HARVARD UNIVERSITY.
LIBRARY
OF THE
MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY.
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Neunundsechzigster
Jahres-Bericht
der
Schlesischen Gesellschaft
für vaterländische Gultur.
Da rh att
den Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen
der Gesellschaft
im Jahre 1891.
Hierzu ein Ergänzungsheft bibliographischen Inhalts.
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01
" Breslau.
G. P. Aderholz’ Buchhandlung.
1892.
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Inhalt des 69. Jahres- Berichtes.
Allgemeiner Bericht
über die Verhältnisse und die Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 1891, ur
abgestattet vom General-Secretair, Bürgermeister Dickhuth......... 1
Brbhiötliek ‘22 Wen nane nun en ana aan range ae an a nen 6
Bericht über die Kassenverwaltung im Jahre 1890 ......-..-..reeeeeeenenn 7
Bericht des Custos der Herbarien -.-..--..--:----ec2r2eece00e een rnnenn 7
Verzeichniss sämmtlicher Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft für vater-
ländische Cultur. Etatszeit 1892 u. 1893.......»..222222eeceeeenenn 9
Wanderversammlung zu Reichenbach u. E. am 28. Juni 1891 .............- 40
Wissenschaftliche Vorträge, gehalten auf der Wanderversammlung zu
Reichenbach u. E.:
Cohn, Herm.: Ueber Schrägschrift und Kurzsichtigkeit ............. 50
Meyer, O. E.: Ueber eine örtliche magnetische Störung .......-.... 49
Poleck: Ueber Genussmittel .....:.......-..:-sreerscsnenenerennn 46
Sombart: Ueber Hausindustrie...............--rreeneneeenennennn 42
I. Medieinische Abtheilung.
Sitzungen der medicinischen Section.
Asch, Rob.: Ueber die durch Gonococcen-Invasion hervorgerufenen Er-
krankungen der weiblichen Geschlechtsorgane und deren Behandlung 63
Discussion über diesen Vortrag ...--....----rererereerennnnen 75
Barlow: Ueber die Behandlung der Uterin-Gonorrhoe mittelst Chlorzink-Stift 93
Bielschowsky: Demonstration eines Kranken mit corticaler Ataxie....... 99
Biermer u. Ponfick: Ueber eine apoplektische Cyste des linken Stirn-
lappens........2.----0e-sssonnnennensene een nn een nen nun er ent nn 100
Boltz: Demonstration eines Kranken mit Akromegalie.......-.-.--errr.» 35
Born u. Gaupp: Demonstration des sogenannten Muskelmannes A. Maul.. 63
IV Inhalts - Verzeichniss.
Brieger, O.: Ueber die Einwirkung des Koch’schen Verfahrens auf Schleim-
BEE BNIS . 1.25 en a a han ee an are ne oe
Fraenkel, E.: Ueber Kaiserschnittmethoden ......-.-:-v=--occsreesornn
Glaeser: Demonstration eines aus ‘mehreren Myomen bestehenden Tumor
Her AGeharnulier na.) ee naeh r Bp a
Hirt: Zwei durch Suggestion erzielte Heilungen . ............e2meeecenen.
— Ueber das Wesen und die Behandlung der Tabes...................
Kaensche: Untersuchungen über das functionelle Resultat von Operationen
wegen Garchoma pylorl =... a er
Discussion ‚über ‚diesen Vortzag. =... 2. a0 0 Wen ee
Mikulicz: Ueber die in der Kgl. chirurgischen Klinik mit dem Koch’schen
Heilmittel gewonnenen Erfahrungen... 2.0.0»... 2208 a0 man noe
Seite
18
Discussion über diesen Vortrag und Fortsetzung derselben 27. 39. 45. 52
Neisser: Bemerkungen zu dem Vortrage von O. Brieger über die Ein-
wirkung des Koch’schen Verfahrens. '»..=..:- 2: „u. an „2. 2
— Zur Pathologie und Therapie des Eczems ........--...re2cseonnen0.
Neuberger: Erfahrungen über Rectal-Gonorrhoe .....-.....222sneeeeenen
— Ueber die sogen. Carunkeln der weiblichen Harnröhre...............
v. Noorden: Ein inneres Chondrom des Beckens
Ponfick: Demonstration von frischen Präparaten:
a. Ober- und Unterschenkel einer an Leukaemie verstorbenen
b. Mehrere Tage alter Bruch des Halses des linken Oberschenkels
Riegner: Demonstration dreier Kranker, betreffend
a. eine ‚Magenfistel..: .i.... Kress rel > are ne
b. eine Thoracoplastik nach Schede........ ee VER SEE ER
c. einen infantil gelähmten Arm us. .uum..0- salat see
— Ueber einen Fall von Magen-Resection wegen Carcinoma pylori......
— Demonstration von 2 Patienten mit geheilter Schädelverletzung ......
Röhmann: Ueber die diastatische Wirkung des Blutes und der Lymphe...
Stern, Rich.: Beobachtungen an einem Falle von Tetanus .... .........
Viertel: Ueber Cystoskopig - -. -». ,-.... 2 Ola Eee ee
Discussion über, diesen Vortrag.....,20.2ı.uu nen cr Kanu.
Wernicke: Ein Patient mit linksseitiger Poliomyelitis lumbalis .......... R
Tietze: Vorstellung von 2 Patienten, betreffend
a. Entfernung eines Osteosarkoms der linken 5. Rippe.........
DB. Syringöidyeliö:. 2.000 0a en AR NEE EEE
Discussion über diesen Vortrag ........neeononnunooneneno
Sitzungen der Section für öffentliche Gesundheitspflege.
Cohn, Herm.: Geschichte und Kritik der Breslauer Schulhygiene
102
79
79
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Inhalts- Verzeichniss.
I. Naturwissenschaftliche Abtheilung.
Sitzungen der naturwissenschaftlichen Section.
Althans: Ueber neue geognostische Funde in Oberschlesien..............
— Ueber topographische Karten Oberschlesiens .............2s22222...
— Ueber Sandstein in Form von Miniatur-Basaltsäulen.................
Bergmann: Specifisches elektrisches Leitungsvermögen gemünzter Metalle
Dieterici: Ueber Dampfspannungs-Verminderung ...........2222 2222 2e0 00
— Ueber die physikalischen Grundlagen des osmotischen Druckes ......
ee Venemaela, u URN HEN TIER H We ae.
— Ueber eine cambrische Trilobiten-Fauna bei Sandomir......-........
— Ueber Gerölle aus oberschlesischen Steinkohlenflötzen und über einen
Saurierschädel von Sacrau bei Gogolin..........ze..c2reseeneeneen- L
Br die Wolga-Stufe in’ Polen... 2 10H II TEILTE
Hintze: Ueber einige neue Mineralien von Striegau .........:z2rueeuneen.
Kassner: Ueber die Fortschritte in der Anwendung und Darstellung von
ART ONE HN INNE SPDUIEIN FIR:
Kunisch: Ueber den geologischen Befund einer Tiefbohrung .............
Kwasnik: Ueber das Verhalten des Baryumsuperoxyds gegen Metallsalze..
— Ueber einen krystallinischen Bestandtheil des Genipa brasiliensis Mart.
Ladenburg: Ueber die Constitution des Atropins und seine Synthese.....
Eelaber Biperidincarbonsäuren ..:..... Hl 2 Hl. NIT IP
— Die Alkaloide aus Conium maculatum..............-.e22eressenunnnn
Langenhan: Ueber Porphyre des Thüringerwaldes .....................»
BIrGeENEh.inlieber Citral- (und: Gerantal : 2:2... ..2.0. TI
Beener Schtes: Macassar-Odl 1.22... 2 RR PD EDDIIPNPDIF
— Ueber die Zusammensetzung des Grubengases und zwei neue Zink-
EN ers near AerPP Se TE er EINER.
— Ueber die chemische Natur des deutschen und des türkischen Rosenöls
Röhmann, F.: Ueber die Benutzung gewisser Farbstoffe zur Bestimmung
ERBBUNT TE IR IBAN DH DB |
Römer: Ueber Tiefbohrungen und neue Erwerbungen des mineralogischen
ee 2 RN ERDUDERLIDED, DR, WIBHRANEE PR APRINE |
Semmler: Ueber Kohlenwasserstoffe der Methanreihe aus ätherischen Oelen
Rathzo in: der’ Pflanze :: 22222222: EP
v. Trautschold: Ueber silberhaltigen Bleiglanz im Kaukasus ............
Sitzungen der botanischen Section.
Callier: Ueber die in Schlesien vorkommenden Formen der Gattung Alnus
Cohn, Ferd.: Exemplare von Cynomorium coceineum ......:.-r.ernere rn:
— Pflanzengeographische Bemerkungen über die Flora von Danzig .....
47
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VI Inhalts - Verzeichniss.
Cohn, Ferd.: Blühende und fruchttragende Zweige vom „Tausendjährigen bi;
Hösehstock‘“ nm Hallesheum ti... 2. A en A 142
— Ein reifer Fruchtzapfen von Encephalartos Lehmanni Lehm.......... 145
— Ueber die Entwickelung der Primula minima im Breslauer botanischen
GaLlen N ee ee a a En Br PhD EEE 147
Fiek u. Schube: Ergebnisse der Durchforschung der Schles. Phanerogamen-
Bora am Jahre ABI: as ee en IR 87
_' Desgleichen im Jahre 1891... re. re ARTE 155
Fischer, Hugo: Beiträge zur Morphologie der Farnsporen .............»- 130
Frank, Erich: Eine Derwischschale (Keschkul) aus Teheran .,.........-. 129
Hieronymus: Ueber. Pflanzen-Monstrositäten......2. sr» sen. oe son 87
— Ueber die Resultate der Erforschung der Algenflora Schlesiens ...... 150
Krull: Ueber den Zunderschwamm und die Weissfäule des Buchenholzes.. 131
Mez: Ueber Fragen der botanischen Nomenclatur ..............ere22e020. 143
Pommerenke: Ueber den Bau des Holzes einiger sympetaler Familien... 8
Prantl: Ueber den; Blüthenanschluss. =... - 222 0 last Ana als EI 74
— Acer Pseudoplatanus mit abnormen Früchten .........-...2sr2er220» 129
— Ueber die Grundzüge des Farnsystems ...........»--uereseneeecnenn 139
Schober: Das Xanthorrhoeharz, ein Beitrag zur Entstehung der Harze.... 141
Schröder: Ueber schlesische Algen und Characeen.............--.-.u.r 0. 134
Schröter: Ueber die trüffelartigen Pilze Schlesiens N 69
Stenzel: Zwei keimlose Dattelkerne ....---..ee-zerce sauren newene nenne 139
Sitzung der Geographischen Section.
Galle: Einige Resultate aus den jetzt 100jährigen meteorologischen
Beobachtungen auf der hiesigen Sternwarte .....-.....-eereeeeenenn 181
Sitzungen der Section für Obst- und Gartenbau.
Behnsch: Neue buntblätterige Gehölze .......-.......rcc2creseonennennn 211
Göschke: Ueber das Obst im Haushalt .: rss idt. nis ven tald- SR Te 216
Mez: Ueber die Gattungen der Bromeliaceen.............--s.rers nenne 200
Prantl: Ueber Keimung und Entwickelung der Farne ...........u.scsre.. 207
— Ueber die Aufgaben der botanischen Gärten .......... SEN ziehe a1
Richter: ;Ueber den Baumschnitt-..... ..+- +... mruchnsbendetee- 22. ..208
Bosen: Ueber Veredlung ".: 2... 1. ..2 gr Ad. sa nee erh A fe 213
III. Historisch-staatswissenschaftliche Abtheilung.
Sitzungen der Section für Staats- und Rechtswissenschaft.
Gerlach: Ueber die preussische Einkommensteuer ......»....rrrrrr rer. .. 1
Hancke: Ueber die internationale eriminalistische Vereinigung. ........... 24
Holz: Ueber die commerziellen Verhältnisse der Stadt Breslau..........-- 3
ne nee on u Ze 0 Sa u ze
Inhalts - Verzeichniss. vu
Seite
Sombart: Ueber den deutsch-österreichischen Handelsvertrag...........-- 2
— Ueber das Programm der socialdemokratischen Partei Deutschlands
Be Brfurter Beschlässen 124.2: . AA rar 25
Sitzungen der historischen Section.
Krebs: Die evangelische Union und der Udenheimer Festungsbau 1618.... 30
Reimann: Ueber den Plan Kaiser Josephs II., ein enges Bündniss mit
a Sehltesgen 2342 aan As mentalen nun Rare er 32
Nekrologe
auf die im Jahre 1891 verstorbenen Mitglieder:
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Bra Garr, Stadtrath und Fabrikbesitzer - --...-.---....-.:-v+.00-.ranerac 2
Bellier de Launay, FE. J., dustizrath ........-.--.--..-.2-.n02 000 enen 28
BE Di phil, Beefor .- :.-.. „2.0... .ucuensseneerassan na a 4
306,32, 0 a 4
Engelbrecht, C. J., Landgerichtsrath a. D. .............-ueerceeeecenens 5
HR Gymnasiallehrer.. : -.... ..2..: 202.00 00 dene en ak een 6
Friedensburg, F. H. F., Oberbürgermeister .......---..--.---.ncrsre000 |
Dr med, Sanitatsrath 2 222 ne 9
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Klopsch, C. E., Dr. med., Geheimer Medicinalrath und Professor ......... 10
ara WB Landes-Dekonomierath..........:.. 22... wu kn enrer en 12
Krocker, E. O. F., Dr. phil., Professor .....-.-...---2..0..0r2cesennnnn 15
Krocker, Hermann, Dr. med., Geheimer Sanitätsrath .........--.scus 0... 16
Langner, Dr. med., Geheimer Sanitätsrath ..........-s.r2rersee eeeenenn 18
Emtenter, W. Dr. chem., Professor .-...... »-...-»-s20es0nntanenneneae 18
ara, FW... Commerzienrath...-.*. ...-.-ues 000 0er ehnne una 20
Roemer, C. F., Dr. phil., Geheimer Bergrath u. Professor ................- 23
Sack, O.L. Th. E., Ober-Regierungsrath a. D. .........-.crscseceenerens 27
Schweitzer, Hermann, Banquier .........-.....srrreerereeneenneennenen 28
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Schlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur.
Jahre i “r richt. Allgemeiner Bericht.
1891.
Allgemeiner Bericht über die Verhältnisse und die
Wirksamkeit der Gesellschaft im Jahre 1891,
abgestattet
in der allgemeinen Versammlung am 2. Januar 1892
von
Bürgermeister Diekhuth,
z. Z. General-Secretair,
Die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur hat auch in
dem zweiten Jahre der nunmehr abgelaufenen Etatsperiode unter Leitung
ihres verehrten Präses, Geheimen Medicinalrathes Professor Dr. Heiden-
hain, fortgewirkt in gemeinnütziger Thätigkeit für die heimathliche
Provinz und auf dem Gebiete der Wissenschaft überhaupt. Die ordent-
liche Generalversammlung hat am 18. December 1890 unter dem Vor-
sitze des derzeitigen Präses stattgefunden, der zunächst durch Vorzeigen
der Beläge feststellte, dass die öffentliche Einladung zu dieser Sitzung
den Statuten gemäss zwei Mal in der Schlesischen und in der Breslauer
Zeitung erfolgt sei.
Hierauf erstattete Herr Geheimrath Professor Dr. Poleck in Ver-
tretung des General-Secretairs, Herrn Bürgermeister Diekhuth, den
Verwaltungsbericht des Jahres 1890.
Im Laufe des Jahres schied Dr. med. et phil. Moritz Traube
in Folge Verlegung seines Wohnsitzes nach Berlin aus dem Directorium,
dem er seit 1883 angehörte, und aus der Gesellschaft aus.
Zwei schwere Verluste erlitt die Gesellschaft vor wenig Tagen.
Kaum hatten wir vernommen, dass der Herr Geheime Ober-Bergrath
Professor Dr. Römer, der langjährige Secretair der Naturwissenschaft-
lichen Section, aus dem Leben geschieden sei, als sich schon die Trauer-
kunde verbreitete, dass auch Herr Commerzienrath F. W. Rosenbaum,
seit September 1890 dem Präsidium als Schatzmeister der Gesellschaft
angehörend, vom Tode plötzlich ereilt wurde,
1
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Im Laufe des Jahres 1891 hat die Schlesische Gesellschaft durch
den Tod verloren:
A. von wirklichen einheimischen Mitgliedern die Herren:
. Arent, Oberst a. D. (Mitglied seit 1866),
. Beblo, C., Stadtrath und Fabrikbesitzer (seit 1872),
. Carstädt, Dr. phil., Rector der evang. höheren Bürgerschule
Nr. 1 (seit 1870),
. Friedensburg, Ferd., Oberbürgermeister (seit 1880),
. Gottschalk, Dr. med..
Jäschke, R., Partieulier (seit 1881),
. Klopsch, Dr. med., Geh. Medieinalrath u. Professor (seit 1860),
. Korn, Königlicher Landes- und Oekonomierath (seit 1866),
. Krocker, Dr. med., Geh. Sanitätsrath (seit 1835),
. Krocker, Dr. phil., Professor (seit 1881),
. Langer, Dr., Sanitätsrath (seit 1868),
. v. Richter, Dr. phil., Professor (seit 1883),
. Römer, Dr. phil., Geh. Bergrath und Professor (seit 1855),
. Rosenbaum, F. W., Commerzienrath (seit 1880),
. Sack, Ober-Regierungsrath a. D. (seit 1866),
. Schweitzer, H., Banquier (seit 1863),
. Bellier de Launay, Justizrath, Rechtsanwalt und Notar
(seit 1884);
B. von wirklichen auswärtigen Mitgliedern:
. Elbrandt, Major a. D. in Liegnitz (Mitglied seit 1886),
. Engelbrecht, Landgerichtsrath a. D. in Neisse (seit 1888),
. Fiegler, R., Gymnasiallehrer in Kattowitz (seit 1889),
. Holtze, Dr. med., Sanitätsrath in Kattowitz (seit 1889),
. Langner, Dr. med., Geh. Sanitätsrath in Landeck (seit 1864).
Dagegen sind im Jahre 1391 aufgenommen worden:
A. als wirkliche einheimische Mitglieder:
. Agath, Georg, Kaufmann,
. Bender, Oberbürgermeister,
. Butter, Fritz, Dr. phil.,
. Chun, C., Dr., Professor,
. Cramer, Ernst, Dr. med.,
. Dieteriei, Dr. phil., Professor,
. Fischer, B., Dr. phil, Director des städt. chem. Unters.-Amts,
. Grüttner, Kurt, Regierungsrath, .
. Gühmann, Paul, Dr. med.,
. Heilbrun, $., Dr. med,,
. Heinrich, Th., Kaufmann,
. Heinz, Dr. med., Privatdocent,
Allgemeiner Bericht. 3
13. Keil, Dr. jur., Staatsanwalt,
14. Kindel, W., Oberlandes-Gerichtsrath,
15. Kuznitzky, Dr. med.,
16. Mannowsky, Reichsbank-Director,
17. Methner, Alfred, Dr. med.,
18. Milch, Ludwig, Dr. phil.,
19. Nesemann, Dr. med., Bezirksphysikus,
20. Reitzenstein, H., Amtsrichter,
21. Rosen, F., Dr. phil.,
22. Schollmeyer, Ober-Bergrath,
23. Suermondt, William, Bergwerksbesitzer,
24. Wagner, Ernst, Dr. phil.;
B. als wirkliche auswärtige Mitglieder:
1. Kletschke, Landgerichtsrath in Schweidnitz,
2. Langner, Dr. med., Gnadenfrey,
3. von Salisch, Rittergutsbesitzer auf Postel,
4. Freiherr von Schleinitz, Ober-Forstmeister in Liegnitz,
5. Scholtz, Max, Dr. phil. in Karlsruhe in Baden,
6. Scholtz, Kreisthierarzt in Reichenbach im Eulengebirge,
7. Wilde, Dr. med., Stabsarzt in Peterswaldau,
8. Zwanziger, Eberhard, Fabrikbesitzer in Peterswaldau.
Die Gesellschaft zählt mithin gegenwärtig
wirkliche einheimische Mitglieder . . . . .. 299
wirkliche auswärtige Mitglieder . . . . . ..145
Ehrenmitglieder und correspondirende Mitglieder 174.
Die Section für Obst- und Gartenbau besteht für sich aus 161 Mit-
gliedern.
Im Laufe des Jahres 1891 haben drei Präsidialsitzungen stattge-
funden, nämlich am 8. Juni, am 31. October und am 29. November. Es
wurde beschlossen die Ernennung der Herren:
J. J. Stevenson, Professor an der University of the City of
New-York und
Th. Hellwig, Lehrer in Grünberg in Schlesien,
zu eorrespondirenden Mitgliedern der Schlesischen Gesellschaft.
Dem Antrage des Provinzial-Ausschusses gemäss wurden für die zu
begründende Commission zur Erforschung und zum Schutze der Denk-
mäler in der Provinz seitens des Präsidiums der Schlesischen Gesellschaft
vorgeschlagen die Herren:
Professor Schmarsow, Professor Markgraf, Baurath Plüdde-
mann und Kaufmann Agath.
1:
4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Der Antrag um Herabsetzung der Beiträge der Mitglieder wird
dann ernstlich in Erwägung gezogen werden, wenn der Versuch gemacht
sein wird, die Staatsregierung und die Vertretung der Provinz Schlesien
zu laufenden jährlichen Beiträgen heranzuziehen.
Was die Wiedereinführung öffentlicher Vorträge mit Demonstrationen
aus den verschiedenen Wissensgebieten betrifft, so haben bereits zwei
stattgefunden, den ersten hielt Professor Dr. Prantl am 2]. Juli im
botanischen Garten, den andern Oberbergrath Professor Dr. Römer am
29. November im mineralogischen Museum.
Ferner wurde beschlossen, die Besorgung des Tauschverkehrs der
Gesellschaft in die Hände der Königlichen und Universitäts-Bibliothek
zu legen.
Auch sei erwähnt, dass der Gesellschaft von den Söhnen unseres
ehemaligen correspondirenden Mitgliedes, des Professors Dr. Carl Presl
(+ 2. October 1852 zu Prag), eine zum 100jährigen Geburtstage ihres
Onkels, Dr. Johann Presl (+ 6. April 1849), gestiftete grosse Bronce-
Medaille zuging, welche die charakteristischen Brustbilder der beiden
gelehrten Brüder (neben einander) zeigt.
Dem 68. Jahresberichte wurde ein Ergänzungsheft botanischen
Inhaltes beigegeben; dasselbe enthält:
Th. Scehube: Zur Geschichte der schlesischen Floren-Erforschung
bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts (Seite 1—48) und
G. Hieronymus: Beiträge zur Kenntnis der europäischen
Zooceeidien und der Verbreitung derselben (S. 49— 272).
Die allgemeine Wanderversammlung der Schlesischen Gesellschaft
hat am Sonntag den 28. Juni a. c. zu Reichenbach im Eulengebirge
stattgefunden.
Das diesjährige Stiftungsfest sollte Sonnabend, am 19. December a. c.,
in den Räumen der Loge „Horus‘‘ gefeiert und durch einen Vortrag von
Herrn Professor Dr. Schmarsow „Ueber die Entwickelung des Grab-
denkmals in der italienischen Renaissance‘ eingeleitet werden. In Folge
der kurz vor diesem Tage stattgefundenen beiden Todesfälle wurde
jedoch die Feier des Stiftungsfestes bis auf weiteren Beschluss ver-
schoben. |
Die Rechnung der Allgemeinen Kasse und die über die besondere
Kasse der Section für Obst- und Gartenbau ist für das Jahr 1890 durch
den Schatzmeister, Herrn Commerzienrath Rosenbaum, gelegt und dem
Schatzmeister nach erfolgter Revision Decharge ertheilt worden.
Ueber die Thätigkeit der einzelnen Sectionen haben die Herren
Secretaire Nachstehendes berichtet:
Allgemeiner Bericht. 5
Die medieinische Section
(Seeretaire: Geheimer Medieinalrath Professor Dr. Ponfick und
Geheimer Medieinalrath Professor Dr. Fritsch)
hielt im Jahre 1891 19 Sitzungen.
Zu Secretairen wurden für die Etatsperiode 1892/93 die Herren
Geheimer Medicinalrath Professor Dr. Ponfick, Geheimer Medieinalrath
Professor Dr. Fritsch, Geh. Medieinalrath Professor Dr. Mickuliez,
Prosector Professor Dr. Born und Privatdocent Dr. Buchwald gewählt.
Die Section für öffentliche Gesundheitspflege
(Seeretaire: Geh. Medieinalrath Prof. Dr. Biermer, Prof. Dr. Flügge
und Sanitätsrath und Bezirks-Physikus Dr. Jacobi)
hielt im Jahre 1891 1 Sitzung.
Zu Secretairen für die Etatsperiode 1892/93 wurden Herr Prof. Dr.
Flügge, Sanitätsrath und Bezirks-Physikus Dr. Jacobi und Prof. Dr.
Hermann Cohn gewählt.
Die naturwissenschaftliche Section
(Seeretaire: Geh. Regierungsrath Prof. Dr. Poleck und Geh. Bergrath
| Professor Dr. Römer)
hielt im Jahre 1891 8 Sitzungen. Zu Secretairen wurden für die Etats-
periode 1892/93 die Herren Geh, Regierungsrath Prof. Dr. Poleck und
Prof. Dr. Hintze gewählt.
Die botanische Section
(Seceretair: Geh. Reg.-Rath Professor Dr. Ferdinand Cohn)
hielt im Jahre 1891 9 Sitzungen. Zum Secretair für die Etatsperiode
1892/93 wurde Herr Geh. Regierungsrath Prof. Dr. Ferdinand Cohn
wieder gewählt.
Die geographische Section
hielt im Jahre 1891 1 Sitzung. Dieselbe wurde auf Antrag des Seecretair,
Geh. Regierungsrath Professor Dr. Galle, der naturwissenschaftlichen
Section einverleibt.
Die Section für Obst- und Gartenbau
hielt im Jahre 1891 11 Versammlungen ab. Als Vorstand wurden für
die Etatsperiode 1892/93 sämmtliche Herren wieder gewählt und zwar:
Als I, Seeretair: Herr Professor Dr. Prantl, II. Secretair: Städtischer
Garten-Inspeetor Herr Richter; zum Verwaltungsvorstande die Herren
Ober-Stabsarzt Prof. Dr. Schröter, Verlagsbuchhändler Max Müller
und Handelsgärtnereibesitzer H. Dammanın,
6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Die Section für Staats- und Rechtswissenschaft
(Seeretaire: Professor Dr. Elster, Geh. Ober-Justizrath und Senats-
Präsident Rocholl, Geh. Commerzienrath Leopold Schöller und
Ober-Reg.-Rath a. D. Schmidt)
hielt im Jahre 1891 6 Sitzungen. Zu Secretairen wurden für die Etats-
periode 1892/93 die Herren Prof. Dr. Elster, Staatsanwalt Dr. jur.
Keil, Ober-Regierungsrath a. D. Schmidt und Geh. Commerzienrath
Leopold Schöller gewählt.
Die historische Section
(Secretair: Director Professor Dr. Reimann)
hielt im Jahre 1891 8 Sitzungen. Zum Secretair für die Etatsperiode
1892/93 wurde Herr Director Prof. Dr. Reimann wieder gewählt.
Bericht über die Bibliothek.
Die im vorjährigen Jahresberichte (Allgemeiner Theil p. 8) gemachte
Mittheilung, dass auf Grund des geäusserten Wunsches der Verwaltung
der Königlichen und Universitäts-Bibliothek die Ablieferung der ein-
gegangenen Schriften jährlich nur an zwei Terminen erfolgen solle, war
eine irrthümliche, weshalb die im Vertrage vom 15. Juni 1886 fest-
gestellte vierteljährliche Ablieferung wieder innegehalten wurde.
Demgemäss wurden von der Königlichen und Universitäts-Bibliothek
übernommen:
im I, Quartale: No. 1788 bis Nr. 2014 unseres Katalogs am
5. März 1891 durch Herrn Custos Dr. Blau,
im II. Quartale: No. 2015 bis No. 2181 am 24. Juni 1891 durch
Dr. Emil Seelmann,
im III. Quartale: No. 2182 bis No. 2380 am 21. October 1891
durch Dr. Heinrich v. Hagen,
im IV. Quartale: No. 2381 bis No. 2507 am 13. Januar 1892
durch Dr. Heinrich von Hagen. |
Die akademischen Schriften (1257 Stück) der Universitäten Berlin
(8 Stück), Bonn (81), Breslau (70), Kopenhagen (43), Erlangen (205),
Jena (68), Marburg (83), Freiburg i. B. (193), Rostock (55), Königsberg
(59), Wien (4), Würzburg (187), Zürich (87) und Kiel (114) wurden
nicht einzeln gebucht, sondern wie die zugegangenen Österprogramme
Breslau’s und Schlesiens (11 Stück) nach der Stückzahl übergeben.
Die aus dem botanischen Lesezirkel von der Buchhandlung Trewendt
u. Granier hier abgelieferten Bücher wurden dem Bestande der Bibliothek
EEE ER de
Allgemeiner Bericht. 7
der Schlesischen Gesellschaft zugeschrieben und ebenfalls an die König-
liche und Universitäts-Bibliothek abgeliefert.
Dem Schriftenaustausche der Schlesischen Gesellschaft sind im Laufe
des Jahres beigetreten:
1. die Königliche Sternwarte in Brüssel,
2. die Schweizerische botanische Gesellschaft in Zürich,
3. die Expedition der Naturwissenschaftlichen Rundschau von Dr.
W. Sklarek in Berlin,
4. der Historisch-philosophische Verein in Heidelberg (Redaction
der Heidelberger Jahrbücher),
5. Accademia Medico-Chirurgica di Perugia,
6. The Missouri Botanical Garden in St. Louis Mo.
Die vollständige Tauschliste wird im 70. Jahresberichte zum Abdruck
gelangen.
Als Geschenkgeber haben sich im verflossenen Jahre um die
Bibliothek verdient gemacht nächst der Königlichen Regierung zu
Breslau und dem Magistrate der Haupt- und Residenzstadt Breslau
die Herren: Professor Schübeler und Professor A. Blytt in Christiania,
Professor A. O. Kihlmann in Helsingfors, A. Freiherr von Fircks
in Berlin, Bergverwalter Schneider in Cunnersdorf bei Hirschberg»
E. v. Rodiezky in Ungarisch-Altenburg, Professor v. Sandberger in
Würzburg, Professor B. v. Graff in Graz, Staatsrath v. Regel in
Petersburg und Professor J. J. Stevenson in New-York. Ihnen sei
hiermit der wärmste Dank abgestattet.
Breslau, am 31. December 1891.
G. Limpricht.
Bericht über die Kassenverwaltung im Jahre 1891.
Zu dem Bestande der Kasse Ende 1890 von 1360,97 Mark traten
an Einnahmen im vergangenen Jahre 9570,60 Mark, wogegen verausgabt
wurden 9328,77 Mark, so dass ein Ueberschuss von 241,83 Mark
verblieb.
Das Effeeten-Conto hat sich nicht geändert, der Bestand desselben
bleibt per 1. Januar 1892 45200 Mark und das Vermögen der Gesell-
schaft beträgt mithin im Ganzen 45441,83 Mark.
Breslau, den 9. Mai 1892,
Max Wiskott, z. Z. Schatzmeister.
8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Bericht über die Herbarien der Gesellschaft.
Im Laufe des verflossenen Jahres wurden ausser dem Reste der
Ranunculaceen noch die Gattung Mentha — revidirt durch Herrn Briquet
(Genf) —, die Lythraceen — bestimmt von Herrn Prof. Koehne (Berlin)
— sowie die Rhamnaceen und ein beträchtlicher Theil der Gefäss-
kryptogamen aufgeklebt; die Revision der letzteren hat Herr Professor
Prantl, diejenige der Rhamnaceen Herr Dr. Krause zugesagt.
Die Hauptthätigkeit des Custos war auf die Fortführung der im Vorjahre
begonnenen Einordnung der Nachträge und Unterbringung des gereinigten
Gesammtmaterials in Kästen gerichtet. Es wurden, indem vorläufig noch
an der Anordnung nach Endlicher’s System festgehalten wurde, die
Monoecotyledonen und die Hauptmenge der sympetalen Dicotyledonen in
zusammen 270 Kästen aufbewahrt.
Eine Aenderung im Bestande der Sammlungen ist nicht zu ver-
zeichnen.
Breslau, den 15. December 1891.
Dr. phil. Th. Schube.
Kassen-Abschluss für das Jahr 18591.
Ist eingekommen
Allgemeine Kasse.
Einnahme,
An Bestand aus dem Jahre 1890. .
An Zinsen von Werthpapieren:
Pro I. Semester .
” I. ”
An Beiträgen einheimischer Mitglieder:
Pro I. Semester von 286 Mitgliedern & I M.
nl: n 296
An Beiträgen auswärtiger Mitglieder:
139 Karten a 6 4,5 Stüka3 M=.
Jahres-Beitrag des Magistrats zu Breslau .
Miethsbeitrag vom Gewerbe-Verein .
55 der Sparkasse bis 1. Oetbr. 1891.
55 des Vereins für Geschichte
Aussergewöhnliche Einnahmen:
1 Jahresbericht von 1842 .
Aderholz’sche Buchhandlung .
Zinsen vom Baarbestand bei der städtischen Bank und der Sparkasse
„ Bed:
Werth-
papiere
MN
45200
45200
Baar
A
1360
855
918
2574
2664
10931
a
97
57
Für Miethe an Verein christl. Kaufleute inel. Wassergeld Se vom
Allgemeine Kasse.
Ausgabe.
1./10. 91 Mk. 100.— pro Quartal)
Honorare und Remunerationen
Gehalt an Castellan.
Pension an Fr. Reisler
Heizung.
Beleuchtung .
Prämie Schlesische Feuerversicherung .
Unterhaltung des Mobiliars.
Schreib-Bedürfnisse .
Zeitungs-Inserate .
Druckkosten . ee
Anschaffung von Büchern und Journalen .
Buchbinder-Arbeiten .
Porto-Auslagen .
Kleine Ausgaben .
Zinsen an Castellan Kreusel für seine hinterlegte Caution
Bestand am Schlusse des Jahres 1891.
3, % Oberschl. Eisenb.-Prioritäts-Oblig. Lit. E.. .
3%, %, Prämien-Anleihe
4 %, Consolidirte Anleihe.
4 h ” DD)
u Pu
3'/, %, Sehlesische Pandbniefe Litt. an
3 un 2) vb) Litt. D..
Schlesische Bankvereins-Antheilscheine .
ER — 208
RE Ben == 26
: N — 40
. GE NET ABE an 63
Ha ka sone ar 195
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NE — 1602
Ist verausgabt
Werk] > Wo aene
papiere Baar
M M
E— 2160
—_ 630
— 1200
— 150
— 382
|
80
Gone anne nu mE or mens neuen
45200 | 10931
Wiskott, z. Z. Schatzmeister der Gesellschaft.
Kassen-Abschluss der Section für Obst- und Gartenbau für das Jahr 1891.
Einnahmen.
An Vortrag aus Rechnung 1890
Mitglieder-Beiträgen:
131 Beiträge für 1891 .
”
Garten-Erträgnissen:
Verkaufte Baumsehul-Artikel
Blumen und Gemüse .
„)
. 4401 M
h 543 „
Subventionen:
Subvention vom Schles.
„
Provinzial-Ausschusse für 1891.
„ Zinsen:
31, % v. 1./10. 1890 bis 30./9. 1891 von 3000 M
Oberschl. Prioritäts-Obligationen Litt. E. . 105 M
3 21 vom? 1./10..,18907018730./9.. 1891 von
1800 MM Preuss. 34/, %, Consols OB
4%, für 1891 von 3000 A Schlesische Boden
eredit-Pfandbriefe. 3 120.9;
4 %, für 1891 von 3800 M Bostsielhe 7 vn
Consols . 3 1o20,
an ine Bolyon 5000 M Tnndkehaftliche
Central-Pfandbriefe . ; 1050
54. fir 189° von 3000 M Böhlesiköfle
Pfandbriefe K05E;
Zinsen auf Bean une der SCHE Dandech,
Bank für 1891. DR 5,
20
”
» Lesezirkel:
21 Beiträge zum Lesezirkel für 1891. .
„» Verschiedenem:
Für 1 doppelt gezahlten Beitrag für 1891
„ Effeeten:
Für gekaufte 4 °/, Schlesische Bodeneredit-Pfandbriefe .
25500
Effecten
EEE Enns
Ü Effeeten Baar
| Ausgaben, M HEY
HM
22500
3000
Baar
M
59687
623
4945
1650
192
13767
AN
|
Für den Garten:
Görtnergehalte, Heizung und Beleuchtung . . . 1688 M 11 %
Arbeitslöhne . N
Dungstoffe . 2m ar
Wildlinge und Ren Kb 300%
Baulichkeiten und Geräthschaften A
Porti, Steuern, Drucksachen etec.. 2027, A0
„ den Lesezirkel:
Journale . %M 65%
Colportage . 0 „—
Buchbinderarbeit ER,
„ Insgemein:
Gekaufte 3000 #6 4°, Schlesische Bodeneredit-
Pfandbriefe ER 3047 M 50
Porti a8 al
Inserate 30022005
Druckkosten- Aminen: am Jahresbericht für 1890 Id se
Angeschaffte Werke. . . .. : 6,000
Beitragzum Provinzial-Verband dehlen, Barlonbaik
Vereine und zum Deutschen Pomologen-Verein 23 „ 75 „
Gratis-Sämereien-Vertheilung an Mitglieder . 1095,30 2;
Ehrenpreise zu Ausstellungen 94: 230.
Vorschuss zu den Kosten der Ausstellune, in
Breslau, Herbst 1892 . 20 5, —
Rückzahlung eines doppelt sezahilien Beitibes 6
Verschiedenes. 28 „ 90 „
Effecten:
„
Für einen durch Uebernahme des Pfandobjeetes seitens des
Präsidiums der Schles. Gesellschaft erloschenen Pfandschein
„ Bestand im Vortrage:
3'/), °/ Landschaftliche Central-Pfandbriefe . 500 4 — %
.h %/, Schlesische Pfandbriefe . 3000 „ — ,„
4 °%/, Preussische Consols 3800 „ —
31, % Preussische Consols 1800 „ — ,„
31, % Oberschles. Prioritäts- Olieat Litt, H.. 300 „ — „
4 °/, Schlesische Bodencredit-Pfandbriefe. 000m m
Dr. Schröter,
z. Z. Vorsitzender
des Verwaltungsvorstandes’der Section für Obst-
9383 | 61
21
48
5900
19600 | 4645 | 11 4645 | 11
25500 | 13767
Max Müller,
z. 2. Kassenvorsteher
und Gartenbau.
II,
II.
v1,
Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben der Allgemeinen Kasse für die Jahre 1892 und 1893.
Einnahmen.
Zinsen von Werthpapieren .........zusuennennorenunne
Beiträge:
a. Einheimische: 1892 300 I. Semester & 9 Mark...
- - = Calle - ad =
= 19952.20073,.107Merken
be Auswärtige: 140786 Marle ...:....u2.2..
Beitrag des Provinzial-Ausschusses vom 1. April 1392 ab
jährlich 3000 Mark
. e
z z
Jahresbeitrag des Masistraten... ns... oma. Ka
Miethen:
vom Schlesischen Gewerbe-Verein (nur bis 1. Juli 1892)
=> > verschiedenen Vereimen. .......2..c.eeennet
Aussergewöhnliche Einnahmen ............2ee22cc220..
1892 1893
Mark. Mark.
1685 1685
2700 DW
1500 By
ei 3000
840 840
2250 are
— 3000
300 300
320 =
100 100
50 50
8975
Summa der Einnahmen | 9745
Ber PMLeche N a ee RER
II. | Vergütungen
IV. | Neujahrsgeschenke
V. | Für Heizung
VI. | Beleuchtung
XII. | Buchbinderarbeiten
XII
XIV. | Kleine Auslagen
XV. | Für verschiedene Seetionen
XVI. | Bibliothek
XVI. | Unvorhergesehene Ausgaben
Breslau, den 13. December 1891.
Feuer-Versicherungs-Gebühr
IX. | Für Schreibbedarf
X. | Zeitungs-Anzeigen
XI. | Druckkosten
Ausgaben.
er 01T Tr terre Tr Tr Tr Teer‘
III. | Gehalt dem Kastellan und Pension
Bee gie ee e) 0,0, 6 e eie =) 8, 0, eu 20 © a .e. 0,0 = a a a .o,a. 0 © je, ae s
Unterhaltung der Mobilien, Neu-Anschaffungen
.e0n 8011er Tr 00.
se, 0./e/le e. 8 oe .e wzsr a) nu we, elleı.selre/ eie ee el .er/e,jea.a, -Zieierlare
700. 12020080020. ON OR OU N OROLNE FOTORE WON IT
ee see)sa elle kakelıı zeinew als feier an erlakanua le nfiuteerleileilenten ei änkieiliurie
Drum: slellat elle, un La telel/el a. ;e..e' ejlenim.,arie, /u,ie/ie.'ekiere
reise, weatlsmametiet allen reise leiteis) sieın) elle nes nle, alien allarlaunajt wiyni neh alminn ze
Sen OxewD.0.0 0 8, Qu O0 OO AED DEE ENT
Summa der
Das Präsidium der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur.
Heidenhain,
Präses,
Biermer,
Vice-Präses,
Dickhuth,
General-Secr.
Poleck,
zweiter Gen.-Secr.
Max Wiskott,
Schatzmeister,
Ausgaben | 8100
Verzeichniss
sämmtlicher
Mitglieder der Schlesischen Gesellschaft
für vaterländische Cultur.
Für die Etatszeit von 1892 und 1893.
Die römischen Ziffern hinter den Namen bezeichnen die Sectionen (I. die medi-
einische, II. die hygienische, III. die naturwissenschaftliche, IV. die botanische,
V. die geographische, vacat, VI. die historische, VII. die archäologische, VIII. die
Section für Staats- und Rechtswissenschaft, denen die betreffenden Herren bei-
getreten sind. Die Sitzungen. der einzelnen Sectionen werden jedesmal durch die
Zeitungen bekannt gemacht; übrigens haben nach $5 der Statuten alle Mitglieder
der Gesellschaft das Recht, an denselben theilzunehmen.
Präsidium der Gesellschaft.
A. Vollziehender Ausschuss.
Herr Geheimer Medicinal-Rath, Professor, Dr. Heidenhain, Präses.
— Geheimer Medicinalrath, Professor Dr. Biermer, Vice-Präses.
— Bürgermeister Diekhuth, General-Secretair.
— Geheimer Regierungs-Rath, Professor Dr. Poleck, zweiter General-
Secretair.
— Kaufmann und Fabrikbesitzer Max Wiskott, Schatzmeister,
B. Directoren.
Herr Cohn, Ferdinand, Dr., Geheimer Regierungsrath, Professor,
— Förster, Dr., Geh. Medieinalrath und Professor.
— Fritsch, Dr., Geh. Mediecinalrath und Professor.
— Grünhagen, Dr., Geheimer Archiv-Rath und Professor.
— Kayser, Dr., Dompropst und Professor.
10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Herr Keil, Dr., Staatsanwalt.
— Ladenburg, Dr., Geh. Regierungsrath und Professor.
— Schmidt, Ober-Regierungsrath a. D.
— Schöller, Leopold, Geh. Commerzienrath.
— Weber, General-Major z. D.
C. Secretaire der Sectionen.
Herr Born, Dr., Professor und Proseetor, Secretair der medieinischen
Section.
— Buchwald, Dr., Privatdocent, dirigirender Arzt des Wenzel
Hancke’schen Krankenhauses, Secretaäir der medieinischen
Section.
— Cohn, Ferd., Dr., Geheimer Regierungsrath, Professor, Secretair der
botanischen Section.
— Cohn, Hermann, Dr., Professor, III. Seeretair der hygienischen
Section.
— Elster, Dr., Professor, Secretair der Section für Staats- und Rechts-
wissenschaft.
— Flügge, Dr., Professor, I. Secretair der hygienischen Section.
IE Fritsch, Dr., Geh. Medieinalrath und Professor, Secretair der
medieinischen Section.
— Hintze, Dr., Professor, II. Secretair der naturwissenschaftlichen
Section.
— Jacobi, Dr., Sanitätsrath, Privat-Docent und Königlicher Bezirks-
Physikus von Breslau, II. Secretair der hygienischen Section.
— Keil, Dr., Staatsanwalt, Secretair der Section für Staats- und
Rechtswissenschaft.
— Mikuliez, Dr., Geh. Medieinalrath und Professor, Secretair der
medicinischen Section.
— Poleck, Dr., Geh. Regierungsrath und Professor, I. Secretair
der naturwissenschaftlichen Section.
— Ponfieck, Dr., Geh. Medieinalrath und Professor, Secretair der
medieinischen Section.
— Prantl, Dr., Professor, Secretair der Section für Obst- und
Gartenbau. |
— Reimann, Dr., Professor, Director des Realgymnasiums zum heil.
Geist, Secretair der historischen Section.
— Schmarsow, Dr., Professor, Secretair der archäologischen Section.
— Schmidt, Ober-Regierungsrath a. D., Secretair der Section für
Staats- und Rechtswissenschaft.
— Schöller, Leopold, Geh, Commerzienrath, Secretair der Section
für Staats- und Rechtswissenschaft,
Mitglieder-Verzeichniss. 11
D. Für die Bibliothek und die Museen.
Herr Galle, Dr., Geheimer Regierungsrath, Professor.
— Limpricht, Lehrer an der höheren Bürgerschule, Custos der
Bibliothek.
— Schube, Dr., Lehrer am Realgymnasium am Zwinger, Custos der
Herbarien und der naturwissenschaftlichen Sammlungen,
Die Bibliothek ist jeden Mittwoch von 3—5 Uhr, die Herbarien
jeden Donnerstag von 3—5 Uhr Nachmittags geöffnet.
A. Wirkliche einheimische Mitglieder.
1. Herr Agath, Georg, Kaufmann und Mitinhaber der Firma A. Friebe.
2.
17,
18,
ah A
Höfchenerweg Agath’sche Villa. VII. 1891.
Alexander, Dr, med,, Privatdocent. I. II. 1885. Bahnhof-
strasse 7.
Althans, Geh. Ober-Bergrath. II. III. 1874. Claassenstr. 5.
Anderssohn, A., sen., Kaufmann. III. 1888. Anderssohnstr. 9.
Asch, S$.sen., Dr. med. I. II. 1857. Schweidnitzerstadtgr. 29.
Asch, Robert, Dr. med., Tauentzienstrasse 6a. 1890.
Auerbach, L., Dr. med., Professor. I. II. III. 1856. Agnes-
strasse 2,
Baum, F., Redacteur und Rittergutsbesitzer. III. VI. VIII
1889. Kaiser Wilhelmstr. 87.
Bauch, 6., Dr. phil., Oberlehrer an der höheren Bürgerschule
Nr. 2. VII. 1883. Ohlauufer 28.
Beck, Otto, Kaufmann. VHI. 1880. Schweidnitzerstadtgr. 30.
Becker, Directorial-Assistent am Schles. Provinzial-Museum.
VII. 1886. Berlinerstr. 56a.
Bender, Ober-Bürgermeister. VIII. 1891. Museumsstr. 7.
Bielschowsky, Emil, Dr. med. I. II. 1889. Ring 15.
Biermer, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Direetor
der medieinischen Klinik und Poliklinik. I. II. VIII. 1874.
Neue Taschenstr. 31.
Bluhm, W., Apotheker. 11. III. IV. 1875. Tauentzienstr. 32b.
Bobertag, Dr. phil, Privat-Docent, Oberlehrer am Real-
gymnasium zum heiligen Geist. VI. 1872. Lehmdamm 60.
Bock, Joh. Andr., Fabrikbesitzer und Apotheker. III. 1853.
Tauentzienstr. 12,
Böttner, F., Dr. phil., Gymnasiallehrer. VI. 1883. Münz-
strasse 10,
27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
34,
35.
36.
37,
38.
39.
40,
41.
42.
43.
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
;‚ Herr Born, Dr.,‚med.,: Professor .;und Proseetor.; 1. II. 1875.
Wallstr. 8.
Bornemann, OÖber-Regierungsrath. VII. 1889. Berliner-
strasse 77.
Bröer, Max, Dr. med., Stabsarzt a.D. I. I. 1874, Carlspl. 3.
Bruck, Julius, Dr. med., Professor. I. II. 1871. Schweid-
nitzerstr, 27.
Bruck, Leonh., Banquier. VI. VIII. 1880. Kaiser Wilhelm-
strasse 14.
v. Brunn, Ober-Bergrath. III. 1888. Claassenstr. 19.
Büchler, Dr. med. I. IH. 1885. Carlsstr. 45.
Buchwald, Dr. med., Privatdocent, dirigirender Arzt des
Wenzel Hancke’schen Krankenhauses. I. II. 1878, Neudorf-
strasse 95.
Burchardt, Dr. med., Sanitätsrath, dirigirender Arzt der
Schlesischen Augen-Heilanstalt. I. II. 1873. Forckenbeck-
strasse 11.
Butter, Fritz, Dr. phil. III. 1892. Grosse Feldstr. 10b.
Caro, Georg, Dr. jur., Kaufmann. VI. VII. 1877. In Berlin.
Caro, Siegmund, Dr. med., Sanitätsrath. I. II. 1868. Garten-
strasse 34.
Caro, Jacob, Dr. phil., Professor. VI. VII. 1886. Kaiser
Wilhelmstr. 85.
Chotzen, M., Dr. med. I. II. 1888. Neue Graupenstr. 7,
Cohn, Ferdinand, Dr. phil. et med., Geh. Regierungsrath,
Professor, Direetor des pflanzenphysiologischen Instituts.
II. III. IV. 1852. Schweidnitzerstadtgr. 26.
Cohn, Hermann, Dr. med. et phil., Professor. I. II. 1864.
Schweidnitzerstadtgr. 24.
Cramer, Ernst, Dr. med. I. I. 1892. Sonnenstr. 28.
Chun, Dr., Professor, Director des zoologischeu Instituts. III
IV. 1891. Heiligegeiststr. 13.
Dickhuth, Gustav, Bürgermeister. VIII. 1884. Fränkelplatz 9.
Dieck, Dr. phil., Hauptm. a. D., Oberlehrer an der Vietoria-
Schule. III. 1875. Blücherstr, 14.
Dieterici, Dr. phil., Professor. III. 1890. Ohlauerstadtgr. 23.
Dittrich, Fürstbischöfl. Ober-Consistorialrath. VIII. 1863.
Domplatz 2.
Dyhrenfurth, Dr. med. I. II. 1879. Moltkestr. 10.
Eckhardt, Wilhelm, Stadtrath. IV. VIIL. 1879. Albrechts-
strasse 37.
Ehrlich, Eugen, Kaufmann und Fabrikant. VIII. 1879,
Schweidnitzerstadtgraben 16,
Mitglieder-Verzeichniss. 13
. Herr Eicke, Dr. med., Sanitätsrath, Besitzer einer Irren-Anstalt.
I. I. 1881. Pöpelwitz.
Eidam, Eduard, Dr. phil., Direetor der agrieulturbotan. Ver-
suchs- u. Samencontrolstation. IV. 1875. Matthiasplatz 6.
Elias, Dr. med., Sanitätsrath. I. II. 1875. Gartenstr. 31.
Elsner, Dr. phil., Redacteur. III. VI. 1840. Grünstr. 22.
Elster, Dr. phil., Professor. VI. VIII. 1888. Vietoriastr. 14.
Freiherr von Falkenhausen, Rittmeister a..D. VI. 1877.
Wallisfurth bei Glatz.
Fendler, Justizratk, Rechtsanwalt und Notar. VIII. 1831.
Palmstr. 27.
Fiedler, Dr. phil., Director der Königl. Ober-Realschule. II.
1859. Lehmdamm 3.
Filehne, Dr. med., Professor, Director des pharmakologischen
Instituts. I. II. 1386. Blumenstr. 3b.
Fischer, B., Dr. phil., Direetor des chemischen Untersuchungs-
Amts. Ill. 1892. Klosterstr. 74.
Flügge, Dr. med., Professor, Director des hygienischen In-
stituts. I. 1887, Ohlauerstadtgr. 16.
Förster, Dr. med., Geh. Medicinalrath, Professor, Director
der ophthalmiatrischen Klinik. I. II. 1855. Ohlauerstadt-
graben 17/18.
Foitzick, M., Ober-Bergrath. III. 1890. Tauentzienstr. 26.
Frank, H,, Rentier. III. VIII. 1890. Kronprinzenstr. 43.
Franke, Dr. phil, Lehrer am Realgymnasium zum heiligen
Geist. III. IV. 1886. Neue Matthiasstr. 9.
Fränkel, Ernst, Dr. med., Privatdocent. I. I. 1871.
Tauentzienstr. 67.
Fränkel, Gustav, Dr. med., Sanitätsrath. I. I. 1874.
Neue Schweidnitzerstr. 16.
Fränkel, S$., Dr. med. I. 1881. Kaiser Wilhelmstrasse 73.
Freund, E. S., Dr. med. I. 1I. 1889. Schweidnitzerstadt-
graben 27.
Freund, Justizrath, Rechtsanwalt und Notar. VIII. 1865.
Schweidnitzerstadtgraben 20.
Freund, C. B., Dr. med., Privatdocent. I. II. 1884. Schiller-
strasse 7.
Fridrichowiez, Apotheker. III. IV. 1888. Adalbertstr. 17.
Friedenthal, A., Kaufmann. VII. 1887. Königsplatz 6.
Friedländer, Julius, Stadtrichter a. D., Director der Bresl.
Wechslerbank. VIU. 1879. Schweidnitzerstadtgraben 18.
Friedlieb, Dr. theol., Professor. VII. 1847. Schmiede-
brücke 35,
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
. Herr Frief, Alfred, Königl. Regierungs- und Gewerberath. 1.
1875. Fränkelplatz 9.
Fritsch, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Director
der geburtshilflichen Klinik. I. II. 1882. Maxstr. 5.
Fritsch, Apothekenbesitzer. III. IV. 1837. Blücherplatz 3.
Fuhrmann, Wilhelm, Dr., Sanitätsrath, Direetor der Prov.-
Hebammen-Lehranstalt. I. II. 1879. Kronprinzenstr. 23/25.
Galle, Dr. phil., Geh. Regierungsrath und Professor, Direetor
der Sternwarte. VI. 1852. Universität.
Gerlach, Dr., Privatdocent. VIII. 1890. Ohlauufer 28.
Goldschmidt, Michael, Kaufmann. VIII. 1870. Freiburger-
strasse 24.
Gottstein, Dr. med., Professor. I. I. 1866. Gartenstr. 8.
Grempler, Dr. med., Geheimer Sanitätsrath. I. II. 1854.
Gartenstrasse 35b.
Grosspietsch, J., Hoflieferant. VIII. 1887. Schweidnitzer-
stadtgraben 22.
Grünhagen, Dr. phil., Geheimer Archiv-Rath und Professor,
VI. 1851. Neue Taschenstr. 17.
Grünhagen, Wilh., Apotheker. III. IV. 1881. Moritzstr. 7.
Grüttner, Oscar, Kaufmann. IV. 1883. Ring 41.
Grüttner, Curt, Regierungsrath. VIII. 1890. Kaiser Wilhelm-
strasse 70.
Grund, Max, Kaufmann. VIII. 1880. Kaiser Wilhelmstr. 22.
Gühmann, P., Dr. med., I. II. 1892. Neumarkt 22.
Guttmann, Albrecht, Kaufmann. VIII. 1887. Zwingerstr. 5a.
Haber, Siegfried, Kaufmann. VIII. 1887. Nikolaistadtgr. 9.
Härtel, H., Fabrikant chirurgischer Instrumente. I. II.
1873. Weidenstr. 33.
Hainauer, Hermann, Particulier. III. VIII. 1866. Schiller-
strasse 8.
Hainauer, Julius, Commissionsrath, Buchhändler. II. VIH.
1871. Schweidnitzerstr. 52.
Hancke, Dr. jur., Gerichts-Assesor. VIII. 1390. Tauentzien-
platz 11.
Hannes, Dr. med. I. II, 1873. Neumarkt 18.
Hecke, Oscar, Dr. med., Arzt am Barmherz. Brüderhospital.
I. II. 1880. Forekenbeckstr. 9.
Heidenhain, Dr. med., Geheimer Medieinalrath, Professor,
Director des physiologischen Instituts. I. II. 1859. Ohlauer-
stadtgraben 16.
Heilborn, Max, Dr. med. I. II. 1876. Junkernstr. 12.
Heilbrun, $., Dr, med. I. I. 1892. Tauentzienplatz 9,
96.
97.
98.
92.
100.
101.
102.
103.
104,
105.
106.
107.
108.
109.
110.
111,
112.
113.
114.
115.
116.
117.
118.
119.
120,
121.
Mitglieder-Verzeichniss. 15
Herr Heimann, Dr. med. I. II. 1877. Telegraphenstr. 7.
—
Heimann, Geh. Commerzienrath und Banquier. VIII. 1885.
Ring 33.
Heinrich, Th., Kaufmann. VII. 1890. Alexanderstr. 22,
Heinsius, Ober-Regierungsrath. VII. 1887. Am Oberschl.
Bahnhof 20.
Heinz, Dr. med., Privatdocent. I. II. 1891. Brüderstr. 32.
Heller, Dr. med. I. IH. 1853. Neumarkt 27.
Hensel, Paul, Stadtgerichtsrath a. D. IH. VI 1877.
Garvestr. 16.
Hermann, Regierungsrath und Eisenbahn-Director. VII.
1886. Am Oberschles. Bahnhof 20.
Hiller, Dr. med., Stabsarzt und Privat-Docent. I. II. 1883,
Friedrich-Wilhelmstr. 71.
Hintze, Dr. phil., Professor, Director des mineral. Museums.
III. 1837. Moltkestr. 7.
Hirt, Ludwig, Dr. med., Professor. I. II. 1871. Museums-
platz 3.
Holdefleiss, Dr. phil., Professor, Director des landwirth-
schaftl. Instituts. IL. IV. 1879. Rosenthalerstr. 1b.
Holz, Albert, Banquier. VIII. 1887. Gartenstr. 46.
Honigmann, Dr. jur., Rechtsanwalt. VII. 1887. Carls-
strasse 23.
Hübner, General - Landschafts - Syndikus a. D., Geheimer
Regierungsrath. VII. 1854. Am Oberschl. Bahnhof 8.
Hübner, A., Stadtrath u. Kaufmann. VIII. 1856. Albrechts-
strasse 51.
Huiwa, Franz, Dr. phil., vereideter Chemiker. Il. 1871.
Tauentzienstr. 68.
Jacobi, J., Dr. med., Privatdocent, Sanitätsrath, Bezirks-
Physikus von Breslau. I. II. 1874. Moltkestr. 18.
Jänicke, Arthur, Dr. med. I. II. 1880. Neue Taschen-
strasse 12,
Janicke, Otto, Dr. med., dirigirender Arzt des Augusta-
Hospitals. I. II. 1880. Ohlauerstadtgraben 23.
Jünger, A., Buchhändler. VI. VIII. 1884. Bismarckstr. 16.
Juliusburger, Eduard, Dr. med. I. I. 1874. Neue
Schweidnitzerstr. 17.
Junger, Ernst, Kunstgärtner. IV. 1872. Lehmdamm 34.
Kabierske, Dr. med, I. II. 1859. Klosterstr, 81.
Kamm, M., Dr. med. I. II. 1890. Matthiasplatz 1.
Kauffmann, $., Kaufmann und Fabrikbesitzer. VIII. 1887.
Tauentzienplatz 3a.
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Culiur.
. Herr Kauffmann, Max, Fabrikbesitzer. VIII. 1888. Museums-
platz 2.
Kayser, Dr. med. I. II. 1884. Königsstr. 11.
Kayser, Johann, Dr. theol., Dompropst, Professor. VII. 1884.
Domstr. 6.
Keil, Dr. jur., Staatsanwalt. VIII. 1887. Augustastr. 51.
Kemna, Julius, Fabrikbesitzer. VIII. 1880. Kaiser Wilhelm-
strasse 64.
Kempner, Dr. med., Sanitätsrath. I. II. 1873. Tauentzien-
platz 15.
Kindel, W., Ober-Landesgerichtsrath. VII. 1892. Palm-
strasse 30.
Kirsch, Oberst z. D. II. VI. 1885. Moritzstr. 25.
Kny, Dr. phil., Professor, Director des pflanzenphysiologischen
Instituts der Universität und der landwirthschaftl. Hochschule
in Berlin. Wilmersdorf bei Berlin. III. 1869.
Kolbenach, Staatsanwalt. VIII. 1888. Teichstr. 3.
Köbner, Hugo, Dr. med. I. II. 1880. Schweidnitzerstr. 9.
Köhler, General-Major z. D. VI. VII. 1874. Am Ober-
schlesischen Bahnhof 24.
Körber, W., Dr. phil, Gymnasiallehrer. VI. VII. 1883.
Neudorfstr. 38.
Körner, Theodor, Dr. med. I. II. 1875. Claassenstr. 7.
Körner, Paul, Fabrikbesitzer. VIII. 1885. Kaiser Wilhelm-
strasse 42.
Kohn, Richard, Dr. med. I. II. 1834. Telegraphenstr. 9.
Kolaezek, Dr. med., Professor. J.. Il..:'1875. Kaiser
Wilhelmstr. 58.
Kopisch, Stadtrath und Kaufmann. VIII. 1889. Ernststr. 7.
von Korn, H., Stadtältester und Verlags-Buchhändler. III. VI.
1853. Schweidnitzerstr, 47.
Krause, Robert, Dr. med. I. II. 1890, Friedrich-Wilhelms-
strasse 2a. |
Krebs, Dr. phil., Oberlehrer an dem Realgymnasium am
Zwinger. VI. 1873. Kaiser Wilhelmstr. 14.
Krönig, Regierungs-Rath. VIII. 1887. Am Oberschlesischen
Bahnhof 9. |
Kruse, Dr. phil., Privat-Docent. VI. 1890. Garvesir. 2.
Kunisch, H., Dr. phil., Lehrer an der katholischen höheren
Bürgerschule. III. VI, 1883. Friedrichstr. 84/86.
Kutzleb, Dr, phil., General-Seeretair des Landwirthschaftl.
Centralvereins. VIII. 1888. Matthiasplatz 6. .
Kuznitzky, Dr. med. I. IL, 1892. Neue Taschenstr, 33,
Mitglieder-Verzeichniss. 17
148. Herr Ladenburg, Dr. phil., Geh. Regierungs-Rath, Professor,
149,
150.
151.
49
Director des chem. Instituts. III. 1889. Kaiser Wilhelm-
strasse 43,
Lange, Dr. med., Geh. Sanitätsrath. I. II. 1853. Ursu-
linerstr. 5/6.
Landmann, Dr. med. I. II. 1890. Tauentzienstr. 4.
Langenhan, A., Bezirks-Bevollmächtigter der Lebens-Ver-
sicherungsbank für Deutschland in Gotha. III. IV. 1881.
Gartenstr. 23c.
Lasinski, Dr. med. I. II. 1874. Taschenstr. 19.
Lesser, Adolf, Dr. med., Professor, gerichtl. Stadt-Physikus,
I. 1886. Teichstr. 5.
Limpricht, G., ordent, Lehrer an der höheren Bürgerschule
Nr. 2. IV. 1877. Palmstr. 29.
Lion, Dr. med. I. II. 1869. Herrenstr. 20.
Lorinser, Dr. theol., Domeapitular. IV, 1859. Domstr. 19.
Lühe, W., Amtsgerichts-Rath und Hauptmann. VI. VII.
1884. Palmstr. 26. |
Lunge, Carl, Dr. jur., Amtsger.-Rath, VIII. 1880. Königs-
platz 3b.
Magnus, Hugo, Dr. med., Professor. I. II. 1832. Am Ober-
schlesichen Bahnhof 23.
Malachowski, E., Dr. med. I. II. 1889. Schweidnitzer-
strasse 28.
Mannowsky, Reichsbank-Direetor. VIII. 1891. Wallstr. 11.
Markgraf, Dr. phil., Professor, Stadt-Bibliothekar u. Archivar.
VI. VII. 1865. Rossmarkt 7/9.
Martius, Georg, Stadtrath. VIII. 1887. Vorwerksstr. 29.
Martini, Dr. med. et phil., Sanitäts-Rath. I. I. 1871.
Taschenstr. 25,
Martins, Kgl. Reichsbank-Director a. D., Geh. Regierungs-
Rath. II. 1873. Kleinburg.
Maschke, Dr. phil., Medicinal-Assessor und Apotheker. I.
III. 1855. Ohlauufer 31.
Graf von Matuschka, Kgl. Forstmeister a. D. IV. 1872.
An der Kreuzkirche 4,
Merkel, E., Lehrer am Realgymnasium zum heil. Geist. II.
IV. 1884, Thiergartenstr. 43.
Methner, Alf., Dr. med., dirigirender Arzt bei Bethanien.
I. I. 1891. Klosterstr. 86.
Meyer, OÖ. E., Dr. phil., Professor, Geh. Regierungs-Rath,
Direetor des physikalischen Cabinets, III. 1878, Schuh-
brücke 38/39.
18
178.
150.
181.
182.
183.
184,
185.
186,
187,
188,
189.
190,
191,
192.
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
. Herr Meyer, $., Dr. med., Sanitätsrath. I. II. 1887. Tauentzien-
platz 3.
Mez, Carl, Dr. phil., Privatdocent. IV. 1890. Monhaupt-
strasse lc.
Mileh, Ludwig, Dr. phil., Assistent am mineralogischen
IV. 1892. Tauentzienplatz 12.
Milch, Benno, Commissionsrath und Director der Breslauer
Baubank. III. VIII. 1863. Holteistr. 44.
Mikuliez, Dr. med., Geh. Medieinalrath und Professor, Di-
reetor der chirurgischen Klinik. I. I. 1890. Villa Sachs
Maxstrasse.
Molinari, Leo, Geh. Commerzienrath, italienischer Consul.
vill. 1883. Kaiser Wilhelmstrasse 113.
Morgenstern, E., Verlags-Buchhändler. VIII. 1861, Garve-
strasse 18.
Müller, Max, Verlags-Buchhändler. III. IV. 1869. Teich-
strasse 8.
Müller, Julius, Apotheker. II. III. 1873. Kaiser Wilhelm-
strasse 17.
Müller, Ernst, Oberamtmann. III. 1866. Matthiasplatz 13.
Mugdan, Joachim, Kaufmann. VII. 1877. Ring 49.
Neefe, Dr. phil., Director des städtischen statistischen Amts.
VI. VIII. 1887. Klosterstr. 24.
Neisser, Albert, Dr. med., Prof., Director der Universitäts-
Klinik für Hautkrankheiten. I. II. 1882. Museumsstr. 11.
Nesemann, Dr. med., Bezirks-Physikus. I. II. 1891. Kaiser
Wilhelmstrasse 54.
Neumeister, Dr. med. I. II. 1873. Klosterstr. 88.
Neustadt, L., Dr. phil. VI. VIII. 1887. Neue Graupen-
strasse 11.
Niche, Edmund, Apotheker. IV. VIII. 1885. Charlotten-
strasse 10.
Freiherr Juncker von Ober-Conreut, Wirklicher Geh.
Ober-Regierungs-Rath, Regierungs-Präsident. VI. 1877.
Königliche Regierung.
Opitz, Otto, Kaufmann u. Fabrikbesitzer. VIII. 1888. Ohlauer-
Stadtgraben 20.
Pannes, Dr. phil., Apotheker. U. III. 1874. Neue Graupen-
strasse 9.
Partsch, Carl, Dr. med,, Professor. I. II. 1880. Tauentzien-
strasse 11.
Pfannenstiel, Dr. med., Privatdocent. I, II. 1891. Kloster-
strasse 1f,
Mitglieder-Verzeichniss. 19
193. Herr Peiper, R., Dr. phil., Prof., Gymnasial-Oberlehrer. VI. VII.
194.
197.
198.
139;
200,
201.
202.
203.
204.
205.
206.
207.
208.
209.
210.
211.
212.
213.
214,
1867. Paulstr. 20.
Plüddemann, Stadt-Baurath. I. VIII. 1887. Kaiser Wilhelm-
strasse 58.
Poleck, Dr. phil, Geh. Regierungs-Rath und Professor,
Director des pharmaceutischen Instituts. II. III 1868.
Schuhbrücke 38/39.
Ponfick, Dr. med., Geh. Medicinalrath, Professor, Director
des pathologischen Instituts. I. II. 1878. Novastr. 3.
Poppe, Oscar, Rechtsanwalt. VIII. 1887. Hummerei 57.
Prantl, Dr. phil., Professor, Director des botanischen Gartens.
IIL, IV. 1889. An der Kreuzkirche 3.
Pringsheim, Max, Kaufmann. VII. 1888. Garten-
strasse 22a.
Pringsheim, Fedor, Stadtratb. VIII. 1892. Schweidnitzer
Stadtgraben.
von Prittwitz und Gaffron, Regierungs-Referendar a. D.,
VI. 1873. Teichstr, 8,
Graf von Pückler, Königl. Wirklicher Geheimer Rath,
Excellenz, Ober-Mundschenk, General-Landschafts-Director
und Königl. Kammerher. VIII. 1875.
Graf v. d. Recke-Volmerstein, General-Landschafts-Re-
präsentant und Königlicher Kammerherr. IH. VI. 1863.
Kleinburg.
Reich, Carl, Dr. med. I. II. 1875. Neue Graupenstr. 14.
Reichelt, Const., Dr. med., Sanitäts-Rath. I. II. 1880,
Matthiasplatz 17.
Reimann, Dr. phil., Professor, Direetor des Realgymnasiums
zum heiligen Geist. VI. 1847. Augustaplatz 1.
Reinbach, Dr. med. I. II. 1874. Freiburgerstr. 24.
Reinkober, Dr. med., Königl. Kreiswundarzt. I. II. 1887.
Bahnhofstr. 17.
Reitzenstein, Herm., Amtsrichter, Ohlauerstadtgraben 17.
Richter, Emil, Dr. med., Medieinalrath, Professor. I. II.
1872. Neue Taschenstr. 21.
Riehter, Dr. med., Sanitätsrath., I. II. 1889. Tauentzien-
strasse 84b.
Richter, Bruno, Kunsthändler. VIII. 1886. Schweidnitzer-
strasse 8.
Richter, H., städtischer Garten-Inspector. IV, 1887. Breite-
strasse 25.
Riegner, Oscar, Dr. med,, Primair-Arzt am Allerheiligen-
Hospital, I. II. 1874,
9%*
237.
233.
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
. Herr Riemann, Paul, Kaufmann. VII. 1880. Kupferschmiede-
strasse 8.
Riesenfeld, B., Dr. med. I. II. 1874. Ohlauer-Stadt-
graben 28.
Riesenfeld, E., Dr. med. I. II. 1887. Tauentzienstr. 1.
Röhmann, Dr. med., Privatdocent, Assistent am physiolog.
Institut. I. II. 18883. Ohlauerstadtgraben 16.
Röpell, Dr. phil., Geh. Regierungs-Rath und Professor. VI.
1843. Zimmerstr. 14.
Röpell, M., Regierungs-Rath und Eisenbahn-Direetor. VIII,
1888. Berlinerplatz 20.
Rosemann, Dr. med. I. II. 1877. Hirschstr. 35.
Rosen, F., Dr. phil., Assistent am pflanzenphysiolog. Institut.
IV. 1891. Kleine Domstr. 7.
Rosenbach, Dr. med., Professor, Primär-Arzt am Aller-
heiligen-Hospital. I. II. 1878. Königsplatz 6.
Rosenfeld, Georg, Dr. med., Badearzt. 1. II. 1886. Taschen-
strasse 25.
Rosenthal, Carl, Kaufmann. VIII. 1887. Freiburgerstr. 34.
Rügner, Dr. med., Sanitätsrath. I. II. 1870. Tauentzien-
strasse 79.
Sachs, Emil, Kaufmann und Rittergutsbesitzer. VIII. 1888.
Gartenstr. 9.
Sandberg, Ernst, Dr. med., dirig. Arzt am Fränkel’schen
Hospital. I. II. 1876. Junkernstr. 1/2.
Schäfer, Friedrich, Dr. med. I. I. 1881. Königsplatz 1.
Schieweck, Dr. phil,, Oberlehrer an der evang. höheren
Bürgerschule Nr. 1. IV. 1875. Siebenhufenerstr. 32.
Schiff, Dr. phil., ordentl. Lehrer am Johannes-Gymnasium.
II. IV. 1888. Mauritiusstr. 16.
Schlesinger, Dr. med. I. II. 1881. Ring 57.
Schlesinger, Julius, Kaufmann. VII. 1887. Kaiser Wil-
helmstrasse 77.
Schmarsow, Dr. phil., Professor, Director des Instituts für
neuere Kunstgeschichte. VII. 1885. Geartenstrasse 32.
Schmeidler, Dr. med., Sanitätsrath. I. II. 1870. Schweid-
nitzerstadtgraben 21b.
Schmidt, H., Ober-Regierungs-Rath a. D. VI. VII. 1885.
Breitestr. 28.
Schmiedel, Dr. med., Sanitätsrath, Bezirks-Physikus der
Stadt Breslau. I. II. 1882. Tauentzienstr. 68a.
Schnabel, Dr. med., Sanitätsrath, dirigirender Arzt des Barmh,
Brüder-Hospitals. I. II. 1874. Taschenstr. 13/15.
. Mitglieder-Verzeichniss. 91
239. Herr Schollmeyer, Ober-Bergrath. III. 1890. Kaiser Wilhelm-
240,
241.
242,
243,
244,
245,
246,
247.
248.
249.
250,
251.
252.
253.
254.
259.
256.
257,
258.
259.
strasse 97.
Schöller, Leop., Geh. Commerzienrath. VII. 1874, Königs-
platz 5a.
Schönborn, Dr. phil., Oberlehrer an dem Realgymnasium
zum heiligen Geist. VI. VII. 1875. Paulstr. 9.
Schott, M. G., Kaufmann und Fabrikbesitzer, VII. 1879,
Matthiasstr. 28a.
Schottländer, Julius, Banquier und Rittergutsbesitzer. VIII,
1874. Tauentzienplatz 2.
Schröter, Dr. med., Professor, Ober-Stabs- u. Regimentsarzt,
I. IV. 1880. Kohlenstr. 12,
Schube, Theodor, Dr. phil., Lehrer am Realgymnasium am
Zwinger. IV. 1886. Tauentzienstr. 65.
Schück, Dr. phil., Professor und Prorector a. D. VII. 1847.
Tauentzienstr. 68a.
Schulze, Dr. phil., Direetor der agriculturchemischen Ver-
suchsstation des landwirthschaftlichen Centralvereins. II.
IV. 1886. Matthiasplatz 14.
Schwahn, Dr. med., Sanitätsrath, Ober-Stabsarzt a. D. und
Kreis-Physikus. I. II. 1883. Seminargasse 13.
Seidel, Hermann, Fabrikbesitzer und Kaufmann, VIII. 1872.
Ring 27.
Senftleben, Dr. med., Ober-Stabsarzt a. D. I. II. 1876.
Kaiser Wilhelmstr. 13.
von Seydewitz, Dr., Königl. Wirklicher Geheimer Rath,
Ober-Präsident der Prov. Schlesien und Curator der Königl.
Universität, Excelienz. VIII. 1880.
Silbermann, Dr, med. I. II. 1877. Tauentzienplatz 6.
Simm, Felix, Dr. med. I, II. 1876. Carlsstr. 21.
Simon, Hermann, Dr. med. I. IL 1885. Garten-
strasse 15,
Skene, Carl, Kaufmann u, Fabrikbesitzer. VIII, 1880. Königs-
platz 5a,
Skutsch, Dr. med., Sanitätsrath, I, Il. 1880. Tauentzien-
strasse 26b.
Soltmann, Dr. med., Professor, dirig. Arzt des Wilhelm-
Augusta-Hospitals.. I. II. 1875. Gartenstr. 29a.
Sombart,Dr. phil., Professor. VIII. 1890. Kaiser Wilhelm-
strasse 101.
Sommerbrodt, Dr. med., Professor. I. Il. 1865. Neue
Taschenstr, 6,
22
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
260. Herr Spiegel, Steindruckerei - Besitzer. II. III. 1868. Neue
261.
262.
263.
264.
2695.
266.
267.
268.
269.
270.
271.
272.
273.
274,
275.
276.
277.
278.
279.
280,
281.
282.
233.
Schweidnitzerstr. 4.
Spitz, Baruch, Dr.med. I. II. 1890. Neue Schweidnitzerstr. 1.
Steinitz, $., Dr. med. I. II. 1877. Eraststr. 7.
Steinschneider, Dr. med., Badearzt. I. II. 1890. Moritz-
strasse 15.
Stenzel, Dr. phil., Professor und Oberlehrer a. D. III. IV.
VI. 1858. Ohlauerstadtgraben 26.
Suermondt, William, Bergwerksbesitzer. Kaiser Wilhelm-
strasse 97.
Stern, Emil, Dr. med,, Sanitätsrath, Kreis-Wundarzt. I. I.
1873. Tauentzienplatz 3.
Steuer, Philipp, Dr. med., Stadtrath. I. II. 1873. Neue
Taschenstr. 3,
Strube, Dr. med., Generalarzt I. Kl. des VI, Armee-Corps.
I. II. 1885. Museumsstr. 7.
Töplitz, Th., Dr. med. I. I. 1875. Teichstr. 2.
von Trautschold, Dr., Wirklicher Staatsrath und Pro-
fessor, Excellenz. III. IV. 1888, Kaiser Wilhelmstr. 87.
Treu, Professor, Direetor des Königl. Friedrich-Gymnasiums.
VI. 1884. Carlsstr. 20.
Trewendt, Ernst, Verlags-Buchhändler. III. IV. 1880.
Tauentzienplatz 7.
Tscehackert, Dr. phil., Geh, Regierungs- und Provinzial-
Schulrath, Professor. VI. 1883. Garvestr, 13.
von Tschepe, Geh. Bergrath. II. 1864. Klosterstr. 22a.
Ulrich, Dr. med., Medicinal-Assessor u. Departements-Thier-
arzt. II. IV. 1873. Bahnhofstr. 23.
Viertel, Dr. med. I. II. 1875. N. Schweidnitzerstr. 12.
Völker, Hermann, Fabrikbesitzer. VIII. 1881. Kleinburg.
Volkmann, W., Dr. phil, Gymnasiallehrer. VII. 1883.
Bismarckstr. 39.
Wagner, E., Dr. phil., Mathematiker. III. VIII. 1892. Moritz-
strasse 29.
von Wallenberg-Pachaly, Gotth., Banquier und Consul
von Schweden und Norwegen. VII. 1887. Kaiser Wil-
helmstrasse 112.
Walter, Stadtrath und Rittergutsbesitzer. II. 1855. auf
Eisenberg. |
Weber, Generalmajor z. D. II. IV. V. 1868. Tauentzien-
platz 4.
Weiske, Dr. phil., Professor, Direetor des thierchemischen
Institnts. II. II. 1881. Moltkestr. 18,
Mitglieder-Verzeichniss. 33
284. Herr Weissstein, A., Dr. phil., Apothekenbesitzer. I. II. 1878.
285. —
286. —
ARAE
BB
289. —
290. —
291. —
292. —
293. —
294, .—
295. —
296. —
297. —
2938. —
299. —
1. Herr
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Hintermarkt 4.
Werner, Hermann, Apotheker. II. III. IV. 1868. Ring 44.
Wernicke, C., Dr. med., Medieinalrath, Professor, Direetor
der psychiatrischen Klinik und Poliklinik. I. 1885. Kloster-
strasse 87,
Werther, Adolf, Commerzienrath, VII. 1876. Schweid-
nitzerstadtgraben 24.
Wiener, Max, Dr. med., Professor, I. 1879. Tauentzienstr. 65.
Wiskott, Theod., Commerzienrath. VIII. 1872. Ohlauufer 6.
Wiskott, Max, Fabrikbesitzer und Kaufmann, II. VIH.
1872. Kaiser Wilhelmstr, 69,
Wocke, Dr. med. I. V. 1847. Klosterstr. 87.
Wolff, Paul, Kaufmann. IV. 1870. Klosterstr. 86.
Wolff, Dr. med., Geh. Regierungs- und Medieinalrath. I. II,
1865. Flurstr. 3,
Wolff, Hugo, Director. II. VIII. 1891. Forckenbeckstr, 8.
Wolffberg, Dr. med. I. II. 1887. Freiburgerstr. 9.
Wollner, Dr. med., Geh. Sanitätsrath. I. 1876. Schweid-
nitzerstadtgraben 16b.
Graf York von Wartenburg, Paul, Majoratsbesitzer. VIII,
1866. Klein-Oels.
Zahn, A., Director. III. 1890. Brüderstr. 3f.
Zopf, Oberlehrer an dem Realgymnasium zum heiligen Geist.
III. IV. 1877. Lehmdamm 8.
B. Wirkliche auswärtige Mitglieder.
Adler, $., Dr., Sanitätsrath u. Kreis-Physikus in Brieg. 1890.
Alter, Dr., Sanitätsrath, Director der Provinzial-Irrenanstalt
in Leubus. 1886.
Altmann, L., Kaufmann in Kattowitz. 1839.
Apfeld, Fabrikbesitzer in Neisse, 1888.
Becker, C., prakt. Arzt in Liegnitz. 1886.
vom Berge-Herrndorf, Major a. D. in Neisse. 18883,
Beyersdorf, Schichtmeister in Beuthen 08. 1888.
Block, Salo, Kaufmann in Kattowitz. 1889,
Bock, Louis, Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Brand I., Hauptmann und Batteriechef in Neisse. 1888,
Braune, Ferd., Oekonomie-Rath und Rittergutsbesitzer auf
Krickau bei Namslau. 1854.
Donders, Maschinen-Inspector in Kattowitz, 1889.
Dyhrenfurth, Walter, Rittergutsbesitzer in Jacobsdorf bei
Kostenblut. 1889.
24
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
14. Herr Dyhrenfurth, Felix, Dr. in Schockwitz bei Kattern. 1889.
15.
16.
17,
18.
19;
20.
21.
22.
23.
24,
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
33.
34,
39.
36.
37,
38.
39.
40,
41.
42.
43.
44,
49.
Ehrlich, Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Epstein, Rechtsanwalt in Kattowitz. 1889.
Färber, Dr. med., Sanitätsrath und Kreisphysikus in Katto-
witz. 1889.
Feige, Julius, Mühlenbesitzer in Kattowitz. 1889.
Felsmann, Dr. med. in Dittmannsdorf, Kreis Waldenburg.
1855.
Fernbach, Kaufmann in Zawodzie bei Kattowitz. 1889.
Fiebig, Dr., Gymnasial-Oberlehrer in Beuthen OS. 1887.
Fiseher, Hermann, Kaufmann in Kattowitz. 1889.
v. Forckenbeck, Max, Dr. jur., Oberbürgermeister in Berlin,
1874,
Frank, Erich, Gutspächter bei Rustschuck in Bulgarien. 1885.
von Frankenberg-Ludwigsdorf, General-Major z. D. auf
Nieder-Schüttlau. 1870.
Freund, Dr. med., Sanitätsrath in Gleiwitz. 1889.
Friedländer, Emil, Kaufmann in Brieg. 1890,
Glaser, Dr. med., prakt. Arzt in Kattowitz. 18839,
Glaser, Hüttenmeister in Kunigundenhütte bei Kattowitz.
1889.
Glaser, Mühlenbesitzer in Kattowitz. 1889.
Gewerbe-Verein für Gleiwitz und Umgegend in Gleiwitz. 1872.
32. Herr Goldstein, Dr. med,, prakt. Arzt und Stadtrath in Kattowitz,
1889.
Goldstein, A., Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Goldstein, M., Maurermeister in Kattowitz. 1889,
Grossmann, Dr. phil., Archivrath und Archivar des Königl.
Haus-Archivs in Berlin. 1870.
Grotefend, Dr. phil., Stadt-Archivar in Frankfurt a. M,
1872.
Haake, H., Fabrikbesitzer in Brieg. 1890.
Harttung, Helmuth, Apotheker und Stadtrath in Jauer, 1886.
Haupt, ©. E., Königl. Gartenbau-Direetor in Brieg. 1890.
Heidborn, C., Bürgermeister in Brieg. 1890.
Heimann, Max, Dr., Rittergutsbesitzer auf Wiegschütz bei
Cosel O8. 1865.
von Hellmann, Dr. jur., Stadtrath und Rittergutsbesitzer auf
Schloss Dalkau bei Quaritz. 1854.
Hennet, Dr. med,, Ober-Stabsarzt in Görlitz. 1869.
Hirche, Apotheker in Landeck. 1881.
Freiherr von Huene, Hauptmann a. D. auf Mahlendorf bei
Grüben. 1865.
Mitglieder-Verzeichniss. 35
46. Herr Jäkel, Otto, Dr. phil. in Neusalz a. ©. 1887.
47.
48,
Jochmann, Gas- und Betriebs-Direetor in Liegnitz. 1886.
Kahlbaum, Dr. med., Director der Heilanstalt in Görlitz.
1882.
Kaluza, R., Gymnasiallehrer in Kattowitz. 1889.
Kletschke, Landgerichtsrath in Schweidnitz. 1891.
Kleudgen, Dr. med., Director der Irrenanstalt in Obernigk.
1I. 1881.
Knauer, A,, Pfarrer in Reinbeck bei Hamburg. 1881.
Kölling, Heinrich, Dr., Superintendent und Pastor in Rosch-
kowitz bei Pitschen. 1872,
Koffmane, Gustav, Lie. theol., Pastor in Kunitz. 1881.
Kossmann, Landgerichtsrath in Liegnitz. 1886.
Krause, Dr. med., Geh. Sanitätsrath in Liegnitz. 1886.
Kramsta, Richard, Rentier in Dresden. II.
von Kramsta, Georg, Rittergutsbesitzer in Frankenthal.
1880.
Kreuschner, Rudolf, Steuerrath in Frankfurt a. M. 1886.
Krieg, Otto, Fabrik - Director in Eichberg bei Schildau.
1874. |
Kühn, Julius, Dr, phil, Geh. Regierungs -Rath und Professor
in Halle a. 8. 1858.
von Kulmiz, Paul, Dr. phil. und Rittergutsbesitzer auf Con-
radswaldau bei Saarau. 1864.
Kuznitzky, Ernst, Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Landsberger, Ad., Bankier in Kattowitz. 1889.
Langner, Dr. med. in Gnadenfrei i. $. 1891.
Latzel, J., Fabrikbesitzer in Barzdorf bei Schwammelwitz.
1859.
Lehmann, Dr., Professor, Director in Kiel. 1884.
Limpricht, Max, Schulvorsteher in Rüdersdorf bei Berlin.
1890.
Loebinger, Dr. med., prakt. Arzt tn Kattowitz. 1889.
Lüddecken, Ernst, Dr. med. in Liegnitz. 1886.
Lustig, Georg, Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Mannigel, Dr. med., Ober-Stabsarzt in Glogau. 1888.
Mattheus, Banquier in Liegnitz. 1886.
Menzel, Bergmeister und Hütten-Direetor in Kattowitz. 1889,
Metke, A., Hütten-Inspeetor in Baildonhütte bei Kattowitz.
1889.
Neisser, Dr., Sanitätsrath in Berlin W., Matthäikirchstr. 13.
1886,
Neisser, Clemens, Dr. med,, Assistenzarzt in Leubus. 1889,
26
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
78. Herr Nentwig, Erster Staatsanwalt in Memel. 1887,
13
80.
81.
82.
83.
84,
85.
86.
87.
88
89
90
91
92,
93.
94.
95.
96.
37.
98.
99,
100.
101.
102.
103.
104.
105.
106,
107,
108,
—
—
——
Neutschel in Miechowitz bei Kattowitz. 1889.
Nitschke, Th., Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Nothmann, Julius, Kaufmann in Kattowitz. 1889,
Nothmann, Max, Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Oelsner, Ludwig, Dr. phil., Professor in Frankfurt a. M.
1853.
Oertel, Ottomar, Oberbürgermeister in Liegnitz. 1886.
Ollendorff, Moritz, Kaufmann in Berlin SW., Königgrätzer-
strasse 28. 1839.
Peltasohn, Justizrath, Rechtsanwalt und Notar in Liegnitz.
1886.
Pfeiffer, Dr. phil., Apotheker in Schweidnitz. 1879.
. Philomatische Gesellsehaft in Glatz. 1856.
. Philomathie in Reichenbach in Schl.
. Se. Durchlaucht der Herzog von Ratibor, Fürst von Corvey,
Prinz von Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst in Rauden.
1856.
. Herr Rappaport, D., Weinhändler in Kattowitz. 1889.
Richters, Dr. phil., Director der chemischen Fabrik in
Saarau. 1874.
Röder, Dr. med., Geh, Sanitätsrath in Deutsch-Lissa bei
Breslau. 1872.
Röhricht, W., Rechtsanwalt in Liegnitz. 1886,
Rose, H., Realgymnasial-Oberlehrer in Neisse. 1888,
Rüdenburg, B., Markscheider in Kattowitz. 1889.
Sachs, E., Banquier und Stadtältester in Kattowitz. 1889.
von Salisch, Rittergutsbesitzer auf Postel bei Militsch.
1892.
Schalscha, $. M., Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Schirmer, Dr. med., Geh. Sanitätsrath und Kreis- Physikus
in Grünberg. 1862.
Freiherr von Schleinitz, Ober-Forstmeister in Liegnitz.
1892.
Schmidt, Stadtrath in Brieg. 1891.
Schneider, Dr., Ober-Stabsarzt a. D. in Mogwitz. 1888.
Schöffer, Kaufmann in Liegnitz. 1886.
Scholtz, Max, Dr. phil., Privatdocent an der Grossherzogl.
technischen Hochschule zu Carlsruhe in Baden. 1890.
Scholtz, Kreisthierarzt in Reichenbach in Schl. 1891.
Schultze, E., Dr. med. in Görlitz. 1879.
Schumann, Carl, Dr. phil., Custos am Königl. botanischen
Museum in Berlin. 1875.
Mitglieder-Verzeichniss. 937
109. Herr Schwarz, Fr,, Dr., Professor in Eberswalde. III. IV. 1883.
110.
Fit,
112.
113.
114.
115.
116.
117,
115.
219,
120,
121.
122.
123.
124.
125.
126.
127,
128,
129.
130.
131.
132.
135.
134.
135.
136.
137.
138,
139,
140.
—
Schwarz, C., Kaufmann in Liegnitz. 1886.
Schweitzer, Hugo, Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Schweitzer, Simon, Kaufmann in Kattowitz, 1889.
Sehlinke, Gustav, Fabrikbesitzer in Liegnitz. 1886.
Silberstein, Siegfried, Kaufmann in Kattowitz. 1889.
Sittka, Rechtsanwalt in Kattowitz, 1889.
Sonntag, Apotheker in Berlin SO. IV. 1886.
Sperr, jun., Apotheker in Brieg. 1890.
Stadthagen, Dr. med., Sanitätsrath, Kreis-Physikus in
Liegnitz. 1886.
Stahr, Dr., Sanitätsrath und Rittergutsbesitzer auf Wilxen
bei Obernisk. 1831.
Staub, Dr. med., prakt. Arzt in Rosdzin OS. 1839.
Steinfeld, Siegm., Banquier in Liegnitz. 1886.
Stoll, G., Kgl. Oekonomierath, Director em. des pomologischen
Instituts in Proskau. 1866. Breslau.
Graf von Stosch, Georg, Kreisrichter a. D. auf Hartau bei
Langheinersdorf. 1871.
Strahl, Premier-Lieutenant in Neisse. 1888.
Süssbach, Dr., Sanitätsrath in Liegnitz. 1886.
von Tempsky, Hermann, Rittergutsbesitzer auf Baara bei
Schmolz. 1872.
Tietze, J., Maurermeister in Brieg. 1890.
Trautmann, W., Apothekenbesitzer in Liegnitz. 1836.
Treumann, Julian, Dr. phil. in Hannover. 1889.
Troska, Albrecht, Dr. jur., Gerichts-Assessor a. D. in Leob-
schütz. 1882,
Unverricht, H,, Dr. med., Professor in Upsala. 1881.
Völkel, Betriebsführer und Obersteiger in Kohlendorf bei
Neurode. 1860,
Vogel, Hütten-Inspeetor in Rosdzin 08. 1889.
Voltz, Dr., Seceretair des Berg- und Hüttenmännischen Ver-
eins in Kattowitz. 1889.
Vüllers, A., Güter- und Bergwerks-Direetor in Paderborn.
1886.
Wache, A., Regierungsrath in Kattowitz. 1889.
Waeber, R., Seminar-Director in Brieg. 1886.
Wagner, F., Dr. phil., Oberlehrer in Berlin NW. 1889.
Websky, Egmond, Dr., Geh. Commerzienrath in Wüste-
waltersdorf. 1882,
Weltzel, Augustin, Dr., Geistlicher Rath und Pfarrer in
Tworkau bei Kreuzenort, 1860,
28 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
141. Herr Werner, Apotheker in Brieg. 1890.
142. — Wiener, Salomon, Kaufmann in Kattowitz, 1889.
143. — Wilde, Dr., Stabsarzt in Peterswaldau. 1891.
144. — Zahn, Lehrer an der Landwirthschafts-Schule in Brieg. 1890.
145. — Zwanziger, Eberhard, Fabrikbesitzer in Peterswaldau. 1891.
C. Ehren-Mitglieder.
1. Herr Beyrich, Dr. phil., Professor, Geheimer Bergrath, Director
2.
FE ea
21.
22,
der geologischen Landesanstalt in Berlin.
Bunsen, Dr. phil., Professor, Grossherzogl. Wirkl. Geheim-
rath, Excellenz in Heidelberg.
de Candolle, Alphons, Dr., Prof. in Genf.
Dudik, Dr., mährischer Landeshistoriograph in Brünn.
Freund, W. .A., Dr. med., Professor in Strassburg i. E.
Geinitz, Dr. phil., Geh. Hofrath, Direetor des Königl, Mine-
ralien-Cabinets in Dresden.
Grützner, Dr. med., Professor in Tübingen.
v. Hauer, Franz, Dr., K.K. Hofrath und Intendant des K.K.
naturhistorischen Hof-Museums in Wien.
Heine, Dr., Direetor der Ritter-Akademie und Domherr in
Brandenburg a. H.
Heider, Geh. Ober-Regierungsrath und vortragender Rath
im Ministerium der landwirthschaftlichen Angelegenheiten
in Berlin.
Hooker, Sir J. D., Dr. in Bagshot bei London.
Le Jolis, Aug., Dr., Direetor der Societ& nationale des sciences
naturelles in Cherbourg.
Kletke, Dr. phil., Realschuldireetor a. D. in Breslau.
Knoblauch, Dr., Geh. Regierungsrath und Professor, Präsi-
dent der Kaiserlich Carolinisch-Leopoldinisch Deutschen
Akademie der Naturforscher in Halle.
Lister, Sir, Dr., Professor in London,
Lov&n, Dr., Professor der Zoologie in Stockholm.
Menzel, Adolf, Professor, Mitglied des Senates der Königl.
Akademie der Künste in Berlin.
von Miaskowski, Dr., Geh. Hofrath, Professor in Leipzig.
Müller, Carl, Dr. phil. in Halle a. 8.
Baron von Müller, Ferdinand, Dr., Gouvernements-Botaniker,
Director der naturhistorischen Erforschungs-Commission für
Australien in Melbourne.
Freiherr von Nordenflycht, Königl. Ober-Präsident der
Provinz Schlesien a. D.
Baron v. Richthofen, Ferdinand, Dr., Professor in Berlin.
Mitglieder-Verzeichniss. 29
23. Herr Sehönwälder, Dr. phil., Professor in Görlitz.
24,
25.
26.
27.
28.
29,
30.
31.
17.
18.
EEE
en
. Herr
Schwarz, Reichsgerichts-Rath in Leipzig.
v. Staff, genannt v. Reitzenstein, Kgl. General-Lieutenant
a. D., Excellenz, auf Conradsreuth bei Hof in Bayern.
von Uechtritz-Steinkirch, Königl. Kammergerichts-Rath
in Berlin.
Virchow, Dr., Geh. Medieinalrath und Professor in Berlin.
Waldeyer, Dr. med., Geh. Medieinalrath, Professor, Director
der Anatomie in Berlin.
Wattenbach, Dr. phil., Geh, Regierungsrath und Professor
in Berlin.
Willkomm, Dr., Professor, Director des botanischen Gartens
in Prag.
Witte, Landgerichts - Präsident in Neisse.
D. Correspondirende Mitglieder.
Abegg, Dr., Geheimer Sanitätsrath, Director des Kgl. Heb-
ammen-Lehrinstituts in Danzig.
Amo y Mora, Don Marianna del, Dr., Professor in Granada.
Ardissone, Francesco, Professor der Botanik an der land-
wirthschaftlichen Akademie und Director des botanischen
Gartens an der Brera in Mailand.
Arzruni, A., Dr. phil., Professor in Aachen.
Ascherson, P., Dr. phil., Professor der Botanik in Berlin.
Augustin, Wirklicher Geh. Ober-Finanzrath in Karlsruhe.
Freiherr v. Babo, A. W., Director der k. k. oenologischen
und pomologischen Lehranstalt in Klosterneuburg bei Wien.
Bachmann, Dr., Privatdocent in Prag,
Bail, Dr., Professor am Realgymnasium und Direetor der natur-
forschenden Gesellschaft in Danzig.
Bleisch, Dr. med., Kreis-Physikus u. Sanitätsrath in Strehlen.
Blümner, Dr. phil., Professor in Zürich.
Böttiger, Dr. phil., Professor und Hofrath in Erlangen.
Borzi, A., Dr., Professor der Botanik in Messina.
Bosshard, Adolf, Präses des Schweizerischen Obst- und
Weinbau-Vereins in Pfäffikon bei Zürich.
Briosi, Dr., Professor der Botanik in Pavia.
Broca, Dr., Chirurgien des Höpitaux, Professeur aggrege in
Paris.
Bürkli-Ziegler, Stadt-Ingenieur in Zürich,
Buhse, F., Dr. med., Secretair des naturhistorischen Vereins
in Riga,
30
19
. Herr
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Celakovsky, Ladislav, Dr., Professor der Botanik in Prag.
Claus, Dr., Professor der Zoologie in Wien, Director der
zoologischen Station in Triest.
Conwentz, Dr., Professor, Director des Westpreussischen
Provinzial-Museums in Danzig.
Cred&, Dr. med., Geh. Hofrath, Professor in Leipzig.
Danielssen, Dr., Chef-Arzt am Lungegaards-Hospital in
Bergen (Norwegen).
Daubr&e, Dr., Mitglied des Instituts in Paris.
Debey, Dr. med. in Aachen.
v. Döller, Major, Vice-Präses des Karpathen-Vereins in
Kesmark (Ungarn).
Dohrn, Anton, Professor Dr., Director der zoologischen Station
in Neapel.
Dzierzon, Pfarrer in Karlsmarkt bei Stoberau.
Effner, M., Curatus in Leubus.
Eitner, Robert, Redacteur der Monatshefte für Musikgeschichte
in Berlin.
d’Elvert, k. k. Finanzrath in Brünn.
Freiherr v. Ettingshausen, Const., Dr., Professor in Graz.
Eulenberg, Dr., Geh. Ober-Medieinalrath und vortragender
Rath im Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medi-
cinal-Angelegenheiten in Berlin.
Favre, Alphonse, Dr., Professor in Genf.
Faye, F. C., Dr. med., Professor, Director der geburtshilfl.
Klinik, Leibarzt Sr. Majestät des Königs von Schweden und
Norwegen, Präsident der Societ€ de M&deeine in Christiania.
Feldhoff, Conrector in Osnabrück.
Fetu, Anastasius, Dr. med., Mediecinalrath in Jassy.
Fiek, E., Apotheker in Cunnersdorf bei Hirschberg i. Schl.
Freiherr v. Fircks, Königl. Hauptmann in Berlin.
Fischer v. Waldheim, Dr., Professor der Botanik und
Director des botanischen Gartens in Warschau.
Flechsig, Dr. med., Hofrath zu Bad Elster.
Fristedt, Dr., Professor in Upsala.
Freiherr v. Friesen, Präses des Landes-Obstbau-Vereins für
das Königreich Sachsen auf Rötha bei Leipzig.
Fritze, R., Gutsbesitzer auf Rydultau bei Czernitz OS.
Gaerdt, Garten-Director in Berlin (Moabit).
Gerhardt, Lehrer in Liegnitz.
Freiherr v. Gildenfeld, Präses des Vereins für Gartenbau
für die Herzogthümer Schleswig-Holstein in Kiel.
Görlich, Pfarrer in Liebenthal,
Mitglieder-Verzeichniss. 31
49. Herr Gottsche, C. W., Dr. med. et chir., praktischer Arzt in Altona.
50.
51.
52.
93.
54.
95.
96.
57.
58.
59.
60.
61.
62.
68.
64.
65.
66.
67.
68.
69.
70.
71.
72.
13.
74,
75.
76.
77.
78.
19.
—
Griepenkerl, Oekonomie-Rath in Braunschweig.
Günther, Siegmund, Dr., Professor, Custos am naturwissen-
schaftlichen Museum, South Kensington, London.
Guhrauer, Dr. phil., Gymnasial-Direcetor in Wittenberg.
Hagen, Dr. phil., Professor in Königsberg.
Hagen, Dr., Professor in Berlin.
Hartig, Robert, Dr., Ober-Forstrath, Professor in München.
Haszlinsky, Dr., Professor in Eperies (Ungarn).
Hellwig, Lehrer in Grünberg in Schl.
Hering, E., Dr. med., Professor in Prag.
Hernando y Espinosa, Don Benito, Dr., Professor in
Granada,
Herzog, Dr. phil., Medieinal- Assessor, Apotheker in Braun-
schweig.
Holmgren, Frithjof. Dr., Professor der Physiologie in
Upsala.
Hoyer, Dr., Wirklicher Staatsrath, Professor, Excellenz in
Warschau.
Jühlke, Hofgarten-Direetor der Königl. preussischen Gärten
in Potsdam.
Kanitz, Dr., Professor, Director des botanischen Gartens in
Klausenburg.
Kenngott, Dr. phil., Professor in Zürich.
Kerner v. Marilaun, Anton, Dr., Professor, Director des
botanischen Gartens in Wien.
Kirchner, Dr. phil., Professor in Hohenheim.
Kleefeld, Dr. med., Sanitätsrath in Görlitz.
Klein, Dr. theol., Pfarrer in Gläsendorf bei Schreibendorf.
Knothe, Dr., Professor am Kadettenhause in Dresden.
Koch, R., Dr. med., Geh. Regierungsrath, Director des Instituts
für Infeetionskrankheiten in Berlin.
Köbner, Dr. med., Professor in Berlin.
Kraatz, G., Dr. phil. in Berlin.
Kraus, J.B., k. k. Münz- und Bergwesens-Hofbuchhaltungs-
Official in Wien,
Krone, Hermann, Privatdocent der Photographie am Köngl.
sächsischen Polytechnikum in Dresden.
Kühne, Dr. med., Geh. Hofrath, Professor in Heidelberg.
Kützing, Dr. phil., Professor in Nordhausen.
Kummer, Dr. phil., Professor, Geheimer Regierungsrath in
Berlin.
Lehmann, Apotheker in Bunzlau in Schl,
32
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
80. Herr Leimbach, Dr., Professor, Präses der botanischen Gesell-
81.
82.
83.
54.
85.
86,
87.
88.
89.
90.
9.
92.
93.
94,
95.
96.
97.
98,
99.
100.
101.
102.
103.
104.
105.
106.
107,
108.
109.
110.
111.
112.
schaft Irmischia in Arnstadt i. Thür.
Lichtheim, Dr. med., Professor in Königsberg.
Lindner, Dr. phil., Professor in Halle.
Litten, Dr. med., Professor in Berlin.
Meyer, Alexander, Dr. jur. in Berlin,
Müller-Strübing in London.
Nawrocki, Dr., Professor in Warschau.
Neubert, Wilh., Dr. phil. in Stuttgart.
Neugebauer, Dr. med., Professor in Warschau.
Neuland, Kgl. preuss. Oberst a. D. in Berlin.
Neumann, Dr. med., Kreis-Physikus in Berlin.
Niederlein, Gustav, Inspector in Buenos-Aires, Argentinien.
Nothnagel, Dr., Hofrath, Professor in Wien.
Orth, A., Dr. phil., Professor in Berlin.
Paur, Dr. phil. in Görlitz.
Pax, F., Dr. phil., Privatdocent, Custos am Kgl. botanischen
Garten in Berlin.
Peck, Dr. phil., Conservator des naturhistorischen Museums
in Görlitz.
Peck, Landgerichts-Präsident a. D. in Görlitz.
Penzig, Dr. phil., Professor und Director des botanischen
Gartens und des Instituts Henburg in Genua.
Petzold, Dr. med., Wirklicher Staatsrath und Professor,
Excellenz in Dorpat.
Pinzger, Dr., Gymnasial-Direcetor in Saalfeld.
Pistor, Dr., Regierungs- und Medieinalrath in Frankfurt a. O.
Pringsheim, Dr. phil., Professor, Geh. Regierungsrath in
Berlin.
Rayer, Dr. med., Membre de Institut et de l’Acad&mie de
Medeecine, President de la Societe de biologie in Paris.
Saccardo, P. A., Professor der Botanik in Padua.
v. Sachs, J., Dr., Geh. Hofrath, Professsor, Director des
botanischen Instituts in Würzburg.
Sadebeck, R., Dr., Professor in Hamburg.
Sandberger, Fridolin, Dr., Professor in Würzburg.
Saussure, Henri, Dr., Professor in Genf.
Schmidt, J. F., Dr., Proreetor des Gymnasiums in Schweidnitz.
Schneider, Fritz, Dr. med., Stabsarzt der Niederländisch-
Indischen Armee a. D. in Surabaya (Java).
Schöbel, Pfarrer in Ottmuth bei Gogolin.
Schomburg, R., Professor, Direetor des botanischen Gartens
in Adelaide (West-Australien).
Mitglieder-Verzeichniss. 33
113. Herr Schultz, Alwin, Dr. phil., Professor in Prag.
114.
115.
116.
117.
118.
119.
120,
121.
122.
123.
124.
125.
126.
127.
128.
129.
130.
131.
132.
133.
154.
135.
136.
137.
138.
139.
140.
141,
142.
143.
Schwendener, Dr. phil., Professor in Berlin.
Senoner, Dr., Bibliothekar der k. k. geologischen Reichs-
Anstalt in Wien.
Sonderegger, Dr., Sanitätsrath in St. Gallen.
Sorauer, Dr. phil,, Professor in Proskau.
Stache, Dr., k. k. Bergrath und Reichsgeologe in Wien.
Stevenson, J. J., Professor an der Universität New-York.
Strähler, Fürstlicher Oberförster a. D., Jauer.
Stur, k. k. Ober-Bergrath und Director der k. k. geologischen
Reichsanstalt in Wien.
v. Tichatscheff, Kaiserlich russischer Kammerherr in Paris.
Temple, Rudolf, Bureau-Chef der General-Assecuranz in Pest.
Tietze, Dr. phil., Reichsgeologe in Wien.
Tschackert, Dr., Professor in Halle.
Verneuil, Chirurgien des Höpitaux, Professeur agr&g& in Paris.
Wartmann, Dr., Director in St. Gallen.
Weeber, k. k. Landes-Forstinspeetor und Forsttaxator in
Brünn.
Wegehaupt, Gymnasial-Oberlehrer in Gladbach.
Weigert, Carl, Dr. med., Professor in Frankfurt a. M.
Wenck, Eduard, Dr., emerit. Pfarrer in Herrnhut, Sachsen.
Weniger, Dr., Gymnasial-Director in Weimar.
Wetschky, Apotheker in Gnadenfeld OS.
Wilekens, Dr. med., Professor an der Hochschule für Boden-
eultur zu Wien.
v. Wilmowsky, Geh. Justizrath in Berlin.
Wiesner, Dr., Professor und Director des pflanzenphysio-
logischen Instituts der Universität in Wien.
Winkler, Geh. Kriegsrath in Berlin W.
Wittiber, Dr., Professor, Secretair der Philomathie in Glatz.
Wittmack, Dr., Geh. Regierungsrath, Professor, Custos des
landwirthschaftlichen Museums in Berlin.
Wittrock, Dr., Direetor des Reichsmuseums in Stockholm,
Wood, Dr., Professor, Präsident der Philosophical Society
in Philadelphia.
Freiherr v. Zigno, Achilles, Podesta von Padua,
Zimmermann, Lehrer in Striegau.
Verzeichniss
der
Mitglieder der Section für Obst- und Gartenbau.
Secretair: Herr Prof. Dr. Prantl, Direetor des botanischen Gartens,
Stellvertreter: Herr H. Richter, städt. Garten-Inspector.
Verwaltungsvorstand: Herren ÖOberstabsarzt, Professor Dr. Schröter,
Verlagsbuchhändler Max Müller, Kunstgärtner J. Schütze.
N
pw
A. Einheimische.
. Herr Beuchel, Jos., Obergärtner, Schweidnitzerstr. 37.
Blottner, Königl. Kanzlei-Rath a. D., Neue Junkernstr. 4b.
Bock, J. A., Fabrikbesitzer und Apotheker, Tauentzienstr. 12.
Brieger, Kunst- und Handelsgärtner, N, Tauentzienstr. 33/34.
Cohn, F., Dr. phil. et med., Geheimer Regierungsrath, Prof.,
Director des pflanzenphysiologischen Instituts, Schweidnitzer-
stadtgraben 26.
v. Drabizius, Baumschulenbesitzer, Kletschkaustr. 31.
Eckhardt, W., Kaufmann und Stadtrath, Albrechtsstr. 37.
Franke, L., Kunst- und Handelsgärtner, Neue Graupenstr. 10.
Friedländer, $., Hofbäckermeister, Ohlauerstr. 39.
Grüttner, O,, Kaufmann, Ring 41.
Guillemain, F., Kunst- und Handelsgärtner, Michaelisstr. 5.
Haase, E., Brauereibesitzer, Catharinenstr. 19.
Hainauer, Hermann, Particulier, Schillerstr. 8.
Heinrich, Th., Kaufmann, Alexanderstr. 22.
Hofmann, E., Maschinenfabrik-Besitzer, Klosterstr. 66.
Hulwa, F., Dr. phil., vereideter Chemiker, Tauentzienstr. 68.
Hüppe, Walter, Kaufmann, Reuschestr. 1.
Junger, H., Kunst- und Handelsgärtner, Lehmdamm 34.
Kärger, C. H. L., Kaufmann, Nikolaistadtgraben 24.
Kauffmann, Max, Fabrikbesitzer, Museumsplatz 2.
Kiekheben, Verwalter des städt. Schulgartens in Scheitnig.
Mitglieder-Verzeichniss. 35
22. Herr Kipke, P., Brauereibesitzer, Friedrich-Wilhelmsstr. 75.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
34,
39.
36.
37.
v. Korn, H., Stadtrath und Verlags-Buchhändler, Schweidnitzer-
strasse 47.
v. Korn, P., Rittergutsbesitzer, Tauentzienstr. 85.
Lion, P., Dr. med., Nikolaistr. 7.
Graf Matuschka, Königl. Forstmeister a. D., An der Kreuz-
kirche 4,
Milch, B., Commissionsrath und Director, Holteistr. 44,
Möslinger, O., Partieulier, Tauentzienstr. 37,
Mohr, Dr. phil., emer. Gymnasiallehrer, Messergasse 24.
Mrosowsky, C., Kunstgärtner, Friebe’scher Eiskeller,
Höfchenerweg. |
Mrosowsky, J., Kunstgärtner, Parkstr. 29.
Müller, Max, Verlagsbuchhändler, Teichstr. 8.
Nagel, C., Handelsgärtnereibesitzer, Lohestr., Nagelhaus.
Neddermann, C., Kaufmann u. Fabrikant, Am Rathhause 15.
Pförtner v. d. Hölle, R., Generallandschafts-Repräsentant,
Rittmeister a. D., Augustastrasse 49.
Prantl, C., Dr., Professor, Direetor des botanischen Gartens,
An der Kreuzkirche 3.
Graf von Pückler, Wirklicher Geheimer Rath, Excellenz,
General-Landschafts-Direetor, Königlicher Kammerherr und
Ober-Mundschenk.
Ranft, A., Handelsgärtnereibesitzer, Bohrauerstrasse.
Richter, H., städtischer Garten-Inspector, Breitestrasse 25.
Riemann, Paul, Kaufmann, Kupferschmiedestr. 8.
Schmidt, A., Kaufmann, Klosterstr. 74.
Scholtz, M., Apotheker, Paulstr. 36.
Schröter, Dr. med., Ober-Stabsarzt, Professor, Kohlenstr. 12,
Schütze, J., Obergärtner, Tauentzienstr. 86/88.
Seidel, H., Kaufmann, Thiergartenstr. 29.
Senzky, W., Kunst- und Handelsgärtner, Maxstr. 32a.
Stoll, G., Oekonomierath.
Techell, B., Kaufmann, Tauentzienstr. 78,
Völker, H., Fabrikbesitzer in Kleinburg.
v. Wallenberg-Pachaly, G., Banquier, Consul von Schweden
und Norwegen, Kaiser Wilhelmstr. 112.
Walter, R., Hausbesitzer und Stadtkoch in Scheitnig.
Weber, Generalmajor z. D,, Tauentzienplatz 4,
Freiherr v. Wilcke, A,, Sadowastr, 24,
Winkler, F., Raths-Maurermeister, Bismarckstr. 20.
Wiskott, M., Kaufmann und Fabrikbesitzer, Kaiser Wilhelm-
strasse 69.
3*+
36
96.
57.
PP wo 8
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Herr Wiskott, Th., Commerzienrath, Ohlauufer 6.
Zwicklitz, V., Fabrikdireetor, Gräbschnerstr. 3.
B. Auswärtige.
Herr Behnsch, R., Baumschulen-Besitzer in Dürrgoy bei Breslau.
_—
Boring, J. G., Partieulier in Poischwitz bei Jauer.
Bretzel, Obergärtner in Hartlieb bei Breslau.
Bürgel, Fürstlicher Garten-Direetor in Schloss Wittgenstein
bei Bacau in Rumänien.
Freiherr von Özettritz-Neuhaus, Landesältester, Land-
schafts-Direetor auf Kolbnitz bei Jauer.
Dubiel, E., Färber und Baumschulenbesitzer in Ohlau.
Eichler, ©., Königl. Garten-Inspector, Stadtrath a. D. in
Grünberg i. Schl.
Fitzner, W., Fabrikbesitzer in Laurahütte OS.
Galle, C., Kunst- und Handelsgärtner in Trebnitz.
Garbe, A., Lehrer und Cantor in Ober-Bielau bei Rothen-
wasser, Kreis Görlitz.
. Gartenbau-Verein in Ratibor.
. Herr Gireoud, H., Garten-Direetor in Sagan.
Goy, C. S., Kaufmann in Pitschen.
Grüger, A., Obergärtner in Pembowo, Posen.
Graf v. Harrach, E., auf Klein-Krichen bei Lüben.
Haupt, C. E., Königl. Gartenbau-Direetor in Brieg.
Heimann, M., Dr., Rittergutsbesitzer in Wiegschütz bei
Cosel OS.
Hempel, Baumeister in Pitschen.
Reichsgraf zu Herberstein, $., Freiherr v. Neuberg und
Guttenhaag, K. K. Kämmerer u. s. w. zu Gratz, auf Grafen-
ort bei Habelschwerdt.
Hiller, F. H., Lehrer in Brieg.
Graf von Hochberg, B., auf Rohnstock.
Hofmann, E., Fabrikbesitzer in Protschkenhain bei Mettkau.
. Se. Durchlaucht SE: Fürst zu Hohenlohe-Oehringen, Herzog
von Ujest auf Slawentzitz.
. Herr Freiherr von Humbracht auf Rengersdorf,
Kaessler, Fr. Wilh., Inspector der Prov.-Zwangs-Erziehungs-
Anstalt in Lublinitz.
Kambach, Rechnungsrath in Görlitz.
Katzke, W., Kunstgärtner in Bolkenhain.
v. Kessel, Rittergutsbesitzer auf Ober-Glauche bei Trebnitz,
Kittel jun., Obergärtner in Eckersdorf.
30. Herr
Mitglieder-Verzeichniss. 37
Klings, P., Hoflieferant in Berlin, Unter den Linden 19.
Klose, F., Baumschulenbesitzer in Spalitz bei Oels.
Kluge, Pfarrer in Nieder-Schönfeld, Reg.-Bez. Liegnitz.
Kölling, H., Dr., Superintendent in Roschkowitz bei Pitschen.
. Fräulein v. Kramsta, M., Rittergutsbesitzerin auf Muhrau bei
Striegau.
. Herr Kühnau, W., Kunstgärtner in Damsdorf bei Kuhnern.
——
un
. Frau
. Herr
Linz, Joh., Maschinenfabrik-Besitzer in Rawitsch.
Leschick, F., Fabrikbesitzer in Schoppinitz.
v. Lieres, Königl. Landrath, Landesältester und Landschafts-
Director auf Gallowitz bei Rothsürben.
v. Lieresund Wilkau, Rittergutsbesitzer auf Pasterwitz bei
Wangern,
v. Lieres und Wilkau, Rittergutsbesitzer auf Gnichwitz
bei Canth.
Löw, G., Apotheker in Stroppen bei Gellendorf.
Marx, H., Fürstbischöflicher Commissarius und Erzpriester in
Miechowitz.
Methner, P., Kaufmann und Fabrikbesitzer in Landeshut in
Schlesien.
Müller, O., Superintendent in Michelau bei Böhmischdorf.
Nitschke, Rittergutsbesitzer in Girlachsdorf bei Nimptsch.
v. St. Paul, Corvetten-Capitain z. D., Hofmarschall in Fisch-
bach in Schl.
Peicker, W., Hofgärtner in Rauden O8.
Perschke, städtischer Kirchhof-Inspecetor in Gräbschen bei
Breslau,
Pflaume, F., Kunstgärtner in Ober-Weistritz.
Plosel, J., Obergärtner in Falkenberg OS.
Graf v. Praschma auf Schloss Falkenberg OS.
v. Prittwitz und Gaffron, Königl. Kammerherr, Major a. D.,
Landesältester auf Moisdorf bei Jauer.
Pulst, C., Rittergutsbesitzer in Twardawa OS,
Radler, Landesältester und Kreisdeputirter in Polnisch-Jägel
bei Strehlen.
Graf v. d.Recke-Volmerstein, Rittmeister, Landesältester
und Generallandschafts-Repräsentant auf Kraschnitz.
Gräfin Reichenbach, geb. Gräfin Bethusy-Huc, zu Festen-
berg.
Reil, Rittergutspächter in Chorulla bei Gogolin.
Reimann, Th., Gerbermeister in Brieg.
v. Reinersdorf-Paczensky, Rittmeister a. D., Majoratsherr
auf Ober-Stradam bei Stradam.
38
60.
61.
62.
63.
64.
65.
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67,
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69.
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72.
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88,
89.
—
—
—
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
— nn nn nn
Herr Freiherr v. Riehthofen auf Carlowitz bei Breslau.
Rother, Garten-Direcetor in Reisen, Posen.
Sachs, P., Rittergutsbesitzer in Wiltschau bei Rothsürben.
v. Salisch, Rittergutsbesitzer auf Postel bei Militsch.
Graf Schack von Wittenau, A., gen. Graf von Dankel-
mann, in Beuthen a. O.
Graf v. Schlabrendorf und Seppau, Erb-Ober-Landbau-
meister, Majoratsherr auf Seppau bei Quaritz,
Sehnabel, R., Baumschulen-Besitzer in Ohlgut bei Münster-
berg.
Schönfelder, A., Wirthschafts-Inspeetor in Alt-Schliesa bei
Wangern.
Scholtysek, J., Pfarrer in Grossstein bei Gogolin.
Siegert, J., Wanderlehrer in Liegnitz,
Stahr, Rittergutsbesitzer, prakt. Arzt, Dr. med. in Wilxen bei
Obernigk.
Stanke, W., Obergärtner in Gräbschen bei Breslau.
Stefke, E., Apotheker in Lissa bei Breslau.
Stephan, J., Vorsteher der Provinzial-Gärtner-Lehranstalt in
Koschmin, Posen.
Stiebeiner, A., Kunstgärtner in Planowitz bei Rudzinitz.
Stittner, H., Kunstgärtner in Cammerau bei Schweidnitz.
Stittner, J., Kunst- und Handelsgärtner in Raczkow bei
Zduny.
Strauwald, H., Kreis-Obergärtner in Gnadenfeld.
Streicher, R., Obergärtner des Gartenbau-Vereins in Gnesen.
Streubel, W., Kunst- und Handels-Gärtner in Hassitz bei
Glatz.
Sutter, A,, Landes-Bauinspector, Hauptmann a. D., Schweidnitz.
Teicher, L., Kunst- u. Handelsgärtner (in Firma G. Teicher)
in Striegau.
Teicher, P., Kunst- u. Handelsgärtner (in Firma G. Teicher)
in Striegau.
v. Tempski, H., Rittergutsbesitzer auf Baara bei Schmolz.
Töpffer, C., Kaufmann in Maltsch a. O.
Tripke-Ellsnig, Rittergutsbesitzer in Rzegnowo bei Gnesen.
. Löbliche Verwaltung des von Lestwitz’schen Fräulein-Stiftes in
Tscehirnau bei Reisen.
. Herr Wagner, Dr. med. in Stadt Königshütte.
von Wallenberg - Pachaly, C., Rittergutsbesitzer auf
Schmolz.
Walter, Stadtrath a. D. und Rittergutsbesitzer auf Eisenberg
bei Strehlen.
Mitglieder-Verzeichniss. 39
90. Herr Websky, E., Dr. phil., Geh. Commerzienrath in Wüstewalters-
91;
92.
93.
94,
95.
dorf.
Weikert, Pastor in Gross-Wandriss bei Mertschütz.
Weinhold, E., Kunst- und Handelsgärtner in Hirschberg.
Freiherr v. Welcezeck, B., Kaiserl. Legations-Secretair a. D.,
Majoratsherr auf Laband OS.
Werner, F., Bergverwalter in Myslowitz.
v. Zawadzky, F., Landesältester auf Jürtsch bei Canth,
Sections-Versammlung in der Regel am zweiten Montage jeden Monats
Abends um 7 Uhr.
Die resp. Mitglieder dieser Section ersucht der Secretair dringend, ihm
etwaige Veränderungen ihres Wohnortes anzuzeigen.
Wanderversammlung
der
Sehlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur
zu Reichenbach u. E.
Sonntag, den 28. Juni 1891.
Der Juni des Jahres 1891 brachte nur wenig schöne, sonnenhelle
Tage. Zu diesen gehörte der Sonntag, an welchem die Schlesische Ge-
sellschaft behufs Abhaltung ihrer alljährlichen Wanderversammlung das
reizende, am Fusse der Eule gelegene Städchen Reichenbach aufsuchte,
Ein Orts-Comit& unter Vorsitz des Herrn Bürgermeisters Koslich hatte
in zweckmässigster Weise und in liebenswürdigster Zuvorkommenheit
alle Vorbereitungen getroffen, um den Verlauf des Festes zu einem
überaus günstigen zu gestalten. Zu den Breslauer Mitgliedern der Ge-
sellschaft gesellte sich eine Anzahl auswärtiger Mitglieder Mitglieder und
zahlreiche Gäste aus der Stadt selbst und ihrer Umgebung, so dass der
festlich geschmückte Saal des Rathhauses beim Beginn der wissenschaft-
lichen Sitzung bis auf den letzten Platz gefüllt erschien.
Nachdem der Präses um 10%, Uhr die Sitzung eröffnet, bewillkommnete
Herr Bürgermeister Koslich die Versammlung im Namen der Stadt
und ihrer Behörden. Der Präses erwiderte mit folgenden Worten:
Hochgeehrter Herr Bürgermeister!
Gestatten Sie mir zunächst, im Namen der Schl. Ges. den verbind-
lichsten Dank für die freundlichen Worte auszusprechen, mit denen Sie
uns empfangen. Unser Dank richtet sich nicht minder an die Gesammt-
heit der städtischen Behörden, welche in bereitwilligster Weise uns diesen
Saal für die heutige Tagung zur zur Disposition gestellt haben, er richtet
sich an die Mitglieder des Comites, welche kein Opfer an Zeit und
Mühe gescheut haben, uns hier die Wege zu ebnen, er richtet sich an
Sie Alle, die Sie durch Ihre Gegenwart uns ehren und unserer Gesell-
schaft ein freundliches Interesse entgegenbringen.
Unsere jährlichen Wanderversammlungen sind uns allmählig eine liebe
Gewohnheit geworden. Als wir vor sechs Jahren dieselben zuerst planten,
war es uns doch recht zweifelhaft, wie sich unsre Mitbürger in der
Provinz zu unserm Unternehmen stellen würden. Aber wohin wir auch
gekommen, in Oberschlesien wie in Niederschlesien, in Liegnitz und
Neisse, in Kattowitz und Brieg, überall haben wir die beruhigende Em-
pfindung gehabt, dass wir nicht als lästige Eindringlinge betrachtet,
sondern als gern gesehene Gäste willkommen geheissen wurden.
Wanderversammlung. 41
Es gehört zu den Hauptaufgaben der Schl. Ges., die Wissenschaft
in das Leben hineinzutragen und aus dem Leben wissenschaftliche An-
regungen zu empfangen. In diesem Sinne sind in den Rahmen unserer
Gesellschaft Männer der verschiedensten Lebensstellungen thätig; Gelehrte
von Profession und Männer der verschiedensten Berufskreise: in den
medicinischen Sectionen in grosser Zahl praktische Aerzte, in den natur-
wissenschaftlichen Seetionen Bergleute und Lehrer, Pharmaceuten, Tech-
niker, Gärtner, in der staatswissenschaftlichen Section Justizbeamte und
Verwaltungsbeamte, Kaufleute, Banquiers, Industrielle u. s, f.
Nun haben aber die Begründer unserer Gesellschaft im Anfange
dieses Jahrhunderts derselben die besondere Aufgabe gestellt, bei ihren
Arbeiten vorzugsweise im Auge zu behalten das Interesse unserer schönen,
an natürlichen Schätzen so reichen Provinz. Dies Ziel ist uns als Erbe
von den Vorfahren überkommen; seine Verfolgung ist nur möglich, wenn
wir in der Provinz Beziehungen anknüpfen und uns Freunde werben,
die geneigt sind, mit uns thätig zu sein. Denn bei zahlreichen Aufgaben
bedürfen wir freundlichen Beistandes.
Die erschöpfende Durchforschung der überirdischen und unterirdischen
Fauna und Flora, statistische und socialpolitische Erhebungen, linguistische
und ethnographische Ermittelungen, viele Untersuchungen auf dem Ge-
biete der Hygiene und der Epidemiologie, — alle derartige und viele
ähnliche Probleme sind der Natur der Sache nach nur lösbar, wenn an
den Orten, denen sie gelten, freundliches Entgegenkommen und gütiger
Beistand gewährt wird, wie wir sie schon oft erfahren haben.
Zum Danke für solche Mithilfe sind wir bestrebt, in unsere jähr-
lichen Publicationen das Eine oder das Andre zu bieten, was für die
Interessen der Provinz nutzbringend erscheint.
So hat vor zwei Jahreneins unsrer Mitglieder mit unserer Subvention
eine Flora der Schlesischen Pilze herausgegeben, so ein andres im vorigen
Jahre eine geologische Excursionskarte von Schlesien, welche unsern
Etat für zwei Jahre beansprucht.
In diesem Herbste werden wir den Druck eines Literaturverzeich-
nisses der Schlesischen Landeskunde beginnen: zuerst erscheint der all-
gemeine und der floristische Theil, im nächsten Jahre der die Orts- und
die Landschaftskunde betreffende Abschnitt.
Mögen Sie, m. H., aus diesen Andeutungen entnehmen, dass wir
nach Maassgabe unserer Kräfte und Mittel bestrebt sind, der von den
Stiftern unserer Gesellschaft gestellten Aufgabe gerecht zu werden,
Und lassen Sie mich daran die Hoffnung knüpfen, dass wenn wir
bei Gelegenheit auch hier in Ihren Gauen Belehrung und Mithilfe suchen,
wir nicht vergeblich an die Thüren klopfen, sondern ein ebenso gütiges
Entgegenkommen finden, wie an dem heutigen Tage, der uns zum ersten
Male in das Eulengebirge führt,
42 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Nunmehr begann, nachdem Herr Bürgermeister Koslick das Tages-
Präsidium übernommen hatte, und die Herren Dr. Herrnstadt und
Kreisschul-Inspeetor Thamm aus Reichenbach, Geh. Reg.-Rath Prof.
Cohn und Geh. Commerzienrath Schöller aus Breslau zu Beisitzern
ernannt worden waren, eine Reihe von Vorträgen, über welche weiter
unten berichtet wird.
Unmittelbar auf die wissenschaftliche Sitzung folgte ein Festmahl
in dem geräumigen, hübsch ausgeschmückten Saale des Gasthofes zur
Sonne. An den auf Se. Majestät den Kaiser durch den Präses ausge-
brachten Toast schloss sich ein schwungvolles Festlied auf den Landes-
vater, gedichtet von Herrn Prof. Weck, Director des Realgymnasiums,
Sodann folgten Tischreden von Geh. Rath Prof. Cohn auf die Stadt
Reichenbach, von Bürgermeister Koslick auf die Schlesische Gesell-
schaft, von Commerzienrath Rosenbaum auf das Comite, von Kreis-
schulinspeetor Thamm auf den Präses, von Prof. Poleck auf die
Dichter der Tischlieder (Prof. Weck und Oberstabsarzt Prof. Schroeter),
von Prof. Sombart auf die Damen u. s. f. In angeregtester Stimmung
bestieg um 3 Uhr die Gesellschaft die von Besitzern der Stadt und Um-
gegend freundlichst zur Disposition gestellten Wagen, um durch den
industriereichen Ort Langenbielau zu der im herrlichen Walde gelegenen
Ulbrichshöhe zu fahren.
Bei den Klängen einer Kapelle entwickelte sich im Waldesschatten
eine ungezwungene Geselligkeit, geschmückt durch die Anwesenheit
zahlreicher Damen, bis gegen 6 Uhr die Rückfahrt nach dem Bahnhofe
dem schönen Feste ein Ende machte. Den Herren des Comites, welche
nicht ermüdeten, den Gästen der Stadt Reichenbach den Tag zu einem
so überaus angenehmen zu machen, wurde bei der Abfahrt nochmals der
herzlichste Dank von allen Seiten ausgesprochen.
Wissenschaftliche Vorträge.
1. Prof. Sombart:
Ueber Hausindustrie.
Der Vortragende begann mit einem Hinweis auf die besondere Ver-
anlassung, welche sich dargeboten hätte, über ein jetzt wieder im Mittel-
punkt des öffentlichen Interesses stehendes Thema, wie die Hausindustrie
gerade in Reichenbach in einer öffentlichen Versammlung zu sprechen.
Sei doch die Anregung zu der abermaligen Erörterung des Problems der
Hausindustrie durch das acute Elend der Hausweber im Eulengebirge
geboteg worden und gehöre doch zudem der Kreis Reichenbach zu den
wichtigsten Centren der Hausindustrie in Deutschland. Während in ganz
Schlesien 68 585 gewerbtreibende Hausindustrielle leben, seien im Kreise
Reichenbach allein 10 581 Hausindustrielle (= 15,45 pCt. von Schlesien)
gezählt worden, sodass daselbst auf 10 000 Einwohner 1557, auf 10 000
Wanderversammlung. 453
Gewerbetreibende 5295 Hausindustrielle, also über die Hälfte, entfiele.
Die wichtigsten Zweige hausindustrieller Thätigkeit im Kreise Reichen-
bach seien die Leinen- und die Baumwollweberei; von den in der Leinen-
weberei beschäftigten Personen seien 66 pCt., von den in der Baum-
wollenweberei beschäftigten 69,6 pCt. Hauindustrielle.e. Es könne nun
aber des Redners Aufgabe am heutigen Tage nicht die sein, ein Bild
von den concreten Zuständen in der Hausindustrie zu geben: das hiesse
Eulen nach Athen tragen. Im Gegentheil wollten die in Reichenbach
weilenden Gäste von den Eingeborenen gerade erst manche neuen Auf-
schlüsse über die Lage der Hausindustrie erhalten. Dagegen dürfte es
angebracht sein, in aller Kürze mitzutheilen, worin, nach dem neuesten
Stande der wissenschaftlichen Forschung, das Prineip, das Wesen, die
charakteristischen Eigenthümlichkeiten der Hausindustrie erblickt wür-
den. Hierauf fuhr der Redner etwa wie folgt fort. Auf die Frage:
Was ist die Hausindustrie? muss ganz allgemein die Antwort lauten:
sie ist eine Organisationsform der Volkswirthschaft, d.h, eine
bestimmte Form, in welcher sich die technische Herstellung der Güter,
deren wirthschaftlicher Vertrieb, ebenso wie die Arbeitsverfassung, also
das soeiale Schichtungsverhältniss zwischen Arbeit und Kapital, auf eine
ganz bestimmte, von einem einheitlichen Prineip geleitete Art gestalten.
Das Wesen der volkswirthschaftlichen Organisationsform schliesst nun
aber die Thatsache ein, dass im Lauf der geschichtlichen Entwickelung
des Wirthschaftslebens auch eine Wandlung in den ÖOrganisationsformen
der Volkswirthschaft stattfindet. Man wird daher das richtige Verständ-
niss für die Bedeutung einer solchen Organisationsform nur mit Hilfe
der historischen Betrachtung gewinnen. Wir müssen demnach die Haus-
industrie in ihrer geschichtlichen Bedingtheit zu erfassen bestrebt
sein. Eine der wichtigsten Erkenntnisse, zu welcher uns das wirth-
schafts-geschichtliche Studium verholfen hat, beruht in der Einsicht, dass
eine bestimmte Wirthschaftsepoche fast stets in dem Zeichen einer be-
stimmten ÖOrganisationsform steht, die der gesammten Periode das
charakteristische Gepräge aufdrückt. Diese herrschende typische Organi-
sationsform war nun für die langen Jahrhunderte des Mittelalters die
handwerksmässige Verfassung. Ihr Wesen beruhte, entsprechend
der damaligen Entwickelungsstufe des Wirthschaftslebens, etwa in folgen-
dem: Social ungefähr gleichgestellte Meister, die zu der Production
sowohl die Arbeitskraft als die Arbeitsinstrumente (das Kapital) lieferten,
stellten die Güter her innerhalb eines räumlich engbegrenzten Absatz-
gebietes, dem wirthschaftlichen Mikrokosmos der Stadt, für einen eben-
falls engbegrenzten, in seinen Anforderungen bekannten Kreis von Ab-
nehmern, Kunden. Die sociale Structur wie der Wirthschaftsbetrieb des
Handwerks waren bedingt durch die unentwickelte Stufe, auf welcher
sich die Wirthschaft des Mittelalters noch befand. Sie mussten sich
44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
als unbrauchbar und unzeitgemäss erweisen in demselben Augenblicke,
da die wirtbschaftliche Entwickelung die engen Kreise der Stadtwirth-
schaft überschritt. Dieser Moment trat ein mit dem Beginn der Neuzeit,
zumal seit dem 17. und dem 13. Jahrhnndert. Die vorher ungeahnte
Erweiterung des bekannten Erdkreises, die rasche Entfaltung des Ver-
kehrs und der Verkehrsmittel bewirkten es, dass die gesammten Pro-
ductions- und Absatzverhältnisse eine radicale Umgestaltung erfuhren,
dass die Wirthschaftsbeziehungen wieder weiter ausgedehnt, der enge
Kreis der städtischen Wirthschaftseinheit immer mehr überschritten
werden musste. Sobald aber in dieser Art die Bedingungen des Wirth-
schaftslebens sich umgestalteten, der Markt sich erweiterte, die Produc-
tion der Güter für ein immer grösseres Absatzgebiet erfolgte, musste
sich die handwerksmässige ÖOrganisationsform bald als unzureichend
erweisen, den neuen Inhalt des Wirthschaftslebens in sich zu fassen.
Der kleine Zunftmeister war nicht im Stande, den Anforderungen der
neuen Zeit gerecht zu werden. So war es ein gewaltiger Fortschritt,
als sich aus dem homogenen Kreis der Handwerksmeister im Laufe der
Zeit einige wenige Personen heraushoben, die dank ihrer grösseren
Intelligenz und dank ihres mächtigeren materiellen Besitzes befähigt
waren, die Zügel des meisterlos gewordenen Wagens mit starker Hand
zu ergreifen, sich zu Leitern der neugestalteten wirthschaftlichen Pro-
ductions- und Vertriebsverhältnisse aufzuschwingen. Sie, die Kapitalisten
des Geistes und — des Geldbeutels, wurden nun die eigentlichen Or-
ganisatoren des Wirthschaftslebens. Sie prüften die Absatz- und Markt-
verhältnisse, wägten weise die vielen Umstände ab und richteten dem-
entsprechend die Güterproduction ein. Sie ertheilten die Aufträge an
die grosse Masse der nur noch mit ihrer Hände Arbeit thätigen Be-
völkerungsklassen, die zu ibnen in ein wirthschaftliches und sociales
Abhängigkeitsverhältniss traten. Das ist noch heute das Wesen unserer
volkswirthschaftlichen Organisation, es ist die Form des privatkapi-
talistischen Betriebes. Diese privatkapitalistische Organisation der
Volkswirthschaft tritt nun zuerst ein in die Geschichte in der Form der
Hausindustrie; sie ist die erste Erscheinungsweise des Privatkapita-
lismus und zwar diejenige, bei welcher die arbeitenden Klassen von den
Unternehmern (Verlegern) in ihrer eigenen Behausung beschäftigt wer-
den. Dass diese Form zuerst für die moderne Productionsweise gewählt
wurde, ist bedingt durch den damaligen Stand der Technik. Als näm-
lich die Hausindustrie aufkam, stand die Productionstechnik im wesent-
lichen noch auf der Stufe des Handwerks, nur die wirthschaftlichen, die
Absatzverhältnisse waren einstweilen neugestaltet; so lag kein Grund
vor, die hausmässige, technisch-handwerksmässige Herstellungsart der
Güter aufzugeben. Das änderte sich mit dem Eintritt des Dampfes in
den Dienst des Menschen. Nunmehr war die Gruppirung der Arbeiter
Wanderversammlung. 45
um die kraftspendende Dampfmaschine nothwendiges Erforderniss für
die Production; es entstand die Fabrik mit ihren Arbeits- und Kraft-
maschinen, der Privatkapitalismus trat in die neue moderne Phase des
fabrikmässigen Betriebes ein. Die Hausindustrie war als typische ÖOr-
ganisationsform überwunden. Wenn nun heutzutage sich noch Haus-
industrie in weitem Umfange vorfindet, was ergiebt sich alsdann als das
Charakteristische für diese Betriebsform? Wir sahen, die Haus-
industrie ist ein Ueberbleibsel vergangener Zeiten, das rudimentäre Glied
einer überwundenen Entwickelungsphase. Daraus aber folgen diese Um-
stände: die Hausindustrie ist technisch-ökonomisch der herrschenden
Betriebsform inferior: in wirthschaftlicher und socialer Hinsicht weist
sie dagegen alle Eigenthümlichkeiten der modernen privatkapitalistischen
Organisation auf. Das gilt vor allem für das Abhängigkeitsverhältniss
der Hausarbeiter vom Unternehmer. Diese Abhängigkeit ist bei den
Heimarbeitern deshalb grösser als bei den Fabrikarbeitern, weil die
Hausindustrie jedes staatlichen Schutzes noch entbehrt, und sodann vor
allem, weil dem Heimarbeiter, dank seiner Vereinzelung, das bedeut-
samste Machtmittel im Kampfe mit dem kapitalistischen Unternehmer
versagt ist: die Coalition, die gewerkschaftliche Zusammenschliessung.
Das sind die charakteristischen Züge der Hausindustrie als heute noch
bestehende Organisationsform. Wir erklären nun daraus die an der
Hausindustrie beobachteten Symptome. Diese lassen sich dahin zusam-
menfassen: die Hausindustriearbeiter befinden sich in einem Zustande
chronischen Elends. Das Grundübel ihres elenden Zustandes aber
liegt in dem kargen Verdienste, der noch schlechter ist als in den
meisten Fabriken. Was folgt aus dem Wesen der Hausindustrie für die
Erklärung des niedrigen Lohnes des Heimarbeiters? Die Produetivität
des letzteren ist geringer als diejenige des Fabrikarbeiters, die Fabrik-
arbeit aber bestimmt den Preis des Products auf dem Weltmarkte. Der
Vortragende suchte diese Thatsache zu erhärten durch Beibringung sta-
'tistischen Zahlenmaterials über die Productivität der mechanischen We-
berei und der Handweberei einerseits und über die Verdienste des
Webers dort und hier andererseits und fuhr dann fort: Ausser der ge-
ringeren Productivität der Hausindustrie bewirkt noch ein anderer Um-
stand die niedrigen Verdienste: das ist die grössere sociale Abhängig-
keit des Heimarbeiters vom Unternehmer, dank welcher es letzterem
stets leicht gelingen wird, die Mehrforderungen des Hausindustriellen
zurückzuweisen. Wenn dem so ist, wie soll sich der Staat den Haus-
industriellen gegenüber verhalten? Waren die bisherigen Maassnahmen
rationell? Nein! Der Grundfehler der hausindustriellen Politik ist darin
zu erblicken, dass man bisher immer sich bemüht hat, an der Haus-
industrie herumzudoctern, um sie thunlichst zu erhalten. Das ist ver-
kehrt; wir müssen vielmehr prineipiell bemüht sein, sie thunlichst rasch
46 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
und schmerzlos zu beseitigen, d. h. sie auf die höhere Stufe des
fabrikmässigen Betriebes zu erheben. Und zwar auch deshalb, weil das
Elend der Hausindustrie ein socialer Uebelstand ist, gegen den Willen
und Wunsch der Individuen. Verkehrt ist auch das Bestreben, einen
Zweig der Hausindustrie in andere Berufsarten überzuführen. Einmal
scheitert das in der Regel an der einseitigen Ausbildung des betreffenden
Arbeiters; sodann aber bedeutet es einen empfindlichen Verlust an
Nationalkapital. Vielmehr wird der Staat zunächst bestrebt sein müssen,
den Hausindustriellen die Segnungen der modernen Arbeiterschutzgesetz-
sebung zu Theil werden zu lassen, um dann abzuwarten, ob die Haus-
industrie diese Belastung erträgt. Wahrscheinlich in den meisten Fällen
nicht. Dann jedoch ist der Beweis erbracht, dass sie als existenzunfähig
unterzugehen hat. Der Staat aber muss dafür sorgen, dass die zusammen-
brechenden Existenzen in Fabrikbetrieben Aufnahme finden, sei es, dass
er Staatsanstalten in den Centren der Hausindustrie anlegt, sei es, dass
er private Etablissements durch besondere Vergünstigung veranlasst, die
früheren Hausindustriellen bei sich unterzubringen. Die einzelnen Maass-
nahmen praktischer Politik hier zu erörtern, erlaubt die Zeit nicht; eins
ist gewiss: nur wenn man klar das Wesen der Hausindustrie erfasst,
vermag man richtige Politik zu treiben. Diese Klarheit zu vermehren,
war die Aufgabe dieses Vortrags.
2. Prof. Mikulicz sprach unter Demonstration von Wandtafeln
und Präparaten
Veber Hirnchirurgie.
3. Prof. Poleck:
Ueber Genussmittel.
Ihre Geschichte reicht zum Theil in die frühesten Zeiten des Menschen-
geschlechts zurück, ihre Entdeckung und erste Benutzung ist von der.
Sage umwoben. Man erinnere sich an Noah und an die von ihm an
sich beobachteten Foigen seiner Entdeckung des gegohrenen Reben-
saftes; die Ansiedelung Azuri am Ararat wird heute noch als der Ort
bezeichnet, wo er die ersten Reben pflanzte. Die Namen derer, welche
im alten Aegypten die Wirkungen des Bieres an sich erprobten, Jahr-
tausende vor seiner Verwerthung als Genussmittel in Deutschland, ver-
kündet nicht einmal die Sage der dankbaren Nachwelt. Dagegen erzählt
sie, dass wir die Entdeckung des Kaffees in seinem Heimathlande
Abyssinien der belebenden Wirkung der Blätter dieses Baumes auf Ziegen
zu verdanken haben, die nach ihrem Genuss lustig herumsprangen und
deren Hirt dieselbe Wirkung an sich verspürte, als er dem Beispiel der
Ziegen folgte, eine Lustigkeit, die ihm bei der Rückkehr in das Dorf
die Bastonade eintrug, weil man glaubte, er habe sich gegen das Verbot
des Propheten, Wein zu trinken, versündigt. Die köstliche Theestaude
Wanderversammlung. 47
ist aus den Augenliedern eines grossen Heiligen der Buddhisten ent-
standen, welcher sie abschnitt, als er trotz seines Gelübdes, die Nächte
stets wachend zuzubringen, einmal eingeschlafen war. Der berühmte
Reisende Kämpfer giebt uns in seinen „Amoenitates exoticae‘“ (1712)
das abschreckende Bild jenes Heiligen aus dem 7 Jahrhundert nach
Christus, Namens Darma, mit langen Krallen an den Füssen, ein Anblick,
ganz geeignet, den Geschmack am Thee für immer zu verleiden. Den
Genuss des Tabaks in seinen verschiedenen Formen fanden die Euro-
päer in allen Theilen Amerika’s vor, welche sie nach einander betraten.
Seine rasche Verbreitung in Europa und den übrigen Erdtheilen konnte
weder durch die päpstlichen Bannbullen Urban’s VIII., noch durch die
hohen Zölle Jacob’s I. von England 1619, weder durch Androhung der
Todesstrafe durch Sultan Murad IV. 1605, noch des Nasenabschneidens
seitens des Zaren Iwan des Grausamen 1634 aufgehalten werden. Auch
unsere Wohlgerüche haben ihre Geschichte in sagenhafter Umhüllung.
Während schon im klassischen Alterthum die jetzt im südlichen Frank-
reich in hoher Blüthe stehende Imprägnirung von Fetten und Düften von
Rosen, Veilchen, Heliotrop ete. im Gebrauch war und das Oleum rosatum
jener Zeit noch in den Arzneibüchern des vorigen Jahrhunderts vor-
handen war, gehört die Bereitung des Rosenwassers und namentlich
jene des ätherischen Rosenöles einer späteren Zeit an. Doch wurde
bereits im 9. Jahrhundert n. Chr. die Bereitung des Rosenwassers in
Persien in so grossem Maassstabe betrieben, dass unter der Herrschaft des
Kalifen Mammon (810—817 n. Chr.) die Provinz Farsistan jährlich
30 000 Flaschen Rosenwasser als Tribut nach Bagdad abliefern musste,
Durch die Araber verbreitete sich sein Gebrauch nach Westen über
Spanien nach dem übrigen Europa und nach Osten bis China. Die Ent-
deckung der Bereitung des ätherischen Oeles der Rose fällt in den An-
fang des 17. Jahrhunderts, sie wird der Gemahlin des Grossmoguls Jehan
Ghid, Nour-dhjiham-Beygum zugeschrieben, die im Jahre 1612 bei einem
üppigen Gartenfest in Srinagor in Kaschmir, welches auch durch einen
Bach von Rosenwasser verherrlicht wurde, die auf dem Wasser schwim-
mende, schaumige Masse, das ätherische Rosenöl, für ihren Gatten
sammelte. Kämpfer, der im Jahre 1684 Persien bereiste und mit
Bewunderung von den Rosen der Umgegend von Schiras spricht, be-
schreibt es in seinen ‚„Amoenitates“ als ‚„butterartig, äusserst wohl-
riechend und theurer wie Gold“, Das persische und indische Rosenöl
kommt nicht in den europäischen Handel; das für den europäischen
Bedarf bestimmte wird fast ausschliesslich in Bulgarien an den Südab-
hängen des Balkans gewonnen. Wann die Fabrikation hier begonnen,
lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Der Mittelpuukt dieser In-
dustrie ist die Stadt Kasanlik am südlichen Ausgange des Schipkapasses,
wo in 120 Dörfern mit 2500 Destillationsblasen, die sich inmitten
48 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
der Rosengärten befinden, die frischen Blüthenblätter einer der Rosa
centifolia nahestehenden Varietät, der rothblühenden Rosa damascena
var. trigintipetala verarbeitet werden. 1000 kg frische Blüthen geben
160—400 gr Oel; im Jahre 1887 wurden dort 2400 kg Oel gewonnen.
Vor ungefähr 6 Jahren hat die durch ihren Ruf ausgezeichnete Fabrik
ätherischer Oele von Schimmel & Comp. in Leipzig unter der umsich-
tigen Leitung ihres Chefs, Herrn Fritzsche, und mit ihrer grossartigen
Einrichtung — nicht weniger als 76 Destillations-Apparate aller Grössen,
unter ihnen solche von 10 000 bis 25 000 Liter Inhalt, sind in Thätig-
keit — die Gewinnung von Rosenöl auf deutschem Boden aus den oben
genannten Rosen in Angriff genommen und es ist ihr die Lösung dieses
Problems vollständig gelungen. Im Jahre 1887 wurden bereits 2 kg
Oel und 2000 kg Rosenwasser erzeugt, im Jahre 1890 4,5 kg Oel und
23 000 kg Rosenwasser, und in diesem Jahre dürfte sich der Ertrag
bereits auf 10—12 kg steigern. Vor 5 Jahren wurden 10 Hectar, im
vorigen Jahre 45 Hectar (180 Morgen) mit Rosen bepflanzt. Die letztere
Anpflanzung liegt bei Gross-Miltitz, 8 Kilometer von Leipzig entfernt,
an einer Bahnstation; sie soll das Gentrum des hier zu gründenden
Rosendistriets werden, Leipzig daher in absehbarer Zeit zu einer Neben-
buhlerin von Schiras machen. Die Pflanzungen haben den letzten harten
Winter auffallend gut überstanden und werden in den nächsten Jahren
einen ansehnlichen Blüthenertrag liefern. Während der Blüthezeit kom-
men die Rosen täglich frisch gepflückt in die Fabrik und werden, was
überaus wichtig ist, sofort verarbeitet. Das deutsche Oel, das mit den
vollkommensten technischen Einrichtungen durch Wasserdampf destillirt
wird, zeichnet sich durch einen weit feineren Wohlgeruch und etwas
grösseren Gehalt an festen Bestandtheilen, Stearopten aus, während das
türkische Oel bei seiner primitiven Darstellung durch unmittelbare De-
stillation aus den Blasen einen damit zusammenhängenden, etwas unan-
genehm brenzlichen Beigeruch besitzt. Beide Oele werden übrigens von
Schimmel & Comp. vom Stearopten befreit in den Handel gebracht. Das
deutsche Oel stellt sich augenblicklich noch einmal so theuer: ein kg
1250 Mark, gegen 600 Mark für das türkische. Das Rosenöl ist ein
wechselndes Gemenge von einem festen geruchlosen Bestandtheil, dem
Stearopten und einem flüssigen, dem Elaeopten, dem allein der pracht-
volle Geruch angehört. Das letztere besteht zum allergrössten Theile
aus einem einheitlichen Körper, dem Rhodinol, einem optisch activen
primären Alkohol mit zwei doppelten Kohlenstoffbindungen in offener
Kette. Das Rhodinol gehört wie das Geraniol des indischen Grasöls
zu chemischen Verbindungen, wie sie bisher in der Natur noch nicht
nachgewiesen sind, ihre Zusammensetzung ist von hohem theoretischem
Interesse. — Hierauf legte der Vortragende echtes Makassar- oder
Mangkassar-Oel vor, das in seiner Heimath, dem südwestlichen Theil
Wanderversammlung. 49
der Sundainsel Celebes, einen grossen Ruf als Haarwuchs beförderndes,
Schinnen und Ekzeme beseitigendes Mittel besitzt und in früheren Jahren
auch in Deutschland eingeführt worden ist. Doch gelangten später meist
Falsifieate in den Handel, Mischungen von Cocosöl mit anderen Oelen,
welche mit den Blüthen der Cananga odorata, einer Anonacee, oder der
Michelia Champaca, einer Magnoliacee, parfümirt waren, auch wurden
vielfach unter diesem Namen inländische fette Oele mit beliebigen Riech-
stoffen versetzt und mit Alkanna gefärbt in den Handel gebracht. Das
echte Oel stammt aus den Samen der Schleichera trijuga Wildenow,
eines auf den Sunda-Inseln wachsenden reich belaubten Baumes der
Sapindaceen mit essbaren Früchten und schönem Nutzholz. Das der
Versammlung vorgelegte Oel war im pharmaceutischen Institut der Uni-
versität zu Breslau aus den Samen gepresst worden; es ist bei gewöhn-
licher Temperatur halbflüssig, von gelblich weisser Farbe und schwachem
Geruch nach Bittermandelöl, es enthält 0,03—0,05 pCt. Blausäure,. Die
Samen enthielten 0,6 pCt. Blausäure, aber merkwürdiger Weise konnte
in ihnen kein Amygdalin, sondern nur dessen Zersetzungsproducte Blau-
säure, Benzaldehyd und Traubenzucker nachgewiesen werden. Es sind
von berufener Seite Versuche im Gange, um dem echten Makassaröl
seinen früheren Ruf als Heilmittel, wenn er berechtigt, zurückzuerobern.
— Schliesslich legte der Vortragende noch Proben schlesischen Opiums
vor. Der Landwirthschaftsminister hatte im Jahre 1867 der landwirth-
schaftlichen Centralstation in Saarau an der Freiburger Bahn den Anbau
von Mohn, Papaver somniferum L., empfohlen, dessen unreife Früchte
in ihrem Milchsaft durch Eintrocknen das Opium liefern. Die Culturen
wurden im Jahre 1868 begonnen und vom Morgen 4 ks Opium mit 7 pCt.
Morphingehalt gewonnen. Mannigfache Umstände, namentlich zu theure
und ungeeignete Arbeitskräfte, sowie der zu geringe Ertrag des Mohnes
an Samen liessen es nicht rathsam erscheinen, die Culturen fortzusetzen.
4, Prof. ©. E. Meyer sprach
Ueber eine örtliche magnetische Störung,
welche sich auf dem zwischen Reichenbach und Nimptsch gelegenen
Schindelberge zeigt. Dieser Berg besteht in seiner Hauptmasse aus
Gneiss; nur der letzte Abfall seiner Höhe in dem Winkel, welchen die
von Reichenbach nach Nimptsch führende Landstrasse und das Schwarz-
wasser einschliessen, enthält ein Serpentingestein, in welchem sich zahl-
reiche Krystalle von Magneteisenstein finden. Der Serpentin ist insofern
ein neu gebildetes Gestein, als durch die Einwirkung des durch ältere
Gesteine hindurchsickernden Wassers eine Umwandlung der Felsmassen
in Serpentin erfolgt ist und noch heute erfolgt; in den feinen Spalten
des Gesteins setzt sich dabei das magnetische Eisen ab, und dieses ge-
schieht unter der Einwirkung der erdmagnetischen Kraft. Die Richtung
j 4
ka
50 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
der letzteren ist die durch die Inclinationsnadel angezeigte, welche in
unseren Breiten der lothrechten Richtung viel näher liegt, als der wage-
rechten; sie bildet gegen die Horizontalebene einen Winkel von etwa
65°, gegen die Verticale einen Winkel von nur 25° Wenn die magne-
tischen Crystalle im Gestein sich nach dieser Richtung ordnen, so muss
die Folge sein, dass die erdmagnetische Kraft durch den Magnetismus
des unter den Füssen des Beobachters liegenden Gesteins stets verstärkt,
nicht geschwächt wird. Seitlich gelegene Felswände aber müssen den
Erdmagnetismus verringern. Diese einfachen Verhältnisse lassen sich
am Schindelberg in anschaulicher Weise erkennen. Mit einem Instru-
ment, dessen Einrichtung in einer früheren Sitzung ') beschrieben
und jetzt wieder an einem Modelle erläutert wurde, hatte der
Vortragende die erdmagnetische Kraft an verschiedenen Punkten des
Berges gemessen. Ueber dem Gneiss fand sich eine schwache, aber
doch noch deutlich erkennbare Verstärkung des Erdmagnetismus. Eine
sehr viel stärkere, fast 10 pCt. betragende Zunahme aber war über
einem im Serpentin angelegten Steinbruche beobachtet worden. Eine
kürzlich im Innern des Steinbruches ausgeführte Messung ergab einen
erheblich geringeren Werth. So wiederholte sich hier im Kleinen, was
Humboldt und Gay-Lussac am Vesuv beobachtet hatten: auf dem Gipfel
eine Verstärkung, im Krater eine Schwächung des Erdmagnetismus.
5. Herr Kunstgärtner Kiekheben schilderte
Die Einrichtung des botanischen Schulgartens in Breslau.
6. Herr Prof. Prantl widmete dem im vorigen Jahre zu Reichen-
bach verstorbenen Botaniker Herrn Dr. med. Paul Schuhmann
Einen warmen Nachruf.
7. Prof. H. Cohn sprach
Ueber Schrägschrift und Kurzsichtigkeit.
Dass schlechte Haltung Kurzsichtigkeit hervorruft und steigert und
die Brustorgane schädigt, steht ganz fest. Viele Factoren wirken als
Ursache der schlechten Haltung zusammen. Einer derselben ist die
Schriftrichtung. Es giebt vier Arten, das Schreibheft hinzulegen,
1) nach rechts gerade, 2) nach rechts schräg, 3) in der Mittellinie gerade,
4) in der Mittellinie schräg. Alle Autoren sind darin einig, dass jede
Rechtslage schädlich ist, weil Kopf und Rumpf nach rechts gedreht
und das rechte Auge der Schrift mehr genähert wird, als das linke;
zahlreiche einwandsfreie Messungen, besonders von Dr. Schubert in
Nürnberg, haben das erwiesen. In Bayern ist auch jede Rechtslage des
. Heftes verboten, bei uns leider ist sie nicht nur gestattet, sondern wird
von den meisten Schreiblehrern den Kindern direct anbefohlen. Das
Heft muss vielmehr in der Mitte von dem Schreibenden liegen. Man
kann nun beobachten, dass alle Kinder, welche schreiben lernen, so
") 67. Jahresb. d. schles. Ges. f. 1889 S. 120
Wanderversammlung. 51
lange gerade sitzen, als sie senkrechte Striche machen, dass sie aber
wie mit einem Zauberschlage vorstürzen, wenn sie schräg schreiben
sollen. Es ist nämlich wegen des Baues des Handgelenks unmöglich,
bei gerader Mittellage schräg zu schreiben; entweder muss das Heft
nach rechts geschoben oder es muss schräg gestellt werden; dann stehen
die Grundstriche senkrecht zum Tischrande. Da aber die Verbindungs-
linie beider Augen sich am liebsten parallel den Zeilen stellt, so wird
nach Schubert’s Messungen der Kopf viel eher nach links geneigt, als
bei gerader Mittellage. Jedenfalls weiss man, dass Jemand gerade ge-
sessen haben muss, wenn er senkrecht geschrieben hat; bei schräger
Schrift kann er auch schief gesessen haben. Schon aus diesem Grunde
empfiehlt sich die Steilschrift nicht nur in den Schulen, sondern auch
zu Hause, wo die Aufsicht fehli. — Die schräge Schrift ist erst in
neuester Zeit entstanden. Schubert, der sich um die Schriftfrage
bleibende Verdienste erworben, wies aus Handschriften des germanischen
Museums nach, dass man bis zum 17. Jahrhundert in Deutschland senk-
recht schrieb. Ich habe jüngst im britischen Museum in London unter
den Manuscriptschätzen, deren Kataloge allein 120 Bücher von 70 cm
Länge und 12 cm Dicke bilden, eine grosse Zahl senkrecht geschriebener
englischer, italienischer und französischer berühmter Auto-
sgraphen gefunden. Der Vorstand des British-Museums gestattete mir,
alles zu photographiren, was mich interessirte; für diese Liberalität
spreche ich hier meinen besonderen Dank aus. Ich lege hier 5 Copien
hochberühmter Autographen vor, die ich auch der Bibliothek der schles.
Gesellschaft dedicire. Drei sind von Malern, welche sich sehr eingehend
selbst mit Anatomie beschäftigt haben, und zwar: 1) von Albrecht
Dürer 1506, 2) von Michel-Angelo 1510 und 3) von Leonardo
da Vinei 1517. (Von Letzterem sind allein 235 grosse anatomische
Zeichnungen in London.) Alle drei Maler schrieben senkrecht. Beson-
ders merkwürdig ist die Handschrift von Leonardo, welcher ein ganzes
Buch mit Zeichnungen über Architektur in Spiegelschrift mit der
linken Hand ganz senkrecht schrieb, wahrscheinlich weil seine rechte
Hand im Alter gelähmt war. Ferner lege ich die Copie des Heftes vor,
welches Harvey in London, der Entdecker des Blutkreislaufs, 1616 für
seine Vorlesungen geschrieben; es enthält nur senkrechte Grundstriche.
Dagegen zeigt ein Brief von Isaac Newton aus dem Jahre 1682 schon
schräge Schrift, ähnlich den deutschen Schriftstücken aus jener Zeit. —
In Deutschland wurde die Schrift, die unter 45 ° geneigt ist, vom Kalli-
sraphen Heinrigs in Crefeld 1809 eingeführt. — Warum sollte man
nun nicht wieder zur Steilschrift zurückkehren? Alle Aerzte sind einig
darüber, dass man bei ihr richtig sitzt. Der Einwand, dass man mit
Schrägschrift schneller schreibe, ist jetzt von Hauptlehrer Scharff in
Flensburg durch Wettschreiben widerlegt. In Nürnberg und in Wien
52 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
wird bereits in vielen Schulen die Steilschrift in Parallel-Klassen ein-
geübt, und die Vergleiche der Körperhaltung sind nur zu Gunsten der
Steilschrift ausgefallen. Als Beläge bringe ich Photographien schrei-
bender Kinder aus Nürnberg und Wien, von denen namentlich be-
weisend die von hinten aufgenommenen Bilder sind. In Preussen
ist leider nichts bisher in dieser wichtigen Frage geschehen. Es fehlt
eben der wirkliche Schularzt, der solche Fragen in die Hand nimmt,
Wir haben es sehr bedauert, dass keiner von den Aerzten, die Jahr-
zehnte lang sich mit Schulhygiene beschäftigt haben, in die grosse Com-
mission für Schulreform nach Berlin berufen worden; wir haben aber
dort plötzlich einen Mitarbeiter oder richtiger einen Förderer auf-
treten sehen, wie wir uns ihn energischer und zielbewusster niemals
hätten wünschen können. Es war der Kaiser selbst, der seine über-
raschende Eröffnungsrede, gestützt auf seine eigenen Erfahrungen über
Kurzsichtigkeit unter den Kasseler Gymnasiasten, folgendermaassen
schloss: „Die statistischen Angaben über die Verbreitung der Kurzsich-
tigkeit sind wahrhaft erschreckend. Bedenken Sie, was Uns für ein
Nachwuchs für die Landesvertheidigung erwächst. Ich suche nach Sol-
daten. Wir wollen eine kräftige Generation haben, die auch als geistige
Führer und Beamte dem Vaterlande dienen. Diese Masse von Kurz-
siehtigen ist meist nicht zu brauchen; denn ein Mann, der
seine Augen nicht brauchen kann, wie will der nachher viel
leisten?... Da muss eingeschritten werden, und deshalb halte ich
es für sehr dringend, dass die Frage der Hygiene schon in den Vorbe-
reitungsanstalten für die Lehrer aufgenommen werde... Meine Herren,
das sind Dinge, die mein Herz bewegt haben, und ich kann nur ver-
sichern: die massenhaften Zuschriften, Bitten und Wünsche, die ich von
den Eltern bekommen habe, obwohl Wir Väter von Meinem verehrten
Herrn Hinzpeter im vorigen Jahre für eine Partei erklärt wurden, die
bei der Erziehung der Kinder nicht mitzureden hätten, legen Mir, als
allgemeinem Landesvater, die Pflicht auf, zu erklären: Es geht nicht
so weiter. Meine Herren, die Männer sollen nicht durch Brillen
die Welt ansehen, sondern mit eignen Augen, und Gefallen finden
an dem, was sie vor sich haben, ihrem Vaterlande und seinen Einrich-
tungen. Dazu sollen Sie jetzt helfen!“ Diesen vortrefflichen kaiser-
lichen Wünschen wird die Erfüllung bald folgen; denn, wie ich aus
sicherster Quelle weiss, schlägt jetzt die Siebener-Commission der Schul-
conferenz die alte Forderung der schlesischen Gesellschaft, die leider
vom Breslauer Magistrate vor vier Jahren abgelehnt wurde, dem Mi-
nister vor, ‚„„dass in jedem Schulvorstande ein Schularzt Sitz
und Stimme erhalten soll.“ Sobald diese Einrichtung getroffen, wird
gewiss auch die Steilschriftfrage in Preussen ernstlich erwogen und mithin
einem Factor für die Entstehung der Kurzsichtigkeit vorgebeugt werden.
Schlesische Gesellschaft für vaterländische Gultur.
a 1705221 77 11:07 1 Vo) SU ST Tngn
69. I.
Jahresbericht. Medieinische
1891. Abtheilung.
er EEE KISS
Sitzungen der medicinischen Section.
Secretaire: Fritsch und Ponfick.
l. Sitzung vom 9. Januar 1891.
1) Herr Riegner erhält das Wort
zur Vorzeigung dreier Kranker:
a. Bei dem ersten, dem 43jährigen Arbeiter Franz Glombutza, hatte
der Vortragende wegen nahezu impermeablen Speiseröhrenkrebses, der
seinen Sitz dieht über der Cardia hatte, eine Magenfistel angelegt.
Ich mache diese Operation aus naheliegenden Gründen bei careino-
matöser Strietur ungern; indess giebt es Fälle, wo man sich ihr nicht zu
entziehen vermag. Der Patient konnte in der letzten Zeit auch Flüssigkeiten
nieht mehr schlucken, hatte dabei intensives Hunger- und Durstgefühl und
bat mich dringend um Abhilfe. Er war enorm abgemagert und wog nur
76 Pfund. Die Strietur war für die feinste Sonde mit Mühe passirbar,
auf diesem Wege waren also Nahrungsmittel nicht einzuführen, sie
mussten ihm per rectum (Peptonweinklystier) beigebracht werden.
Ich machte am 15. Novbr. v. J. die Gastrotomie und zwar nach der
vonHahn vorgeschlagenen Methode, und das veranlasst mich hauptsächlich,
Ihnen den Kranken vorzustellen, weil meines Wissens diese Operation
hier in Breslau bisher noch nicht ausgeführt worden ist. Sie wissen,
dass dabei zuerst der Magen von dem gewöhnlichen Schnitt unter dem
Rippenbogen aus aufgesucht wird, dann aber nicht in die Bauchwunde,
sondern in einen weiteren, im 8. Intercostalraum anzulegenden, 3—4 cm
langen Schnitt hineingezogen und hier angeheftet wird. Im vorliegenden
Falle erlaubte ich mir nun die Modification, den Magen im 7. Zwischen-
tippenraum, dem höchstgelegenen, welcher noch ohne Verletzung des
Zwerchfelles sich eröffnen liess, zu fixiren, weil ich durch diese höhere
Lage des künstlichen Magenmundes ein Ausfliessen des Inhalts aus dem
erheblich tiefer liegenden Magenfundus noch besser zu verhüten hoffte, ein
Vortheil, den die Hahn’sche Methode vor der alten ganz besonders voraus hat,
und der, wie Sie sehen, auch hier erreicht worden ist. Es fliesst auch nach
‘Herausnahme des Drainrohres bei mässig gelülltem Magen, namentlich
1
Pe
DL
2 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
im Sitzen und Stehen nichts aus der Fistel ab. Auch einen anderen
noch wesentlicheren Vorzug der Methode kann ich Ihnen demonstriren.
Die Fistel hat sich, da sie in dem engen Intercostalraum dicht neben
dem Sternum angelegt ist, gar nicht vergrössern können, wie das beim
alten Verfahren die Regel ist. Das mit einem Pfropfen verschlossene
Drainrohr, durch eine an dem Heftpflasterstreifen steckende Sicher-
heitsnadel fixirt, genügt vollständig, um die Fistel luftdieht abzuschliessen
und macht die complieirten und dabei unsicheren Obturatoren übertlüssig.
Das sonst gewöhnliche Verdauungs-Ekzem in der Umgebung fehlt. Die
Methode ist, wie ich mich hier und an einem schon früher von mir
operirten Falle überzeugen konnte, leicht und rasch auszuführen. Was
man etwa durch den zweiten (Intereostal-) Schnitt an Zeit verliert,
wird reichlich dadurch eingeholt, dass die Annähung des Magens bei
weitem nicht so serupulös gemacht zu werden braucht, als es bei Fixirung
des Magens in der Bauchwunde unbedingt nöthig ist. In diesem Falle
habe ich mich mit drei Näthen begnügt, ja ich glaube, dass das
Fassen des vorgezogenen Magentheiles in einer liegen bleibenden Klemm-
pincette genügt, wenn man die Eröfinung um einige Tage verschieben
kann. Dabei ist trotzdem, wie ich glaube, die Fixirung des Magens
doch viel sicherer, als bei der alten Methode, bei welcher ich selbst
2 mal noch in späterer Zeit eine theilweise Ablösung erlebt habe.
Die Bauchwunde heilte auch in meinem Falle per primam. Den
Magen eröffnete ich erst nach einigen Tagen. Der Patient ernährt sich
selbst und ist von fremder Hilfe ganz unabhängig. Wie Sie nachher sehen
können, kaut er seine Speisen, verdünnt sie mit Milch und giesst sie
sich durch einen Glastrichter in den Magen. Er scheint mit seinem
Geschick ganz zufrieden und hat seit der Operation um 8 Pfund
zugenommen.
b. Der zweite Fall betrifft eine Thoracoplastik nach Schede,
die ich bei diesem Manne, dem 40jährigen Maurer Gärtner, vor 10 Jahren
ausgeführt habe. Im Februar 1879 auf die innere Hospitalabtheilung
aufgenommen, wurde ihm dort sein Empyem im März durch den ein-
fachen Brustschnitt eröffnet, im Juni auf der chirurgischen Station aus-
gedehnte Rippenresectionen gemacht, ohne dass die grosse Höhle sich
verkleinerte. Im April 1880, gleich nachdem ich den ersten von
Schede im Friedrichshain - Krankenhause operirten Fall gesehen,
führte ich dieselbe Operation bei dem inzwischen sehr herunterge-
kommenen Kranken aus. Bekanntlich wird dabei der ganze, die vordere
Wand der Empyemhöhle bildende Thoraxtheil, also Rippen und sämmt-
liche Weichtheile, bis auf die in einem grossen Lappen abpräparirte und
zurückgeschlagene Haut reseeirt und letztere auf die retrahirte, von
dieker Schwarte bedeckte Lunge gelegt.
I. Medicinische Abtheilung. 3
Die Präparate des vorliegenden Falles sind leider nicht aufgehoben
worden; ich lege Ihnen hier aber die 9 Rippenstücke von 10—21 cm
Länge und die entfernte Weichtheilthoraxwand von einem später operirten
Patienten vor, um Ihnen eine Anschauung von der Ausdehnung des
Eingriffes zu geben. Wie Sie sehen, ist derselbe ein recht erheblicher
und erfordert immerhin noch einen gewissen Fonds von Kräften, um
mit Aussicht auf Erfolg ausgeführt zu werden.
Der vorgestellte Patient hat denselben recht gut überstanden: er
wurde 1881 entlassen, heirathete ein Jahr darauf und hat bis Ende
vorigen Jahres sein Handwerk als Maurer unausgesetzt ausgeübt.
Seine Aufnahme in’s Hospital erfolgte wegen einer anderweitigen
Verletzung. Es ist zwar noch eine Höhle zurückgeblieben, die zum
Theil durch Zusammenrücken der Rippenstücke und Einziehung der
Haut entstanden, zum Theil wohl auch eine Folge der noch nicht
genügend rücksichtslos ausgeführten Thoraxresection ist, doch hat sie
sich ganz mit Epidermis ausgekleidet. Von Seiten der Wirbelsäule hat
sich nur eine ganz mässige Scoliose entwickelt. Ich habe die Operation
ausserdem noch 3mal gemacht. Darnach ist ein Patient vollkommen geheilt,
der zweite 6 Wochen nachher an ausgedehnter Tuberculose, der dritte
noch am Abend des ÖOperationstages am Collaps gestorben. Der Eingriff
ist aber ein ganz kolossaler und muss möglichst rasch ausgeführt werden.
Bisher war die vorherige Resection der Rippen im Bereiche der weg-
zunehmenden Thoraxwand nöthig, um die Arteriae intereostales bequemer
unterbinden zu können und wohl auch, weil unsere bisherigen Scheeren
nicht im Stande waren, Knochen und Weichtheile in einem Zuge zu
durchtrennen. Das wird sich sicher mit der vorzüglichen, messerartig
wirkenden Scheere, die Ihnen von der Congressausstellung wohl bekannt
ist, ausführen und dadurch der Eingriff erheblich abkürzen lassen. Bei
alten nicht ausheilenden Empyemen ist derselbe allein im Stande, die
definitive Herstellung herbeizuführen,
c. Der dritte, wohl interessanteste Fall, den ich Ihnen heute noch
zu zeigen habe, betrifft diesen 26 Jahre alten Mann (Joseph Rehnert),
der, wegen einer Stichwunde am Kinn aufgenommen, einen Nebenbefund
darbot, welcher seiner Aetiologie nach vielleicht ein Unicum darstellt.
Wenn Sie seinen rechten Arm betrachten, so wird es Ihnen gewiss
wie mir ergehen, Sie werden glauben, es handele sich um das Residuum
einer einfachen infantilen Lähmung. Wie Sie sehen, baumelt der r. Arm
wie ein bewegungsloser Appendix am Körper, sämmtliche Theile und
Glieder desselben sind enorm atrophirt, von Muskelsubstanz kaum etwas
zu fühlen, der Oberarmknochen ist kaum so dick wie eine Fibula.. Aber
die Extremität ist nicht bloss im Diekendurchmesser geschwunden,
sondern auch in der Länge erheblich verkürzt. Vom acromion bis zum
olecranon beträgt dieselbe 35,5 em gegen 39 cm am kräftig ent-
1*
4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
wickelten linken Oberarm, von der Spitze des olecranon bis zum processus
styloideus ulnae 25,5 cm gegen 27,5 cm links. Die Gesammt-
differenz der Armlängen beträgt also 5,5 em. Die Umfangsmaasse
sind folgende: dicht unter der Achselhöhle rechts 14, links 28 cm, in
der Mitte des Oberarms rechts 13, links 26,5 em, in der Ellenbeuge
rechts 16, links 23 cm, in der Mitte des Unterarms rechts 13,5, links
22 cm, der Umfang des Handgelenkes rechts 14, links 18 em. Wie
Sie sehen, steht die rechte Schulter bedeutend höher als die linke und
springt das acromion stark hervor. Das laterale Ende der clavieula
ist nach hinten gedrängt und dadurch der rechte Oberarmkopf dem
Rumpfe mehr genähert als links. Die Entfernung der articul. sterno-
clavicul. bis zur Mitte des Oberarmkopfes beträgt links 19, rechts nur
16 cm.
Der Arm steht etwas nach innen rotirt, im Ellenbogengelenk
leicht gebeugt. Die Hand befindet sich in starker Flexion und Abduction
nach der Ulnarseite, die Fingergelenke sind sämmtlich leicht gebeugt.
Die passive Beweglichkeit ist in allen Gelenken erhalten. Activ ist im
Schulter- und Ellenbogengelenk nicht die geringste Bewegung möglich;
beim Versuch, den Oberarm zu heben, wird nur die scapula etwas ge-
hoben. Bei passiver Beugung im Ellenbogengelenk hängt die Hand
schlaff unter einem rechten Winkel gegen den Unterarm herab, doch
kann Patient dieselbe activ um einen Winkel von etwa 30 Grad mit
allerdings sehr geringer Kraft strecken. Die Finger können in allen
Gelenken noch ein wenig weiter activ gebeugt, aber nicht vollkommen
gestreckt werden, mit Ausnahme des Zeigefingers, der in der Grund-
und Mittelphalanx ganz extendirt werden kann, während jedoch das
Endglied dabei flectirt bleibt.
Die faradische Erregbarkeit ist überall erloschen, eine genauere
Prüfung der galvanischen war bei der Kürze der Zeit nicht möglich.
Die Sensibilität ist am Oberarm normal, vom Ellenbogen abwärts in
allen Nüancen erheblich herabgesetzt.
Der Arm bietet also, wie gesagt, vollkommen das Bild eines infantil
gelähmten. Der Patient hat aber bis vor 5 Jahren als Fleischergeselle
seinen rechten Arm ebenso kräftig gebraucht wie den linken und ist
erst seit dieser Zeit genöthigt, sich sein Brod als Colporteur zu ver-
dienen. Wie ist das möglich? Darüber gab uns der Mann folgende
interessante Auskunft.
Im August 1885 zog er sich am rechten Zeigefinger bei seiner
Fleischerarbeit eine leichte Verletzung mit dem Messer zu, von welcher
eine 1 em lange quergestreckte Narbe am Rücken der Grundphalanx
‚noch jetzt sichtbar ist. Er beachtete dieselbe zunächst nieht, und erst
als sie am 5. Tage zu schmerzen anfing und 2 Tage darauf der ganze
Arm sich zu röthen und anzuschwellen begann, liess er sich in ein
I. Medieinische Abtheilung. 5
Krankenhaus (auswärts) aufnehmen. Dort wurde das Geschwür am Finger
excidirt und um, wie es scheint, das weitere Fortschreiten der entzünd-
lichen Schwellung zu verhindern, ein Gummischlauch fest um die
Schulter geknüpft. Derselbe soll 6 Wochen lang gelegen haben,
ohne ein einziges Mal gelockert worden zu sein, bis die Schwellung,
welche mit der dritten Woche zurückzugehen begann, vollständig ver-
schwunden war. Nach Abnahme des Schlauches war der Arm gelähmt.
Massage, Elektricität ete. blieben ganz erfolglos; es stellte sich vielmehr
bald ein Schwund der ganzen Extremität ein, welcher nach etwa einem
Jahr die jetzige Höhe erreicht hatte.
2) Herr Oscar Brieger theilt die auf der kgl. dermatologischen
Klinik gemachten Erfahrungen mit:
Ueber die Einwirkung des Koch’schen Verfahrens auf
Schleimhaut-Lupus. ')
Zur Beobachtung gelangten im Ganzen 18 Lupus-Fälle der dermato-
logischen Klinik, welche zum Theil schon seit Beginn der Anwendung
der Koch’schen Injeetionen in Behandlung stehen. Die Beobachtungs-
dauer variirte zwischen 4 und 55 Tagen; die höchste Zalıl der bisher
bei demselben Individuum applieirten Injectionen betrug 17, die nie-
drigste 1. Als Anfangsdosis wurde gewöhnlich 0,001 g gewählt und
diese wiederholt — bis 6 mal in einem Falle — injieirt, so lange
darauf noch eine Reaction erfolgte. Die höchste, bisher überhaupt zur
Anwendung gelangte Dosis betrug 0,1 g. Die Pausen zwischen den ein-
zelnen Injectionen wechselten zwischen 12 Stunden und 14 Tagen. Auf
die Intensität der localen Schleimhautreaction schien die Dauer der
Pausen keinen bemerkenswerthen Einfluss zu haben,
Was die Localisation und Ausdehnung des Schleimhaut-
Lupus in den beobachteten Fällen angeht, so war die Nasenschleimhaut
fast durchweg von dem Krankheitsprozess ergriffen, aber in einer be-
trächtlichen Zahl der Fälle der Beobachtung nicht zugänglich, so dass
im Ganzen für die Beobachtung nur 5 Fälle in Betracht kommen, in
denen ausser der Erkrankung der Nasenschleimhaut vor Einleitung der
Behandlung keine anderweitigen Schleimhautherde nachweisbar waren,
In 4 Fällen war die Mundschleimhaut allein, 2 mal ausserdem noch die
Rachenschleimhaut, 4mal ausser Mund- und Rachenhöhle der Kehlkopf,
lmal Nasen-, Mund- und Rachenschleimhaut, Imal Nase und Kehlkopf
betheiligt; in einem Falle bestanden ältere narbige Veränderungen im
Rachen und Kehlkopf ohne nachweisbare frischere Prozesse.
Die Allgemeinreaction schien gerade bei den mit Schleimhaut-
erkrankungen complieirten Lupus-Fällen besonders intensiv zu sein.
!) Vergl. die eingehende Veröffentlichung in No. 5 der Deutschen medicinischen
Wochenschrift d. Jahres.
6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Ebenso regelmässig erfolgte der Eintritt der localen Reaction an
allen Stellen, an denen frischere Lupus-Herde nachweisbar waren. Als
Reactionserscheinungen traten neben Röthung und Schwellung besonders
hochgradige Empfindlichkeit der reagirenden Schleimhautparthien gegen
Berührung, Neigung zu Blutungen, in geringerem Grade Zunahme der
Secretion hervor. An den exulcerirten Schleimhautherden machte sich
ein scharfe Abgrenzung gegen die Umgebung und das Auftreten eines
ziemlich fest adhärenten, schmierig grauweissen, zuweilen auch schwärz-
lich gangränös aussehenden Belages geltend.
Nach Ablauf der Reaction stellen sich an den bereits als er-
krankt nachgewiesenen Stellen der Schleimhaut weitere Veränderungen
theils im Sinne einer einfachen Rückbildung, theils als oberflächlicher
Zerfall ein. Ausserdem traten an vorher für normal gehaltenen Schleim-
hautbezirken nach den Injectionen neue Herde auf, theils in Form
miliarer, unter Exfoliation des necrotisch gewordenen Epithelüberzugs
rasch abheilender Eruptionen, theils als wirkliche Substanzverluste mit
rascher Heilungstendenz. Nur in dem erwähnten Falle, in welchem bloss
Prozesse älteren Datums in Rachen und Kehlkopf nachweisbar waren,
traten an der vorher für normal gehaltenen Zunge nach den ersten In-
jeetionen ausgedehntere Ulcerationen auf, welche indessen gleichfalls zu
rascher Abheilung tendirten und bald vollständig vernarbten.
Bei Lupus laryngis waren Haupterscheinungen der Reaction:
Die Schwellung, welche zwar beträchtlicher als meist bei Tubereculosis
laryng., aber niemals so hochgradig war, dass die Gefahr einer be-
drohlichen Stenosirung des Kehlkopflumens bedingt gewesen wäre und
nur in einem Falle deutlichen Stridor auslöste, ferner Heiserkeit bezw,
complete Aphonie. Die weiteren Veränderungen an der Kehlkopfschleim-
haut verhielten sich durchaus analog den oben beschriebenen Vorgängen.
Bei Lupus der Nasenschleimhaut, bezw. der in einem Fall
beobachteten Tuberculose derselben trat während der Reaction be-
sonders die Zunahme der Secretion hervor. Im weiteren Verlaufe wurde
hier besonders deutlich der Typus der einfachen Rückbildung des tuber-
culösen Gewebes neben oberflächlicher Geschwürsbildung. Zwei Fälle
von serophulösem Eezem des Naseneingangs haben allgemein
und local reagirt. — Vortragender entscheidet sich dafür, die Ent-
stehung der vielfach beobachteten frischen Tuberkel-Eruptionen aus
latenten, vor den Injectionen makroskopisch nicht erkennbaren Herden
herzuleiten, einerseits, weil es oft gelang, in der Umgebung dieser
frischen Herde doch auch noch ältere Veränderungen nachzuweisen,
welche die Annahme abgelaufener tubereulöser Prozesse in diesen
Gegenden wahrscheinlich machten, andererseits, weil immer nur die
ersten Injeetionen das Auftreten solcher Herde zur Folge hatten. Er
weist ferner darauf hin, dass durch die im Bereich der lupösen Schleim-
I. Medicinische Abtheilung. 7
hautherde aufgetretenen Veränderungen unter dem Einflusse der In-
jeetionen sich allmählich das klinische Bild der Schleimhaut-Tubereulose
(im engeren Sinne) entwickelt, plädirt aber trotzdem für Beibehaltung
der von Michelson neuerdings verworfenen Differenzirung der beiden
ätiologisch gleichen Krankheitsprozesse.
