
gross sind, dass sie damit verschiedenen Gattungen hätten angehören
können. Doch waren sie wiederum kaum grösser als die Unterschiede
zwischen Männchen und Weibchen der Lampyris splendidula L. Nach-
dem ich aber 1868 und 1871 einige, durch die vorher angegebenen
weiblichen Charaktere ausgezeichneten Exemplare von Argus Kr. in
mehreren Grotten von Oberkrain und einige grössere, neue, dem Argus Kr.
nahe stehende Arten in beiden Geschlechtern in Unterkrain gesammelt,
bin ich zu anderer Ansicht gelangt. Ich bin nun überzeugt, dass M. sub-
terraneus Motsch und M. Argus Kraatz. nicht einer Art angehören, son-
dern artlich verschieden sind. Männchen und Weibchen von Argus Kr.
sind nur durch flache resp. stärkere Wölbung der Unterfläche des Hinter-
leibes, Zugespitztsein oder Abrundung desselben und Lage der Anal-
öffnung zu unterscheiden, stimmen aber sonst in Form, Stärke und Länge
der Fühler überein. Beide Geschlechter zeigen ein verlängertes, verdick-
tes erstes und ein verdicktes zweites Fühlerglied. Das letzte Fühlerglied
ist stumpf zugespitzt und in keine hellgelbe Spitze ausgezogen. Die
Form der Taster stimmt in beiden Geschlechtern überein, sie sind kürzer
und schwächer als bei subterraneus und ohne Kerbzähne. Das Halsschild
kürzer und an den Hinterecken deutlich eingedrückt. Die vertiefte Quer-
linie haben beide Geschlechter von Argus Kr. und einige ihm nahe
stehende neue Arten mit M. subterraneus M. gemein. Die Beine sind bei
Argus Kr. in beiden Geschlechtern kürzer als bei M, subterraneus.
Aus Vorstehendem erscheint es angemessen, den mit Augen begab-
ten Argus Kr. nicht ferner mit den blinden Arten Machaerites spelaeus Mill.
und subierraneus Motsch in eine Gattung zusammenzufassen. Er reiht sich
vielmehr dem Genus Bythinus an und scheint mir mit mehreren bereits
bekannten und einigen noch unbeschrievenen Arten dieser Gattung in
eine durch hell oder dunkel braungelbe Farbe, lange Taster und
Vorkommen in den Vorgrottenräumen ausgezeichnete Gruppe zusammen-
zugehören. Den Uebergang von dieser Gruppe zu dem Gros der Arten
von Bythinus bildet Bythinus Erichsonii Kiesw. Bythinus Argus Kraatz
scheidet somit aus der Reihe der ächten Troglobien aus und ist den
Troglophilen zuzuzählen. Von den bekannten Arten der eben bezeich-
neten Gruppe nenne ich Bythinus femoratus Aub., B. crassicornis Aub.
(= Chaudoirüi Hochh). Von den bisher unbeschriebenen Arten dieser
Troglophilengruppe habe ich befreundeten deutschen, französischen und.
italienischen Entomologen eine Anzahl von Exemplaren überlassen,
welche grösstentheils in die Hände des Herrn F. de Sauley in Metz ge-
_ langt zu sein scheinen, der die neuen, durch Grösse (2,5 bis 2,6 Mm.)
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174 Jahres-Bericht
und Gestalt ausgezeichneten Thiere in seinem demnächst zu erwartenden
neuen Pselaphinenwerke beschreiben wird. Um nicht unnöthiger Weise
Synonyma zu schaffen, vermeide ich es vorläufig, die Thiere zu benen-
nen und zu charakterisiren, obgleich ich deren Veröffentlichung ungern
aufschiebe.e. Die neuen Thiere habe ich in den Grotten v Glavinalı
unweit Cumpole, in der Grotte von Treffen und am Nanos (Voleja jama)
gesammelt. L
Die Gattung Leptodirus ist den Krainer Grotten eigenthümlich und
daselbst in drei Arten vertreten,
1. Leptodirus Hohenwartii Schmidt
(Schmidt: Illyr. Blatt No. 3 1832; Sturm, Deutschlands Fauna, Insecten
1849 Bd. XX. Taf. 376)
gehört hauptsächlich mehreren Groiten von Innerkrain an. Ich sammelte
das Thier bisher in dem Innenraum der Grotte Zawinka bei Lasze und
in zwei Grotten zwischen Sessana und Trebich und kenne Exemplare,
die aus der Adelsberger und Magdalenengrotte und mehreren anderen
Grotten stammen. Es soll auch einzeln in der Voleja jama bei Pod-
kray vorkommen. In der Grotte von Treffen in Unterkrain ist die Species
im Aussterben begriffen. In den letzten Jahren sind von Krainer Samm-
lern und von mir nur noch Rudimente abgestorbener Exemplare gefunden
worden. In Istrien sammelte ich das Thier in der Grotte von $. Servolo
und habe von Exemplaren Kenntniss, die in anderen unbenannten Grot-
ten in Istrien gesammelt worden sind. In morphologischer Hinsicht ist
zu bemerken, dass die Männchen dieser Art ganz so wie die von L,
angustatus und sericeus an den Vorderfüssen fünf, die Weibchen vier Fuss-
glieder haben. Das Gros der Exemplare gehört der rundlich ovalen
Körperform an, die aber nach der einen Richtung hin zu der mehr kugel-
förmigen Gestalt des Hinterkörpers (Flügeldecken und Hinterleib), nach
der andern Richtung zu der mehr gestreckt ovalen, länglich eiförmi-
gen Form hinneigt. Die Farbe kann dabei vom hellen Gelbbraun bis
zum tiefsten Nuss- oder Kaffeebraun“*) variiren. Wenn die extreme Kugel-
form der Flügeldecken sammt Unterleib sich mit besonders ansehnlicher,
die Norm überragenden, Grösse verbindet, so haben wir die herrliche‘
Varietas Schmidt Mill. vor uns. Das andere höchst eigenthümliche und
scharf ausgeprägte Extrem der Reihe, die auffallend gestreckt ovale,
*) Der in der Jugend der Grottencoleopteren und Grottenarachniden herr-
schende Albinismus, der bei dem Olm, den Poduren und Crustaceen der Grotten.
das ganze Leben hindurch bestehen bleibt, erscheint bei Leptodirus Hohenwartii
Schmidt, Glyptomerus cavicola Müll., Troglorrhynchus anophthalmus Mill., Cyphopthalmus duri-
corius Joseph im Alter, wo die Färbung dieser Thiere bis auf einige helle Fleck-
chen am Kopfe das dunkelste Rothbraun oder Kaffeebraun zeigt, völlig verwischt.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 175
schmale, länglich eiförmige Form, wobei das Halsschild etwas kürzer
erscheint, nenne ich zu Ehren des um die Naturforschung in Krain hoch-
verdienten Bürgermeisters von Laibach Herrn Carl Deschmann, des un-
ermüdlichen und begeisterten Beförderers wissenschaftlicher Forschungen,
varietas Deschmannü. Diese Varietät ist auch noch deshalb merkwürdig,
als sie in dem verschmälerten Bau der hinteren Körperpartie einen An-
klang zu der Gestalt zeigt, welche in noch weiterer Ausprägung in den
beiden folgenden Arten uns entgegentritt.
2. Leptodirus angusiatus Schmidt.
_(Sehmidt: Laibacher Zeitung (Feuilleton) No. 146 vom 4. August 1852;
Sturm, Deutschlands Fauna, Ins, XXIl. Bändchen 1853 S. 83, Taf. 406.)
Der einzige mir bekannte Fundort dieser Art ist die Grotte Voleja
jama oder Közia jama am Nanosabhange unweit Podkray, in deren ewig
finsteren Innenräumen das interessante Thier in derselben Weise wie
sein vorgenannter Stammverwandter in anderen Grotten an feuchten mit
feinen Pilzthallusfäden hie und da überzogenen Tropfsteinwänden lebt.
Seine bedächtigen Bewegungen, sein Tasten mit den Fühlern: sind wie
die des L. Hohenwartü. Es soll das ganze Jahr hindurch, besonders
aber vom März bis November beobachtet worden sein. Ich habe die
Voleja jama im Juli, August una September besucht und das Thier stets
in annähernd gleicher Zahl gesammelt, im September in copula ange-
troffen. Ueber seine ersten Entwickelungszustände kann ich ebensowenig
wie die Krainer Forscher Etwas mittheilen. Wie bei allen ächten Grot-
ten Thieren — Glyptomerus cavicola ausgenommen — lebt die Larve weit
verborgener als das vollendete Tier.
Das morphologische Verhalten des Lept. angusiatus ist eonstanter als
das des Hohenwartü. Obwohl ich die innersten grauenerregenden Räume
der genannten Grotte dreimal durchsucht und gegen fünfzig Thiere bei-
derlei Geschlechts darin bisher gesammelt habe, so trat mir doch nur
und nur einige Mal die Gestaltsvariation entgegen, welche ich 1867 als
varietas Robicii*) beschrieben habe. Ich wiederhole, dass ich diese auf-'
fallende Varietät bisher nur bei drei Weibchen prägnant ausgebildet (mit
sehr starkem Vortreten der sonst nur sehr schwach angedeuteten Seiten-
winkel der Flügeldecken, bei einigen Männchen dagegen nur wenig an-
gedeutet beobachtet ‚habe.
3. Leptodirus sericeus Schmidt
(Schmidt: on Zeitung (Feuilleton) No. 146, Aug. 1852. Sturm,
Deutschlands Fauna, Ins., Bd. XXI. Tafel 407)
ist in einer Anzahl Grotten von Unterkrain verbreitet. Schmidt ent-,
—
...*) Fünfundvierzigster Jahresbericht der schles. Ges, für; vaterl. Cultur S, 170.
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176 Jahres-Bericht
deckte dies Thier im Sommer 1852 in der Grotte Goba dol, andere
Krainer Sammler fanden dasselbe in den Grotten von Masern, bei Moos-
wald im Gotschewer Gebiete und in mehreren Grotten im Hornwalde in
der Nähe von Obersteinwand. Ich fand es am 5. August 1868 in der
Godjama (Jagdloch) bei Oberskril unweit der croatischen Grenze. Weder
an den von mir eigenhändig, noch an den von Anderen gesammelten
Exemplaren habe ich bisher irgend eine Gestaltsabweichung bemerkt.
Trotz seiner — mit der Gangweise seiner Verwandten verglichen —
lebhaftern Bewegungen fällt das Thier ebenso leicht wie diese den Raub-
zügen der blinden Grottenspinne Stalita taenaria und des blinden Grotten-
scorpions Blothrus spelaeus zur Beute.
Den Uebergang von der Gattung Lepiodirus zu der ebenfalls blinden
Gattung Adelops bildet
die Gattung Oryotus,
die zugleich eine vicariirende Form für die in den ungarisch -dalmatini-
schen Grotten einheimische Gattung Drimeotus und für die denselben und
den Pyrenäengrotten angehörenden Gattung Pholeuon darstell. Die ein-
zige bisher entdeckte Art Oryotus Schmidtöi Mill. (Verhandlungen des
zoolog.-botan. Vereins in Wien 1856 S. 626—627 Taf. VI) lebt in den
Innenräumen der vorgenannten Grotte Voleja jama unter flach aufliegen-
den Steinen und an feuchten, den Boden der unheimlichen Grotte be-
deckenden, von der Grottendecke herabgestürzten, colossalen Felsstücken, |
Das Thier erinnert durch seine ziemlich behenden Bewegungen, die ich
von denen des lebhaften Leptinus testaceus unterscheiden, an seine ober-
weltlichen Verwandten aus den Gattungen Catops und Colon. Mehr als
zwanzig von mir untersuchte Exemplare zeigten nur unbedeutende indi- h
viduelle Abweichungen. In Spiritus getödtet erhält das Thier eine matte
Oberfläche. Bei jugendlichen, noch weichen Exemplaren krümmen sich
leicht die Flügeldecken und lassen das Thier gewölbter erscheinen. Ih
habe dasselbe in den Monaten Juli, August und September gesammelt;
es soll jedoch in jeder Jahreszeit (selbst im Winter) in der genannten
Grotte zu finden sein.
Die Gattung Adelops
ist in den Krainer Grotten durch sieben bereits bekannte Arten ver-
treten, zu denen vielleicht eine achte, noch unbeschriebene Art hinzu-
treten dürfte. Sie theilen sich in zwei Gruppen. Zur ersten Gruppe,
deren Fühlerkeule aus verlängerten Gliedern besteht, gehören
1. Adelops Milleri Schmidt,
(Verhandlungen des zoolog.-bot. Vereins in Wien Bd. V. 1855. 8. 506)
die grösste und für A. Bomvouloirü Duv. der Pyrenäengrotten vicariirende,
durch die langen Fühler, den gestreckten Körper ausgezeichnete Art, die
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 177
jedoch in Bezug auf Breite des Halsschildes, Länge und Behaarung der
Flügeldecken kleine Schwankungen zeigt. Sie ist in Ober- und Inner-
krain einheimisch, also weit verbreitet und doch nicht allzu häufig in
einer Grotte. Ich nenne folgende Grotten von Oberkrain, in denen ich
sie gesammelt habe. Die Grotte Brezen bei Utik unweit Obershiska,
die Malo bukovje, Jaklove und Jelenca bei dem Dorfe Babnik, die
Grotte von Görtschach unweit Zwischenwässern, die Gipsova jama bei
Bischofslack, die Grotten Ljubniska jama und Kevderca auf dem Berge
Ljubnik in der Nähe des Dorfes Breznica unweit Bischofslack, die Grotte
am Grossgallenberge zwischen Pirnie und Zavrh, die Grotten Zidanca
und Spehovka bei dem Dorfe Uranusica, die Podreska jama am Sumberge
unweit Vir, die Ihanska jama bei dem Dorfe Jauchen, die Velka pasica
am Krimberge bei Oberigg und die Grotte Zijavka am Mokrizberge. Von
den Grotten in Innerkrain nenne ich als Fundorte des Adelops Milleri :
4 Grotten in der Umgegend der Eisenbahnstation Franzdorf, von denen
die eine nahe am Stationsgebäude, die andere Merzla dol und eine zweite
kleinere in tiefster Wildniss einer einsamen waldigen Gebirgs - Schlucht
liegt und die vierte Pri zavrh leichter zugänglich ist; die Grotte Kew-
kurjewec bei Koschana in einer Wildniss des Karstes, die Grotte bei
Parje, die Adelsberger Grotte, die Magdalenengrotte, die Planinahöhle, .
die Grotte von Nussdorf, die Grotte merzla jama am Kreuzberge unweit
Podlas, die St. Lorenzgrotte unweit der Kirche von Laas.. Eine etwas
kleinere Abart mit dichteren Flügelstreifen, gebogenen Mittelschienen und
kürzeren Fühlern, die an Kewenhülleri erinnert und vielleicht eine eigene
Art ist, sammelte ich in der Grotte von Nussdorf, in der Voleja jama
bei Podkray, in einer Grotte bei Sagon, in der Grotte von $. Canzian bei
Mataun unweit der Eisenbahnstation Divazza, in der Grotte von Corgnale
und in der Grotte von Sessana (Fernece).
2. Adelops Kewenhülleri Mil.
soll in der Adelsberger Grotte und in der Grotte Gabrowiza in Inner-
krain vorkommen. Ich selbst sammelte diese Art in der Grotte bei Fer-
nece unweit Sessana, in der Grotte von $. Canzian unweit Mataun, in
der von Corgnale in Innerkrain, in der von 8. Servolo in Istrien —
nirgends häufig.
3. Adelops Freyeri Schmidt
gehört mehreren Grotten von Oberkrain an, am häufigsten in den Grot-
ten Podreska jama und dolga jama am Sumberge, ferner, aber weniger
häufis in der Ihanska jama bei Aich, selten in der Bostonova jama,
Celeryova jama, Sovenca jama, Cajezova jama unweit Zallog, einigen
andern Grotten auf dem Maräutscher Boden.
12
178 Jahres-Bericht
4. 4. ‚globosus Mill.
Die kleinste Art, kommt nach Miller in der Grotte Ledenica bei
Gr. Liplein in Unterkrain sehr selten vor; ich sammelte dieselbe in we-
nigen Exemplaren in der Grotte Skednenza nai Rajturnam und in der
bei Podpee im Guttenfelder Thale.
5. 4A. byssinus Schiödte
soll in der Adelsberger Grotte vorkommen; ich sammelte diese seltene
Art in wenigen Individuen in den Grotten von Lueg und Nussdorf.
6. A. acuminatus Mill.
Diese Art sammelte ieh bisher nur in der Grotte von Treffen in
Unterkrain.
Die zweite Gruppe, bei welcher die Glieder der Fühlerkeule kurz
und das achte bis zehnte quer erscheinen, repräsentirt
8. A. montanus Schiödte.
Dies Thier hat eine grosse Verbreitung in Ober- und Innerkrain,
eine spärliche in Unterkrain. Auf dem Laibacher Schlossberge, bei
Veldes am See findet er sich häufig, in dem Eingange zu den Grotten
im Seler Hügel bei Gotschee sehr selten unter abgefallenem modernden
Laube. In mehreren Orten in Oberkrain wie in den vorderen Räumen
der Grotten Ihanska jama bei Jauchen, Velka pasica am Krimberge bei
Öberigg, in der Grotte bei Vigaun, ferner in der unteren Grotte von
Luäg, an bestimmten Stellen in der Magdalenengrotte ist diese Adelops-
Art nicht selten. Durch Abweichungen in Grösse, Behaarung und Wöl-
bung entstehen mehrere Varietäten, von denen die V. Hoffmannı am
wenigsten den Namen einer solchen verdient. Eine ausgezeichnete
Varietät ist durch kräftigere längere Fühler, grössere Flachheit und Breite
des ganzen Thieres ausgezeichnet. Möge sie V. forticornis heissen. Sie
kommt in der Celeryova jama vor. Eine dritte ist ebenfalls durch ver-
imehrte Grösse, besonders durch Verlängerung der Flügeldecken und
Vortreten deren Schultern gekennzeichnet: V. longipennis. — In Spiritus
getödtete weiche Exemplare werden durch Verbiegen des Brustschildes
und der Fligeldecken gewölbter, so dass das Thier kaum zu erkennen ist.
An die Gattung Adelops schliesst sich der ebenfalls blinde, in Deutseh-
land weit verbreitete, Leptinus testaceus Müll., der aber wie Adelops mon-
tanus häufiger ausserhalb, als inne:halb der Grotten vorkommt.
Wenn in den Grotten Coleopteren einheimisch sind, welche von dem
feinen, aus Pilzthallusfäden bestehenden, Ueberzuge der Tropfisteine oder
von abgestorbenen, durch Hochwässer oder Sturmwind in die Grotten ge- S
führten vegetabilischen und animalischen Stoffen leben (Silphalen, Psela -
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 179
phinen), wenn Coleopteren als ächte Troglophilen auftreten, welehe vom
Raube leben (Anophthalmen. Staphylinen), so leuchtet die Möglichkeit
der Erfüllung ihrer Existenzbedingungen- leicht ein. Anders ist es mit
dem Vorkommen auf Stoffe aus höheren lebenden Pflanzen angewiesener
Cureulioniden, die deshalb zu den merkwürdigsten Repräsentanten der
Grottenfauna gehören.
Troglorrhynchus anophthalmus Schmidt
kommt in Grotten vor, welche von starken Baumwurzeln durchdrungen
werden, wie in der Grotte am Grossgallenberge und in der von Nuss-
dorf, aber dies Thier findet sich auch in der Grotte bei Görtschach
und bei Treffen, in welchen Baumwurzeln nicht wahrnehmbar sind.
Rechnen wir hierzu die Thatsachen, dass 1) dieses Thier auch ausser-
halb der Grotten unter Steinen und an Baumwurzeln subterran gefunden
wird und darin 2) mit seinen Gattungsgenossen in den Pyrenäen Troglor-
rhynchus Martinii Fairm. und Terricola Linder und in Italien T. latirostris
Bargagli (mov. sp.), sowie mit seinen subterran lebenden Verwandten
z. B. Raymondia Appennina, longicollis, Sardoa Perris, fossor Aube, Dalarouzei
Bris., Perrisii Grenier und Marqueti Aube, sowie etwas entfernter Ver-
wandten, wie Cryspharis Raymondü Perris und Alaocyba carinulata Perris
übereinstimmt, endlich 3) besonders helle Exemplare im Sommeranfange
und sehr dunkle Individuen im Spätsommer an den Decken der Grotten
von anderen Forschern und von mir gefunden worden sind. Hiernach
scheint mir die Vermuthung gerechtfertigt, dass Troglorrhynchus anophthal-
mus seine Entwickelung aus dem Ei zur Larve, Puppe bis zum voll-
kommenen Insect nicht in den Grotten durchmacht, sondern im Spät-
sommer oder Herbst nach erfolgter Begattung aus den niedrigen in höher
gelegene Grottenräume aufsteigt, um durch Ritze in der Decke, durch
welche die Tagwässer durchsickern, die Grotten zu verlassen und seine
Eier ausserhalb der Grotten an Baumwurzeln abzusetzen, wenn er solche
in den Grotten selbst nicht antrifft. Hier entwickeln sich die Larven,
gehen ihre weitere Entwickelung zur Puppe bis zum ausgebildeten Thiere
ein, das dann durch Ritze in den Decken der Grotten, deren innere
Räume aufsucht, um bis nach erfolgter Begattung darin zu bleiben.
Dass mehrere Othiorrhynchen als Larven in Baumwurzeln und Wurzeln
von krautartigen Pflanzen leben, davon mich zu überzeugen habe ich oft
Gelegenheit gehabt.
Die an etwa fünfzig Exemplaren bemerkten Gestaltswandlungen be-
ziehen sich (abgesehen von der durch das Alter bedingten Farbe vom
hellen Gelbroth bis zum dunkelsten Kaffeebraun) auf die Breite der
Rüsselspitze, auf die Gestalt des Brustschildes und die Wölbung der
Flügeldecken. Erstere erreicht zuweilen eine über die Norm hinaus-
gehende Breite. Das Brustschild erscheint — jedoch sehr selten —
12*
IE
180 Jahres-Bericht
etwas breiter, ferner gröber punktirt, die sonst glatten Zwischenräume
rauh oder gerunzelt.
Die Flügeldecken endlich erscheinen zuweilen nicht flach, sondern
auffallend gewölbt, Durch die Abänderungen ist eine Annäherung an
den in Norditalien vorkommenden Troglorrhynchus latirostris Bargagli (n.
sp.) angedeutet.
Den bisherigen Bemerkungen will ich noch anreihen, dass Krain
oder vielmehr das Triestiner Küstenland auch Repräsentanten einer gröss-
tentheils augenlosen, ausschliesslich subterranen Fauna besitzt. Auf dem
Plateau von S. Servolo, auf welchem der Eingang in die zu der genann-
ten Ortschaft gehörende Grotte sich befindet, fand ich unter Steinen eine
der Appennina ähnliche Raymondia und einen dem Florentinus ähnlichen
Anillus, deren nähere Bestimmung ich mir für spätere Zeit vorbehalte. In
der Nähe der Bucht von Muggia bei Zaole fand ich unter einem Steine
Leptomastaxw hypogaeus Pirazz. und unter Moos Claviger longicornis Müll.,
der in Krain fast ebenso verbreitet wie foveolatus Müll. ist. In einer Garten-
anlage bei Triest fand ich Langelandia anophthalma Aube auf der Unter-
seite eines flach aufliegenden Steines und in dem Mulm eines hohlen
Maulbeerbaumes Aglenus brunneus Gyli und Anommatus duodecimstriatus
Müll. Es steht zu erwarten, dass sorgfältige Durchforschung der übrigen
Theile Istriens und besonders im ersten Frühjahre diese wenigen Bei-
spiele, die trotz Ungunst der Jahreszeit (Sommer) aufzufinden mir ge-
lungen ist, erheblich vermehren wird.
Mit Vorstehendem schliesse ich vorläufig meine Bemerkungen über
die den Krainer Grotten eigenthümliehen Coleopteren (ächte Troglobien),
welche ich später zu vervollständigen hoffe.
Die Coleopteren bilden das Gros der Grottenfauna und subterranen
Fauna. Von den übrigen Inseetenstämmen sind darin die Hemipteren, Homo-
pteren, Neuropteren und Lepidopteren gar nicht, die Orthopteren, Dipteren
und Hymenopteren nur spärlich vertreten. In Bezug auf die Orthopteren
bemerke ich, dass Rhaphidophora cavicola Kollar kein ächtes Grottenthier
ist, weil es sich auch in Kellern und Bergwerken, sowie in hohlen
Bäumen findet. Dagegen ist Anurophorus stillieidu (Thysanuren) zwar mit
Augen versehen, aber ein ächter Troglobius. Ich reihe hieran eine neue
augenlose Podure Troglopedetes albus nov. sp. mit einem Springschwanz
von fast der Länge des Körpers aus den Grotten von Cumpole, Podpee
und Gurk in Unterkrain und ein augenloses zuckergastartiges Thier
(Lepismatiden) Troglodromicus cavicola nov. sp. aus der Grotte von Lueg
in Innerkrain, deren Beschreibung ich mir für spätere Zeit vorbehalte,
Ob die in den Grotten bis jetzt aufgefundenen Dipteren Phora aptina
Koll. und Gymnomus troglodites Loew ächte Troglobien sind, bleibt noch
zu erforschen. Von den an Stalaktiten beobachteten parasitischen Di-
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur.
pteren gehören sämmtliche den in Grotten sich aufhaltenden Fleder-
mäusen an und zwar Nycteribia biarticulata Herm., dem Rhinolophus hippo-
crepis Herm., Nyeteribia Schmidtü Schiner dem Miniopterus Schreibersii Nall,
endlich eine noch unbeschriebene Nycteribia dem Vesperugo Kuhlüi Natterer an.
Die Hymenopteren endlich sind durch bisher unbeschriebene Species
von Dorylus vertreten. Wenigstens halte ich die in Gesellschaft von
Ameisen in den vorderen Räumen der $. Canzian-Grotte bei Mataün, der
Grotte von Corgnale und von $. Servolo von mir aufgefundenen augen-
losen und flügellosen rothgelben Hymenopteren für flügellose Weibchen
von Dorylus. Ob sie wirkliche Troglobien sind und nicht auch ausserhalb
der Grotten als parasitische Gäste von Ameisen unter Moos oder in
hohlen Bäumen vorkommen, dies festzustellen muss späteren Forschungen
überlassen bleiben.
In der sechsten Sitzung am 27. November theilte Berichterstatter
einige der entomologischen Resultate von Spätsommerexceursionen in die
Umgegend von Triest (Servola, $. Servolo, Zaole, Mugsia) vom Jahre
1871 mit. Für das Sammeln von Coleopteren und Lepidopteren sind
die Monate August und September, während welcher Zeit Berichterstatter
in Triest sich aufhielt, nicht günstig. Gleichwohl wurde von ersteren
manches werthvolle Thier, wiewohl meist einzeln, erbeutet. Von Coleo-
pteren seien erwähnt: Dyschirius salinus Schaum, Anchomenus scrobiculaius
F., Dichirotrichus pubescens Payk und lacustris Redt, Trechus subnotatus Dej.,
ein dem Florentinus ähnlicher Anillus (S. Servolo), ein dem plamipenis
nahe stehender Ocypus, Quedius seintillans Grav, einige unbekannte Quedii
Lathrobium dividuum Er., Xantholinus glabratus Grav. und relucens Grav.
Bledius monoceros Rosenh., Langelandia anophthalma Aube, Anommatus
12 striatus Müll., Aglenus brumneus Gyll., Silesis rutilipennis Ill., eine: der
Appennina ähnliche Raymondia, mehrere unbestimmte Sitones und Longi-
iars. — In der Grotte von $. Servolo fand Berichterstatter Lepiodirus
Hohenwartii Schm., Anophthalmus hirtus und spectabilis m. und Adelops
Kewenhülleri Mill. *)
Mannigfaltiger und lohnender war die Ausbeute an Cykaden und
Orthopteren, für welche die Zeit gerade günstig sich erwies. Ausser
einer ziemlich bedeutenden Zahl noch unbestimmter Cykadinen und einer
Zahl auch bei uns häufiger Arten fand Berichterstatter folgende:
Tettigometra fusca Fieb, obligua Pz., Oliarus pallens Germ., Dyctiophora
Europaea L., Mycterodus nasutus H. Schaeff., Issus coleoptratus F., fron-
talis Fieb., Hysteropterum obsoletum Fieb., flavescens Oliv., immaculatum Fieb.,
*) Von der Coleopterenfauna der Triestiner Umgegend besitzt Herr J. von
Meiller, Triest, via S. Michele 16, reiche bestconservirte Doublettenvorräthe und
ist geneigt, mit Coleopterologen in Tauschverkehr zu treten,
182 Jahres-Bericht
reticeulatum H. 8., Lepyromia coleoptrata L., Philaenus spumarius L., linea-
tus L., campestris Fll., Macropsis Lanio L., Idiocerus Populi L., varius F.,
Rhytidolus Germari Fieb., Pediopsis virescens F., nasuta Germ., Agallia
venosa Germ., aliena Fieb., Penthimia alra Fieb. einige hübsche Varietäten
der auch bei uns äusserst häufigen Tettigonia viridis L., Euacanthus inter-
ruptus L., acuminatus F., Aglena ornata Friew., Acocephalus rusticus F. und
bifasciatus L., Selenocephalus obsoletus Germ., Allygus atomarius Germ., mix-
tus Germ., Opsius stactogalus Am., Cicadula 6 notata Fil., Paramesus obtusi-
frons Stäl und Platymetopius undulatus De Geer.
Die Orthopterenfauna war durch Arten, welche dem Süden ange-
hören, reich vertreten. Grosse Forficulinen z. B. Forficula maritima Gene,
ferner F. moesta Gene waren unter Steinen auf den Salinen von Servola
zahlreich. Mantis religivsa L. trat in beiden Geschlechtern in grossen
prächtig gefärbten Exemplaren auf! Der bei uns an den südlichen Ab-
hängen des Altvatergebirges nur ziemlich selten beobachtete Oecanthus
pellucens Scop. war auf grossblätterigen Pflanzeu sehr häufig; Rhaphido-
phora cavicola Kall. dagegen in einzelnen Exemplaren in der Grotte von
S. Servolo. Ephippigera vitium Serv., limbata Fisch., Orphania denticauda
Charp., Phaneroptera falcata Scop., Conocephalus mandibularis Charp. waren
auf den Triften von Servola ziemlich häufig. Thamnotrizon apterus Fbr.,
Platycleis griseus Fbr., Decticus albifrons Fbr. in einzelnen Exemplaren.
Trysalis nasuta L. auf Trifien an der ganzen Meeresküste häufig, Para-
einema bisignatum Charp. dagegen selten. Viele Arten von Stenobothrus
und Stauronotus harren noch der Bestimmung. Epacromia thalassina Fbr,
am Meeresstrande, Pezotettix alpina Kollar im Boschetto, Pachytilus migra-
torius L. und stridulus L., Cuculligeru hystrix Germ., Oedipoda coerulans L.
ebenfalls nur einzeln.
Daran knüpfte Berichterstatter einen Ueberblick über die in Schlesien
bisher bekannten Cykadinen und Örthopteren.
In der zweiten Sitzung am 20. Februar machte Herr Dr. Wocke
Mitiheilungen über das Vorkommen von Geometra luctuata Hübn., Eupi-
Ihecia scopariella auf Sarrothanmus, Depressaria subpropingquata St., Stegano-
plycha reconditana Herr. Schaeff., Gelechia Sarrothamnella H. 8., Doriphora
carchariella H. an Vieia cassubica L. Nepticula filipendula W., N. inaequalis
Hein. in Erdbeerblättern, sämmtlich bei Obernigk beobachtet.
In der dritten Sitzung am 6. März hielt Herr Hauptlehrer K. Letz-
ner einen Vortrag über
Lasioderma (Pseudochina) serricorne F., testaceum Duft.
Fabrieius in seiner Ent. syst. I. (1792) p. 241 giebt als Vaterland
dieses unter dem Namen Ptinus serricornis von ihm beschriebenen Thieres
Amerika und als Aufenthaltsort getrocknete Pflanzen an; Duftschmid, der
es in seiner Fauna Austriae (II. 1825) unter dem Namen Phlinus’ testa-
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 133
ceus beschreibt, hat es von Wien; Sturm in seinem Kataloge 1826 (unter
dem Namen Xyletinus rufescens) wieder aus Amerika; Dahl giebt in De-
jean’s Kataloge, ed. 3 (sub nom. flavescens) Ungarn, Waltl in litt. (sub
nom. ligniperda) Andalusien als Heimath an, Bach (Käferfauna Il. 1854)
nennt Crefeld, Düsseldorf, Mainz und Heidelberg als Heimathsorte, von
Heyden (Berl, ent. Zeitschrift VIII. 323) hat es mit Rüppell’schen Pflan-
zen Sendungen aus Abyssinien erhalten. Mulsant in seinen Terediles,
Paris 1866 (vergl. Dr. Kraatz in der Berl. eut. Zeit. XL, 1867, 8. 211)
bemerkt, dass das Thier, ursprünglich fremd, sieh in ganz Europa ange-
siedelt habe und namentlich von Cigarren lebe; Dr. Stein sagt (Berl.
‘ent. Zeit. XI. 211), dass dasselbe in Brasilien an den Tiabaksblättern
srossen Schaden anrichte, indem es dieselben durchlöchere und zur
Fabrikation von Cigarren unbrauchbar mache; dass es auch in Colum-
bien angetroffen worden sei. — Aus dem Vorstehenden würde sich er-
seben, dass das in Rede stehende Thier im heissen Amerika heimisch
sei und sich von da über ganz Europa verbreitet habe. Angaben über
sein Vorkommen in Asien liegen nirgends vor.
Als in Schlesien vorkommend erwähnt den Käfer zuerst Sturm
Deutschl., XI. 90, 1857), dann Kelch (1. Nachtr. zu den Käfern Ober-
sehlesiens, 1852) unter dem Namen Xyletinus Nicotianae Bach, an welchen
letzteren er das Thier zur Bestimmung geschickt hatte. Dasselbe war
von Kelch in Ratibor in Varina-Rollentabak aufgefunden worden. . Roger,
(Verz. der Käf. Oberschles., 1356), der das Thier irrthümlich unter dem
Namen Xyletinus Redtenbacheri Bach aufführt, giebt an, dass es in Rauden
in Kisten mit Trabueillos Cigarren einmal in grosser Menge vorgekommen
‚sei. — Von den älteren‘ Breslauer Entomologen ist keine Notiz über
das Vorkommen des Thieres in Schlesien vorhanden, doch müssen sie
dasselbe gekannt haben, wie die Angabe in Sturm’s Fauna beweist.
Meine ersten Exemplare habe ich, soviel mir erinnerlich, nach dem Jahre
1848 in Brasilianischen Käfern aufgefunden (in denen sie ihre Verwand-
lung durchgemacht hatten), später Exemplare von Kelch erhalten, nie-
_ mals aber habe ich bis zum Jahre 1870 Gelegenheit gehabt, lebende
Individuen zu beobachten. Im Sommer dieses eben erwähnten Jahres
jedoch hatte ich das Vergnügen, durch die Freundlichkeit des Herrn
Kaufmann Maruschke (dem ich hierdurch meinen aufrichtigen Dank ab-
stalte), eine Anzahl lebender Exemplare zu erhalten, welche in einer
Kiste mit Rhabarber - Wurzeln nach Breslau gekommen waren. Die-
selben hatten an diesen Wurzeln nieht unbeträchtlichen Schaden
angerichtet, indem sie nebst ihren noch sparsam darin vorhandenen
Larven dieselben in unregelmässigen Gängen durchlöcherten und
ihre Substanz verzehrten. Da die Kiste in Hongkong in eine ver-
löthete / Blechkiste eingeschlossen ‘worden war, so musste das Thier
spätestens in Hongkong, jedenfalls also in China, in die Rhabarber ge-
1 84 Jahres-Bericht
kommen sein; ja es wäre sogar möglich, dass es selbst schon im nörd-
lichen China von derselben Besitz genommen hätte. Merkwürdig ist es
übrigens, dass andere zu gleicher Zeit in London und Breslau angekom-
mene Kisten mit Rhabarber auch nicht ein Exemplar des Thieres auf-
wiesen. Es liess sich dies leicht an dem gänzlichen Fehlen der an der
Oberfläche bewohnter Stücke stets vorhandenen kreisrunden Fluglöcher
feststellen. — Aus den mir von Herrn Maruschke freundlichst überlassenen
Stücken der Rhabarber ist mir nun allmälig eine nicht unbedeutende
Zahl des Käfers ausgekrochen, die letzten im December d. J. 1870.
Da ich nicht alle Exemplare getödtet hatte, so konnte ich hoffen, das
Thier auch im Jahre 1871 noch lebend beobachten und namentlich seine
Puppe auffinden zu können, und diese Hoffnung ist auch in Erfüllung
gegangen. Nachdem der Käfer vom Juni 1871 an allmälig ausge-
krochen war und sich die folgenden Monate ungestört begattet und ver-
ınehrt hatte, konnte ich im December 1871 die ersten Puppen beobach-
ten, aus denen Ende Januar 1872 die ersten Käfer zum Vorschein
kamen. s$eit dieser Zeit hatte ich, wie es bei ähnlich lebenden Insecten
immer zu geschehen pflegt, Wochen lang das vollkommene Insect,
Puppen, sowie ganz und halb erwachsene Larven zu gleicher Zeit neben
einander.*) — Im Dunkeln sitzt der Käfer die meiste Zeit ruhig und
stil an den Wänden seines Gefängnisses, an’s Licht gebracht, läuft er
sogleich lebhaft und schnell umher, wobei er die Fühler mit grosser
Schnelligkeit fortwährend auf- und abwärts bewegt, so dass sie mit ihrer
Spitze den Boden berühren, auf dem er wandelt, ganz so, als wollte
er denselben dadurch prüfen, und sich von der Passirbarkeit desselben
überzeugen. Bei dem Laufen muss das Thier den in der Ruhe nach
unten gebogenen Thorax und Kopf nach vorn richten, wodurch sich der
erstere an den Seiten (und selbst an seiner Basis) von der Basis der
Flügeldecken bedeutend entfernt, was ihm ein ganz verändertes Aussehen
giebt. — Die Begattung habe ich nur wenige Male beobachten kön-
nen. Das Männchen streichelt die Flügeldecken des Weibchens lange
#) Interessant ist es übrigens, dass. nicht in allen Rhabarber-Stücken die
Entwiekelung zu gleicher Zeit erfolgtee Während in dem einen (härteren) die
ersten Käfer Ende Januar auskamen, geschah dies in 2 anderen (weicheren) am
il. und 15. März 1872. Seit dieser Zeit habe ich bis heute (den 20. Juni) aus
allen Rhabarber-Stücken fortwährend lebende Käfer in grosser Zahl erhalten.
Das erst genannte Stück lieferte allein mehrere 100 Exemplare, von denen heute
noch etwa 209 leben. Dasselbe ist aber auch in den 2 Jahren fast ganz auf-
gezehrt worden, so dass nur noch die dünnen Scheidewände vorhanden sind,
welche Larven und Puppen zu trennen pflegen. — Mehrere Stücken einer Vari-
nas-Cigarre, welche ich bereits vor 3 Monaten zu der Rhabarber legte, wurden
von den Käfern sofort besucht; einige der letzteren bohrten sich sogar in die-
selben ein. |
Be Ne NE
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 185
Zeit mit seinen Fühlern und besteigt von hinten dasselbe Da es sich
jedoch mit seinen kurzen Beinen nicht anhalten kann, so fällt es bei der
Bewegung des Weibehens herab und wird von demselben fortgezogen,
wie dies bei vielen anderen Käfern, z. B. bei Stenus- und Telephorus-
Arten der Fall ist.
Die J,arve ist 1%/, —2 Linien lang, weiss oder gelblich-weiss, be-
fusst, ziemlich dieht mit langen, gelblichen, weichen, seidenartigen Haaren
besetzt, nach Art der Bostrychus-Larven gekrümmt, jedoch so, dass der
letzte Theil des Hinterleibes stärker nach dem Bauche zu gebogen ist.
Der Kopf ist mit einem gelben Hornschilde bedeckt, gegen den Mund
zu dunkler gefärbt, die starken und spitzen Mandibeln mehr oder weniger
braun. Die Ocellen sind höchst undeutlich, wahrscheinlich sind nur
1—2 an der Basis der Kinnbacken vorhanden. Fühler fehlen. Die
Maxillar-Palpen sind zweigliederig, das letzte Glied ziemlich lang, etwas
zugespitzt; die Lippentaster undeutlich zweigliederig, das letzte Glied
kurz, mit einer kurzen Borste besetzt. Der Hinterleib besteht aus acht
Ringen, welche durch ziemlich tiefe unregelmässige Querrunzeln nur un-
deutlich von einander geschieden sind. Der letzte Ring ist bedeutend
länger als die übrigen und nicht schmaler als diese, daher die Larve
hinten so breit (zuweilen sogar fast breiter) erscheint, als vorn. Anus
nur wenig nach hinten vortretend. An jeder Seite des Hinterleibes läuft
eine ziemlich stark vertiefte Längslinie hin, welche die Unterseite von
der Oberseite scheidet und in deren Nähe die schwer zu erkennenden
Stigmen liegen. Die Trochanteren sind lang und stark, Schenkel und
Schienen fast gleich lang, durchscheinend, lang behaart. An der Spitze
der Schiene steht eine kurze, spitzige, wenig gekrümmte Kralle.
Die Larve, mit kleinen Stäubechen der Nährpflanze und trockenen
Exerementen, welche in den langen Haaren hängen bleiben, bedeckt,
bewegt sich äusserst langsam und unbeholfen trotz ihrer Füsse und dreht
sich gewöhnlich von einem Punkte aus nach allen Seiten, wobei sie be-
ständig mit dem Munde nach rechts und links Schwankungen macht,
jedenfalls um sich durch das Gefühl zu orientiren. — Will sie sich ver-
puppen, so macht sie sich von Exerementen, die sie fest zusammenleimt,
ein dünnes, elliptisches Gehäuse, jedoch nur auf der Seite, wo sie bloss
liegen würde, also z. B von ihrer Nährpflanze keinen Schutz mehr er-
halten kann. Auf dem Boden einer Pappsehachtel liegende Exemplare
benutzten unten diese zu ihrem Schutze und machten ihr Gehäuse, an
diese anschliessend, nur auf der Oberseite.
Die Puppe ist schneeweiss, später gelblich-weiss, die Augen braun,
‚später schwarz. Haare sind nirgends wahrzunehmen. Der Kopf ist sehr
auf den Bauch niedergebeugt und reicht mit den vorstehenden Kiefer-
tastern bis auf die Vorderschienen. Die .Vordertarsen liegen auf dem
Bauche an einander, die Flügelscheiden lassen einen schmalen Streif des
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186 Jahres-Bericht
Bauches zwischen ihnen. sichtbar werden. An der Spitze der letzteren
bemerkt man das äusserste Ende der Hintertarsen, welche also kaum
darüber hinausragen. Nur wenig kürzer als die Flügelscheiden sind die
Flügeldecken, welche (wie gewöhnlich) die Hinterbeine bedecken. Die
beiden vorderen Beine jeder Seite liegen mit Schenkel und Schiene nahe
au einander. Hinter ihren Knieen gehen die Fühler (wenig über sie
hinausreichend) bis mitten auf die Decken. Der Anus ragt verhältuiss-
mässig weit nach hinten vor und ist nach den Geschlechtern verschieden
gebildet. Während er (vom Rücken der Puppe aus gesehen) bei dem
g' in der Mitte eine längere und beiderseits eine kurze, stumpfe Hervor-
ragung zeigt, ‚hat er bei dem 2 in der Mitte eine kurze zu jeder
Seite eine längere, schräg nach aussen gerichtete, aus 2 Gliedern (von
denen das letzte kürzer und dünner) bestehende Spitze.
In der Sitzung vom 11. December gab Herr Hauptlehrer Letzner
Nachträge zu seinem Verzeichniss der Käfer Schlesiens.
Seit Ende Juni d. J., wo mein „Verzeichniss der Käfer Schlesiens“
erschien, sind, wie dies nicht anders zu erwarten war und von mir
auch vorher ausgesprochen worden ist, bis heute (December 1871) bereits
eine ganze Anzahl für Schlesien neuer Arten theils neu gefangen, theils
aus früheren Fängen durch genauere, in Folge Benutzung neuerer Werke
ermöglichte Bestimmung erst jetzt herausgefunden worden; ich erlaube
mir, dieselben hier als Nachtrag zur Tauna zusammenzustellen,
1) Bembidium humerale Si., pulchrum Gyl., zuerst von Gerhardt im Juli
dieses Jahres bei Lomuitz unweit Schildau auf einer Torffläche
(Lomnitzer Haide) im Hirschberger Thale in einem Exemplare ge-
fangen, Ende August d. J. von Herru Schwarz und mir an derselben
Lokalität in Mehrzahl aufgefunden. Anfang September wurde das
Thier von uns auch an den Torfstiehen bei Nimkau (an der nieder-
schlesisch-märkischen Eisenbahn) beobachtet. “) Dasselbe scheint
demnach an den Torfboden gebunden zu sein und hält sich an den
trockenen oder feuchten Stellen desselben zwischen den einzeln
stehenden Grasbüscheln oder im Herbsie auch in der lockeren,
trockenen Torferde auf. Jedenfalls kommt es auch in der Nähe
anderer Torfstiche der Provinz, wenigstens in der Ebene und im
Vorgebirge, vor.
2) Heterothops niger Kraats. Von Herrn Schwarz in einer hohlen Popu-
lus nigra in der Odervorstadt Breslau’s in einem Stück erbeutet, das
er meiner Sammlung zu überlassen, die Güte gehabt hat.
*) Im Mai 1872 wurde es von uns an derselben Lokalität in Mehrzahl, im
Juni auf dem Torfboden in Kohlfurt in Menge gesammelt,
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 137
Quedius infuscatus Er. In einem alten Torfstiche in der Lomnitzer
Haide von mir in einem Exemplare Ende August d. J. aus Torf-
moos gesiebt.
Clambus punctulum Gyl. Bei der Ueberschwemmung der Ohla im
März d. J. in einem Stücke bei Marienau unweit Breslau von mir
gesammelt. *)
Comazus dubius Marsh., Enshamensis Steph., in einem Stücke von
Herrn Schwarz am 20. Juli d. J. an der Schweizerei auf dem Alt-
vater etwa 4000 Fuss über dem Meere in meiner Gegenwart aus
fauligem Heu gesiebt.
Hister suceicola Thoms. und
H. veniralis Mars. ’
Beide wurden bisher von schlesischen und anderen Entomologen
mit den verwandten Arten H. cadaverinus und carbonarius vermengt.
Ihr Vorkommen in Schlesien ist bis jetzt erst bei Breslau und Lieg-
nitz von Gerhardt, Schwarz und mir constatirt.”*)
Atomaria rhenana Kraatz. Das Thier wurde bei der Frühjahrs-
Ueberschwemmung im März d. J. von mir in zwei Stücken bei
Marienan gefangen.
Lathridius assimilis Mannh. In der Ebene und im Gebirge bis
4600 Fuss (Wiesenbaude) durch das ganze Gebiet häufig. Diese
Art, welche von allen Arten dieser Gattung am häufigsten in Schle-
sien vorkommt, wurde bisher für Lathridius minutus gehalten.
Aphodius sabulicola Thoms. In der Ebene an mehreren Orten (bei
der Frühjahrs- Ueberschwemmung im März d. J. auch bei Marienau)
ziemlich häufig. Bisher für eine Form von A. punctato - sulcatus
gehalten.
Throscus carinifrons Bonv., elateroides Red. Nach Bethe (Stett. ent.
Zeit. 1865 p. 236) von Zebe in 2 Stücken in Schlesien gefangen,
in der Sammlung des Herrn Dr. Kraatz in 3 schlesischen Stücken
vorhanden, von mir auch bei Breslau aufgefunden.
Throscus exul Bonv., von mir in 2 Exemplaren, an einem mir nicht
mehr genau bekannten Orte, in Schlesien gefangen.
Ceuthorhynchus Roberti Schönh. Von mir in 8 Exemplaren in Schle-
sien, auch an der alten Oder bei Breslau, aufgefunden.
Plectroscelis confusa Boh. In der Ebene und im Vorgebirge, wie es
scheint, nicht häufig. Bis jetzt erst bei Breslau (Karlowitz) und
Schweidnitz.
”) Ein zweites Exemplar käscherte ich im Mai 1872 an einem Damme bei
Ottwitz, 1 Meile von Breslau.
**) Dies Thier ist bereits 1868 von dem Berichterstatter unter richtigem
Namen als in Schlesien einheimisch demonstrirt worden.
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188 Jahres-Bericht
Nach dem Verzeichniss der Käfer Schlesiens betrug die Zahl der
schlesischen Käferarten Ende Juni d. J. 4028. Treten nun die vorstehend
aufgeführten 14 Arten hinzu, so steigt die Zahl derselben auf 4042.
Davon ist aber vorläufig abzuziehen eine Art: Dyschirius rolundipennis
Chaud., weleher nach Pfeil’s Angabe in Schlesien einheimisch sein sollte.
Die von demselben für diese Art gehaltenen 2 Exemplare sind aber
nach der Mittheilung des Herrn v. Rottenberg, des gegenwärtigen Be-
sitzers der Pfeil’schen Sammluug, nur helle Exemplare von Dyschirius glo-
bosus; demnach zählt die schlesische Coleopteren - Fauna gegenwärtig
4041 Arten.
In der Sitzung vom 20. März hielt Herr Eugen Schwarz einen
Vortrag
über die Unterschiede von Philonthus aeneus Rossi, succicola Thomson
und carbonarius Gyllenhal.
Thomson erkannte zuerst, dass die von Erichson und Kraatz als
Philonthus carbonarius beschriebene Art von dem echten Phil. carbonarius
Gylih. verschieden sei und führte daher für die erstere Art den Namen
Phil. suceicola ein. In der folgenden Tabelle sind die hauptsächlichsten
der von Thomson *) erörterten Unterscheidungsmerkmale der drei einander
sehr nahestehenden Arten, Philonthus aeneus, succicola und carbonarius
zusammengestellt.
1) Vorletztes Fühlerglied transversal. Halsschild
beiderseits leicht eingedrückt. Die Transversal-
linie an der Basis des dritten und vierten oberen
Abdominal - Segments in der Mitte mit einem
Hältehen + un on 1 eu in a a DE
— Vorletztes Fühlerglied so lang als breit. Hals-
schild beiderseits nicht eingedrückt. Die Trans-
versalliniien an der Basis des dritten und vierten
oberen Abdominal-Segments in der Mitte ohne
Fältehen. — Flügel-Decken dunkel erzfarben.
Hinterleib sparsam punktirt und sparsam behaart.
Beim 3 sind die Vordertarsen stark erweitert,
das sechste Abdominal-Segment unten nicht, das
siebente lief ausgerandet . carbonarius Gyllh.
2) Flügeldecken grünlich broncefarben. Hinterleib
dieht punktirt und dicht behaart; die Behaarung
bräunlich, selten grau. Beim 5 sind die Vorder-
nn nn
* Scand. Col. II. 157, IX. 146, X. 315.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 189
tarsen stark erweitert, das sechste Abdominal-
segment unten breit N das siebente
tief ausgeschnitten . . . ee \aeneus; Mossi.
— Flügeldecken schwärzlich - grün, wenig metall-
glänzend. Hinterleib sparsam punktirt und spar-
sam behaart, die Behaarung schwarz oder schwarz-
grau. Beim $ sind die Vorder - Tarsen kaum
erweitert, das sechste Abdominal-Segment unten
breit gerandet, das siebente tief ausgeschnitten . succicola Thoms.
Die von Thomson noch angeführten Unterschiede in der Zahl der
Punkte neben der Rückenreihe auf dem Halsschilde und der borsten-
tragenden Punkte auf dem unteren vierten und fünften Abdominal - Seg-
mente scheinen nur von untergeordneter Bedeutung zu sein, da schon
eine wenig zahlreiche Reihe von Exemplaren mir zeigte, dass diese
Merkmale variabel sind.
Alle drei Arten finden sich in Schlesien; Phil. aeneus ist der häufigste,
Phil. succicola, dem aeneus an Grösse gleichkommend, ist gleichfalls weit
verbreitet aber seltener; er kommt an Flussufern unter faulenden Pilzen,
an Aas, an ausfliessenden Bäumen ete. vor; der etwas kleinere Phil. car-
bonarius scheint sehr selten zu sein; ich kenne Exemplare von Breslau,
Liesnitz, Münsterberg. *) Herr Letzner und ich fanden ihn in der Nähe
von Breslau unter einem Haufen faulender Pflanzen.
Philonthus tenuicornis Mulsant kenne ich nur aus den kurzen Beschrei-
bungen der Herren Seriba (Berl. Ent. Zts. X. 293) und Dr. Kraatz (ibid.
XII. 351), aus denen aber hervorgeht, dass der dort beschriebene Phil-
onthus tenuicornis unzweifelhaft —= Phil. carbonarius Gyll. und der mit
ihm verglichene, für Phil. carbonarius Gyll. gehaltene —= succicola
Thoms. ist. Haben demnach die genannten beiden Autoren den echten
Phil. tenuicornis vor sich gehabt, so ist dieser als Synonym zu Phil. car-
bonarius einzuziehen.
*) Auch bei Berlin fand ich diese Art.
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IV.
Bericht
über die
Thätigkeit der medieinischen Section der Schlesischen
Gesellschaft im Jahre 1871,
abgestattet von
Herrn Privatdocenten Dr. Freund und Herrn Professor Dr. Waldeyer.
zeitisen Secretairen der Section.
In der Sitzung vom 10. Februar hielt Herr Professor Dr. Ferdinand
Cohn einen Vortrag
über Pilze und Contagien.
Die Ansicht, dass Pilze die Träger der Gifte, Miasmen oder Con-
tagien seien, welche bei endemischen und epidemischen Krankheiten die
Infeetion veranlassen, hat bekanntlich seit einer Reihe von Jahren in
zahlreichen mikroskopischen Untersuchungen und sogenannten Culturver-
suchen eine Stütze und namentlich in ärztlichen Kreisen vielfach Anklang
gefunden.
Zur Beurtheilung dieser Ansicht sind zwei Fragen auseinander zu
halten: I. Sprechen Wahrscheinlichkeitsgründe für die Ansicht, dass Pilze
Träger von Contagien seien? II. Event. welche Pilze sind als Contagien
bisher nachgewiesen worden?
I. Für die erste Frage ist hauptsächlich Nachstehendes zu berück-
sichtigen :
1. Die Pilze, obwohl Pflanzen, nähren sich wie die T’hiere, indem
sie Sauerstoff ein-, Kohlensäure ausathmen, Wärme entwickeln, und die
löslichen Bestandtheile lebender oder abgestorbener Thier- oder Pflanzen-
körper assimiliren; durch diese ihre Lebensprocesse desorganisiren die
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| 192 Jahres-Bericht
1 Pilze ihre Nährorganismen. Viele Pilze wirken nach Moritz Traube's
j Bezeichnung als Oxydationsfermente, indem sie ihre Nährstoffe oxydiren,
verbrennen. Der Hausschwamm verkohlt den Balken, zwischen dessen
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f Fasern er sein Gewebe ausbreitet; die Essigmutter verbrennt den Alcohol
: zu Essigsäure, andere Pilzmycelien die’ Gerbsäure zu Gallussäure; die
i Pilze der Weinblüthe verderben den Wein durch Oxydation, wenn sie
| durch Erwärmen getödtet, wird der Wein haltbar. i
2. Andere Pilze heben die Molecul-Verbindung ihrer Nährstoffe
auf, indem sie einen Theil der Atome des Nährstoffes assimiliren, be-
wirken sie, dass die übrigen Atome sich in anderen, meist einfacheren
Combinationen an einander legen. Die Hefenpilze zersetzen den Zucker,
indem sie einen Theil seiner Atome zu ihrer Ernährung verbrauchen,
die übrigen Atome sich zu Alkohol und Kohlensäure combiniren. Ge-
wisse Pilze erzeugen aus der Nährflüssigkeit Farbstoffe (nach Erdmann
und Schröter Anilinfarben, letzterem ist es gelungen, Roth, Orange, Gelb,
Grün, Violett, Braun durch Bacterien, die auf der Oberfläche gekochter
Kartoffeln schmarotzen, zu erzeugen).
3. Dass gewisse Pilze auch Stoffe produeiren, welche auf den Nähr-
organismus nach Art von Giften wirken, ist nach den Erscheinungen,
die wir bei der Gallenbildung und Tödtung von höheren Pflanzen durch
mikroskopische Pilze beobachten, nicht zu bezweifeln.
4, Alle Epidemien, welche in neuerer Zeit bei Pflanzen, ins-
besondere Culturpflanzen, constatirt wurden, sind von mikroskopischen
Pilzen erzeugt, die sich auf Kosten ihrer Nährpflanzen in deren Geweben.
entwickeln und vermehren; die Infeetion geschieht ausschliesslich durch
Uebertragung der Pilzsporen; die tödtliche Einwirkung erklärt sich aus
den ad 1—3 zusammengestellten Thatsachen (Rost und Brand, Trauben-
und Kartoffelkrankheiten, Mehlthau ete.) Die Verheerungen, welche die”
# betreffenden Pilze unter den Pflanzen anrichten, sind vergleichbar denen,
welche Heuschrecken oder Maikäfer in den Culturen verursachen; wenn
; hierbei andere, insbesondere klimatische Einflüsse überhaupt in Betracht
gezogen werden können, so ist es nur insofern, als dieselben die Ver-
mehrung schädlicher Inseeten oder Pilze mehr oder minder begünstigen
oder hemmen.
Dass ein Theil der Pflanzenepidemien bei uns nur periodisch auf-
tritt, von einem Herde aus fortschreitend, sich oft über ganze Welt-
5 theile in Kurzem verbreitet, und nach einiger Zeit wieder abnimmt oder
\ verschwindet, scheint darauf zu beruhen, dass die betreffenden Pilze
h, nieht bei uns einheimisch, nur durch Zufall eingeschleppt und in unseren
% klimatischen Verhältnissen, gleich den meisten ausländischen Pflanzen,
nicht die Bedingungen zu dauernder Ansiedelung finden.
5. Ebenso steht fest, dass die bei Inseeten (insbesondere geselligen
oder als Hausthiere gezogenen, z. B. Seidenraupen und Stubenfliegen)
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 193
beobachteten Epidemieen von mikroskopischen Pilzen erzeugt werden;
es ist in neuester Zeit erwiesen worden, dass die Ansteekung nur durch
Uebertragung der Pilzsporen geschieht, die von dem an der Krankheit
verstorbenen Inseet ausgestreut, auf der Oberfläche eines gesunden
Thieres auskeimen und dessen Haut durchdringend, in seine Leibeshöhle
eintreten, und dort sich vermehrend und auswachsend, das Blut und die
Eingeweide aufzehren und so den Tod herbeiführen (Empusa, Tarichium,
Isaria, Cordiceps).
I, Wenn diese Thatsachen für die Möglichkeit, ja für eine gewisse
Wahrscheinlichkeit zu sprechen scheinen, dass die Epidemieen bei
Menschen und höheren Thieren ebenfalls von mikroskopischen Pilzen er-
zeugt werden, so sind auf der anderen Seite fast alle bisherigen Ver-
1. In den Epidemieen der Pflanzen und Inseeten sind nur mycel-
bildende Pilze beobachtet, welche im inneren Gewebe des Nährorganismus
leben, diesen oft vollständig durchwuchern, und meist erst bei der
Fruchtbildung nach Aussen dringen. Solehe mycelbildende Pilze sind
auch beiın Menschen und höheren T'hieren, aber nur an der Oberfläche auf
und im Gewebe von Haut- und Haargebilden beobachtet, wo sie zum Theil
krankhafte Erscheinungen eontagiöser Natur verursachen, In den soge-
nannten zymotischen und Infeetions-Krankheiten des Menschen sind mycel-
bildende Pilze nicht nachgewiesen und offenbar auch nicht vorhanden,
weil sie sieh der Beobachtung nicht hätten entziehen können.
2. Grössere Wahrscheinlichkeit spricht für die mycellosen Pilze,
Schizomyceten, einfache, äusserst kleine, kugelige, eiförmige, eylindrische,
sichelförmig gekrümmte Pilzzellen, die sich durch Quertheilung vermehren
und in ihre Glieder zerfallen. Sie werden gewöhnlich als Bacterien,
Bacteridien, Vibrionen bezeichnet. Ihre masslose Vermehrung in kürzester
Frist bei geeigneter Nahrung, ihr rasches Verschwinden nach dem Ver-
brauch derselben, ihre leichte Uebertragbarkeit durch alle möglichen
Auswurfsstoffe lässt diese Organismen als Träger von Miasmen und Con-
tagien geeignet erscheinen, während ihre ausserordentliche Kleinheit, die sie
selbst unter den stärksten Vergrösserungen leicht übersehen lässt, die Schwie-
tigkeit ihres Nachweises begreiflich machen könnte. Allerdings treten
Schizomyceten auch bei allen Zersetzungs- und Fäulnissprocessen, selbst
in gesunden Organismen auf; doch könnten vielleicht die Bacterien der
Fäulniss verschiedene, wenn auch bis jetzt nicht mit Sicherheit zu unter-
scheidende Arten von denen seien, welche man als Krankheitserreger zu
betrachten hätte; die farbstofferzeugenden Bacterien (Monas prodigiosa,
Vibrio cyaneus und xanthinus Etr.) scheinen in der That von den farblosen
specifiseh verschieden, obwohl unter dem Mikroskop oft schwer zu unter-
scheiden. Zu berücksichtigen ist dabei noch, dass beim Milzbrand Bacterien mit
grosser Bestimmtheit als Träger der Infeetion erkannt worden sind, dass nach
13
194 Jahres-Bericht
Klob die Cholerastühle fast ganz und gar aus freien oder zu Gallert ver-
bundenen Bacterien (Zoogloea) bestehen, dass durch die von Chauveau
mit der Lymphe der Schafpocken angestellten Diffusions- Versuche mit
grosser Wahrscheinlichkeit ermittelt ist, dass die eigentlichen Träger des
Giftes äusserst kleine, aber geformte, feste, iu der Flüssigkeit in sehr
grosser Zahl vertheilte Körperchen sein müssen, dass in der neuerdings
grassirenden Krankheit der Seidenwürmer ebenfalls nur bacterienartige
Körperchen im Blut gefunden worden sind.
3. Es ist in neuester Zeit vielfach behauptet worden, die Bacterien
seien nur unvollkommene Entwickelungszustände anderer Pilze; doch ist
wirklich erwiesen ausser der kettenartigen Verbindung der Zellen nur
die Vereinigung durch gallertartige Intercellular - Substanz zu kugeligen,
traubigen, flockigen, häutigen Massen (Zoogloea), aus welchen sich die ein-
zelnen Zellen wieder mit selbstständiger Bewegung isoliren können. In-
wieweit die beweglichen und unbeweglichen Formen freier Bacterien
verschiedenen Arten oder Entwickelungs- Stufen entsprechen, ist zweifel-
haft; ein Uebergang in sehr dünne Fäden (Leptothrix Robin, Hallier, Hygro-
crocis Kg.) ist nur zum Theil erwiesen. Die Angabe, dass Bacterien aus
höheren Fadenpilzen als eine besondere Fortpflanzungsform (Micrococeus)
ausschwärmen und selbst wieder zu solehen Fadenpilzen (Penicillium,
Mucor, Tilletia ete.) auskeimen, widerspricht allen zuverlässigen Beob-
achtungen über die Entwickelung dieser Pilze.
Den sogenannten Culturversuchen, auf die sich jene Ansichten stützen,
kann nicht der geringste Werth beigelegt werden. Wenn aus dem Virus
verschiedener eontagiöser Krankheiten, aus dem Blut, Harn, Speichel, Faeces
und andern Aussonderungen in den Culturapparaten gemeine Fadenpilze
erzogen wurden, so beweist das nicht, dass letztere die Träger des Con-
tagium seien, da die Schimmel sich auf dem Nährboden aus einge-
schleppten Sporen entwickelt haben können, wie sie sich auf jedem be-
liebigen abgestorbenen Thier- und Pflanzenreste entwickeln würden.
In der Sitzung am 10. März sprach Herr Dr. Gscheidlen
über den Ursprung des Harnstoffs im Thierkörper.
Meissner fand in der Leber eines Hundes, der reichlich mit Fleisch
gefüttert war, 0,19 Gramme salpetersauren Harnstoff, was auf Harnstoff
berechnet 0,092—0,093 Gramme ergiebt. Diese reichliche Harnstoffmenge
in der 474 Gramme schweren Hundeleber bewog ihn, da er vergeblich
die Lungen und Muskeln und Harnstoff untersucht hatte, den Satz aus-
zusprechen, dass die Leber des Säugethiers als die hauptsächlichste Bil-
dungs-Stätte des Harnstoffs anzusehen ist. Im Anschlusse an diese Be-
hauptung stellte ich im hiesigen physiologischen Institute eine Reihe von
Versuchen an, deren Resultat in Kürze folgendes ist.
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der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 195
Ist die Leber die hauptsächlichste Bildungsstätte des Harnstoffs, be-
reitet die Leber den Harnstoff, so muss in dem aus der Leber abfliessen-
den Blute mehr desselben vorhanden sein, als in dem, welches die Leber
noch zu durchströmen hat. Die Versuche ergaben jedoch, dass das
Lebervenenblut, direct aus der Leber geholt, nicht harnstoffreicher ist,
als das Blut aus irgend einem Gefässbezirke des Thierkörpers.
Nach Meissner findet eine Art Spaltungsprocess in der Leber statt,
durch welchen sich einerseits Leberamylum, andererseits Harnstoff bildet.
Da nun der Zuckergehalt der ausgeschnittenen Leber sich vermehrt, so
galt es, zu untersuchen, ob etwas Aehnliches in Betreff des Harnstoffs
zu beobachten ist. Eine Harnstoffbildung in der ern Leber
nachgewiesen zu haben, behauptet ausserdem Heynsius.
Zu diesem Zwecke wurde ein Stück einer frischen Leber sofort auf
Harnstoff untersucht. Der übrige Theil der Leber wurde in ein Glas-
gefäss mit verschliessbarem Deckel gebracht und 24 Stunden bei Zimmer-
temperatur stehen gelassen, nach welcher Zeit ein ähnliches Stück wie
das erste abgeschnitten und auf seinen Harnstoffgehalt untersucht wurde.
In 6 derartigen Versuchen konnte niemals eine Vermehrung des Harn-
- stoffs in dem nach 24 Stunden untersuchten Leberstücke beobachtet
werden.
Nun wurde Blut von bekanntem Harnstoffgehalte längere Zeit durch
die Leber eines eben getödteten Thieres geleitet. Es wurden die Leber-
arterie sowie die untere Hohlvene unterbunden, hierauf Canülen in die
Hohlvene und die Pfortader eingelegt und dieselben durch Kautschuk-
schläuche mit Cylindern in Verbindung gesetzt, welche an einer Rolle
zweckmässig befestigt gehoben oder gesenkt werden konnten. Das Blut,
welches durch die Leber geleitet werden sollte, wurde in den einen
Cylinder gebracht und floss, je nachdem derselbe gehoben oder gesenkt
wurde, mit grösserem oder geringerem Druck durch die Leber. War
das Blut zum grössten Theile durch die Leber geflossen, so wurde es
mit Luft geschüttelt und auf’s Neue durchgeleitet. Das T'hier befand
sich in einem grossen Brütofen, die Glaseylinder, welche das Blut ent-
hielten, in grossen mit Wasser von 38° C. gefüllten Behältern. Das Blut,
welches die Leber durchströmt hatte, wurde reicher an Harnstoff gefun-
den. Allein dieser vermehrte Harnstoffgehalt des Blutes rührt nicht da-
von her, dass eine Neubildung von Harnstoff stattfand, sondern ist die
Folge einer Ausspülung der Leber durch das Blut. Unterbindet man
nämlich einen Leberlappen, während man den übrigen Theil der Leber
durchbluten lässt und vergleicht den Procentgehalt des Harnstoffs des
unterbundenen und des durchbluteten Theils, so findet sich in dem abge-
kundenen Leberstücke ungleich mehr Harnstoff als in dem durchbluteten
Theile. Der Harnstoff muss mithin ausgespült worden sein und wird
13*
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196 Jahres-Bericht
deshalb im Blute, das die Leber durchflossen, in vermehrter Menge
gefunden.
Damit waren alle Versuche gescheitert, die in der Absicht unter-
nommen waren, den Satz Meissner’'s zu erhärten. Forschen wir nun
danach, woher es kam, dass Meissner. diesen Ausspruch gethan, so
finden wir den Grund darin, dass Meissner, verführt durch den absoluten
Gehalt der Leber an Harnstoff, sich zu dieser Behauptung hat hinreissen
lassen. Wir werden keinen Augenblick Anstand nehmen, ihm beizu-
pflichten, wenn die gefundene Harnstoffmenge das procentische Verhält-
niss ausdrücken würde, aber so ist dieselbe gleich dem absoluten Ge-
wichte. Procentisch ist in der Leber nur 0,020 pCt. Harnstoff enthalten,
mithin nicht mehr, eher weniger als in dem Blute von verschiedenen
Forschern schon gefunden wurde. Wir fanden Harnstoff in allen von
uus untersuchten Lebern und können soweit die Angaben Meissner’s
über das Vorkommen des Harnstoffs in der Leber vollkommen bestätigen.’
Von den vielen Untersuchungen, welche über den Urspruug des
Harnstoffs angestellt worden sind, wollen wir hier nur die besprechen,
welche von der Nierenexstirpation handeln. Da man die Nieren im Ver-
dacht hatte, dass sie bei der Bereitung des Harnstoffs eine chemische
Rolle spielen, so unterband man dieselben oder schnitt sie aus und
machte dann quantitative Bestimmungen der im Organismus vorhandenen
Harnstoffmengen. Entgegen den Angaben von Zalesky konnten die Ver-
suchsergebnisse von Meissner, Voit, sowie Grehant bestätigt werden.