Der diagnostische Werth des Koch’schen Verfahrens kam bei
den beobachteten Fällen besonders an dem durch die Injectionen erst
zum Vorschein gebrachten Zungen-Lupus, ferner bei der Tuberculose
der Nasenschleimhaut und dem scrophulösen Eezem des Naseneingangs
zur Geltung.
Bezüglich der Heilwirkung des Verfahrens äussert sich Vor-
tragender dahin, dass er ein definitives Resultat zwar nur in dem Falle,
in welchem unter der Behandlung Zungen-Lupus aufgetreten und voll-
kommen abgeheilt sei, gesehen, bei allen anderen Kranken aber partielle
Heilungen und bemerkenswerthe, objeetiv deutlich nachweisbare Besse-
rungen beobachtet habe, so dass er sich zu der Annahme berechtigt
glaube, dass in diesen Fällen unter der weiteren Einwirkung des Koch-
schen Verfahrens vollkommene Abheilung aller tuberceulöser Schleimhaut-
herde eintreten wird.
Im Anschluss hieran theilt Vortragender einige Erfahrungen mit,
welche er bei Anwendung des Verfahrens in Fällen von Kehlkopf-
Tubereulose und tubereulöser Mittelohreiterung gewonnen hat.
Im Anschluss an vorstehenden Vortrag macht
Herr Neisser
folgende Bemerkungen: ')
Erstens glaube ich ebenfalls, dass wir klinisch auch fernerhin
einen Unterschied machen sollen zwischen Lupus und Tubereulose im
engeren Sinne des Wortes, wenngleich wir vom ätiologischen Stand-
punkte aus beide Affectionen selbstverständlich für identisch halten müssen.
Vor Allem aber will ich aus den soeben geschilderten, am Schleimhaut-
lupus gewonnenen Beobachtungen einen allgemeinen Schluss ziehen auf
den Werth des Koch’schen Verfahrens im Ganzen. „Ich stehe nicht
an, ganz rund heraus zu erklären, dass ich nach dem, was
ich bisher an eigenem Krankenmaterial gesehen habe und
was an literarischem Material anderer Beobachter vorliegt,
nach keiner Richtung hin einen Grund sehe, von dem ersten
grossen enthusiastischen Eindrucke, den Koch’s Veröffent-
liehungen auf mich gemacht haben, jetzt zurückzukommen
und überzugehen in das Lager des Pessimismus, der sich bei
-
%) Dieselben sind ausführlich in der Deutsch. mediein. Woch. 1891, No. 5,
wiedergegeben.
8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Aerzten wie bei Laien jetzt geltend macht. Freilich habe
ich weder im Anfange noch jetzt ausser Acht gelassen, was
Koch selbst über sein neues Mittel gesagt hat.“
Redner führt den letzten Gedanken weiter aus und glaubt, dass auch die
ungünstigen Erscheinungen, welche wesentlich durch Virchow’s bedeutsame
Mittheilungen zur allgemeinen Kenntniss gelangt sind, sich decken mit den
von Koch von vornherein gegebenen Andeutungen über die Wirkung
des Mittels. Speciell glaubt er betonen zu müssen, dass diese ungünstigen
Beobachtungen keinen allgemeinen Schluss gestatten für die Verwerth-
barkeit des Mittels in praktischer Hinsicht; denn die Obductionen
rührten wesentlich von solchen Fällen her, bei denen von vornherein
ein Heilerfolg von den Injeetionen nicht erwartet werden konnte. Er
bespricht sodann die auch von Virchow betonte Thatsache, dass in
manchen Fällen zwar eine Abheilung der ursprünglichen tubereulösen
Herde, daneben aber eine Weiterverbreitung des tubereulösen Krank-
heitsprocesses durch Injectionen möglich sei und zwar sowohl in die
Nachbarschaft der betr. Herde, als auch in allgemeiner, zu Miliartuber-
culose führender Ueberschwemmung des Organismus durch Injeetions-
material. Für die in der Nachbarschaft gelegenen Neueruptionen hält
er den Beweis noch nicht für erbracht, dass es wirklich durch Ver-
schleppung entstandene neue Bildungen wären, da es sich auch um
Sichtbarwerden bisher latenter, mikroskopisch unsichtbarer Herde
handeln könne, während die in grösserer Entfernung oder gar im ganzen
Körper entstehenden Neueruptionen in der That als durch eine Ver-
schleppung in Folge der Injeetionen entstanden zu denken wären.
Allerdings wird auch hier jedes Mal eruirt werden müssen, welche be-
sonderen Zufälle die Hineinbeförderung des Injectionsmaterials in die
verbreitenden Saftbahnen begünstigt haben; denn es wäre doch wohl
sicher kein Zufall, dass nur bei Lungentuberculose solche schlimmen
Zufälle beobachtet worden seien,
Er selbst hat an 46 sicher tubereulösen Personen durchwegs
günstige Resultate zu verzeichnen, in keinem einzigen Falle
irgend welche bedrohlichen Nebenerscheinungen, in allen
dagegen Zeichen deutlichster localer Besserung oder par-
tieller Heilung. Keinem Beobachter könne der kolossale Fortschritt
entgehen, den alle behandelten Kranken in der kurzen Zeit gemacht
haben. Aus dem, was an der gut controlirbaren Haut- und Schleim-
hauttuberceulose vor sich geht, sind wir gewiss berechtigt, Schlüsse zu
ziehen auf die Heilungsmöglichkeit tubereulöser Herde auch in andern
Organen, sofern daselbst nicht Complieationen den Heilungsvorgang ver-
hindern.
Nachdem er kurz die Differenzen des dermatologischen Materials
mit den bei der Lungentubereulose und bei der chirurgischen Tuber-
I. Medicinische Abtheilung. 9
culose vorliegenden Verhältnissen berührt, wendet er sich zu den An-
griffen, welche sich gegen den von Koch behaupteten diagnostischen
Werth des Mittels richten.
Was die Thatsache betrifft, dass tuberculöse Processe, deren spe-
eifische Natur durch den Nachweis von Bacillen erbracht sei, nicht reagiren,
so habe er noch keinen Fall gesehen, in dem locale Reaction aus-
geblieben sei, während die allgemeine allerdings bei kleinen Dosen
fehlte. Er glaubt daher auf die locale Reaction als eine in jedem Fall
zustande kommende Erscheinung vom wissenschaftlichen Standpunkt
aus den Hauptwerth legen zu müssen. Allerdings muss daneben zu-
gegeben werden, dass die Injectionen, da diese locale Reaction nicht
- immer nachweisbar zu sein braucht, und in solchen Fällen, wo locale
und allgemeine Reaction ausbleiben, ohne diagnostischen Werth sein
können.
Eine typische Local-Reaction nicht-tuberculöser Processe und eine
typische Allgemein-Reaction nicht-tubereulöser Personen hat Vor-
tragender nie gesehen.
Was die speciell bei Lepra beobachteten Injectionsfolgen betrifft,
so weist er darauf hin, dass bei Leprösen stets die allgemeine Reaction
der localen Einwirkung auf die leprösen Neubildungen vorausginge, dass
also von einer Vergleichung der Wirkung des Mittels bei Tubereulose, und
bei Lepra nicht die Rede sein kann. Redner schliesst mit dem Ausdrucke
seiner Ueberzeugung, dass indenvonKochumschriebenenGrenzen
auch die therapeutische Wirkung des Mittels schliesslich allgemeine An-
erkennung finden werde und dass wir unter allen Umständen der wissen-
schaftlichen Bedeutung der Koch’schen Entdeckung unsere höchste
Bewunderung zollen müssen.
2. Sitzung vom 16. Januar 1391.
Herr Hirt demonstrirt zunächst:
a) Zwei durch Suggestion erzielte Heilungen.
Der erste Patient ist ein l4jähriger Knabe, welcher 6 Jahre lang
an einem nervösen Husten, der besonders Nachts quälend auftrat, litt.
Alle ärztiichen Eingriffe, Seebäder, Elektrisiren, Ausbrennen der Nase,
Einpinselungen u. s. w. hatten sich unwirksam erwiesen. Am 3. Decbr.
1890 Vornahme der Suggestion — sofortige Heilung, welche bis heut
(16. Jan.) anhält.
Im zweiten Falle handelt es sich um einen 11 jährigen Knaben, der
seit 15 Monaten typisch auftretende Anfälle von Athemnoth zeigte; die-
selben erschienen 10—12 mal täglich und raubten dem Knaben oft
gänzlich die Nachtruhe. In den anfallsfreien Zeiten völliges Wohl-
befinden. Auch hier wurden alle möglichen therapeutischen Eingriffe
10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
ohne jedoch sichtbaren Erfolg versucht. Einmalige Suggestion am 9. De-
cember: sofortiges Verschwinden der Anfälle und andauernde Genesung
bis zum heutigen Tage.
Darauf spricht Herr Hirt:
b) Ueber das Wesen und die Behandlung der Tabes.
Der Vortragende bemerkt erläuternd, dass die Tabes zu den relativ
häufigen Nervenkrankheiten gehöre und von jedem modern durchgebil-
deten Arzte, falls sie in ihrer sog. celassischen Form auftritt, ohne
Schwierigkeiten diagnostieirt werde. Die Zahl der über T. erschienenen
Arbeiten sei eine endlose, und kaum irgend ein Journal könne man
durchlesen, ohne Beiträge zur Symptomatologie, zur Aetiologie, zur
Therapie zu finden. Auch pathologisch - anatomische Untersuchungen
liegen viele vor, sie enthalten jedoch meist nur Befunde der pathologisch
veränderten nervösen Bestandtheile des Rückenmarks, ohne auf die
Veränderungen der Gefässe genügend Rücksicht zu nehmen.
In allen diesen Arbeiten wird die Ansicht vertreten, die Tabes sei
eine Rückenmarkskrankheit, während es nach Ansicht des Vortr. zweifellos
sei, dass neben den Rückenmarkserscheinungen unendlich häufig auch
Hirnerscheinungen und Affectionen der peripheren Nerven, wie sieanatomisch
neuerdings Dejerine, Oppenheim, Simerling, Strümpell u. A. beschrieben
hätten, vorkämen. In seinem vor 1 Jahre erschienenen Lehrbuche der
Nervenkrankheiten habe der Vortr. der Tabes zuerst den Platz unter
den Allgemeinerkrankungen des Nervensystems angewiesen und die Kritik
habe sich im Ganzen damit durchaus einverstanden erklärt; er halte es
jedoch an der Hand eines grossen Materials für angezeigt, die Aufmerk-
samkeit der Aerzte noch einmal auf diesen Punkt hinzulenken.
Es folgt nunmehr eine Analyse der klinischen Erscheinungen, wobei
sich ergiebt, 1) dass Rückenmarkserscheinnngen bei der Tabes bisweilen
gar nicht in den Vordergrund treten, ja in einzelnen Fällen usque ad finem
völlig fehlen — sogar das für pathognostisch gehaltene Westphal’sche
Symptom könne vermisst werden, — 2) dass Hirnerscheinungen in 90 °),
aller Fälle beobachtet werden, wobei das Verhalten der 12 Hirnnerven-
paare sehr interessant sei. Kein einziges sei vor der Erkrankung sicher,
die relative Häufigkeit aber sei sehr verschieden — die Augenmuskelnerven
und der Opticus erkrankten jedoch relativ am häufigsten, ihnen folge
der Vagus, am seltensten sehe man den Acusticus und den Faeialis
im Verlaufe der Tabes affieirt. Der Vortr, belegt die relative Häufigkeit
der Erkrankung der 12 Hirnnervenpaare mit statistischen Daten. 3) Die
durch des Ergriffenwerden der peripheren Nerven gesetzten Krankheits-
erscheinungen fehlen fast nie; besonders wird auf die fast regelmässig
sich sehr früh einstellende Herabsetzung der Hautsensibilität, die cutane
Analgesie, auf deren Bedeutung schon ©. Berger hingewiesen habe,
I. Medicinische Abtheilung. 11
aufmerksam gemacht. Im Anschluss an alle diese klinischen Thatsachen
wiederholt der Vortr. seine Behauptung: Die Tabes ist keine Er-
krankung des Rückenmarkes, sondern des Gesammtnerven-
systems.
Weiter, so fährt der Vortr. fort, habe die Aetiologie Anstoss zum
eingehenden Studium des Wesens der Tabes gegeben; seit Fournier und
Erb sei es zweifellos, dass die Syphilis als ätiolog. Moment die Haupt-
rolle spiele, und der Vortr. ist nicht abgeneigt, sie für das einzige
zu halten und zu behaupten, dass Tabes ohne vorangegangene Lues
überhaupt nicht vorkomme. Neben der Statistik, welche unter 319
dem Vortragenden zu Gebote stehenden Fällen 92°, als syphilitisch
infieirt erkennen lässt, ist es das Verhalten der Gefässe, welches den
Vortr. zu dieser Ansicht gebracht hat; in 6 von ihm untersuchten
Fällen liessen die grossen und kleinen Gefässe des Rückenmarks 4 mal
genau dasselbe Verhalten oder wenigstens ein ähnliches Verhalten er-
kennen, wie es Heubner bei der Hirnlues für die Hirngefässe gefunden
und beschrieben hat. Die Thatsache, dass in einzelnen Tabesfällen
frühere Lues factisch nicht nachzuweisen sei, sucht der Vortr. einmal
dadurch zu erklären, dass die Infection manchmal beharrlich verschwiegen
wird, und dass auf keine Weise ein Geständniss zu erzielen ist und dann
dadurch, dass im gegebenen Falle keine Tabes, sondern periphere Neuritis,
überhaupt ein diagnostischer Irrthum vorliege. Am Schlusse seiner
Deduetion stellt der Vortr. die Behauptung auf: „Die Tabes ist mit
einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit immer
und ausnahmslos durch Lues bedingt; Traumen, Erkältung, Ein-
flüsse der Berufsarbeit (Nähmaschine) sind immer nur als Gelegenheits-
ursachen, die ohne vorhergegangene Lues keine Tabes erzeugen könnten,
zu betrachten.“ Ob die Gefässerkrankung und die dadurch bedingte Er-
nährungsstörung der nervösen Elemente allein zur Herbeiführung der
tabischen Symptome ausreichend sei, oder ob man (Strümpell) die Bildung
eines (syphilitischen) Toxins annehmen müsse, will der Vortr. nicht
endgiltig entscheiden; doch neigt er entschieden zu der ersten Annahme,
Bei der Behandlung der Tabes spricht sich der Vortr. ziemlich
skeptisch bezüglich der zu erzielenden Heilerfolge aus; er räth, besonders
bei vorgeschrittenen Fällen, von eingreifenden Maassnahmen abzusehen und
sich mehr auf die gute Pflege und die geistige Aufrichtung und Er-
frischung der Kranken zu beschränken. Besonders warnt er vor dem
alljährlichen Ins-Bad-schieken, wodurch dem Kranken wenig genützt und
unter Umständen der Wohlstand der Familie schwer geschädigt werden
könne. Morphium hält der Vortr. bei jahrelanger Behandlung der Tabes
für unentbehrlich und unersetzlich: Fälle mit prävalirenden Schmerz-
attaken seien ohne Morphium nicht denkbar. Was die von den Fran-
zosen empfohlene Suspension (Schwebung) betrifft, so hält er das in
12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
seinem Lehrbuche abgegebene Urtheil aufrecht: niemals hat er dauernde
und wesentliche Erfolge erzielt und kann daher zur Fortsetzung nicht
rathen.
In der Diseussion bemerkt zunächst Herr Löwenhardt:
Da der Vortragende einerseits jede Therapie für aussichtslos erachtet,
andererseits Lues doch stets als Ursache hinstellt, und zwar zuweilen
schon ganz kurze Zeit post infeetionem, so drängt sich die Frage auf,
wie man sich namentlich in letzteren Fällen zu einer antiluetischen Be-
handlung der Tabes stellen solle und ob er auch so frühe Curen für
erfolglos halten würde. Gegenüber der von dem Vortragenden gethanen
Aeusserung, ferner, dass man bei Kindern deshalb so wenig Tabes
beobachte, weil es so wenig luötische Kinder gäbe, so glaubt Herr
Löwenhardt auf eine Pariser These (,Sur la mortalit& des enfants
heredo-syphilitiques“ par Helene Krykus) aufmerksam machen zu sollen,
in welcher sich eine Zusammenstellung der durchaus nicht spärlichen,
an Fournier’s Hospital gemachten Beobachtungen über luötische Kinder
befindet. Hier wird über nicht weniger als 408 syphilitische Kinder
berichtet, von denen indess kein einziges tabische Symptome dar-
geboten hat.
Herr Hirt: Bezüglich des letzteren Einwandes kann ich nur sagen,
dass ich natürlich nicht weiss, wie viele von 100 syphilitischen Indivi-
duen später tabisch waren. Ich weiss blos, dass unter 100 Tabischen
sicher mindestens 92 sind, die eine syphilitische Ansteckung erlitten haben.
Was die Frage nach einer etwaigen antisyphilitischen Behandlung an-
langt, so betrachte ich eine solche in den von Herın Löwenbardt be-
zeichneten Ausnahmefällen gewiss für indieirt, in allen anderen, wo die
tabischen Symptome mitunter ja erst 15, 20, selbst 25 Jahre nach der
Infecetion auftreten, dagegen für vollkommen aussichtslos.
Herr Ponfiek: Mit Rücksicht auf die von dem Vortragenden be-
tonte Vernachlässigung des Verhaltens der Blutgefässe im Bereich oder in
der Nähe der entartenden Gebiete kann ich nicht umhin hervorzuheben,
dass ein derartiger Causal-Zusammenhang vielfach als zweifellos be-
trachtet, jedenfalls von mir seit vielen Jahren als eine der Tabes gesetz-
mässig zukommende Erscheinung gelehrt wird. Ob diese „Endarteriitis“
allerdings immer eine Folge der syphilitischen Constitutions-Anomalie
sei und demgemäss speeifische Eigenschaften besitze oder ob sie keine
wesentlichen Unterschiede von der gewöhnlichen Entartungsweise dar-
biete, darüber sind die Ansichten noch getheilt, auch die bis heute
gesammelten Erfahrungen wohl kaum ausreichend.
Herr Hirt: Ich habe nicht gemeint, dass man den Gefässen gar
keine, sondern dass man ihnen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe.
Ed Ks
I. Medicinische Abtheilung. 13
Meiner Ueberzeugung nach müssten sie aber in jedem Teabes-Falle
ebenso sorgfältig untersucht werden, wie die nervösen Elemente,
Herr C.S. Freund richtet an den Vortragenden die Frage, welchen
Standpunkt er gegenüber der Tabes-Theorie Jendrassik’s einnehme,
nach welcher der Degenerations-Prozess von der Hirnrinde ausgehen soll.
Herr Hirt: Die erwähnte Auffassungsweise halte ich für irrig, bin
vielmehr der Meinung, dass die Entartung der peripheren Nerven stets
das Früheste ist. Im Hinblick auf den Wunsch des Herrn Freund;
typische von atypischer Tabes zu unterscheiden, erklärt der Vortragende,
dass es für ihn überhaupt keine ‚‚atypische‘ Form gebe. Denn bei
keinem einzigen Kranken vermag man ja heute vorauszuwissen, wie er
innerhalb 3 Monaten aussehen werde.
3. Sitzung vom 30. Januar 1891.
1) Der Vorsitzende, Herr Ponfick, schlägt vor, die Verhandlungen
der Gesellschaft künftighin in einer Berliner medieinischen Zeitschrift
veröffentlichen zu lassen, da es dadurch ermöglicht werde, sie einem un-
gleich grösseren Leserkreise zugänglich zu machen. Nach seinen Er-
kundigungen würde die Berliner klinische Wochenschrift gern hiezu
bereit sein.
2) Sodann theilt er mit, dass sich in Berlin ein Comite aus dortigen
Gelehrten, sowie den deutschen und österreichischen Fachgenossen Rudolf
' Virchow’s gebildet habe, um ihm zu seinem auf den 13. October d. J.
fallenden Geburtstage eine Jubiläumsgabe zu widmen. Er lädt die zur
Betheiligung geneigten Mitglieder ein, ihre Beiträge in eine aufgelegte
Liste einzuzeichnen.
3) Herr Heidenhain theilt mit, dass zu dem auf den
31. August d. J. fallenden Geburtstag von Hermann Helmholtz die
Absicht herrsche, eine Stiftung zu errichten, aus deren Zinsen alljährlich
ein wissenschaftlicher Preis vertheilt werden solle. Er erbittet für
diesen Zweck das gleiche Interesse der Versammlung.
4) Herr Riegner berichtet unter Vorzeigung der bezüglichen Prä-
parate über:
Einen Fall von Magen-Resection wegen Carcinoma Pylori.
Der Umstand, dass in Breslau bisher erst selten Gelegenheit zu
der genannten Operation geboten gewesen ist, bildet eine doppelte Ver-
anlassung für mich, Ihnen den Befund vorzulegen, welchen ich vor
14 Tagen erhoben habe. Ich selber habe den Eingriff erst zwei Mal aus-
geführt.
Es handelte sich um eine Frau von 42 Jahren, welche, seit etwa
Jahresfrist an Magenbeschwerden leidend, im Mai 1890 zuerst eine Ge-
14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
schwulst in der regio epigastrica bemerkte, die seitdem rasch gewachsen
sein soll. Seit 6 Wochen hatte sie fast Alles ziemlich bald nach den
Mahlzeiten wieder erbrochen und feste Speisen gar nicht mehr zu sich
nehmen können. Sie war hochgradig abgemagert, blutleer und hatte
einen elenden, dabei frequenten Puls. Im epigastrium mehr nach links
gelegen, sah und fühlte man einen harten faustgrossen Tumor, welcher
sich nach allen Richtungen gut verschieben liess und auch den Respirations-
bewegungen ziemlich ausgiebig folgte. Die Aufblähung des Magens
ergab zur Evidenz, dass dieser und zwar seine pars pylorica der Sitz
des Tumors war. Gleichzeitig erwies er sich ziemlich erheblich di-
latirt, und da von der eingepumpten Luft fast gar nichts nach den
Därmen zu entwich, so musste die durch das Carcinom — um ein
solches konnte es sich trotz nachgewiesener Salzsäurereaction ja nur
handeln — veranlasste Pylorusstenose eine sehr hochgradige sein. Für
einen operativen Eingriff lag demnach die indicatio vitalis vor. Derseibe
wurde, nachdem ich versucht hatte, die Patientin durch Nähr-Klystiere
einigermaassen zu kräftigen und nach täglich mehrmals wiederholten
Magenausspülungen, am 15. Januar vorgenommen und sollte wegen der
Grösse der Geschwulst nur in der Anlegung einer Magendünndarmiistei
bestehen. Als sich jedoch nach Ausführung des Medianschnittes die Ge-
schwulst frei von allen Verwachsungen und Metastasen erwies und mit
Bequemlichkeit hervorziehen und extraperitoneal lagern liess, entschloss ich
mich zur Resection derselben, zumal der Rest des dilatirten Magens
zur Neuformation eines solchen vollkommen ausreichend schien.
Die Magenresection wurde in der gewöhnlichen Weise nach
Billroth ausgeführt. Nach Unterschiebung von sterilisirten Gascom-
pressen wurden zunächst die ligamenta gastro-hepatica und gastro-colica
in der Ausdehnung der Geschwulst in mehreren Parthien ligirt und mit
dem Paquelin durchtrennt. Das musste, da der Tumor sich weit auf
die hintere Magenwand erstreckte, in ziemlicher Ausdehnung erfolgen.
Dann wurde der Magen von der kleinen Curvatur aus etwa 2 cm jenseits
der Tumorgrenze bis auf eine zur Vereinigung mit dem Duodenum aus-
reichende Parthie durchtrennt und dieser Theil des Magens sofort durch
die dreischichtige Ocelusions-Naht geschlossen. Nach nunmehr erfolgter
vollständiger Abtrennung des Magens von dem Tumor wurde letzterer
nach aussen umgeschlagen und vom Duodenum zunächst nur in dessen
hinterer Cireumferenz abgeschnitten. Letztere wurde mit dem ent-
sprechenden hinteren Rande des übrig gelassenen Magenmundes durch
die Wölfler'sche sogenannte innere Ringnaht vereinigt, was ohne jede
Zerrung gelang. Darauf erst erfolgte die vollständige Abtrennung der
Geschwulst vom Duodenum und die Vereinigung von dessen vorderer
Peripherie mit der entsprechenden der Magenwunde in den bekannten
drei Etagen.
I. Medicinische Abtheilung. 15
Es wurden nur Seidennähte verwandt. Die Compression war auf
Seiten des zurückbleibenden Magens und Darmtheiles durch Assistenten-
hände, auf der Tumorseite durch Darmklammern resp. Seidenligaturen
in vollkommener Weise besorgt” worden, so dass nichts von Krebssaft
oder Darminhalt ausfloss. Irgend welches Antisepticum war nach Er-
öffnung der Bauchhöhle nicht mehr in Anwendung gekommen, zum Ab-
tupfen nur trockene sterilisirtte Gaze benutzt worden. Nach genauer
Revision sämmtlicher Nahtlinien wurde der gut formirte Magen reponirt
und die Bauchwunde oben durch Etagennähte, unten durch einfache
durchgreifende Naht geschlossen. Dauer der Operation 2'/, Stunden.
Die Länge des exeidirten Magenstückes betrug an der kleinen Curvatur 8,
an der grossen 10 cm. Hinten hatte das Carcinom den reseecirten
Magenwandtheil fast in ganzer Ausdehnung ergriffen, vorn erreichte es
nur eine Breite von 5 cm, der Pylorus ist derartig durch Geschwulst-
massen stenosirt, dass man kaum eine dünne Knopfsonde durchführen
kann und vom Magentheil eingefülltes Wasser nur langsam durchtropft.
Es konnten also schon mehrere Wochen lang überhaupt keine ingesta
mehr in den Darm gelangt sein.
Mikroskopisch erwies sich der Tumor als ein kleinalveoläres Gallert-
careinom. Die Patientin erholte sich von dem Eingriff ziemlich rasch,
der vorher sehr kleine Puls wurde entschieden etwas kräftiger. Am
ersten Tage wurder 3stündlich Wein - Nährklystiere verabreicht;
innerlich sollte die Kranke nur zeitweise kleine Eisstückchen gegen den
Durst bekommen, es wurde ihr aber von einer Kranken aus falschem
Mitleid ein ganzes Glas Wasser verabfolgt, was sie, mit etwas Blut ge-
mengt, natürlich bald wieder erbrach. Vom zweiten Tage ab wurden
neben den Klystieren bereits kleine Mengen Milch mit Cognac per os
gereicht, die Patientin bei sich behielt. Sie fühlte sich subjeetiv viel
wohler als vor der Operation, hatte nie Fieber, Druckschmerz oder
anderweitige peritonitische Erscheinungen. Am vierten Tage wurde sie
jedoch ziemlich plötzlich auffallend schwächer und starb Nachmittags
5 Uhr,
Bei der Section fand sich der Magen gut formirt, an Grösse und
Gestalt einem normalen annähernd gleich. Die Nähte hielten auch einen
sehr starken Wasserdruck aus und waren nirgends insufficient. Keinerlei
Metastasen. Leichte ceircumseripte fibrinöse peritonitis. Eine geringe
Menge wahrscheinlich aus einer Stelle des durchtrennten kleinen Netzes
stammenden Blutes, das zum Theil über die Därme verstrichen war,
zum Theil im kleinen Becken (100 gr) sich angesammelt hatte und das
unter günstigen Verhältnissen wohl ohne Schaden zur Resorption ge-
kommen wäre, hatte allem Anschein nach genügt, bei dem elenden
Kräftezustande den letalen Ausgang zu beschleunigen. Es ist bei den
16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
für die Operation sonst so günstig gelegenen Verhältnissen zu be-
dauern, dass die Patientin nicht schon vor längerer Zeit, als ihr
Allgemeinzustand noch ein besserer war, dem Eingriff unterzogen
werden konnte.‘ "
In der sich hieran schliessenden
Diseussion
frägt Herr Buchwald den Vortragenden, ob er in der Lage sei,
statistische Angaben zu machen über den Procentsatz der Heilungen.
Die Aerzte könnten sich doch nur dann entschliessen, Patienten mit
einem derartigen Krebsleiden des Magens dem Chirurgen zuzuweisen,
wenn die Aussicht vorhanden sei, dass wenigstens ein Theil durch die
Pylorusresection geheilt werden könne. Bisher schienen doch die
Resultate recht ungünstige zu sein.
Herr Richter hebt hervor, dass die Aeusserung Volkmann’s
gegen die Pylorusresection sich nicht auf das Pyloruscareinom, sondern
auf Narbenenge des Pförtners durch Magengeschwüre bezogen habe.
Interessant zum Vergleiche sind die auf Billroth’s Klinik gesammelten
Erfahrungen. Nach v. Eiselsberg haben dort unter 37 Magenresectionen
21 im Anschluss an die Operation tödtlich geendet. Unter den 16 Ueber-
lebenden waren 11 wegen Krebs operirt worden: von ihnen starben
9 im Verlauf von 4 Monaten bis 4'/, Jahren; 2 lebten noch zur Zeit
des Berichtes und zwar 5, bezw. 8 Monate nach der Operation.
Herr Mikuliez: Die seitens des Herrn Buchwald angeregte
Frage wird sich kaum in einfacher Weise beantworten lassen. Die
Statistik ist hier deshalb nicht maassgebend, weil sie viele Fälle ent-
hält, welche überhaupt zur Operation ungeeignet waren oder aber mit
mangelhafter Technik ausgeführt worden sind. Dies gilt zumal von zahl-
reichen Operationen, welche gleich nach Bekanntwerden des Billroth’schen
Verfahrens von manchen Operateuren ohne genügende Auswahl und ohne
eigene technische Vorbildung vorgenommen wurden.
Die Resection des carcinomatösen Pylorus fällt und steht mit der
Operation der Careinome überhaupt. So gut wir geeignete Fälle von
Mamma-, Uterus- und Rectum-Careinom operiren, ebenso gut müssen wir
es bei den geeigneten Fällen von Pyloruscareinom thun. Nur sind hier
die geeigneten Fälle sehr selten. M. hat erst 6 oder 7 mal den carei-
nomatösen Pylorus resecirt; er hat aber mindestens 10 mal soviel Fälle
gesehen, welche ihm zur Begutachtung, eventuell Operation zugeschickt
wurden, aber alle ungeeignet waren. M. hat erst einen Patienten an
den Folgen der Operation verloren. Nach M. sind zur Operation ge-
eignet nur kleine, gut bewegliche, in keiner Richtung verwachsene
Tumoren bei Patienten mit erträglichem Ernährungszustande,
I. Medicinische Abtheilung. 17
5) Herr Glaeser demonstrirt
einen aus mehreren kolossalen Myomen bestehenden
Tumor der Gebärmutter,
welcher in der hiesigen Frauenklinik exstirpirt worden ist.
Die Patientin datirt ihr Leiden seit 8 Jahren, entschloss sich aber
erst, als sich der Leib innerhalb weniger Wochen enorm vergrösserte,
zur Operation. — Die äussere Untersuchung ergiebt folgenden
Befund:
Das Abdomen enorm ausgedehnt, grösster Leibesumfang 147 cm,
fette Bauchdecken, welche um den Nabel herum in einer Fläche von
15 em im Durchmesser halbkugelig vorgebuchtet sind und hier deutlich
fluetuiren, sonst aber straff und glatt erscheinen. Der Percussionsschall
über den fluetuirenden Partieen ist leer. — Das ganze Abdomen ist ein-
genommen von anscheinend drei Tumoren, der mittelste etwa kindskopf-
gross, die beiden seitlichen über mannskopfgross. Ihre Consistenz ist
fest, die Beweglichkeit gegen einander, ebenso wie die Beweglichkeit
aller zusammen gering.
Die innere Untersuchung lässt ein Tumorsegment fühlen, welches
sich in das kleine Becken vorwölbt, das aber mit den oberen im engsten
Zusammenhange steht, da es selbst kleinsten seitlichen Verschiebungen
derselben folgt. Die Consistenz erscheint jedoch weich, beinahe fluctu-
irend. Die Vagina, lang ausgezogen, geht links an dem Tumorsegment
vorbei dicht hinter dem Schambein in die Höhe. Der Muttermund ist
nicht zu erreichen.
Bei der Operation fiel der Medianschnitt mitten durch die oben
erwähnten cystischen Partieen der Bauchdecken, Zahlreiche Netz-
adhäsionen mussten unterbunden und durchtrennt werden, ehe an das
Herauswälzen der Tumoren gedacht werden konnte, Dasselbe gestaltete
sich bei den überall vorhandenen Verwachsungen und der Schwere der
zu exstirpirenden Massen ungemein schwierig, Nach Loslösung aller
sonstigen Verbindungen wurde zuletzt der lang ausgezogene Uterus
unterhalb der Tumoren quer durchschnitten und in ein seitliches Loch
der papierdünnen Vagina eingenäht. Die Operation hatte im Ganzen
1', Stunden gedauert. Patientin war etwas collabirt, erholte sich
jedoch auf heisse Uebergiessungen und Aetherinjeetionen vollständig und
befindet sich zur Zeit (zwei Tage post oper.) wohl.
Die Tumoren, vier an der Zahl, welche zusammen 45'), Pfund
wiegen, sind Myome (Demonstration). Besonderes Interesse bietet das
am tiefsten sitzende, welches sich in das kleine Becken hinab erstreckt
hatte. Dasselbe zeigt auf dem Durchschnitt ein graues durch-
scheinendes Aussehen, In dem gallertartigen, leicht eindrückbaren Ge-
webe befinden sich zahlreiche, weisse Herde von etwas derberer
ei 2
18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Beschaffenheit, welche mikroskopisch aus Muskelzügen bestehen,
doch auch das übrige Gewebe zeigt überall schöne Muskelbälkchen,
welche indess durch grössere und kleinere, mit Serum angefüllte Lücken
auseinander gedrängt sind. Bei genauerer Betrachtung verschiedener
Partieen des Tumors scheint jedoch nicht allein eine ödematöse Er-
weichung und Durchtränkung derselben vorhanden zu sein. Vielmehr
dürfte, wenigstens zum Theil, eine activere Betheiligung der Lymph-
gefässe vorliegen, indem sich dieselben, wenn auch mässig im Ver-
gleich zu gleiehartigen, früher beschriebenen Geschwülsten, zu Cysten er-
weitert haben: der nämliche Process, wie er sich bei eavernösen Tumoren
an den Blutgefässen abspielt.
Durch letzteren Umstand wird das enorm schnelle Wachsthum der
Geschwulst leicht verständlich. Sind es doch gerade diese Formen,
welche bis zu einem Gewicht von 100—150 Pfund beschrieben worden
sind, so dass ihnen ihre Trägerinnen wie Anhängsel angesessen haben.
6) Herr Mikulicz spricht
Veber die in der Kgl. chirurgischen Klinik mit dem Koch’schen
Heilmittel gewonnenen Erfahrungen.
Der Vortragende stützt sich auf 78 Fälle, von welchen 73 in der
genannten Klinik, 5 ausserhalb derselben beobachtet wurden. Darunter
waren 50 Kranke sicher mit Tuberculose behaftet; die Diagnose wurde
unabhängig vom Koch’schen Mittel durch den klinischen Verlauf, durch
Operationen, resp. Untersuchungen exeidirter Gewebsstücke gestellt.
3 Fälle blieben zweifelhaft, bei 25 Patienten war mit Sicherheit Tuber-
culose auszuschliessen. Ausserdem wurde 10 anscheinend vollkommen
gesunden, im jugendlichen Alter stehenden Personen einmal je 0,01
(einmal nur 0,005) injicirt.
Von den Letztgenannten zeigten 5 Personen keinerlei Reactions-
erscheinungen. Die 5 anderen reagirten auf je 0,01 in mehr oder weniger
ausgesprochener Weise, Das Maximum der Temperatur betrug in einem
Falle 59,0. Von den 25 sicher nicht tubereulösen Patienten, welche
an den verschiedenartigsten Affeetionen litten, reagirten auf Dosen von
0,001—0,015 selbst nach wiederholter Injection 22 gar nicht. In einem
Falle von careinomatöser Peritonitis trat, nachdem 3 vorangegangene
Injectionen von 0,001; 0,002; 0,005 erfolglos geblieben, auf die 4. In-
jeetion von 0,010 eine starke Allgemeinreaction ein. Bei der Autopsie
fand sich ein alter tuberceulöser Herd in einer Lungenspitze. In einem
anderen Falle (gonorrhoische Hüftgelenksentzündung) folgte auf Injection
von 0,005 und 0,01 eine kurzdauernde Temperatursteigerung auf 38,4
und 39,1 ohne sonstige typische Reactionserscheinungen. In einem dritten
Falle (Sequester nach acuter Osteomyelitis des Oberschenkels) folgte nach
der Injection von 0,01 eine Temperatursteigerung bis 38,5; die in
I. Mediecinische Abtheilung. 19
steigernder Dosis bis 0,1 gemachten Injeetionen gaben stärkere Allgemein-
reactionen (Temp. bis 40,2) ohne eine deutliche locale Veränderung.
Von den 3 zweifelhaften Fällen waren 2 nach den klinischen Er-
scheinungen mit aller Wahrscheinlichkeit als tubereulöse Erkrankungen
anzusehen; jedenfalls sprach nichts gegen die Annahme einer Tubereulose.
Beide reagirten allgemein und local in typischer Weise. Im dritten
Falle konnte Tubereulose zwar nicht ausgeschlossen werden, es waren
aber keine sicheren Anzeichen dafür vorhanden; hier folgte auf die In-
jection von 0,005 und 0,01 keinerlei Reaction.
Von den 50 Fällen sicher gestellter Tuberculose betrafen 30 Knochen-
und Gelenk-, 20 Weichtheilerkrankungen. In der ersten Gruppe fanden
sich 12 vollkommen geschlossene und 19 durch Fisteln nach aussen offen
stehende Erkrankungsherde, in der zweiten Gruppe 11 geschlossene und
9 offene Erkrankungsherde.
In allen 50 Fällen trat eine mehr oder weniger ausgesprochene
Allgemeinreaction ein. Nicht immer war die erste oder zweite.
minimale Dosis von 0,001—0,005 von Erfolg, häufig trat die typische
Reaction erst nach wiederholten Injeetionen einer erhöhten Dosis
(0,005—0,01) ein. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ent-
sprachen die allgemeinen Reactionserscheinungen dem von Koch be-
schriebenen Typus, nur in vereinzelten Fällen war sie auf eine Er-
höhung der Temperatur und Pulsfrequenz ohne nachweisbare Be-
einflussung des Allgemeinbefindens beschränkt. In 4 Fällen traten
Nachreactionen ein, und zwar bei vollkommen geschlossenen Herden,
bei welchen von einer Retention im gewöhnlichen Sinne des Wortes
keine Rede sein konnte. Die Nachreactivnen äusserten sich entweder
in einem kurz dauernden einmaligen Anstieg der Temperatur oder in
einem Tage und selbst Wochen andauernden Fieber, welches sich direct
an die Reaction anschloss. Der Ernährungszustand ging in etwa
der Hälfte der Fälle im Laufe der Behandlung sichtlich herunter. In
der Mehrzahl der Fälle ergaben regelmässig fortgesetzte Haemoglobin-
Untersuchungen des Blutes eine deutliche Abnahme des Haemo-
globlin-Gehaltes, welche in manchen Fällen 20—30 pCt. “betrug
(nach dem von Fleischl’schen Haemometer).
In Betreff der localen Reaction zeigten sich die grössten Ver-
schiedenheiten, M. unterscheidet in dieser Richtung drei Grade.
a. Starke locale Reaction nach dem bekannten Typus. Diese
typische ausgesprochene Reaction zeigten 25 Fälle, also etwa
die Hälfte,
b. Schwache locale Reaction: schwache Röthung und Schwellung
und deutlich vermehrte Secretion; keine Schmerzhaftigkeit. Hier-
her gehören 13 Fälle.
20 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
ec. Vollständiges Fehlen makroskopisch sichtbarer Ver-
änderungen in 15 Fällen.') |
In die zweite und dritte Kategorie von schwacher oder vollständig
fehlender localer Reaction gehörten sämmtliche Fälle von Spondylitis,
sämmtliche Fälle von kalten Abscessen, sämmtliche Fälle von tuberceulösen
Mastdarmgeschwüren und fast alle Fälle von alten, z. T. in Heilung be-
griffenen Knochen- und Gelenkerkrankungen. M. ist überzeugt, dass
nicht nur eine individuelle Disposition, sondern mehr noch locale Ver-
hältnisse die Verschiedenheit der localen Reaction bedingen. Es werden
sich in dieser Richtung ohne Zweifel gewisse Regeln aufstellen lassen,
welche die jetzige Unsicherheit in der diagnostischen Verwerthung des
Koch’schen Mittels beseitigen werden. M. hält an dem diagnostischen
Werth desselben fest und stellt in dieser Beziehung vorläufig folgende
Sätze auf: |
1. Tritt nach der Injection des Koch’schen Mittels eine locale und all-
gemeine Reaction ein, dann ist die Diagnose auf Tubereulose
sicher gestellt. ?)
2. Tritt nach wiederholten Injeetionen weder allgemeine noch locale
Reaction ein, so ist Tubereulose mit aller Wahrscheinlichkeit aus-
zuschliessen.
3. Tritt auf eine geringe Dosis eine heftige allgemeine ohne locale
Reaction ein, so ist Tuberculose ebenfalls mit aller Wahrschein-
lichkeit anzunehmen.
4, Tritt auf eine nicht zu geringe Dosis eine mässige allgemeine
Reaction ohne locale Veränderungen ein, so bleibt die Diagnose
zweifelhaft.
Der Vortr. weist darauf hin, dass das Koch’sche Mittel gerade in
den Anfangsstadien der Tuberceulose und bei versteckten Herden vor-
zügliche Dienste leistet, und darauf komme es vor allem an. Die Fälle
von alten, z. T. ausgeheilten tuberceulösen Processen, bei welchen das
Koch’sche Mittel unter Umständen keinen Ausschlag giebt, machen uns
ohnehin in diagnostischer Beziehung keine Schwierigkeiten.
Bevor der Vortr. über die therapeutischen Erfolge berichtet,
geht er auf die Frage ein, ob und in wieweit das Verfahren
Schaden bringen könne. Dass das Koch’sche Mittel ein ganz un-
schädliches und absolut ungefährliches sei, habe wohl von vornherein
Niemand geglaubt, der die kolossalen, oft Besorgniss erregenden Reactions-
'‘) Einzelne Fälle mit doppelten Erkrankungsherden sind zweimal gezählt,
sofern die 2 Erkrankungsherde eine verschiedene locale Reaction zeigten,
?) Die Unterscheidung von Lepra würde nach den Beschreibungen von Babes
keine Schwierigkeiten machen, da der Typus der Reaction hier ein wesentlich
verschiedener zu sein scheint.
I. Medicinische Abtheilung. 31
erscheinungen beobachtet hat. Dass die Kranken durch die häufig
wiederholten Fieberbewegungen, durch die mit der Reaction verbundene
Appetitlosigkeit in ihrem Kräfte- und Ernährungszustand leicht herunter-
kommen, ist zweifellos eine Schattenseite des Verfahrens, und es ist die
Frage, ob nicht schon aus diesem Grunde bei sehr heruntergekommenen
Personen die Koch’sche Behandlung von vornherein sich verbietet.
Koch selbst verspricht sich ja nur in den Anfangsstadien der Tuberculose
einen sichern Erfolg.
Abgesehen davon ist die von Virchow zuerst angeregte Frage,
ob durch die localen Reactionserscheinungen, welche nicht selten ein
entzündliches Infiltrat in der Umgebung des tuberculösen Herdes zurück-
lassen, eine Propagation des tubereulösen Processes nicht befördert
werden kann, nicht einfach zu negiren. Koch selbst sagt ja, dass dies
nekrotisirte tubereulöse Gewebe lebensfähige Tuberkelbaeillen enthalte,
und dass man alles aufbieten müsse, dasselbe fortzuschaffen, um die ge-
sunde Umgebung vor Infecetion zu schützen. Wo dies nicht geschieht,
kann somit diese Infeetion, d. i. die Weiterverbreitung der Tuber-
culose in der That eintreten. Der Vortragende selbst hat in einem der
ersten Fälle, in welchem er absichtlich die nekrotischen Gewebe nicht
auf operativem Wege entfernte, um den Verlauf ohne Beeinflussung des
chirurgischen Messers zu beobachten, verfolgen können, wie die neu ge-
bildeten, ursprünglich lebhaft rothen, gesunden Granulationen in der
Zeit von A—5 Wochen tuberculös wurden. Der Fall ist entschieden
verschlechtert worden, die Schuld ist aber nicht dem Koch’schen Ver-
fahren an sich zuzuschreiben, sondern der Versäumniss eines rechtzeitigen
operativen Eingriffes. M. ist deshalb, wohl im Einverständniss mit allen
Chirurgen, der Ueberzeugung, dass man den Rath Koch’s nicht genug be-
herzigen kann, sein Verfahren in möglichst ausgiebiger Weise mit den
passenden chirurgischen Eingriffen zu verbinden. Ob durch das Ver-
fahren eine Verschleppung der Tuberculose auf entfernte Organe be-
fördert werden kann, lässt sich nach den vorliegenden vereinzelten
Beobachtungen nicht entscheiden. M. hat ein Kind an tubereulöser
Meningitis verloren, welche sich im Anschluss an eine Injection ent-
wickelt hat. Tuberculöse Meningitis bei Knochen- und Gelenktubereulose
beobachtet man auch ohne Koch’sche Injection hie und da. Erst eine
ausgedehnte Statistik wird in dieser Richtung Aufschluss geben; doch
gebieten schon die bisherigen Erfahrungen, namentlich der pathologischen
Anatomen, die grösste Vorsicht.
In Betreff der Heilerfolge bespricht M. nur 28 Fälle, welche
schon eine längere Zeit, 7—10 Wochen lang, in Behandlung stehen. Ein
Patient (der schon erwähnte) starb an tubereulöser Meningitis, In
14 Fällen ist eine unzweifelhafte Aenderung des Zustandes bisher nicht
zu constatiren. Allerdings befinden sich darunter meist Fälle, bei welchen
99 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
ein Urtheil über die fortschreitende Heilung in der kurzen Zeit kaum
möglich ist, weil der Erkrankungsherd zu versteckt ist. Insbesondere
gilt dies von den Fällen von Spondylitis. Dagegen befinden sich darunter
unter anderen auch 2 Fälle von tuberculösen Mastdarmgeschwüren, bei
welchen deutliche Veränderungen im Sinne der Besserung leicht hätten
constatirt werden können.
Bei 3 Kranken trat eine unleugbare Verschlechterung des localen
und allgemeinen Zustandes ein. Ein Fall ist der schon früher erwähnte
(caries cubiti), in welchem zweifellos wegen Unterlassung der Operation
der tuberculöse Process an Ausdehnung gewonnen hat. Die 2 anderen
waren ganz verzweifelte Fälle, welche an und für sich eine absolut
schlechte Prognose gaben. Fälle dieser Art eignen sich aber nicht mehr
für das Koch’sche Verfahren.
In 10 Fällen ist eine deutliche, z. Th. auffallende Besserung zu
constatiren gewesen. Einzelne davon sind der vollständigen Heilung
sicher ganz nahe. Davon sind nur 2 Fälle, 1 von Lupus und 1 im
Anfangsstadium von Kniegelenkstubereulose, nicht operirt. Bei den
übrigen 8 Kranken sind entweder während der Behandlung oder vor
derselben Operationen ausgeführt. Dass hier nicht die Operation
allein gewirkt hat, konnte am besten in jenen Fällen beobachtet werden,
in welchen mehrere Monate vorher Resectionen oder anderweitige Ein-
sriffe vorgenommen worden waren; es blieben weithin unterminirte, auf
den Knochen führende Fisteln zurück und zeigten durch Monate keine
Tendenz zur Heilung. Nach Einleitung des Koch’schen Verfahrens trat
hier eine auffallend schnelle Besserung ein, indem die fungösen
Granulationen schwanden, die Fisteln sich verkürzten und einzogen.
An einzelnen frisch operirten Stellen trat in Kurzem vollständige
Heilung ein.
M. schliesst, indem er die Ueberzeugung ausspricht, dass wir im
Koch’schen Verfahren ein Mittel besitzen, thatsächlich geeignet, viele Fälle
von „chirurgischer‘‘ Tuberculose, ganz abgesehen von Lupus, günstig zu
beeinflussen. Wie weit vollständige und dauernde Heilungen durch das
Mittel zu erreichen seien, kann erst eine längere Beobachtung lehren.
Vorläufig ist es unsere Aufgabe, durch ein weiteres unbefangenes Studium
festzustellen, welche Fälle für dieses Verfahren sich eignen, in solcher
Weise die vorhandenen Gefahren zu vermeiden und wie das Mittel mit
chirurgischen Eingriffen zu eombiniren sei. Ein abschliessendes Urtheil
darüber wird wohl erst nach Jahren möglich sein.
Mit Rücksicht auf die vorgerückte Zeit wird die Diseussion auf
das nächste Mal verschoben.
I. Medicinische Abtheilung. 25
4. Sitzung vom 6. Februar 1891.
1) Der Vorsitzende, Herr Ponfick, stellt den von ihm in der
vorigen Sitzung eingebrachten Antrag zur Abstimmung:
„die Verhandlungen der Section künftig, neben der gewohnten
Veröffentlichung in dem Jahresberichte der Schlesischen Gesell-
schaft für vaterländische Cultur, auch in einer Berliner ärztlichen
Zeitschrift zum Abdruck zu bringen.“
Zu diesem von der Versammlung gebilligten Zwecke schlägt er die
Berliner klinische Wochenschrift vor.
Beide Anträge werden einstimmig angenommen.
2) Herr Wernicke stellt einen Patienten vor mit
linksseitiger Poliomyelitis lumbalis.
Das linke Bein ist im Zustande einer fast vollkommenen schlaffen
Lähmung. Von der gesammten Muskulatur der linken Unterextremität
ist nur der Ileopsoas erhalten. Das Gehen und Stehen ist trotzdem
‘möglich, da das Vorwärtsschwingen des Beines durch den Ileopsoas be-
wirkt wird; das Bein rollt aber dabei jedesmal nach aussen, weil der
normaler Weise mitwirkende M. tensor fasciae latae ausgefallen ist.
Der Ausfall des Glutaeus medius verräth sich durch die bekannte Er-
scheinung, dass der Rumpf zur Zeit, wo er auf dem gelähmten Beine
aufruht, sich nach der gleichen Seite neigt. Das Gefühl der Sicherheit
hat der Kranke nur, wenn er sich mit einem Stocke stützen kann. Es
besteht gleichzeitig eine Sensibilitätsstörung des linken Beines bis zur
Höhe der Crista ilei, in Form einer deutlichen Herabsetzung der Schmerz-
empfindlichkeit und einer gewissen Unsicherheit der Temperatur - Em-
pfindung. Berührung, Druck, Gelenkempfindungen und Localisation sind
vollkommen normal.
Der 32jährige Patient, Landwirth, erkrankte im Juni vorigen Jahres
in einer Nacht nach anstrengender Feldarbeit unter heftigen Schmerzen
im Kreuz. Diese Schmerzen hielten den folgenden Tag und die folgende
Nacht an und liessen erst am darauffolgenden Morgen nach. Jetzt. be-
merkte aber der Patient eine Schwäche im linken Beine. Diese nahm
bis zum nächsten Morgen so zu, dass Patient ohne Unterstützung nicht
mehr stehen konnte. Innerhalb 8 Tagen wurde die Lähmung absolut,
dann traten die Kreuzschmerzen aufs neue auf und verloren sich erst
nach weiteren 14 Tagen. Seitdem ist der augenblicklich vorhandene
Zustand zu constatiren und hat sich an demselben nichts mehr geändert,
Niemals ist Fieber, sonstige Störung des Allgemeinbefindens, Schmerzen
im Beine oder eine Betheiligung der Sphineteren aufgetreten.
Für die Deutung des Zustandes ist die Schlaffheit der Lähmung,
das Fehlen aller Reflexe, die nachweisliche Atrophie der Muskeln und
24 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
der elektrische Befund zu verwerthen. Alles dies verhält sich so wie
bei peripherischer oder poliomyelitischer Läsion. Die Art der Sensi-
bilitätsstörung und die Entstehungsweise sprechen aber gegen einen
peripherischen Sitz. Bei Annahme einer poliomyelitischen Läsion fällt
die Ausdehnung der Lähmung ins Gewicht: man ist dann gezwungen,
eine halbseitige Zerstörung der gesammten Lendenanschwellung zu postu-
liren, oder mit anderen Worten eine etwa halbseitige Myelitis, da diese
acuten Erkrankungen bekanntlich nicht systematische sind, sondern auch
auf die weisse Substanz hinübergreifen. Diese Annahme scheint aber
eine total andere Vertheilung der Sensibilitätsstörung zu erfordern, da
nach dem bekannten Bilde der Hemiplegia spinalis oder Hemiparaplegia
spinalis die Sensibilitätslähmung auf dem nicht gelähmten Beine zu
suchen ist. Indess zeigt eine genauere Ueberlegung, dass dieses Schema
nur in einer Querschnittsebene gelten kann, welche oberhalb der ge-
sammten Wurzelaustritte für jede Unterextremität liegt, dass es also
mit dem unteren Ende des Dorsalmarkes und Beginn der Lenden- An-
schwellung seine Geltung verlieren muss. Eine Zerstörung dieser Lenden-
Anschwellung selbst wird immer die sensiblen Bahnen schon in der
Anordnung treffen müssen, dass sie der gleichnamigen Extremität zu-
gehören: es ist die Annahme gestattet, dass sie dann unterhalb ihrer
Kreuzungsstelle getroffen werden. Machen wir diese Annahme, so er-
klärt sich der Befund bei unserem Kranken in ungezwungener Weise.
Diese Ueberlegung musste dazu führen, die Sensibilität in dem-
jenigen Gebiete, welches noch unterhalb der Lendenanschwellung Wurzel-
austritte erhält, dem Gebiet des Plexus pudendus, aufs genaueste zu
untersuchen. Denn man konnte erwarten, dass für diese zu tiefst aus-
tretenden Wurzelfasern die centralen Bahnen der Sensibilität noch in
der entgegengesetzten Rückenmarkshälfte enthalten sein würden. Diese
Erwartung hat sich in der That bestätigt, indem innerhalb eines genau
begrenzten Hautgebietes, welches das Scrotum und den Penis umfasste,
dieselbe Abstumpfung der Sensibilität (nämlich eine Herabsetzung der
Schmerzempfindlichkeit und Unsicherheit der Temperaturempfindung),
welche am Beine links bestand, hier rechts nachgewiesen wurde. Die
übrigen Qualitäten der Empfindung sowie die linke Hälfte dieses Haut-
gebietes verhielten sich normal.
Dieses gekreuzte Verhalten der Sensibilität wurde von dem Vor-
tragenden mittels des faradischen Pinsels demonstrirt.
In der
Discussion
fragt Herr Eger den Vortr,, ob über die Aetiologie der Lähmung nichts
ermittelt sei. Der Fall erinnert mich lebhaft an eine 1890 in der Praxis ge-
machte Beobachtung von Monoplegie der rechten unteren Extremität, die
apoplectiform mitten in der Nacht den Patienten traf. Auch hier war voll-
I. Medicinische Abtheilung. 25
kommene rechtsseitige motorische Lähmung und auf derselben Seite die
Sensibilität in allen Qualitäten (Schmerz-, Tast-, Temperaturgefühl und
Ortssinn) stark herabgesetzt. Die elektrische Erregbarkeit war erhalten,
Die Frage, wo man den Krankheitsherd anzunehmen hätte, war schwer zu
entscheiden. Ein Herd innerhalb des Rückenmarks, der allein rechtsseitig
motorische Lähmung verursachte, hätte Sensibilitätsstörung auf der anderen
Seite setzen müssen. Da Patient vor etwa 10 Jahren eine syphilitische
Erkrankung durchgemacht hatte, und bis zur Gegenwart auch anderweitige
schwere Symptome derselben aufgetreten waren, lag die Vermuthung
eines ursächlichen Zusammenhangs nahe. Eger glaubte einen Herd —
sei es Gumma, sei es Periostitis oder Knochenaffecetion am Wirbelcanal
— annehmen zu müssen, der vordere und hintere Wurzeln zugleich nach
dem Austritt aus dem Rückenmark in Mitleidenschaft zog. Die Therapie
schien diese Annahme zu bestätigen, denn eine sofort eingeleitete
Schmiercur, Bäder, etwas später Jodkalium und Faradisation, führten
binnen wenigen Wochen vollkommene Heilung herbei.
Herr Wernicke erwidert, dass im vorliegenden Falle keine An-
haltspunkte für Syphilis gegeben seien,
3) Hierauf wird die Discussion über den in der vorigen Sitzung
seitens des Herrn Mikulicz gehaltenen Vortrag:
Ueber die mit dem Koch’schen Heilmittel gewonnenen Erfahrungen
eröffnet. Zunächst berichtet
Herr Riegner über die Wahrnehmungen, welche er während elf-
wöchentlicher Anwendung des Mittels bei 50 Kranken der ihm unter-
stellten chirurgischen Abtheilung des Allerheiligen -Hospitals gesammelt
hat. Davon gehörten 23 dem männlichen, 22 dem weiblichen Geschlecht
an, waren Weichtheiltubereulosen 15, Knochen- und Gelenktubereu-
losen 25, Kehlkopf- und Lungentuberculosen (bei anderweitig chirurgisch
Erkrankten) 3, diagnostisch zweifelhafte Fälle 7. Von den 40 chirur-
gischen Tuberceulosen nahmen einen ungünstigen Ausgang 4 (zwei davon
mit gleichzeitiger vorgeschrittener Lungenphthise behaftete starben).
Keine wesentliche therapeutische Beeinflussung zeigten 12 Fälle, ge-
bessert wurden 14 (wovon 9 ohne, 5 mit gleichzeitigen chirurgischen
Eingriffen), vorläufig geheilt 9 Fälle (6 ohne, 3 mit gleichzeitiger Ope-
ration).
Die Hauptergebnisse seiner Beobachtungen waren folgende: Der
diagnostische Werth des Mittels ist kein absolut sicherer. Die
wesentlichste, nicht immer vorauszusehende und abzuwendende Gefahr
bei seiner Anwendung liegt in der möglichen Begünstigung von Meta-
stasen, doch ist diese Gefahr eine numerisch geringe. Man darf auch
ehirurgische Tubereulosen nicht unterschiedslos mit dem differenten
Mittel behandeln, zu weit vorgeschrittene,* namentlich wenn gleichzeitig
26 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
die Lungen stärker betheiligt sind, sollte man davon ausschliessen. Eine
Minderzahl von Fällen (gewisse Weichtheil- und Drüsenfisteln, beginnende
synoviale Gelenktubereulosen) könne durch das Mittel allein gebessert
oder zur Heilung gebracht werden. Meist aber sind gleichzeitige oder
nachfolgende operative Eingriffe unerlässlich. Ein Urtheil über definitive
Heilung und die Verhütung von Reeidiven wird erst nach Jahren mög-
lich sein.!)
Herr Ponfick: Wie sich die Ergebnisse der Heilversuche in den
einzelnen, theils sehr verwickelten, theils vielleicht von vornherein minder
geeigneten Krankheitsfällen auch gestalten mögen, die allgemeine Trag-
weite der Koch’schen Entdeckung können wir nicht anerkennend genug
hervorheben. Ist uns doch durch sie ein ganz neuer und erfolgver-
heissender Weg nicht nur zur Bekämpfung der Tuberculose, sondern
— wie wir hoffen — sämmtlicher Infecetionskrankheiten gewiesen,
Allerdings ist das Mittel chemisch noch nicht hinreichend bekannt,
auch seine physiologischen Eigenschaften noch nicht genugsam studirt.
Darf es hiernach verwundern, wenn die an einem kranken, nicht selten
an mehreren Stellen geschädigten Organismus erhaltenen Resultate einer
recht verschiedenartigen Deutung begegnen?
Ich gehe von der nicht nachdrücklich genug zu betonenden That-
sache aus, dass die Tubereulose ein in weitem Sinne heil-
bares Leiden ist. Das Wesen des Koch’schen Mittels besteht nun
offenbar darin, diese dem menschlichen Organismus stets schon inne-
wohnende Heilkraft zu steigern oder, insofern sie zu erlahmen droht,
von Neuem anzuregen.
Im Gegensatze zu allen bisher gegen das Tuberkelgift angewandten
Heilmethoden, welche über einen palliativen, höchstens mildernden Ein-
fluss nie hinauskamen, handelt es sich nunmehr um ein Verfahren,
welches den Kampf mit den fremden Eindringlingen, den Bacillen, be-
wusst aufnimmt, indem es das krankhafte, die letzteren beherbergende
Gewebe unschädlich zu machen strebt. Es ist klar, dass ein Eingriff,
welcher eine so bedeutsame Umwälzung in den befallenen Organen zu
Wege bringt, gewisse Bestandtheile derselben angreift, theils vernichtet,
theils zur Ausstossung aus dem Körper vorbereitet, gelegentlich von
unliebsamen Zwischenfällen begleitet sein muss,
Es wird die Aufgabe langer sorgfältiger Beobachtung sein, durch
strenge Auswahl der geeigneten Patienten und Stadien, im Verein mit
zunehmender Einsicht in die physiologischen Eigenschaften des Koch-
schen Mittels, diejenigen Zustände immer sehärfer abzugrenzen, bei
welchen es wirklich leistungsfähig ist.
!) Ausführliche Veröffentlichung erfolgt in der Deutschen Medic. Wochen-
schrift. .
I. Medicinische Abtheilung. 27
Um hierüber ein klares Urtheil zu gewinnen, sind sicherlich die
Ergebnisse etwaiger Sectionen, kritisch verwerthet, ein werthvolles, ja
unerlässliches Hilfsmittel. Vorläufig bin ich meinerseits nicht im Stande,
obwohl mehrere in vorgerücktem Stadium behandelte Personen gestorben
sind und mir so einen Einblick in die erkrankten Organe eröffnet haben,
der Anwendung des Koch’schen Verfahrens irgend welchen Antheil an
der ungünstigen Wendung des Leidens zuzuschreiben.
Herr Biermer (zur Geschäftsordnung): Im Interesse einer schär-
feren Umgrenzung der zu erörternden Fragen schlage ich vor, gewisse
Hauptpunkte zu gesonderter Besprechung zu stellen, welche die Grund-
lage für die auf das nächste Mal zu verschiebende Debatte bilden sollen.
Dieser Antrag wird einstimmig angenommen.
5. Sitzung vom 13. Februar 1891.
1) Der Vorsitzende, Herr Ponfick, bringt die Thatsache zur
Sprache, dass in den öffentlichen Blättern ein Bericht über die in der
letzten Sitzung stattgehabten Verhandlungen erschienen ‘ist. Da eine
solche Veröffentlichung mit einem seitens der Section gefassten früheren
Beschlusse im Widerspruch steht, so fragt es sich, ob für den vor-
liegenden, allerdings ja aussergewöhnlichen Fall eine Ausnahme gemacht
werden soll.
Nach kurzer Discussion wird ein Antrag Heidenhain, den Vor-
sitzenden für den vorliegenden Fall zu ermächtigen, den Zeitungen eine
von ihm durchgesehene Mittheilung zugehen zu lassen, einstimmig an-
genommen.
Hierauf wird auf Grund der von Herrn Biermer aufgestellten und
mittelst Flugblatts vertheilten „Fragen“, sowie der in dem Vortrage des
Herrn Mikulicz formulirten „„Thesen“ in die Erörterung der einzelnen
Sätze eingetreten.
A. Diagnostischer Werth des Mittels.
1. Wird die Reaction in gleichem Maasse durch Tuberculose
innerer, wie äusserer Organe ausgelöst?
Herr Rosenbach: Wie ich schon in früheren Abhandlungen!) und
im mündlichen Vortrage ausführte, muss man streng scheiden zwischen
reiner Tuberculose (miliaren Eruptionen, kleinen Herden der Lunge, tuber-
eulöser Pleuritis), deren Ausgang nur Verkäsung ist, und der Phthise, bei
der Tuberkelbacillen und Eiterungserreger vereint das Krankheitsbild
gestalten und modifieiren, und deren Ausgang tiefgreifende ulcerative
Processe und eitriger Zerfall sind. Wie sich bei dieser Symbiose
) Deutsche med. Wochenschr. 1890 Nr. 49 und 1891 Nr. 2 u. 3.
38 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
die Verhältnisse entwickeln, welches als das primäre zerstörende Agens,
dessen Einwirkung erst den Boden für das secundäre schafft, zu be-
trachten ist, oder ob beide Organismen unabhängig von einander die
Zerstörung des Gewebes bewirken, das lässt sich heut noch nicht ent-
scheiden. Das eine aber ist sicher, dass — die Speeifität des Koch’schen
Mittels vorausgesetzt — die allgemeine und locale Reaction von den
geschilderten Bedingungen direct abhängig is. Somit kann schon
a priori das Koch’sche Mittel nicht in allen Fällen von Phthise ein
sicheres diagnostisches Mittel sein, denn da es nur bei Tuberkulose
wirksam ist, so müssen phthisische Kranke um so weniger reagiren, je
weniger Tuberkelbacillen sie beherbergen.
Dem widerspricht die Erfahrung, nach welcher schwere Phthisen
ohne Bacillen starke Reaction, dagegen leichte mit viel Bacillen wenig
Reaction zeigen.
Erwägt man ferner, dass auch der Gesunde nach Injection fiebert und
aus theoretischen Gründen fiebern muss, so kann man die diagnostische
Bedeutung des Verfahrens nicht hoch anschlagen. Doch an Tubereulösen
oder, besser gesagt, an Reagirenden ist die Frage überhaupt nicht zu ent-
scheiden; denn es bleibt der Einwand übrig, dass, wenn unsere bis-
herigen Methoden ein negatives Resultat geben, das Koch’sche Verfahren
eben das bessere Reagens ist und Herde bei Individuen erzeugt, die
uns als gesund gelten. Obwohl nun der Erfahrung nach unsere erprobten
Methoden den Maassstab für die Leistungsfähigkeit der neuen Methode
geben sollten und nicht umgekehrt das neue Verfahren die Richtschnur
für den Werth der alten (denn seine Leistungen sollen ja überhaupt erst
erwiesen werden), — trotz dieser Verkennung der Sachlage muss man,
um alle Einwände abzuschneiden, eben zur Prüfung des diagnostischen
Werthes nur Fälle herbeiziehen, die sicher bacillär infieirt sind und
doch nicht reagiren. Diese zeigen dann die Grenzen des Verfahrens.
Da wir nun in einer ziemlichen Anzahl von Fällen den Nachweis
erbracht haben, dass sicher Tuberkulöse nicht reagiren, so ist con-
statirt, dass die diagnostische Bedeutung eine beschränkte ist, zumal
wenn noch der Nachweis erbracht ist, wie wir ihn erbracht zu haben
glauben, dass die Reaction von der Art, d. h. Grösse und Zeit der In-
jeetionen und den Intervallen, in denen sie applieirt werden, wesentlich
beeinflusst wird. Wir haben zuerst gezeigt, dass verschiedene Typen
der Temperaturreaetion: „‚Normalreaction“, „Spätreaction“, „protrahirte
Reaction“, „Reaction vom Typus der Abden-Injection‘ vorkommen und
dass bei diesen Formen der Reaction die Disposition eine grosse Rolle
spielt. Wir haben u. A, bereits den Nachweis geliefert, dass Gesunde
oder solche, bei denen die Annahme einer Tuberculose höchst unwahr-
scheinlich ist, auffallend häufig Spätreaction zeigen.
I. Medicinische Abtheilung. 29
Unsere Sätze bezüglich der diagnostischen Bedeutung der sogenannten
„Allgemein-Reaction‘‘ — man sollte lieber „‚fieberhafte Reaction“ sagen, da
zur Allgemein-Reaction auch andere Symptome: Muskelschmerzen, Kopf-
schmerzen, Mattigkeit u. s. w. gehören — sind etwa folgende: 1) Wenn
bei fieberlosen oder nur schwach fiebernden Individuen nach Injection
relativ kleiner Dosen (von 0,001 bis 0,005 in zweitägigen Intervallen
steigend) gleichmässige starke Normalreaetion eintritt, so ist die An-
nahme einer Tuberculose der Lungen — bei gleichzeitiger Anwesenheit
sonstiger Symptome von Lungenerkrankung — wahrscheinlich. 2) Wenn
die fieberhafte Reaction sich bald .abschwächt, namentlich aber, wenn
sich an die erste Injection sehr protrahirtes Fieber oder gar Spätreaetion
anschliesst, so ist nicht mit Sicherheit Lungentuberculose zu erschliessen,
3) Ausbleiben jeder Reaction kann bei schwerer bacillärer Phthise nicht
selten constatirt werden, wenn man die Dosis recht vorsichtig steigert.
4) Spätreaction — bei Morgeninjection und Anwendung nicht zu hoher
Dosen — kommt auch oft, unter beträchtlicher Fiebersteigerung, bei
anderen als tuberkulösen Erkrankungen, bei Eiterungen, bei Herzkranken,
bei Pleuritis serosa vor. 5) Die Spätreaction zeigte sich auffallend oft
dort, wo keine Anhaltspunkte für die Diagnose der Tuberculose da
waren, und wo sich auch nach längerer genauer Beobachtung keine
Zeichen für das Bestehen eines tuberculösen Processes ergeben haben,
Was die locale Reaction anbetrifft, so ist sie noch viel unsicherer,
als die allgemeine, wenn man die zeitliche Aufeinanderfolge zweier Er-
scheinungen nicht etwa grundlos als sicheres Zeichen eines Causal-
zusammenhanges ansieht, wenn man also den Satz: „post hoc, ergo
propter hoc‘ nur mit grösster Vorsicht anwendet. Wir haben weder
an den Gelenken, noch im Kehlkopfe, noch in der Lunge irgend eine
locale Reaction gesehen, die nicht auch im Verlaufe unbehandelter Fälle
auftreten könnte oder die wegen der Häufigkeit ihres Erscheinens noth-
wendigerweise in einen Causalzusammenhang mit den Injeetionen hätte
gebracht werden müssen.
Unsere Auffassung geht also dahin, dass das Mittel mit Ausnahme
des Lupus nur als Fiebermittel wirkt und bei vorsichtiger Anwendung
weder die ihm zugeschriebenen günstigen, noch weniger aber die ihm
vindieirten ungünstigen Einwirkungen hat.
Herr Biermer: Anschliessend an die Bemerkungen von Herrn
Rosenbach über verschiedene Arten der Lungenschwindsucht muss
ich erklären, dass ich einen Unterschied in sofern nieht mehr mache,
als die tuberculösen Veränderungen der Lunge nach meiner Ansicht
immer bacillären Ursprungs sind, gleichviel ob die Veränderungen einen
entzündlichen, exsudativen oder neoplastischen Charakter haben. Ich
denke mir, dass durch die Anwesenheit der Baeillen nicht blos Iym-
phoide, kleine Neubildungen im Sinne Virchow’s, also Tuberkelknötchen,
30 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
entstehen, sondern dass die Bacillen auf die benachbarten Theile, viel-
leicht durch ihre Stoffwechselproducte, entzündlich erregend wirken
können. Die entzündlichen Veränderungen in den phthisischen Lungen
würden nicht entstehen, wenn die Bacillen nicht da wären. Bei der
Koch’schen Lymphinjection sieht man gewissermaassen eine analoge ent-
zündliche Wirkung der Stoffwechselproducte der Baeillen,
Die Koch’schen Injeetionen betrachte ich in der That als ein sehr
werthvolles Mittel zur Diagnose, aber nicht als ein unfehlbares. In
zwei Fällen von sicherer Lungentubereulose mit Bacillenauswurf habe
ich trotz fortgesetzter Injectionen weder allgemeine noch locale Reactionen
zu constatiren vermocht. In dem einen Falle wurden innerhalb 13 Tagen
8 Injectionen ansteigend bis zu 0,05 gr ohne Wirkung gemacht, in dem
anderen Falle wurden 12 Injeetionen in grösseren Zwischenräumen an-
steigend bis zu 0,06 gr angestellt. Ohne dass Reaction eingetreten war,
hatte sich nach ungefähr 4 Wochen das Allgemeinbefinden gebessert,
das Gewicht aber nur um 2 Pfund zugenommen; der Auswurf, der zeit-
weise etwas vermehrt war, enthielt mässig Bacillen, der physikalische
Befund der Lungen schien sich eher etwas gebessert zu haben. In einem
Falle von Tabes alcoholica, wo keinerlei Tubereulose vorhanden war,
erfolgte bei einer Probeinjeetion von absichtlich etwas grösser gewählter
Dosis von 0,01 gr eine deutliche Reaction genau so, wie sie Koch durch
eine solche Anfangsdosis bei Gesunden erzeugt hatte. Meinen Erfahrungen
nach liest der differentialdiagnostische Werth vorzüglich in der localen
Reaction; jedoch ist die allgemeine Fieberreaction, wenn sie schon nach
ganz kleinen Dosen erfolgt, sehr verdächtig. Das Ausbleiben der all-
gemeinen Reaction in Fällen von zweifelloser Tuderculose mit Baeillen-
auswurf beweist auch für fragliche Fälle, dass trotz des Nichtauftretens
von Reaction die Tuberculose nicht sicher ausgeschlossen werden darf.
Vielleicht hat aber Lichtheim Recht, wenn er in seiner soeben er-
schienenen Mittheilung behauptet, dass das Ausbleiben der Reaction bei
alten phthisischen Processen an der Art der Dosirung des Mittels liege,
man müsse in solchen Fällen nach der ersten kleinen Dosis von 1 mg
rasch auf 1 eg steigen, und wenn dies nicht genüge, längere Pausen
einschieben.
Herr Strube: Meine Beobachtungen stützen sich auf 13 an Lungen-
tuberculose leidende Personen, welche längere Zeit hindurch nach Koch
behandelt worden sind. Unter diesen Kranken befinden sich zwei, bei
welchen den Einspritzungen keinerlei Reaction folgte, obwohl die Dia-
gnose durch den Nachweis von Bacillen ausser allen Zweifel gestellt
war. Bei 5 weiteren Patienten war die Diagnose, wegen des Fehlens
von Baeillen im Auswurfe, ursprünglich zweifelhaft geblieben. Nach
den Einspritzungen aber konnte aus dem Eintritt einer typischen Reaction
und dem Erscheinen vieler Tuberkelbaeillen im Sputum die Diagnose
EN DE EEE
I. Medicinische Abtheilunge. 3]
alsbald mit Sicherheit gestellt werden. Bei den übrigen 6 Fällen end-
lieh war die Diagnose zwar schon vor den Einspritzungen gesichert,
. allein auch hier erfolgte auf die Einspritzungen eine typische Reaction.
Herr Hermann Cohn: Davon habe ich mich überzeugt, dass das
Mittel bei Lupus sehr werthvoll für die Diagnose ist; ich werde später
bei der Debatte über die Therapie darauf zurückkommen, Dass aber
die Einspritzungen Veränderungen bei serophulösen Augenleiden her-
vorrufen, habe ich nicht gesehen. Herr Mikulicz hatte gleich bei
seinem ersten Vortrage im November uns einen Fall von tubereulöser
Krankheit des Ellenbogengelenks gezeigt, bei dem nach der ersten
Injeetion ein Hornhautgeschwür entstanden war. Aehnliches hat
Köhler beobachtet; Königshöfer und Maschke berichteten be-
geistert über mehrere nur 3—8 Tage beobachtete Fälle scerophulöser
Kinder, bei denen schwache Injectionen neues Auftreten von Phlye-
taenen und später Besserung von Hornhautgeschwüren zeigten.
Die exquisiten Fälle von Phlyctaenen und Keratitis serophulosa,
die mit bedeutenden Anschwellungen der Lymphdrüsen unter dem Kiefer
und im Nacken verbunden waren, und die ich mit °®/, bis 1 mg be-
handelte, zeigten nur eine höchst unbedeutende allgemeine, aber gar
keine örtliche Reaction. Näheres wird man in meinem Aufsatze in
der Berliner Klinischen Wochenschrift finden, welche übermorgen er-
scheint. So sehr ich auch die Grösse der Koch’schen Entdeckung
schätze, — für serophulöse Augenleiden ist es weder ein sicheres
diagnostisches noch therapeutisches Mittel. Die einfachen alten örtlichen
Mittel, Calomel und Atropin, beseitigten in den Fällen, wo die Koch’sche
Flüssigkeit keine Reaction gab, schnell und gut die Phlyetaenen und
die Keratitiden,
Die beiden folgenden Fragen:
2. Gestattet der Eintritt der Reaction
einen absolut sicheren Schluss auf das Vorhandensein
eines tuberculösen Erkrankungsherdes?
und |
3. Genügt eine allgemeine Reaction oder ist zugleich
der Nachweis einer örtlichen zu fordern?
werden gleichzeitig zur Erörterung gestellt.
Herr Buchwald: Ich bin der Ansicht, dass man das Hauptgewicht
auf die locale Reaction legen soll und nicht auf die allgemeine. Letztere
ist bei geringen Dosen nicht so in die Augen fallend, wie die locale.
Ich habe Anfangsstadien von Lungentubereulose, Lymphdrüsentubereulose,
Knochentubereulose, Lupus in dieser Hinsicht geprüft und fast nie
eine locale Reaction vermisst. Namentlich sind tubereulöse Herde in
den Lungen gut nachweisbar gewesen, während bei den gering ge-
32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
wählten Gaben die allgemeine Reaction schwach eintrat, Ich halte das
Koch’sche Mittel für ein höchst werthvolles bezüglich der Reaction auf
tuberceulöse Processe.
Herr Neisser: Mein Standpunkt nähert sich, soweit ich sehe, am
meisten dem von Herrn Buchwald vertretenen, indem ich vom rein
wissenschaftlichen, wie vom praktisch - diagnostischen Standpunkt aus
dem Auftreten der localen Reaction eine grössere Bedeutung beilege
als dem der allgemeinen Reaction. Wir haben an mehreren Lupus-
Fällen direet gesehen, dass bei deutlicher localer Reaction die all-
gemeine Reaction fast oder ganz ausblieb. Nie dagegen fehlte bei
deutlich entwickelten Hautaffeetionen tubereulöser Art die Reaction local,
und regelmässig fehlte sie bei nichttubereulösen Hautaffectionen.
Es ist demgemäss für mich nicht wunderbar, dass auch bei Lungen-
tuberceulose trotz des Bestehens tuberculöser Herde in der Lunge, wo
wir uns vom Auftreten der localen Reaction nur schwerer, vielleicht
gar nicht überzeugen können, eine allgemeine Reaction ausbleiben kann.
Ob für solehe Ausnahmen die mechanische Erklärung, dass schwie-
liges Gewebe solche tuberculöse Lungenherde umgebe, oder die Hypo-
these, dass chemische Zersetzungsvorgänge an den mit Eitermassen
bedeckten Höhlenwänden das Auftreten der Allgemein-Reaction verhüten,
die richtigere sei, kann ich natürlich nicht entscheiden. Eben so wenig
habe ich ein Urtheil darüber, in wie weit die Auscultation und Per-
cussion im Stande sei, die locale Reaction in der Lunge zu entdecken.
Jedenfalls aber muss ich mich gegen Herrn Rosenbach wenden, wenn
er angiebt, dass in der „übergrossen‘ Mehrzahl von Fällen von Lungen-
tubereulose von einem diagnostischen Werth des Mittels nicht gesprochen
werden könne. Wie schon früher, hat er auch heute offen eingestanden,
dass er auch eine grosse Anzahl von unklaren Fällen in den Kreis seiner
Beobachtungen gezogen hat. An unklaren Fällen aber darf man doch
— meiner Ansicht nach wenigstens — sich über die Wirkungen eines
neuen Stoffes nicht informiren wollen; von solehen kann man doch un-
möglich für die Wirkung dieses Mittels bindende Schlüsse ableiten. Wo
die Voraussetzungen unbekannt sind, müssen es offenbar auch die Schluss-
folgerungen bleiben. |
Fehlen nun freilich beim Ausbleiben der allgemeinen Reaction auch
erkennbare Zeichen bestehender localer Reaction — und nach den Mit-
theilungen der Herren Mikuliez, Janicke, Riegner haben ja
zweifellose tuberculöse Affeetionen, besonders Mastdarmfisteln, keine locale
Reaction erkennen lassen — dann wird, falls man auf die Injectionen
allein seine Diagnose bauen soll, die Sachlage eine schwierige. Uebrigens
hat auch Herr Mikuliez angegeben, dass selbst in denjenigen Fällen,
in denen eine sog. locale Reaction, d. h. auffallende, diagnostisch ver-
werthbare Modificationen einer Fistel direet nach der Injection fehlten,
I. Medicinische Abtheilung. 33
locale Processe sich doch abgespielt haben müssen, z. B, Heilungs-
vorgänge u. s. w., die über die örtliche Einwirkung keinen Zweifel
liessen. Es scheint mir diese Thatsache für die wissenschaftliche Be-
urtheilung des Mittels von Bedeutung.
Was die allgemeine Reaction betrifft, so glaube ich, dass bis
auf seltene Ausnahmen auch auf das Verhalten der A Reaction
hin sich eine Diagnose, ob eine Person tuberculös sei oder nicht, stellen
lässt. Ich habe an einer verhältnissmässig grossen Anzahl von Per-
sonen, welche von vornherein für gesund galten, Injectionen gemacht.
Sehr häufig entscheidet schon die Grösse der Dosis, die eine Temperatur-
Erhöhung zu Wege bringt. Bei kräftigen Personen, bes. Männern, ist
letztere meist unverhältnissmässig hoch. Anders bei Weibern, besonders
schwächlicher Constitution. Aber auch hier — ich habe die Curven leider
nieht mitgebracht — bin ich überzeugt, dass Sie nur bei sehr wenigen
Curven, welche freilich nicht von einer einzigen Injection,
sondern von einer ganzen Reihe von Injectionen bei jeder
Person herrühren, in Zweifel sein würden, ob bei der Betreffenden
Tubereulose vorliegt oder nicht. Die Unregelmässigkeit der eventuell
erzielten Temperatur- Erhöhungen nicht nur in der Art des Anstiegs
nach jener einzelnen Injection, sondern auch im regellosen Auftreten
und Ausbleiben der Temperatur-Erhebung nach den einzelnen Injectionen
der ganzen Beobachtungsserie steht in einem so crassen Gegensatz zu
den regelmässigen Fiebererhebungen Tuberculöser, dass ich auch die
Allgemein - Reaction für diagnostisch verwerthbar halte. Aber, wie
gesagt, mit einer einzigen Injection wird man meist nicht zum Ziele
kommen. — Dem Einwurf, dass wir mit Unrecht überall da, wo typische
Allgemein-Reaction einträte und wo wir nicht durch andere diagnostische
Mittel Tuberculose nachweisen könnten, latente Tuberculose witterten,
möchte ich mit Hinweis auf die Fälle von Morbus Addissonii begegnen.
Wüssten wir nicht schon durch langjährige Untersuchungen, dass hier
in der That ein versteckter, unseren sonstigen diagnostischen Methoden
unzugänglicher Herd vorliege, so würden wir den allerwärts beobach-
teten Allgemein-Reactionen bei M. Addissonii ebenso rathlos gegenüber
stehen, wie wir es vor der Hand noch bei anderen versteckten tuber-
culösen Herden thun.
Auf die Nothwendigkeit, der Methodik der Injeetionen, speciell
mit Rücksicht auf die Angewöhnung, die nöthige Aufmerksamkeit zu
schenken, ist genug hingewiesen worden, als dass ich Ihre Zeit noch
mit einer Erörterung dieser Frage in Anspruch nehmen wollte.
Herr Mikuliez: Ich kann mich nicht für bekehrt halten in Bezug
auf die ausschliessliche Bedeutung der localen Reaction. Zweifellos
giebt es nämlich Fälle, die überhaupt nicht örtlich reagiren: so die
Fälle von typischer Tuberculose, der Lymphdrüsen, von tubereul. Mastdarm
yil 3
f
34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
geschwüren und -Fisteln (5 haben gar nicht reagirt, 1 ausserordentlich
schwach), ferner sämmtliche kalte Abscesse. Also nicht individuelle
Disposition, sondern bestimmte Vorbedingungen sind es, welche hier die
Reaction verhindern. Sie bleibt aus, wo die Herde ganz abgekapselt sind
oder wo das Secret nicht frei abfliessen kann. Offenbar muss hier also die
allgemeine Reaction Aufschluss geben, was bei Vergleichung der Fieber-
curven ja nicht schwer fallen kann.
Herr Kayser: Bei den von mir beobachteten Patienten, die zwar
gering an Zahl sind, aber ausgesucht günstige Fälle der Privatpraxis
darstellen: kräftige Personen im Vollbesitz ihrer Leistungsfähigkeit mit
deutlich sichtbaren Veränderungen im Kehlkopf und geringfügiger Lungen-
erkrankung, deren tuberculöse Natur durch den Nachweis von Tuberkel-
bacillen im Auswurf sicher gestellt war — hat die Anwendung des
Koch’schen Mittels in diagnostischer Beziehung keine sehr befriedigenden
Resultate geliefert. Bei einem der Kranken trat eine allgemeine und
locale Reaction erst bei einer Dosis von 0,012 ein. In einem zweiten
(zugleich mit Prof. Gottstein behandelten) Falle blieb bei schwacher
und unregelmässiger Fieberreaction jegliche sichere Einwirkung auf den
Kehlkopf vollkommen aus, auch nachdem die Dosis bis auf 0,1 gesteigert
war und obwohl eine aus demselben Fläschchen zur selben Zeit ge-
machte Injection bei einem anderen Patienten Reaction hervorrief. Es
handelte sich in dem fraglichen Falle um eine robuste Dame, die neben
geringfügigen Erscheinungen in. einer Lungenspitze ein charakteristisches
tuberceulöses Geschwür an der. hinteren Larynxwand mit zackiger Um-
wallung zeigte. Zwar schien es zeitweise, als ob die Zacken sich in
Bezug auf Grösse und Aussehen etwas veränderten; allein nach 27 Ein-
spritzungen musste man gestehen, dass der locale Befund im Kehlkopf
genau so aussah wie vor der Behandlung,
Nach den bisherigen Erfahrungen ist das Koch’sche Mitiel wohl als
diagnostisches Mittel zu verwerthen, es kann aber nicht als ein untrüg-
liches diagnostisches Hilfsmittel ersten Ranges bezeichnet werden.
Herr Janicke: Es sind über 29 mit chirurgischer Tubereulose behaftete
Kranke, welche ich mit dem Koch’schen Mittel behandelt habe. Von diesen
liessen alle diejenigen weder allgemeine noch locale Reaction erkennen,
welche vorher energisch operativ oder mit Jodoformemulsioninjeetionen
behandelt worden waren. Die locale Reaction blieb ferner aus bei
3 tubereulösen Mastdarmfisteln.. Zwei der an letzterer Affeetion leidenden
Kranken, welche ausserdem eine sicher festgestellte Lungentubereulose
beherbergten, reagirten allgemein. Der dritte derselben, welcher wegen
häufiger Diarrhoeen und anfallsweise auftretender Schmerzhaftigkeit der
Dleoeöcalgegend einer anderweitigen Darmtubereulose verdächtig ist, hat
bei langsam auf 0,01 gesteigerten Injeetionsdosen auch allgemein bis
I. Medicinische Abtheilung. 35
heute nicht reagirt, Bei allen 3 Fällen kam es zur Operation. Dabei
stellte sich heraus, dass die Umgebung der Fisteln in derben und festen
Bindegewebsmassen bestand, die, wie das Herr Mikulicz schon betont
hat, den Zutritt der Koch’schen Lymphe zu dem tuberculösen Gewebe
verhindert haben dürfte.
Von 5 Spondylitiden reagirten 3 auch local durch erhöhte Empfind-
lichkeit der kranken Wirbel.
Bei einem mit Hauttuberculose des Unterschenkels befallenen Kranken
kam es nach den ersten 3 Injeetionen nur zu einer sehr ausgeprägten
Localreaetion und den damit verbundenen günstigen Veränderungen an
der Geschwürsfläche. Erst bei den späteren Einspritzungen trat eine
Allgemeinreaction auf. Im Hinblick hierauf muss ich der localen Reaction
auch für die diagnostischen Zwecke eine ganz besondere Bedeutung zu-
erkennen, zumal in solchen Fällen, wo die als tuberculös verdächtigen
Veränderungen dem Auge gut zugänglich sind.
Herr Kleinwächter: Von 18 Patienten, bei welchen die Tuber-
ceulose entweder schon vorher oder im Verlaufe der Koch’schen Be-
handlung durch den Nachweis von Tuberkelbacillen sicher erwiesen
wurde, zeigten alle bis auf eine Allgemeinreaction und zwar in der
Mehrzahl der Fälle schon auf eine Dosis von 0,001—0,003. Nur in
2 Fällen trat die Allgemeinreaction erst bei einer höheren Dosis bis
zu 0,006 auf, Bei anderen, welche sich Probeinjecetionen bis zu 0,01
unterzogen, stellte sich keine Allgemeinreaction ein,
Was die örtliche Reaction anbetrifft, so muss ich Herrn Rosen-
bach darin beistimmen, dass deren Beurtheilung grade auf den Lungen
in manchen Fällen eine sehr schwierige und keineswegs immer sichere
ist; denn das Untersuchungsergebniss pflegt bei der Lungenschwindsucht
an sich schon ein zeitlich sehr wechselndes und dabei äusserst mannig-
faltiges zu sein. Gleichwohl habe ich mittelst ständiger, sorgfältiger
Untersuchungen zwar nicht bei allen, wie Herr Buchwald, jedoch bei
den meisten Patienten örtliche Reaction beobachtet. Am ausgeprägtesten
war sie dort, wo kleinere frische Herde mit fluxionsfähiger Umgebung
vorhanden zu sein schienen. Da, wo diese fehlten, namentlich bei alten
Fällen, wo Cavernen nachzuweisen oder verkalkte und verkäste Tuberkel,
geschrumpfte Gewebe anzunehmen waren, konnten keine bedeutenden
Localerscheinungen beobachtet werden. So wurde bei einem alten
Phthisiker mit Baeillen im Auswurf niemals eine allgemeine und örtliche
Reaction bemerkt, wie auch Herr Sanitätsrath Dr. Caro constatirt hat,
Allerdings wurde mit der Steigerung der Dosis nur schrittweise vor-
gegangen; bei einer mehr sprungweisen Dosirung wäre die Reaction
vielleicht auch erzielt worden,
Bei Tuberculose des Kehlkopfs zeigte sich in einem Falle eine
ganz auffällige und fast regelmässig wiederkehrende örtliche Reaction,
36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
während sie in einem anderen Falle nicht erkannt werden konnte. In
einem dritten Falle handelte es sich vornehmlich um eine schon lange
bestehende chronische Laryngitis. Derselbe wies keine locale Reaction
auf. Wenn ich mich nun über den von Herrn Mikulicz aufgestellten
Satz aussprechen soll, so glaube ich, dass er im allgemeinen, auch
seitens der inneren Mediein, Zustimmung finden muss. Nur für die
2. These empfehle ich den Zusatz: „Es giebt Fälle von sicher nach-
gewiesener Tuberculose, bei denen keine Reaction, wenigstens bei der
sewöhnlichen Dosirung, sich zeigt.“ Als Belag für die 3. These ver-
mag ich eine besonders überzeugende Beobachtung anzuführen. Sie be-
traf einen kräftigen, scheinbar gesunden jungen Landwirth, bei welchem
nur eine eigenthümliche leichte Blässe des Gesichts, ganz geringes
Reibegeräusch, das überdies später verschwand, neben dem Sternum und
der Umstand, dass die Mutter und eine Schwester an Tuberculose ge-
storben waren, den Verdacht auf Tuberculose nahe legten. Hier stellte
sich schon bei 0,002 Reaction ein, welche sich bei weiteren Dosen in
typischer Weise wiederholte. Indess auch jetzt gelang es noch nicht,
einen localen Process zu entdecken, bis sich bei einer Dosis von 0,02
eine vorher nicht vorhanden gewesene wallnussgrosse Drüsenschwellung
in der rechten und linken Achselhöhle;, sowie am Halse schmerzhaft be-
merklich machte. Es besteht also wohl eine Drüsentubereulose oder
ein sonstwo verborgener tuberculöser Process, von welchem aus jene
Drüsen geschwollen sind.
Herr Biermer: Den Ausführungen, welche Herr Kleinwächter
an die zweite der von Herrn Mikulicz aufgestellten Thesen geknüpft
hat, pflichte ich durchaus bei. Nur möchte ich noch hinzufügen: „in
zweifelhaften Fällen.“ Sie würde dann also lauten: „Tritt nach wieder-
holten Injeetionen weder allgemeine, noch locale Reaction ein, so ist in
zweifelhaften Fällen Tuberculose mit aller Wahrscheinlichkeit auszu-
schliessen,
Herr Mikuliez: Mit der von Herrn Biermer vorgeschlagenen
Aenderung meiner 2. These erkläre ich mich einverstanden. — Im
Uebrigen möchte ich hervorheben, dass nicht blos Abkapselung des
Herdes und Nichtoffenliegen einer Geschwürsfläche die Reaction zu ver-
hindern im Stande sind, sondern dass ein sehr beträchtlicher Umfang
des käsig entarteten Gewebsgebietes ebenso wirken kann.
Herr Partsch: Unter den Momenten, welche mir ein Ausbleiben
der localen Reaction zu erklären scheinen, und von denen bislang eine
bindegewebige Einkapselung der Herde und ihre freie Communication
nach aussen genannt worden sind, möchte ich noch eins hervorheben,
die umfangreiche käsige Degeneration grösserer Abschnitte eines tuber-
eulösen Organs. Ich denke hier zunächst an die Lymphdrüsen, obgleich
l. Medicinische Abtheilung. 37
solche breite käsige Infiltration auch in anderen von der Tubereulose
mit Vorliebe befallenen Körpertheilen nichts Ungewöhnliches ist, z. B.
in den Knochen, im Hoden und den Nieren.
In einem von mir beobachteten Falle, der einen jungen Mann be-
trifft, dem ich bereits vor 2 Jahren die käsig degenerirten, nicht er-
weichten Drüsen der vorderen Halsgegend beiderseits entfernt hatte, er-
wiesen sich die Oceipital-Drüsen und ein Theil der Drüsen des seitlichen
Halsdreiecks nunmehr vergrössert, aber deutlich verschieblich, durch
Bindegewebe nicht verwachsen. Keine der Drüsen waren von selbst
aufgebrochen oder erweicht, sondern alle von der bekannten elastischen
Härte. Ehe wir die Koch’schen Injeetionen begannen, überzeugte ich
mich von dem Zustande der Drüsen durch Exeision einer derselben,
welche durch ihre oberflächliche Lage bei der leichten Verschieblichkeit
zur operativen Beseitigung einlud. Unter Cocainanaesthesie entfernte ich
dieselbe und konnte mich bei der Operation überzeugen, dass irgend
eine Verdichtung des periglandulären Bindegewebes vollständig fehlte.
Leicht liess sich die Drüse von ihrem Lager herausheben; die ganz ver-
nähte Wunde heilte innerhalb 4 Tagen per primam. Die Drüse bot auf
dem Durchschnitt jene bekannte Einlagerung grosser, käsiger, kartoffel-
artiger Massen, welche das Parenchym der Drüse auf schmale Streifen
einengten. Eine Verdickung der Bindegewebs-Kapsel war nicht vor-
handen. Bei den nach Verheilung der ÖOperationsstelle gemachten In-
jeetionen trat leichte allgemeine Reaction ein, aber die locale Reaction
blieb vollkommen aus.
Vielleicht ist dieses Moment auch heranzuziehen bei der Erklärung
des Ausbleibens der Reaction bei grossen kalten Abscessen oder bei
Spondylarthrocace, wo wir ja auch öfter umfangreiche käsige Herde in
der Wirbelsubstanz, ohne Erweichung finden.
Was die Reaction an den Lymphdrüsen anlangi, so möchte noch
zu erwähnen sein, dass eine etwa auftretende Reaction erst dann einen
Rückschluss auf die tuberculöse Veränderung der Drüsen gestattet,
wenn das Vorhandensein eines tuberculösen Herdes in dem Lymphbezirk,
aus dem die Drüse ihre Lymphe bezieht, ausgeschlossen ist. Ich habe
eine beträchtliche Schwellung nach Injection bei einer Halslymphdrüse
gesehen, bei starker örtlicher Reaction mehrere am Brustbein und
Rippen gelegene Fisteln alter tuberculöser Herde. Nach Verschwinden
der örtlichen Reactionen, die allmählich bei steigernder Dosis der In-
jeetionen schwächer wurden, ging auch die Schwellung der Lymphdrüsen
zurück.
Bei chirurgischer Tuberculose scheint nach den vorliegenden Er-
fahrungen die Schwellung der Lymphdrüsen in bei Weitem nicht so
hohem Grade zu erfolgen, wie sie nach Virchow’s Mittheilungen bei
Tubereulose innerer Organe vorzukommen scheint.
38 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Herr Neisser: In einem wesentlichen Punkte vermag ich Herrn
Rosenbach durchaus nicht beizustimmen. Dass der locale Vorgang
nur eine Folge des Allgemein-Zustandes, besonders des Fiebers, sei, wie
Herr Rosenbach meint, lässt sich gewiss nicht zugeben. Ich glaube
erstens bis zu einem gewissen Grade nachgewiesen zu haben, dass
wirklich eine primäre necrosirende Wirkung besteht, wobei ich betonen
möchte, dass ich die Trennung einer primären Necrose von der durch
sehr hochgradige entzündliche Vorgänge sich einstellenden secundären,
wie dies Herr Mikulicz hervorgehoben hat, für sehr glücklich halte,
Ich denke mir die Wirkung ganz wie beim Pockengift, d. h. primäre
Necrose und erst durch diese hervorgerufene Entzündung. Dass aber die
locale Reaction keinesfalls die Folge des Fiebers ist, das kann ich mit
folgenden Gründen positiv beweisen:
1. verfügen wir über eine grosse Anzahl von Lupusfällen, bei denen
wir auf das Deutlichste sehen können, dass, sei es von Anfang
an, sei es bei den späteren Injectionen, die allgemeine Reaction
total ausbleibt, ohne jede subjective wie objeetive Andeutung
des Fiebers und doch die locale Reaction in aller Deutlichkeit
besteht; ')
2. sahen wir, dass die locale Reaction fast regelmässig der allge-
meinen um Stunden vorausgeht;
3. endlich haben wir zufällig auch jetzt wieder eine Anzahl von
Lupusfällen beobachtet, die mitten in die Injectionsperiode hinein
über die Lupusfläche hinwegziehende Erysipele bekamen. Trotz
des hochgradigen Fiebers, ja trotz der localen Einwirkung des
entzündlichen erysipelatösen Vorganges zeigten die Lupusherde
keine Spur einer Veränderung. Als sie aber nachher wieder
injieirt wurden, trat locale Reaction in schönster typischer Weise
ein. Mit Bezug auf die Publication des Herrn Rosenbach
möchte ich auch hinzufügen, dass die an gedeckten Körperstellen
sitzenden Lupusherde ganz ebenso reagiren, wie die an frei ge-
legenen Stellen, Gesicht u. s. w.
Dass die locale Reaction eine ganz specifische sei, geht doch un-
zweifelhaft schliesslich auch daraus hervor, dass kein anderer entzünd-
licher Process — und die syphilitischen Processe wird man doch sogar
noch in eine ganz besondere Analogie mit den tuberculösen setzen
können, da sie beide dem Typus der chronischen Granulationsgeschwülste
entsprechen — auch nur andeutungsweise die Symptome zeigte, wie sie
regelmässig jeder cutane tuberculöse Herd aufweist.
!) Anmerkung bei der Correctur: Ich habe inzwischen auch nach Rosen-
bach’s Vorschlag durch bereits 2 und #4 Stunden nach der Injection gegebene
Antipyrindosen das Fieber ganz coupirt und doch die locale Reaction in voller
Deutlichkeit eintreten sehen.
ra
I. Medicinische Abtheilung. 39
Herr Mikuliez: Wenn Herr Rosenbach vorhin geäussert hat,
dass die locale Reaction lediglich eine Folge des Fiebers sei, so muss
ich dieser Ansicht entschieden entgegentreten. Es ist zwar durchaus
nicht zu .bezweifeln, dass das Mittel an und für sich auch pyrogene
Eigenschaften besitzt. Allein unabhängig hiervon rührt die locale Reaction
von einer direct phlogogenen Wirkung her, welche das Mittel auf den
tubereulösen Herd direct ausübt. Offenbar müssten sonst auch andere
Fieberzustände ähnliche locale Erscheinungen erzeugen, was doch nicht
der Fall ist. Auf der anderen Seite wird mitunter auch eine deutliche
locale Reaction ohne Fieber beobachtet.
6. Sitzung vom 20. Februar 1891.
Die Discussion über
Die mit dem Koch’schen Heilmittel gewonnenen Erfahrungen
wird an der Hand der Biermer’schen Fragen fortgesetzt und zunächst
die vierte Frage:
„Mit welchen Vorgängen im Gewebe ist
die örtliche Reaction verbunden?“
zur Besprechung gestellt.
Herr Neisser: Wenn ich mir heute erlaube, als erster zu der vor-
liegenden Frage das Wort zu nehmen, so geschieht das, weil ich auf
die mikroskopischen Befunde soleher local reagirenden Herde eingehen
möchte und weil ich glaube, unter Ihnen am meisten mich mit diesen
Dingen beschäftigt zu haben. Im Vordergrund des Interesses steht
meines Erachtens die Frage: Findet durch die Einwirkung der injieirten
Flüssigkeit eine direete Necrotisirung des tubereulösen Herdes statt oder
haben wir uns diese Einwirkung — und damit auch den Heilungs-
vorgang — nur als entzündliche, um die Tuberkel herum sich abspielende
Vorgänge zu denken?
Die Zahl der Präparate, welche ich fast in allen Stadien nach der
Injeetion wesentlich an excidirtem Lupusgewebe untersucht habe, giebt
nun leider kein eindeutiges Bild, wie das ja aller Orten und von allen
Beobachtern constatirt worden ist und zwar deshalb nicht, weil schon
im gewöhnlichen Ablauf des Lupus sich so wechselnde Verhältnisse,
theils der Coagulationsneerose und Verkäsung, theils der entzündlichen
Vorgänge vorfinden, dass eine Entscheidung kaum möglich ist, ob gerade
die vorliegenden Verhältnisse auf die Injeetion zu schieben sind oder
schon vorher vorhanden waren. Ich verfüge aber jedenfalls über einen
Fall, der ganz eindeutig ist, in dem eine so typische absolute Necrotisirung
eines ganzen Tuberkels vorhanden ist (im ganzen Centrum kern- und
structurlose Gewebsmasse, an der Peripherie zerrissene und zerklüftete
40 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Riesenzellen), dass über die Thatsache, dass eine Neerotisirung beim
Tuberkel eintreten kann, wohl kein Zweifel zulässig ist, da ich sonst
ähnliche Bilder trotz wirklich unzählicher Lupus-Untersuchungen nie ge-
sehen habe.
In allen übrigen Fällen war das Bild kein so ausgesprochenes und ein-
deutiges; wenn ich aber das Gesammtbild aus all den nach Koch’schen
Injeetionen untersuchten Präparaten mit dem ohne solche vergleiche, so
halte ich doch einen tiefgreifenden Unterschied für gar nicht zweifelhaft:
nämlich bei den behandelten Lupusfällen auffallend regelmässig matte
und blassgefärbte Tuberkel, bisweilen mit kaum erkennbaren Structur-
verhältnissen, umgeben von einem ganz dichten Wall von Lencocythen mit
den scharf gefärbten kleinen. ein- oder mehrtheiligen Kernen, ein Bild, so
auffallend, dass es schon bei makroskopischer Besichtigung eines Schnittes
die Aufmerksamkeit erregt. Diese primäre Necrose halte ich, so wenig
ich den Werth und die Bedeutung der entzündlichen Veränderung ver-
kenne, für das Wesentlichste und sie zu erzielen für die Hauptaufgabe
unseres weiteren therapeutischen Experimentirens.
Woran liegt es, so frage ich mich, dass Koch bei Meerschweinchen
regelmässig Heilungen erzielte, während wir an menschlichem Material
zweifellos nur viel schwächere und langsamere Heilungsvorgänge erreichen?
Ich glaube den Grund hierfür darin sehen zu müssen, dass der Mensch die-
jenigen grossen Dosen von Tuberkulin, welche eine totale Necrose des
tuberceulös infieirten Gewebes bewirken würden, nicht so verträgt wie das
Meerschweinchen, da für den Menschen das Tuberculin ein schweres
Allgemeingift ist, während das Meerschweinchen — übrigens auch das
Kaninchen — dasselbe in grossen Dosen verträgt. Ich erinnere übrigens
hierbei an den ersten in der Levy’schen Privatklinik behandelten Lupusfall,
der in der That auf eine für unsere jetzigen Begriffe kolossale Anfangs-
dosis die in Rede stehende Necrose aller Lupusherde aufwies. Vielleicht
darf ich die Frage aufwerfen, ob nicht ein aus „‚menschlichen‘‘ Tuberkel-
bacillen hergestelltes Tuberculin vielleicht sich anders verhalten würde
als das, wie ich vermuthe, aus „thierischen“ Tuberkelbaeillen herstammende,
jetzt zur Verfügung stehende. Wenigstens würde nach Analogie mit
andern Bacillenarten, z. B. denen des Schweinerothlaufs, der Gedanke,
dass in verschiedenen Thierkörpern eine verschiedene Virulenz eines und
desselben Baecillus und seiner Stoffwechselproducte zu Stande komme,
nicht von vornherein von der Hand zu weisen sein,
Andererseits müssen wir, glaube ich, versuchen, die jetzt noch be-
stehenden Gefahren der Allgemeinwirkung nach Möglichkeit herabzusetzen
um mit dem Mittel energischere Localwirkungen zu erreiehen. Schon im
Anfange der Injectionsperiode haben wir in erfolgreicher Weise mit Anti-
pyrin den wesentlichsten Theil aller subjectiven Beschwerden beseitigen
können. Vielleicht gelingt es — auch Herr Rosenbach hat ja ent-
I. Medicinische Abtheilung. 4]
sprechende Versuche gemacht — nach dieser Richtung noch Besseres zu
erzielen. Diese Versuche scheinen mir, falls mein ganzer Gedankengang auf
richtiger Fährte sich bewegt, um so wichtiger, als es leider nicht gelingt,
an Stelle der acuten (necrotisirenden) Tubereulin-Wirkung, wie sie beim
Thier besteht, eine chronische zu setzen. Denn es ist für mich zweifel-
los, dass der Organismus sich gegen die Wirkung des Mittels abstumpft.
Ich will hier nur andeuten, dass diese Angewöhnung auch bei Gesunden
zu erzielen ist.
Merkwürdiger Weise nun ist diese Angewöhnung nicht nur eine
allgemeine, sondern, wenn ich so sagen darf, auch eine locale. Ich
meine damit die ja auch sonst beobachtete, speciell von Schimmelbusch
durch mikroskopische Untersuchungen — die ich übrigens vollkommen
bestätigen kann — festgestellte Thatsache, dass am Ende einer längeren
Injeetionsperiode Lupusknötchen im Gewebe zurückbleiben können, die
absolut nicht mehr reagiren. Wie weit hier die von Kromayer neuer-
dings angezogene verschiedene Vaseularisation eine Rolle spielt, ist wohl
noch nicht zu entscheiden. Jedenfalls führte die Constatirung dieser
tuberculösen Residuen dazu, mehr, als es bisher geschehen ist, die
Koch’sche Behandlung des Lupus mit anderen Methoden zu combiniren.
Zum Schluss möchte ich nur noch eins betreffs aller dieser histo-
logischen Untersuchungen betonen, dass die Feststellung der anatomischen
Vorgänge doch nicht ohne weiteres einen Schluss gestattet auf die Folgen,
welche schliesslich in jedem einzelnen Falle die locale Reaction nach sich
ziehen muss. Auch hier wird man noch strenger individualisiren müssen,
je nach dem Zustand der Gewebe, der schon vor der örtlichen Reaction
vorhanden war. Ein Tuberkelherd, der nur mit einfachen, rein ent-
zündlichen Vorgängen combinirt ist, wird sich doch zweifellos ganz
anders verhalten als ein solcher, bei dem hochgradige Eiterungs- und
Zerstörungsprocesse der Gewebe neben der eigentlichen Tubereulose
einhergehen. Wenngleich es demgemäss, wie Hansemann sagt, ganz
selbstverständlich ist, dass auch der Anatom ein gewichtiges Wort in
dieser Frage mitzureden hat, so dürfen doch nicht ohne weiteres die
histologischen Befunde von einem oder von mehreren Fällen als für alle
Verhältnisse allgemein giltige hingestellt werden.
Das beste Paradigma hierfür bilden zweifellos die ganz verschieden-
artigen Folgezustände, welche man schon am Lebenden an tuberculösen
Gelenken nach den Injectionen beobachten kann. Je nach dem Zustande,
in dem sich dieselben vorher befinden, wechseln die durch die Reaction
hervorgerufenen Veränderungen zwischen leichter, in kürzester Zeit
zurückgehender Schwellung und leichter Steigerung der Secretion der
offenen Fisteln bis zu schwerster Gangraen, die zur Abstossung ganzer
Membranfetzen, Bildung neuer Perforationen u. s. w. führt. Es sollten
daher überall nicht blos die günstigen und ungünstigen Ausgänge der Fälle
493 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
genau mitgetheilt und in ihren Einzelheiten dargelegt werden, sondern
auch alle die Bedingungen, welche in dem speciellen Falle den günstigen
oder ungünstigen Ausgang herbeigeführt haben können, scharf präeisirt
werden.
Herr Biermer: Ich habe die Ueberzeugung, dass sich die örtliche
Reaction, die in so vielen Fällen eintritt, aus congestiven und entzünd-
lichen Vorgängen und aus seröser Durchtränkung des Gewebes, vielleicht
auch dem Aufschiessen von miliaren Knötchen zusammensetzt.
Herr Ponfieck: Auch ich glaube, dass noch langwierige Unter-
suchungen, vor Allem grade am Thierkörper, nothwendig sein werden,
ehe wir uns befähigt sehen, die vorliegende Frage zuverlässig zu ent-
scheiden. — Nach den Vorgängen localer Reaction, wie sie an allen dem
Auge zugänglichen Theilen zu beobachten sind, konnte sofort darüber kein
Zweifel sein, dass wir es mit dem Typus einer ächten Entzündung
zu thun haben. Alle ihre Erscheinungen waren handgreiflich ausgeprägt.
Fragen wird sich sonach nur, inwieweit dabei etwa noch andere, vor
Allem also necrotisirende Processe nebenher laufen. Meiner Ansicht
nach sind diese beiderlei Folgewirkungen miteinander keineswegs un-
vereinbar, ergänzen sich vielmehr hier, wie bei der spontanen Heilung der
Tuberculose aufs innigste. Auf Grund meiner bisherigen mikroskopischen
Untersuchungen bin ich denn auch überzeugt, dass zwischen der Auf-
fassung der durch das Tuberceulin am Krankheitsherde hervorgerufenen
Erscheinungsreihe als Entzündung und der als Necrose kein wirklicher,
sondern nur ein scheinbarer Widerspruch besteht.
Man muss sich blos vergegenwärtigen, dass jene künstlich erzeugte
Entzündung, vermöge einer gleichsam bewussten Auswahl, ein Gewebe
erfasst, welches sich in sehr labilem Zustande befindet, der Necrose
bereits einigermaassen nahe steht. Eben deshalb wird es offenbar auch
mehr als normales Gewebe geneigt sein, ihr anheimzufallen. — Da nun
bei dieser wie bei jeder anderen Entzündung starke Ausschwitzung, sei
es ins Innere des Gewebes, sei es auf die freien Flächen erfolgt, so be-
darf es unstreitig nur eines kleinen Schrittes weiter, um die krankhaften
Bestandtheile des Gewebes rasch der Necrose zuzuführen und sie dadurch
geeigneter entweder zur Resorption oder zur Abstossung nach Aussen
zu machen. Das Mittel würde also wesentlich dadurch wirken, dass es
die Reaction gegen den tuberculösen Herd, welche träge und schlaff ge-
worden ist, wieder anregt, zu neuer lebhafterer Energie anspornt.
Es bleibt dann noch die Aufgabe, die necrotisch gewordenen Trümmer
der einstigen tuberculösen Infiltration zu beseitigen. Es ist, wie ich glaube,
durchaus nicht nothwendig, dass stets eine Ausstossung zu Stande komme,
noch gar, dass eine solche immer auf eine freie Fläche geschehe. Die
Natur verfügt vielmehr über Mittel und Wege genug, um sie auch ohne
I. Medieinische Abtheilung. 45
eine derartige, sei es präformirte, sei es krankhafterweise neugeschaffene
Verbindung mit der Aussenwelt bei Seite zu schaffen: eben wiederum
mit und durch die Entzündung. An der Grenze jener labilen Schichten
nämlich hat sich inzwischen ein Wall junger Gefässe gebildet, wie dazu
berufen, eine gesteigerte Aufsaugungsthätigkeit einzuleiten.
Allerdings ist dadurch, wie ich gewiss nicht läugnen will, die
Möglichkeit gegeben, dass grade eine solch lebhafte Entfaltung der resorp-
tiven Kräfte, wie wir sie ja wünschen und auf alle Weise erstreben
müssen, von einer Verschleppung gewisser Bestandtheile des Krankheits-
herdes begleitet werde. Allein ist diese Möglichkeit etwa nicht ebenso
vorhanden bei jeder der unzähligen Spontanheilungen der Tuberculose?
Was nun die Miliartuberkel anlangt, die nach der Schilderung
mehrerer Autoren in der Umgebung schon in kürzester Frist, innerhalb
2 Tagen aufgeschossen sein sollen, so habe ich vorerst doch den Ein-
druck, dass hier die Eruption allzu rasch geschehen sei, um die Ent-
stehung der jungen Neugebilde innerhalb einer so flüchtigen Spanne
Zeit annehmen zu dürfen. Desshalb wird ernstlich zu erwägen sein, ob
sie nicht verdeckt bereits früher vorhanden gewesen und nur durch zu-
nehmende Vergrösserung jetzt sichtbarer geworden seien.
Herr Rosenbach: Was die durch das Mittel angeblich verursachte
Gewebsnecrose anbetrifft, wie sie namentlich charakteristisch an lupösen
Stellen in die Erscheinung tritt, so vermag ich die Necrose innerer
Organe für durchaus nicht erwiesen, ja nicht einmal für wahrscheinlich
zu halten, da selbst die Veränderungen bei Lupus nur sehr bedingt als
necrotische angesehen werden können; in keinem Falle aber liegt selbst
hier eine directe specifische Einwirkung des Mittels auf die absterbenden
Zellen, etwa in der Weise, wie sie das chromsaure Blei in den Nieren
hervorruft, vor. Bein Lupus kann man selbst in den ausgesprochensten
Fällen nur von einer Ulceration sprechen, die dadurch zu Stande kommt,
dass durch exsudirtes Serum die Epidermis abgehoben und ein Zustand
wie nach Einwirkung eines starken Cantharidenpflasters erzielt wird.
Es handelt sich hier nur um die Folgen einer, allerdings sehr hoch-
gradigen, Entzündung, die mit starker Transsudation, massenhafter Aus-
wanderung von weissen Blutkörperchen und Zerstörung der Epidermis
einhergeht. Eine Neerose — Absterben von Gewebe — kommt also nur für
die Epidermis in Betracht; das Coagulations-Necrose zeigende „Gewebe“
wird nur durch die massenhaft das betreffende Gebiet erfüllenden Rund-
zellen dargestellt, die natürlich zum grössten Theile absterben. Aehnliche
Verhältnisse kann man ja bei allen starken Entzündungen beobachten, wo
auch grössere Partien sich im Zustande der Coagulations-Necrose befinden,
ohne aber beim Heilungsprocesse zur Abstossung, d. h. zur eigentlichen
Necrose, zu gelangen, da die in den Gewebs-Interstitien liegenden Ent-
zündungsproducte resorbirt werden und das eigentliche Gewebe frei wird,
44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Welche Ansicht man aber auch über diesen Punkt haben mag, ob
man die Erscheinungen als höchsten Grad der Entzündung oder als
Necrose auffassen will, das eine ist sicher, dass die Abtödtung des Ge-
webes nicht der direeten Einwirkung des Koch’schen Mittels zuzuschreiben,
sondern als Folge der starken Entzündung aufzufassen ist. Das Gewebe
stirbt höchstens seeundär ab, wenn die Ernährungsbedingungen durch
die Vollpfropfung mit Rundzellen wesentlich alterirt werden; ein pri-
märer Zelltod durch directe Vergiftung oder Coagulation der be-
treffenden Zellen durch das Mittel findet in keinem Falle statt; das
Mittel wirkt nur stark reizend, aber nicht ertödtend auf die menschlichen
Gewebe.
Beim Lupus befindet sich auch das benachbarte, anscheinend gesunde,
Gewebe in einem functionellen Reizungszustande, und es musste deshalb
natürlich, wenn ein neuer Reiz — die injieirte Substanz — mit den
schon gereizten Zellen in Berührung tritt, schneller und stärker als
ganz normales, mit dem Herde in keiner Beziehung stehendes Ge-
webe die Zeichen dieser besonderen Reizung bieten.
Dass das Koch’sche Mittel ein specifisches (homologes) sei, ist
bis jetzt nicht erwiesen; dazu müsste erst nachgewiesen sein, dass das
Fieber bei der Wirkung überhaupt keine Rolle spiele, dass also das
Mittel ohne Erzeugung von Fieber — bei völlig normal bleibender
Temperatur — dieselbe locale Wirkung entfaltet, und zweitens
müsste der Beweis erbracht werden, dass andere Toxine weder eine
fieberhafte noch eine locale Wirkung hervorrufen. Dann erst würde die
speceifische Wirkung des Koch’schen Präparats einwurfsfrei constatirt
sein und ein neues Gesetz, das der homologen Reaction, formulirt
werden können.
Herr Buchwald: Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass in Folge der
Einspritzung des Tuberculins locale Entzündungserscheinungen an den
kranken Stellen, namentlich auch an den Drüsen, sich nachweisen lassen.
Nicht das Fieber, welches der Einspritzung meistens folgt, bedingt diese
Veränderungen, sondern die Wirkung ist eine specifische. Auch wenn kein
Fieber eintritt, bemerkt man die Reaction; andererseits hat Fieber aus
anderer Ursache keine Einwirkung auf das kranke tuberculöse Gewebe.
An einem Fall von Lupus, den eine fieberhafte Parulis complieirte,
konnte ich dies sehr schön verfolgen.
Herr Mikuliez: In der Frage, ob das Tubereulin necroti-
sirend auf die Gewebe wirke, herrscht zur Zeit ein Missverständniss,
indem zwei wesentlich verschiedene Vorgänge mit einander verwechselt
werden. Bei sehr heftigen localen Reactionen beobachtet man unter
Umständen, dass im Centrum des acuten Entzündungsherdes kleinere oder
grössere Gewebspartien als zusammenhängende Massen nekrotisch werden
I. Medicinische Abtheilung. 45
und im weiteren Verlaufe zur Ausstossung gelangen. Diese Gewebs-
necrose kann nicht als specifische Wirkung des Koch’schen Mittels auf-
gefasst werden; sie ist die Folge der heftigen Entzündung, der Ausdruck
des ad maximum gesteigerten Entzündungsprocesses, dessen Phasen man
bis zum Eintritt der völligen Neerose deutlich verfolgen kann. An dem
Zustandekommen dieser makroskopisch sichtbaren seeundären Necrose
ist nicht zu zweifeln.
Ein durchaus anderer Vorgang wäre die primäre Necrose,
welche als specifische Wirkung des Mittels nur die histologischen
Elemente des einzelnen Tuberkels, und zwar unabhänig vom Grade und
der Ausdehnung der Entzündung, befallen soll. Um diese feineren necro-
biotischen Vorgänge dreht sich der Streit; bekanntlich nimmt Koch ihr
Vorkommen als specifische Wirkung seines Mittels an, während sie von
den bisherigen Untersuchern in Abrede gestellt wird.
Herr Kleinwächter: Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass das
Koch’sche Mitiel zweifellos einen specifischen Einfluss auf frisches tuber-
culöses, d. h. von Tuberkelbaeillen affieirtes, Gewebe ausübt und stelle
. die an Ort und Stelle von ihm ausgeübte Wirkung der eines Aetzmittels
gleich. Ich glaube annehmen zu dürfen, dass das Tuberkulin bei
schwächerer Einwirkung einen Reiz ausübt, welcher zur einfachen ent-
zündlichen Schwellung, zur Eiterung und auch zur Abkapselung führen
könne, bei stärkerer Einwirkung aber Necrose herbeiführt. Im Ganzen
sind die von uns angewandten Dosen noch viel zu schwache. Die von
mir bei Lungentubereulose beobachteten Reactionssymptome entsprechen
den von Herrn Biermer genauer geschilderten. Darnach scheint das
Mittel bei Tubereulose der Lungen mehr einen entzündlichen Reiz aus-
zuüben.
Es gelangt nunmehr
B. Der therapeutische Werth des Mittels
zur Erörterung und zwar zunächst die Frage:
1. Inwieweit ist Besserung, bezw. Heilung
beobachtet worden?
Auch hierzu hat Herr Mikuliez eine Reihe von Thesen aufgestellt,
welche folgendermaassen lauten:
1. Contraindicationen.
Vorläufig ganz auszuschliessen vom Verfahren sind:
a. heruntergekommene Personen,
b. fiebernde,
c. solehe mit zahlreichen, zumal diffusen Erkrankungszeichen.
Zu unterbrechen oder ganz auszusetzen ist die Behand-
lung, sobald ein eontinuirliches (hectisches) Nachfieber eintritt, oder
der Ernährungsbestand, resp. Haemaglobingehalt merklich herunter-
46 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Culiur.
geht. Ebenso ist Vorsicht geboten, wenn Albuminurie oder Hae-
maturie eintritt.
2. Dosirung.
Es ist weniger gefährlich, häufiger sehr kleine Dosen anzu-
wenden, als selten grössere. Man vermeide heftige Allgemein-
Reactionen, bei inneren Organen auch zu starke locale Reaction.
Besondere Vorsicht bei ganz geschlossenen Herden oder solchen
ohne genügenden Abfluss!
Die Pausen richten sich nach der Heftigkeit und Dauer der
Reaction. Sie sollen mindestens doppelt so viel Tage dauern, wie
das Allgemeinbefinden, besonders der Appetit gestört war.
3. Womöglich ist der Erkrankungsherd zu Beginn der Behandlung
freizulegen, falls er nicht schon vorher nach aussen communiceirte.
4. Ein Urtheil über den Heilerfolg ist nach wenigen Wochen un-
möglich, dazu gehören Monate,
Herr Biermer: Unter 54 beobachteten Kranken habe ich Besse-
rungs-Erscheinungen, wenn man Gewichtszunahme, Aussehen, subjectives
Allgemeinbefinden und eine geringe Aenderung des physikalischen Be-
fundes als Besserung ansieht, wahrgenommen in 16 Fällen. Wesent-
liche Besserung habe ich nur 2 Mal gesehen, Heilung nur in einem
einzigen Falle, der jedoch diagnostisch nicht absolut sichergestellt ge-
wesen ist.
Man hat indess gewiss zu unterscheiden zwischen vorläufiger und
definitiver Heilung: die letztere kann, wenigstens bei tuberculöser Er-
krankung der Lungen, überhaupt erst nach Jahr und Tag behauptet
werden.
Herr Hermann Cohn: Ich behandelte schon lange eine 65 jährige
Frau an beiderseitiger Thränensackeiterung mit Sondirungen und Aus-
spritzungen; doch konnte die schleimig-glasige Ausscheidung der Thränen-
wege nur wenig verringert werden. Nase, Wangen und Oberlippe
waren seit 15 Jahren Sitz von reichlichen Lupusknoten; in letzter
Zeit entstand ein solcher auf der Haut des rechten Thränensackes
und am linken oberen Augenbrauenbogen; dabei hatte Pat. seit Jahren
auf beiden Augen grauen Staar, der seit vielen Monaten reif war.
Obgleich die Pat. seit einem Jahre schon geführt werden musste,
wagte ich wegen des Lupus und der Thränensackeiterung die Staar-.
operation nicht. Als die ersten Berichte über die Tuberculin-Effecte
bei Lupus erschienen waren, machte ich der Pat. bereits im December
vorigen Jahres eine Einspritzung, nicht um den Lupus zu heilen,
sondern um zu sehen, ob vielleicht tuberculöses Gewebe
in den Lidern oder in der Bindehaut schlummere, das
später den Öperationserfolg gefährden könne. Es traten die oft be-
I. Medicinische Abtheilung. 47
schriebenen Erscheinungen an allen Lupusherden nebst bedeutendem
Fieber und stets eine Nachreaction am zweiten Abende mit Er-
scheinen neuer Knötchen in der Nähe der alten auf. Aber am Auge
selbst zeigten sich keine Herde. Daher machte ich unter besonders
sorgsamen antiseptischen Cautelen links die Staarextraction; die
Heilung verlief auch ganz glatt.
Bevor ich das nächste Auge operiren werde, werde ich aber keine
Koch’schen Einspritzungen machen; denn die inzwischen veröffent-
liehte Ansicht von Virchow scheint durch mancherlei Fälle Bestätigung
zu finden, dass die durch das Tuberculin mobil gewordenen Bacillen in
benachbarte gesunde Theile verschleppt werden können. Ich würde
also in diesem und ähnlichen Fällen die normale Bindehaut und die Lider
einer Lupusgefahr aussetzen, von der sie bisher verschont blieben.
Ganz anders würde freilich die Frage liegen, wenn es sich um be-
stehenden Lupus der Bindehaut handelt. Der Lupus ist, wie Koch
ja sehr richtig sagte, die Krankheit, bei der am ersten Heilung durch
Einspritzungen zu erwarten ist, und in der That im obigen, wie in den
anderen Fällen von Lupus des Gesichts, die ich gesehen, konnte ich
Besserung (wenn auch bisher noch keine Heilung) beobachten,
Der Lupus der Lider und der Bindehaut ist glücklicherweise eine grosse
Seltenheit; unter fast 50000 Augenkrankheiten, die ich behandelt, sah ich
ihn nur zweimal; in den .letzten zehn Jahren kam überhaupt kein Fall
bei mir vor. Es ist ein trostloses Leiden; ich weiss, dass ein Kranker
(ein General), nachdem der Lupus von der Wange in die Augen gestiegen
war, so viel litt, dass er trotz seiner 70 Jahre zur Pistole griff. Da
wir gar kein anderes Mittel gegen Lupus haben, werden wir in diesen
Fällen gewiss das Tubereulin versuchen müssen, auch wenn es uns nicht
vor Rückfällen schützt.
Herr Buchwald: Ich kann nur rathen, mit der Annahme der
Besserung von Lungenkranken, welche der Koch’schen Behandlung
unterworfen wurden, vorsichtig zu sein. Gerade bei Tuberculose der
Lungen habe ich eine Heilung überhaupt noch nicht gesehen. Aus dem
gehobenen Allgemeinbefinden und der Zunahme des Körpergewichts,
selbst aus dem Rückgang eines Theiles der Lungenerscheinungen lässt
sich ein sicherer Schluss nicht: ziehen. Solch scheinbare Besserungen
sieht man auch bei jeder anderen Behandlungsmethode; häufig genug
sind sie in Krankenhäusern nur die Folge der Ruhe und reichlichen Er-
nährung solcher Patienten. Wesentliche Gewichtszunahme, Hebung des
Allgemeinbefindens und der Gemüthsstimmung habe ich bei der Mehrzahl
der vorsichtig nach der Koch’schen Methode behandelten und dabei
sehr gut ernährten Lungenkranken allerdings ebenfalls gesehen. Dessen-
ungeachtet wage ich nicht zu entscheiden, ob damit auch eine dauernde
Heilung der Tuberculose verbunden sei.
48 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Herr Neisser: Ueber die bei Scrofuloderma, Lupus ete. erzielten
Heilerfolge will ich hier nicht sprechen; ich habe darüber an anderer
Stelle berichtet und kann nur hinzufügen, dass wir nach wie vor mit den
Resultaten ganz ausgezeichnet zufrieden sein können. Totale Heilung
eines Falles steht zwar immer noch aus, aber partielle Heilung ist
zweifellos eingetreten neben auffallender Besserung des localen Befundes.
Ich wollte nur hinzufügen, dass wohl, bei Lupus des Gesichtes z. B.,
die starken Infiltrate und Schwellungen, welche neben den eigentlichen
lupösen Herdehen bestehen und vielleicht am allermeisten zur Entstellung
der Lupösen beitragen, in Analogie zu setzen sind mit den entzünd-
lichen Infiltraten um die tubereulösen Lungenherde herum. Wenn selbst
wie beim Lupus auch in der Lunge noch eine grosse Anzahl reiner
Tuberkelherde zurückbleibt, so ist doch schon der Schwund dieser In-
filtrate von einem nicht zu unterschätzenden Vortheil, denn wesentlich
der Zerfall, die Einschmelzung, die Vereiterung dieser Infiltrate ist es
doch, welche zur Zerstörung des Lungengewebes führt, welche ausser
der eigentlichen Tuberculose die wirkliche Schwindsucht zustande bringst.
Herr Mikuliez: Um die durch das Koch’sche Mittel zu er-
reichenden Heilerfolge an einem Beispiele unmittelbar zu veranschau-
lichen, stelle ich Ihnen hier eine Patientin vor, bei welcher die Heilung,
wenigstens mit höchster Wahrscheinlichkeit, allein auf dem genannten
Wege erzielt worden ist.
Einem vierjährigen, ziemlich elenden Mädchen war im August
1890 das tuberculöse Ellbogengelenk resecirt worden; die Öperations-
wunde blieb bis zum Beginn der Koch’schen Behandlung fast im
ganzen Umfange des Gelenkes als eine von tubereulösen Granulationen
ausgekleidete, breit geöffnete Höhle zurück. Am 15. December wurde
mit dem Koch’schen Verfahren begonnen und zwar vom Beginn an
mit mässigen Dosen; es wurden im Ganzen etwa 20 Einspritzungen
gemacht. Gleich nach den ersten trat ein auffälliger Umschwung ein,
und bereits nach etwa 5 Wochen war die Wundhöhle bis auf eine
feine, nur wenige Millimeter lange Fistel verkleinert. Heute, d. h. nach
etwa 10 Wochen, ist letztere vollständig geschlossen: es findet sich
eine zusammenhängende eingezogene Narbe. Das früher sehr schmerz-
hafte Gelenk ist ohne Schmerzhaftigkeit beweglich. Ein operativer
Eingriff irgend welcher Art hat in der ganzen Zwischenzeit nicht statt-
gefunden.
Herr Schmeidler: Ich habe über 6 Fälle meiner Privatpraxis
zu berichten, die mit Koch’scher Lymphe behandelt sind. Zwei andere
Fälle sandte ich aus der Fabrikbevölkerung ins Allerheiligen - Hospital:
einer davon wurde von Herrn Rosenbach, als zu weit vorgeschritten,
nicht mehr injieirt, wurde entlassen und starb bei seinen Eltern; ein
Anderer wurde ebenda injieirt, starb aber, weil ebenfalls schon
I. Medieinische Abtheilung. 49
zu weit vorgeschritten. — Wenn die Fälle der Privatpraxis auch
nicht zahlreich sind, so sind sie doch von Wichtigkeit, weil der Arzt
meist die Kranken und die Familien, aus denen sie stammen, schon
lange genau kennt. Von den 6 Kranken meiner Privatpraxis waren
5 hochgradig erblich belastet, vom 6. weiss ich es nicht genau, doch
ist es auch wahrscheinlich. Einen direeten Nachtheil habe ich bei
meinen Kranken von der Koch’schen Behandlung nicht gesehen, bis auf
2 Fälle von Haemopto&, welche rasch vorübergingen; im Gegentheil
zeigte sich bei Mehreren deutliche Besserung, auch Gewichtszunahme.
Den einen Patienten mit tuberculöser Infiltration der rechten Lungen-
spitze und einem grösseren Herde in der Gegend der r. 3. und 4. Rippe
hatte ich schon im October 1890 vor Einführung der Koch’schen Methode
nach Görbersdorf geschickt; nachdem er dort bis Mitte November an
Körpergewicht zugenommen, wurde er mit meiner Zustimmung injieirt
und kam zu Weihnachten so weit gebessert zurück, dass er seinen
Beruf (höheren Postdienst) auf seinen Wunsch wieder aufnehmen konnte,
um dann erst später im Frühjahr wieder nach Görbersdorf zurückzu-
kehren. Der grössere Herd machte nach seiner Rückkehr den Eindruck
einer beginnenden Schrumpfung. Ich habe ihn jetzt längere Zeit nicht
gesehen.
Der zweite Patient, ein junger verheiratheter Kaufmann, zeigte
nur eine leichte Dämpfung in der rechten Lungenspitze über der Üla-
vicula und in der linken geringe feine Rasselgeräusche ohne Dämpfung;
nach den ersten Injectionen traten starke Reactionen ein, eine Dämpfung
rechts oben bis zur dritten Rippe abwärts, feinblasiges und theilweise
Knisterrasseln ebenda, kurz die Erscheinungen einer Art acuter Pneu-
monie. Sie ging gut vorüber, ebenso wie eine nach Wochen auf-
tretende Haemopto&@; Patient wird jetzt noch zu Hause injieirt und be-
findet sich besser; die örtlichen Erscheinungen sind zurückgegangen.
Anfangs hatte ich ihn sowie eine andere noch dort befindliche Patientin
in die Privatklinik des Herrn Dr. Kleinwächter behufs besserer Beob-
achtung gelegt.
Letztere, aus eminent tubereulöser Familie und schon viele Jahre
mit zerstreuten kleinen tubereulösen Herden namentlich in der linken
oberen und mittleren Lunge behaftet, vertrug die Injeetionen ausge-
zeichnet, nur bekam sie statt Temperatur-Erhöhung anfangs immer nur
enorme Pulsbeschleunigung (130—140) als Reaction, bei den späteren
erst geringe Temperatur-Erhöhungen und eine leicht vorübergehende
Haemopto&, doch befindet sie sich subjeetiv jetzt recht wohl und nimmt
an Körpergewicht zu.
Drei andere Patientinnen endlich wagte ich als zu schwer krank
hier nicht zu injieiren und ‚schickte sie nach Görbersdorf, damit sie
sich dort erst erholten. Ich habe von ihnen ziemlich gute Nachrichten.
Kan A
50 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Die eine, welehe hochgradige Tuberculose seit Jahren und unter der
linken Clavicula eine etwa haselnussgrosse Caverne hat, auch schon
im vorigen Sommer in Görbersdorf war, hörte hier im Anfang
Januar d. J. nicht auf zu fiebern, verlor aber ihr Fieber in Görbers-
dorf nach kurzem Aufenthalt und vertrug die nun folgenden Injeetionen
gut. Aehnlich ging es einer anderen Patientin mit hochgradigem Spitzen-
katarrh. Ueber eine Dritte, ebenfalls hochgradig erblich belastet, welche
ich wegen Darmtubereulose nach Görbersdorf schickte, und bei welcher
sich nach den Injeetionen auch Reactionen in den Gelenken gezeigt
haben sollen, kann ich noch nichts Näheres berichten.
Im Ganzen geht also auf Grund der vorliegenden Erfahrungen meine
Meinung dahin, dass man bei Vorhandensein kleiner, wenn auch nicht
vereinzelter Herde, sowohl bei frischen, wie bei alten Fällen, als auch
bei hochgradig erblich Belasteten, die Koch’sche Methode ohne Gefahr
in vorsichtig steigenden Dosen anwenden könne, dass man aber bei
grösseren und ausgebreiteteren Herden, bei Fieber- und Schwäche-
zuständen besser thue, die Kranken erst zu ihrer Erholung nach Görbers-
dorf zu senden, wo dann nach vorheriger Beseitigung des Fiebers und
eingetretener allgemeiner Erholung vorsichtig mit der Cur begonnen
werden mag.
Herr Rosenbach: Eine günstige therapeutische Wirkung ist bisher
nicht zu constatiren gewesen, wenn man den sonst im Hospital zur Heilung,
resp. Besserung kommenden Procentsatz dem Vergleiche der Methoden
zu Grunde legt. Sehr viele Kranke würden im Hospital in jedem Falle ge-
bessert werden, weil sie unter günstigere Ernährungsbedingungen kommen;
diese immer zu beobachtenden Erfolge können nicht auf Rechnung des
Koch’schen Mittels geschoben werden. Schädlich wirkt das Verfahren
nur dort, wo durch zu starke Reactionen zu hohes Fieber hervorgerufen
wird, Dann verlieren die Kranken auffallend an Körpergewicht, erholen
sich aber nach Aussetzen der Injectionen sehr schnell wieder. Früh
darauf aufmerksam geworden, dass das Mittel eine cumulative Wirkung
habe und dass unvermittelter Uebergang zu grösseren Dosen die Tem-
peratur sehr energisch beeinflusste, habe ich, wie schon aus meinen Mit-
theilungen in der Deutschen medicinischen Wochenschrift (1890 Nr. 49,
1891 Nr. 2 u. 3 und Nr. 8) hervorgeht, gerathen, mit ganz kleinen
Dosen zu beginnen, nur um Milligramme zu steigen, nach jeder Injection
mindestens ein 24stündiges ganz fieberfreies Intervall abzuwarten und so
die fieberhafte Steigerung ganz zu vermeiden. Auch habe ich eine Reihe
von Kranken nur mit continuirlichen kleinen Dosen (von 1—3 mgr)
behandelt und dabei Zunahme des Körpergewichtes, wie bei allen im
Hospital gepflegten leichten Erkrankungen, aber keine Veränderungen
der phthisischen Symptome beobachtet.
IE IE 4
I. Medieinische Abtheilung. 51
Herr Lion: Unter meinen Erfahrungen ist eine besonders über-
raschend für mich gewesen und vielleicht auch für einen weiteren Kreis
lehrreich, insofern hier die Behandlung mit dem Koch’schen Mittel eine
wesentliche subjective Besserung zur Folge gehabt hat. Es handelt sich
um ein 13jähriges, in vorgeschrittenem Stadium der Lungentuberculose
befindliches Mädchen. Die Krankheit bestand seit 2—3 Jahren; Baeillen
hatten sich vor etwa 1‘, Jahren zuerst nachweisen lassen. Der
Fall ist auch dadurch bemerkenswerth, dass im Beginn der Injections-
Behandlung selbst bei den für ein so jugendliches Individuum relativ
grossen Dosen eine nennenswerthe Allgemeinreaction niemals eintrat;
im Kehlkopf, in welchem vorher nicht sicher als tuberculös anzu-
sprechende Veränderungen bestanden, war bei 0,06 gr eine deutliche
örtliche Reaction zu constatiren. Nach einer etwas längeren Pause —
Pat. wurde zuerst in einer Privatklinik des Dr. Cornet, später hier
weiter behandelt — führten schon geringere Dosen als die, welche
früher zur Anwendung gelangt waren, zum Theil sehr intensive Allge-
meinreactionen herbei. Jetzt, nach etwa zehnwöchentlicher Behandlung,
ist das Allgemeinbefinden der Patientin, welches früher wesentlich be-
einträchtigt und auch durch monatelangen Aufenthalt in Reinerz unter
gleichzeitiger Anwendung grosser Creosotdosen nur wenig gebessert war,
relativ sehr gut, das Körpergewicht um etwa 2 Pfund gestiegen.
Während früher häufige Fieberbewegungen bestanden, ist Patientin jetzt
— von dem Reactionstagen abgesehen — andauernd fieberfrei. Objectiv
ist eine nennenswerthe Veränderung weder im Lungenbefund, noch im
Kehlkopf aufgetreten; auch das Verhalten der Bacillen im Auswurf ist
dasselbe, wie vor den Injectionen,
Immerhin scheint mir die unzweifelhafte subjective Besserung in
einem Falle von fortgeschrittener Phthise, in welchem die früher an-
gewandte Behandlungsmethode erfolglos selbst für den Allgemeinzustand
geblieben war, beachtenswerth genug, um auch in solchen Fällen die
Anwendung des Koch’schen Verfahrens als einen therapeutischen Versuch,
wie man ihn bei einer Krankheit wie der Phthise eben machen muss,
durchaus berechtigt erscheinen zu lassen.
Herr Kleinwächter: Für die Beurtheilung des therapeutischen
Werthes, welcher wohl in der Anregung eines Naturheilungsprocesses
beruht, muss ich Zahlenangaben mit einfacher Herzählung der etwas oder
vorläufig geheilten, gebesserten und gestorbenen Fälle für ungeeignet
erachten. Um diese Frage zu entscheiden — und das ist erst nach Jahren
möglich — muss man vor allen Dingen individualisiren. Man muss Fall
für Fall, soweit dies überhaupt clinisch bei der Tuberculose möglich
ist, genau präecisiren, zunächst solche Fälle, welche wirklich die von Koch
gestellten Bedingungen erfüllen, zusammenstellen, erst in zweiter Linie
die schwereren Fälle. Bei Kranken, deren Lungen grösstentheils zerstört
AF
52 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
oder deren Körper von Tuberkeln durchsetzt ist, kann man doch keine
Heilung, ja nicht einmal Besserung von einigen Milli- oder Centigramm
Koch’scher Lymphe verlangen. Einen derartigen ausführlichen Bericht
behalte ich mir also vor.
Auf Grund meiner Erfahrungen will ich für jetzt nur betonen, dass
ich in keinem Falle eine unter dem Einfluss der Koch’schen Injeetion
entstandene Verschlechterung beobachtet habe. Hingegen sind in der
Mehrzahl der Fälle auffällige subjeetive und objective, auch von anderen
Aerzten bestätigte Besserungen zu verzeichnen gewesen.
Hierauf wird die Fortsetzung der Discussion vertagt.
7. Sitzung vom 27. Februar 1891.
1) Die Discussion über
Die mit dem Koch’schen Heilmittel gewonnenen Erfahrungen
wird fortgesetzt und zwar zunächst über die Frage:
2. Welche Beweise sind erforderlich
für die Anerkenntniss eines Heilerfolges?
Herr Biermer: Vor allen Dingen muss selbstverständlich die Er-
nährung eine bessere geworden, das Fieber verschwunden sein. Im
Auswurf dürfen keine Bacillen und womöglich soll überhaupt kein
Auswurf mehr da sein. Auch darf sich beim Athmen kein Rassel-
geräusch mehr hören lassen. Der Kranke darf nicht mehr husten und
muss überhaupt eine grössere Widerstandsfähigkeit seiner Athemwege
erlangt haben. Hiernach leuchtet es wohl ein, dass man frühestens nach
einem Viertel-, ja halben Jahre zu sagen im Stande sein wird, ob ein
Patient als wirklich geheilt zu betrachten sei. t
Herr Rosenbach: Auch ich mahne zu grosser Vorsicht bei der
Beurtheilung vermeintlicher Heilerfolge. Wer die Vielgestaltigkeit und
wechselnde Form des clinischen Bildes der Phthise kennt, der wird
wissen, dass die physikalischen Erscheinungen über den Lungen sich
innerhalb der kürzesten Zwischenräume ändern, und wird deshalb nur
dann im Stande sein, solche Veränderungen auf die Koch’schen Ein-
spritzungen zu beziehen, wenn sie bei anderen, nicht behandelten Fällen
gar nicht oder in einer unverhältnissmässig geringeren Zahl auftreten.
3. Welche Anhaltspunkte
für die Anbahnung von Heilvorgängen
haben die Sectionsergebnisse geliefert?
Herr Ponfick: Es ist, wie Sie sicher Alle zugeben werden, un-
gemein schwierig, hierüber schon heute eine allgemeine Antwort, zumal
auch bezüglich jener inneren Organe zu ertheilen, auf deren Verhalten Sie
mit Recht gewiss besonders gespaunt sein werden. Giebt es doch kaum
I. Medicinische Abtheilung. 53
einen Fall von irgendwie ausgedehnter, sei es örtlicher, sei es allge-
meiner Tuberceulose, wo wir nicht zugleich entschiedene Heilungs-Vor-
gänge in ansebnlichem Umfange zu beobachten hätten. Wenn nun eine
gewisse Zeit nach Anwendung des Mittels der Tod eintritt, wie sollen
wir da in dem bunten Gemisch theils begonnener, theils vollendeter
Localheilungen wohl im Stande sein, eine klare, auch den Zweifler über-
zeugende Sonderung vorzunehmen? Wie vermöchten wir zu behaupten:
Dies sind Erzeugnisse eines Heilbestrebens im Gewebe, welches vor,
jenes sind Folgen, welche nach der Behandlung mit dem Tubereulin
hervorgetreten sind.
Selbstverständlich ist hiermit aber keineswegs ausgeschlossen, im
Gegentheil dünkt es mir äusserst wahrscheinlich, dass die Tendenz zur
Abstossung oder Einkapselung des tubereulösen Gewebes dadurch eine
Verstärkung erfahre, dass in der Umgebung der Erkrankungsherde
seitens des Koch’schen Mittels eine gesteigerte reactive Thätigkeit an-
geregt und ein weit lebhafterer exsudativer Austausch zwischen Gefäss-
system und Gewebe hervorgerufen werde.
Es fragt sich nur, inwieweit Jie jeweils in der Leiche vorgefundenen
Umwandlungen der tuberculösen Herde, einerseits die verdichteten und
vernarbten Stellen, andererseits die in vorschreitender Necrose begriffenen
dem Einflusse des Koch’schen Mittels beigemessen werden dürfen.
Während Guttmann und Rindfleisch erstere in den Vordergrund rücken
und demgemäss dem Tubereulin gutschreiben, heben Andere, so vor allem
Virchow, jene deletären Ausgänge hervor und können nicht umhin, sie
zu dessen Ungunsten in Rechnung zu stellen.
Nach meiner Ueberzeugung sind die bis heute gewonnenen That-
sachen noch nicht ausgiebig genug, um die offenbar sehr verwickelte
Frage bereits als spruchreif betrachten zu dürfen. Ueberhaupt bin ich
der Meinung, dass Organe mit so zusammengesetztem Bau und so man-
nigfach ineinandergreifenden functionellen Beziehungen, wie z. B. die
Lungen, weit weniger geeignet sind, die Frage nach dem ursächlichen
und zeitlichen Zusammenhange dieser Erscheinungsreihe zu entscheiden.
Ich glaube vielmehr, dass man vor Allem äussere Theile, wie Haut,
Gelenke u. s. w. ins Auge fassen muss, um auf dem Wege fortlaufender
direeter Beobachtung über die echten Folgewirkungen des Mittels ins
Klare zu kommen.
Die Discussion wendet sich nun der Frage zu, inwieweit daneben
Ungünstige Folgen
durch das Koch’sche Mittel herbeigeführt worden seien:
1) Sind auch schädliche Wirkungen des Mittels
zu Tage getreten?
Herr Rosenbach: Bei der Tuberceulose können sich im Verlaufe
des Processes so viele üble Erscheinungen einstellen, dass man nicht
54 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
das Recht hat, alle unangenehmen Folgen, die während der Erkrankung
auftreten, dem Mittel als solchem zuzuschreiben. Ueberhaupt muss man
dem falschen Standpunkte, den Aerzte und Laien vielfach einnehmen,
dass das, was nach einer Behandlungsmethode auftritt, auch Folge dieser
Behandlung sein müsse, mit aller Energie entgegentreten. Nach meiner
Erfahrung ist das Koch’sche Mittel nach keiner Richtung hin gefährlicher
als andere, wenn man mit kleinen Dosen anfängt und unter Einschaltung
injeetionsfreier Tage nur allmähliche Steigerungen vornimmt. Namentlich
wenn man von einer Erhöhung der Dosis so lange absieht, als überhaupt
noch deutliche Symptome, wie Uebelkeit, Muskelschwäche, Kopfschmerz
oder die geringsten Fiebersteigerungen anzeigen, dass das Mittel eine
Wirkung ausübt, wird man nie schädliche Folgen beobachten. Das
Koch’sche Mittel ist, wie alle andern gebräuchlichen, differenten Mittel
in der Hand des gewissenhaften und vorsichtigen Arztes kein gefähr-
liches, und so wenig ich seine Bedeutung in diagnostischer oder thera-
peutischer Beziehung anerkenne, so sehr möchte ich doch dagegen Ver-
wahrung einlegen, dass man alle spontanen Verschlimmerungen des Krank-
heitsprocesses seiner Anwendung zur Last legt.
Wenn von dem Liebreich’schen Mittel behauptet wird, dass es ohne
Fieber zu erregen wirksam sei, so möchte ich diese Angabe aus
theoretischen Gründen bestreiten. Es ist unmöglich, dass ein Mittel,
welches eine starke locale Einwirkung hat, bei subeutaner Application
nicht schon in verhältnismässig geringen Dosen fiebererregend wirken soll,
Herr Biermer: Auch ich habe den Eindruck, dass das Koch’sche
Mittel nicht so gefährlich ist. Allein ich habe doch einzelne Fälle
beobachtet, welche unangenehme Wirkungen der Reaction zeigten. Im
Allgemeinen sind schwere Symptome nicht zu Tage getreten und bei
geeigneter Auswahl der Patienten ist das Mittel sogar gut vertragen
worden.
Herr Neisser: Es ist sehr merkwürdig, dass grade aus Paris von
Anfang an die ungünstigen Nachrichten über die Wirkungen des Tuber-
eulins, trotz Anwendung der kleinsten Dosen, eingelaufen sind. Fast
müsste man denken, dass sich unsere Rasse widerstandsfähiger dagegen
erwiese, als die französische. — Von den 4 Patienten, welche ich mit
dem Liebreich’schen Mittel behandelt habe, haben in der That nicht
weniger als 3 mit starkem Fieber reagirt: eine Thatsache, welche eine
sofortige Bestätigung der seitens des Herrn Rosenbach hierüber kund-
gegebenen Ansicht bildet.
Herr Buchwald: Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass bei richtiger
Auswahl der Kranken, vorsichtiger Steigerung der Dosis des Tubereulins
die Gefahren des Mittels gering sind. Auch ich habe keinen wesent-
lichen Nachtheil gesehen. Ich muss jedoch auf die von anderen sorg-
a u 1 24 0W El 2 ZU 2.
I. Medieinische Abtheilung. 55
fältigen Beobachiern gemachten Erfahrungen hinweisen, welche nicht so
günstig lauten. Unter allen Umständen muss man das Mittel als ein
differentes ansehen, dessen Anwendung Vorsicht erheischt: eine Ueber-
zeugung, die nicht nachdrücklich genug betont zu werden vermag.
Herr Mikulicz: Im Laufe der letzten Wochen habe ich eonsequent
nur so geringe Dosen Tubereulin angewandt, dass sehr mässige allgemeine
und locale Reactionserscheinungen folgten (Temp. unter 39,0). Bei diesem
Verfahren habe ich keinerlei schädliche Nebenwirkung mehr gesehen;
insbesondere wurden weder der Ernährungszustand noch der Hämoglobin-
gehalt des Blutes ungünstig beeinflusst; der Kräftezustand der meisten
Kranken hob sich eher. Was die Heilwirkung betrifft, so scheint sie
durch die geringe Dosirung nicht beeinträchtigt zu sein,
Herr Rosenbach: Da auch das Auftreten von Gelbsucht im Ver-
laufe der Koch’schen Behandlung berührt worden ist, so möchte ich die
Eindrücke kurz mittheilen, welche ich in Bezug auf dieses Symptom
empfangen habe. Die nach Einspritzung all zu grosser Dosen entstehende
Gelbsucht halte ich für eine hämatogene,;, denn einmal fehlt jede
Schwellung und Schmerzhaftigkeit der Leber, sodann aber ergiebt die
Untersuchung des Harnes neben Urobilin die reichliche Anwesenheit
des braunen Farbstoffes, welcher neben Indigoroth einen wesentlichen
Bestandtheil der von mir beschriebenen burgunderrothen Reaction bildet
und nach meiner Auffassung als Zeichen des Zerfalls von Eiweiss-
substanzen im Blute aufzufassen ist.
Man muss sich also vorstellen, dass das Koch’sche Mittel in zu
grossen Dosen ein Blutgift ist, welches entweder direct den Zerfall von
Blut bedingt oder durch die fieberhafte Temperatursteigerung mittelbar
einen solchen Zerfall hervorruft. In jedem Falle kann bei vorsichtiger
Anwendung des Mittels in der mehrfach von mir urgirten Weise jeder
derartige ungünstige Einfluss sicher vermieden werden.
Herr Kleinwächter: Auf Grund meiner Erfahrungen halte ich das
Koch’sche Mittel bei vorsichtiger und individualisirender Dosirung für
gänzlich gefahrlos. Auch starke Dosen, unter anderen bei einem kräftigen
Patienten 0,3 g, sind gut vertragen worden. In keinem Falle habe ich
eine Verschlechterung der Kranken oder eine Verschlimmerung der Er-
krankungsherde im Zusammenhange mit Koch’schen Injeetionen beobachten
können. In einem jetzt ausserordentlich gebesserten Falle ist zwar
einmal eine geringe Hämopto& aufgetreten, aber gerade nachdem die
Injectionen 8 Tage ausgesetzt worden waren. Solche Zufälligkeiten,
wie sie von mehreren Seiten berichtet wurden, sind ganz gewöhnliche
Erscheinungen bei der Tuberculose, besonders jener der Lungen und
dürfen nur mit grösster Vorsicht als Folgen der Koch’schen Behandlung
angesehen werden. Auch bei kleinen Kindern, selbst bei Säuglingen hat sie
56 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
sich, wie aus Königsberg berichtet wird, als gefahrlos erwiesen. Leider
habe ich bei der bedauerlichen Furcht, welche gegenüber dem Koch’schen
Mittel hier augenblicklich vorherrscht, noch keine Gelegenheit gehabt,
Kinder zu impfen.
Durch sorgfältige Untersuchungen des Urins habe ich ausdrücklich
festgestellt, dass die Injectionen keine Hämaturie und Albuminurie ver-
ursachen, wie anfänglich von einigen Experimentatoren auf Grund
vielleicht zufälliger Befunde behauptet worden ist. Allerdings ist die
Urinmenge manchmal vermehrt, indess niemals ist Eiweiss oder Zucker
oder Blut im Harn nachzuweisen gewesen.
Von definitiven Erfolgen zu sprechen, halte ich für verfrüht, doch
hoffe ich, demnächst einen Bericht hierüber, ev. mit Krankenvorstellungen
abstatten zu können.
Da des Liebreich’schen Mittels Erwähnung geschehen ist, so erlaube
ich mir mitzutheilen, dass ich von Herrn Prof. Liebreich bereits vor
dessen Veröffentlichung das Mittel zugesandt erhalten habe. Ich habe
es zunächst bei einem Gesunden und bei 3 Kehlkopfkranken angewendet,
bei letzteren schon mehrfach. Fieber ist bis jetzt nicht aufgetreten, bei
einem Patienten etwas Eiweiss im Urin. Um eine heilende Wirkung zu
erkennen, ist die Zeit jedoch noch zu kurz bemessen.
Herr Sandberg: Dass selbst bei allmählicher Steigerung der Dosis
der Eintritt gefahrdrohender Reactionserscheinungen nicht ausgeschlossen
ist, zeigen folgende zwei von mir im hiesigen Fränkel’schen Hospitale
beobachtete Fälle. Der erste betrifft einen 27jährigen schwäch-
lichen Menschen, welcher vor 5 Jahren wegen Caries des linken Fuss-
gelenks am Unterschenkel amputirt worden ist und wegen superficieller
Necrose des Amputationsstumpfes im November v. J. in die Anstalt auf-
genommen wurde. Patient hatte zahlreiche alte Fistelnarben in der
fossa poplitea sin. sowie in der regio inguinal. sinistra. Lungen frei. Bei
Injeetionen mit 2 und 4 mg mässige Allgemeinerscheinungen, Temperatur
bis 38,6. Zwei Tage später Injection mit 6 mg. Nach sechs Stunden
Temperatur bis 39,7, schwerer Collaps, Coma, continuirliches Erbrechen,
Puls klein und jagend; am folgenden Tage Ikterus, im Urin brauner
Farbstoff, kein Gallenfarbstoff; der Collaps dauerte 24 Stunden, Patient
erholt sich erst nach Tagen. Zehn Tage später abermals Injection mit
6 mg, Temperatur 39,7; wiederum schwerer 24stündiger Collaps, Ieterus,
am folgenden Tage Anurie. Beide Male trat keine locale Reaction ein.
Der zweite Fall betrifft einen 18jährigen Menschen, welcher im
Herbst 1889 im Fränkel’schen Hospitale wegen tumor albus gen. sin.
operirt (Resection) und mit ankylotisch tragfähigem Beine entlassen
worden ist. Im December 1890 wird Patient wit ulcerirenden Stellen
an der Narbe wieder aufgenommen. Die rechte Lungenspitze erscheint
der Tubereulose verdächtig, Auf 1, 2 und 4 mg in Intervallen von
I. Medicinische Abtheitung. 57
3 Tagen weder allgemeine noch locale Reaction, auf 7 mg Temp. 38,3,
Kopfsehmerz und Erbrechen. Nach 3 Tagen Injection mit 10 mg. Nach
9 Stunden Temperatur 38,9, kurz darauf ein schwerer Anfall von tonischen
und klonischen Krämpfen vom rechten Arme ausgehend, dann auf die
linke Seite übergehend, Zuckungen in den Gesichts- und Kaumuskeln,
tiefes Coma, leichter Stertor, Pupillen reactionslos, Puls klein, 140,
Nach 5 Stunden lassen die Convulsionen nach, das Coma dauert bis zum
Mittag des nächsten Tages an. Patient fühlt sich noch einige Tage
elend und bricht wiederholt. — Locale Reaction am Knie ist nicht
nachweisbar,
Dieses Bild erweckte nothwendigerweise den Verdacht auf Gehirn-
tubereulose, jedoch gab weder die weitere Beobachtung, noch der Augen-
spiegelbefund irgend welchen Anhaltspunkt dafür. — Nach 12 Tagen
werden die Injeetionen mit kleinen Dosen wieder aufgenommen. Auf
2, 4 und 6 mg keinerlei Reaction, auf 8 mg Temperatur 38,8, wo-
rauf (9 Stunden nach der Injection) nach mehrmaligem Erbrechen Be-
wusstlosigkeit mit sehr starken Convulsionen (sechs Stunden ohne Nach-
lass) eintritt. Den ganzen nächsten Tag Sopor und wiederholtes Er-
brechen. Am nächstfolgenden Tage kehrt das Bewusstsein zurück,
Patient fühlt sich etwas wohler und nimmt Speise zu sich. Am Nach-
mittage desseiben Tages stellt sich plötzlich ein acuter maniakalischer
Zustand ein, Patient wird aggressiv, lacht fortwährend, erkennt weder
Personen noch Gegenstände, hat Gesichts- und Gehörshallueinationen,
zeitweilig Convulsionen. Das Bewusstsein kehrt erst am Nachmittag des
folgenden Tages wieder, Patient ist ohne Erinnerung an die Vorgänge
des vorigen Tages.
Zum Schlusse möchte ich noch der Ansicht Guttmann’s, welcher
in einem Vortrage (Berl. Kl. Wochenschrift 1891 Nr. 1) als Anfangs-
dosis bei lupus 1 cg empfiehlt, die Thatsache entgegenhalten, dass ich-
in einem Falle von lupus nie über eine Dosis von 4 mg hinauskam,
Patient hat in Intervallen von 3 Tagen 12 Injecetionen & 4 mg erhalten
und noch bei der achten mit einer Temperatur von 41,8 und sehr
stürmischen Allgemeinerscheinungen (selbstredend auch local) reagirt.
Ich ratne demnach auch beim lupus zu peinlicher Vorsicht in der
Dosirung.
2) Ist durch die klinische Untersuchung eine
Vergrösserung der Krankheitsherde oder deren Vermehrung
festgestellt worden?
Herr Biermer: Es lässt sich nicht in Abrede stellen, dass in
einzelnen Fällen eine Vergrösserung der Krankheitsherde nachzuweisen
gewesen ist.
58 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Herr Rosenbach: Billigerweise darf man das Fortschreiten der
Krankheit nach der Injeetion nicht als zwingenden Beweis für einen
ursächlichen Zusammenhang der Erscheinungen erachten.
3) Haben plötzliche Uebergänge aus einem chronischen in
einen acuten Verlauf beobachtet werden können?
Herr Riegner: Hier habe ich eines Patienten zu gedenken, bei
welchem ich nach der Einspritzung eine acute Verschlechterung wahr-
genommen habe. Es entwickelte sich nämlich um eine an tuberculöser
Caries erkrankte Rippe herum eine Reihe neuer Herde.
Herr Mikuliez: Auch ich habe eine derartige Beobachtung zu
machen Gelegenheit gehabt. Bei dem in Rede stehenden Patienten
schloss sich an das nämliche Leiden plötzlich eine diffuse Entzündung
des Brustfells an.
4) Welchen Eindruck hinterliessen die Sections-Ergebnisse
in Bezug auf das Umsichgreifen des örtlichen Processes
wie in Bezug auf allgemeine Ausbreitung
(Acute Miliar-Tuberculose)?
Herr Ponfick: Die Eindrücke, welche die im hiesigen Allerheiligen-
Hospital erhaltenen Sectionsergebnisse sowohl in Bezug auf die Aus-
breitung des örtlichen Processes, als auch auf eine allgemeine Aus-
breitung in mir hervorgerufen haben, sind bis jetzt nicht darnach an-
gethan, die gegen das Mittel aufgetauchten Bedenken ihrerseits zu recht-
fertigen. Die acuten Processe, welche allerdings auch ich öfter zu den
älteren sich habe hinzugesellen sehen, waren weder an Art, noch selbst
an Zahl von denjenigen wesentlich verschieden, welche sonst die schwereren
Formen der 'Tuberculose zu begleiten pflegen. Vorerst würde also — blos
vom anatomischen Standpunkte — die Auffassung ebenso berechtigt sein,
dass ein solches Umsichgreifen in dem natürlichen Gange des Leidens,
nicht in der Einwirkung des Mittels begründet sei.
Auch eine durch Verschleppung von Keimen in die Blutbahn be-
dingte Verallgemeinerung in Gestalt der Eruption von Miliartuberkeln
kann ich bis jetzt nicht behaupten, häufiger oder intensiver das Grund
leiden complieiren gesehen zu haben, als es sonst geschieht.
Vergegenwärtigt man sich aber nur, dass sich unter dem Einfluss des
Tubereulins in der Umgebung des bacillenführenden Herdes eine reactive
Entzündung bildet, dass ein Wall erweiterter alter Gefässe, zum Theil
auch dünnwandiger neuer entsteht und dass theils seitens der letzteren,
theils seitens der jungen Rundzellen, der Producte vasculärer Ausschwitzung,
ein ungemein lebhafter Austausch zwischen krankem und gesundem
Gewebe Platz greifen muss, so wird man sich gewiss sofort darüber klar
sein, dass eine Aufsaugung auch deletärer Bestandtheile des Herdes gewiss
nicht ausserhalb des Bereichs der Möglichkeit liegen kann. Thatsächlich
<=
I. Medieinische Abtheilung. 59
jedoch verwirklicht sich diese Gefahr allem Anschein nach nicht in
höherem Maasse, als das schon unter gewöhnlichen Umständen der Fall
zu sein pflegt.
Nachdem hiermit die Discussion ihr Ende erreicht hatte, erklärte
sich die Versammlung mit den seitens des Vortr., Herrn Mikulicz, auf-
gestellten Thesen in allen Punkten einverstanden.
Der Vorsitzende, Herr Ponfick, dankt schliesslich der Versamm-
lung für das lebhafteInteresse und die Ausdauer, welche dem angeschlagenen
Gegenstande von allen Seiten entgegengebracht worden sei.
2) Herr von Noorden stellt einen Kranken vor, welchem auf der
kgl. chirurgischen Klinik
Ein inneres Chondrom des Beckens
entfernt worden war — unter gleichzeitiger Demonstration des heraus-
geschnittenen Gewächses.
Bei der im December 1890 durch Herrn Mikulicz erfolgten Weg-
nahme des Tumors zeigte sich, dass letzterer die linke Hälfte des grossen
Beckens vollkommen ausfüllte; nach Aufwärts reichte er bis in die
Lumbalgegend, nach Abwärts une dem Ligam. Poupartii nd bis in
das obere Schenkeldreieck.
Die Operation gelang extraperitoneal, die Unterbindung der grossen
Beckengefässe konnte umgangen werden. Der Tumor wurde nach und
nach in grossen Stücken entfernt und es gelang, wohl alles krankhafte
zu entfernen. — Die Blutung war mässig, — Der Tumor, vom Periost
ausgehend, sass im hinteren Gebiete der linea terminalis schmalkantig
auf, zeigte sonst keine Beziehungen zum Beckenring. — Histologisch
erwies sich die Geschwulst als hyaline Knorpelgeschwulst.
Der Patient hat den grossen Eingriff vortrefflich überstanden. Er-
nährungszustand, Körpergewicht, Haemoglobingehalt sind in dauernder
Zunahme begriffen. Er geht seit 3 Wochen wieder seiner Arbeit nach.
— Der Fall steht dem von Professor von Bergmann publieirten am
nächsten.
8. Sitzung vom 15. März 1891.
Herr Ernst Fränkel hält einen Vortrag:
Ueber Kaiserschnittmethoden,
mit Vorstellung einer Operirten und Demonstration eines osteomalaeischen
Beckens,
Nach einem Rückblick auf die schlechten Resultate des alten, sog.
klassischen Kaiserschnittes (nach P, Müller noch 1882 eine Mortalität
von 85 Procent der Mütter) und auf den dadurch erklärlichen Enthu-
60 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
siasmus für die 1878 publieirte Porro’sche (eigentlich Storer’sche) Me-
thode als einziges Mittel zur Vermeidung der der alten Methode anhaf-
tenden Hauptgefahren der Blutung und Sepsis schildert Vortr. den mächtigen
Einfluss der 1881/82 erschienenen Saenger’schen Schrift „Der Kaiser-
schnitt bei Uterusfibromen ete.“ und der darin enthaltenen kritischen
Studien und Verbesserungsvorschläge für die Sectio caesarea.. Leopold
war der erste, der die Saenger’schen Ideen in die That umsetzte
und den conservativen Kaiserschnitt gegenüber der verstümmelnden
Porro’schen Operation mit glücklichem Erfolge ausführte; ihm folgte
bald Saenger und viele Andere nach.
Der Vortr. weist nun im Speciellen nach, wie aus den ursprüng-
lichen Vorschlägen Saengers und seiner darauf basirenden, ziemlich
complieirten Methode allmählich unter dem Einfluss unserer fortschrei-
tenden Erkenntniss von den Ursachen und dem Wesen der Wundkrank-
heiten sich das Verfahren vereinfachte, das Wesentliche sich von dem
Unwesentlichen schied und auf mannigfachen Umwegen schliesslich fast
eine scheinbare Rückkehr zu der wirklichen, alten, klassischen Sectio
caesarea stattfand. Aber nur scheinbar: Denn gerade die beiden
den Erfolg sichernden Hauptstücke unseres modernen Verfahrens, die
Asepsis und die exacte Naht, gingen bei aller sonstigen Aehnlich-
keit der alten Methode ab. Von den ursprünglichen Vorschlägen
Saengers: Eröffnung der Bauch- und Uterushöhle unter strengster
Antisepsis durch einen entsprechend grossen Längsschnitt in der Median-
linie, Herausheben des Uterus noch während der Entwickelung der Frucht
aus der Bauchhöhle und Umschnürung seines Collum zwecks Bluterspa-
rung mit einem Gummischlauch, subseröser Resection von zwei l cm
breiten Stücken der Muscularis längs des ganzen Uteruswundrandes,
Einfalzung der unterminirten Peritonealränder, Glättung und Jodoformiren
der Uterus-Innenfläche und endlich einer doppelreihigen, festen Knopf-
naht, bestehend aus tiefen, sero-museulären Nähten mit grundsätzlicher
Vermeidung der Decidua bei Ein- und Ausstich, sowie oberflächlichen
sero-serösen (symperitonealen) Nähten wurde bald, theils von Saenger
selbst, theils von Anderen, die Resection der Muscularis weggelassen.
Ihr folgte die Vereinfachung der Nahtmethode in Bezug auf das Material
(aseptische Seide oder Catgut statt des ursprünglich für allein zuverlässig
erachteten Silberdrahtes), die Nahtanlegung (Durchlegen der Nähte durch
die ganze Dicke der Uteruswand ohne die bisherige Schonung der Decidua)
und endlich die Weglassung der umständlichen, schliesslich nur noch von
Saenger und wenigen Anderen vertheidigten symperitonealen Naht.
Der Vortr, giebt alsdann eine kurze Darstellung zweier von ihm
1888 und 1891 ausgeführter Kaiserschnitte, um an diesen, der Zeit nach
verhältnissmässig wenig auseinanderliegenden Fällen den Fortschritt in
der Vereinfachung und Verbesserung der Technik zu zeigen:
I. Mediecinische Abtheilung. 61
I. Kaiserschnitt bei Osteomalacia puerperalis.. VI Para. Bei der
fünften Entbindung schwere Zange und todtes Kind. Hochgradig
verengtes, osteomalacisches Becken. C.v. —= 6°), em. Operation
am Ende der Schwangerschaft 6. Jan. 1888. Lebendes Kind
(2600 gr, 47 cm). Naht nach-Schröder in 3 Etagen mit Juniperus-
Catgut. Fieberfreier Verlauf bis zum 4. Tage; dann Perforations-
peritonitis durch Nachgeben der Catgutnähte an zwei Stellen der
Nahtlinie,
II. Kaiserschnitt bei einer I Para mit rhachitischem Zwergwuchs
(99 em Körperlänge) und pseudo-osteomalaeischem Becken mit
einer ©. v. von höchstens 2 cm. Operation am 24. Januar 1891
bei vorzeitigem Wehenbeginn in der 36. Schwangerschaftswoche
und bei macerirter Frucht. Naht nach Fritsch mit 16 eng an-
einanderliegenden, die ganze Uteruswand durchdringenden Seiden-
fäden. Glatte Heilung.
Der gute Ausgang dieses zweiten, unter verhältnissmässig un-
günstigen Umständen (bei macerirter Frucht) ausgeführten Kaiserschnittes
ist nach dem Vortr. zuzuschreiben: 1) vor Allem der Weiterbildung der
Antisepsis, wie sie noch im Fall I geübt wurde, zur Asepsis und der
möglichst trockenen Behandlung nicht nur der Bauchhöhle, sondern der
ganzen Wunde; 2) der exacten, möglichst einfachen und dadurch auch
rasch vollendbaren Uterusnaht mit einem vollkommen zuverlässigen
Material und 3) der durch diese Naht bedingten sicheren Blutstillung
und Verhütung des späteren Austritts von Lochien in die Bauchhöhle,
wie es der Vortr. im Fall I erlebte.
Der Vortr. zeigt an der Hand dieser Fälle, wie der so vereinfachte
Kaiserschnitt nicht ein Monopol der Kliniken und einzelner Speecialisten
zu bleiben braucht, sondern von jedem Arzte auch mit beschränkten
Hilfsmitteln ausgeführt werden kann; er giebt genau an, wie jeder Arzt
auch auf dem Lande oder in der kleinen Stadt, die wenigen zur Opera-
tion nöthigen Instrumente und Utensilien selbst besitzt oder sich in kür-
zester Zeit verschaffen und aseptisch machen kann. Das wichtigste
Asepticum ist gekochtes und durch Watte filtrirtes Wasser; für die
Hände und die Bauchhaut dient am besten Sublimat zur Reinigung, für
die Instrumente und Bauchtücher in Kliniken der Sterilisator, in der
Privatpraxis Auskochen in Wasser, für die schneidenden Instrumente
Einlegen in absoluten Alkohol, für die Wunden nur sterilisirtes Wasser
oder besser noch absolut trockene Behandlung.
Vortr. bespricht dann noch einzelne besonders wichtige Punkte der
Operation: Die Zahl und Auswahl der Assistenten, deren mindestens
3 nöthig — der einzige wunde Punkt für die Privat-, besonders Land-
praxis; die Art der Narkose (mit Chloralchloroform ohne vorhergehende
Morphium-Atropin-Injeetion wegen Gefahr der Atonia uteri); die recht-
62 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
zeitige und genügend starke Ergotin-Einspritzung; das Hervorwälzen
des uneröffneten Uterus aus der Bauchwunde und die Anlegung des
Schlauches vor Beginn des Schnittes als Erleichterung für den weniger
in Laparotomien Geübten; die Behandlung der Placenta praevia caesarea
und die von ihm zuerst geübte Entfernung des uneröffneten Eies bei
macerirter Frucht; endlich das Weglassen der sero-serösen Naht und
die Anlegung einfacher, alle Schichten der Uteruswand durchsetzen-
den fester, eng an einander liegender Seidennähte nach Fritsch, sowie
die Vereinfachung der Behandlung der Uterus-Innenrfläche bei uncompli-
eirten Fällen.
Schwierig wird die Frage der Behandlung der Uterus-Innenfläche erst
nach längerer Geburtsdauer und Untersuchung durch Personen von
zweifelhafter Reinlichkeit. Die Entscheidung dieser Frage hängt dann mit
der weiteren zusammen, ob hier nach energischer Säuberung der Uterus-
Innenfläche noch der conservative Kaiserchnitt oder nur die Porro’sche
Operation am Platze sei. Der Vortr. plaidirt in solchen zweifelhaften
Fällen, wo ein geringes Fieber sowohl als der Beginn einer septischen
Infection, als auch als der Ausdruck langdauernder Geburtsarbeit ange-
sehen werden kann, mehr für den Porro als das auf alle Fälle sichere
Verfahren.
Als Verband empfiehlt er ein Jodoformgaze-Heftpflaster und darüber
noch einen Watte-Compressivverband. Der letztere unterstüzt die Zu-
sammenziehung der Gebärmutter und kann in jedem Augenblicke ent-
fernt werden, um durch den dünnen Jodoformgaze - Heftpflaster- Verband
hierdurch den Uterus manuell zu überwachen, resp. zu Contractionen an-
zuregen,
Der so vereinfachte Kaiserschnitt ist thatsächlich keine schwere
Operation; er kann und soll von jedem praktischen Arzte im Nothfalle
ebensogut wie eine Tracheotomie oder Herniotomie gemacht werden.
Der Vortr. schliesst mit dem Hinweise, dass diese Vereinfachung auch
der Ausdehnung der relativen Indication des Kaiserschnittes zu Gute
kommen und den Geburtshelfer nur noch selten in die Lage kommen
lassen wird, die widerwärtige Operation der Perforation eines lebenden
Kindes zu machen.
In der
Disceussion
tritt Herr Pfannenstiel den Ausführungen des Vortr. im Allgemeinen
bei. Er bestätigt die Erfahrungen in Betreff der Technik der Naht der
Kaiserschnittwunde,. Die einfache sero-musculo-deeiduale Naht nach
Fritsch genügt gemäss den in der Breslauer Frauenklinik gemachten
Beobachtungen allen Anforderungen, insbesondere sei die Gefahr der Ver-
blutung aus der Uteruswunde ausgeschlossen. Der Hauptvorzug aber be-
steht in der Vereinfachung der Technik, wie sich Pfannenstiel an
I. Medicinische Abtheilung. 63
einem von ihm selbst ausgeführten Kaiserschnitt überzeugte. Ferner
stülpt sich bei dieser Naht in der Regel das Peritoneum des Uterus
in ganz ähnlicher Weise ein, wie bei der Saenger’schen sero-serösen
Naht, und dadurch wird ja derselbe Zweck erreicht. Als Nahtmaterial
zieht Pfannenstiel die Seide dem Catgut vor, welches ein festes und
sicheres Zusammenschnüren der Fäden erschwert. An 2 Uteri fand er
übrigens 1—2 Jahre nach dem Kaiserschnitt die Seide vollständig re-
sorbirt,
Die Indicationen zu der amputirenden ÖOperationsmethode nach
Porro möchte Pfannenstiel etwas weiter gestellt wissen, als der
Vortr. Er führt eine Reihe von allgemeinen und speciellen Indicationen
zum Porro an.
9, Sitzung vom 20. März 1891.
In einer gemeinschaftlich mit der naturwissenschaftlichen Section
anberaumten Sitzung demonstriren
Herr Born und Herr Gaupp
den sogen. Muskelmann August Maul,
welcher, durch die athletische Entwickelung seiner Muskulatur aus-
gezeichnet, bereits an verschiedenen Orten Gegenstand plastisch-anato-
mischer Studien geworden ist,
Nach einer seitens des Herrn Born gegebenen Einleitung über
Lebensgang, Beschäftigung und Constitution des nun 34 jährigen Mannes
erläutert Herr Gaupp im Einzelnen das Verhalten der nicht nur zu ge-
waltigem Umfange, sondern auch zu riesenmässiger Kraft herangediehenen
Muskelbäuche. Hierbei hebt er besonders die fast colossale Gestaltung
der Schulter- und Arm-Muskulatur hervor und unterstützt seine Schilde-
rung mittelst des Hinweises auf einige athletische Leistungen, wie das
spielende Emporheben enormer Gewichte, vor Allem aber das ee
biegen eines 4 cm dicken eisernen Rundstabes.
10. Sitzung vom 10. April 1891.
Herr Robert Asch spricht:
Ueber die durch Gonococcen-Invasion hervorgerufenen Erkrankungen
der weiblichen Geschlechtsorgane und deren Behandlung.
In der sich an einen Vortrag Neissers anschliessenden Discussion
über die Gonorrhoe und deren Behandlung blieben einige Punkte uner-
örtert; zumal die letzten der von ihm aufgestellten Thesen, betreffend
die sogenannte weibliche Gonorrhoe. Der Aufforderung, dieses specielle
Gebiet noch einmal einer Besprechung zu unterziehen, komme ich um
so lieber nach, als ich glaube, dass man gar nicht nachdrücklich genug
64 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
die Aufmerksamkeit der Fachgenossen auf diese Krankheitsgruppe lenken
kann. Während die Syphilis nur eine relative Unfruchtbarkeit zur Folge
hat, setzt die gonorrhoische Infection, so sehr sie auch local beschränkt
bleibt, so irreparable Zerstörungen, dass man mit Recht in der Mehr-
zahl der Fälle annehmen kann, dass das Ergriffensein bestimmter Theile
des Generationsapparates mit dem Verlust ihrer normalen Function iden-
tisch sei. Während beim Manne die Infection für den Gesammtgesund-
heitszustand immer noch als leichte Erkrankung aufgefasst werden kann,
verhält sich dies beim Weibe ganz anders.
Neben den durch Störungen im Geburts- und Wochenbettverlauf be-
dingten Frauenleiden spielt die gonorrhoische Infection wohl die vor-
nehmste Rolle im Zustandekommen der Beschwerden und des Siech-
thums der Frau. Eine der weitverbreitetsten Krankheiten in den Cultur-
staaten, entbehrte die Gonorrhoe bis vor wenig Jahren als aetiologisches
Moment der verdienten Beachtung auch unter den Frauenärzten und, was
die Mehrzahl der Aerzte betrifft, so hat sich dies bis heut nur wenig
gebessert. Es mag hart klingen und ist doch leicht zu beweisen, dass
die Mehrzahl der an Tripper erkrankten Frauen unbehandelt bleibt;
zum mindesten entbehren sie der fürsorglichen und wohldurchdachten
Behandlung ihrer gonorrhoisch erkrankten Organe, deren sie sich, Dank
den auf andern Gebieten gemachten Fortschritten, in betreff sonstiger
Erkrankungen zu erfreuen haben.
Wer wird heute noch glauben, eine Erkrankung der Kehlkopf-
schleimhaut durch Gurgeln des Rachens heilen zu wollen und doch
werden täglich gegen die infieirte Gebärmutterschleimhaut Scheidenaus-
spülungen, gegen den in der Harnröhre sitzenden Tripper unter dem
Titel „‚Blasenreizung‘‘, Sitzbäder verordnet.
Die Zeit liegt noch nicht weit hinter uns, wo auch die Gynaekologen
die begleitende Erosion am Muttermund ätzten und das erkrankte Endo-
metrium unbehelligt liessen.
Ehe ich an der Hand der einzelnen Organtheile des eomplieirten
weiblichen Urogenitaltraets die durch Gonococceninvasion hervorgerufenen
Veränderungen und deren Folgen kurz durchgehe, möchte ich noch ein-
mal meinen Standpunkt zur Frage der Nothwendigkeit des Gonococcen-
nachweises darlegen. Zur Diagnose der Gonorrhoe muss zum mindesten
der Versuch gemacht werden, Gonococcen aufzufinden. Dass bei ihrem
Vorhandensein unzweifelhaft, trotz allen Leugnens und oftmaliger Un-
wahrscheinlichkeit, eine Ansteckung vorliegt, dürfte nunmehr unbestritten
sein. Andrerseits kann man es nicht von der Hand weisen, dass eine
Reihe von klinischen Symptomen, von anamnestischen Daten in manchen
Fällen genügen, um eine Gonorrhoe mit grosser Wahrscheinlichkeit zu
diagnostieiren; aber das steht fest, dass man ungemeine Sorgfalt auf
das Suchen durch immer ‚erneute Anfertigung von Präparaten verwenden
I. Medicinische Abtheilung. 65
muss. Vor allem aber handelt es sich um die fortlaufende Untersuchung
der Secrete während der Behandlungsdauer, weil nur dadurch der Zeit-
punkt für eine eventuelle Aenderung in der Therapie festgehalten wer-
den kann.
Eine Reihe andrer Erkrankungen des Harn- und Geschlechtsapparats
müssen differential-diagnostisch ausgeschlossen werden und sind oft voll-
kommen anders zu behandeln. Während beim Manne eine nicht gonorr-
hoische Erkrankung der Harnröhre zu den Seltenheiten gehört, ist sie
beim Weibe relativ häufig; bei kleinen Dammrissen, auch beim Klaffen
der Vulva bei nur erschlafftem Beckenboden bringt die ihrer Stütze be-
raubte und sich vorwölbende vordere Vaginalwand das orifieium externum
urethrae zum Klaffen und es tritt häufig ein einfacher Catarrh der Harn-
röhre ein, der langwierige Beschwerden macht, ähnlich und stärker wie
die gonorrhoische Infeetion im chronischen Stadium. Hier muss nicht
der Catarrh, sondern die Ursache in Angriff genommen werden.
Spitze Condylome, die noch von Sänger als pathognostisch für
Gonorrhoe erklärt werden, kommen aber sicher auch ohne diese In-
feetion vor. Wenn ich von der genugsam besprochenen Kolpitis absehe,
die selten genug bei Gonorrhoe der Erwachsenen auftritt, so kann man
eine Endometritis als gonorrhoisch wohl nur bei positivem Gonococcen-
befund mit Sicherheit bezeichnen; bei Lacerationen der Cervix, die oft
nur zu fühlen sind, im Röhrenspeculum aber leicht als Erosionen im-
poniren, findet sich ein eitriger Ausfluss, wie bei Gonorrhoe; giebt man
dann dem evertirten Muttermund durch eine plastische Operation seine
normale Gestalt wieder, so nimmt die Schleimhaut von selbst ihre nor-
male Beschaffenheit wieder an. Bei gonorrhoisch infieirtem Endometrium
würde ich dies für einen Kunstfehler halten. Eine grosse Erleichterung
gewährt auch der positive oder negative Nachweis von Gonococcen im
Uterinsecret für die Diagnose bei Tubenerkrankungen.
Uebrigens ist das Secret bei einiger Vorsicht leichter zu gewinnen
als das der männlichen Harnröhre im späten Stadium. Das Secret der
Urethra lässt sich, auch wenn es noch so spärlich ist, mit einem stumpfen
Löffel (Ohrlöffel) entnehmen; ich möchte diese Methode der des Her-
ausdrückens und Auffangens am Orificium vorziehen, da sie schmerzloser
ist und mangels der im Introitus reichlich verhandenen andern Mikro-
organismen leichter zu genauen Resultaten führt.
Um Uterinsecret zu gewinnen, eignet sich mehr eine Kornzange oder
eine Löffelpincette, weil das zähe Secret fest gefasst werden muss und
man beim Abschaben leicht Blutungen der entzündeten Schleimhaut ver-
ursacht, die den mikroskopischen Nachweis erschweren.
Während und besonders gegen Ende der Behandlung, wenn Urethra
und Uterus schon frei von Eiterung oder das Secret frei von Gonococcen
Kar 5
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66 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
gefunden wird, muss man seine Aufmerksamkeit vor allem den übrigen
Schlupfwinkeln der Infeetion, den kleinen und grossen Drüsen an der
Vulva zuwenden, wozu sich die gewöhnliche Platinöse oder jedes um-
gebogene Stückchen Draht, welches leicht zu sterilisiren ist, eignet.
Hier in den Orypten und kleinen Einbuchtungen der Schleimhaut
an der Vulva, am Introitus der Scheide sitzt häufig und oft am längsten
unbehelligt das gonorrhoische Virus, eine stets neue Quelle der Reinfeetion
nach sonst abgelaufenem Process für die andern Organe bildend und oft
allein noch Ursache für die Uebertragung auf den Mann. Vor allem sind
es die Ausführungsgänge der Bartholinischen Drüsen die eine ewige
Brutstätte darstellen. Ob die Drüse selbst rein gonorrhoisch infieirt
wird oder nur durch Mischinfection vom entzündeten Ausführungsgang
her die Drüsenschwellungen und so ungemein schmerzhaften Abscesse
entstehen, ist noch Gegenstand der Discussion; jedenfalls führt die
„Bartholinitis“ die Frauen am häufigsten dem Arzt zu, da sie den
schmerzhaftesten und auffälligsten Theil der gonorrhoischen Erkrankung
darstellt. Auch hier entscheidet der Gonococeenbefund. Erstens kommen
auch nicht gonorrhoische Processe an den Bartholinischen Drüsen vor,
die anders als diese zu behandeln sind, zweitens kann ein periproctitischer
Abscess, die Vereiterung einer Haemorrhois, ja auch acut entzündete
tubereulöse Fisteln eine Bartholinitis vortäuschen. Jedenfalls ist die
„glohstichähnliche‘“ Röthung der Mündung des Ausführungsganges nicht,
wie Sänger behauptet, allein maassgebend; ich habe sie auch bei positiv
nicht Gonorrhoischen wiederholt gesehen.
Umgekehrt findet man manchmal nur in dem aus dem Ausführungs-
gang herausgedrückten Pfropf Gonococcen, während sie sonst am Genitale
fehlen und kann man allein hieraus die richtige Diagnose stellen.
Während bei den genannten nicht sonorrhoischen Erkrankungen die ein-
fache Spaltung, eventuell die Spaltung bis ins Rectum genügt, den Abscess,
bezw. die Fistel dauernd zur Heilung zu bringen, recidiviren gonorrhoische
Bartholinische Abscesse häufig, auch wenn der Eiter, wie das oft ge-
schehen muss, durch Spaltung entleert ist oder sich selbst seinen Weg
nach aussen gebahnt hat, häufig eben von dem Ausführungsgang aus.
Man muss dann von diesem aus spalten, sodass er mit eröffnet wird,
was wohl in chronischen Fällen, wo er manchmal sehr weit ist, gelingt;
in den meisten Fällen aber scheint es gerathener, gleich die Drüse zu
exstirpiren und zwar mit dem Hautoval um den Ausführungsgang herum,
da man zu dieser kleinen Operation doch später schreiten muss, wenn
nach einfacher Spaltung und scheinbarer Ausheilung stete Recidive die
Entfernung des eigentlichen Brutheerdes verlangen. Eine Bartholinitis
kann auch durch ein, wenngleich selten vorkommendes, aber sicher
beobachtetes Haematom vorgetäuscht werden: dann wird man ohne
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I. Medicinische Abtheilung. 67
Spaltung mit Eisapplication auskommen, die überdies auch für das
acute Stadium der Bartholinitis fürs Erste zu empfehlen ist.
Die zugänglichen Buchten und Crypten widerstehen oft lange allen
desinfieirenden Aus- und Abspülungen der Vagina und Vulva und werden
am besten mit dem Argentumstift ausgeätzt.
Der häufigste Sitz der acuten gonorrhoischen Infeetion ist nun die
Urethra; die Anschauung aber, dass die Urethritis schnell abheilt, beruht
meist auf einem durch Mangel der bacteriologischen Untersuchung her-
vorgerufenen Irrthum. Allerdings geht das acute Stadium sehr schnell,
in etwa 2—4 Tagen, von selbst zurück; lange genug aber, oft nach
Monaten und Jahren, finden sich in unbehandelten Fällen noch Gonococcen
im spärlichen Secret, ohne dass die geringsten Beschwerden von der |
Patientin bemerkt werden. Oft ist kaum Secret vorhanden oder bei den
häufigen Ausspülungen durch den Urin zu bemerken und doch findet
man zwischen den mit dem stumpfen Löffel entfernten Epithelien typische
Gonococcenhaufen. Geringe Beschwerden werden nicht auf die Harn-
röhre bezogen; während im acuten Stadium vorübergehend Brennen beim
Wasserlassen bemerkt wurde und häufig erst bei der Aufnahme der
Anamnese der Kranken zum Bewusstsein kommt, klagen die Frauen im
chronischen Stadium über „Blasenkrampf‘“, der, oft noch durch das Vor-
handensein einer Metritis vermehrt, dadurch vorgetäuscht wird, dass
Schmerzen beim Vorsinken des Uterus auf die entleerte Blase entstehen.
Letztere ihrerseits ist dann in den weitaus meisten Fällen vollkommen
gesund, wie die gonorrhoische Cystitis bei Frauen überhaupt zu den
sehr seltenen Vorkommnissen zählt. Der negative Gonococcenbefund in
den vorderen Theilen der Urethra darf am wenigsten in diesen Fällen
beruhigen, da sich dann, ähnlich wie beim Manne, in den hinteren Theilen
doch oft noch Gonococcen vorfinden; gerade hierbei empfinden die Frauen
häufigen Harndrang,
Nicht so selten ist, wie ich schon oben andeutete, bei Frauen, die
geboren haben, bei Klaffen der Vulva und beginnendem Prolaps der
vorderen Vaginalwand, sowie bei Virgines in Folge von Onanie eine nicht
speeifische Urethritis, die entweder durch Beseitigung der Ursachen oder
durch ein- bis zweimalige Ausspülung der Harnröhre mit Sublimat heilen,
wobei man sich nur vor dem Einfliessen des Desinficiens in die Blase zu
hüten hat. Auch unter innerlicher Verabreichung von $Salol in häufigen
Gaben habe ich derartige gutartige Harnröhrencatarrhe heilen sehen.
Auch kommen wie beim Manne durch übermässige Harnsäure - Aus-
scheidung, durch Festsetzen kleiner Concremente in der Urethra hinter
dem orificium externum, wo eine der fossa navicularis entsprechende
Bucht besteht, dem Tripper ähnliche Beschwerden zu Stande, Auf all’
dies ist natürlich zu achten und ebenso auf das Vorkommen von kleinen
Wucherungen und Prolapsen der Harnröhrenschleimhaut. Diese und
r 5%
68 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
spitze Condylome am orif. extern. habe ich, auch ohne Gonorrhoe, un-
erträgliche Beschwerden bis zum unwillkürlichen Harnabfluss machen
sehen, die dann nach Abtragung sofort sistirten.
Anders verhält es sich bei der Therapie der Urethritis gonorrhoica:
die Infeetion sitzt oft tief in den Schleimhautfalten, wo sie durch den
Urin schon wenig beeinflusst, auch durch Einspritzen von desinfieirenden
Flüssigkeiten nicht immer getroffen wird,
In den meisten Fällen bewährt sich am besten die Bespülung der
Urethra vermittelst der von Fritsch angegebenen Canüle mit Argentum
nitricum. Man beginne mit 2 pCt. Lösungen und steige bis 5 pCt., wenn
die erstere Lösung, wie das manchmal der Fall ist, wenig oder keine
Schmerzen verursacht. Ist das Einführen der Canüle oder die Wirkung
des Argentum schmerzhaft, so muss man vorher cocainisiren; jedenfalls
lasse man kurz vorher uriniren, um das Secret möglichst zu entfernen
und die nächste Urinentleerung möglichst lange aufzuschieben. Das
brennende Gefühl beim Wasserlassen lässt meist in kurzer Zeit nach.
Die Empfindlichkeit ist sehr verschieden und ist nicht nur vom
Stadium der Erkrankung, sondern auch vom Individuum abhängig.
Werden die Argentum-Ausspritzungen nicht vertragen, so empfiehlt
es sich, Cacaobutter-Baeillen in die Urethra einzuführen. Das Jodoform ge-
nügt in den weitaus meisten Fällen nicht zur Heilung der Gonorrhoe,
Stark ätzende Medicamente kann man natürlich nicht verwenden. Ab-
gesehen von der Schmerzhaftigkeit verursachen reizende Substanzen eine
Schwellung der Schleimhaut, welche die tiefen Buchten und Falten vor
der nutzbringenden Einwirkung der Medicamente schützt.
Aus dem Laboratorium von Herrn Filehne sind neuerdings Präpa-
rate hervorgegangen, die ich in ihrer Einwirkung auf die gonorrhoische
Urethritis, wie auch anderwärts untersucht habe. Die Versuche sind noch
nicht abgeschlossen; doch kann ich schon jetzt mittheilen, dass ich in
einer Anzahl von Fällen nach Anwendung des Aseptalin, eines a. a. O.
in seinen Wirkungen zu beschreibenden Körpers, die Gonococcen habe
rasch verschwinden sehen, ohne dass eine nennenswerthe Reizung statt-
fand. Jedenfalls ist die Anwendung von Bacillen eine der erstrebens-
werthesten Medicationen, da sie äussersten Falles auch von der Patientin
selbst ausgeführt werden kann, was bei der Nothwendigkeit der täglichen
Einwirkung von grossem Vortheil ist.
In den Fällen nun, in denen die Infeetion jeder heräpiel mit wirk-
samen Mitteln zu trotzen scheint, muss man.annehmen, dass von den
letzteren nicht alle Stellen der erkrankten Schleimhaut (die Thäler der
Falten z. B.) getroffen werden. Dann muss man die Urethra während
der Application des Mittels auf ihre grösste Weite bringen, nicht etwa
dilatiren, sondern nur entfalten. Dies geschieht entweder durch Ein-
führen von Urethralspeeulis, in die flüssige Medicamente gegossen werden,
I. Mediecinische Abtheilung. 69
wobei dann beim Zurückziehen des Speculums alle Theile der entfalteten
Schleimhaut nacheinander bespült werden oder auf folgende, weniger
schmerzhafte und reinlichere Methode. Ich habe mir Glasstäbehen von
ansteigender Stärke in doppelter Anzahl ausgesucht mit gut abgerundetem
Ende und führe nun von der einen Serie eins nach dem andern in die
Urethra, bis ich dasjenige gefunden habe, was ihrer vollen Weite ent-
spricht, ohne sie zu überdehnen, Ein Stäbchen von derselben Stärke
mit einer jener erstarrenden Salben, die bei Körpertemperatur schmelzen,
überzogen, wird nun eingeführt, und man lässt die Salbe abschmelzen;
das Verfahren ist der Therapie der männlichen Harnröhren-Behandlung
entlehnt; man muss nur mehr auf die richtige Auswahl der Stärke
achten, da die weibliche Uretra nicht in so festem, starrem Gewebe ein-
gebettet ist, wie die männliche, und daher eben viel faltiger ist. Als
Medicament empfiehlt sich auch hier Argentum nitricum, weswegen
Metallsonden nicht zu gebrauchen sind.
Ich habe mich bei der Behandlung der Urethritis länger aufgehalten,
weil diese doch am ehesten von Nicht-Specialisten auszuführen ist, was
ja bei den höher gelegenen Organen nicht ganz der Fall sein dürfte,
Noch einmal möchte ich betonen, dass nur der Gonococcenbefund dauernd
die Directive giebt. Man muss die eingreifende Behandlung von Zeit zu
Zeit aussetzen, um zu sehen, ob die Gonococcen verschwunden sind
und ohne medicamentöse Einwirkung verschwunden bleiben. Dann be-
handle man mit Jodoformstäbehen weiter oder überlasse den einfachen
Katarrh der Selbstheilung. |
Die selten vorkommende Cystitis behandle man innerlich oder mit
Borsäure- oder Höllenstein-Auswaschungen. Bei letzteren muss man be-
denken, dass häufige Eingiessungen hinter einander nothwendig sind, da
bei noch vorhandenem Harn in der Blase das Argentum nitrieum gefällt
und unwirksam wird. Man nimmt am besten einen Glastrichter und spült
mit stets erneuerter Lösung, bis die im gesenkten Trichter aufsteigende
Flüssigkeit nicht mehr wolkig und ohne Flocken zurückkommt. Vor
Sublimat auch in schwachen Lösungen möchte ich hier warnen; ganz
abgesehen von der Intoxicationsgefahr, verursacht es fast stets lang an-
dauernde Schmerzen.
Ueber die Kolpitis ist in der erwähnten Discussion schon zur
Genüge gesprochen worden. Sie kommt als reine gonorrhoische
Infection vor allem bei Kindern in der Form der Vulvovaginitis vor,
Der Ausdruck ist übrigens recht schlecht gewählt. Denn erstens ist
die Urethra auch meist betheiligt und zweitens bleibt es in den
weitaus meisten Fällen absolut unerschlossen, ob nicht auch der
Uterus mit ergriffen ist. Dass letzteres vorkommt, scheint unzweifelhaft
durch Fälle von Pyosalpinx bei Virgines, von tödtlicher Peritonitis bei
gonorrhoisch infieirten »-Kindern und auch durch die ungemeine Hart-
70 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
näckigkeit erwiesen, mit der das Leiden auch der sorgfältigsten Vaginal-
Therapie oft trotzt. Mancher Fall von weiblicher Sterilität dürfte auf
eine im Kindesalter überstandene Gonorrhoe, die als Familien-Endemie,
als direete Ansteckung von der Mutter, als indirecte durch gemeinschaft-
lich benützte Handtücher oder Badewannen nicht so selten ist, zurück-
zuführen sein. Ich möchte für dieses Gebiet auf die jüngst erschienene
Dissertation von Skutsch aufmerksam machen, der eine in Posen be-
obachtete Epidemie zu Grunde gelegt ist. Dort waren in S—14 Tagen
236 Mädchen im Alter von 6—14 Jahren sicher an Gonorrhoe erkrankt.
Die Kolpitis bei Erwachsenen ist, soweit sie bei Gonorrhoe, sei es als
reine oder Misch-Infeetion, vorkommt, wohl die am leichtesten heilende
Theilerkrankung. Ausspülungen oder in manchen Fällen noch besser,
trockene Gazetamponade, bringen die Erscheinungen bald zum Schwinden.
Die langwierige, oft erhebliche Beschwerde verursachende senile Kolpitis
hat mit Gonorrhoe wohl wenig oder nichts zu thun.
Zur Erklärung des Zustandekommens der nunmehr zu besprechenden
gonorrhoischen Erkrankung der höher gelegenen Genitalorgane, des
Uterus und seiner Adnexa bei Deflorirten ist die Annahme einer Infection
der Vagina jedenfalls nicht von nöthen. Das Virus wird durch den
Coitus direet dem Os externum uteri zugeführt und gelangt entweder
durch Berührung direet an oder in den Üervicalcanal, oder die Cervix-
Schleimhaut infieirt sich an dem in dem oberen Theil der Scheide ab-
gelagerten infectiösen Sperma. Die falsche Anschauung, dass von der
vorerst infieirten Vulva oder Urethra das Virus aufsteige, ist wohl zu-
meist dadurch bedingt, dass die Infection der Üervix erst später zur
Cognition der Patientin oder des Arztes gelangt, weil sie erst viel später
Erscheinungen macht als die Urethritis.
Ich habe wenigstens in frischen Fällen, bei denen an der Cervix nichts
von Erosion oder Entzündungserscheinungen nachzuweisen war, bei denen
kein Fluor vorhanden war und das aus dem Os tincae quellende Secret
rein glasig schien, in letzterem Gonococcen gefunden und oft den
klinisch wahrnehmbaren Cervicalkatarrh erst 5—8 Tage später sich ent-
wickeln gesehen.
Es kann allerdings auch ein Verschleppen des infectiösen Secrets
vom Introitus nach dem Muttermund gelegentlich eines an sich nicht in-
fieirenden Coitus oder durch Ausspülungen mit warmem Wasser oder
nicht genügend desinfieirenden Flüssigkeiten stattfinden. So können unter
Umständen Scheidenauspülungen bei vorläufig nur bestehender Infeection
der äusseren Genitalien, ebenso Sitzbäder, bei denen das Wasser in die
klaffende Vulva eindringt und den gonorrhoischen Eiter mit sich reisst,
mehr schaden, als nützen.
Ich komme nun zu einem der gewichtigsten Punkte des hier be-
handelten Thema’s,. Es ist dies die Frage von der Infection der
I. Mediecinische Abtheilung. 71
Uterusschleimhaut, in ihrer ganzen Ausdehnung oder nur in ihrem
Cervicaltheil.
Es ist eine, ich möchte fast sagen, mehr durch den eingebürgerten
Gebrauch einer Bezeichnung eingenistete Ansicht, die aber wenig bewiesen,
ja falsch ist, wenn man immer nur von der Cervical-Gonorrhoe spricht.
Wohl ist es richtig, dass in vielen Fällen die Infeetion auf die Schleim-
haut der Cervix beschränkt bleibt, richtig auch, dass diese immer zuerst
erkrankte durch die plicae palmatae dem Einnisten der Gonococcen
einen bedeutenden Vorschub leistet, vielleicht auch, dass die Infection
hier länger bestehen bleibt als im Corpus uteri. Allein im Einzelfalle
ist ein Ergriffensein der höheren Partien der gleichen Schleimhaut niemals
auszuschliessen. Dagegen lässt sich geltend machen, dass sicher ein
Weitervorrücken des Virus in die Uterushöhle beobachtet ist dadurch,
dass auch in unbehandelten Fällen die Tuben mit erkranken. Hier
ist ein sprungweises Vorrücken der Infecetion vom Os internum auf das
uterine Tubenende absolut von der Hand zu weisen und gestattet keine Er-
klärung wie etwa das Ueberschlagen der Vagina auf dem Wege vom In-
troitus zur Portio. Wohl aber ist anzunehmen, dass die pathologische
Beimengung des physiologisch diesen Weg zurücklegenden Sperma, sei
es durch den Flimmerstrom, sei es durch Saugwirkung des Hohlmuskels,
aus dem Cervicalcanal in das Corpuscavum eindringt oder dass sie von den
unterhalb des Os internum gelegenen infieirten Partien aus die darüber
liegenden, doch nicht speeifisch verschiedenen Gewebstheile ergreift.
Hier findet auch nicht der Schutz der oberen Partien durch einen
nur einseitig nach aussen gerichteten Strom einer Spülung statt, wie
beim Manne, wo der Urin jedesmal entgegen dem Aufwandern der
Keime spült. Das fast stagnirende Uterinsecret, das grade eine Brücke
zwischen Cavum und Cervicalcanal herstellt, dürfte die Infeetion dieser
beiden Abschnitte eher vermitteln helfen. Der Menstruationsvorgang
scheint dieses Fortschreiten zu begünstigen. Man muss also in allen
Fällen von nachgewiesener speeifischer Erkrankung des Uterus von einer
Endometritis gonorrhoica sprechen und kann dabei hoffen, dass nur das
Endometrium unterhalb des Os internum ergriffen sei, darf aber das des
darüber liegenden Cavum nie von vornherein ausschliessen.
Diese diagnostische Frage ist nun aber eine brennende betreffs der
Prognose und noch bei weitem mehr betreffs der Therapie. Hier vor allem
müssen wir uns hüten, halb zu behandeln. Setzen wir einen Theil der er-
krankten Schleimhaut einer Therapie aus, die vielleicht an der betroffenen
Stelle die Gonococcen tödtet, dabei aber einen Reiz aufs ganze Organ ausübt,
so können wir vielleicht schaden, jedenfalls aber die nicht behandelte
Infeetion des Cavum auch nicht beeinflussen. Deshalb ist ein Aetzen
der äussersten Cervixschleimhaut der so oft mit Unrecht diagnostieirten
Erosion, ein Auswischen der Cervix etwa mit Watte umwickelten Stäbchen
13 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
nicht nur nutzlos, sondern vom Uebel, Macht die Infeetion der Schleim-
haut wirklich an der Stelle des anatomisch-histologischen Uebergangs
Hait, so wird der Heilmittel-Träger diese Grenze nicht so genau inne
halten können. Entweder man ätzt nicht alles Erkrankte oder darüber
hinaus. Letzteres nun wäre nicht schlimm, wenn man wirklich mit dem
Mittel die Gonococcen sofort tödtete und nur wirklich nicht infeetiösem
Material über die Grenze helfen würde, Dem ist aber gewöhnlich nicht so.
Die meist benützten Medicamente besitzen die Eigenschaft, das Eiweiss-
und Schleimhaltige Seeret zum Gerinnen zu bringen, Die so geronnene
Eitermasse wird, ins Cavum gestossen, wenn erst die geronnene Hülle
zerfällt, erst recht zur Aussaat der Gonococcen beitragen, da ihr Inhalt
keineswegs der Infectiosität beraubt ist. In den meisten Fällen dringt
aber, zumal diese Behandlung im Röhrenspeeulum ausgeführt wird, wo-
bei der Knickungswinkel eher vermehrt, nie ausgeglichen wird, die
Sonde gar nicht bis ans Ende der erkrankten Partie und lässt so immer
eine Randzone unbehandelt: daher die angenommene Hartnäckigkeit der
Cerviealgonorrhoe. Die Gonococcen sind nicht schwer zu tödten, zumal
man im Uterus in der Wahl der antimycotischen Mittel nicht so ängstlich
zu sein braucht, Die gonorrhoische Infeetion ist nicht schwer zu be-
seitigen, aber sie ist es natürlich nur da, wo man mit dem wirksamen
Mittel auch wirklich hinkommt.
Die Hartnäckigkeit der Gonorrhoe besteht nicht in der Widerstands-
fähigkeit der Erreger, sondern in ihrer Eigenschaft in alle möglichen
Schlupfwinkel sich zu verkriechen, in ihrern Aufenthalt in den schwerst-
zugänglichen Partien. Zwei Postulate stellt sonach die Therapie der
sonorrhoischen Endometritis:
Erstens muss das Mittel bei coccentödtender Eigenschaft so wenig
wie möglich coagulirend wirken, zweitens muss es überall dahin ge-
bracht werden, wo die Infection sitzt oder Platz gegriffen haben kann,
Nächstdem muss man so häufig behandeln, dass den etwa zurück-
bleibenden Keimen keine Zeit zu weiterem Umsichgreifen bleibt und
muss sich dennoch hüten, allzustark zu reizen.
Daraus ergeben sich folgende Gesichtspunkte für die Behandlung
der Endometritis gonorrhoica:
Dem Secret ist ein freier Abfluss zu verschaffen; dazu ist in den
meisten Fällen eine Dilatation der Cervix durch Quellstifte nothwendig.
Je nach dem Fall wird man Tupelo oder Laminaria wählen. Ist der
Uterus weich, bei Multiparen vielleicht nicht lange nach der letzten
Entbindung, so geht es ziemlich gut und ohne allzugrosse Schmerzen mit
dem schnell aufquellenden Tupelo. Ist er wie bei Nulliparen hart oder
ist die Patientin sehr empfindlich, so ziehe ich Laminaria vor, weil sie
bedeutend langsamer aufquellen;, zudem kann man dem Laminariastift
leicht die Biegung der Höhle des normal flectirten Uterus geben und
I. Medicinische Abtheilung. 73
dadurch die durch das Aufbiegen verursachten Schmerzen vermeiden;
stets ist die Stärke und Biegung des Stiftes genau der vorhandenen Form
und Weite des Canals anzupassen; desinfieirt können Tupelo wie Lami-
naria durch kurzes Aufkochen in 5procent. Carbolsäure werden, ohne
ihre Quellfähigkeit einzubüssen; man bewahrt sie zweckmässig in Jodo-
formäther (der wasserfrei sein muss) auf.
Das Secret ist häufig zu entfernen und die freie Schleimhaut
mit desinfiecirenden Mitteln abzuspülen, die möglichst in die Tiefe
dringen. Man spült also den Uterus am besten täglich, ja zweimal
täglich, erst mit Sodalösung aus und berieselt dann mit Sublimat
oder Argent. nitr. Lösung lange und ausgiebig. Carbol ätzt beim
Rückfluss die Scheide; Creolinemulsion, die sich in der Geburts-
hülfe, wenn frisch bereitet, sehr gut bewährt hat, erzeugt Brennen an
den äusseren Genitalien und scheint nicht tief genug ins Gewebe zu
dringen. Jedenfalls sah ich von ihrer Anwendung wenig Erfolg. Beim
Ausspülen des Uterus hat man vor allem darauf zu achten, dass der
Flüssigkeitsstrom die ganze Höhle trifft; deshalb sind alle Catheter &
double courant zu vermeiden, und statt deren einfache dünne Röhrchen
enzuwenden,. Man kann zur Sodalösung Metalleatheter verwenden, die
aber bei Argentum und Sublimat zu vermeiden sind; dafür eignen sich
am besten Glasröhrchen, wie sie von Fritsch empfohlen sind, Leider
lassen sie sich nicht dünn genug herstellen, dann benützt man vortheil-
haft solche aus Celluloid, die, in heissem Wasser gebogen, in kaltem
rasch abgekühlt, starr bleiben. Weiche Röhrchen rathe ich nicht anzu-
wenden. Die grösste Gefahr der Ausspülungen liegt in der Möglichkeit,
dass die Flüssigkeit in die Tube oder gar durch die Tube in die Bauch-
höhle eindringt, wie ich das in einem Fall sah. Stockt nämlich der
Abfluss durch ungenügende Dilatation auch nur einen Augenblick, so
kann dies eintreten. Deshalb ziehe ich starre Röhrchen vor, weil da-
durch der Knickungswinkel zum Theil ausgeglichen wird. Auch ohne
dass Flüssigkeit das ostium Tubarum durchdringt, treten bei behindertem
Abfluss gleich oder später unangenehme Koliken auf; dann muss man
sofort die Uterushöhle catheterisiren, wobei meist eine kleine Quantität
Flüssigkeit ausgestossen wird. Ich habe zu diesem Zweck stets ein
Celluloidröhrchen zur Hand liegen. Um die dilatirte Cervix offen zu
halten, empfiehlt es sich, Jodoformgaze als Drainage nach der Ausspülung
einzulegen. Damit erfüllt man auch die Indication, die behandelte
Schleimhaut möglichst günstig in der Zwischenzeit zu beeinflussen. Man
muss sich aber davor hüten, etwa nur die Cervicalhöhle auszustopfen,
weil man sonst das Gegentheil erreicht und den Secretabfluss behindert.
Dann treten Contractionen auf und die Gaze wird meist durch den Druck
des gestauten Secrets ausgestossen. Man tamponire also vorsichtig fächer-
74 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
förmig vom Fundus aus. Ich empfehle dazu ein Stäbchen, das, voll-
kommen glatt, nur an seinem oberen Querschnitt eine Kerbe hat.
Ob Jodoformgaze-Tamponade an sich im Stande ist, zu dilatiren,
war bisher noch streitig; jedenfalls wirkt sie nicht durch Aufquellen
beim Durchfeuchten, sondern der Theil, der die Corpushöhle tamponirt,
wirkt auf den Cervicalcanal wie ein Abort, der geboren wird. So sah
ich manchmal ein Weiter- und Weiterwerden des Cervicalcanals.. Man
spült am sichersten und bequemsten in Knieellenbogenlage aus.
Diese Methode ist nicht anzuwenden, wenn der Uterus die vorher-
gehende Dilatation nicht verträgt, dann empfiehlt es sich, fürs Erste
weiche, elastische, leicht zerfliessliche Stäbchen oder Antrophore ein-
zulegen; Jodoform genügt als Medieament nicht; einige Erfolge sah ich
von dem vorhin erwähnten Aseptalin. Starke Reizmittel sind zu ver-
meiden, weil sie leicht acute Metritis hervorrufen, die dann für einige
Zeit jede wirksame intrauterine Therapie hindert. Ueber die neuerdings
vorgeschlagene Chlorzinkbehandlung mit Verätzung und Ausstossung der
Schleimhaut sammt einer dieken Schicht Museularis, vermag ich mich noch
nicht endgültig zu äussern. Jedenfalls gehört sie nicht zu den thera-
peutischen Maassnahmen, die zu einer Restitutio ad integrum führen.
Zumal für die Fälle von frischer und alter Gonorrhoe, in denen
bei virgineller Portio auch das Einführen von Bacillen schwer ist, der
dünnste Quellstift unerträgliche Schmerzen verursacht, sah ich glänzenden
Erfolg von der elektrischen, nach Apostoli durchgeführten Behandlung.
Man führt eine Platinsonde ein und lässt 5 Minuten lang den positiven
Strom in einer Stärke von 90—150 Milliamperes einwirken. Diese
Aetzung, stark antiseptisch, setzt einen trocknen, harten, anaemischen
Schorf, und ist die einzige, die mir ungefährlich zu sein scheint. Bei
andern Aetzungen, in denen die unter dem Schorf nach dieser Ab-
stossung frei liegende Fläche nicht so günstig beeinflusst ist, Öffnet man
der Nachinfection mit andern Keimen Thür und Thor.
Wohl nur durch Mischinfeetion kommen Parametritiden zu Stande. In
unbehandelten Fällen sah ich ausserhalb des Puerperium nie primäre echte
Parametritis auftreten, Das, was so oft als Parametritis diagnostieirt wird,
ist in den weitaus meisten Fällen ein Salpingitis oder Salpingo-Oophoritis.
Ausserhalb des Puerperium ist die Parametritis überhaupt wohl eine der
allerseltensten Erkrankungen, man muss nur nicht jede Schmerzhaftig-
keit neben dem Uterus damit bezeichnen. Bei genauerer, vorsichtiger,
möglichst wenig Schmerzen verursachender bimanueller Untersuchung
kann man dann die geschwollene, knollige, derbe oder fluetuirende Tube
meist differenziren. Eine Tubo-Ovarialeyste, eine Pyosalpinx entwickelt
sich allerdings manchmal in die aufgefalteten Blätter des Ligamentum
latum; doch ist dies nicht einer subperitonealen Zellgewebsentzündung
gleichzusetzen, sondern eine ausgesprochene Organerkrankung.
I. Medicinische Abtheilung. 75
Auch die Perimetritis exsudativa ist nicht so häufig, wie man glauben
möchte; oft imponirt eine pralle, im Douglas festgelöthete Tube als peri-
metritisches Exsudat. Sind die Tuben einmal von der gonorrhoischen
Infeetion ergriffen, so ist von einer Therapie quoad restitutionem ad inte-
grum wenig mehr die Rede. Allerdings kommen auch bei Gonorrhoe
begleitende seröse catarrhalische Salpingitiden vor, die vollkommen ab-
heilen können. In besonders günstigen Fällen kann sich auch der eitrige
Tubeninhalt durch den Uterus entleeren. Meist gilt aber hier, was
Chrobak vor einiger Zeit äusserte: — — — „Hat sich das Gift erst
einmal in der Tube festgesetzt, so ist das Schicksal der Frau für ge-
‚ wöhnlich besiegelt — sie ist fast immer verurtheilt zur Sterilität und zu
nie völlig erlöschender Entzündung; immer treten neue Tropfen virulenten
Eiters durch das abdominale Ende der Tuben auf die Serosa, oder es
wandern die Mikrobien durch die Tubenwand, jedesmal von neuer Peri-
metritis gefolgt, so lange, bis die Tube verwachsen mit dem Eierstocke
zu einem unentwirrbaren Klumpen zusammengebacken und functionsun-
fähig geworden ist.“
Hier kann nur die Exstirpation der erkrankten Adnexa die Frau
herstellen und vor fernerem Siechthum und den drohenden Gefahren be-
freien.
Diseussion:
Herr Steinschneider: Ich erkläre meine vollste Uebereinstimmung
mit den Ausführungen des Vortragenden, und möchte nur nochmals auf
die infeetiöse Vulvovaginitis kleiner Mädchen zurückkommen. Es be-
steht ein hartnäckiger Widerstand gegen die Annahme, dass die infec-
tiöse Vulvovaginitis kleiner Mädchen auf gonorrhoischer Basis beruhe.
Derselbe stützt sich einerseits (Fränkel) auf die angeblich mangelnde
Betheiligung der Urethra, des Uterus und seiner Anhänge, sowie auf die
Behauptung, die in dem vulvovaginitischen Secret enthaltenen, durch
Lagerung und Färbung den Gonococcen so ähnlichen Diplococcen seien
dennoeh keine Gonococcen, andererseits auf den mangelnden Nachweis
der Uebertragung (Vidard und Bovet).
Ich schicke voraus, dass trotz wiederholt vorgenommener Unter-
suchungen normaler und von einfacher Leucorrhoe herrührender Va-
ginal-Secerete bei Kindern wie bei Erwachsenen niemals Diplococcen
gefunden habe, welche nicht entweder in Bezug auf die Lagerung
innerhalb der Zellen oder in Bezug auf das Verhalten zur Gram’schen
Methode von den Gonococcen sich unterschieden. Es ist mir über-
haupt noch kein Diplococeus vorgekommen, welcher die beiden
Charakteristica der Gonococcen, Einlagerung in die Zellen und Ent-
färbung bei Behandlung nach Gram’scher Methode, dargeboten hätte.
Ich verweise auf die jüngst von Skutsch veröffentlichte Mono-
76 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
graphie „Ueber die Vulvovaginitis kleiner Mädchen“, in welcher
über eine Vulvovaginitis- Epidemie in Posen berichtet wird, die im
Herbst 1890 stattgefunden und gegen 300 kleine Mädchen befallen
hat. Skutsch hat in fast allen Fällen eine Betheiligung der Urethra,
in mehreren Fällen auch Erscheinungen beobachtet, welche eine Be-
theiligung der Parametrien annehmen liessen. Im Einklang mit den
klinischen Beobachtungen stehen aber auch die Ergebnisse der von
Skutsch im Vereine mit Steinschneider vorgenommenen mikro-
skopischen Untersuchungen von 160 dieser Fälle, von denen 46 pCt.
noch nach zweimonatlicher Behandlung den bestimmten Nachweis von
Gonococcen nicht nur im Vaginal-, sondern auch im Urethralseerete ge-
statteten. Angesichts solcher Thatsachen ist es doch wohl nicht nöthig,
den Nachweis der Uebertragung zu führen, welcher immerhin bei exacter
Untersuchung zuweilen möglich sein mag.
Gegenüber der Mittheilung Vidard-Bovet’s, welche bei Männern,
die im Verdachte standen, sechs an Vulvovaginitis erkrankte kleine
Mädchen infieirt zu haben, keine Gonococcen gefunden haben wollen, muss
ich eines Falles gedenken, den ich jüngst beobachtet habe. Auf die
Neisser’sche Klinik wurde nämlich ein mit Vulvovaginitis gonorrhoica
behaftetes kleines Mädchen eingeliefert, an dem ein Stuprum verübt
worden war. Es war von Interesse, den Stuprator zu untersuchen. Ein von
anderer Seite gewonnenes Präparat zeigte keine Gonococcen. Als ich aber
das Secret aus der Urethra entnahm, bevor am Morgen Urin gelassen worden
war, fanden sich in allen daraus hergestellten Präparaten charakteristische
Gonococcen - Haufen. Offenbar handelt es sich in dieser Sache keines-
wegs um eine theoretische Haarspalterei, sondern um eine Frage von
eminenter praktischer Wichtigkeit. Wird erst die gonorrhoische
Natur der infectiösen Vulvovaginitis kleiner Mädchen wider-
spruchslos anerkannt sein, so werden gewiss alsbald auch
die erforderlichen Maassregeln ergriffen werden, um einer-
seits eine energische Behandlung der erkrankten Kinder
einzuleiten, andererseits ihre Abschliessung von den ge-
sunden sicherzustellen.
Herr Ernst Fränkel: Auch ich vermag mich im Grossen und
Ganzen mit den prineipiellen Ausführungen des Vortragenden einverstan-
den zu erklären. Allerdings glaube ich, im Gegensatze zu- ihm, am
inneren Muttermunde ein gewisses, vorläufig seinem Wesen und seinen
Ursachen nach noch nicht näher definirbares Hinderniss für das Fort-
schreiten der gonorrhoischen Infeetion auf die Körperhöhlenschleimhaut
des Uterus annehmen zu müssen. Den Beweis dafür erblicke ich in dem
analogen Stillstande vieler Portio-Careinome und nicht carcinomatöser
Cervixgeschwüre an der Barriere des inneren Muttermundes. Ebenso
kommt es häufig genug vor, dass Frauen erst während der Schwanger-
I. Medicinische Abtheilung. 77
schaft gonorrhoisch infieirt werden: dann tritt zu der Urethritis und
Vulvitis meist nur Tripperkatarrh der Cervix, nicht der Körperhöhlen-
schleimhaut hinzu. Wäre das letztere der Fall, so müssten tripper-
kranke Schwangere viel häufiger abortiren, als dies erfahrungsgemäss
der Fall. — Praktisch ist diese Frage allerdings von geringerer Be-
deutung, da wohl Jeder, wie ich es thue, in allen Fällen von Tripper-
katarrh der Cervix auch die Uterushöhle ausspülen wird.
Für die Behandlung der Abscesse der Bartholin’schen Drüsen hat
mir meist die breite Spaltung mit nachfolgender Jodoform-, Jodoform-
gazebehandlung der Abscesshöhle zur vollkommenen Heilung genügt.
Nur im Falle reeidivirender Entzündungen der Drüse oder zurückbleiben-
der Fistelgänge habe ich mich zur Exstirpation des Drüsenkörpers und
-Ausführungsganges genöthigt gesehen.
Für die Abortivbehandlung ganz frischer vulvärer, vaginaler und
cervicaler Gonorrhoen möchte ich das Bepinseln der vorher sorgfältig
gereinigten und abgetrockneten erkrankten Schleimhautflächen mit Subli-
matlösung (1: 200) empfehlen, nachheriges energisches Einreiben von
Jodoformpulver in die Schleimhaut und Einlegen von Jodoformgaze-
streifen. Nach 2—3 maliger Anwendung dieses Verfahrens (1 mal pro
Woche) sah ich bei sonstiger Sauberkeit die Gonococcen rasch ver-
schwinden und den Ausfluss den Charakter einer einfachen Blennorhoe
annehmen. Erscheinungen von Sublimat-Intoxication habe ich hierbei
nie beobachtet,
Für Erkrankungen des Endometrium corporeale haben sich
mir besser als alle Bacilli, Auspinselungen und intrauterinen Injeetionen
die Falk’schen Uterus-Antrophore erwiesen. Ich liess dieselben
in zwei verschiedenen Längen von 8 und 10 Cm. anfertigen und
verwandte die als Gonococcentödtend anerkannten Mittel Sublimat und
Kreosot in Form von Uterusantrophoren mit 0,1 pCt. Sublimat und 1 pCt:
Chlorzink, sowie mit 2 pCt. Kreosot. Gegen die nach Verschwinden
der Gonococcen zuweilen noch zurückbleibende Leucorrhoe wandte ich
10 proc. Tanninantrophore mit gutem Erfolge an. Die Einführung der-
selben ist leicht, sie verursachen keine Schmerzen und werden nebst
dem vorgelegten Wattetampon nach ca. 10 Minuten an dem daran zu
befestigenden Faden wieder herausgezogen, wobei sich der medicamen-
töse Gelatineüberzug als abgeschmolzen erweist und in alle Falten und
Buchten der Uterusschleimhaut eingedrungen ist. Auch für die Ure-
thritis gonorrhoica haben sich mir die Antrophore sehr nütz-
lieh erwiesen. i
Schliesslich .muss ich noch die Annahme des Vortragenden beleuch-
ten, dass es bei normal weiten und auch sonst nicht pathologisch ver-
änderten Tuben, sowie ohne foreirten Druck möglich sei, Spülflüssigkeit
aus einem Uteruscatheter irgend welcher Construction durch die Eileiter
78 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
in die Bauchhöhle zu treiben. Die Tuben inseriren sich schräg, ventil-
artig sich gegen die Uterushöhle abschliessend und dies, wie auch ihre sehr
empfindliche Ringmuskulatur am Ostium uterinum verhindern den Ein-
und Durchtritt von Flüssigkeit vom Uterus her nach der Bauchhöhle.
Etwa beobachtete und diesem vermeintlichen Durchtritt von Flüssig-
keiten zugeschriebene üble Zufälle sind viel eher dem Anziehen des
Uterus mit Muzeux’schen Zangen und dem dabei erfolgten Platzen vor-
her nicht diagnostieirter tubarer Eitersäcke zuzuschreiben, wie das bei
einfacher Dislocation des Uterus noch unten ohne Injection, bei Son-
dirungen etc. oft genug beobachtet ist. Wenn man nur den Grundsatz
befolgt, bei jeder Nullipara und bei Multiparis mit enger Cervix vor
der Uterusausspülung das Collum zu dilatiren, so ist neben dem Katheter
Raum genug für den Wiederabfluss der Spülflüssigkeit und der Eintritt
von Flüssigkeit in die Bauchhöhle nicht zu fürchten.
Zum Beleg dafür möchte ich einer in meiner Praxis gemachten
Beobachtung Erwähnung thun. Nach Curettement einer Abort-Placenta
machte ich wegen Fortdauer der Blutung eine intrauterine Injection von
Liqu. ferr. sesquichlorati, worauf unmittelbar sich anschliessend eine
tödtliche Peritonitis folgte. Die Obduction zeigte, dass es sich um eine
Graviditas tubo-uterina mit abnorm weitem, für den Zeigefinger passir-
barem Ostium tubae uterinum und nachweisbarem Durchtritt des Liqu.
ferr. sesquichlor. in die Bauchhöhle handelte. Nur in solchen und ähn-
lichen Fällen ist das Eindringen von Flüssigkeit in die Peritonalhöhle
möglich. Die Beweiskraft des Asch’schen Falles dagegen, wo sich nach
einer Sublimat-Ausspülung des Uterus, sofortigem Collaps und starker
Uteruskolik, erst 3 Tage später Durchfälle als Zeichen einer Sublimat-
Intoxikation eingestellt haben, kann ich nicht umhin, zu bestreiten.
11. Sitzung vom 17. April 1891.
Herr Heidenhain: |
Ueber Lymphbildung.
Der Vortrag wird ausführlich veröffentlicht werden.
Die 12. Sitzung vom 15. Mai 1891
wird in dem stattlichen ÖOperationssaal der neuerbauten chirurgischen
Klinik abgehalten.
Der Vorsitzende, Herr Ponfieck, dankt dem Director der Klinik,
Herrn Geh. Rath Mikuliez, für die an die Gesellschaft ergangene Auf-
forderung und verbindet damit den Ausdruck des Wunsches, dass mit
Hilfe der erweiterten und trefflich ausgestatteten Räume, wie der Ver-
vollkommnung aller Einrichtungen im neuen Hause die Krankenbehandlung,
wie der akademische Unterricht reiche Förderung finden möge.
I. Medicinische Abtheilung. 79
Zum Zeichen ihres Einverständnisses erheben sich die Anwesenden
von ihren Plätzen.
Herr Mikuliez legt zunächst die Haupt-Gesichtspunkte dar, welche
bei dem Entwurfe des neuen Baues maassgebend sein mussten und so-
dann die Grundsätze, welche ihn als aseptischen Operateur bei der Be-
handlung der Kranken leiteten. Hieraus ergiebt sich für ihn die For-
derung, alle wichtigen Eingriffe nicht sowohl im klinischen Amphitheater
vorzunehmen, in welchem sich so viele uncontrolirbare Infectionsträger
zusammendrängen und überdies die Zuschauer den Gang der Operation
doch nur unvollkommen zu verfolgen im Stande sind. Vielmehr müssen
alle ernsteren chirurgischen Eingriffe in einem eigens dazu vorbereiteten
Saale vorgenommen werden, welcher nur streng aseptischen Personen
zugänglich ist,
Darauf ladet Herr Mikuliez die Versammlung zu einem Rundgange
durch sämmtliche Räume der Anstalt ein, auf welchem er Zweck und
Einriehtung jedes einzelnen ausführlich erläutert.
13. Sitzung vom 5. Juni 1891.
1) Herr Tietze stellt zwei Patienten vor:
a. Eine von ihm Öperirte, bei welcher behufs
Entfernung eines gewaltigen Osteosarkoms der linken fünften Rippe
ein grosser Theil des Pericards blossgelegt werden musste. Jetzt, nach
anderthalb Jahren, findet sich an der genannten Stelle ein über hand-
tellergrosser Bezirk, in dessen Bereich man die Pulsationen des Herzens
unmittelbar unter der Haut fühlt und die Herzspitze und einen grossen
Abschnitt der Kammern abtasten kann.
b. Syringomyelie.
Der in Rede stehende Patient bietet ein ungewöhnliches Interesse
dar, ebensowohl wegen der Seltenheit des nervösen Symptomcomplexes,
als besonders wegen der eigenthümlichen Destruction des rechten EII-
bogengelenkes, welche ihn zuerst in ärztliche Behandlung geführt hat.
Am Anfang dieses Semesters meldete sich bei uns der 20 Jahre
alte Arbeiter Heinzelmann zur Aufnahme, weil er seit einem Jahre eine
starke Anschwellung seines rechten Vorderarmes bemerke, welche ihm
zwar wenig Beschwerden verursache, ihm aber doch durch ihre Grösse
und weil sie auf kein Mittel weichen wolle, gewisse Besorgnisse ein-
flösse. Mit Sicherheit sei die Entstehung der Geschwulst auf eine
Ueberanstrengung bei der Arbeit vor einem Jahre zurückzuführen. Er
hatte damals einen ganzen Nachmittag lang Steine mit einer Schaufel
in die Höhe gehoben und sich dabei beständig auf die Aussenseite des
rechten Vorderarmes aufgestützt, Die Stelle sei nachher etwas empfind-
s0 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
lich gewesen und schon nach acht Tagen habe er hier eine kleine An-
schwellung bemerkt, die sich vergrösserte und nach und nach auf das
ganze obere Drittel des Vorderarmes ausdehnte,. Nach einem Viertel-
jahre habe sie die jetzige Grösse erreicht und seien Veränderungen
seit dieser Zeit nicht mehr eingetreten. Die Geschwulst war stets
schmerzlos und verursachte dem Pat. keine Beschwerden, hinderte ihn
auch nicht bei der Arbeit. Eine plötzliche starke Vergrösserung oder
ein Anschwellen derselben ist niemals bemerkt worden.
Im übrigen fühlte sich Patient während der ganzen Zeit gesund;
er erinnert sich auch nicht, jemals vorher krank gewesen zu sein, war
niemals venerisch affieirt und stammt aus gesunder Familie. Seit seiner
frühesten Jugend leidet er an einer Ptosis auf beiden Augen.
Bei der Untersuchung des etwas kleinen, aber kräftig gebauten
Patienten, dessen innere Organe sich als gesund erwiesen, fand sich nun
am rechten Vorderarm eine Anschwellung, welche sich, an der unteren
Grenze des oberen Drittels beginnend, mehr und mehr an Umfang
zunehmend, bis zum Ellbogengeienk erstreckt, um mit dem Beginn des
Oberarmes aufzuhören. Der Vorderarm erhält dadurch eine konische
Gestalt; sein Umfang ist an der betreffenden Stelle um ein beträcht-
liches, fast um die Hälfte vermehrt.
Die Haut über der Anschwellung zeigt äusserlich nichts Abnormes,
und lässt sich ohne Weiteres auf der Unterlage verschieben. Schon
äusserlich fällt an der Ulna ca. 7 cm unterhalb des Oleceranon eine Knochen-
wucherung auf, welche sich bei der Betastung als eine unregelmässig
geformte, feste callusartige Masse von mehreren Centimeter Mächtigkeit
erweist, welche die Ulna seitlich umgiebt, deren Hauptmasse aber sich
nach vorn zu erstrecken scheint. Die Hinterseite der Ulna ist von diesen
Knochenmassen frei.
Es gelingt ziemlich leicht, den unteren Theil der Ulna bis zu der
genannten Stelle zu verfolgen; von da an macht die Dicke der um-
gebenden Weichtheile die Orientirung schwerer, doch scheint oberhalb
der Knochenauftreibung eine winklige Kniekung des genannten Knochens
in der Weise zu bestehen, dass das obere Ende nach vorn und aussen
abweicht. Das Oleeranon findet sich an der richtigen Stelle. Den
Radius, welcher unterhalb der Anschwellung nichts Abnormes darbietet,
kann man im Bereiche derselben nur sehr schwer abtasten; dagegen ist
das Köpfchen desselben palpabel, welches nach aussen luxirt, deutlich
verdickt ist und einen unregelmässig höckerigen, verbreiterten Rand
besitzt. Durch direeten Druck lässt sich der Radiuskopf jedoch fast
ganz an seine normale Stelle zurückbringen. Das Gelenkende des
Humerus ist ebenfalls verbreitert (2 em Unterschied gegen links), besitzt
im übrigen aber eine normale Gestalt. Schon bei der ersten Unter-
suchung fiel ferner eine abnorme Beweglichkeit im Gelenk in seitlicher
I. Medicinische Abtheilung. 81
Richtung auf und in der That gelingt es ohne grosse Mühe, die zusammen-
gehörigen Gelenkenden namentlich nach aussen weit von einander zu
disloeiren. Bei diesen Bewegungen fällt ein eigenthümliches rauhes
Reiben und Knirschen im Gelenk auf, als dessen Ursache man eine
Anzahl freier Körper von wechselnder Grösse entdeckt, welche sich
zum Theil von aussen gut umgreifen und verschieben lassen und offenbar
aus Knochen bestehen. Der grösste derselben — von fast Wallnuss-
grösse — liegt für gewöhnlich dicht hinter dem Radiusköpfchen. Eine
weitere Untersuchung ergiebt ferner, dass die Ulna dicht oberhalb der
vorher geschilderten Knochenauftreibung fraeturirt ist. Das obere
Fragment ist dabei nach vorn und aussen abgewichen; beide Fragmente
lassen sich gegen einander verschieben, doch lässt sich keine Crepitation
hervorrufen. Ob zwischen beiden eine bindgewebige Vereinigung besteht,
lässt sich nicht sicher feststellen. Eine Ansammlung von Flüssigkeit
ist im Gelenk offenbar nicht vorhanden. Das Gelenk ist absolut
sehmerzlos, Beugung und Streckung sind nicht behindert, dagegen Pro-
nation und Supination sowohl activ als passiv stark beeinträchtigt. An
der Beugeseite merkt man von den geschilderten Veränderungen nichts.
Was nun die Deutung dieses Befundes anbetrifft, so konnten im
Wesentlichen nur drei Affectionen hier in Frage kommen: 1. konnte man
an einen Tumor denken, welcher die Fractur der Ulna und die An-
schwellung des Vorderarmes hervorgerufen hatte. Die Anwesenheit der
freien Knochenkörper würde sich auf diese Weise ebenfalls haben
erklären lassen, da man in der That zuweilen innerhalb des Parenchym-
gewebes von Knochentumoren verknöcherte Partien von ähnlicher Be-
schaffenheit findet, sei es, dass sie Absprengungen des alten Knochens
darstellen, sei es, dass sie pathologisch neugebildetes osteoides Gewebe
sind. Dagegen sprach nun freilich die absolute Schmerzlosigkeit der
Geschwulst und der Umstand, dass in dem Zustande des Armes seit
°/), Jahren absolut keine Veränderung zu bemerken gewesen war. Ausser-
dem hätte sich dadurch die Relaxation der Gelenkkapsel nicht erklären
lassen.
Zweitens wäre dann vielleicht jene seltene Affeetion in Frage ge-
kommen, welche unter dem Namen exostosis bursata bekannt ist. Man
findet bei dieser Geschwulstform in der Regel in der Nähe des Gelenk-
endes eine knorpelige Exostose, welche von einer mit dem Periost in
innigem Zusammenhange stehenden Kapsel umgeben ist, die in nicht
seltenen Fällen eine grosse Menge von freien Körpern enthielt, die aus
hyalinem oder Netzknorpel zu bestehen pflegen. Es ist aber klar, dass
auf diese Weise wirklich ähnliche Verhältnisse geschaffen werden können,
wie sie bei unserem Patienten vorlagen, und in der That war das Bild,
welches ein hier früher operirter Patient mit einer solehen Exostose am
Vorderarm darbot, ein ganz gleiches, Mit dieser Annahme war jedoch
115; 6
IA
82 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
die Fraetur des Knochens nicht zu erklären, und die Betheiligung des
Gelenkes nicht klar gestellt. Wenn man ausserdem die Entstehung der
exostosis bursata, wie Fehleisen dies thut, von dem Gelenkknorpel
ableitet, so wird man dieselbe am Ellbogengelenk auf der Beugeseite
erwarten müssen, was in der That bei unserem damals operirten Pa-
tienten der Fall war, während sich im Gegentheil bei unserem heutigen
Patienten die Hauptmasse der Geschwulst auf der Hinterseite findet.
So drängten denn alle Erscheinungen darauf hin, den Sitz der Erkrankung
im Gelenk selbst zu suchen und einen Process anzunehmen, der, von
grossem Umfange, sich innerhalb ganz kurzer Zeit abgespielt hatte.
Processe von solcher Mächtigkeit sind aber eigentlich nur als Begleit-
erscheinungen von schweren Störungen im Centralnervensystem beobachtet
und so musste man denn bei unserem Patienten sorgfältig auf etwa
bestehende nervöse Störungen achten. In der That konnten wir
schon gewisse Störungen dieser Art feststellen, so dass wir nicht
zögerten, den Fall auch Herrn Prof. Müller zur Untersuchung vorzu-
stellen. Derselbe glaubte nach seinem Befunde, die Diagnose Syringo-
myelie stellen zu können und meint, dieselbe aus Folgendem annehmen
zu dürfen. Die Tastempfindung ist bei unserem Patienten überall normal
erhalten; dagegen kann ich Ihnen leicht demonstriren, dass die Schmerz-
empfindung sowohl im ganzen Bereich des rechten Armes, sowie in
einem daran anschliessenden Bezirke des Rumpfes, welcher genau bis
zur Mittellinie reicht und nach oben von der unteren Grenze des
Nackens, nach unten von der 10.—11. Rippe begrenzt wird, erloschen
ist. Sie sehen, dass ich hier dem Patienten eine Nadei bis auf den
Knochen durchstossen kann, ohne Schmerzensäusserungen bei ihm her-
vorzurufen, während das gleiche Manöver an allen übrigen Stellen des
Körpers von Zeichen lebhaften Schmerzens begleitet wird.
Innerhalb dieses Bezirkes ist dann ferner der Temperatursinn fast
völlig aufgehoben. Der Kranke kann zwischen einer fast eiskalten
Flüssigkeit und einer auf 70—80 ° gebrachten absolut nicht unterscheiden
und erträgt die Berührung mit letzterer ohne weiteres, während er
schmerzhaft zusammenzuckt, sobald das betreffende Reagensglas irgend
an eine andere Körperstelle gehalten wird.
Schliesslich findet sich dann noch eine leichte Atrophie der In-
terossealmuskulatur an der rechten Hand, namentlich im ersten spatium
interosseum und daneben sind trophische Störungen an den Nägeln der
gleichen Hand vorhanden. Dieselben sind rissig und verkrümmt. Ausser-
halb des genannten Bezirkes finden sich am ganzen Körper keine
nervösen Störungen mit Ausnahme einer Ptosis, die aber, wie die
Anamnese ergiebt und wie auch aus der relativen Kürze der oberen
Augenlider zu schliessen, sicher wohl als eine angeborene zu deuten ist.
I. Medicinische Abtheilung. 33
Somit gründet sich, um es kurz zusammenzufassen, die Diagnose
Syringomyelie auf eine partielle Empfindungslähmung in einem eng um-
schriebenen Körpergebiete: mangelnde Schmerzempfindung und Temperatur-
sinn bei erhaltenem Tastsinn, verbunden mit trophischen Störungen an
der Muskulatur der betreffenden Hand und den Nägeln.
Wir dürfen also nicht zweifeln, dass wir es thatsächlich mit einer
neuropathischen Gelenkaffeetion zu thun haben.
Nun wissen Sie, m. H., dass das Capitel der neuropathischen
Gelenkaffecetionen uns zuerst durch die Arbeiten von Mitchell dem älteren
in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts erschlossen worden ist, dass die
ganze, ursprünglich mit grösstem Enthusiasmus aufgenommene Lehre
aber bald wieder in Vergessenheit gerieth, um erst wieder durch die
Untersuchungen von Brown-Se&quard und Mitchell’s des Sohnes
aufs neue begründet und formulirt zu werden. Am besten gekannt sind
die Arthropathieen im Verlaufe der Tabes, und zwar ist es wesentlich
das Verdienst von Charcot (1868) und seiner Schule, die einschlägigen
Verhältnisse studirt und ein Bild des Leidens in musterhafter Weise
gezeichnet zu haben. Gerade in der letzten Zeit ist die Litteratur über
diesen Gegenstand schnell angewachsen, doch will ich mich darauf be-
‘ schränken, aus der reichen Fülle derselben hier die Arbeit von Rotter
hervorzuheben (Langenb.’s Arch. Bd. 36), der in sorgfältiger Weise die vor-
handene Casuistik gesammelt und kritisch gesichtet hat. Weit weniger
zahlreich sind die Angaben über Gelenkaffeetionen bei der Syringomyelie,
doch hat bereits Czerny (Langenb.’s Arch. Bd. 34) drei solcher Fälle
veröffentlicht und andere finden sich in der Litteratur zerstreut.
Das Bild, unter dem diese neuropathischen Gelenkaffeetionen ver-
laufen, ist im Prineip das gleiche. Es handelt sich um eine sehr schnell
mit colossalen Zerstörungen der gelenkbildenden Theile einhergehende
deformirende Gelenkentzündung, bei welcher die Apposition neu-
gebildeten Knochenknorpelgewebes im Gegensatz zu der vorhandenen De-
formation sehr geringfügig ist. Die Affection schliesst sich oft an ein vorher-
gegangenes Trauma an und erreicht unter Umständen schon nach kürzester
Zeit eine ausserordentliche Grösse und Ausdehnung. Die Gelenkenden
sind abgeschliffen, der Knorpelüberzug verloren gegangen, ja die Knochen
selbst sind oft so weit zerstört, ‚„zermahlen‘, dass dieselben nur als
rudimentäre Stümpfe in die stets erschlaffte und häufig mit Knochen-
körpern gefüllte Gelenkkapsel hineinragen. Die freien Gelenkkörper
sind nicht selten in solcher Zahl und Grösse vorhanden, dass die Ge-
lenke sich „wie ein Sack mit Nüssen‘ anfühlten. In anderen Fällen —
und bei Tabes scheint dies die Regel zu sein — war ein Gelenkerguss
vorhanden, der sich meist als erstes Symptom der Erkrankung einstellte.
Die Kapsel pflegt immer erschlafft zu sein: eine Luxation oder Sub-
6*
34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
luxation im Gelenk ist daher ein häufiges Ereigniss; andererseits sind
Fracturen der betheiligten Knochen nichts Seltenes.
Stets sind die Gelenke schmerzlos, während ihr Umfang beträchtlich
vermehrt ist.
Was nun die Ursache dieser Affectionen anbetrifft, so hat man
namentlich für die Arthropathieen der Tabiden die Schmerzlosigkeit der
Gelenke und die inceoordinirten Muskelbewegungen verantwortlich gemacht,
welche nothgedrungen zu einer abnormen Belastung der Knochen an
ungewöhnlichen Druckpunkten führen müssen. Indessen ist es doch die
Frage, ob dies Moment allein zur Erklärung der schnellen und grossartigen
Knochenzerstörungen ausreichend ist. Wir irren wohl nicht, wenn wir
ausserdem noch eine schwere Schädigung in der chemischen Zusammen-
setzung des Knochens annehmen, für die wir einen Grund in mangel-
haften Circulationsverhältnissen vermuthen können. In der That ist in
einigen Fällen ein Verlust an Kalksalzen chemisch nachgewiesen; in-
dessen sind diese Angaben so spärlich, dass wir zugeben müssen, etwas
Sicheres noch nicht zu wissen und eine weitere Förderung unserer
Kenntniss nach dieser Richtung erst von der Zukunft zu erwarten haben.
Diseussion.
Herr Freund: Als ausschliessliche pathologisch -anatomische
Grundlage für die Syringomyelie und die verwandten Krankheitsbilder
wird eine Erkrankung der grauen Substanz des Rückenmarkes in der
Gegend des Centralcanals angenommen. Nicht in völligem Einklang
hiermit lässt sich ein von D&j&@rine im Februar 1890 mitgetheilter Befund
bringen, der bisher noch nicht genügend berücksichtigt worden ist.
(Vgl. La semaine me&dicale, Band X, $S. 53/54.)
Bei dem 54jährigen Patienten mit Kyphoskoliose bestand seit
20 Jahren eine Muskelatrophie an den oberen Extremitäten nach dem
Aran-Duchenne’schen Typus (Krallenhand ete.), ferner eine charak-
teristische partielle Empfindungslähmung an den oberen Extremitäten,
sowie an der rechten Gesichtshälfte (fast absolute Analgesie und Thermo-
anästhesie). Tastempfindung normal am ganzen Körper, mit Ausnahme
der Fingerspitzen und der Dorsalflächen der letzten Phalangen. Zahl-
reiche Verbrennungsspuren. — Patient starb im Januar 1890 an Pneumonie,
— Bei der Autopsie fand man mässigen Hydrops der Ventrikel und am
Rückenmark ein excavirtes centrales Gliom, das die ganze Länge
desselben bis zur Mitte der Lendenanschwellung einnahm, Ferner aber
eine hochgradige Veränderung an denHautnerven der oberen
Extremitäten in den Bezirken, in welchen die partielle Empfindungs-
lähmung intra vitam bestanden hatte. Die Hälfte der Nervenfasern
war total atrophirt und durch einfache leere Stränge er-
setzt. In der Atrophie noch begriffene Fasern waren nur spärlich
I. Medicinische Abtheilung. 85
vorhanden, ein Beweis für das Alter und den sehr langsamen Verlauf
des Processes. Eine ziemlich grosse Anzahl von Nervenfasern kleineren
Kalibers liessen sich durch Osmiumsäure schlecht färben.
Derartige Veränderungen an Hautnerven sind bisher bei Syringo-
myelie noch nicht beobachtet worden; D&jerine hat nämlich die ersten
diesbezüglichen Untersuchungen angestellt. Wenn dieser Befund künftig
auch in anderen Fällen von Syringomyelie erhoben wird, so muss noth-
wendigerweise unsere bisherige physiologisch -pathologische Anschauung
von dieser Krankheit eine Modifieation erfahren. Dieser von Dejerine
geäusserten Ansicht schliesse ich mich unbedingt an. Von dem genauen
Studium des histologischen Verhaltens des peripheren Nervensystems bei
Syringomyelie wird man wohl Aufklärungen über das Wesen der sogen,
trophischen Störungen zu erwarten haben.
Herr Ponfick: Grade vom pathologisch-anatomischen Standpunkte
aus ist der Begriff der Syringomyelie durchaus kein einheitlicher. Denn
mit diesem Namen werden einestheils hydropische Ausweitungen des
Central-Canals (Hydromyelie), anderentheils sonstige Höhlenbildungen be-
zeichnet, welche auf irgend welche Art in der Substanz des Rücken-
markes entstanden sind.
Wenn man auch immer danach streben wird, diese beiden Formen
von einander gesondert zu halten, so ist es doch nicht nur während des
Lebens unmöglich, mehr als eine Vermutung über das Vorhandensein der
einen oder der anderen auszusprechen, sondern auch an der Leiche
bedarf es zuweilen erst eingehender Untersuchung, um eine sichere
Entscheidung zu treffen.
Das Zustandekommen der ersteren Veränderung, der Hydromyelie,
ist vergleichsweise leicht verständlich: sei es, dass sie eine Fortsetzung
oder Steigerung einer schon angeborenen, in gestörter Entwicklung des
Rückenmarks begründeten Anomalie darstellt, sei es, dass sie als
„selbstständige‘‘ Erweiterung des ursprünglich wohblgebildeten Central-
canals auftritt, welche ihrerseits durch eine in irgend welcher Phase des
extrauterinen Lebens erfolgende entzündliche Ausschwitzung in sein Lumen
herbeigeführt ist. Im Gegensatze dazu ist die Ursache der anderweitigen
Höhlenbildungen keineswegs so klar, jedenfalls nicht so gleichartig,
sondern durch innerlich sehr verschiedene Vorgänge im Gewebe hervor-
rufbar. Für sie kommen hauptsächlich Erweichungen in der grauen
Substanz, wahrscheinlich auch primäre graue Entartungen in der
weissen Substanz in Betracht, welche ja secundär unzweifelhaft öfters
in Mitleidenschaft gezogen ist.
Diese, vom pathologisch-genetischen Standpunkte aus sich auf-
drängende Eintheilung erweist sich nun aber auch vom symptomatolo-
gischen als durchaus gerechtfertigt. Denn die Erweiterungen des Central-
86 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
canals werden — zunächst wenigstens — einzig und allein die graue
Substanz beeinträchtigen durch Compression, weiterhin Atrophie ihrer
nervösen Elemente. Erst bei längerer Dauer, zunehmender Vergrösserung
der Höhle und Anwachsen des Binnendruckes kann es geschehen, dass
auch Bestandtheile der weissen Substanz in ihrer Ernährung gestört
werden. Sonach darf es nicht überraschen, dass trotz der gleichen
Grunderkrankung bei einem Theile der Patienten nur solche Erschei-
nungen, wie bei Poliomyelitis beobachtet werden; dass dagegen bei einem
anderen Theile, bezw. in späteren Stadien jener ersten Gruppe zugleich
Symptome hervortreten, welche nur in gleichzeitiger Erkrankung der
Hinter- oder auch der Seitenstränge ihre Erklärung finden können.
Vergegenwärtigt man sich vollends, wie ausserordentlich ungleich
der Umfang dieser wo immer gelegenen Höhlen im Einzelfalle ist, dass
sich manche nicht über das Gebiet weniger Nervenwurzeln hinaus er-
strecken, andere hinwiederum fast über die ganze Länge der Medulla
erstrecken können, so ist es klar, dass sich die verschiedenartigsten
Krankheitsbilder daraus zu entwickeln im Stande sind. Es ist also nicht
entfernt zu erwarten, dass dem Befund einer Höhlenbildung im Rücken-
mark stets der gleiche Symptomencomplex entsprechen werde.
Was die neuerdings ebenfalls viel erörterte Beziehung zwischen
Syringomyelie und Gliomatose anlangi, so möchte ich mich auf Grund
meiner bisher gewonnenen Erfahrungen folgendermaassen aussprechen:
Es unterliegt keinem Zweifel, dass am Rande der fraglichen Höhlen
nicht gar selten Wucherungsherde, richtiger -Zonen von zuweilen be-
deutender Mächtigkeit vorkommen und ebensowenig, dass beide Befunde
in engem Zusammenhange mit einander stehen. Allein dieselben dürfen nicht
schlechthin als „Geschwülste‘‘ aufgefasst werden, obgleich sie in aus-
geprägten Fällen sehr wohl den Habitus einer solehen annehmen können
Vielmehr stehen sie ihrer histologischen Zusammensetzung nach auf
gleicher Stufe mit jenen chronisch entzündlichen und hyperplastischen
Wucherungen, welche man an dem Ependym langjährig erweiterter
Ventrikel am Gehirn, wie Rückenmark, so häufig wahrzunehmen im Stande
ist. Der Umstand, welcher gegen ihre Auffassung als Gewächse, wie mich
dünkt, den Ausschlag giebt, ist in seiner Bedeutung vielleicht noch nich+
genugsam hervorgehoben: ich meine die Thatsache, dass ächte Gliome
gemäss ihrer eigenen Natur zu Nichts so wenig geeignet sind, wie dazu,
in ihrem Innern zu erweichen oder gar Höhlen von so gewaltigen Di-
mensionen entstehen zu lassen. In dieser Hinsicht stehen die vermeint-
lichen Gliome bei Syringomyelie unstreitig ganz einzig da, so exceptionell
und praeter naturam, dass ich wenigstens schon darin den wirksamsten
Einwand gegen die erwähnte Anschauung glaube erblicken zu müssen,
Liegt es da nicht weit näher, dasjenige anzunehmen, was eine ver-
gleichende Untersuchung leichterer und schwererer Fälle, früherer und
ee Ce rn
I. Medicinische Abtheilung. 87
späterer Stadien in einer, wie ich denke, überzeugenden Weise lehrt,
dass nämlich jenes zellenreiche, als „Gliom‘ bezeichnete Neugewebe
lediglich einer lebhaften Wucherung am Ependym und den gleich-
werthigen Bestandtheilen der anstossenden grauen Substanz ihren Ursprung
verdanke, einem Vorgange, der sich, ähnlich wie beim Hydrocephalus,
zu der habituell gewordenen Erweiterung des Centralcanals hinzugesellt.
Unter solcher Voraussetzung erklärt sich leicht die sonst so auf-
fällige, ja unerhörte Thatsache, dass eine gliomähnliche Wucherungs-
masse vielleicht in derganzen Länge des Rückenmarkes einen
elliptischen oder spindelförmigen Hohlraum rings umschliesst, der eben
in der scharfen Abgrenzung der ihn umkleidenden Wandschicht seine
ursprüngliche Natur als Centralcanal dauernd bekundet.
Herr Freund: Die Bezeichnung „Syringomyelie“ besitzt für den
Kliniker in der That die Bedeutung eines Sammelbegriffes, welcher nicht
nur die eigentliche Syringomyelie (Höhlenbildung), sondern noch andere
Krankheitszustände umfasst, deren Symptomencomplex auf eine Alteration
der centralen Theile der grauen Substanz des Rückenmarkes hindeutet.
Eine präcise Differentialdiagnose ‘dieser verschiedenen Krankheitsbilder
ist intra vitam fast nie möglich. Erst die Section kann Gewissheit
darüber geben, ob der Erkrankung eine Höhlenbildung, ein Gliom oder
eine andere Geschwulstbildung, eine Erweichung oder ähnliches zu Grunde
gelegen hat. Es kann auch der Fall eintreffen, dass ein central etablirter
sklerotischer Herd das Symptomenbild der Syringomyelie veranlasst und
die übrigen Herde der multiplen Sklerose — wie es bei dieser Krank-
heit häufig ist — keine bemerkenswerthen klinischen Erscheinungen
hervorrufen. — Genauere Anhaltspunkte für die Diagnose kann man
durch die Anamnese erhalten. Die langsame, über viele Jahre sich
erstreckende Entwicklung des Leidens spricht mehr für Syringomyelie
resp. Gliomatosis; ein acuter Beginn für Haematomyelie oder Erweichung
in Folge von Embolie. — Eine anfänglich auf die graue Substanz be-
schränkte Höhlen- oder Geschwulstbildung kann auf die weisse Substanz
übergreifen und dadurch z. B. das Bild einer complieirten Tabes oder
einer combinirten Systemerkrankung veranlassen. Andererseits kann eine
ursprünglich in den Hintersträngen etablirte Erkrankung auf die graue
Substanz übergehen und bedingen, dass zu den reinen tabischen Er-
scheinungen die charakteristischen Symptome der ‚„Syringomyelie‘ hin-
zutreten.
Auch die topische Diagnostik der ‚„Syringomyelie‘“ ist noch sehr
mangelhaft. Nur eine ganz approximative Schätzung der Grösse des
Krankheitsherdes ist intra vitam möglich. Bei den Obductionen sind
oftmals Höhlenbildungen oder andersartige Erkrankungen von so gewal-
tiger Ausdehnung angetroffen worden, wie sie nach den klinischen Er-
scheinungen nicht entfernt erwartet werden konnten,
88 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Im vorliegenden Falle kann ich aus den von dem Herrn Vor-
tragenden mitgetheilten anamnestischen und klinischen Daten noch keinen
Schluss auf die Natur und den $itz der Erkrankung ziehen. Die halb-
seitige Anordnung der Symptome ist auffallend.
2) Herr Ponfick demonstrirt mehrere frische Präparate:
a. Ober- und Unterschenkel einer 48jährigen an schwerer Leukaemie
verstorbenen Frau.
Der Process hatte sich in höchst typischer Weise nicht nur in
Milz und Leber — neben geringer Betheiligung der Lymphdrüsen —
entwickelt; sondern auch im Marke der verschiedenen Knochen (Brust-
bein, Rippen, Extremitäten) seinen Sitz aufgeschlagen.
An allen zur Anschauung gelangten Stellen zeigte letzteres in fast
ganz diffuser Weise jene charakteristische graugrüne Verfärbung, welche,
auf einer massenhaften Wucherung lymphoider Elemente beruhend, bis-
lang nur bei der genannten Krankheit beobachtet worden ist.
Was die Natur der Zellformen anlangt, welche diese ungemein
dichte Infiltration zwischen den Spöngiosa-Bälkchen erzeugen, so hat
der vorliegende Fall die Richtigkeit der von Ehrlich’schen Auffassung
wiederum bestätigt, dass sich eine gleichzeitige medullare Affeetion durch
bestimmte Eigenthümlichkeiten der Blutveränderung verrathe. Das reich-
liche Vorkommen eosinophiler Zellen nämlich wurde auch hier nicht
vermisst und hatte bereits während des Lebens — ungeachtet des Fehlens
subjeetiver Symptome seitens des Skelets — eine Theilnahme des Knochen-
markes annehmen lassen.
b. Mehrere Tage alter Bruch des Halses des linken Oberschenkels.
Mit der Continuitätstrennung war typische Einkeilung der Bruch-
stücke und eine entsprechende Verkürzung des Gliedes verbunden,
Im Anschluss an dieses, kaum die ersten Anfänge einer Wieder-
vereinigung der Fragmente zeigende Präparat erläutert der Vortragende
den Heilungsvorgang der Schenkelhalsbrüche an der Hand zahlreicher,
der Sammlung des pathologischen Instituts angehöriger Objecte.
Nach Ausweis dieser in den verschiedensten, zum Theil sehr späten
Stadien nach der Verletzung gewonnenen Fundstücke ist eine volle, sowohl
ohne wesentliche Dislocation, als auch ohne Verkürzung erfolgende Wieder-
herstellung ein ungemein seltenes Ereigniss. Weit häufiger sind entweder
lockere Vereinigungen mit Erhaltenbleiben eines wechselnden Grades
von abnormer Beweglichkeit: sei es in Gestalt einer dichtfasrigen
synchondrosis-ähnlichen Verbindung, sei es einer band- oder strangförmigen
ächten Pseudarthrose. In ersterem Fall werden nur ganz leichte,
federnde Verschiebungen zwischen den Bruchstücken möglich sein,
während des Lebens also oft genug der Eindruck voller Consolidirung
I. Medicinische Abtheilung. 89
entstehen. Der letztere Ausgang gestattet dagegen weit bedeutendere
Exceursionen und bringt somit nur eine sehr bedingte Brauchbarkeit
des Gliedes zurück.
In einer andren Gruppe von Fällen kommt es zwar zu einer —
wenigstens schliesslich — festen Verwachsung der gewaltsam aus-
einander gesprengten und mitunter in unglaublichem Maasse verlagerten
Bruchstücke. Allein die aus dieser Dislocation entspringende Verkürzung
ist trotzdem so bedeutend, dass die Function dauernd nicht unerheblich be-
hindert ist. Diese Verkürzung ist theils die Folge der gefürchteten Ein-
keilung und des eng damit zusammenhängenden Schwundes des Halses,
bedingt durch Druckusur seiner Spongiosa, theils der Verwerfung der
Sprengstücke, besonders des Trochanter major an ungeeignete Punkte
des Schaftes des Oberschenkels.
14. Sitzung vom 19. Juni 1891.
1) Herr Riegner demonstrirt
2 Patienten mit geheilter Schädelverletzung.
Der erste Fall von penetrirendem Schädelschuss, den ich
Ihnen vorstellen möchte, ist bemerkenswerth durch den glatten Heilungs-
verlauf und den Mangel jeglicher cerebraler Symptome trotz der aus-
gedehnten Verwundung des Gehirns. Er betrifft einen 36 Jahre alten
Kaufmann Sch., der sich am 19. Mai d. J. eine Revolverkugel in die
rechte Schläfe schoss. Er hatte angeblich keinen Augenblick das Be-
wusstsein verloren und kam zu Fuss auf die Abtheilung. An der rechten
Schläfengegend etwa 2 Finger breit vor dem Ohr und in gleicher Höhe
mit dem obern Rande der Muschel fand sich die ca. 6 mm grosse Ein-
schussöffnung. Keine Sugillationen in der Umgebung und am rechten
Auge, Bewegungen und Sehvermögen des letzteren intact, Mangel jeg-
licher Motilitäts- und Sensibilitätsstörungen. Danach hätte man annehmen
können, dass das Projectil in den Weichtheilen oder im Knochen stecken
und das Hirn unverletzt geblieben wäre. Nach ausgiebiger Spaltung
ergiebt sich aber, dass der Schusscanal schräg nach vorn und oben den
museul. temporalis durchsetzt und einen Finger breit hinter dem äussern
Augenwinkel den Knochen penetrirt. Aus der Schädelöffnung quillt
zertrimmerte Hirnmasse, die Sonde dringt etwa 7 cm ein und stösst
am Ende des Schusscanals scheinbar auf einen festen Körper.
Nach ausgiebiger Meisselerweiterung der Knochenwunde und Ab-
stemmung des obern Randes vom Stirnfortsatz des Jochbeins konnte ich
bequem den Finger in den weiten durch den untern Theil der Stirn-
haut quer verlaufenden Canal einführen, Er endete grade an der
deutlich fühlbaren Hirnsichel. Dort lag die Kugel und konnte nun
leicht extrahirt werden, Eine vorsichtige Irrigation entfernte noch zahl-
90 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
reiche Hirntrümmer aus dem cerebralen Schusscanal, in welehen dann
ein loser Jodoformtampon eingeführt wurde. Im übrigen Schluss der
Weichtheilwunde durch lockere Naht. Der Verlauf war fieberlos. : Pat.
klagte nur über Hinterkopfschmerzen und Schlaflosigkeit. Nach zwei
Tagen wurde der Hirntampon entfernt. In der Nacht vom vierten zum
fünften Tage traten zwei kurze epileptiforme Anfälle auf. Als Ursache
fand sich beim Verbandwechsel eine geringe Secretverhaltung, weshalb
die verklebte Wunde zum Theil wieder geöffnet und locker tamponirt
wurde. Seitdem sind weitere cerebrale Störungen nicht eingetreten, das
anfangs noch blossliegende Hirn bedeckte sich bald mit Granulationen
und jetzt ist die Wunde nahezu verheilt. Dieser Fall beweist wieder,
dass die untere rechte Stirnwindung, die hier offenbar ausgiebig zerstört
ist, wesentliche Functionen nicht hat. Auf der linken Seite hätte die-
selbe Verletzung voraussichtlich motorische Aphasie zur Folge gehabt.
Den zweiten Patienten hat Herr Riegner in Gemeinschaft mit
Herrn Adler beobachtet, welcher demnächst die zurückgebliebenen
nervösen Störungen näher erläutert. Dieser zweite Kranke, welcher
einen Schädelbruch mit Depression zurückbehalten hat, nimmt
dadurch ein erhöhtes Interesse in Anspruch, dass die Verletzung Functions-
störungen hinterlassen hat, welche auf die Läsion eines ganz eircum-
scripten Gebiets der Hirnrinde schliessen lassen. Hierdurch ist er vielleicht
geeignet, zur Lösung der strittigen Frage von der sog. Rindenataxie
etwas beizutragen.
Es handelt sich um einen 13jährigen Knaben, welcher am 8. d.M.,
also vor heut 10 Tagen, etwa einen Meter hoch herunterfiel und dabei
mit dem Kopf auf einen Stein aufschlug. Nach rasch vorübergehender
Bewusstlosigkeit wurde er in einem Omnibus zum Königsplatz gefahren,
von wo er zu Fuss ins Hospital kam. Er gab selbst über den Unfall
Auskunft und äusserte auf Befragen ausser Schmerzen in einer auf dem
rechten Scheitel befindlichen Kopfwunde keinerlei Beschwerden. Die
später zu erörternden Störungen wurden erst durch direct darauf hin
gerichtete Untersuchung, aber noch vor Vornahme des operativen Eingriffs
eruirt. |
Die 4 em lange Wunde beginnt, etwa 2 cm von der Mittellinie
entfernt, in der Verbindungslinie beider Gehöröffnungen, und verläuft
von da schräg nach vorn und aussen in der Richtung auf den rechten
äusseren Augenwinkel zu. In der Tiefe der scharfrandigen, etwas
klaffenden Weichtheilwunde sieht man eine genau in deren Richtung
und Ausdehnung verlaufende, etwa 1'/, em tief deprimirteBruchspalte,. Nach
genügender Freilegung des Knochens zeigt sich, dass diese Depression ge-
bildet wird von zwei Bruchstücken, welche zusammen ein spitzes Längsoval
bilden, das laterale ca. 1'/,, das medinane 2', cm im grössten Durch-
messer breit. Dieselben stehen nach aussen mit dem angrenzenden
l. Medicinische Abtheilung. 9]
Schädelknochen noch in ziemlich festem Zusammenhang und stossen in
der das Längsoval schneidenden mittleren Bruchlinie unter einem rechten
Winkel zusammen. Das schmalere laterale Fragment liess sich zunächst
von der gemeinschaftlichen medianen Fissur aus leicht eleviren, ohne
seinen Zusammenhang nach aussen zu verlieren; das breitere mediane
wurde jetzt ganz herausgehoben, um die Oberfläche des Gehirns zu
besichtigen. Die Dura zeigte sich unverletzt und nahm sofort ihr normales
Niveau ein. Weder auf noch unter ihr ein Bluterguss. Deutliche
Hirnpulsation. Das extrahirte Schädelstück, von welchem sich noch ein
Theil der corticalis losgelöst zeigte, musste an den Rändern mit der
Knochenscheere etwas zurecht gestutzt werden, bis es genau in die Lücke
passte. Beide Fragmente wurden dann eingelegt und die Hautwunde
ohne weitere Drainage durch drei lockere Nähte geschlossen. Der
Verlauf war ein in jeder Beziehung reactionsloser und das Befinden so
gut, dass der Junge nur mit Mühe im Bett gehalten werden konnte.
Bei dem ersten behufs genauer Lagebestimmung der Schädelwunde am
achten Tage vorgenommenen Verbandwechsel zeigte sich letztere voll-
kommen per primam geheilt.
So viel über das rein Chirurgische des Falles. Ueber die ange-
deuteten interessanten cerebralen Folgeerscheinungen, die sich bis heute
zum Theil noch erhalten haben, wird Ihnen Herr College Adler be-
richten, der den Kranken als Arzt du jour zuerst gesehen und weiter mit
beobachtet hat.
Herr Adler: Die von Herrn Riegner geschilderte Kopfverletzung
war mit einer Bewusstseins-Pause von nur wenigen Secunden verbunden.
Muskelzuckungen wurden nicht beobachtet.
Bei der etwa eine halbe Stunde nach dem Unfall stattgehabten
Untersuchung wurde über ein Gefühl von Taubheit und Ameisenkriechen
in der linken Hand und der unteren Hälfte des linken Unterarmes ge-
klagt. Es wurde fernerhin an der linken Hand eine starke Herabsetzung
der Berührungsempfindung und des Raumsinns, eine geringe der Schmerz-
und Temperaturempfindlichkeit constatirt.
Das Gefühl für passive und active Bewegungen, die Lageempfindung
und das Gefühl der Schwere waren erheblich beeinträchtigt.
Eine motorische Schwäche der linken Hand war nicht vorhanden,
aber die feinen Fingerbewegungen wurden ungeschickt und bei Ausschluss
der Controle durch die Augen sogar atactisch ausgeführt.
Durch die von Herrn Dr. Riegner vorgenommene Hebung der
Knochenfragmente wurde zunächst eine Verringerung der bezeichneten
Störungen nicht herbeigeführt. Im Laufe der folgenden Tage aber trat
eine geringe Abnahme derselben ein und heute (11 Tage nach der Ver-
letzung) ist der Befund folgender (derselbe wird demonstrirt):
92 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Es ist nur noch eine geringe Herabsetzung der Berührungsempfindung,
eine stärkere des Ortssinns vorhanden. Bewegungs-, Lageempfindung
und Kraftsinn sind zwar besser geworden, aber noch deutlich beeinträch-
tigt. Schmerz- und Temperatursinn sind auch noch nicht ganz normal.
Die Druckvorstellungen sind zum Theil restituirt, die Tastvorstellungen
fehlen noch.
Sehr deutlich ist auch die Ungeschicklichkeit, resp. Ataxie der
Fingerbewegungen.
Die nach den Angaben von Köhler*) vorgenommene Projection
der durch die Fragmente in der Mitte der Wunde gebildeten Knochen-
kante auf die Hirnoberfläche ergab, dass die Verletzung das mittlere
Drittel der vorderen Centralwindung betroffen hatte. Da sich die Dura
an dieser Stelle bei der Operation intact zeigte, auch ein subduraler
Bluterguss nicht vorhanden war, so müssen die oben erwähnten Störungen
im Gebiete der linken Hand wohl auf eine Contusion der Hirnrinde
zurückgeführt werden.
Es hat also im vorliegenden Fall eine Läsion der Rinde des mittleren
Drittels der vorderen Centralwindung erhebliche Sensibilitätsstörungen
(die Beeinträchtigung der Motilität ist nur Folge jener) an der linken
Hand verursacht. Der betreffende Rindenabschnitt ist daher als ‚‚Fühl-
sphäre‘“ für die linke Hand im Sinne Munks aufzufassen.
2) Herr Bielschowsky stellt einen Patienten vor mit
Corticaler Ataxie.
Der etwa 40jährige Kranke, früher stets gesund, nicht luetisch, erlitt.
Januar 1890 eine Hemiplegie der rechten Seite. Vorübergehende Aphasie
Rechter Arm und rechtes Bein paretisch.h Der Arm zeigte atactische
Bewegungen. Keine Reizungserscheinungen. Jetzt sind die motorischen
Störungen bis auf eine geringe Schwerfälligkeit in den Bewegungen ge-
schwunden. Grobe Kraft ziemlich gut. Dagegen finden sich eigenartige
Störungen der Sensibilität. Am Arm ist die Berührungsempfindlichkeit,
Schmerzempfindung und Unterscheidungsfähigkeit für Temperatur vor-
handen, jedoch gegenüber der gesunden Seite etwas herabgesetzt.
Der Drucksinn ist vermindert. Es werden zwar Nadelspitze und
Kuppe differenzirt, aber auf die Haut aufgedrückte eckige und
runde Gegenstände nicht sicher unterschieden. Die Lagevorstellung
ist in geringem Grade beeinträchtigt. Der Kranke. giebt, während
die Augen geschlossen sind, an, ob passive Bewegungen mit den
Fingern vorgenommen werden, kann jedoch eine der kranken Extremität
*) Cf. A. Köhler: Apparat zur Projection der Centralfurche auf die Aussen-
fläche des Schädels. Deutsche med. Wochenschrift. 1889. S. 587.
I. Medicinische Abtheilung. 03
gegebene Stellung mit der gesunden nur annähernd richtig nach-
machen. Von besonderer Wichtigkeit für die Diagnose ist die Ver-
änderung der Tast- und Bewegungsvorstellungen. Soll Patient mit ver-
deckten Augen ihm in die Hand gegebene Gegenstände benennen, so
macht er viele Irrthümer. Ein Zündholz hält er für einen Nagel, ein
Stückchen Stearinkerze für eine Bürste, mit einem Korken weiss er gar
nichts anzufangen u. s. w. Einzelne Dinge giebt er richtig an, so
z. B. ein Messer, eine Zündholzschachtel. Lässt man den Patienten bei
offenen, wie bei geschlossenen Augen mit dem Finger nach einer bestimmten
Richtung hinfahren, so macht der Arm heftige atactische Bewegungen,
die denjenigen eines Tabikers ganz analog sind, und erreicht nur mit
Mühe den betreffenden Gegenstand. Complieirtere Bewegungen sind
ganz unmöglich; es gelingt nicht, einen Westenknopf zuzuknöpfen, oder
die Uhr aus der Tasche zu nehmen. Der Kraftsinn hat ebenfalls gelitten,
da Gewichtsunterschiede, die mit der linken Hand recht gut bestimmt
werden, der rechten nicht bemerkbar sind.
An der untern Extremität lassen sich nur geringe Störungen der
einfachen Sensibilität nachweisen. Ataxie ist hier nicht vorhanden. Von
den bekannten Localisationen der Ataxie im Gehirn, um die es sich in dem
Fall natürlich nur handeln kann, schliesst Vortragender das Kleinhirn,
den Pous und die Med, obl. aus und führt aus, dass der Krankheitsherd
in der Gehirnrinde und zwar in der sog. Fühlsphäre des Armes zu
suchen sei.
15. Sitzung vom 17. Juli 189,
1) Herr Barlow spricht:
Ueber die Behandlung der Uterin-Gonorrhoe mittelst Chlorzink-Stift.
Chlorzink bei der Behandlung von Katarrhen des Endometriums ist
schon vielfach in Anwendung gewesen; in der Form Dumont-Pallier’scher
Chlorzinkstifte hat R. Schaeffer aus Berlin dasselbe zum ersten Mal
in Deutschland angewandt. Die Bereitung der Stifte ist folgende: 20 gr
trockenes Chlorzink werden im Mörser verrieben mit einer geringen
Menge Wassers, dann werden 20 gr Roggenmehl unter fortwährendem
Umrühren zugesetzt. Die so gewonnene Masse wird auf dem Pillen-
breite zu Stäbehen von gewünschter Länge und Dicke ausgerollt und
diese müssen mehrere Tage im Exsiccator gehärtet werden. Aufbewah-
rung in Chlorzink - gesättigtem Aether.
Application: Die Stifte werden im Röhrenspeculum bis an den
Fundus uteri per Kornzange geschoben, etwa vorstehende Stücke am
orifieium externum abgeschnitten. Jodoformgazetampon. Patientin kommt
auf 24 Stunden in’s Bett, Diese Behandlungsmethode wurde in 16 Fällen
bei puellis publieis mit chronischer Gonorrhoe des Endometriums (Gono-
94 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
coccen-Befund stets vorhanden) angewandt. Unmittelbare Reactions-
erscheinungen nach Einführung der Stifte sind sehr gering. Nur dreimal
Uterus-Koliken, welehe Morphiuminjeetionen nothwendig machten. Nach
24 Stunden darf die Patientin das Bett verlassen, der Tampon wird
entfernt und die Vagina mehrmals im Tage ausgespült. 6 mal unter den
16 Fällen sind am 5.—11. Tage zum Theil unter Wehen, zum Theil
ohne solche mehr oder weniger vollständige Ausgüsse des Uterus, be-
stehend aus Schleimhaut und einem Theil Muscularis abgegangen. Diese
nekrotischen Stücke färbten sich in Schnittpräparaten recht gut und zeigten
einmal in der Cervicalpartie bedeutende Bacterieneinwanderungen in’s
Gewebe.
In den anderen 10 Fällen kam es zu keiner Nekrose. Was den
Verlauf anlangt, so haben sich 3 mal Atresien des Uterus als Folge-
zustand ausgebildet, 4 mal haben die Patientinnen die Menses regelmässig
wiederbekommen ohne weitere Erscheinungen, 3 mal war die Therapie
erfolglos. Die übrigen Fälle sind erst so kurze Zeit in Behandlung,
dass ein abschliessendes Urtheil nicht gegeben werden kann.
Der Nachtheil der Methode besteht darin, dass man sie nicht an-
wenden darf, wenn man den betreffenden Kranken die Conceptionsmöglich-
keit bewahren will. Bei puellis publieis liegt die Sache ja anders, da
hier die Statistik ausweist, dass dieselben für gewöhnlich steril sind:
sei es nun, dass dies von der Lues oder von den chronischen Katarrhen
des Endometriums, woran so ziemlich alle leiden, herrührt. Aber auch
bei puellis ist diese Therapie nur in verzweifelten Fällen zu gebrauchen,
da dieselbe nicht so zuverlässig wirkt, dass man immer auf eine sichere
Heilung rechnen kann.
2) Herr Neuberger theilt
Erfahrungen über Rectal-Gonorrhoe
mit, welche er auf der kgl. dermatologischen Klinik an 5 Frauen ge-
sammelt hat.
Die Patientinnen, welche er meist nur kurze Zeit beobachten
konnte, boten die verschiedensten Stadien des gonorrhoischen Pro-
cesses dar.
Im Anschluss an diese Fälle erörtert der Vortragende die Aetiologie
der Analgonorrhoe, die zumeist durch den coitus praeternaturalis, ferner
durch den Durchbruch Bartholin’scher Drüsenabscesse in’s Reetum (Fall IV)
und durch das Herabfliessen gonorrhoischen Cervicalsecrets längs des
Perinaeums zur Analöffnung (Fall I) bedingt werde.
Nach einer kurzen Besprechung des Gonococcen-Nachweises (Methode:
Steinschneider-Galewsky), der klinischen Diagnose, der Prognose und
Therapie fasst der Vortragende die aus seinen Beobachtungen und den
I. Medicinische Abtheilung. 95
in der Literatur niedergelegten Angaben gewonnenen Resultate in fol-
senden Sätzen zusammen:
1. Die Rectalgonorrhoe ist bei Frauen und zwar speciell bei Prosti-
tuirten eine viel häufigere Krankheit, als allgemein ange-
nommen wird.
2. Der gonorrhoische Process im Rectum kann leicht zur Bildung
von Geschwüren und Strieturen führen.
3. Zur Diagnose der Analgonorrhoe ist der Gonococcen-Nachweis
unbedingt erforderlich.
16. Sitzung vom 6, November 1891.
1) Herr Boltz stellt einen
Patienten mit Akromegalie
vor,
Der Kranke ist ein 4ljähriger Schaffner, in dessen Familie eine
ähnliche Erkrankung bisher nicht vorgekommen ist. Von seinen Kindern
ist das eine nach 5 Tagen an Krämpfen gestorben, das andere ist ein
gesunder Knabe von 7 Jahren. Er selbst hat als Kind an Herzklopfen
gelitten und später eine Lungenentzündung durchgemacht. Seit dem
1. August klagt Patient über allgemeine Schwäche und bedeutende $Seh-
störungen, welche ihn dienstunfähig machen.
Wie bei den bisher beschriebenen Fällen tritt bei dem Patienten
besonders in den Vordergrund eine Vergrösserung des Gesichts, der
Hände und Unterarme, der Füsse und Unterschenkel.
Die Regio zygomatica erscheint stark eingesunken dadurch, dass
der Oberkiefer und Unterkiefer sehr in die Länge gewachsen sind.
Letzterer überragt den Oberkiefer um 1 cm, so dass die Zahnreihen
nicht aufeinander gebracht werden können, Die Zähne sind gut erhalten,
Lippen, Zunge und Zäpfchen sind sehr vergrössert. Die Zunge zeigt
sehr verlängerte Papillae filiformes, sog. Haarzunge. Der Gaumen ist
sehr tief. Die Haare sind frühzeitig ergraut, im übrigen reichlich im
Gegensatz zu dem spärlichen Schnurrbart, die Haut ist blass, trocken
und schlaff,
Am muskelschwachen Schultergürtel tritt das stark verbreiterte
Akromion und akromiale Ende der Clavicula hervor. Das Sternum ist
normal, die Rippen sind rechtsseitig vorgetrieben. Die Wirbelsäule ist
im Halstheile etwas kyphotisch.
Der Kehlkopf bietet äusserlich nichts Abnormes;; im laryngoskopischen
Bilde erscheint die Epiglottis bis hinten an die Wirbelsäule reichend
und verdickt, beim Inspiriren hebt sie sich nicht. Die Aryknorpel sind
vergrössert und verdickt, die Stimmbänder nicht sichtbar. Die Glandula
thyreoidea ist nicht fühlbar, doch findet sich unter dem Clavicularansatz
96 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
des r. M. Sternocleidomastoideus eine etwa taubeneigrosse Geschwulst,
welche vielleicht als Rest der atrophirten Thyreoidea anzusehen
sein dürfte.
Die inneren Organe sind normal; speciell ist die von Erb gefundene
Dämpfung über dem Sternum nicht nachweisbar.
Sensibilität und Reflexe sind erhalten, die motorische Kraft ist
herabgesetzt.
Die Intelligenz hat sich nicht wesentlich verschlechtert; die Sprache
ist tiefer geworden. Kauen und Schlingen ist normal.
Die sexuellen Funetionen sind seit 7 Jahren erloschen; die Geni-
talien sind normal. |
Das Gehör ist unverändert.
Am auffallendsten sind die Symptome von Seiten der Augen. Pat.
hat im Vergleich zu jetzt früher sehr gut gesehen. Jetzt hat er einen
Nystagmus rotatorius und eine beiderseitige Atrophie des N. opticus.
Als weitere interessante Beobachtung ergab sich eine beiderseitige tem-
porale Einschränkung des Gesichtsfeldes. Eine sodann von Herrn Pro-
fessor Magnus gemachte genaue Aufnahme des Gesichtsfeldes zeigt
deutlich diesen Ausfall.
Zur Erklärung dieses Phänomen muss eine Erkrankung eines
N. opticus ausgeschlossen werden, da diese den Ausfall beider Gesichts-
feldhälften eines Auges zur Folge gehabt hätte; eine Erkrankung ferner
einer Sehsphäre im Gehirn oder eines Tractus opticus würde von dem
Ausfalle zweier gleichseitiger Gesichtsfeldhälften, der sog. homogenen
Hemianopsie, begleitet sein. Im vorliegenden Falle können nur die
gekreuzten Fasern befallen sein, während die ungekreuzten erhalten sind.
Der Herd der Erkrankung kann also nur im Chiasma liegen.
Bei den bis jetzt gemachten Obductionen von Akromegalie sind in
mehreren Fällen Tumoren der Hypophysis, einmal bis zu Hühnereigrösse,
beobachtet worden, Da diese unmittelbar hinter dem Chiasma liegt, so
kann man annehmen, dass durch einen nach vorn wuchernden Tumor
derselben, die inneren gekreuzten Bahnen des Chiasma zur Atrophie
gebracht sind, während die äusseren ungekreuzten nur auseinander ge-
drängt sind und so die beiderseitige temporale Hemianopsie hervor-
gebracht ist.
2) Herr Mikuliez demonstrirt kurz
a) Einen Kranken mit geheilter Resectio pylori.
b) Einen 17jähr. Knaben mit Verkürzung des einen Beines
und Functions-Störung im Hüftgelenk.
Der Vortr. führt diese Abnormitäten auf eine kürzere und plumpere
Gestaltung des Schenkelkopfes und -Halses zurück, wie sie in Folge
schwerer Rachitis zuweilen beobachtet wird.
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I. Medieinische Abtheilung. 97
3) Herr Röhmann hält einen Vortrag:
Ueber die diastatische Wirkung des Blutes und der Lymphe
(nach Versuchen von cand. med. M. Bial).
Bereits Magendie kannte die Thatsache, dass das Blut die Fähig-
keit, Stärke in Zucker umzuwandeln, besitzt. Diese Saccharification
geschieht sowohl ausserhalb des Körpers, wenn man Blut oder Blut-
serum auf Stärkekleister einwirken lässt, wie innerhalb der Blutbahn
nach intravenöser Injection.
Diese Beobachtungen wurden von A. Bernard, Hensen, Schiff,
v. Wittich, Seegen, R. Böhm und Hoffmann bestätigt und dahin
erweitert, dass auch das Blut in entsprechender Weise, wie das Amylum,
vom Blute saccharifieirt wird.
Eine eingehendere Untersuchung derselben Erscheinung stellten
Tiegel und Plösz an. Sie glaubten sich davon überzeugt zu haben,
dass ein saccharifieirendes Ferment nicht im Blutplasma gelöst ist, son-
dern erst nach einer Zerstörung von rothen Blutkörperchen in dieses
übertritt.
Wenn trotz alledem der saccharifieirenden Wirkung des Blutes ein
wie mir scheinen will, nur sehr geringe Beachtung geschenkt wurde,
so hat dies vermuthlich zum Theil seinen Grund in gewissen Angaben
von A, Bernard, v. Wittich, Lepine, Seegen u. A., nach welchen
das diastatische Ferment überall im Organismus verbreitet sei.
Nun hat allerdings Dastre zuerst mit allem Nachdruck darauf hin-
gewiesen, dass die älteren Angaben über saccharifieirende Wirkungen
deswegen nur mit grosser Vorsicht aufzunehmen sind, weil man in den
betreffenden Versuchen keine Maassregeln getroffen hatte, um die Mit-
wirkung von Mikroorganismen auszuschliessen. Aber gerade die Dar-
stellung Dastre’s könnte leicht zu der Annahme verleiten, dass auch
die Saccharification des Amylums durch Blut nur scheinbar durch dieses,
in Wirklichkeit aber durch die sich auf ihm ansammelnden Bacterien
bedingt sei.
Das ist jedoch keineswegs der Fall. In einer grösseren Versuchs-
weise habe ich mich in Gemeinschaft mit den Herren cand. med. Heim
und Harazim davon überzeugt, dass in dem Blut ein Ferment enthalten
ist, welches auch nach Ausschluss jeder Bacterienwirkung Stärke und
Glycerin in Zucker umwandeln,
Die Versuche, welche Herr cand. med. M. Bial im chemischen
Laboratorium des physiologischen Instituts ausführte, bringen weitere
Beweise hierfür,
Wenn man Blut gerinnen lässt, darauf centrifugirt und nun das
Serum auf einen dünnen Stärkekleister überträgt, so lässt sich — auch
wenn man unter völliger Asepsis gearbeitet — sehr bald in demselben
IA | u
98 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Zucker durch die bekannten Reductionsproben nachweisen. Das Blut-
serum wirkt also diastatisch.
Um zu untersuchen, ob auch die rothen Blutkörperchen sacchari-
fieiren, hebt man das Serum mit der Pipette ab, ersetzt es durch
0,6 pCt. Kochsalzlösung, centrifugirt und wiederholt dann diese Opera-
tion noch einmal. Man erhält dann Gemische von Serum und Kochsalz,
welche ein ihrem Serumgehalt entsprechendes Saccharificationsvermögen
besitzen. Die rothen Blutkörperchen erweisen sich als völlig wirkungslos.
Die saccharifieirende Wirkung des Blutserums beruht auf der An-
wesenheit eines diastatischen Fermentes. Es ergiebt sich dies daraus,
dass die diastatische Wirkung durch Kochen vernichtet wird. Ferner
ist der Verlauf der Saccharification ein für eine Fermentwirkung charak-
teristischer: Sie ist zu Beginn eine stärkere und verlangsamt sich in
dem Maasse, als sich die Producte der Fermentwirkung anhäufen. Fällt
man das Serum mit Alkohol, so lässt sich dem Niederschlage das Ferment
durch Glycerin entziehen.
Dieses Ferment ist von allen bisher bekannten diastatischen Fer-
menten insofern verschieden, als es aus Stärke nicht Maltose und Dextrin,
sondern als Endproduct nur Traubenzucker bildet: Als Zwischenproduct
entsteht ein sich mit Jod rothbraun färbendes Dextrin.
Es besitzt die Fähigkeit, Maltose und Achroodextrin (durch Gerste-
diastase gewonnen) in Traubenzucker überzuführen. Dasselbe Ferment
ist in der Lymphe enthalten.
Durch den Beweis, dass in dem Blut ein Ferment enthalten ist,
welches die Fähigkeit besitzt, Stärke, Achroodextrin und Maltose in
Traubenzucker umzuwandeln, wird es erklärlich, warum im Blut bisher
nur Traubenzucker gefunden worden ist.
Das Vorkommen eines diastatischen Fermentes in Blut und Lymphe
sewinnt eine besondere Bedeutung, wenn man bedenkt, dass die Leber
und die Muskeln ein Kohlehydrat (Glycogen) enthalten, welches, sobald
es in Berührung mit dem diastatischen Ferment kommt, nothwendig von
diesem saccharificirt wird. Das Glycogen liegt in den von Lymphe um-
spülten Zellen. Gelangt das Ferment in die Zelle hinein oder kann das
Glycogen von der Zelle in den Lymphraum abgesondert werden? Diese
Frage ist vor der Hand nicht zu beantworten. Wie dem aber auch sei,
so kann für diesen Saccharificationsprocess das Saccharificationsvermögen
der Lymphe nicht gleichgiltig sein. Es wurde deshalb untersucht, ob
sich nicht Aenderungen im Saeccharificationsvermögen der Lymphe nach-
weisen lassen,
Hierbei zeigte sich, dass durch dieselben Eingriffe — Injection von
Pepton, Obturation der unteren Hohlvene — welche in den jüngst ver-
öffentliehten Versuchen Heidenhain’s eine Zunahme des Trockenrück-
standes herbeiführen, eine Erhöhung der diastatischen Wirkung der
I. Medicinische Abtheilung. 99
Lymphe bewirkt wird. Dieselbe tritt nicht ein nach intravenöser Injec-
tion von Kochsalz und nach Unterbindung der Pfortader.
Weitere Untersuchungen müssen zeigen, welche Bedeutung diese
Beobachtungen für den Saccharificationsprocess innerhalb der Organe haben.
4) Herr Richard Stern theilt mit:
Beobachtungen an einem Falle von Tetanus.
Es handelt sich um eine 25jährige Arbeiterfrau, welche am 22. August
d.J. zum zweiten Male entbunden worden war. Geburt und Wochenbett
waren, wie Patientin und ihre Angehörigen angaben, beide Male völlig
normal verlaufen. Am 11. Tage nach der Entbindung stellten sich
Schlingbeschwerden ein, und bald darauf bildete sich eine, an Intensität
rasch zunehmende Kiefersperre aus. Am 13. Tage post partum liess
sich Patientin auf die medizinische Klinik aufnehmen.
Bei der Aufnahme bot sie ein bereits deutlich, wenn auch noch
nicht hochgradig entwickeltes Krankheitsbild dar: charakteristischen Ge-
sichtsausdruck, hochgradigen Trismus, starke Nackensteifigkeit, mässigen
Opisthotonus. Die tetanischen Anfälle traten zunächst nicht sehr häufig
auf. Eine äussere Verletzung war nirgends zu constatiren. Der Uterus
war weich, gross, anteflectirt, nirgends empfindlich. Im cavum uteri
befand sich noch ziemlich viel Decidua, welche von Herrn Dr. Pfannen-
stiel auf Ersuchen des Vortragenden mit der Cürette entfernt wurde,
Die ausgekratzten Massen hatten völlig normales Aussehen und zeigten
im Besonderen keine Zersetzungs-Erscheinungen.
Die Therapie war die gewöhnliche, narkotische. Ausserdem wurde
für ausgiebige Ernährung mit Flüssigkeiten gesorgt; dieselbe gelang
‘ mittelst eines durch eine Zahnlücke eingeführten Gummiröhrchens,
Die Krankheit machte rasche Fortschritte; schon am zweiten Tage
ihres Aufenthalts in der Klinik wurden auch die Muskeln des Bauches
und der Extremitäten ergriffen. Am vierten Tage häuften sich die An-
fälle, die Temperatur stieg auf 40° es trat Tracheal-Rasseln ein, und
in der folgenden Nacht erfolgte der exitus letalis.
Bei der am nächsten Morgen (8. September) von Herrn Dr. Bohn-
stedt im hiesigen pathologischen Institute vorgenommenen Section ergab
sich ausser einer beginnenden Hypostase des rechten unteren Lungen-
lappens nichts Besonderes.
Mit der intra vitam entnommenen Decidua wurden Uebertra-
gungs-Versuche auf Mäuse vorgenommen, Diejenigen Thiere, welche
kleinere, etwa erbsengrosse Stückchen subeutan beigebracht erhielten,
blieben gesund; diejenigen dagegen, welche etwa doppelt so grosse
Stückchen bekamen, erkrankten und starben an typischem Tetanus.
Weder durch mikroskopische Untersuchung noch durch Cultur-Versuche
(nach Kitasato) liessen sich in der Decidua Tetanus-Bacillen nach-
7*
100 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur,
weisen; man muss daher annehmen, dass es sich bei der Uebertragung
auf Mäuse nicht um eine Infection, sondern um eine Intoxication handelte,
Der negative Bacillenbefund in diesem Falle kann nicht überraschen, da
sich die Tetanus-Bacillen nach allen bisher vorliegenden Beobachtungen
sewöhnlich nur an der Invasions-Stelle finden; nur ganz ausnahmsweise
und vereinzelt scheinen sie auch in den übrigen Organen vorzukommen.
Die eigentliche Invasions-Stelle war indess in unserem Falle nicht zu
eruiren. Auch fand Kitasato bei seinen Thier-Experimenten mit Rein-
culturen des Tetanus-Bacillus, dass die Bacillen sogar an der Impfstelle
nur bis 10 Stunden nach der Impfung nachweisbar sind. Unser Fall
ist aber offenbar eine reine Infection mit Tetanus, da keine Spur von
Eiterung oder Sepsis aufzufinden war.
Ferner wurde das (am Tage nach der Aufnahme durch einen Aderlass
sewonnene) Blutserum untersucht. Culturen von dem Blute blieben
steril. Dagegen erkrankten Mäuse, welche 1 ccm des Serums subcutan
injieirt erhielten, an typischem Tetanus; solche, welche 2 ecem bekommen
hatten, starben an demselben. Dies ist somit eine Bestätigung der von
Kitasato und Nissen erhaltenen Resultate. Vortragender ist mit
Untersuchungen über die toxische Wirkung des Blutes bei anderen In-
fections-Krankheiten beschäftigt.
Ein Uebergang des. Tetanus-Giftes in die Milch oder den Urin war
in unserem Falle nicht nachzuweisen.
Herr Silbermann richtet an den Herrn Vortragenden die Frage,
ob derselbe im Verlaufe seiner Untersuchungen vielleicht auch darüber
Aufschluss erlangt habe, in welcher Weise die durch das Tetanusgift
produeirterf Toxine das Blut schädigen, ob sie seine körperlichen Elemente
oder etwa nur das Serum affieiren?
17, Sitzung vom 27. November 1891.
1) Herr Tietze demonstrirt kurz einen Patienten mit einem
Ueber kindskopfgrossen Ranken-Neurom der linken Regio auricularis.
(Ausführliche Veröffentlichung vorbehalten.)
2) Die Herren Biermer und Ponfick berichten
Ueber eine apoplektische Cyste des linken Stirnlappens,
welche sich bei einem 22jährigen Blinden unerwartet gefunden hatte.
Pat. hatte an einer Erkrankung des linken Mittelohres gelitten, welche
aber bis wenige Tage vor dem Tode ganz unbeachtet geblieben und
war nun an diffuser Meningitis purulenta zu Grunde gegangen.
Im Hinblick auf den gewaltigen Umfang der Höhle, welche fast
das ganze Marklager des linken Stirn- und Scheitellappens einnimmt,
glaubt sich der Vortragende berechtigt, eine seit mehreren Jahren beob-
;
EEE FREENET N
I. Medicinische Abtheilung. 101
achtete Schwäche der rechten Unterextremität, sowie öfters wiederkeh-
rendes Kopfweh damit in Zusammenhang zu bringen.
Herr Ponfiek demonstrirt hierauf das frische Präparat. Der in
Rede stehende Herd wird nur von einem ',—1 Cent. dicken Mantel
dicht zusammengepresster Rindensubstanz bedeckt und nach unten hin,
gegen die Ventrikelhöhle sich fast bauchig vorwölbend, nur von dem
überdies stark verdünnten Ependym begrenzt. Da erin der ausgesprochen
motorischen Region liegt, die Präcentralwindung ganz, die postcentrale
zu einem guten Theile unterhöhlt, beide aber erheblich verdünnt hat,
so zweifelt Herr P. nicht daran, dass die von Herrn Biermer hervor-
gehobenen Reizsymptome auf die Druckwirkung seitens der Cystenflüssig-
keit zurückzuführen seien.
Was die Ursache inrer Entstehung anlangt, so macht Herr P. auf
den durch die Anamnese festgestellten Umstand aufmerksam, dass der
Kranke in früher Kindheit von einem Windmühlenflügel getroffen zu
Boden geschlagen worden sei. Hierauf dürfte sowohl die äussere Narbe,
als auch die apoplektische Cyste zurückzuführen sein: letztere in der
Weise, dass jene stumpf wirkende Gewalt eine Zerreissung innerhalb
der subeortiecalen Schichten der linken Grosshirn-Hemisphäre — ein
ohne gleichzeitige Zerstörung der Rindendecke allerdings sehr ungewöhn-
liches Ereigniss — erzeugt habe, — Für die Annahme, dass sich ein
aus Extravasat und zertrümmerter nervöser Substanz bestehender Bezirk
in einen scharf umgrenzten cystischen Sack umgestalte, liegen ja Vor-
bilder genug vor. Freilich muss zugegeben werden, dass das weit häu-
figer bei „‚pontanen“ als bei traumatischen Blutungen des Gehirns
beobachtet wird. Da aber die Wand des Sackes unverkennkare Spuren
davon aufweist, dass hier beträchtliche Blutaustritte stattgefunden hatten
und da zugleich an verschiedenen Stellen der ihm umgebenden Gewebs-
zone ausgedehnte Verkalkung von Ganglienzellen, wie Nervenfasern —
eine bekanntlich vor Ailem nach Traumen zu gewärtigende Umwand-
lung — wahrzunehmen ist, so glaubt Herr P. gleichwohl, die apfelgrosse
Höhle als Ueberbleibsel einer in das Marklager geschehenen
Blutung auffassen zu müssen.
3) Herr Neisser hält einen Vortrag:
Zur Pathologie und Therapie des Eczems.
Die Frage nach dem Wesen und den Ursachen des Eezems hat
keineswegs blos für den Dermatologen eine grosse Bedeutung, sondern
auch für die praktischen Aerzte im Allgemeinen. Allerdings erwachsen
für eine klare Beurtheilung der als Eezem bezeichneten Krankheit da-
durch besondere Schwierigkeiten, dass nicht nur die Frage der Aetiologie
zu den weitgehendsten Differenzen der Autoren Anlass giebt, sondern
ebenso die auf dem rein pathologischen und klinischen Gebiete herrschende
102 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Ungewissheit darüber, welche Dermatosen eigentlich unter den Begriff
des Eczems einzubeziehen seien. In Folge der obwaltenden inneren
Verschiedenheit der klinischen Standpunkte ist es denn auch zur Zeit
kaum möglich, eine Einigung betreffs der Aetiologie herbeizuführen.
Auch heute noch können wir nicht umhin, von der alten Hebra’schen
Anschauungsweise auszugehen, der Grundlage für die Eezem-Lehre auch
der gegenwärtigen Wiener Schule. Sie gipfelt wesentlich darin, dass
ebensowohl von aussen wirkende Ursachen typische Eczeme hervorrufen
können, als ‚innere‘, in der Constitution, im Nervensystem u. s. w.
begründete Momente, welche neben den externen theils direct, theils
den Verlauf eines Eczems bestimmend und verändernd zur Geltung
kommen. Dieser Doctrin der Wiener Schule steht die wesentlich von
französischen Autoren vertretene des constitutionellen Eezems gegenüber,
In engem Zusammenhange mit letzterer steht die Lehre vom Alterniren
eczematöser Eruptionen mit Erkrankungen der inneren Organe.
Ganz besonderes Interesse hat natürlich die von Unna aufgestellte
These erweckt, dass alle Eczeme parasitärer Natur seien. Allein auch
hier glaube ich, Unna’s Anschauung als viel zu weitgehend zurückweisen
zu müssen. Vielmehr halte. ich im Grossen und Ganzen den alten
Hebra’schen Standpunkt auch heute noch für maassgebend. Nur das
sog. „‚soborrhoische Ecezem‘‘ vermag ich als eine, jedoch ganz eigenartige
Mycose aufzufassen. Vielleicht eben darum ist sie indess streng von
den ächten Eczemen zu sondern.
Auf die Therapie übergehend, darf ich unsere modernen Methoden,
bestehend in der Anwendung von Pflaster, Leim, Gelatine und Firnissen
als bekannt voraussetzen. Dagegen möchte ich auf einen neuerdings in
den Handel gebrachten Stoff aufmerksam machen, das Tumenol, welches
ich lebhaft empfehlen kann.
(Der ausführliche Vortrag kommt im Sitzungsbericht des III. Leipziger
Congresses der Deutschen Dermatol, Gesellschaft, Wien 1892, zum Abdruck.)
An der Discussion betheiligen sich kurz die Herren Heiden-
hain, Neisser, Friedr. Müller und Schmeidler.
18. Sitzung vom 4. December 1891.
1) Herr Tietze demonstrirt das Präparat des
Rankenfibroms,
welches dem in der vorigen Sitzung vorgestellten Patienten inzwischen
exstirpirt worden ist.
2) Herr Viertel hält einen Vortrag:
Ueber Cystoskopie.
Meine Herren! Gestatten Sie mir, Ihnen zuerst einen kurzen geschicht-
lichen Ueberblick über die noch junge Speeialität der Cystoskopie zu
I. Medicinische Abtheilung. 103
geben und denselben durch die grossen, vor Ihnen aufgehängten Wand-
bilder zu unterstützen. Sie zeigen Ihnen einestheils die innere Einrich-
tung des Cystoskopes, dessen optischen Apparat und die Bewegungsweise
des Instrumentes innerhalb der Blase, wodurch in schulgerechter Weise das
sanze Blaseninnere schrittweise zur Anschauung gebracht werden kann.
Ferner sehen Sie hier die Gleichgewichtslage des Cystoskopes sowohl
im normalen, wie in dem durch Prostatahypertrophie veränderten Organe
anschaulich versinnlicht. Die moderne, durch Nitze begründete Methode
der Cystoskopie stützt sich auf 2 Neuerungen von grosser Tragweite:
einmal auf die Einführung der elektrischen Lichtquelle in die Blase,
sodann aber auf den im Rohre des Instruments befindlichen optischen
Apparat, welcher das Gesichtsfeld, das ohne ihn nur gleich dem Quer-
durchmesser des eingeführten Rohres sein würde, auf eine Fläche von
der Grösse eines silbernen Fünfmarkstückes erweitert,
Erlauben Sie mir nunmehr, Ihnen an der Hand von anatomischen
Präparaten, Gypsabgüssen und Wandbildern kurz die anatomischen Ver-
hältnisse der Blase ins Gedächtniss zurückzurufen, in erster Linie die
des Blasenbodens und der Ureterenwülste, welche der Blase ihre
Physiognomie aufprägen.
Was nun die Technik der eystoskopischen Untersuchung anlangt,
so kommen für deren erfolgreiche Ausführung zunächst drei Grundbedin-
sungen in Betracht: Durchgängigkeit der Harnröhre für das einzufüh-
rende Instrument, Ausdehnungsfähigkeit der Blase bis auf 100—150 cemtr.
und Klarheit des Inhaltes.
Um der ersten dieser Bedingungen genügen zu können, habe ich in
einem Falle von abnormer Schlankheit der Urethra durch einen Damm-
schnitt die Pars nuda der Urethra freigelegt und sie nach Längseröffnung
in die Hautwunde eingesäumt. Jetzt konnte ich das Cystoskop bequem
in die Blase führen. Dieses Verfahren, das in der Enge der Harn-
röhrenliehtung liegende Hinderniss zu überwinden, ist meines Wissens
von mir zum ersten Male vorgeschlagen und angewendet worden. Auf
Grund einer brieflichen Mittheilung des Herrn Nitze an mich kann ich
übrigens mittheilen, dass die bisher ca. 22 Charriere messenden Cystoskope
in Zukunft auch in einem Kaliber von 15 Charriere construirt werden
sollen: eine Neuerung, die gewiss mit Freuden zu begrüssen ist.
Die durch Prostatahypertrophie erwachsenden Schwierigkeiten be-
stehen hauptsächlich darin, dass der Blasenboden, besonders der soge-
nannte Bas fond sehr schwer zugänglich ist. Da das Cystoskop nicht
dem Blasenboden genähert werden kann, so möchte ich vorschlagen,
den Blasenboden dem Cystoskope durch einen in’s Reetum eingeführten
Petersen’schen Ballon zu nähern,
Bei der Ausübung der Cystoskopie wird man durch Geduld und
Zartheit die Untersuchung oft auch in Fällen durchführen können, wo
104 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
sie von anderer Seite für unausführbar erklärt worden ist. Letzterer
Begriff ist eben nicht minder relativ, wie in gewissen Grenzen der einer
„impermeablen“ Strietur.
Ehe ich den enormen Fortschritt, der durch die Cystoskopie in der
Erkenntniss der Blasenerkrankungen geschaffen worden ist, im Einzelnen
darlege, möchte ich nicht unterlassen, Ihnen an der Hand der bezüg-
lichen Abbildungen die Verhältnisse der normalen und kranken Blase,
die Action der Ureteren, die Befunde bei Fremdkörpern, Steinen und
Blasengeschwülsten zu erläutern.
Was nun die Beschaffenheit des Urins betrifft, so sind die daraus
abzuleitenden Zeichen so wichtig, dass eine Harnanalyse stets das Erste
der Krankenuntersuchung bleiben sollte. Zweifellos giebt sie uns für
viele Fälle, aber nicht für alle, ausreichenden Aufschluss, denn man
kann es einem rothen Blutkörperchen, einem 'Tumorpartikelchen, einem
Tuberkelbaeillus natürlich nicht ansehen, aus welchem Theile der Harn-
wege sie stammen. Vonallenam Kranken selbst anwendbaren Unter-
suchungsmethoden aber ist die Cystoskopie weitaus die schonendste und
weitaus die überlegenste. Handelt es sich doch um eine Exploration,
welche nicht schwerer wiegt, als die Einführung einer Steinsonde, wäh-
rend alle anderen der Reihe nach immer eingreifender und differenter
sind. Es ist ferner eine Methode, welche die Anwendung des höchsten
der fünf Sinne, des Gesichtssinnes, gestattet, welche uns also nicht blos
über die Frage: ob die Blase oder ein anderer Theil des Harntractes
erkrankt sei, Aufschluss giebt, sondern auch genau Sitz, Grösse, Gestalt
und Farbe eines Geschwüres, Steines, Fremdkörpers oder einer Geschwulst
innerhalb der Blase erkennen lässt. So wird die Frühdiagnose der Blasen-
tumoren sicherlich für viele Kranke eine lebensrettende That werden.
Aber auch die Steinzertrümmerung hat durch die Cystoskopie erst
ihren Abschluss erhalten. Nimmt man einige Zeit nach der Operation
die Ableuchtung der Blase vor, so vermag man unschwer, zurückgeblie-
bene kleine Fragmente zu entdecken und durch deren baldige Entfernung
späteren Recidiven vorzubeugen.
Indess sogar über die Blase hinaus, für die Nieren-Chirurgie, giebt die
Methode Antwort. Sie zeigt, ob ein oder zwei Ureteren da sind, ferner,
ob dieselben Harn, ob klaren oder trüben, oder aber Blut resp. Eiter ab-
sondern und gestattet so, wie bei der bekannten Patientin von Senator,
ein bestimmtes und rasches Urtheil in den schwierigsten Fällen. Wie
Nitze in therapeutischer Hinsicht die intravesicale, d. h. ohne blutige
Wröffnung der Blase bewerkstelligte Operation der Tumoren, deren Ent-
fernung per vias naturales als das — von ihm grösstentheils schon
erreichte — Ideal der Cystoskopie bezeichnet hat, so möchte ich in
diagnostischer Beziehung die unter Leitung des Auges vorzunehmende
Katheterisirung eines Ureters als den anzustrebenden Schlussstein des
0 Es N ES EN SEE EEE
I. Medieinische Abtheilung. 105
Gebäudes bezeichnen. Auf letzterem Wege und nur auf ihm lässt sich
in prompter Weise der „Befähigungsnachweis“ einer fraglichen Niere
erbringen, erforderlichen Falles für die andere mit ausreichendem Erfolge
einzutreten.
Auch bei anderen mit Wasser anzufüllenden Körperhöhlen möchte
ich rathen, das Cystoskop anzuwenden, z. B. bei Echinococceneysten, um
durch dasselbe im Verlaufe der Heilung die Abstossung der Blasen etc.
zu controliren.
Zum Schluss gestatte ich mir noch, an dem neuesten, einer nor-
malen Blase genau nachgebildeten Phantome (gleichwie die Instrumente,
gefertigt vom Instrumentenmacher Hartwig in Berlin) das Blutspritzen
eines hämaturischen Inhalt führenden Ureters zu demonstriren, ebenso
die klare Art und Weise, in der das Cystoskop Lage, Gestalt, Farbe
und Grösse eines Blasensteines erkennen lässt.
19. Sitzung vom 11. December 1891.
1) In der
Diseussion
über den Vortrag des Herrn Viertel über Cystoskopie bemerkt
Herr Richter:
Die Mittheilung dürfte von allgemeinerem Interesse sein, dass
es Nitze in der neuesten Zeit gelungen ist, ein Operations-Cystoskop
zu eonstruiren, mit dem er im Stande ist, in der beleuchteten Blase
unter directer Leitung des Gesichtssinnes die mannigfachsten
chirurgischen Eingriffe vorzunehmen. So kann er Aetzungen, Abschnü-
rungen mit dem Drahte, Abquetschungen mit der Zange ausführen, kleinste
Fragmente von Steinen oder Fremdkörpern fassen und entfernen und
Aehnl. Die zangenartige Vorrichtung eines solchen Instruments bei-
spielsweise liegt beim Ein- und Ausführen dem Beleuchtungsrohre eng
an. In der Blase angelangt, werden ihre Branchen durch besondere
Mechanismen frei gemacht, worauf man mit ihnen unter Vermittlung
eines Hebels die vom Auge controlirten exactesten Bewegungen soll
machen können. In entsprechender Weise sollen auch die zum Aetzen,
Abschnüren u. s. w. bestimmten Apparate construirt und mit dem eigent-
lichen Cystoskop in Verbindung gebracht sein. — Freilich vermögen
erst die Erfahrungen in der Praxis den Werth der‘ neuen Instrumente
in vollem Maasse festzustellen.
Weiter betheiligen sich: Herr Mikulicz, Neisser, Viertel und
Rosenfeld,
106 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
2) Herr Neuberger spricht:
„Ueber die sogen. Carunkeln der weiblichen Harnröhre.“
Meine Erfahrungen stützen sich auf 12 Fälle sogen. Carunkeln oder
Polypen der weiblichen Harnröhre, welche ich auf der Klinik des Herrn
Prof. Neisser beobachtet habe.
Während ich in Bezug auf Vorkommen und Sitz, Form und Farbe
dieser Gebilde, ebenso betreffs ihrer klinischen Symptome und der Diffe-
rential-Diagnose den bekannten Thatsachen nichts wesentlich Neues
hinzuzufügen vermag, muss ich hinsichtlich des histologischen Befundes
auf einen interessanten Punkt aufmerksam machen. Bei der mikrosko-
pischen Untersuchung eines Polypen nämlich, welcher einer an acuter
Urethral-Gonorrhoe leidenden Patientin exstirpirt worden war, erhielt ich
folgendes Ergebniss: Im Lumen zahlreich vorhandener Drüsen und zwar
auf abgestossenen Epithelien und Eiterkörperchen, sowie zwischen und auf
den Zellen der Drüsenwandung stiess ich auf eine Unzahl bald kleinerer,
bald grösserer Haufen typischer Gonococcen, wie Sie sich in den vor-
gelegten Präparaten überzeugt haben.
Auf solche Weise wird es leicht begreiflich, dass die Gonorrhoe
in jenem Falle erst nach Entfernung der Carunkel zur Heilung gelangte.
Denn offenbar waren von den Drüsen aus immer von Neuem Gonococcen
auf die umgebenden Schleimhautflächen übergewandert.
Im Hinblick hierauf glaube ich, dass den in Rede stehenden Ge-
wächsen eine grössere Bedeutung zuerkannt werden müsse, als das bisher
geschehen ist. Vor Allem aber bin ich der Meinung, dass immer ihre
operative Entfernung geboten sei, um damit alle verborgenen Gonococcen-
Brutstätten wegzuschaffen.
3) Herr Kaensche theilt das Ergebniss mit von:
Untersuchungen ‚über das functionelle Resultat von Operationen
wegen Carcinoma pylori.
Im Anschluss an den von Herrn Mikuliez im November d. J. vor-
gestellten Fall von Pylorusreseetion wegen Careinoma pylori erlaube
ich mir, Ihnen heute zwei andere Patienten der kgl. chirurgischen Klinik,
welche ebenfalls wegen Careinoma ventriculi operirt worden sind, zu
demonstriren,
Bei dem einen Patienten, einem 4ljährigen Arbeiter, ist am 9. Mai
d. J., also vor 7 Monaten, die typische Pylorusresection ausgeführt
worden, während bei der anderen Patientin, einer 25jährigen Frau, bei
welcher das Carcinom auch einen grossen Theil der kleinen Curvatur
ergriffen hatte, am 31. Juli d, J. die Gastero-Enterostomie nach v. Hacher
gemacht worden ist.
I. Medicinische Abtheilung. 107
Im Auftrage des Herrn Geheimrath Mikulicz habe ich bei diesen
3 Patienten, sowohl vor der Operation, wie auch in verschiedenen
Zwischenräumen nach derselben, den Magen hinsichtlich seiner Functions-
fähigkeit geprüft, und zwar erstreckten sich die Untersuchungen auf die
secretorische, die resorbirende und die motorische Thätigkeit desselben.
Zur Feststellung der secretorischen Verhältnisse erhielten die
Patienten entweder ein Probefrühstück nach Ewald oder eine Probe-
mahlzeit nach Leube-Riegel.
Das Frühstück wurde nach 40—45 Minuten ausgehebert, die Probe-
mahlzeit nach 2!/, Stunden.
Der so gewonnene Mageninhalt wurde dann filtrirt und das Filtrat
hinsichtlich seiner chemischen Beschaffenheit und seiner eiweissverdauen-
den Kraft untersucht.
Die Reaction des Magensaftes war stets sauer, die Acidität betrug
im Minimum 22, im Maximum 44. Freie Salzsäure konnte in keinem
Falle nachgewiesen werden.
Die Verdauungsversuche, die mit feinen Scheibchen von gekochtem
Hühnereiweiss angestellt wurden, ergaben nur bei der einen Patientin,
an welcher die Pylorusresection ausgeführt worden ist, bei Zusatz des
gleichen Volumens einer 0,2 °/, Salzsäurelösung zum filtrirten Magen-
safte ein positives Resultat. Im Uebrigen war bei den beiden anderen
Patienten das Resultat sowohl mit, als auch ohne Salzsäurezusatz stets
negativ.
Zur Prüfung der resorbirenden Thätigkeit der Magenschleimhaut
wurde den Patienten Jodkalium in Dosen von 0,5 gr in Gelatinekapseln
verabreicht und der Speichel auf freies Jod geprüft. Am frühesten trat
dasselbe nach 12, am spätesten nach 18 Min. auf; eine Verzögerung
der Norm gegenüber konnte also nicht nachgewiesen werden,
Die motorische Thätigkeit wurde in der Weise bestimmt, dass die
Patienten Probemahlzeiten erhielten. Es wurde dann durch Ausspülungen
die Zeit festgesetzt, innerhalb welcher die Ingesta den Magen verlassen
hatten. In dieser Beziehung waren die Verhältnisse nach der Operation
grundverschieden von denen vor derselben,
Vor der Operation wurden bei jedem der 3 Patienten durch Magen-
ausspülungen Reste von Speisen entfernt, die nachweislich Tagelang im
Magen verweilt hatten.
In den ersten Wochen nach der Operation bestand ebenfalls noch
eine erhebliche motorische Insufficienz des Magens. Dieselbe ist aber im
Laufe der inzwischen verflossenen Zeit bei den beiden Patienten, an
denen die Pylorusreseetion ausgeführt worden ist, vollständig, bei der
Patientin mit der Gastero-Enterostomie bis auf ein geringes Maass ver-
schwunden. Bei ersteren ist der Magen 5'/), bis höchstens 6'/, Stunde
nach eingenommener Probemahlzeit vollständig leer, bei letzterer fanden
108 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
sich auch noch 7 Stunden nachher, allerdings nur unbedeutende Reste
der aufgenommenen Nahrung.
In der hierüber eröffneten
Discussion
äussert Herr Werther:
Ich möchte den Vortr. auf einen Punkt seiner Versuchsanordnung bei
der Bestimmung der secretorischen Verhältnisse des Magens vor der
Operation aufmerksam machen, der mir nicht ganz einwandfrei erscheint.
Er hat nach der üblichen Probemahlzeit, bei der reichlich Flüssigkeit
(1 Tasse Brühe und 1 Glas Wasser) mitgegeben wurde, nur 2'/, Stunden
bis zur Ausheberung verstreichen lassen und mit der so gewonnenen
Flüssigkeit seine Untersuchungen angestellt. Nun glaube ich nach meinen
eigenen Erfahrungen sowohl, als nach den Angaben Riegels u. A., dass
man selbst beim gesunden Magen nach so kurzer Zeit oft nur einen
durch die Ingesta erheblich verdünnten Magensaft erhalten wird, wobei
man sich dann nicht wundern könnte, selbst bei normaler Salzsäure-
secretion die üblichen Reactionen nicht mehr zu erhalten, In weit
höherem Maasse wird nun diese Fehlerquelle bei Pylorus-Careinomen zu
berücksichtigen sein, wo sich der Entleerung des Magens grosse Hindernisse
in den Weg stellen. Ich glaube daher, dass man, um Magensecret zu
erhalten, die Magenausheberung erst später vornehmen darf, als es Herr
Kaensche gethan hat, eventuell, um den Einfluss der eingeführten
Flüssigkeiten auszuschliessen, eine Probemahlzeit ohne dieselben oder
mit nur sehr geringen Flüssigkeitsmengen geben kann. In manchen
Fällen dürfte auch die Ausheberung des nüchternen Magens besser zum
Ziele führen.
Einen anderen Punkt betreffend, glaube ich durch zwei von mir im
Wenzel-Hancke’schen Krankenhause beobachtete Fälle die Angabe unter-
stützen zu können, dass die Eiweissverdauung bei Ausfall der verdauen-
den Kraft des Magens vom Darm vollkommen geleistet werden kann.
Beide Patienten hatten einen fast pepsinfreien, ausserordentlich pepsin-
armen Magensaft bei gut erhaltener motorischer Kraft des Magens. Die
Fleischnahrung wurde nach normaler Zeit, jedoch unverdaut, in den Darm
weiterbefördert, wobei der letztere, nach dem guten Ernährungszustande
der Kranken zu schliessen, vikariirend eingetreten sein dürfte. Dieser
Zustand wurde in beiden Fällen nicht vorübergehend, sondern durch
längere Zeit beobachtet.
Hierauf erwidert Herr Kaensche: Was den ersten Punkt anbetrifft,
so habe ich die Probemahlzeit deswegen 2!/, Stunden, nachdem sie ein-
genommen worden war, ausgehebert, weil ich der allgemeinen Ansicht
zufolge annahm, dass die Salzsäurereaction im Magen um diese Zeit am
stärksten sei, dass also dann das Auftreten freier Salzsäure, die ich
allein nachweisen wollte, am sichersten zu erwarten sei.
were
1. Medicinische Abtheilung. 109
Hinsichtlich der vom Herrn Vorredner bemängelten Anordnung der
Probemahlzeit möchte ich bemerken, dass man allenfalls das zur Mahl-
zeit verabreichte Glas Wasser fortlassen könnte. Die eingeführte Bouillon,
die hauptsächlich als Vehikel der verabreichten feinen Graupen diente,
erscheint mir deswegen unerlässlich, weil sie erfahrungsgemäss einen
erheblichen Reiz auf die Secretion der Magenschleimhaut ausübt.
Uebrigens habe ich, bevor ich noch die systematischen Versuche
begonnen habe, in Gemeinschaft mit Herrn Dr. W. von Noorden, bei
dem einen der 3 Patienten, dem im Mai operirten Arbeiter, auch Ver-
dauungsversuche vorgenommen, bei denen abwechselnd mit Flüssigkeit
und ohne solche experimentirt worden ist. Das Resultat war hinsichtlich
des Nachweises der freien Salzsäure stets negativ.
Andererseits ist man wohl berechtigt anzunehmen, dass bei der
durch Versuche von mir nachgewiesenen ungestörten Resorptionsfähigkeit
der Magenschleimhaut bei allen 3 Patienten ein ganz erheblicher Theil
der eingeführten Flüssigkeitsmenge innerhalb der erwähnten 2/, Stunden
resorbirt wird,
Zum letzten Punkte möchte ich endlich bemerken, dass die von
dem Herrn Vorredner bei darniederliegender secretorischer und wohl
erhaltener motorischer Function des Magens hervorgehobene gute Ver-
werthung der Nahrungsmittel durch den Darm mit den auch von mir
beobachteten Erscheinungen, was Zunahme des Körpergewichtes, gutes
Aussehen der Patienten etc, betrifft, übereinstimmt. |
4) Bei der nunmehr erfolgten Neuwahl der Secretäre werden
auf Vorschlag des Herrn Heidenhain, statt Zweier künftig 5 zu be-
stimmen, gewählt die Herren Fritsch, Ponfiek, Born, Buchwald
und Mikulicz.
Sitzung der Section für öffentliche Gesundheitspflege
im Jahre 1891.
In der Sitzung am 13. November sprach Herr Professor
Dr. H. Cohn über
Geschichte und Kritik der Breslauer Schulhygiene.
I.
Meine Herren!
Zunächst habe ich um Entschuldigung zu bitten, dass ich bei der
Geschichte der Breslauer Schulhygiene öfter von mir selbst sprechen
muss; allein es geschieht dies nur darum, weil ich jahrzehntelang Gegen-
stand der öffentlichen Angriffe für meine Bemühungen um das Wohl
unserer Schuljugend gewesen bin.
Sollte den älteren der anwesenden Herren vieles von dem, was ich
geschichtlich mittheilen werde, bekannt sein, so bitte ich dies auch zu
verzeihen; die Geschichte kann ja nichts an sich Neues bringen, und
doch ist ein Rückblick selbst für den, welcher eine kampfreiche Zeit
mit durchlebt hat, mitunter gar nicht so uninteressant.
Am 13. November 1865, also gerade heute vor 26 Jahren,
habe ich in diesem Saale meine ersten Mittheilungen über die Augen
der Schulkinder gemacht, und seit diesen 26 Jahren habe ich mich, so
oft ich auch über Themata aus der Schulhygiene hier vorgetragen, doch
stets der vollkommensten Unterstützung wenigsteus seitens der schle-
sischen Gesellschaft zu erfreuen gehabt betrefis der Bestrebungen,
deren Erfüllung ich mir zur Lebensaufgabe gemacht.
In Breslau hatte sich bis zum Jahre 1865 niemand um
Schulhygiene gekümmert. Die Schultische machte der Tischler
und setzte sie hin, wie es ihm gerade passte; alle Kinder derselben
Klasse sassen an demselben Tische. Irgend eine bestimmte Entfernung
von Bank und Tisch gab es nicht; alles war willkürlich und zufällig.
Auf Fenstergrösse achtete kein Mensch. Die finstersten und schmutzigsten
Lokale dienten häufig als Schulzimmer; die Lehrer hatten sich nie
darüber beklagt. Ein ärztlicher Fuss hatte nie eine Breslauer Schule
betreten.
I. Medicinische Abtheilung. 111
Daher war auch das Erstaunen der Lehrer und Schüler so gross,
als ich im Jahre 1865 anfing, die Klassen ärztlich zu inspieiren, wobei
ich mich freilich des liebenswürdigsten Entgegenkommens seitens des
Herrn Oberbürgermeisters Hobrecht und der Directoren zu er-
freuen hatte.
Meine ersten Untersuchungen begann ich hier bei einem befreundeten
Rector, dessen Hausarzt ich damals war. Es war die schauerliche Schule
in der Weissgerbergasse, — die freilich noch heute an demselben
Platze steht!
Der unvergessliche Professor Göppert, damals Präses unserer Ge-
sellschaft, dem ich die Resultate meiner Beobachtungen an den ersten
1000 Schulkindern mittheilte, sagte sofort, die Sache sei nicht gleich-
giltig, und veranstaltete von Seiten der pädagogischen Section am
13. November 1865 eine Versammlung von Lehrern, Aerzten und Be-
hörden in diesem Saale, die so stark besucht war, dass die Nebensäle
geöffnet werden mussten.
Ich trug hier meine Befunde bezüglich der Augen und der Körper-
srössen der Kinder sowie der Schultische und der Fenster vor und
schloss mit den Worten: „Weitere Untersuchungen an noch mehreren
1000 Kindern müssen allerdings erst die vorläufig festgesetzten That-
sachen erhärten; alsdann aber müsste eine gemischte Commission
von Aerzten und Schulmännern die Frage über Einrichtung neuer
Schulen reiflich diskutiren,“
Darauf bat ich diejenigen Reetoren, welche mir Untersuchungen in
ihren Schulen gestatten wollten, mir ihre Namen aufzuschreibeu, erhielt
aber so viel Einladungen, dass ich gar nicht allen Folge leisten konnte,
sondern im März 1366 meine Untersuchungen abschloss, nachdem ich
10 060 Kinder in 166 Klassen geprüft hatte.
Als sich die ersten Mittheilungen durch immer neue Prüfungen zu
Gesetzen über die Zunahme der Kurzsichtigkeit nach Schulkategorien
und nach Klassen gestaltet hatten, wurde am 15. Januar 1866 hier eine
Commission ernannt, welche zunächst Vorlagen über die Verbesserung
der Schulzimmer machen sollte. In diese Commission wurden ge-
wählt 4 Rectoren von Elementarschulen, die Herren Seltzsam, Kühn,
Stütze und Dittrich, 3 Lehrer höherer Anstalten, Professor Marbach,
Rector Bach (jetzt Director des Falk-Realgymnasiums in Berlin) und
Öberlehrer Meister, und 4 Aerzte: Geheimrath Göppert, Professor
Förster, Dr. Asch und ich.
Diese Commission einigte sich zunächst darüber, dass über allen
pädagogischen Rücksichten die der Gesundheit ständen, dass daher das
übliche Certiren aufhören müsse, damit die Kinder nach ihrer Grösse
gesetzt werden könnten; dann machte sie über passende Subsellien und
helle Beleuchtung der Schulzimmer Vorschläge, welche am 29. Januar
112 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
1866 ohne Aenderung von der pädagogischen Section angenommen
wurden. Der Druck dieser Vorschläge verzögerte sich bis März, wo
dieselben unter dem Titel „Zur Verbesserung der Schulzimmer“
an die Behörden von der schlesischen Gesellschaft abgeschickt wurden.
12,
Diesem Promemoria lagen aber nicht allein meine persönlichen
Beobachtungen in den 166 Klassen von 33 Breslauer Schulen zu Grunde,
sondern auch eine Menge von Klagen, welche seitens der Lehrer über
die Dunkelheit anderer Klassen, die ich nicht gesehen hatte, einliefen.
Die Denkschrift ist abgedruckt im Jahresbericht unserer Gesellschaft
für 1866 und in meiner Schrift: „Untersuchung der Augen von
10 060 Schulkindern“, Leipzig, 1867.
Dort heisst es bezüglich der Lichtverhältnise: „Am un-
günstigsten sind gelegen auf der Weissgerbergasse Schule No. 2
und auf der Harrasgasse Schule No. 5, und muss hier das Winkel-
zimmer für die 3. Klasse als vollständig unbrauchbar bezeichnet
werden. In den hier genannten Schulen haben sich die meisten kurz-
sichtigen Schüler vorgefunden; deshalb erscheint die Verlegung
aus diesen engen Gassen auf freie Plätze oder breite Strassen
als dringend geboten.“
Das schrieb die schlesische Gesellschaft 1866; heute, nach
25 Jahren, wird in diesen Schulen noch Unterricht ertheilt!
Ausserdem wurden noch eine Reihe anderer Schulen als nicht
ausreichend hell bezeichnet, darunter 5 Klassen auf der Nikolai-
strasse und einige Vorklassen für das Magdalenen- und Elisabeth-
gymnasium, welch letztere später, allerdings nur für einige Jahre, in
noch dunklere Lokale verlegt wurden.
In der erwähnten Denkschrift heisst es: ‚In vielen dieser Klassen
ist es so dunkel, dass im Winterhalbjahr in den ersten Morgen-, so-
wie in den Nachmittagsstunden Lesen und Schreiben unterbleiben muss.
Ausserdem wird dadurch die Aufrechterhaltung einer guten Diseiplin
wesentlich erschwert, wenn nicht geradezu unmöglich. Durch An-
bringung neuer, event. Vergrösserung vorhandener Fenster
dürften sich die meisten der namhaft gemachten Lehrzimmer in einen
brauchbaren Zustand versetzen lassen. Auch hat sich gezeigt, dass in
Strassen gelegene Parterrelokale zu Lehrzimmern wenig oder gar
nicht geeignet sind.“
Nun ist es doch interessant zu sehen, in welchem Tempo die
hygienischen Verbesserungen in solehen Schulen, die vor 25 Jahren
als die allerschlechtesten bezeichnet wurden, hier in Breslau
vor sich gehen, 25 Jahre hat es gedauert, bis endlich in der aller-
finstersten Klasse in der Harrasgasse die Fenster etwas vergrössert
1. Medicinische Abtheilung. 113
wurden, aber auch nur in einer Klasse, und zwar jetzt vor kurzem,
25 Jahre hat es gedauert, bis man in der Nikolaistrasse die Fenster
verbreiterte und vergrösserte. Und auf denjenigen, der die Geschichte
der Breslauer Schulhygiene schreibt, macht es wirklich einen merk-
würdigen Eindruck, wenn er in dem neuesten officiellen Bericht des
Stadtschulinspectors, Herrn Dr. Kriebel, für das Jahr 1890/91 liest:
„9 Schulen besitzen noch lichtarme Zimmer; die Schulen 11 und 17 am
Wäldehen und 14 an der Harrasgasse sollen von den beiden Uebeln
der Liehtarmuth und des Strassenlärms, mit denen sie in er-
höhtem Maasse behaftet sind, durch Verlegung befreit wer-
den.‘ Also endlich nach einem Vierteljahrhundert!!
Ich wünschte wohl, dass die Spitzen der Schulverwaltung an einem
trüben Vormittage verschiedene Breslauer Parterreklassen besuchen
möchten; dann werden sie mir beistimmen, dass ich derartige Räume
als „Schulhöhlen“ zu bezeichnen das Recht hatte.
Auch der neueste officielle Bericht des anderen Stadtschulinspectors,
Herrn Dr. Handloss, sagt: „Es müssen auch fernerhin noch mancher-
lei Ucbelstände ertragen werden, wie z. B. in den Gebäuden Nikolai-
strasse 63, Klosterstrasse 77 und am Wäldchen.‘“
Ich kann durchaus nicht zugeben, dass man innerhalb 25 Jahren
nicht im Stande gewesen wäre, diese allerschlimmsten Lokale zu be-
seitigen oder wenigstens die Fenster derselben zu vergrössern, oder in
anderen Schulen auf flackernde Gasflammen die nöthigen Cylinder und
Schirme zu setzen. Es fehlte eben der immer wieder auf Ver-
besserungen dringende Schularzt.
Auch bei der mildesten Beurtheilung wird man zugestehen müssen:
„Dieses Tempo der Beseitigung der schlechtesten Lokale
zeugt nicht von warmem Interesse für Schulhygiene.“
Auch sonst wurde das Promemoria der schlesischen Gesellschaft,
welches den Behörden übersendet worden war, wenig berücksichtigt.
Die Denkschrift hob besonders hervor, dass die Verlegung der Schulen
von engen Gassen auf breite Strassen und freie Plätze dringend geboten
sei, und doch baute die Stadt, obgleich auf die ganz schlechten Licht-
verhältnisse des Magdalenen- und Elisabethgymnasiums wiederholt auf-
merksam gemacht war, das neue Magdalenaeum genau wieder an
die alte Stelle vor die hohe Kirche und setzte noch dazu über das Portal
mit grossen Buchstaben die Inschrift: „An dieser Stelle von Grund
aus neu erbaut 1867.
III.
Auch die Vorschläge, welche die Denkschrift betreffs körpergerechter
Subsellien gemacht, fanden keine Beachtung; nur der für die Reform
schon damals begeisterte Director Fickert, der freilich in seinem
finsteren Elisabethgymnasium am meisten zu leiden hatte, liess neue
09 8
I 47
114 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Bänke anfertigen. Dagegen zeigte sich bei der Möblirung des neuen
Johannesgymnasiums 1872, dass die Schuldeputation gerade die
Wünsche der schlesischen Gesellschaft nicht erfüllte. Ich hielt daher
am 31. Januar 1873 vor der vereinigten pädagogischen und medieinischen
Sektion einen Vortrag „über die Subsellien im neuen Johannes-
gymnasium‘‘ und wies nach, wie grade dort den richtigen, allgemein
angenommenen Prineipien nicht Rechnung getragen worden sei. In den
3 Elementarklassen und in Sexta hatte man dasselbe Modell aufge-
stellt, obgleich die Körpergrösse der Kinder in diesen Klassen um fast
?/, Meter schwankte, also 3 Modelle nöthig waren. Von Quinta bis
Prima war in jeder Klasse nur eine Subselliengrösse vorhanden. Ich
hatte am 12. December 1872 die 469 Schüler des Gymnasiums ge-
messen und Knaben von 25—60 Centimeter Grössenunterschied an dem-
selben Tische sitzen sehen. Dass dies in einem neuen Gymnasium
möglich sei, bezeichnete ich als unverantwortlich.
Ferner zeigte ich, dass alle neuen Bestrebungen, die darauf ge-
richtet waren, die Bank beim Schreiben an den Tisch heranzubringen,
eine negative Schreibdistanz zu schaffen, hier bei der städtischen
Schulbehörde gescheitert waren. Nur der Schultisch des Schulrath Bock
in Königsberg wurde von der hiesigen Schuldeputation für richtig con-
struirt erachtet. Für den Schulrath Bock erledigte sich die alle Aerzte
und Fabrikanten damals bewegende Frage, wie man am besten eine
negative Distanz schaffen könne, „einfach“ dadurch, dass die Kinder
wegen der positiven Distanz von Bank und Tisch beim Schreiben auf
der Bank nach vorn rutschen sollten. Dass dabei kein Sitzen,
sondern ein Hocken stattfindet, welches schleunigst zum Zerfall der
Haltung führen muss, hatte der Schulrath Bock nicht gesehen. Mit
diesem neuen „zweckmässigen Schultisch“ des Herrn Bock, der aber
in der Hauptsache der alte schädliche Tisch mit 3—4 Zoll Plus-
distanz war, hatte man das neue Johannesgymnasium ausgestattet. Die
von mir damals aus Spott gebrauchte Bezeichnung „Bock’sche Hock-
bank“ ist später von anderen Autoren als wirkliche Benennung jenes
Möbels in die Litteratur eingeführt worden. Dem Schulrath Bock war
es mehr darum zu thun, dass die Schüler stramm aufstehen konnten,
wenn der Lehrer eintrat; mochten sie dann lieber krumm sitzen!
Aber nicht allein das Johannesgymnasium war mit diesem gräss-
lichen Modelle versehen worden, auch die anderen neuen Schulen
sollten damit bedacht werden, wie im December 1872 in der Stadt-
verordnetenversammlung officiell mitgetheilt wurde, obgleich diese
ausdrücklich den Wunsch ausgesprochen hatte, dass die modernen rich-
tigen Prineipien bei der Anfertigung neuer Schultische zur Anwendung
kommen möchten.
I. Mediecinische Abtheilung. 115
Jenen Vortrag in der vereinigten medicinischen und pädagogischen
Section am 31. Januar 1873 schloss ich daher mit den Worten: „Sind
die pädagogischen Gründe für die Wiedereinführung des alten über-
wundenen Standpunktes wirklich so stringent, so erkläre man doch ein-
fach und offen, dass diese Gründe den Lehrern und Behörden wich-
tiger seien, als die Erhaltung der Gesundheit der Kinder, bemäntle
aber nicht die Sache damit, dass man ausruft, man mache Versuche mit
einem neuen Bock’schen System, das nichts weiter ist als der alte
schädliche Tisch.“
Dieser Vortrag führte dazu, dass sogleich eine Commission von
Aerzten gewählt wurde, welche mit der Schnldeputation gemeinsam
Beobachtungen über das Sitzen an verschiedenen Schultischen anstellen
und dann über gute neue Subsellien berathen sollte. In diese Com-
mission wurden Professor Förster, Professor Auerbach, Dr. Asch
und ich gewählt.
Was die gemeinsamen Beobachtungen anbetrifft, so sind wir
nur ein einziges Mal im Februar 1873 zusammen mit Herrn Stadt-
schulrath Thiel eine halbe Stunde lang in einer Klasse des Johannes-
gymnasiums und eben so lange in einer Klasse einer Volksschule, welche
Bänke mit Nulldistanz hatte, gewesen.
Auch in diesen sassen Kinder von ganz verschiedenen Grössen
an demselben Modell, und ich verwahrte mich sofort vor der etwaigen
Schlussfolgerung, dass, weil auch hier die Haltung schlecht sei, das
Princip des Heranrückens der Bank an den Tisch ein falsches wäre.
Indessen man hielt das Studium dieser wichtigen Frage durch Beobach-
tungen von '/, Stunde Dauer für erledigt.
Gleich in den ersten Sitzungen der Deputation, denen ich beiwohnte,
wurde geltend gemacht: „Auf die paar Zoll Distanz beim
Schreiben käme es gar nicht an.“ Dagegen würde das schnelle
Aufstehen gehindert, wenn die neuen Bänke kämen. Ich wurde über-
stimmt, da die Mehrzahl ja Pädagogen waren. Ich konnte also keinen
Nutzen von weiteren Berathungen sehen, die das wichtigste Prineip
der Reform nicht anerkannten, und schied im März 1873 aus der Com-
mission aus mit einem Separatgutachten, das bei den Acten liegt. Ich
erklärte darin, dass, sobald die Minusdistanz im Prineip abgelehnt
sei, eine nutzbringende ärztliche Thätigkeit bei den weiteren Berathungen
unmöglich wäre, dass ich aber überzeugt sei, die Zeit werde kommen,
wo auch die Breslauer Schulverwaltung zu der Einsicht gelangen werde,
dass grade in der negativen Schreibdistanz der Kernpunkt der Sub-
sellienfrage liege.
Dieses Sondergutachten wurde aber bei den Vorlagen für die Stadt-
verordnetenversammlung von der Schuldeputation nicht abgedruckt.
3*+
116 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
IW;
So beschloss man, immer weiter die Bock’sche Bank einzuführen.
Trotzdem habe ich es an wiederholten öffentlichen Warnungen meiner-
seits wahrlich nicht fehlen lassen. Als im Mai 1874 bei Gelegenheit
der XXI. allgemeinen deutschen Lehrerversammlung in Breslau eine
Ausstellung von Lehrmitteln im Ständehause stattfand, sah man
hier Subsellien von verschiedenen Fabrikanten. Auch der Magistrat
hielt es für angezeigt, eine ‚nach Vorschrift der Breslauer Schulver-
waltung abgeänderte Construction‘ auszustellen. Ich schrieb damals
für die grösseren Zeitungen am 28. Mai eine Besprechung der ausge-
stellten Subsellien und wies nach, dass unter allen Modellen dieses
Magistratssubsellium das einzige nicht zu empfehlende sei. Es
hatte 3 Zoll unveränderliche Plussdistanz, ein zu niedriges Bücherbrett
und ein zu schmales Fussbrett. Ich machte darauf aufmerksam, dass
man an allen übrigen Tischen studiren könne, wie richtige Tische ge-
baut werden müssten.
Diese Besprechung rief einen langen Gegenartikel des Herrn Stadt-
schulrath Thiel in den Zeitungen am 1. Juni 1874 hervor; er ging da-
von aus, dass es auf die paar Zoll Distanz nicht ankommen könne, und
bemerkte, dass auch meine ärztlichen Collegen in der Commission sich
über diese Forderung hinweggesetzt hätten und nicht aus der Commission
ausgeschieden wären, wie ich.
Ich erwiderte darauf in den Zeitungen, dass ein halbstündiger Be-
such einer Klasse kein Studium der Frage sei, dass ich mit allen
Autoritäten, die über diese Frage geschrieben, nach eigenen jahrelangen
Beobachtungen übereinstimme und dass das Wesen der Reform gerade
in der negativen Distanz liege. Auch handle es sich nicht um ein paar
Zoll, sondern um 3 Zoll positiv und 2 Zoll negativ, zusammen um
5 Zoll. Ich könne nur vor dem weiteren Bau so falscher Subsellien,
wie die ausgestellten, warnen.
V.
Auch bei Gelegenheit der Naturforscherversammlung in Danzig
führte ich in einer Rede, die ich in der ersten allgemeinen Sitzung
„über Schrift, Druck und Kurzsichtigkeit“ hielt, die schlimmen
sanitären Verhältnisse unserer alten Schulen vor und empfahl Schul-
ärzte.
Im Jahre 1882 tagte der internationale hygienische Congress in
Genf, für welchen mir das Referat über Sehulärzte anvertraut war.
Ich war verhindert nach Genf zu reisen, sandte aber 18 Thesen ein,
die sich mit den Aufgaben der Schulärzte beschäftigten und sämmtlich
widerspruchslos angenommen wurden.
I. Medicinische Abtheilung. 117
Das Jahr 1884 war für meine Bestrebungen dadurch so wichtig,
dass Professor Leonhard Weber sein ausgezeichnetes Photometer
für Tageslicht fertigstellte und ich nun Gelegenheit hatte, meine
jahrelangen Klagen über die Finsterniss in den hiesigen alten Schulen
mit positiven Zahlen zu belegen.
Ich that dies sogleich in der hiesigen hygienischen Sektion bei einer
Diskussion, die am 8. Februar 1884 stattfand im Anschluss an einen
lichtvollen Vortrag des Professor Förster „über die Grundbe-
dingungen für gute Tagesbeleuchtung‘“. Er hatte durch Be-
rechnung des Einfalls- und Oeffnungswinkels den Baumeistern
ein Mittel an die Hand gegeben, im voraus zu bestimmen, wie hell
die Klasse sein würde. Er hatte aber auch den originellen Vorschlag
gemacht, durch grosse vor den Fenstern angebrachte Prismen das
Licht in den alten finstern Schulzimmern zu verbessern.
Praktischen Erfolg hatte dieser Vorschlag leider nicht; es ist mir
keine Anstalt ausser der hiesigen Universitätsaugenklinik bekannt, in
welcher diese sinnreiche Vorrichtung angebracht worden wäre.
Im Anschlusse an jenen Vortrag teilte ich die erschreckenden
Resultate mit, welche die Liehtmessungen imElisabethgymnasium
ergeben hatten. Dort mussten eine Anzahl Kinder in 13 Klassen
Vormittags 11 Uhr an trüben Tagen bei weniger als 1 Meter-
kerze Helligkeit schreiben! 23°%,, resp. 24", der Schüler im
Elisabeth- und Magdalenengymnasium konnten von ihren Plätzen aus
kein Stück Himmel sehen. —
Ich hatte freilich im Laufe der Jahrzehnte in Breslau einsehen
lernen, dass die eingehendsten akademischen Erörterungen in unserer
Schlesischen Gesellschaft keinen praktischen Erfolg erzielten. Immer
weiter wurden die finstersten Parterreklassen benutzt.
Da entschloss ich mich, allerdings schweren Herzens, die Angelegen-
heit in einem Bezirksverein zur Sprache zu bringen. In demjenigen
der Schweidnitzer Vorstadt schilderte ich am 18. Februar 1884 die
traurigen Beleuchtungsverhältnisse in den beiden alten Gymnasien,
denen die davorstehenden hohen Kirchen das Licht entziehen, und
schloss damit, dass diese beiden Anstalten kassirt werden
müssten.
So viele Dankschreiben ich auch von den Eltern der Schüler jener
Gymnasium erhielt, so vielen Anfeindungen war ich von seiten der
städtischen Verwaltung ausgesetzt. Dieses Verdikt schien ihr ungeheuer-
lich, Ein Herr sagte mir ganz offen: „Als ich diese Forderungen von
Ihnen gelesen hatte, glaubte ich, Sie seien geisteskrank geworden.“ —
In der Stadtverordnetenversammlung wurde von den „übertriebenen‘“
Ansprüchen gesprochen, die ich an die Stadt stelle, und von meinen
„übertriebenen‘ Vorwürfen gegen einzelne Schulen. Von Uebertreibung
118 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
war ja aber nirgends die Rede; das Photometer lügt so wenig, wie das
Thermometer, und es hatte gerade in jenen Schulen trostlose Zahlen zu
Tage gefördert. Man findet sie in meinem Aufsatze: „Tageslicht-
messungen in Schulen“ in der deutschen medizinischen Wochen-
schrift, 1884, No. 38,
Trotzdem zog jener Vortrag gleich eine recht gute praktische
Wirkung nach sich; denn man beschloss in der Stadtverordnetenver-
sammlung am 13. März 1884, die helle Amtswohnung des Directors
des Magdalenengymnasiums in Klassenzimmer umzuwandeln; ein
Curator versprach, dass jetzt die Uebelstände in diesem Gymnasium mit
aller Energie würden beseitigt werden, und man war sogar bereit, eine
Verlegung des Elisabethgymnasiums in Erwägung zu ziehen,
Dann hielt ich noch in der Sitzung des Bezirksvereins für den nord-
westlichen Theil der inneren Stadt am 2, April 1884 einen Vortrag
„über die Nothwendigkeit von Schulärzten in Breslau“
(referirt in der schlesischen und Breslauer Zeitung am 3, April), in
welchem ich betonte, dass ein Vortrag im Bezirksverein oft mehr er-
ziele, als alle Commissionsberathungen, und dass gerade die Bezirks-
vereine "die Ueberzeugung ins Volk tragen müssten, dass es so nicht
weiter gehen könne, dass Geld für die nothwendigen Verbesserungen
der Schulen geschafft werden müsse. Auch legte ich jedem Vater ans
Herz, sich die Localitäten erst anzusehen und sein Kind von finsteren
Anstalten fern zu halten. Die Eltern müssten eben selbst zu der Ueber-
zeugung kommen, dass ein Schularzt nothwendig sei, der sich um die
Einführung und Durchführung der nöthigen Reformen bekümmere.
ar
Dieser Vortrag, in dem ich besonders auf die schlimmen Verhält-
nisse im Elisabethgymnasium hingewiesen hatte, führte wieder zu einem
Zeitungskriege vom 2. bis 9. Mai 1884, und zwar mit dem Director
des Gymnasiums, Herrn Dr. Paech. Ich hatte es unter anderm für
unrecht erklärt, dass der Neubau des 3, Stockwerks, der während der
grossen Ferien vorgenommen worden war, bald nach Beginn des Winter-
semesters schon bezogen wurde. Herr Director Paech fand dies nicht
tadelnswerth und meinte auch, dass die Vorklassen in Bezug auf Be-
leuehtung kaum etwas zu wünschen übrig liessen. Ich erwiderte, dass
kein Medizinaleollegium eine so zeitige Benutzung neuer Schulräume
gestattet haben würde und dass doch die durch das Photometer festge-
stellte Finsterniss sich nicht wegleugnen liesse.
Ich hatte auch später die Genugthuung, in der sehr guten neuen
Schulbauinstruction der Kgl. Regierung zu Breslau vom 23. März
1884 (erschienen im Juni 1884) den richtigen Satz zu finden, dass ein
Neubau nach seiner Abnahme durch die Ortspolizei je nach dem Bau-
I. Medicinische Abtheilung. 119
material, der Ausführung und der Witterung '/, bis °/, Jahr lang leer
stehen und gehörig austrocknen müsse, bevor er benutzt werden dürfe,
Diese Schulbauinstruction, über die ich damals eine ausführliche Kritik
in den Zeitungen veröffentlichte, ist überhaupt eine wirklich lichtvolle
Episode in jenen Jahren.
Sie schrieb auch die Anschaffung richtiger Bänke mit negativer
Scehreibdistanz vor; die neuen Schulen mussten fortan statt der
Bock’schen Hockbank die Hippauf’schen, Höhne’schen oder
Bayer’schen Bänke erhalten. Aber das geschah erst 18384, nachdem
fast 20 Jahre lang unrichtige Subsellien angeschafft worden
waren!
Jene Bauinstruction stützt sich überhaupt auf die neuesten Arbeiten,
und durch sie kann viel Gutes erreicht werden, wenn Organe vorhanden
sind, welche die Ausführung derselben gehörig überwachen.
vl.
Aber auch im ärztlichen Verein des Regierungsbezirks Breslau
war die Schularztfrage schon 1873 zur Sprache gekommen und dort eine
Commission für Schulhygiene gewählt worden, bestehend aus den
Herren DDr. Bahr, Berger, Buchwald, Hirt, Jacobi, Körner,
Schlockow, Steuer und mir.
Wir waren bei den Regierungs- und städtischen Behörden um die
Erlaubniss eingekommen, die Schulen in hygienischer Beziehung unter-
suchen zu dürfen.
Es wurden einige Sitzungen abgehalten, die Arbeit und die Schulen
eingetheilt; einzelne Herren sollten die Bänke, andere die Ventilation,
andere die Augen, andere die Beleuchtung, die Aborte u. s. w. unter-
suchen und Bericht erstatten.
Allein die Commission hat niemals einen Bericht geliefert; grosse
Prüfungen scheinen die Mitglieder nicht vorgenommen zu haben; die
Commission ist einfach eingeschlafen. Nur ich las am 6. September
18834 in einer von Herrn Sanitätsrath Jacobi geleiteten Sitzung die
Ergebnisse meiner Tageslichtmessungen in den mir überwiesenen
Schulen vor, bat um die Erlaubniss, dieselben veröffentlichen zu dürfen,
— denn für frühere Mittheilungen hatte ich nur meine privaten, nicht
die als Commissionsmitglied gemachten Beobachtungen benutzt — und
liess sie, nachdem ich auf dem internationalen hygienischen Congresse
im Haag einige Resultate berichtet hatte, 1884 in der deutschen
medizinischen Wochenschrift No. 38 erscheinen.
VII.
War die Schularztfrage nun auch in der Commission des ärztlichen
Vereins begraben, so tauchte sie um so energischer in der hygienischen
Section der schlesischen Gesellschaft wieder auf, und zwar am
120 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
29. Januar 1886, als Dr. Th. Körner die Mittheilung machte, dass von
60 Schülern einer hiesigen Kleinkinderbewahranstalt in kurzer
Zeit 13 an Diphtherie gestorben seien.
Die hygienische Section theilte bei dieser Gelegenheit die Ansicht,
dass Schulärzte nöthig seien, wünschte eine ergiebige Diskussion über
die Frage und betraute mich mit dem einleitenden Referate.
Die Vorlesung desselben nahm zwei Sitzungen im März und April 1886
in Anspruch; das Referat ist dann auch unter dem Titel: „Ueber die
Nothwendigkeit der Einführung von Schulärzten“ in der Zeit-
schrift für Hygiene von Koch und Flügge, Bd. I und als Broschüre
1886 in Leipzig bei Veit erschienen.
Auch in diesem Referate habe ich meine Ansicht über die gänzlich
fehlende ärztliche Aufsicht und mancherlei Missstände in den hiesigen
Schulen ausgesprochen und bei der Gelegenheit zugleich erwähnt, wie
sern die Königlichen Behörden berechtigte ärztliche Wünsche erfüllen,
wenn sie rechtzeitig selbst von Nichtphysikern vorgebracht werden.
Ich erzählte damals, dass ich zufällig den Baumeister des neuen
Wilhelmsgymnasiums kennen lernte und mit ihm den Rohbau der An-
stalt besichtigte.e Mir erschien alles sehr gut. Ich fragte nach der
Turnballe und hörte, dass in wenigen Tagen der Bau beginnen
solle, und zwar vor dem westlichen Flügel der Anstalt, in welchem
sich die Klassenzimmer befanden. Der Platz vor dem östlichen Flügel,
in welchem die Direcetor- und Schuldienerwohnung liegen, sollte frei
bleiben. Wenn die Turnhalle in der projectirten Weise gebaut worden
wäre, so hätten 6 Schulklassen, 3 im Parterre und 3 im ersten Stock,
für alle Zeiten ihr schönes Licht verloren. Ich wandte mich daher so-
fort privatim an den Herrn Regierungspräsidenten Juncker v. OÖber-
Conreut und die mir bekannten Räthe des Königlichen Provinzial-
schuleollegiums und ersuchte sie, alles aufzubieten, um die Turnhalle
vor den anderen Flügel des Gymnasiums bauen zu lassen, — und in
der That, der Bau wurde unterbrochen, die Pläne gingen nach Berlin
zurück, und nach einiger Zeit kam die Anordnung, dass die Turnhalle
vor der Schuldiener- und Directorwohnung errichtet werden solle. Hätte
ich zufällig den Baumeister einige Tage später kennen gelernt, so
wäre nichts mehr zu ändern gewesen. Sobald aber ein Schularzt erst
im Collegium sitzt, meinte ich, sind derartige hygienische Fehler in den
Entwürfen nicht mehr zu fürchten.
In jenen beiden Vorträgen schilderte ich ferner die Heranbildung
‘und die Aufgaben der Schulärzte in Frankreich, Belgien, Schweden und
Ungarn und schloss damit, dass auch endlich in Breslau solche einge-
führt werden müssten. Gewiss wäre es das beste, wenn die Königliche
Regierung amtliche und besoldete Schulärzte anstellen wollte.
I. Medicinische Abtheilung. 121
Auf Requisition der Stadtschuldeputation kann zwar der Polizei-
präsident und auch der Physikus einschreiten. Aber wie ist es möglich,
dass die drei Physiker in Breslau 164 Schulen überwachen, zumal
sie ja durch so viele andere Amtsgeschäfte in Anspruch genommen und
auf Privatpraxis angewiesen sind? Die neuen Pläne soll der Physikus
allerdings prüfen; aber auf die alten Schulen hat er gar keinen Ein-
fluss, und gerade die Revision der alten Schulen ist ja die Haupt-
sache, mit der begonnen werden muss,
Man sagt, in der Stadtschuldeputation sitzt ein Arzt, das ist
der Schularzt. Aber selbst wenn derselbe nicht ein beschäftigter
praktischer Arzt, sondern ausschliesslich Schularzt wäre, würde er bei
allem Eifer nicht im Stande sein, die 907 Klassen in Breslau zu
revidiren. Mit der Hygiene der Privatschulen und Kleinkinderbewahr-
anstalten hat sich bisher wohl niemand officiell befasst, und doch könnte
auch da manches von dem Schularzte gebessert werden. Dr. Hepner
hat ja mitgetheilt, dass in einer Kinderbewahranstalt in dem einzigen
Zimmer, in welchem über 60 Kinder verweilten, hinter einer spanischen
Wand sieben Nachtgeschirre benutzt wurden. Es giebt ferner Privat-
schulen, die keinen Hof oder Garten haben, so dass die Schülerinnen
beständig in den Zimmern oder in dem engen Corridor bleiben müssen;
es existiren auch da mitunter finstere Klassen u. s. w. Natürlich ist
eine solche Revision weder den Vorstehern von Privatschulen noch von
öffentlichen Schulen angenehm. Die Eifersucht der Directoren auf die
Schulärzte, welche Virchow erwähnt, mag mit einer gewissen Besorg-
niss zusammenhängen, dass alte Schäden unbarmherzig aufgedeckt werden.
Aber eine Revision ist überhaupt niemals angenehm. Man kann wohl
annehmen, dass die Aerzte in ihrem eigensten Interesse, um die Zahl
ihrer Heilungen zu vermehren, in ihren Heilanstalten alles spontan
thun werden, was für die Hygiene ihrer Kranken nutzbringend ist, und
doch müssen auch die Privatheilanstalten, sowie alle öffentlichen Kranken-
häuser sich alljährlich einer Localrevision des Physikus unterwerfen.
Was würden die Physiker, wenn sie pedantisch vorgehen wollten, erst
in den Schulen zu moniren haben! Keinenfalls darf uns die Besorgniss
der Schuldireetoren, dass die Revision unangenehm sei, von dem
Wunsche nach hygienischer Inspection zurückschrecken lassen,
Es befanden sich 1886 in Breslau 164 Schulen mit 907 Klassen
und 48222 Schülern. Schon in Genf wurde die These angenommen,
dass kein Schularzt mehr als 1000 Schüler zu beaufsichtigen haben
solle. Es würden also für Breslau 43 Schulärzte nöthig seien; je mehr,
desto geringer natürlich die Arbeit des einzelnen,
Auf eine private Anfrage, die ich an eine Anzahl hiesiger Aerzte
richtete, von denen ich glaubte, dass sie sich für die Frage interessirten,
erhielt ich von 57 Collegen die Antwort, dass sie bereit seien, die
122 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Stelle eines Schularztes als städtisches Ehrenamt unent-
geltlich zu übernehmen. Gewiss werden sich noch andere Collegen
diesen anschliessen. Aber wenn nur diese 57 fungirten, so würden auf
jeden ungefähr 850 Schüler und etwa 16 Schulzimmer kommen,
Mit dieser Opferwilligkeit von 57 Collegen fiel auch
der letzte Einwand, den man dem Institut der Schulärzte in Breslau
machen konnte, fort. Man hat immer betont, dass der Schuletat der
Stadt Breslau Millionen verschlinge; wie sollte man da noch Mittel für
Schulärzte gewähren können? Nun erboten sich eine so grosse Zahl von
Aerzten gratis für diese Function; es durfte daher den städtischen Be-
hörden wohl nur erwünscht sein, dass sie ohne Lasten für die Stadt von
competenten Männern fortlaufende Berichte über die sanitären Zustände
in ihren Schulen empfangen konnten.
Ueber die Organisation der Schulärzte liess sich streiten; am ein-
fachsten schien es mir, wenn in das Curatorium jeder Schule vom
Magistrat ein Schularzt mit Sitz und Stimme im Curatorium gewählt
würde. Nach den Instructionen für die Schuldeputation vom 1, Juni 1877
und für die Curatorien bestehen diese letzteren aus vier Mitgliedern,
und zwar für die höheren Schulen aus dem Stadtschulrath, dem Director
und zwei von der Stadtverordnetenversammlung auf 3 Jahre gewählten
Herren, für die Volksschulen aus dem Decernenten der Schuldeputation,
dem Rector und zwei anderen Schulvorstehern. Diese Curatorien haben
die Aufsicht über das Schulgrundstück, alle Räume, die Einrichtung,
Ausstattung und das ganze Eigenthum der Anstalt und halten in den
höheren Schulen mindestens alle Vierteljahre, in den Volksschulen
monatlich einmal Conferenzen; doch ist der Vorsitzende verpflichtet,
„auch auf besonders motivirten Antrag eines Mitgliedes
eine Conferenz anzuberaumen.“
Ist der Schularzt erst Mitglied dieses Curatoriums, so kann er seine
Beschwerden und Wünsche monatlich und wenn nöthig noch öfter vor-
bringen, und es unterliegt gar keinem Zweifel, dass die Schuldepu-
tation, in welcher ein Arzt nicht genügt, sondern in der eine An-
zahl Aerzte sitzen sollten, in ganz anderer Weise über die hygienischen
Zustände unserer Schulen in Kenntniss gesetzt werden würde als bisher.
Und der gut informirte Magistrat wird gewiss bestrebt sein, zu helfen
und so schnell als möglich zu helfen.
Schlimmsten Falls wird die beständige Wiederholung der
Klagen durch den betreffenden Schularzt nicht verfehlen, Abhilfe zu
schaffen, während jetzt vielleicht einmal eine Klage laut wird, aber, da
sie nicht immer wiederkehrt, verhallt.
Geldausgaben werden unvermeidlich sein. Denn viele Missstände
sind sehr schwer; einzelne Lokalitäten werden ganz aufgegeben, und
das Mobiliar wird bedeutend geändert werden müssen. Die Gelder
I. Medicinische Abtheilung. 123
werden aber leichter bewilligt werden, wenn einige 50 Schulärzte die
Nothwendigkeit dieser Ausgaben der Bürgerschaft gegenüber bekunden.
Uebrigens füge ich heute hinzu, dass Breslau zu den wenigen deutschen
Grossstädten gehört, die im Jahre 1888 nur 5°, der ausserordentlichen
Ausgaben auf Schulbauten verwendeten, während andere 15—41°/,
dafür ausgaben.')
Wie es Conferenzen der städtischen Bezirksvorsteher, der Schieds-
männer, Armenärzte, Armenpfleger, Waisenpfleger giebt, so werden auch
Conferenzen der städtischen Schulärzte von Zeit zu Zeit stattfinden
müssen, damit die Erfahrungen der Collegen ausgetauscht und wichtige
allgemeine Fragen diskutirt werden können,
Schliesslich beantragte ich:
„Die hygenische Section wolle
1. den Magistrat davon in Kenntniss setzen, dass 57 hiesige
Aerzte zur unentgeltlichen Uebernahme von S$Schul-
arztstellen bereit sind, und
2. denselben ersuchen, in jedes Schuleuratorium, resp. jeden
Schulvorstand einen Arzt zu wählen, der daselbst
Sitz und Stimme hat und diese Stelle unentgeltlich als
Ehrenamt bekleidet.“
IX.
Dies beschloss auch die hygienische Section und betraute die Herren
Geheimen Räthe Biermer, Förster und Jacobi mit der Abfassung
der Eingabe an den Magistrat. Dieselbe lautete:
„Breslau, 2. Juni 1886.
An den Wohllöblichen Magistrat zu Breslau.
Die unterzeichnete Section erlaubt sich einem Wohllöblichen
Magistrat ganz ergebenst den Antrag zu unterbreiten, die Organisation
einer regelmässigen ärztlichen Schulaufsicht für die hiesigen
städtischen und Privatschulanstalten baldigst in geneigte Erwägung ziehen
zu wollen.
Bei den durch mehrere Sitzungen der hygienischen Section geführten
eingehenden Verhandlungen über diesen Gegenstand hat sich innerhalb
der Section eine vollkommene Uebereinstimmung darüber gezeigt, und ist
auch nicht ein Zweifel dagegen laut geworden, dass einerseits zur Zeit
in Breslau wie im ganzen preussischen Staate eine solche ärztliche
Schulaufsicht so gut wie vollständig fehlt und dass andererseits dieselbe
ein dringendes Bedürfniss ist,
Die Section erkennt an, dass der öffentlichen Gesundheitspflege in
den letzten zwei Jahrzehnten, innerhalb deren diese in Deutschland über-
!) Vgl. Statistisches Jahrbuch der deutschen Städte. Breslau, 1890, S. 232.
124 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur,
haupt erst zur Geltung gelangt ist, gerade auch seitens eines Wohllöb-
lichen Magistrats ein verständnissvolles und thatkräftiges Interesse zuge-
wandt worden ist und dass in dieser verhältnissmässig kurzen Zeit gross-
artige sanitäre Werke bei uns erstanden sind, welche Breslau auf eine
hohe Stufe gesundheitlicher Cultur erhoben haben; sie erkennt auch an,
dass andere bedeutende Arbeiten sanitären Charakters in der Anlage
und in der Vorbereitung sich befinden und dass nur eine weise Rück-
sichtnahme auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinde an manchen Punkten
den Fortschritt verlangsamt.
Allein unser Schulwesen scheint uns an den Fortschritten der öffent-
. lichen Gesundheitspflege in zu geringem Maasse theilgenommen zu haben.
Noch bestehen hier höhere Lehranstalten mit dunklen Klassenzimmern,
bei der Wahl der Subsellien wird auf die verschiedene Grösse der
Schulkinder wenig Rücksicht genommen, die Heizungs- und Ventilations-
vorrichtungen sind mehrfach unvollkommen, die Reinigung der Schul-
räume ist vielfach eine ungenügende, vor allem aber fehlt auf diesem
Gebiete die dauernde Einwirkung eines sachverständigen sanitären Be-
obachters und Beirathes, der nicht nur bei der Feststellung des Bau-
planes und der Anschaffung der Schulutensilien gehört werden, sondern
auch die Aufgabe haben müsste, Revisionen aller Schullokale nach
hygienischen Gesichtspunkten vorzunehmen und eine sanitäre Schul-
statistik zu bearbeiten.
Die Erwägung, in welcher Weise die ärztliche Schulaufsicht in den
Rahmen unserer Selbstverwaltung am zweckmässigsten eingefügt werden
kann, wird der Einsicht eines Wohllöblichen Magistrates anheimgestellt
bleiben müssen; wir erlauben uns nur die ergebene Mittheilung zu
machen, dass sich eine grosse Zahl (bis jetzt schon 57) hiesiger Aerzte
bereit erklärt hat, event. die Stelle eines „‚Schularztes“ ehrenamtlich
ohne Entgelt zu übernehmen.
Die Zeit kann nicht mehr fern sein, in der die deutschen Gross-
städte alle eine ärztliche Schulaufsicht in ihre Verwaltung aufnehmen
werden; möge Breslau den Ruhm haben, mit dieser segensreichen Ein-
richtung unter den ersten vorangegangen zu sein!
Die hygienische Section der schlesischen Gesellschaft
für vaterländische Cultur.“
Auf diese Zuschrift ist die folgende Antwort erfolgt:
„Breslau, den 23. October 1886.
Die geehrte Section der schlesischen Gesellschaft für vaterländische
Cultur hat uns in einem Anschreiben vom 2. Juni d. J. den Antrag
unterbreitet, „die Organisation einer regelmässigen ärztlichen Schulauf-
sicht für unsere Schulen in Erwägung ziehen zu wollen.‘
Gern erkennen wir das mit diesem Antrage bekundete Interesse
für unser Schulwesen an und sind für die uns gegebene Anregung dank-
I. Medicinische Abtheilung. 125
bar. Indessen haben wir nach eingehenden Erwägungen und nachdem
wir auch die Organe der Schulleitung und unsere Schuldeputation zur
Sache gehört haben, die Ueberzeugung von der Zweckmässigkeit oder
gar Nothwendigkeit der vorgeschlagenen Massregel nicht gewinnen können.
Dass von unseren bestehenden Schuleinrichtungen manche in
hygienischem Bezuge noch mangelhaft sind, geben wir zu; wir sind in-
dessen nach Maassgabe unserer Mittel bemüht, diese Mängel zu
beseitigen oder doch thunlichst zu mildern, und es dürfte den mit den
bezüglichen Geschäften und Ausführungen betrauten Mitgliedern unseres
Collegiums an der Kenntniss der wichtigsten hygienischen Forderungen
und Grundsätze nicht fehlen. Freilich sind ja diese hygienischen For-
derungen noch vielfach Hypothesen und der Controverse der Fachmänner
unterworfen, also dass noch einige Zeit vergehen dürfte, bis aus dem
Streite der Meinungen allgemein gültige und praktisch unbedenk-
lieh verwerthbare Satzungen hervorgehen werden.
Wir sind ferner der Ansicht, dass, so lange der Staat zu der Frage
einer besonderen ärztlichen Schulaufsicht noch nicht Stellung genommen
hat und die hygienische Beaufsichtigung lediglich als sein Ressort be-
trachtet, den von den Stadtgemeinden anzustellenden Schulärzten be-
stimmte Befugnisse nicht zuerkannt werden können.
Nicht zum wenigsten aber sind es pädagogische Be-
denken, die sich gegen eineärztliche Schulaufsicht erheben,
da durch dieselbe leicht ein gewisses Misstrauen und Vor-
urtheil gegen die Schule in Elternkreisen geweckt und ge-
nährt werden könnte, unter welchem die Autorität derselben
und ihr Erziehungs- und Unterrichtszweck schwer leiden
müsste; es würde nicht ausbleiben, dass der Schule (wie es jetzt schon
geschieht) so mancherlei Schuld und Versehen mit Unrecht zur Last
gelegt werden würde, welches durch Schuld oder doch Mitschuld des
Elternhauses veranlasst ist. Eine sorgfältige ärztliche Ueberwachung
und energische Beeinflussung der häuslichen Kindererziehung, eine
unmittelbare ärztliche Belehrung und Anleitung ungebildeter Eltern zu
einer der Gesundheit der Familie förderlichen Lebensweise und Kinder-
pflege würde nach unserer Ansicht der Schule mehr nützen als eine
ärztliche Aufsicht über die Schule und die Schüler, deren grosse Zahl
ohnehin eine regelmässige und eingehende Controlle ihres Gesundheits-
zustandes unmöglich macht.
Der Magistrat
hiesiger Königlicher Haupt- und Residenzstadt.
Friedensburg. Pfundtner.,
An die hygienische Section der schlesischen
Gesellschaft für vaterländische Cultur
hierselbst,‘
126 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
X.
Dem Magistrat stand zweifellos das Recht zu, die Eingabe der
hygienischen Section abzulehnen; aber was die Mitglieder der Gesell-
schaft so unangenehm berührte, war die prineipielle Zurückweisung
jeder Schulaufsicht mit dem befremdenden Motive, dass die
Schulärzte Misstrauen und Vorurtheil gegen die Schule bei den
Eltern erwecken würden, sowie die Verweisung der Aerzte auf ein
anderes Gebiet nützlicher Thätigkeit. Ausserhalb Breslaus wurde jene
Antwort des Magistrats von Fachmännern, wie Professor Burgerstein
in Wien und Geheimrath Wallichs in Altona, so bitter kritisirt, dass
ich Anstand nehme ihr Urtheil hier mitzutheilen.