Harnstoff wurde nach unterdrückter Harnsecretion in allen Organen in
reichlicher Menge gefunden. Die Wirkung der Nierenexstirpation besteht
jedoch nicht darin, wie die beiden letzten Forscher schliessen, dass der
Harnstoff, der sonst ausgeschieden worden wäre, an der Ausscheidung
gehindert worden ist, und sich deshalb einfach aufspeichert, vielmehr
werden durch die traumatische Verletzung .der Nierenexstirpation Fieber
erzeust und bei Fieber ist die Harnstoff- Production sehr gesteigert.
Dieser Einfluss, den das Fieber hat, tritt deutlich hervor, wenn man bei
einem Thiere durch subeutane Injection von Eiter Fieber erzeugt und
den Procentgehalt des Blutes an Harnstoff vor und nach der Injection
vergleicht. Im Blute des fiebernden Thieres ist viel mehr Harnstoff als
in dem vor der Injection von Eiter entzogenen. In den Organen wie
Leber, Milz ete. fand sich jedoch kein vermehrter Harnstoffgehalt.
Um den Ursprung des Harnstoffs zu erforschen, wurden möglichst
viele Organe eines und desselben Thieres bei verschiedener Nahrung
auf Harnstoff in quantitativer Beziehung untersucht. In den Bereich der
Untersuchung wurde Blut aus dem arteriellen und venösen System,
die Leber, die Milz, die Lungen, die Nieren, das Gehirn, die Augen-
flüssigkeit mit Glaskörper und Linse, die Muskeln, Herzmuskel gesondert,
gezogen. In alle diesen Organen und Flüssigkeiten fand sich Harnstoff
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 197
und zwar fast überall gleich procentisch vertheilt, mit Ausnahme jedoch
der Muskeln, welche in allen Fällen vergeblich darauf untersucht wurden.
In Erwägung, dass der Harnstoff im ganzen Körper mit Ausnahme
der Muskeln fast gleich procentisch vertheilt ist, dass die Blutmenge,
welche in diesen Organen angetroffen wird, zu gering ist, wie besondere
Blutbestimmungen ergeben haben, so möchte sich Vortragender dahin
aussprechen, dass der Harnstoff überall im ganzen Organismus entsteht,
mit Ausnahme der Muskeln.
Die nähere Begründung dieser Meinung, sowie die Methode, welche
zur Darstellung des Harnstoffs, angewandt wurde, soll die ausführliche
- Mittheilung enthalten, welche in wenig Wochen bei Wilhelm Engelmann
in Leipzig erscheinen wird.
Herr Privatdocent Dr. Sommerbrodt stellt drei Patienten vor, an
welchen er laryngoskopisch polypöse Neubildungen im Kehlkopf
demonstrirt. 1) Eine 41 jährige Frau, bei welcher seit einem Jahre be-
trächtliche Heiserkeit vorhanden, als deren Ursache sich eine ziemlich
Srosse, in der rima glottidis flottirende, papilläre Neubildung auf der.
vorderen Commissur und dem vordersten Theil des linken wahren
Stimmbandes herausstellt; 2) eine 40jährige Frau mit langjähriger
Heiserkeit, bei der sich ein mit breiter Basis aufsitzender Schleim-
polyp am freien Rande des linken wahren Stimmbandes vorfindet
3) einen 31 jährigen Mann mit °/, Jahr bestehender Heiserkeit, beding-
durch einen erbsengrossen, rundlichen Schleimpolyp, welcher dicht
unter dem freien Rande des rechten wahren Stimmbandes, ziemt
lich in der Mitte desselben seinen Sitz hat. — Der Vortragende besprach
im Anschluss hieran die von ihm in Aussicht genommenen Methoden
behufs Entfernung der Neubildungen durch Operation.
%
In der Sitzung vom 31. März sprach Herr Dr. Freund über eine
operative Behandlungsweise chronischer Metrorrhagien. Dieselbe besteht
im Verschluss der nicht wund gemachten cervix uteri durch Drahtnäthe.
Er erzählt einen in dieser Weise behandelten Fall.
Herr Dr. Martini berichtet über einen gleichen Fall.
Herr Privatdocent Dr. Sommerbrodt demonstrirte eine erbsen-
grosse gestielte Papillar- Geschwulst des Kehlkopfes, welche — durch
einen heftigen Hustenstoss abgerissen, von einem Kıanken, der 2 Jahre
an Stimmlosigkeit und Aihemnoth gelitten, expectorirt wurde. Nach
Angabe des Vortragenden befindet sich ein zweites, ganz ähnliches
Papillon noch im Kehlkopfe dieses Kranken auf der vorderen Partie des
rechten Stimmbandes und soll operativ entfernt werden.
In der Sitzung am 28. April sprach Herr Professor Dr. Fischer
über Schussverletzungen im deutsch - französischen Kriege. - Fortsetzung
198 Jahnke Besicht
der Vorträge in der neunten und zehnten Sitzung von 1870. — Herr
Professor Dr. Waldeyer demonstrirte die betreffenden Präparate.
In der Sitzung vom 19. Mai stellte Herr Dr. O0. Berger einige
Kranke vor zur Illustration einer physiologisch und pathologisch inter-
essanten Thatsache, welche ihm bei der Untersuchung einer grossen
Anzahl von Verwundeten aufgefallen ist, die verschiedener Störungen
wegen der electrotherapeutischen Station im hiesigen Garnisonlazareth
zur electrischen Behandlung überwiesen waren. Derselbe fand nämlich
in der Mehrzahl der Fälle — die fast nur einfache Muskelschüsse be-
trafen — ausgedehnte, meist halbseitige, der Seite der Verwun-
dung entsprechende Störungen der Sensibilität, welehe nicht allein
die Haut, sondern auch die derselben benachbarten Schleimhäute be-
trafen, und eine Abnahme der Sensibilität in allen ihren Qualitäten
(Tastsinn und cutane Gemeingefühie) zeigten. Dabei war in mehreren
Fällen auch ein Verlust, resp. Abnahme des Geschmack- und Geruch-
sinns, sowie hochgradige nervöse Schwerhörigkeit auf dem Ohre der be-
treffenden Seite zu constatiren. Bei einer Reihe von Kranken war die
Sensibilitäts-Abnahme nur an der verwundeten Extremität und im Haupt-
Nerven-Gebiete des benachbarten Nerven - Plexus vorhanden und nur
bei wenigen beschränkte sich dieselbe auf das verwundete Glied oder
die Umgebung der Narben. Auch das musculäre Gemeingefühl (eleetro-
musculäre Sensibilität) sowie der eigentliche Kraftsinn zeigten sich meist
vermindert. Proportional dem Grade der Anästhesie war auch die Re-
flex-Erregbarkeit herabgesetzt. Bei einem Kranken (welcher vorgestellt
wurde) erstreckte sich die Anästhesie auch auf die Knochen, Gelenk-
flächen etc., so dass bei ihm die Perception passiver Bewegungen, so-
wie das Gefühl für die Stellung der Glieder vollständig verloren ge-
gangen war. Trotz dieser completen Anästhesie der rechten Körperhälfte
zeigte der rechte Arm und das rechte Bein keine Spur von Coordina-
tions-Störungen. Dieser Patient war bisher der einzige, der bald nach
der Verwundung (Bajonnetstich durch die Testikel und beide Ober-
schenkel und Verletzung des rechten Schenkelbeins) das Gefühl der
Taubheit in der rechten Körperhälfte, besonders stark im Gesicht, ver-
spürte, während die übrigen Kranken von der objectiv nachweisbaren
Sensibilitäts- Abnahme keine Ahnung hatten.
Was motorische Lähmungen anbelangt, so war in fast allen Fällen,
obwohl schon Monate. seit der Vernarbung der Wunden verflossen
waren, ohne Störung der Einzel-Bewegungen, hochgradige Kraftlosigkeit
in sämmtlichen Muskeln der verwundeten Extremität vorhanden, was
wohl meist auf die längere Unthätigkeit zurückzuführen ist. In diesen
Theilen zeigte sich auch eine Herabsetzung der Farado- und Galvano-
Contractilität, sowie der Erregbarkeit der Nervenstämme. In einigen
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der Schles, Gesellsch. £. vaterl. Cultur, 199
Fällen war auch an der unverwundeten Extremität der betreffenden Seite
eine Abnahme der galvanischen Erregbarkeit der Nerven, sowie der
Farado- und Galvano-Contractilität der Muskeln zu constatiren, ohne Ab-
nahme der motorischen Kraft. Der Vortragende ist mit der weiteren
Untersuchung dieses letzten Punktes noch beschäftigt. In zwei Fällen
war eine complete motorische Lähmung an einem entfernten und mit
der Verletzung in gar keinem Zusammenhange stehenden Gliede vor-
handen und zwar bei einem etwa 2 Zoll langen Bajonnetstich der rech-
ten Schulter, Lähmung des linken Beines und bei einer Fleischwunde
des Nackens Lähmung des linken Armes. — Bei einer Anzahl von
Nerven-Schussverletzungen zeigten sich die ausgedehntesten Sensibilitäts-
störungen eigenthümlicher Weise nicht.
Bei der Häufiskeit und Regelmässigkeit der geschilderten Sensi-
bilitäts-Störungen ist die Annahme einer ausserhalb der Verwundung als
solcher liegenden Ursache völlig von der Hand zu weisen, zumal auch
nach dieser Richtung hin untersucht worden ist. Dieselben sind vielmehr
zur Klasse der sogenannten Reflex-Lähmungen zu zählen. Bisher
sind nur vereinzelte ähnliche Beobachtungen in einer Abhandlung
von Mitchell, Keen und Morehouse mitgetheilt worden, was sich wohl
daraus erklärt, dass die Kranken selbst nichts davon wissen und nur
methodische Sensibilitäts-Prüfungen zu einem Resultate führen.
Was die Erklärung der sogenannsen Reflex- Lähmungen anbelangt,
so erwähnt der Vortragende die Theorien von Brown-S&quard und
Jaccoud, sowie der neueren diese Frage zum Theil lösenden ex-
perimentellen Arbeit von Lewisson und glaubt, die geschilderten
Störungen dadurch erklären zu können, dass durch die mit der Ver-
letzung verbundene heftige Reizung einer Summe sensibler Nerven
gewisse Theile des Centralnervensystems in ihrer Thätigkeit gehemmt,
werden. —
Der Vortragende stellt noch zwei Fälle von Serratus-Lähmung
vor, von denen der eine in der dritten Woche eines Ileo-Typhus, der
andere mit einer Parese der portio clavicul. des Cucullaris und des Latissi-
mus dorsi vergesellschaftet, durch eine Quetschung der Schulter entstand.
In der Sitzung vom 26. Mai sprach Herr Professor Dr. Heiden-
hain über die Teemperaturdifferenz der beiden Herzhälften und über die
Ursachen derselben. Es wurde durch einen Versuch gezeigt, dass der
rechte Ventrikel eine höhere Temperatur besitzt, als der linke, dass
dieser Unterschied aber nicht, der bisherigen Annahme gemäss, auf einer
Abkühlung des Blutes in den Lungen, sondern vielmehr darauf beruht,
dass die Wandung des rechten, dem Zwerchfelle aufliegenden Ventrikels
von den unterhalb des letzteren gelegenen Abdominalorganen her Wärme
zugeleitet erhält.
200 'Jahres-Bericht |
In der Sitzung vom 9. Juni sprach Herr Medieinalrath Professor
Dr. Spiegelberg über den Geburtsverlauf bei eigen Becken.
In der Sitzung vom 23. Juni sprach Herr Dr. Freund
über Indieation und Contraindication der Ovariotomie.
Im Anschluss an einen vor 8 Wochen operirten Fall einer 51 jähri-
gen Frau, deren seit mehreren Jahren bestehender Ovarialtumor jüngst
schnell gewachsen und nach einer Punktion in Entzündung und Eiterung
gerathen wär, und welche bis zur Operation in heftigem (Eiterungs-)
Fieber sich befunden hatte, "nach der Operation fieberfrei geworden und
nach Ueberwindung intereurrenter drohender Paralyse nach 14 Tagen
vollkommen genesen ist, wird unter Herbeiziehung zweier ähnlicher Fälle
(Keith und Veit) aufgestellt, dass fieberhafter Zustand, welcher von ent-
zündlicher Affection des Ovarialtumor herrühit, keine Contraindieation,
sondern unter Umständen vielmehr Indication zur Ovariatomie gebe,
In der Sitzung vom 7. Juli sprach Herr Professor Dr. Fischer
über trophische Störungen nach Schüssverletzungen.
Hierauf besprieht Herr Apotheker Julius Müller weiter das im
vorigen Jahre in Gemeinschaft mit Herin Dr. Stern zur. therapeutischen
Anwendung vorgeschlagene Quecksilberehlorid-Chlornatrium mit Ueber-
schuss von Chlornatrium. Er wird dazu veranlasst, @inmal durch sich
bisweilen widersprechende Erfolge bei Anwendung dieses Mittels (so
wird es im Allerheiligen -Hospital stets vorzüglich vertragen, wogegen
| Herr Professor Dr. Förster und Herr Dr. Köbner — freilich bei Zusatz
geringerer Mengen Chlornatrium = bisweilen doch auch die unange-
nehmen Nebenwirkungen des reinen Sublimat beobachtet haben); zum
anderen Male durch einen Aufsatz im Archiv der Pharmaeie, worin der
Besitzer einer der grössten chemischen Fabriken, C. Schering in Berlin,
das von ihm in Folge der von Stern und Müller in der Berliner klini-
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schen Wochenschrift veröffentlichten Abhandlung dargestellte Präparat
1 „Aydrargo Natrium chloritum“ wmit Anführung dieser Abhandlung zur
j Benutzung empfiehlt.
'@ Der Vortragende theilt zuerst kurz nochmals die Gründe mit, die
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ihn bewogen, das Quecksilberchlorid -Chlornatrium mit Uebeischuss von
Chlornatrium zu empfehlen und schloss dann aus der Thatsache, dass
eine eoncentrirte Eiweis nicht fällende Lösung von 1 Theil Quecksilber-
chlorid und 10 Theileh .Chlornatiium beim grossen Verdünnen Eiweiss
doch wieder trübe, „die beobachteten unangenehmen $ublimatwirkungen
bei Anwendung dieses Mittels rühren nur von der zu geringen Menge
zugefügten Chlornätriums her.‘ In der That ist im Allerheiligen-Hospital
die Menge des Chlornatriums stets eine bei Weitem grössere gewesen,
als die von oben erwähnten Aerzten benutzte.
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 301
Was das von Schering dargestellte Präparat betrifft, so verwirft
dies der Vortragende. Das Präparat ist die reine chemische Doppel-
verbindung von Quecksilberchlorid mit Chlornatrium, enthält in Folge
dessen noeh nicht die Hälfte Chlornatrium zum vorhandenen Quecksilber-
chlorid, es war also anzunehmen, dass es Eiweisslösung fällen würde.
Dies ist nuu in der That der Fall; es hat in Folge dessen das von
Schering dargestellte Quecksilberehlorid-Chlornatrium keinen Vortheil vor
dem reinen Sublimat. Erst die grössere Menge von Chlornatrium be-
dingt das Nichtgefälltwerden der Eiweisslösung und somit auch die
leichte Aufnahme im Organismus. J. Müller hat dureh Auflösen von
100 Theilen Chlornatrium und 1 Theil Quecksilberchlorid in Wasser,
Filtriren und Abdampfen ein Salz dargestellt, was also in einem Gramm
0,01 Gr. Sublimat enthält. Verschreibt der Arzt von diesem Hydrargyrum
bichlor. c. Natre chlörato 6 Gramme auf 180 Gr. Wasser, so nimmt der
Patient bei Dosirung von ‚zweistündlich einen Esslöffel“ 0,03 Gramm
Suklimat pro die. Der Vortragende ist überzeugt, dass es auch bei
dieser grösseren Dosirung, als es früher von ihm vorgeschlagen, gut
vertragen und die Dauer der Kur eine kürzere sein wird,
Schliesslich erwähnt der Vortragende noch, dass, wenn bei der
Schmierkur — wie es mindestens höchst wahrscheinlich — die Wirkung
des metaliischen Quecksilbers nur in dem Gelöstwerden desselben ver-
mittelst des an Chlornatrium so reichen Schweisses basirt, es gewiss
rationeller sei, das zur Heilung nöthige Quecksilber in der leicht assimilir-
barsten Form und in der nur gerade erforderlichen Menge dem Organisınus
zuzuführen, als eine nicht zu berechnende Menge Quecksilber vermittelst
der Schmierkur in den Körper zn bringen.
Hierauf demonstrirte Herr Dr. O. Berger einen Fall von partieller
Empfindungs-Lähmung. Ein 26jähriger Soldat war in Folge der
Erkältungen und Strapazen des Feldzuges erkrankt und zeigte neben
einer Reihe motorischer Symptome (Paraparese mit beginnender Ataxie)
eine vollständige Analgesie, die nicht allein die Haut der gesammten
'Körperoberfläche, sondern auch die äussern Schleimhäute betraf, während
der eigentliche Tastsinn Anfangs vollständig erhalten war, im spätern
Verlaufe der Krankheit jedoch, besonders an den unteren Extremitäten, _
wenn auch zunächst noch im mässigen Grade, auch zu leiden anfing.
Die Reflex-Erregbarkeit ist allenthalben ebenfalls erloschen, wäh-
rend die elecetromuseuläre Sensibilität und der Kraftsion der Muskeln
vollständig erhalten sind, ebenso die Perception passiver Bewegungen
und das Gefühl für die Stellung der Glieder. — Jedenfalls handelt es
sich um eine Rückenmarks- Erkrankung, die vorzugsweise, nach
der Schiff’schen Theorie von der Leitung der Gemeingefühle durch
die graue Substanz, während der Tastempfindungen in den Bahnen der
Hinterstränge sich fortpflanzen — die graue Substanz des Rücken-
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202 Jahres-Bericht
marks in ihrer ganzen Längsausdehnung und in der Totalität ihres Quer-
schnittes betrifft; doch beginnt der Process bereits auch auf die übrigen
Theile des Rückenmarkes, speciell auf die Hinterstränge, sich auszu-
dehnen so wie die Entartung auch bereits nach dem Gehirn aufwärts
geschritten ist. — Patient klagt über häufige intensive Schmerzen in den
analgischen Theilen besonders längs des Rückens und in den unteren
Extremitäten,
In der zehnten Sitzung vom 14. Juli sprach Herr Privat- Docent
Dr. Hermann Cohn
über Enucleation des Auges nach Schuss-Verletzungen.
Derselbe hat ein Auge in Forbach und zwei im Lazareth zu Heinitz
herausgenommen, das erste 4 Tage, die beiden andern 8 Tage nach der
Verwundung. Im ersten Falle hatte die Kugel eine tiefe Lochwunde im
vorderen Abschnitte des Bulbus hervorgerufen; ein sehr grosses Blut-
extravasat unter der Chorioidea und diffuse Vereiterung der Aderhaut
selbst wurde anatomisch nachgewiesen. Im zweiten Falle hatte die
Kugel das Auge von vorn nach hinten durehbohrt und war im Nacken
ausgetreten. Eine breite klaffende Wunde trennte den oberen inneren
Quadranten der Hornhaut von den übrigen Theilen derselben. Diffuse
eitrige Infiltration der Chorioidea konnte im enucleirten Augapfel nach-
gewiesen werden. Im dritten Falle war durch ein Granatstück der ganze
vordere Theil des Augapfels verbrannt und zahlreiche Granatstückehen
in die Lider und in den oberen Augenbrauenbogen eingesprengt worden.
Hier, wie in den ersten beiden Fällen war das Auge vollständig erblin-
det, sehr beträchtliche Lidschwellung, Oedem der Bindehaut und Exoph-
thalmus vorhanden, so dass unzweifelhaft im Stadium der eitrigen
Panophthalmitis operirt wurde. Die Heilung ging in allen drej
Fällen sehr schnell von Statten, die rasenden Schmerzen verschwanden
unmittelbar nach der Enueleation, die Patienten verliessen schon wenige
Tage nach derselben das Bett, von Complicationen mit Meningitis war
in keinem Falle die Rede. Die Patienten wurden nach wenigen Wochen
entlassen, ein nach den meisten Richtungen hin bewegliches Glasauge
konnte eingelegt werden, von sympathischen Erscheinungen auf dem
anderen Auge war nirgends eine Spur aufgetreten.
Der Vortragende glaubt, dass es als ein Lehrsatz in die Kriegs-
chirurgie eingeführt werden müsse, dass jedes Auge, welches eine per-
forirende Schusswunde zeige und absolut erblindet sei, sofort prophy-
laktisch enucleirt werden müsse, da dadurch eines Theils die
langwierige, sehr schmerzhafte Panophthalmitis, andererseits jede drohende
Gefahr für das andere Auge am sichersten und einfachsten abgewendet
werde. Da einige Fälle von Tod nach Enueleation während der eitrigen
der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 203
Panophthalmitis durch Meningitis von Gräfe, Horner und Mann-
hardt sicher beobachtet worden sind, so dürfte, obgleich die von dem
Vortragenden mitgetheilten Fälle glücklich abliefen, doch die Enucleation
möglichst bald nach der Verletzung, moch bevor die Panoph-
thalmitis eintritt, ebenso (wie die Primäramputation bei Zerschmetterung
einer grösseren Extremität, wenn zugleich Gefässe und Nerven zerrissen
sind) als Primär-Enucleation angezeigt sein.
Hierauf theilt der Vortragende noch zwei Fälle mit, in welchen ein
Streifschuss höchst eigenthümliche und seltene Veränderungen in der
Aderhaut und Netzhaut hervorgerufen und bei welchen er, obgleich jede
Spur der bekannten sympathischen Iritis, Iridocyclitis oder Irido-
ehorioiditis fehlte, dennoch das contusionirte Auge 5 bis 6 Monate nach
dem Gefechte von Le Bourget, wo die Verwundungen vorgekommen waren,
heraus nahm. Veranlassung dazu gab eine ohne jede anatomische Ver-
änderung in beiden Fällen rein subjeetiv eintretende Abnahme
der Sehkraft des anderen Auges.
Die Sehschärfe fiel ohne nachweisbare Veranlassung in dem vorher
ganz gesunden anderen Auge in dem einen Falle bis auf *%,,, in dem
anderen bis auf *%, ,0- Die Aceommodationsbreite verringerte sich von
Y/, auf '/), und Y,,. Ein beständiges Flimmern vor dem gesunden Auge hin-
derte jede Thätigkeit. Ein Patient gab an, er glaube durch eine in fort-
währender Vibration befindliche erwärmte Luftschicht wie durch die Luft über
den Prosceniumslampen im Theater zu sehen. Länger als 2 bis 3 Minuten
konnte überhaupt bei keiner Thätigkeit mehr ausgehalten werden, weil
alsdann Thränen, Stirnschmerz und Röthung des Auges eintrat. Nach
der Enucleation fand sich nach Professor Waldeyers anatomischer
Untersuchung in dem einen Auge eine ausserordentlich ausgebreitete
ehronische Chorioretinitis mit Bildung eines plastischen Exsudats auf der
inneren Fläche der Retina mit gleichzeitiger fibröser Entartung der Netz-
haut und Atrophie der Aderhaut; in dem anderen ein kleiner eircum-
seripter Bluterguss genau unter dem gelben Fleck, welcher die Netzhaut
an dieser Stelle faltenförmig emporgehoben hatte. Unmittelbar nach der
Enucleation, welche nur wenige Minuten dauerte und deren Nachbehand-
lung nur einige Tage in Anspruch nahm, stieg die Sehschärfe in dem-
einen Falle von *0, ,, auf *%,,, in dem anderen von %%,, auf 2%o-
Die Accommodationsbreite wurde wieder vollständig normal, die Patienten
können bei allen Arbeiten lange aushalten und das dieselben höchst
beängstigende Flimmern ist total verschwunden. Es folgt hieraus, dass
man ausser den bis jetzt angenommenen sympathischen Entzündungs-
formen, vielleicht als den frühesten Vorläufer derselben subjective
sympathische Erscheinungen, selbst nach kleinen Contusionen, als
schleunigst die Enuceleation indieirend betrachten muss. Wenn
auch die Nervenbahn, welche die traurigen Erscheinungen von dem ver-
u
204 Jahres-Bericht
letzten Auge auf das gesunde überleitet, bisher unbekannt ist, so lehrt
doch die Erfahrung, dass die Enucleation auf der Stelle alle Beschwer-
den vollständig beseitigt.
Die Krankengeschichten, die makroskopischen und mikroskopischen
Obductionsbefunde, sowie. Epikrisen der beobachteten Fälle sind ausführ-
lich mitgetheilt in dem ophthalmologischen Theil des bei Enke in Er-
langen erscheinenden, unter der Presse befindlichen Berichtes der frei-
willigen Expedition neh dem Kriegsschauplatze.
Hierauf sprach Herr Professor Dr. en, er über die Entwicke-
lung der one,
In der elften Sitzung am 28. Juli demonstrirte Herr Professor
Dr. Waldeyer mikroskopische Präparate zum Vortrage zur zehnten
Sitzung.
Hierauf sprach Herr Privatdocent Dr. Nothnagel
über eutane Sensibilitätsstörungen bei Neuralgien.
Er theilt mit, dass dieselben zuerst von Tuerk beschrieben, nach
seinen Beobachtungen eine constante Begleiterscheinung der Neuralgien
seien, wie dies auch schon Traube angegeben. Sie stellen sich dar als
Hyperästhesie (richtiger Hyperalgesie) und Anästhesie, welche stets alle
Qualitäten des Tiastsinnes betrifft. In der Regel sind die Sensibilitäts-
störungen nur gering, selten hochgradig. Sehr oft bleiben sie nicht auf
den Hautbezirk des affieirten Nerves beschränkt, sondern erstrecken
sich viel weiter, häufig über die ganze betreffende Körperhälfte, Die
cutanen Störungen bestehen nieht nur während der Schmerzanfälle, son-
dern auch in den freien Intervallen. In fast allen Fällen, so dass es als
Regel angesehen werden kann, gestaltet sich das Verhältniss derart, dass
die Hyperästhesie bei frischen Neuralgien, die Anästhesie bei schon
länger bestehenden anzutreffen ist.
Der Vortragende bemerkt, wie er analoge Be nicht nur bei
den neuralgischen, sondern überhaupt bei den verschiedenartigsten
Schmerzen aus ganz verschiedenen Ursachen habe antreffen können,
wenn dieselben eine bestimmte Intensität erreichten und Nervenbahnen
betrafen, die andere Zweige zur Haut schicken. |
Bezüglich der Erklärung ist dem Vortragenden zufolge die Ursache
der cutanen Sensibilitätsstörung in dem Momente des Schmerzes, dem
physiologischen Vorgange der Schmerzempfindung zu suchen. Er weist
anatomische Veränderungen als Ursache zurück, weil dieselben ver-
schiedene Erscheinungen unerklärt lassen.
Der Vortragende führt aus, wie der Schmerz, wenn er lange besteht
und heftig ist, zu einer Ermüdung der empfindenden Centren führen
müsse, und durch diese sei es bedingt, dass Hauteindrücke weniger in-
“rn m
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 305
iensiv empfunden werden. Umgekehrt bestehe bei frischen Schmerzen
eine stärkere Irradiation in den centralen Ganglienzellen ohne schon ein-
getretene Ermüdung und daher die Hyperästhesie. Der Vortragende zeigt
endlich, wie eine Reihe von Gründen dagegen sprechen, die cutanen
Empfindungsstörungen in Veränderungeu (selbst funetionellen) der Nerven-
stämme und peripheren Nervenendigungen zu suchen.
In der zwölften Sitzung vom 4. August besprach Herr Professor
Waldeyer nach einer kurzen Darstellung des Baues jener niedersten
organischen Lebensformen, welche wir als Bacterien, Vibrionen
u. 8. f. bezeichnen, die pathologische Bedeutung dieser Gebilde, welche
nach den bis jetzt bekannt gewordenen Thatsachen eine äusserst mannig-
faltige zu sein scheint. Wenn es richtig ist, was jüngst Prof. F. Cohn
auf der Jahresversammlung der schlesischen Botaniker nach Wiederholung
der von Th. Schwan zuerst angestellten sogenannten Pasteur’schen
Versuche ausgesprochen hat, dass die Bacterien geradezu die Ursache
jedes Fäulnissprocesses seien, so resultirt schon daraus die ungemeine
Wichtigkeit dieser räthselhaften Wesen auch für das Gebiet der Patho-
logie. Der Vortragende berührt kurz die bisher über diesen Gegenstand
bekannt gewordenen Thatsachen und verweilt besonders bei den un-
längst durch von Recklinghausen, Verhandlungen der Würzburger
physikalisch - medieinischen Gesellschaft, Sitzung vom 10. Juni 1871,
gegebenen Mittheilungen, welehe unsere Aufmerksamkeit in hohem Grade
beanspruchen. Hiernach sind die in vielen Fällen von Typhus, Pyaemie
und anderen Krankheitsprocessen vorkommenden miliaren Eiterherde,
die man bisher nach Virchow’s Vorgange als capilläre Embolien auf.
gefasst hat, durch Bacterien bedingt, welche sich in Blutgefässen, Harn.
eanälchen, Lungenalveolen ete. ansiedeln. |
Der Vortragende hat seit seinen ersten Mittheilungen über das Vor-
kommen von Bacteriencolonien in der Leber, dem Magen, dem Pankreas
und in den Nebennieren, wo sie sich als sandkorngrosse schwarze Flecke
manifestirten, bei einem Falle von acuter difuser Hepatitis, in letzter
Zeit wiederholt Beobachtungen gemacht, welche mit den v. Reckling-
hausen’schen Erfahrungen übereinstimmen. So beobachtete er miliare
Bacterienherde zu vielen Hunderten im Herzfleische bei Pyaemie, wo
sie ebenfalls unter der Form kleinster Capillarembolien auftraten. (Rind-
fleisch, Lehrbuch der pathologischen Histologie, 1. Auflage, pag. 183,
scheint zuerst diese kleinen myoeardischen und subendocardialen Herde
richtig gedeutet zu haben.) Ferner kamen in vier Fällen von miliaren
abscessähnlichen Herden in den Nieren die Baeterien als einzige Ursache
derselben vor; bei einem dieser Fälle, der bereits in Virehow’s Archiv
publieirt worden ist, war das Nierenparenehym neben den Bacterien-
herden unverändert; in den letzten beiden Fällen, von denen der eine
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206 Jahres-Bericht
im Laufe des letzten Winters zur Beobachtung kam, hatte sich bereits
um die Bacterien führenden Harncanälchen herum eine interstitielle
Eiterung gebildet, wie in den von v. Recklinghausen beschriebenen
Fällen. Alle nicht von Bacterien eingenommenen Theile dieser Nieren
waren frei. Die Zahl der kleinen bacteridischen Abscesse mochte sich
auf einige Tausende belaufen.
Weiterhin beobachtete der Vortragende mehrere Fälle von hämorrha-
gischer Nephropyelitis bei verschiedenen acuten Infectionskrankheiten,
in denen in der Schleimhaut des Nierenbeckens und zwar sowohl in den
Blutgefässen, als auch iuterstitiell, Bacteriencolonien gefunden wurden.
Ferner gehören die von Buhl und dem Vortragenden beobachteten
Fälle von Mykosis intestinalis (Buhl) hierher, bei denen der rasch unter
choleraähnlichen Symptomen erfolgende Tod einzig und allein auf die
Anwesenheit zahlreicher Bacterien in fast allen Blut- und Lymphbahnen
des Körpers, namentlich in den zum Pfortadersystem gehörenden Venen,
zurückzuführen war. Es finden sich dabei auf der Magen- und Darm-
schleimhaut zahlreiche grosse, furunkulöse Herde, wodurch dieser Process
ohne Weiteres charakterisirt wird, denn etwas Aehnliches lässt sich bei
keiner anderen Affection des Digestionstractes beobachten.
Endlich erinnert der Vortragende noch an eine mehr harmlose Rolle
der Baeterien, insofern sie mitunter die einzige organische Grundlage von
Conerementen zu bilden scheinen. So ist es seit Langem bekannt,
dass im Weinstein der Zähne Vibrionen und Bacterien vorkommen. Nach
den hier gewonnenen Erfahrungen giebt es aber Zahn-Weinstein, dessen
organisches Substrat, welches nach Behandlung mit Salzsäure in fast
gleichem Volumen zurückbleibt, ausschliesslich aus Bacterien besteht.
Dasselbe war bei einem haselnussgrossen Rhinoliten der Fall, den Prof.
Voltolini zur Untersuchung eingeliefert hatte. Aehnliches findet sich
auch in manchen Lungensteinen,
Im Anschlusse an die voraufgegangenen Mittheilungen demonstrirte
Heır Professor Ferdinand Cohn eine Anzahl Glaskölbchen, in denen
gekochte Erbsen, gekochtes Hühnereiweiss ete. mit gekochtem destillir-
ten Wasser übergossen und längere Zeit (einige seit Anfang Januar) sich
selbst überlassen waren.
1. Durch das Kochen werden zwar die im Wasser etwa vorher
vorhandenen oder dem hineingebrachten Stoffe zufällig (durch ‘den Staub)
adhärirenden Bacterienkeime getödtet; das Faulen der Erbsen, des
Eiweiss etc. aber wird zwar verlangsamt, jedoch durchaus nicht ver-
hindert; denn in den offen gebliebenen Kölbehen beginnt sich das Wasser
früher oder später (je nach der Lufttemperatur) zu trüben, was von der
Entwickelung und Vermehrung der Bacterien herrührt, da diese, auch
wenn farblos, ein anderes Lichtbrechungsvermögen, als Wasser zeigen.
Schliesslich zerfliesst die organische Substanz in eine faule schleimige
je
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der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 307
Masse. Alle diese Vorgänge treten ebenso in ungekochten als in ge-
kochten Kölbehen ein, meist schon nach wenig Tagen.
2. Wird ein Kölbehen während des Kochens zugeschmolzen, so
bleibt das Wasser durch unbegrenzte Zeit farblos und klar, also auch
frei von Bacterien, ebenso bleiben auch die organischen Substanzen
völlig unverändert.
3. Ebenso bleibt Wasser klar, also bacterienfrei, und die Fäulniss
unterbleibt gänzlich, wenn Kohlensäure in das Kölbehen vor dem Zu-
schmelzen eingeführt wird.
4. Wasser bleibt völlig klar und bacterienfrei, und keine Fäulriss
tritt ein, wenn der Hals des Kölbehens nach etwa '/, stündigem Kochen
mit gewöhnlicher Baumwolle lose verstopft wird. Unsere Versuche
haben diese zuerst von Schroeder und Dusch entdeckte Thatsache
vollkommen bestätigt.
5. Aus Versuch 2 und 3 folgt, dass gekochtes Eiweiss ete. nicht
fault, wenn der Zutritt von atmosphärischer Luft ausgeschlossen ist; aus
Versuch 4, dass sich weder Bacterien noch Fäulniss einstellt, wenn Luft
zutritt, aber die in ihr enthaltenen Baeterienkeime durch den Baumwoll-
pfropf abfiltrirt worden sind.
6. Dass bei Versuch 4 die durch den Baumwollpfropf in das Kölb-
chen eingedrungene Luft an und für sich die Fäulniss nicht unmöglich
macht, ergiebt sich aus den Versuchen, bei welchen das Wasser durch
Schütteln nachträglich mit dem Baumwollenpfropf in Berührung gebracht
ist. Hierbei nimmt das Wasser Bacterienkeime auf, welche in der Baum-
wolle abfiltrirt waren; die Folge ist, dass während bis dahin das Wasser
klar und die organische Substanz unverändert blieb, alsbald sich das
Wasser durch Vermehrung der Bacterien trübt und die Fäulniss beginnt
und rasch fortschreitet.
7. Aus allen diesen Versuchen ergiebt sich, dass ohne Bacterien
keine Fäulniss eintritt, dass durch Abschluss der Bacterien die Fäulniss
verhindert, durch Zutritt derselben die Fäulniss eingeleitet, dass sie in
demselben Maasse fortschreitet, als sich die Bacterien auf Kosten der
faulenden Substanz vermehren.
Es ist demnach Fäulniss in gleicher Weise ein von Bacterien ein-
geleiteter Process, wie Alkoholgährung von Hefenpilzen ausschliesslich
hervorgerufen wird; das Zerfallen stickstoffhaltiger organischer Verbin-
dungen in Fäulnissproduete ist in ähnlicher Weise eine Folge der
Thätigkeit der Bacterien, als das Zerfallen des Zuckers in Kohlensäure
und Alkohol ein Product der Thätigkeit der Hefenpilze ist,
8. Weitere Versuche haben ergeben, dass zum Tödten der im Wasser
vorhandenen Bacterienkeime Kochen nicht erforderlich ist, sondern, dass
schon ein Erwärmen auf 80° C. (unter Umständen selbst auf 75 °) ge-
208° Jahres - Bericht
nügt, um die Entwickelung der Bacterien und die Fäulniss unter Baum-
wollenverschluss zu verhindern.
9. Bei einigen dieser Versuche, wo Erbsen-auf 80° Y, Stunde lang
erwärmt waren, entwickelte sich au der Oberfläche des Wassers in
Kölbehen Penicillium mycel, welches sich: reichlich vermehrte, und auch
in der Luft fructifieirte; das Wasser aber trübte sich nieht und auch
die Fäulniss unterblieb gänzlich. Hieraus ergiebt sich a) dass eine Er-
wärmung auf 80° hinreicht, um Bacterienkeime, nicht aber um Schimmel-
sporen zu tödten; b) dass Bacterien keineswegs, wie Hallier behauptet,
eine besondere Fortpflanzungsform (Mikrocoeeussehwärmer) von Penieillium
sind, überhaupt nicht aus Penieillien hervorgehen, sondern höchst wahr-
scheiniich selbstständige Organismen dars‘ellen.
Hierauf sprach Herr Dr. A. Horvath aus Kiew über Erfrierungs-
versuche, welche er im Laboratorium von Prof. Heidenhain ange-
stellt hatte. Es gelang ihm, junge Hunde bis zu + 4,50 C. abzukühlen
und die vollkommen scheintodten Thiere durch Erwärmen wieder zum
vollen Leben zurückzurufen. Bei Kaninchen und Katzen trat bei + 7,6°,
resp. + 9,50 (Rectum) Stillstand der Respiration und der Herzthätigkeit
ein; die Muskeln waren sowohl auf direete, als auch auf indireete Reize
scheinbar reactionslos, bis auf local unter den Eleetroden eintretende
„idiomusculäre Wülste.‘“ Selbst nach einer Stunde gelang es aber durch
Erwärmen wieder Herzcontraetionen und Reaction der Muskeln auf di-
recte electrische Reize zu erzielen. Der Vortragende macht auf die Be-
deutung dieser Thatsache in Bezug auf die Wiederbelebung Erfrorener
aufmerksaın.
In der dreizehnten Sitzung am 8. September sprach Herr Dr. med.
Weigert über Bacterien in der Pockenhaut (vergl. „Centralblatt für
medicinische Wissenschaften“ vom 30. September 1871).
Dr. Freund kritisirt das Köberle’sche Verfahren gegen retroflexio
uteri (laparotomie und Einheilung des wundgemachten Zigam. latum, tuba,
ovarium in die Bauchwunde) als unstatthafl. Er zeigt die Möglichkeit
einer operativen Behandlung des Leidens vermittelst Blosslegung, Auf-
frischung und Vornährung des ligam. rotundum nach mehrfachen Versuchen
und Präparationen in cadavere. — Die Technik der Operation ist eine
einfache.
In der Sitzung vom 6. October sprach Herr Privatdocent Dr. Her-
mann Cohn
über die Augen von 240 atropinisirten Dorfschulkindern.
In Petersburg sind die Augen von 4,358 Schulkindern, ähnlich wie
es der Vortragende vor 5 Jahren bei 10,060 Kindern in Breslau vor-
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nahm, von Dr. Erismann in neuester Zeit untersucht worden. Auch
dort ergab sich eine enorme Zunahme der Kurzsichtigen und des Grades
der Myopie von Klasse zu Klasse. Die Arbeit Erismann’s hat viele
Fehler und viele Vorzüge, welche der Vortragende speciell bespricht.
Erismann prüfte alle anscheinend Normalsichtigen (Emmetropen) mit Con-
vexgläsern und fand so 43 pCt. Uebersichtige (Hyperopen). Da jedoch
die Accommodation der Kinder nicht ausgeschlossen, das Resultat also
ziemlich werthlos war, und da kein Wort über den Grad der Ueber-
sichtigkeit von Erismann mitgetheilt worden, suchte der Vortragende die
wichtige Frage über den Bau des normalen Auges zu lösen, in-
dem er 240 Dorfschüler atropinisirte.
Dieses Experiment ist bisher noch nie gemacht worden, weil nach
Einbringen von Atropin in’s Auge einige Tage Blendung und Unfähigkeit,
in die Nähe scharf zu sehen, statlfindet; es müssen dann die schriftlichen
Schularbeiten einige Tage ausgesetzt werden; nach 2—6 Tagen ist
jedoch ohne jeden Nachtheil und ohne jede Gefahr für das
Auge jede Unbequemlichkeit, wovon sich der Vortragende durch wieder-
holte Atropinisation seiner eigenen Augen überzeugt hat, beseitigt.
Das Atropin lähmt eben vorübergehend die Accommodation; aber auch
nur dabei kann mit Sicherheit der Bau des Auges eruirt werden.
Eine Kette sehr günstiger Umstände, besonders die Unterstützung
des Herrn Lehrer Winkler und des Herrn Dr. med. Worch in Schrei-
berhau machte es dem Vortragenden möglich, die Kinder zweier Dorf-
schulen daselbst im August dieses Jahres vor und nach Atropinisation zu
untersuchen. Damit die Kinder aber nicht genirt wurden, atropinisirte
der Vortragende zuerst alle rechten Augen und reiste nach 14 Tagen,
als bereits längst die Wirkung des Atropins völlig verschwunden war,
nochmals nach Schreiberhau, um alle linken Augen zu untersuchen.
Das Atropin wurde in fester Körnchenform in den Bindehautsack des
Auges gebracht und die Accommodation völlig oder fast völlig gelähmt.
Unter den 480 Augen der 240 Kinder waren nur 4 kurzsichtig,
also noch nicht 1 pCt., ganz übereinstimmend mit den Resultaten, welche
der Vortragende vor sechs Jahren bei 1486 Schülern in Langenbielau
gefunden,
370 Augen, also 77 pCt., konnten ohne Atropin mit Convexgläsern
in die Ferne ebenso gut sehen, als ohne solche, waren also facultativ
hyperopisch; am häufigsten (26 pCt.) betrug der Grad der Hyperopie
(H) Y,0; dann kam H Y,, mit 23 pCt, H Y,, mit 16 pCt, H ,, mit
12 pCt. und stetig weniger, entsprechend den höheren Graden der H-
H '/. war der stärkste Grad. Der Durchschnittisgrad von H war
etwa Y,,. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem rechten und
linken Auge, zwischen Knaben und Mädchen herrschte nicht; ebenso war
keine gesetzmässige Abnahme der H. nach Lebensjahren zu constatiren.
14
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I a ER RT
210 Jahres-Bericht
199 anscheinend ganz normale rechte Augen wurden nun atro-
pinisirt, und nun zeigten sich 198 davon hyperopisch, nur 1 Auge
war emmetropisch geblieben, und bei diesem betrug die Aceom-
modationsbreite noch A Y,. Hauptsächlich war H Y,, bis H Y,, mit
5l pCt., dann H Y,, bis H !/,, mit 34 pCt. vertreten. Selbst H Y,
wurde beobachtet. Der Durchschnittsgrad der so gefundenen totalen
Hyperopie betrug etwa '/),. Auch hier kein Gesetz über Abnahme der
H nach dem Alter, kein wesentlicher Unterschied zwischen den
Geschlechtern.
Um jede Spur von Accommodation auszuschliessen, wurde bei der
zweiten Reise zunächst die Sehschärfe S von 122 Kindern be-
stimmt, und zwar an beiden Augen. Sie ergab das höchst erfreu-
liche und überraschende Resultat, dass nur 7 Augen S = |
hatten, d. h. eine Schrift, die vom: gesunden Auge auf 20 Fuss gelesen
werden muss, anf 20 Fuss lasen, dagegen 38 sie sogar 22—29 Fuss
weit, 65 Augen sie 30—39 Fuss, 104 Augen sie 40—49 Fuss und
10 Augen selbst 50—60 Fuss, also dreimal so weit, als sonst
sesunde Augen von Siwdkern lasen.
Diese glänzenden Sehschärfen wurden nicht nur an ‚Snellischen] son-
dern auch an Burchardt’sehen Lesetafeln nachgewiesen.
Nun wurde auf diese grossen Distancen die H auf den linken
Augen bestimmt und ohne Atropin unter 100 Kindern 64 Hyperopen,
mit einem Durchschnittsgrade von H !/;,, und nach Atropin 97 Hyper-
open mit einem Durchschnittsgrad von H "/,, gefunden. Die 3 noch
emmetropischen Mädchen hatten keine total gelähmte Accommodation. —
(Unter sämmtlichen Kindern befand sich kein Farbenblindes.)
Es folgt aus diesen Untersuchungen das sehr merkwürdige Resultat»
dass das gesunde jugendliche Auge bei Dorfbewohnern nicht
wie bisher angenommen wurde, emmetropisch, sondern stets
hyperopisch gebaut ist, und dass es schon für die Ferne
schwach accommodiren muss.
Ausführlicher Bericht über die Untersuchungen nebst den tabella-
rischen Belägen wird in Gräfe’s Archiv demnächst erscheinen.
Hierauf sprach Herr Professor Dr. Förster über den Lichtsinn bei
Krankheiten der Chorioidea und Retina. Der Inhalt des Vortrages findet
sich im October-December-Hefte der „Klinischen Monatsblätter für Augen-
heilkunde“ von Zehender.
In der Sitzung vom 20. October machte Herr Prof. Dr. Heiden-
hain Mittheilungen zur Physiologie des vasanatorischen Nervensystems;
Herr Privatdocent Dr. Freund: Klinische Mittheilungen über eine
Missbildung ;
SA ger er re ai
a eher:
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 911
Herr Professor Dr. Waldeyer: Anatomische Mittheilungen über
denselben Fall.
In der Sitzung am 3. November berichtete Herr Privat - Docent
Dr. Sommerbrodt über zwei im Kehlkopf-Innern ausgeführte Opera-
tionen. Der erste Fall betraf einen am linken wahren Stimmbande
sitzenden erbsengrossen Polypen (Bindegewebs-Neubildung), welcher seit
2/;, Jahren constante und zunehmende Heiserkeit und bei gewissen
Phonationsversuchen Diphthonie verursacht hatte. Der Vortragende
operirte wegen linksseitigen Sitzes des Polypen mit der linken Hand.
Die Verwendung des ungedeckten Lanzenmessers erwies sich nicht als
zweckmässig, deshalb wurde die Operation mit der vom Vortragenden
modifieirten Bruns’schen Schlinge ausgeführt. Sofort nach der operativen
Entfernung des Polypen waren Sprechen und Singen in normaler Weise
möglich.
Der zweite Fall betrifft die Operation einer kleinen eystösen Neu-
bildung im Rande des linken wahren Stimmbandes (bei dem cand. med.
Herrn R.), welche seit 5 Jahren Heiserkeit verursacht hatte. Eine der-
artige Neubildung an dieser Stelle gehört zu den grössten Seltenheiten.
Die Operation wurde in diesem Falle aus denselben Gründen wiederum
mit der linken Hand mit Hilfe des ungedeckten Lanzenmessers ausgeführt.
Einfaches Durchschneiden der Cystenwand genügte zu ihrer Beseitigung.
Die Stimme ist danach rein und kräftig geworden.
Darauf gab Herr Geheimer Sanitätsrath Dr. Grätzer eine Ueber-
sicht über die Armen-Krankenpflege Breslau’s im Jahre 1870, welche
bald in extenso im Druck erscheinen wird.
Hierauf sprach Herr Dr. Horvath aus Kiew über eine neue Methode
der künstlichen Respiration ohne Tracheotomie oder etwaige Verletzung,
die er an verschiedenen stark eurarisirten Thieren mit Erfolg erprobt
hat und deren Anwendung er bei Menschen geübt zu sehen wünscht.
Die Methode der Respiration besteht einfach in Einblasung von Luft
in die Nasenlöcher, die durch einen Schlauch mit einem Blasebalge in
Verbindung gebracht werden.
In der Sitzung vom 17. November theilte Herr Privat - Docent
Dr. Köbner seine Erfahrungen über Reinfeetion (wiederholte Secundär-
infection) mit, verglich dieselben mit den spärlichen Literatur- Angaben
und leitete daraus Folgerungen bezüglich der Heilbarkeit der Lues und
bezüglich einiger wesentlicher allgemeiner Gesichtspunkte über dieselbe
ab. Ausführlichere Mittheilung wird in der Berliner klinischen Wochen-
schrift folgen.
Hierauf: Discussion über die gegenwärtige Pockenepidemie.
14*
I ahres:Bericht ‚ {
In der Sitzung vom 24. November:
1) Demonstration zweier Missbildungen durch Herrn Prof. Dr. Fischer.
E ® Aehnliche Fälle wie die in der Sitzung vom 20. October.
E; 2) Fortsetzung der Discussion über die gegenwärtig herrschende
iR Epidemie.
® X In der Sitzung vom 15. December spricht Herr Privat - Docent
Be: Dr. Freund über einen eomplieirten Fall von chronischer inversio uteri
mit Myom in der Substanz des fundus uteri und perimetectischer Fixa-
tion der linken hinteren unteren Wand des uterus am rectum. — Nach
möglichst tiefer Abtragung des Myoms wurde durch Eintritt pyämischer
Erscheinungen veranlasst der fundus uteri nach vorheriger Abnähung des
gi Organs oberhalb des projeetirten Schnittes abgetragen. — Die Reinversion
Er. des Stumpfes und die Heilung gingen ohne Störung spontan von statten.
gs Bei der vorgenommenen Wahl wurden Prof. Dr. Waldeyer und
‚a Dr. Freund zu Seeretairen wiedergewählt.
aA
Bericht
über die
Thätigkeit |der historischen Section der Schlesischen
Gesellschaft im Jahre 1871,
erstattet von
Prof. Dr. J. Kutzen,
zeitigem Secretair der Section.
Die historische Section versammelte sich während des Jahres
1871 zwölf Mal. In diesen Versammlungen fanden die Vorträge
grösserer Abhandlungen der Mitglieder, sowie Besprechungen darüber
und Erörterungen verwandter Gegenstände statt. Der wesentliche Inhalt
der ersteren ist folgender:
In der Sitzung am 19. Januar sprach Herr Director Schück |
über Christian Thomasius.
Nach kurzer Anführung der deutschen Verhältnisse in Bezug auf die
Wissenschaft und ihre Träger nach dem dreissigjährigen Kriege ward
der Bildungsgang des Thomasius bezeichnet und seine Wirksamkeit als
Staatsrechts - Lehrer, als Reformator der Universitäten, in welchen er
deutsche Sprache und deutsches Wesen einheimisch machte, als Gründer
des deutschen Journalismus geschildert. Es kamen die Bedrängnisse zur
Sprache, welche ihm die Leipziger orthodoxen Professoren bereiteten,
sein Anschluss an die Pietisten und deren Vertheidigung durch ihn, und
wie er, um der Gefahr, in Haft genommen zu werden, zu entgehen,
Leipzig verlassen musste und sich nach Berlin begab, wo er sich der
Unterstützung seines Lehrers Pufendorff und der Hilfe von Leibnitz,
einem Schüler seines Vaters, erfreute, die den König Friedrich I. auf ihn
aufmerksam machten, der ihn fortan schützte, ihm die Erlaubniss ertheilte,
214 Jahres-Bericht
sich in Halle niederzulassen und dort Vorträge zu halten, woraus die
‘ Universität Halle hervorging, an der er als Lehrer wirkte, und von wo
aus er die Beseitigung der Hexenprocesse bewirkte und Vorarbeiten für
die Aufhebung der Tortur machte.
Am 8, Februar hielt Herr Professor Dr. Reimann einen Vortrag
über den historischen Johann von Nepomuk.
Er hatte vor einiger Zeit in einem anderen Verein nach selbst-
ständigen Untersuchungen die Geschichte der Legende von 1471— 1671
behandelt, nach welcher ein Prager Canonicus, Namens Johann v. Pomuk
oder Nepomuk, 1383 auf Befehl Wenzels in die Moldau gestürzt worden
sein soll, weil er das Beichtgeheimniss nicht habe verletzen wollen.
Der Vortragende ging nun auf die älteren Quellen über und wies nach,
dass ein Mann gleiches Namens und gleicher Stellung zehn Jahre später
unzweifelhaft einen solchen Tod erlitten, aber aus einer andern Ursache.
Die Notizen der Chronisten über die Veranlassung zu der Greuelthat sind frei-
lich mangelhaft, aber wir besitzen ein gleichzeitiges und unverdächtiges Docu-
ment, das uns ausführlich unterrichtet, nämlich die Klageschrift, welche
der damalige Erzbischof von Prag, Johann von Jenzenstein, im Sommer
1393 dem apostolischen Stuhl in Rom überreicht hat. Nach diesem
Actenstücke wurden die Irrungen zwischen dem Kirchenfürsten und
Wenzel, in Folge deren der Domdechant blutig geschlagen, der Official
Nie. Puchnik und der Vicar Johann von Pomuk grausam gefoltert und
letzterer in die Moldau gestürzt worden, eingehend dargestellt. Der
Vortragende hielt nur diesen Johann von Pomuk für historisch beglaubigt.
Er wies am Schlusse die von Abel aufgestellte Ansicht, der Heilige sei
eine Verschmelzung des Vicars Johann und des Reformator Johann Huss,
als irrig zurück. |
Herr Reetor Dr. Luchs trug in der Sitzung vom 9. März
über die oberschlesischen Holzkirchen und Verwandtes
vor. Nachdem er die Fachwerkbauten, welche sich in besonderer Schön-
heit gegen die Lausitz hin erhalten haben, ausgeschieden, ging er auf die
Oberschlesien und den nordöstlichen Grenzkreisen Mittelschlesiens eigen-
thümlichen Blockbauten ein. Nicht nur Häuser, Scheuern und Schüttböden
wurden dort auf diese Weise früher fast allgemein so hergestellt, sondern
namentlich auch Kirchen,’ von denen der Vortragende unter Beihülfe des
Herrn Knoblich und insbesondere des Herrn Wetzel gegen 200 nachweisen
konnte, während in der Literatur nur 24 bekannt sind. Es wurde dann
zunächst ihre Disposition im Allgemeinen veranschaulicht und eine Be-
schreibung der Kirchen in theoretisch-praktischer Folge von den einfach-
sten bis zu den reichsten Formen gegeben. Letztere seien nicht ohne
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 315
Reiz, nicht ohne Schönheit. Der Grund aber zu dieser jene noch heut
vorwiegend slavischen Gegenden charakterisirenden Erscheinung wurde
in der rückständigen Cultur gefunden. Abbildungen in grösserer Zahl
fehlten nicht.
In der Sitzung vom 30. März sprach der Staatsarchivar Herr Pro-
fessor Dr. Grünhagen
über die Kriegslasten Schlesiens in den Jahren 1806—13.
In der eigentlichen Occupations - Zeit vom November 18306 bis
November 1808, als dem Zeitpunkte, wo die französichen Truppen das
_ Land räumten, beziffert sich der Gesammtverlust Schlesiens durch die
Franzosen auf 48,381,560 Thaler, einschliesslich der Kriegseontribution
von 30,000,000 Frances, das Zehnfache des jährlichen Steuerertrages, nach
dem damaligen Werthe der Grundstücke der fünfte Theil des gesammten
Grundvermögens.. Von dieser grossen Summe ist nach dem Pariser
Frieden nur ein so kleiner Theil zurückerstattet worden, dass derselbe
zur Vertheilung sich nicht zu lohnen schien. Es ist daraus der sogenannte
Landsiechenhaus-Fonds gebildet worden. Während der Oceu-
pationszeit haben sich die in den beiden damaligen Regierungsbezirken
Breslau und Liegnitz gebildeten sogenannten General- Comite’s, welche
aus Beamten, Grundbesitzern und Kaufleuten zusammengesetzt waren,
srosse Verdienste um das Land erworben; dieselben hatten alle Requi-
sitions- und Verpflegungssachen zu bearbeiten und fanden da vielfach
Gelegenheit, Härten zu mildern, Ausschreitungen muthig entgegenzutreten
und überall auf feste Bestimmungen zu dringen, welche der militairischen
Willkür gewisse Schranken zu setzen vermochten. Uebrigens hörten
auch nach der Räumung Schlesiens im November 1808 die Kriegslasten
des Landes nicht auf. Glogau blieb von den Franzosen besetzt, und die
Besatzung musste von den Schlesiern verpflegt werden. 1812 kamen
dann die Durchmärsche nach Russland und 1813 war Niederschlesien
von Ende Mai bis Anfang September Schauplatz des Krieges. Leider
besitzen wir in unseren Archiven die Zusammenstellung nicht, welche
auf Grund der landräthlichen Berichte über die Lasten dieses Krieges
angefertigt worden ist. Die Festung Glogau ist dann erst am 10. April‘
1814 wieder in preussische Hände gekommen.
In der Sitzung vom 20. April hielt Herr Prorector Dr. Maass
über das politische Witzwort in Frankreich unter Ludwig XIV,,
Ludwig XV. und Ludwig XVI,
einen Vortrag. Nachdem der Redner in der Einleitung den verschieden-
artigen Entwickelungsgang, welchen das Streben nach einer einheitlichen
und absoluten Monarchie in England, Deutschland und Frankreich im
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216 Jahres-Bericht
sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert nahm, kurz dargelegt, zeigte
er, wie in diesen und den nächstfolgenden Jahrhunderten das im Munde
des Volkes cursirende Witzwort in Prosa und Poesie in Frankreich jene
Kritik der Acte der Regierungsgewalt vertrat, welche heutzutage der
Presse, den politischen Vereinen und repräsentativen Versammlungen
anheimgefallen ist. Dasselbe charakterisirt sich am besten in jenem
Ausspruche aus dem vorigen Jahrhundert, welcher selbst ein solches
Witzwort ist: La monarchie francaise est une monarchie absolue, tem-
peree par la chanson. Freilich handelt es sich hier nicht um die Chan-
son als eigentliche Literaturgattung, die vielmehr weit späteren Ursprunges
ist, sondern nur um eine Anzahl Couplets, Lazzi’s, Bonmots, Calembourgs,
die bei prägnanten Anlässen entstanden, ohne dass man in der Regel
ihren Urheber kennt und, was die poetischen anbelangt, natürlich auch
ohne Anspruch auf eigentlichen dichterischen Werth sind. Diese Witz-
worte wurden dann am Faden der geschichtlichen Ereignisse zusammen-
gereiht und mit kurzen historischen Einleitungen versehen, mit Angabe
der Quellen, denen sie entstammen (Felibier, Histoire de Paris aus dem
vorigen Jahrhundert, Dulaure, Histoire de Paris aus den ersten Decennien
dieses Jahrhunderts u. s. w.), vorgeführt und einzelne auch noch näher
erläutert. — Als Beispiel dieser Bonmots möge folgendes dienen. In
dem für Frankreich so unglücklichen spanischen Erbfolgekriege liess sich
der unfähige Marschall von Villeroy unter Anderem auch Cremona in
Ober-Italien nehmen. Cremona wurde allerdings bald darauf wieder-
gewonnen durch den an Villeroy’s Stelle eingetretenen Herzog von Ven-
döme, Villeroy aber blieb kriegsgefangen. Man machte darauf folgendes
Quatrain:
Sacrebleu! la nouvelle est bonne,
Et notre bonheur sans Egal:
Nous avons recouvre Cremone
Et perdu notre general.
Während des Frühsommers bis zu den grossen Ferien versammelte
sich die historische Section viermal, nämlich am 25. Mai, 4., 22. und
25. Juni. Für den zweiten der genannten Tage, als den Jahrestag der
Schlacht von Striegau und Hohenfriedeberg, hatte sie auf
Grund eines früheren Beschlusses eine Exeursion auf den Schauplatz der-
selben in Aussicht genommen; allein das Wetter war an diesem Morgen
so ungünstig, dass das Unternehmen aufgegeben werden musste, und es
wurde der Beschluss gefasst, dasselbe auf den 25. Juni zu verschieben.
Dieser Aufschub durfte nicht bereut werden, denn das Wetter war an
dem letztgenannten Tage der Exceursion günstig und er brachte den
Theilnehmern, zu denen sich in Striegau noch eine Zahl mit Interesse
für vaterländische Geschichte erfüllter Herren gesellte, heitere und be-
lehrende Stunden. Im Laufe des Vormittags wurde das Schlachtfeld
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 317
auf mehreren dazu vorzugsweise geeigneten Standpunkten der Striegauer
Berge besichtigt, wobei der Secretair der Section, Prof. Dr. Kutzen, der
bereits in den Sitzungen am 25. Mai und 22. Juni zu Breslau zwei Vor-
träge über die Hauptmomente der Schlacht, hauptsächlich mit Rücksicht
auf das Terrain, gehalten hatte, die nöthigen Erläuterungen gab. Der
Nachmittag wurde unter Führung des Herrn Rector Dr. Luchs und
dessen erklärenden Mittheilungen der Betrachtung einiger älteren Bau-
denkmäler, besonders der grossartigen katholischen Pfarrkirche, gewidmet.
Auch hatte Herr Bürgermeister Rauthe, welcher den ganzen Tag über
der Gesellschaft seine freundliche Theilnahme schenkte, die Güte, ihr
eine grosse Zahl beachtenswerther älterer Kunstgegenstände aus den
Sammlungen der Stadt zu zeigen, und der Steinbruchbesitzer Herr
Bartsch, sie in seine weitbekannten, umfassenden und sehenswerthen
Steinbrüche zu führen und über dieselben in dankenswerther Weise zu
belehren.
Die Sitzungen der Section im Winter-Semester eröffnete am 26 sten
October Herr Professor Dr. Reimann durch einen Vortrag
über den Streit Paul’s IV. mit Ferdinand I,
welchen jener im Jahre 1558 begann, weil er behauptete, dass Karl V.
die Kaiserwürde nicht ohne die Erlaubniss des Papstes habe niederlegen,
noch der römische König ohne solche folgen dürfe. Der Gegenstand,
über welchen der Vortragende schon früher eine Arbeit in den „For-
schungen zur deutschen Geschichte‘‘ veröffentlicht hatte, wurde nach neuen
Documenten dargestellt, die theils er selbst im Wiener Archive gefunden,
theils Professor Sickel aus demselben bekannt gemacht hatte. Der Auf-
satz ist später in den Abhandlungen (Philosophisch - historische Ab-
theilung) der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur abgedruckt
worden.
Während der letzten beiden Monate wurden zwei Vorträge gehalten,
nämlich am 16. November vom zeitigen Secretair der Section, Professor
Dr. Kutzen
über das südwestliche Gebiet der Grafschaft Glatz
und am 14, December von Professor Dr. Palm
über die bei der Beschiessung Strassburgs vernichteten öffentlichen
Bibliotheken.
In jenem wurde der geographische Charakter des Gebietes, das als
von der Neisse, Reinerzer Weistritz, der Wilden und Stillen Adler oder
Erlitz umschlossen angegeben wurde, darin gefunden, dass es nicht bloss
in seiner Basis, sondern auch auf der Höhe seiner Oberfläche zu einer
218 Jahres-Bericht
umfassenden Masse entwickelt sei, dass ihm also hauptsächlich Plateau-
bildung zukomme. Doch diese ist in den drei Abschnitten, in die man
es zerlegen kann, nicht in gleicher Weise vorhanden; denn während im
südlichen und nördlichen Abschnitte die Hochfläche mehr als centrale
Hochmasse die Scheitelfläche des Gebirges füllt, erscheint sie im mitt-
leren mehr seitwärts und als begleitend und abhängig von zwei ansehn-
lichen hohen Bergmassen (dem Schwarzen Berge und Heidelberge), die
sich als dominirende Hauptpunkte des ganzen Bezirks geltend machen.
Dass dieses gesammte Gebiet, also das Gebiet des sogenannten Habel-
schwerdter Gebirges von der inneren Grafschaft her den Eindruck eines
Gebirges macht, rührt hauptsächlich von seinem östlichen und nordöst-
liehen hohen Rande her, der sich von der inneren Hochfläche der Graf-
schaft wie eine stattliche Gebirgswand abhebt. Aber auch die Thäler
des Gebietes, welche in der Mehrzahl von West nach Ost laufen, also
Querthäler sind, haben einen ähnlichen gebirgigen Charakter, und da sie,
sowohl was landschaftliche Schönheit, als auch was Besiedelung und
Anbau betrifft, vor den meisten anderen Theilen des Gebietes bevorzugt
sind, so wurde ihnen im letzten Theile des Vortrages besondere Auf-
merksamkeit geschenkt.
In dem zweiten Vortrage war Folgendes Gegenstand der Erörterung:
Es waren zu Strassburg zwei in einem Locale, dem temple neuf, ver-
einigte, auf etwa 400,000 Bände geschätzte Bibliotheken, welche bei Be-
schiessung der Stadt ihren Untergang fanden: die Bibliothek des pro-
testantischen Seminars, deren Entstehung in die Zeiten der Reformation
fällt, und die Stadtbibliothek, hervorgegangen aus den kostbaren, der
Stadt geschenkten Sammlungen des berühmten Elsässer Geschichts-
schreibers Schöpflin (F 1771) und vermehrt namentlich aus den Schätzen
der während der Revolutionszeit secularisirten Klöster und der confiseirten
Besitzungen der Emigranten des Elsasses. Ihre Bedeutung hatten beide
Bibliotheken vor allem durch ihren Reichthum an Handschriften, deren
Zahl auf 2400 angegeben wird. Darunter waren wiederum die werth-
vollsten die der Elsässer und Strassburger Chroniken. Keine Provinz
Deutschlands hat eine gleich grosse Menge von Geschichtsschreibern auf-
zuweisen, als das Elsass. Gedruckt ist davon ausser der in Paris auf-
bewahrten Klosäner’schen nur die wichtige Königshofener, deren Heraus-
gabe die Münchener historische Commission in den Tagen des Brandes
so eben vollendet hatte: Ausser all’ diesen unersetzlichen handschrift-
lichen Schätzen gingen auch die anderen reichen Sammlungen an ägyp-
tischen, griechischen, römischen, celtischen und deutschen Alterthümern,
ferner an Münzen, Gemälden, Curiositäten u. s. w. zu Grunde.
Zwei Fragen drängen sich bei diesem grossen Verluste für die
Wissenschaft auf; ist die Zerstörung der Bibliotheken zufällig oder plan-
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 919
mässig erfolgt? und was war geschehen zur Erhaltung und Rettung ihres
Inhalts? Die erste Frage muss dahin beantwortet werden, dass General
von Werder das nächst dem Münster höchste Gebäude der Stadt, in
welchem die Bibliotheken aufbewahrt wurden, allerdings mit voller Ab-
sicht hat zerstören lassen, wobei er freilich voraussetzen konnte, dass
der unersetzliche Theil der wissenschaftlichen Schätze, vor Allem die
Handschriften geborgen sein würden. Die Zerstörung galt vor Allem
den öffentlichen, nicht den Privatgebäuden, und zu den kirchlichen gehörte
die Bibliothek nicht mehr trotz des Namens temple neuf. Dass die
städtischen Behörden, die Bibliothek-Verwaltung, die Bibliothekare nichts,
‚absolut gar nichts gethan hatten zur Sicherung und Bergung ihrer Kost-
barkeiten, die ja Gefahr laufen mussten, auch wenn dieses Gebäude
nicht beschossen worden wäre, das liess sich nicht ahnen. Dass es in
in der That so stand, ist ein Beweis für die geringe Würdigung, welche
die Stadtbehörden ihrem wissenschaftlichen Eigenthum angedeihen liessen.
Darum ist wohl die Wissenschaft, weniger die Stadt Strassburg um ihres
Verlustes willen zu beklagen, den zu ersetzen, so weit dies überhaupt
möglich ist, Deutschland nicht bloss reich genug ist, sondern auch über-
aus willig, wie die jetzt schon in überaus grosser Anzahl eingegangenen
- Schenkungen beweisen.
Nach diesem Vortrage fand die Wahl des Secretairs der Section
für die nächste Etatsperiode, d. h. für die nächsten zwei Jahre statt.
Es wurde der bisherige Secretair, Professor Dr. Kutzen, einstimmig
wiedergewählt.
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Bericht
über
die Thätigkeit der juristischen Section der Schlesischen
Gesellschaft im Jahre 1871,
erstattet vor.
Appellations - Gerichts-Präsident Dr. jur. Belitz,
zeitigem Secretair der Section.
Der Vortrag des Herrn Stadtgerichtsrathes Güttler am 1. März c,
hatte zum Gegenstande:
die Reform des Vormundschaftswesens,
Nach einem Ueberblicke über die langjährigen Bestrebungen zur
Fortentwickelung des preussischen Vormundschaftsrechts unter Berück-
sichtigung der Umgestaltung der soeialen und politischen Verhältnisse und
nach einer Darstellung der leitenden Prineipien des jetzt in den drei ver-
schiedenen Rechtsgebieten geltenden Vormundschaftsrechts (A. L.-R.,
französisches und gemeines deutsches Recht) wurde der im Justiz - Mini-
sterium ausgearbeitete und im Februar v. J. veröffentlichte „Entwurf
eines Gesetzes über das Vormundschaftswesen,‘““ welcher nach berech-
tigter Annahme die Grundlage des dem Allgemeinen Landtage vorzu-
legenden Gesetzes bilden wird, erörtert.
Nach den Motiven zu diesem Entwurfe sollen die bestehenden
_ Rechtsverschiedenheiten beseitigt, und es soll für den ganzen Umfang
des preussischen Staates ein gemeinsames, auf die durch Wissenschaft
und Praxis als richtig anerkannten Prineipien gegründetes Vormundschafts-
recht geschaffen werden, bei welchem alles das verwerthet wird, was
sich als gut und zweckmässig erwiesen hat.