Um nichts unversucht zu lassen, wandten sich 25 hiesige Aerzte
am 7. November 1886 an die Stadtverordnetenversammlung mit
einer Eingabe, dass dieselbe beim Magistrat beantragen möge, in jeden
Schulvorstand einen Arzt zu wählen, der freiwillig und unentgeltlich
als Schularzt fungiren solle. Aber auch diese Versammlung lehnte die
Petition ab; man fürchtete eine Invasion von Aerzten in die Schulen;
man meinte auch, die Aerzte müssten erst einen Befähigungsnach-
weis für ihre Kenntnisse in der Schulhygiene vorbringen.
So blieb mir nichts übrig, als alle diese Acten dem Referate bei-
zufügen, das ich in der Schularztfrage für den internationalen
hygienischen Congress in Wien 1887 anzufertigen hatte. Sie werden
für die Geschichte der Schularztfrage stets denkwürdig sein. Man
findet sie in den Arbeiten des Congresses.
Ich stellte für die Wiener Berathung natürlich wieder die These
auf: „In jeder Schuleommission muss ein Arzt Sitz und Stimme haben.“
Der Breslauer Magistrat schickte Herrn Schulrath Pfundtner nach
Wien, um gegen meinen Antrag zu sprechen. Dieser hat auch am
27. September 1887 vor 200 Mitgliedern des Congresses den Antrag
eingebracht, meine These zu streichen. Allein für diesen seinen Gegen-
antrag waren nur zwei Stimmen, die seinige und die eines Lehrers, alle
übrigen Herren nahmen meine These mit einer kleinen redactionellen
Aenderung an.
xl.
Nachdem sich der Magistrat im Prineip so bestimmt gegen jede
ärztliche Aufsicht ausgesprochen hatte, musste es natürlich Erstaunen
erregen, als im Jahre 1883 in den politischen Blättern und in der „Zeit-
schrift für Schulgesundheitspflege“, Bd. I, S. 125 verkündigt wurde, dass
Breslau nun die zweite Stadt in Deutschland wäre, welche einen Schul-
arzt erhalten habe, dessen Instruetionen auch genau mitgetheilt wurden;
und dass Herrn Dr. Steuer die Funetionen des Schularztes übertragen
worden wären,
I. Medieinische Abtheilung. 127
- Freilich war ich nicht in der Lage, einen einzelnen Arzt als den
Schularzt für Breslau anzuerkennen. Ich habe gleich bei der
nächsten Gelegenheit im Februar 1889 im ärztlichen Verein, wo ich
über die neuesten Forschungen auf dem Gebiete der Kurzsichtigkeit
sprach, einen Schularzt, der für 50 000 Kinder von der Stadt Breslau
bestellt wird, offen einen Scheinschularzt genannt und diese Be-
zeichnung 1890, als ich zum Besten der ärztlichen Wittwenkasse am
27. Februar einen Vortrag im Musiksaale der Universität „Ueber die
Schule der Zukunft‘“!) hielt, wiederholt. Natürlich spreche ich nicht
über die Person, sondern nur über die Institution. Wie soll ein
Schularzt 1000 Klassen, 175 Schulen und 50 000 Schulkinder hygienisch
überwachen? Denn selbst wenn der Stadtschularzt sich ganz ausschliess-
lieh der Schulhygiene widmen könnte, würde er nimmermehr, auch nicht
bei herkulischen körperlichen und geistigen Kräften, im Stande sein,
die wünschenswerthe Aufsicht zu üben; denn die Aufgaben sind gar
nicht klein, wie ja in Genf und Wien auf den internationalen Congressen
festgestellt wurde.
In jenem Vortrage „Ueber die Schule der Zukunft, habe ich
auch die mangelhafte Reinlichkeit in unseren Schulen unverblümt
besprochen. Die Zimmer werden blos 2—3 mal wöchentlich trocken
gefegt, d. h. der entsetzliche Staub, den 50 und mehr Kinder mit ihren
unabgebürsteten Stiefeln in die Klassen bringen, wird von einer Stelle
zur anderen geschafft. Nur 3—4 mal jährlich wird nass gescheuert und
gründlich gesäubert. Das ist alles viel zu wenig. Natürlich kann ein
Schuldiener nicht täglich 20 Klassen nass reinigen; dazu gehören mehr
Kräfte. Es ist möglich, dass die 13°, Bindehautkrankheiten der Augen,
die ich hier in Breslau unter den Schülern fand, diesem unerhörten
Staube ihre Entstehung verdanken. Wie kann man von den Kindern
die grösste Sauberkeit verlangen, wenn die Lokale von Schmutz strotzen ?
Wer sich von unserem Schulstaube einen Begriff machen will, den er-
suche ich nur einen Gasarm anzurühren, da wird er seine Hand in
einem schönen Zustande zurückziehen. Dasselbe gilt von den Fenster-
vorhängen; sind sie doch in einer Schule in der Kirchstrasse während
8 Jahren niemals gewaschen worden!
Wie es mit der Reinlichkeit der vor den Fenstern mancher dunklen
Klassen endlich aufgestellten Spiegel aussieht, kann jeder ermessen, der
den Reflex derselben von der Strasse aus betrachtet. Ich habe erfahren,
dass in einer Schule kürzlich die Schüler selbst den schmutzigen
Spiegel vor dem Fenster reinigen mussten und ihn dabei zerbrachen,
%) Hamburg, 1889, Leopold Voss.
128
10.
11.
Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
XL.
Nach den dem grössten Theile der Anwesenden gewiss bekannten
Beschlüssen des Genfer und Wiener hygienischen Congresses und nach
den Instructionen, welche den Schulärzten in anderen Ländern gegeben
werden, kann man von dem Schularzte in Breslau die Beantwortung
nachstehender 50 Fragen verlangen, die auch als Disposition für
die folgende sachliche Debatte dienen dürften:
1:
. Wie viele von den 1000 Schul-
zimmern hat er überhaupt schon
einmal besucht?
In wie vielen derselben hat er
photometrische Messungen ge-
macht?
ZuwelchenverschiedenenZeiten
hat er in denselben Zimmern photo-
metrische Messungen angestellt?
In wie vielen von den 1000 Schul-
zimmern hat er Raumwinkel-
messungeu ausgeführt ?
In wie vielen Zimmern hat er die
Grenze gezeichnet, bis zu welcher
nur die minimale Grösse von 50 Qua-
dratgraden Raumwinkel vorhan-
den ist?
In wie vielen Zimmern hat er das
Tageslicht geringer als 10 Meter-
kerzenund den Raumwinkel kleiner
als 50 Quadratgrade gefunden ?
In wie vielen Zimmern hat er die
Fenster vergrössern lassen, und
in welcher messbaren Weise wurde
dadurch die Beleuchtung verbessert?
In wie vielen dunklen Zimmern hat
er Spiegel oder Prismen vor den
Fenstern anbringen lassen ?
In wie vielen Zimmern hat er sich
von der richtigen Stellung der
Spiegel und der Verbesserung der
Beleuchtung durch dieselben über-
zeugt?
In wie vielen Zimmern hat er das
Vorhandensein und die richtige
Function ‚der Fenstervorhänge
untersucht ?
In wie vielen Zimmern hat er
dunkle Plätze als unbrauchbar für
Schüler bezeichnet?
12.
13.
14.
15.
16.
RT,
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
Wie viele von den 1000 Zimmern
hat er wegen Dunkelheit cassiren
lassen ?
Für wie viele Zimmer hat er Licht-
verbesserungen beantragt und
nicht durchgesetzt?
Wie oft hat er in diesen Fällen seine
Anträge wiederholt?
In wie vielen Zimmern hat er die
Helligkeit bei künstlichem Lichte
gemessen ?
In wie vielen Klassen hat er sich
überzeugt, dass richtige Lampen-
schirme und ganze Cylinder
vorhanden sind ?
In wie vielen Klassen hat er Ver-
mehrung der Gasflammen ver-
anlasst ?
11;
In wie vielen von den 1000 Klassen
hat er die Subsellien gemessen ?
Bei wie vielen der 50000 Schul-
kinder hat er die Körpergrösse
selbst bestimmt?
In wie vielen Klassen hat er sich
überzeugt, dass die aufgestellten
Subsellien den Körpergrössen ent-
sprechen?
In wie vielen Klassen hat er die
Tische nach der Grösse der Kinder
aufstellen lassen ?
In wie vielen Klassen steht nur ein
Bankmodell für alle Kinder derselben
Klasse ?
In wie vielen Klassen hat er die
Kinder bei Beginn des neuen Se-
mesters wieder gemessen und an
andere Subsellien gesetzt?
In ‚wie vielen Klassen sitzen die
Kinder nicht nach der Grösse,
sondern nach den Leistungen ?
a u u Fun
TB A EEZEELEERE3:22LREEN REDET WN
25.
26.
27.
28.
29.
35.
36.
37.
38.
39.
Schularzt zu stellen berechtigt ist,
diese Fragen befriedigend beantworten wird,
I. Medicinische Abtheilung.
In wie vielen Klassen hat er für
verwachsene oder im Wachsthum
zurückgebliebene Kinder Sitzer-
höhungen anbringen lassen?
III.
In wie vielen Klassen hat er das
Functioniren der Ventilations-
vorrichtungen geprüft?
In wie vielen Klassen hat er nach-
gesehen, von wo die Schule die
Ventilationsluft bezieht?
In wie vielen Klassen hat er die
Temperatur bei künstlicher Be-
leuchtung gemessen ?
In wie vielen Klassen hat er die
Heizung geprüft?
In wie vielen der 170 Schulen hat
er die Aborte revidirt?
. In wie vielen Klassen liess er die
Fenstervorhänge waschen?
. Wie oft wurden sle jährlich ge-
waschen ?
. In wie vielen Klassen hat er Spuck-
näpfe gefnnden?
In wie vielen waren die Spucknäpfe
mit Sand, in wie vielen mit Sub-
limatlösung gefüllt?
Wie oft im Monate hat er die
Spucknäpfe frisch füllen’ lassen ?
In wie vielen Klassen hat er die
Reinlichkeitder Schränke, Thüren,
Dielen, Fenster geprüft?
Wie oft im Monate hat er sie in
den 1000 Klassen geprüft?
Wie oft hat er eine Abhobelung
von Schulbänken, welche schieferten,
angeordnet?
Wie oft hat er eine nasse Rei-
nigung schmutziger Schulzimmer
veranlasst ?
129
IV.
40. Wie viele von den 50000 Schul-
41.
42.
43.
44,
45.
46.
47.
48.
49.
50.
XI.
Das sind keineswegs alle Fragen,
Nur wenn der Breslauer Schularzt
kindern hat er bei Beginn des
Schuljahres betreffs Sehschärfe
und Kurzsichtigkeit untersucht?
Welche schlecht gedruckten Schul-
bücher, Lexika und Atlanten
hat er kassirt?
Wie viele Wandtafeln hat er frisch
schwärzen lassen?
In wie vielen der 1000 Klassen ist
er monatlich einmal während
des Unterrichts gewesen?
In wie vielen hat er während des
Unterrichtes Temperatur, Ventilation,
Heizung und Haltung der Kinder
beobachtet?
In wie vielen Fällen hat er sich
selbst überzeugt, dass die Bücher,
Hefte und Kleider der Kinder
nach arnsteckenden Krankheiten
gründlich desinficirt worden sind?
Hat er die Baupläne der neuen
Schulen hygienisch geprüft ?
Hat er auf den Plänen gesehen, dass
in den neuen Schulen in der Fürsten-
strasse und in der Tauentzienstrasse
statt grosser Fenster 24, bezw.
20 kleine Scheiben angebracht
werden sollen?
Hat er dagegen Einspruch erhoben,
da der Raumwinkel dadurch erheb-
lich beeinträchtigt wird ?
Sollen auch in den neu zu er-
bauenden Schulen wieder so kleine
Scheiben angebracht werden ?
Veröffentlicht der Schularzt einen
Jahresbericht über seine Be-
obachtungen und Verbesserungen,
betr. die Schulhygiene in Breslau?
die man an einen wirklichen
werde ich ihn als Schul-
arzt anerkennen; wenn dies nicht der Fall sein sollte, dann bleibe ich
bei meiner Ansicht, dass der Schularzt in Breslau ein Scheinschul-
arzt ist.
Ich habe Anfeindungen, Verdruss und Aerger genug mit meinen
Bemühungen um die Breslauer Schulhygiene gehabt.
Indessen diese
N)
2
.
130 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
alle schrecken mich nicht zurück, auch ferner alle Uebelstände öffent-
lich zu besprechen. Ich bin durch keinerlei amtliche oder persön-
liche Rücksicht in der Freiheit meines Urtheils beschränkt; ich wünsche
auch weder Stadtrath noch städtischer Medieinalrath zu werden.
Die meisten meiner Wünsche habe ich im Auslande längst in
Erfüllung gehen sehen, im Auslande, das mich oft zu Rath gezogen hat.
Nur in meiner Vaterstadt Breslau bin ich ausser in der schlesischen
Gesellschaft immer auf Widerstand gestossen.
Und doch habe ich es — freilich erst nach Jahrzehnten — erlebt,
dass man auch hier einsieht, dass jede finstere Schule geschlossen, dass
die Distanz der Schulbänke beim Schreiben negativ und dass ärztliche
Schulaufsicht eingeführt werden müsse.
Vielleicht erlebe ich auch noch wirkliche Schulärzte, zumal jetzt,
wo unser neuer Herr Oberbürgermeister unpartheiisch das grösste Interesse
allen Zweigen der städtischen Verwaltung zuwendet. Jedenfalls tröste
ich mich bei dem fünfundzwanzigjährigen Jubiläum meiner
Kämpfe mit der Stadt Breslau in dem Gedanken, dass ich für eine
gute Sache gekämpft habe.
In der Discussion verwahrte sich Herr Dr. Simon, ärztliches Mitglied
der Schuldeputation, zunächst dagegen, dass er für Unterlassungs-
sünden der Schulbehörde, die einer früheren Zeit, also vor seiner Mit-
arbeit in der Schulverwaltung, angehören, verantwortlich gemacht werden
könne; aber aueh die an ihm als „‚Schularzt‘“ geübte Kritik träfe nicht
zu, da er eben thatsächlich nicht Schularzt, sondern Medieinalreferent
der Schuldeputation sei; er habe dies bei seinem Eintritt in dieselbe
zur ausdrücklichen Bedingung gemacht. Es sei sehr zu bedauern, dass
Prof. Cohn die alten Uebelstände früherer Jahrzehnte hier ausführlich
von neuem vorgetragen, anstatt darauf Rücksicht zu nehmen, wie die
heutigen Schulverhältnisse tbatsächlich lägen. Nach einer längeren
Auseinandersetzung bezüglich der Steilschriftfrage, betont Herr Dr.
Simon, dass es befremdlich erscheinen müsse, dass Herr Professor
Cohn seine überaus heftigen Angriffe ausschliesslich gegen den Breslauer
Magistrat gerichtet habe; es müsse demselben doch bekannt sein, dass
die Anstellung von Schulärzten an den Gymnasien und Realschulen nicht
zu den Competenzen der städtischen Schulverwaltung, sondern des Pro-
vinzialschulcollegiums gehöre; aber gerade auf den Gymnasien,
nicht nur den städtischen seien ja nach Ansicht des Vortragenden
hygienische Verbesserungen am nothwendigsten.
Schon vor Jahren habe Magistrat für Verlegung des sanitär am un-
günstigsten gestellten Kgl. Friedrichsgymnasium einen neuen Bauplatz
bereit gestellt; vielleicht könne der Vortragende die Spitze seiner Be-
strebungen nach einer andern Seite richten. — Zur Schularztfrage über-
I. Medicinische Abtheilung. 131
gehend, so stände er derselben, allerdings mit gewissen Modifieationen,
sympathisch gegenüber, besonders insofern es sich um mittlere und
höheren Schule handele; anders lägen die Dinge bei den Volksschulen.
Hier sei allerdings die Verwaltung bemüht, das ärztliche Element mehr
heranzuziehen und zwar durch Wahl von Aerzten in die Schulvorstände,
bezw. Curatorien; der Wahl- und Verfassungsausschuss der Stadtver-
ordnetenversammlung fände aber in diesem seinen Bestreben kein grosses
Entgegenkommen. Die Hauptsache bliebe doch für die Volksschulen
eine gründliche schulhygienische Vorbildung der Lehrer und Rectoren,
wobei ärztliche Controllen und Revisionen allerdings erwünscht seien.
Zum Schluss versichert Herr Dr. Simon, dass die Volksschulverhältnisse
Breslaus doch wesentlich andere geworden als es nach den Cohn’schen
Ausführungen den Anschein habe, und dass er aufs sorgfältigste bemüht
sei, die auf schulhygienischem Gebiet bewährten Neuerungen den Breslauer
Schulen zu Nutze zu machen. Den 50 an ihn gerichteten Fragen stellte
er Herrn Prof. Cohn nur eine einzige gegenüber: Wann derselbe das
letzte Mal eine Breslauer Volksschule besucht habe?
Hierauf sprach Herr Dr. Kunisch als einziger anwesender Lehrer
über die mangelhafte Reinlichkeit der Spucknäpfe in den Schulen,
die er als „‚Bacillenzüchter‘‘ bezeichnet, ferner über die Möglichkeit,
dass der Lehrer der Physik eine Anzahl Messungen und Bestimmungen
in der Klasse ebenso gut, wie der Arzt ausführen könne.
In seiner Erwiderung betont Herr Prof. Cohn, dass Herr Dr. Simon
sich ja gar nicht durch die Kritik getroffen fühlen könne, da er eben aus-
drücklich erklärt habe, er sei „gar nicht Schularzt“, sondern nur
„Medicinal-Referent in der Schuldeputation“, Viel wichtiger sei eben
die Thätigkeit von Schulärzten, die alle Locale inspieiren und die vor-
gelegten 50 concreten Fragen beantworten können und wollen, Grade
durch diese Fragestellung habe er Gelegenheit geben wollen, öffentlich
zu zeigen, was denn von ärztlicher Seite wirklich geschehen sei, statt
immer nur allgemeine Versicherungen anhören zu müssen, dass bewährte
Neuerungen eingeführt würden. Durch die Verweigerung der Beant-
wortung der 50 Fragen werde der Sache kein guter Dienst geleistet,
und die einzige entgegengestellte Frage habe gar keine Bedeutung für
die Discussion, da der Vortragende ausdrücklich nur von den alten,
leider hygienisch nicht verbesserten Schulen, von den neuen aber gar
nicht gesprochen habe.
In den Schulen sei er zum letzten Male im Jahre 1884 gewesen,
Doch seien die schlechtesten Localitäten noch heut wie 1884 zu Schul-
zwecken in Gebrauch; auch die verschieden grossen Schüler sitzen an
gleich grossen Subsellien in derselben Klasse gerade wie damals.
Uebrigens seien auch bei den neuen Schulhäusern die Fensterverhältnisse
merkwürdig. So habe man in den ganz neuen Gebäuden an der Fürsten-
132 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
strasse und Tauentzienstrasse statt grosser Scheiben 20—24 kleine
Scheiben und grosse Fensterkreuze angebracht, welche nach den Raum-
winkelmessungen sehr viel Licht nehmen. Schon in Frankfurt a, M.
fand man vor 20 Jahren, dass die schöne Architeetonik den neuen Schul-
häusern 40—50 pCt. Licht raubte. |
Was den Vorwurf betreffe, dass die Angriffe des Vortragenden
immer nur gegen den Magistrat und nicht gegen die Regierung gerichtet
wurden, so sei zu bemerken, dass die ganz schlechten Anstalten städtisch
und nicht königlich seien. An der Beleuchtung des Königl, Friedrichs-
Gymnasiums und des Königl. Wilhelms-Gymnasius könne kaum etwas
getadelt werden, während das städtische Magdalenen- und Elisabeth-
Gymnasium durch die im Vortrage erörterten Finsternissverhältnisse eine
traurige Berühmtheit erlangt haben.
Betreffs der hygienischen Beaufsichtigung hält Herr Prof. Cohn nur
den Arzt und nicht den Lehrer für den geeigneten Mann; er constatirt
zum Schluss, dass thatsächlich ein Schularzt in Breslau noch
nicht vorhanden sei.
schlesischt Gesellschaft ‚für Yaterländische Gultur.
mW Tore
69. II.
Jahresbericht. Naturwissenschaftliche
1891. Abtheilung.
Sitzungen der naturwissenschaftlichen Section.
Sitzung vom 4. Februar 1891.
Ueber neue geognostische Funde in Oberschlesien.
Von ‘
Geheimen Bergrath Althans.
Der Vortragende berichtete über kürzlich bei Schürfbohrungen im
Sand und Kies des Diluviums von Oberschlesien in der Gegend südlich
von Orzesche vorgekommene Geschiebe von Steinkohle und legte ein
aus dem Diluvium stammendes Basaltgeschiebe vor, welches bei Zabrze
gefunden worden ist und ein noch unbekanntes Basaltvorkommen unter
dem Diluvium ÖOberschlesiens nördlich von Zabrze vermuthen lässt. Der-
selbe legte ferner Handstücke von sehr gasreicher Cannelkohle und von
sog. Augenkohle aus den Oberschlesischen Gruben König bezw. Brade vor.
Ueber die Fortschritte in der Anwendung und Darstellung
von Sauerstoff.
Von
Dr. Georg Kassner.
Die Bestrebungen, reinen Sauerstoff darzustellen und ihn für technische
und wissenschaftliche Zwecke zu verwerthen, sind schon ziemlich alt. Sie
ergaben sich von selbst, als man die Eigenschaften des so werthvollen
Gases näher kennen lernte. Indessen scheiterte eine umfangreichere
Anwendung des Sauerstoffs an dem Kostenpunkte. Man verwendete
bisher die enorme Hitze, welche der in reinem Sauerstoff brennende
Wasserstoff, mit einem Worte die Knallgasflamme erzeugt, zum Schmelzen
von Platin und anderen Metallen dieser Gruppe. Ein in jener Flamme
zum Glühen gebrachter Kalkkörper strahlt bekanntlich ein sehr helles
Licht aus, welches unter der Bezeichnung „Drummond’sches Kalklicht“
bisher vielfach von Physikern, Optikern ete. zum Zwecke wissenschaft-
licher Demonstrationen benützt wurde. In neuerer Zeit ist an Stelle
des Kalklichtes das weit schönere Zirkonlicht getreten, welches dadurch
’eU
17
2 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
erzeugt wird, dass man einen Cylinder von Zirkonerde in die Knall-
gasflamme hält. Die Vorzüge der Anwendung der Zirkonerde bestehen
darin, dass sie in der Hitze nicht zusammensintert, sondern unverändert
bleibt, während der Kalk sehr leicht Risse bekommt und abbröckelt;
auch ist das Licht selbst ein helleres.. Auch in der Construction der
hetreffenden Brenner ist eine wesentliche Verbesserung eingetreten. Am
bekanntesten ist wohl der Brenner von Linnemann, der jedoch ziemlich
theuer ist. M. Wolz in Bonn gelang es, einen einfacheren und viel
billigeren Brenner zu demselben Zwecke zu construiren. Es ist bei
demselben die Einrichtung getroffen, dass die Mischung beider Gase
nicht an, sondern vor der Mündung des Brenners brennt, was dadurch
erreicht wird, dass man das Sauerstoffgas etwa fünfzehn Mal schneller
wie das Leuchtgas ausströmen lässt.
In Folge der Kleinheit der intensiv leuchtenden Fläche lässt sich
das Licht durch Linsen oder Hohlspiegel sehr günstig concentriren und
auf weite Entfernungen hin wirksam machen. Ist der leuchtende Zirkon-
körper einmal im Brennpunkte eines Linsensystems fixirt, so behält er
diese Stellung stundenlang bei. Darum empfiehlt sich das Zirkonlicht
gerade bei der Anwendung für feinere Projectionsapparate. Der Vor-
tragende demonstrirte die Schönheit und Vorzüge des Zirkonlichtes an
einem derartigen Brenner unter Benutzung von comprimirtem Sauerstoff,
wie er jetzt in Stahleylindern, welche mit einem sinnreich construirten
Reductionsventil versehen sind, unter einem Druck von hundert Atmos-
phären in den Handel gebracht wird. |
Gegenwärtig besitzt die Anwendung des Zirkons zu Beleuchtungs-
zwecken nicht mehr bloss wissenschaftliches, sondern in hohem Grade
auch allgemeines praktisches Interesse,
Da die Leuchtkraft des gewöhnlichen Gaslichtes ohne Vermehrung
seiner Wärme vierzigmal verstärkt werden kann, sobald man ihm das
gleiche Volumen Sauerstoff zuführt und einen massiven Zirkoneylinder
hineinhält, ergiebt sich von selbst die ausserordentliche Wichtigkeit
dieser neuen Lichtquelle. Sie giebt an Stärke dem elektrischen Bogen-
licht nichts nach und ist dem Auge angenehmer, da sie nicht so viele
violette Strahlen enthält wie jenes.
Laut privater Mittheilung ist gegenwärtig eine grosse Fabrik der
Eisenbranche in Baden damit beschäftigt, das Zirkonlicht zur Strassen-
beleuchtung einzuführen.
Wie die Sachen also liegen, kommt es lediglich auf die Möglich-
keit der Beschaffung biligen Sauerstoffs an. Nun, auch in dieser
Richtung sind grosse Fortschritte zu verzeichnen.
Zunächst erwarben sich die Gebrüder Brin, Engländer, das Verdienst, das
alte Verfahren Boussingaults, aus Baryumsuperoxyd Sauerstoff zu bereiten,
so auszuarbeiten, dass es sich für fabrikmässigen Betrieb eignete. Die
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II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 3
Nachtheile, welche ihm bisher anhafteten, bestanden darin, dass das
angewandte Baryumoxyd nach mehrmaliger Regeneration erheblich an
Wirksamkeit verlor, da es in der Hitze zusammensinterte und schon
durch geringe Mengen Kohlensäure und Wasserdampf in der zur Ab-
sorption gelangenden Luft entwerthet wurde.
Durch Anwendung sinnreicher Apparate unter Benutzung von Va-
cuumpumpen zur Absaugung des absorbirten Sauerstoffes und von Com-
pressionspumpen behufs der Aufnahme desselben aus der Luft gelang
es den Gebrüdern Brin mit einer constanten Temperatur von etwa
700—800 Gr. C. auszukommen und dadurch jenen erwähnten Uehel-
stand der Zusammensinterung zu vermeiden.
Aber viele andere Fehler, welche in der Sache selbst lagen, konnten
auch durch dieses Arrangement nicht beseitigt werden, vor allem blieb
bei Anwendung des Brin’schen Verfahrens die Thatsache bestehen, dass
bei jedem Arbeitsgange immer nur höchstens acht Procent des im
Baryumsuperoxyd enthaltenen Sauerstoffs gewonnen werden; es war
somit jedesmal eine erhebliche Menge todter Masse zn erhitzen. Ferner
muss auch in der Brin’schen Anwendungsweise das Baryumoxyd bezw.
-Superoxyd sorgsam vor jeder Spur Kohlensäure und Wasserdampf be-
hütet werden, was wieder zur Folge hat, dass die Bearbeitung dieses
Körpers nur in einem System dichtschliessender Retorten vorgenommen
werden kann, wodurch die Anlage selbst kostspielig wird; abge-
sehen davon, dass alle durch den Apparat zu treibende Luft vorher von
jenen Körpern durch chemische Mittel befreit werden muss,
Trotz aller dieser Uebelstände sind doch in London, Manchester,
Paris und Berlin Fabriken errichtet worden, welche sich mit stets
wachsendem Erfolge mit der Darstellung von Sauerstoff aus der atmo-
sphärischen Luft befassen, ein Beweis, dass ein mannigfacher Bedarf an
diesem Gase vorhanden ist und dass ein anderes Verfahren zur tech-
nischen Darstellung von Sauerstoff, welches die oben erwähnten Mängel
nicht besitzt, einer umfangreichen praktischen Anwendungfähig sein müsste.
Ein solches neues Verfahren zur Darstellung von Sauerstoff aus
der atmosphärischen Luft ist nun von dem Vortragenden aufgefunden
worden, es stützt sich auf die Anwendung des von ihm entdeckten
bleisauren Kalks. — Bereits in einer früheren Sitzung hatte der
Vortragende berichtet, dass sich Sauerstoff gewinnen lasse, wenn man
den bleisauren Kalk mit Sodalösung kocht, die dadurch gebildete Natron-
lauge behufs anderweitiger Verwendung entfernt und das zurückbleibende
Gemisch von Bleisuperoxyd und kohlensaurem Kalk gelinde erhitzt.
So wichtig diese Reaction auch für die chemische Industrie sein
mag, bei welcher eine Verwendung der als Nebenproduct gebildeten
Natronlauge stattfinden kann, so wirkt doch eine Verwendung solcher
Zwischenkörper, wie Soda u. dgl. dann störend, wenn man es nur auf
1*
a Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
die Erzeugung von Sauerstoff für metallurgische und andere grossartige
Verwendungszwecke abgesehen hat.
Es war daher eine der Sache sehr förderliche und ergänzende
Beobachtung, dass der Sauerstoff in direeter Weise aus dem bleisaurem
Kalk gewonnen werden kann, sobald man über denselben in glühendem
Zustande reine Kohlensäure leitet. Diese Beobachtung ist zum grössten
Theil der Firma Friedrich Krupp in Essen zu verdanken, welche sich
für die Darstellung von Sauerstoff aus bleisaurem Kalk interessirt und .
seit einiger Zeit mit dem Verfahren des Vortragenden beschäftigt.
Man kann sich also vorstellen, dass der in einem Schachtofen in
Form grober poröser Stücke enthaltene bleisaure Kalk, bald .nach seiner
Entstehung aus dem Gemisch von äquivalenten Mengen Bleioxyd und
kohlensaurem Kalk, durch Einblasen von Luft auf dunkle Rothgluth ab-
gekühlt und nun in der Weise zersetzt wird, dass man von unten her
Kohlensäure eintreten lässt, welche den Sauerstoff verdrängt und vor
sich hertreibt.
Das zurückbleibende Gemenge von Bleioxyd und kohlensaurem
Kalk besitzt noch ganz die Form poröser Stücke und geht durch Er-
hitzen an der Luft bald wieder in bleisauren Kalk über.
Bei dieser Modification des Verfahrens entstand aber bald die
Frage, wo man die erforderlichen grossen Mengen reiner Kohlensäure
hernehmen soll. Ein Theil derselben lässt sich zwar durch überhitzten
Wasserdampf leicht aus dem Reaktionsgemisch abscheiden, aber ein
wohl eben so grosser Theil muss dem Prozess von Neuem wieder zu-
geführt werden.
Bei dem Bestreben, eine befriedigende Lösung dieser so wichtigen
Frage zu erlangen, machte der Vortragende die weitere Entdeckung,
dass der bleisaure Kalk ausserordentlich leicht auch durch Ofen-
gase zerlegt wird, sobald man dieselben in feuchtem Zustande und bei
mittlerer Temperatur anwendet. Zwar gelingt es hierbei nicht, Sauer-
stoff in einer einzigen Operation zu erhalten, dafür aber wird bei dieser
Combination die Kohlensäure nahezu kostenlos erhalten. Es entsteht
auf diese Weise zunächst ein Gemisch von Bleisuperoxyd und kohlen-
saurem Kalk, welches dann bei Behandlung mit erhitztem Wasserdampf
reinen Sauerstoff liefert.
Es steht zu erwarten, dass in Zukunft der Sauerstoff zu vielen
Zwecken benützt werden wird, nachdem die Verfahren seiner Darstellung
aus der atmosphärischen Luft so wesentlich vervollkommnet worden sind.
Wenn die Bemühungen einzelner Industrieller zeigen, dass die Dar-
stellung des Sauerstoffs bereits für hüttenmännische Zwecke in
Aussicht genommen worden ist, so ist um so sicherer seine ausgedehnte
Verwendung im Beleuehtungswesen zu erwarten. Wahrscheinlich
wird bereits die nächste Zukunft hierüber die Entscheidung bringen.
42
er
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 5
Anknüpfend an diese auf einen Masseneonsum berechnete Methode
zur Darstellung von Sauerstoff erwähnte Dr. Kassner noch kurz sein im
vorigen Jahre bekannt gegebenes Verfahren, Sauerstoff im Kleinen
und in gänzlich gefahrloser Weise für Lehr- und Schulzwecke darzu-
stellen.
Er zeigte, dass es vortheilhafter ist, die einzelnen Componenten,
Baryumsuperoxyd und Ferrieyankalium, nicht in einer Mischung anzu-
wenden, sondern erst das Baryumsuperoxyd mit etwas Wasser zu ver-
mischen und dann das Ferrieyansalz hinzuzugeben. Die Firma
H. Trommsdorf in Erfurt bringt dementsprechend von jetzt ab die
einzelnen Bestandtheile für sich und in den geeigneten Verhältnissen ab-
sewogen in den Handel.
Ueber Dampfspannungs-Verminderung.
Von
Professor Dr. Dieterici.
Der Vortragende berichtete über neue Beobachtungen bezüglich
Dampfspannungsverminderung, welche in Wasser gelöste Salze hervor-
bringen und über die Consequenzen, die aus diesen Beobachtungen für
die Theorie der Thermodynamik sich ergeben.
Die von ihm ausgeführte Untersuchung ist in Wiedemans Annalen
der Physik B. 41 1891 veröffentlicht.
Ueber Citral und Geranial.
Von
Th. Poleck.
Geheimrath Poleck theilte im Anschluss an seinen letzten Vortrag
über deutsches und türkisches Rosenöl die neuesten von
Dr. Semmler in Greifswald auf diesem Arbeitsgebiete erhaltenen Re-
sultate mit, aus denen zunächst hervorgeht, dass der im Citronenöl ent-
haltene, höchst siedende Antheil, der von der Firma Schimmel u. Co,
in Leipzig unter dem Namen Citral in den Handel gebracht wird, iden-
tisch ist mit dem Aldehyd des Geranials und damit auch wahrscheinlich
mit der analogen aus dem Rosenöl enthaltenen Verbindung und dass er
wie diese zwei Aethylenbindungen enthält und bei der Oxydation glatt
in dieselbe Säure übergeht. Dieses mit dem Geranial identische Citral
scheint in den ätherischen Oelen sehr verbreitet zu sein. Eine zweite
sehr bemerkenswerthe Thatsache ist die Dr. Semmler gelungene Ueber-
führung des Geranials in Cymol vermittelst saurem, schwefelsauren
Kaliums unter Abspaltung von Wasser, ein Process von hoher theore-
tischer Tragweite, da hier unter Ringschliessung der Kohlenstoffatome
6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
ein glatter Uebergang eines Methanderivats mit zwei Aethylenbindungen
zu einem Benzolderivat, dem Cymol, mit drei Aethylenbindungen vor-
liegt. Der Aldehyd aus dem Rosenöl wird höchst wahrscheinlich das-
selbe Resultat geben, während es inzwischen gelungen ist, auch aus dem
Rosenöl durch Schmelzen mit Kaliumhydroxyd Isovaleriansäure zu er-
halten.
Sitzung vom 18. März 1891.
Ueber silberhaltigen Bleiglanz im Kaukasus.
Von
Dr. von Trautschold.
Der Wirkliche Staatsrath Professor Dr. von Trautschold sprach
(in Ergänzung seiner vorjährigen Mittheilung) über das Vorkommen des
silberhaltigen Bleiglanzes im Kaukasus. Die am Austritte des Ardon
aus der Bergkette gelegene Hütte Alagir liefert jährlich nach dem
offieiellen Bericht des Bergamtes in Tiflis 335 Pud Silber neben 9500 Pud Blei.
Das Bergwerk selbst befindet sich auf der Contactzone des Granits und
Thonschiefers nahe dem Ausflusse des Ssadon in den Ardon. Nächst-
dem schilderte der Vortragende die Ausdehnung seines Ausfluges weiter
den Ardon hinauf bis zum Tsei-Gletscher, welcher in einer engen Thal-
schlucht von dem 10000 Fuss hohen granitischen Adaichoch herab-
kommtund sein Wasser ebenfalls dem Ardonzuführt. Schliesslich machte der
Vortragende darauf aufmerksam, dass unter den Namen „Kaukasus“
auch die transkaukasischen Höhenzüge einbezogen würden, was nicht
' gerechtfertigt wäre, da letztere einem besonderem Bergsystem ange-
hörten und sie überdies durch die Thäler der Kura und des Rion streng
von der Kaukasus-Kette getrennt wären.
Ueber Kohlenwasserstoffe der Methanreihe aus ätherischen
Delen und deren Aufbau in der Pflanze.
Von
Privatdocent Dr. Semmler.
Nachdem es gelungen war nachzuweisen, dass es Campferarten
giebt, welche der Methanreihe angehören, und nachdem aus dem Gera-
nial, welches zu dieser Klasse von Verbindungen gehört, Cymol erhalten
worden war, trat der Gedanke nahe, ob nicht in der Pflanze ähnliche
Processe stattfinden. Es war dem Vortragenden klar, dass die Pflanze
aus chemischen Verbindungen, welche der Methanreihe angehören, die
Benzolderivate, welche wir in dem Organismus der Pflanze antreffen,
darstellt, indem Wasserentziehung stattfindet; und zwar entstehen auf
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 7
diese Weise sowohl die Benzolderivate selbst, als auch die hydrirten Benzol-
abkömmlinge, zu welchen z. B. die Terpene gehören.
Ist diese Hypothese richtig, so darf kein Benzolderivat in der
Pflanze vorkommen, welches alle sechs Wasserstoffatome substituirt
enthält, alle Benzolderivate müssen mit anderen Worten das an das
sechste Kohlenstofiatom des Benzolkerns- gebundene Wasserstoffatom
noch als solches aufweisen. Als das erste Kohlenstoffatom bezeichne
ich dasjenige, welches mit C, H, oder einer analogen Seitenkette ver-
knüpft ist. Unter der grossen Anzahl von Benzolderivaten, welche
bisher aus der Pflanze isolirt sind, widerspricht kein einziges dieser
Regel.
Ferner wurden Versuche über den Aldehyd angeführt, welcher sich
in dem aus Rainfarn gewonnenen ätherischen Oele vorfindet. Schon
Bruylants hat einige Daten über diesen interessanten Körper gegeben;
jedoch konnte er zu keiner Formel gelangen. Der Vortragende suchte
zunächst festzustellen, ob der Adehyd zu den olefinischen Campferarten
gehört; dagegen sprachen die physikalischen Eigenschaften durchaus.
Denn nach einer früher vom Vortragendn aufgestellten Regel beträgt
das specifische Gewicht dieser Klasse von Verbindungen ca. 0,86—0,90;
vorliegender Aldehyd aber zeigte bei 15° C ein specifisches Gewicht
von ca. 0,92.
Gehörte der Aldehyd aber nicht zu den olefinischen Campherarten,
so musste derselbe der Repräsentant einer ganz neuen Klasse von Ver-
bindungen sein; und zwar musste er ein Aldehyd darstellen, welchem
ein hydrirter Benzolkern zu Grunde liest. Da nun aber sowohl das
physikalische, als auch das chemische Verhalten dafür sprachen, dass
keine doppelte Bindung vorlag, so musste auch ein neues Benzol, welches
2 doppelte Bindungen und eine sogenannte Pavabindung enthält, zu er-
warten sein. Die Versuche sind noch nicht abgeschlossen, es verspricht
aber die weitere Untersuchung darüber Gewissheit herbeizuführen, dass
wir in der That nicht ein einziges Benzol anzunehmen haben, sondern
mehrere, welche sich durch die Art der Bindungen von einander unter-
scheiden. Ferner haben wir demnach ein zweites Cymol anzunehmen;
der Vortragende hofft in nächster Zeit über dasselbe weiter berichten zu
können.
Dass die olefinischen Campferarten unter den durch die Pflanze
hervorgebrachten chemischen Verbindungen weit verbreitet sind, zeigt der
Umstand, dass auch der Hauptbestandtheil des Rosenöls, das Rhodinol,
sowie die Hauptbestandtheile der Oele, welche aus den prachtvollen
indischen Grasarten gewonnen werden, sämmtlich zu dieser hoch-
interessanten Gruppe von Verbindungen gehören. Es hat diese Gruppe,
namentlich ihre Umwandlungsproducte, ein neues Licht geworfen auf die
Art der Entstehung der Benzolderivate in der Pflanze.
8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Schliesslich zeigte der Vortragende aus den Rohölen von Pflanzen
der verschiedensten Art dargestelltes Citral vor, den Träger des
charakterischen Geruchs unserer Citrusarten,
Ueber echtes Macassar-Oel.
Von
Th. Poleck.
Geheimrath Professor Dr. Poleck theilte die Resultate einer
chemischen Untersuchung des Macassar-Oels mit, welche im pharma-
ceutischen Institut von dem verewigten Apotheker Thümmel begonnen
und von dem Assistenten am Institut, Herrn Kwasnik, beendet
worden war.
Das echte Macassar- oder Mangkassar-Oel besitzt in seiner Heimath,
dem südweslichen Theil der Sunda-Insel Celebes, einen grossen Ruf als
Haarwuchs beförderndes, Schinnen und Ekzeme beseitigendes Mittel und
ist in früheren Jahren bereits nach Deutschland eingeführt worden.
Doch gelangten als solches meist Falsificate in den Handel, Mischungen
von Coeosnussöl mit anderen Oelen, welche mit den Blüthen der Cananga
odorata, einer Anonacee oder Michelia Campaca, einer Magnoliacee
parfümirt waren, auch wurden vielfach unter diesem Namen inländische,
mit beliebigen Riechstoffen versetzte und mit Alcannaroth gefärbte Oele
verkauft. Vor ungefähr fünf Jahren wurde von dem bekannten grossen
Handlungshause Gehe & Co. in Dresden echtes Oel eingeführt und
steigerte sich von da ab die Zufuhr von Jahr zu Jahr.
Das eehte Oel stammt aus dem Samen der Schleichera trijuga
Willd., eines auf den Sunda-Inseln wachsenden, reich belaubten Baumes
der Sapindaceen mit essbaren Früchten und einem festen schönen Nutz-
holz. Es ist bei gewöhnlicher Temperatur halbflüssig, von gelblich
weisser Farbe und schwachem Geruch nach Bittermandelöl. Eine
chemische Untersuchung des Oels fehlte bisher. Zu der in Rede
stehenden Arbeit wurde sowohl käufliches, von Gehe & Co. bezogenes,
wie auch solches im pharmaceutischen Institut aus Samen dargestelltes
Oel benutzt. Die Samen verdankt das Institut der Freundlichkeit des
Herrn Elden, Direetor des Colonial-Museums in Harlem, und Herrn
Dr. Schuchardt in Görlitz.
Diese Samen enthalten kein Stärkemehl, dagegen ca. 68 pCt. fettes
Oel, das durch Petroläther ausgezogen wurde, während durch Pressen
der von der Schale befreiten Samen nur 45,8 pCt. erhalten werden
konnten. Das Oel war in beiden Fällen von Butterconsistenz, gelber
Farbe und mildem Geschmack. Sein Schmelzpunkt lag bei 21—22 Gr.,
während die beim längeren Stehen des Oels sich ausscheidenden festeren
Glyceride erst bei 28 Grad schmolzen und unter dem Mikroskop als
u) SA ze
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 9
feine Nadeln erschienen. Freie Blausäure konnte mit Leichtigkeit in
dem Oel nachgewieseu werden. Die fetten Säuren waren mit Ausnahme
von 3,14 pCt. freier Oelsäure als Glyceride vorhanden und zwar wurden
darin 70 pCt. Oelsäure und von festen fetten Säuren 5 pCt. Palmitin-
säure und 25 pCt. Arachinsäure, die charakterisische Säure des fetten
Oels der Arachis hypogaea L. der in den Tropenländern einheimischen
Erdnuss gefunden. Laurinsäure war nicht vorhanden und von flüchtigen
Säuren konnte nur Essigsäure, aber keine Buttersäure nachgewiesen
werden.
Die vorhandene Blausäure wurde direct im Oel und im Samen be-
stimmt. Das erstere enthielt 0,05—0,030, die letzteren 0,62 pCt.
Amygdalin konnte in dem Samen nicht nachgewiesen werden, wohl aber
dessen Zersetzungsproducte, Blausäure, Benzaldehyd und Traubenzucker.
Auch kleine Mengen Rohrzucker konnten aus den Samen krystallisirt
abgeschieden werden. Die Samen der Schleichera stehen nicht isolirt
bezüglich ihres Gehalts an Blausäure, ohne dass in ihnen gleichzeitig
Amygdalin nachgewiesen werden konnte. Wir verdanken dem von der
holländischen Regierung im Jahre 1888 errichteten und mit dem rühm-
lichst bekannten botanischen Garten in Buitenzorg auf Java verbundenen
chemisch-pharmacologischen Laboratorium, dessen erster Bericht von
seinem Dirigenten M. Greshoff im Anfang dieses Jahres im Druck er-
schienen ist, den Nachweis einer ganzen Anzahl javanischer Pflanzen,
die blausäurehaltig sind, ohne gleichzeitig Amygdalin oder dessen Zer-
setzungsproducte zu enthalten und welche den verschiedensten Pflanzen-
familien angehören. Nach diesem ersten Bericht beurtheilt, verspricht
das Buitenzorger Laboratorium reichen Gewinn für die Wissenschaft,
um so mehr, als die dankenswerthe Absicht vorliegt, auch die euro-
päischen Laboratorien mit Material zu Untersuchungen auf diesem Ge-
biete zu versorgen.
Sitzung vom 13. Mai 1891.
Ueber die Constitution des Atropins und seine Synthese.
Von
A. Ladenburg.
Geheimrath, Professor Dr. A. Ladenburg sprach über die Con-
stitution des Atropins und die Versuche zu seiner Synthese.
Als der Vortragende seine Untersuchung begann, war die chemische
Natur des Atropins so gut wie unbekannt und nur ein Versuch war
von Kraut und von Lossen ziemlich gleichzeitig ausgeführt worden,
der in dieser Beziehung wichtig genannt werden kann: die Spaltung des
10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Alkaloids dnrch verdünnte Alkalien oder Säuren, wobei einerseits Tropin
C, H,, NO, andererseits Tropasäure C, H,, O, entsteht nach der
Gleichung:
C,H, NO, +H,0=C,H, NO + C, H,o 95.
Dem Vortragenden ist es nun gemeinschaftlich mit Dr. Rügheimer
gelungen, die Constitution der Tropasäure festzustellen, und ihre voll-
ständige Synthese auszuführen. Diese Untersuchungen, welche im ein-
zelnen beschrieben werden, führen für diese Säure zu der Formel:
CO, H
C, H, CH CH, OH,
so dass dieselbe als eine & Phenyl ß Oxypropionsäure angesehen
werden kann.
In zweiter Linie musste die Aufgabe gelöst werden, aus den Spal-
tungsproducten des Atropins dieses zu regeneriren. Dies gelang in der
That und zwar durch Behandlung von tropasaurem Tropin mit ver-
dünnter Salzsäure auf dem Wasserbad. Damit war gleichzeitig eine
Methode gegeben zu Gewinnung einer ganzen Reihe von dem Atropin
ähnlichen Alkaloiden, indem man statt der Tropasäure andere organische
Säuren bei Gegenwart von Salzsäure auf das Tropin einwirken liess.
Diese neuen Alkaloide wurden Tropeine genannt und ziemlich eingehend
untersucht. Eines derselben verdient eine besondere Beachtung. Es
entsteht aus Tropin und Mandelsäure und hat, da es mit dem Atropin
homolog ist, den Namen Homatropin erhalten. Dasselbe wirkt wie das
Atropin mydriatisch, doch, da die Wirkung von viel kürzerer Dauer
ist, so wird es jetzt vielfach in der Augenheilkunde benutzt, namentlich,
wenn es sich um Augen-Untersuchungen handelt.
Die Bildung der Tropeine wirft ein eigenthümliches Licht auf die
Natur des Tropins, das sich dabei wie ein Alkohol verhält, und in der
That kann es auch in anderer Hinsicht mit einem Alkohol verglichen
werden. Für derartige Basen, welche gleichzeitig Alkoholfunection, d.h.
eine OH-Gruppe besitzen, wurde der Name Alkine eingeführt.
Die Bildung des Tropidins und des Tropinjodürs, zu deren Be-
schreibung der Vortragende dann übergeht, geben weitere Gründe für
die Alkinnatur des Tropins.. Das Tropidin entsteht durch Einwirkung
von concentrirter Salzsäure oder Schwefelsäure auf das Tropin, es ent-
hält ein Molekül Wasser weniger als dieses und hat die Formel C, H,, N.
Es ist eine starke, wie Coniin riechende, bei 162° siedende Base, die
sehr schöne Salze bildet. Das Tropinjodür entsteht beim Erhitzen von
Tropin mit rauchender Jodwasserstoffsäure und amorphem Phosphor auf
140°, Sein Jodhydrat bildet farblose, in Wasser schwer lösliche Kry-
stalle von der Formel C, H,, NJ,. Nach seinem ganzen Verhalten
darf dasselbe als das Salz einer jodhaltigen Base C, H,, NJ angesehen
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 11
werden und diese entsteht ganz ähnlich aus dem Tropin, wie Jodäthyl
aus Alkohol.
Man hat C, H, (OH) Alkohol C, H,, N (OH) Tropin
C, H, J Jodäthyl C, H,, NJ Tropinjodür.
Wird dieses Tropinjodür mit Zinkstaub und verdünnter Salzsäure
redueirt, so erhält man eine bei 166° siedende Base von der Formel
C, H,, N, die Hydrotropidin genannt wurde. Auch diese ist durch
schöne Salze charakterisirt. Sie ist wie das Tropin und Tropidin tertiärer
Natur. Beim Erhitzen ihres Chlorhydrats im Salzsäurestrom geht sie
aber unter Entwickelung von Chlormethyl in eine secundäre Base, das
Norhydrotropidin C, H,, N über, die selbst krystallisirtt und ein
krystallinisches Nitrosamin liefert. Dadurch ist das Vorhandensein einer
an Stickstoff gebundenen Methylgruppe in dem Tropin geführt. Da
schliesslich das Norhydrotropidin bei der Destillation seines Chlorhydrats
mit Zinkstaub in «-Aethylpyridin übergeht, das schon früher von dem
Vortragenden synthetisch dargestellt wurde, so ist damit die Constitution
des Tropins und daher auch des Atropins ziemlich vollständig ermittelt.
Sie lassen sich durch die Formeln
C, H, (CH.CH, OH) NCH, und
27.:/0H.:CH, .0,C0.6CH IC, H.1,CH, .0H) NCH,
darstellen.
Der Redner geht dann zu den Versuchen über, welche die Synthese
des Atropins bezweckten, bemerkt aber gleich, dass diese nicht zu Ende
geführt sind. Er ging dabei von dem «-Picolin aus, das er schon früher
gemeinschaftlich mit Lange synthetisch dargestellt hatte. Dasselbe
wurde durch Erhitzen mit Wasser und Formaldehyd auf 120° in Picolyl-
alkin verwandelt. Dies ist eine sirupöse Base, die nur im luftverdünnten
Raum destillirt werden kann und unter einem Druck von 10 mm bei
120° übergeht. Ihre Formel ist C, H, (CH, .CH, OH) N. Diese Base
lässt sich durch Natrium und Alkohol redueiren und liefert“ dann das bei
232° siedende Pipecolylalkin C, H, (CH, .CH, OH) NH. Diese ist eine
starke, etwas nach Piperidin riechende, krystallisirende secundäre Base,
von der einige Salze dargestellt werden konnten. Wird sie in wässriger
Lösung mit methyl-schwefelsaurem Kalium erwärmt, so erhält man das
v Methylpipecolylalkin C, H, (CH, .CH, OH) NCH,. Dieses siedet auch
bei 232°, krystallisirt aber viel schwieriger und steht in seinen Eigen-
schaften dem Tropin sehr nahe, Da es auch dieselbe Constitution und
nur zwei Atome Wasserstoff mehr enthält, so wurde es Hydrotropin ge-
nannt. Interessant ist es, dass man daraus durch Einwirkung von Tropa-
säure und Salzsäure eine dem Atropin ähnlich wirkende, mydriatische
Base darstellen kann,
Zur Synthese des Tropins handelte es sich jetzt nur noch um die
Entziehung zweier Wasserstoffatome. Dieses ist auch durch Oxydation
12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
möglich, doch ist dabei vorläufig nicht Tropin selbst, sondern eine da-
mit nur isomere Base erhalten worden. Dieselbe siedet 30° niedriger
als Tropin und krystallisirt nicht. Ihr Platinsalz sieht aber wie Tropin-
platin aus und sie wurde deshalb vorläufig Paratropin genannt.
Diese Versuche werden fortgesetzt, da gegründete Aussicht vor-
handen ist, aus dem Hydrotropin zum Tropin zu gelangen.
Ueber topographische Karten Oberschlesiens.
Von
Geheimen Bergrath Althans.
Der Geheime Bergrath Althans legte einige auf dem König-
lichen Oberbergamte gezeichnete topographische Karten von der Gegend
bei Gleiwitz, Peiskretscham, Orzesche, Rybnik und Loslau vor, auf
welchen die durch Schürfbohrungen nachgewiesene Oberfläche des Stein-
kohlen-Gebirges in ihrem, von tiefen, durch jüngere wasserreiche
Schichten erfüllten, vormaligen Thälern durchzogenen Relief dargestellt
ist. Diese Auflagerungen bestehen im nördlichen Theile dieses Gebietes
aus Trias, im südlichen aus Tertiärschichten. Dieselben senken sich
gegen Westen und Süden nach dem Oderthale hin, tief unter den Meeres-
spiegel. Aber auch in der Richtung von Rybnik nach Osten zieht sich
eine solche Thalschlucht nach der Weichsel hin, deren Tiefe durch eine
bei Zawitz südöstlich von Orzesche im Tegel 650 m niedergebrachte
Bohrung noch nicht ergründet werden konnte. Während der gegen-
wärtige Bergbau sich hauptsächlich auf den inselartig über den jüngeren
Schichten hervorragenden Erhebungen des Steinkohlen-Gebirges zwischen
Zabrze, Beuthen, Dombrowa und Myslowitz, zwischen Orzesche und
Nicolai, bei Rybnik, bei Mährisch-Ostrau, Hultschin und Karwin bewegt,
stehen hiernach dessen Ausbreitung in den zwisckenliegenden, aus-
sedehnten, von der mächtigen, wasserreichen Auflagerung bedeckten
Gebieten erhebliche Hindernisse entgegen.
Sitzung vom 10, Juni 1891.
Ueber Venezuela.
Von
Dr. Gürich.
Privatdocent Dr. Gürich erstattete einen Bericht über Venezuela,
wo er sich von Juli 1890 bis Januar 1891 zum Zwecke von Minen-
untersuchungen aufgehalten hatte. Nach Besprechung von Lage und
Begrenzung geht der Vortragende näher auf die Gliederung des Ge-
bietes ein. Venezuela umfasst das im Süden gelegene Hügelland von
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 13
Guayana, dann die weiten Ebenen des Orinoco und seiner Zuflüsse —
also die eigentlichen Llanos und schliesslich einen nördlichen durchaus
gebirgigen Theil. Dieser zerfällt in zwei Theile. Von Westen her aus
Columbien treten die Anden in ihrem letzten Ausläufer in Venezuela ein,
nämlich in der Sierra Nevada de M£rida, erreichen aber in einer Linie
Jaracui-Cojedes ihr Ende. Jenseits dieser Senke beginnt darauf ein
anderes Gebirge, das den ganzen östlichen Theil der Küste des Landes
begleitet; es ist das karibische Küstengebirge. Letzteres ist charak-
terisirtt durch den Parallelismus seiner Ketten, durch Längsthäler und
Querriegel, während in den eigentlichen Anden eine fächerartige Aus-
breitung und Abspaltung der Gebirgsketten herrscht. Durch diese eigen-
thümlichen Reliefverhältnisse wird das Flusssystem bedingt. Bezeichnend
sind ferner die tief in’s Land eingreifenden Meerbusen, wie derjenige von
Maracaibo; die weiter östlich folgenden stehen zu charakteristischen
quer verlaufenden Senken des karibischen Gebirges in naher Beziehung.
Anschliessend hieran werden dann die Verhältnisse des Binnensees von
Valeneia besprochen. Der Vortragende selbst hatte nur den nördlichen
gebirgigen Theil des Landes kennen gelernt und kam nach Süden nur
bis an den Rand der Llanos.
Von Vegetationsformen sind zu unterscheiden: Die Sabannenform
der Llanos, ganz verschieden z. B. von den Grassteppen Afrikas; die
Cactus- und Mimosenvegetation regen- und wasserarmer Flächen und
besonders von Küstengebieten; Urwälder und zwar je nach der Höhen-
lage: Palmengürtel in den Niederungen; die Palmen bilden zwar keine
Bestände, aber doch einen wesentlichen Bestandtheil dieser üppigsten
Laubwälder; der Vortragende hatte sie vorzugsweise längs der Eisen-
bahn von Tucacas nach Barquisimeto zu beobachten Gelegenheit gehabt.
Am Gebirge folgen darüber Urwälder, mit Baumfarnen und mit Cin-
choneen, wie sie der Vortragende z. B. am ÖOstende der Anden
kennen lernte.
Darauf folgt eine Alpenmattenvegetation, die der Päramos, der
höchsten Andenrücken oberhalb der Baumgrenze,
Wichtig für das Landschaftsbild sind die Anpflanzungen der Cultur-
gewächse. Durch die zum Schutze der Nutzpflanzen gepflanzten hohen
Schattenbäume sehen die Kaffee-, sowohl wie die Cacaopflanzungen
waldähnlich aus; die ersteren allenthalben in den Gebirgsthälern, die
letzteren in den Niederungen. Nicht minder in Betracht kommen Mais-,
Bananen- und Zuckerrohrfelder. Die Cultur von Baumwolle und Indigo
ist ganz eingegangen, diejenige von Tabak beinahe ebenfalls.
Des Ferneren wird dann das Vorkommen der verschiedenen Wild-
arten, der für die Fauna Venezuelas wichtigen Nager und nicht minder
der Edentaten, sowie auch die Verbreitung der Raubthiere besprochen,
von welchen z. B. Jaguar und Puma noch gelegentlich in den ent-
14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
legeneren Gebieten auftreten. Von der übrigen Fauna nimmt die Vogel-
welt besonderes Interesse in Anspruch.
Die Schlangenfauna ist ebenso reichhaltig wie in Centralamerika
und in Brasilien.
Die Bewohner des Landes sind grossentheils Mischlinge in den ver-
schiedensten Graden. In den Küstengebieten herrscht Negerblut, im
Innern und besonders im Gebirge das der Indianer vor. Uncivilisirte
Indianerstämme giebt es, abgesehen von den noch fast unbekannten Ge-
bieten am oberen Orinoco, nur noch im Orinocodelta und auf der Halb-
insel Goajira.
Darauf folgte eine kurze Besprechung der Geschichte des Landes
und der jüngsten politischen Vorgänge, der Bildungs - Anstalten und der
Verkehrs- und Handelsverhältnisse. Die geologischen Verhältnisse sind
ziemlich einfach; von Interesse sind die Phosphatlager von Curacao und
den Roques-Inseln, die Asphaltvorkommnisse von Trinidad und auf dem
Festlande, die Kohlenflötze der Kreideformation, die Kupferminen von
Aroa und die Goldminen von Callao.
Der Reichthum des Landes liegt in seiner fast unbegrenzten Pro-
ductivität, beeinträchtigt wird dieselbe aber durch die in Folge der zu
dünnen Bevölkerung wichtigen Arbeiterfrage und durch die noch immer
nicht als gesichert anzusehenden politischen Verhältnisse.
Durch Vorlegung von Karten, Abhandlungen und zahlreichen Photo-
sraphien erläuterte der Vortragende seine Ausführungen,
Ueber die Zusammensetzung eines Grubengases und zwei
neue Zinkammon-Verbindungen.
Von
Th. Poleck.
Geheimrath Poleck theilte die Analyse eines Grubengases aus dem
Steinkohlenwerk „Vereinigte Glückhilf-Friedenshoffnung‘“ bei Hermsdorf
mit, welches aus 9,43 pCt. Kohlensäure, 59,77 pCt. leichten Kohlen-
wasserstoff, 0,17 pCt. Schwefelwasserstoff, 19,06 pCt. Stickstoff und
11,77 pCt. atmosphärischer Luft bestand. Der nicht unbeträchtliche
Gehalt an Schwefelwasserstoff, im Allgemeinen ein seltener Bestandtheil
der Grubengase, ertheilt der Grubenluft gesundheitsschädliche Eigen-
schaften, während der hohe Gehalt an leichtem Kohlenwasserstoff die
Gefahr schlagender Wetter nahe legt, deren Eintritt bei der vortrefflichen
Ventilation der dortigen Gruben weniger zu besorgen ist,
Hierauf legte er zwei neue, von Herrn Kwasnik im Laboratorium
des pharmac. Instituts dargestellte Zink-Ammon-Verbindungen vor.
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 15
Zn BNc u. Zn Ari Au von denen die erstere krystallisirt, in
Wasser und Alkohol unlöslich ist und als ein Zink-Ammonium-Chlorid
angesehen werden kann, welches beim Erhitzen Ammoniak abspaltet und
sich in die zweite, unzersetzt flüchtige Verbindung umwandelt, die als
farblose Flüssigkeit über destillirt und zu einer amorphen Masse erstarrt.
Ueber die chemische Natur des deutschen und
türkischen Rosenöls.
Von
Th. Poleck.
Geheimrath Poleck legte im Anschluss an seine früheren Mit-
theilungen die definitiven Resultate der von Herrn Dr. Eckart im
hiesigen pharmaceutischen Institut der Universität beendigten Unter-
suchung des deutschen und türkischen Rosenöls vor.
Zur Untersuchung diente Rosenöl, welches in der bewährten Fabrik
von Schimmel & Co. in Leipzig aus deutschen Rosen dargestellt
worden war, und von Stearopten befreites türkisches Rosenöl Kazanlik,
das unter Garantie der Reinheit von derselben Fabrik bezogen worden war.
Durch fraetionirte Destillation wurden drei Bestandtheile isolirt: ein
zwischen 79—100° übergehender Vorlauf, ein flüssiger Bestandtheil, das
Elaeopten, der hauptsächlich von 110—120° C. bei 12 mm Druck über-
destillirt, und endlich ein sehr hoch siedender Antheil, ein Stearopten.
Terpene konnten nicht nachgewiesen werden.
Das erste Destillat ging nach dem Entwässern und mehrmaliger
Rectification vollständig bei 79° C. über und wurde durch die Bilduug
von Jodoform und von Essigsäure bei der Oxydation als Aethylalkohol
identifieirt.
Der zweite Antheil, das Elaeopten, ist der Hauptbestandtheil des
Oeles und Träger seines Geruchs. In dem deutschen Oel sind 66 bis
74 pCt., in dem türkischen 80—88 pCt, enthalten. Es ist sehr leicht
löslieh in Alkohol und kann auf diese Weise von dem in Alkohol
schwerlöslichen, geruchlosen Stearopten leicht und vollständig ge-
trennt werden.
Das auf diesem Wege erhaltene Elaeopten aus deutschem Rosenöl
war durch Chlorophyll etwas grün gefärbt, besass bei 11,5° ein spec.
Gewicht 0.891 und zeigte im Wild’schen Polaristrobometer eine
Drehung nach links, —2,7 bei 100 mm Säulenlänge.
Das türkische Elaeopten war von gelber Farbe und hatte ein spee.
Gewicht von 0,5804—0,8813 bei 15° und polarisirte ebenfalls links.
Bei Anwendung von geringen Mengen, 10—20g, gingen das deutsche
und das türkische Elaeopten bei 12 mm Druck vollständig über. Die
16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Destillate beider Oele waren farblos und hatten den charakteristischen
Geruch des Rosenöls, das deutsche aber duftete weit milder und feiner
als das türkische, beide besassen jedoch die gleiche Zusammensetzung:
Elaeopten des
deutschen türkischen
ng EN Berechnet
I. I. II. IV. für C,0H1s0
6 77,22 77,24 77,54 77,87 77,92 pCt.
H 11,33 11,66 11,70 11,72 14691358
Nach diesen Analysen ist das Elaeopten beider Oele ein und der-
selbe Körper, dessen Zusammensetzung durch die Formel C,,H,,0
ihren Ausdruck findet und der nachstehende physikalische Eigen-
schaften besitzt.
Deutsches Elaeopten
specifisches Brechungs- Molecular- R j Drehungs- Siede-
Gewicht Exponent Refraction Disperaign vermögen punkt
0,8837 bei 15° 1,4775 49,28 12,5 —2,8 216°
links
Türkisches Elaeopten
0,8789 bei 18° 1,4710 48,97 12,0 —2,7 216°
Die Brechungsexponenten von 1,4775 und 1,4710 führen nach den
2 _-1)P 3
Brühl’schen Werthen und der Constante Su zu einer Molecular-
(n?—+-2)d
refraction von 49,28 und 48,97. Eine Verbindung C,,H,,O mit zwei
doppelten Kohlenstoffbindungen verlangt 48,66, was mit den gefundenen
Werthen genügend übereinstimmt und durch das Additionsvermögen von
Brom für die zwei vorhandenen Aethylenbindungen bestätigt wird.
Eckart schlägt für diesen Körper C,,H,,O mit zwei Aethylen-
bindungen den Namen Rhodinol, von godıyos, von der Rose stammend,
vor. Sein chemisches Verhalten charakterisirt ihn als einen Alkohol.
In seiner Benzollösung bewirkt Natrium eine lebhafte Entwickelung
von Wasserstoffgas, und nach mehrwöchentlicher Einwirkung wurde eine
weiche, amorphe Verbindung erhalten, deren Natriumgehalt auf die Ver-
bindung C,,H,.ONa schliessen liess.
Bei dem Einleiten von trocknem Chlorwasserstoff wurde Wasser
abgespalten und eine flüssige Verbindung erhalten, die nicht ohne Zer-
setzung flüchtig war, Ihr Chlorgehalt wurde in alkoholischer Lösung
mit '/, normal Silberlösung bestimmt und 20,52 pCt. Chlor gefunden,
während das Rhodinolehlorid, C,,H,,Cl, 20,55 pCt. Chlor verlangt.
Mit alkoholischer Kalilösung einige Stunden im Wasserbade erhitzt,
wurde es in Chlorkalium und Rhodinol, C,,H,,OH, zerlegt, wie durch
die Analyse des letzteren, die 77,32 pCt. Kohlenstoff und 11,53 pCt.
Wasserstoff lieferte, bewiesen wurde.
Durch Eipleiten von trocknem Jodwasserstoff oder beim Erhitzen
des Rhodinols mit concentrirter Jodwasserstoflsäure im zugeschmolzenen
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 17
Rohr entstand die ebenfalls nicht unzersetzt flüchtige Verbindung
C,.H,.J, und bei der Einwirkung von Carbanil (Phenylisocyanat) wurde
unter Wasserabspaltung und Bildung von Carbanilid der Aether des
Rhodinols, C,,H,,O, erhalten. Die Analyse gab 82,50 pCt. Kohlenstoff
und 11,92 pCt. Wasserstoff, während die Rechnung 832,75 pCt. Kohlen-
stoff und 11,72 pCt. Wasserstoff verlangt.
Beim Erhitzen des Rhodinols mit Benzoösäureanhydrid und Essig-
säureanhydrid entstehen die betreffenden Ester, die beide flüssig und
nicht ohne Zersetzung flüchtig sind. Die Analyse bestätigte die Zu-
sammensetzung C,H,CO0C, ,H,, und CH,C00G ,H,..
Bei der Oxydation mit Kaliumbichromat und Schwefelsäure ent- ;
steht neben dem flüssigen Aldehyd, C,,H,,O, von eitronenartigem Ge-
ruch, dem Rhodinal, in geringen Mengen auch die entsprechende Säure
C,,H,,0,. Der erstere giebt alle charakteristischen Reactionen der
Aldehyde und eine krystallinische Natriumbisulfitverbindung. Die Analyse
gab 78,35 pCt. Kohlenstoff und 10,3 pCt. Wasserstoff, berechnet für
obige Formel 78,94 pCt. Kohlenstoff, 10,52 pCt. Wasserstoff.
Die Säure, Rhodinolsäure, ist ebenfalls flüssig und liefert ein gut
krystallisirtes Silbersalz. Seine Analyse ergab 43,43 pCt. Kohlenstoff,
5,65 pCt. Wasserstoff und 38,59 pCt. Silber, berechnet 43,47 pÜt.
Kohlenstoff, 5,79 pCt. Wasserstoff und 39,13 pCt. Silber.
Kaliumpermanganat wirkt tiefer eingreifend. Bei vorsichtiger
Oxydation in alkalischer Lösung entstehen Spuren von Baldriansäure,
Buttersäure, dann Essigsäure, Oxalsäure und Kohlensäure, ferner ein in
Wasser, Alkohol und Aether löslicher, nicht destillirbarer, syrupartiger
Körper von neutraler Reaction und bitterem Geschmack, der sehr leicht
mit nicht russender Flamme verbrannte. Er redueirte ammoniakalische
Silberlösung, gab aber mit Natriumbisulfit und Phenylhydrazin keine
krystallinischen Verbindungen. Metallisches Natrium veranlasste eine
lebhafte Entwicklung von Wasserstoff, Die Analyse führte zur Formel
C,H,,0,, die 43,57 pCt. Kohlenstoff und 8,43 pCt. Wasserstoff verlangt,
während 42,12 pCt. Kohlenstoff und 8,38 pCt. Wasserstoff gefunden
worden waren. Es scheint ein fünfwerthiger Alkohol entstanden zu
sein. Die Oxydation war tief eingreifend; es waren eine Methyl- oder
eine Propylgruppe abgespalten und alle doppelten Bindungen durch
Hydroxyl ersetzt. Bei weiterer Oxydation mit Kaliumpermanganat zer-
fiel dieser Körper in Kohlensäure und Oxalsäure.
Bei der Oxydation des Rhodinols mit Wasserstoffsuperoxyd ent-
stand eine einbasische, sich leicht zersetzende Säure, die in Wasser
leicht löslich war, beim Abdampfen einen stark sauren Rückstand gab,
der über Schwefelsäure zu einer weissen Masse erstarrte. Die Analyse
Be Baryumsalzes führte zu der Zusammensetzung C,H,,O,, deren
2
/3
18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Baryumsalz 27,64 pCt. Baryum verlangt, während 28,22 pCt. und
27,91 pCt. Baryum gefunden wurde. Diese Säure entspricht dem
Alkohol C,H,,O,, der durch Oxydation des Rhodinols durch Kalium-
permanganat erhalten worden war.
Durch schmelzendes Kaliumhydroxyd wurde das Rhodinol in
Baldriansäure, Essigsäure Ameisensäure und Oxalsäure gespalten.
Durch Behandlung des Rhodinols mit Monokaliumsulfat, Zink-
chlorid, Phosphorpentoxyd entstehen unter Wasserabspaltung Terpene
und Polyterpene.
Lässt man auf eine Rhodinollösung in Petroläther Phosphorpent-
"oxyd einwirken, so lässt sich ziemlich leicht ein bei 175—182° sieden-
des Terpen, C,,H,,, erhalten, dessen Tetrabromid sich durch seinen
Schmelzpunkt, wie durch seine Krystallform als Dipententetrabromid
charakterisirt. Herr Prof. Hintze in Breslau hatte die Güte, durch die
krystallographische Untersuchung seine Identität _ mit dem Dipenten-
tetrabromid von Wallach festzustellen.
Das Resultat der gesammten Untersuchung lässt sich dahin zu-
sammenfassen:
Der flüssige Hauptbestandtheil des Rosenöls, das Rhodinol, ist
demnach ein einheitlicher Körper von der Zusammensetzung C,,H,,0,
er gehört in die Reihe der primären ungesättigten Alkohole CuaHm-20,
da er einerseits einen Aldehyd und eine Säure mit gleichem Kohlenstoff-
gehalt bildet, andererseits vier Atome Brom addirt und, damit im engen
Zusammenhang, die Berechnung seiner Molecularrefraetion zwei Aethylen-
bindungen anzeigt. Ein Körper von der Zusammensetzung C,,H,,O mit
zwei Aethylenbindungen kann keine ringförmige Bindung der Kohlen-
stoffatome besitzen, er gehört vielmehr in die Methanreihe mit ketten-
förmiger Anordnung der Kohlenstoffatome. Für diese spricht ferner die
Bildung eines mehrwerthigen Alkohols, C,H,,O,, der ihm entsprechen-
den Säure, C,H,,O,, und der Zerfall des Rhodinols bei der Oxydation
in Säuren mit niedrigerem Kohlenstoffgehalt, in Butter- und Baldrian-
säure. Aus der optischen Activität muss auf ein asymmetrisches Kohlen-
stoffatom geschlossen werden und aus der Entstehung von Polyterpenen
„ und Dipenten durch wasserentziehende Mittel auf Ringschliessung. Die
Bildung von Dipenten lässt keinen Zweifel an der Stellung der Propyl-
und Methylgruppe, und es fragt sich nun, wo die Ringschliessung statt-
findet und die doppelten Bindungen liegen.
Die Bildung einer höheren Fettsäure fand nur sehr schwer statt,
es entstanden immer Isovaleriansäure und Buttersäure in wechselnden
Mengen. Eine zweibasische Säure, ausser Oxalsäure, wurde nicht
gefunden, daher ist die schwierige Entstehung der beiden Säuren mit
höheren Kohlenstoffatomen nur erklärlich, wenn die Propylgruppe an
das Kohlenstoffatom 1 gebunden ist, das noch eine Aethylenbindung be-
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 19
sitzt. Eine Methylgruppe liegt, wie die Ringschliessung beweist, an dem
Kohlenstoffatom 4, das auch nur das asymmetrische sein kann. Die
primäre Alkoholgruppe muss an dem Anfange der Kette liegen und
schliesst dann mit dem Kohlenstoffatom 6 den Ring. Es bildet sich
hierbei erst actives Limonen, das aber dann durch Erwärmung sofort in
Dipenten übergeht.
Diese Vorgänge lassen sich durch nachstehende Formeln ausdrücken:
C,H, H CH,
| SU
GE2 20, CH. CH’. O.6ILONH
Rhodinol
&:C.H; 0.0,H, G.CH,
HC/NcH HCc/NcH BHC/N\cH,
| |
Be H,C\ CH H,C\ /CH
C C
RS BL |
H CH H CH, CH,
Rhodinol Limonen Dipenten
Das ganze chemische Verhalten des flüssigen Antheils des Rosen-
öls, des Rhodinols, ist völlig analog dem Verhalten des Hauptbestand-
theils des indischen Geraniumöls von Andropogon Schoenanthus L.,
dem Geraniol, dessen chemische Untersuchung Dr. Semmler!) kurze
Zeit vorher im pharmaceutischen Institute der Universität zu Breslau
begonnen hatte. Semmler hat zuerst auf die Bedeutung der zwei
Aethylenbindungen im Geraniol, auf die kettenförmige Anordnung der
Kohlenstoffatome, auf ihre Ringschliessung bei Einwirkung von wasser-
entziehenden Substanzen aufmerksam gemacht, er wies nach, dass bei
der Oxydation mit Kaliumpermanganat aus einer Molekel Geraniol fast
quantitativ eine Molekel Isovaleriansäure entstehe, auch gelang es ihm
später, den Aldehyd des Geraniols durch Erhitzen mit Monokaliumsulfat
direet in Cymol überzuführen.
Bei diesen parallel verlaufenden Untersuchungen schien es einen
Augenblick, als ob das Geraniol und Rhodinol identisch seien, aber
sowohl das optische und, wie es scheint, auch Verschiedenheit in den
Siedepunkten, sowie das chemische Verhalten sprachen dagegen.
Geraniol ist optisch inactiv. Semmler giebt seinem Geraniol nach-
stehende Formel
CH,
C,H, .CH,.CH:CH.C:CH.CH,OH.
Es liegt daher der Unterschied zwischen dem Rhodinol und Ge-
raniol in der verschiedenen Stellung der Methyl- und Propylgruppen
) Dieser Jahresbericht 1890, S. 22.
9*
20 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
und der doppelten Bindungen, sowie in dem asymmetrischen Kohlen-
stoffatom. Beide Verbindungen gehören zu den wenigen ätherischen
Oelen mit zwei Aethylenbindungen und ofiner Kette, wie sie bisher in
der Natur noch nicht nachgewiesen worden waren.
Zu dieser Arbeit wurden ca. 460 g türkisches und ca. 160 g
deutsches Rosenöl verbraucht.
Sitzung vom 20. Juli 1891.
Weitere Versuche mit der Inductionswage.
Specifisches electrisches Leitungsvermögen gemünzter Metalle.
Von
Dr. J. Bergmann.
I.
Einleitung. Ueber die Methoden zur Bestimmung des
elektrischen Leitungsvermögens metallischer Massen.
Obwohl die Metalle durch ihr Leitungsvermögen für Elektrieität in
physikalischer Beziehung sich besonders auszeichnen, so ist man gegen-
wärtig doch noch nicht in der Lage dasselbe an ihnen in so ausgedehnter
Weise zu bestimmen, als es bei der Bedeutung dieser Eigenschaft er-
wartet werden kann.
Zu ihrer Ermittelung besitzt die Physik drei dem Prineip nach ver-
schiedene Methoden. Nach der ersten bestimmt man den galvanischen
Widerstand des Leiters und erhält daraus das Leitungsvermögen als den
reciproken Werth. Die zweite ist die Dämpfungsmethode; der Leiter
schwingt in einem magnetischen Kraftfeld oder ein Magnet in der Nähe
des ruhenden Leiters, und man berechnet die Leitungsfähigkeit aus der
Dämpfung der Schwingungen. Die dritte ist eine elektrodynamische
Methode; sie verwerthet unter Zuhilfenahme der Inductionswage durch
elektrodynamische Fernwirkung erzeugte elektrische Schwingungen und
besteht in einem Compensationsverfahren nach Art der Wägung.
Was der Möglichkeit, das Leitungsvermögen zu bestimmen, Be-
schränkungen auferlegt, dies tritt hervor, wenn man die äusseren Formen
berücksichtigt, in denen die metallischen Massen zur Untersuchung kamen.
Der Widerstand zunächst kann gemessen werden an Leitern, welche sich
hauptsächlich nach einer Dimension ausdehnen, an Streifen, dünnen
Stäben und Drähten. Bei der Dämpfungsmethode verwendete man die
Form der Kugel, sodann Ringe und congruente Cylinder. Für die
Inductionswage erschien es mir Anfangs vortheilhaft dünne kreisförmige
Platten zu wählen, welche dann aber gleiche und mehrere Centimeter
grosse Durchmesser haben mussten.
ee
_
el en u
IH. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 21
Jede dieser Formen erhalten aus Metall bestehende Körper, da ihre
Masse mit Ausnahme von Quecksilber und den flüssigen Amalgamen bei
gewöhnlicher Temperatur uns in festem Aggregatzustande gegenübertritt,
erst nach mancherlei zum Theil recht schwierigen Vorbereitungen.
‚Ausserdem ist es in den weitaus meisten Fällen ausgeschlossen, dass
eine Deformation des metallischen Gegenstandes, wie Ausziehen in
Draht, Zerschneiden in dünne Stäbe, Auswalzen in Blech und dergl. m,
stattfinde. |
Die in der äusseren Gestalt begründeten Beschränkungen vermindern
sich, sobald man im Stande ist die Leitungsfähigkeit auch an metallischen
Massen zu bestimmen in anderen als den genannten Formen, wenn
möglich gleich in denjenigen, in welchen sie vorliegen und wie ihr
Vorkommen in der Natur, mechanische Bearbeitung oder der Zufall es
mit sich bringen. Die mit Formveränderungen verbundenen Schwierig-
keiten kommen dann nicht weiter in Betracht.
Für derartige Zwecke verdient unter den drei Methoden, welche
zur Bestimmung der elektrischen Leitungsfähigkeit vorhanden sind, die
elektrodynamische vor den beiden anderen den Vorzug; denn sie ist
einer Ausdehnung in der Weise fähig, dass recht viele Körper und
solche von allgemeinerem Interesse der Bestimmung unterworfen werden
können.
Im Folgenden berichte ich über Versuche in dem angedeuteten Sinne.
Sie erstrecken sich auf gemünzte Metalle, metallische Massen, welche
in Form von Münzen und denselben ähnlichen Stücken gegeben sind,
unabhängig davon, ob diese ihre Form durch Prägung oder durch Guss
oder auf irgend einem anderen Wege erhalten haben. Es hat sich bei
ihnen eine Methode ergeben, nach welcher ich das speeifische elektrische
Leitungsvermögen einer Anzahl Münzen bestimmte.
Dies Ziel war schon Gegenstand sorgfältiger Versuche Englischer
und Französischer Physiker, wird aber hier zum ersten Mal mit gutem
Erfolg erreicht.
II.
Verschiedene Versuchsanordnungen für die Inductionswage.
Compensationsversuche. Elektrisches Leitungsvermögen
einiger Aluminiumplatten.
Bevor ich zur Mittheilung der an Münzen gewonnenen Resultate
schreite, schicke ich noch Einiges über Versuche mit der Induetionswage
voraus, was in experimenteller Beziehung von Interesse ist.
Verschiedene Versuchsanordnungen. Die Empfindlich-
keit der Versuchsanordnung wird in erheblichem Maasse gesteigert,
wenn man an Stelle des Elektrodynamometers als Messinstrument
das Galvanometer verwendet. Das kann mit Hilfe des von mir
22 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
früher!) beschriebenen Disjunctors geschehen nach den vier Anordnungen I
bis IV, welche die nebenstehende Zeichnung schematisch veranschaulicht.
In allen vier Fällen enthält der primäre Kreis die Kette K für die
Stromquelle und die indueirenden Rollen der Induetorien Jı und Jır, die
zur Inductionswage gehören; in den secundären Kreis sind eingeschaltet
') Dr. Joh. Bergmann. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für
vaterländ. Cultur, Bd. 68, p. 24 der naturwissenschaftl. Section.
Vergl. dazu ferner J. Bergmann, Wied. Ann. 42, p. 90, 1891 und Journ.
de physique par d’Almeida I. ser., t. 10, p. 284, 1891.
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 23
die Inductionsrollen und das Galvanometer G. An den Stellen U, und
U, befinden sich die passive genannten Contacte des Disjunetors und
zwar
in der Anordnung I direet in beiden Kreisen,
in II im primären Kreise U, und im secundären Kreise U, als
Kurzschluss vor dem Galvanometer,
in III und IV nach Herrn von Helmholtz U, als Kurzschluss
vor den indueirenden Rollen, während U, im secundären Kreise wiederum
wie in I und II geschaltet ist.
Vor dem Contact U, befand sich, als die mitgetheilten Beobachtungen
gemacht wurden, stets noch eine Zweigleitung von regulirbarem Wider-
stand, welche zur Abschwächung des Unterbrechungsfunkens diente.
In der Zeichnung habe ich sie überall fortgelassen,
Hat man die Contacte richtig eingestellt und den Disjunetor in
Thätigkeit gesetzt, so beobachtet man die Störungen des Stromgleich-
gewichtes im Galvanometer
nach Anordnung I als Schliessungsströme,
- z II - Oeffnungsströme,
E - III = Oeffnungsströme,
z + IV = Schliessungsströme.
Alle vier Anordnungen gestatten von der vollen Periode des Wechsel-
stromes den gesammten positiven oder negativen Betrag oder auch einen
Theil eines jeden abzutrennen, da die Zeit, welche zwischen der Her-
stellung resp. Unterbrechung der Contacte U, und U, verfliesst, beliebig
klein gemacht werden kann. Man erhält dadurch kurz andauernde
Ströme von gleicher Richtung, und diese lenken durch ein Galvanometer
geschickt die Magnetnadel constant ab, wenn sie periodisch und in Zeit-
intervallen auf einander folgen, die klein sind im Vergleich zu der
Schwingungsdauer der Nadel,
Compensationsversuche. Die Resultate, welche in der eben
eitirten Abhandlung veröffentlicht worden sind, habe ich erhalten nach
der Anordnung I. Die drei anderen II bis IV lassen das Compensations-
verfahren nach der Methode der Wägung ebenfalls zu. Bei den ausser-
ordentlich grossen Schwierigkeiten, welche anfänglich vorhanden waren,
halte ich es für angemessen, dies durch einige Versuche für jede von
ihnen zu bestätigen.
Mit Hilfe von Oeffnungsströmen nach Anordnung II bestimmte ich
die Inductionswerthe von fünf kreisförmigen Platten aus dünn gewalztem
Aluminium und einer Platinplatte. Bis auf sehr geringe Abweichungen
hatten die Platten 8.5 cm Durchmesser. Ihr Inductionswerth bedeute
wieder die Anzahl Stanniolblätter, welche zur Compensation der Stö-
rungen in der Inductionswage nothwendig waren, wenn ich nach her-
gestelltem Stromgleichgewicht die zu bestimmende Platte zwischen die
34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Rollen des einen, die Blätter in gleicher Weise in das andere Induetorium
einführte. Die Stanniolblätter wurden gebraucht in Form des |. c. be-
sprochenen Gewichtsatzes, nämlich in Combinationen von 10, 101, 20
und 50 in Papierhüllen eingeschlossenen kreisförmigen Blättern, welche
auch 8.5 cm Durchmesser hatten.
Die Aluminiumplatten seien der Reihe nach mit den Buchstaben
A—-E, die Platinplatte mit F bezeichnet. Dann fanden sich die Werthe J:
Platte J Platte Bu]
A 12.17 D 13.50
B 18.22 E 14.26
C 13.56 F 1.33
Im Anschluss daran wurden die fünf Platten A—E zusammen
elektrisch abgewogen. Hier compensirten die Summe eine Bleiplatte,
deren Induetionswerth — 50.0 war und von dem Gewichtsatz (10!) =
10.0 angenähert. Als Uebergewicht diente das Stück (20) — 19.7 und
das Beobachtungsprotokoll war vollständig:
Inhalt des Induetoriums Stellung des
| Commutat. -} Ablenk. en
Jı Jıı links | rechts
5 Platten Alumin, | (Pb) (10) | 556.2 | 543.2] — 13.0 | — 13.0
+ - (Pb) (10°) (20) 542.4| 556.81 14.4| + 14.0
(Pb) (10!) (20) 5 Platten Alumin. | 561.0 | 539.0 | — 22.0 | — 21.4
(Pb) (10°) - - 546.0 553.314 781-+ 7.6
Wenn man nach den Ablenkungen 19.7 interpolirt, so findet sich
7.205, so dass man als Compensation für die Summe hat:
50.0 + 10.0 4 7.205 = 67.205 Stanniolblätter.
Die einzeln bestimmten Inductionswerthe der fünf Platten A—E
addirt ergeben aber 67.21.
Nach den Anordnungen Il und IV wurden einige kreisförmige
Platten von 8.5 cm Durchmesser aus verschiedenen Metallen compensirt.
Die Anzahl der Stanniolblätter war dabei für eine Platte aus:
nach Anordnung
Metall Differenz
III IV
Kupfer 170.2 170.0 + 0.2
Zink 105.9 105.8 + 0.1
Zinn 123.2 123.2 0.0
Blei 70.7 71.0 —.0,3
Messing 66.1 65.8 + 0.3
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 35
Die gefundenen Werthe sind für jede Platte nahezu dieselben, für
Zinn vollständig gleich.
Man hat also, wenn das Galvanometer als Messinstrument für die
Inductionswage gebraucht wird, für die Anwendung der Compensations-
methode nach Art der Wägung die in der Zeichnung BER vier
Anordnungen zur Verfügung.
Elektrisches Leitungsvermögen einiger Aluminium-
platten. Für die fünf Aluminiumplatten habe ich noch das elektrische
Leitungsvermögen bestimmt. Zu dem Zwecke wurde ihre Dicke 8 in
Millimetern ermittelt und mit Hilfe der auf Seite 5 angegebenen Werthe J
der Quotient J/ö gebildet. Ist für eine Quecksilberschicht von 8.5 cm
Durchmesser und gleichfalls 1 mm Dicke bei 0° der Inductionswerth J,,
so ist die Leitungsfähigkeit A—=J/öJ, und zwar bei 0°, bezogen auf
Quecksilber als Einheit von derselben Temperatur, Der Werth J, be-
trug 10.25 und unter Berücksichtigung der Correction für den Durch-
messer ergab sich:
Platte J | En J/ A
A 12.17 | 0.043mm | 318.2 | 31.498
B 13.72 re AN 33.285
C 13.56 41.61 3511 34,550
D 13,50 34 - | 360.5 | 35.264
E 14.26 38 - | 357.6 35.399
Die einzelnen Platten weisen erhebliche Unterschiede in ihrem
Leitungsvermögen auf. Die Differenz zwischen dem kleinsten und
srössten Werthe macht 8.89 pCt. aus. Das Mittel aus den fünf Be-
stimmungen ist Am — 33.999, während ich früher durch Versuche mit
zwei Platten 30.17 fand.
Für die Platinplatte betrug ö 0,026 mm. Danach würde J/d — 53.0
und A — 5.178. Dieser Werth ist Jedoch kleiner, als es der Leitungs-
fähigkeit des Platins in Wirklichkeit entspricht. Er musste sich aber
als zu klein ergeben, weil die Platte mehrere, wenn auch nur äusserst
kleine Löcher besass und ihr Rand in geringer Ausdehnung unvollständig
war, Infolge dessen fiel der Werth J kleiner aus, als wenn die Metall-
masse vollständig zusammenhängend gewesen wäre.
III.
Störungen des Stromgleichgewichtes durch Platten aus
magnetischen und nicht magnetischen Metallen und eine iin
sich geschlossene Spirale.
Beobachtungen über den Einfluss, welchen Platten aus verschiedenen
Metallen oder in sich geschlossene Spiralen ausüben, wenn sie zwischen
36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Rollen stehen, die auf einander inducirend wirken, hat man seit der
Entdeckung der Inductionserscheinungen mehrfach angestellt. Faraday
selbst beginnt mit Versuchen dieser Art. Er experimentirte mit einer
primären und zwei zu ihrer Seite aufgestellten secundären Spiralen, deren
Enden nach einem Differentialgalvanometer führten und giebt seinem
Erstaunen darüber Ausdruck, dass eine 0.7 Zoll dieke Platte des gut
leitenden Kupfers so wenig eine Wirkung erkennen liess als eine noch
stärkere Schwefelplatte oder als ob die Induction durch Luft hindurch
erfolgte. Nach wiederholten Bemühungen dafür eine genügende Erklä-
rung zu finden, vermuthet er schliesslich, dass ein Unterschied doch wohl
vorhanden sei und nur nicht sichtbar werde, weil ‚die Effeete in einer
gegen die Schwingungsdauer der Nadel zu kurzen Zeit auf ihr Maximum
stiegen‘“,
Lallemand, Abria, Henry u. A. haben die Versuche fortgesetzt,
und in Wiedemann’s „Lehre von der Elektrieität“ wird das Resultat
dahin zusammengefasst, dass wohl die physiologischen, thermischen,
elektrodynamischen ete. Wirkungen der Inductionsströme in der secun-
dären Rolle Aenderungen erfahren, wenn Metallplatten oder geschlossene
Spiralen sich zwischen den Rollen des Inductoriums befinden, nicht aber
(in seiner Gesammtintensität) das galvanometrische Verhalten ').
Zerlegt man mit dem Disjunctor die Periode des Wechselstromes,
so wird dem Umstande, dass „Zeit als ein Element in die Wirkungen
eingehe“, wie Faraday sich ausdrückt, Rechnung getragen. Man
erhält dann durch Platten und geschlossene Spiralen galvanometrische
Ablenkungen, sobald die Contacte des Disjunctors gehörig rein und
richtig eingestellt sind.
Es mögen jetzt qualitativ die Wirkungen verglichen werden, welche
Platten aus nichtmagnetischen und magnetischen Metallen und im An-
schluss daran eine in sich geschlossene Spirale in der Inductionswage
ausübten.
a. Ich befestige die Rollen von Induetorium Jı; in einer Entfernung
von 14 mm einander conaxial gegenüber und compensire mit Jı, bis
dass das Galvanometer die Stromlosigkeit des secundären Kreises an-
zeigt. Nun werden kreisförmige Platten von nahezu 8.5 em Durchmesser
aus verschiedenen Metallen und eine Spirale conaxial zwischen die Rollen
von Jı gestellt und die Störungen des Stromgleichgewichtes, welche ihre
Anwesenheit verursachte, am Galvanometer mit Spiegel, Skala und Fern-
rohr beobachtet. Die Versuche wurden in gleicher Weise nach allen
vier Anordnungen ausgeführt.
Bei ungeänderter Stellung der passiven Contacte des Disjunctors
zeigte dann ein Siemen’sches Galvanometer,. aperiodisch und mit
!) G. Wiedemann, Elektrieität Bd. 4. I. S. 138, 1885
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 37
1500 Windungen, die Ablenkungen in der nachstehenden Tabelle I an.
Vor dem Galvanometer befand sich noch ein Commutator, so dass die
Beobachtung nach beiden Seiten hin erfolgte. Wurde stets die Differenz
der Ablesungen rechts — links gebildet, so bewirkte als Ausschlag in
Skalentheilen:
Tabelle I.
nach Anordnung
Eine
N AR,
Kupferplatte — 129) + 2321| 4 77| — 173
Zinkplatte — 141| + 284| + 90| — 198
Eisenplatte + 365 | — 361 | — 502 | + 548
Zinnplatte — 71|+ 131)-+ 401 — 65
Quecksilberschichtt {— 46/| + 91|+ 2838| — 539
GeschlosseneSpirale | — 205 | + 669 | + 175 | — 796
|
Aus den Vorzeichen der Zahlen nach allen vier Anordnungen geht
hervor, dass die Platten der nichtmagnetischen Metalle und die geschlossene
Spirale der Richtung nach das Stromgleichgewicht in entgegengesetztem
Sinne störten, als die Eisenplatte.,
Dem absoluten Betrage nach können die Zahlen unter I und II,
sodann die unter IIl und IV mit einander verglichen werden, da für sie
die Versuchsbedingungen dieselben waren. Der Vergleich zeigt, dass
bei den nichtmagnetischen Metallen und der Spirale Anordnung II
grössere Ablenkungen ergab als I, Anordnung IV desgleichen grössere
als III. Nicht so ist es bei der Eisenplatte, für welche der magnetische
Charakter zum Ausdruck kommt.
Wie es sein muss, haben auch die Ablenkungen unter I und IV
für Schliessungsströme und die unter II und III für Oeffnungsströme
entgegengesetzte Vorzeichen.
Die Spirale brachte eine Störung des Stromgleichgewichtes nicht
hervor, wenn ihre Enden nicht leitend verbunden waren.
Die Platten waren aus dünnen Blechen geschnitten, das Quecksilber
in ein Glasgefäss mit planparallelen Wänden gegossen.
b. Die Rollen von Inductorium Jır werden darauf in einer Ent-
fernung von 80 mım einander conaxial gegenüber befestigt, eine Kupfer-
platte, eine Eisenplatte und die Spirale in der Mitte zwischen den
Rollen aufgestellt und nun um den vertikalen Durchmesser gedreht, so
dass ihre Ebene, zuerst zur Ebene der Rollen parallel, schliesslich dazu
senkrecht steht. Durchmesser der Platten nahezu 80 mm. Die Störungen
des Gleichgewichtes werden beobachtet für fünf Stellungen, welche be-
28 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
zeichnet sein mögen durch den Winkel «&, den Platten und Spirale mit
der Ebene der Rollen bilden.
Drücken die Vorzeichen wieder die Richtungen der Störungen aus,
so ergaben die vier Anordnungen die Ablenkungen, welche in Tabelle II
zusammengestellt sind, und es bewirkte diesmal als Ausschlag in Skalen-
theilen:
Tabelle II,
nach Anordnung | nach Anordnung Il
Für «
Cu | Fe | Spirale Cu | Fe | Spirale
0.0° +11 | — 34 | + 20 —52 | + 42 — 76
22.5 +18.) lt AB
45.0 + 8| + 97|.+14 — 35 | — 102 — 40
67.5 + 1] +360 | + 5 — 16 | —. 399 — 16
90.0 0 | —+ 448 0 0 | — 668 0
nach Anordnung III nach Anordnung IV
Für &
Cu | Fe | Spirale Cu | Fe | Spirale
0,0° — 11ı|+ 12 | — 38 +171|— 8 —+ 65
22.5° — 10 iı + 6| — 36 +9I1|— 4 — 61
45.0 — 6 | — 19| — 30 0I1+ 16 + 50
67.5 — 31 —- 95 — 11 0 |-+ 63 + 18
90.0 0 | — 153 0 0 | —+ 128 0
Man sieht hieraus, dass die Kupferplatte und die Spirale die grösste
Störung hervorbrachten, wenn sie zu den Rollen ihres Induetoriums
parallel standen. Die störende Wirkung war gleich Null, wenn ihre
Ebenen mit der Ebene der Rollen einen rechten Winkel bildeten und
der Durchmesser mit der Axe des Kraftfeldes zusammenfiel.
Für die Eisenplatte gab es eine Stellung, in welcher sie das Gleich-
gewicht überhaupt nicht störte, nämlich zwischen 22.5 und 45°. Hier
neutralisirten sich also die Wirkungen ihrer Eigenschaften als Leiter und
magnetisch polarisirbares Medium. Stand die Platte zu den Rollen
senkrecht und fiel ihr Durchmesser mit der Axe des Kraftfeldes zu-
sammen, so wirkte sie bei 80 mm Entfernung der Rollen in bedeutend
verstärktem Maasse, wie die Kupferplatte und die Spirale.
Versuche der vorstehenden Art lassen sich leicht in mannigfaltiger
Weise variiren.
Die beiden Tabellen zeigen aber schon, dass die geschlossene Spirale
wirkte wie die Platten aus nichtmagnetischen Metallen, und dass, wenn
Il. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 39
das elektrische Leitungsvermögen nach der elektrodynamischen Methode
ermittelt werden soll, stark magnetisirbare Metalle auszuschliessen sind.
Ausserdem erkennt man, dass bei Anwendung des Disjunetors und des
Galvanometers die Beobachtungen mit einer Entschiedenheit und Sicher-
heit erfolgen, wie sie mit dem Telephon bisher nicht erreicht wurde,
Letzterem Umstande ist es auch zuzuschreiben, dass Hughes in
seiner Publication ') „Induction-balancee and Experimental Researches
therewith“ bei der Aufstellung der Störungswerthe das Eisen ebenso
behandelt wie die nichtmagnetischen Metalle.
IV.
Bestimmung des elektrischen Leitungsvermögens einer
"Anzahl Münzen.
lch gehe jetzt über zu den an Münzen angestellten Versuchen.
Dieselben bieten eine neue und schöne Verwerthung von durch elektro-
dynamische Fernwirkung erzeugten elektrischen Schwingungen und sie
liessen sich ausführen, nachdem die electrodynamische Methode zur Be-
stimmung des Leitungsvermögens metallischer Massen in der erforder-
lichen Weise erweitert worden war.
Die für die Versuche nothwendigen Mittel hat Herr Geheimrath
OÖ. E. Meyer gütigst bewilligt, und nehme ich an dieser Stelle Veran-
lassung hierfür meinen Dank öffentlich auszusprechen.
$ 1. Experimentelle Vorbereitungen.
Die Inductorien. Dass es mir ursprünglich vortheilhaft erschien,
in der äusseren Gestalt der metallischen Massen zunächst dünnen, kreis-
förmigen Platten den Vorzug zu geben, und dass diese gleiche und
mehrere Centimeter grosse Durchmesser haben mussten, bedingten die
verschiedenen Formen der Inductorien, welche ich wiederholt hergestellt
hatte. Dieselben passten das erste Mal für kreisförmige Platten von 9,
sodann für solche von 7 und neuerdings für 8.5 cm Durchmesser. Kleinere
Differenzen bis zu wenigen Millimetern durften vorkommen, da sie durch
Rechnung beglichen werden könnten.
Wie oft ich nun auch anstatt Platten von den erwähnten Grössen
Münzen zwischen die Rollen der Inductorien hielt, so bewirkten grössere
Exemplare immer geringe, eben noch messbare Störungen des Strom-
gleichgewichtes; bei kleineren war es schwierig, ihre Gegenwart in der
Induetionswage überhaupt nachzuweisen.
Ich griff deshalb aus den in Deutschland und in Deutschem Schutz-
gebiete coursfähigen Münzen eine grössere Zahl beliebiger Stücke heraus
) Hughes, Philos. Magaz. (5) 8, S. 50, 1879,
30 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
und fasste diejenigen, welche gleiche oder nur wenig von einander ab-
weichende Durchmesser hatten, gruppenweise zusammen. Danach wählte
ich die beiden Inductorien Jı und Jı; in der Zeichnung auf Seite 3 so,
dass sie sich für je eine Gruppe eigneten und versuchte die Leitungs-
fähigkeit mit Anwendung verschiedener Induetorien zu bestimmen.
Nach der Grösse der Durchmesser geordnet waren an Münzgattungen
vertreten:
1. Silberne Fünfmarkstücke. . . . . Durchmesser 383 mm.
2. Vereißsthaler. 0 AHRe nailhahlsı s 33 z
3:Zıweimarketücke 2 u, w24.:0% z 23 z
4. Die neuen Kupfermünzen der Deutsch-
Östafrikanischen Gesellschaft . . . - 25 z
5,5 Banmarkeilcke" „u. 22 lea el z 24 z
6. DOppelkronen ca 2. a uce n z 22.3 =
7. Fünfzigpfemigstücke . , , ... z 20 -
8. Zweipfennigstücke . . . . z 20 -
Hieraus wurden drei Gruppen gebildet Bd zwar
Gruppe A umfassend die Gattungen 1. 2. —
SE 508 - - - a Nee
= 6 = z = ° . . . . . 6. e 5.
und für jede von ihnen ein Paar Inductorien hergestellt. Die Rollen zu
den Inductorien waren so gewickelt, dass die Windungen von einem
Federkiel aus als Halter beginnend, sich peripherisch über einander
lagerten, bis die umschriebene Fläche den Rand der grössten Münze aus
‘ der Gruppe etwas überragte. Ausserdem war die Einrichtung getroffen,
dass die Rollen auf Schlitten sich in conaxialer Stellung recht solide
befestigen und leicht und ohne Zeitaufwand gegen andere auswechseln
liessen,
Der Gewinn, der hierin lag, war ein bedeutender. Denn jetzt be-
wirkten Fünfzigpfennigstücke, welche in die Inductionswage gebracht
wurden, galvanometrische Ablenkungen bis zu 250 Skalentheilen, bei
Thalern und Fünfmarkstücken ging die Skala aus dem Gesichtsfeld.
Die Induetionssätze. Zu der mit den Inductorien vorgenommenen
Aenderung kam noch eine andere in Bezug auf den elektrischen Gewichts-
satz. Die Zahl der Stanniolblätter, welche kreisförmige Metallplatten
von 7 und 8.5 em Durchmesser in der Wage compensirten, hatte
sich als ein zuverlässiges Maass für deren relatives Leitungsver-
mögen erwiesen, nachdem ich den Blättern gleichfalls Kreisform von 7
resp. 8.5 cm Durchmesser gegeben hatte. Demgemäss begann ich damit
für jede Gattung einen Satz von dem Durchmesser ihrer Münzen zu be-
schaffen. Da hierbei sämmtliche obige Grössen von 38 bis 20 mm vor-
"kamen, so war es mühsam und zeitraubend die vielen Stanniolblätter
auszuschneiden ; auf erhebliche Schwierigkeiten stiess diesmal auch
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 31
namentlich bei den kleineren Stücken die Vereinigung der Blätter zu
geeigneten Combinationen.
Ich versuchte darum die Sätze einfacher herzustellen und kam schnell
vorwärts, indem ich kleine Platten aus Kupferblech wählte, welche ver-
schiedene Dicken hatten. Für die Fünfmarkstücke z. B. verwendete ich
zwei Blechsorten, von 0.09 und 0.51 mm Dicke. Daraus wurden Plättchen
von dem Durchmesser der Fünfmark ausgeschnitten, aus dem dünnen
Blech 7, aus dem stärkeren 4. Indem ich nun von den 7 dreimal 2,
von den 4 auch 2 Stück zusammenkittete, entstand ein Satz enthaltend
7 Stücke: das erste hatte 0.09, drei andere 0.18, ein fünftes und sechstes
0.51 und das siebente 1.2 mm Dicke. Das dünnste Stück von 0.09 mm
Dieke sah ich schliesslich als Normalstück an, gab ihm willkürlich den
Werth 10 und verglich mit ihm die 6 übrigen Stücke. Als Einheit für
den Fünfmarksatz diente somit eine kreisförmige Kupferschicht von
0.009 mm Dicke und dem Durchmesser der Münzgattung, nämlich 38 mm.
Auf diese Weise wurden Sätze für die verschiedenen Durchmesser
ohne grossen Zeitaufwand angefertigt.
Für „elektrischen Gewichtsatz“ will ich forthin das Wort „In-
ductionssatz‘‘ gebrauchen, welches kürzer und zutreffender ist. Die Be-
zeichnung ‚‚Inductionswerth‘“ behält die frühere Bedeutung: die Anzahl
Einheiten des Inductionssatzes, welche die Störungen des Stromgleich-
gewichtes durch eine in die Wage gebrachte Münze genau compensiren, -
wenn diese und die compensirenden kleinen Platten conaxional zwischen
den Rollen der Inductorien stehen.
Es kam vor, dass die Münzen sehr grosse oder kleinere Inductions-
werthe hatten, so dass die Stücke des von vornherein angefertigten
Inductionssatzes nicht ausreichten oder das gut leitende Kupfer zum Com-
pensiren weniger bequem war.
In solehen Fällen wurden fehlende Stücke leicht hinzugefügt oder
für Kupfer Material von geringerem Leitungsvermögen verwendet, Dass
der Fünfmarksatz gerade aus 7 Stücken bestand, war natürlich zufällig.
$ 2. Die Methode.
Nach den angegebenen Vorbereitungen gestaltete sich die Methode,
das Leitungsvermögen der Münzen zu bestimmen, sehr einfach, Von
einem vorgelegten Exemplar wurden Abgüsse entnommen in Giessmaterial
von bekanntem oder bestimmbaren Leitungsvermögen und mit letzterem
dasjenige des Originals verglichen. Um dies auszuführen, wurde das
Induetorienpaar der Gruppe, welcher die Münze angehörte, nach einer
der vier oben gegebenen Versuchsanordnungen mit einer Accumu-
latorenbatterie als Stromquelle, dem Disjunetor und einem Spiegelgalvano-
meter zu einer Inductionswage zusammengesetzt, sodann für Münze und
Abgüsse mit dem zur Münzgattung gehörenden Inductionssatze die
392 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Induetionswerthe bestimmt und aus ihnen das gesuchte Leitungsvermögen
gefunden.
Es sei
J der Inductionswerth der Münze,
A ihr elektrisches Leitungsvermögen,
J, der Inductionswerth des Abgusses,
/, sein Leitungsvermögen,
so besteht die Beziehung
ne
An IR
woraus folgt
A
= J-.
J,
Hatte man also die Werthe X, und J, für einen Abguss, so fand
sich hiernach das elektrische Leitungsvermögen. Dabei wurde voraus-
gesetzt, dass dem Original der Abguss in der Form congruent war, ihm
darin mit mathematischer Strenge glich.
Für andere Münzen als das copirte Exemplar ergab sich A ebenso,
wenn die vorstehende Voraussetzung erfüllt war. Darum konnten Stücke
derselben Münzgattung bestimmt werden ohne neue Giessversuche, sobald
man ihren Inductionswerth ermittelt hatte.
Die Abgüsse wurden hergestellt in der Schriftgiesserei von Grass,
Barth & Comp. hierselbst, zunächst in Letternguss.. Da die Resultate
zuverlässiger ausfallen mussten, wenn anstatt von einem einzigen die J,
als Mittel von mehreren Abgüssen vorlagen, so wurden von einer Münze
einer jeden Gattung deren drei hergestellt. Hierzu kam noch je ein
Abguss von Zink, damit auch verschiedene A, zur Verfügung standen.
Man übersieht, dass bei Verwendung von Abgüssen mit verschiedenen
Leitungsfähigkeiten die Werthe J, sich ändern, aber die Quotienten A,/J,
constante Werthe haben müssen und einen Schluss gestatten über die
Methode selbst.
Um ein Urtheil zu gewinnen, in wie weit die Voraussetzung der
Formencongruenz erfüllt sei, verglich ich mit dem Original die Abgüsse
und die Stücke derselben Gattung, welche ausser ihm bestimmt wurden.
Durchweg traten dabei Unterschiede zu Tage, dass ich die Werthe J,
für die Abgüsse und die J für die Münzen nicht unmittelbar, wie aus
der elektrischen Wägung hervorgegangen, für die Rechnung benutzte,
sondern die Abweichungen controlirte durch zwei andere Messungen und
zuvor auch deren Ergebnisse berücksichtigte. Diese Messungen waren:
1) Bestimmungen des Durchmessers.
Sie wurden vorgenommen mit einem Tasterlineal. Waren die
Münzen gerändelt, wie die Zweimark-, Einmark- und Fünfzigpfennig-
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 33
stücke, so wurde gemessen zwischen zwei auf dem Rande diametral
gegenüberliegenden Vertiefungen, welche das Rändeln erzeugt, und dazu
der Meyerstein’sche Comparator benutzt.
2) Bestimmungen der Dicke.
Unter der Dicke eines der in Rede stehenden Stücke verstehe ich
die Höhe des Cylinders, welcher übrig bleibt, wenn man es sich ohne
die Prägung vorstellt. Die Diekenbestimmungen geschahen mit einem
Wild’schen Sphärometer. An dasselbe wurden zwei mässig spitze
Stahlkörper angesetzt, das zu messende Stück am Rande unterstützt
und nun zwischen die Spitzen gegenüberliegende, von Prägung freie
Stellen gebracht, an welchen die Dieke bestimmt werden konnte.
Beispielsweise erwies sie sich bei einem Fünfmarkstück mit der
Umschrift WILHELM DEUTSCHER KAISER KOENIG V. PREUSSEN
als zugänglich an dem H in WILHELM, dem C in DEUTSCHER und
dem V. der Abkürzung „von“.
Schwieriger erschien die Bestimmung der Einmarkstücke. Dieselben
zeigen auf einer Seite neben Anderem die Umschrift DEUTSCHES
REICH, die Jahreszahl und einen Kranz von Eichenlaub mit eingefügten
Eicheln. Die obere Spitze des Sphärometers wurde angesetzt bei dem D
in DEUTSCHES, dem H in REICH und an der ersten äusseren Eichel
links von der Jahreszahl in dem Kranz von Eichenlaub.
Ich machte stets drei Bestimmungen und nahm aus ihnen das Mittel.
Da die Dieken an denselben Stellen bestimmt wurden, so fand sich auf
diese Weise immer ein richtiger Durchschnittswerth, auch dann, wenn
der Cylinder nicht durch parallele Ebenen begrenzt war. So zeigten
einige Zweipfennigstücke geringe Biconcavität.
Die Ergebnisse der Controlmessungen wurden so verwandt, dass
die Dimensionen eines „Ausgangsstückes‘ — im Allgemeinen desjenigen,
von welchem die Abgüsse entnommen waren — zu Grunde gelegt und
darauf die Maasse der Abgüsse und der Münzen gleicher Gattung redu-
eirt wurden.
Bei der Reduction habe ich in Bezug auf den Durchmesser meine
früheren Versuche berücksichtigt, nach denen die Inductionswerthe wenig
schneller wachsen als die Quadrate der Durchmesser, wenn der Radius
der Stücke des Inductionssatzes unverändert bleibt. Die Versuche hatte
ich angestelli mit Platten von Zinn und Kupfer, und es fand sich als
Correction ein Betrag von 0.29 Procent für eine Durchmesserdifferenz
von 0,1 mm. Rücksichtlich der Dieken wurde Gebrauch gemacht davon,
dass ihnen die Inductionswerthe proportional sind.
Ist ö, die Dicke des Ausgangsstückes, ö, diejenige des Abgusses
oder einer zu vergleichenden Münze derselben Gattung, ferner n die
> Aa zwischen den Durchmessern und p die Aenderung des Inductions-
3
”%
34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
werthes für die Einheit von n, so kam vor dem Einsetzen in den Aus-
druck für A zu den Induetionswerthen der Factor hinzu
f = 7 (l + np).
ö,
Damit wurden die Dieken und Durchmesser der Cylinder zurück-
geführt auf den Cylinder des Ausgangesstückes. Für diesen ist n = 0,
&, = 6, so dass, wie es sein muss, f —= 1 wird und der Inductions-
werth eine Aenderung nicht erfährt.
Was die Prägung betrifft, so blieb sie der Wiedergabe durch die
Treue des Abgusses überlassen. Diese Licenz erschien bei den obigen
Münzgattungen nicht allein zulässig, sondern ich ging noch einen Schritt
weiter insofern, als ich Prägungsunterschiede in der Jahreszahl, dem
Münzzeichen, der Umschrift oder dem Wappen absichtlich hinzuzog.
$ 3. Die Leitungsfähigkeit des Giessmaterials,
Wie schon bemerkt, wurden die Abgüsse hergestellt in Letternguss,
einer Legirung von Blei, Antimon und Zinn, welche die Prägung mit
besonderer Feinheit wiedergab, sodann in käuflichem Zink. In zwei Be-
stimmungen habe ich für beide Massen das Leitungsvermögen ermittelt
auf ähnliche Weise, wie es soeben für die Münzen beschrieben worden ist.
Aus mässig dünn gewalztem Zinn sägte ich zwei kleine kreisförmige
Platten aus von 28 mm Durchmesser, entnahm von ihnen Abgüsse in den
zu bestimmenden Massen und verglich letztere in der Induetionswage mit
den Originalen unter Anwendung des Inductorienpaars für die Gruppe B.
Dabei wurde der Inductionssatz für die Zweimarkstücke gebraucht, mit
welchen die Zinnplatten im Durchmesser übereinstimmten.
Die Leitungsfähigkeit des Zinns hatte sich durch frühere Versuche
ergeben zu 7.8455 bei einer Temperatur von 0°, bezogen auf Queck-
silber von gleicher Temperatur als Einheit, welches somit für alles Weitere
zu Grunde liegt.
Die nachstehende Tabelle enthält die Resultate beider Bestimmungen,
und es bedeuten die Zahlen unter
ö die Dicken der Platten,
J, und J, ihre Induetionswerthe unter Berücksichtigung der Ab-
weichungen von dem Durchmesser 28 mm,
Jm das Mittel von J, und J,,
/ das elektrische Leitungsvermögen,
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 35
Tabelle über die Versuche zum Giessmaterial.
Fer u
Platte [2 inmm J, J, | Im | \
Erste Bestimmung.
1. Original.
Zinn A | 1.056 | 15.99 | 15.71 | 15.85 | 7.8455
2. Abgüsse.
Letternguss A 1.052 6.93 4.33 31°. 7.02 173.900
- B | 1.058 1.02 > 7.10 | 7.06 | 3.494
Zink A 1.034 28.42 | 28.16 | 28.29 ı“ 002
Zweite Bestimmung,
1. Original.
Zinn B| 1.518 | 23.76 | 23.80
2. Abgüsse,
Letternguss C 1.554 10.43 | 10.61 | 10.52 | 3.471
D | 1.501 | 10.58 10.36 | 10.47 | 3.455
we B| 1464 | 43,97 43.05 43.01 14.190
23.78 | 7.8455
Unter Berücksichtigung beider Bestimmungen folgt als Leitungs-
fähigkeit X, für das verwendete Giessmaterial:
Masse rg Er
Letternguss 3.497 | 3.463 3) 3.480
Zink 14.002 14.190 | 14.096
$4A. Elektrisches Leitungsvermögen einer Anzahl Münzen.
Die auf Seite 11 angeführten Gattungen umfassen Gold-, Silber- und
Kupfermünzen. Diese Reihenfolge behalte ich im Folgenden bei und
gebe nach Erwähnung des angewendeten Inductorienpaars und der Zahl
der Platten, welche den Inductionssatz bildeten, für jede Münzgattung an:
1) Eine Tabelle enthaltend für Münzen und Abgüsse unter
d die Durchmesser,
ö die Dicken, beides in Millimetern,
J und J, die Inductionswerthe reducirt auf das Ausgangsstück ;
J sind die Werthe für die Münzen, J, für die Abgüsse,
2) Das Ausgangsstück, resp. Original für die Abgüsse und die
(Juotienten - für die zum Guss verwendeten Massen.
0
3) Eine Tabelle über das speeifische elektrische Leitungsvermögen A
der einzelnen Stücke, bezogen auf Quecksilber von 0° als Einheit.
3*
36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Zu 3) sei bemerkt, dass A bei sechs Gattungen, denjenigen der
Gruppen B und C, das Mittel aus den beiden Werthen ist, welche der
Vergleich mit Letternguss und Zink ergab. Die Münzen der Gattungen
von Gruppe A habe ich mit Letternguss allein verglichen. Hier lieferten
nämlich die Zinkabgüsse so kleine Inductionswerthe J,, dass ku für
J,
Zink sich auffallend grösser ergab, als für Letternguss. Der Grund dafür
war ein interessanter. Als ich nämlich mehrere Abgüsse zerbrach,
zeigten die unbenutzt gebliebenen, also die von einem Fünfmarkstück
und einem Thaler, im Bruch grössere, das Licht iniensiv refleetirende
Flächen, welche von der Krystallisation beim Erstarren herrührten und
in Abgüssen von kleineren Stücken in ähnlicher Grösse nicht hatten ent-
stehen können. Der Letternguss erwies sich im Bruch überall sehr
gleichartig. |
Was die Temperatur betrifft, für welche X gilt, so sind alle Inductions-
werthe bei durchschnittlich derselben Temperatur bestimmt, bei welcher
die Versuche zur Ermittelung von A, für das Giessmaterial ausgeführt
worden sind.
Goldmünzen.
Doppelkronen.
Das Inductorienpaar für die Gruppe C wurde gebraucht. Der
Inductionssatz bestand aus fünf Platten.
Dicken, Durchmesser und Inductionswerthe.
Stück d | El = | J für 1, J, für 2
1. Münzen.
No. 1 22.3 | 1.063 | 35.47
2 224 | 1.064 34.67
u) 224 | 1.060 34.44
- 4 22.3 1.071 34.25
- 5 224 | 1.065 34.13
. 22.4 1.077 34.02
ur | 22.4 1.070 33.60
-.8 22.3 | 1.062 32.30
2. Abgüsse.
Letternguss a 22.3 1.040 | 14.92
- b 22.3 1.050 14.71
- c 22.3 1.043 14.63
Zink a 22.0 1.035 99.28
Il. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 37
Als Ausgangsstück diente Münze Nr, 4.
Ferner war a. für Letternguss 0.23594
0
- Zink 0.23778,
Specifisches elektrisches Leitungsvermögen.
Verglichen mit
Stück A
Letternguss | Zink
No. 1 3.367 | 8.433 8.400
224 LT 8.245 8.213
2.3 8.126 | 8.188 8.157
eh 08T. 17° 8.143 8.112
2: 8.053 8.115 8.084
POL: 8.026 | 8.088 8,057
By: 7.928 7.990 7.959
rg 7.612 7.680 7.646
Silbermünzen.
Fünfmarkstücke.
Das Inductorienpaar für Gruppe A kam zur Anwendung, Den
Inductionssatz bildeten sieben Platten,
Dieken, Durchmesser und Inductionswerthe.
J für 1, J, für 2
|
8%;
l. Münzen.
No. 1 38.0 2.204 | 211.49
.q 38.1 2.199 | 180.09
..8 38.1 2.182 | 178.30
u 4 38.2 2.189 | 172.36
2. Abgüsse.
Letternguss a 37.9 2.214 | 18.21
: b 1.037 |! 8919, } 17.91
; e 38.0 2.206 17.81
Zink a 347. | 2.008 || 70.62
Als Ausgangsstück diente Münze Nr. 3.
Es war . für Letternguss 0.19360
0
- Zink 0,19961,
38 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Specifisches elektrisches Leitungsvermögen.
Verglichen mit
Stück A
Letternguss | Zink
No, 1 40.657 Zinkabguss 40.657
= 13 34.596 nicht 34.596
03 34.519 benutzt. 34.519
- 4 33.663 33.663
Vereinsthaler.
Inductorienpaar für Gruppe A. Inductionssatz sechs Platten.
Dieken, Durchmesser und Inductionswerthe.
Stück d | ö J für 1, J, für 2
1. Münzen.
No. 1 330: '- EA 222.78
I 33.0 1:313 186.86
3 33.0 1.997 174.61
u 33.0 1.967 171.10
Ze; 33.0 1:395 168.29
N: 33.0 1.960 | 161.34
2. Abgüsse.
Letternguss a 32.8 1.977 | 15.87
2 b 52.9 1.959 | 15.81
- 0 32.9- I 197 15.72
Zink a 32.7 | 1.950 | 55.41
Als Ausgangsstück und Original für die Abgüsse diente Münze Nr, 1.
Ferner war . für Letternguss 0.22025
0
- Zink 0.25439.
Specifisches elektrisches Leitungsvermögen.
Verglichen mit
A
Letternguss Zink
No. 1 49.068 |, 49.068
2 41.346 ee 41.346
gr 38.457 | Ba 38.457
ER 37.685 u Sa 37.685
5 37.065 37.065
6
35.935 39.939
Il. Naturwissenschaftliche Abtheilung.
Zweimarkstücke.
Induetorienpaar für Gruppe B. Inductionssatz sieben Platten,
Dieken, Durchmesser und Inductionswerthe,
Stück J für 1, J, für 2
1. Münzen.
No. 1 27.7 1,625 134.10
ea 27.7 1.606 132.64
273 27.7 | 1620 132.62
2 278 | 1.68 131.70
5 27.7 | 1.620 126.49
2. Abgüsse.
Letternguss a 30 398 12.18
- b 27.6 | 1.599 12.15
h e 27.6 | 1.590 11.99
Zink 5 27.5. | 1.578 48.98
Ausgangsstück und Original für die Abgüsse Münze Nr. 4.
ho für Letternguss 0.28744
- Zink 0.28771.
Specifisches elektrisches Leitungsvermögen.
J,
Verglichen mit
Stück A
Letternguss Zink
No. 2 38.780 38.828 33.804
a | 38.660 38.708 38.684
223 38.351 38.399 38.375
-, 4 37.855 37.903 37.879
RP 36.577 .| 36.624 36.6005
Einmarkstücke.
Inductorienpaar für Gruppe B. Induetionssatz sechs Platten,
Dicken, Durchmesser und Inductionswerthe.
Stück d ö | J
l. Münzen.
No. 1 28.972, .1,099 \u| 106.02
..3 3.70 N u KJOAE 105.81
ER. 23.7 | 1111 1 6, 5 10834
e. 4 23.8 1.132 | 102.95
a, 238 | 1.184 73.67
u.6 23.8 | 1,140 69.90
40 Jahresbericht der Schles. Geseilschaft für vaterl. Cultur.
‚Stück d | Ö | J,
2. Abgüsse.
Letternguss a 23.8 1.114 8.01
z b 23.8 1.110 7.98
z c 33H, ut, 1,306 1.98
Zink al Be, | A087 | 3
Ausgangsstück und Original für die Abgüsse Münze Nr. 1.
> für Letternguss 0.436483
0
- Zink 0.435696.
Specifisches elektrisches Leitungsvermögen.
Verglichen mit
Stück A
Letternguss Zink
No. 1 46.276 46.327 46.302
ae: 46.185 46.236 46.211
a: 45.943 45.593 45.568
u ' 44.938 44.987 44.963
ec 32.159 32.195 32.177
EB 30.510 30.544 30.927
Fünfzigpfennigstücke.
Induetorienpaar für Gruppe ©. Inductionssatz fünf Platten.
Dicken, Durchmesser und Inductionswerthe.
Stück d ö J für 1, J, für 2
1. Münzen.
No. 1 20.0 0.747 74,76
2 19.9 0.762 63.20
I 19.9 0.739 61.55
- 4 19.7 0.784 59.72
BR 19.8 0.794 95.17
-6 19.8 0.187 7) 54.82
2. Abgüsse.
Letternguss a 19.8 0.728 9.76
- b 19.8 0.727 5.73
- c 19.8 0.716 5.53
Zink a 19.7 0.728 23.01
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung.
Ausgangsstück und Original für die Abgüsse Münze Nr. 3.
3 für Letternguss 0.61364
0
- Zink 0.61270.
Specifisches elektrisches Leitungsvermögen.
Verglichen mit
Stück A
Letternguss Zink
No. 1 45.879 45.808 45.844
rg 38.785 38.725 38.755
AE 37.770 37.712 37.741
- 4 36.647 36.991 36.619
en 33.855 33.803 33.829
: 6 33.642 33.590 33.616
Kupfermünzen,
Die neuen Kupfermünzen der Deutsch-Ostafrikanischen
Gesellschaft. |
Inductorienpaar für Gruppe B. Inductionssatz sechs Platten.
Dieken, Durchmesser und Inductionswerthe,
Stück d ö für 1, J, für 2
1. Münzen.
No. 1 25.05 1.380 161.75
...2 25.0 1.376 157.38
eg 25.0 1.578 150.91
- 4 25.0 1.390 142.18
2. Abgüsse.
Letternguss a 24,9 1.366 10.44
- b 24.9 1.364 10.23
Zink a 24.7 1.356 41.93
Ausgangsstück und Original für die Abgüsse Münze Nr. 4.
2 für Letternguss 0,33672
0
- Zink 0.336138.
49 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Specifisches elektrisches Leitungsvermögen.
Verglichen mit
Stück
Letternguss | Zink
No. 1 54.465 54.369 54.417
—) 52.993 92.909 92.951
BE 50.814 50.734 90.774
4 47.875 41,799 47.837
Zweipfennigstücke.
Inductorienpaar für Gruppe C. Inductionssatz wegen des Durch-
messers derselbe wie bei den Fünfzigpfennigstücken, jedoch waren nur
zwei Platten erforderlich.
Dicken, Durchmesser und Inductionswerthe.
Stück d ö 3 für 1, J, für 2
1. Münzen.
No. 1 20.0 1.081 34.03
Eu 20.0 1.156 29.95
2 We 19.8 1.131 29.73
Fe: 19.9 1.180 28.41
el» 19.7 1.159 28.26
-6 19.9 1.151 27,61
2. Abgüsse.
Letternguss a 39.7 1.183 9.68
z b 19 1.168 8.70
z G 19.8 1.161 8.07
Zink a | 196 1.154 | 35.61
Ausgangsstück und Original für die Abgüsse Münze Nr. 6.
2 für Letternguss 0.39455
u)
- Zink 0.393585.
Specifisches elektrisches Leitungsvermögen.
Verglichen mit
Stück ER
Letternguss | Zink
No. 1 13.428 | 13.472 13.450
2 11.817 11.856 11.837
...B 11.728 11.766 11.747
. 4 11.207 11.244 11.226
Er 11.152 11.188 11.170
: 6
10,894 10.930 10.912
li. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 43
$5. Die Resultate.
Die Werthe für X will ich bis auf eine Deeimale abgerundet zu-
sammenstellen und dabei noch den Ursprung der Stücke hinzufügen.
Dann haben sich — bezogen auf Quecksilber von 0° als Einheit und bei
durchschnittlich derselben Temperatur bestimmt, bei welcher die Ver-
suche zur Ermittelung von A, für das Giessmaterial ausgeführt wurden —
für die untersuchten Münzen die nachstehenden Leitungsfähigkeiten
ergeben,
Goldmünzen.
Doppelkronen.
A | Ursprung
8.4 Preussen A 1889
8.2 - Sue
8.2 = z z
8.1 , , 2
En RE
8.1 £ = 1888
8.0 - - 1889
7,6 - - 1888
Silbermünzen.
Fünfmarkstücke, Zweimarkstücke.
A | Ursprung A | Ursprung
34.6 Preussen B 1875 38.7 z ET
34,5 - LE 38.4 - 4iDiR -
33.7 - ai 37.8 - Fler"
36.6 | 4
Vereinsthaler. Einmarkstücke.,
A | Ursprung | A | Ursprung
49,1 Preussen A 1867 46,3 Preussen A 1887
41.3 Aue BB | 46.2 nu abge
38.5 | url 45.6 yon
377 | alu 2007 45.0 41887
1 - 1861 | 32.2 Baden G 1874
35.5
Oesterreich = 1858 | 30,5 Preussen B =
44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Fünfzigpfennigstücke.
A | Ursprung
45.8 Württemberg F 18377
38.8 Preussen A 1876
37.7 z = =
36.6 - 07%
33.8 7 Ar;
33.6 - Et
Kupfermünzen.
Die neuenKupfermünzender Zweipfennigstücke.
Deutsch - Ostafrikanischen A | Ursprung
Gesellschaft. 13,5 Preussen A 1874
A | Ursprung 11.8 Sachsen E 1875
54.4 11.7 Preussen B =
53.0 Berliner Prägung *11:3 Sachsen E 1876
*#50,8 1890 11.2 n Br
47,8 10.9 - ira
Somit ist vollendet, was ich in der Einleitung angekündigt habe:
Es ist das specifische elektrische Leitungsvermögen einer Anzahl Münzen
bestimmt und dazu die Methode gegeben worden.
Wirft man einen Blick auf die von ihr gemachten Anwendungen,
so sind die Grenzen für die Leitungsfähigkeiten der Goldmünzen 8.4
und 7.6. Unter den Silbermünzen hat den grössten Werth — 49.1 —
ein Preussischer Vereinsthaler mit dem Münzzeichen A und der Jahreszahl
1867, den kleinsten — 30.5 — das Einmarkstück B 1874. Für die
Kupfermünzen sind der grösste und kleinste Werth 54.4 und 10.9, so
dass sich für die untersuchten Stücke der drei Münzsorten sehr ver-
schiedene Leitungsfähigkeiten ergeben haben.
Es liegt der Wunsch nahe, zu sehen, was für Ursachen jene Ver-
schiedenheiten herbeiführten, wie dies auch erörtert wurde in der Sitzung,
welche die naturwissenschaftliche Section der Schlesischen Gesellschaft
für vaterländische Cultur am 29. Juli a. ec. abhielt und in der ich die
Ehre hatte die Versuche bekannt zu geben.
Sind nämlich die Ursachen festgestellt, so kann sich das Leitungs-
vermögen verwerthen lassen, um über sie selbst Rückschlüsse zu ziehen.
Soweit die Metalleomposition in Frage kam, lagen von den zwei
mit ** und * bezeichneten Kupfermünzen quantitative Analysen vor, welche
Herr Kwasnik sehr sorgfältig ausgeführt hatte. Stellen wir neben
ihre Resultate die obigen Werthe A, so ergab sich Folgendes:
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 45
Münze ı Leitungsvermögen Kupfergehalt
|
| | |
#* | 50.8 953 nOß
z | 11.2 93.7, =
\
|
Ausser Kupfer enthielten die Stücke noch Zinn und etwas Zink.
Für das Leitungsvermögen von reinem Kupfer habe ich vor Kurzem
l, e. 56.447 gefunden, Hg bei 0° — 1 gesetzt.
Wenn der geringe Gehalt von Zinn und Zink die Erniedrigung- bis
auf 50.3 und 11.2 bewirkte, so sei 'es gestattet, eine im Jahre 1860
erschienene ') Untersuchung heranzuziehen von Matthiessen und Holz-
mann: „Ueber die elektrische Leitungsfähigkeit des reinen Kupfers und
deren Verminderung durch Metalloide und Metalle.“ Nachdem die Ge-
nannten Ag — 100 angenommen, für Kupfer den Werth
93.08 bei 18.9°
. erhalten haben, geben sie auf Seite 231 an:
Kupfer mit 1.33 Procent Zinn: 48.52 bei 16.8°
z = 2.92 2 ee 3264 =.17. 83
| EP REEEERRE 3. = 19,47 = 14,4°
und vorher auf Seite 230:
Kupfer mit Spuren von Zink: 83.05 bei 19.0°
z =....4,60,, Procent, ,.= „76.33, .=,,15,8°
- = 3.20 - u rt
Die Zahlen wurden erhalten durch Messungen an Drähten, welche
sämmtlich hart gezogen, einen Durchmesser besassen von 0.25—0.5 Milli-
meter und eine Länge von 0.5—1.5 Meter.
Zu ähnlichen Ergebnissen bin ich also auf ganz anderem Wege ge-
langt, indem ich die Bestimmungen an den metallischen Massen vornahm
in der Form, wie sie mir als Münzen vorlagen.
Die Resultate regen nach zwei Richtungen hin zur Fortsetzung an.
Die eine hat die analytische Verwendbarkeit des elektrischen Lei-
tungsvermögens zum Gegenstand, wobei die Molecularsiructur der Massen
zu berücksichtigen ist. In der Discussion, die sich in der obenerwähnten
Sitzung an den Vortrag über.die Versuche anschloss, wies Herr Geheim-
rath O. E. Meyer hin auf die specifische Wärme als eine Eigenschaft,
von welcher über diesbezügliche Fragen auch Aufschlüsse erhalten wer-
den könnten,
!) A. Matthiessen und M. Holzmann, Pogg. Ann. Bd. 110, S. 222, 1860.
46 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Die andere Richtung betrifft die elektrischen Schwingungen in dem
secundären Kreis der Induetionswage, besonders die Bedingungen, unter
welchen Störungen des Stromgleichgewichtes mit dem Galvanometer
beobachtet werden. Hier hatte ich Gelegenheit zu sehen, wie das Bild
der Skala von der Stellung 912 sich ganz nach ihrem entgegengesetzten
Ende bewegte, als die Zeit zwischen der Herstellung der Contaete im
primären und secundären Kreis der Versuchsanordnung III eine Aende-
rung um 8.5 Milliontel Secunden erfuhr.
Ich hoffe über Beides die Arbeit fortführen zu können.
Ueber Messungen der erdmagnetischen Richtkraft.
Von
Dr. 0. E. Meyer.
Der Geheimrath Professor Dr. O. E. Meyer berichtete über eine
örtliche magnetische Störung, die sich an dem zwischen Reichenbach
und Nimptsch gelegenen Schindelberge zeigt.
Dieser Berg besteht in seiner Hauptmasse aus Gneiss; nur der letzte
Abfall seiner Höhe in dem Winkel, welehen die von Reichenbach nach
Nimptsch führende Landstrasse und das Schwarzwasser einschliessen,
enthält ein Serpentingestein, in welchem sich zahlreiche Krystalle von
Magneteisenstein finden. Der Serpentin ist insofern ein neu gebildetes
Gestein, als durch die Einwirkung des durch ältere Gesteine hindurch-
sickernden Wassers eine Umwandlung der Felsmassen in Serpentin er-
folgt ist und noch heute erfolgt; in den feinen Spalten des Gesteins
setzt sich dabei das magnetische Eisen ab, und dieses geschieht unter
der Einwirkung der erdmagnetischen Kraft. Die Richtung der letzteren
ist die durch die Inclinationsnadel angezeigte, welche in unseren Breiten
der lothrechten Richtung viel näher liest, als der wagrechten; sie bildet
gegen die Horizontalebene einen Winkel von etwa 65°, gegen die
Verticale einen Winkel von nur 25°. Wenn die magnetischen Krystalle
im Gestein sich nach dieser Richtung ordnen, so muss die Folge sein,
dass die erdmagnetische Kraft durch den Magnetismus des unter den
Füssen des Beobachters liegenden Gesteins stets verstärkt, nicht ge-
schwächt wird. Seitlich gelegene Felswände aber müssen den Erd-
magnetismus verringern. Diese einfachen Verhältnisse lassen sich am
Schindelberg in anschaulicher Weise erkennen. Mit einem Instrument,
dessen Einrichtung an einem Modelle erläutert wurde, hatte der Vor-
tragende die erdmagnetische Kraft an verschiedenen Punkten des Berges
gemessen. Ueber dem Gneiss fand sich eine schwache, aber doch noch
deutlich erkennbare Verstärkung des Erdmagnetismus. Eine sehr viel
stärkere, fast 10 pCt. betragende Zunahme aber war über einem im
Serpentin angelegten Steinbruche beobachtet worden. Eine kürzlich im
/II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 47
Innern des Steinbruches ausgeführte Messung ergab einen erheblich ge-
ringeren Werth. So wiederholte sich hier im Kleinen, was Humboldt
und Gay-Lussae am Vesuv beobachtet hatten: auf dem Gipfel eine Ver-
stärkung, im Krater eine Schwächung des Erdmagnetismus.
Ueber die Benutzung gewisser Farbstoffe zur Bestimmung
von Affinitäten.
Von
Privatdocent Dr. F. Röhmann.
Wenn man in bekannter Weise mit Lackmuspapier die Reaction einer
thierischen Flüssigkeit oder eines Gewebes prüft, so will man hierdurch
einen Aufschluss über das Mengenverhältniss der vorhandenen Säuren
und Basen erhalten. Die Affinitäten der Säuren und Basen haben sich
ausgeglichen, es besteht ein gewisser Gleichgewichtszustand zwischen
beiden und dieser ist es, welcher der Prüfung unterliegt. Im lebenden
Gewebe besteht während einer unendlich kleinen Zeit eine ähnliche
Gleiehgewichtslage, unter dem Einfluss des Spiels der chemischen Kräfte
ändert sich dieselbe von Moment zu Moment. Stoffe verschiedener Ver-
wandtschaft wirken auf einander ein und bewirken das, was wir die
Lebensthätigkeit der Zellen nennen.
Wenn es nun auch nie möglich sein wird, alle Umsetzungen in
einer Zelle und die wechselseitige Verwandtschaft der entstehenden und
wieder vergehenden Stoffe zu verfolgen, so ist es doch für den Physio-
logen von grösstem Interesse, die Verwandschaften der schon jetzt be-
kannten, im Thierkörper und seinen Secreten vorkommenden Verbindungen
mit einander und mit anderen wohlcharakterisirten Stoffen vergleichen zu
können.
Zur Bestimmung von Affinitäten sind eine Reihe verschiedener, hier
nicht näher anzuführender Methoden angewendet worden.
Im Folgenden soll der Versuch gemacht werden, das nach diesen
Methoden gewonnene Beobachtungsmaterial unter Anwendung einer neuen,
sehr einfachen Methode zu erweitern.
Zum Verständniss derselben sei Folgendes vorausgeschickt: Wenn
zwei beliebige Stoffe auf einander einwirken, so ist die Wirkung ab-
hängig von der Masse der beiden Stoffe und der ihnen eigenthümlichen
Verwandtschaft. Nach diesem zuerst von Goldberg und Waage aus-
gesprochenen Gesetz lässt sich also die Gesammtwirkung beider Stoffe
ausdrücken durch das Produet C p q, in welchem © die Constante
der Verwandtschaft bez. chemischen Energie, p und q die in Wirksam-
keit tretenden Maasse beider Stoffe bezeichnet.
Wenn zwei Stoffe auf einander wirken, z. B. eine Säure und ein Salz,
sagen wirSalpetersäure und essigsauresNatrium inäquivalentenVerhältnissen,
48 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
so wird die Salpetersäure als stärkere Säure dem essigsaurem Natrium die
Base zu entziehen und Essigsäure in Freiheit zu setzen suchen; aber die
Essigsäure giebt ihr Alkali nicht freiwillig her, es hält dasselbe mit
einer gewissen Kraft fest und wird vermöge desselben auch auf das ge-
bildete salpetersaure Natrium einzuwirken streben. In einer derartigen
Flüssigkeit tritt nach einiger Zeit ein bleibender Zustand ein, in welchem
die Salpetersäure scheinbar nicht mehr auf das essigsaure Natrium und
die Essigsäure nicht mehr auf das salpetersaure Natrium einwirkt, d.h.
die entgegengesetzt wirkenden Kräfte in eine Gleichgewichtslage ge-
kommen sind. Bezeichnet p die Menge der Salpetersäure, q die Menge
des essigsauren Natriums, C die Kraft, mit welcher die Salpetersäure
das essigsaure Natrium zu zerlegen strebt, und in entsprechender Weise
p‘ dieMenge der Essigsäure und q‘ die Menge des schwefelsauren Natriums,
C’ die entsprechende Affenitätenconstante, so ist
pyu=Üpgd.
Man kann die nach Ablauf der Reaction gebildeten Mengen der
neuen Verbindungen in sehr einfacher Weise auf die Mengen der am
Anfang der Reaction vorhandenen Verbindungen beziehen, wenn, wie im
obigen Beispiel aus x Molecülen der neuen Verbindung (essigsaures
Natrium) die gleiche Anzahl x einer neuen Verbindung (salpetersaures
Natrium) entsteht. Es vermindert sich dann die Anzahl Molecüle
Salpetersäure um x, während die Menge der Essigsäure, von der wir
annehmen wollen, dass sie neben dem essigsauren Natrium in der
ursprünglichen Flüssigkeit enthalten gewesen sei, um x Moleecüle zu-
nimmt. Ausser Salpetersäure enthalte die Flüssigkeit auch salpeter-
saures Natrium, auch seine Menge nimmt um x Molecüle zu. Es be-
zeichne C und C’ die Verwandtschaft der Salpetersäure bez. Essigsäure
zum Natrium, p und q die Mengen der zu Anfang der Reaction in der
Flüssigkeit enthaltene Essig- bez. Salpetersäure, p‘ und q‘ die zu Anfang
der Reaction vorhandenen Mengen essigsauren und salpetersauren Natriums.
Dann haben wir nach Ablauf der Reaction eine Gleichgewichtslage,
welche ausgedrückt wird durch
CP —)Qa—)=UÜPp+R) (HR).
Hieraus folgt
Ce HR)
e P—R)Qd—x)
ist das Verhältniss der Energien der beiden in Betracht kommenden
c
Vorgänge, d. h. der Zerlegung des essigsauren Natriums durch Salpeter-
säure und des salpetersauren Natriums durch Essigsäure, insoweit die-
selben nicht von der Masse der Salze und der Säuren abhängig sind.
I)
bedeutet die Mengen des nach Ablauf der Reaction
(P—x) ( —x) |
U. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 49
vorhandenen essigsauren und salpetersauren Natriums verglichen mit der
Menge Essigsäure und Salpetersäure. Dieses Verhältniss ist der Aus-
druck für das Verhältniss der Affinitäten beider Säuren zum Natrium.
Wenn man in gleicher Weise ein zweites Salz bei gleichzeitiger
Anwesenheit seiner Säure, z. B. ein Gemisch von Ameisensäure und
ameisensaurem Natrium mit einem Gemisch von Salpetersäure und
salpetersaurem Natrium zusammenbringt und C wieder die Affinität der
Salpetersäure zum Natrium, C“ die Affinität der Ameisensäure zum
Natrium, q die Menge der zu Anfang der Reaction vorhandenen Salpeter-
säure, P die Menge Ameisensäure, q‘ die Menge des salpetersauren
Natriums und P‘ die Menge des ameisensauren Natriums und y die An-
zahl der zersetzten Molecüle ameisensauren Natriums bezeichnet, so er-
hält man die Gleichung
Cs EIGEN)
ne Y lUara dd
An Stelle der Salpetersäure kann man irgend eine beliebige andere
Säure oder säureähnliche Verbindung nehmen, welche eine derartige
Verwandtschaft zum Alkali hat, dass sie dem Salz der Essigsäure bez.
Ameisensäure einen Th®il der Bases zu entziehen vermag. Wir nehmen
einen Farbstoff, das seit kurzem in die Acidimetrie als Indicator einge-
führte Lakmoid. Dasselbe bildet mit dem Alkali eine blaue Verbin-
dung, im freien Zustande ist es roth. Man könnte das Verhältniss, nach
welchem sich das Alkali zwischen ihm und die Essigsäure und Ameisen-
säure theilt, durch irgend eine bisher bekannte Methode zu bestimmen
versuchen. Wir thun dies nicht, machen aber von der Fähigkeit des
Lakmoids mit Essigsäure und Ameisensäure ein Theilungsverhältniss in
Bezug auf die Bases einzugehen, folgenden Gebrauch.
Wir titriren 10 ccm einer Zehntelnormallösung der Essigsäure bez.
Ameisensäure mit '/, Normalnatronlauge, bis auf dem rothen Lakmoid-
papier gerade eine Blaufärbung sichtbar wird. Wir finden, dass wir
im ersteren Falle 1 ccm im letzteren 3 ccm '/, Normalnatronlauge
verbrauchen. Die Blaufärbung des rothen Lakmoidpapiers tritt also auf,
wenn die Anzahl der Molecüle Essigsäure sich zu der des essigsauren
Natriums wie 9:1 verhält bez. die Anzahl der Molecüle Ameisensäure
zu denen des ameisensauren Natriums wie 7:3.
In dem Augenblick, wo sich das rothe Lakmoidpapier blau färbt,
haben wir eine bestimmte Gleichgewichtslage.
Betrachten wir dieselbe an der Hand der obigen Gleichungen.
Wir hatten für die Einwirkung der Salpetersäure und ebenso der
Lakmoidsäure auf essigsaures Natrium die Gleichung
CP — ya - = PR) (HR).
Im vorliegenden Fall sind in der Lösung zur Zeit der Blaufärbung des
Easmoidpopiers drei Aequivalente essigsauren Natriums vermindert um
Ar
&
2
50 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
diejenige Menge, welche durch die Anzahl der sich blaufärbenden Lak-
moidmolecüle zerlegt werden, vorhanden. Dies ist der Werth für
p’ — x. q—x bedeutet die Anzahl der rothen Lakmoidmoleecüle ver-
mindert um die Anzahl der sich blaufärbenden. px ist die Menge
der vorhandenen Essigsäure, d.h. 7 Aequivalente vermehrt um die An-
zahl derjenigen, welche bei der Zerlegung des essigsauren Natriums
durch die Lakmoidsäure entstanden sind, 9° -- x bedeutet die Anzahl
der im rothen Lakmoidpapier von Anfang an vorhandenen blauen Lak-
moidmolecüle vermehrt um die Anzahl der bei der Zerlegung des essig-
sauren Natriums durch die Lakmoidsäure entstandenen.
In entsprechender Weise würde die Gleichgewichtslage für das
ameisensaure Natrium ausgedrückt durch die Gleichung
ER RC Be 1 Bl ui 3 de an
Auch in diesem Falle bedeutet y die Anzahl der sich blaufärbenden
Lakmoidsäuremolecüle, also auch der zersetzten Molecüle ameisensauren
Natriums etc.
Wir können nun ohne weiteres annehmen, dass, wenn wir unter
den oben angeführten Bedingungen so titriren, dass die gleiche gerade
wahrnehmbare Blaufärbung auf demselben Lakmoidpapier eintritt, die
Anzahl der sich blaufärbenden Lakmoidmolecüle in allen Fällen an-
nähernd die gleiche ist, x ist dann also gleich y und wir haben die
Gleichungen
ee —- 4 -=C" PN (HR
CP—-Ja—-=- A" PFHtg)@+Q.
Dividiren wir die erste Gleichung durch die zweite, so erhalten wir
GB: Bas
Ci nel ie op I
Die Menge Natrium, welche erforderlich ist, um die wahrnehmbare
Blaufärbung auf dem rothen Lakmoidpapier hervorzurufen, ist ausser-
ordentlich klein, wir können deswegen x gleich Null setzen und er-
halten.
CH p‘ P’
Pe 5“ DB
In Worten bedeutet diese Gleichung, die relative Affinität zweier Söuren
zum Natrium wird ausgedrückt durch eine Zahl, welche wir erhalten,
wenn wir das Verhältniss von Salz und Säure das in einer für rothes
Lakmoid neutralen Lösung enthalten ist, für jede der beiden Säuren
unter gleichen Bedingungen ermitteln und mit einander vergleichen.
In unserem Beispiele ist also das Verhältniss der Affinität der
Essigsäure zur Ameisensäure gleich
in 8 hi
7
9 . 7 = 9.3 = 0,2592.
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 51
In gleicher Weise wurde für eine Reihe anderer Säuren ermittelt,
bei welchem Verhältniss von Säure und Salz Neutralität für rothes Lak-
moid eintritt und durch Vergleich dieses Coeffieienten mit dem Coefficienten
der Ameisensäure der Ausdruck der Affinität dieser Säure zum Natrium
gefunden.
Es erforderten 10 cem '/,, Normallösung folgende Anzahl Cubik-
centimeter '/,, Normalnatronlauge bis zum Eintritt der Blaufärbung des
rothen Lakmoidpapiers.
Ameisensäure 3, Essigsäure 1, Propionsäure 0,9, Buttersäure 0,8,
Isobuttersäure 0,75, Valeriansäure 0,85, Milchsäure 2,5, Oxgisobutter-
säure 2,6, Monochloressigsäure 7,0, Trichloressigsäure 9,9—10,0 cem.
Die hieraus berechneten Affinitätsverhältnisse sind auf der folgenden
Tafel neben den nach anderen Methoden erhaltenen aufgeführt.
Die Affinität zu Natrium beträgt im Vergleich zur Affinität der
Ameisensäure für Natrium, berechnet aus
der Neutralität der Zerlegung der elektrischen
RS: Diikke 1 des Methylacetats Leitfähigkeit
Essigsäure 0,2592 0,2633 0,2523
Propionsäure 0,2307 0,2320 0,1934
Buttersäure 0,2028 0,2290 0,1881
Isobuttersäure 0,1891 0,2045 0,1851
Valeriansäure 0,2167 — —
Milchsäure 0,7700 0,687 0,619
Oxgisobuttersäure 0,1893 0,7022 0,738
Monochloressigsäure 5,22 3,206 2,916
Trichloressigsäure — 52,0 37,08
Nach derselben Methode wurden die Affinitäten für zweiwerthige
Säuren der Fettreihe, für Säureamide und Amidosäure, sowie für eine
Anzahl Eiweisskörper ermittelt.
Sitzung vom 14. October 1891.
Ueber Tiefbohrungen und neue Erwerbungen des
mineralogischen Instituts.
Von
Ferdinand Roemer.
Geh. Bergrath Professor Dr. Roemer berichtete über die Ergeb-
nisse einer im Jahre 1891 auf dem 1'/, Meilen nordwestlich von Breslau
gelegenen Gute Herrnprotsch zur Gewinnung von Trinkwasser durch
den Ingenieur Treschel ausgeführten Tiefbohrung. Nach der dem Vor-
tragenden durch den Magistrat von Breslau gemachten Mittheilung wurden
4*
52 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
mit diesem Bohrloche bis zur Tiefe von 191 Metern nur gelbe, graue
und rothe sandige Thonschichten mit Einlagerungen von wasserführendem
und Braunkohlen-Reste enthaltendem Triebsand angetroffen. In der an-
gegebenen Tiefe traf man plötzlich auf weissen Sandstein, und in diesem
steht das Bohrloch bis zur grössten bis jetzt erreichten Tiefe von
207 Metern. Fragt man nun nach dem Alter der mit dem Bohrloche
durchsunkenen Schichten, so kann es nicht wohl zweifelhaft sein, dass
die thonig sandigen Schichten, in welchen das Bohrloch bis auf den
weissen Sandstein steht, abgesehen von der nur wenige Meter betragenden
Bedeckung mit Diluvium und Alluvium der oligocänen Tertiärbildung an-
gehören, welche sich unter der Benennung der nordostdeutschen Braun-
kohlenbildung über die nordöstlichen preussischen Provinzen unter der
Diluvial-Bedeckung verbreitet und namentlich auch ganz Niederschlesien,
mit Ausnahme des Berglandes, einnimmt. Bei allen Tiefbohrungen,
welche in Breslau selbst und in dessen Umgebung in dem letzten Jahr-
zehnt ausgeführt wurden, hat sich überall ein ganz ähnlicher Wechsel
von grauen und bunten, fetten oder sandigen Thonen mit untergeordneten
Einlagerungen von wasserreichen weissen Sanden mit Braunkohlenstücken
in dieser Tertiär-Bildung gezeigt. Dagegen bietet die Altersbestimmung
des weissen Sandsteins grössere Schwierigkeit. Es ist nach den vor-
liegenden Bohrkernen ein ziemlich fester, feinkörniger weisser Sandstein,
Die gleich grossen feineren Quarzkörner sind durch ein ziemlich reich-
liches weisses thoniges Bindemittel mit einander verbunden. Aus der
ganzen nordostdeutschen Braunkohlenbildung ist ein ähnlicher Sandstein
nicht bekannt. Für eine blosse Einlagerung in derselben erscheint auch
die bisher schon bekannt gewordene Mächtigkeit von 16 Metern, welche
möglicher Weise in Wirklichkeit eine noch viel grössere ist, zu be-
deutend und es ist wahrscheinlicher, dass der Sandstein das Liegende
der ganzen Tertiär-Formation bildet. Da die mit diesem Bohrloche er-
reichte Tiefe von 207 Metern bedeutend grösser ist, als diejenige irgend
eines anderen bisher in der Gegend von Breslau niedergebrachten Bohr-
loches, so ist an sich die Annahme, dass mit dem Sandstein die obere
Grenze einer älteren Formation erreicht sei, naheliegend. Nach der
petrographischen Beschaffenheit des Sandsteins ist seine Zugehörigkeit
zu der Kreideformation am wahrscheinlichsten und trotz der bedeutenden
räumlichen Entfernung von den in der Gegend von Löwenberg und
Bunzlau anstehenden oberen Kreidebildungen wird man den in dem Bohr-
loche angetroffenen Sandstein mit den letzteren in Verbindung zu bringen
genöthigt sein. Ob es gelingen wird, den mit dem Bohrloche beabsich-
tigten Zweck der Trinkwassergewinnung bei dem Fortbohren zu er-
reichen, ist unsicher. In jedem Falle ist es wahrscheinlicher, in dem
reinen weissen Sandstein trinkbares Wasser anzutreffen, als in der
thonigen Tertiär-Bildung, welche bisher in den verschiedenen Bohrlöchern
ll. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 53
nur unreines für den menschlichen Trinkgebrauch ungeeignetes Wasser
geliefert hat.
Derselbe Vortragende berichtete auch über ein in der Schulgasse
in Kosten in der Provinz Posen gestossenes Bohrloch. Diese Stadt
leidet sehr unter dem Mangel von gutem Trinkwasser und der dortige
Magistrat beschloss deshalb, diesen Mangel womöglich durch eine Tief-
bohrung zu beseitigen. Durch den Bohr-Ingenieur Treschel wurde ein
solches bis zur Tiefe von 135 Metern niedergebracht. Die durchbohrten
Schichten waren nach dem durch den Magistrat von Kosten mitgetheilten
Bohrregister in der Aufeinanderfolge von oben nach unten die folgenden:
0—18 m sandiger Thon, Kies und Sand. Nach seinen Merkmalen
den Alluvium und Diluvium angehörend.
13—112 m. Grüner und gelber Thon.
112—120 m, Bituminöser Thon in unreine Braunkohle übergehend.
120—129 m. Undeutliche Pflanzenreste enthaltender wasserführen-
der Triebsand. Das Wasser bis zur Oberfläche steigend.
129—135 m. Rother zäher Thon mit einer dünnen Zwischenlage
von Triebsand.
Es kann nach der petrographischen Beschaffenheit nicht zweifelhaft
sein, dass die ganze Aufeinanderfolge der durchbohrten Schichten von
18 bis 155 m ebenfalls der nordostdeutschen braunkohlenführenden
Tertiärbildung angehört. Bei der durch zahlreiche Tiefbohrungen gleich-
mässig bestätigten Erfahrung, dass diese Tertiärbildung überhaupt sehr
wasserarm ist und für den menschlichen Gebrauch geeignetes Wasser
kaum irgendwo geliefert hat, eine noch viel grössere Mächtigkeit der
Bildung als die bisher durchteufte aber mit Wahrscheinlichkeit zu ver-
muthen ist, so war von einer Fortsetzung der Bohrarbeit abzurathen.,
Derselbe Vortragende berichtete ferner über einige besonders be-
merkenswerthe neue Erwerbungen des Mineralogischen Museums unter
Vorlegung der betreffenden Stücke. Zunächst wurde ein schön erhaltener
rechter Oberkiefer von Rhinoceros occidentalis Leidy aus den Tertiär-
Schichten der Bad Lands in Nord-Amerika vorgelegt. Während die
Gattung Rhinoceros in der Jetztzeit ausschliesslich der alten Welt an-
gehört, war sie in der Tertiärperiode auch in Amerika vertreten. Das-
selbe gilt von anderen grossen Säugethieren, wie Elephas, Equus u. s. w.
Ferner ein vollständiges Geweih von Dierocerus (Prox) elegans Lartet
aus der miocänen Tertiär-Bildung von Sansan im südlichen Frankreich,
Dasselbe ist durch die Länge des eylindrischen Rosenstocks ausgezeichnet,
wie sie sich ähnlich bei dem lebenden Muntjac von Java und Sumatra
zeigt. Die Einfachheit des nur aus Stange und Augensprosse bestehen-
den zweitheiligen Geweihs theilt die Gattung mit anderen tertiären
Hirscharten. Hirsche mit zusammengesetztem vielfach verästeltem Ge-
weih treten erst mit der Diluvialperiode auf,
54 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Ueber einige neue Mineralien von Striegau.
Von
C. Hintze.
Professor Dr. Hintze legte vor und besprach einige neue Mineral-
Vorkommen von Striegau, deren Erwerbung dem hiesigen Mineralogischen
Museum durch den regen wissenschaftlichen Sammeleifer des Herrn
Lehrer Zimmermann in Striegau ermöglicht wurde. Eines der schönsten,
in den Drusenräumen des Striegauer Granits vorkommenden Mineralien
ist bekanntlich der Flussspath in mannigfachen Kırystallgestalten. Zur
Vorlage gelangte ein ausgezeichneter Okta&der-Durchkreuzungs-Zwilling,
wie solche am Flussspath im Gegensatz zu den gewöhnlichen Würfel-
Durehkreuzungen an und für sich sehr selten sind; von Striegau war
bisher ein solches Krystallgebilde nur in einem einzigen, minder voll-
kommenen Exemplare bekannt, welches sich im Berliner Museum be-
findet. Der vorliegende Flussspath zeichnet sich auch durch eine reine,
dunkelrosenrothe Farbe aus, wie sie sonst für die Krystalle von der
Gösehener Alp in der Schweiz charakteristisch ist. Die Zahl der in
Hohlräumen des Basalts vom Breitenberge bei Striegau beobachteten
Mineralien konnte durch den bisher von dort noch nicht bekannten
Zeolith Analeim vermehrt, und das von dort zwar schon angegebene
des Phillipsits durch ausgezeichnet deutliche Exemplare bestätigt werden.
— Herr Johannes Brunner in Magdeburg, der sich schon mehrfach durch
Auffindung neuer Mineralvorkommen im Steinsalzlager von Stassfurt-
Leopoldshall verdient gemacht, hatte an den Vortragenden als bisher
von dort unbekanntes Mineral einige Stufen eingesandt, welche auf
körnigem Steinsalz etwa kirschgrosse, wasserhelle Krystalle zeigten, in
denen Prof. Hintze ungewöhnlich flächenreiche Gebilde von Epsomit
(Bittersalz, Magnesiumsulfat mit sieben Molecülen Wasser) erkannte.
Unschwer gelingt bekanntlich im Laboratorium die Darstellung von auch
ziemlich grossen, meist aber sehr einfachen, flächenarmen Krystallen
dieser Substanz, welche der hemiödrischen Abtheilung des rhombischen
Krystallsystems angehört; als natürliche Bildung dagegen war der Epsomit
bisher nur in Efflorescenzen, Stalaktiten und höchst unvollkommen aus-
krystallisirt bekannt. Die von Herrn Dr. L. Milch im Mineralogischen
Institut ausgeführte exacte krystallographische und optische Untersuchung,
sowie die chemische Analyse der Krystalle bestätigte die Diagnose
auf Bittersalz, und wird eingehender in einer Fachzeitschrift publieirt
werden.
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 55
Ueber eine cambrische Trilobiten-Fauna.
Von
Georg Gürich.
Der Vortragende berichtete über eine cambrische Trilobitenfauna,
welche er bei seiner diesjährigen Reise in das polnische Mittelgebirge
bei Sandomir an der Weichsel aufgefunden hatte. Folgende Arten
konnten bestimmt werden: Paradoxides cf. Tessini Brongn., Agnostus fallax
Linn., Agnostus gibbus Linn. und Liostracus Linnarsoni Brögger. Da-
durch wurde für Polen das Cambrium zum ersten Male mit Sicherheit
nachgewiesen. Wichtig ist die Uebereinstimmung dieses polnischen
Cambrium mit den entsprechenden Ablagerungen Skandinaviens, während
die nächst gelegenen ostbaltischen cambrischen Schichten sowohl wie
die böhmischen sich anders verhalten. Dem Alter nach entspricht das
polnische Vorkommen einem bestimmten Horizonte, dem als mittleres
Cambrium aufzufassenden Paradoxides-Schiefer Skandinaviens,
Ueber das Verhalten des Baryumsuperoxyds
gegen Metallsalze.
Von
H. Kwasnik.
Im Jahre 1890 veröffentlichte der erste Assistent am pharma-
ceutischen Institut zu Breslau, Dr. Kassner'), zwei Methoden zur
maassanalytischen Bestimmung des Ferricyankaliums und der Super-
oxyde der alkalischen Erden, indem er bei der ersteren die Wechsel-
wirkung des Wasserstoffsuperoxyds auf Ferrieyankalium, bei der letzteren
jene des Ferrieyankaliums auf Baryumsuperoxyd benutzte. Diese letztere
Wechselwirkung gestaltete sich in unerwarteter Weise, indem sich da-
bei der ganze Sauerstoff des Superoxyds als solcher frei entwickelte,
ohne jede Bildung von Ozon oder Wasserstoffsuperoxyd, aber unter
Reduction des Ferrieyankaliums nach der Gleichung:
vI
Ba0, + Fe,Cy,,K, = 0, + K,Ba(FeÜy,),.
Der Process vollzieht sich so glatt, dass es genügt, äquivalente
Mengen von Baryumsuperoxyd und Ferrieyankalium mit kaltem Wasser
zu übergiessen, um sofort eine reichliche Entwicklung von reinem
Sauerstoff zu erhalten. Man erhält aus 2,5 g 75 procentigen Baryum-
superoxyds ca. 240 ccm Sauerstofi, während die Berechnung 236 cem
verlangt.
Im Anschluss daran machte ich die Beobachtung, dass Eisenchlorid
mit Baryumsuperoxyd ebenfalls eine reichliche Sauerstoffentwicklung
!) Dieser Jahresbericht 1890, S. 46.
56 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
veranlasse, dass hier aber keine Reduction der Ferriverbindung statt-
finde und demgemäss auch nur die Häfte des Sauerstoffes des Baryum-
superoxyds frei werde nach der Gleichung
6Ba0, + 2Fe,Cl, +6H,0=30, + 2Fe,(OH), + 6BaCl,.
Auf Veranlassung von Herrn Geheimrath Poleck habe ich dies
Verhalten weiter verfolgt und die Einwirkung einer grossen Anzahl von
Metallsalzen auf Baryumsuperoxyd studirt, wobei ich zu neuen und nicht
uninteressanten Resultaten gelangte.
Zunächst wurde bei Wiederholung des vorstehend beschriebenen
Versuches festgestellt, dass nur die Hälfte des Sauerstoffs des Baryum-
superoxyds sich entwickelt, dabei keine Spur einer Ferroverbindung
entsteht, ebenso wenig Wasserstoffsuperoxyd gebildet wird oder Ozon
sich entwickelt. Es stellte sich ferner heraus, dass alle Ferrisalze,
Sulfate, Nitrate, Acetate etc. in derselben Weise wirken und dass auch
die Ferrosalze die gleiche Wirkung zeigen, nur tritt sie hier langsamer
ein, indem der sich zuerst entwickelnde Sauerstoff die Ferroverbindung
höher oxydirt und dann erst die Entwicklung des freien Sauerstoffs er-
folgt, hier nur der vierte Theil nach der Gleichung:
4FeCl, + 4Ba0, + 6H,0 —= 2Fe, (OH), 4 4BaCl, 4 0,.
Was nun im Allgemeinen die Wirkung der Metallsalze auf Baryum-
superoxyd anlangt, so sind die Salze von Kalium, Natrium, Lithium,
Ammonium, Calcium, Strontium und Baryum ohne jede Einwirkung,
auch beim gelinden Erwärmen findet nicht die geringste Gasentwicklung
statt; ein Erhitzen bis zum Sieden des Wassers ist zu vermeiden, weil
unter solchen Umständen Baryumsuperoxyd für sich Sauerstoff entwickelt,
Die Magnesiumsalze wirken zwar ein, aber die Gasentwicklung
beginnt erst nach einiger Zeit, während Zink- und Cadmiumsalze rascher
wirken und Cobalt- und Nickelsalze sofort eine kräftige Gasentwicklung
liefern. Das Gemisch nimmt im letzteren Falle die Farbe der betreffen-
den Hydroxyde an. Mangan-, Chrom- und Aluminiumsalze verhalten
sich analog dem Eisenchlorid, Kupfersalze geben sofort ohne Reduction
eine reichliche Entwicklung von Sauerstoff.
Während die bisher erwähnten Salze die Hälfte des an Baryum
gebundenen Sauerstoffs unter gleichzeitiger Bildung ihrer Hydroxyde
freimachen, zeigt die Gruppe der edlen Metalle ein wesentlich anderes
Verhalten.
Quecksilbersalze geben sofort eine starke Reaction mit Baryum-
superoxyd. Unter Abgabe von Sauerstoff färbt sich das Gemisch immer
dunkler, es scheidet sich metallisches Quecksilber als grau-schwarzes
Pulver ab, welches bei Behandlung mit verdünnter Salzsäure bisweilen
zu metallischen Quecksilberkugeln zusammenfliesst,
HgCl, + Ba0, =BaCl, +Hg-+0.,.
PIWIIEET
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 57
Ein ganz ähnliches Verhalten zeigen die Silbersalze. Unter leb-
hafter Sauerstoffentwicklung geben sie einen grauschwarzen Nieder-
schlag, der sich nur zum sehr geringen Theil in Ammoniak löst, ver-
anlasst durch kleine Mengen Baryumoxyd, während nach Entfernung des
überschüssigen Baryumsuperoxyds durch verdünnte Salzsäure metallisches
Silber als graues Pulver zurückbleibt.
Auf gleiche Weise scheidet sich aus Goldsalzen metallisches Gold
als braunschwarzes Pulver ab. Bei sehr verdünnten Goldlösungen und
bei möglichst langsamem Verlauf der Reaction beobachtet man dieselben
Erscheinungen, wie bei der Reduction der Goldsalze durch Oxalsäure,
Die Flüssigkeit nimmt zuerst einen blauen Farbenton an, und nach
einiger Zeit wird das Gold in Form eines glänzenden Spiegels an den
Gefässwänden abgeschieden.
Während diese Reactionen glatt verliefen, zeigt Platinchlorid ein
anderes Verhalten; es wurde nicht zu Metall reducirt, obwohl sich auch
hier Sauerstoff entwickelte. Die Flüssigkeit blieb auch bei Zusatz eines
grossen Ueberschusses von Baryumsuperoxyd gelb gefärbt, ebenso wenig
führte Erwärmen zu einem anderen Resultat. Das Filtrat wurde auf
dem Wasserbade eingedampft und mit absolutem Alkohol gefällt. Der
hell orangefarbene Niederschlag wurde mit Alkohol ausgewaschen, dann
in Wasser gelöst und diese Lösung durch Abdampfen zur Krystallisation
gebracht. Diese Krystalle.warer, wie die Analyse bewies, PtCl, BaCl,
— 8H,0. Es wurden 28,24 pCt. Platin gefunden, während die Rechnung
28,73 pCt. verlangte. Zu diesen Versuchen war die gebräuchliche
Platinchloridlösung der Laboratorien angewandt worden, welche die
Verbindung PtCl1,2HCl enthält, wodurch sich die Entstehung der Doppel-
verbindung leicht erklärt,
2PtCl, 2HC1+2Ba0, =2PtCl, BaCl, +2H,0-0,.
Sie verhält sich vollständig indifferent gegen Baryumsuperoxyd,
das gleiche Verhalten zeigen aber auch die anderen Platindoppelsalze
der Alkalien und alkalischen Erden, aus keinem derselben wird Platin
reducirt. Anders dagegen ist die Einwirkung des Baryumsuperoxyds
auf reines Platinchlorid und auf die Doppelverbindungen desselben mit
Metallsalzen, welche aus Baryumsuperoxyd Sauerstoff freimachen. Wird
eine Molekel der Verbindung PtCl,2HCl in wässriger Lösung mit einer
Lösung von zwei Molekeln Silbernitrat vermischt, so scheidet sich ein
Gemisch von Platinchlorid-Chlorsilber, PtCl,2AgCl, und von Chlorsilber
aus, während gleichzeitig eine gelbrothe, silberfreie Lösung von Platin-
ehlorid entsteht. Wird dieses Gemisch der Einwirkung von Baryum-
superoxyd ausgesetzt, so findet unter Sauerstoffentwicklung eine Ab-
scheidung von schwarzen Flocken statt, während gleichzeitig bei Ein-
wirkung von überschüssigem Baryumsuperoxyd die überstehende gelbe
Flüssigkeit sich entfärbt, wodurch die Zersetzung des Platinchlorids be-
58 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
wiesen wird. In der That besteht der Niederschlag nach Entfernung des
überschüssigen Baryumsuperoxyds durch verdünnte Salzsäure nur aus metal-
lischem Platin und Silber, wie durch die Analyse leicht nachzuweisen war.
Der Umstand, dass das in Wasser unlösliche Chlorsilber durch
Baryumsuperoxyd unter Entwicklung der ganzen Menge seines Sauer-
stoffs redueirt wird, führte zur Prüfung anderer unlöslicher Metallsalze,
Als Resultat der Untersuchung einer Anzahl unlöslicher Sulfate, Car-
bonate, Phosphate, Arseniate ergab sich, dass die Wahl der Säure ohne
jeden Einfluss auf den Verlauf der Reaction ist, in allen Fällen ent-
wickelt sich Sauerstoff unter Bildung der betreffenden Hydroxyde, nur
ist naturgemäss die Einwirkung hier eine langsamere. Während bei
einigen dieser unlöslichen Salze der Beginn der Einwirkung durch Er-
wärmen eingeleitet werden muss, findet diese Umsetzung bei anderen,
wie Ferriphosphat, Kupfercarbonat, Quecksilberchlorür und Chlorsilber
verhältnissmässig leicht statt. Die Reduction von Chlorsilber gestaltet
sich nach dieser Methode zu einer leicht ausführbaren Operation,
Ueber Sandstein in Form von Miniatur-Basaltsäulen.
Von
Geheimen Bergrath Althans.
Der Vortragende legte einige Stücke stänglig abgesonderten, hart-
klingenden Sandsteins vor, welche in ihrer Form Miniatur-Basaltsäulen
gleichen. Dieselben finden sich. in einem Basaltbruche des Freiherrn
von Haugwitz, etwa einen Kilometer südlich vom Schlosse Lähnhaus,
auf der das Boberthal bei Lähn gegen Westen begleitenden Anhöhe.
Der Basalt ist hier in den zur Kreideformation gehörenden Quadersand-
stein feuerflüssig eingedrungen und hat die hierbei durchbrochenen und
umschlossenen Massen des an sich wenig harten Sandsteins durch ein-
seitige Erhitzung halb geschmolzen und zerspalten. Diese Sandstein-
stängel werden als Schotter für die benachbarten Strassen benutzt,
würden sich aber wegen ihrer handlichen Form auch sehr gut als Wetz-
steine verwenden lassen.
Ausserdem machte der Vortragende auf die vielen Findlinge skan-
dinavischen Ursprunges aufmerksam, welche bei den umfangreichen Erd-
arbeiten zur Herstellung des neuen Güterbahnhofes bei Brockau zwischen
Breslau und Kattern ausgegraben worden sind. Leider werden diese
durch ihre abgeschliffene Form und durch die Mannigfaltigkeit ihres
schönen Gesteins ausgezeichneten Zeugen der Eiszeit behufs leichterer
Fortschaffung zersprengt. Baldige Besichtigung ist daher zu empfehlen.
Herr Geheimer Bergrath Professor Dr. Römer bemerkt hierzu, dass
ihm ähnliche Vorkommnisse von stänglich gespaltenem Quadersandstein
auch von Basaltdurchbrüchen in Böhmen bekannt seien,
DD ne
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 59
Sitzung vom 25. November 1891.
Ueber Piperidincarbonsäuren.
Von
A. Ladenburg.
Geheimrath Prof. Ladenburg spricht über die Piperidincarbon-
säuren: Nach vielen vergeblichen Versuchen ist es ihm gelungen, seine
Reduetionsmethode auch auf die Pyridincarbonsäuren auszudehnen und
diese in Piperidincarbonsäuren umzuwandeln. Behandelt man Picolin-
säure, d. i. Pyridincarbonsäure mit Natrium und Alkohol, so nimmt sie
6 Atom Wasserstoff auf und geht in Pipecolinsäure C, H, (CO, HH NH
über. Dieselbe wird in Form ihres Chlorhydrats isolirt. Man setzt zu
dem erkalteten Reactionsproduet conc. Salzsäure, filtrirt von dem aus-
geschiedenen Kochsalz ab, dampft zur Trockne und entzieht dem Rück-
stand das Pipecolinsäurechlorhydrat durch absoluten Alkohol. Durch
mehrfaches Umkrystallisiren aus diesem Lösungsmittel wird dasselbe
rein erhalten und bildet dann warzenförmige Krystalle, die bei 264°
schmelzen. Man gewinnt daraus die Pipecolinsäure selbst durch mehr-
faches Abdampfen mit verdünnter Schwefelsäure und genaues Ausfüllen
der letzteren durch Baryt.
Die Pipecolinsäure bildet kleine weisse, bei 259° schmelzende
Krystalle. Sie liefert nur schwierig Metallsalze, doch liess sich ein
leicht lösliches, schön blau gefärbtes Kupfersalz daraus gewinnen. Viel
ausgeprägter ist ihre basische Natur und ganz besonders ausgezeichnet
ist ihr Platindoppelsalz, das grosse monokline Krystalle bildet, die bei
184° schmelzen. Leitet man in die methylalkoholische Lösung der
Säure Salzsäuregas, lässt dann einige Zeit stehen, verjagt die Salzsäure
auf dem Wasserbad, verdampft zur Trockne und krystallisirt den Rück-
stand aus Alkohol um, so erhält man das Chlorhydrat des Methylesters
der Pipecolinsäure C,.H, CO, CH, NA, HCl. Dasselbe bildet feine,
weisse Nadeln, die bei 191° schmelzen. Dass ihm wirklich die an-
gegebene Constitution zukommt, ist durch die Darstellung einer Nitroso-
verbindung erwiesen worden.
In ähnlicher Weise können auch die anderen Pyridinearbonsäuren
redueirt werden, Herr stud. Wendler hat bereits die Nipecotinsäure
dargestellt, während stud. Karau mit der Gewinnung der Isonipeeotin-
säure beschäftigt ist. Einige Pyridincarbonsäuren werden von Herren
Kirchner und Auerbach in entsprechende Piperidinverbindungen um-
zuwändeln versucht,
60 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Ueber Gerölle aus oberschlesischen Steinkohlenflötzen und
über einen Saurierschädel von Sacrau bei Gogolin.
Von
Georg Gürich.
Privatdocent Dr. Gürich legte zwei neue Gerölle aus oberschlesischen
Steinkohlenflötzen vor. Das eine stammt mitten aus dem Carolinenflötz
der Ferdinandgrube bei Kattowitz, das andere aus der Firste des Flötzes
Nr. 8 derselben Grube. Herr Bergverwalter Hain hatte dieselben dem
Vortragenden zur Verfügung gestellt. Beide Gerölle bestehen aus
Granat führendem Muscovit-Gneiss; das letztere ist glimmerarm und da-
durch sehr granulitähnlich, das erstere reicher an Glimmer und zwar
enthält es ausser grösseren Muscovitschuppen auch kleine Biotitblättehen.
Die bisherigen oberschlesischen Geröllfunde — 20 an Zahl — gehören
ebenfalls grössten theils ähnlichen Gesteinen, granulitähnlichen Gneissen
an. Die beiden vorliegenden Stücke würden also Nr. 21 und Nr. 22 der
Liste von solchen Geröllen fremdartiger Gesteine aus oberschlesischen
Steinkohlenflötzen darstellen. Bemerkenswerth ist, dass das letztere aus
einem höheren Niveau stammt, während die übrigen bisher bekannten
Gerölle aus den mächtigen Flötzen stammen. Die Stur’sche Hypothese,
wonach diese Gerölle als Concretionen aufzufassen wären, ist unhaltbar;
aber auch der von Phillips aufgestellten und von Weiss aufgenommenen
Erklärung, wonach die Gerälle in den Wurzeln schwimmender Bäume
in die Flötze gelangt wären, stehen Bedenken gegenüber. Ihrer Form
nach sind diese „Steinrundmassen‘ unläugbare Strandgerölle.
Derselbe Vortragende legte ferner einen ziemlich vollständigen
Saurierschädel von Sacrau bei Gogolin vor, welchen derselbe Herrn
Steinbruchsverwalter Wilkowski verdankt. Der Schädel stellt den
Typus einer neu zu errichtenden Untergattung von Nothosaurus dar;
wegen der grossen Breite des Schädels, die nach hinten gleichmässig
zunimmt, bezeichnet der Vortragende diese neue Art als Nothosaurus
latissimus.
Ueber die physikalischen Grundlagen des osmotischen Druckes.
Von
C. Dieterici.
Professor Dr. Dieteriei sprach über „die physikalischen Grund-
lagen der Theorie des osmotischen Druckes“. Die ausführliche Mit-
theilung dieses Vortrages erfolgt in Wiedemann’s Annalen der Physik.
In der lebhaften Diseussion dieses Vortrages bemerkt Herr Professor
Dr. Rosenbach, dass Moritz Traube (und nicht, wie der Vortragende
air „ 32 im
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 61
angab, van t’Hoff) in seinen Niederschlags-Membranen (künstliche
Zellen) zuerst experimentell halbdurchlässige Membranen hergestellt und
die richtige mechanische Erklärung für das eigenthümliche elektive Ver-
halten der Membranen gegenüber den gelösten Substanzen und dem
Lösungsmittel gegeben hat.
Ueber den geologischen Befund einer Tiefbohrung.
Von
Dr. H. Kunisch.
Der Vortragende sprach unter Vorlegung von Bohrproben über den
geologischen Befund einer Tiefbohrung, welche zum Zweck der Wasser-
gewinnung auf dem etwa 2 km östlich von Gogolin an der Gross-
Strehlitzer Chaussee gelegenen Vorwerke des Rittergutsbesitzers
Madelung-Sacrau durch den Bohringenieur Morys-Schweidnitz mittelst
Freifallbohrung ausgeführt worden ist. Es wurde durchteuft bis zu einer
Tiefe von 35 m typischer Muschelkalk, in Lagen verschiedener Mächtig-
keit, mit mehrfachen Zwischenlagen braungelben Lettens, von durchweg
geringer (bis 50 cm) Mächtigkeit, Dann folgten von 35—54 m grauer
Kalkmergel, welcher bald mehr eine thonige und milde, bald mehr eine
kalkige und feste Beschaffenheit annahm, und von 54—67 m roth-
brauner Letten. Diese Schichtenfolge, aus welcher keinerlei Ver-
steinerungsreste bekannt geworden sind, darf wohl in Rücksicht auf die
Gesteinsbeschaffenheit dem oberen bunten Sandstein (Röth) zugeschrieben
werden. Die von 67—85 m folgenden milden rothen Sandsteine und
Sande gehören dem unteren Buntsandstein an. Hervorzuheben ist noch,
dass der in einer Entfernung von 160 Schritt vom Bohrlochsmunde an-
stehende Basalt von dem Bohrloche in der Tiefe nicht angetroffen
worden ist. Die rothen Sande erwiesen sich als wasserführend und
liefern eine den Ansprüchen entsprechende Menge Wassers, das aber
nicht durch eigenen Druck über Tag kommt, sondern maschinell ge-
hoben werden muss. — Im Anschluss hieran trat der Vortragende der
unter dem Publikum vielfach vertretenen Meinung entgegen, dass Tief-
bohrungen, welche kein springendes, d. i. von selbst über die Erd-
oberfläche tretendes Wasser liefern, als erfolglos anzusehen seien,
Wenn durch das Bohrloch eine wasserführende Erdschicht erreicht sei,
könne häufig durch Pumpversuche eine genügende Ergiebigkeit festgestellt
und dann durch endgiltige Anbringung einer geeigneten Saug- und
Druckpumpe ein brauchbarer Tiefbrunnen eröffnet werden,
62 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Sitzung vom 23. Deeember 1891,
Nach Eröffnung der Sitzung gab der zweite Secretair der Section in
warmen Worten der Trauer Ausdruck über das plötzliche Hinscheiden
des ersten Secretairs der Section, des Geheimen Bergrath Professor
Dr. Ferdinand Römer. Die Versammlung erhob sich, um das An-
denken des um die Section hochverdienten Gelehrten zu ehren.
Die Alkaloide aus Conium maculatum.
Von
A. Ladenburg.
Geheimrath Professor Ladenburg sprach über die Alkaloide aus
Conium maculatum (Schierling). Schon seit längerer Zeit kennt man das
von Giesecke entdeckte Coniin C,H,.N und das von Wertheim ent-
deckte Conydrin C,H,,NO. Die chemische Natur des ersteren ist durch
Untersuchungen von Hofmann und durch seine Synthese, welche dem
Vortragenden schon vor einigen Jahren gelungen ist, vollständig aufge-
klärt. Es ist Propylpiperidin C,H, (C,H,) NH. Was das Conydrin
betrifft, so gehört dasselbe zweifellos zu den Alkinen, einer Gruppe von
Körpern, die der Vortragende entdeckt und eingehender studirt hat.
Und zwar steht es namentlich dem Methylpipecolylalkin sehr nahe.
Dieses entsteht aus Picolin und Aldehyd, wenn man das so gewonnene
Methylpicolylalkin durch Natrium und Alkohol redueirt.
Neuerdings hat nun die chemische Fabrik E. Merck in Darmstadt
ein weiteres Alkaloid aus Conium maculatum isolirt, das der Vortragende
gemeinschaftlich mit Herrn Dr. stud. Adam untersucht hat. Dasselbe
besitzt ebenfalls die Formel C,H,„NO, unterscheidet sich aber von dem
Conydrin durch seinen Siedepunkt, der bei 230°, also 6° höher liegt,
durch seinen Schmelzpunkt, der bei 100°, also 20° niedriger ist, durch
die Lichtbeständigkeit seines Chlor- und Bromhydrats und die Nicht-
krystallisirbarkeit seines Platindoppelsalzes. Es gehört aber auch zu
den Alkinen, was durch die Darstellung eines Dijodürs, C,H,,NJ, H,J,
erwiesen werden konnte.
Das neue Alkaloid, welches den Namen Pseudoconydrin erhielt,
musste offenbar, ebenso wie das Conydrin, in naher Beziehung zum
Coniin stehen. Da es aber nicht identisch ist mit dem oben erwähnten
Methylpipecolylalkin, so wurden zunächst die beiden folgenden Formeln:
C,H, (CHOH. CH,CH,) NH und C,H, (CH,. CH,. CH,OH) NH
«-Piperidyläthylalkin &-Lupetidylalkin
als seiner Constitution entsprechend, in Betracht gezogen und es wurde
versucht, den letzteren Körper synthetisch darzustellen. Dies gelang
wirklich, Durch Einwirkung von Formaldehyd auf «-Aethylpyridin
wurde das Lutidylalkin gewonnen und dieses geht durch Natrium und
EEE EEE EEE N
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 63
Alkohol in das Lupetidylalkin über. Die so gewonnene Base ist aber
auch nicht identisch mit dem Pseudoconydrin. Sie siedet bei 234° und
krystallisirt nicht, ebensowenig krystallisiren ihr Chlor- und Bromhydrat.
Dagegen hat Engler in Karlsruhe die Synthese der ersterwähnten
Base des «-Piperidyläthylalkin, ausgeführt. Durch Destillation von
pieolinsaurem Kalk mit propionsaurem Kalk erhielt er das «-Pyridyl-
äthylketon und dieses lässt sich zu «-Piperidyläthylalkin reduciren. Die
so erhaltene Base steht jedenfalls dem Pseudoconydrin sehr nahe und
ist vielleicht identisch damit.
Ueber die Wolga-Stufe in Polen.
Von
Georg Gürich.
Privatdocent Dr. Gürich berichtete über neuere wichtige Beob-
achtungen im Gebiete des polnischen Jura. Nach einigen kurzen
Bemerkungen über die Beziehungen desselben zu den jurassischen Ab-
lagerungen von Nordwest- und Südwestdeutschland wurde der Sonder-
stellung des centralrussischen Jura gedacht. Hier folgen nämlich über
der unteren Kimmrigde-Stufe eine Reihe von Schichten, welche sich
‘ durch eine reiche Ammonitenfauna namentlich aus der Verwandtschaft
des Perisphinctes virgatus auszeichnen. Durch die russischen Geologen
ist für diese Schichtenreihe die Bezeichnung der unteren und oberen
Wolga-Stufe eingeführt worden. Die Altersstellung dieser Schichten
ist noch nicht genügend klar gelegt und deswegen verdienen die in
Polen gemachten Beobachtungen des russischen Geologen Michalski
besondere Beachtung. Derselbe hat nämlich Schiehten mit einer Virgatus-
fauna bei Tomaschow an der Pilica im Hangenden der Exogyra virgula-
Stufe beobachtet. Der Vortragende hatte im vergangenen Herbste
Michalskis Fundorte besucht, um sich von dem Sachverhalte zu
überzeugen.
Die Aufschlüsse bei Tomaschow sind sämmtlich in der Nähe der
Pilica; der Vortragende konnte daselbst folgende Horizonte beobachten,
von Süden nach Norden fortschreitend.
1. Weisser mergeliger Kalk mit zahlreichen Inoceramen cfr.
Cuvieri; es fanden sich darin ein Actinocamax cfr. verus und
Bruchstücke eines flachen Ammoniten, Schloenbachia sp.
Die Schichten liegen horizontal oder kaum merklich geneigt.
Nach einer Unterbrechung von 2’km folgen nordwärts mehrere
Aufschlüsse
2. in sandigen, glaukonitreichen Mergeln; in diesen fanden sich
Coprolithen, fragmentarische Fischknochen und zerbrochene
Aucellenschalen,
64 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
3. Unmittelbar nordwärts treten an der Luft erhärtete, im Innern
aber völlig mürbe, bröcklige Sandsteinschichten auf, aus denen
die Anwohner Bausand entnehmen; zu diesem Zwecke sind über
100 m lange Höhlen in den Sandstein hineingegraben, in welche
die Bauern mit ihren Wagen hineinfahren.
Die Inoceramenkalke werden bei näherer Untersuchung sich als
oberturon oder untersenon erweisen; die Glaukonit-Mergel und die
mürben Sandsteine sind die nächst älteren Horizonte. Geht man nun
weiter nordwärts ins Liegende hinein, so trifft man in der näheren Um-
sebung von Tomaschow, besonders bei dem Dorfe Brzostowka Auf-
schlüsse in einer vierten Schichtenreihe von theils gelben plattigen Kalken,
theils weissen mehr kreideartigen Schichten und bei dem genannten Dorfe
auch dunkelgrauem oder bläulichem Mergel. In diesen unteren Schichten
des Complexes hatte nun Michalski eine reiche Fauna entdeckt, deren Be-
arbeitung er noch nicht beendet hat. Nur von dem häufigsten Ammoniten,
Perisphinctes Pilicensis, giebt er in seinem grossen Werke über „Die
Ammoniten der unteren Wolgastufe‘“ Abbildung und Beschreibung.
Dadurch erweisen sich also die Brzostowka-Schichten als zur unteren
Wolgastufe gehörig und die Grenzen des Verbreitungsgebietes der Virgatus-
schichten ist dadurch beträchtlich nach Westen hinausgeschoben. Die
von dem Vortragenden aufgefundenen Ammoniten und Zweischaler dieses
Fundorts sind im Breslauer Mineralogischen Museum aufbewahrt. Noch
weiter nördlich, also weiter ins Liegende hinein, nordwestlich von
Tomaschow hat Michalski Schichten mit Exogyra virgula angetroffen.
In der Art des Auftretens dieser Schichten beruht eine der Eigen-
thümlichkeiten des polnischen Jura. Der Hauptzug desselben erstreckt
sich, wie bekannt, in zum Theil felsigen Höhen von Krakau bis Czen-
stochau und in diesem Höhenzuge schliesst das polnische Jura nach oben
mit F. Roemers oberem Felsenkalke oder den Schichten mit Rhyncho-
nella Astieriana ab, in welchem ein Ammonit: Oppelia tenuilobata auf-
gefunden wurde, der diese Schichten als unteres Kimmridge erweist,
Losgetrennt von diesem Hauptzuge treten nun Schichten mit Exogyra
virgula weiter nordostwärts inselartig unter den bedeckenden Kreide-
ablagerungen hervor. F. Roemer hat aber keine typischen Exogyra
virgula vorgelegen, sodass ihm die Existenz dieses Horizontes nicht ganz
gesichert schien.
Nun hat aber Michalski bei seinem letzten Besuch in Breslau die von
ihm bei Tomaschow gefundenen zahlreichen Exogyren mit Bestimmtheit
als typische Ex. virgula bezeichnet. Demnach dürfte also kein Zweifel
mehr darüber obwalten, dass die Virgatusschichten jünger sind als der
Horizont mit Exogyra virgula. Eine direete Beobachtung der Ueber-
lagerung ist allerdings noch nicht gemacht worden, weil die Aufschlüsse
wegen der starken Ueberdeckung durch Diluvium nur geringfügig sind
il. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 65
und wegen der geringen Neigung der Schichten zusammenhängende
Profile überhaupt nur durch Tiefbohrung erreicht werden könnten.
Ueber Porphyre des Thüringer Waldes.
Von
A. Langenhan.
Bezirksbevollmächtigter A. Langenhan legte hierauf einige, den
ausgedehnten Porphyrvorkommnissen des Thüringer Waldgebirges ent-
stammende mineralogische Objecte, nämlich Zwillingsbildungen des Feld-
spathes, ferner Porphyrkugeln mit Quarzkrystallen und Eisenglimmer,
sowie angeschliffene Achat-Geoden vor. — Die in 6 Hauptvarietäten auf-
tretenden und von den quarzarmen Melaphyren zu unterscheidenden
Porphyre haben für den Geologen besonderes Interesse, da sie an dem
Aufbaue des Thüringer Waldgebirges, und insbesondere an den Fels-
und Thalbildungen vorwiegenden Antheil haben. An Einschlüssen reicher
sind besonders 2 Gruppen von Porphyren, diejenigen von graubrauner
Färbung, welche in feldspathreicher Grundmasse sehr wohlgebildete
Zwillingskrystalle von Feldspath enthalten (so an der Wilhelmsleite,
' unweit Manebach im Ilmthal) und diejenigen von grauer Farbe, bei denen
die Neigung zu kugelförmigen Konkretionen unverkennbar ist (so am
Schneekopf und am Spiessberge bei Friedrichsroda).
Die Hohlräume der sogenannten „Porphyrkugeln‘ sind oft mit
flächenreichen Quarzkrystallen (Amethyst), welche wiederum mit Eisen-
slimmer überzogen sind, ausgekleidet. Zeigt sich die Neigung zur Kugel-
bildung gewisser Partien desselben Porphyrs nur durch eine roggenstein-
ähnliche concentrischschalige Struktur erbsgrosser Körner in dichter
Grundmasse, dann finden sich in derselben, doch selten, Gänge von
graurothen wallnussgrossen Kugeln, die auf ihrem Bruche ausserordent-
lich zierliche Achatbildungen (Ablagerung des Chalcedons in verschieden-
artig gefärbten Schichten) erkennen lassen,
Ueber einen krystallinischen Bestandtheil des Genipa
brasiliensis Mart.
Von
W. Kawsnik.
Dr. Peekolt, Apotheker in Rio de Janeiro, bekanntlich ein eifriger
Forscher auf dem Gebiete der Pflanzenchemie, dem wir die Entdeckung
mehrerer Glycoside verdanken, zog in neuerer Zeit auch die Genipa
brasiliensis Mart., eine in Brasilien einheimische Rubiacee, in den Kreis
seiner Untersuchungen. Es ist ihm gelungen, aus derselben einen schön
krystallisirenden Körper zu isoliren, welchen er, wohl in der Annahme,
127 5
Y
66 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
ein Glycosid vor sich zu haben, mit dem vorläufigen Namen ,„Genipin‘
belegte. Durch freundliche Vermittlung des Redacteurs der „Chemiker-
Zeitung“ (Dr. G. Krause) gelangte derselbe zur näheren Charakterisirung
an das Breslauer pharmaceutische Institut, und der Director des Instituts,
Geheimrath Poleck, hatte die Güte, mir die Untersuchung zu über-
lassen.
Die Darstellung des in Frage stehenden Pflanzenstoffes ist nach den
Angaben von Peckolt folgende: Die frischen, gestossenen Blätter
werden mit Alkohol vom spec. Gew. 0,815 bei einer Temperatur von
60° dreimal extrahirt, die vereinigten, filtrirten Auszüge werden destillirt
und abgedampft, bis der Alkoholgeruch verschwunden. Der Extractiv-
rückstand wird mit heissem Wasser aufgenommen und durch Filtriren
von dem sich abscheidenden Harze getrennt. Hierauf wird die Flüssig-
keit mit einer Lösung von neutralem Bleiacetat behandelt, so lange noch
eine Trübung bemerkbar wird. Das von dem Niederschlage getrennte
Filtrat wird auf gleiche Weise mit dreibasischem Bleiacetat behandelt.
Die jetzt farblose Flüssigkeit wird durch Schwefelwasserstoff vom Blei
befreit und alsdann bis zur dünnen Syrupconsistenz abgedampft. Nach
dem Erkalten erstarrt das Ganze zu einem Krystallbrei. Die trockenen
Krystalle werden zerrieben, mit absolutem Alkohol wiederholt bis zur
vollständigen Lösung gekocht und heiss filtrirt. Durch wiederholtes
Umkrystallisiren aus heissem Alkohol kann der Körper vollkommen rein
erhalten werden.
Peckolt führte die Darstellung auch noch mit einer anderen
Modifikation aus, indem er die frischen Blätter mit heissem Wasser
extrahirte. Die Flüssigkeit wurde bis zum doppelten Gewichte der
Blätter abgedampft, filtrirt und wie oben angegeben mit Bleisalzen be-
handelt. Die weitere Reinigung erfolgte durch Umkrystallisiren aus
heissem Wasser. Die Ausbeute nach dieser Methode ist eine sehr
geringe.
Frische Blätter mit Alkohol extrahirt liefern 0,54 Proc.
- z = Wasser z - 0,3 E
z Rinde = Alkohol = liefert 0,79 z
Der Körper bildet feine, farblose Krystallnadeln, von reinem, stark
süssem Geschmack. Dieselben sind unlöslich in Aether, Petroläther,
Benzol, kaltem Alkohol und Amylalkohol, leicht löslich dagegen in
Wasser, Chloroform, Anilin, siedendem Alkohol und Amylalkohol und
Säuren. Die Lösung wird durch Alkalien nicht getrübt. Auf Platin-
blech vorsichtig erhitzt, schmilzt der Körper bald zu einer farblosen
Flüssigkeit, die beim Erkalten zu einer glasigen Masse erstarrt, Bei
weiterem Erhitzen entzünden sich die ausgestossenen Dämpfe und das
Ganze verbrennt, ohne einen Rückstand zu hinterlassen. Stickstoff ist
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 67
in dem Körper nicht vorhanden. Auch Spaltungsversuche mit Säuren
und Alkalien führten zu keinem Resultat, eben so wenig erhielt ich
die Pettenkofer’sche Glycosidreaction, so dass die Zugehörigkeit des
Pflanzenstoffes zu der Klasse der Alkaloide und Glycoside ausgeschlossen
erscheint.
Die im Luftbade getrocknete Substanz lieferte bei der Verbrennung
folgende Werthe:
I. 0,5407 Substanz gab 0,4918 CO, und 0,2355 H,O.
II. 0,4211 4 „ 0,6085 CO, , 0,2895 H,O.
Aus diesen Analysen würde sich als einfachste Formel ergeben
C,H.0,. Verdoppeln wir dieselbe, so gelangt man zu der Formel des
Manmnits C,H, ,O,.
Berechnet für C,H,,0;. an Mittel.
45.020304 5 90.1,
0, TE een
Hr ..53.00.::.52,98 21a. 152,96
Thatsächlich ergab auch die weitere Untersuchung die Identität des
von Peckolt isolirten Körpers mit dem in der Manna und vielen
anderen Pflanzen vorkommenden Mannit. Der Schmelzpunkt liegt bei
165°, die wässrige Lösung ist optisch inactiv. Einige Schwierigkeit
bereitete das Verhalten gegen Fehling’sche Lösung. Alle Lehrbücher
enthalten die Angabe, Mannit wirke auf alkalische Kupferlösung nicht
ein, während mein Untersuchungsmaterial stets nach kurzem Kochen
oder auch nur längerem Stehen mit heisser Fehling’scher Lösung eine
wenn auch nicht beträchtliche, so doch immerhin beachtenswerthe Ab-
scheidung von Kupferoxydul hervorrief. Ich schrieb diesen Umstand
anfänglich einer geringen Verunreinigung des Mannits zu und suchte
denselben durch weitere Reinigung zu beseitigen, aber auch nach oft
wiederholtem Umkrystallisiren konnte ich immer wieder eine Abscheidung
von Kupferoxydul beobachten. Ein Controlversuch mit reinem Mannit
anderer Herkunft ergab dasselbe Resultat. Die gleiche Beobachtung in
Betreff des Verhaltens von Mannit. gegen Fehling’sche Lösung hat auch
schon Bodenbender gemacht. Die Angabe der Lehrbücher ist, in
solcher Allgemeinheit ausgesprochen, also nicht ganz richtig. Mannit,
als solcher, wird wegen seiner Alkoholnatur auf Fehling’sche Lösung
wohl kaum einwirken, aber schon das kurze Kochen mit einem Alkali
genügt, um chemische Umsetzungen in dem Mannit hervorzurufen, welche
dann zerlegend auf die Kupferlösung einwirken. Die Berechtigung dieser
Annahme findet eine Stütze auch in dem optischen Verhalten des Mannits.
Mannit ist optisch inactiv, kocht man jedoch seine Lösung mit Borsäure
oder einem Alkali, so wird dieselbe in dem ersteren Falle rechtsdrehend,
5*
68 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
im letzteren linksdrehend, ‚ein Beweis dafür, dass beim Kochen mit diesen
Substanzen Veränderungen vor sich gehen. Auch gegen ammoniakalische
Silberlösung verhält sich Mannit reducirend, wobei ein schöner Silber-
spiegel gebildet wird. Sowohl diese Reduction der Silberlösung, als
auch das verschiedene optische Verhalten habe ich auch bei dem aus
der Genipa dargestellten Mannit beobachten können.
Von Interesse ist es nun, die Natur der Einwirkung von Ammoniak
und Alkalien auf Mannit festzustellen, mit welcher Untersuchung ich zur
Zeit beschäftigt bin.
Sitzungen der botanischen Section im Jahre 1891.
Secretair: Prof. Dr. Ferdinand Cohn.
In der ersten Sitzung vom 15. Januar sprach Herr Ober-
stabsarzt Professor Dr. Schröter
über die trüffelartigen Pilze Schlesiens.
Der Vortragende führte etwa Folgendes aus: Zu den trüffelartigen
Pilzen rechnet man im gewöhnlichen Leben alle diejenigen kugeligen
und knollenförmigen Pilze, welche unter der Erde wachsen und ihre
Sporen im Innern des geschlossenen Fruchtkörpers bilden. Es sind dies
die Trüffeln im engeren Sinne (Tuberaceae), die Hirschtrüffeln (Elapho-
myceten), die Hymenogastreen und die Hartboviste (Sclerodermaceen). Von
allen diesen Gruppen finden sich Vertreter in Schlesien. Das eigent-
liche Trüffelland ist Süd-Europa, besonders Frankreich, wo die Cultur
der Speisetrüffeln (Tuber brumale, melanosporum, aestivum, mesentericum)
nationalökonomischen Werth besitzt. Aus Afrika ist bis jetzt nur die Löwen-
trüffel (Terfezia Leonis) aus Algier bekannt. Die Trüffeln finden sich
in lichten Gehölzen, wo die Bäume in einiger Entfernung von einander
stehen, besonders in Eichen- und Buchenbeständen, aber auch unter
anderen Bäumen. Sie erfordern kalkigen Boden und wachsen heerden-
weise in der Erde, wo sie sich alljährlich an denselben bestimmten
Plätzen in der Tiefe von zwei bis sechs Zoll wiederfinden. Man ver-
muthet, dass sie parasitisch an den Baumwurzeln leben, indem sie aus
diesen ihre Nahrung ziehen. Zum Aufsuchen der Trüffelplätze benutzt
man Schweine oder abgerichtete kleine Hunde (Trüffelhunde). In den
trüffelreichen Ländern werden die Trüffeln auch planmässig angebaut,
indem man auf einem den natürlichen Trüffelplätzen entsprechenden
lockeren, kalkhaltigen Boden Eicheln aus Wäldern aussät, in welchen
Trüffeln wachsen. Nach 6 bis 7 Jahren kann man dann die Pilze
zum ersten Male ernten, In Deutschland sammelte man Trüffeln zuerst
systematisch in Baden. Markgraf Ludwig von Baden-Baden, der Türken-
ludwig (1677—1707) hatte sich Arbeiter aus Italien kommen lassen,
welche bei dem Ausbau seines Schlosses Rastadt thätig waren. Diese
brachten mit ihrem Hab und Gut auch Trüffelhunde mit und führten
die Trüffeljagd ein. Noch heute gehen die Nachkommen dieser Italiener
70 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
mit den Abkömmlingen der kleinen Hunde der Jagd auf den köstlichen
Pilz nach. Das Trüffelsuchen, welches vom November bis Februar
‘ dauert, gehört zu den Jagdberechtigungen, für welche Pacht gezahlt
werden muss. Auch in Hannover werden echte Trüffeln gefunden
und kommen in den Handel. Für Schlesien erwähnt zuerst Graf
Mattuschka in seiner Flora Silesiaca 1776 eine echte Trüffel als
Lycoperdon Tuber und giebt ihr Vorkommen zwischen Wansen und
Strehlen an. Bail fand am Zackenfall Hydnotria Tulasnei, die später
Milde bei Obernigk ebenfalls entdeckte. Göppert erforschte das Vor-
kommen der weissen Trüffel (Choiromyces meandriformis) in Schlesien.
Eine planmässige Durchforschung unserer Provinz in Bezug auf das
Vorkommen von Trüffeln regte seiner Zeit der Vortragende an und das
Präsidium der Schlesischen Gesellschaft bewilligte zu diesen Studien
eine Beihilfe von 150 Mark.
Herr Lothar Becker sammelte im Auftrage der Gesellschaft mit
der grössten Sachkenntniss und bestem Erfolge. Alle grösseren Laub-
wälder Schlesiens wurden sorgfältig durchsucht; der Vortragende selbst
durchforschte Oberschlesien. Die Ergebnisse dieser Arbeiten waren im
Wesentlichen folgende: Von echten Trüffeln (Tuberaceen) wurden ge-
funden: Genea sphaerica bei Pilsnitz und Schottwitz; Pachyphloeus mela-
noxanthos um Breslau und im Peisterwitzer Walde; Hydnotria Tulasnei
vielfach in Oberschlesien (Falkenberg und Lublinitz), dann bei Obernigk,
um Neumarkt bei Bresa; Hydnobolytes cerebriformis bei Cosel.
Weit verbreitet ist Tuber dryophilum (Pilsnitz, Ransern, Masselwitz,
ÖOderwälder bis Liegnitz, Jauer, Goldberg, Lauban); selten finden sich
dagegen Tuber puberulum (Strachate), Tuber nitidum (Ransern, Oswitz),
Tuber rufum (Hessberg bei Jauer). Sehr reichlich in Ober- und Miittel-
schlesien kommt die weisse Trüffel (Choiromyces maeandriformis) vor.
In der Gegend von Rybnik wird sie als Kaiserpilz häufig gegessen.
Sie ist ein wirklicher Nutzpilz, und es würde sich lohnen, sie auf den
Markt als einen neuen Speisepilz zu bringen. Von den Elaphomy-
ceten findet sich die Hirschtrüffel (Elaphomyces cervinum) häufig in
Schlesien. In Hirschberg wird dieser Pilz in grossen Mengen gesammelt
und in der Thierarzneikunde gebraucht. Von anderen Arten wurden
Elaphomices niger um Breslau und E, variegatus bei Grünberg gefunden.
Die Hymenogastreen sind vertreten durch das weit verbreitete Hy-
menogasier decorum, ferner H. tens (Obernigk), H. Klotschii (Botan. Garten),
Octaviana asterosperma (Pilsnitz, Jauer), Gautieria graveolens (Obernigk),
Hysterangium clathroides und die grüne Trüffel (Rhizopogon virescens). Die
Hartboviste (Sclerodermaceen) sind insofern noch von besonderem Interesse,
als sie bisweilen betrügerischer Weise für echte Trüffeln verkauft
werden. Ihr Genuss in einigermaassen grösserer Menge ist aber schäd-
lich, Man erkennt sie ausser an dem Fehlen des trüffelartigen Geruchs
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 71
an dem gleichmässig bläulich-schwarzen, nicht marmorirten Innern und
der davon scharf abgegrenzten dicken, weissen Schale. Es finden sich
Scleroderma vulgare, verrucosum. Daran schliessen sich die dicht unter
der Erde wachsenden Melanogaster - Arten mit Melanogaster ambiguus
(Ransern, Oswitz) und M. variegatus; endlich Pisolitus arenarius und
crassipes.
Wenn somit das Resultat der Erforschung in wissenschaftlicher
Beziehung als ein sehr ergiebiges zu bezeichnen ist, so ist von prak-
tischer Bedeutung nur das Vorkommen der weissen Trüffel
in Ober- und Mittelschlesien. Gerade diejenigen Trüffelarten,
welche bisher in den Handel kommen, sind nicht aufgefunden worden.
Möglicherweise trägt daran die unzureichende Methode des Suchens die
Schuld; es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass bei der Verwendung
von Trüffelhunden auch noch eine echte Trüffel, nämlich Tuber aestivum
bez. T. mesentericum, gefunden werden könnte,
In der zweiten Sitzung vom 29. Januar hielt Herr Professor
Dr. Prantl einen Vortrag
über den Blüthenanschluss.
Veranlassung bierzu gab ein soeben erschienenes Werk von
Dr. K. Schumann, zweitem Custos am königlichen botanischen Museum
in Berlin, welches in ausführlicher Bearbeitung denselben Gegenstand
behandelt. Das Buch beschäftigt sich mit Fragen, die für die Morpho-
logie der Pflanzen von prineipieller Bedeutung sind. Unter dem Blüthen-
anschluss versteht man die Stellung des ersten zur Blüthe gehörigen
Blattes zu den der Blüthe unmittelbar vorausgehenden laubblattartigen
Gebilden (den Trag- und Vorblättern.. Eichler hatte für das ge-
sammte Pflanzenreich diese Folge der Blätter in seinem umfassenden
Werke „Blüthendiagramme‘‘ so dargestellt, wie man sie in der fertigen
Blüthe findet. Durch Zusammenfassen gleicher Formen bildet er Gruppen,
Typen, und führte den Gestaltungsplan aller Pflanzenfamilien auf solche
Typen zurück. Die vergleichende Morphologie, welche Eichler durch
sein Werk in ihrer grössten Vollkommenheit darstellte, erklärt die Er-
scheinungen nicht in dem Sinne, dass sie dieselben auf die bewirkenden
Ursachen zurückführt; sie abstrahirt von causalen Betrachtungen und
studirt nur die fertige Form in Beziehung zu anderen Formen, indem
sie zeigt, wie eine Formvariation auf einen der Grundtypen zurückzu-
führen ist. Die Annahme, dass die Stellungsverhältnisse von mechani-
schen Einflüssen abhängig seien, weist sie im Allgemeinen zurück.
Dieser rein formalen Auffassung und Erklärung des Blüthenbaues steht
eine andere Betrachtungsweise gegenüber. Schwendener unternahm
es, die verschiedenen Stellungsverhältnisse mechanisch zu erklären. Nach-
72 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
dem er eine mechanische Theorie der Stellung der Laubblätter auf-
gestellt hatte, übertrug er dieselbe auf die Entwickelung der Blüthen.
Er hatte gezeigt, dass die Stellungsverhältnisse seitlicher Organe und
deren Aenderungen im Verlaufe des Entwickelungsganges einerseits von
den Raumverhältnissen an der tragenden Axe, andererseits durch gegen-
seitige Druckwirkungen bestimmt seien. In consequenter Weiterführung
dieser Theorie betonte Schwendener mit Nachdruck, dass auch die
Blüthenblattanlagen Körper seien, die von anderen in ihrer nächsten
Nähe vorhandenen Körpern beeinflusst werden und selbst in ihrer Ent-
wiekelung wie Körper durch Druck und Zug auf einander wirken. Der
Schwerpunkt der Betrachtung wird hierdurch nicht auf die fertige Form,
sondern auf die Entwiekelung der Blätter innerhalb einer Entwicke-
lungsgemeinschaft verlegt. Es wird nicht mit abstrahirten geometrischen
Formen (den Diagrammen) operirt; die Pflanze, speciell die Blüthe, wird
vielmehr als ein Complex von Vorgängen aufgefasst, deren Erklärung
darin besteht, für die einzelnen Ursache und Wirkung anzugeben. Diese
mechanische Auffassung der Blüthe vertritt Schumann in seiner um-
fassenden Bearbeitung des Blüthenanschlusses. An mehr als 250 ver-
schiedenen Pflanzenarten wird die Entwickelungsgeschichte genau ver-
folgt und dabei besonders die Anlage des ersten Blattes beobachtet.
Vortragender giebt eine Auswahl dieser Entwickelungsgeschichten und
zeigt an einzelnen Beispielen, wie fruchtbar das Studium der Entwicke-
lung unter Berücksichtigung der mechanischen Verhältnisse für das Ver-
ständniss mancher schwieriger Blüthenformen sei. Eine vollständige
Erkenntniss der Blüthe giebt jedoch dieSchwendener-Schumann’sche
Auffassung allein nicht. Sie erklärt nicht, dass der endgiltige Werth
eines Blattgebildes unabhängig von seiner Entstehung ist, dass z. B.
von zwei gleichzeitig angelegten Blättern das eine zum Kelchblatt, das
andere zum Blüthenblatt sich entwickelt. Hierfür ist die Vererbung
maassgebend und zu dem Verständniss ihres Einflusses auf die Ge-
staltungen gelangt man nur durch die Vergleichung.
Darauf sprach cand. pharm. Callier
über die in Schlesien vorkommenden Formen der Gattung Alnus.
Bei der monographischen Bearbeitung der Gattung Alnus wurde mir
auch aus Schlesien ein reiches Material zur Verfügung gestellt und es
mir dadurch möglich gemacht, die Formen unseres Florengebietes einer
eingehenderen Sichtung zu unterwerfen.
Da bis jetzt noch von den schlesischen Botanikern diesem Genus
ein verhältnissmässig geringes Interesse dargebracht worden ist, so glaube
ich, dasselbe vielleicht dadurch auf diese vernachlässigte Gattung etwas
lenken zu können, dass ich an dieser Stelle eine Aufzählung nebst
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 73
Diagnosen der mir bis jetzt aus unserer heimathlichen Provinz vorge-
legenen Alnusformen gebe,
Es kommen in Schlesien von den im Gebiete der deutschen Flora
vertretenen Arten nur solche der Sectio Gymnothyrsus Spach vor
(während uns ein Vertreter der Sectio Alnaster Spach, wozu die in den
Alpen vorkommende Alnus viridis DC. gehört, fehlt).
Es sind dies A. glutinosa Gaertn., A. incana DC. und A. serrulata
Willd., von denen die letztere, aus Nordamerika stammend, nur durch
Cultur verbreitet ist. — Gerade Schlesien besitzt einen grossen Theil
der für Deutschland constatirten Formen, wobei besonders A. incana DC,
stark vertreten ist, Was die hybriden Formen anbetrifft, so ist unsere
Provinz jedenfalls derjenige Theil Deutschlands, welcher die meisten und
seltensten aufzuweisen hat, zumal sie unter Anderem einen Bastard be-
sitzt, welcher bisher nur hier gefunden wurde, es ist dies A, autum-
nalis X glutinosa.. — Ein anderer A. autumnalis X incana wurde in
Schlesien von meinem scharfsichtigen Freunde Figert der Vergessen-
heit entrissen und genauer beschrieben. Derselbe wär bereits von
Professor Ascherson in seiner Flora von Brandenburg 1864 als Hy-
bride beschrieben, jedoch mit einem Fragezeichen aufgeführt und dort
die Vermuthung ausgesprochen, dass die in der Mark gefundene Form
möglicherweise in den Formenkreis der A. autumnalis Hartig gehöre. —
Vergleiche der brandenburger Exemplare mit den schlesischen haben die
Uebereinstimmung ergeben. —
Zu besonderem Dank bin ich Herrn Professor Dr. K. Prantl ver-
pflichtet, durch dessen Güte mir die Herbarien des verstorbenen Herrn
von Uechtritz, sowie dasjenige des botanischen Museums zu Breslau
zugänglich gemacht worden sind. Ferner spreche ich an dieser Stelle
noch folgenden Herrn, die mich durch Ueberlassung ihres Alnus-Materials
in liebenswürdiger Weise unterstützten, meinen herzlichsten Dank aus:
Herrn Dr. Schube-Breslau, Herrn Apotheker C. Scholz-Bojanowo,
Herrn Apotheker E. Fiek-Cunnersdorf und meinem verehrten Freunde
Herrn E. Figert-Liegnitz.
1. Alnus glutinosa Gaertn. De Fruct. II. 54, t. 90, f., 24
Bei uns findet sich nur die
var. vulgaris Spach. Revis. Betulac. in Annales des Sciences
naturelles 184], p. 207,
Blätter mittelgross oder klein, verkehrt eiförmig oder rundlich, an
der Spitze meist ausgerandet (an jungen Stockausschlägen finden sich
bisweilen Blätter mit kurzer Spitze), am Grunde rundlich oder meistens
keilförmig verschmälert, am Rande unregelmässig doppelt-gesägt oder
fast gelappt, mit stumpfen Lappen, unterseits nur in den Aderwinkeln
bärtig, sonst kahl, bisweilen auch die Bärte ganz fehlend.
74 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Als Formen hiervon sind anzuführen:
a. forma microcarpa Uechtritz in sched.
Fruchtzapfen bei vollständiger Entwickelung, nach dem Ausfallen
der Samen, sehr klein, 1—1,5 em lang, 0,5 cm breit.
Breslau: an der Lohe links der Opperauer Brücke, leg. Dr. H.
Krause. (Uechtritz, Herb. siles.)
b. forma microphylla Callier.
Ausgewachsene Blätter rundlich, klein, nur 3—5 em lang, 3—5
em breit.
[Prov. Posen:] Pakowko bei Bojanowo, leg. C. Scholz.
In Gärten finden sich bisweilen folgende Varietäten gezogen:
var. laciniata Willd. spec. pl. IV. I, p. 334,
Blätter tief fiedertheilig, Abschnitte lanzettlich, lang zugespitzt.
var. quercifolia Willd. spec. pl. IV. I, p. 335.
Blätter tief gelappt, Lappen stumpf.
var. oxyacanthaefolia Spach. |]. c. p. 208.
Blätter leierförmig gefiedert oder gelappt, Lappen rundlich.
2. Alnus incana DC. Kommt in folgenden Formen vor:
var. vulgaris Spach. |. ec.
Jüngere Zweige dicht behaart oder filzig, Blätter eiförmig oder
breit-eiförmig oder elliptisch, vorn spitz oder lang zugespitzt, selten
stumpflich, am Grunde gestutzt oder selten keilförmig, am Rande scharf
doppelt gesägt oder fast lappig gesägt, Lappen vorherrschend spitz,
eckig, seltener etwas stumpflich, unterseits grau, auf den
Hauptnerven dicht behaart, Blattfläche meist dicht behaart oder seltener
kahl werdend, Fruchtzapfen sitzend.
Es lassen sich folgende Formen unterscheiden:
a. forma typica Callier.
Blätter eiförmig oder breit-eiförmig, am Grunde gestutzt, nicht keil-
förmig verschmälert, unterseits überall dicht behaart oder fast filzig,
Fruchtzapfen sitzend.
Dies die herrschende und gewöhnlichste Form, nicht selten.
b. forma glabrescens Callier.
Blätter eiförmig oder breit-eiförmig, am Grunde gestutzt, nicht keil-
förmig verschmälert, unterseits auf den Hauptnerven mehr oder weniger
dicht behaart, auf der Blattfläche kahl, Fruchtzapfen sitzend.
Hotzenplotz, im Thal vor Scharfenberg, leg. Sintenis. (Uechtritz,
Herb, siles.)
c. forma cuneifolia Callier. |
Blätter elliptisch, am Grunde verschmälert oder keilförmig
zulaufend, unterseits auf den Hauptnerven dicht behaart, auf der Blatt-
fläche dicht kurzhaarig oder seltener schwach behaart, Fruchtzapfen
sitzend. — Steinberg bei Goldberg, leg. Figert.
Il. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 75
d. forma dubia Callier.
Blätter wie bei forma typica. Fruchtzapfen sämmtlich deut-
lich gestielt, Stiele 0,2—0,3 em lang.
Breslau: Kapsdorfer Erlenbusch, leg. Preiser, als A. glutinosa X
Iincana. — Ohlau, leg. Bartsch. (Uechtritz, Herb. siles.)
Diese Form stimmt in der Gestalt der Blätter völlig mit der
typischen A. incana überein, so dass sie, trotz der gestielten Frucht-
zapfen, nicht mit den hybriden Formen, zwischen A. glutinosa und incana,
welche der A. incana nahe stehen, verwechselt werden kann. Bei den
europäischen Formen zeigt A. incana stets durchaus sitzende Frucht-
zapfen, selten sind 1 oder .2 Zapfen des ganzen Fruchtstandes ganz kurz
gestielt, —
var. glauca Mchx. arb. III, p. 320.
Jüngere Zweige wenig behaart, Blätter eiförmig oder rundlich-
eiförmig, vorn mit kurzer Spitze oder ziemlich lang zugespitzt, am Grunde
sestutzt, doppelt gesägt, Lappen spitz oder seltener stumpflich, unter-
seits blau-grün oder bläulich-grau, auf den Hauptnerven dicht
oder locker behaart, Blattfläche + kurzhaarig oder ganz kahl,
a. forma vestita Callier,
Blätter am Rande mit vorherrschend stumpfen, seltener spitzen
Lappen, unterseits an den Hauptnerven, sowie auf der Blatt-
fläche dicht kurzhaarig.
Goldberg: Steinberg, leg. Figert.
b. forma glabra Callier.
Blätter am Rande mit spitzen Lappen, unterseits auf den
Hauptnerven locker kurzhaarig oder kahl, Blattfläche stets
kahl.
Trachenberg: Radziunz, leg. Uechtritz. (Herb. siles.) Hirschberg:
Berbisdorf, leg. Callier. [Bojanowo, leg. C. Scholz.]
var. subrotunda Callier,
Junge Zweige wenig behaart, Blätter fast kreisrund, selten
rundlich-eiförmig, vorn meist stumpf oder seltener mit ganz kurzer
Spitze, am Grunde abgerundet oder gestutzt, doppelt gesägt, mit schwach
ausgeprägten, kurzen und stumpfen Lappen, unterseits grau oder grau-
grün, auf den Hauptnerven dicht kurzhaarig, auf der Blattfläche dicht
kurzhaarig oder seltener schwach behaart.
[Bojanowo, leg. ©. Scholz.] Breslau: Hennigsdorf, leg. Uechtritz.
Jungfernsee bei Kottwitz, leg. Uechtritz. (Herb. siles.)
Diese Varietät sieht in der Blattform der A. Beckiü Call. var. am-
bigua Beck. sehr ähnlich, unterscheidet sich jedoch leicht von dieser
hybriden Form durch die durchaus sitzenden Fruchtzapfen,
76 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
var. hypochlora Callier. (= A. incana DC. var. virescens
Callier olim in scheda.)
Junge Zweige kurz behaart oder fast kahl, Blattstiele 2-—2,5 em
lang, schwach behaart oder fast kahl, Blätter elliptisch eiförmig oder
rundlich-eiförmig, vorn spitz, seltener mit kurzer, stumpfer Spitze, doppelt
gesägt mit stumpfen Lappen, unterseits grün, auf den Hauptnerven
kurz behaart, Blattfläche kahl, an den jüngeren Blättern schwach
kurzhaarig.
Durch die etwas rundlichen Blätter an einige Formen der A. spuria
Callier erinnernd, von der sie jedoch durch die sitzenden Fruchtzapfen
und die durchaus grüne Blattunterseite leicht zu unterscheiden ist,
Striegau: Grunauer Erlicht, leg. Zimmermann, Neisse: Glumpenau,
Reisewitz, leg. Winkler (als A. glutinosa X incana), Görbersdorf, leg.
Strähler. Hirschberg: Berbisdorf, leg. Callier. Grunau, leg. Fiek. Lieg-
nitz: Bruchmühle, leg. Figert. Breslau: zwischen Canth und Landau, leg,
Uechtritz. Kottwitzer Wiesenwald, leg. Uechtritz. Kleinburg, leg. Uechtritz.
var. leptophylla Callierr. (= 4. incana DC. var. tenuifolia
Callier olim in sched.)
Jüngere Zweige schwach kurzhaarig, Blattstiele schwach behaart,
Blätter gross, breit eiförmig oder fast rundlich-eiförmig, 8$—-12 cm lang,
6—8 cm breit, sehr dünn und zart, vorn spitz, am Grunde breit ge-
stutzt, am Rande scharf doppelt gesägt, mit grossen, eckigen und spitzen
Lappen, oberseits dunkelggün, kahl, unterseits grau-grün oder grün, mit
schwach hervortretenden, locker kurzhaarigen Mittel- und
Seitennerven, Blattfläche kahl, an den obersten Blättern der
Zweige selten mit wenigen zerstreuten Haaren besetzt.
Hirschberg: Grunau, leg. Fiek und Callier,
var. argentata Norrlin. (= A. incana DU. var. sericea Christ.
Pflanzenleben der Schweiz, 1879, p. 47, 132) i
Jüngere Zweige dicht kurzhaarig oder fast filzig, Blattstiele filzig
behaart, Blätter (meist kleiner als an der gewöhnlichen Form der A.
incana DC.) breit-eiförmig oder rundlich-eiförmig, an der Spitze stumpf
oder spitz, am Grunde rundlich oder gestutzt, am Rande doppelt ge-
sägt, mit stumpfen oder spitzen Lappen, auf der Oberseite dicht
anliegend zottig behaart, silberglänzend (vorherrschend an den
jungen Blättern) oder seltener die unteren Blätter nur schwach behaart,
nicht silberglänzend, unterseits dicht filzig oder seidenartig zottig be-
haart, selten die unteren Blätter kahl werdend.
a. forma typica Callier.
Blätter sämmtlich beiderseits zottig, silberglänzend be-
haart, vorn stumpf, am Rande mit kurzen stumpfen Lappen,
unterseits sämmtlich grau.
Bis jetzt nur aus Schweden, Finnland und der Schweiz gesehen.
ee Zn A A a
0
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 77
b. forma subsericea Callier. (= A. incana DC. var. sub-
sericea Appel in sched.)
Nur die jungen Blätter beiderseits zottig-silberglänzend behaart,
die älteren auf der Oberseite anliegend dicht behaart, vorn stumpf,
oder seltener mit kurzer stumpfer Spitze, am Rande mit stumpfen Lappen,
unterseits sämmtliche Blätter grau.
Grünberg, leg. Hellwig. Bolkenhain, leg. Fiek.
ec. forma acutifolia Callier.
Junge Blätter beiderseits zottig-silberglänzend behaart, die älteren
auf der Oberseite anliegend behaart, nicht silberglänzend, unterseits filzig,
vorn spitz, am Rande mit spitzen eckigen Lappen, sämmtliche
Blätter unterseits grau,
Kupferberg: Rosengarten, leg. Fiek. Görlitz: Nordseite der Landes-
krone, leg. Ascherson. Breslau: zwischen Zweibrot und Blankenau, leg.
Uechtritz. (Herb. siles.)
d. forma viridior Callier.
Junge Blätter beiderseits zottig silberglänzend behaart, die
oberen Blätter der Zweige unterseits grau, dicht behaart, die
unteren unterseits grün, auf den Mittel- und den Seitennerven dicht
behaart, auf der Blattfläche mit einzelnen Haaren besetzt
oder fast kahl.
Herrmannstadt im Mährischen Gesenke, leg. Bachmann,
Von den in Schlesien gefundenen, zu dieser schönen Varietät ge-
hörenden Exemplaren stimmt keins mit der typischen Form Schwedens
und der Schweiz überein, am meisten nähern sich derselben noch die
von Fiek bei Bolkenhain gesammelten Exemplare.
var. laciniata Regel. (= A, incana var. D. pinnatifida
lusus a laciniata Regel. Monogr. Betul, 1860, p. 157.)
Blätter länglich eiförmig, 8—-10 cm lang, 5—6 cm breit, vorn spitz
‘oder lang zugespitzt, am Grunde zugestutzt, am Rande doppelt gesägt,
tiefgelappt (Lappen eckig, gross, spitz, scharf gesägt), oberseits
kahl, selten die jüngeren angedrückt behaart, unterseits grau oder grau-
grün, auf der Mittel- und Seitennerven dicht behaart, Blattfläche dicht
kurzhaarig oder kahl.
Krummhübel im Riesengebirge, leg. Fiek.
Es ist dies die Form, welche Regel in seiner Monographie der
Betulaceen unter obigem Namen anführt und auf tab. XVII, fig. 5 ein
Blatt derselben abbildet. Die mir vorliegenden Exemplare von Krumm-
hübel stimmen vollständig mit der Abbildung und der Diagnose über-
ein. — Ich kann mich dem Regel’schen Vorgange, diese Form als eine
„pinnatifida“ zu bezeichnen, durchaus nicht anschliessen, da die Lappen
des Blattrandes wenig länger und spitz sind als die der gewöhnlichen
Form der A, incana DC., sie sind so kurz, dass von einer Fiedertheilung
73 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
überhaupt keine Rede sein kann. — In seiner Arbeit „Bemerkungen zur
Gattung Betula und Alnus‘“ in Bullet. de la soei6t& des naturalistes de
Moscou 1365, p. 434, welche gleichzeitig mit seiner Bearbeitung der
Betulaceen für De Candolle’s Prodomus erschien, führt Regel diese
Form als A. incana var. pinnatifida auf. — Wenn ich den Namen var.
laciniata Regel wähle, so geschieht es deswegen, weil bereits früher von
Wahlenberg eine var, pinnatifida aus Schweden publieirt worden ist,
welche mit unserer Form durchaus nichts zu schaffen hat. — Ein-
gehenderes über diese schwedische Form, sowie deren Synonymie, werde
ich in meiner monographischen Bearbeitung der Gattung Alnus mit-
theilen. —
3. Alnus serrulata Willd.
Bei uns nur die var. rugosa Sprgl. = A. autumnalis Hartig.
Diese Erle, welche sich jetzt durch Cultur bei uns ziemlich verbreitet
hat, stammt aus dem Norden Amerikas. Unsere Exemplare stimmen mit
den aus Amerika gesehenen der var. ruyosa fast völlig überein, jedoch
fehlt den amerikanischen Pflanzen der bisweilen schwach herzförmige
Blattgrund, welchen die deutschen eultivirten Exemplare, besonders an
den jüngeren Zweigen, besitzen. Von der var. genuina der Willdenow-
schen Art sind unsere Pflanzen durchaus verschieden. Dieselbe zeichnet
sich durch am Grunde keilförmig verschmälerte Blätter aus, deren Unter-
seite auf den Hauptnerven eine schwache und lockere Bekleidung zeigt,
während die var. ruyosa abgerundeten, breiten Blattgrund besitzt. Be-
merkenswerth ist an A. autumnalis, gerade bei den durch Cultur ver-
breiteten Exemplaren Deutschlands, die reiche Entwickelung der Frucht-
zapfen. Die Früchte zeigen meistens noch die Griffelreste, welche die
Fruchtschuppen überragen, wodurch der Zapfen ein eigenthümliches, von
denen der A. incana und A. glutinosa verschiedenes Ansehen erhält. —
In der Bekleidung der Blattunterseite variiren unsere Exemplare gleich-
falls. Von Striegau: Grunauer Erlicht (Zimmermann), Löwenberg
(v. Pannewitz, Dresler) Neisse (Winkler) sah ich Exemplare, welche auf
den Hauptnerven nur eine lockere Behaarung und kahle Blattfläche
zeigen. —
Hybride Formen.
4. Alnus spuria Callier. (A. glutinosa X incana,)
Junge Zweige + dicht kurzhaarig, Blattstiele + dicht kurzhaarig
oder filzig oder fast kahl, Blätter verkehrt-eiförmig oder länglich - ver-
kehrt-eiförmig oder rundlich oder rundlich-eiförmig, vorn stumpf oder
schwach ausgerandet oder kurz zugespitzt, am Grunde — keilförmig
verschmälert oder rundlich, am Rande unregelmässig doppelt kerbig ge-
sägt, mit kurzen, stumpfen oder etwas eckigen Lappen, auf der Ober-
seite kahl oder mit zerstreuten Haaren besetzt, unterseits trübgrün oder
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 79
grau oder seegrün, auf den Hauptnerven + dicht behaart oder fast kahl,
in den Winkeln der Nerven + deutlich bebärtet, Seitennerven auf jeder
Seite 7—8 oder 8—10, Fruchtzapfen deutlich gestielt, Stiele 0,5—0,5 em
lang, Samen mit schmalem, lederartigem, undurchsichtigem Flügel um-
geben.
Die Bastarde zwischen A. glutinosa und incana stehen in der Blatt-
form bald der einen, bald der andern der Stammeltern nahe. Die zur
Subsp. Tauschiana gehörenden Formen neigen habituell sämmtlich der A,
glutinosa mehr zu, während die der Subsp. Beckii der A. incana näher
verwandt sind. Von den Eltern sind die Hybriden auf den ersten Blick
durch die kurzgestielten Fruchtzapfen zu unterscheiden.
Von den Formen der Subsp. Tauschiana ist es besonders die als
hybrida Neumann bezeichnete, welche dem einen Parens, A. glutinosa, in
der Gestalt der Blätter sehr nahe steht. Die Stiele der Fruchtzapfen
sind jedoch so auffallend kurz, dass man an eine Zugehörigkeit zur
typischen A. glutinosa nicht denken kann,
Die Formen der Subsp. Beckü zeigen in der Gestalt der Blätter und
in der Farbe der Blattunterseite eine grosse Aehnlichkeit mit denen der
reinen A. incana, doch sind auch hier die hybriden Formen leicht durch
die deutlich gestielten Fruchtzapfen zu erkennen.
Subsp. I. Tauschiana Callier in Deutsche botanische Monats-
schrift 1889, p. 51. (= 4. glutinosa X incana aut, plur.)
Junge Zweige schwach behaart, Blattstiele 1—3 em lang, — dicht
kurzhaarig, Blätter verkehrt-eiförmig oder rundlich-eiförmig oder länglich-
verkehrt-eiförmig, vorn stumpf oder schwach ausgerandet oder kurz zu-
sespitzt, am Grunde — keilförmig verschmälert oder rundlich, am Rande
unregelmässig doppelt-kerbig-gesägt, mit kurzen, stumpfen Lappen,
auf der Oberseite kahl oder mit zerstreuten, kurzen Haaren besetzt, unter-
seits trübgrün, auf den Hauptnerven — dicht behaart oder fast kahl,
Blattfläche kahl oder zerstreut behaart oder dicht steifhaarig, Seiten-
nerven auf jeder Seite 7—8 oder selten 9—10, Fruchtzapfen deutlich
gestielt, Stiele 0,5—0,5 cm lang, Samen mit schmalem, lederartigem,
undurchsichtigem Flügel umgeben,
Es lassen sich folgende Formen unterscheiden:
var. hybrida Neumann.
Blattstiele 1,5—2 em lang, schwach behaart, fast kahl, Blätter
rundlich, fast kreisrund, 4—6 cm lang, 4—6 cm breit, vorn
stumpf, abgerundet oder schwach ausgerandet, am Grunde
breit, rundlich, unterseits auf den Hauptnerven mit zerstreuten
Haaren besetzt, fast kahl, Blattfläche kahl, Aderwinkel +
bärtig, Seitennerven je 7—B8.
Breslau: Sitten bei Obernigk, leg. Uechtritz,
80 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Diese Form steht im ganzen Habitus, der Blattform ete. der A.
glutinosa Gaertn. sehr nahe, lässt sich jedoch leicht durch die schwache
Bekleidung der Blattnerven und die kürzer gestielten Fruchtzapfen von
derselben unterscheiden. — Hierher möchte ich Exemplare rechnen,
welche Uechtritz 1864 hinter den Sitten bei Obernigk sammelte,
wenngleich dieselben von den Neumann’schen Originalen durch bisweilen
schwach keilförmigen Blattgrund, und daher mehr verkehrt- eiförmige
Blätter abweichen. Die Winkel der Nerven zeigen deutlich den Bart
der A. glutinosa.
var. pubescens Tausch. in Flora (1834), p. 520.
Blattstiele 1—1,5 cm lang, schwach kurzhaarig, Blätter verkehrt-
eiförmig oder länglich-verkehrt-eiförmig, 3—6 em lang, 2—4 cm breit,
vorn stumpf, sehr selten einige Blätter mit kurzer, stumpfer Spitze, am
Grunde schwach keilförmig verschmälert oder seltener breit, unterseits
auf den Hauptnerven dicht kurzhaarig oder locker kurzhaarig,
Blattfläche meist kahl, selten mit zerstreuten Haaren besetzt, in
den Winkeln der Nerven — deutlich bärtig, Seitennerven je 7—8.
Katscher: Rösnitzer Wald, leg. Ascherson und Fritze. Breslau:
Mirkauer Busch, leg. Bachmann, Scheitnig, leg. Krause. Görbersdorf bei
Friedland, leg. Fiek, Strähler. (Herb. siles.)
var. badensis Lang. in Doell, Fl. Bad II, p. 534.
Blattstiele 1—2 cm lang, dicht kurzhaarig oder filzig, Blätter läng-
lich verkehrt-eiförmig oder rundlich verkehrt-eiförmig, 5—7 em lang,
4—6 cm breit, vorn stumpf, selten mit kurzer Spitze, am Grunde meist
breit, rundlich, selten schwach in den Stiel vorgezogen, unterseits auf
den Hauptnerven dicht filzig, Blattfläche von steifen zahl-
reichen Haaren dicht besetzt, Aderwinkel sehr stark zottig
bebärtet, Seitennerven je 7—8.
Breslau: Carlowitz, leg. Uechtritz. (Herb. siles.)
var. intermedia Callier.
Blattstiele 1,5—3 em lang, locker kurzhaarig, rundlich eiförmig
oder rundlich verkehrt-eiförmig, 4—8, selten 10 cm lang, 4—8 cm breit,
vorn stumpf oder kurz zugespitzt, am Grunde rundlich oder schwach
keilförmig verschmälert, unterseits auf den Hauptnerven dicht kurz-
haarig oder fast filzig, seltener locker kurzhaarig, Blattfläche meist
schwach behaart oder fast kahl, in den Aderwinkeln + dicht bebärtet,
Seitennerven je 8 oder 9—10.
Breslau: Lohestrasse, leg. Ansorge. Obernigk, leg. Uechtritz. Mir-
kauer Busch, leg. Fiek. Leuthener Wald, leg. Uechtritz. Liegnitz:
Bruchmühle, leg. Figert. Schweidnitz: zwischen Säbischdorf und Zülzen-
dorf, leg. Schöpke. Hirschberg: zwischen Grunau und Flachenseiffen,
leg. Fiek.
|
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. si
Subsp. II. Beckii Callier in Deutche botanische Monatsschrift
1889 p. 51.
Jüngere Zweige + dicht kurzhaarig, Blattstiele 1—2 em lang,
+ dicht kurzhaarig, fast filzig oder fast kahl, Blätter rundlich oder
rundlich-eiförmig oder länglich-verkehrt-eiförmig, vorn stumpf oder +
deutlich zugespitzt, am Grunde rundlich oder schwach keilförmig ver-
schmälert, am Rande mit schwach ausgeprägten, stumpfen oder etwas
eckigen Lappen, auf der Oberseite dunkelgrün, kahl oder mit zerstreuten
Haaren besetzt, unterseits grau oder seegrün, auf den Hauptnerven
loeker oder dicht kurzhaarig oder fast kahl, Blattfläche dicht kurzhaarig
oder fast kahl, in den Winkeln der Nerven nicht oder schwach bebärtet,
Seitennerven auf jeder Seite 8—10, Fruchtzapfen deutlich gestielt, Stiele
0,3—0,5 cm lang, Samen mit schmalem, diekem, lederartigem Flügel
umgeben. |
Es sind zwei Formen zu unterscheiden:
var. ambigua Beck. Verhandl. der k. k. zool.-botan. Gesellsch.
Wien 1888, p. 767.
Blattstiele 1—2 em lang, dicht kurzhaarig, fast filzig, Blätter rund-
lieh oder rundlich-eiförmig, 3,5—6 cm lang, 2,5—5 cm breit, vorn
stumpf oder mit kurzer, stumpfer Spitze, am Grunde breit, rund-
lich oder gestutzt, am Rande unregelmässig doppelt gesägt, mit
schwach ausgeprägten, kurzen, abgerundeten Lappen, auf der Ober-
seite kahl oder mit zerstreuten Haaren besetzt, unterseits grau oder see-
grün, auf den Hauptnerven locker kurzhaarig, Blattfläche dicht kurz-
haarig oder seltner fast kahl, Aderwinkel nicht bärtig, Seitennerven je
8—10.
Breslau: Mirkauer Busch, leg. Bachmann, Obernigk: an der Bahn-
strecke nach Trachenberg zu, leg. Callier 1890. [Bojanowo: Tarchalin,
leg. C, Scholz 1890.]
var. Figerti Callier. Deutsche bot. Monatsschr. 1839, p. 54.
Blattstiele 2 em lang, zerstreut kurzhaarig, fast kahl, Blätter läng-
lich verkehrt-eiförmig oder elliptisch, 4—8 em lang, 4—5 cm breit,
vorn deutlich zugespitzt, seltener stumpflich, am Grunde schwach
keilförmig verschmälert oder selten breit, am Rande unregelmässig
doppelt gesägt, mit kurzen, eckigen Lappen, auf der Oberseite kahl
oder mit zerstreuten Haaren besetzt, unterseits schwach grau oder grau-
grün, auf den Hauptnerven dicht kurzhaarig oder seltener fast kahl
werdend, Blattfläche meist kahl oder mit zerstreuten Haaren besetzt,
Seitennerven je 8—10.
Breslau: zwischen Klettendorf und Zweibrot leg. Uechtritz. Gold-
berg: Steinberg, leg. Figert.
u),
83 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
5. Alnus Aschersoniana Callier. (A. autumnalis ') X incana
Aschs. 1864. Figert 1887.)
Jüngere Zweige schwach oder dicht, hellrostfarben behaart oder
fast kahl, Blattstiele 0,5—2 em lang, locker kurzhaarig oder dicht be-
haart, fast filzig, Blätter breit-eiförmig oder elliptisch verkehrt-eiförmig
oder rundlich, vorn schwach zugespitzt oder stumpf oder rundlich, am
Grunde gestutzt oder rundlich oder schwach herzförmig, am Rande un-
regelmässig doppelt gezähnt, mit kurzen, spitzen oder stumpfen Lappen
auf der Oberseite kahl oder & dicht angedrückt behaart, unterseits
schwach graugrün oder bläulich grün, auf den Mittel- und den
Seitennerven locker oder dicht hellrostfarben bekleidet, Blattfläche schwach
kurzhaarig oder fast filzig oder fast kahl, Seitennerven auf jeder Seite
10—12, Fruchtzapfen 6-—8, kurgestielt oder sitzend.
var. vulgaris Callier.
Jüngere Zweige schwach rostfarben behaart oder fast kahl,
Blattstiele 1—2 cm lang, schwach kurzhaarig, Blätter breit-eiförmig oder
elliptisch-verkehrt-eiförmig, 5—9 cm lang, 4—5 cm breit, vornschwach
zugespitzt oder stumpf, am Grunde gestutzt oder rundlich oder
schwach herzförmig, am Rande unregelmässig doppelt-gezähnt, mit
kurzen, etwas spitzen Lappen, auf der Oberseite kahl oder selten
zerstreut behaart, unterseits schwach grau-grün oder bläulich-
srün, auf den Mittel- und Seitennerven — dicht, hellrostfarben bekleidet,
Blattfläche schwach kurzhaarig oder kahl.
Goldberg: Steinberg, leg. Figert. Liegnitz: Seifersdorf, leg. Figert,
Strie gau: Stanowitzer Erlicht, leg. Callier.
Diese Form wurde in den „Resultaten der Durchforschung der schle-
sischen Phanerogamenflora 1887, pag. 5“ von Freund Figert als neue
Hybride genauer beschrieben. Mir wurde durch die Güte des Autors
sein gesammtes Material an Alnusformen, welches er in den Jahren
1887—90 bei Steinberg sammelte, zugänglich und dadurch ein eingehen-
deres Studium dieser Hybride möglich gemacht. Bereits Ascherson er-
wähnt in seiner Flora der Provinz Brandenburg 1864, pag. 623 einer
hybriden Form von A. autumnalis und A. incana. Ich hatte Gelegenheit
Ascherson’sche Originalexemplare im Herbar. Doell. einzusehen und mit
den schlesischen von Figert gesammelten zu vergleichen. Dieselben
stimmen mit den Exemplaren von Steinberg und Seifersdorf völlig über-
ein, sowohl was Blattform, als auch Bekleidung anbetrifft. — Im vorigen
Jahre erhielt ich von Freund Figert eine Form aus Steinberg, welche
') Ich benutzte in Folgendem der Kürze halber dieses Synonym für A. serru-
lata Willd. var. rugosa Sprgl.
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II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 33
in der Blattform von den früher gesammelten abweicht, die ich aber
gleichfalls hierher ziehe, Die grösste Breite des Blattes liegt meist
etwas über der Mitte, wie bei A, autumnalis, der Blattgrund ist meist
etwas verschmälert, die Blattunterseite ist mehr blaugrün, während sie
bei den Figert’schen Originalen, nach denen die Publication im Jahre 1887
erfolgte, mehr graugrün ist. Durch diese Merkmale nähern sich dem-
nach diese 1889 sub No. 9 gesandten Exemplare der A. autumnalis, doch
weist die blaugrüne Unterseite des Blattes, die hell-rostfarbene, lockere
Bekleidung der Nerven, sowie die verhältnissmässig geringere Anzahl
der Fruchtzapfen (3>—7) auf eine Einwirkung der A. incana, und zwar
einer verkahlenden Form, hin. — Die von Figert bei Talbendorf ge-
sammelten und als Hybride angesehenen Exemplare halte ich, trotz des
bisweilen schwach herzförmigen Blattgrundes, nur für eine breitblättrige,
unterseits weissliche, fast kahle Form der A. incana, wie sie sich häufiger
an noch jungen Sträuchern findet, |
vor. fallax Callier.
Jüngere Zweige dicht hellrostfarben behaart oder fast
filzig, Blattstiele 0,5—1 em lang, fast filzig behaart oder seltener
locker kurzhaarig, Blätter fast rundlich oder rundlich-verkehrt-
eiförmig, 3—6 cm lang, 2,5—4 cm breit, vorn durchaus stumpf
oder abgerundet, sehr selten mit ganz kurzer stumpfer Spitze, am
Grunde rundlich, am Rande unregelmässig doppelt sezähnt mit kurzen,
stumpfen Lappen, oberseits + dicht angedrückt behaart, unterseits
schwach bläulichgrün, auf den Mittel- und Seitennerven dicht (hell-
rostfarben oder fast weiss) behaart oder fast filzig, Blattfläche fast filzig
oder seltener kahl werdend.
Goldberg: Steinberg 1890, leg. Figert. Neise: Reisen, leg. Winkler,
(Herb. siles.)
Diese Form zeichnet sich durch die rundlichen, vorn stumpfen,
dicht bekleideten Blätter aus, deren Bekleidung auffallend hell, mitunter
fast weisslich ist, doch lässt sich die rostfarbene Bekleidung der A.
autumnalis noch deutlich erkennen. — Sie erinnert in ihrer Blattform
etwas an die A. spuria Subsp. Beckii var. ambigua Beck, von der sie je-
doch durch die Farbe der Bekleidung und die unterseits schwach blau-
grünen Blätter zu unterscheiden ist.
6. Alnus Fiekii Callier.!) (A. autumnalis X glutinosa Fiek.)
Junge Zweige schwach kurzhaarig oder kahl, Blattstiele 1—2 cm
lang, schwach hell rostfarben oder hell bräunlich behaart oder fast kahl.
Blätter rundlich verkehrt-eiförmig oder verkehrt-eiförmig oder elliptisch
Y) Zu Ehren unseres verdienstvollen Landesfloristen Herrn Apotheker E. Fiek,
habe ich mir erlaubt, diese Hybride mit obigem Namen zu belegen.
6*
84 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
verkehrt - eiförmig, vorn stumpf oder kurz zugespitzt, am Grunde fast
rundlich oder schwach herzförmig oder fast keilförmig, am Rande un-
regelmässig doppelt-gezähnt, mit kurzen stumpfen oder spitzlichen Lappen,
oberseits kahl oder mit zerstreuten Haaren besetzt, unterseits trübgrün
oder heller grün, auf den Hauptnerven locker hell rostfarben oder hell-
bräunlich oder fast weiss behaart. Blattfläche schwach und zerstreut
behaart oder kahl, in den Winkeln der Nerven + bärtig, Seitennerven
je 10—12 oder 8—10, Fruchtzapfen 6—8 oder 4, + lang gestielt oder
fast sitzend, Samen mit schmalem, diekem, lederartigem Flügel umgeben.
Es sind zwei Formen zu unterscheiden:
var. silesiaca Fiek. (— A. silesiaca Fiek in Resultate der
Durchforschung der schlesischen Phanerogamenflora im Jahre
1888, p. 5.)
Blattstiele 1,5—2 em lang, schwach behaart oder fast kahl, Blätter
undeutlich verkehrt-eiförmig, 6—8 em lang, 5—6 cm breit, vorn stumpf,
am Grunde fast rundlich oder schwach herzförmig, am Rande
unregelmässig doppelt-gesägt, mit kurzen, stumpfen Lappen, oberseits
kahl, unterseits trübgrün, auf den Mittel- und Seitennerven locker und
hell rostfarben behaart, Blattfläche kahl oder mit zerstreuten Haaren
besetzt, in den Aderwinkeln etwas bärtig, Seitennerven je 10—12,
Fruchtzapfen 6—8, kurzgestielt oder fast sitzend oder lang
gestielt.
Krummhübel im Riesengebirge, leg. Fiek. Goldberg: Steinberg, leg.
Figert.
Diese Form steht der A. autumnalis habituell näher. Die Exemplare
von Krummhübel besitzen die kurzgestielten Fruchtzapfen der A. autum-
nalıs, während dieselben bei den Steinberger Exemplaren, die in der
Blattform, Bekleidung ete. durchaus mit denen von Krummhübel über-
einstimmen, lang (sogar bis 1,5 cm) gestielt sind.
var. Dressleri Callier. [Exsice.: Callier, Flora silesiaca
exsiccata Nr. 90.]
Blattstiele 1—2 cm lang, schwach behaart, Blätter verkehrt-eiförmig
oder elliptisch verkehrt- eiförmig, 6—9 cm lang, 4—5 em breit, vorn
stumpf oder kurz zugespitzt, am Grunde schwach keilförmig oder
seltener rundlich (niemals schwach herzförmig), am Rande unregelmässig
doppelt gezähnt, mit kurzen, stumpfen, seltener spitzlichen Lappen, ober-
seits kahl oder mit zerstreuten Haaren besetzt, unterseits heller grün,
auf den Mittel- und Seitennerven locker hellbräunlich, fast weisslich be-
haart, Blattfläche schwach behaart oder seltener kahl, in den Winkeln
der Nerven bärtig, Seitennerven je 8—10, Fruchtzapfen meistens
4, seltener 3, deutlich und lang gestielt (Stiele 0,5—0,9 cm lang).
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II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 85
Diese Varietät steht in allen Theilen der A. glutinosa näher als die
vorige Form. Die von Fiek ]. ec. gegebene Beschreibung der Hybride
bezieht sich nur auf die var, silesiaca,
Hierauf hielt Herr Apotheker Pommerenke einen durch Zeich-
nungen und mikroskopische Präparate erläuterten Vortrag
Vergleichende Untersuchungen über den Bau des Holzes einiger
sympetaler Familien.
Anschliessend an die umfangreichen Arbeiten Solereder’s, war es
meine Aufgabe festzustellen, in wie weit sich die von mir untersuchten
Vertreter sympetaler Familien, die zum grössten Theil aus Argentinien
stammen, den bereits von Anderen untersuchten Arten anschliessen oder
von denselben abweichen; in wie weit in dem letzteren Falle demnach
die für die betreffenden Familien aufgestellten, anatomischen Charaktere
zu erweitern oder einzuschränken sind. — Einige Beobachtungen, welche
sich auf die das Holz zusammensetzenden Elemente beziehen, mögen hier
Erwähnung finden. Die Lagerung des Holzparenchyms kann zuweilen
systematische Bedeutung besitzen. Es bildet mitunter tangentiale, in
radialer Richtung ein- bis mehrschichtige Binden, welche bei manchen
Hölzern, z. B. Lucuma neriijfolia auf dem Querschnitt schon makroskopisch
hervortreten. Die meisten der untersuchten Arten enthielten in den
Zellen des Holzparenchyms Krystalle von oxalsaurem Kalk; bei Zucuma
nerüfolia in dem Maasse, dass auf dem Tangential- und Radialschnitt
glänzende weisse Streifen sichtbar waren. Sassir machte in No. 12
der „Botanischen Zeitung‘“ 1863 auf das Vorkommen conjugirter Holz-
parenchymzellen im Holze von Aricennia, Tectona grandis und einiger
anderer Arten aufmerksam. Molisch, welcher conjugirte Markstrahl-
und Holzparenchymzellen bei den Ebenaceenhölzern constant vorfand,
sprach die Vermuthung aus, dass diese bis dahin als „Seltenheit und
Ausnahme‘ geltende Erscheinung sich wohl im Stamm der Dikotylen
häufig vorfindet, ‚vielleicht allgemein verbreitet ist, und dass die Ver-
bindungsröhren fast stets übersehen wurden.“ Ich muss diese Ver-
muthung Molisch’s vollständig bestätigen, da ich diese eonjugirten Zellen
bei den meisten der von mir untersuchten Hölzer fand. Das Auftreten
conjugirter Markstrahlzellen scheint von dem Vorkommen einreihiger
Markstrahlen abzuhängen. Hierdurch lässt sich auch das häufige Vor-
kommen conjugirter Markstrahlzellen im Xylem der Ebenaceen, welche
vorwiegend einreihige Markstrahlen besitzen, erklären. Auf dem Quer-
schnitt von Maba fasciculosa und Euclea Pseud-Ebenus sieht man, dass
die einreihigen Markstrahlen öfter durch sich zwischen drängende
Elemente, meistens Libriformfasern, aber auch Gefässe und Holz-
parenchymzellen eingeschnürt werden, so dass an diesen Stellen die
6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Markstrahlzellen von einander getrennt werden. Bei sorgfältiger Be-
obachtung gelingt es nun mitunter, feine, mit dünnen Grenzwänden auf
einander stossende Verbindungsröhrchen, welche zwischen die trennenden
Elemente sich hindurchziehend, die auseinander gedrängten Markstrahl-
zellen verbinden, aufzufinden. Die Conjugation kann auch an durch
ungleichnamige Elemente von einander getrennten Libriformfasern auf-
treten, Bezüglich der Gestalt der letzteren wäre noch zu erwähnen,
dass das Vorkommen vereinzelter Gabelungen an den Enden eine allgemein
verbreitete Erscheinung ist. Durch feine Querwände gefächerte Fasern
finden sich mitunter im Xylem mancher Arten, wie z, B. Myrsine Grise-
bachii, Aonistus australis ec. Eine zweite Art von Fächerung des
Lumens entsteht durch stellenweise Membranverdiekung. Die Libriform-
fasern der untersuchten Compositen zeigten mitunter eine feine, spiralige
Streifung. Diese ist jedoch nicht auf eine Verdiekung oder Tüpfelbildung
zurückzuführen, sondern beruht auf einer Verschiedenheit in der Micellen-
Anordnung. Inhaltsführende Fasern fanden sich nur in wenigen Hölzern,
so bei Chilopsis saligna und Tabessaja Avellunedae, deren Fasern körnige,
durch Jod sich nicht blau färbende Rückstände enthielten. Die Fasern
von Rhytidophyllum tomentosum führten reichlich Stärke und waren theil-
weise durch feine Querwände gefächert; demnach sind jene als amylum-
haltige, gefächerte und ungefächerte Faserzellen zu bezeichnen. Ver-
zweigte Tracheiden fanden sich im Holze von Myrsine sper. Die Sprossen
leiterförmiger Gefässperforationen verzweigen sich zuweilen; es ent-
stehen hierdurch bei Myrsine variabilis vielfach zierliche, netzähnliche
Gefässdurchbrechungen. Netzperforationen fand Pra&l an vereinzelten
Gefässen von Cordia Myxa L. Ich beobachtete jene ebenfalls in einem
älteren Stammstücke derselben Art. Manche Gefässglieder von Plumiera
acutifolia zeigen Zwillingsperforationen, d. h, es setzen sich an die Ge-
fässgliederenden anstatt eines, zwei Gefässglieder an. Die Gefässe und
Tracheiden von Myrsine Grisebachii sind meistens mit kohlensaurem Kalk
erfüllt, welcher auf Radial- und Tangentialschnitten als deutliche, weisse
Streifung hervortritt.
Schliesslich wären noch die Markflecken zu erwähnen, welche
sich mitunter im Holze von Vernonia spec. und Tecoma stans vorfinden;
bei letzterer Art treten ausserdem noch eigenartige Markstrahlver-
zerrungen auf.
Das Material zu vorliegenden Untersuchungen stammt aus der
überaus reichhaltigen Holzsammlung, welche sich im Jahre 1889 auf der
Pariser Welt-Ausstellung befand, und von der Argentinischen Regierung
mit dankenswerthester Labs dem hiesigen hakaniechen Museum als
Geschenk überwiesen worden ist,
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II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 87
Zum Schluss legte Herr Prof. Dr. Hieronymus seine
Beiträge zur Kenntniss der europäischen Zoocecidien und der Verbreitung
derselben
vor, welche als Ergänzungsheft zum 68. Jahresbericht der Schlesischen
Gesellschaft für vaterländische Cultur, Breslau 1890, erschienen sind, und
eine systematische und kritische Durcharbeitung der Zoocecidien (durch
Thiere verursachte Pflanzengallen) Europas enthält. Ein demnächst von
Hieronymus und Ferd. Pax erscheinendes Herbarium cecidiologieum
wird eine Sammlung der durch Thiere erzeugten Gallen (im weitesten
Sinne) enthalten.
In der 3. Sitzung vom 12. Februar hielt Herr Prof. Hierony-
mus einen Vortrag
über Pflanzen-Monstrositäten.
Dieselben waren von ihm bei Gelegenheit des Sammelns von Gallen
gefunden. Ausser schon bekannten Bildungsabweichungen, Verbänderungen,
Vergrünungen, Prolificationen, legt der Vortragende eine Anzahl neuer
Funde vor: Thlaspi arvense mit kleistogamen Blüthen. Festuca fluitans,
Setaria viridis mit viviparem Blüthenstand; Juncus Laersii mit Zwangs-
drehung der Achse, Achillea mille folium mit mehrfach gefiederten Blättern;
Euphorbia Esula mit mehrfach gefiederten Blättern u. a.
Herr Prof, Ferd. Cohn zeigte einen kleinen Tragant-Strauch Astragalus
leiocladus Boiss., gesammelt im Sommer 1890 bei Teheran durch Mirsa
Abdullah; dasObjeet wurde durch den deutschen Gesandtschafts-Dragoman
in Teheran, Herrn Dr. Frank, dem hiesigen Botanischen Museum als
Geschenk überwiesen. Ausserdem wurde vorgelegt ein Strauch von
Poterium spinosum, der von Prof. Ferd. Cohn auf dem Berge Bulgurlu
Dagh bei Scutari gesammelt war. Beide Pflanzen demonstriren sehr schön
die Anpassung an trockene, sonnige Standorte. Durch Verkleinerung
der Blattflächen wird die Verdunstung stark redueirt. Durch kräftige
Bedornung, welche die kleinen kugelförmigen Büsche rund herum wie mit
einer Stachelhaut umgiebt, und die bei den Tragant-Sträuchern aus der
Umbildung der Blattstiele, bei Poterium aus Verzweigungen des Stengels
besteht, schützen sich die Pflanzen vor den Angriffen der Thiere, —
In der 4. Sitzung am 26. Februar legte Herr Dr. Th. Schube vor:
die Ergebnisse der Durchforschung der Schlesischen Phanerogamenflora
im Jabre 1890
zusammengestellt von E. Fiek und Th. Schube.
A. Für das Gebiet neue Arten und Formen.
Dianthus Carthusianorum X arenarius Ü, Lucas (D. Lucae
Aschs.). Grünberg: Semmler’s Lug bei Pirnig! (Hellwig als D, are-
narius var.).
38 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Stengel gabelig -ästig; Blattscheiden zweimal so lang als breit;
Blüthen einzeln oder zu 2 genähert; Kelchschuppen in eine kurze pfriem-
förmige Spitze auslaufend, '/, bis '/, so lang als die Kelchröhre; Kelch
6 bis 8 Mal so lang als dick; Platte der Blumenkrone klein, etwa zur
Hälfte eingeschnitten. — Hiernach entspricht unsere Pflanze keiner der
von Lasch (1861 in den Verh. des Bot. Vereins der Prov. Brandenburg)
beschriebenen Formen vollständig, nähert sich jedoch sehr der unter
Nummer 4 angeführten.
Melandryum album X rubrum (M. dubium Hampe 1873).
Schmiedeberg: an einem grasigen Wegrande in Buschvorwerk!!
Man findet nicht gerade selten blassrosa- oder fleischfarbene Blüthen
vom Melandryum rubrum oder auch M. album mit hellpurpurnen Blumen-
kronen, die leicht zu der Vermuthung Anlass geben, dass man es mit
Hybriden zwischen diesen beiden Arten zu thun hat, zumal die Be-
kleidung des Stengels mehr variirt, als man nach den Beschreibungen
in den Floren annehmen sollte, doch scheinen wirkliche Bastarde —
obgleich in Thüringen mehrfach beobachtet — recht selten zu sein. Die
vom bezeichneten Fundorte stammende, nur in weiblichen Exemplaren
gesammelte Pflanze steht deutlich in der Mitte zwischen den muth-
masslichen Eltern. Von beiden unterscheidet sie sich durch die aus
gegliederten, mehr oder weniger langen Zottenhaaren und abstehenden
kürzeren, nicht feindrüsigen Haaren zusammengesetzte Bekleidung, die
besonders dicht ist am oberen Theile des Stengels, an den Blüthen-
stielen und Kelchen. Die Blätter sind zarter und breiter als die von
M. album, ihre Hauptnerven schwächer hervortretend und nicht so deut-
lich bis zur Spitze verlaufend. Blüthen hellrosa, beim Trocknen dunkler
werdend. Die kurz-eiförmige Kapsel springt mit meist paarweise ver-
bundenen, an der Spitze zurückgekrümmten Zähnen auf.
Hypericum perforatum X quadrangulum Lasch. Diese Hy-
bride, schon 1886 von Figert bei Glogau: zwischen Gustau und Grabig (!)
beobachtet, stellt eine gute Mittelform dar. Der Stengel ist hohl,
4kantig, aber 2 Kanten abwechselnd bedeutend stärker hervortretend,
als die beiden andern; Blätter unterseits schwach netzadrig, mit zahl-
reichen kleinen durchscheinenden Punkten; Kelchblätter lanzettlich, spitz-
lich, auffällig länger als die Fruchtknoten.
Abweichend von dieser Form ist eine andere, die dem H. qua-
drangulum wesentlich näher steht, aber an den beiden stärker hervor-
ragenden Kanten des Stengels sich hinreichend als eine Kreuzung zwischen
diesem und H. perforatum zu erkennen giebt. Die Blätter sind mit
wenigen grösseren durchscheinenden Punkten versehen, unterseits mit
deutlichem Adernetz. Kelehblätter länglich - lanzettlich, stumpflich, so
lang oder wenig länger als die Fruchtknoten. Schönau: auf dem Rosen-
garten bei Ketschdorf! (Figert 1890).
a = 45 Zi 1 U sn Zu 22
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 89
—+ Ampelopsis quinquefolia (L.) Mchx. Völlig verwildert im
Weidengebüsch bei Cosel nächst Breslau gegenüber der Oswitzer Fähre!
— Impatiens glanduligera Royle (Bot. Mag. T. 4020) wird in
Bauerngärten des schlesischen Vorgebirges nicht gerade selten als Zier-
pflanze gezogen. Diese ostindische Art beobachtete ich schon in den
siebziger Jahren vereinzelt an Gartenzäunen in Nimmersatt bei Bolken-
hain verwildert und sah sie auch später in Grasgärten von Ketschdorf,
ohne ihrer zu erwähnen, weil ich sie hier für eine vorübergehende Er-
scheinung hielt. Max Fiek fand sie 1889 mehrfach auf Schuttplätzen
und Composthaufen bei Löwenberg, im August 1890 brachte sie mir
Lehrer Höhne in Hirschberg aus der Sattlerschlucht daselbst, wo ‚ihm
die ansehnliche, bis über 1,5 m hohe Pflanze mit ihren grossen schön
violett-purpurnen Blumenkronen aufgefallen war. Vielleicht hält sie sich
an den zuletzt genannten Standorten,
Medicago minima Bart. var. mollissima (Roth) Koch. Stengel
und Blätter, namentlich die jüngeren, von abstehenden dichten Haaren
grauzottig, ohne alle Drüsenhaare. Grünberg: Grabenränder an der
Chaussee nach Polnisch-Kessel an einigen Stellen! (Hellwig).
M. lupulina L. f. unguiculata Ser. (in DC. Prodr.). Goldberg:
Steinberg an Wegrändern! (Figert); Schweidnitz: Raine bei Wilkau und
Weizenrodau! (Schöpke). Zu dieser monströsen Form ziehe ich die vor-
liegenden Pflanzen, obgleich die Hülsen nicht eigentlich sichelförmig,
sondern nur etwas bogig gekrümmt sind. Blüthen durchweg kleiner
als an der normalen Pflanze, mit einzelnen Vergrünungen,
Trifolium rubens L. var. eriocalycinum Figert. Kelchröhre
nicht kahl, sondern ebenso wie die Kelchzähne mit langen steiflichen
Haaren besetzt. Im Uebrigen vom Typus nicht abweichend. Goldberg:
am Putzberg bei Steinberg!; Löwenberg: Steinberg bei Plagwitz!
(Dresler); Jauer: am Langen Berge bei Keulendorf! (W, Scholz).
Rubus scaber Weihe et Nees. Görlitz: [Rothstein bei Sohland!
(Barber)], Mengelsdorfer Berge bei Reichenbach! (Barber).
Exemplare dieser, im Berglande der sächsischen Oberlausitz ver-
breiteten, Brombeere von dem letzteren mehr schattigen Standorte stimmen
der Hauptsache nach mit denen vom Rothstein überein, von wo Focke die
Pflanze sah und anerkannte. Die Rippe hat dieselbe charakteristische ab-
stehende kurzhaarige, mit reichlichen ziemlich gleich langen Drüsenhaaren
untermischte Bekleidung, dieselben zerstreuten Nadelstacheln und eben-
solche weissfilzige langgespitzte zurückgeschlagene Kelchblätter; auch sind
die Blätter oberseits ebenso oder stärker behaart als auf der gleichfalls
grünen Unterfläche. — Nach. O. Gelert’s Angabe wäre ferner als für
Schlesien neue Form anzusehen: R. commistus Frid. et Gel. (in bot.
tidsskr. 17. Bd.) f. glandulosa von Liegnitz: Lindenbusch (Figert).
90 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
— Rubus odoratus L. Schweidnitz: in einem Kiefernbusch bei
Käntehen verwildert! (Schöpke).
Potentilla verna aut.var. stellipila Uechtr, Schon vor mehreren
Jahrzehnten wurde von Krause am Pitschenberge bei Ingramsdorf eine
Potentilla gefunden, die Wimmer (Fl. von Schles. ed. III S. 640 in der
Anmerkung zu P. opaca) wegen der vorhandenen Sternhaare auf der
Blattunterseite für eine Zwischenform zwischen P. opuca aut. und
P. incana Mnch. und für identisch mit P. Neumanniana Rehb. fl. excurs.
erklärte. An dem genannten Orte wächst aber keine der beiden Arten,
wie Uechtritz (Verh. des Bot. Ver. d. Prov. Brand. 1885 $. 80) aus-
drücklich hervorhebt, indem er zugleich bemerkt, dass die zahlreichen,
in der Krause’schen Sammlung befindlichen Individuen zur echten P, verna
gehörten. Er bezeichnete aber diese Form in schedis mit dem oben
angegebenen Namen, den ich nach Öelakowsky’s Vorgange adoptire.
Dieselbe Abweichung von der typischen P. verna aut. (P. opaca L. nach
Zimmet.) sammelte ich bei Cunnersdorf, unweit Hirschberg, wo ebenfalls
— wie im ganzen Vorgebirge — P. arenaria Borkh. (P. incana Mnch.)
nicht vorkommt. Auch diese zeichnet sich vom Typus nur durch das
Vorhandensein von mehr oder weniger reichlichen Sternhaaren auf der
Unterseite der Blätter und der Nebenblätter aus.
Potentilla argentea X silesiaca (P. Scholziana Callier).
Schlawa (Limprichtt. Callier); [Bojanowo: im „Grünen Garten‘ und auf
Hügeln bei Pakowko! (C, Scholz)]; Breslau: auf einem Hügel östlich
von Nimkau (Uechtritz).
Callier, welcher diese von Scholz zuerst unterschiedene Hybride
bei Bojanowo an Ort und Stelle beobachtete und das unter der Etikette
„P. silesiaca Uecktr.‘“ im Herbarium des Botanischen Gartens vorhandene
Material damit verglich, hat darüber in der Deutschen Botanischen
Monatsschrift (IX. Jahr. Nr. 1 S. 7 ff.) Näheres berichtet. Die mir von
Scholz übersandten Exemplare halte auch ich für richtig gedeutet.
P. silvestris X procumbens (P. suberecta Zimmeter). Zwischen
P. silvestris und procumbens kommen wahrscheinlich häufiger Kreuzungen
vor, als man bisher annahm, und gewiss verbergen sich solche in den
Sammlungen zuweilen unter P. procumbens und vielleicht noch öfter
unter P. silvestris Necker var. fallav Marsson. Die von den betreffenden
Typen abweichenden Formen beider Species sind in der That nicht
immer leicht unterzubringen, namentlich die Spätformen, weil ihre wich-
tigsten Kennzeichen: im Wuchs, in der Zertheilung der Nebenblätter,
in Betreff der Blattstiele, sowie in der Grösse der Blüthen durchaus
variabel sind, anderer nicht zu gedenken. Bei der Bestimmung des
Bastards wird man nicht zu viel Werth darauf zu legen haben, ob die
Früchtehen mehr oder weniger verkümmert sind, da die nahe Verwandt-
BUTTER,
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 9]
schaft beider Arten deren öftere Entwickelung nicht ausschliesst, Sein
Stengel ist niedergestreckt, ohne zu wurzeln; die Nebenblätter sind ge-
wöhnlich stärker als an P. procumbens, die unteren 2—3 Mal, selten bis
4spaltig, die oberen meist und die der Zweige fast stets ungetheilt.
Warnstorf, der vielleicht die erste Beschreibung der vorliegenden Hy-
briden gegeben hat (Verh. d. Bot. Ver. d. Prov. Brand. 1876 $. 69),
behauptet bei dieser Gelegenheit, er kenne P., silvestris nur mit sitzen-
den Blättern und schliesse sich in dieser Beziehung Ascherson an. In-
dessen trifft diese Behauptung nicht zu, wenigstens unterstützen meine
Beobachtungen die Angaben derjenigen Floristen, welche die Blätter als
„sitzend oder kurzgestielt‘‘ bezeichnen. So kurze Stiele, als hier vor-
kommen (bei 4 mm Länge), hat der Bastard allerdings, wenigstens an
den unteren Stengelblättern, nicht; an dieser erreichen sie öfter die
Länge des Mittelblättchens oder sie sind auch noch länger, Blumen-
blätter fast stets grösser als an P. silvestris. |
Grünberg: an der Lawaldauer Chaussee! (Hellwig als P, silv. var.
fallax),; Bunzlau: Kaiserswaldau im Hochwalde! Aslau gegen den Hohn-
wald!; Liegsnitz: im Grossteich bei Bienowitz, hier öfter mit 4- und
özähligen Blättern! (Figert 1890); Parchwitz: Wald zwischen Möthig
und Jaschkendorf! (Gerhardt 1880); Friedland: Rosenau bei den Quark-
steinen!!; Leobschütz: an einem Feldgehölz bei Militsch! (Sintenis 1879,
als P. silv. var. fallax).
P. silvestris X reptans (P. Gremlii Zimmeter). Für diese
Combination möchte ich mit Figert trotz ihrer relativ guten Frucht-
entwiekelung eine Pflanze erklären, welche dieser am Putzberge bei
Goldberg gefunden hat(!). Stengel ästig, öfter schon unter der Mitte
Zweige aussendend; Nebenblätter durchweg mittelgross, 2- bis mehr-
spaltig, selten ungetheilt und solche mehr am obern Theile des nieder-
gestreckten Stengels; Blattstiele von der halben Länge des Mittel-
blättehens und oft noch länger; Blätter vorherrschend 5zählig, verkehrt-
ei-keilförmig, tief- bis fast eingeschnitten - gezähnt; Blüthen 4- und
özählig. — Nach Zimmeter’s Angabe wäre ferner noch für Schlesien
als neu anzuführen: P., albescens Opiz von Schweidnitz: Bolkohöhe (Callier).
Epilobium adnatum X hirsutum Hausskn. in Focke, Pflanzen-
mischlinge (1881) $. 158, Monographie S. 103 (E. brevipilum Hausskn.).
Schweidnitz: Ziegeleiteiche in mehreren Exemplaren (Schöpke).
Eine ausgezeichnete, wie es scheint sehr seltene Mittelform, die an
der abstehenden, ziemlich dichten Behaarung ihres oberen Theiles, an
den theilweise (höchstens bis zur Hälfte des Internodiums) herablaufenden
Blatträndern und an den ziemlich grossen, bis 1 cm langen schön pur-
purnen Blumenblättern leicht zu erkennen ist. Die 4 Narben sind auf-
recht, bis über die Mitte zusammengewachsen.
99 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Epilobium adnatum X montanum (E. Beckmanni Hausskn.]. e.
p. 159, bez. 104) Schönau: Katzbachthal in Kauffung ! (Figert).
Das vorliegende, 65 cm hohe, Exemplar hat die ‘aufrechte ruthen-
förmige Verzweigung des E. adnatum, auch ist es mit Ausnahme der
obersten schwach flaumigen Theile fast kahl und ziemlich lichtgrün;
Blätter sehr kurz gestielt, mittlere fast sitzend, als schwache Leisten
zum Theil am Stengel herablaufend, lanzettlich, aber breiter als an
E. adnatum, scharf und dicht gezähnelt; Blüthen von der Färbung und
Grösse derer von E. montanum; Narben unterwärts verwachsen; Schoten
schwach entwickelt oder verkümmert, angedrückt kurzhaarig, auf den
Kanten etwas dichter.
Helosciadium inundatum (L.) Koch f. rivulare Aschs. in Verh.
d. Brandb. Bot. Ver., 32. Jhrg., p. XLIV). Ruhland: Zuflussgraben zum
Sorgeteich nordwestlich von Guteborn (A. Schulz)!!
Ueber diese, zuerst von Dr. O. Wünsche (im Jahrb. d. V. f£,
Naturk. in Zwickau, 1889, $. 24, 31) publieirte, höchst unerwartete
Entdeckung einer dem Westen Europas angehörenden, in Deutschland
fast nur in den Küstengebieten vorkommenden, Art habe ich bereits in
der Deutschen Botanischen Monatsschrift (1890 Nr. 7, 8 8. 98) be-
richtet. Zunächst erst wieder bei Wustrow im nördlichen Hannover
und in Meeklenburg (bei Grabow). Bemerkenswerth an unserer übrigens
schwach fruchtenden Pflanze ist, trotz des hinreichend grossen Wasser-
standes, die geringe Zahl der untergetauchten feinzertheilten Blätter.
—+ Lonicera tatarica L. Breslau: in Gebüschen an der Schwarz-
wassermündung mehrfach völlig eingebürgert mit Ribes rubrum var.
silvestre (Uechtritz in litt. 1882; auch in seinem Handexemplare der
Fl, v. Schles. bereits damals verzeichnet!).
Scabiosa suaveleos Desf. var. virens Wallr. Stengel und
Blätter kahl oder fast kahl, die Pflanze daher nicht grau, sondern mehr
grün erscheinend. Grünberg: bei Dammerau! (Hellwig).
Petasites Kablikianus Tausch. Den neueren Botanikern war
diese Species bis vor Kurzem so gut wie unbekannt geblieben, denn
selbst der Verfasser des Prodromus der Flora von Böhmen kannte sie
bisher nur aus dem getrockneten Materiale des böhmischen Museums.
In der Flora von Schlesien hatte ich sie (eingeklammert) als in der
Nähe der Grenze vorkommend angeführt, ohne Näheres darüber in Er-
fahrung gebracht zu haben, denn selbst Uechtritz wusste mir darüber
nichts anzugeben. Rudolf Traxler theilte 1887 im „Riesengebirge in
Wort und Bild“ mit, dass er den echten P. Kablikianus bei Schatzlar
gefunden habe, worauf er später noch das Teufelsgärtehen und den
kleinen Teich als Standorte angab. Meine Aufmerksamkeit wurde jetzt
wieder auf die Pflanze gelenkt und ich beeilte mich, die angegebenen
ll. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 93
Stellen aufzusuchen. Meine Bemühungen blieben erfolglos, denn sowohl
die von mir bei Schatzlar gesammelten, als auch die Traxler’schen
Exemplare von dort konnte ich nur als zu einer unbedeutenden Form
von P. albus gehörig betrachten, trotz der Versicherung, dass sie in
den Prager Botanischen Garten verpflanzt und als P. Kablikianus an-
erkannt worden wäre. Ein Jahr darauf sammelte ich an der Kessel-
koppe bei etwa 1250 m Seehöhe Blätter eines Petasites, die mir so ab-
weichend von denen unserer beiden einheimischen Arten erschienen,
dass ich sofort an die so lange vergebens gesuchte Form dachte, eine
Vermuthung, die im Mai 1890 durch die daselbst gesammelten Blüthen-
exemplare bestätigt wurde. Zu dieser Zeit studirte auch Professor
Öelokowsky, durch B. Stein’s Aufsatz in der Oest. Botan. Zeitschr.
(1890, Nr. 4) veranlasst, unsere Pflanze, die er selbst am Elbufer bei
Hohenelbe bis Spindelmühl hinauf in Menge auffand. Indem ich auf
seine lichtvollen Auseinandersetzungen a. a. ©. (1890 Nr. 7 und 8) hin-
weise, und namentlich seiner Ansicht, dass P. Kablikianus als eine
Parallelart von P, niveus zu betrachten sei, zustimme, bemerke ich noch,
dass er vielleicht recht haben dürfte, wenn er vermuthet, dass wir es
hier mit einer nordöstlichen, vielleicht ähnlich wie Pedicularis sudetica
verbreiteten Art zu thun haben.
Da die Pflanze mit. den bisher immer in ihrer Gesellschaft ge-
fundenen P. albus leicht verwechselt werden und sie, wie in der oft
besuchten Kesselgrube, auch in anderen Schluchten der Hochregion des
Riesengebirges übersehen worden sein kann, so erscheint es zweck-
mässig, eine Beschreibung von ihr folgen zu lassen.
Grundachse kräftiger als an P. albus, mit kurzen, sich vielfach ver-
zweigenden Ausläufern; Blüthenstengel mit grossen, gekrausten, blass-
grünen Schuppenblättern; Hüllblätter breiter, stumpfer, mit ganz kurzen
Drüsenhaaren; Narben der Zwitterpflanze bis zur Hälfte gespalten (bei
P. albus bis zum Grunde). Blüthenstengel der weiblichen Pflanze kürzer
und dicker, der Kopfstand dichter, mehr länglich, die Köpfe zahlreicher,
kürzer gestielt. Blüthen von derselben Färbung wie bei P. albus. Laub-
und Schuppenblätter in der ersten Jugend mit dichtem, weisslichem Filze
bedeckt, der bald verschwindet, so dass die Blätter oft schon beim
Abblühen fast ganz kahl erscheinen. In der Gestalt der aus-
gewachsenen Blätter nähert P. Kablikianus sich mehr dem P. officinalis:
sie sind dreieckig-herzförmig, oft quer breiter, spitz, am Grunde
bis zum ersten Nervenaste ausgeschnitten; die Lappen des
Grundes wenig oder nicht nach innen gebogen, sondern mehr wage-
recht abstehend, spitzlich, der Rand ist nur schwach oder auch gar
nicht gebuchtet, nicht ganz so gleichmässig gezähnt, als bei P. offieinalis;
die mehr grüne Unterseite besitzt nicht dessen feines enges gleich-
förmiges Adernetz, die Hauptnerven springen mehr hervor; die Textur
94 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
erscheint derber, fast lederartig, die Zähne etwas knorpelig. Blattstiel
kahl wie das ganze Blatt.
—+ Artemisia annua L. Görlitz: Schuttplatz an der Actien-
brauerei sehr zahlreich; jedenfalls durch Bauschutt aus dem Garten der
Ziegler’schen Oelfabrik, wo die Pflanze seit Jahren cultivirt wurde,
dorthin verschleppt (Barber).
Achilleu cartilaginea Led. Nachdem das Vorkommen dieser östlichen
Species längs der Warthe und Netze im letzten Jahrzehnt nachgewiesen
worden war, wurde sie auch bald aus dem Oderthale unterhalb Küstrin
abwärts bis Pommern bekannt; Professor Ascherson entdeckte sie dann
1888 bei Frankfurt und 2 Jahre darauf gelang es ihm, sie selbst in der
Oderniederung Schlesiens nachzuweisen: auf einer buschigen Wiese un-
weit der Alten Oder zwischen Läsgen und Polnisch-Nettkow, Kreis
Grünberg(!). Kurz zuvor hatte auf seine Anregung hin Hellwig danach
sefahndet und dieser sie ihm aus dem Oderwalde von Carolath ein-
geschickt (!), während ich sie einige Zeit darauf durch Kleiber auch
aus der Grünberger Gegend (Hammer bei Saabor) erhielt, endlich nach
Durchsicht meiner Sammlung schliesslich feststellen konnte, dass ich sie
selbst schon 1887 gleichfalls dort und zwar in der Öderniederung bei
Dammerau, aber als A. Ptarmica, aufgenommen hatte. So ausgeprägt wie
an den Weichselufern und in Östpreussen erscheint unsere Pflanze
freilich nicht und ich verglich sie ausserdem nicht früher, weil ich sie
bei uns nicht erwartet hätte. Während sie dort im Osten in voll-
kommener Entwickelung sich schon durch eine andere Tracht, durch
viel höheren Wuchs, stärkere Verzweigung, breitere, mehr lanzettliche
Blätter und zahlreichere, aber erheblich kleinere Köpfe von A. Piarmica
auszeichnet, sind diese Merkmale hier durchaus nicht so ausgeprägt,
um sie gleich von letzterer unterscheiden zu können. Die Köpfe sind
fast so gross als an dieser, die Blätter mehr lineal, wenn auch eben
so wie der Stengel grau behaart und die Zahnung nicht so offen und
nicht so gleichmässig, als an den Pflanzen aus Preussen, Das nach
Professor Ascherson entscheidende Kennzeichen, die durchscheinende
Punktirung der Blätter, namentlich der oberen, ist aber an dem
Material von den erwähnten Standorten überall deutlich vorhanden,
aber auch die Zahnuüg der Blätter finde ich durchweg offen und nach
unten wenig schwächer als gegen die Spitze. Eingestochene Punkte
finden sich übrigens, wenn auch selten und sehr spärlich, an unzweifel-
haft zu A. Piarmica gehörigen Stücken; man wird daher wohl richtiger
die Ledebour’sche Art nur als Rasse der A. Ptarmica aufzufassen haben.
Gentiana chloraefolia Nees, nach Grisebach’s Vorgang gewöhn-
lich für ein Bastard zwischen G. campestris L. und @. germanica Wild.
gehalten, ist nach Öelakovsky’s Erörterungen (Res. d. Df. Böhm. 1889)
als nichthybride, den genannten, sowie der G. Amarella L, gleichwerthige,
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 95
constante Rasse aufzufassen. Es gehören von schlesischen Funden zur
Grundform derselben, soweit ich ermitteln konnte. Exemplare von
Michelsdorf bei Liebau (Menzel), Wiesen im Rabengebirge (Strähler),
aus dem Rabengrund (Pax) und von der Passwiese bei Schmiedeberg
(Köhler); die von Wichura bei Reimsbach gesammelten, für @. camp. X
germ. erklärten Stücke halte ich, mit Celakovsky’s Zustimmung, für
dessen var. macrocaly& der G. chloraefolia Nees!
Convolvulus sepium L. var. rosaceus DC. (C. coloratus Lange)
ersetzt im Vorgebirge öfter den dort im Ganzen ziemlich seltenen Typus.
Ausser der rosarothen Färbung seheint sie sich auch durch ansehnlichere
Grösse der Blumenkrone von diesem zu unterscheiden. Bisher beobachtet
bei Schönau: in Neukirch (Figert),;, Jauer: Mertschütz, Skohl; Gross-
Wandriss, Kreis Liegnitz! (Ders.); Friedland: Steineufer in Schmidts-
dorf!! (445 m) und Alt-Friedland!!
— Lycium rhombifolium Dippel. Durch einen Artikel in der
Deutschen Botanischen Monatsschrift (1890 Nr. 5, 6, S. 85 ff.) von L.
Geisenheyner aufmerksam gemacht, fahndete ich in der Umgebung meines
Wohnorts nach der bezeichneten Pflanze, ohne ein anderes Ergebniss,
als dass ich von der verbreiteten, gewöhnlich als L. barbarum L. ange-
sprochenen, nach Dippel jedoch als L. halimifolium Mill. zu bezeichnenden,
Art zwei in der Blattform gut zu unterscheidende Formen auffand, über
deren Beständigkeit aber noch weitere Beobachtungen nothwendig sind.
Ich war daher sehr erfreut, unter den von E. Richter eingeschickten
Pflanzen ein Zyecium zu finden, dessen Merkmale genau mit dem, mir
von Geisenheyner gütigst zugesandten Materiale und der von ihm a. a. 0.
entworfenen Diagnose übereinstimmten. Wenn auch die fast rauten-
förmigen, in den kurzen Blattstiel ziemlich schnell zusammengezogenen,
Blätter sie selbst von der breitblättrigen Varietät des L. barbarum hin-
länglich unterscheiden, so betrachte ich doch den 4- bis 5zähnigen Kelch
als das durchgreifendste Kennzeichen, da dieser bei der gewöhnlichen
Form 2lippig oder ungleich 3- bis 5theilig ist. Früchte fanden sich
nicht vor, sie sollen aber nach Geisenheyner grösser (1,5—2 em lang)
als die von L. barbarum (0,8—1,5 em) sein und zwei oder vier, mehr
oder minder deutliche, Längsrinnen besitzen.
Standort: Proskau an der Remise der Seminargärtnerei und an einem
Zaune in der sogenannten „neuen Welt“! (Richter, der dazu die Be-
merkung macht, ‚fehlt unter den eultivirten Arten der Pomologie.‘)
Primula elatior X officinalis. Ueber einen spontan im bo-
tanischen Garten entstandenen Primel-Bastard berichtete schon Pax in
den „Resultaten ete. von 1888“, der indessen aus der bei uns nicht ein-
heimischen P. elaiior var. macrocalye Bunge und P. officinalis entstanden
war, Jetzt ist aber auch die Kreuzung zwischen den Typen unsrer
96 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
beiden wilden gelben Primula-Arten (= P. intermedia Peterm.) in Schlesien
gefunden worden, und zwar um Dittmannsdorf bei Waldenburg, vorläufig
1 Exemplar (Dr. Felsmann).
Rumex conglomeratus X obtusifolius (R. abortivus Ruhmer).
Haynau: in Bärsdorf! (Figert); Liegnitz: Mühlgraben vor der Walke
(Derselbe).
Aeste mehr abstehend als bei R. obtusifolius; Scheinwirtel ziemlich
gedrängt, kaum bis zur Hälfte hinauf beblättert; Blätter klein, am Rande
gekerbt und etwas gekräuselt, grundständige am Grunde gestutzt oder
abgerundet, selten seicht herzförmig, obere schmal- bis lineal-lanzettlich,
am Grunde verschmälert; Perigon auffällig kleiner als bei R. obtusifolius,
die äussern Perigonblätter an der Frucht schmal - dreieckig, am Grunde
etwas gezähnelt bis gezähnt, aber auch öfter ganzrandig, sehr stumpf;
Schwielen 2—3 vorhanden, gewöhnlich aber nur eine kräftiger ent-
wickelt; Früchte meist verkümmert.
Bereits im Juli 1886 sammelte Uechtritz in Gr.-Nädlitz bei Breslau
Exemplare dieses Bastards; er bezeichnete dieselben auch richtig, doch
vergass er, diese Novität für die schlesische Flora in seinem Hand-
exemplare zu vermerken, und so habe ich erst bei der von mir kürzlich
vorgenommenen Durchsicht seiner Sammlungen von 1886 seine Ent-
deckung an’s Licht bringen können!
R. crispus X Hydrolapathum (R. Schreberi Hsskn. in Mitt.
Jen. geogr. G. 1884). Unter den eben erwähnten Sammlungen fanden
sich auch einige Blätter, die Uechtritz als zu dieser Hybride gehörig er-
klärte. „Ausgetrocknete Sümpfe am Weidendamm, rechts vom Fahrweg,
ein nur steriler Stock zwischen den Eltern.‘“ Die Blätter sind sehr gross,
ziemlich kraus, meist am Grunde gestutzt, doch das eine in den Blatt-
stiel ganz allmählich verschmälert. Leider ist wenig Hoffnung, den Stand-
ort noch einmal aufsuchen zu können, da er den neuen Anlagen beim
Wasserhebewerke zum Opfer fallen dürfte!
+ Polygonum cuspidatum Sieb. et Zucc. (P. Sieboldi hort.)
Breslau: in Weidengebüschen beim Strauchwehre an der alten Oder
(Thiemich), an der Ohle oberhalb der Mauritiuskirche (Kionka).
Betula pubescens X verrucosa (B. hybrida Bechstein) dürfte
gewiss öfter da vorkommen, wo beide Arten zusammen wachsen. In
Schlesien bereits 1863 im Schlesierthale bei Schweidnitz von Professor
Haussknecht gefunden und von diesem in den Mittheilungen des Bo-
tanischen Vereins für Gesammtthüringen (1890 $. 36) auch veröffentlicht.
Nach brieflicher Mittheilung des Entdeckers nach den Merkmalen so
ziemlich in der Mitte zwischen den Eltern stehend.
Alnus incana DC. var. laciniata Regel. Riesengebirge: Krumm-
hübel gegen das Alexandrinenbad!! Mit der Beschreibung und der Ab-
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 97
bildung eines Blattes in Regel’s Monographie der Betulaceen genau über-
einstimmend. Blätter länglich-eiförmig, spitz oder zugespitzt, am Grunde
gestutzt, doppelt gesägt, tief gelappt; die Lappen eckig, gross, spitz,
scharf gesägt. — Var. glauca Mchx. Jüngere Zweige wenig behaart;
Blätter unterseits nicht grau wie beim Typus, sondern blaugrün oder
bläulichgrau.?)
Salix triandra X purpurea Figert. Blätter lineal - lanzettlich,
spitz, am Grunde abgerundet, ziemlich gleichbreit oder im vorderen
Drittel nur ganz schwach verbreitert, in der oberen Hälfte regelmässig
gesägt, nach dem Grunde zu mit entfernterer und viel schwächerer
Zahnung, unterseits blasser grün. Weibliche Kätzchen wie bei $. pur-
purea gekrümmt; Deckblätter zweifarbig, oberwärts schwärzlich, behaart;
Fruchtknoten nur zum Theil zur Entwickelung gelangend, kurzgestielt,
weissfilzig; Griffel sehr kurz, aber wahrnehmbar; Narben zusammen-
neigend oder etwas abstehend. Demnach in den Blättern der S. triandra,
in den (2) Blüthen der $. purpurea nahestehend.
Liegnitz: Bahnhof Arnsdorf in einer Ausschachtung drei Sträucher
(Figert).
Potamogeton polygonifolius Pour. (P. oblongus Viv.). Ruh-
land: [nördlich der Stadt in der „Pommel‘“ (A. Schulz), wo der Finder
auch die, vielleicht noch innerhalb der schlesischen Grenze vorhandene,
Seutellaria minor L. entdeckte]; Görlitzer Haide: im Graupengraben des
Reviers Rothwasser zahlreich!!, ausserdem wahrscheinlich im Gelbbruch-
graben des Wohlenreviers (Barber).
Unsere Pflanze wenig blühend und fruchtend, beim Trocknen wie
P. semipellucidus sich röthlich färbend.
Scirpus multicaulis Sm. Schiefer-Teich bei Hohenbocka, Kreis
Hoyerswerda! (Prof. Drude und Dr. Naumann). Ob hier, wie an dem
1874 von Warnstorf für unsere Nachbarprovinz zuerst aufgefundenen
Standort bei Forst, in Gesellschaft von Litorella juncea, habe ieh nicht
erfahren. An dem eigenthümlichen, dicht rasenförmigen Wuchs und den
3 Narben leicht zu erkennen.
Carex muricata X remota. Für diese Combination wurden bei
uns früher Hybride gehalten, welche sich später als Blendlinge zwischen
C. vulpina und remota herausstellten, die Cr&pin zuerst als solehe unter-
schied. Vorliegende Form ist jedoch ohne Zweifel eine Kreuzung
zwischen C. remota und Ü. muricata aut. plur. (— Ü. contigua Hoppe),
nicht nur, weil an dem Standorte ausschliesslich die muthmaasslichen
Eltern wachsen, sondern auch, weil die Merkmale dafür sprechen. Beim
%) Specielleres über die Alnus-Formen Schlesiens in dem vorstehenden
Aufsatze von A. Callier.
/#$, 7
To
98 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Vergleich mit ©. vulpina X remota zeigt unser Bastard folgende Unter-
schiede:
Pflanze minder kräftig und hoch; Stengel dünner, schlaffer, nur
unter der Achse rauh (bei jenem ziemlich tief, oft bis unter die Mitte
hinab rauh); Blätter schmäler; Achse unterwärts nicht rispig zusammen-
gesetzt, sondern 'durchweg einfach, die untern Aehrchen relativ nicht
sehr weit von einander entfernt; Schläuche allerdings wenig entwickelt,
aber ohne jede Spur von Nerven.
Standort: Liegnitz: Pfarrerlen bei Bienowitz! (Figert).
C. polyrrhiza X verna. Liegnitz: Verlornes Wasser bei Pausen!
(Figert). Diese bisher nur am Ettersberge bei Weimar von Haussknecht
gefundene Kreuzung ist von diesem seiner Zeit in der Irmischia be-
schrieben worden. Da mir diese Zeitschrift nicht zugänglich ist, vermag
ich nicht zu sagen, ob unsere Form mit jener übereinstimmt.
Pflanze locker-rasenförmig, am Grunde nicht mit dem kräftigen
Faserschopfe der (©. polyrrhiza, sondern die alten Blattscheiden nur wenig
zerfasernd; weibliche Aehrchen lineal oder lineal -länglich, seltener
eiförmig - länglich; Deckblätter vorherrschend spitz oder doch spitzlich;
Schläuche selten entwickelt, wo dies der Fall, mit ziemlich deutlichem
Schnabel, bekleidet wie bei (. polyrrhiza.
C. riparia X vesicaria. Liegnitz: Bienowitzer Bruch 2 Exem-
plare! (Figert). Diese von Siegert (Jahresber. XXXV, 1857, S. 67) zu-
eist aufgestellte Kreuzung, welche auch Ascherson in seiner Flora von
Brandenburg (1863) beschrieb, stelle ich hier unter die neuen Erwer-
bungen der Schlesischen Phanerogamen-Flora, weil Uechtritz mir seiner
Zeit mittheilte, er sei nach genauer Prüfung der Siegert’schen Original-
Exemplare zu der Ueberzeugung gekommen, dass diese nur eine Form
der Carea riparia darstellten. Die Liegnitzer Pflanzen sind durch die
netzfasrigen Blattscheiden und die Schläuche, welche länger sind als die
Deckblätter, verschieden.
Blätter mässig breit (5$—6 mm), gitternetzig, graugrün; untere
Scheiden purpurbraun, schwach netzfasrig; weibliche Aehrehen 1—2,
kurz walzenförmig, 3—3,5 em lang, durehschnittlich 1 cm breit, gleich-
mässig kurz gestielt; unterstes Tragblatt den Blüthenstengel überragend;
Deckblätter der weiblichen Blüthen kastanienbraun, mit breitem, grünem,
dreinervigem, in die wimperig-gesägte Spitze auslaufenden Mittelstreif,
kürzer als die Schläuche; diese eikegelförmig, beiderseits etwas gewölbt,
allmählich in den mässig langen, kurz - zweizähnigen glatten Schnabel
übergehend, mehrnervig.
Poa annua L. form. pauciflora. Stengel niedrig, zart, straff
aufrecht; Blätter sehr schmal; Rispe auffällig armblüthig, mit nur 1—4
haardünnen 1-, selten 2ährigen Aesten, Aehrchen 1—3blüthig,
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 99
Schweidnitz: wenig betretene Kieswege der Anlagen häufig mit der
gewöhnlichen! (Schöpke).
— Hordeum jubatum L. auf einem Felde bei Exau, Kreis Wohlau,
wenig zahlreich! (Schwarz).
Diese in Deutschland zuerst 1886 von Timm (Berichte der Deutsch.
Bot. Ges. V, S. CIV) am Winterhuder Alsterufer bei Hamburg beobachtete
nordamerikanische Art, ist vielleicht durch Makartbouquets eingeschleppt
worden.
Picea obovata Ledeb. In den Verhandlungen des Botanischen Ver-
eins der Provinz Brandenburg (30. Jahrgang, $S. XXVIII) erwähnt Dr.
A. Schultz gelegentlich der Besprechung dieser Art oder klimatischen
Rasse durch U. Dammer, dass er sie um die Alte Schlesische Baude im
Riesengebirge bemerkt habe. Da Uebergangsformen zu P, excelsa Lk.
sowohl in Graubündten, wie in Thüringen beobachtet worden sind, so
wären solche auch wohl bei uns zu erwarten. Jedenfalls möchte ich
hierdurch die botanischen Freunde auffordern, ihre Aufmerksamkeit auf
diese östliche Form zu richten, die sich, sowohl in der typischen, wie
in der Uebergangsform, schon aus einiger Entfernung durch den wie bei
Abies pectinata breit abgeflachten (nicht kegelförmig spitzen, Wipfel er-
kennen lassen soll.
B. Neue Fundorte,
Clematis Vitalba L. verwildert in Wallgräben von Schweidnitz
(Sehöpke) und bei Strehlen: in Ruppersdorf mehrfach! (Kruber). Auch
der in meiner Flora nach O. Zlik von Kolbenheyer (Schriften der zool.-
bot. Gesellschaft in Wien 1862) angegebene Fundort im Teschener Ge-
biete „Polnisch-Ostrau nahe dem Schlosse‘‘ ist vielleicht kein ursprüng-
lieher, dagegen dürfte die Pflanze einheimisch sein bei Friedek: auf dem
Skalitzer Berge im Hohlwege gegen Raszkowitz (Kotula) und nördlich
davon gegenüber Dobrau! (Ders. 1890).
Thalicirum aquilegiaefolium L. Jauer: Leipe! (F. W. Scholz);
Striegau: Neuhof!
Th. minus L. Görlitz: in einem Haferfelde am Langenberge bei
Moys (Barber); Lüben: Vorderheide unter Kiefern! (Figert); Guhrau:
Saborwitz! (C. Scholz); Nimptsch: zwischen Johnsdorf und Thomitz!
T. flavum L. Glogau: Beichau! (Müllendorf); Wansen: Spurwitzer
Wiesen! (A. Bartsch nach Kruber).
Hepatica triloba Gil. Carlsruhe (Hellmann).
Pulsatilla vernalis (L.) Mill. Keltsch: Borowianer Forst!
(M. Fiek), Kruppamühle (Frau Apoth. Fröhlich); um Zawadzki gegen
Petershof sowie zwischen Piela und Paczeras! (M. Fiek).
P. patens (L.) Mill. Keltsch: Borowianer Forst! Zawadzki gegen
die Smolina-Teiche! (M, Fiek).
7*
100 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
P. patens X vernalis. Keltsch: Borowianer Forst! (M. Fiek). —
Bei Birnbäumel, wo die früher so häufigen Stammarten jetzt recht selten
geworden sind, 1890 wieder gefunden! (Baumann).
P. pratensis (L.) Mill. Glogau: Exereierplatz (Runge).
Ranunculus paucistamineus Tsch. Guhrau: Tümpel an der
Stadt, auch einzelne Exemplare mit Schwimmblättern! (C. Scholz).
R. circinatus Sibth. Görlitz: in der Weinlache! (Barber); Grün-
berg: Graben östlich vom Zahner See! (Kleiber); Schweidnitz: Parkteich
bei Teichenau! (Schöpke), Dorfteiche von Conradswaldau (Ders., durch
einen Schüler).
R. Lingua L. var. strigosus Kabath (Fl. von Gleiwitz). Grün-
berg: am Mühlteiche zwischen Schweidnitz und Ochelhermsdorf! (Schröder).
R. auricomus L. v. fallax W. Gr. Striegau: Pitschen!
+ R. Steveni Andrz. Wüstewaltersdorf im Garten des Com-
merzienraths Websky auf einer Wiese! (Schröder).
R. nemorosus DC. Teschen: Golleschauer Berg!
Trollius europaeus L. Friedersdorfer Berge bei Wüstewalters-
dorf gegen Toschendorf! (Schröder); Strehlen: Striege, Gurtsch (Kruber).
Caltha palustris L. in einer zarten meist zwergigen Abänderung
(f. tenella) mit sehr dünnen kleinen Blättern und kleinen (zuweilen nur
6 mm langen) Kelchblättern, deren Stengel aber nicht wurzelt und die
auch sonst von der var. radicans (Forster) abweicht: im Kohlfurter Forst
beim Graupengraben (Barber)!!
Isopyrum thalictroides L. Strehlen: Mückendorf, Eisenberg
(Kruber); Troppau: Eichenwälder der Oderniederung bei Stauding massen-
haft! (Wetschky).
Aquilegia vulgaris L. Schlesierthal an Abhängen unter der
Kynsburg (Schöpke); Glatz: Berge um Raumnitz (Kinscher); Breslau:
Koberwitz! |
Delphinium Consolida L. ist im Vorgebirge sehr selten; beobachtet
bei Hirschberg: Aecker unter dem Grunauer Spitzberge, 450 m!!, am
Fusse des Kitzelberges bei Kauffung!! — Auch in der Ober-Lausitz nur
wenig verbreitet. Görlitz: Aecker bei Nieda und Girbigsdorf (Barber).
Mit blau und weiss gescheckten Blüthen: Grünberg: Walter’s Berg
(Hellw.).
Berberis vulgaris L. Teschen: Schanzberg, Wald zwischen
Blogotitz und Könska (Kotula).
Nymphaea candida Presl. Proskau: Przychetzer Teich! (Richter).
Papaver RhoeasL. var. strigosum Bönningh. Strehlen: mehr-
fach um Ruppersdorf! (Kruber).
P. dubium L. Breslau: Klein Totschen, Scheitnig (Kionka); Teschen:
bisher nur bei Bobrek (Kotula).
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 101
Corydalis solida Sm. Malapaneufer unterhalb Zawadzki! (M. Fiek);
Keltsch: Kruppamühle (Frau Apoth. Fröhlich); Troppau: Eichenwälder
der Oderniederung bei Staudnig mit C. cava! (Wetschky).
Arabis Gerardi Bess. Wohlau: feuchte Wiesen um Glumbowitz
ziemlich häufig! (Schwarz).
A. hirsuta (L.) Scop. Carlsruhe (Hellmann). ‘Trachenberg: Laub-
wälder um Kendzie zahlreich! (Schwarz); Proskau: an der Strasse nach
Simsdorf! (Richter).
A. arenosa (L.) Scop. Breslau: Glockschütz (Kionka); Erl-
kretscham! Schweidnitz: Tunkendorfer Wiesen (Schöpke); Lehmwasser
bei Charlottenbrunn (Kionka).
A. Halleri L. Seidenberg: Wilka (Barber); Kupferberg: häufig im
Buchenwalde (Bittermann); Malapaneufer bei Zawadzki! (M, Fiek).
Cardamine impatiens L. Lüben: Tiefer Grund! (Figert); Schwarzer
Berg bei Charlottenbrunn (Kionka); Zawadzki: unweit der Försterei
Malepartus! (M. Fiek).
C; silvatica Lk. Görlitzer Haide: quellige Stellen am Könnte-
berge! (Barber).
Dentaria enneaphyllos L. Cudowa: Dörnikau! Freiwaldau: am
Gemärke und an der Bahn zwischen Lindewiese und Ramsau, Ende
März blühend! Carlsruhe (Hellmann), |
D. bulbifera L. Cudowa: Dörnikau!; Liebau: Rabengrund, sehr
spärlich! Carlsruhe (Hellmann).
Hesperis matronalis L. Canth: Gebüsch vor Koselau!
Erysimum hieraciifolium L. Görlitz: am Neissewehr bei Ludwigs-
dorf (Barber); Grünberg: Polnisch-Nettkow, nicht in der eigentlichen
Oderniederung! (Hellwig).
+ Brassica nigra L. Grünberg: alte Schloiner Strasse!, beim
Holländer!, auf einem Schuttplatze an der Bergstrasse! (Hellwig);
Liegnitz: Siegeshöhe häufig in der Nähe der Ofenfabrik! (Figert).
Lunaria rediviva L. Melzergrund im Riesengebirge! (Barber);
Silberberg: in der Nähe des Blockhauses unweit des Hahnvorwerks
(Schöpke); Landeck: Föllmersdorf am Johnsberge (Kionka).
Teesdalea nudicaulis (L.) RBr. Breslau: Margareth (Hieronymus)!
Thlaspi alpestre L. Lauban (F. W. Scholz).
Lepidium Draba L. Ziegenhals: beim Bahnhofe (Callier).
—+ Bunias orientalis L. Wallgraben bei der Winterschule in
Schweidnitz! (Schöpke).
Viola coilina Bess. Teschen: am Fusse der Babia görka! (Kotula).
V. hirta >< odorata (V. sepincola Jord.).. Lüben: zwischen
Gross-Reichen und Petschkendorf in lichtem Gebüsch! (Figert). Läufer
an dem vorliegenden Exemplare ziemlich lang; Blüthenstiele während
der Blüthe merklich länger als die Blätter,
102 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
V. pumila Chaix. Breslau: Glockschütz (Callier).
V. mirabilis L. Striegau: Pläswitz!
V. arenaria DC. Kreuzburg: Gross-Lassowitz (Kionka); Forst
Koschmieder gegen Zawadzki O.S.; um Keltsch! (M, Fiek).
V. canina X stagnina: [Bojanowo: Grüner Garten (C. Scholz)].
Drosera anglica Huds. in einem sumpfigen Ausstiche der Tschirne-
wiesen! mit D. obovata (Barber). |
D. intermedia Hayne. Grünberg: in den Wittgenauer Bergen an
einem Wiesengraben hinter dem Feldvorwerk! (Schröder), nordöst-
lichster Standort; Bunzlau: Aslauer Zisken häufig auf Torfboden!
(Figert).
Polygala amara L. var. austriaca (Orntz.). Guhrau: Triebusch,
Heinzebortschen, Nieder-Friedrichswaldau, Ronikau, Saborwitz! (C. Scholz).
Gypsophila muralis L. mit 4 zähligen Blüthen bei Reichenbach:
zwischen Schlaupitz und Lauterbach! (Kruber).
Tunica prolifera (L.) Scop. Grünberg: Damm an der alten Oder
bei Läsgen (Ascherson), neuer Kirchhof bei Droschkau! Looser Wein-'
berge häufig! (Kleiber); Schönau: bei Neukirch ausser am Geiersberge
auch sonst! (Figert); Wohlau: um Nisgawe! (Schwarz); Raschewitz,
Kreis Trebnitz! (Ders.); Striegau: Georgenberg (Kionka); Schweidnitz:
Lehnen an der Bolkohöhe! (Seidel), Sandgrube vor Kroischwitz, Abhänge
bei Weizenrodau (Schöpke).
—+ Dianthus barbatus L. Schweidnitz: häufig am Abhange unter
der Kynsburg (Schöpke).
D. Carthusianorum L. floribus albis. Breslau: Althofnass
(Kionka).
D. superbus L. Schweidnitz: Gebüsche bei Käntchen (Schöpke);
Karlsberg bei Zobten (Bodmann u. Sch.); Wansen: Meschwitzer Wiesen,
Knischwitzer Wald (Kruber); Strehlen: Plohmühle, Gurtsch (Derselbe).
Breslau: Sibyllenort, gegen Peuke (Hieronymus). Trachenberg: Kendzie
(Schwartz). Proskau: Wilhelmsburger Wald (Richter).
+ Vaccaria segetalis (Necker) Gcke. var, grandiflora (Jaub.
et Sp.). Jauer: zahlreich gegen Moisdorf auf einem Wickenfelde!
(W. Scholz); Schweidnitz: am Bahnhofe! (Schöpke).
Cucubalus baccifer L. Breslau: Kratzbusch an der alten Oder
(Kionka); Pilsnitz!, Hundsfelder Chaussee!, Kl, Weigelsdorf! Schweidnitz:
bei Käntchen, Bach unterhalb Zülzendorf (Schöpke); Strehlen: Plohmühle,
Ruppersdorf, Lehmberg bei Geppersdorf (Kruber); Wansen: Klein-Oels
Ders.); Teschen: an Zäunen in Bobrek und sonst nicht selten (Kotula).
Silene gallica L. Ruhland: westlich vom Sorgeteich (A. Schulz);
Schweidnitz: Aecker bei Ober-Weistritz (Schöpke); Michelsdorf bei
Wüstewaltersdorf! (Schröder); Reinerz (Herb. Beblo).
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 103
+ 8, Armeria L. Goldberg: zwischen Hermsdorf und Neuländel
auf Kies der Katzbach! (Figert); im Michelsdorfer Thale bei Wüste-
waltersdorf! (Schröder).
8. inflata L. floribus roseis bei Görlitz: Station Moys (Barber).
—+ 8. diehotoma Ehrh. Glogau: Insel Oberau auf Schutt! (Runge);
Löwenberg: Görisseiffen auf einem Kleefelde in ungeheurer Menge!
(Dresler). |
S. Otites (L.) Sm. Glogau: Annaberg! (Figert); Stroppen: bei
Grottke! und sonst (Schwarz).
Melandryum rubrum (Weigel) Gcke. Münsterberg: Stadtwald!,
Reumener Wald, hier auch mit rosafarbener Blumenkrone! (Kruber).
Spergula vernalis Wild. Breslau: Margareth! Wald zwischen
Obernigk und Riemberg! |
Sagina apetala L. Görlitz: häufig auf den Beeten des botanischen
Gartens!, in den Kahlbaum’schen Anlagen (Barber),
Arenaria leptoclados Guss. Grünberg: Maugschthal! (Hellwig);
Breslau: Bischwitz am Berge (Kionka),.
Stellaria media Cyr. var. neglecta (Weihe). Görlitz: Nord-
abhang der Hüppner’schen Besitzung in der Hohstrasse (Barber).
Cerastium glomeratum Thuill. im Teschener Gebiet von Kolben-
heyer nicht angegeben, aber mehrfach vorhanden, so bei Mosty, Ropitz,
Blogotitz (Kotula), am Konskaer Walde!! Trzynietz (Kotula), Wendrin
(Uechtr.) u. a. ©.
Elatine triandra Schk. Teschen: Eisenbahngräben im Chybier
Walde! (Kotula). Neu für Oestr,-Schlesien.
Linum perenne L. Grünberg: Rothes Seechen!, bei Beuchel’s
Maschinenfabrik! (Hellwig).
Radiola linoides Gmel. im Vorgebirge sehr selten. Hirschberg:
am westlichen Fusse der Abruzzen (M. Fiek)!!; Teschen: Cameral-Ellgoth
auf einem cultivirten Vorberge der Godula, fast 400 m, dann bei Chybi,
262 m (Kotula). — Breslau: Oderwilxen!
+ Malva moschata L. in einer form. glabrescens bei Strehlen:
Krummendorf an einem Feldwege! (Kruber).
M. neglecta Wallr. f. microphylla in meterlangen Exemplaren
beobachtete Hellwig bei Grünberg: an der Lawaldauer Chaussee!
Lavatera thuringiaca L. Jauer: bei Mertschütz ausser am Burg-
berge auch noch am Wege nach Gross-Wandris mehrfach! (Kleiber),
vereinzelt an der Mühle in Lobris (Ders.); Strehlen: Ohleufer bei Krippitz
und Tsehauschwitz! (Kruber), Steinkirch an einem Graben! (Ders.).
Hypericum perforatum L, v. veronense (Schrk.). Zobten:
Karlsberg!
H. quadrangulum X tetrapterum Lasch. Schönau: Polnisch
Hundorf mehrfach im Dorfe!; Jauer: in Hermannsdorf! (Figert).
104 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
H. montanum L. Grünberg: Sauermann’s Mühle bei Laesgen
(Dr. Seler); Schweidnitz: Bögenberge, Költschenberg, Gebüsche in Nieder-
Grunau (Schöpke); Weinberg!, Karlsberg!, zwischen S$Silsterwitz und
Striegelmühl!, vor Krotzel! Strehlen: Krummendorfer Forst, Lehmberg
bei Geppersdorf (Kruber); Erbersdorf im Gesenke! (Wetschky). Trachen-
berg: Kendzie! (Schwarz).
H. hirsutum L. Münsterberg: Reumener Wald (Kruber).
Acer Pseudoplatanus L. var. Dittrichii (Ortmann). Habel-
schwerdt: bei der Brettschneide in Wölfelsdorf (Prof. Stenzei).
Geranium phaeum L. Breslau: in einem Graben beim Woisch-
witzer Kirchhofe, wie wild!
G. pratense L, Görlitz: Emmerichswalde bei Charlottenhof!
(Barber). Grünberg: [Logau in Grasgärten, sicher wild (Dr. Seler)].
G. silvaticum L. nebst der var. parviflorum Knaf in’s Schmiede-
berger Thal herabsteigend bis unterhalb Buschvorwerk gegen Harthe!!
+ Geranium sibiricum L. lag in grosser Anzahl unter den von
Uechtritz in Gr.-Nädlitz bei Breslau 1886 gesammelten Pflanzen; ob es
sich hier um einen dauernden Standort dieser jedenfalls eingeschleppten
Art handelt, wird wohl leicht zu ermitteln sein.!
G. sanguineum L. Reichenbach: Tschammenberg bei Girlachsdorf
viel!!, Serpentinsteinbruch in den Girlbergen!!; Wansen: Niemener Haide
mit Chrysanthemum corymbosum ! (Kruber). Trachenberg: Kendzie (Schwarz),
+ G. pyrenaicum L. Grünberg: völlig eingebürgert an einem
Wegrande unweit des Parkes von Laesgen (Ascherson); Bolkenhain:
Dorfstrasse in Giessmannsdorf (Schöpke, durch einen Schüler); Teschen:
Waldrand vor Konska! (Kotula), ob hier wild?, sich verbreitend und
einbürgernd an der Kaschauer Bahn, so bei Station Trzynietz, Kopitz
(Kotula), weissblühend im Proskauer Seminargarten auf Gemüseland
(Richter).
G. molle L. bei Kontopp auch weissblühend! (Hellwig); Strehlen:
Ruppersdorf in Grasgärten mehrfach! (Kruber).
G. bohemicum L. Ueber diese im Deutschen Reiche allein hier
gefundene Pflanze sagt Kölbing (1827) in seiner Flora der Ober-Lausitz:
„im Buchgarten bei Tränke ehemals ziemlich häufig, jetzt schon mehr-
mals vergeblich gesucht.“ In dem seitdem verflossenen Zeitraume
tauchte diese einjährige Art wiederholt zahlreicher zuf, um bald darauf
wiederum gar nicht oder nur in vereinzelten Individuen zu erscheinen,
was u, a, auch mit den, am Standorte vorgekommenen Veränderungen
im Zusammenhang stehen mochte. Als dieser neuerdings in Kartoffel-
land umgewandelt worden war, zeigte sich die Art 1890 plötzlich wieder
in auffallend grosser Menge, sodass Cantor Kahle viel davon vertheilen
konnte,
ll. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 105
+ Oxalis corniculata Z. Görlitz: auf den Grasbeeten des bota-
nischen Gartens das gemeinste Unkraut! (Barber).
+ Ulex europaeus L. Hohenbocka (A. Schulz); Dittmannsdorf
nördlich von Reichenbach O.-L. (Pastor Wenck und Barber); Walden-
burg: in Wäldern am Hochwalde eultivirt! (Schöpke).
Genista germanica L. Grünberg: Kaiserberg bei Loos! (Kleiber).
Im nördlichen Landestheile selten.
Oytisus nigricans L. Proskau: Jaschkowitz! (Richter).
C. capitatus Jacg. Schweidnitz: Gebüsche bei Käntchen!, an der
Chaussee zwischen Pfaffendorf und Weisskirschdorf (Schöpke); Reichen-
bach: Berge zwischen Ober-Peilau und Girlachsdorf!!; Wansen: Niemener
Haide häufig (Kruber). Nimptsch: Hartebusch bei Jeseritz!
Ononis hircina Jacq. var. spinescens Led. Trachenberg, zahl-
reich um Gross-Bargen mit der Grundform! (Schwarz).
Anthyllis Vulneraria L. nicht selten am Nordrande der Trebnitzer
Berge: zwischen Schimmelwitz und ges Prausnitz!, Kodlewe!,
Gellendorf! u. a.
O. spinosa L. Ruhland: am Wege nach Guteborn!! Grünberg:
an der Pirniger Fähre links der Oder (Hellwig)!!
Melilotus altissimus Thuill. Teschen: ÖOlsaufer unterhalb des
Schlossberges (Kotula).
Medicago varia Pers. Görlitz: Bahndamm bei Moys! (Barber);
Grünberg: Wittgenauer Strasse! (Hellwig); Teschen: Schanzberg und sonst
(Kotula). — Häufig um Prausnitz! und Stroppen!
Trifolium pratense L. var. pedicellatum Knaf. Trachenberg;:
Rogosawe in einem Ausstich! (Schwarz).
T. rubens Z. Schweidnitz: Gebüsche bei Nieder- Es (Schöpke).
T. striatum L. Schönau: Gipfel des Willenberges! (Figert);
Sehweidnitz: an der Bolkohöhe seit langen Jahren vergeblich gesucht,
dagegen am Wall hinter der Friedenskirche, aber nicht häufig! (Schöpke).
T. hybridum L. var. prostratum Sonder. Görlitz: Radmeritz
(Barber), Bahndamm bei der Kohlfurter Glashütte!!
T. spadiceum L. Reichenbach O.L.: Rain zwischen Gersdorf und
der „„‚Kanone‘‘; Görlitz: Moys (Barber); Reichenbach i. Schl.: Bergwiesen
zwischen Ober-Peilau und Girlachsdorf!!; in Schweidnitz an der Prome-
nadenstrasse, wohl durch Heu eingeschleppt (Schöpke).
Tetragonolobus siliquosus Rth. Strehlen: zwischen Warkotsch
und Kampen (Kruber); Breslau: zwischen Gross-Tinz und Schönfeld!,
Mertzdorf!
—+ Colutea arborescens L. Wälle von Schweidnitz! (Schöpke)-
Astragalus Cicer L. Glogau: Oderdamm bei Weidisch! (Müllen-
dorf), nördlichster Standort [Bojanowo: Meline (C. Scholz)].
106 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
A. arenarius L. Ruhland: am Sorgeteich bei Guteborn (A. Schulz);
die var. glabrescens Rchb. Grünberg: Ochelhermsdorf (Schröder).
Ornithopus perpusillus L. bei Ruhland nicht selten (A. Schulz).
Vieia silvatica L. Kupferberg: Bleiberge bei Jannowitz, unweit
des alten Kalkbruchs, bis 480 m!!; Schweidnitz: Goldner Wald am
Geisler-Denkmal, Abhänge der Kynsburg (Schöpke); Münsterberg: Reu-
mener Wald! (Kruber).
V. cassubica L. Liegnitz: Elbrandshöhe bei den Berghäusern
(Figert). €
V. lathyroides L. Schweidnitz: Würbenschanze!
V. tenuifolia Rih. Reichenbach: Gierlachsdorf!!; Falkenberg: Felder
bei Scheppanowitz! (Seidel); Breslau: zwischen Gr.-Tinz und Bohrau!,
Rankau!, Schönborn!
Lathyrus tuberosus L. Grünberg: zwischen Droschkau und Prittag
am Straussberge in Hecken! (Kleiber); Schweidnitz: Tunkendorf, Nieder-
Grunau, am Költschenberge (Schöpke); Proskau: zwischen Winau und
Gorok! (Richter); Stroppen: gegen Konradswaldau!; Breslau: Bischwitz
a. B. (Kionka).
L. paluster L. Grünberg: Ochelwiesen südlich von Ochelhermsdorf;
(Schröder), breit- und schmalblättrige Formen; Glogau: Weidisch an
mehreren Stellen! (Runge).
L. niger (Z.) Wimm. v. heterophyllus Ue. Zobten: zwischen dem
Karlsberg und den Oelsner Bergen!
Geum rivale L. v. pallidum Bl. [Bojanowo: Grüner Garten
(C. Scholz)].
Aruncus silvester Kostel. Nimptsch: in einer Waldschlucht öst-
lich von Pangel!!
G. rivale X urbanum @. Mey. in der bei uns selteneren Form
G. Willdenowii (Buek) in Kauffung bei Schönau! (W. Scholz); Strehlen:
in Häbsch bei Ruppersdorf! (Kruber). [Bojanowo:] Priebusch, auf schles.
Gebiet (C. Scholz).
Rubus suberectus Anders. Ruhland: Wald hinter dem Schlosse
von Guteborn!!; Teschen: Grabina und sonst, nicht gerade selten
(Kotula).
R. nitidus W. et N. Rothenburg O. L. und Uhsmannsdorf häufig!
(Barber). Ä
R. sulcatus Vest. Teschen: Mosty oberhalb der Grabina, bei
Allodial-Ellgoth, in Ropitz, Bukowitz! (Kotula).
R. ihyrsoideus Wimm. Görlitz: Landeskrone (Barber); Teschen:
Trzynietz! und an andern Orten (Kotula).
R. hirtus W. Kit. in der Görlitzer Haide unweit Kohlfurt spärlich!
{Barber); Lauban: Hohwald (Derselbe), — Die var. Güntheri W. et N.
Lauban: Buchberg im Hohwalde (Barber).
DE ee 1
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 107
R. orthacanthus Wimm. Teschen: auf einem Berge nördlich des
Schlosses Ropitz (Kotula).
R. Idaeus L. var. denudatus Schimp. et Spenn. Görlitz: an
der Südseite des Kohlfurter Hammerteiches zahlreich!!; Guhrau: Nieder-
Friedrichswaldau! (C. Scholz); Proskau: Waldrand links vom Wege
nach -Ochotz! (Richter).
Fragaria moschata Duch. Breslau: Jakobsdorf bei Kostenblut!
F. collina Ehr. f. subpinnata Cel. Breslau: zwischen Kottwitz
und Tschechnitz (Callier und Hellmann).
Potentilla supina L. Grünberg: Dorfstrasse in Droschkau! (Kleiber),
Ochelhermsdorf bei der Brennerei! (Schröder); Jauer: in Hermannsdorf
spärlich! (Figert); Schweidnitz: in Schönbrunn und Wilken (Schöpke);
Brieg: Dorfanger in Klein-Leubusch! (Seidel); Strehlen: Ruppersdorf!,
Friedersdorf! (Kruber); Nimptsch: Heidersdorf, Langenöls (Derselbe).
P. norvegica L. Ruhland (A, Schulz), z. B. viel in dem trocken-
gelegten Narwatschteich bei Guteborn (Ascherson)!!; Lüben: am Bahn-
hofe Vorderheide! (Figert); Schweidnitz: Torfwiesen bei Eckersdorf
(Schöpke).
P. rupestris L. Nimptsch: Hartebusch bei Jeseritz!
P. recta L. Görlitz: Rain am pomologischen Garten!, ob wild?
(Barber); Schweidnitz: Mauer des Kreisauer Schlosses (Schöpke);
Strehlen: Töppendorf! (Kruber).
P. canescens Bess. Jauer: bei Mochau an Wegrändern und auf
Kleeacker! (Figert); Strehlen: Ruppersdorf mehrfach!; Wansen: Weg
nach den Meschwitzer Wiesen! (Kruber); Brieg: Feldraine bei Klein-
Leubusch! (Seidel).
P. Wiemanniana Guenth. et Schum. um Kontopp!; Neusalz: Oder-
damm bei Tschiefer! (Hellwig); Goldberg: Ernestinenthal selten! (Figert) ;
Trachenberg: Kiefernwald bei Kendzie! (Schwarz) mit schwacher Be-
kleidung der Blattunterseite; Brieg: Chausseeränder gegen Klein - Leu-
busch! (Seidel),
P. silesiaca Uechtr. Kontopp: am Mesch-Lug! (Hellwig); —
Roncken, Saborwitz [bei Bojanowo mehrfach (C. Scholz)].
P. anserinaL. var. sericea Kch. Ingramsdorf, gegen den Pitschen-
berg (Uechtritz 1886) [Bojanowo: Grüner Garten (C. Scholz)].
P. arenaria Borkh. im nördlichen Gebiete bei Grünberg: Oder-
abhänge zwischen Milzig und Hammer zahlreich! (Kleiber).
P. procumbens X reptans (P. mixta Nolte). Ruhland: Elster-
damm (A. Schulz), nordwestlich Guteborn an einem Wegrande!!; Kreuz-
burg: Gross-Lassowitz!!
P. procumbens Sibth. Lauban: Hohwald bei Lichtenau (Barber);
Bunzlau: zwischen Aslau und Kaiserswaldau!; Liegnitz: im Bienowitzer
108 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Grossteich nicht selten!; Schönau: Beersteine bei Ketschdorf! (Figert);
Trachenberg: feuchter Kiefernwald bei Korsenz! (Schwarz); Oderberg:
im Walde nordöstlich vom Bahnhofe! (Kotula),
P. silvestris Necker var. strictissima (Zimmeter) im Iserge-
birge bei Gross-Iser unweit der Försterei!! Agnetendorfer Schneegrube!
— var, fallax Marss. Breslau: Obernigk (Callier). Militsch: Tschechen-
hammer (C. Scholz).
P. alba L. Proskau: Waldrand bei Przyschetz! (Richter), ob iden-
tisch mit Grabowski’s Angabe „Proskauer Wald‘“?; Keltsch, am Wege
nach Radun spärlich! (M. Fiek).
Alchemilla fissa Schumm. Am Wege nach der Agnetendorfer
Schneegrube, etwa 100 m unter dem Eingange in dieselbe (Hager u. Sch.).
Agrimonia Eupatoria L. var. fallax Fiek. Oderwald bei Grün-
berg!; Carolath! (Hellwig).
A. odorata Mill. Schönau: auf einer Waldwiese bei Rosenau!
(W. Scholz), erster Standortim Vorgebirge. [Bojanowo: Pakowko!
(C. Scholz)].
Rosa alpina L. Jauer: Küchenberg bei Moisdorf! (W. Scholz);
Kupferberg: Röhrfelder auf Rainen (Bittermann).
R. dumetorum Thuill. Strehlen: Sandgrube bei Ruppersdorf!
(Kruber); Friedek: Skalitz; Teschen; hie und da (Kotula).
R. coriifolia Fr. Teschen: auf dem Chelm bei Golleschau (Kotula)
[Bojanowo: Grüner Garten (C. Scholz)].
R. sepium Thuill. var. inodora (Fr.). Goldberg: auf dem Wolfs-
berge! (W. Scholz), hier mit auffällig grossen Blättchen; Hirschberg:
Abruzzen spärlich! (M, Fiek); Guhrau: Saborwitz, Ronikau! (C. Scholz);
diese durch den etwas verlängerten, schwach bekleideten Griffel einen
Uebergang zum Typus darstellend; Friedek: Skalitz, gegenüber Dobra!
(Kotula).
Epilobium Dodonaei Vill. (p. p.). Strehlen: Kalkbruch bei Geppers-
dorf (Kruber!, Kinscher), wohl durch Samenanflug; Kiesbänke der Ostra-
witza am Fusse der Lissa Hora! (Wetschky).
E. collinum Gmel. Schweidnitz: Abhänge bei Weizenrodau,
Nitschendorfer Steinbruch! (Schöpke).
E. Lamyi F. W. Schulz. Goldberg: auf Kies der Katzbach!,
Steinberg häufig in Feldgräben!; Mochau, Kreis Jauer, auf einem Klee-
felde! (Figert); Teschen: bei der Eisenbahnstation Chybi! (Kotula).
E. obscurum Rchb. Ruhland: Zuflussgräben zum Sorgeteich bei
Guteborn!!; Friedeberg: Gebhardsdorf!!; Steinkunzendorf im Eulenge-
birge! (Schöpke); Strehlen: Ruppersdorf! (Kruber); Proskau: Wald bei
Schimnitz! (Richter).
E. anagallidifolium Lmk. Weisswassergrund, Mädelwiese im
Riesengebirge (Barber).
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 109
E. montanum X obscurum (E. aggregatum CIk.). Jauer: in
Pombsen viel (Figert).
E. parviflorum X roseum Krause. Proskau: Althammer bei
der Schleifmühle! (Richter).
E. montanum > parviflorum (E. limosum Schur.). Schönau:
Polnisch-Hundorf; Jauer: Pombsen! (Figert).
E. montanum X roseum (E. heterocaule Borb.). Schönau: Katz-
bachufer bei Neukirch!, in Conradswaldau!; Jauer: Pombsen! (Figert).
E. palustre X roseum (E. purpureum Fr.). Schönau: Polnisch-
Hundorf! (Figert).
E. obscurum X palustre (E. Schmidtianum Rostk.). Hirsch-
berg: im Lomnitzer Torfbruche!!
E. adnatum X palustre (E. Laschianum Haussk.). Liegnitz:
Freiheit bei Kunitzer Weiche! (Figert).
—+ Oenothera muricata L. Görlitz: in der Ponte! (Barber).
Trapa natans L. Grünberg: Boyadler See! (Kleiber), nördlichster
Standort.
Lythrum Hyssopifolia L. Teschen: feuchte Aecker bei Darkau
und Freistadt (Kotula). Zweiter Standort in Oester.-Schlesien.
Montia rivularis Gmel, in der westlichen Ebene auch bei Ruh-
land: Zuflussgraben zum Sorgeteich mit Stellaria uliginosa!! (A. Schulz).
Im Riesengebirge nahe bei den Leierbauden (Kionka).
Herniaria hirsuta L. Grünberg: Brachäcker gegen Heinersdorf!
(Hellwig).
Illecebrum verticillatum Z. Diese westliche Art erwähnt Wimmer
(Fl. v. Schlesien, ed. III) zwar als bei Pless ‚und Teschen‘‘ vorkommend,
ohne näheren Standort; Kolbenheyer wiederholt einfach diese Angabe,
welche jedoch bisher weder von ihm, noch von Andern bestätigt wurde.
Heuer beobachtete sie Herr Notar Kotula und sein Sohn, Professor Bol.
Kotula, bei Piersna nördlich der Station Petrowitz!, welches also der
erste sichere Standort für Oesterr.-Schlesien ist.
Sedum villosum L. in der Görlitzer Haide auf den Tschirnewiesen
bei Kohlfurt!! und am Hammerteiche daselbst! (Barber).
S. alpestre Vill. sehr häufig in der Umgebung der oberen Teufels-
wiesenbaude (Barber).
Sempervivum soboliferum Sims. Görlitz: Felsen am Neisse-Via-
duct (Barber): Grünberg: Kiefernwald zwischen Gross-Lässen und Läsgen
(Dr. Seler); Silberberg: Schönewalde (Schöpke); Lissa-Hora auf halber
Höhe (Kotula).
RibesGrossularia L. Nimptsch: Waldschlucht östlich von Pangel!!;
Eulengebirge: Gebüsche vom Hahn bei Leutmannsdorf bis Alt-Frieders-
dorf (Schöpke); Glatz: Rother Berg (Kinscher), Hutstein!!
110 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Hydrocotyle vulgaris L. Breslau: hinter den Waschteichen
(Hieronymus und Sch.). Dritter Standort im Kreise und nächster an der
Stadt.
Sazxifraga moschata Wulf. am Gipfel der Schneekoppe im Juli
1890 ein Räschen! (Dr. Petzold), gewiss nur angepflanzt.
Chrysosplenium oppositifolium L. Goldberg: Nieder-Schellen-
dorf! (Figert).
Falcaria vulgaris Bernh. Teschen: Aecker bei Mönnichhof
(Kotula), neu für das Teschener Ländchen. Breslau: Jagatschütz bei
Prausnitz!
Carum Carvi L. f. atrorubens Lge. Breslau: zwischen Rankau
und Naselwitz!
Pimpinella Saxifraga L. var. nigra (Willd.) Grünberg: Sauer-
mann’s Mühle bei Läsgen (Ascherson). — Var. dissecta (Retz.) Görlitz:
am Viaduct (Barber), Gipfel der Landeskrone!
Oenanthe fistulosa L. Ruhland: Zuflussgraben zum Sorgeteich
bei Ruhland!! |
Seseli Libanotis (L.) Koch. Guhrau: Triebusch, Saborwitz [Boja-
nowo: Tarchalin (C. Scholz). Neu für die rechte Oderseite in Nieder-
Schlesien. Glatz: Hausberg bei Raumnitz (Kinscher).
Cnidium venosum (Hffm.) Koch. Strehlen: Karischer Mergel-
löcher! (Kruber).
Angelica silvestris L.var. montana (Schleich.). Schmiedeberg:
Waldhügel zwischen Buchwald und Fischbach !!
Heracleum Sphondylium L. v. conforme Mnch. Waldenburg:
am langen Berge (Felsmann).
Archangelica officinalis Hffm. Melzergrube im Riesengebirge
(Barb.).
Laserpitium prutenicum L. var. glabrum Wallr. Jauer: Mochau!
(Figert); Schweidnitz: Gebüsche bei Ober-Bögendorf!, Ober- Weistritz
(Schöpke); Strehlen: Lehmberg bei Geppersdorf, Krummendorfer Forst!
(Kruber).
Chaerophyllum bulbosum L. Görlitz: an der Pliesnitz bei Tauch-
ritz!, Bahndamm bei Moys (Barber); Schweidnitz: Gebüsche bei Wilkau,
Zülzendorf, Nieder-Grunau, Käntchen (Schöpke).
Ch. aromaticum L. Breslau: Kriechen (Uechtritz 1886).
Conium maculatum L,, verbreitet in einigen Flussthälern des
Vorgebirges, um Lähn: viel an den steilen Abhängen des Lehnhaus-
berges!!; Schönau: Conradswaldau, Hermannswaldau, Reichwaldau; Jauer:
Pombsen gemein (Figert); Bolkenhain: bei Waltersdorf!!; Schweidnitz:
Zülzendorf (Schöpke).
Sambucus Ebulus Z. Görlitz: Leopoldshain, wohl verwildert
(Barber),
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 111
Lonicera Xylosteum L. Guhrau: sparsam in einem Laubwäldchen
bei Triebusch! (C. Scholz), vielleicht aus dem nahen Parke; Silberberg:
Festungswerke, Strohhaube und Donjon! (Schöpke).
Asperula tinctoria L. Zobten: am Geiersberg bis nahe an die
Silsterwitzer Strasse herabsteigend!
A. Aparine Schott. Proskau: Wilhelmsburger Wald! (Richter).
Galium vernum Scop. um Zawadzki überall! (M. Fiek); Teschen:
südlich der Fasanerie von Goldau, Olsaufer in Darkau, Teichdämme bei
Zawada nördlich von Freistadt (Kotula).
G. silvestre Poll. Zobten: zwischen Silsterwitz und Striegelmühl!,
mit var. Bocconei (All).
G. elongatum Prsl. Strehlen: Ruppersdorf (Kruber).
G. silvaticum L. Grünberg: Laesgen! (Hellwig) bei Sauermanns
Mühle (Ascherson); Guhrau: Nieder-Friedrichswalde! (C. Scholz); Glatz:
Rengersdorf am Hutstein!!
G. Wirtgeni F. Schz. Wansen: Gebüsch bei Kauschwitz! (Kruber).
G. Schultesii Vest. Michelsdorf bei Wüstewaltersdorf! (Schröder).
Valeriana officinalis L. var. angustifolia (Tsch.). Reichen-
bach: Berge zwischen Ober-Peilau und Gierlachsdorf sehr ausgeprägt!!;
Oppeln: Wiese südlich von Königl. Neudorf! (Schmidt).
V. polygama Bess. Sandowitz, Kreis Gross-Strehlitz! (M. Fiek);
Teschen: Niebory! (Kotula).
Dipsacus laciniatus L. Teschen: Boguschowitz am Steinbruch
in Kempki (Kotula).
Knautia arvensis (L.) Coult. var. integrifolia W. Gr. in einer
stark rauhhaarigen, der K. silvatica durchaus ähnlichen Form am Mühl-
berg bei Wüstewaltersdorf! (Schröder). — Var. campestris (Bess.). Görlitz:
Radmeritz, Nieda (Barber); Grünberg: Poln.-Kesseler Strasse! (Hellwig);
Glogau: Gurkau! (Müllendorf).
Scabiosa suaveolens Desf. Zawadzki; an der Chaussee nach
Kolonowska, und Forst Koschmieder gegen Zawadzki! (M. Fiek).
Eupatorium cannabinum L. v. indivisum DC. Prausnitz: Jagat-
schütz !
Erigeron acer L. var. droebachiensis (0. F. Müller). Ab-
hänge bei Erbersdorf im Gesenke! (Wetschky).
Solidago virga aurea L. in einer der var. alpestris (W. Kit.) sehr
nahe kommenden bis 20 em hohen Form im Schwarzbachthale an der
Eule! (Schöpke).
Inula vulgaris Lmk. (J. Conyza DC.). Schweidnitz: Butter-
milchweg bei Kletschkau (Schoepke); Glatz: Hausberg, Burgstädtel
(Kinscher).
— Rudbeckia laciniata L. Rothenburg O.L., Uhsmannsdorf am
Schöpsflusse (Barber); Görlitz: Rengersdorf! Grünberg: Laesgen (Ascherson);
112 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Schweidnritz: an der Peile bei Kreisau; Silberberg: Dorfbach bei Schön-
walde (Schöpke); Strehlen: Ohleufer bei Krippitz! (Kruber).
Bidens tripartitus L. var. integer C. Koch. Breslau: Pirscham,
Carlowitz (Kionka); Strehlen: Ruppersdorf! (Kruber). Trachenberg: bei
Gross-Bargen in sehr kräftigen Exemplaren (Schwarz).
—+ Galinsoga parviflora Cav. Rothenburg O.L.: Tormersdorf;
Görlitz: Moys, Tauchritz (Barber); Kohlfurt, Waldrand an der Chaussee!!;
Jauer: auf Schutt in der Vorstadt! (W. Scholz); Prausnitz: Chaussee-
rand vor Gellendorf!
Filago canescens Jord. Schweidnitz: Aecker bei Polnisch-
Weistritz und Burkersdorf! (Schöpke).
Gnaphalium norvegicum Gunn. Eulengebirge: Ascherkoppe, am
kalten Plaenel nach Volpersdorf zu (Schöpke).
Achillea Millefolium L. var. lanata Koch. Grünberg: Abhänge
bei Laesgen! Halbmeilemühle! (Hellwig). Eine der var. alpestris W. Gr.
(A. sudetica Opiz) sich sehr nähernde Form mit fast 3 fach fieder-
schnittigen untern Blättern und braunberandeten Hüllschuppen am Grenz-
hau auf der Eule! (Schöpke).
Anthemis tinctoria L. Schweidnitz: auf Schutthaufen verw.
(Schöpke); Glatz: Birgwitz (Kinscher).
A. ruthenica M. B. Glogau: häufig auf Steinhaufen längs der
Chaussee bei Tschopitz! (Runge) und ebenso nicht selten weiterhin bei
Mosswitz (Müllendorf).
—- Matricaria discoidea DC. Görlitz: Bahnhof Nikrisch! (Barber);
Lüben am Bahnhofe! (Figert); Schweidnitz: Dorfstrasse in Leutmannsdorf
(Schöpke). Breslau: vor der Hundsfelder Brücke!, auf Acker bei der
Scheitniger Schule!
Chrysanthemum corymbosum L. Wansen: Niemener Haide!;
Strehlen: Krummendorfer Forst! (Kruber).
C. Leucanthemum L. mit ungewöhnlich (bis 23 mm) langen Strahl-
blüthen bei Grünberg: am Seegraben bei Zahn! (Kleiber), ebenso bei
Ketschdorf, Kreis Schönau, am Beersteine häufig! (Figert).
Senecio crispatus DC. (ampl.). Jauer: bei Mochau! (W. Scholz);
Proskau: am Nadamatz-Teiche! (Richter); um Keltsch mehrfach! (M. Fiek).
S. Jacobaea L. var. discoidea W. Gr. Liegnitz: Bruchwiese
hinter Sophienthal sehr sparsam! (Figert).
S. barbaraeaefolius Krocker. Moorwiesen bei Kontopp mit blass-
gelben Strahlblüthen! (Hellwig); Oderwald bei Sabor! (Müllendorf);
Althammer bei Proskau! (Richter); Teschen: zwischen Trzynietz und
Niebory! (Kotula).
S. Fuchsii Gmel. Görlitz: Hennersdorfer Teiche (Barber) ; Breslau:
Wald am Jungfernsee bei Kottwitz! (Kionka); Schweidnitz: Gebüsche
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 113
bei Teichenau, Zülzendorf, Käntchen (Schöpke); Strehlen: bei Kausch-
witz! (Kruber).
S. fluviatilis Wallr. Oderberg: Oderufer! (Kotula).. Am Olsa-
ufer bei Teschen seit Kolbenheyer nicht wieder gefunden.
Carlina acaulis L. Görlitz: bei Moys am Jäkelsberge und am
Jägerwäldchen (John t. Barber); Gross-Strehlitz: Ruinenberg bei Schimi-
schow! (Schmula). — Im Riesengebirge aufsteigend am Korkonosch bis
1150 m!!, an der Kesselkoppe bis 1230 m!! — Die var. caulescens (Lmk.)
bei Schweidnitz: Nitschendorfer Steinbruch, Seilerhöhe bei Ober-
Weistritz; Silberberg: Festungswerke (Schöpke); Landeck: Winkelsdorf,
hier bis 35 cm hoch (Kionka).
Cirsium oleraceum (L.) Sep. v. amarantinum Lg. Gesenke:
Ober-Thomasdorf (Hieronymus).
C. heterophyllum (L.) All. Schweidnitz: Waldschläge oberhalb
der goldnen Waldmühle (Schöpke).
C. rivulare (Jacqg.) Lk. in der nordwestlichen Ebene auch bei
Bunzlau: Siegersdorf! (Müllendorf).
C. canum (L.) Mnch. Breslau: Gross-Nädlitz (1886 Uechtritz).
0. canum X oleraceum. Striegau: Parkwiesen von Muhrau
(Schöpke); Wansen: an den Meschwitzer Wiesen! (Kruber). Breslau:
vor dem Wolfskretscham! Zobten!
C. canum X palustre. Striegau: Parkwiesen von Muhrau (Schöpke).
C. oleraceum X acaule. [Bojanowo: Pakowko, Grüner Garten
(C. Scholz)].
C. heterophyllum X palustre auf einer Waldwiese in Öber-
Flinsberg! (Schöpke), dem C. heterophyllum näher stehend; in einem Seiten-
thälchen des Zackenthales oberhalb Petersdorf!!
C. oleraceum X palustre. Hirschberg: Cunnersdorf!!, im Sattler!
(M. Fiek), um die Katzbachquelle bei Ketschdorf! (Figert); Schweidnitz:
Wilkau, Merkelshöhe! (Schöpke); Wansen: Kauschwitzer Wiesen!
(Kruber). Breslau: Schimmelwitz!
Carduus crispus L. Guhrau: Triebusch! (C. Scholz); Schweidnitz:
Gebüsche bei Eckersdorf, Zülzendorf, Teichenau, Nitschendorf (Schöpke) ;
Strehlen: Tschanschwitz; Wansen: Kallen (Kruber).
C. Personata Jacg. floribus albis um die Kesselbaude im Riesen-
gebirge!! Der Typus am Viaduct bei Görlitz (Barber), wohl aus dem
Wittichthale herabgeschwemmt.
C. acanthoides L. albiflorus. Althammer bei Proskau! (Richter).
C. acanthoides X crispus. Liegnitz: Vorwerke an der Jauer-
strasse! (Figert).
C. acanthoides X nutans. Schönau: Neukirch 1 Exemplar!
(Figert).
‚ti
114 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Lappa minor X offieinalis. Liegnitz: Gross-Wandris (Figert);
Schweidnitz: in Wilkau! (Schöpke).
L. minor X tomentosa Ritschl. Schweidnitz: in Wilkau! (Schöpke).
L. offieinalis X tomentosa (L. ambigua Cik.). Schweidnitz: in
Weizenrodau! Wilkau! (Schöpke).
Centaurea Phrygia L. fl. suec. Reichenbach O. L.: Stiftswald
an der „Kanone“! (Barber); Weissstein bei Waldenburg; Schweidnitz:
Gebüsche bei Käntchen! Waldwege bei Leutmannsdorf! (Schöpke).
©. Pseudophrygia C. A. Mey. Görlitz: Wiesen bei Tauchritz
häufig (Barber); Schmiedeberg: zahlreich auf Wiesen zwischen Busch-
vorwerk und Harthe!!
—+ C. Caleitrapa L. beim Grenzadler zwischen [Logau und] Gross-
Lessen von Lüddecke noch 1882 gefunden, seitdem nicht mehr.
Cichorium Jniybus L. var. subspicatum Uechtr. um die Ziegelei
bei Exau, Kreis Wohlau! (Schwarz).
Thrincia hirta L. Ruhland: zahlreich in dem trocken gelegten
Narwartschteiche bei Guteborn (Ascherson)!!;, um den Schorlteich bei
Hermsdorf!!; Grünberg: an der Ochel bei Ochelhermsdorf! (Schröder).
Tragopogon maior Jacg. Grünberg: am Bahnhofe bei Beuchels
Fabrik! (Hellwig); Oppeln: Kalkfelder bei Gogolin! (Schmidt), neu für
Ober-Schlesien.
T. orientalis L. Strehlen: Wiesen am Kirmesbusch bei Ruppers-
dorf! (Kruber); Nimptsch: Chausseeränder gegen Gierlachsdorf!! und
namentlich gegen Woislowitz!! und Diersdorf zahlreich!!
Scorzonera humilis L. Breslau: Hauffener Wiesen!, auch spär-
lich im Walde zwischen Hauffen und Liebenau!
Hypochoeris glabra L. Rothenburg O. L.: kiesige Aecker bei
Dittmannsdorf, Uhsmannsdorf!(Barber) ; Wansen : Niemener Haide! (Kruber.)
Achyrophorus maculatus (L.) Scp. Nimptsch: Hartebusch bei
Jeseritz!
Lactuca Scariola L. Glatz: Rengersdorf (Kinscher); Oderberg;:
beim Bahnhofe (Kotula).
Sonchus arvensis L. var. uliginosus (M. B.). Grünberg: Ochel-
hermsdorf unter der Grundform! (Schröder); Strehlen: Baumgartbusch
bei Ruppersdorf! (Kruber). Breslau: Gross- und Klein-Nädlitz, auch
gegen Zindel und Kriechen, mit zahlreichen Uebergängen zur Grundform
(1886 Uechtritz). [Bojanowo: Grüner Garten (C. Scholz).]
Mulgedium alpinum (L.) Cass. Eulengebirge: Schwarzbachthal
bei Euldörfel (Schöpke). Waldenburg: Hochwald bei Gottesberg
(W, Scholz).
Crepis succisaefolia Tsch. Schweidnitz: Torfwiesen bei Eekersdorf
(Schöpke); Reichenbach: Ober-Peilau!!, Gierlachsdorf!! — Die Hoch-
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 115
gebirgsform (Hieracium ceroaticum W. K.) im Klausengrunde des Riesen-
gebirges (K. Knaf 1872).
C. biennis L. var. integrifolia Uechtr. Görlitz: Biesnitzer Thal
(Barber).
Hieracium Pilosella L. var. niveum Müller Aarg. Grünberg:
Ochelhermsdorf! (Schröder).
H. floribundum W. Gr. Teschen: am Eisenbahndamm bei Chybi!
(Kotula). |
H. echioides Lumn. Grünberg: Polnisch-Nettkow in einer Schonung
an der Strasse nach Rotenburg nicht häufig! (Hellwig). Auch in der
Prov. Brandenburg mehrfach an Bergen des Oderthales, aber erst von
Frankfurt abwärts. Neu für den Reg.-Bez. Liegnitz,
H. suecicum Fr. [Bojanowo: Pakowko (C. Scholz)].
H. Auricula X Pilosella. Sirehlen: Geiersgrube bei Ruppers-
dorf! (Kruber). [Bojanowo: Pakowko (C. Scholz).]
H. pratense X Pilosella. Haynau: Reisicht an der Eisenbahn!
(Figert); Karlsbrunn im Gesenke auf der Spielwiese am Wege nach
Wilhelmsthal (Oborny, als H. prussicum N. P.). |
H. praealtum X Pilosella. Jauer: Fuss der Hessberge bei den
Buschhäusern (Figert).
H. pseudoalbinum Uechtr. in einer sehr kräftigen, stärker be-
kleideten, bis 8 blättrigen, vielköpfigen Form im oberen Theile des
Langen Grundes! (Schöpke).
H. Purkynei CIR. Kesselkoppe im Riesengebirge spärlich! (Öela-
kowsky jun.), hier armköpfiger als die Exemplare vom Kahlen Berge.
H. vulgatum Fr. var. fastigiatum (Fr.) —= var. latifolium
W. Gr. Hirschberg: Böschungen der Greiffenberger Chaussee vor der
Eisenbahn zahlreich! (G. Schneider); Schweidnitz: Nitschendorfer Stein-
bruch! (Schöpke).
H. Schmidtii Tsch. Pantschewiese im Riesengebirge (Celak. jun.).
H. inuloides Tsch. Pantschewiese (Celak. jun.).
H. laevigatum W, a) tridentatum (Fr.) var. grandidentatum
Uechir. Teschen: Gnojniker Wald! (Kotula).
H. barbatum Tsch. Vorberge des Gesenkes um Erbersdorf häufig!
(Wetschky).
H. umbellatum L. var. aliflorum Fr. sehr schön ausgeprägt bei
Strehlen: Kirmesbusch bei Ruppersdorf! (Kruber). — var. coronopifolium
(Bernh.) Grünberg: Kiefernforst bei Semmlers Lug unweit Pirnig!
(Hellwig).
Campanula latifolia L. [Buchberg im Isergebirge (Öelakowsky
Jun.,]; Nordseite des Korkonosch (Kionka); Schmiedeberg: Gebüsche am
Langwasser zwischen Buschvorwerk und Harthe viel!!; Nimptsch: Höllen-
grund!!; Strehlen: Glambach (Kruber); Jauer: Moisdorfer Grund, spärlich! -
+
116 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
C. Trachelium L. f. parviflora Cel. Breslau: Lissa! — Auch
von C. persicifolia L. findet sich nicht eben selten, z. B. mehrfach in der
Zobtengruppe (!), eine analoge Form mit noch nicht halb so grossen
Blüthen als an der Grundform.
C. Rapunculus L. Görlitz: Wiesen und Gesträuch in den Hage-
spihlschen Anlagen bei Gross-Krauscha, wohl kaum einheimisch! (Barber).
Oxycoccus palustris Pers. Friedersdorfer Berge bei Wüste-
waltersdorf! (Schröder); Kupferberg: Rohrlach (Chaussy 1884). — var.
mierocarpus (Turcz.) am Wohlen-See in der Görlitzer Haide (Barber).
Arctostaphylus uva ursi (L.) Spr. Ruhland: Wald gegen Frauen-
dorf (A. Schulz); um Zawadzki! und Keltsch! mehrfach (M. Fiek).
Monotropa Hypopitys L. v. glabra Rtz. [Bojanowo: Grüner
Garten (C. Scholz)].
Erica Tetralix L. Ruhland: Hermsdorf! (Prof. Drude), Hohen-
bocka an torfigen Stellen! (Derselbe).
Pirola chlorantha Sw. Breslau: Hauffener Wiesen!
Ligustrum vulgareL. Teschen: an Bergen nördlich vom Ropitzer
Schlosse!, an der Jasienowa bei Golleschau (Kotula).
Vinca minor L. Schweidnitz: am Hahn bei Leutmannsdorf (Schöpke);
Münsterberg: Reumener Wald (Kruber). Breslau: Rathen! Freiwaldau:
am Gemärke! Freudenthal: zw. Wolkendorf und Bennisch!
Menyanthes trifoliata L. Breslau: Schweinern!
Gentiana Pneumonanthe L. Ruhland (A. Schulz), z. B. Haidewiesen
zw. Vorwerk Hermsdorf und Guteborn!!, Hohenbocka gegen Niemitsch!
(Prof. Drude); Hartmannsdorf, Kreis Freistadt, auf Droschhaidau zu mit
der var. latifolia! (Schröder). Breslau: Sibyllenort, gegen Peuke
(Hieronymus) !
G. eiliata L. Jauer: Willmannsdorfer Kalkberge! (W. Scholz);
Schönau: zwischen Cammerswaldau und Tiefhartmannsdorf bei der
Hundskirche (Bittermann); Glatz: Weisskoppe, Hausberg (Kinscher); Fried-
land am Fusse der Lissa Hora! (Wetschky).
G. campestris L. Schweidnitz:im Laser bei Ober-Bögendorf (Staats
t. Schöpke); mit gelblich-weissen Blüthen im Höllengrunde am Kynast!!
— Zwischen Saalberg und Agnetendorf (Hieronymus)!
G. Amarella L. Grünberg: Wiesen bei Mittel - Ochelhermsdorf!
(Schröder als @. campestris). Kelchzipfel an den übersandten Exemplaren
ungleich, 1 bis 2 grösser als die andern; Blüthen sämmtlich vierzählig,
aussen ganz oder wenigstens gegen die Spitze hin gelblich gefärbt. —
[Bojanowo: Grüner Garten (C. Scholz)].
G. germanica W. Hausdorf bei Waldenburg, auf Taschendorf zu!
(Schröder); Wartha: im Passe (Kinscher).
Asperugo procumbens L. Schweidnitz: Sandgrube bei Kroisch-
witz (Schöpke).
ll. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 117
Zappula Myosotis Mnch. Nimptsch: auf Mauern in Pangel viel!!
Cynoglossum officinale L. Hohenposeritz!
Nonnea pulla (L.) DC. Gross-Strehlitz: Aecker zwischen Bahn-
hof und Dorf Schimischow! (Schmula).
Solanum Dulcamara L. var. assimile Friv. Breslau: Klein-
Weigelsdorf!
Myosotis sparsiflora Mik. Breslau: Bischwitz am Berge (Kionka);
Teschen: Grabina an der Kaiserstrasse! (Kotula).
Lithospermum arvenseL.fl. coeruleo. Nimptsch: am Johnsberg!
+ Lycopersicum esculentum Mill. Liegnitz: Schuttplätze auf
dem Gansebruch mehrfach! (Figert).
Atropa Belladonna L. Bergabhänge bei Erbersdorf im Ge-
senke! (Wetschky).
Verbascum phlomoides L. Schweidnitz: Berglehnen bei Ober-
Bögendorf! (Schöpke); Proskau: wüste Stellen um die Brennerei!
(Richter). Breslau: Kl.-Weigelsdorf! | |
V. nigrum L. var. lanatum (Schrad.). Schweidnitz: Wegränder
bei Seiferdau! (Schöpke).
V. phoeniceum L. Nimptsch: zwischen Rudelsdorf und Heiders-
dorf an der Strasse! (Kruber).
V. BlattariaL. Strehlen: Glambach, Wegränder bei Ruppersdorf mit
f. albiflora! (Kruber). Breslau: zwischen Hundsfeld und Görlitz!, Sackerau!
V. Thapsus X nigrum. Goldberg: Hermsdorf am Bade!, Katz-
bachufer bei Neuländel! (Figert); Schönau: Neukirch auf dem alten
Kirchhofe! (Derselbe).
V. thapsiforme X nigrum. Grünberg: Boyadel! (Hellwig).
Scrophularia alata Gilib. Strehlen: Gräben in Ruppersdorf!
(Kruber); Teschen: Wassergräben südlich der Fasanerie von Guldau,
zahlreich an den Ufern des Bobröwka-Baches unweit Bobrek! (Kotula).
+ Linaria Cymbalaria (L.) Mill. Schweidnitz: in Ober-
Weistritz häufig (Schöpke); Wüstegiersdorf an einer Mauer des Schaff-
schen Gartens!, Mauern der Hielscher - Brücke bei Wüstewaltersdorf!
(Schröder); Landeck: Mauern im Bade (Kionka). — Zobten: an einer
Mauer! An der Nordseite von Schloss Fürstenstein!, hier von Uechtritz
schon 1854 gesammelt.
L. Elatine (L.) Mill. Grünberg: Lehmäcker zwischen Droschkau
und Loos! (Kleiber); Lüben nicht selten, z. B. Gross-Krichen, Altstadt
(Figert); Teschen: Aecker am Steinbruch in Kempki; Zawada bei Frei-
stadt! (Kotula); Troppau: Schönbrunn! (Wetschky). Zobten: Prschie-
drowitz!, auch mit dreisporniger Pelorie.
L. spuria (L.) Mill. Brieg: Aecker bei Klein-Leubusch! (Seidel).
L. arvensis (L.) Desf. Grünberg: Droschkau gegen den neuen
Kirchhof! (Kleiber), Drosehaidau, Kreis Freistadt! (Schröder); bei
118 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Löwen zahlreich! (Seidel); Proskau: Jaschkowitz! und Wilhelmsburg:
(Richter).
—+ L. genistifolia (L.) Mill. Schweidnitz: Nitschendorfer Granit-
bruch! (Seidel); verschleppt oder angesät?
Gratiola officinalis L. Ruhland: Dürrbachgraben!! und Zu-
flussgraben zum Sorgeteich!!; Neumarkt: Wültschkau sehr häufig um
den Grossteich (Figert); feuchtes Gebüsch hei Seiferdau, Kreis Wohlau!
(Schwarz). |
—+- Digitalis purpurea L. im Riesengebirge unweit des Kochel-
falles! (M. Fiek) und zahlreicher im Eulegrunde (Kionka)!! hier auch
weissblühend (Liebig). An diesen Stellen gewiss nicht eingeschleppt,
sondern angesät,
D. ambigua L. Münsterberg: Reumener Wald (Kruber); Proskau,
Wilhelmsburger Wald! (Richter).
Veronica scutellata L. var. pilosa Vahl (V. Parmularia
Poit. et Turp.). Ruhland: zahlreich und ohne die Grundform in dem
abgelassenen Narwatschteich bei Guteborn!! (Alwin Schulz), weniger
ausgeprägt am Schorlteiche mit dem Typus!! In der Oberlausitz doch
wohl noch an anderen Stellen vorhanden.
V.montanaL. Ruhland: Wäldchen südlich von Guteborn (A. Schulz);
Teschen: Skalitz vor Friedek! (Kotula).
V. Teucrium L. Reichenbach: Tschammenberg bei Gierlachs-
dorf!! Die var. minor Schrad. spärlich unter der Grundform bei Grün-
berg: Läsgener Berge! (Hellwig).
V. longifolia L. Ruhland: am Sieggraben (A. Schulz); Jauer:
Herzogswaldau in Gräben! (W. Schulz); Wansen: Kallen (Kruber).
V. spicata L. var. hybrida (L.). Grünberg: Ochelhermsdorf bei
der Ende-Mühle mit dem Typus! (Schröder).
Pedicularis palustris L. Görlitz: am Langen Teiche bei Henners-
dorf in ungeheurer Menge, zum Theil in meterlangen Exemplaren
(Barber).
V. serpyllifolia L. Ein reichlich 40 em langes, stark drüsig
bekleidetes Exemplar bei Canth: Wenig-Mohnau!
Melampyrum cristatum L. Carolath: im Hegewalde viel! (Hellwig).
Alectorolophus maior (Ehrh.) Rchb. var. hirsutus (All.).
Schönau: Neukirch auf Kalkhügeln (Figert), viel bei Ober-Seifersdorf
gegen den Rosengarten!!
Orobanche caryophyllacea Sm. Nimptsch: Hohlweg gegen
Pangel!!
Mentha arvensis L. var. parietariifolia Becker. Neumarkt:
Wültschkau! (Figert); Proskau: Waldrand bei Jaschkowitz! (Richter).
M. aquatica X arvensis Wimm, Jauer: Mochau (Figert).
’
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 119
Origanum vulgare L. Grünberg: Läsgen (Gärtner Wegner nach
Ascherson); Schönau: Mühlberg bei Kauffung häufig (Bittermaun);
Schweidnitz: Seilerhöhe bei Ober-Weistritz (Schöpke), Kynau am Burg-
berge! (Schröder); Donjon bei Silberberg (Schöpke); Strehlen: Krummen-
dorfer Forst! (Kruber).
Salvia pratensis L. f. dumetorum (Andrzj.). Strehlen: Rup-
persdorf (Kruber). — Diese gewiss nur auf Geschlechtsverhältnissen
beruhende Abweichung dürfte wohl noch vielfach im Gebiet beobachtet
werden; ich fand sie z. B. bei Rothsürben!, Sattkau!, Wiltschau!,
Wirrwitz!, Naselwitz!, am breiten Berge bei Striegau! — Die Grund-
form noch bei Canth: Sachwitz! und Stroppen: Heinzendorf! — var.
rostrata (Schm.) bei Naselwitz!
S. verticillata L. Zlattnig bei Proskau! (Richter); Kl.-Schimnitz!;
Gross-Strehlitz: Ruinenberg bei Rosniontau! (Schmula).
—+ Nepeta grandiflora M. B. Proskau: Althammer an einem
Zaune! (Richter). Zweiter Fundort.
Galeopsis speciosa Mill. Görlitz: in Menge an der Pliesnitz und
den Teichen bei Tauchritz (Barber). Breslau: Bunkay!
Galeopsis angustifolia Ehrh. Glatz: Rengersdorf (Kinscher).
Proskau: geg. Kl.-Schimnitz!
Melittis Melissophyllum L. Reichenbach: Girlberge!! und Eich-
berg über Gierlachsdorf!!; Strehlen: Leichnamsberg; Münsterberg: Reu-
mener Wald! (Kruber),
Lamium maculatum L. albiflorum. Liegnitz: Alt- Beckern in
einer Gruppe! (Figert).
L. amplexicaule L.v. fallax Jgr. Guhrau: Saborwitz (C. Scholz).
Stachys arvensis L. Ruhland auf feuchten Aeckern nicht selten
(A. Schulz).
S. annua L. Zlatinig bei Proskau! (Richter).
Marrubium vulgare L. Breslau: Wüstendorf!, Kottwitz vor
Auras!
Chaeturus Marrubiastrum (L.) Rehb. Breslau: Bruschewitz!
Betonica offieinalis L. floribus albis. Liegnitz: Schwarzwasser-
bruch 2 Exemplare! (Figert).
Scutellaria hastifolia L. Glogau: Brückenkopf (Runge).
Ajuga genevensis X reptans. Liegnitz: Lindenbusch!, Katz-
bachdamm hinter Schmochwitz! (Figert), letztere der A. reptans näher
stehend, erstere eine deutliche Mittelform.
Teucrium Scordium L. Breslau: zwischen Kriechen und Klein-
Nädlitz (1886 Uechtritz).
T.BotrysL. Gross-Strehlitz: Ruinenberg bei Rosniontau! (Schmula).
+ T. Scordonia L. Görlitz: an der Landeskrone ein Stock!
(Barber).
120 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Utricularia intermedia Hayne. Görlitzer Haide: Sümpfe am
Wohlen-See!!; Bunzlau: Aslau-Zisken in Torflöchern! (Figert).
U. ochroleuca R. Hartim. (U. brevicornis CIk.) . Tschirnewiesen-
sümpfe an der Kohlfurter Glashütte (Barber)!!
U. minor L. Sümpfe der Tschirnewiesen bei Kohlfurt (Barber)!;
Bunzlau: Aslau-Zisken! (Figert); Falkenberg: Torfstiehe bei Groditz
und Schidlow! (Seidel).
Pinguicula vulgaris L. Gesenke: an der Schäferei (Hellmann),
zwischen dem Leiterberg und der Schweizerei (Prantl).
— Lysimachia punctata L. in Wallgräben von Schweidnitz verw.!
(Schöpke).
Anagallis arvensis L. var. decipiens Uechtr. Grünberg:
moorige Brachäcker bei Rother’s Seechen zahlreich! (Hellwig).
Litorella juncea Bergius. Ruhland: Schorlteich (A. Schulz),
jetzt nach dem Ablassen desselben von uns vergeblich gesucht; Hohen-
bocka: neuer Teich bei Peichwitz! (Prof. Drude und Dr. Naumann).
Plantago arenaria W. Kit. Ruhland: am Bahnhofe (A. Schulz)!,
wohl verschleppt. Breslau: zw. Wildschütz und Gross - Weigelsdorf
(Hieronymus)!
Polycnemum arvense L. zwischen Gross- und Klein - Stanisch,
Kreis Gross-Strehlitz! (M. Fiek).
Chenopodium opulifolium Schrad. Oderberg: am Bahnhofe!
(Kotula). Neu für das Teschener Ländchen.
+ 4A. oblongifolium W. Kit. Grünberg: bei Rother’s Seechen
auf Schutthaufen! (Hellwig).
Rumex maximus Schreb. Trachenberg: Gross-Bargen an einem
tiefen Wassergraben! (Schwarz), hier ohne R. aqualicus L., der auf dem
rechten Oderufer überhaupt fehlt.
R. aquaticus L. an der Neisse bei Rothenburg; Görlitz: bei
Tauchritz (Barber); Schweidnitz: Ober - Weistriizz am Weistritzufer
(Schöpke).
R. crispus X obtusifolius. Schönau: Neukirch am Katzbach-
ufer!, wo auch eine Form von R. cerispus L. mit ganz kurzen Frucht-
stielen vorkommt! (Figert). Hier, wie bei Bad Hermsdorf, fand derselbe
Beobachter Kreuzungen, die der Combination R, erispus X obtusifolius v.
agrestis entsprechen.
R. arifolius All. auf der Hohen Eule (Schöpke); neu für das
Eulengebirge.
R. Acetosella var. multifidus (L.). Grünberg: Brachäcker an
der Lawaldauer Chaussee! (Hellwig); Schweidnitz: Költschenberg!
(Schöpke).
Polygonum aviculare L. var. monspeliense (Thiebaud). Grün-
berg: bei Dammerau! (Hellwig).
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li. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 121
Daphne Mezereum L. Canth: Mohnauer Wald!
Aristolochia Clematitis L. Strehlen: Pentsch (Hieronymus).
Thesium intermedium Ehrh. Breslau: Ritschdorf (Hieronymus).
+ P. tataricum L. Ruhland: am Wege nach Guteborn unter
Buchweizen !!
Euphorbia duleis Jacg. Görlitz: Charlottenhof (Barber) ; Nimptsch:
Höllengrund mit Astrantia!!; Münsterberg: Reumener Wald (Kruber).
E. palustris L. Bahnen Waldsumpf bei Kendzie!, und von
hier aus an Bächen nach dem Guhrauer Kreise zu verbreitet a
sonst von der ganzen rechten Oderseite, mit Ausnahme der Weide-
niederung um Breslau, nicht bekannt; Strehlen: Birkbusch bei Ruppers-
dorf! (Kruber),
E. lucida WK. Breslau: Kottwitz vor Auras!
E. exigua L. v. retusa Rth. Breslau: Karoschke (Hellmann).
Mercurialis perennis L. Grünberg: Läsgen! (Hellwig). Bisher
in den beiden nördlichsten Kreisen des Gebiets nicht beobachtet.
Urtica dioecaL.var. angustifolia Led. Grünberg: alte Schloiner
Strasse! (Hellwig).
Parietaria officinalis L. Guhrau! (Müllendorf).
Ulmus montana With. Hirschberg: Hausberg!!, Grunauer Spitz-
berg (M. Fiek)!!
Betula obscura Kotula. Schweidnitz: an der Mooshütte bei
Ober-Weistritz! (Schöpke); Teschen: bei Chybi (Kotula).
— Alnus serrulata W. vor. rugosa Spr. (A. = autumnalis
Hartig). Schweidnitz: Torfwiesen bei Eckersdorf! (Schöpke).
A. incana (L.) DC. var. argentata Norrlin ist ganz typisch
bei uns noch nicht gefunden worden, doch kommt ihr sehr nahe die
Pflanze von Bolkenhain: Kolige!!, dann die von Grünberg: Pirnig!
(Hellwig). Durch spitzere Lappen der Blätter abweichend bei Görlitz:
Nordseite der Landskrone (Prof. Ascherson); Kupferberg: Bleiberge
unter dem Rosengarten!!; Breslau: zwischen Zweibrod und Blankenau
(Uechtr.).
A. glutinosa X incana. Hirschberg: quellige Waldstellen zwischen
Grunau und Flachenseiffen!!; Schweidnitz: Gebüsch bei der Ziegelei
Texas! (Schöpke). Diese die der A. glutinosa näher stehenden Formen
(A. Tauschiana Callier); die mehr zu A. incana neigende (A. Beckii Callier)
dagegen bei [Bojanowo: Tarchalin (C. Scholz)]; Breslau: an der Posener
Bahnstrecke (Callier),
A. incana X serrulata (A. Aschersoniana Callier). Striegau:
Stannowitzer Erlicht! (Callier); Neisse: Reisen (M. Winkler).
Salix cinerea X purpurea a) glaucescens Wimm. (8. Ponte-
derana Schleich.). Hirschberg: Neumühl gegenüber am Boberufer!!
S. purpurea X repens. [Bojanowo: Grüner Garten! (C, Scholz)].
122 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
S. caprea X viminalis. Liegnitz: in einem Ausstiche am Bahn-
hofe Arnsdorf (Figert).
8. aurita X cinerea. Lüben: Gross-Krichen! (Figert). Walden-
burg: Dittmannsdorf (Felsmann).
Populus nigra X pyramidalis Figert. Maltsch a. O. (Fig.).
P. tremula Z. var. villosa Lang. Grünberg: Rohrbusch!
(Hellwig).
Triglochin maritima L. Trachenberg: bei Gross-Bargen (Schwarz).
T. palustris L. Breslau: Sibyllenort (Hieronymus)!
Potamogeton natans L. var. prolicus Koch. Schweidnitz:
Graben hinter der Knochenmühle! (Seidel). Leicht mit P. fluitans Rth.
zu verwechseln, zumal die schwimmenden am Grunde verschmälerten
Blätter an ihrer Anheftungsstelle meist nur eine seichte Rinne zeigen,
aber die untergetauchten Blätter nicht häutig durchscheinend,
P. semipellicudus Koch und Ziz im Schwarzwasser bei Ruhland
(A. Schulz); Görlitz: Waldbach im Stiftswalde bei Markersdorf (Barber);
Teschen: Graben im Gnojnik-Trzynietzer Walde (Kotula).