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292 J Ares Ber Ht
Die Hauptgrundzüge, auf welchen das neue Gesetz beruht, lassen
sich dahin zusammenfassen, dass
a. die Einwirkung des Staates auf die Oberaufsicht beschränkt,
b. der Vormund als selbstständiger Vertreter des Pflegebefohlenen
hingestellt und
ec. der Familie ein Theilnahmerecht an der Vormundschaft ge-
stattet wird.
a. Die Organe, durch welche der Staat die Oberaufsicht hr
bleiben die Gerichte; unter Hervorhebung aller gegen die Uebertragung
der Vormundschaften an die Gerichte aufgestellten Ansichten wurde die
Zweckmässigkeit, ja die Nothwendigkeit dieser Einrichtung nachgewiesen.
Die Vormundschaftsachen sollen ‚künftig ‚durch Einzelrichter bearbeitet
werden; wenn auch diese Arbeitstheilung für die meisten Vormundschaften
sich empfiehlt, so wurde doch für grosse Städte und grössere Jurisdietions-
bezirke die collegialische Vereinigung der Vormundschaftsriehter als dem E
allseitigen Interesse entsprechender nachgewiesen.
b. Bezüglich des Amtes des Vormundes ist der leitende Grundsatz
ausgesprochen, dass der Vormund kraft des Gesetzes die Vormundschaft
selbstständig und mit eigener Verantwortlichkeit zu führen hat ($ 68)
und er in allen Vermögensangelegenheiten der gesetzliche Vertreter des
Pflegebefohlenen ist.
Die Verpflichtung zur Uebernahme einer Vormundschaft ist als eine
allgemeine Staatsbürgerpflicht beibehalten; dagegen sind die gewissen
Kategorien zugestandenen Befreiungen weggefallen; nur bestimmte Un-
fähigkeits-Gründe schliessen von dem Rechte zur Uebernahme der Vor-
mundschaft aus. Zum Schutze des Pflegebefohlenen gegen Säumigkeit
und Pflichtwidrigkeit des Vormundes kann letzterer von dem Richter zur
Bestellung einer Cantion angehalten werden, und bei grösserer Vermögens-
verwaltung soll ein Gegenvormund, Hetehien die Thätigkeit des Vor-
mundes zu überwachen hat, bestellt werden. |
Die schwierige Frage über die Cautionspflicht des Vormundes wurde
einer umständlichen Erörterung unterworfen und es wurde auszuführen
gesucht, dass die Caution des Vormundes entbehrlich ist, wenn das Ver-
mögen des Pflegebefohlenen in gerichtliche Verwahrung kommt. Für
die Einführung des Gegenvormundes ist die diesfällige Einriehtung im
Departement des Appellations-Gerichts zu Greifswald massgebend ge- 7
wesen. Unter Entwickelung der bedeutenden Schwierigkeiten, welche
sich der Bestellung eines tüchtigen Gegenvormundes entgegenstellen, so
wie unter Darstellung der unvermeidlich eintretenden Collisionen ent-
schied sich der Vortragende für den Wegfall des Gegenvormundes..
ec. Der Familie wird ein Theilnahme-Recht, sowohl an der Führung
als an der Beaufsichtigung der Vormundschaft gestattet. Der Familien-
rath des französischen Rechts ist nicht aufgenommen. Die nächsten Ver-
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 333
wandten haben ein Recht zur Uebernahme der Vormundschaft; ausserdem
sollen aber die Verwandten bei wichtigen Angelegenheiten gutachtlich
gehört werden.
Noch besonders wurden hervorgehoben die Bestimmungen über die
religiöse Erziehung und die Beendigung der Vormundschaft durch die
Verheirathung der Pflegebefohlenen.
Der Theilnahme der Familie an der Vormundschaft ist in dem Ent-
wurfe noch eine weitere Ausdehnung durch die Familien-Aufsicht gegeben,
indem dem Vater gestattet ist, in einer notariellen oder gerichtlichen
Urkunde oder in einer letziwilligen Erklärung einen Familienrath zu er-
‚nennen, welcher an Stelle des Richters den Vormund beaufsichtigt.
Diese dem Züricher Civil-Gesetzbuche entnommenen Bestimmungen wur-
den umständlich erörtert und deren Zweckmässigkeit dargethan. Die
Mitwirkung des Gerichts beschränkt sich hier auf Beurkundung der Be-
schlüsse des Familienrathes und auf solche Acte, welche der obrigkeit-
lichen Autorität bedürfen,
Die Casuistik des Allgemeinen Land-Rechts ist in dem Gesetzent-
wurfe vermieden, die leitenden Grundsätze sind klar hingestellt und es
lässt sich erwarten, dass das neue Gesetz, als den Anforderungen der
soeialen und politischen Verhältnisse entsprechend, die Annahme seitens
der gesetzgebenden Factoren finden wird.
In der Sitzung vom 15. März sprach Herr Appellations- Gerichts-
Referendar Dr. jur. Teichmann
über die Geschichte der Advocatur.
Von den wenigen über die Rechtsvertretung der Parteien im griechi-
schen Processe uns überlieferten Nachrichten ausgehend, behandelte er
eingehend die Entwickelungsgeschichte der römischen Advocatur, unter
besonderer Hervorhebung der Kaiser- Gesetzgebung, In dem weiteren
geschichtlichen Ueberblick beschäftigte er sich hauptsächlich mit der
Darstellung der Arbeitstheilung zwischen avoue&s und advocats in Frank-
reich, sowie der attorneys und solieitors in England, wobei er auch des
englischen Rechtsstudiums in den vier berühmten Inns gedachte, aus
denen junge Praktiker in den Stand der barristers übertreten. Schliess-
lich entwickelte er die Gründe des Verfalls der Advocatur in Deutsch-
land, der auch zu einer missgünstigen Behandlung des Advocatenstandes
in der Gesetzgebung führte,
In der Sitzung vom 29. März d. J. sprach Herr Justizrath von
Wilmowski
über Kriegsbeute.
Ein historischer Rückbliek zeigte, wie die Griechen, welche im See-
räuberthum ihren Ursprung fanden, und die Römer, welche Landräuber
224 Jahres-Bericht
waren und blieben, den Grundsatz des rücksichtslosen Beutemachens
gegen das Privateigenthum der Bewohner des feindlichen Landes bis zur
Aneignung der Personen als Sclaven praktisch übten und philosophisch
rechtfertigten. Erwähnt wurde, wie Xenophon mit seinen 10,000 Griechen
bei Trapezunt zum Schwarzen Meere zurückkehrend, vorüberfahrende
neutrale Schiffe anhielt und gegen Entschädigung zu Seetransportdiensten
verwendete, und wie H. Grotius daraus hinsichtlich des Verhaltens zu
Neutralen einen völkerrechtlichen Grundsatz formulirte, welcher eine ana-
loge Anwendung im jüngsten Kriege bei Verwendung englischer Schiffe 3
zur Sperrung der Seine fand. Nach dem subjectiven, hinsichtlich des
Beutemachens kaum vorgeschrittenen Verfahren des Mittelalters stellte
daun H. Grotius im 17. Jahrhundert in seinen Werken de jure praedae
und de jure belli ae pacis aus Vernunftsätzen und aus der Ueberein-
stimmung humanerer Züge der Geschiehte ein Genossenschaftsrecht der
_ europäischen Staaten auf, auf dessen Grundlage sich das heutige Völker-
recht aufbaute. Die von Grotius angenommenen Prineipien wurden ent-
wickelt, und daran anschliessend, die Grundsätze des heutigen Völker-
rechts. Letzteres geht vom Rechtscharakter des Krieges als eines
zwischen feindlichen Staaten, nicht aber gegen Privateigenthum geführten
Processes aus, und gestattet die Oceupation des feindlichen Staatseigen-
thums, Kriegsmaterials, Kriegs- und anderer Staatskassen ohne Ent-
schädigung; dagegen die des Privateigenthums als nothwendige Expro-
priation nur gegen Entschädigung; — wenngleich für den Seekrieg der
letztere Grundsatz noch nicht ganz durchgedrungen ist. Kriegscontri-
butionen werden theils als Repressalien, theils als antieipirte Kriegskosten-
Entschädigung, theils zur Unterdrückung von Feindseligkeiten der Be-
völkerung zulässig erachtet. Die active Berechtigung zum Erbeuten hat
nur die bewaffnete Macht, jedoch auch der einzelne Soldat für sich hin-
sichtlich der Werthobjecte der ihm im Kampfe gegenüberstehenden feind-
lichen Personen. |
An die Darstellung des heutigen Völkerrechts schlossen sich die
Bestimmungen, welche das preussische Landrecht und die früheren und
jetzigen preussischen Kriegsartikel über das Beuterecht enthalten, in Ver-
bindung mit den Grundsätzen, welche das Obertribunal bei Gelegenheit
eines Processes unter den Erben des Fürsten Blücher hinsichtlich einiger
aus den Schlössern von Napoleon 1814 und 1815 erbeuteten Gemälde ,.
ausgesprochen hat. | |
Am 19. April sprach Herr Dr. jur. Georg Cohn
über die Beform des Executionswesens.
Der Vortragende ging von der Reformbedürftigkeit der preussischen E-
Executionsordnung aus, deren Hauptfehler in dem Prineip der richter-
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 2935
liehen Leitung zu finden sei; der Mangel eines unmittelbaren Verkehrs
zwischen Gläubiger und Executor habe Schriftlichkeit und Langsamkeit
des Verfahrens zur Folge. Zahlreiche Reformvorschläge seien gemacht
worden; Dernburg habe die Errichtung besonderer Pfändungsämter,
Reibnitz sogar die Jury als Organ der Execution empfohlen; auch auf
die Ortsbehörden sei hingewiesen worden. Das Bedürfniss der Gegen-
wart fordere die Einführung selbstständiger, vom Gläubiger gewählter
und ihm verantwortlicher, auf Gebührenbezug angewiesener Gerichts’
vollzieher (huissiers, Gerichtsvögte).. Mit der richterlichen Executions-
leitung werde kein germanischer Rechtsgrundsatz aufgegeben, wie die
Schöppenverfassung einerseits, das Pfändungsrecht bei ‚‚redlichen, kund-
liehen und unlogenbaren Schulden“ andererseits beweise. Die von
Mittermaier, Osterloh und von Kraewel gegen das Institut der Gerichts-
vollzieher gerichteten Vorwürfe seien durch die Erfahrungen widerlegt;
in Frankreich hat der huissier die Revolutionen überdauert, sich praktisch
bewährt, am Rhein ist der Gerichtsvollzieher seit mehr als 60 Jahren,
in Hannover seit fast 20 Jahren geschützt, neuerdings hat Bayern das
Institut von der Rheinpfalz auf das ganze Königreich ausgedehnt. Nur
die Frage der Zweckmässigkeit entscheidet, in dieser Beziehung sind die
Studien von Jonas über Frankreichs huissiers, die Zeugnisse von Leon-
hard und Götting über Hannovers Gerichtsvögte massgebend. Gegen
Ausschreitungen bietet eine strenge Auswahl, Prüfung und sorgfältige
Controle der Gerichtsvollzieher, sowie eine angemessene Gebührentaxe
genügenden Schutz; die hannoveranischen Einrichtungen sind besonders
nachahmenswerth. — Der Entwurf der norddeutschen Processordnung hat
das Institut der Gerichtsvollzieher für die Mobiliarexecutionen adoptirt,
indess das Theilungsverfahren und die Pfändung von Bud m mit
Recht dem Gericht vorbehalten.
Der Vortragende erörterte sodann unter vergleichender Heranziehung
der Processentwürfe von 1848, 1864 und 1866, sowie der wichtigsten
geltenden Executionsordnungen die Hauptbestimmungen des norddeutschen
Entwurfs über Zwangsvollstreckung, namentlich die executorischen Titel,
die Vollstreckbarkeitsklausel, das Einwandsverfahren (procedure en refere),
die Executionsmittel der Pfändung, der Administration, des Offenbarungs-
eides und der Haft. Unter den executorischen Titeln fehle die Notariats-
urkunde mit Pfandklausel, nicht zu billigen sei es, dass es dem Gläubiger
verboten, der Vollstreckung in der Wohnung des Schuldners beizuwohnen,
mindestens müsse es dem Gläubiger freistehen, durch einen Bevoll-
mächtigsten den Gerichtsvollzieher bei jeder Vollstreckungshandlung zu
beaufsichtigen. Das durch die Pfändung für den Gläubiger erworbene,
auch der Coneursmasse gegenüber wirksame Pfandrecht drohe den Con-
eurs illusorisch zu machen und stehe wenigstens in dem Falle, wenn die
Sache im Gewahrsam des Schuldners. verbleibe, mit den Grundsätzen
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226 Jahres-Bericht
des Landrechts über Constituirung eines Faustpfandrechts im Widerspruch.
Die Landwirthschaft sei in Bezug auf die der Pfändung nicht unter-
worfenen Sachen dem Fabrikbetriebe gegenüber bevorzugt; in der Lehre
vom Manifestationseid erschiene der Schuldner durch zu grosse Milde
begünstiget; die ganze Regelung der Subhastation sei leider der: Parti-
eular- Gesetzgebung überlassen; formell sei der Entwurf in der Sprach-
reinigung nicht consequent genug vorgegangen. Trotz dieser und noch
anderer hervorgehobener Mängel ist die Codifieation ein Fortschritt zur
deutschen Reichseinheit, eine wahre Reform des Vollstreckungs- Wesens;
französisches und deutsches hKecht sind nicht mechanisch vermischt,
sondern einheitlich verbunden, der Entwurf beseitiget mit dem Paritions-
befehl unhaltbare Privilegien des Militairstandes, er entlastet den Richter
von untergeordneten Arbeiten, er schützt den Schuldner gegen unbe-
rechtigste Ansprüche und inhumane Härten, er sichert durch das Institut
_ eoneurrirender Gerichtsvollzieher dem Gläubiger eine bereitwillige, schnelle
Vollstreckung.
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Bericht
über die
Thätigkeit der Section für Obst- und Gartenbau im Jahre 1871
von
Kaufmann und Stadtrath E. H. Müller,
zeitisem Secretair der Section.
In Jahre 1871 hielt die Section für Obst- und Garteubau der
Schlesischen Gesellschaft für :. vaterländische Cultur zu Breslau neun
Sitzungen.
Die erste Sitzung am 25. Januar eröffnete der Secretair mit
dem hierauf bewillisten Antrage einer Erhöhung um 25 pCt. des in der
letzten Sitzung des vorigen Jahres genehmigten Betrages zur Anschaffung
von, in dem bevorstehenden Frühjahr wiederum an die resp. Mitglieder
gratis zu vertheilenden Sämereien empfehlenswerther Gemüse
und Florblumen, weil die letzte Ernte fast aller Gartensämereien sich
im Allgemeinen als ungünstig erwiesen und deshalb die Preise derselben
eine nicht unerhebliche Steigerung erfahren haben.
Der Gärtner der Section, Herr Jettinger, hielt hierauf einen Vor-
trag: „Ueber das Zurückschneiden der Wurzeln beim Pflanzen
der Obstbäume“ und „Ueber das Pflanzen der Obst-Wildlinge
in den Obstbaumschulen.‘“ — Der städtische Garten-Inspector Herr
Loesener legte aus dem Gewächshause der städtischen Promenaden einen
Fruchtstand der Aroidee: Monstera Linnea C. Koch (Philodendron pertusum
Kth. & Bouche) mit reifen, geniessbar sein sollenden Früchten von ausser-
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228 Jahres-Bericht
ordentlich feinem Aroma vor. Der Secretair, welcher aus eigener Anzucht
diese Früchte und ihre Eigenschaften kennt, warnte jedoch vor deren
Genusse, weil derselbe ein heftiges Brennen im Munde veranlasse, wel-
ches nach den durch Herrn Professor Dr. Ferdinand Cohn schon früher
hierüber angestellten mikroskopischen Untersuchungen dadurch entstehe,
dass ihr Inneres sehr feine, steife, mit Wiederhaken versehene Haare
berge; mit Wein macerirt, seien dieselben jedoch ein Ingredienz zu einer
kalten Bowle von ausserordentlich angenehmen, ananasartigem Geschmack
und Geruch.
‘Vorgelesen wurde ein Schreiben des zeitigen Vorsitzenden des
Gartenbau- Vereins zu Königsberg i./Pr., Herrn Gutsbesitzer Busolt auf
Mittelhofen, aus welchem ‚wir die Bestätigung entnehmen, dass spätes
Winterobst z. B. Goldreinetten und Winterbirnen in Gefässen (als wel-
cher sich derselbe grosser Blumentöpfe bedient) in feinem Sande von
nur sehr mässiger F euchtigkeit schichtweise eingelegt und in frostfreiem
Raume aufbewahrt, sich ausserordentlich conserviren, ohne zu welken
oder an Ansehen und Geschmack zu verlieren, sowie, dass die
Samen von Rosa canina zur Anzucht von Wildlingen fast sämmtlich
- schon im ersten Jahre keimen,. wenn sie im September gesammelt,
gereinigt, mehrmals in reinem, weichen Wasser eingeweicht und
dann in stark feuchtem Sande bis‘ zur Aussaat im Frühjahr auf-
bewahrt werden.
Aus demselben Briefe erfahren wir, dass den sehr harten Winter
1869/70 folgende Obstbaum-Sorten sehr gut aushielten: von Aepfeln:
Ripston- und Stein-Peppin, Muscat- und Carmeliter-Reinette, Prinzen-
(Nonnen-) Apfel, rother Grafensteiner, gelber Richard, Rothhähnchen,
weisser und rother Astrachan, Herfordshire Parmain, Pigeon rouge,
Langston’s Sondergleichen, Preussischer Kurzstiel und Preussischer Him-
beer-Apfel, welcher nach dem Bericht von Lucas vielleicht der Carmin-
Calvill, der Preussische Kurzstiel aber ein ihm unbekannter Apfel sei.
Von Birnen: Deutsche National-Bergamotte, einfache Kräuterbirne, Liegel’s
Winter-, holzfarbige und Diel’s Butterbirne, Grise bonne Coloma’s, Bezy
Montigny, Beurr& d’Angleterre, Blutbirne und Leipziger Rettigbirne. Von
Kirschen: Ostheimer Weichsel-, rothe Mai- und rothe Herzkirsche, Von
der Natt, eine dort als. rheinische Kirsche bezeichnete Glaskirsche (wahr-
scheinlich die rothe Oranienkirsche). Von Pflaumen: die gewöhnliche
Haus- und die italienische Zwetsche.
Im Weiteren führte Herr Busolt noch an, dass nach der durch
einen berühmten Entomologen als wahrscheinlich richtig bezeichneten
Ansicht eines dortigen tüchtigen Kohlzüchters die Eier der Erdflöhe nicht
in der Erde, sondern in den Ueberresten von Kohl und anderen Cruci-
feren zu suchen seien; er selbst lasse daher dergleichen Pflanzenreste
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der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 339
weder auf den Erdhaufen bringen, noch untergraben, sondern im Winter
dünn auf der Erdoberfläche liegen und im ersten Frühjahr, sobald sie
hinreichend trocken sind, verbrennen, und habe seit Einführung dieses
Verfahrens viel weniger als früher von diesem kleinen Käfer zu leiden;
auch habe er von einem Privatgärtner, dessen Sommer-Levkoyen sich
jährlieh durch besonders üppigen, gedrungenen Wuchs und durch Gesund-
heit vortheilhaft auszeichneten, erfahren, dass derselbe zu deren Düngung
Schweinemist anwende. *)
Aus der, seiner Pflege überwiesen gewesenen Baumschule und Obst-
garten zu Göllschau theilte Herr Kunstgärtner Katzke (jetzt in Hoch-
kirch) mit, dass im vorigen Jahre auch dort die Frühjahrs-V eredelungen
von Süsskirschen ungemein von Blattläusen zu leiden hatten und wenn
dureh diesen Feind auch nur eine geringe Anzahl getödtet wurden, so doch
die meisten verkrüppelten; dagegen sei der Johannistrieb stärker gewesen;
da sich die Blattläuse bei der später eingetretenen nassen Witterung sehr
bald verloren.
In Bezug auf Birnen-Handveredelung bestätigte Herr Katzke die
schon vielfach gemachte Erfahrung, dass dieselben im ersten Jahre, wenn
die Wildlinge auch ganz gesund und gut bewurzelt waren, dennoch nur
kümmerlich treiben, was bei Aepfeln, ebenfalls in der Hand veredelt,
nicht der Fali ist. Seine Anfrage, ob es besser sei, Doucin am Platze
stehend, als in der Hand zu veredeln? welche dadurch hervorgerufen
sei, dass ihm von in der Hand veredelten Doucin schon seit einigen
Jahren nur etwä der dritte Theil gewachsen sei, beantwortete der
Gärtner der Section, Herr Jettinger dahin, dass das Oculiren von Douein
sowohl, als wie von Johannisholz auf dem Platze, jedenfalls empfehlens-
werther sei.
In seinen Notizen über den Obstgarten hebt Herr Katzke als
besonders reich tragend und in Güte empfehlenswerth u. a. hervor die
Birnen Fondante ;Sickler, Marie Louise, Bosc’s Flaschenbirne, Grüner
Isembert, Coloma’s Herbst-Butterbirne, Gelbe Sommer-Herrnbirne, Chapiau-
mont’s Herzogin von Angoul&me, Rothe Bergamotte, Weisse Herbst-
Butterbirne, Herbst-Sylvester, Stuttgarter Gaishirtle, Punktirter Sommer-
dorn; von Pflaumen: Grosse ungarische, Braunauer Aprikosenpflaume,
Grüne Eierpflaume, Normannischer Perdrigron, Diapre, violett und roth,
Imperial de Darton, Kirke’s Pflaume, gelbe Katharinen- und Dorell’s
Zwetsche.
*) Diese Düngung dürfte, wenn überhaupt, doch sicher nur in sehr verdünnter
Auflösung anwendbar sein, da Schweinemist, wie bekannt, einer der hitzigsten
thierischen Düngstoffe ist. Anmerk. d. Red,
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a a A Se Bares) 1 BE ei
230 Jahres-Bericht
Herr Kunstgärtner Grunert in Gross-Paniow hatte sich schrift- B
lich „zur Cultur von Tetragonia expansa L. (Neuseeländischer
Spinat)‘‘ geäussert, und vorgetragen wurde ein von dem Director des
Königlichen Pomologischen Instituts zu Proskau Herrn Stoll verfasster
und zu weiterer Bekanntgebung freundlichst zur Disposition gestellter
Aufsatz, unter dem Titel: „Obstbauliches,“
In der zweiten Sitzung am i5. Februar gab zunächst der
Secretair die in unserem vorjährigen Bericht schon mitgetheilten Nach-
richten über die Erträgnisse des Pomologischen und resp. Obstbaum-
schul- und Versuchsgartens der Section im Jahre 1870, über die am
Schlusse desselben sich ergebenen Bestände von Obstbäumen ete., und
die sich günstiger gestellten Kassen-Verhältnisse.
Brieflich theilte Herr Baumschulgärtner Sonntag in Zobten mit,
dass in der dortigen Graf von Nostiz’schen Baumschule und Plantagen
nun auch die Nomenclatur des Obstes nach den Bezeichnungen des
„Ulustrirten Handbuches von Jahn, Lucas und Oberdieck“ eingeführt sei,
und hierbei mit Hülfe der Preisverzeichnisse der Section und einem sol-
chem des verstorbenen Medieinalrath Jahn in Meiningen sich ergeben
habe, dass mehrere Sorten, welche aus verschiedenen Quellen unter
französischen Namen bezogen worden waren, als Synonyma sich ent-
puppten, daher unter diesen Namen auch nicht weiter vermehrt werden.
Im Weiteren schreibt derselbe: An Herrn Superintendent Ober-
dieck sendete ich 1869 und 1870 drei Sorten Aepfel- und Birnfrüchte,
die ich hier in starken Bäumen — einen Apfel fälschlich als Grafen-
steiner und, wie ich erfahren habe, aus Buchwald bei Hirschberg er-
halten — vorfand, und hat diesem Apfel Herr Oberdieck den Namen
„Graf Nostitz“‘ beigelegt; Notizen darüber finden sich in dem 6. und
8. Hefte der ‚„Illustrirten Monatshefte von Oberdieck und Lucas Jahrg.
1870.“ Die zweite Sorte als „Zitzer Herrenapfel ‚von einem Schäferei-
Director Kuhnitz in Dresden hierhergebracht, ist eine der edelsten Sorten
und ganz vorzügliche Tafelfrucht, welche ich noch obigem „‚Graf Nostitz‘
vorziehe, gross, hochgeformt, weissgelblich mit leichten Rostpunkten,
Fleisch weiss, fein, locker, saftig, von erhobenem Geschmack; bis
December— Januar dauernd; Baum breitkronig, starkwüchsig, Sommer-
triebe rothbraun,. mit weissen Punkten zahlreich besetzt, Fruchtholz kurz
an zweijährigen Trieben ansetzend; Blatt gross. Herrn Oberdieck war
diese Frucht nicht bekannt, weshalb bis auf Weiteres deren obige Be-
zeichnung beibehalten werden soll. Die dritte Sorte: „Nemelkör Birn,“
wurde von Herrn General v. Nostiz aus Prag bezogen, von wem, konnte
ich nicht ermitteln; sie führte den obigen Namen mit dem Zusatze: oder,
„Prager aus Kern gezogene Birn.‘“ Sie ist eine sehr edle December-Birn
für die Tafel, deren Aeusseres zwar nicht viel verspricht, dagegen ge-
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 231
schält mir aber noch bei weitem über die Weisse Herbst - Butterbirn
geht. Frucht mittlerer Grösse, eiförmig, rund, kurz gestielt, dunkelgrün.
Fleisch gelblich- weiss, fein, von erhobener Zuckersüsse, delicatem Ge-
schmack; Baum in der Jugend starkwüchsig, etwas verworren geästelt
als ältererer Kronenbaum, fruchtbar, stark belaubt. Es ist dies diejenige
Sorte, welche hier die stärksten Triebe als junge Veredelung macht,
dabei sehr gut in die Höhe geht und schöne Stämmehen giebt, weshalb
sie sich auch vorzüglich für doppelte Veredelung mit Sorten, welche in
der Schule schlecht in die Höhe gehen, eignet. In den Alleen habe ich
bereits eine Anzahl Stämmchen dieser Sorte gepflanzt, die hier schon
mit 4 Jahren Kronen hatten.
Brieflich beklagte der Lehrer und Organist Herr Bragulla in
Bischdorf seine äusserst geringe vorjährige Ernte von Gartensämereien,
welche ihn an einer Beisteuer zu der an Sectionsmitglieder beabsichtigten
Gratis-Vertheilung behindere und meint, die Schuld hieran einer vielleicht
allzu starken Düngung mit Knochenmehl zuschreiben zu müssen, nach
welcher seine Blumen- und Gemüsepflanzen bis in den Spätherbst zwar
im steten Wachsen verblieben, jedoch nur selten Samen ansetzten, der
nicht einmal seine Vollkommenheit erreichte.
Schon im letzten Jahres-Berichte hatten wir die Freude aussprechen
können, dass selbst bei unserem braven Heere in Frankreich unserer
Section gedacht worden sei. Einen wiederholten Beweis hiervon gab
uns Herr Kunstgärtner Hoffmann, früher in Hochkirch, zur Zeit als
wir dies schreiben, in Lilienthal, in dem er von Lagny aus schilderte,
mit welcher vorzüglichen Sorgfalt an Mauern und Spalieren die Obst-
und Wein-Cultur gepflegt würde, wie vortrefflich im freien Lande ohne
allen Schutz dort viele Pflanzen gedeihen, welche bei uns nur in Glas-
häusern oder im Freien, doch nur unter guter Bedeckung zu überwintern
sind und führt u. a. als Beispiel dafür an, wie er Wellingtonia gigantea
Lindl. (Sequoia gig. Torr.) in regelmässigstem Bau und schön blaugrüner
Belaubung von 15 bis 20 Fuss Höhe und grosse Exemplare von Abies
pinsapo Boiss., deren Stämme 10 Zoll Durchmesser hatten, im freien
Lande cultivirt gesehen habe.
Herr Kunstgärtner Kuschel in Stolz hatte Blätter eines von ihm
aus Samen gezogenen Gynerium argenteum fol. variegatis eingesendet,
deren eine lebhaft grüne Längenseite zu der andern ralımweissen scharf
abgegrenzt ist, was der Pflanze allerdings ein reizendes decoratives An-
sehen giebt. Zugleich bedauerte derselbe, die versprochene Einsendung
von mit Früchten besetzten Zweigen des Ficus australis nicht machen
zu können, weil eine nothwendige Dislocation der Pflanze, bei welcher
einige Hauptwurzeln stark verletzt wurden, das Abwerfen der in ihrer
Ausbildung und Reife begriffenen Früchte zur Folge hatte.
232 Jahres - Bericht
Gelegentlich der dritten Sitzung am 15. März wurde eine
Empfehlung der in dem Atelier des Pomologischen Instituts zu Ringel-
heim (Hannover) nach der Natur photographirten und hiernach xylo-
graphirten Abbildungen von Pflanzen, Pflanzengruppen und allerlei zur
Gärtnerei in Beziehung stehenden Ausschmückungsgegenständen nebst bei-
gegebener Probetafel vorgelegt; dieselbe zeigte 29 Abdrücke, von Theilen
verschiedener Pflanzen in vorzüglich correcter und sauberer Ausführung, wie
solche sich besonders für die Illustration von Pflanzen-Katalogen eignen und
giebt das genannte Institut von solchen Xylographien Kupferniederschläge
ab, welche mit nur 4 Ssr. pro Quadratzoll rheinisch berechnet werden,
ebenso auch farbige Abdrucktafeln von Blumen zu mässigem Preise.
In kurzer ‘Ansprache würdigte der Secretair das Andenken an den
unlängst verstorbenen Fürsten Pückler-Muskau als den Begründer der
modernen Parkgärtnerei und knüpfte hieran den Vortrag eines von dem
Kunst- und Handelsgärtner Herrn W. Kühnau hierselbst verfassten
und eingesendeten Aufsatzes: „Fürst Pückler-Muskau auf dem
Gebiete der Blumengärtnerei, mit besonderer Berücksieh-
tigung von Schloss Branitz.‘“ Auch ein Aufsatz des Kunstgärtner
Herrn Pfeiffer in Zoelling wurde mitgetheilt: „Ueber Bepflanzung
von Parterres für den Frühlingsflor,“ welchem sich die Angabe
einer Anzahl nach ihrer Blüthezeit geordneter Frühblüher anschloss, und
über innere Angelegenheit des Gartenbau-Verems zu Ratibor gab ein
Schreiben dessen zeitigen Secretairs, Herrn Lehrer Oppler in Plania,
Kenntniss.
Vierte Sitzung am 19. April. Welchen ganz absonderlichen
Eventualitäten zuweilen Sendungen in weitere Ferne auf Eisenbahnen
ausgesetzt sind, davon gab ein Brief des Garten-Direetors Herrn Bürgel
zu Schloss Wittgenstein (Rumänien) Zeugniss. Einem solchen Falle
unterlag eine an denselben aus dem Obstbaumschulgarten der Section
gemachte Eilfrachtsendung von Obstbäumen fast gänzlich, die Bäumehen
wurden auf einem nicht preussischen Grenz-Zollamte, nachdem die Fracht
dafür bezahlt war, veruntreut, verschiedene Bahnbeamte theilten sich in die-
selben, besonders aber fand man sie, als energisch reelamirt wurde, auf einer
weiten Strecke in den Gärtchen der Bahnwärter, und nur ein geringer
Theil wurde später halbvertrocknet dem Adressaten ausgehändigt. _
Herr Hofgärtner Götz in Slawentzitz berichtete: Wenn auch
der vergangene Winter einigen Schaden an Birnen und Kirschen, beson-
ders in Pyramiden anrichtete, so sei derselbe doch bei weitem nicht so
bedeutend gewesen, als im Jahre vorher, wo Schnee und Kälte sich
schon zu einer Zeit einstellten, als die Jahrestriebe noch nicht ausgereift
waren, nach genauer Untersuchung habe er jetzt unter den Aepfelbäumen,
von denen ein Sortiment von eirca 160 Sorten ausgepflanzt sei, auch
nicht einen einzigen von dem diesjährigen strengen Winter beschädigten
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 233
vorgefunden. Zu recht häufiger Anpflanzung auch in so rauhem Klima
und so dürftigen Bodenarten wie dort, empfiehlt derselbe die Winter-
Dechantsbirn (doyenne d’hiver), welche sehr reichlich schöne, grosse,
sehr gute, bis zum Monat April dauernde Früchte trägt, der Baum ge-
deiht in jeder Formbildung, besonders auf Wildling veredelt, sehr gut
und ist gegen Kälte nicht empfindlich; ferner Esperens Herrnbirn, eine
Herbstbirne von feinem Geschmack und für die Tafel, der Baum trägt
ebenfalls reichlich und verträgt die Kälte; Baumann’s Reinette ist auch
sehr zu empfehlen, schöne, grosse, am Cordon horizontal gezogene
Früchte hielten sich bis gegen Ende Februar, während diejenigen vom
Hochstamm schon lange vorher verbraucht werden mussten,
Von dem Garten-Inspeetor Herrn Becker in Miechowitz waren
eingesendet worden: das Verzeichniss von 112 Sorten Kartoffeln, welche
im Jahre 1870 versuchsweise von der dortigen von Thiele - Winckler’-
schen Garten-Verwaltung angebaut worden waren, nebst einigen Angaben
über deren Qualität und das Verhältniss der Ernte zur Aussaat, ferner
eine Frucht von Ficus Roxbourghii Wall., einer für geräumige Warm-
häuser vortrefflichen Decorationspflanze mit 16 bis 20 Zoll langen und
12 bis 18 Zoll breiten, herzförmigen, langgespitzten, oben glänzend, und
fast flaumhaarigen, in der Jugend bräunlichen Blättern, und die einer
kleinen Gurke nicht ganz unähnliche Frucht von Crescentia macrophylia
Hort. (Kürbisbaum), einer amerikanischen Bignoniacee für das Warmhaus
mit 2 bis 3 Fuss langen und 3 bis 4 Zoll breiten Blättern,
Brieflich wies Herr Kunstgärtner Katzke in Hochkirch auf eine
Beihe von Fehlern hin, welche nur allzuhäufig aus Unkenntniss oder
Nachlässigkeit bei dem Pflanzen, aber auch später bei der Pflege der
„ Obstbäume begangen werden und wie unzweckmässig es sei, an dieselbe
Stelle, auf welcher alte, kranke, abgestorbene Bäume standen, wieder
junge Obstbäume, namentlich derselben Gattung zu pflanzen; finde man
Mi diese Ungehörigkeit schon oft in den sogenannten Obstgärten, so sei dies
doch noch mehr in den Obstalleen an Wegen, besonders aber bei
Ergänzungspflanzungen auf Chausseen der Fall und nach alledem wundere
man sich dann wohl noch, wenn selbst ganz gesunde, gut bewurzelte,
junge Obstbäume in kurzer Zeit absterben. Dessen Anfrage, in welch _
zweckmässigster Weise in den zuletzt bezeichneten Fällen eine Ergänzungs-
pflanzung herzustellen sei, erhielt eine Erwiderung dahin: es werde eine
solehe wohl nur selten auf einmal, aber doch im Laufe weniger Jahre
dadurch am zweckmässigsten bewirkt werden können, wenn in den
Baumreihen der Allee oder Chaussee jedesmal in der Mitte zwischen den
alterschwachen oder abgestorbenen und zu entfernenden Bäumen und
deren beiderseitigen Nachbarn je ein junger Stamm gepflanzt und hier-
mit alljährlich so lange fortgefahren würde, bis diese Neupflanzung auf
der ganzen Strecke vollständig beendet sei; freilich würden hierbei, je
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234 Jahres-Bericht
nach Umständen, zuletzt vielleicht einige ältere aber doch noch gesnnde
Bäume geopfert werden müssen.
Das Interesse für Gärtnerei auch in einer kleineren Stadt der Pro-
vinz zu heben und zugleich den Blick auf die damaligen ernsten Zeit-
ereignisse einem heiteren Bilde zuzuführen, hatte im Herbst 1870 Herr
Kunst- und Handelsgärtner Riedel in Löwenberg in seinem neu
erbauten Wohnhause eine Ausstellung seiner Garten-Erzeugnisse etc. ver-
anstaltet, über welche dessen Bruder, Herr Kunst- und Handelsgärtner
hiedel in Goldberg nachträglich speciell berichtete. Nach dessen
gefälliger Mittheilung fand dies Unternehmen bei den zahlreichen orts-
angehörigen und Besuchern aus der Umgegend in Bezug auf die aus-
gestellten Gegenstände selbst, wie auch auf deren Arrangement den
ungetheilten Beifall. Der Eingang in das geräumige Ausstellungs-Lokal
war durch Blumentische und Gruppen von Ficus und Coleus decorirt,
das erste Zimmer enthielt eine Gruppe ausgewählter Blattpflanzen, sowie
Gruppen verschiedener blühender Gewächse und eine Tafel mit Sorti-
menten abgeschnittener Blumen; ein zweites Zimmer zeigte ganz beach-
tenswerthe Sortimente von Tafel- und gutem Wirthschaftsobst, unter-
brochen durch mannigfache Blatt- und Blüthenpflanzen, eine Tafel mit
abgeschnittenen Rosen in fast 200 der besten neueren und neuesten
Rosen, Bouguetts, Blumenkörbehen und ein Aquarium, während in dem
dritten Zimmer Sortimente von Kartoffeln, Kürbis, Melonen, Gurken,
Getreide, einige andere Früchte und eine kleine Naturalien - Sammlung
zwischeu verschiedenen Coniferen aufgestellt waren,
Zum Vortrage gelangten noch zwei Aufsätze des Obergärtner Herrn
Schulz in Wettendorf (Ungam): „Ueber Freiland-Melonen-
Cultur in Ober-Ungarn“ und „Ueber den Weinschnitt.“
In der am 14. Juni abgehaltenen fünften Sitzung brachte der
Seeretair zur Kenntniss, dass er für die Section wieder mit zwei Schwester-
vereinen zum Zweck des Schriftenaustausches in Verbindung getreten sei,
die Schriften derselben den in dem Lesezirkel coursirenden angereiht
werden würden und dass Herr Graf v. d. Recke-Volmerstein auf
Craschnitz, z. Zt, bei dem Heere in Frankreich einige aus dem Hof-
garten in Turin stammende Bohnen einer dort als ausgezeichnet gerühmten
Stangenbohne, P. Beroletti (dem Anscheine nach eine Dolichos-Art) ein-
sendete, welche mit Ausnahme von 2 Stück zum eigenen, an den Sec-
tions-Garten zum Culturversuche übergeben worden wären. Derselbe
machte aufmerksam auf die bei Ernst W. Arnoldi in Gotha, dem
Herausgeber des rühmlichst bekannten ‚„‚Obstkabinets“, in Lieferungen
erscheinenden ‚‚Plastischen Nachbildungen der Schwämme (Pilze)‘“ und
empfahl den sich dafür interessirenden Mitgliedern zum Ankauf das ihm
von der Redaction der „Illustrirten Berichte“ in mehreren Exemplaren
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insiecin
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 2335
a 16 Sgr. übersendete, von der Verwaltung des pomologischen Instituts
zu Ringelheim (Hannover) unter dem Titel: „Der Blumengarten und seine
Unterhaltung“ herausgegebene, namentlich auch auf die moderne Teppich-
gärtnerei Bezug habnnden Heft.
Ueber die in seinem Garten beobachteten Folgen des letzten
Winters schrieb Herr Apotheker Scholtz in Jutroschin in der Mitte
des April u. a.: Ich glaube nicht, dass der vergangene Winter so viele
Opfer gekostet, als man annahm erwarten zu müssen, die bedeutende
Schneedecke gewährte grossen Schutz. Stipa pennata L. hat wiederum
ohne Deekung ausgehalten, ebenso die frühblühenden Varietäten von
Chrysanthemum indicum; Opuntia Rafinesgui ist nicht erfroren, sondern an
der Wurzel gefault und dann erst erfroren; in gleicher Weise faulte mir
im Winter unter dem Schnee, resp. beim Aufthauen sämmtlicher Winter-
kohl,. obwohl die Sorte bei mir localisirt ist, dagegen haben einige
Pflanzen des seltenen prolifieirenden Kohls, die ich Herrn Garten-Director
Jühleke zu verdanken hatte, im Freien sehr gut ausgehalten. Von
Pflaumen, mit denen ich mich stark beschäftige, ist ganz hin: die grosse
Kirschpflaume, eine liebliche, freilich etwas weiche Frucht; sonst haben
nur an einzelnen Aesten gelitten: die grüne Eierpflaume, Schamal’s
Herbstpflaume und die Braunauer aprikosenartige. Alle im vorigen
Herbst von der Section, sowie aus Potsdam bezogenen Pflaumenbäume
kommen gut, während die aus der Liegel’schen Baumschule zu Braunau
erhaltenen bis jetzt unbelebt bleiben. Von Pfirsichen hat ohne Ver-
packung und freistehend, wenn auch nicht völlig, so doch zufrieden-
stellend ausgehalten, eine aus dem Kern gezogene rothe Magdalenen-
pfirsich; da sich diese Sorte bekanntlich durch den Kern ächt reprodueirt
und wenige Jahre zur Anzucht eines kräftigen Baumes genügen, so ist
dieselbe wohl zu empfehlen. Selbst unter sorgfältiger Verpackung sind
alle andern Pfirsichsorten, bis auf die eben genannte und die Belle de
Doue, welche zwar auch litten, aber doch erhalten blieben und Blüthen-
knospen zeigen, total erfroren. Meine Feigen, die braune, rothe, weisse, Col
de Signora, macrophylla, quotidienne, hirta sind sämmtlich in dem im Jahres-
bericht der Section von 1870 von mir beschriebenen Winterquartiere
gut durchwintert, nur allein die grosse languette ist krank, scheint also
die weichste zu sein. Die prächtige Theerose Mar&chal Niel ist voll-
ständig unversehrt geblieben.
Zugleich hatte Herr Scholtz Samen einer Salatsorte zum Versuchs-
anbau im Sectionsgarten eingesendet, deren Ursprung ihm zwar unbe-
kannt ist, welche er während 12 Jahren aber ununterbrochen verbesserte
und von derselben nach den verschiedensten Proben mit anderen $Salat-
sorten die Ueberzeugung gewonnen hat, dass es die grösseste, süsseste
und schmackhafteste, sich auch als Wintersalat eignende Sorte unter
allen ihm bekannt gewordenen sei, weshalb er dieselbe mit dem Namen
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die hiesigen Zeitungen sich bereit.
Buchsbaum zeigte nach ‘der Entfernung der Decke stets weitreichende
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236 Jahres-Bericht
„Jutroschiner Prachtkopf“ belegte. Das Zusammentreffen unglücklicher
Zufälle verschuldete es, dass der mit diesem Salat vorgenommene Versuchs-
anbau im Garten der Section nur in äusserst geringem Umfange vorge-
nommen werden konnte, in dem Garten des Referenten aber ganz
resultatlos blieb, weshalb der glückliche Züchter desselben uns durch
eine wiederholte gütige Sendung von Samen dieser Salatsorte auf's Neue
zu grossem Danke verbinden würde. x +
Die sechste Sitzung wurde am 19. Juli abgehalten. Zunächst _
wurde der Hilferuf des Erfurter Gartenbau - Vereins für die im vorigen |
Monat durch starke und anhaltende Ueberschwemmung in Noth gerathenen
Erfurter Handelsgärtner vorgelesen, dabei darauf hingewiesen, dass in
ähnlichem Falle und zwar vornehmlich im Jahre 1854 auch schlesische
Handelsgärtnereien aus der jetzt so hart betroffenen Gegend Unterstützung
fanden und erklärte der Secretair zur Entgegennahme milder Gaben für
jene Veruvuglückten und zu weiterer Verbreitung des Hilferufes durch
Herr Ober-Hofgärtner Schwedler in Slawentzitz theilte mit, in P
welchem prächtigen Frühlingsflor die von ihm im vorigen Jahre angelegte 3
und im Herbst bereits bepflanzte und beschriebene grosse Blumenterrasse :
um das dortige herrschaftliche Schloss gestanden habe, und, dass er jetzt 5
damit beschäftigt sei, eine in dessen Nähe gelegene, 10 Morgen grosse, i
wüste Sandfläche durch Bearbeitung und Anpflanzungen dem bestehenden i
herrlichen Parke gärtnerisch anzuschliessen. In früheren Wintern liess i
Herr Schwedler seine mit den verschiedenen Blumenzwiebeln belegten %
Gruppen und Beete, sowie den Buchsbaum mit Fichtenzweigen leicht
decken, diese Decke benutzten jedoch die Mäuse als Winterquartier,
frassen und verschleppten grosse Mengen von Crocus und Tulpen, die
Zwiebeln trieben unzeitig hervor, gaben unregelmässigen Flor und der
schadhafte Stellen. Es gab dies Veranlassung, jene Bedeckung im letzten
Winter ganz fortzulassen und liess die Entwiekelung der Blumen der unbe-
deckt gebliebenen Zwiebeln im folgenden Frühjahr nichts zu wünschen übrig,
auch zeigten sich keine Lücken in der Bepflanzung und der Buchsbaum
war unbeschädigt geblieben; beides soll daher auch künftig einen Winter-
schutz nicht mehr erhalten. Die Kronen der Rosenbäumchen mit Haide-
erde bedeckt, gingen mit noch- schön grünen Blättern und ganz gesundem
Holz aus dem Winter.
In einem Berichte vom Juni a. e. über seine Beobachtungen im
Obstgarten und in der Baumschule erhebt auch Herr Kunstgärtner Katzke
in Hochkirch seine Klagen über die Folgen des Winters von 1870
zu 1871. Haasenfrass und Frost haben bedeutenden Schaden angerichtet.
letzterer auch an älteren Aepfelbäumen, so dass z. B. ein 15 jähriger
Hochstamm von Batullenapfel bis an die Wurzel erfror, Ananas-Reinet te
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 937
und Valiser Limonen-Pepping haben arg gelitten, von Glanz -Reinette
und Goehrings-Reinette als vierjährige Veredelung auf Goldzeugapfel, ist
erstere bis zur Hälfte herunter erfroren, letztere dagegen ganz gut ge-
blieben, sämmtliche Schul-Veredelnngen nach schwachem Frühjahrstriebe
aber todt. Bei den Birnen ist der Verlust noch viel schlimmer, zwanzig-
Jährige Pyramiden von Regentin total erfroren, Napoleon’s Butterbirn arg
mitgenommen, in der Schule ganz todt, dasselbe ist der Fall mit Harden-
pont’s Winter-, Diel’s-, Dumortier’s- und Holzfarbiger Butterbirn, Erz
herzog Ferdinand von Oesterreich, Passe Colmar, Bose’s Flaschenbirn,
Forellenbirn. Zur Veredelung gab es daher in diesem Jahre auch nicht viele
brauehbare Reiser, bei den Birnen zeigten sich nur die vom Wildling
von Motte, Weisse Herbst-Butterbirn und graue Sommer-Bergamotte als
ganz gesund, alle andern waren mehr oder weniger schwarz, von diesen
. die besten in der Noth verwendet, lassen sie bei schwachem Triebe ge-
ringe Hoffnung auf günstigen Erfolg. Pfirsiche sind der Kälte sämmtlich
erlegen, die dreijährigen bis zu den mehr als zwanzigjährigen. Die Nuss-
bäume sind bis zur Erde erfroren, an alten Bäumen jedoch nur das ein-
bis zweijährige Holz. Von den Öbstsaaten sind Aepfel und Kirschen sehr
gut, Birnen und Pflaumen dagegen schlecht aufgegangen. Nur der Wein
ist gut überwintert. Süsskirschen leiden in diesem Jahre, jedenfalls auch
in Folge des starken Frostes, in noch nie beobachtet hohem Grade am
Harzfluss, besonders an der Veredelungsstelle und an früheren Ast-
schnitten. Hierbei macht derselbe auf die alte Erfahrung wieder auf-
merksam, dass bei dem Kirschbaume jeder Gewaltschnitt am übelsten
angebracht ist, und äussert sich darüber noch wie folgend: Geht durch
Zufall oder sonst wie die obere Knospe des Wildlings verloren und
bilden sich hier oder am Stamm Seitentriebe, so müssen von den oberen
alle bis auf den stärksten, den man allein stehen lässt, so wie die Triebe
am Stamme, sobald sie so weit getrieben haben, dass man sie fassen
kann, abgekneipt, nicht aber abgebrochen oder schon vorher die Augen
ausgebrochen werden, denn sonst ist hier die Harzfluss-Stelle fertig. Ist
ein solcher Trieb übersehen worden, so schneide man ihn auf 3 bis
4 Augen zurück und alles sich an dem Stumpfe zeigende Wachsthum,
auch Blätter sind bald zu entfernen; hiermit wird der Zweck erreicht,
den Saftzufluss von dieser Stelle abzuleiten und der verbliebene Stumpf
kann dann im nächsten Frühjahr ohne Gefahr abgeschnitten werden.
Jede Verwundung ist schädlich, je grösser je mehr, und führt, wenn
auch nicht sogleich, doch sicher den Harzfluss an der verwundeten Stelle
herbei. Wildlinge, welche schon mit dem Harzfluss behaftet sind, kassirt
man am besten sogleich ohne erst daran zu operiren.
Herr Kunstgärtner Wagner hier sprach über „Ein Mittel und
dessen Anwendung zur Vertilgung der Blattläuse in der
Baumschule“ und von Herrn Baumgärtner Sonntag in Zobten ge-
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238 Jahres-Bericht
langten ausführliche Nachrichten ‚‚Ueber die Folgen des Winters 1870/71
in den Baumschulen‘ zum Vortrage.
Durch besondere Umstände veranlasst, konnte die siebente Sitzung
erst am 10. October stattfinden. Während derselben legte Herr Zimmer-
meister Boerner das Modell eines von dem hiesigen Maschinen-Fabrik-
besitzer Herrn E. Hofmann neu construirten und von diesem und ihm
selbst bereits in Anwendung gebrachten Heizkanals für Gewächshäuser
vor, erläuterte dasselbe und versicherte, dass nach den beiderseitigen
Erfahrungen mit dieser Neuerung eine ungemein bedeutende Ersparniss
des jetzt so theueren Heizmaterials neben schneller, gleichmässiger und
lange andauernder Erwärmung erreicht werde.
Der Direetor des Königlichen pomologischen Instituts zu Proskau,
Herr Stoll, zeigte den Beginn des Winter-Semesters bei dieser Anstalt
an, und Herr Apotheker Scholtz in Jutrosehin äusserte sich brieflich
_ über einige seiner Gemüseculturen und deren Erfolge, sowie über Ueber-
winterung einiger Pflanzen. Geringen Gartenraumes wegen und um
dennoch möglichst viel zu ernten, giebt Herr Scholtz der Rand- und
resp. Zwischenpflanzung bei den erwünschtesten Erfolgen den unbedingten
Vorzug und betreibt dieselbe z. B. in folgender Weise: Erdbeereultur
zweijährig; im zweiten Jahre wird schon zwischen die blühenden Erd-
beerpflanzen Sellerie ohne Rücksicht auf jene oder diese gepflanzt, Letz-
tere hat dadurch Schatten, wächst sehr gut und wenn die Erdbeeren
abgeerntet sind, werden die Pflanzen herausgenommen, für das nächste
Beet als Gründüngung benutzt und ein frisches Beet Sellerie steht da.
Ein anderes Beispiel: Gemüse auf kleinen nur 3—3'/, Fuss breiten Beeten ;
da findet sich am Rande zu beiden Seiten eine Reihe Sellerie, welche
schon zwischen Salat gepflanzt wurde, die früher am Rande stand, dann
folgt je eine Reihe Herbst-Blumenkohl und in der Mitte des Beetes eine
Reihe Salat (als Sommersalat, Vollblutforell), gepflanzt zwischen je zwei
Wurzeln der ersten Salatpflanzung. Oder, ein Beet hatte im Frühjahr
Salat, Porree, Blumenkohl, Kohlrabi und wieder Salat in Reihen, so
zeigt dasselbe später Chinesischen Herbstrettig, Endivie und zwei Reihen
Salat, von denen die eine für den Sommer, die andere für Herbst-
nutzung bestimmt ist; der Porree wird jedoch schon im Juli heraus-
genommen und ein zweitesmal mit einiger Vorsicht 1V/, Fuss tief ge-
pflanzt, auch wohl in Drainröhren gezüchtet, hierdurch werden ganz
unglaubliche Resultate erzielt, an flüssigem Dünger darf es freilich nicht
fehlen. Zugleich führte ‘Herr Scholtz an, dass seine Feigenbäume kern-
gesund von Früchten strotzen, und es ihm gelungen sei, im freiem Lande
ohne Glasdecke kräftige Stecklinge davon zwischen Kohlrabi zu erziehen,
auch habe das in diesem Jahre zum ersten Male versuchte Pineiren beim
Feigenbaume zur Zweigbildung und zum Fruchtansatz sich vorzüglich
bewährt, es sei jedoch sehr zeitig geschehen.
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 239
Herr Baumgärtner Sonntag in Zobten hatte noch einige nach-
trägliche Notizen zu seinem in der letztvergangenen Sitzung vorgetragenen
Berichte eingesendet und der Secretair erstattete einen summarischen
Bericht über die unlängst von ihm besuchten, zwar ihrem Charakter
nach durchaus verschiedenen, aber in je eigener Weise gleich gross-
artigen und prächtigen Parks und herrschaftlichen Gärten zu Slawentzitz
_ und Rauden O./S. und über die höchst interessante Cultur der Ananas
und Musa Cavendishii Hook (Pisang, Banane) mit reifen Früchten, diese
in dem Aquarium des Herrn Dr. med. Sugg an letzterem Orte. Einen
entgegensetzten Eindruck machten die Obstbaum - Pflanzungen an Wegen
in der Gegend des erstgenannten Ortes. In dem hier eben nicht milden
Klima und wenig ergiebigen Boden waren in ganz ungeeigneter Weise
eine grosse Anzahl edler Birnen und dann von Aepfeln, Sommer- und
Winterobst der verschiedensten Sorten, bunt durch einander, in wenig
sachgemäss gepflegten, oft kränkelnden oder in irgend einer Weise be-
schädigten jungen Stämmchen angepflanzt. Solche Pflanzungnn werden
ihrem Besitzer niemals rentiren. Anders dagegen wie solche öfter ander-
wärts, namentlich schon seit längeren Jahren im Braunschweigischen an-
gelegt und unterhalten werden. Dort wird auf die Anpflanzung nur
ganz gesunder Obststämmchen und darauf streng gehalten, dass diese
solchen Sorten angehören, welche dem örtlichen Klima und Boden-
beschaffenheit erfahrungsmässig angemessen sind, und dass die Anpflanzung
einer und derselben Sorte an längeren Wegestrecken geschieht. Die
günstigen Folgen hiervon sind, natürlich bei sachkennerischer Pflanzung
und Pflege der Bäume, dass durch Frostschäden oder Krankheiten noth-
wendig werdendes Ergänzen derselben seltener und nur in geringerem
Umfange zu geschehen hat, dass aber auch der Nutzungswerth ein bei
weitem erheblicherer wird, weil bei Verpachtung des Obstes derselbe
sich leichter übersehen lässt, dem Pächter aber auch geringere Be-
wachungs-Kosten erwachsen, wenn längere Strecken auf einmal abgeerntet
werden können, als wenn die Bewachung eine längere Zeit erfordert,
weil die Bäume zu verschiedenen, oft ziemlich weit aus einander liegen-
den Zeiten ihre Früchte reifen. Da, wo grössere Obstbaumpflanzungen
bestehen oder angelegt und unterhalten werden sollen, empfiehlt sich un-
zweifelhaft auch die Unterhaltung einer den Verhältnissen jener ange-
messen grossen Baumschule, in welcher jedoch hauptsächlich nur solche
Sorten heranzuziehen sind, mit deren Stämmehen in der Anpflanzung ent-
stehende Abgänge wieder ergänzt werden können. In der oben ange-
deuteten Gegend wurde keine Obstbaumschule, wohl aber auch der herr-
schaftliche Obst- und Gemüsegarten in sehr sorgsamer Pflege gefunden,
es darf also wohl angenommen werden, dass die erwähnten Wege -Be-
pflanzungen mit diesen, wenn auch in dessen Nähe, nicht denselben
Eigenthümer haben oder auch nur unter ein und derselben Obhut stehen.
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240 Jahres-Bericht
Noch gelangte zum Vortrage ein vom Obergärtner Herrn Schütz in
Wettendorf (Ungarn) eingesendeter Aufsatz: „Ueber die Cultur
des Scarlet-Pelargonium Harry Hickhofer und seine Ver-
wendung für die Teppichgärtnerei.“ i
In der am 8. November abgehaltenen achten Sitzung übergab
Herr Geheimer Medicinal-Rath Professor Dr. Göppert einen von ihm
verfassten in dem diesjährigen Bericht über die Verhandlungen der bota-
nischen Section abgedruckten Aufsatz: „Einige Bemerkungen über das
Verhalten der Vegetation im letztverflossenen Winter. Breslau, den
20. October 1871‘, und legte einen von dem Rittergntsbesitzer Herrn
Dr. Heimann auf Benkwitz ihm übersendeten Blüthenstand, der
sich auch für die Zimmereultur vortrefflich eignenden Aroidee Monstera
Lennea C. Koch (Philodendron pertusum Kih. $ B.) mit dem Bemerken
vor, dass das in neuerer Zeit durch den berühmten Reisenden
B. Seemann in Mittel Amerika entdeckte Philodendron Griffitianum Seem.,
welches grosse Aehnlichkeit mit dem bekannten Arum dracunculus L. hat,
die bis jeizt bekannt gewordene grösste Aroidee sei, da seine Blüthen-
kolben oft eine Länge von mehr als zwei Fuss erreichen.
Der erste Lehrer an der Mädchenschule zu Jüterbog, Herr Becker,
hatte zu seinem schon in unserem letzten Jahresberichte bekannt gege-
benen Mittel zur Vertilgung des dem Obstbau so überaus schädlichen
„Frostschmetterlings“ (Acidalia brumata) die folgende nachträgliche Be-
merkung eingesendet: |
„Will man sein Obst von Maden rein erhalten, so bindet man
„schon im August um den Baum die 4 Zoll breiten Brumata-Papier-
„unge, und bestreicht sie mit Brumata-Leim; die Raupen der
„Obstschabe können dann nicht hinaufkriechen, um sich in den
„Rindenrissen einzuspinnen. Ende October, oder, hat man die
„Papierringe Anfangs November zum Fange des Frostschmetterlings
„wieder bestrichen, Ende November, macht man auf dem Ringe
„einen senkrechten Schnitt und löst ihn behutsam los. Dann findet
„man an den Bäumen, besonders an grösseren Apfel- und Birnbäumen,
„wo der Ring umwickelt war, unter einem Papierfleck die jetzt ein-
„gesponnenen, röthlich weissen Raupen des Apfelwicklers (OÖbstschabe
„Lortrix pomonana), die man leicht vernichten kann. — Die Raupen
„überwintern gern unter diesen Ringen, weil sie vor Feinden und
„Kälte mehr geschützt sind. |
„Der Falter (Vorderflügel bläulich-grau, mit vielen (uerstrichen,
„am Aussenrande ein grosser, sammetschwarzer, inwendig roth ge-
„ringelter Fleck) fliegt im Juni; die kleinen Raupen bohren sich im E
„Juli in die halbwüchsigen Früchte und verursachen das Fallobst.
der Schles, Gesellsch. f. vaterl, Cultur. A
„Das ganze Jahr hindurch, oder länger die Papierringe am Baume
„sitzen zu lassen, ist daram nicht räthlich, weil die Rinde des Baumes
„durch die darunter sich sammelnde Feuchtigkeit, die nicht verdunsten
„kann, etwas leidet.‘
Vorgetragen wurde eine von dem Hofgärtner Herrn Peicker in
Rauden O./S. verfasste, ausführliche Arbeit: „Ueber die Wirkungen
der letztvergangenen beiden Winter 1869/70 und 1870/71
auf die Vegetation in den dortigen Gärten $r. Durchlaucht
des Herrn Herzogs von Ratibor.“
In der neunten und letzten diesjährigen Sitzung am 13. December
berichtete der Secretair, dass Se. Excellenz der Minister für die land-
wirthschaftlichen Angelegenheiten Herr von Selehow die Verhandlungen
aus der 17. Sitzungsperiode des Königl. Landes-Oeconomie-Collegii nebst
dem Jahresbericht über den Zustand der Landescultur in Preussen, und
der Gartenbau-Verein zu Weimar das von seinem Vorsteher, dem
Herzogl. Hofgärtner Herrn J. Hartwig verfasste, mit 8 Tafeln Abbil-
dungen versehene, werthvolle „Praktische Handbuch der Obstbaumzucht,
in 2. umgearbeiteter und vermehrter Auflage, Weimar 1871° einsendeten
und beide Werke in dem Lesezirkel in Umlauf gesetzt werden würden,
um sodann ihre Stelle in der Bibliothek zu finden.
Der Secretair ersuchte um baldige Einsendung der noch rückstän-
digen Culturberichte über die im Frühjahr dieses Jahres an die resp.
Mitglieder gratis zum Versuchsanbau vertheilten Gemüse- und Blumen-
sämereien und berichtele über einen von Herrn Professor Dr. Ferdinand
Cohn verfassten und eingesendeten, in der allgemeinen laudwirthschaft-
lichen Zeitung ‚Der Landwirth“ vom 1. December d. J., 7. Jahrgang,
Nr. 96, enthaltenen, von dem Herrn Autor in der General - Versammlung
des Breslauer landwirthschaftlichen Vereins am 21. November d. J. vor-
getragenen Aufsatz „Ueber die Vegetation der Rüben im Herbst 1871.“
Herr Kunstgärtner Streubel aus Carlowitz hielt einen Vortrag
„Ueber die Feinde der Spargelpflanze und deren Vertilgung“
und legte die patentirte, sehr zweckmässig construirte, daher empfehlens-
werthe Baumsäge des Messerschmied M. Kunde in Dresden, Rampische‘
Strasse 16, vor, welche von diesem für den niedrigen Preis von 20 Sgr.
zu beziehen ist.
Wegen der mit Schluss dieses Jahres zu Ende gehenden, wurde
für die nächste Etatszeit 1872--1873 zur Wahl der Functionaire der
Seetion geschritten und einstimmig wiedergewählt:
Kaufmann und Stadtrath E. H. Müller als Secretair,
Herr Kaufmann A. Inkermann als zweiter, resp. stellver-
tretender Secretair, |
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242 Jahres-Bericht.
ferner in die Garten-Commission.
Herr Kaufmann A. Inkermann und
Herr Stadt-, Forst- und Oeconomie-Rath Dr. Fintelmann,
sowie als Deputirter in die städtische Promenaden - Deputation:
Herr Professor Dr. Ferd. Cohn,
und nahmen dieselben die Wiederwahl an.
Während dieser Sitzungen wurden auch die eingegangenen Preis-
verzeichnisse, die Programme für die an verschiedenen Orten bevor-
stehenden Ausstellungen von Gartenprodueten und die beiden in diesem
Jahre ausgegebenen Lieferungen Nr. 36 und 37 des Obstkabinets von
Arnoldi in Gotha zur Kenntnissnahme vorgelegt und besprochen.
Mehrfach beschäftigten auch wichtigere Vorlagen über innere Angelegen-
heiten der Section. Hierher gehörten u. A. die Entgegennahme des
Generalberichts des Secretairs an das Präsidium der Schlesischen Gesell-
‘schaft, über die im Jahre 1870 von der Section gepflogenen Verhand-
lungen, dessen Berichte über die neueste Statistik und über den Garten
der Section, sowie über die im Frühjahr dieses Jahres durch ihn voll-
zogene Gratis-Vertheilung von Sämereien; ferner die Berathung
und Feststellung des durch den Secretair entworfenen Einnahme- und
Ausgabe-Etats, die Vorlagen der durch denselben geführten Nachweise
pro 1870 der Einnahmen und Ausgaben für den Garten der Section und
in specie für diese selbst, sowie der von ihm gelegten Kostenrechnung
über die so eben bezeichnete Gratis-Vertheilung. Die Dechargirung des
Rechnungslegers erfolgte, nachdem Herr Juvelier Herrmann sich der
Prüfung der ihm sammt Belägen übergebenen Rechnungen zu unterziehen
die Güte gehabt und bei denselben Monita zu stellen keine Veranlassung
gefunden hatte.
Den Herren Verfassern der vorgetragenen, in den vorstehenden
Sitzungsberichten nur ihrer Ueberschrift nach bezeichneten Aufsätze,
welche wir weiterhin zu allgemeinerer Kenntniss bringen, finden wir uns
zu lebhaftem Danke für deren Einsendung verbunden, nicht minder sind
wir aber auch denjenigen resp. Mitgliedern dankbar, welche durch
kürzere Mittkeilungen und Notizen ihren Willen zu erkennen gaben, die
Zwecke fördern zu helfen, welche von der Section mit ununterbrochen
ernstem Eifer im. Interesse, insbesondere der schlesischen Garten- und
Obsteultur angestrebt werden. Immer auf’s Neue drängt es uns jedoch
hierbei, zugleich die Bitte auszusprechen, dass dergleichen Arbeiten und
Mittheilungen auch künftig von solchen praktischen Mitgliedern einge-
sendet werden, welche in dieser Weise uns noch gar nicht oder doch
nur selten erfreuten. Dieses Ersuchen soll aber namentlich auch an die
in. neuester Zeit der Section zahlreich beigetretenen und an solche resp.
Mitglieder freundlichst gerichtet sein, welche lediglich aus Neigung, sei
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 243
es auf kleinerem Gartenraume, sei es selbst nur im Zimmer, der schönen
Flora oder der nützlichen Pomona persönlich huldigen; die Erfüllung des-
selben ist um so wünschenswerther, weil die Erfahrung lehrt, dass Beob-
achtungen, welche auf nur Weniges im engeren Kreise sich beschränken,
oft sorgfältiger angestellt werden können, als da, wo auf reichem und
weitem Feld das Interesse nur ein getheilteres und die Aufmerksamkeit
weniger auf Einzelheiten gerichtet sein kann, daher auch Mittheilungen
der Resultate von dieser Seite sowohl für die grössere Praxis, wie auch
für die Wissenschaft werthvoll sein können, jedenfalls aber nicht zu
unterschätzen sind.
Schon in unserem letzten Jahresberichte hatten wir nicht unerheb-
liche Schädigungen zu beklagen, welche der harte Winter von 1869 zu
1870 an jungen Mutterstämmen und in den Pflanzungen des Pomo-
logischen und resp. Obst-Baumschul- und Versuchsgarten
veranlassten. Dennoch durften am Schlusse des Jahres 1870 wir uns zu
der: Hoffnung berechtigt halten, dass die Section nach ihren reichen
Vorräthen von Obst-Edelstämmchen und jungen Veredelungen aller Obst-
arten, sowie von Wildlingen und Aussaaten nunmehr in der glücklichen
Lage sein werde, den nach Ersteren an sie gestellten Anforderungen
vollständiger genügen, und dadurch den bisher mit grossen Opfern einge-
richteten Garten seiner Erhaltung und wirksamen Fortführung aus dessen
eigenen Einkünften näher bringen zu können. Diese Hoffnungen hat,
wenigstens für die nächsten Jahre, der Winter 1870/71 in beklagens-
werthester Weise herabgestimmt.
Wie sehr in diesem Winter ÖObstbaum-Schulen und Pflanzungen
durch die lange andauernde ganz abnorme Kälte litten, ja, wie sogar
deren manche total erlagen, hat fast ganz Nord- und Mittel- Deutschland
erfahren müssen und auch fast sämmtliche unsere Anpflanzungen blieben
nicht verschont. Zu diesem Uebel gesellte sich aber ein speciell für
unseren Garten noch weit nachtheiliger wirkendes Unglück. Eine im
Februar 1871 eingetretene theilweise Ueberschwemmung des Gartens,
veranlasst durch Dammüberfluthung in Folge einer ganz ungewöhnlich
starken Eisversetzung mit gleichzeitigen scharfen Nachtfrösten führte im
Verein mit der vorangegangenen strengen Kälte, nach den später ange-
stellten Ermittelungen in demselben den totalen Untergang von nahezu
11,000 Stück bis sechsjähriger, mithin zum Theil schon verwendbarer
Hoch- und Formen-Edelstämmchen, einer noch grösseren Anzahl jüngerer
Veredelungen und vieler Tausende meist schon veredelungsfähiger Obst-
Wildlinge, unter diesen allein von ca. 20,000 Stück zweijähriger starker
Birnenwildlinge herbei, welcher Verlust nach der bescheidensten Taxe
in’s Gesammt auf mindestens 2000 Thlr. zu veranschlagen war. Ganz
besonders hart traf aber der durch dieses Unglück entstandene schwer zu
ersetzende Verlust von mehr als 550 Stück, seiner Zeit zur Einrichtung
16*
244 or Jahres-Bericht
des Gartens aus den besten Quellen unter sicherer Sortenbezeichnung in
Hochstämmen und -Formenbäumen bezogenen Mutterstämmen.
In Folge dieses wahrhaften Nothstandes,: und bei den durch die
Einrichtung des Gartens äusserst redueirten Geldmitteln der Section. mit
welchen die so wünschenswerthe baldige Wiederherstellung desselben
nicht zu ermöglichen gewesen wäre, fand das Präsidium der Schlesischen
Gesellschaft, auf Antrag des Secretairs sich bewogen, bei Sr. Excellenz
dem Minister für die landwirthsehaftlichen Angelegenheiten
Herrn von Selchow um eine ausserordentliche einmalige und
bei den, für die nächste Zeit einberufenen hohen Provinzial-Ständen
Schlesiens ebenfalls um eine Subvention für diese ihre Section zur
Wiederherstellung deren pomologischen Gartens und zur vollen Wieder-
aufnahme ihres in demselben auf das Landeswohl gerichteten Strebens
zu petitioniren. Hierauf wurde der Section zunächst der Vorzug zu
_ Theil, dass der Geh. Ober-Regierungs- und vortragende Rath im
Ministerium für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten Herr Heyder
persönliche Ueberzeugung von dem dieselbe betroffenen Unglück nahm,
und bald nachher auch durch den Herrn Ressort-Minister von
Selchow Excellenz ausser der bereits früher gnädigst bewilligten Sub-
vention noch die erfreuliche Ueberweisung einer ausserordentlichen Beihülfe
von 200 Thlr. erfolgte, welcher sich eine eben solche von 300 'Thlr. Seitens
Hoher Provinzialstände Schlesiens anschloss. — Dieser beiderseitigen Muni-
ficenz schuldet die Section die wärmste Dankbarkeit, welcher hiermit
Ausdruck zu geben nicht unterlassen werden soll, denn nur mit Hilfe
derselben war es möglich, noch in diesem Unglücksjahre selbst, die
beschädigten Stellen des Gartens wieder bepflanzungsfähig herzustellen,
auch noch einigen Ersatz für das Verlorene neu zu beschaffen und dessen
Bewirthschaftung einen ordnungsmässigen Fortgang zu sichern.
Der an schon verwendbaren Edelstämmehen gehabte grosse Verlust
verschuldete es hauptsächlich, dass den Anforderungen an den Garten
der Seetion auch in diesem Jahre bei weitem nicht genügt werden
konnte, was ohne denselben mindestens annähernd möglich gewesen wäre,
dennoch gewährte dessen Ertrag immerhin noch ein ziemlich günstiges
Resultat. Zwar wird für die allernächste Zeit der in das Jahr 1872
übergeführte Vermögens - Bestand der Section einige weitere ergän-
zende Anschaffungen in deren Garten zulassen, in welcher Zeit derselbe
aber in vollem Umfange den gemeinnützlichen Zwecken der Section
wieder dienstbar wird sein können, wird um so mehr ünd lediglich davon
abhängen, dass andauernd kräftige Unterstützung hierzu namentlich von
Seiten der verehrlichen Mitglieder, aber auch höheren Ortes her wohl-
wollend gewährt wird, weil in Folge des erlittenen Unglückes die Ein-
nahmen aus dem Garten während der nächsten Jahre sehr erheblich ge-
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 945
ringer, daher aus diesen die nothwendigen Ausgaben für denselben kaum
zu decken sein werden, ihm leider auch immer noch das Gärtner-Wohn-
haus fehlt, dessen Erbauung schon seit einigen Jahren als ein im höch-
sten Grade dringend nothwendiges Bedürfniss geschildert werden musste.
Wir wollen vertrauensvoll erwarten, dass das nun bald fünfund-
zwanzigjährige Bestehen der Section sie zu neuem, ferner segensreichen
Wirken kräftige und befestige, damit zugleich, so wie manche vorange-
gangene Schwierigkeit, auch die gegenwärtige in muthiger Ausdauer
glücklich überwunden werden möge.
Ueber das Zurückschneiden der Wurzeln beim Pflanzen der Obstbäume.
Von
J. Jettinger, Gärtner der Section.
Die Monatsschrift für Pomologie und praktischen Obstbau von Ober-
dieck & Lucas (1864) enthält einen Aufsatz von F. Marec’s Sohn in
Frankreich, über den kurzen Schnitt der Wurzeln bei zu pflanzenden
Bäumen. Hauptsächlich handelt dieser Artikel über ganz kurzen Schuitt
der starken und mittelstarken Wurzeln und über die gänzliche Entfernung
der Faserwurzeln. Die Resultate, welche hiermit erzielt worden sein
sollten, waren so verlockend, dass wir einen Versuch nach dieser Rich-
tung nicht unterlassen zu dürfen glaubten.
In dem darauf folgenden Frühjahr bot sich uns Gelegenheit, bei
Neupflanzung von ca. 400 Stück hochstämmigen Kirsch - Wildlingen und
2000 Stück zweijährigen pikirten Birn-Wildlingen einen derartigen Ver-
such zu machen. Die Kirschwildlinge hatten unverpackt einen Tag auf
dem Transport zugebracht, wohl auch beim Ausheben eine Zeit gelegen;
in Folge dessen waren die Faserwurzeln nicht mehr ganz lebensfähig,
Die Birnwildlinge dagegen waren kurz vor dem Pflanzen ausgehoben _
worden.
Die Wurzeln der Kirschbäume wurden je nach ihrer Stärke auf 4
bis 6 Zoll eingekürzt, beschädigte auch noch kürzer, Faser- oder Saug-
wurzeln aber gänzlich entfernt. Mit den Birnwildlingen wurde so ver-
fahren, dass die 2 bis 3 Hauptwurzeln, wie sie sich bei solchen Pflanzen
von diesem Alter vorfinden, auf 4 bis 5 Zoll eingekürzt wurden, und
die sehr zahlreich vorhandenen Faserwurzeln sämmtlich, so gut sie mit
der Scheere, deren wir uns immer zum Schnitt der Wurzeln bedienen,
zu fassen waren, entfernt. Ein kleiner Theil der Kirschwildlinge wurde
246 Jahres-Bericht
wach der gewöhnlichen Methode, mit Hauptwurzeln so lang als möglich 3
und mit Belassung der Faserwurzeln gepflanzt, an den Kronen, da es N
fertige Hochstämme waren, welche nur noch der Veredelung bedurften, ;
auch nicht geschnitten, sämmtliche Bäume aber tüchtig eingeschlemnt.
Die Birnwildlinge wurden auf °/, ihrer Länge eingekürzt. Das Resultat {
dieser Pflanzungen war zu unserer Freude ein überraschendes, und sprach $
entschieden zu Gunsten des kurzen Wurzelschnittes. Wenngleich die x
Bäume mit länger geschnittenen Wurzeln denen mit kurz geschnittenen
während des Sommers im Wachsthum gleichkamen, so trieben diese x
doch volle 8 Tage früher als jene.
Drei Jahre später — 1868 — bot sich bei Uebersiedelung aus der
früheren Obstbaumschule in den jetzigen Garten neue Gelegenheit zur
Fortsetzung gleichartiger Versuche. Der Bestand an veredelten Bäumen,
welche hierbei zur Verpflanzung kamen, betrug ungefähr 6000 Stück,
darunter 3 bis 4jährige Apfel-, Birn-, Kirsch- und Pflaumenbäume, theils
_ in Hochstamm, theils Halbhochstämme und Pyramiden. Eine Partie 3jähriger
Birnbäume, welche schon beim Pflanzen der Wildlinge dem kurzen Wurzel-
schnitt unterworfen waren, zeichnete sich durch ausnehmend schönes Wurzel-
vermögen aus. Bei dem Ausheben, dem Transport und im Einschlage
hatten die feinen Saugwurzeln mehr oder weniger gelitten und erschienen,
in dieser Ansicht durch die bereits gemachte Erfahrung bestärkt, als
ganz überflüssige Theile der Bewurzelung, auf dieselben wurde daher
beim Pflanzen kein Gewicht gelest und sie vielmehr an ihrem Enstehungs-
punkte entfernt. An den Kronen und Zweigen dieser Bäume, wurde,
soweit es Kernobst war, mit Ausnahme der beim Transport beschädigten
Zweige, gar nicht Beeiiee
Auch jetzt wurde wieder eine kleine Arash Bäume’ in Betreff des
Sehnittes in der gewöhnlichen Weise behandelt; die stärkeren Wurzeln
blieben ca. 1 Fuss lang, die schwächeren, falls sie beim Ausheben nicht
verletzt worden waren, auch noch länger, die gut erhalten gebliebenen
Faserwurzeln wurden gar nicht beschnitten und ihnen bestmöglichst die
natürliche Lage gegeben. Eingeschlemmt oder begossen konnten die
Bäume nicht werden.
Ende Mai, ungefähr 6 Wochen nach der Pflanzung, wollten wir uns
von dem Verhalten der unterirdischen Theile unserer Pfleglinge über-
zeugen; an den oberirdischen war die Thätigkeit, mit geringen Aus-
nahmen eine ziemlich gleiche. Zu diesem Zwecke wurde die Erde sorg
fältig entfernt und wo es ‘nöthig war, auch noch mit Wasser nachgeholfen,
um genaue Einsicht zu den Wurzeln zu erhalten. Das Resultat dieser
Untersuchungen war über alle Erwartung befriedigend, besonders bei den
drei- und vierjährigen Pyramiden. Die jungen Wurzeln erschienen an
den kurz geschnittenen Wurzeln fast nach deren ganzer Länge, ebenso
auch an den an den Schnittflächen sich gebildeten Wulsten und in einer
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 347
nicht geahnten Menge am Wurzelhalse. An den Bäumen mit, unter Be-
lassung der Faserwurzeln, länger geschnittener Wurzel, war die Schnitt-
fläche nur gut vernarbt, an den Hauptwurzeln erschienen nur einige
junge Wurzeln, die Faserwurzeln aber waren mit einer Menge kleiner
junger, Nadelspitzen ähnlichen Wurzeln bedeckt. Hier waren unstreitig
die Faserwurzeln, weiche wir bei dem Pflanzen dieser Bäume als unent-
behrlich erachteten, die ersten Ernährer der Pflanze.
Im zweiten Jahre nach der Pflanzung war der Unterschied am deut-
lichsten . wahrnehmbar. Die Mehrzahl der versuchsweise beschnittenen
Bäume wurden zum Verkauf ausgehoben. Diejenigen mit kurz beschnit-
tenen Wurzeln waren mit ganzen Büscheln solcher in Stärke von Y, Zoll
versehen, welche ihrer ganzen Länge nach mit feinen borstenartigen
Wurzeln besetzt waren. Die nach der alten Wurzelschnittmethode be-
handelten Bäume dagegen hatten höchstens den fünften Theil so viel
Wurzeln als jene. Dass mit dem Verhältniss der Wurzeln auch das der
Krone und Zweige im Einklange stand, bedarf wohl kaum der Erwähnung.
Weitere Versuche wurden dann noch mit ca. 200 Stück vier- nnd
fünfjährigen auf Quitte veredelten Birn-Pyramiden, Palmetten und Säulen-
pyramiden, ebenso mit ca. 400 Stück Apfel-Cordons auf Johannisholz
gemacht. Die Bäume hatten einen vierwöchentlichen Transport auszu-
halten gehabt, waren auch ziemlich trocken verpackt gewesen und von
sesunden Faserwurzeln war nichts mehr vorhanden. Nach den voraus-
segangenen Versuchen mit günstigem Erfolge war kein Bedenken, auch
an diesen Bäumen die Faserwurzeln und die Wurzelbüschel, wie sie die
Quittenunterlage bildet, gänzlich zu entfernen, auch wurden die Haupt-
wurzeln ungefähr auf die schon einige Male angedeutete Länge zurück-,
die Kronen, ausser an den beschädigten Theilen aber gar nicht geschnitten.
Die Apfelbäumchen auf Johannisholz hatten sämmtlich schlechte Wurzeln,
die alle auf 3 Zoll eingekürzt wurden. Das Wachsthum war bei allen
diesen Bäumen ein normales, Verluste waren gar keine vorgekommen
und eine Untersuchung an den Wurzeln zeigte eine reiche Entwiekelung
derselben.
Bemerkt muss noch werden, dass der Boden des Sectionsgartens,
ein bündiger, feuchter Lehm, der Wurzelbildung und überhaupt für die
Baumzucht im Allgemeinen günstig ist.
Aus dem Gesagten geht wohl überzeugend hervor, dass Bäume mit
kurz geschnittenen Wurzeln und gänzlicher Entfernung der Saugwurzeln
eben so gut, wenn nicht sogar besser gedeihen als solche mit lang ge-
schnittenen Wurzeln unter Belassung der Faserwurzeln. Ueberhaupt
haben die Faserwurzeln und Wurzelbüschel nur eine beschränkte Dauer
und sind nach einigen Jahren ganz verschwunden.
Es wäre thöricht und könnte verderblich werden, wollte man die
Lehre: ‚je kürzer man die Wurzel schneidet, desto mehr junge Wurzeln
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248 ' Jahres-Bericht
werden erzielt,“ ohne Weiteres verbreiten; vielmehr wird es Sache er-
fahrener und verständiger Praktiker sein, dieses Verfahren weiter prüfend
zu verfolgen, denn je nach der Baumart, und selbst nach dem Alter des
Baumes, wird der Schnitt der Wurzeln Modifieationen unterworfen sein
müssen. Vortheile verschiedener Art werden sich beim Wurzelschnitt
unzweifelhaft herausstellen. Recht zahlreiche und vorsichtige Versuche,
zu denen wir aufmuntern möchten, können in dieser Sache entscheiden.
Das Pflanzen der Obstwildlinge in den Obstbaumschulen.
Von
.J. Jettinger, Gärtner der Section.
Fast in jeder Baumschule ist das Pflanzen der Wildlinge vom
Saatbeet in die Edelschule verschiedener Art. Hier zieht man Gräben
in der für die Wildlinge nöthigen Tiefe und Entfernung, dort wird für
jeden Einzelnen derselben in der Entfernung, in welcher man zu pflanzen
wünscht, ein Loch gemacht, und wieder anderwärts wird wohl auch blos
eine Oeffnung in die Erde gemacht, wie sie eben der in dieselbe ein-
gesteckte Spaten grade ergiebt, in diese Oeffnung der Wildling hinein-
gezwängt und diese nachher zugetreten. Letztere Methode ist die ver-
werflichste, die andere aber, besonders bei Massenpflanzungen, sehr‘
zeitraubend.
Unstreitrig hat das Pflanzen, wie es in den Baumschulen in Frank-
reich, mit Anwendung einer langen, schmalen Hacke — nebenbei gesagt,
vertritt dieses Geräth dort in vielen Fällen die Stelle unseres Spatens —
ausgeführt wird, grosse Vortheile. Ein geübter Arbeiter ist im Stande,
mit dem Gebrauch einer solchen Hacke grosse Massen in verhältniss-
mässig kurzer Zeit zu pflanzen. Allein es kann nun einmal nicht Jeder
das Glück haben, seine praktischen Kenntnisse in der Obstbaumzucht in
Frankreich auszubilden, und auch nicht jeder Arbeiter hat das Geschick,
mit dem genannten Geräth vortheilhaft zu handtiren.
Die bedeutende Anzahl alljährlich in dem Garten der Section in die
Edelschule auszupflanzender Wildlinge veranlasste nich zum Nachdenken,
eine Methode ausfindig zu machen, welche den Spaten beim Pflanzen
gänzlich entbehrlich macht. Abgesehen von der Schnelligkeit, mit wel-
cher die Arbeit ausgeführt werden sollte, war es auch. zugleich mein
Bestreben, eine gewisse regelmässige Ordnung in die zu bepflanzende
Fläche zu bringen. Bei dem Pflanzen mit dem Spaten ist dies nur unter
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grossem Zeitaufwand möglich, weil die Erde aus den aufgeworfenen
Gräben, oder aus den Pflanzlöchern immer hindernd im Wege ist.
Die von mir angenommene Methode besteht einfach darin, dass ich
statt dem Spaten das Pflanzholz anwende. Im Jahre 1867 machte ich
bei Auspflanzung von ca. 14,000 Stück Wildlingen, darunter einjährige
Kirschen-, Pflaumen- und mehrjährige Apfel- und Birn-Wildlingen den
ersten Versuch mit derselben, er gelang vollständig und mit günstigem
Erfolge so, dass ich seitdem gern dabei verblieb. Es wird vielleicht
Mauchem etwas sonderbar erscheinen wollen, Obstpfianzen mit dem
Pflanzholz zu pflanzen, besonders wenn man dabei das Wurzelgebilde
2. B. von drei- und vierjährigen Apfel- und recht kräftigen einjährigen
Kirsch- Wildlingen, welches bei Letzteren in manchen Bodenarten recht
sparrig wird, sich vergegenwärtigt. Bei einjährigen Wildlingen dürften
sich überhaupt wohl nur seltener für diese Pflanzmethode Schwierigkeiten
finden lassen, bei mehrjährigen dagegen möchte es aber doch Manchem
so scheinen, als wenn solche vorhanden wären. Bevor ich mich jedoch
über die Vortheile meiner Pflanzmethode äussere, mag noch in Kürze
des Schnittes der Wurzeln der zu pflanzenden Wildlinge Erwähnung
‚geschehen.
Mehrjährige Versuche und Erfahrung haben mir gelehrt, dass das
gänzliche Entfernen aller Seiten- und Faserwurzeln an den jungen Baum-
pflanzen nicht im geringsten deren weiteres Wachsthum stört, demgemäss
behandle ieh dieselben auch so. Die Wurzeln werden an der ganzen
Länge der auf 38 bis 10 Zoll eingekürzten Hauptwurzel und des Wurzel-
halses so dicht weggeschnitten, als dies mit einer guten Scheere möglich ist.
Von den Zweigen und der Krone wird je nach ihrer Stärke !/, bis die
Hälfte weggenommen; nur einjährige Kirschwildlinge werden beim Pflanzen
an ihrem Triebe gar nicht geschnitten, denn ist der Sommer günstig, so
erhält man aus der Gipfelknospe einen prächtigen Trieb. Sollte diese
aber dennoch durch Blattläuse leiden, so holt ein Rückschnitt bis hand-
hoch über der Erde das Versäumte im nächsten Sommer wieder nach
und werden die Triebe im guten Boden nicht selten 5 bis 6 Fuss hoch.
Bei meinem ersten Versuch mit dem Pflanzholz bediente ich mich
einer Schnur, an welcher auf je 11/, Fuss Entfernung ein Zeichen ange- _
heftet war, dies sollte die Entfernung der Bäume in der Linie sein.
Anfangs ging dies recht gut, aber schon nach kurzer Zeit passten die
Linien nieht mehr genau nach allen Richtungen hin. Der Grund hierzu
lag wohl hauptsächlich in der Einwirkung der Feuchtigkeit auf die Schnur,
vielleicht aber auch darin, dass nach einer gewissen Arbeitszeit dieselbe
- nicht mehr so straff sich anziehen liess, als bei Beginn der Arbeit. Um
diesem Uebelstande abzuhelfen, wurde in der Drathwaaren- Fabrik des
Herrn Algoever hier eine 100 Fuss lange, einer Messkette ähnliche Kette
aus sehr starkem Eisendrath angefertigt; deren einzelne Glieder sind
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250 Jahres-Bericht
durch kleine Ringe von gleich starkem Drath mit einander verbunden und
ınessen von der Mitte des einen Verbindungsringes bis zur Mitte des
andern genau 1Y, Fuss. An beiden Enden der Kette sind grössere
Ringe angebracht, welche man leicht mit der Hand. durchgreifen kann,
und so zum Weitertransport der Kette beim Pflanzen dienen. Diese
Kette wird, wenn gepflanzt wird, dicht neben die Schnur angelegt,
welche die Fluchtlinie angiebtt. Wenn hier noch wieder von einer
Schnur die Rede ist, so muss bemerkt werden, dass dieselbe, um eine
gerade Linie zu erhalten, absolut nothwendig ist, weil die Kette vermöge
ihrer Länge und daraus sich ergebenden Schwere, streng linear zu legen
unmöglich ist. Um ganz genau hierbei zu verfahren, ist es nothwendig,
vor Beginn der Bepflanzung eines Schlages eine zweite Schnur an dem
einem Ende desselben recht straff anzuspannen, welche so lange unbe-
rührt bleibt, bis der ganze Schlag bepflanzt ist. Auf diese Schnur kommt
bei Beginn einer neuen Reihe jedesmal derselbe Punkt der Drathkette zu
liegen, wie bei der vorhergegangenen Reihe; die kleinen Verbindungsringe
geben hierzu den Anhaltspunkt. Ist nun die Schnur gespannt und liegt
die Kette wagerecht daneben, so theilen 2 Arbeiter die Wildlinge auf
der ganzen Linie so aus, dass auf jedes Kettenglied einer zu liegen
kommt. Die übrigen Arbeiter pflanzen inzwischen an jedem Punkte, wo
sich die Kettenglieder fassen, je einen Wildling mit dem Pflanznolz und
treten denselben noch mit dem Fusse fest. Vortheilhaft ist es, von links
nach rechts zu pflanzen.
Tief gelockertes und gut gegrabenes Land ist bei dieser Pflanz-
methode ein wesentliches Erforderniss, um mit dem Pflanzholz leicht in
jede benöthigte Tiefe gelangen zu können. Hat man es mit einer
schweren Bodenart zu thun, so ist die Bestellung, d. h.. das Umgıaben
derselben im Herbst nicht nur rathsam, sondern auch nothwendig. Ge-
hörig durch den Winterfrost zersetzt, wird dann das Pflanzen auf die
angegebene Weise sich auch leicht machen lassen. Pflanzt man früh
genug, sobald das Land einigermassen von der Winterfeuchtigkeit abge-
trocknet ist, so wird ein Begiessen oder Einschlämmen der Pflänzlinge
nicht nothwendig und ihr Gedeihen ein gesichertes sein.
Einiges zur Cultur der Tetragonia expansa L. (Neuseeländischer Spinat).
Von
Kunstgärtner Grunert in Gross-Paniow.
Diese werthvolle Spinat-Art wird in vielen Gartenbüchern und Zeit-
schriften empfohlen, auch ihre Cultur eingehend mitgetheilt, mit allem
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 351
Recht verdient aber auch die Pflanze diesen Vorzug, denn wenn kein
anderer Spinat in heissen Tagen gedeihen will, so ist es dieser, je heisser
der Sommer ist, je üppiger wächst derselbe, wenn ihm nur irgend gut
sedüngtes Land gegeben wurde und recht viele Feuchtigkeit zuge-
führt wird. R
Im Allgemeinen geschieht die Anzucht der Pflanzen des Neusee-
ländischen Spinats im Warmbeet, von wo sie dann, stark genug, im Mai,
wenn keine Nachtfröste mehr zu fürchten sind, ausgepflanzt werden.
Mein Culturverfahren ist ein hiervon und in mancher anderen Beziehung
abweichendes. Im Herbst, so spät als möglich, November oder December,
‚riehte ich mir in recht gutem Boden und in geschützter Lage des Gar-
tens ein Beet in beliebiger Länge her, ziehe auf demselben drei 2 Zoll
tiefe Furehen und lege den Samen hinein, bedecke ihn mit derselben
Erde und dann das ganze Beet 3 Zoll hoch mit kurzem Dünger. In
diesem Zustande bleibt das Beet, je nach der Witterung, bis Mitte oder
Ende April liegen, wo dann der Dünger entfernt und das Beet auf-
gelockert wird. Im Mai, wenn die Erde schon von der Sonne gehörig
durchwärmt ist, laufen die Pflanzen schön auf und werden, wenn sie
gehörig erstarkt sind, da, wo sie zu dicht stehen, durchzogen und erfor-
lichen Falls weiter verpflanzt. Früher, als zu der oben angegebenen
Zeit ausgesäet, keimt der Same zu zeitig, und die jungen Pflanzen gehen
im Frühjahr dann zu Grunde. Sollten noch späte Nachtfröste zu be-
fürchten sein, so ist es rathsam, die jungen Pflanzen durch Stroh oder
Decken zu schützen.
Dieses neue Culturverfahren wende ich mit bestem Erfolge schon
seit Jahren an, und habe dabei noch den Vortheil, nicht erst die müh-
same Anzucht im Mistbeet vornehmen zu dürfen und die dafür nöthigen
Fenster zu Besserem verwenden zu können. Viele Pflanzen gehen erst
noch im Juni auf, diese gehörig erstarkt, sind, wenn man sie nicht
weiter braucht, mit der Wurzel ausgezogen, in der Küche ebenfalls gut
verwendbar.
Obstbauliches.
Von
G. Stoll, Director des Königl. Pomologischen Instituts in Proskau.
Dass Schlesien, mit einigen Ausnahmen, bisher in der Cultur des Obst-
baumes noch weit zurück war, da von keiner Seite etwas durchgreifendes
unternommen wurde, ist genugsam bekannt. Nunmehr jedoch steht die
recht erfreuliche Thatsache fest, dass hierin eine ernste Wendung zum
Guten eingetreten ist. Wie überhaupt im Allgemeinen in Preussen, so
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252 Jahres-Bericht
ist namentlich ganz besonders in unserer. Provinz das Interesse für den
Anbau und die richtige Pflege des Obstbaumes lebhaft wach gerufen
worden, seitdem die Königliche Staats-Regierung diesem wichtigen Zweige
der Landeskultur ihre warme Fürsorge angedeihen lässt und zunächst
durch Gründung des pomologischen Instituts in Proskau eine Centralstelle
geschaffen hat, von der aus nach allen Richtungen Rath, Belehrung und
Unterstützung in der Obsteultur ertheilt wird.
Sowohl Behörden und Vereine, als auch der grosse und kleine
Grundbesitzer werden mit Erfolg darauf hingewiesen, wie verschwenderisch
sie handelten und welch grosser Nutzen ihnen dadurch entgangen ist,
dass sie Wege, Triften, Gehöfte ete. nur mit ertragarmen Bäumen be-
pflanzten oder gar leer stehen liessen, anstatt jeden geeigneten Platz
dazu zu verwenden, soviel als möglich Obstbäume anzupflanzen, deren
nationalökonomische Dankbarkeit ja, Jedermann einleuchten muss.
Eines der Haupterfordernisse für das Gedeihen und die Ergiebigkeit
des Obstbaues ist selbstverständlich die Wahl solcher Sorten, die den
gegebenen climatischen und Boden - Verhältnissen zusagen und deren
Tragfähigkeit und Güte erprobt sind. Was nun diese letztere Eigen-
schaft anbelangt, so geben pomologische Handbücher die gewünschte
Belehrung; auch hat der deutsche Pomologen-Verein gute Obstsorten
zum Anbau in unserem Vaterlande empfohlen. Es soll demnach nicht
Zweck dieser Zeilen sein, ein ähnliches, entsprechend erweitertes Ver-
zeichniss aufzustellen, es sollen vielmehr mit ganz besonderer Rücksicht-
nahme auf Oberschlesien einige, meist bekannte Obstsorten hervorgehoben
werden, deren Anpflanzung in dieser Gegend als von dem günstigsten
Resultat begleitet sich durchaus bewährt hat.
Das mit Schätzen unter der Erde so reich gesegnete Oberschlesien
erfreut sich bekanntlich, abgesehen von der durchschnittlich geringeren
Bodenbeschaffenheit, in Folge seiner hohen und unzuträglichen Lage
keiner besonders günstigen klimatischen Verhältnisse. Der Frühling tritt hier
vicht nur um 14 Tage später ein, als in dem übrigen Schlesien, sondern
zeigt sich auch keineswegs so frühlingsmässig, als man dem Breitengrade
nach, unter dem Oberschlesien gelegen ist, anzunehmen berechtigt wäre;
hingegen nimmt der Herbst in Oberschlesien grösstentheils einen um so
milderen, angenehmeren Verlauf, als in Niederschlesien. Da es nun
natürlich ist, dass solche Obst - Sorten, die schon unter weniger gün-
stigen Verhältnissen gut gedeihen, in besseren Lagen innerhalb unseres
Vaterlandes eher vortheilhaft sich entwickeln, sofern nicht gerade einige
auf besonderen Ursachen beruhende, seltene Ausnahmen zu constaliren sind,
so dürfte die nachstehende Aufstellung im weiteren Umfange zur Richtsehnur
dienen, und gewiss dadurch wesentlich an Werth und Interesse gewinnen,
dass nur solche Sorten verzeichnet sind, die den aussergewöhnlich strengen,
letztverflossenen Minten ohne Nachtheil überstanden haben.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 353
An dieser Stelle sei es gestattet, über die Einwirkungen des selten
heftigen Frostes auf die Obstbäume während des gedachten Winters
Einiges im Allgemeinen kurz zu bemerken.
Das Thermometer war mehrere Male bis auf — 27° R. herab-
gesunken. Alle Hoffnung auf eine nur einigermassen ergiebige nächste
Obsternte war geschwunden; denn die Knospen fast sämmtlicher Obst-
bäume, allenfalls Aepfel und die Hauszwetsche (ungarische Pflaume) aus-
genommen, zeigten sich beim Zertheilen ganz braun und schienen zerstört;
auch das junge Holz der Birn- und Süsskirschbäume war braun, zum
mindesten wies es braune Markstrahlen auf; ja selbst älteres Holz der
letzteren Sorten zeigte sich vielfach vom Froste mitgenommen. Nach
diesen Beobachtungen muss es fast Wunder nehmen, — und zwar um
so mehr, als die Knospen sogar zu der Zeit, als ihre Achsen sich schon
streckten, sehr angegriffen erschienen, — dass dennoch das Ergebniss
der diesjährigen Obsternte in Aepfeln, Birnen, Kirschen und Pflaumen
ein gutes, reichliches war. Das der heftigen Winterkälte folgende feuchte,
mässig milde Frühlingswetter übte auf die erkrankten Bäume einen so
wohlthätigen Einfluss, dass die meisten Schäden ausgeglichen wurden
und die weitere Entwickelung kräftig fortschritt. Nur Pfirsich und Apri-
kosen, die überhaupt zarter sind, machten eine Ausnahme. Diese trugen
selbst in den geschütztesten Lagen sehr spärlich, wenngleich der Frucht-
ansatz mitunter kein geringer war. Ein Theil der Früchte fiel bald nach
dem Verblühen ab, ein auderer erreichte die Grösse von Wallnüssen,
und nur einzelne Exemplare erhielten sich bis zum Reifwerden; aber
auch diese gelangten nicht bis zur normalen Ausbildung, sondern blieben
hinsichtlich der Grösse und Güte merklich zurück. Bei Pfirsich und
Aprikosen hatte der Frost so tief gegriffen, dass die jüngeren Gefäss-
bündel in ihren Functionen gehindert waren und der Nahrungssaft ‘den
Früchten nicht in genügendem Masse zuströmen konnte.
Verzeichniss der näher gedachten Obstsorten.
I. Aepfel:
1) Rother Herbst-Calvill trug in diesem Jahre in allen Lagen, in
Gärten, auf Triften und an Strassen sehr gut und reichlich.
2) Gestreifter Herbst-Calvill, eine sehr schätzbare Frucht.
3) Danziger Kantapfel, hier Prinzipaler genannt, einer der belieb-
testen und am meisten verbreiteten Aepfel; er trägt fast alle Jahre
und giebt Früchte von grosser Schönheit und vorzüglicher Güte.
Auch in diesem Jahre gab er eine volle Ernte.
4) Virginischer Sommer-Rosenapfel, einer der besten Sommer-
äpfel.
5) Weisser Astrakan, hier Augustapfel genannt.
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Jahres-Bericht
Purpurrothe Cousinot- Büschelreinette, hier rothe Reinette,
auch Weihnachtsapfel genannt; letztere Bezeichnung, weil dieser
Apfel ganz besonders zum Aufputzen des Weihnachtsbaumes dient.
Für hiesige Verhältnisse eine der vorzüglichsten Marktfrüchte. Der
Baum trägt fast alle Jahre in den verschiedensten Lagen und
Bodenarten. viel
Böhmischer Jungfernapfel, der gewöhnlich 1 bis 2 Jahre
ruht, war in diesem Jahre dergestalt mit Früchten überladen, dass
die Bäume gestützt werden mussten.
Rother-Winter-Traubenapfel, trug ganz besonders reichlich.
Englischer Agatapfel, war mit Früchten überladen.
Alant, Grosser, edler Prinzessinapfel.
Geflammter weisser Cardinal, hier Pleissner Rambour genannt,
ist in Oberschlesien massenhaft verbreitet, und war, wie fast stels,
auch in diesem Jahre ein sehr williger Träger.
Goldgelbe Sommer-Reinette, hier Citronenapfel genannt.
Winter-Goldparmäne, gedeiht ganz vortrefflich und ist als hoch-
schätzbare Frucht allgemein anerkannt.
Edler Winterborsdorfer; wenn auch, wie ja im Allgeineineu
kein besonders williger Träger, war doch in diesem Jahre vielfach
mit Früchten behangen. | |
Champagner-Reinette, hier wälscher Weinling genannt, eine
sehr schätzbare, besonders haltbare Frucht.
Weisser Winter-Taffetapfel ist sehr verbreitet und von
ausserordentlich grosser Tragkraft.
Il. Birnen.
Weisse Herbst-Butterbirne, namentlich in guten Lagen be-
sonders werthvoll. |
Liegel’s Winter-Butterbirne, seit ca. 15 Jahren erst hier ein-
geführt, bewährt sich aber sehr gut.
Napoleon’s Butterbirne, von höchster Tragkraft.
Grumkower Butterbirne, hier Pommersche genannt, eine ganz un-
gemein schätzenswerthe Frucht, die in den allermeisten Gärten Ober-
schlesiens anzutreffen ist.. Klima und Boden dieser Gegend sagen ihr
ganz besonders zu, so dass nirgends durchnittlich so grosse, schöne
Früchte anzutreffen ‚sein dürften als hier. (Früchte von 5” Länge und
3 Y,“ Breite sind hier gar nicht selten.) Die vom Rhein, aus Sachsen
und Dessau erhaltenen standen auch hinsichtlich der Güte den hie-
sigen wesentlich nach. Proskau besitzt eine nicht unbedeutende
Anzahl dieser Birnbäume, die trotz ihres Alters von 70—80 Jahren 4
noch kerngesund sind. Die Grumkower gedeiht selbst in ganz
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 955
freien, offenen Lagen vortrefflich und verdient die allgemeinste
Verbreitung.
5) Grüne Tafelbirne, entschieden eine der kostbarsten zeitigen
Sommerfrüchte, die noch weit mehr verbreitet ist, als
6) Punktirter Sommerdorn, der aber auch gar nicht selten anzu-
treffen ist und reichlich und gut trägt.
7) Bosk’s Flaschenbirne, namentlich in geschützten Lagen recht
tragbar.
8) Salzburger Birne, hier Sommer-, auch Zwiebelbergamotte ge-
nannt, in Oberschlesien vielleicht noch mehr, als die Grumkower
verbreitet, ist eine ungemein willig tragende geschätzte Sommerbirne.
9) Sehlesische Honigbirne (im pomologischen Handbuche noch
nicht beschrieben), eine kostbare Wirthschafts-, namentlich Backbirne.
10) Die Flachsbirne (im pomologischen Handbuche noch nicht be-
schrieben), sonst nur wenig bekannt, in Oberschlesien jedoch eine
sehr verbreitete, köstliche Sommerbirne. Die Frucht ist der kleinen
Blankette nicht unähnlich, aber länger, etwas grösser und von mehr
gelber Farbe. Das Fleisch ist abknackend, bei völliger Reife halb
schmelzend, von süssem, muskirten, sehr angenehmen Geschmack.
Der Baum wird sehr gross, baut sich schön pyramidal und liefert
fast alle Jahre höchst reichlich Früchte.
11) Die Liebesbirne, eine hier sehr verbreitete Wirthschaftsbirne.
III. Kirschen.
Alle die nachbenannten Sorten werden in Oberschlesien besonders
eultivirt und liefern sämmtlich guten bis ausgezeichneten Ertrag.
1) Frühe Mai-Herzkirsche, 2) Werder’sche frühe Herzkirsche, 3) frühe
bunte Herzkirsche, 4) Gelbe Herzkirsche, 5) Purpurrothe Kuorpelkirsche,
6) Grosse schwarze Knorpelkirsche, 7) Gubener Bernsteinkirsche, 8) Weisse
Spanische, 9) Rothe Maikirsche, 10) Spanische Glaskirsche, 11) Kirsche
von der Natte, 12) September-Weichsel.
IV. Pflaumen.
Dieses Obst ist nur in wenigen Sorten angebaut, am häufigsten:
1) Die Hauszwetsche (ungarische Pflaume), 2) die Reineclaude, 3) die
gelbe Mirabelle; alle drei, vorzugsweise die erste, sind allgemein ver-
breitet, und haben auch im letzten Sommer reiche Ernten geliefert.
. Ganz offenbar giebt es noch eine Menge Obstsorten, die in Ober-
schlesien mit günstigem Erfolge ceultivirt werden können. Das pomo-
logische Institut in Proskau ist nach dieser Richtung hin nach Kräften
thätig und wird s. Z. nieht ermangeln, die auf Grund eigener Versuche
und Beobachtungen erzielten Resultate zur weiteren Verbreitung gelangen
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256 Jahres-Bericht
zu lassen. Es sei hiermit ausdrücklich eonstatirt, dass in der obigen Auf-
stellung nur solehe Sorten verzeichnet sind, die in dem klimatisch etwas
stiefmütterlich bedachten Oberschlesien nicht nur allgemeine Anerkennung
gefunden, sondern auch — selbst unter so überaus ungünstigen Verhält-
nissen, wie während des letzten Winters — sich so bewährt haben, dass
sie zur allgemeinsten Verbreitung empfohlen werden können.
Fürst Pückler. - Muskau auf dem Gebiet der Blumengärtnerei mit beson-
derer Berücksichtigung von Schloss: Branitz.
Von
Kunst- und Handels-Gärtner W. Kühnau in Breslau.
Es ist eine längst bekannte und bis zum Ueberfluss erörterte That-
sache, dass der berühmte Fürst Pückler-Muskau durch die Schöpfungen
der majestätischen Parks von Muskau und Branitz Meisterwerke so muster-
siltiger Art hingestellt hat, dass dieselben epochemachend auf den Ge-
schmack in der Gartenkunst einwirkten. Es liegt nahe, dass ein der-
artiges Genie, welches das Feld seines Wirkens nach allen Riehtungen
so recht bis in die Details beherrschte, einen für die Aussckmückung
seiner Schöpfungen so wichtigen Zweig wie die Blumengärtnerei ist
wohl gewürdigt, und ihm seine volle Aufmerksamkeit zugewendet habe.
Deshalb dürfte es auch von um so grösserem Interesse sein, den Ge-
schmack und den Gesichtspunkt, von denen der Fürst bei der Aus-
schmückung seiner Blumengärten ausging, kennen zu lernen, als meines
Wissens über dieses Thema noch nichts Näheres bekannt geworden ist.
In den Jahren 13856 bis 1858 habe ich die Ehre gehabt, die Stelle eines
Blumengärtners des Fürsten zu bekleiden, und da derselbe seine Befehle
und Wünsche in Betreff des Pleasure - ground in täglichen Audienzen
zwischen 12 und 1 Uhr mir aussprach, so habe ich hinreichend Gelegen-
heit gehabt, mir ein kleines Bild der Anschauungen des berühmten Herrn
in meinem damaligen Wirkungskreise zu verschaffen, welches ich hier,
freilich nur in seinen Hauptzügen, zu skizziren mir erlaube.
Der Blumengärtnerei und der Ausschmückung durch Pflanzen ist in
Branitz, ebenso wie in Muskau ein ganz bestimmter Bezirk angewiesen,
welcher rund um das Schloss herum liegt, und vom Fürsten nach eng-
lischer Art, Pleasure-ground genannt wird. Dieser Pleasure-ground ist
vom eigentlichen Parke durch ein feines, rasengrün angestrichenes Drath- ’
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 357
gitter abgegrenzt. Wo die Wege nach dem Park führen, sind feine,
verschliessbare Draththore angebracht, welche den Begriff der „ausge-
dehnteren Wohnung“ andeuten, den der Fürst mit den Worten
Pleasure-ground verbindet. Park und Pleasure-ground gehen aber in
einander über und sind durch anschliessende Pflanzungen verbunden;
aber während der Park ganz den Charakter der Naturwüchsigkeit trägt
und einheimische Gehölze, oder von ausländischen nur ganz allgemein
eingebürgerte beherbergt, von Blumen höchstens wilde zeigt, während
seine Rasenflächen ganz wie Wiesen behandelt und die Wege nur noth-
dürftig im Allgemeinen rein gehalten werden, — herrscht im Pleasure-
ground die äusserste Sauberkeit, die Wege sind mit feinem gelben Sande
bestrent, nirgends vom kleinsten Unkrautpflänzchen unterbrochen, die
Rasenplätze werden durch fast alle vierzehn Tage wiederholtes Abmähen
kurz und sammetartig fein gehalten, feine, schön blühende oder sonst
ausgezeichnete, ausländische Gehölze sind theils einzeln, theils gruppen-
weise, theils zu Pflanzungen vereinigt, vertheilt und in ununterbrochener
Reihe sind den ganzen Sommer hindurch die in reichlicher Anzahl vor-
handenen Blumenbeete mit blühenden Pflanzen geschmückt.
Eine Idee, welche der Fürst mit besonderer Vorliebe verfolgte, war
es, diese im Pleasure-ground vorhandenen Blumenbeete, Rabatten u. s. w.
nach einem bestimmten Plane den ganzen Sommer hindurch zu bepflan-
zen, der jährlich zu befolgen sein sollte, und im Winter 1856/57 hat er
sich mit der Aufstellung eines solchen beschäftist. Meine in den täg-
lichen Audienzen ihm gemachten Vorschläge für die Bepflanzung jedes
einzelnen Beetes wurden sehr speciell censirt, wobei der Fürst eine
ziemlich umfassende Pflanzenkenntniss zeigte, welche ihn unter den vor-
geschlagenen Pflanzen eine sichere und gute Wahl treffen liess. Die
Botanik ganz bei Seite lassend, interessirte ihn zumeist immer die Farbe,
und erst in zweiter Linie die Form und Haltung der Blumen, und die
Präeision, mit welcher er sich die einzelnen Farbentöne vorstellte, haben
mich oft in Erstaunen gesetzt. Das Resultat dieser Arbeiten war ein
vollständiger, leicht ausführbarer Bepflanzungsplan für den ganzen Pleasur-
ground. Derselbe scheint aber später nicht befolgt worden zu sein.
Ueber das, was der Fürst im Pleasur-ground zu sehen und erreicht
zu haben wünschte, sprach derselbe sich sehr klar aus; im Uebrigen
aber bekümmerte er sich gar nicht um die Mittel und Wege, auf: denen ich
meine Ziele zu erreichen strebte und erreichte. \Venn ich säete, pflanzte,
wenn und wie ich die Vermehrungsgeschäfte besorgte und mir die zur
Erreichung des gewünschten Effeetes erforderlichen Pflanzen verschaffte;
das Alles war ihm vollkommen gleichgültig. Er verlangte aber, dass
das, was geleistet wurde, in vollendeter Weise geschah, und schnitt den
Einwand, dass dies oder jenes sich noch besser entwickeln würde, kurz
| 17
258 Jahres-B ericht
mit den Worten ab: „ich glaube Ihnen gern, dass dies schön wird,
aber ich wünsche, dass es schön ist.“
Die Zeit, von welcher an der Pleasur-ground in Blüthe sein musste,
war auf Mitte Mai angesetzt. Dieser Termin war ziemlich spät bemessen.
Hierin lag eine Eigenthümlichkeit des sonst so strengen Fürsten. Denn
nachdem der kahle, blumenlose Winter vorüber ist, sehen doch die
meisten Menschen die ersten Frühlingsblumen mit doppeltem Vergnügen.
Der Fürst sah wohl auch vor dem genannten Termine blühende Blumen
im Pleasur-ground gern, aber er machte keine Ansprüche darauf. Sollte
er Freude an seinem Pleasur-ground haben, so musste derselbe an allen
Orten gleichmässig fertig sein, kein Blumenbeet durfte leer, die Topf-
und Kübelpflanzen aus den Gewächshäusern inussten aufgestellt, die
vielen Vasen ausgeputzt, Gebüsche, Wege und Rasenplätze vollkommen
sauber sein, und da alles dieses, namentlich das Ansräumen der Topf-
pflanzen aus den Gewächshäusern an ihre Sommerplätze, nicht vor Mitte
Mai zu bewerkstelligen war, so überliess er die Frühlingszeit bis dahin
seinem Blumengärtner gleiehsam als eine Vorbereitungszeit, während
deren er sich auf äusserste Sauberkeit im Pleasur-ground beschränkte;
daun aber, von Mitte Mai an, mussten die Blumenbeete fortwährend in
Blüthe erhalten werden, bis im Herbste die Fröste ein Ende machten.
Einen besonderen Werth legte der Fürst auf einen gut unterhaltenen
Blumenflor in den Monaten September und October und auch für den
Fall eines langen Herbstes musste für einen genügenden Vorrath von
Ersatzpflanzen gesorgt sein. Der Fürst sagte oft, dass diese beiden
Monate ihm die liebsten im ganzen Jahre wären.
Um die Zusammenstellung der Farben auf den Blumenbeeten kümmerte
der Fürst sich ganz speciell, und verlangte er in der ersten Zeit meiner An-
stellung genauen Bericht, welche Blumen ich auf bestimmte Beete zu pflan-
zen gedächte, ehe ich sie bepflanzen durfte, welche Examina mir freilich
bald erlassen wurden. Die Blumenbeete wurden zum grossen Theil ring-
förmig bepflanzt, mit 2 bis 4 verschiedenen Pflanzenarten, deren Farben
sich allerdings gut vereinigen mussten. Hierbei kam allerdings sehr zu
Statten, dass die Farben der Blumen so rein sind, dass bei einem einiger-
nassen geschmackvollen Arrangement eine Farben-Disharmonie nicht
möglich ist. Bei solehen Beeten, die weiter von den Fenstern des
Schlosses entfernt lagen, liebte der Fürst grelle Contraste, wie dunkel-
blau oder ultramarinblau mit orange, weiss und scharlachroth oder
schwarz, roth u. s. w. wie Delphinium chinense und Sedum Aizoon, Tagetes
erecta mit dunkellila Astern, Perilla Nankinensis mit weissen Petunien ete,
Doch wurden auch viele Beete einfarbig bepflanzt, wie die Rabatten auf
der Terrasse mit scharlachrothen Pelargonien; für einfarbige Bepflanzung
mit blauen Blumen, welche Farbe der Fürst besonders liebte, war das
„Venusbeet“ das grösste, aus 20 kleinen Beeten bestehende Blumenstück
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 359
im Pleasur-ground, mitten auf dem Rasenplatz zwischen Schloss und
Veranda, und der „‚Ring um Nimm’s (eines Lieblingshundes) Grab“ be-
stimmt. Einige Schwierigkeit bot die Bepflanzung des „Kronenbeetes “
eines arabeskenartigen Blumenstückes auf der Hinterfront des Schlosses,
für welches die Farben goldgelb, blau, lila und rosa gegeben waren.
Die Bepflanzung der Krone, der Hauptfigur dieses Beetes, mit dem wild-
wachsenden Sedum sexangulare, im Monat Juli, machte einen brillanten Effect.
Alle diese Bepflanzungen wurden natürlich in der Weise ausgeführt, dass
immer zu jeder Zeit, wo die Pflanzen eines Beetes zu verblühen begannen,
schon ein entsprechender Vorrath anderer blühender Pflanzen vorhanden
war, welche an Stelle der abgeblühten gepflanzt wurden, mochte dies
nun bewerkstelligt werden durch Anzucht in Töpfen oder im freien
Lande, wo die Pflanzen mit Ballen herausgenommen und auf die Blnmen-
beete gepflanzt wurden. Zu diesem Zwecke der Anzucht war im Ge-
müse-Garten ein besonderes, ziemlich grosses Quartier bestimmt, welches
den Namen „Blumenschule“ erhielt und fortwährend mit allerlei Sommer-
blumen und Stauden bepflanzt erhalten wurde, um die entstehenden
Lücken immer wieder ausfüllen zu können. Es liegt auf der Hand, dass
ein sofortiger genügender Ersatz bei einer so grossen Anzahl, 56, Blumen-
beeten, grösstentheils von ansehnlicher Grösse, oft Schwierigkeiten bot.
Oft wurden um weniger Tage willen Neupflanzungen vorgenommen, das
hauptsächlichste Coatingent für diese also ausgeführten Bepflanzungen
boten Sommergewächse und Stauden, die eine so barbarische Behandlung
am besten vertrugen.
Topfpflanzen, welche, so schön sie sind, und so langdauernd ihr Flor
ist, wurden nur in beschränktem Masse angewandt, weil sie meistens
erst viele Wochen nach ihrer Auspflanzung sich kräftig entwickeln und
in ihrem anfänglichen Zustande den Wünschen und Ausprüchen des
Fürsten keinesweges entsprachen. Blattpflanzen liebte er wenig und nur
in besonderer Ueppiskeit und hatte im ganzen Pleasur-ground nur ein
einziges Beet für solche, und überdies an einer ziemlich versteckten
Stelle bestimmt. Dagegen hatte der Fürst eine grosse Vorliebe für gut
angelegte Staudenbeete, welche so bepflanzt waren, ‚dass zu jeder Zeit
des Jahres ein Theil des Beetes in Blüthe stand, und hat sich oft gefreut
über ein solches, dem Fenster seines Schlafzimmers gegenüber gelegenes
Staudenbeet.
Die Topfpflanzen waren auf der das Schloss rundum umgebenden
Terrasse so aufgestellt, dass sie mit Ausnahme der mit im freien Lande
stehenden Rhododendron, Mahonien, Kirschlorbeer bekleideten Hinterfront
dicht an die Wand anschliessend das ganze Schlossparterre deekten und
zwischen den Fenstern durch starke in Kübeln stehende Pflanzen grüne
Pfeiler gebildet wurden. Durch gleichmässige Vertheilung der möglichst
17#
260 Jahres - Bericht
vielen blühenden Topfpflanzen war für eine anmuthige Unterbrechung
dieser grünen Verkleidung gesorgt.
Gewächshäuser sind im Pleasur-ground nicht angebracht, weder in
Muskau, noch in Branitz, sie scheinen dem Fürsten weniger einen deco-
rativen, als ökonomischen Werth gehabt zu haben, insofern sie ihm die
Mittel zur Ausschmückung des Pleasur-ground lieferten.
Einen wesentlichen Schmuck des Pleasur-ground bildeten verschiedene
grosse Vasen zur Aufnahme von Pflanzen in Töpfen, welche nach jedes-
maligem Abblühen durch bereitgehaltene Andere ersetzt wurden. Solcher
Vasen waren 25 Stück von verschiedener Facon und Grösse, theils auf
der Terrasse; theils an den Seiten der Treppen oder auf Postamenten im
Rasen angebracht, theils von breiter, flacher, theils von hoher, schmaler
Gestalt, von Farbe braun, dunkelgrün, röthlich, steingrau oder vergoldet,
2. B. letzteres am Anfange der vergoldeten Geländer der Treppen- Auf-
gänge an der Vorderfront des Schlosses.
In Beziehung auf die Ausschmückung seiner Zimmer war der Fürst
am anspruchslosesten. Einige wenige, nicht umfangreiche, aber durch
Ueppiskeit und Blüthenreichthum ausgezeichnete Exemplare genügten ihm;
zwei auf seinem Schreibtische, rechts und links in Porzellantöpfen, und
in seinem Wohnzimmer zwei kleine Blumentischehen, jedes mit höchstens
6 Töpfen, und diese Topfpflanzen wünschte er auch nur den Winter
über, so lange die Blumenzeit im Freien noch nicht begonnen hatte.
Dagegen war auf dem sehr eleganten Treppenflur auf einem Vorsprunge,
der zu diesem Zwecke mit Zinkblech ausgeschlagen war, eine Einriehtung
zur Aufstellung von Topfpflanzen getroffen, welche einen Flächenraum
von etwa 20 Quadratfuss einnehmend, durch das grüne Laub und die
lebhaften Farben der Blumen sehr angenehm von dem dunkel eichen-
holzfarbig angestrichenen Holzwerk der Umgebung abstach.
Blumengärtnerei ist eine Geschmackssache, die Jeder betreibt, wie
es ihm beliebt. Ich glaube aber, meinen Mittheilungen dasjenige Interesse
beilegen zu dürfen, welches die Persönlichkeit hervorragender Männer
einflösst.
Zur Bepflanzung von Parterres für den Frühlingsflor.
Von
Kunstgärtner C. Peiffer in Zölling.
Ein Parterre, recht reich mit Frühlingsblühern ausgestattet, kann in
manchem Jahre schon im Februar, selbst wenn der Schnee noch die
Erde deckt, mit den Erstlingen aus dem Reiche Flora’s erfreuen. Schnell
der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur. 61
hintereinander erwachen nun die lieblichen Schläfer, jeden Tag bieten
sich dem Auge neue Reize, und nicht lange, so hat das Füllhorn voll
und ganz, in einer Pracht und Herrlichkeit sich vor uns ausgegossen,
deren Lieblichkeit und Anmuth selbst durch den grössten Glanz und die
Farbengluth der Sommerflora kaum übertroffen wird.
Zur Bepflanzung eines solchen Parterres verwendet man ausschliess-
lich Stauden und Zwiebelgewächse, auch wohl als zweijährige Pflanzen
behandelte Annuelle, und steht hierin ein so umfangreiches Material zu
Gebote, dass die Auswahl nicht schwer werden kann. Ist jedoch, wie
dies meistens der Fall ist, der gegebene Platz nicht lediglich zur Früh-
‚lingsflora bestimmt, sondern soll auch bis zum Spätherbst ohne wesent-
liche Unterbreehung den grösstmöglichen Effect hervorbringen, dann aller-
dings wird es zu dessen Bepflanzung einer sehr sorgfältigen Auswahl und
senaueren Kenntniss der Eigenschaften der hierfür verwendbaren Pflanzen
bedürfen. Ausserdem aber werden dazu, wenn nicht ein besonderer:
Anzuchtsgarten vorhanden ist, unbedingt einige Reservebeete zur Ver-
fügung stehen müssen, um die abgeblühlten Frühlingsblüher aufzunehmen
und sie durch andere, dort angezogene Pflanzen zu ersetzen. Durch das
ein- oder zweijährige Umpflanzen der Stauden werden dieselben aber
nieht nur in gutem QCulturzustande erhalten, sondern auch vor Ausartung
und Verwildern geschützt werden und den Vortheil leichter Zertheilung
behufs Vermehrung gewähren, auch, was ebenfalls nicht zu unterschätzen
ist, freie Hand für das Arrangement zur Sommerflora lassen.
Das Aufnehmen der Frühlingsblüher empfiehlt sich auch noch be-
sonders aus Rücksicht auf Aesthetik. Eine Arabeske z. B. würde jeden-
falls bedeutend an gefälligem Ansehn verlieren, wenn man die auf ihr
abgeblühten Frühblüher nieht entfernen wollte, denn ihre nicht mehr
frische Belaubung würde der beabsichtigten Farbenzusammenstellung und
der Frische der Sommerflora störend sein, ihr Verbleiben aber auch das
vor dem Einbringen dieser Letzteren nothwendig gründliche Umgraben
und Auflockern des Erdreichs unmöglich machen, welcher Umstand nur
nachtheilig auf die Entwickelung der später angebrachten Pflanzen wirken
würde. Ausnahmefälle, wo das hier Gesagte weniger Anwendung finden
könnte, dürften natürlich auch eintreten, z. B. bei grösseren Rabatten
oder Gruppen, wo die frühblühenden Stauden, wenn es grössere oder
sewöhnlichere sind, in weiteren Zwischenräumen stehen, und wo man in
Betreff der Farbenharmonie nicht so strenge Ansprüche macht, ferner,
bei einzelnstehenden, sogenannten Solitairpflanzen — Paeonien, einigen
Arten Spiraea u. dergl., auch bei Einfassungen, z. B. von verschiedenen
Sedum-Arten, Vinca ete.
Noch möchte ich darauf aufmerksam machen, dass man bei Anwen-
dung frühblühender Staudengewächse zur Bepflanzung von Gruppen oder
arabeskenartigen Beeten in Bezug auf die Anzahl der Exemplare ja nicht
262 Jahres-Bericht
zu sparsam sei, denn, sind auch die Farben ihrer Blumen recht lebhaft,
so sind diese selbst doch meist nur klein; man muss daher mit ganzen
Massen einer und derselben Art auftreten, wenn man den gewünschten
Effect hervorbringen will.
In Nachstehendem will ich einige Frühlingsblüher, nach der Folge
ihrer Blüthezeit nennen, wohl wissend, dass meinen Herren Collegen ich
nichts Neues bringe, aber doch in der Hoffnung, manchem Gartenfreunde,
welcher diesen Reihen seine freundliche Aufmerksamkeit zuwendet, damit
vielleicht einen kleinen Dienst zu erweisen.
Februarflor: Galanthus nivalis, Helleborus niger, Scilla sibiriea.
Erstere und Letztere bekannte liebliche Zwiebelgewächse, welche man
schon im Herbst vorher in die Erde zu briugen hat. In strengen, langen
Wintern blühen sie erst im März, während Helleborus niger seine grossen
weissen Blumen oft schon unter dem Schnee und wenn die Erde noch
gefroren ist, entwickelt.
Märzflor: Ausser den vorgenannten Zwiebelgewächsen noch die
folgenden: Crocus vernus, in den diversen Farben, Fritillaria imperialıs,
gelb und orange, Fritillaria Meleagris, gelb und weiss, Muscari (Hyacinthus)
racemosus, blau, frühe Tulpen Duc van Toll ete., frühe Tazetten und
Nareissen in gelb und weiss; ferner: Anemone hepatica fl. pl., roth und
blau, Viola odorata, blau und weiss, einfach und gefüllt, besonders das
italienische, das russische; die beiden Species des Letzteren: The Czaar
und Russian perfeclion sind ganz besonders empfehlenswerth, indem sie
sehr dankbar, und bei günstiger Witterung auch den Winter hindurch
Blumen spenden, im October und November aber noch eine Hauptflor
geben. — Viola tricolor maxima wird, wenn im August ausgesäet und
verpflanzt, von jetzt an seinen schönsten und Hauptflor entfalten und
kann wie das Veilchen blühend verpflanzt werden.
Aprilflor: Unter Umständen ‚wie im März; dazu kommen von
Zwiebelgewächsen: die Hyacinthen und Tulpen, ferner: Iris pumila, Bellis
perennis, roth und weiss gefüllt, Omphaloides verna, Primula veris, P. acaulis
und Auricula, Vinca minor, blau, rothbraun und weiss.
Maiflor: Ausser den letztgenannten Pflanzen blühen in diesem
Monat auch: Myosotis alpestris in blau und weiss; ein Sommergewächs,
welches im August ausgesäet, auf ein Reservebeet verpflanzt, unsern
Winter ohne jede Bedeckung aushält, kann schon blühend auf seinen
bestimmten Platz gebracht werden, wo es gewiss Jedermanns Augen er-
freuen wird, Einen wundervollen Anblick gewährt diese Pflanze zusammen-
gestellt mit der prächtigen Silene pendula, roth, ebenfalls eine Annuelle
und wie die vorige zu behandeln, muss jedoch in strengen, schneearmen
Wintern etwas bedeckt werden. Auf diese Art eultivirt, blühen diese
beiden Pflanzen noch einmal so dankbar nd lange wie die Sommer-
pflanzen, worauf ich ganz besonders aufmerksam mache. Ferner: Lychnis
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 963
viscaria fl. pl., Dianthus alpinus, Hesperis matronalis, Ranunculus asialieus,
Convalarıa majalis, Spiraea japonica. Von etwas höherem Wuchse: Die-
Iytra, Paeonia, Clematis erecta, Lilium bulbiferum ete. Gegen Ende des
Monats beginnen auch mehrere zweijährige Pflanzen (Biennien) ihren
Flor, z. B. Campanula medium fl. pl. blau und weiss, Dianthus barbatus,
Anthirrhinum majus, besonders nanum, und viele andere.
Ausser den hier angeführten, in meiner langjährigen Praxis mir lieb
gewordenen existiren allerdings noch eine grosse Menge gleich werth-
voller Frühlingsblüher, doch werden jene bei geschmackvoller Anwen-
dung schon hinreichend sein, dem Garten in den Frühlingsmonaten einen
‚aussergewöhnlichen Glanz zu verleihen; die Cultur derselben ist ja so
leicht und hinlänglich bekannt, dass ich glaube, nicht erst darauf eingehen
zu dürfen, schliesse daher diese Notiz mit dem Wunsche, dass meine
Lieblinge eine recht vielseitige freundliche Aufnahme finden und als Vor-
läufer der grossen Sommerflora mehr beachtet werden mögen.
Die Freiland-Melonencultur in Ober-Ungarn unter Zugrundelegung selbst
gemachter Erfahrungen.
Von
A. Schütz, Obergärtner in Wettendorf (Ungarn).
Obgleich Ungarn mit Recht das Land der Melonen genannt wird,
so darf man sich doch nicht dem Glauben hingeben, dass für den Me-
lonenbau hier überall ein günstiges Klima und zusagender Boden sei; die
hiesige Gegend z. B. hat wegen den, sich in einigen Stunden Entfernung
hinziehenden steyerischen Alpen eine sehr veränderliche Witterung, und
wegen des, auf den Gebirgen sich sehr lange haltenden Schnees im
Frühjahr oft eine empfindliche Kälte. Ohnerachtet dessen werden Melonen
auf Flächen von der Grösse eines preussischen Morgens sehr häufig cul-
tivirt, und widmet man den jungen Pflanzen eine so grosse Sorgfalt, dass
ich der Meinung bin, bei gleichem Verfahren müssten auch lohnende Er-
folge in Schlesien zu erzielen sein. In Nachstehendem will ich versuchen
eine ausführliche Beschreibung der hier angewendeten Cultur zur weiteren
Kenntniss zu bringen.
Zu Ende des Monat März richtet man in gewöhnlicher Weise einen
ein Fenster grossen Frühbeetkasten her und bringt nach dessen Erwär-
mung Mistbeeterde in der Höhe von einem Fuss auf. Zu derselben Zeit
legt man zwischen Moos die Melonensamen zum Keimen an eine feucht-
EL ee ED Fe A 3
264 Jahres - Bericht
warme Stelle, am besten auf den Sand des Vermehrungsbeetes. Nach-
dem dies geschehen ist, werden würfelförmige Rasenstücke von etwa
3 Zoll Quadrat bereitet und in deren innere erdige Fläche kleine Gruben
ausgeschnitten. Die so zubereiteten Rasen werden nun in die Erde des
Kastens so weit eingesenkt, dass sie in gleicher Höhe mit. der Erde
stehen; haben die in Moos gelegten Melonensamen kleine Keime getrieben
(lang dürfen die getriebenen Keime nicht werden), so wird mit dem
Auslegen der Samen begonnen. Zu diesem Zweck werden die kleinen
Aushöhlungen der Rasenstücke bis zur Hälfte mit sandiger Mistbeeterde
angefüllt, die angekeimten Samen zu 2 oder 3 Korn auf dieselbe gelegt
und der übrige Raum vollends mit derselben -Erde ausgefüllt. Nach
einigen Tagen, wenn die jungen Pflanzen zum Vorschein gekommen sind,
ist es gut, noch einige Linien hoch sandige Erde über das ganze Beet
aufzutragen; es hat dies den Zweck, dass die Pflanzen kräftiger sich
entwickeln und das Wurzelvermögen ein reichlicheres wird.
Die Behandlung der heranwachsenden Pflanzen beschränkt sich auf
das nöthige Giessen und Lüften, bei Ersterem muss jedoch sehr vor-
sichtig verfahren werden, wogegen Letzteres, der Abhärtung der Pflanzen
wegen, etwas reichlichen angewendet yrakden kann, als wie "= den
der Fenstereultur unterworfenen Pflanzen geschieht.
Etwa um den 20, April wird das zur Meloneneultur bestimmte Land
tief und locker umgestochen, und in 5 Fuss breite Beete getheilt. In
der Mitte dieser. Beete werden je 10 Fuss von einander entfernt, 3 Fuss
breite und eben so tiefe Löcher gegraben, diese mit Laub oder Pferde-
mist angefüllt und festgetreten und darauf die ausgegrabene Erde in
Hügelform so aufgebracht, - dass die obere Fläche des Hügels ..3 Fuss
Durchmesser erhält. Auf diese Hügel werden kleine Holzkästchen ge-
stellt, dieselben sind einfach aus Brettern zusammengenagelt und haben
eine Länge von 1Y, Fuss und eine Breite von ca. 2 Fuss, die Höhe des
über die Erde ragenden Theiles beträgt 8 Zoll, die des unteren in die
Erde einzusenkenden etwa 5 Zoll. Da zu diesen Kästchen Breitstücke
taugen, welche sonst kaum noch Verwendung finden, so braucht man
sich nieht genau an die hier vorgeschriebenen Masse zu binden, wenn
nur die Kästchen so gross sind, dass die Pflanzen ohne zu grosse Been-
sung sich darin ‘ausbreiten können.
Wenn es die Witterung erlaubt, so kann schon zu Ende des Monat
April oder in den ersten Tagen des Mai mit dem Auspflanzen der Melonen-
pflanzen begonnen werden, wobei es sehr vortheilhaft ist, da wo die
jungen Pflanzen hin zu stehen kommen, die Erde mit etwas sandiger
Mistbeeterde zu mischen. Die Pflanzen werden nun mit möglichster
Schonung des Rasenballens aus dem Kasten gehoben, und ohne Zer-
theilung auf ihre bereiteten Plätze, bis an die Samenlappen in die Erde.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 2365
gepflanzt, wonach dieselben mässig angegossen und die Kästchen mit gut
schliessenden Glasscheiben zugedeckt werden.
Da zu dieser Zeit immer noch starke Nachtfröste zu befürchten
sind, so werden die Scheiben des Abends mit kleinen Rohrdecken be-
deckt, und damit nicht leicht ein Frost eindringen kann, wird um das
Kästchen ein Umschlag von Moos gemacht, welches durch kleine einge-
steckte Stäbe gegen das Fortwehen des Windes geschützt wird. Auf
diese Weise hielten die Melonenpflanzen, welche ich voriges Jahr aus-
pflanzte, zwei Nachtfröste von 4° R. aus, ohne Schaden gelitten zu
haben. Nach erfolgter Entwickelung des dritten Blattes wird über dem-
selben die Spitze ausgebrochen; haben sich die Pflanzen vor dem Aus-
pflanzen schon im Kasten so weit entwickelt, so darf dies schon dort
geschehen, ein späteres Einbrechen geschieht über dem 5. oder 6. Blatte.
In den ersten Tagen nach dem Auspflanzen lässt man die Scheiben auf
den Kästchen liegen und giebt, wenn sonnige Tage sind, etwas Schatten.
Nach und nach gewöhnt man die Pflanzen an die freie Luft und deckt
nur noch des Abends zu; sind keine Nachtfröste mehr zu befürchten, so.
werden die Kästchen gänzlich entfernt und die Ranken gleichmässig aus-
gebreitef, unfruchtbare Ranken werden entweder ganz beseitigt oder
zurückgeschnitten. Der übrige Raum der Beete wird mit Salat bepflanzt
und dieselben, nachdem dieser verbraucht ist, nochmals bis an die Hügel
flach umgestochen. Um das Abfallen der jungen Früchte möglichst zu
verhüten, ist es eine Hauptsache, die Ranken unberührt liegen zu lassen,
weil sonst die Haare der jungen Früchte verletzt werden, welches das
baldige Abfallen herbeiführt.
Im verflossenen Jahre pflanzte ich die ersten Melonenpflanzen am
27. April in’s Freie, eine zweite Auspflanzung nahm ich am 12, Mai
vor und wendete zur Bedeckung der Kästchen, da es mir an Scheiben
fehlte, nur Rohrdeckel an; beide Pflanzungen brachten einen sehr reichen
Ertrag, trotz des ungünstigen, regnerischen Sommers. Zum Schluss will
ich noch einige derjenigen Melonensorten nennen, welche hier vorzugs-
weise eultivirt werden, es sind dies: Pestener Cantalupen mit gelbem
und grünem Fleisch, eine sehr zuckerreiche Frucht, und die Melone von
Turkestan, von nur mittlerer Grösse, sehr feinschalig, zuckerreich und
vom angenehmsten Aroma; ich eultivire hier noch mit lohnendstem Er-
folge die Pariser Glockenmelone und die Melone vom Kaukasus.
266 Jahres-Bericht
Ueber den Weinschnitt,
Von
A. Schütz, Obergärtner in Wettendorf (Ungarn).
Die Sicherung einer reichlichen Weinernte hängt hauptsächlich mit
von einem gut ausgeführten Schnitte des Weinstockes ab, und will auf
Grund selbstgemachter Erfahrungen ich versuchen, unter den Freunden
des Weinbaues durch diese meine Darstellung der Methode des kurzen
Schnittes der Reben mehr Eingang und damit Vortheil zu verschaffen.
Die erste Hauptsache für Erreichung guter Erträgnisse sind jeden-
falls: die vollkommene Ausbildung der Blüthenaugen und ein vollständiges
Ausreifen des Holzes. Beides erzielt man durch nachstehend angegebenes
Verfahren.
Um die vollkommene Ausbildung der Blüthenaugen zu fördern, ist
es nothwendig, an der jungen Rebe sämmtliche Geiztriebe mit Ausnahme
des zuletzt stehenden, bei ihrem Entstehen gänzlich auszubrechen; dieser
Endgeiztrieb muss deshalb stehen bleiben, weil derselbe das vorzeitige
Austreiben der Blüthenaugen verhindert und deren vollständige Ent-
wickelung befördert. Rechtzeitiges Einkürzen und Ausbrechen der Reben
befördert das Ausreifen des Holzes; deshalb breche man die jungen
Reben schon, wenn sie eine Länge von etwa 2 Fuss erreicht haben, aus,
lasse aber, wie schon gesagt, den letzten Geiztrieb ungehindert fort-
wachsen, es wäre ‘denn, derselbe würde zu stark, in welehem Falle man
ihn ebenfalls einkürzt. Schwächliche Reben kann man auch, wenn sie
nur erst die Länge von 1 Fuss erreicht haben, ausbrechen. Am zweck-
mässigsten im Herbst, und nur wenn es zu dieser Zeit unthunlich war,
im Frühjahr, schneidet man die Reben, je nach ihrer Stärke auf ein oder
zwei Augen zurück. — Ein in der hier angegebenen Weise ausgeführtes
Verfahren sichert die vollkommene Ausbildung der unteren Augen zu
Blüthenaugen und eine stets reichliche Traubenernte.
Am besten ;eignet sich der Weinstock für die Form des Herz-
stammes (einfache Palmette, sowie zu Cordon horizontale. Hat man alte
Stöcke, so thut man gut, deren Reben horizontal auf dem Spalier anzu-
heften und nur die jungen Triebe aufrecht aufzubinden und nach vor-
stehender Angabe zu behandeln. „Früher Leipziger“ verlangt jedoch
einen etwas länger geführten Schnitt.
der Schles, Gesellseh. f. vaterl. Cultur, 9367
Ein Mittel und dessen Anwendung zur Vertilgung der Blattläuse
in der Baumschule.
Von
Kunstgärtner H. Wagner in Breslau.