P. praelongus Wulf. Grünberg: Boyadler See! (Kleiber), dritter
Standort in Nieder-Schlesien.
P., perfoliatus L. Grünberg: Alte Oder bei Hammer!, Boyadler,
Saaborer See! (Kleiber).
P. gramineus L. a) heterophyllus (Schreb.). Ruhland: Niedel-
teich bei Hermsdorf (A. Schulz); Grünberg: Zahner See! (Kleiber);
Schweidnitz: einen Feldtümpel bei Burkersdorf ganz ausfüllend! (Schöpke),
dies die var. graminifolius Fr.
P. acutifolius Lk. Teschen: Olschiner Teiche bei Freistadt!
(Kotula).
P. obtusifolius M. und K. Grünberg: Boyadler See! (Kleiber);
Teschen: Olschiner Teiche, in einem Graben westlich der Station Chybi!
(Kotula). Neu für Oestr.-Schlesien.
Najas minor All. Teschen: Olschiner Teiche! (Kotula),. Neu für
Oestr.-Schlesien.
Typha latifolia X angustifolia. Liegnitz: Annenwerder (Figert).
Sparganium minimum Fr. Görlitzer Haide: Graupengraben und
andere Waldgräben, Tümpel der Tschirnewiesen (Barber), am Wohlen-See!!
Orchis sambucina L. Strehlen: Hartebusch bei Manze (Kionka);
Reichenbach: Berge zwischen Ober-Peilau und Gierlachsdorf!!
O. mascula L. Canth: zwischen Fürstenau und Proschkenhayn!
O. incarnata L. Wolschina bei Ruhland (A. Schulz); Trachen-
berg im ganzen Inundationsgebiet der Bartsch häufig! (Schwarz).
Platanthera montana (Schm.) Rehb. fil. Görlitz: Niedaer Berge
häufig (Barber).
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 123
Epipaectis palustris (L.) Crntz. Grünberg: Zahner See! (Kleiber);
Strehlen: Bärzdorfer Merzelgruben! (Kruber).
Cephalanthera Xiphophyllum (L. fil.) Rchb, fil. Hirschberg:
um Grunau am Spitzberge!! und in Gebüschen gegen Berbisdorf!!;
Münsterberg: Ober-Kunzendorf (Kionka); Reinerz: am Hummelschloss!!,
hier bei 770 m der höchste Standort. Striegau: Hummelbusch! Nimptsch:
Johnsberg!
Coralliorrhiza innata R. Br. Mühlberg bei Kauffung (Hell-
mann 1883), Bleiberge bei Kupferberg (Ders.).
Helleborine spiralis (L.) Bernh. Lissa Hora gegen Friedland!
(Wetschky).
Liparis Loiselii (L.) Rech. Strehlen: Bärzdorfer Merzelgruben
sparsam! (Kruber), bei Warkotsch nicht mehr.
Gladiolus imbricatus L. floribus niveis mit der gewöhnlichen
an der „Kanone“ bei Reichenbach ©. L.! (Barber), ebenso am Frieders-
dorfer Berge bei Wüstewaltersdorf!, hier auch mit helllila gefärbtem
Perigon (Schröder). — Die f. parviflorus (Berdau) bei Breslau: Hauffener
Wiesen! Neu für Pr.-Schlesien.
Iris sibirica L. Glogau: bei Weidisch! (Runge); Lüben:
Brauchitschdorf auf der Linnichtwiese sparsam! (Figert); Jauer: Schindel-
häuser bei Jägendorf!, Feigenhäuser oberhalb Moisdorf! (W. Scholz);
Canth: zwischen Fürstenau und Proschkenhayn!
Galanthus nivalis L. Schweidnitz: Wilkauer Busch (Schöpke);
Malapaneufer oberhalb und unterhalb Zawadzki! (M. Fiek), Thiergarten;
Kruppamühle bei Keltsch (Frau Apoth. Fröhlich). Schurgast: an der Neisse!
Tulipa silvestris L. Görlitz: Rasenplätze an der kath. Kirche
und am Ständehause verw. (Barber); Breslau: Damm der alten Oder bei
Scheitnig (Kionka),
Gagea arvensis (Pers.) Schult. Görlitz: Wegrand östlich der
Station Moys (Barber).
Anthericum ramosum L. Trachenberg: Kendzie (Schwarz);
Wansen: Niemener Haide! (Kruber); Breslau: zwischen Gr.- und Kl.-
Muritsch (Hieronymus). — v. fallax Zbl.: Silsterwitzer Wiesen!
Allium acutangulum Schrad. Grünberg: Klopsch’ Ziegelei!
(Hellwig); Schweidnitz: Chausseegräben vor Weizenrodau (Schöpke);
Strehlen: Krippitzer und Friedersdorfer Wiesen! und von da vielleicht
verschleppt zahlreich auf Mauern in Friedersdorf! (Kruber); Wansen:
Windmühlenberg bei Kallen! (Ders.).
A. oleraceum L. var, complanatum Fr. Meschberge bei Kontopp!
(Hellwig); Silberberg: am Donjon! (Schöpke).
A. vineale L. Teschen: Bergäcker bei Golleschau (Kotula).
—+ Hemerocallis fulva L. Görlitz: Gebüsch am rechten Neisse-
ufer nördlich Posottendorf (Barber).
124 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Muscari botryoides (L.) DC. Görlitz: gegen Girbigsdorf an der
Ueberbrückung der Berliner Strasse (Barber).
M. comosum (L.) Mill. Schweidnitz: Kl.-Bielau!
Streptopus amplexifolius (L.) DC. Landeck: bei Heidelberg
(Kionka).
Paris quadrifolia L. Breslau: Pilsnitzer Wald, auch häufig
Sblättrig (Kionka). |
Veratrum Lobelianum Bernh. im Eulengebirge am Kalten Plänel
unweit der Ascherkoppe (Schöpke); Landeck: bei Heidelberg und beim
Dorfe Karpenstein (Kionka). Freiwaldau: am Gemärke bis nahe an
Setzdorf hinab!
Juncus filiformis L. Ruhland: Sorgeteiche bei Guteborn!!; Haynau:
zwischen Peiswitz und Knobelsdorf häufig!; Lüben: Linnichtwiese bei
Brauchitschdorf! (Figert); auf der Hohen Eule am Wege nach Euldörfel
(Schöpke).
J. fuscoater Schreb. Ruhland (A. Schulz), z. B. Narwatschteich!!,
Schorlteich!!; Grünberg: Zahner See! (Kleiber); Teschen: westlich der
Station Chybi! (Kotula).
J. capitatus Weigel. Ruhland (A. Schulz); Grünberg: Aecker bei
Öchelhermsdorf! (Schröder). Breslau: Gr.-Nädlitz (1886 Uechtritz).
Trachenberg: Labschütz! (Schwarz).
J. tenuis W. Görlitzer Haide: Revier Glaserberg (Barber); zwischen
Friedeberg, Egelsdorf und Scheibe verbreitet, besonders an der Schwarz-
bach!!, dann zwischen Elsterwalde und Karlsberg!! und häufig um Hartha
bei Greiffenberg!!
J. Tenageia Ehrh. Ruhland (A. Schulz).
Luzula campestris (Z.) DC. in Riesenexemplaren, bis über 40 cm
hoch, bei Droschkau unweit Grünberg! (Kleiber).
L.' angustifolia (WIf.) Geke. Canth: Borganie! Zobten: auf dem
Weinberg!
L. pallescens (Whlbg.) Bess. Grünberg: Kuhwerder bei Bobernig!
(Kleiber). Perigon an den übersandten Exemplaren rothbraun, fast von
derselben Färbung wie bei L. campestris.
Cyperus flavescens L. Malenowice an der Lissa Hora in einem
Quellsumpf! (Kotula). Trachenberg: Labschütz! (Schwarz).
Rhynchospora fusca (L.) R. und Sch. Uhsmannsdorf, Kr. Rothen-
burg; am Wohlen-See in der Görlitzer Haide (Barber)!
Scirpus pauciflorus Lightf. Grünberg: Zahner See (Kleiber),
S. Tabernaemontani Gmel. Glogau: Grabig unweit Quaritz!
(Müllendorf),
8. maritimus L. Strehlen: an der Ohle bei Tschanschwitz und
Friedersdorf (Kruber); Teschen: Darkauer Teiche! (Kotula); Bielitz:
Baumgarten, Ellgoth (Ders.).
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II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 125
S. mucronatus L. Teschen: auf nassen Aeckern und in Gräben
westlich der Station Chybi! (Kotula). Zweiter Standort im Gebiet
und neu für Oestr.-Schlesien. Damit ist eine Verbindung zwischen
dem so entlegenen Trachenberger Vorkommen mit den Standorten in
Süd-Steyermark und Süd-Ungarn festgestellt.
Eriophorum alpinum L. in besonders üppigen, bis 30 em hohen,
Exemplaren an den steilen Abstürzen des Lahnberges gegen den Weiss-
wassergrund (Barber).
E. gracile Koch. Görlitzer Haide: Sümpfe am Wohlen - See!!;
Grünberg: Zahner See! (Kleiber); Strehlen: Bärsdorfer Mergelgruben!
(Kruber).
Carex dioeca L. Grünberg: Zahner See! (Kleiber).
C. cyperoides L. Teschen: feuchte Aecker um die Darkauer
Teiche! (Kotula).
C. chordorrhiza Ehrh. Görlitzer Haide: Tschirnewiesensümpfe
an der Kohlfurter Glashütte (Barber)!!
C. paradoxa W. Haynau: zwischen Reisicht und Eckersdorf
(Figert); Schweidnitz: Torfwiesen bei Eckersdorf! (Schöpke).
C. leporina L. var. argyroglochin (Hornem.) in der Görlitzer
Haide in den Revieren Wohlau und Mühlbock!!; Glogau: Wühleisen!
und Georgendorf! nicht selten an sumpfigen Waldstellen (Figert).
C. elongata L. var. heterostachya Wimm. Friedland: Teiche
bei Hof Göhlenau!! — var. pallida Uechtr. Militsch: Wald vor Goidenowo!
(Callier). Pflanze zwar etwas höher als Uechtritz angiebt, aber sonst
mit seiner Diagnose übereinstimmend.
©. canescens L. var. subloliacea Anders. Görlitzer Haide bei
Kohlfurt und sonst häufig! (Barber).
C. paniculata X paradoxa (C. solstitialis Figert). Liegnitz:
Verlorenes Wasser bei Panten, in zwei Formen! (Figert). Während an
der einen Form die meisten Schläuche verkümmert und die einzelnen
vorhandenen etwas glänzend und deutlich 10 nervig sind, zeigte die
andere in grösserer Anzahl entwickelte Fruchtschläuche; diese sind aber
glanzlos und Nerven nur am Grunde vorhanden.
C. paniculata X canescens (CO. silesiaca Figert). Lüben:
Brauchitschdorf an einer sumpfigen Waldstelle unfern der Ziegelei!
(Figert). Zweiter Fundort im Gebiet.
C. paniculata X remota (ÜC. Bönninghausiana Weihe).
Liegnitz: Bienowitz in den Pfarrerlen, beide Formen! (Figert).
C. canescens X remota (C©. Arthuriana Fig. u. Beckm.)
Schönan: zwischen Hermannswaldau und Reichwaldau an einem Wald-
bache nicht selten! (Figert); Guhrau: im Stadtwalde bei Nieder-Friedrichs-
walde! (C. Scholz).
126 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
C. acuta Fr. var. strictifolia (Opiz) = C. prolixa Fr. Grün-
berg: Wildpark von Pirnig! (Schröder); sehr ausgeprägt in den Torf-
stichen zwischen Warmbrunn und Giersdorf!! — var. fluviatilis Hartm.
Liegnitz: Bienowitzer Bruch, nicht recht ausgeprägt! (Figert).
C. Goodenoughii Gay v. melaena Wimm. [Bojanowo: Grüner
Garten (C. Scholz)].
C. limosa L. Tschirnewiesen an der Glashütte bei Kohlfurt
(Barber)!!; Grünberg: Zahner See! (Kleiber). Die var. stans Bolle im
Schaukelmoor des Hammerteiches!!
C. pendula Huds. Schweidnitz: Bachufer im Birkholzer Busche!
(Seidel); Teschen: im Niebory-Konskaer Walde, Wäldchen bei Piersna
unweit Petrowitz! (Kotula).
C. humilis Zeyss. Strehlen: Lehmberg bei Geppersdorf! (Kruber).
Dritter Fundort im Gebiet.
C. rostrata With. var. brunnescens Anders. Görlitzer Haide:
am Wohlen-See!!; Grünberg: am Zahner See! (Kleiber).
C. montana L. Reichenbach: Berge zwischen Ober-Peilau und
Gierlachsdorf!!; Strehlen: Forstrevier Mehlteuer! (Kruber).
C. rostrata X vesicaria Blytt (C. Friesii Blytt, C. Panne-
witziana Figert). Haynau: bei Reisicht in Torfgräben unfern der
Bahn! (Figert). Zweiter Fundort im Gebiet.
C. riparia Curt. var. humilis Uechtr. Liegnitz: Waldgräben bei
Briese! (Figert). var. gracilescens Hartm. Liegnitz: vereinzelt im Bieno-
witzer Bruch! und bei Briese! (Figert).
C. filiformis Z. Torfsümpfe bei Ruhland (A. Schulz); Bunzlau:
Aslau-Zisken nicht selten! (Figert); mit schwarzbraunen Schläuchen in
den Wohlensümpfen bei Kohlfurt (Barber)!; mit aus Schläuchen heraus-
gewachsenen Aehren bei Reisicht und Birkenfeld, Kreis Haynau! (Figert).
C. filiformis X riparia (C. evoluta Hartm.). Liegnitz: im
Bienowitzer Bruche ausserordentlich häufig, grosse Flächen dicht be-
deckend und die Eltern verdrängend! (Figert).
C. aristata R. Br, var. Siegertiana Uechtr. (als Art) ist die
schlesische Pflanze von Canth zu bezeichnen, seitdem Prof. Ascherson
(Berichte der Deutschen Bot. Ges. 1883, $. 283 ff.) nach Entdeckung
der Inowrazlawer Form (C. aristata var. cujavica Aschs. et Sprib.) be-
wiesen hat, dass sich das Artenrecht derselben der (nordamerikanischen)
Grundform gegenüber nicht mehr aufrecht erhalten lässt.
Phalaris arundinacea L. var. picta (L.) Haynau: Nieder-
Schellendorf an den Quellen der Brocke verw. (Figert).
+ Anthoxanthum Puwelii Lam. et Zecg. Grünberg: Neustadt
auf wüstem Sandacker einige Stöcke! (Hellwig), hier wohl nur ver-
schleppt? — Breslau: Pöpelwitz (Hieronymus).
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II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 127
Oryza clandestina A. Br. Ruhland: Graben nordwestlich von
Guteborn!!; Hainau: in Bärsdorf an der Schnellen Deichsel 1890 häufig
mit vollkommen aus der Scheide getretenen und ausgebildeten Rispen!
(Figert); Hirschberg: Graben am Bahnhofe (M. Fiek), Stonsdorfer unterer
Teich!!
Phleum alpinum L. Eulengebirge: am Kaschbacher Plaenel,
Ascherkoppe (Schöpke). — Eine Form mit verzweigter Aehre an der
grossen Sturmhaube (Pax).
P. Boehmeri Wibel var. interruptum Zabel. Grünberg: Pir-
niger „Gruft‘‘! (Schröder).
Calamagrostis villosa (Vill.) Mutel. (= C. Halleriana DC.).
Schweidnitz: Leutmannsdorfer Wald! (Schöpke).
C. epigea (L.) Rih. var. glauca (Rchb.). Kieferwald bei Bartsch-
dorf, Kreis Guhrau! (Schwarz).
C. neglecta (Ehrh.) Fr. Grünberg: Zahner See! (Kleiber).
Koeleria cristata (L.) Pers. genuina (= K. ciliata Kern.).
Kontopp: Haide links der Obra gegen Lippke! (Kleiber), hier in un-
gewöhnlicher, bis über 1 m steigender Höhe; Silberberg: in den
Festungswerken! (Schöpke).
Aira praecox L. Ruhland: Saum eines Kiefernwäldchens am
Wege nach Guteborn (Ascherson)!
Weingärtneria canescens (L.) Bernh. Schweidnitz: Nitschen-
dorfer Granitsteinbruch, Sandgrube bei Pilzen! (Schöpke).
Holcus mollis L. Breslau: Gross - Nädlitz, gegen Zindel (1886
Uechtritz).
Trisetum flavescens (L.) P. B. Kohlfurt, wohl verschleppt
(Barber); Haynau: Tschechendorf an Wegrändern gegen Straupitz! (Figert) ;
Reichenbach: Gierlachsdorf!!; um Nimptsch häufig!!; Strehlen: Ruppers-
dorfer Wiesen! (Kruber).
Melica uniflora Retz. Schweidnitz: Gebüsche in den Anlagen;
(Schöpke); Reichenbach: Eichberg bei Gierlachsdorf häufig!!
—+ Eragrostis minor Host. Proskau: Seminargarten viel und
völlig eingebürgert! (Richter); Teschen: Wegränder an der Sodafabrik
bei Petrowitz! (Kotula). Breslau: Gr.-Nädlitz (1886 Uechtritz).
P. Chaizi Vill. var. remota Fr. Silberberg: am Blockhause un-
weit des Hahnvorwerks (Schöpke).
P. compressa L.var. Langiana (Rchb.). Grünberg: beim Wald-
schlosss! (Hellwig); Schönau: auf einer Mauer in der Stadt viel! (Figert);
_ Sehweidnitz: Mauern in Nitschendorf! (Schöpke).
Glyceria nemoralis Uechtr. u. Körn. Liegnitz: Bienowitz an
einem quelligen schattigen Abhange! (Figert). Nördlichster Standort.
Dactylis glomerata L. f. flavescens Fig. sehr spärlich bei
Liegnitz: im Bruch bei Sophienthal! (Figert).
128 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Culiur.
Festuca Pseudomyurus Soyer-Will. Liegnitz: Bahndamm zw.
Neuhof und der Zuckerfabrik! (Figert).
F. elatior L. var. pseudololiacea Fr. Guhrau: Saborwitzer
Wäldchen! (C. Scholz).
F. ovina L. a. vulgaris Koch mit gelblich gefärbten Aehrchen
und relativ langen Grannen bei Liegnitz: Brieser Wald! (Figert).
F. heterophylla Lmck. Schweidnitz: Gebüsche bei Käntchen!
(Schöpke).
F. gigantea (L.) Vill. var. triflora Godr. Guhrau: Nieder-
Friedrichswaldau! (C. Scholz).
Bromus mollis L. var. glabratus Döll (v. leiostachys Aut.).
Grünberg: am Zahner See! (Kleiber).
B. erectus Huds. var. laxus Döll. Strehlen: Ruppersdorf in der
Sandgrube! (Kruber).
Elymus europaeus L. Eulengebirge: Steinkunzendorf, Bremer-
koppe, Weigelsdorfer Plaenel, am Blockhause, Strohhaube (Schöpke).
— E. arenarius L. Grünberg: am Wege von Saabor nach Hammer!
(Kleiber). > |
Salvinia natans (L.) All. Teschen: Darkauer Teiche bei Frei-
stadt! (Kotula).
Lycopodium Selago Z. Görlitzer Haide im Revier Rothwasser
(Barber)!; Haynau: Forsthaus bei der Silberquelle mit Z. annotinum!
(Figert). An beiden Orten ziemlich sparsam.
L. inundatum L. Bunzlau: Hahnwald bei Kaiserswaldau! (Figert).
L. Chamaecyparissus A. Br. Grünberg: Haide Sanguisken bei
Zahn! (Förster Altmann und Kleiber).
Equisetum Telmateja Ehrh. Lüben: Gross-Krichen in einem
quelligen Gebüsch am Mäuseberge! (Figert).
E. pratense Ehrh. Grünberg: Laesgen (Ascherson), Cukawe an
einem Wiesenrande! (Kleiber).
E. hiemale L. Malapaneufer oberhalb Zawadzki! (M, Fiek).
Ophioglossum vulgatum L. Grünberg: Halbemeilmühle!, bei
Droschkau und Zahn! (Hellwig).
Botrychium Maitricariae (Schr.) Spr. mit B. matricariaefolium
A. Br. am Aufstieg von der Borowaer Kirche zur Lissa Hora, etwa in
halber Höhe (Kotula),.
Osmunda regalis Z. Haynau: Birkenwald bei Reisicht nördlich
der Eisenbahn, in vielen grossen Stöcken! (Figert).
Aspidium cristatum (L.) Sw. Grünberg: Hoim bei Deutsch-
Kessel! (Kleiber); Haynau: Reisicht beim Familienhause an der Bahn!
(Figert).
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II. Naturwissenschaftliche Abtheilune. 129
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A. montanum (Vogler) Aschs. Görlitzer Haide: alte Hammer-
teichlinie im Revier Mühlbock (Barber); Rothwassergrund im Riesen-
gebirge!!; Teschen: im Trzynietz-Nieboryer Walde (Kotula).
Asplenium septentrionale (L.) Hffm. Felsen am Kleinen Teiche
im Riesengebirge! (W. Scholz); höchster Standort.
A. Ruta muraria L. var. leptophyllum Wallr. Strehlen:
Mauern in Fiedersdorf!, wo auch der var. elatum Lang (1824 — A.
multicaule Presl, 1836 — var. pseudo-Serpentini Milde 1865) nahe kommende
Formen gefunden wurden! (Kruber). Eine bezüglich der Gestalt der
Fiederchen mit letzterer übereinstimmende, aber niedrigere Form bei
Deutsch-Wartenberg: Dach der Schlosskirche! (Hellwig).
An den Vortrag knüpfte der Secretair der Section den Wunsch,
dass die Botaniker unserer Provinz von ihren neuen Funden Belegstücke
auch für die Herbarien der Schlesischen Gesellschaft und der Königl.
Universität einschicken möchten. Hierdurch würden dieselben der
floristischen Erforschung von Schlesien nutzbar werden und nicht unver-=
werthet und ungekannt in Privatherbarien liegen bleiben,
Herr Professor Prantl legte vor:
Exemplare von Acer Pseudoplatanus mit abnormen Früchten.
Die Flügel divergiren. beinahe um 180°, und die Früchte erinnern
dadurch an die von Acer campestre. Ein Gegenstück dazu bildet Acer
complicatum, bei dem die Flügel übereinander greifen,
Herr Bürgerschullehrer Limpricht zeigte
zwei Centurien einer verkäuflichen Sammlung von europäischen Torfmoosen
von C. Warnstorf.
Die Proben sind reichlich und mit ausführlichen Zeichnungen und
Beschreibungen versehen. Eine sorgfältige Untersuchung dieses Materials
würde wohl dazu führen, die jüngst vielfach umstritttene Frage zu klären,
welche Torfmoose als Arten und welche als dazu gehörige Variationen
zu unterscheiden sind.
Hierauf legte Herr Erich Frank
eine Derwischschale (Keschkul) aus Teheran
vor. Dieselbe ist aus der Hälfte der Schale einer maldivischen Nuss
(Lodoicea Sechellarum), der grössten aller Baumfrüchte, gefertigt und wird
von den Derwischen u. A. zum Einsammeln von Almosen benutzt, welche
durch den Ruf: ‚Ja hu!“ (O Er, o Gott) oder „Ja hak!“ (O Wahrheit)
erbeten werden. Ausserdem zeigte Herr E. Frank eine grosse Zahl von
Photographieen aus Persien, welche von dem Lande und dessen Be-
wohnern, den Bauwerken, den Gebräuchen, Geräthen, Waffen, Schmuck
u. 8. w. eine anschauliche Vorstellung geben; sie sind von Dr. Richard
Frank, Dragoman der Deutschen Botschaft in Teheran mitgebracht worden.
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130 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Zum Schluss theilte der Secretair mit, dass auf den Antrag von
Prof. Hieronymus und Dr. Schube Herr Lehrer Hellwig (Grünberg)
in Anerkennung seiner Verdienste um die Erforschung der Flora dieses
Gebietes zum correspondirenden Mitglied: der Gesellschaft ernannt
worden ist. |
In der fünften Sitzung am 12. März hielt Herr Dr. Hugo Fischer
einen Vortrag:
Beiträge zur Morphologie der Farnsporen.
Die Sporen der Farnkräuter besitzen durchweg eine doppelte Membran,
wie die Mehrzahl der Pollenkörner; bei den meisten Farnsporen kommt
jedoch eine dritte hinzu. Die innerste Haut, das Endospor, ist eine sehr
zarte Cellulosemembran. Das darauf liegende Exospor ist eutieularisirt, stark
doppelbrechend, für Flüssigkeiten sehr wenig durchlässig und fast unzer-
störbar ; es besitzt eine oder drei scharf rissförmige Verdünnungen, Keim-
spalten, nach deren Zahl die Sporen in bilaterale (bohnenförmige) und
radiäre (tetraödrische) zerfallen. Die dritte Membran, die nur wenigen
Arten fehlt, das Epispor, ist oft von körniger, mehr oder weniger
undurchsichtiger Beschaffenheit, meist braun gefärbt, in Bau de Javelle
(oft sehr leicht) löslich, in Chromschwefelsäure aber oft erst lange nach
dem Exospor gelöst.
Nach dem morphologischen Verhältniss von Exospor und Epispor
kann man folgende Gruppen unterscheiden:
Ex. glatt; Ep. fehlt: noch kein sicherer Fall beobachtet.
Ex. warzig oder stachlig; Ep. fehlt: Polypodium vulgare, aureum ;
Osmundaceae, Hymenophyllaceae. |
Ex. glatt; Ep. anliegend, mit äusserst zarten, dicht gedrängten, netz-
förmig aneinander schliessenden, vielfach verbogenen und unregelmässig
berandeten Lamellen besetzt, meist schwarzbraun bis schwarz: Arten
von Notochlaena und Cheilanthes.
Ex. glatt; Ep. anliegend, von „‚zelligem‘‘ Bau, ähnlich einer Blatt-
Epidermis: Blechnum Spicant, Oberfläche fast glatt; Aspidium lobatum,
jede „Zelle“ in eine Spitze ausgezogen.
Ex. glatt; Ep. glatt bis schwach körnig: Arten von Blechnum;
Platycerium; Pteridium aquilinum; Adiantum.
Ex. glatt, Ep. flach-warzig, anliegend: Dennstaedtia.
Ex. mit Skulptur, vom Ep. gleichmässig überzogen: Pieris, mit
Warzen oder Netzleisten; Ceratopteris thalictroides mit starken, parallelen
Rippen; Mohria thurifraga, jede Rippe doppelt; Aneimia, alle Rippen mit
langen Stacheln besetzt.
Ex. mit netzförmiger Skulptur und parallelen Leisten; Ep. anliegend,
dunkelbraun, in den Vertiefungen des Ex. äusserst schwach, weshalb die
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II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 131
sehr zierliche Zeichnung dunkel auf hellem Grunde erscheint: Gymno-
gramme Üalomelanos u. a. A.
Ex, glatt; Ep. von ersterem zu glatten, welligen oder zackigen
Kämmen (Struthiopteris; viele Aspidium- und Asplenium-Arten; besonders
hoch bei Acrostichum crassinerve), rundlichen Warzen (Athyrium Filix
femina; Aspidium falcatum, A. Sieboldii) oder hohlen Stacheln (Cystopteris)
abgehoben. Blasige Abhebungen, siebartig durchlöchert, finden sich bei
Phegopteris Dryopteris; ähnliche, auf langen Stäbchen stehend, bei Athyrium
umbrosum.
Ex. glatt; Ep. anliegend, mit Stacheln oder schmalen Kämmen be-
setzt, letztere meist netzförmig durchbrochen: Aspidium Thelypteris;
A. noveboracense; Scolopendrium officinarum.
Herr Prof. Ferdinand Cohn legte vor: drei Exemplare von
Cynomorium coccineum, der einzigen europäischen Balanophoracee, von
denen zwei aus Trapani auf Sieilien, das dritte grösste aus Malta
stammten; sie waren von Herrn Platania in Acireale (Sieilien) durch
gütige Vermittlung des Herrn Prof. Borzi in Messina für das Botanische
Museum eingesendet worden. Der intensiv rothe Farbstoff, welcher
diesem merkwürdigen, auf den Wurzeln verschiedener mediterraner
Sträucher schmarotzenden Parasiten, der früher als Malteserpilz, Fungus
melitensis, officinell war, seinen Speciesnamen verschafft hat, ist in Wasser
und Alkohol löslich, von dem gewöhnlichen rothen, im Zellsaft von
Wurzeln, Stengeln und Blättern gelösten Farbstoff, Eryihrophyli, ganz
verschieden, wie sein Verhalten gegen Säuren und Ammoniak beweist;
er verdient eine genauere Untersuchung.
y Herr Apotheker Krull hielt einen Vortrag
Ueber den Zunderschwamm (Polyporus fomentarius) und die Weissfäule
des Buchenholzes.
Obwohl der Zunderschwamm den schädlichsten Parasiten unserer
Waldbäume beigerechnet werden muss, ist seine Entwickelung und
Lebensweise noch wenig erforscht. Die bezüglichen Untersuchungen
beschränken sich auf eine Beschreibung des Fruchtkörpers und dessen
Herrichtung zu einem brauchbaren Material für chirurgische Zwecke.
Rostrup allein hat den Zersetzungserscheinungen, die das Mycel des
Pilzes im Holze hervorruft, einen kurzen Artikel in der „Tidsskrift for
Skovbrug“ VI gewidmet.
Um die biologischen Verhältnisse unseres Pilzes eingehender studiren
zu können, ist es unbedingt nothwendig, Studien an ganzen kranken
Bäumen zu machen, um einmal den Infeetionsherd und den Verlauf der
Infection festzustellen, und andererseits das Mycel, dessen Wachsthum
ein polymorphes ist, in seinen verschiedenen Entwickelungsphasen sicher
aufzufinden. Die Infectionsstelle selbst lässt sich schwer erkennen. Die
9*
132 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Ansteckung erfolgt wohl meist durch äussere Wunden der Stämme, die
gelegentlich durch Abbruch von Aesten, Baumschlag, Rindenabschür-
fungen, Wildverbiss, Blitzschlag oder andere Verletzungen entstehen.
In diesem Falle gelangen also die Sporen des Fruchtkörpers durch
die erwähnten Wundstellen in das Holz, keimen, falls die Verhältnisse
günstig sind, aus und entwickeln sich zu einem dicht verflochtenen
Mycel, welches in Gestalt breiter lederartiger Bänder Spalten des Holz-
körpers, sogenannte Waldrisse, ausfüllt, die sich besonders bei älteren
und alten Buchen beim Schwinden des Holzes bilden. An den äussersten
jüngsten Theilen hat dieses Mycel gallertartige Beschaffenheit. Wahr-
scheinlich kommt diesem Gallertmycel die Function zu, durch seine
Quellungsfähigkeit mit molekularer Kraft dem nachfolgenden Bandmycel
den Weg zu bahnen. |
Das Gallertmycel ist anatomisch hoch entwickelt und lässt auf dem
Querschnitt bereits mit blossem Auge eine weisse Mittelschicht, aus
pseudo - parenchymatischem Gewebe bestehend, erkennen, die seitlich
von je einer stärkeren durchscheinenden Schicht begrenzt wird. Letztere
besteht aus rechtwinklig zur Mittelschicht verlaufenden, eng nebeneinander
gelagerten, spindelförmigen, röhren- oder sackartig aufgetriebenen Zellen,
von denen einzelne Querwände haben. Die Zersetzung des Holzes erfolgt
von dem anfangs erwähnten Bandmycel aus. Von diesem dringen zahl-
reiche sehr feine, reichlich verzweigte Hyphen in das gesunde Holz ein,
Ueberall da, wo diese Pilzfäden das Holz durchziehen, verwandeln sie
dasselbe in eine weissgelbe, wenig Widerstand leistende, leicht zerreib-
liche Masse.
Solches als weissfaul bezeichnetes Holz ist für technische Ver-
arbeitung völlig unbrauchbar. Die Weissfäule entsteht dadurch, dass
der Pilz dem gesunden Holze diejenigen Stoffe entzieht, die er zu seiner
eigenen Entwickelung als Bau- und Bildungsstoffe verbraucht. Das ge-
sunde Holz wird von dem kranken durch eine schwarzbraune schmale
Zone, die Demarkationslinie, abgegrenzt. Durch das Fortschreiten dieser
Linie wird auch die Zersetzung des gesunden Holzes angezeigt. Die
Braunfärbung der Grenze wird durch die Bildung von Tannomelan-
säure hervorgerufen. Wenigstens verhält sich ein wässriger Auszug
der Demarkationsliniie chemischen Agentien gegenüber wie Gallus-
gerbsäure,
Auszüge aus dem gesunden und aus dem weissfaulen Buchenholz
zeigen bei gleicher Behandlungsweise verschiedenes Verhalten, besonders
Eisenoxydsalzen gegenüber. Die Aschenanalysen ergaben im Durch-
schnitt folgende Resultate: gesundes Holz 0,3 %%,, weissfaules Holz 1,3 %,
Bandmycel 1,5 °,, Fruchtkörper 2 %, Asche,
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D II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 133
Vortragender verwies auf seine demnächst erscheinende Abhandlung,
die sich in eingehender Weise in botanischer und chemischer Beziehung
mit diesem Thema beschäftigt.)
Schliesslich legte Prof, Ferdinand Cohn
vier Exemplare von Cynomorium coccineum
vor, von denen das grösste fast 25 cm lange aus Malta, die kleineren
nur halb so grossen aus Trapani (Sieilien) stammten; dieselben sind
durch gütige Vermittelung des Professor Borzi in Messina von Signor
G. Platania in Acireale für unser Botanisches Museum geschenkt worden.
Dieser merkwürdige Parasit, die einzige Balanophoracee der Mittelmeer-
länder, und eben deshalb ein Fremdling in der europäischen Flora, viel-
leicht ein Reliet aus einer früheren geologischen Epoche, ist nicht blos
auf mehreren Inseln (Canaren, Sardinien, Sicilien, Malta u. s. w.), sondern
auch in Spanien, Algerien bis Palästina und Arabien an den Wurzeln
verschiedener Sträucher schmarotzend in der Nähe des Meeres, und selbst
an Salzseeen Centralasiens nachgewiesen, seine Organisation vonWeddell,
Arch. du Musee X. p. 269. 1861, die Art und Weise des Parasitismus
neuerdings durch U. Martelli, Malpighia V. 3. 1891 klargelegt worden;
vergleiche auch Engler, Balanophoraceae in „Engler und Prantl,
-Pflanzenfamilien“ 35 Lief. S. 243 seq. Eigenthümlich ist der karmin-
rothe Farbstoff in den Zellen der dunkelbraunrothen Pflanze, der der-
selben, wegen der Aehnlichkeit mit Blut, in früheren Zeiten eine Ver-
wendung als blutstillendes Mittel (fungus melitensis Officinarum) ver-
schaffte; er ist in Wasser und Alkohol leicht löslich, aber von dem
gewöhnlichen rothen Farbstoff der Blätter, Blüthen und Früchte (Erythro-
phyll, saures Anthocyan) ganz verschieden, wie sein sehr eigenthümliches
Verhalten gegen Säuren und Ammoniak beweist; eine genauere Unter-
suchung desselben ist sehr wünschenswerth.
In der sechsten Sitzung vom 29. October gedachte der
Secretair der Section der in den letzten Wochen dahingeschiedenen
Botaniker, welche der Schlesischen Gesellschaft als Ehren- und correspon-
dirende Mitglieder angehört hatten: C. v. Naegeli in München, Leopold
Just in Karlsruhe, Hermann Hoffmann in Giessen.
| 2!) Nachträgliche Untersuchungen während des Sommers 1891 haben ergeben,
dass eine Infection der Buchen von der Wurzel her ausgeschlossen ist. Das Vor-
dringen der Weissfäule in die unterirdischen Organe lässt sich an starken
Wurzelästen bisweilen mehrere Meter weit verfolgen. Auch hier findet sich, wie
im Stamme, in geringer Entfernung von der Grenze des vordringenden Band-
mycels das Gallertmycel, so dass die Annahme einer vom Infectionsheerde aus
etwa durch einen abgebrochenen Ast, gleichmässig im Stamme nach oben und
unten verlaufenden Ausbreitung des Pilzes sehr wahrscheinlich ist.
134 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Hierauf machte derselbe Mittheilung von den Untersuchungen des
Lehrer Bruno Schröder-Ochelhermsdorf bei Grünberg
Ueber schlesische Algen und Characeen.
Herr Schröder, der durch Apotheker Sonntag (früher in Wüste-
waltersdorf, jetzt in Berlin) zu eifrigem Studium der Diatomeen und
anderer Algen angeregt worden war, hat in der Grünberger Gegend eine
grosse Menge interessanter Algen, namentlich Desmidiaceen, aufgefunden,
und auch für die Charenfamilie zahlreiche neue Fundorte entdeckt. Eine
Auswahl seiner Funde, zugleich mit den von Dr. Migula (Karlsruhe
i. B.) aufgefundenen schlesischen Charen wurde vorgelegt.
Von sonstigen neuen Funden des Herrn Schröder sind Hieracium
echioides und Pilularia bei Ochelhermsdorf, und Ulex bei Wüstewalters-
dorf zu erwähnen,
Prof. Ferdinand Cohn hielt einen Vertrag:
Pflanzengeographische Bemerkungen über die Flora von Danzig.
Vortragender knüpfte an seine 1860 in der Bot. Section mitgetheilten
Studien „Ueber den Ursprung der schlesischen Flora“ (l. ec. $. 110) an.
Damals war Vortragender von der Hypothese ausgegangen, dass seit
der quaternären Zeit das schlesische Bergland, welches damals schon
im wesentlichen dasselbe Relief in Gebirgen und Thälern entwickelt habe,
wie noch heutzutage, auch im Klima seitdem nie wesentliche Ver-
änderungen durchgemacht habe; es sei daher anzunehmen, dass auch die
Flora des Gebirgslandes, die alpine sowohl als auch die der niedrigeren
Berge und Thäler, seit jener Zeit nicht wesentlich sich verändert habe,
wenn auch diese Flora in noch früherer Zeit von verschiedenen Aus-
gangspunkten, von den Alpen, den Karpathen und selbst aus dem
arktischem Gebiet in das schlesische Gebirge eingewandert sein muss.
Dagegen war die schlesische Ebene in der Diluvialzeit, wie nach der
damals herrschenden Drifttheorie allgemein angenommen wurde, vom
Meere bedeckt, und schwimmende Eisberge liessen die skandinavischen
Geschiebeblöcke mit daran haftenden Flechten, Moosen und Felsen-
pflanzen bis an den Fuss des Gebirges und selbst bis in die Thäler von
Hirschberg und Waldenburg stranden. Als das Diluvialmeer sich all-
mählich bis an den Rand der heutigen Ostsee zurückzog, wurden zuerst
die höheren Theile der Ebene, der Tarnowitz-Trebnitzer Landrücken
und einzelne Hügel trocken, und von dem nahen Gebirge aus besiedelt,
während erst zu allerletzt die Flussthäler der Tiefebene, insbesondere das
Oderthal, vom Wasser verlassen wurden; hier wanderte allmählich eine
Mischflora ein, welche theils aus dem Berglande herabstieg, zum Theil
aber auch von anderen Ausgangspunkten in Nord, Süd, Ost und West
eindrang; ein Theil dieser Alluvialflora wurde erst mit und durch den
Menschen eingeführt.
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 135
Nachdem seit der Veröffentlichung jenes Aufsatzes die Drifttheorie
durch die Annahme einer wiederholten allgemeinen Eisbedeckung von
Mitteleuropa, und so auch der schlesischen Ebene, verdrängt worden ist,
bedürfen jene Untersuchungen über den Ursprung der schlesischen Flora
einer Revision. Indessen behalten die von dem Vortragenden damals
hervorgehobenen Verschiedenheiten zwischen der Vegetation der Tief-
ebenen, die im allgemeinen das Alluvium bewohnt, und der höheren
Ebene, die zum grössten Theil auf Diluvialboden lebt, noch immer ihre
Geltung; sie lassen sich nur auf palaeohistorische Ursachen, d. h. auf
Einwanderung in verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen Ausgangs-
punkten zurückführen.
In noch ausgeprägterem Maasse, als in Schlesien, treten diese Unter-
schiede in der Flora von Danzig entgegen, in die Vortragender während
der ersten Hälfte des August d. J. unter Führung seiner Freunde und
früheren Schüler, der Professoren Bail und Conwentz, einen Einblick
- erhielt.
Während die Südküste der Nordsee, von Cuxhaven bis Calais, sich
nur ganz allmählich erhebt, so dass sie grösstentheils zur Fluthzeit unter
Wasser gesetzt werden würde, wenn sie nicht durch Dünenketten und
Deiche eingedämmt wäre, steigt gegen die Ostsee das Festland meist
sofort, bis 100 Meter und darüber, empor, und stellt ein Plateau dar,
dessen südliche Abdachung in Pommern und Westpreussen gegen die
Netze und Warthe abfällt. Die Oberfläche dieses Plateaus ist aber nicht
eben, sondern besteht aus Höhenzügen, die sich bis zu 200, ja bis über
300 Meter erheben, und von tief eingeschnittenen Thälern und Schluchten
durchzogen sind; diese sind oft durch langgestreckte Seen ausgefüllt,
welche durch Flussläufe kettenartig verbunden sind und durch diese in
die Weichsel oder Netze sich ergiessen,. Nach der Ostsee hin fällt
dieses Plateau meist in steilem Abfall, so dass es, obwohl aus Sand be-
stehend, doch nicht selten in Klippen oder stattlichen Vorgebirgen ab-
stürzt. Dieser Steilkante ist ein mehr oder minder breites Vorland
vorgelagert, der eigentliche Strand (im Englischen ‚the strand“, im
Gegensatz zur „beach“; im Französischen „la plague“, im Gegensatz zu
„la falaise‘‘; im Deutschen fehlen die entsprechenden Bezeichnungen;
nur in den Östseeprovinzen wird der Steilabfall des Oberlandes als Glint
bezeichnet). In Zoppot, wie überhaupt in einem grossen Theil der Ost-
seeküste besteht der Strand bis an den Rand der See und in diese weit
sich hinein senkend aus feinem Sand, auf den die Wellen unaufhörlich
grosse Massen von Seetang auswerfen, so dass sich ein schmaler Saum
solcher ausgeworfener Tangmassen bildet, die sich auch im Wasser
selbst in Furchen des Sandgrundes ablagern. Die Menge des von der
See ausgespülten Tangs schien mir erheblich grösser, als z. B. an der
Holländisch -Belgischen Nordseeküste. Die Hauptmasse bildet Fucus
136 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
vesiculosus in mehreren, blasentragenden und blasenlosen Varietäten, an
Grösse den Nordseeformen kaum nachstehend, obwohl der Salzgehalt
der Danziger Bucht (0,7%,) kaum '/, von dem der Nordsee beträgt;
nächst ihm, und ebenso häufig und kräftig entwickelt Ceramium rubrum
und Enteromorpha.
Die übrigen Algen der Danziger Bucht, deren Zusammenstellung
Dr. Lakowitz übernommen, finden sich mehr zerstreut in diesen Aus-
wurfsmassen. Da alle diese Algen ursprünglich auf Steinen festgesessen
haben müssen, so wird angenommen, dass ihr eigentlicher Standört die
Gerölle und Findlingsblöcke sind, die sehr zahlreich auf dem Meeres-
srunde in der Nähe der Küste lagern; dagegen vegetirt die ebenfalls
massenhaft ausgeworfene Zostera marina und nana mit ihren Wurzel-
stöcken im Sandgrunde selbst.
Unmittelbar an den Tangsaum, der die See einfasst, schliesst sich
ein mehr oder minder breiter, von Halophyten besetzter Sandstreifen;
es sind die nämlichen Arten, wie an der Nordsee: vor allem die
graugrünen Dünengräser; Ammophila arenaria, Elymus arenarius, Triticum
junceum, sowie Carex arenaria; Ammophila ist häufig von einer Ustilaginee
befallen und zeigt dann auffallend hohe, bleiche Stengel. Den Dünen-
gräsern gesellen sich Honkenya peploides, Spergularia salina, Glaux maritima,
Cakile maritima, die zierliche Linaria odora, die häufig Pelorien bildet,
die purpurfarbige Viola tricolor, var. maritima; dann die Chenopodiaceen:
Salicornia herbacea, Salsola Kali, Obione pedunculata, Corispermum inter-
medium, und die maritimen Arten von Atriplex, Juncus, Plantago und andere:
Eryngium maritimum und Aster Tripolium sind die Zierden dieser Strand-
flora; dass dieselbe trotz des geringen Salzgehalts der Danziger Bucht
an kräftigem Wuchs der maritimen Vegetation der Nordsee anscheinend
nicht nachsteht, kann weniger auffallen, da durch die stets erneute
Durchtränkung des Sandes mit Seewasser sich in diesem grössere Mengen
Kochsalz anhäufen mögen.
Die eigentliche Halephytenzone, die oft nur wenige Meter breit
ist, geht ohne scharfe Grenze über in ein wenig ansteigendes, aber durch
Anschwellungen und Vertiefungen unebenes, theils sandiges, theils
mooriges Gebiet, die sogenannten Strandwiesen. |
An vielen Stellen ist dasselbe reich an Wasser, das in kleinen,
von Phragmites eingefassten Strandbächen zur See fliesst; es zeigt dann
eine ganz überraschende Ueppigkeit des Pflanzenwuchses, unter dem
besonders die zahlreichen Leguminosen auffallen (Melilotus-, Medicago-,
Ononis-, Lotus-, Trifolium-Arten). Das kräftige Gedeihen dieser kalk-
holden Pflanzen auf reinem Sandboden erklärt sich wohl aus der grossen
Menge von Muschelschalen (Cardium, Mytilus), die die See auswirft. Im
Allgemeinen aber tragen diese Strandwiesen eine von unserer deutschen
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II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 137
Wiesenflora abweichende Physiognomie, indem sich auf ihnen eine grosse
Zahl von Arten vereint finden, die wir bei uns ausschliesslich oder doch
vorwiegend im Gebirge anzutreffen gewohnt sind. Die trockneren Theile
dieser Strandwiesen sind Heiden (Ericeta); doch gesellt sich der gemeinen
Calluna auch Erica Tetralix. Isländische und Rennthierflechte bedecken
weite Flächen; gemein ist Empetrum; Salix repens zeigt krautige Zwerg-
form oder wird strauchig. Zahlreich sind die Farne (darunter Aspidium
lobatum, Osmunda, Polypodium, Blechnum; auch Lycopodium, Ophioglossum
und sämmtliche Arten von Botrychium). Besonders interessant ist die
Flora der sumpfigmoorigen Vertiefungen; hier herrscht Sphagnum mit
Drosera, Pinguiceula, Parnassia, Oxycoccus, Vaccinium uliginosum, Lycopodium
inundatum; auch Myrica und Ledum, Comarum und Hydrocotyle, Scheuchzeria
und Triglochin; hier finden wir aber auch Hipphopkäe, Thalietrum aquilegi-
folium, Primula farinosa, Linnaea borealis, Saxifraga Hirculus, Archangelica,
Polemonium, Cladium Mariscus, Rubus Chamaemorus, Epimedium alpinum ;
unter den Orchideen Platenthera viridis, Liparis Loeselü, Listera cordata,
Malaxis, Epipaetis rubiginosa, Corallorhiza, denen sich Gladiolus imbricatus
anschliesst, Zählen wir hierzu noch die in nicht weiter Entfernung vor-
kommende Cornus suecica, so erhalten wir ein Vegetationsbild von höchst
charakteristischer Zusammensetzung, das uns weniger deutsch als scandi-
navisch anmuthet, aber auch in den Bayrischen ‚„Moosen“ sich in den
Hauptzügen wiederholt. Ueberraschend war es für mich, in dem Espen-
krugsee bei Danzig die mir vorher nur aus dem grossen Teich unter
der Schneekoppe, und vom Titisee unter dem Feldberg des Schwarz-
walds bekannten Isoetes-Aarten wiederzusehen, kaum eine Meile vom
Seestrand entfernt; Isoetes wird hier gemeinsam mit Litorella locustris in
Menge am Ufer des Sees ausgeworfen, an dem das grünlich blühende
Heracleum Sphondylium var. conforme — sibiricum L., das bei uns auch
nur im Gebirge sich findet, aber auch Ranunculus reptans L. neben
Flammula vorkommt; die schöne Lobelia Dortmanna ist jetzt nur in
einiger Entfernung von Danzig zu finden.
Das Vorkommen einer grösseren Anzahl subalpiner oder subarctischer
Pflanzen in unmittelbarer Nähe des Meeres, das sich ja längs der ganzen
Südseite der Ostsee bis nach Mecklenburg und Holstein wiederholt, ist
gewiss nicht auf klimatische Ursachen zurückzuführen. Denn wenn auch
Danzig in gewissem Grade des Seeklimas theilhaft ist (kühlere Sommer,
mildere Winter, späterer Beginn des Frühlings u. s. w.), so ist doch
die mittlere Jahrestemperatur (7,76°) von der des 3° 14° südlicher ge-
legenen Breslau (7,97°) nicht wesentlich verschieden, ebenso zeigen die
einzelnen Jahreszeiten: Winter in Danzig — 0,81 (in Breslau — 1,65°);
Frühling 5,97° (7,48%); Sommer 17,02° (17,45°); Herbst 8,56° (8,58°)
nur geringe Abweichungen. Dass die Winter in Danzig milder sind als '
in Breslau, beweist u. a. auch der üppige Baumwuchs im Park des alten
138 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Klosters Oliva, das seine hundertjährigen Alleen noch zum grossen Theil
erhalten hat, und wo insbesondere viele ausländische Coniferen (Abies
Nordmanniana) sich durch ungewöhnliche Grösse auszeichnen; Wellingtonia
gigantea, die in einem sehr grossen Theile von Deutschland, bis nach
Tübingen und Strassburg, dem Winter 1890/91 zum Opfer fiel, ist hier,
wenn auch nicht ohne Schaden, doch mit dem Leben davongekommen,
Auf keinen Fall ähnelt das Klima von Danzig dem der Hochgebirge
oder dem subarctischen; es kann daher das Auftreten von Pflanzen jener
Gebiete nur aus geologisch-historischen Ursachen, d. h. durch Einwan-
derung aus dem Norden erklärt werden.
Wenden wir uns nun von der Flora des Alluvium ab, welche den
Strand bewohnt, wobei wir von der Vegetation des Weichseldelta,
als einer in relativ junger Zeit entstandenen und besiedelten, heut fast
sanz von der Cultur eingenommenen Flussanschwemmung, sowie von
den Ballastpflanzen der Hafenplätze absehen, und vergleichen wir die Flora
des meist in steilem Abfall gegen die Küste aufsteigenden diluvialen Ober-
landes, so bietet dieses in seinen Berghöhen, Thalmulden und Schluchten
eine Abwechselung zwischen dem sterilsten Sandboden und fruchtbarem
Feld-, Wald- und Wiesengrund. Es ist weithin mit Wald bedeckt,
wo Kiefer und Buche, in allerkräftigstem Gedeihen untereinander ge-
mischt, noch heute den Kampf ums Dasein fortführen, der in den Dänischen
Inseln längst durch Ausrottung der Kiefer zu Gunsten der Buche ent-
schieden ist. Dagegen fehlen Fichte und Tanne; Hainbuche, Eiche,
Birke, Espe, Erle u. a. mischen sich in den Buchenwald; Weachholder,
Geisblatt, Hasel bilden das Unterholz; Schneeball, Brombeere, Hunds-
rose und Berberize wachsen am Wealdsaume, und die krautige Flora
dürfte von der der mitteldeutschen Wälder nicht wesentlich verschieden
sein, und nur vereinzelte Arten des Bergwaldes aufweisen (Bupleurum
longifolium, Laserpitium latifolium, Pleurospornum austriacum u. a.). Wir
können wohl annehmen, dass die Flora des diluvialen Höhenrückens am
Schluss der Eiszeit aus Mitteldeutschland eingewandert ist, während im
alluvialen Strandgebiete ein erheblicher Procentsatz von Pflanzen sich
angesiedelt hat, die vom Nordrande der Ostsee einwanderten.')
!) Vielleicht gehört zu diesen auch die von mir als Rivularia fluitans ad int.
bezeichnete Alge, die zwar von Flahault und Bornet nur als Form zu
Gloetrichia Pisum gezogen wird; doch ist meiues Wissens im centralen Europa
eine Rivulariacee noch niemals als Wasserblüthe beobachtet worden, wohl aber
häufig am Süd- wie am Nordrande der Ostsee (Schweden, Südküste des Finnischen
Meerbusen, Hinterpommern, Mecklenburg); vielleicht lassen sich auch die Standorte
von Schottland (Aberdeen), England (Shropshire) und Minnesota (N.-Am.) auf sub-
arktischen Ursprung zurückführen.
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II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 139
In der siebenten Sitzung vom 12. November legte Herr
Professor Stenzel
zwei keimlose Dattelkerne
vor.
Wir sind gewöhnt anzunehmen, dass die Fruchthülle nur der von
ihr umschlossenen Samen wegen da sei; sie soll die aus dem zarten
Eichen erst heranwachsenden Samen schützen, hier und da zur Ver-
breitung der reifen Samen beitragen. Es hat daher immer etwas Ueber-
raschendes, wenn die Eichen sich gar nicht zu Samen entwickeln und
doch die Fruchthülle sich ausbildet, wie das u. a. bei den Sultanrosinen
und seit undenklichen Zeiten bei den angepflanzten Bananen geschieht,
welche allein durch Sprossung aus dem grundständigen Stamme sich er-
halten und vermehren. In einem ähnlichen Verhältniss steht die Samen-
schale nebst dem von ihr oft umschlossenen Endosperm zum Keim. Beim
Dattelkerne ist der hornartige Eiweisskörper, welcher den bei weitem
grössten Theil dieses Samens bildet, erweislich zur Ernährung der jungen
Pflanze da; denn es wird durch die bei der Keimung in ihm stecken-
bleibende und sich stark ausbreitende Spitze des Keimblatts so ausgesaugt,
dass der anfangs harte Kern später leicht mit den Fingern breit gedrückt
werden kann. Gleichwohl hat es sich ebenso wie die dünne braune
Samenschale vollständig auch in den vorgelegten Kernen entwickelt,
welchen jede Spur eines Keimes fehlt. Die Stelle, an welcher dieser
bei den gewöhnlichen Dattelkernen in einer kleinen Höhlung des Ei-
weisses dicht unter der Samenschale liegt, ist schon aussen auf dem der
Längsfurche gegenüber liegenden Rücken des Samens durch eine zier-
liche Ringfurche kenntlich. Zwei andere Samen, an welchen diese
fehlte, sind vom Vortragenden, der eine durch Abschaben, der andere
durch Zerschneiden in dünne Scheiben in allen Theilen durchsucht wor-
den, ohne dass an irgend einer Stelle ein Keim gefunden worden wäre.
Dass eine Anlage zu einem solchen vorhanden sei, sich aber erst nach
der Aussaat entwickeln sollte, wie etwa bei den winzigen Samen des
Fichtenspargels oder denen der Orchideen, daran ist hier freilich nicht
zu denken. Immerhin würde es, wenn ferner solche Dattelkerne gefun-
den werden sollten, nicht ohne Interesse sein, dieselben auszusäen, um
auch auf diese Weise ihre Keimlosigkeit festzustellen, da meines Wissens
sonst gut entwickelte, nur keimlose Samen bis jetzt noch bei keiner
Angiosperme beobachtet worden sind.
Herr Professor Dr. Prantl sprach
über die Grundzüge des Farnsystems.
Wie bei den Phanerogamen die Blüthenmorphologie die Grundlage
des natürlichen Systems gegeben hat, so scheinen auch bei den Pterido-
phyten Stellung, Bildungsweise und Zusammensetzung der Sporangien
140 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
oder besser der Sori berufen zu sein, uns eine tiefere Erkenntniss des
systematischen Zusammenhanges der einzelnen Farn-Gruppen zu ermög-
lichen. Vergleichende Untersuchungen führten den Vortragenden dazu,
diejenigen Farne für die primitivsten anzusehen, welche ihre Sori auf
den Endigungen der Blattnerven, bezüglich der von diesen durch-
laufenen Blattstrahlen tragen, also die Hymenophyllaceen und die Schizae-
aceen. Erstere haben „polyangische“, diese ‚„monangische‘‘ oder
„diangische‘‘ Sori. An diese primitiven Formen würden sich dann die
Farne, bei welchen die Sori auf die Blatifläche (obere oder untere)
übergreifen, anschliessen, ebenso die Lycopodinen aber auch die Cyeadeen
(Cyeas) und die Angiospermen. Die übrigen Gymnospermen sind in Folge
ihrer complieirteren Blüthenbildung schwieriger anzureihen.
Für die praktische Ausgestaltung des Farnsystems wichtiger sind
folgende Punkte:
a. Entwickelungsgeschichte der Sporangien. Dieselben entstehen bald
aus einer Zelle, bald aus einem Zellcomplex, und hiernach hat
Göbel die Farne in „leptosporangiate“ und „‚eusporangiate‘ einge-
theilt. Aber die Osmundaceen, welche, obgleich leptosporangiat,
ihre Verwandten bei den Eusporangiaten haben, setzen den Werth
dieses Fundamentum divisionis herab.
b. Ausbildung des „Ringes“ an den Sporangien. Derselbe ist ent-
weder vertical oder horizontal oder auch nur undeutlich ausge-
bilde. Von wesentlichem Interesse ist die Frage, welche der
anfänglichen Sporangialwandzellen sich an der Bildung des Ringes
betheiligen, ob nur die Kappenzellen oder auch die seitlichen
Wandzellen.
c. Gestalt des Sporen. Dieselben sind entweder tetra&drisch oder
bilateral, und zwar sind diese Formen, sehr seltene. Ausnahmen
abgerechnet, für ganze Gruppen constant.
d. Haarbildungen. Dieselben stellen entweder einzelne Zellreihen
(Pili) oder Zellflächen (Paleae) dar.
Danach gruppiren sich die echten Farne folgendermaassen:
A. Ring longitudinal:
Hymenophyllaceen, polyangisch, Sori am Blattrand, Haare
aus Zellreihen, Sporen tetra&@drisch.
Cyatheaceen, ebenso, aber Sori auch auf der Blattunterseite,
auch Paleae vorhanden.
Polypodiaceen, wie die Cyatheaceen, aber Sporen auch
bilaterial; Ring vollständig.
- B. Ring transoersal am Scheitel:
Schiazeaceen, moo- oder diangisch, Sori randständig, Sporen
tetra@drisch und bilateral, Pili und Paleae,
m—-—-‚,. m
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 141
Gleicheniaceen, polyangisch, Sori auf der Blattunterseite,
Paleae, Sporen tetra&drisch und bilateral.
€. Kein deutlicher Ring vorhanden.
OÖsmundaceen, monangisch, Sori allseitig auf Blattstrahlen,
welche seitlich stehen, Pili, Sporen tetra&@drisch.
Ophioglossaceen, monangisch, Sori randständig, Pili, Sporen
tetra&drisch. |
Marattiaceen, polyangisch, Sori auf der Blattunterseite,
Paleae, Sporen tetra&@drisch.
Salviniaceen, poly- und monangisch, Sori randständig, Pili,
Sporen tetraödrisch.
Marsiliaceen, polyangisch, Sori auf der Blattoberseite, Pili,
Sporen tetra&drisch.
Der Secretair legte vor eine Abhandlung des Dr. Alfred Schober,
Assistent an der Technischen Hochschule zu Karlsruhe (Baden):
Das Xanthorrhoeaharz, ein Beitrag zur Entstehung der Harze.
Die Frage nach der Entstehung des Harz wird von Chemikern und
Botanikern verschieden beantwortet; erstere setzen ätherisches Oel als Aus-
gangspunkt, letztere im Allgemeinen Stärkekörner oder die Zellwand.
Die Untersuchung eines Xanthorrhoeaharzes hat folgendes Ergebniss ge-
habt. Zuerst war es möglich, da die Untersuchungsobjeete noch nicht
völlig verharzt waren, die Anatomie, welche vorher schon Wiegand
(Desorgan. d. Pflanzenzelle, Pringsheim Jahrb. 1863) und Wiesner
(Rohst. d. Pflanzenreichs) beschrieben haben, richtig zu deuten. Es ist
ein Verdiekungsring vorhanden, welcher nach innen secundäre Gefäss-
bündel, nach aussen Parenchymzellen abscheidet, die des weiteren in den
Selerenchymzellen übergehen. Wiegand und Wiesner beschreiben
in den Selerenchymzellen braune Harztropfen, und ersterer behauptet,
dieselben seien durch Verflüssigung der Membran entstanden. In den
untersuchten Harzstücken waren auch die Parenchymzellen von Tropfen
erfüllt, aber von greller Farbe. Sowohl ihrer Morphologie nach’ als
auch ihrem chemischen Verhalten nach liess sich ein Zusammenhang mit
den braunen Harztropfen in den Sclerenchymzellen feststellen, sodass die
Verharzung nicht von den Membranen, sondern von den gelben
Tropfen ausgeht. In gelben wie in braunen Tropfen wurden durch
Aetherreaction besonders drei Bestandtheile ermittelt: einer, der sich auch
durch andere Reactionen, insbesondere Destillationsversuche als ätherisches
Oel erwies einer, der die gelbe oder braune Farbe bedingt und schon,
als Harz angesprochen werden muss, und drittens eine Hülle, die ihrem
Verhalten nach Eiweiss ist. Die gelben Tropfen liessen sich bis in die
Zellen des Verdickungsringes verfolgen, woselbst sie immer kleiner und
heller werden und von den dort vorhandenen Stärkekörnern kaum zu
142 Jahresberieht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
unterscheiden sind. Jod- und Alkoholreaetionen halten auch dort beide
Gebilde auseinander. Ob diese kleinsten Gebilde. aus welchen die
grösseren gelben und braunen Tropfen durch Zusammenfliessen entstan-
den sind, aus Stärkekörnern hervorgehen oder selbständig in der Zelle
entstehen, muss eine Untersuchung an frischem Material lehren.
Vergleiche die ausführliche Darstellung dieser Untersuchungen in
der von Dr. Alfred Schober in den Verhandlungen des Naturwissen-
schaftlichen Vereins zu Karlsruhe, Bd. 11, 1892, veröffentlichten Ab-
handlung: Das Xanthorrhoeaharz, ein Beitrag zur Entstehung der Harze,
mit zwei in den Text gedruckten Abbildungen und einer farbigen
Doppeltafel.
Hierauf legte Prof. Ferdinand Cohn vor
blühende und fruchttragende Zweige vom „Tausendjährigen Rosenstock“
in Hildesheim.
Bei einem Besuch dieser in kunstgeschichtlicher Beziehung so
überaus interessanten und reizvollen Stadt im August 1890 besichtigte
Vortragender auch das botanische Wahrzeichen derselben, den berühmten
Rosenstock, der mit seinen Zweigen die halbeylindrische Apsis des Doms
bis fast unter das Dach auswendig überzieht und insbesondere das
mittlere der drei Fenster umrahmt. Die Apsis nimmt die eine Seite
eines viereckigen Hofes ein, an dessen gegenüberliegender Seite die
gothische Sanet-Annacapelle sich befindet, während Kreuzgänge mit den
Grabplatten der ehemaligen Bischöfe an den anderen Seiten sieh hin-
ziehen; der Hof diente ehemals als Friedhof und trägt jetzt einige An-
lagen. Der Rosenstock bietet ein hohes biologisches Interesse, so dass
eine gründliche Untersuchung über denselben in wissenschaftlicher Be-
ziehung wünschenswerth ist. Wir besitzen wohl Kenntnisse über die
Lebensdauer von Bäumen; über die von strauchigen Gewächsen fehlt
uns aber jegliche Kunde, und es ist insbesondere völlig unbekannt, ob
für dieselben eine natürliche Altersgrenze besteht, oder ob und in
weleher Weise dieselben sich durch unbegrenzte Zeit zu verjüngen im
Stande sind. Für den Hildesheimer Rosenstock ist zunächst festgestellt,
dass er einer einheimischen Species angehört; Herr Senator Dr. Römer,
der aufopfernde Hüter aller künstlerischen, historischen wie naturhisto-
rischen Schätze des Hildesheimer Landes, der in dem von ihm begrün-
deten und geleiteten Museum eine bewunderungswürdig reiche Sammlung
derselben zu Stande gebracht hat, wendet auch dem Rosenstock sein
Interesse zu; auf seine Veranlassung hat Christ in Basel die Bestim-
mung desselben übernommen und ihn als Rosa canina L., forma lutetiana
Lem., versus dumalem Bechst. bezeichnet; Lutze in Sondershausen hatte
nach den vorliegenden birnförwigen Früchten die Form als pyriformis
(fissidens Borbas), erkannt. Aber freilich überragt der Hildesheimer
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I. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 143
Stock alle bekannten Hundsrosen in der Länge der Zweige, die über
10 mhoch an der Aussenwand der Apsis vermittelst quergespannter Dräthe
befestigt sind, und dieselben, nach Art einer Tapetenrose, mit ihrem
frischen Laubwerk, den doldigen einfachen blassrosa Blüthen und später mit
scharlachrothen birnförmigen Früchten schmücken. Für die Bestimmung
des Alters ist wohl nur wenig Werth auf die bekannte Legende zu
legen, nach welcher ein deutscher Kaiser (gewöhnlich wird Ludwig der
Fromme 778—840 genannt), auf der Jagd im Walde verirrt, seine
Reliquienkapsel (oder Kreuz) an diesem Rosenbusch wiedergefunden und
an derselben Stelle eine Kirche gebaut habe, in deren Umgebung im Laufe
der Zeit die Stadt Hildesheim entstanden sei; eine Variante dieser Sage
lässt den Rosenstock mitten im Schnee blühen, und dadurch die Stätte
des zukünftigen Doms bezeichnen — anscheinend eine Anlehnung an
die Legende von der Gründung von $. Maria Maggiore, der Liberianischen
Basilica ad nives in Rom (vergl. Perger, Deutsche Pflanzensagen
S. 233). Humboldt in den „Ansichten der Natur, II, S. 116“ spricht
allerdings von einer Urkunde des 11. Jahrhunderts, nach welcher Bischof
Hezilo, der den ersten damals abgebrannten Dom wieder aufgebaut, die
Wurzel des schon in jener Zeit bekannten und gepflegten Rosenstocks mit
einem noch vorhandenen Gewölbe umgeben habe; auf dieses Gewölbe sei
die Mauer der 1061 wieder aufgebauten Christcapelle aufgeführt (hierunter
ist offenbar die Apsis des Doms zu verstehen, unterhalb deren sich die
Krypte mit dem Sarkophag des heiligen Godehard befindet), und auf
diese habe er die Zweige des Rosenstocks ausgebreitet. Ist diese „Urkunde“
historisch begründet, so würde der Rosenstock nachweislich 8 bis 9 Jahr-
hunderte alt sein. Indessen sind die an der Mauer befestigten Sprosse
keineswegs so alt, sondern weit jüngere Ausschläge eines unterirdischen
Wurzelstocks, von denen einzelne bereits wieder abgestorben sind. Seit
Ende vorigen Jahrhunderts werden die Jahre, wo neue Schösslinge her-
vorgesprosst sind, durch Täfelehen bezeichnet. Anzuerkennen ist, dass
dem Rosenstock durch Auflockern der Erde besondere Pflege angediehen
wird; über die Beschaffenheit des Wurzelstocks, sowie über die
historischen auf den Rosenstock bezüglichen Zeugnisse, die zur endgiltigen
Feststellung seines Alters entscheidend sein dürften, können wir eine
monographische Untersuchung von Herrn Senator Dr. Römer erwarten.
In der achten Sitzung vom 26. November sprach Privatdocent
Dr. Mez
über Fragen der botanischen Nomenclatur.
Ein vor kurzem erschienenes Werk, die „Revisio generum plan-
tarum“ von Otto Kuntze, das eine grosse Menge von bisher giltigen
Pflanzennamen ändert, gab dem Vortragenden den Anlass, die geschicht-
liche Ausbildung der wissenschaftlichen Pflanzenbenennung, ihre Methode
$
144 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
und ihre theoretische und praktische Bedeutung eingehend zu beleuchten.
Bekanntlich ist seit Linne in der Botanik die sogenannte binäre
Nomenelatur herrschend, d. h. jede Pflanzenart wird mit einem Gattungs-
namen bezeichnet, dem sich ein Artname anschliesst (z. B. Viola canina).
Dem Artnamen wird jedoch noch der abgekürzte Name des Autors an-
gefügt, der die betreffende Art benannt hat. So einfach danach die
Regeln der botanischen Nomenclatur erscheinen, so ergeben sich doch
in der Praxis oft erhebliche Schwierigkeiten. Diese beruhen einmal
darin, dass oft die gleiche Pflanze von verschiedenen Autoren verschie-
den benannt ist; alsdann muss der zuerst gegebene Name in Giltigkeit
bleiben. Es ist aber oft nicht gleich zu ermitteln, welcher Name der
älteste ist, zumal da nicht jede Benennung als bindend angesehen werden
kann. Denn streng genommen soll der angehängte Autorname nicht so-
wohl eine Verewigung des ersten Benenners als vielmehr ein Fingerzeig
sein, wo man etwa in der Litteratur Genaueres über die betreffende
Pflanze finden kann. Deshalb sind nur diejenigen Benennungen vollge-
wichtig, die sich auf eine gleichzeitig veröffentlichte Beschreibung
(Diagnose) der Art stützen. Weitere Schwierigkeiten erwachsen der
Nomenklatur aus dem Umstand, dass häufig Umtaufungen nothwendig
werden, einmal, weil manche Namen doppelt gebraucht worden sind,
anderenseits weil sich die Ansichten über die Gattungszugehörigkeit der
einzelnen Arten ändern können. In diesem letzteren Fall ist der eigent-
liche Artname als das wichtigste thunlichst beizubehalten, während der
Gattungsname geändert wird.
Aus der Erörterung, die sich der Besprechung dieser und anderer
Fragen anschloss, sei die Ansicht von Professor Prantl hervor-
gehoben, dass das allzu grosse Gewicht, das man gegenwärtig in
der Botanik der Nomenclatur beilege, für diese Wissenschaft eine
Gefahr bedeute; denn es sei zu bedauern, wenn man dem Namen
soviel Zeit und Mühe zuwende, statt den mit dem Namen bezeichneten
Gegenstand selbst zu studiren. Schliesslich bezwecke die Nomenelatur
doch weiter nichts, als eine unzweideutige Bezeichnung des betreffenden
Naturkörperss,. Er könne sich daher nicht einmal der Ansicht an-
schliessen, dass man gut eingebürgerte Namen fallen lassen müsse,
wenn sich etwa herausstellt, dass sie nicht die ältesten und in Folge
dessen nach dem herrschenden Prioritätsprinzip auch nicht die zu Recht
bestehenden seien.
Professor F. Cohn machte Mittheilung über eine Ovation, die dem
um die Biologie hochverdienten Fritz Müller in Blumenau (Brasilien) zu
seinem 70, Geburtstage dargebracht werden soll, sowie über die von der
zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien auf dem Wiener Centralfried-
hofe beabsichtigte Erriehtung eines Denkmals für den 1849 verstorbenen
ausgezeichneten Botaniker und Orientalisten Stephan Endlicher.
Il, Naturwissenschaftliche Abtheilung. 145
Ferner demonstrirte Professor Ferdinand Cohn
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einen reifen Fruchtzapfen von Encephalartos Lehmanni Lehm.
Derselbe war ihm von Frau Emma von Hüttner in San Remo,
welche die von ihrem verstorbenen Gemahl, einem kenntnissreichen
Botaniker in dem herrlichen Garten der Villa Parva zusammenge-
brachten Pflanzenschätze pietätvoll pflegt, Mitte September d. J. zuge-
schickt worden. Der prachtvolle, sehr alte, aus Caffraria importirte
Mutterstamm ist 1,20 m hoch und besitzt einen Umfang von 25 cm; er
trägt eine Krone blaugrüner Fiederblätter von ca. 1,10 m Länge. Der
weibliche Kolben war im Mai d. J. in der Grösse eines Tannzapfens
sichtbar geworden, und bis Mitte September zur völligen Reife gelangt,
anscheinend der erste Fall eines in Europa im freien Lande gereiften
Fruchtzapfens bei dieser Art; er hatte eine Höhe von 55 cm, einen
Querdurchmesser von 25 cm, ein Gewicht von 15,5 kg erlangt; in
Gestalt eines Ellipsoids und von graubrauner Farbe. Auf der holzig
fleischigen Spindel stehen die Fruchtschuppen, in schönen Spiralen
geordnet, in sehr grosser Zahl; die untersten sind steril, die übrigen
tragen jede zwei nackte Samen von 50—60 mm Länge und 25—30 mm
Breite. Die Fruchtschuppen haben ebenfalls eine fleischig - holzige
Beschaffenheit, so dass sie zuletzt von der erweichenden und faulenden
Spindel sich ablösen, und beim Trocknen sehr stark schrumpfen.
Im frischen Zustand sind sie schildförmig, mit einem 60 mm langen
kantigen Stiel an der Spindel rechtwinklig befestigt, nach aussen rauten-
förmig verdickt, etwa wie die Fruchtschuppen der Pinien; die rhom-
bische Aussenfläche zeigt in der Mitte eine Apophyse in Gestalt einer
kleineren rhombischen Erhebung; eine längere transversale und eine
kürzere longitudinale kammartige Leiste ziehen sich von den Ecken
der Apophyse diagonal nach den Ecken der Fruchtschuppe; diese vor-
springenden Leisten gehen nach innen in breite dornartige Fortsätze über,
von denen ein medianer auf der Unterseite, zwei laterale rechts und
links an den Seiten jeder Fruchtschuppe sich befinden; in dem vom Stiel
und den drei Fortsätzen begrenzten Hohlraum liegen die beiden Samen,
sie sind je einer mit grossem kreisrundem Hilum, ohne deutlichen Funi-
eulus, in den inneren Winkeln der Höhlung befestigt. Wir können daher
an jeder Fruchtschuppe den rautenförmigen, aussen mit centraler Apophyse
versehenen und von einer Längs- und einer Querleiste kreuzförmig durch-
zogenen Körper, und vier von den Ecken einwärts nach der Spindel hin
gerichtete Fortsätze unterscheiden, von denen der obere längere als
Stiel dient, ein medianer unterer und zwei seitliche etwas kürzer sind
und nur zum Festhalten der beiden grossen und schweren Samen dienen;
an den sterilen Fruchtschuppen am Grunde des Kolbens ist nur der Stiel
entwickelt, die drei zum Festhalten der Samen bestimmten Fortsätze fehlen.
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146 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Die Samen ähneln in Gestalt und Grösse den Datteln; sie sind
walzlich-primatisch am Hilum abgerundet, an dem entgegengesetzten, der
Spindel zugekehrten Ende grad abgestutzt und mit einem centralen
griffelartigen Spitzchen, der Micropyle, versehen; an diesem Ende zeigt
der Same meist eine Einschnürung unter dem Scheitel. Er besitzt eine
orangerothe dünnschalige glänzende Haut und darunter ein dickes, weich-
fleischiges, sehr zuckerreiches saftiges Gewebe, welches die ganze hintere
(der Spindel zugekehrte) Hälfte des Samens einnimmt. In der vorderen,
der Fruchtschuppe zugewendeten Hälfte umschliesst die Haut einen läng-
lichen nussartigen Kern, ähnlich einer Haselnuss, der daher nur die
vordere Hälfte des Samens ausfüllt. Im nussartigen Kerne unterscheiden
wir zunächst 1) eine braune, holzige Schale, und unter derselben 2) ein
dünnes, von den aus dem Hilum eintretenden Gefässbündeln netzartig
durchzogenes Häutchen; dieses umschliesst 3) den grossen, weissen, mandel-
ähnlichen Endospermkörper, dessen parenchymatisches Gewebe von
kleinen Stärkekörnern reichlich erfüllt ist; das Häutchen bildet über
dem Scheitel des Endosperms einen scheibenförmigen Deckel mit
kleiner, kegelförmiger Spitze, unterhalb deren ein kleiner Hohlraum, die
Pollenkammer sichtbar wird. Im Endosperm erkennt man an Längs-
und Querschnitten dicht unter dem Scheitel 4, etwa 1—2 mm grosse
ovale Höhlungen, in einen Kreis gestellt; es sind die Embryosäcke der
Archegonien; ein Embryo ist nicht ausgebildet.
Obwohl es immer misslich ist, aus fertigen Zuständen Schlüsse zu
ziehen, so können wir doch wohl annehmen, dass die äussere Haut, das
saftige Fleisch und die sclerenchymatische Schale des inneren Kerns
sämmtlich aus dem dicken Integument der Samenanlage durch Dif-
ferenzirung der Gewebe hervorgegangen sind, während das von Gefäss-
bündeln durchzogene Häutchen mit seiner deckelartigen Spitze der Rest
des Nucellus sein mag, der im Uebrigen vom Endosperm verdrängt wird;
dieses entwickelt sich bekanntlich bei Cycadeen vollkommen, auch wenn
die Befruchtung und daher die Embryobildung, wie hier und überhaupt
in Europa gewöhnlich der Fall ist, unterbleibt, und die Archegonien daher
leer sind.
Ich kann hier die Bemerkung nicht unterdrücken, dass, wenn wir
nach dem herrschenden Sprachgebrauch die hier beschriebenen Fort-
pflanzungsorgane unseres Encephelartos als Samen, aber die analog ge-
bauten von Phoenix als Früchte bezeichnen, wie offenbar zwei Gestal-
tungen, die biologisch gleichwerthig sind, mit verschiedenen Namen
belegen. Nicht als ob ich die Gymnospermie der Cycadeen in Zweifel
ziehen wollte; aber wir sollten, wie ich meine, bei der Nomenclatur
pflanzlicher Organe nur die biologischen, nicht die morphologischen und
entwicklungsgeschichtlichen Gesichtspunkte zu Grunde legen. Sonst
müssten wir auch die Kapsel von Iris und von Lilium verschieden be-
Il. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 147
nennen, da ja die eine aus Blatt-, die andere aus Axenorganen hervor-
gegangen ist, oder für die Ranken der Erbsen und der Reben ganz
verschiedene Namen anwenden, da sie sich morphologisch vollkommen
verschieden verhalten. Würden wir Frucht als das Organ definiren,
welches die Loslösung der Embryonen von der Mutterpflanze und ihre
Bettung in den Keimboden zu vermitteln bestimmt ist, was immer auch
sein entwicklungsgeschichtlicher Ursprung ist, so würden wir die hier
beschriebenen Gebilde, obwohl sie aus Samenanlagen hervorgegangen
sind, dennoch als Früchte (Drupa) bezeichnen müssen,
Derselbe sprach
über die Entwicklung der Primula minima im Breslauer Botanischen
Garten.
Vortragender hat in der physiologischen Abtheilung des Botanischen
Gartens im Jahre 1888 eine zur Cultur der Riesengebirgspflanzen be-
stimmte Felspartie angelegt, um deren Entwicklung in den klimatischen
Verhältnissen der Ebene zu beobachten. Die hierfür verwendeten Granit-
steine wurden von den Herren Steinbruchbesitzer Wandrey in Strehlen
und Nicolaier in Breslau geschenkt. Die Felspartie stellt einen
zweigipfligen Hügel dar, in dessen Einsenkung eine Quelle rieselt, die
sich in ein kleines Sphagnummoor verliert. Einen Gipfel nimmt ein
grosser Granitblock ein, ein sogenannter Opferstein, wie sie in grosser
Zahl im Riesengebirge angetroffen werden; der hier aufgestellte, 25 Centner
schwere, 55 cm hohe Block stammt vom „hohen Hübel‘‘ beim Gasthof
zur Schneekoppe in Giersdorf bei Warmbrunn, und ist auf gütige An-
ordnung des Grafen Schaffgotsch ausgesägt und dem Museum für Schle-
sische Alterthümer zum Geschenk gemacht, von letzterem im März 1889
uns zur öffentlichen Aufstellung überwiesen worden; er hat an seiner
Oberseite eine nahezu kreisrunde, napfförmige Aushöhlung von 50 cm
Durchmesser und 40 cm Tiefe, die an einer Seite, wie gewöhnlich, eine
tiefe Rinne zeigt, durch welche das in der Höhlung sich sammelnde
Regenwasser überfliesst; im Riesengebirge findet sich in diesen Kesseln
regelmässig Haematococcus plurialis, sehr häufig auch Stephano-
sphaera plurialis in Gesellschaft von Philodina roseola und
Oscillaria tenuis; diebeiden Volocaceen sind auch in dieHöhlung unseres
Blockes verpflanzt worden, ohne sich jedoch andauernd zu entwickeln,
anscheinend weil das von den umgebenden Bäumen hineingewehte Laub
das Wasser zeitweise verdirbt; ausserdem haben sich Cosmarium biocella-
tum und Closterium Lanula, auch Daphnien, eine Notommata und andere
Organismen im Wasser eingefunden, zeitweise ist das Wasser grün
gefärbt durch Eudorina elegans und Pandorina Morum. Die zwischen den
Granitbruchsteinen der Anlage cultivirten Riesengebirgspflanzen wurden
im August 1888 durch Lehrer Liebig, Forstbauden bei Schmiedeberg,
10*
148 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
eingesendet und wuchsen gut an; im Frühjahr 1889 blühten sie reich-
lich. Primula minima zeigte die erste Blüthe am 23. April 1889; Voll-
blüthe war zwischen 27. und 30. April; am 3. Mai war die letzte Blume
verblüht.!) Im folgenden Jahre 1890 war Primula minima durch das
Ueberwuchern von Gräsern sehr zurückgedrängt und blühte gar nicht;
um so überraschender war es, dass 1891 die überlebenden Stöcke
von neuem Blüthen entwickelten, und zwar die erste am Abend des
24. Juni, gleichzeitig mit Dianthus Wimmeri, Allium sibiricum, Mulgedium
alpinnm und anderen die Spätsommerflora unseres Hochgebirges bilden-
den Gewächsen; es folgten ein Dutzend Blüthen, die bis zum 31. Mai
verblüht waren; am 1. Juli blüthen wieder 5 Stöcke bis zum 4 Juli;
ein Spätling erschien am 25. Juli; gleichzeitig blühten Exemplare, die
Anfang Juni Lehrer Liebig vom Brunnenberg (ca. 1600 m) zur Oultur
eingesendet hatte,
Nach dreijähriger Cultur in der Ebene haben die vom Hochgebirge
verpflanzten Stöcke ihre Vegetationsorgane wie ihre Blüthen in auf-
fallendster Weise verändert; die Wurzelstöcke haben sich derart in einen
kräftig aufsteigenden Stengel verlängert, dass die Blattrosette ein
Stück über den Boden gehoben ist; diese ist viel reichblättriger als
vorher (18 Blätter), die Blätter selbst sehr vergrössert, fleischiger und
weiter auseinander gerückt. Die Stengel sind an der Spitze bis auf
etwa 25 mm Länge belaubt und besitzen eine Dieke von etwa 4 mm;
ihr unterer Theil ist blattlos, aber mit den Resten und Narben der vor-
jährigen abgewelkten Blätter besetzt, zwischen denen auf der Bauchseite
Adventivwurzeln hervorbrechen. Die Laubblätter bilden mit den Stengeln
scheitelwärts spitzere, nach unten stumpfere Winkel; sie sind verlängert
linear-keilförmig, an ihrem Vorderrande aufwärts gebogen, und umfassen
mit ihrer verdünnten scheidenartigen Basis etwa '/, des Stengelumfangs.
Ihre Oberseite ist glänzend hellgrün, die Unterseite mattgrün, ebenfalls
glänzend, an der schmäleren Basis quergerunzelt, mit etwas vorspringen-
den Mittelnerv. Der breitere Vorderrand ist in flachem Bogen ab.
gerundet, ungleich meist 7—-9 zähnig, so dass der mittelste Zahn der
grösste ist und von da beiderseits je 3—4 Zähne an Grösse nach dem
Rande hin abnehmen. Die Länge der ausgewachsenen Blätter beträgt
30—40 mm, die grösste Breite am Vorderrand 12 mm, an der Basis
6 mm.
‘) Von anderen Riesengebirgspflanzen blühten Anemone alpina und Viola biflora
vom 1. bis 13. Mai, die erste Blüthe von Geum montanum und Rhodiola rosea öffnete
sich am 16. Mai, von Veronica alpina am 1%. Mai, von Hadepsorum obscurum am
17. Mai, von Ranunculus aconitifolius am 20. Mai, von Dianthus superbus (Wimmeri)
am 16. Juni, von Scabiosa lucida am 2. Juli, von Achyrophorus maculatus am 25. Juli,
von Aconitum variegatum am 1. August.
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 149
In ihren Vegetationsorganen unterschieden sich Exemplare der
Primula minima, die im Juni 1891 vom Brunnenberge frisch in den Garten
versetzt waren, sehr auffallend durch die bei weitem geringere Zahl und
Grösse der Blätter; der beblätterte Theil der Stengel war nur ca. 5 mm lang,
betrug also nur den fünften Theil der drei Jahre lang im Garten eulti-
virten; die Blattrosette war armblättrig dem Boden angedrückt, die
jüngsten Blätter mit dem Vorderrand etwas aufwärts gebogen, die Blätter
selbst waren über die Hälfte kleiner, kürzer, umgekehrt dreieckig,
der Vorderrand grad abgeschnitten, 5—7zähnig, die Zähne stachel-
spitzig nach aussen kleiner, die äussersten kleinsten etwas aufwärts ge-
bogen; ihre grösste Länge 15 mm, die grösste Breite am Vorderrand
6 mm, an der Basis 3 mm.
In der Einleitung des Buches von E. Widmer ‚Die europäischen
Arten der Gattung Primula“, München 1891, S. 74, wird bereits bemerkt,
dass die Blätter der Primulaarten auf hochgelegenen Standorten sich
mehr und mehr verkürzen und dass insbesondere die Blattstiele zuletzt
ganz unterdrückt werden (l.c. $. 15). Doch dürften Blätter von solcher
Länge, wie in unseren Gartenexemplaren, in freier Natur noch nicht
beobachtet sein; Widmer giebt als Länge der Blätter von Primula
minima 5—20, selten 35 mm, als Breite 5—8 mm an.
Nicht minder verändert, wie die Gestaltung der vegetativen Organe,
ist auch die der reproductiven. Während bei den schlesischen Hoch-
gebirgspflanzen der Blüthenstengel in der Regel so kurz bleibt, dass die
endständige Blüthe sitzend erscheint, hatte sich an den Gartenexemplaren
ein Schaft entwickelt, der die Blüthe 32 mm über die Blattrosette hob.
Der Schaft, an dessen Basis zwei Laubknospen stehen, trägt an der
Spitze zwei lineal-lanzettliche Hüllblättehen und eine einzige Blüthe,
welche die gewöhnliche präsentirtellerförmige 5 theilige Gestalt zeigte,
aber nur halb so gross ward, als die Hochgebirgsform. Der Kelch war
zur Blüthezeit 8 mm, die Röhre der Blumenkrone 12 mm lang, die
Breite des hellrosa Saumes betrug 18 mm. Bei den schlesischen Hoch-
gebirgspflanzen beträgt der Querdurchmesser der Blumenkrone meist
25—30 mm; die Länge der Röhre ist 5—1l mm (nach Widmer).
Früchte wurden in den Gartenexemplaren nicht ausgebildet.
Wenn auch Primula minima an verschiedenen Standorten des Ge-
birges in Gestalt und Grösse nicht unerhebliche Schwankungen zeigt,
wie sie die sorgfältige Beschreibung von Widmer l.c. 8. 74 erkennen
lässt, so übersteigen doch die in der Cultur erzeugten Abweichungen
von der Normalform (Vernarbung, Vergrösserung und Gestaltveränderungen
der Laubblätter, Verlängerung des Blüthenschafts, Verkleinerung der
Blumenkrone, Verlegung der Blüthezeit) die bisher im Gebirge beobach-
teten Grenzen, und sind darum noch von ganz besonderem Interesse, weil
sie zeigen, dass solche auffallende Veränderungen, nicht etwa in succes-
150 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
siven Generationen, sondern an den nämlichen Stöcken durch Anpassung
an veränderte Lebensbedingungen innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren
erzielt worden sind.')
In der neunten Sitzung vom 10, December berichtete Prof.
Dr. ©. Hieronymus
über die Resultate, welche er in den letzten Jahren bezüglich der
Erforschung der Algenflora Schlesiens
erzielt hat.
Für eine grössere Anzahl von bereits früher aus Schlesien bekannten
Arten wurden zahlreiche neue Fundorte aufgefunden. Ferner wurden
einige für Schlesien neue Arten aufgefunden. Der Vortragende ist im
Begriff, ein Verzeichniss der sämmtlichen für Schlesien neuen Funde zu-
sammenzustellen, um es der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische
Cultur zur Veröffentlichung zu übergeben, sobald es druckfertig ist; zur
Zeit beschränkt sich derselbe auf die Berichterstattung über einige in
Schlesien aufgefundene ganz neue Arten. Es sind dies folgende, deren
Diagnosen nach dem Manuscript des Vortragenden hier Platz finden mögen:
1. Characium Eremosphaerae Hieron. nov. spec.
Ch. cellulis saepe gregariis, globosis vel obovoideis, apice obtusis,
4—5 u longis, erectis, basi distincte stipitatis; stipite gelatinoso, hyalino,
gracillimo, longiusculo, plerumque 10—12 u longo. Divisione zoogonidia
2—4, raro —8, cilia duo gerentia prodeunt, quae per cytiodermatis
rupturam terminalem elabuntur. Habitat in Eremosphaera viridi
epiphytum, stipite in membrana gelatinosa cellularum Eremosphaerae
immerso.
Diese interessante neue Art, welche sich streng an Eremosphaera
hält und auf keiner der zahlreichen mit dieser zusammenvorkommenden
Desmidiaceen, Protococeaceen und Confervaceen ete. sich ansiedelt,
wurde von mir seit dem Jahre 1885 jährlich in den Monaten Juli bis
September beobachtet. Dieselbe bedeckt bisweilen ganz und gar die
Oberfläche der Eremosphaera, wobei die einzelnen Individuen dicht
gedrängt sind und findet sich in kleinen Wasserlachen am moorigen
Ufer eines Teiches dicht bei Hartau (Harte- Vorwerk) bei Schmiedeberg
im Riesengebirge. Die Zellen sind ganz grün gefärbt, enthalten ein
nach unten offenes hohlkugeliges Chlorophor, welches ein Pyrenoid führt,
und einen Zellkern. Die meist 2 bis 4, selten bis höchstens 8, sich
durch wiederholte Zweitheilung aus dem Zellinhalt bildenden Schwärm-
sporen verlassen die Mutterzelle durch einen Riss an der Spitze, indem
') Im Frühjahr 1892 entwickelten sich an diesen Stöcken, die inzwischen auf-
rechten hochstengligen Wuchs angenommen hatten, von neuem Blüthen vom
26. April bis 12. Mai; sie waren eben so klein, aber nicht langgestielt, wie die
Sommerblüthen von 1891, N
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 151
sie sich rückwärts einzeln hinausdrängen und die beiden Geisseln nach-
ziehen. Dieselben sind eiförmig, besitzen ausser den beiden Geisseln
ein hyalines Vorderende, einen rothen, etwas seitlich sitzenden, sehr
kleinen Augenfleck und vermuthlich auch pulsirende Vacuolen. Sie
schwärmen ganz kurze Zeit um die gleiche Eremosphaerazelle herum, auf
welcher schon die Mutterzelle sass, und setzen sich bald auf der Gallert-
hülle derselben fest. Nach anderen in der Nähe befindlichen Zellen
werden sie wohl nur durch Zufall verschlagen. Nachdem sie sich mit
dem hyalinen Ende an der Gallerthülle festgesetzt haben, treibt sie dieses
in die Gallerthülle sich haarförmig verlängernd hinein, die Substanz der-
selben anscheinend vor sich anflösend, bis diese Verlängerung an die
festere innere Membran von Eremosphaere gelangt und sich hier befestigt.
Die protoplasmatische Verlängerung scheint sich dann zurückzuziehen
und ihrerseits Gallerte abzusondern, wodurch der hyaline solide Stiel
des Organismus gebildet wird. Dann wächst das junge neu entstandene
Individuum heran, um innerhalb von wenigen Tagen selbst Schwärm-
sporen zu bilden. Im Herbst verschwindet der Organismus aus
den Culturen, so dass anzunehmen ist, dass ein Ruhezustand ge-
bildet wird, der vielleicht durch Gametencopulation erzeugt wird,
und aus dem der Organismus im Frühjahr des nächsten Jahres
wieder ersteht. Nahe verwandt ist Characium Eremosphaerae mit
dem auf Cyclops-Arten epiphytischen, von Reinsch entdeckten Dactylo-
coecus Hookeri Reinsch und D. De Baryanus Reinsch (vergl. Botanische
Zeitung, 37. Jahrgang 1879 S. 38), welche Hansgirg (Prodromus der
Algenflora von Böhmen, I. Theil, S. 123) nicht mit Unrecht nebst den
Gattungen Hydrianum Rabenh. und Hydrocytium Al. Br. zu Characium zieht.
2. Hypheothrix nigrescens Hieron. nov. spec.
H. trichomatibus in stratum nigrum dense intricatis, flexuosis,
aquose aerugineis, distinete articulatis; cellulis diametro (ec. 2 u) paulo
longioribus; vaginis arctis, initio hyalinis, deinde sub olivaceo-nigrescen-
tibus vel incano-nigricantibus.
Habitat in rupibus irroratis.
Diese neue Art, die sich vor allen übrigen der Gattung durch ihre
gewöhnlich grauschwarzen, seltener grünschwarzen Scheiden in Alter
auszeichnet, fand ich an einer feuchten Stelle an den Felsen des Prudel-
berges bei Stonsdorf, Kreis Hirschberg. Dieselbe bildete daselbst ein
dichtes, fast glänzend schwarzes Lager, welches fast ganz rein von andern
Algen war.
3. Hydrocoleum Hieronymi Richter nov. spec.
H. plus minus expansum, trichomatibus plerumque singulis, saepe
geminis, rarius ternis, subcontortis vel reetis, fasciculatim congestis,
vaginaque membranacea inclusis, aerugineis, subaequalibus; cellulis diame-
152 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
tro transversali aequilongis vel duplo triplove brevioribus; vaginis crassis,
hyalinis vel luteolis, distinete lamellosis, laevibus, saepius seneetute
longitudinaliter subtiliter striatis et interdum lineis prominentibus 'raris
annulatis, tubereulisgue minimis sparsis prominentibus ornatis. Diam.
trichomatum 8—10 u, diam. vaginarum 10—20 u, erassitudo vaginarum
1—5 u.
Habitat in terra humida et in muscis frondosis hepatieisque loeis
saepius inundatis.
Ich fand die durch ihre geschichteten Scheiden sich besonders
auszeichnende Art auf Moosen und feuchter Erde in einem Weiden-
sebüsch in einem Ausstich an der Bahn von Breslau nach Hundsfeld
bei Carlowitz, dem Gasthaus Sängerslust gegenüber. Paul Richter
in Leipzig erkannte deren Neuheit und hat ihr daher den Namen ge-
geben.
4. Chroococcus tenax Hieron. syn. Chr. turgidus Naeg. var.
tenaxw Kirchner in Kirchner, Schles. Kryptogamen-Flora,
Th., HI 1, Algen $. 262.
Chr. cellulis sphaerieis, oblongo-ellipsoideis vel e mutua pressione
plus minusve angulosis, raro singulis, plerumque binis, quaternis vel octonis,
saepius autem 16—24 in familias consociatis, tegumento crassiusculo, evi-
denter lamelloso, achroo vel lutescente, plasmate aerugineo vel olivaceo.
Diam. cellularum sine tegumento plerumque 13—16 u, tegumenti simplieis
erassitudo 2—3 u. Diam. familiarum cum tegumentis —72 u.
Habitat in rupibus irroratis.
Die Art wurde von Kirchner nur als Varität von Chr. turgidus
Naeg. betrachtet, ist jedoch meines Erachtens noch besser selbständig in
die Nähe des letzteren zu stellen, mit welchen sie in der Grösse zwar
übereinstimmt, von dem sie sich aber nicht nur die deutlich geschichtete,
etwas dünnere Zellhaut und die meist mehr olivengrüne Rindenschicht
(Chromatophor) des Zellinhaltes, sondern auch durch das Vorkommen
an überrieselten Felswänden und dadurch unterscheidet, dass die Mutter-
zellhäute sich nicht leicht loslösen und in Folge davon nicht selten
16 bis 24 und vielleicht auch 32 und mehr Zellen familienweise zu-
sammengehalten werden. Kirchner entdeckte diese Art an nassen
Felsen am Wölfelsfalle, wo sie mit Arten von Gloeocapsa zusammen
vorkommt, Ich fand dieselbe an einem zweiten ähnlichen Fundort, an
überrieselten Felsen am Eingange der Kochelschlucht bei Schreiberhau,
wo sie unter üppigen Rasen von Tolypothrix Aegagropila Kütz. v. pulchra
(Kütz.) Kirchn. zahlreich vorkommt.
Von den vier beschriebenen Arten wurden Abbildungen vorgezeigt.
Der Vortragende erstattete darauf Bericht über die Ergebnisse
seiner Untersuchungen über Organisation des Zellinhaltes der Phycochrom-
an A
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 153
aceen und einiger Gattungen, welche bisher unter diesen aufgezählt
wurden, aber aus dieser Pflanzenfamilie auszuscheiden sind.
Die eigentlichen Phycochromaceen besitzen weder in sich abge-
schlossene Chromatophoren noch geschlossene Zellkerne, wie die höheren
Pflanzen. Die grüne „Rindenschicht“ des Zellinhaltes zeigt zwar eine
Struetur, welche der Structur der Chlorophyllkörper der höheren Pflanzen
sehr ähnlich ist, da dieselbe aus chlorophyligrünen „Arthur Meyer’sche
Grana“ enthaltenden Fibrillen aufgebaut ist, bildet jedoch kein ge-
schlossenes Ganze, wie die Chlorophyllkörper der höheren Pflanzen,
Der Phycocyanfarbstoff ist im Zellsaft gelöst. Aehnlich wie die Rinden-
schicht verhält sich auch der (von E, Zacharias so benannte) „Central-
körper“, der zwar auch aus einem Fadengerüst besteht, wie die Zell-
kerne der höheren Pflanzen, aber auch nicht wie diese in sich abge-
schlossen ist und keine Kernmembran besitzt. Derselbe besteht wahr-
scheinlich stets nur aus einem Fadenelemente, das bald als zu einem
dichten Knäuel aufgewickelt, bald locker verschlungen sich in der Zelle
findet. Die Zelltheilung ist unabhängig von diesen Zuständen des Central-
körpers. Die äusseren Fadentheile des Centralkörpers können sich bei
dem aufgelockerten Zustande bis an die Zellmembran zwischen die
Fibrillen der grünen Rindenschicht verschieben. Im Centralkörper wird
eine Substanz gebildet, welche von Borzi den Namen „eianofieine“
Kyanophyein erhalten hat und die nach den festgestellten mikrochemischen
Reactionen wohl den unlöslichen Nucleinen Miescher’s zuzuzählen ist.
Diese Kyanophyeinmassen treten in den Fäden des Centralkörpers auf
als eckige Körner, in welchen der Vortragende Krystalle, oder da es
sich um eine quellbare organische Substanz handelt, sogenannte Krystal-
loide erkannte, Die Krystallformen gehören dem regulären System an.
Bei Tolypothrix tenuis Kütz. var. pallescens Rabenh. fand der Vortragende
sogar 4 bis 5 u Durchmesser besitzende Kyanophyceinwürfel oder auch
Combinationen des Würfels mit dem Octaeder in den Zellen an den
Fadenenden. Die kleineren Krystalle dieses und anderer Phycochrom-
aceen gehören wahrscheinlich zum Theil der genannten Combination,
zum Theil dem Trapezoeder an. Auch hemiedrische Formen und aus
_ zwei oder mehreren Krystallen gebildete Massen wurden beobachtet.
Das Kyanophyein tritt auch amorph in den Grenzzellen auf, dann aber
nicht als Erzeugniss des Centralkörpers, sondern im Zellplasma. Wahr-
scheinlich haben die Grenzzellen die Funetion, übermässig producirtes
- Kyanophyein aufzunehmen. Eine Ueberproduetion des Kyanophyein findet
nun aber in sehr vielen Phycochromaceenrasen oder -Lagern statt und
es gehen viele Zellen an „Kyanophyeinose‘“‘ zu Grunde. Wahrschein-
_ lieh beruht die Kyanophyeinproducetion der Phycochromaceen auf der
von B. Frank nachgewiesenen, durch diese Pflanzen bewirkten Auf-
nahme freien Stickstoffes (oder nach Prantl des Ammoniumnitrits). Der
154 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Stickstoffgehalt des Erdbodens in Folge von Phycochromaceeneultur dürfte
also vom Kyanophyeingehalt dieser abhängen.
Der Vortragende schilderte dann die Organisation der Zelle und die
Entwicklungsgeschichte von Glaucocystis Nostochinearum Itzigsohn. Diese
Alge muss aus den Phycochromaceen ausgeschieden werden, da dieselbe
einen normal organisirten Zellkern, welcher ähnlich wie die Zellkerne
der höheren Pflanzen aufgebaut, und richtige Chromatophoren besitzt.
Die Chromatophoren sind fadenförmig und bestehen anscheinend nur aus
einer verhältnissmässig grossen Fibrille, deren Glieder, die A. Meyer’schen
Grana, bald mehr rosenkranzförmig, bald den Geldstücken in einer Geld-
rolle gleich aneinandergeordnet sind. Oft sind dieselben sehr lang und
strahlen dann von einem hellen Fleck, in welchem Lagerheim eine
Vacuole erkannte, aus. Diese Stellung derselben ist vermuthlich Sonnen-
stellung und tritt zu dem Zweck ein, um den Zellkern, welcher schräg
unterhalb der Vacuole excentrisch in einer der Zellhälften liegt, vor
allzu intensivem Sonnenlicht zu schützen. Sind die Chromatophoren
kürzer und dann regelmässig viel zahlreicher, so befinden sich dieselben
in einer Protoplasmaschicht parallel der Zellmembran in unregelmässigen
Schlangenwindungen gelagert, der Zellkern dagegen in der Mitte der
Zelle. Glaucocystis vermehrt sich dadurch, dass der Zellkern sich in
zwei Theile theilt, diese dann meist abermals je in zwei Theile und
dass sich dann der ganze protoplasmatische Inhalt in vier Theile sondert,
Seltener theilen sich die vier gebildeten Zellkerne nochmals, so dass
dann acht Zellen sich aus der Mutterzelle bilden, welche aber noch von
der Membran dieser lange Zeit umschlossen bleiben. Seltener entstehen
aus einer Mutterzelle 3, 5, 6 oder auch wohl 7 Zellen dadurch, dass
einer und der andere Zellkern sich nicht theilt.
Eine genauere Mittheilung des Vortragenden über Glaucocystis Nosto-
chinearum Itzigsohn, sowie über die Organisation des Zellinhaltes der
Phyeochromaceen ist in F. Cohn’s Beiträgen zur Biologie der Pflanzen,
Bd. V Heft 4, erschienen.
Der wirkliche Staatsrath Prof. Dr. v. Trautschold hielt hierauf
einen Vortrag
über die Flora von Bex, St. Gervais und Gorge de Diosaz,
welche er im vorigen Sommer besucht, und legte die bei seinen bota-
nischen Excursionen gesammelten Pflanzen, sowie Photographien aus dem
westlichen Wallis und Savoyen vor.
Für die Etatsjahre 1892/93 wurde der bisherige Secretair der Section,
Geheimrath Prof. Ferdinand Cohn wiedergewählt.
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 155
Ergebnisse der Durchforschung der schles. Phanerogamenflora
im Jahre 1891,
zusammengestellt von
E. Fiek, mit Nachträgen von Th. Schube!).
A. Für das Gebiet neue Arten und Formen,
Anemone ranunculoides L. f. subintegra Wiesbaur. Hüllblätter
ganzrandig oder nur mit einzelnen Zähnen, Görlitz: Rothstein bei Sohland,
Jauernicker Kreuzberg (Barber)!
Corydalis solida (L.) Sm. var. integrata Godr. (Flor. de Lor-
raine I. 40) = (. intermedia Merat. Am Weinberge bei Hultschin
(E. Baumann)! Troppau: Stauding (Wetschky)!
Vom Typus abweichend durch die schmäleren, lanzettlich-länglichen,
ganzrandigen oder nur an der Spitze schwach gekerbten Deckblätter.
Dieser Abänderung nahe kommende Formen sammelte ich selbst schon
früher in der Oböra bei Ratibor und bei der Rösnitzer Mühle unweit
Katscher. Von letzterem Orte lagen seiner Zeit auch Uechtritz Exem-
plare vor, die er im Jahresbericht von 1872 besprach,
Viola arenaria X silvatica Focke (V. arenaria X silvesiris
= V. cinerascens Kerner in Oestr. Bot. Ztg. XVIII (1868) $S. 20).
Obgleich schon Uechtritz vor vielen Jahren (in Verhandl. des Botan.
Ver. der Prov. Brandenb. 1867 S. 21) das Vorhandensein dieser Hybriden
bei uns vermuthete, und auch ich sie bereits 1878 in einigen von mir
bei Kuhbrück unweit Militsch gefundenen, freilich nicht mehr ganz brauch-
baren, Exemplaren zu erkennen glaubte (Fl. v. Schles. S. 53), so konnte
sie als bei uns vorkommend bisher nicht constatirt werden. Uechtritz
empfahl (Jahresber. 1885) eine genauere Beobachtung im lebenden Zu-
stande. Was mir aber Hellwig heuer von Kontopp unter dieser Be-
zeichnung einsandte, muss auch ich entschieden dafür ansehen, da in
der That alle Merkmale für obige Combination sprechen und meines
Erachtens eine Kreuzung zwischen V. arenaria und V. Riviniana aus-
geschlossen ist, — Die Pflanze macht nach Grösse und Tracht den Ein-
druck einer V. silvatica mit kleineren und, mit Ausnahme der oberen,
mehr abgestumpften Blättern. Auf V. arenaria weist die Bekleidung
der ganzen Pflanze hin, die namentlich am Stengel und an den Blatt-
stielen stark entwickelt ist, ferner die dunklere bleistiftgraue Färbung
der unteren Stengeltheile. Die Nebenblätter sind weder so schmal und
lang zugespitzt, noch so stark gefranst als an Y. silvatica, sondern sie
ı) Vorgelegt mit den Belegstücken durch Dr. Th. Schube in der Sitzung
der botanischen Section vom 25. Februar 1892. Die Nachträge sind durch ($.)
gekennzeichnet.
156 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
sind eine deutliche Mittelbildung zwischen denen der muthmaasslichen
Eltern. Ebenso ist die intermediäre Stellung in der Form, Färbung und
Consistenz der Blätter unverkennbar. Die Blumenblätter nähern sich in
Gestalt, Grösse und Färbung sehr denen von V. silvatica, der S$porn
ist ebenso gefärbt, wenn nicht eine Nüance dunkler, ziemlich dünn, nicht
ausgerandet, unten ohne Andeutung einer Furche, — Nach sorgfältiger
Vergleichung dieser Form mit den Pflanzen von Kuhbrück muss ich auch
diese als hierher gehörig betrachten.
Hypericum elodes L. Hoyerswerda: zwischen Kühnicht und der
Seidewinkler Haide in einem Graben fluthend und an dessen Rande auch
blühend, nicht häufig (Barber)!! — Die Zahl der für die atlantische
Association charakteristischen Pflanzen, welche in der Lausitz ein, von
ihrer zusammenhängenden Verbreitung isolirtes, weit nach Osten im
Binnenlande gelegenes Vorkommen besitzen, ist damit wiederum um eine
gewachsen, nachdem das vorige Jahr drei Bürger dieser Art gebracht
hatte. Von diesen ist in der nächsten Umgebung des Standorts Heloscia-
dium inundatum, sowie Scirpus multicaulis zahlreich gefunden wor-
den, in deren Gesellschaft ausserdem Potentilla norvegica, Veronica
scutellata var. pilosa, Juncus Tenageia, Cyperus flavescens,
Pilularia etc.
Pirus Aria (L.) Ehrh. Schon 1836 machte mich Lehrer Liebig
auf einen Strauch aufmerksam, der unweit des Weges von Schmiedeberg
nach der Tannenbaude, wenig unterhalb derselben, wächst; doch zögerte
ich mit der Bekanntmachung, da ich die Spontaneität zwar als sicher
erachtete, doch weitere Belege für das Vorkommen dieser Art in unserm
Gebiete abwarten wollte. Durch Freund Hieronymus wurde ich nun
in diesem Jahre auf einen Strauch hingewiesen, der, allem Anschein nach
ursprünglich, am Wege von Schmiedeberg nach dem Jockelwasser wächst,
Es dürften wohl in der Folge noch mehr Standorte dieser Art im Ge-
biete aufgestöbert werden ($.)
Alnus incana DC. var. orbicularis Callier nov. var. „‚Jüngere
Zweige schwach kurzhaarig, Blattstiele 0,5—1 em lang, dicht kurzhaarig
oder fast filzig, Blätter klein, 3—4 cm lang, 3—4 cm breit, fast kreis-
rund, seltener elliptisch, vorn stumpf, abgerundet, selten mit schwach
angedeuteter Spitze, am Grunde rundlich, am Rande unregelmässig fast
einfach gesägt, selten mit schwach angedeuteten Lappen, auf der Öber-
seite kahl oder mit vereinzelten Haaren besetzt (die jüngsten, unent-
wickelten Blätter beiderseits dicht filzig, etwas silberglänzend), unterseits
bläulich grün, die jüngeren graugrün, auf den Nerven locker kurzhaarig
oder fast kahl, Blattfläche locker kurzhaarig oder fast kahl. Nerven
auf jeder Seite meist 5, selten 6, stark hervortretend auch die Seiten-
nerven zweiter Ordnung. Fruchtzapfen klein, sitzend. — Grünberg: bei
der Briquetfabrik; leg. Hellwig.“ (Callier in litt.; S.)
7
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P}
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II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 157
Orchis incarnata X latifolia (O. Aschersoniana Hausskn.).
Im Jahre 1890 beobachtete Barber auf den Tschirnewiesen in der
Görlitzer Haide eine Orchis, welehe ihm nieht ganz klar und die er für
O0. Traunsteineri zu halten geneigt war. Ganz dieselbe Form fand ich
1891 auch bei Oppeln: auf der grossen Wiese südlich von Königlich
Neudorf, hier wie dort, durchaus nicht sparsam, in Gesellschaft von
Orchis incarnata und latifolia. Eine Vergleichung mit diesen machte
es mir unzweifelhaft, dass ich es in beiden Fällen mit einem Bastard
beider Arten zu thun hatte, der — in mehrfachen Formen — sich bald
mehr der einen, bald der andern Stammart nähert. Derselbe stand in
voller Blüthe, während die Knospen von O. incarnata an demselben
Standorte sich noch vielfach entfalten sollten, ©. latifolia aber stark
im Abblühen begriffen war. Die Blätter sind kürzer als an O. incarnata,
nicht so allmählich vom Grunde bis zur Spitze verschmälert, sondern
in der Mitte etwas verbreitert, an der Spitze aber gewöhnlich
kapuzenförmig kurz zusammengezogen, dabei fast stets ganz grün, etwas
dunkler als an O. incarnata und selten mit Flecken. Die Deckblätter
überragen häufig ganz erheblich die Blüthen, doch ist ihre Länge ziem-
lich veränderlich. Neben dichten Aehren giebt es ziemlich oft solche,
bei denen die Blüthen recht locker stehen, lockerer als bei O. latifolia,
und die der Pflanze ein besonderes, an O. Traunsteineri erinnerndes,
Aussehen geben. Die Farbe der Perigons ist gewöhnlich trüb-
purpurn, die Lippe fast immer — seicht dreilappig, dabei im Umrisse
rhombisch.
„Carex caespitosa Z. var. retorta Anders. Weibliche Aehrchen
gestielt und überhängend. Zwischen Pirscham und Klein-Tschansch leg.
Uechtritz.
Carex acutaL.subsp.pseudaquatilisAppel nov. subsp. Pflanze
bis mannshoch, mit nickender Spitze, Blätter schmal, lang, nur wenig
am Halm heraufgerückt; Halm scharf 3kantig, nur oberwärts rauh,
Deckblätter steif aufrecht, den Halm überragend, weibliche Aehren fast
ungestielt, aufrecht, schmal-eylindrisch, 2—3, Deckschuppen die Schläuche
nicht deckend, kurz zugespitzt oder stumpf mit bräunlichem Mittelstreif,
Schläuche sitzend, aufgeblasen kugelig, nervenlos, selten mit schwach
angedeuteten Nervenanfängen, im reifen Zustande schwach geflügelt, mit
kurzem, stielrunden Schnabel; männliche Aehren 2—4, wie bei C, acuta.
— Die Pflanze erinnert durch die schmalen nach dem Grunde zusammen-
gedrängten Blätter, die dünnen, langen weiblichen Aehren, sowie die
kugeligen nervenlosen Schläuche lebhaft an C. aquatilis Whlbg. Der scharf
dreikantige Halm dagegen lässt ihre Zugehörigkeit zu ©. acula erkennen,
doch ist sie durch so viele Merkmale von ihr getrennt, dass sie eher
als Subspecies wie als Varietät zu gelten hat. — Breslau: Pirscham
(leg. Uechtritz sub C. acuta L.?; Callier).
158 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
C. Goodenoughii Gay var. crassiculmis Appel nov. var.
Pflanze locker-rasenförmig, mit wenigen Ausläufern, Blätter schmal, steif
aufrecht, die Höhe des Halmes kaum überragend, Halm scharf drei-
kantig, diek, starr aufrecht, bis 40 cm hoch, Deckblätter blattartig,
kürzer als die Spitze des Halmes, weibliche Aehren sitzend oder kurz-
gestielt, aufrecht, Deckschuppen schwarzbraun mit grünem Mittelnerv,
Schläuche länglich eiförmig, sitzend, in einen stielrunden, leicht ab-
brechenden Schnabel auslaufend, beiderseits etwas gewölbt, auf dem
Rücken 3—5 deutlich hervortretende Nerven tragend. Männliche Aehren
je eine einzelne, oder eine normale mit einer kleinen am Grunde. —
Die Pflanze steht am nächsten der ©. Goodenoughii Gay var. tornata Fr.,
doch unterscheidet sie sich durch den deutlich 3 kantigen Halm, sowie
die beiderseits gewölbten Schläuche, wodurch sie eine entfernte Aehn-
lichkeit mit C, tricostata Fr. besitzt. — Liegnitz: Teiche bei Hummel.
(Figert).
Carexz caespitosa X Goodenoughii (= C. peraffinis Appel)
nov. hybr. Breslau: Wolfswinkel (Uechtritz). In dem Nachlasse
des Herrn von Uechtritz befand sich unter anderem Carex-Materiale
auch ein Packet, das in gesonderten Lagen C. caespitosa L., C. Goode-
noughii Gay und den Bastard zwischen beiden mit der Bemerkung „zu
durehmustern“ enthielt. Es scheint demnach, dass schon Uechtritz den
Bastard vermuthete.
Pflanze lockerrasig, fast stets mit deutlichen Ausläufern versehen, Schei-
den netzfaserig braun, theilweise mit rothem Anfluge, die untersten ohne
Laubblätter; Blätter auf die Basis des Halmes beschränkt, graugrün,
schlaff, ungefähr von der Länge des Halmes, beim Trocknen eingerollt ;
Halm mehr oder weniger scharf 3-kantig, nur dicht unter den weiblichen
Aehrehen rauh; Deckblätter des untersten oder der beiden untersten
Aehren blattartig, den Halm nicht überragend; weibliche Aehren 2—3,
kurz cylindrisch, nicht oder kaum gestielt, aufrecht; Deckschuppen
eiförmig, stumpflich, die Schläuche nicht ganz deckend; Schläuche kurz
gestielt, eiförmig mit ganz kurzem stielrunden Schnabel, fast stets nur
auf der Rückenseite schwach gewölbt und mit undeutlichen Nerven ver-
sehen; männliche Aehren eine, seltener zwei, braun, nicht rothbraun.
Die vorliegenden Exemplare sind noch zu jugendlich, um erkennen zu
lassen, ob sich die Achenien normal entwickeln werden.“ (Appel
in litt., S.)
Carex flava X Oederi (C. Alsatica Zahn). Lüben: Klaptau,
in einem feuchten Laubgebüsche unter den Eltern (Figert)!
Unsere Pflanze entspricht ziemlich gut der von H. Zahn (in Oestr.
Bot. Ztg. XL (1890) S. 361) als #. elatior aufgeführten Form. Blätter
meist kürzer als der Halm; die unterste weibliche Aehre ziemlich ent-
fernt stehend; Deckblätter fast so lang als der bauchige Theil des
ur AZ I Asp &
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 159
Schlauches; Früchte trotz der nahen Verwandtschaft der Eltern ver-
kümmert.
C. Hornschuchiana X Oederi (C. Appeliana Zahn in Oestr.
Bot. Ztg. XL S. 361). Oppeln: auf der grossen Wiese südlich von
Königl. Neudorf!!
Neben der an diesem Standorte ziemlich häufigen Kreuzung zwischen
C. Hornschuchiana und flava fand ich auch eine Anzahl Exemplare,
die wegen der geringeren (bis 20 cm betragenden) Höhe der Pflanzen,
den von einander ziemlich entfernt stehenden kleineren weiblichen
Aehrchen, von denen die unterste namentlich weit abgerückt ist, und den
srüngelblichen Schläuchen davon merklich abwichen. Diese Kennzeichen,
sowie die kleineren mehr abstehenden (leeren) Schläuche mit kürzeren
Schnäbeln liessen in dieser abweichenden Form unschwer die Abstam-
mung von C. Oederi und damit den bezeichneten Bastard erkennen.
Poa nemoralis X compressa (P. Figerti) Gerh. Lähn: auf
Mauern, bes. am katholischen Kirchhof (Gerhardt); Jauer: auf Mauern
in Hermannsdorf (Gerh., S.).
B. Neue Fundorte.
Thalictrum aquilegiaefolium L. Nimptsch: Waldschluchten bei
Wilkau ($.).
Th. minus L. Neusalz: Oderwald bei Aufhalt (S.), Oppeln: Weg
nach Kempa ($.), Sprentschützer Wald (S.).
Th. flavum L. Guhrau: Ober -Friedrichswaldau (C. Scholz)!;
Trachenberg: bei Kendzie im Kiefernwalde, hier auffallend kleinblättrig
(Schwarz)!
Hepatica triloba Gil. floribus albis et roseis um Öhlau:
zwischen Steindorf und Dobern (Baumann)!
Adonis aestivalis L. v. citrina Hffm. Freiburg: Ob.-Kunzendorf
(Leisner, $.). In N. S. sehr selten. Oppeln: vor Kempa ($.).
Ranunculus divaricatus Schrk. Breslau: Hühnern (Kionka, $.).
R. nemorosus DC. Rsgb.: im langen Grunde ($.).
R. repens L. var. hirsutus W. Gr, Grünberg: Nippe’s Gras-
garten!, Rohrbusch auf humosen Waldboden (Hellwig)!
Pulsatilla pratensis (Z.) Mill. Wansen: Niemener Haide spär-
lich (Kruber)! Brieg: Abrahamsgarten (Nitschke, $.).
Actaea spicata L. Riesgb.: über d. alten Bergwerk ($.); Namslau:
Lorzendorf (Ziesch£, S.).
Nuphar luteum Sm, v. tenellum Rb. Lüben: Gläsersdorf
(W. Scholz)!
Isopyrum thalictroides L. Canth: Borganier Busch ($.); Brieg:
Grüninger Grund früher (Nitschke, $.).
160 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Aconitum variegatum L. Waldenburg: Hochwaldgipfel, geg.
Conradsthal (Leisner, $.).
Chelidonium maius L. var. laciniatum (Mill.) Proskau: im
Seminargarten mehrfach als Unkraut (Richter)!
Fumaria Schleicheri Soyer-Will. Breslau: Zäune und Hecken
‘in Wiltschau!!
Barbarea stricta Andrzj. Hoyerswerda (Barber); im Vorgebirge
besonders im Hirschberger Thale an verschiedenen Stellen!! und noch
im Boberthale unterhalb Landeshut bei fast 400 m (Höger)!
Arabis arenosa (L.) Scop. Hoyerswerda: an der Chaussee gegen
Klein-Neida (Barber); Guhrau: Bahndamm bei Saborwitz (C. Scholz)!
A. Halleri L. Gleiwitz: seit 1888 im Stadtwald von Osten einge-
wandert (Jungck, S.).
Cardamine pratensis L. v. Hayneana Welw. Breslau: Gross-
Tschansch (1836, Uechtritz, S.).
Dentaria bulbifera L. Knabenstein bei Reiwiesen (Kionka, $.);
Jauer: Lauterbach (F. W. Scholz, S.).
+ Sisymbrium Sinapistrum Ctz. Breslau: zwischen Herdain und
Dürgoy (S.).
Sinapis arvensis L. var. orientalis (Murr.) Grünberg: bei
Beuchelt’s Fabrik (Hellwig)!
Lunaria rediviva L. Riesengeb.: um Forstlangwasser mehrfach,
auch gegen Wolfshau (S.); Eulengeb.: „Doctorweg‘, beim Glasegrund ($.).
Thlaspi alpestre L. Bunzlau: Schlemmer (Alt, S.).
— Lepidium perfoliatum L. Brieg: Kasernenhof (Nitschke, 8.).
Berteroa incana (L.) DC. in der nordwestlichen Haideebene selten.
Görlitz: Penzig, Kohlfurter Bahnhof (Barber); Sagan: Küpper sparsam
(Schöpke).
Viola arenaria DC. Breslau: Wald zwischen Wohnwitz und
Nippern, also auch auf dem linken Oderufer (Baumann)!
V. mirabilis L. Canth: Lorzendorf (S.).
V. canina X pumila F. Schultz Strehlen: nördlich von Ruppers-
dorf am Saume eines Gebüsches (Kruber)! Hier bis 30 cm hoch, also
grösser als an den Standorten um Breslau, von wo diese Kreuzung bis-
her allein bekannt war. Jedenfalls von YV. canina var. montana (L.)
abstammend, die in dem angrenzenden Gebüsch vorkommt.
V. lutea Sm.: Lehnen des Hochwiesenbergs, stellenweise massenhaft
(Liebig u. 8.).
Drosera intermedia Hayne Görlitz: Hennersdorfer Teiche (Barber);
Pürben, Kreis Freistadt (Schröder)! Myslowitz: Granietz (S.).
Polygala oxyptera Rchb. wird bekanntlich von verschiedenen
neueren Autoren als eigene Art betrachtet und verdient in der That
grössere Beachtung, als ihr bisher von den meisten unserer Pflanzen-
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 161
freunde zu Theil wurde. Der mehr niedergestreckte Stengel, die nicht
so stark verlängerte nur 4- bis 10 blüthige zuletzt einseitswendige Traube,
die fast immer weisslichen Blüthen, die kahle Blüthenstandsachse, und
besonders die rhombischen bis länglich - lanzettlichen Flügel, welche
länger und schmäler sind als die Kapsel, unterscheiden sie hinlänglich
von P. vulgaris. Es wäre erwünscht, wenn ihre Verbreitung genauer
bekannt würde. Sichere Standorte sind folgende: Waldenburg: Wiesen
zwischen Sorgau und Liebichau!!; Dyhrenfurt: bei Kranz!!; Gr.-Strehlitz:
Schimischow!!, Gross-Steiner Wald!!
P. amara L. var. austriaca (Erntz.) Kontopp: bei Deutsch-
Schwenten (Hellwig)!
—+ Dianthus barbatus L. Gleiwitz: Stadtwald (Jungck, $.).
D. Carthusianorum L. in der nordwestlichen Haideebene auch
auf den die Grosse Tschirne begleitenden Sandhügeln bei Mühlbock und
Tiefenfurt (Barber).
D. supe'rbus L. Michelsdorf im Eulengebirge (Schröder)! Franken-
stein: Harteberg ($.), Strehlen: Pentsch (S.), Nimptsch: Alte Berg bei
Pangel (S.); Gleiwitz: Ellgut-Zabrze (Methner t. Jungck, $.).
VaccariaparvifloraMch. Brieg: Aecker bei Neudorf (Nitschke, $.).
Cucubalus baccifer L. Guhrau: zwischen Triebusch und Sabor-
witz (C. Scholz)! Breslau: Schmartsch ($.).
Silene gallica L. Oels: Klein-Mühlatschütz (Wegehaupt t. Kruber);
Stenzelberg bei Wüstewaltersdorf (Schröder)!; Landeck: Karpenstein
(Kruber);-Proskau an der Strasse nach Simsdorf (Richter)! Leschnitz:
beim Bahnhofe (S.); Kiefernstädtel: Smolnitz (S.); häufig um Berun:
Urbanowitz, Jaschowitz, Teichvorwerk, Lendziner Berg ($.).
+ 8. Armeria L. Grünberg: Brachäcker bei Bother’s Seechen
(Hellwig)!, Aufzug (Ders.).
S. chlorantha (Willd.) Ehrh. Grünberg: Jakobsberge bei Ochel-
hermsdorf (Schröder)!
S. dichotoma Ehrh. Lähn: geg. d. Bobermühle (Gerhardt, $.);
Jauer: Poischwitz (F. W. Scholz, $.).
gr
S. Otites Sm. Gr.-Strehlitz: Kalkgruben, w. Bahnhof Gr.-Stein ($.).
Melandryum album X rubrum (Grtn.) Schmiedeberg: Baber-
häuser ($.), unterh. Arnsberg ($.).
M. rubrum Gcke blassrosa im Zedlitzbusch b. Striegau (Uechtritz
86, 8.), desgl, Canth: Protschkenhayn ($.).
Stellaria media (L.) Cyr. var. neglecta (Weihe) Trachenberg:
Klein-Bargen (Schwarz)!; Schweidnitz: Fuchswinkel bei Rothkirschdorf
(Schöpke); Wansen: Bauernwald (Kruber)!
St. Friesiana Ser. Sohrau: „Königsweg,‘“ geg. Krolowka ($.).
Cerastium triviale Lk. var. nemorale Uechtr. Strehlen: Dober-
gaster Busch (Kruber)!
vy 11
24%
163 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
C. anomalum W. K. Breslau: Gr.-Tschansch (Uechtritz 1886, $.).
Lavatera thuringiaca L. Wansen: an der neuen Promenade
(Kruber).
Hypericum perforatum L. v. veronense Schrk. Jauer: Lauter-
bach (F. W. Scholz, S.).
H. humifusum L. zw. Krummhübel u. Wolfshau (Pax, $.).
H. montanum L. Nimptsch: Eichberge bei Wilkau ($.), Franken-
stein: Grochberg, Wachberg (S.); Carlsruhe: b. d. Försterei Christians-
hof (8.).
H. hirsutum L. Strehlen: Bärwald bei Eisenberg, Rummelsberg
(Kruber).
Acer Pseudoplatanus L. var. Dittrichii (Ortmann) Gesenke:
Weg vom Haidebrünnel nach dem Fuhrmannsteine mehrere Bäume
(C. Scholz)!
Geranium phaeum Z. Münsterberg: Schildberg (Kruber)!; Landeck:
bei Waldeck (Ders.); Rybnik: Belk (Ziesche, $.); neu für die rechte
Oderseite in Pr.-Schles. — Ohlau: Jakobine (Nitschke, $8.), hier kaum
ursprünglich,
G. palustre L., albiflorum. Schweidnitz: Goldene Waldmühle
(Leisner u. Dresler, S.).
G. pratense L. auf dem rechten Oderufer noch bei Guhrau: auf
Wiesen um die Stadt häufig (C. Scholz)!
G. sanguineum L. Proskau: Wilhelmsberger Wald (Richter)! Brieg:
zw. Kalkberg u. Carlsmarkt (S.).
G. molle L. albiflorum Grünberg: ÖOchelhermsdorf hinter der
Ender-Mühle (Schröder)!
+ G. pyrenaicum L. Bolkenhain: Rohnstocker Park im Gebüsch
häufig (Schöpke).
+ Ulex europaeus L. Niesky: am Döbschützer Haideberge in
Menge (B.); Lüben: im Krebsberger Revier vereinzelt und ganz wie wild
(Figert); Wüstewaltersdorf: in einem alten Steinbruche beim Hexenstein
(Schröder)!
Sarothamnus scoparius (L.) Kch. Schmiedeberg: am Jockel-
wasser, anscheinend wild (8.).
Genista pilosa L. Hoyerswerda: zwischen dem Adler und
Michalken ; häufig an der Eisenbahn zwischen Rietschen und Weisswasser
(Barber). Bunzlau: Rothlacher Haide (Alt, $.).
G. germanica L. Görlitzer Haide: Revier Haidewaldau (Barber);
Grünberg: Wittgenau (Hellwig)!; Freistadt: Gebüsche bei Friedrichsruh
und Weichau, vereinzelt bei Neudorf (Schöpke).
Cytisus nigricans L. Niesky: Radischer Dubrau, Station Mücka
(Barber); Bunzlau: Rothlacher Haide (Alt, $.); Kiefernstädtel: Kadzior-
mühle (S.).
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 163
C. capitatus Jqu. Ober-Altwasser, b. Schuckmann-Schacht (Leisner,
S.); Rybnik: zw. Belk u. Sawade (Ziesche, $.); Myslowitz: zw. Imielin
u. Gollawietz ($.).
C. ratisbonensis Schff. Kiefernstädtel: bei d. Kadziormühle ($.).
Ononis spinosa L. Schlawa: geg. Pürschkau, weissbl. (Ziesch&,
S.); Oppeln: vor Kempa ($., schon Uechtritz 1863).
- O. hircina Jqu. Schönau: Kammerberg gegen Kauffung ($.), Skot-
- schau: Willamowitzer Berg ($.).
Anthyllis Vulneraria L. Schönau: Röwersdorf (Leisner, $.),
- Frankenstein: Wachberg (8.), Breslau: zw. Wüstendorf u. Gr.-Nädlitz
(S.), Reinerz: Roms ($.), Proskau: Wilhelmsberg (Richter, $.), Schweidnitz:
- zw. Breitenhain u. d. Waldmühle (Leisner, $.).
Melilotus altissimus Thuill. Strehlen: Bärzdorfer Mergelgruben
(Kruber); Wansen: Graben bei Brosewitz (Ders.)! Breslau: Kl.-Nädlitz
und zw. Gr.-Nädlitz und Kriechen (1836 Uechtritz, $.).
Trifolium ochroleueum L. Strehlen: Oberecke häufig (Kruber)!
T. rubens L. v. hirsutum Zöske. Jauer: Siebenhufen (F. W.
Scholz, S.).
Astragalus Cicer L. Wansen: Brosewitz (Bartsch t. Kruber);
Proskau: am Turnplatz des Seminars, wohl aus dem benachbarten
Garten stammend (Richter)!
Ornithopus perpusillus L. Hoyerswerda: an der Senftenberger
Chaussee, bei der Wassenburg - Mühle, _ Maukendorf, Seidewinkel!!,
Bergen!! ete. (Barber); Niesky: Steinölser Dubrau, Seifersdorfer Ziegelei
(Barber); Sagan: Ober-Buchwald, Küpper (Schöpke); Sprottau: Liebichau;
Freistadt: bei Neudorf (Ders.).
Vicia silvatica L. Nimptsch: Sadewitz, Neobschützer Forst, Tarch-
witz (Kruber); Eulengebirge: am oberen Ende des „Doctorwegs‘“ (ca.
600 m), im October zum 2. Male blühend (S.).
| V. cassubica L. Niesky: bei der Seifersdorfer Ziegelei und weiter
an der Strasse nach Thräna (Barber); Freistadt: Ober-Herzogswaldau
(Schöpke)!; Zobtener Försterei (Ders); Nimptsch: Mückenberg bei
Reichau (Kruber, auch $.)! Namslau: Lankau (Ziesche, $8.); Rybnik:
Golleow (8.).
Lathyrus montanus Bernh. Niesky: Radischer Dubrau (Barber).
—+ Spiraea opulifolia L. Görlitz: Neisseufer oberhalb der Tisch-
brücke (Barber).
S. salicifolia L. Oppeln: in den Sümpfen zwischen Trenezin und
- Marscholken mehrfach ($.).
Aruncus silvester Kostel, Strehlen: unweit der Pogarthmühle
(Kruber)!; Hultschin: Waldabhänge beim Weinberge!! Skotschau: zw.
Schimoradz u. Ochab ($.).
11*
164 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Geum urbanum X rivale G. Mey. Strehlen: Skalitz, Baumgart-
busch bei Ruppersdorf (Kruber) !
G. montanum L. Riesengeb.: durch Samenanflug etwa 100 m unter-
halb Forstlangwasser (Liebig, $.).
Rubus nitidus W. et N. um Hoyerswerda häufig!! und von da an
der Bahn bei Niesky; Radischer Dubrau, Diehsaer Oberwald; um Reichen-
bach an der Chaussee südlich von Biesig, Vorwerk Hartha; in der
Görlitzer Haide noch bei Mühlbock und Tiefenfurt. Diese Art bevor-
zugt durchaus nicht Erlbrüche und Bachufer, wie in den meisten floris-
tischen Werken angegeben, sondern besiedelt bei uns vorzugsweise die
dünenartigen Sandwellen der Haidegegenden (Barber).
R. sulcatus Vest. Görlitz: nicht selten bei Hermsdorf; Reichen-
bach O.-L.: Dittmannsdorf (Barber).
R.thyrsoideus Wimm. Niesky: zwischen Hartha und dem Diehsaer
Oberwald, in u. bei Thraena (Barber).
R. silesiacus Weihe im südöstlichen Theile der Görlitzer Haide
verbreitet, im südwestlichen nur bei Mühlbock, selten (Barber).
R. scaber W. et N. Niesky: am See’er Basalthügel, ganz typisch
(Kootz t. Barber).
RR. Koehleri W. et N. Hoyerswerda: Spohlaer Haide, zwischen
Gross-Zeisig und Maukendorf; Niesky: in Thraena, Steinölsa; Görlitzer
Haide bei Haidewaldau und Mühlbock (Barber).
R. Schleicheri W. et N. Hoyerswerda: am Schwarzen Graben in
der Königswarthaer Haide; häufig bei Haidewaldau in der Görlitzer
Haide (Barber).
R. Bellardii W. et N. Görlitz: Rengersdorfer Wald, Kämpfenberge;
Niesky: See’er Basalthügel (Kootz t. Barber). |
R. Idaeus L. var. denudatus Spenn. Hoyerswerda: zwischen
Neuwiese und dem Fasanengarten; Tiefenfurt (Barber).
Fragaria collina Ehrh. f.subpinnata Cel. Breslau: Gr.-Tschansch
(Uechtritz, 86; $.). E
Comarum palustre L. Brieg: Neudorf (Nitschke, $.).
Potentilla norvegica L. Hoyerswerda: am Schwarzwasser beim
„Jagdhause‘‘!, Ausstisch südlich des Seidewinkler Amtsteiches (Barber)!!.
P.recta L. Wagstadt: buschige Bergabhänge vor Laubias (W etschky)!!
Breslau: zw. Schimmelwitz und Obernigk (Hieronymus, $.); Bunzlau:
Rackwitz (Alt, $.). |
P. canescens Bess. Brieg: Schönau ($.); Strehlen: Kieferberg bei
Krain (Kruber)!; Wagstadt: vor Laubias (Wetschky)!!
P. silesiaca Uechtr. Breslau: um die Ziegeleien bei Nimkau
(Baumann)!
P. argentea X silesiaca (P. Scholziana Callier) Guhrau: bei
Ronkau (C. Scholz)!
FE
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 165
P. procumbens X reptans (P. mixta Nolte) Hoyerswerda:
- Seidewinkel!!; Liegnitz: Hummeler Teiche!, Vorderhaide (Figert)! Bunzlau:
— Greulich (Alt, S.).
P. procumbens X silvestris (P. suberecta Zimmeter) Pürben,
Kreis Freistadt (Schröder)! Bunzlau: Gremsdorf (Alt u. Callier, $.).
P. procumbens Sbth. um Hoyerswerda häufig (Barber)!!; Grün-
berg: bei Jakobi’s Ziegelei (Hellwig)! Freistadt: Pürben (Schröder)!
Bunzlau: Reisichter Hammerteich (Alt, $.).
P. silvestris Neck. v. fallax Mss. Bunzlau: Greulicher Torf-
strasse, Rothlacher Haide (Alt, 8.).
e P. alba $. Wansen: Niemener. Haide (Kruber)!; Gross-Strehlitz:
_ südlich der Station Schimischow !! Nimptsch: Eichberge bei Wilkau ($.).
ni Sanguisorba officinalis L. Gleiwitz: Wiesen bei der Hütte
(Jungck, $.)
Agrimonia Eupatoria L. var. fallax Fiek Grünberg: neue
Maugscht (Hellwig)!
| A. odorata Mill. Guhrau: zwischen Triebusch und Saborwitz
häufig (C. Scholz)!
Rosa gallica L. Brieg: Abrahamsgarten (Nitschke, $.).
Epilobium Dodonaei Vill. Skotschau: Harbutowitz (S.).
E. collinum Gmel. Schweidnitz: Ziegeleiteiche, Mauern in Gorkau,
am Zobtenberge (Schöpke); Nimptsch: Tarchwitzer Kiefernberg
_ (Kruber).
E. obscurum Schreb. Grünberg: Barndt'sche Mühle (Hellwig)!;
Wüstewaltersdorf am Dorfbache (Schröder)!
2 E. nutans (Schm.) Tsch. Barania, Sumpfwiese unter'm Gipfel,
om mit E. palustre L. v. lineare Krause und Allium Victorialis
E . (8.).
E. montanum X roseum (E. mutabile Boiss. et Reut.) Reichen-
bach: Steinkunzendorf (Schöpke)!
: E. parviflorum X roseum (E. persicinum Rchb.) Schweidnitz:
Ziegeleiteiehe (Schöpke)!
$ Circaea alpina L. Bunzlau: Greulich (Alt, $.), Ujest: zwischen
Niesdrowitz u. Koszielawa ($.).
Trapa natans L. Brieg: Neudorf und an der Strehlener Chaussee
(Nitschke, S$.).
Hippuris vulgaris Z. Oppeln: in einem todten Oderarm bei der
Boguschützer Mühle (Richter)! Strehlen: Plohmühle ($.).
Montia minor Gmel. Görlitz: lehmige Aecker am Leisebrunnen
(Barber), bei Rietschen, Daubitz (Kahle).
M. rivularis Gmel. Görlitz: Quellgraben der Mühlbocker Försterei
(Barber),
166 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Corrigiola litoralis L. Hoyerswerda: in Seidewinkel auf dem
Sande des Dorfplatzes!!
Sedum alpestre Vill. massenhaft in Forstlangwasser ($.).
S. reflexum L. Freistadt: Wälder bei Brunzelwaldau (Schöpke)!,
Gebüsche bei Friedrichsruh; Bahndämme zwischen Neusalz und Beuthen
sehr häufig; Bahnhof Rauden; Koslau, Kreis Lüben (Ders.).
Ribes alpinum Z. Bolkenhain: bei der Bolkoburg (Schöpke).
Astrantia maior L. Breslau: Carlowitz (Migula 86 t. Uechtritz, $.).
Eryngium planum L. var. subglobosum Uechtr. Grünberg:
Oderwald (Hellwig)!
Helosciadium inundatum (L.) Koch Hoyerswerda: in den Ab-
flussgräben des Diskalteiches bei Kühnicht!!, des Burger und Seide-
winkler Amtsteiches!! in Menge (Barber); hier auch die f. fluitans
Fr. (homophylla Rchb.) mit gänzlich fehlenden Schwimmblättern.
Carum Carvi L. f. atrorubens Lge. Canth: Borganie ($.).
Pimpinella magna L. in der Ober-Lausitz noch bei Hoyerswerda:
Spremberger Chaussee!! und besonders zahlreich auf der Wiese vor der
Pinka, Tunk’s Wiese; Görlitz: Rothwasser, Kohlfurt-Mühlbocker Strasse
(Barber); Breslau: Gr.-Nädlitz (Uechtritz 86, $.).
P.Sazifraga L. var. dissecta (Retz.) Görlitz: Raine bei Posotten-
dorf und Köslitz (Barber).
Oenanthe fistulosa L. bei Hoyerswerda häufig, z. B. Wassen-
burg-Mühle, Diskalteich, Gross-Zeisig, Seidewinkel (Barber)!!, (dagegen
scheint O. aqualica (ZL.) Lmk. dort zu fehlen); Freistadt: Hainvorwerk
bei Nieder-Herwigsdorf (Schöpke)!; Trachenberg: um Gross - Bargen
(Schwarz)!; Oels: Gross-Mühlatschütz (Wegehaupt)!
Cenidium venosum (Hffm.) Koch Trachenberg: Lehmgruben bei
Klein-Bargen (Schwarz)!
Silaus pratensis Bess. mit weisslichen Blüthen bei Grünberg:
unter dem Schlossberge bei Bobernig (Kleiber t. Hellwig); Freistadt:
vereinzelt bei Ober-Herzogswaldau, Herwigsdorf u. Ballendorf (Schöpke).
Pastinaca sativa L. Schönau: Kammerberg geg. Kauffung ($.).
Laserpitium prutenicum L. v. glabrum Wiir. Sohrau: Neu-
dorfer Mühle ($.).
Peucedanum Cervaria (L.) Cusson Gross-Strehlitz : Schimischow !!
Sambucus Ebulus L. Hultschin: waldige Abhänge beim Wein-
berge!!; Wagstadt: Thalabhänge vor Laubias (Wetschky)!! Gleiwitz:
Dombrowa (Jungcek, $.).
Lonicera Periclymenum L. Reichenbach O.-L.: Wäldchen östlich
des Dittmannsdorfer Gutshofes (Barber); Strehlen: Vietoriahöhe bei
Krummendorf (Kruber)!
L. Xylosteum L. Wünschelburg: gegen Obersteine ($8.); Eulen-
gebirge: Brandmühle, geg. Raschdorf sowie mehrfach am „Doctorweg““
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 167
bis zum Volpersdorfer Plänel (S.). Skotschau: zw. Schimoradz und
Ochab (S.).
Lonicera nigra L. Barania: Schlucht d. weissen Weichsel ($.).
Sherardia arvensis L. f. hirta Uechtr. Jauer (F. W., Scholz,
S.); Gross-Glogau (Hellwig 82 in h. Uechtritz, $.), Ober-Glogau
(Richter, $.).
Asperula glauca (L.) Bess. Kontopp: Chauseeränder gegen
Liebenzig ($.), ziemlich viel, hier jedenfalls wild,
A. odorata L. Grünberg: unter'm Boberniger Schlossberg ($.).
Galium vernum Scop. Strehlen: Louisdorfer Wald; Nimptsch:
Neobschützer Wald (Kruber)!
G. palustre L. var. humifusum Reuter Hoyerswerda: südlich
vom Seidewinkler Amtsteich am Graben!!
G. elongatum Presl. Nimptsch: Silbitzgrund (Kruber)!
G. verum L. um Hoyerswerda mehrfach (Barber)!! — Die var.
Wirtgeni (F. Schz.) bei Hultschin: auf Wiesen unter dem Weinberge!!
Valeriana sambucifolia Mik. Breslau: Gr.-Tschansch (Uechtritz
1886, $.).
V. tripteris L. Barania: in beiden Weichselthälern, in dem der
weissen auch v. intermedia Vahl (8.).
Dipsacus laciniatus.L. Skotschau: Willamowitzer Berg und an
der Weichsel bei Ochab (8.).
Homogyne alpina Cass. v. multiflora Grab. Schwarze Koppe,
Kolbenberg ($.).
Stenactis annua (L.) Nees. Brieg: Stoberauer Oderwald (L.)
Breslau: Steine (Hager, $.).
— Telekia speciosa Bmgt. Rybnik: im Park von Leschzin ver-
wildert (Ziesch£, S$.).
Aster frutetorum Wimm. Schweidnitz: Weidengebüsche an der
Weistritz (Schöpke)!
—+ Rudbeckia laciniata L. Görlitz: am Kesselbach bei Lissa,
Biele bei Langenau (Barber);, Freistadt: Herzogswaldau; Gorkau bei
. Zobten (Schöpke).
+ Galinsoga parviflora Cav. in den Gärten der nordwestlichen
Haidegegenden verbreitet. Hoyerswerda; Niesky: Thräna, Gross-Radisch,
Steinölsa (Barber), Creba (Arlt); Penzig (Barber); Sagan: Küpper häufig;
Freistadt: Ober-Herzogswaldau (Schöpke); Guhrau: Saborwitz (C. Scholz)!
Gnaphalium norvegicum Gunn. Hohe Mense, unter dem Gipfel
geg. Grunwald (S.).
| — Xanthium spinosum L. Brieg: auf Schutt bei Moll’s Gerberei,
mit Potentilla supina L. und Lappula Myosotis Mnch. (Nitschke, $.).
Artemisia annua L. Schweidnitz: Chausseerand westlich Schön-
brunn (Dr. Pfeiffer)!
168 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Anthemis tinctoria L. in Ustron ($.).
A. ruthenica MB. Grünberg: bei Wittgenau, also auch westlich
(Hellwig)!; Schlawa: an der Strasse nach Rädchen (Hellwig).
— Matricaria discoidea DC. Görlitz: auf dem Bahnhofsterrain
und in der Sattigstrasse völlig eingebürgert, Dorfstrasse in Leschnitz
(Barber); Reichenbach: Dorfwege in Ernsdorf (Schöpke).
Doronicum austriacum Jqu. Barania: in beiden Weichsel-
thälern ($.).
Arnica montana L. Hoyerswerda: zwischen Neuwiese und dem
Fasanengarten; Görlitzer Haide bei Penzig, Mühlbock, Forsthaus Schön-
berg (Barber); Proskau: Wilhelmsberger Wald (Richter)!
Senecio crispatus DC. Ujest: zw. Niesdrowitz u. Koszielawa ($.);
Pless: zw. Kobier u. Sandau ($.).
S. aquaticus Huds. in der Elsterniederung um Hoyerswerda sehr
häufig!!, (dort wie es scheint $. Jacobaea L. ersetzend,) auch in der
Niederung des Schwarzen Grabens östlich der Elster, z. B. am „Jagd-
haus‘, am Jäserteich, Mönnichsteich ete. (Barber).
S. Fuchsii Gmel. Görlitz: Gebüsche an der Neisse bei Posotten-
dorf, Hermsdorfer Ziegeleien (Barber); Schweidnitz: Gebüsche bei den
Ziegeleiteichen (Schöpke); Strehlen: Lehmberg bei Geppersdorf (Kruber),
Mückenberg bei Kummelwitz (8.); Breslau: Masselwitz (Schneider in
h. Uechtritz 1886, $.).
S. vernalis > vulgaris Ritschl Grünberg: Nittritz (Hellwig)!
Carlina acaulis L. v. caulescens (Lmk.) Nimptsch: zw. Pangel
und Petrikau ($.).
Cirsium oleraceum (L.) Scop. var. amarantinum (Lang) Grün-
berg: Schweinitz an der Chaussee nach Kunzendorf (Schröder)!; Frei-
stadt: Ober - Herzogswaldau (Schöpke); Strehlen: zw. Peterwitz und
Plohmühle (Bodmann, $.).
C. heterophyllum (L.) All. Hirschberg: zw. Maiwaldau und Tief-
hartsmannsdorf ($.).
C. rivulare X palustre (CO. subalpinum Gaud.) Freistadt:
Ballendorf (Schöpke)!
CO, canum X palustre (C. silesiacum Schz. Bip.) Wohlau:
Wiesen bei Alexanderwitz (Schwarz)!; Guhrau: zwischen Saborwitz und
Triebusch (C. Scholz)!; Schweidnitz: ‚Texas‘ (Schöpke).
C. oleraceum X canum Wimm. Breslau: Woischwitz ($.).
C. oleraceum X palustre Schiede. Hirschberg: Maiwaldau ($.).
Carduus crispus L. Breslau: Schwoitscher Chaussee an d. Renn-
bahn (S.); Frankenstein: Brücke der Glatzer Chaussee ($.), Strehlen: zw.
Plohmühle und Pentsch ($.).
Centaurea Phrygia L. fl. swec. Michelsdorf im Eulengebirge
(Schöpke).
iz 1
A ARFET
PILLE DREIER RE ED PILBRSS
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 169
Thrincia hirta Rth. bei Hoyerswerda stellenweise häufig, so auf
Wiesen in der nächsten Umgebung der Stadt!!, bei Gross-Zeisig, Mauken-
dorf, am Jäser-, Diskals-!! und Seidewinkler Amtsteich!!, zahlreich be-
sonders auf Viehweiden, z. B. nördlich der Wassenburg-Mühle, bei
Neuwiese, Dörgenhausen, Colonie Bergen!! (Barber); Freistadt: um
Droschheidau! und Pürben (Schröder)!
Tragopogon orientaiis L. Strehlen: Bärzdorfer Mergelgruben;
Wansen (Kruber); Oppeln: vor Kempa ($.), Breslau: Kottwitz v. Auras ($.).
Scorzonera humilis L. Kontopp (Hellwig)!; Gubrau: Zechen
(C. Scholz)!; Proskau: Waldrand gegen Dombrowka und Gr.-Schimnitz
(Richter)!
Lactuca Scariola L. Silberberg: zw. Schönau u. Grünhartau ($.)-
Sonchus arvensis L. var. uliginosus (MB.) Grünberg: Barndt’sche
Mühle (Hellwig)!; Wansen: Wiesen bei Kauschwitz (Kruber)!
Crepis rhoeadifolia MB. Gross-Stein, in fast sämmtlichen alten
Kalkgruben (S.).
C. succisaefolia Tsch. Schweidnitz: Seilerhöhe bei Ober-Weistritz
(Sehöpke); Strehlen: Kirmesswiesen bei Ruppersdorf (Kruber)! am Landes-
huter Kamm vom Pass bis Kupferberg zerstreut ($.), Riesengeb.: Baber-
häuser, Forstlangwasser, hier über 900 m ($8.) Mense: Grunwald, gegen
950 m (S$.).
C. grandiflora Tsch. Landeshuter Kamm zw, dem Pass u. Ober-
Haselbach ($.).
Hieracium suecicum Fr. Strehlen: Fasanerie bei Ruppersdorf,
eine schöne grossköpfige Form (Kruber)!
H. aurantiacum L. Riesengeb.: Forstlangwasser, am Bache spär-
lieh (Liebig, $S.) und auf Wiesen zahlreich (8.); Landeck: Wetzstein-
kämmel spärlich ($.).
H. echioides Lumn. Grünberg: in einer Schonung zwischen Schwei-
nitz und Kunzendorf (Schröder)!
H. nigrescens W. b. decipiens Tsch. Korallensteine (Pax, $.),
Forstlangwasser ($.).
H. glaudulosodentatum Uechtr. Korkonosch (Schneider, $.). Neu
für das westliche Riesengebirge.
H. caesium Fr. Korallensteine, Hampelbaude (Pax, S.).
H. Pilosella X pratense (H. prussicum Naeg. et Pet. ma).
ex part,) Löwenberg: Abhang des Popelberges (Dresler)!
H. vulgatum Fr. var. fastigiatum (Fr.) = var. latifolium
W. Gr. Strehlen: Krainer Wald häufig (Kruber)!
H. riphaeum Uechtr. Kleiner Teich (A. Schulz u. Pax, S.).
H. barbatum Tsch. Silberberg: Brandmühle, geg. Raschdorf ($.).
Phyteuma orbiculare L. Strehlen: Bärzdorfer Mergelgruben
(Kruber)!
170 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur,
Campanula rapunculoides L. var. parviflora Uechtr. Grün-
berg: Rauherei am Lunzenbach (Hellwig)!
C. latifolia L. Hirschberg: Jannowitz (F. W. Scholz, $.); Gipfel
des Hochwalds (ders., $.).
©. patula L. v. flaccida Wallr. Breslau: Wüstendorf (Uechtritz
1886, $.); Schweidnitz: „Kurde“ bei Ludwigsdorf ($.).
©. Rapunculus L. Oels: beim Bahnhofe (Bodmann, $.).
Adenophora liliifolia (L.) Bess. Oels: Klein-Mühlatschütz (Wege-
haupt)! Erster Standort auf dem rechten Oderufer,
Arctostaphylus uva ursi (L.) Spr. Niesky: Jänkendorfer Forst,
gegen See, Horkaer Torfbruch (Kootz t. Barber).
Calluna vulgaris Salisb. var. hirsuta Presl. Kohlfurt am Aus-
stich bei der Oberförsterei (Barber).
Erica Tetralix L. um Hoyerswerda sehr häufig!!, besonders in
der Umgebung der Teiche am Schwarzen Graben und der Klosterteiche
(Barber).
Monotropa Hypopitys L. v. glabra Rth. Grünberg: Saaborer
Gruft (Hellwig 18834 in herb. Uechtr., $.); Jauer: Lauterbach (F. W.
Scholz, 8.).
Ligustrum vulgare L. Gr.-Stein, nahe der Wolfsschlucht, sicher
wild (S.).
Vinca minor L. Niesky: Nordseite der Steinölser Dubrau (Barber).
Gentiana Preumonanthe L. Hoyerswerda verbreitet, z. B. Wiesen
um den Fasanengarten, an den Klosterteichen, bei Seidewinkel!!, Colonie
Bergen!! u. s. w. (Barber); Freistadt: Pürben (Schröder)! — Die var.
latifolia Scholler bei Strehlen: Eichwalder Wiesen (Kruber), Thon-
gruben bei Töppendorf (Wegehaupt). — Um Gleiwitz selten: vor Sost-
nitza (Jungcek, $.).
G. ciliata L. Jauer: Gräbel (F. W. Scholz, 8.) Frankenstein:
Grochau, Strassenrand bei Tarnau (S.); Reinerz: zw. Keulendorf und
Friedrichsberg mehrfach ($8.); Wünschelburg: bei Siebenhufen ($.).
G. campestris L. Landeshut: am Pass und zwischen diesem und
Öberhaselbach ($.).
G. germanica Wlid. Reinerz: Keulendorf (S.); Waldenburg: zw.
Reussendorf und Wäldehen, dagegen bei Bärengrund fehlend, dort nur
G. campestris L. (Leisner, $.); Gesenke: Neu-Erbersdorf (Wetschky)! —
Letztere Pflanze müsste, gleich denen von den meisten schles. Standorten
zu G. carpathica Wettst. (Oest. Bot. Ztg., 1892, p. 4) gezogen werden,
falls diese wirklich von @. germanica W. specifisch verschieden sein sollte,
G. eruciata Z. Habelschwerdt: Gicklichberg bei Alt-Waltersdorf
(Bartsch)!
G. obtusifolia Willd. Wilhelmsthal bei Wüstewaltersdorf (Schröder)!
Lappula Myosotis Mnch. Strehlen: in Sägen (9.).
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 171
Convolvulus sepium L. var. rosaceus DC. Strehlen: beim Schiess-
haus (S.); Zäune in Ruppersdorf (Kruber). Hirschberg: Erdmannsdorfer
‚Fabrik ($.); Myslowitz: Gollawietz ($.).
Cerinthe minor L. um Wansen selten (Kruber), auch bei Proskau
spärlich (Richter)! Zobten: zw. Altenburg und Kuhnau (Ziesche, $.);
Skotschau: Willamowitzer Berg ($.).
Symphytum tuberosum L. Hultschin: waldige Abhänge beim Wein-
berge (Baumann); Wagstadt: Thalabhänge vor Laubias (Wetschky)!!
Lithospermum officinale Z. Trachenberg: Laubwald bei Kendzie
(Schwarz)!, dritter Standort auf der rechten Oderseite,
L. arvense L. fl. coeruleo Grünberg: zwischen Nittritz und
Bobernig ($.).
Myosotis sparsiflora Mik. Breslau: Schönbankwitz (Kionka, $.);
verbreitet um Mettkau ($.); Brieg: Strehlener Chaussee (Nitschke, $.).
Solanum nigrum L. var. alatum (Mnch.) Hoyerswerda: Dorf-
strasse in Bergen!! Neu für die Ober-Lausitz,
Atropa Belladonna L. Wagstadt: Abhänge vor Laubias (Wetschky)!!
Verbascum phlomoides L. Kiefernwald bei Raschewitz, Kreis
Trebnitz (Schwarz)! Brieg: Rothhaus (Nitschke, $.).
V. Lychnitis L, var. album (Mill.) Niesky: Wegrand bei der
Station Mücka (Barber)!!
V. Blattaria L. Freistadt: Dorfstrasse in Zächlau häufig (Kleiber)!;
um Wansen (Kruber); Proskau: Strasse nach Simsdorf (Richter)! Jauer:
Exerzierplatz, Hertwigswaldau (F. W, Scholz, $.). |
Scrophularia Scopolii Hoppe Proskau: Seminargarten mehrfach
(Richter)!, Katscher: Zäune in Gross-Peterwitz!!
—+ Linaria Cymbalaria (L.) Mili. Waldenburg: Eiskeller der
Brauerei in Hausdorf (Schröder)!, auch an Mauern des Leisebachs
(Leisner, S.).
L. Elatine (L.) Mill. Ober-Glogau: beim Judenfriedhof (Richter).
Gleiwitz: Laband (Jungck, S$.).
Limosella aqguatica Z. Hoyerswerda: Seidewinkel, im Schulteiche
(Barber)!! In der Ober-Lausitz sehr selten,
Veronica scutellata L. var. pilosa Vahl Hoyerswerda: Ausstich
südlich vom Seidewinkler Amtsteiche (Barber)!! Grünberg: im Rohrbusch
ein Stock (Hellwig)!; dieser jedoch nur eine Uebergangsform darstellend,
da .wohl der Stengel ziemlich stark bekleidet ist, die Blätter aber nur
unterseits auf den Nerven, und zwar sparsam, behaart sind.
V. Chamaedrys L. v. lamiifolia H. Gr.-Strehlitz: Sprentschützer
Wald ($.).
V. offieinalis L. v. alpestris Cel. Riesengebirge: im langen
Grunde ($.).
172 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
V. Teucrium L. Berun: Clemensberg an der Kirchenmauer ($.);
Reinerz: gegen Rückers, bei 575 m!l
V. aquatica Bernh. Trachenberg: Gross-Bargen (Schwarz)!
V. longifolia L. Görlitz: Neissethal bei Köslitz und Posottendorf
häufig (Barber); Grünberg: Droschkau auf Diluvium (Hellwig)!; Strehlen:
Gurtsch; Wansen: Brosewitz.
Euphrasia nemorosa Mt. v. gracilis (Fr.) Jauer: Seichau
(F. W. Scholz, $.).
Lathraea Squamaria L. Ohlau: Jakobine (Nitschke, $.).
Melampyrum cristatum L. Guhrau: Sorge (C. Scholz)! Breslau:
Jannowitz (Hager, $.).
Orobanche rubens Wallr. Winzig: bei der Försterei Gross-
Strenz zahlreich auf einem Kiefernkampe (Schwarz)! Berun: Lendziner
Berg (8.).
O0. Kochii F.Schz. Myslowitz: Dolomitberge bei Imielin (Wetschky)!
Salvia pratensis L. Skotschau: Willamowitzer Berg mit f. dume-
torum (Andz.) und $. verticillata L. ($.). — v. rostrata (Schm.) Breslau:
Thauer (Ziesch&, S.).
S. verticillata L. Teschen: noch in Oberweichsel ($S.); Reinerz:
Roms ($.).
Mentha sativa Koch Hoyerswerda: Tripentasgraben in der Pinka
(Barber); Liegnitz: Rüstern in einem Feldgraben (Figert), hier mit wellig-
krausen Blättern.
Melittis Melissophyllum L. Strehlen: Geppersdorfer Kalkbruch,
Wald bei Oberecke, Nimptsch: Tarchwitz (Kruber); Gross - Strehlitz:
Schimischow!!
Galeopsis Ladanum L. floribus niveis Strasse von Kohlfurt
nach Mühlbock im Sande zahlreich (Barber)!
Stachys germanica L. Breslau: Schönborn, geg. Schmartsch ($.).
St. recta L. Stroppen: Hügel bei Pavelschewe (Schwarz)!; Strehlen:
Plohmühle (S.); Myslowitz: Imielin (S.).
St. annua L. Myslowitz: Imielin, Lendziner Berg (8.); Gleiwitz:
Heinzemühle (Jungck, $.).
Brunella grandiflora (L.) Jqu. Strehlen: Südseite d. Galgenbergs,
spärlich ($.).
Chaeturus Marrubiastrum (L.) Rchb. Grünberg: in Nittritz!,
Droschkau (Hellwig)!
Teucrium Scor dium L. Trachenberg: Lehmgruben bei Klein-Bargen
(Schwarz)!
Utricularia neglecta Lehm. Hoyerswerda: im Tripentasgraben
am Seidewinkler Amtsteich (Barber)!!, Gräben an der Abdeckerei mehr-
fach (Prof. Ascherson), ebenso südlich von Seidewinkel, an den Kloster-
teichen etc, (Barber); Pless: Paprotzanteich ($.).
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 173
U. intermedia Hayne Hoyerswerda: Chausseegraben am Seide-
winkler Amtsteiche, Strassengraben südlich Seidewinkel (B.)!!; Görlitz:
Lippsche Wiesen in der Haide (Barber).
U. minor L. Hoyerswerda: Gräben westlich des Bahnhofes (Höhn) ;
Grünberg: Zahner See (Kleiber)!
+ Lysimachia punctata L. Riesengeb.: unweit der Baber-
häuser (S.).
L. nemorum L. Hoyerswerda: am Schwarzen Graben in der Königs-
warthaer Haide; Niesky: am Thalbache zwischen der Steinölser und
Colmer Dubrau (Barber).
Primula elatior Jqu. Canth: Mohnau (S.); auf der hohen Mense
Anfang October zum zweiten Male blühend (8.).
Androsace septentrionalis L. Winzig: Sandhügel bei Gr.-Strenz
(Schwarz)!
Litorella juncea Bergius Hoyerswerda: überschwemmter Sand-
boden am Jäserteich! und Seidewinkler Amtsteich (Barber)!
Plantago arenaria W. Kit. Sagan: Aecker am Bahnhofe; Frei-
stadt: Nieder-Herzogswaldau (Schöpke).
Polycnemum arvense L. Freistadt: Chausseeränder bei Ober-
Herzogswaldau (Schöpke); Proskau: Aecker bei Pilzdorf (Richter)!
Grünberg: bei der Weiten Mühle (Hellwig)!, dies eine Uebergangsform
zur var. Heuffelii (Lang).
Chenopodium rubrum L. Hoyerswerda: Schulteich in Seidewinkel
(Barber)!!; Friedland!!; Schweidnitz: spärlich in der Wiederstadt,
Schutthaufen bei Tunkendorf, Goglau (Schöpke).
Rumex crispus X sanguineus Hausskn. Liegnitz: Lindenbusch
(Figert)! Weicht in einigen Stücken von der von Uechtritz bei Canth
gefundenen Form ab.
R. alpinus L. Waldenburg: Freudenburg (Pax und Felsmann, $.);
neu für das Waldenburger Gebirge. Krummhübel: am Gerichts-
kretscham und im Strassengraben gegen Schmiedeberg (Pax, $.).
R. Acetosella L. var. integrifolius Wallr. Waldschläge am
Zobtenberge (Schöpke). — Var. multifidus (L.) Schweidnitz: Popel-
berg bei Schwengfeld (Ders.).
+ Polygonum orientale L. Grünberg: hinter Klopsch’ Ziegelei
am Wege (Hellwig)!
P. mite Schrk. Um Gleiwitz zerstreut (Jungck, $.).
P. minus X Persicaria Aschs. Liegnitz: Lindenbusch (Figert) !,
zwischen Pohlwitz und Liebenau (Figert)!
P. aviculare L. var. monspeliense (Thiebaud) Winzig: bei
Gross-Strenz auf einem Damme (Schwarz)!
—+ P.tataricum L. bei Hoyerswerda, Penzig, Langenau, Tiefen-
furt u, a. O. der Ober-Lausitz häufig unter Buchweizen (Barber).
174 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Daphne Mezereum L. Nimptsch: von Wilkau über Petrikau bis
Silbitz zerstreut ($.)
Asarum europaeum L. Freistadt: Gebüsche bei Ober -Herzogs-
waldau und Bullendorf (Schöpke).
Euphorbia amygdaloides L. Barania: in beiden Weichselthälern;
Skotschau: zwischen Schimoradz und Ochab (S.).
Mercurialis annua L. Görlitz: in Menge an der neuen Neisse-
brücke (Barber).
Urtica dioecaL. var. subinermis Uechir. Grünberg: Barndt’sche
Mühle im Erlengebüsch (Hellwig)! — Die var. microphylla Hausm.
Grünberg: im Rohrbusch (Hellwig)!
Parietaria officinalis L. Schweidnitz: an Festungswällen spär-
lich (Schöpke).
U. campestris ZL. f. suberosa Ehrh. Jauer: Poischwitz, Bremberg
(F. W. Scholz, $.); Gleiwitz: Dombrowa (Jungck, $.).
„Alnus glutinosa Gin. f. mierophylla Call. Breslau: Kapsdorfer
Goi (Ansorge).
A. incana DC, v. vulgaris Sp. f. dubia Call. Goldberg: Stein-
berg (Callier); v. glauca Mchx. f. glabra Call. Breslau: Strachate
(Ansorge); v. subrotunda Call. Schweidnitz: Neumühle (Schöpke),
Merkelshöhe (Seidel); Breslau: Gräbelwitz, Ransern (Ansorge); Grün-
berg: Heinersdorf, Wittgenau, mit voriger (Schröder); v. argentata
Norrl. f. acutifolia Call. Freistadt: Ober-Herzogswaldau (Schöpke);
nunmehr auch f. iypica gesichert: Blankenau bei Breslau (Ansorge).
A. serrulata Wild. Breslau: Stabelwitz (Ansorge); Grünberg: beim
Bergwerk (Hellwig).
A. glutinosa X incana (A. spuria Call.) subsp. Tauschiana
Call. v. hybrida Neum. Breslau: Lohestrasse (Ansorge); Schweidnitz:
Texas (Schöpke); v. pubescens Tsch. Haynau: Barsdorf (Figert); v.
badensis Lg. Grünberg: Heinersdorf, Wittgenau (Schröder); Schweidnitz:
Säbischdorf (Schöpke); v. intermedia Call. Proskau: Dometzko (Richter).
A. serrulata X incana (A. Aschersoniana Call.) v. vulgaris
Call. Freistadt: Ober-Herzogswaldau (Schöpke).“ (Callier in litt.; S.)
Betula verrucosa Ehrh. var. microphylla Wimm. Grünberg:
Halbmeilmühle (Hellwig;) !
Salix repens L. var. liocarpa G. Mey. Grünberg: Jakobsberge
bei Ochelhermsdorf!, Hartmannsdorf (Schröder)!
S. fragilis X pentandra Wimm. Haynau: in Vorhaus mehrfach
(Figert).,
S. Caprea X viminalis Wimm. Hoyerswerda: vor Seidewinkel,
angepflanzt!!; Reichenbach: Steinkunzendorf (Schöpke)! Breslau: Gross-
Nädlitz (Uechtritz 1886, $.).
il. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 175
S. Caprea X silesiaca Wimm. Riesengebirge: Ober - Agneten-
dorf!!; Eulengebirge: auf dem hohen Hahn bei Leutmannsdorf (Schöpke)!
S. aurita X silesiaca Wimm. Ober-Agnetendorf (Pax, $.).
S. aurita X purpurea Wimm. Schweidnitz: Tunkendorfer Wiesen
(Schöpke)!
S. cinerea X repens Wimm. Hoyerswerda: Spremberger Chaussee
gegenüber dem Amtsteich, drei Sträucher (Barber)!!
Stratiotes aloides L. Brieg: Stoberau, Carlsmarkt ($.).
Scheuchzeria palustris L. Görlitzer Haide: Erlbrüche der
Lippsche Wiesen (Barber).
Potamogeton polygonifolius Pourr. in der Görlitzer Haide noch
am Gelbbruchgraben, sowie zahlreich im Strassengraben zwischen Kohl-
furt und Rothwasser (Barber)!!
P.semipellucidus K.etZiz. Grünberg: Ochelhermsdorf (Schröder, $.).
P. acutifolius Lk. Hoyerswerda: Weggraben bei der Abdeckerei,
Kühnichter Graben an der Spremberger Chaussee (Barber)!!; Görlitz:
Fasanerieteich bei Köslitz (Ders.).
P. obtusifolius M. et K. Görlitz: Bauernteich in Ober-Leopolds-
_ hain, Fasanerietümpel bei Köslitz; Freistadt: Pürben im Waldteich un-
weit der Chaussee (Schröder)! Ochelhermsdorf (Ders., $.).
Wolffia arrhiza <L.) Wimm. Nimptsch: Wilkau ($. und
Hieronymus).
Sparganium minimum Fr. Görlitzer Haide: in einem Graben
des Reviers Haidewaldau sehr häufig (Barber), in mehreren Gräben des
Reviers Rabenhorst (Lehrer Rakete t. Barber). Rybnik: Belk (Ziesche, $.).
| Orchis mascula L. im Gesenke (östlich vom Haidebrünnel) bis
fast 1300 m aufsteigend!!
O. incarnata L. Kontop: Obrawiesen ($.).
Platanthera viridis (L.) Ldl. Jannowitz: am Rosengarten ($.),
Landeshut: Hohenwaldau (Hieronymus u. S.), zwischen Ober-Haselbach
und dem Pass (S.).
P. moniana Rchb. fil. Nimptsch: Mückenberg bei Reichau häufig!,
vereinzelt im Neobschützer Walde (Kruber)!
Cephalanthera Xiphophyllum (L. fil) Rcehb. Strehlen: Forst
Mehltheuer, Lehmberg, Geppersdorfer Wald; Nimptsch: Mückenberg bei
Reichau (Kruber, auch $.); Proskau: Wilhelmsberger Wald (Richter)!
Neottia Nidus avis (L.) Rich. Ohlau: Jakobine (Nitschke, $.).
Epipactis palustris (L.) Crntz. Clementinenhain bei Frei-
waldau O./L. (Höhn); Landeck: Karpenstein!; Habelschwerdt: spitziger
Berg gegen den Wölfelsfall (Kruber)!
Coralliorrhizainnata R. Br. Rsgb.: über dem alten Bergwerk,
mit Listera cordata (S.), sowie massenhaft unterhalb Forstlangwasser
(Liebig, $.)
176 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Malaxis paludosa (L.) Sw. Bunzlau: Greulicher Bruch (Alt, $.),
Zweiter sicherer Standort im Gebiete,
Galanthus nivalis L. Canth: am Striegauer Wasser von Pusch-
witz bis Lorzendorf zerstreut; an der Weistritz, stellenweise massenhaft,
bis Penkendorf aufwärts (S.).
Tulipa silvestris L. Brieg: beim Schiesshaus (Nitschke, $.).
Lilium Martagon L. Nimptsch: Eichberge bei Wilkau
(Hieronymus, $.); Brieg: Leubuscher Wald (Nitschke, S.); Breslau, West-
seite des Jungfernsees (S.); Ujest: unweit der Försterei Latscha ($.). —
Weissblüthig an der Bismarckhöhe bei Agnetendorf (Hager, S.).
Listera cordata (L.) R. Br. Bunzlau: Greulich (Alt)! Zweiter
Standort in der nordwestlichen Ebene.
Goodyera repens (L.) R. Br. Hoyerswerda: Kiefernwald am
Mönnichteiche in der Seidewinkler Haide (Barber)!
Gagea minima (L.) Schult. Schweidnitz: Teichenau (Schöpke) ;
Wansen nicht selten (Kruber)!
Allium ursinum L. Landesh. Kamm: zwischen Rothenzechau und
dem Ochsenkopf (S.).
4A. Vietorialis L. Barania, Sumpfwiese unter dem Gipfel ($.).
4A. fallax Schult. Freiburg: Fürstenstein (Kionka, $.).
A. oleraceum L. f. complanatum Fr. Skotschau: Willamowitzer
Berg ($.)
Anthericum ramosum L. Frankenstein : Harteberg (S.); Glogau:
Stadtforst (Hager, S.).
Muscari comosum (L.) Mill. Weagstadt: buschige Lehnen und
Aecker vor Laubias (W etschky)!!
M. botryoides (L.) DC. Niesky: Felder bei Walddorf (Kahle).
Colchicum autumnaleL. f. vernalis (Hffm.). Strehlen: Ruppers-
dorfer Wiesen (Kruber)!, Glambach in einem Grasgarten, hier mit ganz
schmalen, sehr verlängerten, grünlichen Perigonzipfeln (Kruber)!
Juncus glaucus Ehrh. var. pallidus Sonder. Wohlau: Gräben
bei Tschöplau (Schwarz)! Breslau: Protsch, gegen Oswitz (Uechtritz
85, 8.).
J. fuscoater Schreb. Bunzlau: Aschitzen, Eckersdorf, hier in einer
f. pallida (Ali, S.).
J. capitatus Weig. Bei Hoyerswerda sehr verbreitet (Barber)!ı
J. tenuis Willd. Reichenbach O./L.: Biesig, Dittmannsdorf, Seifers-
dorf; Niesky: Hartha, Thraena, Gross-Radisch, Steinölsa bis Mücka
(Barber); Liegnitz: Vorderhaide auf Waldwegen, östlichster Standort
dieser als Wanderpflanze bekannten Art (Figert)!
J.bufonius_L.f.hybridus Brot. Rybnik: Hammerteich (Ziesche&, $.).
J. Tenageia Ehrh. Hoyerswerda: am Abfluss des Diskalteiches
bei Kühnicht (Barber)!!
ERBE WEDE WETTER
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 177
Luzula silvatica Gaud. Rsgb.: Agnetendorf, gegen die Peter-
baude und am Leiterwege; auch nahe dem Kochelfall und bei der
Bismarekhöhe (Hager, S.). Barania: Thal der schwarzen Weichsel ($.).
| L. angustifolia Geke. Canth: Lorzendorf (S.); Nimptsch: von den
Wilkauer Eichbergen über Petrikau bis zum Mückenberg bei Roth-
neudorf (S.).
L. pallescens (Whlinb.) Bess. Grünberg: Wittgenauer Berge,
Pürben an einem Waldteiche (Schröder)!; Strehlen: Lorenzberger Wald!,
Dobergaster Busch!; Wansen: Niemener Haide (Kruber)!
Rhynchospora alba (L.) Vahl. Proskau: Przyschetz (Schulze 86
in h. Uechtr., S.); Gleiwitz: von der Hütte bis Ellgut-Zabrze (Jungck, $.);
Sohrau: Sezeikowitz (Ziesche, $.); am „Königsweg‘ mehrfach (8.).
Rh. fusca (L.) R. Sch. Bunzlau: Rothlacher Haide (Alt, S.).
Scirpus multicaulis Sm. Hoyerswerda: an den Teichen in der
Niederung des Schwarzen Grabens sehr häufig, z. B. Jeserteich!, Wald-
sumpf am Beesdonkteich, breite Podroschnik-, Holder-, alte Seidewinkler
Amtsteich, Diskalteich!! etc. (Barber).
S. maritimus L. Winzig: nasse Aecker um Tschepelin, sowohl
f. compacta wie f. monostachya (Schwarz) !; Wansen: bei Brosewitz und
Klein-Oels (Kruber).
Eriophorum alpinum L. Weisswassergrund unter der Teufels-
wiese (S).
Carex dioeca L. mit C. pulicaris L. in der Görlitzer Haide:
Leipwiesen (Barber).
C©. pauciflora Lightf. Görlitzer Haide: Kohlfurt auf der alten
- Teichwiese, Westufer des Hammerteiches, Lippsche Wiesen (Barber).
Bunzlau: Greulicher Torfbruch (Alt, S$.).
C. cyperoides L. Rybnik: Rudateich ($.).
C. arenaria L. Görlitzer Haide: Mühlbock, Tiefenfurt gemein
(Barber); Freistadt; Pürben (Schröder)! — Die var. remota Marss. bei
Kontopp: Birkengang (Hellwig)!
C. paradoxa Willd. Grünberg: Ochelhermsdorf gegen Drosch-
heidau (Schröder)!, Heinersdorf gegen die Birkmühle (Ders.)!, Droschkau
(Kleiber)!; Wohlau: Sümpfe bei Alexanderwitz (Schwarz)!
C. panniculata L. var. simplicior Anders. Grünberg: Ochel-
hermsdorf in den Wittgenauer Bergen (Schröder)!
C. caespitosa L. Strehlen: Kirmeswiese bei Ruppersdorf (Kruber)!
C. acuta Fr. var. strietifolia (Opiz). Trachenberg: Rogosawe
-(Schwarz)!. — Die var. tricostata (Fr.) Liegnitz: Hummeler Teiche
(Figert)!. — Der Typus mit ganz schwarzen Aehren bei Liegnitz: Neu-
hof an einer Stelle zahlreich (Figert)!
C. polyrrhiza Wallr. Strehlen: Wiesen bei Ruppersdorf!, Dober-
‚gaster Busch!, Bärwald bei Eisenberg (Kruber)!
#5) 12
178 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
C. montana L. Lüben: Neurode auf jungen Sehonungen (Figert)!;
Schweidnitz: Gebüsche bei Schwengfeld, Mooshütte bei Ober-Weeistritz
(Schöpke) ; Gross-Strehlitz: Schimischow !!
C. ericetorum Poll. Strehlen: Lehmberg bei Geppersdorf (Kruber)!;
Wansen: Niemener Haide (Ders.)! — Eine Abänderung mit nicht weiss-
häutig berandeten Deckschuppen beobachtete Figert bei Lüben: Neurode
auf Waldblössen!
Ü, rostrata X vesicaria Blytt. Breslau: Heidewilxen (Uechtritz
t. Appel; S.).
C. flava X Hornschuchiana F.Schz. Langenbielau: am Herrle-
berge!!; Oppeln: grosse Wiese südlich von Kgl. Neudorf!!; Leschnitz:
Lenkau (Wetschky) !
©. filiformis L. Hoyerswerda verbreitet: Spannteich, Jäserteich,
Waldsumpf am Beesdonkteich, alte Seidewinkler Amtsteich ete. (Barber).
—+ Anthoxauthum Puelii Lam. et Lecg. Grünberg: bei der
Barndt’schen Mühle (Hellwig)!
Calamagrostis Halleriana DC. Niesky: Diehsaer Oberwald,
Thraenaer Forst (Barber).
C. epigea (L.) Rth. var. one Döll. bei Exau, Kreis Wohlau
(Schwarz)!. — Var. glauca (Rchb.) Trachenberg: Kiefernwald bei
Kendzie (Schwarz)! Von feuchten Stellen dieses Waldes sandte derselbe
noch eine sonderbare Abänderung mit kleineren durchweg breit gestutzten
Rispen ein.
+ C. arenaria (L.) Rth. an der Oberlausitzer Bahn um Niesky,
Mücka, Lohsa ete. mehrfach angesät (Barber).
Koeleria gracilis Pers. var. humilis Uechtr. Grünberg: bei
Nittritz!, Siberien (Hellwig)! — Bei der ‚Weiten Mühle‘ sammelte
Hellwig eine K. graecilis f. interrupta mit bis 60 cm hohen Halmen
und 15 cm langen, unterwärts mehrfach unterbrochenen Rispen (!).
K. cristata Pers. genuina (K. pyramidata Lmk.) Lüben:
Kuchelberger Wald bei Neurode, schön ausgeprägt (Figert)! Gross-
Strehlitz: westlich vom Bahnhofe Gr.-Stein (S.).
Aira praecox L. bei Hoyerswerda nicht selten (Barber)!!
Arrhenatherum elatius (L.) M.et K. var. bulbosum (Schrad.)
Grünberg: an der Berliner Chaussee (Hellwig)!
Trisetum flavescens P. B. Pless: zw. Lendzin und) Paprotzan,
sehr schmächtig ($.).
Melica wuniflora Retz. Waestadt: Thalabhänge vor Laubias
(Wetschky)!!
Brachypodium silvaticum (Hds.) P. B. Breslau: Schwoitscher
Chaussee beim Zool. Garten ($.).
Bromus erectus Huds. Breslau: zw. Rankau u. Naselwitz ($.);
Gleiwitz: an der Klodnitz bei der Hütte (Jungek, 8.).
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II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 179
Elymus europaeus L. Eulengeb.: oberhalb Volpersdorf an der
Reichenbacher Chaussee, sowie mehrfach am „Doctorweg“ ($.).
Glyceria fluitans BBr. v. loliacea Hds. Bunzlau: Kaisers-
waldau (Callier, S.)
Poa Chaizi Vill,. Rsgb.: Forstlangwasser ($.).. — var. remota
Fr. Schweidnitz: Gebüsche in den Anlagen, wie wild (Schöpke)!
P. pratensis L. var. anceps Gaud. Kontopp: an der Chaussee-
böschung (Hellwig)!
Cynosurus cristatus L. Carolath: Forstrevier Hohenborau bei
den Lehmgruben (Hellwig)! Eine vom Typus merklich abweichende,
bis über 50 cm hohe schlanke Form mit schmäleren Blättern und dünnen
zierlichen Rispen.
Festuca elatior L. var. pseudololiacea Fr. Grünberg (Hellwig)!
Pinus silvestris L. var. parvifolia Heer. Grünberg: bei Holz-
manns Ziegelei!; annähernde Formen am Aumühlenberg (Hellwig;)!
P. montana Mill. a) uncinata (Ram.) Görlitzer Haide: zer-
streut im Revier Rothwasser (Barber). Die unter diesem Namen im
Jahresberichte von 1837 aus der Freiwaldauer Gegend angegebene Form
ist, wie ausgebildete Zapfen ergaben, db) Pumilio (Haenke) und dort
angepflanzt gewesen.
Pilularia globulifera L. Hoyerswerda: Abfluss des Diskalteiches
(B.)!! und des Seidewinkler Amtsteiches bei Colonie Seidewinkel
(Barber)!!; Görlitz: Langenauer Torfbruch (Ders.); Freistadt: Pürben am
Rande eines Waldteiches (Schröder)!, nordöstlichstes Vorkommen.
Lycopodium Selago L. Breslau: Obernigk (Schneider t. Kionka, $.).
L. complanatum L. Görlitzer Haide: Revier Haidewaldau (Barber) ;
Hohe Eule gegen Wüstewaltersdorf (Schröder)!
Equisetum litorale Kühl. Breslau: Kapsdorfer Goy (Kionka, $.).
Ophioglossum vulgatum L. Grünberg: Mahlendorfs Seechen!;
Kontopp: Torfwiesen gegen den Weinberg (Hellwig)!; Liegnitz: Bieno-
witz (Gerhardt, $.); Freistadt: Hartmannsdorf!; Kunzendorf, Kr. Sagan
(Schröder)!
Botrychium simplex Hitchcock Freistadt: Hartmannsdorf auf
Droschheidau zu!; Grünberg: Ochelhermsdorf gegen die Kalte Lache
(Schröder)! An beiden Orten v. simplicissimum Lasch und var.
subcompositum Lasch.
B. matricariaefolium A. Br. Freistadt: Hartmannsdorf auf
Droschheidau zu (Schröder)!; Grünberg: mit B. Lunaria häufig um
Droschkau bei Schädels Bache!, Raine bei Prittag (Kleiber)!
Osmunda regalis L. var. pumila Milde Kontopp: Wiesenrand
an der Obra (Schröder u. Hellwig)! — var. interrupta M. Bunzlau:
Greulicher Forst (Callier, $.).
12*
180 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Phegopteris polypodioides Fee. Görlitz: Neisseufer zwischen
Posottendorf und Moys (Barber); Grünberg: Schlossberg bei Bobenig
(Kleiber)!
Aspidium Lonchitis (L.) Sw. Görlitz: an der Mauer eines Feld-
grabens bei Posottendorf zwei Stöcke (Barber)!; neu für die Ober-
Lausitz.
A. cristatum (L.) Sw. Kontopp: Wiesenrand an der ÖObra
(Hellwig und S$.)!
A. montanum Aschs. Sohrau: „Königsweg‘, unweit Zgoin (S.).
Blechnum Spicant (L.) With. Hoyerswerda: selten an den
Klosterteichen; Görlitzer Haide: Revier Rabenhorst verbreitet (Barber);
Kontopp: Haideberg (Hellwig)!; Myslowitz: zw. Jmielin u. Gollawietz
(S.); Sohrau: „Königsweg‘ bei Zgoin (8.).