Es kann nieht meine Absicht sein, mit dem, was ich hier anführen
will, etwas Neues zu bringen, es soll vielmehr dazu dienen, auf die
richtige Anwendung eines altbekannten Mittels hinzuweisen, welches aber
andernfalls so gut wie nutzlos ist.
Vor einigen Jahren wurde mir während des Sommers eine Gärtnerei
nebst einer ca. 3 Morgen grossen Obstbaumschule zur Pflege übergeben.
Letztere war erst im Entstehen und enthielt meist ein und zweijährige
Veredelungen, nur ein geringer Theil war kräftig genug, um später aus-
gepflanzt werden zu können. Nahm der Ziergarten zwar die Kräfte des
Gärtners sehr in Anspruch, so hatte mein Vorgänger doch sichtlich mehr
aus Mangel an Interesse als an Zeit die Baumschule derart vernach-
lässigt, dass ich sie voller Unkraut und die Bäumehen mit Blattläusen
bedeckt fand. Mein erstes Geschäft war nun, dass ich das Unkraut ent-
fernen liess, dann aber brachte ich, um auch die Blattläuse zu vertilgen,
welche auf den Aepfel- und Kirschbäumcehen am ärgsten hausten, das
bekannte Mittel ,„‚Quassia-Lauge‘“ zur Anwendung und zwar mit dem
besten Erfolge.
Die meisten Baumzüchter begehen den Fehler, zur Anwendung dieses
Mittels weil die Arbeit eben keine anstrengende ist, nur schwache, un-
zuverlässige Kräfte, Kinder oder Arbeitsfrauen zu benutzen, sie wird
daher nicht, so wie geschenen soll, ausgeführt, deshalb aber auch der
damit beabsichtigte Zweck in den meisten Fällen gar nicht, oder doch
nur sehr unvollständtg erreicht.
Für solehe, welche jenes Mittel doch vielleicht noch nicht kennen
sollten, will ich zunächst dessen Zubereitung angeben. Von den Spänen
des Quassiaholzes, welche in jeder Apotheke oder Droguenhandlung für
geringen Preis käuflich sind, bringt man, je nach Bedürfnis, mehr oder
weniger in einen Topf, giesst soviel Wasser darauf, dass auf 1 Pfund
dieser Späne etwa 3 Quart Wasser kommen, deckt den Topf zu und
lässt das Ganze eine Stunde kochen, das hierbei geringer gewordene
Quantum Wasser wird sodann durch Hinzugiessen heissen Wassers er-
setzt und die erhaltene braune, etwas übelriechende Brühe, nachdem sie
abgekühlt ist, abgeseihet. Die einmal gebrauchten Späne können mit
einem Theil frischer Späne auch ein zweites Mal gebraucht werden.
268 Jahres-Bericht
Dieser Brühe setze ich eine solche Quantität grüner, sogenannter
Schmier- oder Tönnchenseife zu, dass mittelst einiger zusammengebundenen
Reiser ein ziemlich starker Schaum geschlagen werden kann, giesse die
Mischung in eine Blechkanne, welche der grösseren Bequemlichkeit
wegen mittelst eines Riemens oder Schnur wie eine Tasche umgehangen
wird, und operire dann in folgender Weise: Da die Blattläuse ihre Brut
auch an den Stämmchen absetzen, so bestreiche ich mit dem Schaum
der Brühe die Bäumchen sorgfältig von unten herauf bis in die äussersten
Zweigspitzen und Blätter. Bei jüngeren Zweigen und Blättern muss man
sich jedoch nicht mit dem blossen Bestreichen genügen lassen, sondern
es müssen dieselben so lange eingeschäumt werden, bis jeder einzelne
Theil gehörig angefeuchtet ist. Rathsam ist es, dies Geschäft nur an
hellen, sonnigen Tagen, am wenigsten aber dann vorzunehmen, wenn
Regen in Aussicht steht, weil solcher, wenn auch nur schwach, gehabte
Kosten und Arbeit vergeblich machen würde.
Durch das auf die beschriebene Art geschehene Bestreichen der
Bäumchen erhalten die Blätter und jungen Zweige zwar ein schmulzig-
gelbes Ansehen, dadurch ist aber die Vegetation durchaus nicht geschä-
digt, vielmehr ist es ein Zeichen, dass die Operation nicht erfolglos war.
Kommt binnen 3 bis 4 Tagen ein Regen, so verliert dies schlechte Aus-
sehen sich von selbst, andernfalls ist es leicht zu beseitigen, wenn die
Bäumchen nach dem 4. oder 5. Tage durch eine Handspritze, die ja in
keiner Gärtnerei fehlen darf, tüchtig mit reinem Wasser nachgespritzt
werden, wonach sie ein ganz gesundes Aussehen erhalten und das junge
Holz vollständig ausreift.
Nun muss man sich aber nicht etwa der Meinung überlassen, jene
einmalige Procedur müsse schon vollständig geholfen kaben. Es ist viel-
mehr nothwendig, seine Pfleglinge nach Verlauf einiger Wochen wieder
zu untersuchen; findet man dann, dass auf einzelnen Blättern oder
Zweigen die Blattläuse sich dennoch wieder zeigen, so muss auf gleiche
Weise wie vorher und mit ganz besonderer Sorgfalt verfahren werden, |
jedoch nur an den befallenen einzelnen Theilen. i
Nach Anwendung dieses Mittels hatte ich im folgenden Jahre de
Freude, meine Pfleglinge frei von Ungeziefer und nach tüchtigem Früh-
jahrsschnitt einen kräftigen Wuchs entwickeln zu sehen.
Auch bei Melonen und Gurken im Mistbeet kann man, wenn die-
selben durch nachlässiges Lüften oder versäumtes Reinhalten von Unkraut
von Blattläusen befallen sind, das angegebene Mittel anwenden, indem
man mit weichem Pinsel Blätter und Ranken, ohne sie zu verletzen, vor-
sichtig bestreicht und dann die Fenster beschattet. Nach einigen Tagen
müssen jedoch auch diese mit reinem, aber lauem Wasser wieder gut
abgespritzt und denselben reichlich Luft gegeben werden. Mit Obst-
bäumen und Edelreisern aus verschiedenen Baumschulen, namentlich mit
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 969
aus Frankreich bezogenen, kauft man oft genug und besonders an
Aepfeln und Kirschen zugleich die Brut der Blattläuse, weshalb sich auch
bei diesen das Bestreichen mit jener Mischung empfiehlt. Wird dem
von mir vorgeschriebenen Verfahren genau nachgekommen, so wird sich
Jeder, der es anwendet, bald von dessen vollständiger guten Wirkung
überzeugen und mein Wunsch erfüllt werden, mit Angabe desselben
Manchem einen guten Dienst erwiesen zu haben.
Beschreibung einer neuen, Feuerungsmaterial ersparenden Heizanlage für
Gewächshäuser.
(Nebst 1 Blatt Zeichnungen.)
Von
Ernst Hofmann, Maschinen-Fabrik-Besitzer in Breslau.
Bei jeder Gewächshaus-Heizanlage ist es Haupterforderniss, dass eine
gleichmässige Wärme erhalten wird.
Alle bisher construirten und angewendeten Heizanlagen entsprechen
diesem Zwecke nicht, da, sobald das Feuer im Ofen erlischt, die Heiz-
kraft der Wärme nachlässt und dann nur diejenige Wärme, welche die
Wände aufzunehmen vermögen, ausstrahlt.
Die leitende Idee bei der hier zu beschreibenden Heizanlage ist die,
ein srosses Wärme-Reservoir zu erhalten, und zwar habe ich dieses Re-
servoir in den Wänden der Rauchcanäle gesucht.
Die Wände des Rauchcanals sind nicht, wie bisher, aus Kacheln
oder Thonröhren, sondern aus Ziegeln hergestellt und zwar sind die
Seitenwände und Boden aus 3 Zoll, die Decke dagegen aus 6 Zoll
starken Ziegeln ausgeführt.
Der Rauchcanal wird in einem vorher anzulegenden Canal, welcher
an der inneren Wand des Gewächshauses, womöglich an drei Seiten
desselben herumläuft, schwebend hineingebaut, so dass die um den Canal
befindliche Luft erwärmt wird, ausserdem noch die vom Rauchcanal ab-
sorbirte Wärme aufnimmt und dem Gewächshause nach und nach mittheilt.
Die Ausführung geschieht in der Weise, dass man auf dem Boden
p. q. die Ziegeln z. in Zwischenräumen t. so aufmauert, dass die obere
Fläche r. s. dieser Ziegeln eine Ebene bildet. Auf diese Ziegeln wird
der Boden u. v. gemauert, wie im Schnitt A. B. und ©, D. zu ersehen ist,
270 Jahres-Bericht
In dem Boden u. v. neben dem Rauchcanal lässt man die Oeffnungen
e. e. e. und d. d. d., welehe im Grundriss und Schnitt ©. D. zu ersehen
sind, und führt die Wände P. Q. (Schnitt ©. D.) und R. $. (Schnitt
A. B.) über demselben auf, welche an der einen Seite an den Haupt-
canal und an der anderen Seite an den Rauchcanal dicht anschliessen.
Auf diese Wände mauert man die Decke A. B., welche sich mit dem
Fussboden des Gewächshauses vergleicht, lässt aber in derselben die
Oefinungen a. a. a. und b. b. b. (Grundriss und Schnitt C. D.) und die
Oefinungen W. in Entfernungen von 12 bis 15 Fuss. Hierdurch erhält
man den Canal L. M. (Schnitt A. B.) und die Canäle a. d., a. d., a. d.
und b. c., b. ce., b. ce. (Schnitt C. D.), Die Oeffnungen W. dienen zum
Reinigen des Rauchcanals L. M., dieselben werden durch gusseiserne
Deckel verschlossen und gut verschmiert. Der Canal ist am Ende, wo
er in den Schornstein mündet, durch einen dichten Schieber verschlossen.
Die Heizung geht nun in der Weise vor sich, dass man, um die
im Rauchcanal in Ruhe befindliche Luft in Bewegung zu bringen, eine
Vorfeuerung im Schornstein vornimmt. Hierzu öffnet man den Schieber
im Schornstein und unterhält ausserhalb des Schornsteins auf einer Vor-
richtung ein kleines Feuer. Diese Vorrichtung muss sich durch eine
Thür dicht verschliessen lassen.
Die eigentliche Feuerung geschieht wie gewöhnlich auf einem Rost
in einer Feuerkammer. Die Feuerungs - Anlage ist mit einer dicht
schiessenden Feuer- und Aschenthür zu versehen.
Die im Canal p. q. r. s. befindliche Luft wird zuerst von der Unter-
seite des Rauchcanals nach und nach erwärmt und theilt sich durch die
Oeffnungen ce. c. c. und d. d. d. (Schnitt C. D.) den Canälen a.d., a. d.
a. d. und b. ce, b. c.,.b. c. mit, in welchen die Erwärmung weiter vor
sich geht und schliesslich dem Gewächshause durch die Oeffnungen a. a. a.
und b. b. b. zugeführt wird.
Will man dem Gewächshause frische Luft zuführen, so öffnet man
die in den Seitenwänden des Gewächshauses befindlichen Oeffnungen X,
(Sehnitt A. B.) Diese Oeffnungen X. wiederholen sich in Entfernungen
von 10 bis 12 Fuss. Durch das Oeffnen der Thüren X. entsteht in den
Canälen a. d., a. d. und b. c., b. c. eine oscillirende Bewegung der
Luft. Es strömt gleichzeitig durch die Oeffnungen a. a. a. und b. b. b.
Luft aus dem Gewächshause in die Canäle a. d., a. d. undb. e, b. e;
diese wird durch die aus x. y. tretende Luft mitgenommen und dem
Gewächshause zugeführt. Auf diese Weise findet eine vollständige Aus-
nützung der Wärme in den .Canälen a. d., a. d. und b. e., b. e. statt.
Hat man die erfahrungsmässig nöthige Menge frische Luft im Gewächs-
hause erhalten, so schliesst man die Oeffnungen X. durch eiserne Thüren.
Die auf diese Weise im Gewächshause erlangte Wärme erhält sich
innerhalb 24 Stunden fast gleichmässig. Die Temperatur während dieser
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der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 971
Zeit sinkt nur um ca. 1°. Nur bei strengen Kälten ist es erforderlich,
die Feuerung Früh und Abends vorzunehmen.
Bei langen Rauchcanälen ist es Bedingung, um den nöthigen Zug zu
erzeugen, einen genügend hohen Schornstein aufzuführen.
Ich habe in meinem Kalthause seit sechs Jahren eine solche Heizung
im Gange und hat sich dieselbe vollständig bewährt. Dieselbe Heizungs-
Anlage ist bei einem Gewächshaus von 71 Fuss Länge und 24 Fuss
Breite, dem Grafen Mielzynski in Miloslaw gehörig, und bei Herrn
Zimmermeister Boerner hier eingeführt; beide Herren sind mit der
Wirkung derselben vollständig zufrieden.
Ueber die Folgen des Winters 1870/71 in den Obstbaumschulen,
Von
Baumgärtner Sonntag in Zobten.
Der Herbst des Jahres 1870 war für die Obstbaumzucht gar zu un-
günstig. Im October, wo Kälte und Regen fast täglich wechselten, fehlte
die Wärme; da am 11. December, Abends 8 Uhr, das Thermometer
— 18° R. und den folgenden Morgen — 11° R. zeigte. Dies war für
die jungen, nicht ausgereiften Triebe der Obstbäume zu viel. Ich hatte
damals noch keine Reiser von Birnen gebrochen und wnrde nun bei
diesem Geschäft, als ich am 14. bis 16. December die zur Winter- Ver-
edelung benöthigten Reiser sammelte, sehr bald überzeugt, dass schon
viele erfroren waren. Dass aber der Frost solchen Schaden, wie ge-
schehen, verursachen würde, hätte ich damals nicht geglaubt. Vorzugs-
weise sind es wieder die Birnen, die am meisten in der Schule gelitten
haben. Von Pyramiden fand ich erst eine starke der „Runden Mund-
Netzbirn,“ welche bis in’s sechsjährige Holz zurück gefroren ist, theil-
weise hatte eine Pyramide von „Regentin‘“ (Colmar Souverain) gelitten,
ganz erfroren waren Bose’s Flaschenbirn und die neue Souvenir de Con-
gress (Morell). Von Letzterer erfroren 2 Stück vor 2 Jahren gepflanzte
Original-Pyramiden; eine auf Quitte veredelte Mutterpflanze erfror sammt
aller auf Quitte veredelten Nachzucht schon vorigen Winter, während
diese dreimal als Probereis, sowie die vorher genannten Sorten auf einem
alten, dem kalten Winde vollständig ausgesetzten Sortenbaum aufgesetzt,
ganz grün geblieben ist, die gemachten jungen Triebe auch nicht grade
schwach waren.
272 Jahres-Bericht
Am schlimmsten sieht es jedenfalls unter den Veredlungen auf Quitte
aus; fast alle älteren Veredelungen sind erfroren, Oculanten, welche im
Herbst so schön gestanden, dass ich- fast für jedes Auge garantirt hätte,
sind von 400 Stück auf 15 Stück geschmolzen. Als ich Anfangs März
löste, fielen die Augen ab, während das Schildchen fest sass; ich copu-
lirte so viel als möglich, denn meist zeigte sich das Mark rothbraun und
die Rinde fast überall erfroren. Nun war :ich aber auch schlimm mit
den Edelreisern bestellt, denn die wenigen von der Winter- Veredelung
übrig gebliebenen waren bald aufgearbeitet, die frisch gebrochenen zeig-
ten sich als erfroren und unter denjenigen, welche ich deshalb: von
Dresden kommen liess, waren auch viele, welche stark gelitten hatten.
Selbst umgekehrt, Quitte auf Birne hochstämmig veredelt, sind, ja sogar
mit der Unterlage, total erfroren. In den Birnquartieren sieht es gar zu
traurig aus, von vielen Sorten sind schwache und starke Triebe bis auf
und unter die Veredelungsstelle erfroren. Welche Sorten besonders ge-
litten haben, darüber werde ich später berichten. hnat:
Unter den Aepfeln haben besonders stark gelitten: ‚Pariser Ram-
bour-Reinette“, grosse, starke Pyramiden, ebenso wie jüngere Veredelungen
bis auf das alte Holz erfroren sind; dann: „Weisser Winter-Calville“,
von diesem erfroren auf Wildling gemachte Oculanten, welche in einem
Jahre 41/, Fuss hohe, fast baumstarke Triebe gemacht hatten, während
Veredelung auf Johannisholz und ebenso Pyramiden, ‘welche im’ vorigen
Jahre von Blattläusen heimgesucht, wenig Triebe gemacht hatten, noch
gesund blieben. Ferner haben in den Quartieren gelitten: ein- und zwei-
jährige Veredelungen von: Rother Winter- Taubenapfel, Harberts-, Engl.
Spital-, Ananas-, Champagner -Reinette, Winter-Gold-Parmaine und fast
alle andern einjährigen Veredelungen. Da diese Letzteren jedoch fast
sämmtlich eopulirt sind, so bleiben in der Regel, soweit das Holz dort
noch gesund ist, ein auch zwei Augen schlafen, aus denen man den
neuen Trieb ziehen kann;. schlimmer aber ist es bei den Oculanten,
diese erfrieren fast ohne Ausnahme bis auf die Veredelungsstelle und die
unteren Augen sind in der Regel nur Blattschuppen, zu schwach, falls
sie noch grün sind, den Saft zu verarbeiten, in welchem sie dann
ersticken.
Von Pflaumen haben namentlich stark gelitten: die Italienische
Zwetsche, Grosse grüne Reineclaude, auch Grosse Zucker-Zwetsche,
welche mit 3 bis 4 Fuss hohen Trieben bis auf die Unterlage erfrören
sind. Auch einige der erst im Frühjahr von Oberdieck in Reisern er-
haltenen Sorten als Reineeclaude von Jodoignie, frühe Königspflaume,
Normannischer Perdrigon, die gut gewachsen waren, sind total erfroren,
wogegen Vietoria-Pflaume mit einjährigen bis 5 Fuss hohen Trieben,
Pomeranzen-Zwetsche, Kirke’s Pflaumen, Zahlbruckner rothe Damascenet
gut erhalten blieben. In diesem Jahre habe ich wieder eine Sendung
”
-
der Schles, Gesellsch. f, vaterl. Cultur, 273
)
Pflaumenreiser von Oberdieck erhalten und auf 4 verschiedenen Stellen
im Topf in’s Frühbeet, im Quartier niedrig und hochstämmig und auf
Sortenbäumen am Spalier und freistehend veredelt.
Von Kirschen haben die süssen Sorten mehr gelitten als die sauern,
da ich aber nicht das ganze Kirschen-Sortiment beisammen, sondern zum
Theil auf mehreren Stellen, in Alleen zerstreut habe, so werde ich
darüber später berichten und will’hier nur anführen, dass die Sauer-
kirsche ‚Schöne von Choissy‘“ stark gelitten hat. In der Schule haben
die Süsskirschen-Unterlagen im 2. Schlage, welche aus dem Kern gezo-
sen, jetzt 3 Jahre alt und bis 8 Fuss hoch sind, auch so stark gelitten,
dass ich Anstand nehme, sie zu veredeln.
Bei Aepfeln, Birnen und Kirschen zeigt sich hier oft erst bei dem
zweiten Triebe eine starke Vegetation, während Pflaumen dürre, kurze
Triebe machen. Auch an den Pyramiden kann ich die starken Holz-
triebe nur durch langen Schnitt vermeiden. Im Sommer weiss man kaum,
wohin mit diesen langen, starken Trieben, welche nie Terminalknospen
ausbilden, dem Froste am meisten ausgesetzt sind und auch der Frucht
barkeit zum Nachtheil gereichen, seibst das Pineiren hilft bei den Spalier-
bäumen und Pyramiden nichts und geschieht es zu spät, so erfriert der
dann nochmals entstehende Trieb, wodurch häufig die darunter liegenden
Augen in Mitleidenschaft gezogen werden. Im Saatquartiere stand die
Herbstsaat von Birnen am 20. März sehr schön grün, ich hatte ca. 25 Qu.-R.
besäet und auf diese Fläche nur etwa 3 Pfund Apfelkerne zum Schutz
gegen Sonnenschein untermengt; die Frühlingsfröste im Anfang des
Monats April haben jedoch trotz der Bedeckung mit Fichtenreisern viele
junge, erst aufgegangene Pflanzen zerstört. Die Saat selbst bestand aus
den ausgewaschenen Samen von Holzbirnen, welche ich im vorigen
Herbst in der Nähe, den Scheffel für 6 Sgr. aufkaufte; die Saatfurchen
bedeckte ich mit trockenen Fichtennadeln, welche man auf den hiesigen
Holzplätzen massenhaft findet, zum Theil aber auch mit alter Holzerde,
doch zeigte Letztere sich nicht so brauchbar, weil sie durch ihre lockere
Beschaffenkeit der Luft zu viel Zutritt gestattet. Die Bedeckung mit
Mutterboden ist hier nicht anzuwenden, derselbe ist bisher unter dem
Pfluge gewesen und wird bei starkem Sonnenschein hart, so dass die
Pflanzen die Decke nicht durchbrechen können und vermälzen, mit Aus-
nahme solcher Stellen, wo etwa die Saat stark gegriffen, die jungen
Pflanzen in ganzen Trupps durchbrechen.
Für die Kirschensaat war der März mit seinen trockenen Winden
sehr ungünstig, sie tritt erst jetzt, Mitte April in’s Keimen, ebenso Schlehen,
Ahorn stand im März sehr schön und hoffe ich, unter Bedeckung den-
selben zu erhalten. Auch von Acer Pseudoplalanus fol. variegalis, von
welchem im Garten alte Hochstämme vorhanden sind, die im vorigen
Herbst Samen ausreilten, sind eine Masse aufgegangen, und bin ich be-
|
[0.=)
274 Jahres-Bericht
gierig, ob die Sämlinge sieh constant zeigen werden. Selbst Orataegus
oxyacantha, welcher in Menge aufging, hat durch die Frühjahrfröste
gelitten. Mäuse hatte ich in meinen Saaten nicht, weil ich die Saat-
furchen mit kleingehacktem Wachholder, welchen die Mäuse nicht ver-
tragen können, bedeckte; dennoch haben mir diese Thiere vielen Verlust
verursacht und zwar durch das Benagen von Wildlingen am Wurzelhalse,
besonders in den Einschlägen, in deren Nähe Mohrrüben gestanden hatten,
von denen wohl einige stecken geblieben sein mochten. Geklagt wird
in hiesiger Gegend sehr über das Erfrieren der Weinstöcke und ganz
besonders über das der Rosen, so dass ich fast nicht weiss, wo Letztere
zur Befriedigung des Bedarfs hernehmen; mir sind unter Erdbedeekung
weder Wein noch Rosen erfroren. Im Uebrigen ist das Frühjahrs-
geschäft bis jetzt ein sehr laues gewesen, man kauft vom Händler lieber
das Obststämmchen für 5 bis 6 Sgr., und lässt sich betrügen, ehe man
in der Baumschule gute und edle, ächte Sorten mit 9 bis 10 Ser. pro
Stamm bezahlt. — Bevor es nicht Obstbaumwärter, an denen es so
sehr fehlt, in genügender Anzahl geben wird, wird die Hebung der
Obsteultur nur sehr geringe Fortschritte machen, denn das Anpflanzen
von Vielem ist nicht das geeignete Mittel dafür, sondern die Erhaltung
von Vielem und Guten. Sicher helfen Männer aus dem Volke als Baum-
wärter den Obstbau weit mehr verbreiten, als es schriftliche Anweisungen
nur irgend wie thun können. Die tägliche Erfahrung zeigt es mir nur
zu deutlich, dass mit jenem der gemeine Mann sich viel leichter und
besser über seine Anliegen verständigt und häufiger dessen Hülfe bedarf
und sucht.
Im Winter von 1869 zu 1870 hatte ich in meiner Baumschule viele
Verluste durch Hasen; dieselbe ist zwar mit einem Zaune umgeben,
welcher nur 2'/, Zoll weit gelattet ist, dennoch gaben denselben Krüm-
mungen der Latten bequeme Eingänge und selbst die innerhalb dieses
Lattenzaunes ganz eng gepflanzte Weissdornhecke, deren Triebe noch
zu schwach waren, um die Hasen abzuhalten, fand man häufig von diesen
verbissen. Deshalb liess ich im vorigen Herbst den ganzen Zaun auf
seiner Aussenseite mit gewöhnlichem geglühtem Rohrdrath horizontal so
umziehen, dass kaum 3 Zoll grosse Quadrate durch die Latten und den
Drath gebildet wurden und diesen auch alle 6 Fuss Entfernung mit Rohr-
stiften anheften; dafür habe ich in diesem Winter jene ungebetenen
Besuche nicht mehr gehabt, es war den Hasen trotz aller Mühe nieht
möglich durchzubrechen; daher kann ich wohl sagen: probatum est, und
nur beklagen, dass dieses Mittel nicht auch das Eindringen des Frostes
abhält.
Nachträglieh will ieh über die erlittenen Winterschäden noch fol-
gendes berichten: Manches hat sich wohl wieder erholt und treibt recht
kräftig, aber auch gar manches liebgewonnene Stämmchen fehlt, namentlich
der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 975
von feinen Birnsorten. Die schönen Quartiere mit vor 3 Jahren aus dem
Kern gezogenen 6 bis 9 Fuss hohen Kirschstämmehen sind mehr als die
Hälfte bis an die Erde erfroren, die überlebenden zeigen schon Harzfluss,
so dass ich sie am liebsten künftiges Frühjahr noch abwerfen möchte.
Auch auf Prunus Mahaleb veredelte Süsskirschen, die als Pyramiden zu
stark wurden, und die in Kronenhöhe vorhanden waren, sind total er-
froren; nur die in’s Sauerkirschgeschlecht gehörenden sind in allen
Formen gesund geblieben. Von Gehölzen haben besonders Kugel-Acacien
so stark gelitten, dass auch fast kein Reis gewachsen ist, welches veredelt
. wurde. Ferner sind sehr stark zurückgefroren: Citisus laburnum, Castanea
vesca, Liriodendron ete., sogar Crataegus osyacantha fl. rubro und beson-
ders fl. elbo pleno, die ca. 6 Fuss hohe, daumenstarke Triebe gemacht
hatten, waren in der Baumschule erfroren. Pfirsiche und Aprikosen sind
auch hier, wie in der ganzen Umgegend stark vom Froste mitgenommen.
Notizen über die Wirkungen der letztvergangenen beiden Winter
1869/70 und 1870/71 auf die Vegetation in den Gärten Sr, Durchlaucht
des Herzogs von Ratibor zu Rauden O./S.
Von
Hof- Gärtner W. Peicker in Rauden 0./8.
Zur allgemeinen Erläuterung für dieses Capitel habe ich vor Allem
zu bemerken, dass Rauden, und speciell das meinen Wirkungskreis um-
fassende Terrain, in Bezug auf climatische und auf Bodenbeschaffenheit,
gegen alle übrigen cultivirten Theile unserer Provinz wohl mit eine der
ungünstigsten Lagen für horticularistische Zwecke hat. Inmitten eines
meilenweiten Wäldercomplexes, an den Ufern des Rudaflusses gelegen,
finden in dieser Lage so ungewöhnlich reichliche, feuchte und kalte
Niederschläge ihren Ursprung, dass diese, verbunden mit zumeist eben-
falls feuchtem Untergrunde, die Vegetation — besonders der exotischen
Gehölze — nicht zu dem naturgemässen Abschluss gelangen lassen; mit
andern Worten: dass der Holztrieb nicht diejenige Reife erhält, deren
er zu einer grösseren Widerstandsfähigkeit gegen Winterkälte bedarf.
Und so sind innerhalb kaum mehr als eines Decenniums diesen ungün-
stigen Verhältnissen schon eine gar reichliche Zahl schöner Zier- und
Nutzgehölze zum Opfer gefallen, die in einer emporblühenden fürstlichen
Gärtnerei, wie der hiesigen, wo hohe Munificenz und Kunstsinn dem
Gartenfache nach allen Richtungen reiches Interesse widmen — nur
18*
E
276 Jahres-Bericht
ungern entbehrt werden. Wenn daher manches schöne Gehölz die letz-
ten beiden Winterproben hier nicht zu bestehen hatte, so wird dies nach
den angedeuteten .Misserfolgen nicht Wunder nehmen. Nichts desto
weniger bleibt des Bemerkenswerthen über dieses Thema leider noch
genug, zugleich aber auch einige Resultate zu notiren, die nach den
vorangegangenen Erfahrungen in entgegengeseiztem Sinne überraschen
mussten und in Beziehung hierauf beginne ich mit:
Weigelia rosea. Dieser schöne Zierstrauch hat im letzten und
zum Theil auch in dem diesem vorhergegangenen Winter bei luftiger
Umhüllung mit Solidago-Stroh fast gar nicht gelitten, während dieselben
Exemplare bei gleicher Bedeckungsweise und gleichem Standort in
früheren, weit milderen Wintern oft bis an die Erde erfroren. Eine
Erklärung hierfür glaube ich nur, ausser in den gleich anfangs erwähnten
Verhältnissen, in den verschiedenen Altersstadien, d. h. in der, nach
frischer Verpflanzung auf gut vorbereitetem, verschieden feuchtem und
kräftigem Grunde sich entwickelnden üppigen Triebkraft, resp. in der
durch längeren Standort und angrenzende Gehölzgruppen ete. veranlassten
Verminderung dieser Triebkraft zu finden. Obwohl auch im vorigen
Sommer diese Weigelien meist recht kräftig getrieben hatten, so war
doch das Gleichgewicht zwischen Wurzelwerk und oberirdischem Theil
kein so gestörtes mehr als bei früherem Zurückfrieren bis an die Erde,
und sonach der Jahrestrieb besser ausgereift, als es, zumal bei der letzt-
‚jährigen feuchten Herbst - Witterung den Anschein hatte. Jedenfalls war
es mir eine ebenso angenehme als bemerkenswerthe Ueberraschung,
ıneine Weigelien nach zwei strengen, und besonders nach dem letzten
Winter, so gut erhalten zu sehen, wogegen unzweifelhaft „‚hart“ gehaltene
andere Gehölze zum .T'heil bedeutend gelitten hatten. Bemerkt muss
noch werden, dass eine gleichalterige Weigelie, wie die erwähnten, aber
auf mehr feuehtem Grunde und im Rasen alleinstehend, auch im letzten
Winter wesentlich gelitten hat. — Ein nieht minder beliebtes und
schönes Ziergehölz:
Pirus japonica (Cydonia japonica) zeigte sich bei gleicher Ver-
paekung wie die Weigelia, und auf einem freien Standorte im Rasen in
früheren Wintern weit weniger empfindlich als Weigelien, litt dagegen
im letzten Winter bedeutend, wobei noch die Erscheinung interessan
war, dass einzelne Aeste auf ein und demselben Strauche fast gar nicht
gelitten hatten, während andere und stärkere Aeste total erfroren waren.
Eine Abhängigkeit in. Bezug auf den Standort — die Lage — in diesem
selben Strauche konnte nicht herausgefunden werden. Ein Aehnliches
war zu bemerken bei:
Spiraea prunifolia fl. pl., die eine lockere Umhüllung mit Soli-.
dago-Stroh ebenfalls erhalten hatten. Unverpackte und auf feuchterem
Grunde stehende KExemplare erfroren in den letzten beiden Wintern bis
x
der Schles. Gesellsch, f. vaterl, Cultur. oT
an die Erde und litten in den andern Wintern meist in den Zweig-
spitzen und Blüthenknospen.
Deutzia scabra hat in früheren Wintern im Allgemeinen und be-
sonders auf trockenem Standorte wenig gelitten, obwohl sie sich immer
empfindlicher zeigte, als man anderwärts anzunehmen gewohnt ist. In
den letzten beiden Wintern erfroren alle Exemplare ohne Unterschied
des Standorts und Alters bis an die Erde, unter Schneedecke.
Deutzia erenata fl. pl. dagegen hielt, schwach umhüllt, wie die
vorhergehend besprochene Sorte, und auf freiem, trockenem Standorte
die letzten beiden Winter ganz gut aus und hat schön geblüht.
Deutzia gracilis war durch Schneedecke hinreichend geschützt.
Ohne diesen natürlichen, aber mit künstlichem Schutz litt sie im vorigen
Winter oft wesentlich.
Amygdalus chinensis fl. pl. auf mässig feuchtem und auf trocke-
nem Grunde freistehend, litt jeden Winter, wenn auch zumeist nur in
den Zweigspitzen und Blüthen. In vorletztem Winter gingen einige
Exemplare ganz zu Grunde und die wieder austreibenden erfroren im
letzten Winter wieder bis an die Erde. Ebenso erfror
Corcherus japonica in einem aufrecht stehend verpackten Exem-
plare auf trockenem Grunde freistehend im letzten Winter bis an die
Erde; hingegen umgeleste Exemplare hielten sich in früheren und auch
im letzten Winter ganz gut.
Ribes sanguineum litt in jedem Winter (verpackt) bis an die
natürliche Schutzdecke oder bis an die Erde, so dass ich auf die weitere
Anpflanzung dieses recht hübschen Blüthenstrauches wohl besser werde
verzichten müssen. Dass mir aber von
Oytisus laburnum sämmtliche vor 8 bis 10 Jahren und später
verpflanzte Exemplare, auf mässig feuchtem wie auf trockenem Grunde
und regelmässig in Stroh und Tannenzweige verpackt, bis auf, ein Paar
sehwächlich austreibende Wurzeltriebchen erfroren sind, berührte mich
weit unangenehmer. Dieser schöne Strauch hatte sich zwar immer
empfindlich und etwas schutzbedürftig gezeigt, dennoch aber den vorletzten
Winter fast durchgehends passabel ausgehalten und paradirte schon in
ganz starken Exemplaren, die zwar im vorigen Sommer spärlich vege-
tirten und nicht mehr geblüht hatten, die aber zu der Hoffnung berech-
tigten, dass sie sich wieder erbolen würden, wenn nicht der letzte Winter
so streng gewesen und den Todeskeim zur Reife gebracht hätte. Einst-
weilen ersetzen Caragane arboresceens — die vollkommen hart ist —
diesen prächtigen Blüthenstrauch.
Colutea arborescens hatte in früheren Wintern selten gelitten.
Im letzten Winter erfror alles Hoiz bis an die Schneedecke.
Rhus cotinus hielt seit ea. 7 Jahren, jedesmal mit Strohmatten
umhüllt, immer gut aus. Im vorigen Winter hat jedoch fast die Hälfte
c
v9
73 Jahres-Bericht
dieses Strauches so gelitten, dass die stark entwickelten Triebchen und
mit ihnen der ganze Ast jetzt abgestorben ist. Die andere starke Strauch-
hälfte dagegen wächst und blüht kräftig wie immer. Auf mässig feuch-
terem Rasengrunde konnte ich dies Gebölz, auch sorgfältig verpackt,
durch keinen Winter bringen. Dasselbe war mit
Calycanthus frigidus der Fall. Auf trockenem Grunde, frei und
durch Gebäude etc. geschützt stehend, hielt dieses beliebte Gehölz
schwach umhüllt immer gut aus. Bei
Crataegus pyracantha erfroren in anderen Wintern meist nur
die Blätter und Zweigspitzen. In den letzten beiden Wintern dagegen
alles Holz bis an die Schneedecke. Der künstliche Schutz war der
bereits wiederholt erwähnte.
Sophora japonica und S. pendula, beide zusammen auf trockenem
Grunde und frei im Rasen stehend, litt jeden Winter; die Letztere un-
gleich mehr unter Verpackung, während Erstere, nur unten gegen Hasen
geschützt, stets und auch im letzten Winter gut ausgehalten hat; Sophora
pendula dagegen erfror in diesem Winter ganz.
Robinia hispida erforderte hier immer einen künstlichen Schutz
und hält so jeden Winter aus. Unverpackt kommt sie nur in ganz
gelinden Wintern durch.
Robinia viscosa litten nur in jungen, kräftigen Exemplaren, oder
in grösseren Bäumen die Spitzen kräftiger Jahrestriebe. Dass aber von
Robinia pseudo-Acacia mehrere ganz alte Exemplare im letz-.
ten Winter wesentlich gelitten zu haben scheinen, ist jedenfalls weit
auffallender.
Bignonia Catalpa glaubte ich nach dem letzten Winter gar nicht
mehr unter den lebenden Gehölzen sehen zu können, um so mehr freute es
mich jedoch, dass sowohl ein ziemlich altes, auf mässig feuchtem Grunde,
und ein junges Exemplar auf trockenem Boden, im letzten Frühjahr —
wenn auch spät und mit Ausnahme des jährigen Holzes wieder austrieben
und üppig weiter wachsen. Unter der gewöhnlichen Umhüllung mit
Stroh hielten dieselben Exemplare in milderen Wintern kaum wesentlich
besser aus.
Mit alleiniger Ausnahme oben erwähnter gemeinen Acacien wurden
die bis hierher bereits erwähnten und noch mehrere der folgenden Gehölz-
arten während meiner hiesigen achtjährigen Wirksamkeit, hier theils neu an-
gepflanzt, grossentheils aber überhaupt hier eingeführt und so glaubte ich auch
Ailanthus glandulosa einer Einbürgerung in den hiesigen An-
lagen für werth und fähig halten zu müssen. Bis jetzt ist es mir jedoch
noeh nicht gelungen, das Prädicat ‚‚einbürgerungsfähig‘“ annähernd be-
wahrheitet zu sehen. Seit Jahren säete und pflanzte ich von diesem
schönen Gehölze schockweise auf sterilem, rigoltem, trockenem Sande,
sowie auf besseren Bodenarten an; im nächsten Frühjahre war ich um
der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 279
Nichts weiter, als dass die erfrorenen Jahrestriebe sich an der Erde,
oder je nachdem Schnee lag, etwas höher wieder erneuerten, viele
Exemplare auch gänzlich zu Grunde gingen. Wenn mir demnach nicht
vielleicht noch der Versuch mit Verpflanzung möglichst alter Exemplare
besser gelingt, so werde ich wohl auf die Cultur dieses Parkbaumes ver-
zichten müssen und zum Ersatz dafür mein Augenmerk auf
Pterocarya caucasica richten. Ein vor zwei Jahren aus Ham-
burg bezogenes, an einem Teichufer, jedoch in mässig trockener Höhe
angepflanztes Exemplar hat die beiden strengen Winter ohne Bedeckung
ganz vollkommen ausgehalten. Dagegen ist wieder für
Juglans regia hier ein nicht geeigneter Ort und Klima, um grosse
Bäume davon zu ziehen. Alle Anpflanzungen, in jungen wie in möglichst
starken Bäumehen werden, verpackt wie unverpackt, in verschiedenen
Jahres-Intervallen immer wieder reducirt bis in’s alte Holz, oder bis fast
an die Erde. Auffallend aber ist wiederum, dass, nachdem im vorletzten
Winter ein auf trockenem Grunde und in geschützter Lage befindliches
recht hübsches Stämmchen trotz Strohumhüllung bis an die Erde erfror,
während des letzten Sommers einen Busch 3 bis 4 Fuss hoher Schosse
machte, die im letzten Winter ebenso verpackt gar nicht gelitten
haben, dagegen andere zwischen Gesträuch und etwas feuchter stehende
ebensolche Sträucher im vorletzten Winter scheinbar gar nicht, in diesem
Winter aber bis an die Schneedecke erfroren waren. Diese waren aber
immer unverpackt.
Juglans cinerea ist in einem grösseren Baume zwischen anderen
Bäumen stehend hier vorhanden und hat seit meiner Beobachtungszeit
niemals gelitten.
Castanea vesca pflanzte ich in einem recht hübschen Pyramiden-
strauch-Exemplare vor fünf Jahren in geschützter und trockener Lage
an, schützte es jeden Winter mit Solidago -Strohumhüllung, doch litt es
je nach der Strenge des Winters stets mehr oder weniger. Im vorletz-
ten Winter erfror es bis an die Erde, trieb darauf einen Busch kräftiger
Triebe, die sich im letzten Winter bequem umlegen liessen und so durch
Schnee hinreichend geschützt waren. Von
Liriodendron tulipifera ist in früherer Zeit, im ehemaligen
Klostergarten, ein grosser Baum vorhanden gewesen, der vor vielleicht
20 Jahren — wie man vermuthete, ebenfalls in Folge strenger Winter-
kälte — seinen Tod gefunden hat. Junge Anpflanzungen wollten wäh-
rend meines Hierseins immer nicht recht aufkommen, doch hat ein vor
zwei Jahren wieder neu angepflanztes Bäumehen die beiden darauf fol-
genden Winter unter Umhüllung ganz gut ausgehalten. Zu besonderer
Freude gereichte es mir, dass
Magnolia acuminata für hiesige Verhältnisse als vollkommen
hart sich erwiesen hat. Ich pflanzte davon vor ca. 9 Jahren zwei junge
380 Jahres-Bericht
Stämmcehen, das Eine auf mässig feuchtem, das Andere auf trockenem
Grunde einzeln aus, verhüllte sie bisher jährlich mit etwas Stroh und
liess im vorigen Winter nur das Eine — das trockenstehende — ganz
unverpackt. Beide Bäumchen haben bis jetzt jeden Winter ohne den
mindesten Schaden ausgehalten und sich freudig entwickelt, so dass ich
füglich von jeder künstlichen Decke absehen und auch hoffen kann, bald
dureh Blüthen erfreut zu werden. Ebenso hat ein vor zwei Jahren au-
gepllanztes Exemplar von
GFymnocladus canadensis die letzten beiden Winter ohne Decke
ausgchalten und nur die Spitze des vorjährigen Triebes etwas gelitten.
Ich komme nun zu einer Baumart, über deren Winterhärte —
wenigstens so weit es sich um alte Exemplare handelt — man bisher
wohl kaum einen:Zweifel hegte, bei der sich aber hier Erscheinungen
zeigten, welche interessant genug sein dürften, um sie ausführlicher zu
besprechen. Dies betrifft:
Platanus occidentalis. Von diesem prächtigen Parkbaume be-
fanden sich vor eireca 8 Jahren im hiesigen Park noch vier — ausser
einigen jungen Bäumchen, bis dahin überhaupt hier die einzigen —
zwischen 30 bis 50 Jahre alte Exemplare. Von diesen vier Bäumen
standen die zwei jüngeren unmittelbar an einem schmalen Teichrande,
an welchem wiederum unmittelbar ein breiter Weg entlang führt. Ein
dritter älterer und grösserer Baum an demselben Teiche, jedoch um
mehrere Ruthen vom Ufer entfernt und ca. 6 bis 8 Fuss über dem
Niveau desselben, an einem breiten Wege, hatte einen mehr trockenen,
schattigen Untergrund, während der vierte Baum an der Östseite
einer hohen Kirche zwischen anderen hohen Bäumen, besonders Birken,
bis zu einer Höhe von ca. 70 Fuss aufgeschossen ist. Seit einigen
Jahren sind diese Birken beseitigt, und die Platane mit ihrem .unverhält-
nissmässig langen Stamm und schmalen Krone etwas freier geworden,
dennoch aber dureh die Kirchengebäude, eine hohe Linde und eine, ich
möchte sagen Rieseneiche andererseits noch so verdeckt, dass sie nur in
unmittelbarer Nähe zu sehen ist. Der Untergrund ist trocken und vor
mehreren Menschenalteın Gottesacker gewesen. Diese Verhältnisse nun
mögen die Ursachen in sich tragen, dass diese Platane von den oben
bezeichneten vieren die einzige ist, die bis jetzt nicht durch Winterein-
flüsse gelitten hat, noch Erscheinungen zeigte, wie sie an den andern
drei Exemplaren beobachtet wurden und die hier noch besprochen
werden sollen.
Es mögen jetzt sechs Jahre her sein, als die ältere, an dem er-
wähnten Teiche stehende, aber von zu viel Feuchtigkeit scheinbar
weniger berührte, schön entwickelte Platane später als gewönlich und
als die andern Exemplare austrieb, nichts desto weniger durch raschen
üppigen Wuchs bald einzuholen sehien, was sie durch späteres Austreiben
RE
der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 981
an Zeit verloren hatte. Im Monat Juli desselben Jahres bekamen die
Blätter jedoch meist an einer Seite wie faulende Flecken, — einen Pilz
oder Aehnliches, wie ich vermuthete, konnte ich nicht bemerken — der
Blattstiel und die Blattstielbasis, ja auch das junge Holz wurden stellen-
weise fast zugleich davon ergriffen und die mehr als fusslangen Triebe
auf dem ganzen Baume entlaubten sich innerhalb kaum 14 Tagen bis auf
ein Minimum ihrer Blätter, ohne dass diese beim Herunterfallen schon
alle vollkommen welk oder gelb waren. Allmählich zeigten sich junge
Triebe an der Basis der eben entlaubten und verwelkenden und bis zum
Herbst war dieser Baum wieder voll kräftiger Triebe wie sonst, die
aber natürlicher Weise nicht mehr gehörig ausreifen konnten und im
folgenden Winter fast total erfroren. Die Folge war, dass im nächsten
Frühjahr der Baum noch später austrieb, mitten im Sommer wieder das
Laub abwarf und, da ein neuer Trieb sich nicht so bald zeigen wollte,
wegen seiner exponirten Stellung in der Anlage bald darauf gefällt
wurde; — standen doch nicht fern davon andere schöne, grosse Bäume
und an demselben Teiche zwei andere Platanen in schönster Jugendkraft.
Aber — o weh! — kaum war der eben besprochene Verlust ver-
schmerzt, und die kahlen Erinnerungszeichen an denselben den Holzvor-
räthen zugesellt, als auch schon die beiden hoffnungsreichen Exemplare
ein bedenkliches (Juantum ihres früheren Laubwerks kranken und fallen
liessen, ohne dass indess die Triebe weiter litten, wohl aber theilweise
sich noch neue Triebehen bildeten,
Der nächste Winter hatte das junge Holz sehr reducirt, aus den
unteren „schlafenden‘ Augen brachen die frischen Triebe sehr spät her-
vor und gegen Ende des Monats Juli fielen in Folge der fleckigen Er-
sehemungen an den Blättern ete. diese um einen beträchtlichen Theil
mehr als im Jahre vorher wieder ab, wobei indess der eine der mit den
Aesten sich stark berührenden und, wenn man so sagen will, sich in-
commodirenden beiden Bäume, sich noch um Wesentliches lebensfähiger
zeigte, der fast kahle dieser beiden Störenfriede, der Park- Aesthetik
wegen aber noch im selben Sommer seinem Nachbar Platz machen
musste. Dieser Letztere nun aber scheint den gewaltsamen Verlust
seines geschwisterlichen Kameraden bis heute noch nicht recht ver-
schmerzen zu können. Er trieb zwar seitdem jedes Jahr wieder aus,
aber noch jedesmal um etwas später als im vorhergegangenen Frühjahr,
machte kräftige Triebe, welche Mitte Sommers einen grossen Theil der
Blätter unter den bekannten Erscheinungen fallen liessen, er machte
abermals neue Triebe, welche nicht ausreiften und im nächsten Winter
wieder erfroren. Im vorletzten Frühjahr liess ich nur einen Theil der
orösseren Aeste abschneiden in der Absicht, den Baum zu kräftigen ;
allein das Resultat blieb dasselbe. Die über die ganze Verästelung des
Baumes bis an dessen Stamm vertheilten Sommertriebe erfroren im
282 Jahres-Bericht
letzten Winter wieder total und in diesem Frühjahr trieb der Baum erst
Ausgangs Juni aus, nachdem ich ihn ca. 4 Wochen vorher hatte noch
kurz zurückstutzen lassen. Die jungen Triebe haben gegenwärtig (Ende
Juli) schon wieder eine Länge von 12 bis 18 Zoll und ist bis jetzt von
dem gefürchteten Krankwerden der Blätter nichts zu bemerken. Die Zu-
kunft wird demnach erst lehren, ob es nicht doch vielleicht Uebereilung
war, zwei mehr als mannesstarke Platanen - Stämme dem Feuertode
geopfert zu haben, die möglicherweise sich doch noch erholt hätten,
Endlich sei noch erwähnt, dass eine etwas jüngere kräftige Platane in
einem hiesigen Privatgarten an einer Strasse — der Untergrund ist, wie hier
im Allgemeinen, vorherrschend eisenhaltiger Alluvialsand — mit den im Park
befindlichen und besprochenen zugleich dieselben Symptome zeiste und
gegenwärtig sich auch in derselben Verfassung befindet, als die zuletzt
erwähnte frisch austreibende, verstutzte; dass ferner der Durchschnitt
sowohl der Aeste, als auch zum Theil derjenige des Stammes der
kassirten beiden Exemplare ungleich vertheilte dunkelgraue Ringe zeigte,
die auf ein temporäres Erfrieren deuten, in Foge dessen wohl endlich
bei ungünstigem Zusammentreffen verschiedener Witterungseinflüsse die
Reaction auf diese Bäume entstanden sein mag.
Merkwürdig ist wiederum auch noch, dass ein an einem anderen
Teiche und absolut feucht und freistehendes, unten kaum armstarkes
Exemplar bis jetzt gar nicht gelitten hat, während mehrere andere,
minder kräftige und scheinbar günstiger situirte Bäumchen bis an die
Erde im letzten Winter erfroren sind.
Jedenfalls geben diese und im Allgemeinen die Resultate der letzten
Winterkälte auf die Vegetation, für den Praktiker, wie für den Pflanzen-
physiologen viel zu denken. Wenn ich hiernach noch erwähne, dass
von Nadelhölzern hier in Freien
Abies Nordmanniana im Halbschatter zwischen hohen Bäumen,
Thuja occidentalis in alten Exemplaren in jeder Lage,
Pinus canadensis und Juniperus virginiana in gleicher Weise,
gar nicht gelitten haben, dass
Taxus baccata im Halbschatten, nur in den Blattspitzen, junge
Juniperus virginiana und junge Thuja occidentalis aber in den
/,„ bis 1 Fuss über den Schnee herausgeragten Wipfelspitzen erfroren
sind, so hätte ich zum Schluss nur noch diejenigen Gehölze zu nennen,
an denen sich die ungewöhnlich nachtheiligen Wirkungen des letzten
Winters besonders bemerkbar machten. Es erfroren z. B. eine Menge
Syringa chinensis und persica, zumeist in alten Exemplaren,
theils einzelne Aeste ganz, andere partiell. Der grössere Theil hat so ge-
litten, dass sich der Haupttrieb von der Wurzel aus bildet, während das
alte Holz kümmerlich grünt und nach und nach wohl vollends wird heraus-
E=.
FE AV
EN
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 283
geschnitten werden müssen, Jüngere Exemplare zeigten sich viel weniger
empfindlich. Ferner haben theilweise gelitten:
Lygustrum vulgare, Sambucus nigra lacimiata, Spiraea opulifolia und,
wie bereits erwähnt, Robinia pseudo-Acacia in alten Exemplaren.
Aus dem hiesigen Gemüsegarten, der alle einzelnen Abstufungen
zwischen feuchter und trockener Lage hat, musste fast die Hälfte der
Pilaumenbäume (Gemeine Hauszwetsche), zwischen dem Beginn der Trag-
fähigkeit und der letzten Tragbarkeit stehend, als bis zum Dürrsein er-
froren, abgeschnitten werden. Einzelne sterben noch jetzt ab.
Des Schadens, der sich unter den Kernobstsorten, besonders in
jüngeren Anpflanzungen und an Obstspalieren herausstellte, will ich hier
gar nicht gedenken. Ueber dieses Thema wissen Pomologen vom Fach
ausserhalb der Grenzen Raudens sicher auch geuug und eingehender zu
erzählen.
Unerwähnt darf ich endlich nicht lassen, dass im vorletzten Winter
viele Weissbuchen (Carpinus Betulus) im Walde, wie in den Park-
pflanzungen recht auffallend, wenn ‚auch nicht bis zum Trockenwerden
gelitten hatten, was nach dem letzten Winter jedoch nicht der Fall war.
Hiermit schliessend, glaube ich das Wesentliche über das fragliche
Thema soweit erwähnt zu haben, als es meine eigenen Beobachtungen
umfasst und als es zu anderweitigem Material auf diesem Gebiete zum
Theil einen nieht unerwünschten Beitrag liefern dürfte.
Die Feinde der Spargelpflanze und deren Vertilgung.
Von
Kunstgärtner Streubel in Carlowitz.
Die Cultur des Spargels im Allgemeinen ist wohl fast jedem Gärtner
bekannt, doch um die Feinde desselben haben sich gewiss viele noch
gar nicht bekümmert und sind ihnen dieselben unbekannt geblieben. —
Bei meinen ausgedehnten Spargeleulturen, welche mehr als 6 Morgen ein-
nehmen, habe ich Gelegenheit gehabt, die Feinde des Spargels genügend
zu beobachten, und dabei manches Interessante zu erfahren.
Beginnt man bei der ersten Entwickelung des Samenkornes, so ist
es zunächst die nackte Erdschnecke. Sobald der Samen aufgeht,
fressen die Schnecken die jungen Spitzchen weg, das Wachsthum ist
vorüber, und das Würzelchen muss neue Anstrengungen machen, um
ein neues Stengelchen zu treiben. Bevor dies geschieht, vergeht einige
284 Jahres-Bericht
Zeit, während, wenn dies nieht zu geschehen brauchte, die Samenpflanzen
schon eintge Zoll Höhe erreicht hätten; gleichzeitig wurden aber auch
dureh das Abfressen und durch die erneuete Anstrengung zum Austreiben
die Pflanzen geschwächt.
Um die Schnecken zu vertilgen, liest man sie frühzeitig des Morgens
ab, oder als einfachstes und sicherstes Mittel überstreut man die Beete
mit ungelöschtem, pulverisirtem Kalk, so ‘dass die Oberfläche davon
weiss wird. Schaden wird den Pflanzen hierdurch nicht zugefügt. Zu-
weilen fressen die Schnecken auch die jungen Spargelpfeifen an; um sie
zu vertilgen, hilft auch noch ausgelegtes Futter, an dem sie leicht abzu-
lesen sind, ebenso hohl gelegte Dachziegeln, unter welchen sie sich gern
aufhalten. *)
Bekommen die aufgegangenen Pflanzen Blälter, so stellt ein neuer
Feind sich ein und richtet oft bedeutenden Schaden an, es ist dies der
Spargelkäfer, auch Spargelhähnchen genannt. Von diesem Käfer
unterscheidet man zwei Arten, die beide zu einer Gatiung gehören und
Aehnlichkeit mit dem rothen Lilienkäfer haben. Die eine Art, der
zwölfpunktige Spargelkäfer, hat rothe Flügeldecken und auf jeder
6 schwarze Punkte; die andere Art sieht schwarzblau aus, hat ein
rothes Halsschild und gelbliche Flügeldecken, welche durch 4 Punkte
und 2 schwarze Kreuze gezeichnet, sind.
Der Spargelkäfer ist einer der gefährlichsten Feinde des Spargels
und ist im Stande, junge Aussaaten und Auspflanzungen zu vernichten
oder doch sehr zu schwächen. Der Schaden wird weniger direet durch
den Käfer, als vielmehr durch dessen Larve (im gewöhnlichen Leben
fälschlich Raupe genannt) augerichte. Während der heissen Tages-
stunden setzt sich der Käfer auf die Pflanzen und legt, wenn er nieht
gestört wird, seine Eier längs des Stengels und zwischen diesen und der
Basis des Blattes. Nach kurzer Zeit kriechen in grosser Anzahl häss-
liche, schmutzig braungrüne Larven aus, welche bis zur Zeit ihres Ein-
puppens die Blätter und die Rinde der jungen Pflanzen in kurzer Zeit
zernagen; hat dies erst statthaben können, so stirbt der Stengel ab, der
Wurzelttock treibt einen neuen Stengel hervor, und Spargelpflanzen,
*) Leicht vertilgbar ist die nackte Ackerschnecke auch durch Weizenkleie,
in schmalen Streifen auf die Beete oder in die Furchen gestreut, wird sie von
den Schnecken gern angenommen, diese schwellen davon aber auf und sterben
ab. Den Saft der frisch abgeschälten Rinde von Weidenästen liebt diese nackte
Schnecke auch sehr; Stücke solcher Rinde werden des Abends ausgelegt, in der
Nacht suchen die Schnecken diese süsse Nahrung, und am frühen Morgen kann
man sie in grossen Mengen in den Rindenstücken finden und tödten, Beide
Mittel dürften freilich leichter in Gärten, als auf grösseren Feldflächen Anwen-
dung finden können. Die Redaction.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 285
welche mehrmals derart geschädigt wurden, geben später nur schwäch-
liche Setzlinge.
Wie sehon oben bemerkt wurde, erscheint die erste Generation des
Spargelkäfers im zeitigen Frühjahr, eine zweite ebenso gefährliche aber
im Juli und bis spät in den Herest hinein findet man noch einzelne
Käfer. Haben die schon beschriebenen Larven derselben ihre voll-
kommene Grösse erreicht, so kriechen sie von den Stengeln in die Erde
herab, wo sie sich verpuppen und der kleinen Puppe dann im nächsten
Frühjahr die ersten Käfer entschlüpfen.
Ein gutes und sicheres Mittel zur Vertilgung der Larven ist das
Ueberstreuen der noch vom Thaue feuchten Pflanzen mit pulverisirtem
ungelöschtem Kalk, sonst giebt es kein anderes, als sie alltäglich sorg-
fältig abzulesen und zu tödten; schon bei ihrer Berührung geben die
Larven einen schmutzigen Saft von sich. Die Spargelkäfer selbst kann
man nur in der Weise vertilgen, dass man sie von der Zeit an, wo sich
die ersten derselben zeigen, des Morgens, wenn es noch kühl ist, durch
Ablesen oder Abschütteln auf Tücher fängt und tödtet, oder auch alle
Tage, sobald die Sonne scheint, aufsucht und sofort zwischen den Fingern
zerdrückt; bei diesem Geschäft aber sich hütet, die jungen Pflanzenstengel
zu beschädigen. Sehr oft lässt der Käfer, so wie man sich ihm mit der
Hand nähert, sich auf die Erde fallen, wo er sich in einer Vertiefung
verbirgt; in diesem Fall muss man ihn aufsuchen, oder er wird nach
wenigen Minuten wieder an der Pflanze emporkriechen, wo man ihu
dann fänst. Will man sich vor dem Schaden, den diese Käfer anrichten,
schützen, so hat man die dagegen hier angegebenen Vorsiehtsmassregeln
nicht nur bei den Saatbeeten, sondern auch bei jüngeren wie älteren
Pflanzungen des Spargels ernstlich zu beobachten.
Ein weiterer Feind, dessen Schädlichkeit nicht unterschätzt werden
darf, ist: die Spargelfliege. Zur Zeit, wo die jungen Stengel empor-
sprossen, findet man unter denselben solche, die gekrümmt sind. Diese
krankhafte Erscheinung rührt von der Spargelfliege her, welche ihre
Eier in den Kopf der jungen Spargelsprosse legt, sind dann die Maden
den Eiern entschlüpft, so fressen sie sich abwärts bis in den untersten
Theil, zuweilen bis in den Kopf der Pflanze. Sticht man einen solchen
sekrümmten Stengel aus und schneidet ihn auf, so findet man in seinem
Innern stets eine oder mehrere Maden von weisser Farbe mit braunem
Kopfe, aus denen später die Spargelfliege entsteht. Die Made verpuppt
sich endlich im Innern des Stengels, überwintert dort und ist die etwa
4 Zoll lange Puppe von hellbrauner Farbe. Die Fliege erscheint dann
im folgenden Frühjahr sobald der Spargel zu treiben beginnt, und ist
teicht erkennbar an ihren buntstreifigen, durchsichtigen und geaderten
Flügeln.
286 Jahres-Bericht
Die Vertilgung durch Wegfangen der Fliege ist nicht möglich. Das
sicherste Vorbeugungsmittel gegen den durch sie veranlassten Schaden
ist das Abschneiden der krummen Stengel, welche sodann verbrannt
oder in Gülle geworfen werden. Sehr wichtig ist es auch, bei dem
Graben des Spargels, dessen in der Erde stehen gebliebene Stümpfe zu
entfernen und ebenfalls zu verbrennen. Durch die Entfernung der krum-
men Stengel im Sommer und der trockenen Stumpfe beim Graben der
Spargelbeete werden in Ersteren die Maden und in Letzteren die Puppen
der Fliegen vernichtet und damit den Verheerungen derselben Einhalt
gethan.
Ein gefährlicher Feind des Spargels ist in manchen Jahren auch der
Engerling. Wenn die Engerlinge sich eines Spargelbeetes bemächtigen,
so zerstören sie, wenn ihnen nicht Einhalt gethan wird, dasselbe oft
gänzlich und in kurzer Zeit. Sie beginnen damit, dass sie vorzugsweise
die jungen Wurzeln angreifen, die demzufolge bald absterben, und sind
sie hiermit bei einer Pflanze fertig, so fangen sie mit einer zweiten an.
Die Engerlinge fressen nur während der schönen Jahreszeit, je wärmer
es wird, desto mehr nähern sie sich der Oberfläche und greifen dann
den Stammtheil oberhalb der Wurzeln an; im Herbste gehen sie dann
wieder mehr in die Tiefe, so dass sie die Kälte nicht erreichen kann, sind
sie aber der Zeit ihrer Verwandlung nahe, so gehen sie schon im Juli in
die Tiefe, fressen mehrere Wochen vorher am meisten und richten da
natürlich den grössten Schaden an. Bekanntlich braucht der Engerling
bis zu seiner Verwandlung in den Maikäfer 3 bis 4 Jahre; ist im Früh-
jahr die Witterung günstig, so dass das Bierlegen und deren Ausbrüten
zeitig erfolgt, so genügen 3 Jahre, ist dagegen das Frühjahr nass und
kalt, so dass das BEierlegen und Ausbrüten erst spät geschieht, so bedarf
er 4 Jahre. |
Wenn ein Engerling an den Wurzeln eines Spargelstockes nagt, so
werden die Spitzen der Stengel welk, frisst er längere Zeit, so krümmen
sie sich; sobald man solche Anzeichen bemerkt, so muss man nach-
graben und den Engerling tödten. Sind die Wurzeln nur unbedeutend
angefressen, so leidet die Pflanze wenig, ist dies aber in höherem Masse
geschehen, so ist die Pflunze so ziemlich als verloren zu betrachten oder
doch sehr geschwächt.
Das Schlimmste ist, dass man bis jetzt noch kein Mittel kennt, um
die Engerlinge zu vertilgen, oder auch nur abzuwehren, und dass man
den Schaden, den sie anrichten, nicht früher gewahrt, als bis er ge-
schehen. Von allen Mitteln, welche bisher zur Vernichtung der Enger-
linge empfohlen wurden, hat sich keines als von vollständig sicherem
und gutem Erfolge erwiesen, oder sie waren überhaupt ganz nutzlos
und — Schwindel,
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. | 287
Das Aufsuchen der Engerlinge ist schwierig und mühsam, aber
doch das einzige Mittel von gutem Erfolge. Ein anderes und zuweilen
auch sicher wirkendes Mittel zur Vertilgung der Engerlinge ist: sobald
man an den oben angegebenen Anzeichen das Vorkommen derselben
bemerkt, die obere Erde um die betroffenen Pflanzen zu entfernen und
tüchtig mit Jauche zu giessen, wodurch der Engerling getödtet wird;
allerdings darf dann ein Nachgiessen von Wasser nicht unterbleiben, da
sonst die Pflanze mehr leiden würde, als man ihr zu nützen gedachte.
Ein leicht zu beseitigender Feind ist der Maulwurf, nagt er auch
keine Spargelpflanzen an und schädigt sie nicht unmittelbar, so wird er
er doch dadurch lästig, dass er den Boden durchwühlt und zuweilen
Pflanzen bloslegt. Das Wegfangen desselben ist bekannt und sicher;
ob es dagegen vortheilhaft ist, darüber will ich nicht urtheilen, fände er
keine Nahrung, so würde er weiter gehen; sein Nutzen ist sicher grösser
als der etwa durch ihn veranlasste Schaden.
Zum Schlusse erwähne ich noch eine Krankheit, welche in diesem
Jahre hier an einigen Stellen ganz bedeutend aufirat. Es ist dies
der Rost.
Es ist erwiesen und bekannt, dass der Rost ein Pilz und nicht die
Ursache, sondern die Folge einer im Pflanzenreich, besonders bei Ge-
treide, Gräsern u. s. w. hüufig vorkommenden Krankheit ist. Die ge-
wöhnlichste Ursache des Rostes ist dieselbe, wie bei anderen an Pflanzen
vorkommenden Pilzkrankheiten, plötzlicher und bedeutender Temperatur-
wechsel, erzeugt durch kalte Zug- oder heisse, trockene Winde, auch
kalte Nächte, kalten Regen, nasskalte Nebel zu ungewöhnlicher Zeit;
plötzliche Hitze u. s. w. Durch solche Vorkommnisse wird der Saftlauf
der Pflanze gehemmt, ihre äusseren Theile sind nieht mehr im Stande,
den Saft gehörig zu verarbeiten, die Rinde wird rissig oder bekommt
Punkte, der Zelleninhalt geht in Fäulniss über, und dies ist die Bedin-
sung zur Entwickelung der Pilze, so wie es in anderen Fällen die
feuchte, warme und dumpfe Luft ist. An jenen kranken Stellen zeigt
plötzlich sich der Pilz (Rost). zuerst und verbreitet sich dann bald, oft
über die ganze Pflanze, die Bildung des Cambrium hört auf und hiermit
auch die regelrechte Ernährung und das Wachsthum der Pflanze, die
feinen Blättchen fallen ab und die Pflanzen sehen schlecht aus. Dass
unfer solchen Umständen die Pflanzen mindestens bedeutend leiden,
wenn nicht ganz zu Grunde gehen, ist natürlich.
Ein Mittel gegen den Pilz giebt es nicht, die getödtete Zelle bleibt
todt, auf neue gesunde Triebe pflanzt der Pilz durch Ansteckung sich
nicht fort; dagegen steht es fest, dass eine vom Pilz befallene, daher
nicht mehr regelmässig ernährte Pflanze äusseren Einflüssen weniger
Widerstand leisten kann, mithin auch eher geneigt ist, wieder krank zu
werden und die Folge dieser erneuten Krankheit wieder neue Pilze
288 Jahres-Bericht
sind. Tritt die Pilzkrankheit erst spät, bei fast vollendetem Wachs-
thum der Pflanze auf, so macht sie weniger Schaden, als wenn sie in
deren grösster Vegetationsperiode erscheint.
Ein empfehlenswerthes Scarlet-Pelargonium zur Verwendung für Teppich-
gärten und dessen Cultur.
Von
A. Schütz, Obergärtner in Wettendorf (Ungarn).
So reich auch. schon die Auswahl der für die moderne Teppich-
gärtnerei verwendbaren Pflanzen geworden ist, so dürfte doch jeder
Gärtner und Gartenfreund mit immer wieder neuer Freude eine Pflanze
begrüssen, welche durch ihre Schönheit und für diesen Zweck in jeder
Beziehung der Cultur würdig ist. Mit vollem Rechte kann man dies von
einer Pflanze sagen, welche, obschon keine Neuheit, dennoch bis jetzt
viel zu wenig bekannt wurde; es ist dies das Zwerg-Pelargonium „Harry
Hickhofer“ — In Nachstehendem will ich versuchen, eine kurze Be-
schreibung desselben und seiner Cultur zu geben.
Pelargonium Harry Hickhofer erreicht, im freien Grunde ausgepflanzt,
eine Höhe von 5 bis 6 Zoll und bildet eine dieht verzweigte Krone,
die Blätter sind in fünf grössere, spitz ausgesägte Lappen getheili, durch
die Fibern des Blattstieles, welche die Blattscheibe durchlaufen, wird
deren Rand sanft nach innen gebogen, und eine schöne braune Zone
ziert die lebhaft grün gefärbten Blätter. Schon als kleine Stecklings-
pflanze blüht dieses Pelargonium reichlich, und im freien Grunde aus-
gepflanzt, gewähren seine leuchtend scharlachrothen, in grosser Menge
erscheinenden Blüthen bis in den späten Herbst einen ununterbrochenen Flor.
Obgleich dieses Pelargonium als Einfassung anderer Blumengruppen,
oder für sich allein zu einer Gruppe verwendet, einen brillanten Effect
macht, so eignet es sich doch besonders gut zu Bänderformen in einer
Zusammenstellung mit blau (Lobelien) oder mit gelb (Pyrethrum aureum).
In dem hiesigen Garten werden jährlich 3000 bis 4000 Stück ausge-
pflanzt, und um diese Massen über Winter in dem möglichst kleinsten
Raume unterzubringen, stecke ich im August und September die Steck-
linge in kleine Kästchen, wo sie leicht wurzeln und stelle dieselben im
Winter im Kalthause den Fenstern möglichst nahe auf. Im Februar
werden die jungen Pflanzen einzeln in kleine Töpfe gepflanzt, diese in
EM wer a.
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der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 989
warme Kästen eingesenkt und verbleiben sie hier bis zur Auspflanzung
in’s Freie.
Durch dieses Pelargo nium wird Verbena defiance fast ganz über
flüssig, weil der gedrungene Wuchs, die zierliche Belaubung, sowie die
Farbe der Blüthe des Ersteren, die Letztere gänzlich in den Hintergrund
stellt. — Pelargonium Harry Hickhofer wurde in die hiesige Gärtnerei von
England eingeführt, und veranlassten mich seine Vorzüge, besonders die-
jenigen, welche es den Freunden der Teppiehgärtnerei bietet, im vorigen
Frühjahr meinem Freunde, dem Kunst- und Handelsgärtner Herrn
W. Kühnau in Breslau einige Pflanzen desselben zu senden, wo es nun
wohl auch zur Ansicht und käuflich zu haben sein wird.
Bericht
über
die Vertheilung von Nutz- und Zierpflanzen-Samen im Frühjahr 1871.
Von
dem zeitigen Secretair der Section.
Die seither alljährlich vorgenommene Gratis-Vertheilung von
Samen als empfehlenswerth erprobter Gemüse und Florblumen an Mit-
glieder der Section zum Versuchsanbau, war auch für das Frühjahr dieses
Jahres beschlossen und dem Secretair deren Ausführung übertragen
worden. Die vorjährige äusserst ungünstige Ernte fast aller derartigen
Sämereien hatte die Preise der meisten derselben jedoch nicht unerheb-
lich gesteigert, und erschien es deshalb geboten, ein um etwas höheres
Geldquantum als früher für die Beschaffung der für diese Vertheilung
wünschenswerthen zu bestimmen.
Den aus den möglichst zuverlässigen Quellen bezogenen Sämereien
wurden noch beträchtliche Quantitäten in dem Garten der Section ge-
ernteter und zwar namentlich von Hülsenfrüchten hinzugefügt, ebenso
einige Sorten Blumensamen durch den Secretair, und waren ausser diesen
noch reiche und werthvolle Spenden von dergleichen durch die Herren:
Garten-Inspeetor Bürgel, Kunstgärtner Pfeiffer und unseren wohl
renommirten Levkojen-Cultivateur, Kunst- und Handelsgärtner G. Teicher
in Striegau freundlichst eingesendet worden, wofür denselben hiermit
der verbindlichste Dank dargebracht wird.
Nachdem die Verzeichnisse der zu vertleilenden Sämereien den
vesp. Mitgliedern übersendet worden und mit dem Vermerk deren etwaiger
19
290 Jahres-Bericht
Desiderata versehen, zurückgelangt waren, konnte die Vertheilung von
1233 Portionen Gemüsesamen in 78 Sorten und von 1482 Portionen
Blumensamen in 95 Sorten in der ersten Hälfte des Monat April an
94 Mitglieder erfolgen, und betrugen die Kosten dieser Gratis-Ver-
theilung nach specieller Rechnungslegung zusammen 44 Thlr. 20 Ser.
10 Pfennige.
Hierbei finden wir uns leider immer wieder auf’s Neue gedrungen,
an die auch in unserem letzten Jahresberichte näher bezeichneten Be-
dingungen erinnern zu müssen, unter denen diese Gratis- Vertheilungen,
und zu welchem eigentlichen Zwecke sie vorgenommen werden, da dieser
nur eben und um so vollständiger erreichbar ist, wenn jene eine allseitig
freundliche, bereitwilligere Erfüllung finden, um welche, lediglich aus
Gründen der Gemieinnützigkeit, denn hier auch wiederholt recht dringend
gebeten wird.
Die schweren Schäden, welche der Winter von 1870 zu 1871 den
Obstbäumen auch in dem Garten der Section zugefügt hatte, machten es
unmöglich, neben jener auch noch eine Gratis-Vertheilung von Obst-Edel-
reisern in diesem Jahre offeriren zu können.
Cultur- Ergebnisse
einiger an Mitglieder der Section vertheilten Gemüse-Samen.
Von
J. Jettinger, Gärtner der Section.
Die Annahme, dass auf einen kalten strengen Winter ein warmer
Sommer folgen müsse, hat: im Jahre 1871 als eine durchaus unrichtige
sich erwiesen. Beginnen wir beim Monat Mai, so war über Kälte, viele
Feuchtigkeit und heftige Winde sich zu beklagen. Eine ziemlich kühle
Temperatur hielt mit wenigen kurzen Unterbrechungen bis Mitte Juli an,
worauf es endlich warm wurde, freilich für Vieles viel zu spät. Was
von Gemüsepflanzen sich zu dieser Zeit erholte und im September seine
volle Entwiekelung würde erreicht haben können, erlag in einigen
Gegenden im ersten Dritttheil, im, anderen gegen die erste Hälfte dieses
Monats einer ziemlich strengen Frostnacht. Die Anzucht von Samen er-
litt schon durch den ungünstigen Vorsommer Einbusse, noch mehr aber
durch die zeitig eingetretenen Fröste und die darauf im Nachsommer
wieder folgende nasse Witterung. Mit einem Worte, die _ meteoro-
logischen Verhältnisse des Jahres 1871 waren in der Provinz Schlesien
dem Gemüse- wie überhaupt dem gesammten Gartenbau sehr ungünstig.
4 Fr
der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Cultur. 291
Dies mag zum Theil der Grund sein, aus welchem über nur wenige
der im Frühjahr zur Vertheilung gelangten Gemüsesamen die so wün-
schenswerthen Culturberichte eingesendet wurden, und diese auch noch
mitunter sehr abweichend von einander und lückenhaft waren; war es
doch selbst im Garten der Section bei aller Sorgfalt und Pflege wicht
möglich, von allen Aussaaten ein sicheres Resultat über höheren ode,
geringeren Werth des Productes zu gewinnen. In diesen Umständen
. möge die Kürze dieses gegenwärtigen Berichtes Entschuldigung finden.
A. Blumenkohl. Die Urtheile lauten den früheren gleich; nur
der „Italienische Riesen-‘ wurde, von einigen Seiten verkannt, als
Viehfutter verwendet, weil er im Freien keine Köpfe ansetzte. Diese
Sorte dürfte in unserem Klima im Freien selten eine Ernte liefern, muss,
um eine solche zu erhalten, also immer eingeschlagen werden; am besten
geschieht dies in einem nicht zu dunklen, frostfreien Keller, in mässig
feuchtem Sand oder Erde. Vorher müssen die Pflanzen natürlich einen
gewissen Grad von Vollkommenheit erreicht haben, wenn das Resultat
ein befriedigendes sein soll. Dass man dasselbe Verfahren bei allen
Blumenkohlsorten anwendet, welche spät angebaut werden und zum Ver-
brauch im Winter dienen sollen, ist den Meisten wohlbekannt, doch
glauben wir hier wieder besonders darauf hinweisen zu müssen.
B. Wirsing. Die schon früher gebauten Sorten kamen auch in
diesem Jahre zum Anbau, weshalb bezüglich ihres Verhaltens um so
eher auf die Berichte vorangegangener Jahre verwiesen werden kann, da
mit nur einigen wenigen Ausnahmen das dort Gesagte sich wiederholte.
C. Kopfkohl, Winnigstädter, wird, obschon er nur kleine,
aber doch sehr feste Köpfe bildet, als sehr zart und gut hervorgehoben.
Das Nichtgedeihen dieser oder jener Sorte hatte seinen Grund in
dem massenhaften Auftreten des Kohlweisslings, dem namentlich bei
umfangreichem Anbau kaum zu steuern ist. So viele Mittel gegen dieses
Ungeziefer auch schon versucht wurden, so hat doch noch keins derselben
sich als genügend wirksam erwiesen; das Absuchen der Raupen oder
Eier etwa ausgenommen. Von einem befreundeten, erfahrenen Praktiker
wurde uns folgendes sich als wirksam erwiesen haben sollende Mittel
angerathen: Zur Zeit, wo der Sclmetterling zu fliegen beginnt, nehme
man kleine Stückchen Asa foetida, welches in jeder Apotheke zu erhalten
ist, wickle diese in dünne Leinwandläppchen und befestige sie an in den
Kohlfeldern in nicht allzugrossen Entfernungen von einander einzu-
steckenden Stäbehen. Der durchdringende Geruch dieser Substanz soll
die Schmetterlinge fern halten. Leider gab es bis jetzt noch keine Ge-
legenheit dieses Mittel selbst zu versuchen, da es aber ohne grosse
Mühe und Kosten anwendbar ist, so möchten wir doch zum Versuch
desselben rathen und zugleich um gefällige Mittheilung der dadurch etwa
erzielten Resultate bitten.
13:
392 Jahres -Bericht
D. Kopfsalat. 1) Jutroschiner Prachtkopf. Eine von
Herrn Apotheker Scholz in Jutroschin seit Jahren gezogene und mit
diesem Namen bezeichneten Sorte von grosser Zartheit und Wohlge-
schmack; sie bildet schöne Köpfe und verdient alle Empfehlung. 2) Arn-
städter Treib- ist eine sich schnell entwickelnde, vorzügliche, für’s
Frühbeet sehr schätzbare Sorte.
E. Gurken. Nach den im Eingange‘‚dieses Berichts geschilderten
Witterungsverhältnissen konnte es nicht anders sein, als dass, wenn auch
an einzelnen Orten ziemlich gute Ernten erzielt wurden, dennoch im
Allgemeinen die Culturen von Gurken fehlschlugen, was ebenso von
Melonen gilt. Unter Fenster gehaltene Pflanzen fristeten, obschon auch
ihnen ein freudiges Gedeihen abging, freilich etwas länger ihr Dasein,
als solche im Freien stehende.
Bei dieser Gelegenheit erlauben wir uns auf den sehr verbreiteten
Irrthum aufmerksam zu machen, dass unter den Gurken eine Krankheit
herrsche, welche die Pflanzen gegen schädliche Witterungseinflüsse wider-
standslos mache. Diese hier gemeinte Krankheit ist aber lediglich erst
eine Folge andauernd nasskalter Witterung, welcher alle Pflanzen von
zarter Construction erliegen und äussert sich besonders nach Eintritt
recht warmer Tage durch das Welkwerden der Blätter zuerst. TUnter-
sucht man bei dieser Erscheinung solche Pflanzen, so findet man alle
Theile derselben bis tief zum Wurzelhalse gesund, und nur die stärkeren
Wurzeln sind von einer Fäulniss ergriffen, welche sich mit rapider
Schnelligkeit dem ganzen Wurzelvermögen mittheilt. Nach unserer Er-
fahrung befällt dieses Uebel die Pflanzen um so eher, je wärmer und
trockener nach langer nasskalter Witterung es bis zu der Zeit ist, in
welcher die Pflanzen zu blühen anfangen; ein radieales Mittel gegen das-
selbe ausfindig zu machen, ist uns noch nicht gelungen, wenngleich die
Ueberzeugung lehrte, dass die Pflanzen gegen solche Unbilden der Wit-
terung eine grössere Widerstandsfähigkeit gewannen, wenn ihnen von
zarter Jugend an in kurzen Zwischenräumen ein Düngerguss gespendet
wurde.
Ausser den früher angebautem Gurkensorten, welche sich unter den
bestandenen Verhältnissen wie damals verhielten, mögen erwähnt werden:
1) Neue Riesen- aus Nubien. Als sehr interessante, weissfrüchlige,
diekfleischige Sorte angepriesen, glaubten wir. ihren Anbau auch ver-
suchen zu müssen. Besitzt dieselbe nun zwar die beiden letzteren Eigen-
schaften, so ist doch das „Interessante“ an ihr unerklärlich geblieben. —
Sollten derartige Anpreisungen im Interesse des Gartenbaues nicht lieber
unterbleiben? — Auch wurde diese weisse nubische Riesen-Gurke bei
uns trotz sorgsamer Pflege unter Glas kein „Riese“, sondern blieb eine
bescheiden dieke, kurze Frucht, wie solehe eben nicht selten sind, dazu
noch hohl und erwies sich bei gedrungenem Wachsthum von sehr geringer
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70
der Schles. Gesellsch. f£, vaterl. Cultur. 293
Tragbarkeit. Hiernach wird diese Gurke zum Anbau keinesweges zu
empfehlen sein. 2) Neue, früheste, kleinlaubige, weissstachelige
srüne Schlangen- erwähnten wir im letztjährigen Berichte bereits und
bauten sie in diesem Jahre selbst an. Auch diese Gurke entsprach ihrem
langathmigen Namen in keiner Beziehung, nicht einmal im Blatt. Unter
acht Pflanzen war eine einzige, welche Früchte ansetzte, die das Prä-
dieat ‚‚Schlangengurke‘‘ verdienten, von Stacheln zeigten sie aber auch
und überhaupt keine Spur. — In solchen eclatanten Fällen, wie den
beiden hier angeführten kommt man in die Lage, die Schuld der betref-
fenden Samenhandlung allein beizumessen, denn sollte dieselbe auch den
Züchter in sofern treffen, dass er sein Product früher an den Markt
brachte, bevor dessen Güte und Beständigkeit zweifellos festgestellt war,
so dürfte es doch auch Pflicht der Ersteren sein, auf Letzteres neue
Sorten vor weiterer Verbreitung noch selbst zu prüfen.
F. Erbsen. Die in unserem Bericht pro 1870 angeführten neuen
Sorten haben sieh als werthvoll bewährt. Ausser diesen sind diesmal
zu erwähnen: 1) Kneifel-Erbse, Ruhm von Cassel. Wird an
Ertragsfähigkeit nicht leicht von einer anderen Sorte übertroffen, ist
mittel früh, 4 Fuss hoch und bringt grosse Schoten von süssem Ge-
schmack. 2) Mark-Erbse, Beste von Allen (Mae Lean’s best of
all) reiht sich der vorigen würdig an und ist schr zu empfehlen. 5)
Zucker-Erbse, frühe Bretagner, bringt ganz kleine Schoten, die
‚sehr schnell passiren und muss hier als werthlos bezeichnet werden;
vielleicht verhält sie sich anderorts besser.
G. Busehbohnen. 1) Korbfüller. Diese Sorte wurde auch
im Garten der Section versuchsweise angebaut; ihr Ertrag ist mittel-
mässig, die Schoten gross, von zartem Geschmack, aber sehr empfindlich
gegen nasse Witterung. Leider ranken die Pflanzen so stark, dass wir
dieses Uebelstandes wegen diese Sorte nicht empfehlen möchten.
2) Bunte Valentine; vortreffliche, diekfleischige, frühe, reiehtragende
Sorte. 3) Buntkörnige weisse Wachs-Schwerdt- hat grosse
Schoten von zarter Beschaffenheit, trägt sehr reich und früh und ist
wohl die beste unter den niedrigen Wachsbohnen.
H. Seorzoner oder Schwarzwurzel, neue russische Rie-
sen, wird im ersten Jahre schon verbrauchsfähig. Die Schwarzwurzel
wird hier und in der Provinz gar nicht oder doch nur in wenigen herr-
schaftlichen Gärten gebaut, obwohl sie an Wohlgeschmack manches
andere unserer Gemüse, das ohnehin während des Winters nicht viel
Auswahl bietet, übertrifft. Der Anbau ist einfach. Man säet recht zeitig
im Frühjahr auf tief gegrabenes lockeres Land in Reihen von 6 Zoil
Abstand und verzieht die gekeimten Pflanzen auf dieselbe Entfernung.
Ausser Behacken und Reinhalten von Unkraut hat man im ersten Jahre
nichts weiter dabei zu thun. In ganz gutem Boden werden die Wurzeln
294 | Jahres-Bericht
der Pflanzen im ersten Jahre schon fingerstark, können also verbraucht
werden. Wo dies nicht der Fall ist, können sie im folgenden Jahre zur
Verwendung kommen. Man hebt alsdann im Herbst so viele Wurzeln
aus, als man zu verbrauchen gedenkt und bewahrt sie im Keller in
mässig feuchtem Sande auf. Das Ausheben der Wurzeln muss jedoch
mit Vorsicht geschehen, damit sie nicht verletzt werden, weil sonst ihr
milchiger Saft leicht austritt, die Wurzeln .deshalb leicht faulen oder
holzig werden. Auch die Gewinnung von Samen bietet keine Schwierig-
heit und geschieht auf den Saatbeeten, nur muss man den Samen in
dessen Reifezeit beobachten, weil ihn der Wind leicht forttreibt. Ihre
Verwendung für die Küche findet die Schwarzwurzel entweder in Suppen
oder als Gemüse, ähnlich wie Spargel zubereitet.
Statistische Notizen
von
dem zeitigen Secretair der Section.
In dem voranstehenden Generalberichte wurde geschildert, welche
bedeutenden Verluste der harte Winter von 1870 zu 1871 und dessen
Folgen auch in dem Pomologischen und resp, Obstbaumschul- und
Versuchsgarten der Section herbeigeführt hatte. Dennoch konnten
nach Ausweis der Bücher im Jahre 1871 und zwar zumeist an Mitglieder
in gesunden Stämmechen und Pflanzen aus dem Garten käuflich abgegeben
werden: 2912 Stück Edelstämmchen von Kern-, Stein- und Schalenobst,
6830 Stück diverse Obst- Wildlinge, 1732 Stück Beerenobst- Pflanzen,
195 Stück Weinreben, 12 Stück Zierbäume (Prunus triloba) und 262 Stück
Edelreiser verschiedener Obstsorten, Ausserdem waren noch erhebliche
(uantitäten von Beerenfrüchten und Gemüsen verschiedener Art zum
Verkauf gelangt. Leider verhinderte das sehr feuchte Herbstwetter und
eine schon im November sich ausgebreitete starke und andauernde Schnee-
decke die Aufnahme der am Schlusse der Saison verbliebenen Bestände
des Gartens, weshalb es vorbehalten bleiben muss, erst im nächsten
Jahresberichte, bei dafür günstigeren Verhältnissen eine Totalübersicht
des vegetabilen Inventarii des Gartens wieder vorzulegen.
. Der für Fiesige Mitglieder unter der Leitung des Secretairs bestehende
Lesezirkel, zu welchem dieselben einen jährlichen Extra-Beitrag von
1 Thlr. zu leisten haben, zählte im Jahre 1871 — 58 Theilnehmer. In
demselhen wurden in Umlauf gesetzt:
der Schles. Gesellsch. f. vaterl, Oultur. 295
17 Berichte von Vereinen, mit denen die Section im Schriften-
Austausch steht;
17 zum Theil mit Abbildungen versehene deutsche und aus-
ländische, grösstentheils auch durch Austausch erworbene
Gartenzeitschriften ;
7 in neuester Zeit erschienene Bücher und Brochuren, handelnd
über die verschiedensten Zweige des Gartenwesens,
Wenn nun für die empfangenen, oft recht werthvollen Tauschobjecte
der verbindlichste Dank ausgesprochen und um deren gütige Fortsetzung
gebelen wird, so möge an dieser Stelle doch auch ein bescheidenes
Monitum gestattet sein. Den geschätzten Schwester-Vereinen, Redactionen
und Herausgebern von Zeitschriften, mit denen die Section durch Schriften-
Austausch in Verbindung zu stehen die Ehre hat, sendet dieselbe näm-
lich stets prompt und regelmässig ihre Jahresberichte; leider aber hat sie
sich von einigen derselben nicht immer gleicher gefälliger Berücksich-
tigung zu erfreuen. An diese sei nun hiermit das freundlich ergebene
Ersuchen gerichtet, eine gleiche Berücksichtigung künftig obwalten zu
lassen, um so mehr, als der Werth ihrer Schriften durch deren regel-
mässigen Empfang und Vollständigkeit jedenfalls noch erhöht, wieder-
holte Erinnerung um Nachsendung des Fehlenden aber nach beiden
Seiten hin leicht unbequem wird.
Die in dem Lesezirkel in Umlauf gewesenen Schriften wurden der
Bibliothek der Schlesischen Gesellschaft, Abtheilung für Obst- und Garten-
Cultur übergeben und stehen dort, sowie die älteren dergleichen, nach
einem besonderen Reglement zur weiteren Benutzung von dem Custos
derselben Herrn Redacteur Th. Oelsner zu Dienst. Es sind dies die
nachstehend verzeichneten.
Bericht des Thüringer Gartenbau-Vereins zu Gotha, 31., für die Jahre
1868 und 1869. Gotha 1870. |
— über die Thätigkeit der Schwäbisch - Bayerischen Gartenbau - Ge-
sellschaft in Augsburg, 2. bis 4. Jahrgang: 1867 bis 1869.
Augsburg:
Cultur, Zur, der Pflanzen für Zimmer und Salons. Vortrag, gehalten
in der Sitzung des fränkischen Gartenbau- Vereins zu Würzburg,
am 19. Februar 1870. Separat-Abdruck aus ‚,Epheuranken“
(Belletristische Beilage zum „Würzburger Abendblatt‘). i
Dietrichs, C. J. G., Anleitung zur Taxation der Obstbäume, Berndorf,
Fürstenthum Waldeck. Abgedruckt in F. J. Dochnal’s Anleitung
zur Taxation der Obstbäume. Worms 1870.
Dippel, Leopold Dr., Die Blaitpflanzen und deren Cultur im Zimmer.
Weimar 1869.
Dochnahl, Friedrich Jacob, Anleitung zur Taxation der Obstbäume für
die Expropriation bei Damm-, Bahn- und anderen Bauten. Eine von
296 Jahres-Bericht
der höheren landwirthschaftlichen Lehranstalt in Worms gekrönte
Preisschrift. Angefügt sind Arbeiten über dieselbe Frage von
C. J. G. Dietriehs in Berndorf, Eduard Robert Fischer in Strehla
a. d. E., J. Mertens in Peine, F. W. Sterzing in Stettin.
Worms 1870.
Doornkaat-Koolman, J. ten., Pomologische Notizen. Nach mehr-
jährigen eigenen Beobachtungen und: Versuchen in einer der ex-
ponirtesten Gegenden Norddeutschlands zusammengestellt. Bremen
1870.
Fischer, Eduard Robert, Ueber Taxation der Obstbäume. Strehla
a. d. E., 1868. DBeigedruckt an F. J. Dochnahls Anleitung zur
Taxation der Obstbäume. Worms 1870.
Garten- und Blumenzeitung, Neue allgemeine deutsche. Heraus-
gegeben von Eduard Otto. 25. Jahrgang. Hamburg 1869.
Garten-Flora, Monatsschrift für deutsche, schweizerische und russische
Garten- und Blumenkunde. Herausgegeben und redigirt von
Dr. Ed. Regel. 18. Jahrgang. Erlangen 1869.
Gartenfreund, Der, Mittheilungen aus allen Fächern des Gartenbaues.
Herausgegeben von der k. k. Gartenbau-Gesellschaft in Wien.
2. und 3. Jahrgang No. 6 bis No. 16. Wien 1868 bis 1870.
Gartenschrift, Rheinische, Hauptorgan des Verbandes Rheinischer
Gartenbau - Vereine. Herausgegeben von dem Gartenbau Verein
für das Grossherzogthum Baden. Red. von H. Goethe. Karls-
ruhe 1869.
Garten-Zeitung, Anhaltische. Gärtnerische Zeitschrift für Jedermann.
Herausgegeben von der Direetion der Gärtner-Lehr- Anstalt zu
Cöthen. 5. Jahrgang. Cöthen 1869.
— Deutsche, Organ der vereinigten Gartenbau - Gesellschaften von
Cassel, Coburg, Erfurt, Glauchau, Görlitz, Jena, Leipzig, Magde-
burg, Meiningen und Weimar. Herausgegeben von Th. Rümpler
in Erfurt. 7. Jahrgang. Leipzig 1869.
— Illustrirte, Eine monatliche Zeitschrift für Gartenbau und Blumen-
zucht. Herausgegeben von der Gartenbau - Gesellschaft Flora in
in Stuttgart. Red. von Albert Curtin. 13. Jahrgang. Stutt-
gart 1869. 2
General-Versammlungs-Bericht der Wein- und Gartenbau-Gesell-
schaft in Peterwardein vom 30. Januar 1870. Neusatz 1870.
Geschichte, Ueber, Vaterland und Verbreitung der Rose, Die ver-
schiedenen Arten der Rose. Ueber Cultur der Rose. 3 Vor-
trsge, den Besuchern der Allgemeinen Rosen - Ausstellung zu
Darmstadt am 25. bis 27. Juni 1870 gewidmet. Von Ober-
Consistorialsecretair Achenbach in Darmstadt, Hofgärtner R. Noack
in Bessungen und Hofgärtner Gernet in Jugenheim. Darmstadt 1870.
der Schles, Gesellsch, f. vaterl. Cultur, 297
Handbuch, Illustrirtes, der Obsikunde, Herausgegeben von Fr. Jahn,
Ed. Lucas und J. G. C. Oberdieck. 6. Bd. 3. Liefrg. Steinobst.
Ravensburg 1870.
Hartwig, J., M. Neumann. Die Kunst der Pflanzenvermehrung durch
Stecklinge, Steckreiser, Absenker ete. Nebst einem Anhang über
Verpackung und Transport aller lebendigen Pflanzen und Sämereien
in die entferntesten Welttheile, so dass sie viele Monate lang
gefahrlos eingepackt bleiben können. 3. Auflage, durchgesehen
und vermehrt. Weimar 1870.
Jahresbericht, 25., der böhmischen Gartenbau - Gesellschaft, vorge-
tragen in der Jahres-Versammlung der Herren Mitglieder in Prag
am 11. April 1869 von Dr. Augustin Krell, Secretair.
— des Erzgebirgischen Gartenbau - Vereines in Chemnitz, verfasst
von Theodor Bader, Seeretair des Vereins, 8. und 9. für 1867
und 1868. Chemnitz 1867/68. |
— des Gartenbau- Vereins für die Oberlausitz, 5. bis 8., für die
Vereinsjahre 1865 bis 1869. Görlitz 1866 bis 1870.
— des Vereins für Pomologie und Gartenbau zu Meiningen, 15. und
14. Heft vom 1. April 1868 bis 1. April 1870. Meiningen
1869/70.
— über die Thätigkeit des Stettiner Gartenbau -Vereius im Jahre
1869, erstattet in der General-Versammlung am 10, Januar 1870.
Stettin.
Illustration horticole, L., Journal special des serres et des jardins etc.
Red. par Ch. Lemaire et publie par Ambroise Verschaffelt. Tom.
XVI. Gand 1869,
Journal de la Socicte imperiale et centrale d’horliculture de
France. II. Ser. Tome III. Paris 1869.
Kessler, H. F., Dr., Bericht über die Blumen- und Pflanzen- Ausstellung
des Gartenban - Vereins zu Cassel vom 8. bis 12. April 1870.
Cassel.
Kruse, C. A. J., Gärtner in Hamburg. Unter welchen Verhältnissen
ist Luftheizung oder Wasserheizung zu empfehlen? Beste Deant-
wortung der im Jahre 1869 von dem Verbande rheinischer
Gartenbau-Vereine ausgeschriebenen Preisfrage. Karlsruhe _
Lucas, Ed., Dr., Anleitung, Kurze, zur Obstnutzung. I. Der Cyder-
oder Obstwein. Kurze Zusammenstellung der verschiedenen
Bereitungsarbeiten und Rathschläge zu einer rationellen Dasstel-
lung und Behandlung desselben. II. Kurze Anleitung zum Obst-
dörren und zur Mussbereitung. Ravensburg 1869.
Magazin, Deutsches, für Garten- und Blumenkunde. Zeitschrift für
Garten- und Blumenfreunde und Gärtner. Herausgeg. und red,
von Dr. Wilh. Neubert. 22. Jahrg. Stuttgart 1869.
298 Jahres-Bericht
Mertens, J., Landes-Oekonomie-Rath, Anleitung zur Taxation von Obst-
bäumen, in besonderer Beziehung auf Expropriation behufs Bahn-
und Damm-Anlagen. Peine in Hannover 1869. (Abgedruckt in
F. J. Dochnahl’s Anleitung zur Taxation der Obstbäume.
Worms 1870.
Mittheilungen des Vereins für Land- und Forstwirthschaft im Herzog-
thum Braunschweig. Herausgeg. von dessen Vorstande, red. von
dessen Secretair, Kammer-Commissair Schönermark. 37. Jahrg.
Braunschweig 1869/70.
— über den Anhaltischen Gartenbau-Verein zu Dessau für das
Jahr 1869. Dessau 1870.
Monats-Berichte der Obst-, Wein und Gartenbau -Section der k. k.
mährisch-schlesischen Gesellschaft zur Beförderung des Acker-
baues und der Natur- und Landeskunde. 2. Jahrg. 1869. Brünn,
Monatsblatt für Gartenbau in den Herzogthümern Schleswig und Hol-
stein. Jahrgang 1868 und 1869. Kiel.
Monatshefte, Illustrirte, für Obst- und Weinbau. Organ des deutschen
Pomologen-Vereins. Red. von Oberdieck, Fehleisen und Lucas.
Neue Folge 5. Jahrgang. Ravensburg 1869.
Niemann, K. A. C., Der Teppich- Gärtner. Handbuch für Gärtner-
und Gartenbesitzer. Mit besonderer Berücksichtigung der Ham-
burger Internationalen Gartenbau - Ausstellung. Hamburg 1870,
Obstsegen, Der reiche, Kurze Anweisung zu vielfacher und vortheil-
hafter Benutzung des Obstes, zusammengestellt von dem Ober-
lausitzer Obstbauverein. Zwickau 1858.
Protokoll-Auszüge und Verhandlungen der Gartenbau - Gesell-
schaft Flora zu Frankfurt a,/M. 20. bis 23. Jahrgang. 1867
bis 1870. Frankfurt a/M.
Riimpler, Theodor, Der Obstbau auf dem Lande. Treugemeinte Rath-
schläge zur Hebung desselben und kurzgefasste Anleitung, die
wirthschaftlich nützlichsten Obstsorten auszuwählen und den Obst-
baum anzuschaffen, zu pflanzen und zu pflegen. Ortsvorständen,
Geistlichen, Lehrern und Freunden des Obstbaues, sowie allen
denen zur Beherzigung empfohlen, welche ein kleines oder
grosses Bauergut besitzen oder zu verwalten haben. Erfurt 1870.
Seuffert, Notar, Die Flora des Japanesischen Inselreichs. Vortrag, ge-
halten in der Sitzung des Fränkischen Gartenbau-Vereines zu
Würzburg am 22. Januar 1870. |
Stamm-Register vorzüglicher Kernobstsorten für den Canton Bern,
nebst kurzer Anweisung zur Pflege der Obstbäume und zu zweck-
mässiger Verwerthung des Obstes. Herausgegeben von der Can-
tonalen - Commission für Obstbaumzucht. 2. Aufl. Bern 1866.
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 399
Sterzing, J. W., Anleitung zur Taxation von Obstbäumen. Stettin.
(Abgedruckt in F. J. Dochnahl’s Anleitung zur Taxation der
Obstbäume. Worms 1870).
Taschenbuch für Pomologen, Gärtner und Gartenfreunde.
Herausgegeben von dem Pomologisehen Institut in Reutlingen.
9. Jahrg. Ravensburg 1869.
Teichert, Oscar, Veredelungskunst, Die, mit besonderer Berücksichti-
gung der Obstbaumzucht. Praktischer Leitfaden für Gärtner
und Gartenfreunde, sowie für Land- und Forstwirthe. Berlin
1869.
Verhandlugen des 3. Congresses von Gärtnern, Gartenfreunden und
Botanikern am 3., 4. und 6. September 1869. Hamburg 1870.
Wochenschrift des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den
Königlich Preussischen Staaten für Gärtnerei und Pflanzenkunde.
Red. von Prof. Dr. Karl Koch. 12. Jahrgang. Berlin 1369.
Zeitschrift, Pomologische, Organ des Hannoverschen Pomologen-Ver-
eins 3. und 4. Jahrgang. Hannover 1868 und 1869.
Ausserdem noch:
Das Obsteabinet von H. Arnoldi in Gotha aus Porzellan - Com-
positionsmasse nalurgetreu nachgebildeter Obstfrüchte verschie-
dener Art. Herausgegeben unter Controle des Thüringischen
Gartenbau-Vereins zu Gotha. 35. und 36. Lieferung.
Primo Januuar 1871 zählte die Section für Obst- und Gartenbau
Mitglieder: Hiesige. Auswärtige. Summa.
106 254 360
Eliexzu traten im Jahre 1871 .°. ... 5 19 24
111 23 n W384
Dagegen schieden durch Verziehen, zumeist
aber durch Ableben aus °. . .. . 5 19 24
Es blieben daher Ultimo December Bestand 106 254 360
Von diesen waren als Mitglieder der Schle-
sischen Gesellschaft beitragsfreii . . . 36 9 45
und zahlten zur Unterhaltung des Pomo- £
logischen und resp. Obst- Baumschul-
und Versuchsgartens gütigst Extrabeiträge 36 120 157.
ii
RR REN
VILI
Bericht
über
die Thätiekeit der meteorologischen Section der Schlesischen
Gesellschaft im Jahre 1371,
abgestattet vor.
Dr. J. G. Galle.
zeitigem Secretair der Section.
In der Sitzung vom 20. December hielt der Secretair der Section
einen Vortrag
über einige neuere Resultate für die geographischen, meteorologischen
und magnetischen Orts-Constanten von Breslau.
Eine Uebersicht über die wichtigsten für Breslau geltenden meteoro-
logischen und magnetischen Zahlenwerthe, wie dieselben aus den Beob-
achtungen bis zum Jahre 1854 eich ergeben hatten, wurde von dem
Vortragenden am -Schlusse genannten Jahres der Section mitgetheilt und
ist in dem Berichte von 1854 $. 103 enthalten. In Betreff der meteoro-
logischen, aus einem 64 jährigen Zeitraum von 1791 bis 1854 geschlos-
senen Mittelwerthe findet sich sodann eine noch weitere Ausführung- in
den 1557 publieirten „Grundzügen der Schlesischen Klimatologie,‘“ welche
neben den Angaben dieser Werthe für verschiedene Orte Schlesiens in
besonderer Ausführlichkeit auch die für Breslau, gezogen aus den Beob-
achtungen auf ‘der hiesigen Sternwarte, enthält. Es sind seitdem über
. 16 Jahre verflossen und es schien angemessen und nöthig, einige der
damals gewonnenen Resultate durch eine Bearbeitung der inzwischen
angesammelten Beobachtungsreihen zu verbessern und einzelne neu auf-
tretende Fragen dabei zu diseutiren.
30272 Jahres-Bericht
Während des verflossenen 16jährigen Zeitraumes haben neben
dem physicalisch - geographischen auch die mathematisch - geographischen
Constanten einige kleine Aenderungen erfahren, welche zwar für die
ersteren (die klimatologischen Elemente) ohne Einfluss sind, jedoch bei
dieser Gelegenheit hier in Erwähnung gebracht werden mögen, da der
Gesellschaft über diose Untersuchungen ein besonderer Bericht bisher
nicht erstattet worden ist.
Die früheren Feststellungen über die geographische Länge von
Breslau gründeten sich vornehmlich auf beobachtete Finsternisse und
Sternbedeckungen vom Monde, früher die genaueste Methode der geo-
graphischen Längenbestimmung überhaupt. Mit Uebergehung einiger
älteren auf zu wenige Beobachtungen gegründeten Bestimmungen ist
zuerst die Bestimmung des Längen- Unterschiedes zwischen Breslau und
Prag zu erwähnen, welche 1805 durch Beobachtung von Pulver-Signalen
erlangt wurde, die der General von Lindener im Juli des genannten
Jahres auf der Schneekoppe gab und welche auf der hiesigen Sternwarte
von Prof. Jungnitz, in Prag vom Canonicus David beobachtet wurden.
Die Länge von Prag als bekannt vorausgesetzt, wurde dadurch Breslau
um 58m 485,29 östlich von Paris gefunden. Als genauer ist eine Be-
stimmung von Hansen aus 22 Sternbedeckungen zu betrachten, die im
Jahre 1840 in Schuhmacher’s Astr. Nachr. Bd. XVII. veröffentlicht wurde
und 58m 48°,70 mit einer Unsicherheit von + 1,2 ergab. Ebendie-
selbe Methode ist nochmals im Jahre 1861 von einem meiner damaligen
Zuhörer, dem jetzigen Oberlehrer Herrn Dr. Klinger an der hiesigen
Kunst- und Bau-Schule auf 63 in Breslau, Berlin, Altona und Königsberg
seit 1837 beobachtete und bis dahin nicht berechnete Sternbedeckungen
angewandt worden, von denen 49 als Längenunterschied von Berlin
14m 345,37 ergeben haben. Auf geodätischem Wege durch Verbindung
der russischen Dreiecke mit den diesseitigen vom Kgl. Generalstabe in
Schlesien gemessenen wurde noch von Herrn Prof. Sadebeck gefunden
58m 485,25 östlich von Paris, oder mit der gewöhnlichen Annahme für
den Längenunterschied Paris-Berlin = 44” 14°,0 .... 14” 34°,25, also
fast genau mit der Rechnung von Dr. Klinger übereinstimmend. — In-
zwischen haben die astronomischen Methoden der geographischen Längen-
bestimmung, so unentbehrlich dieselben auf der See geblieben sind, auf
dem Festlande aufgehört die genauesien zu sein, seitdem durch die elek-
trische Telegraphie die Unsicherheit in der Signalgebung sowohl auf
kurze als auf die weitesten Distancen bis auf kleine Bruchtheile einer
Zeitseeunde herabgesunken ist und somit die Längenbestimmung an Ge-
nauigkeit der Zeitbestimmung nicht mehr nachsteht, welche letztere so
gut als fehlerlos von einem Orte zum andern übertragen werden kann.
Für Breslau traf es sich sehr günstig, dass im Jahre 1863 die grosse
russische Längengradmessung längs des 52. Breitengrades den hiesigen
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 303
Ort berührte, wodurch Breslau einer besonderen Expedition zur Er-
mittelung des Längenunterschiedes von Berlin überhoben wurde, Dieses
grosse, vom Ural bis an die Westküste der britischen Inseln sich er-
streckende Unternehmen, welches mehrere Jahre in Anspruch genommen
hat und von dem damaligen Obersten, jetzigen General Forsch, Haupt-
mann Zylinski und dem damaligen Öbservator der Bonner Sternwarte
Dr. Tiele ausgeführt wurde, ist zwar beendigt, jedoch sind die Rech-
nungs-Resultate zur Zeit noch nicht definitiv festgestellt. Inzwischen ist
auf indireetem Wege eine Mittheilung des Herrn General Forsch mir
bekannt geworden, wonach als Länge von Breslau
14m 34°,0 östlich von Berlin
sich ergeben hat. Der Längenunterschied Berlins von Paris und von
Greenwich ist z. Z. noch nicht mit einer den neueren Ansprüchen völlig
senügenden Präcision festgestellt. Indess kann der bei den telegraphischen
Bestimmungen der Ditferenz zwischen Paris und Greenwich, Greenwich
und Brüssel, Brüssel und Berlin gefundene Unterschied
Berlin östlich von Paris 44m 14°,75
I » :„» Greenwich 53 35,38
wohl nur um kleine Bruchtheile der Secunde noch unsicher sein und man
wird als genaueste Werthe zur Zeit annehmen können:
in Zeit in Bogen
Breslau östlich von Berlin ORF1am 34050 733843040
„ » „ Paris 0 58 48,75 = 14 42 1 1,2
» = „ Ferro 2 18 4875 = 54 42 11,2
„ oE „ Greenwich 1 8 a ul 72207
Hierzu kann sodann auch noch die transatlantische Länge gefügt
werden, wie dieselbe im Jahre 1866 durch die amerikanischen von
Dr. Gould geleiteten Kabel-Signale bestimmt worden ist und wonach
Greenwich östlich von Washington 5 8m 12°,39
gefunden wurde, so dass man hat:
Breslau östlich von Washington 6% 16m 21°,77 = 94° 5' 264,6.
Eine striete Vergleichung aller dieser Werthe mit den früher aus
Sternbedeekungen gefundenen ist insofern schwer thunlich und würde der
Mühe nicht mehr lohnen, da die dabei benutzten Meridiane einzeln ver-
schiedener Correetionen bedürfen; v. Boguslawski nahm in dem zuletzt
erschienenen Jahrgange des Uranus 1851 die Länge Breslaus an
0b 14m 348,6 östlich von Berlin,
0 58 486 „ „ıukaris,
15 8.541051 33 „ Greenwich,
mithin nur um Bruchtheile der Zeitseecunde von den obigen genauen
Resultaten abweichend.
ng EINER
>
304 Jahres-Bericht
Die genaueste und als definitiv zu betrachtende Bestimmung der
geographischen Breite von Breslau ist die, welche im Jahre 1862
auf der hiesigen Sternwarte bei Gelegenheit der Einfügung derselben in
das Schlesische Dreiecksnetz erlangt worden ist. Diese Bestimmung be-
ruht auf zwei von einander unabhängigen Beobachtungsreihen, welehe im
Juli und August des genannten Jahres, einerseits von Herrn General
Baeyer in Gemeinschaft mit Herrn Professor Sadebeck, andererseits von
mir ausgeführt worden sind, mittels eines vorzüglichen, aus der Werksatt
von Pistor und Martins in Berlin hervorgegangenen Universal-Instrumentes
mit 13 zölligen Kreisen und mikroskopischer Ablesung, welches bereits
bei früheren Gradmessungs-Arbeiten (der Verbindung der russischen und
preussischen Dreiecke) sich bewährt hatte. Die Uebereinstimmung der
von Herrn General Baeyer und von mir erlangten Resultate aus resp.
72 und 69 Einstellungen des Polarsterns und resp. 48 und 20 Ein-
stellungen südlicher Sterne ist eine vollständige. Nach der von Herrn
General Baeyer mir überlassenen Berechnung beider Reihen wurde ge-
funden aus den Beobachtungen von
General Baeyer 51° 6° 56,470 —+ 0,088
Galle 51 6 56,478 & 0,125
und somit schliesslich als Endresultat aus veiden Reihen:
51° 6‘ 56'473 + 0,072.
Diese Bestimmung bezieht sich auf den bei dieser Gelegenheit auf
der Gallerie der Sternwarte aus Backsteinen mit Cement aufgemauerten
Pfeiler, der auf einem Bogengurt der bis zu dieser Höhe hinaufgehenden
sehr soliden Wölbungen ruht und dessen Festigkeit in dieser grossen
Höhe sich auf eine überraschende Weise bewährt hat. Dieser Pfeiler
befindet sich 1,1 Fuss südlich von dem Centrum des Sternwartenthurmes,
so dass die geographische Breite des letzteren noch um 0,011 grösser
oder auf
51° 6° 56,484 + 0,072
anzuehmen ist, oder mit Uebergehung der Hunderttheile der Bogenseeunde:
310 :67,,30.,9.
Der vor 1862 nach der Bestimmung von Boguslawski’s mittels
minder suverlässiger Instrumente erjangte Werth der Polhöhe von 51°
6’ 56” nähert sich dem obigen Resultate in einer vorzüglich anerkennens-
werthen Weise. Derselbe bezeichnet in einem handschriftlichen Bericht
vom Jahre 1850 seine Bestimmungen mit dem grossen Repetitionskreise
der Sternwarte als zwischen, 56‘ und 57° schwankend und nahm schliess-
lich in runder Zahl 51° 6° 56,0 an. Eine nochmalige Discussion der in
den Manuseripten der Sternwarte sich findenden Einzel-Resultate lässt
mich als Resultat dieser Beobachtungen finden ;
510 6’ 56,233
F R la
N
hr N
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 305
für den damaligen Aufstellungsort an der Südfront; oder für das um
22 Fuss nördlichere Centrum des Thurmes:
510 6° 56,457,
demnach dem definitiven Resultate genau gleichkommend, obwohl bis zu
einem gewissen Grade zufällig, da die einzelnen Beobachtungsreihen um
mehrere Secunden von einander abweichen,
Was Breslau’s Höhe über der Meeresfläche betrifft, so ist das
definitive Resultat für dieselbe bereits im Jahre 1840 durch das trigono-
metrische Nivellement der Oder von Hoffmann und Salzenberg erlangt
worden. Das mittlere (untere) Quecksilber-Niveau des Barometers der
Breslauer Sternwarte befindet sich hiernach
453,62 Par. Fuss + 3,22 oder 147m,355 + 1%,05
—
über dem mittleren Ostsee-Spiegel bei Swinemünde.
Andere bemerkenswerthe Punkte sind:
der Fussboden des grossen Saales der Sternwarte. . 449,3 Par. Fuss,
das steinerne Geländer der Gallerie... v...',465,2 r
der Fuss des Universitäts-Gebäudes . . . 365,0 ,, „
die Oberfläche des westlichen Pfeilers auf der Gallerie 469,7 , m
die Oberfläche des neuen östlichen Pfeilers . . . 300,8 es
die Oeffnung des: oberen Regenmessers der Sant 467,0
(oder über der Erdoberfläche 102,0)
die Oeffnung des unteren ne im botanischen
Garten. * ano 1,0, 5
der Hof des Rathhauses (Pflaster) a EN ODE 5
des Knopk des Blisabet-Thurmes . . ... 7... 6398 >
Aus den in jüngster Zeit ausgeführten neuen Ermittelungen mehrerer
von den meteorologischen Constanten mögen hier für jetzt nur
einige Resultate für zwei der hierher gehörigen Gebiete heraus-
gehoben werden, welche für die klimatologischen Verhältnisse zu den
wichtigsten gehören, sich beziehend auf die Temperatur und die
Regenmenge.
Die bisher 64 Jahre umfassenden mittleren Temperaturen
der einzelnen Monate und Jahreszeiten sind nunmehr auf
80 Jahre, bis 1870 inclusive ausgedehnt und stellen sich hiernach, wie
- folgt, heraus:
20
300085 Jahres-Bericht
Deebr. — 00,86,
Januar — 2,50, ( Winter — 19,44,
Febr. — 0,92, \
März + 1,39,
April + 6,11, | ‘Frühling + 5,99,
Mai + 10,48,
Juni + 13,20,
Juli + 14,42, | Sommer + 13,93,
August + 14,14,
Sept. + 10,99,
Octbr. + 7,05, | Herbst + 6,79.
Nov. + 2,31,
Als mittlere Jahres-Temperatur für Breslau ergiebt sich
+ 60,32 R.,
welcher Werth sich demnach um etwa 0°%,1 gegen die bisherige Annahme
erhöht hat.
Von einer aus den 12 (für die jedesmalige Mitte des Monats gelten-
den) Monats- Werthen entwickelten periodischen Reihe zur Berechnung
der Mittel- Temperaturen aller einzelnen Tage des Jahres sind folgendes
die ersten Glieder
xX= + 6032 + 8%51 sin (x + 2670) + 0%18 sin (2 x + 292°),
wo die Winkel x vom 15. Januar an zu zählen sind. Diese Formel
stimmt sehr befriedigend mit der früher (Jahresbericht 1854 Seite 103)
gefundenen überein.
Im übrigen schien der 80 jährige Zeitraum geeignet und gross genug,
um auch auf rein empirischem Wege Mittel für alle einzelnen Tage des
Jahres zu bilden und so den wahren durchschnittlichen Gang der Tem-
peratur in der jährlichen Periode kennen zu lernen. In den Publieationen
des Berliner meteorologischen Instituts (Preuss. Statistik, VI. Berlin 1864
sind von Dove bereits die ersten 70 Jahre der Breslauer Beobachtungen
mit Benutzung der in den „Grundzügen der Schlesischen Klimatologie‘“
gegebenen Tagesmittel in diesem Sinne bearbeitet worden. Es bedurfte
daher nur noch der Hinzufügung von 10 Jahren, um die nachfolgende
Tabelle zu erhalten:
307
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur.
A 72 Seer | vurt | rotar el °
61 — | Fol &87 95.6 vesı | [oe |2eaı | 98 wre GET — || '08
aa — |! 09% v9‘6 zeeL | GEH |86EL | OLeL | 818 oLE Sal — || '6%
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080 107 vE6 99 | orsı | zer | BTL | 858 26,8 01:0 LUT — |840 = | %
030 + | wrir + | 086 + | FOsT+ | ELcu + mer + arme + | Ige + | 700 + | 85 Oo = El
20*
308 Jahres-Bericht
Die Zeit der grössten Kälte fällt hiernach für Breslau in die erste
Hälfte des Januar, die grösste Wärme in die zweite Hälfte des Jnli bis
Anfang August. Die ersten 4 Tage des August bilden das absolute
Maximum, indess hält sich die Wärme während des ganzen Monats vom
8. Juli bis 9. August durchschnittlich fast ganz unverändert auf gleicher
Höhe. Die kalten Maitage (11—13) treten im Mittel nicht merklich
hervor (vergl. Jahresber. 1854 $. 104).
Bei den Feststellungen über die Temperatur - Verhältnisse eines be-
stimmten Ortes aus vieljährigen Beobachtungen kann noch die Frage
nach der Richtigkeit der angewandten Thermometer und deren Aufstel-
lungs-Ort aufgeworfen werden, da etwanige aus diesen beiden Ursachen
hervorgehende Fehler auch auf die Mittelwerthe sich ganz oder theilweise
übertragen werden. In ersterer Hinsicht ist von den Breslauer Beob-
achtungen zu bemerken, dass seit einer langen Reihe von Jahren wieder-
holt und neuerdings in jedem Winter die Nullpunkte der Thermometer
in schmelzendem Schnee untersucht, die erforderlichen Correctionen be-
stimmt, resp. von Jahr zu Jahr abgeändert und an alle einzelnen Beob-
achtungen angebracht werden. Besonders neue Thermometer erhöhen
bekanntlich fast immer ihren Nullpunkt und bedürfen sehr bald negativer
Correetionen. In der sonstigen Calibrirung der Röhren zeigen die ange-
wandten Greiner’schen in Fünftel-Grade getheilten Normal - Thermo-
meter eine vorzügliche Uebereinstimmung, so dass andere Correctionen
ausser wegen der Nullpunkte bisher nicht erforderlich schienen. Sehr
fehlerhaft sind dagegen häufig oder fast in der Regel die sogenannten
Register-Thermometer für Maximum und Minimum, und bei den sehr oft
vorkommenden Beschädigungen derselben, wo dieselben ungeachtet aller
angewandten Sorgfalt den Dienst versagen, wurde denselben früher hier,
wie auch an anderen Orten, weniger Aufmerksamkeit gewidmet. Seit
zwei Jahren werden indess auch diese Thermometer streng geprüft und
fortlaufend controlirt. Namentlich zeigen die meisten bisher dazu benutzten
Weingeist- Thermometer zu tiefe Minima und geben die Kälte oft um
mehrere Grade zu stark an, so dass aus den Angaben von ungeprüften
Thermometern dieser Art sichere Schlüsse nicht gezogen werden können.
Inzwischen darf auch bei richtigen Thermometern der Einfluss der
Localität nicht unterschätzt werden. Abgesehen von der nöthigen
Entfernung von Gebäuden ist es besonders die Aufstellung der Thermo-
meter in grösserer Nähe an der Erdoberfläche, welche wegen der nächt-
lichen Ansstrahlung bei heiterem Himmel ‘oft ‘beträchtlich tiefere Minima
erzeugt als in einiger Höhe.: Das Sinken der Thermometer unmittelbar
am Boden vermöge der Ausstrahlungkälte oft um viele Grade ist bekannt,
allein diese Kälte theilt sich der Luft auch bis zu einer kleinen Ent-
fernung vom Boden mit und an etwas tiefer gelegenen Orten sammelt
sich die von der Höhe oder von Bäumen und Sträuchern herabfliessende
a
Ts
£ Be
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 309
kältere Luft an. In den eben verflossenen Wintermonaten sind in
dieser Hinsicht die im botanischen Garten von Herrn Inspector Nees von
Esenbeck aufgezeichneten Minimal- Temperaturen, mit, den Beobachtungen
auf der Sternwarte verglichen worden, wobei an einzelnen Tagen die
Kälte im botanischen Garten um mehrere Grade grösser als auf der
Sternwarte sich fand und auch der Durchschnittswerth der Minima aus
29 Vergleichungen um °/, Grad niedriger sich herausstellte. Die ange-
wandten Quecksilber-Thermometer sowohl als Weingeist-Minimal-Thermo-
meter waren von Herrn Geheimrath Göppert vorher zur Vergleichung
mit den Sternwarten-Thermometern mir übersandt worden und es wurden
an jedes einzelne Thermometer vor Vergleichung die erforderlichen Cor-
rectionen angebracht.
In einiger Höhe über dem Boden und demnächst selbst bis gegen
100 Fuss hinauf sind dann die Temperatur- Verschiedenheiten des Luft-
meeres, wenn die Thermometer sich nicht zu nahe an Gebäuden befinden,
geringer, namentlich die Verschiedenheiten der Mittel-Temperatur. Es
hat sich dies am grossen Universitäts-Gebäude an sehr verschiedenen
Localitäten desselben und in verschiedenen Höhen bestätigt. Einige
neuere Versuchsreihen, mit besonderer Rücksicht auf die von Professor
Prestel in Emden bemerkte kleine Wärme-Zunahme nach oben, innerhalb
der untersten Luftschichten, sind zur Zeit noch nicht abgeschlossen. —
An dem eigentlichen Sternwarten- Thurme sind zwei Thermometer - Auf-
stellungen, nach Nord und nach Ost hin, so dass der Einfluss der Sonnen-
strahlung stets vermieden werden kann. Auch sind diese an der Oder-
Seite des Universitäts- Gebäudes befindlichen Thermometer der freiesten
Luftströmung exponirt und controliren sich gegenseitig. — Eine Controle
allgemeinerer Art ist die bereits in. den „Grundzügen der Schlesischen
Klimatologie‘‘ hervorgehobene grosse Uebereinstimmung der Mittel- Tem-
.peraturen in der ganzen Schlesischen Ebene, die an den verschiedenen
Orten nur um geringe Bruchtheile eines Grades von einander abweichen,
sowie auch die täglichen telegraphischen Witterungsberichte von dem sehr
gleiehmässigen Wechsel der Temperaturen des Luftoceans auf weite Strecken
der Ebene hin, selbst bei diesen vereinzelten Beobachtungen, Zeugniss
geben. — Speciell wurden noch die Resultate 10 jähriger Temperatur-
Beobachtungen in Löwen vorgelegt, welehe in der trefflichen Schrift
über das untere Flussgebiet der Glatzer Neisse von Herrn Apotheker
Büttner, früher in Löwen, jetzt in Goldschmieden, enthalten sind, sowie
auch meteorologische Beobachtungen desselben an letzterem Orte. Ferner
wurden Vergleichingen zweijähriger Temperatur-Beobachtungen in Bunz-
_ lau von Herrn Apotheker Lehmann (früher in Kreuzburg) mit Breslau
vorgelegt, desgleichen die der 23 jährigen Beobachtungsreihe von Herrn
Dr. Magener in Posen. Hiernach war im Mittel die Wärme
310 Jahres-Bericht
in Löwen um ' 09,25 höher,
in Posen um 0,02 höher,
in Goldschmieden um 0,32 niedriger,
in Bunzlau um 0,45 niedriger
als in Breslau, bei letzteren beiden Orten aus nur wenigen, jedoch
gleichen, Jahren geschlossen.
Die Regenmessungen beginnen auf der hiesigen Sternwarte be-
reits mit dem Jahre 1799. Es war indess damals wenig bekannt und
wurde auch noch bis vor einigen Jahrzehnten nicht hinreichend beachtet,
dass Regenmessungen nicht auf hohen Gebäuden ausgeführt werden
dürfen, wo dieselben stets zu klein ausfallen. So haben denn die
Regenmessungen in Breslau bis 1854, bei einer Aufstellung des Regen-
messers in 102 Fuss Höhe, nur eine Regenhöhe von jährlich 13 Zoll
ergeben, eine Zahl, die (wie früher ähnliche Beobachtungen in Prag) in
viele meteorologische Schriften übergegangen ist und Breslau als einen
der trockensten Orte in Deutschland hat erscheinen lassen, da an andern
Orten diese Höhe 20 Zoll und darüber beträgt. Bei den klimatologischen
Zusammenstellungen bald nach meiner Ankunft in Breslau wurde ich auf
diese Abnormität aufmerksam und es wurde zunächst in den Jahren
1854—58 ein Regenmesser im Hofe des Universitäts-Gebäudes in etwa
6 Fuss Höhe aufgestellt, der sofort merklich grössere Mengen und aus
43 Monaten die Verhältnisszahl von 1 : 1,2817 ergab. Im Jahre 1858
wurde ich auf in Schottland angestellte Versuche aufmerksam, wonach die
Regenmengen auch schon bei geringer Höhe des Regenmessers von 4, 6 oder
10 Fuss erheblich abnehmen. Es wurde deshalb ein neuer Regenmesser im
botanischen Garten in nur '/, Fuss Höhe über der Erdoberfläche aufge-
stellt (worüber ausführlicher in den Verhandlungen der Gesellschaft von
1859 p. 195 f. berichtet ist), mit welchem seitdem 14 Jahre hindurch
regelmässige Beobachtungen angestellt und mit den Beobachtungen auf
der Sternwarte verglichen worden sind. Hier hat sich die Verhältuiss-
zahl der Mengen oben und unten = 1:1,3508 ergeben und folgendes
sind die für die einzelnen Monate in Breslau (an der Erdoberfläche) an-
zunehmenden Regenmengen in Pariser Linien:
Deebr. 15,66, März 16‘,16, Juni 28,75, Septbr. 20',82,
Januar 12,39, April 17,24, Juli 34,98, October 12,69,
Februar 13,89, Mai 23,47, August 40,03, November 15,14,
Winter 41,94, Frühling 56,87, Sommer 103,76, Herbst 48,65.
Die Regenmenge des ganzen Jahres ergiebt sich hieraus
— 251,22 Linien oder — 20,935 Zoll,
während dieselbe in eben diesem Zeitraume auf der Sternwarte in
120 Fuss Höhe nur 15,498 Zolle betrug. Bei den früheren Beobach-
Fa > AP A
der Schles. Gesellsch, f. vaterl. Cultur. 31l
tungen 1799—1854 ist zu fürchten, dass der noch geringere Werth von
13 Zollen zum Theil mit Unvollkommenheiten des früheren Regenmessers
und der Beobachtung behaftet ist.
Was die magnetischen Orts-Constanten für Breslau betrifft, so
sind die historischen Nachweise über frühere Bestimmungen der magne-
tischen Declination, Inelination und Intensität in dem schon
‘oben eitirten Berichte der meteorologischen Section vom Jahre 1854
p. 107 f. enthalten. Seit jener Zeit ist eine vollständige Bestimmung
aller drei magnetischen Elemente im Jahre 1858 von Herrn Professor
v. Lamont aus München mit dessen Reise-Apparat hier ausgeführt worden,
ausserdem von dem Vortragenden wiederholte Bestimmungen der magne-
tischen Declination in verschiedenen Jahren, unter andern im Herbst des
verflossenen Jahres 1871, mit Apparaten der hiesigen Sternwarte. In
von Lamont’s ‚„‚Untersuchungen über die Richtung und Stärke des Erd-
magnetismus in Norddeutschland, Belgien, Holland, Dänemark im Sommer
des Jahres 1858“ sind Seite 42 für den Anfang des Jahres 1858 die
magnetische Deeclination, Inelination und Horizontal-Intensität für Breslau,
wie folgt festgestellt:
12° 12,4 66° 8',0 1,8825.
Nimmt man (ebenfalls nach Lamont) die jährlichen Aenderungen
dieser resp. Elemente an zu
og RER 0,0097;
so würden folgende Werthe derselben für den Anfang des Jahres 1372
sich ergeben:
Declination 20230,
Inelination 65° 40°,
Horizontal-Intensität 1,920.
Für die Declination wurde mit einer Klingert’schen Fernrohr-Boussole
der hiesigen Sternwarte auf einem freien Platze ausserhalb des Universi-
täts-Gebäudes im vorigen Herbst am 17. October gefunden:
100 22°,
demnach innerhalb der Grenzen der täglichen Variation mit dem obigen
Resultate übereinstimmend.
Im Universitäts- Gebäude selbst ist ein geeigneter eisenfreier Raum
zu einer stetigen Bestimmung absoluter magnetischer Declinationen nicht
vorhanden. Indess schien es schon seit geraumer Zeit wünschenswerth,
wenigstens die früher hier eingerichteten Variations- Beobachtungen für
die magnetische Deelination zu erneuern, wie dieselben zur Zeit des
Bestehens des Göttinger magnetischen Vereins ausgeführt wurden. Das
frühere sogenannte magnetische Cabinet unmittelbar über dem Kaiserthor
312 Jahres-Bericht
ist in Folge der sehr vergrösserten Frequenz dieser Durchfahrt, sowie
der damit verbundenen Erschütterungen, und abgesehen von anderen Un-
vollkommenheiten, von Jahr zu Jahr zur Wiederherstellung dieser Beob-
achtungen ungeeigneter geworden. Inzwischen fügte es sich, dass ein
mehr östlich gelegenes Zimmer im zweiten Stock des Universitäts- Ge-
bäudes im Jahre 1870 disponibel wurde und von dem Kgl. Curatorium
temporär für diesen Zweck der Sternwarte überlassen werden konnte:
Hier ist nun im October genannten Jahres ein Gaussischer Declinations-
Apparat eingerichtet und aufgestellt worden, an dem seitdem regelmässige
Beobachtungen der täglichen Variation angestellt werden und somit auch
zur Verbesserung von absoluten Deeclinationsbestimmungen wegen dieser
täglichen Aenderungen benutzt werden können. Von Anfang November
1870 bis November 1871 haben sich aus diesen Beobachtungen die
täglichen Schwankungen der Declination (deren Minimum des Morgens
gegen 8 Uhr und deren Maximum Mittags gegen 2 Uhr stattfindet) in
Bogen-Minuten, wie folgt ergeben:
Januar ° 5'8, Juli 14‘,0,
Februar 8,1% August 15,0,
März 13,8, September 11,9,
April 17028 October ya
Mai 14,9, November 9,0,
Juni 15,1, December 5,2,
so dass das Maximum der Schwankungen in den April, das Minimum in
den December fiel, mit dem an anderen Orten beobachteten Gange
dieser Variation in der jährlichen Periode ganz übereinstimmend.
Nachtrag: Während des Druckes der vorstehenden Mittheilungen
erhielt ich den General-Bericht über die Europäische Gradmessung für
das Jahr 1871, in welchem auf $. 47 von Herrn General Forsch die
resultirende Längen-Differenz zwischen Berlin und Breslau zu
14m 345,14 ah
angegeben wird, so dass die auf $. 304 zusammengestellten Längen
Breslaus von Berlin, Paris, Ferro, Greenwich und Washington sämmtlich
noch um den kleinen Betrag von
08,14 in Zeit oder 2,1 in Bogen
zu vergrössern sein würden. Auch diese Berechnung ist inzwischen nur
eine vorläufige, wenn auch voraussichtlich die spätere Herleitung des
definitiven Resultates nur noch geringe Abänderungen herbeiführen dürfte,
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, ae)
Allgemeine Uebersicht
der
. meteorologischen Beobachtungen auf der königlichen
Universitäts-Sternwarte zu Breslau
im Jahre 1871.
Höhe des Barometers 453,62 Pariser Fuss über dem Ostseespiegel bei Swinemünde.
I. Barometerstand, 1. Temperatur
1871. redueirt auf 0° Reaumur, der Luft, in Graden nach
in Pariser Linien. Reaumur.
5 Bi
. & = 2 8 . © . 2, eb)
Monat. Be El B) g ® EI = ®)
3 ‚Ss 3 = = = BR 3 e= =
= RS S © = 3 = 3 13) =
200 ee A RER a Wen 1 BE ze WE = Aa = = A S A = 5
Januar... 31133936 | 18] 326, 401331 70518 |+ 4°1 1!— 18°%,9 |— 5°,84
Februar 1117338 .02 1281 327, ‚60 332, os 7|+ 87 | 11)— 20,0 |— 2,82
März ....... 112025 31 so7sı| ssaealae 138 | a —. Azır 38
Apeil.e..... 12, 335,151 1 325, 27 30,37 17 |+ 15,8 4— 13|-+ 5,06
Ma: 2, 52115 327; 93 331. 49 | 29 + 205 | 13)+ 0,7 |+ 7,55
Jumereı... u: 152.355; ‚60 19] 326 38 330, ‚00 18 |+ 22,5 |13/+ 5,1 [+ 11,90
ll 2. 2 711885; .06 20 326, 44| 531 4 111+ 255 | 22)+ 7,7 |-+ 14,97
August ...... 30| 335, 975 328, 96173321 87 |14 + 24,6 | 31|+ 6,8 1-+ 14.48
September ..| 1 336, 25 |30| 326, 35] 331 74 5/+ 25,5 | 21|+ 1,2 | + 10,96
Oetober ....j14| 337,77 | 2| 32418) 33317 | 8 |+ 146 | 5|— 26 + 475
November ..|20| 337.54 | 9| 326.68] 331,86 | 8I+ 95 | 6l- «as|+ 116
December ..112| 338,82) ı| 32810| 33309 21 + 31[| ı2|— 163 |— 352
Jahr 2... Jahr ......| |340%25] [s2rmis[sseuos] [#255 | | 340%25] [324,18 |332“403 | |+25%5 | |-20%0 + 5%,16
314 Jahres-Bericht
II. Feuchtigkeit der Luft.“ IV. Wolken-
D
1871. a. Dunstdruck, b. Dunstsättigung, nuuoue Lat
in Pariser Linien. in Procenten. Niederschläge.
® Der
=) B =) E | ® WS | = = 2 & = © RE
Monat |2| 2 |8 & | & |3)2 32 = |5 | |5 [23°
3.0: ei. Er )is Srlkellee he ones
Aı 2 |aA| 28 s |aAls |A = = BB TEL = 25
a Tage. =
Januar ..... 18.1,25207 2121104228, 01215 100| 2/6490] 9| 2| 20| 144,73
Hebrmarsı. 1027| 3,0970) 20.212 7:50 100 |24|59|83| 4| 3| 21) 16,14
März....... 27| 308| 1) 054| 1,93 ..|100| ıls1|71] ı5\ 6| 10) 444
Al 19) 447\ 6| 103) 2322| 3l100lı8\3ı|70| 6| 7| ız| 28,27
Mai Ser: 28 1.3,83| 8| 1,3881 2,44... 1.9631 |29.65.| 9:6 716) 272206
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August ..... 10 685|27| 2900| 455| ı| se\1a|a2|e8| ıolı3 | 8| 15.2
September..| A| 644|13| 1368| 3.39\22| 9alıs a7|ee| ı2| 8 10) 467
October ....| 8]. 37825). 1,27. 2,351... 96201452771 17033 17021045
November . | 9| 3.26| 5| 0,81| 1,86 100 | 5|35183| 4| 4| 22| 16,72
December ..118| 2,1513) 033| 1,29 100| 3[55/ 85] 3| 5| 18| 11,04
ge. 7,65 | 021] 2,62) 1100| 25 |76 |100| 73 192| 255,19
*) In der diesjährigen Uebersicht sind neben den monatlichen Mittelwerthen
der Feuchtigkeit noch die Minima und Maxima beigefügt: der Grad der Dunst-
sättigung wie gewöhnlich in Procenten der vollen Sättigung ausgedrückt. Wenn
das angegebene Maximum oder Minimum an mehreren Tagen des Monats vor-
kam, so ist dies durch Punkte .. angedeutet.
V. Herrschende Winde
Januar. Die Windesrichtung war vorherrschend Südost, Ost und Süd,
seltener (am 5, 6., 12., 13., -20.) West und Nordwest. Die
Windstärke durchgängig gering und mässig, mit Ausnahme des
starken Westwindes am 20. e-
Februar. In der kalten Hälfte des Monats herrschte Südost, in der
wärmeren West vor. Letztere Richtung wurde am häufigsten
beobachtet, sehr viel seltener die übrigen Richtungen. Die zum
Theil sehr starken Westwinde gingen am 19., 22., 24. und 25.
in Sturm über; am 14. (am Tage vor dem Uebergauge von der
Kälte zur Wärme) herrschte Windstille. Mittlere Richtung
Siidwest. ;
März. Am 1. Nord, von da ab Südwest, Süd und Südost, vom
16. ab wieder einige Tage Nord, dann Südost, während die kalten
Schneeschauer vom 28. ab aus Nordwest kamen. Besonders
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 315
stürmisch war der 23. Am häufigsten kamen Südost und Süd
vor. Mittlere Richtung Süd.
April. Mittlere Richtung Westsüdwest, jedoch mit einem geringen
Uebergewicht der südlichen über die nördlichen Winde, welche
letzteren sich wiederholt geltend machten, so dass keine einzige
Richtung als besonders vorherrschend bezeichnet werden kann.
Am seltensten kam der reine Ostwind vor, die übrigen folgten
einander in mannigfaltigem Wechsel.
Mai. Ueberwiegend mit mässiger Stärke waren West und Nordwest;
nur während der wenigen warmen Tage kurz vor Ende des
Monats wehte schwacher Ostwind. Mittlere Richtung West-
nordwest.
Juni. Vorherrschend West und Nordwest, zuweilen unterbrochen durch
Ost und Süd. Mittiere Richtung West.
Juli. Ueberwiesend W., demnächst Nordwest, häufig auch Südost, Ost
und Südwest. Sturm am 21., Windstille am 15. Mittlere Rich-
tung West.
August. Wie in den beiden vorigen Monaten herrschten West und
Nordwest vor, jedoch oft auch unterbrochen durch die entgegen-
gesetzten Richtungen Ost und Südost. Mittlere Richtung West-
nordwest.
September. In der ersten Hälfte des Monats war Ost, in der zweiten
West überwiegend, der Anzahl nach einander fast gleichstehend,
so dass als Mittelrichtung nur mit einem sehr geringen Ueber-
gewicht Südsüdwest gefunden wurde. Stürmisch waren der 18.,
19. und 26., windstill der 3. und 11.
October. Ueberwiegend Südost und Ost, nächstdem am häufigsten
‘West, jedoch fast nur in der ersten Hälfte des Monats. Mittlere
Richtung Südost.
November. Am häufigsten Nordwest und Südost, erstere. Richtung um
ein weniges überwiegend und besonders in der ersten Hälfte
des Monats, letztere mehr in der zweiten Hälfte. Mittelrichtung
. mit einem geringen Uebergewicht Nordost.
December. Vorherrschend West, nächstdem Süd und Nordwest,
mittlere Richtung Südwest. In der letzten Woche des Monats
war bei mässiger Kälte theils Windstille, theils schwacher Süd-
ost. Am 7. und 3. stürmisches Schneetreiben aus West und
Nordwest.
VI. Witterungs-Charakter.
Januar. Andauernde, strenge Kälte, noch etwas stärker als im vorher-
gehenden Monate December, verbunden mit reichlichen Schnee-
816 Jahres-Bericht
fällen, jedoch auch vielen ganz klaren Tagen und öfterem starken
Reif. Nur um den 18. einige wenige Tage mit Thauwetter.
Februar. In der ersten Hälfte herrschte grosse Kälte mit einigen
starken Thermometer-Schwankungen (es sank z. B. vom 7. zum
8. das Tagesmittel um 10°), in der zweiten Hälfte Thauwetter
mit stürmischen Westwinden.
März. Ein in seltenem Grade klarer und. trockener Monat mit hohem
Barometerstande und hoher Temperatur, am 28. jedoch bereits
in sogenanntes Aprilwetter übergehend. |
April. Regnicht, kalt und veränderlich; am 1., 14. und 18. Nordlichter.
Mai. Rauh, kalt und regnicht, warm nur vom 24.—29. Noch am Ende
des Monats waren manche Bäume unbelaubt, daher ein noch
stärkeres: Zurückbleiben der Vegetation als im vorigen Jahre.