Allosorus crispus (L.) Bhdi. Rsgb.: beim alten Bergwerk
(Liebig, 8.).
Geographische Section.
Bericht über die Thätigkeit der geographischen Section
im Jahre 1891,
abgestattet von
Dr. J. G. Galle,
zeitigem Secretair der Section.
ERI EEE
In der Sitzung vom 15. December theilte der Secretair der Section
a
einige Resultate aus den jetzt 100 jährigen meteorologischen Beobachtungen
auf der hiesigen Sternwarte
mit, verbunden mit einem
Rückblick auf deren erste Gründung und Einrichtung.
| Der Ort, wo die hiesigen meteorologischen Beobachtungen seit dem
Jahre 1791 ausgeführt worden sind, ist in dieser ganzen Zeit das Uni-
_ versitäts-Gebäude und vorwiegend der früher so genannte mathematische
- Thurm gewesen, der 1791 zu einer Sternwarte eingerichtet wurde. In-
dessen ist in den ersten 40 Jahren während der Direction des Professors
Jungnitz ein namhafter Theil der Beobachtungen auch in dessen
_ Wohnung im zweiten Stock des Universitäts-Gebäudes und ein anderer
_ Theil in dem damaligen physikalischen Cabinet im dritten Stock, jetzt
d zu den Räumen des zoologischen Museums gehörend, angestellt worden.
ö Nach dem Tode von Jungnitz wurden die Beobachtungen ausschliesslich
i in die Räume der Sternwarte verlegt.
q Der im Jahre 1790 schon vorhandene und seit 1732 vollendete ma-
thematische Thurm war ursprünglich nur zu grösserer Symmetrie und
Sehönheit des Gebäudes hergestellt worden. Während die unteren Räume
desselben ganz mit den grossen und schönen Treppen mit doppelten
- Flügeln ausgefüllt sind, wurde der oberste fünfte Stock bis zum Jahre 1791
nur für die Mechanik und sonstige praktische Mathematik benutzt und
befand sich damals in einem ziemlich vermachlässigten und von der
_ Witterung beschädigten Zustande. Nach dem ursprünglichen Plane für
182 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
das ganze Universitäts-Gebäude sollte der Hauptthurm desselben sich
über dem Kaiserthore erheben und ausser dem westlich davon gelegenen
Sternwartenthurme sollte noch ein zweiter gleicher Thurm in der öst-
lichen Verlängerung des Gebäudes symmetrisch mit jenem errichtet
werden. Allein ungeachtet der grossen Mittel, welche zu der Ausführung
dieses hervorragenden Bauwerkes zu Gebote standen, waren dieselben
zuletzt doch erschöpft, die noch weitere Verlängerung nach Osten hin
mit dem zweiten 'Thurme konnte nicht vollendet und der grosse Thurm
über dem Kaiserthore mit seinen über zwei Meter starken Mauern nur
bis zum Dache geführt werden.
Der Grundstein zu dem ganzen Gebäude wurde im Jahre 1728 ge-
legt. In den nächsten Jahren wurde der Bau soweit gefördert, dass
1732 auf den mathematischen Thurm unter grossen Feierlichkeiten die
Armillar-Sphäre aufgesetzt werden konnte, während das übrige Gebäude
in allen seinen Theilen erst nach Ablauf von weiteren vier Jahren und
nach Beseitigung von noch verschiedenen kleinen Misshelligkeiten mit
der Bürgerschaft um 1736 zur Vollendung kam. Ausser mit der Ar-
millar-Sphäre war früher die Spitze des Thurmes noch mit einem flie-
genden und mit dem Winde sich drehenden aus Eisen geschmiedeten
Adler gekrönt. Dieser wurde 1873 bei der damaligen Renovation des
Universitäts-Gebäudes als zu schadhaft abgenommen und durch eine
Windfahne gewöhnlicher Construction ersetzt.
Die Einrichtung des mathematischen Thurmes zu einer Sternwarte
im Jahre 1791 erforderte nun noch mehrfache und erhebliche bauliche
Aenderungen. Auf Betrieb des Vorstehers des Schulen-Instituts in
Schlesien und der Grafschaft Glatz, Anton Zeplichal, und des Rectors
der Universität Franz Beinhauer wurde die Gründung der Sternwarte
zunächst dadurch eingeleitet, dass der nachherige erste Director der-
selben Longinus Anton Jungnitz 1788 (damals 24 Jahre alt) mit
ministerieller Genehmigung nach Wien gesandt wurde behufs Studiums
der praktischen Astronomie unter dem damals sehr angesehenen Astro-
nomen Abt Maximilian Hell und Bereisung noch anderer Sternwarten
in Deutschland und Ungarn, von welcher Reise derselbe 1790 zurück-
kehrte. Im October dieses Jahres wurde dann der Bau begonnen, und
es musste namentlich der hölzerne Fussboden des obersten fünften Stock-
werkes, welches zur Sternwarte einzurichten war, entfernt und durch
eine aus Stein gewölbte Decke ersetzt werden, um thunlichst feste Auf-
stellungen für die Instrumente zu gewinnen, Dieses wurde dadurch er-
leichtert, dass im Innern des ganzen 'Thurmes sich vier grosse sehr
mächtige Pfeiler erheben, welche durch alle fünf Stockwerke hindurch-
gehen und die in den unteren Stockwerken die Widerlager der Treppen-
wölbungen und zuletzt noch das Fundament für den über der Gallerie
sich erhebenden kleineren Thurm bilden. An diese Pfeiler und an die
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ll. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 183
gleichfalls sehr starken Umfassungsmauern des Thurmes (im fünften
Stock noch 4 Fuss stark) sich anlehnend, konnte nun ein neuer aus
Stein gewölbter Fussboden, der mit schwedischen Marmorfliesen belegt
wurde, hergestellt und alles Holzwerk entfernt werden. Es hat dadurch
zwar in der Höhe von 84 Fuss oder 27 Meter über dem Strassenpflaster
nicht ganz diejenige Festigkeit erreicht werden können, welche bei den
neueren meist niedrigeren Sternwarten die ganz isolirten Fundamente
darbieten, auf welchen die festen Instrumente aufgestellt sind; jedoch
sind die Aenderungen der Lage dieser Instrumente im allgemeinen und
insbesondere diejenigen Aenderungen, welche das Umhergehen auf dem
Fussboden verursacht, in sehr befriedigender Weise klein. Auch die
im allgemeinen weniger störenden und in der Nacht selteneren Er-
schütterungen durch den Strassenverkehr haben in neuerer Zeit sich
dadurch vermindert, dass der Verkehr der neuen eisernen Oderbrücke
gegenwärtig in das Kaiserthor mündet und nicht wie bei der früheren
hölzernen Brücke am Fusse des Sternwartenthurmes. Was dann speeiell
die meteorologischen Beobachtungen betrifft, so ist die Lage des hiesigen
ÖObservatoriums, wenn auch nicht einer Lage ausserhalb der Stadt gleich-
kommend, doch eine verhältnissmässig noch so günstige, als dieselbe
mitten in einer grossen Stadt überhaupt sein kann, weil hoch, und be-
sonders frei nach Westen hin, von wo vorzugsweis die Luftströmungen
kommen. Den Beweis dafür haben theils im allgemeinen die Ver-
gleichungen der hiesigen Temperatur-Beobachtungen mit denen an andern
Orten in der Schlesischen Ebene geliefert, theils insbesondere eine Be-
obachtungsreihe, welche in dem wenige Stunden von Breslau entfernten
Goldschmieden bei Deutsch-Lissa in den Jahren 1869 —73 von dem ver-
storbenen Apotheker Büttner angestellt worden ist und welche von den
Beobachtungen in Breslau nur geringfügige Abweichungen zeigt.
Die Wahl eines anderen Ortes für die Einrichtung eines Observa-
toriums als auf dem mathematischen Thurme stand übrigens in jener
Zeit Jungnitz überhaupt nicht frei, obwohl derselbe sonst einen Platz
_ oder Anhöhe ausserhalb der Stadt würde vorgezogen haben. Jungnitz
leitete die von ihm zuerst eingerichtete Sternwarte 40 Jahre hindurch,
Nach seinem Tode im Jahre 1831 wurde die geschäftliche Direetion dem
Professor der Mathematik Ernst Julius Scholtz übertragen, während
zum eigentlichen Beobachter und Conservator der Sternwarte der da-
malige Hauptmann von Boguslawski ernannt wurde. Als dann im
October 1841 Professor Scholtz auf der Jagd durch eine Entladung
seines Gewehrs getödtet wurde, trat v. Boguslawski, der inzwischen
1836 zum ausserordentlichen Professor ernannt worden war, ganz an
seine Stelle und leitete die Arbeiten der Sternwarte bis zu seinem im
Juni 1851 erfolgten Tode. Mit besonderem Eifer nahm derselbe auch
der im Jahre 1836 von der Schlesischen Gesellschaft angeregten und
184 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
in's Werk gesetzten meteorologischen Beobachtungen und der damit
verbundenen hypsometrischen Zwecke sich an. Genaueres über die
baulichen und sonstigen Einrichtungen der hiesigen Sternwarte, auch seit
dem Amtsantritt des Vortragenden im Jahre 1851 findet man in den
von demselben im Jahre 1879 herausgegebenen „Mittheilungen der Kgl.
Universitäts- Sternwarte zu Breslau über die hier bisher gewonnenen
Resultate für die geographischen und klimatologischen Ortsverhältnisse.‘
Mit dem Jahre 1891 (genauer Februar 1891) haben nun die meteoro-
logischen Beobachtungen auf der hiesigen Sternwarte die Dauer von
vollen 100 Jahren erreicht, und es schien angemessen, für die Zu-
sammenfassung dieser Beobachtungen in Mittelwerthe und die Zusammen-
stellung sonstiger vergleichender Resultate aus denselben mit diesem
Jahre einen neuen Abschnitt zu bilden. Es wurde dies dadurch er-
leichtert, dass zwei grössere Vorarbeiten dieser Art bereits vorhanden
waren. Ausser für die Beobachtungen in Breslau sind bis zum Jahre
1854 auch noch für 14 andere Orte in Schlesien die wichtigsten meteoro-
logischen Elemente in Mittel zusammengezogen worden, die sich in den
von dem Vortragenden im Jahre 1857 herausgegebenen „Grundzügen der
Schlesischen Klimatologie“ vereinigt finden. Diese Rechnungen, für die
verschiedenen Orte zusammen gegen 400 Jahrgänge meteorologischer
Beobachtungen umfassend, wurden nach einem der Schlesischen Gesellschaft
von dem Vortragenden vorgelegten Plane in den Jahren 1852—55 durch
die Herren W. Günther, Gehülfen der Sternwarte, R. Büttner, frü-
heren Apotheker in Löwen, und Hugo von Rothkirch auf Schottgau,
der auch sonst durch lange Jahre zu wissenschaftlichen Hülfsleistungen
sich stets bereit finden liess, ausgeführt, welche damaligen Mitarbeiter
jedoch alle drei nicht mehr unter den Lebenden sind. Im Jahre 1857
erschienen diese „Grundzüge der Schlesischen Klimatologie‘‘ auf Kosten
der Schlesischen Gesellschaft im Druck.
Inzwischen hatten seit dem Jahre 1848, wo in Berlin das Königl.
meteorologische Institut, zuerst unter der Leitung von Dr. Mahlmann,
dann aber bald nachher nach dessen frühem Tode unter der Leitung von
Dove begründet wurde, die Beobachtungen an den meisten Orten der
Provinz aufgehört, insoweit nicht einzelne Stationen durch dieses Institut
neu eingerichtet worden waren. Auch waren mehrere der im Jahre 1836
von der Schlesischen Gesellschaft veranlassten Beobachtungen schon an
sich nur von vorübergehender Natur und vornehmlich für hypsometrische
Zwecke bestimmt, indem noch bis vor 50 Jahren die barometrische Me-
thode für die Ermittelung von Höhen über der Meeresfläche vorherrschend
war und man für genauere Messungen erst nach und nach die trigono-
metrische Methode und in neuerer Zeit die noch weiter verschärfte geo-
metrische Methode in Anwendung gebracht hat. Hier in Breslau nahmen
indess die meteorologischen Beobachtungen auch von 1848 ab ihren un-
EN TEENS WERT LA ET BE SCSEIEE FEO BUBEN FERN N
Fa
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 185
gestörten Fortgang, im Anschluss an die Normen des Königl. meteoro-
logischen Instituts, für welches die hiesige Sternwarte seit jener Zeit
eine von dessen Stationen gebildet hat: ohne übrigens eigene Zusätze
zu den so normirten Beobachtungen auszuschliessen. Nach Ablauf von
ferneren 21 Jahren unternahm dann der Vortragende eine weitere Bear-
beitung des in Breslau angesammelten Beobachtungs-Materials und führte
die meteorologischen Uebersichten und Mittelwerthe bis zum Schlusse
des Jahres 1875 fort, die in den bereits oben erwähnten „Mittheilungen
der Breslauer Sternwarte“ im Jahre 1879 veröffentlicht worden sind,
Hiermit umfassten die meteorologischen und klimatologischen Mittel-
werthe für Breslau bereits einen Zeitraum von 85 Jahren, und es sind
für die fortlaufend gebrauchten Vergleichungen einzelne dieser Constanten
inzwischen auch noch weiter verbessert worden.
Der gegenwärtige neue mit dem Jahre 1891 abschliessende Zeit-
abschnitt bringt nunmehr einige der meteorologischen Eleinente auf einen
Zeitraum von 100 Jahren. Es sind dies namentlich die Temperaturen.
Bei den anderen wichtigeren in Zahlen ausgedrückten Elementen ist ein
solcher Umfang der Beobachtungen allerdings noch nicht erreicht. Ge-
nauere auf die Temperatur des Quecksilbers von 0° reducirte Beobach-
tungen des Luftdruckes beginnen erst mit dem Jahre 1825, umfassen
daher am Schlusse des Jahres 1891 erst 67 Jahre. Die genaueren
Messungen von Dunstdruck und Dunstsättigung mittels des Psychrometers
beginnen mit 1850, ebenso die Angaben über die Himmelsbedeckung
umfassen daher 42 Jahre. Noch kürzer ist die Zeit zuverlässiger Regen-
messungen, die früher auf der Gallerie der Sternwarte angestellt worden
sind und daher, wie auf allen hohen Gebäuden, zu klein erhalten wurden;
diese beginnen mit 1855 und umfassen gegenwärtig erst 37 Jahre. Die
Berechnung aller dieser und einiger anderen Zahlenwerthe und Zählungen
von 1876 an bis 1891 ist im Anschlusse an die in den „Mittheilungen
der Sternwarte von 1879‘ enthaltenen Tabellen und nach den dort ge-
wählten Normen erfolgt und wurde die entsprechende Fortsetzung dieser
Tabellen von Herrn R. Stelzer ausgeführt. Ebenderselbe hat insbe-
sondere auch die beiden, unten mit eingefügten, Tafeln berechnet für die
durchschnittlichen Tagesmittel der Wärme in Breslau und die hieraus
durch eine Ausgleichungsrechnung hergeleitete normale mittlere 'Tempe-
ratur der einzelnen Tage des Jahres.
Ausder Verbindungder vorgenannten für die letztverflossenen 16 Jahre
ausgeführten Tabellen mit den entsprechenden in den „Mittheilungen‘“
gegebenen und bis 1791 bezw. 1825, 1850 und 1855 zurückreichenden
haben sich dann verbesserte Werthe für die Breslauer meteorologischen
Elemente ergeben, von denen am Schlusse dieser Darlegung eine auf
Fragen von etwas allgemeinerem Interesse sich beziehende Auswahl in
tabellarischer Zusammenstellung folgt. —
186 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Einen zweiten Gegenstand der Sitzung der Section bildete die Be-
rathung über das weitere gesonderte Fortbestehen der geographischen
Section, die aus verschiedenen Gründen seit einer längeren Reihe von
Jahren nur eine beschränkte Theilnahme gefunden hat. Dieselbe war
im Jahre 1833 für gewisse bestimmte Zwecke von der naturwissen-
schaftlichen Section abgezweigt worden. Nachdem inzwischen diese die
Trennung veranlassenden Zwecke schon seit mehreren Jahrzehnten theils
ihre Erfüllung gefunden haben, theils einer weiteren Pflege in der bis-
herigen Art nicht mehr bedürfen, wurde nach Erwägung aller Umstände
beschlossen: Diese abgezweigte Section, die unter den wechselnden
Namen einer Section für Sudetenkunde, einer meteorologischen und einer
allgemeinen geographischen Section seit jener Zeit bestanden hat, mit
dem Schlusse des gegenwärtigen Jahres aufzuheben und dieselbe unter
Genehmhaltung des Präsidiums in der ursprünglichen Weise mit der
naturwissenschaftlichen Section wieder zu vereinigen.
Meteorologische Mittelwerthe und einige andere Ergebnisse aus
den jetzt 100 jährigen Beobachtungen auf der
Königl. Universitäts-Sternwarte zu Breslau in dem Zeitraume
von 1791 bis 189.
I. Temperatur. (C.)
Ergebnisse aus den 100 Jahren 1791—1890,
2%. Grösste und kleinste Mittel-
1. Mittlere Temperatur Temperatur der einzelnen Monate
der einzelnen Monate und des
und Jahre.
Jahres. Jahr | grösste Jahr | kleinste
0 0 0
Januar... .unz.dung — 2,82 | 1796 | + 4,70 | 1830 | — 12,21
PFebrüarıuuniauuia. — 1,08 | 1869 | + 4,52 | 1827 | — 10,22
März. Jusi.odiasuak + 1,86 | 1836 | + 8,01 | 1845 | — 5,05
Aprili) saudowwd al + 7,68 | 1800 | + 14,98 | 1817 | + 3,14
Maiı:ui:l; Siku bau zu + 13,00 | 1889 | + 18,42 | 1826 | + 8,70
Juni... wroliacms al + 16,59 | 1889 | —+ 20,49 | 1821 | + 13,38
Juli. 30: Behkeiakhe + 18,14 | 1834 | + 22,60 | 1825 | + 14,62
Augäst |. vouumilla“ + 17,67 | 1807 | -+ 24,44 | 1833 | -+ 14,21
September .....». + 13,83 1866 | + 17,52 1803 — 10,71
Dekober iu. .\airınw A + 8,78 | 1846 | + 12,64 | 1805 | + 471
November........ + 2,98 1797 | + 7,64 | 1829 | — 2,82
December ........ — 1,04 1806 | + 4,78 | 1829 | — 12,61
JRBMaaUd. Solach: + 797 | 1868 | + 998 | 1829 | + 4,82
I. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 187
3. Grösste und kleinste Wärme überhaupt in den einzelnen Monaten
und Jahren.
| Tag | Jahr |grösstel Tag | Jahr kleinste
Jannert-..:.... 24. 9. 1834.77 + 19,8 22. 29. | 1829. 30 — 28,1
Februar .. . .. [26. 27. 1882 |+14,0| 11. 1855 — 30,8
re n.in.n. 30. 1872 + 22,2 5. 1821 — 21,9
Bra s.4:.r. 30. 1800 |+- 26,9 4. 1828 — 8,1
a luietr; 29. 1869 —+- 32,0] 15. 11. 4.11826. 43. 64 — 1,5
Be singen. 12, 1877 1435,01 2. 1. |1794. 1810 0,0
ey... 5. | 1842 |+37,8| 16. 1843 |-+ 6,0
August ........ 1. 1869 |+-35,6| 28. 29. 1837 + 3,8
September ..... 5. 1871 |+51,9| 22. 1826 — 2,5
Osteber '. ...... 2. 1868 + 25,8| 30. 1839 — 6,9
November ..... 6. 4. 11834,73 + 17,8| 23. 1858 — 17,8
December ..... 3. 1872 hr 14,9] 29. 1799 — 26,9
en... Juli 5.| 1842 AR Febr. 11.| 1855 |— 30,8
4. Temperaturen in den ‚vier Jahreszeiten Winter (December—Februar),
Frühling (März—Mai), Sommer (Juni—August), Herbst (September bis
November.)
Grösste nnd kleinste Mittel-Temperatur
Mittlere Temperatur |
Jahr | grösste | Jahr | kleinste
Winter....2....... Eu veei 1834 |-- 2001| 1830 |— 10,42
Frühline............ + 7,52| ı872 |+1029| 1326 |+ 4,05
Sommer ........... 117,47| 1834 |-+90,34| 1825 |-+ 14,20
set ni + 8352| 1797 |-L11,82| 1399 + 5,16
5. Grösste und kleinste Wärme überhaupt in den einzelnen
Jahreszeiten,
| Tag | Jahr |grösstel Tag | Jahr kleinste
0
Winter........ Decbr. 3.| 1872 + 14,9| Febr. ı1.| 1855 | 30,8
Frühling....... Mai 29. | 1869 |-+ 32,0| März 5. 1821 — 21,9
Sommer ....... Juli 5. 1842 -+ 37,8[ Juni 2. 1.) 1794. 1810 0,0
Be .ı...;i. Sept. 5. | 1871 |+ 31,9| Nov. 23.| 1858 — 17,8
|
188 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
6. Durchschnittliche Tagesmittel der Wärme zu Breslau im Mittel aus
den 100 Jahren 1791—1890.
Jan. Febr. | März | April! Mai | Juni| Juli | Aug.| Sept.) Oct. ‚Nor. Decbr.
+/ +1 +) +1 +41 +41
0 0 10)
3,05|— 1,631 — 0,12
3,16 — 1,41. 0,06
2,97 — 1,2011 0,49
3,08 — 0,69|-1 0,43
3,33 — 1,0114 0,91
3,34 — 1,20/+ 0,94
3,331 — 1,83/-4 1,04
3,34|— 1,914 1,47
3,74 — 1,814 1,47
3,72) — 1,904 1,11
3,55 — 1,994 0,78
3,58 — 1,92)-+ 0,93
3,65. — 2,28. 0,86
3,66 — 2,264 1,12
3,731— 1,664 1,20
|
3,31 0,91-+ 1,34
2,83|— 0,744 1,95
2,69|— 0,954 1,90
TOR IVATTTI
2,02|— 1,03/-+ 2,02
2,26. — 0,61. 2,60
2,76|— 0,434 1,95
2,52 — 0,584 2,08
1,844 0,144 2,63
1,904 0,204 3,10
+ 0,684 2,94
+ 0,364 3,12
0,004 3,83
44,44
+ 4,79
+4,81
2,16
1,83
1,74
1,40
1,42
1,58
0 0 0 o
5,07110,38 14,86|17,33
5,16 10,62 115,68|17,35
5,5510,87|16,50117,35
5,31/11,09 16,50 17,67
5,57/11,22116,37|17,95
5,79111,06.16,58|17,72
6,30 11,66|16,69 17,97
6,65112,42116,83|18,41
o o o
18,71116,32 11,89
18,52115,88/11,04
18,56 15,90 10,81
18,35115,55/10,99
18,24|15,42 10,63
18,10/15,55/10,52
18,21/15,23|10,72
0 0
| 5,404 0,79
18,66 15,84/11,54| 5,02) 0,53
5,09 + 0,17
4,984 0,25
4,81 4 0,42
4,53 4 0,46
4,57-1 0,36
4,654 0,24
6,98 112,33|16,71/18,54 18,4515,17|10,27) 4,25) — 0,14
6,83112,15/16,63118,28.17,99115,40| 9,71| 3,77) 0,71
6,97112,17|1:6,89 RS 14,94| 9,25| 3,57. — 0,71
6,91112,24 16,70117,87117,95114,18 9,54| 2,97 — 0,89
7,20 112,47|16,79118,0418,25113,72| 9,23| 2,82) — 0,98
7,16112,37|16,78|18,20 18,2513,86| 8,94| 3,02) — 1,07
7,53112,58116,38118,4718,24113,68| 8,82] 2,63] — 0,81
7,50 113,17/16,06118,11,17,82113,30| 8,75| 2,46. — 0,83
8,01112,82|15,90 18,07 17,69 13,49) 8,64| 2,56 0,93
8,07|13,41/15,96118,13 17,2413,59| 8,41| 2,18 — 1,26
8,02113,65/15,81118,57 17,38113,40| 8,31] 1,69 — 1,81
8,35113,94116,25/18,61 17,51112,75| 8,54| 1,68 — 2,19
TER 16,32 eh 7,88| 1,60. 1,89
8,78114,17|16,81|18,36,17,45112,32| 7,22] 1,59 — 1,71
9,07/14,31116,98|18,57|17,10112,35) 7,33| 2,13|— 1,83
9,28114,46 16,71118,63|16,80112,45| 7,56| 1,99 — 2,05
9,55114,4616,74118,42)16,50112,44| 7,45 1,58] — 1,76
9,60113,98|17,00 18,44116,71112,16| 6,98) 1,27 — 1,89
9,66 14,28117,11/18,19116,94|12,22) 6,94| 1,54 — 2,13
9,9514,83|17,32|18,17)16,95112,26| 6,37) 1,63|— 2,09
10,13/115,09)17,64|17,99|16,91/12,15| 5,89) 1,68 — 2,20
10,41/15,30 17,62118,19|16,50112,00 5,84) 1,53 — 2,54
14,96 18,58/16,55 5,83 — 2,60
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ER er nn
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 189
7. Normale mittlere Temperatur der einzelnen Tage des Jahres aus
den 100 Jahren 1791—1890.
(Ausgeglichen aus den ursprünglichen Temperaturen der vorhergehenden
Tabelie 6 nach der Formel in den „‚Mittheilungen“ p. 48.)
Jan.| Febr. | März Mai Juni | Juli Sept.
|
— +++ ++) +) ++) +
o 0 0 0 0 ) 0 0 0 o 0 0
1. [2,89 — 1,48) 0,09| 5,04 10,47115,32117,4518,58116,24111,76| 5,42] + 0,93
2. | 3,02) — 1,35| 0,18) 5,21|10,65115,65|17,43|18,60|16,04|11,48| 5,22) + 0,60
3. [3,08 — 1,18] 0,36) 5,35/10,84|16,10 17,50|18,5615,89111,19| 5,06) -H 0,40
4
B)
April Ausg.
Oct. | Nov.
Deecbr.
3,15 — 1,07| 0,56| 5,47/11,02116,36117,64|18,48115,7610,98| 4,93! + 0,33
3,24 — 1,12) 0,77| 5,65[11,18)16,48|17,78118,37.15,63/10,84| 4,79| + 0,36
6. | 3,31 — 1,34| 0,96| 5,92|11,40|16,58|17,90|18,27115,51110,72) 4,66| + 0,36
7. |3,38| — 1,60] 1,14) 6,25/11,72|16,66 18,07118,22|15,42110,60| 4,51|-1 0,28
8. | 3,47| — 1,78| 1,26| 6,56/12,03|16,72|18,24|18,22]15,32]10,43| 4,32) + 0,09
9. | 3,58| — 1,86| 1,25) 6,78|12,20|16,73118,29118,20115,23110,16| 4,12] — 0,19
10. [3,62] — 1,91| 1,12] 6,88112,23|16,74|18,20118,14115,06| 9,82] 3,84| — 0,48
11. | 3,62 — 1,97| 0,99| 6,94|12,24116,76118,06118,08114,75, 9,55) 3,48| — 0,71
12. | 3,62) — 2,02] 0,94, 7,02|112,29|16,76118,01/18,09|14,35| 9,36| 3,18] — 0,85
13. |3,63| — 2,02| 0,98| 7,13/12,38116,72118,07|18,14/14,00| 9,20| 2,97) — 0,93
14. [3,61 — 1,90) 1,10| 7,28112,51116,59|18,17118,16113,78| 9,02] 2,83 — 0,94
15. | 3,49| — 1,58) 1,26| 7,45|12,69 16,39118,22|18,06|13,63| 8,86] 2,69] — 0,92
16. |3,25| — 1,22] 1,48| 7,65/12,90|16,17|18,20117,87|13,52| 8,73| 2,541 — 0,94
17. |2,93| — 0,99) 1,68| 7,85/13,11116,02118,20|17,65 13,47] 8,60] 2,36 — 1,09
18. | 2,61] — 0,94] 1,82| 8,02/13,36115,97118,28|17,49|13,39| 8,48) 2,13) — 1,36
19. | 2,36 — 0,92| 1,93| 8,20113,62|16,04|18,39117,44|13,20| 8,36| 1,89| — 1,66
20. | 2,28| — 0,85| 2,06| 8,44 13,86|16,20118,46|17,46112,91| 8,17| 1,74| — 1,86
|
21. |2,32|— 0,70| 2,16| 8,68114,04116,43[18,46117,44112,64| 7,88) 1,70] — 1,89
22. 12,391 — 0,51) 2,22] 8,89|14,1816,64|18,46 17,32|12,48| 7,59| 1,77] — 1,86
23. |2,311— 0,29! 2,35| 9,08114,2816,77[18,50 17,10]12,41) 7,44| 1,84| — 1,86
24. | 2,14| — 0,05| 2,59| 9,28114,33|16,82|18,50116,89|12,38| 7,38) 1,80] — 1,88
25. | 2,02|-+ 0,07) 2,85| 9,45114,32|16,87118,4616,76112,34| 7,28| 1,65) — 1,91
26. 11,941 0,30 3,09| 9,6014,32|16,98118,3616,76112,28| 7,05| 1,541 — 1,96
27. | 1,8411 0,28| 3,40| 9,76 114,46117,15[18,26|16,8312,23| 6,74| 1,53] — 2,04
23. | 1,6914 0,14 3,82| 9,94|114,72117,33118,18|16,85|12,18) 6,41] 1,56| — 2,15
29. | 1,56 4,26 10,13|14,95|17,46118,18[16,77112,10| 6,10] 1,50 — 2,30
30, | 1,51 4,62 10,31115,07 17,49 18,30116,62111,97| 5,87| 1,27] — 2,49
31. [1,51 4,86 15,13 18,46116,44 5,66 2,70
190 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
II. Luftdruck.
(In Millimetern und für 0° Temperatur des Quecksilbers.)
Ergebnisse aus den 67 Jahren 1825—1891.
2. Grösste und kleinste Mittelwerthe
1. Mittlerer Luftdruck der des Luftdruckes in den einzelnen
einzelnen Monate und des Monaten und Jahren
Jahres Jahr | grösster | Jahr | kleinster
Naar. ut AN, MM 750,45 18832 759,39 1865 741,11
era. Fl 49,60 1891 59,60 | 1879 39,31
15 Pa REN AI IRRE 47,55 | 1854 55,50 | 1888 39,78
"2212 1 ISHRS ZBER Saal BREI PEEZ 47,07 1844 53,49 | 1847 40,32
FE EEE ER 47,92 1833 52,36 1845 44,49
EEE ERDE TTTLNT 48,19 1858 51,42 1847 42,19
IRRE RE 48,25 | 1859 51,46 1828 43,41
N 11 A ehr 48,44 | 1842 92,21 1870 43,95
Peptemkler | 61.3. - 49,66 | 1865 55,25 | 1829 45,89
AIIDUET '; „ara In ae 49,23 1856 56,70 1841 43,97
Rinvember \..2. 2.-:: 48,69 1857 55,97 1882 43,41
December in542. 2 &1 49,82 1857 58,30 1833 41,42
RE 748,74 | 1832 751,17 1878 747,31
3. Grösster und kleinster Luftdruck überhaupt in den einzelnen
Monaten und Jahren.
| Tag | Jahr | grösster | Tag | Jahr |kleinster
Januse?;ı. TE 4iG 16. | 1882 775,9 20. | 1863 721,2
Kebriiir - 1L#0- 748, 1, 1882 72,3 18. | 1852 19,6
ie AR Et 6. 1852 2239 23 1855 20,3
APRES IFE 13. | 1854 67,8 10. | 1855 22,3
MER ETAR 1ER 1. 1862 63,3 3. 1858 29,9
Sant el BR 88 25. | 1857 | 59,7 8. | 1841 29,7
u ee ern er 17. | 1849 61,3 1 1848 | 34,1
Ausunk... 1. .2.5.52% 14, | 1842 62,2 31 1833 29,3
September ....... 30, | 1870 65,0 22. | 1863 29,3
Oetober...... 2 28. | 1854 68,2 20. | 1825 21,0
November ......, 11, | 1859 69,4 29. | 1854 18,9
December |....... 10, | 1859 | 70,9 26. | 1856 19,2
rt de: Jan.16.| 1882 773,9 |Nov.29.) 1854 718,9
|
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 191
4. Normaler mittlerer Luftdruck der einzelnen Tage des Jahres
aus den 67 Jahren 1825—1891.
(Durch eine aus den Monatsmitteln hergeleitete periodische Reihe
wurden die Werthe des Luftdrucks zunächst für 24 Punkte der Peri-
pherie, etwa von 15 zu 15 Tagen, ermittelt und dann für die einzelnen
Tage interpolirt.)
700 mm —+
Jan. Febr.| März| April Mai | Juni | Juli | Aug. Dee.
Sept. Oct. | Nov.
. 150,30/50,19|48,54|47,00 47,57\48,11/48,26|48,20|49,08|49,7048,68|49,22
. 150,32/50,16|48,47 46,99|47,60.48,12|48,2648,21/49,12,49,68|48,66 49,26
.150,34/50,13148,40146,98|47,63148,12/48,26 48,21[49,15,49,66|48,65 49,30
. |50,35|50,09|48,33/46,98|47,66148,13,48,26 48,23|49,1849,64148,65 49,34
. 150,37/50,06|48,26|46,98147,68148,13|48,26148,2449,22149,62|48,64.49,38
. |50,38'50,02|48,19)46,98|47,7048,14/48,26|18,25/49,26 49,59148,6449,42
. 150,40/49,97|48,12]46,98|47,73/48,15/48,26148,27/49,30 49,56|48,63 49,46
. 50,41149,91/48,05/46,99|47,75148,15/48,26 48,28|49,35149,53148,63149,50
. 150,42149,86|47,98|46,99|47,78/48,16 48,26 48,30/49,39|49,49|48,64.49,55
10. 150,43/49,81147,91147,00|47,81148,16.48,26148,32]49,44/49,45[48,64 49,59
11. |50,44'49,76147,85147,01147,83|48,17 48,26 48,34149,48|49,41[48,65149,63
12. |50,44149,70|47,78147,02|47,85/48,1748,26|48,36 49,52|49,37|48,65149,67
13. |50,45/49,65/47,72147,04|47,87148,18/48,26 48,38/49,5749,33 48,66 49,71
14, 150,45/49,59|47,66 47,06|47,89)48,18/48,26 48,41/49,61149,29| 48,67 149,75
15. 150,45149,53|47,60/47,0847,91148,19 48,26 48,43|49,65149,25148,6949,79
16. 150,45149,47 47,55/47,10.47,92|48,19)48,25]48,46 49,68:49,21/48,71149,83
17.150,45 49,40147,49/47,13147,94148,20148,25148,49 49,71149,17148,73/49,87
18. |50,44'49,34147,44. 47,15/47,96148,20 48,24148,52|49,72.49,13148,77/49,90
19. 150,44|49,27147,39 47,18|47,97 48,21 48,24|48,56 49,72|49,09 48,80 49,93
20. |50,43/49,20 47.344791 47,98148,21/48,2348,59|49,73|49,06|48,83|49,97
21. |150,42]49,13 47,30 47,24 48,00/48,22|48,23|48,63|49,74|49,02|48,86|50,00
22. |50,41|49,06 47,96 47.97 48,01/48,22|48,22|48,67|49,75/48,98|48,89|50,03
3. 150,39148,98 17221720 48,03|48,2348,22|48,71/49,75/48,95/48,92/50,07
24. |50,38|48,91147,1947,3248,04148,23148,21|48,75,49,76.48,91148,95150,10
25. |50,36/48,8447,16 47,35/48,05)48,24|48,21148,79|49,76/48,88 48,98|50,13
26. 150,34148,77 47,13147,38 48,06 48,24|48,20 48,83|49,76148,85/49,0150,16
27. |50,32|48,69|47,10 47,41/48,07|48,24 48,20|48,87149,75/48,82|49,05 50,19
28. |50,30148,61/47 ‚08.47, ‚45/48,08|48,25/48,20 48,91/49,74/48,79149,09 50,21
29. |50,27 47 0547, 49148,0948,25|48,20 48,96.49,73|48,75/49,1350,24
30. |50,24 47,03 47,53 48,10 48,26,48,19 49,00 49,72/48,72|49,17 50,26
31. |50,21 47,01 48,10 48,20 49,04 48,70 50,28
oO so np om
Ne)
192 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Il. Dunstdruck (mm).
Ergebnisse aus den 42 Jahren 1850—1891.
Mi 2. Grösste und kleinste Mittelwerthe
1. ittlerer Dunstdruck der des Dunstdruckes in den einzelnen
einzelnen Monate und des Monaten und Jahren
Jah
ahres Jahr | grösster | Jahr | kleinster
SE EEE TERT 3,96 1863 4,51 1850 2,37
BerBar.. oasereer 3,69 1869 4,90 1858 2,10
Mare .TANOT eBR0.R | 4,18 | 1863 5,23 | 1883 | 2,96
Pe N ae De Aa 5,46 1876 6,71 1853 3,70
N - 7,33 1889 9,14 1871 5,50
Jam H 20 BEER. EN EUR] 9,50 | 1861 11,69 | 1865 7,78
ut E19 Arne VE I > IR 1853 11,84 1888 9,25
hl 0 BA Teak a Fe 10,31 1878 12,28 1887 8,75
Beptember.% u... .20r. 8,68 1866 10,20 1877 7,32
ee 1 AREAL EN 6,84 1851 8,39 1866 5,21
Mowemwer en tatee 4,84 1872 6,33 1858 3,30
RE RER Re 3,50 11852. 68 4,96 1879 2,37
Behr 9 Br 2.92:%5 0% 6,55 1872 7,09 |1858.71| 5,91
3. Grösster und kleinster Dunstdruck überhaupt in den einzelnen
Monaten und Jahren.
| Tag | Jahr |grösster| Tag | Jahr kleinster
Jahlar „u... 31. | 1854 7,7 21. 1850 0,3
Februar ....... 7. 1866 8,7 ET. 1855 0,3
Mär... .;.... 10. | 1854 8,7 >. 1858 0,6
RRREIEL > 0: > Kan, 29. | 1867 | 13,1 19. 1861 1,2
ee ee 27. 1868 16,7 17. 1866 0,9
RAR. REN 22. | 1861 | 19,0 1. 1871 2,9
FL RAN yes 10. | 1853 | 19,8 20. 1863 | 3,8
August ........ 30. | 1878 | 20,3 25. 1874 2,8
September ...... 4, 1855 | 16,5 23. 1857 1,8
October ....... 7. | 1855 | 14,0 17. 1852 2,4
November ..... ) 1873 | 10,5 23. 1858 0,7
December...... 7 1868 | 10,4 7. 1875 | 0,5
I Aug.30.| 1878 | 20,3 [Jan.21.11.! 1850. 55 0,3
u u A ee tal
wc a aa de Pe
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 193
IV. Dunstsättigung (pCt.).
Ergebnisse aus den 42 Jahren 1850—1891.
2. Grösste und kleinste Mittelwerthe
der Dunstsättigung in den einzelnen
der einzelnen Monate und Monaten und Jahren
1. Mittlere Dunstsättigung
des Jahres Jahr | grösste | Jahr | kleinste
Be ...0.; 84,3 | 1876 90,3 | 1858 76,3
Bear .kars....; 81,8 1855 88,1 1858 74,4
Be rns1....: 76,9 1855 84,2 1880 68,1
ee ar:....; 69,8 1850 Tl 1858 52,1
PER 66,0 1873 76,7 1868 56,9
ee 022:..%.; 67,0 1854 78,3 1858 50,2
ee 22,..L.; | 67,3 1860 77,8 1859 98,3
Be. ann:..,.. 69,5 .| 1854 81,4 1873 61,5
Bepiember..:......: 73,0 1864 80,8 1886 65,0
Be r..t.; 78,8 1875 85,5 1852 66,6
Mozemben .au:..:.: 83,5 1854 88,8 1861 13,3
Berember ..2....L.. 84,6 1890 89,8 1856 78,7
BBe......,.. 75,2 1853 79,0 1358 70,4
3. Grösste und kleinste Dunstsättigung überhaupt in den einzelnen
Monaten und Jahren.
| grösste Tag | Jahr kleinste
Be ........ öfter 100 $, 1852 35
Bebzuarı .2....... ® “ 26. 1860 26
er ee 3» 5 31.727..174873. 80 21
ee 8 ie 25. 1858 12
RAR 1 A 17. 1866 16
2 u Mi 27. 1853 17
Se n . 10. 1889 17
Be. 2r..:%.. r * 30. 28. 9.| 1863. 69. 73 19
September........ v = 4. 1879 18
Beiober.......... 5 ER 22. 3. | .,1852. 57 30
Bovember........ > a 21. 1861 32
December ........ bo BR 10. 13. | ‚1869. 85 40
ern hy iR April 23. 1858 12
IF) 13
24
194 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
V. Höhen der Niederschläge (mm).
Ergebnisse aus den 37 Jahren 1855—1891.
2. Grösste und kleinste Höhen der
1. Mittlere Niederschlagshöhen Niederschläge in den einzelnen Monaten
der einzelnen Monate und des und Jahren
J :
nn Jahr | grösste | Jahr | kleinste
BABRR 2 0er ee 27,01 1891 58,61 1874 1,39
ns N Fe 28,63 1376 89,78 1890 3,63
BEE 2 ons auche 34,14 1888 74,27 1873 7,51
5 at 35,95 1890 79,31 1877 8,01
1 EP EN ER 55,29 1887 97,11 1870 12,11
N EE 65,20 1886 115,87 1858 4,40
Jun:..::kaszersche- 79,24 1871 161,61 1869 33,09
RENT a 79,34 1858 | 228,63 1863 26,08
September .....-.L.. 47,97 1861 | 120,98 | 1865 6,20
DEIOBER N... 200% 24» - 35,99 1889 94,35 1866 0,00
November .-!..:2%.. 36,32 1869 92,85 1870 11,14
DEeBember, ::2.....b:- 33,88 1874 82,07 1864 4,51
a EN 558,96 1890 | 711,54 1857 | 417,90
VIL Himmelsbedecekung (0—10).
Ergebnisse aus den 42 Jahren 1850—1891.
Mittlere Werthe für die Bedeckung
des Himmels in den einzelnen
Monaten und im Jahre.
Januar N‘ 4... ch 7,2
Februar. 1... we. 7.1
Bürel 7.708. 20 7,0
April Bari ZB 6,6
ak, 1:03%5 1 LM 4. 6,2
BBRLSSSALLSELAENP, 5 6,2
RER Be 6,0
BUBUBtN en 1. hf. 5,8
Beptember. J. .iW..2. 5,8
Ockober 77 4. IP. 6,5
Novenibör . ). Sur}; 7,6
December........... 7,6
1.
Naturwissenschaftlich&e Abtheilung.
195
Allgemeine Uebersicht der meteorologischen Beobachtungen auf
der Königl. Universitäts-Sternwarte zu Breslau im Jahre 1891.
Höhe des Barometers über dem Ostseespiegel bei Swinemünde — 147,08 m.
I. Barometerstand,
1I. Temperatur
1891. redueirt auf 0° Celsius, der Luft in Graden nach
in Millimetern. Celsius.
n ?
8 ERPNn B Ba
Er. NE NE TENNER Br
mm mm mm o a -
Januar 11 7638 | 21 |7393 | 5032| 9 | 66| 11-179 248
Februar 2 | 6685| 12 | a85| 5900| 5 | 56 9-19 147
März ...... ı | 548 | 11 | 320 | 48,97 lıo. 11) 135 | 5 —- 11 3,86
April...... a1 | 5537| 28| 3299| azea| 30 | 1935| 31-31 618
Ekai ....... 12 | 5831| 16 | 54| 18| 2 |a72| ıs| 36 158
Ba .. ı8 | 565 | 10 | 40,7 | azs6 | 30 | s10o| 13 | 45 15,89
uns 20 | 5238| 28| 206 | araa|l 2 | 285 11) 109 17,8
August....| 29 | 5988| 23 | 374 | a699 | as | a79| 19| 92 17,26
September.| 3 | 594 2 4,0| 5169| & | 99 5| 20 15,11
"October ...|30.31| 631 | 21 | 383 | 4894| 15 | 216 | 31 |— 39) 11,37
November.| 2 en 14 | 34,2 48,99 | 20 = 61 551 2,87
_ December .| 20 | 68,1 | 31 30,8 | 5055| 6 | 123 | 21 |-140| 1,56
Jahr ES 768,1 | Dee 730,8 | 748,97 | "0! | 31,0 |’. 179 8,46
II. Feuchtigkeit der Luft. IV. Wolken-
1891. a. absolute, | b. relative, bildung und
in Millimetern. | in Procenten, Niederschläge.
Monat 5 2 a |. 2 5 sel 8121815 |8 = a
Ss 3 2189| Elei,E al} €8I1#12|# 025
SERESEIER REIHE Der zm:
— age. gas
mm mm| mm
Januar ...|24.27 49 1 |1,2| 2,91 \öfter 100° 29 57862] 3 | 7 21 | 58,61
Februar ..|4. 16| 50| 9|1,6| 3,46 öfter 100) ı3 47822] | 9 15 | 9,75
März ..... 2. i 6,720.242,3| 256 | 23 | 98 12 33744 115 15 | 5,11
April..... 29 | 74] 1.4 |28| 485 12 1100 23 3369,38] 2 | 10) 18 | 32,59
.....; 8118| 18 133) 812) 35 | 97 2 l625| 3 | 20) 8 | 37,58
Juni ..... 27 \1u8| 13 |a8| 9,68| 31 | M + 36702] 2 | 18] 10 | 85,49
...... 18 | 14,7| 11 |7,4111,29|1 5|98| 17 41173,6| — | 20 11 121,40
Angust...\15.93| 126 7511974 9 1ool as aezal ı | ı7ı 13 | 44,84
September| 4 | 142| 3 14 886 | 15 943.18411689]| 9 | 12) 9 | 19,61
October...| 9 | 105) 30 12,6] 7,60)10.97]100]2. 19137 746| 4 |20 7 | 10,10
November| 20 | 7,7| 5.6 28| 4,867. 16100] 6 541843 i sl 18 | 43,26
December| 5 | 84| 21 |15| 4,32 Jlöfter| 98| 11 Jaslsı,a| 2 | 12] 17 | 38,60
Jahr | 14,8 | Ian. 112] 6,69 \öfter 1100 a 274,7] 35 1681162 546,94
13*
196 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
V. Herrschende Winde.
Januar. Von den Windesrichtungen waren die westlichen, besonders
die nordwestlichen, vorherrschend, auch während der Kälteperiode
der ersten drei Wochen.
Februar. Von den Windesrichtungen waren West und Nordwest
überwiegend, hiernächst folgten Südost und Ost.
März. Unter den Windesrichtungen waren West und Südwest vor-
herrschend, es folgten dann Süd, Südost und Nordwest.
April. Besonders häufig waren in diesem Monat die Ostwinde, auch
Südost und Nordost, doch hielten die westlichen Richtungen den-
selben nahezu das Gleichgewicht.
Mai. Vorherrschende Windesrichtungen waren Ost und Südost, minder
häufig waren Nordwest und West.
Juni. Von den Windesrichtungen kam am häufigsten Ost vor, es
folgten dann West, Nordwest und Nord.
Juli. Westliche Windesrichtungen vor den übrigen weit vor-
herrschend.
August. Von den Windesrichtungen kamen am häufigsten West und
Südwest vor, während Nord; Nordwest und Ost ganz zurück-
traten.
September Die häufigsten Windrichtungen waren West und Südost,
hiernächst Süd und Nordwest.
October. Von den Windrichtungen war die südöstliche vor allen
anderen weit überwiegend. |
November. Die Windrichtung war vorwiegend Südost, hiernächst
kamen am häufigsten West und Süd vor.
December. Die westlichen Windesrichtungen West, Südwest, Nord-
west waren überwiegend über Südost, welche letzteren jedoch
gleichfalls häufig waren.
VI. Witterungs-Charakter.
Januar. Die Kälte des vorigen Monats hielt noch an bis zum 23.,
wonach Thauwetter erfolgte und die Temperatur dann bis zum
Schluss des Monats über der normalen blieb. Der Luftdruck war
auch in der Kälteperiode mehrfachen starken Schwankungen
unterworfen. Die mehr als das doppelte des Durchschnittswerthes
betragenden Niederschläge bestanden grösstentheils aus Schnee,
nur zuletzt etwa '/, aus Regen. Die angesammelte Schneehöhe
stieg am 18. hier in Breslau bis auf 43 Centimeter und in der
ganzen Provinz fanden namentlich im zweiten Drittheile des
Monats grosse Verkehrsstörungen statt.
Februar. Die Temperatur war während des ganzen Monats unter
mässigen Schwankungen eine normale, dagegen der Luftdruck ein
u
I" 72
a TU 2 PT, e
März.
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 197
so hoher, wie derselbe wohl nur in sehr seltenen Fällen bisher
vorgekommen ist. Nicht nur das Gesammt-Mittel überstieg
den Durchschnittswerth um mehr als 10 mm, sondern auch alle
einzelnen Tagesmittel überschritten die entsprechenden Normal-
werthe. Diesem hohen Luftdruck gemäss war das Quantum
der Niederschläge, im Gegensatz zu dem vorigen Monat, sehr
gering und betrug nur ein Drittheil des Durchschnittswerthes.
Auch die vom vorigen Monat gebliebene Schneedecke hielt sich
bis auf geringe Reste nur noch etwa eine Woche hindurch.
Im Gegensatz zu dem überaus hohen Luftdrucke im vorigen
Monate war derselbe in diesem Monate ein niedriger und erhob
sich nur an 3 Tagen über den Normalwerth, Die Temperatur
dagegen war im Mittel über der normalen, und zwar in den
ersten 19 Tagen stetig, dann aber unter derselben. Besonders
rauh und kalt waren die letzten 5 Tage, mit wechselndem Wetter
und wiederholten, zum Teil ansehnlichen Schneefällen. In den
ersten drei Wochen bestanden die Niederschläge meist aus Regen,
der Gesammtbetrag überstieg den Durchschnittswerth um ein
Drittheil.
April. Das Wetter war in diesem Monate vorwiegend kalt und die
Mai,
Juni,
Vegetation zurückhaltend, nur an 7 Tagen war die Wärme etwas
über der normalen. Luftdruck, Feuchtigkeit und Niederschläge
entfernten sich dagegen nur wenig von ihren Mittelwerthen.
Die Niederschläge bestanden fast ausschliesslich aus Regen.
Das Wetter des diesjährigen Mai war vorwiegend warm und
schön, gleich in den ersten zwei Tagen mit einer sehr hohen
Temperatur beginnend. Ein stärkerer Kälterückfall fand nur um
die Pfingsttage vom 16.—18, statt. Der Mittelwerth der Wärme
überstieg den Durchschnitt um 2!/, Grad. Der Luftdruck war
grösstentheils niedrig, auch kam häufig Regen vor, zum Theil
mit Gewitter, jedoch nur in mässigen Mengen, sodass der Ge-
sammtbetrag des Regens um ein Drittheil geringer war als der
dem Mai entsprechende Durchschnittswerth.
Die ersten zwei Drittheile des Monats waren vorwiegend kalt
und regnicht, erst in dem letzten Drittheil hob sich die Tempe-
ratur, sodass der Mittelwerth noch nahe die normale Höhe
erreichte. Der Luftdruck war nur mässigen Schwankungen unter-
worfen und war im Mittel gleichfalls normal. Ungeachtet der
häufigen Ostwinde war die Zahl der Regentage sehr gross, nur
11 Tage waren ohne Regen. Auch das Quantum des Regens
. überschritt den Durchschnittswerth um ein Dritttheil, obwohl be-
sonders heftige Gewitterregen nicht vorkamen und überhaupt nur
eines der zwei verzeichneten Gewitter ein Nahgewitter war.
198 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Juli. Der Luftdruck bewegte sich in mässigen Schwankungen, war
jedoch dabei etwas niedriger als im Mittel. Auch die Tempe-
ratur-Schwankungen waren nicht gross und das Mittel normal.
Beträchtlich über dem Durchschnittswerthe war dagegen die
Feuchtigkeit der Luft und ebenso das Quantum der Niederschläge,
welches um mehr als die Hälfte grösser war und gegen Ende
des Monats grosses Hochwasser der Oder und ihrer Nebenflüsse
und zahlreiche Ueberschwemmungen herbeiführte.e. Die Zahl der
Tage mit Regen betrug nicht weniger als 24, und im ganzen
Monate war nur ein einziger ganz heiterer Tag zu verzeichnen.
Von den Gewittern entluden sich 2 in der Nähe, 6 gingen in
einiger Entfernung vorüber.
August. Der vergangene Monat war fast beständig kühl und unwirth-
lich; erst in der letzten Woche hob sich die Temperatur, sodass
der Mittelwerth nur noch einen halben Grad unter der normalen
Höhe zurückblieb. Die Niederschläge waren zwar sehr zahl-
reich, sie traten aber, abgesehen von dem Gewitterregen am
23., immer uur in sehr geringer Menge auf, sodass etwa nur die
Hälfte des normalen Werthes erreicht wurde. Von elektrischen
Erscheinungen wurden zwei Nahgewitter beobachtet, die jedoch
nicht sehr stark auftraten. Auffallend war das häufige Vor-
kommen der südwestlichen Windesrichtungen, die in diesem
vergangenen Monat sogar die nordwestlichen bei weitem über-
trafen.
September. An Stelle des so vielfach regnichten und kühlen Wetters
während der diesjährigen Sommermonate Juni, Juli und August
trat mit dem September noch eine sehr anhaltend schöne Periode
mit 21 theils ganz heiteren, theils gemischten und nur 9
trüben Tagen ein. Barometer und Thermometer standen vor-
wiegend hoch mit nur wenigen mässigen Schwankungen. Die
Feuchtigkeit der Luft war gering, das Quantum der Niederschläge
erreichte noch nicht ganz die Hälfte des Durchschnittswerthes.
Gewitter kamen zweimal vor.
October. Das Wetter des diesjährigen October war in gleichem oder
noch höherem Maasse warm und schön als das des September,
und die theilweisen Unterbrechungen dieses heiteren Wetters in
den westlicher gelegenen Gegenden durch Regen und Stürme
verbreiteten sich nicht bis nach Schlesien. Lediglich in den
letzten 5 Tagen erfolgte ein Umschlag zur Trübung und Kälte
und erniedrigte merklich das Wärme-Mittel, das jedoch immer
noch 2‘), Grad über dem Durchschnitt geblieben ist. Der .Baro-
meterstand war im Mittel nahe normal, die relative Feuchtigkeit
gering, Der ganze Monat enthielt nur 7 trübe, dagegen 24 theils
we er VE
a
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 199
heitere, theils gemischte Tage. Nur an 8 Tagen konnten Nieder”
schläge gemessen werden, deren gesammter Betrag noch nicht
ein Drittheil des Durchschnittswerthes erreichte.
November. Die Witterungsverhältnisse dieses Monats waren fast
durchgängig normal, sowohl Wärme als Luftdruck und Feuchtig-
keit, auch die Regenmenge überstieg nur wenig den Durchschnitts-
werth. Schnee fiel auch in diesem Monate ebenso wie auch in
dem vorigen noch fast garnicht, wenigstens nicht in nennenswerther
Quantität. Das erste Drittheil des Monats war bei höherem
Luftdruck etwas kälter als die folgenden zwei Dritttheile und
umgekehrt letztere wärmer bei etwas niedrigerem Luftdruck.
December. Die Wärme dieses Monats überstieg den Normalwerth
fast um 3° und blieb nur an 6 Tagen (17.—22.) unter demselben.
Der Luftdruck zeigte einige starke Schwankungen, war jedoch
im Mittel normal. Ebenso wichen Dunstdruck, Dunstsättignng
und Regenmenge von den Normalwerthen wenig ab. Die Nieder-
schläge bestanden grösstentheils aus Regen, nur vom 20. bis 29.
bildete sich eine geringe Schnedecke.
Bericht über die Verhandlungen der Section für Obst- und
Gartenbau.
Von
Prof. Dr. Prantl,
erster Secretair der Section.
Die Section für Obst- und Gartenbau hat im Jahre 1891 10 Sitzungen
abgehalten.
Die im vorhergehenden Jahre eingehend erörterte Frage der Er-
richtung eines Obstmustergartens konnte in diesem Jahre nicht weiter
gefördert werden, da die Unterhandlungen mit den städtischen Behörden
über das Grundstück noch nicht zum Abschluss gelangt sind.
Eine um so regere Thätigkeit entfaltete das von der Section und
den beiden anderen hiesigen gärtnerischen Vereinen gewählte Comite für
die im September 1892 zu Breslau stattfindende allgemeine Obst- und
Gartenbau-Ausstellung.
Für die beiden in Rybnik und in Brieg stattgefundenen Ausstellungen
hat die Section je einen Ehrenpreis für ein Sortiment Obst gestiftet.
Aus den einzelnen Sitzungen ist Folgendes zu berichten:
In der 1. Sitzung am 6. Januar hielt Herr Oberstabsarzt
Dr. Schröter einen Vortrag:
Ueber die in neuerer Zeit in Schlesien aufgetretenen Krankheiten des
Weinstocks.
In der 2. Sitzung am 2. Februar sprach Herr Privatdocent
Dr. Mez
Ueber die Gattungen der Bromeliaceen.
Durch die Freundlichkeit des Herrn Obergärtner Schütze, welcher
Nidularium purpureum, Vriesea psillacina, Oryptanthus Barkeri, Caraguata
cardinalis ausgestellt hatte, war Vortragender instand gesetzt, an lebenden,
blühenden Bromeliaceen manche Punkte seiner Ausführungen zu demon-
striren; im Uebrigen konnte er Herbarmaterial zur Veranschaulichung
der gemachten Bemerkungen heranziehen,
Nach Besprechung der biologischen und morphologischen Verhältnisse
der Bromeliaceen entwickelte er die Grundzüge eines Systems der
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 201
Bromelieen, welches seitdem in Martius’ Flora Brasiliensis fasc. 110 ver-
öffentlicht wurde, Beim Ueberlesen der Dissertation des Herrn Dr.
H. Fischer zu Breslau war es ihm aufgefallen, dass die wenigen unter-
suchten Bromeliaceen-Pollenkörner verschiedenen Typus ihres Baues auf-
wiesen; er verfolgte diese Beobachtungen weiter und gelangte zu sysie-
matisch durchaus befriedigenden Resultaten, da sich herausstellte, dass
zu bereits beschriebenen Pollentypen, deren einer sich durch grosse Aus-
trittsporen, der andere durch eine seitliche Längsfalte auszeichneten,
auch noch ein dritter kam, welcher keinerlei weitergehende Differenzirung
der Pollenmembran aufwies. Damit waren die Merkmale für eine Drei-
theilung der Bromelieen (also der Bromeliaceen mit unterständigem Frucht-
knoten) gegeben: der Typus des Pollenkornes ohne Poren und Falten
fand sich bei Rhodostachys, Bromelia und Cryptanthus, derjenige mit einer
Falte bei Billbergia und Fernseea, sowie bei einer als neu charakterisirten
brasilianischen Gattung Neoglaziovia. Die Hauptmenge der Gattungen
und Arten dagegen, die Nidularinae und Aechmeinae, besassen Pollenkörner
mit deutlichen Austrittsporen für den Pollenschlauch.
In zweiter Linie erst sind die bisher an erster Stelle zur Eintheilung
der Bromeliaceen verwendeten Merkmale der am Blumenblattgrund bald
vorhandenen, bald fehlenden Nectarschuppen, sowie die Verwachsungs-
verhältnisse der Blüthenblötter zur Abgrenzung der Gattungen verwendet,
in dritter Linie wurden andere morphologische Verhältnisse der Syste-
matik zu Nutzen gemacht. Nach Charakterisirung der neu aufzustellen-
den Gattungen Wittmackia, Gravisia, Prantleia und der bisher noch nicht
beschriebenen Brongiart’schen Gattung Androlepis') führt Vortragender
das im Folgenden skizzirte System der brasilischen Bromeliaceen aus:
I. Pollenkörner ohne Poren und Falten.
1. Blumenblätter durch die am Rücken mit ihnen, an den Seiten
unter sich verwachsenen Staubfäden vereinigt; Kelchblätter frei.
a. Blüthenstand durchaus einfach: Rhodostachys Phil.
b. Blüthenstand rispig: Bromelia L.
2. Blumenblätter frei oder mit ihren eigenen Rändern verwachsen;
Kelchblätter hoch verwachsen: Cryptanthus Kl.
II. Pollenkörner mit Austrittsporen.
1. Blüthenstand den Blättern tief eingesenkt.
a. Blumenblätter ohne Nectarschuppen: Nidularium Lem.
b. Blumenblätter mit Nectarschuppen: Canistrum Lem.
2. Blüthenstand auf deutlichem Stiel oder Schaft.
a. Alle Blätter der Pflanze einander gleich: Prantleia Mez.
b. Blätter der Rosette grundverschieden von denen des Schaftes.
!) Die anatomische Untersuchung, welche begonnen ist, muss erst lehren, ob
diesen neuen Gattungen nicht noch weitere, deren Typus 1. Aechmea Fernandae Bak.
und Ae. Veitchii Bak., sowie 2. Quesnelia Selloana Bak. sind, beigefügt werden müssen.
302 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
&. Blumenblätter ohne Nektarschuppen.
+ Sehr wenige Eiknospen in den Fruchtknotenfächern:
Araeococeus Brongn.
+r Viele Eiknospen vorhanden.
O Eiknospen lang geschwänzt: Hohenbergia Schult.
OO Eiknospen ungeschwänzt.
* Placenten den ganzen Innenwinkel der Fruchtknoten-
fächer entlang stehend, ungestielt: WittmackiaMez.
** Placenten nur hoch oben im Fruchtknotenfach vor-
handen, gestielt: Streptocalyx Beer.
ß. Blumenblätter mit Nectarschuppen.
* Die Spitze des Fruchtknotens ist frei: Acantho-
'stachys Kl. |
** Die Spitze des Fruchtknotens ist mit den aufsitzenden
Blüthentheilen verwachsen.
+ Die reife Frucht ist eine Sammelbeere: Ananas Adans,
++ Die einzelnen Beeren des Blüthenstandes verschmelzen
nicht mit einander.
O Pollenkörner mit mehr als 5 Austrittsporen,
A Blüthen lang gestielt, Kelchblätter hoch ver-
wachsen: Portea Brongn.
AA Blüthen sitzend, Kelchblätter frei: GravisiaMez.
OO Pollenkörner mit 2 oder 4 Poren.
A Kelchblätter lang begrannt, oder wenn wehrlos
dann die Eichen lang geschwänzt; Blüthenstand
einfach oderzusammengesetzt: AechmeaR.u.P.
-A A Kelchblätter unbegrannt; Eichen ungeschwänzt;
Blüthenstand stets einfach: Quesnelia Gand.
III. Pollenkörner eine Längsfalte aufweisend.
I. Nectarschuppen vorhanden.
a. Eiknospen in grosser Menge vorhanden: Billbergia Thbg.
b. Eiknospen höchstens 5 im Fruchtknotenfach: Neoglaziovia
Mez.
II. Nectarschuppen fehlen: Fernseea Bak,
In der 3. Sitzung den 2. März erstattete der Schatzmeister Herr
Buchhändler Müller den Kassenbericht, nach dessen Prüfung demselben
Decharge ertheilt wurde.
Hierauf gelangte ein von Herrn Obergärtner F. W. Schlegel in
Grafenort eingesandter Vortrag zur Verlesung:
Reminiscenzen:
Die von Jahr zu Jahr sich steigernden Gartenbau-Ausstellungen,
namentlich in der Provinz Schlesien, haben eine Höhe erreicht, welche
2
AM
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TE PETER
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 203
die Beachtung aller Gartenfreunde hervorrufen und von denselben mit
Freude begrüsst werden; nicht allein, dass sie den Sinn für das Schöne
in der Natur befördern, sondern auch zu ceulturellen Zwecken die Bahnen
eröffnen, welche dem allgemeinen Nutzen dienen sollen, Diesen Auf-
schwung verdanken wir nicht zum wenigsten den Gartenbau-Vereinen,
wo der verehrliche Verein der Section, der hier anzugehören ich die
Ehre habe, wohl an die Spitze zu stellen ist. Dieses Streben, durch
Ausstellungen den Grad des Fortschritts der Gartencultur vor Augen zu
führen, ist jedoch erst nur vor wenigen Decennien so bemerkbar ins
Leben getreten, denn in dem 1. Viertel dieses Jahrhunderts wird noch
wenig davon zu erkennen gewesen sein, und die erste Ausstellung, die
ich wenigstens gesehen habe, fand erst im Jahre 1830 in einem Saale
des königl. Schlosses im Grossen-Garten zu Dresden statt und betraf
grösstentheils nur Gartenfrüchte; sie war nur mässig bestellt und vom
Publikum, welches allerdings nur ein den bessern Ständen angehörendes
war, wenig besucht; von einer feierlichen Eröffnung ist mir nichts be-
kannt geworden. Wie es damit in Breslau bestellt gewesen sein mag,
wird nur wenigen Zeitgenossen noch erinnerlich sein, bis in weit späteren
Jahren ich selbst eine Ausstellung dort in dem Saale eines Wirthshauses
auf der Gartenstrasse zu sehen Gelegenheit hatte, ja selbst mich mit
einer Collection Cinerarien daran betheiligte. Von einer öffentlichen
Feier ist mir auch hier, ausser den speciell daran Betheiligten nichts be-
kannt geworden. Wie sehr muss es daher Interesse erregen, einer Aus-
stellung schon im Jahre 1833 beigewohnt zu haben, welche von den
öffentlichen Behörden mit Kanonendonner begrüsst und von 40 Trompetern
durch die Strassen der Stadt ziehend, allgemein bekannt gemacht wurde,
und zwar in einer Stadt, weit von dem Mittelpunkte Deutschlands entfernt,
nur noch nach Süden die deutsche Sprachgrenze bildend und dort nach
Westen von eisstarrenden Alpen und südwärts von einem meilenlangen
und breiten Gürtel, einem Chaos von Felsentrümmern, dem Karstgebirge
umgeben. Kein Schienenstrang ermöglichte noch der Locomotive den
nordwärts gelegenen Sömmering zu erklimmen, um den Fremdenstrom
herzuleiten; es war ein abgeschlossenes Ländchen, weit, weit entfernt
vom Herzen Deutschlands, es war die schöne grüne Steiermark mit ihrer
so freundlichen Hauptstadt Grätz.) Wie konnte in einer solchen Ab-
geschlossenheit ein guter Erfolg zu Stande kommen, wo fast alle Ele-
mente dazu fehlten? Es gab wohl Gärtnereien, darunter die bedeutendste
der Herren Reichsgrafen zu Herberstein auf Schloss Eggenberg, ganz in
der Nähe der Stadt gelegen, allein so reich an seltenen Pflanzenschätzen,
um damit auf einer Ausstellung zu glänzen, war dieselbe keineswegs,
wie z. B. es Dresden mit seinen Privatgärten schon so weit gebracht
!) Officielle Schreibweise damaliger Zeit.
204 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
hatte, Camelien-Sortimente von über hundert Spielarten ausstellen zu
können, wo über zwanzig Species tropischer Orchideen schon eultivirt
wurden, der anderen überaus reichen Collectionen seltener Neuholländer-
Pflanzen, allein von Acacia 44 Species, gar nicht zu gedenken. Von
alledem war hier nichts vorhanden. Die Handelsgärtner befassten sich
nur mit Gemüsebau und allenfallsiger Anzucht von Blumen für den
Marktverkauf; in dem Sinne, was man heute unter Handelsgärtner zu
verstehen gewohnt ist, war überhaupt keine Rede; erst fünf Jahre später
trat eine solche Firma: Franz Mattern, auf, wo ich längst Grätz wieder
verlassen hatte, und doch war dies Ereignis trotz 40 Meilen weiter Ent-
fernung so tief einschneidend in meinen eigenen Lebensgang geworden,
was nur zu ahnen ausser aller Möglichkeit lag und nur als Sonderheit
hier mit bemerkt sei.
Es gab demnach hier wenig Veranlassung für die Fachgenossen,
aus eignem Antriebe eine Blumen-Ausstellung ins Leben treten zu lassen,
die noch obendrein mit dem stolzen Namen eines Blumenfestes bezeichnet
wurde. Es mussten daher ganz andere Factoren thätig gewesen sein,
die sich zuletzt vielleicht nur in einer Person verkörpern konnten, und
dies war in der That der Fall; ein kaiserlicher Prinz, der Erzherzog
Johann, war diese Persönlichkeit, der näher zu treten vorerst als
Nothwendigkeit erscheint. Dieser Prinz, obwohl schon als militärischer
Anführer in der Schlacht von Aspern in Activität gestanden und aus
derselben als Feldmarschall ausgeschieden, hatte sich aus innerster
Neigung den culturellen Interessen seines engeren Heimathslandes, der
Steyermark, ausschliesslich gewidmet, eine Academie, das Joanneum,
nebst botanischen Garten gegründet und sich als Förderer jedweder
wissenschaftlicher Aufgabe bewiesen, allein darüber hinaus noch häufige
Forschungsreisen in die ihn umgebenden Alpenländer Tyrols, Salzburgs
und Kärnthens behufs Erforschung derselben gemacht, wurde nebenbei
aber auch mit Land und Leuten so vertraut, dass er als einer der
ihrigen angesehen werden konnte, zumal er deren nationales Costüm für
gewöhnlich selbst trug, und auch in herablassender Weise sich ihres
Sprachgebrauchs gleichfalls bediente, was die Täuschung vervollständigte,
weshalb er sich aber auch eines allgemeinen Beliebtseins zu erfreuen
hatte, welches durch eine idyllische Episode noch gesteigert wurde;
denn als der hohe Herr auf seinen Gebirgsreisen einmal zu einer Post-
halterei kam, um die Pferde zu wechseln, fand sich augenblicklich kein
Postillon vor; um dies aber nicht erst erkennbar zu machen, entschloss
sich resolut, wie sie war, des Postmeisters schönes Töchterlein, rasch
die Staats-Uniform des Postillons anzuziehen und auf den Bock zu
schwingen und lustig mit ihrem erlauchten Passagier in die Welt hinaus
zu fahren, um hernach als Freifrau von Brandhofen und spätere Gräfin
von Meran die glücklichste Ehe zu führen, freilich auch andererseits
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 205
ihrem hohen Gemahl eine jahredauernde Verbannung vom kaiserlichen
Hofe zuzuziehen. Es ist zu vermuthen, dass letzteres Ereigniss die
Triebfeder gewesen ist, seine freie Zeit in der oben angegebenen Weise
zu verwenden. Wenn also hier eine Blumenausstellung zu Stande
kommen konnte, so war dies nur dem Wunsche des Erzherzogs zu ver-
danken, welchem nachzukommen Ehrensache eines Jeden war und sein
musste, der dabei mitzuwirken berufen wurde, so sehr ward dieser Herr
allgemein geliebt. Doch galt diese Ausstellung nicht den gärtnerischen
Interessen einzig und allein, obschon sie durch den Namen „Blumenfest‘“
besonders gekennzeichnet war, sondern es fand auch gleichzeitig eine
kunstgewerbliche mit statt, um die Fortschritte auch zu zeigen, welche
aus den unentgeltlichen Unterrichtsstunden am Joanneum resultirten oder
auf sonst hierauf bezüglichen Lehranstalten hervorgegangen waren, wo-
rüber ich keine Kenntniss gewonnen habe.
Jetzt endlich zum Festbericht selbst: Eines Morgens, am 25. Juni
1833, früh 7 Uhr, kündet Kanonendonner von dem mitten in der Stadt
steil aufsteigenden Schlossberg die Feier eines Festes an, und ein
Trompetercorps verbreitete durch die Strassen der Stadt ziehend mit
ihren Fanfaren diese Verkündigung nach allerwärts weiter, so dass sie
auch zu mir, der ich im botanischen Garten am Joanneum erst seit
Kurzem stationirt war, dringen musste und freudiges Erstaunen hervor-
rief, als mir die Bedeutung hierüber klar gemacht wurde. Der Festplatz
war äusserst günstig gelegen, vor dem Thore ostwärts auf einer Glaeis,
welche eine herrliche ausgedehnte Rasenfläche bildete und mit prächtigen
grossen, reichlich Schatten gebenden Bäumen alleeartig durchzogen und von
einer erst vor wenigen Jahren angelegten Promenaden-Allee umgeben war,
Hier nun waren die Vorbereitungen getroffen, die hauptsächlich aus
Blumengewinden von Rosen in Form von Guirlanden bestanden, überall
da angebracht, wo sie sich nur irgend anbringen liessen, ja selbst der
Absperrungs-Cordon bestand aus Rosenguirlanden, der natürlich den Ein-
blick von aussen nicht verhinderte, wo eine zahllose Menge die Prome-
nade auf und ab spazierte. Der Eintritt kostete 20 kr. = 70 Pf. Ein
Gabentempel auf einer Erhöhung, gleichfalls aus Rosenguirlanden gebildet,
nahm die Mitte des Platzes ein, und in einiger Entfernung davon waren
die programmmässig festgestellten -Preis-Exemplare plaeirt, woraus die
Wahl getroffen werden sollte. Das Programm verlangte folgende Be-
dingung: Um die Bewerbung des 1. Preises erforderte es eine seltene
Pflanze aussereuropäischer Heimath, welche hier noch gar nicht gekannt
sei, Um die des 2. Preises erforderte es ebenfalls eine aussereuropäische
Pflanze, die, obwohl schon hier gekannt, doch immer noch selten sei,
dabei aber auch ausserordentlich schöne Blumen habe. Der 3. Preis
sollte einer Freilandpflanze zugesprochen werden, welche von üppigem
Wuchs, dabei aber auch sehr schön blühend wäre. Für andere gärtne-
206 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
rische Leistungen waren wohl auch Preise vorgesehen, doch ohne eine
Forderung daran zu knüpfen oder namhaft zu machen. Sie bestanden
hauptsächlich in verschiedenen Bouquetformen, deren hervorragendstes,
nicht sowohl des Bouquets wegen, als vielmehr des Gefässes halber,
worin dasselbe gestellt war, zur Ausstellung gebracht wurde. Es war
dies eine Vase, deren Aussenfläche mosaikartig mit Samenkernen in recht
hübschen, der Vasenform entsprechenden Zeichnungen bekleidet war,
welche nicht weniger als 50 Sorten der in der Farbe und Form ver-
schiedensten Samenkernen bestand, wobei die Paternoster-Erbse, Abrus
precatorius, im Verein mit den elfenbeinweissen Gurkenkernen recht
gute Verwendung gefunden hatten. Der Aussteller war ein junger
Gärtner aus Frankfurt a. M., Namens Pauli, der sich studienhalber hier
aufhielt, das dazu gehörige Bouquet zeichnete sich, obwohl es nur klein
war, von den anderen, zu gleichem Zwecke hergebrachten, sehr vortheil-
haft aus, indem es leicht und graziös gebunden war, während letztere
nur grosse Blumenbüsche mit dicht aneinander gedrängten Blumen waren,
Ein zweites Bouquet war auch nur wegen seines Untersatzes zur Stelle
gebracht worden; es war dies ein Gerippe in Form einer Lyra, dessen
einzelne Theile mit Blumen umwunden waren, und auch nur ein kleines
Bouquet als Krönung trug. Die sonstigen nur für den Tag berechneten
Leistungen bestanden noch in mit Lehm bestrichenen Platten, worin
ebenfalls mosaikartige Zeichnnngen durch eingedrückte Blumen ausge-
führt waren. Es wurde alles sehr bewundert, doch glücklicher Weise
nicht alles mit einem Preise gekrönt. Noch sei eines Bouquets erwähnt,
welches aus Pelargonienblumen einzig und allein bestand, wobei ich be-
merken möchte, dass diese Pflanzengattung im allgemeinen weit mehr
eultivirt wurde wie jetzt, wo sie in ihrer Urform aus ihrer Heimath,
dem Cap, fast gar nicht mehr gesehen wird; ich meine damit das alte
Pelargonium grandiflorum, welches in so vielen bastardirten Nüancen vor-
handen war, dass Colleetionen von über vierhundert Sorten gar keine
Seltenheit mehr waren. Allerdings sind daraus die jetzt schöner ge-
formten und gezeichneten Diatematum- und Odier-Arten hervorgegangen,
allein jene waren in ihrer Art auch recht schön und bildeten damals
eine der Hauptzierden der Gewächshäuser.
Die ausserordentliche Menge der abgesehnittenen Rosenblumen, die
zu den verschiedensten Decorationszwecken verwendet worden waren,
bildeten durch ihren Reichthum an Spielarten von sogenannten Landrosen
unter dem Colleetivnamen Damascener oder Hybridenrosen ebenfalls ein
Ausstellungs-Object, da sie in vielen hundert Sorten eultivirt und noch
ohne Coneurrenz mit den heutigen noch zahlreicheren Remontant-, Thee-
und Bourbonrosen standen, da wenigstens die erstere noch gar nicht
vorhanden war. Die Herren Professoren der dortigen wissenschaftlichen
Anstalten waren die alleinigen Preisrichter, und wird der Professor der
EEE
-
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 207
Botanik, Herr Heyne, wohl den gärtnerischen Theil allein übernommen
haben. Für den 1. Preis, welcher, wie schon bemerkt, einer Pflanze
gebühren sollte, welche ihr Vaterland ausserhalb Europa habe und hier
noch gar nicht gekannt sei, wurde eine Callistachys lanceolata auserwählt;
der 2. Preis, welcher ebenfalls einer aussereuropäischen Pflanze zuge-
dacht war, wenn sie auch schon hier gekannt, doch immer noch selten,
aber von vorzüglicher schöner Blüthe sei, wurde einer Erica ventricosa
praegnans zu Theil. Der 3. Preis für eine schön blühende Freiland-
pflanze wurde einem Lychnis fulgens zugesprochen. Sonst waren noch
mit Preisen bedacht worden das mit Samenkernen mosaikartig ge-
schmückte Vasenbouquet, jenes in Form einer Lyra gebundene und
endlich das allein aus Pelargonienblumen bestehende. Die Inhaber dieser |
preisgekrönten Gegenstände wurden einzeln aufgerufen, um den Preis in
Empfang zu nehmen, welcher in einer Medaille mit entsprechender In-
schrift und einem Beglaubigungsschreiben bestand. Am Gabentempel
angekommen empfing den Prämiirten ein Tusch von dem Trompetercorps
und ein Kanonendonner verstärkte denselben bei der Empfangnahme des
Preises aus den Händen einer schönen jungen Dame.
Nach Beendigung dieser erhebenden Feier fand das Aufsteigen eines
Luftballons statt, wo zugleich ein Concert von Blasinstrumenten begann,
bis zu völliger Dunkelheit ein neues Schauspiel wiederum aller Augen
die Richtung dahin gab, indem sich eine Illumination entfaltete, verbunden
mit einem grossartigen Feuerwerk, welches in entsprechender Entfernung
abgebrannt wurde, und darin seinen Glanzpunkt erreichte, dass am
Schlusse desselben ein hoher Obelisk, von Lampenlinien gebildet, zum
Vorschein kam, der auf seiner Spitze einen heraldischen Doppeladler mit
ausgebreiteten Flügeln trug, aus dessen beiden Schnäbeln Blitze und Donner
spieen. Am Fusse des genannten Obelisken war die Büste des Kaisers
aufgestellt, zu beiden Seiten mit allegorischen Figuren umgeben, die
Attribute der Künste und Wissenschaften an sich tragend, und dabei die
Worte: „‚Europae pacis fundatori‘ standen, welche abwechselnd in buntem
Feuer leuchteten.
Den Schluss dieses quasi Familienfestes bildete ein solenner Ball in
einem dazu reich mit Kränzen decorirten Raume des Festplatzes, und
das Ganze wiederholte sich als Nachfeier noch einmal am nächst darauf
folgenden Sonntag.
In der 4. Sitzung den 6. April sprach Professor Dr. Prantl
Veber Keimung und Entwickelung der Farne.
Die Fortpflanzung der Farne geschieht durch Sporen, mikroskopisch
kleine Zellen, welche in den am Rande oder auf der Unterseite der
Blätter stehenden Sporenkapseln, Sporangien, entstehen, durch ein eigen-
thümliches elastisches Aufspringen der letzteren entleert werden und bei
208 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
ihrer Kleinheit und Leichtigkeit auf weite Streeken durch die Luft ge-
tragen werden können. Es ist daher nicht leicht, in Gewächshäusern,
in welchen zahlreiche Farnarten eultivirt werden, reines Sporenmaterial
zur Aussaat zu gewinnen, da an der Oberfläche der Blätter stets fremd-
artige Sporen haften. Das sicherste Mittel besteht darin, dass von den
gut abgewischten Blättern, welche mit reifen, noch ungeöffneten Sporangien
versehen sind, Stücke abgeschnitten und in Papierdüten gesteckt werden;
das nach einigen Tagen durch das Austrocknen ausgefallene Sporenpulver
ist fast vollkommen rein. Die Sporen keimen im Allgemeinen um so
rascher, je kürzere Zeit nach der Reife sie ausgesäet werden; die
ehlorophyllhaltigen Sporen von Osmunda, Todea u. a. behalten indess die
Keimkraft nur wenige Tage, während von anderen chlorophyllfreien
Sporen selbst noch solche von Jahrzehnte alten Herbar-Exemplaren ge-
keimt haben. Bei der Keimung, welche am sichersten auf feuchtem
Torf oder Haideerde unter Glas erfolgt, entwickelt sich ein kleines
Pflänzchen, Prothallium genannt, welches im entwickelten normalen Zu-
stand rundlich, vorne herzförmig ausgeschnitten ist, dem Erdboden an-
liegend, richtiger gesagt, zur Beleuchtungsrichtung quergestellt, wächst
und auf der Unterseite seiner diekeren Mittelrippe die weiblichen Organe
trägt, welche durch die in den beliebig angeordneten männlichen Organen
gebildeten Samenfäden befruchtet werden. Das letztere ist wegen der
schwimmenden Bewegung der Samenfäden nur bei reichlich vorhandener
Feuchtigkeit möglich. Prothallien, welche sich kümmerlich entwickeln,
indem sie entweder dicht gedrängt aus zu voller Aussaat erwachsen,
oder an Licht oder sonst an Nahrungsstoffen Mangel leiden, tragen keine
weiblichen, wohl aber überreichlich männliche Organe; da man sonach
die letzieren in grosser Menge erhalten und durch Begiessen einer
trocken gehaltenen Cultur zum gleichzeitigen Entlassen der Samenfäden
bringen kann, eignet sich dieses Verhalten vielleicht zur Erleichterung
der Bastardbefruchtung, welche für einige Farne, so die Gold- und
Silberfarne aus der Gattung Gymnogramme bereits gärtnerische Erfolge
aufzuweisen hat.
In der 5. Sitzung, welche den 4. Mai im Sectionsgarten zu
Scheiinig abgehalten wurde, sprach Herr städt. Garteninspector Richter
Ueber den Baumschnitt.
In den letzten Jahren meiner praktischen Thätigkeit hatte ich
wiederholt Gelegenheit, stärkere Bäume, bis 30 cm Stammdurchmesser,
mit Erfolg zu verpflanzen, und ich schreibe dieses freudige Weiterwachsen
zum Theil dem Schnitt zu, welcher dabei angewendet wurde.
Die Meinungen über das Schneiden der Bäume gehen weit aus-
einander, ja von hervorragenden Männern der Wissenschaft hat z. B.
Göppert sich gegen jegliches Schneiden ausgesprochen, weil er Wunden
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II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 209
vermeiden wollte, durch welche Pilze in den Holzkörper eindringen
können, welche später den Baum tödten. — Erwähnt sei hier, dass es
allerdings unbedingt nothwendig ist, jede Wunde, und hätte dieselbe
auch nur die Grösse eines Quadrat-Centimeters, mit einem antiseptischen
Mittel, mit Theer oder Baumwachs, zu verstreichen, um nicht allein das
Eindringen von Pilzen in die blossgelegten Holzgewebe zu verhindern,
sondern auch die Verdunstung aufzuheben. — Da es zu weit führen
würde, wenn ich hier auf das Schneiden von Obstbäumen eingehen
wollte, bei welchen durch den Schnitt ganz bestimmte Formen erzielt
werden, so will ich nur landschaftliche Bäume und Gehölze berücksich-
tigen. Bei dem Verpflanzen von Bäumen und Gehölzen ist ein Aus-
dünnen der Aeste und Zweige, Zurückschneiden der letzten Jahrestriebe
unbedingt nothwendig, da eine Verkürzung und Verringerung der Wurzeln
geschehen ist und zwischen den Wasser zuführenden Wurzeln und ver-
dunstenden Blättern das Gleichgewicht hergestellt werden muss, wenn
die Pflanze nicht vertrocknen soll. Dieses Ausdünnen der Krone richtet
sich nach dem Wurzelsystem und der Stärke der Bäume, es muss selbst
— allerdings in geringerem Maasse — auch bei vorzüglich bewurzelten
Bäumen vorgenommen werden. Auch die Baumart ist bestimmend für
die Anzahl der zu entfernenden Aeste; z. B. bei Weiden, Pappeln,
Linden, Kastanien und Rüstern, welche leichter anwachsen, genügt schon
!/, bis '/,, während bei Ahorn, Platanen, Eichen und Buchen Y/, bis '/,
der Anzahl ihrer Aeste entfernt werden müssen. Dieses Herausnehmen
der Aeste muss nun so geschehen, dass stärkere Zweige nicht etwa nur ge-
kürzt werden, sondern es muss ab und zu auch ein Ast an seiner Basis
herausgenommen, eventuell auf einen kräftigen, jüngeren Trieb zurück-
gesetzt werden, welcher Trieb dann später die Verlängerung des Astes
bilden kann. Es empfiehlt sich aber nicht, am Hauptstamm direct
stärkere Aeste oder gar zwei an demselben sich befindende gegenüber-
ständige Aeste zu entfernen, da dadurch leicht eine Saftstörung eintreten
kann. Ueber der Wunde müssen stets noch Blattorgane, resp. Triebe
vorhanden sein, die den Saftzufluss begünstigen, sodass die Wundränder
in kürzester Zeit Callus bilden und vernarben. Bei dem Wegnehmen
von Aesten ist immer darauf zu achten, dass der natürliche Wuchs des
Baumes nicht beeinträchtigt und gestört wird, sondern es muss stets ein
gewisses Gleichgewicht in der Astbildung durch das Schneiden erreicht
werden, Durch dieses Herausnehmen der Aeste, an ihrer Basis oder
unter einem kräftigen Triebe, entstehen keine Querwunden, sondern
Längswunden, welche verheilen, ohne dass später nachtheilige Vorgänge
in der Holzbildung des Baumes verursacht werden, Die letzten Jahres-
triebe der zu verpflanzenden Bäume und Sträucher werden nur soweit
eingestutzt, als dieselben nicht ausgereift sind, was bei Platanen und
üppig gewachsenen Ahornen in stärkerem Maasse, als wie bei Linden,
9) 14
T7
310 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Rüstern und Kastanien der Fall sein dürfte. Betrachten wir nun einen,
auf diese Weise geschnittenen Baum, so sind demselben alle kräftig
ausgebildeten Augen erhalten, welche sich im nächsten Jahre zu Blättern
entwickeln und so eine Safteirculation hervorrufen, die das Anwachsen
des Baumes befördern. Bei den Bäumen hingegen, bei welchen die
Aeste und Zweige quer gekappt worden, ohne dass über der Wunde
sich noch Blattorgane befinden, kann sich keine Safteirculation ent.
wickeln; der Baum wird vor Allem bestrebt sein, diesen ihm oben
genommenen Verlängerungstrieb wieder zu ergänzen und eine Menge
Reservestoffe und Saft unnütz verbrauchen und sich erschöpfen und da-
durch schon sein Weiterwachsen in Frage stellen. Es werden sich im
glücklichsten Falle mehrere schwache, verkümmerte Triebe unterhalb
der Wunde entwickeln, welche einem Besen ähnliches Gebilde verur-
sachen, und kann die Wunde nie verheilen, sondern es ist hierdurch ein
geeigneter Nährboden für eindringende Pilze geschaffen. — Eine geringe
Möglichkeit, zu einer späteren normalen Entwickelung des verstümmelten
Baumes ist vorhanden, wenn fast alle schwachen Triebe dieses Besen-
gebildes entfernt werden und nur diejenigen erhalten bleiben, die sich
durch kräftigen und verticalen Wuchs auszeichnen und so später die
Terminaltriebe, Hauptgerüst, des Baumes bilden können.
In dem ersten Jahr nach dem Verpflanzen werden sich die nach der
von mir angedeuteten Weise geschnittenen Bäume nnr spärlich belauben,
da ihnen, wie oben angegeben, '/, bis '/);, ihrer Aeste genommen werden;
doch ist dies nur ein Vortheil für den in der Bewurzelung begriffenen
Baum, da dadurch eine geringere Verdunstung seiner Blätter erreicht ist;
trotzdem wird er doch bis 30 cm lange Triebe in diesem Jahr ent-
wickeln. Im nächsten Winter ist alsdann ein Zurückschneiden bis auf
kräftig ausgebildete Augen der ein- und zweijährigen Triebe geboten,
und wird sich alsdann der Baum mit einer kaum geahnten Blattfülle
bekleiden,; häufig entwickelt die Pflanze sogar grössere, übernormale
Blätter, da dem Baum in dem frisch gelockerten und gedüngten, Erd-
reich Gelegenheit geboten wird, neue Nährstoffe aufzunehmen. Aehnlich
verhält es sich mit dem Schneiden der Gehölze, nur dass hier der Vor-
gang sich leichter abwickelt, indem die letzten kräftig entwickelten
Triebe alle zu erhalten sind, ein Einstutzen nur nothwendig wird, wenn
dieselben nicht ausgereift sind, doch ist ein Wegschneiden, zur '—";
des alten, drei- und mehrjährigen Holzes am Stock geboten,
Eine solche Reorganisation der Gehölze müsste alle Jahre vorge-
nommen werden, wenigstens sollte '/, des Holzes am Grunde des Stockes
weggeschnitten werden, sodass der Strauch dadurch ein gesundes, ge-
schlossenes Aussehen behalten wird. Ein alljährliches, kräftiges Zurück-
schneiden — Verjüngen — der Gehölze empfiehlt sich besonders da, w6
die Sträucher unter Druck von hohen Bäumen oder in eingeengten Gärten
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I.
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II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 211
stehen, da dadurch die Pflanzen fortwährend angeregt werden, neue
Triebe und Wurzeln zu bilden. Bei Blüthensträuchern, welche an ein-
jährigen Trieben blühen, z. B. bei Syringen, Forsythien, Deutzien,
Weigelien etc. geschieht das Zurückschneiden am besten sofort nach der
Blüthe, da sich alsdann kräftige Schossen entwickeln, die im nächsten
Jahre durch reiche Blüthenentwickelung diese Mühe vorab
Betrachten wir nun noch zum Schluss das Zurückschneiden alter,
überständiger Bäume; hier ist vor allem die Ursache der kümmerlichen
Vegetation zu seattieh. welche allzu häufig in dem Nahrungsmangel zu
suchen ist. Ist dieses der Fall, so ist ein Lockern der Erde, in der
Ausdehnung, soweit sich das Laubdach erstreckt, und gründliche Be-
wässerung unbedingt nothwendig. Wird nun noch flüssiger Dünger, Blut
oder auigelöstes Knochenmehl etc. dem Wasser zugesetzt, so werden
sich bald neue Wurzeln entwickeln, was sich durch intensives Blattgrün
bemerkbar macht.
Im Jahre nach dieser zu wiederholenden, mehrmaligen, gründlichen
es können dem Baum sämmtliche Aeste bis auf kurze, gesunde
Stücke genommen werden; die Schnittflächen sind wieder antiseptisch
zu behandeln. Es werden sich hier bald eine Menge Triebe entwickeln
und würden ein besenähnliches Gebilde hervorbringen, wenn sie nicht in
oben angegebener Weise behandelt werden. Sorgfältig muss die zu-
weilen Quadratdecimeter grosse Schnittfläche beobachtet werden und
soll der sich entwickelnde Terminaltrieb, möglichst an der oberen
Kante sitzen, sodass dadurch doch eine allmähliche Callusbildung und
Verheilen der Wunde erreicht wird. Bei grösseren Wunden empfiehlt
es sich, dieselben nochmals im nächsten Herbst zu theeren, um so die
etwa eingedrungenen Pilze zu tödten. Ein alljährliches Zurückschneiden
der Triebe während der nächsten 5 Jahre ist Bedingung, um den Baum
dadurch in der Bildung seines natürlichen Wuchses zu unterstützen, da
er sonst durch das gewaltige Zurücksetzen seiner Aeste unnatürliche
Formen bilden würde, die vom Wind und Schneebruch zu leiden haben.
In der 6. Sitzung den 1. Juni im Sectionsgarten zu Scheitnig, in
welcher Herr Baumschulenbesitzer Behnsch eine grosse Anzahl neuer
buntblättriger Gehölze, z. B. Fagus silvatica atrapurpurea norvegica,
Fraxinus pubescens, Tilia argentea, sowie Lonicera Robertsii vorlegte,
sprach Professor Prantl
Veber die Aufgaben der botanischen Gärten.
Die botanischen Gärten haben nach den Ausführungen des Vortra-
genden vornehmlich eine doppelte Aufgabe, nämlich einerseits das zum
Unterricht in der Botanik und zu wissenschaftlichen Untersuchungen
nöthige Pflanzenmaterial zu liefern und andererseits durch die Auswahl
und besonders auch durch die Anordnung der cultivirten Pflanzen zu be-
14*
912 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
lehren und in weiteren Kreisen anzuregen. Diese Aufgaben sind freilich
leichter gestellt als gelöst. Schon die Beschaffung der zum Unterricht
nöthigen Pflanzen macht oft erhebliche Schwierigkeiten; dass es nicht
eben leicht ist, zu einem festgesetzten Tag eine bestimmte Pflanzenart
blühend und in genügender Menge zu liefern, das weiss jeder Gärtner
und mancher Gartenliebhaber, Eine Pflanze muss aber auch, wenn sie
zum Unterricht geeignet sein soll, die charakteristischen Eigenschaften,
welche demonstrirt werden sollen, in deutlicher Weise zeigen; so ver-
langt schon die Auswahl der Lehrpflanzen viel Sachkenntniss und Vor-
aussicht. Doch mit der Cultur der erforderlichen Pflanzenarten erfüllen
die botanischen Gärten nur die eine Seite ihrer Aufgabe; es handelt sich
auch darum, die Objecte in solcher Weise zu gruppiren, dass ein leichter
Ueberblick über das Zusammengehörige ermöglicht wird. Wie sich in
der organischen Welt die Arten zu Gattungen, die Gattungen zu Familien
zusammenschliessen, so ist es gebräuchlich, die in Cultur genommenen
Pflanzen nach ihrer Verwandtschaft in Gruppen vereinigt zu cultiviren.
Früher verwendete man hierzu meist gradlinige Beete, auf welchen die
Gewächse in langen Reihen standen; übersichtlicher und auch dem Auge
angenehmer ist das System verschieden gestalteter Einzelbeete, welche
bestimmt sind, die Vertreter je einer Pflanzenfamilie aufzunehmen. Diese
Anordnung ist neuerdings auch im Breslauer Botanischen Garten ge-
troffen worden, und sie trägt wesentlich zur Verschönerung der ge-
sammten Anlage bei. Natürlich darf auf diesen Beeten, welche zusammen
das ,„System‘‘ genannt werden, des beschränkten Raumes wegen jede
Pflanzenart nur in wenigen Exemplaren vertreten sein; da aber für
wissenschaftliche Untersuchungen oft eine Art in grösserer Menge er-
forderlich ist, so braucht man noch besondere Versuchsfelder ausserhalb
des Systems, wo auch Beobachtungen und Experimente bequemer anzu-
stellen sind. Die Gewächshäuser dienen zur Ergänzung des Systems, da
ja viele Pflanzenarten bei uns, im Winter wenigstens, nicht im Freien
leben können. Der Vortragende wünschte, dass die Verhältnisse es er-
möglichten, gerade die Gewächshäuser mit ihren oft seltenen und schönen
tropischen Bewohnern dem Belehrung suchenden Publikum in ausgiebigerer
Weise zugänglich zu machen. Grössere botanische Gärten, wie der
Breslauer, begnügen sich jedoch nicht mit der systematischen Anordnung;
auch die geographische Zusammengehörigkeit wird nach Möglichkeit ver-
anschaulicht, indem die Charakterpflanzen der einzelnen Florengebiete in
kleine Gruppen zusammengezogen werden. Hier erheben sich wieder
bedeutende praktische Schwierigkeiten in der Auswahl der anzupflanzen-
den Arten. Ist die Anordnung einmal getroffen, so ist damit die Sache
noch keineswegs erledigt; denn einmal sind die fremden Pflanzen zum
Theil bei uns kaum dauernd zu erhalten, und andererseits ist auch hier
oft genug das Bessere der Feind des Guten, und es werden immerfort
u Trage
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 213
hier oder da Veränderungen nöthig. So gestaltet sich ein botanischer
Garten zur Stätte ernster wissenschaftlicher Arbeit, und wenn er als
solcher angesehen und respectirt werden möchte, so ist das gewiss keine
unbillige Forderung.
Die 7. Sitzung den 9. September war der Besichtigung des
städtischen botanischen Schulgartens in Scheitnig gewidmet,
welche unter Führung des technischen Verwalters desselben, Herrn
Kiekheben, ausgeführt wurde.
In der 8. Sitzung den 12. October legte Herr Obergärtner
Sehütze die von Herrn Franke eingesandten Orchideenblüthen: Odonto-
glossum grande und ©. Insleyi leopardinum, sowie zwei Exemplare der
holzfarbigen Butterbirne von je 250 gr Gewicht vor. Hierauf sprach
Herr Dr. F. Rosen
Ueber Veredlung.
Redner beleuchtete besonders vom theoretischen Standpunkte aus
die zur Veredelung gehörenden gärtnerischen Operationen und erwähnte
zahlveiche interessante und instructive Versuche, die Professor Vöchting
in Tübingen auf diesem Gebiete angestellt hat. Der Gärtner beabsichtigt
durch die Ausführung des Pfropfens, Oculirens und Copulirens zumeist
eine Veredelung minder geschätzter Pflanzenindividuen, sogenannter
Wildlinge, z. B. wilder, aus Samen gezogener Obstbäumchen oder
Rosenstämmchen. Er erreicht seinen Zweck durch Einbringung von
Edelreisern oder ‚‚Augen‘“ in geeignet hergerichtete Wundstellen am
Wildling unter Beobachtung der Vorsicht, dass sich die Bildungsgewebe-
schicht, das sogenannte Cambium, beiderseits an möglichst vielen Stellen
berührt, und unter Berücksichtigung der ursprünglichen Wachsthum-
richtung der angewandten Reiser resp. Augen. Obgleich wir bei der
einzelnen Zelle oder einem Complex gleichartiger Zellen, etwa einem
aus einer Kartoffel oder einer Rübe ausgeschnittenen Würfel, seine ur-
sprüngliche Lage und alle seitlichen Beziehungen zum Ganzen, also
rechts, links, oben, unten, vorn und hinten nicht mehr oder nur annähernd
wiederzufinden vermögen und keinen Unterschied zwischen den einzelnen
Seiten entdecken können, so ist doch ein solcher Zelleomplex nach allen
Richtungen hin verschieden geartet und sehr empfindlich für die Trans-
plantation oder Versetzung aus seiner angeborenen Lage, wenn hierbei
die ursprünglichen Richtungsverhältnisse vertauscht werden. Schneidet
man z. B. aus einer normal wachsenden Rübe einen Würfel aus und
setzt denselben in einen genau passenden Ausschnitt einer ebenso
wachsenden anderen Rübe ohne Veränderung seiner ursprünglichen Lage
wieder ein, so zwar, dass die rechte Seite des Würfels auf die rechte
Seite des Ausschnittes und die anderen Seiten dementsprechend zu liegen
314 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
kommen, so verwachsen die Wundflächen leicht und sind innerhalb
zweier Monate vernarbt. Dreht man dagegen den Würfel auf der
Fläche um 180° von links nach rechts, sodass seine untere und obere
Seite auf die untere resp. obere Fläche, seine linke Seite auf die rechte
und seine rechte auf die linke Fläche des Ausschnittes zu liegen kommen,
so erfolgt entsprechend dem ersten Falle oben und unten Verwachsung,
während sich rechts und links wulstartige Ueberwallungen bilden. Dreht
man schliesslich den Würfel auf der Kante um 180° von links nach
rechts, so sind alle ursprünglichen Wachsthumsrichtungen gestört, und
obgleich nun eine Anwachsung und Ernährung des eingesetzten Stückes
erfolgt, wird dasselbe doch wie ein Fremdkörper, etwa wie ein in einen
Baumstamm eingetriebener Nagel oder Keil allseitig langsam überwallt.
Diese eigenthümlichen Wachsthumsverhältnisse, deren Grund in unbe-
kannten inneren Ursachen, vielleicht in bestimmten Saftströmungen oder
in einer gesetzmässigen Anordnung und nothwendigen Beziehung der
kleinsten, scheinbar mit polaren Gegensätzen begabten Theilchen zu
suchen ist, finden wir mehr oder minder bei jeder Pflanze. Vöchting
benutzte aus nahe liegenden Gründen als Versuchsobjeet gerade .die
Runkelrübe, da sich hier die geschilderten Experimente in Folge der
Gleichartigkeit der Zellen und deren schneller Neuproduction verhältniss-
mässig leicht und in wenigen Monaten anstellen lassen. An jedem
Baum kann man jedoch ein ähnliches Experiment vornehmen. Ringelt
man z. B. einen lebenden Ast oder Stamm, d. h. schneidet man rings-
herum aus der Rinde bis auf den Holzkörper einen bandartigen Streifen
heraus, trennt denselben durch einen Längsschnitt ab und befestigt ihn
in geeigneter Weise wieder an seiner ursprünglichen Stelle und in seiner
alten Lage, so verwachsen die Wundränder nach einiger Zeit mit glatter
Vernarbung. Legt man jedoch den Streifen verkehrt an, so dass seine
ursprüngliche obere Kante nach unten und die untere nach oben kommt,
so findet nur schwer eine Verwachsung statt, und es treten im Laufe
der Zeit dieselben Erscheinungen ein, wie bei vollständigem Ringel-
schnitt. An der Basis des über dem Ausschnitt gelegenen Stammes oder
Zweigstückes, der sogenannten oberen Wundlippe, entsteht ein Callus
(Wundgewebe) von meist beträchtlicher Entwickelung, der über die mit
der verkehrt aufgelegten Rinde bedeckte Ringelungsstelle hinweg zu
wachsen bestrebt ist. War der Wundeanal verhältnissmässig breit, so
erfolgt besonders bei schwachen Aesten oder Zweigen zur rechten Zeit
keine völlige Ueberwallung durch den Callus und schliesslich Wieder-
verwachsung mit der unteren Wundlippe mehr, und der oberhalb des
Ringelschnittes befindliche Ast stirbt ab. Das verkehrt aufgelegte Rinden-
stück wirkt also auch hier wieder wie ein Fremdkörper und nicht wie
eine verbindende Brücke für den in der Rinde absteigenden Saftstrom,
wie im ersten Falle. Bei allen unseren Bäumen lassen sich nämlich
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ZEALAND NEED ER EI
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 215
zwei Hauptströme unterscheiden, ein von der Wurzel im Holzkörper
aufsteigender, Wasser und die sogenannten Aschenbestandtheile in ge-
löster Form führender Saftstrom und ein anderer, in der Rinde abstei-
gender, die durch die Thätigkeit der Blätter assimilirten Stoffe enthalten-
der Strom. Wird nun durch einen schmalen vollständigen oder partiellen
Ringelschnitt, oder durch eine fest angelegte Ligatur, etwa einen Draht,
der absteigende Saftstrom unterbunden, so tritt ein localer Reiz ein, der
sich zuerst in der Bildung der Callus, bald aber auch in einer Verän-
derung der morphologischen Natur des geringelten Astes oder Stammes
äussert. Der gesteigerte, in der Rinde absteigende Nahrungszufluss be-
fördert nämlich die Entwickelung von Kurz- resp. Blüthensprossen ober-
halb der Ringelungsstelle und beeinträchtigt die Anlage von Langtrieben,
Die Bedeutung der geschilderten Operation für den praktischen Gärtner
liegt auf der Hand, und ihr Zweck ist also kurz der: erhöhte Frucht-
barkeit und Beherrschung des Baumwuchses. Im weiteren
Verlauf seines Vortrages demonstrirte Dr. Rosen an Photographien
Pfropfversuche, die Professor Vöchting an Runkelrüben angestellt hatte.
Es handelte sich hierbei darum, festzustellen, inwieweit eine Copulation
verschiedenen Functionen dienender Theile einer Pflanze unter einander
durchführbar sei. Die Versuche ergaben sehr günstige Resultate für fast
alle Copulationsmöglichkeiten und gelangen für Wurzeln an Wurzeln,
Stamm auf Wurzel, Blatt auf Wurzel, Stamm auf Stamm, Blatt auf
Stamm, Wurzel auf Stamm, Wurzel auf Blatt. Die einzelnen Unterlagen
accommodirten dabei ihre 'Lebensweise oder verlängerten selbst ihre
Lebensdauer zu Gunsten des ungewohnten Pfropfobjectes. Das Blatt,
dessen Leben etwa zwei Monate währt, blieb zu Gunsten der kleinen,
seiner fleischigen Mittelrippe aufgepfropften Rübe grün und half die für
ihr Stiefkind nöthigen Baustoffe zu assimiliren. Ebenso dehnte die Rübe,
deren Blüthenspross eine andere aufgepfropft wurde, ihre normale zwei-
jährige Lebenszeit entsprechend länger aus und gedieh sogar ruhig weiter,
als schliesslich dem Spross der zweiten eine dritte Rübe durch Copula-
tion eingefügt wurde. In solchen Fällen darf man wohl von einem Ein-
flusse des Pfropfreises auf seine Unterlage, wenigstens in biologischer
Hinsicht, sprechen. Aehnliche Rückwirkungen lassen sich experimentell
auch durch Copulationsversuche verschiedener Vertreter aus der Familie
der Solaneen nachweisen, z, B. zwischen Kartoffel und Stechapfel. Die
Kartoffel ist eine verhältnissmässig wenig belaubte Pflanze, Stärkere
Belaubung würde gesteigerte Assimilation und mithin eine Production
srösserer Knollen zur Folge haben müssen. Pfropft man auf Grund
dieser Ueberlegung auf die Kartoffeltriebe Stechapfelreiser, die bekannt-
lich grosse Blätter entwickeln, so erhält man aussergewöhnlich grosse
Knollen, die aber durch Beeinflussung der das Alkaloid Atropin (Daturin)
enthaltenden Blätter selbst ungeniessbar und giftig sind. Eine morpho-
216 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
logische Beeinflussung des Pfropfreises auf seine Unterlage findet dagegen
nicht statt und ist wohl, wo eine solche scheinbar constatirt wurde, auf
ungenaue oder irrthümliche Beobachtung zurückzuführen.
In der 9. Sitzung sprach Herr Geh. Regierungsrath Professor
Dr. F. Cohn
Ueber die Bepflanzung unserer Stadtplätze.
In der 10. Sitzung den 7. December wurde die Reorganisation
des Lesezirkels besprochen. Die Neuwahl der Secretäre und des Ver-
waltungsvorstandes ergab die Wiederwahl der bisherigen Mitglieder,
Hierauf hielt Herr Garteninspeetor Göschke aus Proskau seinen
durch reichhaltige Obst- und Dörrpräparate illustrirten Vortrag
Ueber das Obst im Haushalt.
Aufgabe der Bodencultur ist es, diejenigen Producte zu liefern, die
dem Menschen zur Nahrung dienen. Unter den Culturpflanzen, welche
in unserem Klima gedeihen, nehmen die Obstgehölze eine hervorragende
Stelle ein, denn ihre Früchte, das Obst, spielen eine wichtige Rolle im
Haushalt der Menschen. Diese Wichtigkeit wird häufig damit begründet,
dass das Obst zur Ernährung des Menschen diene. Diese Behauptung
ist nur zum Theil richtig, denn das Obst ist nieht ohne Weiteres als
Nahrungsmittel zu betrachten, weil die zur Organbildung im Körper
allerwichtigsten Stoffe, die Eiweissstoffe (Protäinsubstanzen) im Obst nur
in geringer Menge vorhanden sind. Eine Ernährung durch Obst allein
ist auf die Dauer nicht gut denkbar, oder es würde dazu eine verhält-
nissmässig sehr grosse Quantität desselben nothwendig sein.
Ein Paar Vergleiche, die sich auf die höchst interessanten chemischen
Untersuchungen des Professor Fresenius in Wiesbaden stützen, werden
dies durch Zahlen illustriren. Um den Nährwerth eines Eies zu ersetzen
(welches durchschnittlich ein Gewicht von 45 g hat und etwa 5 g
Protöinsubstanz enthält), würden nöthig sein: 585 g Kirschen, 600 g
Weintrauben, 960 g Reinetten-Aepfel, 1135 g Stachelbeeren, 1925 g
(= fast 2 Kilo) Rothbirnen.
Hinsichtlich ihres Nährwerthes haben die Obstarten somit nur den
Charakter als Respirationsmittel.
Um ferner '/, Kilo = 1 Pfd. Rohrzucker oder Stärkemehl zu er-
setzen, welcher einem Quantum von 2,75 Kilo Kartoffeln entspricht, dazu
gehören nach Fresenius eirca: .
3,15 Kilo Kirschen,
3,3 - Weintrauben,
2,9 = Reineelauden,
2,5 = Canada-Reinetten,
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 217
4,5 Kilo Taffet-Aepfel,
5,0 = Rothbirnen (eine in Süddeutschland sehr häufige Sorte),
5,0 = Mirabellen,
5,0 = Stachelbeeren,
5,85 = Pfirsich,
6,25 = Aprikosen,
7,0 = Johannisbeeren, Himbeeren oder Brombeeren,
9,0 = Pflaumen.
Wenn man 1 Kilo Kartoffeln mit 6 Pfennigen berechnet und diesen
Preis mit dem des Obstes vergleicht, so stellt sich das Obst lange nicht
so billig, um als Respirationsmittel den Vergleich mit Kartoffeln aus-
E zuhalten.
Das Obst dient also dem Menschen mehr zur Erquiekung und Labe,
zur Erfrischung und zur Erhaltung der Gesundheit. Denn die in den
Früchten enthaltene Apfelsäure und Gerbsäure wirkt anregend und
fördernd auf den Stoffwechsel, d. i. die Verdauung der Speisen im
Körper. Dieser hohe Werth des Obstes als Gesundheitsmittel wird noch
viel zu wenig beachtet, in dieser Eigenschaft liegt der grosse Nutzen
des Obstgenusses. In richtiger Würdigung dieses Umstandes empfiehlt
es sich, bei jeder Mahlzeit Obst in irgend welcher Form auf den Tisch
zu bringen, denn der Obstgenuss befördert das Allgemeinbefinden, die
Gesundheit des Menschen. Namentlich sollten das Personen mit sitzen-
der Lebensweise beherzigen. In den gut verwalteten Hotels grosser
Städte bürgert sich immer mehr die hierauf bezügliche Gewohnheit ein,
den Gästen reifes Obst auf die Zimmer zu stellen, sodass dieselben in
der Lage sind, vor dem Schlafengehen, je nach Geschmack oder Be-
dürfniss, noch einen Apfel oder eine Birne zu geniessen,
Beim Genuss des Obstes fragen wir vor allem nach dem Wohlge”
schmack, daher schätzen und bezahlen wir die Früchte mehr nach diesem
als nach ihrem eigentlichen Nährwerthe. Saftige Früchte bieten uns
beim Genuss eine ganz besondere Erfrischung, denn der Hauptbestand-
theil der Früchte ist das Wasser, sie enthalten von diesem circa 80 bis
83 pCt. Der für uns angenehme oder saure Geschmack einer Frucht
wird bedingt durch das Verhältniss der darin enthaltenen Säure zum
Zucker. Dieses Verhältniss ist natürlich bei den einzelnen Obstarten,
dann aber auch nach dem -Reifezustande einer Frucht, sehr ver-
schieden. Nach Fresenius haben den grössten Zuckergehalt die
Trauben, nämlich 10—26 pCt. Das Mehr oder Weniger hängt von der
Ausbildung und besonders von der warmen Witterung ab. Die Säure
verhält sich zum Zucker der Trauben
in guten Weinjahren wie 1 : 26,
- mittleren - ur
- schlechten - u 5 1}
218 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Bei den einzelnen Obstarten ist dies Verhältniss sehr verschieden-
artig. Ziemlich angemessen ist dasselbe bei den Stachelbeeren, nämlich
wie | : 6, sie werden daher gern genossen.
In den Johannisbeeren ist die Säure reichlicher vertreten, sie verhält sich
bei weissen Früchten wie 1 : 2,9,
- rothen - u
Sie enthalten 2,3 pCt. freie Säure.
Daher schmecken uns Johannisbeeren im allgemeinen zu sauer, und
der Saft greift die Zähne an. Weisse Johannisbeeren schmecken milder
als rothe, weisse enthalten 6,61 pCt. Zucker, rothe dagegen nur 4,78 pCt.
Bei Erdbeeren verhält sich die Säure zum Zucker wie 1 : 1,9.
Die Säure wird aber verdeckt durch ein besonders angenehmes Aroma.
Wir geniessen aber die Walderdbeeren in der Regel lieber mit Zucker.
Bei Himbeeren ist das Verhältnis wie 1 : 1,8,
- Süsskirschen = - - -
- Pflaumen = = z = 1183 1,6,
- Mirabellen - = - a
- Reineclauden = = - 99% SE
Der bedeutende Zuckergehalt der Kirschen macht sie zum Roh-
genuss sehr beliebt, sie finden aber auch beim Kochen, Einmachen,
Dörren, zur Saft- und Branntweinbereitung aus demselben Grunde aus-
gedehnte Verwendung.
Bei den Pflaumen treten zur Säure noch die sogen, einhüllenden
Stoffe, besonders Gummi und Pectin, welche den Genuss angenehmer
machen. Bei verhältnissmässig bedeutender Säure (1,27 pCt.) enthalten
die Früchte nur wenig Zucker (1,99 pCt.), sie sind deshalb nicht als
feines und gesundes Obst zu betrachten. Reineclauden sind, trotz des
obigen ungünstigen Verhältnisses, dennoch frisch genossen sehr schmack-
haft, weil sie ein reiches Aroma besitzen. Mirabellen eignen sich wegen
ihres grösseren Zuckergehaltes besser zum Kochen und Trocknen, als
die Reineclauden, welche beim Einmachen mehr Zucker verlangen. Bei
Aprikosen ist das Säureverhältniss wie 1 : 1,2, bei Pfirsich wie 1 : 2,
Sie enthalten fast nur Saft und haben ein kräftiges, feines Aroma. Die
Zartheit des Fleisches, die reiche Menge (6 pCt.) einhüllender Substanzen,
sowie die freie Säure (0,89 pCt.) erhöhen den Wohlgeschmack dieser
Früchte wesentlich.
Im Allgemeinen enthält das Kernobst mehr Trockensubstanz als das
Steinobst. Vom Kernobst kommen hier hauptsächlich Aepfel und Birnen
in Betracht. Es enthalten Aepfel. Birnen.
Trockensubstanz 13—16 pt. 18—24 pCt,
Wasser "} =. 84 = 80 =
Säure . . „1. 0,50—1 - 0,58 =
Zucker ‚il „m, 75 = 9,25 =
ae Er Zee En ze De ET rn
rn
Sr
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 219
Aus Obigem wird leicht zu erkennen sein, welche Wichtigkeit und
welchen Werth das Obst für den Haushalt besitzt, wie nützlich dasselbe
für die Gesundheit ist, es kommt nur darauf an, die Eigenschaften der
Früchte für unsere Zwecke rationell auszunutzen.
Das Obst wird in sehr mannigfacher Weise im Haushalte verwendet,
theils im frischen, theils im gekochten, theils im conservirten (gedörrten)
oder in anderer Weise verarbeiteten Zustande als Saft, Mus, Gelee,
Pasten, Wein u. s. w.
Die deutschen Obstzüchter betrachten es als ihre Aufgabe, diejenigen
Obstsorten oder deren Culturformen zu erforschen, anzubauen und zu
verbreiten, welche unter den gegebenen klimatischen Verhältnissen am
besten gedeihen, den grösstmöglichen Ertrag an Früchten liefern und
dadurch die höchste Bodenrente abwerfen.
Sache der Consumenten, vornehmlich der Hausfrauen ist es, das
Obst, welches sie im Haushalte benöthigen, welches sie auf dem Markte
oder beim Händler kaufen, nach seinen verschiedenen Eigenschaften zu
erkennen, richtig zu beurtheilen und ökonomisch zu verwerthen.
Das Tafelobst dient zum Rohgenuss, das Wirthschaftsobst zum
Kochen, Einmachen u. s. w. Obwohl Tafelfrüchte besonders geschätzt
sind und zuweilen theuer bezahlt werden, so bringt auch das Wirth-
schaftsobst unter günstigen Umständen ganz ansehnlichen Ertrag. Beim
Tafelobst kommen neben den äusseren Eigenschaften (Grösse, Schön-
heit, lachende Farbe), auch die inneren Eigenschaften der Früchte
(Geschmack, Aroma, Farbe des Fleisches) mit in Betracht. Wenn das
Obst auf die Tafel gebracht wird, soll es völlig reif und geniessbar sein.
Das Sommerobst und theilweise auch das Herbstobst erreicht seine
völlige Reife schon am Baum. Hier fällt die völlige Reife der Frucht
mit der Baumreife zusammen. Das Winter- oder Dauerobst muss, wenn
es baumreif ist, noch kürzere oder längere Zeit im Keller, auf dem
Lager bleiben, ehe es völlig reif, d. h. lagerreif wird. Tafelfrüchte
sollen nicht vom Baume geschüttelt, sondern mit der Hand gepflückt,
auch nicht gedrückt oder angeschlagen werden, weil dadurch das gute
Aussehen der Früchte leidet. Birnen, Kirschen, Pflaumen, Beerenobst,
welche für die Tafel bestimmt sind, sollten stets mit dem Stiele ge-
pflüekt werden. Gegen diese so wichtigen Erfordernisse wird besonders
von Obstpächtern und Händlern so häufig gesündigt. Von den Pächtern
wird das Obst meist viel zu früh gepflückt, ehe es seine richtige Baum-
reife erlangt hat, nur um dasselbe schneller an den Mann zu bringen
und um die Kosten für Wartung und Bewachung zu sparen. Die natür-
liche Folge davon ist, dass solches Obst sehr bald welk wird, keinen
Geschmack bekommt, auch wohl frühzeitig zu faulen beginnt. Es ist
im Grunde genommen von gar keinem oder nur sehr geringem wirth-
schaftlichen Werthe,
2209 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Welche Obstsorten eignen sich als Tafelobst? Diese Frage
lässt sich in Kürze nur ganz allgemein beantworten, da ja hierbei auch
der Geschmack und die Liebhaberei des Einzelnen in Betracht kommt.
Von den Aepfeln sind es besonders die Calvillen, Taubenäpfel,
die meisten Reinetten, welche sich durch feines und aromatisches Fleisch
auszeichnen. Unter den Birnen sind besonders die Butterbirnen und
Bergamotten geschätzt. Die Kirschen sind in zahlreichen Sorten so-
wohl als Süsskirschen, wie als Glaskirschen und Amarellen, beliebt.
Unter den Pflaumen oder Zwetschen sind hervorzuheben: die Reine-
clauden (Edelpflaumen), die Mirabellen, Kirkes’ Pflaume, Jefferson,
Italienische Zwetsche. Von grosser Wichtigkeit für die Tafel ist das
Beerenobst, darunter besonders Weintrauben, Erdbeeren, Himbeeren,
Brombeeren, Stachelbeeren. Die Erdbeeren eröffnen den Reigen unter
den Gaben Pomonas, ihre Cultur hat deshalb auch bei uns eine grosse
Ausdehnung und Wichtigkeit erlangt. Unter dem Schalenobst kommen
für uns hauptsächlich die Wallnüsse und Haselnüsse in Betracht, welche
bekanntlich um die Weihnachtszeit als allgemein gesuchtes Nasch- oder
Dessert-Obst einen beträchtlichen Handelsartikel bilden.
Die Aufbewahrung des Dauerobstes geschieht am besten in einem
trockenen, luftigen Keller auf Stellagen aus Brettern, oder noch besser
aus Latten, wo die Früchte einzeln auf Stroh, ohne dass sie sich be-
rühren, oder auch einzeln in Papier gewickelt, gelagert werden.
Sehr reichhaltig ist auch die Auswahl der Sorten beim Wirth-
schaftsobst. Viele Tafelsorten lassen sich naturgemäss auch zu Wirth-
schaftszwecken verwenden, doch möchten besonders folgende Sorten,
als hierzu besonders tauglich, Beachtung finden.
Von Aepfeln wähle man hierzu mehr säuerliche Sorten, nicht
Süssäpfel. Aus den einzelnen Klassen sind hervorzuheben: Calvillen:
Fraas’ Sommer-Calvill; Schlotteräpfel: Türkenapfel; Gulderlinge:
Boikenapfel, Doppelter Holländer, Champagner Reinette, Langer grüner
Gulderling; Rosenäpfel: Pupurrother Cousinot, Danziger Kantapfel;
Ramboure: Kaiser Alexander, Geflammter weisser Cardinal (= Pleissner
Rambour), Lütticher Rambour, Gloria Mundi; Graue Reinetten: Parkers
Pepping, Graue französische Reinette, Engl. Spital-Reinette; Streiflinge:
Rother Eiserapfel; Plattäpfel: Hawthornden, Stettiner, Batullenapfel.
Von Birnen eignen sich besonders folgende als Wirthschafts-
birnen: von Bergamotten: Rothe Bergamotte; Grüne Langbirnen:
Grüne Tafelbirne, Puktirter Sommerdorn; Flaschenbirnen: Van
Marum’s Flaschenbirne; Rousseletten: Gute Graue, grüne Magda-
lene; Schmalzbirnen: Römische Schmalzbirne, Zimmtfarbige Schmalz-
birne; Gewürzbirnen: Salzburger (auch Zwiebelbirne genannt); Läng-
liche Kochbirnen: Trockner Martin; Rundliche Kochbirnen:
Kuhfuss, Wittenberger Glockenbirne, Katzenkopf.
II. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 3
Kirschen-Sorten für die Wirthschaft sind: Ochsenherzkirsche,
Grosse Prinzessinkirsche, Büttners späte rothe Knorpelkirsche, Grosser
Gobet, Ostheimer Weichselkirsche, Grosse lange Lotkirsche, Königliche
Amarelle, Brüsseler Braune, Späte Amarelle.
Von Pflaumen und Zwetschen empfehlen sich für diesen Zweck:
Frühe Reineclaude, Grosse grüne Reineclaude, Gelbe Mirabelle, Ita-
lienische Zwetsche, Wangenheim’s Frühzwetsche, Hauszwetsche.
VonAprikosenund Pfirsich eignen sich fast alleSorten, ebenso von
Beerenobst,(Johannesbeere, Stachelbeere, Amerikanische Preisselbeere.
Eine besondere wirthschaftliche Verwendungsart bildet das Ein-
machen der Früchte. Man wähle hierzu besonders schöne, tadellose,
unversehrte, noch nicht ganz reife Früchte, die mit dem Stiele zu
pflücken sind.
Von Birnen sind hierzu besonders geeignet: Bergamotten, Salz-
burger, grüne Tafelbirne; von Pflaumen die Reineclauden, Mirabellen
und Italienische Zwetsche; von Pfirsich: die Proskauer Pfirsich; von
Aprikosen: Pfirsichaprikose, A. von Nancy. Von Beerenobst:
Stachelbeere, Johannisbeere, Himbeere, amerikanische Preisselbeere.
Von Schalenobst sind besonders Wallnüsse zum Einmachen beliebt,
doch müssen dieselben noch ganz jung, etwa bis zum 15. Juli gepflückt werden.
Von grösster ökonomischer Wichtigkeit ist das Conserviren der
Früchte durch Trocknen oder Dörren. Nach entsprechender Vorbe-
reitung der Früchte kommen dieselben in hierzu geeignete Trocken-
Apparate, sogen. Obstdörren, in denen ihnen lediglich das Wasser ent-
zogen wird. Das trockene Dörrproduct ist von grosser, jahrelanger
Haltbarkeit, lässt sich leicht und bequem an jedem trockenen Orte auf-
bewahren, nimmt nur wenig Raum ein, lässt sich leicht verpacken und
verschicken, ist daher besonders zur Verproviantirung der Schiffe, der
Expeditionen und dergl. geeignet. In obstreichen Jahren ist man durch
dieses Verfahren im Stande, in kurzer Zeit grosse Massen frischen
Obstes zu trocknen, d.h. in eine andere haltbare Form zu bringen, und
somit den Ueberfluss eines obstreichen Jahres auf die folgenden obst-
armen Jahre zu vertheilen.
Fast alle Obstarten lassen sich zum Dörren verwenden: Aepfel,
Birnen, Pflaumen, Zwetschen, Kirschen, auch Gemüse aller Art. Die
Früchte werden theils ungeschält, theils geschält getrocknet. Hierzu
sind Maschinen zum Schälen, Schnitzen, Entsteinen der Früchte in Ge-
brauch, Die Dörrapparate selbst sind in den letzten Jahren sehr be-
deutend verbessert worden. Sehr viel haben wir in dieser Beziehung
den Amerikanern zu verdanken. Selbstverständlich ist auch für diese
Verwendungsweise eine sachgemässe Auswahl der Früchte nothwendig.
Man verwende nicht rein süsse oder rein saure Sorten, sondern man
bevorzuge solche, in denen Zucker und Säure in angemessenem Verhält-
333 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
nisse enthalten ist; z. B. von Aepfeln: Danziger Kantapfel, Gold-
parmäne, Luckenapfel, Reinetten, Charlamowski u. a.; von Birnen:
Kuhfuss, römische Schmalzbirne u. a.
Grosser Werth ist auf das schöne Aussehen des Dörrproduktes zu
legen, besonders bei Aepfeln wird eine möglichst helle, weisse Farbe
verlangt. Man erzielt dieselbe, wenn die Früchte sofort nach dem
Schälen bis zum Einbringen in den Trocken-Apparat in eine Salzlösung
(1 Kilo Kochsalz auf 100 Liter Wasser) gelegt werden. Nach Form
und Zubereitung sind die Dörrproducte ebenfalls sehr verschieden, man
unterscheidet ganze oder halbe Früchte, Apfelschnitzel, Apfelringe, ge-
glättete Früchte, candirte Früchte, Prünellen u. dergl. mehr.
Die Kosten des Dörrens sind aus folgenden Zahlen ersichtlich.
Um 1 Ctr. Dürrobst zu produeiren, sind ca. 5 Ctr. frisches Obst (Aepfel
oder Birnen) nöthig. 1 Ctr. frisches Obst zu schälen kostet etwa
0,50—1,00 Mark.
5 Ctr. Obst & 3 Mk. kosten 15,00 Mk.
Arbeitskosten für Schälen 5><1 Mk. 5,00
Demnach kostet die Herstellung von 1 Ctr,
Dürrebst . . . 2.202 2220,00 Mk., & Pfd. 20 Pfe.
Zur Bereitung von Obstsäften werden am häufigsten Himbeeren,
Johannisbeeren, Erdbeeren, Kirschen verwendet.
Mus bereitet man aus Aepfeln, Birnen, Quitten, Zwetschen, Pflaumen,
Apfelkraut ist ein wohlschmeckendes am Rheine sehr beliebtes
Product, welches durch Einkochen aus gleichen Theilen Aepfelsaft und
Runkel- (Zucker-) Rübensaft bereitet wird.
G el&e lässt sich bereiten aus Aepfeln, Quitten, Japanische Quitte (Pirus
japonica), Paradiesäpfeln (Pirus prunifolia und baccata) sowie aus Beerenobst.
Obstpasten sind Täfelchen von getrocknetem Obstmark. Es ist
dies eine noch wenig gebräuchliche, aber empfehlenswerthe billige und
leichte Verwendungsweise des Obstes. Es lässt sich hierzu jede Obst-
art (ausser Kirschen) verwenden, die Wahl der Sorten spielt keine Rolle.
Die Früchte werden gewaschen, in Stücke geschnitten oder entsteint
und dann ohne Zusatz von Zucker gekocht. Die breiartige Masse
wird dann durch ein entsprechend feines Drahtsieb geschlagen und das
so erhaltene Mark wird in etwa fingerdicke Schicht auf geeignete Hürden
gestrichen und in der Pastendörre getrocknet. Die getrocknete Masse
wird in gleich grosse Täfelchen geschnitten und in Kisten oder dergl.
aufbewahrt. Zum wirthschaftlichen Gebrauche werden die Pasten ein-
fach in heissem Wasser aufgeweicht, gezuckert und als Compot servirt.
Ein Kilo frische Früchte geben ca. 4—500 Gramm Mark und 150 bis
250 Gramm fertige Pasten. In dieser Form lassen sich verarbeiten:
Aepfel, Birnen, Zwetschen, Mirabellen, Reinclauden, Pfirsich, Aprikosen,
Quitten, Beerenobst,
9
= on
iI. Naturwissenschaftliche Abtheilung. 223
Eine besondere Verwendungsweise des Obstes ist die Obstwein-
bereitung, doch dürfte ein näheres Eingehen auf dieses umfangreiche
Gebiet nicht dem Zwecke des heutigen Vortrages entsprechen,
Wir wenden uns nun zu einem wichtigeren Punkte des Themas,
zu der Frage: Was hat der Consument zu thun, um Vortheil
aus der Verwendung des Obstes im Haushalte zu ziehen?
In dieser Beziehung bedarf der Consument noch vielfach der Be-
lehrung über Obstverhältnisse überhaupt, über Werth und Verwendungs-
weise der verschiedenen ÖObstarten im Besonderen. Von Seiten der
Obst- und Gartenbau-Vereine, des Deutschen Pomologen-Vereins, wird
ja seit Jahren auch nach dieser Richtung hin gearbeitet, um Sinn und
Interesse für das Obst und seine rationelle Verwendung auch im grossen
Publikum zu wecken und zu verallgemeinern. Darauf zielen auch die
Obstausstellungen, die Obstmärkte hin, welch letztere seit einigen Jahren
in den Hauptstädten und wichtigeren Verkehrscentren unseres Vater-
landes abgehalten werden. In den Ausstellungen sollte mehr darauf ge-
sehen werden, die verschiedenen Obstsorten nach ihrer Verwendungs-
weise vorzuführen, um dadurch den Besuchern einen Fingerzeig zur
besseren Ausnutzung des Gesehenen zu geben. Die nächste grosse
Deutsche Obstausstellung in Breslau im Herbste 1892 sollte gerade in
dieser Hinsicht nichts zu wünschen übrig lassen. Das Comitee wird
sicherlich nichts versäumen, um allen Anforderungen gerecht zu werden.
Es gilt nur, auch das grosse Publikum schon rechtzeitig auf die Aus-
stellung vorzubereiten, Einrichtung und Zweck der einzelnen Abtheilungen,
ja der wichtigsten Concurrenznummern klar zu stellen, so dass die Be-
sucher mit einem gewissen Verständniss in die Ausstellung treten, das
Vorgeführte mit Verständniss besichtigen und wirkliche Belehrung mit
nach Hause nehmen,
Diese Belehrung zu verbreiten, überhaupt stetige Berichte über
Obsternten, Obstpreise, Obst-Import und -Export, Versendungs- und Ver-
wendungsarten, Werth und Gebrauch der einzelnen Obstproducte — alles
das ist eine lohnende Aufgabe der Tagespresse.
An dieser Stelle soll ferner nicht versäumt werden, Anregung zu
geben zu einem Versuche, auf der Breslauer Ausstellung zum ersten
Male eine Collectiv-Ausstellung aller die Erziehung, Ernte und Aufbe-
wahrung der verschiedenen Obstarten, deren Verschickung, Verarbeitung
und Verwerthung betreffenden Gegenstände, Apparate, Maschinen, Pro-
ducte u. dergl. mehr zusammenzustellen und so den Besuchern ein in-
structives Gesammtbild des Obstbaues in seinen verschiedenen Zweigen
vorzuführen.
Der Zweck der Obstmärkte, die Consumenten in directen Ver-
kehr mit den Producenten zu bringen, wird nach und nach besser erfüllt
werden, wenn auch die Consumenten bestrebt sind, ein besseres Ver-
3234 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
ständniss, ja’eine gewisse Waarenkenntniss in der Obstbranche sich an-
zueignen. Die Nachfrage nach besseren und für gewisse Zwecke ge-
eigneten Obstsorten muss eine lebhaftere werden, um so einen gewissen
Druck auf die Producenten, die Marktverkäufer ete. auszuüben. Seitens
der Pomologen wird seit längerer Zeit eine Verminderung der Sorten-
zahl, eine massenhafte Anpflanzung der geeigneten Sorten angestrebt.
Die Erreichung dieses Zieles wird eine wesentliche Vereinfachung des
Obsthandels, aber auch eine erfreuliche Hebung desselben im Gefolge
haben. Grössere Obstsortimente sollen den Liebhabern oder Fachpomo- |
logen überlassen bleiben,
Ein grosser Schaden erwächst dem Obstbau durch die Unwissenheit
und Gewissenlosigkeit vieler Obstpächter, welche allermeist das Obst
zu früh, d. h. vor seiner völligen Baumreife pflücken und es so schnell
als möglich an den Mann zu bringen suchen. Das Publikum ist vor
der Erwerbung solchen unreifen Obstes zu warnen, zumal da der Preis
gewöhnlich viel zu hoch ist und in keinem Verhältnisse steht zu dem
geringen Wirthschaftswerthe derartiger, nicht haltbarer Früchte.
Von grösstem Nutzen von ökonomischer und gesundheitlicher Be-
ziehung ist eine grössere Verbreitung des Dörrobstes im Haus-
halt. Auf die Vortheile desselben (Bequemlichkeit, Billigkeit, lange
Haltbarkeit, leichte Zubereitung) ist bereits oben hingewiesen worden.
Im Interesse der Consumenten liegt es jedoch, den Einkauf bereits im
Herbste zu besorgen, wo es viel Obst giebt und der Preis sich dann
meist sehr billig stellt.
Von gleicher Wichtigkeit ist die Einführung der Obst- und
Beerenweine als Hausgetränk. Wirklich guter Aepfelwein stellt sich
so billig, dass der tägliche Gebrauch, besonders in der heissen Jahres-
zeit statt des Bieres, auch dem kleinen Manne möglich und daher warm
zu empfehlen ist.
Besonders die Obst- und Gartenbau-Vereine sollen es sich zur Auf-
gabe machen, in wirksamerer Weise als bisher, für einen allgemeineren
Verbrauch der Obstproducte im Haushalt Propaganda zu machen. Diese
Vereine sollten gleichsam Consumvereine für Obstproducte sein und ihren
Mitgliedern die Anschaffung durch Vorlegung von Proben erleichtern,
und die Kenntniss der einzelnen Producte durch Gratis-Vertheilung und
-Verloosung unter den Mitgliedern vermitteln.
Von weiterem Nutzen für beide Theile dürfte auch der Anschluss
der Consumenten an die Vereine sein behufs Belehrung und Berathung
in Sachen der Obstverwendung im Haushalt, beim Einkauf ete.
Wer auf diese Weise beiträgt zur Verallgemeinerung des Obst-
consums in den breiteren Schiehten der Bevölkerung, der trägt bei zur
Förderung der menschlichen Gesundheit, des Volkswohles.
4
- /#, 1
?
schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur.
er
69. III.
Jahresbericht. Historisch - staatswissenschaftliche
1891. Abtheilung.
Sitzungen der Section für Staats- und Rechtswissenschaft
im Jahre 1891,
In der ersten Sitzung am 23. Januar unter dem Vorsitze des
Professor Dr. Elster wurden zunächst einige geschäftliche Angelegen-
heiten erledigt. U. a. wurde beschlossen, in den Lesezirkel der Section
das „Archiv für öffentliches Recht‘ aufzunehmen.
Alsdann hielt Privatdocent Dr. Gerlach einen Vortrag
Ueber die preussische Einkommensteuer.
Nach einem kurzen geschichtlichen Rückblicke stellte der Vor-
tragende den Rechtszustand nach dem Gesetze vom 1. Mai 1851 und
25. Mai 1873 dar und beleuchtete an der Hand statistischer Nach-
weisungen die Mängel desselben, soweit sie sich in der Structur der
Einkommensteuer selbst finden, sowie die Mängel des gesammten Steuer-
systems unter besonderer Berücksichtigung der übermässigen Anspannung
der direeten Steuern seitens der communalen Verbände. Hierauf be-
richtete er über die Reformbestrebungen seit 1878; die Gesetze von
1880 bis 1883 sowie die Vorlage vom December 1833 wurden berück-
sichtigt. Sodann ging Referent auf den neuen Gesetzentwurf über,
stellte denselben zunächst nach der Regierungsvorlage und den Com-
missionsbeschlüssen dar und beleuchtete ihn sodann kritisch. Dabei er-
kannte er die grossen Verbesserungen, welche die Vorlage enthält, die
gerechtere Vertheilung der Steuerlast, die Schaffung einer Basis für
gleichmässige Veranlagung in der Declarationspflicht an und wies auf
zahlreiche Einzelbestimmungen hin, welche für die praktische Hand-
habung der Steuer von Bedeutung seien. Dagegen erklärte er sich gegen
den Vorsitz des Landrathes in den Commissionen; zur gleichmässigen,
gerechten Veranlagung scheint ihm die Einführung der Declarationspflicht
und die Ausstattung der Commissionen sowie ihrer Vorsitzenden mit hin-
reichenden Veranlagungsmitteln nicht genügend; in der Commission selbst
müsse eine Garantie für die Handhabung der erweiterten Veranlagungs-
mittel geschaffen werden. Dafür reiche die Ernennung eines Theiles der
ar
p) Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Mitglieder durch die Regierung nicht aus, vielmehr müsse der Staat
darin durch einen geschulten Steuerbeamten vertreten sein. Ebenso
wandte sich der Vortragende gegen die vorgeschlagene Besteuerung der
Actiengesellschaften. In ihr läge eine ungerechte Doppelbesteuerung.
Ein günstiges finanzielles Ergebniss sei zu erhoffen, wenn die Actien-
gesellschaften mit ihrem ganzen Einkommen zur Steuer veranlagt würden,
wenn dann aber bei Inländern die gezahlte Steuer in Anrechnung ge-
bracht würde.
An den Vortrag schloss sich eine längere Debatte, an der ausser
dem Vorsitzenden u. a. Kaufmann Schlesinger, Banquier Holz, Prof.
Dr. Sombart, Referendar Dr. Hancke theilnahmen.
Erst nach 10 Uhr erfolgte der Schluss der Sitzung.
In der zweiten Sitzung am 19. Februar sprach Professor Dr.
Sombart
Ueber den deutsch-österreichischen Handelsvertrag.
Derselbe gab zunächst einen Rückblick auf die handelspolitischen
Beziehungen zwischen Deutschland und Oesterreich. In den 40er und
50 er Jahren befanden sich die Handelsbeziehungen im Schlepptau der
allgemeinen Politik, Oesterreich bemühte sich in den Zollverein hinein-
zukommen, Bismarck wehrte dieses Bemühen ab. Die Handelsverträge
von 1853 und 1867 begründeten freundschaftliche Beziehungen, die aber
allmählich einer schutzzöllnerischen Tendenz wichen. 1876 lief der
Handelsvertrag von 1867 ab und Oesterreich traf sofort Vorbereitungen
zu einem Zollkriege, die in seinem Tarif vom Januar 1879 zum Aus-
druck kamen. Darauf antwortete Deutschland mit dem Tarif vom
15. Juli 1879, der zum ersten Male Getreidezölle enthielt, Oesterreich
steigerte seine Zölle 1882, Deutschland revidirte die seinigen 1885 und
setzte 1886 und 1887 die Getreidezölle herauf. Das erbitterte Oesterreich
so, dass es 1887 einen Schutzzolltarif von ganz exorbitanter Höhe
schuf. Dazu kamen andere Maassnahmen. Bisher wurde ein grosser
Theil Waaren, namentlich der Textilbranche, je hüben und drüben zur
Hälfte fertiggestellt, z. B. hier gefertigte Garne in Oesterreich gebleicht,
hier gewebte Stoffe drüben appretirt und gefärbt oder. umgekehrt.
Dieser sogenannte Veredelungsverkehr wurde fast ganz unterdrückt.
Ferner gewährte Oesterreich bei der Einfuhr fremder Erzeugnisse über
seine südlichen Seehäfen Triest und Fiume besondere Erleichterungen;
dadurch führte es diesen Häfen viele Waarensendungen zu, die früher
nach Hamburg und Bremen gekommen waren, endlich entbrannte ein
lebhafter Bahntarifkrieg, indem jedes Land für die Ausfuhr nach dem
Nachbarlande billige Tarife gewährte, die Einfuhr aus dem Nachbarlande
‚aber durch theure Fracht erschwerte,
III. Historisch - staatswissenschaftliche Abtheilung. 3
Nach Ansicht des Redners hat Deutschland in diesem handelspoli-
tischen Kriege mehr gelitten als Oesterreich. Die von ihm angeführten
Zahlen weisen einen starken Rückgang der deutschen Ausfuhr nach
Oesterreich nach. Im Besonderen wurde auf die für Schlesien in Folge
seiner Grenzlage entstandenen Nachtheile aus diesem Tarifkriege hinge-
wiesen. Redner befürwortet entschieden einen Zollvertrag zwischen
Deutschland und Oesterreich, da beide Länder in Folge ihres Cultur-
niveaus, ihrer klimatischen- und Bevölkerungs-Verhältnisse, der Pro-
duetion und Richtung der Verkehrsadern auf einander angewiesen seien.
Bei der schutzzöllnerischen Bewegung, welche Amerika und Frankreich
ergriffen und auch in England bereits Anhänger gewonnen habe, müsse
Deutschland sich die ihm noch offenen Absatzgebiete möglichst sichern.
Freilich müssten dazu Opfer gebracht werden und zwar von der deutschen
Landwirthschaft, da für Oesterreich lediglich Concessionen in Bezug auf
die deutschen Getreidezölle Werth hätten. Dieses Opfer könne die
deutsche Landwirthschaft um so eher bringen, als die Getreidezölle
wegen der damit verbundenen Vertheuerung der wichtigsten Lebens-
mittel auf die Dauer doch nicht aufrecht zu erhalten seien.
In der von Herrn Prof. Dr. Elster eröffneten Discussion stellte
man sich zumeist auf die Seite des Redners, doch wurde auch auf die
Gefahren hingewiesen, die einerseits darin liegen, dass wir durch eine
Begünstigung Oesterreichs die vielversprechenden Absatzgebiete in den
Balkanstaaten verlieren könnten, andererseits darin bestehen, dass Russ-
land für die Oesterreich gewährten Vergünstigungen sich wahrscheinlich
durch eine weitere Erhöhung seiner Industriezölle rächen würde. Auch
die Frage der Aufhebung des Indentitätsnachweises und des Staffeltarifs
wurde berührt, dagegen die Lage der deutschen Landwirthschaft und
die Möglichkeit der Abbröckelung der Getreidezölle im Hinblick auf-
unsere Parteiverhältnisse ausser Betracht gelassen.
In der dritten Sitzung am 30. April hielt Herr Banquier
Holz einen Vortrag
Ueber die commerziellen Verhältnisse der Stadt Breslau.
Der Vortragende führte folgendes aus:
Inmitten des modernen Strassengewühls gewährt unsere Stadt mit
ihren altehrwürdigen Kirchen und Rathsgebäuden dem Beschauer wohl-
thätige Ruhepunkte der Perspective, die ihm eine langjährige Geschichte
in Sitte und Cultur vor Augen führen. Eine solche städtische Ver-
gangenheit führt zu den Quellen zurück, welche in dem Ursprung und
der Entwickelung des Breslauer Handels liegen. Ihre Anfangsepoche
ist älteren Datums, als die einer vaterländisch-schlesischen Cultur, welche
erst später Bedeutung gewinnt, als im Gefolge des Breslauer städtischen
1%
4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Handels sich Gewerbe und Landwirthschaft in der Provinz zu heben
beginnen. Jener Handel beruhte in seinen Anfängen nicht auf der Aus-
fuhr heimischer Producte, sondern vornehmlich auf dem Tausch- und
Durchgangsverkehr des Westens und Ostens, zu dessen Förderung die
Lage Breslaus sich vorzüglich eignete. Vergegenwärtigen Sie sich, dass
in jener Zeit vom 13. Jahrhundert an, aus der wir die ersten sicheren
Nachrichten über unsere städtischen Verkehrsverhältnisse besitzen, bis
ans Ende des Mittelalters hin, es nur einzelne Hauptverkehrsstrassen
auf dem Continent gab, deren Beschaffenheit für die Beförderung grosser
Lasten tauglich war. Bedenken Sie, dass man solchen Transporten ein
sicheres Geleit gegen Raubanfälle geben musste, und dass das Maass
der Sicherheit von der Anzahl der Ortschaften abhing, welche an den
Verkehrswegen angebaut waren, und es wird Ihnen klar sein, dass die
durch eultivirte, städtereiche Gegenden führenden Strassen einen gewissen
monopolistischen Zwang ausübten. Dieses Monopol ist denn auch weid-
lich durch Erhebung mannigfachster Zölle ausgenutzt worden. Eine
lichtvolle Darstellung der Verkehrswege Breslaus im Mittelalter hat
unser Landsmann, Herr Professor Markgraf, durch einen in unserer
Gesellschaft im Jahre 1888 gehaltenen Vortrag gegeben, welchen er
hoffentlich auch allgemein zugänglich machen wird.') Mich würde es
zu weit führen, im Rahmen des heutigen Vortragsabends eingehend die
interessanten Handelsbeziehungen Breslaus zu beleuchten; ich kann hier-
auf nur kurz zurückkommen.
Vermöge ihrer vortheilhaften geographischen Lage an einem günstigen
Uebergangspunkte über den Oderstrom gelegen, am Kreuzungspunkte
verschiedener wichtiger Handelsstrassen, war unsere Stadt Breslau ganz
besonders berufen, den Verkehr vom civilisirten Westen nach dem
- weniger entwickelten Osten hin aufzunehmen. Hier machten die fremden
Handelsleute, die sogenannten ‚Gäste‘ Halt, um nicht selber beschwer-
liche Beziehungen nach den noch wenig bekannten und rechtsunsicheren
Hinterländern anknüpfen zu dürfen; und Breslau nutzte diesen Umstand
insofern aus, als es die von Polen kommenden Kaufleute zwang, ihre
Artikel nicht weiter zu führen, sondern hierorts zum Verkauf und Tausch
aufzustapeln. Dies war der Zweck des Niederlags- und Durchfuhr-
Rechts, welches im Jahre 1274 innerhalb der Besitzungen des Herzogs
Heinrich des Vierten den Breslauern zugebilligt wurde, Dadurch bildeten
sich für Breslau ganz bedeutende Einnahmequellen heraus, einerseits
durch Zölle, andrerseits durch Waagegebühren und durch sog. Schrot-
gelder, unter welchen man die Abladekosten in die einzelnen Stadt-
niederlagen verstand, Rechte, welche ursprünglich vom Landesfürsten
ausgeübt, später durch Kauf an die Stadt und die Innungen übergingen,
!) Derselbe befindet sich in der hiesigen Stadtbibliothek im Manuscript.
III. Historisch - staatswissenschaftliche Abtheilung. 5
schliesslich in neuerer Zeit durch Stadt-Obligationen von letzteren wieder
abgelöst worden sind.!) Wenn es mir die Zeit erlaubt, komme ich auf
die Einzelheiten dieser Einrichtungen noch zurück. Diejenigen, welche
sich eingehend hierüber informiren wollen, verweise ich auf einzelne
Abhandlungen eines Breslauer Bürgers, Julius Neugebauer, welche in
der hiesigen Stadtbibliothek aufbewahrt, mir zum Quellenstudium ge-
dient haben.
Für den Handel selbst hebe ich hervor, dass er in seinem Gedeihen
von Anfang an bis in die neueste Zeit ganz besonders auf die Hinter-
länder Polen und Russland angewiesen war, welche wir vermöge ihrer
gewerblichen Inferiorität mit den meisten Consum- und Luxuswaaren zu
versorgen hatten. Dies zieht sich wie ein rother Faden durch die ge-
sammte Entwickelung Breslaus hin. Was aber die einzelnen Handels-
zweige betrifft, welche der Stadt allmählich eine gewisse Bedeutung
weit über den Rahmen des deutschen Gebietes hinaus verliehen, so be-
merke ich, dass in der Reihe der Jahrhunderte der Wohlstand Breslaus
vorzüglich sich entwickelte:
1. aus dem Tuchhandel,
2, aus dem Leinwandhandel,
3. aus dem Wollehandel und
4, in neuerer Zeit aus dem Vertriebe der inzwischen empor-
gediehenen schlesischen Landes- und Bergwerks-Producte.
Schon im 13. Jahrhundert, so meldet die Chronik, finden wir Breslauer
Kaufleute auf weiten Handelsreisen nach der Tartarei. Im Jahre 1333
zählte Breslau ungefähr 10 000 Einwohner. Aus den Niederlanden, be-
sonders aus Gent, auch schon vom Rhein, aus Trier und Aachen war
über Thüringen der Tuchhandel herübergekommen; Wallonen hatten sich
als Weber angesiedelt und die Tuchmacherkunst eingebürgert. Der Ver-
kehr in diesem Artikel war ein so wichtiger, dass zur damaligen Zeit
Tuch sogar ein Tauschmittel anstatt des Geldes bildete, und die Stadt
selbst ihre Anleihen in nicht unbedeutenden Beträgen in Form von
Tuchen abschloss. Von dem Umfange der Fabrikation kann man sich
einen Begriff machen aus der Thatsache, dass Breslau zur Zeit 900 be-
waffnete Tuchmacherknappen aufstellen konnte.
Es bestand hier eine ganze Reihe von Handelsgesellschaften, von
denen gewöhnlich ein Socius auf Reisen, der andere hierorts die Ge-
schäfte besorgte.
Nachdem bereits Karl IV. im Jahre 1358 einen förmlichen Handels-
vertrag mit Venedig abgeschlossen hatte, welcher dem Breslauer Handel
zur Ausfuhr von Pelzwaaren und Einfuhr von Gewürzen, Südfrüchten,
Weinen und kostbaren Geweben recht förderlich war, finden wir um
!) In Höhe von 1166 370 Thalern.
6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
das Jahr 1400 bereits viele junge Breslauer Kaufleute zur Ausbildung
daselbst vor. Um dieselbe Zeit schon unterhalten Thorner Handelsleute
lebhafte Beziehungen zu Breslau und legen ihre Gelder zinsbar in hiesigen
Grundstücken an.
Auch Einwohner Nürnbergs — ein Beweis der früh entwickelten
Handelsbeziehungen zu diesem Kreuzungspunkte zwischen Venedig und
den Niederlanden, — finden sich im 15. Jahrhundert in unseren Stadt-
büchern zahlreiche Rechtshandlungen vor. Die Zugehörigkeit zu Böhmen
erweiterte den Breslauer Handelsverkehr auch in der Richtung gegen
Ungarn, nachdem Ludwig der Grosse den Breslauern durch Privileg vom
29. November 1365 gleiche Rechte mit den Pragern und Nürnbergern
gewährt haite. Der Verkehr dahin steigerte sich, als im Jahre 1474
Schlesien selbst an Ungarn fiel. Man führte dorthin besonders Tuche
und Pelzwaaren aus und tauschte Erze, vor allem Kupfer und Gewürze,
hauptsächlich Pfeffer ein.
Für den Verkehr nach Osten ist Lemberg zu erwähnen, wohin der
Handel und die weitere Durchfuhr in das Reussenland durch Privilegien
seitens des polnischen Königs Casimir und seiner Nachfolger den Bres-
lauern gewährleistet blieb. Im 15. Jahrhundert gewinnt Lublin an Be-
deutung. Hauptartikel des Verkehrs bildeten ausser lebendem Vieh und
Häuten, die hiesigen Kürschnerwaaren, deren Herstellung hier so lebhaft
betrieben wurde, dass das jetzige Ohlauer Strassenviertel lange Zeit
„das Kürschnerviertel“ genannt wurde, Durch die Nähe der Salzberg-
werke war Krakau schon damals für den Breslauer Handel unentbehr-
lich, und sollte noch später für ihn eine grosse Rolle spielen.
Mit Hamburg trat Breslau erst gegen Ende des Mittelalters in Be-
ziehungen; dagegen waren solche mit Lübeck nachweislich schon im
13. Jahrhundert vorhanden; später scheinen sie zurückgegangen zu sein.
Den fremden Kaufleuten war hier in Breslau der Grosshandel jeder-
zeit gestattet; nur zur Jahrmarktszeit wurde, um den Handelsverkehr
zu heben, Zoll- und auch im Detailhandel Markt-Freiheit gewährt. Es
entwickelten sich in Breslau allmählich vier Jahrmärkte, von denen sich
bekanntlich drei, u. z.
der Lätaremarkt,
Mariä Geburtsmarkt und
Elisabethmarkt
bis heute erhalten und mit der Zeit den Charakter von Messen ange-
nommen haben, an welchen die auswärtigen Kunden ihre Zahlungsver-
pfliehtungen erledigen und neue Einkäufe machen konnten. Auf ihnen
wurden gemeinsame Festsetzungen mit den auswärtigen Innungsgenossen
gepflogen, und es ergab sich dabei eine nützliche Berührung der Hand-
werksmeister mit den Consumenten.
Be
III. Historisch -staatswissenschaftliche Abtheilung. 7
Ausser den vier Kramwaaren-Märkten gab es hier
fünf Ross- und Viehmärkte,
zwei Wollmärkte,
einen Brieger Leinenmarkt,
einen Honigmarkt,
einen Kardenmarkt,
einen Flachsmarkt und
einen Weihnachts- oder Kindelmarkt.
Da der Besuch der Jahrmärkte für die Handeltreibenden eine Noth-
wendigkeit war, weil ihnen die fremden, direeten Bezugsquellen im all-
gemeinen noch nicht bekannt und erreichbar waren, so kamen sie nicht
nur aus der Provinz, sondern auch aus den Nachbarländern hierher.
Ganz besonders waren es die polnischen Juden, welche diesen Märkten
eine ungemeine Regsamkeit verliehen. So sehr man sich auch ihrer
dauernden Niederlassung hierorts stets entgegensetzte, waren sie den
Breslauern doch zu jeder Zeit sehr willkommene Handelsgäste, da sie
hier nicht nur ihre Einkäufe besorgten, sondern auch fremde Landes-
producte, z. B. Leder, Wachs, Wolle, Talg mitbrachten, wodurch sich
für unsere Stadtbewohner ein höchst gewinnbringender Tauschhandel
herausbildete.
Den Juden war die Errichtung kaufmännischer Etablissements vor
1744 hier nicht gestattet; aber auch da durften sie, mit Ausnahme
weniger Privilegirten, ihr Quartier nur im „Pokoihofe‘“, der „Fecht-
schule‘ und dem „goldenen Rade‘ nehmen, woher sich denn auch die
Ansiedelung vorzüglich jüdischer Kaufleute auf der Carlsstrasse her-
schreibt.
Ausserdem gab es von Alters her hier Wochenmärkte, um das Be-
dürfniss an Landesproducten zu befriedigen.
Ebenso wie die Fremden den Verschleiss von Waaren, namentlich
Industrieerzeugnissen, lediglich an Jahrmärkten bewirken durften, war
ihnen der Verkauf von Lebensmitteln nur an den Wochenmärkten ge-
stattet. Die „Gäste“ durften auf dem täglichen Markte am Ringe nichts
detailliren, sondern ihre Vorräthe nur im Ganzen verkaufen; über die
Quanta waren von dem Rathmanne ausführliche Ordnungen gegeben.
Die Fleischer hatten ihre Verkaufsstellen in den grossen und kleinen
Fleischbänken; schon 1266 war der „‚Kuttelhof‘“ vorhanden.
Den Tucehmachern waren im Tuchhause, einem lang gestreckten
Gebäude auf der Elisabethstrasse, 24 Stellen angewiesen, wo sie erst
allmählich jeden Donnerstag den Ausschnitt ihrer selbstgefertigten Tuche,
u. z. nur im Ganzen ausüben durften,
Von anderen Märkten sind noch hervorzuheben zwei Brodmärkte,
von denen der eine Sonntags stattfand, damit man, wie Herzog Heinrich
1327 äusserte, „in Breslau nicht nur essen und leben, sondern auch gut
8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
essen und wohlleben möge‘, Der Breslauer Getreidemarkt wurde früher,
so noch im 15. Jahrhundert, auf dem Ringe vor der „goldenen Krone“
und dem „Becher“ abgehalten, worauf auch noch die „Kornecke‘ hin-
deutet. Ein Einkauf von Getreide zum Wiederverkauf war streng
verboten.
1567 richtete der Rath selbst einen Haferhandel ein, hierzu 1587
ein eigenes Haferamt, das noch 1700 auf dem Fischmarkte bestand.
Da nur die Bäcker Getreide auf Speculation aufkaufen durften, so waren
oft zur Zeit der Noth keine Vorräthe vorhanden, und für diese sorgte
der Rath dadurch, dass er zwei Kornhäuser, das eine 1453 auf dem
Burgfeld, das andere 1519 am Sandthor erbauen liess. Es wird Sie
interessiren, die Getreidepreise, welche zu den verschiedenen Zeiten be-
standen, zu erfahren; es kostete nach jetzigem Gelde um das Jahr 1250
der Scheffel Roggen 13 $Silbergroschen,
1326 - - £ 20 -
- = Weizen 20 -
Er Pa: 6}
- - Roggen 10
- 2 Gerste 7%, -
2 2 Hafer 3°, s
Nun vergleichen Sie, meine Herren, die Preise vom Jahre 1858;
da zahlte man für einen Scheffel Weizen 75 Silbergroschen, also bei-
nahe 6 mal soviel, für Roggen 49 Silbergr., also ungefähr 5 mal soviel,
für Gerste 41 Silbergr., also ungefähr 6 mal soviel, für Hafer 35 Silbergr.,
also ungefähr 10 mal soviel. Der heutige Preis von Weizen ist unge-
fähr pro Schefiel, a 84 Pfund oder 42 Kilo, 106 Silbergr., für Roggen
ungefähr 82 Silbergr., für Gerste 60 Silbergr. und Hafer, a 75 Pfund
oder 37%, Kilo, pro Scheffel ungefähr 64 Silbergroschen. Sie sehen
daraus, dass seit ungefähr einem Drittel-Jahrhundert Weizen und Roggen
wiederum wesentlich im Werthe gestiegen sind, was allerdings zum
Theil mit den hohen Eingangszöllen zusammenhängt, da sie 25%, des
Gesammtwerthes, bei Hafer 20°%,, bei Gerste 12'/,/, repräsentiren.
Theuerungsjahre waren besonders das Jahr 1600, in welchem die Preise
auf die enorme Höhe von 3 Thlr. 29 Silbergr. für Weizen und 3 Thlr.
13 Silbergr. für Korn stiegen. In neuerer Zeit war das Jahr 1805 ein
Theuerungsjahr; das Korn stieg, der Scheffel sogar auf 7 Thlr. 8 Silber-
groschen; ebenso zahlte man im Nothjahr 1847 für Korn 4°, —5 Thaler,
für Hafer 50 Silbergr., für Gerste 103 Silbergroschen. Das Quantum
des nach Breslau gebrachten Getreides wird am Ende des vorigen Jahr-
hunderts auf ungefähr 400 000 Scheffel per Jahr berechnet. Im Jahre
1845 betrug das der Steuer unterliegende Consumsquantum allein
276 207 Centner.
Ai
Ai
en RE
II. Historisch - staatswissenschaftliche Abtheilung. 9
Um den Handelsverkehr zu bewältigen, war es von Anfang an
nothwendig, regelmässige Beziehungen zu den übrigen grossen Handels-
plätzen zu unterhalten. Gestatten Sie mir nun einiges über die ursprüng-
liche Entwiekelung des hiesigen Postwesens zu sagen. Zur Briefbeför-
derung wurden Boten benutzt, welehe, unter amtliche Aufsicht des
Magistrats gestellt, nach einer gesetzlichen Botenordnung zu verfahren
hatten.
Es bekam 1387 ein Bote
nach Brieg 12 Silbergroschen 8'/, Pfg.
- Oppeln 21°, - —
- Liegnitz 29 z —
- Kalisch 36'/, = —
Der Magistrat benutzte für seine Zwecke auch sogenannte Raths-
ausreuter, welche Bezeichnung noch heute für die bei festlichen Gelegen-
heiten verwendeten Rathsdiener verblieben ist. Allmählich gingen die
Breslauer Briefboten an bestimmten Tagen nach den verschiedenen
Handelsplätzen und richteten sich derart ein, dass sie mit den Boten
anderer Plätze zusammentrafen. Schon im 16. Jahrhundert finden wir
sie nach Nürnberg, Leipzig und Krakau unterwegs.
Die erste Breslauer Botenordnung datirt vom Jahre 1573; es wurde
ein Botenknecht, also der erste Breslauer Posthalter bestellt, und als
solcher Hansen Schiller berufen, geschworen und vereidet,
Es wurde ihm ein Bäudlein am Rathhause überwiesen, und ihm
40 Personen zum Botendienst unterstellt, denen allein das Tragen der
Botenbüchse gestattet war. Der Bote nach Nürnberg musste im Sommer
die Tour in 10, im Winter in 11 Tagen zurücklegen und erhielt für
jeden Brief 3 Groschen und in Nürnberg 6 Kreuzer. Der Botenknecht
hatte ausserdem 4 Heller zu fordern.
Im Jahre 1614 wurden in Berlin dem Boten nach Breslau 4 Thaler
Botenlohn für die Tour und pro Tag 3 Groschen Wartegeld ausgesetzt.
Im 17, Jahrhundert gab es auch fahrende Boten, welche ausser Briefen
auch Packete beförderten,
Sie wissen, dass 1526 Breslau unter österreichische Herrschaft kam.
Als nun die inzwischen entstandenen Turn- und Taxis’schen Posten einen
Ueberschuss von 100 000 Dukaten erzielten, konnte es nicht fehlen, dass
die Kaiserlich österreichische Regierung die Post als eine Anstalt des
Staates zum Regal erklärte. Im Jahre 1708 giebt es in Breslau urkund-
lich ein Kaiserliches Postamt, Das Passagiergeld nach Leipzig betrug
damals 11 Thaler 8 Groschen, bei 30—40 Pfund Freigepäck; auch war
bereits eine Postverbindung nach Berlin eingerichtet.
Schon in frühester Zeit fanden hierorts bestimmte Versammlungen
der Kaufleute statt, und zwar in den oberen Localitäten der sogenannten
„kleinen Waage‘ am Ausgange des jetzigen Eisenkrams. Im Jahre 1642
10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
kauften die Corporationen das Rhedinger’sche Haus am „‚Salzringe‘‘, dem
heutigen ‚‚Blücherplatz‘“, zu Börsenzwecken an. Ich sprach von der
kleinen Waage; hieran möchte ich anschliessen, dass die Einnahmen
der Stadt aus den Waagegefällen so bedeutend waren, dass sie zeitweise
zur Zinsendeckung der gesammten Stadtschulden ausreichten. Noch im
Jahre 1816, als der Waagezwang nicht mehr in voller Kraft bestand,
war der Ertrag 39 828 Thaler 25 Silbergroschen 11 Pfennige.
Aus den äusseren Handelsbeziehungen Breslaus ist hervorzuheben,
dass im Jahre 1490 auch Frankfurt a./O. von den Hohenzollern das
Niederlagsrecht erhalten hatte, was für Breslau eine schwere Concurrenz
bedeutete. Indess kam bald behufs gemeinsamer Ausführung desselben
eine Einigung beider Städte zustande, sodass, zum grossen Aerger
Leipzigs, zwischen Breslau und Frankfurt z. B. über Glogau keinerlei
Waaren von Osten nach Westen über die Oder gebracht werden durften.
Wie uns Professor Fechner in seinem Werke über die handels-
politischen Beziehungen Preussens zu Oesterreich!) berichtete, hatte
Schlesien inzwischen durch seine natürliche Fruchtbarkeit die Befähigung
gewonnen, seine eigene Bevölkerung nicht nur mit den nothwendigsten
Nahrungsmitteln, sondern auch zum grössten Theil mit den Rohproducten
der sich entwickelnden Industrie zu versorgen. Es beginnt die Lein-
wandfabrikation und Garnspinnerei einen hervorragenden Rang einzu-
nehmen; es entwickelt sich eine umfangreiche Wollproduction, in welcher
sich unsere Provinz ein Monopol für die ganze Welt erwarb, da sie bis
auf den heutigen Tag das feinste Product liefert. Die Uebergabe des
Landes an Oesterreich hatte eine Ausdehnung der Handelsbeziehungen
Breslaus zur Folge. Während grosse Mengen Wolle nach der Lausitz
und Sachsen, Böhmen und Oesterreich, Holland und England ausgeführt
wurden, kamen grosse Quantitäten böhmischer Flächse herein; böhmische
Leinwand, sowie böhmische Garne wurden in grossen Massen angekauft,
um in alle Welt verkauft zu werden. Die Provinz Schlesien war für
Oesterreich der Grosshändler geworden, und mit ihrem Wachsthum ge-
winnt auch Breslaus Handel immer weiter Kraft und Ausdehnung.
So war denn Breslau in den Stand gesetzt, die Drangsale und über-
aus traurigen Folgen des dreissigjährigen Krieges, wenngleich langsam,
zu überwinden. Im Jahre 1617 besass Breslau 37 600 Einwohner und
noch 1710 kam es über 41 000 nicht hinaus. Ein ganzes Jahrhundert,
bis 1811 brauchte es, um auf 63 237 Einwohner zu kommen, und erst
im jetzigen findet diejenige Bevölkerungszunahme statt, welche Breslau
schliesslich zu einer Grossstadt gestaltet hat.
') Fechner, die handelspolitischen Beziehungen Preussens zu Oesterreich
während der provinziellen Selbständigkeit Schlesiens 1741—1806.
III. Historisch - staatswissenschaftliche Abtheilung. 11
1829 besass es 84904 Einwohner (ohne Militair)
1840 E - 94148 -
Be 2108002102 2
BR. =. )211710926 -
) 1871 = = 208 025 z incl. 7000 Mann Militair
und heute dürfen wir unsere Bevölkerung auf über ein drittel Million
beziffern.
Am Ausgange des 17. Jahrhunderts suchten die polnisch-sächsischen
Könige den so wichtigen polnischen Verkehr nach Leipzig hinüber zu
lenken; andrerseits war England bemüht, den schlesischen Leinwand-
handel durch hohe Zölle auszuschliessen. Auch Peter der Grosse hatte
die Ausfuhr vieler Handelsartikel nur über Petersburg gestattet, und die
polnischen Zollbeamten übten vielfache Plackereien aus. Breslau wurde
durch diese Verhältnisse schwer benachtheiligt. Ein Wandel zum
Besseren trat ein, als 1727 ein vortheilhafter Zollvertrag, der sogenannte
Przebedowski’sche, mit Polen zustande kam. Auch Russland hatte sich
dem Kaiser Karl VI. gegenüber, bezüglich der Ausfuhr seiner Handels-
waaren zu günstigen Concessionen bequemt. Durch hohe Ausfuhrboni-
ficationen nahm der Export von Leinwand nach England wieder mächtig
zu. Die Einfuhrzölle für Rohproduete waren mässig, für manche sogar
sanz fortgefallen, die polnischen Juden waren vom Ausfuhrzoll gänzlich
befreit, und so kam es, dass Handel und Wandel in Breslau auf-
blühten. Schon das Jahr 1725 bezeichnet vor der Occupation den Höhe-
punkt des Leinwandhandels; er behielt lange Zeit seine Bedeutung im
wesentlichen vermöge der billigen Waareufabrikation, bis dann später
die Baumwolle anfing den billigen Leinenwaaren Concurrenz zu machen.
Eine wichtige Epoche in der Entwickelung des Breslauer Handels
bildet die Besitznahme des Landes durch Friedrich II. im Jahre 1741.
Welche wichtigen segensreichen Reformen der grosse König im Ver-
waltungswege in die hiesige städtische und provinzielle Verwaltung ein-
geführt hat, darüber hat uns Herr Geheimrath Grünhagen in seinen
interessanten Vorträgen oft belehrt; aber auch dem Breslauer Handel
wendete der König sofort die grösste Aufmerksamkeit zu, wenngleich
er den Ansichten und Forderungen der Breslauer Kaufmannschaft nicht
immer thatsächlich entsprach. Von Berlin schrieb er sofort dem Ge-
heimrath Cellarius: ‚Ihr müsst Euch desshalb mit den Kaufleuten be-
sprechen, um durch selbige unter der Hand die eigentliche Beschaffen-
heit des niederschlesischen Commerciums zu erfahren, was zu dessen
Aufnahme dienen kann.“ Es trat denn auch bald im nächsten Jahre der
dirigirende Minister Schlesiens, von Münchow, mit den Breslauer Kauf-
leuten in Verbindung. Ihre Klagen waren gar mannigfaltig; denn der
!) 1868 wurden 7 Ortschaften mit 14541 Einwohnern incommunalisirt,
12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Handel hatte durch die Lostrennung von dem grossen österreichischen
Staatskörper unendlich gelitten. Maria Theresia und ihre Räthe boten
ja natürlich alles auf, um die neuen preussischen Unterthanen durch
Zollmaassregeln und sonstige Plackereien möglichst zu schädigen.
Fechner meint zwar, dass die Breslauer Kaufmannschaft, welche die
Herabsetzung der Zölle, sowie die Erneuerung des Przebedowski’schen
Tractats mit Polen verlangte, nicht genügende Rücksicht auf das Finanz-
interesse des Staates nahm; aber ich glaube, dass die Kaufmannschaft,
welcher man auch heutzutage manchmal den gleichen Vorwurf macht,
genau weiss, wo sie der Schuh drückt, und es auch damals genau ge-
wusst hat! Ende 1754 berichtete die Breslauer Kammer: „das Leine-
wandgeschäft wolle sich nicht heben, das Tuchgeschäft stehe in Gefahr,
zu Grunde zu gehen; nach Polen und Russland hätten Tücher fast gar
keinen Absatz, und es sei zu fürchten, dass Sachsen einen grossen Theil
des österreichischen, Oesterreich einen grossen Theil des polnischen
Handels an sich ziehen würde.“ Es war in der That eine harte Zeit
für Breslau; sein Handel war in erschreckender Weise zurückgegangen.
In dem Zeitraum von 1769/70—-1779/80 betrug der Rückgang
1. nach Italien
von 76 622 Thaler auf 35 207 Thaler,
2. nach Ungarn
von 178 844 Thaler auf 46 377 Thaler,
3. nach den österreichischen Erblanden
von 930 487 Thaler auf 296 873 Thaler,
4. nach Polen
von 1393 394 Thaler auf 531 097 Thaler.
Die Einfuhr aus Polen war zurückgegangen von 1 632 704 Thaler
auf 597 393 Thaler.
Friedrich der Grosse hatte geglaubt, die Polen zwingen zu können,
dass sie nicht nach Leipzig zur Messe gingen, sondern alle ihre Handels-
geschäfte in Breslau abmachten; er belegte deshalb den polnischen
Transithandel mit einer Abgabe von 30°%, ad valorem und sehr stören-
den Revisionen, was aber nur den Erfolg hatte, dass nun die Züge der
polnischen Kaufleute ihren Weg nach Leipzig durch Oesterreich nahmen,
Im Stadtarchiv hierselbst befindet sich ein Actenstück vom 14, Juli
1780 über eine Petition der Breslauer Kaufmannschaft an den König.
Sie bittet um Zollermässigungen und petitionirt um Wiederherstellung des
Baratto Beneficiums, d. h. der Zollbonification, welche man den Polen
für importirte Waare gewährte, sofern sie einheimische Waare zurück-
nahmen. Auch möge der König den Handel mit blauer Farbe nicht
einem einzigen Entrepreneur übergeben. Der Schlusspassus des Acten-
stückes lautet wörtlich: „Da nur allein hier in Breslau 340 Kaufleute
ohne die vor den Thoren wohnenden Handlungsleuthe und die Juden
EN ATTER
DW 7 4. = Se
w se
II. Historisch -staatswissenschaftliche Abtheilung. 13
sind, so ist nicht abzusehen, wie sich in der Folge diese vielen Familien
und die Kaufleuthe in den übrigen Städten erhalten sollen, wenn sie bei
dem ohnedies derangirten Commereio auch diese und wohl gar noch
mehrere Branchen des Handels verlieren sollen. Die Kaufmannschaft
bittet fussfällig, dass ihr die natürliche Freiheit des Handels ge-
lassen werde, Gott segne und erhalte Seine Majestät den König. ')‘“?)
Diese beiden Gutachten unserer Kaufmannschaft aus den Jahren
1754 und 1780 umfassen beinahe die Hälfte der Regierungszeit des
grossen Königs.
Er war anfänglich von der Breslauer Handelsnoth nur schwer zu
überzeugen und forderte die Breslauer Kaufleute in einem Rescript auf,
sich möglichst neue Märkte zu suchen; die Rawitscher und andere Kauf-
leute thäten dies den Breslauern zuvor und zögen bis Brody. Die Bres-
lauer aber zögen es vor, die Tücher wohlfeil an die polnischen Juden
zu verkaufen; sie müssten animirt werden, die auswärtigen Messen zu
beziehen und mit fremden Leuten Bekanntschaften zu machen. Die
Kaufmannschaft widersprach dieser Ansicht und meinte, dass das Markt-
ziehen nicht den Handel befördere; in Polen sei nichts zu holen,
höchstens Geld und Leben zu riskiren. Der Barattohandel würde gänz-
lich aufhören, wenn die Fremden nicht mehr nach Breslau kämen.
Es ist wirklich ergreifend zu sehen, wie Friedrich II. unablässig
seine höchste Energie einsetzte, um dem schlesischen Handel aufzuhelfen
— durch einen unablässigen Schriftwechsel und Zollkampf mit der
österreichischen Staatsregierung, durch das Erschliessen der altpreussischen
Provinzen zu Absatzgebieten, durch grosse Leinwandbestellungen fürs
Militair, ja selbst durch Benutzung schlesischer Juden zur Erforschung
und Herbeiziehung der österreichischen Waarenkunden. Der König hatte
denn auch den Trost, dass kurz vor seinem Tode, im Jahre 1786 sich
wenigstens der Leinwandhandel nochmals zu hoher Büthe emporschwang.
Als zur Zeit der napoleonischen Kriege England in Folge der
Continentalsperre den Handel zur See beherrschte und die auswärtigen
Märkte immer mehr eroberte, ging die noch dazu durch eine grosse
Kriegscontribution schwer belastete Stadi°), der alten Handelsbeziehungen
vollständig beraubt, aus den Freiheitskriegen völlig ruinirt hervor.‘)
ı) S. Breslauer Morgenzeitung No. 34 v. 10. Februar 1883.
2) Das Firmenregister Breslau’s zählte am 20. December 1890 2990 offene
Handelsgesellschaften.
») S. Börsen-Archiv No. 259. 260. 261.
*) Die Kriegscontribution betrug für das Departement Breslau achtzehn
Millionen Francs, behufs deren Zahlung die Einwohner vom Magistrat aufgefordert
wurden, ihr baares Geld gegen Stadtobligationen bei der Kämmerei niederzulegen.
S. Schles. Zeitung No. 12. 1807.
14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
In unserem Jahrhundert war Breslau gezwungen, von vorn an-
fangend, sich mühsam aus alten BRRDEDENEESPAERFEE neue Absatzgebiete
zu verschaffen.
Es entstehen aber auch neue Industrien; allmählich beginnt, von
dem Industriellen Silberstein in Schlesien eingeführt, die Zucker-
fabrikation an Bedeutung zu gewinnen, welche sie bis auf den heutigen
Tag zu bewahren gewusst hat. Der Zuckerhandel gravitirte besonders
nach Polen, Galizien und Krakau, die überhaupt wieder aufs neue die
besten Absatzgebiete Breslaus geworden waren. Allerdings erlahmte
dieser Verkehr nach der polnischen Revolution 1831 und der darauf
folgenden strengeren Absperrung der polnischen Grenze.
Das Geschäft blieb indess, besonders nach Krakau, ein bedeutendes,
indem einzelne hiesige Handlungen dorthin ungefähr 400 Fass oder
10 000 Centner Zucker jährlich absetzten und auch andere Artikel, be-
sonders Colonialwaaren und Manufacturen, verfrachteten. Das dauerte
bis zur Einverleibung Krakaus 1846 an, wodurch dem ausgedehnten
Schmuggelhandel über Neu-Berun nach der freien Reichsstadt ein Ende
bereitet wurde.
Im Jahre 1842 hatte die Wasserzufuhr von Zucker 86 000 Ctr. im
Werthe von 1 700 000 Thaler betragen.
Dieser Geschäftszweig erhielt eine vollständig veränderte Gestalt
durch den Aufschwung der Rübenzuckerfabrikation. Durch den Vertrieb
der schlesischen Zuckerfabrikate hat aber Breslau glücklicherweise einen
reichlichen Ersatz für den Verlust des ehemaligen Darchgangsgeschäftes
erhalten. Ausserdem waren bei uns selbst mit der Zeit Zuckerfabriken
entstanden; es gab deren im Jahre 1889 elf, welche mit 168 Dampf-
maschinen von 2040 Pferdekraft zusammen eirca 4 100 000 Ctr. Rüben
verarbeiteten. Aber auch andere Fabrikzweige, welche der Ausbreitung
des hiesigen Handels zu gute kamen, begannen sich allmählich zu heben,
Die grösste Bedeutung hatte in der Mitte unseres Jahrhunderts
immer noch der Woll- und Manufacturwaarenhandel.
In den 40er Jahren spielten in letzterer Branche die Häuser „Gebr.
Dyrenfurth‘‘ und „Milde“ eine grosse Rolle hierorts, im Speditionshandel
unterhielten die Häuser Johann M. Schey und Meyer H. Berliner ausge-
dehnte Beziehungen, besonders nach Einbeziehung Breslaus in das deutsche
Eisenbahnnetz und dem damit verbundenen Aufschwung des oberschle-
sischen Hüttenverkehrs.
Der Absatz in Wollen hat sich bis auf die heutige Zeit für die
ausgezeichneten Qualitäten, die sog. Merinoelectoralwollen erhalten.
Die Landwirthe hatten den grossen Fehler begangen, im Glauben
auf einen grösseren Ertrag, ihre Stämme zu verzüchten, erlitten aber
gar bald durch die Massenproduction den schwersten Schaden; denn es
wurden Maschinen erfunden, welche die sonst in der Qualität guten
III. Historisch - staatswissenschaftliche Abtheilung. 15
Australischen und Cap-Wollen von vegetabilischen Bestandtheilen, den
sog. Disteln, säuberten.
So wurde das bisherige Hinderniss gegen eine gleichförmige schwarze
Färbung des Tuches beseitigt und den feinen Erzeugnissen eine neue,
andauernde Concurrenz bereitet. Infolgedessen hat die Bedeutung des
Breslauer Frühlingswollmarktes allmählich abgenommen, was sich deut-
lich in den Zufuhrsziffern ausspricht.
Es wurden zu Markte gebracht: ')
1852 55 500 Ctr.,
1869 87500 = dagegen
1889 nur noch 22683 -
Die Preise stellten sich durchschnittlich für hochfeine Wollen:
1852 315—420 Mark,
1869 270—315 = dagegen nur noch
1889 205—265 =
Mit dem Wollmarkt ist seit dem Jahre 1863 zugleich ein Maschinen-
markt verbunden, auf welchem heimische und fremde Erzeugnisse guten
Absatz finden.
Fabrikanten und Landwirthe verständigen sich über das Dargebotene
und Erforderliche und finden so Veranlassung, alljährlich zum hiesigen
Markt wiederzukehren,
Der Katalog vom Jahre 1889 wies 273 Aussteller auf, von denen
225 auf Schlesien, 137 auf Breslau allein entfielen.
Lange Jahre hindurch war Breslau ein Stapelplatz für in- und aus-
ländisches Getreide. Der hiesige Markt hat aber allmählich seine Be-
deutung verloren, seitdem in den 70er Jahren durch die Aenderung der
Eisenbahntarife, dem Hinterlande von Breslau, sowie den Seeplätzen
Concessionen gemacht worden sind, welche den Frachtenverkehr von
hier ablenken mussten. Ausserdem machten die hohen Zölle, welche
‚ allmählich die Höhe von 50 Mark pro 1000 Kilo erreichten, den Bezug
ausländischen Getreides bester Qualität ungemein erschwerend. Die
Umsätze sind denn auch allmählich gar sehr zurückgegangen, zumal die
Production nicht ohne ursächlichen Zusammenhang mit dem so sehr be-
günstigten Rübenbau der Provinz, mit der Zunahme der Bevölkerung
nieht gleichen Schritt hat halten können, und die Ernteresultate Schle-
siens in den letzten Jahren viel zu wünschen übrig gelassen haben. Der
effective Getreidehandel, welcher heute hier noch besteht, dient daher
nur noch lediglich zur Versorgung der hiesigen und der in der Um-
gegend befindlichen Mühlen, welche nach ungefährer Schätzung bei
vollem Betriebe täglich 7—8000 Ctr. vermahlen. In jüngster Zeit hat
sich hierorts eine Genossenschaft von über 300 schlesischen Gutsbesitzern
I) S. Jahresbericht der Handelskammer zu Breslau für das Jahr 1889,
16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
gebildet, welche den Ankauf der erforderlichen Saat- und Futterstoffe
in die Hand genommen hat, um auf diese Weise deren Preise möglichst
selbst zu reguliren. Dadurch, sowie durch die Einrichtung der Behörden,
Proviantvorräthe möglichst direet vom Consumenten einzukaufen, ist dem
Zwischenhandel gleichfalls grosser Abbruch geschehen.
Der früher bedeutende Flachsmarkt ist in seinem Umfange all-
mählich zurückgegangen, ebenso der Ledermarkt, dagegen ist der Handel
in rohen Häuten und Fellen ein sehr umfangreicher geblieben.
Der Colonialwaarenverkehr hat insofern eine andere Gestalt ange-
nommen, als unser Nachbarland Oesterreich nach Aufhebung des früheren
Handelsvertrages im Jahre 1878 daran ging, seine Zölle auf die meisten
Consumartikel von der Landseite aus wesentlich zu erhöhen, gleichzeitig
aber seinen Seehäfen, besonders Triest und Fiume billigere Einfuhrzölle,
sogenannte Differenzialzölle zu gewähren und, um den Verkehr seiner
südlichen Bahnen zu heben, überdies auch die Frachtsätze landeinwärts
bedeutend zu ermässigen. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass heut-
zutage der Bezug von Kaffee nach unserem nachbarlichen Krakau sich
von dem entfernten Triest billiger stellt, als von Breslau aus.
Unsere Grosskaufleute sind daher gezwungen, in den österreichischen
Hafenplätzen grosse Consignationslager zu unterhalten. Dagegen hat
neuerdings unsere Stadt als Stapelplatz für Petroleum gewonnen, seitdem
auf den Anlagen des Caro-Speichers sowie des Priefert-Bollwerks und
den Reservoirs der Deutsch-Russischen Import-Gesellschaft genügende
Vorrichtungen getroffen sind, um grosse Mengen aufzunehmen. Das
Manufakturwaarengeschäft hat seinen von Alters her bestehenden grossen
Umfang bewahrt. Ausser dem Verkehr in Metallen und Steinkohlen
hat sich entschieden in den letzten Jahren das hiesige industrielle Gross-
sewerbe gehoben, besonders in der Eisenbahnbedarf-, landwirthschaft-
lichen Maschinen-, Cement- und chemischen Branche, in der Strohhut-
fabrikation und der Anfertigung von Kleider- und Wäscheerzeugnissen,
die beiden letzteren Geschäftszweige insbesondere wegen der uns zu
Gebote stehenden billigen Arbeitskräfte. Auch das Brauereigewerbe hat
in den letzten Jahren einen grossen Aufschwung genommen, welchen ich
der entschieden fortschreitenden Verbesserung der Bierfabrikate zu-
schreibe, nicht minder die Spritfabrikation durch die intelligente Leitung
der hiesigen Spritfabriken, deren Spiritusbestände im Jahre 1889 zeit-
weise die Höhe von 11 Millionen Liter erreichten. Die Hoffnungen auf
einen erweiterten Spritexport nach Spanien haben sich zwar wegen
unserer Concurrenz in Hamburg und Carlshamm nicht verwirklicht, doch
sind die Preise infolge der ungünstigen Kartoffelernte in letzter Zeit
sehr in die Höhe gegangen.