Juni. Ein kühler und trüber Monat, mit tiefem Barometerstande, vielem
Regen und zahlreichen Gewittern.
Juli. Ueberwiegend warm, jedoch unter grossen Schwankungen; häufige
Gewitter, viel Feuchtigkeit und Regen. ’
August. Ein warmer und ziemlich trockener Monat mit hohem Baro-
meterstande, sonst in den meisten Verhältnissen normal.
September. Ein trockener, in der ersten Hälfte in seltenem Grade
heisser und klarer, in der zweiten dagegen sehr kühler Monat.
October. Im Ganzen kalt, auch an den schönen Spätsommer-Tagen
14.—23. erhob sich die Mittagswärme nur wenig über 10°,
während in den Nächten mehrere Fröste vorkamen.
November. Trübe, nebelig und nasskalt, mit sehr veränderlichen
Windesrichtungen und schwankendem Barometerstande, jedoch
nur geringen Schwankungen der Temperatur.
December. Ein verhältnissmässig trockener Monat; vom 7. bis 10.
Schnee, dann einige Tage heftige Kälte, nachher Thauwetter,
vom 23. bis zu Ende mässiger Frost,
Nekrolog
im Jahre 1871 verstorbener Mitglieder
der
| „schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur.“
(Auszüglich vorgetragen am 29. December 1871.)
Der Wunsch, mit welchem unsere vorjährige Todtenschau abschloss,
ist leider in Erfüllung nicht gegangen: wiederum ward die Zahl der
diesem Kreise Entrissenen fast doppelt so gross, als der letzte zehn-
jährige Durchschnitt (= ce. 11) und selbst als der Durchschnitt der
44 Jahre, über welche die Listen Auskunft geben (= ungefähr 12*/,);
und zum vierten Male in ununterbrochener Reihenfolge wiederholt sich
sonderbarerweise die Summe von 21.
Es verstarben: das Ehrenmitglied Dr. Wilhelm Ritter v. Haidinger
zu Wien ( 19. März); die wirklichen Mitglieder Rittergutsbesitzer
Rimann in Wederau (+ 31. Jan.), Fürstbischof a. D. Leopold Graf
v. Sedlnitzki zu Berlin (+ 25. März), Buchhändler Maske (+ 31. März),
Kunsthändler Karsch (+ 7. Mai), Graf Stosch-Hartau (+ 25. Juni),
Prof. Dr. Julius Milde (+ 3. Juli), Kreisgerichtsrath Loos (+ 25. Juli),
Dr. med. Krause (7 18. Aug.), Kaufmann Louis Reichenbach (+ 2. Sept.),
Oberlehrer Dr. Baumgart (+ 14. Septbr.), Regier.-Präsident v. Götz in
Düsseldorf (+ 4. Octbr.), Dom-Benefieiat Joh. Heyne (+ 28. Octbr.); Graf
Stosch-Manze (+ 29. Oct.) ; die correspond. Mitglieder Prof.Dr. Zeuschner
zu Warschau (7 31. Jan.), Generallieutenant a. D. von Gansauge zu
Berlin (+ im März), Apoth. Güntzel-Becker zu Wohlau (+ 22. März),
Lehrer Hilse, zuletzt in Breslau (+ 29. März), Sanitätsrath Dr. Junge
zu Friedeberg a. Q. (+ 27. Juni), Seminar-Oberlehrer a. D. Dr. Schneider
in‘ Stolpe ( 22. August), Geh. Regierungs-Rath Prof. Dr. Ratzeburg
zu 'Berlin (+ 24. October).
318 Jahres-Bericht
Wenden wir zuerst unser trauerndes Gedenken Denen zu, die wir
öfters in unserer Mitte sahen und deren dauernde Heimat unsere
Stadt war!
Ueber das Leben und Arbeiten der beiden Botaniker Milde (Mit-
glied seit 1851) und Hilse haben bereits zwei ihnen wissenschaftlich,
amtlich und persönlich Nahestehende in so getreuer und eingehender
Weise Auskunft gegeben (siehe den Bericht der botanischen Section),
dass jede weitere Beifügung ausgeschlossen ist.
Ludwig Ferdinand Maske, Sohn des Kaufmanns Ludwig Maske,
war zu Breslau am 20. Juli 1808 geboren, empfing seine Schulbildung
auf dem hiesigen Magdalenäum, dessen Prima er, durch Familienverhält-
nisse zum Verzicht auf das beabsichtigte Rechtsstudium bewogen, im Herbst
1828 verliess, um, ausgerüstet mit einem gediegenen Fundament von Kennt-
nissen, als Lehrling in die Buchhandlung seines Onkels A. Gosohorsky
einzutreten, in der er auch nach absolvirter Lehrzeit noch bis 1834 als
Gehilfe verblieb, worauf er 4 Jahre in Wien bei Schaumburg & Comp.
eonditionirte; 1838 nach Breslau zurückgekehrt, trat er wiederum in das
Gosohorsky’sche Geschäft ein, wo seine Arbeitskraft und Intelligenz sich
bald wiederum in so vortheilhafter Weise geltend machten, dass die
Führung des Geschäftes lange Zeit ihm ganz allein anvertraut blieb.
Er stand seinem Posten mit grosser Gewissenhaftigkeit vor; nicht
selten opferte er den Interessen des Geschäftes die Freuden der
Geselligkeit und des Kunst- Genusses, die sich ihm in reichstem
Maasse darboten, da er als vortrefflicher Clavierspieler überall sehr
willkommen war und zu Concerten gern herangezogen wurde. Am
1. April 1846 übernahm er dann käuflich selbst die genannte Buchhand-
Jung nebst der ihr bereits einverleibten „Streit’schen Leihbibliothek“ und
brachte das Geschäft bald zu hoher Blüthe. Sein lebhaftes Temperament
liess sich daran nicht genügen und trieb ihn, ein neues Feld für seine
rastlose T'hätigkeit zu suchen; sein praktischer Blick liess ihn bald er-
kennen, dass die Verhältnisse des Platzes für Gründung eines Antiquariats
in grossem Styl günstig seien, und so errichtete er im Laufe des Jahres
1851 das heute in weitesten Kreisen bekannte und allgemein geachtete
„Antiquariat von L. F. Maske“.
Es konnte nicht fehlen, dass er, selbst so thätig, seinen Mitarbeitern
ein Vorbild war, dem nachzueifern alle freudig sich bestrebten. Dazu
gesellte sich bei jedem bald innige Verehrung und Liebe für den Chef,
der sich durch freundliches und herzliches Wesen auszeichnete und
in allen geschäftlichen Verhältnissen stets gleichbleibende Humanität
walten liess.
Bei der zunehmenden Ausdehnung der Geschäfte musste er darauf
bedacht sein, den einzelnen Zweigen tüchtige dirigirende Kräfte zuzu-
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 319
führen und sich selbst nur die Generaldireetion vorzubehalten. Es gelang
ihm sowol für die Buchhandlung als für das Antiquariat intelligente
Männer zu finden, welche, durch sein Beispiel ermuntert, ihren Obliegen-
heiten mit regstem Interesse nachkamen und in seinem Sinne die vor-
- gezeichnete Bahn weiter verfolgten. Das Emporblühen des Antiquariats
wurde noch besonders gefördert durch die ausgezeichneten Kataloge,
welche von Zeit zu Zeit ausgegeben wurden, zuerst unter den Brüdern
Simon (deren einer jetzt Inhaber des Calvary’schen Antiquariats in
Berlin ist) und unter Mitwirkung von Prof. August Kahlert und anderen
Gelehrten; nicht blosse ephemere Verkaufskataloge, geniessen sie noch
heut als literarhistorische und bibliographische Beiträge von Bedeutung
bei Gelehrten und Literaturfreunden verdientes Ansehen.
Wie durch seine Berufsthätigkeit in allen literarischen Kreisen, hat
Maske auch durch sein Privatleben, in welchem sein wahrhaft edler
Charakter sich durch zahlreiche schöne Züge stiller Wolthätigkeit be-
zeugte, die höchste Achtung Aller, die mit ihm in Berührung traten,
sich erworben. Vortrefflicher Familienvater, genoss er das aus dem
Familienleben erspriessende Glück mit dankbarem Herzen und in unge-
störtem Frieden, den erst das Hiuscheiden der ältestnan Tochter (der
Gattin unseres Stadtbibliothekars Dr. Pfeiffer) und bald darauf das der
treuen heissgeliebten Lebensgefährtin trübte.e Durch diese Schicksals-
schläge aufs tiefste erschüttert, ward er auch körperlich leidend von da
an, so dass er in den letzten zwei Jahren nur mit Mühe und oft durch
Krankheit unterbrochen seinem Berufe, dem er mit so grosser Treue
und Liebe anhing, nachzugehen vermochte, und in diesem Zustande trat
an ihn die Nothwendigkeit heran, fast die ganze, sonst auf mehre Schul-
tern vertheilte Last wiederum fast allein auf sich zu nehmen, denn der
Dienst fürs Vaterland entzog 1870 seinem Geschäfte nicht nur 2 seiner
Söhne, deren ältesten er soeben am 1. Juli als Theilhaber aufgenommen,
sondern auch den grössten Theil der übrigen Kräfte, denen er in ge-
wohnter Humanität die Stellen für die Rückkehr offen hielt. So hat
auch er, wenigstens durch eine raschere Verkürzung des Fadens, als sie
sonst wohl zu erwarten gewesen wäre, der Wiedergeburt Deutschlands
mit seinem Leben Tribut gezollt. Er starb am Ablauf desselben Jahres-
tages, 3l. März, welcher den Zeitraum eines 25 jährigen Besitzes seiner
Buchhandlung abschloss.
Wie sehr Maske am Orte in Ansehen stand, das bekundete die
überaus zahlreiche Theilnahme bei seiner Bestattung am 3. April.
Im Kreise des deutschen Buchhandels zählt er zu den tüchtigsien
Mitgliedern, zu den gediegenen Vorbildern für das jüngere Geschlecht.
Mitglied der ,„Schlesischen Gesellschaft‘ war er seit 1862. —
320: . Jahres-Bericht
Franz Karsch, geb. am 21. December 1803, war der Sohn eines
Glasermeisters in dem Posenschen Städtehen Birnbaum (Mjedzyebod).
Des Vaters früh beraubt, kam er kurz nach der Belagerung Breslau’s in
Obhut eines hiesigen Anverwandten, ward hier erzogen, lernte die
Profession seines Vaters, wonach er denn (etwa im Jahre 1831) mit den
bescheidensten Mitteln seine Werkstatt eröffnete und einen Hausstand
begründete. Natürliche Einsicht und geistige Regsamkeit liessen ihn aber
bald, ohne dass er sich seines Handwerks überhoben hätte, nach Ver-_
vollkommnung, nach Erweiterung der engen Grenzen desselben trachten.
Im Jahre 1835 nennt ihn das Breslauer Adressbuch als ‚‚Kunst - Glaser.‘
So zog er denn auch die Goldleisten- und Bilderrahmen - Fabrication,
welche sein naher Freund, der Staffirer und Goldschläger E. Melzer
in den ersten Dreissigerjahren hier eingeführt hatte, in den Bereich seines
Schaffens; nachdem er zuerst mit jenem zusammen gearbeitet, separirten
sie sich bei dem wachsenden Umfange des Geschäfts, und Karsch ver-
pflanzte nun die Vergoldekunst auch in seine Glaserwerkstatt; so hat er
als einer der Ersten mitgewirkt, den bis dahin wenig gebrauchten Gold-
rahmen auch hierorts zu einer Alleinherrschaft zu bringen, welche erst
in der letzteren Zeit andere Genres wieder neben sich zu dulden be-
sonnen hat. Im Jahre 1834 gründete er seine Kunsthandlung, 1850
dehnte er seine Thätigkeit in diesem Zweige bis Berlin aus durch Ueber-
nahme der vormals Lüderitz’schen Kunst-Sortimentshandlung, welche er
am 1. Januar 1854 an seinen Sohn Gustav abtrat. Im Juli 1842 eröffnete
er unter Beirath und Beihülfe des Schlesischen Kunstvereins, der Schles.
vaterländischen Gesellschaft und des Schlesischen Künstlervereins und
deren hervorragenden Mitglieder, wie Kahlert, Ebers, Resch, Graf
Hoverden, in den aufs beste geeigneten Räumen im ersten Stock des
Hauses Ohlauerstrasse 74 sein „Museum“, welches Sammelpunkt hiesiger
und durchreisender Kunstfreunde ward und stets eine überaus reichhaltige
Aufstellung namentlich von Gemälden und Stichen zur Schau und zum
Studium darbot, auch mit einer kleinen Bibliothek geeigneter guter
Nachschlagewerke ausgestattet war, welche nachmals an die Galerie im
Ständehause übergegangen ist. Leider war das Interesse der Breslauer
nicht dauernd und ausgiebig genug, um die mit manchen Opfern er-
kaufte Forterhaltung dieses Instituts zu ermöglichen: im Juli 1852 schloss
es seine Pforten,
Aber auch in anderer Weise wirkte Karsch für den gemeinen
Nutzen. Bei der Gründung des Breslauer Gewerbevereins 1828 war er
eifrig thätig, und die von diesem seit 1832 hier eingeführten „Breslauer
Gewerbe - Ausstellungen“, welehe mit den „Kunst - Ausstellungen“ der
Schlesischen Gesellschaft resp. des -Kunstvereins Jahr um Jahr wechselten
‘ (beide in den Räumen der Schlesischen Gesellschaft) ‚haben ihn neben
Renner und Wolter als ihren Urheber anzusehen. Ja sein Blick gewann
Sea
der Schles. Gesellsch. £. vater. Cultur. 391
noch weiteren Umfang auch auf diesem Felde: der erste Plan zu einer
srossen Provinzial-Gewerbe- Ausstellung ist von ihm ausgegangen, und
zwar noch vor einer etwa durch die Londoner Weltausstellung von 1851
gegebenen Anregung, wie der unterm 29. Mai 1850 von Karsch gestellte
in den Acten des Gewerbe-Vereins bewahrte Antrag erweist.
Mit Vertrauensämtern reichlich beehrt, war Karsch unter Anderem
Curator der (durch Hauptlehrer G. Stütze’s Bemühungen in’s Leben
serufenen) „Sonntagsschule für Handwerkslehrlinge“, Mitvorsteher der
„Bürgerrettungs- (Darlehns-) Anstalt“, und volle 30 Jahre bis zu seinem
Hinscheiden Schatzmeister beim .,Schlesischen Kuustverein“. Auch
stand er in erster Reihe unter Denen, deren persönliche Thätigkeit bei
der Einrichtung der Kunst- Ausstellungen, sowie bei der Aufstellung der
Galerie im Ständehause das Erforderliche leistete, und nicht minder be-
traute der Vorstand des Kunstvereins zu wiederholten Malen ihn mit
seiner Vertretung bei den Berathungen der für den ostdeutschen Aus-
stellungs-Cyelus verbundenen Vereine.
So über die Grenzen Schlesiens hinaus wirksam und geschätzt, zu-
mal von den schlesischen Künstlern, denen Bestellungen und Käufer
zuzuwenden er stets als eine seiner liebsten Aufgaben betrachtete, von
Kennern und Kunstliebhabern oft zu Rathe gezogen, liess Karsch doch
seine bescheidene Glaserwerkstatt niemals stillstehen, aus ihr und unter
seiner eigenen Hand ging u. A. die Bedachung des Perrons im Ober-
sehlesischen Centralbahnhofe hervor, die erste hiesige Verwendung von
dieken Rohguss -Glasplatten, und er setzte dauernd seinen Stolz darein,
ein angesehener und geachteter „Handwerker“ zu sein. So war es ja
auch in den Blüthezeiten der Künste und der Gewerbe, als beide neid-
los Hand in Hand gingen, und erst dann werden wir an ein neues
deutsches wahres Kunstleben und sein wirkliches befruchtendes, veredeln-
des Eindringen in den Volksgeist glauben dürfen, wenn wieder der
Handwerker zum Künstler, der Künster zum Handwerker strebt. Karsch
hatte einen starken Hauch von diesem Geiste zur Mitgift empfangen.
Kränkelnd unter dem Druck der Jahre und zuletzt fast erblindet,
verschied er am 7. Mai 1870. Mitglied der Gesellschaft war er seit 1856.
Dauerndes Andenken hat er sich in unseren Sammlungen gestiftet durch
sein Album schlesischer Notabilitäten aus Kunst, Wissenschaft und prak-
tischem Leben, 44 grosse photographische Portraits, von Robert Weigelt’s
künstlerischer Sorgfalt geschaffen und je mit autographer Unterschrift und
einer kurzen Biographie der betreffenden Person begleitet, welches der
Sohn und Geschäftsnachfolger, Herr Emil Karsch, des Vaters Willen
treu ausführend, der Gesellschaft übergeben hat. —
Johann Eduard Loos, geb. den 12. Januar 1813 zu Kozmin, Provinz
Posen, Sohn des Land- und Stadtgerichts- Assessors Loos (nachmals in
21
Sr Jahres-Bericht
Jauer) und Enkel des Hofprediger Loos an der reformirten Kirche zu
Breslau, besuchte von Michaelis 1823 bis Ostern 1830 das hiesige Friedrichs-
Gymnasium, studirte bis Michaelis 1832 in Breslau und Berlin die Rechte,
ward am 27. November 1332 beim Ober-Landes-Gericht zu Breslau als Aus-
eultator vereidet, 1836 zum Ober-Landes-Gerichts-Referendar, 1841 zum
Ober-Landes-Gerichts-Assessor ernannt, wirkte vom September desselben
Jahres bis Ende März 1844 als Hilfsrichter beim Land- und Stadt-Gericht
zu Johannisburg (Departement Insterburg), von da ab bis Ostern 1846 _
als Assessor beim Land- und Stadt-Gericht zu Ober -Glogau, bis Ende
Februar 1848 ebenso bei dem zu Neustadt O./8., bis Ende September
1858 bei dem Fürstenthums-Gerieht zu Neisse, erhielt am 9. August 1855
seine Beförderung zum Kreis-Gerichts-Rath und wurde am 1. October
1858 an das Kreisgerieht zu Breslau versetzt. Hier hat er sich in amt-
lichem Kreise wie in dem unsrigen, dem er seit 1864 angehörte, und als
Mitglied des Presbyteriums der (reformirten) Hofkirchen-Gemeinde durch
sein mildes und wohlwollendes Wesen die allgemeine Zuneigung erworben.
Besondere Theilnahme wandte er auch der Wirksamkeit des Gustav-
Adolf-Vereins zu. Liebreich im Umgange, menschenfreundlich gegen
Jedermann, hat er im Kreise seiner Collegen den Ruhm hinterlassen,
dass sie ihn auch im amtlichen Wirken niemals und unter keinen Um-
ständen hart und heftig gesehen. —
Der am 18. August dahingeschiedene Dr. med. Robert Krause, Sohn
eines hiesigen Raths-Secrelärs, ward im Jahre 1800 geboren. Er hat
das Magdalenäum besucht, sodann auf den Universitäten Breslau und
Heidelberg Mediein studirt, darauf in Breslau promovirt und die
medieinischen Prüfungen abgelegt, in Berlin das Staatsexamen gemacht
und dann in seiner Vaterstadt als praktischer Arzt und zwar als Doctor
medieinae et chirurgiae sich niedergelassen. Mit Fleiss und Gewissen-
haftigkeit ebenso wie mit Erfolg lag er seinem Berufe ob, bis ein
schweres asthmatisches Leiden seinem Wirken ein Ziel setzte. Die Ge-
sellschaft, deren Mitglied er seit 1831 war, verdankt der Güte seiner
Wittwe die Schenkung eines erheblichen Bücherbestandes aus seinem
Nachlasse (s. vorn den Bibliotheksbericht). —
Ludwig Reichenbach wurde am 7. April 1815 hierorts geboren und
hat in unserer Stadt neben seiner kaufmännischen Thätigkeit ein um-
fassendes gemeinnütziges Wirken nach den ‚verschiedensten Richtungen
entwickelt; das allgemeine. Vertrauen, das er sich dadurch bei seinen
Mitbürgern erwarb, berief ihn zu einer grossen Zahl von Ehrenämtern,
denen er sich auf das gewissenhafteste widmete und in denen er stets
die Gelegenheit wahrnahm, durch versöhnendes Eingreifen und durch
wohlwollende Theilnahme Gutes zu schaffen, Durch lange Jahre war er
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 333
Mitglied des Stadtverordneten-Collegiums und mehrer städtischen Depu-
tationen; als Direetor der Neisse-Brieger Bahn hat er dieser seine Thätig-
keit gewidmet bis sie in königliche Verwaltung überging; ebenso war
er Director der Breslauer Gas-Actien-Gesellschaft bis zu deren Uebernahme
durch dieCommune; dem Verwaltungsrathe der Oberschlesischen Eisenbahn-
Gesellschaft und des Schles. Bankvereins gehörte er bis zu seinem Tode an.
Ganz besonders hat er sich auch um die Gründung und Erhaltung des Bres-
lauer zoologischen Gartens verdient gemacht, durch welchen er seinen Mit-
bürgern nicht bloss einen erfreulichen Aufenthaltsort im Freien, sondern
auch durch die Beobachtung der Thierwelt einen neuen Quell der Be-
lehrung zu schaffen hoffte; er hat als Vorsitzender des Verwaltungs-
rathes diesem Institut bis zum Lebensende sein förderndes Interesse be-
thätigt. Mitglied unserer Gesellschaft war er seit 1865. Während eines
Badeaufenthalts in Marienbad erlitt Reichenbach im Juli dieses Jahres
den. ersten Anfall emer Herzkrankheit, die ihn, nach scheinbarer Wieder-
herstellung, in Warmbrunn am 2. September durch einen Herzschlag
plötzlich und unerwartet aus dem Kreise der Seinen entriss. Die allge-
meine Theilnahme, die sich bei seiner Beerdigung in Breslau am 4. Sep-
tember bekundete, zeugte von der Verehrung, welche sich der Ver-
storbene durch seine Herzensgüte, seine Wohlthätigkeit, seinen Gemeinsinn
und durch seine warme Empfänglichkeit für alle edlen Bestrebungen in
den weitesten Kreisen erworben hatte. —
Felix Expedit Baumgart, verst. am 14. September, Mitglied seit
1847, und eines der activsten in der musikalischen Section, hat in seinem
nahen Freunde, Pıof. Palm, einen Biographen gefunden, auf dessen aus-
führliche, den edlen, liebenswürdigen, unermüdlich strebensvollen Mann nach
dem ganzen Bilde seines Lebens, Arbeitens und seiner Leistungen dar-
stellende Arbeit wir nur verweisen können (sie ist gedruckt im 8. Heft
XI. Bandes der „Schles. Provinzialblätier‘‘, 1872 August), indem wir den
kürzeren Nachruf, welcher bald nach Baumgart’s Hinscheiden aus der-
selben Feder geflossen (Schles. Ztg. 1871 No. 439) hier folgen lassen.
Geboren am 13, Januar 1817 zu Gross-Glogau, gebildet auf dem
dortigen katholischen Gymnasium, entwickelte der Verstorbene schon
früh neben den schönsten Anlagen für die Wissenschaften auch vorzüg-
liehe Begabung für die Musik, die von dem dasigen treffliehen Dom-
organisten Schnabel zeitig erkannt, sorgsam gepflegt und ausgebildet
wurde, so dass schon der Knabe und Jüngling bei bedeutender tech-
nischer Fertigkeit im Clavier- und Orgelspiel sich fleissig der Composition
hingeben konnte. Messen von ihm selbst mit voller Instrumentation
dürften noch heut in der Domkirche zu Glogau in Uebung sein. Gleich
tüchtig vorgebildet auf den Gebieten der Wissenschaft und Kunst, bezog
Baumgart im Herbst 1836 die Universität Breslau. Genöthigt, für seinen
21*
324 Jahres - Bericht
Unterhalt selbst zu sorgen, gab er sich trotz Zeit und Kräfte raubenden
Privatunterrichts mit grösstem Eifer ebenso philologischen als musikalischen
Studien hin. Die letzteren erfuhren durch Mosewius und den als Musik-
lehrer an der Universität damals höchst anregend wirkenden Dom-Orga-
nisten Wolf die erfreulichste Förderung, beide Männer hatten kaum
jemals einen fruchtbareren Boden für ihren Unterricht gewonnen und
wetteiferten nun in der Pflege des bedeutenden Talentes ihres Schülers.
Ruhte nun auch in dieser Zeit die producetive Thätigkeit Baumgart’s, so
entwickelte er doch seine Fertigkeit im Orgelspiel zur Meisterschaft und
verliefte sein musikalisches Wissen und Erkennen in ausserordentlichem
Grade. Und doch beirieb er gleichzeitig auch die gründlichsten wissen-
schaftlichen Studien. Die Professoren Ambrosch und Haase hegten
und pflegten den jungen Philologen mit grosser Vorliebe, der als Mit-
glied des philologischen Seminars ihre Aufmerksamkeit durch gediegenes
Wissen, wie durch die Schärfe seines Denkens auf sich gelenkt hatte.
Im Jahre 1842 wurde er nach Vertheidigung seiner Dissertation De Fabio
Pictore antiguissime Romanorum historico zum Doctor promovirt. Kurz
darauf hatte er das Glück, als Hauslehrer die Familie des Prof. Bern-
stein auf ein Jahr nach Italien zu begleiten und dort die anregendsten
und bleibendsten Eindrücke für sein Leben zu empfangen. Nach seiner
Rückkehr entschied der frühe Tod seines Lehrers W olf über die nächste
Wendung seines Lebens; von Mosewius und Professor Braniss aufs
wärmste empfohlen, wurde er der Nachfolger Wolfs in dessen Eigen-
schaft als Lehrer des Orgelspiels und des Generalbasses an hiesiger
Universität und als Regierungs- Commissar für die königlichem Patronat
zustehenden Orgelbauten in der Provinz. Die philologisch - pädagogische
Laufbahn schien damit für ihn verschlossen, denn eine Aushilfe, die er
1843 und 1344 als Lehrer am königlichen Matthias - Gymnasium leistete,
war nur vorübergehend, da ihm seine neue Berufsthätigkeit nicht erlaubte,
die Vorbereitungen zum Staats-Examen zu Ende zu führen. Mit ebenso
viel Gewissenhaftigkeit als Erfolg lag er seinen musikalischen Aemtern
ob; ausser akademischen Schülern bildete er stets noch eine Anzahl
Zöglinge des katholischen Schullehrer-Seminars zu Orgelspielern aus und
unterstützte seinen Collegen Mosewius treulich in der Leitung des hie-
sigen „Instituts für Kirchenmusik.“ Nach aussen machte er sich
durch höchst gründliche Aufsätze in musikalischen Zeitschriften bekannt,
während er in unserer Stadt zuletzt als eine ihrer ersten musikalischen
Autoritäten bereitwillig und uneigennützig durch Rath und That für
Förderung der höchsten Aufgaben der Kunst thätig war. Vielfach also
in Anspruch genommen, setzte er gleichwohl seine wissenschaftlichen
Studien in aller Stille fort und überraschte seine Freunde plötzlich im
Jahre 1853 durch eine glänzend bestandene Prüfung zum Gymnasial-
Lehrer. In Folge dessen nahm er seinen Lehrerberuf von neuem auf
Bene iur.‘
der Sehles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 325
und wurde nach Ablegung seines Probejahres 1854 als Collaborator und
im folgenden Jahre als ordentlicher Lehrer am königlichen Maithias-
Gymnasium angestellt. Seine Tüchtigkeit bewirkte, dass er sehr bald
den Unterricht auf den obersten Stufen, mit ihm aber auch ein ausser-
ordentliches Mass von Arbeit überkam, deren Bewältigung neben seiner
anderen Berufsthätigkeit ihm nur der höchste Fleiss und die grösste
Selbstbeherrschung möglich machten. Nichtsdestoweniger übernahm er
nach dem Tode seines ihm innigst befreundeten Collegen, des Musik-
Directors Mosewius, noch stellvertretend die Leitung der Breslauer „Sing-
Akademie‘ und führte sie bis zum Eintritt eines Nachfolgers zu allge-
meinster Befriedigung fort. Die Leitung der ebenfalls von Mosewius
begründeten „Männer-Liedertafel“ fiel ihm dauernd zu. Für sie hat
er eine Anzahl der reizendsten vierstimmigen Männergesänge componirt,
ausgezeichnet zum Theil durch köstlichen musikalischen Humor; sie lassen
die Scheu bedauern, mit der er stets seine übrigen Compositionen von
der Veröffentlichung zurückgehalten hat. Nur eine treffliche Ausgabe der
Clavier: Sonaten, Rondos u. s. w. von Philipp Emanuel Bach, mit einer
die feinste Kennerschaft und musikalische Gelehrsamkeit bekundenden
Einleitung verdankt ihm die musikalische Welt, ausserdem vortreffliche
Aufsätze in Zeitschriften und den Verhandlungen der „Schlesischen Ge-
sellschaft“, deren musikalischer Section er nach Mosewius’ Tode ebenfalls
bis in die neueste Zeit (1869/70) präsidirte. Wahrhaft bewundernswerth
ist die Kraft, mit welcher Baumgart neben so bedeutender Thätigkeit
auf dem Gebiete der Kunst auch seinem Berufe als Lehrer oblag und
auch hierin durch die Gediegenheit seines Wissens, durch die Klarheit
seines Geistes, den Ernst und die sittliche Lauterkeit seines Charakters
das Höchste leistete, Vermochte er es auch nicht, noch durch umfassen-
dere philologische Schriftstellerei den Reichthum seines Geistes zu be-
kunden, so hat er doch theils durch manche feine, seinen Freunden mit-
getheilie Beobachtungen, theils durch sein Schulprogramm vom Jahre 1870:
„Ueber die Betonung der rhyihmischen Reihe bei den Griechen“ auch
seine wissenschaftliche Bedeutung reichlich documentirt.
Zu solch ungewöhnlicher Thätigkeit, die nach dem Tode des Direc-
tors Wissowa bis ans Unglaubliche noch gesteigert wurde, brachte Baum-
sart sehr unzureichende Körperkräfte mit, deren Schwäche er öfter zu
erliegen drohte. Nur seiner zähesten Willenskraft war es möglich, der
eigenen Gebrechlichkeit und den schweren häuslichen Leiden, die ihm
beschieden waren, Trotz zu bieten. Bis zum vorigen Jahre trug er die
sesammte Arbeitslast und entsagte einem Theil seiner Aemter, dem an
_ der Universität und der Regierung, erst als ihn die sichtliche Abnahme
seiner Kraft unabweislich dazu drängte. Während der Schulferien er-
krankte er bedenklich; in Salzbrunn suchte er Heilung, aber am 14. Sep-
tember ereilte ihn dort der Tod. Nur einer kleinen Anzahl seiner
326 Jahres-Bericht
Freunde und Collegen machte die Entfernung und die Kürze der Zeit es
möglich, zur Beerdigung des trefflichen Mannes zu eilen. Friede seiner
Asche und Ehre seinem Andenken!
Johannes Nep. Anton Franz Heyne, + am 28. October, eines der
ältesten Mitglieder der Gesellschaft (seit 1836), war geboren am 9. Mai
1804 zu Leobschütz, genoss einer äusserst :strengen häuslichen Erziehung
und erhielt seine erste Ausbildung in der dortigen katholischen Stadtschule,
wo er schon in den ersten Jahren solche Anlagen entwickelte, dass er
zur Belohnung und Aufmunterung seines Fleisses mehrfach Prämien und
anderweite Auszeichnungen empfing. Seit 1815 besuchte er das königl.
katholische Gymnasium zu Neisse, zeichnete sich hier namentlich im
Latein aus und’ verfasste schon als Schüler der oberen Klassen einen
„Leitfaden zur Grammatik“, sowie bei festlichen Gelegenheiten die
üblichen lateinischen Carmina. Seit Michaelis 1824 studirte er in
Breslau Theologie, gab hier durch Abfassung mehrer Dissertationen
über dogmatische T'hesen seine besondere Befähigung für theologische
Studien kund, ward im October 1827 in das Priesterseminar aufgenommen,
empfing schon am 7. April 1828 die Priesterweihe, fungirte demnächst
als Caplan in Alt-Reichenau, in Schweidnitz (wo er bei Gelegenheit der
Jubelfeier des evangelischen Pastors Lehmann eine lateinische Dichtung
veröffentlichte), in Grüssan, wo er sich vorzugsweise, durch mancherlei
Umstände begünstigt, ernsten Studien hingab. Ausser verschiedenen
kleineren Arbeiten veröffentliche er dort die .„‚geschichtlichen Notizen
über die aufgelöste ehemalige fürstliche Cistereienser- Abtei Grüssau.‘
Nach 7 jähriger Amtsführung wurde ihm am 2. October 1834 die Ver-
waltung der mit Auflösung bedrohten Parochie Giessmannsdorf bei Landes-
hut übertragen, der er bis zum Frühjahr 1843 vorstand. Obwohl von
dieser Zeit ab für Heyne eine Periode bitterer und schmerzlicher Er-
fahrungen begann, unterbrach er doch nicht seine Studien, suchte und
fand in ihnen und in einem ausgedehnten literarischen Briefwechsel den
Trost für mancherlei trübe Stunden. Im März 1843 schied er aus Giess-
mannsdorf, um als Kreisvicar nach Neumarkt zu gehen, wo er, weniger
angefeindet, umfassendere schriftstellerische Arbeiten ausführte und u. A.
die „Geschichte der Stadt Neumarkt“ schrieb, Dann ward er nach
Wohlau, dann als Pfarradministrator nach Köben a./O., später als Kreis-
viear nach Lossen bei Trebnitz versetzt. Endlich, am 14. Februar 1857,
kam Heyne als Beneficiat der Kapelle der heiligen Elisabet und, seinen
Wünschen entsprechend, Custos der Dombibliothek nach Breslau, wo er
bis zu seinem Ende wirkte. Hier öffneten sich seiner wissenschaftlichen
Neigung die Quellen, deren er auf den verschiedenen bisherigen Stationen
seines Lebensweges entbehren gemusst, und ob ihm auch nicht immer die
wünschenswerthe Schärfe der Kritik beiwohnen mag, so ist doch sein Name
der Schles. Gesellsch. f. vater], Cultur. 327
durch wichtige, fleissige Arbeiten untrennbar mit der schlesischen Geschichts-
schreibung, insbesondere der Kirchengeschichte verbunden. Unter seinen
grösseren Schriften ist vor Allem zu erwähnen die „documentirte Ge-
schichte des Bisthums und des Hochstifts Breslau‘, reich an bisher
ungedrucktem urkundliehen Materiale, von welcher im Verlage von
W. @. Korn 3 Bände erschienen; an dem Vollenden des 4. Bandes
ist der unermüdliche Forscher, der auch hier durch mancherlei uner-
freuliche Erfahrungen schmerzlich berührt wurde, durch seinen Heim-
gang behindert worden; doch liegt, wie man hört, die Arbeit bis
zum. Jahre 1800 fertig vor und hat der Druck bereits begonnen. Viel-
leicht fügt es ein günstiges Geschiek, dass eine verständnissvolle Hand
sich dieser, wie seiner etwa begonnenen übrigen Arbeiten ausführend an-
nimmt; doch darf man darauf wenig Hoffnung hegen, da es ja durch-
gehendsüblicher Missbrauch ist, dienachgelassenen Papiere
Verstorbener, selbst fertige Manuscripte nicht ausge-
schlossen, eiligst und oft noch ehe die Leichen kalt gewor-
‚den, zu verwüsten — eine Thatsache, wovon uns die trau-
rigen Spuren fast bei jedem Schritte begegnen. —
Als ein Mann von Fleiss und wissenschaftlichem Sinne hat Heyne
an allen Orten, denen, in so verschiedenen Gegenden der Provinz, sein
wechselvolles Amtiren ihn zuführte, die localen Quellenschätze aufgesucht
und sammelnd benutzt, an denen die Eintagsfliegen, welche ihre Zeit
angenehmer zu verwerthen wissen, mit bücherstaubscheuer Trägheit
vorübergehen, und so sind, ausser der Ausbeute für sein späteres grösseres
Werk, auch eine Anzahl (zumtheil oben erwähnter) monographischer
Arbeiten — über Grüssau, Neumarkt, Köben, Wohlau ete. — aus seiner
Hand hervorgegangen. Anderweit ist zu erwähnen als eine seiner gelungen-
sten Leistungen die Geschichte der Barmherzigen-Brüder-Klöster Schlesiens,
als Jubiläumsschrift des Breslauer Klosters erschienen, wie er auch die
Grundregeln des Ordens nach dem heiligen Augustin zam Gebrauche der
Novizen übersetzte und herausgab; ferner als eine seiner letzten Schriften
die Geschichte des kurfürstlichen Orphanatrophiums und Waisenhauses zu
Breslau, ebenfalls Jubiläumsschrift (1870); ungerechnet viele einzelne
Aufsätze historischen Inhalts in den alten Schlesischen Provinzialblättern,
dem katholischen Kirchenblatte, der Zeitschrift des Schlesischen Geschichts-
vereins und in Tagesblättern. Mit Anfertigung von Registern des Dom-
Archivs, eine das Mass einer blossen Nebenarbeit überschreitende Auf-
gabe, ist er zum Ziele nicht gekommen, und es harrt diese, wie die von
weiland Ign. Ritter begonnene Katalogisirung der Dombibliothek, noch
der sehr wünschenswerthen vollendenden Kräfte.
Heyne’s wissenschaftliches Streben fand seitens der hiesigen Hoch-
schule ehrende Anerkennung, deren katholisch -theologische Faeultät ihn
beim Universitäts-Jubiläum 1861 in die Zahl der Ehren-Doctoren einreihte,
328 Jahres- Bericht
und auch amtliche Würdigung der Verdienste, die er sich um die Kirchen-
geschichte des Bisthums erworben, ward ihm zutheil durch ein päpstliches
Breve vom Jahre 1869.
Bis in sein 67. Jahr fungirte Heyne als Vorstandspriesier der alten
„marianischen Bruderschaft Breslauer Bürger‘‘, welcher er allsonntäglich
Nachmittags in der Seminarkirche „Exhortationen‘‘ hielt, wie er auch oft-
mals vertretungsweise die Kanzel bestieg.. Mit den steigenden Jahren
mochte wohl auch seine Verstimmung wachsen, so dass er, nach aussen
ziemlich verschlossen und fast mürrisch erscheinend, seinen Verkehr auf
engste Kreise beschränkte und auch in unseren Sitzungen, wie in denen
des schlesischen Geschichtsvereins immer seltener gesehen ward.
Ueber eines unserer ältesten Mitglieder (seit 1824), den am 31. Januar
verstorbenen, in die Mitgliederliste als „Amtmann“ eingeführten Guts-
besitzer G. Leberecht Rimann eine genügende biographische Nachricht
zu erhalten, blieb leider selbst auf wiederholte Anfrage bei nächsten
Angehörigen versagt. Er war früher Pächter oder Verwalter von We-
derau, nachmals Kreisdeputirter und Besitzer der Güter Wederau, Blu-
menau und Falkenberg im Kreise Bolkenhain, Baritsch im Kreise Jauer,
die nun an seine beiden Söhne übergegangen sind. Tüchtiger Land-
wirth, hat er die gedachten Güter, die mit zu den besten des Kreises
Bolkenhain gehören, in hohen Flor gebracht. Seit langen Jahren scheint
er ganz zurückgezogen gelebt zu haben, hatte bereits an einen seiner
Söhne verpachtet und ward selbst in der Kreisstadt nur selten gesehen. —
Der am 29. October verstorbene Graf George von Stosch (-Manze),
als ältester Sohn des Direetors der Breslau-Briegischen Fürstenthums-
Landschaft Graf Stosch - Manze am 24. November 1828 in Manze bei
Bohrau geboren, empfing eine vortreffliche Erziehung zuerst von seiner
von ihm zärtlich geliebten Mutter, die ihm wie allen seinen Geschwistern
ein Vorbild der höchsten Tugenden war. Auf der Ritterakademie zu
Liegnitz und auf der Universität zu Berlin machte er seine Studien,
worauf er ins väterliche Haus zurückkehrte. Nach des Vaters Tode
(1863) übernahm er die elterlichen Güter, die er schon seit 1849 be-
wirthschaftete, und vermählte er sich mit Gräfin Valerie v. Zedlitz-
Trützschler. Stets bereit, dem allgemeinen Wohle zu dienen und
gemeinnützige Bestrebungen zu fördern, fehlte es ihm bald an Wirkungs-
stätten zur Bethätigung dieses Strebens nicht und sehen wir ihn als Vor-
sitzenden des strehlener landwirthschaftlichen Vereins und des schlesischen
Schafzüchter-Vereins, als thätiges Mitglied des schlesischen landwirth-
schaftlichen Centralvereins, "als Landesältesten, als Abgeordneten zur
Provinzialsynode, und 1866 wie 1870/71 als Hauptmann wieder im
Heeresdienste activ, überall als ein Muster der Pflichttreue sich erweisend,
als welches er schon in der Jugend stets seinen Geschwistern vorgeführt
DZ Un a tn
der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 329
ward. Seine praktischen und bahnbrechenden Hauptverdienste um
unsere Provinz liegen auf dem Gebiete der Bienenpflege, einem hier
auch jetzt noch viel zu wenig geübten Zweige der Wirthschaft. Schon
früh hatte er die volkswirthschaftliche Bedeutung einer rationell betrie-
benen Bienenzucht erkannt; er selbst gehörte zu den hervorragendsten
Bienenzüchtern der Provinz und hat diesen Zweig der Landwirthschaft
mit Wort und That aufs eifrigste gefördert, sein ausgedehnter und muster-
hafter Bienenstand wurde öfters von Belehrungsuchenden in Augenschein
genommen. Er war langjähriger Freund der „Eichstädter Bienenzeitung‘“
und seiner fleissigen Feder verdankten wir in früheren Jahren, wo er
noch Musse zu schriftstellerischer Thätigkeit fand, viele werthvolle Auf-
sätze über Theorie und Praxis in der Bienenzucht. Jedes Jahr hielt er
an den Pfingstfeiertagen auf seinem Bienenstande Vorträge, verbunden
mit praktischen Demonstrationen, die zahlreich, zumtheil, von Bienen-
züchtern aus weiter Ferne besucht waren. Seinem Einfluss und seiner
Initiative verdanken wir die amı 23. Februar 1868 erfolgte Begründung
des „Schlesischen General-Vereins der Bienenzüchter“‘, welche Vereinigung,
der sich schon 17 Special- Vereine zugesellten, in den wenigen Jahren
bereits sehr segensreiche Früchte für die Provinz und darüber hinaus
getragen. Sein Verlust als Vorsitzender erschien in diesem Kreise uner-
setzlich, die Trauer um ihn war, wie zahlreiche Zuschriften constatiren,
allgemein. Am 7. October präsidirte er das letzte Mal zu Breslau dem
Generalverein; schon einige Tage darauf raffte in früher Morgenstunde
ein Nervenschlag unerwartet rasch dieses reiche, an Körper und Geist
kräftige Leben dahin. Den nach Tausenden zählenden Besuchern der
27. Wanderversammlung deutscher Land- und Forstwirthe zu Breslau im
Jahre 1369 wird sich sein Bild fest ins Herz geprägt haben, da er hier
als Vorsitzender der Section für Bienenzucht wie in einigen anderen
Seetionen äusserst thälig war. Unserer Gesellschaft gehörte er seit 1851 an.
Auch ein Vaterbruder des Vorgenannten, Felix Heinrich Anton Graf
Stosch, Mitglied der Gesellschaft seit 1842, ist in diesem Jahre, den
25. Juni, auf seinem Gute Hartau bei Sprottau verstorben. Seine Brüder:
Georg Graf Stosch auf Manze, + 1863, Director der Breslau - Briegischen
Fürstenthumslandschaft; Stanislaus, auf Löwen bei Brieg; Hans auf Pol-
nisch-Kessel, Director der Glogau-Saganer Fürstenthums - Landschaft, —
sind ihm insgesammt vorangegangen, die letzten beiden kinderlos; sämmt-
lich Söhne des 1798 bei der Erbhuldigung in den Grafenstand erhobenen
königlichen Kammerherrn Hans Gottlieb v. Stosch (+ 1821) und
einer Tochter des Staatsministers Grafen Hoym.
Felix Graf Stosch war geboren zu Breslau am 18. Juni 1795 als
dritter Sohn des Ebengenannten. Er empfing seine Schulbildung auf dem
Pädagogium zu Halle. Seine Jugendzeit fällt in die Jahre der schweren
330 Jahres-Bericht
Erniedrigung Deutschlands, und eben zur Universität gelangt, folgte er
mit beiden älteren Brüdern dem Aufrufe des Königs und trat als Frei-
williger in das damalige leichte Garde-Cavallerie-Regiment, kämpfte mit
bei Dresden, Bautzen und Leipzig und erwarb sich in dem Gefechte bei
Hainau das eiserne Kreuz 2. Klasse. Am 2. Juni 1813 zum Officier er-
nannt, nahm er theil an dem Feldzuge von 1814, zog auch 1815 mit in
Paris ein, wurde mit dem russischen Annen-Orden decorirt und diente
bis October 1817 in dem seit 1815 formirten Garde -Ulanen- Regiment,
nahm dann seinen Abschied, setzte seine juristischen Studien in Heidel-_
berg, Göttingen und Berlin fort, und arbeitete bis zum Jahre 1825 am
Berliner Stadtgericht, daneben mit lebendigstem Interesse den verschieden-
sten Wissenschaften, insbesondere dem Studium der Musik zugewandt,
die ihm, einem gewandten Cellospieler, bis in sein spätestes Alter eine
Quelle reinster Freude war. Gegen Ende des genannten Jahres aus dem
Justizdienst scheidend, verlegte er seinen Wohnsitz nach dem Rittergute
Hartau bei Sprottau, das ihm nach seines Vaters Tode zugefallen war,
widmete sich mit Eifer dessen Bewirthschaftung, dem in der Landwirth-
schaft sich entfaltenden neuen Leben mit Interesse folgend, namentlich
auch in wirkungsreicher Weise bestrebt, die Ablösung der bäuerlichen
Reallasten in gütlichem, beide Theile zufriedenstellendem Wege auszu-
führen, und bekleidete in den Jahren 1851—57 das Amt eines Landes-
ältesten der Glogau-Saganer Fürstenthums-Landschaft. Tief beugte ihn
der Tod zweier Söhne, deren einer den bei Gravelotte empfangenen
Wunden erlag, und nach nur wenigen Monden folgte er diesem in’s
Grab. —
Blicken wir weiter in unserer Provinz um, so vermissen wir seit
dem 22. März ein fleissiges Mitglied, den Apotheker Heinrich Güntzel-
Becker in Wohlau, geboren den 20, October 1798 ebenda, Sohn des
Stadt-Physicus und Apothekers Dr. Güntzel.e. Er genoss seine Schul-
bildung in der sogenannten lateinischen Bürgerschule des Ortes bis 1813,
trat dann einstweilen in die väterliche Apotheke als Lehrling ein, setzte
von 1815 bis 1818 in Breslau bei Olearius seine Lehrzeit fort, blieb in
üblicher Weise noch ein Jahr als Gehilfe bei demselben, machte sodann
einen einjährigen Cursus an dem ehemaligen pharmazeutischen Institute
des Prof. Trommsdorf in Erfurt durch, conditionirte hierauf 1'/, Jahr in
Nürnberg, 2 Jahr in Bern, wo er sich vorzüglich der Botanik widmete,
was denn bis zu seinem Ende seine Lieblings - Beschäftigung geblieben
ist. Nach dem 1825 in Berlin abgelegten Staats-Examen kehrte er in
sein välerlich Haus zurück als Geschäfts - Theilnehmer seines Stiefvaters
Apotheker Becker, der ihn im Jahre 1838 adoptirte, woher sein Doppel-
name, der im Gebiete der schlesischen Pflanzenkunde einen guten Klang
hat. Die Schriften der Gesellschaft enthalten Beiträge von ihm in den
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 331
Jahres-Berichte von 1842: „Kalkstein mit Abdrücken von Dikotyledonen-
Blättern gefunden bei Wirsingawe“, und von 1850: „Notiz über von ihm
aufgefundene seltene oder für Schlesien neue Pflanzen“. Zu seiner hand-
schriftliehen Nachlassenschaft gehört eine Flora der Umgegend von
Wohlau. — |
In gleich hohem und noch rüstigem Alter ward uns und den
Genesungsuchenden in unserer Provinz am 27. Juni entrissen der Bade-
arzt von Flinsberg, Sanitätsrath Dr. med. Carl Wilhelm Junge zu Friede-
berg a. Q. Er stammte aus der Medieinerstadt Erlangen, wo er am
16. März 1797 geboren ward, Sohn eines Buchdruckers aus Giesmanns-
dorf in der Lausitz (Kr. Sprottau?), an welche Herkunft sich seine Be-
züge zu Schlesien knüpften. Seine geistige Ausbildung erhielt er zuerst
in einer Elementarschule, dann auf dem Gymnasium der Vaterstadt;
er lernte gut und hatte es, als er die Heimat verliess, bis Tertia gebracht.
Schon früh (1805) verlor er die Mutter, und so siedelte sein Vater, als
‘er von einem Schwinden des Augenlichts heimgesucht ward, zu seiner in
Röhrsdorf bei Friedeberg a. Q. verheiratheten Schwester über, die dort,
Wittwe, eine ländliche Besitzung hatte. So kam Junge nach Schlesien,
ein kleines, mageres Bürschehen von schwächlicher Leibesconstitution.
Aber das Leben in Schlesien gedieh ihm gut. Sein Pathe und naher
Verwandter, der Kaufmann Johann Gottfried Kluge zu Greifenberg und
dessen Gattin nahmen sich seiner besonders an und brachten ihn „den
Tag nach Johanni 1810“ auf das Gymnasium zu Hirschberg, wo er
wiederum die Tertia bezog. Damals war eben noch liebevoller Zusam-
menhalt in den Familien, der kalte Hauch der Selbstsucht hatte noch
nicht das Leben so weit vergiftet wie heut, wohlhabende Leute fanden
eine innige Freude daran, ärmeren Anverwandten die fördernde Hand
zu reichen, und auch die „Pathen“ hatten noch nicht vergessen, was
eigentlich ihres Amtes und ihrer Berufung ist — Fälle, die man heut-
zutage bereits genöthiget ist unter die Merkwürdigkeiten zu schreiben.
Im denkwürdigen Jahre 1813 rückte Junge nach der Prima. Der
geniale Rector Körber, Proreetor Besser und der noch lebende oder erst
kürzlich als Proreetor a. D. verstorbene Ender waren u. A. seine Lehrer.
Im Jahre 1814 verlor Junge auch den Vater. Am 18. April 1815 trat
er unter die freiwilligen Jäger; aber die Abtheilung, bei der er stand,
lag den ganzen Sommer im Thale Neinstädt, in Wusterhausen und Wol-
mirstädt und kam nicht mit zum Schlagen. Im December heimgekehtt,
sing Junge abermals aufs Gymnasium und studirte dann von Ostern 1816
bis 1819 zu Breslau, in welchem Jahre er nach einer Reise über Heidel-
berg, Speier und den Rhein hinab bis Coblenz Michaelis die Universität
Erlangen bezog. Dort verlobte er sich mit seines Vaterbruders, auch eines
Buchdruckers, Tochter; 1821 bereiste er die Schweiz, 1822 promovirte er
332 Jahres-Bericht
in Erlangen, besuchte dann die Heimat, absolvirte 1823 in Berlin sein
Staatsexamen und ward, von Greifenberg aus, im Jahre 1824 Badearzt
zu Flinsberg.
„Gekannt, geliebt und verehrt weit hinaus über den Kreis seiner
unmittelbaren ärztlichen Wirksamkeit, war Junge (wir reden mit den
Worten eines ihm gewidmeten öffentlichen Nachrufes) ein Mann von
hoher geistiger Begabung, von biederem deutschem Sinn, von seltener
Harmonie seines Wesens, das Jeden sympathisch berührte, der ihn
näher kennen zu lernen Gelegenheit fand. Seit beinahe fünfzig Jahren
erfüllte er seinen ärztlichen Beruf, für den er im vollsten Umfange
befähigt war, ebenso gewissenhaft wie uneigennützig unter Armen
und Reichen ohne Unterschied der Person, und das zahlreiche
Trauergefolge, welches seine Gruft umstand, legte Zeugniss ab von dem
liefen und allgemeinen Schmerze, den sein Heimgang bei Alt und Jung
verursacht hat. Seine vielseitige Bildung, sein scharfer Verstand, sein
lebhaftes Interesse für Kunst und Wissenschaft, sein empfänglicher Sinn
für Naturschönheiten machten den Umgang mit ihm zu einem wahrhaft
fesselnden und regten ihn selbst ohne Tnterlass dazu an, seine reichen
Gaben zur Freude für sich und im Dienste seiner Mitmenschen auch auf
andern Gebieten zu verwerthen als auf dem seiner ärztlichen Praxis.
Mancher treffliche Aufsatz in verschiedenen, selbst in theologischen Zeit-
schriften (so auch im „Schlesischen Protestantenblatt‘“) ist aus seiner
Feder geflossen. Die Macht der Rede, Humor und Satyre standen ihm
zugebote, und noch in seinem späteren Alter übte er die Landschafts-
malerei mit wirklicher Genialität.‘‘ —
Wie fast in jedem dieser Züge, so auch in dem letzterwähnten ist
Junge dem verstorbenen Professor Karl Friedrich Mosch verwandt und
es war kein Wunder, dass innigste Freundschaft die beiden Männer ver-
einte, die in dauernder Verbindung blieben auch als Mosch, tief ver-
stimmt, von der: Aussenwelt sich gänzlich abgeschlossen, Friedeberg ver-
lassen und in Herischdorf eine kleine Villa sich erbaut hatte.
Junge war alter Burschenschafter und wir verdanken ihm werthvolle
Memoiren aus jener Zeit (gedruckt in den „‚Schlesischen Provinzialblättern“
Bd. VI., 1867), und er hat zu Denen gehört, welche die Ideale ihrer
Jugend nicht vergassen, auch nicht sie in blossen schönen Empfindungen
verschweben liessen, sondern von ihnen Praxis machten im Dienste
des Gemeinbesten und die Strenge sitllicher Gesinnung, das offene
Bekenntniss der Ueberzeugung, die Treue der Freundschaft festhielten
bis ans Ende. Seine Verdienste um die Commune Friedeberg sind un-
vergessen, fast ein Halbjahrhundert, und davon beinahe 30 Jahre als
Stadtverordnetenvorsteher, hat er ihr seine Thätigkeit gewidmet, durch
klares Eindringen in den Geist der Städteordnung entwickelte er rasch
deren segensreiche Keime, weckte einen Bürgersinn, der sich dauernd durch
der Schles, Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 333
kräftige Einmüthigkeit bekundet, bei Sammlungen und anderen Diensten
für löbliche Zwecke offene Hand hat, ächten Patriotismus pflegt. Nicht
mit dem Wort allein, auch mit dem Beispiel ging er voran, Die in den
Dreissigerjahren auf wüsten Erdreich angelegte Promenade ist unter
seiner Pflege zu einer Zierde der Stadt geworden. Die Verwaltung des
kleinen Stadtforstes, der heut eine Haupt - Einnahmequelle der Commune,
setzte er in einen regelrechten Betrieb. Den Armenkinder-Beschäftigung-
Verein, der in vielen Orten der Provinz Nachahmung gefunden, hielt er
mit unermüdeter Ausdauer gegen widerstrebende Tendenzen aufrecht, so
dass er feste Wurzeln schlagen und sich als höchst wohlthätige Ein-
richtung erweisen konnte.
Scehriftstellerisch in seinem Fach ist Junge — der auch Ehrenmit-
slied der Görlitzer ‚„‚Naturforschenden Gesellschaft“ war — besonders in
der Berliner „‚Medieinischen Zeitung“, der Berliner „Allgemeinen medi-
einischen Central-Zeitung‘ und der Wiener „‚Medieinischen Zeitung“ auf-
getreten. Dort sind auch seine Arbeiten über „Rademachers Erfahrungs-
heillehre‘“ und „zur T'herapie des 17, Jahrhunderts“ gedruckt. Besonders
erschienen ist seine „Unterstützung der Aerzte“ und eine Monographie
von Flinsberg (1862). Auch im Felde der schönen Literatur hat er sich
versucht mit zwei Novellen: „Onkel und Neffe“ und ‚Die dunkle Blume“.
Anderem, fast allen Richtungen des Wissens angehörig, besonders aber
zur Mediein und zur Religion und Theologie, ward durch die umfassen-
den Berufsgeschäfte die letzte Handanlegung versagt. Was er über
Flinsberg Handschriftliches hinterlassen, ward seinem Nachfolger an dorti-
sem Heilquell übergeben. —
Alexander v. Götz ward geboren am 20. Decbr. 1805 zu Breezinke
(Kreis Namslan), welches damals im Besitze seines Vaters, des Justizrath
a. D. von Götz war. Er besuchte das Gymnasium zu Oels und konnte
bereits in seinem 16. Jahre die Universität beziehen; er studirte zu Göt-
tingen und Halle, arbeitete als Auseultator, Referendar und, nur dureh
ein halbjähriges Commissorium in Posen unterbrochen, als Assessor bei
dem Stadtgerichte und sodann bei dem Appellationsgerichte zu Ratibor
unter den Präsidenten Kuhn und v. Frankenberg, von Letzterem, dem
jetzigen Wirkliehen Geheimen Rath Appellations-Gerichts-Präsidenten a. D.
auf Nieder-Schüttlau, als tüchtige Kraft besonders gewürdigt, so dass
zwischen beiden Männern hinfort ein Band gegenseitiger Zuneigung und
Hochachtung bestand. Im Jahre 1833 vermählte er sich mit einer Freiin
von Rottenberg; zum Kreis-Justizrath (eine jetzt aufgehobene amtliche
Stellung) bei dem damaligen Land- und Stadtgericht des Kreises Wohlau
ernannt, trat er dieses Amt jedoch nicht an, nahm vielmehr 1838 seinen
Abschied, wurde Landschaftsyndieus bei der Oberschlesischen Fürsten-
thumslandschaft zu Ratibor, gab aber 1340 diese Stellung wieder auf,
334 Jahres-Bericht
um sich der Bewirthschaftung des seiner Gattin durch den Tod ihres
Vaters zugefallenen Gutes Pommerswitz im Leobschützer Kreise zu wid-
men, wohin er mit der Familie übersiedelte. Er ward zum Landes-
ältesten dieses Kreises und zum Abgeordneten für den Provinziallandtag
1846 gewählt. In Folge dessen geschah 1847 unter dem Ober- Präsi-
denten v. Wedell sein Wiedereintritt in den Staatsdienst, und zwar zu-
nächst als Hilfsarbeiter bei der Regierung zu Breslau. Hier übertrug
ihm 1849 Oberpräsident v. Schleinitz die Regelung der Angelegenheiten
und die Unterbringung der durch den Hungertyphus im Jahre 1847/48
der Fürsorge der Staats- Regierung anheimgefallenen oberschlesischen
„Iyphuswaisen“ und fungirte er in dieser ihn nun fast ausschliesslich
beschäftigenden Sache zugleich mit dem Regierungs- und Schulrath
Polomsky (+) als Commissarius des Oberpräsidenten, griff mit grosser
Umsicht und Energie, unter steter Gefahr der Ansteckung, überall per-
sönlich ein, stiftete viel Gutes und Zweckmässiges — ein Wirken, das
vielleicht von Aussenstehenden nicht in seiner ganzen Aufopferung und
Tragweite gewürdigt werden konnte. Er bereiste auch in demselben
Jahre mit einem Regierungs-Baumeister Belgien, um dort die Einrichtung
von Waisenhäusern als Vorbilder für die in Oberschlesien zu errichtenden
kennen zu lernen. In ebendem Jahre zum Regierungsrathe ernannt, hat
er von da ab als Justitiarius bei der „Abtheilung des Innern“ an der
hiesigen Regierung fungirt, wurde 1357 zum Ober-Regierungsrath und
Dirigenten ebendieser Abtheilung ernannt, 1865 aber zum Regierungs-
Vice -Präsidenten; 1867 ward er als Chef-Präsident an die Regierung zu
Cöslin, und Anfang September 1871 an die zu Düsseldorf versetzt, wo
ihn, nachdem er kaum vier Wochen dies Amt verwaltet hatte, am
1. Oetober an seinem Schreibtische der Schlag traf und am 4. desselben
Monats ein unerwarteter Tod ihn ereilte.
Der Verstorbene, Mitglied der Gesellschaft seit 1856, bewies sich in
seinem Wirken und Walten als ein sehr befähigter, klarer Kopf, ein Mann
von seltener Arbeitskraft und vorzüglichem Verwaltungstalente, ausgestattet
mit einem wohlwollenden Herzen und grosser Gerechtigkeitsliebe, so dass er
sich stets der Anhänglichkeit und Anerkennung seiner Untergebenen zu
erfreuen hatte; im amtlichen Verkehr mit dem Publikum von zuver-
lässiger, nicht bloss schönredender Zuvorkommenheit; im Umgange ein
liebenswürdiger Gesellschafter; in der Familie voll reichen Gemüths und
aufmerksamer Sorgfalt. So ist sein Tod für die engeren wie für die
weiteren Kreise seines Wirkens ein zu früher zu nennen. —
Fast unter uns verschollen war der Name des Fürstbischofs Leopold
v. Sedlnitzki, als derselbe bei dem am 25. März erfolgten Hinscheiden
des Mannes wieder an unser Ohr drang, durch eine grossarlige Stiftung
sich fest in das Andenken der Provinz prägend und durch die Wechsel-
-
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 335
fälle seines Lebensganges geeignet, gerade die Aufmerksamkeit der Gegen-
wart wiederum auf ihn hinzulenken.
Maria Leopold Ignaz Friedrich Wilhelm Joseph Hyaeinth Ceslaus
Johannes-Nepomuk Fidelis Vineenz Franz de Paula |Innocenz Victor,
Sohn des Reichsgrafen Joseph Odrowons v. Sedlnitzki, eigentlich
Odrowonez-Siedlnicki v. Choltie (Choltitz), Herrn zu Geppersdorf, Nassedl,
Wronin, Löwitz ete., wurde geboren am 29. Juli 1787 zu Geppersdorf, bei
Tropplowitz, hart an der Grenze gegen Oestreich auf schlesischem Boden
gelegen. Hiernach berichtiget sich die Angabe des amtlichen Bisthums-
Schematismus nnd des Herausgebers der Autobiographie des Grafen: er ist
von Geburt Preuss.-Schlesier. Die Mutter war eine geb. Gräfin Haugwitz.
Die väterliche Familie, Glied eines der ältesten Geschlechter Mährens, reicht
weit in die heimische und östreichische Geschichte hinauf. ‚Beide Eltern
waren im römisch-katholischen Glauben erzogen, demselben mit allem Ernste
zugethan undsahen ihn als den einzigen Weg des Heiles an, ohne darum
weniger liebevoll gegen Andersdenkende zu sein. Bei dieser Gesinnung war
es natürlich, dass sie selbst ihren Kindern nicht nur das beste Beispiel
gaben, sondern auch deren Erziehung römisch katholischen Geistlichen
anvertrauten und sie in diesem Glauben zu befestigen suchten‘ — dies sind
des Sohnes eigene Worte. Die ganz katholische Umgegend war reich
an Geistlichen, zählte mehre Klöster, das Haus des Grafen war gastfrei,
so wurden auch die Geistlichen zu gern gesehenen täglichen Besuchern,
ein, auch zwei Klostergeistliche befanden sich stets anwesend, um der
Mutter und Grossmutter täglich die Messe zu lesen, die Erzieher des
Knaben waren ebenfalls Theologen, und so kam es, dass, zumal ausser
einer Schwester alle Geschwister um Jahre über sein Alter hinaus waren,
ein grosser Theil seiner Jugend in der Umgebung von Geistlichen ver-
floss. Bereits dem Elfjährigen ward, ‚‚nach der damaligen missbräuch-
lichen Sitte“, eine Breslauer Domherrnstelle erworben und er, mit Dom-
herrnornat und Kreuz angethan, in der Pfarrkirche zu Tropplowitz durch
den Weih-, nachmaligen Fürst-Bischof v. Schimonski feierlich geweiht
und tonsurirt, unter königlichem Dispens für den Homagial-Eid bis zu
erreichter Grossjährigkeit, und vier Jahre später erhielt er, unter dem
nämlichen Dispens, durch den Fürstbischof v. Hohenlohe die Investitur
für ein Canonieat bei der Collegiatkirche zum heiligen Jacobus und
Nicolaus in Neisse. £
AIU dies hinderte jedoch nicht, dass die Fähickeiten des Knaben,
die zuerst in Folge der ungeeigneten Methode eines der Lehrer: nicht
eben zum Vorschein kommen wollten — zu seinem Glück übrigens,
denn es gab dies Zurückbleiben einen Dämpfer ab für die mit dem Dom-
herrnhabit erwachte grosse Vorstellung von seiner Würde — in der Stille
eine Richtung nahmen, die unter solehen Umständen nicht zu erwarten
war und selbst den Eltern anfänglich unbekannt blieb: die auf die Natur-
336 Jahres-Bericht
wissenschaften. Und zwar geschah dieses unter dem unmittelbaren Ein-
tlusse der schönen Naturumgebung selbst. Die Reize des Geppersdorfer
Thales und seiner nahen Bergwelt wirkten von früher Jugend mächtig
auf sein Gemüth, die Eindrücke davon blieben treu bis in sein spätes
Alter und noch da erinnerte er sich deutlich ‚der Seliskeit, die er zu
Zeiten im Genusse dieser Natur empfand und die sich in den lebhaftesten
Aeusserungen kundgab“. So lockte ihn denn als Lernstoff Alles, was
sich auf die Natur bezog, kräftig an, und er gewann sich in Naturgeschichte,
Physik, mathematischer Geographie, später auch in der Astronomie durch
Privatstudium Kenntnisse, die, als sie eines Tages zum Vorschein kamen,
Freude und nun fast Ueberschätzung bei den Seinigen erresten. Die
seinem Gemüth eingepflanzte religiöse Richtung „drängte aber sein Inneres
dahin, die Herrlichkeit und den Reichthum der Natur auf ihren Schöpfer
zu beziehen, seine Grösse, Weisheit, Allmacht und: Liebe sich anschau-
lich zu machen und sein Herz ihm zuzuwenden,‘“ — „und diese eigen-
thümliche Lage führte ihn, trotz seiner heitern Stimmung und eines
‚grossen Hanges zum Vergnügen, in eine entschieden contemplative Rich-
tung.“ Sie bewirkte aber auch, dass er die historische Seite des
Wissens in einer sowol für die harmonische innere Ausbildung, wie für
die spätere Studienbahn unzuträglichen Weise vernachlässigte, welche
Versäumniss dann eifrig nachgeholt werden musste. „Die geschichtlichen
Thatsachen (schreibt er), der fortwährende Wechsel im Leben der ein-
zelnen Menschen und Völker, das Treiben der Leidenschaften, alles dies
erschien mir in seiner Beschränkung in Zeit und Raum als ganz unter-
geordnet in Vergleich mit der unendlichen Grösse, Gesetzmässigkeit, Un-
wandelbarknit und Schönheit der göttlichen Schöpfungen. Mich beseelte
die tiefste Verehrung vor dem Schöpfer, der Myriaden von Welten aus
dem Nichts hervorgerufen und sie in wunderbarer Weise leitet, der die
Unendlichkeit seiner Geschöpfe mit Liebe umfasst und jedes seinem
Ziele zuführt. lch bewunderte daher aın meisten dıe Männer, welche in
dieses Heiligthum eindrangen und die tiefen Mysterien desselben zu
deuten vermochten. Sie schienen mir unendlich erhaben über alle Histo-
riker und Philologen. Der überwältigende Eindruck, den der gestirnte
Himmel auf jedes Gemüth macht, musste sich noch erhöhen, da ich ihn
in seiner Unermessliehkeit, in seiner Ordnung und Gesetzmässigkeit kennen
lernte.‘“ Als, eine Bestätigung der Kepler’schen Gesetze, eine erste Erfüllung
der von Kepler in unserem Planetensystem wahrgenommenen Lücke, der erste
Asteroide entdeckt wird (1. Januar 1801), da erscheint ihm Kepler nicht nur
als das grösste Genie, sondern als ein Prophet. Als er aber die Ueber-
setzung Stolberg’s von Platon’s Dialogen nebst seinem Vorwort an seine
Söhne in die Hand bekommt, da „geht ihm ein neues Licht auf“, er
selangt zur Ueberzeugung von der grossen Binseitigkeit und Mangel-
haftigkeit seiner bisherigen Studien, gewinnt einen tiefen Eindruck von
der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur. 337
der Wichtigkeit auch der sprachlichen und historischen Kenntnisse, und
durch Fleiss erreicht er, dass er die Prüfung der Reife ausgezeichnet
besteht und beim Antritte der Universität (Michaelis 1804) den ersten
Cursus des Triviums überspringen kann.
Die damalige, von den in „‚Schulbrüder‘‘ umgewandelten Ex-Jesuiten
geleitete hiesige katholische Hochschule ‚„Leopoldina“ umfasste nur die
theologische und die philosophische Facultät, war noch ganz in alter scho-
lastischer Weise eingerichtet, mit Hörzwang, Zusammenleben in Convieten
und genau vorgezeichnetem fünfjährigen Lehreurs. Nur Priester waren
Lehrer. Aber der Mechanismus dieses streng geregelten Uhrwerks ver-
mochte nicht den erwachten Geist einzuschnüren, unter den lebhaftesten
inneren Kämpfen rang dieser durch die Zweifel einer ihm hier entgegen-
tretenden mehr äusserlichen Natur- und Gottes-Anschauung zur Versöhnung
sich durch, und grade die alten, wie unsere deutschen Klassiker waren
es,. welche dazu beitrugen, seine Naturanschauung mehr zu vergeistigen,
während die eingehendere Vertiefung in die heilige Schrift, die er anfäng-
lich in üblicher Weise nur als Material für Belegstelien zur Sitten- und
Pflichtenlehre und den kirchlichen Dogmen gelesen hat, zu einem „‚W ende-
punkte in seinem Leben“ führt, und zwar unter dem Einflusse der
religionsphilosophischen Vorträge, welche Kayssler, früher katholischer
Geistlicher und Professor an der Leopoldina, dann Docent in Halle, dort
zur reformirten Gemeinde getreten, nun Professor und Proreetor am hie-
sigen reformirten Gymnasium, ein Mann von christlich gläubigem Stand-
punkte, vor einem grösseren Zuhörerkreise hielt und zu deren Besuchung
— „ein merkwürdiges Zeichen jener Zeit‘ nennt es Sedlnitzki selbst —
der Regens seines Convicts, ehemaliger Jesuit, ihn selber animirte.