Unter den hiesigen industriellen Gewerben ist ferner zu erwähnen
die Fabrikation von Glimmer, Oelprodueten, Mühlenfabrikaten, Tabak
Län
III. Historisch - staatswissenschaftliche Abtheilung. 17
und Cigarren, Seife, Kork, Textilerzeugnissen, Handschuhe, Gold- und
Silberwaaren, - Schuhwaaren, Gamaschen, Passamenterien, Möbel- und
Kunsttischlerarbeiten, Röhren, Oefen und Thonwaaren, Schirmen, Lichten,
Cichorien, Tapeten, Dachpappen, endlich Erzeugnisse des Gartenbaues
und der Handelsgärtnerei.
Was das hiesige Bankwesen betrifft, so wurde die hiesige Bank
am 1. October 1765 durch Friedrich den Grossen gegründet und zwar
mit einem ursprünglichen Capital von 450 005 Thaler in Gold und
1 325 000 Thaler in Banknoten, von denen im Jahre 1805 nur
584 264 Thaler eirculirten, ')
Anfänglich war ein Bankier Möllendorf mit der Realisirung der
Banknoten bei '/,°/, Rabatt betraut, deren Agio aber so sehr schwankte,
dass man in kaufmännischen Kreisen der Ansicht huldigte, ‚dass auf
diese Art, wie z. Z. die Einrichtung der Banco allhier beschaffen nie-
mals aus der Banco etwas reelles werden kann“,
Am 1. Januar 1768 wurden alle Königlichen Kassen Schlesiens an-
gewiesen, die Umwechslung der Noten zu besorgen, und vom 18, Juli
desselben Jahres ab mussten alle Landescollegien diejenigen Depositen-
und Pupillengelder, welche nicht hypothekarisch untergebracht werden
konnten, der Bank zur Verzinsung übergeben; denselben Auftrag erhielten
1769 die schlesischen Stiftungen und Hospitäler.
Ueber die fernere Entwickelung dieses Geschäftszweiges werden
Sie ein anschauliches Bild am besten dadurch erhalten, dass ich Ihnen
eine Zusammenstellung von Gewinnziffern und Umsätzen der hiesigen
Geldinstitute mittheile.
Der Gewinn der Königlichen Bank betrug
im Jahre 1767/68 22289 Thlr.,
1772/73 116358 = der Umsatz 33623 969 Thlr.
Gewinn 1804/05 578865 = - z 135 111108 =
1871 =. 278‘'/, Mill. -
Der Umsatz betrug
bei der Reichsbank 1880 Mark 1 444 616 600,
\
1889 = 2474 094 400,
bei der Städt. Bank 1871 = 178 200 000,
1880 - 113 967 194,
1889 = 124 975 666,
beim Schles. Bankverein 1871 = 306 000 000,
1880 - 202 508 000,
1889 = 546 000 000,
») S. H. von Poschinger. Bankwesen und Bankpolitik in Preussen. (3 Bd.
I. —1846. IL. —1857. II —1870.)
kr 29
18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
bei der Breslauer Discontobank 1880 Mark 975 067 963,
| 1859 = 1076 369 097,
bei der Breslauer Wechslerbank 1880 - 7123 467 924,
1889 = 1066 844 850.
Bei der Schlesischen Boden-Credit-Actien-Bank betrugen die unkünd-
baren Hypothekenforderungen
1850 Mark 41 343 759,
1883 IE 61 035 728,
der Umsatz in Pfandbriefen war 1859 - 7 962 550.
Der Vorschuss-Verein besass 1880 4132 Mitglieder,
1889 2567 -
Vorschüsse wurden gewährt 1880 20 917 522 Mark,
1889 13120180 =
Der Rückgang des Geschäftsumfanges beim Breslauer Vorschuss-
Verein bedeutet eine Hebung des Handelsstandes, da kleinere Geschäfts-
leute sich bei günstiger Prosperität ihres Betriebes allmählich von der
Solidarhaft zu emancipiren und Beziehung zu anderen Banken und
Banquiers anzuknüpfen suchen. Ich will aber hiermit keineswegs das
wohlthätige Wirken des Vorschuss - Vereins für Klein-Industrielle in
Frage stellen.
Um das Bild der Fortschritte des hiesigen Verkehrswesens zu ver-
vollständigen, möchte ich noch erwähnen:
Bei der städtischen Sparkasse betrugen die Einlagen
1871 Mark 9186 000, bei der Kreissparkasse
1880 = 13 626 407, 1880 Mark 8453 595,
1889 = 25 221 235, 1889 = 10259 050.
Der Consum-Verein verzeichnete
18380 19557 Mitglieder, Umsätze 3 871 627,
1889 30 598 E - 7 349 667.
Briefsendungen sind in Breslau eingegangen:
1880 13 595 898 Stück,
1889 21415508 =
Aufgegeben wurden hier:
1880 21 553 376 Briefe,
1889 33 592 930 =
Postanweisungen sind eingegangen:
1880 991 424 Stück im Werthe von 60 444 301 Mark,
1889 1558523 - = - - 1061402838 -
Aufgegeben wurden von hier aus:
1880 524 187 Stück im Werthe von 26 907 782 Mark,
1889 680251 =- = - - 44 353 924 =
Die Ist-Einnahme der Gewerbesteuer betrug mit Ausschluss der
Kategorie a.I:
7 LEE WERTE DUERRTEN gen —
III. Historisch-staatswissensehaftliche Abtheilung. 19
1881/82 470 025,300 Mark,
1889/90 539 568,031 =
An Frachtgütern auf den hiesigen Bahn-Verwaltungen
wurden versandt: empfangen wurden:
1880 251 882 Tonnen, -1880 1433 170 Tonnen,
1889 396 565 z 1889 1 905 171 E
Was den jetzt auf der Tagesordnung der öffentlichen Discussion
stehenden Stromverkehr auf der Oder betrifft, so war früher eine Zähl-
stelle für die hier durchgehenden Güter nicht vorhanden. Als sie im
Jahre 1880 in dankenswerther Weise durch die hiesige Handelskammer
ins Leben gerufen wurde, war man erstaunt, trotz der noch nicht regu-
lirten Wasserstrasse einen ganz erheblichen Oderverkehr vorzufinden;
er betrug für ankommende, abgehende und durchgehende Güter hierorts:
1850 2918048 Ctr.,
1889 16 495 665 =
1890 23°, Mill. -
eine Vermehrung, welche zum grossen Theil der Regulirung der unteren
Oder zu verdanken ist. Nachdem mit der am 1. Mai erfolgenden Ueber-
gabe des Oder-Spree-Canals von Fürstenwalde nach dem Seddin-See
eine Abkürzung des Wasserweges nach Berlin und Hamburg geschaffen
sein wird, erwartet man nunmehr eine weitere Steigerung des Strom-
verkehrs.. Durch die Regulirung der oberen Oder, welche bereits durch
Gesetz ausgesprochen ist, und bei welcher nur noch die Frage der
Legung des Grossschifffahrtsweges durch oder um die Stadt Breslau ihrer
Erledigung harrt, tritt unsere Stadt nach dem Urtheile Sachverständiger
in eine neue wichtige Phase des Verkehrsfortschritts. Dürfen wir hoffen,
dass die Anlagen bis 1897 fertiggestellt werden, so kommt es vor Allem
unserer Stadt und Provinz zu Gute, dass ca. 21000000 Mark — so
hoch berechnet man die Kosten — und der Beitrag der Interessenten
1 600000 Mark — hier und hinunter bis Cosel verbaut werden. Dann
aber, wenn erst eine neue grosse Hafenanlage mit der nöthigen Umlade-
Vorrichtung hergestellt sein wird, wird dem Wasserfrachtverkehr neues
Leben zugeführt werden; gar mannigfache Gesellschaften werden er-
stehen, und unzweifelhaft wird sich ein Umschwung auch in vielen
anderen, z. B. den Grund- und Boden-Verhältnissen einstellen.
In jüngster Zeit sind. einige Anzeichen hervorgetreten, dass man
drüben in Oesterreich dem Projecete eines Donau-Oder-Canals sein Augen-
merk zuzuwenden beginnt. Die Ausführung eines solchen Planes, welche
wegen der verschiedenen Höhenlage der beiden Flüsse und eines bisher
mangelnden genügenden Wasserzuflusses zum Ausgleich dieser Niveaux’
mit grossen technischen Schwierigkeiten verbunden zu sein scheint, liegt
somit noch in weiter Ferne. Nichtsdestoweniger ist die Hoffnung nicht
aufzugeben, dass sich finanzielle Kräfte unter staatlicher Förderung finden
Y#
230 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
werden, um eine Wasser-Verbindung des schwarzen Meeres mit der
Ostsee herzustellen, welche für Oesterreich sowohl, wie für Deutschland,
insbesondere aber für unsere Provinz und Stadt von grösster Tragweite
würde.
Der hiesige Börsenverkehr hat in den letzten Jahren wesentliche
Einschränkungen dadurch erlitten, dass nach der Verstaatlichung der
schlesischen Eisenbahnen im Jahre 1883 Breslau aufgehört hat, ein Aus-
gangspunkt des Handels für diese nach Zahl und Umfang bedeutenden
Anlagewerthe zu bilden. Depeschen gingen an der Börse ein:
1880 45 044,
1889 29 938,
1330 hatte die Börse noch 641 Mitglieder,
1889 nur 457 2
Früher richtete sich Berlin gar oft nach den Ansichten und Infor-
mationen, welche die dortige Finanzwelt sich von Breslau zu holen Ver-
anlassung hatte, und es war natürlich, dass die Aufträge reichlich hier-
her flossen. Der Umfang derselben hat wesentlich nachgelassen; man
braucht uns auswärts nicht mehr in früherem Maasse und hegt somit
für Breslau weniger Interesse. Berlin hat überdies mit der Ueber-
siedelung vieler bedeutender Finanzkräfte dorthin unserem Platze gar
viele Geschäfte entzogen, zumal auch unsere schlesische Aristokratie,
welche früher, sei es zur Wollmarktzeit, sei es auch sonst zeitweise
oder ständig, unter uns residirte, ihren Stadtaufenthalt im Zusammen-
hang mit der Anwesenheit zum Reichs- und Landtage nach Berlin ver-
legt und mit dortigen Bankhäusern vielfache Beziehungen angeknüpft
hat. Auch hatten die Polen, welche ihre Einkäufe in früheren Zeiten
hier zu besorgen pflegten, schon seit lange den Weg über Thorn—Brom-
berg nach Berlin genommen, und was noch etwa hierher gravitirte, ist,
durch die bekannten socialpolitischen Verhältnisse veranlasst, in letzter
Zeit überhaupt weggeblieben.
Als Oberbürgermeister von Forckenbeck seiner Zeit Breslau ver-
liess, da betonte er in einer Abschiedsrede, dass für das Gedeihen unseres
Handels vor Allem der Anschluss der Breslau-Warschauer Eisenbahn,
welche jetzt in Wilhelmsbrück endet, nach Kalisch, Lodz und Warschau
nothwendig wäre, um einen directen Verkehr nach dem polnisch-russischen
Hinterlande zu erlangen. Jahrelang sind auch die Bemühungen geschehen,
ohne dass indess ein Erfolg erreicht worden ist. Unser Nachbarstaat
Russland macht uns überhaupt keine Concessionen zur Erleichterung des
Grenzverkehrs; er beharrt vielmehr strenger denn je auf seinem Ab-
sperrungssystem und in seiner chicanösen Art der Zollbehandlung.
Für uns scheint daher dieses Gebiet, welches sich inzwischen indu-
striell mehrfach emaneipirt hat, vollständig ausgebeutet, Auch mit
Oesterreich steht es fast ebenso, was mich fürchten lässt, dass der im
BET
III. Historisch -staatswissenschaftliche Abtheilung. 21
Abschluss begriffene Handelsvertrag, so wohlthätige Wirkungen er auch
durch Schaffung einer grossen gemeinsamen Interessensphäre im All-
gemeinen auszuüben berufen sein wird, leider nicht wieder Alles gut
machen wird, was die letzten 13 Jahre des Schutzzollsystems in unseren
Beziehungen zu diesem Lande geändert haben. Damals hatte Oesterreich
einen Gulden-Zoll etablirt, wo wir einen Mark-Zoll eingesetzt hatten.
Desshalb konnten die Oesterreicher mit vielen Artikeln, z. B. Dach-
pappen, Sämereien, Farbewaaren, Tuchindustrie-Erzeugnissen, Glaswaaren
immer noch zu uns herüberkommen, und, da unsere Ausfuhr-Industrie
inzwischen drüben occupirt worden ist, so wird selbst durch eine Er-
mässigung der Zölle drüben oft nur eine Gleichstellung erzielt werden.
- Früher z. B. kauften wir den polnischen Roggen; die Schale blieb hier,
das Mehl ging nach Oesterreich-Ungarn; das hat nun aufgehört; da
unsere Zölle nicht so hoch waren, kam das feine Weizen-Product der
ungarischen Hochmüllerei, auf welche wir nicht eingerichtet waren,
immer noch zu uns herein; jetzt aber sind drüben Mühlen gebaut worden,
sodass wir auf eine Rück-Ausfuhr nicht mehr rechnen können. Wollen
wir also unseren Breslauer und schlesischen Ausfuhr-Handel zu erweitern
suchen, so müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf die Balkanländer
mit ihrer jungfräulichen Industrie lenken. Schon jetzt hat sich der Ver-
kehr nach Rumänien durch seinen Zollkrieg mit Oesterreich merklich
gehoben, und wir müssen bestrebt sein, daselbst einen festeren Fuss zu
fassen. Wir müssen versuchen, allerdings unter Beobachtung grösster
Vorsicht, Beziehungen zu Macedonien mit seinen überreichen Natur-
schätzen und zur Levante anzuknüpfen. Die Anregung hierzu ist von
unserem Handelskammersyndikus Herrn Dr. Eras denn auch bereits
gegeben worden, nachdem er voriges Jahr sich persönlich über die
dortigen Verhältnisse eingehend unterrichtet hat und im Begriffe steht,
seine Erfahrungen in einer Brochüre zu veröffentlichen. Zur Auf-
schliessung des Balkans ist es unbedingt erforderlich, dass die Route
der subventionirten Zweiglinie unserer Reichspostdampfer von Brindisi—
Port Said, nach Saloniki, dem besten Levante-Hafen verlegt werden.
Da man schon jetzt von Hamburg nach Nisch mit Schnellzug und von
da mit täglichem Personenzug nach Saloniki zusammen in ca. 48 Stun-
den gelangen kann, so würde der Durchgangs-Personen- und Güter-
Verkehr, welcher jetzt die Rheinroute über den Gotthard und Brenner
nimmt, unsere Stadt und Provinz berühren, Dass dies für unsere Handels-
entwickelung von unermesslichem Nutzen werden müsste, ist klar, wie
es denn überhaupt unser Bestreben bilden muss, in die Bevorzugungen
. des Westens zum Schaden des Ostens des Reiches einen Ausgleich zu
bringen. Es könnten nach der Levante Spiritus, Zucker, besonders
auch Bier, wenn die Fabrikation richtig angefasst würde, Wäsche, fertige
Kleider, Textilproducte ausgeführt, und so ein Absatzgebiet wieder er-
232 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
obert werden, welches durch die früheren Kämpfe mit der Türkei uns
entfremdet, den Franzosen und Engländern handelspolitisch zugefallen ist.
Die Frage, was ferner zu geschehen hat, um Breslau eine seiner
Bedeutung nach würdige Stellung im Handelsverkehr zu verschaffen,
führt noch zu mancherlei Erwägungen. Die Bemühungen, die tarifarische
Lage Breslaus auszugleichen, müssen immer wieder nachdrücklich, auch
wenn sie nicht bald zum Ziele führen, aufgenommen werden, damit wir
dem Aufsaugungsprocesse Berlins energisch entgegentreten können. Hat
doch Letzteres für seine Bezüge von oberschlesischen Kohlen, für seine
Ausfuhr von Mehl nach Süddeutschland, für seinen Bedarf an Seefischen
bis in seine Markthallen hinein Ausnahmetarife erhalten, welche unseren
Mitbewerb nach jeder Richtung hin erschweren. Ja es ist so weit ge-
kommen, dass unsere directen Tarife von den Seestädten theurer zu
stehen kommen, als die gebrochenen über Berlin.
Zur Wiederauflebung unseres früher so blühenden Getreidehandels
bedürfen wir insbesondere der Wiederherstellung des Reexpeditions-
tarifes für ausländisches Getreide, damit unsere Händler wieder in die
Lage kommen, dasselbe nach den verschiedenen Gattungen zu sortiren
und nach allen Theilen Deutschlands dirigiren zu können. Einen An-
trag hierzu, welcher vor einigen Jahren gestellt und sowohl vom Be-
zirks- als auch Landes-Eisenbahnrath genehmigt worden war, hatte der
Landwirthschaftsminister mit der Begründung abgelehnt, es läge keine
Veranlassung zu einer solchen Bevorzugung Breslaus vor. Ist es aber,
frage ich, ein normaler Zustand, wenn wir Getreide nach dem Westen,
z. B. nach Mannheim über Stettin und Rotterdam billiger verfrachten
können, als von hier aus direct? Durch solche Tarifverhältnisse wird
das Ausland entschieden bevorzugt, welches mit seinem Tonnenkilometer-
Einheitstarif überdies bis auf 1'/, Pfennige heruntergegangen ist, während
unsere Eisenbahnverwaltungen auf ihrem hohen Satze von 4, Pfennigen
beharren, und so in Stand gesetzt ist, die nothwendigsten Lebensmittel
von den inländischen Consumtionsländern abzudrängen, Was fortgesetzte
Bemühungen zur Erreichung billiger Tarife vermögen, zeigt der Fall,
als es sich darum handelte, die Staffeltarife der Ostbahn auch auf uns
zu übertragen, ein Antrag, der im Bezirkseisenbahnrath genehmigt, aber
vom Landeseisenbahnrath, in welchem der Westen nummerisch stärker
vertreten ist, abgelehnt wurde, Da gelangte diese Frage dennoch neuer-
dings auf die Tagesordnung, weil die Landwirthe endlich ihre Schädigung
erkannten und in die Agitation eingriffen, und der Minister hat jüngst,
wie ich erfahre, die Absicht kund gegeben, dieser Angelegenheit noch-
mals näher zu treten.
Wenn Breslau seine Bedeutung als Handelsemporium wieder ge-
winnen will, so müssen seinem Handelsstande im Eisenbahnfrachtverkehr
eben solche Erleichterungen gewährt werden, wie den Industriellen,
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en Di AD A a
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II. Historisch -staatswissenschaftliche Abtheilung. 23
welche durch ihr geschlossenes und entschlossenes Verhalten für ihre
Kohlentransporte Tarife erlangt haben, deren Billigkeit den Kostenpreis
zum Theil nicht einmal deckt. Um dieses Ziel zu erreichen, ist aber
nicht nur ein einmüthiges Vorgehen zwischen den gleichbetheiligten
Landwirthen und Kaufleuten erforderlich, sondern es müssen vor allen
Dingen innerhalb der Kaufmannschaft selbst kleinliche Interessengegen-
sätze schwinden, was ich allen Kreisen des Handelsstandes dringend ans
Herz legen möchte. Wenn die Kaufmannschaft hinter jenen Männern
steht, welche vermöge ihres Verständnisses und ihrer einflussreichen Be-
ziehungen geeignet sind, auf die Abhilfe mannigfacher Schäden zu dringen,
so werden wir sicherlich manches Wünschenswerthe durchsetzen,
Zur Freude hat es mir gereicht, dass unser Handelskammer
darauf bedacht ist, eine uns nothwendige kürzere Eisenbahnverbindung
mit Berlin über Frankfurt zu erlangen, und dass Herr Commerzien-
rath Schöller diesen Wünschen im Landtage Ausdruck verliehen hat.
Ist erst ferner die gegenwärtig geplante Abkürzung der Gebirgs-
bahn über Saarau nach Hirschberg erlangt, und auch die Bahnverbindung
mit den Anziehungspunkten des Riesengebirges fertig gestellt (so sehr
sie auch manchem Naturfreunde widerstrebt), so wird der Fremdenver-
kehr Breslaus, welcher unstreitig in den letzten Jahren zurückgegangen
ist, sicherlich wieder aufleben. Zu seiner Hebung müssen auch andere
Mittel und Wege gefunden werden, indem wir das Beispiel anderer
grosser Städte nachahmen, sei es durch öfiere Veranstaltung von Aus-
stellungen, sei es durch eine grössere Subventionirung unserer Kunst-
institute, besonders des Stadttheaters, um den Aufenthalt wohlhabender
Leute in unserer so sehr schön gewordenen Stadt angenehm zu gestalten.
Wir haben nicht nur ihren Zuzug ins Auge zu fassen, sondern, was
für uns fast noch wichtiger erscheint, dafür zu sorgen, dass sie nicht
wegziehen, Alle Ausgaben, welche in dieser Richtung gemacht werden,
dürften sich sicherlich nicht als eine Belastung, sondern schliesslich bald
als eine Kräftigung unserer Steuerkraft erweisen. Manche Einrichtungen
anderer grosser Provinzialstädte, z. B. die eines grossen Centralbahn-
hofes, bequemer, geräumiger Markthallen, muss jeder hier schmerzlich
vermissen, der Umschau hält und Vergleiche anstellt; hier muss Remedur
energisch angestrebt werden.
Trotzdem Breslau, wie ich dargethan zu haben glaube, die ver-
schiedensten Schwierigkeiten gegenüber concurrirenden Handelsplätzen
zu überwinden hat, spreche ich zum Schluss die Zuversicht aus, dass es
uns gelingen wird, unter dem gnädigen Schutze und der weisen Fürsorge
Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm II,, vermöge unablässigen, ange-
spannten Strebens, sowie gründlichen und einmüthigen Arbeitens eine
immer höhere Stufe des Wohlstandes und Gedeihens für unsere Stadt
zu erreichen, Das walte Gott!
24 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
In der vierten Sitzung am 4. Juni sprach Herr Dr. Hancke
Ueber die internationale criminalistische Vereinigung.
Nach einigen einleitenden Worten bemerkte der Vortragende etwa
folgendes:
Die internationale criminalistische Vereinigung betrachtet es als die
Aufgabe der Strafe, das Verbrechen als sociale Erscheinung zu be-
kämpfen. Sie tritt zu der herrschenden Vergeltungstheorie in Gegen-
satz, die in der Strafe nichts Anderes sieht, als die nothwendige Folge
des Verbrechens und sie daher in ihrer Höhe lediglich nach dem einzelnen
begangenen Deliete bemisst. Aber gestraft wird nicht die That, sondern
der Thäter, das Deliet wird nur dann richtig verstanden und gewürdigt,
wenn man es nicht für sich allein, sondern im Zusammenhange mit dem
Vorleben des Thäters und den Motiven der That betrachtet. Dann zeigt
sich der wesentliche Unterschied, der jeder strafrechtlichen Behandlung
zu Grunde zu legen ist, zwischen Gelegenheits- und Gewohnheitsver-
breehern; erstere muss man bessern, letztere abschrecken, die unver-
besserlichen unschädlich machen.
Von diesem Gesichtspunkte aus hat die Vereinigung ein Programm
aufgestellt, aber nicht als abstractes Glaubensbekenntniss, sondern als
Directive für ihre Arbeiten. Redner will einiges über ihre bisherige .
Thätigkeit berichten. Ausgehend von der Erkenntniss, dass die kurz-
zeitige Freiheitsstrafe, welche die Hauptrolle in der Strafrechtspflege
spielt, nicht geeignet ist, den Verbrecher zu bessern oder abzuschrecken,
ihn vielmehr moralischen und wirthschaftlichen Gefahren aussetzt, sucht
die Vereinigung ihre Anwendung durch Aufstellung von Ersatzmitteln
möglichst einzuschränken. Eins derselben ist die bedingte Verurtheilung:
in besonderen Fällen soll die Vollstreekung der erkannten Freiheits-
strafe auf eine Probezeit aufgeschoben werden, nach deren Ablauf sie
bei tadelloser Führung als erlassen gilt. Der Vortragende bespricht die
äussere Geschichte der Idee und die gegen sie geltend gemachten Be-
denken, er theilt mit, dass in Belgien, wo die bedingte Verurtheilung
durch Gesetz vom 31. Mai 1888 eingeführt ist, während der ersten
19 Monate in 14 pCt. aller Vergehen von derselben Gebrauch gemacht
und nur in 2 pCt. dieser Fälle ein Rückfall bisher bemerkt worden ist.
Als weiteres Ersatzmittel für die kurzzeitige Freiheitsstrafe empfiehlt
die Vereinigung die Geldstrafe. Dieselbe ist der Ausdehnung auf eine
Reihe von Delieten fähig, für welche gegenwärtig die Gefängnissstrafe
obligatorisch ist. Andererseits müssen die bestehenden Maximalgrenzen
entweder ganz gestrichen oder weit heraufgerückt werden. Ferner soll
sich die Bemessung der Geldstrafe nicht lediglich nach der Schwere des
Delietes, sondern nach der wirthschaftlichen Lage des Thäters richten.
Endlich ist es ungerecht, dass der Arme die Geldstrafe absitzen muss,
EEE
II. Historisch-staatswissenschaftliche Abtheilung. 35
Der Richter soll fürderhin die Bezahlung durch Bewilligung von Raten-
zahlungen erleichtern. Kann der Verurtheilte auch diese nicht leisten,
so soll er diese Strafe ausserhalb des Gefängnisses abarbeiten. Man
hat Zwangsarbeit im Freien überhaupt als Ersatzmittel für die Ge-
fängnissstrafe in Vorschlag gebracht. Hierzu ist sie nicht geeignet, da
es sich immer nur um Tagelohnarbeit handeln könnte, die nicht von
allen Volksklassen zu leisten ist, Als Ersatzmittel für die uneinbring-
liche Geldstrafe kommt sie von selbst nur bei denen zur Anwendung,
welche an jene Arbeit gewöhnt sind. Die Vereinigung verhehlt sich
nicht, dass trotz dieser Surrogate ein grosses Feld für die kurzzeitige _
Freiheitsstrafe übrig bleiben wird, und sucht dieselbe gewissen Ver-
brechern gegenüber durch Verschärfungen wirksamer zu gestalten. Als
solche kommen Kostschmälerung, hartes Lager, Dunkelzelle, erhöhter
Arbeitszwang oder Arbeitsentziehung in Betracht; zur Prügelstrafe
hat die Vereinigung noch nicht definitiv Stellung genommen. Es giebt
endlich Verbrecher, gegen welche die bestehenden Strafmittel nichts aus-
richten, sogenannte Unverbesserliche. Diese nach gleichen Erwägungen
zu strafen wie andere Verbrecher, hat keinen Zweck. Sie müssen un-
schädlich gemacht werden, entweder durch Deportation nach Straf-
eolonien oder durch dauernde Einsperrung ohne Rücksicht auf die
Schwere des zuletzt begangenen Delicts. Zu erkennen sind diese Un-
verbesserlichen nicht, wie die italienische Schule will, an körperlicher
Degeneration oder erblicher Belastung, sondern an ihrem Vorleben und
den Motiven der That.
An diesen Vortrag schloss sich eine längere Debatte, an welcher
sich insbesondere die Herren Amtsgerichtsrath Frauenstädt, Privat-
docent Dr. Gerlach und Referendar Hamburger betheiligten.
In der fünften Sitzung am 10. December hielt Herr Professor
Sombart einen Vortrag
Ueber das Programm der socialdemokratischen Partei Deutschlands nach
den Erfurter Beschlüssen.
Aus dem Vortrage sei folgendes hervorgehoben: Nachdem der Vor-
tragende seinen Standpunkt gegenüber dem von ihm gesetzten Thema
dahin präeisirt hatte, dass er keine Programmrede weder für noch gegen
die Socialdemokratie zu halten beabsichtige, dass es vielmehr für ihn,
als Vertreter der Wissenschaft, lediglich sich darum handeln könne, die
Prineipien, die Grundgedanken der socialdemokratischen Partei, wie sie
in dem Erfurter Programm zum Ausdruck kamen, objectiv darzulegen,
betonte derselbe, dass, um das neue Erfurter Programm, da dieses den
Abschluss einer Entwickelung bedeute, in seiner ganzen Tragweite ver-
stehen zu können, ein geschichtlicher Rückblick auf die Bewegung der
soeialdemokratischen Partei, wie die Entwickelung ihrer Programme,
36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
unerlässlich sei. Am 23. Mai 1863 gründete Lassalle den Allgemeinen
deutschen Arbeiterverein, während ungefähr gleichzeitig (1864) durch
Karl Marx die Internationale Arbeiter:Association ins Leben gerufen
wurde, deren Hauptagitator in Deutschland Wilhelm Liebknecht wurde;
unter seiner Initiative bildete sich, in Anlehnung an die Internationale
Arbeiter-Association, 1869 die Marxistische ‚‚Socialdemokratische Arbeiter-
partei“, der die Kerntruppe durch A. Bebel aus der fortschrittlichen
Arbeiterpartei zugeführt wurde, Obgleich sie als „Eisenacher Partei‘
sich feindlich dem Lassalleanismus gegenüberstellte, zwang doch der
Druck von Aussen, die Uneinigkeit fahren zu lassen und sich zu ver-
einen. Das geschah im Mai 1875 zu Gotha auf Grund des berühmten
Gothaer Programms, das einen Compromiss darstellen sollte. Dass aber
in der Grundanschauung doch die Lassalle’sche Richtung allein den
Charakter des Gothaer Programms bestimmt hatte, ergebe eine genaue
Untersuchung mit voller Deutlichkeit. Nicht nur zwei Secten: zwei
Richtungen mit prineipiell verschiedener Welt- und Geschichtsauffassung
hatten sich hier vereinigen sollen, eine Unmöglichkeit, da eine Ver-
einigung dieser beiden Standpunkte gar nicht denkbar ist. Lassalle ver-
trat die ethische Geschichtsauffassung, nach welcher geschichtlich die
Fortentwickelung sich in der Weise vollzieht, dass eine bestimmte Zeit,
eine bestimmte Partei bewusst ein Gerechtigkeitspostulat aufstellt und
zu verwirklichen unternimmt; Marx die mechanistische Geschichtsauf-
fassung, nach welcher die menschliche Gesellschaft von ewigen, un-
wandelbaren, immanenten Gesetzen, die ausser allem Bereich ethischer
Erwägungen liegen, fortgestossen wird. Das Gothaer Programm aber
enthielt einen wesentlich ethischen Grundgedanken: es baute sich auf
dem Satz auf, dass die Arbeit die Quelle alles Reichthums und aller
Cultur sei und da allgemeine nutzbringende Arbeit nur durch die Gesell-
schaft möglich, so gehöre — nach Gerechtigkeit und Billigkeit! — auch
das Arbeitsproduet den sämmtlichen Gliedern derselben. Diese Forderung
sei heute noch nicht verwirklicht, deshalb müsse eine bessere Gesell-
schaftsordnung an die Stelle der jetzigen treten, und dieses Ziel soll
der heutige Staat als der Repräsentant der Gesammtinteressen erreichen
helfen. 16 Jahre blieb dies Programm von unwesentlichen Aenderungen
abgesehen in Giltigkeit, vor allem Dank dem Andauern des Socialisten-
gesetzes.
Die Aufhebung des Soeialistengesetzes hatte auch eine Revision
des Programms im Gefolge, Der Parteitag zu Halle beschloss dieselbe,
und auf dem Parteitag in Erfurt (1891) wurde der durch die Kritik
vielfach veränderte Entwurf eines neuen Parteiprogrammes einstimmig
angenommen. Diese Annahme bedeutet die endgiltige Ueberwindung
des Lassalle’schen Standpunktes, den gänzlichen Sieg der Marxistischen
Anschauungen, deren Kern die materialistische Geschichtsauffassung bildet.
III. Historisch -staatswissenschaftliche Abtheilung. 27
Demnach ist alle menschliche Cultur nichts als der Reflex der jedes-
maligen ökonomischen Verhältnisse der herrschenden Productionsweise.
Die Fortentwickelung vollzieht sich durch eine nach immanenten Ge-
setzen erfolgende Umbildung der ökonomischen Grundlagen und zwar in
der Weise, dass sich fortgesetzt Gegensätze aus einem bestehenden Zu-
stande herausbilden, die sich durch Klassenkämpfe ausgedrückt, bis zur
Unerträglichkeit steigern und dann mit Naturnothwendigkeit zu einer
neuen höheren Gestaltung der Dinge führen. In der Gegenwart sei es
Bourgeoisie und Proletariat, welche diese Gegensätze darstellten und
deren Gegeneinanderwirken zu immer grösserem Reichthum auf der
einen Seite, zu immer grösserer Armuth auf der anderen Seite führe,
bis der Zeitpunkt gekommen sei, in der eine Weiterentwickelung inner-
halb der jetzigen Gesellschaftsordnung nicht mehr möglich sei; dann
müsse die Ueberführung der Producetionsmittel in das Eigenthum der
Gesellschaft erfolgen. Bei diesem Process kann nun der Einzelne weder
störend noch fördernd eingreifen, denn er vollzieht sich mit unabänder-
lieher Naturnothwendigkeit. Die Consequenz der materialistischen Ge-
schichtsauffassung sei also die, dass man mit verschränkten Armen dieser
Entwickelung zusehen und nur den Augenblick des eintretenden Um-
schlags abzuwarten brauche. Das ist Quietismus: das schärfste Gift für
eine Bewegungs- oder Agitationspartei. Es muss also für diese — die
Socialdemokratie — irgend welches praktische Ziel, irgend welche Auf-
gabe gefunden werden, ohne die materialistische Geschichtsauffassung zu
verläugnen, Und diese Aufgabe wird darin erblickt, dass die Social-
demokratie berufen sein soll, den sich mit Nothwendigkeit vollziehenden
Process den Massen zum Bewusstsein zu bringen und sie darauf vorzu-
bereiten.
Nachdem der Vortragende in ungefähr obiger Wiedergabe den Ge-
dankengang der nunmehr in das officielle Parteiprogramm übergegangenen
Marxistischen Lehre gezeichnet hatte, ging er zu einer eingehenden Be-
sprechung und Zergliederung des Erfurter Programms über. Zwei Haupt-
abschnitte sind in demselben zu unterscheiden, der erklärende, unter-
richtende und der praktische. Der letztere bewegt sich auf dem Boden
der heutigen gesellschaftlichen Ordnung; er enthält einmal die Forde-
rungen einer demokratischen Partei, wie sie die Freisinnigen zum guten
Theil auch stellen, sodann diejenigen einer radikalen Arbeiterpartei,
während der eigentliche Kern der socialdemokratischen Weltanschauung,
mit dem der zweite Theil nur lose in Berührung steht, nur sich aus
dem ersten Theil herausschälen liesse. Für eine Kritik des socialdemo-
kratischen Programmes folge hieraus, dass man in der politischen Dis-
cussion nur die wirklich ausgeschlossenen praktischen Forderungen
(Theil II) bekämpfen könne, dass man aber den ersten Theil, wie er
rein theoretisch sei, auch nur wissenschaftlich kritisiren dürfe. Es sei
28 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
an der Zeit, die lächerlichen Don Quixoterien aufzugeben und gegen
Dinge zu Felde zu ziehen, von denen die Socialdemokratie gar nichts
sagt. Diseussionen über die Gestaltung des „Zukunftsstaates“, seine
Vorzüge und Nachtheile seien gänzlich gegenstandslos, da die Social-
demokratie gar nicht eine neue Ordnung „‚fordert‘“, sondern nur auf eine
mit Nothwendigkeit sich vollziehende Entwickelung hinweist. Die Richtig-
keit der darauf bezüglichen Sätze gelte es zu prüfen.
Im Anschluss an diese Besprechung des Programms warf der Vor-
tragende schliesslich die Frage auf, ob diese Entwickelung der Social-
demokratie zum reinen Marxismus als ein Segen aufzufassen sei, Er
für seinen Theil glaubt diese Frage entschieden bejahen zu sollen. Die
strenge Durchführung der Marxistischen Theorie verbürge einen fried-
liehen Fortgang und entferne die Gefahr des gewaltsamen Revolutionis-
mus immer mehr, weil die Massen der Marxistischen mechanischen
Weltanschauung zufolge jetzt nicht mehr ein Ziel vor Augen sehen,
dessen Erreichung sie selbst durch Gewaltsamkeiten, durch eine Revo-
lution zu beschleunigen vermöchten. Ihnen werde vielmehr gelehrt: die
ganze Entwickelung müsse auf Grund der immanenten Gesetze mit unab-
änderlicher Naturnothwendigkeit sich vollziehen, Revolutionen könnten
den Gang der Dinge nicht beschleunigen.
Keine andere Partei, schloss der Vortragende seine von der zahl-
reichen Zuhörerschaft mit lebhaftem Interesse begleiteten und mit dem
wärmsten Beifall aufgenommenen Ausführungen, vermag die Massen so
vorzüglich zu diseipliniren als die Marxistische Socialdemokratie, und
deshalb beobachten wir auch in der That, dass in Deutschland, wo die
Socialdemokratie sich am vollkommensten entwickelt und organisirt hat,
Putsche ebenso unbekannt sind, wie anarchistische Bestrebungen, von
denen andere Länder ohne socialdemokratische Partei so viel zu sagen
wissen.
An den Vortrag schloss sich darauf eine längere angeregte Debatte,
in welcher wiederholt u. A. Staatsanwalt Dr. Keil, Privatdocent
Dr. Gerlach, Geh. Rath Grünhagen, R.-A. Honigmann und Bankier
Holz eingriffen. Vornehmlich wurden die Fragen erörtert, welche Be-
deutung die modernen Vertreter der socialdemokratischen Theoreme
einer Revolution beilegen, ob wirklich im neuen Programm kein ethisches
Postulat mehr enthalten ist, welche Stellung die Jungen in diesem
Rahmen einnehmen, ob sie noch als zur Partei gehörig zu betrachten
sind, und schliesslich, ob denn diese neue Entwickelung wirklich für die
bestehende gesellschaftliche Ordnung in so ungefährliche Bahnen gelenkt
ist, wie der Vortragende es behauptet hatte.
III. Historisch -staatswissenschaftliche Abtheilung. 29
Für die Mitglieder der Section ist ein besonderer staats- und rechts-
‚wissenschaftlicher Lesezirkel begründet worden. In Umlauf kamen im
Jahre 1891 folgende Zeitschriften und Bücher:
1;
A ra
10,
Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik.
Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft
im Deutschen Reiche.
Vierteljahrsschrift für Volkswirthschaft, Politik und Gultur-
geschichte.
Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft.
Archiv für sociale Gesetzgebung und Statistik.
Archiv für öffentliches Recht.
Zeitschrift für die gesammte Strafrechtswissenschaft.
Preussische Jahrbücher.
Bayrische Handelszeitung (Beilage zur Münchener ‚Allgemeinen
Zeitung“).
Handwörterbuch der Staatswissenschaften. 1. und 2. Bd.
Sitzungen der historischen Section
im Jahre 1891,
In der ersten Sitzung am 12. Januar sprach Herr Privatdocent
Dr. Kruse
Ueber die englischen Verfassungskämpfe im Mittelalter.
In der zweiten Situng am 26. Januar hielt Director Reimann
einen Vortrag
Ueber die Stellung Friedrichs des Grossen zur Religion und Philosophie
in seinen späteren Jahren.
Abgedruckt in den bei Fr. Andr. Perthes in Gotha erschienenen
„Abhandlungen zur Geschichte Friedrichs des Grossen. Von Eduard
Reimann.“
In der dritten Sitzung am 16. Februar behandelte der Ober-
lehrer Dr. Krebs
Die evangelische Union und den Udenheimer Festungsbau (1618).
Ver Verfasser erzählte nach den Unionsacten im Herzoglich Anhal-
tischen Centralarchive in Zerbst und im Königlich Bayerischen Kreis-
archive zu Nürnberg, wie der Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz am
7. April 1618 zum 29. desselben Monats einen Unionstag nach Heil-
bronn einberufen habe. In dem Einladungsschreiben wurden sieben
hauptsächlich auf den bevorstehenden Kurfürstentag und die inneren
Unionsverhältnisse bezügliche Punkte genannt, um welche sich die Be-
rathung drehen sollte; ihnen waren noch zwei scheinbar unbedeutende
Nebenpropositionen beigefügt. Davon betraf die eine den Festungsbau,
den der Speyrer Bischof Philipp Christoph von Sötern zum grossen
Aerger des Heidelberger Hofes in seinem mitten zwischen pfälzischen
Gebietstheilen liegenden Städtchen Udenheim (dem heutigen Philipps-
burg) begonnen und trotz aller Einsprache der Pfälzer kräftig weiter-
geführt hatte. Bei der Mittheilung dieser Vorlagen des Direetoriums an
die Bundesmitglieder bat der Kurfürst von der Pfalz einzelne hervor-
III. Historisch-staatswissenschaftliche Abtheilung. 31
ragende Unionsstände um vertrauliche Gutachten darüber. Es gingen
solche, z. T. sehr umfangreiche Memorials von dem Fürsten Joachim
Ernst von Ansbach, dem Herzoge von Württemberg und dem Fürsten
Christian I, von Anhalt-Bernburg in Heidelberg ein; der Verfasser theilte
sie im Auszuge mit und bezeichnete sie im Ganzen als arm an neuen,
schöpferischen Gedanken, sowie an politischem Scharfblick und nannte
die darin in Bezug auf die Haltung von Sachsen und Mainz ausgesprochene
Vertrauensseligkeit geradezu unbegreifich. Am zweiten Berathungs-
tage (30. April) des zahlreich und von den meisten Ständen in Person
besuchten Unionsconventes stellte der pfälzische Kanzler Camerarius
plötzlich zur Ueberraschung eines Theils der Anwesenden den Neben-
punkt wegen Udenheim als zweiten Hauptpunkt der Berathung auf.
Namentlich die Städte Ulm, Nürnberg, Strassburg sahen dies für eine
unstatthafte Ueberrumpelung an und erhoben lebhaften Widerspruch.
Sie wollten sich durchaus nicht in ein weitaussehendes, abenteuerliches
Unternehmen einlassen, welches die Unionsinteressen nur nebenbei streifte
und in erster Linie dem Privatvortheile des pfälzer Kurfürsten diente.
Die Städte erklärten, dass ihr Handel durch kriegerische Verwickelungen
leiden und dass man sie, falls die Angelegenheit nicht nach Wunsch
verliefe, die Zeche bezahlen lassen würde. Um die Frage, ob die
reichen, durch ihren Handelseinfluss wichtigen drei grossen Unionsstädte
den von den meisten Fürsten unterstüzten pfälzischen Angriffsgelüsten
gegen Udenheim beistimmen würden, hat sich nun in der That die
Hauptberathung bis zum Schluss des Unionstages (8. Mai) bewegt. Die
wichtigeren Punkte, z. B. das Verhalten der Union und speziell ihres
Leiters bei der künftigen Kaiserwahl und dem nahe bevorstehenden Kur-
fürstentage wurden nur flüchtig und oberflächlich erledigt, fast die ganze
Zeit des Zusammenseins mit der Udenheimer Angelegenheit ausgefüllt.
Trotzdem blieben die Städte, namentlich Nürnberg, allen Ueberredungs-
künsten der Pfälzer gegenüber fest bei ihrer Ablehnung, und die
„höheren Stände‘‘ mussten sich mit Ausschluss der Städte zu einem
„Nebenabschiede“‘, d. bh. zu einem Sonderabkommen bezüglich ihrer
Pläne auf Udenheim entschliessen. Somit ging in demselben Monate,
in welchem der Prager Fenstersturz erfolgte und ein besonders festes
Zusammenhalten der evangelischen Partei nothwendig gewesen wäre,
ein tiefer Riss durch diese Vereinigung protestantischer Stände. Die
Union bewies durch ihr Verbalten in dieser letzten Versammlung vor
Ausbruch des grossen Kriegs, dass sie in den Wirren der kommenden
Zeiten die Hoffnungen, die man evangelischerseits auf ihre Gründung
gesetzt, nicht zu erfüllen im Stande war.
(Der Vortrag ist abgedruckt im Osterprogramm des Realgymnasiums
am Zwinger für 1391.)
32 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
In der vierten Sitzung am 9. März las Director Reimann
einen Aufsatz
Ueber die Finanzpolitik Friedrichs des Grossen.
Abgedruckt in den genannten Abhandlungen.
In der fünften Sitzung am 23. März hielt der Geh. Archivrath
Professor Dr. Grünhagen einen Vortrag
Ueber die schlesichen Justiz- und Verwaltungsbeamten unter Friedrich
den Grossen.
Vergl. Schlesien unter Friedrich dem Grossen, Band Il, Buch II,
Abschnitt 3 und 4.
In der sechsten Sitzung am 6. April stellte Direct. Reimann
Friedrichs des Grossen Ansichten über den Fürstenberuf
dar. Abgedruckt in den bereits angeführten Abhandlunger.
In der siebenten Sitzung hielt der Geh. Archivrath Professor
Dr. Grünhagen einen Vortrag
Ueber die Bischofswahl des Kardinals von Sinzendorf im Jahre 1732.
Abgedruckt im 26. Bande der Zeitschrift des Vereins für Geschichte
und Alterthum Schlesiens.
In der achten Sitzung am 28. December hielt Director Rei-
mann folgenden Vortrag
Ueber den Plan Kaiser Josephs II., ein enges Bündniss mit Preussen zu
schliessen. (December 1786.)
Es giebt fürstliche Zusammenkünfte, die kaum bei der Mitwelt Be-
achtung finden und den späteren Geschlechtern unbekannt bleiben; andere
dagegen dürfen in der Geschichte nieht übergangen werden, selbst wenn
die Blüthen abfielen, ehe sich die Früchte bildeten.
Es war gewiss ein denkwürdiges Ereigniss, als der Kaiser Joseph
im Einverständniss mit seiner Mutter und dem Staatskanzler den Wunsch
nach einer persönlichen Bekanntschaft in Berlin kundgeben liess. . Der
König von Preussen erklärte sich dazu mit Vergnügen bereit und wollte
alles thun, um jede Spur der alten Feindschaft, die zwischen den beiden
Höfen geherrscht hatte, zu vertilgen; denn er war erfreut, die Anfänge
einer so wünschenswerthen Verbindung aufkeimen zu sehen.
Die Zusammenkunft fand im August 1769, wie man weiss, in Neisse
statt. Die Nachricht bereitete den Wienern grosses Vergnügen, und sie
versprachen sich davon glückliche Folgen für die Eintracht und den
Frieden zwischen den beiden Höfen. Aehnlich werden ohne Zweifel die
neue er re a
|
II. Historisch -staatswissenschaftliche Abtheilung. 33
Berliner, ja, die gutgesinnten Deutschen überhaupt empfunden haben.
Der äussere Verlauf der Begegnung war auch vortrefflich. Friedrich
überhäufte den Kaiser, wie dieser selbst eingesteht, mit Höflichkeiten
und Freundschaft. Dennoch nannte Joseph den König eine Persönlich-
keit, merkwürdig genug, dass man sie sich einmal ansieht, aber Gott
bewahre vor einem zweiten Male; denn er bewunderte zwar den Feld-
herrn, aber er hasste den Eroberer. Jedoch der Anstand verlangte
einen Gegenbesuch, für welchen der Ort bereits im November 1769
festgesetzt wurde. Bei dieser Gelegenheit schrieb der König an seinen
Bruder, den Prinzen Heinrich: „Ich gehe auf alles ein, um zwischen
den beiden Häusern ein aufrichtiges Einvernehmen anzubahnen und die
Gemüther auf engere Bande vorzubereiten, wozu mit der Zeit die ehr-
geizigen Absichten der Russen Anlass geben können. Demgemäss werde
ich auch fernerhin Zusammenkünfte einleiten, um ganz allmählich einen
Schritt nach dem anderen vorwärts zu kommen und mich in dem Ver-
trauen des Kaisers und, wenn es möglich ist, der Mutter zu befestigen.“
Doch blickte Friedrich nicht zu hoffnungsvoll in die Zukunft. Acht
Tage später schrieb er an den Bruder: ‚Ich werde nicht im Stande
sein, die Einigung des Hauses Oesterreich mit dem unsrigen zur Reife
zu führen. Nicht nur muss die Zeit die Erinnerung an das Geschehene
verlöschen, ein vollständiges Vertrauen muss Platz greifen und die
Kaiserin die Gewohnheit aufgeben, welche sie seit 30 Jahren sich an-
geeignet hat, mich zu hassen. Und nun frag’ ich Dich, lieber Bruder,
ganz freimüthig, ob man sich, wenn man beinahe 60 Jahre alt ist,
vernünftigerweise schmeicheln kann, die Dinge zu diesem Ziele zu
führen ?“ |
Friedrich spricht hier nur von Maria Theresia; denn er musste nach
dem Verhalten Josephs in Neisse bei ihm Wohlwollen und Zuneigung
voraussetzen. Er konnte nicht wissen, dass in der Brust des Kaisers
neben der Bewunderung der Hass wucherte. Dennoch trug er sich nicht
mit grossen Hoffnungen, sondern er betrachtete alles, was er für diese
Einigung that, als Versuche für die Zukunft, die ein glücklicher Zu-
fall über Erwarten gelingen, ein entgegengesetzter fehlschlagen lassen
könnte,
Seinen Besuch machte der König 1770 in Mährisch-Neustadt. Als
hier ein grässliches Unwetter der Musterung ein schlimmes Ende be-
reitete und vielen Schaden anrichtete, schrieb Joseph an Maria Theresia:
„Es scheint, dass uns dieser Mensch überall Pech bringt.“ Anders
dachte diesmal Kaunitz, welcher hier ebenfalls zugegen gewesen war
und lange Unterhaltungen mit dem Könige gehabt hatte. Er glaubte,
dass dieselben einen sehr lebhaften Eindruck auf Friedrich gemacht
hätten, und dass dieser mit ganz anderen Gesinnungen gegen Oesterreich
zn wäre, als er mitgebracht, Der König werde daher dem Wiener
4] IR
> ()
34 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Hofe künftig so viel vertrauen, als er es überhaupt im Stande sei, und
ebenso werde letzterer jetzt auf ihn vielmehr bauen können, als bisher
räthlich gewesen wäre.
Die polnische Theilung führte dann die beiden feindlichen Höfe
näher zusammen, aber der bayerische Erbfolgekrieg trennte sie wieder
und erregte den ganzen Ingrimm des Kaisers. Es war ihm besonders
widerwärtig, dass eine russische Note Maria Theresia sehr erschreckte
und sie antrieb, den Frieden um jeden Preis zu suchen. Die Verbin-
dung des Petersburger und des Berliner Hofes machte letzteren stark.
Eben deshalb benützte Joseph eine Gelegenheit, um mit Katharina I.
zusammen zu kommen und womöglich ein besseres Verhältniss anzu-
bahnen.
Es traf sich für ihn so glücklich, dass die russische Kaiserin gerade
damals ernstlich mit dem Gedanken umging, die Türken aus Europa zu
verjagen und ein neues griechisches Kaiserthum in Konstantinopel zu
errichten. Hierbei kam ihr sehr viel darauf an, ob Oesterreich in diesem
Kampf auf ihre Seite treten würde. Darum befreundete sie sich mit
Joseph, schloss nach dem Tode Maria Theresias ein Bündniss mit ihm
und wollte nun ihren grossen Plan ausführen. Aber der Kaiser war
mit dem, was er gewinnen sollte, nicht ganz zufrieden, und als noch
die Weltverhältnisse sich durch den Frieden zwischen England und
Frankreich änderten, da versagte Joseph seine Mitwirkung. Katharina
war über seine Antwort so betroffen, dass sie in eine Krankheit verfiel,
dann aber fasste sie sich und verleibte die tatarischen Länder, welche
sie 1774 gegen den Willen der Bewohner von der Pforte losgerissen
und unabhängig gemacht hatte, nämlich die Krim, die Halbinsel Taman
und den Kuban, ihrem Reiche freudig ein. Das österreichich-russische
Bündniss beunruhigte Friedrich den Grossen gewaltig; er wurde gegen
Katharina II. sehr kühl und bemühte sich mit Frankreich in ein engeres
Verhältniss zu kommen. Als er dies aber nicht erreichte und ohne aus-
wärtige Bundesgenossen dastand, gründete er, um in Deutschland solche
zu gewinnen, zum grössten Aerger Josephs und Katharinas den Fürsten-
bund, und so blieb er zuletzt über die beiden Sieger. Aber sein Leben
eilte nun dem Ende zu.
Als der Kaiser im Juni 1786 hörte, dass es mit der Gesundheit des
Königs besser ginge, schrieb er an seine Petersburger Freundin: „Man
sollte glauben, dass der Tod, welcher für gewöhnlich mit allen leben-
digen Wesen so wenig Umstände macht, aus Ehrfurcht sich scheut, den
Helden des Jahrhunderts anzurühren.‘“!) Jedoch der Zustand Friedrichs
verschlimmerte sich wieder, und am 21. August meldete Kaunitz dem
Kaiser das Ableben des Königs von Preussen. Der Staatskanzler meinte
ee ESSEN EEE
‘) Arneth, Joseph U. und Katharina Il. Pag. 220.
III. Historisch -staatswissenschaftliche Abtheilung. 35
weiter, man werde nun den Charakter und die Denkungsart des Nach-
folgers und insonderheit seine Gesinnungen gegen den Wiener Hof
studiren müssen. Kaunitz rieth alsdann, man solle abwarten, wie sich
Friedrieh Wilhelm II. verhalten werde, und danach das eigene Betragen
einrichten.
Die Todesanzeige kam nicht überraschend. Aber wenn die Be-
wunderung vor zwei Monaten den Kaiser fortgerissen hatte, so trat jetzt
abermals das österreichische Gefühl stark hervor, und er antwortete dem
Staatskanzler: „Als Militär beklage ich den Verlust eines grossen Mannes,
der in der Kriegskunst immer eine hohe Bedeutung haben wird; als
Bürger bedauere ich, dass dieser Tod 30 Jahre zu spät eingetreten ist,
er würde 1756 ganz anders vortheilhaft gewesen sein als 1786. Ich
habe nicht die geringste Hoffnung auf seinen Nachfolger, und so lange
Hertzberg die Seele von allem sein wird, muss man sich noch auf Schlim-
meres gefasst machen.“ ')
Ebenso stark wie der Kaiser hasste Kaunitz diesen Minister, und
er blickte wiederum sehr finster auf Preussen, wie die Aufträge be-
weisen, die er am 30. August an den österreichischen Gesandten in
Berlin schickte. Jedoch ehe wir sie kennen lernen, wird es gut sein,
an eine Stelle aus einer früheren Denkschrift des Staatskanzlers zu er-
innern. Als Friedrich der Grosse 1775 und 1776 wiederholt von der
Gicht befallen ward und in Lebensgefahr gerieth, hatte Kaunitz dem
damaligen Gesandten in Berlin, van Swieten, neue Verhaltungsbefehle
gesendet; er sollte den Kronprinzen von der Aufrichtigkeit der öster-
reichischen Freundschaft für ihn überzeugen und ihm alle Besorgnis
vor widrigen Absichten benehmen, die etwa nach dem Tode seines
Oheims ausgeführt werden dürften. Mit freudiger Ueberraschung ver-
nehmen wir diese Worte; jedoch wenn wir weiter lesen, erschrecken
wir; denn der Staatskanzler fährt fort: durch solche persönliche Sicher-
stellung und Beruhigung kann der bisherige Hang des Kronprinzen zu
Pracht und Verschwendung am leichtesten genährt, auf eben diese Art
aber die gegenwärtige preussische Maschine am sichersten untergraben
und allmählich zum Verfalle geleitet werden.“ Kaunitz wollte darauf
hinwirken, dass der Feind seine innerlichen Kräfte schwäche und dass
er in Unordnung und Verschwendung verfalle, damit er weniger Truppen
unterhalten und den Oesterreichern entgegenstellen könne,
Mehr als 10 Jahre waren seitdem vergangen, und den gefürchteten
Herrscher lähmte der Schlummer des Todes. Aber die Gesinnungen des
Staatskanzlers hatten sich nicht geändert; denn er schrieb am 30sten
August 1736 an den Gesandten in Berlin: ‚Nichts wäre erwünschter,
als wenn der neue König in eine vollkommene Ruhe und Sicherheit
Y) Beer, Joseph Il., Leopold II. und Kaunitz. Pag. 239 ff.
3*
36 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
gegen uns versetzt werden könnte, Um dieses zu erwirken, müssen wir
sorgfältig die Klauen verbergen, um dann, wenn man uns auffordern
sollte, desto sicherer hauen zu können.“
Dieses und nichts anderes betrachtete Kaunitz als den ganzen End-
zweck der österreichischen Politik gegen Preussen; denn dass jemals
die Interessen der beiden Staaten auf die Dauer vereinigt und gleich-
sam in eines zusammen geschmolzen werden könnten, hielt er für einen
frommen Wunsch. „Zwar wenn wir“, fuhr Kaunitz fort, „weiter nichts
als den Ruhestand erhalten und andere Höfe, was ihnen beliebt, vor-
und unternehmen lassen wollen, so wird es keiner besonderen Schwierig-
keit unterliegen, die äusserliche Freundschaft und ein ungestörtes nach-
barliches Einverständniss zwischen den beiden Höfen lange zu pflegen.
Wenn aber nach dem leider nur allzu thätigen Beispiel besonders des
russischen und des französischen Hofes auf einige Erweiterung unserer
Grenze, auf welcher Seite es immer sei, dereinst der Antrag ge-
macht würde, so braucht es eben keinen prophetischen Geist, um über
kurz oder lang neue Collisionen zwischen uns und Preussen voraus-
zusehen.‘
Was der Staatskanzler hier bemerkte, das wird durch die Geschichte
der nächsten Jahre vollkommen bestätigt. Wenn nun aber solche
Zwistigkeiten ausbrechen, wie soll man sie heben? Kaunitz meinte,
das würde nur mit dem Degen in der Faust oder durch einen neuen
Theilungsvertrag geschehen können, und er wünschte letzteres durchaus
nicht, weil dem Berliner Hofe dadurch neue Kräfte zuwachsen und die
gegenseitige Reibung in eben dem Maasse sich verstärken würde. ,,So
bleibt für uns nichts übrig,‘ fuhr er fort, ‚als uns in solche Verfassung
zu setzen, durch welche aller preussische Widerwille gegen uns ver-
eitelt werde, was nun freilich nicht zuverlässiger vorzubereiten und in
Erfüllung zu bringen sein dürfte, als wenn es gelingen sollte, den neuen
König nach und nach von kriegerischen Gesinnungen abzuwenden und
eben dadurch die Federn der Maschine immer mehr abspannen zu
machen und sodann, wenn es nöthig sein sollte, nach Zeit und Um-
ständen mit aller möglichen Gewalt gegen sie loszubrechen.‘') Seit mehr
als 30 Jahren lechzte Kaunitz nach der Verkleinerung Preussens. Eben
deshalb hing er so fest an dem russischen Bündnis, und gerade damals,
wo er jene Verhaltungsbefehle nach Berlin schickte, war ein Schreiben
Katharinas an den Kaiser Joseph unterwegs, worin sie neuen Beistand
und neues Entgegenkommen von ihrem Freunde verlangte.
Die vor drei Jahren erfolgte Einverleibung der Halbinseln Krim und
Taman und des Kuban in das russische Reich war ein folgenschweres
Ereigniss. Katharina konnte jetzt eine Flotte im schwarzen Meere
‘) a. a. O. pag. XVII u. XV.
u en ee A ar
a u
II. Historisch - staatswissenschaftliche Abtheilung. 37
gründen und vielleicht Konstantinopel angreifen. Die Türken sahen
auch die Gefahr und bemerkten mit Insrimm, wie Russland in diesen
Gegenden weiter um sich griff; auf den Gipfel aber stieg ihr Unmuth,
als sie erfuhren, dass der Fürst Heraklius von Georgien sich unter den
Schutz der Kaiserin Katharina gestellt habe, die sich dadurch auch im
Kaukasus festsetzen wolle. Sie unterstützten daher die benachbarten
Lesghier bei den Einfällen, welche sie in Georgien machten. Katharina
verlangte nun aber die Bestrafung des Pascha, welcher dies gethan, und
als die Türken darauf nicht eingingen, schien ein Bruch nahe, denn die
Kaiserin war fest entschlossen, dem Fürsten von Georgien den ver-
sprochenen Schutz nicht zu entziehen und jeden unmittelbaren oder
mittelbaren Angriff der Pforte auf Länder, welche dem russischen Reich
unterworfen wären, mit Gewalt zurückzuschlagen.
Am 21. August machte sie dem Kaiser hiervon Mittheilung und bat
ihn zugieich, im Vereine mit Frankreich, welches seine Vermittelung
angeboten, die Türken zur Vernunft zu bringen. Ausserdem meldete
sie, dass sie im nächsten Januar nach Kiew reisen und bis in den April
dort bleiben würde. Sie wollte dann nach Cherson gehen und die Krim
besuchen. „Weiter wag’ ich“, fuhr sie mit zarter Rücksicht fort,
„meine Hoffnungen nicht zu treiben, aber ich hab’ es für meine Pflicht
gehalten, Ihnen von meinen Reiseplänen Mittheilung zu machen.“
Joseph hatte schon früher erwartet, dass er eingeladen werden
würde nach Cherson zu kommen, und damals gemeint, es würde sich
wohl ein Vorwand finden, um nicht hinzugehen. Und der Staatskanzler
war damit einverstanden gewesen. Jetzt empfand es Joseph übel, dass
Frankreich die Vermittelung übernehmen und er dieselbe durch seine
guten Dienste unterstützen sollte, und dass er am Ende des Briefes wie
in einer Nachschrift eingeladen worden wäre nach Cherson zu kommen.
Verletzt in seinem Stolze, gedachte Joseph seine kurze Antwort so
einzurichten, dass die Katharina gewordene Prinzessin von Zerbst es
merken sollte, wie er mit mehr Rücksicht wünschte behandelt zu
werden. j
Der Kaiser schrieb wirklich nur sieben bis acht Zeilen; sie zeigten
ein wenig Eifersucht darüber, dass Katharina sich an Frankreich ge-
wendet hätte, was übrigens ganz falsch war, und nicht an den Bundes-
genossen, der ihr bei der Erwerbung der Krim sehr nützlich gewesen
wäre. Jedoch auf die Vorstellungen des Fürsten Kaunitz ') verfasste
Joseph ein neues Schreiben. Er versprach darin, den russischen Ge-
sandten in Konstantinopel auf das kräftigste durch den seinigen wie
bisher unterstützen zu lassen. In Bezug auf die Reise nach Cherson
") Das Schreiben von Kaunitz findet sich auffallender Weise nicht bei Beer.
Ranke giebt es in den Werken 31/32 pag. 209 Anm.
38 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
gab er noch keine feste Zusage, er wollte kommen, wenn es die Zeit-
umstände gestatteten.
Hatte sich Kaunitz nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms II.
über den schrecklichen Pedanten Hertzberg geärgert, dessen Denkungsart
in allen Schriftstücken des Ministeriums und des Cabinettes zu spüren
wäre, ') so muss der Verkehr doch freundlicher geworden sein. Ein Be-
richt des österreichischen Gesandten in Berlin machte sogar einen so
günstigen Eindruck auf den Kaiser, dass er an eine Aussöhnung mit
Preussen dachte. Diesen Beweggrund nennt Joseph dem Staatskanzler,
ausserdem spricht er moch von einigen anderen Umständen, welche
darauf eingewirkt hätten. Leider führt er diese nicht namentlich an;
doch gehört die Gründung des Fürstenbundes ohne Zweifel hierher.
Vielleicht war ihm auch sein Verhältniss zu Russland etwas lästig ge-
worden. Genug, im Anfange des Decembers dachte er darüber nach,
welche Vortheile Oesterreich und Preussen davon haben würden, wenn
sie mit einander ein enges Bündniss schlössen. Er meinte, sie würden
weder von einer, noch mehreren vereinigten Mächten etwas zu fürchten
haben, die Schiedsrichter nicht allein über Deutschland, sondern über
Europa sein, von allen Mächten gesucht werden und nicht nöthig haben,
andere zu suchen. Der allgemeine Friede würde nur von ihnen ab-
hängen, und sie würden endlich alle Vortheile und Rücksichten, welche
sie für nützlich erachteten, sich verschaffen und anderen solche nur so
weit gestatten können, als sie wollten.
Der Kaiser hielt diese Sätze für unumstössliche Wahrheiten, die
sich mathematisch beweisen liessen. Zu dem Ende wies er noch auf
die Nachtheile hin, welche das bisherige Verhältniss beider Staaten zu
einander hervorbrächte, auf die ungeheuren Ausgaben, die ihre Eifer-
sucht jährlich nöthig machte, auf die Demüthigungen, denen sie sich
aussetzen, und auf die niedrigen Handlungen, die sie begehen müssten,
um sich bei ihren verschiedenen Verbündeten, sogar bei kleinen Fürsten,
den Rang abzulaufen, er meinte, dass sie vieles für ihre beiderseitigen
Interessen Nachtheilige nicht allein ertragen, sondern sogar noch fördern
müssten. Ja, er hegte bei längerem Zögern die Besorgniss, dass andere
Mächte, welche die Möglichkeit eines solchen Einvernehmens einsähen
und es fürchteten, Maassregeln treffen würden, damit die beiden
Herrscherhäuser der sehr grossen Vortheile, die sie davon haben könnten,
verlustig gingen. |
Joseph erklärte weiter, woher es käme, dass diese Wahrheiten bis-
her unbekannt gewesen wären. Die Fürsten, meint er, die über die
politischen Verbindungen der Staaten entscheiden, sind Menschen und
haben folglich ihre Schwächen und Vorurtheile. Joseph schliesst weiter,
!) Beer 242,
ee
III. Historisch -staatswissenschaftliche Abtheilung. 39
Maria Theresia habe niemals den Verlust von Schlesien und der König
von Preussen niemals die blutigen Kriege vergessen können, welche sie
ihm erregt, um die ihr entrissene Provinz wieder zu erobern. Joseph
thut hier Friedrich dem Grossen Unrecht, der einige Jahre nach dem
Hubertsburger Frieden, wie wir bereits gehört haben, ernstlich bemüht
gewesen war, ein freundschaftliches Einvernehmen mit Oesterreich herzu-
stellen, uud er vergisst ferner, wie er selber durch sein Verhalten in
Bezug auf Bayern und nachher durch sein Bündniss mit Katharina II.
die Kluft, welche sich schliessen wollte, von Neuem erweiterte.
Wenn Joseph meinte, dass man den Tod jener beiden Herrscher
abwarten musste, bevor man kaltblütig und ohne Vorurtheil die glück-
lichen Folgen eines österreichisch-preussischen Bündnisses sich vorstellen,
ja, nur an die Möglichkeit eines solchen glauben konnte, so geht er zu
weit, Haben doch in unseren Zeiten Wilhelm I, und Franz Joseph zu
einander sich gefunden, obwohl dieser von jenem viel schwerer ge-
schädigt worden war, als Maria Theresia von Friedrich dem Grossen.
Aber leichter ward es allerdings dem Kaiser, mit dem neuen Könige
Freundschaft zu schliessen, und er hatte Recht, wenn er glaubte, dass
von der Aussöhnung mit Preussen das Glück mehrerer Millionen Menschen
abhinge. ‚Niemals wird ein Bündniss“, schrieb er, ‚eine festere Grund-
lage noch einfachere Bedingungen haben.“ Nur müssten die Herrscher
davon ganz überzeugt sein, dass das Hauptinteresse der beiden Mon-
archien in ihrer Verbindung bestünde und dass kein noch so grosser
augenblicklicher Vortheil das Aufhören ihrer Freundschaft aufwöge.
Ferner müssten sie fest entschlossen sein, an keine Vergrösserung zum
Schaden des andern zu denken, sich den runigen Besitz ihrer gegen-
wärtigen Länder gewährleisten und die Feinde des einen auch für die
Feinde des andern halten. Ein Dauer versprechendes Bindemittel sah
Joseph darin, dass die beiden Herrscherhäuser einer Nation angehörten
und eine Sprache redeten, und dass in ihren Reichen die nämlichen
Religionen bekannt würden. Wenn sie aber ein solches Bündniss ein-
gingen, so würden sie, schloss der Kaiser, Europa in Erstaunen setzen
und sich den Segen und die Bewunderung ihrer gegenwärtigen Unter-
thanen und der künftigen Geschlechter erwerben,
Die Betrachtungen sind am 6. December 1786 niedergeschrieben
worden. Am folgenden Tage wollte Joseph den Fürsten Kaunitz be-
suchen und mit ihm darüber sprechen. Aber der Staatskanzler zog es
vor, nicht mündlich mit dem Kaiser zu streiten, sondern in einer solchen
Sache von der grössten Wichtigkeit seine Bemerkungen im Zusammen-
hange schriftlich aufzusetzen. Jedoch vorher wünschte er zu wissen, ob
der Kaiser gedächte, die alten Verbündeten zu behalten, oder ob er
sie aufgeben oder sie abfallen sehen wollte. Joseph antwortete kühn,
dass man bei einem aufrichtigen Bündnisse mit Preussen wohl jedem
40 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
anderen entsagen könnte, und bei den zu erwartenden unberechenbaren
Vortheilen schien es ihm gut zu sein, wenn man den Versuch wagte,
selbst auf die Gefahr hin, dass die gegenwärtigen Bundesgenossen dar-
über etwas ärgerlich würden. „Russland“, schrieb er, „bedarf unser
für den grossen Plan, und Frankreich hat uns bei verschiedenen Ge-
legenheiten keine solche Treue bewiesen, die grosse Rücksichten ver-
diente, wenn man Besseres haben könnte,“
Joseph hatte zuerst die Vortheile eines engen österreichisch-preussi-
schen Bündnisses aufgezählt. Der Staatskanzler machte seine Gegenbemer-
kungen und meinte dann: wenn dieselben richtig seien, so enthalte das,
was der Kaiser gesagt hatte, durchaus keine unumstösslichen Wahr-
heiten. Wir sehen, wie er mit einer auffallenden Unumwundenheit sich
ausdrückt. Und sind nun seine Sätze ganz unanfechtbar? Das kann
man keineswegs sagen. Es ist doch ausserordentlich übertrieben, wenn
Kaunitz behauptet, dass ein solches Bündniss wahrscheinlich den Ver-
lust der Niederlande, der italienischen Besitzungen und Vorderösterreichs
herbeiführen werde, ganz abgesehen von dem, was in Ungarn und Gali-
zien sich ereignen möge. Der Staatskanzler bemerkt ein anderes Mal:
zwei Grossmächte könnten nur dann einen bedeutenden Einfluss auf die
europäischen Angelegenheiten haben, wenn beide jederzeit und ganz und
gar gleich sähen, dächten und handelten; das vermöchten aber schon zwei
Menschen nicht, geschweige denn zwei Staaten; leicht könnten Meinungs-
verschiedenheiten hervortreten, denen man entweder zustimmen oder
widersprechen müsste, und das würde zu grossen Uebelständen führen.
Wenn Kaunitz recht hat und hier wirklich nur zwei Möglichkeiten vor-
handen sind, wenn man nicht in eine Erörterung eintreten und sich ver-
gleichen kann, dann freilich dürften überhaupt nur kurze Bündnisse ge-
schlossen werden. Wenn aber Oesterreich mit Russland ein solches auf
acht Jahre eingeht, warum nicht auch mit Preussen?
Der Grund, weshalb Kaunitz dringend abräth, wird später angeführt.
Er glaubt, es würden, könnten und dürften diese beiden Staaten nicht
einer des andern versichert sein; „denn es ist unmöglich“, schreibt er,
„die Schädigungen aufrichtig zu vergessen, die man zugefügt oder erlitten
hat, besonders wenn dieselben so beträchtlich sind, wie diejenigen,
welche das Haus Oesterreich von Seiten des Hauses Brandenburg er-
fahren hat und deren fast unerträgliche Last nur durch die Vernichtung
oder wenigstens eine sehr bedeutende Schwächung der preussischen
Macht abgeschüttelt werden kann, Die letztere muss das merken und
wird deshalb unmöglich jemals über die Absichten des Wiener Hofes
ganz beruhigt sein.“
Die letzten Worte sind nicht klar; aber das Dunkel kann durch
frühere Aeusserungen des Staatskanzlers aufgehellt werden. Kaunitz
bildete sich ein, dass Friedrich der Grosse wegen der Eroberung Schle-
et ee
Ai Zr er.
a u a a a
III. Historisch - staatswissenschaftliche Abtheilung. 41
siens in seinem Inneren keine Ruhe gefunden hätte. Durch diese wunder-
liche Ansicht war er 1772 zu dem albernen Vorschlage verleitet worden,
dass der König von Preussen Schlesien gern wieder abtreten möchte,
wenn er nur in Polen eine Entschädigung empfinge. Hätten denn aber
in diesem Falle nicht die Gewissensbisse bleiben und nur die Ursache
wechseln müssen? Das konnte sich Kaunitz nicht denken, und da er
trotz der bald nachher gemachten Erwerbungen in Galizien und der
Wegnahme der Bukowina sich eines gesunden Schlafes wie vorher er-
freute, hielt er jene wunderliche Ansicht noch weiter fest.
Joseph hatte von Schwächen und Vorurtheilen gesprochen, welche
den Nutzen eines österreichisch-preussischen Bündnisses nicht hätten ein-
sehen lassen. Auch hier widersprach ihm der Staatskanzler ohne Um-
schweif. ‚Es scheint, schrieb er, dass es weder Schwächen noch Vor-
urtheile bisher in der Denkungsart der Herrscher und der Minister der
beiden Mächte gegeben hat. Vielmehr haben die einen und die andern
sehr folgerichtig in Bezug auf die Umstände der beiden Staaten ge-
urtheilt, und sie können nach meiner Meinung nichts Besseres thun, als
weiter so urtheilen, bis eine der andern untergeordnet wird.‘ Dieses
Ziel erscheint dem Staatskanzler als das einzige, welches beide ver-
folgen; das werde nach seiner Ansicht für immer jede Gemeinschaft der
Interessen ausschliessen, und ein Thronwechsel könne darin nichts ändern.
Wenn endlich Joseph von dem Abschlusse des Bündnisses den Segen
und die Bewunderung der lebenden und künftigen Geschlechter erwartet,
so endet der Staatskanzler seine Bemerkungen mit dem sehr aufrichtigen
und sehr heissen Wunsche, dass die Idee des Kaisers vollständig auf-
gegeben werde als eine unnütze Maassregel, welche der österreichischen
Monarchie nur den grössten Schaden zufügen könne.
Bei solchen Ansichten und solcher Gluth des Hasses war an eine
glückliche Unterhandlung über ein Bündniss nicht zu denken. Entweder
musste Kaunitz aus dem Amte scheiden, wie das 1792 geschehen ist,
oder der Kaiser seinen Plan fallen lassen. Ohne lange Wahl entschied
sich Joseph noch an demselben Tage, wo er die Gegenbemerkungen des
Staatskanzlers empfangen hatte, dem 10. December, für das letztere.
Wie aber begründete er seinen Rückzug? Hat er seine Ansicht geändert?
Das scheint nicht der Fall zu sein. Wenn man nicht mit Sicherheit die
feste Ueberzeugung erlangte, schrieb er, dass die Vortheile auf beiden
Seiten gleich sein würden, so könnte man weder Dauer noch Frucht
erwarten, und es würde sogar gefährlich sein, einen solchen Gedanken
zuerst vorzubringen; derselbe sollte daher als eine zwar wünschens-
werthe, jedoch unter den gegenwärtigen Umständen nicht ausführbare
Chimäre betrachtet und zurückgelegt werden.') Damit wurde der Plan
") Die ganze Correspondenz befindet sich bei Ranke 51/32, 497--503.
42 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
bei Seite geworfen, und 12 Tage später, am 22. December, versprach
Joseph der Kaiserin von Russland fest, nach Cherson zu kommen, Ihr
Herz hüpfte vor Freude, als sie las, dass ihr heisser Wunsch glücklich
in Erfüllung gehen würde,
Im folgenden Jahr erschien Joseph nach der Mitte des Maimonats
in Cherson, wo er seine Wissbegierde zunächst befriedigte. Die vor
einigen Jahren neugegründete Stadt sah ihm nach etwas aus;. denn man
hatte viel gebaut. Dagegen hielt er von der Festung wenig; es war
schon herausgefunden worden, dass man die Kaiserin bei ihrer Ankunft
mit Kanonenschüssen nicht begrüssen könnte, weil die Werke sonst in
die Gräben herunterfallen würden. Drei Kriegsfahrzeuge befanden sich
hier im Bau, das Holz aber, welches man anwendete, war grün und die
Masten schlecht, und Joseph meinte, dass man die Schiffe wohl aufgeben
würde, nachdem die Kaiserin sie gesehen hätte. Wie er hörte, waren
diejenigen, welche man voriges Jahr in Sewastopol gebaut hatte, von
Würmern zerfressen worden.
Von Cherson fuhr Joseph der Kaiserin entgegen. Sie kam von
Kiew auf dem Dniepr. Die Schiffe waren schön und bequem, aber zu
gross und schwer und deshalb schlecht zu gebrauchen; denn der Strom
bildete zu viele Sandbänke. Die Winde wehten ausserdem entgegen,
und die Weiterfahrt zeigte sich fast unmöglich. Als nun die Kaiserin
auf ihrer Galere vernahm, dass Joseph ihr eilends entgegenkäme, ging
sie ans Land und that das Gleiche. Mitten im Felde trafen die Beiden
auf einander, und der Kaiser rief: „Da sind die Politiker gut angeführt,
niemand wird unsere Zusammenkunft sehen.‘‘') Katharina setzte die
Reise nun zu Lande fort und nahm den heissersehnten Herrscher in ihren
Wagen, wo sich auch der Generaladjutant befand, ein ziemlich hübscher
Mann von 26 Jahren, Namens Momonow, dessen Dienstpflichten aber
nicht auf dem militairischen Gebiete lagen. Er war der achte und vor-
letzte, welcher diese Stelle bekleidete. Der Kaiser fand ihn ohne
Bildung und Witz, aber er hat ihn doch im folgenden Jahre in den
Grafenstand erhoben.?) Wie sehr hatte er Recht gehabt, als er in der
kleinen Denkschrift vom 6. December 1786 von den Demüthigungen und
niedrigen Handlungen sprach, die er sich ersparen könnte, wenn er ein
Bündniss mit Preussen einginge!
Während der vier Tage, die man in Cherson verweilte, wurden die
drei Kriegsschiffe vom Stapel gelassen. Joseph bemerkte noch einmal
in seinem Brief an den Feldmarschall Lasey, dass sie nicht sowohl zum
Gebrauch als zum Scheine dienten. Das Tau- und Segelwerk, das ihnen
') Sbornik russkago istoriceskago obstestva XXIH, 410.
2) In den Briefen an Grimm nennt Katharina nicht seinen Namen, sondern
bezeichnet ihn immer mit den Worten l’habit rouge.
ENTER
III. Historisch - staatswissenschaftliche Abtheilung. 43
noch fehlte, musste von Kronstadt auf dem Landwege herbeigeschafft
werden. Aber was verschlug das in Russland? Für ein Feuerwerk,
welches der Kaiserin zu Ehren in Karasubasar auf der Halbinsel Krim
abgebrannt wurde, liess man Bombardiere die weite Reise von Peters-
burg hierher und dann wieder zurück machen, und zu der darauf folgen-
den Illumination hatte man Talg und Fett aus Moskau bezogen. „Alles
ist hier zu Lande möglich, schreibt der Kaiser, wo man weder die
Mühe noch die Kosten in Anschlag bringt.‘“ Und an einer andern Stelle
bemerkt er, dass man vor kurzem 2000 Rekruten zu Matrosen gemacht
hätte; sie kletterten schon den Mast hinauf. Mancher freilich brach
Arme und Beine, wie Joseph selbst gesehen. Aber das schadete nichts,
sie wurden durch andere bald ersetzt. In Sewastopol gab es an Bord
und im Hospital der Flotte viele Kranke. Sie befanden sich in einem
schrecklichen Zustande; denn niemand pflegte sie, und sie lagen auf-
einander wie die Hunde, Das ist die Herrlichkeit des unumschränkten
Czarenthums in dem heiligen Russland! ,‚‚Menschenleben, bemerkt an
einer anderen Stelle der Kaiser, kommt hier wenig in Betracht.‘“')
Politische Gespräche waren anfänglich nicht geführt worden, weil
Katharina und Joseph niemals allein waren, Erst in Cherson konnten
sie einander abgerissene Sätze zuwerfen, als bei einem Festmahl
120 Musiker geräuschvoll spielten. Das Ergebniss meldete der Kaiser
dem Staatskanzler mit folgenden Worten: „Die Kaiserin brennt vor Be-
gierde, mit den Türken wieder anzufangen, sie hört auf keine Vorstellung
über dieses Kapitel, denn ihre Eitelkeit und ihr Glück verblenden sie
dermaassen, dass sie glaubt, sie werde ganz allein im Stande sein, was
sie will, auszuführen ohne meine Mitwirkung, und dadurch bildet sie sich
ein, alle die Schwierigkeiten wegzuschaffen, die ich ihr in Bezug auf
den König von Preussen und auf Frankreich angezeigt habe.‘‘?)
Noch stolzer wurde Katharina in Sewastopol, wohin sie am 2. Juni
kamen, Sechszehn Linienschiffe und Fregatten lagen dort vor Anker.?)
Als die Kaiserin und ihr hoher Gast an ihnen vorbeifuhren, standen die
Matrosen in solcher Zahl auf den Raen, dass sie für den Dienst der
Fahrzeuge wohl genügen konnten. „Das Schauspiel war so schön als
möglich,“ bemerkte der Kaiser. Den Hafen nennt er den besten, den
er in seinem Leben gesehen; 150 Schiffe konnten dort sehr bequem
liegen, geschützt gegen alle Gefahren sowohl des Meeres als des Feindes,
!) Arneth, Joseph II. und Catharina II. p. 367, 364, 365, 373.
2) Ebendas. 292 Anmk.
®) Das meldete der Kaiser am 3. Juni dem Fürsten Kaunitz, dagegen an
Lascy schreibt er an demselben Tage: sie seien am 3. in Sewastopol angekommen
und im Hafen seien einige 20 Linienschiffe und Fregatten gewesen. Ich ziehe
jene Angabe vor, zumal da die Ankunft wirklich schon am 2. erfolgte, wie
Katharina an Grimm am 3. schreibt. Sbornik XXI, 412,
44 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
welcher sich in die von drei Batterien vertheidigte Bucht nicht hinein-
wagen dürfte. Man hatte bereits mehrere Häuser, Kasernen und Magazine
gebaut. „Wenn man in den nächsten drei Jahren so fortfährt, meinte
Joseph, so wird der Platz sicherlich sehr blühend werden,“
Katharina war nach dem Berichte des Kaisers ausser sich vor Ent-
zücken über das, was sie sah, und über die neue Machtstufe, welche
dadurch das russische Reich betrat. Wir besitzen aber auch einige
Zeilen, die sie in Sewastopol am 3. Juni an den Herrn von Grimm ge-
richtet hat. Sie schreibt: „Hier gleicht alles so sehr den Wundern von
1001 Nacht, dass man nicht weiss, ob man wacht oder träumt. Da,
wo vor drei Jahren nichts vorhanden war, hab’ ich eine ziemlich hübsche
Stadt und eine kleine gewandte und kecke Flotte gefunden. Der Hafen
und der Ankerplatz sind von Natur gut, und man muss dem Fürsten
Potemkin die Gerechtigkeit widerfahren lassen, dass er hierbei in allem
die grösste Thätigkeit und Einsicht gezeigt hat.‘“') Die Kaiserin drückt
sich sehr gemässigt aus, aber man erkennt doch aus ihren Worten,
welche Befriedigung ihr der Anblick von Sewastopol verschaffte. Den
französischen Gesandten verstimmte dagegen, was er sah, ungemein.
Joseph aber bedachte, dass die Fahrt von hier bis nach Konstantinopel
in 48 und manchmal sogar in 36 Stunden vollbracht würde. „Was für
unangenehme Betrachtungen, schrieb er, muss das meinem Kameraden,
dem Grossherrn, verursachen, der niemals sicher ist, dass ihm aller-
nächstens diese Kerle mit Kanonenkugeln ohne das geringste Hinderniss
die Fenster einschiessen,“
Aber noch eine ganz andere Empfindung überkam den Kaiser:
„Wenn ich der Stadt Berlin eben so nahe sein könnte, dachte er, und
wenn die Preussen eben so grosse Tölpel wären, wie die Türken, so
bekenne ich, dass ich dem Gelüste nicht widerstehen würde, mich solcher
Nachbarn zu entledigen.‘“?)
Damals lag kein Grund zum Hasse gegen Preussen vor, sondern
dieser ruhte dem Kaiser im Innersten seines Herzens, und nur manch-
mal kam er zum Vorschein. Aber man sieht, es mussten nicht allein
Maria Theresia und Friedrich, sondern auch Joseph zu den Todten ge-
hören, wenn ein Bündniss zwischen Oesterreich und Preussen zu Stande
kommen sollte.
!) Sbornik XXIH, 412.
2) Ebendas. 363. 364.
BP 7
Schlesische Gesellschait für vaterländische Gultur.
N
69.
Jahresbericht. Nekrologe.
1891.
@,: EEG EEBRRRUTNEN. SEIN VEMRIRSSSNET LAPRIVNRENEN BEE. SD).
Nekrologe auf die im Jahre 1891 verstorbenen Mitglieder
der Schlesischen Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Gustav Arent, Oberst a. D. hier, stammte aus einer alten Offi-
ziersfamilie, die durch Aufhebung des Ediets von Nantes aus ihrer Hei-
math Südfrankreich geflohen, endlich in Preussen Aufnahme gefunden
hatte und seit 1742 der preussischen Armee angehörte. Er war als
Sohn des Rittmeisters Friedrich Arent, Escadronschef im 2. Leibhusaren-
Regiment, am 21. Mai 1819 zu Guhrau in Schlesien geboren. Nach
dem Tode des Vaters 1827 zog die Mutter nach Königsberg in Ost-
preussen, wo der Sohn das Altstädtische Gymnasium besuchte. Später
kam er in das Cadettencorps nach Culm und nach Berlin; letzteres ver-
liess er am 8. August 1836, um, erst 17 Jahr alt, nach einem vorzüglich
bestandenen Offiziersexamen als Second-Lieutenant in das Regiment seines
verstorbenen Vaters, das in Herrnstadt, Guhrau, Winzig und Wohlau in
Garnison stand, einzutreten. Er gehörte diesem Regimente durch 24 Jahre
an, war von 1841 zu 42 zur Lehr-Escadron in Berlin commandirt, machte
1848 die Bekämpfung der Insurrection in Posen mit, war während der
Mobilmachung 1850 als Adjutant der mobilen 9. Infanterie-Division zu-
getheilt, wurde 1853 zum Rittmeister und 1856 zum Escadronschef er-
nannt und erhielt dieselbe 1. Escadron, die vor 40 Jahren sein Vater
schon commandirt hatte. Im Jahre 1852 vertauschte das Regiment seine
alten schlesischen Garnisonen mit Posen und Poln.-Lissa. Die 1. Esca-
dron stand in Posen und von hier wurde Arent 1860 bei der Vermehrung
der Armee an das 2. Schlesische Dragoner- Regiment Nr. 8 abgegeben
und kam nach Kreuzburg OS. in Garnison. Im Jahre 1863 befand er
sich 5 Monate mit seiner Escadron zur Grenzbesetzung während des
polnischen Aufstandes im Kreise Lublinitz. Seine stete Pflichttreue wie
die Anstrengungen dieses harten Grenzdienstes im Winter hatten seine
Gesundheit so erschüttert, dass er sich den Anstrengungen des Cavalle-
rie-Dienstes nicht mehr gewachsen fühlte, und so wurde er im Sommer
18653 zum Major und Commandeur des Schlesischen Train - Bataillons
Nr. 6 in Breslau ernannt. Als solcher machte er die Feldzüge 1866
3 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
und 1870/71 mit, wurde 1867 zum Oberstlieutenant befördert und erhielt
1870 den Charakter als Oberst. 1874 nahm er seinen Abschied aus
dem activen Dienste und lebte seitdem in Breslau, wo er am 11. Fe-
bruar 1891 an Herzlähmung starb, nachdem ihm seine Frau Mathilde,
geb. von Briesen, im Tode vorangegangen war. Unserer Gesellschaft
hat der Verstorbene seit 1866 angehört. Sein Interesse erstreckte sich
nicht nur auf seinen militairischen Beruf, sondern auf alle Wissenschaften.
Gründliche geschichtliche und culturgeschichtliche Studien hatten sein
politisches Verständniss frühzeitig gereift und sein Interesse für die po-
litische und sociale Entwickelung seines Vaterlandes in Anspruch ge-
nommen. Schon als junger Offizier hatte er stets das geträumt, was
Deutschland endlich 1871 erreichte, und da er dies bei seiner glühenden
Vaterlandsliebe und seinem lebhaften Temperamente wohl manchmal zum
Ausdruck brachte, so wurde ihm dies bei den militairischen Anschauun-
gen in den 40er und 50er Jahren nicht zum Vortheil angerechnet und
das durch seine geistigen Fähigkeiten und seine ausserordentliche Pflicht-
treue wohlverdiente bessere Avancement ihm stets vorenthalten. Wenn
Bitterkeit darüber ihn wohl manchmal befiel, so fand er doch stets
Trost in dem Bewusstsein treuester Pflichterfüllung und in den Beweisen
der grossen Verehrung und Anhänglichkeit aller seiner Untergebenen,
die nicht nur seine strenge Gerechtigkeit, die jede Servilität verabscheute,
hoch achteten, sondern auch seine, sich bei jeder Gelegenheit zeigende,
grosse persönliche Liebenswürdigkeit und Bescheidenheit verehrten. Ein
streng protestantischer Sinn, in welchem seine hugenottische Abkunft
sich nicht verleugnete, bildete die Basis einer wahren Frömmigkeit und
Religiosität, die er nicht in äusseren Formeln, sondern im Herzen und
in der Bethätigung einer wahrhaft menschenfreundlichen Gesinnung und
in den Werken der Nächstenliebe suchte.
Carl Beblo, Stadtrath und Fabrikbesitzer hier, wurde am 24. Octo-
ber 1832 als Sohn des Cantors und Lehrers Daniel Beblo zu Oppeln
geboren. Er besuchte das dortige Gymnasium bis zur Prima und trat
dann bei einem Kaufmann in Brieg in die Lehre, wo ihn eine harte
Lehrzeit schon früh für schwere Pflichten stählte. Nach einigen Stellungen
als kaufmännischer Reisender trat er im Jahre 1856 als Buchhalter in
die Breslauer Filiale der Firma C. Heckmann aus Berlin ein, wo er auch
noch einige Jahre thätig blieb, als er schon als Assoei€ in die der Firma
Fuchs & Comp. gehörige Melasse-Spiritus-Fabrik eingetreten war. Nach-
dem er sich in verschiedenen öffentlichen Ehrenämtern bewährt hatte,
wurde er im Jahre 1875 in die Stadtverordneten-Versammlung gewählt,
der er bis zum Jahre 1881 angehörte, als ihn das Vertrauen seiner
Mitbürger zum Stadtrath erwählte, in ein Amt, das er bis zu seinem
Tode in ehrenvollster und erspriesslichster Weise ausgefüllt hat. Von
Nekrologe. B
der reichen und vielseitigen Thätigkeit, welche Beblo in uneigennützig-
ster Weise mit vollster Hingabe an sein Amt ausgeübt, legt der Umfang
der Decernate Zeugniss ab; er war Decernent des Hospitals zu St. Tri-
nitas, des Knabenhospitals in der Neustadt, des Kinderhospitals zum
heiligen Grabe, des Kinder-Erziehungs-Instituts zur Ehrenpforte und Mit-
glied der Schul-Deputation, für deren Angelegenheit er stets ein beson-
deres Interesse bekundete; auch war er Mitglied des Stadtbank- Cura-
toriums, der Sophie Werner’schen Stiftung, und in früheren Jahren eins
der fleissigsten Mitglieder der Canalisations-Commission. Endlich war
er auch im Gemeindekirchenrath von St. Salvator im Interesse seiner
Mitbürger thätig. In all diesen verschiedenen Aemtern befähigten ihn
seine Gewissenhaftigkeit, seine genaue Vertrautheit mit den Verhältnissen
unserer Stadt, sein reiches Wissen und sein Eifer, die ihm übertragenen
Aufgaben mit peinlichster Treue zu erfüllen, zu hervorragenden Lei-
stungen. Ueberall setzte er seine volle Kraft zum Wohle Anderer ein.
Sein schlichtes, selbstloses Wesen liess ihn die Mühen und Anstrengun-
gen, welche ihm seine verantwortungsreichen Aemter aufbürdeten, ver-
gessen, und mit seiner ganzen Seele förderte er überall das Gute. Mit
der ganzen Wärme und Tiefe seines reichen Gemüthes widmete er sich
den Waisenkindern. Ihm selbst war das Glück, das sich an den Besitz
einer Familie knüpft, versagt; um so herzlicher erfreute er sich an dem
Wohlergehen derer, denen in den öffentlichen Waisenanstalten Vater
und Mutter ersetzt werden müssen. Wie ein Vater hing er an den
Waisenkindern, und diese hinwiederum hingen an ihrem Wohlthäter mit
wahrhaft kindlicher Liebe. Immer war er bemüht, den Kindern eine
Freude zu bereiten. Seinem persönlichen Eifer war es seit mehreren
Jahren gelungen, die Sommerfahrten der Zöglinge des Knabenhospitals
in der Neustadt in das Riesengebirge zur Ausführung zu bringen. Wer
den Dahingeschiedenen oben im Gebirge getroffen, wie er mit seinen
jungen Freunden über Berg und Thal wanderte, das Herz erfüllt von
dem Hochgefühl darüber, dass er den armen Waisenkindern in einer für
sie unvergesslichen Weise die ewigen Schönheiten der Berge erschliessen
durfte, der weiss, was ihm die Waisen und er ihnen war. Das Cha-
rakterbild dieses edlen Menschenfreundes wird vervollständigt durch die
Lauterkeit, Festigkeit und Ueberzeugungstreue, die er im politischen
Leben allzeit bekundet hat. Beblo gehörte mit unerschütterlicher Treue
der freisinnigen Partei an, als deren Vertreter er auch einmal für den
Reichstag candidirte. Es war einer der besten Bürger unserer Stadt,
der am 15. October 1891 viel zu früh seiner segensreichen Thätigkeit
entrissen wurde. Er hatte sich schon lange unwohl gefühlt, aber in
seinem Pflichteifer nicht nachgegeben, bis eine heftige Lungenentzündung,
die Folge der Influenza, ihn in wenigen Tagen dahinraffte. Unserer
Gesellschaft hat der Verstorbene seit 1373 als wirkliches Mitglied angehört,
4 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Friedrich Carstädt, Dr. phil., Reetor der evangelischen höheren
Bürgerschule Nr. I hierselbst, wurde am 22. December 1840 als Sohn
des Rendanten am Königl. Landesgestüt zu Leubus geboren. Den ersten
Unterricht erhielt er auf der Volksschule zu Leubus, dann besuchte er
von 1852 —57 das Gymnasium zu Glatz und von da bis Ostern 1861
das Gymnasium zu Liegnitz. Mit dem Maturitätszeugnisse versehen,
bezog er die Universität Breslau und studirte hier Mathematik und
Naturwissenschaften. Schon während der Studienzeit war er 1’), Jahre
Assistent am physikalischen Cabinet der Universität. Am 3. März 1866
wurde er auf Grund seiner Dissertation ‚‚De calore et frigore, quae in
loco contactus duorum metallorum heterogenium fluminis galvaniei ac-
tione oriuntur‘“ zum Dr. phil. promovirt- und im October desselben Jahres
bestand er das Examen pro facultate docendi. Schon vorher hatte er
an der höheren Handels-Lehranstalt des Dr. Steinhaus hierselbst seine
Lehrthätigkeit begonnen. Im Januar 1866 übernahm er eine Vertretung
an der hiesigen höheren Töchterschule am Ritterplatz, wo er am
1. Juli 1867 als 2. wissenschaftlicher Lehrer definitiv angestellt wurde.
Zu Ostern 1871 wurde er als Lehrer an die damalige Mittelschule I
berufen, aus der sich bald die evangelische höhere Bürgerschule I ent-
wickelte, als deren Rector, nach Dr. Bach’s Weggange nach Berlin,
Carstädt am 1. April 1875 vom hiesigen Magistrate gewählt wurde. In
dieser Stellung hat er bis zu seinem plötzlichen Tode (Gehirnschlag) in
der Nacht vom 19. zum 20. Juni 1891 höchst segensreich gewirkt.
Carstädt war pflichttreu und unverdrossen, begeistert für die Aufgaben
der Schule, mild in seinem Wesen, bedacht auf das Wohl seiner Colle-
gen, auf den Ruhm der Schule und die Förderung seiner Schüler. Er
war eifrig im Unterstützen aller Bestrebungen, die Bildung des Volkes
zu heben; er war Verfasser einer grossen Anzahl von Jugendschriften
und durch viele Jahre Vorsitzender des Schlesischen Provinzialverbandes
der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung, Ebenso war er ein
thätiges Mitglied in der Vertretung der Elisabethgemeinde, in der Luther-
stiftung, im Verein zur Förderung des Arbeitsunterrichtes und anderer
gemeinnütziger Bestrebungen. Unserer Gesellschaft hat der Verstorbene
seit 1870 angehört.
Ferdinand Elbrandt, Major a. D., Verwaltungsbeamter der
Königl. Ritter- Akademie zu Liegnitz, wurde am 6. Januar 1815 zu
Angermünde als Sohn eines Volksschullehrers geboren. Er besuchte
das Gymnasium zu Prenzlau und trat 1835 nach bestandenem Maturitäts-
Examen bei der Militair-Intendantur in Frankfurt a. O. ein. Von hier
wurde er später nach Breslau versetzt, doch schied er 1847 aus diesen
Verhältnissen, um in den Verwaltungsdienst der Ritter-Akademie zu
Liegnitz überzugehen, in welchem er bis zu seiner 1887 erfolgten Pen-
Nekrologe. 3
sionirung verblieb. Seine Stellung hier war die eines Regierungsrathes,
ohne dass er einen besonderen Titel führte. Im Jahre 1866 wurde er
mit dem 7. Landwehr-Regimente, dem er als Hauptmann angehörte, mo-
bilisirt, gelangte aber in Folge des Friedensschlusses nicht mehr in
Feindesland.. Um so hervorragender waren seine Leistungen während
der Kriegsjahre 1866 und 1870/71 als Lazareth-Vorstand in Liegnitz.
In Anerkennung seiner vielfachen Verdienste erhielt er 1860 den Kronen-
Orden IV, Klasse, 1867 den Rothen-Adler-Orden IV. Klasse und bei
seiner Pensionirung, nachdem er noch sein 50jähriges Dienst- Jubiläum
im Amt gefeiert hatte, den Rothen-Adler-Orden III. Klasse mit der
Schleife. Ende 1871 wurde er mit dem Range eines Majors auf sein
Ansuchen aus den Militair-Verhältnissen verabschiedet. Er war 17 Jahre
hindurch Stadtverordneter in Liegnitz, Jahrzehnte lang auch Schriftführer
des dortigen Vaterländischen Frauenvereins und bis an sein Lebensende
Vorstandsmitglied der Liegnitzer Taubstummen-Anstalt. Allen diesen
Nebenämtern widmete er sich trotz seiner reichlichen Arbeit im Haupt-
amt mit aufopfernder und uneigennützigster Hingabe. — Seinem Cha-
rakter und seiner Dienstthätigkeit nach wurde er von seinen Vorgesetz-
ten aufs Höchste geschätzt, stand auch sonst bei Allen, die ihn kannten,
in vollstem Maasse in Achtung und Ansehen, was sich besonders beim
Begehen seines 50 jähr. Dienstjubiläums äusserte, das er, ein Feind alles
äusseren Gepränges, im Riesengebirge feierte, nur umgeben von seinen
allernächsten Freunden. Rathgeber und Vertrauter seiner Freunde, war
er auch ein uneigennütziger Helfer der Armen und Bedrängten, aber
stets im Stillen. Es gab keinen wohlthätigen Verein in Liegnitz, dem er
nicht mindestens als zahlendes Mitglied angehört hätte. Litterarisch war
er wegen der Fülle seiner Amts- und Neben-Arbeit nicht thätig; doch
war er ein grosser Freund und Förderer der Botanik, und er hat die
Flora von Liegnitz durch manchen seltenen Fund bereichert, wie dies
in Gerhardt’s Flora von Liegnitz besonders hervorgehoben ist. Elbrandt
blieb unvermählt und starb am 5. Februar 1891 zu Liegnitz. Unserer
Gesellschaft hat er seit 1886 als auswärtiges Mitglied angehört.
Carl Julius Engelbrecht, Landgerichtsrath a. D., war geboren
am 29. Juli 1818 zu Altendorf bei Ratibor als Sohn des Senators und
Vorwerkbesitzers Johannes Engelbrecht und dessen Ehefrau Franziska,
geb. Schipko. Er wurde in der katholischen Religion getauft und er-
zogen. Seine Ausbildung genoss er auf dem Gymnasium in Ratibor und
bezog dann die Universität in Breslau, woselbst er Jura studirte. Wäh-
rend seiner Studienzeit trat er zu Breslau als Einj.-Freiwilliger beim
Schützen-Bataillon ein, wurde aber nach halbjähriger Dienstzeit wegen
einer auf der Mensur erhaltenen gefährlichen Kopfwunde als Landwehr-
Unteroffizier entlassen. Am 2, September 1841 wurde er als Ober-
727 A
3/
6 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Landes-Gerichts- Auscultator in Ratibor angestellt, am 24, April 1844
zum Referendar ernannt und am 1. October 1846 Justitiarius in Ujest.
Am 1. April 1847 wurde er Fürstlich Hohenlohe’scher Justiz - Assessor.
Am 15. Juni 1848 erfolgte seine Ernennung zum Ober-Gerichts-Assessor
und am 1. April 1849 zum Kreisrichter in Gross-Strehlitz 08. Am
2. Juli 1859 wurde er zum Kreisgerichtsrath in Tost ernannt und 1863
als Abtheilungs-Dirigent nach Lublinitz versetzt. Am 30. März 1866
wurde er in der gleichen Eigenschaft nach Neisse versetzt, woselbst er
am 12, October 1879 Landgerichtsrath wurde. Im Herbst 1887 erbat
er wegen zunehmender Kränklichkeit seinen Abschied, der ihm auch
unterm 26. December 1887 gewährt wurde. Am 3. März 1883 erhielt
er den Rothen-Ädler-Orden IV. Klasse. Im Jahre 1848 verheirathete
sich der damalige Ober-Gerichts-Assessor mit Fräulein Rudolfine Wiebmer,
Tochter des Fürstlich Hohenlohe’schen Amtsraths Wiebmer und seiner
Ehefrau Christine, geb. Chorus, zu Lampersdorf OS. Im Jahre 1863
wurde er vom Kreise Lublinitz ins Abgeordnetenhaus gewählt, woselbst
er als Hospitant der conservativen Fraction beitrat. Er war Freimaurer
und lange Jahre hindurch Meister vom Stuhl. Am 29. April 1891 ver-
starb er zu Neisse. Er ruht auf dem dortigen Garnison - Kirchhofe.
Ausser seiner ihn überlebenden Gattin hinterliess er zwei Söhne, welche
beide Offiziere sind. Engelbrecht zeigte schon in seiner äusseren Er-
scheinung die Merkmale einer vornehmen geistigen Veranlagung. Der
Zug liebenswürdiger Ironie, welcher selten aus seinem fein geschnittenen,
bis ins Alter hinein blühenden Antlitz wich, verurtheilte jede Engherzig-
keit der Anschauung, jedes Pharisäerthum, mochte es heissen, wie es
wollte. Eine staunenswerthe Kenntniss der Litteratur, ein schlagfertiger
Humor und eine angeborene Rednergabe, verbunden mit einem feurigen
Naturell, verliehen seiner Unterhaltung ein eigenthümlich funkelndes
Colorit, unter welchem sich ein weiches, tieffühlendes Herz barg. Unserer
Gesellschaft hat der Verstorbene seit 1888 als auswärtiges Mitglied an-
gehört.
Reinhold Fiegler, technischer Lehrer am Gymnasium zu Kattowitz,
wurde 1829 zu Bunzlau geboren. Seine Schulbildung erhielt er am Gym-
nasium zu Ratibor, dann trat er in das katholische Lehrer-Seminar zu Ober-
Glogau ein, das er im September 1849 verliess. Im Jahre 1851 wurde er an
die Elementarschule zu Ratibor berufen und später an der dortigen
Mittelschule angestellt. Seit Michaelis 1871 war er technischer Lehrer
am städtischen Gymnasium zu Kattowitz und unterrichtete in seinen
Fächern hier mit hervorragendem Erfolge. Für die Naturwissenschaften
besass er grosses Interesse. Im steten Verkehr mit der Natur, beson-
ders in der Pflege der Botanik und in der Erforschung der oberschlesi-
schen Flora bewahrte er sich trotz der Sorgen, die ihm das Leben
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Nekrologe. 7
brachte, die Heiterkeit des Gemüthes. Er war ein treuer Freund der
Jugend, ein einsichtiger Lehrer, erfolgreich im Unterricht, mild im Ur-
theile über die Schüler. Ein Herzleiden, das sich schon seit einigen
Jahren bei ihm bemerklich gemacht hatte und das ihn bisweilen in
seiner Thätigkeit behinderte, nöthigte ihn am 12. Mai den Unterricht
auszusetzen und schon am 14. Mai 1891 erfolgte der Tod. Unserer
Gesellschaft hat der Verstorbene seit 1889 als auswärtiges Mitglied an-
gehört.
Friedrich Hermann Ferdinand Friedensburg, Oberbürger-
meister von Breslau, wurde am 27. October 1824 zu Beeskow geboren,
1823 kam er bereits nach Breslau, wohin sein Vater, der die Freiheits-
kriege als Offizier mitgemacht hatte, als Steuerinspecetor versetzt wurde.
Von 1831 bis 1843 besuchte er das Elisabeth-Gymnasium, studirte hier
von 1843 bis 1846, arbeitete hier als Auskultator und Referendar und
genügte hier auch seiner Militairpflicht, wonächst er die Qualification
als Offizier erlangte. Im Jahre 1851 machte er das Staatsexamen, 1852
ward er Kreisrichter in Freystadt und verheirathete sich mit Clara Franz,
der Tochter des Breslauer Bürgers und Riemermeisters Georg Friedrich
Franz. Später kam er nach Liegnitz, 1861 als Stadtgerichtsrath nach Breslau,
in welcher Stellung er bis 1865 verblieb. In diesem Jahre ging Friedensburg
mit dem Titel Justizrath zur Rechtsanwaltschaft über und wurde einer der
gesuchtesten und beschäftigsten Anwälte unserer Stadt. Als Forckenbeck
1879 vom Breslauer Oberbürgermeisterposten zurücktrat, um an die Spitze
der Berliner Communal-Verwaltung zu treten, wurde Friedensburg durch
das Vertrauen seiner Mitbürger an den erledigten Platz berufen. 1890
erhielt er den Titel Geheimer Regierungsrath, nachdem er schon früher
den Rothen-Adler-Orden III. Klasse mit der Schleife erhalten hatte. Er
legte sein Amt wegen Krankheit Ende 1890 nieder, wurde Ehrenbürger
von Breslau, ging nach dem fernen Süden, um dort Genesung und Hei-
lung zu suchen, und starb in San Remo am 5. März 1891. Da die Amts-
periode Friedenburgs erst mit dem 10. März zu Ende ging, so war er
der erste im Dienste dahingeschiedene Oberbürgermeister von Breslau;
daher gestalteten sich die Einholung der Leiche vom Bahnhofe, ihre
Ueberführung nach dem Rathhause und die am 12. März stattfindende
Beerdigung auf dem neuen Kirchhofe der Elisabethgemeinde in Gräb-
schen zu den grossartigsten Trauerfeierlichkeiten. — Breslau hat diesem
Manne viel zu danken. Mit weiser Sparsamkeit hat er in Zeiten, die
finanziell keine glänzenden zu nennen waren, für die Wohlfahrt und das
Gedeihen der Stadt in umfassendster Weise gesorgt. Unter seiner Ver-
waltung ist die Patronatsablösung erfolgt, die erst nach Ueberwindung
beträchtlicher Schwierigkeiten ins Werk gesetzt werden konnte. Andere
grosse Projekte hat er soweit gefördert, dass sie ihrer baldigen Voll-
4%
8 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
endung entgegengehen: so die Einführung der elektrischen Strassen-
beleuchtung, die Anlage der elektrischen Strassenbahn, der geplante
Südpark und das neue Schulhaus auf dem Kanonenhofe. In der Frage
der Oderregulirung hat er mit Festigkeit und Energie die Interessen der
Stadt wahrgenommen. Für die Verschönerung der Stadt, für die Hebung
ihrer Gesundheitsverhältnisse ist unter seiner Leitung sehr Erhebliches
und Dankenswerthes geschaffen worden. Die Renovation des altehr-
würdigen Rathhauses gelang aufs Glänzendste; die städtischen Prome-
naden wurden durch Zuschüttung der Ohlemündung und Einverleibung
des Knorr’schen Gartens beträchtlich erweitert und der Scheitnig’er Park
erhielt eine bedeutende Ausdehnung durch den Göpperthain. Nicht
weniger als vier neue feste Brücken wurden dem Verkehr übergeben:
die Mauritiusbrücke, die Dombrücke, die Gneisenaubrücke und die
Fürstenbrücke. Durch die Aufführung des neuen Sparkassen - Gebäudes
wurden schwer empfundene Uebelstände abgestellt. Eine stattliche An-
zahl von Schulbauten und die Anlage des botanischen Schulgartens sind
beredte Zeugnisse um die Entwickelung unseres Schulwesens. Als be-
sonders segensreich wirkt die Errichtung der Irrenanstalt in der Göppert-
strasse. Eine schwierige Angelegenheit fand einen gedeihlichen Abschluss
durch den Erlass des Communalsteuer-Regulativs. Auch für die schlesi-
sche Gewerbeausstellung im Jahre 1881 gebührt ihm der Dank Breslaus.
Endlich sei noch des Verdienstes gedacht, das sich Friedensburg, be-
sonders als Mitglied des Herrenhauses, bezüglich der projektirten Aen-
derungen der Breslau’er Umgehungsbahn erworben hat. — Friedensburg
war lange Jahre hindurch der Führer der Fortschrittspartei in Breslau
und Vorsitzender des fortschrittlichen Weahlvereins; auch nach seiner
Ernennung zum Oberbürgermeister hat er treu an seinen freisinnigen
Ueberzeugungen festgehalten. Friedensburg gehörte nicht zu den Män-
nern, deren Vorzüge man auf den ersten Blick gewahr wird. Sein
reiches inneres Leben erschloss sich erst Demjenigen, der mit Vertrauen
sich ihm näherte. Er war ein Mann in des Wortes edelster Bedeutung,
unbeugsam in seiner Gerechtigkeitsliebe, jeder Sache auf den Grund
gehend, niemals von persönlichen Rücksichten geleitet, immer nur das
Wohl der Gesammtheit ins Auge fassend. Allgemein bewundert wur-
den die Fülle seiner juristischen Kenntnisse, die Klarheit seines Urtheils
und die Fähigkeit, sich in den schwierigsten Verhältnissen leicht zurecht-
zufinden. So klar und unzweideutig wie seine Schreibweise war auch
die Art seiner Rede, Ein Meister des Worts, hat er die Phrase stets
verschmäht. Litterarisch ist er nur insoweit thätig gewesen, als er
einen Leitfaden des älteren Subhastationsverfahrens veröffentlicht hat.
Doch ist hervorzuheben, dass er für das gesammte Geistesleben seiner
schlesischen Heimath und deren geschichtliche Vergangenheit das regste
Interesse besass und dasselbe durch Mitgliedschaft bei den in Betracht
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Nekrologe. 9
kommenden Vereinen stets rege bethätigt hat. Unserer Gesellschaft hat
er seit 1880 als wirkliches Mitglied angehört,
Friedrich Holtze, Dr. med. und Kgl. Sanitätsrath in Kattowitz,
wurde am 9. Februar 1824 zu Belk, Kreis Rybnik, als Sohn des Wirth-
schafts-Inspeetors Friedrich Holtze geboren, besuchte das Gymnasium zu
Ratibor und die Universität Breslau, woselbst er im Jahre 1850 nach
bestandenem medieinischen Staatsexamen als Dr. med. promovirte. Am
2. November 1850 liess er sich als praktischer Arzt und Geburtshelfer
in dem damaligen Dorfe Kattowitz nieder. Mit richtigem Blicke er-
kannte er, dass dem damals so unbedeutenden Gemeinwesen durch die
aufblühende v. Thiele-Winkler’sche Industrie eine mächtige Entwickelung
bevorstand, und er entwickelte hier neben seiner ärztlichen Praxis eine
ungemein energische Thätigkeit als Pionier des Deutschthums in der
damals noch ganz polnischen, vom Verkehr abgeschiedenen Gegend.
Holtze’s Thätigkeit und nie rastende Schaffenslust bewirkte es, dass die
Dorfgemeinde Kattowitz im Jahre 1866 zur Stadt erhoben wurde, und
wenn Kattowitz heut anerkanntermaassen als die schönste und ansehn-
lichste unter den Städten des oberschlesischen Industriebezirks genannt
wird, so ist dies in allererster Linie Holtze’s Werk. Fast fünfund-
zwanzig Jahre hindurch hat er seit Begründung der Stadt als Stadtver-
ordneten-Vorsteher seine beste Kraft dem Gemeinwesen gewidmet. Seiner
Initiative waren die Gründung von Wohlfahrtseinrichtungen, von das
Deutschthum fördernden, deutscher Cultur und Sitte den Weg bahnenden
Vereinigungen, wie des Vorschuss-Vereins, des Sterbekassen-Vereins, des
Musikvereins und des Männer-Turnvereins ete. zu verdanken, an deren
Spitze er zumeist bis an sein Lebensende gestanden hat. Auch der hier
begründeten Loge „Zum Licht im Osten‘ gehörte der Verstorbene bis
zu seinem Tode als Meister vom Stuhle an. Auf allen Gebieten der
Communal-Verwaltung, des evangelischen Gemeindewesens und des Ver-
einslebens entwickelte er eine geradezu Staunen erregende Thätigkeit,
Dabei nahm seine Berufsthätigkeit den grössten Theil seiner Zeit in
Anspruch; er wirkte als gesuchter Arzt, der mit fast nie trügendem
Blicke die Krankheit und deren Ursache erkannte, von früh bis spät
zum Wohle seiner leidenden Mitbürger. Und trotz alledem gewann er
noch Musse, um auch ausserhalb der engen Grenzen seines oberschlesi-
schen Berufsfeldes für die Förderung des Gemeinwohles zu arbeiten. In
den Jahren 1874—1880 vertrat Holtze den Wahlkreis Beuthen O8, als
Abgeordneter im preussischen Landtage, wo er als Mitglied der national-
liberalen Partei namentlich in verschiedenen Commissionen eine frucht-
bringende Thätigkeit entfaltete; viele Jahre hindurch wirkte er als Mit-
glied des Schlesischen Provinzial-Landtages für das Wohl der Heimaths-
provinz. Daneben war er vielfach als Schriftsteller thätig. Eine Anzahl
10 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
werthvoller statistischer Arbeiten, insbesondere über die Lebens- und
Gesundheitsverhältnisse der oberschlesischen Arbeiter, geben Zeugniss
von seinem unermüdlichen Fleisse. Auch war er Mitarbeiter der „Katto-
witzer Zeitung‘, der ,Schlesischen Zeitung“ ete. Seine grossen Ver-
dienste hat der Staat wiederholt anerkannt. Im Jahre 1871 wurde ihm
der Kronen-Orden IV. Klasse mit dem Genfer Kreuz, im Jahre 1872
der Charakter als Sanitätsrath, im Jahre 1890 der Kronen-Orden
III. Klasse verliehen. Er starb plötzlich in der Nacht vom 26. zum
27. Januar 1891 am Gehirnschlag. Schlesien verlor in dem tüchtigen
Manne einen seiner besten Söhne, dessen Name in der Chronik der Stadt
Kattowitz mit ehernen Lettern stehen wird. Unserer Gesellschaft hat
der Verewigte seit 1839 angehört,
Robert Jäschke, Rentier hierselbst, entschlief nach langen Leiden
am 7. November 1891. Derselbe war am 20. Januar 1813 geboren,
erhielt seine Schulbildung in Breslau, widmete sich hierselbst später
dem Kaufmannsstande und trat in das Geschäft (Roh- und Stangeneisen)
seines Vaters ein, das er nach dessen Tode mit seinem Bruder Ludwig
fortführte. Er leistete seiner Vaterstadt als Stadtverordneter Dienste
und war Mitglied des Verwaltungsraths des Schlesischen Bankvereins.
— Wir verloren an ihm einen eifrigen Förderer der Zwecke unserer
Gesellschaft, der besonders die naturwissenschaftliche Erforschung seiner
Heimathsprovinz Schlesien sich angelegen sein liess, wovon seine ver-
schiedenartigen, auf Reisen zusammengebrachten Naturalien-Sammlungen
Zeugniss ablegen. Er gehörte unserer Gesellschaft seit 1881 an und
besuchte von unseren Sectionssitzungen besonders die Sectionen für
Obst- und Gartenbau, die naturwissenschaftliche und die botanische, bis
er durch schweres körperliches Leiden daran mehr und mehr verhindert
wurde. Besonders die älteren Mitglieder der genannten Sectionen
werden dem stets gern gesehenen, jovialen und humorvollen alten Herrn,
dessen naturwissenschaftliche Kenntnisse weit über den Rahmen seines
Berufes hinausragten, ein dauerndes Andenken bewahren.
Carl Emanuel Klopsch, Dr. med., Geheimer Medieinalrath und
Professor hier, wurde am 16. März 1829 als der jüngste Sohn des Gym-
nasial-Direetors Dr. Klopsch zu Gross-Glogau geboren. In einer Ele-
mentarschule für den Gymnasialunterricht vorbereitet, trat er Ostern 1837
in das unter der Leitung seines Vaters stehende Gymnasium ein und
verliess dasselbe Ostern 1847 mit dem Zeugnisse der Reife, um in
Halle Philologie zu studiren. Er verblieb hier bis Ostern 1849 und war
während eines Jahres Mitglied des philologischen Seminars. Dann be-
zog er die Universität Erlangen und blieb hier bis Ostern 1851. Klopsch
hatte nur auf den Wunsch seines Vaters das philologische Studium er-
Nekrologe. 11
wählt, während eigene Neigung ihn stets zu den Naturwissenschaften und
zur Mediein drängte. Er genügte dem Willen seines Vaters auch in-
sofern, als er nach beendigtem 4jährigen Studium der Philologie sich
der Prüfung pro facultate docendi in Greifswald unterzog. Dann erst
erlangte er die väterliche Einwilligung, sich dem Studium der Mediein
zu widmen. Nachdem er im 18. Infanterie-Regimente seiner Dienstpflicht
genügt, bezog er die Universität Breslau, studirte hier von Michaeli 1852
bis Michaeli 1855 Medicin, wurde am 12. September 1855 rite zum
Dr. med, und chir. promovirt und machte im darauf folgenden Winter
das medieinische Staatsexamen, worauf er mit dem Prädicat „vorzüglich
bestanden‘ als praktischer Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer approbirt
wurde. Ostern 1856 wurde er als Assistent am physiologischen Institut
der hiesigen Universität angestellt und leitete als solcher vorzugsweise
die Arbeiten im physiologisch-chemischen Laboratorium. In dieser
Stellung blieb er bis Michaeli 1857, als er die Leitung des von Professor
Remer begründeten orthopädischen Instituts zu Breslau übernahm, das
er in freundschaftlicher Verbindung mit Geh. Rath Professor Dr. Middel-
dorpf erweiterte und dem er bis zu seinem Lebensende vorstand. Im
Jahre 1859 habilitirte er sich in der medicinischen Faeultät der Uni-
versität zu Breslau als Privatdocent und begann am 1. Juli seine
akademischen Vorlesungen. Das Kriegsjahr 1864 führte den jungen
Chirurgen nach Schleswig, wo er als Arzt des Johanniter-Feldlazarethes
eine unermüdete und erfolgreiche Thätigkeit entwickelte. Seine
Leistungen, namentlich beim Sturm auf die Düppeler Schanzen, wurden
durch Verleihung des Düppeler Schanzenkreuzes ausgezeichnet. Kurz
vor dem Kriege 1866 zum ausserordentlichen Professor ernannt, machte
er den Feldzug in Böhmen und Mähren als Stabsarzt eines schweren
Feldlazarethes mit. Dort hatte er Gelegenheit zu angestrengtester und
segensreichster Wirksamkeit, namentlich in dem mit 395 Kranken be-
legten Baracken-Lazareth in Karthaus, in welchem er an den grössten-
theils schwer Verwundeten eine grosse Anzahl der wichtigsten Ope-
rationen mit ungewöhnlich günstigem Resultate ausführte. Seine Thätig-
keit in diesem Feldzuge wurde durch Verleihung des Kronen-Ordens
III. Klasse am Bande des Hohenzollerschen Hausordens anerkannt. Nach
Beendigung des Feldzuges kehrte er nach Breslau zurück und wurde
1868 an Stelle seines verstorbenen Freundes und Lehrers Mitteldorpf
zum Königlichen Medieinalrath und Mitglied des Medieinal-Collegiums
für die Provinz Schlesien ernannt. — Im Jahre 1870 folgte er dem
Rufe des Königs und zog als Regimentsarzt des 2. Schlesischen Dra-
goner-Regiments nach Frankreich, von wo er erst nach Beendigung des
Krieges zurückkehrte. Seine während desselben bewiesene ärztliche
Thätigkeit wurde durch Verleihung des Eisernen Kreuzes und des
Rothen Adler-Ördens Allerhöchst anerkannt, Seine Ernennung zum Ge-
12 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
heimen Medicinalrath erfolgte 1882. Im letzten Jahre seines Lebens
übernahm er noch die Stellung als dirigirender Arzt des Maltheser
Krankenhauses. Infolge der in den Feldzügen erlittenen Anstrengungen
und der aufreibenden Wirksamkeit als einer der gesuchtesten Aerzte
und Öperateure Breslaus hatte er sich ein Herzleiden zugezogen, von
dem er wusste, dass es unheilbar sei, und welches in ihm öfter den
Gedanken an sein baldiges Hinscheiden aufkommen liess. Trotzdem
war er in seinem Berufe unermüdlich thätig und für das Wohl seiner
Kinder als treuer liebender Vater in jeder freien Stunde aufopfernd be-
sorgt. Leider erfüllte sich das Vorausgesehene früher, als er und die
Seinen erwartet; nachdem er von einem Krankenbesuche zurückgekehrt
war, verschied er plötzlich am 17. September 1891 infolge eines Herz-
schlages. Mit der Schlesischen Gesellschaft, deren wirkliches Mitglied der
Verewigte seit 1880 war, trauert auch die Prov.-Grossloge von Schlesien,
deren Prov.-Grossmeister er war. Sein Leben war ein reich begnadetes
zu nennen. Von hoher Begabung und voll edelsten Geistes war er auch
Dichter von Gottesgnaden, dessen Poesien noch lange fortleben werden.
Durch ungewöhnliche Beredsamkeit ausgezeichnet, war er nicht nur der
allbereite, hilfreiche Tröster am Krankenbette in Hütte und Palast; er
verstand auch überall versöhnend und vermittelnd einzutreten, wie er
selbst stets herzlich und mild im Verkehr war. Ein immer bereiter
Helfer in allen Lebensverhältnissen, zeigte er sich als ein Musterbild
treuester Freundschaft, als der liebevollste Gatte und Vater. Sein stets
regsamer, nach dem höchsten strebender Geist, für den es keinen Augen-
blick ohne Verwendung gab, wohnte in einem scheinbar nie ermüdenden
Körper und obwohl er genau den Markstein seines Lebens kannte, war
ihm Bangen vor dem Tode völlig fremd.
Wilhelm Rudolph Korn, Landes-Oekonomierath, wurde am
15. December 18283 zu Riegersdorf, Kreis Neustadt in Oberschlesien, als
Sohn des dortigen Rittergutsbesitzers Korn geboren. Nach dem Besuch
der Gymnasien zu Neisse und Breslau widmete sich Korn, innerem
Drange folgend, im Jahre 1847 dem landwirthschaftlichen Berufe und
bezog nach zweijähriger praktischer Thätigkeit zu Niclasdorf, Kreis
Strehlen, die Akademie Hohenheim, welche er nach einem mit dem
Prädicat einer „öffentlichen Auszeichnung“ bestandenen Abgangsexamen
im Jahre 1850 verliess. Korn kehrte sodann wieder nach Breslau
zurück, hörte hier naturwissenschaftliche und volkswirthschaftliche Dis-
ciplinen und nahm, nachdem er noch zu seiner fachlichen und allgemeinen
Ausbildung grössere Reisen unternommen, im Jahre 1852 wieder die
praktische Thätigkeit auf. 1854 erfolgte der Ankauf des Ritterguts
Gross-Woitsdorf, Kreis Wartenberg, zwecks Errichtung einer Acker-
bauschule; dieser Plan kam indessen wegen Verkaufs des Guts nicht
Nekrologe. 13
zur Ausführung. Späterhin, 1857, erwarb Korn das Rittergut Wengry,
Kreis Adelnau (Posen); dort sehr bald zum Landschafts-Deputirten be-
rufen, ward ihm neben der Ausübung seines Berufs ein weiterer Wir-
kungskreis in Wahrnehmung der ziemlich umfänglichen Pflichten jenes
Ehrenamtes. Indessen erwiesen sich die Verhältnisse für den deutschen
Gutsbesitzer inmitten einer polnischen Bevölkerung auf die Dauer nicht
in dem Maasse angenehm, dass die im Jahre 1862 gebotene Gelegenheit
zu einem vortheilhaften Verkauf nicht hätte wahrgenommen werden
sollen. Korn siedelte wieder nach Breslau über und begann alsbald
in Fachzeitschriften (agronomische Zeitung, preussische Annalen u. s. w.)
eine ausgedehnte journalistische Thätigkeit, die ihn in dem Maasse an-
zog, dass bald der Wunsch auf Begründung eines eigenen Fachorgans
lebendig wurde. Dazu kam die in der Provinz Schlesien mächtig auf-
strebende Thätigkeit der landwirthschaftlichen Vereine, welche ein weites
Feld des Wirkens und Schaffens auch auf fachlich litterarischem Ge-
biete bot. Korn widmete sich dem Vereinswesen, dem er sich gleich-
zeitig zuwandte, mit unermüdlichem Eifer, er wurde Geschäftsführer des
landwirthschaftlichen Vereins zu Breslau und hauptsächlichster Mit-
begründer der internationalen Maschinen - Ausstellungsmärkte (1864),
welche unter seiner ständigen Leitung sich zu einem überaus bedeut-
samen Unternehmen entwickelten. 1865 rief Korn die landwirthschaft-
liche Zeitschrift den „Landwirth‘“ ins Leben und kam hiermit, sowie
durch die Art seiner Schreibweise und seiner redactionellen Thätigkeit
dem Bedürfniss der Zeitrichtung glücklich entgegen. Die Redaction des
„Landwirth“, welcher im Jahre 1866 Organ .des landwirthschaftlichen
Centralvereins für Schlesien ward, führte Korn bis zum Jahre 1878,
während er die Oberleitung dieser inzwischen eine der angesehensten
Fachschriften gewordenen Zeitung als Herausgeber bis zu seinem Tode
beibehielt. Im Jahre 1865 wurde Korn zum Generalsecretair des land-
wirthschaftlichen Centralvereins für Schlesien gewählt und damit auf
einen Platz gestellt, welcher ihm Gelegenheit zur vollen Entfaltung seiner
hervorragenden Begabung bot. Korn widmete sich seinem Amte mit
treuester Hingebung. Getragen von dem Vertrauen der Präsidenten des
Centralvereins — zunächst Graf von Burghauss, dann Graf von Pückler-
Burghauss — und der landwirthschaftlichen Vereine gelang es seiner nie
erlahmenden und vor Schwierigkeiten nicht zurückschreckenden Energie,
das landwirthschaftliche Unterrichtswesen und das in seiner Bedeutung
lange unterschätzte Ausstellungswesen in Bahnen zu leiten, welche her-
vorragende Erfolge erzielen liessen. Hatte Schlesien 1865 nur eine
Ackerbauschule (Poppelau) und das agricultur - chemische Institut zu
Saarau, so entstanden während seiner Amtsführung die Landwirthschafts-
schulen zu Brieg und Liegnitz, die landwirthschaftliehen Winterschulen
zu Schweidnitz, Neisse, Oppeln und Görlitz, die agrieultur-chemische und
14 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
agrieultur-botanische Versuchsstation zu Breslau, das milchwirthschaft-
liche Institut zu Proskau, die Obstbauinstitute zu Brieg und Liegnitz,
sowie die Lehrschmiede zu Breslau; endlich hat Korn einen wesent-
lichen Antheil an der Errichtung des landwirthschaftlichen Instituts an
der Universität Breslau. Daneben wurde das Vereins- und Ausstellungs-
wesen sachgemäss geordnet und erheblich erweitert, wie es ferner das
Verdienst Korns ist, eine Reihe sonstiger, die provinzielle Landwirth-
schaft fördernder Institutionen geschaffen zu haben (Bullenstationen,
Zuchtstierversicherungs-Gesellschaft u. s, w.). 1871 war Korn berufen,
an der Begründung des deutschen Landwirthschaftsraths mitzuwirken,
dem er sodann als Vertreter Schlesiens angehörte, 1874 wurde er auch
in das Landes-Oekonomie-Collegium delegirt. Ausser den umfänglichen
Berichten und sonstigen Arbeiten, an deren Veröffentlichung Korn in
seiner Eigenschaft als Generalsecretair betheiligt war, gab er heraus
„Berichte über die in Verbindung mit der XX VII, Versammlung deutscher
Land- und Forstwirthe vom 10.—15. Mai 1869 zu Breslau veranstalteten
Ausstellungen (1869), den „amtlichen Bericht über die XXVII. Versamm-
lung deutscher Landwirthe zu Breslau vom 10.,—15. Mai 1869 (1869),
den „amtlichen Bericht über die Versammlung der Delegirten aller zum
Norddeutschen Bundesgebiete gehörenden landwirthschaftlichen Central-
und Hauptvereine zu Berlin vom 12.—16. Februar 1870“ (in Verbindung
mit Oekonomierath von Schlicht-Potsdam), endlich „Grundzüge, betreffend
die Organisation der landwirthschaftlichen Ausstellungen‘ (Breslau 1378).
Korn war ein durch die vortrefflichsten Eigenschaften ausgezeichneter
Beamter. Von unermüdlichem Pflichteifer und Schaffensdrang erfüllt,
besass er einen scharfen, durchdringenden Verstand und ein ganz her-
vorragendes Organisationstalent. Reiches, vielseitiges Wissen und eine
wahrhaft vornehme Gesinnung verband er mit den liebenswürdigsten
Umgangsformen; die Lauterkeit seines Gemüths, seine jederzeit bilfs-
bereite Selbstlosigkeit haben alle schätzen gelernt, welche zu ihm in
Beziehung getreten waren. Die Feier der 25sten Wiederholung des
Maschinenmarktes (1888) und Korn’s 25jähriges Amtsjubiläum als Ge-
neralsecretair (1890) zeigten, in welchem Grade sich derselbe der all-
meinen Achtung erfreute; aus ersterem Anlasse errichtete der Breslauer
landwirthschaftliche Verein die „Wilhelm Korn-Stiftung‘, aus deren Er-
trägniss den Bestimmungen des nunmehr Dahingeschiedenen gemäss
junge schlesische Landwirthe Stipendien zum Besuch der landwirth-
schaftlichen Lehranstalten des Centralvereins empfangen. Die Verdienste
Korn’s wurden durch die Verleihung des Ehrenkreuzes des fürstlich
Hohenzollernschen Haus-Ordens III. Klasse (1873), des Rothen Adler.
Ordens IV. Klasse (1879), sowie des Kronen-Ordens III. Klasse (1881)
und des Rothen Adler-Ordens III. Klasse mit der Schleife (1890) be-
lohnt, ferner erhielt er 1885 den Titel eines Landes-Oekonomieraths,
Nekrologe. 15
nachdem er im Jahre 1874 zum Oekonomierath ernannt worden war.
Korn war nicht verheirathet; „er habe zum Heirathen keine Zeit ge-
habt“, pflegte er scherzend zu sagen, und in der That ging er voll-
ständig in den Aufgaben auf, die er sich gestellt hatte. Schlesien, seine
Heimathsprovinz, liebte er über alles, seine Erholung fand er, obgleich
kein Feind der Geselligkeit und des Verkehrs, im Freundeskreise, in
einem einsamen Spaziergang durch Feld und Wald, namentlich auf seiner
Besitzung zu Bad Landeck. Er empfand es deshalb auf das Schmerz-
lichste, als zunehmende Kränklichkeit ihn mehr und mehr an das
Zimmer fesselte und ihm ein Fussleiden das Gehen erschwerte und
schliesslich fast unmöglich machte. Im letzten Lebensjahre Korn’s ver-
sehlimmerte sich sein Zustand zusehends; trotz schweren Leidens und
von der Ahnung eines nahen Todes erfüllt, reiste er Ende October
nach Davos, woselbst er nach hartem Todeskampfe am 13. November
verstarb. Seine Beisetzung erfolgte zu Breslau am 20. November auf
dem Kirehhofe zu St. Maria-Magdalenen. Der Schlesischen Gesellschaft
hat Korn seit 1866 angehört.
Eugen Otto Franz Krocker, Dr. phil., Professor an der ehe-
maligen Akademie für Landwirthe zu Proskau, der bekannten Familie
entstammt, welche Breslau drei berühmte Aerzte geschenkt, wurde hier am
9. Juli 1818 geboren und besuchte von 1829—1835 das hiesige Matthias-
Gymnasium, welches er als Primaner verliess, um in der Apotheke von
Olearius hier die „Apothekerkunst“ zu erlernen. Im Jahre 1329 be-
stand er sein Gehilfenexamen, ging dann nach Dresden und vollendete
seine Studien an dem dortigen pharmaceutischen Institute und an der
Universität Berlin und bestand 1844 in Berlin seine Staatsprüfung ‚‚vor-
züglich gut“. Im folgenden Jahre immatrieulirte er sich an der Univer-
sität Giessen, wo er unter Liebig’s Leitung arbeitete und 1846 die
philosophische Doctorwürde erwarb, nachdem er das examen rigorosum
permagna cum laude bestanden. Von Ostern 1846—1847 war er als
Assistent im physiologischen Institute bei Professor Purkinje angestellt
und wurde von hier am 1. October 1847 als Lehrer der Chemie,
Physik und Technologie an die damals gegründete landwirthschaftliche
Lehranstalt nach Proskau berufen, welche später zur landwirthschaft-
lichen Akademie erhoben wurde. Hier entfaltete Krocker als Lehrer
und Analytiker 30 Jahre lang eine ungemein rege und segensreiche
Thätigkeit, von seinen Collegen hochgeachtet und geliebt. Im Jahre 1852
wurde er zum Professor ernannt und 1858 durch Verleihung des Rothen
Adler-Ordens IV. Klasse ausgezeichnet. Hier vermählte er sich 1849
mit der Tochter des Direetors der Anstalt, Geh. Raths Heinrich, mit
welcher er bis 1886 in höchst glücklicher Ehe lebte. Mit der Auf-
lösung der Akademie 1881 wurde Krocker unter Belassung seines vollen
16 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Gehaltes in den verdienten Ruhestand versetzt. Er lebte seit dieser
Zeit in Breslau als Director eines viel in Anspruch genommenen Privat-
laboratoriums, bis im Sommer 1890 ein Schlaganfall ihm jede wissen-
schaftliche Thätigkeit unmöglich machte. Schon hoffte man auf völlige
Wiederherstellung, als ein erneuter Anfall ihn wieder aufs Krankenlager
warf, bis ihn der Tod am 26. Februar 1891 von seinen schweren Leiden
erlöste. Krocker war ausschliesslich Analytiker und durfte als einer der
vornehmsten Vertreter der angewandten Chemie in Schlesien gelten.
Von seinen wissenschaftlichen Werken sei nur sein Leitfaden für agri-
eultur-chemische Analyse erwähnt, ein ausgezeichnetes Buch, das im
Jahre 1861 erschien, mehrere Auflagen erlebte und in mehrere Sprachen
übersetzt wurde, Von den von Krocker erfundenen chemischen Apparaten
sind besonders sein Kartoffelprober und seine Milchentrahmungs-
maschinen bekannt geworden, Weit über die Grenzen seiner Heimaths-
provinz hinaus hatte Krocker’s Namen einen guten Klang, so stand er
als Ehrenmitglied in den Listen mehrerer ausserschlesischer landwirth-
schaftlicher Vereine. Unserer Gesellschaft hat er seit 1881 als wirkliches
Mitglied angehört,
Hermann Krocker, Dr. med. und Geh. Sanitätsrath in Breslau,
wurde hier am 4. November 1810 geboren, besuchte von 1818—1822
das Privatinstitut des Rector Reiche, von da bis 1828 das Matthias-
Gymnasium hierselbst. Von 1828—1833 studirte er in Breslau Mediein
und wurde am 13, September 1833 auf Grund der Dissertation ‚De
plantarum epidermide“ zum Doctor promovirt. Im Herbste desselben
Jahres begab er sich nach Berlin, um sich der medieinischen Staats-
prüfung zu unterziehen, nach deren Beendigung er eine Reise durch
Deutschland nach Paris und London antrat, von welcher er im Sommer
1835 nach Breslau zurückkehrte, um sich hier als praktischer Arzt,
Wundarzt und Geburtshelfer niederzulassen. Seit 1839 lehrte er an
der medieinisch-chirurgischen Lehranstalt bis zu deren Auflösung. Selten
dürfte ein Arzt durch ein ganzes Leben mit gleicher idealer Begeisterung
seinem Berufe nachgegangen sein, wie es Krocker gethan hat. Nicht
entfernt an materiellen Vortheil denkend, widmete er seine Zeit und
sein ganzes Dasein nur der Linderung des Leidens seiner Mitmenschen,
Wenn ein Kranker seiner bedurfte, dann galten Tages- und Nachtzeit
gleich, jedes eigene Vorhaben unterblieb und augenblicklich folgte er dem
ergangenen Rufe. Rastlos eilte er von einem Patienten zum andern,
ohne nur Zeit zu seinen mässigen Mahlzeiten zu finden. Drei bis vier
Stunden Schlaf mussten ihm genügen, so dass er oft an einem Tage
50—60 Kranken hilfsbereit nahen konnte. Dabei galt ihm der ärmste
Mensch und der entlegenste Stadttheil so viel wie der Reiche, der seinen
Wagen zu ihm schickte. Für Reisen, Spaziergänge oder gesellige Ver-
Nekrologe. 17
gnügungen fand er, der liebenswürdigste Gesellschafter, doch niemals
Zeit. Ungezählte Arme pflegte er völlig umsonst, denen, die in besseren
Ständen in gedrückten Verhältnissen lebten, verlangte er zartfühlend nur
ein winziges Anstandshonorar ab. So folgte ihm die Dankbarkeit aller
seiner Patienten über das Grab hinaus. Diese ausgedehnte Praxis musste
er, gebeugt durch schwerste Schicksalsschläge, seit dem Jahre 1878 ein-
schränken, besonders als ihn im Jahre 1885 ein Schlaganfall betraf, für
den er in Landeck Genesung suchte. Doch war er auch mit 80 Jahren
noch im Stande, Vor- und Nachmittags mehrere Stunden in seinem Be-
rufe zu wirken und nach alter Weise schwer kranke Patienten noch
Abends um 10 Uhr zu besuchen. Denn je mehr der Schmerz — er
hatte den Tod einer geliebten Gattin und von 6 Kindern zu beklagen,
nur eine Tochter blieb ihm erhalten — ihn innerlich von der Aussen-
welt löste, um so ausschliesslicher beherrschte ihn das Verlangen zu
helfen und Gutes zu thun. So sehr diesem seltenen Manne jede äussere
Huldigung, jedes persönliche Geltendmachen widerstrebte, wurde er doch
auf das Wohlthuendste und Wärmste von der Feier berührt, welche,
angeregt von der Schlesischen Gesellschaft, der er bereits seit 1335 an-
gehörte, im Jahre 1876 der hundertjährigen ärztlichen Thätigkeit der
Krocker’s (Grossvater, Vater und Sohn) in hiesiger Stadt galt. Sein
50jähriges Doctor-Jubiläum 1833 drängte ihn zu einer Reise nach Wien,
Triest und Venedig, denn er wollte jeder Feier entgehen, da ihm in
der zusammenfassenden Erinnerung nur die schmerzlichen Verluste
nachklangen. Die unerwartete Ernennung zum Ehrendoetor der philo-
sophischen Facultät der Universität Breslau warf jedoch einen freund-
lichen Lichtstrahl auf jene Tage. Der Tod seines Bruders, des Pro-
fessors Franz Krocker, mit welchem er im innigsten Verkehr lebte
brach seine letzte Kraft. Wenige Tage nach dem Begräbnisse stellten
sich Besorgniss erregende Zustände ein, welche, in Verbindung mit einer
Verkalkung der Blutgefässe, nach schweren Leiden am 25. August 1891
das Ende herbeiführten. — Trotz seiner anstrengenden ärztlichen Thätig-
keit behielt Krocker doch stets wissenschaftliche Fühlung nach aussen,
der er freilich ‚hauptsächlich durch nächtliche Lectüre genügen musste,
wie er unablässig medicinischen Studien oblag. Den Vorlesungen der
Schlesischen Gesellschaft suchte er soviel als möglich beizuwohnen und
ausserdem besuchte er bei verschiedenen Professoren Fortbildungskurse
für Aerzte etc. Seine liebste Erholung gewährte ihm allzeit die Musik.
Ständiger Abonnent der Orchester- und der Akademie-Concerte wusste
er bisweilen das Unmögliche möglich zu machen, um einer Aufführung
beiwohnen zu können. Ebenso führte ihn seine Freude an der bilden-
den Kunst und sein feines Verständniss für dieselbe in den letzten
Jahren noch öfter in das Museum. Diesem reichen, vielseitigen Geiste
wohnte auch ein milder, köstlicher Humor bei, welcher die Kranken
18 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
und Hilfesuchenden oft erquickte, daher wurde auch sein 80. Geburtstag
umgeben von inniger Liebe und Verehrung gefeiert.
Dr. med. Langner, Geh. Sanitätsrath und Brunnenarzt in Landeck,
war am 21. November 1321 zu Breslau geboren. Er besuchte das
Gymnasium in Glatz, wohin seine Eltern übergesiedelt waren. Seine
Universitätsstudien absolvirte er in Breslau und das Staatsexamen als
praktischer Arzt bestand er 1850 in Berlin. Nachdem er dann einige
Zeit Assistent an der geburtshilflich-gynaecologischen Klinik in Breslau
gewesen war, liess er sich in Landeck als Bade- und Brunnenarzt nieder,
Dort hat er 40 Jahre lang bis zu seinem am 16. Sepember 1891 er-
folgten Tode praktieirt. Längere Zeit hindurch hat der Verstorbene der
Königlichen Bade- und Brunnen-Commission zu Landeck angehört. Im
Jahre 1866 war er dirigirender Arzt der drei grossen in Landeck er-
richteten Lazarethe. Seine Thätigkeit wurde durch Verleihung des
Kronen-Ordens IV. und I. Klasse, des letzteren mit dem rothen Kreuz,
anerkannt. Später wurde er noch durch Verleihung des Hohenzollerschen
Hausordens ausgezeichnet. Ueber die Quellen von Landeck und die
Umgebung des Kurortes erschien im Jahre 1868 ein Werk des Ver-
storbenen unter dem Titel: Bad Landeck. Ein Handbuch für Kurgäste
und Touristen. Im Wesentlichen durch die Bemühungen des Verstor-
benen wurde im Jahre 1867 eine Stiftung ins Leben gerufen, deren
Protectorat Ihre Kgl. Hoheit die Frau Prinzessin Karl von Preussen an-
zunehmen geruhte. Von dem gesammelten Fonds wurde ein Militair-
Kurhaus erbaut, dessen dirigirender Arzt der Verstorbene bis zu seinem
Tode gewesen ist. Langner war unablässig für das Wohl des Bades
Landeck thätig, wo er bis kurz vor seinem Ende die ärztliche Praxis
ausgeübt hat. Er war mit Leib und Seele Arzt und leistete jederzeit
sern Jedem ohne Ansehen der Person seine Hilfe. Der Schlesischen
Gesellschaft hat er seit 1864 als auswärtiges Mitglied angehört.
Vietor von Richter, Professor der Chemie an der Universität
Breslau, wurde am 15. April 1842 zu Dobeln in Kurland als Sohn des
dortigen Predigers, der später Bischof in St. Petersburg wurde, geboren.
Mit seinen Eltern 1850 nach St. Petersburg übergesiedelt, besuchte er
zuerst die reformirte Schule, später die St. Annenschule (classisches Gym-
nasium), deren Reifezeugniss ihn 1858 auf die Universität Dorpat be-
gleitete. Hier erwarb er nach erfolgreichen physikalischen und chemi-
schen Studien im Jahre 1863 auf Grund einer Arbeit: ‚Ueber die or-
ganischen Säuren mit drei Sauerstoffatomen“, den Grad eines Candidaten
der Chemie. Von 1864—72 war er Assistent am technologischen In-
stitut in St. Petersburg, unter Mendelejeff, wo er 1868 an der Univer-
sität auf Grund einer Arbeit: „Ueber die Constitution der Derivate der
Nekrologe. 19
Propionsäure“ und nach einem wohlbestandenen Examen zum Magister
der Chemie befördert und mit der Leitung des praktischen Unterrichts
in der Chemie und mit Vorlesungen über analytische Chemie betraut
wurde. Neben dieser Thätigkeit am technologischen Institut war
v. Richter seit 1871 zugleich besoldeter Docent an der Universität zu
St. Petersburg, woselbst er 1872, nach Vertheidigung seiner Schrift:
„Ueber die Structur der Benzolderivate‘“ den Grad eines Doctors der
Chemie erhielt. Von zwei gleichzeitig an ihn ergehenden Berufungen
als Professor an die Universität zu Kasan und an die land- und forst-
wirthschaftliche Akademie in Nowo-Alexandria in Polen, gab er der
letzteren den Vorzug und wirkte daselbst bis 1874. Im Sommer des-
selben Jahres gab er seine Professur auf und schied gleichzeitig aus
dem russischen Staatsdienste, um zunächst im Auslande zu reisen und
dann in Bonn unter Kekul@’s Auspicien seine wissenschaftlichen Arbeiten
fortzusetzen. In diese Zeit fällt auch die Entstehung seiner beiden
Lehrbücher der „anorganischen Chemie“ 1875 und der „Chemie der
Kohlenstoffverbindungen‘‘ 1878. Im December 1875 habilitirte er sich
in Breslau als Privatdocent mit einer öffentlichen Vorlesung ‚über das
periodische System der Elemente und das neu entdeckte Element Gal-
lium“. Er übernahm die Leitung der Abtheilung für organische Chemie
im chemischen Universitäts- Laboratorium des Geh. Rath Löwig, wurde
1879 zum ausserordentlichen Professor ernannt und durch Ministerial-
Erlass vom 16. October 1890 mit der Direction des zu einem selbst-
ständigen Institut für technische Chemie erhobenen bisherigen landwirth-
schaftlich-technologischen Zweig-Instituts beauftragt. Richter’s Gesundheit
liess in den letzten zehn Jahren viel zu wünschen übrig, sein Lungen-
leiden führte ihn wiederholt nach Görbersdorf; er war zur Wiederher-
stellung seiner Gesundheit im Sommer-Semester 1890 und Winter -Se-
mester 1890/91 beurlaubt und konnte auch im Sommer 1891 seine
Vorlesungen noch nicht aufnehmen, als er am 8. October v. J. plötzlich
in Folge eines Blutsturzes, der ihn auf der Strasse ereilte, starb. Rich-
ter’s wissenschaftliche Arbeiten bewegen sich hauptsächlich auf dem
Gebiet der synthetischen Chemie, sie waren vorzugsweise dem Benzol
zugewandt und namentlich der Frage nach der gegenseitigen Stellung
der substituirenden Elementaratome oder Atomgruppen im Benzol, welche
ihn, wie fast alle Chemiker in den 60er und 70er Jahren unseres Jahr-
hunderts, lebhaft beschäftigte und an deren Lösung er sich mit wech-
selndem Glücke betheiligte.. Wir zählen gegen 50 wissenschaftliche
Abhandlungen, welche von ihm und seinen Breslau’er Schülern vorzugs-
weise in den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft veröffent-
licht worden sind, unter ihnen 13 Dissertationen, die unter seiner Lei-
tung im chemischen Laboratorium der Universität entstanden waren.
Seine am meisten und in weiten Kreisen bekannten wissenschaftlichen
20 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Leistungen sind seine Lehrbücher, deren gedrängte Fassung bei grossem
Reichthum des Inhalts und klarer Darstellung, den Bedürfnissen des
Lehrers wie der Studirenden so sehr entsprach, dass sie in dem Zeit-
raum von 15 Jahren nicht weniger als sechs Auflagen erlebt haben und
ins Russische, Englische, Italienische und Holländische übersetzt wurden.
Die letzte (6.) Auflage der Chemie der Kohlenstoffverbindungen erschien
im Mai 1891 und giebt, wie der Präsident der deutschen chemischen
Gesellschaft A. W. v. Hofmann in der Sitzung derselben am 26. Octo-
ber 1891 es aussprach, „ein glänzendes Zeugniss von der zähen Ener-
gie des Verfassers, der die Musse zur Bearbeitung derselben den Anfällen
seines quälenden Leidens abzugewinnen wusste“, v. Richter besass,
entsprechend seiner grossen Begabung, ein reiches Wissen bei völliger
Beherrschung seines Arbeitsgebiets, er war im Besitz der Liebe seiner
Schüler, deren wissenschaftliche Arbeiten er mit grosser Selbstlosigkeit
veröffentlichen liess. Auch die schlesische Gesellschaft, der er seit
1883 angehörte, verliert in ihm ein überaus thätiges Mitglied; die
Resultate seiner wissenschaftlichen Arbeiten wurden oft zuerst ihrer
naturwissenschaftlichen Section vorgelegt.
Friedrieh Wilhelm Rosenbaum, Kaufmann und Königlicher
Commerzienrath hier, Schatzmeister der Schlesischen Gesellschaft für
vaterländische Cultur, wurde am 25. September 18338 zu Breslau als
ältester Sohn des Riemermeisters und Stadtverordneten gleichen Namens
geboren und besuchte bis zu seinem 16. Jahre das hiesige Real-Gym-
nasium. In dieser Zeit legte er den Grund zu den umfassenden Kennt-
nissen auf dem Gebiete der Naturwissenschaften, besonders der Chemie,
welche er späterhin durch angestrengtes Selbststudium auszudehnen und
zu vertiefen bemüht geblieben ist. Die in jenen Jahren gewonnenen
Grundlagen bildeten von nun an den Kernpunkt seiner geschäftlichen
Stellung, wie seiner gesammten Lebensanschauung.
Mit 16 Jahren trat er (1854) in das bekannte Handelshaus von
Bernhard Joseph Grund ein, welches sich damals zwar an der nämlichen
Stelle wie heute befand, aber in weit engeren Rahmen bewegte — um
zuerst als Lehrling, weiterhin als Commis und als Reisender 10 Jahre
darin thätig zu sein. 1864 übernahm er den gleichen Posten in einem
in verwandter Richtung arbeitendem Berliner Hause, 1865 in einem
ebensolchen zu Coblenz. Die Eindrücke, welche ihm die neue, für sein
empfängliches Naturell ungemein anregende Wirksamkeit in dem viel-
gestaltigen Treiben der preussischen Hauptstadt, dann inmitten des
hochentwickelten industriellen Lebens der Rheinprovinz lieferte, die
Erfahrungen, die er dort sammelte, verstand er vortrefflich auszunutzen,
Denn fort und fort blieb er darauf bedacht, sich durch systematische
ernste Arbeit alle Fortschritte der Technik anzueignen und so dem
Nekrologe. 21
raschen Fluge der Zeit stetig zu folgen. Die im sang- und sagenreichen
Rheinlande verlebten Lern- und Wanderjahre wurden ihm jedoch zugleich
eine Quelle edelster geistiger und künstlerischer Genüsse. Weit über das
Bereich des Geschäftlichen hinaus wurden durch sie innere Beziehungen
geknüpft, persönliche Bande geschaffen, welche er bis zu seinem Ende
auf das liebevollste gepflegt hat.
Mit der Rückkehr in die Heimath (1. Januar 1868) kehrte er
auch in das Haus Grund wiederum zurück, jetzt allerdings als dessen
Theilhaber, bald als Um- und Neugestalter. Es galt, neben dem bis
dahin fast ausschliesslich berücksichtigten Handel in Colonialwaaren
den in Droguen zur Geltung zu bringen: eine fundamentale Neuerung,
die eben nur ein auf chemischem, wie technischem Gebiete so gründlich
durchgebildeter Kaufmann wie er ins Werk zu setzen, solchen Erfolgen
entgegenzuführen vermochte. Wirklich hob sich die Bedeutung des
Hauses durch die Macht seiner Persönlichkeit und deren schöpferisches
Durchgreifen von Jahr zu Jahr: so sehr, dass es sich nicht nur in Schle-
sien die erste Stelle in der genannten Branche errang, sondern auch
weit über dessen Grenzen hinaus einen hervorragenden Platz in der
gesammten Handelswelt einnahm. |
Das ausserordentliche Vertrauen, welches er sich durch die hier
entfaltete Thätigkeit bei seinen Mitbürgern erworben, fand beredten
Ausdruck in einer grossen Zahl von Ehrenstellungen, mit denen diese
ihn bekleideten. Sowohl das Amt als Handelsrichter, wie als Mitglied
der Handelskammer verwaltete er mit rastloser Hingebung zum Wohle
seiner Berufsgenossen, seines Standes, seiner Vaterstad. Als Mitglied
des Volkswirthschaftsrathes aber wirkte er zugleich für die grossen
Interessen seiner Provinz, von der er bald als gewählter Vertreter, bald
als Vertrauensmann bei den verschiedensten kritischen Anlässen nacd
der Reichshauptstadt entsendet wurde. Wenige in der That waren mehr
hierzu berufen als er, der durch die Schärfe seines Blickes und die
Klarheit seines Urtheils nicht nur befähigt war, das Beste zu erkennen,
sondern vermöge der hinreissenden Kraft seiner Rede zugleich im Stande
auch die Zweifelnden und Widerstrebenden von dessen Nothwendigkeit
zu überzeugen. Andererseits waren auch darum Wenige zu solch öffent-
licher Thätigkeit gleich geeignet, wie er, der in strenger eigener Schule,
aus unmittelbarer Erfahrung mit den mannigfachsten Richtungen,
Bedürfnissen und Hilfsmitteln des modernen Verkehrslebens vertraut
geworden war, und das um so mehr, insofern er theils durch geschäft-
liche Pflichten, welche ihm sein eigenes Haus auferlegte, theils durch
seine Betheiligung an zahlreichen wohlbekannten Unternehmungen auf dem
Gebiete der chemischen Grossindustrie mit allen Kreisen der Handelswelt
in nahen Beziehungen stand,
u Fi
29 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Indess nach all diesen Seiten hin liess er sich nicht an den noch so
sehr in die Augen fallenden Erfolgen seines Wirkens genügen. Vielmehr
gehörte er zu jenen auserwählten Vertretern der Handelsinteressen, welchen
der Drang innewohnt, allen ihren Erfahrungen einen wissenschaftlichen
Hintergrund zu verleihen, und welche eben dadurch so recht berufen sind,
die grossen Lehren der Volkswirthschaft für das praktische Leben nutzbar
zu machen. Von diesem seinem Streben gaben seit langem regelmässi-
ges Zeugniss die Berichte, mit welchen er am Jahresschluss eine Ueber-
sicht über die national-ökonomische Entwickelung in der abgelaufenen
Periode zu geben pflegte. Die Grenzen der unmittelbar zu lösenden
Aufgabe kundigen Auges überschreitend, unterzog er hier die verschie-
densten Erscheinungen des wirthschaftlichen Lebens, alle Tagesfragen
diesseits wie jenseits des Oceans einer auf Statistik, wie auf eine selbst-
ständige Kritik gestützen Besprechung. Dass ein solcher Mann eine der
Haupttriebfedern der Begründung einer neuen Section unserer Gesell-
schaft, der volkswirthschaftlichen, werden musste, kann sicherlich Nie-
manden überraschen und ebenso, dass er sich als eine. ihrer festesten
Stützen bewährte, als sie 1887 ins Leben getreten war. Theils indem
er die thätige Theilnahme dafür in immer weitere Kreise zu tragen
wusste, theils indem er mehrfach seine Ansichten über Themata dar-
legte, welche im Vordergrunde der allgemeiner Erörterung standen, ge-
wann er ihr neue Kräfte, durch sein Beispiel selbstarbeitende Anhänger.
Noch ist der Vortrag in lebendiger Erinnerung, welchen er zu Beginn
dieses Jahres über die Mac-Kinley-Bill gehalten hat. Denn packend
in der That war das von ihm ausgemalte Bild der Stellung, welche
auf Grund des neuen Gesetzes Europa’s Productionskraft in der Volks-
wirthschaft der Zukunft einnehmen werde. Immer geschah das mit
der ihm eigenen Lebendigkeit und mit jener Wärme der Ueberzeugung,
die seine ganze Persönlichkeit erfüllte: Eigenschaften, welchen überall,
selbst seitens der Gegner, die höchste Achtung gezollt wurde.
Für sich selbst schlicht und anspruchslos, wie es einem echten
selfmade-man geziemt, für Andere in seltenem Grade zu jedem Opfer der
Freundschaft, der Nächstenliebe bereit, hat er Aussergewöhnliches für das
Gemeinwesen geleistet. In einer Humanität, die aus der Tiefe eines warmen
Herzens quoll, ward er bis in seine letzten Lebenstage nicht müde, die
Fülle seiner Gaben, wie seine reichen Mittel zur Unterstützung jedes
Zweckes, jeder Bestrebung zu verwenden, von welcher er überzeugt
war, dass sie das allgemeine Wohl fördern oder der Noth der Bedürf-
tigen, der Schwachen und Kranken steuern sollte.
Das Bild eines so segensreichen Mannes muss und wird Allen, die
ihm im Leben je näher getreten, immer unvergesslich sein. Sein nach
kurzer Krankheit am 15. December 1891 erfolgter Tod war für die
Schhlesische Gesellschaft, welcher der Verstorbene seit 1880 als Mit-
Nekrologe. 33
glied angehörte, ein sehr schmerzlicher Verlust. Rosenbaum war Mit-
begründer der volkswirthschaftlichen Section, Mitglied des Präsidiums
und seit Beginn des Jahres 1891 Schatzmeister der Gesellschaft, die gerade
von seiner zielbewussten Kassenführung die Verwirklichung mehrerer viel-
erwogener und vielbestrittener Reformen erhoffte und die überzeugt war,
dass es seiner bewährten Umsicht gelingen werde, alle davon etwa zu
befürchtenden üblen Folgen zu vermeiden,
Dr. Carl Ferdinand Roemer, Geheimer Bergrath, ordentlicher
Professor und Director des mineralogischen Museums der Universität
Breslau, wurde am 5. Januar 1818 zu Hildesheim geboren, wo sein
Vater Obergerichtsrath war. Bis zu seinem 18, Jahre besuchte Ferd.
Roemer das evangelische Gymnasium Andreanum seiner Vaterstadt, an
welchem er durch den an demselben angestellten Lehrer der Mathematik,
Dr. Muhlert, auf Excursionen und durch Sammeln zuerst zu naturhisto-
rischen Beobachtungen angeregt wurde, welche im Verkehr mit seinen
Brüdern stets neue Förderung fanden. Vor allen war es sein ältester
Bruder, Friedrich Adolf Roemer, sodann Fr. Hoffmann und Quenstedt,
welche von ihm auf ihren gelegentlichen Excursionen begleitet wurden
und dabei in ihm besonders die Liebe zur Geologie erweckten, Als
Ferd. Roemer das Gymnasium absolvirt hatte, war es denn auch sein
lebhafter Wunsch, sich ganz den Naturwissenschaften zu widmen, er
nahm aber auf Abrathen seines Bruders wegen der Unsicherheit des
Lebensberufes davon Abstand, und studirte in Göttingen 1836 — 1839
Rechtswissenschaft. Jedoch widmete er sich auch in dieser Zeit vor-
zugsweise den Naturwissenschaften, die ihn unentwegt mit unwidersteh-
lichem Reiz anzogen. Mit grossem Eifer hörte er Geognosie bei Haus-
mann, der auf zahlreichen Ausflügen ein vortrefflicher Lehrer war;
während des in Heidelberg verbrachten Sommersemesters 1833 besuchte
er besonders Bronn’s Vorlesungen über Zoologie. Entscheidend für
Roemer’s späteren Lebensgang wurde der Umstand, dass ihm bei der
Meldung zum Examen für die höhere juristische Laufbahn ohne sein
Verschulden aus Gründen der Politik Schwierigkeiten gemacht wurden.
So beschloss er, sich ganz der Geologie zuzuwenden. Zu Ostern 1840
ging Roemer nach Berlin, hörte bei Chr. Sam. Weiss Mineralogie und
Krystallographie, bei Gustav Rose Geognosie und Mineralogie, bei H. von
Dechen Geologie Deutschland’s und besuchte auch die Vorlesungen des
berühmten Johannes Müller, die des Zoologen Lichtenstein, des Physikers
Dove, sowie der Chemiker Mitscherlich und Heinrich Rose. Am
10. Mai 1842 erwarb er dann zu Berlin die philosophische Doctorwürde
auf Grund einer paläontologischen Dissertation „de astartarum genere‘“.
Die nächsten Jahre vielfach auf wissenschaftlichen Reisen, hielt sich
Roemer nur während der Wintermonate in Berlin auf. Die Frucht
24 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
seiner Arbeiten in dieser Zeit war die im Jahre 1844 erschienene
geognostische Schrift „das rheinische Uebergangsgebirge“, ein Werk,
welches Jahrzehnte hindurch die Grundlage für die geologische Forschung
im genannten Gebiet geblieben ist. Alsbald wandte sich Roemer der
Untersuchung anderer Theile des rheinisch-westphälischen Gebirges zu,
besonders auch dem Teutoburger Walde; jedoch trat er bald darauf, im
Frühjahr 1845 eine mehrjährige naturwissenschaftliche Reise nach Nord-
amerika an, ausgestattet mit reichen, zum Theil von der Berliner Aka-
demie gewährten Mitteln, und versehen mit warmen Empfehlungen an
die amerikanischen Fachgenossen von Seiten Alexanders von Humboldt
und Leopolds von Buch. Auf dieser Reise besuchte Roemer die meisten
der Vereinigten Staaten, nahm aber besonders einen anderthalbjährigen
Aufenthalt in Texas, zur Erforschung von dessen fast noch ganz unbe-
kannten natürlichen Verhältnissen. Kurz nach der Rückkehr erschien
der Reisebericht: „Texas, mit besonderer Rücksicht auf deutsche Aus-
wanderung und die physikalischen Verhältnisse des Landes nach eige-
ner Beobachtung geschildert; mit einem naturwissenschaftlichen An-
hange und einer topographisch - geognostischen Karte von Texas, Bonn
1849“, Als weitere Frucht der amerikanischen Reise erschien 1852 eine
Monographie der texanischen Kreidefauna und 1860 eine Monographie der
silurischen Fauna des westlichen Tennessee, Der besondere Werth dieser
Abhandlungen, abgeseben von der Beschreibung neuer Formen, liegt
hauptsächlich in den mit den gleichaltrigen Faunen Eurapa’s gezogenen
Vergleichen; ein wissenschaftliches Verfahren, wie es in damaliger
Zeit fast noch einzig dasteht. Im Sommer 1848 habilitirte sich Ferdi-
nand Roemer bei der philosophischen Facultät der Universität in Bonn
als Privatdocent für die mineralogisch-geologischen Wissenschaften, ins-
besondere für Paläontologie. Zu Ostern 1855 erhielt Roemer einen Ruf
als ordentlicher Professor und Director des „‚„mineralogischen Cabinets“
nach Breslau. Dieses „‚Cabinet‘“ enthielt nur einige wenige Mineralien,
wie sie heute kaum zum Unterricht auf einer Realschule als genügend
erachtet werden würden; überdies war das Cabinet in durchaus unzweck-
mässigen und unzureichenden Räumen untergebracht, im zweiten Stock-
werk des sogenannten Convictgebäudes auf der Schmiedebrücke. Roemer
sah es als seine ganz besondere Aufgabe an, hier Wandel zu schaffen.
Er hat diese Aufgabe in glänzendster Weise gelöst. Als Roemer im
Sommer 1860 einen ehrenvollen Ruf nach Göttingen erhielt, lehnte er
ihn ab; man wird hiermit die Erfüllung seines Wunsches nach einem
Neubau in Verbindung bringen dürfen, indem bei Gelegenheit des Bres-
lauer Universitäts-Jubiläums von “Seiten des Königlichen Ministeriums
die Zusage zu einem solehen Neubau ertheilt wurde, welcher ausser
einem ,‚Mineralogischen Museum“, in den anderen Stockwerken das
physikalische Cabinet und das pharmaceutische Institut aufnehmen sollte.
Nekrologe. 25
Dieser Neubau, an der Oder zwischen Schuhbrücke und Universitätsplatz
errichtet, wurde im Frühjahr 1866 seiner Bestimmung übergeben, und
war vielfach, besonders natürlich in Bezug auf die für das Museum be-
stimmten Räumlichkeiten des zweiten Stockwerkes, nach Roemer’s An-
gaben eonstruirt. Hier hat Roemer eine, sowohl an Mineralien wie an
Petrefacten, überaus reiche und wohlgeordnete Sammlung geschaffen.
Für die Ordnung und Aufstellung speciell der mineralogischen Samm-
lung wusste Roemer einen unübertrefflichen Mitarbeiter an dem dama-
ligen Oberbergrath Martin Websky zu gewinnen, der bald seine bis-
herige Laufbahn aufgab, um sich ganz der Wissenschaft zu widmen.
Es ist hier nicht der Ort, um die Verdienste dieses ausgezeichneten
Gelehrten zu würdigen, der 1868 zum ausserordentlichen Professor in
Breslau ernannt und 1873 als Nachfolger Gustav Rose’s nach Berlin be-
rufen wurde; — jedoch soll hier hervorgehoben werden, dass es ein
ganz besonderes Verdienst Roemer’s um die Mineralogie ist, Martin
Websky für die Wissenschaft „gerettet‘‘ zu haben. Neben dem unge-
wöhnlichen Organisationstalent, das sich an der Einrichtung des mine-
ralogischen Museums bewährte, kommt aber auch in den nicht öffentlich
ausgestellten Sammlungen des Museums, den für die Vorlesungen und
für die Studirenden zum Repetiren bestimmten Sammlungen, Roemer’s
hervorragendes Lehrtalent zum Ausdruck, Ferd, Roemer’s Lehrsamm-
lungen sind unter den Fachgenossen geradezu weltberühmt. Roemer’s
Meisterschaft der Didaktik, die Klarheit seines Vortrages in allen von
ihm behandelten Capiteln, das ungewöhnlich Anregende seiner Lehrweise
wurden naturgemäss die Veranlassung, dass Roemer eine ganz beträcht-
liche Anzahl von Schülern, wohl mehr als irgend ein anderer Geologe,
herangezogen hat, die sich fürs Leben den geologisch - mineralogischen
Wissenschaften widmeten. So bedeutendes Gewicht aber auch Roemer
auf seinen Lehrberuf legte, und so gross auch seine Liebe zum Lehren
bis an sein Ende war, eben so unermüdlich und fruchtbar war stets
auch seine Forscher-Thätigkeit. (Ein vollständiges Verzeichniss der
wissenschaftlichen Arbeiten Römer’s findet sich im ‚Neuen Jahrbuch für
Mineralogie und Geologie‘ Jahrg. 1892, Bd. I.) Es mögen hier nur noch
einige seiner wichtigsten Arbeiten hervorgehoben werden. Nachdem
Roemer noch in Bonn eine Neubearbeitung von Bronn’s Lethaea geo-
gnostica „Erste Periode, Kohlengebirge‘“ übernommen hatte, beschäftigte
er sich auch in Schlesien zuerst vorzugsweise mit Untersuchungen von
Petrefacten der paläozoischen Formation. Daneben zog ihn besonders
das Studium der erratischen Blöcke an. Er begnügte sich aber nicht,
neue Arten aus Geschieben zu beschreiben, sondern sah die Hauptauf-
gabe der Erforschung der Geschiebe in der Bestimmung ihrer Heimath
und somit ihres Transportweges,. Die Beschreibung einer reichen
Sammlung von Geschieben, welche bei Sadewitz, unweit Oels, vorkamen,
26 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
ist in der Gratulations-Schrift unserer Schlesischen Gesellschaft an die
Universität Breslau zu deren 50jährigem Jubiläum 1861 gegeben. Im
nächsten Jahre wurde vom Preussischen Handelsministerium die Her-
stellung einer geognostischen Karte von Oberschlesien angeordnet und
an Roemer die wissenschaftliche Leitung dieses Unternehmens über-
tragen. Acht Jahre nahm die Herstellung dieser Karte in Anspruch, zu
welcher Degenhardt, Eck und Halfar als Mitarbeiter zugezogen wurden.
Die Ergebnisse der Untersuchungen bei dieser Kartirung brachte das
1870 erschienene dreibändige Werk ‚Geologie von Oberschlesien“, Als
der Plan gefasst worden war, Bronn’s Lethaea geognostica in erweiter-
tem Umfange neu erscheinen zu lassen, übernahm Roemer wieder die
Bearbeitung der palaeozoischen Formationen, die als Lethaea palaeozoica
in einem abgeschlossenen Werke erscheinen sollte; 1876 kam zunächst
ein Atlas mit 62 Tafeln heraus, dem 1880 die erste und 1833 die zweite
Lieferung des Textbandes folgte. Leider ist dieses Werk unvollendet
geblieben; aber noch bei Lebzeiten hat Roemer die Fortsetzung des-
selben einem jüngeren Gelehrten übertragen. Dass Roemer aber keines-
wegs arbeitsmüde geworden war, das zeigen die noch in ununterbroche-
ner Reihenfolge bis zu seinem Tode erscheinenden kleineren und grösse-
ren Abhandlungen, von denen hier nur noch die über die Knochenhöhlen
von Ojecow in Polen (1883), die Lethaea erratica (1885) und die über
eine oberturone Fauna von Texas (1838) erwähnt sein mögen. Aus
unermüdlicher Thätigkeit, in voller Frische seines reichen Geistes und
ungeschwächter körperlicher Rüstigkeit, plötzlich und unerwartet, wurde
Ferdinand Roemer am 14. December 1891 in früher Morgenstunde vom
Tode abberufen. Zu besonderem Danke ist dem Verewigten auch un-
sere Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur verpflichtet. Dem
Gedeihen und der wissenschaftlichen Thätigkeit der Gesellschaft brachte
Roemer stets das regste Interesse entgegen, wie auch die grosse Zahl
von Vorträgen beweist, welche er in der naturwissenschaftlichen Section
gehalten hat; als deren Secretair fungirte Roemer von 1858—1861 und
von 1865 bis zu seinem Tode. Ferdinand Roemer war ein in jeder
Beziehung freidenkender Mann, doch achtete er auch die Ueberzeugung
Anderer. Ein fester, selbstständiger Charakter, war er eine durch und
durch vornehme Natur. Die Vielseitigkeit seiner Bildung war erstaunlich.
Nicht nur beherrschte er in einem immer seltener werdenden Maasse
alle beschreibenden Naturwissenschaften, er besass auch eine eingehende
Kenntniss der klassischen wie der modernen schönen Literatur. Be-
neidenswerth war seine Fertigkeit in fremden Sprachen, welche ihm
natürlich bei seinen vielen Reisen sehr zu statten kam. Von seiner
grossen amerikanischen Reise war schon oben die Rede. In Europa
hat er wohl kein Land unbesucht gelassen; häufig war er in England,
in der Schweiz und Italien, wiederholt in Spanien, auch in Frank-
Nekrologe. 27
reich, Irland, Norwegen, Schweden, Russland und in der Türkei bis
Constantinopel. Seine Liebenswürdigkeit und seine lebendige Unter-
haltungsgabe gewannen ihm die Zuneigung aller Fachgenossen. So ist
es erklärlich, dass Roemer im Auslande wohl der bekannteste und ge-
feiertste deutsche Geolog war. Allen, die mit ihm in Berührung kamen,
wird sein feiner Humor und treffender Witz unvergesslich sein, der auch
sarkastisch werden konnte, wenn des geistreichen und scharf beobach-
tenden Mannes feine Empfänglichkeit für das geistig und körperlich
Schöne sich gereizt fühlte. Ein begeisterter Verehrer des klassischen
Alterthums, besass er in seinem Wesen etwas von olympischer Heiter-
keit, die bis in seine letzten Lebenstage in Stunden frohen Zusammen-
seins mit gleichgestimmten Freunden zum Ausdruck kam. Ihm war auch
wie wenigen Glücklichen beschieden, befriedigt auf die Summe seines
Lebens zurückblicken zu können. Auch sein letzter Wunsch, nicht hin-
siechend den Beschwerden des Alters zu erliegen, sondern lieber im
Vollbesitz seiner Kräfte von einem raschen Tode abberufen zu werden
— „wen die Götter lieben, den nehmen sie mit dem Blitze zu sich‘,
pflegte er zu sagen —, auch dieser Wunsch ist ihm in Erfüllung
gegangen. Ein ehrenvolles dankbares Andenken ist ihm für alle Zeit
gesichert.
Oswald Ludwig Theodor Ernst Sack, Ober-Regierungsrath
a. D. hier, wurde am 24. October 1809 zu Gross-Glogau geboren, wo-
selbst sein Vater, Ernst Leberecht Sack, das Amt eines Kreis -Steuer-
Einnehmers bekleidete. Seine Schulbildung genoss er auf dem dortigen
Gymnasium und widmete sich nach absolvirtem Abiturienten- Examen
dem Studium der Rechtswissenschaft auf den Universitäten Halle, Heidel-
berg und Berlin. Im Jahre 1831 wurde er beim Ober-Landesgericht zu
Gross-Glogau als Auscultator vereidet und arbeitete dort, bis er 1835
zur Verwaltung übertrat und an die Regierung zu Oppeln versetzt wurde.
Nach abgelegtem Staatsexamen wurde er zum Regierungs- Assessor be-
fördert und ihm die commissarische Verwaltung der Landrathsämter zu
Neustadt, Ober-Glogau und Gleiwitz anvertraut. 1843 erhielt er die
Ernennung zum Landrath des Kreises Rosenberg 08. 1849 wurde er
von dem Wahlkreise Kreuzburg-Rosenberg mit grosser Majorität als
Abgeordneter in die zweite Kammer gewählt. 1850 kam er zufolge
seines Wunsches als Regierungsrath nach Oppeln. Hier stellte er im
Auftrage der Behörde die im Regierungsbezirke daselbst geltenden
polizeilichen Strafverordnungen zum amtlichen Gebrauche zusammen,
welche Arbeit 1852 bei W. Clar in Breslau im Buchhandel erschien.
1862 wurde er zum Ober-Regierungsrath und Dirigenten der Abtheilung
des Innern ernannt und 1863 in gleicher Eigenschaft nach Breslau ver-
setzt. Hier bekleidete er im Nebenamt von 186571 die Stelle eines
28 Jahresbericht der Schles. Gesellschaft für vaterl. Cultur.
Landarmen-Direcetors und war Stellvertreter des Regierungs - Präsidenten
im Bezirksrath. Bei der Reorganisation der Verwaltungsbehörden wurde
er im Jahre 1381 auf seinen persönlichen Wunsch zur Disposition ge-
stellt, nachdem er dem Staate ein halbes Jahrhundert treu gedient hatte.
Se. Majestät der König verlieh ihm 1869 den Rothen-Adlerorden 3. Kl.
mit der Schleife und 1881 den Kronenorden 2. Klasse. In den ver-
schiedenen Stellungen, die er eingenommen, wurden stets die reichen
Gaben seines Geistes und Herzens anerkannt. Seine unermüdliche Ar-
beitskraft, sein sicheres Urtheil, wie sein praktischer Blick in allen ge-
schäftlichen Verhältnissen erwarben ihm das volle Vertrauen seiner
Vorgesetzten, sein wahrhaft collegialischer Sinn die Freundschaft und
Liebe seiner Mitarbeiter und sein humanes Wesen die dankbare Ver-
ehrung seiner Untergebenen. Mit Stolz hing er an seiner Heimaths-
provinz Schlesien, der er seine ganze amtliche Thätigkeit gewidmet und
die er auch nie verlassen wollte, obgleich ihm in andern Provinzen
manche ehrenvolle Stellung angeboten wurde. In voller geistiger wie
körperlicher Frische, ohne die Leiden des Alters zu empfinden, war es ihm
noch zehn Jahre lang vergönnt, den wohlverdienten Ruhestand zu ge-
niessen. Ein heftiger Bronchial-Katarrh raffte nach wenigen Krankheits-
tagen am 6. October 1891 den bisher gesunden, kräftigen Mann dahin.
Unserer Gesellschaft hat der Verstorbene seit 1866 als wirkliches Mit-
glied angehört.
Hermann Schweitzer, Banquier, ist am 29. November 1829 in
Breslau geboren und am 19. Februar 1891 hier gestorben. Er hat ein
hiesiges Gymnasium besucht und sich dann, wie sein Vater, dem Kauf-
mannsstande gewidmet. Er hat sich gern bei gemeinnützigen und wohl-
thätigen Bestrebungen betheiligt und ist z. B. der Begründer der hiesigen
Volksbibliothek und unter Anderem auch einer Stiftung für arme Kranke
in Meran geworden. Wenn er auch nach Aussen wenig hervortrat, so
hat er doch im Stillen durch Wohlthun viel Gutes gestiftet und nament-
lich auch wissenschaftliche Bestrebungen gern unterstützt. Unserer Ge-
sellschaft hat der Verstorbene seit 1863 als wirkliches Mitglied angehört.
Friedrich, Johann Bellier de Launay, Justizrath, Rechts-
anwalt und Notar in Breslau, entstammte einer französischen Familie,
die im Jahre 1783 als Refugie’s aus Frankreich auswanderte und in
Ostpreussen eine neue Heimath fand, wo sie von der katholischen zur
reformirten Kirche übertrat. Er wurde am 22. Mai 1823 zu Braunsberg
geboren. Sein Vater, mehr Gelehrter als Kaufmann, war Compagnon
des Commerzienraths Oestreich, dessen jüngste Tochter er 1810 heirathete.
Nach dem Tode der Mutter gelangte der Knabe in das Haus seiner viel
älteren Schwester, der Frau Baronin v, d. Trenk auf Woischnuren bei
Nekrologe. 29
Rastenburg, wo er erzogen wurde. Seine juristischen Studien absolvirte
er auf der Universität Königsberg. Er wurde 1857 Assessor und 1858
Kreisrichter in Ortelsburg. In den 60er Jahren wurde er als Abgeordneter
der Fortschrittspartei in den preussischen Landtag gewählt. Hier in
Berlin lernte er die Familie des Frauenarztes, Geh. Rath Dr. Carl Mayer,
kennen, mit dessen Tochter er sich 1865 vermählte. Darauf ging er
1867 als Rechtsanwalt nach Gross-Glogau, wo er bald Stadtverordneter
wurde und viele Jahre das Amt eines Stadtverordneten-Vorstehers be-
kleidete. 1879 siedelte er als Rechtsanwalt nach Breslau über, wo ihn
das Vertrauen seiner Mitbürger auch bald zum Stadtverordneten wählte.
Er starb hier am 23. December 1891, nachdem ihm drei Monate vorher
von seinen drei Kindern der einzige Sohn nach langer Krankheit ent-
rissen worden war. Bellier de Launay war auch litterarisch thätig, denn
er war Mitarbeiter an einer juristischen Wochenschrift. Unserer Ge-
sellschaft hat er seit 1884 als wirkliches Mitglied angehört.
Schliesslich sei es mir gestattet, den Hinterbliebenen und Freunden
unserer verstorbenen Mitglieder für die freundliche Mittheilung der
betreffenden Lebensnachrichten den verbindlichsten Dank auszusprechen.
Auch sei bemerkt, dass die Nekrologe über Korn von Herrn Dr. phil.
Kutzleb, über v. Richter von Herrn Geh.-Rath Prof. Dr. Poleck, über
Rosenbaum von Herrn Geh.-Rath Dr. Ponfick und über Roemer von
Herrn Prof. Dr. Hintze im Manuseript eingesendet wurden.
&. Limpricht.
Druck von Grass, Bartı & Comp. (W. Friedrich) in Breslau,
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“Dr. JG. Galle, Grundzüge‘. der schles. Klimatologie, 1857, 4 40,. 127
«Dr. H. Lebent, Klinik des acuten Gelenkrheümatismug, Gratulationsschrift
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Zwei Reden. nehafie von: dem Reg. -Quartiermstr, "Müller und- ER Re e
Feier des Stiftungstages ‚der. Gesellschaft zur Beförüegum der a e
- Schlesiens, am 17. December 1894. 8%: 48 ‚Seiten.
und an sämmtliche Schlesier, von-Reetor jeiche 418097. 8%, BR wa
Oeffentlieher Actus’der Schles. Gesellschaft 7. vater]. ‚Cultar, ‚gehaligh am 1.
Feier ihres: Stiftungsfestes. - 8°, 40 8: 7
Joh. George‘ Thomas, ‚Bandb., d. Titeraturgeschichte v. Schlesen, 1825: Be a
Preisschrift: "x:
Die schtes. Bibliothek der Schles. Gesellschaft v. K, G.Nowack;. 8°. 1835 oder später ei
Denkschrift der Schles. Gesellschaft zu ihrem 50jähr. Bestehen, enthaltend ae e
-Schles. ' Gesellschaft: ‚und Beiträge. zur Natar =. “und. gr
Mit 10 lithogr. Tafeln” 4°, 382 S.
Dr.J.A.Hoennicke;, Die Mineralquellen der Broyinz ER iss7. Br
Dr. J. Kühn, Die zweckwässigste Ernährung: des’Rindviehs, 1859. .8°, Re
Jubiläum des ‚Geh. 'San.-Raths Dr. Ant. Kro.cker. he 1860... E
schiebe von.
in Sehlesien, mit 6 lithogr. u. 2 Kupfer- -Tafeln, 1861. 4% 70 Be
. Lieder zum Stiftungsfeste der, entomoldgisehen und botanischen Section der‘ \
als Manuseript gedruckt. 1867.80, 92 S.
Verzeichniss der in. ‚den. Sehriften der ‚Schles,, Gesellschaft: von 300g ie
3 Aufsätze in‘ “alphab; Ordnung.von Letzner..- 2868. 8% ir
„Fortsetzung der in den Schriften der Schles. Gesellschaft für vaterl. ‚Cultur von‘)
5 enithaltenen Aufsätze, geordnet nach‘ den Verfassern in alphab. 0)
General- Sachregister der in den. Schriften ‘der Schles. Gesellschaft für. vater. Cultur've
bis. 1876 incl. enthaltenen Aufsätze, geordnet in alphab. Folge‘ von ‚Dr. Schnei
| 2. Periodische: Sehriften.. SER IP Sef:
Endingen u egeliächaft f. Naturkunde u: Industrie Schlesigns. 8. Bi 1, alt,
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"Bit. 2, 112-8. 1806... Desgl. Bd. IL, +1. Heft, 1807... =" z
. Oorrespondgnzblatt der Sehlesischen Gesellsehaft ‚für ‚vaterländiche Cultur r
OIBÄE: 4,4810, 98 8.4 ®, „Jahrg. 111,.1812, 96.8 | Jahrg, NL
ed 1 ıv. 1613 ten je0B, ss. VI,.3815,
Correspondenz st Schles. Gesellschaft. f. waterl. Cultur. 82. B4uH 61,7 'S- mit Abt Fo!
1820. “Desgl. Bd.JI (Heft 1), 80 S. mit Abbild: 1820. * 2: RE Be;
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Jahrg. 1824. 55 Seiten. 4°. =... 5.445, met, Beobael E l
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