„Dieser liess sich (schreibt Sedlnitzki) durch Kayssler’s evangelisches
Bekenntniss nicht hindern, seiner mit Achtung zu gedenken, und auch
andere Professoren, darunter ein alter ehrwürdiger Exjesuit, lebten in
aufrichtiser Freundschaft mit ihm innig verbunden.“ Die Belagerung
Breslau’s treibt den jungen Mann eine Zeit lang in seine Heimat. Im
Jahre 1808 wird er zum Licent. philos. und zum Cand. theol., 1809 zum
Baccalaureus theol. promovirt, nachdem er summa cum laude ‚‚de authentia
Vulgatae versionis“ disputirt hat. Durchgedrungen, wie er meint, zu einer
völligen Einheit seiner philosophischen, religiösen und kirchlichen An-
schauungen an der Hand der bedeutendsten Geister seiner Kirche, deren
vieler aus der Vergangenheit: wie aus seiner Gegenwart er namhaft mit
Danken gedenkt, lebt er der Ueberzeugung, „dass die katholische Kirche,
auf dem apostolischen Grunde ruhend, und nach Heiligkeit strebend,
‚allein die wahre sein könne, und von Gott bestimmt, einst alle Con-
fessionen in sich wieder zu vereinigen.“ Ihrem Dienste will er sich wid-
men. 1809—11 empfängt er die Priesterweihen. Schwankend zwischen
der Neigung zum Landpfarrer oder zum Lehramt an Schule und Hoch-
22
338 Jahres-Bericht
schule, im Entschluss zu letzterem durch sein heftig beginnendes Brust-
leiden wieder zurückgeworfen, Berufungen nach Oestreich im Gefühl der
Treue für Diözese und Staat, in denen er erzogen, zurückweisend, er-
greifi er mit Freuden die vom Fürstbischof Hohenlohe unerwartet ihm
dargebotene Stelle als Assessor und Secretär im Vicariatamte. Der
Contrast des praktischen Lebens mit seinem bisherigen beschaulichen
wirkt trübend auf ihn; sein treuer Lehrer und Freund Rohowsky wird
durch Wort und Beispiel ihm Stütze. Nun kommt er in Confliete, weil
er, unter fürstbischöflicher Billigung, an den Bestrebungen zu Verbreitung
der Bibel theilnimmt. Dann wird er, unbeschadet seines bisherigen. Amts,
als Mitarbeiter in’s königliche Regierungscollegium und Provinzialeon-
sistorium (jetzt Provinzial-Schuleollegium) berufen und erstrebt hier ein
friedliches Zusammenwirken kirchlicher und staatlicher Behörde. Bereits
1811 (mit zurückgelegtem 24. Jahre) als ordentliches Mitglied in das Dom-
eapitel eingetreten, ward er 1830 durch den Minister v. Altenstein als erwähl-
ter Dompropst confirmirt und durch den Bischof von Ermland, Fürsten von
Hohenzollern, eingeführt. Nach Schimonski’s Tode (1835) trafihn sofort die
einstimmige Wahl des Capitels zum Bisthumsverweser und, obwol schon jetzt
anonyme Gegewirkungen durch Pamphlets und Zuschriften laut wurden, wider
sein Erwarten alsbald ebenso zum Nachfolger auf dem fürstbischöflichen
Stuhle, und zwar per acclamationem, ‚was bis jetzt noch nicht vorgekommen
war und als der gewissenhafte Ausdruck des grössten Vertrauens angesehen
werden musste.“ Die Acclamation wiederholte sich sogar auf die von
Sedlnitzki dargelegten Gegengründe. Inzwischen aber hatte die herrschende
Richtung in der katholischen Kirche eine Wendung senommen, welche
mit ihrer Hervorkehrung des geschärften Confessionalismus, auch wenn
es keine amtlichen Zusammenstösse gegeben hätte, auf einen Mann wie
Sedlnitzki, der in der Zeit friedlichsten Miteinanderlebens der Confessionen,
innigen Verkehrs zwischen Männern verschiedener Glaubensmeinungen heran-
gereift war, der überdies in einer an innerstem Leben reichen Skala der Ent-
wiekelung, deren einzelnen Momenten hier zu folgen den Raum weit über-
schreiten würde, sich eine der nackten äusseren Formel widerstrebende
Selbstständigkeit errungen hatte, nicht anders als schmerzlich wirken konnte.
Aber bereits unmittelbar darauf setzte jenes Spiel unterirdischer
Kräfte gegen ihn sich fort, welches nun ein reiches, aber nicht wol-
ihuendes Capitel im Leben Sedlnitzki’s füllt, selbst vor dem Missbrauch
noeh unpublieirter ‚Schriftstücke ‚und vor andern Dingen nicht zurück-
scheute, die Sedlnitzki „bis dahin unter ehrlichen Leuten für unmöglich
gehalten hatte“, seinem Wirken Hemmuisse legie, und es schliesslich
unmöglich machte, dass Sedlnitzki in dem Confliete zwischen Kirche
und Staat wegen der „gemischten Ehen“ mit seiner Darlegung von der
alt - sanetionirten Verfahrungsweise in Schlesien sowie von den durch
das numerische Verhältniss der beiden Confessionen hier bedingten Zu-
1 en
2
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 339
ständen durchdringen konnte, unsere Provinz von den Reibungen und
Stürmen frei zu halten, die in Rheinland und Posen ihre Bahn
genommen hatten. Der grössere und erfahrenste Theil des Diözesan-
klerus war hierin mit ihm in Uebereinstimmung, zum Heile der Provinz
die zeitherige Praxis auch ferner festzuhalten, weiche „zu ihrem Funda-
mente hatte die Beschlüsse der Coneilien zu Constanz und Basel, die
gallicanischen Artikel, welche in Deutschland allgemein angenommen
waren, die Bestimmungen des Westfälischen Friedens und die verschie-
denen landesherrlichen Gesetze“, und zwar wie sie schon unter östreichi-
scher Herrschaft bestanden hatten unter Zustimmung Roms wie der Fürst-
bischöfe und des Capitels.. Ganz unerwartet aber erhielt er auf dem
seltsamen und nach den bestehenden Vereinbarungen nicht zulässigen
geheimen Wege des Doppeleinschlusses, zuerst in dem Briefe einer ihm
bekannten Gräfin, dann in dem einer ihm nicht nahestehenden Herzogin,
ein- Schreiben des Papstes Gregor XVl, dessen Aechtheit er um eben
dieses Verfahrens willen anzweifelte. Nachdem er sich über diese ver-
gewissert, widerlegte er die darin enthaltenen Denunciationen und An-
klagen, aber erfolglos. Die Erwiderung, Grundsätze der bedenklichsten
Art aussprechend, „schenkte den Zeitblättern und Pamphlets mehr Glauben,
als den Aussagen des Bischofs selbst ohne Untersuchung der Wahrheit“.
Er sah nun „keinen Ausweg, die der Diözese drohende Gefahr zu besei-
tigen, als indem er sein Amt niederlegte und es einem Manne einräumte,
dessen Aussagen mehr Aussichten hätten, beachtet zu werden“. Um so
schwerer wurde ihm der Entschluss des Scheidens aus einer für ihn
in vieler Beziehung glücklichen Lage, als es der erste Fall dieser Art
seit den Zeiten der Reformation war, und als Friedrich Wilhelm IV.
persönlich in ihn drang, das Vorhaben nicht auszuführen.
Vom Könige nun zum Wirklichen Geheimen Rathe ernannt, mit der
Verpflichtung, seinen Wohnsitz in Berlin zu nehmen, siedelte er Ende 1840
dorthin über, um an den Arbeiten des Staatsrathes, dessen Mitglied er
bereits war, theilzunehmen; den Sommer verlebte er gern in seinem ge-
liebten Schlesien, meist auf dem von ihm erworbenen Gute Gross - Säge-
witz, auch nachdem er dasselbe an den ihm verwandten Grafen Harrach
wieder verkauft hatte. Mit derselben Geräuschlosigkeit, welche er mög-
lichst bei den früheren Vorgängen seines Lebens wahrte und nach Voraus-
gang ebenso strenger innerer Arbeit und Selbstprüfung, trat er im April
1863 zur „evangelischen“ Kirche über, nicht zu einem ihrer Sonder-
bekenntnisse, einfach indem er eines Sonntags an der Abendmahlsfeier
in der Friedrichwerderschen Kirche theilnahm. Wer den inneren Ent-
wickelungsgasg des Mannes verfolgt hat, dem wird klar, dass dies nur
ein Vollzug früh gegebener Veranlagung ist: bereits die während der
Universitätszeit, wie dann wiederholt imıner fester als Fundamental-
anschauung. ausgesprochenen Gedanken sind dieselben, auf denen der
23*
340 . Jahres-Bericht
evangelische Glaube fusst, und es bedurfte nur noch des Umstandes, dass
er „auch da ‚Kirche‘ finden lernte, wo er sie früher nicht zu erkennen
vermochte‘. Diese trat ein durch nähere Bekanntschaft mit der herrn-
hutischen Brüdergemeinde.
In seiner Selbstbiographie — mit Actenstücken, nothwendigen Er-
gänzungen und einem Bildniss des Verblichenen herausgegeben durch
einen ihm im Leben Nahestehenden (Berlin 1872) — hat er ein Ver-
mächtniss hinterlassen, welches nicht allein durch die darin aufgerollten
äusseren Lebensmomente, sondern zumal durch die inneren, in denen sich
auf dem Grunde einer ernstbewegten und heilsuchenden Seele ein ganzes
Zeitalter spiegelt, dazu bestimmt scheint, gerade in der Gegenwart die
allgemeinste Beachtung auf sich zu ziehen und so die Person des einem
stillen Wirken zugethanen Autors wider seinen Willen in den Mittelpunkt
des Interesses zu rücken. Ä |
Er selbst ist am 25. März 1871 nach kurzer Krankheit durch einen
Gehirnschlag heimgerufen worden.
Eine seiner Hauptsorgen schon im Amte war die für Hebung der
Vorbildung des Geistlichenstandes. So erwirkte er von König Friedrich
Wilhelm II. die bedeutende Schenkung von eirca 40,000 Thlrn. zur
Erweiterung des Klerikal-Seminars (Alumnates) in Breslau. Gleicher
Tendenz sind die drei von ihm gegründeten Stiftungen für evangelische
Jünglinge. „Neben seiner ausgedehnten Privatwolthätigkeit behielt er
(sagt sein Biograph) klaren und weiten Blicks das Ganze des Volkswoles
im Auge und strebte, in nachhaltiger, fester geordneter Weise mit seiner
Thätigkeit an dem Punkte einzusetzen, von dessen Gedeihen, wie er
erkannte, die Zukunft unseres Volkes grösstentheils abhängen muss,
nämlich der glücklichen Vereinigung christlichen Sinnes und Lebens mit
gründlicher geistiger Bildung der begabteren nachwachsenden Jugend.“
So entstanden noch bei seinen Lelizeiten, nachdem er auf Reisen viel-
fältig Vorbilder in Augenschein genommen, 1862 in Berlin das „Paulinum“,
eine Pensions- Anstalt für Gymnasiasten, welche darin „neben einem in
der zerstreuenden grossen Stadt so wichtigen wohlgeordneten Familien-
leben auch Förderung für ihre Studien erhalten sollen‘; so 1869 ebenda
das „Johanneum“, ein ähnliches Hauswesen für evangelische Theologie
Studirende, ‚damit sie in der theueren geräuschvollen Stadt billiger in
der Stille in einem fruchtbaren Gemeinschaftsleben unter angemessener
Leitung, aber ohne Beschränkung der akademischen Freiheit ihren Studien
obliegen können“; so sind durch letztwillige Verfügung 80,000 Thlr.
zur Begründung einer gleichen Anstalt für die evangelischen Theologen
der Breslauer Universität bestimmt. Für Halle hat Sedlnitzki, soweit
mündliche Mittheilung richtig, schon in früheren Jahren ein Stipendium
gestiftet. Testamentarisch hat er ferner 2000 Thlr. zur Anschaffung
theologischer Werke für Geistliche auf gering dotirten Stellen Schlesiens
nn u
der Schles. Gesellsch, f, vaterl, Cultur. 341
und 40,000 Thlr. zur Anstellung evangelischer Hilfsgeistlichen in weit-
läufigen schlesischen Parochien ausgesetzt.
Unserer Gesellschaft hat er seit 1830 als wirkliches Mitglied ange-
hört, durch seine Vorliebe für die Naturwissenschaften, deren Pflege und
Förderung in ihr eine so fruchtbare Stätte hat, ihr gewiss auch geistig,
nicht bloss durch das Mitgliedsdiplom zugethan. —
Wiederum ein Gleichalteriger, lange Jahre unserer Provinz in ge-
segneter Lehrwirksamkeit angehörig, ist der am 22. August verstorbene
Seminar-Öberlehrer a. D. Dr. K. F. Robert Schneider, dessen durch unsern
Herrn Präses bereits im Berichte der „‚Botanischen Section“ ($. 138) ehrend
Erwähnung gethan ward. Er ist geboren im Jahre 1793 am 20. August
zu Breslau, Sohn eines Kaufmanns und Börsensensals. Schon auf dem
Gymnasium zeigte er die seinen späteren Lebensgang beherrschende und
leitende Vorliebe für Naturwissenschaften, welche bald noch entschiedener
hervortrat, als Professor Karl v. Raumer ihn, den Knaben, auf beson-
dere Empfehlung seiner Lehrer unter seine Schüler aufnahm. Mit be-
sonderer Vorliebe gedachte Schneider noch im Greisenalter an diesen
ersten Unterricht in der Mineralogie. Dem strebsamen, durch das ein-
fache strenge Leben im elterlichen Hause abgehärteten und thatkräftigen
Jungen war es die beste Erholung am Ende der fleissig benutzten Schul-
woche, mit seinem 2 Jahre älteren Bruder, den gleiche Interessen erfüll-
ten, die Stadt zu verlassen und im Anschauen der Natur, im -Suchen und
Sammeln ihrer Wunder sowol im Mineral- wie im Pflanzenreiche sich
Feierstunden zu schaffen.
Die Vermögensverhältnisse seiner Eltern erlaubten nicht die Erfüllung
der Wünsche, die der Jüngling hegte, sich dem Studium der Natur-
wissenschaften zu widmen, und so lernte er in den Jahren 1815—21 die
Apothekerkunst und zwar zu Wohlau, also als Güntzel-Becker’s Nachfolger.
Als Provisor verweilte er dann einige Zeit in Aschaffenburg, und dankbar
erkannte er noch in späteren Jahren an, wie er auch hier, wenngleich
langsam, doch mit liebevoller Förderung dem Ziele zugeführt ward, das
er sich gesteckt hatte, Mit einer kleinen ersparten Summe bezog er die
Universität und vollendete in Erlangen das in Breslau begonnene Studium.
An diesen beiden Orten entsprangen und befestigten sich die beiden
Hauptrichtungen und Interessen, welche fortan sein Leben beherrschen;
die Liebe für die Kirche und für die Wissenschaft, und dort trat er in
Freundschaftbeziehungen, die zumtheil über das Grab hinaus Werth und
Bedeutung behielten. In Breslau gehörte er, obgleich Student der Natur-
wissenschaft, doch unter die Schüler Scheibel’s, dessen Lehre von der
Kirche seine eigenste Ueberzeugung bis zum Sterben wurde. In Er-
langen, wohin ihn besonders der dorthin berufene Karl v. Raumer zog,
trat der fleissige, unbemittelte Student bald in das angenehmste Verhält-
a: A Jahres-Bericht
niss zu den Professoren und Koryphäen der Wissenschaft, und wie lieb
diesen der forschende und frische Jüngling war, davon gaben sie Zeug-
niss durch allerlei Werke der Liebe. Prof. Döderlein übertrug ihm
die Aufsicht über seine Söhne, und nachdem bekannt geworden, wie die
geringen Einnahmen des Studenten demselben mancherlei Entbehrungen
an nöthigsten Bedürfnissen auflegten, wurden ihm viele Erleichterungen
zutheil. Die schönste Anerkennung aber fand der Jüngling nach beendetem
Studium in der Aufforderung der Professoren, das Doctor-Examen zu
machen, wobei ihm alle sonst übliehen Kosten geschenkt wurden.
Während dieser Studienzeit gewährten ihm weite wissenschaftliche
Fusswanderungen in die an Naturschönheiten so reichen Nachbarlande der
Schweiz Erholung. Noch in seinem spätesten Alter, ja noch auf seinem
letzten Krankenlager erzählte er mit leuchtenden Augen und dem Eifer
der Jugend davon, seinen jungen Zuhörern die Vortheile jener Art des
Reisens rühmend, wobei alle Eindrücke sich fest einprägen, und den
stillen, dauernden Genuss, den solches Schauen gewährt. Von ganz be-
sonderer Wichtigkeit aber wurde ihm 1824 die Reise durch Italien bis
Neapel und durch das südliche Frankreich mit seinem väterlichen Freunde
und Lehrer Prof. Heinrich v. Schubert. Ausser der reichen Ernte für
sein Studium sammelte er da auch reiche Schätze für das Gemüth. Innig
verbunden mit v. Schubert, theilte er mit ihm jene Anschauungweise, die
den Schöpfer in dem Werke findet und verehrt und jedes irdisch Schöne
in dem Sinne betrachtet: „Alle gute Gabe kommt von Oben, vom
Schöpfer des Lichtes.“ Dankbar sprach er noch auf seinem letzen Lei-
denslager aus: er sei bewahrt geblieben vor allem Materialismus und
habe darum an seinen Studien eine reine Freude und unverzängliche
Befriedigung gefunden.
Nach Beendigung dieser Reise war Schneider noch einige Zeit an
einer Erziehungsanstalt in Nürnberg thätig, folgte dann einem Rufe an
das Seminar zu Weissenfels und kurze Zeit darauf 1828 nach Bunzlau
an die dortigen Lehranstalten. Auch von hier aus machte er Reisen,
bei denen ihn vorzugsweise wissenschaftliche Interessen leiteten, besuchte,
als ihm 1838 seine erste Gattin gestorben, Bayern noch einmal, lernte
einige Jahre später bei einem Besuch der Ostseeküste seine zweite Gattin
kennen. Kirchlichen Ansichten treu, welche Anderen zu anderer Zeit die
Pforten zur Beförderung wurden, erntete er, wie die Dinge damals
lagen, viele Verdriesslichkeiten in Folge derselben; aber obgleich er um
dessen willen äusserst unsicher im Amte stand, lehnte er doch mehre
ehrenvolle Berufungen ins Ausland ab, einem der Grundprineipien seines
Charakters gemäss: „Ausharren in Trübsal!‘“ Mit dem Regierungsantritte
Friedrich Wilhelms IV. gestalteten diese Verhältnisse sich wieder besser,
Neben seinen Amtsarbeiten fand sein reger Fleiss noch immer Zeit
zu literarischer Thätigkeit; so arbeitete er für das ihm zunächstliegende
der Schles. Gesellsch. f. vater], Cultur. 343
Bedürfniss als Lehrer eine „Heimatskunde von Schlesien“ und eine
Flora von Bunzlau, später das grössere, geographisch - statistische Werk
„Der Preussische Staat in geographischer, statistischer, topographischer
und militärischer Hinsicht. Ein Hand- und Hülfsbuch für jeden Stand.“
(2. Ausg. 1834. 3., gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Ausgabe
Breslau 1840 bei G. Ph. Aderholz, 630 $. gr. 8%), dem damaligen Kron-
prinzen (Friedrich Wilhelm IV.) dedieirt; ein in den nicht durch die Zeit
veränderten Partieen noch heut werthvolles Buch, in seinem ersten Ent-
wurfe wesentlich für den Lehrer berechnet, während der kleine „Leitfaden
für den geographischen Unterricht in der preussischen Vaterlandskunde“
und die „Kleine preussische Vaterlandskunde“ (Bunzlau 1835, Appun,
und Breslau 1839, Aderholz) für die Hand der Schüler bestimmt waren.
Ferner verfasste er eine Schrift „der naturkundliche Unterricht“, Bresları
1837, eine Experimental-Physik (Dresden 1842), ein Lesebuch in 3 Ab-
stufungen für die Jugend, die durch Göppert (s. vorn) gewürdigte Arbeit
über „die Verbreitung und Vertheilung der schlesischen Pflanzen ete.‘
‚nebst Karte, und mit Aufwand der Arbeitskraft mehrer Jahre eine grosse
Erdbeschreibung, deren zweite Auflage ganz zu beenden ihm leider der
Tod versagt hat. Auch eine ‚„Wandkarte des heiligen Landes‘ gab er
heraus (Dresden 1843). In den Jahren 1848—50 trat zu seinen Berufs-
arbeiten die Leitung verschiedener patriofischen Vereine, welcher er sich
als treuer Königsdiener nicht entziehen wollte. Leider aber litt seine
Gesundheit unter den vielen Arbeiten derartig, dass er um seine Ent-
lassung einkommen musste, die ihm 1851 ehrenvoll unter Verleihung des
Rothen Adlerordens IV. Classe gewährt ward, worauf er sich auf einen
Land - Aufenthalt nach Pommern zurückzog, immer noch. literarisch
thätig, sodann bei wiedererlangten Kräften 1854 nach Stolp (Stolpe)
übersiedelte und hier fleissig an verschiedenen geographischen Werken
arbeitete, später auch die Redaction einer patriotischen Zeitschrift, der
„Zeitung für Hinterpommern“, Organ des dasigen „conservativen Vereins‘
übernahm. Eine seltene Elastieität des Geistes und Körpers blieb bis in
so hohes Alter ihm erhalten; noch als 70 jähriger Greis unternahm er
Tagemärsche durch Feld und Wald, ohne Weg und Steg, um Material
für eine Flora von Pommern zu sammeln, welches er leider nicht mehr
benutzen und zusammenstellen konnte. Tiefstes Leid war den letzten
zwei Jahren seines Lebens noch vorbehalten: bei einem kaufmännischen
Unternehmen seines Sohnes betheiligt, verlor er sein Vermögen. Dieses
allein hätte ihn nicht so tief gebeugt; das aber, dass auch Andere da-
durch geschädigt wurden und ihm keine Aussicht blieb, diesen Schaden
einst zu ersetzen, brach seine Lebenskraft. In das engste Familienleben
zurückgezogen (auch seine zweite Gattin war bereits 1861 gestorben),
lebte er fortan mit ungeschwächtem Interesse nur noch den Wissenschaften;
sie waren die ihm von Gott gelassenen Freudenquellen. In Betrachtung
344 Jahres-Bericht
seiner Mineralien, die ihm doppelt lieb waren, seit sie durch die hoch-
herzige Handlungweise der Stolper Lehrer nebst einem grossen Theile
seiner Bibliothek aus der gerichtlichen Auction ihm wiedererstanden
waren, — bei Auffinden einer seltenen Pflanze, im Gespräch über wissen-
schaftliche Gegenstände zeigte sich zwar immer noch jene bewunderns-
werthe Frische des Geistes, die ihn so liebenswürdig machte; wie
schwer er aber unter den Prüfungen der letzten Jahre gelitten, offen-
barten die Phantasien seiner letzten Krankheit, die, aus kleiner Erkältung
rasch in Typhus und Unterleibs-Schwindsucht umschlagend, nach viertel-
jahrlangem Leiden in ein leichtes und freundliches Ende ohne Todes-
kampf auslief. Bei vollem Bewusstsein nahm er Abschied von der Erde,
für deren Schönheit selten Jemand soviel Sinn und Verständniss gehabt,
wie grade er, und ging dahin in seinem festen Glauben, die Herrlichkeit
zu schauen, auf welche er gehofft. |
Die wissenschaftliche Bedeutung seiner Thätigkeit ist a. a. O. (siehe
S. 139) durch unsern Präses klargestellt. Nächst der unsrigen haben
auch die „Oberlaus. Gesellsch. der Wissenschaften“, die ‚‚mineralogische
Societät““ zu Jena und die .„botanische Gesellschaft“ zu Regensburg
Schneider zu ihrem correspondirenden Mitgliede ernannt.
Wie die drei Vorhergehenden nur eine Zeit lang unserer Provinz
angehörig, jedoch nicht, wie sie, auch durch die Geburt, war Hermann
v. Gansauge, geb. am 21. April 1799, Sohn des Gutsbesitzers und (evan-
gelischen) Domcanonieus v. Gansauge, zu Gross-Mühlingen im Anhalt-
Bernburgischen; ein Mann, der mit der vollen fachmännischen Ausbildung
eine reiche und vielseitige Wissenschaftlichkeit verband, wie wir dies im
preussischen Offizierstande, dem er angehörte, nicht selten, und wahr-
scheinlich häufiger antreffen, als in irgend einer anderen Armee. Des
Vaters schon im 5. Lebensjahre durch den Tod beraubt, durch vormund-
schaftliche Schuld des hinterlassenen Vermögens verlustig, war er um so
mehr auf die eigene Arbeit angewiesen. Das Gymnasium zu Magdeburg,
wo er seine Schulbildung erhalten sollte, verliess er 1813 heimlich, erst
14 Jahre alt, um dem königlichen Aufrufe zu folgen; vom nächsten Truppen-
theile wegen Schwächlichkeit abgewiesen, wandte er sich nach Schlesien,
dem er durch seine Mutter, eine geb. Gräfin Henckel von Donners-
marck, verbunden war, trat hier in das Corps der Donischen Kosacken,
machte die Gefechte bei Jüterbog und Zahna, wo er Zeuge der wunder-
baren Errettung Tauentzien’s vor drohender Gefangenschaft war, die
Schlachten bei Dennewitz und Leipzig, dann seit November 1813 als frei-
williger Jäger im pommerschen Husarenregimente den Feldzug durch Holland
mit, ward, als ihm zum Lohn bewiesener Tapferkeit die Wahl zwischen
eisernem Kreuz und Öffizierpatent freigestellt, im Februar 1814 Lieutenant,
noch nicht 15 Jahre alt, und nahm, im Mai ejd. a. als Adjutant zum
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur, 345
2. pommerschen Landwehr-Cavallerie-Regiment eommandirt, mit diesem
am Feldzuge von 1815, der Schlacht von Belle- Alliance und der Ein-
nahme von Paris theil. Nach dem zweiten Pariser Frieden ward er in’s
brandenburgische Cürassierregiment versetzt und nahm 1818 zweijährigen
Urlaub behufs geschichtlichen, cameralistischen und naturwissenschaftlichen
Studiums auf der Berliner Universität. Seit 1823 sehen wir ihn als
Premier-Lieutenant im Cadettencorps, 1829 als Rittmeister im 2. Cürassier-
Regiment und nun beurlaubt zu einer Reise mit dem Prinzen Biron
von Curland nach dem Süden, wo ihm reiche Gelegenheit ward zu
Befriedigung seines Wissenstriebes. Zurückgekehrt und in’s 2. Garde-
Ulanen-Regiment versetzt, schloss er mit der Tochter eines angesehenen
Partieuliers, J. M. Fränkel, ein Ehebündniss, dessen innige Herzens-
gemeinschaft und edelstes häusliches Glück erst sein Tod gelöst hat.
Nunmehr erst trat er als militärischer Schriftsteller hervor und ward in
Folge davon 1835 an die allgemeine Kriegsschule berufen, wo er neben
v. Roon und v. Griesheim als Lehrer, später auch als Mitglied der Studien-
direetion wirkte und gleichzeitig im grossen Generalstabe beschäftiget war.
1842 Major geworden, 1843 im Berliner Strassenkampfe wie in vertraulichen
Aufträgen mit Umsicht und Hingebung thätig, dann mit dem 4. Cürassier-Regi-
ment an Bekämpfung des Polenaufstandes in Posen, 1849 am Feldzuge in
Baden betheiliget, ward ihm nach Einnahme von Rastatt die militärisch wie
politisch wichtige und schwierige Stellung als dortiger Commandant über-
tragen, in welcher er das dadurch ihm bewiesene besondere Vertrauen zu
höchster Anerkennung rechtfertigte. Im Jahre 1850 Oberstlieutenant, mit
Führung des brandenburgischen Cürassier-Regiments beauftragt, betrat er
1851 als Commandeur des 2. Ulanen-Regiments (Gleiwitz) wiederum
Schlesien, ward Oberst, und 1853 als Commandeur zum 1. Cürassier-Regiment
nach Breslau versetzt, das er jedoch schon im Sommer 1854 als Com-
mandeur der 15. Cavallerie-Brigade (Köln) wieder verliess. 1855 ward er
Generalmajor und Commandant von Köln, in dieser Stellung, wo er sich
wieder aufs erfolgreichste bewährte, auf Wunsch des Prinzen von Preussen
auch dann verbleibend, als (1858) sein Avancement zum Divisions - Com-
mandeur an der Reihe war. 1359 Generallieutenant. In Folge öfteren
körperlichen Leidens nahm er 1861 den unter Stellung z. D. ihm ge-
währten Abschied, begleitet von den Zeichen höchster Anerkennung, und
siedelte nach Berlin über, wo er nun ganz seinen wissenschaftlichen
Bestrebungen lebte, ein geachteies Mitglied wie der unsrigen, so mehrer
gelehrten Gesellschaften. Wenige Gebiete des Wissens sind ihın fremd
geblieben; nicht minder zogen auf der einen Seite Geschichte, besonders
vom militärischen Standpunkte, Alterthümer, Münzkunde, wie auf der anderen
besonders Mineralogie und Botanik ihn an, und was er trieb, erfasste er nicht
mit blosser Flüchtigkeit des Dilettanten, obwol er in grösster Bescheiden-
heit stets nur ‚den Rang eines solchen in Anspruch nahm. Wie er an
346 Jahres-Bericht
allen Orten seines wechselreichen Amtswirkens an deren geistigen Be-
strebungen theilgenommen und nicht nur in dem seiner Leitung anver-
trauten Offieiercorps ein Vorbild ernsten Strebens, sondern in der Gesell-
schaft überhaupt ein Mittelpunkt gehobenen anregenden Verkehrs geworden
war, so schöpfte er auch aus solcher Geselligkeit, wie aus weiteren, seinen
wissenschaftlichen Neigungen dienenden Reisen stets neue Frische. Mit
hoher Befriedigung begrüsste er den Aufschwung und die Erfolge. der
preussischen auswärtigen Politik seit dem schleswig-holsteinschen Kriege, _
beiheiligte sich noch selbst mit grosser Hingebung an den Liebesthaten
für die Armee in dem grossen Jahre 1870, sah die deutschen Siege, °
während schon ein todbringendes Steinleiden ihn hingestreckt hatte,
und erlebte noch die Befreiung von den Sorgen um die bedrohte Stelluug
vor Belfort und’ um seinen dort commandirenden Stiefbruder General
v. Tresckow. Am 15. Februar,*) dem Tage vor der Uebergabe der
Festung, schied er aus dem ihn verehrenden Kreise.
Als Schriftsteller hat er sich zuerst eingeführt durch „Kriegswissen-
schaftliche Analecten‘‘ (1832), worin er u. A. „vergleichende Betrach-
tungen über wichtige Reitersiege“ und „Reiseberichte von Schlachtfeldern
aus den Jahren 1822—1830‘ gab. Dann folgte die bei den Historikern
sehr geachtete Schrift „Veranlassung und Geschichte des Krieges in der
Mark Brandenburg im Jahre 1675“ (1854), eine Frucht archivalischer
Studien, wie genauester localer Terrainforschungen; und im Jahre 1840,
gewissermassen als Jubelschrift, „Das brandenburgisch-preussische Kriegs-
wesen 1440, 1640, 1740“, ebenfalls durch eine Fülle urkundlichen
Materials werthvoll. An der „Militärischen Literaturzeitung‘ und der
„Zeitschrift für Wissenschaft und Geschichte des Krieges“ war er fleissiger
Mitarbeiter. Doch ist er auch ausserhalb seiner Fachstudien literarisch
thätig gewesen. So z. B. durch eine Mittheilung über Taxus baccata
in der „Botanischen Zeitung“ von 1862. Ausführlicheres findet sich in
dem Nekrologe, welchen der Geh. Regierungs-Rath Dr. Ludwig Hahn
in der „N. Prss. Ztg.“ (vom 18. März?) ihm gewidmet, und dem, welchen
Prof. Dr. Koch in seiner „Wochenschrift des Vereins zu Beförderung des
Gartenbaues“ veröffentlichen wird.
Sein schönes Herbarium hat Gansauge letztwillig für ein wissen-
schaftliches Institut des preussischen Staats in den Provinzen seines
Wirkens, Schlesien, Brandenburg oder Rheinland, bestimmt, und ist das-
selbe, in der Ueberzeugung, dass es dort der Wissenschaft am meisten
Nutzen bringen werde, dem königlichen Herbarium in Berlin übergeben
worden. — Hr
*) Hiernach ist die Angabe von $. 317 zu berichtigen.
v7
re ee
der Schles, Gesellsch, f. vaterl. Cultur, 347
Unter unsern Auswärtigen steht billig obenan, nicht nur als Ehren-
mitglied der Gesellschaft, sondern auch, darf man sagen, als ein solches
unter den deutschen Naturkundigen überhaupt, Wilhelm Ritter v. Haidinger,
der Schöpfer einer neuen Aera der Naturwissenschaften im östreichischen
Kaiserstaate, der Sohn eines gleich ihm als Mineralog genannten Vaters
(Karl Haidinger, Bergrath und Prof. der Mathematik und Bergbau-
kunde, + in Wien, Verfasser eines „Entwurfs zur systematischen Ein-
theilung der Gebirgsarten‘‘ zwei Jahre vor Werner’s epochemachendem
Werke). Nur 2 Jahre vor seines Vaters Tode ward Wilhelm Haidinger
seboren, am 5. Februar 1795, zu Wien, in einem Hause, welches im
Volksmunde ‚der Schubladkasten“, eigentlich aber „goldener Strauss‘
hiess. Von einer verständigen Mutter erzogen, im Familienverkehr die
modernen Sprachen sich aneignend, durch den in das elterliche Haus
eingeführten Frdr. Mohs früh für die Mineralogie entflammt, begleitete
er. nach vollendeter Gymnasialbildung diesen 1312 nach Graz an das
vom Erzherzog Johann gegründete ‚„Johanneum‘“, dort ebenso Schüler
wie Mitarbeiter seines Lehrers und dessen Genosse auf seinen wissen-
schaftlichen Excursionen und auf der Reise zu Werner in Freiberg.
Auch hierhin folgte dann Haidinger 1817 seinem nach Werner’s Tode an
dessen Stelle berufenen Lehrer und half ihm bei den Vorarbeiten zu
seinen mineralogischen Werken, namentlich beim Messen und Zeichnen
der Krystallformen für den „Grundriss der Mineralogie“. 1822 begleitete
er den Grafen August Breuner auf einer Reise über Süddeutschland
und Frankreich nach England und Schottland, durch die Niederlande und
Norddeutschland, und folgte 1323 dem Rufe des Banquiers uud Minera-
logen Thomas Allan als Erzieher seines Sohnes nach Edinburg. Dort
veröffentlichte er seine ersten Arbeiten in englischer Sprache, deren er
sich auch während der nächsten sieben Jahre in seinen Schriften aus-
schliesslich bediente. Mohs’s „‚Grundriss‘‘ übersetzte er ebenfalls in’s
Englische (1825), mit Zusätzen und Berichtigungen. Mit dem jüngeren
Allan bereiste er 1825 und 26 Norwegen, Schweden, Dänemark und
Norddeutschland bis Berlin, wo der Winter im Verkehr mit Rose, Wöhler,
Magnus, Mitscherlich, zumtheil mit Arbeiten in des Letzteren Laboratorium
zugebracht ward; weiter über Freiberg, Westdeutschland, die Alpen, Wien,
Norditalien und Frankreich. Im Herbst 1827 von Edinburg zurückkehrend,
vermied er in schönem Zartgefühl, ein öffentliches lehrendes Auftreten neben
seinem inzwischen als Professor nach Wien berufenen Lehrer Mohs an-
zustreben, da er sich indessen, unter den englischen Einflüssen, von
den Einseitigkeiten der mineralogischen Dogmatik desselben freigemacht, und
mannigfachen Widerspruch nicht hätte vermeiden können. Er zog vor
bei der von seinen beiden Brüdern zu Elnbogen in Böhmen betriebenen
grossen Porzellanfabrik sich wissenschaftlich zu betheiligen. Erst nach
Mohs’s Tode hat er sich (in seinem „Handbuch der bestimmenden Minera-
348 Jahres-Bericht
logie‘ über jene Motive seiner Zurückgezogenheit andeutungsweis geäussert,
1829 erschien seine erste grössere Arbeit in deutscher Sprache, die „An-
fanggründe der Mineralogie“. Nach Mohs’s Ableben (1839) trat Haidinger
als kaiserlicher Bergrath in den östreichischen Staatsdienst (1840), durch
Vermittelung des Fürsten August Longin Lobkowitz, welcher bei der
von ihm geleiteten „‚kaiserlichen Hofkammer im Münz- und Bergwesen“
eine neue Mineraliensammlung angelegt hatte und den ihm auf einer
Reise bekannt gewordenen Haidinger mit deren Ordnung und Aufstellung
betraute, was für Haidinger Anlass nicht nur zu Abfassung mehrer
Schriften, sondern auch zur Haltung von Vorträgen ward, zu denen
Jüngere Bergbeamte und Schemnitzer Akademiker einberufen wurden,
Die Summe dieser Veranstaltungen gewann sich allmählich den Namen
„K. k. montanistisches Museum“, und aus diesem ist nachmals die gross-
artig ausgestattete, wissenschaftlich und praktisch fruchtbare „k. k. geo-
logische Reichsanstalt‘“ entstanden.
Haidinger war einer der Ersten in Oestreich, welche die Verbindung
wissenschaftlicher Kräfte zu gemeinsamem Wirken als dringende Forde-
rung der Zeit erkannten, und ihm ward das Glück, diese Forderung
gegen die „Feinde der freiwilligen Arbeit“, ‚gegen die schwersten Be-
denken der Polizeistaatsweisheit“ durchzuringen. (Auch auf unserem
Boden ist ja dieser Kampf, obwol mehre Jahrzehende früher, auszufechten
gewesen!) Angeregt durch seine Vorlesungen im montanistischen Museum,
trat gegen Ende 1845 unter seiner Genehmigung eine Anzahl der Zu-
hörer zusammen, um durch wechselseitige Vorträge aus ihren Fächern
sich zu unterrichten, und Haidinger entwickelte diesen willkommenen
Keim rasch zu der von ihm schon längst gewünschten Vereinigung, in
welcher wissenschaftliche Thatsachen von den Forschern selbst bekannt-
gemacht werden sollten; als ,‚Verein von Freunden der Naturwissen-
schaften in Wien“ trat sie im April des folgenden Jahres in’s Leben und
veröffentlichte ihre wöchentlichen Sitzungsberiehte in der „Wiener Zei-
tung“. Für damals in Oestreich unerhörte Vorgänge! Bald schritt sie
auch zu werthvollen selbständigen Publieationen. Um nach den Schwie-
rigkeiten der ‚‚„behördlichen Genehmigung“ auch die der Ueberwachung
zu besiegen, musste Haidinger dem Vereine den Charakter einer Art
Universitas scientiarum geben, alle Zweige der Naturwissenschaften, selbst
die Mathematik in’s Programm aufnehmen, ‚‚damit nicht später eine Statuten-
widrigkeit herausgespürt werde, wenn der Verein sich etwa neben dem
Gestein des Bodens um Das, was darauf lebt und webt, kümmert.“ Als
man aber endlich angesichts der Arbeiten des Vereins „von staatlicher
Seite der Besorgniss sich entäusserte, dass ein wissenschaftlicher Verein
etwas Gefährliches sei, und allmählich auch der Vermuthung Raum zu
geben begann, dass er etwas Nützliches sein könne‘ — da war für
Haidinger’s Beharrlichkeit der Zeitpunkt gekommen, jenes cumulative
ae BYSR.T We.
der Schles. Gesellsch. f. vater], Cultur. 349
Arbeitgebiet nach und nach einzelner Zweige zu entlasten, zu deren
selbstständiger Organisation; und so specialisirte sich (1849) nicht
nur unter seinem persönlichen Einflusse, von den wirkenden Kräften des
Vereins getragen, die „geologische Reichsanstalt“, sondern auch (1855)
die Wiener ‚Geographische Gesellschaft“; nicht minder aber hat Hai-
dinger durch persönliche Anregung, hat der Verein durch seine Leistungen
daran Antheil, dass der schon früher angestrebte Gedanke an eine „‚Aka-
demie der Wissenschaften‘‘ 1846/47 unerwartet zur That wurde. Unmit-
telbar vor der Revolution von 1848, am 2. Februar d. J., hielt diese ihre
glänzende Eröffnungssitzung. Wenn man erwägt, dass der weitere zeit-
semässe Ausbau dieser Akademie, wie die Gründung der geologischen
Reichsanstalt, eines Institutes, das in Europa nicht seines Gleichen hat,
aus dem Jahre 1849 datiren, also noch mitten aus der Zeit der Stürme
und Erschütterungen in Oestreich; dass wir ferner seitdem eine kaiser-
liche Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus, eine kaiser-
liche Commission zur Erhaltung der Baudenkmale, und auf dem Gebiete
freier wissenschaftlicher Vereinigung einen zoologisch - botanischen Verein
und einen Alterthums - Verein dort entstehen sahen, gleichwie wir
auch die bekannten ausgezeichneten, vielseitigen Leistungen der kaiser-
lichen Hof- und Staatsdruckerei, sowie die Expedition der „Novara“
nicht vergessen dürfen, — so tritt uns einerseits die Vergleichung mit
der kühnen Schöpfung der Berliner und Breslauer Hochschulen in Preussen,
freilich unter noch weit zerrütteteren politischen Zuständen, und anderer-
seits die Hoffnung nahe, dass in dem sonderbaren Nachbarreiche der
sermanische Geist noch sein von innen heraus lebengebendes Gewicht
nicht ganz eingebüsst habe; denn nur er ist thatsächlich solcher Ent-
schliessungen und solcher Schöpfungen fähig, und Haidinger gebührt vor
Vielen das Verdienst, diese schöpferischen Kräfte gesammelt, erschlossen,
. Ihren Bewegungen Anstoss gegeben zu haben.
Dass Haidinger unter den ersten ernannten Akademikern war und an
die Spitze der „geologischen Reichsanstalt‘‘ gestellt wurde, ist selbstverständ-
lich. Sein Leben war (sagt M. A. Becker) „reich an Thaten und merk-
würdig arm an verfehlten Wünschen“. „‚‚In einem Staate, wo die unfertigen
Verhältnisse jede Zuversicht auf den Fortbestand des Bestehenden, auf die
Sicherung des Gegründeten ausschliessen, wo jede wirkende Kraft, ihr
Zweck und Streben sei noch so heilig, sich versehen muss, vom Rost
des Vorurtheils benagt zu werden, das man hier aus der Nationalität, dort
aus dem Religionsbekenntniss, heut aus politischer Ansicht, morgen sogar
aus der Stellung des Wirkenden holt; in einem 'solchen Staat gehört es
gewiss unter die seltensten Erscheinungen, wenn ein bedeutender Mann
den Trost und die Freude über das von ihm Geschaffene mit in’s Grab
nimmt. In dieser neidenswerthen Lage war Wilhelm Haidinger.‘“ Noch
im Jahre 1860 drohte von einem „mächtigen Gegner geistigen Fort-
350 Jahres-Bericht
schritts der geologischen Reichanstalt Untergang aus Ersparungrücksichten“ ;
aber zur Ehre Oestreichs und zur Genugthuung Haidinger’s rettete der
Reichsrath die herrliche Schöpfung.
Im Jahre 1866 trat Haidinger in den erbetenen Ruhestand; doch
war die noch folgende Frist „vielleicht die ruheloseste seines Lebens“,
denn jeder Tag dieser ‚Zeit von intensiv vulkanischem Gepräge mit
ihren Erschütterungen und Meteoren“ brachte dem ‚‚Nestor der öst-
reichischen Naturforscher‘‘ neue Eindrücke, denen er sich mit Lebhaftig-
keit hingab, und weckte ihm neue Gedanken. Sein Motto war das
Schiller’sche „Nie ermüdet stillestehen!“
Sein Todestag ist der 19. März; er starb nach kurzer Krankheit.
Vielfache äussere Ehren knüpften, nächst dem Titel eines k. k. Sections-
(d. i. Ministerial-)' und Hofraths, Prof. und zwiefachen Doctors und einer
im Jahre 1856 geprägten grossen goldenen Denkmünze, sich an seinen
Namen, unter anderen die Mitgliedschaft des preussischen Ordens pour le
merite; eine grosse, Zahl gelehrter Akademieen und Vereine, deutscher
wie ausländischer, hatte ihn zu dem Ihrigen gemacht, bei der Leopoldo-
Carolina war er einer der Adjuneten. Gross auch ist die Reihe seiner
veröffentlichten Arbeiten. Ueber sie giebt, namentlich soweit sie in eng-
lischer Sprache verfasst oder in den Schriften der „Freunde der Natur-
wissenschaften“ zerstreut sind, der nun, nachdem er so manchem ver-
dienten Landsmanne ein biographisches Denkmal errichtet, auch heim-
gegangene Paul Alois Klar in seiner ‚‚Libussa‘“ einen dankenswerthen
Nachweis. Seine im Jahre 1858 veröffentlichte liebenswürdige Lebens-
skizze Haidinger’s und das von M. A. Beck er, dem Redacteur der ‚‚Mit-
theilungen der Wiener geographischen Gesellschaft“ (N. F. IV. Nr. 6;
auch im Separatabdruck), veröffentlichte, von der schärferen Luft der
Neuzeit durchwehte Nachwort geben ein sich wechselseitig ergänzen-
des Bild. Der ersteren ist ein im Stich von Carl Mayer in Nürnberg
nach Kriehuber sehr schön ausgeführtes Bildniss des damals Zweiund-
sechzigjährigen beigefügt. Nachweis anderweiten Quellenmaterials, sowol
für sein Leben, wie für die Kunde seiner literarischen Thätigkeit liefern
beide Darstellungen in dankenswerther Fülle. —
Fremd unserer Provinz und nur durch das Mitgliesband uns ver-
bunden, war Ludwig Zeuschner, oder, wie die Polen den Namen sich
mundgerecht gemacht haben, Zejszner. Er ist 1807 in Warschau
geboren und hat dort und in Krakau gewirkt; die Polen zählen ihn dem-
nach zu den Ihrigen, denn es ist ja bekannte Weise unserer liebens-
würdigen Nachbarvölker in Ost, West und Nord, das deutsche Element,
an dessen Bildungsquellen sie zwar fort und fort schöpfen, in herab-
würdigendster Weise darzustellen und zu schmähen, aber dabei jedes
Stück davon, das ihnen nützt und sich aceommodirt, als ihr nationales
web
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. 351
Eigenthum mit Beschlag zu belegen. Zeuschner, dessen Dentschthum
übrigens, obwohl er beide Sprachen redete und schrieb, zweifellos ist,
hat seine Schulbildung zwar auf dem Warschauer Lyceum genossen und
dann 2 Jahre an ebendortiger philosophischer Faeultät studirt; die 3 fol-
genden Jahre naturwissenschaftlichen Studiums aber gehören Berlin und
Göttingen an, allwo er auch promovirte. Nach mehrfachen Reisen, im
Interesse wissenschaftlicher Forschung unternommen, ward er Professor
der Mineralogie. an der Jagellonen - Universität und nachdem er etwa
3 Jahre (1829/33) an derselben docirt, Director des Bergwesens im Frei-
staat Krakau. Im Jahre 1857 an die neueröffnete medieinisch-chirurgische
Facultät nach Warschau berufen, las er dort zeitweise ein Jahr lang über
Mineralogie, ging aber, unter Aufgabe dieser T'hätigkeit, auch hier zum
Bergwesen über und beschäftigte sich dabei hauptsächlich mit geognosti-
schen und geologischen Studien. Er führte die Karpaten- Forschungen
von Stanislaus Staszie und Georg Bogumil Pusch weiter. Des Letz-
teren Werk „Kurzer geognostischer Ueberblick über Poleu und die
nördlichen Karpaten, oder Beschreibung der äusseren Gestaltung und
inneren Zusammensetzung dieses Landes“ ist deutsch geschrieben und durch
den Warschauer Prof. Adam Kitajewski in’s Polnische übersetzt worden
(,Krötki rys geognostyczny Polski i Karpat pödnoenych, czyli opisanie
zewnelrznego uksztadcenia i zewnetrznego skdadu tego kraju“. Warschau
1330.) Als Zeuschner’s Schriften über die Karpaten und das Tatragebirge
(ob ursprünglich in polnischer Sprache abgefasst, wissen wir nicht)
finden wir genannt: Pomiary barometryczne Tatröw z dodaczeniem poröwnaw-
czych wzgledem Krakowa spostrzezen meteorolegieznych (Barometrische Höhen-
messungen der Tatraberge nebst vergleichenden geologischen Beobach-
tungen; Krakau 1839). Rzut oka na budowe geologiesna Tatrow i wzniesien
od nich röwnoleg®ych (Ueberblick der geologischen Formationen der Tatra
and ihrer Parallelketten; Warschau 1842). Nowe lub niedokdadnie opisane
gatunki skamieniadosei Talrowych (Neue oder noch nicht genau beschriebene
Gattungen von Versteinerungen in der Tatra; Warschau 1846). Mono-
grafiezny opis wapienia lasowego w Tatrach i pozylegdych pasmach Kar-
paczkich (Beschreibung der in Kalk versteinerten Wälder in den Tatra-
bergen und den anliegenden Karpatenketten; Krakau 1852). Nicht auf
Karpatenstudien bezügliche Schriften Zeuschner’s nennt unsere Quelle
(die Warschauer illustrirte Wochenzeitung ‚‚Ktosy‘“ (die Aehren) vom
28. November 1867) mit dem Bemerken, dass sie grösstentheils auch in
deutscher Sprache erschienen seien, weshalb wir uns hier mit der Auf-
führung der deutschen Titel begnügen, welche jedoch keineswegs
die Arbeiten Zeuschner’s erschöpfen, vielmehr durch zahlreiche andere
in deutscher und französischer Sprache zu ergänzen sein werden. „Ueber
Entstehung und Alter der Basaltformation“ (Warschau 1829). „System
der Mineralien nach den Grundsätzen von Berzelius“ (Krakau 1833).
352 Jahres-Bericht
„Paläontologie“ 1. Theil. (Warschan 1844). „Geologie, gemeinfasslich
bearbeitet‘ (Krakau 1856). ,‚Kurze Beschreibung von Wieliezka in ge-
schichtlicher, geologischer und bergmännischer Hinsicht“ (Berlin 1843).
„Ueber miocene Gipse und Mergel im Südwesten des Königreichs Polen“
(Warschau 1862). ,‚Ueber die Jura-Formation an den Ufern der
Weichsel“ (Krakau 18341). „Anfangsgründe der Mineralogie nach dem
System von Gust. Rose‘“ (Warschau 1861).
Was Zeuschner’s Arbeiten über die Tatra betrifft, so fassen sie
neben dem mineralogischen auch das ethnographische Moment in’s Auge»
und er, der Zögling germanischer Bildung, war es, der die Bewohner
dieser Berge in ihrer Eigenart für deren slavische Landsleute so zu
sagen erst entdeckte, denen diese poetischen Gestalten, da selten einige
von ihnen nach .der Hauptstadt sich verirrten, bis dahin nur von der
Bühne her bekannt waren, wo sie am Ende des vorigen Jahrhunderts
der Dichter Wojeiech (Adalbert) Bogustawski in einer Oper (?) als
eine angestaunte unerhörte Neuigkeit ihnen vorgeführt hatte, ohne damit
anzuregen, dass man sich eingehender mit ihnen beschäftige. Zeuschner
lieferte ein genaues Bild von diesen ‚„Kierpcarzen‘‘, wie die Krakauer sie
sewöhnlich nennen, ihrer Art und Eigenthümlichkeit, beschrieb ihre
Lebensweise, ihre Gewohnheiten und sammelte unter ihnen einen reichen
Schatz von Liedern und Sagen, und schloss so die Tatra erst auf, nicht
nur ihrem Innern nach, sondern auch in ihrem, vor 20 Jahren fast noch
minder als dieses bekannten ethnographischen Leben. Zeuschner ver-
öffentlichte sein Werk zuerst in der „Warschauer Bibliothek‘ (Biblioteca
Warzawska) von 1845 unter dem Titel: „Piesni ludu Podhalan, ezyli
görali Tatrowych polskich poprzedzone wiadomoscia o Podhalanack“ (Volks-
lieder der Podhalanen oder der polnischen Bergbewohner der Tatra,
eingeleitet durch eine Mittheilung über die Podhalanen); in demselben
Jahre noch erschien es auch im Sonderabdruck. Seine letzte Arbeit,
„über Terebrateln und Rhynchonellen“, steht in der No. 294 (Bd. XII.
1871) der ‚„‚Kdosy“‘, welcher er sie vor seiner letzten Reise nach Krakau,
von der er nicht mehr wiederkehren sollte, übergeben. Am 3. Januar
dies. J. ward er bald nach seiner Ankunft in Krakau überfallen und
durch Erwürgung gemordet. Ein glänzendes Begräbniss, an dem sich
alle wissenschaftlichen Gesellschaften der Stadt betheiligten, gab Zeugniss
von dem Ansehen, das er auch dort genossen. Mehr aber, als in seiner
Heimat, ist, wie “ Redaction der ‚„Kdosy‘“ selbst gesteht, sein Name im
Auslande a obwol jene ihm eine genauere Kenntniss des eigenen
Landes in geologischer und montanistischer Beziehung verdankt. —
In Berlin am 16. Februar 1806 geboren ist Julius Theodor Christian
Ratzeburg. Bereits durch seinen Vater, welcher Professor und zugleich
Apotheker an der königlichen Thierarzneischule war und sich durch eine
der Schles. Gesellsch. f, vaterl. Cultur, 353
„Zoopharmakologie‘“ (2. Auflage von Schubarth) und eine lieferungweis
nebst Herbarium vivum erscheinende „Gewächskunde für Freunde der
Landesökonomie und Thierarznei‘‘ (Berlin 1797) bekannt gemacht hat,
ist dieser Name in den Naturwissenschaften vertreten. Schon mit 8 Jahren
durch den Tod der väterlichen Leitung beraubt, hatte der Knabe doch
ihr bereits die für sein ganzes Leben dauernde Vorliebe für die Pflanzen-
kunde und eine Grundlage der Befähigung für dieselbe zu danken. Zu-
folge Wiederverheirathung seiner Mutter nach Königsberg i. ‚Pr. versetzt,
besuchte er dort vom 12. Jahre ab das Collegium Fridericianum, wo
J. G. Bstyak (in der Literatur rühmlichst vertreten durch seine Natur-
al der höheren Thiere mit besonderer Berücksichtigung der Fauna
Prussica von Lorek, durch eine Naturgeschichte des Elchwilds und
botanisch-kritische Bemerkungen über die Gräser, besonders die Getreide-
arten) höchlich fördernd auf ihn wirkte, namentlich durch, „praktischen“
Unterieht, d. h. durch Excursionen und Repetitorien, denen Ratzeburg
darum, besonders, wenn sie mit gutem Zeichenunterrichte verbunden
sind, mit Recht ein grosses Gewicht beilegt, ‚zu allen Zeiten wirksamer
als der theoretische, bloss speeulative Unterricht in der Klasse“. „Hätte
ich (sagt er) in meinem Leben von der Botanik nichts weiter erlangt,
als die Königsberger Pflanzenkenntniss, so hätte ich diese doch
besser für's Leben ausnutzen können, als eine etwa in der Jugend er-
langte „‚Zellenkenntniss.“ Gleich günstig urtheilt er über die von Bäsak
für die Mineralogie erhaltene Anregung und erklärt den Umstand, dass
er sich erst spät in seinem Leben der Entomologie zugewandt, dadurch,
dass ihm eben hierfür Bagak's Anleitung gefehlt habe. Mit einer feurigen
Pietät, wie man sie heuf”wol nur selten noch bewahrt, nennt Ratzeburg
in einer durch Humor und Offenherzigkeit gewürzten Autobiographie,
deren Benutzung durch die gütige Vermittelung des Herrn Regier. - Rath
Ober-Forstmeister Tramnitz für diese Blätter gestattet war, seine trefflichen
Lehrer und beklagt, dass er, Familienverhältnissen folgeleistend, bereits
vor erlangter Reife sie verlassen gemusst; auch dem nachmals (in dem
Pietisten-Skandal) schwer beschuldigten Ebel stellt er ein Ehrenzeugniss
aus, dessen freie Authentieität wol zur Modification des Urtheils über
diesen Mann geeignet sein dürfte. Die weiter besuchten Gymnasien zu
Posen und Berlin (,‚Gr. Kloster‘) boten zum Vorschreiten in den Natur-
wissenschaften ihm nichts. Doch vermochte er bei Wahl des Berufes
diesen nicht zu entsagen, und so ergriff er die Pharmacie, „dem locken-
den Beispiele so vieler durch die Apotheke gebildeten Naturforscher, wie
Hagen, Liebich, Göppert etc. folgend“. In dem noch auf den alten
Fuss eingerichteten Laboratorium Wendland’s erlernte er die praktische
Chemie, dabei Zeit erübrigend, das Geleistete auch theoretisch zu ver-
arbeiten, Vorlesungen zu hören, wissenschaftliche Anstalten zu besuchen
und in den grossen Gärten Berlin’s Pflanzen zu sammeln, wobei er,
23
354 Jahres-Bericht
„wenn auch nur dureh Routine“, Kenntniss der Familien, der Pflanzen-
geographie, und Uebung im Ansprechen und Behalten von Pflanzen er-
langte. Hierbei sich zu bescheiden, war aber für Ratzeburg unmöglich,
und so bezog er 1821 die Universität, um nun mit wahrem Heisshunger
über die für ihn reich sprudelnden neuen Quellen menschlichen Wissens
zunächst auf dem Gebiete der Naturforschung herzufallen“, besonders
Zoologie und die damals ausgezeichnet vertretenen medicinischen Fächer
frequentirend (‚Männer wie Hufeland, Hecker, Rust, Graefe, Neumann,
Behrends finden sich wol so leicht nicht wieder zusammen“). Er merkte
aber bald, dass ihm in der Zwischenzeit ‚‚eine gute Portion von den
humanioribus abhanden gekommen sei.“ Dies und das bisher erlassene
Abiturientenexamen holte er nun nach, hörte Böckh, K. Ritter, Benecke,
Schleiermacher ete., und dankte in kurzem seiner „verbesserten Latinität‘‘
den Gewinn eines Preises durch eine Arbeit über das Thema ‚‚Quaenam
inter ubrumque sexum discrimina locum habent, praeter generationis organa‘.
Zwischenzeiten seines 5 jährigen akademischen Studiums würzte er durch
Reisen theils in die deutschen Gebirge, theils zum Besuche fremder Musen-
sitze (Halle, Göttingen, Dresden), überall mit Gleichstrebenden, Aelteren
wie Altersgenossen, bereits Verbindungen anknüpfend, die zumtheil später
ihre Früchte tragen sollten; so mit Göppert (wie Ratzeburg genau an-
merkt) am 15. September 1822 in der Wiesenbaude. Hier trafen, wie
Dr. Ascherson mittheilt (der den Vorgang jedoch in’s folgende Jahr
verlegt), auf einer wissenschaftlichen Reise Ratzeburg und sein Freund,
der jetzige Petersburger Akademiker J. F. v. Brandt aus Berlin mit Göp-
pert aus Breslau zusammen und schlossen dort, von gleichem Streben durch-
glüht, von gleichen Interessen getragen, einen Freundschaftsbund für das
Leben. Sie verabredeten scherzweis, nach 50 Jahren sich auf der
Schneekoppe wiederum zu vereinigen, und trennten sich, jeder mit dem
ernsten Vorsaize im Herzen, dem gegenseitigen Versprechen nachzu-
kommen. Aber schon im nächsten Jahre, als Göppert 2 Semester in
Berlin studirte, fanden die drei später zu Grössen ersten Ranges ausge-
bildeten Gelehrten sich wieder zusammen, demselben Ziele entgegen-
gehend und im gemeinschaftlichen Wirken und Forschen ein inniges Band
knüpfend, das in der That nur durch den Tod des Einen nun gelöst
worden ist. Als Ratzeburg 1825 promovirte, waren die beiden Freunde
seine Opponenten. Zur Dissertation wählte er einen Gegenstand, bei
dem er eigen Erarbeitetes verwerthen konnte (,Animadversiones ad Pelo-
riarum indolem definiendam spectantes“ 2 Hefte 4°, im Buchhandel er-
schienen), wobei ihm leider, der Kosten wegen, ein sehr bedeutendes
Material an Zeichnungen und Notizen unverwerthet in Händen blieb.
Ratzeburg habilitirte sich in Berlin mit einer Arbeit über die Ana-
tomie des Bibers und der — von beiden Humboldt’s besuchten — Antritts-
rede „‚de nivis et glaciei formis‘‘, verbündete sich literarisch mit Brandt,
Se
der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. | 355
kam in das Haus Wilh. v. Humboldt’s, und hatte überdies das Glück,
während Ehenberg’s grosser Humboldt-Reise in dessen Atelier in der
Universität Künstlerarbeiten und Herbar zu beaufsichtigen.
Mit dem Frühjahr 1830 beginnt eine neue Periode im Leben Raize-
burg’s, in welche das nächste Jahrbuch des Schlesischen Forst-
vereins ausführlichere Blicke thun lassen wird: die Forst-Akademie
ward, und zwar plötzlich, von Berlin nach Neustadt-Eberswalde verlegt
und ihm die Professur für sämmtliche Naturwissenschaften bei derselben
übertragen. Nunmehr spitzte sich alle seine Arbeit in der Richtung auf
das neue sie verwerthende praktische Ziel zu; wie sehr aber war ihm dabei
förderlich, dass er in allen drei Reichen der Natur heimisch geworden, wie
sehr so manche dabei gemachten Studien und Erfahrungen — so z. B.
dass er anatomische und botanische Typen aus den verschiedensten Thier-
und Pflanzenklassen studirt hatte, so dass er sie fast aus dem Kopfe
zeichnen konnte, was ihm jetzt, bei den ihn vielfältig überstürzenden
Arbeiten, höchlichst zustatten kam, wie nicht minder seine Sammlungen,
die ihre Anfänge schon auf Königsberg zurückführen, in Berlin ansehn-
lich vervollständigt (das Herbar besonders durch ausgezeichnete und zum-
theil sehr seltene exotische Pflanzen), nun, da andere nicht zugebote
standen, rasch mit nach Neustadt übersiedeln mussten, wo sie auch nach
des Begründers Abgange als ein eben so zahl- wie werthreicher Schatz
verblieben sind.
In seinem neuen Wirkungskreise, ‚‚mit Leib und Seele Lehrer“, ver-
fuhr Ratzeburg gemäss dem schon angedeuteten Grundsatze: die Praxis,
das Studium im Freien war ihm eine Hauptsache; daher häufige, zweck-
mässig geleitete Excursionen, deren Ergebnisse er seit 1846 zur Recapi-
tulation für die Studirenden, Winters und Sommers, im Excursionsbuch
„Grünbuch“ eintrug. ,Nur was auf Excursionen gefunden und mit
blossem Auge oder mit Lupe demonstrirt werden kann, muss ‚(auf der
Forstakademie) vorgetragen werden, denn nur Das kann der Fachmann
brauchen uud nachmachen“ — Dies stellt er als Grundlage seiner
Methode hin, und eine 40 jährige Bethätigung, in der er viele Gene-
rationen tüchtiger Forstmänner herangebildet, scheint ihm Recht gegeben
zu haben. Ausgesprochen über den Betrieb des Naturunterrichts als
einen Zweig der Forstpädagogik hat er sich in seinem Buche ‚‚die Natur-
wissenschaft als Gegenstand des Lernens, des Unterrichts und der Prü-
fung“ (1849), worin er seine Erfahrungen über die zwecekmässigste Art
des Illustrirens, eine Anleitung zum Reisen mittheilen, die Concentration
des forstlichen Unterrichts zur Anschauung bringen, und darlegen will,
wie verwandte Fächer sich anschliessen, wie und wo Forst-, Garten- und
Landwirthschaft grenzen. Er selbst war vom Beginn seines Amtes an
eifrigst beflissen, seine Erfahrungen auch bald ‚im Walde selbst“ zu
vermehren, unternahm zahlreiche Reisen zu forstlichen Besichtigungen
356 Jahres-Bericht
und hatte manche seiner Untersuchungen im Freien mit schweren, lang-
‚jährigen Leiden zu bezahlen. Er gab sich seiner Wissenschaft mit voller
Seele hin, auf seinen vielen Reisen kannte er kein anderes Interesse, als
sich durch Naturbeobachtung oder durch Umgang mit Fachgenossen zu
belehren. Seine Schriften sind ausgezeichnet durch Sammelfleiss, scharfe
Beobachtung, selbstständiges Urtheil. ,„Obwol er (sagt Ascherson) in
seinen botanischen Arbeiten stets den praktischen Gesichtspunkt festhielt
und sich gegen manche neuen Richtungen kühl und selbst ablehnend
verhielt, so ist doch aus denselben in vieler Hinsicht auch für die reine
Wissenschaft reicher Gewinn zu schöpfen.“
Ostern 1869 trat Ratzeburg in den Ruhestand und kehrte wieder
„zu einer mehr sedentären‘‘ Lebensweise in Berlin zurück, „um das früher
im Drange von ‘Wald- und Amtsgeschäften versäumte Literarische nach-
zuholen“, noch als Greis körperliche und geistige Frische, die Forscher-
lebhaftigkeit des Jünglings sich wahrend. Ein mehre Tage vernach-
lässigter ausgetretener Bruchschaden endete am 24. October unerwartet
dies rastlos thätige Leben, das auch die nothwendig gewordene Operation
nicht zu verlängern vermochte. —
Neben zahllosen Abhandlungen, Recensionen und Nekrologen in
akademischen Acten, in naturwissenschaftlichen, medieinischen, forstlichen
Zeitschriften und dem von den Professoren der Berliner medicinischen
Facultät herausgegebenen encyklopädischen Lexicon ist die Reihe grösserer
Schriften Ratzeburg’s nicht gering. Mit Brandt gab er für ihre gemein-
samen Vorlesungen über Pharmakologie in Verbindung mit Naturgeschichte
(wie sie später nicht wieder gehalten worden sind) eigens construirte
Tabellen heraus, ebenfalls mit Brandt gemeinsam die noch heut unüber-
troffene ,„„Medicinische Zoologie“ (1829), Fortsetzung von Hayne’s Dar-
stellung der Arzneigewächse, und einen nach natürlichen Familien ge-
ordneten Auszug hieraus (1829 —48, 4 Bände). 1842 veröffentlichte er
„Forstnaturwissenschaftliche Reisen“. Ratzeburg’s „Abbildung und Be-
schreibung der in Deutschland wild wachsenden und in Gärten im Freien
ausdauernden Giftgewächse“ (1834) ist allgemein als das vorzüglichste
Originalwerk über diesen Gegenstand anerkannt. Seine ‚„Naturgeschichte
der Forstinsecten“ (1839—44, 5 Bde) gilt für epochemachend namentlich
in biologischer Hinsicht. Dem folgten die „Ichneumone der Forstinseeten“
(1844—52, 3 Bde.) In „Die Unkräuter und Standortsgewächse“ (1857,
1860, 2 Bde.) giebt er eine Naturgeschichte der für den Forstmann wich-
tigen wildwachsenden Pflanzen; in „Die Waldverderbniss‘‘ (1866; 6 Auf-
lagen, stets neu bearbeitet) eine Darstellung der durch die Angriffe schäd-
licher Thiere an den Waldbäumen bewirkten pathologischen Veränderungen.
Die Herausgabe seines unbeendet hinterılassenen Werkes, des „‚Forstwissen-
schaftlichen Schriftsteller-Lexicons“, hat Dr. Ascherson übernommen,
selbiges wird wol auch eine vollständigere Aufzeichnuug von Ratzeburg’s
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der Schles. Gesellsch. £. vaterl. Cultur. 357
eigenen Schriften bringen, als sie hier möglich. Ausserdem finden wir
nekrologische Mittheilungen über Ratzeburg in Bernard Danckelmann’s
„Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen“ IV. Bd. S. 307 und in Grunert’s
„Forstlichen Blättern“ I. Jahrg. Heft 2. ,Hochgeschätzt von Botanikern
wegen seiner morphologischen Arbeiten, unantastbare Autorität im Gebiete
der für das Nationalwol so wichtigen Forst -Inseetenkunde‘‘ nennt ihn
Göppert; „als klassisch bezeichnet die Wissenschaft schon längst seine
auch durch künstlerische Ausstattung hervorragenden Werke.“ Vielfach
und nicht immer mit dem schuldigen Danke sind sie excerpirt worden.
Von der Wissenschaft aber ward ihm dieser neben dem des Staates
(Titel: „Geh. Regierungsrath“, mehre Orden) durch Benennung mehrer
Species im Thier- und Pflanzenreiche nach seinem Namen.
Druckfehler - Berichtigungen.
Seite 9, Zeile 10 von oben lies: der Kohle.
Seite 10, Zeile 13 von oben: eigenthümliche statt eigentliche.
Seite 10, Zeile 13 von oben: Naturforscherversammlung.
Seite 11, Zeile 22 von unten: Ursprung des Harnstoffes.
Seite 11, Zeile 12 von unten: Ovariotomie.
Seite 139, Zeile 6 von oben: Vertheilung statt Vortheile.
Seite 210, Zeile 3 von unten: vasomotorischen.
Druck von Grass, Barth & Comp, (W. Friedrich) in Breslau,
‚BENMUNDUNRY)
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